Skip to main content

Full text of "Oesterreichische Monatsschrift für den Orient"

See other formats


UNIVERSITY  OF  TORONTO 
LIBRARY 


WILLIAM  H.  DONNER 
COLLECTION 

purchased  from 
a  gift  by 

THE  DONNER  CANADIAN 
FOUNDATION 


eP 


ÖSTERREICHISCHE 


0iiafe5t|rift  ftir  kn  #rM 


Herausgegeben  vom 


K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM 


IN  WIEN. 


CS  SOo^f 


Redigirt  von  Ä.  von  Scala. 


,       JEDNOTA    -^ 

V     PRUMYSLU 

^--  V   CECHÄCH    y 


SECHZEHNTER  JAHR&AN&. 


1890. 


WIEN,  1890. 


VERLAG    DES   K.    K.    ÖSTERR.    HANDELS-MUSEUMS. 

DRUCK  VOK  eil,  RRIsailK  *  M.  WEBTRIIKR. 


HF 

/3 


/ 


K  N  I  H  Q  /  r>l  A  P 


(i 


W^^gM£/-'' 


INDEX. 


Seite 

A. 

Aberglauben  der  Türken,  Vom     ........  103 

Afrika,  Im  dunkelsten 81,  97,  150 

Afrikanischen  Orden,  Die  symbolische  Rose  in  den 

Dord- 8 

Albinos  im  indischen  Archipel      48 

Alterthümer  der  Khmer  in  Kambodscha 116 

Arabien,  Die  Bauten  in 71 

Arsenal  zu  Kiang-Nan,  das  chinesische  See-     ...  80 

Asiatischen  Nordküste,  Zustände  an  der  Klein-    .    .  32 

Asien,  Musik  und  Tanz  in   Ost- lO 

Ausstellung  im  Handels-Museum,  Teppich  -  .    .    .    .  160 

„            in  Taschkent  1889 31 

„             „   Tokio,  Dritte  National- 64 

„  von     kunstgewerblichen     Objecten     im 

Handels-Museum 160 


B. 

Bahnfrage,  Der  heutige  Stand  der  Sahara-     .    .    .    .124 

Bauten  in  Arabien,  Die 71 

Bengalische  Jute 170 

Bevölkerung  Siams,  Die 193 

Bild  aus  dem  chinesischen  Leben,  Ein 78 

Binger's  Reise  im  Sudan,  Capitän 40 

Botanische  Gärten  zu  Buitenzorg,  Der 64 

Buddha  und  Jina 87 

Buitenzorg,  Der  botanische  Garten  zu 64 

c. 

China,  Die  Ehe  in 128 

„      Landesposteinrichtungen 32 

„      Ueberschwemmungen  in 127 

Chinas  Erschliessung,  West- ■   ...  176 

Chinesinnen,  Die  kleinen  Füsse  der 15 

Chinesische  Namen  der  europäischen  Geschäftshäuser 

in  Hongkong 64 

Chinesische  See-Arsenal  zu  Kiang-Nan,  Das     ...  80 

^            Staatsprüfungen 16 

Chinesischen  Leben,  Ein  Bild  aus  dem 78 

Cholera  in  Mesopotamien  1889,  Die 17 

Colonialunternehmungen  bei  Beginn  des  Jahres   1890, 

Die  deutschen  Schutzgebiete  und  ...  4,  22,  44,  60 

Colonisationeprojecte,  Philippinische 14 

D. 

Datum  auf  den  Philippinen,    Das 192 

Dayakische  Kunst 119 

Deutsche  Emin  Pascha-Kxpedition 65 

Deutschen  Schutzgebiete  und  Colonialunternehmungen 

bei  Beginn  des  Jahres  1890,  Die  ...  4,  22,  44,  60 
Druckes,    Neue    Entdeckungen    zur    Geschichte   des 

Papieres  und 161 

E. 

Edelsteine,  Indische '94 

Ehe  iu  China,  Die .    .  ia8 


8«iU 

Ehe  in  Japan,  Die 4g,  74 

Emin  Pascha-Expedition,  Deutsche 65 

Entdeckungen    zur    Geschichte     des    Papierei     and 

Druckes,  Neue ....  16I 

Entwicklungsgeschichte  des  Islam.  Zur    .......  181 

Europäischen  Geschäftshäuser  in   Hongkong,  Chine- 
sische Namen  der 64 

F. 

Fabriksindustrien  in  Indien 1,19 

Fayencen,  Satsuma- 113 

Feueranbeter  oder  Monotheisten  ? 33 

Füsse  der  Chinesinnen,  Die  kleinen 15 


Genussmittel  des  Orientes,  Die      .    .  37,  54,  76,  95,  107 
Geschäftshäuser    in  Hongkong,    Chinesische    Namen 

der  europäischen 64 

Geschichte  der  Null,  Zur 'S8 


H. 

Handels  Museum,     Ausstellung     von     kunstgewerb- 
lichen Objecten  im 160 

Handels-Museum,    Programm    der    Vorlesungen    im 

k.  k.  Oesterreichischen     .  ' .  160 

Handels-Museum,  Teppichausstellung  im  160 

Hanfstadt,  Leskovac,  Die  serbische.    .    .  113 

Harem,  Eine  Stimme  aus  einem    ....  iio 

Hongkong,  Chinesische  Namen  der  europäischen  Uc- 
schäftshäuser  in 64 

I. 

Indien,  Fabriksindustrien  in I.     I9 

Indien,  Wilde  Thiere  und  giftige  Schlangen  in  Ost-      194 

Indischen  Archipel,  Albinos  im 48 

Indische  Edelsteine I94 

Indischer  Volksschmuck  und  die  Art,  ihn  in  tragen      1 29 
Islam,  Zur  Eutwickluagsgeschichte  des 181 

J. 

Japanische  Theater,  Das      179 

Japanischen  Papier-Industrie,  Zur     ...  .    .  190 

Jina,  Buddha  und 87 

Jute,  Bengalische 170 


K. 


116 
119 


Kambodscha,  Alterthümer  der  Khmer  in 

Kunst,  Day.ikische 

Kunstgewerblichen    Objecten     im     HandcU-.Siuscum, 
Ausstellung  von 160 


Seite 

L 

Lage  und  Producte  des  Landes  Punt 173 

LandesposteinrichtuDgen  in  China 33 

Leskovac,  die  serbische  Hanfstadt 112 

M. 

Malakka,  Die  Halbinsel 27 

Mesopotamien,  Die  Cholera  in 17 

Missionäre  in  Shanghai,  Conferenz  der 96 

Monotheisten?,  Feueranbeter  oder 33 

Musik  und  Tanz  in  Ostasien 10 

N. 

Nationalausstellung  in  Tokio,  Dritte 64 

Nordküste,  Zustände  an  der  kleinasiatischen      ...    32 
Null,  Zur  Geschichte  der 158 

o. 

Orden,    Die    symbolische  Rose    in    den  nordafrika- 
nischen           8 

Orientes,  Die  Genussmittel  des      .    .  37,  54,  76,   95,   107 

P. 

Papieres     und    Druckes,    Neue    Entdeckungen     zur 

Geschichte  des 161 

Papierindustrie,  Zur  japanischen IgO 

Philippinen,  Das  Datum  auf  den I92 

Philippinische  Colonisationsprojecte       14 

Posteinrichtungen  in  China,  Landes- 173 

Prüfungen,  Chinesische  Staats- 32 

Producte  des  Landes  Punt,  Lage  und      16 

R. 

Religiösen  Orden,    Die    symbolische    Rose    in    den 
nordafrikanischen 8 


Seite 

s. 

Saharabahnfrage,  Der  heutige  Stand  der 124 

Satsuma-Fayencen 112 

Schlangen  in  Ostindien,  Wilde  Thiere  und  giftige  .  194 
Schutzgebiete  und  Colonialunternehmungen    bei  Be- 
ginn des  Jahres   1890,   Die  deutschen    .  4,  22,  44,     60 
See- Arsenal  zu  Kiang-Nan,  Das  chinesische      ...     80 

Serbische  Hanfstadt,  Leskovac,  Die 113 

Shanghai,  Conferenz  der  Missionäre  in 96 

Siams,  Die  Bevölkerung I93 

Staatsprüfungen,  Chinesische 16 

Sudan,  Capitän  Binger's  Reise  im 40 

Symbolische  Rose  in  den  nordafrikanischen  religiösen 
Orden,  Die      8 

T. 

Tanz  in   Ostasien,  Musik  und 10 

Taschkent,  Ausstellung  in 31 

Teppichausstellung  im  Handels-Museum 160 

Theater,  Das  japanische 179 

Thibet,  Aus 80 

Thiere  und  giftige   Schlangen  in  Ostindien,  Wilde   .  194 

Tokio,  Dritte  Nationalausstellung  in 64 

Türken,  Vom  Aberglauben  der 103 

u. 

Ueberschwemmungen  in  China 127 

V. 

Volksschmuck  und  die  Art,  ihn  zu  tragen.  Indischer  .  120 
Vorlesungen  im  k.  k.  Oesterr.  Handels-Museum,  Pro- 
gramm der 169 


II 


Jänner-Heft  1890. 


JEONOTA  X 


Nr.  1, 


OESTERREICH  ISCHE 


P0Mt5sr|rift  für  kn  #rient 


HerausgeKebcD    vom 


K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 

Redigirt   von   A.    von   Soala. 


Monatlich   eine   Nummer. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS- MUSEUMS  IN  WIEN. 


Pr«it  Jlbri.  3  f.  --  K)  Maii. 


INHALT:    Fiil'rikMiiiduslrien  in  Indit'u.    Von   iCmil  Schlaginttveit. 

—  Die  deutschen  Hcliutzfrfbiet-^  un'l  t'olonialunterDoliuiunKen 
lel  H-Kinn  des  Jahres  I8li0.  —  Die  Nyintjolitcljo  Hose  in  den 
Nordafrikani^c•hen    religii^sen  Orden      Von   Dr.    Jgn.  Ooldxiher. 

—  Musik  und  Tanz  hiOstaKion. — PIHIippinischo  ColoniKalions- 
Projocte.  Von  l'rof.  h\  Blumentritt.  —  M  i  h  c  e  II  o  n  :  Die 
kleinen  Fllsse  der  Chinesinnen.  —  Chinesische  ätaatuprUfungen. 

FABRIKSINOUSTRIEN  IN  INDIEN. 

Von  Emil  Schlagintweit. 

US  den  Kornkammern  Indiens  kommt 
fortgesetzt  die  Klage,  dass  die  Lage 
des  Kleinbauern  eine  so  unsichere 
bleibe,  weil  er  in  guten  Jahren  für 
seineErnte  keineAbnehmer  zu  annehm- 
baren Preisen  findet.  Noch  ist  der  Getreidehandel 
nicht  zu  so  festenVerbindungen  vorgeschritten,  dass 
er  fähig  wäre,  den  Ueberschuss  des  einen  Jahres 
oder  Uistrictes  auf  ein  anderes  Jahr  zu  über- 
tragen oder  in  entfernte  Provinzen  zu  überführen. 
Der  Handel  mit  dem  Ausland  in  Reis  leidet 
unter  dem  Ausgangszoll  und  zeigt  eine  Abnahme, 
wenn  gute  Ernten  anderwärts  billige  Waare 
liefern  ;  so  ist  der  Ausfall  in  der  Ausfuhr  seit 
l88i  auf  eine  halbe  Million  /  gestiegen.  Die  Pro- 
vinzen Bengalen  und  Uurmah,  die  hauptsächlichen 
Reis  bauenden  Länder,  werden  deshalb  immer 
eindringlicher  um  die  Aufhebung  dieses  einzigen 
noch  bestehenden  Finanzzolles  vorstellig.  Die  Aus- 
fuhr von  Weizen  nach  Europa  weist  i888 — 1889 
eine  niedrigere  Ziffer  auf  als  seit  1881  ;  die  Nord- 
westprovinzen, in  deren  Norddistricten  mehr  Land 
mit  Weizen  bestellt  wird  als  irgendwo  sonst, 
sind  so  dicht  bevölkert,  dass  jeder  Ausfall  an 
der  Durclischnittsernte  eine  Einfuhr  von  Weizen 
aus  den  Nachbargebieten  bedingt.  Dazu  kommt, 
dass  die  Handelsberichte  der  erforderlichen  Ge- 
nauigkeit entbehren  ;  noch  hält  es  für  die  grossen 
Handelshäuser  in  Europa  schwer,  rechtzeitig  zu- 
verlässige Schätzungen  über  die  zu  erwartenden 
überschüssigen  Mengen  ru  erlangen.  Die  Re- 
gierung gibt  sich  alle  erdenkliche  Mühe,  jährlich 
die  Ernteaussichten  festzustellen  und  bekannt  zu 
machen  ;  allein  Sammelstelle  bei  diesen  Erhebungen 
sind  die  Grossgrundbesitzer,  im  nördlichen  Indien 
Zemindare  genannt,  und  diese  haben  den  Werlh 
einer  genauen  Wirthschaftsstatistik  noch  nicht 
begriffen.  Der  Grossgrundbesitzer  greift  zu  dem 
Auskunftsmittel,  Handelsgewächse  anzupflanzen  ; 
so  hat  sich  in    den    Nordwestprovinzen    nördlich 

Houktsschrlfi  fUr  den  Orient.  Jltuugr  1880. 


des  Gograstromes,  der  bei  Patna  in  den  Ganges 
einmündet,  eine  bedeutende  Zuckerindustrie  ent- 
wickelt, zu  welcher  das  nöthige  Capital  aus- 
schliesslich von  den  eingeborenen  Capitalisten 
vorgeschossen  wird.  Anderwärts  hilft  man  sich 
mit  Indigo,  Opium,  Oelpflanzen  u.  A. ;  immer  all- 
gemeiner bricht  sich  aber  die  Ueberzeugung 
Bahn,  dass  der  Verbrauch  der  Producte  im  Inlande 
gesteigert  werden  muss,  und  bei  der  geringen 
Kaufkraft  des  Kleingewerbes,  dessen  Träger  ihre 
ganze  Arbeit  nicht  an  das  Gewerbe  setzen,  sondern 
zugleich  bäuerliche  Landwirthe  oder  'l'aglöhner 
sind,  ergibt  sich  als  das  einzige  Mittel  hiezu  die 
Einführung  von  Maschinen  in  uralte  Industrie- 
zweige. Hierin  hatten  die  Europäer  mit  dem  Bei- 
spiel voranzugehen  ;  der  Indier  bringt  es  aus  sich 
nicht  zur  That,  solange  er  nicht  durch  den  per- 
sönlichen   EinHuss   Einzelner  fortgerissen   wird. 

Die  alte  ostindische  Compagnie  war  der 
Niederlassung  von  Europäern  und  der  Errichtung 
von  Factoreien  abgeneigt;  ein  Circulär  von  1827 
verbietet  noch,  „Engländern  und  anderen  Zu- 
läufern  aus  Europa"  in  der  Niederlassung  zu 
Handelszwecken,  zur  Anlage  von  Indigo- Fac- 
toreien und  dergl.  Vorschub  zu  leisten  :  „es  finden 
sich  darunter  Leute,  welche  durch  Betrug  zu 
Vermögen  gekommen  sind  und  nun  trachten,  den 
Handel  an  sich  zu  bringen.  Es  darf  nicht  ge- 
duldet werden,  dass  Fremde  Einfluss  gewinnen 
und  Handel  und  Gewerbe  für  ihren  Vortheil  aus- 
nützen." Sieben  Jahre  später  sind  aber  Europäer 
als  Aufkäufer  von  Getreide,  von  Holz  und  den 
örtlichen  Gewerbsgegenständen  selbst  in  ent- 
legenen Gegenden  anzutreffen;  der  Bergbau  ist 
der  erste  Erwerbszweig,  in  welchem  sich  euro- 
päisches Capital  auf  die  Bereitstellung  grösserer 
Massen   wirft. 

Bergbau,  Braunkohle.  Das  grösste  und  am 
längsten  bekannte  indische  Kohlenfeld  ist  jenes  von 
Ranigandsch,  zwischen  200  und  260  km  Entfernung 
westlich  von  Calcutta  gelegen.  Genau  vor  1 15  Jahren 
wird  das  Bergregal  an  eine  Gesellschaft  von  Eu- 
ropäern verliehen,  und  die  Regierung  verpflichtet 
sich,  jährlich  400  /  zu  dem  hohen  Preise  von  %  £  ^  sh. 
6  d.  die  Tonne  abzunehmen ;  sie  ist  aber  über  die 
geringe  Güte  enttäuscht,  verweigert  die  .\bnabme, 
und  das  Unternehmen  kommt  zum  Stillstand.  18 lö 
wird  auf's  Neue    eine  Concession    verliehen,    die 


OESTtRREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


Ostindische  Compagnie  leistet  vorschussweise  den 
Betriebsfond  mit  4000  if.  aber  der  Uebernehmer 
kann  die  Rückzahlung  nicht  leisten,  sein  Bürge 
muss  eintreten,  und  dies  führte  nach  mancherlei 
Zwischenfällen  1843  zur  Bildung  der  Bengal- 
Kohlenbaugesellschaft ;  zeitweise  wurde  Dwakar- 
nath  Tagor,  ein  gelehrter  Indier,  Besitzer  der 
Lager,  dessen  Grundbesitzungen  eine  fürstliche 
Rente  abwarfen.  Diese  Gesellschaft  ist  in  das 
Birbhum  genannte  Actienunternehmen  überge- 
gangen, ihre  Papiere  erzielen  an  der  Börse 
einen  Curs  von  194,  die  Dividende  ist  13  Per- 
cent. Neben  dieser  Hauptgesellschaft  nahmen 
später  theils  Gesellschaften,  theils  Einzelne  Erwer- 
bungen vor  und  legten  Gruben  an;  heute  zählt  man 
mehr  als  fünfzig  Bergwerke,  ihre  Zahl  und  Ausbeute 
erfährt  fortgesetzt  eine  Zunahme.  Die  Kohlenpreise 
sind  in  Indien  sehr  hoch;  man  zahlt  heute  in 
Calcutta  den  Maund  von  80  Pfd.  Bengalkohle  mit 
Ö'/j — 7'/,  Anna  (ä  6  kr.)  und  die  Tonne  englischer 
Kohle  mit  I  iJP  5  sh.  7  d.  Die  Ranigandschkohle  ist 
eine  sehr  gute  Braunkohlenart,  vercoakt  aber  nicht 
und  hat  hohen  Aschengehalt,  20 — 30  Percent;  sie 
findet  Verwendung  für  Locomotiven  und  stehende 
Dampfkessel,  eignet  sich  auch  für  Hochöfen ;  für 
grosse  Seeschiffe  bringt  sie  zu  viel  Ballast,  um 
eingenommen  werden  zu  können.  Der  Abbau  der 
Kohlen  erfolgt  seitens  der  grossen  Gesellschaften, 
welche  Europäer  als  Directoren  anstellten,  nach 
den  in  England  gemachten  Erfahrungen  ;  die 
Schächte  sind  regelrecht  ausgelegt,  mit  Holz  ver- 
schalt und  werden  mit  den  erforderlichen  Schutz- 
vorrichtungen betrieben.  Die  Plötze  sind  durch- 
gehends  sehr  stark,  l'S  m  (5  engl.  Fuss)  Mäch- 
tigkeit ist  die  Mindeststärke  der  genützten  Plötze  ; 
dabei  liegen  die  Plötze  dicht  beieinander,  das 
trennende  Gebirge  ist  nicht  dick.  Die  ältesten 
Gl  üben  sind  bereits  zur  zweiten  Sohle  getrieben, 
ihre  tiefste  Lage  ist  45  m.  Schienengeleise  sind 
gelegt,  Dampfmaschinen  besorgen  die  Förderung 
wie  das  Auspumpen  des  Gi  ubenwassers.  Anders 
bei  den  kleinen  Gruben  unter  Führung  von  Ein- 
geborenen. Das  Wasser  wird  hier  regelmässig 
mittelst  der  Tera  genannten  Hebevorrichtung 
herausgeschafft  :  an  einer  langen  Bambus-Quer- 
stange, die  im  Gleichgewicht  an  einem  hohen 
Pfosten  hängt,  ist  an  der  Spitze  das  Seil  mit  dein 
Kübel  befestigt  und  dieser  steigt  ab  und  auf,  je 
nachdem  die  Arbeiter  das  entgegengesetzte  Ende 
zur  Erde  ziehen  oder  emporschnellen  lassen.  Von 
Juni  bis  October  bringt  die  Regenzeit  so  starke 
Niederschläge,  dass  der  Betrieb  eingestellt  werden 
muss,  weil  die  Gruben  volllaufen.  Die  Förderung 
wird  durch  das  Gin  genannte  Drehwerk  bewirkt. 
Eine  weite  Holztrommel,  vertical  drehbar  auf- 
gestellt, wird  durch  Einstecken  von  Balken  um 
ihre  Axe  gedreht  und  dadurch  das  Seil  aufge- 
wunden, an  welchem  die  Fahrkörbe  von  Eisen 
hängen  mit  einem  Rauminhalt  für  fünf  Centner; 
die  Arbeiter  drücken  zu  zwei  an  einer  Stange 
und  begleiten  die  Arbeit  mit  einem  einförmigen 
Gesang. 


In  den  Gruben  arbeiten  unter  Tag  wie  über 
Tag  Männer,  Weiber  und  Kinder.  Das  .ausbrechen 
der  Kohle  besorgen  Männer.  Den  Leuten  stand 
keine  Erfahrung  zur  Seite,  schottische  Bergleute 
wurden  die  Lehrmeister,  und  in  der  Tschina- 
Kuri-Grube  arbeiten  die  Knappen  mit  der  Haue 
wie  bei  uns;  sonst  führen  sie  Brechstange, 
Hammer  und  Keil.  Es  kam  zum  Aufstand  und 
blutigem  Zusammenstoss,  als  die  Birbhumgesell- 
schaft  die  Haue  aufzwingen  wollte.  Pulver  wird 
nicht  angewendet.  Der  Häuer  fängt  nicht  von 
unten  an  auszubrechen,  sondern  macht  an  der 
Decke  des  Schachtes  ein  Loch  und  erweitert 
dieses  nach  unten  zu;  es  gibt  viel  Gries  und  die 
europäischen  Ingenieure  geben  sich  alle  Mühe, 
das  Anbrechen  von  unten  einzuüben.  Einen  festen 
Knappenstand  gibt  es  nicht  ;  selbst  die  Häuer 
sind  Kleinbauern  zu  Eigenthum  oder  auf  Pacht- 
land und  fahren  im  October  erst  an,  nachdem 
sie  ihre  Reisernte  geborgen  haben;  die  günstige 
Wirkung  davon  ist,  dass  die  Arbeiter  nicht  von 
der  Hand  in  den  Mund  leben,  sondern  mittelst 
des  Bergbaues  ihr  Plinkommen  erheblich  erhöhen. 
Der  Verdienst  ist  für  indische  Verhältnisse  sehr 
gut.  Für  einen  Förderkorb  von  6  Maund  (4'/» 
bis  5  Centner)  Rauminhalt  werden  12  Kreuzer 
bezahlt  und  ein  Häuer  füllt  6  bis  10  Körbe 
per  Tag,  korhmt  also  auf  einen  Verdienst  von 
60  bis  80  Kreuzer.  Die  Schlepper  sind  F'rauen 
und  Kinder:  ihr  Tagesverdienst  ist  12 — 20  kr. 
Der  Schichtlohn  über  Tag  stellt  sich  eben  so 
hoch.  Im  Ganzen  sind  diese  Sätze  das  Doppelte 
desTaglohnes  landwirthschaftlicherArbeiter,  und  die 
Unternehmer  haben  nie  über  Mangel  von  Angebot 
an  Arbeitskräften  zu  klagen.  Unfälle  kommen  sehr 
wenige  vor ;  schlagende  Wetter  gibt  es  nicht, 
und  die  Art  des  Abbaues  ist  keine  gefährliche. 
Durchschnittlich  kommen  80  Unfälle  im  Jahre 
vor.  Ganz  im  Gegensatz  zu  den  europäischen 
Gruben  steht  die  schlechte  Ventilation,  und  die 
grenzenlose  Unordnung.  Gries  und  Staub  wird  nicht 
bezahlt,  die  Arbeiter  lassen  sie  deswegen  liegen. 
Dann  ist  Wahrzeichen  aller  Arbeiter  grösste 
Trunksucht;  die  Knappen  gehören  sämmtlich  den 
untersten ,  verachteten  Arbeiterkasten  an  und 
fahren  nicht  ein,  ohne  sich  nicht  in  der  Branntwein- 
bude, die  an  keinem  Einfahrtschacht  fehlt,  mit 
einem  tüchtigen  Vorrath  schlechtesten  Land- 
schnapses versehen  zu  haben.  Die  Ausbeute  des 
gesammten  Ranigandschfeldes  ist  eine  Million  /; 
die  grösseren  Gruben  fördern  80-  bis  loo.ooo  / 
im  Jahre,  die  kleinsten  kaum  tausend.  Dabei 
sind,  die  Regenzeit  und  die  Feiertage  abgerechnet, 
zweihundert   Arbeitstage   im   Jahr. 

Echte  Steinkohle,  „so  gut  wie  englische",  ist 
angehauen  in  Central-Indien  bei  der  Stadt  Warora 
im  Wardha-Thale  ;  leider  kam  gleich  im  Beginne 
der  .Arbeiten  Minenbrand  aus,  dessen  Auslöschung 
noch  immer  nicht  gelingen  will.  Eine  Zweigbahn 
schliesst  die  Gruben  an  das  grosse  indische 
Eisenbahnnetz  an.  Die  Grubenfelder  sind  der 
Narbada  -  Kohlen-     und     Eisen  -  Gesellschaft     zur 


I 


OBSTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT. 


I 

I 
I 


Ausbeutung  überlassen ;  die  Gesellschaft  vertheilte 
im  letzten  Jahre  7*7  Percent,  schlug  neue  Bohr- 
löcher im  Narbada-Thal  bei  Narsingpur  und  legte 
Hochöfen  in  Sambalpur,  an  der  Grenze  von 
Orissa,  an ,  wo  bisher  Eingeborene  einfache 
Schmelzöfen  mit  Holzkohle  speisten,  es  dabei 
aber  dennoch  zu  einer  Ausfuhr  von  200  Centner 
besten  Werkzeugstahls  brachten.  Die  erhöhte 
Thätigkeit  der  Gesellschaft  spricht  sich  in  den 
Handelsziffern  sehr  deutlich  aus;  1888  wurden  aus 
Cential-Indien  i '/^  Millionen  Centner  Kohle  und 
1/5  Million  Kisenscbienen  aus-  und  nur  '/j  Million 
Centner  Kohle,  120.000  Centner  Roheisen  und 
2  Millionen  Walzeisen,  sämmtlich  aus  England, 
eingeführt.  Der  Preis  stellt  sich  bei  Kohle  um 
^j^  niedriger,  bei  Fatjoneisen  nahezu  gleich  der 
englischen  Waare.  —  Ebenso  günstig  wie  in 
Central-Indien  liegen  die  Förderungsbedingungen 
im  Makum-Kohlenfeld  an  der  nordöstlichsten  Ecke 
des  Reiches,  in  Assam,  am  linken  Ufer  des 
oberen  Brahmaputra-Thaies.  Hier  wurden  hart  bei- 
einander die  für  den  Abbau  geeignetste  Kohle  von 
ganz  Indien,  daneben  Eisenerze  und  Petroleumquel- 
len aufgedeckt.  Sofort  fanden  sich  englische  Capita- 
listen,  welche  von  den  Haupthäfen  am  oberen, 
bis  zur  Reichsgrenze  für  Dampfer  fahrbaren 
Brahmaputra-Strome  eine  schmalspurige  Bahn 
nach  den  Grubenfeldern  anlegten.  Die  Kohle  er- 
zielte in  Caicutta  den  hohen  Preis  von  2  sh.  4  d. 
per  Doppeicentner,  die  dargestellten  Coaks  finden 
bei  den  'I'heegärtenbesitzern  zum  Trocknen  der 
Blätter  reissend  Absatz.  Allein  noch  ist  die 
Arbeiterfrage  nicht  gelöst.  Die  Provinz  Assam 
ist  dünn  bevölkert  und  auf  fremde  Arbeiter  an- 
gewiesen; die  Kulis  gehen  lieber  der  einladenderen 
Arbeit  in  den  'Iheegärten  nach,  wo  der  Lohn 
doppelt  so  hoch  ist  als  in  den  Gruben,  die  am 
Schichtlohn  noch  reduciren.  Die  Förderung  hat 
in  Makum  noch  nicht  voll  200.000  Centner  im 
Jahre  erreicht;  die  Maschinen  sind  auf  zehnfachen 
Betrieb  eingerichtet  und  man  hoftt  neuerdings 
auf  Arbeitskräfte  aus  dem  jetzt  erschlossenen 
Über-Rirma  und  den  angrenzenden  chinesischen 
Landschaften,  deren  Bevölkerung  an  bergmän- 
nische Arbeit  von   Alters  her  gewöhnt  ist. 

Die  Eisenindustrie  leidet  unter  dem  Mangel 
von  Kalk  als  Flussmittel.  Vortreffliche  Eisenerze 
lagern  überall  bei  der  Kohle  und  selbst  die 
Ranigandsch-Kohle  eignet  sich  zur  Verwendung 
in  Hochöfen  seit  Einführung  von  Gebläsen  mit 
heisser  Luft.  Dagegen  würde  ^ie  ganze  ben- 
galische Tiefebene  mit  mehr  als  40  Millionen 
Einwohnern  noch  nicht  einmal  für  einen  einzigen 
Hochofen  den  Kalk  liefern.  Zur  Zeit  besteht  ein 
einziges  grösseres  Hüttenwerk  im  Ranigandsch- 
Grubenfelde;  es  ist  Eigenthum  der  Regierung, 
liefert  Schwellen  und  Eisenschienen  und  erhält 
den  Kalk  für  den  Hochofen  aus  dem  ent- 
fernten Punjab;  solchen  kostspieligen  Transport 
verträgt  nur  ein  Werk,  dem  die  Fracht  auf 
der  Staatseisenbahn  kostenfrei  zu  Gebote  steht. 
Eine    nennenswerthe    Arbeiterzahl    wird    in    der 


nicht    beschäftigt;    io    dem 
knapp     10.000  Männer  an- 


Eisenindustrie noch 
Kohlenbergbau  sind 
gestellt. 

Sah.  Eine  hohe  Einnahmstjuelle  fflr  den 
Staat  bringt  der  Abbau  der  Salzlager,  die  in 
seltener  Reinheit  und  Mächtigkeit  im  Salzgcbirge 
auftreten ,  das  nördlich  vom  32.  Breitengrade 
vom  Dschelam-  zum  Indusflusse  streicht.  Mittel- 
punkt des  Betriebes  ist  das  Dorf  Kheura ;  bis 
1870  herrschte  mehr  oder  weniger  Raubbau 
vor,  damals  wurde  der  Mayo-Stollcn  angelegt 
und  für  die  zahlreichen  Gruben  eine  eigene 
technische  Centralstellc  geschaffen.  Die  Gipfel 
der  Hügel  zeigen  grünen  Sandstein ;  wo  längs 
der  Abhänge  und  am  Fusse  ziegclrothc  Gyps- 
adern  hervortreten,  ist  dies  ein  Zeichen  von 
Salzbildung  im  Innern ;  man  könnte  diese  Adern 
auch  Mergel  nennen,  aber  ihr  Hauptbcstandtheii 
ist  Gy[>s.  Die  salzführende  Schicht  hat  eine 
Mächtigkeit  von  180 — 200  m;  davon  sind  80 
bis  90  m  reines  Salz.  Früher  schlug  jeder  Unter- 
nehmer einen  Tunnel  in  die  Mergelschicht,  wo 
es  ihm  beliebte  ;  je  eher  die  Erde  feucht  wurde, 
desto  näher  war  das  Salz  und  .desto  weniger 
todtes  Gestein  war  zu  bewegen.  Man  holte  das 
Salz  sorglos  heraus  und  Hess  keine  Pfeiler  stehen, 
so  dass  Verschüttungen  von  Arbeitern  an  der 
l'agesordnung  waren.  Beim  Fortgang  der  Arbeit 
stellten  sich  diese  Gruben  als  mächtige  Höhlen 
dar,  die  jedoch  ihres  Salzinhaltes  niemals  ganz 
beraubt  sind,  weil  der  Eingeborene  die  Arbeit 
einstellen  lässt,  sobald  das  Salz  aufhört  ganz 
rein  angehauen  zu  werden.  Diese  Höhlen  füllen 
sich  schon  kurze  Zeit,  nachdem  sie  aufgelassen 
wurden,  mit  schmutziger  Salzmasse  und  Mergel 
an,  die  von  der  Decke  herabfallen.  Die  Mayo- 
Mine  ist  ganz  nach  europäischem  Muster  angelegt 
und  hält  den  Vergleich  mit  jeder  bergmännischen 
Anlage  der  Welt  aus ;  sie  liefert  80  Percent  der 
gesammten  Ausbeute  und  mit  welch  hohen  Ziffern 
hier  gerechnet  werden  muss,  mag  zeigen,  dass 
die  Summe  des  herausgeholten  Salzes  bis  1870 
auf  22  Millionen  Cubikfuss  veranschlagt  ist  und 
die  Abgabe  hievon  der  Regierung  jährlich  zwischen 
2 — 3  Millionen  Rupien  (ä  nominal  i  fl.)  eintrug; 
bis  1889  sind  aus  der  Mayo-Mine  allein  i'/f  Mil- 
lionen /  Salz  abgegeben  worden  und  die  Rein- 
einnahme übersteigt  jährlich  3   Millionen  Rupien. 

Die  Umgebung  der  Stollen  kennzeichnet 
sich  als  echter  Minendistrict,  Fördergcräthe  und 
Directorialgebäude  allein  zeigen  ein  südländi- 
sches Gepräge.  Die  Dörfer  sind  längs  der  Ab- 
hänge auf  Terrassen  angelegt,  die  stellenweise 
aus  reinem  Salz  ausgehauen  sind  und  in  der 
Sonne  glitzern ;  der  Dorfweg  ist  mit  Geröll  und 
Schutt  überführt,  die  in  der  Regenzeit  den  Berg 
herabgeführt  wurden.  Widerliche  Schmutzhaufen 
bedecken  die  schmalen  Terrassenwege  ;  dazu  kommt 
der  üble  Geruch  der  Rückstände  der  .\laungruben, 
die  am  Fuss  des  Gebirges  bei  den  Dörfern  an- 
gelegt sind.  Schon  die  indischen  Herrscher  legten 
Gewicht    auf    einen    festen    .Arbeiterstamm ;    alle 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT 


Bergmannsdörfer  sind  zum  Bezug  von  Brennholz 
in  den  Niederwaldungen  berechtigt,  sowie  mit 
Erbpacht  des  Ackerfeldes  zu  günstigen  Bedin- 
gungen bevorzugt.  Eine  Familie  arbeitet  immer 
zusammen  und  da  mit  der  Verheiratung  wohl 
die  Tochter,  nicht  aber  der  Sohn  aus  der  Ge- 
meinschaft ausscheidet,  dieser  vielmehr  in  ganz 
altväterlicher  Weise  der  Hausgewalt  des  Vaters, 
beziehungsweise  Grossvaters  unterstellt  bleibt, 
bis  dieser  stirbt  oder  wegen  Altersschwäche  mit 
der  Führung  des  gemeinsamen  Haushaltes  den 
ältesten  Sohn  belastet,  so  bildet  eine  Familie, 
deren  Männer,  Frauen  und  Kinder  einem  gemein- 
samen Verdienst  nachgehen,  in  ganz  natürlicher 
Weise  die  „Partie",  die  in  europäischen  Berg- 
werken durch  Zusammenstehen  und  Verbindung 
verschiedener  Arbeiter  gebildet  werden  muss. 
Eine  brauchbare  Arbeitsstatistik  wird  für  Indien 
erst  die  Volkszählung  von  1891  bringen.  Für  den 
Salzdistrict  wurde  1882  die  Zahl  der  Männer  in 
den  Gruben  zu  3600  erhoben;  die  Zahl  der  be- 
schäftigten Frauen  und  Kinder  schwankt,  über- 
steigt aber  nach  Art  des  Betriebes  die  Zahl  der 
Männer  um  das  Doppelte.  In  den  nicht  unter 
europäische  Leitung  gebrachten  Gruben  findet 
Pulversprengung  nicht  statt,  die  ganze  Anlage 
verbietet  es.  Die  Männer  hauen  mit  einem  Hammer, 
dessen  eines  Ende  als  Picke  geformt  und  gestählt 
ist,  während  der  Rücken  zum  schweren  Schlage 
breit  und  gewichtig  ist,  eine  Rinne  20 — 25  cm 
tief  im  Geviert  um  das  loszulösende  Stück  Salz  von 
durchschnittlich  zwei  Quadratfuss  Fläche,  legen 
Keile  in  die  Rinne  und  bringen  durch  ihr  Antreiben 
die  ganze  Masse  zum  Fall.  Die  Arbeit  geht  von 
unten  nach  oben.  Die  Gänge  haben  bedeutende 
Höhe,  der  Eingeborene  arbeitet  aber  nur  die 
ganz  weissen  Adern  aus;  während  die  ganze  Höhe 
15 — 20«  beträgt,  werden  selten  mehr  als  8 — 10« 
herausgeholt.  Mit  dem  Fortschreiten  der  Arbeit 
besteigt  der  Häuer  einen  Dreifuss  und  dieser 
Arbeitsstuhl  zeigt  bedenklicheSchwankungen,  wenn 
an  der  Decke  gearbeitet  wird  und  der  Dreifuss 
die  Höhe  bis  zu  8  m  erreicht.  Auf  der  Sohle  der 
Grube  wird  der  herabgefallene  Salzblock  in  ent- 
sprechend grosse  Stücke  zerschlagen,  damit  sie 
die  Frauen  und  Kinder  auf  dem  Rücken  zum 
Lagerplatz  schleppen;  diese  Art  des  Behandeins 
der  Blöcke  gibt  überaus  viel  Abfall  und  diesen 
kehrt  man  der  tiefsten  Stelle  der  Höhle  zu,  wo 
regelmässig  Wasser  sich  zu  einem  mehr  oder 
weniger  grossen    Salzsee  sammelt. 

Der  Mayo -Stollen  ist  bergmännisch  genau  ver- 
messen und  wird  nach  dem  Kammernsystem  abge- 
baut; zwischen  den  einzelnen  herausgeholten  Flötzen 
bleiben  Salzpfeiler  von  7 — 8  m  Mächtigkeit  als 
Tragwände  stehen.  Der  .Abbau  geht  von  oben  nach 
unten  und  beginnt  mit  dem  Einbrechen  eines  Ar- 
beitsstollens, 2  m  hoch,  oberhalb  der  reinen  Salz- 
schicht. Das  überhängende,  mit  Salz  durchtränkte 
Mergelgebirge  wird  mit  Pulver  abgesprengt,  bis 
die  reine  mergelige  Gypsschicht  erreicht  ist ;  diese 
wird    sorgfältig    abgekratzt,    damit  später  kein  Un- 


rath  mehr  herabfällt,  der  Stollen  selbst  rein  gekehrt, 
und  dann  wird  das  reine  Salz  mit  Pickel,  Keil  und 
Hammer  herausgeholt,  wie  in  den  Gruben  unter 
eingeborener  Leitung.  Sobald  die  Sohle  der  salz- 
führenden Schicht  erreicht  ist,  wird  das  Schienen- 
geleise vorgeschoben,  um  ein  weites  Tragen  des  ge- 
wonnenen Salzes  zu  vermeiden.  Die  Kammern  sind 
bei  36  m  Höhe  und  13V2  '"  Breite  bereits  zu  75  m 
Tiefe  ausgebaut,  die  Länge  aller  Grubengeleise  ist 
über  360  OT.  Für  Ventilation  sind  grosse  Anstren- 
gungen gemacht ;  aber  das  schlechte  Oel  in  den 
Grubenlichtern,  Tschiragh  genannt,  und  der  starke 
Pulverdampf  machen  es  unmöglich,  die  Kammern 
während  der  Arbeitsstunden  von  schwerer  Luft 
ganz  frei  zu  machen.  Die  Auslöhnung  der  Arbeiter 
erfolgt  nach  der  ausgebrochenen  Menge ;  für  den 
englischen  Kubikfuss  werden  5  Kreuzer  bezahlt; 
80  Centner  Salz  bringen  einen  Lohn  von  4  Rupien, 
und  der  Taglohnverdienst  geschickter  Häuer  stellt 
sich  auf  2*40  Rupien  frei  Geld.  Die  Schlepper  laden 
60  Pfund  auf  den  Rücken  und  kommen  auf  70 — 80 
Kreuzer,  die  Kinder  auf  die  Hälfte.  Abzüge  gibt  es 
für  Oel,  Gezäh,  Beitrag  zum  Lohn  des  Wagmeisters; 
durchschnittlich  gehen  hiefür  30  Percent  ab,  ein 
sehr  hoher  Betrag.  Der  Minenarbeiter  feiert  in  der 
Woche  Sonntag,  Donnerstag  und  Freitag,  dann  vier 
Monate  in  der  Regenzeit;  die  Zahl  der  Arbeitstage 
im  Jahre  ist  nur  138.  Die  Temperatur  in  den  Kam- 
mern ist  sehr  hoch,  22"  R.  oder  um  4 — 5*  höher 
als  im  Freien.  Die  Leute  arbeiten  fast  nackt,  nur 
an  brüchigen  Stellen  wird  gegen  Verletzung  durch 
abfallende  Stücke  ein  dickes  Wollentuch,  Namdah, 
umgelegt.  Unter  der  Ausdünstung  bedeckt  sich  der 
Körper  des  Arbeiters  mit  einer  weissen  Salzkruste. 
Die  ökonomische  Lage  der  Arbeiter  ist  keine  un- 
günstige ;  die  Leute  gehören  aber  zu  den  streit- 
süchtigsten Arbeitern  Indiens.  Arbeiterausstände  sind 
keine  Seltenheit,  Klagen  über  ungerechte  Abzüge 
und  vorübergehender  Stillstand  einer  Grube,  einer 
Kammer  an  der  Tagesordnung,  bis  der  Beschwerde 
abgeholfen  oder  ihr  Unbegründetsein  nachge- 
wiesen ist.  (Schluss   folgt.) 

DIE   DEUTSCHEN   SCHUTZGEBIETE  UNO   COLO- 

NIALUNTERNEHMUNGEN  BEI  BEGINN  DES  JAHRES 

1890. 

I. 

Die  deutschen  Schutzgebiete  und  Colonial- 
unternehmungen  sind  im  Jahre  1889  von  sehr 
verschiedenen  Schicksalen  betroffen  worden  und 
haben  daher  auch  einen  sehr  verschiedenen  Ent- 
wicklungsgang genommen.  Diejenige  Colonie,  in 
welcher  von  Anfang  an  die  wirthschaftliche  Aus- 
nützung und  die  Ausübung  der  Staatsgewalt  ge- 
trennt wurde,  die  in  Kamerun  und  im  Togoge- 
biet, hat  sich  auch  in  neuerer  Zeit  in  befriedi- 
gender Weise  weiter  entwickelt.  Seit  daselbst 
durch  die  deutsche  Besitzergreifung  Sicherheit 
für  Handelsniederlassungen  geschaffen  .»worden, 
wird  an  der  Aufschliessung  des  Hinterlandes  ge- 
arbeitet,  und   ist  zu   dem   Handel   die  Anlage   von 


u 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


l'lantagen  hinzugcUoinmcn.  I<',bcns()  ruhig  und 
stetig  ist  das  Colonialunternelimen  auf  Neu-Guinea 
fortgeschritten,  dieses  allerdings  noch  im  Stadium 
der  ersten,  die  Iciinftige  Ausnützung  vorbereitenden 
Anlage.  Die  Uebtrnahme  der  I^egierungsgewalt, 
welche  bis  vor  Kurzem  von  der  Neu-Guinea-Com- 
pagnie  geführt  wurde,  durch  einen  Reichsbeamten, 
hat  sich  im  Laufe  der  allerjüngsten  Zeit  voll- 
zogen. 

Von  den  beiden  Gebieten,  auf  welche  sen- 
sationelle Ereignisse  die  Aufmerksamkeit  am  stärk- 
sten hingelenkt,  dem  südwestlichen  und  dem  ost- 
afrikanischen ist  das  crstere  augenblicklich  wieder 
Gegenstand  einer  heftigen  Polemik  zwischen  den 
deutschen  Autoritäten  einerseits  und  der  einge- 
borenen Bevölkerung,  wie  den  fremden  Einwan- 
derern andererseits.  Man  kann  das  südwestafri- 
kanische Gebiet  als  die  zweifelhafteste  aller 
deutsch-colonialen  Erwerbungen  ansehen,  weil  dort 
Alles  auf  den  Glücksfall  der  Auffindung  reicher  Mine- 
ralschätze anzukommen  scheint;  es  ist  auch  be- 
kannt, dass  die  jetzige  Nutzniesserin,  welche  das 
Land  von  dem  ursprünglichen  Erwerber  desselben 
(Lüderitz)  übernommen,  d.  h.  die  Südwestafri- 
sche  Compagnie,  dies  nur  that,  um  das  Land, 
welches  sich  möglicherweise  später  doch  als  werth- 
voll  erweisen  könnte,  nicht  in  fremden  Besitz 
gelangen  zu  lassen.  Ausserdem  ist  dieses  Schutz- 
gebiet auf  allen  Seiten  fast  von  feindseligen  Ele- 
menten umgeben  ;  im  Süden  blickt  die  Regierung 
der  Capcolonie  eifersüchtig  und  misstrauisch  auf 
die  in  ihrer  Nähe  entstandenen  deutschen  Nieder- 
lassungen, im  Osten  bietet  die  Südafrikanische 
Compagnie,  welche  Betschuanaland,  sowie  Mata- 
beleland,  als  zu  ihrer  Machtsphäre  gehörend  be- 
trachtet. Alles  auf,  um  die  deutsche  Colonie  von 
einer  Annäherung  an  die  Transvaal  -  Republik 
fern  zu  halten,  und  jede  Verbindung  zwischen 
denselben  zu  hintertreiben.  Dazu  kommen  dann 
noch  die  fortwährenden  Händel  und  Reibungen 
mit  wilden,  ungezügelten  Stämmen,  wie  den  Ovam- 
bos,  den  Namas  und  anderen  üottentottenvölkern, 
welche  Deutschlands  Schutzherrschaft  nicht  an- 
erkennen  wollen. 

In  üstafrika  ist  noch  immer  mit  dem  Trotze 
und  dem  zähen  Widerstände,  den  das  Araber- 
thum  den  deutschyi  Culturbestrebungen  entgegen- 
setzt, zu  rechnen.  Erst  wenn  das  Land  völlig 
pacificirt  und  die  einheimische  Bevölkerung  zu 
friedlichem  Erwerb  zurückgekehrt  sein  wird,  wird 
sich  die  Wiederaufnahme  der  wirthschaftlichen 
Betriebe  bestimmter  in's  Auge  fassen  lassen. 
So  weit  die  Erträge  aus  den  Zöllen  fliessen, 
wird  es,  wenn  die  Ausübung  der  staatlichen  Eunc- 
tionen  dauernd  vom  deutschen  Reiche  übernommen 
wird,  einer  Auseinandersetzung  über  Rechte  und 
Pflichten  zwischen  diesem,  der  Deutsch-ostafrikani- 
schen Gesellschaft  und  dem  Sultan  von  Sansibar 
bedürfen. 

Auf  die  einzelnen  Schutzgebiete  näher  ein- 
gegangen, ist  das  l'ogoland,  in  Bezug  auf  sein 
Hinterland ,     nach     mehreren     Seiten     hin     durch- 


forscht, und  sind  neue,  zur  Belebung  des  Handels 
zwischen  dem  Inneren  und  der  Küste  dienende 
Stützpunkte  gewonnen  worden.  Eine  dieser  Posi- 
tionen, die  schon  im  Vorjahre  von  dem  Stabs- 
arzt Dr.  Wolff  im  Adelilande  gegründete  Station 
Bismarckburg,  war  eigentlich  dazu  bestimmt,  einen 
Basispunkt  für  ein  Vordringen  gegen  das  wenig 
zugängliche  Reich  Dahomey  abzugeben,  woselbst 
der  Herrscher  jährlich  noch  immer  tausendc  von 
Sciaven  abschlachten  liess,  mit  der  Begründung, 
er  sei  zu  solchem  Morden  gezwungen,  weil  die 
Europäer  ihn  an  dem  Verkaufe  der  Sciaven  hin- 
derten. Wolff,  der  thätige  und  umsichtige  Stations- 
chef von  Bismarckburg  meint,  dass  man  den 
König  lehren  müsse,  die  Sciaven  zur  Arbeit  zu 
verwenden.  Man  würde  nicht  nur  Dabomey,  son- 
dern auch  der  Sache  der  Humanität  den  grössten 
Dienst  erweisen.  Neben  Wolff  hat  sich  Haupt- 
mann von  Eran(;ois  um  die  Erweiterung  der  Be- 
sitz- und  Interessensphäre  im  Binncnlande  der 
Goldküste  grosse  Verdienste  erworben. 

U. 

Was  das  wirthschaftliche  Gedeihen  und  den 
Fortgang  der  Station  Bismarckburg  angeht,  so 
wurden  die  Anpflanzungsversuche  im  grösseren 
Massstabe  an  verschiedenen  Stellen,  besonders 
auch  in  dem  überaus  fruchtbaren,  kürzlich  er- 
worbenen Oibathalc  ,  westlich  am  Kusse  des 
Adadü,  fortgesetzt  und  sind  deshalb  noch  nicht 
etwa  als  abgeschlossen  zu  betrachten.  Bis  jetzt 
sind  die  Arbeitskräfte  in  erster  Linie  durch  An- 
lage, Bau  und  Einrichtung  der  Niederlassung  in 
Anspruch  genommen  worden.  Von  nun  an  sollte 
mehr  Sorgfalt  auf  die  Pflanzungen  verwendet 
werden  ,  welche  bereits  erheblich  vergrössert 
sind,  so  dass  in  Zukunft  die  Erträge  derselben 
wesentlich  zur  Unterhaltung  des  Stationspersonales 
beitragen  werden.  So  sind  bereits  4700  Yams 
gepflanzt  ,  welche  nach  6  Monaten  geerntet 
werden  können,  und  hier  bis  vierfache  Erträge 
geben.  Zwei  Yams  von  Durchschniitsgrösse  ge- 
währen einem  Erwachsenen  hinreichend  Nahrung 
für  einen  Tag.  Yams  (Dioscorca)  bildet  hier  die 
Hauptnahrung  der  Eingeborenen.  Maniok  kommt 
erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht.  Mais  hat  auf 
der  Station  bereits  zwei  gute  Ernten  gegeben. 
Der  am  20.  Mai  gepflanite  wurde  am  22.  Sep- 
tember geerntet  und  der  vom  28.  August  am 
14.  November.  Auch  Erdnüsse,  zwei  Arten,  ge- 
diehen vorzüglich.  Die  Saat  vom  10.  Juli  wurde 
am  3.  Jänner  geerntet.  Erdnüsse  können  eben- 
falls zwei  Ernten  im  Jahre  geben,  und  werden 
dann   am   besten   im   März   und   im   Juli    gepflanzt. 

Einheimischer  Tabak  und  Baumwolle  geben 
höchst  befriedigende  Erträge  und  scheint  beiden 
der   Boden    hier  sehr  zusagend   zu   sein. 

Süsse  Kartoffeln,  Hirse  und  auch,  Zwiebeln 
wurden  ebenfalls  auf  der  Station  mit  Erfolg  an- 
gepflanzt. In  Adeli  werden  drei  verschiedene 
Pfefferarten  cultivirt.  Ausser  dem  roihen  sp.ini- 
schen  und  dem   weniger  scharfen  rotben    Sudan- 


OESTeRREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT. 


pfeffer  gedeiht  hier  auch  vorzüglich  der  schwarze 
indische. 

Auch  Ingwer  wird  von  den  Eingeborenen 
mit  gutem  Erfolge  angebaut.  Hohe  Ricinusstauden 
finden  sich  vielfach  in  unmittelbarer  Nähe  der 
Ortschaften. 

Dem  verdienstvollen  Begründer  der  Station 
Bismarckburg,  Dr.  Wolff,  ist  es  nicht  vergönnt 
gewesen,  die  errungenen  Erfolge  zur  Förderung 
und  Befestigung  deutschen  Einflusses  und  deutschen 
Ansehens  zu  vefwerthen.  Derselbe  erlag  im  Laufe 
des  Sommers  einem  perniciösen  Fieber,  das  ihn 
auf  einer  Expedition  nach  Kebu  ereilte.  An  seine 
Stelle  ist  zunächst  Premierlieutenant  Kling  ge- 
treten. 

Viele  bemerkenswerthe  und  neue  Aufschlüsse 
bat  Francois  auf  seiner  im  vorigen  Sommer  in 
den  westlichen  Theil  des  Togo-Hinterlandes  über 
Salaga  hinaus  unternommenen  Reise  erhalten. 
Haupthandelsplätze  der  dortigen  Gegend  sind  die 
Städte  Salaga,  Jendi,  Kratschi  und  Kpandu  ;  der 
erstgenannte  Platz  ist  der  bedeutendste.  Besonders 
rege  ist  der  Karawanenverkehr  vom  Nigerbecken 
und  vom  Norden  und  Osten  her.  Karawanen  aus 
dem  Haussalande  tauschen  Rindvieh  und  Pferde, 
solche  aus  Hofi  Esel,  Schafe  und  Ziegen  gegen 
Kolanüsse  ein,  die  von  Karawanen  aus  Ateobu 
und  Kintempo  auf  den  Markt  gebracht  werden. 
Gasari-  und  Daboja- Leute  bringen  Sclaven,  letztere 
auch  noch  Salz,  und  handeln  dafür  Gewehre, 
Pulver  und   Schnaps  ein. 

Trotzdem  Jendi  an  der  Karawanenstrasse 
Sansanne — Hangho — Salaga  und  nicht  fern  der 
Strasse  Mofo — Salaga  gelegen  ist,  ferner  an 
Einwohnerzahl  Salaga  um  ein  Bedeutendes  übertrifft 
und  vor  diesem  den  Vorzug  der  gesunden  Lage 
hat,  will  der  Handel  daselbst  nicht  aufblühen. 
Die  Schuld  trägt  der  Sultan,  der  \'on  den  Kara- 
wanen hohe  Abgaben  fordert  und  das  gleiche 
Recht  seinen  Unterhäuptlingen  einräumt.  Die 
meisten  Karawanen  aus  dem  Haussalande  um- 
gehen aus  diesem  Grunde  das  Land  Jende 
südlich. 

Von  europäischen  Artikeln  sind  am  be- 
gehrtesten Garne  und  Kauri ,  darnach  bunte 
Stoffe  (roth-blau),  Gewehre,  Pulver.  Englische 
ganze,  halbe  und  Viertelschillinge  haben  von  der 
Küste  bis  Salaga  Giltigkeit,  wenn  das  Gepräge 
erkennbar  ist. 

Ein  milder,  verständiger,  die  Interessen  des 
Handels  fördernder  Herrscher  und  geographisch 
begünstigende  Umstände  machen  Salaga  zum 
Handelsemporium  des  oberen  Wolta,  ja  des 
Nigergebietes.  Das  seiner  Sagenhaftigkeit  ent- 
kleidete Timbuktu  dürfte  ihm  kaum  den  Rang 
streitig  machen.  Salaga  liegt  der  Mitte  des  Niger- 
bogens  gegenüber,  ziemlich  gleich  weit  von  allen 
Hauptplätzen  am  Niger  entfernt  ,  wie  Segu, 
Bandjagara,  Timbuktu,  Say  und  Kirotaschi. 

Ebenso  hat  es  einen  gleichmässigen  Abstand 
von  den  wichtigen  Küstenorten  der  englischen 
Goldküste  und  der  deutschen  Togocolonie. 


Salaga  liegt  also  in  einer  Gegend,  in  welcher 
natürliche  Verbindungen  zusammenlaufen,  und  ist 
der  Schlüssel  für  das  Wolta-Gebiet  und  die  Ge- 
birgsdefileen. 

Radienförmig  kommen  hieher  aus  dem  weiten 
Niger-Becken  von  der  westsudanesischen  Hochebene 
vier  grosse  Karawanenstrassen  zusammen,  und  vier 
weitere  gehen  von  Salaga  aus  strahlenförmig  der 
Küste  zu. 

Seit  altersher  dienen  diese  Wege  einem  leb- 
halten Verkehr  nach  der  Hochebene  und  in  jüng- 
ster Zeit  auch  dem  Verkehr  nach  dem  Togo-Gebiet. 
Salaga  liegt  in  dem  Dreieck  zwischen  Wolta  und 
Daka,  4  bis  6  Stunden  von  der  ungesunden  Wolta- 
und  3  Stunden  von  der  Daka-Niederung  entfernt, 
auf  einer  leichtgewellten  Hochfläche  in  circa  170OT 
Meereshöhe. 

Die  Hochfläche  ist  von  niedrigem  Savannen- 
gras, das  ein  prächtiges  Weideland  abgibt,  und 
zwei  Fuss  hohen  Sträuchern  bedeckt  und  fruchtbar 
genug,  um  gut  angebaute  Mais-,  Hirse-  und  Yams- 
felder  zu  tragen,  und  die  Bedürfnisse  der  Stadt  an 
Lebensmitteln  aller  Art  zu  decken.  Alles  in  Allem 
macht  sie  aber  einen  sehr  kahlen,  schattenlosen 
Eindruck.  Denselben  öden  Eindruck  macht  die 
Stadt.  Von  Weitem  sieht  man  nichts  wie  eine  halbe 
Stunde  weit  von  West  nach  Ost  und  20  Minuten 
von  Nord  nach  Süd  gestreckte  Fläche,  bedeckt  von 
niedrigen,  meist  kegelförmigen,  seltener  viereckigen 
Dächern  und  einigen  vereinzelten  Schattenbäumen. 

Der  Sultan  ist  vor  dem  Schmutz  geflohen  und 
hat  seine  Residenz  im  Pembi,  eine  Stunde  südöst- 
lich von  Salaga  gebaut. 

Trotz  des  Schmutzes  und  der  verpesteten  Luft 
ist  Salaga  ein  lebhafter  Ort.  Unter  den  anstecken- 
den Krankheiten  sind  besonders  die  Pocken  zu  er- 
wähnen, welche  dauernd  herrschen.  Einige  Ein- 
wohner stehen  in  dem  Rufe,  die  Krankheit  mit  Er- 
folg heilen  zu  können. 

Salaga  ist  der  beste  Ort  für  den  Anthropologen, 
Ethnographen  und  Sprachforscher ,  welcher  die 
Völker  des  Niger  studiren  will.  Nicht  nur  alle  Er- 
zeugnisse des  Niger-Beckens,  sondern  auch  alle 
Volksstämme  des  Niger  kommen  hier  zusammen. 
Täglich  kommen  und  gehen  Karawanen.  Die  meisten 
treffen  aus  den  Haussa-Staaten  und  dem  Lande  der 
Fellata  über  Gomba,  beziehungsweise  Say-Bisuggu, 
Nikki,  Konjaffi  hier  ein. 

Der  Weg  über  Sansanne,  Mangu-Jendi  wird 
weniger  benützt.  Die  Karawanen  führen  Waaren, 
Pferde  und  Rindvieh  mit  sich,  um  Kolanüsse  einzu- 
tauschen, viele  kommen  aus  Muschi  über  Gambaga 
mit  Sclaven,  Eseln  und  Schafen,  die  sie  gegen 
Kolanüsse  absetzen.  Die  Gasari-Leute  verkaufen 
Sclaven  und  erhandeln  Gewehre,  Pulver  und  die 
besten  Pferde,  um  neue  Sclaven  zu  fangen.  Die 
Kolanüsse  werden  von  Kintempo  aus  auf  den  Markt 
gebracht.  Karawanen  aus  Daboja  am  Wolta  bringen 
Salz  und  Sclaven,  wofür  sie  Schnaps  und  Kola- 
nüsse fordern. 

Salaga  ist  auf  den  regen  Verkehr  von  Frem- 
den,   die  mindestens   ein  Drittel  der  Bevölkerungs- 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Ziffer  ausmachen,  vollständig  eingerichtet.  Die 
meisten  auswArtigen  Händler  haben  ihre  Gast- 
freunde, bei  denen  sie  stets  absteigen,  aber  sie  sind 
billige  Gäste,  da  sie  nur  den  Herd  und  die  Schlaf- 
stelle benützen,  alles  Andere  bringen  sie  mit. 

Der  Handel  im  'I'ogo-Gcbict  hat  eine  Zukunft, 
da  das  I^and  ziemlich  dicht  bevölkert  ist  und  noch 
manche  Producte,  wie  Kautschuk  und  Indigo,  welch 
letzterer  hier  wild  wächst,  in  grossen  Mengen  ge- 
wonnen werden  können.  Die  Kautschukliane  ist  im 
Gebirge  sehr  verbreitet,  doch  ist  ihre  Verwerthung 
den  Eingeborenen  dort  noch  unbekannt,  welche 
immer  noch  ein  einseitiges  Wirthschaftssystem  für 
den  Export,  nämlich  die  Gewinnung  des  Palmöls 
betreiben.  Die  an  der  Küste  gangbarsten  'l'ausch- 
artikel  sind :  Taschentücher  und  Kattune,  roth- 
geblümte Muster  und  sogenannte  Fancy- Points, 
Blättertabak  in  Bündeln  (hcads),  billige  Löffel  und 
Messer,  gewöhnliche  Perlen ,  sogenannte  Popo- 
Beads,  Glaskorallen  und  echte  Korallen,  Feuersteine 
für  Steinschlossgewehre,  Decken  und  billige  Filz- 
hüte, sogenannte  „Triumphhüte",  und  Hemden, 
weiss  oder  gestreift,  beliebt  als  Geschenke  für 
Häuptlinge;  Parfüms  wie  Lawcndel,  und  weiter: 
Kothgarn  in  Päckchen,  Blaugarn,  dicker  Messing- 
drath  (brassrods),  rothe  Fez,  Spiegel  (Soldaten- 
spiegel), Sammt,  Nähnadeln,  Shirting,  türkisch- 
rother  Kattun,  weisse  Baumwollcnzeuge  (Cirey  baff 
und  Grey  superior).  Langschäftige  Steinschloss- 
gewehre, sogenannte  üaneguns  und  rothangestri- 
chene mit  grosser  Mündung,  sogenannte  Buccaneer, 
für  Elephantenjagd,  sowie  Pulver,  sind  sehr  geeignet 
zum  Ankauf  von  Pfer<len  und  Rindvieh,  ferner  Seide 
in  Stücken  oder  Tüchern,  roth  oder  rothgeblümt. 
Taschentücher  und  die  eingeführten  Kattune  sind 
überall  sehr  beliebt  als  Tauschartikel.  An  der  Küste 
sind  kleine  Silbermünzen,  bis  jetzt  noch  englische 
3  und  6  Pencc  höchst  erwünscht  und  vortheilhaft 
zu  verwertlien.  Kisenwaaren,  wie  kleine  und  grosse 
Messer  (sogenannte  butcher  knives)  Haumesser  und 
Hacken,  Taschenmesser  haben  als  Exportartikel 
hierher  eine  Zukunft. 

Was  den  Handel  und  Waarenaustausch  zwischen 
dem  Togo-Gebiet  und  dem  benachbarten  König- 
reich Dahomeh  betrifft,  so  fehlt  es  demselben  noch 
an  Stetigkeit.  Im  Grossen  und  Ganzen  befuidct  sich 
der  Dahomeh-Handel  noch  in  dem  Anfangsstadium; 
es  werden  nur  geringwcrthige  Waaren  eingeführt, 
wie  sie  zur  Befriedigung  der  Bedürfnisse  eines  noch 
uncivilisirttn  Menschen  nöthig  sind,  von  ICinführung 
irgendwelcher  Luxusartikel  ist  noch  keine  Rede, 
ausgenommen  was  die  Mulatten,  die  irgend  eine 
Missionsschule  besucht  haben,  bestellen,  um  sich 
wenigstens  mit  dem  Schein  eines  Civilisirten  zu  um- 
geben. 

Der  Handel  mit  Dahomeh  wird  in  gleicher 
Weise  betrieben,  wie  derjenige  längs  der  ganzen 
Westküste.  Europäische  Waaren  werden  eingeführt, 
um  gegen  Landesprodurte  umgetauscht  zu  werden; 
letztere  sind  hauptsächlich  Palmöl  und  Palmkerne, 
Elfenbein  dagegen  nur  in  sehr  kleinen  Quantitäten; 
doch  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  von  letzterem 


grosse  Mengen  im  Hinterlande  von  Dahomeh  zu 
erhalten  sind,  durch  das  Abscblusssystem  D^homehs 
aber  nicht  zur  Küste  kummcn.  Unter  den  einge- 
führten Waaren  sind  deutschen  Ursprungs  Salz  von 
Strassfurt,  Gcneverund  Rum  von  Hamburg,  während 
die  anderen  Artikel  von  den  einzelnen  Häusern  aus 
ihrem  Mutterlandc  bezogen  werden,  so  unter  An- 
derem Pulver,  Eisenwaarcn,  Provisionen  und  Ga- 
lanteriewaaren.  Baumwollcnwaaren  werden  nur  von 
England  genommen;  wiederholte  Versuche  mit 
deutscher  Waare  waren  nicht  von  Erfolg  gekrönt, 
da  der  Preis  sich  den  englischen  Waaren  gegenüber 
noch  zu  hoch  stellt,  und  der  deutsche  Fabrikant  die 
Wünsche  desBestellers demGeschmack  entsprechend 
nicht  genug  berücksichtigt. 

Die  aus  den  Einfuhrzöllen  seit  I.  August  1887 
sich  ergebenden  Einnahmen  im  Betrage  von  80.000 
Mark  im  Etat  für  1889/go  genügen,  um  die  Kosten 
der  Verwaltung  zu  decken.  Die  Colonie  steht  unter 
Verwaltung  des  Reiches:  Regierungscommissär  war 
im  letzten  Jahre  Herr  v.  Putikamer,  der  auch  zu- 
gleich Consul  für  die  unter  fremder  Hoheit  stehen- 
den Gebiete  an  der  Gold-  und  Silberküste  war. 
Ausserdem  befindet  sich  dort  ein  Secretär,  ein 
Polizeimeister,  ein  Regierungsarzt  und  andere  Be- 
amte. In  Deutschland  hat  sich  am  8.  Mai  1888  eine 
deutsche  Togo-Gesellschaft  als  eine  offene  Handels- 
Gesellschaft  constituirt,  nachdem  Dr.  Henrici  Land 
am  Sio-Fluss  erworben  hatte.  Die  erste  Station  der 
Gesellschaft  ist  in  Gapo,  einige  Tagereisen  von  der 
Küste.  Fran<;-ois  spricht  sich  über  diese  Erwerbung 
günstig  aus. 

Um  die  Auffindung  neuer  und  sicherer  Wege 
aus  dem  Binnenlande  nach  der  Küste  hat  sich  auch 
Premierlieutenant  Kling,  welcher  dem  Stabsarzt 
Dr.  Wolff  beigegeben,  verdient  gemacht.  Der  ge- 
nannte Officier  ist  auf  der  von  ihm  zurückgelegten 
Tour  von  Bismarckburg  nach  Klein  Popo  meist  auf 
Eingeborene -Stämme  gestossen,  die  eine  den 
Deutschen  freundliche  Haltung  zeigten.  Besonderes 
Interesse  gewährte  ihm  der  Marsch  durch  die  Da- 
homeh benachbarte  Landschaft  Atakpamc,  in  welcher 
seit  kurzer  Zeit  einzelne  deutsche  Niederlassungen 
eingerichtet  worden  sind,  und  wo  zum  ersten  Male 
eine  Berührung  mit  der  einheimischen  Bevölkerung 
stattgefunden  hat. 

III. 

Die  Hauptbeschäftigung  der  .Atakpamcleutc  ist 
der  Handel,  neben  welchem  sie  aber  bedeutende 
Weberei  und  Mcfscrschmi<-dcarbcit  betreiben.  Die 
Einwohner  waren  sehr  zurückhaltend,  hatten  sie 
sich  ja  doch  die  Europäer  bis  jetzt  fernzuhalten  ge- 
wusst,  bis  ein  Besuch  bei  einem  Fetischpriester  das 
Eis  brach.  Der  Weg  über  Atakpamc  ist  von  allen 
Verbindungswegen  zwischen  der  Station  und  der 
Küste  der  beste,  und  wird  nun  auch  wohl,  nachdem 
seine  Erschliessung  gelungen,  allgemein  benutzt 
werden.  Die  Entfernung  von  Klein-Popo  nach  Sa- 
laga  über  Bismarckburg  beträgt  22  Marschtage,  führt 
ausschliesslich  durch  deutsches  Gebiet  und  ist  kürzer 
als  die  bis  dahin  bekanntgewesenen  Handclsstrassen 
zwischen  Lome   und   Salaga   oder  .\kkra   auf  der 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


englischen  Goldküste  und  Salaga.  Die  Constatirung 
dieser  Thatsache  ist  für  den  deutschen  Handel  von 
grosser  Wichtigkeit,  wenn  dieser  in  dem  vielver- 
sprechenden Gebiete  mit  den  Engländern  zu  con- 
curriren  beabsichtigen  sollte. 

Die  Verhältnisse  liegen  in  der  Togo-Colonie 
in  handelsjiolitischer  Beziehung  insoferne  günstig, 
als  es  geglückt  ist,  die  Station  im  Rücken  derjenigen 
Volksstämme  anzulegen,  welche  den  directen  Handel 
zwischen  der  Küste  und  dem  Innern  durch  List  und 
Gewalt  zu  verhindern  suchten.  Bismarckburg  sichert 
in  Folge  seiner  günstigen  geographischen  Lage  dem 
deutschen  Handel  ebensowohl  eine  gute  Verkehrs- 
strasse nach  Salaga  als  auch  nach  Fasuga  und 
weiter  nach  Nordosten, 

Die  Grenzverhältnisse  der  Togo-Colonie  nach 
Westen  sind  noch  nicht  festgestellt  und  die  An- 
sprüche der  Engländer  und  Deutschen  collidiren  an 
mannigfachen  Punkten,  während  nach  Osten  hin, 
gegen  die  französische  Besitzung,  die  Grenze 
längst  regulirt  ist. 

Wirthschaftlich  ist  das  deutsche  Togo-Gebiet 
Jahr  für  Jahr  vorwärts  gegangen.  Der  Handels- 
umsatz, namentlich  in  dem  dicht  an  der  englischen 
Grenze  gelegenen  Lome,  ist  in  fortdauerndem  Steigen 
begriffen  und  beläuft  sich  auf  weit  über  sieben  Mil- 
lionen Mark,  von  welchen  für  das  laufende  Jahr  an 
Zöllen  gegen  neunzigtausend  Mark  einkommen, 
durch  welche  die  Verwaltungskosten  vollauf  gedeckt 
werden.  Durch  den  Aufschwung  des  Handels  haben 
sich  drei  neue  Firmen  veranlasst  gesehen,  ihr  Ge- 
schäft in  der  Colonie  aufzuschlagen.  Das  Aufblühen 
des  Handels  in  Lome  ist  dem  Umstände  zu  danken, 
dass  die  Engländer  höhere  Zölle  erheben,  und  dass 
die  Eingeborenen  deshalb  weither  aus  dem  Innern 
von  englischer  Seite  nach  Lome  gehen,  weil  sie 
dort  billiger  kaufen.  Darunter  leidet  der  englische 
Handel  allerdings.  Der  Grund  dafür  liegt  einerseits 
darin,  dass  sie  höhere  Zölle  haben,  anderseits,  dass 
gar  ke'ne  natürliche  Grenze  vorhanden  ist. 

Nicht  nur  mit  Bezug  auf  den  Handel  ist  Togo 
in  einen  neuen  Abschnitt  der  Entwicklung  getreten, 
sondern  man  hat  auch  begonnen,  Plantagenbau  zu 
betreiben.  Ausser  einer  kaufmännischen  Firma, 
welche  kürzlich  eine  kleine  Cocospflanzung  an  der 
See  angelegt  hat,  arbeitet  die  „Deutsche  Togo- 
Gesellschaft",  als  Plantagen-Gesellschaft  im  Innern 
und  will  für  umfassende  Verkehrsmittel  und  Schiff- 
barmachung  der  kleinen  Küstenflüsse  sorgen.  Ge- 
baut wird  dort  Baumwolle,  'l'abak,  Ricinus  und 
Kaffee.  (Scliluss  folgt.) 

DIE  SYMBOLISCHE  ROSE    IN    DEN    KORDAFRI- 
KANISCHhN  RELIGIÖSEN  ORDEN. 

Wollte  man  eine  Liste  aller  jener  falschen  Be- 
griffe und  irrigen  Angaben  anlegen,  die  noch  heute 
über  muhammedanische  Dinge  im  Umlauf  sind,  so 
erhielte  man  wahrlich  ein  stattliches  Verzeichniss 
von  Missverständnissen.  Populäre  Darstellungen 
und  Reisewerke  sind  die  vermittelnden  Organe 
solcher  Irrthümer,  über  welche  die  Kritik  fachkun- 


diger Orientalisten  nicht  die  nothwendige  Controle 
übt.  Durch  dilettantische  Führer  irregeleitet,  wird 
z.  B.  noch  heute  in  den  weitesten  Kreisen  die  grund- 
falsche Anschauung  verbreitet,  dass  der  Unterschied 
zwischen  den  beiden  grossen  Abtheilungen  des 
Islam,  zwischen  Sunniten  und  Schiiten  darin  be- 
stehe, dass  diese  blos  den  Koran  als  Autorität  an- 
erkennen, während  jene  ausser  diesem  geoffenbarten 
Religionsbuch  noch  die  Sunna  als  Quelle  des  re- 
ligiösen Verhaltens  und  Glaubens  betrachten.') 

Viele  solcher  falschen  Angaben  sind  durch 
Reland'x  und  Mouradgea  d'Ohsson's  für  ihre  Zeit 
denkwürdige  Arbeiten  aus  der  Welt  geschafft  wor- 
den. Man  spricht  nicht  mehr  von  Muhammed's  Grab 
in  Mekka  als  Zielpunkt  der  muslimischen  Wall- 
fahrten ;  die  Fabel  von  den  magnetischen  Wänden 
derKa'ba  ist  längst  aus  dem  Verkehr  geschwunden  ; 
die  Türkenbücher  und  Reisebeschreibungen  des 
XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts  sind  voll  davon.  Die 
in  früheren  Jahrhunderten  allgemein  verbreitete 
Anschauung,  dass  jeder  Jude,  der  Muhammedaner 
werden  will,  zuerst  mittelst  regelrechter  Taufe 
durch  den  christlichen  Glauben  hindurchgehen  muss, 
weil  der  Islam  auch  die  Anerkennung  Jesu's  voraus- 
setzt —  ist  wohl  gleichfalls  aus  dem  Wege  ge- 
räumt. MartinusBaumgarter  von  Breitenbach  (l 507) 
ist  gewiss  nicht  der  Letzte,  der  dieser  Fabel 
Glauben  schenkte.  ^) 

Lange    hafteten    falsche     Worterklärungen.    Es 
wäre  nicht   ohne  Interesse,   die  Geschichte,    Leben 
und  Sterben  solcher  Irrthümer   zu  verfolgen.    Von 
einem  Buch  in's  andere  ging,    um    ein  Beispiel   aus 
diesem  grossen  Kreise  anzuführen,  die  uns  heute  so 
sonderbar    anmuthende  Angabe,    dass    die  Muham- 
medaner ihre  Geistlichen  Talisman  nennen.  Darüber, 
was   man    unter  Talisman   zu  verstehen  habe,    sind 
die    verschiedenen    Verfasser    nicht    einig.    Martin 
Crusius  ")  citirt  bereits  nach  einer  altern  Autorität, 
Genfraeus,   dass  man  die  türkischen  Priester  Talis- 
manlar    nenne ;     dasselbe    lehrt    auch    Ricaut    an 
mehreren  Stellen    seines    noch    heute  interessanten 
Buches    über  muhammedanische  Dinge,    zu    dessen 
religiösen  Abschnitten    er  sich  seine  Informationen 
von    einem    unter  Türken    erzogenen  Polen    holte. 
„ Besagter  Polack  hiess  Albertus  Bohonius,  und  inuss 
ich  bekennen,  dass  ich  das  meiste,  so  ich  in  diesem 
Buche  angemerckt,  von  ihm  herhabe."  *)    Der  böh- 
mische Freiherr  v.    Wratislaiv,    der    im  Jahre    1591 
dem   Gesandten    des   Kaisers    Rudolf    II.   am   Hofe 
des  Sultans  Muradlll.,  Friedrich  Kreywitz,  attachirt 
war,  nennt  die  Minaretrufer  hartnäckig  Talisman  *), 
und  dieselbe  Bedeutung  gibt  diesem  Worte /ohann 
Ulrich    Wallich  aus  Weimar:    „Diese  Ausruffer   — 


')  So  lehrt  noch  mirkwürdigerweise  der  Professor  de.^  Islam 
an  der  Parise  ■  ..Eeole  de»  hautes-etudee**  in  eeioer  Antrittsvor- 
lesung, Hartw.  Derenbourg.  La  science  des  religions  et  Vlalamisme 
(Paris,  Leroux  1886),  p.  76. 

')  Peregrinatio  in  Aegyptum,  Arahiam,  PalaeMnam  et  Syriam, 
edid.  M.  Clirisr.  Donaveriua  (Nürnberg  j5it4),  p.  \fi:  Nam  si  (iuis 
Judaeus  tldem  suair  (uämticli  de»  Muhai»  niedaners)  aniplecti  vellet, 
non  priu.s  aiimittittir  donec  Christiani  niore  baptizatus. 

')  Tiircograeciiie  libri  octo.  Haeil.  1584  in  fol.,  p.  67. 

•)  Die  Nen-tröffnete  Ottomanische  Pfortt.  (Deutsche  Ueber- 
setzung.)  Augsburg  1694.  Bil.  ),  p.  »8a. 

»j  Des  Freiherrn  von  Viratislaw  merhvirrdige  ilesandtschafis- 
reise  von  Wien  nach  Konstantinopel.  (Aus  dem  Böbmischeu  über 
setzt.,  Leipzig  1787,  p.  3-t. 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT. 


[•sagt  der  Tliüringer*)  —  werden  genennet 'I'idism.in 
[  oder  Mesin.  Wenn  etwa  diese  an  dem  Abruffcn  ver- 
hindert werden,  können  an  deren  statt  es  wohl  die 
jüngere  Studenten  verrichten,  so  sich  desswegen  zu 
den  Kirchen  begeben  und  darinnen  exercircn." 
Üesgieiciien  meint  der  eifrige  Agitator  Bartholo- 
mäus Georgivits,  dessen  Flugschriften  gegen  die 
Türken  gewürdigt  wurden  ,  im  lateinischen  Ori- 
ginal in  Theodor  Ribliander's  bekanntes  Sammel- 
werk ')  aufgenommen  zu  werden ,  woraus  dann 
einiges  „von  einem  Thüringer  aus  dem  Lateinischen 
in's  Hochdeutsche  gezogen"  wurde**):  „Sacerdotis 
vero  illorum  lingua  Talismanlar  vocati"  und  der 
»Franzose  Villamont:*)  „11  faut  que  le  sainton  ou 
Talisman  (qui  est  leur  Prestre  ouCure)  vienne  pour 
consoler  le  malade  et  lui  represenier  l'etat  de  son 
salut".  Auch  der  Sachse  Wilhelm  Hurchard,  der  in 
der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  in  der  Türkei 
verkehrte,  1")  schreibt  in  seinem  siebenten  Ca|)ilel : 
„Die  Priester ,  so  auff  ihre  Sprach  Talismonlar 
heissen,  haben  einen  geringen  Unterschied  vom  ge- 
meinen Volk".  Von  den  Mu'eddins  spricht  er  in 
einem  frühern  Capitel  besonders,  von  den  Schul- 
meistern in  einem  spätem,  und  es  darf  beiläufig 
hervorgehoben  werden,  dass  er  sich  bei  dieser  Ge- 
legenheit zu  derKemerkung  veranlasst  findet:  „Man 
hält  die  Schulmeister  in  Türekey  sehr  wehrt  und 
thun  kein  Überlast,  lassen  auch  nicht  geschehen, 
dass  ihnen  ein  einizig  Leid  wiederfahre,  worinnen 
sie  uns  Teutschen  hefftig  beschämen,  als  da  viele 
gar  Fussschemel  aus  ihren  Schuldienern  machen 
und  alles  Hertzeleid  den  armen  Leuten  zufügen." 

Die  Verbreitung  völlig  aus  der  Luft  gegriffener 
oder  auf  argem  Missvei-ständniss  beruhender  sprach- 
licher und  sachlicher  Angaben  über  muhammeda- 
nische  Verhältnisse  hat  aber  auch  angesichts  der  Ver- 
tiefung unserer  modernen  Kenntnisse  nicht  aufge- 
hört, die  populären  Berichte  über  den  Orient  zu 
verunstalten.  Aus  einer  grossen  Reihe  von  Bei- 
spielen, die  sich  jedem  Fachmanne  darbietet,  der 
es  nicht  verschmäht,  die  Reiseliteratur  mit  einiger 
Aufmerksamkeit  zu  verfolgen,  möchte  ich  hier  ein 
charakteristisches  Detail  hervorheben,  das  mir 
durch  ein  vor  nicht  langer  Zeit  erschienenes  popu- 
läres Buch  über  Algier  wieder  nahegeführt  worden 
ist.  In  der  Reihe  populärer  ethnographischer  Werke 
über  den  Orient,  welche  in  Paris  bei  E.  Plön  er- 
scheinen, ist  Algier  durch  ein  Buch  Ai^%  Dr.  Bernard 
vertreten.  Im  Capitel  über  die  geheimen  Brütler- 
schaften  (Kliouän)  in  Nordafrika  wird  uns  hier  zum 
so  und  so  vielten  Male  folgende  Mär  erzählt:  „II 
n'y  a  peut-etre   un  musulman   du  nord  de  l'.'^frique 


•)  Biligio  Uircica  et  Maliomitta  Yiln.  Dnt  ist:  h'urlii,  Kahr- 
hoffligt  grtind-  und  rigtndliche  Htichrtihung  Tarckiaclur  Ktligion, 
If.«  auch  I.ilien,  Winidel  uud  Tod  des  ArabiscInH  /alicIilH  l'ro- 
(ihilen  Maliometia.  Aligcfa«»t^l.  bei»  Urieben  und  In  Teuuclier  Sprache 
herausifßie«  bf  n  (o.  O.  KiW),  p.  2.5. 

•)  Uli.   III.  p.  183. 

•)  rüTcken-llüMtin  Barlholomel  Oeorijl  VI»  EInei  Unj[»rn, 
welcher  1»  Jmbr  bei  den  Türcken  gcf.ingen  gewesen.  Vonder 
'Mrcken  (lebrüllchi'U  und  Oeivi.linh<'lteu  flu.  elf.  NOrnbffg  ItlCT. 

•)  /.es  Yogai/ta  du  Srigoiur  de  l'iUamoHl,  ChevalliT,  de 
l'Ordro  de  llienuiilcin,  gentiluomme  urdlnalre  de  U  CU»mbr«  du 
Kov  (T.von   IßlHi),  p.  301. 

'")  Anns  IM  dt»  19  Jahr  um  TürektH  gtfttmgen  gene»e»tn 
Sachten  auffs  ihm  triiffnete  lürck/i/ (,1.  Au.g.  Uüts,  ü.  Aii»g.  IR»!. 
Magdeburg). 


<|ui ,  se/on  l'exprtsiion  comacrie  n'ail  pris  la  rote 
de  l'une  de  ces  pieuses  et  politic|ue»  confr^ries*, 
unci  weiter  nochmals:  „La  province  d'Alger  prtnd 
volontiert  la  rose  dt  Sidi  Abd  el  Kader  etc."  '*) 

Also  ^die  Rose  nehmen'^  ist  der  geheiligte  Aus- 
druck für  den  Begriff:  in  einen  religiösen  Gebcim- 
bund  initiirt  werden.  Bernard  ist  nicht  der  Kntdccker 
dieser  Definition,  denn  wie  eine  ewige  Krank- 
heit erbt  sie  sich  von  Buch  zu  Buch  und  darum  wird 
es  wohl  nicht  als  überflüssig  erscheinen,  auf  die- 
selbe eingehender  hinzuweisen ;  vielleicht  gelingt 
es,  der  allenthalben  verbreiteten  unsinnigen  Be- 
hauptung endlich  ein  Ende  zu  bereiten.  Wir  müssen 
da  freilich  den  touristischen  Schriftstellern  einen 
Schnitzer  zu  Gute  halten ;  denn,  ohne  dass  sie 
sich  dessen  bcwusst  sind  ,  könnten  sie  sich 
für  das  ^Nehmen  der  Rose^  auf  ein  wissenschaft- 
liches Specialwerk  über  nordafrikanische  Culturver- 
hältnisse'  berufen,  auf  kein  geringeres  nämlich,  als 
auf  das  HanoUau-Lelourneux'sc\\G  Werk  über  die 
Kabylen  und  ihre  Sitten.  In  demselben  wird  uns 
die  Rosenerklärung  mit  der  höchst  auffallenden  Be- 
merkung vorgeführt:  „.^u  moins  c'est  ainsi  (|ue 
l'cntendent  Ics  musulmans".  "')  Da  dürfen  wir  uns 
dann  nicht  verwundern,  wenn  in  einem  populären 
Werke  über  Marokko,  in  welchem  uns  unter  An- 
derem die  nicht  wenig  sonderbare  Belehrung  ge- 
boten wird  :  Verlangt  man  nach  einem  arabischen 
Buche,  so  sehen  uns  die  Leute  erstaunt  an  und 
sagen:  „In  Fez  habe  niemand  ein  Buch,  es  möge 
wohl  der  Eine  oder  der  Andere  eines  besessen 
haben,  in  welche  Hände  es  aber  mit  der  Zeit  ge- 
langt, sei  unbekannt"  —  wenn,  sagen  wir,  in  dem- 
selben Buche  die  „Rose"  der  nordafrikanischen  Ge- 
heimbünde als  ausgemachteThatsache  hingenommen 
und  den  Lesern  weitergegeben  wird :  „In  einen 
Orden  eintreten  —  so  lesen  wir  da  kategorisch  — • 
heisst  die  Rose  nehmen."  ")  Wie  kommt  aber  die 
Rose  dazu,  diese  Rolle  in  den  Gcheimbünden  des 
Islam  zu  spielen  ?  Darauf  hat  uns  früher  schon  Herr 
Pfarrer  Bernhard  Schwarz  recht  gründlich  geant- 
wortet:  „In  einen  Orden  eintreten  —  so  sagt  auch 
er  —  heisst  „die  Rose  nehmen".  Bekanntlich  war 
diese  Blume  schon  im  ältesten  .Asien  ein  verbreitetes 
Symbol,  bei  den  Christen  Sinnbild  des  Martyriums 
und  im  Mittelalter  so  wie  heute  noch  ein  Zeichen 
für  manche  Gcheimbünde".  '*) 

So  wäre  denn  nun  auch  der  Zusammenhang  in 
symbolischer  Weise  hergestellt.  .Aber  vergeblich  ! 
Wir  müssen  auf  die  Rose  in  diesem  Kreise  ver- 
zichten, so  schwer  es  uns  auch  wird,  den  Duft  der 
Rose  mit  einer  dumpfen  Litanei  ru  vertauschen. 
„Wird",  so  nennen  die  Muhammedaner  zunächst 
eine  Partie  des  Korans,  die  sie  als  andächtige  üebung 
zu  einer  gewissen  Tageszeit  regelmässig  recitiren ; 
dann  nennt  man  auch  mit  diesem  Wort  eine  Art 
Litanei,   welche   religiöse  Bruderschaften  wahrend 

")  L'lltirtt  fHi  »•«>•  r«  (PmiU  I8»7),  p.  »4»,  »SO. 

")  La  KahgUe  et  le*  coutumet  k'aiglu  (P»H»  18«^  Vi.  II. 
p.  96,  Ann.  ».  ...._, 

")  Kdm.  d«  Amirls:  JTurvUa.  (N»«h  «»n  U».Hm»>Mthtm  (nl 
be  rbitlel,  IS83),  p.  U«,  üi 

■•)  Al/tritn.  (L.«lpilg  IStl),  p.  t»l. 


OD 


ro 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT. 


ihrer  regeltnässrgen  Vereinigung  gemeinschaftlich 
hersagen.  Unter  dem  Namen  „dhikr"  sind  diese 
andächtigen  Uebungen  besser  bekannt.  Die  ein- 
zelnen Derwisch-Körperschaften  haben  ihre  Eigen- 
thümlichkeiten  hinsichtlich  der  Zeit  und  Art  dieser 
Recitationen.  Um  daher  die  religiösen  Uebungen 
einer  solchen  Körperschaft  mitmachen  zu  können, 
muss  man  in  die  Eigenthiimlichkeit  ihres  „  Wird" 
eingeweiht  sein,  und  die  Bekanntmachung  m.it  dem 
Wird  eines  Ordens  ist  demnach  eine  nothwendige 
Vorbedingung  der  Zugehörigkeit  zu  demselben. 
Wenn  man  nun  sagen  will:  ,, Jemand  ist  in  den 
Orden  X  eingetreten",  so  drückt  man  dies  so  aus: 
„er  hat  den  Wird  dieses  Ordens  empfangen". 

Mit  diesem  Wird  haben  nun  die  Schriftsteller, 
die  wir  oben  anführten,  sowie  jene,  denen  sie  gefolgt 
sind,  das  graphisch  identische  und  lautlich  ähnliche 
Ward  verwechselt;  dies  bedeutet  /^ö«  und  so  ist 
wohl  zu  allererst  die  Rose  als  symbolisches  Zeichen 
der  Initiation  in  einen  muhammedanischen  Orden 
(merkwürdigerweise  aber  nur  mit  Bezug  auf  Nord- 
afrika) entstanden. 

Budapest.  Dr.  Ign.    Goldziher. 


MUSIK  UND  TANZ  IN  OSTASIEN. 

Es  dürfte  kaum  einem  Zweifel  begegnen, 
dass  der  Ursprung  aller  Musik  in  der  Biegsam- 
keit  der  menschlichen  Stimme  wurzelt,  dass  mit 
anderen  Worten  Gesang  die  ursprünglichste  Musik 
gewesen  ist.  Ermögliciit  wird  diese  Biegsamkeit 
der  Stimme  durch  die  aufrechte  Körperhaltung, 
worauf  schon  der  Gesang  der  Vögel  hinweist. 
Aber  auch  unter  jenem  Affengeschlechte,  welches 
dem  menschenähnlichen  Affen  der  Vorzeit  am 
nächsten  steht,  beim  Gibbon,  finden  sich  Arten, 
die  mit  dem  aufrechten  Gange  eine  solche  Ge- 
walt über  die  Kehlkopfmuskeln  vereinen,  dass  sie 
die  Tonleiter  für  das  Ohr  musikalischer  Beob- 
achter richtig  singen  können.  Dies  ist  beim 
Hylobates  agilis  der  Fall.  Die  Intervalle  der  von 
diesem  anthropoiden  Affen  ausgestossenen  sehr 
musikalischen  Töne  liegen  um  einen  halben  Ton 
auseinander  und  die  von  ihm  auf-  und  abwärts 
gesungene  Scala  umfasst  eine  Octave.  So  sind 
denn  Anlage  und  Befähigung  zum  Singen  ein 
Gemeingut  aller  Menschen,  und  in  der  That  ist 
die  Neigung  für  Vocalmusik  fast  bei  allen  Völ- 
kern und  Stämmen,  wenn  auch  in  recht  ver- 
schiedenem Masse  vorhanden.  Nicht  selten  äussert 
sie  sich  in  ganz  roher  Weise,  ohne  Rücksicht 
auf  das,  was  wir  Harmonie  nennen,  die  erst  als 
Angebinde  eines  verfeinerten  Geschmackes  sich 
kundgibt.  Schon  auf  sehr  niedrigen  Gesittungs- 
stufen nehmen  wir  Versuche  wahr,  Töne  künst- 
lich zu  erzeugen,  die  ersten  Spuren  der  Instru- 
mentalmusik, wenn  man  sich  so  ausdrücken  darf. 
Die  Südseeinsulaner,  wie  die  Neger  Innerafrikas, 
haben  alle  schon  mehr  oder  weniger  sinnreiche 
Instrumente  erdacht,  welchen  sie  in  der  ver- 
schiedensten  Art  Töne    zu     entlocken    verstehen. 


Im  Allgemeinen  daif  man  alle  diese  musikalischen 
Instrumente  in  die  drei  grossen  Gruppen  der 
Schlag-,  I-ilas-  und  Saiteninstrumente  theilen,  die 
ja  auch  unserem  eigenen,  hoch  ausgebildeten 
Orchester  zu  Grunde  liegen.  Die  einfachsten  und 
zugleich  unbeholfensten  unter  ihnen  sind  zweifels- 
ohne die  Schlaginstrumente,  welche  nur  eine  sehr 
beschränkte  Anzahl  von  Tönen  hervorzubringen 
vermögen,  daher  auch  hauptsächlich  bei  den 
niedrigen  Völkerstämmen  verbreitet  sind.  In 
Afrika  spielt  die  Trommel  mit  ihren  Verwandten 
eine  gewaltige  Rolle,  hat  sich  aber  auch  in 
höhere  Cullui  kreise  gerettet.  Uebrigens  sind  die 
Schlaginstrumente  je  nach  dem  zu  deren  Her- 
stellung verwendeten  Stoffe  einer  ansehnlichen 
Vervollkommnung  fähig.  Zwischen  der  hölzernen 
Negertrommel  und  dem  metallenen  Gong  Ost- 
asiens  ist   ein   bedeutender   Unterschied. 

Es  bezeichnet  allemal  eine  höhere  Entwick- 
lungsstufe, wenn  Vocal-  und  Instrumentalmusik 
sich  mit  einander  zu  verbinden  beginnen,  wenn 
der  Gesang  nach  Begleitung  verlangt,  ganz  ab- 
gesehen von  dem  musikalischen  Werthe  beider. 
Auf  dieser  Stufe  treffen  wir  die  Nationen  Ost- 
asiens, die  ja  in  der  That  auch  einer  alten, 
eigenartigen  Gesittung  sich  rühmen  dürfen.  Die 
Musik  der  /apaner  hat  F.  Kallenberg  seinerzeit 
in  diesen  Spalten  geschildert.')  Darnach  bilden 
dreisaitige  Guitarren,  Samsing,  nach  J.  Rein  Sa- 
misen  genannt,  nebst  kleinen  Tarabukken  oder 
Trommeln,  die  verschieden  gestimmt  sind,  aber 
mit  dem  Klang  der  Guitarren  harmoniren,  die 
Hauptinstrumente.  Professor  Rein  nennt,  ausser- 
dem noch  die  dreizehnsaitige  Koto,  eine  Art 
Zither,  welche  liegend  gespielt  wird.  Ihre  Töne 
sind  viel  harmonischer,  wohlklingender  als  jene 
des  Samisen,  doch  ist  ihr  Spiel  ungleich  schwie- 
riger. Die  Biwa,  eine  Mandoline  mit  vier  Saiten, 
wird  meist  von  Greisen  gespielt.  Die  Satzver- 
bindung de;-  Melodie,  sagt  Kallenberg,  ist  dem 
Gehör  kaum  wahrnehmbar;  es  ist  ein  fort- 
währendes Durcheinander  von  Tönen,  wobei 
weder  Trommel  noch  Guitarre  dissoniren ;  die 
Schlusscadenz  kommt  so  unerwartet  als  möglich, 
da  eine  eben  begonnene  Steigerung  eher  die 
Fortsetzung  erwarten  liesse.  Gesang  und  Instru- 
mentalmusik sind  Künste,  die  in  Japan,  wie  im 
gesammten  Morgenlande,  in  der  Regel  nur  von 
Mädchen  ausgeübt  werden.  Diese  werden  stets 
im  Spielen  des  Samisen,  in  besseren  Häusern 
wohl  auch  der  Koto  unterrichtet.  Diejenigen, 
welche  diese  Künste  gewerbsmässig  betreiben, 
heissen  Geisha  und  stehen  dem  Ansehen  nach  in 
der  Mitte  zwischen  den  zwei  anderen  niederen 
Berufsciassen,  den  Yakusha  und  Joro,  welche 
dem  Vergnügen  dienen.  Sie  sind  Vertreterinnen 
nicht  blos  der  neun  Musen,  sondern  auch  einiger 
anderer  Göttinnen,  insbesondere  der  Hebe.  Auch 
die  Chinesen  bevorzugen  die  Schlaginstrumente  ; 
sie  haben  zuerst    entdeckt,     dass    gewisse   Steine 


')  Siebe  Bd.   XII.,  Seile  184. 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FOR    DEN   ORIENT 


11 


I 


das   Vermögen   besitzen,    musikalische   Töne   lier- 
vorzubringen   und   so   bearbtitet  werden    können, 
dass    sie    die    Töne    der    Octave     wiedergeben. 
Einige    alte  Instrumente    wurden    aus    dem    von 
ihnen   hochgeschätzten  Nephrit   gemacht   und   dem 
kaiserlichen  Gebrauche  vorbehalten  ;  jetzt  werden 
dieselben     aus    einem    schwarzen     Kalkstein   ver- 
fertigt.    Daneben   gibt   es  Trommeln   in   den   ver- 
schiedensten Grössen  und  Gestalten,  und  ebenso 
Saiteninstrumente,    die    entweder    mit    der  Harn! 
oder   mit   einem  Plectrum   angeschlagen  oder  wohl 
auch   mit  einem   Hogen   gestrichen    werden.     Dar- 
unter verdient   die  Pi-Pd  lirwähnung,   eine  ballon- 
förmige  Guitarre,   welche   in   den   voiksthümlichen 
,  Capellen     unentbehrlich    ist.      Die   Musik    ist    bei 
I  den  Chinesen  nach   ihren  eigenen  Aussagen  uralt 
und   stand   ursprünglich   sogar  mit  Mass,   Gewicht 
und     Münze      im     Zusammenhang.      Europäischen 
Geschmack   vermag    dieselbe    aber    nicht  zu   be- 
friedigen.  Im   Allgemeinen   scheinen   die   Chinesen 
auf    genaue     Einhaltung    der    Tonstufe    und     der 
Intonation     keinen     besonders    hohen     Werth     zu 
legen;    sie    begnügen     sich    mit    einer    gewissen 
Annäherung,   und   in   dem  Umfange  von   zehn  oder 
zwölf    unveränderten     Noten     finden    die   Musiker 
eine   unendliche   Zahl   von   Melodien,     welche   den 
Anforderungen      des      bescheidenen     Geschmacks 
vollkommen  genügen.    Diese  Melodien  aufzufassen, 
ist  anfänglich  sehr  schwer;  sie  hinterlassen  keinen 
bleibenden   Eindruck,   da  sie  sich  fortwährend  von 
Dur   in   Moll   und   umgekehrt    bewegen,    so    dass 
sie  keine  entschiedene  Klangfarbe  zeigen.   Immer- 
hin  ist  Musik  eine  der  beliebtesten  Unterhaltungen 
der  Chinesen    und    in    den    meisten  Städten    be- 
stehen  Concerthallen,     wo    es    dem   Publicum   für 
ein    Geringes     erlaubt    ist,    ein     Lied     oder    eine 
Ballade  anzuhören.     Im  Theater    ist  Gesang  das 
Privilegium   der  Hauptperson   des   Stückes,   häufig 
eine  Art  Recitativ,  und  die  Art,  wie  das  Orchester 
in  gebrochenen,  kurzen  Accorden  oder  in  langen 
getragenen   Tönen    denselben    begleitet,     ist   dem 
sogenannten   Recitativstyl    des  Abendlandes    sehr 
ähnlich.   Im  Allgemeinen   freilich   läuft  das  Urtheil 
der    meisten   Europäer    darauf    hinaus,    dass    die 
chinesische  Musik,    wie  die  japanische  desgleichen 
„rein  nicht  zum  Anhören"  ist,   und  strenge  Richter 
brandmarken   sie   gar  als   „Ohrenschinderei". 

Bei  weitem  erträglicher  klingt  die  Musik  auf 
der  hinterindischen  Halbinsel,  besonders  in  Siam 
und  Birma.  V.\r\  siamesisches  Orchester,  aus  fünf 
bis  sechs  Instrumenten  bestehend,  ist  ziemlich  gut 
zusammengestellt.  Ausser  der  Flöte  gibt  es  aber  auch 
hier  blos  Schlaginstrumente,  und  zwar  nebst  der 
Trommel  solche  aus  Bronze,  Eisen  oder  Bambu, 
die  auf  eine  Octave  von  acht  Noten  gestimmt  sind. 
Diese  Metallplatten,  dem  chinesischen  „Gong''  oder 
„Tamtam"  entsprechend,  sind  an  beiden  Seiten  an 
schiffförmigen  Schnüren  aufgehängt  und  werden 
nicht  mit  den  Fingern,  sondern  mit  Stäbchen  ge- 
spielt, die  in  einer  kleinen  Scheibe  enden.  Die 
melodischesten  dieser  Miniaturclaviere  sind  jene 
aus  Bambu.    Die  Birmanen   besitzen    vollends  eine 


Anzahl  höchst  merkwürdiger,  ihnen  eigenthamlicbcr 
Musikinstrumente.  Das  grösstc  davon  ist  eine  Art 
„Trommelharmonika",  Pal  sc  haing  genannt.  Das  Ge- 
häuse selbst  gleicht  einer  grossen  offenen  Trommel 
und  ist  so  geräumig,  dass  derVirtuos  darin  sitzen  kann. 
An  den  inneren  Wänden  sind  i8 — 20  'IVommeln 
und  Pauken  von  7  — 25  cm  Durchmesser  angebracht 
und  verschieden  gestimmt.  Der  Spieler  schlägt  sie 
mit  den  Fingern,  so  dass  man  das  Instrument  auch 
ein  Trommelciavier  nennen  könnte.  Aehnlich  ist 
das  Gehäuse  einer  Beckenharmonika ,  die  aber 
mit  Troinmristöcken  geschlagen  wird  und  von 
besonderem  Wohlklange  ist.  Die  birmanischen 
Blasinstrumente,  Clarinetten  und  Trompeten,  ver- 
dienen wenig  Lob,  bemerkenswerth  sind  aber  die 
Harfen,  die  einen  Resonanzboden  aus  Büffclledcr 
und  13  Saitenstränge  besitzen.  Sie  haben  eine 
äusserst  elegante  F'orm ;  wie  die  altegyptischen 
besitzen  sie  keinen  Pfeiler  oder  kein  Frontstück, 
sondern  die  Saiten  sind  nuran  einem  schön  geschwun- 
genen Hals  gespannt.  Ganz  vorzüglich  ist  aber  ein 
anderes,  den  Birmanen  eigenthümliches  Instrument, 
welches  unserer  Glasharmonika  gleicht,  nur  dass 
statt  der  Glastasten,  auf  doppelten  Schnüren  kleine 
Bambusplitter  mit  der  convexen  Seite  nach  oben 
schweben.  Die  Abstufung  der  Töne  wird  dadurch 
hervorgebracht,  dass  der  mittlere  Theil  der  Bambu- 
Stäbe  mehr  oder  weniger  ausgehöhlt  ist.  Die  Cla- 
viatur  hängt  über  einem  luxuriös  geschnitzten 
Kästchen  von  aninuthiger  Form,  und  die  Stäbchen, 
die  mit  zwei  Stöcken  geschlagen  werden,  geben 
einen  äusserst  weichen  Ton.  Man  darf  diesem  In- 
strumente sonder  Zweifel  schon  einen  hohen  Rang 
der  Ausbildung  anweisen,  ja  dasselbe  wohl  für  das 
höchstentwickelte  in  Ostasien  halten.  Schliesslich 
gedenken  wir  noch  einer  dreisaitigen  Guitarre,  die 
aber  wie  eine  Zither  gespielt  und  deren  Gehäuse 
sehr  sinnreich  in  der  Form  eines  Alligators  aus- 
geschnitzt wird. 

Wie  man  sieht  sind  es  bei  aller  Vervollkomm- 
nung doch  immer  die  Schl.iginstrumcnte,  welche 
die  Grundlage  der  oslasiatischen  Musik  bilden.  Das 
Nämliche  beobachtet  man  auch  in  Java,  bei  der 
dortigen  Tantak  Musik,  welche  durch  Schlagen  mit 
hölzernen  Klöppeln  auf  kupferne  Becken  und  auf 
eine  Trommel  hervorgebracht  wird.  Die  Instru- 
mente für  die  Tantak-Musik  sind:  10 — 20  messingene 
runde  Becken  von  verschiedener  Grösse,  die  in  zwei 
oder  drei  Reihen  auf  einem  Gestelle  liegen  und  mit 
Ilolzklöppeln  geschlagen  werden;  dann  10 — 15 
nebeneinander  auf  einem  Gestelle  liegende  1 5 — 20  rM 
lange  und  5 — 7*5  cm  breite  Stücke  Metall  die  man 
ebenfalls  mit  hölzernen  Hämmern  schlägt ;  ferner 
8 — 12  Stücke  verschiedenen  Holzes  von  der  Form 
der  erwähnten  Metallstücke  ;  auch  sie  liegen  auf  Ge- 
ste llcn  und  werden  mit  hölzernenHämmem  bearbeitet. 
Dazu  kommen  zwei  runde  kupferne  Becken  von 
60  cm  bis  I  m  Durchmesser,  in  Schwebe  hängend 
und  gleichfalls  mit  Ilolzklöppeln  geschlagen,  sowie 
eine  meterlange  Trommel  von  30  cm  Durchmesaer, 
die  mit  dem  Klöppel  oder  wohl  mit  der  Faust  ge- 
schlagen wird.   Nur  zuweilen  betindct  sich  bei  der 


12 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN    ORIENT. 


Tantak  noch  eine  Zither  mit  zwei  Saiten.  Schon  diese 
Schilderung  der  üblichen  Musikinstrumente  genügt 
hinlänglich  zur  Kennzeichnung  der  ostasiatischen 
Musik,  die  noch  weit  entfernt  ist  von  dem,  was  wir 
unter  diesem  Namen  begreifen. 

Müssen  wir  es  nun  an  der  Erkenntniss  ge- 
nügen lassen,  dass  selbst  Völker  von  unbestreit- 
barer Gesittungshöhe,  wie  Chinesen  und  Japaner, 
doch  nur  auf  sehr  schwache  musikalische  Leistungen 
blicken  dürfen,  so  zeigt  ein  Gleiches  sich  auf  dem 
verwandten  Gebiete  des  Tanzes.  Rudolf  Voss,  der  in 
seinem  Buche  überdenTanzauch  einenAnlaufnimmt, 
denselben  geschichtlich  zu  verfolgen,  erklärt:  das 
'l'anzen  ist  in  der  menschlichen  Natur  begründet  ; 
die  Ansicht  hat  Vieles  für  sich,  denn  Tänze  sind 
selbst  den  rohesten  Menschenstämmen  eigen  und 
fast  noch  bei  allen  beobachtet  worden.  Freilich  ist 
bei  diesen  der  Tanz  etwas  ganz  Anderes  als  bei 
den  gesitteten  Nationen  der  Gegenwart.  Bei  Völkern 
niederer  Gesittungsstufe  bildet  er  wie  Edward  B. 
Tylor  treffend  bemerkt,  den  Ausdruck  der  grössten 
Leidenschaftlichkeit  und  Feierlichkeit.  Bei  Wilden 
und  Barbaren  äussern  sich  Freude  und  Trauer, 
Liebe  und  Zorn,  selbst  Zauberei  und  Religion  im 
Tanze.  Man  hat  daher  auch  verschiedene  Arten 
von  Tänzen  zu  unterscheiden,  worunter  die  Kriegs- 
tänze und  die  religiösen  Tänze  die  wichtigsten  sind. 
Erregung  des  Muthes  ist  der  Zweck  der  wilden 
Kriegstänze,  welche  sowohl  bei  ganz  rohen 
als  auch  bei  höher  cultivirten  Völkern  weit  ver- 
breitet sind.  In  den  alten  Religionen  wurde  der 
Tanz  als  eine  der  wichtigsten  gottesdienstlichen 
Handlungen  angesehen ;  ja ,  Plato  erklärte  alles 
Tanzen  für  eine  religiöse  Handlung.  Während  nun 
bei  den  modernen  Culturvölkern  die  religiöse  Musik 
einen  hohen  Grad  der  Ausbildung  erreicht  hat,  ist 
der  religiöse  Tanz  fast  ganz  ausser  Gebrauch 
gekommen.  Bei  vielen  weniger  fortgeschrittenen 
Völkern  hat  er  sich  jedoch  noch  als  ausschliess- 
lich priesterliche  Verrichtung  erhalten.  Aller  Tanz, 
auch  der  kriegerische  und  der  religiöse  ist  aber 
ohne  Frage  erotischen  Ursprungs,  eine  mimische 
Aeusserung  des  Geschlechtstriebes.  Erwägt  man, 
wie  sehr  die  Erotik  in  das  Religionswesen  der 
alten  wie  auch  der  heutigen  Naturvölker  hinein- 
spielt, so  kann  dies  kaum  befremden.  Es  wird  auch 
nicht  entkräftet  durch  den  Umstand,  dass  die  Wilden 
im  Tanze  die  Geschlechter  noch  nicht  vereinen.  Ur- 
sprünglich tanzte  der  Mann  allein,  das  Weib  musste 
sich  im  günstigsten  Falle  mit  dem  Zusehen  begnügen. 
Was  jedoch  dieses  MännertanzesSinn  war,  lässt  unter 
Anderem  jener  der  westaustralischen  Watschandi 
am  Murchisonstrome  deutlich  erkennen.  Aber  selbst 
die  Tänze  in  den  europäischen  Ballsälen,  so  ver- 
feinert und  ceremoniös  sie  auch  sind,  weisen  in 
Form  und  Zweck  Spuren  jenes  Ursprunges  auf. 

Auf  niederen  Stufen  der  Cultur  gibt  es  noch 
keine  Grenze  zwischen  der  Tanzkunst  und  der 
Schauspielkunst.  Der  nordamerikanische  Hundetanz 
und  Bärentanz  sind  mimische  Darstellungen,  wobei 
höchst  naturgetreu  und  drollig  nachgeahmt  wird, 
wie    sich    die  Thiere    auf  der  Erde  wälzen,   wie  sie 


sich  kratzen  und  beissen.  Sehr  frühzeitig  hat  sich 
auch  der  Bund  von  Tanz  und  Musik  vollzogen.  In 
der  That  erheischt  der  einfachste  Rhythmus  der 
Bewegungen  irgend  eine  „musikalische"  Begleitung, 
So  sehen  wir  denn  überall  den  Tanz  unter  nicht 
unbeträchtlichem  Aufwände  von  Schallerregung  vor 
sich  gehen.  Bei  sehr  vielen  ungesitteten  Stämmen 
bildet  das  Geschrei  der  Tänzer  selbst  die  einfachste 
„Tanzmusik".  Aber  auch  die  makassar'schen  und 
buton'schen  Tänzer  kennen  keine  andere  Musik  bei 
den  Tänzen,  die  sie  gewöhnlich  nur  bei  Festlichkeiten 
aufführen.  Diese  selbst  tragen  durchaus  den  Cha- 
rakter der  Kriegstänze  und  bestehen  darin,  dass  ein 
oder  mehrere  Männer  sich  mit  Schwert  und  Schild 
bewaffnen  untl  nachher  jeder  einen  besonderen 
Platz  im  Kreise  umlaufen,  wobei  die  Tänzer  fort- 
während ihre  Schwerter  und  Schilder  rechts  und 
links,  zuweilen  aber  auch  über  ihre  Häupter  drehen 
und  schwingen.  Wenn  letzteres  geschieht,  schreien 
sie  laut  auf  und  wenden  für  diesen  Augenblick  ihren 
Oberleib  mit  hochausgestreckten  Armen  nach  der 
Aussenseite  des  Kreises.  Auf  diese  Weise  dauert 
der  Tanz  wohl  eine  halbe  Stunde  und  länger  fort. 
Bei  den  weniger  kriegerischen  Timoresen  sind  die 
Tänzer  roth  gekleidet  und  mit  Säbeln  oder  langen 
Messern  bewaffnet;  diese  umschreiten  bei  ihren 
Tänzen  nur  einen  Kreis  von  l'3  bis  I'5  vi  Durch- 
messer mit  kleinen  Schritten  und  krummgebogenen 
Knien.  Die  Schritte  müssen  ebenso  wie  die  Zuckungen 
ihrer  steifgehaltenen  Arme  nach  dem  Takte  der 
Musik,  der  Tantak,  geschwinder  oder  langsamer 
ausgeführt  werden.  Ein  solcher  Tanz  dauert  oft 
mehrere  Stunden  lang  ununterbrochen  fort.  Alle 
diese  'Tänze  werden  durch  berufsmässig^  Tänzer 
ausgeführt,  das  Volk  selbst  betheiligt  sich  nicht 
daran.  Ueberall  auf  den  Sunda-Inseln,  Celebes  und 
den  Molukken  finden  die  Eingeborenen,  Moslemin 
wie  Heiilen,  es  unterhaltender,  das  'Tanzen  nur  zu 
sehen,  als  selbst  mitzutanzen.  Wilde  Kriegstänze 
sind  dagegen  unter  den  Dayaken  auf  Borneo  zu 
Hause.  Dem  dänischen  Naturforscher  Carl  Bock  zu 
Ehren  veranstaltete  einen  solchen  der  Rajah  des 
Stammes  der  Modong- Dayaken  zu  Melan.  Der  Tanz 
bestand  aus  fortgesetztem  lauten  Stampfen  mit  den 
Füssen,  begleitet  von  wildem  Geschrei  und  drohen- 
den Stellungen  mit  Mandau  (Säbel)  und  Schild. 
Gleichzeitig  spielte  ein  Dayake  mit  aller  Kraft  auf 
einem  zweisailigen  Instrumente,  einem  Mitteldinge 
zwischen  Banjo  und  Violine.  Es  war  roh  aus  einem 
einzigen  Stück  Holz  gearbeitet,  mit  hohler  offener 
Rückseite.  Die  Saiten  aus  dünnen  Bambufäden 
wurden  nur  mittelst  der  Finger  gerührt.  Die  sehr 
gefürchteten  'Tring-Dayaken  rannten  bei  einem  sol- 
chen Kriegstanze  rund  herum,  stampften  gleich-» 
falls  heftig  mit  den  Füssen,  schrieen  mit  hoher 
Stimme,  schwangen  ihren  Mandau,  als  ob  sie  einen 
Feind  treffen  wollten,  deckten  sich  dabei  mit  ihrem 
Schilde  und  wurden  allmälig  so  aufgeregt  und 
wüthend  in  ihren  Bewegungen,  durch  das  Geschrei 
ihrer  Genossen  angefeuert,  dass  Herr  Bock  sich  nicht., 
leicht  einbilden  konnte,  einem  Ballettanze  beizuwoh-; 
nen.   Viel  zahmer  nehmen  sich  die  Kriegstänze    auf 


I 

i 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIi^    fOr    DEN    ORIENT 


13 


Idei 
f." 
Im 


Java  aus.  Der  französische  Reisende  Dcsirt-Charnay 

eobachtftc  am  Hofe  des  Fürsten  von  Soerakarta 
einen  ^Lanzentanz".  Die  höchst  originell  geklei<ieten 
Tänzer  gruppirten  sich,  entfernten  sich,  drohten 
und  kämpften,  aber  Alles  dies  mit  so  abgemessenen 
Bewegungen  und  in  so  langsamem  Rhythmus,  dass 
man  schwerlich  einen  kriegerischen  Tanz  darin  ent- 
decken  konnte ;   sie   heben  die  Füsse,  drehen  sich 

m   und    treten   auf,   als   ob   sie  auf  Eiern  gingen, 
eniger  langsam  sind  Kampf  und  Paradebewegung 

m  „Cris-Tanz".  Die  Cris  (dolcliähnliche  Messer) 
treffen  sich,  schlagen  los  und  ertönen  beim  Klange 
der  Musik,  die  ihren  dang  etwas  beschleunigt.  Noch 
bestimmter  wird  die  Bewegung  im  'l'anz  mit  Stöcken. 
Da  ist  Hieb,  Nachhieb,  Parade  ;  sie  schlagen  wirk- 
lich darauf  los,  man  hört  Holz  gegen  Holz,  und  die 
Schilde  erdröhnen  unter  den  Schlägen  der  Kämpfer. 
Das  Orchester,  der  „Gamellang",  lässt  kriegerische 
Klänge  hören,  die  Geigen  kreischen,  die  Gong 
donnern  und  die  Casserolen  gerathen  in  Aufruhr. 
An  all  den  erwähnten  Tänzen  betheiligen  sich 
blos  Männer.  Carl  Bock  sagt ,  dass  malayische 
Frauen  niemals  tanzen.  Doch  erzählt  Alfred  Rüssel 
Wallace  von  dem  Tanze  der  Orang  Kaya  auf  Bor- 
neo  in  einem  Tone,  der  auch  auf  Betheiligung  des 
schönen  Geschlechtes  schliessen  lässt.  In  Java  ver- 
einigen sich  jedoch  beide  Geschlechter  zu  diesem 
Zeitvertreibe,  sagt  Bock.  Der  Ausdruck  scheint  un- 
genau, denn  die  darauffolgende  Schilderung  lässt 
wiederum  keine  Vereinigung  der  Geschlechter,  son- 
dern blos  eine  einseitige  Betheiligung,  diesmal  der 
Weiber,  erkennen.  Kin  Zusammenwirken  von  Män- 
nern und  Frauen  oder  Mädchen  ist  nicht  vorhanden  ; 
an  Stelle  des  oder  der  Tänzer  tritt  eine  oder 
mehrere  Tänzerinnen;  das  ist  Alles.  Gewöhnlich 
aber  zeigen  sie  einzeln  ihre  Kunst.  Bock's  Tänzerin 
war  ein  Mädchen,  bekleidet  mit  einem  rothgestreilten 
Sarong  und  einem  violetten  Slendang  oder  Shawl 
über  der  rechten  Schulter,  das  Haar  mit  natürlichen 
Blumen  geschmückt  und  Juwelen  im  Ohr  und  an 
den  Fingern.  Das  Mädchen  machte  verschiedene 
Stellungen  und  der  Tanz  war  eher  eine  Reihe  von 
Geberden  als  jene  anmuthige  Körperbewegung, 
welche  die  Europäer  unter  diesem  Namen  verstehen. 
Sie  nahm  einen  rothen  Shawl  und  schlang  ihn  um 
Oberleib  und  .Arme,  wobei  sie  zuweilen  einige 
Worte  sang  ;  hin  und  wieder  bedeckte  sie  ihr  Ge- 
sicht bis  zu  den  Augen  mit  dem  Shawl.  Der  grössere 

Thcil  der  Vorstellung  bestand  jedoch  blos  in  einer 
Veircuikung  der  Hände  und  Finger  in  der  Art,  als 
ob  dieselben  völlig  aus  den  Gelenken  wären. 

Recht  übel  ist  Charnay  auf  diese  Tänzerinnen 
und  ihre  Kunst  zu  sprechen.  Sie  reckt  sich  aus, 
erzählt  er,  verschränkt  die  Arme,  windet  die 
Hände  auseinander.  Alles  mit  einer  vcrzwciflungs- 
vollen  Langsamkeit;  sie  spielt  die  Besiegte  und 
zu  Boden  Geworfene,  während  man  bis  lOo  zählen 
könnte.  Ihre  Hüften  sind  unbeweglich;  der  Tanz 
ist  züchtig;  man  sieht  kaum  die  Füsse  der 
Künstlerin;  nur  ihre  Extremitäten  bewegen  sich 
wie  die  l'^ühlfäden  kranker  Insecten  oder  ster- 
bender Spinnen,  ohne  dass  man  eine  Ahnung  von 


den  Gefühlen  hat,  die  sie  ausdrückt.  Von  Zeit 
zu  Zeit  stossen  ihre  Gefährtinnen  einige  klagende 
Töne  aus,  als  ob  Katzen  heulten,  und  sie  selbst 
murmelt,  wie  einen  Todtcngesang,  unverständ- 
liche Worte.  Indess  gibt  es  in  diesen  l'änzen 
der  Rongkäng,  so  hcissen  die  gewerbsmässigen 
javanischen  Tänzerinnen,  mancherlei  Schattiruogen. 
Aber  stets  tanzen  sie,  wenn  auch  mehrere  zu- 
gleich ,  doch  jede  nur  für  sich  mit  kleinen, 
höchstens  5  cm  langen  Schritten,  wohl  aber  mit 
Bewegungen  des  Oberleibes,  der  Knie  und  mit 
Gesticulationen  nach  dem  Takte  der  Tantak- 
musik;  die  Arme  werden  dabei  nicht  über  die 
Schultern  erhoben.  Die  Tänzerinnen  bewegen 
sich  auf  diese  Weise  nur  2 — 3  m  vorwärts,  singen 
alsdann  eine  Strophe  ihres  Liedes  und  zittern 
mit  den  Fingern,  wobei  viele  Triller  der  Musik 
erklingen.  Hierauf  tanzen  sie  nach  der  rechten 
oder  linken  Seite  hin  oder  auch  wohl  rückwärts 
und  singen  alsdann  wieder  eine  Strophe,  worauf 
die  Zahl  der  Triller  noch  vermehrt  wird.  Auf 
diese  Art  dauert  der  Tanz  bis  der  Gesang  zu 
Ende  ist.  Aehnliche  Darstellungen  gaben  die  ja- 
vanischen Tänzerinnen  auf  der  jüngsten  Pariser 
Weltausstellung  zum  Besten.  Ein  launiger  Be- 
richterstatter eines  Wiener  Blattes  fand  ihre 
Tänze  stets  als  eine  Serie  stereotyper  müder  Be- 
wegungen und  einschläfernd  bis  zum  Hypnotis* 
mus,  und  wenn  die  Bezeichnung  „Ratten"  für 
Ballerinnen  je  gerechtfertigt  war,  hier  traf  sie 
jedenfalls   am   bestimmtesten   zu. 

Die  Sitte,  dass  nur  Frauen  oder  Mädchen 
allein  tanzen,  bildet  das  Gegenstück  zu  der 
älteren,  ursprünglichen,  welche  den  Tanz  aus- 
schliesslich den  Männern  vorbehielt.  Sic  ist  un- 
gemein weit  verbreitet,  kennzeichnet  aber  stets 
Stämme  oder  Völker  von  einer  schon  vorgerück- 
teren Cultur.  Insbesondere  herrscht  sie  im  ganzen 
grossen  Bereiche  des  Ulam,  wo  der  Mannet  tanz, 
von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  blos  als 
priesterliche  Handlung  auftritt.  .Aber  auch  China 
und  Japan  kennen  keine  andere  Art  des  Männer- 
tanzes. Von  den  Chinesen  behauptet  Gustav 
Kreitner  geradezu,  dass  sie  das  Tanzvergnügen 
als  solches  nicht  kennen,  so  wenig  wie  den  Kuss. 
In  der  That  ist  Schreiber  dieses  keine  Schilde- 
rung eines  chinesischen  Tanzes  bekannt.  Rudolf 
Voss  führt  einen  solchen  unter  dem  Namen  Todou 
an,  welcher  der  Gesundheit  halber  eingeführt 
worden  sein  soll.  Zudem  sagt  er,  jedoch  ohne 
Angabe  einer  Quelle,  Männer  und  Weiber  tanzten 
gemeinschaftlich,  ohne  sich  die  Hände  zu  reichen, 
im  Kreise  oder  in  Schlangenwindungen  beruin. 
Nach  einer  gewissen  Zeit  bleiben  sie,  um  auszu- 
ruhen, stehen.  Während  dieser  Pausen  tanzen 
öffentliche  Tänzerinnen  ihre  Solo.  Der  Bericht 
klingt  bis  auf  letzteren  Punkt  wenig  wahrschein- 
lich. Sonst  weiss  man  blos  von  religiösen  'l'änzen, 
welche  am  kaiserlichen  Hofe  oder  bei  den  Cere- 
monien  der  In-tschiao,  der  Religion  der  Literaten, 
unter  Absingen  von  Hymnen  ausgeführt  werden. 
Die  Tänzer  sind  würdige    Leute,    welche    durch 


14 


OESTERREICHISCHE  MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN   ORIENT. 


Haltuag  und  Bewegungen  dem  Auge  die  Gefühle 
der  Anbetung  und  Verehrung,  wie  sie  die  Hymne 
ausdrückt,  zur  Anschauung  bringen  sollen.  In 
Japan  hören  wir  gleichfalls  blos  von  einem  Solo- 
tanz der  Mädchen.  Nach  Herrn  Kallenberg's 
Beschreibung  hat  er  viel  Aehnlichkeit  mit  dem 
der  Javaninnen.  Er  verbietet  eine  hüpfende  Be- 
wegung nach  europäischer  Weise,  die  Füsse 
müssen  stets  vom  Gewände  bedeckt  bleiben.  Der 
wesentlichste  Antheil  an  der  Uebung  fällt  somit 
dem  Oberkörper  zu,  welcher  in  gefälligen  Beu- 
gungen nach  vorne,  rückwärts  und  seitwärts  sich 
bewegt.  Vornehme  Sitte  ist,  die  Füsse  während 
des  Gehens  einwärts  zu  richten  und  kurze  Schritte 
zu  machen.  Die  Tänzerin  bewegt  sich  demnach 
auch  in  Japan  auf  sehr  kleinem  Räume,  und  ihr 
Hauptbestreben  bleibt,  jede  auch  noch  so  unbe- 
deutende Bewegung  in  formvollendeter  Weise  zur 
Darstellung  zu  bringen.  Verschwiegen  darf  indess 
nicht  bleiben,  dass  doch  auch  Tänze  anderer  Art 
den  Japanern  nicht  fremd  sind.  Da  ist  insbe- 
sondere der  Odori,  welcher  Fremden  oft  zu  Naga- 
saki vorgeführt  wurde  und  in  seiner  obscönen 
Form  dem  berüchtigten,  lasciven  Hulahulatanze 
der  Hawai'schen  Inseln  wohl  wenig  nachgibt. 
Recht  herzliches  Ergötzen  findet  endlich  das  Volk 
an  den  religiösen  Tanzvorstellungen  der  Bonzen. 
Beim  Feste  des  Odschi  Gonghen  springt  und 
hüpft  Alles,  was  im  Kloster  Beine  hat,  und  ein 
alter  Mönch  schlägt  die  Pauke.  In  manchen 
Bonzereien  wird  das  Erntefest  mit  Charakter- 
tänzen gefeiert;  in  anderen  Tempeln  aber  Mas- 
keraden aufgeführt,  genau  so  wie  sie  in  alten 
Zeiten  am  Hofe  des  Mikado  stattgefunden  haben. 
Dazu  gehört  namentlich  der  Hahnentanz,  Die 
Tänzer  haben  einen  mächtig  grossen  Kamm  und 
tragen  Hahnenmaske  mit  Schnabel  und  Schellen 
am  Halse.  Bei  den  Priestern  von  Funabas  glaubt 
man  sich  unter  mohammedanische  Derwische  ver- 
setzt. Die  Bettelbruderschaften  des  Kamicultus 
endlich  führen  ebenfalls  Tänze  auf  und  singen 
dabei  ihre  Litaneien  ab. 

Tänze,  in  welchen  beide  Geschlechter  vei  eint 
wirken,  kommen  in  Ostasien  nur  bei  einzelnen 
urwüchsigen,  von  der  Cultur  noch  wenig  be- 
leckten Stämmen  vor;  so  bei  den  Hochzeitsfesten 
einiger  Negrito  auf  den  Philippinen  und  bei  den 
Pepohoan  der  Insel  F'ormosa,  welche  in  mond- 
hellen Nächten  einen  wilden  Rundtanz,  Mädchen 
und  Bursche  bunt  zu  einer  festen  Kette  ver- 
schlungen, aufführen.  Alles  in  Allem  sind  die 
choreographischen  Leistungen  der  Ostasiaten  eben 
so  schwach  wie  ihre  Musik,  Der  Einzeltanz  der 
Geschlechter  herrscht  vor,  und  überall  wo  dies 
der  Fall  ist,  kann  vom  Tanze  als  Volksvergnügen 
keine   Rede  sein. 


PHILIPPINISCHE  COLONISATIONSPROJECTE. 

Von  Prof.  F.  Blumentritl. 

Das  Jahr  1889  hat  eine  grosse  Anzahl  von 
Colonisationsprojecten  für  diePhilippinen  gezeitigt. 
Sowohl  im  Mutterlande,  wie  in  der  Colonie  wurde 
diese  Frage  von  den  verschiedensten  Seiten  her  be- 
leuchtet und  erörtert.  Die  Einen  erwärmten  sich  für 
Ackerbaucolonien,  die  Andern  wünschten  blos  die 
„Einfuhr"  annamitischer  und  anderer  asiatischer 
Kulis.  Bezüglich  der  ersteren  herrschte  unter  ihren 
Förderern  keine  Einigkeit;  die  Einen  strebten,  den 
Strom  der  spanischen  Auswanderer,  welcher  bisher 
nach  den  LaPlata-Ländern  und  nach  Algier  sich  er- 
goss,  nach  den  Philippinen  abzulenken.  Andere 
schlugen  die  Gründung  von  Sträflingscolonien  vor, 
auch  fehlten  nicht  Vorschläge,  gemischte  Ackerbau- 
colonien, das  heisst  solche  bestehend  aus  Weissen 
und  Indiern  (das  heisst  philippinischen  Eingebornen) 
zu  gründen. 

Die  meisten  dieser  Projecte  sind  eben  Projecte 
geblieben,  greifbare  Gestalt  haben  nur  die  Vor- 
schläge des  Marine-Officiers  Canga-Arguelles  und 
der  Regierungsplan,  auf  der  Insel  Mindoro  eine 
Sträflingscolonie  zu  errichten,  angenommen. 

Canga-.Arguelles  war  längere  Zeit  hindurch 
Gouverneur  von  Puerto  Princesa,  das  heisst  der 
Südhälfte  der  Insel  Palawan.  Seine  Verwaltung  war 
eine  musterhafte  zu  nennen,  unter  ihm  blühte  diese 
Colonie  förmlich  auf.  Nach  seiner  Enthebung  kehrte 
Canga-Arguelles  nach  Spanien  zurück  und  machte 
unermüdlich  Propaganda  für  die  Gründung  spani- 
scher Ackerbaucolonien  auf  jener  ihres  schlechten 
Klimas  wegen  verrufenen  Insel.  Es  gelang  ihm 
thatsächlich,  ein  Patent  zu  diesem  Zwecke  von  der 
Regierung  zu  erwerben,  und  in  diesem  .Augenblicke 
weilt  er  bereits  an  Ort  und  Stelle,  um  seine  Ideen 
zu  verwirklichen.  Ich  zweifle  sehr,  dass  dies  dem 
wackeren  Manne  gelingt  ;  in  seinem  edlen  Enthu- 
siasmus unterschätzt  er  nach  meiner  Ansicht  die 
Schwierigkeiten,  welche  das  tropische  Klima  dem 
weissen  Landarbeiter  entgegensetzt.  Die  Philippinen 
dürften  von  dieser  allgemeinen  Regel  wohl  keine 
Ausnahme  machen.  Jedenfalls  halte  ich  auch  bei 
einem  zufälligen  Gelingen  dieses  vereinzelten  Unter- 
nehmens es  für  undenkbar,  dass  die  europäischen 
Spanier  in  Masse  nach  den  Philippinen  auswandern 
werden.  Die  Leute  wandern  ja  nicht  nur  aus  dem 
Grunde  aus,  um  jenseits  des  Oceans  ein  besseres 
Dasein  zu  fristen,  sondern  auch  um  den  politischen 
Lasten,  die  im  Vaterlande  ihre  Schultern  drücken, 
zu  entfliehen.  Auf  den  Philippinen  haben  sie  in 
beiden  Beziehungen  nichts  Gutes  zu  erwarten.  Die 
besten  Ländereien  in  den  civilisirten  Provinzen  sind 
bereits  in  festen  Händen,  in  den  heidnischen  und 
mohammedanischen  Landestheilen  aber  sind  sie  den 
Ueberfällen  blutdürstiger  Wilden  oder  fanatischer 
Assassinen  ausgesetzt.  In  politischer  Hinsicht  ver- 
lieren sie  aber  durch  ihre  Niederlassung  im  Ar- 
chipel alle  Rechte,  welche  dem  modernen  Menschen 
ebenso  lieb  und  theuer  wie  unentbehrlich  sind  :  er 
kommt  in  ein  Land,  das  keine  Vertretung   in   den 


I 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEN   ORIENT 


Ift 


f 


(Portes  des  Muttci  landcs  besitzt,  wo  er  alle  Ver- 
gewaltijjunjj  von  Seit<m  der  geistlichen  wie  welt- 
lichen Behörden  schweigend  ertragen  muss,  weil 
es  keine  freie  Presse  giln  und  weil  Niemand  es 
wagt,  gegen  die  Willkür  der  Behörden  Kinsprache 
zu  erheben,  ausser  es  wäre  ihm  gicichgiltig,  seine 
Freiheit  zu  verlieren  und  seine  ganze  Zukunft  zu 
gefährden.  Solche  Aussichten  sind  für  den  Aus- 
wanderer   nicht  eben  verlockend  ;  ich    glaube,  Ar- 

entinien  und  Uruguay    mit  ihrem    dem  Spanier  so 
sagenden  Klima    werden    jedenfalls     mehr   An- 

liehungskraft  ausüben. 

Die  Cirüntlung  von  Strafcolonien  auf  der  Insel 
Mindoro  scheint  mir  ein  sehr  unglücklicher  Ge- 
danke zu  sein.  Abgesehen  davon,  dass  hier  dieselben 
klimatischen  Schwierigkeiten  anzutreffen  sind,  wie 
auf  der  Insel  Palawan,  so  fällt  vor  .'MIem  in's  Ge- 
wicht, dass  jene  Insel  an  der  Küste  von  civilisirten 
Tagalen  und  im  Binnenlande  von  friedfertigen,  zu- 
gänglichen Heiden,  den  Manguianen,  bewohnt  wird. 
Für  beide  cingeborne  Stämme  wird  es  gewiss  kein 
Segen  sein,  wenn  man  unter  sie  den  Abschaum  der 
spanischen  Bevölkerung  als  Eilerbeule  setzt.  Die 
Spanier  sprechen  so  viel  von  dem  Prestige  ihrer 
Nation,  das  unter  allen  Fniständcn  gewahrt  werden 
müsse,  dennoch  gründen  sie  Colonien  von  spani- 
schen Verbrechern,  welche  jedenfalls  nicht  dazu 
beitragen  werden,  das  spanische  Prestige  zu  wahren. 
Die  grösste  moralische  Gefahr  droht  da  den  Man- 
guianen, welche  bisher  von  den  Schattenseiten 
unserer  Civilisation  glücklich  verschont  geblieben 
sind.  Die  ärgsten  Verbrecher  werden  gewiss  bald 
desertiren  und  bei  den  friedlichen  Heiden  Zuflucht 
suchen.  Ob  das  zum  Segen  jenes  Volksstammes  und 
zum  Ruhme  Spaniens  gereichen  wird,  das  möge 
die  spanische  Regierung  beantworten. 

Mögen  auch  diese  und  ähnliche  Projecte 
scheitern,  sie  beweisen  schliesslich,  dass  man  im 
Mutterlande  den  so  lange  vernachlässigten  Philip- 
pinen eine  grössere  Aufmerksamkeit  als  bisher  zu 
widmen  beginnt,  und  diese  Thatsache  wollen  wir 
mit  Freuden  constatiren.  Sie  lässt  uns  hoffen,  dass 
das  Mutti'rland  nicht  mehr  dieColonie  als  eine  Melk- 
kuh für  seine  Beamten  und  parlamentarischen  Pa- 
rasiten ansehen,  sondern  durch  eine  weise  Gesetz- 
gebung sich  die  Liebe  und  Anhänglichkeit  der  Phi- 
lippinen und  (dies  ist  der  einzige  Weg  hiezu)  den 
Bestand  der  nur  von  denSpanii^n  selbst  bedrohten 
spanischen  Herrschaft  sichern  wird. 


MISCELLEN. 
Die   kleinen   Füsse  der  Chinesinnen.    Der 

.,North  China  Herald"  bringt  im  .Anschlüsse  an 
eine  Mittheilung  des  ,,Journals  der  ethnologi- 
schen Gesellschaft  l'-rankrcichs"  einen  Aufsatz  über 
die  Unsitte  des  Fussverschnürens  bei  den  Frauen 
in  China,  welcher  auf  die  älteren  Beobachtungen 
des  Herrn  de  Fusier  im  Jahre  i86i   zurückgreift. 


In  Deutschland  hat  der  treffliche  Anatom  H.  Wclcker 
gleichfalls  schon  Vorjahren  (1871  und  1872)  „die 
Füsse  der  Chinesinnen"  im  IV..  und  V.  Kande  de« 
„Archiv  für  Anthropologie"  einer  grQadlichea 
Untersuchung  unterzogen  und  Alles  zusammen» 
getragen,  was  über  diesen  Stoff  sich  ermitteln 
liess.  Es  scheint  nicht,  dass  seit  Weltkcr's  mit 
lehrreichen  Abbildungen  ausgestatteten  Abhand- 
lung unsere  Kenntniss  über  den  Gegenstand  sick 
merklich  erweitert  habe.  Insbesondere  ist  der  Ur- 
sprung der  Unsitte  immer  noch  herzlich  dunkel. 
In  den  classischen  Schriften  der  Chinesen  geschieht 
derselben  keine  Erwähnung,  woraus  sich  annehmen 
lässt,  dass  sie  zu  Konfu-tse's  Zeiten  wenigstens 
noch  nicht  bestand.  Selbst  Marco  Polo,  der  im 
13.  Jahrhundert  China  bereiste,  gedenkt  derselben 
mit  keinem  Worte,  was  freilich  nichts  beweist,  da 
der  edle  Venetianer  von  gar  Manchem  geschwiegen 
hat,  was  damals  nachweislich  in  China  schon  vor- 
handen war.  Der  „North  China  Herald"  lässt  e« 
als  ziemlich  ausgemacht  gelten,  dass  eine  Grille 
des  wüsten  und  unbeliebten  Kaisers  Li-Yuh,  dessen 
Hof  in  Nanking  war,  die  Veranlassung  gewesen 
sei.  Dieser  regierte  von  q6i — 976  und  wurde  von 
Tschao-kuang-yin,  dem  Gründer  der  Jung-Dynastie, 
bezwungen,  zuerst  in  ehrenvoller  Gefangenschaft 


gehalten,  aber  schliesslich  vergiftet.  Es  scheint, 
dass  er  sich  in  seinem  Palaste  die  Zeit  vertrieb, 
als  ihm  einfiel,  dass  er  dem  Fusse  seiner  Lieb- 
lingstäozerin,  Vao  Niang,  ein  besseres  Ausseben 
geben  könnte.  Er  bog  daher  ihren  Fuss,  so  dass 
er  den  Spann  zu  einem  Bogen  erhöhte,  der  dem 
Neumonde  glich.  Dies  wurde  von  den  Höflingen 
sehr  bewundert  und  sofort  bei  ihren  Famihen  ein- 
geführt. Neben  dieser  Lesart,  welche  Dr.  Macgowan 
bekannt  gemacht  hat,  gibt  es  aber  noch  andere. 
Während  nach  Einigen  eine  böse  Kaiserin,  Tan-ku, 
die  mit  Klumpfüssen  geboren  war,  bereits  im  Jahre 
II 00  v.  Chr.  ihren  kaisei  liehen  Gemahl  zu  dem 
l^rlasse  eines  Edictcs  bewogen  haben  soll,  welches 
die  Einzwängung  aller  Füsse  nach  dem  kaiser» 
liehen  Vorbilde  angeordnet  habe,  nennt  eine  andere 
Uebrrlieferung  den  Kaiser  Yang-te  aus  der  Suy- 


16 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN    ORIENT 


Dynastie  695  v.  Chr.  als  den  Urheber.  Er  habe 
seiner  Nebenfrau  Pwan  befohlen,  ihre  Füsse  zu 
wickeln,  und  es  sei  auf  der  Sohle  ihres  Schuhes 
ein  Stempel  der  Lotosblume,  mit  Specereien  darin, 
befestigt  worden,  so  dass  sie  bei  jedem  Schritte 
einen  Abdruck  dieser  Blume  auf  der  Erde  hinter- 
liess  und  man  daher  sagte,  ihre  Tritte  brächten 
den  goldenen  Lotos  hervor.  Schon  vor  150  Jahren 
bemerkte  Du  Halde  :  „Man  kann  nicht  sagen,  wie 
diese  seltsame  Mode  entstanden  ist",  und  dieser 
Ausspruch  gilt  heute  noch ;  ja  man  kennt  nicht 
einmal  den  Sinn,  in  welchem  diese  grausame  Be- 
handlung ursprünglich  gemeint  war.  Welcker  ver- 
muthet  aber  wohl  mit  Recht,  dass  ihr  einfach 
weibliche  Eitelkeit,  unterstützt  durch  den  Beifall 
der  Männer,  also  die  Despotie  eines  auf  Abwege 
gerathenen  Schönheitsbegriffes,  zu  Grunde  liegt. 
Hinsichtlich  der  Verbreitung  dieser  Sitte  ist  nach 
Ständen  und  nach  Landschaften  zu  unterscheiden. 
Dass  sie  sich  ausschliesslich  bei  den  höheren  Ständen 
finde,  ist  ein  Irrthum  ;  sie  findet  sich  nur  vorzugs- 
weise und  in  ihren  höheren  Graden  bt;i  den  Vor- 
nehmen. Den  Landschaften  nach  herrscht  sie  vor- 
wiegend in  Nordchina,  während  im  Süden,  in  Kanton 
und  Macao,  viele  Frauen  die  Füsse  gauz  frei  und 
von  der  gehörigen  Gestalt  haben.  Auch  die  tatari- 
schen Frauen  haben  die  chinesische  Sitte  im  Allge- 
meinen nicht  angenommen  und  ebenso  wenig  die 
kaiserliche  Mandschu-Dynastie.  Ihr  huldigen  auch 
nicht  die  Frauen  der  auf  den  Sundainselu  lebenden 
Chinesen.  Die  künstliche  Verkrüppelung  des  Fusses 
wird  lediglich  durch  Binden  bewirkt.  Mit  ihnen 
wird  der  F'uss,  erst  in  der  Zeit  vom  5.  bis  6.  Lebens- 
jahre, umwunden.  Sie  sind  und  bleiben  das  einzige 
Mittel  und  werden  täglich  fester  angezogen.  Die 
Nachtheile,  welche  die  Verkrüppelung  der  Füsse 
auf  Gang  und  Lebensweise  der  Chinesinnen  aus- 
übt, sind  übrigens  vielfach  übertrieben  worden. 
Immerhin  steht  fest,  dass  die  chinesischen  Frauen 
ihr  ganzes  Leben  lang  durch  diesen  Gebrauch  zu 
leiden   haben. 

Chinesische    Staatsprüfungen.   Ein  in  der 

„Pekinger  Staatszeitung"  vom  19.  September  v.  J. 
publicirter  Erlass  wegen  Hintanhaltung  von  Un- 
zukömmlichkeiten, die  —  wie  überall  in  China  — 
auch  in  der  Provinzhauptstadt  Kiangsu  vorge- 
kommen sind,  weckt  in  dem  Europäer  merk- 
würdige Keminiscenzen  an  die  längst  vergangene 
Gymnasialzeit,  die  verbotenen  Uebersetzungen 
tauchen  wieder  vor  uns  auf,  wir  sehen  den  unter 
den  Bänken  kräftig  blühenden  Tauschverkehr  mit 
Aufgabenheften  und  das  chinesische  Edict  liefert 
ein  auf  den  ersten  Blick  erkennbares  Conterfei 
unseres  wackeren  Schuldieners. 

„Ein  Prüfungs-Reglement  —  so  sagt  das  Edict 
—  hat  immer  bestanden,  allein  die  Prüfungs-Com- 
missäre  sehen  dasselbe  nur  mehr  als  eine  leere 
Form  an,  die  Candidaten  kümmern  sich  gar  nicht 
mehr  darum.  Es  hat  sich  ein  höchst  unpassender 
Zustand  herausgebildet."  Der  Erlass  ruft  nun  die 
geltenden  Bestimmungen  in's  Gedächtniss  der  Be- 
theiligten zurück  und  geht  zu  einer  wahrhaft  köst- 

Verantwortlicher  RedacMnr:  A.  v.  Scala. 


liehen  Schilderung  der  verschiedenen  Kniffe  über, 
die  der  Verfasser  des  Erlasses  merkwürdig  genau 
zu  kennen  scheint: 

„Unter  allen  Betrügereien  ist  die  verwerf- 
lichste das  Unterschieben  von  fremden  Personen  an 
Stelle  der  Candidaten,  die  Beamten  haben  daher 
vor  Allem  jeden  Candidaten  beim  Eintritt  in  die 
Halle  zu  identificiren ;  den  Studenten  ist  es  ge- 
stattet (!),  jeden,  der  dagegen  sich  vergeht,  zur  An- 
zeige zu  bringen,  üf-r  Andrang  an  den  Prüfungs- 
tagen ist  derControle  nicht  sehr  günstig  ;  es  werden 
drei  Thore  mit  Barrieren  versehen,  durch  welche 
die  Candidaten  truppweise  in  beschränkter  An- 
zahl nacheinander  einzulassen  sind.  Das  Ein- 
schmuggeln von  Büchern  oder  gedruckten  Copien 
alter  Abhandlungen  wird  verhindert  werden  und 
kein  Diener  darf  die  Thore  passiren.  Kann  Jemand 
wegen  körperlicher  Schwäche  seine  Schreib- 
requisiten wirklich  nicht  selbst  tragen,  so  darf  der 
Diener  mit  diesen  nur  bis  zum  Thore  gelangen,  wo 
die  Wachsoldaten  die  Gegenstände  übernehmen. 
Wer  eingetreten  ist,  darf  unter  keinen  Umständen 
wieder  fortgehen!" 

Der  Erlass  gebt  nun  auf  die  Clausurarbeiten 
über,  welche  bisher  zu  keinem  richtigen  Bilde  über 
die  Fähigkeit  der  Geprüften  verholfen  haben  dürften: 
„Die  Candidaten  müssen  in  den  ihnen  einmal  zuge- 
wiesenen Zellen  verbleiben,  das  Pa|)ier  wird  mar- 
kirt,  und  wenn  eine  Arbeit  aus  einer  nicht  mit  der 
Bezeichnung  übereinstimmenden  Zelle  abgegeben 
wird,  so  gelangt  sie  nicht  vor  die  Commission.  Oft 
werden  Abhandlungen  von  Freunden  ausserhalb  des 
Gebäudes  geschrieben  und  mit  Hilfe  unehrlicher 
Diener  eingeschmuggelt,  und  nicht  selten  befördert 
man  Briefe  mittelst  Bindfaden  und  Steinen  über  die 
Mauern   und  durch  die  Fenster." 

Ist  die  geringe  Gewissenhaftigkeit  der  Can- 
didaten zu  missbilligen,  so  wirft  der  Erlass  ein 
noch  grelleres  Licht  auf  die  Niedertracht  der 
amtlichen  Schreiber.  Die  schriftlichen  Arbeiten 
der  Geprüften  werden  nämlich  von  amtswegen 
durch  die  Schreiber  in  Reinschrift  übertragen, 
um  von  der  Commission  anstandslos  gelesen  werden 
zu  können.  Der  E^rlass  tadelt  nun,  „dass  die 
Schreiber  sehr  schöne  Abschriften  machen,  wenn 
sie  gut  dafür  bezahlt  werden,  und  schleuderhaft 
arbeiten,  wenn  sie  nichts  bekommen.  Auch  un- 
richtige -Abschriften  kommen  vor  und  müssen 
strenge  bestraft  werden."  Zum  Schlüsse  spricht 
der  Erlass  die  Erwartung  aus,  dass  alle  Be- 
theiligten die  Vorschriften  genau  beachten  werden, 
„damit  reiche  Candidaten  nicht  aus  ihrem  Gelde 
Vortheil  ziehen  und  arme  Studenten  nicht  in 
Versuchung  gerathen." 


^•^- 


y 


Druck  von  Ch.  Reriter  &  M.  Werthnar  in  Wien. 


wr 


Februar-Heft  1890. 


OESTERREICHISC 


Nr.  2. 


P 

1^  Monatll( 


0iiat55t|rift  für  kn  #ri0t 

Herausgegeben   vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 

Redigirt   von   A.   von   Scala. 


Monatlich  ein»  Numm«r. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR,  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Prdi  )Url.  S  I.  —  tO  Marie. 


inHAI.T:  Hie  Cholera  in  Mesupotamicn  1H8U.  —  Kalirilisindu- 
slrien  in  Indien.  Von  lüml  i^dtluginliveit.  —  Die  deutschen 
Schutzgebiete  und  Colonialunternebnjungen  bei  Ileginn  des 
Jahres  1880.  —  Die  Halbinsel  Malakka  —  M  i  «  c  e  I  i  e  n  : 
Autstelluni?  in  Taschkent  1890.  —  LandesposteinrichtuDgen  In 
China.  —  Zustände  an  der  kleinaslatischen  Nordküste. 


li^ 


b( 

i 


DIE  CHOLERA  IN  MESOPOTAMIEN  1889. 

Bai^'datl,  am   28.  Jänner   1890. 

m  verflossenen  Jahre  wurde  das  türkische 
Reich  von  zwei  schweren  Epidemien 
heimgesucht.  War  schon  früher  in  der 
I  Provinz  Assir,  dem  Hochlande  zwischen 
Ilidjäz  und  Ycmen  die  Bubonenpest  aufgetreten, 
so  hatte  Irak  -  Arabien  mit  dem  Erscheinen  der 
Cholera  im  Juli  vorigen  Jahres  eine  vielleicht 
noch  schwerere  Periode  der  Heimsuchung  durch- 
zumachen. Was  die  crstere  Epidemie  in  Assir 
anlangt,  so  scheint  dieselbe  daselbst  endemisch 
aufzutreten.  Alle  sieben  bis  zehn  Jahre  kehrt  sie 
wieder  und  man  schiebt  das  Vorkommen  der 
Bubonenpest  in  Assir  den  Egyptern  in  die  Schuhe, 
die  die  Krankheit  unter  Ibrahim  Pascha  nach  der 
Halbinsel  Arabien  gebracht  hätten.  Jedoch  nicht 
allein  die  Provinz  Assir,  sondern  auch  Irak-Arabien 
stehen  in  üblem  Rufe  bezüglich  des  Auftretens  der 
est,  wie  dies  die  letzten  Epidemien  in  Bagdad  1872, 
eschhed  Ali  1881,  dieselbe  an  der  türkisch-per- 
sischen Grenze  in  Mt^ndeli,  Bedre  -  Djessan  1884 
begründen.  Dass  es  die  richtige  Bubonenpest  war, 
rgab  sich  aus  den  Symptomen  und  Mortalitätsziffern, 
ie  von  Sanitäts-  und  Militärärzten  constatirt  wurden, 
r.  Kastorski,  der  damals  vom  Ministerium  des  Innern 
der  k.  russischen  Regierung  nach  Bagdad  gesandt 
wurde,  die  Epidemie  von  Bedre-Djessan  zu  studiren, 
kam  leider  zu  spät  daselbst  an  und  begnügte  sich, 
blos  die  inlicirten  Orte  zu  besuchen.  Mitte  Juli 
vergangenen  Jahres  waren  viele  beunruhigende  Ge- 
rüchte von  dem  Auftreten  einer  „bösen"  Krankheit 
in  Muntefik,  und  zwar  in  Schattra,  in  der  guten  Stadt 
Bagdad  verbreitet.  Wie  gewöhnlich  verheimlichte 
auch  diesesmal  die  Regierung  den  wahren  Sach- 
verhalt. Man  hörte  nur  von  Privatpersonen,  dass 
die  Beamten  der  Regierung,  sowie  die  wohl- 
habende Classe  der  Bevölkerung  von  Schattra  das 
Weite  gesucht  hätten.  Der  in  Schattra  stationirtc 
Militärarzt  scheint  auch  anfangs  nicht  den  Muth  ge- 
habt zu  haben,  die  Krankheit  als  Cholera  zu  be- 
zeichnen, aus  Furcht  vor  der  Verantwortung  im 
Falle  einer  falschen  Diagnose,  die  einen  Schreck- 
Monatsschrift  für  den  Orient.  Februar  1890. 


schuss  für  Constantinopel  bedeutet  hätte.  Wie  es 
nun  sei :  Thatsache  ist,  dass  die  Krankheit  von 
Schattra  aus  ihren  verheerenden  Weg  nahm. 

Was  diesen  Ort  selbst  anlangt,  so  zählt  der- 
selbe beiläufig  2000  Seelen,  ist  der  Sitz  eines 
Kaimakams,  liegt  am  rechten  Ufer  des  Schatt-el- 
Häi,  jenes  Verbindungsarmes  des  Euphrates  und 
Tigris,  der  sich  gegenüber  von  Küt-el-Amara,  be- 
ginnend bei  Nasrie,  einer  von  Nasir  Pascha,  dem 
ehemaligen  Chef  der  Muntefik-Araber,  neuerbauten 
Stadt,  in  den  Euphrat  ergiesst.  Nachdem  die 
türkische  Regierung,  was  Stromregulirungen  an- 
langt, aus  leicht  begreiflichen  Gründen  alles  beim 
Alten  lässt,  so  ist  auch  die  Mündung  des  Schatt-el- 
Häi  gegenüber  von  Küt-el-Amara  versandet,  so 
dass  im  Sommer  kaum  ein  Segelboot  passiren 
kann.  Wenn  im  Frühjahre  dem  Tigris  ungeheure 
Wassermassen  aus  Persien  und  Kurdistan  zugeführt 
werden,  die  manchmal  die  Chalifenstadt  auf  das 
äusserste  bedrängen,  so  können  im  Nothfalle  auch 
die  Dampfschiffe  der  Oman-Gesellschaft  zu  militäri- 
schen Zwecken  auf  dem  Schatt-el-Hai  verkehren, 
wie  es  zur  Zeit  des  Aufstandes  der  Muntefik-Araber 
unter  Mansur  Pascha  1881  der  Fall  war. 

Wie  kommt  es  nun  zu  einem  Auftreten  der 
Cholera  in  Schattra  ?  War  sie  eingeschleppt  worden? 
Oder  entwickelte  sich  der  Krankheitskeim  in  Folge 
der  schlechten  sanitären  Verhältnisse  des  Ortes? 
Von  Schattra  bis  zu  dem  nächsten  Hafen  Bassorah 
sind  folgende  Hauptorte  zu  passiren :  Nasrie,  Sük- 
el-Schejüch,  Hamär,  Kurnäh.  Es  ist  nicht  leicht  an- 
zunehmen, dass  ein  Cholerakranker  die  Krankheit 
von  Bombay  via  Bassorah  nach  Schattra  gebracht 
hätte.  Bei  der  Incubationszeit  der  Cholera,  die  sich 
nach  Niemeyer  auf  das  Maximum  von  i4Tagen be- 
läuft, was  zu  beobachten  jedoch  eine  grosse  Selten- 
heit sein  dürfte,  ist  eine  Einschleppung  der  Krank- 
heit von  Indien  aus  von  vorneherein  ausgeschlossen, 
da  die  oben  genannten  Orte,  sowie  Bassorah  bis 
lange  vor  dem  Auftreten  der  Cholera  in  Schattra 
von  derselben  vollständig  verschont  geblieben  sind. 
Die  Ursache  der  Entwicklung  des  Krankheitskeimes 
muss  demnach  in  den  örtlichen  Verhältnissen  des 
Ortes  selbst  zu  suchen  sein  und  da  ist  es  wieder  in 
allererster  Beziehung  die  Beschaffenheit  des  Trink- 
wassers, das  in  den  Sommermonaten  besonders  in 
Schattra  zu  dem  allerschlechtesten  gezählt  werden 
muss.  Wenn  bei  der  ungeheuren  Hitze  im  Sommer 


1^ 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN   ORIENT. 


flie  Wasser  des  Tigris  rapid  fallen,  so  sieht  man  in 
Schattra  den  Schatt-el-Hai  Tag  für  Tag  abnehmen, 
das  Wasser  „fiiesst"  nicht  mehr,  der  Fiuss  wird,  da 
die  Mündung  desselben  gegenüber  von  Küt-el- 
Amara  versandet  ist,  nicht  mehr  in  dem  Masse  vom 
'I'igris  gespeist,  die  Verdunstung  erreicht  einen 
hohen  Grad  und  so  bilden  sich  im  Flussbette  kleine 
Seen,  Lachen,  was  der  Schreiber  dieser  Zeilen 
während  seiner  Anwesenheit  daselbst  im  Juli, 
August,  September  1881  zu  beobachten  Gelegen- 
heit hatte.  Derselbe  lag  eine  Viertelstunde  von 
Schattra  mit  den  türkischen  Truppen  am  Ufer  des 
Schatt-el-Häi  unter  Zelt  und  betrug  die  Temperatur 
Ende  Juli  57  "  Celsius  (im  Schatten).  Die  Schattra 
am  nächsten  gelegene  Lache  wird  als  Trinkwasser 
für  Mensch  und  Thier  benützt. 

Darin  werden  zugleich  auch  die  Kupfer- 
geschirre gereinigt,  Wäsche  gewaschen,  religiöse 
Reinigungen  und  dergleichen  vorgenommen,  bis 
das  Wasser  nicht  mehr  trinkbar  ist;  in  diesem 
Falle  wird  zum  zweiten  Tümpel  gegangen.  Dies 
geht  so  weiter  bis  die  Entfernung  den  Arabern 
zu  weit  wird,  dann  trinkt  man  Brunnenwasser. 
Wenn  man  die  hygienischen  Verhältnisse  Schat- 
tras zusammennimmt,  die  grosse  Unreinlichkeit 
des  Ortes,  die  Anhäufungen  von  Kehricht,  or- 
ganischen Abfällen,  die  zu  fauligen  Zersetzungen 
geneigt  sind,  vor  Allem,  wie  oben  bemerkt,  das 
schlechte  verdorbene  Trinkwasser  im  Hochsommer, 
so  ist  hauptsächlich  das  letztere  Moment  als 
Hilfsursache  bei  dem  Ausbruche  der  Cholera  in 
Schattra  anzusehen.  Der  Ausbruch  der  Cholera  in 
Schattra  wurde  constatirt,  aber  erst  mit  der  Ab- 
reise des  Inspecteur  sanitaire  von  Bagdad  und 
zweier  Militärärzte  vom  Range  eines  Lieutenant- 
Colonels  und  Colonels  —  von  denen  der  letztere 
factisch  beinahe  mit  Gewalt  expedirt  werden 
musste  —  wurden  die  Bagdader  der  emi- 
nenten Gefahr  inne,  in  der  sie  schwebten  und 
ängstlich  harrte  man  der  Telegramme,  die  von 
Nasrie  kamen.  Das  nächste  Ziel  der  Epidemie 
war  die  von  Schattra  7  Stunden  am  Euphrat  ge- 
legene Stadt  Nasrie,  wo  sie  grosse  Opfer  forderte, 
bis  zu  84  Todesfälle  an  einem  Tage.  Doch  war 
an  ein  Verhindern  des  Weiterumsichgreifens  der 
Cholera  trotz  Cordons  und  Quarantaine  nicht 
mehr  zu   denken. 

Was  die  Cordons  anlangt,  so  eignen  sie  sich 
besonders  für  solche  Länder,  die  von  derCultur  und 
Civilisation  noch  nicht  so  sehr  beleckt  sind,  denn 
in  Europa  wird  wohl  Niemandem  mehr  einfallen, 
in  Folge  einer  Choleraepidemie  Cordons  ziehen 
zu  lassen  —  vielleicht  noch  in  Russland.  Die  Cor- 
dons, die  man  in  Schattra  und  Nasrie  zog,  waren 
viel  zu  spät  anbefohlen,  die  Krankheit  war  schon 
längst  durch  Flüchtlinge  weiterverbreitet;  dann 
braucht  man  zu  Cordons  Soldaten,  die  Niemanden 
jiassiren  und  keinen  Bakfchisch  (Trinkgeld)  an- 
nehmen sollen.  Das  soll  man  einem  türkischen 
Soldaten  begreiflich  machen  können!  Hakschisch 
ist  das  Zauberwort  in  der  Türkei,  das  alle  Berge 
ebnet!   Cholera    in    Bassorah !    Neuer    Schrecken 


geht  durch  Bagdad !  Die  Beamten  der  Regierung 
in  Bassorah,  die  bis  Küt-el-Amara  geflüchtet 
waren,  wurden  mit  Gewalt  zur  Wiederaufnahme 
ihrer  ämtlichen  Thätigkeit  durch  den  Vali  S.  E. 
Muschir  Hidajet  Pascha  gezwungen.  Er  hatte 
schoii  den  Befehl  von  Constantinopel  in  der 
Tasche,  die  Ausreisser  im  Falle  sie  nicht  auf 
ihre  Posten  zurückkehren  würden,  erschiessen  zu 
lassen  ! 

Alle   Welt  verlangte  jetzt  Quarantaine  ! 

Früher  schon  war  dieselbe  auf  dem  Wege 
nach  Kerbeiah  in  Mussejib  am  Euphrat  und  im 
Hän  Mohävil  auf  dem  Wege  nach  Hilleh  er- 
richtet worden,  weil  die  Cholera  von  Nasrie  aus 
ihren  Weg  auch  nach  Norden  dem  Euphrat  ent- 
lang nahm.  Das  Conseil  sanitaire  von  Constan- 
tinopel entschliesst  sich  endlich,  in  Küt-el-Amara 
die  Schiffe  der  Compagnien  „Oman"  und  „Lynch" 
zehntägige  Quarantaine  halten  zu  lassen  und  da- 
selbst ein  Choleralazareth  zu  errichten.  Die  Ordre 
wird  gegeben.  Zwei  Schiffe  waren  unterwegs  von 
Bassorah  nach  Bagdad:  der  „F"rat"  von  der  Oman, 
die  „Medjidie"  der  Lynch-Compagnie.  Durch  ein 
Missverständniss  gingen  beide  Schiffe  bei  Küt- 
el-Amara  vorüber,  der  „Erat"  wurde  am  Aus- 
flusse der  Diäla  in  den  Tigris  zwei  Stunden 
unterhalb  Bagdad  von  Beamten  der  Quarantaine 
erwischt  und  zum  Halten  gezwungen,  die  „Medjidie" 
kam  mit  Sack  und  Pack  nach  Bagdad  herein. 
Die  Stadt  zitterte.  Ob  nun  die  „Medjidie"  die 
Cholera  brachte  oder  nicht  —  genug  einige  Tage 
nachher  kamen  schon  einige  Fälle  mit  lethalem 
Ausgange  vor;  langsam,  langsam  —  bis  eines 
schönen  Tages  die  Cholera-Comrai^sionen  in 
Permanenz   erklärt  wurden. 

Nun  brach  die  Panique  aus.  Rette  sich,  wer 
sich  retten  kann!  Wohin?  Nur  aus  der  Stadt 
hinaus  in  die  Zelte  !  In  Bagdad  ist  es  gebräuch- 
lich, dass  fast  jede  F'amilie  Zelte  besitzt,  weil 
man  im  Spätherbste  auf  das  Land  geht,  sich 
von  dem  heissen  Sommer  zu  erholen.  Diese  Sitte 
ist  zugleich  auch  ein  Ergebniss  der  uralten  Ge- 
wohnheit, im  Falle  einer  Epidemie  die  Stadt  zu 
verlassen.  Die  Quarantaine  und  das  Cholera- 
lazareth in  Küt-el-Amara  werden  aufgehoben  und 
drei  Tagereisen  weit  nach  Hit  am  Euphrat  ver- 
legt, Quarantaine  und  Choleralazareth  in  Bacouba 
für  die  Provinzen  Chalis  und  Chorassän  errichtet, 
deren  Herrlichkeit  jedoch  nur  drei  Tage  währte, 
um  in  Silachie  auf  dem  Wege  nach  Kerkuk  und 
Mossul  neuerdings  errichtet  zu  werden.  Die  Valis 
von  Bagdad  und  Mossul  werden  durch  eine  Ordre 
des  Sultans  für  das  Erscheinen  der  Cholera  in 
Anatolien  verantwortlich  gemacht!  Constantinopel 
wirft  15.000  Pfund  (angeblich)  für  Stadtreinigung 
aus.  Wer  Kassim  Pascha  und  die  anderen  Augias- 
ställe Stambuls  kennt,  darf  sich  über  eine  der- 
artige Auslage  nicht  wundern.  In  Bagdad  werden 
die  strengsten  Befehle  behufs  Reinigung  der  Stadt, 
Verbrennen  der  Kleider,  Wäsche  und  Betten  der 
Choleraleichen  sowie  Desinficirungen  etc.  er- 
theilt.   Schnell   nahm   die  Mortalität   bei   einer   Be- 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


19 


völkerung  von  nahezu   180.000    Seelen    zu.    Die 
Christen    flüchteten    grösstentheils    nach     Grara, 
^m^  einem  sehr  gesundem  Orte    '/^    Stunden    südlich 
IB. von  Bagdad  gelegen,    die    reichen    Muselmänner 
in  die  Gärten  nach  Imam  Asam,  die  Perser  nach 
Kasimein  (Imam  Mussa),  die  Juden  in  die  Dörfer 
der    Provinzen    Chälis    und    Chorassan     bis    nach 
►  Chanegin  an  die  persische  Grenze. 

m^g  In  Bagdad  selbst  blieb  nur  der  ärmere  Theil 

I^K  ^^'^  Bevölkerung,  die  Beamten  der  Regierung  und 
IHi  das  Militär  zurück.   Der  Kazar,  der  sonst  als  der 
-        -  Mittelpunkt     des     Handels    und     Verkehres    von 
Menschen     wimmelte,     war     wie     ausgestorben. 
Sämmtliche  Läden    waren    geschlossen,    nur    hie 
und     da    sah     man     einen     Menschen     mit    ver- 
störter Miene  dahinschleichen.  Bagdad  glich  einer 
Stadt  der  Todten.   Unter  dem  zurückgebliebenen 
ärmeren   Theile   der   Bevölkerung    raste     die  Epi- 
demie und   forderte   unerbittlich   ihre   Opfer,    man 
gibt   die     Zahl    der    Dahingerafften    auf  mehr   als 
10  000  an.  Herzzerreissender  Jammer  und  Weh- 
B^B  klagen     erfüllten     besonders    zur    Nachtzeit     die 
I^P  Lüfte.    Man  muss,  um  sich  eine  Vorstellung  von 
"       den     Schrecknissen     zu    machen,      die    Gewohn- 
|.  heiten   der  Araber  kennen,    die   sie,   im   F"alle   ein 

W^m  Familienmitglied   stirbt,   beachten  .  .  . 
I^B  Doch  auch  die  Flüchtlinge  wurden  nicht  ver- 

I^V  schont,  besonders  die  Schiiten  in  Imam  Mussa  und 
I^B°  der  Theil  der  Bevölkerung,  der  sich  nach  Feredjat 
IHr  nördlich  von  Bagdad  flüchtete.  Am  besten  kamen 
'  die   Christen    in    Grara    davon.     Den   Höhepunkt 

erreichte  die  Krankheit  Anfangs  September.  Mit 
der  zusehenden  Abnahme  der  Intensität  der 
Krankheit  nahm  auch  das  Vertrauen  der  Flücht- 
linge zu  und  die  Bevölkerung  kehrte  langsam 
Ende  October  und  Anfangs  November  zu  ihren 
Penaten  zurück. 

IVon  Bagdad  nimmt  die  Cholera  ihren  Weg 
nach  den  bisher  verschont  gebliebenen  Euphrat- 
gegenden,  stattet  den  heiligen  Orten  der  Schiiten 
'  Nedjef  und  Kerbela  einen  argen  Besuch  ab, 
wendet  sich  nach  Osten  in  die  Provinzen  Chälis 
und  Chorassan  nach  Persien,  dann  nach  Norden, 
Kerkuk,     Mossul    bis    nach    Diarbekr    und    Um- 

I  gebung,  wo  sie  mit  dem  liintritte  der  kühleren 
Jalireszeit  erlischt.  Aiu  zudh  heissen  die  Araber, 
die  Cholera,  d.  h.  der  Vater  des  Erbrechens. 
Alle  Gerechtigkeit  muss  den  Valis  von  Bassorah 
und  Bagdad  gezollt  werden,  desgleichen  den 
Aerzten,  wie  denn  ein  jeder  seine  Pflicht  und 
Schuldigkeit  that,  so  weit  er  es  vermochte. 


i 


FABRIKSINDUSTRItN  IN  INDIEN. 

Von  Emil  Schlagintweit. 
(Schluss.) 
Bei  Einführung  von  Dampfmaschinen  zum  Be- 
triebe mechanischer  Spinnereien  und  Wehereien  an 
Stelle  des  Handbetriebes  konnte  den  Landcsge- 
wohnheiten  der  Arbeiter  nicht  mehr  Rechnung  ge- 
tragen werden  ;  hier  führte  der  Wettbewerb  gleich- 


artiger Fabrikationen  in  der  alten  wie  in  der  neuen 
Welt  zu  einer  Ausnutzung  der  menschlichen  Arbeits- 
kraft, wie  sie  bei  uns  im  Beginne  der  Industrien 
vereinzelt  vorkam,  aber  jetzt  schon  längst  durch 
Gesetzgebung  und  Praxis  beseitigt  ist.  Die  Her- 
stellung von  Seidengespinnsten  liess  sich  bereits  die 
Ostindische  Compagnie  angelegen  sein ;  heute 
liegt  der  Grosshandel  ausschliesslich  in  den  Händen 
weniger  europäischer  Firmen.  Dampfmaschinen 
finden  vereinzelt  Verwendung  zum  Zwirnen  des  ab- 
gehaspelten Fadens ;  zum  Weben  nimmt  man  da- 
gegen mit  grösserem  Vortheil  die  Handwebstühle  der 
Eingeborenen  in  Anspruch.  In  Murschedabad,  einem 
der  ältesten  Sitze  derBengal-Seidenindustrie,  weben 
in  der  Hausindustrie  nicht  weniger  als  1900  Stühle 
nach  den  vorgegebenen  Mustern  für  den  europäi- 
schen Markt;  wie  niedrig  die  Arbeitslöhne  sich 
stellen,  zeigen  folgende  Zahlen:  1875  wurden  fast 
voll  hunderttausend  Stück  feinsten  Seidenstoffes 
abgeliefert  im  Werthe  von  i  '^'.  Millionen  Mark ;  an 
Arbeitslohn  erhielten  die  Weber  200.000  M.  Nicht 
viel  besser  werden  die  Spinner  und  Zwirncr  be- 
zahlt ;  das  ganze  Geschäft  ist  grossen  Schwankun- 
gen unterworfen  und  wirft,  von  besonders  günstigen 
Jahren  abgesehen,  geringen  Ertrag  ab.  Die  Auf- 
zucht der  Raupe  bringt  das  meiste  Geld,  und  des- 
wegen hat  sich  im  Staate  Maissur  (Südindien)  eine 
Gesellschaft  mit  Unterstützung  der  Regierung  die 
dankbare  Aufgabe  gestellt,  die  Cultur  des  Seiden- 
spinners einzuführen. 

/nie,  die  Gespinnstfaser  von  verschiedenen 
Corchorus-Arten,  liefert  den  Beweis,  dass  der  In- 
dier  bei  allen  seinen  wirklichen  und  zugeschrie- 
benen Fehlern  wohl  im  Stande  ist,  seine  Interessen 
wahrzunehmen ;  ohne  alle  Einwirkung  seitens  der 
Regierung  und  ohne  jegliche  Unterstützung  seitens 
der  Handelswelt  schuf  der  bengalische  Bauer  und 
Weber  zwischen  1858 — 1864  eine  Industrie,  die 
heute  Werthe  nach  Millionen  schafft.  Die  Pflanze 
wird  grösstentheils  auf  Land  gebaut,  das  früher 
keine  Rente  brachte,  und  die  starke  Nachfrage  nach 
Jute-Säcken  führte  1860  dazu,  dass  in  der  Um- 
gegend von  Caicutta  jede  Familie  den  einfachen 
Webstuhl  der  Eingeborenen  aufstellte  und  Gunny- 
Stoff  herstellte  ;  man  bekam  kaum  mehr  einen  Tag- 
löhner,  die  .Arbeitslöhne  stiegen  reissend.  Mit  der 
Aufstellung  mechanischer  Webstühle  nimmt  die 
Handweberei  in  der  bengalischen  Tiefebene  ab,  sie 
breitet  sich  aber  nördlich  des  G.inges  unter  der 
kleinbäuerlichen  Bevölkerung  aus.  Mittelpunkt  des 
Handels  in  Gunny-Stoff  ist  hier  Kriscbnagandsch 
an  der  Mahanadi,  einem  schiffbaren  Zuflüsse  des 
Ganges.  Jährlich  werden  5  Millionen  Gunny-Stücke 
verschifft,  jedes  5  englische  Fuss  lang,  3'/» — 4 
breit.  Der  Verdienst  der  Arbeiter  ist  sehr  gering ; 
wenn  die  ganze  Familie  zusammenhilft,  Männer, 
Frauen  und  Kinder,  und  sich  in  die  verschiedenen 
Arbeiten  des  Reinigens,  des  Herstellens  der  Faser, 
des  Aufziehens  der  Fäden  u.  s.  w.  thcilt,  so  entfällt 
auf  den  Kopf  nur  ein  Taglohn  von  1  —  i'/^  .Anna 
(l2 — 18  Kreuzer).  Für  die  Maschinenweberei 
wurden  Mittelpunkte  der  europäischen  Industrie  die 


20 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT 


Dörfer  im  Norden  von  Calcutta  (Baranagar),  dann 
Seradscbgandsch  am  Dschamuna-Arm  des  Brahma- 
putra, kurz  vor  seiner  Vereinigung  im  Delta  mit 
den  Ganges-Armen.  Die  Zahl  der  Fabriken  und  der 
Arbeiter  darin  steht  nicht  fest ;  bei  der  letzten 
Volkszählung  gaben  sich  in  Calcutta  und  Umge- 
bung 52  Personen  als  Besitzer  mechanischer  Spin- 
nereien und  Webereien,  an  zweitausend  als  Vor- 
arbeiter darin  an.  Die  Verhältnisse  in  der  Jute- 
Industrie  schildert  für  Calcutta  ein  amtlicher  Be- 
richt wie  folgt :  Die  Männer  verdienen  1 1  Anna  bis 
I  Rupie  den  Tag  (66  kr.  bis  1  fl.),  die  Weiber 
5  Anna  an  der  Maschine,  9  Anna  im  Packraum,  die 
Kinder  ^/^ — i '/^  Anna  (4^ — 12  Kreuzer).  Die  S])in- 
nereien  verwenden  eine  ausnehmend  hohe  Zahl  von 
Kindern;  um  ihre  Arbeitskraft  besser  auszunützen, 
ist  das  Ablösungsverfahren  eingeführt  und  verlangt 
man  von  Kindern  nicht  mehr  als  sechsstündige  un- 
unterbrochene Arbeitsleistung  im  Tag.  Sonntag  ist 
stets  Ruhetag,  ebenso  ist  Stillstand  an  den  hoben 
Feiertagen  der  Hindus,  beziehungsweise  Moslims. 
Die  BauviwoUen  -  Spinnereien  und  -  Wehereien 
haben  ihren  Mittelpunkt  in  der  Stadt  und  Präsident- 
schaft Bombay ;  heute  entbehrt  ihrer  zwar  keine 
Provinz,  und  selbst  in  Binnenländern,  wie  Maissur, 
werden  von  Seite  der  Regierung  grosse  Anstren- 
gungen gemacht,  längs  der  neuen  Schienengeleise 
derartige  Fabriken  entstehen  zu  sehen.  Die  Be- 
sitzer sind  nur  zum  Theil  Europäer ;  Parsi-  und 
Dschaina- Kaufherren  haben  sich  mit  ihnen  in  die 
Anlage  getheilt,  eine  nicht  geringe  Zahl  dieser 
Unternehmungen  ist  unter  Führung  eingeborener 
Bankhäuser  durch  Ausgabe  von  Actien  gegründet 
worden.  1856  begann  die  erste  Fabrik  den  Betrieb, 
erst  unterm  15.  März  1881  erschien  ein  Fabriks- 
gesetz ;  inzwischen  hatten  sich  unhaltbare  Zustände 
herausgebildet.  Allen  Fabriken  eigen  war  die  Ver- 
wendung einer  Schaar  jugendlicher  Arbeiter  im 
zartesten  Kindesalter;  Kinder  von  kna])p  5  Jahren 
waren  gleich  Erwachsenen  mit  sechsstündiger 
Arbeitszeit  ohne  Essenspause  angestellt;  gegen  Un- 
fälle waren  keinerlei  Sicherheitsmassregeln  getroffen, 
für  Abführung  der  dicken  heissen  Luft  geschah 
nichts,  die  Arbeitssäle  zeigten  eine  Temperatur  bis 
zu  30"  R.  oder  um  mehrere  Grade  höher  als  in  den 
engsten  Strassen  der  dichtest  bewohnten  Stadt- 
viertel von  Bomba)-.  Zur  Einnahme  der  Mahlzeiten 
fehlten  selbst  die  einfachsten  Buden;  die  Leute 
kauerten  im  Hofe  unter  den  vorspringenden  Dächern 
im  dicken  Schmutze,  für  Latrinen  war  nirgends  ge- 
sorgt. Dazu  eine  zu  lange  Arbeitszeit  ohne  Unter- 
brechung durch  Ruhetage,  so  dass  der  Körper  selbst 
bei  Erwachsenen  erschlaffen  musste.  Die  Arbeit 
beginnt  mit  Sonnenaufgang  und  dauert  bis  Sonnen- 
untergang, 12  Stunden;  zweimal  soll  Ruhezeit  sein 
von  je  einer  halben  Stunde,  aber  Alle  können  nicht 
darauf  rechnen.  Der  Indier  kocht  nicht  gemein- 
schaftlich. Wer  auf  Kaste  hält,  hat  Morgens  mit  den 
Waschungen,  Gebeten  und  dem  Zurichten  des  Mahles 
zwei  Stunden  hinzubringen;  deshalb  muss  um  3  Uhr 
Morgens  aufstehen,  wer  zum  Verlesen  vor  6  Uhr 
ohne    Verspätung     eintreflen     will.     Ueberstunden 


werden  rücksichtslos  auferlegt,  nach  der  BaumwoU- 
Ernte  sind  sie  die  Regel ;  dem  Arbeiter  bleibt  des- 
wegen nicht  einmal  genügend  Zeit,  sich  durch 
Schlaf  zu  stärken.  Dabei  fehlt  ein  fester  Ruhetag 
in  jeder  Woche,  viele  Fabriken  arbeiten  Wochen, 
ja  Monate  durch,  ohne  Unterbrechung  ;  Entschul- 
digungen wegen  Krankheit  werden  sehr  strenge  ge- 
nommen und  werden  nur  zu  leicht  als  Simulationen 
behandelt  und  mit  Strafabzügen  geahndet.  Ein  Miss- 
stand, unter  dem  viele  eingeborenen  Werke  litten, 
war  der  gefahrdrohende  Zustand  der  Dampfkessel ; 
aus  Ersparungsrücksichten  wurden  häufig  alte  ab- 
genützte Maschinen  angekauft  und  wieder  in 
Verwendung  genommen. 

Acte  15  vom  15.  März  1881,  genannt  das 
indische  Fabriksgesetz,  führt  sodann  Kesselrevi- 
sionen  ein,  fordert  Sicherung  aller  Maschinen- 
theile,  bei  denen  die  Berührung  Schaden  bringen 
kann,  und  bringt  eingehende  Regelung  der  Kinder- 
arbeit. Als  Kind  wird  jeder  Arbeiter  unter  12  Jahren 
erklärt.  Kein  Kind  darf  vor  Beginn  des  siebenten 
Lebensjahres  zur  Arbeit  angenommen  und  niemals 
länger  als  neun  vStunden,  eingerechnet  eine  Stunde 
Ruhe-  und  Essenspause,  beschäftigt  werden  ;  ebenso 
müssen  Kindern  vier  Ruhetage  im  Monat  eingeräumt 
werden.  Schliesslich  sind  zur  Controle  Verzeich- 
nisse der  beschäftigten  Kinder  einzureichen,  und 
besuchen  Fabriksinspectoren  die  Arbeitsräume.  Die 
sanitären  Verhältnisse  besserten  sich,  die  Lage  der 
Kinder  wurde  menschenwürdiger,  das  Ablösungs- 
verfahren bürgerte  sich  auch  in  der  Baumwollen- 
Industrie  ein.  Die  Löhne  stellen  sich  überall  höher 
als  der  örtliche  Taglohn,  obgleich  die  Arbeitskräfte 
in  überreichlicher  Zahl  angeboten  werden  ;  entsteht 
im  Innern  des  Landes  eine  Fabrik,  so  brechen  ganze 
Sippen,  Grosseltern,  Eltern  und  Verwandte  in  der 
Seitenlinie  bis  in  das  siebente  Glied  nach  der  neuen 
Arbeitsstätte  auf,  um  dort  Unterkommen  zu  finden. 
Eingeborene,  denen  die  Bedienung  der  Dampf-  und 
Arbeitsmaschinen  anvertraut  werden  kann  oder  die 
als  Werkmeister  den  einzelnen  .^btheilungen  vor- 
stehen, beziehen  feste  Monatsgehalte  von  60  bis 
150  fl.,  Vorarbeiter  die  Hälfte.  F"ür  die  Arbeiten 
ist  Stücklohn  die  Regel ;  Kinder  bringen  es  im 
Monate  auf  g,  Frauen  auf  5,  Männer  auf  10  bis 
20  fl. ;  der  Schichtlohn  für  ständige  Taglöhner 
ist  nahezu  ebenso  hoch,  vorübergehend  beschäftigte 
Arbeiter  erhalten  den  ortsüblichen  Taglohn,  und 
zwar  Kinder  und  P'rauen  18  —  20  kr.,  die  Männer 
40  kr.  P2ingehende  Berechnungen  haben  nach- 
gewiesen, dass  der  Kleinbauer,  der  zwei  Hektar 
seines  Landes  mit  Getreide-,  Handels-  und  Garten- 
früchten bestmöglich  bestellt  und  eine  gute  Ernte 
hatte,  schlechter  daran  ist,  als  der  Arbeiter,  der 
8  Rupien  (=  Gulden)  im  Monat  an  Lohn  einnimmt; 
aus  der  Fabrik  bringt  jedes  Glied  der  Gesammt 
familie  Verdienst  nach  Hause.  Dazu  kommt,  dai 
die  Angehörigen  der  besseren  Kasten,  voran  d 
Brahinanen,  den  Pflug  mit  grösstem  Widerwillen 
ergreifen,  weil  dieses  unentbehrliche  Werkzeug 
noch  immer  als  unrein  gilt,  weil  es  in  längstver- 
gangenen Zeiten   nur   die   unreinen  Kasten  führten. 


t; 

i 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   fOr    DEN    ORIENT 


«1 


Maschinen  können  unter  diesem  vorgeschichtlichen 
Fluch  nicht  stehen ;  die  Brahmanen,  unter  denen  es 
vielen  sehr  schwer  fällt,  innerhalb  des  engen,  von 
der  Religion  gezogenen  Raiimens  ihren  Unter- 
halt zu  verdienen,  arbeiten  anstandslos  mit  Ange- 
hörigen anderer  Kasten  an  den  Maschinen  zusammen 
und  fassen  an,  wenn  auch  am  anderen  Ende  des 
Ballens  oder  F'adens  das  Mitglied  einer  Kaste  steht, 
dessen  Schatten  sonst  den  Brahmanen  schon  be- 
fleckt, wenn  er  auf  ihn  fällt. 

Die  Lohnfrage  gibt  zu  Wünschen  und  Aeusse- 
rungen  der  Unzufriedenheit  keinen  Anlass,  dagegen 
erweist  sich  die  Beschränkung  des  indischen 
Fabriksgesetzes  auf  die  Sorge  für  die  Kinder  als 
ein  Fehler  und  die  Annahme,  der  erwachsene  Ar- 
beiter sei  im  Stande,  berechtigten  Forderungen 
selbst  Anerkennung  zu  verschaffen,  als  ein  Irrthum. 
1884  bringen  englische  Interessenten  eine  Ver- 
schärfung der  gesetzlichen  Bestimmungen  für  Indien 
in  Antrag ;  die  Provinzregierungen  werden  ein- 
vernommen, sprechen  sich  für  Ablehnung  aus,  und 
die  Angelegenheit  schien  vertagt.  Da  treten  im 
November  vorigen  Jahres  die  Arbeiter  auf  der 
Insel  Bombay,  auf  welcher  mehr  als  ein  Drittel 
aller  indischen  Fabriken  für  mechanische  BaumwoU- 
Fabrikation  sich  befindet ,  zusammen  und  be- 
schliessen,  zu  Händen  der  Regierung  eine  Denk- 
schrift einzureichen  mit  folgenden  Forderungen: 
I.  Jeder  Sonntag  sei  Ruhetag.  2.  Zum  Einnehmen 
der  Mittagskost  muss  eine  halbe  Stunde  Pause 
gewährt  werden.  3.  Ueberstunden  haben  wegzu- 
fallen, mit  Sonnenuntergang  müsse  der  Arbeiter 
entlassen  werden.  4.  Die  Lohnauszahlung  dürfe 
über  den  15.  des  nächsten  Monates  hinaus  nicht 
verschoben  werden.  5.  Bei  Betriebsunfällen  ist 
Krankengeld,  beziehungsweise  Rente  zu  bezahlen. 
Zur  Begründung  ist  in  der  Einleitung  gesagt: 
„Wir  müssen  es  als  entmuthigend  bezeichnen,  wenn 
unsere  Arbeitgeber  in  einer  ihrer  Denkschriften 
an  die  Regierung  bemerken,  wir  würden  nicht  so 
angestrengt  arbeiten,  wie  unsere  Genossen  in 
l£ngland,  welche  in  gleicher  Zeit  die  dreifache 
Menge  von  Producten  darstellen.  Die  wahre  Ur- 
sache unserer  geringeren  Leistungsfähigkeit  ist  der 
schlechtere  Zustand  der  Maschinen  und  die  gröbere 
F'aser  des  Rohstoffes.  Wir  geben  zu,  dass  hier  viele 
Maschinen  von  drei  Mann  bedient  werden,  wo  in 
b^ngland  nur  einer  nothwendig  ist;  aber  wir  bitten 
zu  beachten,  dass  diese  drei  Arbeiter  ihre  Auf- 
gabe in  längeren  Werkstunden  zu  lösen  haben, 
unter  einem  entnervenden  Klima  und  mit  nur  einem 
Drittel  der  Bezahlung  des  europäischen  Genossen. 
Endlich  sind  uns  nicht  die  mancherlei  Erleichte- 
rungen gewährt,  welche  in  England  die  Last  der 
Arbeit  vermindern  und  den  Mann  bei  Kraft  er- 
halten." Die  Regierung  hat  inzwischen  die  Fabriks- 
inspectoren über  die  Petition  einvernommen  ;  diese 
Inspectoren  sind  durchwegs  Parsis,  und  ihr  Gut- 
achten lautet  zu  Gunsten  der  Bittsteller.  Zunächst 
wird  betont,  dass  das  Verlangen  nach  Sonntags- 
ruhe mit  religiösen  Fragen  nicht  zusammenhänge, 
sondern   nur  als   Wunsch   nach    festen   Ruhetagen 


aufzufassen  sei.  Jetzt  feiert  jede  Fabrik,  wenn  das 
Geschäft  es  wünschenswerth  macht;  der  Indier 
liebt  aber  Geselligkeit  und  sucht  an  Ruhetagen 
den  Verkehr  mit  Freunden ;  dieser  wird  durch 
solche  Unsicherheit  unmöglich  gemacht  und  An- 
träge der  Verlegung  auf  gemeinsame  Mooatstage 
sind  bei  den  Directionen  an  der  Tagesordnung; 
Geradezu  empörend  ist  die  Weigerung  einer  Essens- 
pause ;  sie  wird  zwar  von  einsichtigen  Directionen 
ermöglicht,  aber  die  Regel  bildet  doch,  dass  der 
Nachbar  die  Arbeit  des  Nebenmannes  mitversehen 
muss,  während  sich  dieser  zum  bescheidenen  Mahl 
niedersetzt.  Sehr  empfindlich  wird  dem  Indier  der 
Ausfall  einer  Ruhezeit,  weil  er  leidenschaftlicher 
Raucher  ist  und  diesen  Genuss  sich  den  ganzen 
Tag  versagen  muss,  wenn  keine  Pause  gemacht 
wird.  Die  dritte  Forderung  hängt  mit  der  Klage 
der  Abzüge  zusammen.  Urlaub  wird  selbst  bei 
Familienfesten,  hohen  Feiertagen  nicht  für  länger 
als  I — 2  Tage  gewährt;  kleine  Strafen  wegen 
ungenügender  Arbeit  sind  bei  der  Ueberanstren- 
gung  der  Arbeiter  unvermeidlich.  Es  wird  nun 
behauptet,  diese  Abzüge  seien  zu  hoch  berechnet, 
und  um  Controle  eintreten  zu  lassen,  ist  Abrech- 
nung möglichst  nahe  dem  Zahltage  erbeten.  Bei 
Erkrankung  und  Erwerbsunfähigkeit  durch  einen 
Betriebsunfall  wird  jetzt  dem  Arbeiter  im  Gnaden- 
wege eine  kleine  Entschädigung  gereicht;  es  ist 
die  Regelung  dieser  Leistungen  kraft  Rechtens 
verlangt,  ganz  in  Uebereinstimmung  mit  der  Gesetz- 
gebung des  Deutschen  Reiches. 

Die  eingeborene  Presse  verbreitet  diese  Be- 
schlüsse im  ganzen  Reiche;  sie  finden  überall  Zu- 
stimmung und  Unterstützung,  selbst  die  Regierungen 
eingeborener  Fürsten  stehen  einer  umfangreichen 
gewerblichen  Gesetzgebung  für  Indien  wohlwollend 
gegenüber.  Die  grundbesitzenden  Classen  jeden 
Grades  haben  die  Bedeutung  einer  Industrie  als 
Abnehmer  der  landwirthschaftlichen  Producte  er- 
kannt ;  vortrefflich  sind  die  Bemerkungen,  welche 
der  Dewan  oder  Minister-Präsident  von  Maissur, 
Ranga  Tscharlu  am  26.  October  1882  in  der 
Eröffnungsrede  vortrug,  welche  er  an  den  Landtag 
des  Staates  richtete.  Maissur  ist  der  einzige  Staat, 
der  sich  eines  aus  gewählten  Mitgliedern  bestehenden 
Provinzial- Landtages  erfreut;  keine  englische 
Provinz  ist  mit  einer  gleichen  Einrichtung  aus- 
gestattet, obgleich  der  Maissur-Landtag  seit  1881 
jährlich  3 — 5  Tage  versammelt  ist  und  mit  Be- 
merkungen zu  den  Vorlagen,  mit  dem  Vortrag  von 
Wünschen  und  Beschwerden,  die  von  Seite  der 
Regierung  theilnehmende  Berücksichtigung  finden, 
nicht  kargt.  Es  ist  hervorzuheben,  dass  der  Dewan 
Englisch  vorträgt,  dass  auch  alle  Petitionen 
englisch  verfasst  sind  und  das  Sitzungsprotokoll 
ebenfalls  englisch  geführt  wird,  obgleich  sämmt- 
liche  Landboten  Eingeborene  sind  und  der  Staat 
Maissur  ein  einheitliches  Sprachgebiet  ist ;  Kanarc- 
sisch  ist  ausschliesslich  die  Landessprache.  „Ich 
bedauere,  dass  die  Industrie  in  unserem  Lande 
noch  wenig  Fortschritte  gemacht  hat.  Die  Aus- 
sichten auf  die  Anbohrung  bauwürdiger  Goldlager 


22 


OESTeRREICHlSCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN   ORIENT. 


sind  noch  geriug ;  der  Anlage  von  Baumwoll- 
spinnereien steht  hindernd  der  geringe  Anbau  von 
Baumwolle  im  Staate  entgegen  und  wird  es  hiezu 
erst  kommen,  wenn  unser  Eisenbahnnetz  ausgebaut 
ist  und  damit  die  Einfuhr  von  Getreide  er- 
möglicht wird,  zu  dessen  Erzielung  jetzt  noch  die 
besten  Felder  benützt  werden  müssen.  Keine  Ver- 
werthung  findet  bis  jetzt  unsere  Wolle;  bei  der 
Bedeutung  der  Aufzucht  von  Schafen  im  Staate 
darf  die  Anlage  von  Tuchfabriken  als  lohnender 
bezeichnet  werden  als  solche  für  Baumwolle.  Re- 
gierung oder  einzelne  unternehmende  Fremde 
können  nur  wenig  dazu  beitragen,  die  Bevölkerung 
zu  lohnender  Beschäftigung  aufzustacheln ;  noch 
ist  in  Indien  der  Staatsmann  nicht  erstanden, 
der  seine  Landsleute  von  der  bleiernen  Schwere 
des  Amtsgeistes  entlastet  und  sie  dazu  bringt,  aus 
eigenem  Antriebe  auf  Fortschritte  auf  dem  Gebiete 
der  Gewerbe  und  Industrien  zu  sinnen.  Wenn  die 
ganze  Welt  um  uns  herum  ganz  ausserordentliche 
Umwälzungen  zeigt,  so  dürfen  die  260  Millionen 
Indier  in  ihrem  Schlafe  nicht  länger  verharren ; 
sie  haben  Unrecht,  an  den  veralteten  Ueber- 
lieferungen  ihrer  Vorfahren  von  2 — 3000  Jahren 
zu  hängen  und  ein  kaum  menschenwürdiges  Dasein 
zu  fristen,  dessen  sie  bei  jeder  Missernte  unter 
bejammernswerthen  Erscheinungen  vor  der  Zeit 
verlustig  gehen.  In  Europa  begann  man  den  Dampf 
zur  Erzeugung  unzählbarer  Mengen  hochbegehrter 
Waaren  erst  im  Beginne  des  laufenden  Jahrhunderts 
zu  benützen.  Damals  versorgte  Indien  Europa  mit 
Baumwollstoffen,  heute  versieht  England  trotz  cmes 
beispiellosen  Wettbewerbes  von  ganz  Euro;)a  und 
Amerika  den  grösseren  Theil  der  Erde  mit 
Kleidungsstücken.  Dieser  Erfolg  ist  nicht  die  Folge 
einzig  dastehender  Erfindungen  einzelner  von  dem 
höchsten  Wesen  begnadeter  Menschen,  sondern 
das  Ergebniss  der  unausgesetzten  Bemühungen 
zahlreicher  Männer  aus  dem  Gewerbestande,  der 
Gelehrten  und  der  Kaufmannsgilde,  die  in  ihren 
verschiedenen  Beschäftigungen  ihren  Verstand  und 
ihren  eisernen  Fleiss  an  die  Nutzbarmachung 
weniger  Haupierfindungen  setzten.  Dieses  Zu- 
sammenwirken einer  ganzen  Nation  bewirkte  den 
nahezu  märchenhaftenReichthum  und  den  allseitigen 
Wohlstand,  der  Grossbritannien  vor  unserem 
Vaterlande  auszeichnet." 


DIE  DEUTSCHEN   SCHUTZGEBIETE  UND   COLO- 

NIALUNTERNEHMUNGEN  BEI  BEGINN  DES  JAHRES 

1890. 

(Schluss.) 
Aus  dem  Kamerun-Gehiele  sind  im  Laufe  des 
letzten  Jahres  nach  zwei  verschiedenen  Richtungen 
hin  Vorstösse  in  die  benachbarten  Binnenland- 
schaften unternommen  worden,  die  den  Zweck 
hatten,  einerseits  der  wissenschaftlichen  Erkennt- 
niss  des  Landes  neue  Anhaltspunkte  zu  gewähren, 
anderseits  den  Interessen  der  praktischen  Coloni- 
sation  zu  dienen. 


Dr.  Zintgraf,  unterstützt  vom  Premierlieutenant 
Zeuner  wandte  sich  bekanntlich  im  Sommer  1888 
von  der  am  Elephantensee  errichteten  Barombi- 
Station  dem  Quellgebiet  des  Kalabarflusses  zu.  Mit 
dieser  Station,  welche  durch  ihre  Producte  und 
Bodenerzeugnisse  sich  von  den  Eingeborenen  un- 
abhängig gemacht  hat,  ist  am  Fusse  des  Kamerun- 
gebirges ein  Terrain  gewonnen  worden,  das  die 
Basis  zu  weiterem  Vorgehen  landeinwärts  abge- 
geben hat.  Dasselbe  geschah  in  nordöstlicher  Rich- 
tung und  führte  die  beiden  Reisenden  durch  nie  be- 
tretenen Urwald  an  den  Rand  der  Savanne,  welche 
so  weite  Strecken  des  innerafrikanischen  Plateaus 
bedeckt.  Die  neu  angelegte  Station,  auf  welcher 
ausgedehnte  Reisculturen  angepflanzt  worden,  steht 
mit  den  umwohnenden  Stämmen  auf  freundlichem 
Fusse,  und  es  ist  Aussicht  vorhanden,  dass  es  ge- 
lingen wird,  die  Bewohner  zu  bewegen,  ihre  Pro- 
ducte zur  Küste  zu  bringen. 

Auf  dem  weiteren  Vorgehen  landeinwärts  ist 
es  dem  Reisenden  im  Jahre  1889  gelungen,  den 
Oberlauf  des  Kalabarflusses  in  nordnordöstlicher 
Richtung  von  der  am  Elephantensee  von  ihm  ge- 
gründeten Barombi-Station  aus  zu  erreichen  und 
zu  überschreiten  und  in  das  Land  der  Banyong  ein- 
zudringen, welche  schon  mit  Adamaua  in  Handels- 
beziehungen stehen.  In  diesem  Gebiet  leben  als 
Sclaven  zahlreiche  Vertreter  eines  Volksstammes, 
die  sich  Bayong  nennen.  Von  diesen  erfuhr  der 
Reisende,  dass  in  der  Heimat  zwei  grosse  Flüsse 
sich  befinden,  von  denen  der  westlichere  Disumm, 
der  östlichere  Liba  heisst.  Diese  beiden  Wasser- 
läufe sollten  nach  den  Angaben  des  Dolmetsch  der 
Expedition,  der  ebenfalls  dem  Bayong-Stamm  an- 
gehörte, als  der  von  der  Kund'schen  Expedition 
zum  Theil  erforschte  Sannaga  bei  Malimba  das 
Meer  erreichen.  Falls  sich  diese  Erkundigung  be- 
wahrheiten sollte,  würde  derLibasee,  welcher  viel- 
leicht eine  sceartige  Erweiterung  des  gleichnamigen 
Flusses  darstellt,  weder  zum  Stromgebiet  des  Congo 
noch  des  Schari  gehören.  Das  Räthsel  des  mysti- 
schen Libasees  im  Hinterland  von  Kamerun  er- 
fährt auf  diese  Weise  durch  die  Erkundigungen, 
welche  Dr.  Zintgraf  im  nordwestlichen  Hinterland 
von  Kamerun  einzuziehen  vermochte,  eine  neue 
Beleuchtung. 

Nach  den  Eindrücken,  die  der  Reisende  auf 
dieser  Tour  hatte,  drängt  in  diesem  Theil  des  deut- 
schen Schutzgebietes  die  Bevölkerung  aus  dem 
Innern  der  Küste  zu,  und  sind  auch  die  Küsten- 
gebiete stärker  bevölkert,  als  die  dahinter  liegenden, 
wenngleich  auch  diese  noch  viele  Menschen  beher- 
bergen. Eine  auchnur  annähernd  richtige  Schätzung 
der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  zu  liefern,  erklärt 
sich  Dr.  Zintgraf  noch  nicht  im  Stande.  Die  Gründe, 
welche  die  Leute  treiben,  aus  ihren  alten  Wohtt 
sitzen  auszuwandern,  sind  nicht  in  abgewirthschaf- 
tetem  Boden  zu  suchen.  Derselbe  trägt  reichlich 
genug,  und  die  Pflanzungen  nehmen  nach  dem  Innern 
sowohl  an  Grösse  als  an  Mannigfaltigkeit  der  ge 
zogenen  Producte  zu. 

In  der  Noth  wären   die   Gründe  wohl   nicht  zu 


I 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FOR   DEN   ORIENT. 


w 


suchen;  es  ist  vielmehr  ein  bestimmter  Drany,  der 
allcrdinjjs  nicht  ausgesprochen  zur  Geltung  kommt, 
welcher  die  Leute  zur  Küste  hinzieht.  Auch  wird  er 
nicht  hervorgerufen  durch  einen  Druck,  den  weiter 
im  Innern  wohnende  Stämme  auf  die  Vorderlcute 
ausüben,  durch  einen  Druck  kriegerischer  Natur. 
Es  scheinen  vielmehr  mit  den  Binnenstämmen  ganz 
gute  Beziehungen  zu  bestehen,  wenngleich  die 
elenden  Bettelkönige  in  diesen  Gegenden  einen  ge- 
wissen Respect  vor  ihren  kriegerischen  und  unter- 
nehmenderen Handelsfreundcn  haben ,  die  ihnen 
wohl  Sclaven  und  lilfenbein  verkaufen,  ihnen  aber 
gelegentlich  auch  Flintenmündungen  und  S[)err- 
spitzen  unter  die  Nase  halten. 

Dr.  Zintgraf,  welcher  im  September  1888  mit 
einer  ziemlich  starken  Karawane,  die  darauf  be- 
rechnet ist,  den  Widerstand  der  auf  ihr  Handels- 
monopol eifersüchtigen  Ban3ang- Häuptlinge  am 
oberen  Kalabar  zu  brechen,  von  Kamerun  nach 
diesen  Gebieten  ausgezogen  ist,  hat  inzwischen  den 
Benue  bei  Ibi  erreicht,  und  damit  den  Anschluss  an 
das  einst  von  Flegel  durchforschte  Gebiet  gewonnen. 

Bevor  Zintgraf  im  Auftrage  des  Reiches  mit  der 
letzteren  Aufgabe  betraut  wurde,  war  er  längere 
Zeit  am  Congo  thätig  gewesen,  und  hatte  darauf 
ein  Jahr  lang  unter  dem  Gouverneur  von  Soden  die 
Flussläufe  der  Colonie  befahren.  Wenn  es  ihm  ge- 
glückt ist,  von  Kamerun  aus  den  Benue  zu  erreichen, 
so  darf  man  in  ihm,  den  ein  tückisches  Fieber  vor 
drei  Jahren  hinwegraffte,  wohl  den  Vollender  des 
letzten  Werkes  des  grossen  Entdeckers  der  Quellen 
des  Benue    begrüssen. 

Als  Robert  Flegel  vor  drei  Jahren  nachUeber- 
windung  der  vielen  Schwierigkeiten,  die  der  Er- 
langung der  nöthigen  Geldmittel  in  Deutschland 
erwachsen  waren,  endlich  im  Auftrage  d<?sColonial- 
vereines  wieder  am  Benue  ankam,  fand  er  den 
unteren  werthvollen  Flusslauf  bereits  in  englischen 
Händen ;  er  wollte  dann  wenigstens  im  östlichen 
Theil  retten,  was  zu  retten  war,  und  von  da  wo- 
möglich durch  das  von  ihm  schon  zum  'l'heil  durch- 
forschte Adamaua  nach  Kamerun  vordringen.  Da 
Dr.  Zintgraf,  wie  er  kurz  gemeldet  hat,  vom  Süden 
her  am  Benue  eingetroffen  ist,  so  muss  er  durch 
Gebiete  gekommen  sein,  die  bisher  noch  von  keinem 
weissen  Forscher  betreten  worden  sind.  Ibi  liegt 
bereits  in  der  englischen  Interessensphäre;  jedoch 
hat  ihn  jedenfalls  der  grössere  Theil  seines  Weges 
durch  deutsches  Interessengebiet  geführt,  dessen 
Grenze  in  schräger  Linie  nach  dem  Punkte  ver- 
läuft, wo  der  12.  Grad  östlicher  Länge  auf  den 
oberen  Lauf  des  Benue  stösst. 

Von  Ibi  aus  hat  sich  Dr.  Zintgraff  nicht, 
zur  Küste  begeben,  sondern  ist  nach  Benjum,  dem 
Land  der  Pferde,  weiter  gegangen.  Es  darf  an- 
genommen werden,  dass  hierunter  Adamaua  zu 
verstehen  ist,  welches  Land  das  eigentliche 
Forschergebiet  Zintgraff's  bilden  sollte,  und  welches 
er  bei  dem  erstenmale  auf  seinem  nunmehr 
glücklich  vollendeten  Zug  zum  Benue  nur  an  seiner 
äussersten  westlichen  Grenze  berührt  hatte.  Nach 
den   neuereu   in  Reglin   eingetroffenen  Nachrichten 


ist  der  Reisende  am  8.  Januar  nach  zweimaliger 
Durchquerung  des  Adamauagebietes  nach  Kame- 
run glücklich  zurückgekehrt.  Dr.  Zintgraff  gibt 
an,  er  habe  30  Tage  zu  dem  Marsch  zum 
mächtigen  Häuptling  von  Jola  gebraucht,  dessen 
Eiiifluss  sich  weit  nach  Süden  erstrecke.  In  Jula 
am  Benue,  und  ebenso  in  Gasebka  bat  der  ge- 
gennante  Forscher  freundliche  Aufnahme  gefunden, 
und  ist  er  längere  Zeit  zurückgehalten  worden. 
An  zweiter  Stelle  ist  im  südlichen  Theile 
von  Kamerun  von  der  Expedition  Kund-Tappen- 
beck  wiederum  ein  Zug  in  das  Innere  unter- 
nommen worden,  der  ursprünglich  den  Zweck 
hatte,  Aufklärung  darüber  zu  schaffen,  ob  in  dem 
nur  sehr  wenig  bekannten  Malimbatbal  die  An- 
lage einer  Station  ausführbar  sei.  Der  wasser- 
reiche, weit  hinaus  schiffbare  Strom  bildet  eine 
in  das  Vorland  eindringende  Wasserader,  deren 
Stromgebiet  von  Stämmen  bewohnt  ist,  die  dem 
Handel  und  dem  Verkehr  mit  Fremden  zugeneigt 
sind.  Unter  diesen  hat  sich  ein  strenges  Gewohn- 
heitsrecht bezüglich  des  Handels  herausgebildet, 
welches  gleich  einem  lästigen  Zollsystem  die  Auf- 
schliessung des  Innern  hemmt  und  erschwert. 
Die  an  der  Mündung  des  Malimba  wohnenden 
Leute  nämlich,  dürfen  nach  den  dort  geltenden 
Gesetzen  nur  bis  zu  dem  Bakoko,  um  zu  handeln, 
gehen.  Letztere  holen  Palmöl  und  Palmkerne 
bei  den  India  ab.  In  dem  District  von  India  sollte 
die  Stationsanlage  stattfinden.  Es  ist  aber  wieder 
davon  abgesehen  worden.  Wie  auf  ihren  früheren 
Reisen,  haben  die  beiden  verdienstvollen  Forscher 
auch  diesmal  ein  lehrreiches  Material  über  die 
wirthschaftlichen  und  Productionsverhältnisse  des 
Malimbabezirks  gesammelt. 

Von  der  Batanga-Expedition,  über  welche  bereits 
früher  ausführlich  berichtet  worden  und  durch 
die  sich  beide  Officiere  einen  so  ehrenvollen  Platz 
unter  den  Afrikaforschern  errungen,  liegt  jetzt 
ein  Bericht  vor,  der  ein  fesselndes  Bild  von  den 
Naturverhältnissen  Batangas  entwirft.  In  demselben 
heisst  es  : 

Die  Expedition  durchzog  vier,  durch  ihre  Boden- 
beschaifenheit  und  die  Art  ihrer  Vegetation  ver- 
schiedene Regionen :  Das  Gebiet  des  dichteren 
Buschwaldes  oder  auch  lichteren  Hochwaldes, 
welches  sich  von  der  Küste  aus  über  den  grössten 
Theil  des  Berglandes,  im  Süden  noch  darüber 
hinaus  bis  auf  das  innere  afrikanische  Plateau 
erstreckt;  die  Parklandschaft  der  dichter  bevöl- 
kerten Gegenden,  in  welchen  die  ursprüngliche 
Waldbedeckung  zum  grössten  Theile  den  Pflan- 
zungen des  Menschen  zum  Opfer  gefallen  ist ; 
die  mit  hohem  dichten  Grase  bestandenen  Sa- 
vanne mit  ihren  eigenartigen  Zwergbäumen  und 
endlich  die  engbegrenzten  Gebiete  der  grosseren 
Wasserläufe,  des  Njong-  und  des  Sannagaflusscs, 
denen  sich  das  schmale  Küstengebiet  zwanglos 
anschliessen  lässt.  Die  Verschiedenheit  des  Unter- 
grundes und  der  Vegetation  dieser  vier  Regionen 
bedingt  auch  faunistische  Eigeathümlichkeiten, 
welche  es    angebracht    erscheinen    lassen,    jedes 


24 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


dieser  Gebiete    hinsichtlich    seiner    Thierwelt  ge- 
sondert zu  betrachten. 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  die  Expedition 
diese  Gegenden  in  der  Zeit  vom  October  bis 
zum  März,  also  in  der  sogenannten  grossen 
trockenen  Zeit  ,  durchzog  ,  welche  sich  zwar 
durchaus  nicht  durch  Regenlosigkeit  auszeichnet, 
aber  doch  trocken  genannt  werden  kann  im  Ver- 
gleiche zu  der  eigentlichen  Regenzeit  mit  ihren 
andauernden,  ausgiebigen  Niederschlägen.  In  die 
trockene  Zeit,  welche  dem  Winter  der  gemässigten 
Zone  entsprechen  würde,  fällt  auch  die  Periode 
spärlicher  Vegetation.  Diesem  Umstände  dürfte 
daher  das  seltenere  Vorkommen  derjenigen  Thier- 
formen  zuzuschreiben  sein,  welche  auf  blühende 
Pflanzen  angewiesen  sind  oder  grösserer  F'euchtig- 
keit  bedürfen.  Das  Gebiet  des  Urwaldes  zeigt 
auf  den  ersten  Blick  nur  geringe  Spuren  thierischen 
Lebens.  Eine  modrige,  feuchte  Luft,  und  ein  ge- 
heimnissvolies  Halbdunkel,  an  welches  sich  das  Auge 
erst  allmälig  gewöhnen  muss,  herrschen  in  diesem 
regellosen  Durcheinander  von  Bäumen,  Gebüschen 
und  Schlinggewächsen.  Nur  hie  und  da  schlüpft 
ein  neugieriger  Sonnenstrahl  durch  das  dichte, 
hoch  über  dem  Wanderer  gewölbartig  Luft  und 
Licht  abschliessende  Laubdach,  und  nur  selten 
findet  sich  eine  lichtere  Stelle,  welche  dem  Zu- 
sammenbrechen eines  altersschwachen  Waldriesen 
mit  dem  ihm  anhängenden  Lianengewirr  ihren 
Ursprung  verdankt.  Durch  dieses  Chaos  von 
Baumstämmen  und  Schlingpflanzen  windet  sich 
der  schmale  Pfad,  bald  über  Urgesteinbrocken 
oder  spitze  Felstrümmer,  bald  über  feinkörnigen 
Sand  oder  lehmigen  Laterit,  bald  durch  pflanz- 
lichen Mulm  oder  zähen  schwarzerdigen  Schlamm 
und  Morast  führend,  hier  über  Riesenwurzeln  und 
Wurzelpfeiler  kletternd,  dort  einen  Bach  als  Weg- 
spur benützend.  Zu  beiden  Seiten  des  Weges  finden 
sich  zahlreiche,  aus  Erde  zusammengeklebte 
Ameisenhaufen,  oft  von  zierlichster  Form,  ent- 
weder freistehend  und  dann  pilzförmig  mit  dünnem 
Stiel,  einer  oberen  Erweiterung  und  einem  oder 
mehreren  etagenförmig  übereinander  sitzenden, 
tutenförmigen  Dächern,  deren  unterer  Rand  in 
zahlreiche  spitze  Zipfel  ausgezogen  ist,  oder  an 
Baumstämmen  angeklebt,  die  einzigen  Spuren 
thierischen  Lebens,  welche  das  Auge  in  der 
ersten  Zeit  eines  solchen  Waldmarsches  zu  ent- 
decken vermag.  Dagegen  gellen  die  Ohren  von 
dem  andauernden  schrillen  Gezirp  der  Cicaden, 
welche  bei  der  herrschenden  Dämmerung  den 
ganzen  Tag  ihre  auf  die  Dauer  nichts  weniger 
als  angenehme  Musik  ertönen  lassen.  Dabei  ähneln 
diese  kleinen  Musikanten  in  Grundfarbe  und 
Zeichnung  ihrem  Lieblingsaufenthalt  so  täuschend, 
dass  es  ein  geübtes  Auge  erfordert,  um  sie  auf- 
zufinden. 

Die  Erfolge,  welche  die  Expeditionen  Kund 
und  Zintgraf  für  praktisch  coloniale  Zwecke  ge- 
habt haben,  beruhen  nicht  allein  darin,  dass  die 
Bewohner  der  Küstengegenden  dadurch  zu  einem 
regeren  Geschäftsverkehr    mit    den   Weissen    an- 


geregt worden  sind,  sondern  auch  darin,  dass  die 
berüchtigte  Handelssperre,  welche  allein  dazu  da 
ist,  die  am  Meeresgestade  wohnhafte  Bevölkerung 
zu  bereichern  und  die  wie  ein  Alp  auf  dem  Lande 
lastete,  durchbrochen  wurde.  Natürlich  würden  die 
Handelskarawauen  der  Binnenleute  in  der  ersten 
Zeit  eine  Bedeckung  etwa  aus  den  auf  der  Station 
eingeübten  Negersoldaten  erhalten  müssen.  Ist  der 
Versuch  aber  einmal  erst  gelungen,  ist  der  Beweis 
geliefert,  dass  der  Schutz  der  deutschen  Behörden 
mächtiger  ist,  als  die  Rachegelüste  der  in  ihrem 
Verdienst  geschmälerten  Küstenneger,  so  ist  damit 
das  Haupthinderniss  des  gerade  in  Kamerun  viel- 
versprechenden  Handels   beseitigt. 

Ein  besonderer  Unstern  hat  übrigens  über 
der  Forschungsexpedition  Kund-Tappenbeck  von 
der  Mitte  des  Vorjahres  an  gewaltet.  Der  Premier- 
Lieutenant  Tappenbeck  erlag  einem  Fieber;  der 
Geologe  Dr.  Weissenborn  musste  wegen  Krank- 
heit aus  dem  Innern  an  die  Küste  zurückkehren 
und  starb  an  Herzschlag  in  Kamerun;  der  Botaniker 
Braun  musste  ebenso  wie  Hauptmann  Kund  aus 
Gesundheitsrücksichten  nach  Europa  zurückkehren. 

Die  Expedition  Kund-Tappenbeck  hat  vor 
Allem  den  Handelsbestrebungen  der  in  Batanga 
etablirlen  Geschäfte  einen  neuen  Aufschwung  ge- 
geben. So  beabsichtigte  die  Hamburger  Firma 
Woermann  am  unteren  Sannaga  eine  Handels- 
station in  Verbindung  mit  dem  Vorgehen  der 
Kund'schen  Expedition  zu  gründen  und  auch  am 
Njong  die  Handelsposten  thunlichst  nach  dem  Innern 
vorzuschieben,  so  dass  von  Regierungswegen  be- 
absichtigt werden  kann,  wie  schon  früher  in  Victoria 
geschehen,  jetzt  in  Kribi  dauernd  einen  Amtmann 
zu  Stationiren.  Diese  Absicht  gründet  sich  auf  die 
erfreuliche  Erfahrung,  dass  in  Folge  der  Kund- 
schen  Batanga-Expedition  der  Kautschukhandel 
an  der  Batangaküste  und  der  Verkehr  mit  den 
Bewohnern  des  Binnenlandes  nach  den  Berichten 
dieses  Hauses  sich  seit  jener  Zeit  ganz  bedeutend 
gehoben  hat.  Allerdings  hat  sich  in  neuerer  Zeit 
die  bedenkliche  Erscheinung  gezeigt,  dass  die 
kriegerischen  und  kräftigen  Fan  sich  schon  in  den 
nördlichen  Häfen  gezeigt  haben,  um  Handel  zu 
treiben. 

Der  Handel  des  Batangagebietes  hat  überhaupt 
eine  merkwürdige  Ausdehnung.  Er  erstreckt  sich 
weit  in's  Innere  und  stösst  am  Sannaga  mit  Handels- 
beziehungen am  Niger  und  Benue  zusammen.  Der 
Handel  von  Kamerun  dagegen  dehnt  sich  nur  sehr 
wenig  nach  Osten  aus,  er  scheint  vielmehr  haupt- 
sächlich den  Wasserwegen  wesentlich  in  nord- 
östlicher Richtung  zu  folgen.  Die  Händler  in 
Kamerun  klagen  über  schlechte  Geschäfte,  dagegen 
entwickeln  sich  die  Plantagen  sehr  erfreulich.  Es 
existiren  in  Kamerun  vier  Plantagen,  wo  allerdings 
zwei  erst  im  Entstehen  begriffen  sind.  Geschter, 
ein  Württemberger,  früher  Gouvernementsgärtner 
und  interimistischer  Postmeister  in  Kamerun,  der 
die  Cacaopflanzung  anlegt,  ist  im  Februar  i88g 
dort  hinausgegangen.  Weiter  vorgeschritten  und 
viel  versprechend  ist  die  Cacaopflanzung   an  der 


OESTBBRBICMI8CHE   MONATSBCHRIPT    FOr    DEN    ORIENT. 


II 

i 


i 


Kriegsschiffhafenbucht,  südlich  von  Victoria.  Der 
Leiter  derselben,  Herr  'I'heusz,  hat  in  verhältniss- 
mässig  kurzer  Zeit  viel  erreicht.  Er  hat  über 
100. ooo  Cacaobäume  gepflanzt,  die  sehr  gut  ge- 
deihen. Auch  der  geerntete  Tabak  erweist  sich  als 
vorzüglich  und  hat  seiir  gute  Aufnahme  in  Hamburg 
gefunden.  Endlich  besteht  noch  eine  Tabaks- 
pflanzung in  Kribi  bei  Gross-Batanga,  südlich  von 
Kamerun.  Sie  wird  von  einem  Pfäizer  Tabakpflanzer 
geleitet.  Die  erste  Probesendung  des  Tabaks  von 
dieser  der  Kameruner  Land-  und  Piantageng(-sell- 
schaft  gehörigen  Pflanzung  war  im  Jänner  1880 
in  Hamburg  angekommen.  Es  wird  der  Betrieb 
daselbst  allmälig  bedeutend  erweitert,  wozu  als 
Hilfskräfte  noch  mehrere  'l'abakspflanzer  hinaus- 
[.  gesandt  worden  sind. 

Mit  ganz  besonderen  Schwierigkeiten  und 
Widerwärtigkeiten  hat,  wie  schon  bemerkt,  das 
südweitafrikanische  Schutzgebiet  im  letzten  Jahre  zu 
kämpfen  gehabt.  Ein  Umstand,  welcher  daselbst 
tjeden  gedeihlichen  Fortschritt  hemmt ,  ist  die 
Rechtsunsicherheit  und  Gesetzlosigkeit,  tue  in  jenen 
jeder  st.aatlichen  Organisation  entbehrendenl^ändern 
herrscht,  und  welche  namentlich  den  auf  die  berg- 
männische Ausbeutung  der  Gegend  gerichteten 
Unternehmungen  der  deutschen  Colonisation  sehr 
im  Wege  ist.  Einen  unzweideutigen  .Ausdruck  fanden 
diese  anarchischen  Zustände  in  dem  Auftreten  des 
Herero-Häuptlings  Maharero,  welcher  die  Richtig- 
keit der  von  dem  deutschen  Reichscommissär  gel- 
tend gemachten  Landansprüche  bestritt,  und  er- 
klärte, dass  die  Priorität  des  Anrechts  auf  gewisse 
Gebiete  einem  englischen  Besitzer  (Lewis)  gebühre. 
In  Folge  dieses  Vertragsbruches,  dem  noch  andere 
folgten,  und  in  Folge  der  zunehmenden  Gewalt- 
thätigkeiten  und  Ausschreitungen  seitens  der  Ein- 
geborenen gegen  die  Deutschen,  zog  sich  der 
Bevollmächtigte  des  Deutschen  Reiches  von 
seinem  Amtssitz  Otyimbingue,  nach  Walfischbay 
urück.  Damit  war  nun  auch  den  nach  Mineralien 
und  namentlich  nach  Gold  suchenden  deutschen 
Bergleuten  jeder  Halt  im  I^ande  genommen.  In  der 
Anarchie,  welche  sich  nun  desselben  bemächtigte, 
begann  Lewi  s  schnell  sein  ."ansehen  zu  verlieren,  zumal 
sein  Plan,  im  Damaraland  die  englische  Schutzherr- 
schaft an  die  Stelle  der  deutschen  zu  setzen,  nach 
den  zwischen  Deutschland  und  Grossbritannien  be- 
stehenden Abmachungen, ohneAussicht  aufErfolg  war 
und  Maharero  selbst  schliesslich  nachtheilige  Folgen 
aus  seinem  Vorgehen  zu  fürchten  begann.  Dieser 
veranlasste  daher  seinen,  inzwischen  bereits  selbst 
sehr  schwankend  und  unsicher  gewordenen  Schütz- 
ling, sich  nach  derCapcolonie  zurückzuziehen.  Seit- 
dem ist  im  Hererolande  wieder  mehr  Ruhe  einge- 
treten ,  der  stellvertretende  Reichscommissär  ist 
wieder  nach  Otyimbingue  zurückgekehrt,  und  es 
entsteht  nun  die  Frage,  ob  es  gelingen  wird,  die 
Wirksamkeit  und  jjraktische  Thätigkeit  der  Berg- 
behörde zu  ermöglichen,  welche  auf  Grund  eines 
Gesetzes  vom  15.  August  1889  eingesetzt  werden  soll. 
Aus  den  vorliegenden  neueren  Berichten  über 
das  Naturlcben   und  die  wirthschaftlichen  und  Vcr- 


kehrsverbältnisse   der   Culonie,  sei   Nacbsteheodes 
mitgetheilt : 

Das  Schutzgebiet  in  Südwestafrika  ist  wegen 
seines  Regenmangels  berüchtigt.  Die  längs  der 
Küste  von  Süd  nach  Norden  fliessenden  Strömungen 
kommen  aus  kalten  Gegenden  ;  die  in  Folge  dessen 
erkaltende  Luftschichte  nimmt  daher  die  Feuchtig- 
keit auf,  ohne  sie  als  Niederschlag  abzugeben.  Die 
Gluth  der  Sonne  ist  daher  leicht  zu  ertragen,  weil 
die  vom  Körper  ausgeschwitzte  Feuchtigkeit  sofort 
verdampft.  Das  Klima  ist  daher  ausserordentlich 
gesund.  Die  Niederschläge  fehlen  aber  doch  nicht 
gänzlich.  Im  Innern  des  Landes  erfolgt  im  Sommer 
(December  und  Februar)  tagsüber  eine  ausser- 
ordentliche Erhitzung  des  Bodens.  Die  in  die  Höhe 
steigende  Luft  wird  durch  das  Zuströmen  von 
Luft  aus  Nordost  und  Südwest  ersetzt.  Die  nord- 
östlichen Winde  bringen  die  Feuchtigkeit  der 
Tropen,  die  südwestlichen  sind  trocken  und  kühl. 
Wo  beide  zusammenstossen,  entladen  sich  heftige 
Gewitterregen,  deren  Häufigkeit  von  Nordost  nach 
Südwest ,  vom  Damara-  zum  Gross-Namaland  ab- 
nimmt. Im  Winter  (Mai  bis  Juli)  kühlt  sich  in  der 
Nacht  der  Boden  bedeutend  ab,  es  wehen  daher  in 
der  Nacht  und  Morgens  trockene,  staubführende 
Winde  gegen  die  See,  die  gegen  Mittag,  wenn  sich 
der  Boden  wieder  erwärmt,  schwächer  werden  und 
Winden  weichen,  die  vom  Meer  die  Nebel  Ober  das 
Küstengebiet  bringen ;  diese  Nebel  schlagen  als 
leichter,  anhaltender  Regen  nieder.  Die  Nebelregen 
gehen  landeinwärts  bis  tief  in  das  Binnenland 
hinein  nieder,  so  dass  dieses  Gebiet  an  den  Sommer- 
und  Winterregen  theilnimmt. 

Vom  wirthschaftlichen  Standpunkt  betrachtet 
ist  das  Land  an  verwcithbarcn  Froducten,  die  als 
Zahlung  angenommen  werden  können,  nicht  eben 
reich  ;  Ebenholz  und  das  Harz  der  Kastanien  können 
eventuell  verwendet  werden,  aber  auf  sie  allein  kann 
sich  der  Handel  nicht  stützen.  Früher  war  die  Jagd 
lohnend,  der  Ertrag  derselben  an  Elfenbein  und 
Straussfedern  beträchtlich ;  aber  es  wurde  zu  un- 
vernünftig gejagt;  die  Jagdthiere  sind  selten  ge- 
worden. Das  einzige  übject  worauf  im  Damara- 
Namaland  der  Tauschhandel  sich  begründen  kann, 
ist  das  Vieh :  Rindvieh,  Schafe  und  Ziegen.  Man 
muss  überlegen,  wie  man  daraus  exportfähige  Ar- 
tikel herstellen  kann,  die  Verwerthung  der  lebenden 
Thiere  hat  ihre  Schwierigkeit.  Für  Ackerbau-  und 
Plantagen-Colonien  können  nur  die  Thäler  in  der 
Nachbarschaft  der  austrocknenden  Flüsse  in  Betracht 
kommen.  Das  zugänglichere  Damaraland  wäre  in 
dieser  Beziehung  günstiger  als  das  Namaland.  Der 
Wassermangel  steht  aber  der Cultivation  entgegen; 
es  ist  die  Frage,  ob  die  Kosten  der  Errichtung  von 
Dämmen  zur  Schaffung  von  Reservoirs  durch  den 
Erfolg  derselben  sich  lohnen  würden.  Auch  fehlt 
der  Markt,  die  Abnehmer  für  die  Producte  des 
Ackerbaues ;  der  Farmer  ist  auf  Viehzucht  ange- 
wiesen. Geeigneter  noch  als  Damaraland,  wäre 
das  Ovamboland  für  den  Piantagenbau,  aber  es 
liegt  zu  entfernt  von  der  Küste.  Der  Fischfang  an 
der  Küste  ist  einer  Entwicklung  fähig.  Seiner  gcolo- 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR  DEN   ORIENT, 


gischen  Beschaffenheit  nach  ist  ganz  Südafrika  süd- 
lich vom  Zambesi  auf  einer  Flächenausdehnung 
von  etwa  70.000  geographischen  Quadratmeilen  als 
ein  einziges  Hochland  mit  gleichartiger  Bodenge- 
staltung zu  betrachten.  Ueberall  finden  sich  Urge- 
steine vor,  namentlich  Gneis,  Granit  und  krystallini- 
sche  Schiefer.  In  Gneis  und  krystaliinischem  Schiefer 
kommt  namentlich  in  Südafrika  wohl  Eisenerz  vor, 
in  dem  sich  bisweilen  Gold  findet.  Krystallinische 
Schiefergebilde  kommen  in  reichhaltigem  Masse  in 
Deutsch-Süd  Westafrika  vom  Oranje-Flusse  bis  zum 
Kunene  in  einer  Ausdehnung  von  200  deutschen 
Meilen  vor.  Quarz-  und  Dioritgänge  sind  dort  be- 
sonders reichhaltig  vorhanden,  in  denen  Kupfer- 
massen mit  70 — 80  Kilogramm  Kupfererz  eingebettet 
sind.  Dies  sind  auch  die  Gesteine,  in  welchen  Gold 
thcils  in  grösseren  gediegenen  Massen,  theils  in 
Stücke  eingesprengt  sich  vorfindet. 

So  bietet  denn  die  wirthschaftliche  Entwicklung 
der  Colonie  im  Ganzen  keine  besonderen  Aussichten. 
Die  gewaltige  Ausdehnung  der  Küste  von  nicht 
weniger  als  550  Meilen  entspricht  auch  keineswegs 
ihrer  Eignung  für  die  Schifffahrt.  In  dieser  Be- 
ziehung erweist  sich  die  deutsche  Niederlassung  so 
recht  als  ein  Theil  des  Continents,  der  von  allen 
die  einfachste,  monotonste,  am  wenigsten  gebrochene 
Urafassungslinie  besitzt,  mithin  arm  an  Häfen  ist. 
Dieser  Uebelstand  fällt  bei  Südwest-Afrika  übrigens 
noch  besonders  in's  Gewicht,  weil  daselbst,  zum 
Unterschied  von  den  fast  ganz  sturmfreien  Re- 
gionen, welche  weiter  nördlich  in  der  Nähe  des 
Aequators  liegen,  speciell  die  oft  heftigen  Südost- 
passate, sogar  die  Regel  bilden. 

Im  Gebrauch  sind  zur  Zeit  auf  der  ganzen  langen 
Uferlinie  nur  zwei  Häfen,  einer  im  Süden,  Angra 
Pequena,  der  Eintrittspunkt  fürGross-Namaqualand, 
und  —  mehr  im  Centrum — Walfischbai  für  die  nörd- 
lichere Hälfte  der  Colonie,  das  Gebiet  der  Herero- 
Neger. 

Der  erstere  gilt  im  Allgemeinen  als  recht  wohl 
geeignet  zum  Landen,  ja,  er  ist  vielleicht  sogar  der 
beste,  der  einzige  wirklich  gute  Hafen  des  Schutz- 
gebietes, indess  wird  dieser  Vorzug  leider  wieder 
dadurch  abgeschwächt,  dass  daselbst  das  Gestade 
besonders  trostlos  ist  und  eine  wirkliche  wasser- 
lose Wüste  mehrere  Tagereisen  weit  in's  Land 
hinein  sich  erstreckt.  Demgemäss  ist  dann  dieser 
Punkt  neuerdings  auch  so  gut  wie  aufgegeben,  so 
sehr  er  seinerzeit  auch  in  Aller  Munde  war.  Hier 
konnte  sich  ja  kaum  ein  lebhafterer  und  lohnenderer 
Handelsverkehr  mit  den  Eingeborenen  entwickeln. 
Wohl  stehen  jetzt  an  diesem  Punkt  noch  die  Factorei- 
gebäude,  welche  die  deutsche  Colonial-Gesellschaft 
für  Südwest- Afrika  von  Lüderitz  mit  übernahm,  aber 
sie  haben  wenig  Werth.  Ein  Beamter  derselben  sitzt 
daselbst  in  Einsamkeit  als  Verwalter.  Man  hofft 
wohl  hie  und  da  noch,  dass,  wenn  sich  das  Gebiet 
des  mittleren  und  unteren  Oranje-Flusses,  einschliess- 
lich des  Thaies  des  grössten  rechten  Nebenflusses 
desselben,  des  grossen  Fischflusses,  weiter  ent- 
wickeln sollte,  woselbst  der  Boden  ziemlich  frucht- 
bar ist  und  eine  Berieselung   leichter    als    sonst  im 


Lande  durchführbar  ist,  auch  thatsächlich  schon 
einige  recht  blühende  Plantagen  gedeihen,  wo  ferner 
bedeutungsvolle  Anzeichen  von  Mineralschätzen, 
sogar  angeblich  selbst  von  Diamanten  entdeckt 
wurden,  dass  dann  über  Angra  Pequena  ein  leb- 
hafterer Verkehr  sich  entwickeln  werde,  allein  der- 
selbe würde  immer  bedeutendere  Vorkehrungen, 
wie  Anlage  einer  mit  Wasserreservoirs  versehenen 
Bahn  durch  die  Uferwüste  und  dergleichen,  zur 
Voraussetzung  haben. 

Ungleich  günstiger  als  Angra  Pequena  stellt 
sich  der  andere  Hafen  des  Landes,  Walfischbai, 
dar,  und  zwar  deshalb,  weil  hier  im  Rücken, 
landeinwärts,  nicht  wie  sonst  fast  überall  an 
diesem  Gestade,  hohe,  schwer  übersteigliche 
Sanddünen  aufragen  —  so  beispielsweise  hinter 
dem  noch  zu  erwähnenden  Sandwichhafen  — 
sondern  vielmehr  eine  weite,  stetig,  aber  doch 
fast  unmerklich  ansteigende,  von  vereinzelten, 
tiefsandigen  Partien  abgesehen,  auch  hartgründige, 
aber  gut  zu  befahrende  ebene  Fläche,  die  soge- 
nannte Namib,  sich  aufthut.  Dieselbe  ist  zwar 
ebenfalls  eine  völlige  Wüste  ohne  Gras  und 
Wasser,  auf  alle  Fälle  aber  doch  für  eine  Passage 
viel  günstiger  als  das  Hinterland  von  Angra 
Pequena,  da  man  sie  zu  Pferde  in  8,  mit  Ochsen- 
wagen  in    16 — 20  Stunden   überwinden   kann. 

Ausser  Angra  Pequena  und  Walfischbai 
war  bis  vor  Kurzem  noch  die  einige  Meilen 
südwärts  von  Walfischbai  gelegene  Bucht  von 
Sandwichhafen  im  Gebrauch,  die  gut  geschützt 
und  nur  wenig  seichter  als  Walfischbai  ist.  Sie 
hat  den  grossen  Vorzug,  dass  es  daselbst  nahe 
am  Meer  ein  gutes  und  reichliches  Trinkwasser 
gibt,  während  solches  in  Walfischbai  eine  Stunde 
entfernt  ist,  beziehungsweise  noch  bis  vor  Kurzem 
aus  Capstadt  dahingebracht  werden  musste.  Da- 
gegen steigt  hier  dicht  hinter  dem  Strande  ein 
wahrer  Wall  von  mächtigen  Sanddünen  empor, 
die  nicht  nur  eine  sehr  rasche  Versandung  des 
Hafens  bedingen,  sondern  denselben  auch  von 
dem  Hinterlande,  namentlich  dem  an  sich  ganz 
nahen,  grasreichen  Khuisethale,  welches  ehemals 
an  dieser  Stelle  gemündet  zu  haben  scheint,  für 
Fuhrwerk  völlig  abschliessen.  Nur  Lastochsen 
vermögen  auf  einem  neuerdings  aufgefundenen 
Pfade  das  böse  Hinderniss  zu  passiren. 

So  steht  denn  die  Trockenheit  und  Sterilität 
des  Landes  einer  ausgedehnten  Cultivation  des- 
selben hindernd  entgegen  und  in  den  trockenen 
Flussbetten  wird  nur  hie  und  da  eine  Bebauung 
des  Landes  mit  regelmässiger  Bewässerung  durch 
Quellen,  den  Oranjetluss  oder  durch  Reservoirs 
sich  ermöglichen  lassen,  das  aber  dann  ausge- 
zeichnete Erträge  gibt.  Als  günstig  für  Ackerbau 
sind  in  Damaraland  etwa  Deepdal ,  Horebis, 
Tsaobis,  Otyikango,  die  Gegend  nördlich  des 
quellenreichen  Waterberg  bei  Grootfontein,  Oma- 
ruru  u.  s.  w.  anzusehen,  in  Gr.-Namaland  höch- 
stens Rehoboth,  Hoachanas  und  einige  Uferküsten 
des  Oranje  River,  auf  welche  mit  den  benach- 
barten Grasländereien    jetzt    auch    capjtädtische 


B 


OESTERREICHISCHE   MOKATSSCHRIFT   POR    DEN   ORIENT. 


27 


Speculanteii  ihre  Augen  gewendet,  nachdem  die 
Deutschen  dort  die  Pionnierarbeit  verrichtet 
haben. 

Für  Viehzucht,  Kinderzudit  und  Schafzucht 
kommen  in  Damaraiand  in  FJetracht  das  Berg- 
damaraland,  ütymbinguc,  Okahandya,  das  rechte 
Khan-Ufer. 

Eine   grosse  Schwierigkeit    bildet  aber   auch 
ihier  die  Wasserfrage,    da    die  Eingeborenen  ge- 
'  rade    in  dieser  Beziehung,    die    oft  eine  Lcbcns- 
I  frage    für    sie  bildet,    sich    nicht    leicht  zu  Con- 
cessionen   bereit  finden  dürften.   Die  Buren   haben 
zwar    in     den     letzten   Jahren    schon   angefangen, 
den  Nama    die  Quellen    abzukaufen,    aber    wenn 
die  Nama  sehen,  dass  dies  für  sie  den  Untergang 
■  bedeutet,    wird  die  Folge    davon  ein  neuer  Auf- 
stand  sein.   Vielleicht   lässt  sich   auch  die  Kameel- 
zucht  einführen. 

Für  f^lantagenbau  sind  wohl  nur  die  nörd- 
lichen Gegenden  von  Amboland  geeignet.  Doch 
ist  hiebei  die  bedeutende  Entfernung  von  der 
■Küste  und  ein  ungesundes  Klima,  abgesehen  von 
1  der  Unsicherheit  im  dortigen  Lande,  in  Rück- 
r  sieht  zu  ziehen.  Der  Anpflanzung  von  Datlel- 
'  palmen  beabsichtigt  man  in  den  Wüsten  mit 
^  Grundwasser  eine  grössere  Aufmerksamkeit 
[schenken. 


DIE  HALBINSEL  MALAKKA. 

Noch  manches  Jahrzehnt  wird  die  Halb- 
insel von  Malakka,  welche  man  besser  die  ma- 
layische     nennt,     der     Forschung     jungfräulichen 

I^K  Boden  in  ziemlicher  Ausdehnung  darbieten,  denn 
^B  ausser  den  vier  Besitzungen,  welche  die  Eng- 
länder dort  haben,  nebst  ihrer  nächsten  Nachbar- 
schaft, sind  nur  einzelne  Flussthäler  und  Weg- 
züge bekannt,  während  namentlich  in  der  öst- 
lichen Hälfte  fast  alles  Gebiet  unerforscht  geblieben 
ist.  Es  mag  sich  somit  verlohnen,  über  das,  was 
wir  von  diesem  Lande  wissen,  Uebcrschau  zu  halten, 
wobei  sich  Gelegenheit  finden  wird,  der  in  der 
jüngsten  Zeit  dort  vorgenommenen  Untersuchungen 
zu   gedenken. 

Wie  ein  Blick  auf  die  Landkarte  lehrt,  bildet 
die  Halbinsel  Malakka  einen  zungenartigen,  gegen 
Süden  und  Südosten  gerichteten  Ausläufer  Hinter- 
indiens, der  in  seinem  unteren  Ende  mit  dem 
westlich  daneben  liegenden  Sumatra  gleiche 
Richtung  hält.  Sie  erstreckt  sich  von  13"  45' 
bis  l"  35'  n.  Br.,  und  zwar  bis  8"  50'  n.  Br. 
südwärts,  von  da  ab  gegen  Südosten.  Die  Schei- 
dung zwischen  diesen  beiden  Richtungen  be- 
zeichnet die  Landenge  von  Kräh.  Jenseits,  d.  h. 
südlich  von  derselben  erhebt  sich  dann  selbst- 
ständig als  Landzunge  das  Rombaungebirge  oder 
Gebirge  von  Malakka  mit  Cap  Büros  (i"  35' 
n.  Br.)  und  Cap  Romania  (i"  22'  30"  n.  Br.)  als 
äussersten  Ausläufern.  Der  gegen  Süden  ver- 
laufende 'I'heil  der  Halbinsel  und  ein  nicht  un- 
beträchtliches Stück  der  gegen  Südosten  gerich- 
teten    Hälfte     gehört     politisch     unmittelbar    zum 


Königreiche  Siam  mit  Ausnahme  des  an  der 
Westküste  hinziehenden  britischen  Gebietes  von 
Tenasserim.  Der  übrige  Theil  wird  von  Malayen- 
staaten  eingenommen,  die  thcils  im  Verhältnisse 
der  Zinsbarkeit  zu  vSiam  oder  zu  den  Briten  stehen, 
theils  völlig  unabhängig  sind.  Längs  der  West- 
küste liegen  zerstreut  verschiedene  Parcellen  bri- 
tischen Gebietes  :  die  sogenannten  Strait-Settlc- 
ments.  Es  sind  dies  die  Prinz  von  Wales-Insel, 
besser  unter  ihrem  einheimischen  Namen  Pulo 
Penang  bekannt ,  die  Provinz  Wellcsley,  dann 
Malakka  mit  Naning  und  das  auf  einem  kleinen 
Eilande  ganz  im  Süden  der  Halbinsel  gelegene, 
weithin  berühmte  Singapore,  auf  welches  als  hin- 
länglich bekannt  hier  keine  weitere  Rücksicht 
genommen  wird. 

Wir  beginnen  unseren  Streifzug  durch  die 
Halbinsel  an  der  Landenge  von  Krab.  Nur  wenig 
nördlich  von  dieser  fliesst  der  Pakhschan,  welcher 
die  Püdgrenze  Tenasscriros  gegen  das  Siam'sche 
Gebiet  bildet.  Er  ist  kein  eigentlicher  Pluss, 
sondern  eine  weit  in's  Land  eingreifende  Föhrde. 
deren  Barre  nur  3  m  Wasser  hat.  Der  englische 
überstlieutenant  Fytshe  fuhr  denselben  25  im 
aufwärts  und  die  Capitäne  Fräser  und  Forlong 
benützten  die  günstige  Gelegenheit,  um  quer  durch 
die  hier  nur  104  km  breite  Halbinsel  vom  Uorfe 
Kräh  bis  zum  Haien  Tayung  zu  gelangen,  der 
am  Golfe  von  Siam  liegt.  Kräh  ist  eine  von 
Leuten  des  ShanvolKes  bewohnte  Ortschaft  von 
etwa  50  Häusern,  worunter  sich  auch  einige 
chinesische  Familien  befinden  ;  sie  liegt  am  Pakh- 
schan, in  welchen  hier  der  Krahlluss  einmündet. 
Nur  13  km  entfernt  stosst  man  auf  die  Wasser- 
scheide, von  welcher  nach  Osten  hin  der  Tschuni- 
phong  dem  Golfe  von  Siam  zufliesst.  Im  ver- 
flossenen Jahrzehnt  beschäftigte  man  sich  ernst- 
lich, ganz  besonders  in  Frankreich,  mit  dem  Ge- 
danken einer  Durchstechung  dieser  Landenge  und 
Herstellung  eines  Canals  durch  dieselbe,  um  der- 
gestalt eine  Wasserstrasse  zu  gewinnen,  welche 
die  Fahrt  von  Westen  her  nach  Cochinchina, 
China  und  Japan  um  vier  Tage  verkürzen  würde. 
Derartige  Canalprojecte  tauchten  mehrere  auf. 
Jene  von  Tremenhere  und  von  Schomburgk 
nahmen  den  Pakhschan  zum  Ausgang,  ebenso 
der  Plan  des  Ingenieurs  F.  Deloncle,  welcher  am 
19.  Juni  1882  in  Begleitung  des  Dr.  Harmand, 
französischen  Consuls  in  Siam,  sich  von  Bangkok 
an  den  Isthmus  zu  dessen  genauerer  Erforschung 
begab.  Auch  er  beabsichtigte  einen  Canal  aus 
dem  Pakhschan  nach  dem  Tschumphong  zu  leiten, 
aber  nicht  so  weit  im  Norden  wie  Tremenhere 
und  nicht  so  weit  im  Süden  wie  Schomburgk. 
Die  canalisirte  Strecke  sollte  53  km,  die  ganze 
Schifffahrtslinie  vom  Bengalischen  zum  Siamesi- 
schen Meerbusen  1 1 1  ^m  lang  sein.  Deloncle  und 
Harmand  waren  im  Stande,  die  ganze  Länge  des 
beabsichtigten  Canals,  sowie  die  beiden  Flüsse 
Pakhschan  und  Tschumphong  und  die  Wasser- 
scheide zwischen  denselben  aufzunehmen  ;  was  sie 
fanden,    sprach    nach    ihrer   Meinung  zu  Gunsten 


28 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT. 


des  Planes.  Im  Jänner  bis  April  1883  entsandte 
die  französische  Regierung  eine  eigene  Vermes- 
sungsexpedition nach  der  Landenge.  Sie  brach 
von  der  Ostküste  bei  Tschumphong  auf,  folgte 
nach  Ueberschreitung  eines  schmalen  Landstriches 
dem  Laufe  des  Langsuen  aufwärts  und  gelangte 
über  den  nur  76  m  hohen  Krah-Pass  zum  Pakh- 
schan,  welcher  bis  zu  seiner  Mündung  in  einer 
Dampfbarkasse  befahren  und  eingehend  unter- 
sucht wurde.  Diese  Expedition  begleitete  als 
britischer  Regierungscommissär  für  Siam  Com- 
mander A.J.Loftus,  welcher  den  ganzen  Plan  jedoch 
auf  das  Entschiedenste  verurtheilte.  Die  haupt- 
sächlichsten Schwierigkeiten  für  die  Anlage  des 
Canals  fand  er  in  den  ungünstigen  Verhältnissen 
des  Pakhschan,  dessen  Einfahrt  sehr  gefährlich 
und  dessen  Bett  durch  Felsen  vielfach  versperrt 
ist,  sowie  in  den  zu  bewältigen  Gesteinsmassen. 
Um  die  nämliche  Zeit,  im  Frühjahre  1883,  führte 
übrigens  Deloncle  eine  neue  Untersuchung  einer 
Abschnürung  der  mala)'ischen  Halbinsel,  jedoch 
an  anderer  Stelle,  viel  weiter  südlich  aus,  indem 
er  von  der  Ostküste  von  Singora  aus  zunächst 
die  Lagune  Tale-Sab,  welche  durch  die  Insel 
Tantalam  vom  Golfe  von  Siam  getrennt  ist,  auf- 
nahm, längs  des  Flusses  Klong  Talung  die  Wasser- 
scheide des  Luanggebirges  erreichte  und  amTzang- 
flusse  nach  Westen  zum  Bengalischen  Meerbusen 
gelangte.  Letzteren  Isthmus  hatte  auch  nebst 
jenem  von  Schaija  (zwischen  8"  20'  und  9"  20' 
n.  Br.)  der  französische  Ingenieur  Leon  Dru  em- 
pfohlen. Indess  ist  es  von  allen  diesen  Plänen 
wieder  stille  geworden.  Die  Landenge  von  Kräh 
hatten  übrigens  die  Engländer  schon  seit  1843 
in's  Auge  gefasst,  auch  mehrere  Expeditionen 
dahin  abgesandt,  um  die  Anlage  einer  Eisenbahn 
zu  Studiren,  die  freilich  ebensowenig  zu  Stande 
gekommen   ist. 

In  der  Gegend  des  Isthmus  von  Kräh  treten 
Zinnminen  auf,  an  welchen  die  ganze  Halbinsel 
ungemein  reich  ist.  Die  eigentliche  Zinnregion 
Malakkas  erstreckt  sich  vom  8."  n.  Br.,  also 
etwa  von  der  Landenge  von  Kräh  bis  zum  3." 
nördlicher  Breite ;  die  Lager  breiten  sich  am 
westlichen  Fusse  der  Gebirgskette,  welche  so- 
zusagen das  Rückgrat  der  Halbinsel  bildet,  über 
deren  ganze  Länge  aus.  Diese  Kette  erhebt  sich 
bis  zu  2000  m  und  ist  eine  Fortsetzung  des 
grossen  asiatischen  Zuges,  der  am  Himalaya  an- 
fängt und  sich  bis  an  die  Südspitze  der  Halb- 
insel im  Staate  Dschohor  ausdehnt.  Der  üppigen 
Vegetation  wegen,  welche  das  Land  bedeckt,  ist 
es  sehr  schwierig,  eine  Uebersicht  der  geologi- 
schen Formationen  zu  gewinnen,  doch  ist  es 
sicher,  dass  viele  Quarzadern  die  massiven  Granit- 
gebilde, deren  Geschiebe  zinnführend  ist,  durch- 
setzen, und  das  Ganze  hat  eine  der  Formation 
von  Cornwallis  ähnliche  Structur.  In  diesen  mas- 
siven Adern  sind  noch  keine  Bergwerke  eröffnet; 
alle  bis  jetzt  bearbeiteten  Zinngrubjn  liegen  im 
Alluvialboden;  das  gewonnene  Mineral  ist  also 
Stromzinn.  Wie  alt  die  Entdeckung  dieses  seltenen 


Metalles  auf  der  Halbinsel  ist,  lässt  sich  nicht 
mehr  ermitteln,  doch  reicht  sie  sicherlich  in  sehr 
frühe  H^pochen  zurück.  Schon  lange  wird  dasselbe 
abgebaut,  doch  ist  der  Reichthum  so  unendlich 
gross,  dass  wahrscheinlich  noch  nicht  ein  einziges 
Thal  durchgängig  bearbeitet  und  von  unzähligen 
Thälern  kaum  eines  noch  berührt  ist.  Einen 
höheren  Aufschwung  nahmen  die  Arbeiten  erst 
gegen  Ende  der  Vierzigerjahre  und  besonders 
nach  dem  .•\ufruhr  der  Taiping.  Chinesische 
Flüchtlinge  waren  es,  welche  sich  der  Zinn- 
gewinnung zuwandten,  ihr  Werk  eifrigst  aus- 
dehnten und  den  Engländern  in  den  besten  zinn- 
führenden Thälern  zuvorzukommen  trachteten.  Da 
iudess  die  britische  Regierung  sich  das  Monopol 
aller  auf  Malakka  gelegenen  Zinngruben  vorbehält, 
so  mussten  sich  die  Chinesen  verbindlich  machen, 
ihr  den  zehnten  Theil  alles  gewonnenen  Metalles 
abzugeben.  Neben  den  Chinesen  sind  noch  Ma- 
layen  sowie  Kling  von  Madras  und  der  Malabar- 
küste,  aber  keine  Europäer  im  Bergbau  beschäf- 
tigt. Doch  sind  die  Chinesen  die  eigentlichen 
Bergleute  und  Schmelzer,  liefern  auch  alle  Hand- 
werker, welche  direct  zur  Gewinnung  des  Metalles 
mitwirken.  Die  Zinngruben  bilden  die  bedeutendste 
Einnahmstjuelle  des  Landes,  doch  hat  in  den 
letzten  Jahren  in  manchen  Gegenden  allerdings 
der  Ackerbau  einen  solchen  Aufschwung  ge- 
nommen, dass  er  dem  Bergbau  wohl  an  die  Seite 
gestellt  werden  darf. 

Die  malayischen  Vasallenstaaten  Siams  auf  der 
Halbinsel  sind  Ligor  mit  Talung^  welches  aber 
wahrscheinlich  nur  eine  Provinz  Siams  ist,  die 
Lakon  oder  Lachen  genannt  wird.  Die  Bevöl- 
kerung, dünn  und  arm,  besteht  vorwiegend  aus 
Siamesen  nebst  einer  beträchtlichen  Anzahl  Ma- 
layen  und  einigen  Chinesen.  Aus  der  Vermischung 
der  Siamesen  und  Malayen  ging  ein  Halbblut 
hervor,  welches  die  Malayen  Samsam  nennen. 
Sie  sind  zum  Islam  bekehrte  Siamesen  und  reden 
eine  Mischsprache.  Die  Stadt  Ligor  liegt  in  der 
Nähe  der  Ostküste,  aber  nicht  unmittelbar  an 
der  See,  sondern  am  Flusse  Tadschang,  den  all- 
jährlich einige  chinesische  Dschunken  des  Handels 
wegen  herauffahren,  und  wird  auf  5000  Ein- 
wohner geschätzt.  Weit  bedeutender,  ja  der  be- 
deutendste Platz  des  siamesischen  Malakka  ist 
Toneah  auf  der  zu  Ligor  gehörigen  Insel  Salanga 
oder  Junk-Ceylon  an  der  Westküste ;  die  Stadt 
zählt  wenigstens  30.000  Einwohner  und  hat  eine 
schöne,  gegen  die  Südwestmonsune  gesicherte 
Rhede,  ist  ganz  von  Stein  gebaut,  mit  regel- 
mässigen, meist  gut  gepflasterten  Strassen  und 
sogar  numerirten  Häusern  und  wird  fast  aus- 
schliesslich von  Chinesen  und  einigen  Surati- 
kaufleuten  bewohnt.  Siamesen  und  einige  Malayen 
wohnen  in  den  Vorstädten  in  Häusern  von  Holz 
oder  Bambus.  Dicht  bei  der  Stadt  befinden  sich_^ 
auf  einer  grossen  Ebene,  von  Bergen  umkränz^fll 
sehr  bedeutende  Zinngruben ;  der  Sand  der  Ebene 
ist  derartig  mit  Zinntheilchen  gemengt,  dass  nur 
wenig  Pflanzenwuchs    aufkommen    kann  und    der 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIr-T    FÖR    DEM    ORIENT 


29 


»i 


Boden  einen  grauen  Schein    besitzt.     Das  Innere 

on  Ligur  ist  mit  völlig    unbekannten  Gebirgen 

erfüllt,    welche    den     wilden   Orang -Semang    als 

Aufenthalt  dienen.  Doch  kommen  diese  auch  sonst 

r^noch  auf  der  Halbinsel  vor. 

An  Ligor  und  die  Landschaft 'l'alung  grenzen 
im  Süden  die  Vasallenstaaten  Patani  und  Keda 
(Quettah,  Quedah).  Patani,  welches  seinen  Zins 
an  Siam  in  Geld  und  Getreide  entrichtet,  liegt 
zwischen  6 — 7  "  n.  Br.,  grenzt  im  Westen 
an  Keda,  welches  eine  Bergkette  davon  trennt, 
und  zerfällt  in  fünf  Provinzen,  zwei  äussere  und 
drei  innere.  Es  gibt  zwei  Städte  Namens  Patani, 
eine  ältere  und  eine  neuere,  wovon  die  erstere 
an  einem  sehr  seichten  Flusse  (in  7  "  n.  Br.) 
liegt.  Medhurst  hat  sie  1832  besucht  und 
damals   im   Verfalle    befunden.      Die    Bevölkerung 

»betrug  um  jene  Zeit  54.000  Köpfe,  jetzt  werden 
für  den  ganzen  Staat  ihrer  blos  30.000,  und  für 
die  Hauptstadt  lo.ooo  angegeben.  Letztere  be- 
sitzt einen  kleinen  Hafen,  der  mehr  für  kleine 
:  Küstenfahrer  geeignet,   von  europäischen  Schiffen 

nur  selten  besucht  wird.  Das  Land  ist  aber 
sehr  fruchtbar  und  erzeugt  viel  Reis,  Tabak  und 
j.  Gewürze.  Die  Berge  sind  reich  an  Affen  und 
Elephanten.  Das  Mineralreich  liefert  Zinn,  Eisen- 
erze in  den  Gebirgen,  etwas  Gold,  dann  Salz, 
womit   viel  Handel   getrieben   wird.   Die   Siamesen 

Verheben  von  diesem  wichtigen  Artikel  eine  Steuer. 
Der  ansehnlichste  unter  den  malayischen 
Vasallenstaaten  Siams  ist  Keda  an  der  West- 
küste, dem  man  gleichfalls  blos  30.000  Ein- 
wohner gibt.  Längs  der  Küste  sumpfig  und 
waldig,  im  Hintergründe  von  hohen  Gebirgen 
durchzogen,  in  welchen  der  isolirte  Gipfel  des 
^^brjerai  1187  m  Höhe  erreicht,  erstreckt  es  sich 
I^B  zwischen  5 — 7  "  n.  Br.  Zum  Mindesten  drei 
^K- gangbare  Wege  vermitteln  den  Verkehr  über 
^■r-das  Gebirge  nach  der  Ostküste,  doch  ist  das- 
Hpselbe  nur  wenig  erforscht.  Auch  hier  gibt  es 
reiche  Zinnlager,  nebst  etwas  Gold,  der  Boden 
ist  sehr  fruchtbar,  dicht  bewaldet  und  wird  von 
sechs  schiffbaren  Flüssen   durchströmt.   An   einem 

I derselben,  dem  Parlis,   liegt  im  Innern  die  Stadt 
Kangah,    deren  Häuser    auf  Pfählen    erbaut  sind 
und    wegen    der    vorspringenden     Dächer    sowie 
der  Sauberkeit   der  Ausführung  an   die  Schweizer 
Bauart  erinnern.   In   den  Wäldern    Kedas  fehlt   es 
nicht    an   glänzend   gefiederten   Vögeln,     lisch  ver- 
tilgenden  Pelikanen,     an   Affengesellschaften,     hin 
I^_  und    wieder   zeigen  sich    auch   Rehe,    während   in 
^Kden  Gewässern  nirgends  die   überaus  feigen,   aber 
ungemein     starken     und     lebenszähen    Alligatoren 
vermisst   werden.      Die    kleinen   Inseln    im   Meere 
^^Kian   der  Küste  liefern    in   kleineren   oder   grösseren 
^^■•Mengen    die  von  der  Hiiundo  esculenta  gebauten 
^^Ressbaren    Vogelnester,    deren    gefahrvolles    Ein- 
'^"  sammeln   von   den  Malayen  betrieben  wird.   Kedas 
gleichnamige  Hauptstadt  zählt  7  —  8000  Einwohner. 
Der  Staat  Keda   grenzt   im  Osten  an  das  Vasallen- 
reich  Kalantan,    das    sich     zwischen     dem   Basut- 
'Sind  dem   Barunastrome  ausbreitet,   50.000,  meist 


^ 


malayische  Plinwohner  zählen  soll  und  vorwiegeod 
Gold  und  Zinn  nebst  schwarzem  Pfeffer  erzeugt. 
Die  Residenz  des  Fürsten  liegt  an  einem  kleinen, 
nur  für  Boote  schiffbaren  Flusse  in  6  *  16'  n.  Br. 
In  den  Bergen  hausen  dunkelbäutige  Wilde.  Gegen 
Westen  umfängt  Keda  die  von  diesem  Reiche 
l8o2  erworbene  britische  Provinz  WelUsley,  deren 
Bevölkerung  50.000  Köpfe,  meist  Malayen,  zählt. 
Sie  bauen  grosse  Mengen  Zuckerrohr  zur  Ausfuhr. 

Ihr  gegenüber  liegt  die  reizende  kleine  Insel 
Pulo  Penang  mit  ihrer  befestigten  Hauptstadt 
Georgetown  in  der  Nordostecke.  Pulo  Penang,  was 
auf  malayisch  Arakanuss-Insel  bedeutet,  weil  sie 
ihrer  Gestalt  nach  einer  solchen  gleicht,  liegt  am 
Nordeingange  der  Malakkastrasse  3*5  km  vom  Ufer 
der  Halbinsel  entfernt  und  ist  an  25  km  lang,  bei 
13  km  breit.  Der  Osten  des  Eilands  ist  eine  weite, 
3-5  bis  5  km  breite  Ebene,  an  der  Westseite  erhebt 
sich  bis  zu  760«  Höhe  ein  gespaltener,  zum  Meere 
steil  abfallender  Granitklumpen,  dessen  Gipfel  eine 
Signalstation  trägt.  Pulo  Penang  ist  durch  seine 
Lage  wichtig  für  den  Handel,  ein  Vorposten  für 
den  Verkehr  nach  Hinterindien,  dem  ostindischen 
Archipel  und  ("hina.  Es  liefert  mannigfaltige  und 
werthvolle  Erzeugnisse,  darunter  die  Cocosnuss, 
deren  Haine  fast  alle  steilen  Küsten  der  Insel  be- 
decken. Reis,  Pfeffer,  Gewürznelken,  Muscatnuss, 
Betelrebe,  Thee,  Baumwolle,  Tabak,  Kaffee  und 
Zuckerrohr.  Obgleich  der  Handel  beständig  im 
Steigen  begriffen  ist,  vermögen  die  Strait-Settle- 
ments  sich  doch  noch  nicht  selbst  zu  unterhalten, 
sondern  kosten  dem  Mutterlande  noch  bedeutende 
Zuschüsse  für  ihren  militärischen  Schutz  zu  Wasser 
und  zu  Land. 

Der  südlichste  und  letzte  Zinsstaat  Siams  ist 
Tringano,  an  der  Ostküste  der  Halbinsel  in  4°  15' 
bis  6"  n.  Br.  Er  grenzt  im  Norden  an  Kalantan,  im 
Westen  an  Perak  ;  seine  wichtigsten  Erzeugnisse 
sind  Elfenbein,  Pfeffer,  Kampher,  Gold  und  Zinn. 
Die  Bevölkerung  schätzt  man  auf  35 — 37. 000  Köpfe. 

W^ie  man  sieht  sind  unsere  Kenntnisse  von 
den  meisten  dieser  Landschaften  recht  spärlich  und 
fast  noch  schlimmer  ist  es  um  jene  der  unabhängigen 
Malayenreiche  bestellt,  welche  den  äussersten 
Süden  der  Halbinsel  einnehmen.  Die  wichtigsten 
darunter  sind  Ptrak,  Salangor,  Rumbo,  Pahang  und 
Dschohor,  letzteres  auf  dem  der  Insel  Singapur 
gegenüber  liegenden  Festlande.  T.  J.  Newbold 
zählte  aber  1839  ferner  noch  die  kleineren  Staaten 
von  Sungia,  Ujong,  Dschobol,  Srimenanti,  Dsch<tlyOj 
Dschellabu,  DschompoU  und  Segamtt  auf,  welche 
alle  einheimischen  und  despotisch  herrschenden, 
muhammedanischen  Fürsten  unterstehen.  Doch  sind 
die  staatlichen  Verhältnisse  nicht  selten  ziemlich 
unklar  und  über  die  Abgrenzungen  dieser  Gebiete 
unter  einander  geben  die  bestehenden  Landkarten 
keine  oder  nur  unsichere  .\uskunft.  Erst  in  neuerer 
Zeit  ist  einer  dieser  Staaten,  Perak,  in  den  Vorder- 
grund getreten  und  etwas  genauer  bekannt  ge- 
worden. 

Als  einer  der  reichsten  Fundorte  des  Zinns 
war  Perak  freilich  schon  lange  bekannt.    Vor  fünf- 


30 


OESTERREICHICCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT 


zehn  Jahren  ward  derselbe  jedoch  in  einen  Streit  ' 
mit  England  verwickelt  und  hat  seitdem  die  Auf- 
merksamkeit mehr  als  andere  auf  sich  gelenkt. 
Zwischen  Keda  im  Norden  und  Perak  im  Süden 
liegt  nämlich  das  seit  1824  von  den  Engländern 
erworbene  Gebiet  von  Malakka,  1657  kni'^  gross, 
mit  der  fast  ganz  chinesischen  Stadt  gleichen 
Namens.  Von  hier  aus  ist  Perak  leicht  erreichbar. 
Da  fügte  es  sich,  dass  der  britische  Gouverneur  zu 
Singapur,  Sir  Andrew  Clarke,  eine  Politik  auf 
eigene  Faust  gegen  die  Malayenstaaten  der  Halb- 
insel trieb,  von  welcher  das  Londoner  Cabinet  gar 
keine  Kenntniss  hatte  und  die  in  Perak  als  „Politik 
freundschaftlicher  Protection"  zuerst  eine  definitive 
Gestalt  annahm.  Die  Erhaltung  friedlicher  Be- 
ziehungen zu  den  malayischenF'ürsten,  die  sich  vor 
allen  anderen  durch  Launenhaftigkeit,  Willkür  und 
Hartnäckigkeit  auszeichnen,  war  immer  von 
Schwierigkeiten  begleitet.  Zwar  machten  schon 
seit  1818  Verträge  mit  Perak  dem  Seeraub  ein 
Ende,  der  sonst  für  die  Küstenbewobner  den  Er- 
werb bildete,  dagegen  dauerte  dieUnbotmässigkeit 
unter  den  Grossen  des  Landes  fort.  Als  nun  1875 
der  Sultan  von  Perak  starb,  brach  eine  Revolution 
los  und  vertrieb  des  Sultans  Sohn,  Abdullah,  um 
den  ältesten  Häuptling,  Ismail,  zum  Herrscher  aus- 
zurufen. Da  schien  dem  englischen  Gouverneur  der 
Augenblick  für  die  Einmischung  gekommen ;  er 
versprach  vorerst  die  Wirren  ^u  schlichten,  setzte 
dann  den  Vertriebenen  als  Sultan  ein  und  schloss 
mit  ihm  einen  Vertrag,  wonach  England  ein  ansehn- 
liches Gebiet  abgetreten  erhielt  und  die  Zinnberg- 
werke unter  die  Leitung  englischer  Techniker 
kamen.  Dies  wusste  man  in  London  und  auch  dass 
der  besagte  Vertrag  die  Beglaubigung  eines  briti- 
schen Residenten  einschloss,  der  daraufsehen  sollte, 
dass  in  Zukunft  Alles  hübsch  ordentlich  zuginge. 
Dieses  Abkommen  ward  auch  auf  Salangor  aus- 
gedehnt. Was  man  aber  in  London  nicht  wusste, 
was  Sir  Andrew  Clarke  auf  eigene  Hand  bedungen 
hatte,  war,  dass  den  Residenten  richterliche  Ge- 
walten ertheilt,  und  sie  als  Bevollmächtigte  des 
Sultans  mit  unumschränkter  Befugniss  in  seinem 
Namen  erklärt  wurden,  endlich,  dass  die  britischeRe- 
gierung  aufVerlangen  des  Sultans  und  der  Häuptlinge 
von  Perak  beschlossen  habe,  im  Namen  des  Sultans 
die  Regierung  von  Perak  zu  übernehmen,  und  dass 
der  Gouverneur  zu  diesem  Ende  Beamte  aufstellen 
werde,  die  unter  dem  Titel  königlicher  Commissäre 
und  Untercommissäre  dieVerwaltung  führen  würden. 
Ein  malayischer  Rath  der  Radscha  von  Perak  werde 
ernannt  werden,  um  die  Commissäre  in  den  Regie- 
rungsangelegenheiten zu  unterstützen.  Von  solchen 
Massregeln,  die  einer  Annexion  ziemlich  nahe  kamen, 
war,  wie  gesagt,  in  London  nichts  bekannt,  aber 
auch  den  Eingebornen  gefiel  diese  weitgehende 
Fürsorge  nur  schlecht  und  sie  ermordeten  am 
I.  November  1875  meuchlings  den  britischen  Re- 
sidenten Herrn  Birch.  Zugleich  machten  sie  Miene 
sich  gegen  die  Engländer  überhaupt  zu  erheben 
und  dieselben  von  der  Halbinsel  verjagen  zu  wollen. 
Sie  setzten  sich  in  Vertheidigungszustand,  während 


England  zur  Bestrafung  der  Schuldigen  Truppen 
unter  General  Colborne  aussandte,  zugleich  aber 
strenge  Weisungen  ergehen  Hess,  sich  jeder  An- 
nexionspolitik fernzuhalten.  Es  kam  zu  mehreren 
blutigen  Gefechten,  in  welchen  die  Malayen  erbittert 
kämpften  und  die  Engländer  nicht  immer  siegten  ; 
im  März  1876  waren  indess  die  Rädelsführer  ge- 
fallen, England  aber  stand  davon  ab,  das  Land  in 
eigene  Verwaltung  zu  nehmen,  sondern  begnügte 
sich,  dasselbe  unter  seinen  Schutz  zu  stellen. 

Lieber  dieses  Perak  berichtete  schon  der  er- 
mordete Birch.  Das  wesentlichste  Moment  des  Lan- 
des ist  darnach  der  Perakfluss,  welcher  etwas  nörd- 
lich vom  4"  n.  Br.  in  das  Meer  mündet ;  er  ist  für 
Kanonenboote  etwa  64 — 80  km  stromaufwärts 
schiffbar  und  hat  viele  Nebenflüsse.  Sein  Ursprung 
scheint  sich  nördlich  vom  Flusse  Kreean  zu  be- 
finden, der  bis  vor  Kurzem  die  Südgrenze  der  Pro- 
vinz Wellesley  bildete.  FJirch  hat  den  Perak  in  einer 
Strecke  von  etwa  480  km  und  beinahe  alle  seine 
Nebenflüsse  erforscht  und  schätzte  die  Uferbevöl- 
kerung auf  etwa  8ü.ooo,  die  im  Innern,  worunter 
an  10.000  Ureinwohner,  auf  20.000  bis  30.000 
Köpfe.  Das  Land  längs  beider  Perakufer  ist  ausser- 
ordentlich fruchtbar  und  wird  von  den  Malayen  mit 
Tabak,  Zuckerrohr,  Tapioca,  indischem  Korn  be- 
baut. In  den  undurchdringlichen  Rohrdickichten 
gibt  es  viel  Wild,  Elephanten,  zwei  Gattungen  Nas- 
hörner, wilde  Büffel,  Tapire,  drei  Gattungen  Hoch- 
wild, Tiger,  Leoparden  und  verschiedene  Katzen- 
gattungen. Larut,  der  nördliche  Theil  von  Perak 
an  der  Küste,  ist  der  reichste  Theil  des  Landes,  ein 
prächtiges  Gebiet  mit  wunderbarer  Naturscenerie 
und  sehr  gesundem  Klima.  Der  Boden  eignet  sich 
für  die  mannigfaltigsten  Culturen,  doch  ist  Reis  die 
einzige  Cerealie,  welche  von  den  Eingeborenen  ge- 
baut wird. 

Im  Auftrage  des  französischen  Unterrichts- 
ministeriums führten  die  Herren  Brau  de  Saint  Pol 
Lias  und  J.  Errington  de  laCroix  1880 — 1881  eine 
wissenschaftliche  Reise  auf  der  Halbinsel  Malakka 
aus,  die  sie  zu  Aufnahmen  in  Perak  vervvertheten. 
Sie  erforschten  insbesondere  die  Nebenflüsse  des 
Perak,  den  Kinta  und  Batang  Padang,  bestimmten 
zahlreiche  Höhen  und  untersuchten  die  Minenbezirke 
am  Unterlaufe  des  Perak,  die  besonders  reich  an 
Zinn  sind.  Auch  Gold  wird  in  diesem  Gebiete  nicht 
unbeträchtlich  durch  Auswaschen  des  Flusssandes 
gewonnen.  Die  Minen  erstrecken  sich  über  einen 
Flächenraum  von  300  km^.  Noch  reichere  Gold- 
minen  wurden  später  durch  Sir  Hugh  Low,  den 
britischen  Residenten,  am  Oberlaufe  des  Perak  ent- 
deckt. Mit  seinen  Ingenieuren  drang  der  Resident 
bis  über  5"  50'  n.  Br.  längs  des  Flusses  vor,  wobei 
sich  ergab,  dass  dessen  Quelle  nur  etwa  25  km  vom 
Golf  von  Slam  entfernt  ist.  Der  Perak  scheint  be- 
stimmt, für  diesen  Theil  der  Halbinsel  die  grosse 
Handelsstrasse  der  Zukunft  zu  werden.  Eine  Reihe 
weiterer  F"orschungen  hatte  I'885  den  an  der  OsNvh 
küste  mündenden  Fluss  Pahang  und  das  gleichilBH 
namige  kleine  Fürstenthum  zum  Ziel.  Der  Feld- 
messer  W.  Cameron   nahm   den  ganzen   Flusslauf 


OEStERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIEMT 


31 


I 


;iu(;  G.  Scaife  befuhr  seinen   rechtsseitigen  Zufluss 
Sttmjintcn,  kreuzte  die  Wasserscheide  und  erreichte 

hlngs  des  Flusses  Klang  durch  das  Fürstenlhum 
Salangor  die  Westküste.  Von  dieser  letzteren  ging 
der  britische  Resident  in  Salangor,  F.  A.  Swettcn- 
ham,  zu  einer  Durchkreuzung  der  Halbinsel  von 
Perak  bisPahang  aus,  welche  dieZeit  vom  i  2.  April 
bis  5.  Mai  1885  inAnspruch  nahm.  Längs  des  Slim 
wurde  bis  Kuala  Slim  der  Wasserweg  benützt,  dann 
ging  es  längs  desselben  und  seines  Quellbaches 
Briseh  aufwärts  zur  Wasserscheide,  welche  zugleich 

ie  Grenze  zwischen  Perak  und  Pahang  ist.  In  einer 
pHöhe  von  960  m  ward  dieselbe  überschritten.  Nur 
wenige  Schritte  von  einander  durch  die  Passhöhe 
getrennt,  entspringen  der  Briseh  im  Westen,  der 
Sungei  Sambilan,  einer  der  Quellflüsse  des  Lipis 
im  t)sten.  Noch  wurde  Permatang  Linggi  in  ig5  w 
erreicht  und  von  jetzt  ab  auf  Flössen  der  Wasser- 
weg benutzt,  welcher  einer  regelmässigen  Schiff- 
fahrt wiederholt  durch  Stromschnellen  Hindernisse 
bereitet.  Bei  Kuala  Temelin  vereinigen  sich  der 
Lipis  und  Jelei  zum  Pahangflusse,  welchen  Swetten- 
ham  bis  zur  Hauptstadt  Pekan  hinabfuhr.  Im  Juli 
führte  J.  E^.  'I'enison-Wood  eine  Fahrt  auf  dem 
Pahang  aus,  um  die  an  seinem  Oberlaufe  befind- 
lichen Goldminen  zu  untersuchen.  Er  gelangte  bis 
l'unjom  am  Lipis,  16  km  von  dessen  Mündung, 
300  km  von  der  Küste;  in  unmittelbarer  Nähe  beim 
Uorfe  Jelei  liegen  die  alten  Goldminen,  welche  seit 
Kurzem  eine  europäische  Gesellschaft  übernommen 
hat.  Auf  der  Rückreise  wurde  der  Semanten  auf- 
wärts verfolgt  bis  zur  Quelle,  in  deren  Nähe  sich 
ebenfalls  Goldlager  fanden. 

Fs  ist  kein  Zweifel,  dass  die  malayische  Halb- 
insel eines  der  mineralreichsten  Gebiete  der  Erde 
ist;  allein  auch  für  den  Anbau  von  Thee,  China- 
rinde, Kaffee  u.  dgl.  eignen  sich  die  tiefer  gelegenen 
Landstriche.  Es  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass 
die  geographische  Forschung  in  ernsterer  Weise 
als  bisher  diesem  interessanten  Gebiete  sich  zu- 
wende. 

MISCELLEN. 
Ausstellung  in  Taschkent  i890.  Das  25jährige 

Bestehen    russischer    Herrschaft     in  Westturkestan 

wird    im    Jahre    l8go    durch    ei  ne    Ausstellung    in 

Taschkent  gefeiert  werden,  wel  che  sehr  interessant 

zu  werden  verspricht,  und  deren  Besuch,  vermittelst 

der   transkaspischen  Eisenbahn  unschwer  nusführ- 

'bar,     wissbegierigen    und    unternehmungslustigen 

^Touristen    empfohlen    wird.    Das    Interesse    dieser 

;  Ausstellung  beruht  darauf,  dass  im  Princip  nur  Be- 

wohner    des    turkestanischen  Gebietes  und  der  be- 

|.  nachbarten  asiatischen  Landstriche    und  Reiche  als 

^  Aussteller  aufzutreten  berechtigt  sind  —  eine  Regel, 

I  die  freilich  Ausnahmen,  wie  sich  sofort  zeigen  wird, 

nicht  ausscliliesst.  Die  Ausstellung  wird  in  folgende 

1 1  Abtheilungen  zerfallen:  I.Feld-  und  Landwirth- 

schaft,    2.  Garten-  und  \\''einbau,    3.  Baumwollen-, 

Seiden-  und  Bienenzucht,  4.  Viehzucht,  Pferde-  und 

Gellügelzucht,  5.  Waldwirtlischaft,  6.  Fischfang  und 

Jagd,    7.  Haus-  und  Fahriksindustrie,    8.   Bergbau, 


g.  eine  wissenschaftliche,  10.  eine  kriegsgcscbicht- 
liche,  II.  eine  Lehrmittel-Abtheilung.  Aus  dem 
europäischen  Russland  und  dem  Auslande  werden 
zur  Ausstellung  zugelassen  :  Landwirthschaftlichc 
Geräthe  und  Maschinen,  namentlich  solche,  welche 
eine  verbesserte  Bearbtitung  in  den  für  Ccntral- 
asien  besonders  wichtigen  ICrwcrbszweigen,  wie 
Baumwollen-  und  Seidenzucht,  Weinbau,  Trock- 
nung von  Früchten  etc.  einzuführen  geeignet  sind. 
.Auch  l'-abrikserzeugnisse  russischen  Ursprungs, 
welche  speciell  für  Centralasien  hergestellt  werden, 
sollen  Aufnahme  finden.  Im  Ganzen  hofft  man  durch 
die  Ausstellung  ein  Bild  des  Aufschwunges,  den 
seit  25  Jahren  die  verschiedensten  Zweige  des 
Lebens  in  Turkestan  genommen  haben,  vorführen 
zu  können  ;  so  soll  z.  B.  die  letzte  Scction,  die  der 
Lehrmittel,  veranschaulichen,  welche  Fortschritte 
in   dieser  Zeit   auf  dem  Gebiete   der  N'olksbildung 

gemacht  worden  sind Lieber  die  Reise  nach 

'l'aschkent  geben  die  njvchstehenden,  mit  Odessa 
beginnenden  Notizen,  die  wir  dem  Tagebuchc  eines 
im  vorigen  Jahre  aus  Centralasien  heimgekehrten 
Oesterreichers  entnehmen,  einigen  Aufschluss. 

„Fahren  wir  weiter  nach  Odessa,  das  mit 
seinen  breiten,  mit  Alleen  versehenen  Strassen 
auf  jeden  Reisenden  den  besten  Eindruck  macht, 
fahren  wir  weiter  nach  Sebastopol,  der  blutge- 
tränkten Stätte,  weiter  nach  Yalta,  das  die  Russen 
gern  ihr  Nizza  nennen,  das  trotz  seiner  schönen 
Villen  und  nahen  Wälder,  comfortablen  Hotels, 
becjuemen  Wagen,  Früchte  und  Rosen,  wegen 
seiner  staubigen  Strassen  und  verstaubten  und 
sonnverbrannten  Vegetation  mir  doch  keinen  Ge- 
fallen abgewinnen  kann ;  fahren  wir  weiter  nach 
Firdusi,  das  mit  seinen  Windmühlen  und  kahlen 
Bergen  nicht  zum  Aussteigen  einladet,  weiter 
nach  Batum,  wo  der  Spiegel  des  Meeres  mit 
Petroleum  überzogen  ist,  wo  Alles  nach  dem 
edlen  Nass  duftet,  wo,  wie  die  dort  wohnenden 
Deutschen  scherzend  erzählen,  selbst  die  erlegte 
Waldschnepfe  den  hautgout  vom  Petroleum  an- 
nimmt. Willst  du  nicht  in  Tiflis  bleiben,  dort  das 
Lied  Rubinstein's  singen:  „Gelb  rollt  mir  zu 
Füssen  der  brausende  Kur",  und  kachctischen 
Wein  dazu  trinken,  dich  überzeugen,  dass  die 
grusinischen  und  tscherkessischcn  Frauen  ihren 
Schönheitsruf  nicht  verdienen,  so  fahre  an  dem 
Elbrus  und  Kazbek,  den  Riesen  des  Kaukasus, 
vorbei  und  gehe  nach  Baku,  dem  F^lndpunkte  der 
Bahn.  Dort  wirst  du  staunend  sehen,  wie  das 
Erdöl  thurmhoch  Fontainen  schleudert,  und  hören, 
dass  das  Pud  (40  Pfund)  Cerosin  soviel  kostet 
wie  in   Wien  ein  halbes  Pfund  Petroleum. 

Geht  der  Wind  vom  Lande,  so  kannst  du 
versuchen,  ein  Seebad  im  Kaspischen  Meere  xu 
nehmen,  denn  der  Wind  treibt  die  Cerosinschicbte, 
die  auf  dem  Wasser  schwimmt,  in  die  hohe  See. 
Das  Kas|)ische  Meer,  dessen  Wasser  salzig  und 
ausserordentlich  bewegt  ist,  macht  dir  die  zwanzig- 
stündige  Ucberfahrt  quer  über  dasselbe  zur  un- 
angenehmen, und  am  zehnten  Tage  nach  der  .Ab- 
reise   von   \\'ien     landest    du   in   L'sun   .Ada,    dem 


32 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr   DEN    ORIENT 


Anfangspunkte  der  transkaspischen  Militärbahn, 
die  dich  mit  einer  Geschwindigkeit  von  circa 
22  Werst  per  Stunde  in  36  Stunden  nach  Merw 
bringt.  Von  Usun  Ada  bringt  den  Reisenden  eine 
49stündige  Eisenbahnfahrt  an  die  Ufer  des  Amu 
Darja,  von  wo  er  in  weiteren  8  Stunden  in  den 
Bahnhof  von  Bocharä  einfährt.  Noch  15  Stunden 
bringen  ihn  nach  Samarkand,  dem  im  Vorjahre 
letzten  Punkte  der  Transkaspischen  Militärbahn. 
Zur  Jubiläums-Feier  wird  wohl  die  Bahn  bis  Tasch- 
kent ausgebaut  sein  und  man  statt  40  Stunden  im 
Tarontest  nur  1 3  Stunden  im  be(|uemen  Waggon 
zuzubringen  haben. 

Landesposteinrichtungen  in  China.  Die  De- 
peschen der  Regierung  werden  nach  ihren  Be- 
stimmungsorten durch  besonders  zu  diesem  Zwecke 
angestellte  Leute  befördert,  welche  unter  der 
Aufsicht  des  Kriegsministeriums  in  Peking  ste- 
hen. Sie  reiten  von  einer  Station  zur  anderen 
mit  ziemlicher  Schnelligkeit,  und  wichtige  Docu- 
mente  werden  so  auf  grosse  Entfernungen  täg- 
lich 45  Meilen  weit  befördert.  Das  Publicum  ist 
von  der  Benützung  dieses  Verkehrsmittels  aus- 
geschlossen, hat  aber,  durch  die  Bedürfnisse  des 
Handels  dazu  geführt,  für  sich  einen  eigenen  Post- 
dienst eingerichtet.  In  jeder  chinesischen  Stadt 
von  einiger  Grösse  befinden  sich  sicherlich  einige 
Postämter,  von  denen  jedes  einer  oder  mehreren 
Provinzen  vorsteht,  nach  und  von  denen  es  Briefe 
und  kleine  Packete  befördert.  Die  Sicherheit 
alier  ihnen  anvertrauten  Gegenstände  wird  garantirt 
und  der  Werth  ersetzt,  wenn  sie  verloren  gehen  ; 
gleichzeitig  muss  der  Inhalt  aller  Packete  bei 
der  Aufgabestelle  declarirt  werden,  damit  ein 
entsprechendes  Porto  für  ihre  Beförderung  er- 
hoben werden  kann.  Die  Briefträger  gehen  haupt 
sächlich  zu  Fuss ;  mit  80  Pfund  Postgepäck  laufen 
diese  Boten  eine  Meile  in  der  Stunde ,  bis  sie  an 
ihrem  Bestimmungsorte  angelangt  sind,  händigen 
hier  den  Pack  einem  anderen  Boten  ein,  welcher, 
gleichviel  ob  Tag  ob  Nacht,  ob  schlechtes  oder 
gutes  Wetter,  aufbricht,  bis  auch  er  sich  seiner 
Verantwortlichkeit  entledigt  und  den  Pack  einem 
dritten  Boten  eingehändigt  hat.  Der  Portosatz  ist 
sehr  gering.  Ein  Brief  von  Peking  nach  Hankau, 
ca.  150  Meilen  Luftlinie,  kostet  nur  8  Cts.  Etwa 
30  Percent  des  Portos  trägt  der  Absender,  um  die 
Post  vor  Betrug  und  Verlust  zu  schützen  ;  der  Ueber- 
schuss  kann  von  dem  Adressaten  erhoben  werden. 
Diese  Postämter  werden  von  den  Kaufleuten  bei 
ihren  Handelsgeschäften  viel  gebraucht ,  und 
Wechsel  werden  stets  so  verschickt.  Solche  Docu- 
mente,  sowie  kleine  Packen  chinesischen  Fein- 
silbers bilden  eine  ziemlich  werthvolle  Last  und 
würden  oft  den  Wegelagerern  zur  Beute  fallen, 
wenn  nicht  die  Militärbehörden  Reisende,  welche 
die  Gasthäuser  vor  Tagesanbruch  verlassen,  von 
Soldaten  würden  begleiten  lassen ,  bis  der 
Tag  sie  vor  den  Gefahren  eines  plötzlichen 
Angriffes  sicherstellt.  An  anderen  Orten  hat  man 
wieder  Trupps  gut  eingeübter  Männer,  welche 
sich    in    Gesellschaften    von     drei     bis    fünf    den 


Reisenden  zum  Schutze  vor  Wegelagerern  ver- 
miethen. 

Zustände  an  der  l(leinasiatischenNordl(üste. 

Im  Auftrage  der  Senckenbergischen  naturfor- 
schenden Gesellschaft  zu  F~rankfurt  a.  M.  führte 
Staatsrath  O.  Retowski  aus  Theodosia  im  Sommer 
1889  eine  siebenwöchentliche  Reise  nach  der  klein- 
asiatischen Küste  des  Schwarzen  Meeres  aus,  wobei 
die  Plätze  Sinope,  Samsun,  Trapezunt  und  Batüm 
besucht  wurden.  Sinope,  einst  der  wichtigste  Punkt 
der  ganzen  Nordküste  Kleinasiens,  ist  trotz  seiner 
fruchtbaren  Umgebung  und  günstigen  Handelslage 
heute  tief  gesunken.  Das  nicht  mehr  als  7162  Ein- 
wohner zählende  Städtchen  zeigt  im  Innern  den 
gewöhnlichen  Verfall.  Dabei  ist  der  Steuerdruck 
enorm.  Für  ein  Schaf,  das  hier  etwa  3  fl.  kostet,  ist 
ein  Gulden  Steuer  zu  entrichten.  Etwa  ein  Drittel 
der  Bevölkerung  sind  Griechen,  die  übrigen  zwei 
Drittel  Türken.  Samsun,  in  dessen  Nähe  die  spär- 
lichen Trümmer  des  alten  Amisos  liegen,  besitzt 
einen  schlechten  Hafen  und  in  der  Umgebung  ge- 
sundheitsgefährliche Sümpfe.  Dennoch  hat  sich  die 
Stadt  bedeutend  gehoben  und  seit  1860  ihre  Be- 
völkerung etwa  verfünffacht,  von  3000  auf  16.000 
Köpfe.  Samsun  ist  nämlich  einer  der  Hauptplätze, 
nicht  blos  des  Handels,  sondern  auch  des  Tabak- 
baues, zugleich  Sitz  eines  der  vier  Bezirke  der 
Tabakregie  für  das  türkische  Reich,  weshalb  hier 
auch  eine  grosse  Tabakfabrik  besteht  und  zahl- 
reiches Verwaltungspersonal  stationirt  ist.  Trapezunt 
ist  Sitz  eines  der  zwölf  Vilajete,  in  welche  die 
asiatische  Türkei  eingethcilt  ist.  Hier  haben  elf 
auswärtige  Mächte  ihre  Vertreter.  Es  herrscht  reger 
Verkehr  und  besonders  die  Karawanen  bringen  viel 
Leben  in  die  Strassen.  Die  Stadt  zählt  45.000  Ein- 
wohner und  ist  sehr  ausgedehnt  wegen  einer  Menge 
Gärten  innerhalb  der  von  Christen  bewohnten 
Viertel.  Vier  Stunden  von  'IVapezunt  entfernt  liegt 
Risa  oder  Risch  im  Lande  der  Lasen,  die  nächste 
türkische  Stadt  an  der  russischen  Grenze,  von 
europäischer  Cultur  aber  noch  so  wenig  berühit, 
dass  man  wohl  thut,  sich  möglichst  wenig  auf  der 
Strasse  zu  zeigen.  Batüm  hatte  Herr  Retowski  seit 
1879  nicht  gesehen.  Damals  bot  es  noch  ganz  den 
Anblick  einer  orientalischen  Stadt.  Die  verflossenen 
zehn  Jahre  haben  aber  hier  mehr  gewirkt,  als  500 
Jahre  unter  türkischer  Herrschaft.  Die  winkeligen 
schmutzigen  Gassen  mit  den  hölzernen  unansehn- 
lichen Privathäusern  und  den  kleinenVerkaufsbuden 
haben  breiten  Strassen  mit  grossen,  mehrstöckigen, 
steinernen  Häusern  und  eleganten  Läden  Platz  ge- 
macht und  blos  ein  paar  unbedeutende  Moscheen, 
die  türkischen  Bäder  und  einige  Buden  auf  dem 
Bazar  erinnern  noch  an  die  einstige  Herrschaft  der 
Osmanen.  Die  Erklärung  zum  Freihafen,  die  gross- 
artigen Hafenbauten  und  die  Eisenbahn  nach  Baku 
am  Kaspischen  Meere  haben  einen  solchen  Zuzug 
von  Europäern  veranlasst,  dass  die  ursprüngliche, 
Bevölkerung  nur  einen  kleinen  Bruchtheil  der  heute 
auf  10.000  Köpfe  angewachsenen  Bewohnerschaft 
bildet. 


gw- 


Verantwortlicher  Reda-'teur:  A.  v.  Scala. 


Druck  von  Ch.  Reissflr  6,  M    WertI 


März-Heft  1890. 


OESTERREICH  ISCHE       ^s<^><' 


Nr.  3. 


|aMt55t|rift  für  \m  §xmi 

Herausgegeben  vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 

Redigirt   von   Ä.   von   Scala. 


Monatlich  ein«  Nummer. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Pra!i  |lhrl.  S  «.  »  10  Marii. 


I 


INHALT:  l''eueraul»ftler  u(Ut  ^Ioiii»tli(M.sipn  ?  Von  Berniattn  t'eigh 
-—  li\t'  Genusxmittel  dt»  Orieutr:<.  Voii  o'usUiv  Troll.  —  Capttän 
BiDger^s  Reisu  im  Sudan.  Von  F.  r.  H.  —  Die  Deutschen 
äcbatzgebieto  bei  Begiiin  des  Jahren  18*.>0.  — -  M  i  s  c  e  1 1  e : 
Albinos  im  Indiitcben  Archipel. 


1 


sc 

i 


FEUERANBETER  ODER  MONOTHEISTEN  ? 

Von  Hermann  Feigl. 

em  das  Gerücht  einmal  einen  Namen 
erfunden  hat,  der  mag  ihn  nur  schwer 
wieder  los  werden,  und  eine  Verleum- 
dung, die  drei  Jahrtausenden  getrotzt 
hat,  widersteht  auch  mit  einem  gewissen  Anscheine 
von  Recht  der  besseren  lirkenntniss.  Das  haben 
die  Parsis,  die  Anhänger  der  Lehre  Zoroaster's, 
an  sich  selbst  am  besten  erfahren.  Ihr  Religions- 
gcdanke,  als  ein  Innerliches  von  den  alten  Völkern 
nicht  verstanden,  ist  auch  von  den  neuen  bis  in 
die  jüngste  Zeit  nur  aus  Aeusserlichkeiten  ge- 
schlossen worden.  Die  Parsis  heissen  und  hiessen 
.iKeueranbeter*^,  obwohl  sie  das  Feuer  weder 
heute,  noch  wohl  auch  jemals  in  alter  Zeit  an- 
gebetet haben. 

Es  ist  wahr,  die  Feueraltäre,  welche  sich 
llenthalben  in  den  von  den  Zoroastriern  früher 
ewohnten  Gebieten  noch  als  Ruinen  finden, 
sprechen  ebenso  für  die  Begründung  des  Ver- 
dachtes, wie  die  Art  und  Weise,  auf  welche  die 
heute  noch  lebenden  Parsis  ihr  Gebet  verrichten. 
Nun,  der  Mohammedaner  wendet  beim  Gebete 
das  Gesicht  gegen  die  Ka'ba,  jenen  uralten'Stein, 
der  schon  in  vorislamischer  Zeit  als  vom  Himmel 
gefallen  mit  heidnischen  Gebräuchen  verehrt 
wurde,  und  doch  ist  der  Muslim  nicht  als  F'eti- 
schist  verschrieen,  der  einen  Stein  anbetet ;  russi- 
che  (Christen  lassen  sich  in  Jerusalem  an  der 
tätte  des  heiligen  Grabes  von  geweihten  Kerzen 
icbt  geben,  das,  indem  eine  Kerze  an  der  an- 
deren entzündet  wird,  weit  hinausgetragen  wird 
in  die  Welt  und  in  den  Häusern  der  Gläubigen 
nie  erlischt,  und  doch  wird  ihnen  niemand  nach- 
sagen, dass  sie  das  Licht  verehren,  vor  welchem 
sie  in  heiliger  Andacht  knieen  ;  die  Parsis  aber 
sind  „Feueranbeter"  und  der  Name  wird  ihnen 
trotz  seiner  Fälschlichkeit  bleiben,  wie  Ma.v  Müller 
sagt,  auch  „wenn  Ormuzd's  letzter  Verehrer  längst 
von  der  F>de  verschwunden  ist".  Das  Evan- 
gelium der  Christen  und  der  Koran  der  Muham- 
medaner    sind    eben    mit    ihren   Lehren   bekannt, 

Monatiachrift  fUr  den  Orient.  Mürz  1890. 


während  das  Zandavesta,  die  heilige  Schrift  der 
Zoroastrier,  erst  in  der  neuesten  Zeit  an's  Tages- 
licht gezogen  und  untersucht  wurde ;  und  nun 
wird  man  sagen,  steht  es  kaum  mehr  dafür,  fflr 
das  verschwindend  kleine  Häuflein  der  bis  heute 
übrig  gebliebenen  Parsis   eine  Lanze  einzulegen. 

Es  leben  ihrer  heute  in  der  That  nicht 
mehr  als  im  Ganzen  beiläufig  loo.ooo,  die  sich 
zum  weitaus  grösserem  Theilc  auf  Indien,  zum 
kleineren  auf  Persien  vertheilen ;  eine  furcht- 
bare Mahnung  an  die  Vergänglichkeit  aller 
Grösse ! 

Die  Nachkommen  der  Eroberer  der  alten 
Welt  des  Orients,  der  Beherrscher  von  Persicn, 
Babylonien  und  Assyrien,  von  Judäa  und  Egypten 
etc.  sind  heute  mit  ihrer  Religion  im  eigenen 
Vaterlande  nur  geduldet  und  seitdem  Araberthum 
und  Islam  in  Persien  ihre  siegreichen  Fahnen 
aufgepflanzt  haben,  geht  der  „Gaebr",  der  „Feuer- 
anbeter"  verachtet  durch  das  Leben. 

Und  doch  hat  dieser  „Gaebr"  eine  Religion, 
mit  welcher  sich  der  Islam  an  Reinheit  und  Er- 
habenheit nicht  im  Entferntesten  messen  kann, 
eine  Religion,  die  zu  Höherem  berufen  war,  als 
mit  einer  Nation  unterzugehen,  jene  Religion,  die 
ewig  bestehen  wird,  gleichviel  welchen  Namen 
sie  tragen  mag :  den  reinsten  Gottesglauben. 
Lange  vordem,  ehe  das  ("hristcnthum  die  heid- 
nischen Religionen  der  in  Europa  lebenden  Arier 
verdrängte,  ja  lange  vorher,  ehe  diese  im  Westen 
wohnenden,  sogenannten  nordarischen  Völker  ihre 
Mythologie  in  eine  systematische  Form  gebracht 
hatten,  waren  sich  die  Anhänger  Zoroasters  schon 
des  einzig  richtigen  Weges  bewusst,  den  der 
Mensch  im  Streben  nach  der  Erkenntniss  Gottes 
zu  gehen  hat,  des  Monotheismus. 

Ob  das  ursprüngliche  ReligionsgefQhl  aller 
Menschen  ein  monotheistisches  ist,  ob  also  alle 
Mythologien  und  vielleicht  auch  der  Fetischdienst 
uncultivirter  Völker  nur  auf  eine  Entartung  der 
vollkommensten  Gottesidee  zurückzuführen  sind, 
das  ist  wohl  eine  Behauptung,  die  schwer  zu 
beweisen,  eine  Frage,  die  heule  noch  nicht  zu 
beantworten  ist.  Die  Betrachtung  der  Religionen 
der  arischen  Völker  scheint  jene  Annahme  über- 
aus zu  begünstigen. 

Die  grosse  lockenhaarige  Völkerfamilie  be- 
zeichnet   die    Gottheit    mit    einem    gemeinsamen 


C^» 


34 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN   ORIENT 


Worte,  und  wenn  dieses  von  der  Sanskrit-Wurzel 
div  abgeleitete  Wort  auch  nicht  bei  allen  indo- 
europäischen Völkern  den  obersten  Gott  be- 
zeichnet, so  glaubt  man  doch  annehmen  zu  dürfen, 
dass  es  ursprünglich  der  Name  der  monotheisti- 
schen, vor  alten  Zeiten  allen  arischen  Völkern 
gemeinsamen  Gottheit  gewesen  ist.  Da  die  Wurzel 
div  nun  glänzen  bedeutet,  so  liegt  wieder  die 
Annahme  nahe,  dass  der  Begriff  des  Göttlichen 
mit  dem  des  Lichts  zusammenhängt,  es  lässt  sich 
aber  wohl  nicht  entscheiden,  ob  die  Urarier 
durch  die  Betrachtung  des  leuchtenden  Sonnen- 
balls zur  Idee  der  Gottheit  geführt  wurden  oder 
ob  sie  die  schon  vorher  gefühlte,  über  Alles  er- 
habene Gottheit  in  sinnlich  poetischer  Ausdrucks- 
weise mit  Glanz  und  Licht  identificirten,  wie  die 
Juden  in  philosophischer  Ueberlegung  ihren  Gott 
mit  der  Ewigkeit. 

Gewiss  ist,  dass  die  nordarischen  Völker 
irgend  einen  oder  ihren  höchsten  Gott  oder  Gott 
überhaupt  mit  einem  Worte  bezeichneten,  dessen 
Bedeutung  ihnen  völlig  unbekannt  war,  während 
die  Südarier  in  dem  Worte  deva  noch  leicht  ihr 
altes  Spracheigenthum  erkennen  und  sich  erklären 
konnten.  Ob  sie  es  aber  auch  thaten  ? 

Schon  in  den  Veden  gibt  es  so  viele  devas, 
Götter,  dass  wir  von  jener  angedeuteten  sinnlich 
poetischen  Bezeichnung  eines  einzigen  Gottes 
von  jeher  zweifeln  müssen.  Allerdings  konnte  das 
Wort,  wenn  die  ursprünglich  monotheistische 
Religion  einmal  entartet  war,  ebensogut  in  der 
Mehrzahl  wie  in  der  Einzahl  gebraucht  werden. 
Aber  konnten  dann  Diejenigen,  welche  am  Mono- 
theismus festhielten,  nicht  umsomehr  den  Singular 
zu  Ehren  bringen?  Nichts  von  dem!  Im  Zend- 
avesta  wird  das  von  der  Wurzel  div  abgeleitete 
Wort  mit  Abscheu  verworfen,  und  datvas  be- 
zeichnet dem  Zoroastrier  durchaus  nichts  Gött- 
liches, denn  er  bekennt :  Ich  will  kein  Verehrer 
der  daevas  sein.  Es  mag  ja  sein,  dass  das  Avesta, 
wie  Max  Müller  sagt,  eine  bewusste  Opposition 
gegen  die  Anbetung  der  im  Veda  verehrten  Na- 
turgötter darstellt,  aber  hätte  denn  Zoroaster 
nicht  erklären  können,  es  gäbe  nur  einen  dalva? 
Warum  gab  er  ihm  einen  anderen  Namen,  nannte 
ihn  .Ahura  mazda  und  verwarf  den  Titel  daeva 
ganz?  Wenn  wir  uns  Zoroaster's  Religion  als 
Frucht  philosophischen  Denkens  vorstellen,  wird 
die  Sache  erklärlicher,  als  wenn  wir  Zoroaster 
als  von  religiösen  Vorurtheilen  befangen,  be- 
trachten. Ist  aber  Zoroaster's  Lehre  das  Werk 
eines  persönlichen  Genius,  dann  dürfen  wir  sie 
weder  mit  der  vedischen  noch  mit  der  vorvedi- 
schen  Religion  der  Inder  in  Zusammenhang 
bringen,  denn  das  Genie  bedarf  keiner  Anleh- 
nung. Dann  gebührt  aber  auch  den  alten  Ira- 
niern  von  allen  arischen  Völkern  allein  der  An- 
spruch  auf  die  originäre  Idee   des  Monotheismus. 

Die  Religionsgeschichte  als  Wissenschaft  ist 
heute  noch  viel  zu  jung,  um  Hypothesen  zu  ver- 
theidigen,  geschweige  denn  sie  zu  Wahrheiten  zu 
erheben,     und    so     bleibt     uns     in    unserer   Sache 


Nichts  übrig,  als  den  weiten  Boden  historischer 
Kritik  zu  verlassen  und  uns  auf  das  kleine 
Plätzchen  der  Erfahrung  zu  beschränken.  Dass 
die  Religionsbücher  der  I'arsen  manches  Wunder- 
liche und  Mythische  enthalten,  wollen  wir  ganz 
bei  Seite  lassen,  da  sie  ihm  in  der  Praxis  selbst 
nicht  die  geringste  Bedeutung  beimessen.  Dies 
dürfen  sie  heute  umsomehr,  als  sie  vom  Zend, 
in  welchem  ihre  heiligen  Schriften  abgefasst  sind, 
kein  Wort  verstehen,  und  selbst  die  Gebete 
daraus  ohne  Verständniss  recitiren.  Es  wäre  aber 
falsch,  aus  diesem  letzten  Umstände  den  Schluss 
zu  ziehen,  dass  der  Parsi  nicht  weiss,  zu  wem 
und  warum  er  betet.  Er  betet  eben  mehr  im 
Geiste  als  mit  Worten. 

Ormuzd  ist  sein  Gott,  Zoroaster  dessen  Prophet 
und  das  Zendavesta  die  heilige  Schrift,  die  Gott 
seinem   Propheten   geoffenbart  hat. 

Was  die  Glaubenssätze  der  Zoroastrier  betrifft, 
so  bestehen  diese  aus  Fundamentallehren  ohne 
dogmatische  Zusätze ;  wer  könnte  auch  solche 
machen,  da  den  Priestern  die  heilige  Schrift  in 
ihrer  alten  Sprache  ebenso  unverständlich  ist,  als 
den  Laien? 

Der  Parsi  glaubt  an  einen  Gott,  dessen  Ein- 
zigkeit besonders  betont  wird.  Gott  hat  Alles 
erschaffen,  den  Himmel  und  die  Erde,  mit  Allem 
was   diese   beiden   Welten   enthalten. 

Gott  ist  ein  Geist,  der  weder  Gestalt  noch 
Farbe  hat  und  an  keinem  bestimmten  Ort  wohnt. 
Er  ist  für  den  menschlichen  Geist  unfassbar  und 
so  gross  und  erhaben,  dass  er  sich  mil  Worten 
nicht   beschreiben   lässt. 

Kann  man  Gott  treffender  charakterisiren, 
als  es  der  Parsi  thut? 

Religion  ist  dem  Parsi  die  Verehrung  Gottes 
und  diese  Religion  hat  er  von  Gott  durch  dessen 
Propheten   Zoroaster  erhalten. 

Die  Gebote  Gottes,  welche  der  Prophet  den 
Gläubigen  gegeben  hat,  sind,  kurz  zusammen- 
gefasst,  in  dem  folgenden  Glaubensbekenntnisse 
enthalten : 

\yir  erkennen  Gott  als  eineti  Gott,  wir 
glauben  an  den  erhabenen  Zoroaster  als  den 
wahren  Propheten,  wir  halten  die  Religion  und 
das  .Avesta  über  jeden  Zweifel  erhaben,  wir 
glauben  an  die  Güte  Gottes,  wir  übertreten  kein 
Gebot  der  Mazdaiaschna-Religion,  wir  meiden 
alles  Böse,  wir  bemühen  uns  Gutes  zu  thun  und 
wir  beten  täglich  fünfmal ;  wir  glauben,  dass  wir 
am  vierten  Tage  nach  unserem  Tode  gerichtet 
werden  und  dass  uns  Gerechtigkeit  widerfährt, 
wir  hoffen  auf  den  Himmel  und  fürchten  die 
Hölle,  wir  glauben,  dass  ein  Tag  der  Zerstörung 
und  der  Auferstehung  kommen  wird,  dass  Gottes 
Wille  stets  geschehen  ist  und  stets  geschehen 
wird,  und  wir  wenden  beim  Gebet  unser  Antlitz 
einem  leuchtenden   Gegenstande  zu. 

Wenn  wir  dieses  Glaubensbekenntniss  Punkt 
für  Punkt  betrachten,  werden  wir  kaum  auf  eine 
Aeusserung  stossen,    die   wir,   den   Gottesglauben 


OESTERRBICHISCHE   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT. 


85 


nd    seine    Bethätigung    durch  Gebet    und     gute 
'Werke  vorausgesetzt,   verwerfen  könnten. 

Was  die  Stellung  Zoroasters  betrifft,  so  ist 
s  ohne  Zweifel  ein  Glanzpunkt  in  der  Religion 
er  Parsis,  dass  sie  ihrem  IVojjheten  weder  gött- 
liche noch  übermenschliche  Eigenschaften  zu- 
B schreiben.  Gott  hat  seine  Gebote  einem  Menschen 
iVertraut,  den  er  seiner  Gnade  und  des  unmittel- 
baren Verkehrs  würdig  fand.  Zoroaster  ist  ein 
Weiser  und  dass  ihn  der  Farsi  als  Menschen  un- 
mittelbar mit  Gott  verkehren  hisst,  beweist,  dass 
er  den  menschlichen  Genius  als  einen  Theil  von 
Gottes  Geist  zu  schätzen  weiss.  Ein  unendlich 
hoher  Standpunkt,  vielleicht  der  höchste,  der  sich 
in  Hinsicht  auf  das  Verhältniss  der  Gottheit  zum 
M^^Menschen  je   erreichen   lässt. 

I|P  Ebenso  gereicht   es   dem  religiösen  Verständ- 

nisse  des  Zoroastriers    nur   zur  Ehre,    dass  er  auch 
-an  die  Güte  Gottes  glaubt  und  von  der  Gnade  Gottes 
■^■Vergebung  seiner  Sünden  erwartet.  Das  Vermeiden 
■^*alles  Bösen   wird   anders   durch   das   kategorische 
Gebot  ausgedrückt :  Reinheit  der  Gedanken,   Rein- 
heit der  Worte  und  Reinheit  der  Handlungen.  Damit 
wird  aber  nicht  nur  sittliche,  sondern  auch  physische 
Reinheit   anbefohlen,   und    bei    der   grossen  Rolle, 
L^_wclche     die    Reinigung     des    Körpers    im    Oriente 
IHnbcrhaupt   und   dann  besonders  noch   als  äusseres 
.         Heiligungsmittel  spielt,  dürfen  wir  nicht  erschrecken, 
wenn     wir     im    Zendavesta    Reinigungsceremonien 
finden,    die    uns   als  das    gerade  Gegentheil  dessen 
erscheinen,    was  sie  sein  sollen.    In  dieser  Hinsicht 
kommen  die  Parsis  den  Hindus  sehr  nahe,    und  gilt 
auch   ihnen   die  Kuh   und   was   von  ihr   kommt  als 
Reinigungsmittel.    Ich  will  mich   hier  nur  auf  diese 
.Andeutung  beschränken,    und    nicht    weiter  auf  die 
Beschreibung    von  Gebräuchen    eingehen,    die    uns 
nur    ekelhaft    erscheinen.    Bemerkt   aber    sei    dazu 
noch,  dass  ein  Reisender,   der    in  jüngster  Zeit  aus 
ndien   zurückkam,   erzählt,   dass   er   in  der  Brah- 
manenschule ,    welche    er    dort    besuchte,    in    der 
li^cke    des    Lehrzimmers    eine    Kuh    stehen     fand, 
welche  —  i's  ist  kein  Spott,   sondern  ernste  Wahr- 
heit!  —    das  Zimmer    ilurch    ihre    Anwesenheit  — 
I^Brein   zu    erhalten    hatte.    Nun   gilt   dem  Indter   die 
'^^Kuh  als  geheiligtes  Thier  und  lässt  sich  also  gegen 
das  althergebrachte  Herkommen  auch  mit  dem  ge- 
lehrtesten   und    aufgeklärtesten    Brahmanen    nicht 
streiten.    Ein  Anderes  ist  es  bei  den  Parsis.    Diese 
haben  sich  im  Laute  der  Zeit  in  zwei  Parteien,  eine 
conservative  und  eine   liberale  getheilt,   von  denen 
die   erstere   an  den  .^eusserlichkeiten  der  Religion 
zäh  festhält,    während    die  letztere  sie  zum  grossen 
rheile,  wenn  auch  mit  Schonung  ihrer  beschränkteren 
Glaubensbriider,  verwirft,  —    wozu  auch  jene  ab- 
scheulichen Reinigungsceremonien  gehören. 

In  Bezug  auf  das  Gebet  ist  zu  bemerken,  dass 
es  zwar  genügt,  im  Tage  fünfmal  zu  beten,  dass 
aber  ein  frommer  Parsi  täglich  wenigstens  sechzehn- 
mal beten  soll.  Der  conservative  Parsi  betet  beim 
.\ufstehen,  dann  bei  der  eben  früher  angedeuteten 
Reinigungsceremonie,  dann,  wenn  er  sich  badet, 
wenn    er    sich   die  Zähne    putzt    und    wenn    er-  mit 


seinen  Waschungen  zu  Ende  ist.  So  oft  er  sich  die 
Hände  wäscht,  wiederholt  er  dieselben  Gebete, 
jede  seiner  drei  täglichen  .Mahlzeiten  fängt  mit 
einem  Gebete  an  und  hört  mit  einem  Gebete  auf 
und  endlich  wird  noch  vor  dem  Schlafengehen 
ein  Gebet  gesprochen. 

Es  ist  schon  oben  der  sonderbare  Umstand 
bemerkt  worden ,  dass  die  Gebete  in  der  alten 
Zendsprache  verrichtet  werden,  von  welcher  nicht 
nur  das  Volk,  sondern  auch  die  Priester  meistens 
kein  Wort  verstehen. 

„Bei  manchen  Gelegenheiten",  sagt  der  Parsi 
Dadabhai  Naoroji,  der  ims  über  das  Leben  der 
Parsis  berichtet,  „bei  manchen  Gelegenheiten,  wie 
bei  den  zweimonatlichen  Festen,  den  Cbumbars, 
bei  den  Ceremonien  für  die  Todten,  die  am  dritten 
Tage  stattfinden,  und  bei  sonstigen  religiösen  oder 
festlichen  Gelegenheiten  finden  Versammlungen  im 
'i'empel  statt.  -Gebete  werden  hergesagt,  in  die 
Einige  mit  einstimmen,  aber  in  der  Volkssprache 
wird  keine  Rede  gehalten.  Gewöhnlich  gebt  jeder 
Parsi,  wenn  er  Lust  hat  oder  wenn  es  ihm  passt, 
in  den  Feuertempel,  sagt,  so  lange  es  ihm  gefällt, 
seine  Gebete  her,  und  gibt  vielleicht  den  Priestern 
eine  Kleinigkeit,  damit  sie  statt  seiner  die  Gebete 
sagen." 

Das  spricht  nicht  sehr  für  die  Bigotterie  des 
Volkes,  dafür  wird  jene  von  unserem  Gewährs- 
manne  den  Priestern  umsomehr  zum  Vorwurf  ge- 
macht. 

„Statt  die  wahre  Lehre  zu  verbreiten,"  sagt 
er,  „und  das  Volk  seine  religiösen  Pllichten  zu 
lehren,  sind  die  Priester  von  .■Xllen  am  bigottesten 
und  abergläubischesten,  und  üben  besonders  auf 
die  Frauen,  die  bis  vor  Kurzem  gar  keine  Erziehung 
erhielten,  einen  höchst  verderblichen  Eintluss  aus. 
Die  Priester  haben  aber  angefangen,  sich  ihrer  un- 
würdigen Stellung  bewusst  zu  werden.  Viele  von 
ihnen  erziehen,  wenn  sie  irgendwie  können,  ihre 
Söhne  für  einen  anderen  Beruf.  Nur  wenige  von 
der  Priesterschaft  können  auf  Kenntniss  des  Zend- 
avesta .-\ns|)ruch  machen,  und  die  Meisten  sind  nur 
darin  ihren  Glaubensgenossen  überlegen,  dass  sie 
die  Bedeutung  der  Wörter  in  den  heiligen  Büchern, 
so  wie  sie  eben  gelehrt  wird,  kennen,  ohne  aber  die 
Sprache  philologisch  oder  grammatisch  zu  ver- 
stehen." 

Fürwahr  ein  unschönes  Bild  von  den  Ver- 
tretern einer  der  schönsten  Religionen,  aber  bei 
der  Erblichkeit  der  Priesterwürde  kaum  anders  zu 
erwarten. 

Ganz  eigenthümlich  muthet  uns  in  dem  parsi- 
schen  Glaubensbekenntnisse  der  Gedanke  des 
jüngsten  Gerichtes  und  der  .Auferstehung  an,  sowie 
der  Glaube  an  eine  Belohnung  des  Guten  im  Himmel 
und  eine  Bestrafung  des  Bösen  in  der  Hölle.  .\bcr 
einen  Fürsprecher  und  einen  Erlöser  erkennen  sie 
nicht  an.  „Wenn  Jemand  sündigt",  sagen  sie,  «in 
dem  Glauben,  dass  ein  Anderer  ihn  erlösen  kann, 
so  werden  der  Betrogene  und  der  Betröger  am 
Tage  Rastä  Khez  verdammt  werden.  Einen  Er- 
löser  gibt  es   nicht,    eure   Handlungen    und   Gott 


36 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


selbst  sind  eure  Erlöser.  Er  gibt  und  er  vergibt. 
Wenn  ihr  eure  Sünden  bereut  und  euch  bessert, 
und  der  grosse  Richter  euch  seiner  Vergebung 
wt'rth  findet  oder  euch  gnädig  sein  will,  so  kann 
und  wird  er  allein  euch  erlösen."  So  erwidern  sie 
auf  die  Bekehrungsversuche,  die  von  Seiten  christ- 
licher Missionäre  gemacht  werden,  und  wider- 
stehen hartnäckig  der  Zumuthung,  die  von  ihren 
Vätern  ererbte  Religion  zu  verlassen. 

Fast  wie  Fatalismus  klingt  ihre  P2rgebung  in 
den  Willen  Gottes.  Dass  „Gottes  Wille_  stets  ge- 
schehen ist  und  stets  geschehen  wird",  das  drückt 
nur  noch  der  Mohammedaner  auf  so  nackte  Weise 
aus,  und  es  wäre  nicht  uninteressant,  von  solchen, 
die  unter  den  Parsis  zu  leben  Gelegenheit  haben, 
zu  erfahren,  w(-lchen  Spielraum  die  Zoroastrier  der 
freien  Selbstbestimmung  des  Menschen  und  andern- 
theils  dem  unabänderlichen  Schicksale  gönnen. 

Der  letzte  Punkt  des  Glaubensbekenntnisses, 
der  uns  nach  diesem  zu  erörtern  bleibt,  betriftt 
eigentlich  nicht  den  Glauben  selbst,  sondern  nur 
eine  Aeusserung  des  Glaubens.  Der  Parsi  wendet 
beim  Gebete  sein  Antlitz  einem  leuchtenden  Gegen- 
stande zu,  doch  wohl  gemerkt,  er  betet  den  leuchten- 
den Gegenstand  nicht  an  !  Warum  aber  das?  fragen 
wir.  Vor  Allem  lässt  sich  hierauf  erwidern,  dass 
der  Parsi  nicht  der  einzige  ist,  der  beim  Gebete 
sein  Gesicht  nach  einer  gewissen  Seite  oder  nach 
einem  gewissen  Gegenstande  wendet.  Es  gibt 
christliche  Secten,  die  beim  Gebete  auf  das  leere 
Firmament  starren,  und  Juden,  die  dabei  das  Ge- 
sicht nach  Osten  kehren,  —  warum  denn  das,  wenn 
es  mit  dem  transcendentalen  Begriff  Gottes  nicht 
zusammenhängt?  Das  sind  äusserliche  Gebräuche, 
die  mit  der  Vorstellung  von  Gott  gar  nichts  zu 
thun  haben,  die  aber,  mögen  sie  wie  immer  erklärt 
werden,  nicht  ganz  so  sinnlos  sind,  als  sie  auf  den 
ersten  Blick  erscheinen  mögen.  Der  betende  Mensch 
soll  gesammelt,  er  soll  von  dem  Bewusstsein  durch- 
drungen sein,  dass  er  mit  seinem  Gotte  Zwie- 
sprache hält ;  das  wird  er  aber  wohl  am  besten, 
wenn  er  sein  Auge  von  der  ihn  umgebenden  Welt 
abkehrt  und  seinen  Blick  dorthin  wendet,  —  nicht 
wo  Gott  ist,  sondern  wohin  er  im  Verkehre  mit 
Gott  zu  schauen  gewohnt  ist.  Das  wäre  eine  Er- 
klärung des  parsischen  Gebrauchs,  und  sie  müsste 
für  die  Gegenwart  Stich  halten,  wenn  die  Parsis 
nicht  selbst  erklärten,  dass  sie  ihr  Gesicht  beim 
Beten  deshalb  einem  leuchtenden  Gegenstande  zu- 
wenden, weil  sie  das  Feuer,  wie  jede  grosse  Natur- 
erscheinung als  Symbol  der  Gottheit  betrachten. 
Doch  nothwendig  sei  es,  sagen  sie,  durchaus  nicht, 
sich  beim  Gebete  an  Ormuzd  irgend  einem  Sym- 
bole zuzuwenden.  Und  hierin  liegt  das  Schwer- 
gewicht der  ganzen  Entgegnung,  dass  die  Parsis 
mit  Bewusstsein  keine  Feueranbeter  sind.  Wenn 
sie  dag  Feuer  beim  Gebete  auch  entbehren  können, 
wo  es  doch  immer  leicht  ist,  ein  solches  anzu- 
machen, so  muss  es  ihnen  doch  von  ziemlich  unter- 
geordneter Wichtigkeit  sein. 

Heute  wenigstens  ii,t  es  so,  denn  „während 
der  ungebildete  Theil  der  Parsis  sich  —  wie  über- 


all —  an  das  Symbol  und  nicht  an  das  Wesen  hält, 
und  nicht  allein  Sonne,  sondern  Mond,  Sterne, 
Feuer  u.  s.  w.  verehrt,  kann  man  von  gebildeten 
Parsis  die  Zumuthung,  sie  seien  Feueranbeter,  mit 
fintrüstung  zurückweisen  hören.  Im  Cultus  der 
Parsis  spielt  allerdings  das  Feuer  eine  vornehme 
Rolle Die  parsischen  Tempel  oder  Bet- 
häuser (in  Bombay)  sind  innen  vollkommen  einfach 
und  schmucklos,  oft  von  geradezu  hässlichem 
Aeussern ;  im  Innern  wird  ein  abgeschlossener 
Raum  zur  Unterhaltung  des  heiligen  Feuers  ver- 
wendet. Ein  Priester  besorgt  diese  Arbeit,  zu 
welcher  meist  wohlriechende  Hölzer,  Sandelholz 
u.  dgl.  verwendet  werdeni*.') 

Eine  andere  Frage  wäre  nun  die,  ob  die  Zo- 
roastrier nie  das  Feuer  angebetet  haben  .■'  Gewiss 
nicht,  denn  wenn  sie  es  auch  selbst  leugnen  wollten, 
so  könnte  sie  ihr  Religionsbuch  Lügen  strafen. 
Vielleicht  aber  sind  sie  vor  der  Verfassung  ihrer 
heiligen  Schriften,  vor  Zoroaster  Feueranbeter  ge- 
wesen? Auf  diese  Frage  lässt  sich  freilich  weder 
mit  Ja  noch  mit  Xein  antworten;  aber  erwidern 
lässt  sich  darauf,  dass  dann  wohl  die  Parsis  nicht 
die  einzigen  Arier  gewesen  sein  dürften,  denen 
das  Feuer  eine  göttliche  Erscheinung  war  und  bei 
denen  es  auch  göttliche  Verehrung  genoss,  dass 
aber  dann  gerade  sie,  die  als  die  ersten  und  einzigen 
Arier  wieder  zum  Monotheismus  zurückkehrten 
oder  durch  philosophische  Speculation  zum  Mono- 
theismus gelangten,  sonderbarerweise  am  längsten 
die  Erinnerung  an  den  uralten  Cult  behielten.  Ein 
Räthsel,  das  heute  weder  wir,  und  noch  weniger  die 
Parsis  selbst  uns  auflösen  können. 

In  Max  MüUer's  Essay  „Die  heutigen  Parsis" 
findet  sich  über  diese  strittige  Frage  eine  Stelle, 
die  ich  des  Interesses  wegen  nicht  übergehen  zu 
dürfen  glaube.  „Diejenigen  Parsis  aber",  heisst  es 
dort,  „die  wirklich  aufrichtig  sind,  und  der  .'\nsicht, 
dass  sie  der  Sonne  und  dem  Feuer  göttliche  Ehre 
erwiesen,  am  eifrigsten  widersprechen,  gestehen 
doch  zu,  dass  jeder  Parsi  eine  unerklärliche  Scheu 
vor  Licht  und  F'euer  empfindet.  Das  Factum,  dass 
die  Parsis  die  einzigen  Orientalen  sind,  die  nicht 
rauchen,  ist  höchst  bezeichnend,  und  die  meisten 
von  ihnen  vermeiden  es  gern,  ein  Licht  auszublasen. 
Ein  derartiges  Gefühl  ist  schwer  zu  erklären,  es 
scheint  sich  aber  mit  dem  vergleichen  zu  lassen, 
welches  viele  Christen  vor  dem  Kreuze  hegen.  Sie 
beten  das  Kreuz  nicht  an,  haben  aber  eine  gewisse 
Verehrung  dafür  und  es  ist  mit  einigen  von  ihren 
heiligsten  Gebräuchen  verknüpft." 

Wir  sehen,  dass  Max  Müller  selbst,  der  be- 
deutendste Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Religions- 
wissenschaft, sich  nicht  an  die  Lösung  dieser  heiklen 
Frage  wagt,  da  uns  alle  historischen  Anhaltspunkte 
fehlen,  mit  deren  Hilfe  wir  dem  Problem  mit  Er- 
folg an  den  Leib  rücken  könnten. 

Gewiss  ist  nur  das,  dass  der  Parsi,  wenn  er 
ja  vor    urdenklichen  Zeiten    einmal    das  Feuer    an- 


')  B  e  n  k  o,  J.  Frh.  v.  Die  Reiae  S.  M.  Schiffes  „Fruodsberg" 
iin  Rothen  Meere  und  an  den  Küsten  von  Vorderindien  und  Ceylon 
in    den  J»hren    188S-1886.  Pola,    1888.  8". 


OESTER  REICHISCHE   MOMATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


I 


gebetet  haben  sollte,  heute  nur  eine  ebenso  matte 
Erinnerunjf  daran  besitzt,  wie  der  Muslim,  der  sich 
beim  Gebete  der  Ka'ba  zuwendet,  ohne  sich  be- 
wusst  zu  werden,  dass  er  zugleich  mit  der  An- 
betung Gottes  einen  Act  heidnischen  Götzendienstes 
vollzieht.  Dann  aber  bleibt  noch  immer  die  Frage 
offen,  üb  der  alte  Perser  der  einzige  Arier  gewesen 
ist,  welcher  vor  Zoroaster's  ICrscheinen  das  Feuer 
oder  die  Sonne  anbetete,  —  und  wie  es  denn  ge- 
kommen ist,  dass  der  Parsi,  wenn  er  nicht  der 
einzige  lichtverehrende  Arier  gewesen  ist ,  und 
trotzdem  er  sich  als  der  einzige  aus  dem  Natur- 
dienste zu  dem  reinen  Monotheismus  emporgerungen 
hat,  dennoch  am  längsten,  d.  h.  bis  heute  die  Kr- 
innerung  an  den  uralten  allen  Ariern  gemeinsamen 
Cult  behalten  hat. 


DIE  GENUSSMITTEL  DES  ORIENTES. 

Von   Gustav  Troll. 

r. 

Zu  allen  Zeiten  und  bei  allen  Völkern  gab 
es  nebst  den  zur  Aufrechthaltung  des  Organis- 
mus erforderlichen  Nahrungsmitteln  noch  andere, 
lediglich  dem  Genüsse  dienende  Stoffe,  deren 
Wesenheit  im  Allgemeinen  in  der  I  lervorrufung 
angenehmer  Geschmacksempfindungen  uud  eben- 
solcher Nervenreize  besteht.  An  solchen  Mitteln 
waren  die  Länder  des  Orientes  von  jeher  besonders 
reich  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  gilt  das 
Morgenland  in  der  Vorstellung  europäischer  Nord- 
länder als  die  Zauberstätte  aller  nur  erdenklichen 
sinnlichen  Genüsse,  ein  Paradies  voll  Sinnenlust 
und  Nervenrausch,  dessen  Bewohner  nur  den 
einzigen  Lebenszweck  kennen,  der  im  schranken- 
losen Genüsse  enthalten  sein  soll.  Und  doch  gibt 
es  kaum  in  irgend  einem  Erdenwinkel  Menschen, 
welche  bedürfnissloser  und  massiger  sind,  als 
z.  B.  die  genügsamen  Kinder  der  Wüste  Arabiens 
und  Lybiens.  Dass  die  Morgenländer  im  Allge- 
meinen für  genusssüchtig  gelten,  hat  seinen  Grund 
einestheils  in  der  unter  der  heissen  Sonne  des 
Landes  üppig  gedeihenden  Phantasie  des  Orientalen, 
welche  der  kleinsten  Annehmlichkeit,  die  das  Leben 
und  die  Natur  bietet,  einer  spärlich  fliessenden 
Quelle,  einem  halbverdorrten  Baume,  die  schönsten 
Seiten  abzugewinnen  und  in  dem  Masse  zu  ver- 
grössern  weiss,  als  es  die  thatsächliche  Unbe- 
deutsamkeit  des  Gegenstandes  zu  seiner  Verherr- 
lichung erfordert,  anderntheils  darin,  dass  die 
Abendländer  sich  von  jeher  die  abenteuerlichsten 
Vorstellungen  über  das  Leben  im  Oriente  gemacht 
haben.  Uie  durch  die  Religion  bedingte  eigen- 
thümliche  Weltanschauung  des  Orientalen,  äussert 
ihre  physische  Wirkung  zunächst  durch  eine  ge- 
wisse äusserliche  Apathie,  welche  weniger  als  Träg- 
heit, sondern  als  natürliche  Vorliebe  für  Ruhe 
und  Bewegungslosigkeit  aufgefasst  werden  will, 
die  aber  der  stets  beschäftigte,  unruhige  Abend- 
länder nur  zu  oft  als  Schlaffheit,  Energielosigkeit 
und  Arbeitsscheu  betrachtet.  Richtig  ist  das  nicht. 
Dieser  Hang  zur  Ruhe  ents[)ringt  nicht  aus  ."arbeits- 


scheu, sondern  aus  einer  fast  glücklieb  zu  nennen- 
den Bedürfnisslosigkeit,  welche  die  Arbeitsleistung 
naturgeraäss  stark  beeinflusst,  dann  aus  der 
orientalischen  fatalistischen  Weltanschauung  und 
nicht  zum  geringsten  Tbeile  auch  aus  den  klimati- 
schen Verhältnissen.  Der  Orientale  liebt  vor 
Allem  die  Ruhe,  aber  Ruhe  ist  nicht  identisch 
mit  Genuss.  Der  Orientale,  der  den  ganzen  Tag 
auf  seinem  ärmlichen  Teppich  liegt  und  nichts 
thut  als  höchstens  rauchen  und  zwei  oder  drei 
Tassen  Kaffee  trinken,  wobei  er  sein  Nahrungs.^ 
bedürfniss  mit  einigen  Hand  voll  Reis,  Datteln 
oder  Oliven  befriedigt,  ist  in  diesem  Sinne  nicht 
so  genusssüchtig  wie  etwa  ein  enropäischer 
Arbeiter,  der  nach  vollbrachtem  Tagewerk  seine 
Zeitung  liest,  im  Gasthause  einige  Gläser  Bier 
oder  Wein  trinkt,  die  politischen  F'reignisse 
bespricht  und  in  einer  Vereinsversammlung  sociale 
Predigten  anhört.  In  den  Glanzzeiten  des  Orients 
war  die  Lebensweise  allerdings  eine  üppige,  sie 
war  reich  an  irdischen  Genüssen,  alles,  was  die 
Sinnenlust  zu  erregen  vermochte,  wurde  geboten, 
aber  heute  ist  der  Orient  arm,  die  Lebensweise 
ist  im  Allgemeinen  kärglich  zu  nennen  und  das 
schrankenlose  Genussleben,  wie  es  die  märchen- 
getränkte Phantasie  des  Abendlandes  sich  vor- 
spiegelt, e.xistirt  höchstens  noch  für  einige  Wenige 
mit  Glücksgütern  gesegnete  Feudalherren,  die  es 
aber  auch  schon  vorziehen  ihre  Genüsse  im  Abend- 
lande zu  suchen. 

Betrachtet  man  die  Summe  von  Genussmitteln, 
welche  selbst  dem  ärmeren  Europäer  daheim 
geboten  ist,  und  von  welchen  ihm  eine  grosse  An- 
zahl bereits  zum  Lebensbedürfnisse  geworden  ist, 
so  erscheint  der  Morgenländer  dagegen  überaus 
genügsam  und  bescheiden.  In  gewissem  Sinne  ist 
der  Orientale  aber  trotzdem  genusssüchtiger  als 
sein  abendländischer  Gefährte,  denn  die  von  ihm 
gebrauchten  Genussmittel  haben  fast  ausschliess- 
lich nur  den  Zweck,  Genuss  zu  verschaffen,  während 
der  europäische  Arbeiter  häufig  geradezu  ge- 
zwungen ist,  solche  Mittel  wie  z.  B.  alkoholische  Ge- 
tränke anzuwenden,  um  sich  die  Kraft  zum  Weiter- 
ringen in  dem  allgemeinen  Wettkampfe  unserer 
Zeit  zu  erhalten.  Die  'IVicbfeder  zur  Benützung 
der  Genussmittel  ist  hier  nicht  allein  in  dem 
Genüsse,  den  sie  schaffen,  zu  suchen,  sie  haben 
vielmehr  eine  durch  die  ganze  Lebensweise  und 
die  klimatischen  Verhältnisse  bedingte  sehr  hohe 
Bedeutung  für  die  Arbeitsfähigkeit  und  das  Wohl- 
befinden des  Menschen.  Nur  zu  häufig  sollen  diese 
Stoffe  als  physiologische  Nervenreize  wirken,  die 
das  durch  Arbeit  hervorgerufene  Schwächegefühl 
der  Muskeln  und  Nerven,  das  sich  als  Ermüdung, 
Erschlaffung  äussert,  für  einen  Augenblick  be- 
seitigen und  durch  künstliche  Erregung  zu 
grösserer  Arbeitsleistung  anspannen  soll.  So  wirkt 
ein  Glas  Branntwein  auf  einen  mit  Ein-  und  Aus- 
laden hart  arbeitenden  Fuhrmann  genau  wie  der 
Peitschenschiag,  den  er  seinen  Pferden  gibt :  beides 
hat  den  Zweck,  durch  Erregung  der  Nerven  zu 
grösserer  .Arbeitsleistung  anzuspornen. 


38 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Solchen  Zwecken  dienen  namentlich  Thee, 
Kaffee  und  der  Alkohol  in  seinen  verschiedenen 
Formen.  Der  Verbrauch  dieser  Stoffe  ist  bereits 
in's  Ungeheuere  gestiegen  und  steigt  täglich  mehr, 
weil  das  Bedürfniss  darnach  thatsächlich  wächst. 
Unsere  socialen  Verhältnisse,  unsere  ganze  Lebens- 
weise bedingen  eine  fortwährend  zunehmende  Er- 
schlaffung der  Nerven,  die  nur  durch  künstliche 
Erregungsmittel  den  ebenfalls  stets  wachsenden 
Anforderungen  zu  entsprechen  vermögen,  die  wir 
an   sie   stellen. 

Die  Arbeitsleistung  des  Abendländers  ist, 
seinen  Lebensverhältnissen  entsprechend,  eine 
bedeutend  grössere  als  jene  des  Morgenländers, 
daher  ist  aber  auch  der  Verbrauch  nervenreizecder 
Genussmittel  ein  ungleich  grösserer  bei  jenem  als 
bei  diesem.  Trotzdem  ist  die  Anzahl  von  Genuss- 
mitteln,  welche  der  Orient  bietet,  nicht  gering, 
ja  sie  ist  ebenfalLs  täglich  im  Zunehmen  begriffen, 
in  demselben  Masse  als  die  Cultur  steigt.  Ob- 
wohl nun  die  meisten  Genussmittel  Gemeingut  der 
gesammten  Menschheit  geworden  sind,  so  dass  sie 
heute  bei  keinem,  noch  so  niedrig  stehenden  Volke 
zu  vermissen  sind,  und  die  meisten  derselben  sich 
auf  einige  wenige  Typen  zurückführen  lassen,  so 
sind  die  Formen,  unter  welchen  sie  auftreten, 
insbesondere  in  jenen  weitläufigen  Gebieten,  die 
man  als  Orient  im  weiteren  Sinne  aufzufassen 
pflegt,  so  mannigfaltig,  dass  es  sich  gewiss  der 
Mühe  lohnt,  eine  Zusammenstellung  der  haupt- 
sächlichsten Genussmittel  des  Orientes  zu  geben, 
was  mit   diesen  Zeilen   eben  versucht  werden   soll. 

Die  heute  bekannten  menschlichen  Genuss- 
mittel sind  sämmtlich  pflanzlichen  Ursprunges. 
Sie  lassen  sich  auf  zwei  Haupttypen  zurück- 
führen :  alkoholische  und  nicht  alkoholische.  Zu 
den  ersteren  müssen  zunächst  die  ausgesprochen 
alkoholhaltigen  Getränke,  also  Branntwein  und 
brantweinartige  Flüssigkeiten,  dann  Wein  und 
weinartige,  sowie  Bier  und  bierartige  Getränke 
gerechnet  werden.  Zu  den  nicht  alkoholischen 
Genussmitteln  gehören  solche,  die  vermöge  ihrer 
Bestandtheile  beim  Rauchen,  Kauen,  Essen,  Trinkf.n 
einen  Nervenreiz  ausüben,  also  Kaffee,  Thee, 
Tabak,  Opium  u.  s.  w.  Viele  dieser  letzteren 
Genussmitteln  verdanken  ihre  Wirkung  hauptsäch- 
lich irgend  einer  organischen  Base,  welche  sie 
enthalten.  So  wirkt  das  Opium  durch  sein  Mor- 
phin, der  Tabak  durch  das  Nicotin,  das  er  ent- 
hält, die  Pituripflanzen  der  Australneger  durch 
das  in  ihnen  enthaltene  Piturin,  der  Fliegen- 
schwamm der  Kamtschadalen  durch  ein  dem 
Atropin  (dem  wirksamen  Princip  der  Tollkirsche) 
ähnliches  Alkaloid.  Andere  wieder,  wie  Haschisch 
Kawa,  Betel  wirken  durch  verschiedene  Harze, 
die  sie  enthalten.  Hiezu  kommt  bei  Stoffen,  die 
zum  Rauchen  verwendet  werden,  noch  die  Wirkung 
von  sich  beim  Verbrennungsprocesse  bildenden 
Picolin-  und  Pyridinbasen,  welche  alle  mehr  minder 
betäubende  Eigenschaften   besitzen. 

Die  physiologische  Wirkung  der  verschie- 
denen   Genussmittel    ist    durchaus    nicht    gleich. 


Während  z.  B.  die  coffeinhältigen  Stoffe,  also 
Thee,  Kaffee,  Guarana  u.  a.  (Cacao  kann  füglich 
auch  dazu  gerechnet  werden,  da  dessen  wirk- 
sames Princip,  das  Theobromin  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Coffein  besitzt)  direct  auf  die 
Muskeln  einwirken,  ist  dies  bei  andern,  wie  'J'abak, 
Opium,  Haschisch  etc.  nicht  der  Fall,  die  Wirkung 
dieser  letzteren  äussert  sich  zunächst  als  eine 
erregende  auf  die  Gehirnthätigkeit,  dann  aber 
setzt  sie  das  Empfindungsvermögen  merklich  herab, 
so  dass  beim  Genüsse  grösserer  Mengen  auch 
gänzliche  Empfindungs-  und  Bewusstiosigkeit  ein- 
treten kann.  f3ie  Wirkung  des  Alkohols  und  aller 
alkoholhaltigen  Getränke  besteht  in  der  Erregung 
des  Gehirns  und  Beschleunigung  des  Blutumlaufes, 
wodurch  eine  raschere  Bluterneuerung  hervor- 
gerufen und  das  Individuum  leistungsfähiger  ge- 
macht wird.  Bei  Genuss  grösserer  Mengen  von 
Alkohol  tritt  auch  hier  wieder  ein  Rückschlag, 
d.   h.   eine   allgemeine   Erschlaffung   ein. 

Bei  übermässigem  Gebrauch  rufen  sämmtliche 
Genussmittel,  auch  die  coffeinhältigen,  Störungen 
im  Organismus  hervor  und  geben  Anlass  zu  ver- 
schiedenen P>krankungen.  Zu  häufiger  Genuss 
von  starkem  Kaffee  z.  B.  bringt  Zittern  hervor, 
Opium-  und  Haschischgenuss  zieht  mit  der  Zeit 
Blödsinn  nach  sich,  fortgesetzter  übermässiger 
Alkoholgenuss  erzeugt  verschiedene  Krankheiten 
des  Magens  und  der  Leber,  schliesslich  Delirium 
tremens. 

Es  ist  bezeichnend  für  den  Orient,  dass  diese 
letztere  Krankheit  dort  äusserst  selten  vorkommt, 
freilich  sind  dafür  die  in  ihrer  moralischen  Wirkung 
vielleicht  noch  mehr  Abscheu  erregenden  Folge- 
krankheiten des  Opium-  und  Haschischgenusses 
dort  zu   Hause. 

Betrachten  wir  nun  zunächst  die  alkoholi- 
schen Getränke ,  die  im  Oriente  gebräuchlich 
sind.  Zur  leichteren  Uebersi'cht  empfiehlt  es  sich, 
dieselben  in  drei  Classen  einzutheilen,  und  zwar 
in  Branntwein  und  branntweinartige,  Wein-  und 
weinartige,   Bier  und   bierartige. 

Unter  den  dem  Oriente  eigenthümlicben 
Branntweinen  ist  am  bemerkenswerthesten  der 
Arak,  auch  Rak,  Araki,  Arrak  genannt.  Der 
eigentliche  Arak  ist  ein  aus  Reis  erzeugter  Brannt- 
wein, aber  was  unter  diesem  Namen  in  den 
Handel  kommt,  erweist  sich  oft  sehr  verschieden. 
Im  weiteren  Sinne  ist  das  Wort  Arak  oder  Raki 
im  ganzen  Oriente  überhaupt  die  Bezeichnung 
für  Schnaps,  selbst  bei  den  slavischen  Völkern 
der  Balkanhalbinsel  bis  zu  den  Rumänen  („Ra- 
chiu")  ist  dieser  Name  allgemein  verbreitet.  An 
der  Malabarküste  wird  der  vergohrene  Zucker- 
saft der  Blüthenstände  einiger  Palmenarten,  den 
man  Toddy  nennt,  der  Destillation  unterworfen 
und  das  Destillat  als  Arak  bezeichnet.  Auf  Java 
und  in  Jamaika  wird  zu  dessen  Bereitung  eine 
vergohrene  Reismaische  als  Grundlage  genommen 
und  diese  mit  Toddy  (Palmwein)  oder  mit  Toddy 
und  Melasse  versetzt,  vergohren  und  destillirt. 
Nach    Europa    wird    hauptsächlich    der    Batavia- 


OESTERRBICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


39 


Arak  (Mandarinen-Arak)  ausgeführt,  welcher  für 
den  beste.-n  gehalten  wird.  Minder  gut  ist  der 
Goa-Arak ,  geringe  Sorten  sind  Ceylon-  und 
Pariah-Arak,  die  aus  Frucht-  und  Baumsäften 
unter  Zusatz  scharfer,  aromatischer  Stoffe  (i'feffer, 

IHanf,  Stechapfelsamen  etc.)  gewonnen  und  im 
l'-rzeugungsgebiete  selbst  verbraucht  werden.  In 
Java  beschäftigen  sich  hauptsächlich  eingewan- 
derte Chinesen  mit  der  Erzeugung  von  Arak  und 
befolgen  dabei  zumeist  die  Methode,  das  erste 
Destillat  durch  weitere  Destillation  zu  reinigen, 
wodurch    in   den  späteren  Destillaten  der  Alkohol- 

Bgehalt  steigt  und  das  Aroma  feiner  wird ;  sie 
unterscheiden  hauptsächlich  drei  Sorten,  welche 
sie  I.  Sichew,  2.  Tampo,  3.  Kiji  nennen.  Echer, 
feiner  Arak,  bildet  eine  farblose  oder  schwach 
gelbliche,  klare  Flüssigkeit  von  lieblichem  Aroma 
und   ist  ein   sehr  angenehmes  Getränk. 

In  I'urkestan  wird  Arak  aus  Gerste  und 
Hirse  bereitet,  in  Persien,  Mesopotamien  und 
Syrien  aus  Datteln,   in  Egypten  aus  verschiedenen 

B  Palmen.  Hier  wird  zumeist  ein  Zusatz  von  Stern- 
anis oder  Fenchel  gemacht,  wodurch  das  eigentliche 
Aroma  des  Getränkes  verloren  geht.  Die  heute  im 
Gebiete  des  Mittelmeeres,  besonders  in  den  Küsten- 
städten unter  dem  Namen  Arak  verkauften  Brannt- 
weine sind  jedoch  fast  ausschliesslich  europäisches 
Fabrikat  und  werden,  namentlich  von  Frankreich 
aus,  in  Blechgefässen  und  Blechkisten  in  grosser 
Menge  eingeführt.  Natürlich  besteht  dieses  Kuost- 
product  aus  gewöhnlichem  Alkohol,  der  durch 
etwas  Zusatz  von  Zucker  und  Anis  möglichst 
mundgerecht  gemacht  wird,  meistens  aber  nicht 
einmal  fuselfrei  ist.  In  Tunis  wird  aus  Datteln 
und  Feigen  mit  Zusatz  von  Sternanis  ein  dem 
persischen  und  syrischen  Arak  ähnlicher  Brannt- 
wein erzeugt,  der  jedoch  den  Namen  Bucha  führt; 
ein  Kriterium  der  Echtheit  soll  der  Umstand  sein, 
dass  die  Bucha  bei  Zusatz  von  Wasser  milch- 
weiss  wird,  das  französische  Kunstfabrikat  wird 
aber  in  Folge  seines  Gehaltes  an  ätherischem 
Anisöl  natürlich  auch  milchig,  so  dass  diese 
Probe  ganz  unzuverlässig  ist.  In  Marokko  und 
in  der  Sahara  erzeugt  man  ebenfalls  einen  Dattel- 
s(hna])s,  welcher  hier  Machia  genannt  wird.  Der 
echte  Dattel-  oder  Feigenbranntwein  ist  ebenso 
wie  der  echte  Reisarak  ein  mildes,  angenehmes, 
völlig  fuselfreies  Getränk.  Demselben  ähnlich  ist 
ein  namentlich  in  Persien  aus  Rosinen  destillirter 
Branntwein. 

In  allen  Dattelländern  wird  aus  dem  überaus 
zuckerreichen  Safte  der  Dattelpalme,  welcher  auch 
auf  Zucker  verarbeitet  wird,  durch  Gähren  der 
bekannte  Palmwein  (Toddy)  und  aus  diesem  durch 
Destillation  Arak  gewonnen;  ferner  wird  aus  dem 
unreifen,  milchigen  Endospcrm  (Sameneiweiss)  der 
Cocosnüsse,  welches  frisch  angenehm  kühlend 
schmeckt,  durch  Zertiuetschen,  Gährenlassen  und 
Destilliren  ebenfalls  Branntwein  erzeugt,  der  in 
Zanzibar  den  Namen   Tempo  führt. 

In  einigen  Gegenden  .Afrikas  wird  aus  den 
Beeren    des  Frdbeerbaumes    (.'\rbutus   uneda  L.) 


ein  Arbuce,  Arctrobe  genannter  Schnaps  erzeugt. 
Der  Mahwobaum  oder  Butterbaum  (Bassia  L.  zur 
Gattung  des  Sapoteen  gehörig)  liefert  ebenfalls 
branntweinartige  Getränke.  In  Ostindien  bilden 
die  geniessbaren  zuckerreichen  Blüthen  von  Bassia 
longifolia  L.  eines  der  wichtigsten  Nahrungsmittel 
der  Eingeborenen  und  werden  getrocknet  auch 
zur  Bereitung  eines  Schnapses  verwendet.  la 
Westafrika  liefert  Bassia  Parkii  Hassk.  einen  vege- 
tabilischen 'l'alg,  im  Handel  unter  dem  Namen 
Galambutter,  Baml)ukbutter  bekannt,  und  ausser- 
dem ein  branntweinartiges  Getränk  Mahuari,  das 
in  anderen  Gegenden  unter  demselbeo  Namen  aus 
Bananen  erzeugt  wird. 

In  Ab(rssinien  ist  der  Araki,  ein  l?ranntwein 
von  25 — 28  Percent  Alkoholgehalt,  der  aus  Honig, 
zerkleinerter  Gerste  und  Fenchdsamen  hergestellt 
wird,  gebräuchlich. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  orientalischen  Brannt- 
weine wird  jedoch  aus  Reis  erzeugt,  so  in  Süd- 
afrika der  Guarazo,  auf  Borneo  der  Towak,  in 
Japan  der  Saki,  in  Siam  der  Watky,  dessen  Name 
die  Verwandtschaft  mit  dem  russischen  Wudki 
nicht  verläugnen  kann.  Der  letztere  wird  übrigens 
ebenfalls  aus  Reis,  zum  Theil  auch  aus  Weizen 
und  anderen  Getreidearten  erzeugt.  Der  Raki  in 
Griechenland  ist  ursprünglich  auch  ein  Reisschnaps 
gewesen,  wird  jedoch  heute  schon  grösstentheils 
aus  billigeren  Stoffen  erzeugt.  Erwähnung  verdient 
noch  die  auf  der  Balkanhalbinsel  und  in  Egypten, 
zum  Theil  auch  in  anderen  Gebieten  des  Mittel- 
meeres vorkommende  Mastika  oder  Mastik,  ein 
arakartiger  Schnaps,  der  durch  einen  Zusatz  des 
feinen  Mastixharzes  aromatisirt  wird,  welcher 
Zusatz  aber  bei  den  geringen  Sorten  gewöhnlich 
unterbleibt.  Ferner  die  Zuica,  ein  schwacher 
Pflaumenschnaps,  in  Rumänien  und  theilweise  auch 
in  den  Balkanländern  bekannt.  In  Palästina  er- 
zeugen die  Juden  aus  Weinhefe  einen  Brannt- 
wein, den  sie  corrumpirt  Brumpfen  nennen.  Eine 
grosse  Rolle  bei  der  Herstellung  branntwein- 
artiger Getränke  spielt  auch  der  Mais,  aus  welchem 
ebenfalls  verschiedene  alkoholische  Getränke  er- 
zeugt werden,  so  in  Beludschistan  das  Baksuin 
genannte  Getränk,  das  unter  dem  Namen  Seksuin 
auch  in  der  Tatarei  vorkommt.  In  .■\bessynien 
wird  die  Baganis-Dagussa  und  in  Mittelafrika  der 
Pombck  aus  Mais  erzeugt,  aus  den  Berichten  der 
Reisenden  ist  es  jedoch  schwer  zu  entnehmen, 
welcher  Classe  diese  Genussmittel  beizuzählen 
sind.  Jedenfalls  ist  es,  besonders  bei  den  höchst 
primitiv  hergestellten  zahlreichen  berauschenden 
Getränken  der  Negervolker  .Afrikas,  Oberaus 
schwer,  den  Charakter  genau  zu  definiren,  daher 
denn  auch  die  hier  gewählte  Eintheilung  durchaus 
keinen  Anspruch  auf  Vollkommenheit  erheben 
kann. 

Solcher  zweifelhafter  Getränke  gibt  es  noch 
mehrere.  So  kommt  z.  B.  auf  Madagaskar  unter 
dem  Namen  Btisabesse,  und  in  Hindostan  als  Raek 
ein  aus  dem  Safte  des  Zuckerrohres  hergestelltes 
Getränk,  das  theils  als  weinartig,  theils  als  brannt- 


40 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


weinartig  geschildert  wird.  Wahrscheialich  bildet 
es  im  Anfang  einen  Most,  später  eine  Art  Wein, 
aus  weiciiem  dann  zur  besseren  Aufbewahrung 
ein  schnapsartiges  Getränk  hergestellt  wird.  In 
Japan  und  Korea  kommt  unter  dem  Namen  Senele 
ein   aus  Hagedornfrüchten   erzeugtes  Getränk  vor. 

Im  Gebiete  des  Himalaya  wird  von  den  dort 
sesshaften  Völkern  aus  zerschrotteter  und  gegoh- 
rener  Hirse  ein  berauschendes  Getränk  „Afurwa'^ 
erzeugt,  welches  seinen  sonstigen  Eigenschaften 
nach  zu  den  bierartigen  gehört,  jedoch  einen  ziem- 
lich hohen  Alkoholgehalt  aufweist  und  daher  hier 
angeführt  wird. 

Weiters  kommt  in  Westafrika,  im  Congo- 
gebiete  ein  aus  Cacao  erzeugtes  alkoholisches  Ge- 
tränk Melalo  vor,  dann  in  Mittelafrika  das  Mapiri, 
ein  aus  jungen  Hanfpflanzen  hergestelltes,  stark  be- 
rauschendes Getränk. 

Wie  aus  Vorstehendem  zu  ersehen  ist,  gibt 
es  eine  ganz  erkleckliche  Anzahl  specifisch  orienta- 
lischer Getränke,  die  einen  mehr  oder  minder  aus- 
gesprochenen branntweinartigen  Charakter  be- 
sitzen. Hiezu  kommen  noch  in  allen  Gebieten, 
welche  dem  europäischen  Handel  erschlossen  sind, 
die  höchst  zweifelhaften  Kunstfabrikate  Europas, 
welche  theils  als  Cognac,  Rum,  Ratafia  u.  s.  w. 
verkauft  werden,  theils  die  reinen,  einheimischen 
Producte  durch  nur  zu  häufig  geradezu  schädliche 
Kunstfabrikate  ersetzen  sollen.  Der  Verbrauch  von 
Branntweinen  ist  demnach  im  gesammten  Oriente 
kein  geringer,  wenn  er  auch  lange  nicht  jene  Höhe 
erreicht,  wie  in  Europa.  Der  orthodoxe  Mohamme- 
daner verwirft  den  Schnaps  geradeso  wie  den 
Wein,  daher  in  jenen  wenigen  Ländern  des  Islam, 
welche  bisher  dem  europäischen  Handel  noch  nicht 
völlig  erschlossen  wurden,  wie  z.  B.  in  Marokko, 
der  Verbrauch  von  Branntwein  ein  sehr  geringer 
ist  und  sich  vornehmlich  auf  die  gemischte  Bevöl- 
kerung der  Küstenplätze  beschränkt.  Bei  den  Be- 
duinen der  afrikanischen  und  arabisch-syrischen 
Wüsten-Region  ist  der  Branntwein,  wenn  auch 
nicht  unbekannt,  doch  sehr  wenig  in  Gebrauch. 
Freilich  lehrt  die  Erfahrung,  dass,  sobald  die  Han- 
delswege sich  mehren  und  der  europäische  Handel 
in  irgend  einem  Gebiete,  welches  er  noch  nicht  be- 
herrscht, festen  Fuss  fasst,  auch  der  Gebrauch  des 
Feuerwassers  stark  zunimmt,  und  so  wird  auch 
die  Wüstengegend  der  Beduinen  hievon  keine  Aus- 
nahme machen. 

Bekanntlich  gilt  der  Alkohol  als  eine  arabische 
Erfindung,  worauf  schon  der  Name  hindeutet.  In 
der  That  erwähnt  eine  aus  dem  XI.  Jahrhundert 
stammende  Schrift  des  arabischen  Arztes  ^te/to^w 
die  Bereitung  von  Alkohol  aus  Wein.  Diese  Kunst 
wurde  aber  unter  den  arabischen  Aerzten  und  Al- 
chemisten  des  Mittelalters  lange  Zeit  hindurch  ge- 
heim gehalten.  Nach  neueren  F'orschungen  soll 
jedoch  schon  im  VIII.  Jahrhundert  von  Marcus 
Graecus  durch  Destillation  von  Wein  Alkohol  in 
sehr  verdünntem  Zustande  gewonnen  worden  sein. 
Dem  gelehrten  Raymund is  Lullus  (1235 — 1315) 
gelang  es  zuerst  durch  Rectification   einen  concen- 


trirten  Alkohol  herzustellen,  aber  die  Erzeugung 
desselben  blieb  noch  lange  Zeit  auf  die  Laboratorien 
der  Alchemisten  beschränkt  und  das  Product  war 
sehr  kostbar.  Erst  1796  gelang  es  Lowitz,  den  Al- 
kohol ganz  rein  herzustellen  und  seit  daher  datirt 
der  grosse  Aufschwung,  den  die  Fabrikation  dieses 
Stoffes  namentlich  in  Europa  genommen  hat.  Der 
arabische  Name  „Alkol"  soll  ursprünglich  in  der 
Bedeutung  von  „Pulver"  in  Gebrauch  gewesen  sein 
und  erst  später  auf  den  Weingeist  übertragen 
worden  sein. 

Die  orientalischen  Länder  beziehen  ihren  Be- 
darf an  Alkohol  fast  ganz  aus  Europa,  nur  in  den 
civilisirten  Gebieten,  wie  in  der  Türkei,  in  Egypten, 
Algerien,  Britisch-Ostindien  u.  a.  wird  Spiritus  im 
Lande  selbst  erzeugt,  doch  ruht  die  Erzeugung 
dieses  Productes  auch  hier  f.ist  ganz  in  den  Händen 
der  Europäer. 

CAPITÄN  BINGER'S  REISE  IM  SUDAN. 

Seit  einer  Reihe  von  Jahren  ist  das  Augen- 
merk der  Welt  auf  Ostafrika  und  die  Befestigung 
der  deutschen  Macht  in  jenem  Theile  des  schwarzen 
Continentes  geheftet.  Mittlerweile  ist  indess  auch 
eine  andere  Culturnation  Europas,  wenngleich 
wenig  beachtet,  nicht  unthätig  geblieben,  ihren 
Einfluss  und  ihr  Machtbereich  in  Afrika  nach 
Kräften  zu  erweitern.  Die  Franzosen  haben  näm- 
lich dort  gleichfalls  an  mehreren  Stellen  festen 
Fuss  gefasst  und  ausgedehnte  Länderstricbe  an 
sich  gebracht.  Nirgends  jedoch  haben  sie  vielleicht 
grössere  Erfolge  errungen  als  in  Senegambien,  wo 
sich  in  aller  Stille  ein  achtunggebietendes  Colonial- 
reich  aufgebaut  hat,  dessen  Machtsphäre  bis  tief 
in  den  mohammedanischen  Sudan  hinein  sich  er- 
streckt. Schritt  für  Schritt  sind  sie  dort  in  der 
Richtung  zu  dem  so  lange  verschleierten  Ober- 
laufe des  Nigir  vorgedrungen,  jenes  Riesenstromes 
des  Westens,  welcher  im  Berglande  der  Man- 
dingo  entspringend,  in  nordwärts  mächtig  ausge- 
krümmten Bogen  bis  in's  Saharagebiet  einschneidet, 
um  dann  wieder  nach  Süden  gewendet  im  Meer- 
busen von  Guinea  mit  einer  der  grössten  Delta- 
mündungen der  Erde  in's  Meer  zu  fallen.  Schon 
vor  einem  Jahrzehnt  wurden  die  langgesuchten 
Nigirquellen  entdeckt,  seither  schoben  die  Fran- 
zosen vom  Senegal  her  ihre  Vorposten  immer 
weiter  gegen  den  oberen  Nigirlauf  vor,  heute 
erheben  sich  an  dessen  Ufern  französische  Schanz- 
werke, die  Uferstaaten  der  Eingeborenen  sind  ver- 
tragsmässig  unter  französischen  Schutz  gestellt 
und  französische  Dampfer  fahren  fast  alljährlich 
hinab  von  Bammako  nach  dem  berühmten  Handels- 
centrum Timbuktu,  dem  langjährigen  früher  so 
selten  erreichten  Reiseziele  so  vieler  Sahara- 
pilger. In  jüngster  Zeit  brachte  fast  jedes  Jahr 
einen  neuen  F'eldzug,  welcher  Frankreichs  Macht 
erweiterte,  denn  fast  unablässig  gab  es  neue 
Feinde  zu  bekämpfen.  Mit  dem  „Almamy"  oder 
geistlich-politischen  Herrscher  von  Segu-Sikoro 
war    man    endlich    nach  langer  Fehde  zur  Ruhe 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRirr    fOr    DEM   ORIENT. 


41 


I 


gelangt,  als  vor  einigen  Jahren  ein  anderer  isla- 
mitischer Em[)orkömmling  mit  dem  Titel  „Samory" 
am  oberen  Nigir  ein  ausgedehntes  Reich  auf- 
richtete, das  sich  nordwärts  l)is  gegen  Segu  er- 
streckt. Aber  auch  der  Samory  bekam  die  Ueber- 
macbt  der  französischen  Waffen  zu  kosten  und 
musste  sich  schliesslich  dazu  verstehen,  in  seiner 
Hauptstadt  Wassuiu  einen  französischen  Unter- 
händler zu  empfangen  und  mit  diesem  einen 
Schutzvertrag  einzugehen.  Afrika  ist  ein  merk- 
würdiger Boden  für  staatliche  Schöpfungen  ;  denn 
auch  der  schwarze  Mensch  hat  seinen  Staat  und 
seine  Politik ;  er  führt  Kriege  um  Macht  und 
Einfluss,  oder  wenn  er  das  Recht  auf  seiner  Seite 
glaubt,  er  schliesst  l'Vieden  und  Verträge,  und 
wenn  er  sie  nicht  hält,  so  ist  dies  eben  nicht 
die  Kluft,  welche  ihn  vom  Weissen  trennt.  Manch 
schwarzes  Genie  weiss  auch  die  Gunst  der  Um- 
stände zu  nützen,  um  seine  Macht  in's  Unglaub- 
liche auszudehnen,  und  ein  Reich  zu  stiften,  das 
aber,  wenn  der  starke  .Arm  erlahmt,  der  es  zu- 
sammenhält, eben  so  rasch  zersplittert,  als  es 
pilzartig  aufgeschossen  ist. 

Zu  dieser  Classe  von  Staatsgebilden,  die  sich 
heben  und  senken  wie  Wogen,  gehört  auch  wohl 
das  neue  mohammedanische  Reich  des  Samory, 
welches  einen  ansehnlichen  Theil  des  fast  noch 
unbekannten  Raumes  zwischen  den  beiden  auf- 
und  absteigenden  Zweigen  des  Nigir  einnimmt. 
Nur  zwei  Reisende,  Rene  Caillie,  1828,  und 
Dr.  Heinrich  Barth,  1854,  hatten  auf  ihren  Wande- 
.  .rungen  Stücke  dieses  grossen  Dreieckes  gesehen, 
Q  'das  im  Süden,  gegen  den  Guineabusen  hin  die 
yBodenschwelle  des  sogenannten  Konggebirges 
abgrenzt.  lirst  in  neuerer  Zeit,  1876,  gelang  es 
dem  kühnen  Franzosen  Bonnat,  von  der  Gold- 
küste her,  den  dort  mündenden  Voltastrom  auf- 
wärts, über  das  Konggebirge  zu  dringen  und  einen 
Vorstoss  nach  dem  wichtigen  Handelsplatze  Sä- 
laga  zu  machen,  welcher  seitdem  wiederholt  von 
Franzosen,  Engländern  und  auch  Deutschen  be- 
sucht worden  ist.  Ja  die  letzteren  drangen  seit 
ihrer  Festsetzung  im  Togölande  noch  weiter  nord- 
wärts :  Dr.  Krause  und  Hauptmann  v.  Francois 
gelangten  bis  in  das  Binnenreich  von  Mossi  oder 
Muschi,  dessen  Name  bislang  völlig  unbekannt 
war,  Krause  überdies  bis  in  die  Nähe  von  Tim- 
buktu.  Dadurch  ward  unsere  Kenntniss  des  so 
lange  unerforschten  Dreiecks  im  Hohlräume  des 
Nigirs  schon  beträchtlich  erweitert.  Die  grösste 
geographische  Heldentliat  in  diesem  Gebiete  des 
moslimischen  Sudans  vollbrachte  indess  der  fran- 
zösische Capitän  /,.  G.  Biuger,  der  kürzlich  durch 
noch  niemals  von  Europäern  betretene  Land- 
striche vom  oberen  Nigir  nach  den  französi- 
schen Besitzungen  an  der  oberen  Guineaküste 
gewandert  ist. 

Selten  war  ein  Reisender  für  seine  Aufgabe 
besser  vorbereitet  als  der  genannte  französische 
Oflicier.  Drei  vorhergehende  Reisen  in  Sene- 
gambien  und  im  französischen  Sudan  hatten  ihn, 
der  dem  unlängst  verstorbenen  Geneial  Faidherbc 


^i 


als  Ordonnanz-Officier  beigegeben  war,  mit  Land 
und  Leuten  vertraut  gemacht.  Auch  die  Sprache 
der  Mandingo  oder  Malinke  war  ihm  geläufig. 
So  ausgerüstet  trat  er  am  20.  Februar  1887  die 
schwierige  Mission  an,  um  die  er  beim  Aus- 
wärtigen Amte  und  dem  Unterstaats-Secretär  der 
Colonien  sich  selbst  beworben  hatte.  Binger  be- 
gab sich  zunächst  nach  Dakar,  dem  bekannten 
französischen  Hafenplatze  an  der  afrikanischen 
Westküste  und  von  da  in's  Innere  nach  dem 
Fort  Bakel  am  Senegal,  wo  er  alle  für  seine 
Expeditif)n  erforderlichen  Veranstaltungen  traf. 
Die  Reise  von  Bakel  nach  Bammako  am  oberen 
Nigir  vollzog  sich  ohne  Zwischenfall ;  die  Strasse 
dahin  schützen  befestigte  I'osten  der  Franzosen, 
welche  mit  ebenso  grosser  Sicherheit  wie  in 
l'Vankreich  selbst  zu  reisen  gestatten.  Von  Bam- 
mako aus  boten  sich  nun  dem  Forscher  zwei 
Wege  :  der  eine  durch  das  Reich  von  Segu,  der 
andere  durch  den  Staat  des  Samory.  Binger  ent- 
schied sich  für  die  letztere  Route,  theils  weil  der 
Samory  den  Franzosen  geneigt  zu  sein  schien, 
theils  weil  ihm  als  nächstes  Ziel  die  noch  nie- 
mals besuchte  Stadt  Kong  vorschwebte  und  er 
auf  diesem  kürzesten  Wege  dahin  nur  geringen 
Schwierigkeiten  zu  begegnen  hoffte.  Leider  war 
dem  nicht  so.  Der  Samory  befand  sich  eben 
damals  im  Kriege  mit  dem  Nachbarkönige  Tieba 
und  belagerte  dessen  Hauptstadt  Sikaso.  Noch 
vor  Wolosebugu,  an  80  km  von  Bammako,  ward 
Capitän  Binger  in  seinem  Marsche  von  den  Leuten 
des  Samory  aufgehalten,  welche  ohne  dessen 
Bewilligung  den  freien  Durchzug  nicht  zu  ge- 
statten wagten.  Einen  ganzen  langen  Monat  musste 
er  auf  die  Rückkehr  eines  nach  Sikaso  abge- 
sandten Boten  harren.  Da  dieser  länger  ausblieb 
als  die  Unterhäuptlinge  jenes  Gebietes  dachten, 
verwandelte  sich  deren  ursprüngliche  Gleich- 
giltigkeit  bald  in  Feindseligkeit,  so  dass  Binger 
es  gerathen  fand,  nach  Bammako  zurückzukehren, 
um  dort  die  Entscheidung  abzuwarten.  Wenige 
Tage  darauf  erhielt  er  einen  lakonisch  gefassten 
Brief  des  Samory,  mit  der  Erlaubniss  zum  Durch- 
zug durch  dessen  Staaten. 

Zum  dritten  Male  kreuzte  also  Binger  den 
Nigir  und  gelangte  ohne  weiteren  Anstand  an  den 
Baule,  den  ersten  rechtseitigen  Nigirzutluss  in  jener 
Gegend.  Dort  erreichte  ihn  ein  zweiter  Briet  des 
Samory,  welcher  ihm  seine  keineswegs  glänzende 
Lage  schilderte  und  um  Unterstützung  von  30 
Soldaten  und  ein  Geschütz  .bat.  Binger  brach 
demnach  mit  seinem  Diener  Diawe  und  einem 
anderen  nach  Sikaso  auf,  nachdem  er  seine  übrige 
Karawane,  18  Esel  und  10  Mann,  nach  Benokho- 
bugula  am  Bagoe  dirigirt  hatte.  Krieg  und  Hungers- 
noth  hatten  den  zu  passirenden  weiten  Länderstrich 
in  ein  weites  Todtenfcld  verwandelt :  überall  ver- 
lassene Dorfschaften,  umherliegende  Leichen.  Sie- 
ben beschwerliche,  fünfzehnstündige  Tagemärsche 
brachten  den  französischen  Capitän  nach  Sikaso, 
einer  Stadt  von  4000 — 5000  Einwohner,  welche 
ein  ungeheuerer  Lehmwall  mit  grossen,  alsBastioncn 


42 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


dienenden  Thürmen  umgibt.  Für  die  Schwarzen  ist 
diese  rohe  Befestigung  immerhin  fast  uneinnehmbar, 
und  es  war  dem  Samory  sogar  nirht  einmal  gelungen, 
Sikaso  vollständig  zu  blokiren,  obgleich  derselbe 
über  ein  Heer  von  1 2.000  Mann  verfügte;  freilich 
war  davon  höchstens  die  Hälfte  mit  Steinschloss- 
flinten bewaffnet ;  der  Rest  bestand  aus  „Griots", 
Weibern  und  Sclaven.  Auch  war  die  Organisation 
dieses  Heeres  ungemein  ursprünglich  ;  die  Anführer 
befehligten  nur  Horden  von  schwankender  Kopf- 
zahl ;  von  taktischer  Gliederung  keine  Spur.  Ringer 
bot  dem  Samory  seine  Dienste  als  Vermittler  bei 
Tieba  an,  da  ersterer  jedoch  in  thörichtem  Dünkel 
ablehnte,  drang  er  in  ihn,  ihn  das  \'erlassen  des 
Kriegsschauplatzes  und  den  Weitermarsch  nach 
Kong  zu  gestatten.  Nur  mit  Mühe  gelang  es  ihm, 
dessen  Widerstand  zu  besiegen  und  endlich  nach 
Henokhobugu  zurückzukehren,  wo  die  Verpflegung 
seiner  Leute  Binger  neue  Schwierigkeiten  bereitete, 
zumal  er  nunmehr  auf  Samory's  Unterstützung  nicht 
weiter  zählen  durfte.  Er  beschloss  daher,  dessen 
Reich  zu  verlassen  und  sich  nach  Tengrela  zu 
wenden,  von  welchem  Orte  er  durch  sieben  starke 
Tagemärsche  getrennt  war.  Ohne  alle  Führer 
machte  er  sich  auf  den  Weg  und  kreuzte  dabei 
dreimal  die  Route  Rene  Caillie's.  Doch  war  es  nicht 
leicht,  aus  Samory's  Reich  in  jenes  Tieba's  zu  ge- 
langen ;  schon  im  Dorfe  Tintschinime  sah  Binger 
sich  von  seinen  zwei  gedungenen  Führern  verlassen, 
und  der  Häuptling  von  Tengrela  Hess  ihm,  ehe  er 
noch  diesen  Platz  erreichte,  bedeuten,  unverweilt 
Kehrt  zu  machen,  falls  es  ihm  nicht  übel  ergehen 
solle.  So  musste  er  eilends  zurück  bis  Tiong-i,  und 
dieser  Zwischenfall  gab  Anlass  zum  Gerüchte  seines 
Todes,  welches  sich  bis  nach  Frankreich  verbreitete. 
Etwa  nach  vierzehntägigem  Aufenthalte  in 
Tiong-i  hatte  Binger  das  Glück,  das  Wohlwollen 
der  Einwohnerschaft  in  der  ganzen  Umgegend  zu 
gewinnen,  und  konnte  nunmehr  den  Bagol  über- 
schreiten, um  sich  bei  den  Senufu  von  Furu  fest- 
zusetzen. Diese  Race  bevölkert  das  Reich  Tieba's, 
ferner  die  Landschaften  FoUona,  Tengrela  und 
selbst  einen  Theil  Worodugus.  Die  Senufu  sprechen 
ein  eigenartiges,  noch  fast  einsilbiges  Idiom,  und 
sind  sehr  fortgeschritten  in  der  Cultur,  in  Viehzucht 
und  der  Kunst  des  Metallausbringens ;  sie  ver- 
fertigen Pfannen,  Oefen  und  dergleichen  aus  Eisen, 
und  ihre  Töpferwaaren  sind  in  der  Art  der  Aus- 
schmückung bemerkenswerth.  In  Furu  musste 
Binger  einen  ganzen  Monat  verweilen,  um  die 
Nachbarstämme  auf  seinen  bevorstehenden  Durch- 
marsch vorzubereiten  und  von  Pegue,  dem  mäch- 
tigen Häuptling  Follonas,  die  Erlaubniss  zum  Be- 
treten seines  Landes  zu  erlangen.  Man  braucht  drei 
Tagemärsche  von  Furu  nach  Follona,  erst  am 
sechsten  Tage  jedoch  erreichte  Binger  die  Haupt- 
stadt Niele.  Er  hatte  dabei  zuletzt  ein  reiches, 
ehemals  mit  Dorfschaften  übersäetes,  aber  damals 
verlassenes  Gebiet  durchwandert.  Der  aber- 
gläubische Pegue  weigerte  sich  zwar,  den  Weissen 
zu  sehen,  von  dessen  Anblick  er  den  Tod  be- 
fürchtete ,      bewies     ihm      jedoch      seine       wohl- 


wollenden Absichten  ,  indem  er  den  am  Gallen- 
fieber Erkrankten  täglich  Lebensmittel  zustellen 
und  ihn  schliesslich  sogar  bis  Kanniera,  der  Resi- 
denz Yamory-Wattara's,  geleiten  Hess,  eines  Häupt- 
lings des  Konglandes.  Zwischen  letzterem  und 
Follona  sciess  Binger  zum  ersten  Male  auf  ein  Ge- 
wässer, das  südwärts  floss.  Erhielt  dasselbe  vorerst 
für  einen  Zweig  des  Volta,  überzeugte  sich  aber 
später,  dass  es  der  westliche  Arm  des  Comoe  sei, 
eines  Flusses,  der  bei  Gross -Bassam  in  den  Guinea- 
busen mündet.  Seine  Quellen  liegen  in  der  Luft- 
linie am  500  km  östlich  von  Bammako  und  fast  in 
der  nämlichen  Breite.  Dort,  wo  Binger  ihn  über- 
schritt, war  er  schon  40  m  breit  und  trotz  des 
niedrigen  Wasserstandes  noch  i  m  tief.  Dieser 
Fluss  scheidet  die  Senufulande  von  einem  Gebiete, 
das  ein  Conglomerat  von  acht  verschiedenen  Racen 
bewohnt;  sie  alle  sind  wenig  oder  gar  nicht  be- 
kleidet und  reden  »Sprachen,  die  unter  einander 
keinerlei  Verwandtschaft  oder  Aehnlichkeit  haben. 
Sie  flüchteten  in  diese  ausgebrannte,  granitische 
Region,  bedrängt  wie  sie  sind  von  gesitteteren 
schwarzen  Stämmen,  die  aus  Süden  und  Westen 
gekommen  waren.  Das  merkwürdigste  dieser  Völker 
sind  die  Mboin,  deren  ganze  Tracht  sich  auf  einen 
kegelförmigen  Strohhut,  bei  den  Männern  mit 
schmalem,  bei  den  Weibern  mit  breitem  Rande,  be- 
schränkt. Wenn  letztere  „bekleidet"  sind,  so  be- 
sorgt ein  Blätterbüschel  den  ganzen  Toilettenauf- 
wand. Als  Schmuck  tragen  beide  Geschlechter  in 
der  durchbohrten  Unterlippe  ein  Stück  blauen 
Glases,  manchmal  auch  blos  ein  Blatt.  Der  Häupt- 
ling Yamory  empfing  unseren  Reisenden  sehr 
freundlich  und  stellte  seinen  Sohn  Sabana  zu  dessen 
Verfügung,  um  ihn  nach  Kong  zu  geleiten,  von 
welchem  wichtigen  Platze  ihn  nur  der  Lauf  des 
oben  erwähnten  Comoe  und  ein  siebentägiger 
Marsch  in  Südostrichtung  trennten. 

Zwei  Stunden  vor  Kong  machte  sich  schon 
die  Annäherung  an  einen  grossen  Verkehrs- 
mittelpunkt fühlbar  ;  die  Kette  des  Konggebirges 
jedoch,  welches  auf  den  meisten  Karten  prangt, 
hat  nach  Binger's  Versicherung  niemals  anders 
als  in  der  Einbildung  schlecht  unterrichteter 
Reisender  bestanden.  Der  französische  Officier 
bestätigt  somit  die  Beobachtungen  seiner  wenigen 
Vorgänger,  wie  Duncan  und  Skertchley.  Tag  für 
Tag,  gerade  ein  Jahr  nach  seiner  Abfahrt  von 
Bordeaux,  am  20.  Februar  1888,  hielt  Capitän 
Binger  auf  einem  bescheidenen  Reitochsen  seinen 
Einzug  in  das  noch  niemals  von  einem  Europäer 
besuchte  Kong,  dessen  Bevölkerung  reinlich  und 
wohl  gekleidet,  weder  feindlich  noch  freundlich 
gesinnt,  aber  ungemein  begierig  erschien,  den 
Weissen  zu  sehen.  Alle  Dächer,  Strassen,  Bäume 
und  Plätze  waren  mit  Menschen  dicht  besetzt. 
Feierlich  ward  unser  Franzose  vom  König  des 
Landes  Karamokho-Ale  und  seinen  Freunden  so- 
wie von  dem  Oberhaupte  der  Stadt  Diarawary 
und  seinen  Beamten  empfangen.  Neben  diesen 
beiden  höchsten  Würdenträgern  gibt  es  in  Kong 
auch   einen   Imam,   ein   geistliches  Oberhaupt,   d.is 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIrT    FÖR    DEM   ORIENT. 


43 


nebst  den  C'ultusanjjelcjjenlieiten  auch  das  in 
diesem  Lande  sehr  fortgeschrittene  Unterrichts- 
wesen unter  sich  hat.  In  Kong  selbst  gibt  es 
wenige  Illiteraten;  alle  schreiben  arabisch  und 
legen  den  Koran  aus,  ohne  jedoch  so  fanatisch 
wie  die  Fulbe  oder  Fiilah  und  besonders  als  die 
Araber  zu  sein.  Der  Mandel  steht  in  hoher  Bliithe, 
und  auf  dem  Marktplatze  geht  es  zu  wie  auf 
einem  Jahrmarkte ;  nebst  allem  erforderlichen 
Lebensbedarf,  einschliesslich  frischen  Fleisches 
kann  man  sich  hier  auch  europäische  Artikel 
verschaffen,  welche  von  der  Guineakiiste  kommen, 
wie  Zeuge,  Waften,  Scliiessbedarf,  Quincaillerien 
und  dergleichen.  Als  Geld  dient  die  Kaurimuschel, 
auch  Goldstaub  aus  den  Landschaften  Lobi, 
Bonduku,  Nienegue  und  Gurunsi.  Die  einheimische 
Gewerbsthätigkeit  erzeugt  Cotonnaden,  welche 
als  die  besten  im  ganzen  Mündungsgebiete  des 
Nigir  unil  bis  nach  Asante  und  zur  Goldküste, 
hin  gelten.  Daneben  bestehen  Indigofiirbereien 
und  Pferdezucht.  Während  seines  Aufenthaltes 
in  Kong  wusste  Capitän  Binger  sich  Itinerare 
nach  dem  im  Norden  befindlichen  Reiche  Mossi 
und  einen  Geleitsbrief  nach  Robo-Diulasu  zu 
verschaffen,  das  zwanzig  Tagemärsche  nördlich 
von  Kong  liegt;  von  da  gedachte  er  dann  in 
schräger   Richtung   Woghodugu   zu   gewinnen. 

Nachdem  der  Capitän  am  12.  März  zwei  seiner 
Leute  nach  Bammako  zurückgesandt  hatte,  um 
Nachrichten  von  seinem  Vormarsche  dahin  ge- 
langen zu  lassen,  b.rach  er  selbst  mit  einem  an 
alle  Moslemin  gerichteten  ICmpfehlungsschreiben 
und  einem  Gefolge  von  sieben  Mann  nebst  zehn 
Ftseln  nach  den  Norden  auf.  Diese  Reise  ge- 
stattete ihm  eine  Strecke  des  Comoelaufes,  so- 
wie jenen  einiger  Voltazuflüsse  aufzunehmen, 
doch  entging  er  nur  Dank  der  Kaltblütigkeit 
zweier  alten  mohammedanischen  Greise  aus  Kong 
einem  geplanten  Mordversuche  ,  was  ihn  zu 
einigem  Verweilen  bei  den  Tiefo  und  den  Bobo 
nöthigte.  Im  Lande  der  letzteren  liegt  Sia  oder 
Bobo-Diulasu ,  halbwegs  zwischen  Kong  und 
Dschenne,  ein  wichtiger  Knotenpunkt  mit  etwa 
3000 — -4000  lunwohnern.  Fremde  Händler  bringen 
Salz  dahin,  um  es  gegen  Kolanüsse,  Gewebe 
und  Gold  einzutauschen.  Bobo-Diulasus  Markt 
gleicht  jenem  von  Kong  und  wird  von  diesem 
Platze,  ferner  von  Kintampo,  Buna,  Dschenne, 
Sofurula  und  Woghodugu  aus  versorgt.  Von  hier 
wandte  sich  Hinger  durch  die  Landschaft  Niene- 
gue und  die  Gebiete  der  Bobo-Diula  und  Sommo 
nach  Wahabu,  der  Residenz  des  mächtigsten 
Häuptlings  in  Daftna.  Der  crasse  Aberglaube 
der  Bewohner  erschwerte  ungemein  den  Durch- 
zug für  den  Franzosen,  welcher  allgemein  für 
einen  Zauberer  und  ein  bösartiges  Wesen  ge- 
halten wurde.  In  dieser  Gegend  entspringt  der 
bedeutendste  QuelKluss  des  Volta  aus  zwei  etwa 
20  tn  breiten  Gewässern;  sie  fliessen  vereinigt 
dann  im  Bogen,  ehe  sie  die  Südrichtung  durch 
die  goldreichen  Gebiete  von  Nienegue  und  Gu- 
runsi  einschlagen.   Durch   letzteres  Land  gelangte 


Binger  nach  dem  Reiche  Mossi,  das  er  in  völliger 
Zerrüttung  fand;  Haussa-  und  Sonrhayborden 
hatten  dasselbe  völlig  verheert.  Nur  mit  den 
Waffen  in  der  Hand  und  unter  Anwendung  der 
äussersten  Vorsicht  konnte  Binger  diese  höchst 
unsichere  Gegend  durchwandern  und  nicht  ohne 
dass  ihm  in  Lava  dennoch  vier  seiner  Esel  ge- 
stohlen wurden.  Dagegen  fand  er  in  dem  Dorfe 
Ranema  bei  Bukary-Naba  dem  Bruder  des  Königs 
und  Thronfolger  von  Mossi,  die  königlichste 
Aufnahme,  welche  ein  schwarzer  Häuptling  einem 
Weissen  zu  Theil  werden  lassen  kann.  .Auch 
Naba-Sanom,  Mossi's  Herrscher,  empfing  unsere 
Franzosen  auf  das  huldvollste  als  zu  Wogho- 
dugu sich  die  Nachricht  vom  Herannahen  einer 
militärischen  Expedition  der  Deutschen  ver- 
breitete, die  von  Togo  aus  den  Volta  aufwärts 
zog.  Die  Schwarzen  Woghodugus  meinten  sich 
dadurch  von  einem  Einfalle  der  Weissen  be- 
droht, brachen  die  Verhandlungen  ab,  welche 
Binger  wegen  Abschluss  eines  Schutzvertragrs 
mit  ihnen  begonnen  hatten,  und  rietben  ihm,  zu 
Bukary-Naba  zurückzukehren.  Seine  Absicht,  die 
eigenen  Arbeiten  mit  jenen  Barth's  zu  verbinden, 
musste  er  also  sehr  wider  Willen  aufgeben  und 
trachten,  durch  Gurunsi,  Mampursi  und  Dagomba 
Sälaga  zu  gewinnen.  Hatte  der  Aufenthalt  in 
Mossi  auch  blos  einen  Monat  gedauert,  so  konnte 
Binger  sich  doch  überzeugen,  dass  dies  Land 
eine  schöne  fruchtbare  Ebene  sei  und  wie  ge- 
schaffen zur  Rinderzucht,  welche  in  der  That  in 
hoher  Blüthe  steht.  Daneben  gibt  es  eine  Menge 
Esel,  aber  weniger  Pferde.  Der  Gcwerbefleiss 
der  Einwohner  liefert  blos  einige  Flecbtwaaren 
und   weisse,  sehr  wohlfeile  Cotonnaden. 

Bukary-Naba  empfing  den  französischen  Rei- 
senden abermals  sehr  freundlich  und  schenkte 
ihm  sogar  zur  Ehe  drei  junge  Weiber,  die  er 
jedoch  an  seine  Diener  vermählte ;  dagegen  ver- 
mochte er  für  die  Weiterreise  keine  Führer  auf- 
zutreiben, seine  Empfehlungsbriefe  konnten  ihm 
nur  noch  in  den  nächsten  zwei  Tage  dienen, 
denn  dann  stosst  man  auf  keine  Moslemin  mehr 
bis  Wal-Wale  in  Mampursi.  Wegen  der  feind- 
seligen Stimmung  der  Bewohner  benöthigte  Binger 
bis  dahin  achtzehn  höchst  beschwerliche  Tage- 
märsche bei  schmaler  Kost  und  unter  der  stetigen 
Gefahr  eines  Ueberfalles.  Krank  und  erschöpft 
erreichte  er  Wal-Wale,  dessen  Einwohner  ihm 
viel  Uneigennützigkeit  bewiesen;  doch  strebte  er 
ehebaldigst  nach  Sälaga,  der  schmutzigsten  Stadt, 
die  er  je  besucht  hat.  Dieser  wichtige  Handels- 
platz zählt.  6000  Einwohner,  besitzt  aber  kein 
trinkbares  Wasser,  und  wegen  der  herrschenden 
Miasmen  ist  der  Aufenthalt  daselbst  für  die  Euro- 
päer, ja  selbst  für  die  Eingeborenen  ungemein  ge- 
fährlich. Von  Sälaga  wandte  sich  Binger  auf  dem 
rechten  Voltaufer  durch  das  nördliche  Asante 
nach  Kintampo  und  erreichte  nur  mühsam  durch 
sumpfiges  Waldland  Konkrosu,  wo  die  Wege 
nach  Okwawu  sich  abzweigen.  Binger  findet  nicht 
Worte   genug,  um  die  IJeppigkeit  des  Baum-  und 


44 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


Pflanzenwuchses  in  diesem  Theile  Afrikas  zu 
schildern.  Kintampo,  das  3000  Einwohner  zählt, 
könnte  unter  den  Händen  der  Europäer  ein 
wahres  Paradies  werden.  Von  hier  wollte  Binger 
sich  auf  dem  kürzesten  Wege  nach  Bonduku  be- 
geben, fand  aber  diese  Route  über  den  Tainfluss 
und  durch  Fugula  in  Folge  kürzlicher  Kriegs- 
verheerungen unpassirbar.  Er  musste  demnach 
nach  dem  Diammaralande  sich  wenden  und  zweimal 
den  -Volta  überschreiten,  ehe  er  nach  Bonduku 
gelangte,  wobei  er  jedoch  den  ansehnlichen  Ge- 
birgsstock  untersuchen  konnte,  welcher  den  Volta 
zwingt,  seine  nordsüdliche  Richtung  gegen  eine 
westöstliche  zu  vertauschen.  In  Bonduku,  einer 
Stadt  von  3000 — 4000  Einwohnern,  weilte  nun  seit 
etwa  vierzehn  Tagen  ein  Landsmann  Binger's, 
Herr  Treich  -  Lapicne,  welchen  die  besorgte 
Heimat  ihm  von  der  Guineaküste  aus  zur  Unter- 
stützung entgegengesandt  hatte.  Da  er  den  Ge- 
suchten in  Bonduku  nicht  antraf,  hatte  Treich- 
Laplene  sich  inzwischen  nach  Kong  begeben, 
das  von  Bonduku  neunzehn  Tagemärsche  entfernt 
ist.  Auch  Binger  zog  wieder  dahin,  musste  aber, 
da  er  sein  letztes  Pferd  eingebüsst  hatte,  den 
ganzen  Weg  zu  Fuss  zurücklegen.  Bis  zum  Comoe 
folgte  er  der  Route  Treich-Laplene's,  dann  aber 
durchzog  er  das  ungemein  goldreiche  Gebiet  von 
Samata,  welches  von  40 — iio  w  hohen  Hügeln 
bedeckt  ist.  Auch  auf  dem  700  m  hohen  Tafel- 
lande von  Kong  gibt  es  goldführende  Quarz- 
gänge. 

Nach  elfmonatlicher  Abwesenheit  hielt  Capitän 
Binger  am  5.  Jänner  1889  wieder  seinen  Einzug 
in  Kong,  wo  er  mit  Herrn  Treich-Laplene  zu- 
sammentraf und  bei  der  Bevölkerung  die  beste 
Aufnahme  fand.  Wenige  Tage  darauf  unter- 
zeichnete er  mit  König  Karamokho-Ule  einen 
Vertrag,  welcher  dessen  Reich  unter  französischen 
Schutz  stellte ,  dem  französischen  Handel  mit 
Ausschluss  aller  anderen  Nationen  namhafte  Be- 
günstigungen sicherte  und  sowohl  Missionäre  als 
französische  Kaufleute  zur  Niederlassung  im  Lande 
ermächtigte.  Im  Vereine  mit  dem  Vertrage,  welchen 
Capitän  Septans  einige  Monate  zuvor  in  Bammako 
mit  König  Tieba  und  Treich-Laplene  zu  Bonduku 
abgeschlossen  hatten,  war  somit  eine  Verbindung 
zwischen  den  französischen  Besitzungen  am  oberen 
Nigir  und  jenen  an  der  Goldküste  hergestellt.  Das 
sehr  ausgedehnte  Kongland  erstreckt  sich  über 
nahezu  drei  Grade  der  Länge  und  Breite  bis 
etwa  250  km  südlich  von  Dschenne.  Dann  sandte 
Binger  einen  Theil  seines  Gefolges  nach  Bam- 
mako zurück,  während  er  selbst  mit  Treich- 
Laplene  südwärts  nach  der  Guineaküste  zog.  Auf 
dem  Wege  dahin  besuchte  er  die  Landschaft 
Dschimini  und  beweg  deren  Herrscher  zum  Ab- 
schlüsse eines  für  Frankreich  ebenso  vortheil- 
haften  Vertrages  wie  jener  von  Kong.  Die  Ein- 
wohnerschaft von  Dschimini  ist  sehr  friedlich  und 
baut  viel  Indigo  und  Baumwolle,  erzeugt  auch 
baumwollene  Decken,  sowie  weiss-  und  blau- 
gestreifte Zeuge,    welche    gegen   Eisen    und   Salz 


ausgeführt  werden.  An  Dschimini  grenzt  die 
Landschaft  Anno,  bei  den  Malinke  Mangotu  ge- 
nannt, ein  schmaler  Länderstreifen  auf  dem  linken 
Comoeufer  bis  zum  Indenieflusse;  die  Einge- 
geborenen  scheinen  die  Gan  zu  sein,  welche  sich 
mit  Acker-  und  Landbau  beschäftigen,  während 
die  zahlreichen  Mande-Duila  hauptsächlich  Handel 
treiben.  In  Auabu,  der  Residenz  des  Königs 
Komona-Guin  von  Anno,  gelang  es  den  beiden 
Franzosen,  diesen  Herrscher  gleichfalls  zum  Ab- 
schlüsse eines  vortheilhaften  Schutzvertrages  zu 
bewegen,  der  überdies  den  Franzosen  das  alleinige 
Recht  der  Schifffahrt  auf  dem  Comoe  gewährt. 
Krankheit  und  Erschöpfung  setzten  Binger  ausser 
Stand  zu  marschiren ;  er  liess  sich  daher  zum 
Comoe  tragen,  erkundete  mit  Treich-Laplene  den 
richtigen  Lauf  des  .^ttakru  und  gelangte  nach 
zwanzigtägiger  Wanderung  nach  dem  Dorfe  Bettie, 
bei  dessen  freundlichem  Häuptling  die  Reisenden 
sich  einigermassen  von  ihren  Beschwerden  erholen 
konnten.  Ueber  Malamalasso  und  Ale|)e  erreichten 
sie  endlich  die  französischen  Factoreien  zu  Gross- 
Bassam  an  der  Guineaküste,  wo  eine  der  denk- 
würdigsten Wanderungen  auf  afrikanischer  Erde 
ihren   Abschluss  fand.  F.  v.  H. 


DIE  DEUTSCHEN  SCHUTZGEBIETE  BEI  BEGINN  DES 
JAHRES  1890. 

(Fortsetzung.) 
Deutsch-  Ostafrika. 

Deutsch- Ostafrika  hat  unter  den  Kämpfen,  die 
dort  in  der  letzten  Zeit  mit  den  Eingeborenen  ge- 
führt werden  mussten,  schwer  zu  leiden  gehabt. 
Die  aufständischen  Araber  waren  bis  zum  vorigen 
Sommer  im  Besitz  der  ganzen  Küste,  mit  Aus- 
nahme zweier  Plätze,  die  Beamten  der  Ostafrikani- 
schen Gesellschaft  waren  vertrieben,  die  See- 
blockade, welche  gegen  den  Sclavenhandel  und 
die  Waffenzufuhr  errichtet  war,  konnte  an  den 
Verhältnissen  auf  dem  Festlande  nichts  ändern. 
Die  ersten  Operationen  Wissmann's,  der  am 
31.  März  in  Sansibar  eintraf,  fanden  am  Kingani 
im  Hinterlande  von  Bogamoyo  statt.  Bis  Ende 
October  war  die  Aufgabe  der  Wissmann'schen 
E^xpedition,  die  Küste  vom  äussersten  nördlichen 
Punkt  der  deutschen  Interessensphäre  bis  Pangani 
aufzuklären,  gelöst.  Die  Bevölkerung  war  beruhigt 
und  der  Beweis  geliefert,  welch  grosse  Vortheile 
das  energische  H^ingreifen  im  Gefolge  gehabt  hatte. 

Es  erübrigt  nun  noch  die  Zurückeroberung 
des  südlichen  Theiles  der  Küste,  der  sich  noch 
in  Gewalt  der  Aufständischen  befindet.  Was  den 
Widerstand  im  Süden  betrifft,  so  sollen  die  vor- 
läufigen Recognoscirungen  ergeben  haben,  dass 
die  Aufständischen  dort  nicht  nur  viel  zahlreicher 
sind  als  im  Norden,  sondern  dass  sie  auch  ver- 
hältnissmässig  feste  Stellungen  besitzen,  die  ohne 
artilleristischen  Angriff  nicht  genommen  werden 
können.  Von  dem  Bestände  der  Wissmann'schen 
Truppenmacht,  der  sich  zu  Anfang   d.  J.   auf  etwa 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FOR    DEN   ORIENT, 


46 


I  loo  .Mann  belief,  werden  mindestens  600  Mann 
den  Herechnunjjcn  zufoljje  im  Norden  zurückbleiben 
müssen.  Zu  dc^n  übrijjen  500  Mann  Süllen,  wie 
man  hört,  im  Ganzen  etwa  800  bis  900  Mann  noch 
angeworben  werden,  so  dass  für  die  südliche 
Hälfte  circa  1400  Mann  zur  Verfügung  sein  würden. 
Die  für  die  Vermehrung  erforderlichen  Officiere 
und  Linterofficiere  sind  dem  Ueichscommissär  be- 
kanntlich  soeben   zugeführt  worden. 

In  einzelnen  Küstenpiätzen  Ostafrikas  haben 
nach  Niederwerfung  des  Aufstandes  im  nördlichen 
Theil  des  Schutzgebietes,  Handel  und  Verkehr 
wieder  einigen  Aufschwung  genommen.  Das  be- 
lebende lilement  dabei  waren  die  gewinnsüchtigen 
Inder,  welche  die  Araber,  durch  die  Art,  wie  sie 
mit  denselben  Wuchergeschäfte  betreiben,  stets 
von  Neuem  zum  Sciaven-  und  Elfenbeinhandel  an- 
stacheln. Da  die  Araber  ebenfalls  wieder  nur  auf 
ihren  eigenen  Vortheil  bedacht  sind  und  die  Neger 
theils  von  der  Rodenarbeit,  theils  vom  Handel 
zurückhalten,  so  hat  in  der  ganzen  Zeit  der 
Insurrection  Froduction  und  Handel  an  der  Küste 
und  im  Binnenlande  darniedergelegen.  Eine 
Hesserung  dieser  Verhältnisse  ist  nicht  zu  erwarten, 
so  lange  nicht  das  civilisatorische  Element  seinen 
starken  ICinfluss  auf  die  Küste  geltend  macht  und 
so  lange  nicht  der  Europäer  die  Macht  hat,  den 
Negern  gej^enüber  ihren  Feinden,  den  Arabern 
und  Indern,  zu  Hilfe  zu  kommen,  und  eine  Um- 
gestaltung der  Zustände  zu  Gunsten  der  Neger 
anzubahnen. 

Was  die  humanitären  Zwecke  betrifft,  die 
von  Deutschland  im  Verein  mit  den  anderen 
Mächten  durch  die  gemeinsame  Blockade  verfolgt 
wurden,  so  kann  die  erfolgte  Schliessung  der 
Sciavenmärkte  auf  den  Inseln  Peinba  und  Sansibar, 
wohin  die  meisten  der  aus  dem  Inland  an  das 
Meer  transiioitirten  Neger  gebracht  wurden,  als 
ein  nachhaltiger  Erfolg  angesehen  werden.  Das 
von  den  Mächten  bei  Verhängung  der  Blockade 
erstrebte  Ziel,  dem  unwürdigen  Sclavenhandel 
in  den  ostafrikanischen  Küsten[)lätzen  und  den 
menschenmörderischen  Sclavenjagden  im  Innern 
.Afrikas  Einhalt  zu  thun,  wird  durch  die  jetzt 
gesicherte  Mitwirkung  des  Sultans  von  Sansibar 
besser  erreicht,  als  dies  selbst  bei  unbegrenzter 
Fortdauer  der  Blockade  möglich  sein  würde.  Nach- 
dem die  Sciavenmärkte  in  Peinba  und  Sansibar 
ilelinitiv  geschlossen,  die  Einfuhr  von  Pulver  und 
Waffen  nach  Sansibar  und  dem  ostafrikanischen 
Festland  gesperrt,  sind  ausreichende  Garantien 
gegeben,  dass  wenigstens  in  diesem  Theile  .Afrikas 
dem  Schrecken  des  Menschenhandels  ein  Ziel 
gesetzt  ist. 

Zu  den  .Aufgaben,  die  sich  die  Dcuisch- 
Ostafrikanische  Gesellschaft  stellte,  nämlich  im 
deutsch- nationalen  Interesse  die  Civilisirung  des 
Schutzgebietes  zu  übernehmen,  daselbst  den  Boden- 
bau und  Verkehr,  insbesondere  Handel  und  Ge- 
werbe anzubahnen  und  zu  fördern,  trat  noch  als 
zweite  Aufgabe  die  Einrichtung  einer  Zollver- 
waltung und    einer  den  Gewohnheiten   und   Sitten 


der  l'"ingeborenen  möglichst  entsprechenden  alige- 
meinen  Verwaltung,  wie  sie  die  durch  den  Vertrag 
dem  Sultan  gegenüber  eingegangenen  Verpflich- 
tungen erheischten. 

Bei  der  Entwicklung,  welche  die  Gesellschaft 
anstrebte,  wären  auch  durch  die  Hebung  des 
Exports  ihre  Einkünfte  gestiegen  und  auch  die 
Interessen  des  Sultans  gewahrt  worden.  Nur  durch 
eine  Productivmachung  der  Küstenländer  lässt 
sich  der  Export  heben,  und  kein  Factor  besteht 
seither  an  der  Küste,  der  dieser  .Aufgabe  ge- 
wachsen gewesen  wäre.  Die  Gesellschaft  hatte 
bereits  Saaten  von  feinen  Erdnüssen  von  Marseille 
bezogen  und  dieselben  zur  Vertheilung  gebracht, 
sie  hatte  Vesuchsfelder  für  liberischen  Kaffee  an- 
gelegt, ihre  Baumwollenplantage  stand  im  schönsten 
Flor.  Wäre  die  Gesellschaft  nicht  in  ihrer  Ent- 
wicklung gestört  worden,  so  ist  anzunehmen, 
dass  ihre  Bemühungen,  die  Eingeborenen  zur 
Cultur  heranzuziehen  und  das  Land  productiv 
zu  machen,  von  Erfolg  gekrönt  worden  wären. 
Wuchs  aber  die  Production,  so  wuchsen  mit  ihr 
die  Zölle,  und  hiebei  war  der  Sultan  mit  50  Percent 
der  Mehreinnahmen  interessirt.  Die  Gesellschaft 
versuchte  Mögliches  und  war  sich  der  Bedeutung 
ihrer  Aufgaben  nicht  nur  in  ihrem  eigenen,  sondern 
auch  im  Interesse  der  Gesammtheit  des  deutschen 
Vaterlandes  sehr  wohl  bewusst.  Der  Sultan,  die 
deutschen  Ansiedler,  Araber  und  Eingeborene 
hätten  durch  ihre  .Arbeit  Vortheil  gefunden,  wenn 
die  Entwicklung  ruhig  hätte  fortschreiten  können 
und  wenn  sie  nicht  gewaltsam  durch  culturfeind- 
liche  Elemente  gestört  worden  wäre.  -An  Sclaven- 
händlern  und  gewissenlosen  .Arabern,  die  in  der 
.Ausbeutung  friedfertiger  Neger  seither  ihren  Vor- 
theil gefunden  und  die  sich  in  ihren  Interessen 
gefährdet  sahen  und  dem  mit  ihnen  gemeinsam 
handelnden  oder  sich  wenigstens  sehr  zweideutig 
benehmenden  Sultan  ist  indess  das  Bestreben  der 
Gesellschaft  gescheitert. 

Wenn  nun  auch  durch  die  Zerstörung  der 
Stationen  der  Gesellschaft  einerseits  das  Resultat 
jahrelanger  und  fleissiger  .Arbeit  vernichtet  worden 
ist,  welche  nach  vielen  Richtungen  das  Beste 
versprach,  so  ist  doch  andererseits  diese  Einbusse 
mit  der  Erwägung  aufzunehmen,  dass  die  Mehr- 
zahl der  Niederlassungen  vor  der  Zeit  ihrer 
Verfügung  über  die  Küstenlandschaft  angelegt 
war  und  dass  beim  Wiederangriff  der  .Arbeiten 
noch  günstigere  Operationsfelder  gewählt  werden 
können.  Es  kommt  in  Zukunft  für  die  Gesellschaft 
nicht  mehr  die  .Anknüpfung  an  vorhandene  Unter- 
nehmungen in  Frage,  vielmehr  ist  die  Freiheit 
ihrer  Entschliessungf n  und  Bewegungen  durch 
keinerlei  Rücksicht  auf  die  frühere  Methode  ihres 
Vorgehens  beeinflusst.  Durch  Vernichtung  der 
Willkürherrschaft  der  Wali  und  Sclavenhändler, 
welche  vor  Ausbruch  des  .Aufruhrs  an  der  Küste 
uneingeschränkt  obwaltete  und  jegliche  wirth- 
schaftliche  Niederlassung  und  somit  die  culturelle 
Erschliessung  des  Gebietes  ausserordentlich  er- 
schwerte, wird  ihre  Lage  noch  weiter  verbessert 


46 


OESTERREICHT<=CHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


Die  Vorbedingungen  für  die  Wiederaufnahme 
des  wirthschaftlichen  Programnas  der  Geseilschaft 
sind   nach   einer   Eingabe    an    den   Reichskanzler: 

1.  Die  vollständige  Unterwerfung  und  Pacifi- 
cation  des  Küstengebietes  durch  den  entsendeten 
kaiserlichen   Commissär,   und 

2.  die  weitere  Regelung  der  Verhältnisse 
zum  Sultan  von  Sansibar  sowohl  hinsichtlich  der 
Streitpunkte  und  beiderseitigen  Ansprüche  aus 
der  Vergangenheit  als  der  zukünftigen  Normen 
und  Bedingungen  des  Länderschutzes  im  Wege 
einer  Vertragsrevision. 

Nach  völliger  Pacification  des  Küstenlandes 
und  nach  Herstellung  der  Autorität  der  deutschen 
Verwaltung  beabsichtigt  die  Gesellschaft  etwa 
folgendes  Programm  zur  Ausführung  zu  bringen  : 
Einrichtung  einer  Central-Zollerhebungsstelle  und 
Aufnahme  der  Zollverwaltung  an  der  Küste  ; 
Etablirung  von  Facloreien  in  allen  Häfen  und 
an  allen  Hauptendpunkten  der  Karawanenstrasse 
für  den  Ein-  und  Verkauf  afrikanischer  und 
europäischer  Producte;  Entsendung  von  Expedi- 
tionen von  den  kaufmännischen  Niederlagen 
an  der  Küste  aus  in  das  Innere,  um  mit  den 
Häuptlingen  der  dort  wohnenden  Stämme  Freund- 
schafts- und  Handelsverträge  abzuschliessen  und 
Verkehrsbeziehungen  anzuknüpfen;  Anlage  einer 
Versuchs[)lantage  zum  Behuf  der  Anleitung  und 
Unterstützung  der  Eingeborenen  zum  Anbau  der 
für  den  Handel  erspriesslichen  Erzeugnisse  ;  Wieder- 
aufnahme der  Plantagenwirthschaft  und  Austheilung 
von  Samen  an  die  Eingeborenen  der  Küstenzone, 
um  diese  zur  Anlage  und  Pflege  von  Anpflanzungen 
anzuregen;  Herstellung  von  regelmässigen  Dampfer- 
fahrten zwischen  den  Küstenplätzen  und  Zoll- 
stationen, Bau  von  Strassen  nach  dem  Innern 
und  Förderung  und  Unterstützung  aller  Arten  von 
wirthschaftlichen  und  Erwerbsunternehraungen, 
wie  Bergwerken,  Baumschulen,  Fruchtgärten,  An- 
lagen    von   Banken    und   Creditinstituten    u.   s.   w. 

Binnen  welcher  Zeit  die  feindlichen  Elemente 
beseitigt  sein  werden,  so  dass  Handel  und  Wandel 
sich  wieder  in  den  früheren  Verhältnissen  bewegen 
können,  ist  augenblicklich  noch  nicht  abzusehen. 
W^ofern  die  Ergreifung  oder  Vernichtung  der  Haupt- 
anführer gelingen  sollte,  dürfte,  wenigstens  einst- 
weilen, ein  geordneter  Zustand  zu  erhoffen  sein.  In- 
dessen wird  man  ohne  dauernde  Unterhaltung  einer 
bewaffneten  Macht  an  den  wichtigsten  Punkten 
nicht  auskommen.  Die  zukünftigen  deutschen  Unter- 
nehmungen auf  dem  Festlande  und  die  eingeborenen 
Neger,  auf  deren  ungestörte  Arbeit  für  die  Er- 
schliessung des  Landes  gerechnet  werden  muss, 
bedürfen  eines  Schutzes  gegen  Feindseligkeiten 
gewisser  Araberkreise,  welche  der  Festsetzung 
einer  deutschen  Verwaltung  und  der  Mitwirkung 
der  Neger  dabei  auf  das  Eifrigste  widerstreben. 
Eine  Erneuerung  des  ehemaligen  Zustandes  einer 
Raubwirthschaft  der  Sclavenhändler,  welche  die 
Bevölkerung  des  Landes  und  die  Karawanen 
durch  Abgaben  ausbeuteten,  ist  unter  allen  Um- 
ständen, soll  eine  Cultivation  der  Gebiete   erreicht 


werden,  zu  verhüten.  Nach  wie  vor  ist  aber  das 
Capital  bereit,  sich  bei  wirthschaftlichen  Unter- 
nehmungen in  Ostafrika  hauptsächlich  in  jenem 
gesegneten  Landstriche,  welcher  sich  von  der 
Küste  von  Usambara  nach  dem  Kilimandscharo 
erstreckt,  zu  betheiligen,  wenn  die  Vorbedingung 
der  Wiederherstellung  der  Ruhe  und  Ordnung 
erfüllt   ist. 

Wie  Meinecke  in  seinem  verdienstvollen 
Werke  über  Ostafrikas  Colonien  hervorhebt, 
nehmen  unter  den  Landschaften,  welchen  in  der 
letzten  Zeit  eine  grössere  .Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt wurde  und  die  durch  die  Natur  des  Landes 
und  ihrer  Bewohner  bestimmt  zu  sein  scheinen 
bald  unter  Cultur  genommen  zu  werden,  diejenigen 
am  Kilimandscharo  und  in  Usambara  jetzt  die 
erste  Stelle  ein.  War  schon  früher  durch  die  ab- 
gesandten Reisenden  der  Dcutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft  und  des  Dr.  Meyer  das  Unheil, 
welches  Kersten,  'l'homson  und  andere  Reisende 
über  diese  Gebiete  gefällt  haben,  bestätigt  worden, 
so  wurde  volle  Aufklärung  doch  erst  in  neuerer 
Zeit   geschaffen. 

Moschi,  der  Sitz  des  Häuptlings  Mandara, 
war  im  Jahre  1888  am  Kilimandscharo  der  Central- 
punkt  der  dortigen  deutschen  Interessen,  welche 
di^rch  tüchtigeBcamte  der  Deutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft  wahrgenommen  wurden.  Ihnen  ver- 
danken wir  werthvoUe  .Aufschlüsse  über  die 
Möglichkeit  einer  dortigen  Ansiedelung  von  Euro- 
päern. Das  Kilimandscharogebiet  wird  politisch 
von  einer  .Anzahl  kleiner  Fürsten  beherrscht,  welche 
mehr  oder  weniger  von  der  Suaheli-  und  arabischen 
Cultur  beleckt  sind  und  deren  Wadschagga- 
Unterthanen  (einige  brachte  als  .Abgesandte  des 
Häuptlings  Mandara  der  Reisende  Ehlers  im 
Berichtsjahre  nach  Deutschland)  möglicherweise 
den  europäischen  Einflüssen  sich  weniger  hart- 
näckig verschliessen  werden  als  die  Stämme  an 
der  Küste.  Die  Wadschagga  sind  ein  Bantustamm, 
welcher  in  seinen  ganzen  Lebensgevvohnbeiten' 
mit  den  Massais  grosse  Aehnlichkeit  und  deren 
Tugenden  und  Laster  besitzt.  Sie  bewohnen  ein 
von  allen  Beobachtern  als  paradiesisch  gerühmtes 
Land   an   den   Abhängen   des   Kilimandscharo. 

Endlich  ist  noch  Deutsch- Witus  zu  gedenken. 
Sowohl  die  Witu-Gesellschaft  als  auch  die  Englisch- 
Ostafrikanische  Gesellschaft  behauptete,  die  Zoll- 
pacht auf  der  Insel  Lamu  von  der  Sansibar-Re- 
gierung zugesichert  erhalten  zu  haben.  Ein  Schieds- 
spruch des  belgischen  Ministers  Baron  Lambremont 
entschied  zu  Gunsten  der  englischen  .Ansprüche. 
Hiedurch,  wie  durch  die  weiter  versuchte  .Aus- 
dehnung des  englischen  Einflusses,  schien  die 
kleine,  wenig  bemittelte  Witu-Gesellschaft  in  eine 
bedrängte  Lage  kommen  zu  sollen.  Nachdem 
jedoch  die  deutsche  Regierung  das  Protectorat 
über  die  Küste  von  der  VVitu-Grenze  bis  Kismaju 
am  Juba  erklärt  hat,  wurden  Verhandlungen  wegen 
Verschmelzung  der  Witu-Gesellschaft  mit  der 
Deutsch-Ostafrikanischen  Gesellschaft,  von  der 
vor  Jahren   Expeditionen   nach    Kismaju   (Jühlke's 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT 


47 


Ermordung)  und  Hohenzollernhafen  am  Wubuschi 
ausgegangen  waren,  eingeleitet,  die  hoffentlich 
von  Erfolg  gekrönt  sein  werden. 

In  Folge  der  Verschiebung  aller  Verhältnisse 
sind  in  Ostafrika  verwickelte  und  schwierige, 
besitz-  und  vermögensrechtliche  Streitfragen 
zwischen  dem  Sultan  und  der  ostafrikanischen 
Gesellschaft   entstanden. 

Kraft  des  Vertrages  des  Sultans  mit  der 
Deutschen  Ostafrikanischen  Gesellschaft  vom 
28.  April  1888  war  letzterer  die  „Regie"  oder 
Pacht  der  Zölle  in  sämmtlichen  Häfen  des  ihrer 
Verwaltung  überlassencn  Territoriums  für  50  Jahre 
zugesagt  worden.  Im  Einvernehmen  mit  dem 
Sultan  war  festgesetzt  worden,  das  7  Haupt-  und 
7  Nebenzollstationcn  an  der  Küste  eingerichtet 
und  die  einzigen  Verschififungsplätze  sein  sollten. 
Als  Hauptzollstationen  waren  bestimmt :  Tanga 
Pangani,  Bogamoyo,  üar-cs-Salaam,  Kiloa,  Ki- 
windje,  Lindi  und  Mikindani.  Auf  Wunsch  des 
Sultans  war  festgesetzt,  dass  sämmtliche  indische 
Beamte  der  Küstenzollämter  in  den  Dienst  der 
Ostafrikanischen  Gesellschaft  übernommen  werden 
sollten.  Während  des  Aufstandes  errichtete  die 
Gesellschaft  auf  der  Insel  Sansibar  eine  Central- 
zoUerhebestelle,  in  welcher  die  Zölle  auf  die  vom 
Continent  nach  Sansibar  kommenden  Waarcn  von 
\  om  Sultan  Angestellten,  welche  unter  Aufsicht  und 
Leitung  der  Gesellschaft  standen,  für  Rechnung 
der  Gesellschaft  erhoben  wurden.  Die  Zölle  auf 
die  aus  fremden  Ländern  in  Sansibar  eingehenden 
Waaren  (Importzölle)  erhob  der  Sultan  selbst- 
ständig, wurde  aber  für  diejenigen  dieser  Waaren, 
welche  von  der  Insel  nach  der  deutschen  Küste 
des  Continents  weitergingen,  von  der  Gesellschaft 
mit  dem  Zollbetrage  (Rückgebühr)  belastet. 
Zwischen  dem  Sultan  und  der  Gesellschaft  ent- 
standen darüber  Differenzen,  dass  Ersterer  der 
.Ansicht  war,  die  Ostafrikanische  Gesellschaft 
müsse,  während  sie  nur  auf  Sansibar  die  Zölle 
verwaltete,  beträchtlich  geringere  .Ausgaben  ge- 
habt haben,  als  zu  normalen  Zeiten ;  es  dürfe 
daher  nicht  jene  Bestimmung  des  Vertrags  vom 
28.  April  1888  in  .Anwendung  gebracht  werden, 
wonach  dem  Sultan  in  jedem  Monat  für  die  Aus- 
gaben der  Zollverwaltung  1 70.000  Rupien,  sowie 
5  Percent  (Kommission  in  Abzug  zu  bringen  sei. 
Die  Gesellschaft  ihrerseits  erklärte,  dass  die  Zoll- 
verwaltung auf  Sansibar  und  den  beiden  gehaltenen 
Zollplätzen  Bogamoyo  und  Dar  es-Salaam  bei  den 
ganz  ausseiordentlichen  Verhältnissen  nicht 
weniger  als  die  oben  genannte  Summe  erfordert 
habe.  Dank  der  kräftigen  Hilfe  des  (Konsuls  und 
des  Dragomans  gelang  es  nach  schwierigen  Ver- 
handlungen den  Zwist  mit  dem  Sultan  zu  be- 
gleichen und  einen  neuen  Contract  zu  unter- 
zeichnen. Die  Berechnung  der  dem  Sultan  als 
Entgelt  für  die  Zollabtretung  zu  zahlenden  Rente 
findet  nach  der  Durchschnittssumme  der  Netto- 
zolleingänge  des  vergangenen,  laufenden  und 
nächsten   Jahres  statt. 

Deutschland   erhält  als  l<>satz  der  Unkosten 


70.000  Rupien  jährlich  und  verzichtet  auf  Ge- 
winnbetheiligung im  Probejahr.  Dagegen  schenkt 
der  Sultan  zwei  werthvollc  Stationsbäuser  ia 
Dar-es-Salaam  und  vermiethct  auf  vierzehn  Jaiire 
die  Zollstelle  auf  Sansibar  mit  Magazinen  und 
Beamtenhäusern, 

Eine  Erweiterung  erfuhr  das  dcutsch-ost- 
afrikanische  Schutzgebiet  dadurch,  dass  das  an 
der  ostafrikanischen  Küste  zwischen  der  .Nord- 
grenze von  Witu  und  der  SOdgrenze  der  dem 
Sultan  von  Sansibar  gehörigen  Station  Kisraaya 
gelegene  Gebiet  unter  den  Schutz  des  deutschen 
Reiches  gestellt  wurde.  Diese  deutsche  Schutz- 
erklärung hat  wenig  mehr  als  formelle  Bedeu- 
tung. Man  entnimmt  aus  ihr,  dass  die  deutsche 
Regierung  unter  allen  Umständen  beabsichtigt, 
an  dem  Schutzverhältniss  mit  Witu  festzuhalten, 
auch  nachdem  den  Engländern  eine  der  wich- 
tigsten Positionen  auf  diesem  Gebiete,  nämliclf 
die  Insel  Lamu,  eingeräumt  worden  ist. 

Das  deutsche  Schutzgebiet  Süd-Somaliland 
umfasst  zur  Zeit  eine  Küstenstrecke  von  35  Meilen 
Länge.  Im  Norden  grenzt  es  an  das  dem  Sultan 
von  Sansibar  gehörige  nur  10  Quadratmeilen 
grosse  Gebiet  des  Hafens  Kismaju,  welcher  den 
Schlüssel  zum  Juba,  dem  grössten  Flusse  des 
mittleren  Ostafrika  und  damit  zu  den  weiten, 
gesegneten  Ländern  der  Somali  und  Galla  bis 
nach  Abessinien  hin  bildet.  Der  Haupthafen  des 
neuen  deutschen  Gebietes  liegt  etwa  unter  i ' 
s.  Br.  an  der  Mündung  des  Flüsschens  Wubuschi, 
wo  vor  drei  Jahren  die  deutsche  Station  Hohen- 
zollernhafen gegründet  wurde.  Im  Süden  schliesst 
die  deutsche  Somaliküste  den  Hafen  Kweio  ein, 
von  wo  aus  Dr.  Peters  mit  der  deutschen  Emin 
Pascha-Expedition  seinen  Marsch  in's  Innere  an- 
trat. Nicht  weit  von  der  Kweiobai  folgt  nach 
Südwesten  hin  die  Mandabucht,  deren  tiefer  Ein- 
schnitt die  Grenze  zwischen  Deutsch-Somali land 
und  dem  kleinen  deutschen  Witulande  bezeichnet. 
Letzteres  reicht  dann  südwestlich  bis  zu  dem 
Tanaflusse,  der  Nordgrenze  der  Interessensphäre 
der  Britisch-ostafrikanischen  Gesellschaft.  Im 
Süden  wie  im  Norden  der  letzteren  erstrecken 
sich  also  jetzt    grössere    deutsche  Schutzgebiete. 

Wenngleich  zu  dem  deutsch-ostafrikanischen 
Schutzgebiet  in  keiner  unmittelbaren  Beziehung 
stehend,  ist  doch  bei  Gelegenheit  der  Betrachtung 
desselben  noch  des  im  südöstlichen  Afrika  vor 
einiger  Zeit  in  das  Leben  gerufenen  Colonial- 
unternehmens  im  Pondoland»  hier  Erwähnung  zu 
thun.  Gerade  an  dieser  Stella  ist  die  Festsetzung 
deutschen  Einflusses  im  gegenwärtigen  Zeitpunkt, 
wo  dort  verschiedene  nationale  Elemente  nach 
Einfluss  ringen,  von  grosser  Bedeutung. 

Den  Bemühungen  der  Unternehmer  ist  es 
gelungen,  von  dem  Häuptling  der  Poudos  Usikav 
grössere  Landparacellen  zu  erwerben,  um  an 
fünf  verschiedenen  Stellen  Stationen  anzulegen. 
Da  das  Klima  in  jeder  Beziehung  ein  vorzügliches 
ist  und  der  Plantagenbau  entschieden  mit  Vor- 
theil    betrieben    werden    kann,    so    war    es    vor 


48 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Allem  nöthig,  der  Gesellschaft  grössere  Land- 
complexe  zu  sichern.  Die  Deutschen  haben  daher 
für  Jahre  lang  ausreichend  Land,  um  den  Plan- 
tagenbau  in   ausgedehntester  Weise   zu   betreiben. 

Man  darf  annehmen,  dass  sich  sämmtliche 
Stationen  schon  im  nächsten  Jahre  erhalten 
können  und  nicht  blos  für  die  Beamten  und  Ar- 
beiter die  nöthigen  Nahrungsmittel  abgeben 
werden,  sondern  auch  Getreide  zum  Verkauf. 

Die  Anlage  der  zweiten  Station  ist  nahezu 
fertig ;  sie  zeichnet  sich  namentlich  dadurch  aus, 
dass  sie  sehr  ausgedehnte  Flächen  von  culturfähigem 
Land  besitzt,  auch  ist  das  Klima  milder  wie  in 
Wilhelmsburg.  Erschwert  sind  die  ersten  Anlagen 
durch  die  hohen  Preise  des  Mais.  Während  in 
früheren  Jahren  Mais  fast  gar  nicht  verkäuflich 
war,  steht  er  jetzt  hoch  im  Preise  und  wird  mit 
15  Schilling  per  Sack  bezahlt,  und  da  nun  der 
«Mais  eine  Hauptnahrung  für  Menschen  und  Vieh 
ist,  so  bedarf  man  desselben  in  grösseren  Massen. 
Es  ist  also  auch  bei  den  jetzigen  Preisverhältnissen 
eine  grössere  Anpflanzung  von  Mais  entschieden 
eine  gute  Capitalsanlage.  Wenn  die  deutschen  An- 
siedler sich  zunächst  auf  Tabakbau  und  Mais  be- 
schränken, so  ist  damit  ganz  entschieden  ein  Gewinn 
zu  erzielen.  Es  wird  das  immer  die  Hauptsache 
bleiben,  dabei  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  man 
auch  mit  Erfolg  zur  Anpflanzung  von  Kaffee,  Thee, 
Ananas  und  Zuckerrohr  in  grösserem  Massstabe 
übergeht,  und  dabei  ebenso  bedeutende  Erfolge 
erzielt  wie  dies  bereits  an  der  Mündung  des  Um- 
zikuluflusses  geschehen  ist.  Zunächst  bleibt  aller- 
dings das  Hauptaugenmerk  auf  den  Anbau  von 
guten  Tabakarten  gerichtet,  die  sich  vortheilhaft 
verkaufen  lassen;  ausserdem  wird  aber  beabsichtigt, 
möglichst  bald  zu  den  Anpflanzungen  von  Thee 
und  Kaffee  überzugehen,  die  allerdings  erst  nach 
fünf  Jahren  Gewinn  abwerfen  können ;  während- 
dessen können  die  Anlagen  vollständig  durch  Tabak 
und  Mais  gewinnbringend  gemacht  werden,  so  dass 
die  ersten  Schwierigkeiten  überwunden  sind  und 
das  Unternehmen  nur  noch  bis  zum  nächsten  Früh- 
jahre von  Berlin  aus  unterhalten  zu  werden  braucht, 
und  dann  schon  Gewinn  abwerfen  wird. 


M  IS  CELLE. 
Albinos  im  Indischen  Archipel.  Unter  diesem 

Titel  veröffentlicht  Professor  Dr.  G.  A.  Wilken  (in 
Bydragen  tot  de  Taal-Land-en  Volkenkunde  van 
Nederl.  Indie  XXXIX,  i)  eine  Abhandlung,  in 
welcher  er  zunächst  über  die  Art  und  die  Er- 
scheinungen des  Albinismus  spricht,  um  dann  alle 
ihm  bekannt  gewordenen  Fälle  dieser  Anomalie 
aufzuführen,  wobei  er  sich  an  Dr.  R.  Andree's 
„Ethnographische  Parallelen  und  Vergleiche'", 
Neue  Folge,  zum  Theil  eng  anschliesst.  .Als  Er- 
gebniss  dieser  Untersuchung  zeigt  es  sich,  dass  Al- 
binismus bei  den  Bewohnern  des  malavischen  Ar- 
chipels nicht  ungewöhnlich,  bei  einzelnen  Stämmen, 


z.  B.  den  Dajaks,  ferner  bei  den  Bewohnern  von 
Bangka  so  häufig  ist,  dass  man  ihn  als  endemisch 
betrachten  kann.  Weiter  wird  noch  bemerkt,  dass 
alle  Beobachter  einstimmig  die  helle  Farbe  der 
Haut  und  der  Haare  hervorheben,  während  nur 
einzelne  die  rothen  Augen  erwähnen,  andere  nur 
von  blauen,  hellblauen,  grauen,  hellbraunen  oder 
dunkelgrauen  .Augen  sprechen. 

Obwohl  Albinismus  eine  pathologische  Er- 
scheinung ist,  wird  doch  von  verschiedenen  Seiten 
mitgetheilt,  dass  die  beobachteten  .Albinos  aus- 
nahmsweise stark  und  kräftig  sind. 

Die  Mittheilung,  dass  .Albinos  alsXachkommen 
ganz  normaler  Eltern  geboren  sind,  wiederholt 
sich  mehrfach,  während  andererseits  Berichte  vor- 
liegen, dass  die  Erscheinung  bei  mehreren  oder 
allen  Personen  derselben  Familie  vorkommt,  aber 
auch  dass  Grosseltern  oder  noch  weiter  entfernte 
.Angehörige  der  aufsteigenden  Linie  damit  behaftet 
sind.  Dies  scheint  anzudeuten,  dass  .Albinismus 
erblich  ist,  doch  grösstentheils  atavistisch  auftritt. 
Dr.  Blume  und  Dr.  Monnike  wollen  die  Erschei- 
nung auf  schwächere  und  Ivmphatischere  Con- 
stitution zurückführen,  Dr.  .A.  B.  Meyer  auf  con- 
sanguinare  Heiraten  ;  der  zuletzt  geäusserten  Mei- 
nung tritt  Dr.  Wilken  entgegen.  Im  .Archipel  wird 
im  .Allgemeinen  an  eine  übernatürliche  .Abstammung 
der  .Albinos  gedacht;  mit  Rücksicht  hierauf  werden 
sie  zum  Theil  sehr  schlecht  behandelt,  zum  Theil 
geniessen  sie  grosses  .Ansehen,  und  werden  zum 
Theil  nach  dem  Tode  selbst  verehrt.  Von  ersterem 
werden  namentlich  die  Masser  als  Beispiel  ange- 
führt, für  letzteres  finden  sich  Beispiele  bei  Malayen, 
im  inneren  Celebes,  auf  Ceram  Laut  und  anderen 
Inseln.  Bei  anderen  Stämmen  ist  es  ungewiss, 
welche  .Stellung  sie  einnehmen,  doch  scheint  man 
sie  im  Ganzen  gerne  zu  sehen.  Schon  in  alten 
Zeiten  —  und  auch  jetzt  noch  geschieht  dies  — 
werden  sie  an  die  Höfe  gebracht,  um  den  Fürsten 
zur  Kurzweil  zu  dienen.  In  dem  malayischen  Reich 
Matan  in  der  West- Abtheilung  von  Borneu  be- 
steht ein  Gesetz,  wonach  .Albinos,  Zwerge  u.  s.  w. 
Sclaven  des  Fürsten  werden  müssen.  Vielleicht  dass 
sie  auch  hier  als  Gegenstand  der  Heiterkeit  dienen 
sollen,  obwohl,  wie  es  heisst,  die  Verurtheilung  zum 
Sclavenstand  stattfindet,  weil  solche  Leute  als  un- 
heilbringend betrachtet  werden. 

Zum  Schluss  folgen  noch  einige  .Angaben  über 
partiellen  Albinismus;  in  solchen  Fällen  sind  nur 
einzelne  Stellen  der  Haut  von  Pigment  entblösst 
und  also  weiss  (was  übrigens  auch  eine  Folge  ver- 
schiedener Krankheiten  sein  kann).  Ueber  das  Vor- 
kommen solcher  Fälle  auf  Nias  und  bei  den  Mc- 
nangkabauschen  Malayen  liegen  verschiedene  Be- 
richte vor ;  vielleicht  gehört  hieher  auch  das 
Vorkommen  von  ebenso  wie  der  übrige  Körper, 
doch  heller  gefärbten  Flecken,  wofür  Malayen  und 
Atjehers  besondere  Namen  habear' 


S^^L^i 


Verantwortlicher  Redacteur:  A.  v.  Scala. 


Drmok  von  Ch.  Rettter  &  M.  Werthner* 


April-Heft  1890, 


Nr.  4. 


OESTERREICHISCHE 


Herausgegeben  vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 

Redigirt  von   A.   von   Scala. 


Monatlich  «Int  Nuinmtr. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Pr«b  JIM.  9  t  —  M)  Mwk. 


IIBALT:  Die  Kbe  in  Japan.  Von  Dr.  H.  Wliftrt.  —  Die  Qannst- 
millel  dl!«  Orieit.s.  (11.)  Vi  n  (lutlac  Troll.  —  Die  Deutlichen 
Schutzgebiete  Lei  Begiuu  ilis  Jahres  181K).  (Schlus«.)  —  H  i  s- 
cellrn;  Der  botanisihe  Garten  zu  Buitenzorg.  —  Dritte 
NationaIau£8telIung  in  Totiio.  —  Chinesiacbo  Namen  der  euro- 
päiscben  (iesrhäftshttuser  iu  HonglioDg. 

DIE  EHE  IN  JAPAN.') 

Von  ßr.  H.   Weipert 
I. 
Geschichtliches. 
ie   ly[)ische  Entwicklung   der  Ehe  ist  die 
von    der  Weibergemeinschaft    zur    Ehe 
des  Mutterrechtes    und   von  dieser  zur 
Ehe  nach  Vaterrecht,   die  zuerst  durch 
Kiauenraub,    später    durch    Kauf    und   schliesslich 
durch   blossen  Vertrag   begründet   wird.    Daneben 
läuft  eine  andere  l'^ntwicklungsreibe  von  der  Poly- 
gamie durch  das  Concubineosystem  hindurch  zur 
Monogamie. 

Wir  finden  Japan  in  der  ältesten  halb-mythi- 
schen Periode,  d.  h.  vom  Kaiser  Jimmu  bis  Mommu 
(660  v.  Chr.  bis  707  n.  Chr.)  im  Stadium  der 
Ehe  nach  Vaterrecht,  geschlossen  durch  blossen 
Consens,  beziehungsweise  Cohabitation,  aber  poly- 
gamisch in  dem  Sinne,  dass  zwischen  Frau,  Con- 
cubine  und  Maitresse  keinerlei  Unterschied  ge- 
macht wird ,  und  die  Frau  jederzeit  entlassen 
werden  kann.  So  wenigstens  berichtet  Chamber- 
lain  in  seiner  Vorrede  zum  Kojiki,  Die  Stellung 
der  rechten  Frau  im  Gegensatze  zur  Nebenfrau, 
wie  sie  sich  im  Wesentlichen  bis  heute  erhalten 
hat,  scheint  sich  erst  am  Ende  dieser  Periode 
unter  chinesischem  Einflüsse  entwickelt  zu  haben. 
Jedoch  fehlt  es  nicht  an  Spuren  der  früheren 
Stadien.  Nach  dem  Berichte  des  Herrn  Professor 
Naito  ergibt  sich  aus  alten  Erzählungen  und 
Märchen,  insbesondere  auch  aus  dem  Manyöshü 
(10.000-Blättersammlung),  einer  der  ältesten  Ge- 
dichtsammlungen, dass  in  einer  früheren  Zeit  die 
Frauen  gar  nicht  mit  ihren  Männern  zusammen 
wohnten,  sondern  die  Männer  nur  ihre  (gewöhn- 
lich mehreren)  Frauen  des  Nachts  besuchten,  was 
Yobai  (von  yobavvari,  laut  rufen,  vermuthlich  um 
Einlass)  genannt  wurde.  Auch  die  Kinder  blieben 
im  Hause  der  Mutter.  Ein  Rest  dieses  ältesten, 
offenbar  mutterrechtlichen  Zustandes  ist  es,  wenn, 
wie    Chamberlain    a.    a.  O.    erzählt,     nach    dem 

')  Den  MiltbellangeB   der  deutschen  aMellaobafl  für  Katur- 
und  Völkerkunde  Osta>:ens  In  Tokio  entnommen. 

MonaUachrift  fDr  den  Orient.  April  1890. 


Kojiki  noch  bis  in's  Mittelalter  hinein  die  Ehe 
häufig  zuerst  nur  heimlich  war,  bis  nach  einiger 
Zeit  der  Mann  statt  die  Frau  nur  nächtlich  zu 
besuchen,  sie  öff'entiich  in  das  Haus  seines  Vaters 
brachte. 

Nach  einer  weiteren  Mittbeilung  Herrn  Naito's 
bestand  in  alter  Zeit  die  Sitte,  dass  ein  Nicht- 
Shinnö,  der  eine  zu  einer  Shinnöfamilie  gehörige 
Frau  heiratete,  erst  ein  bis  zwei  Tage  im  Hause 
des  Schwiegervaters  wohnen  musste.  Darnach 
nahm  er  die  Frau  mit  sich,  indem  zum  Scheine 
eine  Art  Raub  aufgeführt  wurde. 

Darin  liegt  zugleich  ein  offenbares  Residuum 
des  früheren  Frauenraubes.  Ein  ähnliches  wird 
in  einem  alten  Sprachgebrauch  der  Kuge  (Hof- 
adel) zu  finden  sein,  wornach  für  „eine  Frau 
nehmen"  der  Ausdruck  „nusumu"  =  „stehlen" 
angewendet  wurde. 

Noch    heute    ist    nach    dem    Minji    Kwanrei 
Ruishu  auf  der  Insel  .Amakusa  bei  Nagasaki  eine 
Form     der     Eheschliessung     in    Uebung,     welche 
„tanin   no  musume  wo   nusumu"   {==  die  Tochter 
eines  Anderen  stehlen)   heisst  und  direct  auf  dem 
Frauenraub  beruht.     Sie    kommt    einmal  vor  als 
heimlich    zwischen    beiden  Familien  verabredeter 
Scheinraub,   wenn  man  zu  arm  ist,  um  die  Kosten 
einer    Hochzeitsfeier    zu    bestreiten,     oder    wenn 
zwar  die   Eltern   der  Braut   einwilligen,  ein   naher 
anderer  Verwandter    aber    die  Einwilligung  ver- 
weigert. Sie  kommt  aber  auch  vor  als  wirkliche 
Entführung,    wenn    die  Eltern    ihre  Einwilligung 
versagen,    und    endlich    sogar    als    echter  Raub, 
wenn   weder  die  Eltern  noch  die  intendirte  Braut 
ihre  Zustimmung  erklärt  haben.   Freilich  geht  im 
letzteren  Falle  die  Sache  nur  soweit,  dass  der  Räuber 
die    Geraubte    in    Güte    zur  Ehe    zu    überreden 
sucht.   Schenkt  sie  ihm  kein  Gehör,  so  kehrt  sie 
einfach    alsbald  zu  ihren   Eltern    zurück.     Gegen 
.Ausschreitungen    ist    dadurch  gesorgt,    dass    die 
Verwandten    und  Nachbarn    des  Mannes  ihn   bei 
seinem   „Raubzug"   begleiten  müssen.     Bleibt  die 
Frau,  so  wird  am  folgenden  Tage  der  sonst  bei 
der  Eheschliessung  übliche  Vermittler  in  das  Haus 
der  Eltern  geschickt,  um  Verzeihung  zu  erbitten, 
worauf  dann  meist  noch    nachträglich  die  Hoch- 
zeit gefeiert  wird.  Schon  vorher  findet  aber  ge- 
wöhnlich ein  Gastmahl  am  Tage  des  Raubes  im 
Hause  des  Mannes  statt. 


50 


OESTERREICHl-~HE   MONATSaCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


Auch  den  im  Minji  Kwanrei  Ruishu  für  den 
Sarara-Bezirk  in  Kawachi  constatirten  Gebrauch, 
beim  Auszug  der  Braut  vor  der  Hausthür  der- 
selben mit  Flinten  zu  schiessen  oder  ein  Feuer 
anzuzünden,  halte  ich  für  ein  Residuum  des  Frauen- 
raubes, obwohl  die  japanische  Auslegung  dahin 
geht,  dass  dadurch  der  Wunsch  ausgedrückt 
werde,  die  Braut  möge  nicht  —  geschieden  näm- 
lich —  in  das  Eiternhaus  zurückkehren. 

Ein  anderer  interessanter  Zug  ist  die  in  der 
Zeit  der  Kojiki  -  Erzählungen  herrschende  Ge- 
schwisterehe, bekanntlich  gleichfalls  ein  verbreitetes 
Charakteristicum  gewisser  frühzeitiger  Entwick- 
lungsstufen. Es  war  ganz  selbstverständlich,  dass 
der  Mann  seine  jüngere  Schwester  zur  Frau  nahm, 
selbst  die  Bezeichnung  der  Frau  war  stets  „imo", 
d.  h.  „jüngere  Schwester".  Auch  Ehen  mit  Tanten, 
Stiefmüttern  und  Halbschwestern  werden  nach 
Chamberlain  berichtet. 

Nach  dem  Vorgang  von  Mabuchi  und  dem  Ko- 
jiki-Commentator  Motoori  will  auch  Naito  die  Ge- 
schwisterehe durch  den  oben  geschilderten  Zustand 
des  Yobai  erklären,  durch  welchen  es  möglich  ge- 
macht werde,  dass  Kinder  desselben  Vaters  von 
verschiedenen  Müttern  in  den  Häusern  der  letzteren 
getrennt  von  einander  und,  ohne  sich  als  Ge- 
schwister zu  betrachten,  aufwachsen.  Allein  solche 
Consanguinei  wurden  in  der  Zeit  des  Mutterr^chts 
offenbar  überhaupt  gar  nicht  als  Geschwister  an- 
gesehen. Nur  die  Mutter  konnte  das  Verwandt- 
schaftsmittelglied bilden.  Wenn  aus  dieser  Zeit  von 
der  Ehe  von  Geschwistern  berichtet  wird,  so  können 
damit  nur  Uterini  gemeint  sein.  ■ 

Dieser  extreme  Grad  der  Endogamie  ver- 
schwand wahrscheinlich  erst  unter  demEinfluss  der 
chinesischen  Cultur  etwa  im  VI.  Jahrhundert  n.  Chr. 
Andererseits  findet  sich  von  der  in  China  herr- 
schenden Exogamie  in,  Japan  auch  nach  dieser  Zeit 
keine  Spur.  Man  beschränkte  sich  darauf,  die  Ehe 
zwischen  den  nächsten  Verwandten  zu  verbieten. 

Verschiedene  Arten  der  Ehe. 
Es  gibt  in  Japan  eine  in  rechtlicher,  wie  in 
wirthschaftlicher  Hinsicht  wichtige  Unterscheidung 
der  Ehen  je  nach  derHausangehörigkeit  derselben. 
Der  gewöhnliche  F"all  ist  ja  freilich,  dass  die  Frau, 
wie  bei  uns,  in  das  Haus  des  Mannes  (als  sog. 
Yome  =  Brautj  eintritt  und  nun  bis  zur  Auflösung 
der  Ehe  Kazoku  desselben  ist.  Daneben  aber  findet 
sich  ausserordentlich  häufig  auch  der  für  unsere 
Auffassung  undenkbare  Fall,  dass  der  Mann,  nicht 
nur  wirthschaftlich,  sondern  auch  rechtlich  in  das 
Haus  der  Frau  aufgenommen  wird.  Dies  ist  wieder 
in  zweierlei  Weise  möglich.  Einmal  kann  der  Mann 
von  dem  Schwiegervater  als  Sohn  adoptirt  und 
gleichzeitig  oder  später  mit  der  Tochter  verheiratet 
werden.  Ein  solcher  Ehemann  wird  als  Mukoyoshi 
(Schwieger-Nährkind)  bezeichnet.  Es  kann  aber 
auch  eine  Frau,  die  selbst  durch  Erbgang  Koshu 
geworden  ist,  einen  Ehemann  in  ihr  Haus  auf- 
nehmen. Der  Letztere  heisst  dann  Nyü-fu  oder  Iri- 
muko.    Hier  wird   der  Ehemann    alsbald  Koshu    an 


Stelle  der  Frau,  im  ersteren  Fall  dagegen  nur 
dann,  wenn  der  Schwiegersohn  zugleich  als  Erb- 
sohn adoptirt  worden  und  der  Vater  der  F'rau  stirbt 
oder  sich  zur  Ruhe  setzt.  In  beiden  Fällen  ergibt 
sich  aber  eine  äusserst  abhängige  Lage  des  Ehe- 
mannes daraus,  dass  unter  Umständen  eine  Tren- 
nung der  Ehe  und  der  Adoption  herbeigeführt 
werden  kann,  die  ihn  natürlich  seiner  Stellung  als 
Koshu  und  Inhaber  des  Familienvermögens  wieder 
entkleidet,  beziehungsweise  ihm  die  .Aussicht  darauf 
nimmt. 

So  fremd  uns  die  Vorstellung  einer  solchen 
Adoptivehe  ist,  so  findet  sie  doch  in  dem  Rechte 
vieler  anderer  Völker  ihr  .^nalogon.  Sowohl  die 
indische  Tochterbeauftragung  —  d.  h.  Beauftragung 
der  Tochter  durch  den  sohnlosen  Vater,  sich  für 
ihn  einen  Sohn  zeugen  zu  lassen  — ,  als  die  ma- 
layische  Ambelanakehe  —  die  wesentlich  auf  ein 
Erdienen  der  Braut  durch  Eintritt  des  Mannes  in 
ihr  Haus  zurückweist  —  lassen  sich  zur  Erklärung 
des  Ursprungs  heranziehen.  Zunächst  freilich  scheint 
dieser  Ursprung,  wie  der  so  vieler  anderer  japani- 
scher Sitten  auf  China  zurückzuführen  zu  sein.  Nach 
dem  Ta-Tsing-Leu-Lee  muss  in  China  dieselbe 
^Einrichtung  seit  alter  Zeit  bestehen,  wenn  auch 
das  Gesetzbuch  dieselbe  nicht  ohne  Tadel  lässt. 
„Whoever  eitherejects  thehusband  of  hisdaughter, 
whom  he  had  received  into  his  house  as  his  son-in- 
law,  or  receivcs  into  his  house  another  person  as 
the  husband  of  such  daughter,  shall  be  punished 
with  lOO  blows.  —  It  is  remarked  in  a  note  in  the 
original  Chinese,  that  the  bridegroom,  who  instead 
of  taking  home  his  bride  to  his  own  house,  lives 
with  her  at  the  house  of  her  parents,  by  so  doing, 
deviates  from  the  stablished  forms  of  espousal,  but 
that  having  been  once  so  received  as  a  son-in-law, 
the  law  protects  him  in  the  right,  which  he  had 
acquired  of  either  remaining  there  with  his  wife,  or 
taking  her  away  with  him  to  a  separate  establish- 
ment."  Neben  dem  hienach  wahrscheinlich  vor- 
liegenden Import  sind  aber  bezüglich  der  grossen 
Verbreitung  der  Sitte  in  Japan  alle  diejenigen  Fac- 
toren  zu  berücksichtigen,  welche  wir  als  Gründe 
der  ausserordentlichen  Bedeutung  der  .Adoption 
überhaupt  in  Japan  unten  zu  erörtern  haben  werden. 

Die  Frage,  welche  Gestalt  und  Stellung  eine 
neue  Ehe  haben  soll,  hängt  natürlich  von  den  Ver- 
hältnissen im  einzelnen  Fall  ab.  Hat  ein  Mann  einen 
Sohn  und  F2rben  und  massiges  Vermögen,  so  sucht 
er  für  diesen  eine  Yome.  Hat  er  -v  iel  Vermögen,  so 
wird  er  wünschen,  die  Zukunft  seines  Hauses  durch 
Begründung  von  Nebenlinien  noch  sicherer  zu 
stellen;  er  wird  einen  oder  mehrere  Söhne  oder 
Töchter  hinzu  adoptiren,  diese  verheiraten  und 
ihnen  die  Mittel  zur  Begründung  e'nes  Nebenhauses 
(bunke)  geben.  Dasselbe  wird  er  natürlich  thun, 
wenn  er  mehrere  eigene  Kinder  und  ausreichendes 
Vermögen  hat.  F'ehlt  es  an  den  nöthigen  Mitteln, 
so  müssen  die  jüngeren  Kinder  unverheiratet  im 
Hause  bleiben,  wenn  es  nicht  gelingt,  die  Tochter 
als  Yome,  den  Sohn  als  Muko  in  einem  anderen 
Hause  unterzubringen.  Hat  Jemand  nur  eine  Tochter, 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEM   ORIENT. 


so  wird  er  für  diese  in  der  Regel  einen  Muko-ySshi 
als  Ehemann  und  Erben  zu  adoptiren  suchen.  Doch 
kommt  es  bei  Acrmeren  auch  vor,  dass  die  Tochter, 
wenn  sie  schön  ist,  als  Yome  weggegeben  und  ein 
Erbsohn  adoptirt  wird.  Sind  mehrere  Töchter  da, 
so  hängt  es  wieder  vom  Vermögen  ab,  ob  die 
jüngere  Tochter  als  Yome  weggegeben  oder  durch 
Adoption  eines  Muko  ihr  die  Begründung  eines 
Nebenhauses  ermöglicht  werden  soll. 

Abschluss  der  Ehe. 
Der  Ehevertrag. 

Was  den  Abschluss  der  Ehe  angeht,  so  kennen 
die  Japaner  den  Begriff  unserer  Verlobung  nicht. 
Vielmehr  wird  ohne  präliminarischen  Vorvertrag 
alsbald  die  Eheschliessung  selbst  in  allen  Einzel- 
heiten durch  einen  Ehevertrag  fest  vereinbart. 

Voraussetzung  des  Ehevertrages  ist  vor  Allem 
die  Einwilligung  der  beiderseitigen  Eltern  und  in 
der  Regel  auch  der  nächsten  höheren  anderen  Ver- 
wandten, als  welche  insbesondere  älterer  Bruder 
und  Vatersbruder  namhaft  gemacht  werden.  Die 
Einwilligung  des  Paares  selbst  tritt  in  den  Hinter- 
grund, und  wird  sogar  z.  B.  in  Suwo  direct  als  un- 
nöthig  bezeichnet.  Die  Ehe  ist,  patriarchalischer  An- 
schauung gemäss,  wesentlich  Sache  der  Familie, 
nicht  der  Eheleute. 

p-ür  das  Zustandekommen  des  Vertrages  ver- 
langt die  gute  Sitte  unbedingt  die  Thätigkeit  eines 
Heiratsvermittlers,  nicht  nur,  wenn  es  gilt  eine 
passende  Partie  ausfindig  zumachen,  sondern  sogar 
bei  bereits  vorhandenem  Einverständniss. 

Der,  oder  richtiger  die  Vermittler  —  denn  es 
soll  eigentlich  ein  Ehepaar  dazu  genommen  werden, 
das  zum  ersten  Mal  verheiratet  ist  und  ein  Kind 
hat  —  heissen  Naködo  {=  naka-udo  =  chünin  = 
Mittelsmann,  auch  baikainin,  Vermittler,  oder  na- 
ködo-oya,  Vermittler  -  Eltern,  oder  kari-oya,  in- 
terimistische Eltern).  Sie  werden  aus  Verwandten 
oder  Freunden  gewählt  ,  selten  gemiethet,  und 
haben  ein  recht  verantwortliches  Amt.  Auf  ihrer 
wahrheitsgetreuen  Darstellung  der  beiderseitigen 
Verhältnisse  und  Eigenschaften  beruht  das  Glück 
der  Ehe ;  sie  haben  ferner  auch  während  der  Ehe 
bei  allen  Schwierigkeiten  und  Streitigkeiten  zu 
vermitteln  und  schliesslich  eine  eventuelle  Scheidung 
zu  reguliren,  insbesondere  dabei  die  Auseinander- 
setzung des  Vermögens  zu  bewirken.  Dafür  ge- 
niessen  sie  —  und  zuweilen  sogar  noch  ihr  Erbe, 
auf  den  dann  auch  die  Pflichten  übergehen  — 
lebenslang  die  respectvolle  Verehrung  der  Eheleute, 
die  ihnen  die  üblichen  Höflichkeitsbesuche  und  Ge- 
schenke zu  machen  und  nach  ihrem  Tode  im 
Leichenzug  zu  folgen  haben.  Auch  nach  der  Hoch- 
zeit erhalten  die  Vermittler  häufig  Geschenke.  Es 
ist  ein  Gegenstand  des  Stolzes  häufig  Vermittler 
gewesen  zu  sein. 

Manchmal  wird  von  jeder  Seite  ein  Vermittler- 
paar in  Thätigkeit  gesetzt,  und  zuweilen  sogar  agirt 
zwischen  diesen  beiden  wieder  ein  Dritter,  soge- 
nannter Shita-baikainin  (Untervermittler).  Während 


diese  nur  den  Vertragsabschluss  besorgen,  kommt 
manchmal  bei  reichen  Häusern  noch  ein  Hon-bai- 
kainin  (hon  =  Haupt-)  hinzu,  dem  die  Abfassung 
der  Urkunden  und  die  Anordnung  des  Ceremoniells 
und  der  Geschenke  obliegt. 

Eigenthümlich  ist  die  Gestaltung  des  Ver- 
mittlerverhältnisses in  Nagato.  Hier  wird  jedem 
Mädchen  im  ii.  bis  13.  Jahr  ein  älterer  Verwandter 
als  sogenannter  Kanc-oya  bestimmt,  welchem 
dann  ein  für  allemal  die  gesammte  Sorge  und  Ver- 
mittlungsthätigkeit  hinsichtlich  der  Verheiratung 
des  Mädchens  obliegt.  Zur  Hochzeit  schenkt  er  der 
Braut  dann  die  Utensilien  zum  Schwarzfärben  der 
Zähne,  welches  bei  den  verheirateten  Frauen  lan- 
desüblich ist.  Dieses  Färben  geschieht  mit  einem 
Metalloxyd,  daher  der  Name  Kane-oya  (kane  = 
Metall,  oya  hier  =  Vater). 

Die  Perfection  des  Ehevertrages  wird  durch 
bestimmte  symbolische  Handlungen,  welche  in  den 
einzelnen  Landesthfilen  sehr  verschieden  geartet 
sind,  aber  meistens  in  Geschenken  bestehen,  zur 
sichtbaren  Wahrnehmung  gebracht. 

Am  verbreitetsten  auf  dem  Lande  ist  die  Ueber- 
sendung  eines  Fasses  Sake  (Reisswein).  Sie  beisst 
z.  B.  in  Rikuchü:  Odaru  (grosses  Fass),  in  Echigo: 
Tokurizake  (Flaschensake),  in  Sanuki :  Nageire 
(wörtlich :  llineingeworfenes  ==  Geschenk),  in 
Bungo:  Sumidaru  (Abschluss-Fass),  im  Shimozuke: 
Kuchikime  (Mundabschluss),  in  Omi :  Shimedaru 
(Abschlussfass).  In  Iwaki  und  Hizen  wird  ein  Sack 
Thee  geschickt.  In  Osumi  besucht  der  Mann  die 
Braut  und  dann  die  Braut  den  Mann,  und  beide 
bringen  Mochi  (Reismehlkuchen)  mit.  In  Hiuga 
bringt  die  Schwiegermutter  Sake  und  Fisch  in  das 
Haus  der  Braut,  was  Deiri  (Ausgang-Eingang)  ge- 
nannt wird.  In  Buzen  wird  ein  Trinkgelage  gefeiert 
(sumizake  =  Abschluss-sake).  In  Awa  und  Theilen 
von  Hiuga  begibt  sich  der  Vermittler  in  das  Haus 
der  Braut  und  trinkt  feierlich  ein  paar  Schalen 
Sake  (sakazuki  =  Sakeschale,  genannt).  In  Rikuzen 
werden  nur  die  Vertragsurkunden  ausgetauscht.  In 
Iga  wird  ein  Fass  Sake  an  die  sämmtlichen  Be- 
wohner des  Ortes  vertheilt.  In  Kawachi  werden  an 
alle  Kinder  des  Dorfes  Puppen  aus  gebranntem 
Thon  vertheilt,  was  Hinamorai  (Puppen-Empfang) 
genannt  wird. 

Von  diesen  symbolischen  Geschenken  oder 
Handlungen  ist  das  Yuinö,  das  eigentliche  Hoch- 
zeitsgeschenk zu  unterscheiden.  Es  wird  zwar  zu- 
weilen mit  dem  vorgenannten  Geschenk  verbunden, 
meistens  aber  und  eigentlich  erst  nachher  kurz  vor 
der  Hochzeit  übersandt.  Es  besteht  in  Fisch,  Ge- 
flügel, Seetang,  Kleidungsstoffen,  Flachs  oder  Geld, 
verschieden  im  Werth  je  nach  Rang  und  Reichthum. 
Auch  die  Frau  schickt  dem  Manne  häufig  ein  Gegen- 
geschenk, welches  aber  im  Werthe  unter  dem  des 
Mannes  bleibt  und  meist  die  Hälfte  desselben  nicht 
überschreitet.  Der  Gebrauch  dieser  Geschenke  ist 
uralt.  Er  lässt  sich  nach  Küchler  a.  a.  O.  bis  in's 
8.  Jahrhundert  n.  Chr.  verfolgen  und  scheint  ein 
Residuum  des  an  Stelle  des  ursprünglichen  Frauen- 
raubes später  getretenen  Frauenkaufes  zu  sein.  Das 


52 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Gegeojjeschenk     der    Frau     ist    vermuthlich    erst 
späterem  Höflichkeitsbedürfniss  entsprungen. 

Die  Hochzeitsfeier. 
Bezüglich  der  nun  folgenden  Hochzeitsfeier 
kann  ich  mich  auf  das  Wesentlichste  beschränken 
und  im  Uebrigen  auf  die  eingehende  Schilderung 
der  Einzelheiten  und  ceremoniellen  Vorschriften 
verweisen,  welche  Küchler  a.  a.  O.  gibt. 

Sie  besteht  heutzutage  wesentlich  in  einem 
feierlichen  Gastmahl,  welches  bei  der  gewöhnlichen 
Ehe  im  Hause  des  Bräutigams,  bei  der  Adoptivehe 
dagegen  natürlich  im  Hause  der  Braut  gehalten 
wird.  Im  ersten  Falle  heisst  sie  Yome-iri  (Bfaut- 
Eingang),  im  zweiten  Muko-iri  (Bräutigams-Ein- 
gang), im  Allgemeinen  Konrei  oder  Shügen.  Dabei 
spielt  das  sogenannte  San-san-ku-do  (=  drei-drei- 
neun-mal)  eine  Hauptrolle,  das  ist  ein  neunmaliges 
abwechselndes  Trinken  der  Brautleute  aus  der  von 
den  Shakutori — zwei,  Ochö  und  Mechö  (=  männ- 
licher und  weiblicher  Schmetterling)  genannten, 
Schenkmädchen  —  ihnen  dargereichten  Sakeschale. 
Vor  dem  Sansankudo  und  bei  diesem  trinkt  die 
Braut  zuerst,  nachher  alsbald  pflegt  der  Mann  eine 
Gelegenheit  zu  ergreifen,  um  an  den  Tag  zu  legen, 
dass  nun  das  Verhältniss  umgekehrt  sei.  Die  Braut 
trägt  auf  dem  Wege  zum  Hause  des  Bräutigams 
einen  langen  weissen  Schleier,  der  das  ganze  Gesicht 
verhüllt.  Derselbe  wird  während  des  Sansankudo 
bis  zur  Stirn  gehoben.  Nachher  wird  er  abgelegt 
und  die  Kleidung  gewechselt  (iro-naoshi  =  Farben- 
Wechsel). 

An  das  Yome-iri  schliesst  sich  in  vielen  Ge- 
genden an  einem  der  folgenden  Tage  noch  das 
Sato-gayeri  (Dorf-Rückkehr)  an,  ein  Besuch  der 
Eheleute  bei  den  Eltern  der  Braut,  und  zuweilen 
auch  das  Hatsu-aruki  (erstes  Gehen),  ein  Vor- 
stellungsbesuch, den  die  Braut  in  Begleitung  ihrer 
Schwiegermutter  oder  der  Frau  desNaködo  in  allen 
Häusern  des  Dorfes  macht. 

Charakteristisch  ist,  dass  bei  sämmtlichen 
Hochzeitsfeierlichkeiten  weder  eine  priesterliche, 
noch  eine  behordliclie  Mitwirkung  stattfindet.  Der 
Ortsvorstand  wird  zwar  an  vielen  Orten  zum  Mahle 
eingeladen,  aber  er  sitzt  dann  bezeichnender  Weise 
unter  dem  Naködo,  der  den  obersten  Ehrenplatz 
einnimmt. 

Die  Heiratsanzeige. 
Man  darf  aber  deshalb  nicht  annehmen,  dass 
der  japanische  Staat  sich  um  die. Eheschliessung 
gar  nicht  kümmere.  Zur  Zeit  des  Feudalismus  fand 
sogar  eine  sehr  energische  Einmischung  des  Staates 
statt,  freilich  nur  soweit  derselbe  ein  Interesse  hatte. 
Dies  war  der  F'all  bezüglich  der  Eheschlies- 
sungen der  Daimyo  (d.  s.  die  jetzt  mediatisirten 
feudalen  Landesfürsten),  der  Kuge  (oder  Hofbe- 
amten) und  der  Samurai,  (der  Kriegerclasse). 

Die  ersten  beiden  bedurften  der  Genehmigung 
des  Shögun,  die  letzteren  der  ihrer  unmittelbaren 
Verwaltungsvorgesetzten,  des  Kashira  oder  Waka- 
doshiyori.    Das    Gesuch    war   nach   der   Vertrags- 


schliessung, aber  vor  der  Hochzeit  einzureichen. 
Was  die  P'olge  der  Vernachlässigung  dieser  Vor- 
schriften angeht,  so  droht  lyeyasu  im  lo.  der  so- 
genannten i8  Gesetze  nur  Strafe  an.  In  einem  Ge- 
setz des  Shögun  Yoshimune  vom  28.  April  1733 
(18.  J.  Kyohü)  dagegen  heisst  es,  dass  P'rauen  „nicht 
erlaubt  sei,  Ehefrauen  zu  werden"  ohne  Erfüllung 
der  vorgeschriebenen  Gesuche  und  Hochzeitsfeier- 
lichkeiten. Aehnliche  Vorschriften  s.  b.  Rudorff, 
Tokugawagesetzsammlung,  a.  a.  O.  in  den  Buke- 
shohatto.  Bei  den  Heimin  dagegen,  dem  Bürger- 
und Bauernstande  ,  genügte  eine  auch  nach  der 
Hochzeit  zulässige  Anzeige  an  den  Ortsvorstand, 
bald  unmittelbar,  bald  durch  Vermittlung  des  lyenushi 
oder  Yanushi  (des  Hauseigenthümers),  die  lediglich 
der  Richtigstellung  der  Register  halber  vorge- 
schrieben war. 

Die  Regierung  des  neuen  Regime  blieb  zu- 
nächst bei  diesem  System.  Gebauer  berichtet  über 
eine  Verordnung  vom  4.  Januar  1870,  wonach  die 
Eheschliessung  zu  ihrer  Giltigkeit  der  vorherigen 
staatlichen  Erlaubniss  bedurfte.  Die  japanische  Ge- 
setzsammlung enthält  den  Wortlaut  nicht,  so  dass 
ich  nicht  feststellen  konnte,  ob  sich  die  Verordnung 
—  was  indessen  unwahrscheinlich  ist  —  auch  auf 
die  Heimin  bezogen  hat.  Erst  durch  Verordnung 
vom  23.  August  1871  wurde  das  Princip  geändert 
und  bestimmt,  dass  alle  Classen  der  Bevölkerung 
zur  Eheschliessung  keines  vorherigen  Gesuches 
um  Genehmigung  (negai)  mehr  bedürften,  dass  viel- 
mehr eine  nachherige  Anzeige  an  den  Kocho  (Ge- 
meindevorstand) oder  Kuchö  (Bezirksvorstand) 
zwecks  Registrirung  genüge.  Eine  Ausnahme  be- 
steht jedoch  für  die  Kwazoku,  welche  nach  §  9  des 
Gesetzes  vom  7.  Juli  1884  zur  Eheschliessung  der 
Genehmigung  des  Kunaisho  (Hofministerium)  be- 
dürfen. 

Was  die  Folge  der  Nichtanmeldung  anlangt, 
so  wurde  durch  V.  O.  vom  27.  December  1874  und 
nochmals  durch  V.  O.  vom  g.  December  1875  (Nr. 
209)  bestimmt,  dass  Ehen  ohne  Anmeldung  zu  den 
Registern  ungiltig  seien.  Die  praktische  Durchführ- 
barkeit dieser  strengen  Consequenz  scheint  indessen 
auf  Schwierigkeiten  gestossen  zu  sein.  Man  änderte 
jedoch  das  Gesetz  nicht,  sondern  half  sich  durch 
eine  etwas  kühne  Legalinierpretation.  Durch  Ver- 
fügung der  Ministeriums  vom  19.  Juni  187 7  wurde 
erklärt,  dass  trotz  der  in  der  V.  O.  vom  g.  De- 
cember 1875  vorgeschriebenen  .\nzeige  die  Ehe 
als  giltig  zu  betrachten  sei,  wenn  ihre  thatsächliche 
Existenz  von  den  Verwandten  und  Nachbarn  nach 
freiem  richterlichen  Ermessen  als  anerkannt  anzu- 
nehmen sei. 

Wir  finden  die  Erklärung  in  dem  Bericht  des 
Minji  Kwanrei  Ruishu,  wonach  in  vielen  Landes- 
theilen  die  Anzeigeerstattung  gewuhnheitsrecht- 
lichermassen  eine  äusserst  la.xe  war  und  vermuth- 
lich trotz  der  neuen  Vorschriften  noch  ist.  Sie  findet 
•danach  z.  B.  Chisagata-gori  in  Shinano  und  im 
Miike-göri  in  Chikugo  nur  jährlich  einmal  vom  i. 
bis  II.  Januar,  in  Suwo  in  jedem  August  für  alle 
im  Jahre  geschlossenen  Ehen    statt,    im  Takai-gbri 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIiT    pOr   DEN   ORTEMT. 


53 


daselbst  erst  dann,  wenn  die  Frau  schwanger  ge- 
\^m  worden  ist,  in  Bitchu  erst  dann,  wenn  ein  Kind  ge- 
'^»  boren  ist,  in  Mimasaka  und  Kawachi  erst  dann, 
wenn  das  Zusammenleben  ergeben  hat,  dass  die 
Eheleute  gut  zu  einand<;r  passen  und  sich  vertragen, 
in  Izumi  und  im  Ni-i-gori  in  Chikugo  zuweilen  erst 
nach  drei  Jahren.  Hesonders  vorsichtig  scheinen  die 
Leute  inMikawazusein.  Dort  findet  sich  der  Brauch, 
dass  zuerst  ein  blosses  factisches  Zusammenleben, 
Ashi-ire  (Kusshineinsetzen)  genannt,  stattfindet, 
danach  bei  erkannter  Friedfertigkeit  der  Frau  die 
Anzeige  erfolgt  und  dann  erst  das  Yuinö,  das  Hoch- 
zeitsgeschenk, gegeben  wird. 

Ptrfeclion  der  Ehe. 

Nach  dem  Vorstehenden  erhellt,  dass  es  gar 
nicht  einfach  ist,  zu  sagen,  von  welchem  Moment 
an  denn  eigentlich  eine  Fhe  in  Japan  als  geschlossen 
gilt,  von  wann  an  also  z.  R.  die  Frau  die  Strafe  des 
Ehebruches  trifft,  oder  dieTrennung  durch  formelle 
Scheidung  möglich  ist  u.  s.  w.  Japanische  Juristen 
geben  die  Antwort,  dass  die  Ehe  jedenfalls  dann 
als  perfect  anzusehen  sei,  wenn  die  Anzeige  er- 
stattet sei,  in  deren  I'>manglung  aber  auch  dann, 
wenn  nur  das  Sansankudo  stattgefunden  habe,  und 
höchst  eventuell  auch  schon  durch  das  factische 
Zusammenleben  im  Sinne  der  citirten  Verfügung 
vom  ig.  Juni  1877.  Man  wird  danach  diese  drei 
Momente  als  ebensoviele  I'ormen  der  Eheschliessung 
zu  betracliten  haben,  von  denen  jede  allein  genügt, 
wenn  auch  in  der  Regel  alle  drei  sich  vereinigt  finden. 

Was  die  Folgen  der  Ferfection  des  Ehever- 
trages angeht,  so  ist  von  einer  Klage  auf  Vollzug 
der  Ehe  oder  Schadenersatz  keine  Rede,  doch 
stimmen  alle  Berichte  in  Minji  Kwanrei-Ruishu  da- 
hin überein,  dass  nach  dem  Vertragsschluss  in  der 
Regel  keine  Partei  mehr  zurücktrete.  Im  fiebrigen 
scheinen  die  einzigen  Conseiiuenzen  des  blossen 
Ehevertrages  zu  sein,  dass  die  Rrautkinder  den  ehe- 
lichen gleichgestellt  werden,  und  die  Braut  die 
Trauerptlicht  gt;genüber  den  näheren  Verwandten 
des  Bräutigams  auf  sich  zu  nehmen  hat. 

Ehehindernisse. 

d)  Was  das  erforderliche  Alter  angeht,  so  ist 
in  dem  44.  der  100  Gesetze  des  lycyasu  :  „.  .  .  . 
Nach  dem  16.  Jahre  soll  der  junge  Mann  sich  einen 
Brautwerber  suchen",  das  16.  Jahr  für  den  Mann 
vorgeschrieben.  Die  Frauen  sind  mit  dem  13.  Jahr 
heiratsfähig.  Beide  Grenzen  scheinen  bisher  nicht 
geändert  zu  sein. 

V)  Standesunterschiede, 

Im  Keishiryo  (Theil  des  Rio  no  Gige)  ist  be- 
züglich der  Eheschliessungen  der  Mitglieder  der 
kaiserlichen  Familie  bestimmt,  dass  den  Shinno  ge- 
stattet werden  kann,  sich  untereinander  und  mit  den 
ü  des  4.  Grades  inclusive  zu  verheiraten,  nicht 
aber  mit  O  vom  5.  Grad  oder  mit  tiefer  stehenden 
Unterthanen.  Den  O  vom  5.  Grade  an  dagegen 
war  nicht  nur  die  lilhe  untereinander,  sondern  auch 
mit  Unterthanen   gestattet.    Unter    Shinnö    wurden 


damals  die  Geschwister  und  die  Kinder  eines 
Kaisers  oder  einer  Kaiserin  verstanden,  unter  Ö 
die  Nachkommen  der  Shinnö.  ()  des  vierten  Grades 
sind  die  Ururenkel  eines  Kaisers  oder  einer 
Kaiserin.  Spätere  Nachkommen  heissen  noch  O, 
gehijren  aber  nicht  mehr  zur  kaiserlichen  Familie 
im  engeren  Sinne.  Heute  heissen  nach  dem  Haus- 
gesetz von  1889  die  O  überhaupt  bis  zum  Urur- 
enkel Shinnö  (bezw.  die  Frauen  Naishinnö)  und  die 
späteren  O  (bezw.  Nio-ö).  Für  die  Ehe  derselben 
ist  Artikel  3g  entscheidend,  wonach  die  Mitglieder 
der  kaiserlichen  Familie  nur  untereinander  und 
mit  solchen  adeligen  Familien  sich  verheiraten 
dürfen,  welche  durch  kaiserliche  Verordnung  be- 
stimmt sind. 

Seit  alter  Zeit  waren  Ehen   zwischen  den  ver- 
schiedenen Ständen   der   Daimyo,    Kuge,   Samurai 
und  Hciinin    nur  mit   staatlicher  Genehmigung  ge- 
stattet.   Doch   war   die  Handhabung   des  Verbotes 
wohl   nur  bezüglich   der   beiden   obersten  Classen 
eine  strenge.   Im   Uebrigen  scheinen   vielfach  Um- 
gehungen ül)lich  gewesen  zu  sein.  So  wird  im  Minji 
Kwanrei  Ruishu  aus  dem  'I'oshima-gori   in  Musashi 
berichtet,  dass  man,  um  die  Ehe  einer  Frau  aus  den 
Heimin  mit  einem  Samurai  zu  ermöglichen,   früher 
der   Frau    einen   Karioya    (interimistischer  Vater), 
also  einen  fictiven  Vater  nur  ad  hoc  bestellt  habe,     ^t^~-p 
später   aber   die  Frau    von  einem  Mann   aus   dem      ,5 
Samuraistande,   der  dann  die  Frau  in  die  Ehe  gab,     '■  ^ 
habe  adoptiren  lassen.  /'^^^ 

Dieses    Ehehinderniss   ist   durch   V.    O.    vom      ^'^' 
22.  August  1871  für  alle  Classen  beseitigt.  Jedoch       ^  "j 
soll  eine  geheime  Verordnung  für  die  Kwazokuexi-       ^ 
stiren,  welche  ihnen  auch  jetzt  noch  die  Einholung       *--^  ' 
der  Genehmigung  der  Regierung  zur  Pflicht  macht.       Mi^ 

c)  Verwandtschaft  und  Schwägerschaft.  Weder 
geschichtlich  noch  für  das  geltende  Recht  ist  eine 
positive  umfassende  Anordnung  über  die  Grenze 
der  Ehe  zwischen  \'erwandten  aufzufinden.  Dass 
die  chinesischen  Grundsätze  strenger  Exogamie 
keinen  Eingang  gefunden  haben,  ist  indessen  zweifel- 
los, trotz  des  44.  der  100  Gesetze  des  lycyasu,  in 
welchem  es  —  nach  der  Kempermann'schcn  Ueber- 
setzung  im  2.  Heft  der  Mittheilungen  —  ziemlich 
allgemein  lautet:  „.  .  .  .  man  soll  aber  aus  seinem 
eigenen  Geschlechte  kein  Weib  nehmen,  sondern 
bei  der  Auswahl  auf  Familien-  und  Blutabstammung 
Bedacht  nehmen".  Gewöhnlich  wird  die  Regel  auf- 
gestellt, die  Ehe  sei  verboten  mit  oji  (Bruder  der 
Eltern),  oi  (Geschwistersohn),  oba  (Schwester  der 
l>2ltern),  mei  (Geschwistertochter),  kyodai  (Bruder) 
und  shimai  (Schwester),  so  dass  das  Verbot  bis 
zum  dritten  Grade  unserer  Verwandtschaftsberech- 
nung einschliesslich  reichen  würde.  Die  gerade 
Linie  ist  dabei  als  selbstverständlich  weggelassen. 
Für  die  letztere  kommt  auch  Schwägerschaft,  sowie 
die  Adoptivverwandtschaft  in  Betracht,  was  in  einer 
Ministerialverfügung  vom  14.  Januar  1S87  bezüg- 
lich der  Ehe  mit  der  Adoptivtochter  (Yöjo)  auch 
nach  deren  Entlassung  aus  der  Adoption,  ausdrück- 
lich ausgesprochen  ist.    Nach  derselben  Verfügung 


54 


TSESTERREICHISCHE   MONATSSCHRrPT   FÜR  TJEW   OHIENT. 


ist  auch  die  Ehe  mit  der  Schwester  des  Schwieger- 
sohnes und  nach  einer  Verfügung  vom  28.  Februar 
1888  die  mit  der  Schwester  des  Adoptivsohnes 
schlechthin  verboten.  Dagegen  bildet  (im  vollstän- 
digen Gegensatz  zu  unserer  Anschauung)  die  Adop- 
tivverwandtschaft  kein  Hinderniss  für  die  Ehe 
zwischen  Adoptivgeschwistern.  Sonst  wäre  ja  das 
ganze  Institut  dts  Mukoyöshi,  bei  dem  häufig  die 
Ehe  erst  nach  der  Adoption  geschlossen  wird,  gar 
nicht  möglich.  Die  Ehe  mit  der  Schwester  der  Frau 
ist  nicht  unzulässig,  wird  vielmehr  in  Suwo  z.  B.  ge- 
radezu als  üblich  bezeichnet. 

Damit  stimmen  die  Vorschriften  über  den 
Incest  im  Wesentlichen  überein.  Der  Kwampö- 
ritsu  bestraft  den  Geschlechtsumgang  mit  der 
Yöjo  (Adoptivtochter),  Shimai  (Schwester),  Oba 
(Tante),  Mei  (Nichte).  Das  nach  chinesischem 
Muster  gearbeitete  Strafgesetzbuch  aus  dem  Jahre 
1871  kennt  den  Incest  mit  i.der  Concubine  des 
Vattrs  oder  Grossvaters,  2.  der  Vatersschwester 
und  Schwester,  3.  der  Frau  oder  Concubine  des 
Sohnes  und  Enkels,  der  Mutterschwester,  der 
Brudersfrau  und  Neffenfrau,  der  Nichte,  Stief- 
tochter und  Halbschwester.  Der  hier  statuirte 
weitgehende  Schutz  in  der  Seitenlinie  ist  wohl 
nur  dem  chinesischen  Vorbild  entnommen  und 
ohne  Anhalt  im  japanischen  Rechtsgefühl.  Das 
neue  jetzt  geltende  Strafgesetzbuch  hat  merk- 
würdigerweise über  den  Incest  gar  keine  Vor- 
schrift. 

li)  Bestehende  Ehe  ist  Ehehinderniss  und 
macht,  wie  es  scheint,  die  zweite  Ehe  nichtig. 
Nach  Art.  354  des  jetzigen  Strafgesetzbuches, 
wird  der,  welcher  trotz  bestehender  legitimer 
Ehe  (baigüsha  aru  mono)  eine  neue  legitime  Ehe 
eingeht,  mit  Gefängniss  von  fünf  Monaten  bis  zu 
zw«i  Jahren  und  mit  Geldstrafen  von  5 — 50  Yen 
bestraft. 

Eine  Besonderheit  ist,  dass  im  Oitama-göri 
in  Uzen  nach  Scheidung  einer  Ehe  für  beide 
Theile  auf  drei  Jahre  hin  eine  neue  Eheschliessung 
verboten  ist. 

e)  Die  ehebrecherische  Ehefrau  und  ihr  Mit- 
schuldiger dürfen  nach  Ministerialverfügung  vom 
6.  October  1886  keine  Ehe  schliessen.  Die  Be- 
stimmung scheint  gänzlich  neu  und  die  Rechts- 
folge ist  nicht  ausgesprochen.  Die  Vorschrift 
trifft  den  Ehemann  nicht,  da  nach  Art.  353  des 
jetzigen  Strafgesetzbuches  nur  die  Ehefrau  wegen 
Ehebruches  bestraft  wird. 

f)  Ein  eigenthümliches  Ehehinderniss  bestand 
früher  (und  wurde  noch  bestätigt  in  der  Mini- 
sterialverfügung vom  22.  Mai  1873)  für  die  On- 
nakoshu  (weiblicher  Hausherr),  d.  h.  die  Tochter, 
w^che  in  Ermanglung  vorgehender  männlicher 
Erben  in  die  Hausherrschaft  succedirt  ist.  So 
lange  sie  diese  Stellung  einnimmt,  war  ihr  zur 
Fortpflanzung  des  Hauses  nur  die  Adoption,  nicht 
die  Ehe  gestattet,  weil  im  Falle  der  Verheiratung 
die  Kinder  das  Haus  des  Mannes  fortsetzen  würden. 
Jetzt  ist  ihr  aber  durch  Zusatz  vom  22.  Juli  1873 
zu  der  V.  O.  vom  22    Jänner   1873  (in  welcher 


der  Erbschaftsantritt  durch  die  Tochter  geregelt 
wird)  ausser  der  Adoption  auch  gestattet  worden, 
einen  Ehemann  in  ihr  Haus  aufzunehmen,  mit 
der  selbstverständlichen  FolgCj  dass  (ebenso,  wie 
im  Falle  der  Adoption  ihr  Adoptivsohn,  so  hier) 
ihr  Ehemann  alsbald  in  die  Hausherrschaft  als 
Erbe  eintritt.  Es  wird  also  dadurch  derselbe 
Effect  erreicht,  als  wenn  der  Mann  vom  Vater 
der  Frau  adoptirt  worden  wäre.  Durch  Verord- 
nung vom  31.  August  1877  ist  der  Erbin  er- 
möglicht, sich  trotz  des  Erbschaftsantrittes  mit 
Genehmigung  der  Behörde  von  einem  Manne  in 
sein  Haus  aufnehmen  zu  lassen,  mit  der  Folge 
natürlich,   dass  dann   ihr   Haus   erlischt. 

g)  Während  der  Trauerzeit  für  Eltern  oder 
Grosseltern  durfte  eine  Ehe  nicht  geschlossen 
werden.  Zuwiderhandlung  wurde  nach  dem  Straf- 
gesetzbuch von.  187  I  mit  Zuchthaus  bis  zu  neunzig 
Tagen  bestraft.  Heute  besteht  indess,  wie  es 
scheint,  ein  Rechtszwang  in  dieser  Richtung  nicht 
mehr. 

h)  Die  Eheschliessung  zwischen  Japanern  und 
Ausländern  ist  in  der  Verordnung  vom  14.  März 
1873  geordnet.  Darnach  verliert  sowohl  die  Aus- 
länderin, welche  einen  Japaner,  als  die  Japanerin, 
welche  einen  Ausländer  heiratet,  ihr  Indigenat. 
Japaner  bedürfen  der  Erlaubniss  der  Regierung. 
Jedoch  ist  es  nach  Verfügung  vom  11.  März  1881 
auch  gestattet,  dass  ein  Japaner  einen  Ausländer 
zu  seinem  Adoptiv-Schwiegersohn  (mukoyöshi) 
macht,  und  nach  Verfügung  vom  8.  Juni  1881 
kann  auch  eine  selbstständige  Japanerin  einen 
Ausländer  als  Ehemann  und  Hausherrn  in  das 
Haus  eintreten  lassen,  beides  selbstverständlich 
unter  der  Bedingung,  dass  der  Ausländer  japani- 
scher Unterthan  wird. 

;■)  Erbliche  Krankheit  in  der  Familie  eines 
der  Eheschliessenden  (namentlich  Schwindsucht 
und  Lepra)  wird  (z.  B  in  Echigo)  als  Grund 
zum  Einschreiten  der  Verwandten  gegen  die  Ehe 
erwähnt. 

j)  Die  Ehe  ist  den  buddhistischen  Priestern, 
ausser  denen  der  Shinsecte,  verboten,  nicht  je- 
doch den  Priestern  des  Shinto,  des  nationalen 
Ahnencultus. 


DIE  GENUSSMITTEL  DES  ORIENTES. 

Von   Gustav  Troll. 
II. 


Die  Weinrebe  und  der  Wein  haben  schon  zu  den 
ältesten  Zeiten  in  den  Ländern  des  Orientes  eine 
grosse  Rolle  gespielt.  Die  Bibel  berichtet  uns,  dass 
seit  Noah's  Zeiten  her  das  auserwählte  Volk  Gottes 
das  köstliche  Geschenk  der  Rebe  würdig  gehegt  und 
gepflegt  hat.  Dass  Trauben  sowohl  als  Rebensaft, 
bei  den  Kindern  Israels  in  hohem  Ansehen  standen, 
beweist  auch  der  Umstand,  dass  sie,  nach  dem  Aus- 
zuge aus  Egypten,  sich  erst  dann  entschlossen,  das 
gelobte  T^and  zu  betreten,  als  die  ausgesandten 
Boten  mit  der  Kunde  von  seiner  grossartigen  Frucht- 


I 


OBSTBRRBICHISCHE   MONATSSCHRIFT    pOr    DER   ORIENT. 


55 


barkeit  zurückkamen  und  als  Beweis  dafür  zwei 
küstiiciie  Riesentrauben  mitbrachten.  Das  alte,  so- 
wohl als  das  neue  '["estament  spricht  sehr  häufig 
vom  edlen  Rebensafte  und  schon  dies  beweist,  dass 
die  Weincultur  in  jenen  fernen  Zeiten  in  hoher 
Blüthe  stand.  Von  den  alten  Griechen  und  anderen 
Bewohnern  des  damaligen  Morgenlandes  weiss  man 
es  auch,  dass  sie  einen  guten  Tropfen  wohl  zu 
schätzen  wussten,  ja  es  wurde  sogar  ein  eigener 
Gott  für  die  Weinseligen  eingesetzt,  dessen  An- 
sehen bei  seinen  opferwilligen  Anhängern  sich  so- 
gar bis  auf  unsere  prosaischen  und  allen  Göttern 
abholden  Zeiten  erhalten  hat.  Bacchus  und  seine 
Verbündete,  Venus,  haben  ihr  Reich  trotz  aller 
Götterstürze  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  und 
die  Medicinmänner  wissen  auch  heute  noch  von 
einem  mitunter  übertriebenen  Cultus  dieser  Gott- 
heiten zu  erzählen,  den  sie  freilich  etwas  prosaisch 
als  Exccsse  in  baccho  et  in  venere  bezeichnen. 

Mit  der  Herrschaft  des  Islams  begann  der 
Verfall  des  Weinbaues  im  Oriente.  Dem  finsteren, 
fanatischen  Charakter  dieser  Religion  entsprach  die 
heitere,  sorglose  Lebensauffassung,  wie  sie  der 
Weinbau  und  Weingenuss  mit  sich  brachte,  nicht, 
deshalb  erliess  der  Prophet  sein  Weinverbot  und 
begrüntlete  damit,  man  kann  es  wohl  allen  Ernstes 
behaupten,  die  Macht  und  die  Schreckensherrschaft 
seiner  Anhänger  und  Nachfolger.  In  allen  Ländern, 
welche  sich  der  Islam  unterwarf,  schwand  die  Wein- 
cultur zum  Zwecke  der  Weingewinnung  fast  gänz- 
lich. Nur  die  Traube  als  Frucht  war  geduldet,  ilires 
Wohlgeschmackes  wegen  geschätzt  und  im  Ge- 
heimen von  manchem  sonst  glaubenseifrigen  Moslim 
sorgsam  gepflegt.  Wie  manche  Gartentraube  ward 
im  Verborgenen  in  Most  und  Wein  verwandelt  und 
wie  mancher  Rausch  mag  wohl  daraus  schon  ent- 
standen sein !  In  jenen  Ländern  des  Islam,  deren 
ursprüngliche  christliche  Bevölkerung  ihrem  Glauben 
trotz  aller  Bedrückung  treu  blieb,  blieb  auch  der 
Weinbau  erhalten,  musste  sich  aber  auf  das  ge- 
ringste Ausmass  beschränken  und  hatte  mit  zahl- 
losen Schwierigkeiten  zu  käm[)fen.  Erst  seit  unser 
Jahrhundert  die  Macht  des  Islams  gebrochen  und 
den  christlichen  Völkern  seiner  Herrschaft  eine 
relative  Freiheit  gebracht  hat,  ist  der  Weinbau  im 
Oriente  wieder  in  Schwung  gekommen.  Die  von 
Alters  her  vveingesegneten  Länder  haben  nach  und 
nach  ihren  natürlichen  Reichthum  auszubeuten  ge- 
lernt, aber  im  Ganzen  und  Grossen  ist  der  Weinbau 
auch  heute  noch  im  Oriente  auf  eine  ziemlich 
niedrige  Stufe  gestellt.  Inder  grossen  Mehrzahl  der 
orientalischen  Länder  kann  von  Weinbau  eigent- 
lich keine  Rede  sein.  In  Syrien  wurde  vonaltersher 
von  der  christlichen  Secte  der  Maroniten  Weinbau 
betrieben  und  seit  dieses  Volk  im  Libanon  eine  ge- 
wisse Freiheit  geniesst,  hat  auch  der  Weinbau  auf 
den  Abhängen  des  Libanon  wirklich  zugenommen. 
Die  Libanonweine  zeichnen  sich  durch  Stärke, 
edles  Feuer  und  Wohlgeschmack  aus,  berühmt  ist 
besonders  der  Wein  von  Sehtora,  eines  Dorfes  am 
Fusse  des  Libanon  in  der  sogenannten  Bekaa  ge- 
legen,   an   der    Kunststrasse,    die  von   Beirut    nach 


Damaskus  führt.  In  Palästina  verdankt  die  Wein- 
cultur den  deutschen  Colonisten  (Templern)  ihre 
Wiedergeburt  und  die  Weine  von  Jerusalem  und 
Bethlehem  zeugen  von  der  untilgbaren  Fruchtbar- 
keit des  einstigen  gelobten  Landes.  In  Europa  sind 
die  Palästina-  und  Libanonweine  noch  viel  zu  wenig 
bekannt,  obwohl  sie  sich  ihres  grossen  Alkohol- 
und  Phosphorsäure-Gehaltes  wegen  auch  ganz  be- 
sonders zu  stärkenden  Medicinalweinen  eignen 
würden.  Der  natürliche  Reichthum  dieser  gesegneten 
Landstriche  wird  jedoch  früher  oder  später  sicher 
zur  Geltung  kommen. 

An  der  ganzen  nordafrikanischen  Kflste  ist  der 
Weinbau,  einestheils  wegen  der  Bodenbeschaffen- 
heit, anderntheils  wegen  der  ausschliesslichen  Herr- 
schaft der  Mohammedaner  ganz  in  Verfall  gerathen. 
Selbst  Trauben  wurden  und  werden  auch  heute 
noch  von  Spanien,  Slcilien,  Malta  und  Griechenland 
eingeführt.  Nur  Algier  macht  seit  einiger  Zeit  eine 
rühmliche  Ausnahme.  So  jung  die  dortigen  Wein- 
culturen  auch  sind,  so  bilden  sie  doch  schon  jetzt 
einen  Hauptreichthum  des  Landes  und  liefern  den 
Hauptartikel  im  Waarenaustausch  der  C'olonie  mit 
dem  Mutterlande.  Die  Weine  von  Algier  können 
sich  an  Güte  und  Feinheit  mit  den  besseren  Sorten 
der  Palästina-  und  Libanon-Weine  zwar  nicht 
messen,  aber  sie  eignen  sich  vortrefflich  dazu,  die 
im  Niedergang  begriffene  Weinproduction  Frank- 
reichs zu  ersetzen. 

In  Griechenland  gewinnt  die  Weincultur  eben- 
falls immer  mehr  und  mehr  an  Boden  und  die 
griechischen  Weine  bilden  schon  heute  einen 
wichtigen  Handelsartikel.  Kleinasien  dagegen  pro- 
ducirt  wenig  Wein,  aber  viel  Trauben.  DieSmyrnaer 
Trauben  geniessen  eines  wohlbegründeten  Rufes,  sie 
versorgen  nicht  allein  Constantinopel ,  sondern 
werden  auch  weiter  exportirt.  Auch  die  Balkan- 
halbinsel ist  verhältnissmässig  arm  an  Wein.  Der 
ungemein  rasche  Aufschwung  der  Weincultur  in 
.Algier  erweist  jedoch  zur  Genüge,  dass  der  Wieder- 
aufschwung des  Weinbaues  im  Oriente  nur  eine 
Frage  der  Zeit  ist. 

Viele  Länder  des  Orientes  würden  sich  vor- 
züglich zum  Weinbau  eignen,  obwohl  sie  ihn  gegen- 
wärtig noch  gar  nicht  betreiben.  Das  Klima  von 
Abcssynien  z.  B.  ist  namentlich  in  den  höher  ge- 
legenen und  besser  bewässerten  Theilcn  für  die 
Anpflanzung  des  Weinstockes  wie  geschaffen.  Trotz- 
dem wird  der  Weinbau  dort  gar  nicht  betrieben, 
ja  der  Wein  selbst  ist  fast  ganz  unbekannt. 

Mit  der  Zunahme  europäischer  Cultur  und 
europäischen  Einflusses  ist  in  den  Ländern  des 
Orientes  im  engeren  Sinne  auch  der  Verbrauch 
von  Wein  bedeutend  gestiegen,  und  da  die  eigene 
Erzeugung  hicfür  noch  lange  nicht  genügt,  so  er- 
gibt sich  die  Nothwendigkeit  fremder  Einfuhr.  In 
jedem  einzelnen  Gebiete  des  Orientes  hat  sich 
naturgemäss  dasjenige  Land  dieses  Bedürfnisses 
bemächtigt ,  welches  vermöge  seiner  Lage  und 
setner  Handelsverbindungen  hiezu  am  nächsten  be- 
rufen war.  So  bezieht  Marokko,  das  übrigens  auch 
heute   noch   sehr   wenig  Wein    verbraucht,   seinen 


56 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN   ORIENT 


Bedarf  fast  ausschliesslich  von  Spanien.  Algier,  das 
noch  vor  zwanzig  Jahren  fast  seinen  gesammten 
Weinbedarfvom  Mutterlande  bezog,  ist  heute  schon  in 
der  Lage,  seinen  eigenen  Bedarf  zu  decken  und 
namhafte  Weinausfubr  zu  betreiben.  In  Tunis  hat 
seit  Kurzem  der  Weinbau  ebenfalls  begonnen, 
doch  wird  noch  sehr  viel  von  Frankreich  (Kunst- 
wein), Algier  und,  besonders  früher,  von  Italien 
eingeführt.  Tripolis  bezieht  seinen  Wein  meist  von 
Griechenland  und  Italien,  doch  ist  der  Verbrauch 
gering,  in  Egypten  wurden  früher  hauptsächlich 
italienische  und  französische  Weine  getrunken  ;  in 
neuerer  Zeit  werden  griechische  Weine  (nament- 
lich von  Cypern)  und  Weine  aus  Oesterreich-Ungarn 
stark  eingeführt.  Palästina  und  Syrien  deckt  so 
ziemlich  den  eigenen  Bedarf,  doch  werden  noch 
ziemliche  Mengen  von  Cyperweinen  eingeführt, 
namentlich  die  geringeren  Sorten  des  sogenannten 
Schlauchweines,  der  von  seiner  Aufbewahrung  in 
Bocksschläuchen  einen  ziemlich  unangenehmen  Bei- 
geschmack erhält,  und  der  nicht  minder  unangenehm 
schmeckende  Harzwein,  dessen  Beigeschmack  von 
einer  Behandlung  des  Weines  mit  Pech  herrührt. 
Kleinasien  erzeugt  zum  Theil  selbst  Wein  (der 
bekannteste  ist  der  Brussa-Wein),  zum  Theil  be- 
zieht es  denselben  von  Cypern  und  Griechenland. 
Das  eigentliche  Weinland  der  Mohammedaner  ist 
jedoch  Persien,  wo  von  altersher  der  Weincultur 
grosse  Beachtung  geschenkt  wurde.  Die  berühmteste 
Sorte  Perser-Weine  ist  der  schwere ,  braunrothe 
^  Wein  von  Schiras,  daran  reihen  sich  die  Weine 
/■von  Ispahan  und  Hamadan.  In  Constantinopel  wird 
ausser  den  feineren  französischen  und  deutschen 
Flaschenweinen  hauptsächlichgriechischer,  in  letzter 
Zeit  auch  viel  rumänischer  und  ungarischer  Wein 
getrunken. 

Die  übrigen  Balkanländer,  soweit  sie  noch 
zum  Oriente  zählen,  erzeugen  ihren  geringen  Be- 
darf an  Wein  entweder  selbst,  oder  beziehen  ihn 
aus  den  Nachbarländern,  namentlich  von  Rumänien 
und  Ungarn. 

Im  Verhältniss  zu  dem  geradezu  enormen 
Verbrauch  von  Branntwein,  ist  der  Weinconsum 
des  Orientes  ein  sehr  geringer  und  beschränkt  sich 
hauptsächlich  auf  die  eingewanderten  Fremden. 
In  der  letzten  Zeit  hat  auch  hier  der  Pseudo-Gott 
Gambrinus  allenthalben  seinen  siegreichen  Einzug 
gehalten  und  der  Bierconsum  ist  fortwährend  im 
Steigen  begriffen. 

Der  geringe  Verbrauch  von  Wein  erklärt  sich 
nicht  sowohl  aus  religiösen,  als  aus  den  wirthschaft- 
lichen  Verhältnissen  der  orientalischen  Länder. 
Die  einheimische  Bevölkerung  ist  im  Allgemeinen 
sehr  arm,  sie  muss  in  den  meisten  Fällen  hart 
arbeiten,  um  sich  den  kargen  Lebensunterhalt  zu 
verdienen.  Nichts  ist  daher  natürlicher  als  dass  die- 
jenigen, die  der  Stärkung  bedürfen,  oder  die  Be- 
täubung wünschen,  zum  billigen  leicht  erhältlichen 
Branntwein  oder  zu  einem  Narcoticum  greifen.  In 
den  Küstenstädten  des  Orientes,  da,  wo  die  Ein- 
geborenen im  Kampfe  um  ihre  Erhaltung  den  ein- 
dringenden  Fremden    gew-enüber   gezwungen  sind, 


ihre  Arbeitskräfte  auf  das  Aeusserste  anzuspannen, 
findet  man  daher  überall  die  Thatsache,  dass  der 
Eingeborene  mehr  dem  Branntweingenusse,  der 
Fremde  aber  dem  Weingenusse  ergeben  ist.  Die 
Vornehmen  unter  den  Einheimischen  trinken  öffent- 
lich Bier,  auf  welches  sich  das  Verbot  des  Pro- 
pheten natürlich  nicht  bezieht,  Wein  aber  nur  im 
Geheimen. 

Dringt  man  weiter  in  das  Innere  orientalischer 
Länder,  wo  die  Cultur  immer  mehr  und  schliesslich 
ganz  schwindet ,  so  findet  man  zahlreiche  ein- 
heimische Getränke  mit  berauschender  Wirkung, 
aber  auch  hier  verhältnissmässig  wenig  weinartige.  Es 
sind  dies  vornehmlich  die  Palmweine,  zu  deren  Be- 
reitung die  culturell  wichtigste  Pflanze  jener  Gegen- 
den, die  Palme  dient.  Die  Zellen  der  Blüthenscheiden, 
ferner  die  Fruchthüllen  und  das  Gewebe  des  Stammes 
vieler  Palmarten  enthalten  einen  eiweiss-  und  zucker- 
reichen Saft.  Dieser  Saft  wird  nun  auf  irgend  eine 
Weise  gewonnen  (häufig  indem  man  den  Stamm 
anbohrt  und  in  das  Bohrloch  ein  Rohr  bringt,  durch 
welches  der  Saft  ausfliesst  und  dann  der  Gährung 
überlassen  wird  ;  natürlich  leiden  die  Bäume  bei  die- 
ser Behandlung  sehr)  und  gibt  in  frischem  Zustande 
ein  mostähnliches  Getränk,  gegohren  den  Palm- 
wein. Im  tropischen  Asien  dient  namentlich  die 
Weinpalme,  Palmyrapalme  (Borassus  flabelliforius 
L.)  zur  Bereitung  des  Palmweines.  Auf  Ceylon  und 
Java  bereitet  man  denselben  aus  den  Blüthenkätzchen 
der  Weinpalmen.  In  einigen  Theilen  Ostafrikas  dient 
Raphia  vinifera,  in  anderen  Elais  guinensis  zur  Be- 
reitung des  Palmweines,  den  man  dort  Bourdon  und 
Malaffa  nennt,  in  Marokko  Lagmi.  im  indischen 
Archipel  und  auf  den  Molukken  Sagawir  (aus  dem 
Safte  von  Arenga  und  anderen  Palmen  bereitet).  In 
Indien  nennt  man  den  Palmwein  auch  Toddy,  doch 
ist  Toddy  eigentlich  ein  englisches  Getränk  aus 
Branntwein,  Zucker,  Eis  und  Wasser.  Auf  den  Ge- 
sellschaftsinseln findet  sich  der  Palmwein  unter 
dem  Namen  TU  und  wird  aus  Arenga  saccharifera, 
Cocos  nucifera  und  anderen  Palmarten  bereitet.  In 
Afghanistan,  Beludschistan  und  Turkestan  kommt 
unter  dem  Namen  Arza  Arki  ein  Getränk  vor, 
welches  eine  Art  von  Fruchtwein  darstellt  und  aus 
Maulbeeren,  Pfirsichen  und  Tamarinde  bereitet 
wird;  auch  ein  Schnaps  wird  daraus  destillirt.  Gut 
ausgegohrener  Palmwein  gibt  ein  ganz  angenehmes, 
süssliches  Getränk,  in  seinem  Geschmacke  ähnlich 
dem  Traubenweine,  ohne  jedoch  dessen  physiolo- 
gische Wirkung  zu  besitzen.  In  Europa  findet  sich 
etwas  Aehnliches  im  Ahorn  und  im  Birkenvvein,  die  in 
Norddeutschland  gebräuchlich  sind. 

Bedeutend  umfangreicher  ist  jene  Classe 
alkoholischer  Getränke,  welche  unter  der  Be- 
zeichnung Bier  die  grosse  Menge  der  halb- 
gegohrenen  Berauschungsgetränke  des  Orientes 
umfasst,  die  freilich  mit  den  in  Europa  gang- 
baren Biersorten  in  den  meisten  Fällen  keine 
besondere  Aehnlichkeit  aufweisen.  Das  Bier  wird 
gewöhnlich  als  eine  deutsche  Erfindung  betrachtet, 
und  die  Sage  nennt  den  mythischen  König 
Gambrinus  von   Brabant    als    den   Entdecker   der 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN   ORIENT 


57 


angenehmen  Eigenschaften  des  Gerstensaftes.  Es 
ist  jedoch  längst  nachgewiesen,  dass  das  Bier 
bereits  im  Alterthum  wohl  bekannt  war.  Ver- 
schiedene griechische  und  römische  Schriftsteller 
(Aeschyius,  Sophokles,  Flinius  u.  A.)  erwähnen 
dasselbe  in  ihren  Schriften.  In  der  ägyptischen 
Stadt  Pelusium,  an  einer  der  Nilmündungen  ge- 
legen, wurde  in  alten  Zeiten  ein  berühmtes  Bier 
gebraut,  wie  etwa  heute  in  München,  und  man 
nannte  in  Folge  dessen  das  Bier  auch  vielfach 
Pelusisches  Getränk,  Von  Egypten  aus  soll 
das  Geheimniss  des  Bierbrauens  sich  weiter 
verbreitet  haben  und  auch  nach  dem  Norden 
Europas  gekommen  sein.  Indessen  ist  es  ziemlich 
wahrscheinlich,  dass  das  Bier  der  alten  Welt  mit 
unseren  heutigen  Bieren  keine  grosse  Aehnlichkeit 
gehabt  haben  dürfte  und  dass  die  culturgeschicht- 
liche  Bedeutung  dieses  Getränkes  erst  durch  die 
grosse  Verbreitung,  die  es  von  den  deutschen 
Ländern  aus  in  allen  l'heilen  der  Welt  fand, 
bedingt   worden   ist. 

Nach  den  zu  ihrer  Bereitung  dienenden  Stoffen 
kann  man  die  Biere  in  drei  Classen  einreihen. 
Die  erste  Classe,  zugleich  die  älteste,  kenn- 
zeichnet sich  durch  die  gänzliche  Abwesenheit 
von  Malz,  die  zweite  wird  ausschliesslich  mit 
gekeimter  Gerste  erzeugt  und  umfasst  die  ver- 
schiedenen Bierarten,  wie  sie  in  Europa  gangbar 
sind.  Die  dritte  Classe  nimmt  eine  Zwischen- 
stellung unter  den  beiden  ersten  ein:  als  Be- 
reitungmateriale  dienen  für  diese  Bierarten  rohe 
Kornfrüchte,  jedoch  wird  auch  Malz  zugesetzt. 
Während  die  zweite  Classe,  also  das,  was  der 
Europäer  gewöhnlich  unter  Bier  versteht,  einen 
verhältnissmässig  hohen  Alkoholgehalt  aufweist, 
enthalten  die  beiden  letzteren  (für  die  als  typisch 
der  Meth  und  die  Busa  gelten  können)  viel 
weniger  Alkohol,  dagegen  mehr  Extractivstoffe 
und  stickstoffhaltige  Substanzen,  sie  besitzen  dem- 
nach einen  ganz  hervorragenden  Nährwerth  und 
sind  nicht  nur  Genuss-  sondern  auch  Nahrungs- 
mittel. 

Solche  bierartige,  zumeist  der  zweiten  Classe 
angehörige  Getränke  finden  sich  im  ganzen 
Oriente  und  ist  dafür  besonders  der  Name  Busa 
(Kuza,  Boza)  verbreitet.  Bei  den  mongolischen 
Völkern  in  Turkestan  wird  die  Busa  aus  Reis 
erzeugt  und  gerade  nur  bo  viel  Malz  zugesetzt, 
als  zur  Umwandlung  der  Stärke  in  Zucker  er- 
forderlich ist.  Dieses  Malz  wird  aus  Hirse  be- 
reitet. Nach  einer  vorgenommenen  Analyse  dieser 
Busa  enthielt  dieselbe  drei  Tage  nach  der  Be- 
reitung 3'I5  Percent  Alkohol,  8m8  Percent  Ex- 
tractivstoffe, 2' 15  Percent  Stickstoffsubstanzen  und 
0'i52  Percent  Milchsäure.  Durchschnittlich  enthält 
dasselbe  also  i '/j — 2  Percent  weniger  Alkohol, 
als  das  gewöhnliche  (europäische)  Bier,  zweimal 
mehr  Extractivstoffe,  2  2  7mal  mehr  Stickstoff- 
Substanzen  und  etwa  4 — 5ma!  mehr  Milchsäure; 
ausserdem  enthält  die  Busa  auch  noch  circa 
0'65  Percent  Fett.  Aehnliche  Getränke  sind  Bagari 
im  Kaukasus  und   die   bei  dfii  Kosaken   gebräuch- 


liche Braga,  aus  Hafermehl  oder  Hirse  mit  Zusatz 
von  Malz,   theilweise   auch   mit  Hopfen  dargestellt. 

In  der  Krim  wird  von  den  Tataren  ebenfalls 
ein  bierartiges  Getränk,  Murra  oder  Burra,  erzeugt, 
welches  jedoch  der  ersten  Classe  der  Bierc  an- 
gehört, indem  es  ohne  Malzzusatz  aus  Reis  er- 
zeugt wird.  Dieses  Getränk  enthält  blos  an 
0"25  Percent  Alkohol,  dagegen  fast  8  F'ercent 
Extractivstoffe  und  über  2  Perceot  Stickstoff- 
Substanzen.  In  ähnlicher  Weise  verhalten  sich  die 
übrigen  bierartigen  Getränke,  welche  bei  allen 
orientalischen  Völkern  verbreitet  und  besonders 
in  Afrika  sehr  zahlreich  sind.  Alle  diese  Biere 
werden,  soweit  sie  der  dritten  Classe  angehören, 
aus  Getreide  dargestellt.  Bei  ihrer  Bereitung 
spielen  der  Reis  und  die  Durra  eine  grosse 
Rolle.  Die  Durra  oder  Mohrenhirse,  auch  Kaffern- 
korn,  Negerkorn,  Kolbenbirse,  Besenkraut  ge- 
nannt (Sorghum  persic.  vulg.),  ist  in  ganz  Afrika 
und  (^entralasien  die  verbreitetste  Culturpflanze. 
Sie  dient  als  Brotfrucht,  als  Viehfutter,  zur  Er- 
zeugung alkoholischer  Getränke,  von  Spiritus 
und  Essig;  selbst  die  Rispen  werden  noch  zur 
Anfertigung  von  Besen  verwendet.  Die  grosse 
Nützlichkeit  dieser  Pflanze  für  jene  Gebiete  lässt 
sich  nur  mit  jener  der  Cocos-  oder  Dattelpalme 
vergleichen.  In  primitivster  W^eise  wird  die  Durra 
bei  den  Negervölkern  zwischen  zwei  Steinen  ver-^ 
rieben  und  mit  Wasser,  unter  Zusatz  eines  Gäh- 
rungserregers  (Malz)  angesetzt.  Das  trübe,  milchige, 
säuerlich  schmeckende  Getränk,  das  auf  diese 
Weise  erhalten  wird ,  hat  wohl  sehr  wenig 
Aehnlichkeit  mit  dem,  was  wir  Europäer  unter 
Bier  verstehen,  dennoch  erfreut  sich  dasselbe 
bei  seinen  Consumenten  grosser  Beliebtheit  und 
wird  in  ansehnlichen  Mengen  genossen.  Am  ge- 
bräuchlichsten ist  dieses  Bier,  für  welches  als 
typisch  die  Busa  gelten  kann,  bei  den  Nilvölkern 
und  im  Sudan.  In  Egy[)ten  stellt  die  Busa  ein 
schmutzig  -  weisses  ,  dickflüssiges,  tintenartig 
schmeckendes  Gebräu  dar,  dass  die  grösste 
Aehnlichkeit  mit  einem  dünnen  Mehlpapp  bat 
und  nach  unseren  Begriflen  nichts  weniger  als 
angenehm  schmeckt.  Der  Alkoholgehalt  desselben 
ist  sehr  gering.  In  Nubien  und  Kordofan,  dann 
im  Sudan  kommt  ein  ähnliches  Getränk,  aus  Hirse 
bereitet,  unter  dem  Namen  Butbal  vor,  welches 
meist  bedeutend  stärker  ist,  d.  b.  berauschender 
wirkt,  als  die  egyptische  Busa.  Der  Name  Dalla 
oder  Talla  ist  für  ein  Bier  aus  Küschelraais  im 
Sudan  gebräuchlich  und  wird  auch  in  Abessyoicn 
für  ein  aus  Gerste  bereitetes  Getränk  verwendet. 

Die  Darstellung  der  abessynischen  Dalla  er- 
folgt in  nachstehender  W^eise :  eine  bestimmte 
Menge  ausgewählter,  gleichkörniger  Gerste,  die 
von  aller  Spreu  gereinigt  wurde,  wird  in  eine  Grube 
gebracht,  welche  man  in  den  trockenen  Erdboden 
gräbt  und  mit  Blättern  auslegt.  Der  Gerstenhaufen 
wird  ebenfalls  mit  Blättern  überdeckt  und  hierauf 
die  Grube  mit  Erde  zugeschüttet.  Drei  Tage  nach- 
her wird  die  Gerste  aus  der  Erde  wieder  ausge- 
graben,   durch  die    fruchte  Wärme  des  Bodens  hat 


58 


DESTERT«EICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR  DEN   ORIENT. 


dieselbe  theilweise  schon  den  Keimungsprocess 
durchgemacht  und  spielt  nun  die  Rolle  des  Malzes. 
Man  bereitet  daraus  einen  flachen  breiten  Brot- 
kuchen, den  man  Bekel  nennt.  Nun  wird  weiters 
Gerste  mit  einer  gewissen,  kleineren  Menge  von 
MaschiUa  (Sorghum)  gemischt,  geröstet  und  zu  Mehl 
verrieben.  Dazu  kommen  noch  die  getrockneten 
und  gepulverten  Blätter  e.\ne.r  Dschischu  oder  Gischu 
genannten  Pflanze,  welche  die  Würze  bildet  und 
somit  die  Rolle  des  Hopfens  besitzt  (sie  soll  mit 
demselben  auch  eine  ziemliche  Aehnlichkeit  haben). 
Dies  innige  Gemisch  von  Gersten-  und  Sorghum- 
mehl mit  Dschischu  wird  in  ein  grosses  Gefäss  ge- 
bracht, worauf  der  Bekel,  der  vorher  mit  Wasser 
zu  einem  Brei  angerührt  und  langsam  unter  fort- 
währendem Umrühren  bis  zum  Kochen  erwärmt 
wurde,  zugesetzt  und  das  Ganze  mit  Wasser  über- 
gössen wird.  Das  Gefäss  wird  nun  gegen  Abküh- 
lung geschützt  und  etwa  zehn  Tage  lang  ruhig 
stehen  gelassen,  in  welcher  Zeit  die  Gährung  lang- 
sam vor  sich  geht. 

Die  so  erhaltene  trübe,  halbgegohrene  Flüs- 
sigkeit wird  vor  dem  Gebrauch  durch  ein  Tuch 
tiltrirt  und  bildet  die  Dalla.  Aehnlich  ist  die  Be- 
reitungsweise aller  dieser  Getränke. 

In  Mittelafrika  wird  ein  aus  Getreide  her- 
gestelltes Bier  Merissa  und  in  Tumala  Ngaslo 
.genannt.  Ferner  wird  da  in  manchen  Gebieten 
aus  den  Wurzelknollen  von  Cyperus  esculentus 
(Erdmandel)  eine  Busa  erzeugt.  In  Südafrika  wird 
das  Kafferbier,  Mapira-Mabli  bei  den  Kaflern 
aus  Durra,  bei  anderen  Völkern  das  Pombi  aus 
verschiedenen  Getreidearten  dargestellt.  In  Nord- 
afrika dient  der  Lotus  (wahrscheinlich  Nimphea 
stellata  W.),  dessen  Samen  und  Wurzelstöcke 
äusserst  stärkereich  sind  und  daher  auch  als 
Nahrungsmittel  Verwendung  finden,  zur  Bereitung 
eines  bierartigen  Getränkes  Damutsch. 

Die  zur  ersten  Classe  gehörigen  methartigen 
Biete  sind  ebenfalls  recht  zahlreich,  zeichnen  sich 
aber  vor  den  anderen  durch  einen  meist  geringeren 
Alkoholgehalt,  dagegen  durch  angenehmeren  Ge- 
schmack aus.  Unter  dem  Namen  Busa  kommen 
besonders  in  Nordatrika  verschiedene  Getränke  vor, 
welche  gewöhnlich  aus  Hirse  mit  ^satz  von  Honig 
bereitet  werden  und  dieser  Classe  angehören.  In 
Abessynien  werden  theils  aus  Honig  und  Kräutern 
(Tetsch),  theils  aus  Getreide  {Techl)  verschiedene 
methartige  Getränke  hergestellt,  ebenso  weiter 
unten  in  Ostafrika  aus  Durra,  Honig  und  allerlei 
Gewürzen  die  Boyaloa  oder   Oaloa. 

Der  Tetsch  oder  Teg  wird  aus  Honig,  Wasser 
und  Dschischublättern  bereitet,  indem  man  in  einem 
grossen  Gefässe  den  Honig  mit  einer  grösseren 
Menge  Wasser  mischt,  so  dass  eine  schwach  süsse 
Flüssigkeit  erhalten  wird.  Hierauf  gibt  man  die  ge- 
trockneten und  dann  leicht  gerösteten  Dschischu- 
blätter  hinzu  und  giesst  das  Ganze  in  ein  grosses 
Thongefäss,  welches  verschlossen  und  dann  mit 
glühenden  Kohlen  umgeben  wird.  Die  Kohlen  be- 
zwecken eine  leichte  Erwärmung  der  Flüssigkeit 
und  werden  nach  kurzer  Zeit  wieder    entfernt.    So 


dann  wird  die  Flüssigkeit  von  den  Blättern  klar 
abgegossen.  Kurze  Zeit  danach  stellt  sich  schon 
eine  starke  Gährung  derselben  ein  und  nach  vier- 
undzwanzig Stunden  ist  das  Getränk  bereits  ge- 
niessbar,  am  wohlschmeckendsten  wird  es  aber 
erst  nach  drei  bis  vier  Tagen.  Es  ist  ein  ange- 
nehmes, erfrischendes  Getränk,  welches,  in  Folge 
der  Gährung,  in  der  es  sich  befindet,  stark  kohlen- 
säurehältig  ist.  Es  wird  am  Ende  der  Mahlzeiten 
genossen  und  häufig  mit  Araki  gemischt,  um  die 
berauschende  Wirkung  zu  erhöhen. 

In  den  Küstenstädten,  wo  die  europäische 
Cultur  festen  Boden  gefasst  hat,  nimmt  der  Ver- 
brauch des  europäischen  Bieres  stetig  zu  und 
ist  schon  heute  zu  einem  ansehnlichen  Export- 
artikel für  den  Orienthandel  geworden.  In  manchen 
Ländern  des  Orientes  (so  namentlich  in  Algerien, 
Tunis,  Egypten,  Palästina,  Türkei)  bestehen  sogar 
schon  eigene  Bierbrauereien ,  die  Erzeugnisse 
derselben  lassen  jedoch  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 
Im  Gebiete  des  Mittelmeeres  ist  das  sogenannte 
Wiener  Bier  (Birra  di  Vienna)  allgemein  ver- 
breitet. Es  ist  dies  zumeist  Dreher'sches  Export- 
bier aus  der  'Priester  Brauerei,  aber  auch  Grazer 
und  Marburger  Biere,  und  von  österreichischen 
noch  Liesinger,  meist  in  Flaschen  finden  ihren 
Weg  bis  tief  in's  Innere  dieser  Gebiete.  Selbst- 
verständlich wird,  besonders  in  Egypten  und  in 
den  grösseren  Hafenstädten  des  türkischen  Reiches, 
auch  viel  bayerisches  Bier  consumirt,  ausserdem 
englische  Biere  und  in  den  französischen  Colonien 
Elsässer  Bier. 

Bezüglich  des  Bieres  stellen  sich  die  Moham- 
medaner bekanntlich  auf  den  Standpunkt,  dass 
dasselbe  durch  den  Koran  nicht  verboten  sei, 
in  Folge  dessen  wird  der  Genuss  desselben  als 
gestattet  angesehen.  Ich  habe  aber  schon  häufig 
beobachtet,  dass  biertrinkende  Mohammedaner 
damit  gewissermassen  nur  der  Mode  huldigen, 
während  in  Wahrheit  das  bitterlich  schmeckende 
Getränk  ihrem  an  Süssigkeiten  gewohnten  Gaumen 
wenig  Reiz  bietet. 

Hiemit  wären  die  eigentlichen  alkoholischen 
Getränke  erschöpft,  dagegen  eröffnet  sich  noch 
eine  ganze  Reihe  von  Genussmitteln,  welche  theils 
in  Form  von  Getränken,  theils  als  Rauch-  und 
Kaumittel,  oder  in  Form  von  zubereiteten  Zucker- 
plätzchen und  Pillen  bei  den  orientalischen  Völkern 
allgemein  in  Gebrauch  sind  und  wie  die  alkoholischen 
Getränke  entweder  erregend  oder  berauschend 
wirken.  Je  nach  ihrer  Wirkung  kann  man  sie 
in  zwei  Gruppen  eintheilen  und  zwar  in  solche, 
welche  Coffein  oder  ähnliche  Alkaloide  enthalten 
und  in  Folge  dessen  eine  erregende  Wirkung 
auf  das  Nervensystem  ausüben,  also  bei  nicht 
übermässigem  Genuss  unschädlich,  in  vielen 
Fällen  sogar  zuträglich  sind  und  in  solche,  die 
eine  berauschende,  zum  Theil  betäubende,  also 
narkotische  Wirkung  auf  die  menschlichen  Nerven, 
ausüben.  Zur  ersten  Gruppe  gehören  insbesondere 
-Kaffee,  Thee,  Cacao,  die  Kolanuss  und  das  Kath 


OESTERRBICH1SCHB   MOWATSSCHBtFT   FDR   OEW   ORIENT. 


M 


Uer  Kaffee  ist  das  orientalische  Getränk  par 
excelience,  zugleich  ein  Genussmittel  von  echt 
orientalischer  Herkunft  und  Abstammung,  welches 
aus  dem  Morgenlande  seinen  Siegeszug  durch  die 
ganze  Welt  angetreten  hat  und  heute  für  alle  Cul- 
turvölker  in  socialer  und  volkswirthschaftlicher 
Hinsicht  einer  der  wichtigsten  und  bedeutendsten 
Verbrauchsartikel  geworden  ist.  Die  Stammpllanze 
des  Kaffees  ist  bekanntlich  ein  zur  Gattung  Coffea  L. 
gehöriger  Strauch,  der  im  tropischen  Afrika  und 
Asien  einheimisch  ist  und  dessen  wichtigste  Art 
Coffea  arabica  L.  im  Sudan  und  in  Abessinien  ihre 
Heimat  hat.  Ob  der  Kaffeestrauch  auch  in  Arabien 
einheimisch  ist,  hat  man  bisher  nicht  mit  Bestimmt- 
heit feststellen  können,  es  ist  aber  im  hohen  Grade 
wahrscheinlich.  Gegenwärtig  wird  in  fast  allen,  der 
Cultur  erschlossenen  tropischen  Ländern,  beson- 
ders aber  in  Südamerika  und  Westindien,  Kaffee 
angebaut,  die  beste  und  geschätzteste  Sorte  ist 
aber  immer  noch  der  sogenannte  Mokka,  der  echte, 
arabische  Kaffee,  der  freilich  in  Europa  so  gut  wie 
gar  nicht  zu  haben  ist. 

Der  ungeheuere  Verbrauch  von  Kaffee  im 
Oriente  ist  bekannt,  ebenso,  dass  die  Bereitung 
dies  vorzüglichen  Genussmittels  gegenüber  der 
in  Europa  und  anderen  Culturländern  gebräuch- 
lichen sehr  verschieden  ist.  Unstreitig  gebührt  der 
orientalischen  Kaffeebereitung  der  Vorzug,  denn 
sie  liefert  einen  wirklichen,  duftigen  Kaffee-Auszug, 
während  der  nach  fränkischer  Art  zubereitete 
Kaffee  wenig,  oder  gar  kein  Kaffee-Aroma  besitzt 
und  grosstentheils  mit  Milch  vermischt  genossen 
wird,  was  im  Oriente  nicht  der  Fall  ist.  In  Persien 
wird  feiner  Kaffee  häufig  trocken  gegessen  und 
zwar  entweder  die  massig  geröstete  Bohne  selbst, 
oder  zu  feinem  Pulver  gestossen  löffelweise,  in 
der  Art  wie  Bonbons  oder  Conserven.  Die  Araber 
trinken  ihren  Kaffee  meist  ohne  Zucker,  weil  sie 
behaupten,  dass  das  Aroma  desselben  auf  diese 
Weise  besser  zur  Geltung  gelangt.  In  der  'l'hat  hat 
dies  Manches  für  sich  und  ich  muss  Jedem,  der 
echten,  feinen  Kaffee  kennen  lernen  will,  anrathen, 
sich  eine  Tasse  dieses  duftigen  Getränkes  bei  den 
Beduinen  der  syrisch-arabischen  Wüste  anbieten 
zu  lassen,  dann  wird  er  wissen,  wie  dieser  von  den 
orientalischen  Dichtern  so  gepriesene  Wundertrank 
wirklich  schmeckt.  IJebrigens  erhält  man  in  den 
meisten  Kaffeehäusern  des  Orientes,  besonders  aber 
in  den  arabischen  Ländern,  vorzüglichen  Kaffee, 
und  man  muss  gestehen,  dass  eine  Schale  dieses 
Getränkes  nebst  duftigem  Tabakrauch  aus  Narghilc 
oder  Cigaretten  zu  den  wenigen  wirklichen  Ge- 
nüssen gehört,  welche  der  Orient  auch  dem  Euro- 
päer gewährt.  Freilich  ist  nicht  Alles  Gold,  was 
glänzt,  und  nicht  Alles  Kaffee,  was  in  Kaffeeschalen 
ausgeschänkt  wird.  Habe  ich  doch  schon  so  man- 
chen dicken  Eft'endi  und  Sidi  gesehen,  der  sich 
seine  Kaffeeschale  so  lleissig  füllen  liess,  dass  es 
ihm  darnach  etwas  schwer  wurde,  das  Kaffeehaus 
zu  verlassen.  Dieser  besonders  starke  Kaffee  war 
aber  hell  und  klar  wie  Wasser  und  hatte  eine  ver- 
dächtige   Aehnlichkeit    mit    dem    verpönten    oder 


wenigstens  unschicklichen  Arak.  So  wahrt  man  die 
Form  und  thut  doch,  was  das  Herz  begehrt,  im 
Oriente  so  gut,  wie  anderwärts. 

Ein  nicht  minder  wichtiges  Genussmittel  für 
die  ganze  heutige  Welt  ist  der  Thee,  dessen  Heimat 
bekanntlich  in  China  liegt.  Aber  mit  Ausnahme  der 
chinesischen  und  russischen  und  einiger  angrenzen- 
den asiatischen  Völker,  hat  sich  der  Thee  im  Oriente 
als  allgemeines  Genussmittel  nur  noch  bei  den 
Persern  und  in  Marokko  eingebürgert,  während  er 
bei  den  übrigen  orientalischen  Völkern  entweder 
gar  nicht,  oder  sehr  wenig  gebräuchlich  ist,  jeden- 
falls aber  nicht  die  dem  Kaffee  zukommende  Wich- 
tigkeit besitzt.  In  Marokko  ist  der  Gebrauch  von 
Thee  fast  noch  grösser,  als  jener  von  Kaffee.  In 
Persien  wird  der  Thee  von  bemittelten  Leuten 
Morgens  und  Abends  genossen,  und  zwar  Abends 
meist  mit  einer  Opiumpille.  Die  Afghanen  und  Ta- 
taren setzen  ihrem  Theeaufguss  statt  Zucker  Salz 
zu,  während  die  russischen  Theetrinker  bekannt- 
lich entweder  gar  keinen  Zusatz  machen,  oder  ein 
Stückchen  Zucker  in  den  Mund  nehmen  und  darauf 
den  Thee  trinken,  wodurch  der  feine  Theeduft 
besser  zur  W^irkung  gelangen  soll. 

Cacao  (von  Theobroma  Cacao  L.)  ist  im  tropi- 
schen Amerika  einheimisch,  wird  jedoch  auch  in 
vielen  anderen  Tropenländern  cultivirt  und  in  den 
Culturländern  stark  verbraucht.  Für  den  Orient  be- 
sitzt der  Cacao  als  Genussmittel  keine  Wichtigkeit, 
blos  in  einigen  Gegenden  Westafrikas  werden  aus 
demselben  von  den  Eingebornen  Getränke  zu  Ge- 
nusszwecken dargestellt. 

Ein  wichtiges  Genussmittel  für  einen  bedeu- 
tenden Theil  Afrikas  bildet  die  Kolanuss  (Guru- 
oder  Ombene-Nuss).  Es  ist  dies  der  Same  von 
Sterculia  acuminata  Beauvais,  eines  200 — 300  m 
hohen  Baumes,  der  an  der  westafrikanischen  Küste 
wächst  und  sich  von  dort  weiter  in's  Innere  zieht. 
In  neuerer  Zeit  wurde  der  Kolabaum  auch  in  San- 
sibar, Indien,  Ceylon  etc.  gcptlanzt.  Die  Kolanuss 
stellt  eine  kastanienähnliche  Frucht  dar,  welche  in 
dem  politischen  und  religiösen  Leben  der  Neger- 
völker jener  Gebiete  eine  bedeutende  Rolle  spielt. 
Wie  seinerzeit  die  Cacaobohne  in  Mexico,  so  wird 
von  Negern  die  Kola  als  Münze  benutzt,  ferner 
dient  sie  zur  Bereitung  eines  kaffeeäbnlichen  Ge- 
tränkes und  wird  wie  die  Hetelnuss  gekaut.  Die 
Kolanuss  enthält  nahezu  2'/,  Percent  Coffein  und 
etwas  Theobromin  (das  wirksame,  dem  Coflfern 
ähnliche  Princip  derCacaobohne),ausserdem  Zucker, 
Stickstüffsubstanzen  und  Stärke.  Der  Cofftingehalt 
der  Kola  ist  bedeutender,  als  jener  des  Kaffees  und 
aller  anderen  bisher  bekannten  Droguen  und  diesem 
hohen  Gehalte  an  dem  wirksamen  Principe  ver- 
dankt die  Kolanuss  ihre  Verwendung,  die  in  ihrer 
Heimat  eine  so  wichtige  und  ausgedehnte  ist,  wie 
jene  der  Coca  in  Südamerika. 

Es  heisst,  dass  der  Genuss  einiger  Kolanüsse 
bei  ganz  ungenügender  Nahrung  die  Neger  zu  den 
grössten  Anstrengungen  befähigen  soll,  ja  dass 
derselbe  sie  in  Stand  setzt,  tagelang  ohne  Nah- 
rung auszuhalten  und  dabei  die  grössten  Strapaze  a 


6Ö 


OESTERRfilCHISCHE    MONATSSCHHIPT   FÜR   DEN   ORIENT 


ZU  ertragen.  Jedenfalls  sind  diese  Berichte  ebenso 
übertrieben  als  jene  über  die  Wunderwirkung  der 
Coca,  bei  dem  grossen  Coffeingehalte  ist  jedoch 
eine  stark  erregende  Wirkung  ausser  Zweifel.  Die 
Neger  halten  nur  die  frische  Nuss  von  weisser  oder 
rother  Farbe  für  brauchbar  und  trachten  daher,  die- 
selbe durch  allerlei  Mittel  möglichst  lange  frisch 
zu  erhalten.  Zu  diesem  Zwecke  wickelt  man  die 
Früchte  einzeln  in  feuchte  Blätter  und  schichtet 
sie  auf  einander  in  Körbe ;  um  jedoch  die  Schimmel- 
bildung zu  verhindern,  müssen  dieselben  häufig  um- 
gepackt werden.  Auf  diese  Weise  sollen  sich  die 
Früchte  acht  bis  zehn  Monate  lang  frisch  erhalten. 
Wahrscheinlich  ist  es  hierauf  zurückzuführen,  dass 
die  Kola  in  Europa  noch  so  wenig  Verbreitung  ge- 
funden hat,  es  wurde  aber  bereits  nachgewiesen, 
dass  die  trockene  Nuss  zwar  den  angenehmen 
aromatischen  Geschmack  der  frischen  verliert  und 
nur  bitter  schmeckt,  jedoch  den  vollen  Coffei'ngehalt 
der  frischen  besitzt,  demzufolge  stände  ihrem  Ge- 
brauche als  eines  wirklich  schätzbaren  Ersatzmittels 
für  Kaffee  nichts  im  Wege. 

In  Ostafrika  und  Arabien  werden  unter  dem 
arabischen  Namen  Kath  (Khat)  die  Blätter  von  Catha 
edulis  Forsk.  als  Genussmittel  verwendet.  Der  Auf- 
guss  derselben  schmeckt  aromatisch  erregend,  wie 
Kaffee  oder  Thee,  die  Blätter  enthalten  jedoch  kein 
Coffein,  wie  man  anfangs  glaubte,  sondern  ein  an- 
deres Alkaloid  in  geringer  Menge,  dessen  physio- 
logische Wirkung  sich  mit  jener  des  Coffeins  ziem- 
lich deckt.  Man  bereitet  aus  den  Blättern  eine 
extractartige  Masse,  welche  mit  grosser  Vorliebe 
gekaut  wird,  oder  mit  kochendem  Wasser  oder 
Milch  abgebrüht  ein  theeähnliches  Getränk  liefert, 
das  schlafvertreibend  wirken  soll. 


DIE  DEUTSCHEN  SCHUTZGEBIETE  BEI  BEGINN  DES 
JAHRES  1890. 

(Schluss.) 
Die  Südsee-Schutzgebiete. 
Die  wirthschaftltche  Entwicklung  der  deutschen 
Schutzgebiete  in  der  Südsee  hat  im  abgelaufenen 
Jahre  mit  manchen  durch  äussere  und  Verwaltungs- 
gründe herbeigeführten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen 
gehabt.  Eine  wesentliche  Ausdehnung  der  Cultur 
und  Interessensphäre  hat  nicht  stattgefunden,  da- 
gegen haben  die  meisten  Stationen  in  Kaiser  Wil- 
helmsland und  Bismarckarchipel  sich  eines  guten 
Fortganges  zu  erfeuen  gehabt. 

.  Was  zunächst  die  Verwaltung  betrifft,  so 
ist  durch  Allerhöchsten  Erlass  vom  17.  Mai  ein 
Uebereinkommen  zwischen  der  Neu-Guinea-Com- 
pagnie  und  dem  auswärtigen  Amte  erzielt  worden, 
durch  welches  die  staatliche  Verwaltung  des  Schutz- 
gebietes auf  Beamte  des  Reiches  übertragen  wird 
und  die  Compagnie  sich  aller  ihrer  Hoheitsrechte 
begibt.  Die  Uebernahme  der  Verwaltung  durch 
einen  kaiserlichen  Commissär  ist  am  l.  October 
1889  geschehen.    Die  Kosten   für  die  Mehrzahl  der 


Verwaltungsbeamten  bezahlt  nach  wie  vor  die 
Compagnie.  An  die  Spitze  der  geschäftlichen  Ver- 
waltung ist  ein  Director  getreten,  so  dass  die  Com- 
pagnie den  ganzen  Apparat  los  wird  und  sich  nun 
auf  die  wirthschaftliche  Entwicklung  des  Schutz- 
gebietes mit  um  so  grösserer  Kraft  werfen  kann. 
In  Kaiser  Wilhelmsland  hat  sie,  abgesehen  von 
geographischen  Untersuchungen,  welche  zur  Ent- 
deckung einer  neuen  Gebirgskette  im  Innern,  des 
Bismarckgebirges  führte,  mit  einem  Kostenaufwand 
von  etwa  8  Millionen  Mark  Bedeutendes  für  die 
Cultur  des  Bodens  und  die  Sicherung  der  Aft^beiter- 
verhältnisse  gethan.  Auf  den  Stationen  wird  Baum- 
wolle und  Tabak  gebaut,  welche  beide  recht  gut 
sein  sollen  und  hohe  Preise  in  Bremen  erzielten, 
und  Viehzucht  getrieben. 

Wenn  trotzdem  die  coloniale  Action  hier  den- 
noch nur  im  langsamen  Tempo  vorrückte,  so  trugen 
die  Schuld  daran  neben  manchen  Verwaltungs- 
schwierigkeiten, auch  die  Hindernisse,  die  einer 
regelmässigen  Verbindung  der  Colonie  mit  Australien 
sowohl  als  mit  Ostasien  von  Seiten  einer  feind- 
seligen Concurrenz  bereitet  wurden  und  die  nun- 
mehr allerdings  beseitigt  worden  sind.  Auch  die 
drohende  Haltung  der  Eingeborenen,  namentlich  in 
den  nördlichen  Theilen  von  Neu-Guinea ,  den 
Fremden  gegenüber,  war  eine  lästige  Fessel  für 
das  Colonisationswerk.  Mehrfach  waren  die  Co- 
lonisten  gezwungen  sich  den  Schutz  und  die  Sicher- 
heit ihres  Besitzes  mit  den  Waffen  in  der  Hand  zu 
erkämpfen.  Die  Verwaltungsthätigkeit  der  Neu- 
Guinea  Compagnie,  deren  administrativer  Apparat 
eine  ansehnliche  Vergrösserung  im  letzten  Jahre 
erfahren,  war  hauptsächlich  darauf  gerichtet,  das 
Innere  von  Kaiser  Wilhelmsland  zu  erforschen,  die 
Küsten  desselben  genauer  kennen  zu  lernen  uod 
neue  Stationen  zu  gründen,  um  weitere  Ausgangs- 
punkte für  die  Ansiedler  zu  gewinnen.  Die  in  geo- 
graphischer und  ethnographischer  Beziehung  über 
Land  und  Leute  gesammelten  Informationen  haben 
die  Wissenschaft  um  manches  neue  Blatt  bereichert 
und  die  Vorstellungen,  die  man  bisher  von  der  Con- 
figuration  der  Gestade,  von  der  Zugänglichkeit,  der 
Culturfähigkeit  und  dem  Productenreichthum  des 
Binnenlandes,  sowie  von  der  Vertheilung  von  Ge- 
birge und  fliessendem  Wasser  hatte,  wesentlich  be- 
richtigt. Dank  den  durch  die  verschiedenen  Expe- 
ditionen angestellten  Ermittlungen  kann  es  als 
feststehend  gelten,  dass  die  ganze  Nordostküste 
Neu-Guineas,  von  der  man  früher  glaubte,  dass 
sie  nur  wenig  eingebuchtet  sei,  verhältnissmässig 
reich  an  guten  Häfen  ist.  Seeleute  hatten  früher  die 
Angabe  verbreitet,  dass  die  Küste  gefährliche 
Fisse  enthalte ;  diese  Behauptung  ist  neuerdings 
durchj  die  Thatsachen  widerlegt  worden.  Die 
Flüsse  an  der  nördlichen  Hälfte  der  deutschen 
Küste  bieten  überraschend  günstige  Gelegenheiten, 
in  das  Herz  des  Landes  einzudringen,  wenngleich 
die  Uferlandschaften,  ihrer  der  Ueberschwemmung 
ausgesetzten  Lage  wegen,  dem  weiteren  Vor- 
dringen der  Reisenden  bisweilen  frühzeitig  ein  Ziel 
setzten.    Auch   die  Annahme,   dass   das   Innere  voir 


OESTERRElCHrSCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


I 


Neu-Guinea  selir  dünn  mit  Menschen  besetzt  sei, 
ist  eine  irrthümliche  gewesen,  dagegen  fehlt  es,  das 
haben  die  neueren  li.xpiorationen  ergeben ,  an 
grösseren  Gemeinwesen  und  an  mächtigen  Volks- 
stämmen. 

Neben  dem  Kaiser  Wilhelms-Land  ist  auch 
derBismarck-Archipel  in  seinen  weniger  bekannten 
Theilen  neuen  Durchforschungen  unterzogen 
worden,  namentlich  in  Bezug  auf  die  Arbeiter- 
verhältnisse auf  den  Salomon-Inseln.  Die  Ein- 
geborenen dieser  Inseln  sind  als  vorzügliche 
Arbeiter  geschätzt,  aber  in  P'olge  von  Gewalt- 
thätigkeiten  gegen  dieselben  sind  sie  jetzt  den 
Weissen  so  feindlich  gesinnt,  dass  sie  Niemanden 
in   das  Innere   eindringen   lassen. 

Das  grösste  Interesse  bieten  bei  einem  Rück- 
blicke auf  die  colonisatorische  'I'hätigkeit  und  die 
der  wirthschafilichen  Ausbeutung  dienenden  Re- 
cognoscirungszüge,  die  im  Laufe  des  letzten  Jahres 
im  Südseeschutzgebiete  unternommen  wurden, 
die  Reisen  des  Landeshauptmannes  und  der 
nach  verschiedenen  Theilen  entsandten  Gelehrten 
und  Techniker. 

Als  das  Ergebniss  dieser  sowohl  längs  der 
Gestade  als  im  Inneren  ausgeführten  Forschungs- 
reisen lässt  sich  Folgendes  auf  Grund  der  vor- 
liegenden Berichte  sagen :  Die  Schifffahrt  längs 
der  Küste  des  Kaiser  Wilhelms-Landes  bietet  im 
Gegensatze  zu  den  darüber  verbreiteten  Nach- 
richten weder  für  Dampfer  noch  für  Segelschiffe 
Schwierigkeiten  oder  gar  Gefahren.  Schwere 
Stürme  und  anhaltend  schlechtes  Wetter  kommen 
kaum  vor,  das  Fahrwasser  ist  von  Klippen  und  Riffen 
frei,  und  die  wenigen  Küstenvorsprünge  reichen 
so  wenig  weit  in  die  See  hinein,  dass  sie  auch 
in  der  Nacht  leicht  zu  vermeiden  sind,  weil  man 
auch  in  der  Dunkelheit  die  fast  überall  sehr  hohe 
Küste  wahrnimmt,  ehe  man  einem  Vorsprunge 
zu   nahe   kommt. 

Die  vorangeführten  Verhältnisse  sind  alle 
dazu  angethan,  die  Navigirung  zu  erleichtern, 
und  es  kann  für  Dampfer,  die  zwischen  der  ost- 
asiatischen Küste  und  der  Ost-  und  Südküste 
Australiens  fahren,  die  Route  längs  des  Kaiser  Wil- 
helms-Landes, welche  auch  die  kürzeste  ist,  nur 
empfohlen  werden,  umsomelir,  da  auch  der 
weitere  Weg  nach  Süden,  wenn  er  zwischen 
Trobriand  und  Jurien-Insel  hindurch  an  der  t)st- 
küste  von  Normanby-Insel  entlang  genommen 
wird,  keinerlei  Gefahren  birgt.  Die  die  Küste 
umsäumenden  Gebirge  bestehen  von  der  Nord- 
seitc  des  Huon-Golfes  an  überwiegend  aus 
Korallenkalk  und  vulkanischen  Gebilden,  während 
weiter  sütllich,  d.  h.  an  der  Südseite  des  ge- 
nannten Golfes  Gesteinforniationen  sich  zeigen, 
mit  flachgewellten  Berglehnen  dazwischen,  auf 
denen  Felsgruppen  in  Gestalt  von  Nasen,  Würfeln, 
Kö[)fcn  ausgesetzt  sind.  Von  den  Hafenstationen, 
welche  die  Ausgangs-  und  Stützpunkte  der 
Cülonisation  und  der  sich  allmälig  immer  er- 
weiternden Culturzone  sind,  ist  Finschhafe^,  der 
Sitz    des  Landeshaupimannes  sowie  der  Verwal- 


tungs-  und  Gerichtsbebörden,  für  Kaiser  Wil- 
helms-Land ein  nicht  sehr  geräumiger,  aber  sicherer 
Hafen.  Er  besteht  aus  einer  Aussenrhede  und 
drei  durch  Verengung  des  Fahrwassers  von  ein- 
ander getrennten  Abtbeilungen,  von  denen  die 
Rhede  und  der  äussere  Hafen  für  Schiffe  jeden 
Tiefganges  geeignet  sind.  Tiefen  zwischen  15 
und   40  m  bietend. 

Der  Constantinhafen  hat  nur  Raum  für  wenig 
Schiffe  und  ist  seiner  grossen  Tiefe  wegen  nicht 
bequem,  immerhin  kann  er,  da  er  zähen  Unter- 
grund hat,  als  ein  sicherer  Hafen  gelten,  nament- 
lich wenn  man  in  seinem  nordöstlichen  Winkel 
ankert. 

Dem  Friedrich  Wilhelms  -  Hafen  mangelt 
wegen  der  Landgeschlossenheit  aller  Luftzug, 
weshalb  sich  das  Ankern  im  äusseren  liafen, 
und  zwar  westlich  der  Fischel-Insel,  empfiehlt, 
wo  man  auch  gegen  Nordwinde  geschützt  liegt, 
da  ein  unterseeisches  Riff,  das  von  den  östlichen 
Inseln  ausgeht,  den  Hafen  von  Norden  schliesst. 
Soweit  festgestellt  werden  konnte,  reicht  dieses 
Riff  indes  nicht  ganz  bis  an  die  westliche  Reibe 
kleiner  Inseln,  so  dass  dort  wahrscheinlich  eine 
nördliche  Ausfahrt  existirt. 

Hatzfeldt-Hafen  liegt  zwischen  zwei  Land- 
spitzen und  der  kleinen  Insel  Tschirimotscb. 
Schutz  empfängt  derselbe,  ausser  durch  das  Riff 
dieser  Insel  ,  auch  durch  ein  unterseeisches 
Korallenriff  im  Norden  der  den  Hafen  begren- 
zenden Westspitze.  Westlich  vom  Hatzfeldt-Hafen 
liegen  fünf  mehr  oder  weniger  tiefe  und  nicht 
sehr  geräumige  Buchten  mit  Untergrund,  aber 
zum  Ankern  wenig  zu  empfehlen.  Kleinere  Hafen- 
einfahrten sind  :  Heinrichs-Hafen,  Friedrich-Carl-, 
Alexis-Hafen.  Der  Charakter  dieser  Häfen  ist 
derselbe :  sie  sind  gebildet  durch  Hebung  eines 
sehr  unregelmässig  gestalteten  Korallenriffes,  wes- 
halb alle  Küsten  Kalk  oder  Sandstrand  besitzen 
und  nur  mit  Alluvien  von  geringer  Mächtigkeit 
bedeckt  sind.  Es  finden  sich  Dutzende  von  Dörfern 
in  den  Häfen  vertheilt,  und  können  dieselben  als 
stark  bevölkert  gelten.  Wie  fast  überall  in  Kaiser 
Wilbelms-Land,  ist  auch  hier  die  Bevölkerung 
eine   durchaus   friedfertige. 

Wie  in  den  Vorjahren,  so  haben  auch  in 
neuerer  Zeit  die  das  Land  durchforschenden 
Reisenden  ihre  besondere  Aufmerksamkeit  dem 
Studium  der  Vegetation  zugewendet. 

Eine  gründliche  Kenntniss  der  Flora  von 
Kaiser  Wilhelms-Land  ist  aus  verschiedenen 
Gründen  äusserst  wichtig  Einmal  setzt  sie  in 
den  Stand,  ein  Unheil  über  den  Gebalt  der  Flora 
an  nutzbaren  Producten  zu  gewinnen ;  sodann 
gibt  sie  nach  der  Feststellung  des  zwischen  den 
australischen  Kaiser  Wilhelms-Land-  und  indisch- 
malagischen  Floren  bestehenden  Verwandtschafts- 
grades den  Fingerzeig  beim  .Ausschauen  nach 
bewährten  Vorbildern  ;  sie  erleichtert  ferner  dem 
Geologen  die  .Arbeit,  da  gewisse  geologische 
Formationen  bestimmte  Ptlanzenformen  tragen ; 
sie  ist  es  endlich,  von   welcher  die  Beantwortung 


62 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


der  rein  wissenschaftlichen  Frage  nach  der  Stel- 
lung Neu-Guineas  zu  seinen  Nachbarländern  er- 
wartet wird. 

Von  Interesse  ist  auch,  was  die  genannten 
Forscher  über  die  Sprachen,  Sitten,  Bräuche  und 
die  socialen  Einrichtungen  der  Stämme  berich- 
teten, die  sie  an  den  Ufern  des  Augusta-Flusses 
angetroffen. 

Ein  unerlässlicbes  Hilfsmittel  zum  Studium 
derselben  ist  jedenfalls  eine  vollständige  Kennt- 
niss  der  Sprache.  Eine  solche  Kenntniss  besitzt 
bis  jetzt  aber  noch  Niemand,  die  im  Kaiser 
Wilhelms-Land  befindlichen  Missionäre  nicht  aus- 
genommen. Der  Grund  hiefür  liegt  hauptsächlich 
in  den  abnorm  kleinen  Sprachgebieten,  zum 
Theile  auch  in  dem  Bestreben  der  Eingeborenen, 
dem  Weissen  durch  die  Anwendung  einer  mit 
dem  Pitschen-Englisch  zu  vergleichenden  Sprech- 
weise entgegenzukommen.  Im  Durchschnitte  mag 
ein  Sprechbezirk  15  km  Küstenlänge  besitzen, 
nach  dem  Inneren  hin  ist  die  Ausdehnung  noch 
viel  geringer.  Beispielsweise  spricht  ein  etwa 
2  km  vom  Meere  entfernt  liegendes  Dorf  bereits 
einen  anderen  als  den  an  der  Küste  herrschenden 
Jabbim-Dialect  und  in  Tschirar,  einem  Dorfe, 
welches  von  der  Stationsinsel  in  Hatzfeldt-Hafen 
aus  sichtbar  ist,  konnten  sich  die  Reisenden  mit 
dem  erlernten  Küstendialect  (Tsimbin-Dialect)  nur 
durch  Dolmetscher  verständlich  machen.  Die 
Dörfer  Gumbu,  Bongu,  Meale  in  der  Astrolabe- 
Bai,  welche  in  höchstens  2'/»  Stunden  nach- 
einander zu  erreichen  sind,  besitzen  ein  jedes 
einen  eigenen  Dialect.  Desgleichen  herrscht 
zwischen  Junohuk  und  Cap  Craisilles  fast  in  jedem 
Dorfe  eine  andere  Sprache. 

Verhältnissmässig  weite  Ausdehnung  besitzt 
der  Jabbim-Dialect,  derHatzfeldthafener-(Tsimbin)- 
Dialect  von  Cap-Gourdon  bis  Bilau,  circa  15  km, 
und  der  Raluaner  Dialect,  welcher  im  Norden  der 
Gazelle-Halbinsel  sehr  verbreitet  ist.  Für  die  Er- 
forschung des  Landes  ist  der  überaus  häufige 
Wechsel  der  Sprachen  recht  hinderlich,  denn  der 
Weisse,  welcher  nicht  direct  mit  den  Eingeborenen 
verkehren  kann,  darf  sicher  sein,  von  seinem  Dol- 
metsch hintergangen  zu  werden. 

Ein  Zusammenhang  irgend  eines  der  bis  jetzt  aus 
Kaiser  Wilhelms- Land  bekannten  Dialecte  mit 
anderen  Sprachen  der  Südsee,  Australiens  oder  des 
malayischen  Archipels  hat  sich  bis  jetzt  noch  nicht 
feststellen  lassen,  wenn  auch  in  einigen  der  Dialecte 
Anklänge  z.  B.  an  das  Malayische  vorhanden  sind. 
Eine  Schrift  irgend  welcher  Art  kennen  die  Ein- 
geborenen nicht,  was  immerhin  angesichts  ihrer 
Leistungen  in  der  Schnitzkunst  und  in  dem  Erfinden 
von  gefälligen  Mustern  auffällig  erscheint.  Die 
meisten  Eingeborenen  sprechen  wenig  mehr  als 
ihren  eigenen  Dialect;  es  befinden  sich  aber  in 
jedem  Dorf  einige  Bewohner,  welche  die  Nachbar- 
sprachen beherrschen ;  um  zu  dieser  Kenntniss  zu 
gelangen,  pflegen  jene  eine  längere  oder  kürzere 
Zeit  in  dem  betreffenden  Sprachbezirk  zu  leben.  In 
Dörfern,   welche  vorwiegend  Handel   treiben,  sind 


dagegen  Eingeborene,  welche  3 — 4  Sprachen  ver- 
stehen, die  Regel. 

Das  Verhältniss  der  verheirateten  Frau  zum 
Mann  erscheint  äusserlich  als  ein  sehr  untergeord- 
netes, denn  während  die  wirkliche  eigentliche  Arbeit 
des  Mannes  nur  in  dem  Niederschlage  der  Bäume 
bei  der  Anlegung  einer  neuen  Pflanzung  besteht, 
und  alles  Andere,  wie  das  Jagen  und  Fischen  ledig- 
lich ein  Sport  für  ihn  ist,  muss  die  Frau  alle  übrigen 
Arbeiten  verrichten.  Ihr  fällt  das  Reinhalten  und 
Abernten  der  Pflanzung,  das  Heimholen  der  Früchte, 
das  Herbeischaffen  des  Feuerholzes,  das  Heim- 
schleppen der  schweren  Sagolasten,  das  Kochen, 
das  Fischen  mit  dem  Netz  und  sogar  im  Bedarfsfalle 
das  Säugen  neugeborener  Hunde  und  Schweine  zu. 
Bei  alledem  steht  das  Weib  in  keinem  sclavischen 
Verhältnisse  zum  Mann  ;  sie  ist  eben  von  Jugend 
auf  an  keinen  anderen  Gedanken  als  den,  arbeiten 
zu  müssen,  gewöhnt.  Im  Uebrigen  scheint  die  Frau 
häufig  von  Einfluss  auf  EntSchliessung  des  Mannes 
zu  sein. 

Gewöhnlich  besitzt  der  Eingeborene  nur  eine 
Frau,  angesehene  und  reiche  Eingeborene,  na- 
mentlich Häuptlinge,  haben  aber  auch  mehrere 
F"rauen.  Ob  es  ein  Vorrecht  der  Häuptlinge  ist, 
mehrere  Frauen  zu  nehmen  oder  ob  nur  ein  grösserer 
Reichthum  sie  in  den  Stand  setzt,  Vielweiberei  zu 
treiben,  ist  noch  nicht  festgestellt. 

In  den  Küstendörfern  pflegt  jede  Familie  ein 
Haus  ausschliesslich  für  sich  zu  bewohnen,  dagegen 
herrscht  am  oberen  Augusta-Fluss  die  Sitte,  zu 
mehreren  F'amilien  in  einem  Hause  zusammen  zu 
leben.  Die  Junggesellen  leben  getrennt  von  den  Fa- 
milien in  einem  Junggesellenhaus,  welches  häufig 
an  der  übermenschengross  aus  Holz  geschnitzten 
Figur,  welche  sich  in  ihm  befindet,  leicht  er- 
kennbar ist. 

Einzeln  lebende  Individuen  oder  Familien 
kommen  nur  selten  vor,  meist  sind  letztere  zur  Bil- 
dung von  Dörfern  zusammengetreten,  deren  Grösse 
ausserordentlich  verschieden  ist.  Die  bedeutendsten 
Dorfschaften  wurden  am  Kaiserin  Augusta-Fluss  ge- 
funden, woselbst  Malu  etwa  1000  Einwohner  und 
das  sogenannte  „feindliche"  Dorf  sicherlich  noch 
über  1000  Seelen  aufweist.  In  den  Dörfern  ist 
immer  eine  Art  Häuptling  vorhanden,  dessen  Ein- 
fluss aber  vielfach  begrenzt  zu  sein  scheint.  Dann 
und  wann  haben  gleichsprachige  Dörfer  eine  .Art 
Gauverband  gebildet,  dessen  Vorhandensein  aber 
nur  bei  gewissen  Festlichkeiten,  wie  z.  B.  der  Be- 
schneidung ,  deutlich  hervortritt;  im  Uebrigen 
pflegen  die  verschiedenen  Dörfer  verschiedene  Inter- 
essen zu  verfolgen  und  verkehren  dementsprechend 
zwar  nicht  feindselig,  aber  auch  nicht  ganz  rück- 
haltslos mit  einander. 

Bei  Gelegenheit  der  längs  der  Küsten  von 
Kaiser  Wilhelms-Land  vorgenommenen  Fahrten, 
wurden  auch  die  Purdy-Inseln  in  den  Bereich  der 
Forschung  gezogen.  Die  Purdy-Inseln,  welche  zwi- 
schen der  Küste  von  Kaiser  Wiihelms-Land  und  der 
Gruppe  der  Admiralitäts-Inseln  liegen,  haben  durch 
die  auf  ihnen  entdeckten,    wie   es   scheint   abbau- 


OESTBRREICHISCHB   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN   ORIENT. 


H 

II 

II 


I 


würdigen  Lager  von  phosphorsaurem  Kali,  wie 
sie  auf  den  koralllnischen  Inseln  der  Südsee  öfter 
vorkommen ,  eine  praktische  Bedeutung  erlangt. 
Sie  s'nd  unbewohnt  und  ragen  nur  einige  Fuss  über 
den  Meeresspiegel  empor.  Zeitweise  werden  sie 
von  den  Bewohnern  der  Admiralitätsgruppe  besucht, 
welche  die  auf  ihnen  befindlichen  Cocospalmen-Be- 
stände  anlegten.  Eingegangene  Proben  erwiesen 
die  Brauchbarkeit  des  Phosphats,  welcher  auf  60 
bis  70  M.  per  Tonne  geschätzt  wurde,  und  bereits 
im  vergangenen  Herbst  ist  eine  grössere  Menge 
zur  Versendung  bereit  gemacht  und  nach  dem  Auf- 
hören des  Nord-West-Monsuns  im  April  verladen 
und  nach  Deutschland  gebracht  worden. 

Die  Einwanderung  Deutscher  aus  Australien 
hat  sich  nicht  in  Fluss  bringen  lassen.  Die  Gründe, 
welche  zusammenwirkten,  den  Deutschen  in  Austra- 
lien die  Auswanderung  nach  Neu-Guinea  zu  ver- 
leiden, sind  nicht  recht  durchsichtig.  .Australische 
Zeitungen  behaupten,  das  bureaukratische  Regle- 
ment und  die  Preise  der  Eändereien  hätten  von  der 
Ansiedlung  abgeschreckt,  aber  es  ist  nicht  wohl 
anzunehmen,  dass  sich  unter  den  vielen  Tausenden 
von  Deutschen  nicht  trotzdem  tüchtige  Leute 
befunden  haben  sollten ,  die  noch  dorthin  zu  über- 
siedeln geneigt  gewesen  wären. 

.Aus  den  bisherigen  Erfahrungen  ist  übrigens 
zu  entnehmen,  dass  eine  Nutzbarmachung  des  Landes 
durch  Verkauf  oder  Verpachtung  an  kleinere  An- 
siedler, obwohl  die  Niederlassung  von  Europäern 
zum  Zwecke  der  Bodencultur,  zumal  in  den  höher 
über  dem  Meere  gelegenen  Gebieten,  keineswegs 
ausgeschlossen  ist,  doch  langsam  von  Statten  gehen 
wird.  Die  australischen  Einwanderer ,  auf  welche 
früher  ein  Auge  geworfen  war,  haben  es  abgelehnt, 
unter  den  von  der  Compagnie  gestellten  Bedingungen 
anzusiedeln,  und  seitdem  die  Dampfer  der  Com- 
pagnie Kooktown  nicht  mehr  anlaufen,  besteht  auch 
keineVerbindung  mehrzwischen  den  beiden  Ländern. 
Was  aber  die  Einwanderung  Deutscher  betrifft, 
so  ist  die  Verbindung  mit  dem  Mutterlande  zur  Zeit 
noch  zu  kostspielig  und  umständlich,  und  ist  die  Mög- 
lichkeit des  Gedeihens  noch  zu  wenig  bewiesen,  als 
dass  aus  Deutschland  eine  grössere  Auswanderung 
nach  dem  Schutzgebiet  gelenkt  werden  könnte. 
Diese  Mängel  der  Verbindung  halten  auch  zur  Zeit 
noch  grössere  heimische  Capita's'cräfte  zurück,  in 
ausgedehntem  Grunderwerb  im  Schutzgebiet  .An- 
lage zu  suchen  ;  dieselben  wenden  sich  lieber  nach 
Borneo,  obwohl  dort  schon  viel  Geld  verloren  ist, 
oder  nach  Sumatra,  wo  eine  regelmässige  und  re- 
lativ billige  Verbindung  ihnen  gesichert  ist. 

Zu  dem  Schutzgebiete  der  Marschall-Inseln  ist, 
wie  bekannt,  die  einen  l~heil  der  Gilbert-Gruppe 
bildende  sehr  unbekannte  Insel  Nauru,  auch  Pleasant- 
Island  genannt,  neuerdings  hinzugekommen. 

Wie  aus  den  Mittheilungen  des  kaiserlichen 
("ommissärs  für  die  Marschall-Inseln  hervorgeht, 
sind  die  Eingeborenen  von  Nauru,  deren  Zahl  vor 
Kurzem  noch  etwa  1200  betragen  hat,  in  Folge  der 
Kriegführung  der  letzten  Jahre  jedoch  auf  900  bis 
1000  zusammengeschmolzen  sein  Süll,  ein  kräftig  und 


schlank  gebauter  Menschenschlag,  welcher  an  kör- 
perlichen und  geistigen  Eigenschaften  bedeutend 
über  den  Bewohnern  der  Marschall-Inseln  steht. 
Insbesondere  das  weibliche  Geschlecht,  an  Zahl 
dem  männlichen  überlegen,  zeichnet  sich  durch  an- 
genehme Gesichtszüge  und  körperliche  Wohlgestalt 
aus,  welche  bei  älteren  Individuen  jedoch  durch  den 
vielleicht  in  Folge  unverhältnissmässig  langen 
Säugens  der  Kinder  bedingten  Verfall  der  Brust- 
partien wesentlich  beeinträchtigt  wird. 

Die  äussere  Erscheinung  der  Nauru-Leute  ist 
derjenigen  der  Kingsmill-Eingeborenen  am  ähn- 
lichsten. Die  Sprache  soll  eine  eigenartige  sein, 
aber  manche  Anklänge  an  diejenige  der  letzteren 
enthalten.  Ob  dies  lediglich  auf  den  durch  ver- 
schlagene Kingsmill-Eingeborene  geübten  Einfluss, 
der  thatsächlich  bis  in  die  neueste  Zeit  festzustellen 
ist,  zurückgeführt  werden  muss  —  dies  zu  ent- 
scheiden mag  der  Untersuchung  berufener  Ethno- 
graphen vorbehalten  sein. 

In  seinen  Schilderungen  von  Land  und  Leuten 
weist  der  Reichscommissär  namentlich  auf  die  fröh- 
liche Sinnesart  der  Bewohner  hin,  welche  angeb- 
lich neben  dem  hübschen  Aussehen  der  Insel  und 
der  Fülle  der  den  Walfischfahrcrn  dargebotenen 
Nahrungsmittel  derselben  den  Namen  „Pleasant- 
Island"  verschalTt  hat.  Jedes  Schiff  wird  mit  Hände- 
klatschen und  Geschrei  begrüsst,  die  Eingeborenen, 
insbesondere  die  Weiber,  stürzen  den  .Ankommen- 
den entgegen  und  drängen  sich  dazu,  irgend  etwas 
zu  tragen.  Alles  mit  lauten  Rufen  und  Gesang  be- 
gleitend. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  kindlichen  und  fröh- 
lichen Sinnesart  der  Bewohner  stehen  scheinbar  die 
traurigen  anarchischen  Zustände  und  die  blutigen 
F"ehden,  unter  denen  die  Insel  bis  in  die  neueste 
Zeit  gelitten  hat.  Die  Kriegsschiffe,  welche  in  den 
letzten  Jahren  die  Insel  angelaufen,  beschränkten 
sich  auf  Friedensmahnungen.  Dies  vermochte  eben- 
sowenig den  Krieg  aus  der  Welt  zu  schaffen,  als 
die  von  der  englischen  und  deutschen  Regierung 
erlassenen  Verbote  der  Waffeneinfuhr  ,  so  lange 
eine  dauernde  Controle  an  Ort  und  Stelle  nicht  be- 
stand. Bei  der  Fahrt  an  der  Küste  entlang  sah  man 
massenhaft  Leute,  ja  Knaben,  mit  Gewehren  auf 
der  Schulter,  denen  Frauen  häufig  noch  ein  zweites 
Gewehr  und  die  Patronentasche  nachtrugen,  und  man 
versichert,  dass  ein  über  zwölf  Jahre  alter  männ- 
licher Eingeborener  seine  Hütte  ohne  Schusswaffe 
nie  verlasse.  Walfischfänger  haben  bis  in  die  neuere 
Zeit  die  Insel  häutig  besucht,  um  dort  Wasser  und 
Mundvorrath  zu  holen.  Die  ersten  Weissen,  welche 
dauernden  Aufenthalt  auf  Nauru  nahmen,  sind  ent- 
flohene australische  Deportirtc  gewesen.  Sie  haben 
die  Insel  mit  jeder  Art  von  Gräueln  erfüllt  und  sind 
dann  meist  eines  gewaltsamen  Todes  gestorben. 
l<:in  alter  Händler,  Namens  G.  W.  Harris,  soll  der 
einzige  Ueberlebende  sein. 

Seitdem  der  Handel  mit  Cocosöl  und  später 
mit  Kopra  zur  Bedeutung  gelangte,  haben  sie'' 
weisse  Händler  auf  der  Insel  angesiedelt.  Ihre  Zah' 
beläuft  sich  beute  auf  10,   von  denen  2  deutschen 


64 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


3  scandinavischen,  4  englischen  und  i  holländi- 
schen Ursprungs  sind.  Diese  Personen  sind  theils 
selbstständige  Händler,  theils  Angestellte  der  in 
der  Marschall-Gruppe  angesessenen  Handelshäuser, 
mit  welchen  jedoch  auch  die  sclbstständigen  Leute 
ausschliesslich  Geschäfte  betreiben. 


MISCELLEN. 
Der  botanische  Garten  zu  Buitenzorg.  Die 

Anzahl  der  in  den  Tropen  gelegenen  botanischen 
Gärten  ist  grösser,  als  man  gewöhnlich  annimmt; 
in  den  englischen  Besitzungen  gibt  es  deren 
fünfzehn,  in  den  französischen  Colonien  fünf,  in 
den  spanischen  zwei,  in  den  niederländischen  nur 
einen,  den  zu  Buitenzorg.  Einige  derselben  sind 
allerdings  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  keine 
botanischen,  sondern  agronomische  oder  Accli- 
matisationsgärten,  andere,  worunter  der  zu  Calcutta, 
zu  Peradeniya  und  zu  Buitenzorg,  vereinigen  das 
wissenschaftliche  Interesse  mit  dem  für  den  tropi- 
schen Landbau;  wenden  wir  uns  zu  dem  zuletzt 
genannten  Garten.  Derselbe  wurde  schon  im  Jahre 
18 17  gegründet,  gleich  nachdem  die  Holländer 
von  ihren  Colonien  in  Indonesien  wieder  Besitz 
ergriffen  hatten.  Aus  nur  kleinen  Anfängen  her- 
vorgegangen, die  je  nach  dem  Bedürfniss  weitere 
Ausdehnung  erfuhren,  besteht  er  jetzt  aus  drei 
verschiedenen  Theilen,  welche  zusammen  gegen 
140  ha  Oberfläche  haben.  In  dem  ältesten  Theil, 
der  sich  zu  Buitenzorg  in  der  unmittelbaren  Nähe 
des  vom  General-Gouverneur  bewohnten  Palais 
befindet,  werden  gegen  9000  Pflanzenarten  auf 
einer  Grundfläche  von  36  ha  cultivirt  ;  in  dem 
agronomischen  Garten,  der  etwa  eine  Stunde  weit 
entfernt  liegt  und  etwa  70  ha  gross  ist,  findet 
man  nur  für  den  colonialen  Landbau  wichtige 
Pflanzen,  während  der  dritte,  der  „Berggarten", 
etwa  1500  m  über  dem  Meeresspiegel,  auf  dem 
Abhang  des  manchmal  noch  thätigen  Vulkan 
Gedeh  liegt  und  eine  Fläche  von  etwa  30  ha  ein- 
nimmt ;  dort  werden  diejenigen  Arten  angepflanzt, 
welche  ein  kühleres  Klima  nöthig  haben  und  die 
theils  aus  den  Tropen,  theils  aus  Australien,  aus 
Japan,  aus  China  und  anderen  Ländern  kommen. 
Endlich  ist  der  Gartenverwaltung  noch  ein  etwa 
250  ha  grosses  Stück  Urwald  überwiesen  worden, 
welches  in  den  Preanger  Regentschaften  liegt  und 
gegen  Verwüstungen  durch  die  Eingebornen  ge- 
schützt wird,  um  demselben  seinen  ursprünglichen 
Charakter  zu   bewahren. 

In  dem  botanischen  Garten  befindet  sich  u.  A. 
ein  Herbarium  mit  etwa  1 20.000  Arten,  welches 
möglichst  gegen  den  Einfluss  des  Klimas  geschützt 
ist,  und  eine  botanische  Bibliothek  von  mehr  als 
5000  Bänden.  Es  bestehen  drei  (bald  werden  es 
vier  sein)  Laboratorien,  von  denen  eines  für 
botanische  Studien  bestimmt,  den  Beamten  des 
Gartens,  ein  zweites  den  fremden  Gelehrten,  welche 
vorübergehend  dort  arbeiten,  zur  Verfügung  ge- 
stellt ist.  Das  pharmakologische  Laboratorium,  an 
dessen  Spitze  ein  Militärapotheker  steht,  hat,  wie- 


wohl erst  im  Anfang  seiner  Thätigkeit,  doch  schon 
Nutzen  bewiesen.  Gleiches  wird  mit  dem  agrono- 
mischen Laboratorium,  zu  dessen  Errichtung  die 
Regierung  ihre  Zustimmung  gegeben  hat,  der  Fall 
sein.  Ein  Botaniker  und  ein  Chemiker  sollen  in 
demselben  thätig  sein ;  durch  diese  Vermehrung 
des  Personals  wird  sich  eine  strengere  Trennung 
der  rein  theoretischen  Thätigkeit  von  derjenigen 
Thätigkeit,  welche  mehr  praktische  Ziele  in's 
Auge  fasst,  durchführen  lassen  und  für  beide  mehr 
Müsse  vorhanden  sein.  Zu  den  Einrichtungen  des 
botanischen  Gartens  gehört  noch  ein  photographi- 
sches und  ein  lithographisches  Atelier  und  die 
nöthigen   Geschäftszimmer. 

Dritte   Nationalausstellung   in  Tokio,    im 

Uyeno-Park  zu  Tokio,  welcher  auch  die  National- 
ausstellungen von  1877  und  1880  beherbergte, 
ist  am  26.  März  d.  J.  die  dritte  japanische  Landes- 
ausstellung mit  einem  Kostenaufwande  von  einer 
halben  Million  Yen  eröffnet  worden.  Die  Bau- 
lichkeiten bieten,  wie  dem  „North  China  Herald^ 
geschrieben  wird,  wenig  Lobenswerthes  an  künst- 
lerischer Gestaltung.  Die  Ausstellung  nimmt  einen 
Flächenraum  von  8  Acres  ein  und  ein  gewissen- 
hafter Besucher  wird,  wenn  er  alle  Galerien  und 
Sectionen  durchwandern  will,  etwa  15 — 16  eng- 
lische Meilen  zurücklegen  müssen.  Den  grössten 
Anziehungspunkt  der  Exposition  wird  wohl  die 
einzig  dastehende  Collection  von  Kunstgegen- 
ständen aus  der  der  gegenwärtigen  (Meiji)  Aera 
vorangegangenen  Epoche  bilden.  Diese  Collection, 
zu  welcher  die  Edlen  des  Landes  und  der  Kaiser 
selbst  die  kostbarsten  Stücke  beigetragen  haben, 
ist  in  einem  besonderen  Pavillon  untergebracht. 
Von  der  Ausstellung  erwartet  man  eine  Erweite- 
rung der  Handelsbeziehungen,  eine  wesentlich 
geklärte  Kenntniss  von  Land  und  Leuten  Japans 
sowie  einen  starken  Fremdenzuspruch.  Die  „Japan 
Mail"  meint,  die  Ausstellung  biete  eine  vor- 
zügliche Gelegenheit,  um  festzustellen,  wie  weit 
Japan  zu  alten  Traditionen  zurückkehren  kann, 
ohne  sich  zu  sehr  von  den  F'orderungen  seiner 
modernen   Civilisation   zu   entfernen. 

Chinesische  Namen  der  europäischen  Ge- 
schäftshäuser In  Hongkong,  Da  die  Chinesen 
alle  Dienstleistungen  wahrnehmen,  aber  keine 
fremden  Sprachen  verstehen  ausser  dem  Pidgin- 
Englisch,  so  haben  die  europäischen  Häuser, 
Consulate  etc.  chinesische  Namen  angenommen,  | 
um  sich  so  den  Kunden,  dem  Postträger  u.  s.  w. 
bekannt  zu  machen ;  dieselben  werden  amtlich 
protokollirt  und  dürfen  nicht  geändert  werden. 
So  heisst  Oesterreich  Ta-ao-ling  und  das  k.  und 
k.  österreichisch-ungarische  Consulat  Ta-ao-ling 
shih  Kwan,  Kruse-Kolosa,  Meyer  =  Me-ya,  Med. 
Dr.  Gerlach  =  Kalack  Esang ;  Blackhead  = 
Pek-lik-hot.  Das  Wort  Hongkong  bedeutet  „guter 
Hafen",  sowie  das  nahe  Canton  „geräumige 
Stadt",  auch  die  Stadt  der  Genien  (Heiligen) 
und  Widder  (auf  denen  die  Heiligen  vom  Himmel 
herabstiegen,  um  hier  zu  Stein  zu   werden)  heisst. 


Verantwortlicher  Redacteur:  A.  v.  Scala. 


Druck  von  Ch.  Reitser  it  M.  Werthner  in  Wien. 


MaIHRft  1890. 


OBSTERREICHISCHE 


Nr.  5. 


P0Mt5st|rift  für  kn  #rM 

Herausgegeben   vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 


Redigirt   von    A.   von   Scala. 


Monatlich  ein«  Nummgr. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Prall  jttH.  S  I.  ^  K)  Mark. 


!■ 


I» 


INHALT:  I>Jc  fltnitM'lift  Kiinu  PuHclia  •  KxpedititioD.  Von  A..  r. 
Schnfitjtr  -  [.erchenf€(d.  —  Dil-  Hauten  in  Arabien.  —  IMe  K'm 
iu  Ju|>au.  Vou  Dr.  If.  Weiptrt,  (II.)  —  l>ie  Ueuussmittül  du.-i 
OrieiitcK.  Von  (iititluv  Troll.  (HI.)  —  K'U  Itild  aus  den) 
chiiicMitichtMi  Leben.  —  M  i  s  c  <•  1 1  cn  :  Das  cliincsUcho  Hee- 
Ar«oual  äu  K'^ing-Naa.  —  Aus  Tbibet. 


DIE  DEUTSCHE  EMIN  PASCHA-EXPEDITION. 

Von  A.  V.  Schweiger-Lerchenfeld. 

s  vergeht  fast  kein  Monat,  dass  nicht 
das  eine  oder  andere  Werk,  das  von 
afrikanischen  IJingen  handelt,  auf  den 
Hücliermarkt  gelangte.  Die  Zeit,  in 
der  solche  Fublicationen  Aufsehen 
erregen  konnten,  sind  aber  längst  vorüber,  denn 
in  Folge  der  grossartigen  Entwicklung  der  Be- 
ziehungen zwischen  Europa  und  dem  scliwarzen 
Erdtheile  in  seiner  Gesammtheit  vom  tripolitani- 
schen  Gestade  bis  zur  Delagoa-Bai,  hat  sich  die 
Zahl  der  Afrikareisenden  in's  Ungeheure  ver- 
mehrt. Man  reist  heutzutage  nach  Zanzibar  so 
leicht  und  guten  Muthes,  wie  vor  etwa  zwei  Jahr- 
zehnten nach  Constantinopel  oder  Salonich.  Auf 
sämmtlichen  Schifffahrtsrouten  nach  der  Ostküste 
und  nach  der  Westküste  von  7\ec)uatorial-.\frika 
sind  beständig  politische  Functionäre  und  üffi- 
ciere  unterwegs.  Seit  Stanley's  erstem  Congozuge 
ist  die  Situation  so  gründlich  verändert,  dass 
selbst  der  „Hismarck  der  Afrika-Forschung"  die 
ungeheuerliche  Robinsonade  durch  den  „grossen 
Wald"  bewirken  musste,  um  die  Si)annung  und 
das  Interesse,  welches  sich  an  seine  Person 
knü()fte,  rege  zu  erhalten.  Sein  Marsch  mit  Emin 
vom  Albertsee  bis  Ragamoyo  —  an  sich  eine 
respectable  Leistung  —  wurde  kaum  mehr  be- 
achtet. Und  wer  hätte  es  sich  noch  vor  einem 
Jahrzehnt  träumen  lassen,  dass  deutsche  Waffen 
auf  einem  ausgedehnten  afrikanischen  Gebiete 
Kebellen   niederzuwerfen   haben   würden? 

Indessen  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  diese 
Dinge  nur  dem  Fernstehenden  gewissermassen  als 
selbstverständlich  sich  darstellen.  Die  Verviel- 
fältigung der  Beziehungen  einerseits  und  die  Ver- 
mehrung der  Zahl  Jener,  welche  sich  in  irgend 
welcher  Form  der  Forschung  oder  dem  Dienste 
in  Afrika  widmen,  ändert  nichts  an  der  That- 
sache,  dass  die  zu  bewältigenden  Aufgaben  immer 
gleich  schwierig  bleiben,  dass  sie  einen  hohen 
Grad   von   Thatkraft    und   t)[)ferwilligkcit    seitens 

.V^unUschrlfX  rar  den  Orient.  Mai  1890. 


aller  Betheiligten  verlangen,  und  dass  auf  Grund 
der  ungeheueren  räumlichen  Verhältnisse  immer 
ein  Unterschied  gemacht  werden  muss  zwischen 
dem,  was  bisher  geleistet  worden  ist  und  dem, 
was  noch  zu  leisten  sein  wird.  Es  kommt  aber  noch 
ein  anderer  Umstand  sehr  in  Betracht.  Die  un- 
geheure Mehrheit  Jener,  die  sich  für  afrikanische 
Dinge  interessirt,  lebt  sich  in  Vorstellungen  ein, 
welche,  gewissermassen  den  engen  heimatlichen 
Verhältnissen  angepasst,  ganz  verkehrter  Natur 
sind.  Die  gemachten  Erwerbungen,  die  Ausdeh- 
nung des  Protectorates  über  weite,  mitunter 
noch  gänzlich  unbekannte  Gebiete,  die  Absteckung 
von  Grenzen  u.  dgl.  mehr  wird  als  etwas  positiv 
Zuverlässliches,  formell  und  de  facto  zu  Recht 
Bestehendes  aufgefasst,  als  handelte  es  sich  um 
die  Sicherstellung  eines  unter  jeder  Bedingung 
unanfechtbaren  Gutes.  Dass  das  afrikanische 
Geschäft  vorläufig  über  das  Stadium  einer  ver- 
wegenen Speculation  nicht  hinausgekommen  ist, 
wagen  Wenige  offen  auszusprechen.  Es  werden 
Generationen  vorübergehen,  ehe  man  sich  gegen- 
über all  dem,  was  schon  derzeit  als  erringens- 
werth  und  realisirbar  hingenommen  wird,  klare 
und  sichere  Ziele  gesteckt  haben  wird. 

Dass  die  Erbtheilung  eines  ganzen  Con- 
tinentes  am  Ende  des  neunzehnten  Jahrhunderts 
unter  anderen  Formen  vor  sich  geht,  dass  sie 
mit  der  ungemessenen  Energie  des  Zeitgeistes  die 
Verwickeltesten  Fragen  dem  kategorischen  Im- 
perativ unterordnet,  ist  ohne  weiteres  klar.  Wenn 
vor  einem  Jahrhundert  die  Colonisirung  der  neuen 
Welt  im  Schneckengange  vor  sich  ging,  liegen 
die  Dinge  heute  mit  Afrika  ganz  anders.  Es  sind 
der  Bewerber  viele  und  damit  keiner  dem  an- 
deren zuvorkomme,  werden  mit  Pinsel  und  Koth- 
stift  einfach  ganze  Reiche,  Gebiete  so  gross  wie 
halb  Europa,  als  Colonien  dieser  oder  jener  Macht 
erklärt.  Manche  dieser  Länderstrecken  von  ge- 
waltiger .Ausdehnung  werden  unter  Proteclorat 
genommen,  indem  man  sie  einfach  für  herrenlos 
erklärt,  da  —  noch  keine  andere  Macht  sie  in 
die  Tasche  gesteckt  hat.  Ein  solches  Vorgehen 
hat  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  man  mit  derlei 
.Vnnectirungen  nach  der  .\nsicht  des  Fürsten 
Bismarck  sich  —  Compensationsobjccte  schafft. 
Aber  darin  liegt  ja  an  sieb  die  Voraussicht  künfti- 
ger Complicaiionen.    Sind  diese  zu  hochgradiger 


66 


OESTüRRCICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


Spannung  gelangt,   dann  wird  das  Compensations- 
ubject  losgeschlagen. 

Wir  haben  diesen  Vorgang  erst  in  jüngster 
Zeit  erlebt.  Des  lieben  Friedens  halber  haben 
England  und  Deutschland  in  Ostafrika  ein  Ab- 
kommen getroffen,  bei  welchem  ein  solches 
Compensationsübject  losgeschlagen  wurde,  näm- 
lich die  südliche  Sovtaliküsle.  Es. kam  aber  noch 
ein  zweites  Übject  dieser  Art  hinzu,  das  Sultanat 
Witu.  Auf  Colonialpolitiker  machen  derlei  Trans- 
actionen  einen  gewaltigen  Eindruck.  Was  aber 
bedeutet  beispielsweise  das  Sultanat  Witu? 
Bekanntlich  hatte  es  sich  eine  deutsche  Colonial- 
gesellschaft,  die  den  Namen  dieses  Sultanates 
führt,  angelegen  sein  lassen,  dortselbst  Betriebe 
in's  Leben  zu  rufen.  Nebenher  behielt  man  den 
Tana-Fluss,  in  dessen  Mündungsbereich  das  ge- 
nannte Sultanat  liegt,  als  Handelsstrasse  in  das 
Innere  der  Galla-Länder,  nach  dem  Kenia- 
Gebiete  und  in  letzter  Linie  nach  den  Nilquellen 
im  Auge.  .411  diese  grossartigen  Fernsichten  haben 
aber  nicht  verhindert,  dass  die  Colonnen  der 
deutschen  Emin  Pascha-Expedition  fortgesetzt 
dem  Hunger  ausgesetzt  waren,  dass  sie  mit  den 
ungeheuerlichsten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen 
hatten,  um  die  nothwendigsten  Bedürfnisse  be- 
streiten zu  können  und  dass  auf  der  als  „Han- 
delsstrasse" declarirten  Tanaroute  von  einem 
Handel   keine   Spur  anzutreffen   war. 

Man  fragt  also,  welcher  Werth  solchen  Er- 
werbungen innewohnen  könne,  und  ob  es  nicht 
besser  sei,  dieselben  gelegentlich  als  .,Cümpen- 
sationsobjecte"  loszuschlagen.  Die  Weisheit  der 
deutschen  Staatsmänner  hat  nicht  verfehlt,  mit 
richtigem  Gefühl  das  Zweckdienliche  solchen 
Vorgehens  zu  erkennen.  Wenn  übereifrige  Co- 
lonial-Enthusiasten  von  „Opfern"  und  dergleichen 
sprechen,  so  sind  die  damit  begründeten  und  ge- 
festigten guten  Beziehungen  zwischen  zwei  mäch- 
tigen Reichen  des  Opfers  unbedingt  werth.  Man 
darf  den  Engländern  das  Wituland  und  die  öde 
Somaliküste  ohne  patriotische  Beklemmungen 
gönnen.  Dass  es  ihnen  gelingen  werde,  von  dort 
aus  den  Handel  des  Sudan  nach  der  Küste  des 
Indischen  Occans  abzulenken,  kann  für  jetzt  und 
für  eine  ziemlich  fernliegende  Zukunft  doch  wohl 
nur  die  Bedeutung  einer  akademischen  Frage 
haben.  Bis  wir  einmal  so  weit  sind,  werden  sich 
die  Verhältnisse  im  Sudan  gewiss  derart  ver- 
ändert haben ,  dass  die  Tanaroute  möglicher- 
weise völlig  in  Vergessenheit  gerathen  könnte. 
Und  Uganda,  das  Stanley  die  „Perle  von  Afrika" 
nennt,  und  dem  zu  Liebe  die  Engländer  es 
hauptsächlich  auf  die  Tanaioute  abgesehen  hatten, 
wird  schliesslich  doch  wohl  nicht  werthvoller  sein, 
als  das  zu  Deutsch-Ostafrika  gehörende  Tangan- 
kijagebiet,  das  die  Verbindung  mit  dem  Congo- 
staate  herstellt.  Auf  all  diesen  unermesslichen 
Landstrichen  können  also  England  und  Deutschland, 
ohne  Entfaltung  eines  sinnlosen  Rivalitätsstreites 
ganz  gut  bestehen,  denn  die  Aufgaben,  welche 
jedes   dieser  Reiche    in   dem   ihm   zufallenden   Ge- 


biete zu  lösen  hat,  entzieht  sich  vorläufig  noch 
jedem  Calcul  und  wird  auf  Jahrzehnte  hinaus  die 
finanzielle  und  geistige  Kraft  der  Civil isatoren 
in  Anspruch  nehmen.  Welche  Wandlungen  bis 
dahin  die  internationale  Politik  genommen  haben 
wird:   wer  vermöchte   dies  vorauszusagen? 

Mit  der  Nennung  des  Witulandes  und  der 
Tanaroute  haben  wir  die  Anknüpfung  zu  einer 
der  merkwürdigsten  Exjjeditionen,  welche  jemals  auf 
afrikanischem  Boden  in  Scene  gesetzt  wurden,  ge- 
geben —  merkwürdig  auf  Grund  ihrer  Voraus- 
setzungen und  nicht  minder  wegen  der  politischen 
Complicationen,  welche  sie  im  Gefolge  hatte  — 
merkwürdig  wegen  der  Hindernisse,  die  zu  be- 
wältigen waren  und  ihres  bisher  noch  völlig  un- 
aufgeklärten Verlaufes.  Der  Leser  weiss,  dass  es 
sich  hier,  wie  schon  aus  der  Ueberschrift  dieses 
Aufsatzes  hervorgeht,  um  die  deutsche  Emin  Pascha- 
h'xpedition  handelt.  Dass  dieselbe  nicht  verfehlt 
hat,  allgemeines  Interesse  zu  erregen,  ist  nach 
dem  vorher  Gesagten  erklärlich,  lieber  den  ersten 
Verlauf  der  Expedition  bis  zu  dem  Augenblicke, 
wo  dessen  Organisator  und  Führer,  der  energische 
und  schneidige  Dr.  Peters  ,  verschollen  ging, 
wurden  bisher  nur  etliche  abgerissene  und  zu- 
sammenhanglose Berichte  bekannt.  Nun  liegt  die 
erste  authentische  Darstellung  seitens  eines  Mit- 
gliedes dieser  Expedition,  des  Capitän-Lieutenants 
a.  D.,  Rust,  vor,  ein  Bericht,  der  in  mehrfachen  Be- 
ziehungen zu  denken  gibt. ')  Aus  diesen  Darlegungen 
ersieht  man  zunächst  die  hässlichen  Folgen  eines 
Rivalitätsstreites  zwischen  zwei  sich  sonst  so  nahe 
stehenden  und  blutsverwandten  Völkern,  deren  Zu- 
sammenwirken aus  civilisatorischen  und  politischen 
Gründen  nicht  nur  wünschenswerth,  sondern  ge- 
boten ist;  man  ersieht  ferner,  welcher  Ueber- 
griffe  sich  eine  befreundete  Macht  schuldig  machen 
kann,  wenn  deren  F'unctionäre  von  der  über- 
hitzten Phantasie  massloser  Si)eculanten  auf  dein 
Gebiete  des  Ländererwerbes  beeinflusst  werden, 
und  auf  Grund  gänzlich  fictiver  Voraussetzungen 
sich  zu  förmlichen  Gewaltacten  hinreissen  lassen. 
In  letzter  Linie  erhärtet  der  Rust'sche  Bericht 
die  gänzliche  Bedeutungslosigkeit  Witus  und  der 
Tanaroute  von  wirthschaftlichen  Gesichtspunkten, 
indem  aus  den  Schilderungen  der  mannigfachen 
Verdriesslichkeiten,  denen  die  Expedition  ausge- 
setzt war,  klar  hervorgeht,  dass  Witu  und  sein  .; 
Hinterland  nicht  zu  jenen  lirdstrichen  gehören,  in  1 
welchen  Milch  und  Honig  fliessen.  Doch  darüber  | 
später. 

Die  Odyssee  des  Dr.  Peters  als  Leiter  der 
seinerzeit  viel  genannten  und  commentirten  deut- 
schen Emin  Pascha-Expedition  darf  wohl  als  in 
allgemeinen  Zügen  bekannt  vorausgesetzt  werden. 
Dem  Unternehmen  wurde  von  keiner  Seite  Sym- 
pathie entgegengebracht,  so  dass  es  buchstäblich 
auf  sich  selbst  gestellt  war.  Vom  Fürsten  Bis- 
marck  weiss  man  nicht  nur,  dass  er  die  Knochen 
des    in    diesem   Sinne    zu  weltgeschichtlicher  Be- 


')  Die  deutsche  hmin  Pascha- Expedition  von  Rust,  Capitiui- 
Lieutenaut  a.  D.  mit  1  Karte.  Berlin,  Friedrich  Luctthart,  1890. 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


67 


dcutung  gelanjjten  pummerischcn  Grenadiers  für 
Bulg.irien  nicht  opfern  mochte,  sondern  auch,  (hiss 
er  ähnlichen  Ansichten  auch  in  afrikanischen  Dingen 
huldigte.  Das  Rust'sche  Buch  gibt  die  nöthigen  Illu- 
strationen hiezu.  Dr.  Peters  war  Anfangs  April  1889, 
in  Heglcitung  des  1  lerrn  Rorchert,  in  Zanzihar  ein- 
getroffen, nachdem  von  Ca[)itän-Lieutenant  Rust 
schon  früher  die  in  Aden  angeworbene  Somali- 
truppe  zuerst  nach  Zanzibar,  und  da  sie  hier  nicht 
geduldet  wurden,  nach  Bagamcjyo  gebracht  hatte. 
Schon  dieser  Umstand  gab  dem  Dr.  Peters 
einen  Anhalts[)unkt  für  die  zu  erwartende  ICnt- 
wicklung  der  Dinge.  Von  vSeite  des  Sultans  Said 
Chalifa  und  der  deutschen  Behörden  war  nichts 
zu  erwarten,  von  dem  englischen  Einflüsse  in 
Zanzibar,  den  kein  Gegendruck  paralysirte,  nur 
Hindernisse  jeder  Art.  Dem  Lieutenant  von  Tiede- 
mann,  dem  Kust  die  vSomalitruppe  unterstellt  hatte, 
wurde  in  Bagamoyo  von  ,, massgebender"  Seite 
bedeutet,  dass  er  dort  Jedem  ein  Dorn  im  Auge 
sei  und  Rust  selbst  wurde  vom  Admiral  Deinhard 
kurz  ,, angefahren'',  was  er  in  Zanzibar  eigentlich 
suche ;  „aus  der  Expedition  würde  doch  nichts 
werden." 

So  wurde  dem  Dr.  Peters  in  Zanzibar  der 
Boden  zu  seiner  Action  entzogen  und  er  sah  sich 
unfreiwilliger  Weise  auf  das  Festland  des  deutschen 
Schutzgebietes  verwiesen.  Durch  dasselbe  in  die 
Ae(|uatorialprüvinz  vorzudringen,  war  nach  dem 
damaligen  Stande  der  Dinge  unmöglich ;  das 
Küstengebiet  von  Witu  war  aber  in  den  Blockade- 
bezirk einbezogen  und  damit  die  einzig  denkbare 
Zugangsroute,  diejenige  des  Tana,  gesperrt. 
Die  Zeit  bis  zum  Eintreffen  der  ausstehenden 
Ausrüstung  wollte  Peters  zu  einer  Recogno- 
scirungsfahrt  längs  der  Küste  benützen,  aber  da 
zeigte  sich  sofort  der  verhängnissvolle  Einlluss 
der  Engländer,  den  zu  beleuchten  wir  für  nöthig 
halten,  um  die  künftige  Tragweite  des  eng- 
lischen Protectorates  über  Zanzibar  klarzulegen. 
Um  jene  Recognoscirungsreise  unternehmen  zu 
können,  mussten  Peters  und  Rust  einen  der  Sul- 
tansdampfcr  benützen,  welche  den  Passagier-  und 
Fraihtcnvcrkehr  zwischen  Zanzibar  und  einigen 
Küstenplätzen  vermitteln.  Die  Dampfer  fahren 
nun  zwar  unter  der  Sultansllagge,  doch  hat  sich 
die  „British  India  Steam  Navigation  Co."  einen 
Vertrag  erwirkt,  kraft  dessen  jene  Route  zu  einer 
Zweiglinie  der  Gesellschaft  geworden  ist,  welche 
natürlicherweise  auch  der  britischen  ostafrikani- 
schen Gesellschaft  zu  Gute  kommt.  Die  Linie 
berührt  die  Häfen  Mombassa,  Melindi,  Lamu, 
Barava,  Merka  und  Makdischu. 

Dr.  Peters  und  Rust  benützten  die  „Kilwa", 
um  di(^  geplante  Fahrt  durchzuführen.  -Als  in 
Mombassa  gehalten  wurde,  lief  das  englische 
Kanonenboot  „Mariner",  das  die  Reisenden  noch 
vor  ihrer  Abfahrt  in  Zanzibar  gesehen  hatten, 
gleichfalls  in  Mombassa  ein,  verliess  jedoch  schon 
nach  einigen  Stunden  wieder  den  1  lafen.  Der 
Zweck  dieses  Besuches  wurde  den  Reisenden 
erst  klar,    als    ihnen    vom  Capitän    der    „Kilwa" 


bedeutet  wurde,  er  hab4e  Urdre,  Lamu  nicht  an- 
zulaufen. Wie  man  weiss,  ist  Lainu  die  wichtigste 
maritime  Zugangsstation  zum  Mündungsgebiete 
des  Tana,  beziehungsweise  zum  Sultanat  Witu. 
Lamu  ist  aber,  in  englischen  Mänden.  Die  weiteren 
Combinationen  sind  also  nicht  schwierig.  Dem 
Dr.  Pct<;rs  war  autgefallen,  dass  die  ,, Kilwa"  Posl- 
stücke  für  Lamu  führte  und  verlangte  vom  Capitän 
Aufklärungen,  welcher  unumwunden  mit  der  Be- 
merkung herausrückte,  dass  er  gemessenen  Befehl 
habe,  Dr.  Peters  in  Lamu  nicht  zu  landen,  worauf 
dieser  bedauerte,  die  Veranlassung  zu  sein,  dass 
in  Lamu  die  Post  ausbleibe.  Zugleich  gab  er  die 
Erklärung  ab,  in  Lamu  überhaupt  nicht  landen 
zu  wollen.  Daraufhin  lief  die  ,, Kilwa"  diesen 
Hafen  an,  wo  trotz  alledem  in  der  Hauptsache 
das  erreicht  wurde,  was  vorerst  beabsichtigt 
war.  Tiedemann  und  die  Herren  der  deutschen 
Colonie  erschienen  sofort  an  Bord  und  es  konnten 
Berichte  empfangen  und  Ordres  ertheilt  werden. 

Dr.  Peters  hatte  seinen  Plan,  der  streng 
geheim  gehalten  wurde,  bald  fertig ;  ein  Dampfer, 
die  ,,Neera",  wurde  in  Bombay  gechartert.  Der 
Dampfer  gehörte  einer  englischen  Gesellschaft, 
aber  der  Capitän  war  von  Geburt  Italicner,  was 
der  Expedition  zu  Gute  kam.  Inzwischen  ereilte 
aber  diese  selbst  ein  schwerer  Schlag.  Trotz 
aller  Vorsicht  seitens  des  Dr.  Peters  kamen  die 
Waffen  der  Expedition  auf  einem  englischen 
Dampfer  nach  Zanzibar,  wurden  dort  mit  Be- 
schlag belegt  und  an  Bord  des  ,\dmiralschiffes  des 
englischen  Blockadegeschwaders,  der  ,,Boa<licca", 
gebracht.  Es  handelte  sich  uij  i8o  Vorderladc- 
flinten,  150  Hinderladeflinten,  mehrere  Elephanten- 
tlinten,  120  Remington-Gewehre  für  Emin,  Re- 
volver und  die  Jagdausrüstung  der  Mitglieder  der 
Expedition.  Schon  dieser  erste  Eingriff  der  Blo- 
ckadebehörden erregte  deutscherseits  gewaltige 
Entrüstung.  Nun  stand  allerdings  in  der  Bluckadc- 
erklärung :  ,,Die  Blockade  ist  nur  gegen  die  Ein- 
fuhr von  Kriegsmaterial  und  die  Ausfuhr  von 
Sklaven  gerichtet."  Dass  obige  .Ausrüstung  unter 
diese  Bestimmung  fiel,  ist  ohne  weiteres  klar 
und  bedürfte  keines  Commentars.  Es  fragt  sich 
aber,  warum  der  Befehlshaber  des  britischen 
Blockade-Geschwaders,  Admiral  Freemantle,  in  der- 
selben Zeit  die  bewaffnete  Expedition  Mr.  Smith 's, 
eines  Beamten  der  britischen  ostafrikanischen 
Gesellschaft  von  Melindi  zum  Tana  unbeanstandet 
hatte  abgehen  lassen  ? 

Dass  hiermit  zweierlei  Mass  gemessen  wurde, 
ist  völlig  klar.  Es  sollte  aber  noch  besser  kommen. 
Dr.  Peters'  Remonstrationen  blieben  unberück- 
sichtigt. Der  deutsche  General-Consul  lehnte  ab, 
sich  in  diese  Angelegenheit  zh  mischen.  .Admiral 
Freemantle  verhielt  sich  gleichfalls  ablehnend,  wozu 
er  nicht  unwesentlich  durch  das  Benehmen  des 
ileutschen  .Admirals  Deinhard  bestärkt  wurde.  .Als 
die  beiden  .Admirale  auf  die  Waffenkisten  zu 
sprechen  kamen  und  Freemantle  fragte,  was  er  mit 
den  Sachen  anfangen  sollte ,  erwiderte  Dein- 
hard:    -Schmeisscn   sie   dieselben  über  Bord,"  So 


68 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN   ORIENT. 


wurden  die  Waffen  der  Expedition  grösstentheils 
zwangsweise  nach  Aden  zurückgebracht.  Ein  Theil 
der  kostbaren  Ausrüstung  wurde  nachträglich  durch 
die  Vermittlung  des  deutschen  Reichscommissärs 
Major  Wissmann  beschafft. 

Unter  solchen  Störungen  und  Enttäuschungen 
wurde  die  Expedition  in  der  Zeit  bis  zum  Eintreffen 
der  „Neera"  in  Bagamoyo  organisirt.  Die  Umtriebe 
der  Engländer  hatten  auch  hier  mancherlei  böse 
Folgen  gehabt;  das  feuchte  den  Somali  unge- 
wohnte Klima  hatte  Fieber  unter  sie  getragen,  die 
Leute  wurden  ungeduldig  und  wollten  marschiren. 
Erst  am  6.  Juni  traf  die  „Neera"  in  Bagamoyo  ein 
und  bereits  drei  Tage  später  verliess  sie  diesen 
Hafen  mit  der  Bestimmung  nach  der  Delagoa-Bai, 
um  hierselbst  Träger  zu  werben.  Man  weiss 
heute,  welche  Bewandtniss  es  mit  dieser  Fahrt 
nach  dem  Süden  hatte.  Das  Geheimniss  des  eigent- 
lichen Zieles  der  Expedition  wurde  so  streng  ge- 
heim gehalten,  dass  selbst  die  Herren  der  Wiss- 
mann'schen  Truppe  keine  Ahnung  davon  hatten. 
In  einem  weiten  Bogen  ausser  Sicht  von  Zanzibar, 
wurde  dieses  im  Süden  und  Osten  umschifft  und 
derCurs  gegen  die  ausserhalb  des  Blockadebezirkes 
gelegene  Somaliküste  genommen.  Der  eben  herr- 
schende Südwest-Monsun  brachte  die  Expedition 
wiederholt  in  schwere  Bedrängniss.  Das  Ziel,  die 
Kweihu-Bai,  nordöstlich  von  Lamu  und  der  grossen 
Insel  Pata,  durfte  nicht  verfehlt  werden,  da  man 
sonst  Gefahr  lief,  unter  die  Kanonen  der  bei  Lamu 
liegenden  englischen  Kriegsschiffe  zu  kommen. 
Hoher  Seegang,  ungenügende  Oirentirungsbehelfe, 
schwere  Regenböpn  u.  a.  m.  brachten  die  Ex- 
pedition in  eine  schiefe  Lage,  bis  es  endlich  am 
14.  Juni  gelang,  in  die  Kweihu-Bai  einzulaufen  und 
vor  Anker  zu  gehen. 

Nun  hiess  es  keine  Zeit  verlieren.  Behufs  Aus- 
schiffung und  Ausrüstung  der  Mannschaften  der  Ex- 
pedition mussten  Dhaus  gemiethet  und  zu  diesem 
Ende  mit  dem  nahen  Pata  Verbindungen  angeknüpft 
werden.  Das  Beginnen  war  bedenklich,  denn  Pata 
gehört  dem  Sultan  von  Zanzibar,  und  von  Pata 
nach  Lamu  ist  es  nicht  so  weit,  dass  das  Vorgefallr:ne 
daselbst  nicht  in  kürzester  Zeit  bekannt  werden 
konnte.  Dr.  Peters  erwog  diese  Möglichkeit  und  be- 
schleunigte seine  Massnahmen,  welche  nicht  ohne 
Störungen  und  Zweideutigkeiten  seitens  der  an- 
fangs wohlgesinnten  Behörden  und  Notabilitäten 
von  Pata  durchgeführt  werden  konnten. 

Es  würde  zu  weit  führen,  über  alle  Einzel- 
heiten des  aussergewöhnlich  beschwerlichen  und 
umständlichen  Zuges  der  Expedition  im  Hinter- 
lande von  Pata  und  Lamu  bis  zu  deren  Eintreffen 
in  Witu  hier  zu  berichten.  Von  Wichtigkeit  ist 
das  Detail,  dass  an  Bord  der  ,, Neera"  sich  noch 
80  Lasten  (nicht  Waffen,  sondern  Tauschartikel) 
befanden,  als  für  diesen  arg  mitgenommenen 
Dampfer  die  Nothwendigkeit  eintrat,  in  See  zu 
gehen.  Dort  traf  ihn  eine  Havarie,  so  dass  die 
mittlerweile  entsendeten  drei  britischen  Kriegs- 
schiffe „Boadicea",  ,,Cossack"  und  ,, Mariner", 
welche     auf    die    ,, Neera"    Jagd     machen    sollten, 


leichtes  Spiel  hatten.  Das  Schiff  wurde  mit 
Beschlag  belegt  •  und  nach  Lamu  gebracht. 
Dass  sich  hier  der  britische  Blockade-Comman- 
dant  eines  gewaltthätigen  Eingriffes  schuldig  ge- 
macht hatte,  ist  ohne  Weiteres  klar.  Admiral 
Freemantle  hatte  dem  Dr.  Peters  etwa  drei  Wochen 
vor  diesem  Zwischenfall  formell  erklärt,  gegen 
sein  Schiff  nichts  zu  unternehmen,  wenn  es  keine 
Kriegscontrebande  führe.  Die  ,, Neera"  war  Herrn 
Borchert  in  aller  Form  übergeben  worden.  Herrn 
Toeppen,  dem  Vertreter  der  Witu-Gesellschaft, 
waren  alle  auf  der  ,, Neera"  befindlichen  Tausch- 
artikel mit  dem  Auftrage  consignirt,  theils  aus 
den  mitgebrachten  Vorräthen,  theils  aus  den  neu 
anzukaufenden  die  Expedition  billig  und  zweck- 
entsprechend mit  Rücksicht  auf  die  Tanaroute 
zu  versehen.  Herr  Toeppen  reclamirte  in  Folge 
dessen  die  auf  der  „Neera"  befindlichen  Lasten 
als  ihm  gehörig,  indess  ohne  Erfolg.  Der  „Neera" 
wurde  eine  Wache  von  25  Matrosen  des  „Ma- 
riner" gegeben  und  dieselbe  nach  Zanzibar  über- 
führt, wo  sie  vor  das  Prisengericht  gestellt  wurde. 
Bekanntlich  theilte  dieses  letztere  nicht  die  Auf- 
fassung des  Admirals  Freemantle,  und  gab,  aller- 
dings in  einer  Zeit,  wo  die  Rückwirkung  eines 
solchen  Bescheides  für  die  Expedition  selbst  nicht 
mehr  in  Betracht  kam,  das  Schiff  frei.  Das  Er- 
eigniss  von  Lamu  war  die  mittelbare  Veranlassung, 
dass  die  Peters'sche  Expedition  gezwungen  war, 
sich  in  zwei  Colonnen  zu  trennen,  da  neue  Tausch- 
artikel von  Zanzibar  abgewartet  werden  mussten. 
Es  war  diesen  Colonnen  nicht  bestimmt,  sich  je 
wieder  zu   vereinigen. 

Anfangs  Juli  war  Peters  endlich  in  Witu 
eingetroffen,  und  vom  Sultan  Fumo  Bakari  mit 
all  den  üblichen  Ehrenbezeugungen  empfangen 
worden.  Der  Sultan  versprach,  die  Expedition 
nach  Kräften  unterstützen  zu  wollen,  erklärte 
aber  hinterher,  mehr  naiv  als  offenherzig,  er  sei 
nicht  Herr  aller  Gebiete,  die  nominell  ihm  unter- 
ständen. Schlimmer  als  dieses  Selbstbekenntniss 
liest  sich  eine  Darlegung  Rust's  über  die  älteren 
Zustände  im  Witulande.  Dieses  Gebiet  wurde 
1885  durch  die  Brüder  Deinhard  unter  deutschen 
Schutz  gebracht  und  dem  damaligen  Sultan  von  Pata, 
dessen  Sohn  der  jetzige  Sultan  von  Witu  ist,  zu- 
gesprochen. Es  ward  die  Witu-Gesellschaft  ge- 
gründet, welche  Ländereien  kaufte,  an  welchem 
Geschäfte  sich  auch  Deinhard  betheiligte.  Doch 
sehr  bald  entstanden  unliebsame  Eifersüchteleien, 
Besitzstreitigkeiten  und  nun  spielten  die  Ränke 
um  den  Einfluss  beim  Sultan,  dessen  General- 
vertreter Deinhard  war  und  heute  Toeppen  ist. 
Hie  Deinhard,  hie  Toeppen  war  die  Losung ; 
jeder  der Herren  hatte  seinen  Anhang;  es  er- 
neuerte sich  hier  auf  afrikanischem  Boden  der 
alte  sprichwörtlich  gewordene:  „Querelle  d'alle- 
mand". 

Von  Witu  war  geraume  Zeit  kein  Weiter- 
kommen. Die  Trägerfrage  zog  sich  endlos  hin, 
Gewoibene  desertirten,  neu  zu  Werbende  wurden 
von    den    Sclavenhaltern    zu    horrenden    Preisen 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN   ORIENT 


69 


I 

11 


II 


angeboten.  Kam  es  zu  der  üblichen  Belastungs- 
probe, trat  einer  der  Schwächsten  hervor,  lüftete 
die  Last  mit  meist  fingirten  Anstrengungen  un<l 
erklärte,  sie  nicht  tragen  zu  können,  worauf  die 
anderen  Träger  im  ('horus  raisonnirten.  lindlicli, 
am  26.  Juli,  nachdem  in  Witu  weder  Träger  noch 
Lastthiere  zu  erlangen  waren,  entschloss  sich 
Peters  zum  Aufbruche,  während  Rust  die  zweite 
Colonne  zu  führen  hatte,  und  mit  ihr  aufbrechen 
sollte,  sobald  die  100  von  Zanzil)ar  her  erwarteten 
Lasten  eingetroffen  sein  würden.  Indess  sollte 
diese  Colonne  sich  erst  in  tiamiji,  stromauf  des 
Tana,  organisiren.  Dazu  bemerkt  Rust:  «Am 
.'Vbende  vor  dem  Aufbruche  sassen  wir  noch  spät 
in  die  Nacht  hinein  am  Feuer ;  es  waren  ernste 
Stunden.  Den  hässlichen  Plackereien  und  Intri- 
guen  in  Zanzibar  waren  wir  ja  entronnen,  aber 
sie  hatten  viel  unersetzlichen  Schaden  angerichtet. 
Das  p-ehlen  der  Tauschartikel  durch  Wegnahme 
der  „Neera"  war  der  Grund,  dass  die  Karawane 
nicht  vereint  vorgehen  konnte,  die  erste  Colonne 
auf  dem  Lande  und  in  gleicher  Höhe  mit  ihr  die 
Boote  auf  dem  Tana.  Ks  trat  eine  unglückliche 
Zersplitterung  der  Kräfte  ein,  die  sich  nicht 
wieder  zusammenfinden  konnten.  Noch  einmal 
traten  die  für  uns  Deutsche  beschämenden  Er- 
eignisse klar  vor  unseren  Geist,  aber  die  Zukunft 
lag   in  Dunkel   gehüllt." 

Dieses  Dunkel  ist  vorläufig  nicht  gelichtet. 
Von  Dr.  Peters  weiss  man  nur  so  viel,  dass  er, 
der  mehrmals  Todtgesagte,  unerwarteter  Weise 
am  Victoriasee  auftauchte,  mit  dem  König  von 
Uganda  Blutsbruderschaft  schloss  und  mit  Er- 
reichung dieses  Zieles  den  Beweis  erbracht  hat, 
dass  die  deutsche  Kmin  Pascha-Expedition  ihren 
Zweck  gewiss  erreicht  hätte,  wäre  sie  früher  ab- 
gegangen und  hätte  sie  nicht  in  Folge  der  ge- 
schilderten Zwischenfälle  ein  Vierteljahr  verloren. 
Mit  welchen  Hindernissen  Dr.  Peters  auf  der  von 
ihm  eingeschlagenen,  der  wilden  Massais  wegen 
selbst  von  Stanley  als  ungangbare  Tana-Kenia- 
Route  zu  bewältigen  hatte,  wird  früher  oder 
später  bekannt  werden.  Selbst  ohne  Kenntniss 
der  Einzelheiten  und  des  Verlaufes  dieses  kühnen 
Zuges  darf  man  Dr.  Peters  ebenbürtig  dem  „Emin- 
Befreier"  Stanley  zur  Seite  stellen,  angesichts  der 
Jugend  und  iler  bisherigen  geringen  Erfahrenheit 
des  schneidigen,  von  eiserner  Willensstärke  be- 
herrschten Mannes.  Wie  Alles  in  der  Welt,  ist 
auch  der  Ruhmeserwerb  auf  afrikanischem  Boden 
vorwiegend  eine  Sache  des  Zufalls  und  des 
Glückes.  Unter  ganz  gleichen  Voraussetzungen 
können  dem  Einen  Triumphe,  dem  Anderen 
Niederlagen  zutheil  werden.  In  entscheidender 
Stunde  bleibt  es  völlig  einerlei,  ob  das  kritische 
Hinderniss  der  Aruwimiwald  oder  eine  wasser- 
lose Wüste,  ein  mächtiges  Heeresaufgebot  oder 
ein  aus  dem  Hinterhalle  abgeschossener  ver- 
gifteter Pfeil  ist.  Verhungern  oder  elend  am 
Fieber  verschmachten  kann  man  im  „grossen 
Wald"  so  gut,  wie  in  einer  Steppe  des  Galla- 
laudes.     Treffer    und  Nieten    sind    immer    gleich 


vertheilt.  Mag  der  Engländer  Stanley  als  kühner 
Bahnbrecher  und  durch  die  Romantik  der  Er- 
lebnisse populärer  sein  als  Peters;  die  Befähigung 
zum  Afrikaforscher  wie  er  sein  soll,  wohnt  diesem 
im   gleichen    Masse   inne   wie  jenem. 

Gehen  wir  nun  zur  Sache.  Von  seinem  Auf- 
enthalte in  Witu  weiss  Rust  nichts  Gutes  zu  be- 
richten. Dicht  neben  Witu  liegt  Kau,  das  dem 
Sultan  von  Zanzibar  gehört.  Der  verstorbene 
Sultan  Said  (^halifa  hasste  Dr.  Peters,  und  dies 
um  so  heftiger,  als  die  Engländer  diese  Stimmung 
schürten.  Nichts  war  den  Engländern  unwill- 
kommener, als  das  Erscheinen  der  deutschen 
Emin  Pascha-Expedition  im  Witulande.  Englisches 
Geld  (loss  in  Massen ;  Manda  und  Pata  waren 
davon  überschwemmt ;  die  hervorragendsten 
zanzibarischen  l'unctionäre  waren  davon  be- 
stochen, zu  dem  Zwecke,  Witu  zu  chikaniren, 
um  es  zu  zwingen,  die  deutsche  Schutzherrschaft 
mit  der  englischen  zu  vertauschen.  Nun  hat  Eng- 
land dasselbe  Ziel  auf  anderem  Wege  erreicht 
und  man  darf  sich  fragen,  ob  Deutschland  — 
von  allen  englischen  Intriguen  und  Händeln, 
welche  gewiss  Niemand  billigen  wird,  abgesehen 
—  nicht  klug  gehandelt  hat,  sich  dieses  Eris- 
apfels  zu  entledigen.  Wenn  man  in  deutschen 
C'olonialkreisen  geltend  macht,  man  habe  „ein 
ganzes  Reich  für  die  Felsklippe  Helgoland**  ge- 
0()fert,  darf  man  nicht  vergessen,  dass  ein  afrika- 
nisches „Reich"  ein  Ding  ist,  welches  sich  in 
dem  Begriff,  den  man  mit  einem  Reiche  ver- 
bindet, nicht  einordnen  lässt.  Wenn  Rust  selber 
gesteht,  die  Langsamkeit.  Trägheit  und  Bosheit 
der  Mohammedaner  (von  Witu)  übersteige  alle 
Grenzen,  so  fragt  man  sich,  welchen  Nutzen  man 
zu   erwarten   habe,     wenn     man   sich   mit  solchem 


Pack    einlässt 


-Den  Arabern     und  Suaheli 


ist  es  schon  an  und  für  sich  nicht  angenehm, 
wenn  Europäer  in  das  Gebiet  kommen ;  sie 
fürchten  für  ihren  Handel  mit  dem  Wapokomo 
(beiläufig  bemerkt  einem  ganz  unzuverlässigen 
Volke),  den  jene  ihnen  wegnehmen  könnten, 
sowie  dass  die  Wapokomo  durch  den  Handel 
mit  Europäern  weniger  gefügig  werden  und 
ihren  Absatz  in  diesen  für  sie  so  wichtigen  Ge- 
bieten schmälern." 

Was  nun  den  Tana  anlangt,  bildet  sein 
Thal  den  einzigen  Culturboden  inmitten  der 
grossen  ostafrikanischen  Sandsteppe,  welche  die 
ganze  Nordostecke  des  Erdtbeiles  ausfüllt,  das 
Massailand  umschliesst  und  in  ihren  Ausläufern 
bis  Usugara  verfolgt  werden  kann.  Peters  weist 
darauf  hin,  dass  der  Tana  gleich  dem  Nil  (wenn 
auch  im  kleinen  Massstabe)  erst  ein  Culturland 
in  die  Wüste  hineingetragen  hat.  Die  Thalrinne 
mit  ihrem  .-Mluvion  ist  von  grosser  Fruchtbarkeit 
und  überall  dicht  angebaut ;  ausserhalb  dieses 
Thalstriches  hört  aller  Anbau  auf.  Wenn  aber 
Peters  auf  die  Producte  des  Culturstriches  hin- 
weist und  Mais,  Tabak,  Bohnen,  Bananen  und 
Kürbisse  besonders  aufzählt,  will  es  uns  denn 
doch  bedünken,  dass  solche  Schätze  der  Strapa* 


70 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   PÖR    EHN    ORIENT. 


und  der  Opfer  nicht  werth  seien.  Dazu  kommt, 
dass  die  unzähligen  Windungen  und  die  wech- 
selnden Stromstärken  des  Tana,  ihn  zu  einer 
Handelsstrasse  ungeeignet  machen.  Ob  derselbe 
thatsächlich  bis  Hamiji,  also  bis  in  die  unmittel- 
bare Nähe  des  Kenia  schiffbar  ist,  darf  vorläufig 
noch  nicht  als  sichergestellt  gelten  und  sind  die 
Berichte  des  Dr.  Peters  abzuwarten.  In  der 
Regenzeit  bildet  der  Strom  gefährliche  Strudel 
und  Schnellen,  er  steigt  um  4  Meter  über  sein 
gewöhnliches  Niveau  und  richtet  allerlei  Schaden 
an  den  Ufern  an ;  in  dieser  Zeit  ist  also  an  ein 
Befahren  mit  kleinen  Canoes  nicht  zu  denken.  Bei 
Niederwasser  aber  tauchen  überall  Sandbänke 
auf,  zwischen  denen  sich  die  Canoes  hindurch- 
winden müssen.  Dies  gilt  aber,  wenn  wir  den 
Bericht  Rust's  richtig  deuten,  nur  für  den  Unter- 
lauf, etwa  bis  Massa.  Dieser  Ort  ist  aber  nur 
170  Kilometer  von  der  Mündung  des  Tana,  da- 
gegen etwa  300  Kilometer  von  Hamiji,  dem  an- 
geblichen Endpunkte  der  Schiffbarkeit,  entfernt; 
wie  mag  es  sonach  mit  dieser  im  Oberlaufe  des 
Tana  bestellt  sein,  nachdem  Rust  hervorhebt, 
dass  der  Strom  (wobei  er  wohl  den  ihm  be- 
kannten Theil,  nämlich  den  Unterlauf  meint)  zur 
Zeit  des  Niederwassers  für  „kleinere  Canoes" 
schiffbar  sei?  In  einem  Briefe,  datirt  den  28.  Sep- 
tember in  Oda  Galla  am  oberen  Tana,  erklärt 
Peters  allerdings,  dass  der  Fluss  bis  dorthin 
„unzweifelhaft  das  ganze  Jahr  schiffbar"   sei. 

In  die  Einzelheiten  der  Expedition  des  Ca- 
pitän-Lieutenants  Rust  können  wir  uns  nicht 
einlassen.  Es  war  kein  F"ortkommen  — -  es  war 
ein  Schleichen.  Die  fast  unabhängigen  „Vasallen" 
des  Sultans  von  Witu,  die  sich  selber  „Sultane" 
nennen,  eigentlich  aber  nichts  anderes  als  Orts- 
älteste sind  und  sehr  geringe  Autorität  gegen- 
über ihren  Untergebenen  besitzen,  zeichneten 
sich  entweder  durch  Stupidität  oder  Uebelwollen, 
oder  Heimtücke  und  dergleichen  schöne  Eigen- 
schaften aus.  Bei  diesem  Anlasse  gesteht  Rust 
ein,  welch  geringen  Werth  das  blosse  Flaggen- 
hissen und  „unter  Schutz  stellen"  hat,  wenn  man 
das  betreffende  Land  nicht  sofort  festhält  durch 
Anlegung  von  Stationen.  „Unter  dem  moralischen 
Drucke  vielleicht  unterwirft  sich  ein  Eingeborener, 
aber  sobald  dieser  nicht  ins  Thatsächliche  über- 
setzt werden  kann,  hält  er  sich  zu  nichts  mehr 
verpflichtet.  Afrikanische  Unzuverlässigkeit !"  So 
erging  es  Rust  in  Malalulu,  wo  Dr.  Peters  kurz 
zuvor  gewesen  und  die  Flagge  gehisst  und  dem 
Ersteren  in  einer  brieflichen  Mittheilung  gute 
Aufnahme  seitens  des  dortigen  Sultans  zugesichert 
hatte.  Dieser  liess  sich  aber  nicht  blicken.  Rust 
sandte  nach  ihm  und  verlangte  gleichzeitig  Reis, 
auf  das  angebliche  freundschaftliche  Verhältniss 
des  Dr.  Peters  zum  Sultan  hinweisend.  Nach 
einiger  Zeit  erschien  der  „kleine  Sultan",  eine 
„Galgenphysiognomie",  und  eine  Anzahl  Bewaff- 
neter; der  „grosse"  Sultan  ist  abwesend.  Auch  ist 
die  Reisration  ungenügend.  Rust  erklärte,  dass  er, 
erhielte     er     die     gewünschte     Ration     nicht     vor 


Sonnenuntergang,  handeln  würde,  wie  es  das 
ungastfreundschaftliche  Vorgehen  des  Sultans  er- 
fordert.  Dies  wirkte. 

Gab  es  keine  Reibereien  mit  den  Ortsvor- 
stehern ,  so  stellten  sich  mit  den  gemietheten 
Bootsleuten,  welche  gerne  ausrissen,  Schwierig- 
keiten ein.  Hunger  und  Krankheiten  blieben  nicht 
aus.  Rust  selber  wurde  vom  Gallenfieber  heim- 
gesucht und  lag  eine  Zeit  hindurch  in  bewusst- 
losem  Zustande.  Um  das  Uebermass  des  Miss- 
geschickes voll  zu  machen,  brach  im  Lager  bei 
Kemakombo  Feuer  aus,  welches  werthvolle  Habe, 
darunter  Pulver  und  Patronen  zerstörte.  Unge- 
ziefer, Reibereien  mit  den  Uferbewohnern,  Heu- 
schreckenschwärme,  anstrengende  Ruderarbeit  bei 
schmälster  Kost  bildeten  eine  fortgesetzte  Reihe 
von  Unannehmlichkeiten  auf  diesem  Zuge.  Ueber  alles 
Lob  erhaben  erwiesen  sich  die  Somali,  diesen  ehr- 
geizigen, tüchtigen,  ausdauernden  Repräsentanten 
eines  grossen,  stolzen  Vdlkcs,  welches  die  Wapo- 
komo  mit  Verachtung  behandelte.  In  der  grössten 
Noth  vermittelten  die  Somali  den  Verkehr  stromab. 
Auch  stromauf,  als  Boten  zu  Dr.  Peters,  wurden 
Somali  verwendet.  Aber  weder  konnte  Dr.  Peters 
erreicht  werden,  noch  traf  der  heissersehnte  Nach- 
zug unter  Borchert  ein.  In  der  englischen  Station 
Kone  wurde  der  erste  Brief  Peters  vorgefunden,  in 
Malalulu  (Massa)  der  zweite  und  —  letzte.  Peters 
berichtet  über  die  von  ihm  bei  Oda  Galla  unweit 
des  Kenia  errichtete  Station  und  seine  Absicht, 
auch  bei  letzterem  einen  ähnlichen  Postt;n  zu  er- 
richten. Der  Marsch  durch  die  wasserlose  Steppe 
hatte  die  Expedition  furchtbar  mitgenommen,  wobei 
an  manchen  Tagen  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnen- 
untergang ununterbrochen  marschirt  wurde.  Peters 
hatte  die  Losung  ausgesprochen:  „was  fällt,  das 
fällt!"  Die  letzten  Nachzügler  langen  sehr  ver- 
spätet und  „drei  Viertel  todt"  in  Oda  Galla  ein. 

Bald  darauf  kam  es  zu  einem  Zusammenstosse 
mit  den  Galla,  wobei  mehrere  der  letzteren  fielen 
und  der  Sultan  Hujo  tödtlich  verwundet  wurde. 
Die  Galla  räumten  hierauf  ihre  Dörfer,  welche, 
sowie  auch  die  Ernte  des  Jahres  und  die  Boote 
Dr.  Peters  zufielen.  Peter.?  berichtete  ferner,  dass 
die  englische  Expedition  unter  Mr.  Smith  auf  dem 
Wege  von  Kidore  durch  die  Steppe  von  Somali 
angegriffen  worden  war.  Mr.  Smith  war  dann  nach 
Kidore  nochmals  zurückgekehrt,  hatte  zwei  Tage 
daselbst  gelagert  und  war  abermals  marschirt. 
Später  war  der  englische  Führer  durch  Ukamba 
nach  Mombassa  zurückgekehrt.  Peters  hatte  einige 
der  verwundeten  Träger  in  Massa  getroffen  und  in 
seine  Dienste  genommen.  Auf  Grund  dieser  zwei 
Zwischenfälle  entstand  offenbar  jenes  bis  nach 
Europa  gedrungene  Gerücht  von  der  Nieder- 
metzelung  der  Expedition  Peters',  welches  lange 
Zeit  hindurch  geglaubt  wurde  und  zum  Theile  mit 
Veranlassung  war,  die  noch  unterwegs  befind- 
lichen Colonnen  zurückzurufen.  Von  dieser  Sach- 
lage hatte  Rust  indess  erst  bei  seinem  Zusammen- 
treffen   mit    Borchert    Kenntniss    erhalten ,    einem 


OESTBRREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FOR    DEN    ORIENT. 


71 


Zusammentreffpn,   das  eines  Zwischenfalles   wegen 
früher  stattfand  als  vorausgisetzt  war. 

Das  kam  so.  luncsder  Hoote,  mit  «•inem  Somali 
und  zwei  Wapokoino  wurde,  vermisst.  Das  Layrr 
befand   sich    damals    olierhalh  Mui.     Nach    lantjem 

I  Warten  kam  endlich  der  Sumali  in  einem  bejam- 
mernswerthen  Zustande  an.  Er  hatte  sich,  ohnedies 
am  Kusse  in  Folgt;  eines  Sturzes  in  eine  Wildfalle 
schwer  verletzt,  mühsam  durch  zwei  'iage,  zum 
'l'heile  durch  Urwald  fortgt  schl(p|)t  und  die  ganze 
Zeit  ülier  gehungert.  Hei  seiner  Vernehmung  stellte 
-sich  heraus,  dass  die  beiden  Wapokomo  in  der 
Nacht  vom  Wachtfeuer  geschlichen,  in  die  zu- 
sammengek()p|)elten  Boote  ges[)rungen  und  mit 
dem  Strome  i)feilschnell  liinuntergetrielien  waren. 
Wii;  er  aufwacht,  findet  er  sich  allein  in  der  Wildniss. 
„Diese  knechts(digen,  f(Mgen  Wapokomo  haben  in 
ihrer  Hinterlist  und  Bosheit  sich  nicht  gescheut, 
das  Leben  des  unglücklichen  Somali  preiszugel)en. 
Die  Wuth  meiner  Somali  über  die  Niedertracht  der 
Wapokomo  ist  grenzenlos  und  muss  ich  Excessen 
sieurrn." 

Wenn  auch  für  den  Fortgang  der  Expedition 
nicht  zweckdienlich,  musste  Rust  in  den  Augen 
seiner  treuen  und  als  ritterlich  geltenden  Somali 
demnach  moralisch  sehr  gewinnen,  dass  er  persön- 
lic;h  ohne  Verzug  daran  ging,  den  Flüchtigen  nach- 
zusetzen. Also  wieder  zurück  —  stromab !  Der 
Zeitverlust  wurde  von  Kust  auf  vierzehn  Tage 
veranschlagt  —  und  Peters  harrte  mit  Ungeduld 
der  Ankunft  der  Nachhut!  Mit  solchen  Fac- 
toren  rechnet  man  kaum  bei  Aufstellung  eines 
Reiseprogrammes.  Kust  versorgte  und  \erpro- 
viantirli'  seine  Leute  und  begab  sich  sodann  mit 
fünf  Somali  und  seinem  „Roy"  auf  die  Wapo- 
komo-Jagd.  Dabei  befand  sich  Rust  noch  obendrein 
in  einem  bedenklichen  F'ieberzustande,  der  später 
in  Delirien  ausartete.  Rust  war  vier  Tage  und  vier 
Nächte  in  ununterbrochenen  Gt  fahren,  f)hn<'  in  dieser 
Zeit  bei  voll»  m  Hewusstsein  gew(;sen  zu  sein.  Die 
Unterhandlungen  mit  dem  Sultan  von  Wakolessa, 
dem  die  beiden  Flüchtlinge  gehörten,  führten  zu 
nichts.  Es  kam  zu  scharfen  Auseinandersetzungen 
und  der  Ausbruch  von  F^eindseligkeiten  schien  un- 
ausbleiblich. Gleichwohl  verlief  der  Zwischenfall 
ohne  üble  Naehwehen.  Nach  fünf  jämmerlichen 
Rasttagen  kam  endlich  die  Erlösung.  Es  war  am 
22.  November,  als  Borchert  auf  dem  Landwege  in 
Wakolessa  eintraf.  Das  Aussehen  Rust's  entsetzte 
ihn.  Der  Fieberkranke  wurde  in  Pflege  genommen, 
und  er  empfing  zugleich  die  Nachricht  über  die 
N  iedermetzeliing  der  Colonne  des  Dr.  Pet«rs,  vom 
Anmärsche  Stanley's  und  ICmins  und  von  der  De- 
(lesche  des  C'omite's  mit  der  Weisung  zur  Rückkehr. 
Während  Borchert  das  Rust'sche  Lager  oberhalb 
Mui  aufsuchte,  wurde  Rust,  seines  elenden  Zustan- 
des  wegen,  gedrängt,  nach  Lamu  zurückzukehren, 
was  der  wackere  Reisende  endlich  n.ich  langc-m 
Widerstreben  zugab.  In  Kau  bei  Lamu  musste  er 
noch  von  einem  clorligen  Suahili-Kaufmanne  die 
weisen  Worte  hören  :  .,|a,  ja,  ihr  Europäer  kommt 
in  dies  Land  und  wollt  alles  schnell  erreichen  ;    ihr 


seid  das  Klima  nicht  gewohnt  und  werdet  hier 
krank  ;  das  geht  hier  nicht ;  poll  I  poll !  (langsam  ! 
langsam!)." 

Mit  der  Ankunft  Rust's  in  Aden  scliliesst  der 
c-igentliche  Bericht,  an  den  eine  wcrthvolle  Ab- 
handlung über  die  Somali  und  eine  vortreffliche 
Schilderung  afrikanischen  Naturlebens  anschliesst, 
ab.  Mit  gr<')sster  S])annung  darf  man  nun  den  au- 
thentischen Nachrichten  über  den  weiteren  Verlauf 
der  Peters'schen  Expedition  entgegensehen.  Wir 
werdctn  nicht  verabsäumen,  zu  geeigneter  Zeit  auch 
über  diesen  kühnen  Zug  des  energischen,  von  be- 
wunderungswürdiger Willensstärke  beherrschten 
Reisenden  zu  berichten. 


DIE  BAUTEN  IN  ARABIEN. 

Seit  jeher  war  Arabien  von  zwei  ethnisch 
und  sprachlich  nahe  verwandten  Racen  bewohnt, 
den  Kindern  Isinaels,  den  unruhigen  Beduinen 
des  Nordens,  und  den  sesshafteren,  an  staatliche 
Onlnung  seit  lange  gew(')hnten  Leuten  des  Südens, 
welche  man  nXs  Joklaniden  oder,  wenn  auch  nicht 
genau,  als  Hirnjänten  zu  bezeichnen  pflegt.  So 
alt  wie  die  Geschichte,  ist  auch  der  Gegensatz 
zwischen  beiden.  Im  Allgemeinen  fänden  wir  in 
den  Männern  des  Südens  das  eigentliche  Araber- 
thum  am  reinsten  dargestellt;  in  der  geschicht- 
lichen Zeit  kehrt  sich  das  freilich  um,  und  der 
Ismaelite,  der  Beduine,  fühlt  sich  bis  heute  als 
den  eigentlichen  Vertreter  arabischen  Wesens; 
aber  die  ältesten  Spuren  der  Geschichte  weisen 
in  der  That  darauf  hin,  dass  lange  vor  den 
Ismaeliten  die  Joktanidcn  zu  einer  achtunggebie- 
tenden Culturentwicklung  gediehen  sind.  An  dem 
Siyle  ihrer  Bauten  wie  in  der  Mythologie  der 
Sabaer  in  Yemen  begegnet  man  die  deutlichen 
Spuren  unmittelbaren  Einflusses  der  assyrisch- 
babylonischen Gesittung,  welche  sich  also  bis  in 
jene  entfernten  Gegenden  geltend  machte;  später 
ist  die  Landschaft  Nedschrdn  ganz  dem  Christen- 
thume  gewonnen,  und  auch  das  Judenthura  strebt 
in  Yemen  in  die  Höhe  zu  kommen.  Bis  in  unser 
Jahrhundert  hinein  konnte  man  sich  von  der 
alten  Geschichte  Südarabiens  nur  ein  schatten- 
haftes Bild  entwerfen.  Ivtwas  klarer  wurde  die 
.Anschauung  durch  die  seit  dem  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  von  •  europäischen  Forschungs- 
reisenden gelieferten  Beschreibungen  grossartiger 
Ruinen  alter  Tempel  und  Paläste,  welche  weithin 
das  Land  bedecken  und  von  untergegangener 
Herrlichkeit  Zcugniss  geben.  Heute  noch  ragen 
gewaltige  Zwingburgen  von  den  Hc")hen  nieder, 
wo   in   alter  Zeit  mächtige  Geschlechter   hausten. 

Wie  das  bürgerliche  Wohnhaus  dieser  alten 
vorislamitischen  Siidat aber  beschaffen  war,  darüber 
geben  die  Ruinen  geringe  Auskunft.  Bei  der  .Ab- 
geschiedenheit des  Landes  wird  man  jedoch  nicht 
stark  irren  mit  der  Annahme,  dass  der  Zeiten 
Lauf  nur  geringe  .'\banderungen  in  diese  Ver- 
hältnisse gebracht  haben  dürfte,    dass  somit  das 


72 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


alte  Wohnhaus  dem  heutigen  ziemlich  ähnlich 
sah.  Der  französische  Reisende  Josef  Halevy, 
welcher  1870  bis  in  die  Landschaft  Dschauf  vor- 
drang, fand  nun  auf  seinem  mühevollen  Marsche 
von  dem  Küstenplatze  Hodeida  nach  Sana  die 
Häuser  theils  aus  Stein,  theils  aus  Ziegeln  auf- 
geführt, während  in  den  Dörfern  auch  Rohr  als 
Baustoff  Verwendung  findet.  Die  städtischen 
Häuser  sind  in  Yemen  gewöhnlich  mehrstöckig, 
solche  mit  blossem  Erdgeschosse  selten,  Stadt- 
vesten  dagegen  allgemein.  In  Sana,  der  grössten, 
schönsten  und  reinlichsten  Stadt  Südarabiens, 
erheben  sich  überall  mehrstöckige,  von  aussen 
geweisste  Steinhäuser  in  den  geraden,  breiten, 
meistens  gepflasterten  Strassen.  Sana  besitzt  auch 
mehrere  sehr  schöne  und  grosse  Bauwerke,  dar- 
unter Moscheen,  deren  Architektur  an  die  be- 
rühmtesten Denkmäler  der  moslimischen  Spanier 
erinnert.  Leider  hat  Halevy  nicht  erfahren,  aus 
welcher  Zeit  sie  stammen.  El-Medid,  eine  Stadt 
neueren  Ursprungs,  bezeichnet  er  ausdrücklich 
als  einen  offenen  Platz,  die  adeligen  Familien 
hausen  in  befestigten  Thürmen  der  Umgebung. 
Fast  jedeS  Dorf  besitzt  einen  solchen  Thurm, 
der,  wie  in  alter  himjaritischer  Zeit,  dem  Edel- 
manne  als  Wohnsitz  dient.  Manche  Thürme,  wie 
jene  von  El-Hazm,  sind  mit  Zinnen  versehen. 
Halevy  schweigt  über  die  innere  Anlage  der 
Häuser,  einer  gelegentlichen  Andeutung  ist  blos 
zu  entnehmen,  dass  sie  flache  Dachterrassen  be- 
sitzen. Im  Dschauf  sind  Steinhäuser  nur  das 
Eigenthum  Ton  Begüterten;  der  gemeine  Mann 
erbaut  sich  sein  Haus  aus  Lehraziegeln,  die  an 
der  Sonne   getrocknet  sind. 

In  der  Landschaft  Laheg,  nahe  an  der  Strasse 
von  Bäb-el-Mandeb,  sind  alle  Häuser,  so  berichtet 
Freiherr  von  Maltzan,  wie  Burgen  gebaut,  mit  sehr 
vielen,  oft  fünf  bis  sechs  Stockwerken,  aber  be- 
wohnt scheinen  nur  die  obersten.  Der  Palast  des 
Sultans  in  der  Stadt  El-Hauta  ist  eine  wirklich  im- 
posante und  dabei  keineswegs  unharmonische  Bau- 
masse, obwohl  durchaus  nicht  regelmässig.  Die 
Stirnseite  des  Hauptbaues  erinnerte  den  deutschen 
Reisenden  sogar  lebhaft  an  einen  Theil  des  Heidel- 
berger Schlosses.  Hier  befand  sich  zur  Seite  eines 
hohen,  breiten  Rundthurmes  eine  schöne  P'enster- 
front  mit  Rundbogen,  fünf  Stockwerke  überein- 
ander. Die  beiden  unteren  Geschosse  sowohl  des 
Thurmes  als  des  Schlossflügels  waren  von  natür- 
licher Farbe,  die  höheren  blendend  weiss  ange- 
strichen, was  diese  oberen  Theile  noch  höher  er- 
scheinen liess,  als  sie  wirklich  waren,  gleichsam  als 
ein  auf  einem  anderen  ruhendes  Gebäude.  Sonst 
fand  Herr  von  Maltzan  den  Anstrich  hier  nirgends 
angewendet.  Alle  diese  Burgen  und  Schlösser 
waren  roth  von  der  Farbe  der  Luftziegel,  die 
hier  aus  einer  eigenthümlich  rothen  Lehmerde  ver- 
fertigt werden.  Steine  hat  man  in  Laheg  nicht,  und 
zu  Backsteinen  hat  es  die  einheimische  Industrie 
noch  nicht  gebracht.  Aber  das  Material  der  Luft- 
ziegel ist  ein  so  ausgezeichnetes,  dass  alle  diese 
Gebäude,  selbst  die  schon  alten,    noch  gerade  und 


glatte  Wandflächen  zeigen,  und  nicht  jene  Uneben- 
heiten und  Rauhheiten,  wie  sie  anderwärts  die  Luft- 
ziegelbauten charakterisiren.  In  den  Dörfern  wech- 
seln Steinbauten  mit  solchen  aus  Luftziegeln  und 
Reisighütten  ab,  die  sich  gewöhnlich  um  ein  Castell 
(„Hisn'"  oder  „Hosn")gruppiren.  Gemauerte  Häuser 
haben  meist  nur  die  Häuptlinge  und  ihre  Hareme  ; 
Bauern  und  Beduinen  wohnen  in  Hütten  aus  Stroh 
und  Reisern,  die  an  Farbe  kaum  vom  Boden  zu 
unterscheiden  sind,  mitunter,  wie  in  ("hlifa,  in 
Häusern  von  Rohr,  Reisern  und  Dumpalmzweigen. 
Das  Zeltleben  ist  in  Südarabien  ganz  unbekannt : 
selbst  die  Beduinen  unter  der  Bevölkerung  wohnen 
nicht  in  Zelten,  sondern  in  Strohhütten,  die  nur  auf 
beschränktem  Räume  der  Weide  wegen  zu  Zeiten 
verlegt  werden. 

Die  Wahrzeichen  sesshaften  Lebens  erstrecken 
sich    nicht   blos    auf   die    ganze  Südküste  Arabiens 
und  die  in  deren  Bereich  gehörenden  Landschaften, 
wie  z.  B.  Hadramaüt,  sondern  auch  auf  die  Gestade 
des  Ostens,  am  Golf  von  Oman  und  am  Persischen 
Meerbusen.    Zu  (;ho reibe  in  Hadramaüt,    einer  von 
einem  Schlosse  beherrschten  Stadt,    sah  Adolf  von 
Wrede  meistens  vier-  bis  fünfstöckige,  oben  schmä- 
lere Häuser.   Glasscheiben  waren  unbekannt,  dafür 
starke  Holzläden  an  den  Fenstern ;  die  Fundamente 
der    Gebäude,    etwa    2  m  hoch,    aus  unbehauenen 
Steinen,    der    obere  Theil    aus    dauerhaften  Lehm-..' 
Ziegeln.    Die  Terrasse    steht   etwa  60  f?«    vor;    die' 
Hausthür  ist  niedrig,  oft  gut  geschnitzt,  die  Zimmer- 
einrichtung einfach  ;  nach  aussen  haben  die  Häuser 
Schiessscharten.    Weiterhin    im  Osten    matht    sich 
der  Einfluss  des  nahen  Persien  geltend.    In  Maskat 
herrscht  nicht  mehr  das  yemenische  Haus,  sondern 
das    persische,    meist    aus    dem  Serpentin  der  Um- 
gebung gebaut.  Ueberall  in  den  Küstenplätzen  und 
selbst  weiter  im  Innern  sieht  man  hohe  feste  Häuser, 
wie    in  Sohar,    dessen    festes  Schloss    zugleich   ein 
schmuckvoller  Bau  ist  und  dessen  Strassen    oft  mit 
Schwibbogen    überbaut   sind,    in  Scharga    auf  den 
Bahreininseln   und  selbst  in  El-Hofut,    der  wichtig- 
sten Stadt    in    der   Landschaft    El-Hasa.    Die  Burg 
der  Festung  („Kot"    genannt)  dieser  Stadt   ist    ein 
Viereck    von    tiefem  Graben  umgeben,    mit  dicken 
und  hohen  Mauern  und  15 — -16  Thürmen    an  jeder 
Seite.    Ueberall    aber   gibt  es  auch  hier  wie  an  der 
Südküste,    endlose    Reihen    von    Holz-   und    Palm- 
blätterhütten   für    die    ärmere    Bevölkerung,    eine 
schnell  nach  den  Anforderungen  der  Temperatur  und 
des  Raumes  herstellbare  Gattung  von  Wohnungen. 
Im  Westen,    an  der  Küste   des  Rothen  Meeres,    er- 
stj-eckt  sich  diese  vSitte  ziemlich  weit   nach  Norden, 
über  Yemen  hinaus  in's  Hedschas.  Im  yemenischen 
Küstenorte  Lahoia  sahen  Ehrenberg  und  Hemprich 
in    den    niedlichen  Zweighütten    mit    Mattenthüren, 
worin  dort  die  Bewohner  gleichsam  in  Villeggiatur 
lebten,  Gestelle   zum  Sitzen   und  Liegen,   ja  sogar 
Tische,  was  sonst  unerhört  in  Arabien  ist.  Herr  von 
Maltzan  fand  diese  Bauart    sogar  in  dem  der  arabi- 
schen   Küste    gegenüberliegenden    Massaüa ,     auf 
afrikanischem  Boden.    Auch    in   Aden    haben    viele 
Häuser,    namentlich    die  der  Engländer,    gar  keine 


■'* 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


78 


1^ 


yemaut:tt(-ii  Wände,  soiulern  nur  solche  von  l'leclit- 
werk,  so  dass  man  auch  im  Zimmer  stets  im  Zuge  ist. 
Aber  auch  im  Innern  der  Halbinsel,  inCxntral- 
arabien,  sowohl  im  NeJschd  als  in  dem  neuen 
Schainviar-':^\.,VAW,  welcher  sich  auf  den  Trümmern 
des  Wahabitenreiches  aufgebaut  hat,  wohnen  sess- 
lafte  Leute ,  diese  jedoch  schon  ismaelitischen 
Stammes.  Diese  ethnographisch  den  Nordarabern 
beizuzählenden  Riiwohncr  des  centralen  Gebietes 
haben  dt)rt  Städte  und  Ortschaften.  Selbst  jenseits 
der  grossen  Sandwüste  Ne/uJ,  deren  Schrecken 
neuerdings  wieder  durch  den  deutschen  Reisenden 
Julius  liuting  ungemein  lebendig  geschildert 
wurden ,  im  Wadi  IJschof  —  dieser  Name  wie 
Dschauf  „F^ohlIand"  bedeutend,  kehrt  in  den  Ge- 
bieten arabischer  Zunge  mehrfach  wieder  —  sind 
feste  Siedlungen,    zwar    keine    Stadt,    aber  Dürfer, 

II  wohl    von    Alters    her,    vorhanden.    .Sie    verdienen 

^pdeshalb  Beachtung  und  können  wohl  als  Anhalts- 
■  ^"punkte  für  die  ursprüngliche  Baukunst  der  Araber 
dienen.  Hat  doch  William  Gifford  I'algrave  an  einer 
Seitenmauer  des  Schlosses  in  lil-Dschof  zwei  tief 
eingegrabene  Kreuze,  zweifellos  sehr  alten  Datums 

»und  ganz  ähnlich  jenen  entdeckt,    welche  sich  nicht 
Selten    in    den  Ruinen  des  syrischen  Haurän  finden. 
Man   darf  sie   wohl  als  Zeugen    des   früheren  Vor- 
-^^  waltens    des    christlichen  Glaubens    in    jenen    Ge- 
k  ^i»Venden  betrachten,   womit  man  deren  Alter  an  sich 
T       r  ''''    \  oiislamitische  Zeit  hinaufrückt. 
\..'J    Diese  Architektur  Innerarabiens  ist  nun  <lurchaus 
'■^  roh.    An    der  obenerwähnten   Burg   von  El-Dschof 
beobachtet   man  einen  Cyklopenbogen   ganz   nach 
Art   jenes   am   sogenannten  Paläste   des  Atreus   in 
Mykenä.    Nahe  vom  Mittc-lpunkte  des  Schlosses  er- 
hebt   sich    ein    viereckiger,    sehr    breiter    'I'hurm, 
welcher  jünger  .als  der  südliche  Wall  zu  sein  scheint 

Iund  mit  engen  Schiessscharten  versehen  ist.  Man 
sieht,  dass  hier  versucht  wurde,  den  Steinblücken 
eine  gewisse  Regelmässigkeit  zu  geben,  während 
in  einer  jüngeren  halbkreisförmigen  Courtine  die 
rohen  Blöcke  unsymmetrisch  aufeinandcrgescliichtet 
sind.  Auch  der  alte  verfallene,  das  Thal  über- 
schauende, einsame  runde  Thurm  von  MArid  ist 
offenbar  ein  arabisches  Bauwerk  und  nach  arabi- 
schem Plane  entworf(m.  In  Mail,  der  Hauptstadt 
des  Schainmarreiches,  mit  breiten  ungepllastcrten 
Strassen,  herrscht  Lehmziegelbau  vor.  Der  „Palast" 
des  Fürsten  hat  gewaltig  dicke,  etwa  lO  m  hohe, 
I20 — 1 60  «  lange  Mauer  wände,  an  deren  oberen 
Rande  Oeffnungen  eher  an  Schiessscharten  als  an 
Fenster  erinnern,  uml  aus  welchen  der  ganzen 
änge  nach  halbrunde  Bastionen  hervortreten. 
Dieser  Palast  ist  ein  grosser  Hofbau  mit  mehreren 
Höfen.  Die  übrigen  Häuser  von  Hail  haben  meist 
zwei  Stockwerke  und  wenige,  aber  beijueme  Räume, 
in  welche  das  Licht  durch  die  Thüre  und  schmale 
Wandritzen  unter  der  Decke  gelangt.  Fenster  sind 
nicht  vorhanden.  Ueber  den  Zimmern  liegt  das  Hache 
Dach,  rings  von  einer  hohen  vSchutzmauer  umzogen, 
das  eine  becjueme  Schlafstätte  gewährt.  Kein<-m 
Hause  fehlt  der  „Kahwa",  der  Kaffees.aal  zum 
Empfang  der  Gäste;  er  ist  ein  unentbehrlicher  Bc- 


standtheil  jedes  arabischen  Hauses  auf  der  ganzen 
Halbinsel  und  ändert  sich  höchstens  in  Grösse  und 
Ausstattung.  Ueberall  ist  der  Kahwa  alicr  eine 
grosse  ,  längliche  Halle,  deren  Wände  in  roher 
Weise  farbig  getüncht  und  mit  dreieckigen 
Nischen  zur  Aufnahme  von  Büchern  oder  anderen 
Geräthen  versehen  sind.  Das  Holzdach  ist  flach, 
der  listrich  mit  feinem,  reinem  Sand  bestreut  und 
rings  an  den  Wänden  mit  Teppichen  und  Diwanen 
ausgestattet.  Die  ganze  Stadt  Hai!  ist  von  6 — 7  m 
hohen  Mauern  umgeben,  welche  mit  grossen  Flögel- 
thoren  und  FestungsthOrmen  versehen  sind.  Auch 
für  das  (lache  Land  sind  die  WachthOrme  kenn- 
zeichnend, die  von  Ort  zu  Ort  bis  zum  Tueik- 
Gebirge  im  Süden  sich  erheben  als  Schutz  und 
Auslug  gegen  die  etwaigen  Ueberfälle  der  Beduinen. 
Solche  Befestigungen,  mehr  oder  minder  stark, 
kehren  überall  wieder.  Palgrave  gedenkt  derselben 
in  Ujun,  südlich  vom  Dschebel  Selman,  wo  die 
Wartthürme  ihn  an  Dam|)fschornsteine  erinnerten, 
in  Fl-Tueim,  Horeimele,  in  der  Umgebung  von  Rr- 
Riad,  der  Hauptstadt  des  Nedschd  und  des  halben 
Arabien,  und  in  dem  aus  zweistöckigen  Luftziegel- 
häusern bestehenden  Teima,  das  ein  Kranz  von 
5  —  67«  hohen  Thürmen  schützt.  Freilich  darf  man 
diese  Befestigungen  nicht  für  alt  halten,  viele  wurden 
nachweislich  erst  in  neuerer  Zeit  aufgeführt ;  es 
unterliegt  aber  wohl  keinem  Zweifel,  dass  die  Sille, 
derartige  Schutzbauten  zu  errichten,  in  ein  hohes 
Alterthum  zurückreicht  und  so  hinge  besteht  wie 
der  Gegensatz  zwischen  der  beduinischen  und  der 
ansässigen  Bevölkerung.  In  den  älteren  arabischen 
Städten  sind  es  blos  die  Häuser,  welche  die  Ring- 
mauer umzieht ;  die  Gärten  liegen  ausserhalb  der- 
selben und  bleiben  in  der  Regel  ungeschützt; 
manchmal  zieht  sich  noch  ein  zweiter  Mauer-  und 
Thurmgürtel  um  dieselben. 

Die  Ismaeliten,  2u  welchen  auch  die  Be- 
wohner Mittelarabiens  gehören,  erstrecken  sich 
dem  Rande  des  Ruthen  Meeres  entlang  südwärts 
bis  in's  Hedschas  (die  „Grenzmarke")  herab,  wo 
so  viel  sich  erschliessen  lässt,  eine  Urbevölkerung 
mit  allerhand  fremden  Kiementen,  die  von  Norden 
eindrangen,  sich  vermischt  hatte.  L.inge  vor 
Christi  Geburt  hatte  sich  dort  auf  diese  Weise 
aus  verschiedenen  Bestandtheilen  eine  Misch- 
bevölkerung zusammengefunden ,  die  allmälig 
vollkommen  arabisirt  ward  und  ihren  Mittelpunkt 
in  Mekka  besass.  Diesem  Platze,  wo  sich  schon 
früh  ein  Heiligthum  gänzlich  unarabischer  Art, 
die  „Kaaba"  (d.  h.  Würfel)  befand,  lAsst  sich 
schon  in  jener  ersten  Zeit  der  Charakter  einer 
städtischen  Siedelung  nicht  absprechen,  doch 
wird  man  sich  keine  allzu  grossartigen  Vor- 
stellungen davon  machen  dürfen.  Heute  aller- 
dings bietet  diese  Stadt  ein  ziemlich  stattliches 
Bild  und  macht  nach  dem  Zeugnisse  Snocks  van 
Hurgronje  mit  ihren  breiten  Strassen  und  hohen 
Häusern  einen  fast  modernen  Findruck.  In  den 
Nebengassen  siebt  man  allerdings  neben  mehr 
oder  weniger  stattlichen  Häusern  auch  elende 
Beduinenhütten  und  bienenkorbartige  W^ohnungen. 


|(^r  ^-. 

o 


74 


OESTliRREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Die   besseren  Häuser  sind  aber  aus  Granit^   Sand- 
steinen   oder    Ziegeln     erbaut,     haben     drei     und 
mehrere  Stockwerke   und  keine  Spur  eines  Hofes, 
nähern    sich    also    der  sogenannten   Steinkasten- 
architektur.    Im   Erdgeschoss    bildet    das   Haupt- 
gemach    für    die    männlichen    Insassen     eine   Art 
grosser   Vorhalle,     aus     welcher  man   zur   Linken 
auf    eine     geräumige    „Mastabah"    oder    Terrasse 
tritt,   und   eine   zweite,   aber   kleinere   ist  auch   im 
Hintergrunde   des   Hauses  angebracht.   Hinter  ihr 
liegt   eine  Vorrathskammer.   Der  Mastabah  gegen- 
über  steht   in   der  Vorhalle    ein   kleiner  Feuerherd 
und   seitwärts  führt  ein  thürloser  Gang  zur  Bade- 
stube   sowie  zur    dunklen,     gewundenen   Treppe, 
auf  deren   mit  einer  harten   Erdkruste    bedeckten 
Steinstufen     man     in   der  zweiten,     nördlicher  ge- 
legenen    Stadt     des   Landes,     zu   Medina,     in    das 
„Medschlis"   oder  den  Empfangssaal   gelangt.   Die 
Häuser  zu  Medina   sind   wie  jene   in  Mekka  flach- 
dachig,  unterscheiden   sich  aber  von   ihnen  durch 
einen   geräumigen   Hof  mit  Gartenanlage,   Spring- 
brunnen  und   Dattelbäumen.    Vergitterte   Balcone, 
wie   der  Europäer  sie   zuerst    in   Alexandrien   er- 
blickt,   sind   hier  häufig,    und    auch   die   Fenster, 
eigentlich    blosse    Ritzen    in    der     Wand,     haben 
blos    einen   Plankenverschluss.     In  Medina   dienen 
als   Baumaterial    Lavaschlacken,     Backsteine    und 
Palmholz,    die    Umwallungsmauer    der    Stadt    ist 
aber    aus    Granit-     und  Lavablöcken     aufgeführt, 
die   mit  Mörtel   verbunden    sind.     In   den   übrigen 
Plätzen   des   Hedschas  herrscht    ziemlich   dieselbe 
Bauart,     ohne    sich    zu    grösseren   Leistungen   zu 
versteigen.     Die  angeblichen,     in   den   Fels,   einen 
weichen   Sandstein,   gehauenen   Höhlenwohnungen 
von   El-Hidschr,    halbwegs   zwischen   Medina   und 
Petra,   hat  Charles  M.  Doughty   als  Grabkammern, 
nicht    als     Behausungen     für   Lebende,     wie     man 
bislang     meinte,     nachgewiesen.      Die     Menschen 
wohnten   auch   hier  in   Häusern,    von    denen   sich 
bei     einigen    noch     die     Grundmauern     verfolgen 
lassen ;     sie     waren    aus    behauenem    Stein,     und 
Doughty     fand     auch     zwei     kleine     Steinbrüche, 
welche     das     Material      lieferten;      der     Hochbau 
scheint,     wie     in    anderen    Dörfern     der    Wüste, 
Stampfbau  gewesen  zu  sein.   Sie   sind  heute  meist 
blos    eine  Anhäufung    solcher  Hütten  aus  Lehm- 
ziegeln    und   Koth,    mit  Palmblättern    eingedeckt 
und   Luftlöchern   in   den   Wänden   versehen. 

Diese  Bauten  des  .südlichen  und  mittleren 
Arabiens  pflegen  gewöhnlich  völlig  unbeachtet 
zu  bleiben,  gewähren  aber  sehr  wichtige  Finger- 
zeige für  die  Geschichte  des  arabischen  Hauses 
wie  der  arabischen  Baukunst  im  Allgemeinen. 
Geblendet  von  dem  Glänze  der  arabischen  Ge- 
sittung, welche  in  die  Geschichte  unseres  eigenen 
Mittelalters  so  mächtig  eingriff,  sind  unsere  Vor- 
stellungen über  die  Araber  meist  so  falsch,  wie 
jene  über  ihr  Land.  Gemeiniglich  glaubt  man, 
das  ganze  Innere  Arabiens  sei  von  nomadischen 
Beduinenstämmen  durchzogen,  die  man  auch  für  die 
eifrigsten  Bekenner  des  Islam  hält.  Gerade  das 
Gegentheil  ist  wahr.   Der  Islam  ist  bei   ihnen   nie- 


mals tief  eingedrungen  und  im  Innern  Arabiens 
sind  sie  selten;  sie  sind  nur  auf  die  Wüstenstriche 
angewiesen,  in  welchen  sie  bloss  in  sehr  be- 
schränkten Grenzen  sich  bewegen,  denn  auch 
über  die  nomadische  Lebensweise  herrschen  die 
irrigsten  Vorstellungen.  Gleichviel  nun,  ob  man 
die  Beduinen  mit  Palgrave  für  eine  Verschlechte- 
rung oder  Verwilderung  des  reinen  Arabers  halten 
wolle  oder  nicht,  zweifellos  stehen  diese  Zelt- 
bewohner hinter  dem  sesshaften  Theile  des  Volkes 
an  Gesittung  weit  zurück  und  ist  man  berechtigt, 
in  letzterem  den  Massstab  für  das  ursprüngliche 
Können  der  Araber  zu  suchen.  Dasselbe  zeigt 
sich  nun,  wie  wir  sehen,  höchst  geringfügig.  Wo 
sie  sich  selbst  überlassen  blieben,  haben  sie  es 
in  der  Baukunst  niemals  so  weit  gebracht,  um 
einen  einfachen  Bogen  zusammenzusetzen,  ge- 
schweige denn  ein  Gewölbe  oder  eine  Kuppel ; 
ihre  Originalleistungen  in  Schammar,  Kasim  und 
Nedschd,  die  alten  wie  die  modernen,  bringen 
dafür  die  schlagendsten  Beweise.  Zu  höherer 
Stufe  vermochten  sie  sich  blos  unter  fremder 
Anleitung  emporzuschwingen.  Als  sie  der  über- 
legenen griechischen  und  persischen  Vorbilder 
in  Syrien  und  Eran  ansichtig  wurden,  ahmten 
sie  diese  so  lange  nach,  bis  sie,  nach  Palgrave's 
Ausdrucke,  selbst  erträgliche,  aber  niemals  vor- 
zügliche  Baumeister   wurden. 


DIE  EHE  IN  JAPAN/) 

Von  Dr.  H.    Weipert 
II. 

Verhältniss  während  der  Ehe. 

Persönliche  Stellung  der  Ehegallen. 

Die  sittliche  Stellung  der  japanischen  Ehe- 
frau hat  schon  häufig  eingehende  Schilderung 
erfahren.  Ich  kann  mich  daher  hier  auf  die  Haupt- 
punkte beschränken  und  im  Uebrigen  auf  die 
Darstellung  von  Gebauer  und  Küchler  -a.  a.  O. 
und  von  Hering  im  41.  Heft  der  „Mittheilungen" 
verweisen. 

Wenn  es  auch  im  Einzelnen  hier  wie  ander- 
wärts von  der  Frau  selbst  abhängt,  welche  Stel- 
lung sie  sich  verschafft,  so  bestimmt  sich  f 
dieselbe  doch  im  Allgemeinen  dem  durchaus  | 
patriarchalen  Charakter  der  japanischen  F"amilie 
entsprechend,  weiche  die  Frau  dem  Hausherrn 
gänzlich  unterordnet.  Nach  ihm  aber  ist  sie  die  ; 
lirste  im  Hause.  Sie  theilt  auch  Rang  und  Stand 
des  Mannes,  wenngleich  die  Japaner  nicht  soweit 
gehen,  wie  die  Chinesen,  welche  der  Frau  das 
Recht  geben,  die  Amtsabzeichen  des  Mannes  zu 
tragen.  Wo  das  Recht  den  Hausherrn  durch  den 
Rath  der  Verwandten  beschränkt,  hat  auch  sie 
ihre  entscheidende  Stimme  in  den  Hausangelegen- 
heiten, so  insbesondere  bei  der  Verheiratung  der 
der  Kinder.  .Andererseits  ist  dem  Ehemanne  Ehe- 
bruch und  Concubinat  erlaubt,    während  der  Ehe- 


')  Den  Milthpilungen    der   deutschen  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Völkerkunde  Ostasieus  in  Tokio  entnommen. 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT 


76 


bruch  der  Krau  nach  dem  Strafgesetzbuch  von 
1871  mit  einem  Jahr  Zuchthaus  und  nach  g  353 
des  jetzigen  Strafgesetzbuches  an  ihr  und  ihrem 
Mitschuldigen  (auf  Antrag)  mit  Gefängniss  von 
sechs  Monaten  bis  zu  zwei  Jahren  gestraft  wird. 
Nadi  früherem  wie  nach  heutigem  Rechte  kann  der 
lll  Jihemann  sogar  den  IChebruch  in  flagranti  durch 
P"  'I'ödtung  der  Frau  wie  ihres  Mitschuldigen  be- 
strafen. 

C'.harakteristisch  ist  ferner,  dass  nach  dem 
Strafgesetzbuche  von  187 1  der  Mann  wegen 
'l'ödtung  der  Frau  nur  mit  einem  Jahr  Zuchthaus 
bestraft  wurde,  wenn  die  That  wegen  Beleidigung, 
und  nur  mit  90  Tagen,  wenn  sie  wegen  Körper- 
verletzung der  Frau  gegen  seine  Eltern  oder 
Grosseltern  erfolgt  war.  Nach  demselben  Gesetze 
waren  Thrulichkeiten  des  Mannes  gegen  die  l'^rau 
straflos,  ausser  wenn  eine  Wunde  verursacht  war, 
in  welchem  l'\ille  nur  Milderung  eintrat,  während 
Thätlichkeiten  seitens  der  Frau  mindestens  mit 
100  Tagen  Zuchthaus  bestraft  wurden.  (Long- 
ford a.  a.  O.,  S.  63.) 

Eine  Prostituirung  der  Ehefrau  wider  ihren 
Willen  war  im  Kwamporitsu  (Vgl.  Rudoiff  a.  a. 
O.  Art.  47,  Nr.  13)  mit  Todesstrafe  bedroht,  so 
dass  dieselbe  .  erheblich  günstiger  stand,  als  die 
Tochter.  ]3asselbe  Verhältniss  zeigt  sich  noch  im 
Strafgesetzbuch  von  187 1,  wo  die  Prostituirung 
der  I'^hefrau  wider  ihren  Willen  mit  70  Tagen 
Zuchthaus,  die  einer  TocWter  nur  mit  50  Tagen 
bestraft  wird.  (Vgl.  Longford,  Trans.  V.  2,  S.  38.) 

Ehescheidipi^. 
Küchler  gibt  a.  a.  O.  S.  130  ff.  eine  Zu- 
sammenstellung der  Ehescheidungsgründe  seitens 
eines  japanischen  Gelehrten,  welche  auf  dem 
Taihoryo  beruht  und  deren  fortdauernde  Gellung 
im   Wesentlichen    behauptet   wird.     Danach   kann 

1.  der  Mann  die  Scheidung  verlangen  bei 
Kinderlosigkeit  der  Frau  trotz  erreichten  50. 
Lebensjahres,  Ehebruch,  Ungehorsam  derselben 
gegen  ihre  Schwiegereltern,  Schwatzhaftigkeit, 
Dieberei,  Eifersucht  und  erblicher  Krankheit, 
ausgenommen,  wenn  die  l'rau  ihre  kranken 
Schwiegereltern  besonders  treu  gepflegt  hat  oder 
nach  der  F,he  im  Rang  gestiegen  ist  oder  keinen 
Zufluchtsort   hat. 

2.  Die  Frau  kann  die  Scheidung  \er/angen, 
wenn  der  Mann  drei  Jahre  bei  kinderloser  Ehe 
und   fünf  Jahre  bei  vorhandenen  Kindern  die  Frau 

^»     verlassen  hat  oder  verschollen  ist. 
^H  3.  Die  Scheidung  muss  erfolgen,    wenn   der 

Mann   Gcwaltthätigkeiten   gegen    die   Verwandten 
der   l""rau   oder   die  Frau  Gcwaltthätigkeiten    oder 
Beleidigungen   gegen  die  Verwandten   des  Mannes 
,^^     oder     auch   nur    einen   Vcrietzungsversuch   gegen 
^^B    ihren  Mann  sich  hat  zu  Schulden  kommen  lassen , 
^^    oder   wenn   die  Verwandten   eines  Theils  Gcwalt- 
thätigkeiten    gegen   den     andern   'I'heil   begangen 
haben. 

Indessen  bemerkt  Küchler  selbst,  dass  ein 
Theil  dieser  Vorschriften  jetzt  veraltet  sei,    und 


in  der  That  kann  kaum  ein  Zweifel  sein,  dass 
dieser  wie  so  mancher  andere  Import  chinesi- 
scher Moral-  und  Rechtsliteratur  lediglich  auf 
dem  Papier  steht  und  für  die  Praxis  keinerlei 
wesentliche  Bedeutung  hat  oder  auch  gehabt  hat. 
Nach  dem  im  Minji  Kwanrei  Ruishu  be- 
zeugten Gewohnheitsrecht  ist  die  Scheidung  zu- 
lässig : 

1.  Mit  beiderseitiger  Einwilligung. 

2.  Für  den  Mann :  bei  Ehebruch  der  Frau, 
Diebstahl,  Ungehorsam  gegen  den  .Mann  oder 
seine  Eltern,  Uneinigkeit  mit  den  Geschwistern 
des  Mannes  und  erheblichem  Verstoss  gegen  die 
Haussitte. 

3.  Für  die  Frau :  bei  Verschwendungssucht 
und  gewissen  Bestrafungen  des  Mannes  und  hei 
ungerechtem  und  lieblosem  Benehmen  des  Mannes, 
der  Schwiegereltern  oder  Geschwister  des  Mannes. 
Die  grundlose  Entlassung  eines  Schwiegersohnes 
wurde  nach  dem  Strafgesetzbuch  von  1871  mit 
Zuchthaus  bis  zu  90  Tagen  bestraft.  (Longford 
a.  a.  O.  S.   29.) 

Durch  Verordnung  vom  15.  Mai  1873  ist 
der  Frau  der  Antrag  auf  Scheidung  sogar  ge- 
stattet, wenn  das  Zusammenleben  durch  irgend 
welche  Gründe  gestört  ist. 

Bei  Verschollensein  des  Ehemannes  wurde 
nach  Art.  44,  Nr.  3,  des  Kwamixlritsu  (vergl. 
Rudorff  a.  a.  O.)  nach  zehn  Monaten  der  Frau 
die  Wiederverheiratung  gestattet.  Spätere  Ge- 
wohnheit erlaubte  nach  dem  Minji  Kwanrei 
Ruishu,  dass  nach  angemessener  Zeit  ein  älterer 
Verwandter  des  verschollenen  Mannes  an  dessen 
Stelle  die  Scheidung  ausspreche.  Durch  V.  O. 
vom  12.  Juli  1874  war  speciell  für  den  Fall  der 
Verschollenheit,  beziehungsweise  des  Entlaufens 
eines  Mukoyushi  bestimmt,  dass  nach  zwei  Jahren 
Scheidung  verlangt  werden  könne.  Heute  kann 
die  Frau  eines  in  unbekannter  Ferne  Abwesenden 
nach  Ministerialveifügung  vom  9.  Mai  1884  nach 
24  Monaten,  in  dringenden  Fällen  nach  10  Monaten, 
geschieden  werden,  und  zwar  durch  die  Provincial- 
behörde,  wenn  die  beiderseitigen  Verwandten 
einverstanden  sind,  andernfalls  durch  richterliche 
Entscheidung. 

Das  Concuhinal. 
I.  Das  Halten  von  Nebenfrauen  war  von 
jeher  ein  Lu.\usprivilegium  der  oberen  Classen. 
Für  die  unteren  Stände  von  den  Heimin  abwärts 
verbot  es  sich  in  den  meisten  Fällen  schon  durch 
die  Vermögensverhältnisse  von  selbst,  es  war 
ihnen  aber  auch  gesetzlich  allgemein  untersagt. 
Im  52.  der  sogenannten  100  Gesetze  des  lyeyasu 
heisst  CS  nach  der  citirten  Kempermann'schen 
Uebersetzung :  Der  Kaiser  (tenshi)  hat  12  Bei- 
schläferinnen, die  Fürsten  haben  ihrer  8,  die 
Taifu  5  und  die  Krieger  2,  alle  Personen  von 
niedrigerem  Stande  haben  nur  ein  eheliches  Weib; 
so  haben  es  die  alten  Weisen  im  Buche  Raiki 
angeordnet  und  so  ist  es  seit  alten  Zeiten  Brauch 
gewesen. 


76 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT 


Im  Minji  Kwanrei  Ruishu  ist  gleichfalls  aus- 
drücklich bezeugt,  dass  das  Concubinat  als  öffent- 
lich anerkanntes  rechtliches  Institut  den  Heimin 
nicht  gestattet  ist.  In  Uebereinstimmung  hiemit 
ist  durch  V.  O.  vom  7.  Juli  1874  für  die  Kwazoku 
und  Shizoku  bestimmt,  dass  ihre  Nebenfrauen 
„wie  rechte  Frauen",  d.  h.  als  Angehörige  des 
Hauses  behandelt  werden  sollen,  wenn  das  Ver- 
hältniss  zum  Eintrag  in  das  Hausstandsregister 
angemeldet  sei.  Heute  wird  auch  bei  den  Shizoku 
das  Verhältniss  der  Nebenfrau  nicht  mehr  ge- 
setzlich anerkannt,  insbesondere  werden  dieselben 
seit  I.  Jänner  1882  nicht  mehr  als  Hausange- 
hörige im  Kosekichö  eingetragen,  und  zwar 
angeblich  lediglich  deshalb,  weil  das  neue  Straf- 
gesetzbuch bei  Bestimmung  der  Angehörigen  die 
Nebenfrauen  nicht  erwähnt.  Eine  besondere  Vor- 
schrift konnte  ich  nicht  finden.  Wie  es  bei  den 
Kwazoku  gehalten  wird,  ist  nicht  zu  constatiren, 
da  deren  Hausregister  beim  Kunaishü  (dem 
Ministerium  des  kaiserlichen  Hauses)  geführt 
werden  (nach  Gesetz  vom  7.  Juli    1884). 

Die  allgemeine  Bezeichnung  für  Nebenfrauen 
ist  Shö  oder  Mekake  (auch  Tekake).  Die  Neben- 
frauen des  Kaisers  heissen  anfangs  Gontenji.  Gon 
bedeutet  Vice,  tenji  Palastdame,  Hofdame.  Die 
Gontenji  werden  im  vorgerückteren  Alter  in  der 
Regel  zu  Tenji  befördert.  Die  Nebenfrauen  des 
Shögun  hiessen  Otetsukichürö.  Churö  war  die 
Bezeichnung  für  eine  Palastdienerin  des  Shögun. 
Otetsuki  bedeutet  „Hand  auflegen".  Wenn  die 
Nebenfrau  des  Shögun  ein  Kind  geboren  hatte, 
erhielt  sie  den  Titel  Oheyasama  (die  geehrte 
Frau  im  Zimmer). 

Bei  der  gebildeten,  mit  westlicher  An- 
schauung befreundeten  Classe  scheint  das  Con- 
cubinat heute  bereits  äusserst  selten  geworden 
zu   sein. 

2.  Die  persönliche  Stellung  der  Nebenfrau 
ist  mit  der  Zeit  immer  mehr  herabgedrückt 
worden. 

Während  sie  im  Taihöryo  noch  so  sehr  zur 
engsten  Familie  gerechnet  wird,  dass  ihr  ein 
Erbrecht  auf  gleicher  Stufe  mit  der  Tochter  ge- 
geben ist  (beide  bekommen  von  dem  zur  Ver- 
theilung  gelangenden  Vermögen  je  einen  halben 
Kopftheil,  die  rechte  Frau  dagegen  zwei  Kopf- 
theile),  heisst  es  im  52.  Gesetz  des  lyeyasu : 
„Zwischen  Ehefrau  und  Beischläferin  soll  der- 
selbe Unterschied  bestehen  wie  zwischen  Herrin 
und  Dienerin."  Doch  wurde  noch  nach  dem 
Strafgesetzbuch  von  187 1  der  Ehebruch  der 
Concubine  gestraft,  wenn  auch  um  einen  Grad 
geringer  als  der  der  rechten  Frau  (vergl.  Long- 
ford a.  a.  O.  S.  87).  Im  heutigen  Strafgesetz- 
buch findet  sich  keine  Bestimmung  dieser  Art. 
Bei  vermögenderen  Männern  scheint  die  Gewohn- 
heit zuzunehmen,  die  Mekake  nicht  im  Hause, 
sondern  in  einer  abgesonderten  Wohnung  (shö- 
taku)  zu  halten.  Aber  auch  wo  sie  —  wie  früher 
wohl  die  Regel  —  im  Hause  wohnt,  hatte  sie 
von  jeher  keinerlei    näusliche  Rechte,    sogar  die 


mütterlichen  Rechte  gegen  ihre  Kinder  übt  nicht 
sie  selbst,  sondern  an  ihrer  Stelle  die  rechte 
Frau   aus. 

Ihre  Entlassung  ist  selbstverständlich  in 
keiner  Weise  beschränkt,  und  von  Aussteuer 
oder  Dos  ist  keine  Rede.  Früher  bekam  sie  bei 
Shügun  und  Daimyö  immer,  bei  Samurai  je  nach 
den  Vermögensverhältnissen,  auch  wenn  sie  nicht 
mit  der  Familie  wohnte,  ein  Nadelgeld  (teate). 
Heute  wird  sie  vielfach  wie  eine  Dienstmagd  für 
einen  bestimmten  Monatslohn  (ausser  den  Unter- 
haltungskosten)  gemiethet. 

t  3.  Die  rechtliche  Bedeutung  des  Concubinats 
äusserte  sich  früher  vor  Allem  darin,  dass  bei 
allen  Classen  (auch  bei  den  Heimin,  obwohl  hier 
das  Verhältniss  nur  als  sexueller  Umgang  mit 
einer  Magd  bezeichnet  wurde)  die  demselben  ent- 
sprossenen Kinder  als  eheliche  Kinder,  wenn 
auch  zweiter  Ordnung,  anerkannt  werden.  Nach 
dem  Taihöryo  ist  der  Sohn  der  Nebenfrau  (shoshi) 
nach  dem  Sohn  der  Hauptfrau  (tekishi)  zur  Nach- 
folge in  die  Hausherrschaft  berufen,  und  bei  der 
Vermögensvertheilung  erhalten  die  Shoshi  (ebenso 
freilich  die,  gleichfalls  Shoshi  genannten,  jüngeren 
Sühne  der  rechten  Frau)  einen  Kopftheil,  während 
der  Tekishi  zwei  Theile  bekommt.  In  einem  Ge- 
setz des  Shögun  lyeshige  vom  23.  October  des 
3.  Jahres  Höreki  (1753)  ist  bestimmt,  dass  auch 
der  jüngere  Sohn  der  rechten  Frau  dem  älteren 
Sohn  der  Nebenfrau  #n  Erbrecht  vorgeht.  Das- 
selbe wird  im  Minji  Kw.^nrei  Ruishu  als  Gewohn- 
heitsrecht bezeugt.  Eine  Ausnahme  ist  zu  machen 
für  einen  Theil  von  Sagami,  wo  das  Alter  allein 
entscheidet,  ferner  für  Theile  von  Echizen, 
Echigo  und  Aki,  wo  die  Söhne  von  Nebenfrauen 
gar  nicht  successionsberechtigt  sind,  vielmehr 
besonders  adoptirt  werden  müssen,  wenn  sie 
erben  sollen. 

Heute  wird,  wie  gesagt,  das  Concubinat 
nicht  mehr  öffentlich  anerkannt,  aber  die  Kinder 
erhalten  genau  dieselbe  Stellung  wie  früher  durch 
Anerkennung  seitens  des   Vaters. 

In  dem  Strafgesetzbuch  von  1871  war  die 
Enterbung  eines  ehelichen  zu  Gunsten  eines 
Concubinensohnes  mit  90  Tagen  Zuchthaus  be- 
straft (vergl.   Longford   a.   a.   O.    S.   28). 


DIE  GENUSSMITTEL  DES  ORIENTES. 

Von   Gustav   Troll. 
III. 

Das  hervorragendste  der  zur  Gruppe  der  Nai 
Gotischen  gehörigen  Genussmittel  ist  unstreitig  der 
Tabak,  keines  der  anderen  Genussmittel  besitzt  eine 
solche  Bedeutung  für  den  gesammteu  Weltverkehr, 
als  dieses.  Der  Gebrauch  des  Tabaks  als  Genuss- 
mittel verliert  sich  in  vorgeschichtliche  Perioden, 
über  welche  keinerlei  bestimmte  Anhaltspunkte 
vorliegen.  Bekanntlich  ist  der  Tabak  ein  amerika-  * 
nisches  Gewächs,  dessen  Verwendung  als  Genuss- 
mittel Columbus  1492  beider  Entdeckung  Amerikas 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIr-T    FÖR    DEN    ORIENT 


77 


auf  der  Insel  Guanahari  bereits  vorgefunden  hat, 
wo  die  Eingeborenen  Tabak  in  cylinderförmigen, 
durch  ein  Maisblatt  ^eliildetcn  Rollen  rauchten. 
Auch  auf  Haiti  und  in  Mexico  war  das  Tabak- 
rauchen  vor  Ankunft  der  Europäer  bekannt,  ebenso 
ist  das  Kaudien  bei  den  Indianern  Nordamerikas 
eine  uralte  religiöse  Sitte,  welche  als  ein  der  Sonne 
und  dem  grossen  Geist  dargebrachtes  Opfer  auf- 
gefasst  wurde.  Dagegen  war  der  Tabakgenuss  den 
Eingeborenen  Südamerikas  bei  der  ersten  Durch- 
forschung dieser  Gebiete  durch  Europäer  noch  un- 
bekannt. Der  Name  des  Tabaks  soll  von  der  Insel 
Tabago  herrühren.  Im  Jahre  1496  lieferte  der  spa- 
nische Mönch  Romana  Pane  zuerst  eine  Beschrei- 
bung der'1'abakptlanze,  welche  hierauf  nach  Spanien 
und  Portugal  eingeführt  wurde  und  dort  als  Zier- 
pflanze diente.  Der  französische  Gesandte  in  Por- 
tugal, Jean  Nicot,  führte  die  Pflanze  1560  in  Frank- 
reich ein  und  empfahl  sie  als  Heilmittel.  ICs  heisst, 
dass  er  damit  Wundercuren  verrichtet  haben  soll. 
Von  dort  aus  verbreitete  sich  die  Anwendung  des 
Tabaks  zunächst  als  Heilmittel.  Wann  der  Genuss 
des  Tabaks  in  l^uropa  zuerst  auftrat,  lässt  sich  nicht 
mit  Bestimmtheit  ermitteln,  sicher  ist,  dass  derselbe 
zuerst  als  Schnupfmittel  Verwendung  fand.  Das 
Tabakrauchen  wurde  um  die  Mitte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts von  spanischen  Matrosen,  die  aus  Amerika 
heimkehrten,  nach  Spanien  gebracht,  später  trat  es 
in  England  auf  und  verbreitete  sich  im  Anfang  des 
XVII.  Jahrhunderts  über  ganz  Europa.  InderTürkei 
soll  es  1655  aufgekommen  sein.  Gegenwärtig  ist 
der  Tabak  ein  über  die  ganze  Erde  verbreitetes 
Genussmittel,  das  namentlich  im  Oriente  zu  einem 
unentbehrlichen  Lebensbedürfnisse  geworden  ist. 
Der  Orient  wird  als  die  Heimat  des  feinen  Tabaks 
angesehen  und  man  kann  es  kaum  glauben,  dass 
der  Tabak  hier  nicht  heimisch,  sondern  eine  ver- 
hältnissmässig  spät  eingeführte  Culturpflanze  sein 
soll.  In  der  That  sollen  neueste  Forschungen,  die 
noch  im  Zuge  sind,  es  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
wahrscheinlich  erscheinen  lassen,  dass  die  Tabak- 
pflanze den  Arabern  schon  zu  einer  Zeit  bekannt 
war,  als  Amerika  noch  nicht  entdeckt  war.  Mög- 
licherweise hat  man  es  hier  mit  einer  .\bart  zu 
thun,  jedenfalls  wird  diese  Frage  bald  klar  gestellt 
werden.  Der  Tabakverbrauch  im  Oriente  ist  gegen- 
wärtig sehr  stark.  Von  den  dort  cultivirten  Tabak- 
sorten wird  bekanntlich  die  türkische  besonders 
gerühmt  und  dürfte  jedenfalls  die  beste  Sorte 
europäischen  Tabaks  sein.  Vortrefflicher  Tabak 
wird  in  Syrien  (im  Libanon)  gebaut,  ebenfalls  gute 
I  Sorten  erzeugen  Oberegypten,  Tunis,  Algerien, 
Kleinasien.  Als  feinste  Sorte  des  orientalischen 
Tabaks  gilt  der  persische,  namentlich  der  südlich 
von  Schiras  gebaute,  der  unter  dem  Namen 
„Tumbak"  im  ganzen  Oriente  verbreitet  ist.  Nach 
Europa  gelangt  dieser  Tabak  fast  gar  nicht,  er 
wird  auch  im  Oriente  grösstenlheils  nur  zum 
Narghilc,  der  orientalischen  Wasserpfeife,  ver- 
wendet. Das  Narghile-Rauchen  ist  die  eigentliche 
orientalische  Art  zu  rauchen  and  stammt  von  den 
Persern.    Da    der  Rauch    bei    dieser  Raucbweisc 


durch  das  Wasser  abgespült  wird,  erfolgt  nicht 
nur  eine  Abkühlung  desselben,  sondern  er  wird 
auch  von  den  brcnzlichen  Producten  befreit  und 
erhält,  wenn  das  Wasser  parfumirl  ist,  noch  einen 
feinen  Geruch,  Das  Rauchen  mit  Wasserpfeifen 
gilt  sogar  als  hygienisch,  es  dürfte  jedenfalls  ge- 
sünder sein,  als  die  europäische  Pfeife.  Das  Nar- 
ghilc spielt  eine  grosse  Rolle  im  Oriente,  man 
findet  es  in  jedem  Haushalte,  in  jedem  Kaflee* 
hause.  Kaffee  und  Narghilc  sind  überhaupt  zwei 
Begriffe,  die  fast  immer  in  einander  fallen.  Ausser 
diesem  langschläuchigen,  mit  einem  gläsernen 
Gefässe  zur  Aufnahme  des  Wassers  versehenen 
Narghile,  kennt  der  Orientale  noch  ein  kleineres, 
mit  kurzem  Rohr,  wo  das  Wassergefäss  aus  einer 
Cocosschale  gebildet  ist  und  welches  er  auf  Reisen 
zu  rauchen  pflegt,  sei  es  nun,  dass  er  in  Geschäften 
mit  einer  Karawane  reist,  oder  den  Pilgerzug 
nach  Mekka  und  anderen  heiligen  Orten  mitmacht, 
gleichviel  ob  er  zu  Fuss  geht,  oder  auf  einem 
Esel,  Maultbier,  Pferd  oder  Kameel  sitzt. 

Neben  dem  Narghile  kommt  im  Oriente  haupt- 
sächlich die  Cigarette  vor.  Cigarren  werden  von 
Orientalen  gar  nicht  geraucht,  daher  ist  ihr  Ver- 
brauch im  Oriente  sehr  gering.  Auch  die  Unsitte 
des  Tabakkauens  ist  bei  den  Orientalen  so  gut  wie 
gar  nicht  verbreitet.  Dagegen  wird  Opium  mit  Tabak 
geraucht,  und  zwar  meist  in  eigenen  Tschibuks.  Um 
dem  Tabak  einen  feinen  Geruch  zu  verleihen,  wird 
ihm,  besonders  bei  Cigaretten,  in  vielen  orienta- 
lischen Ländern  (Tunis  und  Algerien)  Ambra  zu- 
gesetzt. Die  Ambra  ist  eine  an  der  nordafrika- 
nischen Küste  gewonnene  Substanz,  welche,  nach 
den  neueren  Anschauungen  ein  aus  dem  Darme 
des  Pottwales  stammendes  Product  darstellt,  wahr- 
scheinlich die  verhärteten  Fäces  des  Thieres.  Der 
stark  aromatische  Geruch  der  Masse,  die  auf 
dem  Meere  schwimmend  gefunden  wird,  soll  von 
den  zur  Nahrung  des  Wales  dienenden  Seepolypen 
und  Tintenfischen,  namentlich  von  Eledone  (Sepia) 
moschata  herrühren;  er  erinnert  an  Moschus,  ist 
aber  nicht  so  durchdringend. 

Seit  Einführung  der  Tabakregie  im  türki- 
schen Reiche  ist  der  Tabak  bedeutend  schlechter 
geworden.  In  Egypten  dagegen  verdient  er  noch 
heute  seinen  alten  Ruf.  Freilich  wird  schon  jetzt 
auch  viel  amerikanischer  Tabak  eingeführt. 

Vom  Tabak  bis  zum  Opium  ist  im  Oriente 
nur  ein  Schritt.  Ist  der  Tabak  ein  allgemeines 
menschliches  Genussmittel  geworden,  so  sind 
Opium  und  Haschisch  specilisch  orientalische 
Mittel  für  den  Genuss  und  haben  ausserhalb  des 
Orientes  so  gut  wie  gar  keine  Verbreitung  ge- 
funden. Der  eingedickte  Mohnsaft ,  den  man 
Opium  (Afuin)  nennt,  kam  ursprünglich  als  Heil- 
mittel auf  und  wurde  als  solches  auch  nach  Eu- 
ro|)a  gebracht.  Bald  aber  fand  man  ein  ausge- 
zeichnetes narkotisches  Genussmittel  darin  und 
cultivirte  den  Mohn  im  Grossen.  Gegenwärtig 
wird  hauptsächlich  in  Kleinasien,  Persien,  Indien 
und  China  Opium  erzeugt.  Das  kleinasiatische 
und  Smyrnaer  Opium    ist  fast   ausschliesslich  fOr 


78 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


den  europäischen  Handel  bestimmt.  Das  persische 
versorgt  ausser  .  dem  Productionslande  einen 
grossen  'I'heil  des  Orientes  und  wird  besonders 
nach  China  ausgeführt.  Die  üpiumerzeugung  in 
Indien  wird  namentlich  im  mittleren  Gangesgebiete 
und  im  Tafellande  von  Malwa  betrieben.  Das  in- 
dische Opium  wird,  zu  grossen  Kugeln  geformt, 
grösstentheils  nach  China  exportirt  und  liefert 
der  britischen  Regierung  in  Indien  ihre  Haupt- 
einnahms(|uclle.  Das  sogenannte  Akbari-Opium, 
eine  sehr  feine  Sorte,  wird  durch  Eintrocknen  des 
Mohnsafles  an  der  Sonne  erzeugt,  in  Tafelform 
gebracht  und  ausschliesslich  in  Indien  selbst  ver- 
braucht. Das  persische  Opium  gelangt  in  Form 
niedriger  Kegel  oder  länglicher  Stangen  in  den 
Handel   und   ist  das  alkaloidreichste. 

In  China  war  das  0[)ium  um  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  noch  ganz  unbekannt,  heute 
verbraucht  China  mehr  Opium,  als  die  ganze 
übrige  Welt  zusammen.  Nirgends  hat  der  ver- 
derbliche Opiumgenuss  eine  solche  Ausdehnung 
gewonnen,  wie  im  „himmlischen  Reiche",  dessen 
Söhne  zu  leidenschaftlichen  Opiumrauchern  ge- 
worden sind.  Ein  düsteres  Verhängniss  scheint 
über  diesen  sonst  so  genügsamen,  anspruchslosen 
und  arbeitsamen  Menschen  zu  walten  und  sie  zu 
Sclaven  des  Opiumrausches  zu  machen.  Es  scheint 
eine  Eigenthümlichkeit  der  mongolischen  Race  zu 
sein,  dass  sie  stets  vor  einem  Götzen  huldigend 
im  Staube  liegen  muss,  begründet  in  der  melan- 
cholischen Seite  des  Volkscharakters  und  in  dem 
Hang   zu   mystischen   Ungeheuerlichkeiten. 

Zum  Rauchen  wird  das  Opium  in  der  Weise 
hergerichtet,  dass  man  es  durch  Ausziehen  mit 
Wasser  in  eine  Paste  verwandelt  und  diese 
langsam  über  einer  mit  Asche  bedeckten  Gluth- 
pfanne  röstet,  wobei  ein  grosser  Theil  der  gif- 
tigen Alkaloide  zerstört  wird.  Nach  dem  Rösten 
wird  es  häufig  nochmals  aufgelöst  und  abermals 
abgedampft.  Zum  Rauchen  legt  man  erbsengrosse 
Stücke  des  so  erhaltenen  „Tschandu"  auf  die 
eigenthümlich  geformte  Pfeife  und  unterhält  durch 
häufige  Annäherung  an  die  kleine  Flamme  einer 
Lampe  eine  mangelhafte  Verbrennung.  Der  Rauch 
wird,  wie  beim  Narghilc  in  die  Lunge  eingezogen. 
Der  in  der  Pfeife  verbleibende  Rückstand  ist  noch 
reich  an  narkotischen  Alkaloiden  und  wird  unter 
dem  Namen  „Tye"  oder  „Tinea"  nochmals  ge- 
raucht. Ja,  der  nun  verbleibende  Rückstand  „Sam- 
sching"  wird  auch  noch  von  der  ärmsten  Classe 
der  Opiumfreunde  genossen,  die  die  Paradieses- 
speise nur  in    dieser  Form    erschwingen   können. 

Bei  den  islamitischen  Völkern  des  Morgen- 
landes ist  der  Opiumgenuss,  besonders  das  Opium- 
rauchen, weniger  verbreitet,  diese  unterstehen 
mehr  dem  Zauber  des  Hanfes.  Trotzdem  ist  Opium 
im  ganzen  Oriente  als  Gcnussmittel  bekannt.  Die 
Araber  und  Türken  geniessen  es  zumeist  mit 
Liqueuten,  die  Perser  dagegen  in  Form  von  so- 
genannten „Frohsinnspillcn",  die  aus  Mastix,  Rha- 
barber und  anderen  Stoffen  hergestellt  und  meist 
mit  Thee  genommen  werden.  In  manchen  Gegenden 


sind  kleine  Opiumbonbons  gebräuchlich,  welchen 
das  Wort  „Maschallah",  d.  i.  „Wie  Gott  will" 
aufgepresst   ist. 

Die  Ansichten  über  die  grossere  oder  ge- 
ringere Schädlichkeit  des  Opiumgenusses  gehen 
bezüglich  der  Art  desselben  ziemlich  auseinander. 
Die  Opiumesser  behaupten  durchwegs,  dass  das 
Essen  von  Opium  lange  nicht  so  schädlich  auf 
den  menschlichen  Organismus  wirkt ,  als  das 
Rauchen.  Wer  nur  einmal  Gelegenheit  halte 
chinesische  oder  indische  Opiumraucher  in  einer 
jener  berüchtigten  0|)iumspelunken  zu  sehen,  in 
welchen  sie  sich  zu  versammeln  pflegen,  der  wird 
den  widerlichen  Eindruck,  den  diese  zitternden, 
schwankenden  Gestalten  mit  den  fahlen,  einge- 
fallenen Gesichtern  und  den  erloschenen  Augen  auf 
jeden  Unbetheiligten  machen,  nicht  sobald  vergessen 
und  die  Ansicht  von  der  besonderen  Schädlichkeit 
des  Opiumrauchens  theilen.  Andererseits  wurde 
gerade  in  neuerer  Zeit  von  hervorragenden  Fach- 
gelehrten geltend  gemacht,  dass  beim  Rauchen 
nur  ein  geringer  Theil  des  Opiums  überhaupt 
zur  Verbrennung  gelangt  (was  durch  die  stark 
opiumhaltigen  Pfeifenrückstände  erwiesen  ist)  und 
auch  in  diesem  durch  den  Verbrennungsprocess 
ein  grosser  Theil  der  narkotischen  Alkaloide,  be- 
sonders aber  das  Morphium  zersetzt  wird.  Freilich 
ist  es  überhaupt  fraglich,  ob  es  das  Morphium 
ist,  welchem  die  narkotische  Wirkung  beim  Opium- 
rauchen zukommt,  und  ob  sich  nicht  gerade  durch 
den  Verbrennungsprocess  eigenartige  neue  Al- 
kaloide bilden,  deren  Wirkung  nachhaltiger  und 
für  den  Organismus  schädlicher  ist,  als  wie  sie 
sich  im  Opium  direct  vorfinden  und  beim  Essen 
desselben  aufgenommen  werden.  Die  physiologische 
Opium  wirkung  ist  vorerst  erregend, dann  beruhigend, 
schlafmachend,  betäubend,  es  folgt  ein  von  leb- 
haften Träumen  und  Hallucinationcn  begleiteter 
Schlaf.  Den  Höhepunkt  des  Opiumrausches  be- 
zeichnen die  auftretenden  Sinnestäuschungen, 
deren  Natur  stets  eine  mehr  oder  minder  indi- 
viduelle ist,  jedoch  auch  von  den  unmittelbar  vor- 
hergegangenen Eindiücken  und  dem  Geistes- 
zustände des  Betäubten  abhängt  und  die  den 
Hauptreiz  des  Opiumgenusses  bilden.  Der  Zauber 
des  Haschischgenusses  beruht  ganz  auf  denselben 
Erscheinungen. 

EIN  BILD  AUS  DEM  CHINESISCHEN  LEBEN. 

Edwin  Arnold,  einer  der  Orienlreisenden, 
dessen  Name  bei  allen  Denjenigen,  welche  sich 
mit  dem  Studium  asiatischer  Zustände  beschäf- 
tigen, einen  guten  Klang  hat,  veröffentlichte 
kürzlich  im  „Daily  Telegraph"  einen  Bericht  über 
seine  neueste  Reise  nach  Japan,  dem  wir  nach- 
stehende  Skizze  entnehmen  : 

In  San  Francisco  kamen  ausser  go  Salon- 
passagieren auch  670  nach  der  Heimat  zurück- 
kehrende chinesische  Auswanderer  an  Bord,  die 
im  Hintertheil  des  Schiffes  auf  drei  Verdecken 
untergebracht  wurden  ;  sie  lagen  natürlich  dicht- 


I 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


7» 


gedrängt  aufeinander.  Mit  Ausnahme  der  (Jfficiere 
befanden  sieb  nur  chinesische  Mannschaften  zur 
Hedienung  des  Schiffes  und  der  Reisenden  an 
Mord,  die  ihre  Arbeit  in  ausgezeichneter  Weise 
verricliteten  und  durch  deren  Vermittlung  es 
möglich  war,  tiefere  Blicke  in  das  Leben  der 
chinesisi'hen  Mitpassagicre  zu  werfen.  Auf  die 
Frage,  weshalb  tlie  Chinesen,  wenn  sie  schon 
dem  Tode  nahe  sind,  doch  so  häufig  noch  an 
Rord  gehen,  um  ohne  Hoffnung,  die  Heimat  lebend 
zu  erreichen,  noch  die  Reise  anzutreten,  meinte 
Ah-Kat,  der  zur  Bedienung  Arnold's  bestimmte 
Kajütendiener,  in  seinem  gebrochenen  (Ridgern) 
Knglisch :  „Sie  wissen  vielleicht  viel,  aber  Sie 
kennen  doch  die  Bodenseite  eines  chinesischen 
Gemüthes  noch  nicht;  nehmen  Sie  an,  ich  sterbe 
an  Bord,  so  komme  ich  wohlfeil  nich  China." 
Und  das  ist  auch  wirklich  der  Kall.  Eine  ver- 
zehrende Sehnsucht  erfüllt  jeden  Chinesen,  der 
ausserhalb  seines  Vaterlandes  lebt,  dass  seine 
Gebeine  nach  seinem  Tode  der  heimatlichen  Erde 
anvertraut  werden,  und  diese  Sehnsucht  wird 
noch  durch  die  Lehren  der  Religion  und  die 
Macht  der  Gewohnheit  verstärkt.  In  jedem  ("on- 
tractsverhältniss,  welches  ihn  ausserhalb  seines 
Vaterlandes  führt,  bedingt  sich  der  Chinese  aus, 
dass  im  Falle  seines  Todes  seine  sterblichen 
Reste  einem  chinesischen  Grabe  anvertraut  werden 
sollen.  Diejenigen,  welche  in  Californien  -aus  dem 
Leben  scheiden,  werden  vorläufig  von  ihren 
Freunden  zur  Erde  bestattet,  aber  nur,  um  nach 
einer  gewissen  Zeit  wieder  aufgegraben  und  für 
die  letzte  Reise  nach  der  Heimat  eingepackt  zu 
werden.  Die  Dampfer  auf  dem  Stillen  Ocean  sind 
daran  gewöhnt,  solche  weniger  angenehme  Fracht, 
natürlich  gegen  hohe  Bezahlung,  anzunehmen  und 
zu  befördern  ;  gewöhnlich  werden  sie  unter  dem 
Namen  „Fischgräten"  in  den  Listen  verzeichnet. 
Sieht  man  übrigens  den  schlitzäugigen  Passa- 
gieren nicht  scharf  auf  die  Finger,  wenn  sie  an 
Bord  kommen,  so  machen  sie  häufig  den  Versuch, 
Alles,  was  von  einem  verstorbenen  Freunde  oder 
Verwandten  noch  übrig  ist  und  ohne  zu  grosse 
lJnl)e(|uenilichkeit  verführt  werden  kann,  in  einem 
Koffer  oder  einer  Theekiste  an  Bord  zu  bringen, 
indem  sie  nicht  nur  der  Gesellschaft  einen  Streich 
spielen,  was  einem  chinesischen  Herzen  immer 
eine  gewisse  Befriedigung  gewährt,  sondern  auch 
ihre  gesellschaftlichen  l'llichten  im  Geiste  der 
Grundsätze  des  Confucius  erfüllen.  Das  Schiff, 
auf  dem  Arnold  die  Reise  machte,  stand  unter 
einer  vorzüglichen  Leitung,  welche  mit  den 
Listen  der  Chinesen  vollständig  vertraut  war, 
so  dass  nichts,  was  der  Gesumlheit  schädlich 
sein  konnte,  Zugang  zu  dem  Hinterdeck,  dem 
Aufenthalt  der  Chinesen,  gefunden  hatte.  Den- 
noch muss  der  Aufenthalt  dort,  selbst  für  Je- 
mand, der  gewohnt  war  in  den  Höhlen  des 
chinesischen  Viertels  zu  leben,  manchmal  ent- 
setzlich gewesen  sein  und  Gefühle,  wie  Dantes 
Hölle  erweckt  haben.  Die  Dünste,  welche  -aus 
den    zum  Schutz    gegen    Regen    und    überschla- 


gende Wellen  mit  gcthcertcr  Leinwand  über- 
deckten Luken  entstiegen,  schlössen  schon  jede 
persönliche  Untersuchung  aus.  Wenn  man  sich 
aber  eine  Gesellschaft  von  700  Chinesen,  die  zu 
drei  übereinander  verpackt  sind,  vorstellt  und 
dabei  eine  Reihe  nasser  Nächte  und  unruhiger 
'läge  berücksichtigt,  während  welcher  das  Schiff 
Sprünge  wie  ein  Delphin  macht  und  die  ganze 
Schaar  bezopfter  Gesellen  zu  einem  hilflosen 
Chaos  zusammenschüttelt,  so  wird  man  sich  eine 
schwache  Vorstellung  von  dem  Bilde  machen 
können,  welches  die  Schiffswändc  einschlössen. 
Im  Laufe  der  ersten  fünf  oder  sechs  Nächte  en- 
deten zwei  der  armen  gelbhäutigen  Burschen 
ihre  Laufbahn.  Sie  waren  sterbend  an  Bord  ge- 
kommen, in  dem  letzten  Stadium  körperlicher 
Erschöpfung ;  nur  den  einen  hatte  man  eines 
Morgens  todt  auf  seinem  Schlafplatz  gefunden, 
während  <ler  Tod  des  anderen  in  einer  Nacht 
durch  das  Geschrei  seiner  Nachbarn  kundgegeben 
wurde ;  selbst  Chinesen  finden  es  unangenehm, 
wenn  bei  jeder  Schlingcrung  des  Schiffes  ein 
todter  Körper  gegen  sie  anrollt.  Das  Verfahren 
in  solchen  Italien  ist  durchaus  gleichmässig.  Da 
die  Gesellschaft  sich  contractiich  verpflichtet  hat, 
den  Chinesen  lebend  oder  todt  in  seine  Heimat 
zu  bringen,  wenn  er  sie  entsprechenci  dafür  ent- 
schädigt, so  hat  das  Schiff  eine  Anzahl  roh  be- 
arbeiteter Särge  an  Bord.  Einer  dersell)en  wird 
aus  dem  Raum  heraufgeholt  und  der  Kajüten- 
wächter der  Chinesen  verlangt  nun  30  Dollars  für  die 
liinbalsamirung.  Nur  selten  findet  sich  das  Geld 
in  den  Taschen  des  Verstorbenen  oder  in  seinem 
Gürtel  oder  seinen  Schuhen,  denn  wiewohl  seine 
Landsleute  den  bereits  Verstorbenen  nicht  leicht 
bestehlen  würden,  machen  sich  doch  manche 
derselben  weniger  Gewissensbisse,  sich  das  Geld 
eines  im  Sterben  liegenden  Gefährten  anzueignen. 
Doch  die  Mehrzahl  derselben  ist  recht  freigebig, 
eine'  zinnerne  Schüssel  wird  mit  gebranntem 
Zucker  gefüllt,  in  welchen  einige  geweihte  Kerzen 
hineingesteckt  sind,  und  dann  umhergetragen, 
um  Beiträge  für  das  Begräbniss  zu  sammeln. 
Jeder  gutgesinnte  Chinese  nimmt  mit  den  Finger- 
spitzen etwas  Zucker  und  legt  seine  Gabe,  sei 
es  lo  Cents,  '/«  oder  '/^  Dollar  in  die  Schüssel;  dies 
dauert  so  lange,  bis  die  erforderliche  Summe 
gesammelt  ist.  Dann  öffnet  der  Kajütendiener 
oder  einer  seiner  Gehilfen  die  Schenkelschlag- 
ader des  Verstorbenen  und  spritzt  eine  starke 
.Auflösung  verschiedener,  die  Verwesung  ver- 
hindernder Stoffe,  wie  Carbolsäure,  .Arsenik  u.  A. 
in  die  Gefässe  ein.  Der  so  beschützte  Körper 
wird  in  Leinwand  gewickelt,  in  einen  der  roh  be- 
arbeiteten Särge  gelegt  und  an  das  Geländer 
des  Schiffes  festgebunden  ;  ein  an  demselben  be- 
festigtes Papier  trägt  in  chinesischen  Schriftzeichen 
Namen  und  .Adresse  des  unglücklichen  .Auswan- 
derers, der  aus  einem  Passagier  ein  Theil  der 
Ladung  geworden  ist.  Friedlich  standen  während 
der  weiteren  Reise  zwei  Särge  fest  an  das  Ge- 
länder des  Hinterdecks   gebunden,    die    früheren 


80 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Genossen  des  Verstorbenen  sassen  ruhig  und 
gleichgiltig  auf  denselben  oder  um  dieselben  hin 
und   rauchten   ihre  Pfeife. 


MISCELLEN. 
Das  chinesische  See-Arsenal  zu  Kiang-Nan. 

Dieses  Arsenal  liegt  am  Ufer  des  Flusses  Hoangpu 
und  circa  2  Meilen  stromaufwärts  von  den  Conces- 
sionen  der  Europäer  in  Shanghai.  Es  besteht  seit 
etwa  20  Jahren  und  wurde  vom  General-Gouverneur 
der  beiden  Kiang,  auch  Viecekönig  von  Nanking 
genannt,  dem  bekannten  Tso  -  Tsung  -  tang  • — 
berühmt  durch  die  Campagne  von  Kaschgar,  in 
welcher  er  die  chinesischen  Truppen  siegreich 
befehligte  —  gegründet.  Das  Arsenal  von  Kiang- 
Nan,  welches  zu  dem  Zwecke  erbaut  wurde,  um 
als  Reparaturs-  und  Vorrathsarsenal  für  die  chine- 
sische Südflotte  zu  dienen ,  verlor  durch  das 
überwiegende  Anwachsen  der  Nordflotte  viel  an 
Bedeutung,  und  wird  jetzt  in  ein  Arsenal  für  die 
Landarmee  umgewandelt  werden.  Die  Schiff- 
bauwerften sind  seit  Jahren  unthätig  und  das 
Trockendock,  welches  nicht  mehr  als  8u  m  Länge 
hat,  dient  nur  zum  Reinigen  des  Bodens  kleinerer 
Flusskanonenboote  und  Schleppdampfer.  Die 
administrative  Leitung  des  Arsenales  ist  in  die 
Hände  dreier  Mandarine  gelegt,  die  ein  Comite 
bilden,  dessen  Secretär  den  Titel  „Unterdirector" 
führt.  Der  techniche  Theil  der  Leitung  ist 
Europäern  anvertraut.  Das  Arsenal  besteht  aus 
8  Werkstätten,  nämlich:  Montirungswerkstätte, 
Kesselwerkstätte,  Gewehrfabrik,  Kanonenfabrik, 
Werkstätte  für  die  Erzeugung  von  Geschossen, 
Giesserei,  Schiffswerfte,  Trockendock.  Folgende 
Europäer  functioniren  in  diesem  Arsenale:  Ein 
Maschineningenieur  (Engländer) ;  ein  Director 
der  Kanonenfabrik,  Engländer,  Ingenieur  der 
F"irma  .Armstrong ;  ein  Director  für  die  Fabrikation 
der  Projectile,  Engländer ;  ein  Uebersetzer  für 
die  Uebersetzung  von  in  europäischen  Sprachen 
geschriebenen  Werken  ;  ein  Professor  der  französi- 
schen Sprache,  Director  der  französischen  Schule 
des  Arsenals.  Trotz  der  Absicht,  dieses  See-Arsenal 
in  ein  rein  militärisches  umzuwandeln,  scheint  man 
doch  das  Trockendock  für  die  etwa  erforderlichen 
Reparaturen  an  den  Schiffen  der  Südflotte  erhalten 
zu  wollen.  Die  Gewehrfabrik,  ausschliesslich  von 
Chinesen  geleitet,  besitzt  eine  vollständige  Ein- 
richtung an  Maschinen;  die  Aufsicht  über  diese 
letzteren  führt  ein  englischer  Maschineningenieur. 
Erzeugt  werden  Remington-Gewehre,  doch  wurde 
auch  die  Herstellung  jener  von  Lee  und  Mauser 
versucht.  Die  Zahl  der  jährlich  fabricirten  Gewehre 
beträgt  2800 — 3000 ,  doch  kommen  dieselben 
doppelt  so  theuer  zu  stehen,  als  wenn  man  sie 
in  Amerika  kaufen  würde.  Die  Werkstätten  für 
die  Erzeugung  von  Geschützen  sind  grossartig, 
ihr  Maschinencomplex  ist  vollständig  und  ganz 
gleich  jenem  der  Firma  Armstrong.  Man  baut 
dort  Armstrong-Geschütze  von  30  /  und  weniger. 
Obwohl  die  maschi.ielien  Einrichtungen  auch  für 
die  F'abrikation  der  Rohre  genügen  würden,  bezieht 


man  letztere  doch  schon  fertig  von  England.  Alle 
anderen  Geschütztheile  werden  in  der  Werkstätte 
erzeugt,  und  zwar  nach  dem  gleichen  Systeme, 
wie  sie  die  Firma  Armstrong  herstellt.  Die 
Direction  dieser  Werkstätte  ist,  wie  schon  erwähnt, 
einem  Ingenieur  der  Firma  Armstrong  anvertraut. 
Bis  zum  Jahre  1888  erzeugte  man  nur  Armstrong- 
Vorderlader  ;  später  begann  man  Armstrong- 
Geschütze  mit  dem  De  Bang-Verschlusse  herzu- 
stellen. Bis  jetzt  wurden  von  diesem  Systeme 
4  Stück  203  /«»/-Geschütze  gebaut ;  2  25  /-Ge- 
schütze sind  nahezu  vollendet.  Das  Arsenal  kann 
jährlich  im  Durchschnitte  24  Geschütze  zu  30  / 
herstellen.  Die  dort  erzeugten  Geschütze  dienen 
für  die  Armirung  der  festen  Plätze  und  der  Schiffe 
des  Vicekönigs  von  Nanking.  Falls  andere  Pro- 
vinzen des  chinesischen  Reiches  Geschütze  aus 
dem  Arsenale  beziehen  wollen,  müssen  sie  die 
Kosten  derselben  dem  Arsenalsfond  ersetzen. 
Kürzlich  wurden  2  8zöllige  Geschütze  für  die 
Vertheidigung  von  Uei-Hai-Nei  bestellt,  die  — 
wie  es  scheint  — -  auf  Verschwindungslafetten 
installirt  werden  sollen.  Auch  die  Werkstätte  zur 
Herstellung  von  Projectilen  ist  vorzüglich  ein- 
gerichtet. Die  Geschosse,  welche  hier  erzeugt 
werden,  entsprechen  den  Calibern  der  Krupp- 
und  Armstrong-Geschütze,  mit  denen  China  ver- 
sehen ist.  Auch  diese  Werkstätte  ist  von  einem 
Engländer  geleitet ;  sie  fabricirt  täglich  im  Mittel 
20  Geschosse  für  schweren  und  200  Geschosse 
für  leichten  Caliber.  Ein  grosser  Theil  der! 
erzeugten  Geschosse  geht  nach  den  anderen-1 
Provinzen  Chinas.  Dieses  Product  des  Arsenales'^ 
ist  das  einzige,  welches  billiger  zu  stehen  kommt, 
als  man  dasselbe  in  Euroija  kaufen  würde. 

(Rliltheilungen  aus  dem  Gebiete  des  Seewesens.) 
Aus  Thibet.  Vor  der  letzten  Versammlung 
der  Pariser  Geographischen  Gesellschaft  erstattete 
der  Abbe  Desgodins  Bericht  über  seine  Thätig- 
keit  in  Thibet.  Nach  einem  vierunddreissigjährigen 
Aufenthalte  daselbst  ist  er  nach  Frankreich  zu- 
rückgekehrt, um  ein  französisch-englisch-thibetani- 
sches  Lexikon  herauszugeben,  welches  er  im 
Vereine  mit  seinen  Collegen  in  Thibet  während 
dieser  Zeit  zusammengestellt  hat.  Die  thibetani- 
schen  Hochebenen  schildert  er  als  sehr  spärlich 
bevölkert,  die  Bewohner  müssen  aber  als  ein 
schöner  Menschenschlag  gelten.  Die  Thierwelt  ist 
ziemlich  reich  vertreten ,  hauptsächlich  durch 
Pferde,  Yaks  und  Schafe.  Die  Hauptstadt  des 
Landes,  Lhassa,  zählt  15.000  Einwohner,  be- 
stehend aus  Chinesen,  Mongolen  und  Leuten  aus 
Nepal  und  Kaschmir.  In  dieser  Zahl  sind  aber 
die  22.000  Lama-Mönche,  welche  in  grossen  und 
kleinen  Klöstern  zerstreut  leben,  nicht  inbegriffen. 
Der  Dalai-Lama  ist  nur  das  geistliche  Hau|)t  der 
Secte  der  sogenannten  „gelben  Lamas"  und  ge- 
niesst  keinerlei  Autorität  über  die  Buddhisten  im 
Norden  von  Thibet.  Die  Regierung  Thibets  ist 
thatsächlich  die  chinesische,  und  dieselbe  besteht 
aus  drei  Gesandten,  welche  von  sieben  Manda- 
rinen und  einer,  durch  das  ganze  Land  zerstreuten 
Armee  von  4000  Mann   unterstützt  werden. 


Yernntwortliclur  Bedaeteur:  A.  v.  Soala. 


Druck  Ton  Ch.  Reiiter  &  M.  W«rthn«r  in  Wien. 


D 


Juni-Heft  1890. 


OESTERREICHISCHE 


ünateclrift  für  kit  #ritnt 


Herausgegeben   vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 


Redigirt   von   A.   von   Soala. 


Monatlich   eine   Nummer. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Preis  jflhrl.  S  fl.  »  10  Mark. 


IHHALT :  iiii  dunkeihten  Afrika.  Vm\  A.v.  Schweigtr-Lerchenfeld. 
—  liudrilui  und  Jiua.  Von  Hermann  Ftigl.  —  Die  GenusHmittel 
de»  Oriente».  Von  Oustav  Troll,  (IV.)  —  Mlscelle:  Confureuz 
der  Misiiionäre  in  BhauKbaf. 

IM  DUNKELSTEN  AFRIKA.*) 

Von  A.  -von  Schweif  ir  -  Ltrchenfeld. 
I. 
Stanley  und  Emin  Pascha. 
Ijelten  hat  ein  Erforschungszug  so  sehr 
die  öffentliche  Meinung  beeinflusst,  die 
Urtheile  Einzelner,  ganzer  Parteien, 
ja  ganzer  Völker  von  leidensciiaft- 
licher  isrregung  getrübt,  wie  der  unbeschreiblich 
mühevolle  und  ereignissreiche  Marsch  Stanley's 
nach  Ae(|uatoria  und  von  dort  nach  der  Küste 
von  Sansibar.  In  der  Regel  werden  solche  Ex- 
peditionen im  Dienste  der  Wissenschaft,  oder  zu 
Nutz  und  Frommen  der  Civilisation  unternommen  und 
darnach  beurtheilt,  auf  ihren  Werth  geprüft.  In 
diesem  Falle  war  es  anders.  An  sich  ist  der  Stan- 
ley'sche  Zug  so  grossartig,  wie  nur  irgend  ein 
früheres  Unternehmen  dieser  Art;  aber  durch  die 
Ver(|uickung  rein  menschlicher  Dinge  mit  Zwischen- 
fällen von  unverkennbarem  politischen  Anstrich 
haben  hässliche  Flecken  den  Glanz  der  Stanley'schen 
Leistung  getrübt.  Nicht  dass  einen  der  beiden 
llau|)tl)ctheiligten  hiebei  ein  besonderes  Ver- 
schulden träfe,  denn  die  Charaktere  Stanley's  und 
Emin's  sind,  jeder  in  seiner  Weise,  von  jeder  Vcri 
unglimpfung  geschützt.  Die  Disharmonie,  weldie 
<ias  Ergebniss  des  Unternehmens  in  vielfacher 
Weise  beeinträchtigt,  liegt  weit  tiefer,  sie  liegt 
ausserhali)  der  Personen,  wenngleich  diese  es  sind, 
dii-  den  Ton  angeschlagen  haben,  der  so  störende 
Missklänge  ergab.  Die  im  Stanley'schen  Rettungs- 
werke in  die  Erscheinung  tretende  Disharmonie 
ist  kurz  gesagt  das  Ergebniss  eines  wechsel- 
seitigen Misstrauens,  das  ,von  der  Parteien  Hass 
und  Gunst'"  getragen  und  geschürt  wurde  und 
schliessli<'h  auf  das  Gebiet  der  grossen  Politik  hin- 
übersiiielte,  auf  dem  bekanntlich  alle  Gemüthlich- 
keit  ein  Ende  findet. 

Wer  das  umfangreiche,  an  den  nu-rkwünhg- 
sten  Dingen  überreiche  Stanley'sche  Reisewerk 
vom  Anfange    bis  zu  h'nde    aufmerksam    ilurchliest 

*)  AufMurlning:,  Kottuug  und  Uitrkzug  AVii«  Paacha's,  Gouver- 
nenrn  i)<>r  Ac«|U»toi-ialprovinz.  Von  Henry  M.  S(aHt*if.  AutorUirte 
dculsche  AiitifCHbe  von  H.  v.  WobesiT.  3  R&ndfl  mit  l&O  Abbll- 
ilnngen  und  3  Karlen  (.\II,  51S  und  VllI,  480  Selten).  I.eipllg, 
F.  A.  UroekhaUB,  ISSK). 

Munatiicbrift  fir  d«n  Orient.   Juni  1890. 


—  nein  :  durchstudirt  —  hat  behufs  Gewinnung 
eines  zutreffenden  Urtheiles  Dreierlei  zu  berück- 
sichtigen :  erstens  das  eigentliche  Endziel  des  Un- 
ternehmens in  allen  seinen  Wechselwirkungen,  ein- 
schliesslich des  Verhältnisses  der  Hauptbetheiligten 
dieses  Unternehmens  zu  einander;  zweitens  die  nur 
mit  der  Person  Stanley's  verknüpfte  Leistung  als 
solche,  als  Forschungszug,  die  in  ihren  Einzel- 
heiten von  einer  dramatischen  Beweglichkeit,  die 
ihresgleichen  nicht  findet,  und  von  ebenso  gross- 
artiger als  erschütternder  Gesammtwirkung  ist ; 
drittens  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  Ex- 
pedition mit  Losschälung  alles  dessen,  was  rein 
persönlicher  Natur  ist,  die  objectivc  Beurthcilung 
der  Leistung  vom  rein  sachlichen  Standpunkte. 
Auf  Basis  dieser  dreifachen  Beurthcilung  gliedern 
wir  unsere  Besprechung  des  Stanley'schen  Werkes 
in  drei  Theile  und  beginnen  wir  mit  dem  dem  all- 
gemeinen Interesse  zunächst  liegenden  Gegenstande 

—  „Stanley  und  Emin"  —  der  freilich  derjenige 
Abschnitt  des  Gesammtunternehmens  ist,  den  die 
öffentliche  Meinung,  bei  förmlicher  .Ausschliessung 
alles  Anderen,  bereits  vor  einiger  Zeit  aufgriff  und 
in  mehr  oder  weniger  leidenschaftlicher  Weise  be- 
handelte. Wer  ausserhalb  des  politischen  und  na- 
tionalen Parteihaders  steht,  hat  die  Aufgabe,  die 
Dinge  streng  objectiv  zu  beurtheilen.  Es  soll  den 
Lesern  überlassen  bleiben,  zu  beurtheilen,  inwie- 
weit der  Referent  dieser  schwierigen  Aufgabe  sich 
gewachsen  zeigte. 

Halten  wir  uns  zunächst  eine  rein  mensch- 
liche Angelegenheit  vor  Augen.  Ein  schwer  be- 
drängter, hilfsbedürftiger  Mann,  der  sich  um  die 
Civilisation  und  Humanität  die  grössten  Verdienste 
erworben  und  durch  seltene  Geistes-  und  Cha- 
raktereigenschaften die  .Aufmerksamkeit  aller  Ur- 
theilsfähigen  auf  sich  gezogen  hat,  wird  von  einer 
Schaar  opferwilligster  und  ausdauerndster  Pfad- 
finder aufgesucht,  um  gerettet  zu  werden.  Die 
Hindernisse,  welche  hiebei  zu  überwinden  sind,  ge- 
stalten sich  so  ungeheuerlich,  dass  Naturen  von 
seltener  physischer  und  psychischer  Constitution 
dazu  gehören,  sie  zu  bewältigen.  Der  Schrecken 
dauert  nicht  Wochen,  nicht  .Monate  —  er  dauert 
jähre  lang.  Hunger  und  Kr.inkheiten,  feindliche 
Angriffe  und  schier  unglaubliche  Strapazen  lichten 
die  Schaar,  welche  sich  den  Führern  angeschlossen 
hat,     in     Schrecken     erregender     Weise ;      jeder 


82 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN   ORIENT. 


Tag  fordert  seine  Opfer;  die  Lagerplätze  werden 
zu  Friedhöfen,  welche  Pestilenz  aushauchen ;  die 
Führer  selber  gerathen  in  einen  Zustand  des  Elends, 
der  grauenerregend  ist :  sie  sehen  ihre  freute  ver- 
schmachten und  können  nicht  helfen;  sie  haben  nur 
ein  Ziel  —  die  Rettung  des  Bedrängten  —  vor 
Augen ;  sie  hungern  mit  ihren  Leidensgefährten, 
die  sie  in  diese  Wildnisse  geführt  haben  ;  sie  werden 
selber  von  todbringenden  Krankheiten  ergriffen, 
und  die  Sorge,  die  Schutzbefohlenen  möglicher- 
weise sich  selbst  überlassen  zu  müssen,  fügt  zu  dem 
physischen  Elend  die  grössten  moralischen  Qualen. 

Schliesslich  wird  Alles  —  allerdings  mit  un- 
geheueren Opfern —  überwunden,  und  die  Wackeren 
scheinen  am  Ziele  ihrer  Bestrebungen  zu  sein.  Aber 
der  Gesuchte  ist  nicht  dort,  wohin  zu  kommen  ihm 
ein  Leichtes  gewesen  wäre  und  die  Erschöpften 
ringen  noch  Monate,  um  aus  ihrer  verzweifelten 
Lage  herauszukommen  .  .  .  Nennen  wir  nun  die 
Dinge  bei  ihrem  wahren  Namen  .  .  .  Bekanntlich 
waren  Stanley  und  seine  Leute  das  erste  Mal  Mitte 
December  1887  an  den  Albertsee  gekommen,  und 
hatten  erwartet,  daselbst  Emin,  der  von  dem  Her- 
annahen des  Zuges  wusste,  anzutreffen.  Diese  Er- 
wartung wurde  grimmig  enttäuscht.  Mit  Recht  durfte 
Stanley  sagen:  „Als  ich  darüber  nachgrübelte,  wie 
die  Hoffnungsfreudigkeit,  welche  uns  bisher  be- 
seelte, so  seltsam  ein  plötzliches  Ende  gefunden 
hatte,  kam  mir  der  Gedanke,  dass  sich  wohl  nie- 
mals einem  Reisenden  im  wilden  Afrika  eine  ent- 
muthigendere  Aussicht  gezeigt  habe,  als  sich  uns 
hier  (am  Albertsee)  enthüllt  hatte.  Von  dem  Augen- 
blicke an,  als  wir  am  21.  Jänner  1887  England 
verlassen  hatten,  bis  zu  diesem  14.  December  war 
keinem  von  uns  die  Idee  gekommen,  dass  unsere 
Pläne  so  nahe  am  Ziele,  wie  wir  es  waren,  noch 
vollständig  vereitelt  werden  könnten.  Wir  hatten 
gehofft,  hier  Nachrichten  vom  Pascha  anzutreffen; 
nach  unserer  Ansicht  musste  der  Gouverneur  einer 
Provinz,  die  zwei  Dampfer,  Rettungsboote,  Canoes 
und  Tausende  von  Leuten  besass,  an  einem  so 
kleinen  See,  wie  der  Albert-Njansa,  den  man  an 
zwei  Tagen  von  einem  Ende  zum  anderen  umfahren 
kann,  überall  bekannt  sein.  Als  wir  durch  äusserste 
Schwäche  gezwungen  waren,  unser  Stahlboot  in 
Ipotü  zurückzulassen,  hofften  wir,  dass  eines  von 
dreien  der  Fall  sein  würde :  entweder,  dass  der 
Pascha,  der  durch  mich  von  unserem  Kommen  in 
Kenntniss  gesetzt  war,  die  Eingeborenen  von  un- 
serem Erscheinen  vorbereitet  hätte,  oder  dass  wir 
ein  Canoe  kaufen ,  oder  ein  solches  anfertigen 
könnten.  Allein,  der  Pascha  hatte  das  südliche  Ende 
des  Sees  nie  besucht  (!)  und  ebensowenig  war  ein 
Canoe  zu  haben,  oder  ein  Baum  zu  finden,  aus  dem 
ein  solches  hergestellt  werden  konnte." 

Emin  Pascha  hatte  im  November  1887  an 
seinen  Freund  Dr.  Felkin  geschrieben:  „Es  ist  Alles 
in  gutem  Gange;  in  den  besten  Beziehungen  mit 
den  Häuptlingen  und  den  Leuten  ;  werde  mich  binnen 
Kurzem  nach  Kibiru  am  Ostufer  des  Albertsees 
begeben.  Habe,  um  nach  Stanley  Umschau  zu  halten, 
eine     Recognoscirungs  -  Abtheilung     ausgeschickt, 


welche  noch  nicht  zurückgekehrt  ist.  Erwarte 
Stanley  ungefähr  am  15.  December  .  .  ."  Merk- 
würdigerweise war  die  Entsatz-Expedition  fast  auf 
den  Tag  genau  am  Albertsee  angekommen ;  sie 
fand  Niemanden  und  nichts.  Schon  eine  rein  mensch- 
liche Erwägung  hätte  Emin  bestimmen  sollen,  für 
seine  Retter  zu  sorgen.  Alles  aufzubieten,  um  die 
— •  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  lag  —  sehr 
herabgekommenen  Eintreffenden  entsprechend  zu 
empfangen. 

Es  ist  ein  Räthsel,  wie  ein  Mann,  in  dessen 
Charakter  die  Weichmüthigkeit  und  das  humanitäre 
Empfinden  vorherrschen  und  in  dessen  Herzen  der 
Undank  keinen  Platz  hat,  sich  einer  solchen  Ver- 
säumniss  schuldig  machen  konnte.  Von  Wadelai 
bis  zum  Südende  des  Albertsees  sind  es  nur  wenige 
Tagereisen  und  Emin  konnte  diese  Strecke  bequem 
im  Dampfer  zurücklegen.  Und  dennoch  war,  wie 
bereits  erwähnt,  sogar  der  Name  Emin's  in  jener 
Gegend  unbekannt!  Stanley  aber  hätte  25  Tage- 
märsche  bis  Wadelai  zurückzulegen  gehabt,  wobei 
es  immerhin  zweifelhaft  war,  ob  Emin  dortselbst 
anzutreffen  war.  Um  aber  den  Wasserweg  ein- 
schlagen zu  können,  bedurfte  es  eines  Bootes.  Es 
war  keines  zu  haben;  das  Stahlboot  „Advance"  lag 
in  Ipoto,  also  etwa  zwanzig  Tagemärsche  rück- 
wärts. 

Man  kann  es  Stanley  nicht  verdenken,  wenn 
ihn  diese  Sachlage  sehr  bekümmerte.  Immer  ener- 
gisch und  pflichttreu,  versäumte  er  keinen  Augen- 
blick, und  machte  sich  auf  den  Weg  nach  Ipoto  .  .  . 
„Das  Unvermeidliche  umgab  uns,  damit  das  Gesetz 
sich  erfülle,  dass  man  das  Erstrebenswerthe  nur 
mit  Mühe  und  Geduld  erreichen  kann.  Wohin  wir 
blicken  mochten,  überall  war  uns  das  Vordringen 
verschlossen,  ausgenommen  unter  Kämpfen,  Tödten, 
Zerstören,  Vernichten  und  Vernichtetwerden.  Für 
Unjoro  hatten  wir  kein  Geld  und  keine  passenden 
Waaren ;  der  Marsch  nach  Wadelai  war  nur  eine 
nutzlose  Vergeudung  von  Munition,  deren -Mangel 
uns  wahrscheinlich  an  der  Rückkehr  verhindert  und 
in  dieselbe  Hilflosigkeit  versetzt  haben  würde,  in 
Welcher  Emin  Pascha  sich  befinden  sollte.  Richteten 
wir  unsere  Blicke  auf  die  See,  so  wurden  wir  daran 
erinnert,  dass  wir  Zweifüssler  waren,  die  etwas 
Schwimmkraftbesitzendes  brauchten,  das  sie  über 
das  Wasser  zu  tragen  vermag.  Alle  Wege,  mit 
Ausnahme  desjenigen,  auf  dem  wir  gekommen 
waren,  waren  uns  verschlossen  und  unsere  Lebens- 
mittel inzwischen  erschöpft." 

Der  Gedanke  an  diese  fast  tragisch  zu  nen- 
nende Wendung  der  Dinge,  kann  nur  mit  einem 
stillen  Vorwurfe  gegen  Emin  vereint  werden.  Er 
hatte  Tausende  von  Leuten,  zwei  Dampfer  und 
einen  Weg  von  nur  vier  Tagereisen  bis  zum  Süd- 
ende des  Sees. 

Was  würde  es  dem  Gouverneur  von  Ae(]uatoria 
weiter  gekostet  haben,  dortselbst  ein  fliegendes  Lager 
von  nur  etwa  fünfzig  Mann  zu  Stationiren  und  Vor- 
räthe  aufzuhäufen?  Die  Provinz  war  ja  damals  noch 
vollkommen  ruhig  und  Emin  selber  schildert  in  dem 
üben  citirten  Schreiben    seine  Lage    als    eine   ganz 


^ 


OESTERRE1CHISCHB   MONATSSCHRIFT   F0R    DEN   ORIENT. 


gute.  ICs  ist  auffällig,  dass  in  der  Besprechung  der 
Controversc  zwischen  Stanley  und  Emin  die  Presse 
diesen  Punkt  bisher  gar  nicht  berührt  hat.  Das  ist 
unseres  Eracbtens  denn  doch  eine  sehr  einseitige 
Bcurtheilung  des  vielbesprochenen  Verhältnisses 
zwischen  den  beiden  Hauptacteuren  in  dieser  Epopöe. 
Zur  Ehre  Stanley's  sei's  gesagt,  dass  er  diesen  be- 
schämenden Zwischenfall  in  keinerEmin  ungünstigen 
Weise  commentirt;  er  beschränkt  sich  auf  die 
blosse  Verwunderung,  dass  Emin  —  nicht  ge- 
kommen. 

Am  7.  Jänner  1888  traf  die  Expedition  im 
Fort  Bodo  ein,  am  18.  April  war  sie  wieder  am 
Albertsee.  Es  waren  also  volle  vier  Monate  ver- 
loren gegangen.  Am  29.  April  erfolgte  die  erste 
Begegnung  mit  Emin  Pascha,  der  mittlerweile  auf 
Grund  eines  „Gerüchtes",  dass  im  Süden  des  Sees 
weisse  Leute  gesehen  worden  seien,  dahin  aufge- 
brochen war.  Die  Begegnung  geschah  in  später 
.Abendstunde  im  Lager  zu  Kavalli.  Emin  sagte  zu 
Stanley:  „Ich  bin  Ihnen  viel  tausend  Dank  schuldig, 
und  weiss  wirklich  nicht,  wie  ich  Ihnen  denselben 
aussprechen  soll  .  .  ."  Stanley  war  von  der  Persön- 
lichkeit Emin's  im  Grossen  und  Ganzen  enttäuscht. 
Er  hatte,  wie  dies  seinem  eigenen  Wesen  entsprach, 
einen  strammen,  körperlich  starken  und  schneidigen 
Soldaten  erwartet,  und  fand  das  Gegentheil.  Wenn 
nun  auch  nicht  jeder  Mensch  einen  unternehmungs- 
lustigen, temperamentvollen  Huszarenofficicr  vor- 
stellen kann  und  neben  solchen  auch  andere  Indi- 
vidualitäten zu  bestehen  das  Recht  haben,  war  mit 
obiger  Begegnung  gleichwohl  eine  der  Illusionen 
Stanley's  zerstört.  Das  kann  ihm,  dem  kühnen 
Afrikareisenden,  unmöglich  verübelt  werden.  Von 
seiner  Unparteilichkeit  und  Ausserachtlassung  allen 
persönlichen  Geschmackes  spricht  der  Umstand, 
dass  er  Emin  liebevoll  und  mit  grösster  Nachsicht 
behandelte.  Das  war  sehr  schwer,  denn  Emin  zeigte 
gleich  bei  Beginn  der  Unterredung  wenig  Lust, 
Afrika  zu  verlassen  ;  nicht  so  sehr  seiner  Person 
wegen,  als  der  vielen  Leute  halber,  im  Ganzen 
10.000,  welche  fortzuschaffen  waren.  In  diesem 
Punkte  scheint  auch  Stanley  sich  keine  richtige 
Vorstellung  von  den  Hindernissen  gemacht  zu 
haben. 

Die  späterhin  von  Kavalli  aufgebrochene  Ka- 
ravane  von  über  1500  Köpfen  nennt  er  ,, ungeheuer"  ; 
welche  Bezeichnung  würde  er  für  die  zehnmal 
grössere  Menschenmenge  —  fast  vorwiegend  Frauen 
und  Kinder  —  gewählt  haben? 

Das  Ergebniss  aller  Unterhandlungen  war,  dass 
Emin  entschlossen  war,  Afrika  zu  verlassen,  wenn 
seine  Leute  bereit  seien;  sonst  wollte  er  bei  ihnen 
bleiben.  Es  handelte  sich  um  65  Egypter  und  zwei 
Bataillone  sudanesische  Truppen,  im  Ganzen  rund 
1450  Mann  und  deren  Familien.  Schon  nach  wenigen 
'lagen  erklärte  Emin,  dass  er  überzeugt  sei,  seine 
Leute  würden  niemals  nach  Egyptcn  gehen;  höchstens 
die  l^gypter.  Diese  los  zu  werden,  wärel^min  herz- 
lich froh.  Nun  rückte  Stanley  mit  seinen  Vorschlägen 
heraus.  Ausser  dem  glatten  .'\bzuge  im  Sinne  der 
chcdivialen  Ordre  —  die   übrigens  die  Clausel  ent- 


hielt, dass  Emin  bleibeo  könne,  wenn  er  dies  für 
gut  befinde,  aber  fortan  auf  eine  officicile  Unter- 
stützung nicht  mehr  zu  rechnen  habe  —  kamen 
noch  weitere  zwei  Eventualitäten  in  Betracht :  ent- 
weder trat  Emin  in  die  Dienste  des  Congostaates, 
oder  er  zog  sich  an  den  Victoria-Njansa  zurück,  um 
späterhin  seine  Erfahrungen  einer  Privatgesellschaft 
zu  widmen.  Zu  beiden  Anträgen  war  Stanley  autori- 
sirt.  Der  König  der  Belgier,  als  Souverän  des 
Congostaates,  bot  1500  Pf.  St.  Jahresgchalt  und 
10.000 — 12.000  Pf.  St.  als  jährliche  Subsidie  für 
die  Verwaltung  von  .'\equatoria.  Alle  Ueberkostcn 
sollten  aus  den  Einnahmen  der  Provinz  bestritten 
werden.  Emin  antwortete,  er  sei  dem  Könige  der 
Belgier  sehr  verpflichtet,  aber  .  .  .  „so  lange  ich 
hier  bin,  gehören  die  Provinzen  Egypten  und  sie 
bleiben  sein  Eigenthum,  bis  ich  fortgehe.  Wenn  ich 
weggehe,  werden  sie  Niemands  Land.  Ich  kann 
meine  Flagge  nicht  in  solcher  Weise  streichen  und 
die  rothe  mit  der  blauen  vertauschen..  Ich  habe  der 
ersteren  mehr  als  zwanzig  Jahre  gedient,  die  letztere 
sah  ich  nie  ?" 

Das  war  gewiss  die  Antwort  eines  Mannes, 
der  das  Herz  am  rechten  Flecke  hatte.  Dagegen 
erscheint,  wie  so  Vieles  an  Emin,  räthselhaft, 
dass  ihm  der  dritte  Vorschlag,  der  .Abzug  nach 
dem  Victoria-Njansa  so  halb  und  halb  zusagte. 
Es  scheint  also  damals  bei  dem  Pascha  die  Er- 
wägung vorgewaltet  zu  haben,  unter  gewissen 
Voraussetzungen  Dienste  bei  der  britisch-ostafri- 
kanischen Gesellschaft  zu  nehmen.  Oder  freute 
sich  Emin  lediglich  darüber,  neue  Länder  kennen 
zu  lernen,  um  für  seine  ornithologischen  und  en- 
tomologischen Sammlungen  neue  werthvoUe  Oh- 
jecte  zu  erobern  ?  Fast  scheint  das  Letztere  der 
Fall  zu  sein,  denn  Stanley  hebt  wiederholt  die 
Freude  hervor,  welche  Emin  an  Reisen  und  Ex- 
cursionen  —  natürlich  nicht  „Reisen"  im  Sinne 
Stanley's   —   hatte. 

Im  Uebrigen  hatte  es  mit  der  Entscheidung 
für  den  einen  oder  den  anderen  Vorschlag  keine 
Eile,  da  Stanley  die  Nachhut,  welche  unter  Major 
Barttelot  in  Jambuja  zurückgeblieben  war,  ein- 
zuholen hatte.  Wir  kommen  in  einem  zweiten 
Artikel,  welcher  den  Einzelheiten  der  Expedition 
speciell  gewidmet  ist,  auf  die  Erlebnisse  der 
Barttelot'schen  Coloane  zurück,  und  halten  einst- 
weilen an  allen  jenen  Dingen  und  Vorfallenheiten 
fest,  welche  mit  Emin  verknüpft  sind.  Zunächst 
wünschte  dieser  die  Leute  nicht  direct  zu  be- 
einflussen, sondern  bat  Stanley,  durch  eine  Pro- 
clamation  den  Auszug  vorzubereiten.  Die  .Art 
und  Weise,  wie  Stanley  solche  Kundgebungen 
an  die  Afrikaner  stylisirt,  ist  sehr  bemerkens- 
werth.  Er  trifft  vorzüglich  den  Ton,  der  dem 
Verständnisse  dieser  Leute  angepasst  ist ;  zu- 
gleich gibt  er  sich  das  .Ansehen  eines  um  das 
Schicksal  seiner  Schutzbefohlenen  besorgten  Vaters, 
lässt  aber  überall  eine  gewisse  Autorität,  die  so 
gut  wie  inappellabel  ist,  durcbklingen.  In  eben 
solcher  Fassung  wurde  die  Proclamation  an  die 
egyptischen    Officiere    und  Truppen    in   Wadelai 


84 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT. 


erlassen    und    mit    der  Verlautbarung    derselben 
Stanley's   Officier  Jephson   betraut. 

Am   24.  Mai   war  Stanley   mit  seinen   Leuten 
aufgebrochen,    um    den  ungeheueren  Weg  durch 
das    Grasland,     durch     den    „grossen   Wald"   und 
längs    des  Iti'iri-Aruwimi    nach    dem    Lager    der 
Nachhut   bei  Jambuja  anzutreten.   Darüber  später. 
Am  17.  August  wurden   die  Trümmer  der   Bartte- 
lot'schen   Colonne     bei  Banalja    aufgefunden    und 
bereits  am  21.  sehen  wir  Stanley,   obwohl   furcht- 
bar  erschüttert  über    das  Vorgefallene,    physisch 
und    moralisch    leidend,     wieder  nach   Osten   auf- 
brechen.     Erst  am    l8.   Jänner  trifft  die  Entsatz- 
Expedition   wieder   am   Albertsee   ein.      Es  waren 
also    inzwischen     fast    acht    Monate    verstrichen. 
Was  Stanley  bei   seiner  dritten  Ankunft  am  See 
erfuhr,  war  niederschmetternd  genug :   Emin  und 
Jephson   in   den  Händen  der  egyptischen  Truppen, 
die   mittlerweile   rebellirt  hatten  ;   blutige    Kämpfe 
bei  Redjaf  und  üufile   mit  den   in  der  Aequatorial- 
provinz    eingebrochenen    Mahdisten.      Schon    bei 
der   Ankunft    im   Fort  Bodo,     nördlich  vom  Ituri, 
schöpfte   Stanley  Verdacht,    dass    etwas  Unheim- 
liches vorgefallen   sein  musste.   Jephson,   der  dort 
einzutreffen    hatte,   fehlte,     lieber   seinen   Verbleib 
war    nichts     in     Erfahrung    zu    bringen.      Stanley 
liess   daher  im  Fort  Bodo  unter  Lieutenant  Stairs, 
einem    der    tüchtigsten   Officiere    der  Expedition, 
eine    starke   Besatzung     zurück   und   machte    sich 
nach   dem   See  auf.      Hier  empfing  er  Briefe  von 
Emin    und  Jephson    aus   Dufile,     welche    die  be- 
kannten    Ereignisse     schilderten.      Es      war     am 
18.   August    1888     eine    partielle   Meuterei     unter 
den     egyptischen     Truppen     ausgebrochen  ,     und 
wurden    Emin   und  Jephson    zu   Gefangenen     ge- 
macht.     Der   Letztere    schrieb   unter  dem   7.   No- 
vember desselben  Jahres   Folgendes    an   Stanley : 
„Die  Rebellion  ist  durch   etwa  ein   halbes  Dutzend 
Egypter  (Officiere   und   Beamte)   in   Scene  gesetzt 
worden    und    nach   und   nach  haben   sich  Andere 
angeschlossen.    Einige  aus  Neigung,    die  Meisten 
aber    aus  Furcht.      Die   Soldaten,    mit  Ausnahme 
derjenigen   von   Labore,     haben    sich    niemals  an 
dem   Aufstande   betheiligt,    sondern   in   Ruhe  dem 
Befehle    der   Officiere   Folge    geleistet.      Die  her- 
vorragendsten Schürer   der  Rebellion   waren  zwei 
Egypter,     welche,     wie   wir  später  gehört  haben, 
sich   nach   Nsabe   begeben    haben,     um   bei   Ihnen 
Beschwerde  zu   führen.   Der  eine  war  des  Paschas 
Adjutant   Abdul   Wahab  Effendi,    der  früher  auch 
an   der   Empörung  Arabi   Paschas   theilgenommen 
hat,    der    andere   Achmed     Effendi    Mahmud,    ein 
einäugiger  Beamter.   Als   der  Pascha   und   ich  uns 
auf    dem    Wege    nach    Redjaf    befanden,     zogen 
diese   Beiden   und  einige  Andere    umher    und   er- 
zählten,   sie    hätten   Sie  gesehen  ;     Sie   seien   nur 
ein  .Abenteurer  und  nicht  von  Egypten   gekommen, 
die   von   Ihnen    überbrachten   Briefe   von   Khedive 
und    NuSar  Pascha    seien    Fälschungen ;     es    sei 
unwahr,     dass    Chartum     gefallen    sei,     und     der 
Pascha  und  Sie  hätten   ein  Complot  gemacht,   um 
sie,     ihre   Frauen   und   Kinder  aus   dem   Lande   zu 


führen    und    sie    als   Sclaven   den   Engländern   zu 
überantworten." 

Man    kann    sich     denken,     welche    Wirkung 
diese  Lügen   unter  einer  unwissenden    und   fanati- 
schen Menge  hatten.   Es   erfolgte   eine  allgemeine 
Rebellion,   l'^min     und  Jephson    wurden    gefangen 
gesetzt.      Einige    der    schlimmsten     der    Rebellen 
waren   sogar  dafür,  Emin   in  Eisen   zu   legen,  doch 
hegten    die   Officiere   Furcht,     diesen   Plan   auszu- 
führen,   da    die   Soldaten     erklärten,     sie    würden 
nie  zugeben,    dass   an   ihren  Führer   Hand   gelegt 
werde.   Zugleich  wurden  Pläne  geschmiedet,  Stan- 
ley  in    eine  Falle    zu   locken,   um   ihn   auf  irgend 
eine   Weise     unschädlich     zu     machen.      Mitten   in 
diesen  Wirren   fiel   ein   schwerwiegendes  Ereigniss 
vor:    die  Mahdisten    waren    in  Lado  eingetroffen 
und   hatten     drei   Pfauen-Derwische    mit   der   Auf- 
forderung in's  Rebellenlager  geschickt,   dem  Kha- 
lifen    von   Chartum    sich     zu     ergeben.      Die    drei 
Sendboten   wurden  in's  Gefängniss   geworfen.    Aut 
das   hin   griffen    die  Dangala    Redjaf  an   und  ver- 
trieben unter  empfindlichen  Verlusten  die  Egypter. 
Unter   den   Rebellenofficieren   war   die   Bestürzung 
gross.      Man   war     entschlossen,   den   Pascha  frei- 
zugeben,    zögerte     aber    damit,    weil  man  dessen 
Rache   fürchtete.     Zugleich   verweigerten   die   Sol- 
daten  ihren    Officieren   den   Gehorsam.    Als   über- 
dies   die   Rebellenofficiere    bei    dem   Angriffe  aut 
Redjaf    eine    zweite     empfindliche  Niederlage    er- 
hielten,  forderten   die  Soldaten  stürmisch  die  Frei- 
lassung  Emin's,   die   dann    endlich   erfolgte.      Man 
schickte   ihn,   sowie  Jephson  — der,   beiläufig   be- 
merkt,    während    der    dreimonatlichen  Gefangen- 
schaft  frei   umhergehen   konnte    —   nach  Wadelai, 
wohin   auch   die  Soldaten   und  Beamten   und  deren 
Familien     folgten,     da    die   Mahdisten   mittlerweile 
bis    Dufile    vorgedrungen     waren,     wo    erbitterte 
Kämpfe   stattfanden. 

Für  Stanley  war  nun  die  Zeit  für  entschie- 
denes Handeln  gekommen,  doch  machte  er  die 
Rechnung  ohne  den  Wirth,  d.  h.  ohne  den  säu- 
menden und  zögernden  Emin  Pascha,  der,  selber 
ohne  jede  autoritative  Gewalt,  so  weit  Einfluss 
auf  seine  Leute  zu  haben  meinte,  dass  er  auch 
jetzt  noch  ungefährdet  in  ihrer  Mitte  zubringen 
durfte.  Stanley  verlangte  positive  Entschlüsse  und 
stellte  hiefür  einen  Termin  von  20  Tagen  auf. 
Dieses  Auftreten  kränkte  Emin.  Es  ist  ganz  un- 
erklärlich weshalb;  denn  überschaut  man  Alles,  was 
Stanley  an  Opfern  gebracht,  an  Strapazen  durch- 
gemacht und  an  Enttäuschungen  erlebt;  erwägt 
man  ferner,  dass  er  seine  Scliutzbefohlenen  nicht 
den  Fährlichkeiten  eines  Aufenthaltes  auf  unbe- 
stimmte Zeit  im  Herzen  von  Afrika  aussetzen 
konnte,  so  ist  die  Empfindlichkeit  Emin's  ganz 
unverständlich.  In  dieser  Zeit  schrieb  Jephson, 
mit  dem  Stanley  fortgesetzt  im  brieflichen  Ge- 
dankenaustausche stand:  „Das  Gefühl  ist  der 
schlimmste  Feind  des  Paschas.  Emin  Pascha  hält 
Niemand  zurück  als  Emin  selbst  .  .  .  ."  Es  sollte 
aber  noch  schlimmer  kommen.  Emin  beantw'>rtete 
das  entschiedene  Begehren  um  positive  Entschlüsse 


OESTERHEICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN   ORIENT. 


85 


ausweichend  ;  am  Sciilusse  dieses  Schreibens  heisst 
es:  „IJa  Herr  Jephson  mit  diesem  Dam[)fer  ab- 
fährt und  mir  freundiiclist  versprochen  hat,  Ihnen 
dieses  Schreiben  zu  überbringen,  benütze  ich  die 
Gelegenheit,  um  Ihnen  die  grosse  Hilfe  und  Unter- 
stützung, die  seine  Gegenwart  mir  gewesen  ist, 
zu  bezeugen.  Unter  den  schwierigsten  Verhält- 
nissen hat  er  einen  so  grossartigen  Muth,  eine 
so  unerschütterliche  Freundlichkeit  und  Geduld 
erwiesen,  dass  ich  nicht  umhin  kann,  ihm  jeden 
Erfolg  im  Leben  zu  wünschen,  um  ihm  für  alle 
seine  Langmuth  zu  danken.  Da  ich  Sie  wahr- 
scheinlich nicht  mehr  sehen  zverde,  möchte  ich  Sie 
bitten,  seinen  Verwandten  von  meinem  Dank  an 
ihn  und  sie  Mittheilung  zu  machen  .  .  .  Ehe  ich 
schliesse,  bitte  ich  Sie,  mir  zu  gestatten,  auf's 
Neue  Ihnen,  Ihren  Officieren  und  Mannschaften 
meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen  und  Sie 
zu  ersuchen,  meine  ewige  Dankbarkeit  den  freund- 
lichen Leuten  zu-  übermitteln,  welche  Sie  uns  zu 
Hilfe  gesandt  haben.  Möge  Gott  Sie  und  Ihre 
Truppen  schützen  und  Ihnen  eine  glückliche, 
rasche   Heimreist   geben." 

üass  diese  Weichmüthigkeit  durchaus  nicht 
am  Platze  war,  haben  die  weiteren  lireignisse 
bewiesen.  Aber  Stanley  war  nicht  der  Mann,  sich 
irremachen  zu  lassen.  Zunächst  zog  er  die  Colonne 
des  Lieutenants  Stairs  aus  Fort  Bodo  heran. 
War  diese  eingetroffen,  plante  Stanley  mit 
300  Gewehrträgern  und  2000  Mann  eingeborner 
Hilfstruppen  den  ."ilbertsee  nordwärts  entlang  abzu- 
raarschiren  und  Emin  gewaltsam  zu  befreien.  Ihm 
war  es  unerklärlich,  was  der  Gouverneur  von 
seinen  Leuten  überhaupt  noch  Gutes  erwarten 
konnte.  Dass  sie  sich  nun  ihrem  Oberhaupte 
demüthig  erwiesen,  konnte  zwar  einen  Mann  von 
dem  Charakter  Emin's  täuschen,  nicht  aber  den 
in  der  Beurtheilung  der  Afrikaner  weit  erfahreneren 
Stanley.  Dieser  calculirte  so:  Es  ist  leicht,  die 
Motive  der  Officiere,  welche  Rebellen  sind  und 
Verräther  und  Mahdisten  unter  sich  haben,  die  ihre 
Berathungen  beeinflussen,  zu  verstehen  und  die 
natürlichen  I'^olgen  vorherzusagen.  Sie  werden  um 
die  Gunst  des  Khalifen  buhlen,  indem  sie  ihre 
angeblichen  Befreier,  ihren  früheren  Pascha  und 
seine  weissen  Gefährten  verrathen  und  in  seine 
(des  Khalifen)  Hände  bringen,  um  dafür  Ehre  und 
Ruhm  zu  erringen.  Für  die  Schnellfeuergeschütze, 
die  Magazin-  und  Remingtongewehre  und  einen 
Trupp  weisser  Gefangener  würde  der  Khalif  sie 
hübsch  belohnen.  Diejenigen,  welche  an  der  Ge- 
fangennahme derselben  hauptsächlich  betheiligt 
waren,  zu  Ehre  und  Geld  bringenden  Stellungen 
befördern  und  sie  mit  Staatskleidern  ausstatten. 
U.  s.  m. 

Inzwischen  hatte  sich  Emin  dennoch  ent- 
schlossen, Wadelai  zu  verlassen.  Es  wurden  An- 
stalten getroffen,  ihn  und  seine  Gefährten  einzu- 
holen. Wie  aber  die  Hilfeleistung  aufgefasst  wurde, 
entnimmt  man  aus  Folgendem.  Das  vorläufig  an- 
gemeldeteGepäckwarungeheuer:  l'"min  200 Lasten, 
Casati  (der  geklagt  hatte,  durch  Kabba-Rega,  den 


grimmigen  Häuptling  cer  Wanyoro,  „Alles  ver- 
loren zu  haben")  80  Lasten,  der  Apotheker  Vita 
40  Lasten,  der  Grieche  Marco  60  Lasten,  zu- 
sammen 380  Lasten  (d.  s.  ebensoviele  Träger) 
für  vier  Personen!  Ahttr  Stanley  ist  ehrlich  genug, 
um  in  seiner  Verzweiflung  auszurufen:  „Allerdings 
habe  ich  versprochen.  Alles  nach  dem  Lager  zu 
schaffen;  nun,  wenn  ich  ein  solches  Versprechen 
gegeben  habe,  muss  ich  es  wohl  halten." 

Am  17.  Februar  1889  traf  Emin  mit  seiner 
Karawane  (65  Personen)  im  Lager  ein.  Es  war 
auch  eine  Deputation  der  meuternden  Officiere, 
geführt  von  Major  Selim  Bey,  dabei.  Es  wurde 
eine  grosse  Parade  abgehalten,  und  Stanley  ver- 
stand es,  sich  Ansehen  zu  geben.  Seine  Officiere 
erschienen  zum  ersten  Male  in  funkelneuen  Uni- 
formen, was  grosse  Sensation  erregte.  Den  nächsten 
Tag  ereignete  sich  noch  ein  anderer  aufregender 
Zwischenfall :  Lieutenant  Stairs  (vom  Fort  Bodo) 
war  im  Lager  eingetroffen  .  .  .  „mit  gewaltigen 
Rcichthümern  aller  Art,  fertiger  Remington-, 
Maxim-  und  Winchestermunition,  Schiesspulver, 
Zündhütchen,  Ballen  von  Taschentüchern,  weissen 
baumwollenen  und  blauen  Leinwandstoflfen,  ge- 
streiften prächtigen  Kleidern,  Perlen  aller  Arten. 
Rollen  von  blitzendem  Draht  u.  s.  w.  Es  waren 
Sansibariten,  Mahdi,  Leute  aus  Lado,  Sudanesen, 
Manjema,  Balegga,  Bandussuma,  Zwerge  und  Riesen, 
insgesammt   312   Träger." 

An  demselben  Tage  hatte  Stanley  eine  lange 
Unterredung  mit  der  Deputation  der  meuternden 
Officiere,  welche  für  diese  die  Erklärung  abgab, 
nach  Egypten  abzuziehen.  Zu  diesem  Ende  erliess 
Stanley  eine  seiner  schneidigen,  lapidaren,  dem 
Geiste  der  Afrikaner  vortrefflich  angepassten 
„Prociamationen",  welche  Selim  nach  Wadelai 
zu  überbringen  hatte  .  .  .  Nun  begann  aber  das 
schreckliche  Geschäft  des  Gepäcktransportes.  Der 
Ausschiffungsplatz  am  Seeufer  war  drei  Stunden 
vom  Stanley'schen  Lager  entfernt  und  dieses  lag 
auf  dem  hohen,  steilrandigen  Plateau  des  West- 
randes des  Albertsees.  Unter  dem  Gepäck  befand 
sich  alles  erdenkliche  Gerumpel,  darunter  zahl- 
reiche schwere  Mahlsteine  !  Die  Träger  murrten, 
und  einmal  musste  Stanley,  gegen  seine  innere 
Ueberzeugung  und  nur  der  Disciplin  zu  Liebe, 
gegen  die  widerhaarigen  Sansibariten  einschreiten. 
Als  aber  bekannt  wurde,  dass  die  Egypter  die 
säumigen  Träger  sogar  thätlich  misshandelten, 
fand  er  sich  veranlasst,  gegen  diese  Art  von 
„Dank"  einzuschreiten.  Ueberhaupt  stellte  es  sich 
heraus,  dass  die  Leute  Emin's  das  Rettungswerk 
so  auffassten,  als  müsste  Alles  ihrem  Willen  sich 
bereit  finden.  In  Stanley  kochte  es,  aber  er  unter- 
drückte den  überschäumenden  Groll  gegen  diese 
undankbare,  anmassende  und  dabei  über  alle  Massen 
hinterlistige  Horde,  die  noch  kurz  zuvor  kein 
Gewissen  sich  gemacht  hätte,  Emin,  Stanley  und 
alle  Weissen  den  Mahdisten  auszuliefern.  Auch 
hierin  erwies  sich  Stanley  als  ein  Held,  der  nur 
die  Erfüllung  seiner  Mission,  die  Ausübung  seiner 
Pflicht  vor  Augen   hatte.   Im  Uebrigen  war   er  sich 


86 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


vollkommen  darüber  klar,  wie  er  diese  ver- 
kommene, feige  und  verrätherische  Rotte  zu  be- 
handeln haben  würde,  sobald  er  sie  einmal  ganz 
in   seiner  Gewalt  hatte. 

Und  Emin  ?  Er  hatte  in  dieser  ganzen  schweren 
Zeit  nichts  Besseres  zu  thun  als  —  Vögel  auszu- 
stopfen und  Insecten  zu  conserviren!  Allen  Respect 
vor  der  Wissenschaft  —  aber  Alles  zur  rechten 
Zeit.  Die  Gutmüthigkeit  Stanle)''s  ging  so  weit, 
dass  er  seinen  Leuten  den  Auftrag  gab  ,  alles 
fliegende  und  kriechende  Gethier,  dessen  sie  hab- 
haft würden,  dem  Pascha  zu  bringen.  Er  wusste  ja, 
dass  er  dem  Gouverneur  damit  eine  grosse  Freude 
machte  ! 

Am  26.  Februar  war  Selim  Bey  mit  der  Frocla- 
mation  Stanley's  nach  Wadelai  zurückgekehrt,  am 
26.  März,  also  genau  einen  Monat  später,  traf  ein 
Brief  von  ihm  an  Emin  ein,  mit  der  Nachricht,  dass 
wahrscheinlich  alle  Rebellen  sich  unterwerfen  und 
nach  Kavalli  kommen  würden  .  .  .  Emin  war  ent- 
zückt .  .  .  „Was  habe  ich  gesagt?  St-hen  Sie  jetzt, 
dass  ich  Recht  hatte?  Ich  wusste  es  bestimmt,  dass 
sie  sämmtlich  kommen  würden"  .  .  .  Bezeichnend 
für  Stanley's  Auffassung  der  Dinge ,  gegenüber 
jener  Emin's,  ist,  dass  jener  den  Pascha  auf  den 
folgenden  Umstand  aufmerksam  machte.  Am 
26.  Februar  war  Selim  nach  Wadelai  gefahren, 
innerhalb  acht  Tagen  sollte  er  zurück  sein.  Er  ist 
aber  nach  einem  Monat  noch  immer  nicht  da  und 
sagt  überhaupt  nicht,  wann  er  und  die  Anderen  zu 
kommen  gedenken.  Alle  Befehle  sind  also  un- 
beachtet geblieben,  alle  Versprechen  sind  gebrochen 
worden  .  .  .  Aus  Tagen  seien  Wochen,  aus  Wochen 
Monate  geworden,  und  es  würden  ohne  Zweifel 
noch  Jahre  vergehen,  ehe  an  ein  Fortkommen  aus 
Afrika  zu  denken  sei.  Stanley  bezeichnet  es  als 
eine  Thorheit,  diesen  Leuten  auch  nur  ein  Wort  zu 
glauben. 

Ganz  unbegreiflich  war  die  Vertrauensselig- 
keit Emin's;  er  hoffte  noch  immer  auf  ein  gutes 
Ende.  Da  riss  Stanley  die  Geduld.  Er  sagte  zu 
Emin :  „Ich  habe  ganz  seltsame  Dinge  erfahren. 
Major  Auasch  Effendi  vom  2.  Bataillon,  Osman 
Latif  Efendi  (der  Vice-Gouverneur)  und  der  Ma- 
schinist Mohammed  haben  mir  insgeheim  erzählt, 
dass  weder  Selim  Bey,  noch  Fadl  el  Mulla  Bey 
(das  Haupt  der  Verschwörer)  nach  Egypten  gehen 
wollen.  Ersterer  wird  vielleicht  bis  hieher  kommen 
und  sich  in  diesem  District  niederlassen.  Aber  was 
die  Officiere  in  Wadelai  auch  sagen  mögen  was 
sie  zu  thun  beabsichtigen,  jedenfalls  bin  ich  gewarnt 
worden,  so  dass  ich  auf  meiner  Hut  sein  muss. 
Niemand  hegt  Vertrauen  zu  ihnen,  nur  Sie  selbst. 
Sie  müssen  zugeben,  dass  ich  die  besten  Gründe 
habe ,  ihre  guten  Absichten  zu  bezweifeln.  Sie 
haben  dreimal  gegen  Sie  revoltirt,  haben  Herrn 
Jephson  gefangen  genommen.  Sie  haben  es  weit 
genug  verbreitet,  dass  sie  auch  mich  gefangen  zu 
nehmen  beabsichtigen.  Aber  lassen  Sie  mich  Ihnen 
das  sagen:  es  steht  nicht  in  der  Macht  sämmtlicher 
Truppen  der  Provinz,  mich  gefangen  zu  nehmen, 
denn    ehe  sie  sich   diesem  Lager    bis    auf  Büchsen- 


schussweite  nähern,   wird  jeder  Officier   in    meiner 
Gewalt  sein." 

Als  Emin  fragte,  was  geschehen  werde,  ant- 
wortete Stanley  damit,  dass  er  seine  Officiere  zu 
sich  berief,  denen  er  den  Sachverhalt  noch  einmal 
auseinandersetzte  und  sie  fragte,  ob  es  unter  den 
gegebenen  Umständen  räthlich  sei,  noch  über  den 
10.  April  hinaus  zu  warten.  Alle  Officiere  ant- 
worteten verneinend.  „Nun,  Pascha,"  sagte  Stanley, 
„da  haben  Sie  Ihre  Antwort.  Wir  marschiren  am 
10.  April."  Auch  jetzt  noch  fragte  Emin,  ob  Stanley 
und  seine  Officiere  ihn  von  dem  Vorwurfe  frei- 
sprächen, seine  Leute  verlassen  zu  haben,  falls  die- 
selben bis  zum  10.  April  noch  nicht  eingetroffen 
sein  sollten.  Stanley  und  seine  Officiere  zögerten 
keinen  Augenblick,  Emin's  Gewissen  zu  entlasten. 
Alsdann  sandte  Stanley  am  27.  März  die  Botschaft 
nach  Wadelai,  dass  er  am  10.  April  mit  Emin  den 
Heimmarsch  antreten  und  keine  Stunde  länger 
warten  würde. 

Unterdessen  hatten  Stanley's  Träger  mehr  als 
Liebesdienste  verrichtet;  sie  hatten  1355  Lasten 
vom  Seeufer  in  das  Lager  auf  dem  Plateau  ge- 
schleppt. Stanley  selbst  pflog  Besprechungen  mit 
dem  Vice-Gouverneur  Osman  Latif  und  forschte 
ihn  über  die  Stellung  Emin's  zu  seinen  Leuten  aus. 
Osman  Latif  gestand,  dass  der  Pascha  geachtet, 
vielleicht  auch  beliebt,  im  Uebrigen  aber  den 
Leuten  gleichgiltig  sei.  Sie  sagen  :  „O,  mag  er  sich 
mit  Käfer-  und  Vögelsammeln  beschäftigen  —  wir 
brauchen  ihn  nicht.  Alsdann  fand  folgender,  für 
beide  Theile  charakteristische  Dialog  statt: 

„Glauben  .Sie,    dass   er  (Emin)    beliebter   ge- 
wesen wäre,  wenn  er  einige  aufgeknüpft  hätte?" 
,, Vielleicht,  das  weiss  nur  Gott." 
„Glauben   Sie  ,    dass   Sie   ihn    lieber   gehabt 
hätten,  wenn  er  streng  gegen  Sie  gewesen  wäre  ?" 
„Nein,    aber    ich    würde   ihn    mehr   gefürchtet 
haben." 

,,0  ja,  natürlich." 

Osman  Latif  bat  Stanley,  von  dem  geführten 
Gespräche  nichts  dem  Pascha  wissen  zu  lassen. 
Stanley  beruhigte  den  Vice-Gouverneur. 

Zum  Ueberflusse  trat  nun  auch  Casati  in 
die  Action  und  hielt  Emin  eine  förmliche  Straf- 
predigt, dass  er  fortgehen  wolle.  Sogleich  eilte 
Emin  zu  Stanley  und  erklärte,  bleiben  zu  wollen. 
Es  gehörte  in  der  That  die  Geduld  eines  Engels 
dazu,  derlei  zu  ertragen.  Casati  war  von  der 
Unsinnigkeit  seiner  Zumuthung  nicht  zu  über- 
zeugen. Emin  aber  war  nun  wieder  entschlossen, 
zu  gehen.  Er  musste  wissen  warum.  Von  seinem 
ganzen  Haushalte,  etlichen  fünfzig  Personen,  er- 
klärten nur  zwei  Diener,  Serur  und  Belal,  mit- 
gehen zu  wollen.  Und  doch  war  Serur,  wie  es 
sich  später  herausstellte,  ein  Verräther.  Auch 
sonst  mehrten  sich  die  Anzeichen,  dass  nicht 
Alles  in  Ordqung  sei.  Emin  aber  kümmerte  sich 
um  nichts.  Als  verschiedene  Zuschriften  aus 
Wadelai  eintrafen,  welche  die  Unordnung  und 
Noth  daselbst  schilderten,  stopfte  Emin  seine 
Vögel    aus.    Trotzdem    blieb   Stanley    ruhig.     Er 


OESTEHREICHISCHE   MONATSSCHRIr-T    fOr    DEN    ORIENT 


bedeutete  aber  Emin,  dass  von  seinen  Leuten 
Versuche  gemacht  worden  seien,  im  Stanley'schen 
Lajjer  Gewehre  zu  stehlen.  Kr  musste  nun  ener- 
jjisch  einschreiten.  Emin  sollte  seine  Leute  zur 
Musterung  allarmiren.  Ehe  es  noch  dazu  kam, 
hatte  Stanley  das  gleiche  Signal  gegeben,  und 
ehe  fünf  Minuten  vergingen,  stand  Alles  militärisch 
stramm  unter  Waffen.  Die  Egypter  aber  benahmen 
sich  so  lässig,  dass  noch  nach  zehn  Minuten 
Niemand  zur  .Stelle  war.  Da  Hess  Stanley  eine 
Compagnie  Sansibariten  interveniren.  Die  säu- 
migen Egypter  wurden  mit  Stöcken  und  Knütteln 
aus  den  Zelten  in  Reih  und  Glied  getrieben.  Als- 
dann erklärte  ihnen  Stanley,  dass  von  nun  an 
er  ihr  Herr  sei  und  mit  den  strengsten  Mass- 
regeln vorgehen  werde,  um  die  Disciplin  auf- 
rechtzuerhalten. Die  Leute  waren  eingeschüchtert 
und  erklärten  nun,  weder  conspirirt  zu  haben, 
noch  bleiben  zu  wollen.  Nicht  ohne  Anflug  von 
Ironie   bemerkte  Stanley   zu   Emin  : 

,,Nun,  Pascha  ,  Sie  sind  sicherlich  falsch 
unterrichtet  gewesen.  fJiese  Leute  behaupten 
sämmtlich,  dass  sie  treu  sind.  Es  ist  nicht  ein 
einziger  Verräther   unter  ihnen." 

„Ich  sehe  meine  Diener  und  Ordonnanzen 
nicht,"   bemerkte   Emin. 

„Ach,  Lieutenant  Stairs,  nehmen  Sie  eine 
Abtheilung  und  treiben  Sie  Alle  heraus;  bei  dem 
geringsten  Widerstände  wissen  Sie,  was  Sie  zu 
thun   haben." 

In  wenigen  Minuten  waren  die  Leute  am 
Platze.  ICmin  sollte  sie  befragen,  was  sie  zu  thun 
gedenken.  Alle  erklärten,  mitzugehen,  bis  auf 
Serur  .  .  .  Wieso  diese  plötzliche  Wandlung  bei 
Letzterem  ?  .  .  „Das  ist  der  Hauptverschwörer 
in  meinem  Haushalte,"  bemerkte  Emin  .  .  .  . 
Stanley :  ,,0,  es  bedarf  nur  einer  Patrone,  um 
seine  Angelegenheit  zu  erledigen."  Emin  er- 
schrak über  diese  schneidige  Aeusserung  Stanley's 
so  sehr,  dass  er  ausrief:  ,,Um  Gottes  Willen, 
Sie  werden  doch  eine  Untersuchung  anstellen 
und  nicht  auf  meine  Worte  hin  handeln?"  Und 
ein  solcher  Mann  wollte  Rebeilen  meistern  und 
unter  den  schwierigsten  Verhältnissen  bei  dieser 
Horde,  die  er  noch  immer  werth  hielt ,  sich 
ihr  zu  Liebe  zu  opfern^  ausharren  !  Ganz  treffend 
bemerkt  Stanley,  ,,dass  der  wissenschaftliche 
Forscher,  der  Mann  mit  dem  arglosen  Herzen 
vollständig  ungeeignet  ist,  diese  speichelleckenden, 
hinterlistigen  Schurken  zu  bekämpfen,  die  Betrug 
und  Treulosigkeit  zu  ihrem  Geschäfte  gemacht 
haben." 

Am  lo.  .'Vpril  wurde  aufgebrochen.  Es  setzte 
sich  eine  Colonne  von  1510  Köpfen  in  Be- 
wegung. Schon  am  dritten  Tage  musste  die  Reise 
wegen  schwerer  Erkrankung  Stanley's  unter- 
brochen werden;  die  C'olonne  blieb  bei  Undissuma 
am  12.  April  liegen  und  kam  erst  wieder  am 
8.  Mai  in  Bewegung.  Stanley  war  dem  Tode 
nahe,  Anlass  genug,  dass  die  Leute  Emin's 
wieder  zu  conspiriren  begannen  und  Unordnung 
stifteten.     Ein    erneuter  Gewehrdiebstahl    wurde 


mit  der  Hinrichtung  des  Urbebers^lsestraft.  Als 
der  Delin(|uent  gehenkt  werden  sollte,  Hess  sich 
Stanley  aus  dem  Bette  hi  naustragen.  Obwohl 
selber  ein  Sterbender,  vermochte  ihn  seine  un- 
beugsame Energie  dennoch  a  ufrecht  zu  erhalten 
und  er  hielt  eine  flammensprühcnde  Standredc 
dem  versammelten  Volke.  Als  der  Ucbeltbäter 
zwischen  Himmel  und  Erde  baumelte,  wurde 
Stanley  wieder  nach  seinem  Schmerzenslager  ge- 
bracht. 

Als  Stanley  halb  und  halb  genesen  war, 
fügte  sich  ein  wunderbarer  Zufall.  Leute  aus  der 
Nachbarschaft  des  See-Ufers  hatten  zwei  Packete 
Briefe  Stanley  überbracht.  Sie  hatten  ihr  Ziel 
offenbar  verfehlt,  denn  es  waren  Briefe  der  kurz 
vorher  aus  dem  Lager  nach  Wadelai  abgegan- 
genen Post.  Aus  einigen  dieser  Briefe  ging  das 
verrätherische  Treiben  der  Egypter  klar  hervor. 
In  dem  Schreiben  eines  sich  im  Lager  befind- 
lichen Hauptmannes  hiess  es:  „Ich  bitte  Sic  im 
Namen  Gottes  mit  der  Absendung  der  Leute 
nicht  zu  zögern,  weil,  wenn  wir  sie  zur  Hilfe 
haben,  wir  den  Marsch  der  Expedition  vielfach 
hindern  können ;  wenn  Sie  aber  selber  mit  200 
Soldaten  kämen,  könnten  wir  Alles  erreichen, 
was  ich  und  Sie  wünschen." 

Damit  war  die  Situation  völlig  aufgeklärt. 
Stanley  hatte  ausgerufen :  „Das  nenne  ich  eine 
Entdeckung,  Pascha  !"  und  Emin  dazu  secundirt : 
,,Das  hätte  ich  von  Ibrahim  Efendi  Elham  nicht 
erwartet;  ich  bin  stets  freundlich  gegen  ihn 
gewesen." 

Am  8.  Mai  setzte  die  Colonne  ihren  Marsch 
fort.  Obwohl  sie  fast  einen  Monat  dicht  bei  Kavalli 
liegen  geblieben  war  und  obwohl  die  einzelnen 
Tagesmärsche  nur  wenige  Kilometer  betrugen, 
war  von  Selim  und  den  reuigen  Rebellen  nichts 
zu  sehen.  Dagegen  desertirten  Egypter  Tag  für 
Tag.  Einer  der  Getreuen,  Schukri  Aga,  Befehls- 
haber vn  der  Station  Mswa,  war  endlich  nach- 
gekommen. Er  war  mit  20  Soldaten  aufgebrochen; 
in  Kavalli  hatte  er  nur  noch  10  und  beim  Ein- 
treffen in  Stanley's  Lager  nur  noch  zwei  Be- 
gleiter —  den  Fahnenträger  und  den  Trompeter ; 
alle  Uebrigen  waren  ihrem  Hauptmann  davon- 
gelaufen. 

Dies  in  knappen  Zügen  die  Geschichte  der 
Rettung  li^min's  aus  der  Gewalt  seiner  ver- 
rätherischen  Untergebenen.  Auf  die  Details  des 
Rückmarsches  kommen  wir  im  zweiten  Artikel 
zurück. 


BUDDHA  UND  JINA. 

Von  Hermann  Feigl. 
Wenn  von  der  Kraft  der  Reaction  ein  Rück- 
schluss  auf  die  Kraft  des  Druckes  zu  ziehen  ist, 
so  müssen  die  religiös-socialen  Verhältnisse  Indiens 
um  das  VI.  Jahrhundert  vor  unserer  Zeitrechnung 
ziemlich  trostlose  gewesen  sein.  Fehlt  in  einem 
hierarchisch  regierten  Staate  schon  überhaupt  die 
Voraussetzung   der  Gleichheit   aller   Staatsbürger, 


88 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


SO  wird  dieser  Mangel  um  so  fühlbarer,  je  weniger 
die  Möglichkeit  vorhanden  ist,  die  Gegensätze  aus- 
zugleichen und  den  Zurückgesetzten  für  den  Ver- 
lust gewisser  bürgerlicher  Rechte  eine  Compen- 
sation  zu  bieten.  Von  einem  Ausgleiche  der  Gegen- 
sätze konnte  aber  in  Indien  schon  deshalb  nicht  die 
Rede  sein,  weil  diese  vorerst  gar  nicht  willkürlich, 
sondern  von  der  Natur  selbst  geschaffen  worden 
waren  ;  von  jeher  und  noch  heute  stehen  in  Indien 
die  dunkelfarbigen  dravidischen  Ureinwohner  und 
die  hellfarbigen  arischen  Einwanderer  einander 
schroff  gegenüber,  und  wenn  es  auch  möglich  wäre, 
alle  Kastenunterschiede  aufzuheben ,  die  Kluft 
zwischen  dem  hellfarbigen  Arier  und  dem  dunkel- 
häutigen (j^udra  bliebe  doch  immer  unüberbrückbar. 
Doch  abgesehen  von  dem  Racenunterschiede, 
welcher  die  Grundlage  der  Kastenbildung  gewesen 
ist,  hatten  sich  unter  den  Ariern  selbst  Standes- 
und Berufskasten  gebildet,  von  denen  die  einen 
mit  Prärogativen  ausgestattet  waren,  deren  die 
anderen  weder  theilhaftig  wurden,  nocl\  theilhaftig 
werden  konnten. 

lieber  allen  anderen  arischen  und  nichtarischen 
Kasten  steht  die  Kaste  der  Brahmanen.  Sie  sind  die 
Erdengötter,  die  selbst  über  dem  Könige  stehen, 
den  sie  salben,  sie  sind  die  Auserlesenen,  deren 
Seele  die  Wiedergeburt  nicht  zu  fürchten  hat.  Und 
im  Gegensatze  zu  diesen  Auserwählten  steht  der 
arme  Qudra  verachtet  da  und  seufzt  umsonst  nach 
Erlösung;  er  ist  vomStudium  der  heiligen  Schriften, 
der  Veden ,  ausgeschlossen,  er  kann  darum  in 
diesem  Leben  noch  nicht,  wie  der  Arier,  nach  Er- 
lösung streben.  Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  muss 
er  erst  in  einer  höheren  Kaste  wiedergeboren  sein, 
in  welcher  er  durch  das  Studium  der  Veden  zur 
Erkenntniss  und  durch  die  Erkenntniss  zur  Erlösung 
gelangen  kann,  welche  über  den  allen  Guten  er- 
reichbaren Freuden  des  Himmels  steht. 

Je  härter  dieser  geistige  Druck  auf  den 
Niedrigen  und  von  der  Erlösung  Ausgestossenen 
lastete,  umsomehr  wurde  das  Bedürfniss  fühlbar, 
sich  von  Brahmanenthum  und  vedischer  Tradition 
zu  emancipiren  und  von  jenen  unabhängige  Wege 
einzuschlagen.  Im  Sinne  einer  solchen  Emanci- 
pation  mögen  um  die  Zeit  des  VI.  und  V.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.,  und  zwar  an  verschiedenen  Orten 
Indiens,  Lehrer  aufgestanden  sein,  welche,  als 
Reformatoren  wirkend,  Secten  gründeten,  in 
deren  Schooss  jedem  treuen  Anhänger  der  einzig 
wahre  Weg  zur  Erlösung  gezeigt  werden  sollte. 
Dass  die  Lehren,  auf  welche  jene  Reformatoren 
ihre  Glaubenssätze  gründeten,  verbessernd  an  das 
Alte  anknüpften  und  das  Alte  dort  bestehen  Hessen, 
wo  es  mit  ihnen  nicht  in  Collision  gerieth,  dafür 
brauchen  wohl  keine  entschuldigenden  Gründe 
herangezogen  zu  werden,  ebenso  einleuchtend  ist 
es,  aber  besonders  betont  muss  es  werden,  dass 
die  von  einander  mehr  oder  weniger  unabhängigen 
Lehrer  oder  Reformatoren  —  sowohl  in  Rücksicht 
auf  die  bestehenden  Verhältnisse  wie  auch  in  Rück- 
sicht auf  das  Verständniss  ihrer  Anhänger  —  zur 
Behebung  und  Verbesserung  der  alten  Mängel  und 


Schäden  sich  derselben  oder  wenigstens  ähnlicher 
Mittel  bedienen  mussten.  Mögen  sie  auch  in  Diesem 
und  Jenem  von  einander  abgewichen  sein ,  im 
Wesentlichen  mussten  sie  wohl  mit  einander  über- 
einstimmen. 

Wenngleich  man  aber  auf  eine  solche  Ueber- 
einstimmung  gefasst  ist,  so  kann  man  kaum  genug 
staunen  über  die  Aehnlichkeiten,  welche  die  Lehr- 
gebäude zweier  zeitgenössischer  Reformatoren  oder 
in  diesem  Falle  besser  gesagt,  Religionsstifter  — 
ich  meine  Buddha  und  Jina  —  aufweisen.  Mögen 
wir  immerhin  über  diesen  Umstand  hinwegsehen 
und  ihn  mit  Rücksicht  darauf,  dass  der  Buddhismus 
und  die  Religion  Jina's,  der  Jainismus,  derselben 
Zeit  und  derselben  Reaction  gegen  das  Brahmanen- 
thum entstammen,  begreiflich  finden,  wir  sehen 
uns  bei  Betrachtung  der  Ausbreitung  der  beiden 
Religionen  einem  neuen  Räthsel  gegenübergestellt. 
Wie  kommt  es,  dass  der  Buddhismus  heute  bei 
fünfhundert  Millionen,  also  ein  Dritttheil  der  ganzen 
Menschheit  zu  seinen  Bekennern  zählt,  während  der 
Jainismus  zwar  in  Indien  selbst  und  besonders  im 
Kaufraannsstande  noch  seine  Bekennerhat,  sonstaber 
ausser  Indien  kaum  dem  Namen  nach  gekannt  ist? 
Sollte  der  Buddhismus  am  Ende  doch  volks- 
thümlichere  Lehren  haben,  und  der  Jainismus  für 
die  grosse  Masse  weniger  leicht  begreiflich  sein? 
Eine  Vergleichung  der  beiden  Religionssysteme 
beweist  uns  nichts  dergleichen. 

In  gleicher  Weise  wie  der  Buddhismus  trägt 
auch  die  Jaina-Religion  den  Charakter  der  Univer- 
salität an  sich,  indem  sie  sich  nicht  nur  an  den 
Arier,  sondern  auch  an  den  Nicht-Arier,  den  triedrig 
geborenen  (^udra  und  an  den  verachteten  Aus- 
länder, den  MIechha,  wendet.') 

Wie  im  Buddhismus,  so  sind  auch  die  An- 
hänger des  Jainismus  in  einen  geistlichen  und  einen 
Laienstand  geschieden.  Nirgrantha,  „die  von  allen 
Banden  Befreiten"  heissen  die  Asketen  der  Jainas, 
Bikshus  oder  Samanen  nennen  sich  die  buddhisti- 
schen Mönche ;  diese  wie  jene  bilden  einen  Orden 
oder  eine  Brüderschaft. 

„Da  im  Weltleben,"  heisst  es  im  Buddhismus, 
„die  allseitige  Erfüllung  der  zehn  Gelübde  und  die 
Erlangung  der  wahren  Erkenntniss  nicht  möglich 
ist,  so  kann  der  im  Weltleben  verharrende  Mensch 
das  Nirwana  nicht  erreichen,  und  so  bleibt  seine 
Erreichung  schon  in  diesem  Leben  nur  denen  vor- 
behalten, die  der  Welt  entsagen  und  unter  Ab- 
legung der  zehn  Gelübde  den  achttheiligen  Pfad 
zur  Erleuchtung  und  Erlösung  beschreiten."  *) 

Und  für  die  Jainareligion  gilt:  „Die  Asketen 
allein  sind  befähigt,  die  Wahrheiten,  welche  der 
Jina  lehrt,  vollständig  zu  ergründen,  seine  Satzungen 
ganz  zu  befolgen  und  den  höchsten  Lohn,  den 
er  verspricht,  zu  erlangen.  Die  Laien  aber, 
welche  sich  nicht  ganz  der  Erforschung  der  Wahr- 


')  Bezüglich  der  Daten  über  die  Jainas  stütze  ieti  mich  auf 
die  Schrift  meines  verehrten  Lehrers  (7.  Bühler.  Ueber  die  indische 
Secte  der  Jaina.  Vortrag,  gehalten  in  der  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften. Wien,  1887.  8». 

^)  H.  Feigl.  Der  Buddhismus.  In  Oesterroichisrher  Monats- 
schrift für  den  Orient,  XIV.  Jahrgang  (15.  November  1888).  Nr.  11. 


,^   poVZBUlEHl 
PRÜMVSUU 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRTKT    FÜR    DEN   ORIENT. 


89 


lieit  zu  wiiimcn  und  dem  weltlichen  Lehen  nirht 
zu  entsagen  vermögen,  finden  trotzdem  im  Jainis- 
mus  eine  Zuflucht,  lis  ist  ihnen  gestattet,  als 
Hörer  seiner  Grundsätze  theilhaftig  zu  werden 
und  Pflichten  zu  übernehmen,  die  ein  schwaches 
Abbild  der  an  den  Asceten  gestellten  Forde- 
rungen sind.  Ihr  Lohn  ist  natürlich  ein  geringerer. 
Wer  in  der  Welt  bleibt,  kann  das  höchste  Ziel 
nicht  erreichen,  aber  er  kann  doch  den  Weg 
betreten,   der  zu   demselben   führt."  ^) 

Das  höchste  Ziel  ist  auch  dem  Jaina  die 
Erreichung  des  Nirwana  oder  Moksha,  nämlich 
der  Befreiung  des  Individuums  von  dem  Samsara 
oder  dem  Kreislauf  der  Geburt  und  des  Todes. 
Nach  buddhistischer  Lehre  führt  nur  die  Rr- 
kenntniss  der  vier  lleilswahrheiten  zum  Heile: 
das  Leiden,  die  Ursache  des  Leidens,  die  Auf- 
hebung des  Leidens  und  der  Weg,  der  zur  Auf- 
hebung des  Leidens  führt.  Der  Weg,  der  zur 
Aufhebung  des  Leidens  führt,  heisst  :  rechte  Er- 
kenntniss,  rechtes  Wollen,  rechtes  Wort,  rechte 
That,  rechtes  Leben,  rechtes  Streben,  rechtes 
Denken,   rechtes  Sichversenken. 

Für  den  Jaina  heissen  die  Mittel,  das  höchste 
Ziel  zu  erreichen,  die  drei  Kleinode:  der  j-echte 
Glaube,  die  rechte  Erkenntniss  und  der  rechte 
Wandel. 

Unter  dem  rechten  Glauben  versteht  der 
Jaina  die  volle  Hingebung  an  den  Lehrer,  den 
Jina,  und  die  feste  Ueberzeugung,  dass  dieser 
allein  den  Weg  des  Heiles  gefunden  hat  und  nur 
bei  ihm  Schutz  und  Zuflucht  zu  finden  ist.  Die- 
selbe Auszeichnung  wird  auch  im  Buddhismus  für 
Buddha  verlangt,  welcher  beim  Antritt  seines 
Lehramtes  selbst  erklärte:  Ich  allein  bin  Meister 
in  dieser  Welt,  ich  bin  der  Allerhöchste ;  unter 
Göttern,  Dämonen  und  Geistern  gibt  es  Niemand 
mir  Gleichen. 

Buddha  und  Jina,  beide  kommen  auf  gleiche 
Weise,  und  zwar  durch  eigene  Kraft  zur  Er- 
kenntniss und  finden  den  Weg  des  Heiles,  den 
sie  aus  Mitleid  mit  der  leidenden  Menschheit  ge- 
sucht  haben. 

Deshalb  führen  aber  auch  beide  die  gleichen 
Namen!  Man  beachte:  „weil  er  C/ina)  die  Welt 
und  die  Feinde  im  menschlichen  Herzen  be- 
zwungen hat,  heisst  er  /iiia  „der  Sieger",  Ma- 
AäZ'/ra  „der  grosse  Held"  ;  weil  er  die  höchste 
Erkenntniss  besitzt,  wird  er  Sarvajria  oder  Ke- 
valin  „der  Allwisseqde",  Buddha  der  „Erleuchtete« 
genannt;  weil  er  sich  von  der  Welt  befreit  hat, 
erhält  er  die  Namen  Mukta  „der  Erlöste«,  Siddha 
und  Tiühdgala  „der  Vollendete",  Arhal  „der 
Heilige",  und  als  der  Verkünder  der  Lehre  ist  er 
der  Tirthakara,  „der  Finder  der  Fürth«  durch 
den  Ocean  des  Sanisära.  In  diesen  Bezeichnungen 
des  Stifters  ihrer  Lehre  begegnen  sich  die  Jaina, 
wie  das  die  Gleichheit  seines  Charakters  mit  dem 
des  Buddha  erwarten  lässt,  beinahe  durchwegs 
mit  den   Buddhisten.     Sie   gebrauchen  jedoch    mit 


>)  B«Mm,  a.  •.  O. 


Vorliebe  die  Namen  Jina  und  Arhal,  während 
die  Buddhisten  es  vorziehen,  von  dem  Buddha, 
Tathägata  oder  Sugata  zu  sprechen.  Der  J'itel 
'Itrlhakara  ist  dem  Jaina  eigenthOmlich.  Bei  dca 
Buddhisten  ist  es  eine  Bezeichnung  für  Irr- 
lehrer.«*) 

Ist  es  nicht  erstaunlich,  den  dem  Buddha 
xat  i$oy_Y,v  zukommenden  Namen  auch  einem 
Manne  zugetheilt  zu  finden,  dessen  Anhänger  nur 
auf  ihn  schwören  und  ihn  über  Alles  erheben? 
Um  das  Mass  des  Erstaunlichen  aber  noch  voller 
zu  machen,  sagt  der  Buddha  xo!t  '^i'^X'i*  8*^" 
legentlich  jenes  obenerwähnten  Auss|)ruches,  wo 
er  sich  als  einziger  Meister  anerkennt,  von  sich 
weiter:  Ich  bin  der  unendliche  _/;>i(7,  und  Die- 
jenigen, welche  wie  ich,  die  Unreinheit  besiegen, 
sind  auch   Jinas.  "*) 

Es  ist  wahrhaft  zum  Verwitren :  Buddha  und 
Jina  sollen  von  einander  verschiedene  Personen 
sein,  ihre  Nachfolgerschaft  in  der  Lehre  erkennt 
jede  nur  ihren  Meister  an,  und  doch  nennt  sich 
Buddha  selbst  Jina  und  Jina  wird  Buddha  genannt! 
Sollte  man  bei  der  Gegnerschaft  der  beiden 
Secten  nicht  eher  erwarten,  dass  sie  es  sorgfältig 
vermieden,  ihrem  einzig  verehrten  Lehrer  und 
Meister  einen  schmückenden  Beinamen  zu  geben, 
der  den  Meister  der  gegnerischen  Secte,  den 
Irrlehrer,  zierte  ?  Unter  den  vielen  Attributen 
wäre,  sollte  man  vermuthen,  der  eine  oder  der 
andere  Name  doch  noch  zu  entbehren  oder  bei 
dem  Reichthum  der  indischen  Sprache  wenigstens 
leicht  durch  ein  synonymes  Wort  zu  ersetzen 
gewesen. 

Aber  die  Concurrenz  geht  noch   weiter. 

Wie  der  Brahmanismus  Demiurgen  kennt, 
die  vierzehn  Manu,  die  in  verschiedenen  Wclt- 
perioden  erscheinen,  um  das  Werk  der  Schöpfung 
zu  vollbringen  und  das  brahmanische  Gesetz  zu 
verkünden,  so  auch  der  Buddhismus  und  der 
Jainismus. 

Nach  der  Lehre  der  Jainas  hat  es  nicht  blos 
einen,  sondern  24  Jinas  gegeben,  die  in  langen 
Zwischenräumen  erschienen  sind,  um  die  alte 
Reinheit  der  entarteten  Lehre  wieder  herzu- 
stellen; der  24.  Jina  ist  Vardhamdna,  der  in  der 
letzten  Hälfte  des  VI.  oder  in  der  ersten  Hälfte 
des  V.  Jahrhunderts  v.  Chr.  auftrat.  Nach  der 
Lehre  der  Buddhisten  ist  Buddha  der  25.  Buddha 
und  sein  Auftreten  fällt  in  dieselbe  Zeit,  wie  das 
des  Jina,  nur  um  einige  Jahre  oder  Jahrzehnte 
später. 

Die  rechte  Erkenntniss.  die  den  Buddhisten 
sowohl  wie  den  Jainas  eines  der  Mittel  —  wohl 
das  wichtigste  und  bedeutendste!  —  ist,  um  auf 
dem  einzig  richtigen  Wege  zum  höchsten  Ziele, 
dem  Nirwana,  zu  gelangen,  die  rechte  Erkennt- 
niss also  der  Jainas  umfasst  die  Welt  im  kosmo- 
logischen  wie  im  teleologischen  Sinne  beiläufig 
also :     „Die   Welt    ist    unersch.iflfen     und    besteht 

•I  Bikln,  *.  a.  O. 

')  H.  A'<rH,  D«r  llii<Ulbi:)iiin9  and  Min«  a«t«hirhl<>  in  Indtrn 
i-ic.  tthnnuiiii  von  ii  Jacobl.  Lriptlir,  ISSS— IWS.  8°,  i  Bdr.  Bd.  I., 
p«(.  1U4. 


90 


OESTERREICMISCHE  MONATSSCHRIFT   fOr    DEN   ORIENT. 


ohne  Lenker,  nur  durch  die  Kräfte  ihrer  Bestand- 
theile  und  ist  ewig.  Die  Bestandtheile  der  Welt 
sind  sechs  Substanzen:  die  Seelen,  Dharma  oder 
das  moralische  Verdienst,  Adharma  oder  die 
Sünde,  Raum,  Zeit  und  die  Atome  der  Materie. 
Aus  den  Verbindungen  der  letzteren  entstehen 
vier  Elemente,  Erde,  Feuer,  Wasser,  Wind  und 
weiterhin  die  Körper,  sowie  andere  Erscheinungen 
der  Sinnenwelt  und  der  übernatürlichen  Welten. 
Die  Formen  der  Erscheinungen  sind  meist  un- 
veränderlich. Nur  die  Körper  der  Menschen  und 
ihre  Dauer  nehmen  in  Folge  des  grösseren  und 
geringeren  Einflusses  der  Sünde  oder  des  Ver- 
dienstes während  unermesslich  langer  Perioden 
ab  oder  zu.  Die  Seelen  sind  jede  für  sich  unab- 
hängige reale  Existenzen,  deren  Grundlage  reine 
Intelligenz  ist  und  die  einen  Trieb  zum  Handeln 
besitzen.  In  der  Welt  sind  sie  stets  an  Körper 
gefesselt.  Der  Grund  dieser  Fesselung  ist,  dass 
sie  dem  Thätigkeitstriebe,  den  Leidenschaften, 
den  Einflüssen  der  Sinne  und  der  Sinnesobjecte 
sich  hingeben  oder  einem  falschen  Glauben  an- 
hangen. Die  Thaten,  die  sie  in  den  Körpern 
ausüben,  sind  das  Karman,  das  Verdienst  und 
und  die  Sünde.  Dieses  treibt  sie,  wenn  ein 
Körper  nach  den  Bedingungen  seiner  Existenz 
vergangen  ist,  in  einen  anderen,  dessen  Qualität 
von  dem  Charakter  des  Karman  abhängt  und 
besonders  durch  die  daraus  entspringenden 
letzten  Gedanken  vor  dem  Tode  bestimmt  wird. 
Tugend  führt  in  den  Himmel  der  Götter  oder 
zur  Geburt  unter  den  Menschen  in  edlen,  reinen 
Geschlechtern.  Sünde  stösst  die  Seelen  in  die 
Höllen,  in  die  Leiber  von  Thieren,  in  Pflanzen, 
ja  in  die  Aggregate  der  leblosen  Materie.  Denn 
nach  der  Jainalehre  finden  sich  Seelen  nicht 
blos  in  den  Organismen,  sondern  auch  in  den 
scheinbar  todten  Massen,  in  Stein,  in  Erdklumpen, 
in  Wassertropfen,  im  Feuer  und  im  W  inde.  Durch 
die  Verbindung  mit  den  Körpern  wird  die  Natur 
der  Seele  afficirt.  In  den  Aggregaten  der  Materie 
wird  das  Licht  ihrer  Intelligenz  vollständig  ver- 
hüllt. Sie  verliert  das  Bewusstsein,  wird  unbe- 
weglich und  je  nach  den  Dimensionen  ihres  Sitzes 
gross  oder  klein.  In  den  Organismen  hat  sie 
stets  Bewusstsein.  Sie  ist  aber,  je  nach  der  Natur 
derselben,  beweglich  oder  unbeweglich  und  mit 
fünf,  vier,  drei,  zwei  oder  einem  Sinnesorgane 
begabt. 

Die  Knechtschaft  der  Seelen  kann,  wenn 
dieselben  einen  menschlichen  Körper  bewohnen, 
durch  die  Unterdrückung  der  Ursachen,  welche 
zu  ihrer  Fesselung  füJiren,  und  durch  die  Ver- 
nichtung des  Karman  aufgehoben  werden.  Die 
Unterdrückung  der  Ursachen  vollzieht  sich  durch 
die  Ueberwindung  des  Thätigkeitstriebes  und 
der  Leidenschaften,  durch  die  Bändigung  der 
Sinne  und  durch  das  Festhalten  an  dem  rechten 
Glauben.  Hiedurch  wird  die  Ansammlung  von 
neuem  Karman,  neuem  Verdienst  oder  neuer 
Schuld  verhindert.  Die  Vernichtung  des  noch 
aus     früheren    Existenzen     vorhandenen     Karman 


kann  entweder  spontan  durch  die  Erschöpfung 
des  Vorrathes  oder  durch  Askese  herbeigeführt 
werden.  Im  letzteren  Falle  ist  ihr  Endresultat 
die  Erlangung  einer  Erkenntniss,  welche  das  All 
durchdringt,  des  Kevala  Jiiäna  und  des  Nirwana 
oder  Moksha,  der  vollen  Befreiung  von  allen 
Banden.  Diese  Ziele  können  schon  erreicht 
werden,  während  die  Seele  noch  in  ihrem  Körper 
ist.  Zerfällt  aber  ihr  Leib,  so  wandert  sie  in  die 
Nicht-Welt,  wie  der  Jaina  sagt,  d.  h.  in  den 
ausserhalb  der  Welt  liegenden  Himmel  der  Jina, 
der  Erlösten.  Dort  dauert  sie  in  ihrer  ursprüng- 
lichen rein  intellectuellen  Natur  ewig  fort.  Ihr 
Zustand  ist  der  einer  vollkommenen  Ruhe,  die 
durch   nichts   gestört   wird."  '') 

„Mit  allen  brahmanischen  Religionen,"  setzt 
Biihler  hinzu,  „und  dem  Buddhismus  berührt  sich 
der  Jainisraus  in  seiner  Kosmologie  und  den  Vor- 
stellungen üb°r  die  Weltperioden,  und  stimmt 
er  genau  in  Bezug  auf  die  Lehren  von  Karman, 
von  der  Fesselung  und  von  der  Erlösung  der 
Seelen.  Der  Atheismus  und  die  Ansicht  von  der 
Unerschaffenheit  der  Welt  ist  ihm  mit  dem  Bud- 
dhismus und  der  Sänkhya  Philosophie  gemeinsam." 

Wir  brauchen  dem  in  Bezug  auf  den  Buddhis- 
mus Gesagten  nur  noch  hinzuzufügen,  dass  „wer 
nach  Erlösung  strebt,  sich  hüten  muss,  zwei  Irrwege 
zu  gehen.  Der  eine,  das  Trachten  nach  der  Be- 
friedigung der  Leidenschaften  und  der  sinnlichen 
Genüsse,  ist  niedrig,  gemein,  entwürdigend,  ver- 
derblich ;  es  ist  der  Weg  der  Weltkinder.  Der 
andere,  die  Selbstpeinigung  und  Askese,  ist 
trübselig,  peinvoll  und  nutzlos.  Der  Mittelweg 
allein,  den  der  Vollendete  gefunden  hat,  ver- 
meidet diese  beiden  Irrwege,  öffnet  die  Augen, 
verleiht  Einsicht  und  führt  zum  Frieden,  zur 
Weisheit,   zur  Erleuchtung,   zum   Nirwana."  ') 

Also  auch  im  Buddhismus  kann  das  Nirwana 
schon  erreicht  werden,  während  die  Seele  noch 
in  ihrem  Körper  ist! 

Und  was  die  Wiedergeburt  betrifft,  so  hängt 
sie  im  Buddhismus  wie  im  Jainismus  von  der 
moralischen  Beschaffenheit  des  Menschen  ab  und 
in  beiden  Religionen  stimmt  die  Ansicht  über 
den  rechten  Wandel,  der  zur  Erlösung  führt,  bis 
auf  einen   Punkt   —   die   Askese  —   überein. 

Der  rechte  Wandel,  mit  anderen  Worten, 
das  moralische  Verhalten  des  Menschen  hat  sich 
vor  Allem  nach  den  fünf  grossen  Gelübden  zu 
richten,  welche  auch  den  brahmanischen  Büssern 
bekannt  sind.  Der  Buddhist  wie  der  Jaina  ge- 
loben : 

1.  Nichts  zu   tödten   oder  zu   verletzen. 

2.  Nicht   zu   stehlen. 

3.  Keine   Unzucht  zu   treiben. 

4.  Nicht   die   Unwahrheit   zu   reden. 

5.  Entsagung   zu   üben. 

Im  Buddhismus  bezieht  sich  das  fünfte  Gebot 
auf  den  Genuss  berauschender  Getränke,  welche 
den  Mönchen  überhaupt  verboten,  den   weltlichen 


»)  Bühler,  a.  a.  O. 
')  Vgl.  Fcigl,  a.  a.  O. 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


91 


Anhängern    aber    nur    zu  massigem  Genüsse  er- 
laubt sind. 

Währfind  aber  der  Buddhismus  selbst  von 
den  Mitgliedern  der  Brüderschaft  nur  noch  ver- 
langt, dass  sie  die  Benützung  üppiger  Betten 
meiden  und  auf  einem  harten  niedrigen  Lager 
schlafen,  sowie  alle  und  jede  Weltlichkeit  und 
den  Genuss  thierischcr  Nahrung  meiden,  endlich 
dass  sie  immerdar  in  freiwilliger  Armuth  leben, 
verlangt  die  Satzung  der  Jainas  von  dem  Asketen 
viel   mehr. 

■  Der  Jaina-Asket  darf  auch  weder  Haus  noch 
Habe  besitzen  und  er  soll  auch  gegen  angenehme 
wie  unangenehme  Sinneseindrücke  gleichgiltig 
sein  und  jede  Anhänglichkeit  an  Lebendes  oder 
Todtes  aufgeben;  auch  er  soll  begangene  Ver- 
gehen bereuen,  sie  vor  dem  Lehrer  beichten  und 
Busse  dafür  thun;  auch  er  soll  gegen  die  Lehrer 
und  Tugendhaften  demüthig  sein  und  sie  be- 
dienen, fromme  Betrachtungen  anstellen,  massig 
sein,  aller  schmackhaften  Speisen  sich  enthalten 
und  seinen  Unterhalt  durch  Betteln  erwerben. 
Aber  der  Jaina-Asket  kennt  zur  Läuterung  und 
Reinigung  des  Geistes  auch  noch  eine  körperliche 
Askese,  welche  der  Buddhismus,  wie  wir  oben 
bemerkt  haben,  entschieden  verwirft.  Der  Jaina 
peinigt  sich  selbst,  indem  er  in  unnatürlichen 
und  ermüdenden  Stellungen  sitzt,  die  Thätigkeit 
der  Organe  hemmt  und  oft  sogar  bis  zum  Ein- 
tritte des  Hungertodes  fastet.  Ja,  der  freiwillige 
Tod  durch  Entziehung  der  Nahrung  ist  nach  der 
strengeren  Lehre  für  alle  Asketen,  welche  die 
höchste  .  Stufe  der  Erkenntniss  erlangt  haben, 
durchaus   nothwendig.  ") 

In  dieser  Hinsicht  steht  \Vohl  Buddha's 
Lehre  höher,  da  sie  zwischen  sinnlichen  Genüssen 
und  Selbstpeinigung  den  Mittelweg  zu  gehen 
befiehlt  und  solche  dem  Brahmanenthum  ent- 
lehnte und  oft  übertriebene  Askese  vollends  ver- 
wirft. 

Haben  wir  hier  einen  Differenzpunkt  zwischen 
Buddhismus  und  Jainismus  zu  verzeichnen,  so 
gehen  die  beiden  Religionen  schon  wieder  den- 
selben Weg,  wo  es  auf  die  äussere  Bethätigung 
des  Glaubens,   auf  den   Cult  ankommt. 

Wie  der  Buddhismus  dem  Cultus  nicht  ent- 
gehen konnte,  sobald  er  anfing,  in  die  Massen 
einzudringen,  ")  wie  er  in  späterer  Zeit  Gebete, 
Predigten,  Opfer,  Weihungen,  Wallfahrten  und 
Fest-  und  Fasttage  kennt,  ebenso  der  Jainismus. 
Und   aus  denselben   Gründen. 

„Die  Verbindung  eines  Laienstandes  mit  dem 
Orden  der  Asketen  hat  natürlich  eine  gewaltige 
Rückwirkung  auf  diesen  und  seine  Entwicklung, 
sowie  die  seiner  Lehre  ausgeübt  und  für  den 
Jainismus  ganz  ähnliche  Folgen  wie  für  den  Bud- 
dhismus nach  sich  gezogen.  Was  zunächst  die 
Aenderungen  in  der  Lehre  betrifft,  so  ist  es  ohne 
Zweifel    dem   Einflüsse     der  Laien   zuzuschreiben. 


•)  BüliUr.  a.  a.  O. 

*)  Küppf»,  »Die  Kftllgion  des   Itiuldti.i  und  ilire    Botartuiig  .** 
llerliD,  1857. 


dass  das  atheistische  Jaina-System  ebenso  wie 
das  buddhistische  mit  einem  Cultus  ausgestattet 
wurde.  Der  Asket  mochte  das  natürliche  Bedürf- 
niss  des  Menschen  nach  einer  Verehrung  höherer 
Mächte  in  seinem  Streben  nach  dem  Nirwana 
unterdrücken.  Bei  dem  weltlichen  Hörer,  der 
jenem  Ziele  nicht  unmittelbar  zustrebte,  konnte 
dies  nichtgelingen.  Da  die  Lehre  keinen  anderen 
Anhalt  bot,  so  klammerte  sich  das  religiöse  Gefühl 
des  Laien  an  die  Person  des  Stifters  derselben. 
Der  Jina  und  mit  ihm  seine  mythischen  Vor- 
gänger wurden  zu  Göttern.  Denkmäler  und  mit 
ihren  Statuen  geschmückte  Tempel  wurden  er- 
richtet, besonders  an  solchen  Orten,  wo  die 
Propheten  der  Sage  nach  die  Vollendung  er- 
reicht hatten.  Hieran  schloss  sich  eine  Art  von 
Cultus  mit  Spenden  und  Blumen  und  Weihrauch 
für  die  Jina,  mit  ihrer  Verehrung  durch  Loblieder, 
mit  der  Feier  ihres  Eingangs  in  das  Nirwüna, 
den  der  Jaina  zu  einem  grossen  Freudenfeste 
macht  mit  feierlichen  Processionen  und  mit  Wall- 
fahrten zu  den  Orten,  wo  derselbe  erfolgte."  "j 
Der  Buddhismus,  dessen  beschaulicher  Cha- 
rakter dem  Mönchswesen  förderlich  war,  kennt 
nicht  nur  Bettelmönche,  die  mit  der  Almosen- 
schale in  der  Hand  das  Land  durchziehen,  sondern 
auch  Eremiten  und  sesshafte  Mönche,  die  in 
Klöstern  oft  in  grosser  Zahl  beisammen  wohnen, 
und  sich  der  Beschaulichkeit  und  dem  Studium 
hingeben.   Ebenso   der  Jainismus. 

„Die  Pflicht,  den   Laien  zu  lehren    und  sein 
Leben   zu   überwachen,    bedingte  mit  Nothwendig- 
keit   die   Verwandlung   der   wandernden    Büsser   in 
beinahe   sesshafte  Mönche,  die  sich  der  Seelsorge, 
der  Missionsthätigkeit   und   der  I'flege  der  Wissen- 
schaft widmen   und    nur  hie    und    da  die  Pflicht, 
den  Wohnort  zu    wechseln,   erfüllen.     Die   Bedürf- 
nisse  der   Laiengemeinde   erforderten    die  stetige 
Gegenwart .  von  Lehrern.    Mochten  diese  auch  von 
Zeit   zu   Zeit    wechseln,    so    war    es    doch    noth- 
wendig,   für   ihr  Unterkommen   zu  sorgen.   So  ent- 
standen    die    Jaina-Klöster,    welche    genau     den 
buddhistischen  Sanghärama   entsprechen.   Mit   den 
Klöstern   und  der  Sesshaftigkeit  in    denselben  kam 
sodann   eine   bestimmte    Gliederung    des    Ordens, 
die   bei   dem  Jaina-Princip   des    unbedingten    Ge- 
horsams gegen    den    Lehrer    sich    strenger    und 
fester  gestaltete   als  im  Buddhismus.  Mit  der  Ent- 
wicklung des  Ordens  und  der  Müsse  des  Kloster- 
lebens  folgte   weiter     der    Beginn    einer     literari- 
schen  und   wissenschaftlichen   Thätigkeit   etc."  ") 
Unter  anderen   verfassten   diese  Mönche  auch 
die    sogenannten    Anga    (vielleicht    im    III.  Jahr- 
hundert   V.    Chr.),    welche,    im     volksthümlichen 
Prakrit-Dialecte  geschrieben.  Legenden  über  Jina 
und  seine  Lchrthätigkeit.  sowie  Bruchstücke  von 
systematischen  Darstellungen  der  Lehre  enthalten. 
„Sic  zeigen,"    betont   Bühler    ausdrflcklicb,     „ob- 
schon  der  Dialect  verschieden  ist.    in  der  Form 
der  Erzählungen  und  in  der  Ausdrucksweise  eine 

■•)  BtUiUr.  a.  ■.  O. 
»)  BMItr,  a.  a.  O. 


92 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


ausserordentliche  Aehnlichkeit    mit    den   heiligen 
Schriften  der  Buddhisten!" 

Wie  Vieles  müsste  zu  einer  erschö[)fenden 
Darlegung  der  Vergleichspunkte  zwischen  Bud- 
dhismus und  Jainismus  noch  beigebracht  werden, 
und  was  für  überraschende  Details  kämen  hiebei 
noch  zum  Vorscheine.  Doch  lassen  wir  es  uns 
an  dieser  gedrängten  und  mehr  skizzenhaften  als 
tiefer  eindringenden  Vergleichung  der  Haupt- 
momente der  beiden  Religionen  genügen,  und 
sehen  wir  uns  nach   ihren   Stiftern   selbst  um. 

Da  der  Jainismus  gegenüber  dem  Buddhismus 
den  Anspruch  auf  Priorität  hat,  so  möge  auch 
das   Leben  Jina's  zuerst  betrachtet   werden. 

Schon  oben  ist  erwähnt  worden,  da?s  der 
eigentliche  Name  des  24.  Jina  *^)  Vardhamäna  ist. 
Vardbamäna,  der  letzte  Prophet  der  Jainas, 
war  nach  Bühlei's  Darstellung  der  jüngere  Sohn 
des  Siddhärtha,  eines  Adeligen,  der  dem  Ge- 
schlechte der  im  Sanskrit  Jnäti  oder  JnAta,  im 
Prakrit  Näya  genannten  Kshatriya  angehörte  und 
nach  dem  alten  Brauche  der  indischen  Krieger- 
kaste auch  den  Namen  eines  brahmanischen  Ge- 
schlechtes, der  Käsyapa,  trug.  vSeine  Mutter,  die 
Trisalä  hiess,  stammte  aus  dem  Geschlechte  der 
Herrscher  von  Videha.  Siddhärtha's  Wohnsitz 
war  Kundapura,  das  heutige  Basukund,  ein  Vor- 
ort der  reichen  Stadt  Vaisäli,  des  jetzigen  Be- 
sarh,  ia  Magadha  oder  Bihär.  Durch  seine  Ge- 
mahlin war  Siddhärtha  mit  dem  Könige  von 
Vaisali  verschwägert.  30  Jahre  lang  führte  Var- 
dhamäna, wie  es  scheint  im  elterlichen  Hause,  ein 
weltliches  Leben.  Er  heiratete  und  seine  Frau 
YaSodä  gebar  ihm  eine  Tochter  Anojjä,  welche 
mit  einem  Adeligen  Namens  Jamäli  vermählt 
wurde  und  wiederum  eine  Tochter  hatte.  In 
seinem  31.  Jahre  starben  seine  Eltern.  Da  sie 
Anhänger  des  23.  Jina,  des  Pärsva  waren,  er- 
wählten sie  nach  der  Sitte  der  Jaina  den  Hunger- 
tod der  Weisen.  Unmittelbar  darauf  beschloss 
Vardhamäna  der  Welt  zu  entsagen.  Er  holte  die 
Erlaubniss  seines  älteren  Bruders  Nandivardhana 
und  der  Machthaber  seines  Landes  zu  diesem 
Schritte  ein,  vertheilte  sein  Hab  und  Gut  und 
wurde  ein  heimatloser  Asket.  Mehr  als  12  Jahre 
wanderte  er,  nur  während  der  Regenzeit  rastend, 
in  den  Ländern  der  Lädha  in  Vajjabhümi  und 
Subbhabhümi,  dem  heutigen  Rärh  in  Bengalen, 
umher  und  lernte  grosse  Beschwerden,  harte 
Misshandlungen  von  den  Bewohnern  jener 
Gegenden  mit  Gleichmuth  ertragen.  Dazu  legte 
er  sich  die  strengsten  Kasteiungen  auf  —  nach 
dem  ersten  Jahre  warf  er  auch  die  Kleider  ab 
—  und  gab  sich  ganz  der  tiefsten  Meditation 
hin.  Im  13.  Jahre  dieses  Wanderlebens  glaubte 
er  die  höchste  Erkenntniss  und  die  Würde  eines 
Heiligen    erlangt    zu    haben.     Er    trat     dann     als 


'*)  Wenn  ich  Jina  weiter  oben  duich  „Siegor"  wiedergegeben 
habe,  80  bin  icti  damit  lifililer's  Ueber.>etzung  gefolgt.  Kern  über- 
setzt das  Wort  mit  „Ueberwältiger,  Bezwinger  un<l  Maebthaber," 
Indem  er  es  von  jinäti  =  überwältigen,  bezwingen  und  niclit  von 
jayali  =  besiegen  ableitet,  wie  sehr  auch,  wie  er  hiezu  bemerl«t, 
die  Begriife  beider  in  einander  übergehen.  (Vgl.  Kern,  1.  c.  Bd.  I, 
pag.  104.) 


Prophet  auf,  predigte  die  Nirgrantha-Lehre,  an- 
geblich eine  Modification  der  Religion  Pär.sva's, 
und  organisirte  den  Orden  der  Nirgrantha- 
Asketen.  Seit  der  Zeit  führte  er  den  Namen  der 
ehrwürdige  Asket  Mahävira.  S^ine  Laufbahn  als 
Lehrer  währte  nicht  ganz  30  Jahre,  während 
welcher  er,  wie  früher,  ausser  in  der  Regenzeit, 
im  Lande  umherzog.  Er  erwarb  sich  zahlreiche 
Anhänger  des  geistlichen  wie  des  Laienstandes, 
unter  denen  aber  schon  im  14.  Jahre  seiner 
Lehrthätigkeit  ein  durch  seinen  Schwiegersohn 
veranlasstes  Schisma  entstand.  Die  Ausdehnung 
seines  Wirkungskreises  fällt  ungefähr  mit  der 
der  Reiche  von  Srävasti  oder  Kosala,  Videha, 
Magadha  und  Anga,  dem  jetzigen  Oude  und  den 
Provinzen  Tirhut  und  Bihar  im  westlichen  Ben- 
galen zusammen.  Besonders  häufig  verbrachte  er 
die  Regenzeit  in  seiner  V^1terstadt  Vaisäli  und 
und  in  Räjagriha.  Als  der  Ort  seines  Todes  wird 
die  Stadt  Päpä  oder  Pävä,  das  heutige  Padraona 
angegeben,  wo  er  während  der  Regenzeit  seines 
letzten  Lebensjahres  in  dem  Hause  der  Schreiber 
des  Königs  Hastipäla  weilte.  Unmittelbar  nach 
seinem  Tode  fand  eine  zweite  Spaltung  seiner 
Gemeinde   statt. 

Betrachten  wir  nun  auch  in  Kürze  das  Leben 
des    Buddha. 

Buddha,  dessen  eigener  Name  Siddhärtha  und 
Familienname  Gautama  war,  soll  von  der  Königin 
Maya  ihrem  Gemahle  Suddhödana  in  Kapilavasiu 
geboren  worden  sein,  sich  in  seinem  16.  Jahre 
mit  der  Prinzessin  Yasödhara  vermählt  und  mit 
ihr  13  Jahre  lang  in  glücklicher  Ehe  gelebt 
haben.  Die  dem  jungen  Manne  fremden  Er- 
scheinungen voa  Alter,  Krankheit  und  Tod  sollen 
ihn  zum  Nachdenken  über  die  Leiden  dieser  Welt 
bewogen,  und  seine  Meditationen  in  ihm  den 
Entschluss  gereift  haben,  der  Welt  zu  entsagen 
und  ein  Bettelmönch  zu  werden.  Aber  die  Brah- 
manen,  von  denen  er  sich  Belehrung  holen  wollte, 
konnten  ihm  diese  nicht  geben;  ihre  Gebete, 
Opfer  und  religiösen  Gebräuche,  das  hatte 
Siddhärtha  bald  eingesehen,  konnten  die  Seele 
nicht  läutern  und  nicht  zur  Erlösung  vom  Tode 
und  von  der  Wiedergeburt  führen.  Auch  ihre 
Bussübungen  und  Selbstpeinigungen,  denen  er 
sich  im  Walde  von  Uruwelä  selbst  sechs  Jahre 
lang  hingab,  befriedigten  ihn  nicht,  und  da  er 
zur  Erkenntniss  gekommen  war,  dass  weder  reli- 
giöse Formeln  noch  die  Askese  zum  Heile  und  zur 
Erlösung  führen  können,  so  beschloss  er,  fortan 
nur  den  Eingebungen  seines  Innern  zu  folgen 
und  er  strebte  nach  völliger  Entfaltung  der 
höheren  geistigen  Kräfte.  Und  nachdem  er  den 
Kampf  gegen  die  irdischen  Neigungen  und  Be- 
gierden ,  welche  im  Menschenherzen  wohnen, 
überwunden,  da  er  die  letzten  Anwandlungen 
menschlicher  Schwäche  unterdrückt  hatte,  da  zog 
der  tiefe  Friede  des  Nirwana  in  sein  Herz  ein 
und  sein  Geist  erhob  sich  durch  alle  Stufen 
mystischen  Schauens  bis  zu  jener  erhabenen  Höhe, 
wo    dem    Strebenden    volle     Erleuchtung    zutheil 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FCR    DEN    ORIENT. 


\:^ Jf ^?^ 


93 


wird,  llr  war  ein  vollendeter,  weltcrieuclitender 
Buddha  geworden.  Er  erkannte  die  Ursache  des 
lintstehens  und  Vergehens  der  Wesen,  die  Ur- 
sache des  Leidens,  des  Todes  und  der  Wieder- 
geburt, und  das  Mittel,  allem  Leiden  ein  iCnile 
zu  machen,  dem  unablässigen  Kreislauf  von  Ge- 
burt und  Tod  zu  entgehen  und  die  Erlösung,  das 
Nirwdna  zu  erreichen.  ^^) 

Vierundvierzig  Jahre  lang  übte  Buddha  predi- 
gend, belehrend  und  bekehrend  sein  Lehramt  aus 
und  achtzig  Jahre  alt  soll  er  um  das  Jahr  480  v.Chr. 
in  Kusinärä  gestorben  sein. 

Wenn  wir  das  Leben  des  Buddha  Siddhärtha 
so  betrachten,  wie  wir  es  eben  gethan  haben,  so 
könnte  wohl,  di(!  historische  Wahrheit  natürlich  vor- 
ausgesetzt, auch  der  grüsste  Skeptiker  nichts  da- 
gegen einzuwenden  haben.  Wer  aber  die  Buddha- 
Legende  kennt,  wer  es  weiss,  wie  es  im  Leben 
dieses  Rcligionsstifters  von  Wundt^rn  wimmelt,  der 
wird  CS  nicht  begreifen  können,  wie  wir  zu  einer  so 
nüchternen  Darstellung  von  Buddha's  Lebenslauf 
gelangen  konnten.  Und  doch  haben  wir  vielleicht 
noch  zu  viel  gesagt! 

Dieses  Wenigen  aber  bedurften  wir  doch,  um 
zwischen  dem  Leben  Buddha's  und  dem  Jina's  Pa- 
rallelen ziehen  zu  können.  Vergleichen  wir  die 
Lebensläufe  der  beiden  Religionsstifter,  so  finden 
wir  in  ihnen  manches  Verwandte  oder  Gemein- 
same. 

Vardliamäna  Jina  und  Siddhärtha  Buddha, 
Beide  stammen  aus  vornehmem  Geschlechte,  Beide 
führen  bis  um  ihr  dreissigstes  Lebensjahr  beiläufig 
ein  weltliches  Leben,  und  Beide  entsagen  dann  der 
Welt  un<I  verlassen  W<'ib  und  Kind,  um  sich  als 
Asketen  der  Meditation  hinzugeben  und  enillich  die 
Früchte  dieses  Meditirens  der  Welt  als  neue,  als 
einzig  wahre  Heilslehre  mitzutheilen. 

„Bei  der  Betrachtung  von  Vardhamäna's  Leben," 
sagt  auch  Bühler,  „fällt  es  sofort  auf,  dass  der 
Schauplatz  von  Vardhamana's  Thätigkeit  in  den- 
selben 'l'heil  von  Indien  verlegt  wird,  wo  Buddha 
wirkte,  und  dass  mehrere  Persönlichkeiten,  welche 
in  der  Geschichte  Buddha's  eine  Rolle  spielen,  auch 
in  der  Jaina-Legende  auftreten.  Es  sind  gerade  die 
Königreiche  von  Kosala,  Videha  und  Magadha, 
welche  Buddlia  predigend  durchzogen  haben  soll. 
Auch  von  den  Bewohnern  von  Vaisäli  wird  erzählt, 
dass  sich  viele  seiner  Lehre  zuwandten.  Es  ist  somit 
klar,  dass  schon  die  älteste  Jaina-Lcgcndc  Vard- 
hamäna  zum  Landsmanne  und  Zeitgenossen  Buddha's 
macht  und  es  liegt  nahe,  in  den  Schriften  der 
Buddhisten  nach  Bestätigung  dieser  Behau[)tungen 
zu  suchen.  Wirkli<-li  finden  sich  solche  in  nicht 
gering<-r  Anzahl."  ") 

Die  Nigantha  (sanskr.  Nirgrantha),  das  sind 
nämlich  die  Jainas,  werden  mit  ihrem  Oberhaupte 
Nätaputta  in  buddhistischen  Schriften  nicht  allein 
des  Oi'fteren  erwähnt,  sondern  auch  so  charaktcri- 
sirt,  dass  an  ihrer  Identität  gar  nicht  zu  zweifeln  ist. 
Und    wenn   man   schon   dem  geschricbcnea  Worte 

'»)  Vdl.  Ftigt,  a.  a.  O. 
")  liUhter  a.  .^.  O. 


kein  Vertrauen  schenken  will^tW^e/ftigen  In- 
schrifttafeln des  altindiscben  Königs  A4<Aa,  der 
während  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
v.Chr.  über  ganz  Indien  mit  Ausnahme  d('s  Dtkhans 
herrschte,  und  der  ein  grosser  Förderer  des  Bud- 
dhismus war,  dass  ihm  auch  dieSecte  der  Nigantha 
wohl  bekannt  war,  und  dass  sie  zu  seiner  Zeit  auch 
schon  eine  so  bedeutende  .Anhängerschaft  gehabt 
haben  muss,  dass  sie  der  grosse  König  der  beson- 
deren Berücksichtigung  in  seinem  Edictc  für  werth 
hielt. 

Was  damit  gesagt  sein  soll?  Dass  die  Jainas 
vor  Allem  nicht  Unrecht  haben,  wenn  sie  den 
Ursprung  ihrer  Religion  in  die  Zeit  des  Ursprungs 
des  Buddliismus  zurückvcrlegen  und  Jina  und  Buddha 
als  Zeitgenossen  hinstellen. 

Dass,  als  die  Aehnlichkeit  der  beiden  Reli- 
gionen, ihreUcbereinstimmung  in  den  Dogmen  und 
mutatis  mutandis  auch  im  Leben  ihrer  Stifter  der 
Wissenschaft  bekannt  geworden  war,  auch  bedeu- 
tende Zweifel  sich  zu  regen  begannen,  ist  einzu- 
sehen. Bei  dem  unleugbaren  Vorhandensein  von 
religiösen  Schriften  der  beiden  rivalisircnden  Reli- 
gionen zweifelte  man  wohl  nicht  an  deren  uralter 
Sonderexistenz,  aber  man  warf  die  Frage  auf, 
welches  von  den  zwei  einander  so  ähnlichen  Syste- 
men das  ältere  sei.  Die  Einen  traten  für  die  Priorität 
des  Buddhismus,  die  Anderen  für  die  des  Jainis- 
mus  ein. 

Ueber  den  Stand  dieser  Frage  lässt  sich  Bühler 
in  einer  Anmerkung  zu  seinem  Vortrage  über  die 
fainas  also  vernehmen :  ,, Abgesehen  von  der  sehr 
schwach  begründeten  Vermuthung  Colebrooke's, 
Stevenson's  und  Thomas',  der  zufolge  der  Buddha 
ein  abtrünniger  Schüler  des  Stifters  der  Jaina  sein 
sollte,  war  die  besonders  von  Wilson,  Weber  und 
Lassen  vertretene  Ansicht,  dass  die  Jaina  eine  alte 
Secte  der  Buddhisten  seien,  bis  vor  zehn  (heute 
dreizehn)  Jahren  die  allgemein  herrschende.  Die- 
selbe gründet  sich  einerseits  auf  die  .Aehnlichkeit 
iler  Jaina-Lehren,  Schriften  undTradition  mit  denen 
der  Buddhisten,  andererseits  darauf,  dass  die  cano- 
nischen Werke  der  Jaina  einen  jüngeren  Dialect 
zeigen  als  die  der  Buddhisten,  und  dass  sichere 
historische  Zeugnisse  für  ihre  frühere  Existenz 
fehlten.  Ich  selbst  (Bühler)  bin  früher  von  der 
Richtigkeit  dieser  Annahme  überzeugt  gewesen  und 
habe  sogar  geglaubt,  in  der  buddhistischen  Schule 
der  Sammitfya  die  Jaina  zu  erkennen.  Bei  eingehen- 
derer Beschäftigung  mit  der  Jaina-Liieratur,  zu 
welcher  ich  durch  die  für  die  englische  Regierung 
unternommene  Sammlung  derselben  in  den  Sieb- 
zigerjahren gezwungen  wurde,  fand  ich  zunächst, 
dass  die  Jaina  ihren  Namen  gewechselt  haben  und 
sich  in  der  älteren  Zeit  stets  Nirgrantha  oder  Ni- 
gantha nennen.  Die  Bemerkung,  dass  die  Buddhisten 
die  Nigantha  kennen,  und  v(m  dem  Haupte  und 
Stifter  derselben,  dem  Nätaputta,  erzählen,  er  sei 
ein  Rivale  Buddha's  gewesen  und  zuPävä  gestorben, 
wo  der  letzte  Tirthakara  das  Nirwana  erreicht  haben 
soll,  veranlasste  mich,  anzunehmen,  dass  die  Jaina 
und  die  Buddhisten  derselben  religiösen  Bewegung 


94 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


entstammten.  Meine  Vermuthung  wurde  durch 
Jacobi,  der  unabhängig  von  mir  auf  einem  anderen 
Wege  zu  derselben  Ansicht  gelangt  war,  bestätigt, 
indem  er  nachwies,  dass  der  letzte  Tirthakara  im 
Jaina-Canon  denselben  Namen  wie  bei  <len  Bud- 
dhisten trägt.  Nach  der  Veröffentlichung  unserer 
Resultate,  welche  seitdem  durch y^acoii  mit  grossem 
Scharfsinne  weiter  begründet  sind,  sind  die  An- 
sichten über  diese  Frage  gethcilt.  Ohhnberg,  Kern, 
Hoernle  und  Andere  haben  die  neue  Ansicht  unbe- 
denklich angenommen,  während  A.  Weber  und  Barth 
auf  dem  früherenStandpunkte  beharren,  üieletzteren 
trauen  der  Jaina-Tradition  nicht  und  halten  es  für 
wahrscheinlich,  dass  die  Angaben  derselben  ge- 
fälscht seien.  Einer  solchen  Behauptung  stellen  sich 
zwar  grosse  Schwierigkeiten  entgegen,  besonders 
die  UnWahrscheinlichkeit,  dass  die  Buddhisten  die 
Thatsache  des  Abfalls  ihrer  verhassten  Gegner 
vergessen  haben  sollten.  Indessen  ist  dieselbe  nicht 
absolut  unmöglich,  da  der  älteste  erhaltene  Jaina- 
Canon  erst  im  fünften  oder  sechsten  Jahrhunderte 
unserer  Aera  seine  endgiltige  Redaction  erhalten 
hat  und  bis  jetzt  der  Beweis,  dassdiejaina  in  älterer 
Zeit  eine  feste  Tradition  besassen,  nicht  gelie- 
fert ist.  '*) 

Wir  ersehen  hieraus,  dass  die  Frage  nach 
der  Priorität  zwar  stets  eine  sehr  rege  gewesen, 
aber  bis  heute  noch  nicht  endgiltig  entschieden 
worden   ist. 

Wurde  in  der  oben  citirten  Stelle  der  Ver- 
muthung gedacht,  dass  Buddha  ein  abtrünniger 
Schüler  des  Stifters  der  Jaina  sein  sollte,  wurde 
dem  Buddha,  zu  dessen  Fahne  sich  heute  bei 
fünfhundert  Millionen  Menschen  bekennen,  gegen- 
über dem  Vardham.ina,  dem  Stifter  einer  heute 
zusammengeschmolzenen  Secte,  also  die  inferiorere 
Rolle  zugetheilt,  so  ist  man  seinerzeit  noch  weiter 
gegangen,  und  hat,  ohne  Rücksicht  auf  den  Be- 
stand der  Jaina-Secte  und  nur  mit  Benützung  der 
buddhistischen  Tradition,  schlechtweg  geleugnet, 
dass  ein  Buddha,  so  wie  er  uns  als  Religions- 
stifter dargestellt  wird,  überhaupt  jemals  existirt 
habe. 

Wie  schon  angedeutet,  wimmelt  es  in  der 
Lebensgeschichle  Buddha's  von  Wundern,  nach 
deren  Hinweglassung  uns  von  dem  grossen  Re- 
ligionsstifter beinahe  nicht  mehr  übrig  bleibt  als 
sein   Name. 

Der  Franzose  Emile  Senarl  hat  diese  Wunder 
in  Rücksicht  auf  ihre  mythologische  Bedeutung 
untersucht  und  ist  zu  dem  Schlüsse  gekommen, 
dass  zwar  ein  wirklicher  Buddha  einmal  existirt 
haben  mag,  dass  aber  jener  Buddha,  von  welchem 
die  buddhistische  Ueberlieferung  erzählt,  nie  ge- 
lebt habe.  Dieser  Buddha  ist  kein  Mensch  ;  seine 
Geburt,  die  Kämpfe,  die  er  besteht,  und  sein  Tod 
sind  nicht  die   eines   Menschen. 

Von  alten  Zeiten  her  weiss  die  Natursage 
der  Inder,  wie  die  der  Griechen  und  der  Deut- 
schen,  von   den   Schicksalen    des   Sonnenheros   zu 


")  BühUr  a.  a.  O. 


sagen  :  von  seiner  Geburt  aus  der  Morgenwolke, 
welche  kaum,  dass  sie  ihm  das  Dasein  gegeben, 
vor  den  Strahlen  ihres  leuchtenden  Kindes  selbst 
verschwinden  muss ;  von  seinem  Kampf  und  Sieg 
über  den  finsteren  Dämon  der  Gewitterwolke ; 
wie  er  dann  triumphirend  über  das  Firmament 
einherzieht,  bis  endlich  der  Tag  sich  neigt  und 
der  Lichtheld   dem   Dunkel   erliegt. 

Schritt  für  Schritt    meint  Senarl  in    der  Ge- 
schichte    vom     Leben     Buddha's     die     Geschichte 
vom  Leben    des  Sonnenheros    wiederzuerkennen: 
Wie    die    Sonne    aus     den     nächtlichen     Wolken, 
geht    er     aus    dem      dunklen     Mutterschooss     der 
Mäyä  hervor;    ein   Lichtglanz    dringt    durch    alle 
Welten,   da   er  geboren   wird ;   Mäyä  stirbt   gleich 
der  Morgenwolke,     die    vor    den     Sonnenstrahlen 
verschwindet.  Wie  der  Sonnenheros  den  Gewitter- 
dämon,  überwindet    Buddha    unter    dem    heiligen 
Baume   in   heissem   Kampfe   Mära,   den  Versucher; 
der  Baum  ist  der  dunkle  Wolkenbaum  am  Himmel, 
um   den     der  Gewitterkampf    tobt.     Als    der   Sieg 
errungen   ist,   macht  sich   Buddha  auf,    aller    Welt 
ein  Evangelium   zu  predigen,   „das  Rad   der  Lehre 
rollen    zu   lassen"*  ;    das  ist    der  Sonnengott,    der 
sein   leuchtendes   Rad   über  das  Firmament  rollen 
lässt.     Endlich    neigt    sich    das   Leben     Buddha's 
dem   Ende   zu ;     noch     erlebt    er     den     schrecken- 
vollen    Untergang     seines     ganzen     Hauses,     des 
(^akya-Geschlechts,     welches     von     den    Feinden 
vernichtet    wird,    wie   beim   Sonnenuntergang    die 
Mächte  des  Lichts  im   blutigen  Roth  der  Abend- 
wolke    hinsterben.     Nun   ist    auch   für    ihn    selbst 
das   Ende   gekommen  ;   die  Flammen   des  Scheiter- 
haufens,   auf  dem     der   Leib   Buddha's     verbrannt 
ist,  werden   von  Wasserströmen,   die  aus   der  Luft 
herabregnen,    gelöscht,     wie    der  Sonnenheld     im 
Feuermeer    seiner    letzten   Strahlen   stirbt    und   in 
dem     Nass     der    Abenddünste    am     Horizont    die 
letzten     Flammen     seiner    göttlichen    Leichenfeier 
verschwinden.  '^) 

Einer  solchen  Erklärung  des  Wunderlichen 
in  Buddha's  Lebensgeschichte  lässt  sich  gewiss 
nur  beipflichten  ;  aber  warum,  fragt  man,  nur  das 
Legendarische  zur  Grundlage  der  Untersuchung 
machen,  und  das  übersehen  und  vergessen,  was 
wir  mit  demselben  Rechte  historisch  nennen 
können,  wie  irgend  alltägliche  und  gewohnte  Er- 
eignisse im  Leben  eines  anderen  Religions- 
forschers? Allerdings  wirft  man  dieses  mit  Recht 
ein,  aber  wie  gesagt,  was  bleibt  uns  denn  vom 
historischen  Buddha,  wenn  wir  das  Legendarische, 
das  Mythologische  weglassen  ? 

Nicht  umsonst  haben  wir  Vardharaäaa's 
Leben  so  ausführlich  wiedergegeben;  wir  wollten 
zeigen,  dass  es  den  Anstrich  der  Historicität 
überhaupt  an  sich  trägt,  was  sich  von  Buddha's 
Leben  durchaus  nicht  behaupten  lässt.  Der  Vater 
Vardhamäna's,  Siddhärtha,  wohnte  doch  in  einer 
Stadt,  die   wir  heute  noch  geografjhisch  bestimmen 


**)  Senart,  Kssai  sur  la  legende  du  Buddha.  Paris,  187,5. 
Oldenberg.  Buddha.  Seiu  Leben,  seine  Lehre,  seine  Gemeinde. 
Berlin,  1881. 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


können,  während  wir  Buddlia's  Geburtsort  Kapila- 
vastu  vergebens  suchen  ;  und  führen  die  in 
Vardhamana's  Leben  auftretenden  Personen  Namen, 
unter  denen  man  sich  reale  Menschen  vorstellen 
kann,  so  hat  schon  Ruddha's  Mutter  Mäyä,  „die 
Wundermacht",  einen  Namen,  der  zum  Mindesten 
sehr  allegorisch  klingt,  wenn  er  es  nicht  wirk- 
lich  ist. 

Mit  diesen  Bemerkungen  soll  nur  angedeutet 
sein,  dass  die  wirkliche  Existenz  des  Buddha 
gegenüber  der  des  Vardhamäna  gar  sehr  in  Frage 
gestellt  werden  kann  und  dass  uns  die  Zeit,  d.  h. 
die  wissenschaftliche  Forschung  in  dieser  Hin- 
sicht noch  manche  Ueberraschung  bringen  kann. 

Wie  wäre  es,  wenn  Vardhamäna  Jina  und 
Siddhärlha  Buddha  gar  ein  und  dieselbe  Person 
wären,  deren  Zweitheilung  auf  das  Schisma  in 
der  Lehre  zurückzuführen  ist?  Dass  keiner  von 
beiden  Keligionsstiftern  jemals  gelebt  habe,  das 
könnte  nur  deshalb  nicht  behauptet  werden,  weil 
die  Realität  der  gestifteten  Gemeinde,  der  Lehre, 
dagegen  beweisend  auftritt;  doch  wer  der  ur- 
sprüngliche Stifter  sowohl  des  Jainismus  wie  des 
Buddhismus  ist,  darum  könnte  mit  Umgehung 
von  Jina  und   Buddha  noch   immer  gefragt  werden. 


DIE  GENUSSMITTEL  DES  ORIENTES. 

Von  Gustav  2'roll. 
IV. 
Der  indische  Hanf,  weicher  das  unter  dem 
Namen  „Haschisch"  bekannte  Genussmittel  der 
Morgenländer  liefert,  wird  besonders  in  seinem 
Stammlande  in  Indien  (Bengalen),  jedoch  auch 
in  verschiedenen  anderen  orientalischen  Ländern 
cultivirt.  IJie  zu  Genusszwecken  bestimmte  Masse 
besteht  aus  den  Blüthenständen  der  weiblichen 
Pflanze,  welche  einen  harzigen  Stoff  von  be- 
täubender Wirkung  und  ebensolchem  Gerüche 
ausschwitzen.  In  diesen  Hanfharzen  ist  der 
mystische  Zauber  enthalten,  dem  so  viele  Mor- 
genländer ihr  ganzes  Leben  lang  unterworfen 
bleiben.  Der  Werth  des  indischen  Hanfes  als 
Handelsartikel  richtet  sich  nach  dem  Harzgehalte 
und  man  unterscheidet  hauptsächlich  drei  Sorten  : 
I.  Churus  (Charas,  'I'schers,  Momeka),  welcher 
nur  von  den  jüngeren  Theilen  der  weiblichen 
Blüthenstände  gesammelt  wird  unil  fast  reines, 
gelblichgrünes,  oft  in  Kugeln  geformtes  Harz  vor- 
stellt. Diese  Sorte  gilt  als  die  wirkungsvollste 
und  theuerste  und  wird  in  Indien  selbst  als  kost- 
barstes Berauschungsmiltel  verbraucht.  2.  Ganjah 
(Gunjah,  Kalpam,  arabisch  Ganga,  Kinab,  ])ersisch 
Kanab).  Besonders  geschätzt  ist  das  bengalische 
Ganjah  von  Rajschahi  und  Bagrah,  nördlich  von 
Calcutta.  Diese  Sorte  besteht  aus  den  Blüthen- 
köpfen,  ist  harzreicher  und  zehnmal  theurer  als 
die  nächstfolgende,  jedoch  immer  noch  bedeutend 
billiger  als  die  erste.  3.  Bang  (indisch:  Bhang, 
Bheng,  Siddhi,  Sabzi,  arabisch  Haschisch)  wird 
in    den  ostindischen    Tiefebenen    (Bombay,    Cal- 


cutta) und  'I'urkcstan  gesammelt.  Für  den  als 
Genussmittel  verwendeten  Hanf  ist  jedoch  der 
Name  Haschisch,  ohne  Rücksicht  auf  die  Sorte, 
im   (Jriente  allgemein   üblich   geworden. 

Das  Hanfkraut  war  schon  in  den  ältesten 
Zeiten  im  Morgenlande  als  Berauschungsmittel 
bekannt,  es  lässt  sich  jedoch  heute  nicht  mehr 
mit  Sicherheit  feststellen,  ob  dessen  Gebrauch 
zuerst  in  Indien  oder  in  Persien  bekannt  war. 
Im  Sanskrit  heisst  die  Pflanze  Vijaya,  d.  i.  Erfolg 
verheissend.  In  der  Rajanighantu  (einem  indischen 
Arzneibuche  aus  dem  XIII.  Jahrhundert)  wiid  der 
Hanf  ausführlich  beschrieben  und  verschiedene 
Namen  demselben  angeführt :  Vijaya,  Wjaja,  jaja, 
sämmtlich  in  der  Bedeutung  „Erfolggeber",  dann 
Vrijpatta  (starkblätterig),  Chapala  (taumeln 
machend),  Ananda  (zum  Lachen  reizend),  Har- 
schini (Erreger  des  Geschlechtstriebes).  In  ara- 
bischen und  persischen  Werken  wird  der  Hanf 
häufig  erwähnt.  Das  älteste  Werk,  welches  ihn 
anführt,  ist  eine  Schrift  Hassan's,  welcher  erzählt, 
dass  Haider,  der  Stifter  des  unter  seinem  Namen 
bekannten  Derwisch-Ordens,  die  wunderbare 
Wirkung  dieses  Krautes  zuerst  entdeckt  habe. 
Haider  lebte  in  strengster  Enthaltsamkeit  auf 
einem  Berge  zwischen  Nischabar  und  Rama  in 
Khorassan,  wo  er  ein  Kloster  gründete.  Nach- 
dem er  zehn  Jahre  in  dieser  Zurückgezogenheit 
gelebt  hatte,  kam  er  eines  Tages  von  einem 
Spaziergange  überaus  heiter  und  angeregt  zurück 
und  erzählte  auf  Befragen,  er  habe  die  Blätter 
einer  fremdartigen  Pflanze  genossen.  Dann  führte 
er  seine  Gefährten  an  die  Stelle,  wo  diese  Pflanze 
wuchs  und  sie  assen  alle  von  derselben  und 
fühlten  sich  ebenso  fröhlich,  wie  ihr  Meister. 
Haider  scheint  von  seiner  Entdeckung  sofort 
umfassenden  Gebrauch  gemacht  zu  haben  und 
sich  eine  Art  Tinctur  daraus  bereitet  zu  haben, 
wenigstens  besingt  ein  arabischer  Dichter  jener 
ICpoche  den  wonnespendencten  Smaragdtrank 
Haiders.  Auf  Wunsch  ihres  sterbenden  Scheiks 
pflanzten  die  Mönche  um  Haiders  Grab  eine 
Hanflaube  und  von  da  an  soll  die  Cultur  der 
Hanfpflanze  in  Khorassan  verbreitet  worden  sein. 
Bei  den  Chosru's  in  Indien  soll  die  Pflanze  schon 
vorher  bekannt  gewesen  sein,  man  nannte  sie 
,,Kakirkraut",  weil  die  Fakire  seinem  Genüsse 
besonders  ergeben  waren.  Thatsächlich  hat  der 
Haschischgenuss  bei  den  indischen  Asketikern 
und  Mystikern  von  jeher  eine  grosse  Rolle  ge- 
spielt und  erklärt  so  manche,  sonst  ganz  un- 
fassbare  Thatsache  von  grässlichen  Qualen  und 
Martern,  denen  sich  diese  Leute  unterzogen. 

Die  verheerende  Wirkung  des  Haschisch- 
genusses ist  frühe  bekannt  geworden.  Schon 
Ibn  Baijtar  berichtet  gegen  Ende  des  XII.  Jahr- 
hunderts, dass  Haschisch  in  kleinen  Gaben  be- 
rauscht, grössere  Mengen  aber  Geistesverwirrung 
und  Wahnsinn  erzeugen  und  der  gewohnheits- 
mässige  Gcnuss  Geistesschwäche  oder  Tobsucht 
hervorruft.  Makrizi  erwähnt  den  Gebrauch  des 
Haschisch  in  Egypten    und    eifert    gegen  dessen 


96 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


aphrodisische  Wirkung.  Marco  Polo  berichtet  im 
XIII.  Jahrhundert  über  den  Gebrauch,  den  die 
Assassinen  (Haschischin)  von  diesem  Stoffe 
machten :  sie  schläferten  den  in  ihren  Bund  Auf- 
zunehmenden ein  und  brachten  ihn  in  die  Feen- 
gärten von  Alamut  oder  Massiat,  dem  Zauber- 
reiche  des  „Alten  vom  Berge",  wo  Alles,  was 
menschliche  Sinne  zu  reizen  und  zu  entzücken 
vermochte,  vereinigt  war.  Aus  dem  Schlafe  er- 
wacht, glaubte  sich  der  Novize  in's  Paradies 
versetzt  und  genoss  in  vollen  Zügen  die  ver- 
meinten himmlischen  Freuden  mit  irdischen 
Sinnen.  Dann  wurde  er  wieder  bewusstlos  ge- 
macht, in  seine  alten  Verhältnisse  zurückgebracht 
und  erwachte  nun  mit  der  verzehrenden  Sehn- 
sucht im  Herzen,  jenes  wonneduftige  Paradies 
wieder  zu  betreten.  Damit  war  er  dem  Alten 
vom  Berge  und  seinen  Genossen  rettungslos  ver- 
fallen. Seltsam  und  märchenhaft  klingen  die  be- 
geisterten Schilderungen  der  arabischen  Dichter 
über  die  wunderbaren  Genüsse,  welche  das 
Rauschkraut  selbst  dem  Aermsten  zu  verschaffen 
vermag  und  so  ist  es  denn  nicht  zu  verwundern, 
dass  dessen  Gebrauch  immer  mehr  aufkam.  Zur 
Zeit  der  Fatimiden-Khalifen  schwelgte  ganz 
Egypten  in  einem  nicht  enden  wollendeti  Hanf- 
rausche und  die  schwersten  Strafen,  die  später 
auf  den  Haschischgenuss  gesetzt  wurden,  konnten 
es  nicht  hindern,  dass  er  immer  mehr  Ausbrei- 
tung und  Anhänger  gewann.  Auch  heute  ist  der 
Haschisch  in  Egypten  und  in  verschiedenen  an- 
deren orientalischen  Ländern  strenge  verboten, 
aber  der  Dämon  des  Hanfes  zählt  trotzdem  im 
ganzen  Oriente  eine  grosse  Schaar  begeisterter 
Anhänger,  [dieselben  zerfallen,  wie  die  Opium- 
freunde, in  Hanfesser  und  Hanfraucher.  Letztere 
dürften  in  der  Minderheit  sein,  nur  die  Afghanen 
sind  ausschliesslich  leidenschaftliche  Hanfraucher 
und  wissen  den  „Tschers"*,  das  Rauchpräparat 
des  Haschisch,  m«t  grosser  Sorgfalt  zu  bereiten. 
Die  verschiedenen  Latwergen  und  Süssigkeiten 
aller  Art,  die  mit  Hanfkraut  zubereitet  werden, 
sind  sehr  zahlreich.  So  wird  aus  der  Sorte  Bheng 
durch  Zerreiben  mit  Wasser  oder  Milch  und  Zu- 
satz von  Zucker  und  Gewürz  eine  „Bang"  ge- 
nannte trübe  F"lüssigkeit  erzeugt,  von  welcher 
30  Ä  genügen,  um  Betäubung  hervorzurufen.  Die 
frischen  Blüthenspitzen  werden  mit  Butter  aus- 
gezogen und  man  erhält  auf  diese  Weise  das 
.,Maju",  ein  fettes  Extract,  welches  allerlei  Con- 
fituren  zugesetzt  wird,  die  dann  noch  durch 
Vanille,  Pistazien,  Moschus  u.  dergl.  verfeinert 
werden.  Aus  Hanfbarz,  Bilsenkrautsamen,  Butter 
und  Honig  bereiten  die  Inder  den  „Madschuhu", 
kleine  runde  Kügelchen,  die  mit  Kaffee  oder 
Thee  genossen  werden.  Die  Egypter  lieben  die 
Conservenform,  worunter  besonders  „Dawamesk", 
aus  Haschisch,  Butter,  Zucker  und  allerlei  Ge- 
würz bereitet,  sehr  verbreitet  ist.  In  der  Türkei, 
in  Tunis,  Algerien  etc.  bereitet  man  mit  Honig, 
Zucker,  Kampher,  Ambra,  Moschus,  Kanthariden, 
Opium,      Datteln,      Feigen,     Pistazien,      Mandeln, 


ätherischen  Oelen  und  färbenden  Stoffen  allerlei 
Haschischpräparate  in  Form  von  Latwergen, 
Conserven,  Scherbet  etc.  In  den  Bazaren  wird 
der  Haschisch  meist  in  Form  von  dunkelbraunen, 
harten  Täfelchen  verkauft,  die  gewöhnlich  zum 
Rauchen  im  Narghile  verwendet  werden.  In  Süd- 
afrika ist  bei  den  Zulukaffern,  Hottentotten  und 
Buschmännern  ein  eigenthümliches,  „Dacha"  ge- 
nanntes Haschischpräparat  in  Gebrauch,  welches 
entweder  rein  oder  mit  Tabak  vermischt  geraucht 
wird  und  dessen  betäubende  Wirkung  so  stark 
ist,  dass  schon  nach  wenigen  Zügen  Unzurech- 
nungsfähigkeit eintritt.  Auch  in  Westafrika  wird 
aus  jungen  Hanfptlanzen  ein  „Mapiri"  genanntes 
berauschendes  Getränk  erzeugt  und  man  kann 
mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  dass  der 
Genuss  des  Haschisch  auch  in  Innerafrika  nicht 
unbekannt  sein  wird.  Zweifellos  ist  Haschisch 
das  verbreitetste  und  wichtigste,  weil  schädlichste 
unter  allen  Genussmitteln  des  Orientes  und  es 
wäre  im  Interesse  der  Wohlfahrt  der  sonst  so 
anspruchslosen  und  genügsamen  Morgenländer  zu 
wünschen,  dass  die  verderblichen  Eigenschaften 
des  Hanfkrautes  niemals  entdeckt  wären.  Aber 
der  Hang  zu  Erregungs-  und  Reizmitteln  ist  bei 
allen  Völkern  aller  Zeiten  zu  finden  und  hätten 
die  Orientalen  ihren  Haschisch  und  ihr  Opium 
nicht,  so  hätten  sie  zweifellos  ein  anderes  Mittel 
zur  Befriedigung  dieses  Hanges  ausfindig  ge- 
macht. 


M  I  S  C  E  L  L  E. 

Conferenz  der  Missionäre  in  Shanghai.  Der  „London 

and  China  Telegraph'  lierichtet  in  eingehender  Weise 
über  die  vor  Kurzem  in  Shanghai  stattgehabte  grosse 
Conferenz  der  chinesischen  Missionäre.  Zu  derselben  waren 
430  protestantische  Missionäre  beiderlei  Geschlechtes  er- 
schienen, welche  etwa  40  verschiedenen  Congregationen 
und  Gesellschaften  angehörten.  Die  Anwesenden  bildeten 
genau  den  dritten  Tbeil  der  1295  dermalen  in  China 
thätigen  Missionäre,  welche  sich  in  390  verheii>atete 
Frauen,  316  unverheiratete  Frauen  und  589  männliche 
Mitglieder  theilen.  Dazu  kommen  noch  209  in  die  Orden 
aufgenommene  eingeborene  Priester.  Die  Conferenz  re- 
präsentine  im  Ganzen  37.000  Gemeindeangehörige,  welche 
jährlich  etwa  37.000  $,  das  heisst  i  $  per  Kopf  zur  Er- 
haltung der  Kirchen  beisteuern. 

Abgesehen  von  den  vielleicht  in  der  Natur  der 
Sache  liegenden  und  den  eigenthümlichen  Verhältnissen 
entsprechenden  mehr  oder  weniger  abstracten  Verhand- 
lungsgegenständen weist  der  Congiess  auch  recht  prak- 
tische und  nützliche  Resultate  auf.  So  die  beschlossene 
Revision  und  Neuauflage  von  chinesischen  Bibelüber- 
setzungen, eine  Resolution  gegen  den  Missbrauch  mit 
Opium  und  Morphium.  Nicht  ohne  Interesse  ist  die  zur 
Discussion  gestandene  Frage,  ob  der  von  den  Chinesen 
geübte  „Ahnencultus-'  absolut  zu  bekämpfen  sei,  eine 
Frage,  die  der  Congress  nicht  völlig  zu  bejahen  ver- 
mochte. Angesichts  der  zahlreichen  christlichen  Secten, 
welche  in  China  missionsweise  thätig  sind,  hat  sich  die 
Conferenz  auch  mit  dem  Project  einer  Verschmelzung 
derselben  zu  einer  „Church  of  China"  beschäftigt,  doch 
verliefen  die  diesfalls  stattgefundenen  Verhandlungen  ohne 
praktisches  Resultat. 


VerantworUicher  Redactbur;  A-  v.  Scala. 


Druck  von  Ch.  Reiner  &  M.  Werlhner  iu  Wien. 


Juli-Heft  1890. 


OESTERREICHISCHE     "^ 


Nr.  7. 


üMtsstlrift  für  ku  #rknt 


Herausgegeben   vom 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 

Redigirt   von   A.   von   Scala, 


Monatlich  «lue  Nummtr. 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR,  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Prdi  jlhri.  3  I.  —  K)  Maifc. 


IIIHAI.T:  Im  duukelhleu  Afrika.  \on  A.t.  Schweiger-Ltrehen/eld. 
-  Vimi  Aberuliuilion  di^r  Tüikiii.  Von  F.  v.  H.  —  Dledonus». 
niiltel  d«8  Orieutea.  Vud  Gusiuv  Troll.  —  Kino  titimnie  aus 
einem  Harem.  —  Mlacelle:  Satanma-Fayenoen. 


IM  DUNKELSTEN  AFRIKA. 

Von  A.  von  Schweiger  -  Lerchenfeld. 
II. 
Durch  den  Conlinenl. 
ic  man  weiss,  wurde  die  Route,  welche 
Stanley  zur  Befreiung  Emin  Paschas 
einzuschlagen  gedachte,  erst  im  letz« 
ten  Augenblicke  entschieden,  obwohl 
lirsterer  von  Haus  aus  für  die  Congo» 
route  eingetreten  war.  Der  Reisende  ging  hiebei  von 
der  Voraussetzung  aus,  dass  er  von  der  Regierung 
des  Congüstaates  ausgiebige  Unterstützung  finden 
würde.  Das  Entsatz-Comite  aber  war  anderer  An- 
sicht und  empfahl  die  östliche  Route.  Eigentlich 
waren  es  zwei  östliche  Routen,  welche  in  Betracht 
kamen  :  jene  durch  das  Massailand  und  jene  über 
Msalala,  Karagwe,  Ankori  und  Asungora  nach  dem 
Albertsee.  Die  erstere  wurde  von  Stanley  auf 
i8  Monate,  die  zweite  auf  zo  Monate,  die  Congo- 
route  auf  i8  Monate  berechnet.  Auffälligerweise 
wurde  die  letztere  thatsächlich  in  der  für  ihre  Be- 
wältigung angesetzten  Frist  zurückgelegt  —  ein  in 
die  Augen  springender  Zufall,  da  Stanley  unmög- 
lich voraussetzen  konnte,  dass  er  den  Weg  zwi- 
schen dem  unteren  Aruwimi  und  dem  Albertsee 
dreimal  zurücklegen  würde.  Dass  schliesslich,  trotz 
der  entgegengesetzten  Ansicht  des  (^omites,  den- 
noch die  Congoroute  gewählt  wurde,  ist  dem  König 
der  Belgier  zuzuschreiben,  welcher  mit  grösstem 
Nachdrucke  für  dieselbe  eintrat. 

Da  man  ausserhalb  der  betheiligten  Kreise 
von  dieser  Sachlage  keine  Kenntniss  hatte,  musste 
die  Wahl  der  Zufahrtsroute,  welche  bekanntlich 
über  Egy|)ten  und  Sansibar  ging,  zu  der  Auslegung 
Anlass  geben,  als  ob  Stanley  in  der  'l'hat  von  der 
Ostküstc  her  nach  dein  Albertsee  vordringen  wolle. 
Da  verliess  Stanley  ganz  unerwartet  Sansibar  auf 
dem  Seewege  nach  dem  Cap  der  guten  Hoffnung, 
und  es  war  nicht  zu  verwundern,  dass  diese  plötz- 
liche Acnderung  des  Reisevveges  Interpretirungen 
erfuhr,  die  der  grossen  Aufgabe,  welche  hier  zu 
lösen  war,  als  nicht  würdig  sich  erwiesen.  Man 
ging  so  weit,   dem  Leiter  der  Expedition   geheime 

Monataachrm  für  den  Orient.  Juli  1890. 


I'läne  unterzuschieben,  dessen  spurloses  Verschwin- 
den von  der  Aruwimi-Mündung  in  einen  bis  dahin 
noch  unbetretenen  Theil  von  Aecjuatorial-Afrika 
als  etwas  Absichtliches  hinzustellen,  damit  ein  un- 
durchdringlicher Schleier  Stanley's  Pläne  aller 
Welt  verhülle.  Jetzt  wissen  wir,  dass  dies  Alles 
müssige  Combinationen  waren  und  dass  der  that- 
kräftige  Reisende,  wie  immer  vorher,  nur  das  sich 
selber  vorgesteckte  Ziel  und  nichts  Anderes  vor 
Augen  hatte. 

Uebrigens  genügt  ein  Blick  auf  die  Karte,  um 
zu  erkennen,  dass  der  Weg  von  der  Aruwimi-Mün- 
dung bis  zum  Albertsee  unter  allen  gegebenen  weit- 
aus der  kürzeste  ist.  Wenn  Stanley  ausser  der  Be- 
freiung Emins  überhaupt  noch  eine  andere  Aufgabe 
zu  lösen  hatte,  war  es  die,  für  die  Gegenden  des 
mittleren  Congo  eine  neue  Verbiodungsroute  mit 
den  Seen,  beziehungsweise  dem  Nil  aufzusuchen. 
Dies  konnte  aber  nur  in  der  Richtung  eines  der 
rechtsseitigen  Zuflüsse  des  Congo  stromab  der 
Stanley-Fälle  geschehen,  und  da  erwies  sich  wieder 
der  Aruwimi  als  der  von  der  Natur  vorgezeichnete 
Weg.  So  war  Alles  wohl  überlegt,  und  die  Ergeb- 
nisse der  Expedition  beweisen,  dass  Stanley,  wie 
nicht  anders  zu  erwarten,  richtig  caiculirt  hatte. 

Am  21.  Jänner  1887  war  Stanley  von  England 
nach  Egypten  abgereist,  wo  mit  den  massgebenden 
Persönlichkeiten  alle  in  Frage  kommenden  politi- 
schen Factoren  durchbesprochen  wurden.  Am 
22.  •'"ebruar  erfolgte  die  Ankunft  in  Sansibar,  wo 
Stanley  Alles  wohl  vorbereitet  fand,  da  Herr  Eduard 
Mackenzic  rührig  vorgearbeitet  hatte.  Indess  han- 
delte es  sich  noch  um  eine  wichtige  Angelegenheit, 
von  der  das  Gelingen  der  Expedition  vielleicht 
mehr  abhing,  als  von  der  Tüchtigkeit  des  ange- 
worbenen Menschenmaterials  und  der  Trefflichkeit 
der  Ausrüstung.  Diese  Angelegenheit  bezieht  sich 
auf  Vereinbarungen  mit  dem  berühmteoTippu-Tib, 
dem  grössten  und  einflussreichstenKarawanenhändler 
in  Ost-  und  Aetjuatorial-Afrika,  aber  zugleich  dem 
grausamsten  und  geldgierigsten  Sciavenjägcr  in 
jenen  Gebieten.  Stanley  nennt  diesen  unzuver- 
lässigen, raubsüchtigen  und  barbarisch  eigen- 
nützigen Halbwilden  den  „ungekrönten  König  der 
Region  zwischen  den  Stanley-Fällen  und  dem  Tan- 
ganjik.a".  Er  hat  ein  schwer  erworbenes  Vermögen 
in  Waffen  und  Pulver  angelegt,  und  Tausende  von 
abenteuerlustigen     Arabern     haben      sich      unter 


98 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


seine  Fahne  geschaart.  Stanley  kannte  den  Mann 
nur  zu  gut,  und  er  musste  wissen,  wie  er  daran  war. 
Entdeckte  er  bei  ihm  feindselige  Gesinnungen,  dann 
wäre  Stanley  gezwungen  gewesen,  möglichst  weit 
ausserhalb  der  Einfkisssphäre  Tippu-Tib's  zu  ope- 
riren  ;  denn,  wenn  die  Munition,  welche  für  Emin 
Pascha  bestimmt  war,  von  Tippu-Tib  erbeutet  und 
verwendet  wurde,  gerieth  die  Existenz  des  jungen 
Congostaates  in  Gefahr  und  waren  alle  Hoffnungen 
der  Expedition  illusorisch. 

Der  Wortlaut   der  Unterredung  Stanley's   mit 
Tippu-Tib  ist  in  mehrfacher  Beziehung  interessant, 
insbesondere  das  Detail,    aus  welchem   hervorgeht, 
dass  Stanley  neben    dem   humanen  Werke    der  Be- 
freiung Emins   gleichwohl    auch    ganz  geschäftlich- 
praktische Dinge  vor  Augen  hatte...  „Ich  brauchte 
Tippu-Tib's  Hilfe    nicht,    um  Emin  Pascha    zu    er- 
reichen   oder    mir   den  Weg    weisen  zu  lassen  .  .  . 
Allein  Dr.  Junker  hatte   mir  mitgetheiit,    dass  Emin 
Pascha  im  Besitze    von    etwa  75  Tonnen  Elfenbein 
sei.    Ein    solches   Quantum    Elfenbein    würde,    das 
Pfund    zu    8    Mark    gerechnet,    einen    Werth    von 
1,200.000    Mark    repräsentiren.    Die    Betheiligung 
Egyptens    am    Fonds    zum    Entsätze  Emin  Paschas 
ist    in    Anbetracht    der     schlechten    Finanzen    des 
Landes  eine  bedeutende;  in  diesem  Quantum  hatten 
wir  möglicherweise  das  Mittel,  um  den  Staatsschatz 
wieder  aufzufüllen,    und  behielten  noch  eine  grosse 
Summe    zur  Deckung    der  Unkosten    und   vielleicht 
auch    zu    einem    hübschen  Geschenk    für    die  über- 
lebenden Sansibariten   übrig  .  .  .    Weshalb    sollten 
wir   nicht   den  Versuch    machen,    dieses    Elfenbein 
nach  dem  Congo  zu  befördern  ?    Ich  wünschte  des- 
halb   Tippu-Tib    und     seine   Leute    zu    engagiren, 
damit  sie  mir  bei   dem  Transport   der  Munition    zu 
Emin  Pascha  und  auf  dem  Rückwege   beim  Tragen 
des  Elfenbeins  behilflich  seien.    Nach    langen  Feil- 
schen schloss    ich    mit  ihm  einen  Vertrag  ab,    nach 
welchem    er    sich    verpflichtete,     600     Träger     zu 
6  Pfd.  Sterl.    für  jeden    belasteten  Mann    und  jede 
Rundreise  von  den  Stanley-Fällen  nach  dem  Albert- 
see    hin   und   zurück   zu    liefern.     Auf   diese  Weise 
würde,    da   jeder  Mann    70  Pfund  Elfenbein    trägt, 
jede  Rundreise  dem   Fontls  die  Su.-nme  von  13.200 
Pfund  Sterling   netto    ^n    den    Stanley-Fällen    zu- 
führen." / 

Diese  etwas  ijCgenirte  Weise  Stanley's,  über 
fremdes  Eigenthj((m  im  Vorhinein  zu  verfügen, 
überrascht  umsjDmehr,  als  er  des  Umstandes  gar 
nicht  gedenkl/  dass  Emin,  seine  Ofiiciere,  Beamte 
und  Truppeil  für  eine  lange  Reihe  von  Jahren 
Gehälter  uijd  Löhne  zu  beanspruchen  hatten  und 
dass  das  aufgehäufte  Elfenbein  überhaupt  als  Er- 
trägniss  ^er  Provinz,  beziehungsweise  zur  Deckung 
der  VeA^waltungskosten  in  Betracht  kam.  Die 
Stanley'sche  Auftheilung  ist  also  ein  Curiosum, 
das  nebenher  deutlich  beweist,  dass  in  dieRettungs- 
Ange,''legenheit  sehr  praktische  geschäftliche  Aus- 
sichtjen  mitunterliefen.  An  sich  erklärlich,  berühren 
sie  gleichwohl  anstössig' durch  die  kühle  Klarht-it 
der '[Pendenz  und  die  gänzliche  Ausserachtlassung  dt-r 
Periion     des   Eigenthümers    dieser     Schätze    Emin 


Paschas,  Würden  sich  die  Verhältnisse  derartig 
gestaltet  haben,  dass  Letzterer  im  vollen  unbe- 
strittenen Besitze  des  Elfenbeines  gewesen  wäre, 
ist  ohne  Weiteres  anzunehmen,  Emin  würde  sich 
der,  gelinde  gesagt,  unverfrorenen  Transaction 
vStanley's  mit  aller  Energie  widersetzt  haben.  Es 
wäre  dasselbe,  wenn  ein  Forschungsreisender  ohne 
weitere  Umstände  über  die  Regierungscassen  eines 
noch  officiell  an  der  Spitze  der  Verwaltung 
stehenden   Functionärs  verfügen   wollte. 

Um  Tippu-Tib  zu    gewinnen,    hatte   Stanley 
demselben    den   Gouverneursposten    im     Districtc 
der  Stanley-Fälle  angeboten.   Die   Station   ist  be- 
kanntlich die  exponirteste  der  Congolinieund  wurde 
1883   von   Stanley   organisirt.    Später  gerieth  der 
Commandant    dieser  Station,    Capitän    Dräne,     in 
Streit  mit  den  Arabern,  wobei   Tippu-Tib's  Plan- 
tagen mit  Krupp'schen  Granaten  beschossen,   die 
Station     selbst    aber  von    den    zwangsweise   sich 
zurückziehenden  Officieren  niedergebrannt   wurde. 
Ti()pu-Tib   war   noch   immer   im     höchsten   Grade 
erbost,   doch   gelang  es  Stanley,  ihn  zu  beruhigen, 
wobei  natürlicherweise    das    oben    erwähnte   An- 
erbieten seine  Wirkung  nicht  verfehlte.  Der  schlaue, 
geldgierige  Araber  nahm  den  Posten   an   und  damit 
war  der  —  Bock  zum  Gärtner  bestellt.  Denn  dass 
Tipjju-Tib   seinen  Verbindlichkeiten   nachkommen 
würde,   musste  selbst   einem  Stanley  mehr  als  illu- 
sorisch erscheinen  .  .  .  Und  worin  bestanden  diese 
Verbindlichkeiten?    Tippu-Tib     musste     sich    laut 
Vertrag  verpflichten:  in  der  Fall-Station  die  Fahne 
de^  'Congostaates    zu    hissen ;     einen     Residenten, 
dfer   über   die   Zustände   in   der   genannten   Station 
an   den  König  der  Belgier  zu   berichten   hatte,  an- 
zunehmen;  keinen  Sciavenhandel    zu   treiben   und 
keine  Sclavenjagden   unterhalb   der  Fälle  zu   ver- 
anstalten;   das    Eigenthum     der    Eingebornen     in 
jenem  Districte  zu   schonen.   Eine   weitere  Bestim- 
mung    betraf    die    bereits   erwähnte  Trägerfrage. 
Für   alle  diese   Dienstleistungen    sollte  Tippu-Tib 
einen   festen   Gehalt  beziehen,    der    in  die   Hände 
seines  Agenten     zu   Sansibar    auszubezahlen   war. 
Ueberdies   wurden   Tippu-Tib   und   seinen   Leuten 
(g6   Köpfen)   freie  Fahrt   von  Sansibar   nach   dem 
Congo,    einschliesslich   der  Verpflegung,   gewährt. 
Am    18.   März  (1887)   langte    die   Expedition 
an  der  Mündung  des  Congo  an,  von  wo  Tags  darauf 
abmarschirt  wurde.  Die  Kataraktenstrecke,  obwohl 
ein   bekannter,  von   Stanley    mehrfach    betretener 
Weg,   brachte   die   ersten  Beschwerden   der  Reise. 
Nach   kurzer  Rast  zu  Leopoldville  am  Stanley[)ool 
setzte  die   Expedition   am    l.   April    die  Reise   auf 
mehreren  Dampfern   und   grossen  Booten   fort   und 
erreichte    endlich    am   28.    Mai    die  Mündung   des 
Aruwimi.   Am    15.  Juni   war  Stanley   bei   den  Jam- 
bujafällen  eingetroffen  und  hatte  hier  ein  befestigtes 
Lager  unter   Befehl   des  M.ijors   Eduard   Barttelot 
errichtet.     Am   28.  Juni    brach    Stanley    mit    der 
„Vorhut"    von  Jambuja  auf,   womit  die  eigentliche 
lixpedition   ihren   Anfang    nahm.    Wie   Alles,    was 
Stanley   unternimmt,   wohl  erwogen  ist,  hatte  auch 
die  Theilung    der    Expedition     einen    bestimmten 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN   ORIENT. 


99 


Zweck,  lir  hatte  annähernd  Kenntniss  von  der 
Unwegsamkeit  des  von  ihm  zurückzulegenden  Ge- 
bietes und  wollte  es  vermeiden,  seine  ganze  Colonne 
einem  unv(;rherzusehenden  Schicksale  anheim- 
zustellcn.  Insbesondere  sollten  ilie  für  liinin  be- 
stimmten Lasten  so  lange  im  Jambujalager  zurück- 
bleiben, bis  Stanley  über  das  Schicksal,  bezie- 
hungsweise den  Aufenthalt  des  zu  Befreienden 
volle   Kenntniss   erlangt  liaben   würde. 

Dieses  kluge  Abwägen  aller  Möglichkeiten 
ist  bezeichnend  für  Stanley's  Handlungsweise,  und 
Alles  würde  programmmässig  sich  abgespielt  haben, 
wäreMajorHarttelüt  nicht  ermordet,  dessen  Colonne 
nicht  zersprengt  worden  .  .  .  Die  mehrfachen 
Züge  Stanley's  längs  des  Aruwimi  bis  zum  Albertsee 
nahmen  folgenden  Verlauf:  Nach  dem  Aufbruche  aus 
dem  Jambujalager  marschirte  die  aus  389  Leuten 
bestehende  (gewissermassen  eclairirende)  Colonne 
durch  einen  dichten  Wald,  welcher  die  Expedition 
durch  volle  160  Tage  in  seinen  schattigen,  feuchten, 
und  unheimlichen  Gründen  einschloss.  Stanley 
schildert  diesen  ungeheuerlichen  Marsch  wie  folgt  : 
,,Uer  September,  October  und  die  erste  Hälfte  des 
November  (1887)  werden  niemals  meinem  Ge- 
dächtnisse entschwinden.  Stellen  Sie  sich  die  Be- 
schwerlichkeiten vor:  ein  undurchdringliches 
Dickicht,  in  den  Schatten  von  100 — 180  Fuss 
hülienHäumengchüllt,  voller  Sträucher  und  Dornen, 
versumpfte  Wasserläufe,  stellenweise  ein  tiefer 
Strom.  Stellen  Sic  sich  diesen  Wald  und  dieses 
Gestrüpj)  in  allen  Stadien  der  Vermoderung  vor, 
der  Boden  wimmelnd  von  Insecten  aller  Arten, 
Farben  und  Grössen  ;  Affen  auf  den  Bäumen,  selt- 
same Thierstimmen  nah  und  fern,  im  Hinterhalte 
lauernde  Zwerge  mit  vergifteten  Pfeilen  und  starke 
Ureinwohner  mit  entsetzlich  scharfen  Speeren ; 
jeden  lag  Fieber  und  Ruhr  erzeugende,  von 
Wasserdunst  gesättigte  Luft,  eine  niemals  von 
der  Sonne  durchhellte  Dämmerung  bei  Tag  und 
eine  undurchdringliche,  fast  greifbare  Finsterniss 
bei  Nacht:  fassen  Sie  dies  Alles  zusammen,  so 
können  Sie  sich  ungefähr  eine  Vorstellung  von 
den  Beschwerden  machen,  welche  wir  in  der  Zeit 
vom  28.  Juni  bis  5.  December  1887  zu  besiegen 
hatten.  Schlimmer  als  Alles  aber  waren  die  Zwerge. 
Auch  das  Thierleben  ist  so  unbeschreiblich  wild 
und  unnahbar,  dass  die  Jagd  kein  Vergnügen 
gewährt." 

Stanley  durchzog  das  Waldgebiet,  indem  er 
eine  Zeit  hindurch  dem  Laufe  des  Aruwimi  folgte. 
Drei  Wochen  wurde  kein  Rasttag  gehalten.  Am 
13.  August  tödteten  die  Eingebornen  fünf  Mann 
durch  Pfeiischüsse  und  verwundeten  den  Lieutenant 
Stairs.  Ende  August  stiess  die  Expedition  auf  eine 
arabische  Karawane,  an  deren  Spitze  ein  gewisser 
Ugarrowwa,  vormals  Diener  bei  Capitän  Speke, 
stand.  Der  Karawanenführer  verleitete  26  von  den 
Leuten  Stanley's  zum  Abfall  von  diesem.  Da  die 
Vorrälhe  zu  schwinden  begannen,  sah  sich  St mley 
selber  gezwungen,  5O  Mann  an  Ugarrowwa  ab- 
zugraben Der  Weitermarsch  nach  Kilonga-Longa 
forderte  neuerliche  Opfer :  56  Mann,  welche  iheils 


dem  Hunger  erlagen,  theils  flüchtig  wurden.  In 
dieser  Schreckenszeit  bestand  die  Nahrung  vor» 
wiegend  aus  wilden  Früchten  und  Schwämmen. 
Zu  seinem  Schmerze  musste  es  Stanley  in  Kilonga- 
Longa  erleben,  dass  seine  Leute  Ihre  Waffen  und 
Habseligkeiten  verkauften.  Als  die  Expedition 
wieder  aufbrach,  zeigte  es  sich,  dass  die  übrig 
gebliebenen  Mannschaften  so  ausgehungert  waren, 
dass  70  Lasten  und  das  Boot  zurückgelassen 
werden   mussten. 

Bald  nach  dem  Aufbruche  von  Kilonga-Longa 
überschritt  die  Colonne  den  Iluri  —  wie  der 
Oberlauf  des  Aruwimi  heisst  —  und  gelangte 
in  ein  von  den  Arabern  gänzlich  verwüstetes 
Gebiet.  In  Ibwiri,  wo  Stanley  zwei  Wochen  lang 
rastete,  zeigte  sich  unter  dessen  Leuten  ein  der- 
art bedenklicher  meuternder  Geist,  dass  der  un- 
erschrockene und  unbeugsame  Forscher  zwei 
Haupträdelsführer  summarisch  hängen  licss,  um 
die  Ordnung  zur  Noth  aufrecht  zu  erhalten.  End- 
lich, am  5.  December,  war  der  grosse  Wald 
zurückgelegt.  Nun  kam  es  aber,  kurz  vor  dem 
Ziele,  zu  höchst  störenden  Zwischenfällen.  Zu- 
nächst verwehrte  der  mächtige  Häuptling  Masam- 
boni  den  Durchzug.  Stanley  Hess  sein  Lager  (ein 
Dorf)  befestigen,  um  hierauf,  da  Unterhandlungen 
nichts  fruchteten,  die  Stellungen  der  Gegner  an- 
zugreifen, welche  in  wilder  Flucht  auseinander- 
stoben. Das  geschah  am  11.  December;  Tags 
darauf  wurde  der  Spiegel  des  Albertsees  sicht- 
bar. Da  die  Eingeborenen  sich  abermals  zum 
Kampfe  stellten,  Stanley's  Leuten  aber  die  Mu- 
nition ausging,  zog  sich  Stanley  nach  Ibwiri,  das 
er  befestigen  liess,  zurück.  Hier  erkrankte  der 
Forscher  an  einer  Magenentzündung  und  war 
gezwungen,  einen  vollen  Monat  in  hilfloser  Unthä- 
tigkeit  zu  verharren.  Nachdem  durch  diese  Stö- 
rungen im  Ganzen  fast  sieben  Wochen  verloren 
gegangen  waren,  brach  die  Expedition  abermals 
nach  dem  .Albertsee  auf.  Merkwürdigerweise  ver- 
hielt sich  diesmal  Masamboni  freundlich  und  ent- 
gegenkommend, offenbar  deshalb,  weil  er  von  der 
Anwesenheit  Emins  am  Albertsee  erfahren  haben 
musste.  Denn  als  Stanley  nur  noch  eine  Tag- 
reise von  letzterem  entfernt  war,  erhielt  er  durch 
die  Vermittlung  des  Häuptlings  Nachricht  von 
ICmin,  dahin  lautend,  Stanley  möge  in  Kavalli 
(am  Südwestende  des  Sees)  verbleiben.  Am 
2g.  April,  5  Uhr  Nachmittags,  kam  der  Dampfer 
Emin'sin  Sicht,  und  wenige  Stunden  später  konnten 
sich   die   kühnen   Männer   die   Hände  schütteln. 

Welchen  Verlauf  die  Begegnung  nahm,  haben 
unsere  Leser  im  ersten  .'Artikel  erfahren.  Hlrst 
gegen  Ende  Mai  war  die  Situation  so  weit  ge- 
klärt, dass  Stanley  nun  an  die  schwierigste  Auf- 
gabe schreiten  konnte,  die  Nachhut  einzuholen. 
Am  25.  Mai  wurde  der  Rückmarsch  mit  Aufgebot 
eines  feierlichen  Ceremoniells  angetreten.  .Am 
17.  traf  er  in  Banaija  ein,  wo  er  durch  Bonny 
erfuhr,  dass  Barttelot  ermordet  und  seine  Colonie 
zersprengt  sei.  Von  den  257  Leuten  waren  nur 
71   übrig  geblieben;  von  diesen  waren   nach  vor- 


100 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


genommener  Musterung  kaum  51  diensttauglich, 
und  diese  „waren  zum  grössten  Theil  Vogel- 
scheuchen". Noch  bevor  Stanley  von  der  Kata- 
strophe, welche  Barttelot  ereilt  hatte,  Kenntniss 
erhielt,  schrieb  er  letzterem  vom  „Fort  Bodo" 
aus.  Uiese  Station,  am  Aruwimi  gelegen,  ist  von 
Kavalli  am  Albertsee  westwärts  120  englische 
Meilen  (77  Stunden  Karawanenmarsches),  von 
Jambuja  in  gerader  östlicher  Richtung  527  eng- 
lische Meilen  (352  Stunden  Karawanenmarsches) 
entfernt.  Die  ganze  Marschroute,  welche  Stanley 
in  den  170  Tagen  vom  28.  Juni  bis  14.  üecember 
zurückgelegt  hatte,  ist  sonach  647  englische 
Meilen  oder  logi  Kilometer  lang  —  eine  Strecke, 
welche  (in  der  Luftlinie  gemessen)  derjenigen 
zwischen  Hamburg  und  Genua  ungefähr  gleich- 
kommt. Da  sich  die  Expedition  160  Tage  indem 
grossen  mittelafrikanischen  Urwalde  befand,  wurde 
dieser  in  einer  Breite,  welche  annähernd  der- 
jenigen von  Mitteleuropa  entspricht,  durchquert! 
Dieses  vergleichende  Beispiel  wird  gewiss  dazu 
beitragen,  von  allen  anderen  Factoren  abgesehen, 
die  grossartige  Leistung  Stanley's  in's  richtige 
Licht  zu  stellen. 

Ausser  der  ersten  Begegnung  Stanley's  mit 
Emin  und  den  hieran  sich  knüpfenden  Zwischen- 
fällen und  ausser  den  aufregenden  Ereignissen, 
welche  der  zweiten  Begegnung  vorausgingen,  ein- 
schliesslich der  langwierigen  Vorbereitungen,  ist 
keine  Episode  dieses  grossen  Unternehmens  von 
annähernd  gleichem  Interesse,  als  die  Geschichte 
der  Nachhut.  Stanley  widmet  ihr  einen  beson- 
deren Abschnitt,  und  wenn  wir  auf  die  Einzel- 
heiten seiner  Ausführungen  näher  eingehen,  ge- 
schieht es  aus  dem  Grunde,  weil  die  Schicksale 
der  Barttelot'schen  Colonne  ein  grelles  Licht  auf 
jene  Verhältnisse,  welche  zur  Zeit  am  Ober- 
Congo  herrschen,  werfen  und  als  deren  Urheber 
der  berüchtigte  Tippu-Tib,  recte  Hamed  ben 
Mohammed,  anzusehen  ist. 

Unter  welchen  Voraussetzungen  Stanley  die 
Aruwimi-Route  gewählt  und  die  Barttelot'sche 
Colonne  in  Jambuja  zurückgelassen  hatte,  ist  be- 
kannt. Dem  Major  waren  zugetheilt :  William 
Bonny,  J.  S.  Jameson,  ein  reicher  Privatmann,  den 
der  Drang  nach  Abenteuern  und  geographischen 
Entdeckungen  in  das  Lager  Stanley's  geführt 
hatte ;  ferner  Herbert  Ward  und  Troup.  Neben 
der  Wortbrüchigkeit  Tippu-Tibs  hat  die  Bartte- 
lot'sche Colonne  nichts  so  sehr  demoralisirt,  als 
die  wiederholt  aufgetauchten  Gerüchte  von  der 
Ermordung  Stanley's.  Zwar  glaubte  Barttelot  nicht 
daran ;  um  aber  leichter  die  Nachsuche  nach  dem 
Verschollenen  anstellen  :ju  können,  entledigt  er 
sich  eines  Theiles  der  Lasten,    was  ihm  Stanley 


hinterher    sehr  verübelte 


„Er    schickt    alle 


meine  Kleidungsstücke,  Skizzen  und  Karten,  die 
Reservevorräthe  der  Expedition  an  Arzneien, 
Chemikalien  zum  Photographiren,  die  Extrafedern 
für  die  Winchester-  und  Remingtongewehre, 
wichtige  Theile  der  Zelte  und  meine  ganze  Privat- 
ausrüstung    zurück     nach     Bangala     (am     Mittel- 


Congo).  Er  versetzt  mich  in  den  Zustand  völ- 
liger Nacktheit,  und  ich  bin  so  arm,  dass  ich 
gezwungen  bin,  mir  ein  Paar  Beinkleider  von 
Herrn  Bonny  zu  leihen,  ein  zweites  aus  einer 
alten  weissen  wollenen  Decke  im  Besitze  eines 
Deserteurs  und  ein  drittes  Paar  aus  dem  Vor- 
hang meines  Zeltes  zu  schneiden  .  .  .  Ferner 
macht  er  (Barttelot)  eine  ausgewählte  Sammlung 
von  eingemachten  Früchten,  Sardinen,  Weizen- 
mehl, Sago,  Tapioca,  Arrowroot  u.  s.  w.  zurecht 
und  verladet  dieselben  mit  dem  Dampfer,  welcher 
Herrn  Troup  heimträgt.  Und  doch  gibt  es 
33  Sterbende  im  Lager."  Des  weiteren  macht 
Stanley  folgende  Bemerkungen  :  Im  Ganzen  waren 
Barttelot  158  Kisten  mit  80.000  Patronen  über- 
geben worden.  Während  des  elfmonatlichen  Lager- 
lebens war  dieser  Vorrath  bis  auf  35.580  Pa- 
tronenzusammengeschmolzen, obwohl  kein  Marsch, 
kein  Kampf  stattgefunden  hatte.  Ausserdem  waren 
die  Hälfte  des  Schiesspulvers  und  zwei  Drittel 
der  Stoffballen  verschwunden.  Obwohl  in  Jam- 
buja ursprünglich  ein  Vorrath  von  300.OOO  Zünd- 
hütchen vorhanden  war,  hielt  man  es  doch  für 
nothwendig,  solche  für  48  Pfd.  St.  von  Tippu- 
Tib  zu   kaufen. 

Angesichts  der  Schneidigkeit  Barttelot's,  des 
Pflichteifers  und  der  Regsamkeit  der  anderen,  dem 
Major  zugetheilten  Hilfsarbeiter  erscheint  es  wie 
ein  Räthsel,  dass  die  Nachhut  mit  ihren  reichen 
Vorräthen  an  Munition  und  Provisionen  fast  ein 
Jahr  lang  am  unteren  Aruwimi  festgenagelt  blieb. 
Auch  Stanley  findet  dieses  Verhalten  unerklärlich, 
umsomehr,  als  er  klare  Instructionen  für  den  Be- 
fehlshaber und  dessen  Mitarbeiter  hinterlassäen  hatte. 
Wir  denken,  dass  gerade  diese  letzteren  Mitursache 
der  Verzögerung,  beziehungsweise  der  gänzlichen 
Desorganisation  der  Nachhut  waren,  denn  die 
stramme  Disciplin,  das  stricte  Befolgen  aller  Be- 
fehle, wie  überhaupt  die  militärische  Organisation 
der  Expedition  schränkte  den  Wirkungskreis  des 
Einzelnen  auf  ein  Minimum  ein.  Zwar  verwahrt  sich 
Stanley,  „Befehle"  gegeben  zu  haben;  es  wären 
nur  „Weisungen"  gewesen,  welche  auf  Grund  der 
jeweiligen  Sachlage  nach  eigenem  Ermessen  der 
betreffenden  Colonnenführer  befolgt  oder  nicht  be- 
folgt werden  sollten.  Nun  denke  man  sich  in  die 
Lage  eine.s,  an  stramme  Disciplin  gewöhnten  Offi- 
ciers,  welcher  den  Auftrag  hat,  mit  Hilfe  der  von 
Tippu-Tib  beizustellenden  Träger  die  von  Stanley 
getroffenen  Marschdispositionen  durchzuführen,  diese 
Träger  aber  trotz  aller  Urgenzen  nicht  erhält.  Wenn 
Stanley  selber  volles  Vertrauen  in  Tippu-Tib  setzte 
und  hinterher  hierin  grimmig  getäuscht  wurde  :  wie 
sollte  der  auf  afrikanischem  Gebiete  und  im  Ver- 
kehr mit  Araberhäuptlingen  gänzlich  unvertraute 
und  arglose  Barttelot  mit  einem  Manne  von  der 
Verschlagenheit  und  dem  heimlichen  UebelwoUen 
—  bei  äusserlich  tadelloser  Freundlichkeit  und 
scheinbarer  Dienstbeflissenheit  —  eines  Tippu-Tib 
fertig  werden?  Und  wenn  alsdann  die  Träger  statt 
in  „neun  Tagen"  noch  nach  Ablauf  von  elf  Monaten 
nicht    zur    Stelle    sind    und    ausserdem    zahlreiche 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEM    ORIENT. 


101 


störende  Zwischenfälle  störend  einwirken  :  wie  kann 
man  es  da  verargen,  wenn  die  Colonne  nicht  vom 
Flecke  kommt? 

Stanley  ist  im  höchsten  Grade  darüber  auf- 
gebracht, dass  Rarttelot  Munition  und  Lebensmittel 
nach  Bangala  zurücksendet,  angesichts  der  Noth, 
welche  die  Vorhut  litt.  Erstens  konnte  Barttelot 
von  diesem  Zustande  der  Dinge  keine  Kenntniss 
haben,  wobei  noch  weiter  in  Betracht  kommt,  dass 
Stanley  todtgesagt  wurde ;  zweitens  nahmen  die 
Verhandlungen  mit  Tippu-Tib,  der  Träger  wegen, 
Monate  in  Anspruch ;  ohne  Träger  aber  war  an  ein 
Nachrücken  überhaupt  nicht  zu  denken ;  drittens 
erwiesen  sich  auch  die  Instructionen  als  ein  Hinder- 
niss.  Stanley,  der  mit  Recht  auf  die  Befolgung 
solcher  Instructionen  grosses  Gewicht  legt,  ist  un- 
gehalten darüber,  dass  Barttelot's  Mitarbeiter  alle 
Dinge  geschehen  lassen,  wie  sie  ihr  Befehlshaber 
anordnet,  was  doch  nur  in  Conse<iuenz  der  von 
Stanley  hochgehaltenen  Disciplin  geschieht.  Ais 
dieser  mit  Bonny,  dem  einzigen  noch  zur  Stelle 
weilenden  Officier  Barttelot's,  mit  den  Trümmern 
der  Nachhut  in  Banalja  zusammentrifft,  ents[)innt 
sich  folgender  charakteristische  Dialog  : 

Stanley:  „Nun,  Herr  Bonny,  wenn  es  wahr  ist, 
dass  sie  Alle  so  begierig  waren  und  eifrig  und 
dringend  wünschten,  fortzukommen,  dann  sagen  Sie 
mir,  weshalb  Sie  nicht  auf  einen  besseren  Plan 
verfallen  sind,  als  zwischen  Jambuja-  und  den 
Stanley-Fällen  hin-  und  herzureisen  ?" 

Bonny :  »Das  weiss  ich  wahrlich  nicht.  Ich 
war  nicht  Chef,  und  wie  Sie  bemerken  werden, 
haben  Sie  in  dem  Instructionsschreiben  nicht  einmal 
meinen  Namen  genannt." 

Stanley:  „Uns  ist  sehr  wahr,  und  ich  bitte 
deshalb  um  Entschuldigung."   .  .  . 

Diese  Entschuldigung  ist  doch  wohl  nur  eine 
schwache  Ausflucht,  ja  gewissermassen  eine  Selbst- 
bekenntniss  mangelhafter  Instructionen.  Aber  selbst 
den  Fall  gesetzt,  die  Nachhut,  beziehungsweise 
deren  Führer,  hätten  ganz  nach  eigenem  Ermessen 
gehandc'lt:  wurden  nicht  in  Sansibar  unter  den 
Augen  der  competentcn  Behörde  mit  Tippu-Tib 
bindende  Abmachungen  vereinbart,  welche  die 
Basis  für  das  Verhalten  der  Nachhut  abgaben  ? 
Sehen  wir  einmal  zu,  wie  es  sich  damit  verhält. 

Am  17.  August  1887  hörten  die  Führer  der 
Nachhut  jenseits  des  Aruwimi,  didit  gegenüber 
von  Jambuja,  Gewehrfeuer.  „Weissgekleidete 
Männer"  (d.  h.  Araber)  trieben  Rudel  von  Ein- 
geborenen gegen  den  F'luss.  Es  stellt  sich  heraus, 
dass  es  Marodeure  Ti]ipu-Tib's  sind,  weiche  von 
den  Stanleyfäilen  kommen.  I  lierbei  erfährt  Barttelot, 
dass  diese  letzteren  nur  sechs  Tagmärsclie  von 
Jambuja  entfernt  seien.  Nichts  ist  begreiflicher,  als 
der  lilntschluss  des  Majors,  in  Anbetracht  der  ge- 
ringen Entfernung  des  Aufenthaltes  Tippu-Tib's, 
diesen  aufzusuchen,  um  nachzusehen,  wie  die  Dinge 
stehen.  Barttelot  sendet  Ward  dorthin,  und  am 
2g.  August  bringt  dieser  die  Botschaft,  'l'ip[)u-Tib 
werde    die   erforderlichen   Träger   innerhalb   zehn 


Tage  schicken.  .  .  Das  erste,  im  Juni  gegebene 
Versprechen  lautete  „innerhalb  neun  Tagen",  das 
Versprechen  im  August  lautete  „innerhalb  zehn 
Tagen".  .  .  .  Einige  Tage  später  kommt  Jameson 
in  Begleitung  des  Selim  ben  Mohammed,  eines  Neflfcn 
Tippu-Tib's,  von  den  Fällen  zurück.  Diese  Truppe 
soll  die  Vorhut  des  Trägcrcontigentes  sein,  das 
Tippu-Tib  binnen  Kurzem  persönlich  mitbrin- 
gen will. 

Während  man  in  Jambuja  auf  ihn  wartet, 
brechen  aber  Unruhen  am  Somumi  aus,  und  Tippu- 
Tib  ist  gezwungen,  dorthin  zu  eilen.  Des  langen 
Harrens  müde,  begibt  sich  Barttelot  persönlich 
nach  den  Stanley-Fällen  und  begegnet  hiebei  dem 
Gesuchten,  der  sich  auf  dem  Marsche  nach  Jambuja 
befindet.  Es  stellt  sich  heraus,  dass  Tippu-Tib  nicht 
im  Stande  ist,  die  contractiichen  600  Träger  zu- 
sammenzubringen, doch  glaubt  er,  sie  in  Kasongo 
aufbringen  zu  können  —  560  Kilometer  oberhalb 
der  Fälle  1  Zur  Bewältigung  dieses  Weges  (hin  und 
zurück  H20  Kilometer)  waren  aber  42  Tage  er- 
forderlich. 

Unterdessen  macht  sich  im  Lager  zu  Jambuja 
der  nacKtheilige  Einfluss  der  Manjema  bemerkbar, 
indem  der  Tauschhandel  fast  gänzlich  aufhört.  In 
Folge  dessen  sendet  Barttelot  Herrn  Ward  zum 
dritten  Male  nach  den  Fällen,  damit  dieser  Klage 
gegen  den  Manjema-Führer  vorbringe.  Die  Be- 
schwerde hat  Erfolg,  und  der  Führer  wird  sofort 
abberufen.  Zu  Beginn  des  Jahres  1888  trifft  Selim 
ben  Mohammed  zum  zweiten  Male  in  Jambuja  ein 
und  zeigt  ein  derart  feindseliges  Verhalten,  dass 
der  Major  und  Jameson  um  die  Mitte  des  Februar 
den  vierten  Besuch  der  Fälle  unternehmen.  Selim 
ist  vorsichtig  genug,  mitzugehen,  und  es  ist  auch 
sonst  ohne  Weiteres  klar,  dass  der  Onkel  den 
Neffen  nur  pro  forma  desavouiren  werde.  In  der 
That  erscheint  Selim  zum  dritten  Male  in  Jambuja, 
und  es  kommt  abermals  zu  Differenzen  zwischen 
ihm  und  dem  Major,  wodurch  dieser  gezwungen  ist, 
den  fünften  Besuch  an  den  F'ällen  zu  machen,  damit 
jener  entfernt  werde.  Um  die  Mitte  des  April  kehrt 
Barttelot  in's  Lager  zurück,  und  Selim  erhält  den 
Befeld,  Jambuja  zu  verlassen.  Statt  sich  aber  nach 
den  Fällen  zu  begeben,  unternimmt  er  einen  Raub- 
zug, kehrt  jedoch  bereits  nach  kurzer  Zeit  zurück 
und  behauptet,  er  habe  ein  Gerücht  vernommen, 
demzufolge  die  Vorhut  auf  dem  Aruwimi  herab- 
komme. 

Am  9.  Mai  1888  begibt  sich  der  Major  zum 
sechsten  Male  nach  den  Fällen  und  am  22.  des- 
selben Monates  kehrt  er  mit  dem  unermüdlichen 
Jameson,  der  den  Spuren  Ti|)pu-Tib's  n.ich  Ku- 
songo  gefolgt  war  und  eine  grosse  Truppe  von 
Manjema-Trägern  aufgebracht  hatte,  zurück.  Drei 
Tage  später  trifft  der  grosse  afrikanische  Cunctator 
ein  —  am  12,  Mai  1888,  anstatt  am  18.  Juni  1887, 
wie  er  versprochen  hatte.  Nun  begannen  .iber  neue 
Schwierigkeiten.  Da  Tippu-Tib  erklärte,  die  Lasten 
zu  60  Pfund  seien  zu  schwer,  musste  alles  Gepäck 
in  Lasten  zu  40,  30  und  20  Pfund  umgepackt  wer- 
den,  so   dass   die  Expedition  —  insgcsammt  100 


102 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    I^N    ORIENT. 


Mannschaften  und  900  Manjema,  Männer,  Frauen 
und  Kinder  —  erst  am  11.  Juni  aufbrecl.en  iionnte. 

Es  ist  ohne  Weiteres  klar,  dass  die  Nachhut, 
würde  sie  die  1290  Kilometer,  welche  Harttelot 
auf  seinen  sechs  Reisen  nach  und  von  den  Stanley- 
Fällen  gemacht  hatte,  auf  der  directen  Aruwimi- 
Route  zurückgelegt  haben,  längst  am  Albertsee  ein- 
getroffen sein  würde.  Der  grenzenlose  Wirrwarr  ist 
jedenfalls  auf  das  starre  Festhalten  Barttelots  an 
den  Abmachungen  mit  Tippu-Tib,  beziehungsweise 
auf  die  Saumseligkeit  des  letzteren,  der  damit  offen- 
bar das  Unternehmen  zum  Scheitern  bringen,  sich 
selber  aber  schlauer  Weise  nicht  biosssteilen 
wollte,  zurückzuführen.  Aber  gesetzt  den  Fall,  Hart- 
telot verliert  schon  nach  den  ersten  Versuchen 
an  den  F'ällen  die  Geduld  und  marschirt  von  Jam- 
buja  ab  ;  wäre  unter  solchen  Umständen  Barttelot 
nicht  in  die  zwingende  Lage  versetzt  worden,  alle 
nicht  transportfähigen  Lasten  zurückzulassen?  Und 
welche  Aussicht  hatte  das  Unternehmen,  wenn  es 
in  unfertigem  Zustande  in  Scene  gesetzt  wurde? 
Man  steht  hier  in  der  'I'hat  vor  einem  Dilemma, 
das  keineswegs  damit  aus  der  Welt  geschafft  wird, 
wenn  Stanley  einmal  den  Verlust  so  vieler  herr- 
licher Sachen  des  Reserve-Gepäcks,  ein  andermal 
den  Träger-Wirrwarr  bekrittelt  und  schliesslich 
gleichwohl  mit  keinem  Worte  eröffnet,  was  eigent- 
lich hätte  geschehen  sollen.  Prüft  man  alleFactoren 
objectiv,  so  ergibt  sich  klar  und  deutlich  das  Ver- 
halten Ti])pu-'ribs  als  das  Grundübel.  Wenn  es 
aber  ein  schwerer  Irrthum  war,  sich  auf  diesen 
habsüchtigen  und  übelwollenden  Araber-Chef  zu 
verlassen,  trifft  die  Schuld  hieran  keineswegs  den 
Befehlshaber  und  die  Officiere  der  Nachhut,  son- 
dern —  Stanley,  der  den  ganzen  Plan  auf  Tippu- 
Tib  aufgebaut  hatte. 

Dreizehn  Tage  nach  dem  Abmärsche  der  Horde 
von  Manjema  und  der  blutleeren  Sansibariten  von 
dem  Unglückslager  bei  Jambuja  unternimmt  Bart- 
telot die  siebente  Reise  nach  den  Stanley-Fällen 
und  überlässt  es  der  Colonne,  sich  ohne  ihn  nach 
Banalja  durchzukämpfen.  Am  43.  Tage  erreichte 
die  Spitze  der  Nachhut  auf  dem  144  Kilometer 
langen  Marsche  das  mit  Palissaden  umgebene  Dorf 
Banalja,  welches  inzwischen  eine  Station  Tippu- 
Tib's  unter  Befehl  .Abdallah  Karoni's  geworden  ist. 
Fast  zur  selben  Stunde  trifft  der  Major  von  den 
Fällen  ein.  Aber  schon  am  nächsten  Tage  geräth 
er  mit  Karoni  in  Streit  und  droht,  am  20.  Juli  die 
achte  Reise  nach  den  Fällen  zu  unternehmen  und 
sich  bei  Tippu-Tib  zu  beschweren. 

Da  ereignete  sich  am  19.  die  Katastrophe. 
Früh  Morgens  begann  ein  Manjema- Weib  in  ge- 
wohnter Weise  das  Tamburin  zu  schlagen  und  zu 
singen.  William  Bonny  erzählt  weiter:  „Der  Major 
sandte  seinen  Jungen  Saudi,  der  erst  etwa  13  Jahre 
alt  war,  hin  mit  dem  Befehl,  damit  aufzuhören, 
worauf  man  sofort  laute,  ärgerliche  Simmen  hörte, 
sowie  zwei  Schüsse  ,  die  zum  Trotz  abgefeuert 
wurden.  Nun  schickte  der  Major  einige  Sudanesen 
hin,  um  die  Leute,  welche  geschossen  hatten,  zu 
holen,  während  er  selbst  aus  dem  Bette  sprang  und, 


seine  Revolver  aus  den  Kasten  nehmend,  sagte : 
„Ich  werde  den  ersten,  den  ich  beim  Schiessen 
treffe,  niederstrecken."  Ich  bat  ihn,  sich  nicht  in 
die  täglichen  Gewohnheiten  der  Leute  zu  mengen, 
sondern  lieber  drinnen  zu  bleiben,  da  sie  sich  dann 
bald  wieder  beruhigen  würden.  Er  begab  sich  je- 
doch mit  dem  Revolver  hinaus,  wo  die  Sudanesen 
waren.  Sie  sagten  ihm,  sie  könnten  die  Leute  nicht 
finden,  welche  geschossen  hatten.  Der  Major  stiess 
hierauf  einige  Manjema  zur  Seite,  drängte  sich 
durch,  ging  auf  das  das  Tamburin  schlagende  und 
singende  Weib  zu  und  forderte  es  auf,  stille  zu  sein. 
In  demselben  Augenblicke  feuerte  Sanga,  der  Gatte 
des  Weibes,  durch  ein  Luftloch  in  einer  gegen- 
überliegenden Hütte  einen  Schuss  ab,  dessen  Kugel 
den  Major  gerade  unterhalb  der  Herzgegend  traf, 
am  Rücken  wieder  herauskam  und  in  einem  'Theile 
der  Veranda  stecken  blieb,  unter  welcher  der  Ge- 
troffene todt  zu  Boden  stürzte." 

Man  denke  sich  den  Wirrwarr  nach  diesem 
entsetzlichen  Vorfall  —  innerhalb  eines  Raumes 
von  1507«  Länge  und  24  w  Breite,  in  welchem  ins- 
gesammt  1000  Personen  anwesend  waren,  darunter 
900  Kannibalen.  Ein  allgemeines  Schreien,  Flüchten 
und  Plündern  begann.  Niemand,  auch  die  Suda- 
nesen und  Sansibariten  nicht,  machten  hievon  eine 
Ausnahme.  Einen  Augenblick  hatte  es  den  An- 
schein, dass  es  auch  Bonny  an  den  Kragen  gehen 
sollte,  doch  schüchterte  derselbe  die  auf  ihn  in 
drohender  Haltung  zukommenden  Manjema  durch 
seine  Kaltblütigkeit  und  Geistesgegenwart  ein.  Herr 
Jameson  war  nicht  im  Lager,  sondern  eine  Tage- 
reise entfernt,  mit  dem  Transport  der  zurückge- 
bliebenen Lasten  beschäftigt.  Am  22.  Juli,  trifft  er 
im  Lager  ein,  und  schon  am  25.  tritt  er  die  (achte) 
Reise  nach  den  F'ällen  an,  um  Tippu-'Tib  zu  be- 
wegen, persönlich  die  Führung  der  Nachhut  zu 
übernehmen.  Jameson,  ein  reicher  Mann,  erbot  sich, 
10.000  Pf.  St.  aus  seiner  Tasche  zu  zahlen,  und 
sollte  diese  Summe  eventuell  verdoppelt  werden, 
obwohl  er  keine  Garantie  übernehmen  könne,  dass 
das  Comite  den  Rest  bestritte.  Während  difses  Auf- 
enthaltes bei  'Tippu-Tib  wurde  der  Mörder  Sanga 
an  den  Stanley-Fällen  eruirt,  durch  'Tippu-'Tib,  im 
Beisein  des  belgischen  Residenten  in  der  Fall- 
Station  als  Schuldiger  erkannt  und  sofort  erschossen. 
Da  schon  früher  Herr  Ward  nach  der  Küste  mit 
einer  De[)esche  an  das  Comite,  welches  die  Bitte 
um  neue  Instructionen  enthielt,  entsendet  worden 
war,  hegte  Jameson  den  Wunsch,  Herrn  Ward  ent- 
gegenzueilen. E^r  machte  sich  in  einem  Canoe  mit 
10  Sansibariten  von  den  Fällen  auf,  zog  sich  aber 
auf  der  strapaziösen  Reise  ein  Gallenfieber  zu,  wel 
ches  den  'Tod  des  wackeren  Mitgliedes  der  E.xpe 
dition  herbeiführte.  Tag  und  Nacht  ruderten  die 
Canoeleute,  um  das  Ziel,  die  Station  Bangala, 
zu  erreichen,  wo  sie  gerade  noch  früh  genug  ein- 
trafen, um  den  Sterbenden  Herrn  Ward  in  die  Arme 
zu  legen  und  wo  er  seinen  letzten  Athemzug  that. 
Es  war  dies  in  derselben  Stunde,  da  Stanley  in 
Banalja  anlangte;  und  die  Fi  age  that :  „WoistJame- 


% 


1 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


103 


Da  1 1<  ir  'rroup  sclion  von  Jambuja  aus  als 
Invalide  dii;  RiUkreise  nacli  liuropa  angetreten 
hatte,  war  William  Honny  der  letzte  der  Officiere, 
in  dessen  Händen  das  Schicksal  der  ICxpedition  la^. 
Wahrhaft  jjrauenerregend  ist  die  Sciiildening, 
welche  Stanley  von  dem  Lajjer  in  Banaija,  wo  er 
am  17.  August  eintraf,  entwirft  .  .  .  „lis  waren  noch 
sechs  Leichen  unheerdigt,  und  zu  Dutzenden  sahen 
wir  die  Lebenden  mit  Eiterheulen  vor  uns.  Andere 
waren  in  Folge  von  Dysentrie  und  Blutleere  bis 
auf  Haut  und  Knochen  abgemagert;  andere  wieder, 
mit  Geschwüren  so  gross  wie  Untertassen,  krochen 
herbei  und  riefen  uns  mit  hohler  Stimme  ihr 
schreckliches  Willkommen  zu  —  Willkommen  auf 
diesem  Kirchhofe!  .  .  .  Ich  vernahm  von  Mord  und 
Tod,  von  Krankheit  und  Sorge,  von  Kummer  und 
Noth,  und  wohin  ich  sah,  begegn(;ten  meinen 
Blicken  die  hohlen  Augen  der  vSterbenden  mit 
solchem  vertrauenden,  flehenden  Ausdruck,  dass 
ich  glaubte,  das  Herz  müsse  mir  brechen,  wenn 
nur  ein  Seufzer  hörbar  wurde  .  .  .  Hundert  Gräber 
in  Jambuja,  33  Mann  im  Lager  zuiückgelassen,  um 
umzukommen,  10  Leichen  am  Wege,  etwa  40  Per- 
sonen im  Dorfe,  die  im  Begriffe  standen,  den 
schwachen  Halt  am  Leben  fahren  zu  lassen,  über 
20  Desertirte  und  60  im  leidlichen  Zustande  ge- 
rettet!" .  .  .  Das  war  der  Rest  von  den  271  Mann, 
welche  Stanley    in   Jambuja    zurückgelassen    hatte. 

Nachdem  Stanley  die  Reste  derBarttelot'schen 
Colonne  gesammelt  hatte,  trat  er  am  21.  August 
1888  (also  nachdem  er  sich  nur  vier  Tage  Rast 
gegönnt  hatte),  den  dritten  Marsch  nach  dem 
Albertsee  an,  wo  Je|)hR(m  bei  Kmin  zurückgeblieben 
war.  Von  der  aus.st'rordentlichcn  Fürsorge  Stan- 
ley's  für  seine  Leute  spricht  der  Umstan<l,  dass 
Jener  auf  diesem  beschwerlichen  Marsche  auch  die 
Kranken  mit  sich  nahm,  und  zwarinCanoes.  Später 
mussten  diese  zurückgelassen  werden.  Ks  wurden 
hartnäckige  Kämpfe  mit  den  lüngeborenen  geführt, 
und  schliesslich  raffte  der  Hunger  die  Leute  massen- 
haft hinweg.  Line  Abtiieihing  Fourageure  kam  durch 
die  aufopfernde  Thätigkeit  Stanley's  gerade  noch 
rechtzeitig  zurück,  um  den  grössten  Theil  der  (-o- 
lonne  vom  Hungertode  zu  retten.  Später  wurden 
Pisang[)flanzungen  betreten,  das  Land  der  Wam- 
bulti-Zwerg<'  dur<h<iuert  und  am  20.  Decendier 
endlich  Fort  Biido  erreicht.  1  lier  hatte  Lieutenant 
Stairs  während  der  siebenmonatlichen  Abwesenheit 
Stanley's  wacker  ausgeharrt.  VonlCminund  Jeplison 
fehlten  alle  Nachrichten.  Krst  Mitte  Jänner  1889 
wurde  der  Albert-See  erreicht. 

Hier,  zu  Gavirass,  erfuhr  Stanley  von  der 
völlig  veränderten  Situation  in  Ac(iuat()ria.  Wir 
hallen  in  unserem  ersten  Artikel  hierüber  ausführ- 
lich berichtet  und  aller  Freignisse  eingehend  ge- 
dacht, bis  zu  dem  Zeitpunkte,  da  Stanley  und  Kmin 
mit  Gefolgschaft  am  10.  April  das  Lager  von  Ka- 
valli  verliessen  und  wie  nur  zwei  Tage  später 
Stanley  lebensgefährlich  erkrankte,  wodurch  die 
("olonne  gezwungen  war,  28  Tage  im  Masamboni 
liegen  zu  bleiben.  Nach  der  Genesung  des  Reisen- 
den wurden   die  Balaggaberge    überstiegen,  wobei 


mehrere  Gefechte  mit  den  Bewohnern  stattfanden. 
Fnde  Mai  gelangte  Hie  Expedition  zu  dem  1877 
von  Stanley  aus  der  Ferne  gesehenen  See,  dem 
Muta  Nzige,  dessen  Umfang  nun  festgestellt  werden 
konnte,  und  der  den  Namen  All)ert  Fdward-See 
erhielt.  Der  Weitermarsch  ging  längs  des  Süd- 
westufers des  Victoria-Sees  —  welcher  hier  eine 
bisher  unbekannte  grosse  Ausbuchtung  nach  Süd- 
westen, gegen  den  Tanganjika  hat  —  und  am 
27.  August  wurde  die  Missionsstation  IJsam- 
biro  am  Südufer  des  Victoria-Sees  erreicht. 
Nun  ging  der  Marsch  nach  Süden,  gerade 
aufTabora  zu,  auf  die  Plateaufläche  von  Unjamwesi. 
Am  10.  November  endlich  wurde  die  erste  deutsche 
Station,  M[)wa[)wa,  erreicht,  und  am  5.  üecember 
trafen  die  Langersehnten  in  der  Küstenstation  Ba- 
gamoyo  ein,  nachdem  sie  kurz  vorher  von  einer 
vom  Major  v.  Wissmann  entgegengeschickten  Co- 
lonne unter  v.  Gravenreuth,  welche  Kleider  und 
Provisionen  mit  sich  führte,  begrüsst  worden  waren. 
Das  erste  officiellc  Willkommen  wurde  den  Ge- 
retteten vom  Kaiser  Wilhelm  zutheil,  zur  freudigen 
Ueberraschung  der  so  lange  Zeit  von  der  Civili- 
sation  abgeschnitten  gewesenen  heldenmüthigen 
RtMsenden.  Mitten  im  Festjubel  aber  ereilte  die  eine 
der  beiden  Hauptpersonen  dieser  afrikanischen 
Anabasis  ein  tragisches  Geschick  —  der  Sturz 
ICmin  Pascha's  von  der  Terrasse  des  deutschen 
Hauses,  das  die  Heimgekehrten  gastlich  aufge- 
nommen hatte.  Bekanntlich  ist  es  der  ärztlichen 
Kunst  gelungen,  das  kostbare  Leben  Kmin  Pascha's 
zu  retten.  Während  Stanley  daheim  auf  seinen  Lor- 
beeren ausruht,  ist  Kmin  längst  wieder  in  das 
Innere  des  dunklen  Krdtheiles  vorgedrungen,  und 
harrt  die  civilisirte  Welt  mit  grösster  Spannung  der 
Dinge,  welche  die  Rückkehr  Emin's  nach  Aequa- 
toria  im  Gefolge  haben  wird. 

Obwohl  wir  mit  den  beiden  vorausgegangenen 
Artikeln  über  die  ohnegleichen  dastehende  letzte 
grosse  Expedition  Stanley's  die  Geduld  der  freund- 
lichen Leser  bereits  mehr  als  billig  in  Anspruch 
genommen  haben,  erweist  es  sich  gleichwohl  als 
unumgänglich  nothwendig,  noch  ein  drittes  Mal 
auf  dieselbe  zurückzukommen.  Dieser  Schluss- 
artikel soll  ausschliesslich  den  geographischen  Ent- 
deckungen und  wirthschaftlich-commerciellen  That- 
sachen  gewidmet  sein. 


VOM  ABERGLAUBEN  DER  TÜRKEN.  ^^.^CnJlfh^iJ 

Wenn  Goethe  den  Aberglauben  „Die  Poesie 
des  Lebens"  nannte,  so  ist  man  heute  zu  der  gewiss 
weit  richtigeren  Erkenntniss  fortgeschritten:  der 
.■\berglaube  ist  das  Wissen  der  Vorzeit.  Was  uns 
vom  Standpunkte  strenger  Forschung  als  »Vcr- 
irrung  des  menschlichen  Geistes"  gilt  und,  wie  die 
Geschichte  lehrt,  oft  unsägliche  Greuel  hervor- 
gerufen hat,  die  im  Dienste  eines  Wahnes  begangen 
wurden,  ist  daher  gerade  vom  Standpunkte  strenger 
l'orschung  selbst  der  höchsten  Beachtung  werth, 
denn    auch    der  .\berglaube   hat   seine  Geschichte, 


104 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   fOr    DEN   ORIENT. 


und  diese  ist  innerhalb  der  allgemeinen  Geschichte 
der  Menschheit  eines  der  allerfesselndsten  Capitel. 
Schon  haben  wir  daraus  die  überraschende  That- 
sache  gewonnen,  das  antiker  und  moderner  Volks- 
glaube in  ihrer  Wesenheit  übereinstimmen.  Ebenso 
aber  wie  trotz  des  tausendjährigen  Ringens  nach 
Licht  und  Freiheit  des  Geistes  nur  einzelne  Geister, 
nicht  die  Massen,  von  dem  schnürenden  Alpdruck 
der  alten  Wahnvorstellungen  befreit  haben,  welche 
blos  milder  und  gefahrloser  geworden  sind,  ebenso 
müssen  wir  angesichts  derLehren  der  vergleichenden 
Völkerkunde  das  demüthigende  Geständniss  ab- 
legen ,  dass  der  Aberglaube  bei  den  höchst- 
gestiegenen wie  bei  den  niedrigsten  Menschen- 
stämmen in  seiner  Wesenheit  derselbe  ist;  auch 
hier  sind  nur  Abstufungen  des  Grades  zu  erkennen. 
Dieses  Mehr  oder  Weniger  ist  es  demnach,  welches 
für  die  Culturstellung  der  einzelnen  Völker  in's  Ge- 
wicht fällt. 

Prüfen  wir  von  diesem  Gesichtspunkte  den 
Aberglauben  des  Morgenlandes,  worunter  ich  be- 
sonders das  Reich  der  islamitischen  Turkvölker  ver- 
stehen möchte,  so  sehen  wir  dort  zunächst  den 
Glauben  an  das  Geschick  mit  aller  Kraft  entwickelt. 
Eigenthümlich  ist  ihnen  derselbe  nicht,  denn  die 
Germanen  und  mehr  noch  die  Slaven  hatten  und 
haben  noch  ihre  drei  Schicksalsgöttinnen,  welche 
bei  der  Geburt  eines  Kindes  dessen  Lebensgang 
vorherbestimmen,  bei  den  Türken  jedoch  ist  das 
Kismet  iehnü  olahjak  (d.  h.  das  Geschick  muss  sich 
erfüllen),  ein  Bann,  der  schwer  auf  dem  Einzelnen 
wie  auf  dem  ganzen  Volke  lastet  und  dessen  beste 
Kräfte  nicht  selten  lähmt.  Wie  sehr  sie  auch  in  Ge- 
schlecht, Alter  und  Lebensstellung  von  einander 
verschieden  sein  mögen  ,  festgewurzelte  Ueber- 
zeugung  Aller  ist,  dass  man  ebenso  wenig  den 
Lauf  des  Geschicks  in  der  Zukunft  beeinflussen, 
wie  die  Vergangenheit  abändern  könne.  Wer  eine 
der  überlieferten  Schicksalssatzungen  bricht,  wird 
daher  von  allen  Türken  auch  schon  als  dem  Un- 
heile verfallen  betrachtet.  Und  dennoch  !  Das  reli- 
giöse Bedürfniss  der  Annahme  übernatürlicher 
Kräfte  ,  welches  mit  so  tausendfach  verästelten 
Klammerwurzeln  im  Gemüthe  der  Menschheit  haftet, 
weiss  das  Unheil  zu  beschwören  und  auf  mystischem 
Wege  das  Möglichste  zur  Sicherung  des  Daseins 
zu  thun.  So  ist  einer  der  unerschütterlichsten  Aber- 
glaubenssätze :  dass  das  Kismet  sich  nicht  an  einen 
Menschen  heranwage,  der  einen  Bau  unternommen, 
so  lange  dieser  nicht  gänzlich  ausgeführt  ist.  Des- 
halb sucht  Jeder,  der  es  vermag,  sich  sein  Leben 
durch  einen  Bau  zu  verlängern,  und  mit  Neid  be- 
trachtet der  Arme  diese  Hilfsmittel  der  Reichen. 
Ein  Bau,  der  trotz  des  Glaubenssatzes  durch  den 
Tod  seines  Eigners  unterbrochen  wird,  bleibt  bei- 
nahe immer  als  vorzeitige  Ruine  stehen,  soweit  er 
eben  gediehen  ist.  An  den  Ufern  des  Bosporus  kann 
man  eine  Menge  derartiger  Häuserüberbleibsel  ge- 
wahr werden.  Wird  irgend  einmal  ein  solches  aus- 
gebaut, so  finden  gar  viele  Opfer-  und  Besch  wörungs- 
ceremonien  statt,  die  „Scheitan",  „Afrit"  oder 
„Ghul",  die  darin  Sitz  genommen  haben,  daraus  zu 


vertreiben.  Erstere  sind  Teufel,  die  Afrit  sind  böse 
Geister  und  die  Ghul  eine  Art  Vampyre,  die  sich 
von  Leichen  nähren  und  deren  Wächter,  wenn  sie 
Widerstand  leisten,  in  das  Höllenreich  entführen. 
Mit  diesen  Dämonen  tauchen  auch  die  Türken  tief 
in  das  graue  Alterthum.  Den  Teufelsglauben  haben 
sie  wohl  von  den  Juden,  von  welchen  so  Vieles 
in  den  Islam  übergegangen  ist ;  im  Satan  der 
späteren  Schriften  des  Alten  Testaments  erkennen 
wir  aber  den  altpersischen  Ahriman  wieder,  mit 
dem  die  Juden  in  der  babylonischen  Gefangenschaft 
bekannt  geworden  waren.  Die  Afrit  treiben  aber 
nicht  allein  in  unbewohnten  Räumen  ihr  unheim- 
liches Wesen,  sondern  machen  es  sich  auch  in  be- 
wohnten gern  bequem.  Darum  legt  man  inmitten 
jedes  zur  Nachtruhe  vorbereiteten  Bettes  ein  flaches 
Kissen,  damit  nicht  ein  Afrit  den  Platz  des  fiigen- 
thümers  einnehme  und  ihm  einen  bösen  Streich 
spiele,  wenn  er  zur  Ruhe  gehen  will.  Die  Ghul  sind 
blos  eine  der  vielen  Formen  des  Vampyrglaubens, 
der  zwar  bei  den  slavischen  Völkern  am  aus- 
geprägtesten erscheint,  im  Uebrigen  aber  über  die 
ganze  lirde  verbreitet  ist.  Nachweislich  wird  er 
nicht  blos  in  Ostasien,  sondern  auch  in  Afrika  wie 
in  Amerika  und  selbst  in  der  Südsee  angetroffen. 
Wenn  Manche  den  Türken  den  Vampyrglauben  ab- 
sprechen, so  haben  sie  eben  die  Ghulen  ausser- 
acht  gelassen.  Orthodox  im  Islam  ist  ferner  der 
Glaube  an  die  „Dschinn"  (Genien,  Nachtgeister), 
auf  türkischem  Gebiete  sind  diese  indess  ganz  nebel- 
hafte Spukgestalten,  die  man  nur  vom  Hörensagen 
kennt.  Nachweisbare  Schädigungen  werden  ihnen 
nicht  zugeschoben. 

Auch  das  Traumauslegen  ist  sehr  im  Schwünge 
bei  den  Turkvölkern  und  liefert  einen  der  ergiebigsten 
Gesprächsstoffe  nicht  blos  im  Harem,  wo  die  Weiber 
grosses  Gewicht  darauf  legen,  sondern  auch  in 
den  Kaffeehäusern.  Jemand,  der  in  dieser  Kunst 
geschickt  ist,  ist  in  jedem  türkischen  Hause  will- 
kommen. Wahrhaft  gefürchtet  ist  der  „Böse  Blick' 
oder  das  „Böse  Auge",  und  dieser  Glaube,  dass 
ein  Mensch  den  anderen  durch  den  blossen  Blick 
schädigen  und  Krankheit  oder  Leiden  über  ihn 
bringen  könne,  ist  eben  so  alt  als  weitverbreitet. 
Wir  begegnen  diesem  Aberglauben  schon  im  An- 
beginn der  Geschichte  und  sehen  ihn  mit  über- 
raschender Uebereinstimmung  bei  den  verschie- 
densten Völkern  durch  den  Lauf  der  Jahrhunderte 
sich  bis  in  die  Gegenwart  fortpflanzen.  Seinen 
geographischen  Mittelpunkt  hat  er  in  den  Ge- 
stadeländern des  Mittelmeeres,  von  wo  er  sich 
concentrisch  über  die  angrenzenden  Erdtheile 
verbreitet.  Kindern  insbesondere  soll  der  Böse 
Blick  tödtlich  sein  ;  die  Bagdader  Türken  fürchten 
aber  noch  mehr  als  diesen  den  Bösen  Geruch, 
von  dem  sich  die  Leute  keine  deutliche  Vor- 
stellung machen  können.  Kein  Kameel  ,  kein 
Rind,  kein  Schaf,  kein  kleines  Kind  bringen  die 
Türken  ohne  Schutz  gegen  das  Böse  Auge  in's 
Freie.  Solchen  Schutz  gewährt  das  Tragen  von 
Amuletten  oder  Talismanen,  worin  sich  ein  Rest 
von  altem  Schamanismus  ausspricht.   Die  türkische 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIi»T    fOr    DEN   ORIENT 


105 


Legende  führt,  wie  fast  alle  Cultureigenheiten, 
so  auch  den  Talisman  auf  die  Zeit  und  die 
Umgebung  Mohammeds  zurück.  Amulette  zum 
Schutze  vor  bösen  Geistern  und  zur  Heilung  von 
Krankheiten  sind  aber  weit  älter  und  finden 
schon  in  den  Schriften  des  Alten  Testamentes 
Krwähnung.  Es  gibt  deren  sehr  verschiedene 
Arten ;  bei  den  Türken  Mittelasiens  bestehen  sie 
entweder  aus  vollgeschriebenen  Papierstreifen 
oder  aus  dem  Augapfel  der  vSchafe,  aus  schwarzen 
Steinchen,  aus  Adlerkrallen,  aus  liulenfedern  oder 
solchen  sonn-  und  wettergebleichten  Fetzen,  die 
der  Wind  von  irgend  einer  Votivstaude  abge- 
weht hat.  Man  heftet  sie  theils  an  die  Kappe, 
theils  an  den  linken  Aermel  des  Kleides.  Gegen 
den  Hosen  Blick  leistet  irgend  eine  Verzierung 
von  blauer  Farbe,  blauen  Glas[)erlen  u.  dgl.  gute 
Dienste ;  in  der  Ermanglung  dessen  thut  es  auch 
ein  Büschel  Knoblauchknollen.  Eine  Specialität 
gegen  das  Böse  Auge  hat  die  Abbildung  des 
mystischen  Thieres  Akama,  das  dem  egyptiscben 
Sphinx  ähnlich,  aber  weiblich  ist,  also  so  wie 
die  Sphinxe  bei  uns  häufig  unrichtig  dargestellt 
werden :  Körper  eines  Löwen,  Kopf  und  Brust 
einer  Frau.  Gärten  und  Felder  schützt  man  — 
ähnlich  wie  in  Niedersachsen  —  durch  Pferde- 
köpfe und  an  manchen  Orten,  indem  man  einen 
ganzen  todten  Dachs  mit  Haut  und  Haaren,  den 
Kopf  nach  oben,  auf  einen  Pfahl  steckt.  Es  gibt 
noch  andere  Amulette  gegen  den  Bösen  Blick, 
die  zum  Theile  wenigstens  offenbar  noch  aus 
dem  classischen  Alterthume  und  dem  alten  By- 
zanz  herstammen:  Vogelklauen,  Hirschkäferhörner, 
geschnitzte  Thiere  u.  s.  w.  Solche  Talismane 
werden  noch  jetzt  geschnitzt  und  wie  Handels- 
waare  verkauft;  in  der  Regel  sind  es  abgerundete 
viereckige  Plättchen  von  hartem  Stein,  Achat, 
Karneol,  Jaspis  u.  dgl.  mit  einem  Bannspruch, 
der  sich  meist  auf  Allahs  Macht,  Güte  und  Hilfs- 
fähigkeit bezieht.  Solche  Täfelchen,  mit  magi- 
schen Worten  beschrieben,  kommen  mehrfach 
in  mannigfacher  Form  schon  in  den  Keilschriften 
vor,  ja  gelegentlich  werden  kleine  babylonische 
Keilschriftcylinder  jetzt  noch  als  Amulette  ge- 
tragen; sie  thun  also  noch  immer  den  Dienst, 
zu  dem  sie  vor  4 — 5000  Jahren  augefertigt 
wurden.  Den  Haremsdamen  ist  es  von  grosser 
Wichtigkeit,  ein  Amulet  zu  tragen,  in  welchem 
der  innigste  Herzenswunsch  verzeichnet  steht. 
Kein  menschliches  Auge  aber  darf  es  erblicken 
und  dies  zu  verbergen,  ist  eine  sehr  wichtige 
und  schwierige  Aufgabe.  In  der  Regel  leitet  sich 
die  Kraft  des  Amulets  von  nichts  Anderem  ab 
als  von  der  Weihe  und  Kraft  des  eingegrabenen 
Spruches ;  doch  läuft  zuweilen  auch  dunklerer 
Zauberglaube  mit  unter.  Jedenfalls  hält  aber  die 
türkische  Frau,  welche  z.  B.  ihrem  Kinde  einen 
solchen  Talisman  umhängt,  dasselbe  gesichert 
gegen  Unfälle,  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  etwa 
die  Italienerin  oder  Spanierin,  die  ihrem  Jungen 
ein  Scapulier  oder  ein  Madonnenbildchen  um  den 
Hals  bindet. 


Nebst  dem  Bösen  Auge  erregt  grosse  Angst 
auch  das  „Berufen"  oder  „Beschreicn".  Der 
Fremde  thut  nicht  gut  daran,  ein  hübsches, 
kleines  Türkenkind  aus  nächster  Nähe  freundlich 
zu  bewundern.  Entschlüpft  ihm  etwa  der  unvor- 
sichtige Ausruf:  Ne  guzel  tschudjuk !  (welch 
hübsches  Kind!)  so  wird  er  schleunigst  gebeten, 
dem  bewunderten  Kleinen  in's  Gesicht  zu  spuken 
oder  das  angestiftete  Unheil  doch  mindestens  durch 
ein  Masch-AIIah  !  (wie  Gott  will)  zu  mildern.  Dies 
sind  aber  nicht  hier  und  dort  auftauchende  Züge, 
es  ist  die  Regel  im  türkischen  Leben.  Die  Sage 
„vom  Neid  der  Götter"  gehört  ja  überhaupt  zum 
haltbarsten  und  vertrautesten  Besitze  der  Mensch- 
heit. Sind  die  Kinder  einige  Jahre  alt,  so  lässt 
die  Sorge,  dass  ihnen  ein  Zauber  angethan  werde, 
nach ;  sie  kommt  erst  später  und  nur  beim  weib- 
lichen Geschlechte  wieder  zum  Vorscheine,  näm- 
lich dann,  wenn  die  Frauen  Hoffnung  haben, 
einen  Sohn  oder  eine  Tochter  zu  bekommen, 
dann  aber  auch  mit  grosser  Heftigkeit;  sie  werden 
deshalb  von  ihren  sämmtlichen  Freundinnen  und 
Verwandten  mit  Amuletten  und  sonstigen  Sachen 
behängt. 

Von  schädlichem  Zauber  höre  man,  ausser 
vom  Bösen  Auge  und  dem  Berufen,  wenig  im 
türkischen  Morgenlande,  behaupten  einige  Quellen  ; 
es  sei  selten,  dass  eine  bestimmte  Person  als 
gewohnheitsmässige  Urheberin  von  allerlei  Unheil, 
als  Hexe  oder  böser  Zauberer,  bezeichnet  werde. 
Für  gewöhnlich  sei  der  Zauber  bei  den  Türken 
gutartig ;  er  soll  fördern,  nicht  bedrohen.  Dieser 
Ansicht  wird  von  anderer  Seite  widersprochen. 
Darnach  wäre  man  vielmehr  den  Zauber-  und 
Hexenkünsten  gar  hold,  und  Zauberinnen  und 
Hexenmeister  seien  sehr  viel  umworbene  und 
gefeierte  Persönlichkeiten.  Sie  spielen  im  Harems- 
leben eine  wichtige  Rolle,  und  gar  häufig  komme 
es  vor,  dass  sich  zwei  Frauen  eines  und  des- 
selben Herrn  bei  äusserlicher  Freundlichkeit  heim- 
lich mit  „Hexereien"  förmlich  duelliren.  In  Bag- 
dad befassen  sich  mit  Hexengeschichten  fast  aus- 
schliesslich nur  die  alten  Weiber,  doch  gibt  es 
auch  jüngere,  die  dies  einträgliche  Handwerk 
treiben.  Bei  der  Verhexung  handelt  es  sich  ge- 
wöhnlich darum,  seinem  Nächsten  einen  Schabernak 
anzuthun,  ihn,  seine  Kinder  und  sein  Vieh  krank 
zu  machen  oder  gar  zu  tödten.  Sehr  oft  ist  die 
Beschwörung  darauf  gerichtet,  die  Männer  im- 
potent und  die  Weiber  unfruchtbar  zu  machen, 
wenigstens  ermangelt  man  nicht,  dergleichen  Fehler 
dem  Einflüsse  derselben  zuzuschreiben.  Zur  Hexerei 
gehören  das  Bilden  von  Knoten  in  Fäden,  das 
Bestreichen  mit  Erdpech,  doch  auch  Esswaaren, 
namentlich  Butter  und  Zucker,  sind  dazu  er- 
forderlich, welche  von  der  Zauberin,  wie  die 
verwendeten  Gelasse,  späterhin  zu  eigenen,  sehr 
ungeisterhaften  culinarischen  Zwecken  benützt 
werden.  Ein  Haupthexenwerk  ist  aber  der  uralte 
Zauber  mit  Wachsfiguren,  die  Ceromantie,  welche 
schon  den  vorbabylonischen  Akkad  bekannt  war 
und  bei  Arabern  und  Türken  bis  auf  unsere  Tage 


106 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


sich  erhalten  hat.  Auch  egyptische  und  griechische 
Magier  bilden  Figürchen  aus  Wachs,  den  Per- 
sonen ähnlich,  welchen  sie  Böses  zudachten.  Man 
verstopfte  dann  dem  Figürchen  den  Mund,  stach 
ihm  die  Augen  aus,  stiess  ihm  einen  Speer  in  sein 
Herz,  prügelte  es  weidlich  durch,  bewarf  es  mit 
Koth  u.  dgl.,  immer  im  Glauben  dadurch  das 
Gleiche  dem  Originale  zuzufügen.  Die  Türken 
bewahren  noch  heute  den  Glauben  an  diesen 
Wachszauber. 

Daneben  gibt  es  Wahrsager  und  Wahr- 
sagerinnen wie  Kartenaufschläger  in  Fülle,  in 
der  Regel  aber  wird  die  Wahrsagerei  von  Frauen 
betrieben.  Jede  Zigeunerin  ist  von  Rerufswegen 
dazu  befähigt,  doch  geben  sich  auch  ganz  ehr- 
bare Türkinnen  damit  ab.  Die  Formen  sind  sehr 
mannigfaltig;  die  Eine  wirft  Figuren  aus  Glas- 
perlen, die  Andere  schaut  in  einen  Brunnen,  lässt 
aber  den  Kunden  nicht  hineinblicken,  die  Dritte 
hat  grüne  und  geschälte  Stäbchen,  die  Zigeune- 
rinnen lesen  gewöhnlich  die  Zukunft  aus  den 
Linien  der  Hand  (Chiromantie)  oder  sie  haben 
einen  Haufen  von  bunten  Bohnen,  den  sie  vor 
den  Glücksjäger  hinwerfen.  Einige  sind  berühmt 
und  sollen  sich  manchmal  durch  eine  merkwürdige 
Bestimmtheit  ihrer  Aussagen  auszeichnen;  Manche 
haben  wieder  den  Kniff,  das  Geheimnissvolle 
ihrer  Weissagung  durch  eine  kleinliche,  aber 
sehr  bestimmt  gehaltene  Vorschrift  zu  erhöhen. 
Ist  der  Kunde  eine  junge  Dame,  so  beziehen  sich 
sämmtliche  Prophezeiungen  mit  rührender  Ein- 
stimmigkeit auf  den  Zukünftigen.  Seher  und 
Seherinnen,  die  mit  der  Geisterwelt  in  Verbindung 
zu  stehen  vorgeben,  sind  ebenfalls  eine  ganz 
häufige  Erscheinung  in  Stambul  und  erfreuen  sich 
grossen  Zudranges ;  doch  ist  zu  bemerken,  dass 
die  Türken  stets  nur  an  gute  Vorhersagungen 
glauben,  und  dass  Unglückspropheten,  ja  auch 
nur  Geschickswarncr  in  höchster  Ungunst  bei 
ihnen  stehen.  Häufig  auch  pilgern  sie  an  heilige 
Quellen,  um  aus  deren  Spiegel  ihre  Zukunft 
berausleuchten  zu  sehen.  Eine  solche  befindet 
sich  in  Ejub  am  Ende  des  Goldenen  Hornes. 
Tief  beugen  sich  die  Neugierigen,  meist  Mädchen 
über  den  Steinrand,  das  Bild  ihres  zukünftigen 
Gatten  zu  erschauen,  und  das  Bild,  welches  ihre 
Phantasie  derart  der  schönen  Türkin  vorspiegelt, 
bleibt  oft  für  ihr  ganzes  Lebensgeschick  ent- 
scheidend. 

Verlorenes  oder  GestoliJenes  wieder  zu  Stande 
zu  bringen,  wendet  der  Orientale  sich  nicht  an 
die  Polizei,  sondern  an  die  weisen  Frauen  oder 
weisen  Männer;  letztere  sind  stets  Derwische, 
welche  durch  ihre  Beschwörungsformeln  der 
Sache  auf  die  Spur  kommen.  Sie  wie  ihre  Kunden 
sind  von  der  Untrüglichkeit  ihrer  Mittel  über- 
zeugt. Auch  die  Türken  Mittelasiens  haben  ihre 
Wahrsager,  , Palschi",  in  den  Chanaten  „Faldschi" 
genannt,  welche  über  verborgene  Dinge  Auf- 
schluss  geben.  So  wie  man  in  Westasien  auf 
einer  zufällig  geöffneten  Seite  des  Korans  oder 
Mesnewis     den     Ausgang      irgend     eines     Unter- 


nehmens  erforschen   will,    so     pflegt    der    mittel- 
asiatische Türke    hierzu    sich    einer    bestimmten 
Anzahl  kleiner  Stäbe  zu   bedienen,  die,     mit     ge- 
schlossener   Hand    unter    die    Anwesenden     ver- 
theilt  und   einzeln   abgeliefert,    je    nach    der   ent- 
sprechenden  Zahl  und   Länge    das    Substrat    der 
Wahrsagung      bilden.       Manchmal      werden       die 
Stäbchen  auf  einen    Haufen     geworfen,     und     aus 
deren  zufälliger  Form   und  Lage   pflegt  der  Sach- 
kundige zu   prophezeien.  Dies  heisst  „Tschöbfali"' 
und   war,   wie  Ammianus  Marcellinus  erzählt,  auch 
von   den   Hunnen   angewendet  worden,  denn   Attila 
liess    vor    dem    Treffen    von    Chälons    eben     auf 
diesem  Wege   von   seinen  Zauberern   den  .Ausgang 
der   Schlacht    prophezeien.    In     Ermanglung    von 
Holz   werden   hiezu   kleine  Steinchen   gewählt,  und 
da  die  Steppe   weder  das   Eine   noch   das  Andere 
hat,    so    ist    bei    den  Kosak-Kirgisen  .zu  diesem 
Behufe  der  Schafsmist,  d.  h.  die  kleiqen  Kügelchen 
desselben,    „Kumalak",    in   Gebrauch    gekommen. 
Der    „Rimschi"    oder    „Irimtschi''    bildet    ebenfalls 
eine    (Masse     der  Wahrsager,    die     sich    aus  den 
Reihen  der   Weiber  recrutirt.    Der   Rimschi   weis- 
sagt Glück  oder   Unglück    aus    dem  Blöken    der 
Schafe,   aus   dem   Züngeln   der   Flamme,    aus  dem 
Zischen   des   in   heisses  Fett    gegossenen  Wasser- 
tropfens, aus   dem  Kräuseln   des   durch  den  „Tün- 
dük"    aufsteigenden   Rauches   u.   s.  w.  Nur  werden 
derartige     Prophezeiungen      von     Männern     nicht 
ganz     ernst     genommen,     daher     die      Redensart 
Chatun-irimi :    Weiberprophezeiung,   d.   h.  Unsinn. 
Zu    erwähnen     ist     endlich    noch     der     „Dschau- 
rundschi",   der  Wortbedeutung  nach  der  Schulter- 
blattmann,  von   Dschaurun,  Schulterblatt,,  weil   er 
sich     mit     der     Kunst    abgibt ,     aus     dem     halb- 
verkohlten  Schulterblatte   der   Thiere,   namentlich 
der  Schafe,    Pferde,    Rinder  und  Kameele  wahr- 
zusagen.  Das  Schulterblatt   wird   mit  Vorliebe  aus 
dem     Vordertheile     des    Thieres    genommen ;     es 
darf  weder  mit  den  Zähnen   abgerissen   noch    mit 
einem   Messer    abgeschnitten     werden,     und    pro- 
phezeit wird  nur  aus  den  Richtungen  der  Sprünge, 
welche  das   Bein   nach   längerem  Liegen  im  Feuer 
erhalten  hat.  Die  Auslegung  des  auf  diesen  Sprüngen 
beruhenden    Orakels    ist    verschieden;    der    Eine 
I)rophezeit  aus  dem   Sprunge   das  Gelingen     oder 
Fehlschlagen  einer  Reise,   der  Andere  wieder  das 
Genesen    oder  .Sterben    eines   Kranken    u.    s.  w. 
Schon  Willem    Ruysbroek    berichtet    über    diese 
Art   des  Wahrsagens   bei   den  Mongolen,   doch  ist 
dieselbe  bei   den   Kosak-Kirgisen  jetzt  nicht  mehr 
stark  verbreitet,   und   Hermann    Vambcry  hat  auf 
seine    darauf    bezüglichen    Fragen     nur    in    ver- 
schämter  Weise   Antwort   erhalten. 

Wie  überall  steht  auch  bei  den  Türken  der 
Aberglaube  wie  die  Zauberei  in  engster  Ver- 
bindung mit  der  Heilkunst.  Schon  bei  den  Talis- 
manen oder  Amuletten,  die  das  Unheil  allgemeinhin 
ablenken  sollen,  denkt  man  zumeist  an  Schutz 
gegen  Krankheit  und  körperliche  Unfälle.  Im 
Uebrigen  findet  sich  die  Stufenleiter  vom  rein 
abergläubischen   Heilungsverfahren     bis    zur    Vcr- 


OESTER  REICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FOR    DEN   ORIENT. 


107 


binciunjj  der  wirklichen  rationellen  Miidicin  mit 
einer  überflüssigen,  magischen  l'^ormel  bei  den 
Türken  vollständig  ausgebildet.  Zu  unterst  stehen 
jene  Heilkünstler,  die  man  füglich  als  schaina- 
nistische  bezeichnen  kann.  Hei  allen  'rurkvölkern 
ist  der  (jjaube  an  Zauberpriester,  die  man  ge- 
meiniglich Schamanen  nennt,  wie  bei  den  Mon- 
golen und  Nordasiaten  eingebürgert  und  stellt  in 
der  riiat  ein  Stück  jener  alten,  ja  uralten  Ge- 
dankenwelt dar,  welche  dem  Türkenthume  viel- 
leicht schon  seit  Jahrtausenden  eigen  ist.  Bei- 
l.lufig  bemerkt  ist  es  ganz  falsch,  von  schama- 
nistischen  Religicmen  oder  vom  Schamanismus  als 
einer  Religion  besonderer  Art  zu  sprechen,  denn 
das  Schamanenthum  ist  blos  eine  l<^igenart  des 
Priesterthums,  ein  Ausfluss  besonderer  Lebens- 
haltung; die  Culturvorstellungen  der  Völker,  bei 
welchen  diese  Schamanen  auftreten,  gehen  aber 
wie  die  vieler  anderer  von  der  Seelenvorstellung 
aus  und  diese  knüpft  wieder  insbesondere  an 
das   lireigniss  des  'I'odes  an. 

Bei  den  asiatischen  Türken  ist  der  Glaube  an 
diese  Zauberpriester,  welche  durch  Zaubermitttl 
Gespenster  bannen  und  mittelst  Beschwörungen 
Krankheiten  heilen,  tief  eingewurzelt,  und  weder 
Buddhismus  noch  Islam  haben  den  „Kam",  wie  die 
türkischen  Stämme  den  Schamanen  nennen,  gänz- 
lich zu  beseitigen  versucht.  Bei  den  Völk(;rn  des 
Altai  spielt  derselbe  mit  seiner  unerlässlichenZauber- 
irommel  noch  immer  die  grösste  Rolle.  Die  west- 
lichen Türken,  namentlich  die  Osmanen,  sind  er- 
starkt in  den  Lehren  des  Islam  und  haben  damit 
den  Schamanenglaubcn  besser  überwunden,  ohne 
jedoch  einzelne  Spuren  desselben  gänzlich  zu  ver- 
wischen. So  sind  einige  Züge  des  alten  Schamanen- 
thums  auf  die  mohammedanischen  Derwische  über- 
gegangen. Menschen  dieses  Schlages  sind  auch  die 
niedrigsten  Meilkünstler,  ihr  Werk  ist  ausschliess- 
lich Magie.  Den  Rücken  der  Klinge  eines  gewöhn- 
lichen Messers  setzen  sie  z.  B.  auf  den  Kopf  des 
Kranken,  fahren  damit  in  cabbalislischen  Figuren 
über  dessen  Scheitel  sowie  über  die  leidenden 
Körpertheile  und  murmeln  dazu  allerltM  unverständ- 
lichen 1  lokusjxjkus.  Andere  führen  ähnlichen  Zauber 
mit  einem  Strick  aus,  und  Keinem  frhit  es  an  Zu- 
spruch, denn  sie  heilen  Alles  was  vorkommt.  Dieser 
Art  am  nächsten  stehen  Jene,  welche  mit  magisch- 
religiösen  Formeln  arbeiten.  Ihre  Heilkraft  ist  aber 
nicht  blos  an  die  Formel,  sondern  auch  an  die 
Person  gebunden.  Der  einzelne  „fromme  Scheich" 
befasst  sich  damit,  Kranke  zu  heilen,  indem  er  sie 
anhaucht  oder  einen  Koranvers  über  sie  sjjricht, 
auch  etwa  einen  solchen  auf  Papier  schreibt,  das 
Papier  verbrennt,  die  Asche  in  ein  Glas  Wasser 
wirft,  über  das  Wasser  hinhaucht  und  dasselbe  dem 
Patienten  zu  trinken  gibt.  Vielfach  wird  die  Sym- 
pathie der  Derwische  in  Anspruch  genommen.  Bei 
schwereren  und  hartnäckigeren  Leiden  wird  der 
Patient  in  die  Moschee  geführt,  und  der  Derwisch 
oder  der  Imam  liest  ihm  aus  dem  Koran  vor,  haucht 
und  schreit  ihn  an,  bestreicht  und  bedrückt  ihn  mit 
den  Händen  und  beschwört  die  Geister  in  so  treffen- 


der und  kunstgerechter  Weise,  dass  ein  europäi- 
scher Magnetiseur  es  wirklich  nicht  besser  machen 
könnte.  Hat  diese  Art  von  Heilverfahren  auch  einen 
anderen  Namen  als  bei  uns  und  geht  dort  auf  Rech- 
nung der  Dämonen,  was  hier  als  ein  Nervenübel 
gilt,  so  sind  doch  die  lirgcbnisse  dieselben,  und  es 
ist  unzweifelhaft,  dass  der  lirfolg  sehr  häufig  den 
anscheinenden  Hokuspokus  krönt.  Haider  Künstler 
aber  gar  einen  Ruf  von  Heiligkeit,  so  macht  er 
ganz  gute  Geschäfte  dabei.  Gewisse  Personen  be- 
sitzen eine  derartige  Heilkraft  von  Amtswegen,  wie 
z.  B.  die  Scheiche  der  heulenden  Derwische,  welche 
über  die  auf  dem  Boden  liegenden  Kranken  hin- 
schreiten ;  der  Tritt  des  segnenden  l-'usses  ist  für 
Manche  offenbar  die  letzte  Hoffnung.  Diesen  folgen 
die  limpiriker,  die  eine  wirkliche  medicinische  Me- 
thode haben,  deren  Wirkung  aber  nicht  ausschliess- 
lich dem  rationellen  Verfahren  zuschreiben,  sondern 
vielmehr  einen  übertragbaren,  besonderen  Heilgeist 
für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Ihre  Kunst  vererbt 
sich  in  gewissen  Familien.  Der  Vater  bringt  dem 
Sohne  die  Handgriffe  bei,  lehrt  ihn  aber  dieselben 
mit  einem  gewissen  Hokuspokus  zu  verbinden  und 
überträgt  ihm  schliesslich  seine  Heilkraft  durch  An- 
hauchen. Manche  von  den  Leuten  sind  berühmt  und 
werden  weithin  gerufen.  liin  Heilkünstlcr  der  letz- 
teren Art  übernimmt  in  der  Regel  das  ganze  Frbe 
seines  Lehrers,  dieF~ormein  sowohl  wie  das  eigent- 
liche Heilverfahren,  auf  Treu  und  Glauben  und 
gibt  Alles  zusammen  unverändert  an  seinen  Nach- 
folger ab.  Ks  ist  das  die  höchste  Stufe  des  lleil- 
zaubers,  denn  von  dem  Manne,  der  in  der  Haupt- 
sache therapeutisch  arbeitet  und  nur  nebenher 
einige  „Sym|)athie"  mit  einfliessen  lässt,  ist  nur  ein  i»  . 
Schritt  zum  eigentlichen  Arzt,  der  die  Zauberformel  \)"-^ 
ganz  bei  Seite  setzt.  Erwägen  wir,  dass  sympathe-  \\lf-  -^ 
tische  Curen  auch  in  einigen  Theilen  des  hochge- 
sitteten Deutschland  noch  im  Schwange  gehen  und  QO 
sogar  in  gebildeten  Kreisen  mitunter  Beachtung  ^mm^ 
linden,  so  würde  es  uns  schlecht  anstehen,  dieser  ^n  i^ 
Seite  ihres  Aberglaubens  willen  die  Türken  geringe  CLTI 
zu  behandeln.  Wir  müssten  vielmehr  zuvor  vor  der  ,  p^^ 
eigenen  Thüre  kehren.  ^» 

Im  Allgemeinen  freilich  ist  das  Reich  des 
Aberglaubens  im  türkischen  Morgenlande  ungemein 
gross,  und  blos  die  wichtigsten  Züge  konnten  hier 
zur  Sprache  gebracht  werden.  Deutlich  aber  geht 
aus  diesen  hervor,  wie  einestheils  der  Aberglaube 
auch  bei  den  Türken  an  uralte  Vorstellungen  an- 
knüpft und  zugleich  im  tiefsten  Grunde  mit  allge- 
mein und  weit  verbreiteten  Gedankenströmungen 
der  Menschheit  übereinstimmt.  /'  t>.  H. 


DIE  GENUSSMITTEL  DES  ORIENTES. 

Von  Gustav  Troll. 
V. 
Fin     eigenartiges,    bei    den    sfld-    und    ost- 
asiatischen Völkern  allgemein  verbreitetes  Gcnuss- 
mittel  ist  der  Btltlpfefftr,  kurzweg  Beltl  genannt, 
worunter    man    die    Blätter    von    Piper  Bctie  L. 


^^^^ 


108 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


versteht.  Aus  den  frischen,  aromatisch-brennend 
und  bitter  schmeckenden  Betelblättern  wird  in 
Verbindung  mit  zusammenziehenden  Stoffen 
(Gambir,  Catechu  und  Betel-  oder  Arecanüssen) 
und  mit  etwas  frisch  gebranntem  Kalk  oder 
Muschelkalk  ein  Kaumittel  hergestellt,  dessen 
Gebrauch  so  allgemein  ist,  dass  es  nicht  nur  bei 
den  Eingeborenen,  sondern  sogar  bei  den  dort 
lebenden  Europäern  zu  einem  unentbehrlichen 
Lebensbedürfnisse  geworden  ist.  Die  Heimat  der 
Betelpflanze  ist  Ostindien,  dieselbe  wird  jedoch 
auch  auf  den  Sunda-Inseln,  den  Molukken,  in  den 
chinesischen  Provinzen  Kwantung  und  Yunan  und 
in  manchen  anderen  Gegenden  cultivirt.  Im 
Bengalischen  und  auf  Hindostanisch  wird  die 
Betelpflanze  Pan  genannt,  in  der  Tamilensprache 
Vettilei,  im  Sanskrit  Tamhul.  Das  Betelkauen  er- 
folgt in  der  Weise,  dass  ein  Stückchen  der 
jungen  und  zarten  oder  gekochten  Areca-  oder 
Betelnuss  (die  Samen  der  Catechupalme  Areca 
Catechu  L.,  auch  Pinang  genannt)  mit  Kalk  und 
Gewürz  (Kardamom,  Kampher,  Aloeholz,  Moschus) 
in  ein  frisches  Betelblatt  gewickelt,  in  den  Mund 
geschoben  und  wie  Kautabak  von  einer  Seite 
zur  anderen  geschoben  werden.  In  Folge  des 
Kauens  entsteht  eine  starke  Speichelabsonderung, 
welche  angeblich  die  Mundhöhle  rein  erhalten 
und  Zahnfleisch  und  Zähne  gut  conserviren  soll. 
Der  Speichel  nimmt  hiebei  eine  blutrothe  Fär- 
bung an  und  die  Zähne  werden  schwarz.  Früher 
wurde  gewöhnlich  nur  die  Arecanuss  allein  mit 
dem  Betelblatt  gekaut,  jetzt  kommen  noch  andere 
zusammenziehende  Stoffe,  wie  Catechu  und  Gambir 
oder  Lyciumextract  dazu.  Natürlich  gibt  es  in 
der  Zusammensetzung  der  sogenannten  Betelhappen 
(Buyos  oder  Pan-supari  genannt,  von  Pan=BeteI, 
Supari=Arecanu3s)  eine  grosse  Mannigfaltigkeit, 
wie  bei  allen  Genussmitteln,  deren  Gebrauch  in 
allen  Ständen  und  Gesellschaftsclassen  eingeführt 
ist.  Die  Sitte  des  Betelkauens  ist  jedenfalls  sehr 
alt,  denn  schon  der  mittelalterliche  Orientreisende 
Marco  Polo  berichtet  darüber  Ende  des  XIII. 
Jahrhunderts.  Der  Weltumsegler  Antonio  Pigafetta 
beobachtete  als  Theilnehmer  an  der  Magellan- 
schen  Expedition  den  Betelgenuss  anf  den  Phi- 
lippinen, und  Garcia  de  Orla,  der  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Vorderindien 
lebte,  gibt  ebenfalls  ausführliche  Nachrichten 
hierüber,  wie  noch  viele  andere  ältere  Schrift- 
steller. Die  durch  das  Hetelkauen  beabsichtigte 
Wirkung  ist  mit  der  durch  das  Kauen  von  Coca- 
blättern  und  Tabak  erzielten  zu  vergleichen, 
jedenfalls  verschafft  es  seinen  Liebhabern  Genuss. 
Eine  besondere  Schädlichkeit  dieses  Mittels  für 
den  menschlichen  Organismus  ist  bisher  nicht 
nachgewiesen  worden. 

Kaum  weniger  sonderbar  erscheint  uns  ein 
anderes  Genussmittel  des  extremen  Orientes,  die 
Kawa,  oder  Kawa-Kawa,  auch  Yakona,  Yangona 
genannt,  der  Rauschpfeffer.  E^s  ist  dies  die  Wurzel 
von  Piper  methysticum  F'orster  (Macropiper 
methysticum  Miq.),  einer  auf  den  Inseln  des  Stillen 


Oceans  stark  verbreiteten  Piperacee.  Der  Name 
stammt  nach  Fahrer  von  der  polynesischen  Kawa 
oder  Awa,  d.  i.  scharf,  und  bedeutet  in  der  Ver- 
doppelung :  sehr  scharf.  Die  Wurzel  enthält  sehr 
viel  Stärke  und  harzige  Bestandtheile,  welchen 
die  berauschende  Wirkung  derselben  zukommt. 
Der  Geruch  ist  eigenartig,  der  Geschmack  zu- 
sammenziehend und  bitter,  das  Kauen  ruft  ver- 
mehrte Speichelabsonderung  hervor.  Die  Wirkung 
der  Wurzel  ist  narcotisch,  die  Schleimhäute  ver- 
lieren ihre  Empfindlichkeit  und  die  Zunge  wird 
taub.  Die  Eingeborenen  erzeugen  aus  der  Wurzel 
durch  ein  kurzdauerndes  Ausziehen  mit  Wasser 
nach  vorhergegangenem  Durchkauen  ein  Getränk, 
das  stark  berauschende  Eigenschaften  besitzt. 
Dies  geschieht  meist  in  folgender  Weise:  Die 
Männer  eines  Dorfes  versammeln  sich  in  ihrem 
öffentlichen  Kawahause,  oder,  falls  ein  solches 
nicht  besteht,  in  einem  anderen.  Die  gereinigte 
Wurzel  wird  zerschnitten  und  sodann  von  jungen 
Leuten  (auf  manchen  Inseln  auch  von  F'rauen 
und  Mädchen)  mit  gesunden  Zähnen  gekaut.  Das 
Kauen  geht  langsam  und  feierlich,  wie  bei  Wieder- 
käuern vor  sich.  Die  einzelnen  durchgekauten 
Bissen  werden  aus  dem  Munde  genommen  und 
in  eine  grosse,  ^Tanoa"  genannte  Holzschüssel 
gelegt.  Auf  die  in  der  Tanoa  befindlichen  Bissen 
wird  hierauf  Wasser  gegossen  und  das  Ganze 
mit  den  Händen  umgerührt.  Bis  zum  Aufgiessen 
des  Wassers  herrscht  in  der  Versammlung  tiefes 
Schweigen.  Von  diesem  Zeitpunkte  an  beginnen 
feierliche  Gesänge,  die  durch  Aufschlagen  von 
Stöcken  auf  Bambus  oder  Holzklötze  begleitet 
werden  und  bis  zum  Fertigstellen  des  Getränkes 
dauern.  Mittelst  eines  Bündels  Cocosfasern  holt 
nun  der  Bereiter  der  Kawa  alle  erreichbaren  festen 
Bestandtheile  heraus  und  drückt  sie  unter  vor- 
geschriebenen Körperbewegungen  aus.  Damit  ist 
das  Getränk  fertig  und  wird  in  Cocosschalen  ge- 
füllt, die  dem  Range  nach  an  die  Anwesenden 
vertheilt  werden.  Dabei  wird  ein  bestimmtes 
Ceremoniell  beobachtet,  Gebete  und  Ausrufe  an 
die  Götter  werden  von  den  Trinkern  streng  ein- 
gehalten. Das  Kawagetränk  sieht,  auf  diese  Weise 
dargestellt,  schmutzig-grau  aus  und  schmeckt 
aromatisch,  bitter  und  prickelnd.  Um  Ekel  zu 
vermeiden,  geniessen  die  Trinker,  wie  schon  Cook 
berichtet,   etwas  Speise  und   Cocosnüsse   dazu. 

Was  sollen  wir  nach  allen  diesen  absonder- 
lichen Genussmitteln  noch  zu  dem  Flt'egenschwamm 
der  Kamtschadalen  sagen?  Es  drängt  sich  bei 
Betrachtung  dieser  so  verschiedenartigen  Stoffe, 
welche  alle  dem  gleichen  Zwecke,  der  Beschaffung 
von  körperlich  zu  empfindendem  Genüsse  dienen, 
der  Gedanke  auf,  dass  die  Bewohner  jener  so 
verschiedenartigen  Länder  bei  der  Befriedigung 
dieses  Triebes  mit  Naturnothwendigkcit  jene  Sub- 
stanzen ergreifen  mussten,  welche  in  ihrem  Bereiche 
lagen,  und  dass  hiebei  selbst  die  schädlichsten 
und  giftigsten  Stoffe  nicht  ausgeschlossen  blieben. 
Aus  dem  Fliegenschwamme  (Amanita  muscaria 
Pers.),    der  äusserst  giftige  Eigenschaften  besitzt. 


OESTEBREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT 


K» 


bereitet  man  in  Kamtschatka  mit  den  Blättern 
der  Sumpfheidelbeere  und  verschiedenen  Epilobien- 
Arten  ein  berauschendes  Getränk,  das  so  jjut 
und  schlecht  seinen  Zweck  erfüllt,  wie  der  I  laschisch 
der  Araber  oder  der  Absinth  der  Franzosen.  Und 
wie  die  fanatischen  Mystiker  Indiens  ihre  Ver- 
zückunjjen  zumeist  den  dunklen  Gewalten,  die 
im  Hanfkraute  einj^eschlossen  sind,  verdanken,  so 
holen  sich  wahrscheinlich  auch  die  Geisterbe- 
schwörer des  hohen  Nordens,  die  Schamanen,  ihre 
Kraft  und  Hegeisterung  aus  dem  Fliegenschwamme, 
um  durch  Zaubergesänge  die  Götter  zu  bezwingen 
und  alle  Krankheiten  zu  heilen,  als  Aerzte  und 
Priester  ihres  gläubigen  und  abergläubischen 
Volkes. 

Dies  sind  in  kurzen  Umrissen  die  haupt- 
sächlichsten Genussmittel  des  Orientes.  Manche, 
deren  Gebrauch  auch  in  Kuropa  iheilweise  sich 
vorfindet,  wie  z.  B.  das  im  Morgenlande  eben- 
falls vorkommende  Arsenikessen,  will  ich  hier  nicht 
weiter  berühren.  Es  erübrigt  nur  noch,  einige 
Genussmittel  zu  erwähnen,  die  eigentlich  mehr 
zur  Classe  der  Erfrischungsgetränke  gehören. 
So  namentlich  der  Kumys  oder  Kumis,  Milch  wein, 
Milchbranntwein,  Brausemilch,  Galazyme,  ein  Ge- 
tränk, das  die  Tataren  aus  Stuten-  oder  Kameel- 
milch  bereiten.  Das  Wort  Kumys  wird  abgeleitet 
von  dem  Namen  des  altasiatischen  Volksstammes 
der  Kumanen.  Diese  sollen  zuerst  von  dem 
Kumys  Gebrauch  gemacht  haben  und  nach  ihrer 
Besiegung  durch  die  Tataren  12 15  auf  diese, 
nebst  anderen  Sitten  und  Gebräuchen,  auch  den 
Gebrauch  des  Kumys  übertragen  haben.  Wilhelm 
Rubruck,  der  1253  vom  heil.  Ludwig  in  die  Tatarei 
geschickt  wurde,  erzählt  viel  von  einem  Getränke 
„Kosmos",  worunter  jedenfalls  Kumys  gemeint 
ist.  Die  Bereitung  des  Kumys  geschieht  in  der 
Weise,  dass  man  zu  10  Theilen  frisch  gemolkener, 
noch  warmer  Milch  einen  Theil  fertigen  Kumys 
zusetzt  und  das  Gemisch  unter  öfterem  Umrühren 
zwei  bis  drei  Stunden  stehen  lässt.  Dann  füllt 
man  die  Milch  in  Flaschen  und  überlässt  sie  in 
einem  kühlen  Räume  einer  schwachen  Nachgährung. 
Nach  fünf  bis  sieben  Tagen  bildet  der  Kumys 
eine  stark  schäumende  Flüssigkeit  von  angenehmem 
süss-säuerlichen  Geschmacke,  die  fast  2  Percent 
Alkohol  und  ausserdem  Milchsäure,  Kohlensäure, 
Fett  und  Zucker  enthält.  In  den  Steppen  und 
Niederungen,  die  sich  von  der  Wolga  bis  zum 
Uralgebirge  hinziehen,  bereiten  die  Kirgisen  den 
Kumys  in  einer  etwas  absonderlichen  Art,  Uie 
frische  Haut  einer  ganzen  hintern  Extremität  eines 
Pferdes  dient  als  Gefäss  hierzu.  Die  Haut  von  der 
Hüfte  bis  zum  Ende  des  Unterschenkels  wird 
zusammengenäht,  so  dass  der  breite  Theil  zum 
Boden  und  der  schmale  zum  Halse  des  Gcfässes 
wird.  Da  wird  nun  die  Milch  hineingegossen,  mit 
einem  in  das  Gefäss  hineinreichenden  und  oben 
luftdicht  schliessenden  hölzernen  Kolben  öfter 
umgerührt  und  der  Gährung  überlassen.  Die 
Milch  gährt,  besonders  im  Frühjahr,  sobald  die 
Stuten     ein    Füllen     geworfen     haben,     ziemlich 


schnell.  Die  orenburgischen  Bascbkireo  bereiten 
zwei  Sorten  Kumys,  den  jungen  oder  Kumys  Saumel 
und  den  alten,  echten.  Der  junge  Kumys  gährt 
nur  zwei  bis  drei  Tage,  ist  daher  weniger  stark  und 
schäumend  als  der  alte.  Durch  Destillation  wird 
aus  dem  Kumys  ein  Branntwein  dargestellt,  den 
man  Araca  nennt  und  der,  einer  nochmaligen 
Destillation  unterworfen,  den  Arsa  liefert.  Die 
Kuhmilch  gibt  ein  ähnliches  Getränk,  den  Airak, 
doch  eignet  sich  die  Kuhmilch  überhaupt  weniger 
zur  Kumyserzeugung  als  die  Stutenmilch,  weil 
sie  bedeutend  weniger  Milchzucker  enthält. 

Ein  ähnliches  Getränk  ist  der  im  Kaukasus 
unter  Anwendung  eines  eigenen  Fermentes,  der  Ke- 
firkörner (Bacterien-Conglomerate,  wahrscheinlich 
von  Saccharomyces  cerevisiae)  aus  Kubmilch  dar- 
gestellte Kephyr  (Kefir).  Die  Kefirkörner  werden 
drei  Stunden  lang  in  lauwarmes  Wasser  gelegt, 
dann  in  auf  30"  erwärmte  Milch  gegeben  und 
die  Milch  acht  Tage  lang  erneuert.  Sodann  werden 
die  aufgequollenen  Körner  mit  der  sechs-  bis 
achtfachen  Menge  abgerahmter  Milch  24  Stunden 
lang  stehen  gelassen  und  dann  die  Milch  abgeseiht. 
Das  erhaltene  Product  ist  der  Kefir.  Die  Körner 
werden  abgewaschen  und  weiter  benützt.  Der  ge- 
wöhnliche Kefyr-Kumys  oder  Kapyr  wird  bereitet, 
indem  man  einen  Theil  Kefir  mit  zwei  Theilen 
Milch  in  einer  verschlossenen  Flasche  ein  bis  zwei 
Tage  hindurch  stehen  lässt.  Der  Geruch  und  Ge- 
schmack des  Kefir  ähnelt  der  frischen  Sahne, 
Sein  Alkoholgehalt  ist  sehr  gering  (ungefähr 
0'8o  Percent),  ausserdem  enthält  er  noch  Fett, 
F^iweissstoffe  und  Milchsäure.  In  Folge  seines 
grösseren  Gehaltes  an  Eiweissstoflfen  ist  der  Kefir 
viel  dicker  als  der  flüssigere  und  leichter  trink- 
bare Kumys.  ICinc  besondere  .^rt  von  Kefir  kommt 
unter  dem  Namen  Btdgarsky  vor,  eine  andere  wird 
als  Karagrut  bezeichnet,  überhaupt  gibt  es  eine 
grosse  Menge  solcher  durch  Gährung  der  Milch 
erzeugter  Getränke,  die  aber  ihres  geringen  Alkohol- 
gehaltes und  erheblichen  Nährwerthes  wegen 
nicht  als  ausschliesslich  Genusszwecken  dienend 
angesehen   werden  können. 

An  Erfrischungs-Getränken  aller  Art  herrscht 
im  Oriente,  wie  begreiflich,  kein  Mangel,  Einige 
wenige  enthalten  einen  geringen  Theil  von 
Alkohol,  die  meisten  jedoch  Säuren,  und  zwar 
hauptsächlich  Essig,  Citronensäure  und  allerlei 
Fruchtsäuren,  Unter  den  saueren  Getränken  gibt 
es  unzählige  Arten  von  Limonaden,  Rosen-  und 
Rosinenwasser,  wasserhell,  schmutzig  -  grau, 
gelblich,  gelbgrün,  gelbbraun,  rosenroth  und 
purpurroth.  Eine  zweite  Classe  dieser  Getränke 
bilden  die  aus  Johannisbrot,  Süssholz,  Rosinen, 
u.  s,  w,  erzeugten,  meist  fad-süss  schmeckend 
und  von  bräunlicher  Farbe,  als  deren  Typus  der 
Chuschaf  der  Araber  und  Perser  gelten  kann. 
Dann  folgen  die  mandelmilchartigen  Getränke, 
die  bereits  unter  den  Bieren  erwähnte  Braga, 
die  in  manchen  Ländern  (z.  B,  auch  in  Rumänien) 
ein  halbgegohrenes,  aus  Kleie  oder  Hirse  bereitetes 
säuerlich     schmeckendes    Getränk     darstellt    und 


110 


OEST£RREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


lediglich  Erfrischungszwecken  dient.  Selbst  in 
Ungarn  findet  sich  in  manchen  Gegenden  auf 
dem  Lande  unter  dem  Namen  Korpaczibere  ein 
ähnliches,  aus  Kleie  hergestelltes  Getränk.  In 
den  französischen  Colonien,  besonders  in  Algier 
und  'lunis,  wird  das  in  Südfrankreich  einheimische, 
Coco  genannte  Getränk  stark  verkauft.  Der  Coco 
besteht  aus  gepulvertem  Lakritzensafte,  der  mit 
Anisöl  oder  Pfefferminz  und  dergleichen  aromatisirt 
und   dem   Trinkwasser  zugesetzt   wird. 

Wer  einmal  im  Oriente  gewesen  ist  und 
in  den  Bazaren  von  Kairo  oder  Damaskus  das 
ohrenzerrcissende  Geklapper,  das  die  Verkäufer 
dieser  Erfrischungsmittel  mit  ihren  Messingstliaien 
machen,  gehört  hat,  der  wird  es  gewiss  nicht  ver- 
gessen, ebensowenig,  als  die  hohläugigen,  asch- 
fahlen, gespensterhaften  Gestalten  der  Haschaschir 
in  den  schmutzigen  versteckten  Vorstadt-Kaffee- 
häusern in  Tunis  oder  Kairo  und  die  finsteren 
Opiumhühlen  in  den  indischen  und  chinesischen 
Hafenstädten,  wo  die  Sclaven  ihrer  unseligen 
Leidenschaft  sich  zusammenfinden,  um  in  wenigen 
Stunden  die  noch  erübrigte  Lebenskraft  zu  ver- 
zehren. Die  Natur  hat  dem  Menschen  gewiss  wohl 
wollen,  als  sie  ihm  Mittel  an  die  Hand  gab,  sich 
durch  Erregung  seiner  Nerven  körperlichen  und 
seelischen  Genuss  zu  verschaffen,  um  in  rasch  ver- 
rauchten Augenblicken  einen  kurzen  Anklang 
himmlischer  Wonnen  zu  em[)finden,  aber  das  hat 
sie  gewiss  nicht  gewollt,  dass  der  Mensch  durch 
übermässigen  Genuss  ihrer  Gaben  zum  stumpf- 
sinnigen, noch  unter  dem  Thiere  stehenden 
Wesen  herabsinke.  Leider  aber  kennt  der 
Mensch,  wenn  es  sich  um  den  Genuss  handelt, 
nur  selten  das  richtige  Mass  und  Ziel,  das  einzu- 
halten  war«. 


EINE  STIMME  AUS  EINEM  HAREM.*) 

Angesichts  der  grossen  Zahl  von  Eng- 
länderinnen, die  in  der  letzten  Zeit  türkische 
Harems  besucht  haben,  und  dank  ihrer  Kennt- 
niss  unserer  Sprache  in  der  Lage  waren,  rich- 
tige Urtheile  über  unser  Dasein  abzugeben,  ist 
es  schwer  Neues  über  ein  Land  zu  schreiben, 
dessen  Sitten  und  Gebräuche  im  Auslande  fast 
ebenso   gut   bekannt  sind   wie   bei   uns   selber. 

Auch  ist  das  Interesse  für  das  Orientalische  in 
dem  Masse  geschwunden,  als  der  Schleier,  der 
über  demselben  lag,  thatsächlich  gelüftet,  die 
Geheimnisse  des  Orientes  nach  und  nach  vor  der 
Welt  in  ihrem  wahren  Lichte  erschienen,  das 
nicht  selten  des  poetischen  Reizes  entbehrte,  den 
man  ihnen  angedichtet  hatte. 

In  einer  Beschreibung  Constantinopels  aus 
dem  Jahre  1840  wurde  das  türkische  Weib  als 
ein  Geheimniss  hingestellt,  dessen  Entschleierung 
gefahrbringend  sei,  während  Thakeray  in  seiner 
„Voyagefrom  Cornhill  to  grandCairo"  uns  von  einer 
Dame    erzählt,     auf    die  alle  Rechtgläubigen    mit 

*)  Dem  Nineteenth  Century  eijtiiümmen. 


Fingern  zeigten,  weil  sie  in  ihrem  eigenen  Wagen 
vor  der  Moschee  vorfuhr.  Was  die  Schatten  dieser 
braven  Gläubigen  sagen  würden,  wenn  ihnen  ein  Blick 
auf  unsere  heutige  Welt  gestattet  wäre,  ist  schwer 
zu   bestimmen. 

Es  bedurfte  nur  kurzer  Zeit,  den  türkischen 
Müttern  das  erkennen  zu  lassen,  was  sich  als 
wissenswerth  für  sie  zeigte  und  während  ehe- 
dem einige  Kenntniss  der  französischen  Sprache 
das  Maximum  dessen  bildete,  was  eine  Türkin 
lernte,  ging  sie  nun  daran,  sich  mehrere  fremde 
Sprachen,  (Klavier,  Zeichnen  und  Malen  anzueignen 
und  sich  so  zur  Frau  heranzubilden,  die  in  der 
Gesellschaft  erscheinen  kann.  Uazu  kam  die 
Leetüre  von  Romanen  und  Novellen,  und  so  kam 
das  junge  Mädchen,  das  ehedem  das  höchste 
Mass  der  Seligkeit  darin  erblickte,  von  einem 
ihr  unbekannten  Mann  in  Gemeinschaft  mit  einem 
halben  Dutzend  Rivalinnen  tyrannisirt  zu  wer- 
den, dazu,  Andeutungen  einer  irdischen  Sec- 
ligkeit  zu  empfinden ,  die  das  übertrafen, 
was  sie  vom  Paradies  erwartete.  Sie  hörte 
von  Bällen,  Festen  und  Unterhaltungen,  bei 
welchen  Frauen  offen  mit  Männern  sprachen,  die 
weder  Doctoren  noch  ihre  Vettern  waren ;  zum 
ersten  Male  vernahrti  sie  es,'  dass  das  Weib 
ebenso  hoch  geschätzt  wurde  als  der  Mann,  ja, 
dass  sie  von  diesem  jene  Huldigung  beanspruchen 
durfte,  die  sie  bisher  einzig  als  das  seinem  Ge- 
schlechte gebührende  Vorrecht  gekannt  hatte  ;  in 
den  Büchern  begegnete  sie  den  Darstellungen  des 
glücklichen  Familienlebens,  in  dem  ein  Weib  die 
Liebe  und  das  Vertrauen  ihres  Gatten  genoss, 
und  nach  und  nach  drang  das  so  eingesogene 
Gift  in  ihre  Adern.  Sie  fühlte,  dass  sie  Anrecht 
habe  auf  ■  mindestens  einen  Theil  dieser  Vor- 
rechte; allein  die  Scheu  davor,  die  erste  zu  sein, 
die  sie  begehrt  hätte,  hätte  manche  Frau  veran- 
lasst, noch  für  längere  Zeit  das  ihr  nun  ver- 
hasste  Joch  zu  tragen,  wenn  sie  nicht  von  Rath- 
gebern  umgeben  wäre,  die  sie  vorwärts  drängen. 
Schlimm  genug,  dass  die  Bewegung  gerade  in 
den  höheren  Classen  den  Anfang  nahm,  welche 
in  Folge  ihres  Ranges  von  einer  Legion  von 
niedrigen  Armeniern  und  Griechen,  dem  Ab- 
schaum ihrer  Nation,  umgeben  sind,  welche  stets 
mit  dem  Lobe  an  der  Hand  waren,  wenn  sie  die 
Möglichkeit  einer  Belobung  sahen  und  deren 
Beispiel  bei  den  Türkinnen  keine  allzuhohe  Meinung 
von   europäischem   Leben   aufkommen   Hessen. 

Das  Dasein,  welches  sie  im  Harem  geführt 
hatte,  war  nicht  dazu  angethan,  sie  für  die  plötz- 
lichen Veränderungen  vorzubereiten,  die  in  ihrer 
Lebensweise  eintreten  sollten.  Es  war  ihr  un- 
bekannt, dass  es  andere  Ketten  gebe  als  die- 
jenigen, welche  die  Tyrannei  eines  Mannes  auf- 
erlegt und  dass  das  Leben  höhere  Ziele  biete 
als  das  der  Existenz  allein ;  in  der  That  ist  die 
Selbstsucht  eine  Eigenschaft  der  Haremsinsassen, 
die  Alle,  welche  leben  wollen,  besitzen  müssen 
und  unfassbar  ist  es  ihnen,  dass  man  an  Andere 
denken    könne ,     ehe     man     an     sich     selbst     ge- 


■^•<? 


N- 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


111 


(lacht.  AiulcrKiseits  sind  die  Mütter  niclit  be- 
fähiijt,  iliren  Töchtern  jene  reinen  und  hohen 
Priiicipicn  zu  lehren,  welclie  jede  europäisdie 
Frau  ihren  Kindern  beizubringen  trachtet.  In  der 
That  fehlt  es  ihnen  auch  an  dem  hiezu  nöthigen 
Einflüsse.  Die  Mütter  sind  der  grösseren  Zahl 
nach  Sclavinnen  und  erfreuen  sich  als  solche 
nicht  jener  zarten  Mochachtung,  die  eur(;|)äi- 
schen  Müttern  entjjegengebracht  wird.  Jedes  Kind 
hat  eine  andere  Mutter,  für  die  es  eine  gewisse 
l'arteianhänglichkeit  hat  und  die  es  gegen  ihre 
Rivalinnen  vertheiiligen  wird.  Gleichwohl  fehlt 
die  Achtung  und  auch  der  Grund  für  eine  solche, 
da  dem  Kinde  nichts  als  das  Princip  der  Selbst- 
sucht gelehrt  und  dieses  allein  von  der  Mutter 
selbst  geübt  wird.  „Jedermann  für  sich  selbst" 
ist  das  Motto  in  den  Harems,  hat  man  dieses 
den  Kindern  einmal  beigebracht,  so  lässt  man 
sie  nach  ihrem  Charakter  aufwachsen,  ohne  ihnen 
das  Rechte  zu  lehren  oder  das  Unrechte  zu  wehren. 
Vor  Kurzem  wurde  in  einem  englischen  Blatte 
behauptet,  die  Moral  in  den  Harems  sei  nicht 
schlimmer  als  jene  in  manchen  Kreisen  der  euro- 
|)äischen  Gesellschaft.  Das  mag  wahr  sein,  doch 
sind  es  gewiss  solche  Plätze,  die  man  nicht  für 
die  Erziehung  junger  Mädchen  wählt,  wogegen 
das  Harem  die  Heimat  für  tausendc  und  aber- 
tausende  von  jungen  Mädchen  ist,  die  dort  die 
ersten  Hegriffe  von  Recht  und  Unrecht  erlangen 
sollen,  wozu  das  schlechte  Heispiel  der  sie  um- 
gebenden Sclavinnen  wenig  geeignet  ist.  Eine 
Türkin  von  15  Jahren  weiss  so  viel  vom 
Leben  wie  eine  Europäerin  von  40  — 
ein  gewiss  unnatürlfcher  Zustand.  Unter  diesen 
Umständen  kann  ein  Mädchen  kaum  beschei<len 
sein  und  es  ist  begreiflich,  dass  mit  der  Reaction 
die  Extreme  erreicht  wurden,  die  wir  heute  wahr- 
nehmen. 

Der  Sprung  von  der  Unwissenheit  zur  Kennt- 
niss  war  zu  plötzlich;  das  türkische  Weib  war 
vom  hellen  Glänze,  der  auf  einmal  auf  dasselbe 
einwirkte,  geblendet,  sie  wusste  nur  schwer  Recht 
und  Unrecht  von  einander  zu  unterscheiden, 
und  es  darf  uns  kaum  in  Erstaunen  versetzen, 
wenn  sie  ihren  Weg  verfehlt.  In  einer  solchen 
Krisis  bedurfte  sie  eines  stärkeren  Armes,  um 
sie  zu  stützen,  eines  solchen  aber  musste  sie  in 
Folge  der  Position,  in  der  sie  sich  befand,  ent- 
behren. Denn  keine  anständige  l*'rau  aus  der 
europäischen  Gesellschaft  könnte  in  einem  Harem 
leben,  ohne  dasselbe,  von  Ekel  erfüllt,  zu  ver- 
lassen, oder  aber  veranlasst  zu  sein,  um  der 
Selbsterhaltung  willen  es  den  Anderen  gleich 
zu   thun. 

Je  vvenigei'  die  I'tlichten  gegen  unseren  Mit- 
menschen in  unserer  Religion  l'>wähnung  finden, 
desto  eingehender  .ist  das  bezeichnet,  was  wir 
uns  selber  schulden,  die  Gesetze  sind  in  der 
That  zu  strenge,  als  dass  das  türkische  Mädchen 
nicht  nach  dem  ersten  Heraustreten  aus  dem 
hergebrachten  Leben  nicht  fühlen  müsste,  dass 
sie   damit   vom   Himmel   ausgeschlossen   sei.     Wer 


l'-uropäerinnen  nachahmt,  zählt  mit  diesen,  hcisst 
es  in  unseren  Büchern,  und  so  wusste  die  Frau  gleich 
vom  Anfange  her,  was  ihr,  wenn  sie  trachtete, 
CS  den  Euroiiäerinnen  gleich  zu  thun,  bevorstand  ; 
wissend,  dass  es  zu  spät  war,  zurückzutreten, 
entschloss  sie  sich  vorwärts  zu  schreiten.  Vod 
der  Narrheit  zum  Laster  ist  mitunter  nur  ein 
Schritt,  und  in  diesem  F'alle  war  er  rasch  gc- 
than  —  hoffen  wir,  dass  er  über  Kurz  nach  rück- 
wärts erfolge.  Bereits  lassen  sich  Beispiele  von 
Frauen  aufzählen,  die,  wohlerzogen,  manches  Jahr 
in  Eurüjja  verbrachten,  befreit  von  den  alten 
l'"csscln  leben,  ohne  darum  die  Vorschriften  der 
Ehre  ausser  Acht  zu  lassen,  die  in  jedem  Lande 
bestehen ;  es  wäre  Zeit,  dass  solche  Beisiiielc 
häufiger  befolgt  würden.  Wenn  das  türkische  Mäd- 
chen zur  Erkenntniss  gekommen  sein  wird,  dass 
keine  wohlerzogene  Dame  einem  ihr  unbekannten 
Herrn  Zeichen  gibt,  keine,  die  noch  über  einige 
Selbstachtung  verfügt,  einem  Manne  antworten 
würde,  der  sie  in  der  Strasse  anspricht,  dass  die 
Trennung  der  Ehe  überall  in  der  Welt  als  eine 
Schande  dann  betrachtet  wird,  wenn  sie  eine 
l-'ülge  der  Pflichtvergessenheit  der  Frau  ist,  dass 
alle  Frauen,  die  aus  diesem  Grunde  geschieden 
sind,  ihre  Stellung  einbüssen:  dann  wird  sie  in 
der  That  fortschreiten,  und  wir  mögen  hoffen,  dass 
wir  endlich  glücklich  ,  geachtet  und  frei  wie 
jene  Frauen  sein  werden,  die  wir  nachzuahmen 
wünschen. 

All  dies  ist  gleichwohl  von  secundärer  Be- 
deutung. Was  uns  am  meisten  fehlt,  nach  was 
wir  mit  all  unseren  Kräften  streben  müssen,  ist 
die  Abschaffung  der  Vielweiberei,  und  dazu  wird 
uns  die  Freigebung  der  Sciaverei  verhelfen.  So 
lange  die  Sciaverei  besieht,  wird  die  Vielweiberei 
in  unseren  Harems  in  der  schlimmsten  Form  fort- 
bestehen. Von  der  humanitären  Frage  ganz  ab- 
gesehen, stellt  sich  die  Sciaverei  als  ein  härteres 
Joch  für  uns  dar  als  für  die  Sciaven  selber.  Ohne 
die  Sciaverei  wird  sich  kein  türkisches  Mädclicn 
dazu  hergeben,  die  zweite  Stelle  in  tiem  Hause 
eines  Gatten  einzunehmen,  und  wir  werden  ohne 
jene  ununterbrochene  Eifersucht  leben ,  ohne 
jene  tausende  von  Schmerzen,  die  unser  Unglück 
ausmachen.  Man  weiss  in  Europa  nicht,  dass  ein 
Harem  selten  mehr  als  eine  legitime  Frau  hat, 
die  mitunter  eine  Circassierin,  meist  aber  eine 
Türkin  ist.  Ist  letzteres  der  Fall,  so  bringt  sie 
ihrem  Gatten  meist  zehn  oder  zwölf  Sclavinnen 
mit,  die  als  Theil  ihrer  Ausstattung  gelten  ;  ist 
sie  selbst  eine  Sclavin,  so  kauft  der  Gatte  eine 
solche  Zahl  für  sie,  was  schliesslich  dasselbe  be- 
deutet. Wie  immer  civilisirt  nun  auch  unsere 
Ehemänner  seien,  jeder  von  ihnen  ist  noch  zu  sehr 
Türke,  um  sich  sehnsüchtiger  Blicke  nach  diesen 
Sclavinnen  enthalten  zu  können,  während  diese 
selber  zu  furchtsam  sind  oder  zu  niedrig  stehen, 
um  diese  Ermuthigung  zurückzuweisen.  Thatsäch- 
lich  wissen  sie,  dass  dies  der  einzige  Weg  für  sie 
sei,  eine  hohe  Position  in  der  Gesellschaft  ein- 
zunehmen, und  kaum  können  sie  für  eine  Herrin 


112 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


fühlen,  die  nie  für  sie  Gefühl  gezeigt  hat.  In  der 
Regel  erreichen  sie,  was  sie  anstreben,  und  die 
Frau  steht  ihnen  machtlos  gegenüber,  da  der  Mann 
das  Gesetz  für  sich  hat.  Ist  die  erstere  energisch, 
so  verkauft  sie  mitunter  die  Sclavin  —  was  ihr 
übrigens  gegenwärtig  verwehrt  wird  — •  oder  sie 
kehrt  zurück  nach  dem  Hause  ihres  Vaters.  In 
jedem  Falle  ist  sie  verlassen,  da  der  Gatte  sich 
über  Kurz  eine  andere  Sclavin  wählt,  der  Vater 
aber,  der  vielleicht  selbst  ein  halbes  Dutzend 
Frauen  hat,  nur  auf  die  Seite  seines  Schwieger- 
sohnes treten  kann. 

Im  Laufe  der  Zeit  wird  die  Sclavin  eine  Oda- 
liske,  die  Kinder  fast  im  Alter  jener  der  Herrin 
hat,  so  mächtig  wie  diese  selber ;  trotzdem  ist 
ihr  Contract  kein  geschriebener  und  sie  bleibt 
immer  eine  Sclavin. 

Begreiflicherweise  versteht  sich  kein  türki- 
sches Mädchen  zu  einer  solchen  Position,  während 
andererseits  kein  Mann  gewillt  ist,  thatsächlich 
zwei  Frauen  zu  heiraten  ;  so  wird  man  der  Poly- 
gamie an  den  Leib  rücken,  wenn  die  Sclaverei 
unterdrückt,  und  zweifelsohne  geschieht  damit 
nur  Gutes  für  uns. 

Dagegen  wird  man  gleichwohl  manchen 
Widerstand  erheben,  wie  sich  dies  zeigte,  als  die 
englische  Regierung  diese  Angelegenheit  in 
Egypten  in  die  Hand  nahm.  Es  kostete  manche 
blutige  Schlacht,  die  Vereinigten  Staaten  von 
der  Sclaverei  zu  befreien,  aber  keines  der  Argu- 
mente, die  man  dort  anwandte,  wäre  bei  uns 
von  Nutzen.  Die  Amerikaner  benützten  die  Sclaven 
als  Vieh,  sie  waren  für  sie  die  Quelle  grosser 
Reichthümer  und  kaum  entbehrlich,  wie  dies  aus 
der  grossen  Zahl  der  Landeigner  hervorgeht, 
die  während  des  Krieges  zu  Grunde  gingen.  In 
unserem  F"alle  verursachen  die  Sclaven  eine  Aus- 
gabe, ohne  die  wir  es  leicht  richten  können. 
Allerdings  müssen  wir  zugestehen,  dass  wir  ausser 
Armeniern  und  Griechen  in  Constantinopel  und 
den  Fellahs  in  Kairo  Niemanden  finden,  der  uns 
dient ;  allein  hat  dies  nicht  seine  Ursache  darin, 
dass  wir  nie  nach  Anderem  für  diesen  Zweck 
suchen? 

Gibt  es  nicht  in  Constantinopel  Tausende 
und  aber  Tausende,  die  oft  nahe  daran  sind, 
Hungers  zu  sterben,  und  die,  wenn  sie  dazu 
ausgebildet  würden,  gute  Diener  abgeben  würden  ? 
Man  mag  dagegen  einwenden,  dass  die  Armen 
der  Türkei  zu  stolz  sind,  sich  als  Diener  ver- 
wenden zu  lassen,  und  dass  es  kaum  möglich 
sein  würde,  sie  zu  meinen  Ansichten  zu  bekehren. 
Es  kommt  dies  nur  daher,  weil  sie  es  nicht 
besser  verstehen  und  der  erste  Schritt  wäre, 
ihnen  Gelegenheit  zu  geben ,  sich  etwas  von 
jener  freieren  Beurtheilung  zu  erwerben,  die  wir 
erlangt  haben,  wobei  wir  Sorge  tragen  sollen, 
jene  Schollen  zu  meiden,  an  denen  wir  selber 
Schiffbruch  gelitten  haben.  Durch  eine  Anzahl 
freier  Schulen  von  begabten  Directoren  geleitet 
und  mit  Lehrern  aus  der  grossen  Zahl  jener 
reinen  gutherzigen  Frauen  versorgt,  wie  sie  sich 


in  Europa  finden,  würde  dies  leicht  erreicht 
werden.  Bald  würden  sie  zu  der  Ueberzeugung 
kommen,  dass  der  Dienst  keine  Schande  und  es 
besser  sei,   zu  arbeiten,  als  zu  hungern. 

Ich  glaube  den  Beweis  erbracht  zu  haben, 
dass  die  Sclaverei  nicht  nothwendig  sei  und 
deren  Aufhebung  unsern  Zustand  bessern  würde. 
Wir  machen  auf  Civilisation  Anspruch,  während 
wir  nur  die  Lasten  der  Christen  imitiren,  ohne 
das  Gute  ihrer  Sitten  zu  studiren ;  im  Kampfe 
um  unsere  Freiheit  vergessen  wir,  an  unsere 
Ruhe  zu  denken,  und  vergessen,  dass,  während 
die  Sclaverei  tausende  unserer  Mitmenschen  um 
ihr  Geistesleben  bringt,  wir  kein  Recht  haben, 
uns  zu  beklagen,  dass  wir  getreten  werden.  Erste 
Pflicht  gegen  uns  und  sie  ist  es,  den  grössten 
Flecken  in  unserem  Dasein,  der  auch  nicht  einmal 
durch  die  Religion  herbeigeführt  wurde,  auszu- 
löschen; nach  und  nach,  erst  wenn  wir  uns  reif 
zeigen,  können  wir  hoffen,  jene  Rechte  zu  er- 
langen,  die   man   uns   heute   verweigert. 

Ohne  dieses  werden  alle  Bestrebungen  nach 
Freiheit,  statt  auf  die  Erweiterung  unserer  Privi- 
legien abzuzielen,  nur  dazu  dienen,  uns  in  einem 
verächtlicheren  Lichte  den  Millionen  gegenüber 
erscheinen  zu  lassen,  die  auf  uns  blicken. 


M  I  S  C  E  L  L  E. 

Satsuma-Fayencen.  Die  Menge  der  grossen,  von  Gold 
und  bunten  Farben  gleissenden  Vasen  und  Figuren,  welche  als 
„Altes  Satsuma",  als  „Kaiserliches  Satsuma"  oft  mit  einem 
falschen  Ursprungszeugnisse  über  die  Herkunft  aus  einem 
buddhistischenTempel  den  europaischen  Markt  überschwem- 
men, kann  auf  die  Bezeichnung  „Satsuma"  keinen  Anspruch 
machen,  sondern  ist  von  Töpfern  in  Kioto,  Os'aka,  Shiba 
bei  Tokio  und  Ota  bei  Yokohama  aus  eingeführtem  Sa- 
tsuma-Thon  angefertigt  und  so  decorirt  worden,  wie  es 
den  mehr  und  mehr  verwildernden  Anspiücheu  unserer 
Curiositätenhändler  entsprach ;  oder  es  wurden  echte  Sa- 
tsun:.a-GefKsse  undecorirt  in  die  Malerwerkstätten  der 
Hauptstädte  geschickt,  um  decorirt  nach  Satsuma  zurück- 
gebracht und  dort,  nachdem  sie  noch  scheinbar  alt  ge- 
macht waren,  an  solche  Europäer  abgesetzt  zu  werden, 
welche  an  der  Quelle  zu  kaufen  für  sicherer  hielten. 
Wurden  Töpferwaaren  auch  schon  seit  Jahrhunderten  in 
mehreren  Orten  Satsumas  hergestellt,  so  reicht  doch  die 
Anfertigung  des  „Nishiki  de  Satsuma",  wie  die  mit  Gold 
und  Emailfarben  auf  elfenbeinfarbener,  fein  gekrackter 
Glasur  verzierten  Halbporzellane  wegen  der  Aehnlichkeit 
ihres  Decors  mit  den  Goldseidengeweben  genannt  werden, 
nach  dem  Urtheile  der  japanischen  Autoritäten  nicht  über 
ein  Jahrhundert  zurück.  Gegen  Ende  des  XVIH.  Jahr- 
hunderts sandte  ein  Fürst  von  Satsuma  zwei  Arbeiter  in 
die  Kaiserstadt  Kioto,  bei  den  dortigen  Künstlern  die 
Schmelzmalerei  und  die  Vergoldung  auf  Thon  zu  erlernen. 
Dort  in  der  Werkstatt  des  berühmten  Töpfers  Dohachi 
sammelten  sie  die  Erfahrungen,  mit  denen  sie  dann  in 
ihrer  Heimat  das  „Nishiki  de  Satsuma"  schufen.  Das  neue 
Verfahren  wurde  nicht  auf  grosse  Prunkstücke,  für  welche 
im  japanischen  Haushalte  keine  Verwendung  war,  ange- 
wandt, sondern  blieb  auf  kleine  Gebrauchsgegenstände, 
Kümmchen  zum  Bereiten  und  Trinken  des  Thees,  kleine 
Räuchergefässe,  Dosen  zur  Bewahrung  von  Räucherwerk 
und  andere  Kleinigkeiten  beschränkt.  Auch  war  die  Her- 
stellung keineswegs  eine  massenhafte,  da  die  neue  W.iare 
zu  kostspielig  war,  um  in  Jedermanns  Haushalte  benützt 
zu  werden,  und  die  schönsten  Stücke  waren  wohl  nur 
für  den  Fürsten  zu  dessen  persönlichem  Gebrauch  oder 
zu  Geschenken  bestimmt.  [Jahrbuch  der  Hamburgischen 
Wissenschaftlichen  Anstalten  l890.) 


Verantworüicher  Eedacteur:  A.  v.  Scata. 


Druck  von  Ch.  Reisser  it  M.  Werthner  in  Wien. 


AuKust-Heft  1890. 


Nr.  8. 


0£ST£RRE1CH  ISCHE 


P0iiats5t|rift  für  kii  #rient 

Herausgegeben   vom 

K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUM  IN  WIEN. 


z'    JEDNOTA  > 
,  K  pou/:3U2:Em 

\     PBiJiAY-SJL4J — 


Redigirt  von    A.   von   Scala. 


y  nWrty'ÄnCyui 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR.  HANDEIS-MUSEUHS  IN  WIEN. 


frdt  jUiri.  5  I.  —  H)  Hark. 


INRAI.T:  l.rtikovai',  diu  bh-IiIbiIh^  llanf«laclt.  Von  F.  Ii<nlilz.  — 
Itip  Alterlhünier  dor  Khiucr  in  Kninbuilht-ha.  Von  Friedricti 
p.  lltltwttld.  —  DayukiHrh«  Ivtiiisi.  Von  llerntiinn  Feiql.  —  \>v.r 
hculiui;  Statu!  der  .Saliarabalinfrane.  Von  l'rofeasor  Or.  Philipp 
PnuiiUchke.  —  MiHcirlleii:  Die  lIet)er«c)iWfiiiinitugL-ii  lu  Cbtna. 
—  Die  Kilo  iii  Cliina. 


LESKOVAC,  DIE  SERBISCHE  HANFSTAOT. 

Von  /''.  Kamlz. 
iertnal  berührte  ich  während  des 
Herbstes  1889  Leskovac  auf  ver- 
schiedenen Routen.  Von  Ni5  aus  er- 
reiclit  man  diese  neuserbische  Stadt, 
deren  malerisclie  Lage  durch  viele 
ihre  weciiseireiche  Vergangenheit  bekundende 
Rauten  noch  an  Keiz  gewinnt,  auf  dem  Vranjaer 
Schienenstrange  in  zwei  Stunden. 

Drei  Brücken  verbinden  die  von  der  Veter-' 
nica  durchllossenen  Stadttheile,  in  welchen  dunkles 
Laub  ülierragende  Minarehs  und  Konakfirste  von 
der  einstigen  Türkenherrschaft  erzählen.  An  diese 
mahnt  auch  der  „llisar",  der  350/«  hohe  Schloss- 
berg auf  dem  linken  Klussufer.  George  Brown  sah 
noch  im  Jahre  1677  ^^^  ''"^  krönende,  die  nahe 
sumpfige  Niederung  beherrschende  Castell.  In  alt- 
serbischer  Zeit  IJibo^ica  genannt,  war  es  auch  ab- 
wechselnd bulgarisch  oder  Byzanz  unterworfen. 
Kaiser  Manuel  trat  Leskovac  und  sein  Gebiet  an 
Stefan  Ncmanja  ab,  fortan  theilten  beide  die  Ge- 
schicke des  Serbenstaates.  Nach  Kosovo  türkisch, 
im  Frieden  zu  Szegedin  (1444)  dem  serbischen 
Despoten  Djuro  Brankovic  wieder  zugesprochen, 
wurde  Leskovac  nach  den  Alles  niederwerfenden 
llalbmondssiegen  1455  dem  Sultansreiche  dauern<l 
einverleibt.  Erst  i68g  eroberten  Prinz  Eugen's 
Schaaren  die  Zwingburg,  und  von  da  ab  verfiel  sie. 
Nun  bedecken  köstlichen  Wein  zeitigende  Cul- 
turen  mit  eingestreuten  edlen  Obstbäumen  den 
blutgetränkten  Boden,  der  ursprünglich  eine  bis 
auf  wenige  Ziegelreste  verschwundene  n'>mische 
Akropolis  trug,  Kaum  lässt  sich  ihre  einstige  Ge- 
stalt mehr  bestimmen,  denn  ihre  Mauerreste  wurden 
zum  mittelalterlichen  Schlossbau,  für  Moscheen  und 
Konaks  verwendet,  die,  obschon  seit  1878  dem 
Verfalle  jireisgegeben,  uns  ilen  im  Schwinden  be- 
griffenen orientalischen  Zuschnitt  dieses  einst  viel- 
gepriesenen Ilallimondshortes  vergegenwärtigen. 
Zu  Beginn  unseres  Jahrhunderts  war  Leskovac 
noch  das  Centrum  eines  ausgedehnten  Paiialiks, 
dessen  Grenzen  selbst   die   fernen,   seit  1833    ser- 

Monatucbril't  lUr  doa  Uriout.  August  1890. 


bisch  gewordenen  Kreise  KruSevac,  ('"uprija  und 
Aleksinac  umschlossen.  Später  fiel  Leskovac  aber 
den  Ejalets  Priätina,  Ni5,  Kusi'^uk  und  zuletzt,  als 
Mithad's  Stern  in  NiS  glänzte,  diesem  zu.  Das  durch 
die  fortgesetzte  arnautischc  Einwanderung  sich 
stetig  stärkende  moslimische  Element  übte  wieder- 
holt solch  starken  Druck  auf  die  mehr  als  zweimal 
so  starke  christliche  Majorität,  dass  es  1841  in  und 
um  Leskovac  zum  lange  vorbereiteten  Kajah- 
aufstande  kam.  Er  gab  dem  Gouverneur  Mohamed 
PaSa  viel  zu  schaffen,  und  lange  nachdem  er  von 
den  Albanesen  blutig  niedergeschlagen  war,  zeigten 
Flintenkugelspuren  an  dt^n  Mauern  den  versuchten 
Angriff  auf  das  Regierungsgebäude.  Bald  darauf 
sank  Leskovac  zum  Mudirsitze  herab  ;  zuletzt  jedoch 
amtirte  dort  wieder  ein  Kaimakam. 

.^Is  Serbien  1877    in  die  russische  Action  ein- 
trat  und  dessen  Colonnen  sich  Leskovac    näherten, 
flüchteten     seine     wohlhabenderen    Moslims     nach 
Vranja  und    anderen  Städten  des  Kosovo  -Vilajets. 
Zu  diesem  Zwecke   retjuirirten  Spahics  und  Zapties 
in  tler  ganzen  Umgebung   alle  auffindbaren  Wagen 
und  Gespanne  von  der  Rajah,  welche  dadurch  über 
tausend   nicht  mehr  zurückgekehrte  Ochsen,  Büffel 
u.  s.  w.  einbüsste.    Die  ärmeren  mohammedanischen 
Leskovacer  eilten  aber  nach    der    schwer   zugäng- 
lichen Grdili<5ka  Klisura,  wo  sie  mit  Zuzüglern  vom 
Lande    durch    den    Kaimakan   Afis  PaSa  .^gic    und 
Esat   Beg   zu   BaSibozuks   organisirt   wurden.    Mit 
ihnen    wollten  sich    1500  Amanten    unter   Sumber 
und  Suli  Aga    aus   der  Pusta  und  oberen  Veternica 
vereinigen  ,    um    das    serbische    Vordringen    abzu- 
wehren. Die  christliche  Bevölkerung  schnitt  jedoch 
durch   ihre  tapfere  Verthcidigung   der  Dilaverbeg- 
Kula  zu  Vui''je  dieser  ("olonne  den  Weg  ab.    Beide 
erbittert  kämpfende  Theile  erlitten  grosse  Verluste. 
Hier  fiel  Vladimir  Radcnkovic,  der  Führer  der  .Auf- 
ständischen, am   3.  Jänner  1878.    Mit    ihm    starben 
viele  Tapfere   für   die  Befreiung  des  angestammten 
Bodens   und  die  Bewahrung  des  .schon   am  23.  De- 
cember  1878  von  einer   schwachen  serbischen  .\W- 
thcilung  besetzten  Leskovac  vor  Brand    und  Plün- 
derung. Ein  Decenniuni  genügte,  um  die  Stadt  ihres 
türkischen    Charakters     nahezu     gänzlich    zu    ent- 
kleiden.   Von  den  vor  der   serbischen  .\nnexion   in 
900   Häusern   wohnenden    4500   Mohammedanern 
traf  ich  im  Herbste  1889  kaum  60  in  15  Häusern, 
von   den  8  Diamien   mit  6  Minarehs   blieben  3  er- 


114 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN    ORIENT. 


halten,  von  den  lo  Tekies  nur  eines;  selbst  das 
Türkenbad  wurde  rasirt!  Auch  die  eine  noch'  „ar- 
beitende" Moschee  wird  bald  verödet  sein,  denn 
wie  allerorts,  fühlt  sich  der  Moslim  auch  hier  nicht 
wohl  unter  christlichem  Regiment.  Kr  verkauft  sein 
Haus,  seine  Landgüter  selbst  zum  halben  Werthe 
und  zieht  dahin,  wo  er  wieder  der  Vorrechte  des 
Echt-  und  Rechtgläubigen  über  die  waffenlose 
Rajah  theilhaftig  wird.  Zu  den  vornehmsten  einge- 
wandertenArnautenfamilien  zählte  jene  SaSir  PaSa's. 
Aus  einem  der  angesehensten  Ipeker  Arnauten- 
geschlechter  stammend  und  mit  der  einflussreichen 
Buäatlisippe  aus  Skodra  nahe  verwandt,  sammelte 
er  zu  Leskovac  grosse  Reichihümer;  sein  Nach- 
komme Sahsuvar  Paäa  und  dessen  Sohn  Ismail 
Pasa  mehrten  dieselben  so  sehr,  dass  des  Letzteren 
Einfluss  zu  Constantinopel  bis  vor  wenigen  Jahren 
unbestritten  war. 

Sasir  Paäa  erbaute  im  Centrum  des  rechtsuferigen 
Stadttheiles  ein  imposantes,  fünfzig  Schritte  langes 
„Saraj"  mit  vorspringenden  Flügeln,  von  welchen 
einer  des  PaSa's  Frauen  und  üdalisken  beherbergte  ; 
der  andere  alsSelamlik  diente.  Der  sie  verbindende 
lange  Mittelbau  mit  breitem  offenen  Cardak  und 
grosser  doppelseitiger  Freitreppe  enthielt  die 
Gerichts-  und  Administrationsräume.  Mit  echt- 
orientalisch gemalten  Ornamentfriesen  ,  Festons 
u.  s.  w.  geschmückt,  macht  das  Saraj  noch  heute  einen 
guten  Eindruck,  obschon  es  durch  seine  Verwen- 
dung als  Tabakdepöt  viel  gelitten  hat.  Das  von 
den  Vlasotincer  und  Leskovacer  Bezirken  ange- 
kaufte Gebäude  soll  dem  geplanten  grossen  Gym- 
nasium zum  Opfer  fallen,  für  welches  die  noth- 
wendigen  Gelder  und  viel  Baumaterial  bereits  l88g 
gesammelt  waren,  dessen  Beginn  aber  die  ersehnte 
ministerielle  Entscheidung  verzögerte.  Der  einer 
anderen,  reich  begüterten  Familie  entstammende, 
zu  Leskovac  und  Pe^enjevci  zwei  grosse  Liegen- 
schaften besitzende  Pasaagic  erbaute  neben  dem 
Saraj  die  seinen  Namen  tragende  ,  nun  verlassene 
Moschee  mit  Minareh. 

Gewöhnlich  ist  der  arnautische  Beg,  dieser 
spanische  Hidalgo  und  magyarische  Edelmann  des 
illyrischen  Dreiecks,  lange  nicht  so  koranseifrig, 
wie  stolz  und  unduldsam  gegen  die  seiner  Herr- 
schaft verfallene  orientalische  Christenheit.  In  noch 
viel  höherem  Grade  als  dem  asiatischen  Moslim  sind 
ihm  alle  Klöster  und  Kirchen  verhasst;  den  Bau 
neuer  sucht  er  aber  meist  gewaltsam  zu  hindern. 
Consul  Hahn  erzählte  ganz  merkwürdige  erlebte 
Beispiele  von  unerhörtem  Fanatismus  während 
seiner  albanesischen  Amtscarriere.  Als  die  Lesko- 
vacer christliche  Gemeinde  durch  Bitten  und  reiche 
Baksis  zu  Constantinopel  einen  Ferman  erwirkte, 
der  ihr  den  Bau  eines  grosseren  Gotteshauses  ge- 
stattete ,  suchten  ihre  arnautischen  Zwingherren 
diesen  durch  arge  Bedrohungen  lange  zu  hindern. 
Man  griff  zur  List ;  gab  vor,  ein  neues  Popenhaus 
zu  bauen.  So  entstand  im  entlegensten  Südlhtile 
des  Christeni|uartiers,  zwischen  Bäumen  versteckt, 
die  von  Aussen  kaum  sichtbare,  tiefliegende  drei- 
schiffige  Basilika  Sveta-Bogorodica,    deren    Länge 


ausser  allem  Verhältnisse  zu  ihrer  Höhe  steht,  ohne 
Thurm,  Kuppeln  oder  sonstige  aus  der  Ferne  auf- 
fällige Zierde,  wohl  aber  mit  einem  der  Nordseite 
angefügten  Schornsteine,  der  —  wie  erzählt  wird 
—  die  Moslims  über  die  wirkliche  Bestimmung  der 
Baute  täuschen  sollte. 

Im  Jahre  1839  wurde  die  Kirche  gründlich 
renovirt.  Ein  breiter,  von  18  Säulen  gebildeter  Ar- 
kadengang an  der  West-  und  Südfronte  bildet  ihren 
einzigen  monumentalen  Aussenschmuck.  Sechs 
Stufen  führen  zum  bescheidenen  Haupteingange 
hinab,  über  dem  die  ,,Roi>anstvo  Sveta  Bogoro- 
dica"  im  Bilde  und  ein  später  eingebrochenes  kleines 
Fenster.  Dieses  und  einige  spärliche  schmale  Ein- 
schnitte an  der  Südfacade  lassen  nur  wenig  Licht 
in  das  Innere  der  mit  grossen  (juadratischcn  Ziegeln 
gepflasterten  Schiffe  dringen.  Man  wähnt  sich  in 
einer  Katakombe  ;  die  starken  Säulen,  der  dunkle 
Freskenschmuck  erhöhen  den  mysteriösen  Eindruck. 
Der  Reflex  riesiger,  vor  der  reichgeschmückten 
Ikonostasis  brennender  Wachskerzen  fällt  auf  den 
„Sto  za  Kraljica"  (Königinstuhl)  und  lässt  auch  hier 
die  natürliche  Begabung  der  Bulgaren  für  das  Kunst- 
handwerk bewundern.  Der  thronartige  Betstuhl  ist 
eine  prächtige  Arbeit  des  zu  Vlasotinci  lebenden 
•  Holzschnitzers  Majstor  2asa  aus  Samakov.  Krone, 
Wappen,  Blumen  und  sonstige  Zier  sind  in  Nuss- 
holz  überraschend  schön  geschnitten  ;  die  empfan- 
genen 60  Ducaten  waren  wohl  verdient.  Und  gleich 
kunstreich  ist  der  den  Altar  schmückende  Baldachin. 
Es  sind  Werke  von  bleibendem  Kunstwerth.  Nahe 
der  Hauptfa(;ade  erhebt  sich  seit  1879  ein  unge- 
schlachter sechsseitiger  Glockenthurm  ;  zierlicher 
ist  der  Kiosk,  der  den  treffliches  Wasser  spenden- 
den Brunnen  überdacht  und  das  Centrum  des  an- 
heimelnden, durch  das  Schul-  und  Popenhaus  ab- 
geschlossenen Platzes  bildet. 

Seit  der  serbischen  Besitznahme  hat  sich  das 
städtische  Bildungswesen  sehr  gehoben.  .'\n  der 
sechsclassigen  Normalschule  für  Knaben  und  Mäd- 
chen mit  vielen  Parallelcursen  ertheilen  14  Lehrer 
und  .}  Lehrerinnen  nahezu  900  Schülern  Unterricht. 
Das  vierclassige  Unter-Gymnasium  wird  von  150 
männlichen  und  20  weiblichen  Zöglingen  besucht. 
Es  zählt  einen  Director,  fünf  Professoren,  einen 
Gesangslehrer,  einen  Meister  für  Gymnastik  und 
militärisches  Exercitiuin,  eine  Lehrerin  für  Hand- 
arbeiten ;  die  Religion  lehrt  an  beiden  Anstalten 
der  gewesene  Pfarrer  im  syrmischen  Ireg,  Herr 
Luka  Botovic.  Dieser  gleich  gefällige,  wie  gebildete 
Geistliche  war  mir  ein  stets  bereiter  kundiger  Be- 
gleiter. In  seiner  Gesellschaft  stieg  ich  an  einem 
herrlich  blauenden  Sonntagsmorgen  zur  neuen 
Kirche  Sv.  Ilija  hinan,  deren  weisser  Bau  mit  blin- 
kender Metallkuppel  weit  hinein  in's  Moravathal 
leuchtet. 

Er  steht  auf  der  westlichen  Hisarhöhe ,  um- 
schlossen von  Rebengärten,  neben  dem  Friedhofe, 
in  herrlicher  Lage  auf  der  Stelle  einer  gleich- 
namigen, im  Volke  als  heilthätig  gepriesenen 
Kirchcuruine,  zu  der  Kranke  selbst  aus  weiter  Ent- 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    PÖR    DEN    ORIENT. 


115 


fsrnung  pilgerten  oder  gebracht  wurden.    In    einer 
mit  allerlei  Bildern,  Kreuzen  und  Ampeln  kapcllen- 
artig    ausgestalteten  Hütte    curirte    hier    eine    viel 
aufgesuchte  Baba  durch  Hesprcchungen,  mysteriöse 
Arzneien  u.  s.  w.  die  schlimmsten  Gehrechen.    Uic 
Geistlichkeit  eiferte   vergebens  gegen  diesen  Ein- 
griff  in    ihren    Wirkungskreis;    denn    die    Bauern 
nahmen    die  Partei   der    frommen  Wunderfrau,    die 
sich    auch     mit    kleinsten    Geschenken     begnügte. 
Alimälig    wuchsen     diese     zu     einer    bedeutenden 
Summe  an  und  bildeten  den  von  der  Baba  gestifteten 
Grundfond  zum  Baue   des  neuen  Gotteshauses.  Bald 
flössen  Liebesgaben   in   Geld    und  Materialien   von 
allen  Seiten.    Architekt  Ivackovii'-   vom    Belgrader 
königlichen  Bauamte  entwarf  den  l'lan,  Werkmeister 
Kadojiü    aus  Crna  trava  führte  ihn  aus    und  am  Hin 
dan  1889    wurde    die    im    byzantinischen  Style  ge- 
haltene Kirche   durch    den    bald   darauf   durch  die 
Radicalen   seines  Amtes   entsetzten   Niser   Bischof 
üimitrije  Pavlovi(^    feierlich    geweiht.    Die   ansehn- 
liche Kuppelbaute   zeigt  sehr  harmonische  Verhält- 
nisse und  wäre  gelungen  zu  nennen,  wenn  nicht  an 
der  Westfacade  der  unansehnliche  Eingang  zu  auf- 
fallend mit  dem  unmittelbar  über  demselben  ange- 
brachten   riesigen    Fenster   contrastirte.    Im    noch 
kahlen,    weiss   getünchten   Innenraume    führt   eine 
Stiege   zur  Frauengalerie.   Die    Ikonostasis    zieren 
erst    zwei    Bilder    eines    macedonischen    Samouks 
(Autodidakten)    und   ein  Symantron    in   schlichtem 
Holzstuhle   ersetzt   den    noch    fehlenden    Glocken- 
thurm.   Der  Gottesdienst   in   dieser  von  der  Stadt 
etwas  fernliegenden  Kirche    wird   von  einem  ihrer 
acht  Geistlichen  gehalten.  Während  der  Muezin  nur 
mehr    von    einem    Minareh  .'\llah    preiset,    besitzen 
nun  (i88g)  die  in  2343  Häusern  wohnenden  10.914 
orientalischen  Christen  von  Leskovac  zwei  Kirchen 
und   seine  15  spanisch-israelitischen  Familien   eine 
kleine  Synagoge  mit  Schule. 

Die  Communal  Verwaltung  wurde  zu  Leskovac 
rasch  nach  serbischem  Muster  organisirt.  Wie  alle 
1878  annectirten  vStädte,  besitzt  es  bereits  seine 
vollständige  Autonomie.  Das  Obsstinski  sud  (Ge- 
meindegericht) zählt :  I  Vorsitzenden,  3  Kmetcn, 
16  Ausschüsse,  8  Beisitzer,  I  Rechnungsführer, 
I  Notar,  mehrere  Schreiber  und  Diurnisten.  Den 
Sicherheitsdienst  \  ersieht  I  Polizeibeamter  mit  4  Ge- 
hilfen, 12  Panduren  und  18  Nachtwächtern.  Die 
Feuerwehr  steht  unter  einem  besonderen  Com- 
mandanten.  Für  die  Gcsundheits[)flege  sorgen  ein 
Gemeindearzt,  eine  Geburtshelferin  und  zwei  .Apo- 
theken. Das  Haupteinkommen  der  Stadt  aus  den 
Abgaben  von  I  läusern,  Gewölben,  Kaflee-  und 
Gastlocalen,  Waaggeldern,  vom  Jahrmarkte  u.  s.  w. 
mit  60.000  Frs.  balancirt  sich  mit  den  .'Vusgaben  ; 
das  Baarvermögen  betrug  1889  gegen  20.000  Frs. 
Eine  städtische  Sparcasse  macht  den  nur  gegen 
riesige  Zinsen  zugänglichen  Geldverleihern  wohl- 
thätige  Concurrenz.  Sehr  viel  geschah  bereits  für 
die  Kegulirung  und  Verschönerung  der  Strassen 
und  Plätze  ;  auch  die  Pflasterung  und  Beleuchtung 
machen  gute  Fortschritte ,  und  schon  heute  ist  der 
Charakter  dieser  vor   einem  Jahrzehnt   noch .  halb- 


asiatischen Stadt  ein  mehr  occidcnlalen Forderungen 
entsprechender. 

An  diesem  überraschend  schnellen  Umschwünge 
haben  die  aus  dem  Fürstenthum  entsendeten  Offi- 
cierc  und  Beamten  grossen  .Antheil.  Es  dürfte  in- 
teressant sein,  den  staatlichen  Apparat  einer  ser- 
bischen Bezirksstadt  kennen  zu  lernen.  Zu  Leskovac 
befanden  sich  im  Herbste  1889:  der  Stab  des 'I'cr- 
ritorial-Bataillons,  ferner  :  I.  Das„Srezko  nafelstvo" 
(Bezirksamt)  mit  dem  leitenden  Bezirkshauptmann, 
I  -Adjuncten,  7  i'raktikanten  für  den  Kanzleidienst, 
I  Steuerbeamten,  i  Tabakrcgic-Aufseher  und  seinen 
Gehilfen,  1  Bezirksarzte  und  lo  Gendarmen.  II. 
l<'ine  Abtheilung  des  Ni.^ier  Kreisgerichtes  für  die 
Lesküvacer  und  Vlasotincer  Bezirke,  bestehend  aus 
I  Präsidenten,  3  Richtern,  l  Secretär,  l  Rech- 
nungsführer, 2  Schreibern  und  3  Praktikanten.  III. 
Das  Post-  und  Telegraphenamt,  das  i  Chef,  i  Post- 
beamten und  3  'I'elegraphisten  beschäftigt. 

Die   l<2isenbahnstation    II.  Classe,   mit    i  Vor- 
stande   und   2  Gehilfen,    welche  Leskovac    mit  Niä 
undVranja  verbindet,  gewinnttäglich  an  Bedeutung. 
Der  Bezirk   führt    ansehnliche  Quantitäten  von  Ge- 
treide, Wein,   Obst   und   anderen  Bodenproducten 
aus.   In   erster  Linie  steht   aber   der  Verkehr   mit 
Hanf   und   Seilerwaaren.    Man    darf   ohne  Ueber- 
treibung    sagen :    Leskovac   und   seine  Umgebung 
leben   vom    Hanfbau.    Schon  Herodot   rühmte  den 
thrakisch-dardanischcn  Hanf.    Der  Leskovaccr  gilt 
allgemein  als  der  vorzüglichste  im  ganzen  Toplica- 
und  Moravagebiete ;    denn   die  Pflanze  gedeiht  hier 
bis  zu  3'5  m  Höhe.  Zur  Samengewinnung  wird  der 
schwarze,    im  Herbste    geerntete   Hanf   bevorzugt. 
Man  versetzt  ihn  Ende  April ;  der  weisse  wird  schon 
im  .\ugust  abgeschnitten.  Durchschnittlich  gewinnt 
ein  Bauerngehöft    lO  q  Hanf,    einzelne    sehr   wohl- 
habende z.  B.  in  Pe<>enjevce  bis  35  y,  welche  1889 
mit  56  Frs.  per^  bezahlt  wurden.  .Anfangs  October, 
wenn  aller  geerntete  Hanf  pyramidenförmig  in  end- 
losen Reihen  getrocknet  wird,    erscheinen  die  Ort- 
schaften wie  von  ricsigi-n  Zeltlagern  eingehüllt,  die 
später  als  Flachs    meist  nach  Leskovac  wandern. 
Dieses  bildet gewissermassen die  Börse,  aufweichen 
nach    dem   jeweiligen  Ernteausfall    und  Zuströmen 
der  Waare  ihr  Marktpreis  bestimmt  wird.  Die  leider 
in  ilcn    letzten  J.ihren    häutig    versuchte  Fälschung 
des  Gewichtes  durch  Befeuchtung    des  Ballenkerns 
oder  Zusatz  von  I  leu  u.  s.  w.    machte    die  fremden 
Käufer   sehr  vorsichtig.    Noch   immer   gehen   aber 
grosse  (Quantitäten    nach   Ungarn,   Bulgarien,   Ru- 
mänien, .Albanien  u.  s.  w.    Der  überschüssige  Rest 
wird    von    der   ärmeren  Bevölkerung    zu  Seilen    in 
verschiedenster    Stärke    verarbeitet ,     für     welche 
Skopija  (Skoi)lje),  Philippopel,  .Adrianopel,  Buk.-irest 
und   die  Dobrut^a   die   bedeutendsten  auswärtigen 
Abnehmer  sind. 

Zu  Leskovac  schnurren  in  und  bei  jedem 
Hause  der  entfernteren  Quartiere  Räder  und  Räd- 
chen ;  man  glaubt  sich  in  eine  einzige  riesige  Stricke- 
und  Schiffstaufabrik  versetzt.  Daneben  ist  man  auf 
zahllosen  primitiven  Webstühlen  thäiig,  denn  die 
aus  Ziegenhaar  erzeugten  Lesküvacer  „Bissacke" 


116 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    tEN    ORIENT. 


und  aus  Wolle  hergestellten  Pferdedecken,  Kotzen 
u.  s.  w.  erfreuen  sich  gleichfalls  guten  Rufes.  Die 
Leskovacer  PVauen  verstehen  es  auch,  [)r;ichtig  ge- 
musterte gazeartige  Stoffe  aus  feiner  Baumwolle  mit 
eingewebter  selbstgesponnener  Seide  lierzustellen, 
die  lohnenden  Absatz  finden.  Von  Gewerben  wird 
namentlich  die  Töpferei  schwungvoll  betrieben; 
die  beliebten  Formen  weisen  auch  hier  häufig  An- 
klänge an  die  Gefässe  auf,  welche  aus  den  zer- 
störten Römerslätten  der  Umgebung  zu  Tage  ge- 
langen. Die  städtische  Industrie  beschränkt  sich 
vorerst  auf  eine  bescheidene,  immerhin  aber  als 
grcsser  Fortschritt  zu  begrüssende  Buchdruckerei 
und  eine  sehr  gut  arbeitende  Dampfmühle. 

Vom  Balkone  des  ganz  europäisch  mit  Cafe, 
Billard  und  Speisesaal  eingerichteten  „Hotel  Solun" 
(Salonik)  sieht  man  auf  den  Hisar  und  die  zierliche, 
ungemein  malerische  Lepenicabrücke,  über  welche 
an  Samstagen  das  rege  Markttreiben  in  der  langen 
Bazarstrasse  seinen  Weg  nimmt.  Oft  sperren  endlose 
Ochsen-  und  Büffelwagenreihen  die  Strasse.  Eine 
denkbar  bunte  Staffage,  'darunter  einzelne  um 
Lebane  siedelnde  Arnauten,  drängt  sich  lärmend 
durch  die  Hecken  der  ambulanten  Händler  und  vor 
den  ihr  Bestes  in  die  Augen  rückenden  Verkaufs- 
läden, bis  am  Nachmittag  sich  der  Knäuel  immer 
mehr  lichtet  und  die  Stadt  wieder  ihre  ruhige  All- 
tagsphysiognomie gewinnt! 

DIE  ALTERTHÜMER  DER  KHMER  IN  KAM- 
BODSCHA, 

Von  Friedrich  von  Hellwald. 

Tiefes  Dunkel  lastet  auf  der  Vergangenheit 
der  grossen,  in  ihrem  Innern  heute  noch  sehr  un- 
genügend bekannten  hinterindischen  Halbinsel. 
Indess  wendet  die  Forschung  der  Gegenwart  mit 
immer  regerem  Eifer  diesem  bisher  vernachlässigten 
Felde  sich  zu,  die  ebenso  zahlreichen  als  mannig- 
fachen Völker  und  Stämme,  welchen  sie  zum  Wohn- 
sitze dient,  werden  uns  näher  gerückt  und  auch  ein 
Zipfel  von  dem  Schleier  gelüftet ,  welcher  uns 
neidisch  die  Geschichte  derselben  verhüllt.  Ins- 
besondere arbeiten  die  Franzosen  mit  ebenso  be- 
wundernswerthem  Fleisse  als  Geschick  an  der  Ent- 
schleierung Hinterindiens  ,  dessen  geschichtliche 
Wichtigkeit  selbst  heute  erst  von  tiefer  blickenden 
Völkerforschern  geahnt  wird.  Fast  alle  hervor- 
ragenden Beiträge,  welche  die  letzten  dreissig  Jahre 
zur  Geographie  und  Geschichte  Hinterindiens 
brachten,  sind  französischen  Ursprungs.  Sie  eröff- 
neten einen  allmälig  immer  deutlicheren  Einblick, 
einen  bis  dahin  gänzlich  unbekannten  und  in  seinem 
Dunkel  übersehenen  Culturkreis  mächtiger  Trag- 
weite, der  seinen  Mittelpunkt  in  Kambodscha,  dem 
Lande  am  unteren  Mekhong,  hat,  auf  der  einen 
Seite  aber  nach  Indien,  auf  der  anderen  nach  China 
übergreift ,  im  Norden  bis  Tibet  hinauf  und  im 
Süden  im  ostindischen  Archipel  bis  an  die  Grenzen 
Polynesiens  reicht. 

Von  den  zahlreichen  Stämmen  der  Halbinsel, 
die   gegenwärtig   die   verschiedensten    Gesittungs- 


stufen bis  hinab  zu  tiefer  Barbarei  darstellen,  sind 
im  Zeitenlaufe  viele  verschwunden,  andere  sind  nur 
noch  durch  einige  Familien  vertreten,  während  vier 
von  ihnen  eine  grosse  Ausbreitung  noch  in  ge- 
schichtlicher Zeit  erfahren  haben  ;  es  sind  dies  die 
eigentlichen  yl/a/(i;)'«a,  d'nt  favanen,  die  Cham  oder 
Tsiampa  und  die  Khmer.  Die  beiden  letzteren  sind 
es  allein,  die  uns  hier  interessiren,  denn  sie  haben 
in  der  Geschichte  des  südlichen  Hinterindien  eine 
grosse  Rolle  gespielt  und  prächtige  Denkmäler 
ihres  Daseins  und  ihrer  Grösse  hinterlassen,  beide 
aber  sind  in  unseren  Tagen  von  ihrer  vormaligen 
Höhe  stark  herabgesunken.  Das  Volk  der  Cham  findet 
sich  schon  seit  ältesten  Zeiten  im  Süden  Hinter- 
indiens ;  als  der  Buddhismus  in  Hinterindien  ge- 
predigt ward,  was  schon  frühe  geschah ,  muss 
Kambodscha  schon  ein  Jahrhundert  vorher  den 
Cham  unterworfen  gewesen  sein ;  sie  hatten  den 
mächtigen  Staat  Tsiampa  gegründet,  welcher  beim 
Beginne  der  christlichen  Zeitrechnung  ganz  Cochin- 
china  bis  Hue  umfasste  und  in  den  darauffolgenden 
Jahrhunderten  die  indischen  Cultureintlüsse  erfuhr, 
welche  so  mächtig  auf  das  Volk  wirken  sollten. 
Einige  Jahrhunderte  später  drängten  die  Khmer 
dieses  ansässige  Volk  ostwärts  zurück  oder  unter- 
warfen es,  gelangten  aber  ihrerseits  im  V.  oder 
VI.  christlichen  Jahrhundert  unter  den  Einfluss  der- 
selben Cultur.  So  herrschten  noch  im  IX  Jahr- 
hundert die  Cham  im  heutigen  Kambodscha  und  in 
Cochinchina ;  ja  als  Marco  Polo  im  XIII.  Jahrhundert 
Hinterindien  besuchte  ,  blühte  noch  das  Reich 
Tsiampa,  wie  er  es  nennt,  d.  h.  das  Reich  der 
Cham.  Die  Inschriften  der  Cham  haben  indi.sche 
Schrift,  und  es  sind  drei  Dialecte  zu  unterscheiden : 
das  Dalil  oder  die  heilige  Sprache,  das  eigentliche 
Cham,  die  alte  Vulgärsprache,  und  das  Bani,  wel- 
ches heute  ihre  Stelle  einnimmt.  Man  weiss  nichts 
über  die  Zeitrechnung  der  Cham,  oder  ob  sie  über- 
haupt eine  besassen.  Endlich  veranlassten  die 
Khmer  einen  Theil  der  Cham  nach  Norden  bis 
Bassak  zu  ziehen,  indem  sie  selbst  das  mittlere 
Mekhongbecken  besetzten.  Schliesslich  drangen  auch 
die  Annamiten  vor  und  drückten  gleichfalls  auf  die 
Cham,  die,  man  kann  sagen,  durch  zwanzig  Jahr- 
hunderte mit  jenen  kämpften.  Erst  im  XVII.  Jahr- 
hundert machten  die  Annamiten  dem  Reiche  der 
Cham  ein  Ende,  und  in  den  Kämpfen  mit  diesen 
waren  die  Khmer,  die  aber  schon  vorher  den  Sia- 
mesen  erlegen  waren,  ihre  Verbündeten.  Die  Cham 
sind  heute  auf  ein  paar  Zehntausend  zusammen- 
geschmolzen, der  Mehrzahl  nach  Mohammedaner 
und  in  Sprache  und  Schrift  von  den  Malayen  ver- 
schieden. Die  Khmer  sind  noch  durch  ein  paar 
hunderttausend  Kö])fe  vertreten. 

Die  alten  Khmer,  als  deren  Nachkommen  die 
heutigen  Kambodschaner  zu  betrachten  sind,  waren 
ein  hochgesittetes  Volk,  wie  die  von  ihnen  hi'nter- 
lassenen  Baureste,  Meisterwerke  aus  Stein,  glänzend 
beweisen.  Ganz  Kambodscha  ist  mit  Ruinen  — 
man  kann  sagen  übersäet.  Sie  bilden  um  das 
Nordende  des  grossen  Tonle-Sap-Sees  einen  unge- 
heueren Halbkreis,  der  an  den  (jaellen  des  klemen 


i 


/-'  JE D NOTA 


OESTER REICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN   ORIENT. 


IIT 


Flusses  von  Hattamijanjj  lieginnt  und  sich  Ijis  in  die 
unbewohnten  Waldunjjttn  erstrecict,  die  nach  Osten 
hin  zwischen  dem  Tonle-Sap  und  dem  Mekhong 
hinziehen;  in  diesen  verliert  er  sich.  Aber  auf  der 
ganzttn  weittin  Strecke  trifft  der  Reisende  auf  Schritt 
und  'IVitt  Spuren  einer  hohen,  nun  länj^st  ver- 
schwundenen Gesittung,  Spuren,  die  jjleich  ihren 
Urhebern  in  Verjjesscnheit  bleiben  zu  sollen 
scheinen,  denn  man  bat  Mühe,  sie  unter  der  tropi- 
schen Vegetation,  welche  sie  umwuchert,  wieder- 
zufinden. Krst  durch  chinesische  Annalen  des 
XIII.  Jahrhunderts  wurde  man  auf  sie  hinjjewiesen  ; 
im  Jahre  löoi  sj)rach  davon  Ribadeneyra,  und 
1606  berichtete  Cristobal  de  Jai|ue,  dass  man  1570 
in  Kambodscha  eine  alte  Stadt  mit  herrlichen  Bau- 
werken entdeckt  habe.  Die  'I'hatsache  ward  1672 
durch  den  französischen  Missionär  P.  Ohevreul  be- 
stätigt, lirst  indess  im  XI.K.  Jahrhundert  wandte 
sich  das  allgemeine  Augenmerk  jenen  fernen  Ge- 
genden zu,  und  der  Abbe  C.  li.  Houillevaux,  ein 
ehemaliger  Missionär,  war  der  lirste,  welcher  im 
Jahre  1850  die  Khmer-Alterthiimer  der  Provinzen 
Battambang  und  Angkor  besuchte  und  nach  seiner 
Rückkunft  in  seinem  1856  erschienenen  Buche 
schilderte.  Ihm  folgte  ein  Jahrzehnt  später  sein 
Landsmann  Henri  Mouhot,  dessen  Berichte  zuerst 
grossen  Wiederhall  fanden  und  Aufsehen  erregten. 
Seither  häuften  sich  die  Forschungen  und  Ent- 
deckungen. Im  Jahre  1864  konnte  Adolf  Bastian 
diese  Wunderbauten  besuchen  und  ihren  brahmani- 
schen  Charakter  in  seinen  Bezi<diungen  zur  buddhisti- 
schen Weihe  feststellen,  1866  kamen  die  Kngländer 
Kennedy  und  Thomson,  während  DouJart  de  Lagrce 
im  Vereine  mit  Francis  Garnier  wnA  DelaporU  1866 
bis  1867  die  ersten  gründlichen  Studien  begann. 
Seitdem  brachte  Hr.  Dtlaporte  auf  zwei  hinter 
einander  folgenden  Bereisungen  die  herrliche  Samm- 
lung von  Alterlhümern  zusammen,  welche  zuerst  in 
Compi«:gne,  dermalen  aber  im  Museum  des  'I'ro- 
cadero  in  Paris  aufbewahrt  wird.  In  der  jüngsten 
Zeit  wurden  die  Ruinenstätten  von  Z.  B.  Rochedragon 
und  dem  Architekten  L.  Fournereau  besucht,  der 
1887  mit  einer  archäologischen  Mission  in  Kam- 
bodscha betraut  ward. 

Die  Trümmerstädte  westlich  und  südlich  vom 
Ponle-Sap-See  gehören  alle  einer  viel  jüngeren 
Zeit  an,  als  die  Prachtüberreste  im  Norden.  Dort 
liegen  gleich  in  unmittelbarer  Nähe  von  Battam- 
bang die  Ruinen  von  lianon,  Wal  Kk  und  Hasel, 
an  welchen  noch  im  vorigen  Jahrhundert  gebaut 
worden  sein  soll.  Letztere  bestehen  theils  aus 
Ziegel,  theils  aus  Stein,  haben  von  der  Zeit  viel 
gelitten,  sind,  von  der  üppigen  tropischen  Vege- 
tation überwuchert,  ganze  Galerien  eingesunken, 
doch  steht  noch  ein  et«a"'2i  m  langes  und  6'1  m 
breites  Gebäude  ziemlich  wohlerhalten  da.  Man 
erkennt  noch  manche  Bildnerei,  z.  B.  einen 
sitzenden  Mann'  mit  langem  Barte,  auch  vier- 
köpfige  Elephanten  und  andere  phantastische 
Figuren.  Iii  der  Nähe  gewahrt  man  prächtige 
Säulen ;  einige  stehen  noch,  andere  haben  sich 
geneigt,  viele  sind  umgestürzt  gleich  den  Thürmen, 


welche  sich  einst  neben  diesen  Säulen  erhoben. 
Der  Ueberlieferung  zufolge  war  Baset  ein  Lust- 
schloss,  das  oftmals  von  den  Königen  besucht 
wurde.  Unfern  liegen  die  Ruinen  des  Tcmpel- 
klosters  Wat  Fk  auf  dem  Gipfel  eines  kleinen 
Hügels,  der  aus  dem  Gestrüppe  und  dem  Wald 
emporragt.  Eine  moderne  Mauer  bildet  die  Um- 
wallung. Der  innere,  wenig  grosse  Hofraum, 
welcher  das  Denkmal  umgibt,  ist  mit  Gesträuch 
überwuchert  und  enthält  mehrere  zertrümmerte 
kleine  Bauwerke.  Steile  Treppen  führen  zu  den 
vier  hohen  Thürmen  in  der  Mitte  jeder  Schau- 
seite. IJiese  alte  Pagode  zeigt  wenig  Skulpturen, 
aber  mehrere  Inschriften,  welche  die  Eingebornen 
nicht  zu  entziffern  vermögen.  Banon  gleicht  einer 
Burgruine  aus  unserer  Ritterzeit.  Acht  ThOrme 
sind  durch  Galerien  verbunden  und  stehen  von 
zwei  Seiten  her  mit  einem  centralen  Thurmc  in 
Verbindung,  der  etwa  9  m  im  Durchmesser  und 
I9W  Höhe  hat.  Das  Ganze  ist  trefflich  gearbeitet 
und  aus  Sandstein,  bildet  also  schon  dadurch 
einen  Gegensatz  zur  siamesischen  Baukunst, 
welche  Ziegelsteine  und  Fayence  verwendet. 
Banon  war  gewiss  ein  Tempel ;  man  findet  im 
mittleren  Hofraume  und  in  zwei  kleinen,  durch 
einen  Gang  verbundenen  Thürmen  eine  grosse 
Menge  kolossaler  buddhistischer  Götzenbilder,  die 
wohl  so  alt  sind  als  das  Gebäude  selbst,  sodann 
kleinere  Idole  aus  sehr  verschiedenen  Zeiten. 

Alles  übertrifft  an  Grossartigkeit  der  Tempel 
von    Angkor-  Wat    (Ongkor,    auch    Nakhon    oder 
Nokhor  genannt),  etwa  22  km  nördlich  von  Tonle- 
Sap;    er    bedeckt    für    sich    allein  einen  ebenso 
grossen   Flächenraum,   wie  der  von  Karnak.    Der 
Eindruck   dieses  Riesenwerkes   ist  geradezu   über- 
wältigend.     Ungeheure   steinerne   Löwen   behüten 
die   erste  'Terrasse.     Dann   folgt   eine   gepflasterte 
Brücke    über    einen   breiten   Graben   und   mündet 
in    eine    grosse,     gerade     Galerie,     welche     drei 
'Thürme  überragen.   Phantastische  Schlangen   von 
herrlicher  Ausführung  recken  fächerartig  ihre  neun 
Köpfe    an    den   Seiten  des  Haupteinganges.     Zu 
beiden  Seiten  der  'Thürme  verlängern   die  Galerien 
sich   in   finstere  Gänge,     worin    grosse   Bildsäulen 
heute    noch    die   Verehrung     der    Gläubigen   em- 
pfangen.   Jede  der  beiden  Galerien  ist  an  ihrem 
Ende    von    einem    Porticus    durchbrochen.      Der 
Gesammtbau    ist    ein    stufenartiger  Terrassenbau 
aus   Sandstein ;   drei   umlaufende  Säulengänge   mit 
dazwischen    liegenden    Höfen    steigen   von    10   zu 
10  m  über  einander  empor,   während   eine   in   der 
Verlängerung    der    drei     vorgeschobenen    Thore 
liegende    Haupttreppe    des    innersten,  Baues    zur 
Basis  des  Domes  selbst  emporführt.     Die  6  und 
4*3  m    hohen,    auf    piner     doppelten     Säulenreihe 
ruhenden  Galerien    dieses    Tempels     bilden    ein 
Rechteck    von    134  und    197 "5  m.     Die  Zahl  der 
verwendeten   Säulen     wird    auf   1532    angegeben. 
Diese  ganz  herrliche  Golonnadc    bewundert  man 
umsomehr,    je    näher    man    ihr  tritt.      Die  hohen 
viereckigen  Säulen,    zu    welchen    man   vom   Ein- 
gange   her    zuerst    kommt,    sind    alle  aus  einem 


118 


OESTtRREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


einzisjen  Stück;  jeder  Porticus,  alle  Capitäle  und 
die  runden  Dächer  sind  aus  grossen  Blöcken 
zusammengefügt,  Sculptur  und  Politur  überall 
geradezu  bewunderungswürdig,  die  Steine  so  voll- 
kommen an  einander  gepasst,  dass  man  die  Ritzen 
suchen  muss.  Keine  Spuren  von  Mörtel  oder 
vom  Meissel  sind  sichtbar,  die  Flächen  geschliffen 
wie  Marmor.  An  den  Wänden  sind  meistens  in 
trefflichen  Rasreliefs  wohl  über  loo.OOO  einzelne 
Figuren  oder  wenigstens  Köpfe  ausgehauen,  die 
alle  möglichen  Menschen-  und  Thiergestalten  dar- 
stellen. Zwei  der  Basreliefs  im  Peristyl  des 
zweiten  und  dritten  Stockwerkes  haben  Paradies 
und  Hölle  nach  buddhistischen  Vorstellungen  zum 
Gegenstande;  weitaus  die  Mehrzahl  der  Bildhauer- 
arbeiten in  Angkor  Wat  wie  in  den  übrigen 
Ruinen  Kambodschas  stellt  indess  Scenen  aus 
dem  Ramayana  und  Mahabharatha  dar.  Angkor  Wat 
steht  Alles  in  Allem  an  Grossartigkeit  auf  Erden 
keinen  anderen  Ruinen,  selbst  den  egyptischen 
nicht  nach,  und  einer  seiner  Tempel  kann  den 
Vergleich  mit  unseren  schönsten  Basiliken  aus- 
halten. 

Vier  Kilometer  von  Angkor  Wat  liegt  Angkor- 
Thom,  die  Hauptstadt  desehemaligen  Khmer-Reiches. 
üelaporte  liess  hier  den  alten  Palast  der  Könige 
entblössen  und  ausgraben,  der  ein  einziges,  gross- 
artiges, staunenerregendes  Werk  alter  Sculptur 
ist,  dessen  übereinander  gesetzte  Terrassen  mit 
einer  Fülle  von  Basreliefs  verziert  sind  ;  auch  hier 
finden  sich  überall  Rama  und  Wischnu  wieder,  auch 
hier  der  riesenhafte  dreiköpfige  Klephant,  der  überall 
am  Ehrenplatze  thront,  so  wie  er  auch  alle  Thore 
der  Stadt  krönt.  Mit  diesen  elephantentragenden 
Thoren,  welche  das  vierfache  Antlitz  Brahma's  in- 
mitten von  hundert  anderen  Personen  schmückt, 
mit  seinen  Alleen  von  Riesen,  welche  ungeheuere 
„Naga"  (Schlangen)  stützen,  seinen  von  Elephanten, 
Löwen  und  prächtigen  „Garudas"  getragenen 
1  errassen,  mit  seinem  noch  seltsameren  Tempel, 
dessen  fünfzig  zu  Pyramiden  gru])pirten  Thürme 
fünfzig  vierfache  und  von  abgestuften  Tiaren  ge- 
krönte Gij)fel  bilden,  ist  Angkor- Thom  zweifelsohne 
die  |)hantastisclieste  Schöpfung,  die  jemals  einem 
menschlichen  Gehirn  entsprang.  Die  prachtvollen 
Strassen,  die  zu  der  alten  Stadt  führen,  die  Mauern, 
von  denen  sie  umgeben  ist,  die  daran  angebrachten 
Thürme,  die  als  'l'hore  dienenden  Triumphbogen, 
die  gigantischen  zu  den  IVmpeln  führenden  Trep- 
pen und  die  Tempel  selbst,  auf  denen  sich  hunderte 
von  Glockenthürmen  erheben  —  alles  dies  über- 
trifft an  imposanter  Erscheinung  Alles,  was  jemals 
die  Architektur  der  Griechen  und  Römer  geleistet 
hat,  lässt  unwillkürlich  an  einen  noch  unbekannten 
Michel  Angelo  denken  und  neben  der  griechischen 
eine  ihr  würdig  zur  Seile  siehende  asiatische  Kunst 
erscheinen. 

Diese  Kunst  der  alten  Khmer  stellt  unzweifel- 
haft eine  andere  Form  des  Schönen  dar,  aber  doch 
unbedingt  des  Schönen.  Sie  gipfelt  in  der  Baukunst 
und  der  Bildhauerei.  Erstere  war  nach  kirchlicher 
wie    nach    weltlicher    Richtung    gleich    hoch    ent- 


wickelt, doch  ist  es  schwer,  sie  beide  strenge  aus- 
einander zu  halten,  denn  nur  zu  häufig  treten  sie 
vermischt  auf;  so  sind  z.  B.  in  manchen  Palast- 
anlagen Tempel  eingefügt,  während  umgekehrt  oft 
ein  Tempel  eine  grosse  Centralanlage  bürgerlicher 
Gebäude  beherrscht.  Ganz  überraschend  ist  die 
Mannigfaltigkeit  der  einzelnen  Elemente,  aus  welchen 
diese  khmerische  Baukunst  sich  zusammensetzt. 
Da  sehen  wir  Brücken  aus  schmalen  Wölbungen 
an  einander  gereiht  und  dabei  so  fest  gebaut,  dass 
sie  bis  heute  den  Einwirkungen  der  Hochwasser 
widerstehen,  reich  ausgeschmückte  Terrassen,  auf 
welchen  Tempel  und  Paläste  sich  erheben,  gedeckte 
Säulengänge,  oft  dreischiffig  und  mit  gewölbter 
Ueberdachung  angelegt,  endlich  Thürme  an  den 
Ecken  der  Galerien.  Eine  besondere  Gruppe  von 
Bauten  bilden  die  Stufenpyramiden,  welche  vom 
einfachen  Hügel  bis  zum  mächtigen  Bauwerk  sich 
erheben,  und  aus  der  Verbindung  mit  den  in  der 
Fläche  angelegten  Tempeln  entstehen  die  erstaun- 
lichsten Werke  der  kambodschanischen  Kirchen- 
architektur ;  die  aus  stufenweise  übereinander  empor- 
steigenden Stockwerken  sich  aufbauenden  Tempel- 
anlagen, bei  welchen  die  Thürme  die  Ecken  und 
Treppen  flankiren  und  das  Prachtgebäude  des 
Allerheiligsten  die  Spitze  der  architektonischen 
Pyramide  krönt.  Auch  die  zahlreichen  Thürme 
lassen  sich  häufig  als  langsam  aufsteigende  Pyra- 
miden von  leicht  gebogenem  Umriss  bezeichnen. 
Eigentliche  Kuppelthürme  kommen  nicht  vor,  wie 
denn  überhaupt  die  Wölbung,  obgleich  in  ihren 
Grundzügen  bekannt,  im  Allgemeinen  nur  wenig 
zur  Anwendung  gelangt. 

Reicher  bildnerischer  Schmuck  überzieht  alle 
diese  khmerischen  Bauwerke,  zumeist  in  geradezu 
überwuchernder  F'ülle.  Die  meisten  Bildwerke  sind 
aus  Stein  gehauen,  doch  kam  auch  Gold,  Silber, 
Kupfer  und  Holz  zur  Verwendung.  Die  hölzernen 
Bildwerke  waren  alle  bemalt  und  die  steinernen 
scheinen  es  grösstentheils  gewesen  zu  sein.  Den 
Stoff  dazu  liefert  hauptsächlich  die  indische  Sym- 
bolik, deren  künstlerische  Aus-  und  Umgestaltung 
die  Khmer  sich  angelegen  sein  Hessen.  Gerade 
in  der  selbstständigen  Verwerthung  der  mythologi- 
schen Motive  liegt  das  Kennzeichnende  ihrer  Kunst. 
In  den  Figuren  vermisst  man  freilich  das  eindrin- 
gende Studium  des  menschlichen  Körpers,  sie  haben 
etwas  Schematisches,  das,  immer  wiederholt,  zu 
flachen,  inhaltlosen  Formen  führt.  Viel  sorgfältiger 
ist  der  Schmuck  des  Körpers  als  dieser  selbst 
nachgebildet,  ebenso  sehr  grosse  Sorgfalt  der 
Ausprägung  der  verschiedenen  Racentypen  zu- 
gewandt. 

Die  Zeit,  aus  welcher  diese  Bauten  stammen, 
lässt  sich  schwer  mit  Sicherheit  bestimmen  ;  viele 
sind  gewiss  das  Ergebniss  einer  sehr  langen 
Periode.  Doch  ist  im  Allgemeinen  anzunehmen, 
dass  sie  in  der  Zeit  vom  Anfang  der  christlichen 
Aera  bis  in  das  XV.  und  X\T  Jahrhundert  ent- 
standen sind  und  insbesondere  die  schönsten 
Werke  zwischen  dem  VIII.  und  XIII.  bis  XIV. 
Jahrhundert  aufgeführt     wurden.     Einen     Anhalts- 


OESTER REICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOR    DEV   ORIENT. 


119 


punkt  liefern  auch  die  Inschriften,  welche  Pro- 
fessor Kern  und  Aymonier  zu  entziffern  begonnen 
haben.  Sie  lassen  keinen  Zweifel,  dass  die  alten 
Khmer  von  der  Aera  Cakas  oder  Calevahanas  an 
rechneten.  Daraus  lässt  sich  auch  das  Alter  ge- 
wisser Hauten  vermuthen,  vor  Allem  jenes  des 
'rem|)els  von  Angkor  Wat,  der  mit  Wahrschein- 
lichkeit dem  Könige  Surya  Rarman  zugeschrieben 
wird,  welcher  im  Jahre  I012  n.  Chr.  den  Thron 
bestieg  und  unter  dessen  Herrschaft  der  Buddhismus 
an  die  Stelle  des  Hrahmaglaubens  trat.  Letztere 
'J'hatsache  scheint  viel  dazu  beigetragen  zu  haben, 
das  Reich  der  Khmer  zu  schwächen,  welches  im 
XII.  und  XIII.  Jahrhundert  von  endlosen  inneren 
Wirren  heimgesucht  ward,  die  seine  Grrtsse  für 
immer  begruben.  Innerhalb  ihrer  Gesammtdauer 
lassen  sich  deutlich  drei  Perioden  in  der  lint- 
wicklung  der  khmerischen  Kunst  unterscheiden. 
Die  erste  ist  die  phantastische  Epoche,  in  welcher 
die  Künstler  ihrer  Einbildungskraft  die  Zügel 
schiessen  liessen  und  die  grossartigen  Zierwerke 
von  Angkor  Thom,  Preakhan  u.  A.  schufen. 
Dabei  erfanden  sie  eine  Unzahl  von  Schmuck- 
motiven, die  sich  weiter  ausbildeten,  vielleicht 
verbildeten  in  der  zweiten  Epoche,  deren  Haupt- 
typus Angkor  Wat  darstellt.  Darin  bewundert 
man  namentlich  die  Grösse  der  Anlage,  die  Ent- 
wicklung der  Linien,  der  V^erbindungen,  der 
Ausladungen,  den  Reichthum  der  Gesimse,  die 
Feinheit  der  Ornamente  und  die  prächtige  Aus- 
führung aller  einzelnen  Theile.  Die  dritte  Periode, 
jene  des  Ziegelbaues,  bietet  keine  Säulengänge 
mehr,  und  die  in  ihrer  Erscheinung  einfachen 
ThOrme  sind  nicht  mehr  mit  Auszackungen  über- 
laden ;  aber  sie  ruhen  wunderbar  auf  ihrem 
Unterbaue,  haben  imposante  Verhältnisse  und 
ihre  trefflich  ausgeführte  Ornamentik  überrascht 
durch  die  Phantasie,  die  Mannigfaltigkeit  und 
glückliche  Anordnung  der  Motive,  sowie  durch 
das   vollendete   Verständniss   der   Wirkung. 

Das  gleichzeitige  Vorkommen  buddhistischer 
und  brahmanischer  Symbole  schien  den  Entdeckern 
lange  unerklärlich.  Das  Räthsel  hat  wohl  auf- 
gehört eines  zu  sein,  seitdem  Gustave  Le  Hon 
in  Indien  selbst  und  besonders  in  Nepal  die 
Verquickung  des  Buddhismus  mit  den  wieder  auf- 
lebenden brahmanischen  Vorstellungen  dargethan 
hat.  Aehnliches  dürfte  wohl  auch  in  Kambodscha 
im  Spiele  gewesen  sein.  Man  kennt  dort  übrigens 
noch  andere  Bauwerke  von  gänzlich  verschiedenem 
Charakter.  Da  sind  zunächst  grosse,  ausgehauene 
Felsen,  an  welchen  man  Bildwerke  ersten  Ranges 
bewundert,  d.\nn  Mischwerke,  wie  Kaker,  die 
gleichfalls  sehr  bemerkenswerthe  Leistungen  der 
Rildnerei  aufweisen,  ferner  Denkmäler  aus  ge- 
branntem 'Phon,  die  in  verschiedenen  Gegenden 
zerstreut  sind,  endlich  oft  sehr  schöne  Hauten, 
die  sich  zu  Hunderten  im  Thale  des  Menam, 
den  Wäldern  Slams  und  Hirmas  erheben  und 
die  als  üebergangs-  oder  Rindeglied  zwischen 
der  Kunst  Indiens  und  jener  Hinterindiens  ge- 
dient    zu    haben    scheinen.     Denn     es     unterliegt 


keinem  Zweifel,  dass  die  Kunst  Kambodschas, 
dessen  Verkehr  mit  Indien  zu  einer  Zeit  sehr 
lebhaft  war,  an  jene  Indiens  sich  anschliesst, 
dass  Kambodscha  dem  indischen  Culturkreise 
angehört.  Bei  allem  indischen  Charakter  hat  aber 
die  khmerische  Kunst  umgestaltende  Einflüsse 
erfahren,  an  welchen,  wie  die  Drachen  beweisen, 
auch  China  nicht  fremd  blieb,  während  sie  sich 
andererseits  zu  einer  unleugbaren  Selbstständig- 
keit emporarbeitete.  So  ist  denn  die  khmerische 
Kunst,  entsprossen  aus  der  Verbindung  Indiens 
mit  China,  gereinigt,  veredelt  von  Künstlern,  die 
man  die  Athener  des  äussersten  Morgenlandes 
nennen  könnte,  in  der  'Ihat  als  der  schönste 
Ausdruck  menschlichen  Genies  in  diesen  weiten 
Gebieten  zu  betrachten,  weshalb  Fergusson,  der 
grosse  Kenner  indischer  Baukunst,  mit  vollem 
Rechte  sagen  könnte:  Seit  der  Aufdeckung  der 
assyrischen  Ruinen  ist  die  Entdeckung  der  ver- 
fallenen Städte  Kambodschas  die  wichtigste  That- 
sache  in  der  Kunstgeschichte  des  Orients. 


DAYAKISCHE  KUNST. 

Von  Hermann  Feigl. 
Einen  schätzcnswerthen  Beitrag  zur  Kunst- 
geschichte der  ostasiatischen  Völker  liefert  Pro- 
fessor A.  R.  Hein  in  dem  jüngst  erschienenen 
Werke,  welches  der  Besprechung  der  bildenden 
Künste  bei  den  Dayaks  auf  Borneo  gewidmet  ist.  ') 
Für  Diejenigen,  welche  in  dieser  Besprechung 
mehr  suchen,  als  ihnen  darin  geboten  ist,  sei 
bemerkt,  dass  Hein  ausdrücklich  betont,  dass  er 
in  seinem  Werke  nicht  eine  Geschichte,  sondern 
eine  Schilderung  der  dayakischen  Kunst  gebe, 
da  zur  ersteren  die  nothwendigen  wissenschaft- 
lichen Behelfe  fehlen,  zur  letzteren  aber  der  Um- 
stand dränge,  dass  die  Eigenartigkeit  des  natür- 
lichen Volkes  bald  dem  Anstürme  fremdländischer 
Cultur  zum  Opfer  fallen  und  verschwinden  werde. 
So  schildert  er  auf  Grund  des  heute  auf  Borneo 
befindlichen  und  in  den  Museen  gesammelten 
Materials  die  d.-iyakische  Baukunst,  Plastik,  Malerei, 
die  technischen  Künste  (Textilarbeiten  und  Klein- 
kunst) und  die  Tätowirung  und  schliesst  endlich 
mit  Betrachtungen  über  die  künstlerischen  Erzeug- 
nisse der  'Dayaks  und  über  den  EintUiss,  den 
fremde  Völker  wohl  darauf  genommen  haben 
mögen. 

Ueber  die  Baukunst  der  Dayaks  lässt  sich 
nicht  viel  mehr  sagen,  als  über  die  anderer 
Naturvölker,  es  wäre  denn  cl;e  mehr  für  den 
Ethnographen  als  für  den  Kunstfreund  bedeutungs- 
volle Thatsache,  dass  auf  Borneo  wie  auf  Java, 
Sumatra,  auf  den  Philippinen  und  den  übrigen 
Inseln  des  Archipels  das  Pfahlbausystem  —  aus 
hier  nicht   näher  zu  erörternden  Gründen   —  vor- 


•)  Hein,  Aloli  Ralmniid:  Die  bnd»drn  KBoste  b«l  den 
havaks  auf  Borneo.  Bin  Re.traK  'ur  allftemcineu  Kilaslfe»obleht«. 
.Mit  pinfin  Tiu-Ibilitr,  lehii  rafeln,  SO  Textllla«trallOB*li  and  «law 
Karl«.  Wi«n,  ISM.  4».  XIV— »8  SS. 


120 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


herrscht.  Desgleichen  ist  auch  die  Anlage  der 
Bedachungen  sowohl  der  dayakischen  wie  der 
malayischen  Bauten  überhaupt  in  steil  ansteigenden 
und  tief  herabreichenden  und  vorladenden  Giebel- 
dächern nicht  auf  frei  wählende  künstlerische 
Absicht,  sondern  auf  das  praktische  Bedürfniss, 
den  in  jenen  Gegenden  häufigen  Niederschlägen 
zu   begegnen,   zurückzuführen. 

Einfach  und  zweckents[)rechend  wie  die  Bau- 
kunst ist  auch  die  Plastik  der  Dayaks.  Ihre  zu- 
meist  in   Holz  gearbeiteten   Sculpturen   entbehren 


zwar  nicht  eines  gewissen  Charakters  und  ver- 
rathen  oft  treffliche  Beobachtung,  nichtsdesto- 
weniger aber  sind  sie  meistentheils  nur  ziemlich 
rohe  Gebilde,  die  jeder  feineren  Ausführung  er- 
mangeln. Sie  verdanken  ihre  Entstehung  wohl 
meistentheils  den  religiösen  Vorstellungen,  und 
da  es  bei  Abgottsbildern  und  Talismanen  weniger 
auf  die  äussere  Form  als  auf  den  inneren  Werth 
ankommt,  so  begnügt  sich  der  üayak  oft  auch  nur 
mit  einem  Holzstäbchen,  an  dessen  Ende  ein 
menschliches   Angesicht   geschnitzt     ist.     Daneben 


Vorderseite   eines    dayakisclien  Scliildes. 
(Lient.  V.  Tyszli  a.) 


Vorderansicht  einea  dayalciscbcn  Schiides 
aus  Surawalc.     (Bieber.) 


Dayakscliild  aus  Kutai. 
(v.  De  Waii.) 


kommt  auch  die  ganze  menschliche  Gestalt  zur 
Darstellung,  und  manche  Figuren  sind  ziemlich 
gut  ausgearbeitet,  während  bei  anderen  wieder 
Ohren,  Nase  und  Mund  nur  durch  charakteristische 
Einschnitte  angedeutet  sind  ;  manche  sind  fratzen- 
haft mit  aus  dem  Munde  hangenden  Zungen, 
theilweise  wohl  auch  sehr  obscön,  und  einige 
erinnern  an  das  asiatisch-semitische  Urbild  der 
sogenannten       mediceischen      Venus ,  ^)      welches 


')  Vergl.  Bocic,  C.  Reis  in  Oost-en-Zuid-Borneo  van  Koetei 
naar  Ban.lerniassin  (in  I87ilen  1880).  S.  Gravenhage  1881—1887.  4°. 
Atlas  pl.  XXVII.  Fig.  6—8,  Verschillende  tambatongs   (amuietlen). 


letzteren  Umstandes  Prof.  Hein  auffallender  Weise 
gar   nicht  erwähnt  hat. 

Auf  einer  bedeutend  höheren  Stufe  als  die 
Plastik  steht  bei  den  Dayaks  die  Kunst  der  Ver- 
zierung von  Flächen,  doch  sind  es  auch  hier 
keineswegs  die  figuralen  Darstellungen,  in  welchen 
die  Dayaks  ihr  Bestes  leisten.  Da,  um  mit  Heitis 
eigenen  Worten  zu  sprechen,  „die  weitaus 
wichtigsten  und  originellsten  Hervorbringungen 
der  dayakischen  Malerei  die  bizarren  Decorationen 
der  Schilde  sind",  so  hat  er  demgemäss  das 
Capitel  über  die  Malerei  der  Dayaks  auch  der  aus- 


'^A 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   PÖR    DEN   ORIENT. 


121 


Ornftiiifiilation  (mhih  «iiiya 
kiRt-tien   t'rancnrockna 
(Sarong).  (Dr.  Hai-/..) 


schliesslichen  Betrach- 
tunjj  ihrer  Schilde  ge- 
weiht. 

Hein  sieht  in  den 
jjemalten  Verzieninjjen 
tier  dayakischen  Schilde 
durchwegs  figurale  Dar- 
stellungen, von  denen 
einzelne  so  zum  Orna- 
mente umstylisirt  seien, 
dass  die  Figureneie- 
mente  in  ihnen  nicht 
mehr  zu  erkennen  «der 
wenigstens  sehr  schwer 
zu  reconstruiren  sind. 
Die  Richtigkeit  dieses 
Satzes  ist,  scheint  uns, 
ebenso  schwer  zu  be- 
weisen als  zu  bestreiten. 
Wenn  auch  die  überwiegende  Mehrheit  der  dayaki- 
schen Schilde  mit  Kratzengesichtern  oder  Dämonen- 
gestalten l)emalt  erscheint,  während  eine  geringere 
Anzahl  aus  Kreisen,  Spiralen  und  Curven  bestehende 
Ornamente  zeigt,  so  ist  es  doch  wohl  sehr  ge- 
wagt, diese  letzteren  insgesammt  als  Umstyli- 
sirungen  figuraler  Formen  zu  betrachten.  Es  mag 
ja  sein,  dass  diese  Annahme  in  manchen  Fällen 
richtig  ist,  aber  verallgemeinert  darf  sie  wohl 
schon  deshalb  nicht  werden,  weil  es  dem  Natur- 
menschen gewiss  näher  liegt,  aus  einigen  leicht 
hingeworfenen  krummen  Linien  ein  Gesicht  zu- 
sammenzusetzen, als  ein  Gesicht  in  ein  Ornament 
zu  verwandeln,  in  welchem  die  ursprüngliche 
Form  der  Darstellung  völlig  verschwindet.  Zur 
Bildung  einer  Spirale  gehört  weder  zeichnerisches 
Genie  noch  künstlerische  Anleitung  ;  noNhe  krumm- 
linige Figuren  trifft  das  ungelehrte  Kind  ebenso 
leicht  wie  der  cuiturlose  Wilde,  und  gewiss  viel 
leichter,  als  eine  tadellose  gerade  Linie,  Das 
Spiralmotiv  ist  so  alt  wie  die  bildende  Kunst, 
und  wir  finden  es  ebenso  im  alten  Egy[iten  wie 
in  Phönikien  und  Griechenland  ;  ob  es  nun  überall 
dort  seinen  Ursprung  der  Metalltechnik  verdankt 
oder  nicht,  es  ist  gewiss  das  älteste  krummlinige 
Ornament  und  charakterisirt  die  Anfänge  der 
bildenden  Kunst.  Und  dem  wilden  Dayak  sollte 
die  Spirale  nicht  Urmotiv,  sondern  Ableitung  und 
Stylisirung  sein?  Lind  was  liegt  wieder  nfdier,  als 
dass  der  naive  Wilde  wie  ein  Kind  in  zwei 
nebeneinander  stehenden  Spiralen  zwei  Glotz- 
augen sah?  Dann  bedurfte  es  nur  noch  eines 
daruntergesetzten  Querstriches,  um  den  Mund 
anzudeuten,  und  mit  einigen  weiteren  Strichen, 
die  sich  von  selbst  ergaben  oder  tler  Phantasie 
ihre  lintstehung  verdankten,  war  das  mehr  oder 
minder  carikirte  Menschenantlitz  oder  Hall)thier- 
gesicht   in   rohen   Umrissen   fertig. 

So  liesse  sich  die  Bemalung  der  dayakischen 
Schilde  mit  Dämonengesichtern  und  -Gestalten 
ganz  wohl  erklären,  ohne  erstens  die  Dayaks  zu 
besonderen  Meistern  in  der  l'",ntwicklung  von 
Ornamenten  aus  Figuren  machen   ^u   müssen,   und 


r)hne  zweitens  sie  auf  isntichnuagen  von  fremdea 
Völkern  anzuweisen. 

Was  den  fremdländischen  fMntluss  auf  die 
eben  besprochenen  Gebilde  der  dayakischen  Kunst 
betrifft,  weist  Frof. //<■/■«  auf  ähnliche  Schöpfungen 
der  indischen  und  chinesischen  Kunst  hin.  Vor 
Allem  sind  es  die  indischen  RAkschasas,  böse 
Luftgeister,  deren  menschendrachenäbniiche 
Häupter  nach  Hein  die  Darstellungen  der  dayaki- 
schen Schilddämonen  beeinflusst  haben  können. 
Vor  diesen  ist  es  der  in  Ostindien  wie  in 
China  und  Japan  bekannte  Drache,  der  den 
Dayaks  bei  Bemalung  ihrer  Schilde  als  Vorbild 
gedient  haben  mag;  die  grösste  Bedeutung  für 
die  Lösung  der  Frage  nach  einem  eventuellen 
V^)rbilde  der  dayakischen  Dämonenschilde  scheint 
aber  nach  Hein  den  chinesischen  Tigerfratzen 
innezuwohnen,  Tiger  und  Drache  spielen  in  der 
chinesischen  Kriegführung  eine  grosse  Rolle ; 
nach  dem  Tiger  ist  eine  Schlachtordnung  ge- 
nannt, und  Tiger  und  Drache  schmücken  die 
I  hinesischen  Feldzeichen,  Fahnen  und  Schilde. 
Nicht  nur  in  der  Darstellung  des  Kopfes,  sondern 
auch  in  der  der  Tatzen  des  Dämons  so  manchen 
Dayakschildes  findet  Hein  überraschende  Aehn- 
lichkeiten  mit  der  Gesichtsmaske  und  den  drci- 
klauigen  Vordertatzen  eines  chinesischen  Tiger- 
decors,  was  nicht  riu  leugnen  ist.  Doch  die  Ver- 
niuthung  Hein's,  dass  die  auf  den  Dayakschilden 
vorkommenden  Dämonenköpfe  ohne  Körper  jenen 
religiösen  Vorstellungen  der  Dayaks,  wonach 
gewisse  Geister  (Vampyre)  blos  in  der  Form 
freischwebender  Köpfe  erscheinen,  ihren  Ursprung 
verdanken,  liesse  sich  wohl  besser  ilurch  den 
Verdacht  des  ultra  non  posse  ersetzen,  da  es 
immerhin  leichter  ist,  ein  Fratzengesicht,  als 
einen   ganzen   Körper  zu   zeichnen. 

Sonderbar  ist  es,  dass  Prof.  Hein  ausdrück- 
lich anerkennt,  dass  Dämonenfratzen  in  China, 
Japan,  Indien  und  im  ostindischen  Archipel  ganz 
allgemein  und  daher  die  dayakischen  Dämonen- 
bilder keine  vereinzelte  Erscheinung  sind,  und 
dass  er  trotzdem  an  der  Annahme  einer  Ent- 
lehnung mehr  festhält,  als  es  vermöge  der  zu 
erbringenden  Beweise  geboten  erscheint.  Er  be- 
zweifelt zwar  sehr,  dass  die  für  die  balinesischen 
Käkschasas  charakteristischen,  stark  entwickelten 
Mauer  einen  berechtigten  Schluss  auf  eine  Vor- 
bildlichkeit derselben  für  die  Dayakschilde  zu- 
lassen, da  chinesische  Masken  mit  Mauern  sehr 
häufig  sind  und  da  auch  die  Tigermaskenschilde 
der  chinesischen  Armee  dieselbe  Erscheinung 
aufweisen,  dafür  aber  sieht  er  selbst  in  Details 
der  Dayakschilde  chinesischen  Einfluss  und  er- 
klärt z.  B.  Linien,  welche  nichts  weiter  als  un- 
symbolische Spiralen  zu  sein  brauchen,  für  die 
chinesischen  Yin-  und  Yang-Symbole.  Und  doch 
ist  /fein,  der  mit  grossem  Fleisse  sein  Material 
gesammelt  und  Analoga  zusammengestellt  hat, 
nicht  der  Schuld  eines  apodiktischen  Fehlschusses 
zu  zeihen,  denn  er  erklärt  ausdrücklich  :  Obzwar 
ein  aufmerksames  Studium  der  dayakischen  Schild« 


122 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN   ORIENT 


malereien  viele  Details  erkennen  lässt,  die  auf 
China  zurückweisen,  und  wenn  auch  angenommen 
werden  kann,  dass  die  chinesischen  Tiger-  und 
Drachenschilde  den  dayakischen  Schilddämonen 
in  vorbildlicher  Weise  vorhergingen,  so  sind 
doch  die  Dayakschilde  keine  Copien,  sondern 
selbst  wenn  ursprünglich  von  aussen  beeinflusst, 
doch  in  ihrer  eigenartig  bizarren  Ausgestaltung 
durchaus  von  dayakischem  Kunstgeiste  erfüllt. 

Seine  besten  Früchte  trägt  dieser  Kunstgeist 
in  den  technischen  Künsten,  den  decorativen  und 
Kleinkünsten,  und  Gegenstände  aus  Wolle  und 
Holz,  Hörn  und  Bein,    Metall  und  Thon  geben  den 


Dayaks  reichliche  Gelegenheit,  ihre  Begabung  in 
der  Kunst  der  Ornamentirung  zu  bethätigen.  Hein 
hebt  auch  besonders  lobend  das  Stylgefühl  der 
Dayaks  hervor,  vermöge  dessen  sie  die  Ornament- 
formen der  verschiedenen  Gruppen  nie  vermengen, 
sondern  so  strenge  auseinander  halten,  dass  man 
bei  jeder  Form  genau  bestimmen  kann,  in  welchem 
Stoffe  und  in  welcher  Art  sie  zur  Ausführung  ge- 
bracht wird. 

Im  Gegensatze  zu  den  grösstentheils  aus 
krummen  Linien  zusammengesetzten  Schildbemalun- 
gen  zeigen  die  dayakischen  Textiiarbeiten  aus- 
nahmslos Ornamente  geometrischer  Art,    welche  in 


Dayakischer  Frauenhut  aus 

den  drei  F'arben:  roth,  blau  und  gelb,  ausgeführt 
sind.  Das  Muster  besteht  hauptsächlich  aus  rhom- 
bischen und  deltoidischen  Figuren  und  die  eckig 
abgebrochene  Spirale,  welche  es  durchzieht,  dient 
auch  oft  als  Bordüre.  Der  Mäander,  das  Zickzack- 
band, Dreiecke,  Quadrate,  Rechtecke,  Rhomben 
undDeltoide,  selbst  auch  Kreise  sind  die  Elemente, 
aus  welchen  sich  die  Ornamente  zusammensetzen. 
Nach  dem  von  verschiedener  Seite  ausgesprochenen 
Grundsatze,  dass  der  Naturmensch  Ornament  und 
geometrische  Figur  nicht  selbstständig  kennt,  son- 
dern aus  figürlichen  Objecten  ableitet,  und  nach 
seinen  eigenen  Erfahrungen  besteht  Hein  darauf, 
dass  die  complicirten  geometrischen  Gebilde  nur 
allmälig  schematisirte  Nachbildungen  von  be- 
stimmten Objecten    sind    und    dass  die  Muster  alle 


Uandjermasin.     (Har  rasen.) 

gegenständliche  Namen  und  in  der  Regel  sym- 
l)olische  Bedeutung  haben.  Mag  dem  auch  in  einigen 
Fällen  so  sein,  so  spricht  dagegen  der  Umstand, 
dass  die  dayakischen  Gewebe  in  ihrer  Ornamen- 
tirung oft  grosse  Aehnlichkeit  mit  indischen  Textil- 
erzeugnissen aufweisen,  wir  aber  dem  Culturvolke 
der  Indier  in  diesem  Punkte  weder  Schematisirung 
von  Objecten,  noch  die  Beilegung  symbolischer 
Bedeutungen  nachweisen  können.  Im  Falle  einer 
I<;ntlehnung  also  fällt  diese  Annahme  bei  den  dayaki- 
schen Objecten  ebenso  weg  wie  im  Falte  einer  zu- 
fälligen Uebereinstimmung,  denn  worauf  der  in- 
dische gewiss  auch  geometrisch  ungebildete  Weber 
verfallen  konnte,  das  konnte  wohl  auch  der  Dayak 
ohne  Stylisirung  und  ohne  Symbolisirung  bilden. 
Wie  in  den  dayakischen  Geweben  die  gerade 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT 


123 


'i 


Linie  vorherrscht,  so  findet 
in  den  aus  Hambu  und  Palm- 
l)lattstreifen  gefertigten  Ge- 
flechten besonders  der  Kreis 
ornamentale  Verwendung  und 
die  unterbro(:h<;nen  und  in 
Tangenten  auslaufenden  Kreis- 
linien bilden  oft  Muster  der 
anmuthigsten  Form.  Besonders 
EU  bemerken  ist  hier  die  uns 
gänzlich  ungeläufige  diagonale 
Lagerung  der  Symmetralen, 
die  übrigens  auch  auf  ("elebes 
und  Sumatra  gefunden  wird, 
wie  denn  ülierhaupt  auch  die 
anderen  Inseln  des  indischen 
Archipels  eine  dem  dayaki- 
schen  Ornamentstyl  ähnliche 
Ornamentirung   pflegen. 

Die  in  Holz,  l^amliu,  Hörn 
und  Bein  ausgeführten  Ar- 
beiten der  Dayaks  zeigen, 
wie  es  die  Natur  des  ver- 
arbeiteten Materials  eben  zu- 
lässt,  schon  eine  bedeutend 
freiere  und  ungebundenere 
Darstellungsweise  in  denZeich- 
nungen,  und  besonders  ist  es 
ein  Motiv,  das  Kyma,  die 
Woge,  das  in  den  verschie- 
densten Varianten  auftritt. 
Pflanzliche  und  thierische  Ge- 
bilde werden  ebenso  wie  rein 
lineare  Zeichnungen  dazu  ver- 
wendet, das  Kyma  zu  variiren 
und  die  zierlichsten  Arabesken- 
gewinde   zu   bilden. 

Wenn  die  Dayaks  schon  (fie 
Gegenstände  des  Friedens, 
Spinnräder,  Ruder,  Särge, 
selbst  Tüpferschlägel  mit  ge- 
schnitzten und  geritzten  Orna- 
menten zu  verzieren  lieben,  so 
ist  es  nur  zu  erwarten,  dass  sie 
auch  auf  die  künstlerische 
Ausstattung  ihrer  Waffen  be- 
sonderen Werth  legen.  Nicht 
nur  der  Griff,  worin  die  Klinge 
befestigt  ist,  sondern  auch  die 
Klinge  selbst  wird  verziert, 
mit  Kujifer  und  Silber  ein- 
gelegt und  mit  in  Reihen  ge- 
ordneten Stiften  beschlagen. 
Höheren  Werth  noch,  als  auf  seine  Waffen,  legt 
der  Dayak  auf  gewisse  I'>zeugnisse  der  Keramik. 
Die  Bedeutung  der  Keramik  für  die  Bewohner  Bor- 
neos müsste  auffallend  erscheinen,  wenn  wir  ni<-ht 
wüssten  ,  dass  die  Verehrung  alter  Gefässe  als 
Gegenstände  religiösen  VaiUs  in  ganz  Ostasien,  in 
China  sowohl  wie  in  Japan,  wie  auch  im  ostindi- 
schen Archipel  gang  und  gäbe  ist.  So  ein  heiliger 
Topf  kostet    oft   tausende    Gulden,    er    wird  dem 


MaDda-i  (Si-bwort)  des 
Sallin'!  von  Kiitai. 


Figenthume  der  Familie  unter  besonderlichen  Feier- 
lichkeiten einverleibt,  und  mancher  Krug  ist  seinem 
Besitzer  um  Nichts  in  der  Welt  feil,  wenn  dem  be- 
treffenden Gegenstande  ausgezeichnete  Figen- 
schaften,  selbst  z.  B.  sogar  die  Gabe  der  Weis- 
sagung, beigelegt  werden.  Da  nun  die  keramischen 
Producte  Borneos  selbst,  welche  ohne  Tö|)fer- 
scheibe  und  aus  gewöhnlichem  Thon  hergestellt 
werden,  nur  für  den  praktischen  Bedarf  berechnet 
sind,  so  ist  von  ihrer  künstlerischen  Ausstattung 
nichts  zu  erwarten,  und  die  kostbaren  heiligen  Ge- 
fässe, die  sich  auf  Borneo  finden,  dürften  wohl 
sämmtlich  aus  China  importirt  sein.  Ihre  Verzierun- 
gen bestehen  aus  Drachen,  Spinnradhaspeln,  Rhom- 
benfiguren,  Arabesken,  Blumen  und  Anderem. 

Wie  die  meisten  Naturvölker,  so  lieben  es 
auch  die  Dayaks,  ihren  grossentheils  unbedeckten 
Körper  zu  tätowiren,  und  Männer  wie  Frauen  legen 
Gewicht  darauf,  ihren  Leib,  Brust  und  Rücken, 
Beine  und  Arme  mit  geschmackvollen  Mustern  ver- 
zieren zu  lassen.  Schachbrettfiguren,  Spiralen  und 
Curven  in  hübscher  ornamentaler  Anordnung  bilden 
auf  den  menschlichen  Kör|)ern  ebensolche  Zeich- 
nungen, wie  wir  sie  theils  an  den  dayakischen  Ge- 
weben, theils  in  ihren  Schnitzereien  und  Bambu- 
ritzungen  als  geometrische  Gebilde  oder  Arabesken 
wiederfinden. 

Wenn  nun  schliesslich  auch  die  Frage  nach 
dem  ßinflusse  fremder  Völker  auf  die  Kunstpro- 
ducte  Borneos  erörtert  werden  soll,  so  wissen  wir, 
dass  die  Araber  schon  im  IX.  Jahrhundert  China 
und  Japan  und  die  Inseln  des  malayischen  .Archipels 
besucht  haben,  und  Vieles  weist  darauf  hin,  dass 
sie  auch  auf  die 
Bewohner  Borneos 

einen  gewissen 
Finfluss  genom- 
men haben.  Eben- 
so ist  der  Einfluss 
der  Indier  auf  diese 
Inselbewohner  aus 
Manchem  zu  er- 
schliessen,doch  ist 
dieser  wie  jener 
der     Araber    nur 

vorübergehend 
und  von  verschwin- 
dender Bedeutung 
gegen  das ,  was 
den  Bewohnern 
Borneos  von  ("hi- 
nesen  überbracht 
und  gelehrt  wurde. 
Chinesische  Ein- 
wanderer haben 
seinerzeit  die  Insel 
colonisirt,  sich  an- 
sässig gemacht 
und  Dayakinnen 
geheiratet ;       und  .i..u»i  «BKk«g". 

j  ■'     o-L        j  DJmiTrt  (bciUger  Topf)  tod  Tunil>uu 

dass  die  Sohne  des        ;*.  ,.  _,     „     \.    rr  /^ 

bltog,  mit  Tl«r  K><rok<  (L«(aM>) 

ältesten       Cultur-  T«nii»rt. 


124 


OESTEHREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


reiches  ihrer  neuen  Heimat  nicht  nur  gegenständlich 
Manches  mitgebracht  haben,  sondern  ihren  neuen 
Genossen  auch  manche  Anleitungen  gegeben 
haben  müssen,  das  geht  aus  vielen  künstlerischen 
Schöpfungen  der  Dayaks  unzweifelhaft  hervor. 
Schwer  aber,  sehr  schwer  dürfte  es  sein,  die  genaue 
Grenze  zu  ziehen  zwischen  chinesischem  Import  und 
dayakischer  Selbsterrungenschaft.  Unter  allen  Um- 
ständen hat  der  Verfasser  unsere  Aufmerksamkeit  auf 
ein  Gebiet  gelenkt,  das  bisher  nur  zu  stiefmütterlich 
betrachtet  und  eingehenderer  Behandlung  kaum  für 
werth  erachtet  wurde.  Mögen  wir  auch  auf  so 
Manches  nicht  schwören,  was  ffein  in  seinem  Werke 
vorbringt,  wir  legen  das  Buch  doch  mit  dem  dank- 
baren Gefühle  aus  der  Hand,  dass  der  Autor  viel 
Fleiss,  Mühe  und  Kenntnisse  aufgeboten  hat,  um  uns 
zum  Studium  einer  Sache  anzuregen,  an  welches  er 
sich  als  der  Erste  gewagt,  und  dass  er  sich  seiner  Auf- 
gabe nach  Massgabe  des  vorhandenen  Materials  und 
von  seinem  Standpunkte  aus  als  Künstler  trefflich 
entledigt   hat. 

DER  HEUTIGE  STAND  DER  SAHARABAHNFRAGE. 

Von  Professor   Dr.   Philipp  Paulitschke. 

Der  Gedanke  an  eine  Eisenbahn  durch  die 
Saharawüste  tauchte  in  concreter  Form  das  erste 
Mal  in  den  Siebzigerjahren  unseres  Jahrhunderts 
auf.  Der  Ingenieur  Duponchel  war  jes,  der  in  einer 
Anzahl  von  Broschüren  und  Fachschriften  sich 
über  die  Verkehrs-,  Handels-  und  Productions- 
verhältnisse  der  sogenannten  Algierischen  Sahara 
zu  dem  Zweche  näher  erging,  für  die  Verlängerung 
des  algierischen  Bahnnetzes  nach  dem  Süden, 
nach  den  fruchtbaren  und  grösseren  Oasen  im 
Süden  der  afrikanischen  Colonie,  in  seiner  Heimat 
zu  wirken.  Er  machte  die  Franzosen  darauf  auf- 
merksam, wie  man  dem  grossen  Karawanenverkehr 
der  Provinz  Oran  nach  den  Gurära-Oasen  (mit  all- 
jährlich 20.000  Kameelen),  der  die  Verfrachtung  von 
Gerste  und  Datteln  bezweckte,  Concurrenz  bieten 
könne,  denn  der  blosse  Transport  verzehnfachte 
den  Verkaufspreis  der  beiden  Tauschobjecte,  wobei 
die  Erhaltungskosten  für  ein  Lastthier  sammt 
Führer  per  Tag  nicht  mehr  als  Frs.  1-50  betrug 
und  der  Tarif  pro  Kilometer-Tonne  o"05  cts. 
nicht  überstieg.  Den  Umsatz  des  Dattel-  und  Ge- 
treidehandels veranschlagte  man  mindestens  auf 
lOO.OOO  q,  und  selbst  nach  Abzug  von  80  Percent 
für  den  Transport  konnte  man  nach  Duponchel's 
Berechnungen,  im  Falle  man  z.  B.  eine  Bahn  von 
looo  km  von  Oran  nach  Gurära  erbaute,  auf  eine 
sichere  Einnahme  von  10.000  Frs.  auf  den  km. 
rechnen.  Auch  dem  Gewinne  aus  dem  Salzhandel 
der  Sahara  (22.000  bis  30.000  Kameellasten  u 
150  bis  200  kg  jährlich)  stellte  der  französische 
Ingenieur  ein  sehr  günstiges  Prognostikon,  von 
dem  Handel  mit  Reis,  Baumwolle,  Indigo,  Sesam, 
Erdnüssen  u.  A.  m.  mit  dem  Sudan  ganz  abgesehen. 

Diese  mercantilen  und  zahlreiche  philanthro- 
pische und  politische  Verheissungen  beschäftigten 
lebhaft  die  französische  Welt.  Duponchel  baute 
ein    ganzes    ökonomisches  System    auf  der  Basis 


seines  Bahnprojectes  auf  und  berechnete  den  Um- 
satz, der  sich  aus  der  Ausbeutung  der  agrarischen 
und  commerciellen  Vortheile  des  Sudans  nur 
durch  60.000  seiner  französischen  Landsleute 
adäquat  den  in  Algier  und  am  Senegal  erreichten 
Resultaten  ergeben  sollte,  auf  eine  Milliarde.  Ihm 
schwebte  damals  der  Ausbau  der  E^isenbahn  von 
Larruat  zum  Niger  (1920  km  also  '/g  weniger 
als  die  Pacificbahnstrecke  von  Omaha  nach  San 
Francisco,  die  3080  km  beträgt)  vor  Augen, 
richtiger  wohl  die  Strecke  von  Affreville  bis  an 
den  Niger  (2574  *"^)>  welche  nach  Duponchel's 
Berechnungen  mit  einem  Kostenaufwande  von 
400,000.000  Frs.  hätte  hergestellt  werden  können. 
An  Einnahme  hätte  man  jährlich  von  dieser  Bahn, 
so  versicherte  Duponchel,  45,400.000  Frs.  erhoffen 
können,  was  die  Betriebskosten  und  die  Zinsen 
des  Actiencapitals  decken  sollte ,  im  Ganzen 
günstige  Chancen,  die  durch  das  Inslebentreten 
einer  staatlich  garantirten  Actiengesellschaft  von 
höchstens  Frs.  100  bis  150  Millionen  gesichert 
würden. 

Für  die  Bahnlinie  hatte  man  damals  drei  Wege 
in  Betracht  gezogen,  einen  westlichen  über  Igelli 
und  durch  das  Thal  des  Gir  mit  der  Provinz  Oran 
correspondirend,  einen  östlichen  über  Wargia  längs 
des  Thaies  der  Mia,  mit  der  Provinz  Constantine 
correspondirend,  und  einen  mittleren  über  Larruat 
und  an  den  Ufern  des  Lua  entlang,  mit  der  Provinz 
.\lgier  correspondirend.  Der  erste  und  zweite  Weg 
wurden  nicht  empfohlen,  weil  sie  einerseits  über 
marokkanisches  Gebiet  zogen,  anderseits  ungesunde 
Gegenden  durschnitten  und  weil  Höhendifferenzen 
von  1400»/  auszugleichen  waren.  Die  Strecke  in 
der  l^rovinz  Algier  beabsichtigte  Duponchel  von 
Algier  nach  Affreville,  dann  im  Thal  des  Scheliff 
und  nach  Larruat,  El-Golea,  Bugemma  und  Taudeni 
(Angerutgruppe)  zu  führen.  Von  der  letztgenannten 
Station  bis  an  den  Nigerfluss  (über  Kamba  nach 
Burrum)  beträgt  die  Entfernung  nur  mehr  goo  km. 
Duponchel  schlug  vor,  den  Bau  mit  3000  Arbeitern, 
die  er  für  das  erste  Jahr  leicht  aufzutreiben  gedachte, 
anzufangen  und  300  km  pro  Jahr  auszufertigen.  Mit 
zunehmender  Arbeiterzahl  schmeichelte  er  sich,  in 
4 — 5  Jahren  den  Niger  erreichen  zu  können.  Mit 
einem  Arbeiterstande  von  15.000  Köpfen,  führte 
Duponchel  aus,  könnte  die  Bahn  in  das  Herz  des 
afrikanischen  Continents  mit  einer  jährlichen 
Schnelligkeit  von  1200  bis  1^00  km  fortgeführt 
werden. 

Der  Gedanke  Duponchel's  wurde  in  Frankreich  : 
rasch  ergriffen,  von  der  Fachpresse  des  In-  und 
Auslandes  lebhaft  commentirt,  und  es  bildete  sich 
1870  eine  Commission,  die  der  Regierung  ein  Gut- 
achten über  das  Project  abgab.  Ein  Credit  von 
480.000  Eres,  wurde  bekanntlich  auf  den  \^orsch!ag 
C.  de  Freycinet's,  damaligen  Ministers  der  öffent- 
lichen Arbeiten  (am  13.  Juli  1879  vom  Präsidenten 
Grevy  genehmigt),  bewilligt  und  mehrere  Sectionen 
einer  Sahara-E.xpedition  ausgesandt,  von  welcher 
dieFlatter'sche  wegen  ihres  Unsterns  sehr  bekannt 
geworden  ist. 


I 


OESTEBREICHISCHE    MON ATSSCHRIiT    PÖR    DEN    ORtENT 


125 


Natürlich  tloss  noch  viel  Wasser  die  Seine 
hiiial),  l)is  man  die  Arbeiten  in  Süd-Algerien,  die  von 
inililärisclier  Seite  ungemein  jjefürdcrt  wurden, 
durchjjeführt,  das  Material  zusainmengetrajjcn  und 
gesichtet  hatte.  Ein  ganzes  iJecennium  hiedureh  be- 
theiligten sieh  Staat  und  Private  in  Frankreich 
(Mission  Klatter's,  Pouyannc,  Mission  Choisy,  Pont* 
&  Chaussces,  Du|)onchel,  Rolland,  Fock,  HIanc)  an 
denselben.  IJasKrj/ebniss  derselben  war  dielCrkrrint- 
niss  der  Natur  und  der  geringen  Bedeutung  des  l''lug- 
sandes  auf  dem  grösseren  Theile  des  für  die  Bahn 
in  Aussicht  genommenen  Terrains,  die  Ueberzeugung 
von  der  feindseligen  Haltung  der  die  Sahara  mit 
ihrer  Handelsvermittlung  beherrschenden  Tuareg- 
stämme,  eine  genaue  Uebersicht  über  die  physischen 
Hindernisse  des  Hahnbaues  nach  deren  Wesen  und 
Extension  und  die  mögliche  Anwendung  von  Rc- 
medien  gegen  dieselben,  die  Feststellung  der  Art 
und  Weise  der  bestmöglichen  Wassergewinnung 
auf  der  von  der  Bahn  zu  durchlaufenden  Strecke 
durch  artesische  Brunnen.  Selbstverständlich  war 
es  ganz  unmöglich,  über  den  26.  Grad  nördlicher 
Breite  von  Algier  aus  in  die  Sahara  einzudringen, 
und  man  musste  über  diese  Region  hinaus  alle  Be- 
rechnungen und  die  Richtung  der  'l'race  nur  an 
der  Hand  von  Analogien  aufstellen. 

Mitten  in  die  Zeit,  in  welcher  diese  Arbeit 
gethan  wurde,  fiel  der  mächtige  Pulsschlag  des 
colonialen  Aufschwunges  in  Europa,  und  in  unseren 
'lagen  ward  derselbe  zu  einem  fieberhaften. 
Politische  Arrangements  und  Compensationcn, 
wie  sie  bisher  in  der  Politik  und  Weltwirthsehaft 
einzig  dastehen,  secundirtcn  und  steigerten  das 
Interesse  an  Afrika  derart,  dass  man  auch  an 
die  Beschreibung  von  Interessensi>hären  in  der 
grossen  Wüste  schritt  oder  schreiten  musste. 
Wohl  hatte  auch  die  .■\usbrcitung  der  französi- 
schen Herrschaft  vom  Senegal  aus  über  die  Re- 
gionen des  oberen  Niger  und  bis  fast  in  die 
geographische  Länge  von  Algier  und  vor  die 
'1  höre  von  Timbuktu  den  Wunsch  rege  gemacht, 
Algier  mit  Senegambien  durch  einen  Babnstrang 
zu  verbinden.  Seit  dem  im  Jahre  l88g  gelegentlich 
der  Weltausstellung  abgehaltenen  Colonialen  Con- 
gresse  von  Paris,  wo  alle  möglichen  wirthschaft- 
liehen  Projecte  erörtert  wurden,  blieb  die  Frage 
der  Erbauung  der  Saharabahn  unausgesetzt  auf 
der  Tagesordnung  in  l>~i  ankreich,  und  das  englisch- 
Iranzösische  Abkommen  vom  Juli  1890,  namentlich 
aber  die  Absicht,  der  französischen  Kammer  bei 
ihrem  Zusammentritte  ein  Saharabahnproject  zur 
Schlussfassung  vorzulegen,  machte  die  in  Rede 
stehende  Frage  zu  einer  brennenden.  Kein  Wunder, 
dass  angesichts  der  nähergerückten  Entscheidung 
dieser  Frage  das  wichtigste,  die  Saharabahn  be- 
Ireflende,  wissenschaftlich  wie  praktisch  ver- 
wendbare Materiale  exponirt  und  in 'Vereinen, 
wie  in  der  Fach-  und  Tagespresse  nach  allen 
Seiten   durchgegangen   wird. 

Eine  Grup|ie  von  Materialien  betrifft  die 
Natur  der  Sanddünen  der  Sahara,  die  von  dem  In- 
genieur Georges  Rolland    (Bulletin  de  la  Socicte 


gt(jlogique  de  france,  9.  November  1881)  ein- 
gehend behandelt  wurde,  während  der  Genie- 
capitän  E.  Courbis,  der  von  dem  Service  geo- 
graphique  de  l'armee  mit  deren  eingebendem 
Studium  in  der  Umgebung  von  Wargia  betraut  ge- 
wesen war,  über  den  Gegenstand  in  eine  lebhafte 
Controverse  geologischer  Natur  mit  den  lagenieuren 
Blanc  und  l^'ock  sich  einliess  (Compte  reodu  des 
seance.s  de  la  commission  centrale  der  Pariser  Gco- 
grajjhischen  Gesellschaft  189O,  Nr.  5,6,  I  2  und  13) 
und  auch  andere  Fachmänner,  wie  Virlet  d'Aoust, 
Jules  Garnier  u.  A.,  hierüber  ihr  Votum  abgaben. 
Uie  Sache  drehte  sich  um  die  Beziehungen  und 
den  C^onnex  zwischen  den  Dünenketten  und  dem 
Terrainrelief.  Blanc  machte  nach  seinen  Studien 
das  Vorkommen  der  Uüneoketten  von  „accidcnts 
topographifjues  du  sol",  wie  er  sagt,  abhängig, 
während  Courbis  behauptet,  „que  lä  oü  sc  trouve 
une  nappe  acjuiftTe  pcu  profonde,  il  y  a  des 
dunes  et  (|ue  l'absence  de  oappe  correspond  ä 
l'absence  de  dunes".  Mit  den  Beweisen  und  den 
Phasen  der  Controverse.  können  wir  uns  an  dieser 
Stelle  nicht  beschäftigen.  Es  wird  genügen, 
darauf  hinzuweisen,  dass  man  in  Ueberelnstim- 
mung  constatirte,  die  Dünen  bildeten  kein  physi- 
sches Hinderniss  des  Bahnbaus,  ja  sie  seien  nicht 
einmal  ein  solches  Hinderniss,  das  gar  so  viel  zu 
schaffen   geben   würde. 

In  erhöhterem  Grade  als  dieser  mehr  wissen- 
schaftlich denn  praktisch  bedeutenden  Meinungs- 
differenz wendet  sich  das  Interesse  der  Franzosen 
den  für  die  Sahara-Eisenbahn  in  Vorschlag  ge- 
brachten Tiacen  zu.  Diese  bleiben  die  piece  de 
resistance  für  alle  Talente  und  für  alle  Mitthei- 
lung und  Discussion  von  Erfahrungen.  Es  gibt 
wohl  keinen  Weg,  welcher  vom  Nordrande  Afrikas 
nach  dem  Westen  und  dem  Centrum  der  Sahara 
führt,  der  für  eine  Sabarabahnlinie  nicht  mit  in 
Combination  gezogen  worden  wäre.  Von  dem 
Projecte  einer  einfachen,  die  Saharawüste  über- 
schreitenden schmalspurigen  Bahn  ging  man  in 
der  Erwägung  und  Speculatlon  nach  und  nach 
zu  dem  Projecte  einer  grossen  Sudanbahn  über, 
indem  man,  wie  es  scheint,  alle  die  Babnprujcctc, 
die  seinerzeit  Chediw  Ismail  Pascha  von  Egypten 
den  Nil  entlang  nach  dem  Sudan  zur  .Ausführung 
zu  bringen  gedachte,  wenigstens  in  der  Con- 
ception  weit  übertraf.  Nichts  Geringeres  als 
„faire  un  tout  de  l'.AIgerie,  du  Senegal  et  du 
Congo,  par  Ic  Sahara  Touareg  et  par  Ic  Suudan 
central  et  Occidental"  schwebt  den  Franzosco  bei 
den  Saharabahnprojecten  vor,  und  von  dieser 
.Auffassung  der  Dinge  scheint  die  Mehrzahl  der 
Projectanten   zielbcwusst  auszugehen. 

Indessen  der  wirklich  annehmbaren  und 
realisirbaren  Projecte  des  Transsaharicn  sind  heute 
nicht  gar  so  viele  an  der  Obertläche  der  all- 
gemeinen Discussion.  Die  Natur  der  Dinge  und 
die  Ivntwicklung  der  französischen  Herrschaft  in 
.Algier  und  am  Senegal  unificirte  die  projectirten, 
d.  i.  in  der  Oeffentlichkcit  aufgetauchten  Tracco 
zu    einigen    wenigen,    deren    Verfechter    gegen- 


126 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


wärtig  die  Ingenieure  G.  Rolland  und  E.  Blanc 
sind  und  die  darzulegen  Zweck  der  nachfolgenden 
Darstellung  ist.  Ein  eigenartiges  Project,  welches 
Rene  Allain  in  der  Sitzung  der  Geographischen 
Gesellschaft  zu  Paris  am  21.  März  1890  vor- 
legte, mag  hier  nur  beiläufig  erwähnt  werden. 
Allain  fasste  nämlich  das  Cap  Nun  an  der  atlanti- 
schen Küste  (südwestlich  von  Marokko,  circa 
29"  nördlicher  Breite)  als  Ausgangspunkt  einer 
Saharabahn  in's  Auge,  also  einen  Küstenpunkt, 
der  bislang  von  keiner  der  Colonialmächte  und 
auch  von  Marokko  nicht  beansprucht  ward,  wie- 
wohl in  allerneuester  Zeit  der  Sultan  von  Marokko 
sein  Land  bis  an  das  Wadi  Draa,  also  über 
das  Cap  Nun  gegen  Süden  und  Südwesten,  in 
Anspruch  nimmt.  Vom  Cap  Nun  will  er  die  Bahn 
über  das  Wadi  üraa  gelegt  wissen,  bei  dem 
Punkte  Tizgi,  dann  das  Tendüf  passiren  lassen 
und  über  'I'aodeni,  ünan,  Arauan  Timbuktu  er- 
reichen. Dies  sei,  so  plaidirt  er,  die  allerkürzeste 
und  vortheilhafteste  Route,  einfach  auszuführen  und 
alle  Projecte  längs  des  Senegal  übertreffend.  Da 
diese  Trace  sozusagen  neutrales  Gebiet  durch- 
zöge längs  der  Strasse,  die  Mardochee,  Lenz  und 
Caillie  zum  Theile  beschritten,  käme  es  vor 
Allem  darauf  an,  mit  den  anwohnenden  Mauren 
sich  auf  guten  Fuss  zu  stellen  und  in  der  Ex- 
ploitation den  Vorgang  General  Annenkoff's  zu 
befolgen.  Die  Franzosen  scheinen  diesen  Vor- 
schlag nicht  ernst  genommen  zu  haben.  Algier 
bliebe  durch  eine  solche  Bahn  eben  dann  nicht 
mit  dem  Soudan  francais  verbunden  und  somit 
hat  dieser  Vorschlag,  der  natürlich  nur  aka- 
demisch gemacht  wurde,  keine  Bedeutung  oder 
wenigstens  keine  Protectoren  oder  Interessenten. 
Das  die  öffentliche  Meinung  in  Frankreich 
am  meisten  beschäftigende  Transsaharienproject 
ist  gegenwärtig  das  des  Ingenieurs  Georges  Rol- 
land, eines  Mannes,  der  bisher  die  umfassendsten 
Studien  mit  Ausdauer  und  Hingebung  über  die 
Sache  gemacht  hat.  Er  ging  von  dem  Grundsatze 
aus :  ,,L'Algerie  est  la  porte  de  la  France  sur 
notre  route  directe  vers  le  Soudan",  und  damit 
hatte  er  seinen  Standpunkt  sattsam  charakterisirt. 
Rolland  will  die  Saharabahn  von  Algier  aus  nach 
dem  Sudan  geleitet  wissen  zu  dem  Zwecke  einer 
,,contjuete  pacifique  de  l'interieur  africain'-.  Die 
Niederwerfung  der  Tuareg  oder  doch  den  Zu- 
sammenbruch ihrer  Macht  über  die  Sahara,  wenn 
nicht  die  Eroberung  des  Kernes  ihrer  Heimat,  er- 
hofüt  er  von  dem  Bahnbaue.  Die  Trace  soll  so  ge- 
leitet werden,  dass  sie  die  wichtigsten  gegen  den 
Süden  reichenden  t)asen  berührt  und  sich  deren 
als  bequemer,  den  effectiveu  Bau  durch  ihre  Mittel 
fördernder,  wie  später  das  grosse  Gebäude  er- 
haltender Stützpunkte  bedient.  Von  den  drei  Traten, 
der  Trace  uccidentale  (.Arzew — Saida — A'in  Sefra 
—  Igli — Tuarrit — Timassao — Burrum  am  Niger, 
2100  km),  der  Trace  centrale  (.-Mgier — Blidah — 
Berruaghia — Laghuat — El  Golea — Tuarrit — Bur- 
rum, 2800  hni)  und  der  Trace  Orientale  (Philippe- 
ville  —  Constantiue —  Biskra  —  Wargla  —  Aingid — 


Timassao — Burrum  ,  2600  km  in  weiterer  Fort- 
setzung als  Sudanbahn  bis  Kuka  am  Tschad- 
See  3400  km,  bis  Massina  3600  kni)  will  er  ledig- 
lich die  östliche  Route  als  „seul  practicable,  le  seul 
raisonnable,  le  seul  susceptible  d'une  mise  en  train 
immediate"  anerkennen  und  stellt  sehr  genaue  Be- 
rechnungen über  deren  Realisirbarkeit  an.  Bis 
Wargla  gilt  ihm  die  Bahnstrecke  als  in  jeder  Hin- 
sicht wühlfundirt,  physisch  sowohl  wie  vom  Stand- 
punkte der  Kosten.  Die  Strecke  Biskra — Wargla 
könne,  berechnet  Rolland,  mit  40.OOO — 45.000  P'rs. 
per  km  gebaut  werden.  Die  Kosten  der  Ex- 
ploitation überstiegen  2500  Frs.  per  km  nicht. 
Ingenieur  Fock  will  gar  nur  19.000  Frcs. 
Baukosten  per  Kilometer  annehmen.  In  zwei 
Wintercampagnen  soll  diese  Section  ausgebaut 
werden  können.  Von  Wargla  müsse  man  die 
Bahn  bis  zum  Posten  Timassinin  und  von  diesem 
bis  zu  dem  Zweigpunkte  Amgid  mit  Raschheit  ver- 
längern, lieber  den  Verlauf  der  Bahn  von  Amgid 
ab  hat  Rolland  noch  keine  detaillirte,  ökonomische 
oder  technische  Darlegung  enthaltende  Aeusserung 
gethan.  Er  beschränkt  sich  nur  hervorzuheben : 
,,D'Amguid  nous  dominerons  tout  le  Sahara  central  ;•' 
damit  soll  natürlich  auch  darauf  hingewiesen  werden, 
dass  der  weitere  Bahnbau  glatt  von  Statten  gehen 
werde.  Keineswegs  würden  die  Kosten  50.000  Frs. 
per  km  bei  der  Fortsetzung  der  schmalspurigen 
Bahn  nach  dem  Sudan  übersteigen  können.  Die  Höhe 
derGesammtbaukosten  schwankt  nach  französischen 
Angaben  zwischen  135  und  300  Millionen  Frcs. 

Neben  dem  skizzirtenTracenprojecteRolland's 
werden  in  Frankreich  zur  Stunde  noch  zwei 
andere  lebhaft  ventilirt  und  ganz  besonders  vom 
Ingenieur  Edouard  Blanc  verfochten.  Im  Ganzen 
scheint  es  sich  hiebei  darum  zu  bandeln,  dass 
bei  eventueller  officieller  Annahme  des  Rolland- 
schen  Projectes  die  Möglichkeit  der  Ausführbar- 
keit anderer  Projecte  nicht  geleugnet,  sondern 
anerkannt  werde.  Die  Discussion  läuft  also  auf 
moralische  Satisfaction  gegenüber  jenen  Männern 
hinaus,  die  sich  das  Studium  anderer  Tracen  als 
der  Rolland'schen  angelegen  sein  Hessen.  Rolland 
beantragte  die  sofortige  Verlängerung  der  bis 
Biskra  gehenden  algierischen  Bahnen  bis  Wargla, 
definitive  Studien  und  Niederlegung  derselben 
über  die  Verlängerung  dieser  Bahn  von  Wargla 
bis  Amgid  und  die  Absendung  einer  Colonne 
zur  sofortigen  Occupation  von  Amgid  und 
Temassinin.  Damit  glaubte  der  Ingenieur  den 
ersten  Theil  der  bevorzugten  Strecke  des  Trans- 
saharien  durchzusetzen  und  auch  hinsichtlich  der 
materiellen  Opfer  und  der  politischen  Bahnen, 
die  die  Saharabahn  noch  immerhin  wandeln 
möchte,  die  Richtung  gewiesen  zu  haben,  von 
welcher  kaum  jemals  mehr  würde  abgewichen 
werden  können. 

Blanc  verweist  nun  zunächst  darauf,  dass  eine 
Saharabahn  von  Algerien  aus  zunächst  nach  der 
fruchtbaren  und  grossen  Oase  Tuat  mit  der 
Hauptstadt  Ain  Salah  (Insalah)  gerichtet  sein 
müsse,   die   zwar  von  Frankreich   leider  noch  nicht 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FOR    DEM    ORIENT. 


127 


einmal  occupirt  worden  sei,  wo  jedoch  durch 
die  Bahn  ein  prädominanter  französischer  Ein- 
fluss  geschaffen  werden  müsse.  Diese  Strecke 
sei  auch  technisch  leichter  zu  bewältigen,  als  der 
Aufstieg  auf  das  Gebirgsmassiv  von  Ahaggar 
(das  Kernland  der  Tuareg).  Politische  Schwierig- 
keiten mit  dem  Nachbarstaate  Marokko  beständen 
nicht,  da  Tuat  der  Machtsphäre  des  Sultanats 
entrückt  sei.  Militärisch  wäre  Insalah  leicht  zu 
halten  und  keineswegs,  wie  Kolland  meinte,  „un 
point  strat^gicjue  en  l'air",  vielmehr  wären  dies 
Amgid  ■  und  Temassinin  auf  Rolland's  Trace. 
Drei  wichtige  Linien  liefen  von  französischen 
Vorposten  in  Süd-Oran  nach  Tuat  und  dies  ga- 
rantire  eine  hinreichend  lebhafte  und  zweck- 
mässige Verbindung.  Als  Mittelglieder  auf  dem 
Wege  nach  Insalah  könnten  die  grossen  Oasen 
von   Gurara   und   'I'idikelt  benützt   werden. 

Eine  zweite  Linie,  deren  Berechtigung  Blanc 
vertritt,  ist  die  Koute  vom  Golf  von  Gabes  über 
das  zum  türkischen  Reiche  gehörige  Hhadames 
und  Rhat.  Dieser  Route  stehen  die  bedeutendsten 
politischen  Schwierigkeiten  entgegen.  Blanc  wünscht 
die  Route  eingeschlagen  zu  sehen,  um  den  leichtesten 
Zugang  zum  Tschad-See  zu  erlangen.  Rhadames 
hält  er  seiner  Lage  nach  eher  für  eine  Depen- 
dencc  von  Tunis  als  von  Tripolis  und  deducirt 
aus  diesem  Umstände  ein  Anrecht  l-'rankreichs 
auf  diese  Oase,  während  Rolland  eine  Bahnstrecke 
mit  Berührung  der  beiden  Oasen  als  „pas  ligne 
fran^aise"  erklärt  hatte.  Blanc  geht  so  weit,  seinen 
Landsleuten  an's  Herz  zu  legen,  bei  der  bevor- 
stehenden Erneuerung  der  türkisch-französischen 
Handelsverträge,  von  der  Türkei  die  Cession  von 
Rhadames  zu  verlangen.  Die  grosse  Route  vom 
Mittelmeere  nach  dem  'l'schad  -  See ,  meint 
Blanc,  sollte  vollständig  neutralisirt  werden,  wie 
das  schon  von  Seiten  mehrerer  Mächte  in  Vor- 
schlag gebracht  worden  sei.  Dabei  ist  der  Ein- 
wand wohlberechtigt,  dass  es  schwer  halten 
dürfte,  Plätze  occupiren  zu  wollen,  wo  eine  be- 
freundete Macht,  wie  das  ottomanische  Reich  zu 
Rhadames,  Garnisonen  unterhält.  Im  Ganzen  lässt 
sich  behaupten,  dass  auch  die  von  Blanc  em- 
pfohlenen Routen  einer  Saharabahn  über  Tuat 
oder  Rhadames  ihre  bedeutenden  Vortheile  hätte, 
wenngleich  anerkannt  werden  muss,  dass  die 
Lösung  der  an  und  für  sich  nicht  einfachen  Frage 
durch  politische  Complicationen  nur  erschwert 
und    in  die  Ferne  gerückt  würde. 

MISCELLEN. 
Die  Ueberschwemmungen  in  China.  Grosse 

Flüsse  sind  in  der  Kegel  ein  Segen  für  das  Land, 
welches  sie  durchströmen.  .-Xls  .Arterien,  durch 
welche  der  Handel  der  Völker  pulsirt,  als  billigstes 
und  bestes  Transportmittel  für  Reisende  und 
Waaren  sind  sie  von  unschätzbarem  Werthe  und 
gelegentliche  Ueberschwemmungen  müssen  als 
ziemlich  leicht  zu  nehmende  Nachtheile  betrachtet 
werden.  In  keiner  Weise  aber  gilt  dies  für  den 
Hoang-ho  oder  Gelben  Fluss. 


Dieser  grosse  Strom  ist  für  die  ScbifTfabrt 
wenig  werthvoll  und  seine  häufigen  furchtbaren 
Ueberschwemmungen  machen  ihn  zu  eiocm 
wahren  Fluche  für  mehrere  Provinzen  des  chine- 
sischen Reiches.  Sein  Gefälle  ist  ungewöhnlich 
stark,  seine  Ufer  sind  besonders  schwach  und  ge- 
brechlich. Jahrhundertelange  ungeschickte  Ver- 
suche zur  Regelung  dieses  „irrenden"  Stromes 
haben  denselben  nur  noch  gefährlicher  gemacht, 
indem  seine  Ufer  durch  fortwährendes  Erhöhen 
der  Dämme  über  das  Niveau  des  Landes  ge- 
hoben  wurden. 

Soeben  ist  dieser  Strom  wieder  aus  seinen 
Ufern  getreten  und  ärger  als  sonst  sind  die 
Folgen  dieser  Katastrophe.  Die  sommerlichen 
Wasserläufe,  welche  mit  grosser  Schnelligkeit 
in  Lung-Wang-Miao  münden,  wo  der  , Grosse 
Canal"  in  den  Gelben  F'luss  einströmt,  verur- 
sachten das  Bersten  der  Ufer  und  setzten  etwa 
200  //  Landes  unter  Wasser.  Der  also  über- 
füllte „Grosse  Canal"  entleerte  seine  Wasscr- 
inassen  in  den  Peiho,  der  seinerseits  aus  den 
Ufern  trat  und  das  Land  zwischen  Peking  und 
Chang-Chih-wan  überschwemmte,  so  dass  der  ge- 
sammte  Verkehr  stockte  und  der  District  von  Tung- 
chow  in  einen  riesigen  See  verwandelt  wurde. 

Dieses  neuerliche  Unglück  sollte  denn  doch 
die  Regierung    zu  Peking    zum  Nachdenken  ver- 
anlassen.   Der  Fluss  ist  eine  chronische   Ursache 
zu  grossen  Geldausgaben    und  liefert  kaum  ent- 
sprechende   Vortheile.     Er     findet    in    zahllosen 
kleinen    Wasserarmen     seinen    Weg    durch     das    '   _ 
versandete   Delta    in's  Meer,    und    keiner    dieser    ^  ■" 
Arme    ist  von    der  See  aus    schiffbar.    Fast  alUcr^j'P^^ 
jährlich    werden     grosse     Läuderstrecken      untcr^C.-^ 
Wasser    gesetzt,     Dörfer    und     manchmal    Städte' '^>i  — 
mit  enormen  Erntevorräthen    hinweggespült    unn-,;"^™o 
fast     immer     sind     dabei     grosse    Verluste     aPjT,  "[/H 

Leben  :^'    rn-*^/ 


Menschenleben  zu  beklagen.  Die  am 
bleibende  Bevölkerung  wird  zu  Bettlern  und 
muss  verhungern.  Zu  ihren  Gunsten  geschieht 
unendlich  viel  durch  Wohlthätigkeitsacte  und 
dennoch  gehen  sie  elend  zu  Grunde. 

Aber  die  chinesische  Regierung  lernt  nur 
langsam  und  verwendet  das  Gelernte  noch  saum- 
seliger. Es  geschieht  .Allerlei,  um  dem  Unglück 
zu  steuern,  die  Dämme  werden  wieder  zusammen- 
geflickt und  die  geschädigten  Bewohner  werden 
„gewissennassen"  unterstützt.  Aber  nichts  ist 
bisher  geschehen,  um  einer  Wiedtrholung  solcher 
Katastrüi)hen  vorzubeugen. 

Und  doch  könnte  die  Nation,  die  die  grosse 
Mauer  erbaute  und  den  Grossen  Canal  gegraben, 
das  Regulirungswerk  mit  tüchtigen  Ingenieuren 
und  bei  ihren  billigen  .Arbeitslöhnen  in  .Angriff 
nehmen.  Dies  Werk  wäre  wichtiger  als  die  Eisen- 
bahnbauten. Trotzdem  dürfte  dies  kaum  unter- 
nommen werden ;  man  wird  weiter  „repariren'', 
habgierige  .Mandarine  werden  dabei  ihre  Taschen 
füllen  und  die  bedauernswerthen  Völker  werden 
stets  von  Neuem  in  Noth  und  Elend  versinken. 
(CkiHa  Overland  Tradt  Report.) 


c':z 


128 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Die  Ehe  in  China.  ')  in  China  gibt  es  zwei 
Arten  von  Eben,  welche  etwa  dem  römischen 
connubium  und  concubinatus  entsprechen,  und 
von  denen  die  erstere  schon  melir  ein  formeller 
Vertrag,  die  letztere  aber  zumeist  noch  ein  reiner 
Kauf  ist.  Die  erste  Ehe  darf  von  dem  Manne 
giltiger  Weise  nur  mit  einer  Frau  eingegangen 
werden,  welche  ihm  vom  Vater  oder  einem  älteren 
männlichen  Verwandten  seiner  Familie,  in  dessen 
patria  potestas  er  steht,  aus  einer  Familie  von 
gleichem  Range  und  gleichen  Vermögensverhält- 
nissen erwählt  wird.  Diese  Frau  (ch'i)  erwirbt 
alle  Rechte  der  ersten  oder  Hauptfrau  und  ist 
gegen  Zurücksetzung  gegenüber  den  anderen 
Frauen,  die  der  Mann  noch  heiraten  kann,  durch 
das  chinesische  Strafgesetz  geschützt.  Der  Chinese 
kann  nämlich  gesetzlicher  Weise  noch  eine  Art 
Eheschliessung  eingehen,  namentlich  dann,  wenn 
die  Ehe  mit  der  ersten  Frau  kinderlos  geblieben 
ist.  In  diesem  Falle  empfiehlt  es  ihm  die  Frau 
oft  selbst  an,  weil  sie  dann  als  die  Mutter  aller 
im   Mause  geborenen   Kinder  gilt. 

Bei  dieser  Art  von  Ehcschliessung  kann  sich 
der  Mann  die  Braut  selbst  ohne  Rücksicht  auf  Rang 
oder  sonstige  Verhältnisse  wählen,  auch  geht  die 
Hochzeit  nicht  unter  so  viel  Ceremonien  vor  sich 
wie  die  erste.  Solcher  Nel)enfrauen  (chich)  kann 
der  Chinese  so  viele  heiraten,  als  er  Lust  hat  und 
erhalten  kann ;  unter  einander  stehen  sie  gleich, 
sind  aber  der  ersten  Frau  untergeordnet,  wie  wir 
das  bei  allen  Völkern  finden,  bei  denen  Polygamie 
herrscht.  Nichtsdestoweniger  ist  diese  zweite  Ehe 
nicht  ein  Concubinat  in  unserem  Sinne,  denn  die 
Eheschliessung  geht  immer  unter  gewissen  For- 
malitäten vor  sich,  die  Kinder  sind  alle  legitim  und 
gleichgestellt  und  haben  ein  gegründetes  Erbrecht. 
Die  erste  Frau  gilt  übrigens,  wie  bereits  erwähnt, 
juristisch  als  die  Mutter  aller  Kinder,  welche  in  der 
Familie  geboren  werden,  wie  dies  auch  nach  indi- 
schem und  islamitischem  Rechte  der  Fall  ist. 

Die  Ehe  wird  in  China  geschlossen  auf  Grund 
eines  Contractes,  welcher  entweder  nur  mündlich 
oder  schriftlich  von  den  Familienhäuptern,  in  deren 
patria  potestas  sich  Bräutigam  und  Braut  befinden, 
in  Verbindung  mit  den  Heiratsvermittlern  (mei  Jen) 
aufgesetzt  wird.  Wurde  das  Uebereinkommen  nur 
mündlich  abgemacht,  dann  gelten  —  ein  bezeich- 
nender Ueberrest  des  ehemaligen  Brautkaufes  — 
die  lleiratsgeschenke  ,  welche'  der  Bräutigam 
seiner  Braut  gegeben  hat,  als  genügender  Beweis 
für  den  Abschluss  des  Contractes.  Einen  Ehecon- 
tract  fordert  auch  das  römische  und  germanische 
Recht,  der  Hauptunterschied  besteht  aber  darin, 
dass,  während  nach  modernem  Rechte  der  animus 
matrimonii  der  Nupturienten  Haupterforderniss  ist, 
in  China  ohne  Rücksicht  auf  Neigung  derselben  der 
Contract  nur  zwischen  den  Familienhäuptern  abge- 
schlossen wird.  Braut  und  Bräutigam  können 
niemals  selbst  einen  giltigen  Ehecontract  unter- 
zeichnen,   ausser    wenn    gar   keine    älteren    männ- 


*)  Wir  entnehmen   diese  Notiz   einem   interessanten   Artiltel 
des  „Globus"  aus  der  Feder  des  Herrn  Dr.  Jos.  h,  Grunzel. 


liehen  Verwandten  mehr  am  Leben  und  sie  in  Folge 
dessen  sui  juris  geworden  sind. 

Nur  einen  Fall  gibt  es  noch,  wo  der  Sohn  zeit- 
weise sui  juris  werden  kann,  wenn  er  nämlich  in 
amtlicher  Stellung  von  seiner  Heimat  abwesend  ist. 
Eine  Witwe  aber  ist  nicht  sui  juris,  sie  gehört,  falls 
der  Gatte  todt  ist,  der  Familie  des  Gatten,  wurde 
die  Ehe  aber  geschieden,  wieder  ihrer  früheren 
Familie  an  und  muss,  wenn  sie  sich  zum  zweiten 
Male  verheiraten  will,  einen  älteren  Verwandten 
haben,  der  für  sie  den  Contract  schliesst,  sonst  wird 
die  Ehe  mit  dem  neuen  Gatten  nicht  anerkannt  und 
die  Schuldigen  werden  bestraft.  Ilaben  den  Con- 
tract Verwandte  ersten  Grades  unterzeichnet,  so 
sind  sie,  in  zweiter  Linie  auch  die  Heiratsver- 
mittler, für  ihn  verantwortlich,  sind  aber  die  Unter- 
zeichner entferntere  Verwandte,  dann  fällt  ein  Theil 
der  Verantwortlichkeit  auf  die  V^erlobten  selbst.  Die 
contrahirenden  Parteien  haben  sich  von  der  gei- 
stigen und  körperlichen  Gesundheit  der  Verlobten 
zu  überzeugen  und  zu  prüfen,  ob  keine  Ehehinder- 
nisse vorliegen.  In  den  Contract  wird  auch  der  Be- 
trag der  Heiratsgeschenke  aufgenommen,  welche 
der  Bräutigam  dem  Vater  der  Braut  gibt,  und  we|i;he 
oft  mehrere  tausende  von  Taels  im  Werthe  haben. 
Besondere  Feierlichkeiten  sind,  wie  bei  allenVölkern, 
auch  bei  den  Chinesen,  insbesondere  für  die  Heirat 
mit  der  Hausfrau  gebräuchlich,  aber  nicht  absolut 
nothwendig,  namentlich  entbehren  sie  jedes  reli- 
giösen Beigeschmackes. 

Entgegen      den     Satzungen     des     römischen 
Rechts,     in   Uebereinstimmung   aber  mit  dem    ca- 
nonischen,  haben   nach   chinesischem  Recht  beide 
Parteien   das   Recht,  auf  Vollzug   der  contractlich 
vereinbarten   Heirat  zu  dringen.     Jede  dem   Con- 
tracte    zuwider    laufende    Handlung    muss    rück- 
gängig gemacht  werden   und  wird  streng  bestraft. 
In   Folge   dessen   ist  eine   gewaltsame  Entführung 
der    Braut  vor  der  im  Contracte  festgesetzten  Zeit 
strafbar,   ebenso  aber  auch  die  Vorenthaltung   der 
Braut     über    den     festgesetzten    Zeitpunkt    hinaus 
von   selten    der  Familie.      Für   Ueberschreitungen 
der     Ehegesetze    im     Falle    einer    Heirat  zweiter 
Art,   einer  Concubinenehe,   treten   mildere  Strafen 
ein.    Ein   eigener  Fall  ist  der  folgende.      Befindet 
sich    ein  Sohn    in    officieller  Sendung    abwesend 
von   der   Familie,     so   ist  er   während    dieser   Zeit 
sui  juris,     und    er  kann   in   Folge    dessen   selbst- 
ständig Ehecontracte   schliessen  und  die  Ehe  auch 
wirklich   vollziehen.      Aber    auch     das  Oberhaupt 
seiner   Familie    hat    das   Recht,     für   ihn   während 
dieser  Zeit  giltige  Contracte    zu    schliessen.      Ist 
nun   der  Sohn   die  von   ihm  contrahirte  Ehe  wirk- 
lich  eingegangen,   dann  ist  der  von  seiner  Familie 
aufgestellte   Contract     ungiltig,    ist    die  Ehe   aber 
noch  nicht   vollzogen,    dann     haben    die  von   der 
Familie    eingegangenen    Contracte    Vorrang    vor 
denen,   welche  er  selbst  abgeschlossen   hat.   Diese 
Thatsache   illustrirt  so   recht  schlagend   die   hohe 
juristische    Bedeutung,     welche    der    chinesischen 
Familie  innewohnt,   und  die  Machtvollkommenheit, 
welche  ihrem   Oberhaupte  eingeräumt  ist. 


Verautworüicher  Redacteur:  A.  v.  Scala. 


Druck  von  Ch.  Reisser  &  M.  Werthner  in  Wien. 


September-October-Heft  1890. 


Nr,  9  und  10. 


ÜESTERREICHISCHE 


P0Mt55t|nft  für  kn  #mnt 

Ileraustieeeben    vom 

K.  K.  ÖSTEKR.  HANDELS-MUSEUM   IN  WIEN. 

Redigirt   von    Ä.    von   Scala. 


Monatlich   eine   Nummer. 


VERLAG  DES  K.  K,  ÖS7ERR.  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


Prait  jlhrL  S  I.  —  H)  Mark. 


INHALT:  Indischer  Volksschimick  un  i  die  Art,  ihn  zu  trafen. 
Von  Ludwig  Jlana  Fischer.  —  Im  dunkelsten  Afrika.  Von 
A.  V.  Üiliweii/er-Lerc'ieti/elU.  —  Zar  Ufscbichti:  der  Null.  Von 
llr.  M.  Huherlandt.  —  M  I  »c.el  1  en  ;  TeppichausstcUui  g  und 
Aut:8tellUDg  von  kunslffewcrblichon  Objecton  im  Handelii-Museum. 
—  Programm  der  Vorlesungen  Im  IlandnU-Musoum. 

INDISCHER  VOLKSSCHMUCK  UND  DIE  ART,  IHN 
ZU  TRAGEN. 

Im  jüngsten  Hefte  der  .'\nnalen  des  k.  k.  natur- 
historisclien  Hofmuseums,  welche  vom  Intendanten 
Hofralh  von  Hauer  redigirt  werden  und  Original- 
abhandlungen  aus  dem  Gebiete   der  Naturwissen- 


schaften, Praehistorie  und  Ethnographie  bringen, 
findet  sich  eine  Abhandlung  des  bekannten  Malers 
Herrn  Ludwig  Hans  Fischer  über  „indischen  Schmuck 
und  die  Art,  ihn  zu  tragen",  welche  nicht  verfehlen 
wird,  sowohl  durch  ihren  interessanten  sachlichen 
Inhalt  wie  durch  die  Fülle  schöner  und  genauer 
Illustrationen  die  lebhafte  Aufmerksamkeit  der 
Fachkreise  zu  erregen.  Herr  L.  H.  Fischer,  der 
den  Orient  vielfach  bereist  und  sein  durch  seine 
künstlerische  Beschäftigung  ohnedies  geschärftes 
Auge  dabei  für  die  Eigenart  des  Orients  in  Farben 


Fig.  1.  Indibclier  miberarbeiter  aus  dem  Fondschab. 


und  l<"ormen  ausserordentlich  geübt  hat,  hat  ge- 
legentlich seiner  Reise  durch  Indien  im  Jahre  1889, 
die  er  mit  Herrn  Grafen  Carl  I.anckorohski  unter- 
nahm, einer  Anregung  des  Leiters  der  ethnogra- 
phischen Sammlungen  des  naturhistorischen  Mu- 
seums, Herrn  Custos />a«s  Heger,  folgend,  seine 
besondere  Aufmerksamkeit  dem  durch  seine  rei- 
zenilen  Formen  wie  durch  seinen  Reichthum  und 
Fülle  als  auffallend   bekannten  indischen  Schmuck 


Sachen  sich  befand,')  eine  vortreffliche  Typen- 
sammlung  hauptsächlich  aus  dem  Gebiete  desV'oIks- 
schmucks  angelegt,  welche  sich  nun  im  Besitze  des 
Hofmuseums  befindet ,  und  in  Verbindung  damit 
sorgfältig  die  Daten  gesammelt,  welche  sich  auf 
Material,  Erzeugung,  Verwendung  u.  s.  w.  be- 
ziehen. Vor  -Allem  aber  hat  sein  Stift  und  Pinsel 
mit  Schärfe  und  Genauigkeit  den  Eindruck  fest- 
gehalten,   welchen   der  Schmuck,   wenn  getragen, 


zugewendet.  Er  hat  parallel  mit  den  reichen  Samm-  ''  am   Menschen   selbst,    in    Harmonie   oder  Contrast 
lungen   des  Grafen  Lanckoroiiski,    worunter   eine 


kleine,  aber  erlesene  CoUection  indischer  Schmyck- 

Monatsschrift  für  den  Orient.  September  und  October  läiH). 


1)  DIeselb«  war  zuglelcb   mit  dca  Qbrigea  Sammlangeo    im 
Frllliling  d.  J.  im  K.  k    Ilaudrls-Museum  «xpoairl. 


130 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


mit  Hautfarbe ,  Haar  und  Tracht  u.  s.  w.  ausübt 
—  gewiss  ein  sehr  belangreiches  Moment,  auf  wel- 
ches noch  selten  geachtet  worden  ist.  So  ist  eine 
Abhandlung  entstanden,  welche  interessant  genug 
erscheint,  in  diesen  Blättern  auch  einem  anderen 
und  weiteren  Leserkreise  als  dem  der  Annalen  zu- 
geführt zu  werden.  Wer  die  vortrefflichen  und  reich- 
haltigen Sammlungen  indischen  Schmuckes  mit 
ihrer  mustergiltigen  Bestimmung  und  Etiquettirung 
im  Berliner  Museum  für  Völkerkunde  —  ein  grosses 
Verdienst  der  Herreu  Dr.  Jagor  und  Dr.  Grün- 
wedel —  gesehen  hat,  wird  allerdings  in  der  Arbeit 
des  Herrn  L.  H.  Fischer  nur  in  Einzelheiten  hie 
und  da  Ergänzungen  finden,  andererseits  Manches, 
namentlich  bezüglich  der  vielen  Schmuckformen  zu 
Grunde  liegenden  Anschauungen  —  Blumen  und 
Blüthen ,  Flechtmuster  u.  s.  w. ,  worüber  die 
Schmucknamen  häufig  Aufschluss  geben  —  ver- 
missen; aber  die  Literatur  über  indischen  Schmuck 
ist  noch  so  arm,  dass  der  vorliegende  Beitrag  für 
weitere  Kreise  nurmit  Freude  begrüsst  werden  kann. 

* 

„Auf  meiner  vorjährigen  Reise  durch  Indien," 
so  beginnt  Hans  Fischer  seine  Abhandlung, 
„hatte  ich  Gelegenheit,  eine  Collection  indischen 
Volksschmuckes  für  das  k.  k.  Hofmuseum  zu 
sammeln,  und  habe  bei  dieser  Thätigkeit  auch 
Beobachtungen  zu  machen  nicht  versäumt,  in 
welcher  Weise  diese  Gegenstände  getragen 
werden.  Die  in  Folgendem  in  Zeichnung  bei- 
gegebenen Schmuckgegenstände  sind  grössten- 
theils  dieser  Sammlung  entnommen  und  stellen 
die  wichtigsten  Typen  dar,  welche  zum  besseren 
Verständnisse  der  nach  der  Natur  aufgenommenen 
Figurentypen  dienen  sollen,  auf  denen  die  Art 
des  Tragens  von  Schmuck  ersichtlich  gemacht 
ist.  Ich  habe  mich  um  so  eher  entschliessen 
können,  diese  Beobachtungen  der  Oeffentlichkeit 
zuzuführen,  als  gerade  über  diesen  Gegenstand 
wenig  publicirt  worden  ist.  Zusammenhängendes 
über  indischen  Schmuck  gibt  es  nur  in  Herklot's 
Qanoon -i -Islam  ;  Baden  -  Bowell ,  Handbook  of 
the  manufactures  and  arts  of  the  Panjäb  ;  Manches 
der  Art,  aber  dürftig  auch  in  den:  „Indo-Aryans" 
von  Räjendra  Lala-Mitra.  Ein  ganzer  Satz 
von  Schmucksachen  einer  Masslafrau  steht  im 
„Orientalist" ,  leider  aber  ohne  Bilder.  Sehr 
schöne  Illustrationen  finden  sich  in  den  Werken  : 
Alwar  and  his  treasures  von  Thomas  Holbein, 
Hendley,  und  Les  civilisations  de  l'Indes,  von 
Dr.  L  e  Bon.  In  der  indischen  Reiseliteratur  ist 
eigentlich  nur  Einiges  aus  Nordindien  im  Buche 
Ujfalvy's:  „Aus  dem  westlichen  Hymälaya" 
zu  finden,  wo  zahlreiche  Illustrationen  beigegeben 
sind,  deren  einige  den  meinen  sehr  nahe  kommen. 

Die  prunkende  Putzliebe  der  Orientalen 
findet  in  den  Völkern  Indiens  ihren  Gipfelpunkt 
und  kommt  am  meisten  in  den  Schmuckgegen- 
ständen derselben  zum  Ausdruck.  Nirgends  in 
der  Welt  entfaltet  der  Schmuck  so  mannigfaltige 
Formen  und  wird  auf  so  mannigfaltige  Weise 
angewendet  wie  eben  dort,  wo  die  schöpferische 


Phantasie,  in  allen Kunsterzeugnissen übersprudelnd , 
auch  auf  diesem  Gebiete  in's  Masslose  sich  steigerte, 
nicht  nur  was  die  einzelnen  Objecte  anbelangt, 
sondern  auch  in  der  Art  und  Weise,  wie  und 
wo  die  Schmuckgegenstände  verwendet  werden. 
Das  zuweilen  sehr  einfache  Costüm  lässt,  be- 
sonders im  Süden,  viele  schmuckfähige  Körper- 
theile  unbedeckt,  welche  dann  mit  Vorliebe  mit 
Schmuck  geziert  werden:  Ohren,  Nase,  Hals, 
Ober-  und  Unterarme,  Finger,  Fussgelenke  und 
Zehen  erscheinen  oft,  so  weit  als  nur  zulässig, 
mit  Schmuck  beladen.  Nur  eines  ist  auffallend, 
dass  die  Lippen  nie  zur  Aufnahme  von  Schmuck 
dienen,  wie  dies  bei  anderen,  namentlich  afri- 
kanischen und  amerikanischen  Völkern  der  Fall  ist. 
Zum  Schmuck  dienen  auch  bei  Völkern  primitiver 
Stufen  häufig  das  Bemalen  und  Tätowiren  der 
Haut,  sowie  Aufkleben  von  Blattgold  oder  aus- 
gestochener Blättchen  von  Goldpapier,  insoweit 
diese  Behandlungen  der  Haut  nicht  speciellen 
religiösen  Gründen  entspringen. 

Cultur  und  Geschichte  eines  Volkes  sind  so 
innig  verwoben,  dass  man  deren  Beziehungen  zu 
einander  in  jedem  einzelnen  Culturproducte 
wahrnehmen  und  der  Zeit  nach  verfolgen  kann. 
Die  Geschichte  Indiens  ist  so  wechselvoll  und 
hatte  stets  Verschiebungen  der  Völkermassen 
zur  Folge,  dass  heute  Indien  beim  ersten 
Anblicke  als  ein  kaum  zu  entwirrendes  Conglo- 
merat  von  Racen ,  Religionen ,  Sprachen  und 
Staaten  erscheint.  Es  scheint  fast  ein  Naturgesetz 
zu  sein,  und  die  Geschichte  erzählt  oft  genug 
davon,  dass  die  Völker  des  Nordens  stets  nach 
Süden  drängen.  Was  für  Europa  die  südlichen 
Halbinseln,  das  ist  für  Asien  Indien,  und  da 
lässt  sich  genau  verfolgen,  wie  von  dem  grossen 
Macedonier  angefangen  stets  Eroberer  vom 
Norden  her  auf  Indien  eindrangen  und  ihre 
Spuren  zurückgelassen  haben.  Es  ist  daher  leicht 
erklärlich,  dass  wir  im  Norden  Indiens  Formen 
in  der  Kunstindustrie  begegnen,  deren  Ursprung 
wir  weit  ausser  den  Grenzen  Indiens  zu  suchen 
haben,  wie  denn  auch  die  Kunst,  namentlich  die 
Architektur  im  Norden,  fast  durchwegs  moham- 
medanischen Ursprungs  ist,  wenn  sie  auch  in 
Indien   sich   eigenartig  entwickelt   hat. 

Bei  dem  heutigen  Völkergemische  in  Indien 
und  bei  dem  fortschreitendem  Einflüsse  euro- 
päischer Cultur  ist  es  gegenwärtig  sehr  schwierig, 
sich  nur  halbwegs  darüber  klar  zu  werden,  was 
einem  oder  dem  anderen  Volke  speciell  eigen 
ist,  welche  Schwierigkeit  noch  dadurch  wächst, 
dass  der  Verkehr  der  einzelnen  Provinzen  unter- 
einander durch  die  vielen  Bahnen  ein  sehr  reger 
geworden  und  der  Handel  ein  sehr  verbreiteter, 
ist.  Man  findet  daher  einzelne  Schmuckgegen- 
stände über  ganz  Indien  verbreitet  und  findet 
einen  Anhaltspunkt  für  die  eigentliche  Prove- 
nienz oft  nur  darin,  wenn  man  berücksichtigt, 
wo  dieselben  erzeugt  werden. 

So  schwierig,  ja  gerade  unmöglich  es  anfangs 
erscheint,  Typen  für  die  einzelnen  Völkerschaften 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


131 


Fig.  i. 

BlnfhaiMisob«  Uaarnadula 

(Cud]r,  Ceylon). 


festzustellen,  so  gelang  es  mir  doch,  mit  der 
Zeit  solche  aufzufinden,  namentlich  bei  den 
\\  niedersten  Volksschichten,  welche  auch  gewöhnlich 
strenger  an  den  hergebrachten  Formen  hängen. 
Der  üorfschmied  vererbt  seine  Kunst  vom  Vater 
auf  den  Sohn  und  Enkel  stets  mit  denselben 
alterthümlichen  Gussformen,  denselben  einfachen 
Gerätben,  denselben  Zeichnungen,  und  es  ist  ja 
nur  der  gegenwärtige  Luxus,  der  die  Mode 
hervorruft. 

Leider  sind  meine  Bemühungen  durch  die 
sehr  reichen  Sammlungen  in  Indien  nicht  viel 
gefördert  worden,  denn  wenn  auch  Schmuck- 
gegenstände oft  sehr  reichhaltig  und  in  allen 
Formen  vertreten  waren,  so  waren  sie  stets  unter 
iehr  allgemeinen  Namen  und  Bezeichnungen  aus- 
gestellt. Es  kommt  doch  gerade  bei  indischen 
Schmuckgegenständen    häufig    darauf    an,     dass 


man  seine  wirkliche  Bestimmung  kennt,  da  man 
dem  einzelnen  Gegenstand  dieselbe  durchaus 
nicht  ansieht.  So  gibt  es  Finger-  und  Zehen-, 
(Jlir-  und  Nasenringe,  Arm-  und  Knöcbelringc, 
welche  Eines  für  das  Andere  angesehen  werden 
könnten. 

Ich  habe  daher  hauptsächlich  mein  Augen- 
merk darauf  gerichtet,  welchen  Schmuck  die  Haupt- 
masse des  Volkes  trägt,  und  wie  er  getragen 
wird.  Der  Schmuck  der  Reichen  scheint  mir  in 
diesem  Falle  für  den  Ethnologen  von  geringerer 
Wichtigkeit,  weil  er  einestheils  in  jedem  Juwelicr- 
laden  zu  haben,  anderentheils  bereits  häufig  euro- 
päischen Fabrikaten  nachgebildet  oder  selbst 
solches  ist. 

Das  Material,  welches  in  Indien  zu  Schmuck 
verwendet  wird,  ist  hauptsächlich  Silber  und  in 
Ermanglung  dessen  Zinn,  Zink  und  Blei,  ebenso 
häufig  aber  verschiedene  Legirungen,  welche  gold- 
ähnliche Metalle  liefern.  Im  Allgemeinen  herrschen 
im  Süden  die  gelben  Metalle  vor,  während  nach 
Nordwest  zu  die  weissen  Metalle,  und  namentlich 
Silber,  immer  vorherrschender  werden.  Beispiels- 
weise kommt  in  Peshawar  fast  nur  Silber  vor. 
Gold  kommt  in  Indien  sehr  wenig  zur  Verwendung 
und  wird  von  den  niederen  und  Mittelständea  fast 
gar  nicht  getragen.  Diese  Verhältnisse  finden  ihre 
natürliche  Basis  in  der  Art  und  Weise,  wie  die 
Metalle  in  Indien  vorkommen.  An  Gold  ist  Indien 
arm,  dagegen  findet  sich  stark  silberhaltiges  Blei 
und  Zinn  an  zahlreichen  Punkten  und  in  Massen, 
womit  ein  Licht  auf  die  Eigenthümlichkeit  des 
indischen  Schmuckmetalls  fällt. 

An  Edelsteinen  werden  in  Indien  alle  be- 
kannten Arten  getragen,  sowie  Halbedelsteine. 
Der  Schliff  ist  aber  in  der  Regel  sehr  primitiv, 
soweit    nicht    in    Europa    geschliffene  Steine    zur 


^>röv 


Fig.  3.  Ohrscbmuck  nach  den  Ueoi&lden  Im  F«Ueotemp«l  tn 
Adsch&nt«. 


Fig.  4.    Ohrscbmuck  einer  Singbalesin. 

„  5.    Erweitertes  Ohrläppchen  .der  Tamilen. 

„  6.    MetallriQg.  t        ■—'*•'    •*• 

„  7.    Holzfeder  a's  Ohrschmuck  (Tamilen). 

,  8—10.  Ohrscbmuck  der  Tamilen. 


Fig.  11.    Ohrläppchen   eines   Knides,     durch    Bleiringe   ausgedehnt. 
„       12,  13.  Männlicher  Ohrschmuck  der  Tamilen. 
„       14.  Männlicher  Ohrschmuck  aus  Madras. 
^*\  15.  Hiudu-Ohr8t.bmuck  aus  der  Provinz  Bombay. 


-f^i 


OESTER REICHISCHE   MONATSSCHRIFT    KÖR    DEN    ORIENT. 


183 


Verwendung  kommen,  Fiinzelne  Provinzen  scheinen 
eine  besondere  Vorliebe  für  bestimmte  Steine 
oder  Farben  zu  haben;  so  fiel  es  mir  auf,  dass 
in  dtr  Provinz  Madras  besonders  zu  Ohrringen 
für  Männer  fast  durcliwegs  grüne  Steine  getragen 
werden.  In  Dschcyi)or  vericauft  man  in  grossen 
Mengen  Sclimuck  aus  indischen  Granaten,  und 
für  die  Himälaya-Districte  ist  der  Türkis  charak- 
teristisch. 

Glas  ersetzt  natürlich  in  Imitation  alle  Stein- 
sorten, wobei  erwähnt  werden  mag,  dass  flache 
S()litter  von  Glassatz  durch  eine  färbige  Zinnfolie 
zur  Aehnlichkeit  mit  den  betreffenden  Edelsteinen, 
die  in  Indien  fast  durchwegs  nachgeschliffen  sind, 
gebracht  werden;  es  wird  aber  auch  in  Form 
von  Perlen  der  verschiedensten  Art  verwendet. 
In    Süd-Inditn    sind    Armringe     aus    Glas,    welche 


hauptsächlich  in  Puna,  Taragalla  und  Surat  erteugt 
werden,  ein  beliebter  Schmuck. 

Perlen  und  Corallec  sind  ebenso  häufig  in 
Verwendung  wie  Steine. 

Elfenbein  wird  hauptsächlich  zu  Armringen 
verarbeitet. 

Ein  eigenartiges  Material  zur  Erzeugung  von 
Schmuckgegenständen,  in  allen  Theilcn  Indiens 
verwendet,  ist  eineComposition  aus  Harzen,  welche 
vergoldet  und  bemalt  hauptsächlich  zu  Armringen 
billigster  Sorte  verarbeitet  wird. 

Conchylien,  sowie  Perlmutter  kommen  selten 
in  Verwendung.  Von  ersteren  sieht  man  öfters 
Kaurimuscheln  und  eine  grosse  weisse  Schnecke, 
Changu  {Turbinella  rapa),  von  der  das  Mittelstück 
als  Bracelett  verwendet  wird.  .Ausserdem  werden 
im   Daccadistrict   (Rengalen)    ans    dieser    Muschel 


/'  JEDNOTA  ^> 
/K    POVZBUZtlM' 
\     PRÜMYSLU 
V   CECHACM 


Flg.  16.  Schmuck  der  Tamilen, 
a  Naeenscbmuck  für  den  Nasen(lU«rel,  iNaRenschmuck  fllr  die  Na«en«cheldewand,  c,  d  Knopf  für  den  zweileo  NasenSügel,  <  ObrrlD(, 
/  Schmuck  für  den  oberen  Kand  der  Obrleiste,  ;  doügleioben  Ton  Männern  und  Frauen  getragen. 


die  verschiedenartigsten  Formen  von  Braceletten 
geschnitten,  einfache  und  breite  Reifen  sowohl, 
als  jene  breiten,  aus  dem  Mittelstück  der  Muschel 
geschnittenen.  Bei  letzteren  fehlt  jede  weitere 
Bearbeitung  und  bleibt  die  natürliche,  glänzend 
weisse  Oberfläche  der  Muschel  erhalten.  Perl- 
mutter habe  ich  nur  gelegentlich  als  Amulet  und 
in   Ceylon   zu   Ringen   verarbeitet  gesehen. 

In  gewisser  Beziehung  ganz  isolirt  stehen  die 
Singhalesen  auf  Ceylon  und  charakterisiren  sich 
schon  durch  den  Umstand,  dass  sie  keinerlei 
Schmuck  in  den  Nasenflügeln  tragen.  Die  Form 
der  weiblichen  Ohrringe  (Fig.  4)  kommt  in  Indien 
nirgends  mehr  vor,  ebenso  haben  sie  einige  Arten 
Halsketten  und  Haarnadeln  (Fig.  2),  welche  nur 
von  ihnen  in  dieser  Form  getragen  werden.  Zehen- 
ringe werden  meines  Wissens  von  den  Sin- 
ghalesinnen  gleichfalls  nicht  getragen,  und   unter- 


scheiden sie  sich  dadurch  von  den  Tamilen,  welche 
in  grosser  Anzahl  in  Ceylon  leben. 

Die  Tamilen  Ceylons  sind  aus  Süd-Indien 
eingewandert  und  sind  mit  den  Tamilen  Süd- 
Indiens  zu  identificiren.  Für  diese  ist  der  reiche 
Schmuck  der  Ohren  charakteristisch,  dem  sich 
die  Männer  nicht  verschliessen  (Fig.  12,  13).  Be- 
sonders jene  üoppelknöpfe,  welche  in  dem  oberen 
Rand  der  Ohrleiste  getragen  werden  (Fig.  l6^), 
sind  bei  beiden  Geschlechtern  gleich  beliebt. 
Aehnliche  Schräubchen  mit  einem  stets  grünen 
Stein  (oder  Glas)  sind  für  die  Männer  der  Provinz 
Madras   charakteristisch  (Fig.    14). 

Der  Schmuck  des  weiblichen  Ohres  liegt 
schon  allein  in  der  weiten  Durchbohrung  des 
Ohrläppchens.  Schon  die  Ohrläppchen  der  Kinder 
«erden  durch  Bleiringe  (Fig.  11)  allmälig  erweitert 
und   in  die  Länge  gezogen,  bis  das  Ohrläppchen 


134 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    tEM    ORIENT. 


nur  mehr  zum   schmalen  Streifen  wird   und   häufig 
bis  an  die  Schultern  herabhängt  (Fig.   5). 

Diese  erweiterten  Ohrläppchen  scheinen  ein 
Ueberrest  des  Costumes  aus  alten  Zeiten  zu  sein. 
Buddha  wird  bekanntlich  stets  mit  solchen  Ohren, 
wenn  auch  ohne  darin  gehängten  Schmuck,  ab- 
gebildet. (Er  hat  sich  eben,  um  seine  weltab- 
gekehrte Sinneswandlung  auch  äusserlich  zu  zeigen, 


alles  Schmuckes  begeben.)  Auf  den  ältesten  Fres- 
ken, die  uns  in  den  Felsentempeln  von  Adschanta 
erhalten  sind  und  welche  vom  2.  Jahrhundert  v. 
Chr.  bis  zum  5.  Jahrhundert  n.  Chr.  zurückgreifen, 
haben  alieFiguren  solcheOhren  und  ist  der  Schmuck 
den  tamilischen  am  ähnlichsten.  Besonders  häufig 
sieht  man  auf  diesen  Fresken  Ringe  durch  das 
Ohrläppchen  gesteckt,  die  ich  nach  der  Malerei 


Fi;.  17.     Tamilin  aus  Madras. 


für  Elfenbein  halte  (Fig.  3).  Auch  die  alten 
Dichter  erwähnen  der  bis  an  die  Schultern  aus- 
gezogenen Ohren. 

Letztgenannten  Ringen  ganz  ähnlich  sind 
Metallringe  oder  spiralförmig  gewundene  Streifen 
aus  Holzbast  (Fig.  6,  7),  welche  bei  den  Ta- 
milenfrauen der  ärmsten  Classen  sehr  häufig  zu 
finden  sind.  Ausserdem  kommen  auf  den  Fresken 
in  Adschanta  noch  Ohrringe,  welche  den  singhale- 
sischen     ganz     ähnlich    sind ,    vor.       Die     wohl- 


habenderen Classen  sind  sehr  erfinderisch  in  den 
Formen  und  der  Art,  wie  der  Schmuck  am 
Ohre  befestigt  wird,  wie  aus  den  F"iguren  8, 
g,    10    zu   entnehmen  ist. 

Alle  Schmuckgegenslände  bleiben  sich  im 
Wesentlichen  durch  ganz  Süd-Indien  gleich  und 
erleiden  nur  geringe  Variationen.  Madras,  Tanjore, 
Tritschinapali,  Madura  sind  in  dieser  Beziehung 
ziemlich  gleichartig.  Der  Ohrschmuck  wird  zu- 
weilen   noch    durch    glockenförmige    Anhängsel, 


OESTCRREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FOr    DEN    ORIENT. 


135 


mit  Perlen  verziert,  ergänzt  (Fig.  15  und  16  e), 
die  Nase  tritt  ebenfalls  als  Träger  von  Schmuck- 
gegenständen  auf,  von  welchen  drei  Formen  zu 
bemerken  sind:  einfache  fJoutons  (Fig.  i6  f,  d), 
aus  einem  einzelnen  weissen  Stein  oder  einem 
Stern  aus  Metall  bestehend,  in  dem  einen,  ein 
mit  Steinen  und  Perlen  verzierter  Ring  (Fig.  16  a) 
in  dem    anderen  Nasenflügel    und    ein    Ornament 


mit    einem    angebängten    Tropfen,    zumeist    eine 
Perle,   in  der  Nasenscbeidewand  (Fig.    16  b"). 

Den  Kopf  ziert  weiters  zuweilen  eine  runde 
gravirte  oder  mit  Steinen  besetzte  Metallplatte 
in  der  Form  eines  Kugelsegmentes,  welcher 
häufig  eine  schuppenförmige,  oft  reich  vczierte 
IJecoration  des  herabhängenden  Zopfes,  in  zwei 
Quasten  endigend,  angefügt  ist  (Fig.   19).  In  die 


l     PRUMYSUJ    ' 


Flg.  Ifi.  Tamllin  aas  TrlUchinapall. 


Stirne  hängt  in  der  Regel  eine  Perle  oder  ein 
kleines  Ornament,  von  welchen  aus  längs  dem 
Scheitel  breite  Ketten  gegen  die  Ohren  zu  laufen. 
Finzelne  Ornamente  können  überdies  noch  in  die 
Haare  gesteckt  werden. 

Den  Hals  zieren  Ketten  verschiedenster  Form 
ohne  besondere  Eigenheiten.  Aber  nur  im  Süden 
Indiens  vorkommend  sind  die  V-förmigen  Ober- 
armreifen, wie  in  Fig.  18  ersichtlich  ist,  die  oft 
sehr  reich    und    schön  verziert    sind,    aber    auch 


bei  niederen  Classen  vorkommen  und  da  zu  einem 
blossen   Drahtgestelle  herabsinken. 

Den  Unterarm  zieren  gleichfalls  einige  Arm- 
reifen, bei  armen  Frauen  nicht  selten  von  Glas 
oder   Harzmasse. 

Die  Knöchel  des  Fusses  sind  mit  Reifen, 
oft  mit  kettenartigen  Ringen  geziert,  und  in  der 
Regel  steckt  an  der  zweiten  Zehe  ein  einfacher 
Metallring.  Auf  Ceylon  sah  ich  bei  den  Tamilinnen 
Ringe  als  Zehen-    wie  als   Fingerringe  getragen, 


136 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN    ORIENT. 


welche  nach  demselben  Principe  geformt  waren 
wie  die  V-förmigen  Armringe.  Dieselben  waren 
sehr  roh  aus  weissem  Metall  gearbeitet  und  an 
der  einen  Ecke  mit  einem  viereckigen  Knopf  ver- 
ziert, welcher  nach  vorne  zu  liegen  kam.  Selten 
aber  geht  der  Schmuck  des  Fusses  über  einen 
Reifen  und  einen  Ring  hinaus;  dies  unterscheidet 
die  Süd-Inderinnen  auffallend  von  den  Frauen  der 
nördlichen   und   Central-Provinzen. 

Ich  kann  nicht  sagen ,  dass  mir  in  Süd- 
Indien  ausser  den  wenigen  genannten  Gegen- 
ständen solche  aufgefallen  wären,  welche  ein 
Volk  oder  eine  bestimmte  Gegend  auszeichneten. 
Im  Allgemeinen  sind  jene  angeführten  Schmuck- 
gegenstände überall  mit  geringen  Variationen  zu 
finden;  es  scheint  eben,  dass  jedes  Individuum 
den  Schmuck  trägt,  den  es  besitzt,  und  je  nach 
seinem   Wohlstande  mehr  oder  kostbarer. 

Nur  auf  der  Hochebene  im  Innern  des  Dek- 
kan  wird  das  Bild  mit  der  veränderten,  sonnver- 
brannten Landschaft  ein  anderes;  schon  das  Co- 
stüm  verändert  sich,  die  meist  rothen,  gelbgrünen 
oder  gelben  Costüme  der  Frauen  machen  den 
fast  ausschliesslich  indigoblauen  Tüchern  Platz, 
auf  welche  ich  noch  zu  reden  komme;  die  Männer 
zeichnen  sich  durch  grosse  Turbane  aus  und 
tragen  ein  Tuch  um  den  Oberkörper  gelegt  und 
Sandalen  an  den  Füssen.  Ganz  anders  als  alle 
Frauen  des  Dekkan  sah  ich  eine  Frau  aus  Ka- 
nara.  Dieselbe  trug  eine  Unterjacke,  Blau  mit 
Gelb  und  rothe  Stickerei,  und  ein  blaues  Tuch 
um  den  Körper  gelegt.  Sie  trug  in  den  Ohren 
Schmuck  wie  die  Tamilinnen  und  hatte  einen 
Nasenring  aus  Draht,  der  zur  Verstärkung  an 
der  Aussenseite  wieder  mit  Draht  umwickelt  war. 
Hinter  den  Ohren  kamen  aus  den  schwarzge- 
lockten Haaren  Quasten  hervor,  ähnlich  wie  jene 
auf  Fig.  l8  und  19  am  Zopfe  angehängten,  und 
hingen  auf  die  Schultern  herab.  Das  Auffallendste 
an  ihr  waren  ziemlich  roh  gearbeitete  Elfenbein- 
ringe, welche  den  Ober-  und  Unterarm  bedeckten, 
so  dass  nur  das  Ellbogengelenk  frei  war.  An 
den  Knöcheln  trug  sie  schwere  Ringe  und  an 
jeder  Zehe  gleichfalls   einen   Ring. 

Das  Costüm  der  Süd-Inderin  besteht  in  der 
Regel  nur  aus  einem  langen,  meterbreiten  Baum- 
wollstoffe, den  sie  sehr  malerisch  erst  um  die 
Lenden  wickelt  und  den  Rest  über  die  Brust  um 
die  Schulter  wirft  oder  zum  Schutze  gegen  die 
Sonne  über  den  Kopf  legt.  Der  persönliche  Ge- 
schmack kommt  im  Legen  dieses  Gewandes  ebenso 
zur  Geltung,  wie  dies  bei  dem  Himation  der 
Griechinnen   der  Fall   war. 

Die  Farbe  dieses  Tuches  ist  bei  den  Tamilen 
fastdurchwegs  roth,  in  Tritschinapali  häufig  gelb, 
grünlich  oder  orange  mit  andersfarbigen  Stieifen 
an  den  Enden.  Nur  auf  der  Hochebene  des  Dekkan 
ist  es  fast  durchwegs  indigoblau  mit  carminrothen 
oder  gelben   Streifen   am   Rande. 

Ein  weiteres  Kleidungsstück,  übrigens  in 
ganz  Indien  zu  finden,  ist  eine  Art  kurze  Jacke, 
wenn   man    dieses   Costümstück    so    nennen    darf. 


Es  besteht  aus  einem  oft  mehrfarbigen  Stück 
Zeug,  an  welches  kurze  enganliegende  Aermel 
befestigt  sind.  Der  Rückentheil  fehlt  zuweilen 
ganz  und  wird  dann  nur  durch  Schnüre  am  Halse 
und  unter  den  Schulterblättern  befestigt.  Dieses 
Costümstück  vertritt  eigentlich  die  Stelle  eines 
Mieders,  auf  welches  die  Süd-Inderinnen  in  der 
Regel  ganz  verzichten,  in  civilisirteren  und  nörd- 
licheren Gegenden  fehlt  es  aber  nie  und  ist  bei 
Mohammedanerinnen  zu  einer  Art  Hemd  ver- 
längert ;  dies  unterscheidet  das  Costüm  der  Mo- 
hammedanerin wesentlich  von  dem  der  Hindus, 
bei  welchen  der  Bauch  stets  unbedeckt  bleibt, 
ausser  er  wird   von   der  Sari   verhüllt. 

Der  untere,  um  die  Lenden  und  Beine  ge- 
legte Theil  dieses  Tuches  wird  zuweilen  zwischen 
den  Beinen  durchgezogen  und  in  der  Kreuzgegend 
wieder  befestigt,  wodurch  eine  Art  Hose  entsteht. 
Auf  ähnliche  Weise  tragen  fast  alle  Männer  ihren 
Lendenschurz,  die  Frauen  aber  nur  bei  der  Feld- 
arbeit. Es  erinnert  mich  dieser  Lendenschurz  ganz 
an  die  Art  und  Weise,  wie  solche  auf  den  egyp- 
tischen  Hieroglyphen  bei  Darstellungen  von 
Männern  der  unteren  Volksschichte  stets  vor- 
kommen. 

Bei  Männern  bleibt  aber  der  Oberkörper  zu- 
meist ganz  nackt  und  sehr  häufig  auch  der  Kopf. 
Bei  den  niedersten  Classen  reducirt  sich  der 
Lendenschurz  oft  nur  auf  einen  Streifen  Leinwand, 
der  durch  eine  Schnur  um  die  Hüften  befestigt 
wird.  Der  Turban  wird  in  ganz  Süd-Indien  ge- 
tragen  und   variirt  sehr   in   der   Grösse. 

Fussbekleidungen  werden  so  gut  •  wie  gar 
nicht  getragen,  nur  in  den  Städten  findet  man 
solche,  und  auf  der  Hochebene  des  Dekkan,  wo 
der  Boden  steinig,  kommen  Sandalen  oder  Schna- 
belschuhe vor. 

Der  Schmuck  der  Männer  beschränkt  sich 
hauptsächlich  auf  Ohrringe  einfacher  Art,  ohne 
bestimmten  Typus  und  ist  meist  den  Formen, 
welche  die  Frauen  in  der  Ohrleiste  tragen,  ent- 
nommen, so  bei  den  Tamilen  (Fig.  16  g),  oder 
in  Madras  die  schon  erwähnte  Form  (Fig.  14), 
selten  dass  ein  einfacher  Hals-,  Arm-  oder  Fuss- 
ring  getragen   wird. 

In  Bezug  auf  Costüm  und  Schmuck  könnte 
Bombay  als  die  beiläufige  Grenze  zwischen  Süd- 
und  Nord-Indien  genannt  werden,  oder  besser 
gesagt,  hier  beginnt  der  Einfluss  der  vom  Norden 
eindringenden  arischen  Bevölkerung  fühlbar  zu 
werden. 

Hier,  wo  von  allen  Seiten  das  Volk  zu- 
sammenströmt, bedarf  es  einer  genauen  Kenntniss 
der  umliegenden  Provinzen,  um  mit  einiger  Sicher- 
heit die  einzelnen  Typen  zu  erkennen,  namentlich 
da  durch  den  Verkehr  die  Eigenart  der  einzelnen 
Stämme  immer  mehr  verwischt  wird.  Die  Hindu- 
frau behält  noch  den  Typus  der  Süd-Inderin  in 
ihren  Schmucksachen  bei,  einzelne  Kasten  scheinen 
ihre  eigene  Art,  sich  zu  schmücken,  angenommen 
zu  haben,  so  z.  B.  die  schön  und  edel  geformten 
Brahmaninnen  der  Parsukaste,  welche  mit  Vorliebe 


'  OE8TERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


187 


\    PRu; 


Flg.  ID.  Kopficbmnck  «na  8fld-Indlen. 


grosse ,  dünne  Nasenringe  mit  Perlen  besetzt 
tragen  und  dafür  wenigen  Wertii  auf  den  reichen 
Ohrschmuclc  legen  (Fig.  20).  üie  Muselmanin 
hingegen    trägt  keine    Nasenringe,    kleine    Ringe 


in  den  Ohren  und  Arm-,  und  Fussringe  wie  die 
Hindus.  Silberne  Halsketten,  meist  mit  kleinen 
Silberkugeln  verziert,  welche  in  Bombay  in  jedem 
L:tden  zu  sehen  sind,  werden    von    allen  Frauen 


138 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


getragen  und  auch  von  den  Europäerinnen  nicht 
verschmäht.  Die  Formen  sind  so  bekannt,  dass 
eine  Zeichnung  davon  zu  bringen  überflüssig  wäre. 

Die  Parsis,  welche  einen  bedeutenden  Bruch- 
theil  der  Bevölkerung  in  Bombay  ausmachen, 
haben  in  ihren  Schmuckgegenständen  nichts  Cha- 
rakteristisches, die  Frauen  verschmähen  jeden 
anderen  Schmuck,  den  nicht  auch  eine  Europäerin 
tragen  würde,  höchstens  dass  zu  dem  Ohrring 
noch  ein  zweiter  knopfartiger  in  die  Ohrleiste 
gefügt  wird. 

Nördlich  von  Bombay,  bei  Ahmedabad,  be- 
gegnet man  zuweilen  den  dunkelfarbigen,  kräftigen 
Bhils,    jenem  Stamm,    welcher    hauptsächlich    die 


südlichen  Gebirge  von  Radschputana  bewohnt. 
Die  Frauen  tragen  eigenartige,  mühlsteinförmige, 
grosse  Ohrringe,  welche  des  Gewichtes  wegen 
oft  durch  Kettchen  gehalten  werden  müssen.  Der 
Ohrrand  ist  mit  kleinen  Ringen  behängt,  an  welchen 
Knöpfchen  oder  muschelförmige  Anhängsel  be- 
festigt sind.  Der  linke  Nasenflügel  ist  durch  einen 
Ring  oder  Knopf  verziert.  Am  Halse  werden 
Perlschnüre  und  Ketten  verschiedener  Form  ge- 
tragen, während  den  Arm  stets  glatte,  starke 
Ringe  aus  Elfenbein  oder  bei  den  ärmer  en  aus 
Glas  zieren.  Ein  einfacher  F'ussring  und  ein  oder 
zwei  Zehenringe  vervollständigen  den  Schmuck 
(Fig.   2  1,   2  2). 


Fig.  iO,  Brabmauili,  Parsu-Kaste  (Bombay). 


In  den  nördlichen  Theilen  von  Indien  werden 
Schmuckgegenstände  und  Costüme  immer  com- 
plicirter,  letztere  schon  wegen  der  oft  ganz 
empfindlichen  Winterkälte.  Bei  den  Frauen  wird 
Ober-  und  Unterkleid  zuweilen  ganz  getrennt; 
ersteres  bildet  ein  beliebiges  Stück  Zeug  (Sari), 
oft  reich  verziert,  oft  schleierartig,  das  stecs  über 
den  Kopf  gelegt  und  dessen  Ende  mit  der  Hand 
über  die  Brust  gehalten  wird;  letzteres  wird  zum 
wirklichen  genähten  Frauenrock  oder  bei  den 
Mohammedanerinnen  zur  Hose.  Auch  die  Männer 
erscheinen  reicher  gekleidet  und  besonders  die 
Mohammedaner  unterscheiden  sich  wenig  von  ihren 
Glaubensbrüdern  in  Arabien,  was  sogar  so  weit 
geht,   dass  sie   auch   den  Bart   in   derselben  Weise 


zuschneiden  und  diesen  nicht  wie  die  Radschputen 
vom  Kinn  nach  beiden  Seiten  gestrichen  tragen. 
Es  wäre  eine  sehr  lohnende  .Aufgabe,  das  nörd- 
liche Indien  in  Bezug  auf  die  Costüme  zu  studiren  ; 
man  müsste  ein  eigenes  Studium  daraus  machen, 
welches  gewiss  von  grossem  Nutzen  für  die  Ethno- 
graphie  wäre. 

Selbst  die  ärmste  Frau  besitzt  in  Nord-Indien 
mehr  Schmuck  als  Frauen  irgendwo  anders.  Die 
Masse  der  Ohr-  und  Nasenringe,  die  vielen  Hals- 
ringe und  Ketten,  die  oft  vollkommen  mit  Reifen 
bedeckten  Unterarme  fallen  nicht  so  auf  wie  die 
schweren  Ringe  am  Fussgelenke  und  an  den 
Zehen.  Wenn  Frauen  des  Weges  kommen,  so 
glaubt    man   das   Kettengerassel    einer  escortirten 


OESTBRRfICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FOr   DEN    ORIENT. 


139 


Verbrecherbande  zu  hören ;  das  sind  die  schweren 
Siiberringe,  häufijj  hohl  gemacht,  mit  Steinchen 
darin,  oder  es  hänjjt  eigens  ein  HQndel  Schellen 
daran.  Ebenso  sind  viele  Zehenringe  zu  Schellen 
gemacht  oder  klappern  im  Gehen  von  selbst 
aneinander. 


Diese  Zehenringe  haben  mannigfaltige  Formen, 
sind  meist  aus  Zinn  oder  Silber,  in  Amrizar  auch 
emaillirt.  Häufig  sind  es  einfache,  flache  Keifen, 
oft  mit  einem  Bündel  Silberperlen  verziert,  und 
jttner  der  kleinen  mit  dem  der  grossen  Zehe  durch 
Ketteben  verbunden.    Manchmal    sind  sämmtlicbe 


Y^l'^"i 


Fig.  ül.  Bhil'Frau  aus  Katlilanar  (l'roTtnx  Uombay). 


Zehen  mit  Ringen  besteckt  und  jeder  einzelne 
durch  ein  Kettchen  mit  dem  Fussgelenkc  ver- 
bunden. Auf  diesen  Ringen  ist  dann  stets  eine 
zugespitzte  Metallplatte  befestigt,  welche  gleichsam 
als  Schild  über  der  Zehe  liegt.  Diese  Schilde  sind, 
besonders  häutig  in  Amrizar,  zuweilen  blau  oder 
grün  emaillirt  (Fig.  27).  Der  Ring  der  grossen 
Zehe   hat  oben    eine  entsprechend  grosse  verzierte 


l'latte,  unten  aber  einen  Querstab,  auf  welchem  die 
beiden  nächstliegenden  Zehen  ruhen  (Fig.  260,  6). 

In  der  Regel  sind  die  Zehenringe  nicht  ge- 
schlossen, sondern  werden  durch  Zusammendrückea 
an  der  Zehe  befestigt;  jene  einfachen  Reifen  als 
Zehenringe,  welche  in  Süd-Indien  getragen  werden, 
kommen  im  Norden  nicht  vor. 

Die  Fussringe,  welche  am  Knöchel  aufliegen. 


140 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


sind  zumeist  kreisrund,  hohl,  mit  eingeschlossenen 
Steinchen  und  geschlossen,  oder  offen  und  in 
zwei  Kugeln  endigend,  welche  nahezu  aneinander 
stossen.  Sehr  häufig  sind  diese  Fussverzierungen 
aus  Ketten  gebildet,  am  unteren  Rand  mit  allerlei 
Kugeln  oder  Plättchen  verziert  und  schmiegen 
sich  an  den  Fuss  an  (Fig.  34  a,  Ö).  Das  Material 
ist  durchwegs  weisses  Metall,  zumeist  Silber,  nur 


in  Radschputana  sah  ich  auch  solche  aus  polirtem 
Eisen. 

In  ganz  Radschputana  herrscht  derselbe  Typus 
mit  geringen  Variationen  vor,  das  Princip  ist 
stets  dasselbe,    nur  die  Form  wechselt  zuweilen. 

Der  Schmuck  des  Kopfes  besteht  aus  fol- 
genden wesentlichen  Stücken:  Vom  Beginn  des 
Scheitels  in  die  Stirne  hängt  eine  Perle  oder  ein 


Flg.  22.  Bhil-Frau  (Mahratta). 


verziertes  Ornament,  von  diesem  laufen  längs  der 
Haarscheitel  nach  beiden  Ohren  Ketten,  meist 
aus  Silber,  die  zu  Beginn  und  Abschluss  vier- 
eckige oder  runde  Platten  eingefügt  haben,  welche 
die  einzelnen  Kettchen  tragen  und  auseinander- 
halten. In  Amrizar  sah  ich  solche  Ketten,  bei 
welchen  die  Platten  nahe  dem  Ohre  die  F'orm 
eines  phrygischen  Schildes  hatten  und  so  gross 
waren,  dass  sie  die  Schläfen  fast  bedeckten. 

Je  nach  dem  Reichthume  der  Trägerin  sind 
diese  Ketten    mehr    oder    weniger    reich    und  oft 


sehr  schön  gearbeitet.  Sie  kommen,  sowie  die 
Nasenringe  kleinerer  Gattung,  stets  auf  alten 
Bildern  vor,  wobei  mir  aber  auffiel,  dass  diese 
abgebildeten  Frauen  nie  so  überladen  an  Schmuck 
sind,  wie  dies  heute  der  Fall  ist.  Es  scheint  des- 
halb diese  Mode  erst  neueren  Datums  aufge- 
kommen  zu  sein. 

Das  Ohr  selbst  ist  zumeist  der  ganzen  Ohr- 
leiste entlang  durch  kleine  Ringe,  oft  10 — 15  an 
der  Zahl,  geziert,  während  im  Ohrläppchen  3 — 5 
grössere  Ringe  stecken  (Fig.  40,  42,  43).   Letztere 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


141 


sind  zumeist  aus  Siiberdrabt  und  durch  aufgelegte 
viereckige  oder  runde  schildförmige  Platten  ver- 
ziert. Uebrigens  kommen  auch  vielfach  Ohrringe 
in  der  Form  von  Manchettenknöpfen  vor.  Das 
Ohrläppchen  ist  nicht,  wie  im  Süden,  ausgedehnt, 
das  Loch  darin  ist  nur  so  gross  als  nöthig,  um 
den  Schmuck  aufzunehmen,  das  Gewicht  des 
Schmuckes  wird  oft  durch  tragende  Ketteben 
oder  Fäden  aufgehoben,  die  am  Ohransatze  oder 
in  den  Haaren  befestigt  werden.  Wo  immerhin 
Platz  zum  Anbringen  von  Ohrschmuck  ist,  wird 
dieser  ausgenützt,  der  Rand  der  Ohrmuschel  wird 


nicht  selten  durch  das  Gewicht  der  vielen  Ringe 
nach  abwärts  gebogen,  ja  sogar  die  Ohrecke 
wird  durchlöchert  und  dient  zur  Aufnahme  eines 
grossen  Ringes  von  lO  Centimcter  Durchmesser 
(Fig.  24).  Derselbe  Ring  mit  Steinen  und  Perlen 
verziert  wird  auch  sehr  häufig  als  Nasenring  im 
linken  Flügel  getragen  (Fig.  36)  und  hängt  so 
über  Mund,  Kinn  und  Wange.  Unwillkürlich  fragt 
man  sich:  Wie  essen,  wie  küssen  diese  Mädchen? 
Auf  jeden  Fall  aber  macht  dieser  Nasenscbmuck 
den  Eindruck,  als  hätte  er  den  Zweck,  die  Leiden- 
schaften zu  massigen.  Als  Maler,  der  oft  stunden- 


X- 


«S;i'-0^. 


^\^; 


Fig.  23.  Rad8cb|)ute  nach  einem  moderneu  indischen  QemUde. 


lang  unbeobachtet  in  einem  Winkel  bei  der  Arbeit 
sitzt,  hatte  ich  häufig  Gelegenheit,  zankende  und 
kreischende  Weiber  zu  beobachten,  welche  die 
schmelzende,  einschmeichelnde  Stimme  der  indi- 
schen Mädchen  schon  längst  abgelegt  hatten;  wie 
die  Kampf  hähne  fuhren  sie  gegeneinander,  blieben 
aber  stets  in  respectvoller  Entfernung  von  den 
Fingerspitzen  der  Gegnerin,  denen  der  Nasenring 
einen  zu  willkommenen  .'\nhaltspunkt  geboten  hätte. 
Nicht  immer  sind  es  dünne  Drahtreife,  oft 
sind  solche  Ringe  reich  verziert  und  werden  von 
einem  Faden,  der  hinter  das  Ohr  geht,  theiis  ge- 


tragen, theils  an  die  Wange  gedrückt.  Diese 
Ringe  im  Nasenflügel  werden  stets  nur  in  einem, 
gewöhnlich  dem  linken  Flügel  getragen,  der  andere 
Nasenflügel  wird  durch  eine  knopfartige  Verzierung 
bedeckt;  gewöhnlich  fehlt  auch  nicht  die  Perle, 
welche  in  der  Nasenscheidewand  befestigt  wird. 
In  der  Nähe  des  nördlichen  Indus  scheinen  diese 
manchettenknopfartigen  Nasenverzierungen  die 
Ringe  oft  ganz  zu  verdrängen.  Ich  sah  dort 
Frauen,  welche  in  jedem  Nasenflügel  einen  solchen 
Knopf  trugen. 

Armspangen,  welche  nur  die  Hälfte  des  Um- 


142 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FOR    DEN    ORIENT. 


fanges  vom  Oberarme  decken  und  durch  Schnüre 
befestigt  werden,  kommen  sehr  häufig  und  iu  ver- 
schiedenen Formen  vor;  zumeist  sind  sie  schuppen- 
förmig  oder  bestehen  aus  einer  Reihe  länglicher 
Kapseln,  zuweilen  sind  sie  auch  aus  kleinen  Glas- 
perlen gemacht.  Dieser  Schmuck  ist  für  Radsch- 
putana,  namentlich  Adschmir  und  Dscheypur, 
charakteristisch. 

Dort,  wo  die  beiden  Enden  geknüpft  werden, 
nämlich  an  der  unteren  Seite  des  Oberarmes, 
hängt    häufig    noch   eine   längliche   quasten-   oder 


dütenförmige    Verzierung    oder    eine    Art    Knopf 
mit  einem  Stein  darin. 

Der  Unterarm  ist  stets  mit  mehreren  Ringen 
bedeckt,  welche  verjüngend  gegen  das  Handgelenk 
die  Form  des  Armes  mitmachen.  Die  einfachste 
Form  sind  Bronzeringe,  welche  nicht  zu  öffnen 
sind,  oder  jene  aus  Harzcomposition,  die  man  in 
ganz  Indien  sieht.  Diese  Armbänder  sind  stets  so 
klein,  dass  ich  annehmen  muss,  dieselben  werden 
den  jungen  Mädchen  angesteckt  und  werden  im 
Wachsthume    durch    grössere    vermehrt,   so     dass 


Fig.  24.  Fran  aus  Ämrizar. 


schliesslich  die  ganze  Reihe  von  Ringen  nicht 
mehr  vom  Arme  zu  trennen  sind.  Bei  aller  Zart- 
heit der  indischen  Frauenhände  ist  doch  nicht 
anzunehmen,  dass  jene  Armbänder,  welche  ich 
mitgebracht,  dazu  bestimmt  sind,  über  die  Hand 
gezogen  zu  werden.  In  Europa  ist  es  mir  wenig- 
stens nicht  gelungen,  einer  noch  so  zarten  Mäd- 
chenhand ein  solches  Armband  anzustecken.  Andere 
Armbänder  sind  entweder  elastisch  oder  haben 
einen  Verschluss  zum  Oeffnen,  bei  welchem  ein 
Stück   des  Armbandes  herauszunehmen   ist,   wie   in 


Fig.  48  ersichtlich.  Der  Verschluss  wird  durch 
einen  eingeschobenen  Stift  hergestellt,  wie  bei  den 
arabischen  Schmuckgegenständen. 

Am  meisten  charakteristisch  für  die  moham- 
medanischen Völker  Indiens  oder  solche,  welche 
mit  ihnen  in  Verbindung  stehen,  sind  eine  Art 
Halsketten,  wie  dieselben  bei  arabischen  Stämmen 
in  Afrika  oder  Asien  vorkommen,  und  welche 
Form  offenbar  auch  von  dort  ihren  Ursprung 
herleitet.  Dieselben  bestehen  aus  einer  meist 
länglich     viereckigen     Schliesse    aus    Silberblech, 


flg.  25.  Ring  ilnr  grossen  und  kleinen  Zohe  durch  Keltrbcn   vor- 
liunden. 
,     S«   n,  *.  Ring  für  die  grosse  Zehe,  Zink. 
,     27.  Zellenring  bUu  eniaiilirt  (Amriiar),  Sillier. 
y,    29,  .12.  Zebenriuge  aus  l>Mciieypur. 


Kig.  29,  30.  Zehenring  fllr  die  gross«  Zehe  (l>esh»w«r),    Silber. 
,    31.  Zehenring  (Peahowarl,  Silber. 
,     3.1.  Knssring  mit  Schelle  (Ahm»d«biid),  Silber. 
„     34  (I    fc.  Fnssringe  au«  Teshawar. 
,    »6.  Uracelett  (Pe»b»w»r),  Silber. 


144 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN    ORIENT. 


vielleicht  auch  zum  Aufbewahren  von  geschrie- 
benen Amuletten  zu  verwenden,  sind  reich  mit 
Ornamenten  verziert  und  am  unteren  Rande  mit 
Kettchen  und  Anhängseln  behangen.  Zu  beiden 
Seiten  geht  eine  Reihe  von  Ketten  ab  oder  ein 
Bündel  Glasperlen,  die  in  eine  Schliesse  endigen. 
Auf  Fig.  36  ist  ein  solcher  Halsschmuck  ersichtlich. 
Massive  Halsringe  (Fig.  47)  sind  in  ganz 
Nord-Indien  gebräuchlich,  ein  ebenso  häufiger 
Schmuck'  besteht  aus  kleinen  viereckigen  Amulet- 
kapseln,  welche  an  einer  Schnur  in  gewissen 
Abständen  aufgereiht  werden  und  tief  auf  die 
Brust  hängen,  ähnlich  auch  die  aus  Münzen  her- 
gestellten Halsketten  auf  Fig.  37. 


Fingerringe  weisen  keine  charakteristischen 
Formen  auf;  jene  runden  schalenförmigen  Auf- 
sätze, in  welchen  ein  kleiner  runder  Spiegel  ein- 
gesetzt ist,  kommen  in  ganz  Indien  vor  und  werden 
von  den  Frauen  stets  am  Zeigefinger  getragen 
(Fig.  45).  Dieselben  fehlen  auf  älteren  Bildern 
fast  nie  bei  weiblichen   Darstellungen. 

Der  Schmuck  der  Männer  besteht  haupt- 
sächlich in  Ohrringen  und  Halsketten  verschiedener 
Formen.  Erstere  werden  bei  Reichen  meist  als 
grosse  Brillantboutons,  letztere  als  Ketten  mit 
einer  Art  Medaillon  um  den  Hals  getragen.  Arm- 
bänder sind  ebenfalls  nicht  selten.  Die  Abbildung 
F'g-  23,  welche  einem  indischen  Originalgemälde 


Fig.^SG.    Ilindu-Mädcl  en  aus  Labore. 


entnommen  ist,  macht  den  Schmuck  ersichtlich, 
auf  älteren  Bildern  ist  der  Schmuck  zumeist  reicher, 
Ohrringe  fehlen  wenigstens  nie. 

Alles  über  den  Schmuck  im  nördlichen 
Indien  Gesagte  ist  für  ganz  Radschputana  giltig, 
zum  grossen  Theile  auch  für  das  Pendschab  und 
die  Gebiete  am  Ganges.  In  Benares  beispiels- 
weise ist  mir  gar  nichts  aufgefallen,  was  ich 
nicht  an  anderen  Orten  schon  getroffen  hätte, 
vielleicht  dass  ein  Armband  zu  erwähnen  wäre, 
welches  dort  vielfach  verkauft  wird.  Es  ist  dies 
ein  tiicht  ganz  geschlossener  Reifen  aus  Bronze, 
dessen  Enden  durch  Tigerköpfe  abgeschlossen 
sind,  und  erinnert  an  eine  altrömische  Form   mit 


Widderköpfen.  Ganz  ähnliche  Armbänder  habe 
ich  in  der  Provinz  Sikkim  begegnet,  nur  war 
die  Arbeit  eine  andere  und  der  Charakter 
chinesisch. 

Das  Eigenthümliche  in  den  Schmucksachen 
der  verschiedenen  Städte  ist  wohl  aus  den  Zeich- 
nungen am  besten  zu  ersehen  und  habe  ich  ab- 
sichtlich solche  Typen  gewählt,  welche  am 
häufigsten  in   einer  Stadt  vorkommen. 

Besonders  reich  und  schön  ist  der  Silber- 
schmuck in  Peschawar,  anderer  wird  dort  kaum 
getragen.  Die  auffallende  Menge  von  Silber- 
arbeitern lässt  darauf  schliessen,  dass  diese  einen 
ausgebreiteten  Handel  mit   ihrer   Waare    treiben, 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


146 


nicht  nur  nach  den  nördlicher  gelegenen  Städten 
Indiens,  sondern  auch  namentlich  nach  Afgha- 
nistan. 

Die  Charakteristik  dieser  Schmuckgegen- 
stände ergibt  sich  aus  den   Abbildungen. 

Was  die  reichen  Schmuckgegenstände  an- 
belangt, muss  ich  auf  die  Museen,  die  oben  an- 
geführte Literatur  und  die  darin  enthaltenen 
Zeichnungen  verweisen,  da  diese  gar  nicht  in 
den  Rahmen   dieses  Aufsatzes  gehören,  ausserdem 


mir  solche  gar  nicht  immer  zugänglich  waren. 
Die  Silberarbeiter  führen  gewöhnlich  nur  die 
billigeren  gangbaren  Sorten,  während  die  kost- 
baren Schmucke  stets  nur  auf  Bestellung  ange- 
fertigt werden. 

Ganz  anders  als  im  Obrigen  Indien  ist  der 
Schmuck  in  der  Provinz  Sikkim,  welche  ja  geo- 
graphisch auch  gar  nicht  mehr  zu  Indien  zu 
zählen  ist.  Die  grösstentheils  mongolische  Bevöl- 
kerung oder  deren  Mischracen   hat  ihre  Schmuck- 


WVS»- 


Fig.  87.  Ttnxerin  ani  Delhi. 


formen  nur  zum  Theile  von  indischen  Völkern 
entlehnt,  denn  ßhotan,  Tibet,  ja  selbst  China 
liegen  denselben  in  jeder  Beziehung  viel  näher 
als  Indien.  Es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  wir  fast  durchwegs  centralasiatischen 
Formen  begegnen.  So  fällt  schon  das  Material 
auf;  Silber  ist  sehr  selten  zu  sehen  und  fast  alle 
Schmuckgegensiände  sind  aus  vergoldeter  Bronze. 
Der  Türkis  ist  der  fast  ausschliessliche  Stein, 
und  auffallenderweise  gesellt  sich  diesen  die 
Coralle  als  häufige  Begleiterin    bei,    so  bei  dem 


diademartigen  Kopfschmucke  der  Frauen  (Fig.  49), 
wo  auf  einem  rothen  Wulste  aus  Tuch  abwech- 
selnd je  ein  Türkis  und  eine  Corallc  aufgenäht 
erscheinen.  Die  langen  Ohrringe  der  Frauen, 
sowie  Finger  und  Ohrringe  der  Männer  sind 
stets  mit  Türkisen  besetzt,  ebenso  sind  diese 
sehr  geschickt  bei  jenen  .'\muletkapsela  ver- 
wendet, welche  jede  Frau  an  einer  Pcrlschnur 
um  den  Hals  trägt.  Die  Steine  sind  wie  Mosaik 
eingefügt  und  sind  selten  von  guter  Qualität. 
Armbänder  der  Frauen  sind  gewöhnlich  aus 


Fig.  3s.  Bracelett  (Peshawar),  bilber. 
„    89.  Bracelett  aus   Pcsbawar. 
„    41.  Ohrring  (Amrizar),  vergoldete  Bionze. 
„    40,  42,  43.  Ohrringe  (vdliäQ,  Labore),  Silber. 


Fig.  44.  Chi  ring  (Pesbawar),  Silber. 
f,    45.  Spiegelriug  für  den  Zeigefinger  (Pesbawar),  Silber. 
„    46.  Ohrringe  aus  Dscbeypur. 


UESTERnEICinOCHE   MONATSSCHRIFT   ffln    DEN   ORTEN'l 


U7 


Fig.  47.  Hulsrlng  (Hllber)  aus  Peshaw&r. 


Muscheln     (Changu)    geschnitten.     Dieselben     be- 
stehen  aus    dein    etwa  8  —  lo  Centiraeter   breiten 


Mittelstück  dieser  Masche/  und  werden  den  jungen 
Mädchen    an    die    Arme    gegeben,     so  lange    sie 


/    JEDMOTA 
,   K   P  0  V  Z  B  U  2.  £  N I  , 
\      PRUMYSLM      / 

-    V  cechAch 


Flg.  4S.  ArrareireB  (Silbor)  itua  Pntaawar. 

noch  im   Wachsthum  sich  befinden,  und  sind  bfi  |  zu  trenneo.    Ausserdem    sah    ich    Armbänder  aus 
eiwa<hsfnen  Flauen  nicht  mt  hr  vom  Handgelenke  j  Hronzc  und  Silber,  letztere  sehr  schön  gearbeitet. 


148 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


Fig.  49.  Lepcha-Fran.   (Dardacblling). 


Fig.  50.  Ilindumädchen  (Mi.?cbras8e).  Uardscbiiing. 


OESTERREICHI8CHE   MONATSSCHRIFT    POR   DEN   ORIENT. 


149 


Es  sind  dies  Reifen ,  welche  nicht  ganz  ge- 
schlossen sind  und  an  welchen  die  beiden  Enden 
durch  styiisirte  Tigerköpfe  im  chinesischen  Style 
verziert  sind. 

Hier  tragen  fast  alle  Männer,  ausser  anderen 
Ringen ,  grosse  mühlsteinförmige  Ringe  aus 
Elfenbein  am  Daumen,  die  ursprünglich  den 
Zweck  hatten,  den  Daumen  vor  dem  Zurück- 
schnellen der  Bogensehne  zu  schützen.  Auch  die 
Sikb  tragen  diesen  Ring. 

Zum  Schmucke  gehört  schliesslich,  wie  bereits 
erwähnt,  auch  das  Tätowiren  und  Bemalen  der 
Haut.  Erstcres  ist  in  ganz  Indien  gebräuchlich, 
aber  nirgends  auffallend.  In  Süd-Indien  wohl 
häufiger  als  im  Norden  ist  diese  Sitte  weniger 
allgemein  als  bei  den  nordafrikaniscben  Arabern. 


Hingegen  tritt  die  Bemaluog  der  Haut  ia  Indien 
in  den  Vordergrund  und  entspringt  in  der  Regel 
religiösen  Gebräuchen.  Namentlich  alle  Hindu- 
völker tragen  das  Abzeichen  ihres  Glaubens  an 
der  Stirne.  So  vor  Allem  zeichnen  sich  die 
Vishnuiten  durch  zwei  senkrechte  weisse  Streifen 
an  der  Stirne,  welche  sich  an  der  Nasenwurzel 
verbinden,  aus,  zwischen  welchen  eine  rothe 
Linie  eingezeichnet  ist.  Die  Qivaiten  hingegen 
haben  einen  breiten,  weissen  Querstreifen  über 
der  Stirne,  oder  i — 3  feine  weisse  Qucrlinien. 
Um  bei  der  von  Natur  aus  niederen  Stirne  der 
Malerei  die  nüthige  Fläche  zu  bieten,  ist  der 
Schädel  zumeist  zur  Hälfte  geschoren,  oder  es 
wird  blos  die  Partie  über  der  Stirne  viereckig 
ausgescboren,  so  dass  an  den  Schläfen  die  Haare 


Flg.  51.  fichmuckgogenst&nde  aus  Sikklm. 
[a  Weibliolier  Ohrring,  b  minDlicber  Ohrring,  e  Fingerring,  i  minnlleher  Ohrring. 


Stehen  bleiben.  Aber  nicht  nur  das  Gesicht  wird 
bemalt,  manchmal  sieht  man  Männer  aus  den 
Tempeln  kommen,  welche  den  Oberkörper,  Arme 
und  Beine  mit  breiten  weissen  Streifen  bekleckst 
haben,  welche  ihnen  die  Priester  als  Zeichen 
einer  gewährten  Absolution  aufgemalt  haben. 
Am  tollsten  wird  in  dieser  Weise  bei  einem  Feste 
im  Frühjahre  vorgegangen,  welches  ich  in  Radsch- 
putana  mitmachte.  Alle  Männer,  welche  die 
Tempel  verliessen,  erschienen  mit  grellroth  be- 
schmierten Gesichtern  und  waren  überdies  mit 
einer  rothen  P'lüssigkeit  vom  Turban  bis  zu  den 
Sandalen  besprengt.  Fakire  sind  fast  stets  am 
ganzen  Körper  mit  Asche  eingerieben  und  er- 
halten dadurch  eine  abschreckend  hässliche  graue 
Farbe,  über  welche  überdies  noch  verschiedene 
Abzeichen  mit  Farbe  j.emalt  werden. 


Weit  bescheidener  tritt  die  Malerei  bei  den 
Frauen  auf,  gewöhnlich  beschränkt  sich  diese 
auf  einen  kleinen  kreisrunden  rothen  Fleck  mitten 
auf  der  Stirne. 

Nur  in  Tritschinapali  und  Madura,  sowie  in 
Madras  sah  ich  Mädchen,  welche  ihr  Gesicht  mit 
einer  safrangelben  Schminke  eingerieben  hatten 
und  dadurch  nach  unseren  Begriffen  sich  wenig 
verschönerten.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  ob  diese 
Manipulation  diesem  oder  einem  religiösen  Motive 
entspringt. 

Häufig  tragen  Frauen  an  der  Stirne  Ab- 
zeichen von  aufgeklebten  Sternchen  aus  Gold- 
papier oder  ein  Stückchen  Blattgold,  dem  soge- 
nannten altindischen  Tilaka.  Bei  Hoch  Zeitsfeier- 
lichkeiten werden  hiemit  wahre  Orgien  gefeiert. 
Das  Gesicht  des  Bräutigams  und  der  Braut  wird 


150 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


mit  rother  Farbe  beschmiert  und  überdies  mit 
Gold  und  GoldpIättcVien  förmlich  bepflastert.  Die 
Mohammedanerinnen  Indiens  färben  sich  die  Finger- 
spitzen und  die  innere  Fläche  der  Hand  wie  die 
Araberinnen  und  auch  die  Männer  die  weissen 
Barthaare   roth,   wahrscheinlich   mit   Henna. 

Nur  in  Sikkim  sind  die  Frauen  einzelner 
Stämme  an  den  Wangen  röthlich  geschminkt  und 
dürfte  dies  rein  der  Erhöhung  ihrer  Schönheit 
gelten.  Die  Leptscha-Frauen  bemalen  sich  das 
Gesicht  mit  einer  bräunlichen  harzigen  Flüssigkeit, 
welche  auf  der  nie  gewaschenen  fetten  Haut  zu 
Perlen  zusammenrinnt  und  so  den  Eindruck  von 
Sommersprossen  erzeugt.  Da  diese  Bemalung 
auch  wirklich  an  jenen  Stellen  des  Gesichtes  am 
häufigsten  vorkommt,  wo  gerade  die  Sommer- 
sprossen am  dichtesten  sind,  so  Nasenrücken, 
Stirne  und  unter  den  Augen,  so  drängt  sich  die 
Vermulhung  auf,  dass  diese  Frauen  geradezu 
Sommersprossen  —  als  Beweis  einer  zarten  Haut 
—  imitiren  wollen.  Man  sagt  übrigens,  dass  diese 
Entstellung  des  Gesichtes  den  Zweck  habe,  die 
Tugend  der  Frau  vor  etwaigen  Angriffen  zu  schützen. 
Als  Analogon  hiezu  sei  der  Sitte  der  Ladakh- 
frauen  erwähnt,  ihr  Gesicht  mit  Kleister  zu  be- 
schmieren und  dann  mit  kleinen  Samenkörnern 
von  Grasarten  oder  Aehnlichem  in  ziemlich  regel- 
mässigen und  symmetrischen  Linien  zu  belegen, 
was  in  dem  trockenen  Klima,  da  auch  nur  selten 
gewaschen  wird,  ziemlich  lange  währt  und  den 
widerlichen  Eindruck  einer  stark  entwickelten 
Hautkrankheit  macht  (H.  v.  Schlagintweit,  Reisen 
in  Hochasien,  Bd.  II,  p.  298).  Endlich  ist  in 
dieser  Hinsicht  zu  erinnern,  dass  das  Bemalen 
des  Gesichtes  mit  rother  Erdfarbe,  selbst  mit 
Russ,  in  ganz  Tibet  von  den  Frauen  geübt  wird 
(vergleiche  Huc  und  Gäbet,  Reisen  durch  die 
Mongolei  etc.)." 

IM  DUNKELSTEN  AFRIKA.») 

Von     A.    von    Schweiger  -  Lerchenfeld. 

III. 

Geographische  Ergebnisse. 

In  den  vorangegangenen  beiden  Artikeln 
haben  wir  das,  je  nach  dem  Parteistandpunkte  un- 
gleich commentirte  'Ihema  „Stanley  und  Emin", 
sodann  die  grossartige  Gesammtleistung  der  Ex- 
pedition beleuchtet.  Es  erübrigt  noch,  einen  orien- 
tirenden  Blick  auf  die  wissenschaftlichen  For- 
schungsergebnisse des  Unternehmens  zu  werfen. 
Es  ist  eine  auffällige  Erscheinung,  dass  Stanley, 
der  bei  passenden  Anlässen  mit  Vorliebe  in  fach- 
wissenschaftliche Erörterungen  eingeht,  und  sogar 
grossen  Werth  auf  die  sachliche  Commentirung  geo- 
graphischer Dinge  legt,  im  Grossen  und  Ganzen 
dennoch  mit  einer  unverkennbaren  Absichtlichkeit 
sich  in  einen  mitunter  peinlich  berührenden  Gegen- 
satz zu  den  Männern  der  Wissenschaft  und  deren 
Bestrebungen  stellt. 

Zunächst  beweist  dies  sein  Verhalten  gegen- 
über den   naturwissenschaftlichen  Arbeiten  Emin's, 


>)  Siehe  Nr.  6  und  Nr.  7  dieses  Blattes. 


denen  er  theils  ziemlich  respectlos  ,  theils  mit 
schlecht  verhüllter  Ironie  begegnet,  als  wollte  er 
gewissermassen  verschämt  bekennen,  dass  solche 
Thätigkeit  allenfalls  einem  bebrillten  Professor, 
nimmer  aber  einem  afrikanischen  Bahnbrecher  ge- 
zieme. Diese  Erscheinung  spricht  gewiss  nicht  zu 
Gunsten  Stanley's ;  denn  Achtung  vor  der  Wissen- 
schaft ziemt  jedem  V  Gebildeten,  umsomehr  einem 
Manne,  der  mit  Auszeichnung  auf  dem  Gebiete  der 
Ländererforschung  gearbeitethat  und  der  von  seinem 
Standpunkte  aus  selbst  geringfügigen  Dingen  eicen, 
wie  er  meint,  allgemein  anzuerkennenden  Werth 
beilegt.  Wenn  es  nun  in  den  Augen  Stanley's  als 
ungemein  wichtig  erscheint,  dass  dieser  oder  jener 
Fluss  diesem  oder  jenem  Stromgebiete  angehört, 
wenn  er  eingehend  Wohnstätten,  Waffen,  Sitten 
und  Gebräuche  schildert,  so  sollte  man  meinen, 
dass  er  gute  Gründe  hätte,  auch  der  naturwissen- 
schaftlichen Forschung  das  Recht  zuzuerkennen,  in 
ähnlicher  Weise  zu  verfahren. 

Die  Sache  hat  aber  noch  einen  anderen  Haken. 
Stanley,  der  unverhüllt  zur  Schau  trägt,  dass  er 
nicht  als  Mann  der  Wissenschaft  gelten  wolle,  lässt 
sich  häufig  genug  in  wissenschaftliche  Erörterungen 
ein,  die  einen  erstaunenerregenden  Mangel  an  Me- 
thode und  exacter  Grundlage  verrathen.  Man  fühlt 
überall  die  Lücken  einer  gründlichen  höheren  Fach- 
bildung und  manches  kritische  Rankenwerk,  ins- 
besondere auf  historischem  und  ethnologischem 
Gebiete,  mit  welchem  er  seine  Beobachtungen  aus- 
schmückt, lassen  Einem  die  Haare  zu  Berge  stehen. 
Mit  Recht  behauptet  Fr.  Ratzel,  dass  Stanley's 
geologische  Speculationen  haarsträubend  seien. 
Einen  unerklärlichen  Abscheu  trägt  er  gegenüber 
den  Kartographen  zur  Schau.  Aus  manchen  An- 
spielungen liest  man  heraus,  dass  Stanley  der  streng 
wissenschaftlich  vorgehenden  Kartographie  rund- 
weg die  Berechtigung  abspricht,  das  von  ihm  ge- 
lieferte Material  kritisch  zu  sichten,  als  ob  allem, 
was  der  Forschungsreisende  oft  und  unter  den 
schwierigsten  Verhältnissen  und  mit  den  unzu- 
reichendsten Mitteln  —  von  anderen  störenden 
Factoren  ganz  abgesehen  —  zu  Wege  bringt, 
der  Werth  des  absolut  Wahren  und  des  Unum- 
stösslichen  zukäme.  Man  achtet  sich  selbst,  wenn 
man  das  Streben  jener  ehrlich  arbeitenden  Männer 
achtet,  die  mit  Hintansetzung  jedes  persönlichen 
Vortheiles  einzig  nur  auf  die  Sicherstellung  voll- 
wichtig beglaubigter  Thatsachen  bedacht  sind. 

Dagegen  schätzt  Stanley,  wie  nicht  anders  zu 
denken,  seine  eigenen  Forschungsergebnisse  un- 
gemein hoch.  Lassen  wir  dieselben  vorerst  in 
knapper  Uebersicht  vor  uns  Revue  passiren.  Sie 
betreffen  in  erster  Linie  das  Aruwimi-Gebiet,  als- 
dann die  Gegenden  zwischen  dem  Albert  Edward- 
See  und  dem  südwestlichen  Theile  des  Victoria- 
Sees.  Was  den  Aruwimi  betrifft,  stellt  es  sich 
jetzt  heraus,  dass  er  keiner  von  den  grösseren  Neben- 
flüssen des  Congo  ist.  Uelle-Ubangi,  Kassai,  Lubi- 
lasch  übertreffen  ihn  bedeutend  und  auch  der 
Tschuapa  dürfte  grösser  sein.  Der  Aruwimi.  wel- 
cher das  ungeheuere  Waldland  zwischen  dem  Congo 


OE6TERRE1CHISCHE   MONATSSCHRIPT    FÖR  DEN   ORIENT, 


161 


und  den  Seen  durchströmt,  hat  mehrere  Namen  ; 
er  hf.isst  in  den  verschiedenen  Abschnitten  seines 
Laufes  Dudu,  Dugerre,  Luhali,  Nevwa,  Itire.  Auf 
den  letzten  300  englischen  Meilen  bis  zu  seiner 
Quelle  geniesst  er  einen  besonderen  Ruf  als  Ituri. 
Der  Hauptstrom  des  Ituri  ist  in  einer  Entfernung 
von  680  englischen  Meilen  vor  seiner  Mündung 
125  Yards  breit  und  9  Fuss  tief.  Seine  Quellen  ver- 
legt Stanley  in  die  Nähe  der  Berge,  welche  die 
Namen  Schweinfurth's  Junker's  und  limin's  tragen 
(südwestlich  von  Wadelai).  Die  Stromentwicklung 
schätzt  Stanley  auf  etwa  800  englische  Meilen,  wo- 
von 680  Meilen  längs  seiner  Ufer  zurückgelegt 
wurden.  Auf  dem  ersten  Marsche  nach  dem  Albert- 
See  zog  die  Expedition  150  englische  Meilen  seinen 
Ufern  entlang,  oder  doch  in  deren  unmittelbaren 
Nähe ;  als  Stanley  umkehrte,  um  die  bei  Kilonga- 
Longa  zurückgelassenen  Boote  zu  holen,  wurde 
dieselbe  Strecke  zurückgelegt;  480  englische  Meilen 
weit  wanderte  die  Expedition  längs  den  Ufern 
dieses  Stromes,  oder  befuhr  ihn  mit  Booten,  als  es 
sich  darum  handelte,  die  Barttelot'sche  Colonne  auf- 
zusuchen. Dieselbe  Anzahl  von  Meilen  musste  zurück- 
gelegt werden,  um  zum  dritten  Male  den  Aibertsee  zu 
erreichen.  Der  Aruwimi  dürfte  sonach  heute  einer 
der  bestbekannten  Nebenströme  des  Congo  sein. 

Die  Beschreibung  des  Waldgebietes  selbst, 
dessen  Flächenausdehnung  Stanley  auf  260.OOO 
englische  Geviertmeilen  schätzt,  steht  an  Lebendig- 
keit und  Anschaulichkeit  weit  hinter  einer  ähnlichen 
Schilderung,  die  Schweinfurth  gibt,  zurück;  völlig 
begreiflich,  da  Stanley  auf  naturwissenschaftlichem 
Gebiete  ein  Laie  ist.  Freilich  versteht  er  ganz  vor- 
trefflich ,  die  Lücken  seines  Fachwissens  durch 
phantasievolle  Ausschmückungen  zu  verschleiern, 
was  den  oberflächlichen  Leser  ohneweiters  be- 
sticht. Die  Wirkung  hiebei  aber  wird  kaum  eine 
andere  sein,  als  sie  von  den  gewandten  Federn  bei 
der  Schilderung  exotischer  Hintergründe  zu  roman- 
haften Vorgängen  erreicht  wird. 

Mehr  an  die  gegebenen  geographischen 
Thatsachen  als  an  alles  von  der  Einbildungskraft 
eingegebene  malerische  Beiwerk  hält  sich  Stanley 
rücksichtlich  des  Albertsees.  Er  erklärt  es  für 
unbegreiflich,  wie  Samuel  Baker  annehmen  konnte, 
dass  der  See  sich  vom  Ausgangspunkte  des  hoch- 
gelegenen Landes,  oder  der  Terrasse,  oberhalb 
Vakovia  zu  so  ungeheuerer  Länge  nach  Süd- 
westen erstreckte.  Der  entlegenste  südwestliche 
Punkt  desselben  ist  ungefähr  bei  l "  li"  Nord- 
breite, das  ist  etwa  4 — 5  englische  Meilen  von 
dem  Punkte,  wo  Baker  sich  befand.  Was  die 
Sache  noch  unerklärlicher  macht,  ist,  dass  Baker 
behauptet,  der  Tag,  an  welchem  er  den  See  er- 
blickte, sei  ein  ungemein  heller  gewesen.  War  dies 
der  Fall,  so  hätte  —  wie  Stanley  nachweist  — 
Baker  sehen  müssen,  dass  er  blos  eine  seichte, 
10  englische  Meilen  breite  Bucht  vor  sich  hatte, 
in  welche  ein  Fluss  (der  Semliki)  mündet,  der  aus 
Südwesten  durch  eine  fast  ebene  Fläche  kommt. 
War  nun  der  Tag  thatsächlich  hell,  so  musste 
Baker  den  Sihnecberg  gesehen  haben,    dcrgerade 


vor  ihm  lag.  Dagegen  berichtet  Baker  über  die 
,, Blauen  Berge",  <lie  sich  als  der  etwa  looo  m 
über  dem  See  aufragende  Rand  des  Plateaus  ent- 
puppen. Interessant  ist,  das  sowohl  Stanley  als 
ICmin  ein  allmäliges  Einschrumpfen  dc3  Sees  con- 


V 


^i.^ 


i^. 


€ 


T>rall-rraa,  Sa<l-Indi«ii.   (Sieh«  .ladtwliar  VolkuekmMk.*) 


152 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Statinen.  Vor  hundert  oder  mehr  Jahren  musste  der 
See  IG — 15  englische  Meilen  länger  und  bei  Va- 
kovia  Weit  breiter  als  derzeit  gewesen  sein.  Emin 
berichtet:  „Inseln,  die  früher  in  der  Nähe  des  west- 
lichen Ufers  sich  befanden,  sind  nun  Vorsprünge 
des  Ufers  geworden,  und  unsere  Stationen,  sowie 
Dörfer  der  Eingeborenen  wurden  darauf  angelegt." 
Die  Entdeckung,  der  Stanley  weitaus  den 
grössten  Werth  beimisst,  betrifft  den  5500  m 
hohen  Ruwenzori  oder  den  „Wolkenkönig".  In 
ihm  wurde  das  seit  den  ältesten  Zeiten  in  die 
Quellregion  des  Nil  verlegte  hypothetische  „Mond- 
gebirge (Lunae  Montes)  erkannt.  Die  ausführ- 
lichen Darlegungen  über  diesen  Gegenstand  sind 
die  einzigen  in  Stanley's  Reisewerk,  die  einen 
gewissen  wissenschaftlichen  Anstrich  erhalten,  da 
sie  auf  die  meisten  der  vorhandenen  Quellen  sich 
erstrecken.  Aber  hier  scheint  der  berühmte 
Reisende  in  der  Person  des  ehrenwerthen  Herrn 
Richard  Charles  P.  Daly,  Vorsitzenden  der  ameri- 
kanischen geograpischen  Gesellschaft  in  New- 
York,  einen  sehr  achtbaren  Mitarbeiter  gehabt  zu 
haben,  wie  aus  einer  flüchtigen  Bemerkung 
Stanley's  hervorgeht.  Gleichwohl  würde  ein  ge- 
lehrterer Bearbeiter  dieses  Themas  ganz  anders 
verfahren  sein,  als  die  beiden  Amerikaner  in 
corpore,  eingedenk  des  reichen  historischen  und 
culturgeschichtlichen  Materiales,  welches  in  den 
classischen  Quellen  des  Alterthums  zu  finden  ist. 
Was  Stanley  hauptsächlich  abgeht,  ist  die  Fähig- 
keit, sich  ein  zutreffendes  Gesammtbild  von  den 
ältesten  Völkerbeziehungen  zu  machen,  das  frei- 
lich nicht  ohneweiters  zu  gewinnen  ist,  son- 
dern eingehende  Culturforschungen  voraussetzt. 
So  musste  sich  denn  auch  unser  Forscher  damit 
begnügen,  die  ihm  von  anderer  Seite  gelieferten 
Thatsachen  aneinander  zu  reihen,  und  diese  That- 
sachen  sind  im  Vi'^esentlichen  nichts  Anderes,  als 
das  kartographische  Material  aus  älterer  und 
ältester  Zeit,  das  längst  bekannt  ist.  Auch  die 
mitgetheilten  Bruchstücke  aus  arabischen  Kosmo- 
graphien  dürfen  den  Reiz  der  Neuheit  nicht  für 
sich  beanspruchen.  Neu  hingegen  ist  ein  Docu- 
ment,  das  für  die  Beurtheilung  dessen,  was  die 
geographische  Wissenschaft  der  Araber  vor  etwa 
zwei  Jahrhunderten  für  plausibel  und  wissenswerth 
hielt.  Es  handelt  sich  hier  um  eine  Handschrift, 
die  sich  im  Besitze  des  jetzigen  egyptischen 
Unterrichtsministers  Ali  Pascha  Mubarek  befindet, 
und  welche  von  Vandyk,  Lehrer  der  englischen 
Sprache  an  den  Staatsschulen  in  Cairo,  für  das 
Stanley'sche  Werk  übersetzt  wurde.  Das  Ela- 
borat, welches  eine  Compilation  einer  Anzahl 
wunderlicher  F'abeln  über  die  Quellen  des  Nil 
und  das  Mondgebirge  ist,  trägt  die  Jahreszahl 
1098  der  Hedschra,  d.  i.   1686  n.  Chr. 

Es  kann  nicht  Zweck  dieses  Referates  sein, 
auf  diese  und  ähnliche  Phantastereien  arabischer 
Kosmographen  näher  einzugehen.  Gegenüber  der 
Stanley'schen  Beurtheilung  dieser  Dinge  aber  hätten 
wir,  wie  uns  scheint,  begründete  Einwendung  zu 
machen.    Da  Stanley    auf    die    modernen  Karto- 


graphen schlecht  zu  sprechen  ist,  lässt  er  logi- 
scherweise auch  die  Kartenzeichner  des  Alter- 
thums und  des  Mittelalters  nicht  verschont  .... 
„Ein  Kartograph  ist  der  grösste  Sünder,  den  es 
gibt",  ruft  der  erzürnte  Reisende  aus.  Ein  anderes- 
mal  beklagt  er  sich,  dass  die  Kartographen  Details 
seiner  Aufnahmen  umgeändert  hätten  und  fügt  die 
Bemerkung  (es  handelt  sich  um  den  Entwurf  der 
Karte  des  Victoriasees)  bei :  „Ich  thue  das  mit 
dem  schmerzlichen  Bewusstsein,  dass  irgend  ein 
dummer  (!)  englischer  oder  deutscher  Karten- 
zeichner aus  Laune  oder  Unverstand  das  Becken 
vielleicht  innerhalb  der  nächsten  zehn  Jahre  500 
oder  700  km  weiter  nach  Osten  oder  Westen, 
nach  Norden  oder  Süden  verlegen  und  unsere 
Arbeiten  vollständig  wegwischen  wird.  Indessen 
tröste  ich  mich  damit,  dass  sich  in  den  Schränken 
des  britischen  Museums  ein  Exemplar  des  Werkes 
„Im  dunkelsten  Afrika",  welches  diese  Karte  ent- 
hält, vorfinden  wird,  und  ich  dann  Aussicht  habe, 
als  ehrlicher  Zeuge  der  Wahrheit  angeführt  zu 
werden,  in  derselben  Weise,  wie  ich  zur  Be- 
schämung der  Kartographen  des  19.  Jahrhunderts 
die  gelehrten  Kartographen  des  Alterthums  citire." 

Das  nennt  man  stolz  gesprochen!  Aber  was 
in  aller  Welt  mag  Stanley  mit  jener  Beschämung 
meinen  ?  Glaubt  er  vielleicht,  dass  Niemand  ausser 
ihm  (beziehungsweise  dem  Herrn  Daly,  der  das 
Material  geliefert)  etwas  von  der  Existenz  der 
kartographischen  Darstellungen  eines  Homer, 
eines  Hekatäus  und  Hipparchus,  eines  Ptolemäus 
und  Edrisi,  nichts  von  John  Ruysch,  Sylvanus, 
Hieronymus  de  Verrazano,  Sebastian  Cabot  u.  s.  w. 
weiss  ?  Steht  bei  uns  nicht  in  jedem  Leitfaden 
der  Geschichte  der  geographischen  Entdeckungen 
ganz  dasselbe  —  und  noch  viel  mehr  —  was 
Stanley  seinem  Reisewerke  als  „kritisches" 
Material  anhängt?  Wen  also  will  der  Reisende 
damit  „beschämen",  da  doch  jeder  deutsche 
Quartaner  über  dieselben  Dinge  Aufschluss  zu 
geben  vermag? 

Da  Stanley  von  der  fixen  Idee  ausgeht,  dass 
die  „dummen  Kartographen"  Alles  wieder  weg- 
streichen ,  was  Andere  mühsam  aufgezeichnet 
haben,  ist  er  der  naiven  Meinung,  er  hätte  mit 
der  Wiederbelebung  ältester  und  älterer  karto- 
graphischer Darstellungen  des  Nilgebietes  die 
wissenschaftliche  Ehre  jener  Wackeren  gerettet. 
Diese  Ehre  aber  wurde  von  gar  Niemandem  an- 
gegriffen, am  allerwenigsten  von  den  Männern 
der  Wissenschaft.  Bei  allem  Aufblähen  geht  aber, 
wie  schon  einmal  erwähnt,  Stanley  die  Fähigkeit 
ab,  gegebene  Thatsachen  einander  entgegen  zu 
halten,  und  vor  Allem  fehlt  ihm  die  tiefere  wissen- 
schaftliche Bildung,  um  sich  darüber  eine  klare 
Vorstellung  zu  machen,  in  welchem  Zusammen- 
hange die  kartographischen  Quellen  mit  den  ge- 
schichtlichen Thatsachen  und  culturhistorischen 
Erscheinungen  der  Vorzeit  stehen.  Wäre  Stanley 
in  die  Wesenheit  dieser  Dinge  eingedrungen, 
würde  er  nicht  die  kindische  Behauptung  aufge- 
stellt   haben  :      die  nachgeborenen  Kartographen 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR    DEN   ORIENT. 


IftS 


liätien  die  Aibeiten  der  Vorgänger  aus  purer 
Laune   verstümmelt. 

Es  steht  demnach  ausser  Frage,  dass  unser 
grosser  Reisender  hier  einer  gründlichen  und 
eingehenden  Belehrung  bedarf.  Zuvörderst  möge 
derseliie  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass 
die  vergleichende  Culturforschung  den  Beweis  er- 
bracht hat,  dass  die  Beziehungen  der  alten  Völker 
nach  Massslab  der  damaligon  Verkehrsverhältnisse 
von  einer  überraschenden  Vielseitigkeit  und  räum- 
lichen Ausdehnung  waren.  So  weit  unsere  Kenntniss 
von  diesen  Beziehungen  zurückreicht,  findet  man, 
dass  die  Völker  immer  die  Gelegenheit  suchten 
und  fanden,  miteinander  in  Verkehr  zu  treten. 
Weder  die  mächtigen  Staatengebilde,  noch  die 
alten  Culturkreise  waren  von ,, chinesischen"  Mauern 
umgürtet.  Die  zwischen  Nordafrika  und  West- 
asien hin-  und  herwogenden  Kriegszüge,  die 
uralten  Völkerbewegungen  aus  dem  Herzen  Asiens 
nach  den  Ostgestaden  des  Mittelmeeres,  die  kühnen 
und  erfolgreichen  Handelszüge  der  Phöniker  und 
die  so  gut  wie  unbekannten  zu  beiden  Seiten 
des  Ruthen  Meeres,  d.  h.  zwischen  Südwest- 
arabien und  „Aethiopien"  sich  abspielenden  Er- 
eignisse, welche  erst  im  salomonischen  Zeitalter 
in  einzelnen  greifbaren  Zügen  aus  der  Dämme- 
rung der  Mythe  hervortreten  :  dies  Alles  gestattet 
gewisse  Voraussetzungen,  welche  der  Geographie, 
wenn  auch  vorerst  nur  in  hypothetischer  Form, 
zugute  kommen. 

Wendet  man  diese  Voraussetzung  auf  die 
Nilquellen  an ,  so  wird  sich  ohneweiters  die 
Nothwendigkeit  ergeben,  an  der  Muthmassung 
festzuhalten,  dass  insbesondere  die  Egypter  ein 
grosses  Interesse  für  den  Ursprung  des  „heiligen 
Stromes"  hatten.  Zur  Befriedigung  eines  solchen 
nationalen  und  religiösen  Interesses  sind  die 
Wege,  welche  zum  Ziele  führen,  bekanntlich 
niemals  zu  weit.  Wie  weit  stromaufwärts  die 
Kenntniss  der  Egypter  über  den  Nil  reichte,  ist 
documentarisch  nicht  festzustellen.  Dass  sie  aber 
mindestens  bis  dorthin,  wo  heute  Chartum  liegt, 
vortrefflich  zu  Hause  waren,  darüber  berichten 
vor  Allem  die  —  Steine.  Wo  der  vereinigte  Nil 
den  Asbam  aufnimmt,  bilden  beide  Flüsse  die 
sogenannte  „Insel  Meroe",  auf  welcher  über  170 
Pyramiden,  mehr  oder  weniger  zerstört,  die  Lage 
der  alten  Residenz  Aethiopiens  bezeichnen.  An 
der  grossen  Beuge  des  Nils  bei  Dongola  lag  die 
alläthiopische  Hauptstadt  Napatra  ;  sie  wurde  von 
Petronius,  einem  General  des  Augustus,  er- 
stürmt. 

Es  ist  sonach  die  Frage  erlaubt:  wenn 
römische  Truppen  nilaufwärts  so  weit  vorge- 
drungen sind,  dass  seitdem  nur  ein  einziges 
europäisches  Heer  (das  englische  unter  Wolseley) 
diesen  Zug  wiederholen  und  um  eine  verhältniss- 
mässig  kurze  Wegstrecke  überbieten  konnte: 
sollte  der  antike  Gesichtskreis  über  Meroe  wirk- 
lich nicht  hinausgereicht  h.aben  ?  Die  grosse 
Wasser-  und  Dschungel wildniss  des  Nil  muss 
allerdings    als    die     Grenze    jedweden    Machtein- 


flusses und  jedweder  Culturbcstrebung  angeseben 
werden.  Dies  schliesst  aber  nicht  in  sich,  dass 
jeder  Verkehr  in  dieser  Richtung  gesperrt  war. 
Die  Pygmäen  des  Homer,    des  Herodot  und  der 


;'^V:' 


*•■ 


Lcptecht-Frau  aoi  DCrdMJiUliiic.  (Slrbe  .Indiscbar  VolkHcbanck*.) 


154 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


anderen  alten  Schriftsteller  sind  gefunden  worden, 
zuerst  von  Scliweinfurth,  dann  von  Felkin,  zu- 
letzt von  Stanley,  und  zwar  in  einem  Verbrei- 
tungsgebiet, welches  annähernd  richtig  in  den 
ältesten  kartographischen  Darstellungen  angegeben 
ist.  Woher  diese  Kunde?  Und  woher  jene  andere 
Kunde  vom  Mondgebirge,  von  welchem  die 
silberschimmernden  Wasser  der  Nilquellen  nieder- 
stürzen ? 

Wenn  Stanley  sich  darüber  ereifert,  dass 
die  kartographischen  Darstellungen  aus  ältester 
und  älterer  Zeit  von  den  Nachfolgern  entstellt 
wurden  —  was  übrigens  gar  nicht  zutrifift  —  so 
vergisst  er,  dass  die  Informationen,  über  welche 
das  Alterthum  verfügte,  späterhin  ganz  einfach 
deshalb  ignorirt  wurden,  weil  die  ohnedies  nur 
als  Hypothesen  aufgefassten  Anschauungen  durch 
den  Unsinn  mittelalterlicher  Kosmographen,  ins- 
besondere der  arabischen,  um  allen  Credit  ge- 
bracht wurden.  Wenn  nach  Stanley's  Ansicht  jede 
kartographische  Arbeit  „Tabu",  d.  h.  unantastbar, 
sein  sollte,  hätten  ja  auch  die  lächerlichen  Dar- 
stellungen der  arabischen  Geographen  respectirt 
werden  sollen.  Die  Wissenschaft  und  der  gesunde 
Menschenverstand  konnten  selbstredend  mit 
solchen  Phantastereien  sich  weiter  nicht  abgeben, 
und  mit  diesen  zugleich  wurde  das  „Moudgebirge" 
zu  einer  Fiction,  die  von  den  Karten  wegzu- 
streichen die  neue  geographische  Wissenschaft 
sich  beeilte.  Nach  der  Entdeckung  der  Quellseen 
des  Nil,  welche  in  ein  Plateau  von  gewaltiger 
Ausdehnung  eingebettet  sind,  ergaben  sich  keine 
Anhaltspunkte  für  die  Existenz*  eines  mit  dem 
Nilsystem  zusammenhängenden  mächtigen  Ge- 
birges. Baker,  Gessi,  Emin  und  Andere,  welche 
den  Albertsee  bereisten,  nahmen  im  Gesichtskreis 
desselben  keine  bemerkenswerthe  Gebirgsfor- 
mation  wahr.  Die  imposanten  centralafrikani- 
schen  Alpengipfel  im  Osten  des  Victoriasees  — 
Kilimandscharo  und  Kenia  —  Hessen  sich  in  das 
Nilsystem   nicht  einfügen. 

So  standen  die  Dinge ,  als  Stanley  —  oder 
richtiger,  einige  seiner  Begleiter  —  aus  den  Wolken 
und  Nebeln  der  Treibhausluft  des  Semlikithales 
zwischen  dem  Albertsee  und  dem  Albert  Edvi'ard- 
see  die  gleissenden  Schneefelder  eines  in  seiner 
Gesammtheit  verhüllten  Gebirges  aufblitzen  sahen, 
eine  Wahrnehmung,  welche  selbst  mit  massigem 
Aufwände  von  Einbildungskraft  die  Anknüpfung  an 
das  lang  gesuchte  Mondgebirge  gab.  Was  die 
Priorität  der  Entdeckung  betrifft,  hat  bekannt- 
lich Casati  hinterher  dieselbe  wenigstens  theihveise 
für  sich  beansprucht.  Daraus  ergibt  sich,  dass  Emin 
eben  durch  Casati  von  der  Existenz  des  Gebirges 
Kenntniss  hatte,  während  Stanley  den  Sachverhalt 
s(>  darstellt,  als  wäre  seine  Mittheilung  als  grosse 
Ueberraschung  aufgenommen  worden. 

Gleich  dem  Kilimandscharo  und  dem  Kenia  ist 
auch  der  Ruwenzori  ein  Massiv  von  geringer  Aus- 
dehnung nach  Länge  und  Breite,  eine  isolirte  ge- 
waltige Erhebung  des  innerafrikanischen  See- 
plateaus.   Die    höchsten  Gipfel    (5500 — 5800    ni) 


liegen  im  Norden,  in  einem  Grate  von  west- 
östlicher Richtung;  der  Steilabfall  des  Gebirges, 
durch  eine  grosse  Zahl  von  Querspalten,  in  denen 
die  seitlichen  Quellbäche  des  Semliki  abfliessen, 
reichlich  gegliedert,  liegt  auf  der  Westseite.  Die 
Stanley'sche  Karte  gibt  eine  grosse  Zahl  von 
Kämmen  und  anderen  Detailformen  im  Innern  des 
Gebirges  an,  denen  lediglich  die  Bedeutung  einer 
kartographischen  Ausschmückung  zukommt,  da 
diese  innere  Region  des  Massivs  von  Niemandem 
betreten  worden  ist,  und  Detailaufnahmen  ä  la  vue 
angesichts  der  tiefen  Lage  der  Marschlinie  (die 
Cöten  derselben  bewegten  sich  zwischen  400  und 
1500  rn)  gewiss  nicht  gemacht  werden  konnten.  Es 
drängt  sich  da  unwillkürlich  die  Frage  auf,  ob  auch 
diesfalls  Stanley  über  die  „dummen"  Kartographen 
raisonniren  wird,  wenn  sie  sein  grösstentheils  will- 
kürlich entworfenes  Detailbild  vom  Ruwenzori  nach- 
mals corrigiren  werden.  Oder  sollte  jeder  Strich, 
den  der  berühmte  Reisende  auf  das  Papier  wirft, 
in  der  That  für  alle  kommenden  Zeiten  unantast- 
bar sein  ? 

Anlass  zu  Misstrauen  gibt  übrigens  der  fol- 
gende Sachverhalt.  Die  neben  Seite  292  (der  deut- 
schen Ausgabe)  gegebene  Darstellung  des  Ruwen- 
zori, des  Semlikithales,  der  beiden  Seen  und  der 
näheren  Umgebung  weist  gegenüber  der  karto- 
graphischen Darstellung  ganz  wesentliche  Wider- 
sprüche auf.  So  ist  die  Lage  des  Gordon  Benett- 
Berges  und  der  Mackinnon-Spitze  falsch  und  deren 
Zusammenhang  mit  dem  Hauptgebirge  nicht  ersicht- 
lich. Noch  auffälliger  ist,  dass  auf  der  Karte 
zwischen  dem  Gebirge  und  dem  Albert-Edwardsee 
eine  Gestade-Ebene  von  wechselnder  Breite  (10 
bis  ^okm)  sich  erstreckt,  wogegen  die  vorerwähnte 
Ansicht  aus  der  Vogelschau  das  Gebirge  direct  aus 
dem  -See  mit  steilen  Abstürzen  aufsteigen  lässt.  Der 
Gegensatz,  welcher  in  den  beiden  Darstellungen 
in  die  Erscheinung  tritt,  wirkt  verwirrend. 

Auf  die  Detailbeschreibung  des  Ruwenzori 
wollen  wir,  obwohl  die  Expedition  des  Lieutenants 
Stairs  vieles  Interessante  enthält,  nicht  weiter  ein- 
gehen. Dagegen  verlohnt  es  sich,  Stanley  als  ,, Geo- 
logen" reden  zu  hören.  Ueberlassen  wir  ihm  das 
W^ort.  ,,Ohne  Zweifel  gibt  es  viele  Leute,  die  wie 
ich  bereitwillig  zugestehen,  dass  sie  beim  Betrachten 
eines  alterthümlichenWerkes,  mag  es  eine  egyptische 
Pyramide  oder  eine  Sphinx,  das  Parthenon  in 
Athen,  der  Sonnentempel  in  Palmyra,  der 
Palast  von  Persepolis  oder  nur  ein  altes  eng- 
lisches Schloss  sein,  eine  gewisse  Erregung  fühlen 
.  .  .  Aber  noch  mächtiger  und  grösser  ist  das  Ge- 
fühl, welches  beim  Anblickeines  eisgrauen  Berges, 
wie  der  Ruwenzori,  erweckt  wird,  von  dem  man 
weiss,  dass  er  unzählige  Jahrtausende  alt  ist.  Wenn 
man  bedenkt,  wie  lange  Zeit  es  für  den  geschmol- 
zenen vSchnee  bedurfte,  um  diese  Hunderte  von 
Faden  tiefen  Schluchten  aus  dem  felsigen  Scheitel 
der  Kette  auszuhöhlen,  oder  wie  viele  Zeitalter  es 
brauchte,  um  die  von  den  Seiten  und  aus  dem 
Schoosse  des  Gebirges  herabgespültenTrümmer  aus- 
zubreiten und  über  das  Semlikithal  und  die  Njansa- 


OE8TERBEICHI8CHE    MONATSSCHRIFT    KÖR    DEN    ORIENT. 


165 


Ebene  auszustreuen,  wird  man  staunen  über  die 
Unermesslichkeit  der  Zeit,  die  vergangen  ist,  seit- 
dem der  Ruwenzori  zum  Dasein  emporstieg.  Es 
befällt  uns  auf  die  leise  kleine  Frage:  Wo  warst 
du,  als  die  Grundlagen  der  Erde  gelegt  wurden?  Er- 
kläre dies,  wenn  du  es  verstehst?^  eine  wt)lil- 
thuende  Ehrfurcht  und  man  gewinnt  die 
frohe  Ueberzeugung,  dass  es  gut  war, 
dies  gesehen  zu  haben !" 

Man  traut  seinen  Augen  nicht,  derlei 
Zeug  in  dem  Werke  eines  berühmten 
Forschungsreisenden  stehen  zu  sehen  .  .  . 
Noch  seltsamer  nimmt  sich  der  nach- 
folgende Erguss  aus:  ,, Bedenkt  man, 
dass  solche  Naturereignisse  (langdauernde 
Regengüsse)  seit  der  Zeit  der  Erhebung 
der  grossen  Gebirgskette  und  der  ge- 
waltigen Versenkung,  durch  welche  die 
jetzt  vom  Albert  Edward-Njansa,  dem 
Semlikithal  und  dem  Albertsee  einge- 
nommene Schlucht  entstanden  ist,  perio- 
disch stattgefunden  haben,  dann  wird  man 
sich  nicht  sehr  darüber  wundern,  dass 
der  Ruwenzori  jetzt  nur  mehr  ein  Skelet 
ist  von  dem,  was  er  ursprünglich  war. 
„Du  bist  Staub  und  sollst  wieder  zum 
Staube  zurückkehren."  Sein  Haupt  ist 
viel  von  seiner  glorreichen  Höhe  abge- 
schoren, seine  Schultern  sind  abge- 
scliliffen  und  abgewetzt,  durch  seine  Seiten 
haben  "Dutzende  von  Flüssen  sich  tiefe 
Canäle  gebahnt  und  die  Rippen  treten, 
wenn  auch  nicht  kahl  und  nackt,  so  doch 
als  unbestreitbare  Merkzeichen  hervor  von 
den  Erschütterungen  und  Zerstörungen, 
denen  das  Gebirge  ausgesetzt  gewesen  ist, 
seitdem  es  vom  Feuer  geboren  wurde. 
Langsam,  aber  sicher  kehrt  der  Berg 
dahin  zurück,  woher  er  gekommen  ist. 
Nach  einigen  Generationen  (! !)  wifd  der 
Albert  Edwardsee  eine  grosse  Ebene  sein, 
und  später  wird  der  Albertsee  dasselbe 
Schicksal  theilen.  Die  Geographen  jener 
fernen  Zeit  werden  sich  dann  die  Augen 
reiben  müssen,  wenn  sie  zufällig  die  Um- 
risse der  beiden  Njansas,  wie  ich  sie  im 
Jahre  i88g  beschrieben  habe,  entdecken 
sollten." 

Es  ist  kaum  möglich,  noch  laien- 
hafter über  diesen  Gegenstand  zu  schrei- 
ben. Insbesondere  ist  es  die  kindliche 
Umschreibung  der  Wirkungen  der  De- 
nudation, welche  vorweg  verbUiflft,  von 
den  ,, einigen  Generationen",  nach  deren 
Ablauf  den  bodenplastischen  Verhältnissen 
jenes  Gebietes  eine  so  durchgreifende  Ver- 
änderung bevorstehen  soll,  gar  nicht  zu 
reden.  Ein  Forscher,  der  auf  seine  Re- 
putation etwas  hält,  sollte  doch  über 
wissenschaftliche  Fragen,  die  ihm  nicht 
geläufig  sind,  sich  so  weit  orientiren,  um 
wenigstens    etwas    zur    Sache    sagen     zu 


können.  Damit  lässt  sich  ja,  was  bei  Stanley 
nicht  ohneweiters  von  der  Hand  zu  weisen  ist,  noch 
weit  wirkungsvoller  flunkern,  als  mit  seichten 
Phrasen. 

Doch  genug  davon.  Eine  wichtige  geographi- 
sche Entschleierung  betrifft   den  von  Stanley  1877 


Pr»B  «u  Owalto-.   (8i«h«  Jndlioh«  VwKMchiBack*.) 


156 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


zuerst  gesehenen  Müta  Nzige,  jetzt  Albert  Edwardsee  | 
genannt.  Die  Expedition  war,  nachdem  sie  am 
I.  Mai  an  dem  Ruwenzori  vorübergezogen  war, 
am  27.  Mai  zum  Müta  Nzige  gelangt.  Etwa  50  km 
weit  wurde  längs  seinen  Ufern  marschirt  und 
etwa  100  km  weit  nach  »Süden  konnte  die  Ufer- 
linie verfolgt  werden.  Der  Albert  Edwardsee  hängt 
mit  dem  Albertsee  durch  den  Semlikifluss  zusammen, 
und  zwar  strömt  dieser  aus  dem  ersteren  in  den 
letzteren.  Es  ist  also  festgestellt,  dass  der  Albert 
Edwardsee,  worüber  bis  dahin  Zweifel  bestanden, 
tiem  Wassersystem  des  Nil  und  nicht  dem  des  Congo 
angehört  .  .  .  Auch  die  Karte  des  Victoriasees 
'(Ukerewe)  hat  durch  Stanley  eine  erhebliche  Cor- 
rectur  erfahren.  Die  bisherige  fast  kreisrunde  Dar- 
stellung stimmt  mit  der  Wirklichkeit  nicht  überein, 
da  sich  der  See  beträchtlich  nach  Südwesten  aus- 
dehnt. Die  äusserste  Spitze  liegt  2"  48'  Süd- 
breite und  ist  nur  155  englische  Meilen  vom  Nord- 
ende des  Tanganjikasees  entfernt.  Durch  diese 
Correctur  erhält  der  Ukerewe  einen  Zuwachs  an 
Areal  von  ca.  27.000  englischen  Geviertmeilen. 
Die  neue  festgestellte  Uferlinie  wird  von  vielen, 
meist  stark  bevölkerten  Inseln  umlagert. 

Die  vielen  ethnographischen  Aufschlüsse, 
welche  von  Stanley  gegeben  werden,  bilden  zweifel- 
los die  werthvoUste  Bereicherung,  welche  wir  dem 
kühnen  Reisenden  verdanken.  Dies  gilt  insbesondere 
von  dem  Zwergenvolke  des  Grossen  Waldes  und 
von  den  ,, Völkern  des  Graslandes".  Leider  aber 
wirken  auch  hier  wissenschaftlich  sein  sollende 
Reflexionen  und  allerlei  weit  hergeholte  Commen- 
tare  sehr  störend.  Mitunter  passiren  dem  wackeren 
Pionnier  ganz  unglaubliche  Dinge.  Was  soll  man 
sich  beispielsweise  von  der  salbungsvollen  Reflexion 
denken,  welche  Stanley  bei  Betrachtung  eines 
Avatiko-Zwerges  anstellt?  .  .  .  ,,Mir  war  der  Mann 
noch  weit  ehrwürdiger  als  die  Memnonssäule  (!)  — 
Theben".  Jeder  Schulknabe  weiss,  dass  die  Alter- 
thümer,  auf  welche  der  Reisende  hier  anspielt,  die 
beiden  Memnonskolosse  in  der  Ebene  der  thebani- 
schen  Todtenstadt  sind.  Weiter  erläutert  Stanley: 
,,Der  kleine  Körper  des  Zwerges  repräsentirte  die 
ältesten  Typen  des  ursprünglichen  Menschen- 
geschlechtes, die  Abkömmlinge  der  ältesten  Zeit- 
alter, die  Ismaels  der  primitiven  Race  u.  s.  w." 
Das  Alles  ist  baarer  Unsinn.  Ist  die  deutsche 
Uebersetzung  wortgetreu,  dann  hat  in  obigen  Sätzen 
Stanley  ein  stylistisches  Meisterstück  geschaffen, 
das  selbst  mit  dem  urclassischen  Dictum  ,,Im 
Schatten  kühler  Denkungsart  u.  s.  w."  sich  messen 
darf  .  .  .  Abkömmlinge  von  Zeitaltern  —  was  soll 
das  heissen?  — 

Von  den  Zwergen  im  „Grossen  Walde"  sagt 
Stanley :  „Ihre  Verwandten  sind  in  den  Cap- 
colonien  als  Buschmänner,  im  Becken  des  Lu- 
congo  als  Watua,  in  Monbuttu  als  Akka,  bei 
den  Mabode  als  Balia,  im  Thale  des  Ihuru  als 
Wambutti  und  unter  dem  Schatten  des  Mond- 
gebirges als  Batua  bekannt."  Hier  schliesst  sich 
also  Stanley  der  Anschauung  Schweinfurth's, 
dessen   Bedeutung  als  Afrikaforscher  er  ganz  un- 


berufenerweise    gelegentlich     herabgesetzt  ,     an. 
Schweinfurth   erblickt  nämlich    in   den    bisher   be- 
kannt gewordenen  Zwergvölkern  die  versprengten 
Ueberreste  einer  grossen  afrikanischen  Urrace,  eine 
Ansicht,  welcher  auch  Gustav  Fritsch  beipflichtet, 
indem  er  die  Buschmänner  als   ein  Volk   bezeichnet, 
das  jedenfalls  Jahrtausende  unverändert   in  seiner 
Entwicklung  geblieben   sein  muss.   Es  dürfte  dem- 
nach  von   Interesse  sein,   hier  die  Ziffern  sprechen 
zu   lassen.   Nach  Gustav  Fritsch  betrug   die  durch- 
schnittliche Grösse  von  sechs  erwachsenen  Busch- 
männern aus  verschiedenen  Gegenden  nur  l'444  m, 
während     die  Zahl    für  fünf  Frauen    f448   m   be- 
trug.   Für  die  Akka  sind  von  Felkin  folgende  Ziffern 
mitgetheilt   worden:   Höhe    I'364  m,    Umfang   des 
Kopfes  über  den   Ohren   0-549  m,   Kopfhöhe   von 
Ohr  zu   Ohr  0-278   »?,    Länge  der  Hand  Ol  55  m, 
des    Fusses    0^204    m,-     des     Beines    0*683     m, 
des   Oberarmes  0*324  m,  des  Unterarmes  0'382  m, 
Brustumfang  o'768  m.   Hiezu   die  Daten  Stanley's 
über  einen    Avatikozwerg :    Höhe   I'2I9  m,    Um- 
fang   des    Kopfes    05 14    m,    Länge    der     Hand 
o*io2  m,  des  Fusses  0-158  m,  des  Beines  0*559  m, 
des  Armes  0'5oi    m  (bei  Felkin  Ober-  und  Unter- 
arm  zusammen   o  706  m),    Brustumfang  0'647    m. 
Der  Avatikozwerg   ist  also   noch   kleiner    als 
der   Akka,    wenigstens    den     vorstehenden   Daten 
nach.  Dass  aber  Stanley    nur    eine    einzige  Mes- 
sung  vornehmen   liess,   ist    sehr    bedauerlich,     da 
eine  derartige   einschichtige   Untersuchung    nichts 
entscheidet.     Felkin  bezeichnet  die   Hautfarbe   als 
chocoladebraun,     Stanley    als     „kupferig".      Der 
Körper   des   Avatikozwerges    fühlte    sich   beinahe 
pelzartig  an,   da  er   mit   Haaren   von   fast    i"3   cm 
Länge  bedeckt  war.    Die    weiteren  Commentare 
Stanley's    sind     mehr    erlustigend    als  belehrend. 
Sie  lauten:     „Man   denke,    vor   26  Jahrhunderten 
nahmen   seine  Vorfahren   die  fünf  nassamanischen 
Erforscher    gefangen     und    vergnügten     sich    mit 
ihnen   in   ihren   Dörfern  an   den   Ufern  des   Niger. 
Und    sogar    schon    vor  40  Jahrhunderten  waren 
sie  als  Zwerge  bekannt  und  wurde  die  berühmte 
Schlacht  zwischen   ihnen    und    den    Störchen     in 
Gesänge  gebracht.  Seit    den    Zeiten    des    Heka- 
täus,   500  Jahre   v.   Gh.,   sind  ihre  Wohnsitze  auf 
jeder   Karte  in   die   Gegenden     des   Mondgebirges 
verlegt  worden.    Als    Moses    die  Kinder    Jacobs 
aus  dem   Lande  Gosen   führte,   herrschten   sie  als 
unbestrittene  Herren   über  das   dunkelste  Afrika." 
Setzen    wir    hier     die     sachliche    Belehrung     des 
deutschen   Gelehrten    und   Reisenden    Dr.   Gustav 
Fritsch  hinzu:    „Der  geringe  Unterschied  in  der 
Gestaltung  beider  Geschlechter   (bei  den  Busch- 
männern)   ist    ein   Zeichen,    dass   die   Ausbildung 
des  Körpers  überhaupt  auf  einer  verhältnissmässig 
niedrigen   Stufe   stehen   geblieben   ist,  und  ein  Be- 
weis  dafür,    dass    die   v-ollkommene    Entwicklung 
des   Menschen     gemäss   der  in  seinem  Organismus 
vorhandenen   Anlage  nur  unter  dem  Einflüsse  der 
Cultur  erreichbar   ist.   Je   geringer  der    Grad  der 
Cultur,   umsomehr    nähert     sich     der     Habitus     in 
vielen   Beziehungen   dem     thierischen,     ohne    dass 


OESTBRREICHI8CHB    MONATSSCHRIFT    f4r    DEN    ORIENT. 


157 


man  deshalb  die  Schranken  zwischen  Mensch 
und  Affe  fallen  sähe,  was  wohl  kein  Vernünfiiger 
erwarten  wird.  Das  Thier  im  Menschen  hat  wohl 
Niemand  geleugnet,  aber  wenn  es  auch  wegen 
Vernachlässigung  der  höheren  Anlagen  in  manchen 
Fällen  stärker  zu  Tage  tritt,  bleibt  das  Indivi- 
duum doch  immer  noch  ein  menschliches  Thier, 
d.  h.  ein  Mensch,  der  nur  nicht  in  der  cigen- 
artigfn    Weise  entwickelt   ist." 

Während  Felkin  mittheilt,  die  Sprache  der 
Akka  sei  unbekannt,  gibt  Stanley  eine  tabellarische 
Uebersicht  einer  ziemlich  ansehnlichen  Zahl  von 
Vücabeln  der  Sprache  der  Wambutti,  welche 
aber  von  diesen  Ku-mbutti  oder  Biikwa  ge- 
nannt wird.  Aus  letzterem  Worte  hat  Schwein- 
furth  wahrscheinlich  „Akka"  heraus  gehört.  Im 
(Jebrigen  glauben  wir,  dass  es  angezeigt  sein 
wird,  der  Liste  Stanley's,  sowie  den  Erläuterungen, 
welche  er  hieran  knüpft,  mit  Vorsicht  zu  be- 
gegnen. Wo  immer  der  berühmte  Reisende  in 
wissenschaftliche  Erörterungen  sich  einlässt, 
tragen  sie  unverkennbar  das  Gepräge  von  ge- 
wagten Speculationen  oder  unmethodischen  Schluss- 
folgerungen. Er  hätte  diesfalls  von  seinem  grossen 
Stammesgenossen  Huxley  lernen  können,  dass  — 
wie  dieser  sagt  —  eine  inductive  Hypothese  nur 
dann  als  bewiesen  gilt,  wenn  es  sich  zeigt, 
dass  die  Thatsachen  völlig  im  Einklänge  damit 
sind.  Die  logische  Basis  jeder  inductiven  Unter- 
suchung ist  Uebereinstimmung  der  beobachteten 
Thatsachen   mit    den     theoretischen   Folgerungen. 

Stanley  unterscheidet  unter  den  Zwergen 
des  Waldlandes  zwei  „Species",  die  sich  nach 
Hautfarbe,  Form  des  Kopfes  und  charakteristi- 
schen Gesichtszügen  durchaus  unähnlich  sind. 
Der  Unterschied  ist  so  gross  wie  der  zwischen 
„einem  Türken  und  einem  Skandinavier".  Das  ist 
sicher  ein  sehr  misslungener  Vergleich.  Die  beiden 
„Species"  sind  die  Batua  und  die  Wambutti. 
Letztere  haben  ein  rundes  Gesicht,  gazellen- 
artige, weit  von  einander  entfernte  Augen,  hohe 
Stirn,  die  ihnen  den  Ausdruck  unverhüllter  Offen- 
heit gibt,  und  sind  von  dunkelgelber  Elfenbein- 
farbe. Die  Batua  haben  längliche  Köpfe,  lange, 
schmale  Gesichter  und  röthliche,  kleine,  sehr 
nahe  zusammenstehende  Augen,  die  ihnen  einen 
mürrischen,  ängstlichen  und  zänkischen  Blick 
geben. 

Ueber  die  Wirkungen  des  Pfeilgiftes,  dessen 
sich  die  Zwerge  bedienen,  berichtet  Stanley,  dass 
zweierlei  solche  Gifte  in  Verwendung  kämen  ; 
das  eine  habe  Farbe  und  Consistenz  des  Peches, 
das  andere  solche  eines  hellen  Leimes.  Als  Gegen- 
mittel bei  Verwundungen  durch  Pfeile  mit  solchen 
Giften  haben  Injectionen  von  kohlensaurem 
Ammonium  sich  als  wirksam  erwiesen.  Immerhin 
beweisen  die  mitgetheilten  Thatsachen,  dass  die 
Wirksamkeit  eine  begrenzte  war.  Frisches  Gift 
—  im  Gegensatze  zu  bereits  längere  Zeit  in 
Verwendung  gestandenem  —  rief  ausserordent- 
liche Schwäche,  Herzklopfen,  Uebelkeit,  Todtcn- 
blässe  und  Schweisspericn  auf  dem  ganzen  Körper 


hervor.  Der  Tod  erfolgte  in  der  Regel  sehr  bald; 
ein  Mann  starb  innerhalb  einer  Minute,  ein 
anderer  erst  in  fünfviertel  Stunden.  Eine  Frau 
starb,  nachdem  man  sie  lOO  Schritte  weit  ge- 
tragen, eine  andere  nach  20  Minuten.  Es  kamen 
aber  auch  Fälle  vor,  in  denen  der  Tod  erst  nach 
mehreren  Tagen  eintrat ,  was  als  Beweis  zu 
nehmen  ist,  dass  das  Gift  alt  war.  Uebrigcns 
haben  die  Zwerge  selber  grossen  Respcct  vor 
den  Giften,  deren  sie  sich  bedienen,  und  darf  die 
Herstellung  desselben  nur  ausserhalb  der  Lager 
vorgenommen   werden. 

Nächst  den  Zwergen  sind  es  die  Eingeborenen- 
stämme des  „Graslandes",  ober  welche  Stanley 
weitläufiger  berichtet.  Auch  hier  lässt  es  sich 
der  berühmte  Reisende  nicht  entgehen,  dem  Ethno- 
graphen einen  Klaps  zu  versetzen.  Er  pole- 
misirt  gegen  die  Bezeichnung  „Bantu",  welche 
er  unwissenschaftlich  nennt  Eine  zutreffendere 
Bezeichnung  aufzustellen,  hat  er  nicht  den  Muth, 
weil  „jeder  Reisende,  der  den  Ehrgeiz  besitzt, 
sich  bei  den  wissenschaftlich  Gebildeten  ver- 
ständlich zu  machen",  ^azu  beizutiagen  gezwungen 
ist,  sich  jenes  unwissenschaftlichen  Ausdruckes 
zu  bedienen.  Nun  bezeichnet  „Bantü"  —  richtiger 
aba-niu  —  allerdings  nichts  Anderes  als  „die 
Menschen".  Sie  ist  von  Dr.  W.  G.  J.  Blenk, 
den  ,,)akob  Grimm  Südafrikas",  zuerst  gebraucht 
worden,  und  zwar  aus  nachfolgendem  Grunde. 
Der  eigentliche  Stamm,  die  Wurzel  des  Wortes, 
ist  nlu,  die  Vorsilbe,  das  Präfix  ist  aba,  und 
dieses  zerfällt  wieder  in  a-ba,  wobei  ba  das 
eigentliche,  den  Begriff  der  Mehrzahl  in  sich 
schliessende  Präfi.x,  a  aber  eine  Art  von  Artikel 
bildet.  Die  wunderbare  Uebereinstimmung ,  in 
welchen  die  Wurzeln  ntu  ==  Mensch  sammt  ihrem 
Präfix  durch  all  die  südafrikanischen  Idiome  geht, 
hat  ihnen  und  den  sie  redenden  Völkern,  unter 
Zugrundelegung  der  Kafirform,  den  Namen  der 
Bantu  verliehen  —  ,,ein  nach  Form  und  Inhalt 
treffender  und  würdiger  Name".  Stanley  beweist 
also  auch  hier  durch  seine  Spötteleien,  dass  ihm 
das  wissenschaftliche  Verständniss  fQr  solche 
Dinge  völlig  abgeht. 

Unter  den  Bantustämmen  des  „Graslandes" 
zeichnen  sich  vor  Allem  die  Wahuma  durch  ihre 
Grösse,  körperliche  Wohlgestalt  und  „fast  euro- 
päischen Gesichtszüge"  aus.  Nun  aber  kommt 
wieder  eine  jener  Behauptungen,  mit  der  Stanley 
seine  wissenschaftlich  sein  sollenden  Commentare 
auf  den  Kopf  stellt.  Er  sagt:  „Die  Wahuma  sind 
die  echten  Abkömmlinge  Act  semitischen  Stämme  (!), 
welche  aus  Asien  über  das  Rothe  Meer  ausge- 
wandert sind  und  sich  an  der  Küste  und  den  einst 
unter  dem  Namen  Aethiopicn  bekannten  Hoch- 
landen von  Abessinien  niedergelassen  haben." 
Da  hört  denn  doch  die  Gemüthlichkeit  auf.  Nach 
dem  Urthcile  der  massgebendsten  Gelehrten  — 
Waitz,  Haeckel,  Fr.  Müller  —  bilden  die  Baatu 
eine  eigene  Race,  welche  der  Ncgerrace  zunächst- 
steht. Nach  Fr.  Müller  sassen  die  ß.intu  wahr- 
scheinlich im  Osten  des  Verbreitungsgebietes  der 


158 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN    ORIENT. 


Neger,  wo  sie  frühzeitig  im  Verkehr  mit  den  von 
Asien  eindringenden  Stämmen  der  mittelländischen 
Race,  speciell  den  Hamilen,  standen.  Den  Zusam- 
menhang mit  der  mittelländischen  Race  weist 
übrigens  G.  Fritsch  entschieden  zurück,  und  Robert 
Hartmann  erklärt  die  Bantu  für  echte  Nigritier. 
Auch  O.  Peschel  bezeichnet  es  als  einen  Miss- 
griff,  die  Bantu  von  den  Negern  abzutrennen. 
Und  nun  kommt  Stanley  und  macht  aus  dem 
Bantustamme  der  Wahuraa  vollends  ein  Volk  von 
semitischer  Abkunft.  Man  sollte  kaum  glauben, 
dass  eine  derartige  ethnologische  Begriffsverwirrung 
möglich  wäre.  Der  Kaffer  aber  ist  nach  diesen 
grossen  ethnographischen  Gelehrten,  „eine  feine 
Verschmelzung  des  Hindu-  und  des  westafrikani- 
schen Typus."  Stanley  begnügt  sich  also  in  seiner 
phantastischen  Ethnologie  nicht  mit  den  Bantu- 
Semiten,  sondern  greift  sogar  nach  dem  fernen 
Indien  hinüber.  Von  den  Zulus  behauptet  er,  sie 
hätten  „kaukasische  Köpfe."  Weiter  in  die  „wissen- 
schaftlichen" Speculationen,  die  Stanley  ent- 
wickelt, einzugehen,  wäre  wahrhaftig  Zeitver- 
schwendung. 

So  gewinnt  man  denn  aus  der  Gesammt- 
beurtheilung  des  von  Stanley  in  seinem  jüngsten 
Werke  niedergelegten  Materiales  ein  Bild  von 
wechselnden  Umrissen,  indem  es  uns  einerseits 
den  schneidigen  und  erfahrenen  Pionnier,  den 
energischen  Bahnbrecher,  den  „Strategen"  der 
afrikanischen  Ländererforschung  vor  Augen  führt, 
andererseits  aber  den  gefeierten  Mann  in  einer  Be- 
leuchtung zeigt,  an  der  das  eigene  Licht,  d.  h. 
die  wissenschaftliche  Schulung,  oder  auch  nur 
der  geniale  Funke  eines  methodischen  Erfassens 
der  Dinge,  wesentlich  zurücktritt  vor  den  Reflexen 
des  bengalischen  Lichtes,  das  durch  das  selbst- 
gefällige Auftreten  die  Reclame  und  die  jederzeit 
in  solchen  Dingen  urtheilslose  öffentliche  Meinung 
auf  den  „Bismarck  der  Afrikaforschung"  geworfen 
haben.  Jedem  verdienten  Manne  soll  der  Antheil 
am  Ruhme  werden,  der  ihm  gebührt  —  darüber 
hinaus  aber  ist  es  Pflicht  jedes  Unbefangenen, 
Prätensionen  entgegenzutreten. 


ZUR  GESCHICHTE  DER  NULL 

Von  Dr.  M.  Haberlandt, 

Jeder  Gebildete  weiss  oder  sollte  es  wenigstens 
wissen,  dass  wir  unsere  Ziffern,  welche  nach  ihren 
Ueberbringern  die  „arabischen"  heissen,  eigentlich 
dem  Volke  der  Inder  verdanken.  Weniger  bekannt 
aber  ist,  dass  wir  nicht  nur  die  äussere  Figur 
unserer  Ziffern,  sondern  das  ganze  innere  Princip 
unserer  Ziffernschrift,  das  nach  dem  Stellenwerth, 
von  jenem  alten  Volke  erhalten  haben,  an  welchem 
neben  seiner  philosophischen  vielleicht  seine  rech- 
nerische Begabung  am  höchsten  zu  bewundern  ist. 

Ebenfalls  eine  indische  Erfindung,  jünger  als 
die  Stellenwerthschrift,  ist  die  unscheinbare  Null, 
dieser  Talisman  des  Rechnens,  der  jene  kürzeste 
Methode  der  Ziffernschrift  allererst  möglich  machte. 


damit  aber  zugleich  in  der  wohlgeordneten  Welt  der 
Zahlen  jenes  Ideal  darstellte,  das  auf  gar  wenig 
Gebieten  vorläufig  noch  irgendwie  erreicht  ist. 
Selbst  ein  Nichts,  ein  Zeichen  für  Nichts,  von  dem 
der  naive  Verstand  mittelalterlicher  Abacisten  nicht 
glauben  mochte,  dass  man  damit  —  mit  einem 
Zeichen  für  Nichts  —  etwas  Wirkliches  richtig 
herausrechnen  könnte,  ist  es  doch  ein  sehr  brauch- 
bares Etwas,  das  der  Menschheit  bisher  einen  un- 
messbaren  Zeitgewinn  eingebracht  und  den  rech- 
nenden Verstand  um  mehr  als  die  Hälfte  seiner 
Arbeit  entlastet  hat.  Jedenfalls  war  diese  Erfindung 
eine  Bekrönung  und  Vollendung  der  Stellenwerth- 
schrift, wodurch  diese  erst  zu  ihrer  epochalen  Be- 
deutung gelangte.  Wie  weit  immer  an  der  Hand 
der  Sprache  die  Ziffernschrift  geführt  war,  die 
Krücke  von  Stufenzahlzeichen,  von  Werthmarken 
und  ähnlichen  Behelfen  war  ohne  die  Null  nicht 
zu  entbehren ;  denn  wie  sollte  man  ohne  dieselben 
Zahlen  wie  1900,  lOQO,  1009,  19  u.  s.  w.  unter- 
scheiden ?  Erst  durch  ein  Füllzeichen,  ein  Zeichen 
für  Nichts,  das  an  die  Stelle  der  nicht  vorhandenen 
Stufenzahlen  einzutreten  hatte,  konnte  das  Streben, 
durch  gänzliche  Fortlassung  der  Stufenzahlzeichen 
die  Ziffernschrift  zu  vereinfachen,  von  Erfolg  sein. 

Wie  den  Indern,  die  sich  selbst  bis  ungefähr 
in's  3.  Jahrhundert  n.  Ch.  G.  ohne  die  Null  bei 
ihren  Rechnungen  behalfen,  die  Erfindung  jenes 
Zeichens  gelang,  ist  bei  ihrer  offenbaren  Wichtig- 
keit und  der  anscheinenden  Simplicität  dieses  Ein- 
falles nicht  ohne  ein  tieferes  Interesse.  Es  erscheint 
uns  fast  wunderbar,  dass  so  viele  scharfsinnige  und 
gutrechnende  Völker  des  Alterthums,  dass  der  be- 
deutendste Mathematiker  der  Zeit ,  Archimedes, 
welche  ihre  complicirten  Berechnungen  in  den 
schwerfälligsten  Ziffernschriften,  mit  kolossalem 
Aufwand  von  Mühe  und  Zeit  durchführten,  nicht 
daran  gedacht  haben,  durch  Einführung  eines 
Zeichens  für  Nichts  das  von  der  Sprache  ja  bereits 
verrathene  Princip  desStellenwerthes  durchführbar 
zu  machen.  Aber  wie  sollte  ein  immer  nur  die 
Wirklichkeit  der  Welt  in's  Auge  fassender  Grieche 
auf  den  Gedanken  kommen,  dass  man  für  etwas, 
was  gar  nicht  da  ist,  ein  Zeichen,  also  etwas  Wirk- 
liches setzen  könne !  Es  scheint,  dass  nur  einem 
Geiste,  der  mit  dem  Nichts  als  einem  gewohnten 
Denkbegriff  umging,  dieser  feine  Kunstgriff  ge- 
lingen konnte,  dass  der  indische  Verstand  durch 
seine  sonstige  Richtung  auf  das  nicht  Vorhandene 
wie  dazu  angelegt  war,  „in  dem  Nichts  ein  brauch- 
bares Etwas  zu  sehen  und  durch  das  Nichts  die 
Vollendung  des  Etwas  zu  bewirken". 

Welches  andere  Volk  möchte  wie  dazu  präde- 
stinirt  scheinen,  die  Null  zu  erfinden,  als  das  der 
Inder,  welches  im  Kern  jeder  Erscheinung  Hohlheit 
und  Leere  gewahrt,  dem  die  Welt  wie  eine  leere 
Wasserblase,  wie  eine  verkörperte  Null  (cünya) 
erscheint?  Diese  kühnen  Leugner  aller  Realität, 
welche  das  Nichts  in  ihrer  Dialektik  zu  hundert 
Tinten  gebrauchen  und  mit  dem  Begriff  des  Nicht- 
seins (abhäva)  virtuos  herumspielen,  sind  wohl  auch 
die  wahren  Väter  der  NuU  in  der  Kunst  der  Zahlen, 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FOr   DEN   ORIENT. 


159 


WO    thatsächlich    einmal    das    Nichts    ebenso    viel 
werth  war  als  das  lüwas. 

Freiiicii  ist  mit  dieser  aligemeinen  Beziehung 
der  Idee  von  der  Null  auf  eine  tiefeinjjewurzelte 
liigenthiimlichkeit  des  indischen  Geistes  und  eine 
wiciitige  Kategorie  seiner  Logik,  nichts  für  die 
Kenntniss  des  eigentlichen  Herganges  der  wichtigen 
Erfindung  gewonnen.  Man  konnte  wie  bei  so 
manciien  indischen  Hervorbringungen  den  Zu- 
sammenhang mit  dem  ganzen  indischen  Wesen 
ausgeprägt  finden,  ohne  doch  die  Ideenbildung  und 
Ausgestaltung  des  Einfalls  in  ihren  historisch-inter- 
essanten Einzelheiten  irgendwie  zu  erkennen.  Die 
„Weisheit  der  Brahmanen"  war  bislier  allein  citirt 
worden,  wo  man  gern  nach  Erfinder  und  der  ur- 
sprünglichen Form  seines  Einfalles  gefragt  hätte. 
Durch  neues  Material,  das  uns  durch  einen 
sehr  verdienten  Alterthumsforscher,  Herrn  Dr. 
Hörnle,  bekannt  geworden,  durch  Auffindung  einer 
alten  indischen  Arithmetik,  'J  welche  in  höchst 
interessanter  Weise  den  alten  originalen  Gebrauch 
der  Null  aufzeigt,  sind  wir  nun  in  der  Lage,  in  die 
Entstehungsweise  des  Gebrauches  der  Null  Ein- 
sicht zu  nehmen.  Zu  unserer  Ueberraschung  und 
doch  für  die  culturhistorische  Betrachtung  nicht 
ganz  unerwartet,  stellt  sich  dabei  die  Thatsache 
heraus,  dass  es  mehr  ein  mechanischer  äusserlicher 
Weg  gewesen,  auf  welchem  die  indische  Rechen- 
kunst zur  Einführung  der  Null  in  die  Ziffernschrift 
gekommen,  als  durch  den  zündenden  Lichtblitz 
einer  Intuition.  v 

Nach  den  gelehrten  Auseinandersetzungen 
ihres  Herausgebers  ist  besagte  altindische  Arith- 
metik, von  der  leider  nur  Bruchstücke  erhalten 
sind,  etwa  in  das  3.  Jahrhundert  unserer  Aera 
zu  setzen,  und  wäre  in  ihr  das  Fragment  eines 
ehemaligen  buddhistischen  oder  Jaina-Werkes  zu 
erkennen  (vielleicht  der  Theil  einer  grösseren 
Schrift  über  Astronomie,  von  welcher  Arithmetik 
und  Geometrie  unter  den  Indern  immer  nur  als  eine 
Abtheilung  vorgetragen  werden).  Es  scheint,  dass 
hier  eine  der  Quellen  vorliegt,  aus  welchen  die 
späteren  indischen  Arithmetiker  und  Astronomen, 
wieAryabhatta,Varähamihira,Brahmaguptau.  A.m., 
ihre  arithmetischen  Kenntnisse  schöpften.  Wie  dem 
auch  immer  sein  mag,  sicher  ist,  dass  in  jenem 
arithmetischen  Bruchstück  uns  der  älteste  Gebrauch 
der  Null  entgegentritt,  wovon  bisher  erst  in  be- 
trächtlich späterer  Zeit  und  an  einem  ganz  un- 
erwarteten Orte,  nämlich  in  einem  Lehrbuch  der 
Metrik,  das  dem  Pingala  zugeschrieben  wird  und 
in  eine  viel  spätere  Zeit  gehört,  die  ersten  Spuren 
aufzufinden   waren. 

Hier  nun  aber  beobachten  wir  die  Null,  man 
möchte  fast  sagen  in  ihrem  prähistorischen  Ge- 
brauch, oder  mit  einem  Bilde  zu  reden,  als  Larve 
oder  Puppe,  aus  welcher  der  künftige  Schmetter- 
ling sich  erst  hervorzumetamorphisiren  hat.  Wir 
treffen     nämlich    in    der  Kechengewohnheit  jener 


>)  Od  tba  DakliskaU-Maniisorlpt,  lly  K.  IIürDle.  Vi^rband- 
lungeD  des  VII.  internal ioDulen  Orisnullalen-CoDgronsei.  Aiiarho 
Scf-rion. 


Zeit,  deren  arithmetischer  Spiegel  jenes  alte 
Werkchen  ist,  die  Null  als  ein  FüUzeicben  für 
jede  aus  irgend  einem  Grunde  leer  bleibende 
Stelle  in  den  Rechenoperationen  an  ;  ja,  die  Form 
dieses  Zeichens  als  eines  kleinen  Ringelcbens  o 
belehrt  uns  sogar  noch  weiter  über  seine  Vor- 
geschichte, indem  wir  erkennen,  dass  es  aus  der 
indischen  Schriftübung,  wo  es  als  Kürzungszeichen 
für  ausgelassene  Worttheile  sowohl  am  Anfang 
wie  am  Schlüsse  der  Wortkörper  seit  ältester 
Zeit  vorkommt,  in  die  Rechenschrift  berüber- 
genommen  worden  ist.  Dadurch  widerlegt  sieb 
von  selbst  die  bisher  geltende  Annahme  (Weber, 
Indische  Literaturgeschichte,  p.  274.  Anm.),  dass 
das  Zahlzeichen  für  die  Null  analog  den  übrigen 
Zahlzeichen  für  i — 9,  welche  die  abgekürzten 
Formen  der  Anfangsbuchstaben  der  Zahlwörter 
sein  sollen, ')  aus  dem  Anfangsbuchstaben  des 
Wortes  „(jiünya",  „leer",  hervorgegangen  sei.  In 
den  Anschreibungen  der  Rechenoperationen  fungirt 
das  Ringelchen  schon  hier  unter  dem  Namen 
„^ünya",  d.  i.  „der  leere  Platz",  also  für  alle 
Auslassungen,  zumeist  im  Sinne  der  zu  suchenden 
unbekannten  Grösse,  unseres  X,  des  „pbalam", 
der  „Rechenfrucht",  wie  die  Inder  sagen.  Diese 
älteste  indische  Null  ist  also  nichts  weniger  noch 
als  eine  Ziffer,  welche  den  mathematischen  Begriff 
des  Nichts  bezeichnete,  wie  die  Null  des  5.  Jahr- 
hunderts in  Indien  bis  auf  heute,  sondern  sie  ist 
vorerst  nur  ein  mechanisches  Hilfszeichen,  das 
von  seiner  ursprünglichen  allgemeineren  Verwen- 
dung her  allmälig  erst  seinen  Platz  in  der  Stellen- 
werthschrift  und  damit  seine  epochemachende 
Bedeutung  erhielt.  Wenn  der  Inder  im  Besitz  des 
Stellenwerthprincips  angesichts  der  Schwierigkeit, 
fehlende  Stufenzahlen  in  einer  bestimmten  Zahl- 
grösse  auszudrücken,  zu  seinem  altgewohnten 
Mittel,  den  leeren  Platz  auszufüllen,  zum  „(;ünya" 
griff,  so  war  das  einerseits  für  ihn  keine  beson- 
dere Geistesthat,  andererseits  und  überhaupt  be- 
trachtet lag  darin  aber  wieder  die  eigentliche 
Vollendung  der  Stelienwerthschrifu  In  dieser  Ver- 
wendungsweise wurde  das  9Ünyam  o  erst  zur 
eigentlichen  Null,  zur  Ziffer,  welche  die  Ziffern- 
reihe nun  mit  einem  solchen  geistreichen  Apert,'u 
zu  eröffnen  scheint. 

Wie  wir  uns  hier  überzeugen,  war  die  Null 
nur  der  letzte  Nagel  zu  dem  Kunstwerk  des  Stellen- 
werthprincips. Diese  wunderbare  Idee,  so  einfach 
als  universell,  den  Ziffern  in  Anlehnung  an  das 
in  der  Sprache  gelegene  decadische  Zahlsystcm 
mit  abgekürztem  Verfahren,  durch  Nebenordnung, 
wachsende  Werthe  zu  verleiben,  ist  eine  solche, 
wie  sie  die  Inder  in  verschiedenen  ihrer  Wissen- 
schaften mit  höclistem  Scharfsinn  und  schönem 
Erfindungsgeist  zu  Hunderten  producirtcn.  An 
eine  formelhafte, den  Raum  auf's  Aeusserste  sparende 
Darstellungsweise  gewöhnt  und  den  höchsten  Ehr- 
geiz darein  .letzend,  immer  noch  Regeln  und  Wörter 

■)  Dlew  Anaicht  wird  bokaanllli-h  tob  Aoderca  wU  Bursall 
(ID  i«liicn  Kleiuent«  o(  South  Indlan  PalaMgraph;,  p.  47— -M)  Im- 
atritlcn. 


160 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN   ORIENT. 


ZU  Sparen ,  besitzt  beispielsweise  die  indische 
Sprachwissenschaft  und  nach  ihrem  Muster  Juris- 
prudenz, Philosophie,  Astronomie  u.  s.  w.  eine 
grosse  Reihe  künstlicher  formelhafter  Bildungen, 
welche  ganz  den  gleichen  findigen  Geist  athmen 
wie  die  Idee  des  Stellenwerthes  der  Z  ffern.  So 
ist  an  die  erste  Stelle  der  indischen  Grammaliken 
ein  lautphysiologisch  sehr  richtig  geordnetes 
Lautsystem  gerückt,  dessen  einzelne  Laute  mit 
entsprechenden  stummen  Buchstaben  als  Indices 
versehen  sind,  welche  gestatten,  gewisse  Laut- 
gruppen, wie  Vocale ,  Diphthonge,  Gutturale, 
Tönende,  Aspiraten  u.  s.  w.,  nach  allen  möglichen 
Gesichtspunkten  kurz  und  schlagend  zu  bezeichnen, 
indem  der  erste  Laut  mit  dem  Index  des  letzten 
der  betreffenden  Reihe  zu  einem  Worte  zusammen- 
treten und  nun  namenartig  jene  Gruppe  bezeichnen. 
Die  grammatischen  F'unctionen  sind  in  ähnlicher 
Weise  mit  höchster  Vorausberechnung  und  all- 
seitiger scharfsinnigster  Rücksichtnahme  zum 
Zwecke  höchster  Kürze  der  Gesammtdarstellung 
formelhaft  benannt,  so  dass  nun  der  Vortrag  des 
grammatischen  Stoffes  in  lauter  kurzen  anägmati- 
schen  Formeln,  in  welchen  selbst  die  Stellung 
der  Formeltheile  und  gewisse  Ellipsen  ihre  fest- 
bestimmte Bedeutung  haben,  sich  vollzieht.  Von 
dieser  das  Unglaublichste  an  Oekonomie  und 
Formelkunst  leistenden  Geistesrichtung  ist  die 
Idee  der  Stellenwerthschrift  ein  echter  Sprosse; 
wenn  aber  jene  in  letzter  Instanz  der  esoterischen 
Stellung  indischer  Wissenschaft  diente,  ihre  Ge- 
heimhaltung im  Kreise  der  Wissenden  verbürgte, 
so  hat  jener  Scharfsinn  mit  der  Erfindung  des 
Princips  des  Stellenwerthes  einmal  auch  aller 
Welt  gedient  und  das  wimmelnde  Reich  der 
Zahlen  jedem  Kinde  fernster  Zonen,jMnl  'S|p'4teiiJ.eir 
Zeiten   mühelos  ausgeliefert.        /     J  t  U    ■      '•; 

;  K    POVZ.MJ^t. 
\      PRUWlVt]L'.l 


nur  spärlich  verbreitet,  wie  denn  auch  die  Literatur 
über  orientalische  Teppiche  nur  wenig  bietet. 
Man  will  darum  den  Anlass  dieser  Ausstellung 
benützen,  um  ausser  der  Herausgabe  eines  be- 
schreibenden Kataloges  die  Publication  einer  um- 
fangreicheren, mit  Illustrationen  versehenen  Studie 
über  orientalische  Teppiche  zu  veranlassen.  Die 
Anmeldungen  für  diese  Exposition  werden  ab 
1.  November  d.  J.  im  Museum  entgegengenommen. 

Ausstellung  von  kunstgewerblichen  Objecten 

im  Handels-Museum.  Wie  in  früheren  Jahren, 
soll  auch  heuer  in  den  Räumendes  Haadels-Museums 
in  der  Zeit  vom  i.  December  bis  Ende  Jänner 
eine  kleine  Ausstellung  von  solchen  verkäuflichen 
Objecten  stattfinden,  die  unter  der  Aufsicht  der 
k.  k.  Fachschulen  in  der  Provinz  von  Kunst- 
gewerbetreibenden  hergestellt  wurden.  Die  Aus- 
stellung wird  Objecte  der  Holzindustrie,  der  Korb- 
flechterei, Silberschmuck  und  Keramisches  bieten 
und  wurde  die  Mehrzahl  derselben  nach  den  vom 
Museum  beigestellten  Originalen  hergestellt. 


Programm  der  Vorlesungen  im  Ic.  k.  öster- 
reichischen Handels-Museum.  Das  Programm  für 
die  Vorlesungen  im  llandels-Museum  in  der  Winter- 
saison i8go — 91  ist  nachstehendes: 

Am  26.  Nov.  Prof.  Dr.  J.  Karabaiek :  Neue 
Entdeckungen  zur  Geschichte  des 
Papieres  und   Druckes. 

Dec.    Julius  Böhm :  „Reclame". 

„  Dr.  R.  V.  Scala  :  Die  sociale  Frage 
im   römischen   Kaiserreiche. 

„  Dr.  F.  Ritter  v.  Haymsrk :  Charles 
Dickens  und  dessen  Bedeutung 
für  die  Socialreform  in  England 
und   Amerika. 


3- 
10. 

'7- 


ii 


V  CECKftCIi 

MISCELLEN.     "^ "^ 

Teppichausstellung  im  Handels-Museum.  In 

der  am  13.  d.  M.  unter  dem  Vorsitze  des  Ministerial- 
rathes  Grafen  Latour  im  k.  k.  Handels-Museum 
abgehaltenen  Sitzung  der  kunstgewerblichen  Section 
dieser  Anstalt  wurde  die  Abhaltung  einer  grösseren 
Ausstellung  von  orientalischen  Teppichen  in  den 
Räumen  des  Museums  beschlossen.  Diese  Aus- 
stellung, für  welche  die  Zeit  vom  1.  April  bis 
15.  Juni  n.  J.  in  Aussicht  genommen,  soll  vor 
Allem  eine  möglichst  vollständige  Collection  muster- 
giltiger  modertier  Teppiche  der  verschiedenen  Pro- 
ductionsländer  des  Orientes  bieten  ;  ausserdem 
aber  sollen  alte  Einzelstücke  hervorragender  Art 
aus  dem  Besitze  von  Amateurs,  Museen  und 
Händlern  vorgeführt  werden  und  wird  in  dieser 
Richtung  auch  auf  die  Mitwirkung  des  Auslandes 
gerechnet.  Wiewohl  sich  der  orientalische  Teppich 
in  jenen  Kreisen  des  Publicums,  dessen  Geschmack 
eine  gewisse  Verfeinerung  bekundet,  allgemeiner 
Beliebtheit  erfreut,  sind  Kenntnisse  über  Qualität 
und  Herkunft  dieses  Erzeugnisses  im  Allgemeinen 


14.   J.inn. 


Fcbr 


18. 

25- 


März 


I  I. 


Prof.  Dr.  Ph.  Paulilschke :  Stanley 
und  die  Culturarbeit  in  Afrika,  I. 

Prof.  Dr.  Ph.  Paulitschke :  Stanley 
und  die  Culturarbeit  in  Afrika,  H. 

Dr.  Friedr.  Carus :  Die  Stickerei- 
Industrie  Vorarlbergs. 

Dr.  Jacob  Simon :  Das  alte  und 
neue  Athen.  Eine  Reiseerin- 
nerung. 

F.  V.  Hellwald:  Die  Insel  Formosa. 

F.  V.  Helhvald:  Kambodscha  und 
seine  Alterthümer. 

C.  V.  Vinienti :  Die  Athos-Mönche 
und   ihre   Kunst. 

Prof.  Aug.  Oncken:  Der  Artikel  ii 
des  Frankfurter  F'riedens  und 
der  Ablauf  der  europäischen 
Handelsverträge  im  Jahre   1892. 


VerautwortUchsr  Bedactear:  A.  v.  Scala. 


Druck  Toa  Ch.  Rejtter  &  M.  Werthner  in  Wien. 


November-December-Heft  1890. 


Nr.  11  und  12 


0£S  lERREiCHlSCHE 


üMtetlrift  für  kn  #runt 


Herausgegeben  vom 


K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMJJi_WIEN. 

Redigirt'  von   A.   von   Scala./    '^^u-i^iinzEi'' 


Monatlich   eine   Nummer. 


r 


VERLAG  DES  K.  K.  ÖSTERR,  HANDELS-MUSEUMS  IN  WIEN. 


V  cim 


CTv 


f.  =  10  Hark. 


INHALT:  Neuo  Entdcckuntfen  iiir  Uesc-hUhle  tUs  Papieres  UDd 
I>rtK>kea.  Von  Joseph  Karabactk.  —  BeogaHscbe  Jute.  Von 
Kmtl  SchUigintunit.  —  Lage  und  Producte  des  Landes  Punt. 
Von  J.  Krall.  —  Wcrtt-Chlua»  Erachliesiiunc.  —  Das  Japanische 
Theater.  —  Zur  Kutwicklunifugeschichte  des  Islam.  Von  Htr- 
mann  Feigl.  —  Zur  JapaniHi-hcn  Fapicrindostrie.  —  Mi  scellen: 
Das  Datum  auf  de»  Philippinen.  —  Die  Uevötkening  .Siaiiis. 
—  Indische  Edelsteine.  —  Wilde  Thlere  und  giftige  .Schlangen 
in  Ostindien. 

NEUE   ENTDECKUNGEN   ZUR    GESCHICHTE    DES 
PAPIERES  UND  DRUCKES.') 

Von  Josef h  Karabacek. 

Unter  den  zahllosen  Fragen  und  Pro- 
blemen von  allgemeinem  und  speciellem 
Charakter,  welche  durch  wissenschaft- 
liche Bestrebungen  zu  unserer  Erkenntniss 
gebracht  werden  sollen,  gehören  unstreitig  zu 
den  interessantesten  jene,  welche  aus  unserem 
jihysischen  und  intellcctuellen  Leben  resultiren, 
deren  Erforschung  uns  auf  tiefen  Spuren  in  der 
Entwicklung  der  Menschheit  bis  zu  den  ersten 
unscheinbaren  Keimen  zurückleitet. 

Dahin  gehört  vor  Allem  das  Capitel  der  Er- 
findungen, das  dunkel  in  seiner  ersten  Anlage, 
dennoch  zur  höchsten  Vollendung  sich  entwickelt, 
fesselnd  und  zugleich  anregend,  den  genialen 
Schöpfer  in  seiner  Werkstatt  aufzusuchen  gebietet. 
Ja,  den  genialen  Schöpfer !  —  wenn  nicht  dessen 
Name  in  den  allermeisten  Fällen  von  der  undank- 
baren Nachwelt  vergessen  worden  wäre  ! 

Wer  kennt  wohl  den  gesegneten  Erfinder  des 
Plluges?  Wer  den  Erfinder  der  Schrift?  Niemand 
vermag  die  Namen  der  Erfinder  der  Töpferscheibe 
und  des  Stahles  zu  nennen. 

Man  wird  mich  nicht  corrigiren  dürfen,  wenn 
ich  behaupte,  dass  wie  so  viele  Andere,  auch  Ber- 
thold Schwarz  das  Schiesspulver  nicht  erfunden 
habe  und  dass  wir  den  .Namen  des  chinesischen 
[ersten  Pulvermachers  auch  nicht  kennen.  Und  ist 
das  die  Welt  regierende  Geld,  wie  in  so  vielen 
Fällen,  trotz  seines  guten  Klanges  nicht  auch  von 
unbekannter  Herkunft? 

Die  menschliche  Wissbegierde  also,  der  die 
wissenschaftliche  Forschung  unterthan  ist ,  bleibt 
den  anonymen  Urhebern  dieser  und  noch  vielen 
anderen  grossen  revolutionär  wirkenden  Welt- 
erfindungen gegenüber  unbefriedigt,  indem  sie  sich 
über    das    Leben     und    Wirken     derselben     nicht 

')  Vorlrag,    gelmUen   am    2«.  November    181)0    im    k.    k.    Oeater- 
ralchiachrn  Haudels-Musonm. 

MouaUicIirift  fttr  deu  Orieot.  Noveiubi-r     Uccaiobcr  ItiW. 


pflichtschuldigst  zu  unterrichten  vermag.  Und  viel- 
leicht ist  es  ganz  gut  so ;  denn  besässen  wir  von 
gewissen  Erfindern  etwa  gar  autobiographische 
Daten,  wie  solche  in  unseren  Tagen  üblich  ge- 
worden sind,  dann  hätten  wohl  Manche  derselben 
—  wie  ein  lachender  Philosoph  von  einigen  Selbst- 
biographen behauptete  —  dereinst  vor  Gott  zwei 
Leben  zu  verantworten  gehabt. 

Preisen  wir  also  unsere  kleinste  Jugend  glück- 
lich, welcher  in  dieser  Beziehung  in  den  Schul- 
büchern hie  und  da  noch  unverfälschte  Ideale  ge- 
boten werden  und  die  auf  solche  Weise  den  be- 
glaubigten Stempel  der  Erfindung  in  die  wiss- 
begierige Brust  sich  versenken  darf.  Darin 
unterscheiden  sich  ihre  Lehrbücher  in  Nichts  von 
den  chinesischen  Annalen,  in  welchen  man  bis  in 
das  dritte  Jahrtausend  vor  Christi  Geburt  hinauf, 
die  Geschichte  der  Erfindungen  mit  allen  er- 
wünschten Einzelheiten  verfolgen  kann.  Der  Mensch 
bleibt  sich  eben  gleich,  im  Osten  wie  im  Westen 
unserer  Erde,  wenn  es  sich  darum  handelt,  den  der 
geschichtlichen  Erinnerung  entbehrenden  Facten 
des  menschlichen  Ingeniums  ein  entsprechendes 
Denkmal  zu  setzen.  Es  sind  dies  freilich  keine  Altäre, 
wie  sie  die  Alten  dem  Erfindungsgeiste  zu  errichten 
pllegten,  sondern  —  ich  kann  sie  nicht  anders 
nennen  —  Märtyrer  der  Geschichte  der  Erfindungen ! 
Solche  , .Märtyrer''  kennt  den  Namen  nach  die 
Culturgeschichte  recht  viele.  Ich  will  sie  gar  nicht 
nennen,  alle  die  Erfinder  aus  der  Literatur  gewisser 
höherer  Töchterschulen,  wo  z.  B.  der  Nach- 
weis auch  des  Erfinders  des  Strickstrumpfes  von 
dem  Ernste  des  betreffenden  Berufsstudiums  gewiss 
ein  befriedigendes  Zeugniss  gibt.  Aber,  wir  sollten 
doch  nicht  über  derlei  Ungereimtheiten  lächeln,  da 
wir  Alle  ja  unbestreitbar  Sinn  für  das  edlere  Ko- 
mische haben,  das,  weit  entfernt  von  dem  Lächer- 
lichen der  Thorheiten,  unbekümmert  um  Zeit  und 
Ort,  um  Individualität  und  Nationalität  an  der  Ober- 
fläche des  Lebens  sich  zeigt.  Denn  blicken  wir  nur 
zurück  auf  jene  Zustände,  welche  durch  die  graue 
Vorzeit  von  uns  getrennt  erscheinen,  so  finden  wir 
in  dieser  Beziehung  beileibe  nicht  den  Zusammen- 
hang mit  der  sogenannten  aufgeklärten  Gegenwart 
unterbrochen.  Nur  charakterisiren  wir  jene,  also 
die  Vorzeit,  mit  den  Schlagwörtern  .Aberglaube, 
Vorurtheil  und  Unwissenheit,  während  wir  heute 
alles  dieszusammengenommen —  Imponiren  heissen! 


162 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN    ORIENT. 


Den  heutigen  Chinesen  imponirt  es  nun  ge- 
wiss auch,  lernen  zu  müssen,  wie  ihre  ersten  mythi- 
schen Kaiser  im  dritten  Jahrtausend  vor  Christo  zu- 
gleich die  ersten  Erfinder  waren. 

Die  Araber,  sicher  ein  nicht  minder  hochstehen- 
des Culturvolk,  gehen  noch  weiter,  indem  sie  un- 
seren gemeinsamen  Stammvater  Adam  als  Erfinder 
der  Schrift  preisen.  Dies  imponirt  auch,  beein- 
trächtigt aber  sicher  nicht  die  Wirkung,  wenn  die 
Muhammedaner  in  ihre  Ruhmeshalle  als  erste 
Preisgekrönte  in  allen  Künsten  (also  auch  der  Le- 
benskunst) noch  sämmtliche  Erzväter  und  Propheten 
hinein  versetzen,  so  um  nur  Einige  zu  nennen,  Seth 
als  den  ersten  Knopfraacher,  Enoch  als  den  ersten 
Schneider,  Noah  als  ersten  Zimmermann  und 
Tischler,  Abraham  als  ersten  Milchmann,  den  bibli- 
schen Josef  als  ersten  Uhrmacher  ,  Aaron  als 
ersten  Inhaber  eines  Ministerportefeuilles,  Hiob  als 
den  Ersten  der  Geduldigsten,  endlich  Jakob  als 
den  Ersten,  welcher  ein  beschauliches  Leben  führte. 

Die  solcher  Weise  zum  Ausdruck  gelangende 
Naivetät  der  Orientalen  hängt  auf's  innigste  zu- 
sammen mit  der  Entwicklung  des  Culturlebens, 
mit  dem  Fortschritte  des  Naturvolkes  zum  Cultur- 
volke.  Bei  dem  wachsenden,  mannigfachen  Einfluss 
der  Producte  eigener  und  fremder  Erfindungen 
auf  die  Gestaltung  so  vieler  Verhältnisse  des  socialen 
und  geistigen  Lebens,  war  es  nur  die  reciprokp 
Wirkung,  wenn  den  Arabern  bei  der  unter  ihren 
Augen  sich  unausgesetzt  prakticirenden  Vervoll- 
kommnung der  Künste,  endlich  der  Gedanke  auf 
die  Erforschung  ihres  Ursprungs  geleitet  wurde. 
Allein  es  war  schon  zu  spät.  Je  mehr  Jahrhunderte 
die  Berichte  der  Schriftsteller  von  dem  wirklichen 
Zeitalter  der  Erfindung  trennen,  desto  mehr  sehen 
wir  auch  bei  dem  gänzlichen  Mangel  von  Anhalts- 
punkten den  Kreis  ihrer  Vorstellungen  vom  Natür- 
lichen zum  Wunderbaren  erweitert,  und  so  kommt 
es,  dass  bei  der  oft  nicht  geringen  kindlichen  Ein- 
falt des  orientalischen  Gemüthes,  dem  ernsten  For- 
scher mitunter  die  abenteuerlichsten  und  lächer- 
lichsten Angaben  begegnen. 

Der  Culturhistoriker  von  heute,  welcher  etwa 
ein  Buch  der  Erfindungen  schreiben  sollte,  befände 
sich  in  dieser  Beziehung  also  in  keiner  angenehmen 
Situation,  indem  er  zumeist  an  der  Stelle  positiver 
Daten,  blos  hypothetische  Lückenbüsser  zu  bieten 
vermöchte.  Denn  nur  selten,  äusserst  selten  dürfte 
es  sich  überhaupt  ereignen,  dass  die  Epoche  einer 
grossen  Welterfindung  der  Vorzeit  noch  genau  wird 
fixirt  und  die  Erfindung  selbst  in  ihrer  Weiter- 
entwicklung zu  uns  herauf  wird  verfolgt  werden 
können.  Wenn  ich  nun  trotzdem  solch  einem  seltenen 
Fall  gegenüber  in  beneidenswerther  Lage  zu  sein, 
mich  erklären  darf,  so  sei  gleich  hinzuzufügen  ge- 
stattet, dass  dieser  besondere  GUicksumstand  wohl 
kaum  sobald  eingetreten  wäre,  wenn  nicht  die  aus 
edler  Begeisterung  entsprungene  munificente  That 
unseres  erlauchten  Protectors  der  Wissenschaften 
den  Anstoss  gegeben ,  wenn  nicht  die  Weiter- 
förderung unter  huldreichen  Schutz  gestellt  worden 
wäre. 


Ich  erbitte  mir  nun  Ihre  Aufmerksamkeit, 
indem  ich  das  Wagniss  unternehme,  bei  knapp 
bemessener  Zeit  auf  zwei  der  allermerkwürdigsten 
Erfindungen  einer  entlegenen  Cultur  hinzuweisen, 
welche,  plötzlich  hervortretend,  den  treibenden 
Anstoss  zu  einer  blühend  sich  emporschwingenden 
Kraft  im  Fortschritte  der  Menschheit  gegeben 
haben. 

Ich  meine  das  Papier   und  den  Druck, 

Diese  beiden  Culturerscheinungen  hängen, 
historisch  oder  retrospectiv  betrachtet,  zunächst 
zusammen  mit  der  geistigen  Individualität  der 
Araber. 

Indem  dieselben  frühzeitig  frem  ie  Bildung 
an  sich  zogen,  erstiegen  sie  mit  staunenswerthem 
und  weitgreifendem  Wissenseifer  rasch  die  Zwischen- 
stufen hinauf  zu  dem  Gipfelpunkt  höchster  Geistes- 
thätigkeit. 

Und  wie  wir  die  Nation  in  mächtigem  Ringen 
von  der  Barbarei  zur  Cultur  sich  emporarbeiten 
sehen,  müssen  wir  eben  den  auf  die  fremde 
Bildung  gerichteten  Trieb  derselben  als  einen 
ihrer  intellectuellen  Vorzüge  anerkennen.  Das  arabi- 
sche Element  erscheint  uns  da  gewissermassen 
als  der  Krystallisationspunkt,  zu  dem  sich  die 
verschiedenen  fremden  Culturen  hingezogen  fühlten. 

Auf  solche  Weise  also  sind  die  Araber  unsere 
Lehrmeister,  die  Pfadfinder  auf  kaum  od^r  nie  be- 
tretenen Wegen  menschlicher  Geistesarbeit  ge- 
worden, indem  auch  das  von  fremdher  Empfan- 
gene unter  ihren  kunstgeschickten  Händen  neue 
Form  und  Gestalt  von  individualisirtem  Charakter 
annahm,  Ihre  Leistungen  in  dieser  Richtung  be- 
zeichneten mit  wenigen  Ausnahmen  stets  einen  grund- 
legenden Fortschritt. 

So  geschah  es  im  Jahre  751,  dass  durch 
ein  Spiel  des  Zufalls  im  Kriegsglück  in  dem 
fernen  Transoxania,  an  der  Ostgrenze  des  Reiches 
unter  gefangenen  Feinden  der  Araber  einige 
Chinesen  sich  befanden,  welche  Papierarbeiter 
waren.  Denn  in  China  verstand  man  seit  ge- 
raumer Zeit  Schreibpapier  aus  verfilzten  Bastfasern 
zu  erzeugen.  Alsbald  mussten  jene  Kriegsgefan- 
genen unter  staatlicher  Aufsicht  ihre  Kunst  aus- 
üben, und  damit  war  der  Anstoss  zur  Papier- 
fabrikation auch   im  Khalifenstaate  gegeben.^) 

Schon  in  den  Jahren  794  auf  795  wurde  zu 
Bagdad  die  zweite  Reichs-Papierfabrik  errichtet 
und  von  da  an  datirt  der  rapide  Aufschwung 
dieses  Industriezweiges,  dessen  Siegeszug  durch 
die  ganze  civilisirte  Weit  kein  anderes  Schreib- 
material, selbst  nicht  der  aegj'ptische  Papyrus,  mehr 
aufzuhalten  vermochte. 

Aus  dieser  fernen  Zeit  und  nahezu  an.  die 
Grenze  jenes  ersten  Versuches  der  Papierbereitung 
zu  Samarkand  hinaufreichend,  sicher  aus  den 
letzten  Jahren  des  VIIF.  Jahrhunderts,  besitzt  die 
Sammlung  Erzherzog  Rainer  bereits  Papierproben, 
welche    sich    zu     tausenden   Exemplaren    verviel- 

')  J.  Karabacek,  „Das  arabische  Papier",  1887,  p.  22  ff.;  Der- 
selbe, nErgebuisse  aus  dem  Papyros  Erzherzog  Rainer"  1889,  p.  21. 


OESTERREICHISCHE  MONATSSCHRIFT    FOr  DEN   ORIENT. 


163 


I 


fältigend,  von  da  weiter  durch  die  Jahrhunderte 
gehen.  Diese  einzige  Serie  hat  einen  völligen  Um- 
schwung unserer  althergebrachten  Anschauung 
über  diesen  Gegenstand  herbeigeführt.  Einen 
Umsturz  allerorten,  sowohl  was  die  materielle  als 
die  historische  lirkenntniss  der  Papiergeschichte 
betrifft.  Die  materielle  oder  naturwissenschaftliche 
Prüfungunserer Papiere  verdanken  wirdemPflanzen- 
physiolügen  der  Wiener  Universität,  meinem 
verehrten  Collegen  Julius  Wiesner.  Seine  Arbeit') 
bezeichnet,  wie  es  ein  Berufenerer  ja  aussprechen 
durfte,  „eine  Art  Denkstein  auf  dem  Gebiete  der  mi- 
kroskopischen Untersuchung  von  Producten  mensch- 
licher Tluitigkeit".-)  Sie  ist  das  Ergebniss  einer 
auf  Grund  unseres  ausserordentlichen  Materiales 
zu  Stande  gekommenen  Erweiterung  und  Er- 
gänzung der  bisherigen  mikroskopischen  Methoden 
der  Papieruntersuchung.  Welche  Schwierigkeiten 
diese  Art  von  Untersuchung  aber  bot,  wie  zeit- 
raubend und  mühevoll  dieselbe  gewesen  ist,  vermag 
auch  der  Laie  zu  beurtheilen,  wenn  er  die  Ge- 
legenheit findet,  die  bei  der  Papierbereitung  ein- 
tretenden Zerstörungsformen  der  in  Betracht 
kommenden  Fasern  durch  das  Mikroskop  zu  beob- 
achten. Dank  dem  eindringenden  Scharfsinn  Wies- 
ner's  sind  nunmehr  neue,  unwiderlegliche  Kriterien, 
untrügliche  Erkennungszeichen  geschaffen ,  um  die 
Identificirung  der  mechanisch  sehr  stark  ange- 
griffenen Papierfasern,  also  die  Unterscheidung 
zwischen  Flachs-  und  Hanffaser  oder  zwischen 
Leinen-  und  Baumwollfaser,  auch  Demjenigen  mit 
Hilfe  des  Miktoskopes  zu  ermöglichen,  welchem 
der  geübte  Blick  der  Pllanzenphysiologen  mangelt. 

So  hat  also  das  Resultat  der  materiellen 
Prüfung  Wiesner's  im  Vereine  mit  der  eigenen 
historischen  Untersuchung  die  Tliatsache  ergeben, 
dass  unser  bisheriges  Wissen  über  den  Ursprung, 
das  Wesen  und  die  Weiterverbreitung  des  Papieres 
auf  falschen  Grundlagen  aufgebaut  war,  dass  dem 
Oriente  schon  um  viele  Jahrhunderte  früher  die 
Erfindung  des  lladernpapieres  und  der  uns  heute 
bekannten  technischen  Bereitungsweise  desselben, 
nicht  aber  Europa  gebühre,  wie  man  bisher  an- 
zunehmen  sich   berechtigt  glaubte. 

Und  weiter,  nicht  nur  allein  diese  Streitfrage 
über  die  Priorität,  welche  heftige  und  langwierige 
literarische  Fehden  hervorgerufen,  wird  nun  mit 
einem  Schlage  beseitigt,  sondern  auch  das  über 
die  Technik  der  Papierbereitung  des  Mittelalters 
gebreitete  Dunkel  ist  mit  einemmale  materiell  und 
historisch  aufgehellt.  Die  vielgestaltige  Wolken- 
decke, welche  den  Sternenhimmel  der  Wahrheit 
verhüllte,  ist,  um  mit  dem  persischen  Dichter  zu 
sprechen,  gelüftet,  entschwunden.  Bisher  galten 
zwei  Fundamentalsätze,  die  wichtigsten  der 
ganzen  Papiergeschichte,  allgemein  als  erwiesen, 
nämlich : 

I.  Die  ältesten  (gefilzten)  Papiere  sind  aus 
roher  Baumwolle  erzeugt  worden.  Zwei  der  jüngsten 


■)  „Die  mlkroikopUcbe  Uulcrsuchunv  dos  Papiere».*  1887. 
3)  Slittheilangen  de.i  k.   k.    techootog.  Gewerbe-Museums,  IX., 

1888,  p.  69. 


Zeugnisse  hiefür  will  ich  angeben,  blos  deshalb, 
weil  sie  literarische  Extreme  sind:  das  „Lehrbuch 
der  Papierfabrikation"  von  Prof.  Hoyer  und  die 
neueste  Auflage  von  Brockhaus'  Conversatioas- 
Lexikon. 

Der  zweite  Fundamentalsatz  lautet : 

2.  Die  ßaumwollenpapiere  sind  die  Vorläufer 
des  Hadernpapieres  gewesen,  dessen  Erfmdung 
den  Deutschen  oder  Italienern  des  XIII.  Jahr- 
hunderts zuzuschreiben  ist. 

Der  erste,  uns  zunächst  interessirende  Punkt 
steht  mit  dem  frühesten  Vorkommen  des  Papieres 
in  Mittelasien  in  Zusammenhang:  die  Araber 
—  so  die  bisherige  Annahme  —  sollen  nämlich  die 
Methode,  ausBaumwolle  Papier  zu  bereiten,  um  das 
Jahr  704  von  den  Chinesen  erlernt  und  dann  nach 
dem  Abendlande  weiter  verbreitet  haben.  Nun  zeigt 
es  sich  aber,  dass  die  Araber  die  Papierbereitung 
aus  Baumwolle  —  einem,  nebenbei  gesagt,  für 
diesen  Zweck  wenig  tauglichen  Materiale  —  von 
den  Chinesen  gar  nicht  gelernt  haben  konnten,  da 
die  Cultur  der  Baumwolle  in  China  in  so  früher  Zeit 
gänzlich  unbekannt  war. 

Damit  stimmen  auch  unsere  arabischen  Nach- 
richten. Sie  führen  in  eine  Zeit  zurück,  in  welcher 
wir  das  arabische  Volk  in  seiner   staatenbildenden 
Grosse  bewundern  dürfen.  Wie  ich  früher  schon  zu 
streifen  mir  erlaubte,  brachte   die  angestrebte  Su- 
prematie   über    die    turkestanischen    Staaten     die 
Araber  schon  um  die  Mitte  des  VIII.  Jahrhunderts        1»  . 
in  kriegerische  Berührung  mit  den  Chinesen.    Als^^/^ 
nämlich  in  der  bezeichneten  Epoche  zufolge  Zwistig-iiTvi  *^ 
keiten   ein    Krieg   zwischen    zwei   turkestanischen 
Machthabern  ausbrach  und  der   eine,  zu  schwach  (~)/r) 
im  Widerstände,   den  Kaiser  von  China  um  Hilfe  ^.^^ 
anflehte,  glaubte  der  arabische  Statthalter  der  an-  ^ _  ^ 
grenzenden   Provinz   den    richtigen    Zeitpunkt   für  (*  r\ 
eine  militärische  Intervention  gekommen.  AmTharaz-     r-^ 
flusse  fand  der  blutige  Zusammenstoss  statt.   Der  r^ 
Kampf  endigte  mit  einer  völligen  Niederlage  der 
vereinigten   Türken   und   Chinesen,    welche    nach 
schweren  Verlusten  an  Todten  und  nach  Zurück- 
lassung zahlreicher  Gefangener   von   den   Siegern 
bis  zur  chinesischen  Grenze  verfolgt  wurden. 

Unter  den  Gefangenen,  welche  in  die  Haupt- 
stadt Samarkand  gebracht  wurden,  befanden  sich 
einige  Chinesen,  die,  wie  bemerkt,  von  Profession 
Papiermacher  waren.  Dass  sie  alsbald  ihre  Kunst 
auszuüben  veranlasst  wurden,  habe  ich  gleichfalls 
erwähnt.  Die  Aufgabe  der  historischen  Forschung 
war  nun,  den  Zeitpunkt  dieses  epochemachenden 
Ereignisses  zu  fixiren,  und  da  ergab  es  sich,  dass 
dasselbe,  nicht  wie  angenommen,  im  Jahre  704, 
sondern  im  Juli  des  Jahres  751  stattgefunden  haben 
müsse.  Nicht  gering  war  nun  die  Genugtbuung,  a1* 
jetzt,  drei  Jahre  nach  dieser  historischen  Unter- 
suchung von  China  her  die  Bestätigung  dessen  kam, 
was  auf  Grund  der  arabischen  Quellen  damals  fest- 
gestellt werden  konnte.  Angeregt  durch  diese  Er- 
gebnisse, hat  der  Sinologe  Friedrich  Hirth  in 
Shanghai  in  den  chinesischenGeschichtswerken'nach- 
geforscht   und  in  der  Palastausgabe  der   .Annairn 


164 


OESTiiRREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


T'ang-shu  gefunden,  dass  der  Feldherr  KaoHsieu-fa, 
ein  Koreaner  von  Geburt,  thatsächlich  im  7.  Monat 
(d.  i.  im  Juli)  des  Jahres  751  von  den  Arabern  bei 
Kangii,  einer  Stadt  im  Gebiete  des  Tharazflusses, 
eine  vollständige  Niederlage  erlitten  habe.  ^) 

Die  wunderbare  Uebereinstimmung  zwischen 
der  arabischen  und  chinesischen  Ueberlieferung 
bezüglich  der  den  Feldzug  hervorrufenden  Um- 
stände, des  Ortes,  des  Monates  und  Jahres,  lassen 
also  die  berichtete  Thatsache  von  der  Gefangen- 
nehmung der  chinesischen  Papierarbeiter  durch  die 
Araber  als  ganz  besonders  beglaubigt   erscheinen. 

Somit  kann  historisch  sicher  das  Jahr  751 
n.  Chr.  als  die  Epoche  und  Samarkand  als  der  Aus- 
gangspunkt der  Papierfabrikation  des  Morgen-  und 
Abendlandes  angenommen  werden. 

Nun,  die  Freude  an  dieser  Entdeckung  ver- 
möchte freilich  einigermassen  herabgestimmt  zu 
werden,  wenn  man  sich  an  den  bespöttelnden  Aus- 
spruch des  deutschen  Demokritos  erinnern  wollte, 
demzufolge  „unter  allen  Entdeckungen  wohl  zu- 
unterst die  hochgelehrten  Erfindungen  stehen,  z.  B. 
ein  in  der  Geschichte  vergessener  König  oder  (wie 
in  diesem  Falle)  eine  richtige  Jahreszahl".  Von  diesem 
Gesichtspunkte  aus  bescheideich  mich  daher  gerne, 
diese  unterste  Stufe  der  Entdecker  einzunehmen 
und  blos  das  richtig  gestellt  zu  haben,  was  durch 
mehr  als  ein  Jahrhundert  den  Streit  der  Gelehrten 
bildete :  die  Epoche  einer  der  grössten  Welt- 
erfindungen ,  woran  sich  weitere  hochwichtige 
historische  Thatsachen  knüpfen,  welche  dazu  an- 
gethan  sind,  den  für  unseren  Erdtheil,  in  gewisser 
Beziehung  auch  von  unserer  Zeit  unverdient  in 
Anspruch  genommenen  Ruhm  der  Entdeckung  in 
der  Vervollkommnung  eines  wichtigsten  Cultur- 
trägers  gebührend  einzuschränken. 

Eine  Entdeckung  gewaltigster  Tragweite  war 
es  in  der  That,  welche  sich  an  das  historische  Er- 
eigniss  zu  Samarkand  knüpfte.  Denn  das  „Samar- 
kander  Papier",  welches  in  raschem  Siegeslaufe  in 
der  ganzen  islamitischen  Welt  berühmt  wurde,  be- 
zeichnet bereits  einen  unendlichen  Fortschritt  in 
der  substantiellen  Darstellung  des  Papierzeuges, 
einen  Sieg  fremden  Ingeniums  über  die  Erfindungs- 
gabe der  Chinesen.  Denn  sobald  von  diesen  das 
Princip  der  Darstellung  gefilzter  Papiere,  d.  h,  die 
Herstellung  eines  feinfaserigen  Ganzzeuges  und  das 
Schöpfen  desselben  zur  Papierform  gegeben  war, 
schritt  man  gleich  zur  Bereitung  des  Beschreib- 
stoffes aus  linnenen  Hadern  oder  Lumpen. 

Auch  dieses  F~actum  konnte  historisch  sicher- 
gestellt werden  und  erhielt  jüngst  in  gleich  über- 
raschender Weise  eine,  wenn  auch  indirecte  Be- 
kräftigung aus  dem  Chinesischen.  Die  Sache  ver- 
hält sich  so:  Mit  der  Materie,  also  dem  Beschreib- 
stoffe, haben  die  Araber  auch  den  Namen  uns  so 
überliefert,  wie  sie  ihn  kennen  gelernt  haben.  Es 
ist  die  von  den  Arabern  aufgenommene  persische 
Bezeichnung  ä*lS  oder  ^\S  Koghiz  (sprich :  Köghtz) 
für  „Papier".  Die  etymologische  Bedeutung  dieser 


')  Fr.  Hirlh,  Chinesische  Studien,  I,  1890,  pag.  270. 


Bezeichnung  war  bis  heute  unbekannt  geblieben, 
doch  konnte  dieVermuthung  ausgesprochen  werden, 
dass  damit  ein  Lehnwort  vorliege,  das  auf  den 
chinesischen  Papierterminus  zurückführe.  *)  Und  so 
ist  es  auch.  Der  schon  genannte  Sinologe  Hirth 
hatte  diese  Bemerkung  wiederum  zum  Anlass  seiner 
Nachforschungen  genommen  und  richtig  in  einem 
buchärisch-chinesischen  Wörterbuche  die  persi- 
sche Bezeichnung  Kdghiz  gleichgestellt  gefunden  mit 
dem  chinesischen  Kok- dz' ,  d.  h.  „Papier  aus  der 
Rinde  des  Papier- Maulbeerbaumes".  -) 

Es  ist  dies  in  der  That  das  Papier,  welches  die 
Chinesen  damals  fabricirien  und  heute  noch  fabri- 
ciren,  mit  welchem  allein  sie  im  Jahre  751  die  per- 
sischen Bewohner  Samarkands  unter  der  .\utorität 
des  arabischen  Statthalters  bekannt  gemacht  haben 
konnten.  Indess  der  Mangel  an  nöthigem  Rohmate- 
rial (der  Papier-Maulbeerbaum  war  in  Samarkand 
unbekannt)  führte  die  gelehrigen  Schüler  der  Chi- 
nesen sogleich  zur  Verwendung  der  Bastfasern  de« 
Leines  oder  Flachses  in  ausgenützten  Geweben,  also 
Hadern.  Dagegen  fällt  es  nicht  in's  Gewicht,  wenn  der 
mehrfach  genannte  Sinologe  Hirth  jüngstens  nach 
seinen  chinesischen  Quellen  die  Erfindung  auch  des 
„Lumpenpapieres"  aus  Missverständniss  seinen 
Chinesen  vindicirt,  welche  dasselbe,  wie  es  die 
mikroskopischen  Untersuchungen  durchaus  er- 
wiesen, thatsächlich  ja  gar  nicht  erzeugt  haben. 
Der  ganze  Bericht  trägt,  um  es  kurz  zu  sagen,  so 
sehr  den  Stempel  der  Kritiklosigkeit  an  sich,  dass 
er  schon  von  obenhin  betrachtet,  völlig  bedeutungs- 
los erscheinen  muss.  ^) 

Im  Gegentheil,  die  historisch  festbegründete 
Thatsache  der  Bereitung  des  ersten  Linnen- 
Hadernpapieres  zu  Samarkand  •*)  steht  in  vollstän- 
diger Uebereinstimmung  auch  mit  dem  Resultate, 
zu  welchem  der  mikroskopische  Befund  an  den 
ältesten,  fast  gleichzeitigen  Beweisstücken  der  erz- 
herzoglichen Sammlung  geführt  hat.  Und  diese 
zweifellos  auf  dem  Wege  der  Correspondenz  aus 
dem  fernen  Osten  nach  Aegypten  gelangten  Hadern- 
papiere,  also  greifbare  Belegstücke,  datiren  aus 
einer  um  nahezu  fünfhundert  Jahre  früheren  Zeit, 
als  diejenige  ist,  welche  man  bisher  zu  Gunsten  der 
Erfindung  der  Deutschen  oder  Italiener  in  .Anspruch 
nahm.  *)  Es  ist  natürlich,  dass,  nachdem  einmal  die 
hochwichtige  Erfindung    des  L'nnenpapiers     prak- 


*)  Das  arabische  Papier,  1.  c.  p.  31. 

')  F.  Hirth,  Chine«.  Studien,  p.  269. 

')  Chinesische  Studien,  p.  *.^G!).  Die  Gründe  hiefur  werden 
in  den  „Mittheiluogen  aus  der  Sammlung  der  Papyrus  Erzherzog 
Rainer"  dargelegt  werden. 

*)  Welche  von  Herrn  Hirth  übersehen  wurde. 

*)  Abgesehen  von  mehrfachen  Inthtimarn  und  Missverstdnd- 
nissen,  welche  in  Herrn  Ilirth's  Abhandlung  „Die  Erfindung  des 
Papiers  in  China"  (in  Foung  pao,  Archives  pour  servir  ä  Tetudc 
de  l'histoire  ...  de  l'Asie  Orientale  elc,  redigees  par  MM.  G, 
Schlegel  et  H.  Cordier,  Leide  1890.  Extrait  du  Vol  I  und  in  „Chi- 
neiisohe  Studien"  1890,(1.  B,  p.  259-271)  zu  Tage  treten,  .'scheint 
es  doch  geboten,  ein  sehr  arges  Versehen  gleich  hier  zu  corrigireo, 
weil  es  Anlass  zur  Verbreitung  eines  neuen  Irrthmus  neben  könnte. 
Herr  Hirth  schreibt  nämlich:  „Wenn  es  (das  Hadernpapier)  trotzdem 
der  arabischen  Welt  bis  in's  12.  oder  13.  Jahrhundert  hinein  fremd 
blieb  etc.",  und  beruft  sica  dabei  auf  meine  Abhandlung  „Das 
arabische  Papier",  Seite  31.  Dort  ist  aber  nicht  von  den  Arabern 
sondern  von  den  —  Italienern  und  Deutschen  die  Rede.  Nur  eine 
sehr  flüchtige  Lectttre  Itonnte  hier  die  Thatsachen  gewissermassen 
auf  den  Kopf  stellen  und  das  i;;noriien,  was  Wiesner  und  icli 
materiell  unti  historisch  eben  zu  begründen  vermochten,  nämlich 
dass  die  Araber  schon  Mitte  des  S.  Jahrhunderts  Hadernpapier  er- 
zeugten. 


OESTERREIClnüCME   MONATSSCHRIFT    r  "  . :    DEN   ORIENT. 


166 


ticirt  wurde,  sehr  bald  auch  die  Befreiung  von  der 
ihm  anhaftenden  Localisirung  in  Samarkand  nach- 
folgen musste,  worauf  es  rasch  zu  allgemeiner 
volkswirthschaftlicher  Bedeutung  gelangte.  So  be- 
zeichnet <lenn  der  nun  beginnende  Siegeslauf  durch 
die  civilisirte  Welt  in  Ost  und  West  einen  wichtigen 
Abschnitt  in  der  Geschichte  dieses  Beschreibstoffes. 
Dieses  grosse,  in  der  Culturgeschichte  der  Mensch- 
heit epochemachende  Ereigniss  ward  zunächst  ver- 
anlasst durch  die  Entwicklung  der  Staatsverwal- 
tung auf  einer  breiteren  Grundlage  des  Kanzlei- 
wesens'  und  stand  in  innigstem  Zusammenhange 
mit  dem  Em|)orblühen  geistiger  Thätigkeit,  mit  dem 
Aufschwünge  einer  nationalen  Literatur  und  der 
eifrigen  Pflege  wissenschaftlicher  Studien.  Als  im 
Jahre  794 — 95  unter  der  Regierung  Harün-al- 
Raschid's  in  der  Chalifenresidenz  Bagdad  die  zweite 
Reichspapierfabrik  errichtet  wurde  —  ein  histori- 
sches Factum,  welches  gleichfalls  unbekannt  ge- 
blieben iät  —  erfolgte  die  Weiterverbreitung  des 
Papieres  nach  Westen  und  erst  von  diesem  Zeit- 
punkte an  kann  von  einer  Bekanntschaft  mit  dem 
Papiere  in  den  Staaten  der  abendländischenChristen- 
heit  ernstlich  die  Rede  sein. 

In  rascher  Aufeinanderfolge  entstanden  auf 
allen  Gebieten  des  arabischen  Weltreiches  Papier- 
fabriken in  Arabien,  Aegypten,  Syrien,  Nordafrika, 
Spanien  und  Persien.  Es  zeigt  sich  unseren  er- 
staunten Blicken  das  Bild  einer  glücklich  blühenden 
Industrie  von  ungemessener  örtlicher  Ausdehnung. 

Fast  jede  Fabriksstätte  wies  ihre  Besonder- 
heiten auf.  Durch  Damascus  gelangte  das  Papier 
unter  dem  Namen  chart?  Damascena  auch  in  Europa 
zur  Berühmtheit.  Gleich  berühmt  und  wenn  man 
will,  auch  verhängnissvoll,  wurde  für  die  gelehrte 
europäische  Forschung  aber  das  Papier  der  nun- 
mehr mit  Grund  vermutheten  F"abriksstätte  zu 
Hierapolis  oder  Mambedsch  in  Nordsyrien,  denn 
dasselbe  bot  unverschuldeterweise  wohl  den 
Anlass  zu  der  seit  Jahrhunderten  bis  in  diesen  Tagen 
bestandenen  und  mit  zäher  Begeisterung  vcr- 
fochtenen  Fabel  von  der  Existenz  des  BaumwoUen- 
papieres.  Nun  löst  sich  die  Sache  sehr  einfach  und 
mit  einem  Schlage  ist  der  alte  Irrthura,  welcher 
von  den  Lehrstühlen  herab  immer  wieder  Ver- 
breitung fand,  entwurzelt. 

Durch  die  Aehnlichkeit  der  äusseren  Erschei- 
nung veranlasst,  hat  man  den  mittelalterlichen 
Namen  dieses  Papieres  als  Bambycin  oder  Bombycin 
Papier  auf  den  Stoff,  auf  die  Baumwolle  bezogen, 
aus  der  es  bereitet  worden  sein  soll,  weil  bomby.x 
im  späteren  Sprachgebrauche  auch  Baumwolle  be- 
deutet. Einer  der  grössten  Irrthümer  in  der  Wissen- 
schaft! Ein  Baumwollenpapier  hat  es  niemals  ge- 
geben, das  lehren  die  mikroskopischen  Unter- 
suchungen Wiesner's  zur  Evidenz.') 

Dazu  kommt,  um  den  letzten  Zweifel  zu  be- 
seitigen, dass  die  früher  erwähnte  Stadt  Hierapolis 
oder  Mambidsch  auch  den  Namen  Bambyce  führte, 
dass  von  ihr  nachgewiesen  werden  konnte,  wie  ihre 

')  I)>Minn(^ii  spricht  Herr  lUrtli.  1.  <-.,  von  der  liaamvTollo  als 
Papiermalerial  in  Cuiua! 


Industrieerzeugnisse,  welche  besonderen  Ruf  ge- 
nossen, im  Auslande  nach  ihr  benannt  worden  sind, 
so  die  bambycischen  Zeuge,  so  auch  das  bamby- 
cische  Papier,  nicht  aber  wie  in  Folge  naheliegender 
Namensvcrwechslung    das    „Baumwolleopapicr".  •) 

Unter  den  anderen  Fabriksstätten  waren  es 
namentlich  die  aegyptischen,  welche  mit  Bagdad 
rivalisirten  und  durch  die  Massenerzeugung  im- 
ponirten.  Die  aegyptischen  Papiere  waren  imX.  und 
XI.  Jahrhundert  so  sehr  schon  verbreitet,  dass  der 
persische  Reisende  Nasiri  Chosrau,  als  er  im  Jahre 
1035  das  Nilland  besuchte,  bemerken  konnte,  wie 
die  Gemüseverkäufer,  Specerei-  und  Kurzwaaren- 
händler  im  Bazar  von  Altkairo  jeden  Artikel,  den 
sie  verkauften,  in  I'apier  eingewickelt,  den  Kunden 
einhändigten.  Es  mag  vielleicht  interessiren,  bei  dieser 
Gelegenheit  zu  erfahren,  auf  welche  Weise  jenes 
von  den  Kaufleuten  so  zweckmässig  verwendete 
Packpapier  entstanden  ist.  Darüber  klärt  uns  der 
um  das  Jahr  1200  Egypten  bereisende  Bagdader 
Arzt  Abdellatif  auf,  indem  er  erzählt,  wie  die  Be- 
duinen und  Fellähen  sämmtliche  Grabkammern 
durchsuchten,  um  die  darin  gefundenen  Mumien- 
leinwanden  oder  Todtenlappen  entweder,  falls  sie 
noch  genügende  Maltbarkeit  hatten,  für  sich  zu 
Kleidungsstücken  zu  verwenden  oder  an  die  Papier- 
macher zu  verkaufen,  welche  daraus  das  Pack- 
papier für  die  Specereihändler  verfertigten.^ 

Um  die  Massenhaftigkeit  des  aegyptischen 
Papierverbrauches  des  frühen  Mittelalters  an  einem 
greifbaren  Beispiele  zu  erhärten,  will  ich  Zahlen 
nennen.  In  der  ungezählte  tausende  Stücke  ent- 
haltenden Sammlung  der  Papyrus  Erzherzog  Rainer, 
deren  Bestand  sich  zum  grössten  Theil  aus  der 
mittelaegyptischen  Fundstätte  von  el-Faijüm  zu- 
sammensetzt, befinden  sich  auch  mehr  als  20.000 
Urkunden-Papiere,  welche  aus  einer  zweiten  Fund- 
stätte von  Hermoupolis  stammend,  ihrer  Haupt- 
masse nach  in  die  beiden  genannten  Jahrhunderte, 
nämlich  in  das  X.  und  XI.  Jahrhundert,  gehören  und 
sich  darin  Jahr  für  Jahr  aneinander  reihen ! 

Aegypten  deckte  in  der  That  den  enormen 
Bedarf  an  Kanzlei-  und  Actenpapieren  der  Staats- 
verwaltung zum  grossen  Theile.  Berechnungen, 
welche  auf  Grund  unseres  Materiales  und  der 
historischen  Berichte  angestellt  werden  konnten, 
ergaben  die  Maasse  aller  officiellen  Kanzleiformate, 
von  dem  grössten  Bogenformat  von  73*3  :  109  9 fW 
und  einen  Flächeninhalt  von  8065*7  ^"^^  ^'^  herab 
zu  dem  kleinsten  Format  von  6"1  :  9'i  cm.  Dieses 
feinste  Beschreibmaterial  führte  den  Namen 
J>jU».J((_5j^  (loarai  el-baihJik)  Papier  der  Depeschen 
oder  jAi^\^^j^  (warak  tl-thdr)  Vogelpapier,  weil 
es  für  die  Taubenpost  bestimmt  war  und  eigens 
zu  diesem  Zwecke  fabricirt  wurde.  Die  Kosten  für 
dasselbe  wurden  auf  Anweisung  des  Chefs  der 
Staatskanzlei  aus  dem  Erträgnisse  der  Kairiner 
Seidenfärberei  bestritten.  Die  Depesche  wurde 
aus  solch   einem   Bogen  herausgeschnitten    und  an 


■)  T>*a  arabische  Tapler,  p.  *3  S.  nnd   mrin«  ,Kpj*  Qaallwi 

lur  Papierm.«ohirhlc",  1S8.1,  p.  43  tl. 
*)  Da«  arabisch«  I'apier,  p.  97. 


166 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT 


dem  P'lügel  der  Brieftaube  befestigt.  Die  Brief- 
taubenstationen lagen  drei  gewöhnliche  Post- 
stationen von  einander  entfernt.  Jeder  Vogel  flog 
stets  nur  von  einer  zur  andern,  d.  h.  zu  seiner 
Station,  ohne  dieselbe  zu  übergehen.  Daselbst 
wurde  dem  gefiederten  Boten  die  Depesche  abge- 
nommen und  dem  nächsten  an  die  Reihe  kommen- 
den Vogel  an  dem  Flügel  befestigt,  und  so  ging  es 
fort  von  Station  zu  Station,  bis  die  letzte  Post- 
taube an  die  Endstation  bei  dem  Sultanspalast  in 
der  Bergcitadelle  von  Kairo  anlangte.  Von  hier 
brachte  sodann  der  Taubenthurmwächter  die  Taube 
dem  Chef  der  Geheimkanzlei,  welcher  die  Depesche 
abnahm  und  sie  las.  Auf  diese  Weise  langten  täglich 
Taubenposten  aus  Syrien  und  Aegypten,  ja  aus  der 
Hauptstadt  selbst  an,  aus  welcher  demnach  alle 
Neuigkeiten  und  Ereignisse,  als :  Brände,  Mord- 
thaten,  Diebstähle  und  dgl.,  wie  sie  eben  die  Tages- 
chronik einer  Weltstadt  bot,  schnellstens  zur  Kennt- 
niss  des  Herrschers  gelangten.  Man  ersieht  daraus, 
dass  auch  der  Verbrauch  der  feinsten  und  kost- 
barsten aller  Papiersorten  ein  immenser  gewesen 
sein  mag.i) 

Unser  unvergleichliches  Material  gestattete 
aber  noch  viel  weitergehende  Studien  zu  machen, 
welche  uns  jetzt  die  materielle  Seite  der  ganzen 
mittelalterlichen  Papierbereitung  genau  erkennen 
lassen. 

So  wurden  auch  in  dieser  Beziehung  wieder, 
dank  dem  Zusammenwirken  der  naturwissenschaft- 
lichen und  historisch-antiquarischen  Prüfung,  die 
wichtigsten  Streitfragen  der  Papiergeschichte  end- 
giltig  gelöst.  Auf  diesem  Wege  der  merkwürdigsten 
Coincidenz  zweier  an  sich  so  divergirenden  For- 
schungsmethoden haben  wir  festgestellt,  dass  die 
Araber  von  Anbeginn  schon  die  Leimung  und 
Füllung  des  Papierzeuges  kannten  und  dieselbe 
mittelst  Reiswasser ,  Weizenstärke  oder  Tra- 
ganth  ausübten.  Dass  sie  schon  frühzeitig  auch  auf 
der  Drahtform  geschöpfte,  also  gerippte  Papiere 
zu  erzeugen  verstanden,  hat  sich  ebenso  aus  den 
Stücken  der  erzherzoglichen  Sammlung,  wie  aus 
altarabischen  Quellennachrichten  feststellen  lassen. 

Auch  in  der  Erzeugung  von  sogenannten 
Modepapieren  sind  uns  die  Araber  weit  voraus- 
gegangen. So  verstanden  sie  durch  Beimischung 
von  gewissen  Farbstoffen  in  die  Stärkekleister- 
leimung,  z.  B.  Safran  oder  Sykomorensaft,  den 
Papieren  einen  Stich  in's  Gelbe  oder  Rothbraune 
zu  geben,  als  wären  die  Blätter  in  F'olge  des  Alters 
vergilbt  oder  gebräunt.  Man  nannte  diese  Operation 
das  „Antikisiren"  des  Papieres,  und  wir  haben 
Fälle  zu  verzeichnen,  aus  denen  hervorgeht,  dass 
insbesondere  Urkundenfälscher  sich  auf  ein  solches 
,, Antikisiren"  bestens  verstanden  haben.  Sehr  in- 
teressant ist,  wenn  wir  in  dieser  Beziehung  weiter 
gehen,  was  wir  über  die  mittelalterliche  arabische 
Papierfärberei  überhaupt  erfahren.  Wir  finden  dabei 
sowohl  Körperfarben  ,  wie  Saftfarben  ,  theils  in 
selbstständiger  Anwendung,  theils  in   Mischungen. 


*)  Da«  arabische  Pai^ier,  I.  c.  p,  70  f. 


Die  Pigmente  sind  meist  Abkochungen  von  Pflanzen- 
theilen,  die  nach  dem  Kochen  manchmal  zur  Er- 
höhung der  Modification  oder  Schattirung  mit  einem 
Mittel  als  Beize,  stets  aber  mit  einem  klebenden 
Bindemittel  (Stärke)  versetzt  wurden.  Das  Auftragen 
der  Farbe  geschah  oberflächlich  auf  das  fertige 
Papier,  und  zwar: 

I.  Durch  ,,Eintauchen",  2,  durch  Einreiben 
oder  Verstreichen  auf  einem  Streichbrett ,  und 
3.  durch  das  Abziehen,  indem  der  schwach  ange- 
feuchtete Bogen  ausgebreitet  auf  die  Oberfläche 
der  in  einem  genügend  weiten  Gefässe  befindlichen 
Farbenbrühe  gelegt  und  wieder  davon  abgehoben 
wurde. 

Muss  es  nicht  in  uns  das  höchste  Erstaunen 
hervorrufen,  wenn  wir  also  sehen,  dass  wir  heute 
in  der  Buntpapierfärberei  genau  so  verfahren,  wie 
die  Araber  vor  achthundert  und  mehr  Jahren  es 
prakticirt  haben? 

Auch  die  Farbenliste  ist  hochinteressant.  Es 
gab  blaue  Papiere,  die  man  insbesondere  zum  Ein- 
hüllen der  Medicamente  und  zur  Ausfertigung  von 
Todesurtheilen  verwendete.  Zur  Färbung  ge- 
brauchte man  entweder  Indigo  oder  Alocsaft.  Zu 
ölgrünem  Papier  wurde  Aloesaft  mit  Safran  tem- 
perirt.  Violette  Papiere  entstanden  aus  der  Mischung 
des  Aloesaftes  mit  aufgelöstem  Lack  der  Coccus- 
schildlaus.  Rothes  Papier,  dessen  Gebrauch  in  den 
Kanzleien,  sowie  zur  Correspondenz  der  Grossen 
mit  dem  Herrscher,  als  ein  Vorrecht  hohen  Ranges 
und  Beweis  auszeichnender  Bevorzugung  galt,  wurde 
durch  die  Färbung  mit  dem  eben  genannten  Lack 
erzeugt.  F^erner  gab  es  aloeholzartige  Papiere.  Die- 
selben zeigten  ein  rosiges  Pigment,  das  durch 
einen  Absud  des  Brasilienholzes  hervorgebracht 
wurde.  Saatfarbige  Papiere  brachte  man  zustande 
aus  einer  Mischung  von  Safranlösung  und  einer  aus 
krystallisirtcm  Grünspan  bestehenden  Beize.  Gelbes 
Papier  endlich  wurde  hervorgebracht,  indem  man 
eine  Safranlösung  zur  Erhöhung  der  Pigmentirung 
mit  einem  Absud  von  Citronrinde  (Limonschale) 
versetzte. 

Wollte  ich  die  Zeit  meiner  Zuhörer  übermässig 
in  Anspruch  nehmen,  was  mir  ferne  liegt,  so  könnte 
ich  den  abgerissenen  Faden  in  der  menschlichen 
Culturentwickelung,  welchen  ich  eben  aufgenommen 
habe,  wohl  noch  viel  weiter  bis  in  die  Gegenwart 
spinnen,  um  Sie  unvermuthct  dabei  zu  überraschen, 
wie  Sie  tagtäglich  unter  ihren  Händen  —  vielleicht 
sogar  unbewusst  —  die  Erinnerung  an  die  glän- 
zende Erfindung  des  von  dem  Schauplatze  seiner 
Culturmission  längst  abgetretenen  arabischenVolkes 
pflegen.  Denn  weoa  Sie  morgen  etwa  aus  täglicher 
Gewohnheit  einen  Bogen  Papier  in  die  Hand 
nehmen  werden,  oder  ein  Buch,  vielleicht  gar  ein 
Riess  betrachten  wollten,  so  wird  sich  dabei  nichts 
Anderes  ereignen,  als  wie  vor  1000  Jahren,  da  die 
Araber  den  Bogen  zum  Buche  und  das  Buch  zum 
Riess  vervielfachten.  Trotzdem  Sie  sich  dabei  euro- 
päisch fühlen,  werden  Sie  doch  arabisch  handeln, 
ja  noch  mehr,  Sie  werden  dabei  unbewusst  arabisch 
sprechen.    Denn   das,   was   Sie   Bogen,    Buch   und 


h 


OBSreRRBICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


167 


Riess  nennen,  haben  die  Aralier  schon  so  benannt. 
Das  französische  main  de  papter,  Huch  Papier,  ist 
nichts  Anderes,  als  die  wörtliche  (Jebersetzunfj  aus 
dem  Arabischen  Kifa  Hand  (metonymisch  für 
Blatt),  die  Bezeichnung  für  das  Buch  Papier.  Und 
rizma  die  arabische  Benennung  für  Kiess,  wörtlich 
Bündel,  Packet,  ging  gleichlautend  als  risma  in's 
Italienische  über,  wurde  im  S()anischen  restna,  im 
Französischen  zu  rame,  im  Englischen  ream  und  im 
Deutschen  mit  Abwerfung  der  letzten  Silbe  von 
rizma  zu  Riess  (altdeutsch  rizz). 

Doch  verlassen  wir  die  Gegenwart  und  fassen 
wir  noch  einmal  rückgewendeten  Blickes  die 
Epoche  der  Erfindung  des  Leinenhadernpapiers  in's 
Auge. 

Da  ist  es  vielleicht  noch  überraschender  als 
dieses  zu  sehen,  wie  sich  damit  eine  zweite,  nicht 
minder  epochemachende  Erfindung  verbindet,  der 
zur  Huldigung  und  zum  Danke  noch  keine  Denkmals- 
Commission  amtszuhandeln  in  der  Lage  war. 

Sowie  nämlich  die  Araber,  wenn  auch  nicht 
,^^  Selbstschöpferisch,  doch  in  findiger  Erkenntniss 
^^■tnit  dem  Papiere  vorbedächtig  Neues  ergriffen, 
haben  sie  aus  gleicher  Bezugsquelle  wohl  nicht 
lange  darnach  auch  die  Kunst  des  Formschnittes 
bezogen.  Unter  dieser  Bezeichnung  verbergen  sich 
die  Origines  der  Kunst  Gutenberg's,  welche  bisher 
so  sehr  mit  Dunkelheit  und  Vorurtheilen  aller  Art 
umgeben  war. 

Bevor  jedoch  die  Araber  zur  Anwendung  des 
Modeldruckes  zum  Behufe  der  Vervielfältigung 
literarischer  Erzeugnisse  gelangten,  machten  sie 
dieselbe  Schule  durch,  welche  wir  um  einige  Jahr- 
hunderte später  für  Deutschland  und  Italien  in  An- 
spruch zu  nehmen  gewohnt  sind:  ich  meine  die  vor- 
bereitende Ausübung  des  Zeugdruckes.  In  dieser 
Beziehung  schritten  also  die  Araber  wiederum 
voran.  Ja  noch  mehr,  sie  übten  nebenbei  die  Kunst 
der  Zeugpolychromirung  aus,  welche  schon  in  alter 
Zeit,  wie  auch  heute,  zur  Verwechslung  mit  dem 
eigentlichen  Zeugdruck  Anlass  gab.  Sie  verstanden 
nämlich,  wie  die  westlichen  Völker  der  malayischen 
Race.  namentlich  auf  Java,  die  Herstellung  von 
bunt  gemusterten  Zeugen,  denen  bei  Anwendung 
der  Wachsreservage  ein  combinirtes  Dessiniren 
und  Färben  zugrunde  lag.  Ausser  dieser  uralten 
„Reservage"  mit  Wachs  prakticirten  sie  indess 
noch  ein  anderes  Verfahren,  das  bisher  gänzlich 
unbekannt  blieb.  Sie  verwendeten  nämlich  in  der 
Zeugfärberei  auch  festes  thicrisches,  aber  schmelz- 
bares Fett :  den  Ziegentalg  als  farbenabweisendes 
Mittel,  indem  er  .heiss  geschmolzen  und  applioirt, 
bei  leichter  Erstarrung  eine  ganz  vorzügliche  Re- 
servage abgab,  so  dass  der  damit  etwa  im[>rägnirtc 
Stoff  durch  irgend  welche  Farbstofflüsung  gezogen, 
von  derselben  unangegriffen  herauskam.  M.in  be- 
nützte diese  Wirkung  der  an  der  Gewebcllächc 
keine  Spuren  hinterlassenden  Reservage  zu  dem 
Kunststückchen,  ein  weisses  Schnupftuch  in  die 
Farbbrühe  zu  tauchen,  um  es  alsd.inn  ungefärbt 
herauszuziehen. 


Dies  konnte  nur  geschehen,  indem  man  das 
Schnupftuch  vorher  in  heissen  geschmolzenen 
Ziegentalg  so  lange  eintauchte,  bis  es  von  dem-' 
selben  vollständig  durchtränkt  war. 

Indem  wir  also  den  Auftrag  der  Reservage 
mittelst  Aufgiesscns  oder  des  Pinsels,  sei  es  aus 
freier  Hand  oder  nach  Vorschrift  der  Patrone,  bis 
in  die  arabische  Zeit  und  noch  weiter  hinauf  ver- 
folgen können,  wird  dieses  technische  Verfahren 
der  Zeugmusterung  doch  nur  als  Vcläufcr  des 
eigentlichen  Zeugdruckes  betrachtet  wer<len  können. 

Was  diesen  letzteren  selbst  betrifft,  so  finden 
wir  die  Araber  schon  in  der  ersten  Hälfte  des 
VII.  Jahrhunderts,  genau  in  der  Epoche  der  Grün- 
dung ihres  Einheitsstaates,  von  Byzanz  und  Persien 
her  im  Besitz  der  Kenntniss  des  Zeugdruckes, 
während  zur  selben  Zeit  im  äussersten  Osten  Asiens, 
in  China,  die  Anwendung  des  Models  zum  Buch- 
drucke eine  völlig  neue  Epoche  des  civilisatori- 
schen  Fortschrittes  eröffnete. 

Freilich  ist  der  Zeitpunkt  dieser  neuen  Erfin- 
dung der  Söhne  des  Mittelreiches  auch  wieder  nicht 
genau  zu  fixiren  möglich.  Die  Angaben  schwanken 
sehr,  und  Einige  meinen,  der  chinesische  Model- 
druck auf  Papier  sei  gar  erst  zu  Beginn  des 
.\.  Jahrhundertes  in  China  aufgekommen. 

Wie  dem  auch  sei,  Thatsache  ist,  dass  um  die 
Mitte  des  \.  Jahrhundertes  der  Tafel-  oder  Model- 
druck in  China  schon  ganz  allgemein  in  Gebrauch 
war,  so  sehr,  dass  ein  erfinderischer  Kopf  sich  mit 
gedruckten  Anweisungen  auf  Geldzahlung,  welche 
die  schweren  Metallmünzen  vertraten,  zu  helfen 
suchte,  ein  Ausweg,  der  etwas  später,  um  die 
Wende  des  X.  Jahrhundertes,  dazu  führte,  von 
Staatswegen  Papiergeld  auszugeben. 

Unter  solchen  Umständen  wird  man  es  gewiss 
mit  mir  als  ein  besonderes  Forscherglück  be- 
trachten, dass  es  mir  gegönnt  war,  zur  grösstcn 
Ueberraschung  und  höchsten  Freude  unter  den 
tausenden  von  Papieren  der  erzherzoglichen  Samm- 
lung nicht  weniger  als  dreissig  arabische  Model- 
drucke schon  des  X.  Jahreshundertes,  zwei  wohl 
noch  aus  dem  I.\.  Jahrhundertes,  aufzufinden. 

Und  merkwürdig !  Alle  diese  phänomenalen 
Stücke  reichen  eben  in  die  Wiegenzeit  des  chinesi- 
schen Druckverfahrens  hinauf  und  erweisen  sich 
•mit  demselben  gan.«  und  gar  als  identisch.  Sie 
documentiren,  dass  man  in  den  muhammedanischen 
Ländern  des  vorderen  Orientes ,  also  auch  in 
-Aegypten,  den  Druck  zu  einer  Zeit  bereits  allgemein 
ausübte,  zu  welcher  sich  auch  für  Ostasien  der 
Ursprung  desselben  nahe  zurückleitct. 

So  sehr  wir  uns  nun  dieser  Entdeckung  freuen 
dürfen,  so  unangenehm  mischt  sich  in  dem  Freuden- 
kelch auch  ein  bitterer  Tropfen  des  Acrgers.  Kaum 
hatte  ich  von  diesem  Funde  nur  mit  einem  Worte 
in  der  Ocffentlichkeit  Erwähnung  gclhan,  als  ein 
grausamer  Zufall  mich  un.l  meine  Drucke  mit  einer 
unerhörten  Sagenbildung  zu  umgeben  begann.  In 
einigen  Berichten  über  die  Entdeckung,  welche  die 
VV'iener  Tagespresse  mit  liebenswürdiger  Schnel- 
ligkeit   brachte,    war  nämlich   gesagt,   dass  diese 


168 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN    pRlENT. 


unsere  Drucke  mittelst  „Holznadeln"  hergestellt 
worden  seien.  Jedermann  konnte  den  Druckfehler 
erkennen  und  die  sonderbaren  Holznadeln  still- 
schweigend in  Holzmodeln  corrigiren.  Allein,  wie 
schon  einmal  der  Druckfehlerteufel  zuweilen  auch 
seine  Laune  hat,  fanden  flugs  einige  französische 
und  amerikanische  Journaleheraus,  dass  der  Wiener 
Gelehrte  in  der  berühmten  Sammlung  der  Papyrus 
Erzherzog  Rainer  einen  mit  beweglichen  Typen 
hergestellten  Druck  aus  vorgutenbergischer,  ja  aus 
der  Zeit  der  Pharaonen,  circa  lOOO  Jahre  vor  Christi 
Geburt,  auf  Papyrus  entdeckt  habe.  Denn  was 
Anderes  konnten  die  „Holznadeln"  gewesen  sein 
als  bewegliche  Typen.  Es  ist  selbstverständlich 
Alles  geschehen,  um  dieser  unsinnigen  Mythen- 
bildung Einhalt  zu  thun.  Vergebens  !  Sie  scheint  in 
Amerika  unausrottbar  zu  sein. 

Vielleicht  bieten  gegen  solch  teuflische  Hexerei 
unsere  Drucke  selbst  den  wirksamsten  Schutz, 
wenigstens  sind  sie  ja  zumeist  talismanischer  Natur. 

Es  sei  daher  gestattet,  einen  dieser  Talismane 
hier  anzurufen. 

Es  ist  ein  Streifen  gerippten  Papieres  von 
0"4i  m  Länge  und  o'oSm  Breite.  Er  charakterisirt 
sich  wie  alle  anderen  Stücke  als  sogenannter 
Reiberdruck,  welcher  mittelst  drei  Platten  herge- 
stellt worden  ist.  Der  Vorgang  hiebei  war  eine 
Art  Abziehverfahren,  ähnlich  dem  bei  unseren 
„Bürstenabzügen". 

An  der  Spitze  unseres  ornamentirten  Schrift- 
streifens steht  nun  in  für  uns  unverständlichen 
Zeichen  der  grosse  magische  Name  Gottes : 

C\\\\  f^\\\ 
Darunter  folgen  einige  talismanische  Buchstaben 
des  Korän's  und  sodann  der  Text  des  ersten  Ge- 
betes. Merkwürdig  ist  dabei,  dass  in  demselben  die 
talismanische  Kraft  zu  dem  Besitzer  und  dieser  zu 
jener  spricht.  Hier  die  wörtliche  Uebersetzung') : 
(T)  Tritt  näher  und  fürchte  Dich  nicht,   denn 

Du  bist  sicher. 
(B)  Befreie  mich  von  ....  (Hier  fügt   der  Be- 
sitzer seinen  diesbezüglichen  Wunsch  ein.) 
(T)  Wenn  Du  den  Koran  vorliesest,  so  machen 
wir   zwischen  Dir    und  Denen,    die    nicht 
glauben   an    ein  zukünftiges  Lebefl,  einen 
dichten  Vorhang,  und  Gott  wird  Dir   bei- 
stehen mit  mächtigem  Beistande. 
(B)  Der  Heilende  ist  Gott!  Der  Genügende  ist 
Gott!   Der  Verzeihende   ist   Gott!    Er  ist 
der  beste  Beschützer  und  der  beste  Helfer  ! 
In  Gottes  Schutz  ziehe  ich  mich  zurück. 
(T)  O  Träger  des  Namen  Gottes,    da!   nimm! 
(B)  Bei   dem   Besitzer  der  Allmacht   und   der 
Allherrlichkeit:     ich    setze    mein     ganzes 
Vertrauen     auf    den     Allmächtigen,     den 
Wahrhaften,  den  Ewigdauernden,  welcher 
nicht  stirbt. 
(T)  Ich   habe    getroffen    und    getödtet    Den- 
jenigen, welcher  Dir  verderbenbringendes 
Uebles  wollte. 


')  (T)  =  Tnllamaniscbe  Kraft;  (B)  =  Besitzer  des  Talismans. 


(B^  Es  ist  keine  Macht  und  keine  Kraft  ausser 
in  Gott,  dem  Allerhöchsten,  demGrössten; 
ich  stelle  meine  Angelegenheit  Gott  an- 
heim,  denn  Gott  blickt    auf   seine  Diener. 

(T)  Er  ist  es,  welcher  Dich  zum  Islam  einlädt. 
Dich  behütet  und  von  Dir  das  Uebel  eines 
jeglichen  Unglückes  abwendet. 

Der  zweite  Theil  unseres  Modeldruckes  ent- 
hält als  Schutzgebet  die  erste  Sure  des  Koran's, 
welche  bekanntlich  dem  frommen  Muhammedaner 
in  allen  Lagen  und  unter  allen  Umständen  Hilfe  zu 
bringen  vermag. 

Sie  lautet : 

„Im  Namen  Gottes  des  Allbarmherzigen,  des 
Allerbarmenden !  Lob  sei  Gott,  dem  Herrn  der 
Welten,  dem  Allbarmherzigen,  dem  Allerbarmen- 
den, dem  Herrscher  am  Tage  des  Gerichtes  !  Dir 
dienen  wir!  Dich  rufen  wir  um  Beistand  an,  führe 
uns  den  geraden  Weg,  den  Weg  Jener,  gegen  die 
Du  wohl  wohlthj^tig  warst,  auf  denen  nicht  Dein 
Zorn  lastet  und  die  nicht  irre  gehen.  Sprich :  Er 
ist  Gott  der  Einzige,  Gott  der  Ewige,  er  zeugte 
nicht  und  ward  nicht  gezeugt,  und  kein  Wesen  ist 
ihm  gleich  !" 

Das  dritte  talismanische  Schutzmittel  ist  sehr 
alt,  sein  Text  stammt  aus  dem  Anfange  des 
VII.  Jahrhunderts  und  ist  historisch  wohl  begründet. 
Einer  der  Gefährten  des  Propheten  Muhammed, 
Namens  Abu  Dudschana,  hatte  nämlich  einstmal 
während  eines  nächtlichen  Spazierganges  ein  un- 
angenehmes Abenteuer  zu  bestehen.  Er  begegnete 
einer  Persönlichkeit,  deren  Haut,  als  er  sie  be- 
rührte, wie  die  eines  Stachelschweines  sich  an- 
fühlte. Es  war  der  leibhaftige  Satan.  Abu  Du- 
dschana begab  sich  des  Morgens  zu  dem  Propheten 
und  bat  ihn  um  ein  Amulet,  um  künftig  gegen  ähn- 
liche Fährlichkeiten  einer  nächtlichen  Excursion 
geschützt  zu  sein.  Muhammed  that  mehr,  als  ver- 
langt worden  war,  und  dictirte  nun  dieses  vor- 
liegende Amulet,  welches  nach  der  Ueberlieferung 
erprobt  ist  für  die  Abwehr  von  Unglücksfällen, 
Leibschäden,  Zauber,  Krankheiten,  Schreck- 
gespenstern, des  bösen  Blickes  der  Geister  und 
Menschen  sowie  ihrer  Schlechtigkeit  und  Schäd- 
lichkeit. 

Es  ist  in  Briefform  gefasst.  Muhammed  adres- 
sirt  es  an  Denjenigen,  der  es  bei  nächtlichen  Fahrten 
benützen  will.   Der  Text  lautet : 

„Lob  sei  Gott,  welcher  Himmel  und  Erde 
geschaffen  hat !  Und  dennoch  gibt  es  Welche,  die 
im  Unglauben  verharren,  um  ihrem  Herrn  andere 
Wesen  gleichzusetzen !  Dieses  ist  der  Brief  des 
arabischen,  koreischitischen  Propheten,  des  Herrn 
des  Stabes  und  der  Kameelin,  der  Cisterne,  der 
Fürbitte,  des  Lichtes,  des  deutlichen  Beweises, 
der  nächtlichen  Himmelfahrt  und  des  Korans,  des 
Besitzers  einer  richtigen  Sentenz  unseres  Erlösers 
von  dem  Höllenfeuer  (welche  lautet):  Es  gibt  keinen 
Gott  ausser  Gott,  Muhammed  ist  der  Gesandte 
Gottes ! 

An  Denjenigen,  der  sich  zur  Nachtzeit  zu  dem 
Wohnort    von    den    Wohnörtern    eines  bewohnten 


^'  JE  D  NOTA      , 
.   K   POVZBUZENI , 

\        PRUMYS    L  'J       (icSTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    pOR    DEN    ORIENT 
i \t     PP  P  M»0  W * * 


169 


V   CECMACH 


Landes  begibt,    auf  dass  it  nur  mit  Glück  reisen 


möge 


Bei  Gott:  O  Allbarmherziger!  Aber  darnach: 
O  Satan  !  O  Herrscher  (der  Dämonen) !  Wer  von 
Euch  verliebt  und  begierig,  oder  ausschweifend 
und  unüberlegt,  oder  grausam  und  zerstörungs- 
süchtig ist,  so  lasst  ab  von  dem  zur  Nachtzeit 
reisenden  Träger  des  Wortes  Gottes  und  geht 
davon  zu  den  Götzendienern  und  zu  Jenen,  welche 
vorgeben,  dass  mit  Gott  zugleich  eine  andere  Gott- 
heit existire:  Es  gibt  keinen  Gott  ausser  Ihm,  dem 
Allmächtigen  ! 

Bewahre  den  Besitzer  meines  Briefes  vor  dem 
Einfluss  des  bösen  Auges  und  vor  dem  bösen  Blick! 
Beschütze  ihn  vor  der  Schlechtigkeit  des  Menschen- 
geschlechtes und  ungläubiger  Individuen." 

So  der  vollständige  Inhalt  unseres  Druckes. 
Wie  man  daraus  entnehmen  kann,  enthält  er  Gebete 
talismanischer  Tendenz.  Auch  die  anderen  Drucke 
bieten  ähnlichen  Inhalt;  es  sind  zuweilen  auch 
fromme  Tractätchen,  deren  Herstellungsart  eben 
auf  die  Massenhaftigkeit  ihres  Consums  zu  schliessen 
berechtigt. 

Wenn  schon  überhaupt  diese  Modeldrucke 
vermöge  ihres  ehrwürdigen  Alters  unser  Erstaunen 
zu  erregen  vermögen,  wird  dieses  nur  um  so  grösser, 
indem  wir  in  einigen  von  ihnen  gleichfalls  wieder 
die  Vorläufer  einer  Kunstübung  zu  erblicken  ver- 
mögen, deren  Ursprung  man  viele  Jahrhunderte 
später  auf  europäischem  Boden  gefunden  zu  haben 
glaubt.  Schreibt  doch  unser  vielgelesener  Kunst- 
ästhetiker Moriz  Carriere  in  seinem  Werke:  „Die 
Kunst  im  Zusammenhange  der  Culturentwicklung" 
(IV,  103  f)  wörtlich  ; 

„Von  entscheidender  Wichtigkeit  für  die 
deutsche  Kunst  endlich  war,  dass  mit  der  Buch- 
druckerkunst auch  die  Vervielfältigung  der  Zeich- 
nungen durch  Holzschnitt  und  Kupferstich  in 
Uebung  kam.  Schon  im  .»Mterthum  grub  man  Zeich- 
nungen in  Metallplatten,  um  Kästchen  oder  die 
Rückseite  von  Spiegeln  zu  verzieren;  in  Italien 
stellte  man  das  Niello  her,  indem  man  die  ver- 
tieften Linien  mit  einem  andersfarbigen  Metall  aus- 
füllte ;  aber  sie  abzudrucken  warder  neue  Gedanke, 
und  dies  ist  eine  deutsche  Erfindung,  die  zu  künstleri- 
schen Zwecken   zuerst   bei    uns  verwerthet  ward." 

Dieser  Anschauung  steht  nun  die  unleugbare 
Thatsache  gegenüber,  dass  unter  unseren  arabischen 
Modeldrucken  auch  die  ältesten  Versuche  iler  An- 
wendung von  Zeichnungen  in  zweierlei  Farben, 
schwarz  und  roth,  als  Textdrucke  vorliegen.  Vor- 
erst ornamental,  erscheinen  sie  sowohl  in  geschrie- 
benen als  gedruckten  Texten  als  Eindrucke. 

So  befinden  wir  uns  denn  wiederum  in  der 
fatalen  Lage,  die  Priorität  der  einem  Culturvolke 
zugeschriebenen  Erfindung  abweisen  zu  müssen, 
einer  Erfindung,  welche  sich  in  dem  bezogenen 
l'alle  unter  Anwendung  einer  Art  kunstwissen- 
schaftlicher Reduplication  für  uns  lediglich  in  eine 
blosse  Ehrerfindung  auflöst. 

Wahrhaftig ,  wir  wollen  uns  über  diesen 
Abzug  keineswegs  kränken  ;    können  wir  uns  doch 


vollaufdamit  begnügen,  die  bahnbrechende  Richtung 
für  den  Holzschnitt  in  Deutschland  durch  unseren 
Albrecht  Dürer  eingeleitet  zu  sehen. 

Verweilen  wir  noch  einen  kleinen  Augenblick 
bei  unseren  Modeldrucken,  so  fällt  noch  insbe- 
sondere eine  merkwürdige  Erscheinung  an  ihnen 
in's  Auge. 

Bekanntlich  leitet  man  die  Entstehung  der 
sogenannten  xylographischen  Werke,  d.  h,  der 
Holztafeldrucke  zurück  auf  die  Bilderdrucke,  indem 
der  Entwicklungsgang  in  folgender  Weise  ange- 
nommen wird  :  ,,Beim  Fortschreiten  der  Kunst  be- 
kommen die  Zeichnungen  Andeutungen  von  Schat- 
tirung.  Auf  die  einfachen  Unterschriften  der  Bilder 
folgen  ganze  Sprüche,  gewöhnlich  Bibelstellen  und 
Verse  ,  oft  in  der  Form  von  Devisen  aus  dem 
Munde  einer  Figur  hervorgehend.  Aus  den  Sprüchen 
werden  schliesslich  ganze  Textseiten,  die  dem  Bilde 
gegenüberstehen.  Das  Bedürfniss  der  weltlichen 
Belehrung  führte  schliesslich  zu  einem  Buch  ohne 
Bilder.*)  Nun,  sollen  wir  wirklich  an  diese  Ent- 
wicklung glauben? 

Im  Morgenlande  wenigstens  ,  sehen  wir  an 
unseren  Beispielen  den  Textdruck  um  Jahrhunderte 
früher  zur  Vollkommenheit  entwickelt,  und  während 
man  im  Abendlande  selbst  nach  der  Erfindung  der 
beweglichen  Typen  den  Tafeldruck  nicht  ganz 
aufgab ,  namentlich  für  Sachen ,  wozu  kleinere 
Typen  erforderlich,  deren  Guss  noch  zu  schwierig 
war,'')  zeigen  die  meisten  unserer  arabischen  Tafel- 
drucke schon  einen  ausserordentlich,  hie  und  da 
fast  mikroskopisch  kleinen  und  zarten  Schnitt  der 
Schrifttexte,  so  dass  der  Rückschluss  auf  eine  noch 
längere  Kunstübung  wohl  berechtigt  erscheint. 
Unter  solchen  Umständen  darf  es  gar  nicht  Wunder 
nehmen,  dass  sich  dieser  arabische  Formschnitt 
sehr  bald  auch  ungeahnten  Zwecken  höherer  Staats- 
nothwendigkeit  dienstbar  zu  erweisen  vermochte. 
Denn  als  in  der  Bedrängniss  des  II.  Kreuzzuges, 
1 147,  die  finanzielle  Noth  in  den  muhammedani- 
schen  Staaten  Nordsyriens  am  höchsten  stieg,  indem 
dort  dem  Geldmarkte  bereits  alles  gemünzte  Edel- 
metall entzogen  worden  war,  begann  man  gedruckte 
Papiergeldnoten  mit  Zwangscurs  in  fabelhafter 
Menge  auszugeben.  Im  Jahre  1147  Papiergeld! 
Dieses  Wort  erregt  in  uns  sofort  eine  Fülle  geistiger 
und  materieller  Beziehungen,  Begriffe  und  Vor- 
stellungen für  die  Gegenwart  und  Vergangenheit  : 
doch  was  konnten  wir  in  dieser  Beziehung  bisher 
unter  Vergangenheit  verstehen  ?  Wir  dachten  dabei 
zurück  an  unsere  Bankozetteln,  an  die  Assignaten 
der  ersten  französischen  Republik ,  noch  weiter 
zurück  an  den  berüchtigten  Schotten  John  Law  zu 
Anfang  des  XVIII.  Jahrhunderts  und  führen  sodann 
einen  zeitlich  wie  räumlich  gewaltigen  Sprung  aus 
zu  den  Arabern  des  XII.  Jahrhunderts,  ja  noch 
weiter  zurück  in  das  XI.  Jahrhundert  zu  den  Chi- 
nesen, welchen  hierin  der  Vorrang  gebührt. 

Die  Verbindungsglieder  fehlen.  Eine  Zeitlücke 


^)  Lorek,  nandbiicb   <lpr   <Twhlcht^    drr  ItuehdrnekerkaiMt, 
ISSi,  1.,  V  t»  f- 

•}  Lork,  1.  r.  |i.  «0. 


Ifc 


170 


OESTERREICHISCHE    M0N;^TSSCHRIFT    FÖR   DEN    ORIENT 


von  700  Jahren  gähnt  uns  entgegen,  welche  nur 
noch  durch  spärliche  Angaben  nothdürftig  aus- 
gefüllt wird.  Und  so  müssen  wir  uns  denn  zufrieden 
geben  mit  der  blossen  lirkenntniss,  dass  es  nichts 
Neues  mehr  unter  der  Sonne  gebe,  dass  die  Welt 
in  finanziellen  Dingen  uns  eben  auch  so  erscheint, 
wie  sie  der  persische  Dichter  schildert : 

als  ein  Weib,  ein  altes, 

Voll  Tücken,  schlau,  erfinderisch  an  Qualen, 

Ihr  Anfang  ist,   ihr  Ende  unbekannt, 

Und,   ach,  ihr  Alter  über  alle   Zahlen; 

Wer  je  sie  schaute,  fand  sie,  wie  sie  ist, 

Nie  wird  dem  Blick  in  and'rer  Form  sie  strahlen! 

Das  Elend,  welches  die  Druckherstellung  des 
ersten  Papiergeldes  über  einen  grossen  Theil  der 
muhammedanischen  Welt  herbeiführte,  lässt  sich 
begreifen,  wenn  wir  in  dem  arabischen  Berichte 
lesen,  dass  jede  Anweisung  auf  i  Golddinär,  also 
etwa  13  Frs.  lautete.  Die  Folgen  dieser  unsinnigen 
Papiergeldwirthschaft  blieben  nicht  aus. 

Indem  Niemand  an  die  Zahlungsfähigkeit  des 
Staates  auch  nur  im  Entferntesten  glauben  konnte, 
wurden  die  Papiere  bald  so  sehr  entwerthet,  dass 
selbst  der  Aermste  mit  Leichtigkeit  in  den  Besitz 
von  10 — 20.000  derselben  gelangen  konnte.  Sehr 
anschauliche  Berichte  liefert  hierüber  der  gleich- 
zeitige arabische  Historiker  Abu  Schäma  in  der 
Lebensbeschreibung  des  Sultans  Nur  ed  d;n  Mahmud, 
in  dessen  von  den  Kriegsstürmen  zunächst  be- 
troffenen Ländern  diePapiergeldnöthen  am  höchsten 
gestiegen  waren. 

Der  edle  Sultan  erlebte  nicht  die  Befriedigung, 
ruhige  und  gesunde  wirthschaftliche  Verhältnisse 
einkehren  zu  sehen. 

Wie  dann  in  der  Folge  der  wirthschaftliche 
und  dynastische  Ruin  in  diesen  Ländern  eintrat,  ist 
bekannt;  unbekannt  war  aber  bisher  die  Ursache, 
welche  ihn  herbeigeführt. 

Seit  dieser  Zeit  des  ersten  verunglückten 
Experimentes  mit  den  Staats-Papiergeldnoten  im 
Islam  tritt  eine  Pause  in  der  Erzeugung  von  derlei 
Drucksorten  ein.  Erst  zum  Schluss  des  darauf- 
folgenden Jahrhunderts  brach  wieder  über  einen 
grossen  Theil  Mittel-  und  Vorderasiens  die  Calamität 
der  Papiergeldwirthschaft  herein,  welche  von  China 
ihren  Ausgang  nahm. 

Aber  während  das  chinesische  Papiergeld 
bereits  seinen  Weg  gegangen  und  schon  im  Jahre 
1287  vollständig  entwerthet  war,  ergiesst  sich  die 
Fluth  desselben  mit  neuer  vernichtender  Gewalt  ein 
paar  Jahre  später,  1293,  über  die  westlichen  Ge- 
biete Asiens,  d.  h.  über  das  grosse  Reich  der  persi- 
schen lichäniden,  in  Folge  massloser  Verschwen- 
dung der  Hofhaltung  und  der  Eingebung  einer 
momentanen  Laune. 

In  Tebriz  wurde  in  dem  genannten  Jahre  1293 
die  erste  Druckerei  hiefür  eingerichtet.  Das  da- 
selbst erzeugte  und  emittirte  Papiergeld  war  nach 
chinesischen  Vorlagen  gearbeitet  und  adjustirt. 
Dann  folgten  Schlag  auf  Schlag  die  Städte  des 
arabischen  und  persischen  Irak,  Kirman  und  Chorä- 
sän ,  sowie  Mesopotamien ,  Dijär  Bekr ,  Mossul, 
Meijafarikfn    und    Schiräz :    allüberall    entwickelte 


sich  eine  fieberhafte  Thätigkeit  in  der  Erzeugung 
gedruckter  Geldnoten,  bis  der  elementare  Aus- 
bruch der  Volkswuth  und  die  Geissei  des  dichteri- 
schen Spottes  auch  dieser  Episode  ein  schnelles 
Ende  bereiteten.  Sie  war  glimpflich  genug  abge- 
laufen und  hinderte  nicht,  dass  nach  ihr  mit  dem 
Thronwechsel  eine  drei  Decennien  währende  Blüthe- 
zeit  des  Ilchaniden-Reiches  hereinbrach. 

Aus  diesen  von  mir  angeführten  ältesten  Bei- 
spielen von  Erzeugnissen  des  Holzmodel-  oder 
Plattendruckes,  welcher  die  Etappe  zum  Druck 
mittelst  beweglicher  Lettern  bildete  ,  geht  also 
augenscheinlich  hervor,  dass  der  Druck  hauptsäch- 
lich für  solche  Objecte  Anwendung  fand,  welche  in 
Massenhaftigkeit  erzeugt,  in  die  Massen  des  Volkes 
einzudringen  bestimmt  waren. 

So  sehen  wir  denn  schon  in  sehr  früher  Zeit, 
fast  genau  siebenhundert  Jahre  vor  dem  Erscheinen 
unserer  ersten  europäischen  Tafeldrucke  in  Buch- 
form, Papier  und  Druck  als  wichtige  Hebel  in  die 
Culturbewegung  morgenländischer  Volker  wirksam 
eingreifen.  Und  diese  beiden  Culturträger  von  einst 
und  jetzt  tragen  den  offenbaren  Stempel  der  Sieges- 
gewalt eines  Volkes  an  sich,  das  gross  in  geistigen 
Eroberungen,  energisch  in  der  praktischen  Ver- 
werthung  derselben,  zu  dem  Aufbau  menschlicher 
Cultur  mächtige  Quadern  geliefert  hat,  die  unver- 
gänglicher als  seine  Siegeskränze  die  Jahrhunderte, 
selbst  seines  nationalen  Lebens,  zu  überdauern  ver- 
mochten. 

Freilich  sind  es  nur  vereinzelte  Wegspuren 
auf  diesem  ungeheueren  Gebiete  des  menschlichen 
Culturfortschrittes,  welche  ich  hier  durcji  ein  halbes 
Jahrtausend  zurück  zu  verfolgen  im  Stande    war. 

Darum  mag  auch  hie  und  da  die  Befriedigung 
hierüber  keine  vollständige  sein.  Aber  in  wissen- 
schaftlichen Dingen  gilt  wohl  auch  das  Wort  des 
Zweiflers  Cartesius,  dass  wir  Grosses  hoffen  dürfen, 
wenn  nur  das  Kleinste  gefunden  ist,  das  zweifellos 
und  unerschütterlich  feststeht.  Sollte  dieses  Letztere 
darzuthun  mir  gelungen  sein,  dann  darf  ich  miih 
reichlich  belohnt  fühlen. 


BENGALISCHE    JUTE. 

Von   Emil  Schlagintweii . 

Als  während  des  Krimkrieges,  1854 — 1856,  in 
England  der  Bezug  von  Flachs  aus  Russland  zum 
Stillstand  kam,  brachten  Handelsfirmen  in  Calcutta 
Jutefaser  der  besten  Sorte  auf  den  Markt,  und 
während  die  Pflanze  1851  auf  der  Londoner  Aus- 
stellung keine  Beachtung  gefunden  hatte,  wurde 
man  jetzt  in  Indien  durch  den  überaus  starken  Anbau 
der  neuen  Handelspflanze  bange  und  fürchtete  Ver- 
nachlässigung der  NahrungsfrOchte  ;  im  Februar 
1873  wurde  eine  eigene  Centralbehörde  geschaffen, 
um  über  die  Ausbeute  und  die  Herstellung  von  Jute 
jährlich  zu  berichten  und,  der  Uebersicht,  erstattet 
von  Babu  Hem  Tschandar  Kar,  entnehmen  wir  die 
nachstehenden  Angaben. 

Der  Ernte  von  1890  war  die  Witterung  sehr 
günstig.  In  einzelnen  Districten  litten  die  Pflanzungen 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


171 


unter  übermässigem  Regen,  aber  im  Ganzen  ist  eine 
jjute  Mittelernte  erzielt  worden.  Im  Vorjahre  ge- 
langten 8'/^  Millionen  Centner  zur  Ausfuhr;  in 
diesem  Jalire  wird  den  Ausfuhrfirmen  ein  Fünftel 
mehr  an  Rohmaterial  zur  Verfügung  stehen. 

Jute  gehört  zur  Gruppe  der  Lindenbäume 
und  ist  die  wichtigste  Gespinnstpflanze  in  Unter- 
bengalen; neuerdings  beginnt  sie  in  Behar  und 
Tschota-Nagpur ,  den  'I~afelländern  westlich  von 
Unterbengalen,  über  welche  man  die  mittleren 
Gangesländer  erreicht,  San  oder  Hanf  zu  ver- 
drängend Die  Wissenschaft  unterscheidet  zwei  Arten : 
('orchorus  olitorius  und  C^orchorus  capsularis;  die 
liingeborencn  haben  örtlich  verschiedene  Bezeich- 
nungen. Grundnamen  sind  Pat  für  die  Pflanze, 
Koschta  für  die  Faser. 

Der  Anbau  von  Jute  zum  Hausgebrauch  lässt 
sich  für  Unterbengalen  schon  in  sehr  alter  Zeit  nach- 
weisen ;  als  Packmaterial  kommen  Gewebe  im  XVII. 
und  XV III.  Jahrhundert  in  den  europäischen  Handel, 
auch  Seile  gelangen  zur  Ausfuhr.  In  rohem  Zu- 
stande ging  Jute  damals  nicht  auswärts ;  die 
ersten  Versuche  hissen  sich  für  das  Ende  des  ab- 
gelaufenen Jahrhunderts  erweisen,  und  zeitweise 
sollen  die  Umsätze  bedeutend  gewesen  sein;  182g 
war  die  Ausfuhr  auf  364  Centner  zurückgegangen 
und  hat  diese  t2  '£  gewerthet.  Nach  fünfjahren  wurde 
das  Zehnfache  in  der  Quantität  ausgeführt,  die  Ziffer 
hob  sich  aber  niemals  auf  eine  Viertelmillion,  weil 
russischer  Flachs  billiger  zu  haben  war.  Nach  dem 
russischen  Kriege  im  Jahre  1858  wurden  969.724 
Centner  verschifft;  in  zehn  Jahren  verdreifachte 
sich  die  Ziffer  und  nahm- seither  stetig  zu;  allein  im 
Jahre  1872  stieg  die  Zahl  der  mit  Jute  ange- 
bauten Fläche  um  ein  volles  Drittel.  Vom  wirth- 
schaftlichen  Standpunkte  aus  erwies  sich  die  ne<ie 
1  landelspflanze  als  grosse  Wohlthat  für  die  Bevöl- 
kerung ;  der  Zuiluss  von  Silber  entriss  einen  bedeu- 
tenden Percentsatz  der  Bevölkerung  der  drücken- 
den Verschuldung,  die  sie  der  Früchte  der  Arbeit 
beraubt  hatte.  Die  Frage,  ob  durch  die  neue  Ge- 
s|)innst[)flanze  die  Menge  von  Nahrungsgetreide  zu- 
1  iickgegangen  sei,  verneint  der  Berichterstatter,  weil 
der  Preis  von  Reis  nicht  in  höherem  Masse  stieg, 
■ds  das  Silber  an  Werth  einbüsste,  und  weil  der 
lauer  meist  Land  zweiter  Güte  zur  Verfügung  hat, 
las  sonst  fast  nichts  eintrug  und  sich  für  Jute 
eignet,  während  das  beste  Land  den  reichsten  Er- 
trag in  Reis  abwirft.  Man  kann  behaupten,  dass  der 
bengalische  Bauer  mit  Jute  sein  Einkommen, 
das  er  sonst  aus  Reis  und  Oelsamen  erzielte,  mehrt, 
nicht  aber  den  Reis  zurücksetzt.  Nur  in  solchen 
Dörfern  mag  zu  ■  Jute  im  Uebermass  gegriffen 
ein,  wo  der  Mahadschan  oder  Dorfkrämer  eine 
jössere  Lieferung  übernahm  und,  um  sich  die  er- 
lorderlichc  Menge  zu  sichern,  den  Bauern  zur  Zeit 
der  Saat  Vorschüsse  auf  die  Jute-Ernte  gegen 
die  Verbindlichkeit  macht,  eine  bestimmte  Menge 
Ljutcn  Landes  damit  zu  bepflanzen. 

Am  meisten  sagt  Jute  ein  feuchtes  Klima  zu, 
mit  wechselnder  Witterung  während  der  Reifezeit ; 
zu  viele  Feuchtigkeit   macht   die  Faser   zu   markig 


(rooty  ist  hiefür  der  technische  Austiruck),  Trocken- 
heit dagegen  hält  sie  im  Wachsthum  zurück  und 
bewirkt  Sprödigkeit. 

Die  Bearbeitung  des  Feldes  und  die  Zeit  der 
Ernte  wechselt  nach  Districten.  Das  Land  erfordert 
viele  Arbeit;  es  muss  so  oft  geackert  werden,  bis 
jede  Krume  gestürzt,  der  Sonne  ausgesetzt  und 
zu  Pulver  gebracht  ist.  Die  Saat  wird  im  April- 
Mai  eingegeben,  nur  auf  magerem  Boden  später. 
Den  Samen  zieht  der  Bauer  selbst,  sortirt  ihn  aber 
nicht  und  erzielt  deswegen  sehr  ungleiche  Pflanzen. 
Ist  die  Saat  aufgegangen,  so  erfordert  die  Pflanzung 
geringe  Aufmerksamkeit ;  nur  sieht  man  darauf, 
dass  die  Schösslinge  nicht  zu  dicht  stehen  und 
dünnt  man  in  solchen  Fällen  aus.  August  bis  Mitte 
October  sind  die  Erntemonate.  Die  richtige  Zeit 
zum  Schnitt  ist  gekommen,  wenn  die  Pflanze  in 
voller  Blüthe  ist  und  eben  die  Samenkapseln  sich 
bilden.  In  dieser  Zeit  ist  aber  die  Thätigkeit  des 
Landmannes  durch  andere  Arbeiten  stark  in  An- 
spruch genommen,  und  die  Regel  ist,  dass  die 
Samen  ausgebildet  sind,  wenn  der  Schnitt  beginnt. 
Häufig  ist  auch  der  Fall,'  dass  die  Pflanze  zu  früh 
eingebracht  wird,  selbst  noch  vor  Eintritt  der 
Blüthe;  meist  gibt  das  Anschwellen  der  Flüsse  beim 
Eintritt  der  Regenzeit  den  Anlass  dazu,  aber  auch 
der  Wunsch,  mit  frischer  Waare  bald  auf  dem  Markte 
zu  sein,  führt  hiezu.  Solche  Faser  ist  aber  schwach, 
reisst ;  dagegen  verliert  Faser,  die  nach  der  Samen- 
bildung abgenommen  ist,  an  Glanz  und  ist  nur  zu 
gröberer  Waare  verwendbar. 

Die  Halme  werden  in  Büschel  gebunden  und 
diese  vom  Felde  weg  in  den  nächsten  Teich  oder 
Wasserlauf  gebracht,  hier  mit  Stämmen  von  Pi.sang- 
bäumen,  meist  aber  durch  eine  Lage  Stroh,  auf  die 
Lehmbrocken  gelegt  sind  —  Steine  fehlen  in  Unter- 
bengalen —  beschwert  und  einem  Gährungspro- 
cesse,  wie  Hanf  und  Flachs  bei  uns,  ausgesetzt, 
damit  die  holzigen  Theile  des  Stengels  sich  leichter 
von  der  Faser  ablösen.  Ist  die  Zersetzung  genügend 
rasch  vorgeschritten,  dann  schlägt  man  auf  die 
Stengel,  so  lange  sie  noch  im  Wasser  liegen  und 
kann  dann  die  Faser  ausziehen.  Je  reiner  das  Wasser 
und  je  öfter  nach  den  Stengeln  gesehen  und  der 
Process  der  Fäulniss  überwacht  wird,  desto  weisser 
und  seidenartiger  wird  die  Faser.  Der  Bauer  ist 
aber  hierin  äusserst  sorglos ;  fliessendem  Wasser 
vertraut  er  seine  Ernte  nicht  gerne  an  aus  Furcht, 
sie  möchte  weggeschwemmt  werden ;  die  Teiche 
dagegen  sind  klein,  abflusslos  und  vielfach  so  dicht 
belegt,  dass  tlie  Ausdünstung  lästig  und  die  Be- 
nützung des  Wa.ssers  selbst  zum  Waschen  unmög- 
lich wird. 

Ertragsschätzungen  von  Jute  nach  Bodengrösse 
und  Bodenbeschaffenheit  sind  vielfach  versucht 
worden ;  Thatsache  ist,  dass  Juteland  zu  hohem 
Preise  in  Pacht  genommen  wird  und  auch  sonstige 
Wahrnehmungen  lassen  die  Schlussfolgcrung  zu, 
dass  die  Rente  hieraus  eine  hohe  ist.  Dagegen  ist 
ebenfalls  festgestellt,  d-iss  Jute  den  Boden  aus- 
saugt. Die  Regel  ist,  dass  auf  dem  Juteacker 
als  Winterfrucht  noch  Senf  oder  andere  Oelfrüchte 


172 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


gezogen  und  im  nächsten  Jahre  Reis  gepflanzt  wird; 
Bestellung  mit  Jute  zwei  Jahre  hintereinander 
verträgt  nur  das  bauwürdigste  Land. 

Man  hört  häufig  behaupten,  Jute  sei  in  Güte 
zurückgegangen.  Es  ist  zuzugeben,  dass  die  Bauern 
auch  schlechtes  Land  mit  Jute  bestellen  und 
Jahr  für  Jahr  geringwerthige  Waare  abliefern. 
Neuerdings  erzielen  niedere  Sorten  schlechte  Preise  ; 
der  Bauer  ist  dadurch  sorgsamer  geworden,  hält 
besser  auf  die  Zeit  der  Ernte,  röstet  die  Stengel 
sorgfältiger  und  zieht  die  Faser  mit  Fleiss  aus, 
alles  Bedingungen  für  feine  Waare. 

Die  fertige  Waare  wird,  je  nach  dem  Standort 
des  Feldes,  zum  nächsten  Hat  oder  Dorfmarkt  ge- 
bracht, lieber  aber  führt  man  sie  nach  den  grösseren 
Zwischenmärkten.  Hier  sind  kleine  Händler,  die 
sich  je  nach  der  Oertlichkeit  Paikar,  Pharia  oder 
Bepari  nennen,  die  Aufkäufer,  die  dann  ihre  Vor- 
räthe  den  Mahadschans  oder  Inhabern  von  Lager- 
häusern anbieten.  Es  kommt  auch  vor,  dass  Bepari 
als  Unterkäufer  der  Mahadschans  von  Dorf  zu  Dorf 
gehen  und  in  den  einzelnen  Gehöften  ihre  Einkäufe 
machen ;  diese  Mittelspersonen  heissen  Bhasania 
Bepari  und  bringen  von  Jahr  zu  Jahr  grössere  Vor- 
räthe  an  sich.  Die  Mahadschans  suchen  sich  Abneh- 
mer bei  den  Ausfuhrfirmen;  man  kann  sagen,  die 
Hälfte  des  Preises,  den  die  Ausfuhr-Grosshandlung 
erhält,  bleibt  in  den  Händen  der  Bepari  und  Mahad- 
schans hängen.  Ein  wichtiges  Glied  in  diesem 
Zwischenhandel  bildet  der  Bootsmann,  welcher  die 
von  den  Mahadschans  gesammelte  Ernte  nach  den 
Ausfuhrmärkten  liefert ;  Unterbengalen  ist  mit  schiff- 
baren Flussarmen  so  reich  ausgestattet,  dass  flache 
Schiffe  von  fünf  Tonnen  Laderaum  fast  überall  hin- 
gelangen. Die  grossen  Stapelplätze  für  Jute 
(Siradschgandsch  an  der  schiffbaren  Dschamuna, 
Name  für  den  Unterlauf  des  Brahmaputra  und 
Naraingandsch  bei  Dacca)  sind  mit  Calcutta  durch 
Wasserwege  verbunden  und  Naraingandsch  ist  von 
dem  wichtigen  Eisenbahn-Knotenpunkte  Goalanda 
nur  wenige  Kilometer  entfernt.  Dennoch  wird 
nahezu  die  Hälfte  der  Jahresernte  zu  Schiff  nach 
Calcutta  verfrachtet  und  hievon  haben  Dampfer  ein 
Viertel  an  sich  gezogen.  Die  Segelboote  der  Ein- 
geborenen fassen  bis  zu  40  Tonnen  und  bringen 
bis  Calcutta  30  Tage  zu,  während  die  Dampfer  in 
fünf  Tagen  und  die  Bahnen  in  so  viel  Stunden 
verkehren.  Die  Preise  stellen  sich  halb  so  hoch 
bei  Segelfracht  als  bei  Dampfbenützung.  Auf  die 
Stapelplätze  gelangt  die  Waare  in  offenen  Bündeln, 
mit  Stricken  verschnürt ;  hier  werden  Ballen  gebildet 
mitUeberzug,  die  aber  in  Calcutta  wieder  ausein- 
andergenommen werden  müssen,  um  sortirt  und 
zum  Seetransport  durch  hydraulische  Pressen  fest- 
gepackt zu  werden. 

Am  lebhaftesten  ist  der  Handel  vom  November 
bis  Februar.  Welche  Bedeutung  der  Jute  für 
Unterbengalen  zukommt,  zeigt  sich  am  besten  an  der 
Entwicklung  des  Hauptmarktes  Siradschgandsch, 
heute  eine  Stadt  von  700.000  Einwohnern.  Vor 
dreissig  Jahren  machte  Siradschgandsch  den  Ein- 
druck einer  Stadt  ohne  Häuser ;    heute  zeigt  schon 


meilenweit,  ehe  man  sich  den  Ausladequais  nähert, 
das  Treiben  auf  dem  Flusse  die  Nähe  einer  Gross- 
stadt an.  Flotten  kleiner  Boote  kommen  von  Norden 
herabgeschwommen;  grössere  Fahrzeuge,  darunter 
cjualmende  Dampfer  suchen  den  Weg  thalwärts 
nach  Calcutta.  Am  Ufer  sind  Haufen  von  Kulis  mit 
dem  Ausladen  der  rohen  Bündel  von  Jute  be- 
schäftigt, die  Andere  sofort  in  Ballen  bringen  und 
in  dieser  Verpackung  grösseren  Schiffen  übergeben. 
Kommt  die  Zeit  des  täglichen  „Bazars"  oder  der 
Börse,  so  besteigen  die  Aufkäufer  kleine  Ruder- 
boote und  machen  von  Schiff  zu  Schiff  Abschlüsse. 
Das  Ufer  ist  eine  völlig  schattenlose  Sandwüste ; 
die  Stadt  liegt  8  km  landeinwärts.  Der  Weg  dahin 
in  der  brennenden  Sonne  ist  so  anstrengend,  dass 
selbst  gering  bemittelte  Arbeiter  sich  einen  elenden 
Klepper  sichern.  Im  Juni  steigt  der  Fluss  und  dann 
gelangen  Schiffe  in  einer  canalartigen  Rinne  bis 
zur  Stadt,  und  der  Bazar  findet  in  den  Strassen  der 
Stadt  statt,  bis  der  Fluss  im  October  wieder  in 
sein  Bett  zurücktritt. 

Man  unterscheidet  im  Handel  nicht  weniger 
als  zehn  Sorten ;  daneben  laufen  noch  eine  Menge 
örtlicher  Bezeichnungen.  Uttariyä,  wörtlich  Nord- 
Jute,  ist  die  preiswertheste  Sorte :  zart,  weiss, 
stark  und  lange  Faser.  Deswal  gilt  als  weich  und 
kräftig ;  sie  wird  neuerdings  vernachlässigt  wegen 
grösserer  Sorglosigkeit  der  Pflanzer,  kommt  aber 
aus  klimatisch  bevorzugten  Districten,  ist  zuerst 
am  Platz  und  ist  guter  Preise  sicher,  so  oft  die 
Nachfrage  nach  Jute  rege  ist.  Dacca  ist  eine 
Sorte  für  Seilerwaaren ;  sie  kommt  aus  dem  Ueber- 
schwemmungsgebiete  östlich  von  Calcutta,  ist  grob- 
faserig, weil  die  Ausbildung  der  Pflanze  unter  über- 
grosser Bodenfeuchtigkeit  leidet,  wird  aber  für 
starke  Stricke  gesucht.  Dasselbe  gilt  von  Bhatial. 
Naraingandschi  wird  der  dunkleren  Farbe  wegen, 
Folge  zu  starker  Verwesung  unter  Wasser,  ge- 
mieden, ist  aber  eine  ausgezeichnete  Gespinnst- 
faser.  Als  feinste  Waaren  gelten  Bakrabadi  und  die 
Erzeugnisse  von  Maimansingh,  nördlich  von  Dacca. 

Die  Eingeborenen  fertigten  seit  Alters  Ge- 
treidesäcke aus  Jute,  Gunny,  für  den  Hausge- 
brauch. Die  Weberei  für  den  europäischen  Markt 
lohnte,  solange  als  Jute  nicht  in  Europa  auf  me- 
chanischen Stühlen  verarbeitet  wurde ;  die  traurige 
Lage  des  Gewerbes  in  der  Gegenwart  veran- 
schaulicht nachstehender  Bericht  : 

„Schon  das  Aeussere  zeigt  an,  dass  die  Weber 
halb  am  Hungertuche  nagen;  sie  sind  schwächlich 
und  unsauber.  Ihr  ganzes  Leben  geht  innerhalb 
der  Mauern  unglaublich  unreiner  Häuser  dahin.  Ihr 
Lohn  ist  sehr  gering,  wird  nicht  regelmässig  bei 
der  Ablieferung  bezahlt,  erleidet  mancherlei  Ab- 
züge und  dabei  fehlt  es  häufig  an  Aufträgen.  Man 
kann  es  beinahe  ein  Glück  nennen,  dass  die  Nach- 
frage von  Gunnytuch  von  Jahr  zu  Jahr  abnimmt ; 
denn  dann  stirbt  das  Handvi'erk  allmälig  ab."  An 
Stelle  der  Handweberei  ist  für  Jute  auch  in 
Indien  Fabriksarbeit  getreten;  Hauptsitz  für  Jute- 
Webereien  ist  die  Umgegend  von  Calcutta  ge- 
worden. Eine  solche  Fabrik  hat  vorwiegend  Weiber 


OESTERREICHI8CHE    MONATSSCHRIFT    PÖR    DEN   ORIENT. 


173 


und  Kinder  zu  Arbeitern;  die  Mehrzahl  der  Kinder 
ist  unter  zehn  Jahren.  Üie  Maschinen  laufen  zwölf 
Stunden  im  Tag,  die  Arbeiter  werden  aber  von 
sechs  zu  sechs  Stunden  abgelöst,  weil  die  In- 
haber die  Erfahrung  machten,  dass  frische  Kräfte 
viel  mehr   leisten. 

Indien   eigen    ist   noch   die    Darstellung   von 
l'apicr    aus    Jute;     Hauptsitz    ist    die    Umgegend 
von  Kangpur,  an   der    Caicutta-Dardschiling-Bahn 
gelegen,    einer   der  ältesten  üistricte,     in     denen 
Jute     gepflegt    wurde.      Das    Papier      ist    grob, 
dient   aber   den    Lithographien   der  Eingeborenen 
zum  Druck  und    in   den   englischen  Kanzleien  zum 
Concepti)apier.  Die  Bereitung  ist  folgende  :  40  Pfund 
Jute  werden  20  Pfund  Leim  beigegeben  und   beide 
während    24  Stunden    in   einem   gemauerten  Trog 
von  3  m  Länge,    bei    2  m  Tiefe   und   0-50  m  Breite 
unter  Wasser  gehalten.  Dann  nimmt  man  die  Masse 
heraus,  entfernt  das  Wasser  durch  Druck  und  lässt 
das  Gemenge   im  Schatten  während  vier  Tage  ab- 
trocknen. Dann  wird  wieder  Leim  beigemengt,  der 
Process  der  Sättigung  im  Wasser   und  des  Trock- 
nens  wiederholt.    Hierauf  wird    das   Gemenge   in 
Cubus  von  20—30  cm  geschnitten  in  einem  Mörser 
zerstossen,    woran    sechs    Arbeiter    sich    ablösen. 
Dann  wird  das  Pulver  auf  eine  feine  Bambusmatte 
gelegt,  genässt  und  mit  den  Flüssen  geknetet  unter 
Zuführung   von  Wasser   nach  Bedarf.    Dieser   fein 
gearbeitete  Stoff  wird    nun    wieder    in    einen  Trog 
gebracht,    und  unter  fortwährendem  Umrühren  mit 
Wasser  verdünnt.    Die    feinsten  'l'heilchen    steigen 
nach  aufwärts  und  werden  mit  einem  behutsam  unter- 
geführten   feinen  Bambussieb   abgehoben;    ist   die 
Lage  genügend  abgetrocknet,    so   lässt   man   eine 
zweite  Schicht  oberen  Schaums  sich  auflagern.  Erst 
zwölf  Schichten  gelten    als  genügend,   um  Papier- 
starke  zu  geben ;    das   trockene  Blatt   wird   unter 
einer  Presse   geglättet,   auf  beiden  Seiten   mittelst 
einer   Bürste  mit  Reisstärke   überstrichen   und    ist 
nun  zum  Verkauf  fertig. 

Ueber  die  Zukunft  der  Jutefaser  äussert  sich 
.Mii  amtlicher  Bericht  sehr  günstig:  „Lässt  man  die 
Ziffern  von  Land  unter  Jute  und  vom  Ertrag 
der  Aecker  auch  nur  als  annähernde  Schätzungen 
gelten,  so  nehmen  diese  Pflanzungen  nicht  mehr  als 
den  dreizehnten  Theil  des  Ackerlandes  unterm  Pflug 
ein;  ein  sehr  erheblicher  Percentsatz  der  ange- 
bauten  Fläche  lag  aber  früher  Öde  und  fortgesetzt 
wird  hiefür  Brachland  nutzbar  gemacht;  des- 
wegen thut  Jute  dem  Anbau  von  Nahrungs- 
getreide keinen  Abbruch.  In  einem  Lande,  wo  am 
Herkommen  so  ängstlich  gehangen  wird,  wie  in 
Indien,  werden  Neuerungen  nicht  willig  aufge- 
nommen, und  Handel  wie  Fabriken  in  Jute 
brachten  anfangs  mancherlei  Störungen,  die  sehr 
unangenehm  empfunden  wurden. 

Der  Gewinn  wirkte  jedoch  aneifernd,  und  die  ge- 
sammte  Bevölkerung  hat  sich  in  dem  neuen  Laufe 
der  Dinge  völlig  zurechtgefunden ;  manches  lästige 
Vorurtheil  ist  abgelegt  worden,  und  der  Beweis 
ist  geliefert,  dass  Handcisanforderungen  auch  auf 
die  indischen  Kasten  umgestaltend  einwirken." 


LAGE  UND  PROOUCTE  DES  LANDES  PUNT. 

Von  7.  Krall. 
Die    politischen   Vorgänge,    vor    Allem    das 
Vorgehen  der  Italiener  gegen  Abcssynien   haben 
in   den   letzten  Jahren  zu  wiederholten  Malen  die 
allgetoeine  Aufmerksamkeit  auf  die  ostafrikanischen 
Küstengebiete  von  Suakin    und  Massaua  an    bis 
zu  dem  Lande  der  Somalen  hin  gelenkt.    Hiero- 
glyphischen   Texten    verdanken    wir    die    merk- 
würdige Kunde,    dass    ein  Theil    dieser    Küsten- 
gebiete unter  dem  Namen  Punt  schon  vor  Jahr- 
tausenden in  der  Handels-    und  Culturgeschichte 
des  Orients    eine    hervorragende    Rolle    gespielt 
hat.  Schon  in  der  ersten  Hälfte  des  dritten  Jahr- 
tausends V.  Chr.  hatten,  wie  eine  hieroglyphische  In- 
schrift aus  der  Zeit  des  Königs  S-ncheres  lehrt, 
die  Fahrten  der  Aegypter  nach  dem  Lande  Punt 
begonnen.  Näheres  erfahren  wir  über  dieses  Land 
durch  die  Inschriften   und   Darstellungen   des  be- 
rühmten   Terrassentempels  von   Deir     el-Bahari, 
welche  die   Königin  Machere    (um   1520  v.  Chr.) 
zur  Erinnerung  an  eine  grosse  Flottenexpedition 
nach  Punt  im   westlichen  Theben    hat    aufführen 
lassen.   Unter  ihrem   Bruder  und  Nachfolger,  dem 
grossen    Eroberer  Thethmosis    III.,    bildet    Punt 
einen     Bestandtheil     des     egyptischen     Reiches. 
Regelmässige  Tribute  des  Landes  Punt  werden  in 
den  Annalen  Thethmosis  III.    verzeichnet.    Noch 
in  der  Zeit  der  Ptolemäer    wird    das  Land  Punt 
in    hieroglyphischen  Texten    widerholt    erwähnt. 
Es    ist    bei    der    grossen    Wichtigkeit    des 
Gegenstandes  begreiflich,  dass  von  verschiedenen 
Seiten    Versuche    gemacht    wurden,    die    genaue 
Lage  dieses  Landes  Punt  festzustellen.    Dümichen, 
Chabas,   Mariette,  Brugsch,  Maspero,  Golenischeff, 
Lieblein  und  noch  neuerdings  Schweinfurth  ')  und 
Glaser  2)  haben  sich  mit    der  Frage    mehr    oder 
minder  eingehend  beschäftigt.    Massgebend  war  die 
Liste  der  Producte  des  Landes  Punt,  welche  uns 
an  zwei  Stellen,  in  den  Inschriften  des  Tempels 
von  Deir  el-Bahari    und     in     einem  Petersburger 
Papyrus    ganz    ausführlich    und    in    fast    gleich- 
lautender   Weise    aufgezählt    werden.    In    erster 
Linie    war    es    eine    feine    Anteart,    welche    die 
aegyptischen  Seefahrer    nach     dem    Lande    Punt 
lockte.   Wir  sehen  in  Deir  el-Bahari  an  der  Rinde 
der     Aute  -  Sykomoren      kleine     eckige     Körper, 
welche   das  Ante  bezeichen,  das  Einschnitten  an 
diesen  Bäumen  entquoll.  Dieselben  Darstellungen 
zeigen   uns,    dass    schon    unter  Königin  Machere 
Antebäume  —  31    an    der  Zahl    —    in    Kübeln 
auf  die  Schiffe  gebracht  wurden,  um  in  Aegyptcn 
acclimatisirt  zu  werden,    ein   Vorgang,    der    sich 
in  späterer  Zeit  oft  wiederholte.  Nach  dem  Ante 
folgen     in     der    Liste    der    Producte    Ebenholz, 

K       10'  allt'ma"  «pporU  mm  PAnbl«  llearaiue  et  l'ucieona 

1S90,  Nr.  J7,  8.  SSI  u.  ff.  Der  »Jagnoiebiirte  K«Qnrr  SOdarablon. 
Iiemerkt  mit  Rocht,  daa«  Puot  nnmöitlicb  dem  •Oilllchro  Arabieo 
ouuprefheo  kSnne,  dk  das  ch»r»kteritUiK'he  Thler  Ar.bk-n.,  du 
lv»meel,  unter  den  Praducten  dea  Landea  •um  fel.l^  dageien  ferad- 
rBcklge  Rinder,  welche  et  an  der  arabiarhan  Welbranrbkllalc  nicht 
(ibt,  unter  denaelben  eracheloeu. 


174 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR    DEN    ORIENT. 


Elfenbein,  Gold,  Electron,  Antimon  (?),  mehrere 
Aflfen-  und  Hundearten,  Pantherfelle,  Perlmutter  (?), 
Bumerangs,  Strausseneier,  Sclaven,  Sciavinnen, 
Vieh.  Bezeichnenderweise  fehlt  das  Silber  in 
diesen   Listen   der  Producte   des   Landes   Punt. 

Indem  das  Ante  bald  als  Weihrauch^  bald 
als  Myrrhe  aufgefasst  wurde,  schien  die  Gleich- 
setzung des  Landes  Punt  mit  den  Weihrauch- 
ländern xat"  i^'-'XV»  ^^^  Somaliküste  und  dem 
südlichen  Arabien  von  selbst  geboten  zu 
sein. 

Nur  darüber  schien  ein  Zweifel  gestattet 
zu  sein,  ob  das  eine  oder  das  andere  der  beiden 
genannten  Gebiete  unter  der  aegyptischen  Be- 
zeichnung zu  verstehen  sei.  Der  afrikanischen 
Küste  ward  von  der  Mehrzahl  der  Fachgenossen 
der  Vorzug  gegeben,  wenn  sie  nicht  die  Ansicht 
Dümichen's  theilten,  dass  das  Land  Punt  auf 
„beiden  Seiten  des  Meeres"   lag. 

Der  Weihrauch  gehört  zu  jenen  Producten, 
welche  auf  die  Culturgeschichte  des  Alterthums 
einen  massgebenden  Einfluss  geübt  haben. 
Aegypten  war  der  Hauptabnehmer  des  Weihrauchs 
in  alter  Zeit;  in  dem  anderen  Culturherde  der 
alten  Welt,  in  Babylonien  scheint  der  Verbrauch 
des  Weihrauchs  ein  viel  geringerer  gewesen  zu 
sein.  Schon  in  den  ältesten  Texten,  deren  Nieder- 
schrift in  das  IV.  Jahrtausend  v.  Chr.  fällt,  wird 
der  Weihrauch  (Sontr)  häufig  erwähnt.  In  dem 
aegyptischen  Culte  ward  von  demselben  ein  sehr 
ausgiebiger  Gebrauch  gemacht.  Speciell  bediente 
man  sich  des  Weihrauches  bei  dem  Todten- 
rituale.  Unter  den  Dingen,  welche  dem  Ver- 
storbenen dargebracht  werden,  deren  er  bedarf 
und  von  denen  auch  „die  Götter  leben",  wird 
der  Weihrauch  erwähnt  und  in  den  Gräbern  des 
alten  Reiches  in  mannigfacher  Gestalt  dargestellt. 
Merkwürdigerweise  ward  der  Weihrauch  oft  in 
Form  von  Obelisken  in  den  Handel  gebracht. 
Eine  Inschrift  aus  der  Zeit  Thethmosis  III.  er- 
wähnt „vier  Weihrauchobelisken".  Inder  ältesten 
Zeit,  im  IV.  Jahrtausende  v.  Chr.,  für  welches 
Beziehungen  Aegyptens  zum  südlichen  Syrien  nicht 
nachzuweisen  sind,  scheint  man  Weihrauchsorten 
aus  dem  fernen  Süden  bezogen  zu  haben. 
Wenigstens  möchte  man  dies  aus  den  Stellen 
der  Pyramideninschriften  schliessen,  in  denen  der 
Weihrauch  als  Product  der  unmittelbar  an 
Egypten  grenzenden  äthiopischen  Landschaft  be- 
zeichnet wird,  ähnlich  wie  Elephantine  (Abu) 
von  dem  Elfenbein  (Ab)  den  Namen  erhalten 
hat,  der  hier  auf  den  Markt  gebracht  wurde. 
Wie  dem  auch  sei,  Thatsache  ist,  dass  bereits 
in  den  Annalen  Thethmosis  III.  der  Weih- 
rauch zu  den  regelmässigen  Tributen  des  südli- 
chen Syrien  (des  Lothennui)-Landes)  im  XV.  Jahr- 
hunderte V.  Chr.  erscheint.  Wir  werden  an  die 
Ismaeiiter  erinnert,  welche  in  den  Geschichten 
Josephs  Weihrauchsorten  vom  Ostjordanlande 
nach  Aegypten  brachten   (i   Moses  37,  25). 

')  Merkwürdig  iai,  dass  dieser  Name  eine  gute  Transcription  von 
„luden",  dem  aabäisci'en  Namen  der  Myrriie,  darstellt. 


Bei  diesen  sudsyrischen  Gebieten  stehen  wir 
am  Ausgange  der  Karawanenstrasse,  welche  aus 
dem  südwestlichen  Arabien,  aus  dem  Lande  der 
Sabäer,  das  in  der  Geschichte  Salomo's  zuerst 
erwähnt  wird,  nach  Norden,  speciell  nach  der 
philistäischen  Stadt  Gaza  führte.  In  Gaza  fand 
Alexander  der  Grosse  so  riesige  Quantitäten  von 
Weihrauch  und  Myrrhe  vor,  dass  er  seinem  Pä- 
dagogen Leonidas,  der  ihm  als  Knaben  beim  Opfer 
Verschwendung  von  Weihrauch  vorgehalten  hatte, 
so  lange  er  nicht  Herr  des  Weihrauchlandes  sei, 
500  Talente  Weihrauch  und  100  Talente  Myrrhe 
mit  der  Mahnung  schicken  konnte,  fortan  nicht 
kleinlich  gegen  die  Götter  zu  sein.  Nach  der 
Eroberung  von  Gaza  sah  sich  Alexander  als 
Herrn  der  aficüjj.ato'föfio?  an.  Diese  „Weihrauch- 
strasse", deren  Zurücklegung  nach  Plinius  an 
70  Tage  erforderte,  hat  den  Gebieten,  welche 
sie  berührte,  vor  Allem  den  Reichen  der  Sabäer, 
Minäer  und  Nabatäer  einen  verhältnissmässig 
hohen  Grad  von  Cultur  und  bedeutenden  Wohl- 
stand gebracht.  Die  Somaliküste  erscheint  durch- 
wegs  als  eine   Art  Colonialland   der   Sabäer. 

Die  Kenntniss  des  Karawanenweges  ward 
naturgemäss  von  allen  daran  betheiligten  Stämmen 
als  grosses  Geschäftsgeheimniss  gehütet,  umso- 
mehr  als  die  jeweiligen  Machthaber  im  Nilthalc 
oder  in  Syrien  und  Mesopotamien  mit  Vorliebe  dar- 
nach strebten,  Herren  der  Weihrauchstrasse  zu 
werden.  Wir  erinnern  an  die  verunglückten  Ex- 
peditionen des  Demetrios  Poliorketes  und  seines 
Feldherrn  Athenaios  gegen  die  Nabatäer,  an  die 
Unternehmungen  des  Herren  Aegyptens,  des 
Kaisers  Augustus,  dessen  Feldherr  Aelius  Gallus 
von  dem  Statthalter  der  Nabatäer,  Syllaios,  so 
gut  geführt  wurde,  dass  die  römischen  IVuppen 
auf  einen  Weg,  den  sie  auf  dem  Rückmarsche 
in  60  Tagen  zurücklegten,  nicht  weniger  als 
6  Monate  verwendeten.  Nicht  anders  steht  es  mit 
dem  Zuge,  welchen  von  einer  anderen  Richtung 
her  Antiochos  III.  der  Grosse  205  gegen  '  die 
arabischen  Gerrhäer  am  Persischen  Meerbusen 
unternommen  hat.  Er  begnügte  sich  mit  einem 
Geschenke  von  500  Talenten  Silber,  1000  Ta- 
lenten Weihiauch  und  200  Talenten  axaxT"^.  Die 
in  dem  XIV.  Capitel  der  Genesis  erwähnte  Unter- 
nehmung babylonischer  F'ürsten,  welche  in  die 
Geschichten  Abrahams  verflochten  erscheint,  stellt 
wohl  auch  nur  einen  ungemein  kühnen  Beutezug 
in  die  Gebiete  dar,  welche  von  der  Weihrauch- 
strasse Vortheil  zogen.  An  der  syrisch-arabischen 
Wüste  entlang,  auf  jenem  Wege,  den  Nebu- 
kadnezar  viele  Jahrhunderte  später  in  umgekehrter 
Richtung  zurücklegte,  kam  der  Zug  in  die 
Gegend  von  Damaskos,  von  da  durch  das  Trans- 
jordanland, das  Wadi-el-Arabah  nach  Elath  am 
Golfe  von  Akabah,  dann  nach  Kadegch  Barnea. 
Es  bestand  wohl  die  Absicht  von  hier  aus  Gaza 
zu  überfallen.  Die  Umstände,  welche  die  baby- 
lonischen Fürsten  nöthigten,  diesen  Plan  auf- 
zugeben,  kennen   wir  nicht. 

Mit  Recht    ist    schon    von   Sprenger  darauf 


JEDNOTA      . 
K   P0VZBU2EUI    , 
,      PRÜMYSU|J      / 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FOR    DEM   ORIENT. 


hingewiesen  worden,  dass  von  dem  Momente  an, 
wo  in  der  römischen  Kaiser/eit  der  Seeweg  auf- 
kam, man  den  Weihrauch  von  den  südarabischen 
Häfen  zu  Schiffe  nach  dem  Westen  brachte,  der 
lanjjwierigere  und  beschwerlichere  und  darum 
nicht  concurrenzfähige  Karawanenverkehr  langsam 
einging  und  die  Verhältnisse  auf  der  arabischen 
Halbinsel  eine  total  veränderte  Gestalt  gewannen. 
Vor  Allem  war  damit  der  Macht  und  Hlüthe  des 
Sabäerreiches  sowie  der  anderen  an  dem  Kara- 
wanenhandel betheiligten  Stämme,  namentlich  den 
Minäern,  der  Todesstoss  versetzt  worden.  lirwägt 
man  alle  die  angeführten  Momente,  so  wird  man 
zugeben  müssen,  dass  der  viel  schwierigere  Kara- 
wanenverkehr sich  kaum  entwickeln  konnte,  wenn 
ein  auch  kürzerer  Seeweg  von  den  Weihrauch- 
ländern nach  Aegypten,  wie  dies  nach  den  all- 
gemein üblichen  Ansätzen  für  das  Land  Punt 
folgen  würde,  bereits  seit  ältester  Zeit  in  Blüthe 
stand.  Diese  und  ähnliche  Erwägungen  nöthigen 
uns  ')  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  die  Gleich- 
setzung des  Ante  mit  dem  Weihrauche  —  es  ist 
dies,  wie  bereits  bemerkt,  der  springende  Punkt 
der  ganzen  Frage  —  hinlänglich  gesichert  ist, 
und  ob  nicht  vielmehr  eine  andere  Auffassung 
des  Ante  den  gegebenen  Bedingungen  besser 
entspricht. 

Es  gab  zahlreiche  Arten  von  Ante.  Sie 
werden  als  Ausflüsse  aus  den  Augen  verschie- 
dener Götter  bezeichnet  und  dadurch  als  gummi- 
oder  harzartige  Substanzen  charakterisirt.  In  einer 
Inschrift  des  Laboratoriums  des  Edfutempels, 
welche  der  Ptolemäerzeit  entstammt,  werden  nicht 
weniger  als  siebzehn  Antearten  aufgezählt,  von 
denen  die  meisten  in  den  aegyptischen  Tempeln 
Verwendung  fanden.  Zeigt  es  sich,  dass  das  .^nte 
allgemein  als  ,, Gummi"  oder  ,, Gummiharz"  zu 
fassen  ist,  so  ist  Gewicht  darauf  au  legen,  dass 
das  aus  dem  Lande  Punt  gebrachte  '  Ante  zu 
wiederholten  Malen  als  „Gomi"  (Gummi)-Ante  oder 
einfach  als  Gummi  bezeichnet  wird. 

Das  Ante-Gummi  ward  von  den  aegyptischen 
Malern  zum  Anmachen  der  Farben  gelsraucht, 
wozu  noch  jetzt  feine  Gummiarten  verwendet 
werden.  Nach  einer  Inschrift  aus  Denderah  über 
die  Osiris-Mysterien  wurden  Götterbilder  mit  in 
Wasser  aufgelöstem  Ante  viermal  bestrichen  ; 
nachdem  einige  Tage  zum  Trocknen  verflossen 
waren,  wurden  die  Farben  aufgetragen,  welche 
durch  das  Gummi  consistenter  wurden.  Bei  der 
Bereitung  der  Tinte  spielte,  wie  die  erhaltenen 
Recepte  lehren,  das  Ante-Gummi  ebenfalls  eine 
grosse  Rolle.  Endlich  ward  das  Ante-Gummi  bei 
der  Mumification  verwendet.  Nachdem  der  Leich- 
nam siebzig  Tage  lang,  so  erzählt  uns  Herodot 
(II,  86)  in  Natron  gelegen,  ward  er  aus  dem- 
selben genommen  und  mit  Gummi  überstrichen. 
So  sind  die  Stellen  der  funerären  Texte  zu  ver- 
stehen, in  denen  von  Salbung    des  Verstorbenen 


')  Vurg;!.  unsere  Sludkn  inr  Geschichte  de«  >ll«n  AegypKni. 
IV,  Da.  I,«n.l  l'unt,  181K)  (Sllr.nng-borlchto  d«r  Wiener  Akudomio 
clor  ■\Vi!«ousi'haficu,  Bd.  CWl,  Nr.  XI). 


mit  .^nte-Gummi  die  Rede  ist.  Es  ist  wahrschein- 
lich, wenn  auch  vorläufig  nicht  zu  bciegco,  dass 
die  Myrrhe,  welche  zu  40  Percent  Gummi  ent- 
hält, auch  zu  den  vielen  Antearten  gezählt  wurde. 
Eine  Prüfung  der  einschlägigen  Stellen  führt 
etwa  zu  folgenden  Ergebnissen :  Alle  Stellen,  in 
denen  das  Ante  vorkommt,  lassen  sich  durch  die 
Annahme,  dass  wir  es  mit  dem  Gummi  arabicum 
zu  thun  haben,  und  mehrere  derselben  nur  durch 
diese  Annahme  erklären.  Oft  würde  auch  die 
Myrrhe  eben  wegen  ihres  grossen  Gehaltes  an 
Gummi  entsprechen,  der  Weihrauch  ist  jedoch 
ganz  ausgeschlossen. 

Wenn  auch  mindere  Gummisorten  in  Aegypten 
selbst  gewonnen  werden  und  dementsprechend 
auch  das  Ante  in  den  Pyramidentexten,  deren 
Entstehung  lange  vor  den  Beginn  der  Fahrten 
nach  dem  Lande  Punt  fällt,  erwähnt  wird,  so 
wurden  doch  die  feineren  Sorten,  welche  speciell 
für  die  Malerei  in  Betracht  kommen,  aus  der  Ferne 
bezogen.  Die  Acacia  Senegal,  von  welcher  das 
vorzüglichste  Gummi  arabicum  gewonnen  wurde, 
wächst  im  Stromlande  des  weissen  Nil  und  des 
Atbara  und  in  Kordofan.  Von  Kordofan  wird  das 
Gummi  nach  El-Dabbe  in  Dongola  oder  nach  Cbar- 
tiim  gebracht.  Kiesige  Quantitäten  werden  in  die- 
sen Gegenden  gewonnen  ;  1876  gingen  in  Cbartiim 
10.000  Centner  ein.  Auch  die  Landschaft  Sennaar 
am  blauen  Nil  lieferte  ein  Gummi  von  so  gutem 
Aussehen  wie  das  kordofanische.  Dagegen  ist 
die  Qualität  des  Gummi,  welches  in  den  Gegenden 
zwischen  Sennaar  und  dem  Kothen  Meere,  dann 
in  Gezireh,  gegenüber  der  Mündung  des  Atbara 
auf  der  Hochebene  Takka,  im  Gebiete  der 
Bischarin  und  an  der  Küste  des  Rothen  Meeres 
von  Massaua  an  gewonnen   wird,  eine  mindere.') 

Als  Ausfallspforte  für  alle  diese  Gebiete 
dient  die  Küste  von  Suakin  pach  Massaua,  und 
es  wird  nach  den  bisherigen  Darlegungen  als 
berechtigt  erscheinen,  wenn  wir  an  diesem  Küsten- 
striche das  Land  Punt  suchen.  Wie  in  unseren 
Tagen,  so  kamen  in  alter  Zeit  grosse  Quantitäten 
Gummi  an  diesen  Theil  der  Küste  des  Kothen 
Meeres,  um  von  da  nach  den  Culturtändcrn  der 
alten  Welt  gebracht  zu  werden.  In  einem  sehr 
instructiven  Aufsatze  von  Sidney  Sonnino  (L'Africa 
italiana,  Nuova  Antologia,  III.  Serie,  Bd.  XXV) 
werden  als  Producte,  welche  an  die  Küste  von 
Suakin  bis  Massaua  kamen :  „penne  di  struzzo 
(dal  Darfur),  gomme  (dal  Kordofan),  avorio  (da 
Bahr  el-Ghazal),  caffe,  [>elli  e  cereali"  angeführt 
und  dazu  bemerkt  „per  la  via  di  Suakioi  si 
esportavano  specialmentc  una  parte  dellc  gomme, 
dell'  avorio,  del  caffe  e  una  piccola  quantilä  di 
penne".  Man  wird  bei  dieser  Liste  an  die  Pro- 
ductenverzeichnisse  des  Landes  Punt  deutlich 
gemahnt. 

Wenn  in  den  aegyptischen  Texten  Tributge- 
genstände  des  Landes  Punt  vielfach  als  Producte 

■)  Terfl.  Flockiger,  Pbarmakotnoaia  4ea  PlaBimreirlie« 
S.  3,  i,  10,  11,  Wletner,  die  teehnUch  Tsrwradelra  Oaninlarmi, 
IUr«e  und  Ualsame,  S.  3  IT.,  und  die  KohitolTo  de*  I'iUoienreickn, 
8.  13  IT.). 


176 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN    ORIENT, 


Aethiopiens  bezeichnet  werden,  wenn  dieselben 
fast  durchgehends  mit  denjenigen  Aethiopiens 
identisch  sind,  überhaupt  die  Zugehörigkeit  von 
Punt  mit  Aethiopien  überall  gebührend  hervor- 
gehoben wird,  so  lehrt  uns  ein  Blick  auf  die 
Karte,  dass  die  Küste  von  Suakin  nach  Massaua 
in  vorzüglicher  Weise  diesen  Bedingungen  ent- 
spricht. Das  Nilthal  nähert  sich  in  der  Breite  von 
Suakin  ganz  bedeutend  dem  Meere.  ,,Von  Meroe 
bis  zu  diesem  Meere  —  sagt  Strabo  —  kann 
der  Weg  von  einem  raschen  Wanderer  in  fünf- 
zehn Tagen  zurückgelegt  werden." 

Es  ist  bekannt,  dass  man  zur  Zeit  der  aegyp- 
tischen  Herrschaft  im  Sudan  sich  ernstlich  mit 
dem  Gedanken  an  den  Bau  einer  Eisenbahn  vom 
Nilthale,  von  Berber  aus  nach  Suakin  getragen 
hat,  um  dem  Handel  des  Sudan  mit  Aegypten 
raschere   und   sichere   Bahnen   zu   weisen. 

Der  Verkehr  nilabwärts  ist  ungemein  lang- 
wierig und  beschwerlich  und  musste  es  in  ältester 
Zeit  noch  mehr  sein,  wo  die  Herrschaft  Aegyptens 
nach  Süden  bis  zum  ersten  Katarakt,  bestenfalls 
bis  Wadi  Haifa  reichte.  Das  Aufblühen  und  Zu- 
rücktreten einzelner  Gebiete  und  Häfen  an  der 
unwirthlichen  Küste  des  Rothen  Meeres  ist  durch 
die  politischen  Verhältnisse  der  Hinterländer,  durch 
den  Gang  des  Welthandels  bedingt.  Nach  der 
Gründung  des  axumitischen  Reiches  gewann  der 
Hafen  von  Adulis,  welcher  den  Verkehr  des  an 
Rühproducten  so  reichen,  an  Industrieerzeugnissen 
so  armen  Hinterlandes  mit  der  vorderasiatischen 
Culturwelt  vermittelte,  eine  grosse  Bedeutung. 
In  früherer  Zeit  war  das  Gebiet  um  Suakin  von 
grösserer  Bedeutung  wegen  seiner  bequemen  Ver- 
bindung mit  Nubien,  dessen  Residenzen  Napata 
und  Meroe  auf  die  natürlichen  Centren  des  weit 
ausgedehnten   Gebietes  hinweisen. 

Die  Bewohner  von  Punt  werden  in  den 
aegyptischen  Texten  als  friedfertig  und  den 
Aegyptern  stammverwandt  (als  rothe  Menschen) 
bezeichnet.  Daneben  erscheinen  auch  Neger  als 
Bewohner  des  Landes.  Sie  standen  unter  Häupt- 
lingen, deren  einer  P-rohu  genannt,  sammt  seiner 
Centnerschweren  Gemahlin  in  Deir  el-Bahari  ab- 
gebildet erscheint.  Die  Darstellung  derselben  er- 
innert, wie  schon  von  verschiedenen  Seiten  be- 
merkt wurde,  an  die  dicken  Weiber  afrikanischer 
Völkerschaften.  „Ich  halte  dafür,"  sagt  Schwein- 
furth,  dass  ,, Weiber,  deren  Körpergewicht  drei 
Centner  beträgt,  unter  den  Bongo  durchaus  nicht 
zu  den  Seltenheiten  gehören."  Als  Gott  des  Landes 
Punt  dachten  sich  die  Aegypter  in  späterer  Zeit 
den  zwerg-  und  fratzenhaft  gestalteten  Gespielen 
und  Diener  des   Sonnengottes,   mit  Namen   Bes. 

Alle  Momente  sprechen  dafür,  dass  das  Land 
Punt  in  dem  Küstenstriche  von  Suakin  gegen 
Massaua  hin  zu  suchen  ist,  wo  die  Producte  der 
reichen  Hinterländer,  vor  Allem  das  Ante-Gummi, 
zum  Theil  aus  weiter  Ferne,  zusammenkamen. 
Ein  stricter  Beweis  wird  jedoch  erst  dann  ge- 
liefert werden  können,  wenn  es  gelingt,  in  jenen 
Gebieten  aegyptische  Inschiiften  oder  Denkmäler 


vorzufinden.  Aehnlich  wie  in  Syrien  am  Nähr  «1 
Kelb  oder  am  Sinai,  vor  Allem  im  Wadi  Maghara, 
so  hat  das  vielschreibende  aegyptische  Volk  gewiss 
auch  in  Punt  ;;weifellose  Spuren  seiner  Anwesen- 
heit hinterlassen.  Möchte  es  diesen  Zeilen  ver- 
gönnt sein,  die  Anregung  zu  geben,  dass  sie  an 
jenem  Küstenstriche  gesucht  werden,  weicher  der 
näheren  wissenschaftlichen  Erforschung  bald  zu- 
gänglich werden  dürfte. 


WEST-CHINAS  ERSCHLIESSUNG. 

Durch  einen  am  31.  März  1890  zwischen  der 
britischen  und  chinesischen  Regierung  verein- 
barten Zusatzartikel  zum  Vertrage  von  Chefoo 
vom  Jahre  1876  ward  Tschung-King,  am  Yangtse- 
kiang,  die  Haupthandelsstadt  im  westlichen  China, 
zum  Range  eines  Vertragshafens  erhoben.  Damit 
gewinnen  diese  entfernten  Gebiete  für  uns  erhöhte 
Bedeutung.  „Westliches  China"  nennen  sie  die 
Leute  in  den  Seehäfen  und  für  diese  liegen  die 
Provinzen  Sz-Tschwan,  Kwei-tschou  und  Yünnan 
allerdings  im  Westen ;  für  den  Abendländer,  der 
sich  nicht  vergegenwärtigt,  dass  das  eigentliche 
China  mit  seinen  18  Provinzen  nur  einen  dritten 
Theil  des  gesammten  chinesischen  Reiches  um- 
fasst,  ist  die  Bezeichnung  doch  recht  irreführend, 
denn  er  ist  irrthümlich  gewohnt,  das  westliche 
China  hart  an  der  russischen  Grenze  zu  suchen, 
in  Ostturkestan  und  der  Dsungarei,  Landet,  über 
die  sich  Chinas  Scepter,  nicht  aber  der  Name  er- 
streckt. Dem  Europäer  dünken  die  genannten 
Provinzen  noch  stark  im  Osten  und  erst  ein  genauer 
Blick  auf  die  Landkarte  erlöst  ihn  von  seinem 
Irrthume.  In  Wahrheit  bilden  dieselben  indess  den 
südwestlichen  Theil  des  chinesischen  Reiches. 
Yünnan  ist  der  Grenznachbar  von  Birma  und 
Tonking. 

Erst  in  den  jüngsten  Jahrzehnten  ward  der 
Schleier  gelüftet,  welcher  bis  dahin  diesen  ent- 
legenen Theil  des  himmlischen  Reiches  bedeckte. 
Der  edle  Venetianer  Marco  Polo  hatte  allerdings 
schon  im  dreizehnten  Jahrhundert  seine  Reisen  in 
Sz-Tschwan  beschrieben  und  von  dem  Reichthume, 
der  Fruchtbarkeit  des  Landes  erzählt,  aber  seine 
Berichte  wurden  nahezu  sechshundert  Jahre  lang 
ungläubig  hingenommen,  bis  endlich  die  moderne 
Forschung  deren  Richtigkeit  erwies.  .Aber  selbst 
Europäer,  die  in  China  ihren  Wohnsitz  auf- 
schlugen, blieben  ohne  Kenntniss  vom  Grossen 
Westen.  Zumeist  in  den  Seeplätzen  der  Ostküste 
in  Handelsgeschäfte  verwickelt,  hatten  sie  keine 
Verbindung  oder  Berührung  mit  jenen  entfernten 
Gebieten,  und  sprach  einmal  davon  einer  der 
seltenen  Reisenden  oder  ein  Missionär,  so  hinter- 
liessen  ihre  Reden  kaum  mehr  als  einen  nebel- 
haften  Eindruck. 

Die  löblichen  Bestrebungen  der  indischen  Re- 
gierung, einen  Handelsweg  von  Indien  durch  das 
damals  noch  selbstständige  Reich  Birma  nach  dem 
südlichen  China  zu  eröffnen,  brachten  diese  Region 


OE8TERREICMISCHE   MONATSSCHRIFT    PÖR   DEM   ORIENT. 


177 


zuerst  dem  allgemeinen  Interesse  näher.  Bezie- 
hungen zu  derselben  hatten  sich  freilich  schon 
einige  Jahre  zuvor  ergeben.  Yünnan,  ein  theils 
von  Mohammedanern,  theils  von  rohen  Bergvölkern 
bewohntes,  rauhes,  wenig  zugängliches  und  von 
Europäern  damals  so  viel  wie  gar  nicht  erforschtes 
Ali)enland,  hatte  sich  nämlich  gegen  die  chinesische 
Herrschaft  erhoben,  zur  Unabhängigkeit  empor- 
geschwungen und  in  das  mohammedanische  Reich 
der  Panthay  oder  Pansi  verwandelt,  dessen  Sultan 
Soliman  in  Talifu  Hof  hielt  und  lange  Zeit  die 
gegen  thn  ausgesandten  Heere  der  Pekinger  Re- 
gierung mit  Glück  bekämpfte.  Nur  der  Osten  der 
Provinz  mit  der  Hauptstadt  Yünnan-fu  verblieb 
in  der  Gewalt  der  Chinesen.  Als  Soliman's  Herr- 
schaft so  weit  befestigt  war,  dass  er  daran  denken 
konnte,  Freundschaftsbündnisse  mit  auswärtigen 
Mächten  anzuknüpfen,  wandte  er  sich  1867  an 
seine  nächsten,  wahrhaft  machtvollen  Nachbarn, 
die  Briten,  wozu  die  Mission  des  englischen  Major 
Sladen  willkommenen  Anlass  zu  bieten  schien.  Aus 
Sladen,  Capitän  William  und  A.  Bowers,  dann  dem 
Naturforscher  Dr.  John  Anderson  und  den  Herren 
Stuart  und  Burn  zusammengesezt,  hatte  sie  die 
Aufgabe,  zu  untersuchen,  inwieweit  eine  Möglich- 
keit vorhanden  sei  zur  Wiedereröffnung  einer 
llandelsstrasse,  die  seit  uralten  Zeiten  den  Jrawaddy 

I^^hinauf  bis  Bamo  und  von  da  durch  die  Land- 
^■schaften  der  unabhängigen  Schan-Staaten  bis  Talifu 
^"^in  Yünnan  zog.  Der  Sladen'schen  Mission  gelang 
es  indess  nur  bis  Momei'n  im  Gebiete  der  Schan, 
nicht  aber  in's  eigentliche  China  vorzudringen, 
weil  die  Panthay  damals  eben  in  der  Eroberung 
des  noch  chinesisch  gebliebenen  Landestheiles  be- 
griffen waren.  Später  indess,  im  Winter  1872 — 73, 
fiel  nach  langem  erbitterten  Kampfe  das  Reich 
der  Panthay,  und  am  ig.  Jänner  1873  eroberten 
die  Chinesen  die  Hauptstadt  Talifu.  Jetzt  schien 
der  Weg  von  Birma  nach  Yünnan  wieder  offen, 
und  der  britische  Gesandte  in  Peking  verhandelte 
alsbald  wegen  Empfang  einer  britischen  Mission 
in  Yünnan.  Darauf  hin  erfolgte  die  Entsendung 
des  Obersten  Horace  Browne,  welchen  Dr.  Anderson 
und  Herr  Elias  Ney,  sowie  eine  Leibwache  von 
fünfzehn  Sikh  begleiteten;  am  21.  November  1874 
segelten  sie  von  Calcutta  nach  Rangoon  und  am 
15.  Februar  1875  brach  die  Ex()edition  von  der 
birmanischen  Grenzstadt  Tsitkau,  25  km  von  Bamo 
entfernt,  nach  Manwein  auf.  Es  ist  dies  ein  den 
('hinesen  zinspflichtiges  Schandorf,  vier  Märsche 
von  Tsitkau.  Unterdessen  war  Herr  Margary,  ein 
junger,  vielversprechender  Consulatsbeamter  be- 
ordert, von  China  aus  der  Gesandtschaft  entgegen- 
zugehen und  dieselbe  über  die  Grenze  zu  geleiten. 
In  der  Ausführung  dieses  Auftrages  begriffen, 
ward  er  jedoch  am  2i.  Februar  durch  den  Militär- 
gouverneur von  Momefn  in  Yünnan  ermordet.  Api 
nächsten  Tage  sahen  sich  Oberst  Browne  und 
seine  Leute  beim  Dorfe  Tsurai,  in  Sicht  von 
Manwein,  von  mehreren  hundert  Chinesen  umringt 
und  angegriffen,  und  nur  tapferste  Gegenwehr  be- 
wahrte   ihre    Schädel    vor    dem    Geschicke,    die 


Mauern  von  Momefn  in  Gesellschaft  jenes  des 
armen  Margary  zu  schmücken.  Aber  die  Expedition 
war  zum  Rückzuge  gezwungen  und  kehrte  unver- 
richtcter  Dinge  heim. 

Das  Schicksal  des  unglücklichen  Margary  und 
der  traurige  Ausgang  der  Browne'schen  Expedition 
hätten  nahezu  einen  Krieg  zwischen  England  und 
China  zur  Folge  gehabt,  doch  wurden  die  entstan- 
denen Schwierigkeiten  endlich  1876  durch  den 
Vertrag  von  Chefoo  beigelegt.  Derselbe  sollte 
einen  regelmässigen  Grenzverkehr  zwischen  Birma 
und  Yünnan  anbahnen  und  den  Handel  entwickeln. 
Man  bewerthete  diesen  auf  500.000  t  im  Jahre, 
die  sich  hauptsächlich  auf  die  Einfuhr  roher  Baum- 
wolle aus  Birma  nach  Yünnan  und  auf  Opium  ver- 
theilten,  welches  letzteres  Land  als  Stapelartikel 
lieferte.  Inzwischen  öffnete  der  Bericht  des  Herrn 
E.  Colborne  Baber  über  seine  mit  Herrn  Grosvenor 
1876  im  amtlichen  Auftrage  ausgeführte  Reise  durch 
Yünnan,  allmälig  den  Engländern  die  .Xugen  über 
den  Werth  oder  richtiger  Unwerth  der  „Gold-  und 
Silber-Handelsstrasse"  nach  China.  Bis  dahin  dachte 
man,  der  Weg  ins  Herz  von  Yünnan,  wenn  man 
einmal  das  Kachyen-Gebirge  überstiegen  habe,  sei 
ein  vergleichsweise  leichter.  Herr  Baber  zeigte 
indess,  dass  die  wirklichen  Schwierigkeiten  des 
Weges  erst  in  Momei^n  anfangen  und  schilderte  die 
Handelsstrasse  von  dort  nach  Talifu  als  „die  mög- 
lichst schlechteste  Strasse  mit  dem  möglichst 
geringsten  Handelsverkehr."  Sie  ist  in  der  That 
ein  sogar  für  einen  vorsichtigen  Fussgänger  äusserst 
gefährlicher  Saumpfad,  blos  für  Maulthierc  und 
Last-Kuli  benutzbar ;  Reiter  sind  oft  genöthigt 
abzusitzen  und  ihre  Thiere  weite  Strecken  über  die 
steilen  Hänge  der  Gebirge  und  an  den  gähnenden 
-Abgründen  vorbei,  am  Zügel  zu  führen.  Der  Luft- 
linie nach  beträgt  die  Entfernung  von  Bamo  nach 
Yünnan-fu  freilich  blos  580  km,  in  Wirklichkeit 
aber  windet  sich  der  Pfad  an  1560  km  lang  durch 
rauhes  Alpenland  bis  zu  einer  Meereshöhe  von 
7925  m  empor.  Die  Entfernungen  sind  weit  grösser 
als  man  glaubt.  Von  Talifu  hat  man  noch  2300  km 
(oder  in  der  Luftlinie  1730)  nach  Tschung-King, 
der  eigentlichen  Handelsmetropole  des  westlichen 
China.  Herr  Baber  schloss  mit  der  Bemerkung, 
dass  „wie  abgeneigt  auch  die  meisten  Engländer 
sind,  es  zuzugeben,  der  einfache  und  offenbare 
Weg  nach  dem  östlichen  Yünnan  vom  Golf  von 
Tonking  ausgehe." 

Dort  im  Nordosten  Hinterindiens  hatten  nun 
seit  Jahren  die  Franzosen  Fuss  gefasst,  welche  auf 
der  ganzen  Halbinsel  die  natürlichen  Nebenbuhler 
der  Briten  wurden  und  im  Osten  sich  ebenso  zu 
Herren  des  Landes  machten,  wie  jene  im  Westen. 
Mit  der  politischen  Herrschaft  allein  nicht  zufrieden, 
waren  indess  auch  sie  unausgesetzt  bestrebt,  den 
Süden  Chinas  dem  Handel  zu  erschliessen  und  einen 
dafür  tauglichen  Ueberlandweg  ausfindig  zu  machen. 
In  diesem  Wettbewerb  verblieb  der  Sieg  den 
Franzosen,  welche  handelten,  während  die  Eng- 
länder unterhandelten.  Indess  die  verschiedenen 
britischen  Gesandten  Jahr  für  Jahr  mit  der  Pekinger 


178 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN    ORIENT. 


Regierung  wegen  der  Eröffnung  neuer  Ilandels- 
wege  nach  Tibet  und  Westchina  verhandelten, 
machten  die  Franzosen  allen  fruchtlosen  Erörte- 
rungen ein  kurzes  Ende,  indem  sie  im  Lande  selbst 
sich  festsetzten  und  dasselbe  für  immer  der  ohn- 
mächtigen Oberherrschaft  Chinas  entrückten.  Das 
Ergebniss  war,  dass  Frankreich  den  Wettlauf 
gewann;  indem  es  Tonking  seinem  hinterindischen 
Reiche  einfügte,  verläuft  dessen  Grenze  längs  jener 
der  chinesischen  Provinzen  Kwang-si  und  Yünnan, 
in  welche  der  Eintritt  von  den  günstigsten  Punkten 
ermöglicht  ist.  Der  sogenannte  Rothe  Fluss  ist  die 
natürliche  Abzugsstrasse  für  die  Erzeugnisse  des 
südwestlichen  China  nach  dem  Meere.  Die  Entfer- 
nung von  Laokai,  an  der  Grenze  von  Yünnan,  bis 
Hanoi,  der  neuen  französischen  Hauptstadt  von 
Tonking,  beträgt  keine  320  km.  Dieser  besser  unter 
den  einheimischen  Namen  Song-koi,  Song-ka  oder 
Hong-kiang  bekannte  Strom  entquillt  den  Bergen 
im  Süden  von  Talifu  in  Yünnan  und  mündet  bei 
Haiphong,  im  Golf  von  Tonking,  etwa  800  km  von 
dem  grossen  Nachbarstapelplatze  Hongkong  ent- 
fernt. Hanoi  liegt  an  den  Ufern  des  Stromes  unfern 
von  seiner  Mündung.  Im  Juli  1889  gelang  es  den 
Franzosen  in  achttägiger  Dampferfahrt  von  Hanoi 
aus  das  Ende  der  Schiffbarkeit  in  Laokai  zu  er- 
reichen, auch  glückte  es  ihnen  für  Ein-  und  Ausfuhr 
günstige  Zollsätze  zu  erwirken,  so  dass  aller  Vortheil 
auf  ihrer  Seite  liegt. 

Die  Chinesen,  welche  mit  ihnen  in  Wettbewerb 
auf  ihren  eigenen  Gewässern  treten  könnten, 
namentlich  auf  dem  Si-kiang  oder  Weststrome, 
welcher  dem  Songkoi  parallel  ganz  auf  chinesischem 
Gebiete  fliesst,  dann  auch  auf  dem  Yangtsekiang, 
der  bis  zu  den  Grenzen  von  Yünnan  und  Sz-Tschwan 
schiffbar  ist,  thun  im  Gegentheil  wenig,  die  Ent- 
wicklung ihrer  eigenen  Hilfsmittel  zu  fördern, 
während  die  Vorschriften  der  Behörden  den  eigenen 
Handel  grösstentheils  zum  Vortheil  auswärtiger  Be- 
werber lähmen.  Der  Weststrom  entspringt  im  west- 
lichen Yünnan,  durchfliesst  die  beiden  Provinzen 
Kwang-si  und  Kwang-Tung,  bespült  die  Mauern 
der  grossen  Stadt  Canton  und  ergiesst  sich  in's 
Meer  durch  die  Tigermündung  gegenüber  von 
Hongkong ;  er  ist  schiffbar  aufwärts  bis  zur  Stadt 
Pe-se  an  der  Grenze  Yünnans  und  könnte  eine 
wichtige  Handelsstrasse  sein  ohne  die  Hemmungs- 
politik der  chinesischen  Regierung.  Der  Si-kiang 
bietet  weit  mehr  natürliche  Vortheile  als  der  Song- 
koi; er  ist  viel  wasserreicher  und  hat  einen  gerin- 
geren Fall,  daher  auch  schwächere  Stromschnellen. 
Aber  er  ist  brach  gelegt  durch  das  Verbot,  ihn  mit 
Dampfern  zu  befahren  und  durch  Zölle,  die  doppelt 
so  hoch  sind  als  jene  auf  der  französischen  Strasse. 
Ferner  steht  den  Franzosen  frei,  die  Schiffbarkeit 
des  Songkoi  in  mannigfacher  Weise  zu  verbessern  ; 
auf  den  chinesischen  Flüssen  darf  kein  Stein  an- 
gerührt, kein  Hinderniss  hinweggeräumt  werden. 
Die  chinesischen  Behörden  verschanzen  sich  hinter 
den  Widerstand  des  Volkes,  so  oft  Verkehrsver- 
besserungen zur  Sprache  kommen.  Wer  immer 
aber   in  China   gelebt,  und  die  Telegraphendrähte 


das  Land  kreuzen,  einen  Dampfbetrieb  nach  dem 
anderen  widerstandslos  eröffnen  gesehen  hat,  weiss, 
dass  es  ein' blosser  Vorwand  ist,  um  ihren  nicht  un- 
natürlichen Widerwillen  gegen  fremde  Einmischung 
in  ihre  Angelegenhe  iten   zu  bemänteln. 

Der  nächste  w  ichtige  Schritt,  um  Zutritt  zu 
Westchina  zu  erlan  gen,  ward  in  dem  seltsam  ab- 
gefassten  Artikel  des  Chefoo  -Vertrages  gethan, 
wodurch  Tschung  -king  dem  britischen  Handel 
bedingungsweise  erschlossen  ward.  Der  Artikel 
lautet  nämlich:  „Der  britischen  Regierung  wird  es 
ferner  freistehen,  Beamte  zum  Aufenthalte  nach 
Tschung-King  zu  entsenden,  um  die  Verhältnisse  des 
englischen  Handels  in  Sz-Tschwan  zu  beaufsich- 
tigen. Britischen  Handelsleuten  wird  es  nicht  ver- 
stattet in  Tschung-King  zu  wohnen  oder  Nieder- 
lassungen oder  Waarenhäuser  dort  zu  eröffnen,  so 
lange  nicht  Dampfschiffe  zu  diesem  Hafen  Zutritt 
erlangen.  Wenn  es  Dampfern  glücken  wird,  den  Strom 
so  weit  aufwärts  zu  kommen,  können  weitere  Ver- 
einbarungen in  Betracht  gezogen  werden."  Auf 
Grund  dieses  Artikels  ward  der  Consulatsbeamte 
.\lexander  Hosie  nach  Westchina  entboten,  wo  er 
drei  Jahre  zubrachte  ;  er  nützte  diese  Zeit ,  um  auf 
verschiedenen  Bereisungen  ungemein  werthvolle 
Nachrichten  und  Erkundigungen  über  dieses  inter- 
essante Land  zu  sammeln. 

Um  seinen  Posten  in  Tschung-King  in  Sz- 
Tschwan  anzutreten,  verliess  Hosie  Ende  October 
i88i  Wuhu,  welcher  Hafenort  am  Yangtsekiang 
etwa  480  km  oberhalb  Schanghai  liegt  und  fuhr 
auf  einem  prächtigen  Dampfer  weitere  480  km  den 
Strom  hinauf  nach  Hankow,  das  er  in  den  üblichen 
zwei  Tagen  erreichte.  Von  da  nach  den  640  km 
entfernten  I-tschang  benöth  igle  er  aber,  des  seichten 
Fahrwassers  halber,  acht  Tage.  Dort  langte  er  am 
17.  December  an  und  miethete  eines  der  üppigen 
einheimischen  Reiseboote,  welche  als  „Kwa-tse" 
bekannt  sind;  dieses  brachte  ihn  an  seineBestimmung, 
nach  Tschung-King,  abermals  720  ^ot  weiter.  Dieser 
Platz  zählt  an  200.000  Einwohner  und  bietet  nicht 
das  geringste  Be  merkenswerthe,  ist  aber,  wie  ge- 
sagt, die  Handelsmetropole  des  westlichen  China 
und  diente  Herrn  Hosie  als  Ausgangspunkt  zu 
mehreren  Reisen,  die  er  nach  Norden,  Süden  und 
Westen  unternahm.  Die  erste  derselben  im 
Frühjahre  1882  dauerte  68  Tage.  Sie  führte  ihn 
südwärts  von  Tschung-King  durch  die  Provinz 
Kwei-tschou,  die  chinesische  Schweiz  und  Heimat 
der  Miao-tse,  eines  Stammes  der  Ureinwohner,  von 
dem  nicht  wenige  Familien  schon  im  südlichen  Sz- 
Tschwan  getroffen  werden.  Uebrigens  sind  die  Miao- 
tse  von  den  Chinesen  fast  gänzlich  ausgerottet  und 
das  nördliche  Kwei-tschou  kann  man  geradezu  als 
einen  einzigen  Friedhof  dieses  Volkes  bezeichnen. 
Nach  einem  Besuche  der  Provinzialhauptstadt  Kwei- 
jang-fu  wandte  Hosie  sich  westwärts  nach  Yünnan- 
fu,  der  Hauptstadt  Yünnans  und  von  dort  über  die 
Gebirge  im  Nordosten  dieser  Provinz  am  Nan- 
kwang- Flusse  hinab  zum  Yangtsekiang,  um  auf 
diesem  wieder  nach  Tschung-King  zu  gelangen. 
Auf  dieser  Wanderung    stiess  Hosie  zuerst  auf  die 


OESTERRBICHISCHB   MONATSSCHRIPT    fOR   DEN   ORIENT. 


179 


Wachslaus  (Coccus  ceriferus),  eine  Schildlaus,  welche 
eine  Flüssigkeit  liefert,  die  zu  einer  weissen,  wachs- 
artigen Masse  erhärtet  und  zu  Kerzen  verwendet 
wird.  Die  Zucht  dieses  Insects  ist  nebst  jener  des 
Seidenwurms  ein  glänzender  Reweis  des  chinesi- 
schen Scharfsinnes,  welcher  die  winzigen  Leistungen 
von  Insecten  für  grosse  industrielle  Zwecke  zu  ver- 
wenden weiss. 

Hosie's  zweite  Reise,  vom  Februar  bis  Juli 
1883  erstreckte  sich  über  ein  noch  grösseres  und 
auch  noch  interessanteres  Gebiet.  Von  Tschung- 
King  in  Nordwestrichtung  wandernd,  kreuzte  er  die 
berühmte  Ebene  von  Tsching-tu-fu,  das  einzige 
grosse  Flachlandstück  im  westlichen  China.  Sie 
bildet  ein  Tafelland  von  etwa  330  m  Meereshöhe 
am  Fusse  der  Gebirge  Tibets  und  umfasst  einen 
Flächenraum  von  6200  km^,  worauf  etwa  3^/2  Mil- 
lionen Menschen  wohnen.  Dann  wandte  er  sich  süd- 
westlich zum  Lande  der  Lolo,  eines  Volksstammes, 
der  eine  unabhängige  „Insel",  wenn  wir  uns  dieses 
Ausdruckes  in  ethnographischer  Bedeutung  be- 
dienen dürfen,  im  südöstlichen  'I'heile  der  Provinz 
Sz-Tschwan  mitten  unter  den  Chinesen  bildet.  Diese 
Lolo  sind  schon  zuvor  sowohl  von  Baber  als  von 
F'rancis  Garnier  geschildert  worden.  Als  er  das 
Lololand  hinter  sich  hatte,  kam  Hosie  in  das  be- 
rühmte Tschien-tschang -Thal,  das  Baber  1877 
ebenfalls  besucht  hatte,  und  welches  nach  den  Er- 
mittlungen Henry  Jule's  das  Cain-du  Marco  Polo's 
ist.  Zugleich  ist  es  auch  die  vornehmlichste  Ge- 
burtsstätte der  Wachsschildlaus,  welche  hier  ihre 
ersten  Entwicklungsstadien  durchlebt,  ehe  sie  durch 
Kuliläufer,  die  nur  bei  Nacht  reisen,  zur  Vollendung 
ihrer  Aufzucht  in  den  Bezirk  von  Kia-ting,  320  km 
weiter  im  Nordosten,  gebracht  wird.  Dann  über- 
stieg Hosie  die  schneebedeckten  Kämme  des  Tsang- 
schan  und  kreuzte  auf  der  ,, Sonnenbrücke"  den 
Goldstaubiluss,  wie  in  jener  Gegend  der  Yangtse- 
kiang  heisst,  um  nach  Talifu  zu  gelangen,  dem  Ca- 
rajan  Marco  Polos.  Von  hier  begab  sich  der  eng- 
lische Reisende  auf  den  Rückweg,  denen  wieder  über 
^"ünnan-fu  im  östlichen  Yünnan  nahm.  Durch  das 
nördlich  gerichtete  Thal  des  Tschi-sing  erreichte 
er  den  schiffbaren  Yangtsekiang  und  traf  nach 
sechsmonatlicher  Abwesenheit  wieder  in  Tschung- 
King  ein'. 

Eine  dritte  Wanderung  fiel  in  den  Sommer  1884 
und  bezweckte  hauptsächlich  Genaueres  über  die 
Wachsschildlaus  in  Erfahrung  zu  bringen.  Diesmal 
durchzog  er  zunächst  das  Thal  des  Kialing,  eines 
Flusses,  der  von  Norden  kommt  und  unter  den 
Mauern  Tschung  -  Kings  in  den  Yangtsekiang 
mündet.  Drei  Tagemärsche  brachten  ihn  nach  dem 
Markte  von  Ho-tschou  am  Zusammenflusse  des  Fu, 
welcher  dem  Kia-ling  von  Westen  zuströmt.  Der 
Platz  ist  berühmt  wegen  seiner  Soja-Industrie.  Die 
pikante  Sauce  wird  aus  der  Sojabohne  gewonnen, 
von  welcher  ausgedehnte  Pflanzungen  in  der  Nach- 
barschaft vorhanden  sind.  Durch  ungemein  wohl- 
bebaute Landschaften,  wie  sie  in  Sz-Tscliwan  typisch 
sind,  kam  Hosie  in  die  Bezirke  von  Kia-ling  und 
Omei,  wo  der  Schildlausbaum  gedeiht,  einer  Eschen- 


art, welche  die  Chinesen  unter  dem  Namen  Pai-Ia- 
schu  kennen.  Von  hier  bestieg  Hosie  den  hüben 
Berg  Omei,  ein  ungeheurer  Kalkfels,  dessen  Gipfel, 
3350  m  hoch,  in  den  Wolken  thront.  Die  ganze 
Gegend  ist  dem  Buddhadienst  ergeben,  welchem  der 
Berg  durch  die  frommen  Kaiser  der  Tangdynastic 
im  VIII.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  aus- 
schliesslich geweiht  worden  sein  soll.  An  den 
schluchtenreichen  Abhängen  des  Berges  stieg  Hosie 
herab  und  wandte  sich  dann  südlich  durch  eine 
arme,  gebirgige  Gegend  nach  den  Ufern  des  Gol- 
denen Stromes ,  den  er  wieder  hinabfuhr.  Auf 
dieser  Wanderung  hatten  er  und  seine  Genossen 
grosse  Beschwerden  zu  ertragen ;  sie  Alle  wurden 
vom  Fieber  niedergeworfen,  welchem  auch  einer 
von  ihnen  erlag. 

Die  Frucht  dieser  ausgedehnten,  umfassenden 
Forschungen  ist  eine  ausführliche  Monographie 
über  Sz-Tschwan,  wie  sich  deren  keine  andere  der 
achtzehn  Provinzen  Chinas  rühmen  kann.  Die 
Völkerkunde  insbesondere  verdankt  dem  umsich- 
tigen Beobachter  höchst  werthvolle  Nachrichten 
über  die  noch  so  wenig  bekannten  Stämme  der 
eben  in  diesen  Gegenden  hausenden  Urvölker,  die 
um  so  willkommener  erscheinen,  als  die  Erhebung 
Tschung-Kingszu  einem  Vertragshafen  dieses  reiche 
und  interessante  Land  endlich  dem  abendländi- 
schen Unternehmungsgeiste  eröffnet  hat. 

F.  V.  H. 


DAS  JAPANISCHE  THEATER.') 

Beschränken  sich  die  japanischen  Schauspieler, 
gleich  den  unseren,  darauf,  den  Gedanken  des 
Autors  zu  erfassen  und  ihn  so  wiederzugeben,  wie 
sie  ihn  verstehen?  Keineswegs.  Sic  können  weit 
mehr;  sie  arbeiten  an  der  Abfassung  des  Stückes 
selbst  mit,  sie  componiren  es,  wenn  man  so  sagen 
darf,  denn  der  Autor  gibt  ihnen  in  der  Regel  nur 
eine  Idee,  den  breiteren  oder  schmäleren  Canevas, 
in  welchen  sie  die  ihnen  beliebigen  Muster  sticken. 
So  spielt  denn  der  Verfasser  eine  untergeordnete 
und  wenig  rühmliche  Rolle.  Ohne  ihn  weiter  zu  be- 
fragen, corrigircn  und  modeln  die  grossen  Mimen  an 
iliren  Rollen,  an  der  Handlung  selbst,  bis  hinab  in 
die  Tiefen  der  Intrigue.  So  wird  oft  wochenlang  dem 
Publicum  ein  Stück  vorgeführt,  bevor  es  noch  eine 
definitive  Gestalt  angenommen  hat.  Offenbar  sind 
die  japanischen  Schauspieler  Improvisatoren  ersten 
Ranges.  Derartiges  lässt  sich  schwer  mit  unseren 
dramatischen  Regeln  in  Einklang  bringen.  Die  Ein- 
heit der  Handlung,  des  Ortes  und  der  Zeit 
machen  dem  japanischen  Dramaturgen  nicht  viel 
Kopfzerbrechens.  Am  wenigsten  wird  die  Einheit 
der  Handlung  respectirt.  Das  japanische  Drama 
ist  mehr  ein  Bild  des  wirklichen  Lebens  als  ein 
ideales,  künstlerischen  Principicn  unterworfenes 
Gemälde.  Daher  nehmen  denn  auch  Autor  und 
Schauspieler  gleichen  Anthcil  an  der  Mache  des 
Stückes  und  scheuen  sich  nicht,   es  mit  Beiwerk  tu 


■)   Siner     der    jüngalrn    Nnmioarn    tob   S.  Blnc't    ,L«   Jap«* 
arUsttqie"  r  tnomnion. 


180 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN    ORIENT. 


überladen,  das  mit  der  eigentlichen  Handlung  in  keinem  Zusammenhange  steht.  Nicht  nur  erblicken 
sie  hierin  keinen  Fehler,  sie  glauben  vielmehr  sich  damit. ihrem  Ziele,  der  Wahrheit,  zu  nähern;  und  in 
der  That  gelingt  ihnen  dies  auch,  indem  sie  im  Drama  des  realen  Lebens  nicht  den  gewöhnlichen  Lauf 
der  Dinge  einschränken  und  in  dessen  Entwicklung  eine  Fülle  fremdartiger,  mehr  oder  minderbanaler 
Episoden  einflechten.  Derartige  Regeln  lassen  der  Phantasie  und  dem  Erfindungsgeiste  des  Schauspielers 
den  weitesten  Spielraum.  Er  soll  eine  Rolle  nicht  spielen,  er  soll  sie  auf  der  Scene  durchleben.  Es  genügt, 
wenn  er  den  Grundgedanken  des  Dramas  erfasst  und  sich  mit  der  Person,  die  er  darstellen  soll,  identificirt. 

Man  ersieht  aus  dem  Gesagten,  wie  die  dramatische  Kunst  dort  eine  ganz  andere  ist,  als  die 
unserige.  Die  Grundzüge  eines  Stückes  wechseln  allerdings  nicht  von  einem  Tag  zum  andern,  doch 
ist  die  Recitation  keine  solche,  dass  sie  die  Schauspieler  binden  würde.  Diese  sind  demnach  darauf 
eingeschult,  im  Grossen  und  Ganzen  der  Entwicklung  der  Intrigue  zu  folgen,  ohne  sich  durch  die  mehr 
oder  minder  unvorhergesehene  Wendung,  die  dieselbe  nehmen  kann,  aus  der  Fassung  bringen  zu 
lassen.  Immer  hat  der  Schauspieler  die  richtige  Antwort  bereit,  und  die  grösste  Schwierigkeit  des 
Metiers,  das  sie  in  dieser  Richtung  völlig  beherrschen,  liegt  darin,  einerseits  die  ungelegenen  Ueberstür- 
zungen,  welche  Unordnung  und  Verwirrung  herbeiführen,  andererseits  aber  Pausen  und  Ueber- 
raschungen  zu  vermeiden,  die  den  Dialog  in  ungeschickter  Weise  in's  Stocken  bringen  können. 

Begreiflich  findet  der  Souffleur  hier  keinen  Raum.  Dessen- 
ungeachtet wird  der  Text  in  extenso  von  gewissen  Stellen  ge- 
schrieben, deren  Worte  für  im  Vorhinein  berechnete  Effecte  wesent- 
liche Bedeutung  haben.  In  solchen  Fällen  bedient  man  sich  ab  und 
zu  eines  Souffleurs,  welcher  jedoch  nicht,  wie  bei  uns,  in  einer  Nische 
verborgen  ist;  er  kauert  ungenirt  im  Rücken  des  Schauspielers;  das 
Publicum  kann  ihn  mit  dem  Hefte  in  der  Hand  sehen,  achtet  aber 
seiner  Thätigkeit,  die  übrigens  nur  von  kurzer  Dauer,  kaum. 

Aber  nicht  durch  die  Zwischenfälle  allein  entfernt  sich  das 
japanische  Drama  —  nicht  selten  im  Interesse  der  Wahrheit  —  von 
der  einheitlichen  Handlung.  Man  würde  auch  Mühe  haben,  eine  Lösung 
des  Knotens  in  der  Handlung  zu  finden,  deren  es  eigentlich  keine, 
oder  wenn  man  will,  mehrere  gibt.  Die  Intrigue  variirt  vom  Beginn 
bis  zum  Ende  der  Vorstellung  in  eigenthümlicher  Weise.  Eine  und  die- 
selbe Serie  von  Begebenheiten,  die  zu  einer  Lösung  führen,  zieht 
sich  nicht  über  zwei  oder  drei  Acte  des  sechs  oder  acht  .Acte  bieten- 
den Stückes  hinaus.  Man  sieht  also  drei  oder  vier,  unter  sich  kaum 
im  Zusammenhange  stehende  dramatische  Situationen  sich  successive 
aufrollen,  und  es  fällt  schwer,  herauszufinden,  wodurch  Anfang  und 
Ende  zusammengehalten  werden. 

Gleichwohl  sind   dies   nicht   ebensoviele  voneinander  unter- 
schiedene Dramen,  und  bei  genauer  Prüfung  ist  es  nicht  unmöglich, 
dem  Faden  der  Ereignisse  zu  folgen,   die  man  während  zehn  Stunden 
vor  Augen  hat.   Dieses  lose  Gefüge  ist  so  eigentlich  ein  Abbild  des 
Lebens.  Dass  alle  agirenden  Personen  in  einem  gegebenen  Momente 
sterben,  ist  für  die  Japaner  kein  Grund,  die  Vorstellung  zu  schliessen. 
Die  Todten  sind  ausser  Spiel,    aber 
ihr    Ende    kann    dramatische    Con- 
sequenzen  nach  sich  ziehen,  die  kennen 
zu  lernen  von  Interesse  ist. 

Dieser  Gesichtspunkt  kommt 
umsomehr  in  der  japanischen  Kunst  in 
Betracht,    als   dort   —  nicht  wie    bei 
uns,   die  Eifersucht,   die  hier   nur  als 
Zwischenfall  auftritt  — 
sondern   die  Rache  die 
dominirende      Leiden- 
schaft ist.  Die  Heraus- 
forderung ,    der    Plan 
und    die   Vorbereitung 
der  Rache,   das  ist  die 
Basis  der  dramatischen 
Kunst,  auf  der  sie  voll- 
ständig ruht.    Der  Ja- 
paner   ist     in    hohem 
Grade  rachgierig    und 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


181 


die  Geschichte  Japans  eine  unendliche  Epopfie 
der  Rache. 

So  erklärt  sich  denn  auch  die  lange 
Dauer  der  Vorstellungen  :  Eine  Rache  hirgt 
in  sich  den  Keim  zu  einer  weiteren ;  kein 
Grund  demnach,  auf  diesem  Wege  innezu- 
halten. Gleich  Corsica  hat  Japan  seine  be- 
rühmten vendette,  die  Jahrhunderte  lang 
währten  und  eine  endlose  Kette  von  Morden 
bildeten.  IJas,  was  das  vStück  zum  Abschluss 
bringt,  ist  nicht  eine  definitive  Lösung,  son- 
dern die  vorgerückte  Zeit.  In  die  Ewigkeit 
hinaus  kann  ja  doch  nicht  fortgespielt  werden. 
Das  japanische  Drama  ist  gleichsam  ein 
Fenster  mit  dem  Ausblick  auf  einen  Winkel 
irdischen  Lebens;  solch  ein  ganzer  Tag 
Theatervorstellung  führt  nothgedrungen  zur  Er- 
müdung, und  da  schliesst  man  eben  das  Fenster. 
In  früheren  Zeiten  begann  man  die  Vorstellung  am 
frühen  Morgen,  um  erst  in  der  sinkenden  Nacht  zu 
schliessen  ;  das  konnte  so  fünfzehn  bis  achtzehn 
Stunden  ohne  Unterbrechung  fortgehen.  DieCivili- 
sation  hat  auch  hier  mildernd  gewirkt ;  heutzutage 
meint  man  mit  zehn  (!)  Stunden  Drama  genug  zu 
ha6en;  man  fängt  später  an  und  schliesst  früher. 

Die  grösseren  Theater  werden  in  jüngster 
Zeit  bei  einbrechender  Dunkelheit  durch  Gas- 
llammen  erhellt;  sie  haben  eine  Rampe  wie  bei 
uns.  Die  Schauspielhäuser  zweiten  Ranges  sind 
jedoch  noch  nicht  soweit  und  behelfen  sich  mit  dem 
ursprünglich  allein  gekannten  Beleuchtungssystem, 
das  so  phantastische  Effecte  erzielt.  Es  ist  dies  so 
echt  eine  japanische  Specialität,  die  leider  zu 
schwinden  scheint  und  mit  ihr  eine  locale  Färbung 
der  schönsten  Art. 

Der  Zuschauerraum  wird  nicht  beleuchtet,  die 
Besucher  können  im  Dunkeln  bleiben,  auch  die 
Scene  ist  völlig  finster  ;  nur  das  Antlitz  des  einzelnen 
Schauspielers  wird  in's  Licht  gestellt.  Was  der 
Japaner  in  erster  Linie  auf  dem  Theater  sucht,  ist 
eben  das  Physiognomienspiel,  daher  auch  der  Schau- 
spieler in  all  seinen  Bewegungen  von  einer  Art 
neutralen  Wesens  begleitet  wird,  das  ihm  ein  Lam- 
pion, welches  an  einer  Stange  hängt,  ununter- 
brochen unter  das  Antlitz  hält;  jeder  Auftretende 
hat  seinen  „Schatten",  der  nicht  von  ihm  lässt. 
Man  mus  zugeben,  dass  das  auf  die  Darstellung  der 
Wahrheit  sonst  so  erpichte  japanische  Publicum, 
was  diese  Beleuchtung  anlangt,  viel  von  seinen 
Ansprüchen  fallen  lassen  muss. 

Die  Mode  des  Händeklatschens,  die  noch  nicht 
ganz  im  Schwange  ist,  aber  sich  einnisten  wird, 
wurde  gleichfalls  Europa  entlehnt.  Der  alte  Brauch, 
den  Namen  des  Autors  laut  zu  schreien,  überwiegt 
heute  noch,  verliert  jedoch  täglich  an  Terrain. 

In  Europa  ruft  man  den  Künstler,  wenn  er 
die  Scene  verlassen  hat,  in  Ja[>an  aber  mitten  im 
Monolog  oder  Dialog,  ja  oft  auch  gelegentlich 
einer  stummen  Scene.  Der  Japaner  legt  in  diese 
Rufe  einen  schwer  zu  besfhreibenden  Ausdruck, 
ein  Gemisch  von  Wohlwollen  und  manirirter  Affec- 
tation. 


N 


Bei  einem  Zustande  der  dramatischen  Kunst, 
wie  wir  ihn  geschildert,  darf  es  nicht  Wunder 
nehmen,  dass  die  japanische  Literatur  nahezu  keine 
geschriebenen  Dramen  aufweist;  wenige,  soge- 
nannte classische  Dramen  bilden  eben  die  Aus- 
nahme. Will  man  ilas  Drama  „lesen",  so  muss  man 
mit  einer  Art  Libretto  vorlieb  nehmen,  das  eine 
Analyse  des  Stückes  enthält.  Solcher  Bachelchen 
gibt  es  mehrere  für  ein  und  dasselbe  Schauspiel 
und  stimmen  dieselben  nicht  immer  miteinander 
überein.  Dies  rührt  davon  her,  dass  sie  von  ver- 
schiedenen Zuschauern  für  die  Buchhandlungen  und 
die  einheimischen  Zeitungen  zusammengestellt 
werden,  und  das  nur  während  einer  Reihe  von 
Vorstellungen,  in  denen,  wie  früher  eingehend  er- 
wähnt ,  das  Stück  so  sehr  an  Form  und  Inhalt 
wechselt. 

Die  berühmten  Künstler  spielen  nur  in  Tokio 
und  Kioto.  Alle  anderen  Städte,  Osaka,  das  an 
Einwohnerzahl  die  frühere  kaiserliche  Residenz 
überflügelt  hat,  nicht  ausgenommen,  haben  nur 
Truppen  zweiten  Ranges.  Letztere  Stadt  ist  zu  sehr 
ein  Handels-  und  Industrieemporium  geworden,  als 
dass  sie  genügend  Zeit  für  das  Theater  opfern 
könnte.  Dieses  ist  eben  in  Japan  keine  Erholung 
am  Abend  eines  durchgearbeiteten  Tages,  sondern 
ein  Tageswerk  selbst. 

Ein  grösseres  Theater  in  Tokio  fasst  an  zwei- 
tausend Personen.  Die  dortige  Bevölkerung  ist 
ebenso  z.ihlreich  als  enthusiastisch,  und  so  macht 
deshalb  ein  Drama  mehrere  Monate  volle  Häuser; 
anders  wären  aber  auch  die  riesigen  Kosten  der 
Inscenirung  nicht  hereinzubringen. 


ZUR   ENTWICKLUNGSGESCHICHTE   DES    ISLAM. 

Von  Heitnann  t'eigl. 
Ist  es  schon  interessant,  die  Kämpfe  zu  be- 
trachten, welche  die  Lehre  Muhammed's  mit  dem 
arabischen  Volksgeiste  zu  bestehen  hatte,  um 
Boden  fassen  zu  können,  so  ist  es  nicht  minder 
anziehend,  den  Entwicklungsgang  der  muslimi- 
schen Religion  in  Bezug  auf  ihr  inneres  Wesen 
zu  verfolgen.  Wie  es  kein  weltliches  Gesetzbuch 
gibt,  welches  in  casuistischer  Darstellung  für  alle 


182 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN   ORIENT. 


Rechtsfälle  des  civilen  Lebens  erschöpfend  Vor- 
sorgen kann,  so  gibt  es  auch  kein  Religionsbuch, 
in  welchem  aller  Kundgebungen  des  geistlichen 
Lebens  gedacht  sein  könnte,  in  welchem  der 
fromme  Gläubige  auf  alle  Gewissensfragen  Ant- 
wort fände.  In  letzterer  Hinsicht  hilft  über  den 
Mangel  detaillirter  Gesetzgebung  der  Umstand 
hinweg,  dass  jeder  Glaubenssatz  als  eine  Summe 
von  Gesetzen  betrachtet  werden  kann,  welche 
aus  ihm  nach  Massgabe  des  jeweiligen  religiösen 
Bedürfnisses  mehr  oder  minder  leicht  abzuleiten 
sind.  Wenn  wir  nun  auf  Grund  dieser  in  Bezug 
auf  die  Moral  kaum  bestreitbaren  Behauptung 
weiter  annehmen  dürfen,  dass  der  philosophische 
Auf-  und  Ausbau  einer  Religion  um  so  voll- 
kommener ist,  in  je  weniger  Lehren  und  Gebote 
diese  Dogmen  und  Moralgesetze  zusammenfasst,  so 
stehen  wir  bei  Betrachtung  der  Lehre  Muhammed's 
keinem  Zweifel  gegenüber,  dass  ihr  ursprüng- 
licher Aufbau  von  einem  Beispiele  der  Vollkommen- 
heit sehr  weit  entfernt  ist. 

Muhammed's  Lehre  war  so  inconsequent  wie 
sein  Leben  und  seine  durch  Abu  Bekr  im  Koran 
gesammelten  und  von  Osman  neuerdings  redigirten 
Aussprüche  zeigen  manche  Lücke,  welche  die  das 
heilige  Buch  um  Rath  fragenden  Gläubigen  oft 
wichtige  oder  präcise  Entscheidungen  sowohl  in 
moraltheologischer  wie  in  ritueller  Beziehung  nicht 
leicht  verschmerzen  Hessen.  Das  praktische  religiöse 
Bedürfniss  liess  es  bald  erkennen,  dass  der  Koran 
unzureichend  sei  und  einer  Ergänzung  von  dem- 
selben Gewichte  und  derselben  Autorität  bedürfe, 
wie  das  ewig  unveränderliche  Buch  AUah's  selber. 
Diese  Ergänzung  fand  der  Koran  in  der  Sunna 
und  im  Hadith.  Lässt  sich  auch  für  das,  was  im 
Islam  die  Sunna  heisst,  in  anderen  geoffenbarten 
Religionen  eine  Parallele  finden,  die  wir  gewöhn- 
lich mit  dem  vagen  Begriffsausdrucke  „Tradition" 
zu  bezeichnen  pflegen,  so  finden  wir  für  das 
muslimische  Hadith,  weder  in  Rücksicht  auf  seine 
Bedeutung,  noch  in  Hinsicht  auf  sein  formales 
Auftreten,  nirgendwo  ein  passendes  Seitenstück. 
Und  doch  ist  das  Hadith  ein  integrirender  Be- 
standtheil  des  Islam,  ohne  welchen  wir  uns  heute 
die  Religion  Muhammed's  so  wenig  vorstellen 
können,  als  der  Muslim  seiner  zum  Ausbaue  des 
lückenhaften  Religionssystems  des  Propheten  be- 
durfte. Von  welcher  Bedeutung  das  Hadith  für 
die  verschiedenen  Beziehungen  des  muhammedani- 
schen  Lebens  ist,  darüber  belehren  uns  Dr.  Gold- 
Ziher's  „Muhammedanische  Studien^  *)  mit  einer 
Ausführlichkeit  und  einer  Gediegenheit,  welcher 
der  behandelte  Gegenstand  würdig  ist,  und  wofür 
dem  ausgezeichneten  Gelehrten  nicht  nur  die 
vollste  Anerkennung  des  ^Fachmannes,  sondern 
auch  der  Dank  aller  Gebildeten  gebührt,  denen 
Geschichts-  und  Religionswissenschaft  nicht  blos 
vom  Hörensagen  bekannt  sind. 


*)  Mohammedanische  Studien.  Von  Ignaz  Goldziher.  II.  Theil. 
Halle  a.  8.  1890.  8"  X,  420  S.  —  Der  I.  Theil  des  Werkes  erschien 
im  Jahre  1888.  Man  vergleiche  hiezu  den  besprechenden  Artikel 
„Araberthum  und  Islam"  von  H.  Peigl  in  Nr.  ,5  und  6  (Mai-  und 
Junibeft)  1889  der  „Oesterreichischen  Monatschrift  für  den  Orient". 


Was  versteht  man  unter  Hadith?  Wozu  dient 
es?  Wozu  wird  es  gebraucht  und  missbraucht? 
Das  sind  die  hauptsächlichsten  Fragen,  welche 
uns  in  den  folgenden  Zeilen  beschäftigen  werden 
und  bei  deren  Beantwortung  wir  Goldziher  als 
dem  besten  Gewährsmanne  folgen  können. 

Hadith  bedeutet  zwar  im  Allgemeinen :  Mit- 
theilung und  Erzählung;  dass  das  Wort  aber  schon 
seit  den  ersten  Zeiten  des  Islam  zur  Bezeichnung 
einer  bestimmten  Art  von  Erzählungen  und  Mit- 
theilungen gebraucht  wurde,  geht  aus  Rede- 
wendungen, wie  „das  schönste  Hadith  ist  das 
Buch  Alläh's''  unzweideutig  hervor.  Hadith  heisst 
alles  Dasjenige,  was  der  Prophet  ^^hinsichtlich  der 
Ausübung  der  von  ihm  vorgeschriebenen  religiösen 
Pflichten,  hinsichtlich  der  allgemeinen  Lebens- 
führung und  des  gesellschaftlichen  Verhaltens  oder 
mit  Bezug  auf  Vergangenheit  und  Zukunft,  ob 
nun  in  öffentlicher  Versammlung  oder  im  privaten 
Verkehre"  seinen  Anhängern  gelegentlich  mit- 
getheilt  hat  und  was  diese  zur  Erbauung  und  Be- 
lehrung der  Gemeinde  aufbewahrt  haben.  Solche 
„Hadithe"  genannten  Mittheilungen  des  Propheten 
wurden  denen  hinterbracht,  welche  in  fernen 
Ländern  wohnten  und  also  nicht  Ohrenzeugen  der 
Aussprüche  des  Propheten  sein  konnten;  zu  solchen 
Hadithen  —  und  dies  wolle  als  hochbedeutsam 
bemerkt  werden!  —  dichteten  aber  auch  die 
frommen  Ueberlieferer  »manches  Heilsame  aus 
Eigenem  hinzu,  was  sie  als  im  Geiste  des  Propheten 
gedacht,  ihm  unbedenklich  zuschreiben  zu  dürfen 
glaubten  oder  von  dessen  Heilsamkeit  sie  im 
Allgemeinen  überzeugt  waren."  Nach  diesem  lässt 
sich  urtheilen,  dass  die  Authenticität  der  Hadithe 
eine  sehr  zweifelhafte  Sache  ist;  ebenso  schwierig 
ist  es  auch,  über  den  ältesten  Bestand  des  Hadith, 
selbst  in  der  auf  Mohammed  folgenden  Generation 
zu  entscheiden.  Goldziher  spricht  deshalb  die  An- 
sicht aus,  dass  wir  den  weitaus  grössten  Theil 
des  Hadith  als  Resultat  der  religiösen,  historischen 
und  gesellschaftlichen  Entwicklung  des  Islam  in 
den  beiden  ersten  Jahrhunderten  betrachten  können. 
Daran  knüpft  er  zugleich  auch  die  Bemerkung, 
dass  uns  das  Hadith  nicht  als  Document  für  die 
Kindheitsgeschichte  des  Islam,  sondern  nur  als 
Mittel  dienen  kann,  dessen  reifere  Entwicklungs- 
stadien zu  verfolgen.  „Es  bietet  uns  ein  unschätz- 
bares Material  von  Zeugnissen  für  den  Entwick- 
lungsgang, den  der  Islam  während  jener  Zeiten 
durchmacht,  in  welchen  er  aus  einander  wider- 
strebenden Kräften,  aus  mächtigen  Gegensätzen 
sich  zu  systematischer  Abrundung  herausformt. 
Und  in  dieser  Bedeutung  des  Hadith  liegt  die 
Wichtigkeit  der  gehörigen  Würdigung  und  Kenntniss 
desselben  für  die  Erfassung  des  Islam,  dessen 
merkwürdigste  Entwicklungsphasen  von  der  succes- 
siven  Entstehung   des   Hadith   begleitet  sind." 

Jedes  Hadith  besteht  aus  zwei  Thcilen,  deren 
einer  so  wichtig  und  nothwendig  ist  wie  der  andere. 
Man  begnügt  sich  nicht  damit,  zu  wissen,  was  über- 
liefert ist,  sondern  man  Trill  auch  die  Ueberlieferer 
kennen ;     deshalb    hat    dem    Wortlaute    des    Aus- 


OE8TERRBICHISCHB   MONATSSCHRIFT    pOr   DEN    ORIENT. 


188 


Spruches,  dem  Texte  [Main)  <les  Hadi'th  die  wohl- 
geordnete Reihe  oder  Kette  der  Gewährsmänner 
vorauszugehen,  welche  vom  letzten  Ueberlieferer 
angefangen  bis  hinauf  zum  ersten  Urheber  die  be- 
treffende Mittheilung  von  einander  übernommen 
haben.  Ohne  diese  Kette,  welche  die  Stütze  {Isndd) 
des  Hadith  genannt  wird,  gibt  es  keine  Ueberliefe- 
rung,  welche  auf  Glaubwürdigkeit  Anspruch  er- 
heben könnte.  Die  Muhammedaner  selbst  glauben 
zwar  annehmen  zu  dürfen ,  dass  das  Hadith  ur- 
sprünglich nur  auf  mündliche  Ueberlieferung  be- 
rechnet war,  doch  Manches  spricht  dafür,  dass  es 
schon  von  jeher  schriftlich  auf|;ezeichnet  und  auf- 
bewahrt wurde.  Bei  der  Wichtigkeit,  welche  man 
den  Aussprüchen  des  Propheten  beilegte,  ist  es  fast 
undenkbar,  dass  man  sie  dem  Zufalle  mündlicher 
Aufbewahrung  preisgab,  und  in  der  That  wird  uns 
auch  eine  Reihe  von  Büchern  aus  der  ersten  Gene- 
ration des  Islam  genannt,  in  denen  Aussprüche 
Muhammed's  gesammelt  worden  sein  sollen.  Ja 
selbst  die  Schiiten,  von  denen  man  irrthümlicher- 
weise  gerne  behauptet,  dass  sie  nur  den  Koran  als 
Richtschnur  des  religiösen  Wandels  anerkennen, 
selbst  sie  berufen  sich  gerne  auf  alte  Schrift- 
werke, in  welchen  die  Berechtigung  ihrer  Lehre  zu 
fmden  ist. 

Wenn  nun,  wie  wir  gesehen  haben,  Hadith  die 
Ueberlieferung  ist,  was  ist  dann  Sunna,  womit  man 
stets  den  Begriff  der  Tradition  zu  verbinden  ge- 
wohnt ist?  Sagen  wir  es  kurz:  „Hadith  ist  eine  auf 
den  Propheten  zurückgeführte  mündliche  Mit- 
theilung; Sunna  ist,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  dar- 
über etwas  mündlich  Mitgetheiltes  vorliegt  oder 
nicht,  der  in  der  alten  muhammedanischen  Ge- 
meinde lebende  Usus  mit  Bezug  auf  ein  religiöses 
oder  gesetzliches  Moment."  Wenn  also  in  einem 
Hadith  eine  Regel  enthalten  ist,  so  hat  diese  selbst- 
verständlich auch  als  Sunna  zu  gelten;  nicht  jede 
Sunna  lässt  sich  aber  aus  einem  Hadith  ableiten, 
ja  es  ist  sogar  möglich,  dass  die  in  einem  Hadith 
enthaltene  Weisung  mit  der  Sunna,  dem  Gewohn- 
heitsrechte geradezu  in  Widerspruch  steht. 

Eine  Sunna  kannten  schon  die  heidnischen 
Araber  in  vormuhammedanischer  Zeit;  ihre  Sunna 
lehrte  sie,  den  Sitten  und  Gewohnheiten  ihrer  Vor- 
fahren treu  zu  bleiben  und  ihr  Leben  danach  ein- 
zurichten. Der  Regriff  der  Sunna  wurde  nur  aus 
der  Heidenzeit  herübergenommen  und  den  neuen 
muhammedanischen  Anschauungen  in  der  Weise 
angepasst,  dass  „den  frommen  Nachfolgern  Muham- 
med's und  seiner  ältesten  Gemeinde  Dasjenige  als 
Sunna  galt,  was  als  die  Uebung  des  Propheten  und 
seiner  ältesten  Getreuen  nachgewiesen  werden 
konnte." 

Auf  das  strenge  F'esthalten  an  der  Sunna  wird 
umsomehr  Gewicht  gelegt,  als  der  junge  Islam  so- 
wohl in  politischer  als  auch  in  ritualistischer  Hin- 
sicht sich  gegen  die  Zumuthung  mancher  Neuerungen 
zu  wehren  hatte.  Niemand  soll  im  Islam  anders 
handeln  oder  anders  den  religiösen  Gebräuchen  ob- 
liegen, als  es  die  traditionelle  Sitte,  die  Sunna  vor- 
schreibt. Die  eigene  Handlungsweise,  die  ausdrück- 


liche .Anordnung  oder  dir  stillschweigende  Billigung 
des  Propheten  ist  der  Massstab  für  das,  was  als 
Sunna  zu  gelten  hat.  Nach  der  Sunna  richtete  man 
sich  nicht  nur  in  ernsten  und  wichtigen  Phallen  des 
Lebens,  man  fragte  sie  auch  in  den  kleinlichsten 
Dingen  um  Rath. 

Was  die  Sunna  für  den  Mohammedaner  be- 
deutete, wie  hoch  sie  von  allem  Anfange  an  im 
Islam  gehalten  wurde,  dies  bezeugt  der  Grundsatz, 
der  sich  schon  im  I.  Jahrhundertc  herausgebildet 
hatte:  „Die  Sunna  ist  der  Richter  über  den  Koran, 
nicht  umgekehrt."  Und  die  Macht  der  Sunna  hat 
seitdem  bedeutend  zugenommen  !  Eher  war  es  noch 
in  alter  Zeit  möglich,  der  Sunna  zuwider  zu  handeln 
oder  ihr  praktische  Geltung  abzusprechen ,  als 
später.  Gewann  die  Sunna  neben  dem  Koran  immer 
mehr  Boden,  bis  man  so  weit  gekommen  war,  sie 
so  wie  den  Koran  als  von  Gatt  geoffenbart  zu  be- 
trachten, so  war  man  endlich  auch  an  dem  Punkte 
angelangt,  Sunna  und  Koran  als  vollständig  gleich- 
werthig  nebeneinander  zu  stellen  und  schliesslich 
scheute  man  sich  auch  nicht  mehr  zu  behaupten, 
dass  Gebote  der  Sunna  solche  des  Korans  abrogiren 
können.  Als  die  Werthschätzung  der  Sunna  so  weit 
gediehen  war,  wetteiferten  fromme  Muhammedaner 
in  der  Nachahmung  jener  Altvordern  [Sola/),  welche 
ihre  Lebensgewohnheiten  unter  den  Augen  und 
nach  dem  Muster  des  Propheten  gebildet  hatten, 
und  forschten  eifrig  nach  den  Lebensgewohnheiten 
Muhammed's  und  seiner  Genossen,  um  ihr  eigenes 
Leben  darnach, einrichten  zu  können.  Gebräuche, 
die  längst  aus  der  Uebung  gekommen  waren, 
wurden  auf  diese  Weise  wieder  eingeführt  und  Je- 
dem wurde  es  von  den  frommen  Gläubigen  als  hohes 
Verdienst  angerechnet,  wenn  er  durch  Wiederein- 
führung einer  solchen  alten  Gewohnheit  „die  Sunna 
wieder  belebte."  Um  den  Ruf  und  das  Verdienst 
eines  „Wiedcrbelebers  der  Sunna"  zu  gewinnen, 
verüben  die  Ueberfrommen  die  einfältigsten  Dinge. 
Obwohl  die  Rechtsgewohnheit  des  öffentlichen  Eid- 
fluches längst  ausser  Gebrauch  gekommen  ist,  ver- 
flucht ein  Gelehrter  von  Cordova  im  IV.  Jahrhundert 
(d.  H.)  sein  Weib  in  öffentlicher  Moschecversamm- 
lung,  weil  es  einmal  so  Sitte  gewesen  ist;  der  an- 
dalusische  Fürst  Al-Hakam  greift  im  Kriege  die 
Christen  zu  jener  Tageszeit  an,  in  welcher  der 
Prophet  einst  gegen  die  Ungläubigen  gekämpft 
hat ;  ein  .\nderer  lässt  gar  noch  im  Jahre  693 
wieder  das  alte  Hohlmass  einführen,  welches  zur 
Zeit  Muhammed's  in  Medina  in  Gebrauch  gewesen 
war,  u.  dgl.  m. 

Je  mehr  man  auf  die  strenge  Befolgung  der 
Sunna  zu  halten  angefangen  hatte,  mit  desto 
grösserem  .\bscheu  verwarf  man  jede  Neuerung 
als  Ketzerei.  Was  nicht  im  Zeitalter  des  Propheten 
geübt  worden  war,  was  ohne  entsprechendes  Beispiel 
aus  der  alten  Zeit  geübt  wurde,  galt  als  etwas 
Willkürliches,  was  unbedingt  zu  verwerfen  und  zu 
verdammen  war.  Dergleichen  brauchte  nicht  einmal 
dem  Geiste  der  Sunna  zu  widersprechen,  es  ge- 
nügte, dass  es  in  ihr  nicht  nachzuweisen  war,  und 
es  wurde  mit  aller  Strenge  verpönt. 


184 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN   ORIENT. 


Der  Gebrauch  von  Kaffee  und  Tabak,  des 
Buckdrucks,  die  Benützung  von  Tischen,  Messern 
und  Gabeln,  von  Sieben  etc.  Alles,  was  nach  der 
Zeit  Muhanimed's  aufgekommen  war,  wollten 
fromme  Fanatiker  verworfen  wissen  und  legten  zu 
solchem  Zwecke  dem  Propheten  selbst  das  Ver- 
dammungsurtheil  in  den  Mund. 

Nur  der  besseren  Kinsicht  verständiger  Theo- 
logen ist  es  zu  danken,  dass  derartige  Uebertrei- 
bungen  sowohl  in  Hinsicht  auf  die  Wiederbelebung 
dervSunnaals  auch  in  Hinsicht  auf  die  Verwerfung 
von  Neuerungen  als  Ketzereien  nicht  so  weit  aus- 
arteten, dass  sie  das  gesellschaftliche  Leben  be- 
hinderten und  die  allzu  Frommen  in  den  wieder 
erweckten  patriarchalischen  Zuständen  der  An- 
forderungen einer  fortgeschrittenen  Zeit  vergessen 
liessen.  Man  fing  an,  die  Neuerungen  nicht  sammt 
und  sonders  ohne  Rücksicht  auf  ihren  Zweck  und  ihre 
Nützlichkeit  für  das  praktische  Leben  zu  verwerfen, 
sondern  man  machte  Unterschiede  zwischen  guten, 
lobenswerthen  und  schlechten,  verwerflichen  Neue- 
rungen. 

Nachdem  wir  das  Wesen  von  Sunna  und  Ha- 
dith  und  den  Unterschied  zwischen  beiden  kennen 
gelernt  haben,  sehen  wir  nun  zu,  was  für  eine  be- 
deutungsvolle Rolle  in  der  Entwickelung  des  Islam 
sie  sowohl  in  theologischer  wie  in  hierarchischer 
Hinsicht  gespielt  haben. 

Nicht  allerorten,  wo  die  Herrschaft  des  jungen 
Islam  Boden  gefasst  hatte  und  selbst  nicht  in  den 
berufensten  Kreisen,  das  heisst,  am  Hofe  der  Kha- 
lifen,  erfreute  sich  die  Religion  Muhammed's  der- 
selben Aufmerksamkeit  und  Pflege,  wie  die  unter 
dem  Deckmantel  der  Religionsforderung  sich  breit 
machenden  weltlichen  Interessen.  Mag  die  Sunna 
in  Medina,  dem  Ausgangspunkte  der  muhammeda- 
nischen  Lehre ,  für  welche  man  hier  auch  das 
meiste  Verständniss  hatte,  mag  die  Sunna  auch 
dort  von  allem  Anfange  an  zur  Grundlage  des  reli- 
giösen Lebens  gemacht  worden  sein,  in  den  ent- 
fernteren Provinzen  musste  sich  der  Islam,  we- 
nigstens im  ersten  Jahrhunderte  seines  Bestehens, 
mit  einem  ziemlich  fremden  und  frostigen  Ent- 
gegenkommen begnügen.  Wollen  wir  schon  der 
gleichgiltigen  und  in  religiösen  Dingen  unwissenden 
grossen  Masse  der  unterworfenen  Völker  ihre  ab- 
sichtliche oder  unabsichtliche  Indifferenz  zu  Gute 
halten,  so  können  wir  doch  unser  Staunen  nicht 
unterdrücken,  wenn  wir  hören,  dass  selbst  von 
regierungswegen  zur  Festigung  der  religiösen  An- 
gelegenheiten sehr  wenig  geschehen  ist.  Die  Dy- 
nastie der  Umejjaden  fasste  den  Khalifenberuf 
keineswegs  so  ideal  auf,  wie  wir  uns  gerne  vor- 
stellen. Sie  lebten  zwar  auch  nach  der  Sunna,  aber 
nur  dort,  wo  es  ihnen  genehm  und  ihren  ma- 
teriellen Interessen  förderlich  war. 

Unsere  Bewunderung,  die  wir  dem  rasch  um 
sich  greifenden  und  die  Gemüther  entflammenden 
Islam  entgegenzubringen  gewohnt  sind,  schrumpft 
auf  ein  bedenkliches  Kopfschütteln  zusammen, 
wenn  wir  hören,  dass  die  guten  muslimischen  Unter- 
thanen  nicht  einmal  wussten,  wie  sie  beten   sollten. 


und  dass  die  tapferen  muslimischen  Eroberer  zwar 
überall  eiligst  für  Allah  Moscheen  bauten,  nichts- 
destoweniger aber  in  den  Elementen  des  Cultus 
ganz  unwissend  waren.  Freilich  entsetzten  sich 
die  Frommen,  wenn  sie  einen  Prediger  von  der 
Kanzel  herab  profane  arabische  Verse  als  Koran- 
stellen citiren  hörten,  aber  die  Regierung  fühlte 
sich  keineswegs  genöthigt,  Missständen  abzuhelfen, 
die  ihr  nicht  in  materieller  oder  dynastischer  Hin- 
sicht direct  schaden  konnten. 

Die  umejjadischen  Herrscher  fühlten  sich 
eben  nicht  als  Khalifen,  als  Nachfolger  des  Pro- 
pheten, dessen  geistiges  Erbe  sie  in  einem  theo- 
kratischen  Staate  zu  vertreten  hatten,  sondern  als 
Könige  eines  weltlichen  Reiches. 

Umsomehr  hatten  die  Frommen  Ursache,  das 
von  Muhammed  gelegte  Samenkorn  des  Glaubens 
mit  aller  Fürsorglichkeit  zu  pflegen,  und  wenn  sie 
im  Eifer  für  die  gute  Sache  des  Guten  zu  viel 
thaten,  können  wir  es  ihnen  in  Rücksicht  auf  den 
Zweck,  den  sie  verfolgten,  durchaus  nicht  übel 
nehmen. 

Sie  sammelten  aus  dem  Munde  der  unter 
ihnen  lebenden  „Genossen"  und  „Nachfolger"  des 
Propheten  das  Material  zur  Sunna,  welche  dem 
muhammedanischen  Gesetze  und  Rechte  zu  Grunde 
liegen  sollte,  sie  unternahmen  Reisen  in  ferne 
Gegenden,  um  Hadithe  und  Sunnas  zu  sammeln, 
und  endlich  scheuten  sie  sich  auch  nicht,  Lehren,  die 
sie  dem  Sinne  des  Islam  zusagend  fanden,  mit  einer 
beglaubigenden  Kette  von  Gewährsmännern  zu 
versehen  und  als  von  Muhammed  selbst  herrührend 
auszugeben  und  in  Umlauf  zu  setzen. 

Was  die  gute  Meinung  der  Frommen- zu  ihrem 
Zwecke  thun  konnte,  das  glaubte  sich  auch  die  re- 
gierende Macht  zu  ihren  Absichten  erlauben  zu 
dürfen.  Erdichteten  die  Gläubigen  Hadithe  gegen 
die  gottlose  Regierung,  so  liess  diese  wieder  Ha- 
dithe verfertigen,  wenn  es  galt  einer  ihrer  .An- 
sichten allgemeine  Anerkennung  zu  verschaffen 
oder  die  opponirenden  Frommen  zurückzuweisen. 
Da  es  an  willigen  Werkzeugen  niemals  mangelte, 
welche  solchen  officiellen  Traditionslügen  als  Ge- 
währsmänner ihren  wohlklingenden  Namen  liehen, 
so  waren  die  Herrscher  auch  nicht  in  Verlegenheit, 
durch  erlogene  Hadithe  ihren  persönlichen  oder 
dynastischen  Wünschen  Geltung  zu  verschaffen. 
Dass  solche  käufliche  Traditionsschmiede  von  den 
wahrhaft  Frommen  gebührend  verabscheut  wurden, 
ist  ebenso  einleuchtend,  als  dass  Jeder,  der  sich 
reine  Hände  und  ein  reines  Gewissen  bewahren 
wollte,  der  Regierung  aus  dem  Wege  ging.  Es 
gab  da  eine  Zeit,  wo  man  es  geradezu  als  Schimpf 
betrachtete,  in  die  Dienste  der  Regierung  zu  treten, 
und  charaktervolle  Männer  sich  weigeren,  ein  von 
derselben  abhängiges  Amt  anzunehmen. 

Wie  zu  politischen  und  dynastischen  Zwecken, 
so  machten  sich  die  Umejjadenfürsten  die  Tradition 
auch  hinsichtlich  religiöser  Dinge  ihren  Wünschen 
dienstbar.  Die  patriarchalische  Sitte  verlangte  es, 
dass  der  Imäm  am  Freitage  zwei  Ansprachen  an 
die  versammelte  Gemeinde  hielt,  und  die  umejjadi- 


JEONOTA     X 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


185 


sehen  Herrscher  legten  auch  Werth  darauf,  sich 
ihren  Unterthanen  von  der  Kanzel  aus  zu  zeigen. 
Dünkelhaft  aber,  wie  sie  waren,  glaubten  sie  bei 
dem  feierlichen  Acte,  der  von  jeher  stehend  voll- 
zogen wurde,  nicht  wie  irgend  ein  armseliger 
Prediger  stehen  zu  müssen,  sondern  angesichts 
des  ihnen  unterthänigen  Volkes  auch  sitzen  zu 
dürfen.  Ua  nun  die  sunnatreuen  Frommen  gegen 
diese  unerhörte  Neuerung  ihre  Stimme  erhoben, 
die  aristokratisch  gesinnten  Umejjaden  aber  dem 
Volke  gegenüber  ihr  angemasstes  Recht  behaupten 
wollten,  so  musste  ein  officieller  Theologe  den 
Leuten  erklären,  dass  schon  der  Khalife  Osman 
die  Gewohnheit  gehabt  habe,  wenigstens  die 
zweite  Ansprache  an  die  Gläubigen  sitzend  vor- 
zutragen. 

Erdichtete  Hadithe  dienten,  wie  wir  schon  be- 
merkt haben,  nicht  nur  egoistischen  Zwecken, 
sondern  auch  als  Mittel,  die  gute  Sache  des 
Glaubens  zu  fördern.  Was  der  Prophet  nicht 
wirklich  gesagt  hatte,  das  konnte  er  ja,  wenn 
Gelegenheit  gewesen  wäre,  gesagt  haben,  und 
auf  kleine  Unrichtigkeiten  in  der  Anführung  der 
Gewährsmänner  kam  es  dann  auch  nicht  gerade 
mehr  an,  wenn  man  im  Auge  behielt,  „dass  die 
Anlehnung  eines  neuen,  dem  angestrebten  Ziele 
entsprechenden  Lehrsatzes  an  die  Autorität 
Muhammeds  die  J<'orm  war,  in  welche  man  die 
hohe  religiöse  Berechtigung  der  Lehre  zu  fassen 
für   gut   fand." 

Im  II.  Jahrhunderte  (d.  H.)  wusste  man  recht 
gut,  dass  unter  den  guten  Hadithen  sehr  viele 
falsche  waren,  doch  eben  weil  sie  gut  waren, 
sah  man  ihnen  die  fälschliche  Zurückführung  auf 
den  Propheten  nach,  ja  man  führte  zu  Gunsten 
der  unechten  Hadithe  wieder  Aussprüche  Muham- 
med's  an,  welche  selbstverständlicherweise  eben- 
falls unecht  waren.  „Nach  meinem  Hingänge", 
soll  der  Prophet  gesagt  haben,  „werden  die  mir 
beigelegten  Aussjjrüche  sich  vermehren,  ebenso 
wie  man  auch  den  früheren  Propheten  in  grosser 
Anzahl  Aussprüche  zugeschrieben  hat.  Was  man 
euch  nun  als  meinen  Spruch  mittheilt,  dass  müsst 
ihr  mit  dem  Gottesbuch  (Koran)  vergleichen; 
was  mit  diesem  in  Einklang  ist,  das  ist  von  mir, 
ob  ich  es  nun  wirklich  selbst  gesagt  habe  oder 
nicht.-'  Damit  erklärte  man  also  unumwunden, 
dass  die  religiöse  Correctheit  eines  apokryphen 
Ausspruches  ihn  den  authentischen  Aussprüchen 
des   l'ropheten   gleichwerthig  erscheinen   lasse. 

l''ür  gewisse  Arten  von  Traditionen  genügte 
es  aber  nicht,  sich  auf  mündliche  Anordnungen 
des  Pro|)heten  zu  berufen,  und  in  solchen  Fällen 
brachte  man  die  Schriftstücke  bei,  welche  den 
Willen  Muhammed's  beurkundeten.  Gewöhnlich 
[)roducirte  man  nur  sogenannte  Copien,  zu  welchen 
natürlich  das  Original  fehlte,  worum  sich  gläubige 
Gemüther  auch  nicht  bekümmerten.  Geschah 
Letzteres  dennoch  oder  hatte  man  es  zu  erwarten, 
so  war  man  auch  um  die  Originalstücke  nicht 
verlegen  und  wies  sogar  Documente  vor,  welche 
mit  dem   Insiegel   des  Propheten  versehen   waren. 


Kennzeichnet  eine  solche  Lässigkeit  in  religiösen 
Dingen  die  Herrschaft  der  Umejjaden,  so  sehen 
wir  nach  deren  Sturz  unter  der  Regierung  der 
Abbäsiden  die  Verhältnisse  sich  sehr  verändern. 
Wie  die  umejjadische  Herrschaft  eine  weltliche 
war,  wie  die  Umejjadenfürsten  sich  als  Könige 
gefühlt  hatten,  so  zeigte  sich  die  Herrschaft  der 
Abbäsiden  als  eine  religiöse  Institution  und  die 
Abbäsiden  fühlten  sich  als  wahre  Kbalifen  und 
herrschten  als  echte  Hierarchen  über  den  Staat 
und  die  Staatskirebe.  Als  Imämc,  als  Nachfolger 
des  Propheten  betrachteten  sie  sich  als  Inhaber 
einer  von  Gott  einges:tzten  Würde  und  legten 
auf  das  Jcönigliche  Scepter  weniger  Gewicht,  als 
auf  den  Mantel  des  Propheten,  mit  welchem  sich 
der  erste  Abbäside  bekleidete  und  den  auch  alle 
seine  Nachfolger  bei  feierlichen  Gelegenheiten  als 
Abzeichen  ihrer  Würde  zu  tragen  pflegten. 

Die  Theologen,  welche  während  der  Umejjaden- 
zeit  mehr  im  Stillen  arbeiteten,  anstatt  auf  öffent- 
liche Angelegenheiten  Einfluss  zu  nehmen,  konnten 
unter  den  Abbäsiden  die  Sunna  wieder  zur 
praktischen  Geltung  bringen,  und  wenn  sie  auch 
„für  die  sunnawidrige  Lebensweise  eines  genuss- 
süchtigen Herrschers  religiöse  Titelchen  zu  finden" 
hatten,  so  wurde  nun  doch  mit  gewissenhaftem 
Ernste  nach  dem  Erlaubten  und  Verbotenen  ge- 
forscht und  das  Studium  des  Gesetzes  konnte, 
von  oben  her  begünstigt,  einen  freien  Aufschwung 
nehmen. 

In  der  Ausbildung  der  Gesetzwissenschaft 
schlug  man  zwei  verschiedene  Wege  ein.  Um  nicht 
neue  Traditionen  erdichten  zu  müssen,  suchte  man 
ehrlicherweise  aus  dem  geringen  Vorhandenen 
Gesetze  zu  deduciren  oder  man  nahm  auch 
Rechtsbestimmungen  aus  dem  römischen  Rechte 
auf.  Andererseits  wollte  man  alles  Gesetz  auf 
die  Autorität  des  Propheten  zurückgeführt  wissen, 
und  in  diesem  Falle  blieb  eben  nichts  Anderes 
übrig,  als  bei  dem  geringen  Material  von  Ueber- 
lieferungen  die  Lücken  mit  neuen,  also  falschen 
Hadithen  auszufüllen.  Da  nun  die  .Autorität  des 
Korans  und  der  Aussprüche  des  Propheten  dem 
Muhammedaner  höher  stehen,  als  jede  noch  so 
vernünftige  persönliche  Meinung,  so  blieb  Jenen, 
welche  die  Gesetze  auf  die  erstere  Weise  gebildet 
hatten,  zur  Bekräftigung  ihrer  angezweifelten 
Doctrinen  nur  der  Ausweg,  sie  ebenfalls  mit  — 
wenngleich  echten  -  ■  Hadithen  zu  unterstützen. 
So  konnte  es  dann  vorkommen,  dass  in  einem 
und  demselben  Rechtsfalle,  der  beiden  Rechts- 
schulen zur  Beurtheilung  überkam,  verschieden 
geurtheilt  wurde,  und  dies  dort  und  da  auf  Grund 
von  Hadithen !  Um  diesem  Dilemma  zu  entgehen, 
suchte  man  sich  auf  verschiedene  Weise  zu  helfen. 
Entweder  unterzog  man  die  Ueberlieferungen  und 
ihre  Gewährsmänner  einer  Kritik  und  bevorzugte 
dann  jenes  Hadith,  dessen  Gewährsmännern  man 
mehr  Vertrauen  schenkte  ;  oder  man  suchte  die 
einander  widersprechenden  Hadithe  miteinander 
in  Einklang  zu  bringen  und  so  die  Widersprüche 
aus  der  Welt  zu  schaffen. 


186 


OESTERREICHISCHE   MOMATSSCHRIPT   POr    DEN   ORIENT. 


Die  nahen  Beziehungen,  in  welchen  Religion 
und  innere  Politik  in  jedem  theokratischen  Staate 
zu  einander  stehen,  haben  es  auch  im  Islam  mit  sich 
gebracht,  dass  die  erstere  der  letzteren  als  Stütze 
oder,  um  einen  den  ungesunden  politischen  Verhält- 
nissen entsprechenderen  Ausdruck  zu  gebrauchen, 
als  Krücke  dienen  musste.  Die  Form,  in  welcher 
die  Religion  der  Politik  zu  Hilfe  kam,  war  die 
Ueberlieferung,  das  Hadith,  und  dieses  leistete  den 
verschiedenen  politischen  Parteien  Dienste,  welche 
durch  kein  Mittel,  selbst  nicht  durch  physische  Ge- 
walt ersetzt  werden  konnten.  Die  Ueberlieferung 
war  das  beste  Werkzeug,  einem  religionswidrigen 
Regiment,  einer  den  Strenggläubigen  verhassten 
Obrigkeit  den  Gehorsam  des  Volkes  zu  sichern,  der 
sich  sonstwie  weder  erkaufen  noch  erzwingen 
liess.  Die  Rechtgläubigen  beruhigten  ihr  zweifeln- 
des Gewissen  mit  Hadithen,  wenn  sie  nicht  mit 
sich  im  Klaren  waren,  wie  sie  sich  unter  Herr- 
schern zu  benehmen  hatten,  deren  Leben  mit  den 
Gesetzen  der  Religion  in  Widerspruch  stand ;  die 
unversöhnliche  Oppositionspartei  stützte  sich  auf 
Hadithe,  welche  die  gottlosen  Fürsten  im  Interesse 
des  Glaubens  zu  bekämpfen  befahl ;  und  im  Gegen- 
satze zu  dieser  Partei  standen  wieder  Elemente, 
welche  die  loyale  .Richtung  vertraten  (die  Mur- 
dschiten),  welche  behaupteten,  dass  das  den  Glaubens- 
gesetzen widersprechende  praktische  Verhalten  der 
Herrscher  durchaus  kein  Grund  sei,  diesen  als  Un- 
gläubigen den  Gehorsam  zu  versagen,  sondern  dass 
man  deren  Rechtgläubigkeit  anerkennen  müsse, 
wenn  sie  sich  nur  im  Allgemeinen  zum  Islam  hielten. 
Dass  diese  letztere  Partei  mit  ihrer  milden  Nach- 
sicht aus  gefügigen  Werkzeugen  der  Regierung  be- 
stand, ist  nicht  erst  besonders  hervorzuheben. 

Die  grösste  Bedeutung  ist  ohne  Zweifel  jener 
Partei  beizumessen,  welche  zwischen  der  unnach- 
sichtlichen  Opposition  und  der  loyalen  Nachgiebig- 
keit zu  vermitteln  suchte  und  zu  diesem  Zwecke 
durch  Hadithe  den  Beweis  erbrachte,  „dassman  den 
thatsächlichen  Machthabern  im  Interesse  der  Ord- 
nung des  Staates  und  der  Einheit  des  Islam  in 
jedem  Falle  gehorchen  müsse,  auch  wenn  man  da- 
von überzeugt  ist,  dass  sie  persönlich  die  unwürdig- 
sten Menschen  seien."  Wir  würden  jenen  Theologen 
Unrecht  thun,  die  solche  Grundsätze  verbreiteten, 
wenn  wir  sie  als  im  Solde  der  Machthaber  stehend 
betrachteten ;  wohl  leisteten  sie  den  herrschenden 
Kreisen  durch  Verbreitung  beschwichtigender  Tra- 
ditionen einen  bedeutenden  Dienst,  die  Absicht  je- 
doch, die  sie  verfolgten,  war  nur  die,  die  bestehende 
Ordnung  zu  unterstützen  und  bürgerliche  Wirren 
zu  verhüten.  „Wenn  eine  Zeitlang  eine  tyrannische 
Regierung  besteht,  so  ist  dies  besser,  als  eine  Weile 
Revolution." 

Solche  Grundsätze  Hessen  zwar  keine  offene 
Empörung  aufkommen,  waren  aber  dem  Gedeihen 
von  Verhältnissen  günstig,  welche  kaum  dem  Sinne 
des  Stifters  des  Islam  entsprechen  konnten.  Wir 
können  sagen,  dass  die  gefälschten  Hadithe,  welche 
solchen  Grundsätzen  das  Wort  sprachen,  den  Is- 
lam nur  dadurch  zusammenhielten,  dass  sie  ihn  zer- 


fahren Hessen.  Wenn  die  Erblichkeit  der  Chalifen- 
würde  von  den  Orthodoxen  auch  entschieden  be- 
stritten wurde,  so  wurde  sie  gerade  von  diesen, 
allerdings  indirect,  ebenso  entschieden  vertheidigt, 
wenn  sie  lehrten,  dass  die  Berechtigung  des  Herr- 
schers durch  die  übereinstimmende  Huldigung  der 
Gemeinde  erwiesen  sei.  Da  der  Prophet  ohne  männ- 
liche Nachkommen  gestorben  war  und  auch  keine 
testamentarischen  Verfügungen  getroffen  hatte,  war 
es  ein  Leichtes,  für  die  Berechtigung  der  actuellen 
Herrscher,  ob  es  nun  Umejjaden  oder  Abbäsiden 
oder  Aliden  waren,  in  irgend  einem  Hadith  einen 
Titel  zu  finden,  und  ebenso  leicht  war  es  auch  der 
gegnerischen  Partei,  diesen  zu  bestreiten. 

Vielleicht  waren  es  gerade  die  gefälschten 
politischen  Traditionen,  welche  dem  gläubigen 
Volke  die  Augen  über  den  Unfug  öffneten  und  es 
offen  bekennen  Hessen :  „Wenn  wir  eine  unserer 
Meinungen  aufstellten,  so  pflegten  wir  sie  in  die 
Form  des  Hadith  zu  fassen."  Ebenso  wie  in  der 
Politik  wurde  in  rein  religionsgesetzlichen  Fragen 
das  Hadith  zur  Entscheidung  strittiger  Punkte  auf- 
gerufen, und  jede  Strömung  und  Gegenströmung  im 
Leben  des  Islam  hat  ihre  Tradition  gefunden  oder 
gebildet,  aus  welcher  sie  ihre  Berechtigung  ab- 
leitete. Der  Frevel  am  überlieferten  Worte,  seine 
Fälschung  und  sein  Missbrauch  konnten  natürlich 
den  Strenggläubigen  nicht  gleichgiltig  bleiben  und 
sie  suchten  dem  Unwesen  auf  verschiedene  Weise 
zu  steuern.  In  der  Wahl  der  Mittel  war  man  nicht 
gerade  engherzig. 

Am  leichtesten  machten  es  sich  jene  ehrlichen 
Männer,  welche  die  falschen  Hadithe  wieder  mit  fal- 
schen Hadithen  bekämpften.  In  der  frommen  Absicht, 
die  Traditionsfälschung  zu  brandmarken  und  ihr  ein 
Ende  zu  machen,  erdichtete  man  Aussprüche  desPro- 
pheten, welche  die  erlogenen  und  verfälschten  Hadithe 
in  den  strengsten  Worten  verdammten.  „Wer  mit 
Bezug  auf  mich  geflissentlich  lügt,  dermöge  eintreten 
in  seinen  Ruheplatz  im  Höllenfeue  r"  oder  „Am  Ende 
der  Zeiten  werden  Fälscher,  Lügner  sein,  welche 
euch  Hadithe  bringen  werden,  die  weder  ihr  gehört 
habt,  noch  eure  Vorväter.  Hütet  euch  vor  ihnen, 
damit  sie  euch  nicht  irreleiten  und  in  Versuchung 
führen,"  so  soll  Muhammed  selbst,  und  „Im  Meere 
gibt  es  gefesselte  Teufel,  die  Salomon,  der  Sohn 
David's  dort  hingebannt  hat;  gar  leicht  ist  es  mög- 
lich, dass  diese  ausbrechen  und  den  Menschen  einen 
(falschen)  Koran  vortragen",  so  soll  ein  anderer 
frommer  Mann  die  Gläubigen  vor  der  Annahme 
falscher  Hadithe  gewarnt  haben.  Religiöse  Bedenken 
hatten  die  Erfinder solcherTraditionenumsoweniger, 
als  sie  sich  bewusst  waren,  nur  im  Dienste  der 
orthodoxen  Religion  zu  stehen  und  ketzerische  oder 
sonst  sündige  Ansichten  zu  bekämpfen. 

Schärfer  rückten  dem  Traditionsschwindel 
Diejenigen  zu  Leibe,  welche  unbekümmert  darum, 
ob  ein  Hadith  im  Sinne  der  orthodoxen  Kirche  war 
oder  nicht,  das  Traditionswesen  überhaupt  abfällig 
beurtheilten.  Die  Heiligthuerei  und  die  Wichtig- 
macherei,  womit  die  Traditioasverbreiter  dem  allzu 
gläubigen  Volke   mit   ihren  „Traditionen"  Sand  in 


Rp 


OE6TERRBICH1SCHE    MONATSSCHRIFT    FAr    DEN   ORIENT. 


187 


die  Augen  streuten,  schien  den  vorurtheilsfreien  und 
weniger  gläubigen  Leuten  ihres  beissendsten  Siiottes 
nicht  unwerth  zu  sein  und  im  II.  und  III.  Jahrhun- 
derte (d.  H.)  fanden  geistvolle  Muslimen  ein  be- 
sonderes Vergnügen  daran,  Personen  und  Dinge, 
welche  bei  dem  gewöhnlichen  Volke  in  religiösem 
Ansehen  standen,  ironisch  zu  betrachten  und  das 
Heiligste  zu  verspotten.  Nicht  nur  die  Traditionen 
selbst,  sondern  auch  ihre  Form  wurde  zum  Gegen- 
stände des  Spottes  gemacht,  indem  man  sich  nicht 
scheute,  gemeine  Zoten  mit  Anführung  von  Ge- 
währsmännern zu  erzählen,  alsob  esHadithe  wären. 
Die  Tradition  selbst  aber  bot  der  scherzenden  Satirc 
wie  dem  ernsten  Widerspruche  genug  des  Materials, 
da  sie  einestheils  die  kleinlichsten  Vorschriften  für 
die  intimsten  Beziehungen  des  alltäglichen  Lebens 
enthielt,  und  anderntheils  vielen  einander  wider- 
sprechenden dogmatischen  und  gesetzlichen  Thesen 
als  Stütze  diente.  Waren  es  in  erster  Linie  die 
ketzerischen  Kreise,  von  welchen  die  Tradition 
ziemlich  allgemein  angegriffen  wurde,  so  konnten 
doch  auch  orthodoxe  Muslimen  deren  Einwürfe 
nicht  völlig  entkräften  und  mussten  wenigstens  zu- 
gestehen, dass  der  Kreis  der  Glaubwürdigkeit  und 
der  Autorität  der  Traditionen  ein  sehr  beschränkter 
und  dass  manche  der  verspotteten  Ueberlieferungen 
unglaubwürdig  sei.  Absichtliche  Entstellung  und 
der  Einfkiss  jüdischer  und  christlicher  Legenden 
auf  die  Tradition  wird  auch  von  den  orthodoxen 
Theologen  nicht  geleugnet,  sondern  ausdrücklich 
zugestanden. 

Ernster  zu  nehmen  und  von  der  nachhaltigsten 
Wirkung  war  jene  Art  der  Reaction  gegen  das 
üppig  wuchernde  Traditionswesen,  welche  sich  als 
Traditionskritik  äusserte.  Der  Leichtgläubigkeit 
des  frommen  Volkes,  welches  ohne  Bedenken  die 
in  traditioneller  Form  auftretenden  Aussprüche  des 
Propheten  als  echt  gelten  Hess,  und  der  Nach- 
giebigkeit jener  Theologen,  welche  das  Gemein- 
gefühl der  Gemeinde  als  obersten  Richter  über  die 
Giltigkeit  von  Traditionsaussprüchen  anerkannten, 
stand  die  Gewissenhaftigkeit  solcher  Männer  gegen- 
über, welche  mit  scharfem  Blicke  die  Gefahr  er- 
kannten ,  die  der  rechtgläubigen  Gemeinde  von 
Seiten  der  tendenziösen  Hadithe  drohte,  und  welche 
die  Bewilligung  der  Gemeinde  durchaus  nicht  als 
Gewähr  für  die  Glaubwürdigkeit  der  Ueberliefe- 
rungen gelten  Hessen  ;  letzteres  umsoweniger,  als 
sie  die  Erfahrung  gemacht  hatten,  dass  das  un- 
kritische Volk  auch  der  orthodoxen  Lehre  feindliche 
Hadithe  zur  Geltung  kommen  liess.  Da  man  übrigens 
auch  den  Verbreitern  von  Hadithen,  und  zwar  in- 
soferne  eine  wichtige  Bedeutung  beimessen  musste, 
als  von  ihrem  persönlichen  Ansehen  in  einer  be- 
stimmten Provinz  auch  das  Vertrauen,  welches  man 
in  ihre  Lehren  setzte,  und  folglich  auch  die  Ver- 
breitung ihrer  Lehren  abhing,  so  schien  es  doppelt 
geboten,  darauf  zu  achten,  wer  die  Autoritäten  und 
Gewährsmänner  seien,  auf  welche  sich  die  Glaub- 
würdigkeit der  einzelnen  Hadithe  stützte. 

Im  Hinblicke  also  auf  die  Gefahr,  welche  durch 
die  Verbreitung  von  Hadithen  irgend  einer  Partei- 


richtung der  Sunna  in  Religion  und  Staatsicbeo 
drohte,  sollten  nur  , .solche  Hadithe  als  correcter 
Ausdruck  des  religiösen  Geistes  der  Gesammtge- 
meinde  passiren,  deren  Träger  sowohl  in  ihrer  per- 
sönlichen Glaubwürdigkeit  als  auch  in  ihrem  Ver- 
bältniss  zum  orthodoxen  Bekenntniss  keinem  Be- 
denken unterliegen,  also  im  vollen  Sinne  des  Wortes 
als  „zuverlässig"  gelten  können,  von  denen  nicht 
die  Gefahr  droht,  dass  sie,  ob  nun  aus  purer  Leicht- 
fertigkeit, aus  Mangel  an  religiöser  Integrität  oder 
aus  Parteiinteresse  dem  Propheten  Aussprüche  zu- 
schreiben, welche  im  Widerspruch  mit  der  allge- 
meinen Lehre  ihren  besonderen  Interessen  dienlich 
sind.  Dieser  Gesichtspunkt  bestimmte  die  ganze 
Richtung  der  Traditionskritik,  wie  sich  dieselbe  im 
Islam  entwickelte."  Man  untersuchte  also  nicht  den 
Text  einer  Tradition,  ob  er  mit  dem  anderer  Tra- 
ditionen oder  mit  dem  Koran  im  Einklänge  stehe, 
sondern  man  legte  das  Hauptgewicht  auf  die  In- 
tegrität der  Gewährsmänner  und  ihre  unanfecht- 
bare Reihenfolge  (Isndd).  Die  Traditionskritiker 
unterschieden  je  nach  dem  Resultate  ihrer  Unter- 
suchungen verschiedene  Grade  von  Glaubwürdig- 
keit, deren  höchster  darin  zum  Ausdrucke  kam, 
dass  man  den  Ueberlieferer  „zuverlässig"  nannte, 
und  deren  niedrigster  dem  Gewährsmanne  nur  das 
Lob  zutheil  werden  lässt,  dass  er  „nicht  lüge". 
Nebst  der  Qualität  der  Gewährsmänner  hatten  aber 
die  Kritiker  noch  andere  Umstände  im  Isnäd  zu  be- 
achten und  waren  es  da  besonders  Anachronismen, 
die  sie  blosszulegen  hatten  ;  überdies  erschwerten 
die  Fälscher  der  Kritik  ihr  Amt  noch  dadurch,  dass 
sie  zwischen  zwei  Glieder  der  Isnäd-Kette,  zwischen 
denen  kein  thatsächlicher  Zusammenhang  nachge- 
wiesen werden  konnte,  den  Namen  eines  Unbe- 
kannten einschoben,  um  einen  Zusammenhang  herzu- 
stellen. Wenn  wir  auch  nicht  verkennen  dürfen,  dass 
die  strenge  Prüfung  des  Isnad,  der  Kette  der  Ge- 
währsmänner, unbedingt  nothwendig  und  von  heil- 
samen Folgen  war,  so  konnte  es  doch  der  guten 
Sache  nicht  dienlich  sein,  wenn  man  für  die  Beur- 
theilung  der  Glaubwürdigkeit  und  Authenticität  der 
Traditionen  nur  fot  male  Momente  massgebend  sein 
liess.  Es  ist  leicht  einzusehen,  wohin  die  einseitige 
Methode  führen  musste,  die  den  Werth  des  Isnäd 
zuerst  und  allein  untersuchte  und  das  Urtbeil  Ober 
den  Werth  des  Jnhalts  einer  Ueberlieferung  von 
dem  Urtheile  über  die  Correctheit  des  Isnäd 
abhängig  machte.  Als  Regel  für  die  Beurtheilung 
der  Traditionen  konnte  beiläufig  gelten,  was  Gold- 
ziher  in  die  Worte  zusammenfasst :  ,,Wenn  das 
Isnäd,  an  welches  ein  unmöglicher,  mit  äusseren 
und  inneren  Widersprüchen  behafteter  Salz  ge- 
hängt ist,  die  Probe  dieser  formalen  Kritik  besteht, 
wenn  die  Continuität  der  in  demselben  angeführten, 
vollends  glaubwürdigen  Autoritäten  ununterbrochen, 
weun  die  Möglichkeit  ihres  Verkehrs  miteinander 
nachgewiesen  ist,  so  wird  die  Tradition  als  glaub- 
würdig anerkannt.  Niemandem  darf  es  beikommen 
zu  sagen :  weil  der  Inhalt  Main  eine  logische  oder 
historische  Absurdität  enthält,  darum  zweifle  ich 
an  der  Correctheit  des  Isnäd." 


188 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT. 


Allerdings  kann  dann  der  Fall  eintreten,  dass 
zwei  vollkommen  correcte  Ketten  von  unanfecht- 
baren Gewährsmännern  zwei  einander  wider- 
sprechende Traditionen  stützen;  dann  wird  ent- 
weder die  Correctheit  des  einen  Isnäd  zu  Gunsten 
des  anderen  herabgedrückt,  oder,  wenn  dies  nicht 
gelingen  will,  sucht  man  die  einander  wider- 
sprechenden Texte  auf  spitzfindige  Weise  mit  ein- 
ander auszugleichen,  oder  man  iässt  bei  gesetz- 
lichen Traditionen  die  eine  die  andere  abrogiren, 
oder  man  Iässt  auch  hier  wieder  formelle  Grund- 
sätze entscheiden,  in  dem  z.  B.  von  zwei  Berichten, 
deren  einer  affirmativer ,  der  andere  negativer 
Natur  ist,  dem  affirmativen  vor  dem  negirenden  der 
Vorzug  eingeräumt  wird.  Selbst  Anachronismen 
werden  ruhig  hingenommen,  wenn  das  Isnäd  in 
Ordnung  ist  und  „die  prophetische  Gabe  Muham- 
meds  ist  ein  ausgleichendes  Moment  für  solche 
Schwierigkeiten. 

Die  Strenge,  mit  welcher  man  die  Traditionen 
in  Bezug  auf  ihre  Echtheit  prüfte,  konnte  über- 
haupt nur  auf  jene  Ueberlieferungen  Anwendung 
finden,  die  gesetzliche  Fragen  behandelten  oder 
den  Gelehrten  als  Quellen  für  gesetzliche  oder  dog- 
matische Deductionen  dienen  konnten  ;  jene  Tradi- 
tionen, weiche  im  Volke  lebten  und  für  das  Volk 
gemacht  waren,  welche  fromme  Erzählungen,  erbau- 
liche Sätze  und  ethische  Belehrungen  im  Namen 
des  Propheten  enthielten,  wurden  auch  von  Seite 
der  Theologen  mit  milderen  Blicken  betrachtet, 
und  wenn  man  Fälschungen  in  dieser  Hinsicht  auch 
nicht  ausdrücklich  genehmigen  konnte,  so  ging 
man  in  der  Nachsicht  doch  so  weit,  dass  man  auf 
den  sonst  wichtigen  Bestandtheil  des  Hadith, 
nämlich  auf  die  Anführung  der  Gewährsmänner  gar 
kein  Gewicht  legte.  Bei  solchen  ethischen  Hadithen 
fragte  man  nicht  danach,  ob  ein  Gewährsmann  ,, zu- 
verlässig" oder  ,, schwach"  sei,  da  wurde  bald  ein 
Ueberlieferer  für  glaubwürdig  genug  gehalten, 
welchem  man  in  Bezug  auf  Sunna-Traditionen  das 
Vertrauen  versagt  hätte. 

Die  Fälschung  und  Unterschiebung  von  Ha- 
dithen zum  Zwecke  der  Belehrung  und  Erbauung 
des  Volkes  wurde  von  Theologen  nicht  nur  theo- 
retisch sanctionirt  und  praktisch  geübt,  sondern  es 
wurde  zur  Schaffung  falscher  Traditionssätze  ge- 
radezu ermuntert  und  erdichtete  Hadithe  mit  mora- 
lisirender  Tendenz  scheinen  in  den  Predigten  häufige 
Anwendung  gefunden  zu  haben.  Da  der  Prophet 
die  Unterschiebung  von  Aussprüchen  selbst  aus- 
drücklich verboten  hat,  wussten  Diejenigen,  welche 
sich  zu  der  Ansicht  bekannten,  dass  man  zu  mora- 
lischem Zwecke  auch  Traditionen  erdichten  und 
diese  weiterverbreiten  dürfe,  kein  besseres  Aus- 
kunftsmittel, ihre  Ansicht  auch  theoretisch  zu  be- 
gründen, als  dass  sie  gerade  jenes  ausdrückliche 
Verbot  des  Propheten  zu  ihren  Gunsten  interpretirten 
und  den  also  veränderten  Text  zur  Entschuldigung 
ihres  zwar  incorrecten,  jedoch  wohlgemeinten 
Treibens  anführten. 

Der  sicherste  Weg,  einen  moralischen  Satz  in 
Umlauf  zu  bringen,  war  der,  ihu  Muhammed  in  den 


Mund  zu  legen,  und  dass  man  zu  diesem  Mittel 
gerne  seine  Zuflucht  nahm,  das  ersehen  wir  daraus, 
dass  in  der  Traditionsliteratur  nicht  selten  Aus- 
sprüche auf  den  Propheten  zurückgeführt  werden, 
die  im  Islam  lange  Zeit  einem  anderen  Urheber  zu- 
geschrieben wurden.  So  finden  wir  dem  Propheten 
aber  nicht  nur  fremde  moralische  oder  gesetzliche 
Traditionen,  sondern  sogar  Aussprüche  aus  der 
heidnischen  Zeit  zugeschrieben.  Man  wusste  ja  auch, 
dass  Muhammed  selbst  dem  Koran  Sentenzen  aus 
der  heidnischen  Zeit  einverleibt  hatte  und  einige 
traditionelle  Aussprüche  Muhammed's  sind  nach- 
weisbar altarabische  heidnische  Sprichwörter  oder 
Redensarten,  die  den  Muslimen  wahrscheinlich  so 
gut  gefielen,  dass  sie  sie  dem  Propheten  zueigneten. 
Bekannt  ist  ja  auch,  dass  Sätze  aus  dem  alten 
Testamente  und  den  Evangelien  als  Aussprüche 
Muhammed's  bezeichnet  werden,  wie  denn  überhaupt 
der  Islam  aus  dem  Christenthume  Manches  gelernt 
und  entlehnt  hat. 

Wir  wollen  an  dieser  Stelle  nur  gelegentlich 
erwähnen,  dass  das  Bild,  welches  man  von  Muham- 
med entwirft,  dem  christlichen  Bilde  von  Jesus 
ähnlich  gemacht  ist,  und  dass  man  Muhammed  trotz 
seiner  eigenen,  oft  wiederholten  Erklärung,  dass  er 
keine  Wunder  wirke,  sondern  nur  ein  Gesandter 
Gottes  sei,  dass  man  Muhammed  ähnliche  Wunder 
wirken  Iässt,  wie  sie  von  Jesus  in  den  Evangelien 
erzählt  werden.  Des  Weiteren  sind  es  die  lehrenden 
Aussprüche  in  den  Evangelien,  die  Einfluss  auf  die 
Bildung  muhammedanischer  Lehren  im  Hadith  aus- 
geübt haben.  Von  den  interessanten  Beispielen, 
welche  uns  Goldziher  namhaft  macht,  sei  hier  nur 
der  Entlehnung  des  „Vater  unser"  gedacht,  welches 
im  Islam  in  der  Form  eines  Hadith  erscheint.  Der 
Prophet  soll  nämlich  gesagt  haben  :  „Wenn  Jemand 
leidet  oder  es  leidet  sein  Bruder,  so  möge  er 
sprechen  :  Unser  Herr  Gott,  Du  im  Himmel,  geheiligt 
werde  Dein  Name,  Deine  Herrschaft  im  Himmel  und 
auf  Erden;  sowie  Deine  Barmherzigkeit  im  Himmel 
ist,  so  übe  deine  Barmherzigkeit  auch  auf  Erden  ; 
vergieb  uns  unsere  Schuld  und   unsere  Sünden   etc." 

Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  wieder 
zur  Betrachtung  des  Geschickes  der  Tradition  zu- 
rück, und  knüpfen  wir  an  die  Bemerkung  an,  dass 
man  im  Interesse  der  Religion  und  zur  Förderung 
der  Frömmigkeit,  dem  Propheten  Aussprüche  zu- 
schrieb, welche  er  nie  gethan  hatte,  so  können  wir 
nun  auch  gleich  hinzusetzen,  dass  der  Beweggrund 
zu  solchen  Fälschungen  nicht  immer  ein  frommer 
geblieben  ist.  „Aus  den  erbaulichen  Erzählungen 
entwickelten  sich  die  unterhaltenden,  und  man  war 
bald  bei  den  possenhaften  angelangt,  und  alles 
dies  im  Rahmen  der  Tradition  des  Propheten.  Be- 
reits im  III.  Jahrhundert  —  vielleicht  auch  schon 
früher  —  konnte  man  im  Namen  des  Propheten 
folgenden  Weheruf  verkünden:  Wehe  dem,  der 
lügnerische  Hadithe  verbreitet,  um  die  Leute  damit 
zu  belustigen  !" 

Es  mag  allerdings  nicht  mit  einem  Schlage  so 
geworden  sein,  dass  man  Erbauung  und  Belustigung 
mit  einander  verwechselte,  sondern  allmälig  nurmö- 


I 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIi»T    FÖR    DEN    ORIENT. 


18» 


gt;n  sich  solche  Zustände  entwickelt  haben.  Wenn  wir 
uns  erinnern,  was  für  eine  grosse  Rolle  im  Oriente 
der  Märchenerzähler  spielt  und  wie  die  Leute  seinen 
Erzählungen  gerne  zulauschen,  und  wenn  wir  hinzu- 
fügen, dass  es  von  jeher  so  gewesen  ist,  dann 
werden  wir  uns  kaum  darüber  verwundern,  dass 
sich  auch  Erzähler  fanden,  welche  Unterhaltung 
und  Erbauung  mit  einander  vereinten  und  in  den 
Strassen  und  Moscheen  das  Volk  um  sich  versam- 
melten, um  ihm  ihre  Geschichten  vorzutragen.  Da 
sich  nun  aber  auch  gelehrte  Theologen  kaum  zur 
Uebernahme  der  Erzählerrolle  verstanden  haben 
dürften,  können  wir  wieder  nur  annehmen,  dass 
jene  Erzähler  selbst  Leute  aus  dem  Volke  gewesen 
sind,  die  mehr  zu  wissen  vorgaben  als  sie  wussten. 
Wenn  sie  Hadithe  citirten,  waren  sie  natürlich 
auch  nicht  um  die  Form  verlegen  und  wussten  stets 
eine  Reihe  erlogener  Gewährsmänner  anzuführen. 
Manche  von  ihnen  mögen  es  wohl  mit  dem  selbst- 
gewählten Berufe  des  Volkspredigers  ernster  ge- 
nommen haben  und  in  den  Schranken  religiösen 
Anstands  geblieben  sein;  viele  aber,  vielleicht  die 
meisten  der  späteren  Erzähler  hatten  es  nicht  auf 
religiösen  Erfolg,  sondern  auf  die  Unterhaltung  des 
Volkes  und  auf  ihren  eigenen  Gewinn  abgesehen. 
Als  die  massgebenden  Kreise  die  Gefahr  bemerkten, 
welche  der  richtigen  Erhaltung  der  Traditionen  von 
Seiten  dieser  Erzähler  drohte,  erhoben  sich  zum 
Schutze  der  gefährdeten  reinen  Religion  hie  und 
da  missbilligende  Stimmen  gegen  die  Strassen- 
prediger,  doch  wie  wir  bemerken  dürfen,  ohne 
nennenswerthen  Erfolg.  Das  Volk  unterhielt  sich 
eben  bei  den  Erzählern,  welche  zugleich  oft  Astro- 
logen oder  Wahrsager  waren,  besser  als  bei 
ernsten  Predigern,  und  die  Erzähler  hatten  einen 
um  so  besseren  Verdienst,  je  ärger  sie  zu  lügen  und 
zu  übertreiben  verstanden.  Anekdoten  und  frivole 
Curiositäten,  besonders  nach  biblischen  Legenden, 
waren  bald  an  die  Stelle  der  in  der  früheren  Zeit 
gehaltenen  erbaulichen  Vorträge  getreten  ,  und 
besser  als  die  gelehrten  Theologen  verstanden  sie 
es,  vor  dem  Volke  ihr  Licht  leuchten  zu  lassen  und 
mit  ihrer  Kenntniss  der  heiligen  Geschichte  zu 
prunken.  Was  der  gelehrteste  Theologe  nicht 
wissen  konnte,  das  wussten  die  Erzähler,  der  Eine 
wusste  den  Namen  des  goldenen  Kalbes,  ein  Anderer 
wusste  wieder  den  Namen  des  Wolfes,  welcher 
Josef  gefressen  hatte  und  vertheidigte  sich  gegen 
den  Einwand,  dass  Josef  von  keinem  Wolfe  ge- 
fressen wurde,  mit  der  Antwort,  dass  also  jener 
Wolf  so  geheissen  hätte,  der  Josef  nicht  gefressen 
habe.  Die  gewiegtesten  Theologen  konnten  der 
Unverfrorenheit  der  Erzähler  nicht  Stand  halten 
und  mussten  ihnen  selbst  mit  Spott  beladen  das 
Feld  räumen.  Dass  diese  Strassenprediger  mit  ihren 
dreisten  Lügen  eine  grosse  Gefahr  für  die  Integrität 
des  Iladith  bildeten,  ist  ebenso  leicht  begreiflich, 
wiedieThatsache,  dass  wir  solchen  freien  Predigern 
noch  heute  in  muhammedaniscben  Städten  be- 
gegnen. 

Der  Ergänzung  halber  haben  wir    noch   einer 
besonderen  Art  von  Traditionsschwindlcrn  zu   ge- 


denken, nämlich  der  sogenannten  Langlebigen 
(Muammarin),  welche  ihre  Hadithe  mit  keinem  er- 
logenen Aufwände  von  Gewährsmännern  zu  be- 
kräftigen brauchten,  da  sie  sich  selbst  noch  im 
III.  oder  IV.  Jahrhunderte  d.  H.  als  Genossen  des 
Propheten  ausgaben,  von  dem  sie  ihre  Hadithe 
empfangen  haben  wollten.  Wir  können  es  uns  hier 
erlassen,  diesen  Betrügern  viele  Worte  zu  widmen, 
wollen  aber  nicht  übergehen,  dass  auch  diese 
Schwindler  eine  gläubige  Gemeinde  fanden  und 
dass  der  Glaube  an  die  Existenz  von  Muammarin 
auch  dem  religiösen  Gebiete  nicht  fremd  blieb. 

Bei  der  wichtigen  Bedeutung,  welche  die  Tra- 
dition für  die  Religion  hat,  darf  es  uns  nicht  Wunder 
nehmen,  wenn  man  auf  Alles,  was  vertrauenswürdige 
Männer  überlieferten,  ein  grosses  Gewicht  legte, 
und  wenn  fromme  oder  ehrgeizige  Leute  viel  darauf 
hielten,  von  jenen  unvermittelt  eine  Ueberlieferung 
zu  erhalten.  Da  .Aussprüche  des  Propheten  aber  in 
alle  Welt  zerstreut  waren,  so  blieb  den  frommen 
Sammlern  nichts  übrig,  als  oft  die  weitesten  Reisen 
zu  unternehmen,  um  die  Ueberlieferung  sammt  dem 
ganzen  Isnad  zu  übernehmen  und  mit  ihrem  eigenen 
Namen  die  Kette  der  üeberlieferer  zu  scbliessen. 
„Diese  Reisen  hatten  auch  für  die  praktische  Ent- 
wicklung des  Hadfthwesens  im  Islam  ein  einfluss- 
reiches Resultat.  In  Folge  der  immer  mehr  und 
eifriger  unternommenen  Reisen  (zum  Zwecke  des 
Sammeins  von  Hadithen)  ist  es  den  Theologen  ge- 
lungen, die  provinziellen  Sondertraditionen  in  den 
gemeinsamen,  sich  immer  einheitlicher  gestaltenden 
Rahmen  des  Hadith  einzufügen.  Ohne  diesen  Erfolg 
wäre  die  Conception  von  Hadilhsammlungen  kaum 
möglich  gewesen. "  Zu  diesen  anerkennenden  Worten 
Goldziher's  müssen  wir  leider  hinzufügen,  dass  das 
Sammeln  von  Hadithen  mit  der  Zeit  zum  Sport 
wurde,  und  dass  in  Folge  der  wachsenden  Nach- 
frage auch  die  heilige  Waare  der  Hadithe  mit 
klingender  Münze  bezahlt  werden  musste.  Einer- 
seits jagte  man  der  Erwerbung  von  Hadithen  ohne 
Verständniss  nach  und  andererseits  scheute  man 
sich  nicht,  die  eifrigen  Sammler  nach  besten  Kräften 
zu  betrügen,  so  dass  ernste  Theologen  ihre  Stimme 
erhoben,  um  den  Schwindel,  der  auf  beiden  Seiten 
getrieben  wurde,  zu  kennzeichnen  und  davor  zu 
warnen.  Nachdem  das  Traditionsunwesen  im  V.  Jahr- 
hunderte seinen  Höhepunkt  erreicht  hatte,  wurde 
im  VI.  Jahrhundert  durch  die  Gründung  von  Spe- 
cialhochschulcn  für  Hadithwissenschaft  der  .Anlauf 
gemacht,  den  wilden  Strom  der  Sammellust  in  ge- 
regelte Bahnen  zu  lenken;  doch  leider  waren  diese 
Fachschulen  von  keiner  langen  Dauer,  denn  sie 
gaben  den  Tausenden,  die  da  nach  Traditionen 
jagten,  nur  beschränkte  Gelegenheit,  neues  Material 
zu  erwerben. 

Man  würde  sehr  irren,  wenn  man  glaubte,  dass 
die  Ueberlieferungen  nur  von  Mund  zu  Mund  gingen 
und  der  schriftlichen  Aufzeichnung  entbehrten. 
.Allerdings  herrschte  auch  in  der  alten  Generation 
des  Islam  die  Ansicht,  dass  zur  schriftlichen  Auf- 
zeichnung nur  das  heilige  Buch,  der  Koran,  be- 
stimmt  sei,   und   dass   neben   ihm   das  Haditb   als 


190 


OESTüRREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT 


mündliche  Lehre  einhergehen  sollte;  wir  wissen 
aber,  dass  auch  ausserkoranische  Aussprüche  des 
Propheten  niedergeschrieben  wurden,  ja  dass  sogar 
schon  Zeitgenossen  Muhammed's  diesem  Hadithe 
nachgeschrieben  haben.  Wenn  das  Niederschreiben 
von  Hadithen  auch  seine  Gegner  hatte ,  dieser 
Widerwille  gegen  die  schriftliche  Ueberlieferung 
ist  erst  eine  Folge  später  entstandener  Vorurtheile 
und  bestand  nicht  etwa  nur  noch  zur  Zeit,  als 
schon  kritisch  gesichtete  IVaditionssammlungen 
vorlagen,  sondern  selbst  noch  dann,  als  schon  der 
Ruchdruck  eingebürgert  war.  Für  beide  Meinungen 
hatte  man  natürlich  wieder  Aussprüche  des  Pro- 
pheten bereit,  und  während  sich  die  Einen  darauf 
beriefen,  dass  er  gesagt  habe:  „Schreibet  von  mir 
nichts  nieder  mit  Ausnahme  des  Koran ;  wer  aber 
etwas  aufgeschrieben  hat,  der  lösche  es  aus," 
wussten  Andere  wieder  Worte  Muhammed's  anzu- 
führen, aus  denen  unzweifelhaft  hervorgehen  sollte, 
dass  er  mit  der  schriftlichen  Aufzeichnung  seiner 
Aussprüche  einverstanden  war. 

Wenn  wir  nun  Alles,  was  wir  in  diesem  be- 
schränkten Rahmen  über  das  Hadith  erfahren 
haben,  zusammenhalten,  wird  es  kaum  schwer 
fallen,  sich  über  die  Bedeutung  der  Traditions- 
wissenschaft im  Islam  ein  Urtheil  zu  bilden.  Der 
Koran  allein,  das  ist  klar,  wäre  nicht  im  Stande 
gewesen,  erstens  so  verständlich  und  zweitens  so 
ausführlich  zu  dem  gläubigen  Volke  zu  sprechen, 
wie  dies  die  Tradition  gethan  hat,  und  in  Folge 
dessen  wäre  er  auch  nicht  im  Stande  gewesen,  dem 
Islam  rasche  und  volksthümliche  Verbreitung  zu 
verschaffen.  Wohl  ist  das  heilige  Buch  als  die 
Grundlage  der  muhammedanischen  Lehre  zu  be- 
trachten, doch  die  friedliche  Waffe,  mit  welcher 
sich  der  Islam  Eingang  und  Ansehen  verschaffte, 
ist  die  Tradition.  Sie  ist  zwar  schuld  an  dem  Schisma, 
aber  ihr  kommt  auch  das  alleinige  Verdienst  zu, 
den  theokratischen  muslimischen  Staat  vor  bedenk- 
lichen inneren  Zerwürfnissen,  vor  Volksrevolutionen 
bewahrt  zu  haben.  Mögen  auch  die  Wege,  welche 
die  Ueberlieferung  ging,  keine  geraden  gewesen 
sein,  mag  mit  ihr  viel  und  schwerer  Missbrauch  ge- 
trieben worden  sein,  wir  müssen  heute  mit  dem  Er- 
folge rechnen  und  nicht  mit  dem  Mittel  rechten. 
Der  Erfolg  aber  hat  bewiesen,  dass  das  in  Bezug 
auf  die  Moral  sehr  zweifelhafte  Mittel  die  Religion 
Muhammed's  zwar  vielfach  sich  selbst  entfremdet 
und  die  reine  Lehre  ganz  bedeutend  getrübt,  dass 
es  aber  staatenbildende  und  staatenerhaltende 
Macht  gehabt  hat.  Und  da  wir  den  Islam  nie  als 
reine  Religion  für  sich,  sondern  stets  auch  als  po- 
litische Institution  betrachten  müssen,  können  wir 
mit  dem  Satze  schliesscn,  dass  die  Ueberlieferung 
auf  seine  Entwicklung  sowohl  in  religiöser  wie  in 
staatsrechtlicher  Beziehung  den  bedeutendsten  Ein- 
fluss  geübt  hat.  ^  --^ 

/ K  POVIBUIENI ) 

\      PRilMYfi'-tJ 


ZUR  JAPANISCHEN  PAPIERINDUSTRIE. 

Die  Papierindustrie  in  Japan  ist  sehr  alten 
Datums.  Vor  1200  Jahren  schon  wurde  hier, 
allerdings  in  unvollkommener  Weise,  Papier  fa- 
bricirt,  und  zwar  waren  es  besonders  14  Pro- 
vinzen, die  sich  nach  dieser  Richtung  hin  aus- 
zeichneten. Wie  alle  Industriezweige  in  Japan,  so 
hat  sich  auch  die  Papierfabrikation  in  den  letzten 
Jahren  sehr  vervollkommnet,  und  auf  den  ver- 
schiedenen internationalen  Ausstellungen  hatte 
man  Gelegenheit,  die  überraschenden  Fortschritte 
zu  bewundern,  welche  diese  merkwürdige  Nation 
auf  diesem  wie  auf  allen  anderen  Gebieten  ge- 
macht hat. 

Vor  Jahren  noch  genügte  die  Papierproduc- 
tion  in  Japan  keineswegs  der  Nachfrage  des 
eigenen  Landes,  und  die  japanische  Regierung 
bezog  eine  beträchtliche  Quantität  ausländischen 
Papieres.  Besonders  war  es  Zeitungs-,  Zeichen- 
und  Bücherpapier,  dessen  Bedarf  vom  Auslande 
gedeckt  wurde.  Jetzt  werden  alle  diese  Sorten 
auch  in  Japan  erzeugt  und  es  scheint,  dass  die 
primitive  Herstellungsweise  des  Papiers  mittelst 
Handarbeit  langsam  durch  die  Maschinenarbeit 
verdrängt  wird,  die  ein  besseres  Papier  zu  billi- 
gerem Preise  aus  einer  minderen  Sorte  Roh- 
material herstellen  kann. 

Es  ist  auffallend,  dass  man  nicht  in  grösserem 
Massstabe  den  Versuch  gemacht  hat,  in  Europa 
jene  Pflanze  anzubauen,  deren  Faser  in  Japan 
zur  Papierfabrikation  verwendet  wird,  da  dieses 
Reich  doch  dieselbe  geographische  Lage  hat  wie 
Spanien,  Italien  oder  Griechenland. 

Die  bemerkenswertheste  Eigenthümlichkeit 
des  japanischen  Papiers,  nach  welchem  in  Frank- 
reich und  England  eine  bedeutende  Nachfrage 
herrscht,  besteht  nämlich  in  der  Länge  und  Zart- 
heit der  Phaser,  die  es  ermöglicht,  das  Papier  zu 
Zwecken  zu  benützen,  die  der  Verwendung  dieses 
Materiales   in  Europa  ferne  liegen. 

Das  Papier  dient  in  Japan  nicht  nur  zum 
Beschreiben,  Bemalen  oder  als  Emballage,  son- 
dern es  wird  z.  B.  auch  ein  Faden  daraus  her- 
gestellt, welcher  mit  einer  Kette  von  Seide  ver- 
webt, einen  leichten  Stoff  liefert,  der  zu  Sommer- 
kleidern verwendet  wird.  Derselbe  Faden,  zu 
einer  Schnur  gedreht,  findet  gefärbt  oder  ver- 
goldet seine  Verwendung  beim  Verpacken  von 
Bonbons  oder  anderen  Luxusartikeln.  Wird  Papier 
von  einer  solideren  Structur  in  Oel  getränkt,  so 
leistet  es  als  wasserdichte  Umhüllung  für  Gegen- 
stände, die  über  See  versandt  werden,  gute 
Dienste;  auch  werden  Mäntel  und  Ueberröcke  aus 
diesem  undurchdringlichen  Papiere  gemacht.  Das- 
selbe findet  ferner  doppelt  aufeinander  geheftet, 
mit  färbigen  Mustern  verziert,  Verwendung  als 
Tisch-  oder  Zimmerdecken,  die  sich  durch  grosse 
Haltbarkeit  auszeichnen.  Ausserdem  wird  das 
Papier  zu  Hüten,  Laternen,  Taschentüchern, 
Schirmen,  Schuhen,  Fächern,  Matten,  Trögen, 
Spielsachen    und    dergleichen   Dingen  verwendet. 


OESTER REICHISCHE    MONATSSCHRIFT    KOr    DEN    ORIENT. 


191 


Auch  Lederimitationen  werden  daraus  verfertigt, 
ebenso  alle  Arten  Börsen  und  Tabaksbeutel,  der 
verschiedenen  Arten  der  Verwendung,  die  es  auch 
bei   uns  findet,  gar  nicht  zu  gedenken. 

Was  das  Rohmaterial  und  den  Erzeugungs- 
process  anlangt,  so  sind  beide  schon  öfters  be- 
schrieben worden.  Das  japanische  Papier  ist, 
wie  schon  erwähnt,  früher  immer  mit  der  Hand 
angefertigt  worden,  daher  die  kleinen  Hogen,  die 
gewöhnlich  nur  eine  Grösse  von  g'/g  Zoll  Breite 
und    l2'/g   Zoll  Länge   haben. 

Das  Papier,  wie  es  im  Allgemeinen  verkauft 
wird,  ist  nicht  geleimt,  die  dicke  Tusche,  welche 
zum  Schreiben  verwendet  wird,  macht  dies  nicht 
nöthig,  doch  gibt  es  auch  eine  Sorte  Papier 
sehr  dünn  und  durchsichtig,  die  davon  eine  Aus- 
nahme macht.  Das  japanische  Papier  wird  nie- 
mals gebleicht  und  hat  daher  gewöhnlich  einen 
gelblichen  oder  grünlichen  Stich.  Sein  Gefüge 
ist  ziemlich  lose  und  sehr  faserig.  Im  Allgemeinen 
laufen  die  Fasern  parallel  zu  der  kürzeren  Seite  des 
Bogens.  In  dieser  Richtung  ist  das  Papier  auch  leicht 
zu  zerreissen,  während  man  sonst  immer  einige 
Kraft  anwenden  muss.  Bei  gewissen  Papiersorten, 
die  für  Regenmäntel  verwendet  werden,  scheinen 
die  Fasern  einander  zu  kreuzen,  so  dass  es  über- 
haupt schwer  ist,  dieselben  zu  zerreissen. 

Gewöhnlich  wird  das  Papier  in  kleinen 
Städten  oder  Dörfern  erzeugt,  wo  dann  aber  die 
ganze  Bevölkerung  sich  damit  beschäftigt.  In  so 
einer  Papiermacherfamilie  betheiligt  sich  Alles  an 
der  Arbeit,  von  den  alten  und  schwachen  Gross- 
eltern bis  zu  dem  kleinen  Enkel  herab,  einem 
frühreifen  Knaben  von  5  oder  6  Jahren.  Ob- 
gleich von  den  Papiermachern  immer  eine  grosse 
Anzahl  auf  einem  Punkt  vereinigt  ist,  so  scheint 
doch  unter  ihnen  keinerlei  Cooperation  zu  be- 
stehen, vielmehr  arbeiten  alle  Familien  oder 
Häuser  für  sich,  indem  sie  die  gesammte  Fabri- 
kation, also  alle  Operationen,  die  den  Rohstoff 
in  das  verkaufsfähige  Product  umwandeln,  selbst 
vornehmen. 

Wie  bekannt,  producirt  Japan  auch  eine 
Menge  Sorten  von  Phantasiepapieren.  Eines  der 
hübschesten  ist  das  zarte  Seidenpapier,  auf 
welchem  Muster  mit  undurchsichtiger  weisser 
Tinte  gezeichnet  sind,  welche  den  Eindruck  einer 
erhabenen  Wassermarke  machen. 

Dieses  Papier  wird  zur  Anfertigung  von 
Phantasielaternen  verwendet,  oder  es  werden  auch 
hin  und  wieder  die  F'ensterrahmen  damit  über- 
spannt, obschon  es  für  diesen  Zweck  etwas  zu  dünn 
ist.  Auf  gewöhnliches  Glas  geklebt,  macht  es  einen 
täuschenden  Eindruck  von  geätztem  Glas.  Wie 
herrlich  oft  japanische  Fächer,  Tapeten  oder  das 
Papier  in  poetischen  Werken  durch  Malerei  oder 
Buntdruck  geschmückt  und  verziert  sind,  dürfte 
hinreichend  bekannt  sein.  Die  gewöhnlich  ver- 
wendete Tapete  ist  aber  weiss,  mit  Mustern,  die 
mit  einer  ebenfalls  weissen,  aber  perlglänzenden 
Farbe  aufgetragen  worden  sind.  Bunte  Tapeten 
sind    seltener    im    Gebrauch,    ausgenommen    für 


Vestibules.  Alle  diese  Tapeten  werden  gleich 
den  anderen  japanischen  Papieren  nur  in  schmalen 
Bügen  hergestellt. 

Doch  nicht  nur  zur  Bekleidung  der  Mauern 
und  Wände  wird  im  japanischen  Haushalte  Papier 
verwendet,  es  dient  auch  in  Rahmen  gespannt 
als  ThQre,  die  leicht  schiebbar,  die  verschiedenen 
Räume  des  Hauses  abschliesst,  oder  als  spanische 
Wand.  Ferner  wird  dasselbe  ebenfalls  in  leichte 
Hulzrahmea  gespannt,  vor  den  F^enstern  aufge- 
stellt und  gestattet  so  wohl  dem  Licht,  nicht 
aber  den  Sonnenstrahlen  Zutritt  zu  den  inneren 
Räumen,  von  denen  es  auch,  ohne  den  Luftzu- 
tritt gänzlich  zu  hindern,  den  Wind  abhält. 

Ein  für  den  Japanesen  unentbehrliches  Ge- 
räth  ist  der  F'ächer,  von  denen  es  zwei  Arten 
gibt,  einen  zusammenlegbaren  und  einen  nicht- 
zusammenlegbaren.  Das  Papier  bildet  natflrlich 
bei  der  Herstellung  derselben  einen  wichtigen 
Bestandtheil ;  für  das  Gestell,  insbesondere  der 
billigen  Sorten,  wird  das  Bambusrohr  verwendet. 
Das  Papier  ist  entweder  mit  Bilderdruck  in  den 
verschiedensten  Stylarten  der  japanischen  Kunst 
verziert,  oder  sonstwie  hell  gefärbt,  oder  es  er- 
scheint wie  überdeckt  mit  goldenen  und  silbernen 
Blättern.  Diese  Fächer  werden  in  allen  denk- 
baren Qualitäten  und  Preisen  hergestellt.  Die  am 
reichsten  ausgestatteten  und  grössten  kommen 
bei  den  ceremoniellen  Tänzen  in  Verwendung, 
wobei  sie  ein  Zugehör  von  grosser  Bedeutung 
bilden.  Als  Hauptsitz  der  Fächerfabrikation  gilt 
Nagoya,  doch  werden  auch  bessere  Sorten  in 
Kioto  erzeugt,  während  die  minderen  Qualitäten 
aus  Fushimi  und  Tokio  auf  den  Markt  kommen. 
Es  werden  davon  jährlich  einige  Millionen  nach 
Amerika  und  Europa  ausgeführt. 

Der  F'ächer  ist  von  dem  japanischen  Costüme 
unzertrennlich;  selten  sieht  man  einen  Eingebore- 
nen ohne  Fächer.  Er  ist  sein  Schutz  gegen  die 
Sonne,  sein  Notizbuch  und  sein  Spielzeug. 

Seine  Qualitäten  und  seine  Form  sind  ausser- 
ordentlich verschieden,  und  es  würde  eine  merk- 
würdige Collection  geben,  wenn  man  diese 
Mannigfaltigkeit  zur  Anschauung  bringen  wollte. 

Der  höchste  Preis,  der,  solange  Japan  gegen 
das  Ausland  abgeschlossen  war,  daselbst  für 
einen  Fächer  bezahlt  wurde,  betrug  nicht  mehr 
als  5  Yen  oder  15  s.,  aber  gegenwärtig  werden 
hier  F'ächer  für  den  Export  erzeugt,  die  2 
bis  3  £  kosten.  Der  allgemeine  Preis  für  ge- 
wöhnliche Fächer  variirt  zwischen  2  und  3 
Guineen  per  loo  Stück.  Merkwürdig  ist  aber 
die  verschiedenartige  Verwendung,  die  dieses 
Gerätb  in  Japan  findet.  So  hat  z.  B.  der  Schieds- 
richter bei  Preisringea  oder  -Fechten  einen 
Fächer  in  der  Hand,  der  die  Gestalt  eines  un- 
geheueren Schmetterlings  hat ;  der  Griff  stellt 
den  Leib  desselben  dar,  und  die  verschiedenen  Be- 
wegungen, die  der  Richter  mit  dem  Fächer  macht, 
bilden  eine  ganze  Sprache,  welche  die  Kämpfenden 
verstehen  und  respectiren.  Früher  führte  in  Kriegs- 
zeiten auch  der  Comroandant  der  Truppen  einen 


192 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


grossen  Fächer,  dessen  Gestell  aus  Eisen  und 
mit  dickem  Papier  überzogen  war.  Im  Falle  der 
Gefahr  konnte  derselbe  geschlossen  werden  und 
bildete  nun  mit  seinen  Eisenstäben  keine  zu 
unterschätzende  Waffe. 

Eine  bemerkenswerthe  Gattung  Fächer  wird 
aus  wasserdichtem  Papiere  hergestellt;  dieselben 
können  ganz  in  Wasser  eingetaucht  werden  und 
gewähren  dann  in  Folge  der  raschen  Verdunstung 
des  letzteren  beim  Fächern  eine  grössere  Kühlung, 
ohne  die  Kleider  nass  zu  machen.  Die  flachen, 
aus  grobem  Papiere  fabricirten  Fächer  dienen 
als  Futterschwingen,  an  Stelle  des  Blasebalgs 
zum  Anfachen  der  Holzkohlenieuer  und  als 
Kehrichtschaufeln.  Der  Japanese  aus  der  alten 
Schule,  der  niemals  einen  Hut  trägt,  benützt  den 
Fächer  als  Schild  für  seine  Augen  gegen  die 
Sonne.  Sein  Haupt,  das  von  Kindheit  an  kahl 
ist,  braucht  kaum  einmal  Schatten;  wenn  es  aber 
nothwendig  wird,  so  spannt  er  einen  Schirm  auf 
und  dirigirt  mit  dem  Fächer  seine  Diener,  wo- 
durch er  sich  das  Reden  erspart.  Für  die  japani- 
schen Damen  ist  der  Fächer  gleich  unentbehr- 
lich, er  vervollkommnet  die  Grazie  der  jungen 
Mädchen  und  erhöht  die  Würde  der  alten  PVauen. 
Ebenso  wichtig  ist  er  auch  für  den  Jongleur, 
bei  dessen  Productionen  derselbe  eine  bedeutende 
Rolle  spielt.  Ein  Fächer  wird  immer  als  ge- 
eignetes Geschenk  angesehen;  oft  vertreten  F'ächer 
die  Stelle  von  Neujahrsgratulationskarten,  und  in 
jedem  Hause  hängen  oder  lehnen  ein  oder 
mehrere  Fächercassetten  an  der  Wand. 

Ein  anderer  Gegenstand  des  allgemeinen  Be- 
dürfnisses ist  der  Schirm,  der  sicherlich  weder  in 
so  grossen  Mengen  noch  so  billig  hergestellt 
werden  würde,  wenn  man  nicht  in  dem  Bambus- 
rohre ein  vortreffliches  Material  für  den  Stock 
und  das  Gestell  und  in  dem  festen  Papiere,  das 
?u  diesem  Zwecke  geölt  und  geleimt  wird,  einen 
so  ausgezeichneten  Stoff  für  den  Ueberzug  hätte. 
Auch  in  China  werden  davon  grosse  Quantitäten 
erzeugt,  die  unter  dem  Namen  „Kitty  sols"  einen 
bedeutenden  Exportartikel  nach  Indien  und  anderen 
Ländern  bilden.  Indien  allein  bezieht  jährlich  unge- 
fähr eine  Million  davon.  (^The  paper  makers  nwnthfy.) 


MISCELLEN. 
Das    Datum    auf   den    Philippinen.    Unter 

diesem  Titel  kommt  uns  von  befreundeter  Seite 
eine  kleine  Abhandlung')  zu,  welche  die  Auf- 
merksamkeit weiterer  Kreise  aus  dem  Grunde 
verdient,  weil  sie  einen  Irrthum  in  unanfechtbarer 
Weise  berichtigt,  der  durch  Jahrzehnte  hindurch 
in  der  geographischen  —  zumal  deutschen  — 
Literatur    sozusagen   zäh   festgehalten   worden   ist. 


')  Separatabdrurk  des  32.  Capilels  aus  dem  domnäclist  bei 
Gerold's  Soha  in  Commissionsverlag  erscheineudeu  Werke  ^bie 
Schiffsbtaiioii  der  k.  u.  k.  Kriegsmarine  in  OstasieW;  auf  Befehl 
des  k.  u.  k.  Reichs-Kriegsministerium  Marinesectiou  verfasst  von 
Jerolim  Freibern  von  Bonko,  k.  u.  k.  Pregaltencapitän  d.  K. 


Wie  es  der  Titel  der  Broschüre  schon  aus- 
spricht, handelt  es  sich  um  die  Dalumszählung 
auf  den  Philippinen.  Diese  Datumszählung  hat  von 
der  Zeit  der  Besiedlung  der  Philippinen  an,  um 
einen  Tag  vor  jener  Datumszählung  diffcrirt, 
welche  der  gegenüberliegenden  asiatischen  Fest- 
landsküste, überhaupt  dem  ganzen  alten  Continent, 
den  Kurilen  und  japanischen  Inseln,  Formosa, 
dem  ganzen  übrigen  ostasiatischen  Archipel, 
Australien   und   Neuseeland  zukam. 

An  der  Hand  auszugsweise  wiedergegebener 
historischer  Documente  und  kurz  berührter  ge- 
schichtlicher Thatsachen  werden  in  der  gedachten 
Broschüre  dem  Leser  die  verschiedenen  Ursachen 
vorgeführt,  welche  zu  dieser  anormalen  Art  der 
Datumszählung  auf  den  Philippinen  geführt  haben  ; 
es  wird  nämlich  gezeigt,  dass  die  bekannten  Welt- 
tlieilungsbullen  der  Päpste  Alexander  VI.  und 
Julius  II.  (nach  welchen  der  westliche  Entdeckungs- 
und Eroberungsbereich  den  Spaniern,  der  östliche 
aber  den  Portugiesen  gehören  sollte),  sowie  die 
hierauf  gegründeten  spanisch-portugiesischen  Staats- 
verträge, in  noch  höherem  Grade  zu  der  Ursache 
der  Art  der  Datumszählung  auf  den  Philippinen 
wurden,  als  dieThatsache  der  Entdeckung  und  Besied- 
lung dieser  Inselgruppe  von  Osten  her.  In  Folge  der 
mangelhaften  Methoden  zur  Bestimmung  der  geo- 
graphischen Länge,  über  die  man  im  XVI.  Jahr- 
hunderte erst  verfügte  ,  blieb  die  Lage  des 
philippinischen  Archipels  lange  Zeit  hindurch 
eine  strittige,  und  die  Spanier  nannten  diese 
Gruppe  ebenso  consequent  die  Inseln  des  Westens, 
als  die  Portugiesen  bei  der  Bezeichnung,  die  Inseln 
des   Ostens  beharrten. 

Als  nun  durch  die  Gestaltungen  späterer 
Zeiten  die  päpstlichen  Bullen  längst  aufgehört 
hatten,  die  Grundlage  für  die  Abgrenzung  der 
spanischen  und  portugiesischen  überseeischen 
Dominien  zu  bilden,  fiel  ausser  der  schon  einge- 
lebten  Gewöhnung  an  die  differirende  Datums- 
zählung, für  welch  letztere  auch  eine]  Art  von 
historischer  Pietät  bestanden  haben  mag,  noch 
ein  anderer  Umstand  gegen  die  Vornahme  einer 
Rectification  in's  Gewicht :  die  Philippinen  bil- 
deten nämlich  eine  administrative  Dependenz  des 
luentlichen  spanischen  Amerika,  und  es  war  der 
äussere  Verkehr  der  Philippinen  völlig  auf  das 
westliche  Amerika  beschränkt.  Deshalb  erschien 
es  zweckmässig  und  be(|uem,  ein  Datum  weiter 
zu  führen,  welches  —  gewissermassen  von  Amerika 
abhängend  - —  es  den  Schiffen  ersparte,  bei  jeder 
Fahrt  zwischen  den  Philippinen  und  Amerika 
einen  Tag  auszulassen  oder  einen  solchen  zwei- 
mal  zu   zählen. 

So  lange  also  die  Philippinen  in  ihrem 
äusseren  Verkehre  auf  das  westliche  .Amerika 
beschränkt  blieben,  hatte  die  fehlerhafte  Art  der 
Datumszählung  auf  den  Philippinen  —  wie  der 
Verfasser  es    ausdrückt    - —    ihre    praktische  Seite-, 

Diese  ,, praktische  Seite"  musste  in  ihr  gerades 
Gegentheil  umschlagen,  als  die  Philippinen  nicht 
allein   den  geschäftlichen,   innigen   Zusammenhang 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


198 


mit  Amerika  verloren,  sondern  begannen,  in  Ver- 
kehr mit  der  nahe  benachbarten  asiatischen  Küste, 
dem  holländisch-ostindischen  Archipel  u.  s.  w. 
zu  treten.  Dieser  letztere  Zustand  wurde  vor- 
zugsweise durch  die  Eröffnung  der  chinesischen 
Vertragshäfen  herbeigeführt,  welche  bekanntlich 
durch  die  Gewall  englischer  Waffen  erzwungen, 
aber  nicht  auf  England  beschränkt  blieb,  sondern 
allen   seefahrenden   Nationen   zugute   kam. 

Man  kann  sich  nun  leicht  in  die  unangenehmen, 
namentlich  in  commercieller  Beziehung  störenden 
Verwirrungen  hineindenken,  welche  nothwendiger- 
weise  eingetreten  wären,  falls  die  Philippinen  auch 
jetzt  noch  an  ihrer  veralteten,  anormalen  Art  der 
Datumsführung  hartnäckig  hätten  festhalten  wollen. 
Jede  noch  so  einfache  commercielle  Transaction 
—  ein  Wechsel,  eine  Lieferungsfrist  oder  dgl.  — 
zwischen  Manila  und  z.  B.  dem  kaum  drei  Tag- 
reisen entfernten  Hongkong  oder  Canton  wäre 
erst,  je  nach  Umständen,  einmal  in  einem,  das 
andere  Mal  im  entgegengesetzten  Sinne  bezüglich 
der  in's  Spiel  kommenden  Tagesdaten  zu  recti- 
ficiren  gewesen. 

Diese  Sachlage  mit  ihren  drohenden  unan- 
genehmen (Konsequenzen  gleich  richtig  erkannt 
zu  haben,  ist  ein  Verdienst  des  General-Gouverneurs 
D.  Narciso  Claveria,  welcher  im  Juli  des  Jahres 
1844  an  die  Spitze  der  Colonialregierung  trat. 
Der  neue  General-Gouverneur  muss  sofort  nach 
seinem  Amtsantritte  sich  mit  dieser  Angelegenheit 
befasst  haben,  denn  schon  am  16.  August  1844 
war  er  in  der  Lage,  nach  gepflogenem  Einver- 
nehmen mit  dem  Erzbischofe  von  Manila,  die 
Regulirung  der  Datumszählung  in  der  Weise  zu 
decretiren,  dass  der  bevorstehende  31.  December 

1844  auf  den  Philippinen  (und  Marianen)  gänzlich 
zu  übergehen  sei  und  dass  auf  Montag  den  30.  De- 
cember  1844  unmittelbar  Mittwoch  der   i.  Jänner 

1845  zu  zählen  war,  d.  i.  das  gleiche  Datum, 
welches  auf  letzteren  Tag  in  der  ganzen  ,, alten 
Welt"   und   Australien   mit  Neuseeland   fiel. 

Seither  —  es  sind  difs  nahe  an  50  Jahre  — 
besteht  auf  den  Philippinen  die  alte  Anomalie  nicht 
mehr,  welche  dort  Jahrhunderte  hindurch  rück- 
sichtlich der  Datumsführung  geherrscht  hat. 

Der  Verfasser  unserer  Broschüre  bringt  nun 
für  die  Thatsache  der  stattgehabten,  und  zwar 
der  in  oben  erwähnter  Art  stattgehabten  Recti- 
fication  des  Datums  auf  den  Philippinen  den  un- 
anfechtbarsten Beweis  ,  indem  er  das  in  aller 
Form  beglaubigte  Beeret  vollinhaltlich  wiedergibt, 
welches  der  General  -  Gouverneur  D.  Narciso 
Claveria  in  dieser  Angelegenheit  an  den  Erz- 
bischof von   Manila  am    16.  August  1844   richtete. 

Zur  Erhärtung  seiner  Ansicht  aber,  die  That- 
sache der  stattgehabten  Regulirung  sei  beinahe 
gar  nicht,  jedenfalls  aber  nicht  am  gehörigen 
Orte  und  nicht  mit  der  entsprechenden  Positivität 
zur  Kenntniss  genommen  worden,  tritt  der  Ver- 
fasser eine  Art  von  Indicienbeweis  an,  den  wir 
als  recht  gelungen  bezeichnen  dürfen.  Es  wird 
nämlich   in  der  Broschüre  nachecwic&en 


1.  dass  die  neuesten  Auflagen  der  grossen 
Conversations  -  Lexica  von  Meyer,  Brockhaus  und 
Pierer  gänzlich  übereinstimmend,  unter  Beigabe 
eines  die  Sache  illustrirenden  Kärtchens,  irriger- 
weise die  Datumsgrenze  im  Stilieo  Oceaa  im 
Westen  der  Philippinen  vorbeiführen ; 

2.  dass  eine  hochstehende  geographische 
Autorität,  wie  Oskar  Peschel,  noch  im  Jahre  187 1 
in  einem  eigenen,  der  Angelegenheit  der  ,, Datums- 
grenze" gewidmeten  Schriftchen,  diese  Grenze 
ebenso  unrichtig  führte ; 

3.  dass  Rudolf  Falb,  für  dessen  Arbeiten 
doch  correcte  Reductionen  von  Zeitangaben  von 
eminenter  Wichtigkeit  sind,  zur  Zeit  der  Ab- 
fassung seines  bekannten  Werkes  ,,Sterne  und 
Menschen"  (1882)  nicht  zur  Kenntniss  gelangt  war 
es  sei  das  Datum  auf  den  Philippinen  gegen- 
wärtig übereinstimmend  mit  jenem  der  Alten  Welt ; 

4.  dass  aus  einem  sehr  gediegenen,  wenn 
auch  vielleicht  weniger  verbreiteten  Facbblatte 
(1868)  die  irrige  Ansicht  nach  kurzer  Zeit  in  die 
gewiss  auch  sehr  gediegene,  aber  sehr  weit  ver- 
breitete „Leipziger  Jllustrirte Zeitung'*  übergegangen 
ist  (1869). 

Diese  Umstände  berechtigen  gewiss,  den  Irr- 
thum  bezüglich  des  Weiterbeslehens  der  anormalen 
Datumszählung  auf  den  Philippinen  als  einen  sehr 
weit  verbreiteten  zu   bezeichnen. 

Der  Verfasser  bemerkt  im  Laufe  seiner  Aus- 
führungen ,  dass  er  vor  mehr  als  20  Jahren 
(l.  April  1870)  der  „Leipziger  Illustrirten  Zeitung" 
(von  Manila  aus)  eine  Widerlegung  das  eben 
damals  ihm  zu  Händen  gekommenen  irrigen  Ar- 
tikels eingesendet  habe  ;  diese  Widerlegung  wurde 
zwar  (in  der  Correspondenzrubrik  des  Journals) 
zur  Kenntniss  genommen,  der  irreführende  Artikel 
aber  nicht  in  genügend  auffälliger  Weise  berichtigt 
oder  widerrufen.  Wenn  wir  die  oben  gemachten 
Zeitangaben  vergleichen,  so  ist  es  vielleicht 
nicht  unzulässig,  in  dieser  Unterlassung  die  Ur- 
sache der  später  in  gleicher  Weise  wiedergegebe- 
nen irrthümlichen  Angaben  (Peschel,  Falb,  Meyer, 
Brockhaus,  Pierer)  zu  erblicken.  Etwas  befremdend 
bleibt  es  aber  immerhin,  dass  während  des  ganzen 
langen  Zeitraumes  zwischen  1845  ""^  der  Gegen- 
wart die  Thatsache  der  Datumsregulirung  auf 
den  Philippinen  in  der  deutschen  geographischen 
Literatur  nicht  genügend  bekannt  gemacht  wurde, 
und  vielleicht  noch  eigenthümlicher  ist  es,  dass 
—  seit  1868  —  den  gegentheiligcn,  irrthümlichen 
Behauptungen  von  keiner  Seite  mit  entsprechendem 
Nachdrucke  entgegengetreten   worden  ist. 

Die    Bevölkerung    Slams.     Der   belgische 

General-Consul  in  Singaporc  sagt  in  seinem  letzten 
Berrchte  Folgendes  über  die  siamesische  Bevölke- 
rung :  Die  Schätzungen,  welche  über  die  Bevölkerung 
Slams  und  der  ihm  tributpflichtigen  Staaten  gemacht 
wurden,  zeigen  starke  Differenzen.  Nach  Einigen 
betrage  sie  sieben,  nach  Anderen  fünfundzwanzig 
Millionen  Einwohner.  Dieser  grosse  Unterschied 
lässt  sich  durch  die  eigenthümlichen  Umstände  er- 
klären, welche  über  die  Bildung  von  Ansiedlungen 


194 


OESTERREICHISCHE  MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN   ORIENT.    \ 


jrr.HOTA  >, 

PRUMYSLU 


in  Slam  entscheiden.  Da  das  Land  keine  anderen 
Verkehrswege  als  seine  Wasserstrassen  hat,  so  sind 
die  Eingeborenen  sehr  natürlicherweise  mehr  dafür, 
sich  längs  der  Flüsse  anzusiedeln,  so  lange  sie 
daselbst  noch  Platz  für  ihre  Häuser  und  fruchtbares 
Land  finden,  durch  dessen  Bebauung  sie  leben 
können.  Dadurch  nun,  dass  man  mehr  oder  minder 
bevölkerte  Gegenden  in  dem  Hinterlande  dieser 
Flussansiedelungen  voraussetzt,  kommt  es,  dass 
man  gewöhnlich  Slam  eine  Bevölkerung  von  fünf- 
undzwanzig Millionen  Köpfen  zuschreibt.  Was  nun 
die  sieben  Millionen  betrifft,  so  rühren  sie  augen- 
scheinlich von  Schätzungen  her,  bei  denen  auf  die 
Bevölkerung  der  wenig  bekannten  Theile  des 
Landes  nicht  genügende  Rücksicht  genommen 
wurde.  Wenn  man  die  dürftigen  Mittheilungen  ver- 
schiedener Reisender  und  Ingenieure,  welche  das 
Land  in  der  Absicht,  Eisenbahnen  zu  bauen,  durch- 
forschten, zusammenfasst,  so  erhält  man  eine  Summe 
von  zwölf  Millionen,  welche  sich  folgendermassen 
vertheilt:  3,500.000  Siamesen,  3,500.000  Chinesen, 
2 ,6oo.oooSchans,  Laotiens  und  Birmanen,  i  ,000.000 
Kambodschaner,  1,000. OOO  Malaien  und  Hindus, 
400.000  Pegins,  Karenen,  Kamuken,  Kamaizen  und 
andere  kleine  Stämme. 

Indische  Edelsteine.  Der  belgische  General- 
Consul  in  Singapore  constatirt  in  einem  Berichte, 
dass  Rubinen  und  Saphire  in  den  siamesischen  Pro- 
vinzen von  Chantaboun  und  Battambang  im  Ueber- 
flusse  vorhanden  seien.  Mehrere  Minen  seien  zwar 
schon  früher  von  den  Eingeborenen  ausgebeutet 
worden,  doch  brachte  man  lange  Zeit  grösstentheils 
nur  Steine  von  geringem  Werthe  zutage.  Es  war 
im  Jahre  1874,  als  die  erste  Mine  für  Saphire  von 
guter  Qualität  durch  einen  eingeborenen  Jäger  in 
der  Nähe  von  Chantaboun  entdeckt  wurde.  Der 
Platz  war  schwer  zugänglich,  so  dass  sich  die 
Nachricht  von  der  Entdeckung  nur  langsam  ver- 
breitete. Rangoon  war  zu  dieser  Zeit  noch  der 
nächste  Markt  für  den  Verkauf  von  Edelsteinen  aus 
Slam  und  so  kam  es,  dass  die  Birmanen  durch  die 
in  Rangoon  ausgebotenen  Steine  zuerst  von  dem 
Vorbandensein  der  neuen  Mine  erfuhren.  Einige 
Birmaleute  begaben  sich  dorthin,  und  die  grossen 
Summen,  welche  sie  bei  ihrer  Rückkehr  durch  den 
Verkauf  ihrer  Producte  erzielten,  gaben  zu  einer 
starken  Auswanderung  während  der  Jahre  1878 
und  1879  Anlass.  Die  Neuangekommenen  ent- 
deckten mehrere  ebenso  reiche  Minen  als  die  erste. 
Aber  sowohl  dort  als  in  Bantuphan  richteten  Fiebei 
grosse  Verheerungen  in  den  Reihen  der  Arbeiter 
an,  so  dass  die  Zahl  der  neu  angekommenen  im 
Jahre  1880  stark  abnahm  und  gegenwärtig  besteht 
die  Bevölkerung  dieser  Minen,  die  einst  10. OOO  be- 
trug, aus  einigen  Pegu  Toung-Thons,  welche  sich 
besser  gegen  die  üblen  F"olgen  des  fürchterlichen 
Klimas  des  Landes  schützen  können  als  andere 
Racen.  Rubinen,  Onyxe  und  Jaden  werden  auch  in 
grosser  Menge  in  Chantaboun  gefunden,  doch  lässt 
ihre  Qualität  viel  zu  wünschen  übrig.  Battambang 
soll  an  Edelsteinen  ebenso  reich  sein  als  Chanta- 
boun, und  es  heisst,  dass  an  der  Grenze  von  Kam- 


bodscha vor  Kurzem  Diamanten  gefunden  wurden, 
aber  die  Minen  dieser  Provinz  sind  in  Folge  unge- 
sunden Klimas  und  der  Schutzlosigkeit,  für  aus- 
ländische Arbeiter  fast  ganz  verlassen. 

Wilde  Thiere  und  giftige  Schlangen  in  Ost- 
indien. Die  indische  Regierung  hat  soeben  wieder 
die  Frage  der  Vernichtung  wilder  Thiere  und 
giftiger  Schlangen  einer  Prüfung  unterzogen,  zu  der 
die  letzten  statistischen  Berichte  Anlass  bieten. 

Im  letzten  Jahre  wurden  2724  Personen  ge- 
tödtet,  und  da  die  Durchschnittsziffer  der  letzten 
10  Jahre  genau  ebensoviel  beträgt,  so  scheint  er- 
wiesen, dass  die  bisherigen  Mittel  wenig  Erfolg  hat- 
ten, obwohl  im  abgelaufenem  Decennium  1,450.000 
Rupien  verausgabt  wurden.  Immerhin  ist  der  Kampf 
zwischen  den  Menschen  und  den  wilden  Thieren 
ein  ziemlich  ungleicher,  denn  in  den  abgelaufenen 
10  Jahren  wurden  durch  wilde  Thiere  gegen  30.000 
Menschen  vernichtet,  während  in  derselben  Zeit  Be- 
lohnungen für  die  Vernichtung  von  166. OOO  Thieren 
ausbezahlt  wurden,  die  sich  auf  die  einzelnen  Thier- 
gattungen  wie  folgt  vertheilen :  17.885  Tiger, 
44.464  Leoparden,  16.216  Bären,  61.404  Wölfe 
und  15.976  Hyänen.  Im  Uebrigen  sind  nicht  alle 
diese  Thiere  unmittelbar  gefährlich,  und  es  wäre 
vielleicht  besser,  das  System  der  Schussprämien 
ausschliesslich  auf  die  Tiger  zu  beschränken,  wie 
dies  ursprünglich  der  Fall  war. 

Unter  den  Mitteln  zur  wirksamen  Ausrottimg 
des  „Man-Eater "-Tigers  wird  namentlich  die  Er- 
höhung der  Prämie,  die  Unterstützung  der  Jagd 
durch  die  amtlichen  Organe  und  eine  minder  strenge 
Anwendung  des  Waffengesetzes  empfohlen^  damit 
Leute,  diesich  fortwährend  in  derGefahr  befinden, 
in  derLage  seien,  sich  auch  gehörig  zu  vertheidigen. 

Weit  grösser  als  das  durch  Raubthiere  ange- 
richtete Unheil  ist  die  Zerstörung  von  Menschen- 
leben durch  giftige  Schlangen.  Die  letzten  11  Jahre 
weisen  219.967  Todesfälle  in  Folge  von  Schlangen- 
bissen auf,  d.  h.  etwa  20.000  pro  Jahr.  Enorm  ist 
die  Anzahl  der  getödteten  Schlangen  in  der 
Präsidentschaft  Bombay  im  Verhältniss  zu  der 
Gesammtzahl  der  Schlangentödtungen  in  Indien. 

Im  letzten  Jahre  wurden  Prämien  für  577.770 
getödtete  Schlangen  in  Indien  bezahlt,  von  denen 
nicht  weniger  als  433.795  Stück  auf  Bombay  ent- 
fallen, während  in  Bezug  auf  tödtliche  Schlangen- 
bisse diese  Präsidentschaft  nicht  das  Zehntel  der 
Anzahl  von  Bengalen  erreicht.  Die  Präsidentschaft 
Bombay  ist  aber  eben  die  eigentliche  Heimat  der 
„Phursa"  (Echis  carinata),  deren  Zahl  trotz  des 
unausgesetzten  Vernichtungskrieges  noch  immer 
nicht  abzunehmen  scheint.  .i. 

Die  indische  Regierung  ist  übrigens  der  An-ÄB 
sieht,  dass  der  Kampf  gegen  diese  Schlangen  in  ""  ' 
den  Jungles  aussichtslos  sei,  während  das  Haupt- 
augenmerk auf  die  Nachbarschaft  der  Dörfer  zu 
richten  wäre,  wo  diese  Schlangen  in  den  grossen 
Mengen  von  Abfällen,  die  der  indische  Dorf- 
bewohner ohne  Rücksicht  auf  die  sanitären  Ge- 
fahren in  seiner  unmittelbaren  Nähe  aufhäuft,  eine 
willkommene  Brutstätte  finden. 


Verantwortlicher  Redacte   r:  A    v    Scala. 


Druck  von  Ch.  Rei*l«r  A  M.  Werthner  in   Wien. 


OESTERREICHISCHE 


0Mfest|rift  ftr  kn  #mnt 


SECHZEHNTER     JAHRGANG.. 


WIEN,  IM  JÄNNER  1890. 


N«      I,     BEILAGE. 


])ie  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im   Verlage    des  k.  k.  österr.  Handels -Museums    in  Wien  (I.,  Börse- 
gasse  3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
und  Reisender,  bringt  Artikel  und  Miscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
das  genannte  Blatt  wie  bisher/Qurch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 
Das  Jahies-Abonnemei)rue«ägt  ohne  Po«versendung  fl.  5. —  ö.  W.  =   10. Mark. 


Phil 


AS  k  SÖHNE 


WIEN 

WÄÄRENHAUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 
FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (NIARIAHILFERHOF) 

EMPFEHLEN  IHK  GROSSES  LAGER  IN    MÖBELSTOFFEN,    TEPPICHEN,    TISCH-,    BETT- 

UND  FLANELLÜECKEN ,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE.  BAST  iind  JUTE,  WEISSEN 

VORHÄNGEN   und   PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  grosse  lager  von 

ORIEITALISCHEIf  TEPPICHEIf  uo  SPECIALITiTElJ. 

NIEDERLAGEN: 

ßUÜÄPEST,     aiSKI,AI-LATZ   (EIGENES   WAARKNHAUS).    PRAG,   GRABEN   (EIGENES   WAARKNHAUS).   UBAZ, 
HEHUBNOASSK.     LEMBERG,    ULIOY   JAGIELLONSKIEJ.    LINZ,    FRANZ   JOSEF-PLATZ.   BUKAREST,    CALLEA 

viCTOKiAE.  MAILAND,  domi'latz  (eigenes  waarbnhaus).  NEAPEL,  via  roma.  GENUA,  via  roma. 

ROM,    via   DEL   CORSO. 

FABRIKEN: 

WIEN,  VI.  sruMPBRGASSE.  EBERGASSING,  niedek-österreich.  MITTERNDORF,  nihder-österreich. 
HLlNSk'O,  BÖHMEN.  BRADFORD,  England.  LISSONE,  itaubn.  ABANYOS-MARÖTH,  Ungarn. 


SKT* 


FÜR    DEN    VERKAUF    IM    I'RF.ISB    IIBRABGBSETIITBR    WAARBN    IST   KINB    BIQKNH    ABTHKlLUNa   IM 
WAAKBNUAUSB  ElNOERIOUl  KT. 


/, 


II 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


Gegründet  1813. 

S.  REICH  &C 


0 


k.  l.  MesMügte^p  Glasfabrik  an  ten 

Ausgedehntester  uud  grösster  Betrieb  iu  Oesterreich-Ungarn,  um- 
fassend 10  Glasfabriken,  unbst  Dampf-  und  Wasserschleiferelen, 
Glas-Raffinerien.  Maler-Ateliers  etc.  in  Mähren,  Böhmen,  Steier- 
mark und  Russland. 
Erzeugung  von  ordinärem  Hohlglas,  Tafelglas  (Fensterglas],  Schleif-, 
Ecken-  uud  Pressglas  CGussglas),  Luxusartikeln,  pharmaceutisohen 
und  physikalischen  Geräthschaften,  Narghlles,  Gebrauchsartikeln  für 
den  Orient  uud  allen  Arten  in  das  Glasfach  einschlägiger  Artikel. 

S  DPE  C  I-A.L  I  TJLT  : 

Beleuctitiiogsariel  für  Petroleiim,  Gas,  Oel  uiid  elektrisches  Licht. 


Central -Bureau    und    Haupt- 
Niederlage    sänimtlicher    Eta- 
blissements: 


Filiale  und  Depot  für  chemisch- 
pliarmaceuti.*ehe  Geräth- 
schaften : 


Wien,  IL,  Czerning.  Nr.  3  n.  5.    Wien, !?.,  Margarellieistr.  23. 

NIEDERLAGEN : 

Berlin  SW.,  Alexandrinenstrasse  Nr.  22. 

Amsterdam,  Geldersche  Kade  47. 

Daselbst  Lager  in   allen   Sorten  Beleuchtungsartikeln. 
ä^~  Export  nach  allen  Weltgegenden. 


Kaiserl.   königl. 


Lamp( 


landesprivilegirte 


len-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grösste  Laiiipen-Falirili  am  CoiiliDeote 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in   grossartiger  Auswahl,   in   nur   solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priv. 


t- 


mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen! 
Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,   Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 
in  allen   Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nacli  allen  Welttheilen. 


®i  --^— (-    ZUNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    ^"-4—  il 

iiiiliiTiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiniiiiiiinnniiiiiiiininHinniniMiliinnniiiMinnininiiiiiiiiiinnniuiiiiniiiiniiiniiiiiiiiinnuiiiniMiinniuiiiiiiiiiuuliiiiw 

I  Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  China  etc.  | 

1  Etablirt  1856.  1 


Höchste  Aiiszeichnuni; :  Aiisslellnng  Graz  1880:  Ehren  -  Diplom. 

Auszeichnungen:  Graz  1870,  Triest  1871,  Silberne  Medaille. 
Melbourne  1880,  Yerdienst  -  Diplom.  Triest  1882,  Goldene  Medaille. 


Die  k.   k. 


CS 
^  3 

^  = 
•ö  3 


privilegirte 


Grösste  süd  -  österreichische 


tu  I 
'S  i 

(D  3 


I    T 

iw 

Z  r* 
5  '* 

=  13 


ZUNDWAÄREN-FABRIK 

von 

FL  POJATZI  &  COMP. 

in    Deutschlandsberg   bei   Graz  (Steiermark) 

O£STERR£I0H 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabrikate  besitzen  eine  ganz  besondere  Widerstaudafähl^kelt  gegen  fenohtes  Klima    oder  I*ag:er 

und  brennen  unfehlbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend:  | 

3  Allnmettes  Impörlales,  runde  Büchsen  mit  Fortraits  und  Bildern,  sehr  elegant  und  dennoch  billig.  3 

a  Pearl  natohes  in  Schubern  uud  Kistchen,    echte  AepenhÖlzchen  mit  vorzüglicher  Brennkraft.  3 

a  Fiammlferl  Igflenlol  TTso  Camera,     Kipshölzcheu    in    schönen    lackirteu    ächubern    mit    orientalitichen  BiJderu        3 

a                     und  Photographien.                                                                                                                        ,  3 

a  Ausserdem  :  Wiener  Salonhölzchen  in  allen  Sorten,  schwedische  Sicherheitszünder  etc.  S 

I  Offerte  sowohl  direct  von  der  Fabrik,  als  durch  die  General-Repräsentanz:  1 

I  SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST.  | 

iinni|iiniinniniiiiiniuuniiininnnniiiiiiiiiniiiiiiininiiiiiniiiiiHiiniiiEinnuiininiiiiiniiinnniiuniiniMnniinniiiiinniiiiniinnninnmHiiiiiuiiiiiiiiiii^ 

— ^-^»-      FIAMMIFERI.    —    MATCHES,      -t— 4—  1® 


OE3TERREICHI3CHE   MONATSSCHRIFT   FÜR   DEM    ORIENT^ 


m 


Wiener    WeltaiiHMUtlliintf    1873    höchste    Ausielchnung. 
EHREN-DIPLOM. 


Glasfabriken-Niederlage 

von 

J.  SCHREIBER  &  NEFFEN 

WIEN 

Aisergrund,  Liechtensteinstr.  22-24. 

Mustkr-Laqbr  : 

BUDAPEST      I        PBiü 


Waltznergssie 
Nr.  18. 


Heuwagplatz 
Mr.  27. 


Fakikalion  für  den  Eiport. 

Glas-Service. 
PRESS-GUSSGLAS. 

Beleacbtuiiss-ArtUcel. 
LUST  KR. 

Färbiges  Glas 

uikI 

Phantasie-Sachen. 

Verpackung  bestens. 
Preis  -  Courante   gratis. 


Kais   konigl. 


prii'Uegirte 


Petroleiiffl-Laiipefl-Faliril 

Gebrüder  Brüiiner 

WIEN. 

Kclclilialtlgfste  Anawahl   aller  (iattanren  Petro- 
leum-,   .Salon-,    Tisch-    und     Hänge-Lampen,    Luiter, 
Laternen,  Wandlampen  etc.  etc.  solidester  Construcüon 
sowie 

Wiener  Flachbrenner 

«n<i 

Patent-Brillantbrenner 

bester  Qualität  zu  biUi);.<iten  Exportpreisen. 
I'etrolcutn-Hän^clampen  mit  neuem  patentirten 

E  xcelsiorbr  enner 
Patent  1887. 

Soiiiieulicht  -  Excelsioriainpe. 

Vollkommener  Ersatz  für  elektrische  und  Gas- 
beleuchtung. 

Niederlagen  in  Wien,  Budapest,  Prag. 

iP^  Export  nach  allen  Weltgegenden.  "Vt 


K.    K.    PRIV.    SÜDBAHN-GESELIiSCHAPT. 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge,  giltig  vom  21.  October  1889. 


Abfahrt  von  Wien 

6. —  Früh:  (Prsz.)  Payerbach,  Kanizsa,  Budapest; 
Pakracz-Lipik ;    —    Essegg,    Sarajevo;    Agram; 

—  Hainfeld,  Gutenstein. 

7. —  Früh:  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agram, 
Sissek  (via  Steinbrück),  Brod ;  Villach,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Ilainfeld,  Guten- 
stein; Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Ischl; 
Venedig,  Kom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen, 
Meran,  Verona  (via  Leoben) ;  Kanizsa.  Buda- 
pest; Pakracz-Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo; 
Neuberg. 

1.20  Nachm.:  (Posti.)  Triest,  Görz,  Venedig; 
Finme;  Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben, 
Vordernberg,  Neuberg;  Oedenburg,  Kanizsa, 
Güns,  Budapest. 

5. —  Nachm.:  (Persz.)  Steinamanger. 

7.40  Abds.:  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest,  Pakiicz- 
Lipik;  Essegg,  Bosn.-Brod;  —  Agram,  Sissek, 
Banjaluka. 

8.16  Abds. :  (SchneUz.)  Triest,  Gürz,  Venedig,  Rom; 

—  Pola,  Rovigno;  —  Fiume;  Sissek,  Ban- 
jaluka, Budapest  (via  Pghf.).  Franiensfest^, 
Meran,  Ala,   Innsbruck   (via  Marburg). 

8.45  Abds.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom, 
Mailand;  Pola,  Rovigno,  Fiume;  Agram;  Buda- 
pest (via  Pghf);  Wolfsberg,  Meran,  Verona, 
Innsbruck  (via  Marbj;.) ;  Radkersburg,  Köflach, 
Wies  ;  Leoben,  Vordernberg;  Aussee,  Ischl, 
'    Villach  (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 

6.40  Früh:  (Postz.)  Triest,  Kora,  Mailand,  Venedig, 
Görz;  i^  gram,  Budapest  (via  Pghf.);  Verona, 
Innsbruck  (via  Marburg);  Radkersburg;  Köf- 
lach, Wies;   Venedig;   Villach  (via  Leobea). 

8.68  Früh:  (Persz)  Kanizsa,  Bosn.-Brod,  Esse.'g; 
—  Pakricz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oeden- 
burg). 

9.40  Vorm. :  (Persz.)  Steinamanger,   Güns.. 

9.50  Voim.:  (Schnellz.)  Triest,  Rom,  Mailand, 
Venedig,  Görz;  Pola,  Rovigno:  Fiume, 
Sissek,  Agram;  Budapest  (via  Pghf.);  Ala, 
Meran,  Innsbruck,  Franzensfeste  (via  Marburg), 
Leoben,   Neuberg. 

1.Ö2  Nachm.:  (Persz.)  Oedenburg  (nur  Moatag  und 
Freitag);  Aspang,  Hainfeld. 

8.40  Nachm. :  (Perss.)  Kanixsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4. —  Nachm. :  (Postz.)  Triest,  Görz.  Venedig,  Pola; 
Fiume,  Sissek,  Agtam,  Radkersburg,  Köflach, 
Wies;   Vordernberg,   Leoben;    Neuberg. 

930  Abds.:  (Persz.)  Sarajevo,  Kssegg;  Agram, 
Budapest ;  Kanizsa,  Pakricz-Lipik  (via  Oeden- 
burg);  Hainfeld. 
10.16  Abds. :  (Schnellx.)  Triest,  Gön,  Pola,  Rovigno  ; 
Fiume;  Brod.  Sissek  tvia  Steinbrück) ;  Villach. 
Wolfsberg;  Radkersburg;  Köflach,  Vordern- 
berg, Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba); 
Verona,  Meran,  Innsbruck  (via  VUlacb,  Leoben); 
Ischl,  Ausser,  Keuberg. 


IV 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÖR   DEN    ORIENT 


Giitig  bu  auf  Weiteres.      jfafjrplan  tll!^^  „a^cftcrrciff)irri)'iinqnrirrf)cn  IClatiö' 


Gütig  bis  auf  Weiter««. 


a.jd:rxj^tx&g:e^:ei:ei   idiei>tsx. 


Eilliuie  TKIEST-CAITARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag  Ö'/iUhrNm.,  berühr.;  Pola,LiiB8in- 
piccolo,  Zara,  Spalaio,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Casteliiuovo  (oder  Megline),  Ferasto,Risano 
und  Peizagüo. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Tricst  Moniag  11  Uhr  Vorm. 
DALMATIKISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRIEST  und  COR  EU. 

Ab  THIEST  jeden  Montag  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  ."^onntag  Va^  Uhr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  LuMsinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaraveccliia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  öpalato, 
Milnä,  l.eMna  ,  Curzoia ,  Orebicb ,  GraTosa, 
Ragu-avecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizsa,  Antivari,  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  COHFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Trii'st  Mittwoch  Va^  Uhr  Nrn. 

AnschliiRS    an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen   CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  iu 
Prevpsa  DienetagÜUhrVorm-,  berührend:  Parga, 
Sta.  Maiira. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Cqrfn  Mirtwoch  6V2  Uhr  Abds, 

Wälirend  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedocli  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  CORFU. 
Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm.,  in 

Corfu  Donnerstag  8'/3  Uhr  Abends,  berührend: 
Rovigno,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Melada,  Zara, 
Sebrni<  o,    Rngosnizza,    E^palaio,  Milnä,  Civita- 


veccbia,  Lissa,  Comi^a,  Vallegrande,  Lagosta, 
Terstenik,  Meleda,  Gravoea,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Peranto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
}iudua,  Medua,  Durazzo,  Valona  und  Santt- 
Quaranta.  Auf  derRückfabrt  wi  d  auchDulcigno 
und  Aniivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  in  Triest 
nächsten  Samstag  IVj^  Uhr  Vorm. 

AnschluBs  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TKIEST. 

Ab  FIUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  Vjl  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cberso, Pola, Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie  FIUME  -  CATTARO  A) 
jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh.  Ank. 
in  (Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm. ,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Lis^a,  Curzoia,  Gravosa,  CastelnuoTo 
(oder   Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Melcovich  in 
Spalato  hei  der  Hin-  untl  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  £) 
jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner, 
Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Ubr  Nm.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Li^sa,  Curzoia,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Fiume  Donnerstag  5  Uhr  Nm. 


Anschluss  an  die  Linie  Bpalato-MetcoTieb 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FJUME  Sonntag  H/3  Uhr  Nachts.    Ank.  in 
Cattaro  Moniag  4Va  UhrNm.,  berührend:  Zara, 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Trieit-Metcovicb 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm  ,  in 
Metcovich  Samstag  12V2  Uhr  Mittags,  berührend : 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Qradas  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10'/,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  O'/a  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
.4)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  A%  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macardca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  O*/«  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  um  11  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  7  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  um  (>  Uhr  Früh  im  Sommer. 


LE"V.A.lSrTE-DIElSrST. 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstag  11  UhrVorm. 
mit  Herührung  von  Brindisi,  Corfu,  Patras, 
PiräuH,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm. ; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
f»  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  5Va  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orieutaliscbe 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  nnd  Rückfahrt. 

Anpichluss  an  die  Zwf-iglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  ucd  an  die  ihessali- 
»che  ijinie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

AnHchluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie   in  Corfu  auf  dei  Hin-  und  Rückfahrt. 

GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nm.,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnäch^ten Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien\  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Retbymo,  Caudia,  Samos  (Valhy),  Tschesme 
und  Chios;  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsten Montag  11   Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel    -n  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 

Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Ubr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwochs  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  S*  Uhr  Früh,  Ank,  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 


Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

THESSALISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  (j';,  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Palras,  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedca- 
gatscb,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nm., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME-ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm. ;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.^.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von'  Port  Said  nnd  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28, 
Jänner  angefangen  7^3  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm. ;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5,  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank,  in 
Fiume  Freilag  2  Uhr  Nm. 

SYRISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

')  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


11  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Gatllpoli, 
Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 
Rhodus ,  Limasso] ,  Larnaca,  Beirat,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
.änner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7Va  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 4  Ubr  Nm.  mit  Berührung  von  Varna, 
Küstendje,  Sulina  und  Galatz  ;  Rückfahrt  Freita;.^ 
2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Constantinopel  Dienstag 
8  Uhr  Früh. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küsteadje. 

Linie   CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Bstam 
Mittwoch  G'/a  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasüot,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  6  Ubr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch   IV5  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.,  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berübruug 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank,  in  Piräus  Mittwoch  Ü  Ubr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


IlSTIDO-CüinsrESISOXiEI^     IDIEISrST- 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triebt 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rotbes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay— Hongkong.  Rü'kfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nate* bis   iucl.  Jänuer  1891. 

Linie  TKIEST— ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  1>.  der  geraden  Monate') 


')  Februar,   April,   Juni,   August,   October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Stiakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay,  ('olorabo,  Penang.  Ringapore. 
Rückfahrt  von  H  -ngkong  am  18.|4.,  17.JG.,  17. ]8., 
18.J10.,  18.112.   1890  und  IC  ]2.  189). 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay;  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta — Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18.  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  iucl. 
Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutta — Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zwciglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Fe*>er 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis  iucl.  Janner  1891. 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rüthes  Meer— Hongkoji^  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt. 


BB,A.siLiLA.3srisa:Eg:E  lustie  ti^iest-sa-isttos- 

Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December  1890,    berührend:   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vincent,    Pernambuco,  Bahia, 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santoa  4«  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.') 

')  Bei   evi  ntueller  Ausla.'  mng  der   Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco   auf  der  Rückfahrt  verfrühen 
sich  die  Ankünfie  in  den   folgeuden  Echellen  uui  die  entsprechende  Zeit. 

Ohne   Haftung  für  etwaige  Aendernngen   in   den  Zwischenhäfen  und  ohne  Verbindlichkeit  für  die  Kegelmäasigkeit    des    Dienstes  während 
der  Contumazmassregeln. 


OESTERREICHISCHE 


0Mfe5c|rift  fftr  kn  #rtat 


SECHZEHNTER    JAHRGANG.  WIEN,    IM  FEBRUAR   1890. 


H*     2.     BEIL  AGB. 


Die  „Oesterreichisclie  Monatsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im   Verlage    des  k.  k.   österr.  Handels  -  Museunu    in  Wien   (I.,  Börse- 
gasse 3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
und  Reisender,  bringt  Artikel  und  Miscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
das  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 
Das  Jahres-Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.  5. —  ö.  W.  ■-   10  Mark. 


KAISERL.  KONIGL.      -«H»8Si^       PRIVILEGIRTE 

TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN  (|"'|f -'': 

VON  "**■■'" 

Philipp  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WÄÄRENHÄUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 

FILIALE:  VI,,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

KMi'FKFiLEN  IHR  GROSSES  LAGER  IN  MÖBELSTOFFEN,  TEPPICHEN,  TISCH-.   BETT- 

üND  FLANELLDEOKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE,  BAST  und  JUTE,  WEISSEN 

VORHÄNGEN   und   PAPIER-TAPETEN,    sowie   das   grosse  laoer   von 

ORIENTALISCHE!  TEPPICHE!  uo  SPECIALITiTEN. 


NIEDERLAGEN; 

BUDAPEST,   0I8ELAPLATZ  (eigenes  waarenhaus).  PRAG,  graben  (eigenes  waare.\haus).  URAZ. 

HERRENGASSE.     LEMBERG,    ULICY   JAQ1ELLO.N8K1W.    LINZ,    l'RANZ  JOSEF-PLATZ.    BUKAREST.    CAir.V.A 
VICTORIAE.    MAILAND,    DOMIT^TZ    (EIGENES   WAARENHAUS).    NEAPEL,    VIA    ROMA.    GENUA,    VIA  I! "MA 

ROM,  VIA  DEL  OORSO. 

FABRIKEN: 

WIEN,  VI.  STUMPEROASSR.  EBKRGASSLS'G,  nieder-österreich.  MITTERNDORK,  xieder-österi: 
HLINSKO,  BöHMKN.  BRADEORD.  England.  LISSONE,  Italien.  AR.\NY0S-MAR6tH.  ünoai;n. 

KKHis.     KÜR    DKN    VERKAUF    IM   PREKSE    HERABGESETZTER    WAAREN    IST   EINE    KIGENB   ABTHKILUNO   IM 

SftLS^     WAAKENHAUSB  EINGRRICHTKT. 


II 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


0 


Gegründet  1813. 

S.  REICH  &C 

l.  k.  landesbefugte  ^PGlasfabrikanteu 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieti  in  Oesterreich-Ungarn,  um- 
fassend 10  Glasfabriken,  nebst  Dampf-  und  Wassersciileifereien, 
Gias-Rafnnerien.  Maler-Ateliers  cie.  in  Mähren,  Böhmen,  Steier- 
mark nnil  Russland. 
Erzeugung  von  ordinärem  Hohlglas,  Tafelglas  (Fensterglas),  Schleif-, 
Ecken-  und  Pressglas  (Gussglas),  Luxusartikeln,  pharmaceutlschen 
und  physikalischen  Geräthschaften,  Narghlles,  Gebrauchsartikeln  rur 
den  Orient  und  allen  Arien  in  das  Glasfach  einschlägiger  Artikel. 

Belßiiciiiigsariel  für  Petroleum,  Gas,  Oel  iiod  elellrisclies  Licdl 


Central -Bureau    und    Haupt- 
Niederlage    sämmtliclier    Kta- 
bliösements; 


Filiale  und  Depot  für  cliemisch- 
pUarmaceutifcbe  Geräth- 
schaften : 


Wien,  IL,  Czerniii.  Nr.  3  ii.  5.    Wien,  IV.,  Marpretlienstr.  23. 

NIEDERLAGEN: 

Berlin  SW.,  Alexandrinenstrasse  Nr.  22. 

Amsterdam,  Geldersche  Kade  47. 

Daselbst  Lager  in   allen   Sorten  Beleuohtungsartikeln. 
U^P"  Export  nach  allen  Weltgegenden. 


Kaiser!,  köaigl. 


Lamp( 


landesprivilegirte 


len-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grosste  Lampen-Fabrik  am  Coiiliiienle 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossarliger  Auswahl,   in   nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priY. 

HißdßF  Blitzlampe  unl  Bfillafit-Ilsteorlipefinep 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen; 
Wien,  Graz,  Prag.  Lemberg,  Triest,   Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 
In  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttheilen. 


@i  — ^— »-    ZUNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    H-«^—  =© 

iiiiiiiuiiiiiiuniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiniiiiiiiiiiuiiiuiiiiiuiiiiiniMiunnniiiuuuuulniiiiiiiiiiiuiiiiniiiiuiiiiiiuniuiiiiuiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiin 

Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  China  etc.  | 

Etablirt  1856.  1 


I 


sc 
c 


Höchste   Aiiszeichnune:   AiisstcUiuig  Orax   1880:   £Iireu  -  Diplom. 

Auszeichnungen:  Graz  1870,  Triest  1871,  Silberne  Medaille. 
Melbourne  1880,  Verdienst. Diplom.  Triest  1882,  Goldene  Medaille. 


Die  k.  k. 


privilegirte 


I 


Grösste  süd  -  österreichische 


5C0 


=3  = 


^1 

<o  i 

vi 

tl 

3 


I  ZUNDWAAREN-FABRIK  || 


FL.  POJATZI  &  COMP. 

in   Deutschlandsberg  bei   Graz  (Steiermark) 

OESTEKKEIOH 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabriltate  besitzen  eine  ganz  besondere  Wideratandsfä.hig:kelt  gegen  fenohtes  Klima    oder  I«ager 

und  brennen  nnl'eiilbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend:  1 

Allumettes  Impärlales,  runde  liUctasen  mit  Portraits  und  Bildern,  sehr  elegant  und  dennoch  billig.  1 

l^earl  Matches  in  Schubern  und  Kistchen,   echte  Aspenbölzchen  mit  vorzüglicher  IJrennltraft.  a 

Flammlferl  iglenlol  Dso  Camera,    Kipshölzcben   in    schönen   lackirten    Schubern    mit    orientaliscbeu  Bildern       3 

und  Photographien.  § 

Ausserdem  :  Wiener  Salonhölzchen  in  allen  Sorten,  schwedische  Sicherbeitszünder  etc.  3 


i 


I  Offerte  sowohl  direct  von  der  Fabrik,  als  durch  die  General-Repräsentanz:  | 

i  SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST.  \ 

i">"i3iiiiiiiiiiniiiiiniiiiuiiiiiiiiniiiuiMiiniiiiiiiiiiinniniiiiniiii iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinMuiiiiMiuiHHniiuiiiiiiiiiiiiuniniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiniiiiinmi 

®3  --J»— t-      FIAMMIFERI.    —    MATCHES.     ^— ^—  I® 


OnSTERRElCHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEN    ORIENT. 


iir 


Wiener    WeltaUflHtcUung    1873    höchste    AuizeicbnunK. 
EHREN-DIPLOM. 

Glasfabriken-Niederlage 

J.  SCHREIBER  &  NEFFEN 

WIEN 

Aisergrund,  Liechtensteinstr.  22-24, 


Müstku-Lagek  : 
BUDAPEST      I        PBA(J 

Waltznergasse         Heuwagplatz 
Nr.  18.  Nr.  27. 

Fakikalion  für  den  E,\port. 

Glas-Service. 
PRESS-GUSSGLAS. 

ßeleiicMiings-Artllcei. 
LUST  KR. 

Färbiges  Glas 

und 

Phantasie-Sachen. 


Verpackung  bestens. 
Preis  -  Couranto    gratis. 


Kai»  königl. 


pri  .•ilegirte 


PfilrolBM-Lamien-Falit 

Gebrüder  Brunner 

WIEN. 

Ucicliliultlgrst«   Auswahl    aller  (iattuiuen  Petro- 
leum-,   Salon-,    Tisch-    und     Hän{;e-Lanipcn,    Lu«ler, 
Laternen,  Wandlampen  etc.  etc.  solidenter  Coustruction 
.sowie 

Wiener  Flachbrenner 


Patent-Brillantbrenner 

bester  Qualität  zu  billigsten  KxportpreitcD. 
Petroleum-Hängelampen  mit  neuem   patentirten 

E  xcelsiorbrenner 

Patent  1887. 

Sonnenlicht  -  Excelsiorlampe. 

Vollkommener  Ersatz  für  elektrische  und  Gas- 
beleuchtung. 

Niederlagen  in  Wien,   Budapest,  Prag. 

Fjcport  nach  allru  Weltgegetiilvu.  "^K 


K.    K.    PRIV.    SÜDBAHN-OESEIiliSCHAPT. 

Auszug  aus  deua  Fahrplane  der  Personenzüge,  giltig  vom  21,  Ootober  1889. 

Abfahrt  von  Wien:  Ankunft  in  Wien: 


ö. —  Früh:  (Prsz.)  Payerhach  ,  Kanizsa,  Budapest; 
Pakräcz-Lipik ;    —    Essegg,    Sarajevo;    Agram; 

—  Hainfeld,  Gutenstein. 

7. —  Früh:  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agram, 
Sissek  (via  Steinbrück),  Brod;  Villach,  Wolls- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Hainfeld,  Guten- 
stein; Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Ischl ; 
Venedig,  Korn,  Mailand  (via  Pontebba)  ;  Bozen, 
Meran,  Verona  (via  Leoben);  Kanizsa.  Buda- 
pest; Paknicz-Lipik  ;  Agram,  Essegg,  Sarajevo  ; 
Neuberg. 

1.20  Nachm. :  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig; 
Fiume;  .Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben, 
Vordernberg,  Neuberg;  Oedenburg,  Kanizsa, 
Güns,  Budapest. 

6. —  Nachm.;   (Persz.)  Steinamanger. 

7.40  Abds.:  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest,  Pakidci- 
Lipik;  Essegg,  Bosn.-Brod;  —  Agrara,  Sissek, 
Banjaluka. 

8.15  Abds.:  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom; 

—  Pola,  Rovigno;  —  Fiume;  Sissek,  Ban- 
jaluka, Budapest  (via  Pghf.),  Franzensfeste, 
Meran,  Ala,  Innsbruck  (via  Marburg). 

Ö.45  Abds.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom, 
Mailand;  Pola,  Rovigno,  Fiume;  Agram  ;  Buda- 
pest (via  Pghf.);  Wolfsberg,  Meran,  Verona, 
Innsbruck  (via  Marbg.);  Radkersburg,  Köflach, 
Wies  ;  Leoben,  Vordernberg;  Aussee,  Ischl, 
Villach  (via  Leoben). 


6.40  Früh:  (Postz.)  Triest,  Rom,  Mailand.  Venedig, 
Görz;  /*  gram,  Budapest  (via  Pghf.);  Verona, 
Innsbruck  (via  Marburg):  Radkersburg;  Köf- 
lach, Wies;   Venedig;   Villach  (via  Leobea). 

8.58  Früh:  (Persz. I  Kanizsa,  Bosn.-Brod,  E»se.'g; 
—  Pakrdcz-Lipik,  Agiam,  Budapest  (vi«  Oeden- 
burg).     ' 

i).40  Vorm. :  (Persz.)  Steinamauger,    Güns.. 

9.50  Voim.:  (Schnellz.)  Triest,  Rom,  Mailand, 
Venedig,  Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume, 
Sissek,  Agram;  Budapest  (via  Pghf.);  A'a, 
Meran,  Innsbruck,  Franzensfeste  (vi«  Marburg), 
Leoben,   Xeuberg. 

1.52  Nachm.:  (Persz.)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang,  Haiofeld. 

3.40  Nachm. :  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4.— Nachm.:  (Postz.)  Triest.  Görz,  Venedig,  Pola; 
Fiume,  Sissek,  Agram,  Radkersburg,  Köflach, 
Wies  ;  Vordernberg,  Leoben;   Neunerg. 

9.30  Abds.:  ( Persz.»  Sarajevo,  Essegg;  Agram, 
Budapest ;  Kanizsa,  Pakract-L'pik  ;via  Oeden- 
burg); Hainfeld. 
10.15  Abds. :  (Schnell!  )  Triest,  Gör«.  Pol«,  Rovigno  ; 
Finme;  Brod.  Sissek  (via  Steinbrück);  Villach, 
Wolfsherg;  Radkersburg;  Köflach,  Vordern- 
berg, Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba); 
Verona ,  Meran,  Innsbruck  (via  Villach,  Leoben) ; 
Ischl,  Aus«e,  Neuberg. 


IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Giltig  bis  auf  Weitere».       jFaJjrpIaii  öcö  „(J^Eft crrcicfiifd)*iingarifrf|En  ICloub' 


Giltig  bis  auf  Weite> 


.i^nDDRI-A^TISCIEiEIR     IDIE1>TST- 


liilliuie  XHlhbX-CAlTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  U  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag S'/jUhrNni.,  berühr.:  Pola,  Lussin- 
piccolo,  Zara,  Spalaio,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
Tosa,  Castelnuovo  (oder  ilegline),  Perasto,  Risano 
und  Peizagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Montag  11   Uhr  Vorm. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 

LIKIE  BIS  PREVESA. 

a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  Sonntag  ^/jl  Uhr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  Lussinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaravec'chia,  Morier,  Sebt-nico,  Trau,  Spalato, 
Milna  ,  I^er-ina  ,  Curzola  ,  Orebich  ,  Grarosa, 
Ragusaveechia,  'Castelniiovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizta,  Antivari,  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  COKFU  Donnerstag  6  Ubr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  Vjl   Uhr  Nm. 

Anschluss   an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen   CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  Dienstag  y  Uhr  Vorm.,  berührend  :  Parga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  G'/a  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  iÄ  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAIS'ESISCHE 
LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm..  in 
Corfu  Donnerstag-  S'/j  Uhr  Abends,  berührend: 
Rovigno,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Melada,  Zara, 
Sebenico,    Roposnizz:»,    ^patato,  Milna.  Civita-    | 


veccliia.  Liswa,  Cumisa,  Valiegranae,  Lagoaia, 
Tersteuik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Äleglinf),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagiio, 
iiiidua,  Medua,  Durazzo,  Valuna  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  dprRüchfaLrt  wi  d  auchDulcigno 
und  Aniivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  SamPtag  fi  Uhr  Früh,  n  Triest 
nächsten  Samstag  11'/*  Ubr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TK  lEST. 

Ab  FlUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  »/jl  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cherso,  Pola,  Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Uhr  Mitiags. 

Waarenlinie     FIUME  -  CATTARO    A) 

jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Ni:i. ,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Elss^a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  B) 
jede  zweite  Woche  vom  9,  Jänner. 
Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Tran,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Li-sa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Finme  Donnerstag  .*)  Uhr  Nm. 


Anschlubs  au  die  Liuie  Spalaio-Metcuv 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 

Ab  FIUME  Sonntag  l'/^Uhr  Nachts.  Ank. 
Cattaro  Montag  4Va  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zs 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donoersfag  5  Uhr  Früh, 
Fiume  Freitag  (J  Ubr  Abends. 

Anschlus.s  an  die  Linie  Triebt  Metcov 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCC 
VICH. 

Ab  TRIEST   Donnerstag    11  Uhr  Vorm 
Metcovich  Samstag  li'/j  Uhr  Mittags,  berühre 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Giadaz  ■ 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10»/,  Uhr  Vo» 
in  Triest  Donnerstag  Ü'/a  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Catt; 
Ä)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 

Ab  SPALATO  Montag  4'/2  Uhr  Früh,  in  M 

covich  Montag  öUhrNm.,  berührend:  S.  Pie 

Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  F 

Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  lO  Uhr  Vor- 
in  Spalato  Donnerstag  i)>/^  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  P^illinie  Fiume-Cattaro 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEv 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstj 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts 
Winter,  und  um  11   Uhr  im  Sommer, 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jec 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  7  Uhr  Früh 
Winter,  und   um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


H.  E"V.A.]SrX  E  -  HD  I E  IST  S  X- 


EiUinieTRIE^T-COKSTA]STlNOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstae  11  UhrVorro. 
mit  Berührung  von  Brindii^i,  Cort'ii,  Pairas, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm. ; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
.*>  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  ö^/j  Uhr 
Abends, 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Ziinie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

AuRchlutäs  an  die  Zweiglinie  Piräus-Sniyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  ihessali- 
sche  Linie  auf  der  Hin-  und  Rü<kfahr*. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie   in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Sniyrna  den  zweiInäch^Ien  Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonienj,  Zante,  Cerigi),  Cauea  (Suda), 
Rethynio,  Candia,  ^amos  (Vaihy),  Tschesme 
und  Cbios;  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nui.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsten Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  au  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel    -n  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Anschluss  an  die  syrir^che  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche), 

Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwoch  5  Uhr  Früh  ;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7   Uhr  Abends. 


Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  uud  Rückfahrt. 

THESSALISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nm.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  djitten  Donnerstag  6'/a  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Pairas,  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorin. 

Linie  FIUME- ALEX  AND  PUEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  Iß.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Coriu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm.  ;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.i.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7   Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28. 
Jänner  angefangen  7^,',  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührurg  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm.;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  2  Uhr  Nm. 

SYRISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woch«  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 
Nm,.  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 


')  Der  Hafen    von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Pirsus  angelaufen. 


11  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Ganip( 
Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chi 
Rhodos ,  LimasBol ,  Larnaca,  Beirut,  Caii 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  \ 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom 
.  änner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  C< 
stantinopel  den  zweiten.  Dienstag  7'/i  Uhr  Fri 
Anschluss  an  die  griechisch-onentalisc 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Ruckfah 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAIL 

Samstag  2  Uhr  Nm-,  Ank.  in  Braila  Mi 
woch  4  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von  Van 
Küstendje,  Sulina  und  Galatz;  Rückfahrt  Freii 
Ä  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Constantinopel  Dienst 
8  Uhr  trüh. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Wint* 
einge^tellt  und  beschräbken  sich  auf  die  Unti 
haltUDg  einer  wöchentlichen  Verbindu 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Rüstend 

Linie    CONSTANTINOPEL  -  BATU: 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner, 
Abfahrt  Samstag  ,^  Ubr  Nrn.,  Ank.inBati 
Mittwoch  G'/a  Uhr  Früh  mit  Berührung  v 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rüc 
fahrt  vom  9.  .1  änner  ab  jede  zweite  Woc 
Donnerstag  6  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constan 
nopel  Mittwoch  iVi  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nrn.,  Ank. 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berühru 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  :i  Uhr  Vorr 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Trie 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


insriDO-cmisrESisonER,   idieistst. 


Ausciiiuüs  in  Bombay  an  den  Eildamp 
Xriesi — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfah 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampier  c 
Zweiglinie  Calcutta—Colombo  auf  der  Hin-  u 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCUTTA—COLOMBO.  . 
Calcuttaam  18.  eines  jeden  Monates,  beriihrei 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5-  Fei 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis   iucl.  Jänner  38 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  eiuu 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Tries 
Rothes  Meer— Hongkong  und  einmal  an  d 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay— Hoügko 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt.      ^^^^^ 


Eillinie  '1  RIE&T— BOMBAY.  At>  Tnewt 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rot  lies  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rü'  kfahrt 
von  Bombay  voni  l.Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis  iucl.  Jänner  1891. 

Linie  TrtlEST-ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  lö.  der  geraden  Monate») 


')  Februar,   April,   Juni,   August,   October, 
December. 


des  Jahres.  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Colombo,  Peuang,  Singapore. 
Rückfahrt  von  H  -ngkong  am  18.14.,  17.16.,  17.J8., 
IS.JIÜ.,  18.|12.   1S90  und  10  |2.  I89t. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay;  Anschluss  in  Colombo  au  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta—Colombo, 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18.  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl. 
Jänner  1891. 


Bü-A.siiji^A.3sriscpa:E  lustie  ti^iest-s-A-Isttos- 


Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December   IS'JU,     berührend:    Malaga,  Gibraltar,  Insel    St.  Vincent,     Pernambuco,  Bah 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.^) 


OESTERREICHISCHE 


0iiatssc|rift  für  kn  #riat 


SECHZEHNTER    JAHRGANG. 


WIEN,  IM  MÄRZ  1890. 


N"-    3.     BEILAGB. 


Die  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  den  Orient" 


f 


erscheint  im  Verlage    des  k.  k.  österr.  Handels -Museums    in  Wien  (I.,  Bürse- 
asse  3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 

und  Reisender,    bringt    Artikel    und    Miscellen    handelspolitischen,    kunstgewerblichen, 

ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 

as  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 

Das  Jahies-Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.   5. —  ö.  \V.  =    10  Mark. 


1 


K.  k.   österr. 


Handels-Museum. 


« 


AUSSTELLUNG    '-is^i^^ 


der 


Sammlung  ethnograpliisclier  und  kunstgewertilicher  Objecte 


aus 


Indien,  China  und  Japan 

des 

Grafen  Carl  Lanckoronski 

und  der 

AQUARELLE 

des 

Täglich  mit  Ausnahme  Montags. 
An  Wochentagen  von  10  bis  5  Uhr,  an  Sonn-  und  Feiertagen  von  9  bis  1  Uhr. 


II 


OEETERnEICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN   ORIENT. 


0 


Gegründet  1813. 

S.  REICH  &C 

k.  k.  kBdesbefugtei^^Glasfabrikaiiteii 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterreicli-Ungarn,  iini- 
fassend  10  Qlasfabriiien,  nebst  Dampf-  ihhI  Wassersciiieifereien, 
Glas-Raffinerien.   Maier-Ateiiers  etc.   in  Mähren,   Böhmen,   Steier- 

marli  nml  Russland. 
Erzeugung  von  ordinärem  Hohlglas,  Tafelglas  (Fensterglas],  Schleif-, 
Eclcen-  und  Pressglas  (Oussglas),    Luxusartilieln,  pharmaceutischen 
und  physlitalischen  Geräthschaften,  Narghiles,  Gebrauchsartliiein  für 
den  Orient  und  allen  Arten  in  das  Glasfaoh  einschlägiger  Artiicel. 

Beieiiclitiingsartilel  t  Petrolei,  Gas,  flei  imil  eleldriscties  M. 


Central -Bureau    und    Haupt- 
Niederlage    sämmtlicher    Eta- 
blissements : 


Filiale  und  Depot  für  cheniisch- 

ph&rmaceutiaclie  Gerätli- 

scbaften : 


Wien,  IL,  Czerning.  Nr.  3  n.  5.    Wien,  IV.,  Margarettenslr.  23. 

NIEDERLAGEN: 

Berlin  SW.,  Alexandrinenstrasse  Nr.  22. 
Amsterdam,  Geldersche  Kade  47. 

Daselbst  Lager  in   allen   Sorten  Belenchtungsartikeln. 
Export  nach  allen  Weltgegenden. 


Kaiserl.   königl. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grössle  Lampen-Fakik  am  Coiiünente 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger   Auswahl,    in    nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 

K.  k.  priv. 

Wiener  Blitzlampe  iiol  Brillant-ileteoplireiioer 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

I  Ditmar  -  Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen; 
Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,   Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Malland,  Lyon,  Warschau  und  Bombay- 
Agenturen 
in  allen  Hauptstädten  Europas  und  In  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttheilen. 


--*—►•    ZUNDWÄAREN.    —    ALLUMETTES.    ^">'^—  |^ 

iHniiTiuiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiuiiiiiiiiiiiMniuliiiniiiiiuiiiniiniiiiuiuuliiiiiiiiiuniiuiiiiuuliiiiuuulUUlUiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiuiiiiuiiii 

Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  China  etc. 

Etablirt  1856. 

Höchste  AiisKelcliiiiiiie:  Aiisi^lelliiug  Graz  1880:  Ehren  -  Diplom. 

Auszeichnungen:  Graz  1870,  Triest  1871,  Silberne  Medaille. 
Helbonrne  1880,  Verdienst  -  Diplom.  Triest  1882,  Goldene  Medaille. 


Die  k.  k. 


3  : 

-Cr 


privilegirte 


Grösste  süd  -  österreichische 


1  ZUNDWAAREN-FABRIK 


«  § 

<0  S 


FL.  POJATZl  &  COMP. 


m 


x ! 


Deutschlandsberg   bei   Graz  (Steiermark) 

OESTERREICH 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabriltate  besitzen  eine  ganz  besondere  ^iderstandsfählg^kelt  gegen  feuchtes  Klima   oder  Zjagrer 

und  brennen  unfeUibar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend: 

S  AHumettes  Imperiales,  runde  Büchsen  mit  Portraits  und  Bildern,  sehr  elegant  und  dennoch  billig. 

S  l*earl  Matches  in   Schubern  und  Kistchen,    echte  As]>enhöl7,chen  mit  vorzüglicher  Breunkraft, 

3  Fiammiferi  igrienici  Uao  Camera,    Ripshölzchen   in    schönen    lackirten    Schubern    mit    orientalischen    Bildern 

S  und   l'holographien. 

a  Ausserdem  :  Wiener  Salouhölzchen  in  allen  Sorten,  schwedische  Sicherheitszünder  etc. 

I  Offerte  sowohl  direct  von  der  Fabrik,  als  durch  die  General-Repräsentanz: 

1  SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST. 

nniiäiiiMiiiiiinninninimiimniimiimiiiinnniiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiinininiiiiiinniiiiiiiiiiiniiniiiiiniiiiuuiiiiniinnniiiiiimniiiniiniuiiiiiiiiiiiiiiiim 
®1  — >^>-      FIAMMIFERI.    —   MATCHES.     H— 4— 


2. 
a 


OZ3TERRE1CH1SCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


m 


Wiener    WcltauKhtelluiii;    1873    höcliHte     Au«if*i<-hDUiig. 
EHREN-DIPLOM. 

Glasfabriken-Niederlage 

von 

J.  SCHREIBER  &  NEFFEN 


WIEN 

Aisergrund,  Liechtensteinstr.  22-24. 


5Iustbk-La(!kr: 

BUDAPEST      !        PRAG 

Waltznergatse 
Hr.  18. 


Heuwagplatz 
Nr.  27. 


Faljrikalioii  fir  den  Export. 

Glas-Service. 
PRESS-GUSSGLAS. 

Beleuclitaags-Artllcel. 
L  XJ  S  T  K  R- 

Färbiges  Glas 

und 

Phantasie-Sachen, 

Verpackung  bestens. 
Preis  -  Courante   gratas. 


Kais,  königl, 


4» 


pri  .nlegirte 


Pßtrolßiifl-Lafflp-Falirik 

Gebrüder  ßrünner 

WIEN. 

Up|clihaltlf«te  Auswahl   aller  Gattanrea  Petro- 

Iccini-,    Salon-,    Tisch-    und     Hänce-Lampen,    Lu*ter, 

Laternen,  Wandlampen  etc.  etc.  »olideMer  Conttruclion 

»owie 

Wiener  Flachbrenner 

und 

Patent-Brillantbrenner 

bester  Qualität  zu  billigsten  Exportpreisen. 
l\;trolt:um-Hänijelami)cn  mit  neuem  patentirten 

E  xcelsiorbr  enner 

Patent  1887. 

Souiieiiliclit  -  Kxcelsiorlainpe. 

Vollkommener  Ersatz  für  elektrische  und  Gas- 
beleuchtung. 

Niederlagen  in  Wien,  Budapest,  Prag. 

äß^  Kxport  nach  uUen  H'eltgegenden.  "Vib 


K.    K.    PRIV.    SÜDBAHN-QESEIiliSCHAPT. 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge,  giltig  vom  21,  October  1889. 


Abfahrt  von  Wien: 

6. —  Früh:  (Hrsz.)  Payerbach,  Kanizsa,  Budapest; 
Pakracz-Lipik;  —  Essegg,  Sarajevo;  Agram; 
—   Hainleld,   Gutenstein. 

7. —  Früh:  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agram, 
Sissek  (via  Steinbrück),  Brod;  Villach,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Ilainfeld,  Guten- 
stein; Keoben,  Vordernberg,  Aussee,  Ischl ; 
Venedig,  Korn,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen, 
Meran,  Verona  (via  Leoben) ;  Kanizsa,  Buda- 
pest; Pakracz-Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo; 
Neuberg. 

1.20  Nachm.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig; 
Fiume;  Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben, 
Vordernberg,  Neuberg;  Oedenburg,  Kanizsa, 
Güns,  Budapest. 

5. —  Nachm.:  (Persz.)  Steinamanger. 

7.40  Abds.:  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest,  Pakiacz- 
L'pik;  Essegg,  Bosn.-Brod;  —  Agrara,  Sissek, 
Banjaluk.a. 

8.1.')  Ab.is. :  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom; 
—  Pola,  Rovigno;  —  Fiume;  Sissek,  Ban- 
jaluka, Budapest  (via  Pghf.),  Franzensfeste, 
Meran,  Ala,  Innsbruck  (via  Marburg). 

b.45  Abds.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom, 
Mailand;  Pola,  Rovigno,  Fiume;  Agram;  Buda- 
pest (via  Pghf.);  Wolfsberg,  Meran,  Verona, 
Innsbruck  (via  Marbg.);  Radkersburg.  Köflach, 
Wies  ;  Leoben,  Vordernberg;  Aussee,  Ischl, 
Villach   (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 

6.40  Früh:  (Postz.)  Triest,  Rom,  Mailand.  Venedig, 
Görz;  A  gram,  Budapest  (via  Pghf.);  Verona, 
Innsbruck  (via  Marburg);  Radkersburg;  Köf- 
lach, Wies;   Venedig;    Villach  (via   Leobeu). 

ä.58  Früh:  (Persz  )  Kanizsa,  Bosn.-Brod,  EsiCig; 
—  Pakricz-Lipik,  Agram,  Badapest  (via  Oeden- 
burg). 

9.40  Vorm. :  (Persz.)  Steinamanger,   Güns.. 

9.50  Vorm.:  (Schnellz.)  Triest,  Rom,  Mailand, 
Venedig,  Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume, 
Sissek,  Agram;  Budapest  (via  Pghf.);  Ala, 
Meran,  Innsbruck,  Franzensfeste  (via  Marburg), 
Leoben,   Neuberg. 

1.52  Nachm.:  (Persz.)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang,   Hainfeld. 

3.40  Nachm.:  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4.— Nachm. :  (Postz.)  Triest;  Görz.  Venedig,  Pola; 
Fiiune,  Sissek,  Agram,  Radkersburg,  Köflach, 
Wies;   Vordernberg,  Leoben;    Neunerg. 

930  Abds.:  (Persz.)  Sarajevo,  Essegg;  Agram, 
Budapest ;  Kanizsa,  Pakracz-L'pik  ^via  Oeden- 
btirg);  Hainfeld. 
10.15  Abds. :  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Pola,  Rovigno  ; 
Fiume;  Brod.  Sissek  (via  Steiubrück);  Villach, 
Wolfsberg;  Radkersburg;  Köflach,  Vordern- 
berg, Venedig,  Rom,  .Mailand  (via  Pontebba) ; 
Verona,  Meran,  Innsbruck  (via  Villach,  Leoben) ; 
Ischl,  Anssee,   Neuberg. 


IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Giltig   bi8  auf  AVeiteres, 


jFafirplan  beö  „O^eftcrrciriiirrij^nmjarifrfjcn  1C!oiib'\       Gimg  m«  auf  weiteres. 


-a.di^i.a.tisc:e3:ek,   üieistst. 


Eillinie  TKIEST-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  llUhrVorm.,  in 
Cattaro Freitag S'/aUhr Nrn.,  berühr.:  Pola,Lu88in- 
piceolo,  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Castelnuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Risano 
und  Perzagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Montag  11  Uhr  Vorm. 

DALMATINISCH-ALBANESISCHE 

LINIE  BIS  PREVESA. 

a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montap  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  ^onntag  Vjl  Uhr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  Lussinpiccolo ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenieo,  Trau,  Spalato, 
Mi  Ina  ,  Le^ina  ,  Curzola  ,  Orebich  ,  Grarosa, 
Kagusavecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizea,  Antivari,  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santl-Quaranta. 

Ab  COKFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  Vil   Uhr  Nm. 

Anscbluss    an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
öj  Zwischen   CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  DienstagöUhrVorm.,  berührend:  Farga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwo'h  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  GVi  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dämpfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück ;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 

LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm..  in 

Corfu  Donnerstag  S'/j  Uhr  Abends,  berührend: 

Rovigno,    Pola,    Lussinpiccolo ,   Mplada,    Zara, 

Sebenieo,    Rngosnizza,    spalato,  Milni,   Civita- 


vecchia.  Lissa,  Comit^a,  Vallegrande,  Lagosia, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa.  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Kudua,  Medua,  Durazzo,  Valona  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRück  fahrt  wi,  d  auchDulcigno 
und  Amivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  fi  Uhr  Früh,  n  Triest 
nächsten  Samstag  11*/«  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FlUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  Vil  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cherso,  Pola, Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonnlag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie     FIUME  -  CATTARO   A) 

jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nrn.,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenieo,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Lispa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARX)  J5) 
jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner. 
Ab  FlÜME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm.,  berührend ;  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  ^elve,  Zara,  Bebenico, 
Trau,  Spalato,  Forto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Li^sa,  Curzola,  •-  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab    CATTARO    Montag   7     Uhr   Früh  ,    in 
I    Fiume  Donnerstag  5  Uhr  Nm. 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-Metcovicb 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FJUME  Sonntag  l'/j  Uhr  Nachts.   Ank.  in 
Cattaro  Montag  4Vi  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara, 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  ia 
Fiume  Freitag  G  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Trieat-Metcovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  12V3  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenieo,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Port  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10'/,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  öVa  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
Ä)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4Va  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  S.  Pietro» 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  9%  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  nm   11  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  7  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  nm  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


XjE"V.A.3srTjB-x:)iEnsrsT. 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstag  11  UhrVorm. 
mit  Berührung  von  Brindisi,  Corfu,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm.; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  S'/j  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  urd  an  die  thessaU- 
sehe  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie   in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnäch^ien  Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Rethymo,  Candia,  Sanios  (Valhy),  Tschesme 
und  Chios*,  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samslag  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsten Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel   -n  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  eyrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mitiwoeh5  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/,  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras,  Cataeolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME-ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm.;  nach  Beirut  Samstag 
vom  25.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
tolgenden  Dienstag  7   Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28, 
Jänner  angefangen  7*,',  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm. ;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nm,.  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung    von    Gallipoli 

Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 

>)  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rhodus ,  Limassol ,  Larnaca,  Beirat,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7V»  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch l»  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
KÜ3tendje,Sulina  und  Galatz;  RückiahrtDonners- 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  trüh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  ionstantinopel  an  den  Eildampfer 
Triest-Constantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Wiolers 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Kü^tendje. 

Linie  CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 
Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn..  Ank.  in  Batum 
Mittwoch  6V2  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt ;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  6  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch   1'/,  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank,  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Trie.it- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


ÜN^IDO-CIEiinsrESISOIEiER,     IDIEISrST. 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rothes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rückfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis  iucl.  Jänner  1891. 

Linie  TiilEST— ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  15.  der  geraden  Monate') 

')  Februar,  April,  Juni,  August,  October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Colombo,  Penang.  Singapore. 
Rückfahrt  von  Hongkong  am  18.|4.,  17.16-,  17.18., 
18.|10.,  18.[12.  1890  und  10  |2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay ;  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Mouate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore,  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18.  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl. 
Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfatirt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutta — Colombo  auf  der  Hin-  U)id 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Fe-'i-^r 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis    iucl.  Jänner  l8yi. 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer — Hongkone  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt. 


B:RA-SIXjILA.3SriSCJE3:E  ILIISriE  T:EiIEST-S.AJSrTOS- 

Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December   1890,    berührend:    Malaga,  Gibraltar,  Insel    St.  Vinceut,     Peruambuco,  Bahia 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.') 

')  Bei   eventueller  AusKasung  der  Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco  auf  der  Rückfahrt  verfrühen 
sich  die  Ankünfte  in  den  folgenden  Echellen  um  die  entsprechende  Zeit. 

(Jhne    Haftung  lUr  etwaige  Aenaerungeu    in    aeu  Zwidcnenüaieu   una  ouue   Veroindlichkeu  ttlr    aie   Kegtjimassigkeit     aett    Uieames  wänreuu 
d^r  ContumaKmassreereln. 


OESTERREICHISCHE 


SECHZEHNTER    JAHRGANG. 


WIEN,  IM  APRIL  1890. 


<"     4.     BEILAGB. 


Die  dritte  ordentliche  General-Versammlung  der  (•.■sciischau 

„K.  k.  österr.  Handels-Museum" 

findet  Freitag  den  9.  Mai  1890,  6  Uhr  Abends,  im  Saale  des  Museums  statt. 

Tagesordniang : 

Erstattung  des  Jahres-  und  Rechenschaftsberichtes. 

Wahl   von   zwei   Revisoren   zur  Prüfung  der  Gesellschafts-Rechnungen   (jj   1 7 
der  Statuten).  .< 


KAISERL.  KONIGL. 


PRIVILEGIRTE 


•  TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 

Philipp  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WÄÄRENHÄUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 
FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

EMPFEHLEN  IHK  GROSSES  LAGEK   IN    MÖBELSTOFFEN,    TEPPICHEN,    TISCH-,    BETT- 

UND  FLANELLDECKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE,  BAST  und  JUTE,  WEISSEX 

VOEHÄNGEN  und   PAPIEE-TAPETEN,   sowie  das  grosse  lager  von 

OßlEITALISCKEI  TEPPICHEIf  otd  SPECIALITATEI. 

NIEDERLAGEN: 

BUDAPEST,  GISELAl'LATZ  tKlOENES  WAARENHAUS).  PR.\0,  GRABEN  (EIGENES  WAARENIIAUS).  «RAZ, 
HERRENGASSE.  LEMBERG,  ULICY  JAGIELLONSKIEJ.  LINZ.  FRANZ  JOSEF-PLATZ.  BIK AREST,  CAIXBA 
VICTORIAB.  MAILAND,  domplatz  (eigenes  WAARENHAUS).  NEAPEL,  VLA  ROMA.  GENUA,  VIA  ROMA. 

ROM,  VIA  DEL  CORSO. 

FABRIKEN: 

WIEN.  VI.  siiJMiKmi.vssH.  ElfKKGASSlNG,  nieder-österreich.  MITTERNDORF,  nibder-Ostkrrkich. 
HLINSKO,  BÖH.MBN.  BRADEÜRD,  England.  LISSONE,  itauen.  ARANYOS-MARÖTH,  ünoars. 


FÜR    DEN    VERKAIF    1.M    WiElSK    HKK ABOF.SF.TJ'.TER    WAAKKN     IST   BISE    EIOBNK    ABTHKILUSO    IM 
WAARENHAUSE  EISGfittICHTET. 


II 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT. 


Gegründet  1813. 


S.  REICH  &C 

L  l.  laMesbefugteÄlGlasfabrikanteii 


0 


Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  iu  Oesterreich-UnBarn,  um- 
fassend 10  Glasfabriken,  nebst  Dampf-  und  WassersohleifBreien, 
Glas-Rafflnerien.  Haler-Ateliers  etc.  in  Mähren,  Böhmen,  Steier- 
mark und  Russland. 
Erzeugung  von  ordinärem  Hohlglas,  Tafelglas  (Fensterglas],  Schleif-, 
Ecken-  und  Pressglas  (Gussglas),  Luxusartikeln,  pharmaceutlschen 
und  physikalischen  Geräthsohaften,  Narghiles,  Gebrauchsartikeln  für 
den  Orient  und  allen  Arten  in  das  Glasfach  einschlägiger  Artikel. 

S  I^E  C  1-A.Xj  I  TÄ.T  z 

BeleiiGlitiingsariel  fiir  Petroleiim,  Gas,  öel  iioil  eledtrisclies  Liclil 


Central -Bureau    und    Haupt- 
Niederlage    sämmtlicher    Eta- 
blissements: 


Filiale  und  Depot  für  chemisch - 
pharmaceutische  Geräth- 
sohaften : 


Wiei,  IL,  Czerniig.  Nr.  3  n.  5.    Wien,  IV.,  Margaretleislr.  23. 

NIEDERLAGEN: 

Berlin  SW.,  Alexandrinenstrasse  Nr.  22. 

Amsterdam,  Geldersche  Kade  47. 

Daselbst  Lager  in   allen   Sorten  Belenohtungsartikeln. 
|J^~  Export  nach  allen  Weltgegenden. 


Kaiserl.  königl. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grösste  Laiiipeii-Falirik  am  CoDtinente 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger  Auswalil,   in   nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


lenep  Bli 


K.  k.  priv. 

t 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenuer. 

Eigene  Niederlagen! 
Wien,  Graz,  Prag.  Lemberg,  Triest,  Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 

in  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttlieilen. 


K.    K.    PKIV.    SÜDBAHN-ÖESELLSCHAFT. 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge,  giltig  vom  21.  October  1889. 


Abfahrt  von  Wien: 

6. —  Früh:  (Prsz.)  Payerbach ,  Kanizsa,  Budapest; 
Pakracz-Lipik ;    —    Essegg,    Sarajevo;    Agram; 

—  Hainfeld,   Gutenstein. 

7. —  Früh:  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agram, 
Sissek  (via  Steinbrück),  Brod;  Villach,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Hainfeld,  Guten- 
stein; Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Ischl; 
Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen, 
Meran,  Verona  (via  Leoben) ;  Kanizsa,  Buda- 
pest; Pakracz,-Lipik  ;  Agram,  Essegg,  Sarajevo  ; 
Neuberg. 

1.2Ü  Nachm. :  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig; 
Fiume;  Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben, 
Vordernberg,  Neuberg;  Oedenburg,  Kanizsa, 
Güns,  Budapest. 

5. —  Nachm.:  (Persz.)  Steinaraanger. 

7.40  Abds.:  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest,  Pakiäcz- 
Lipik;  Essegg,  Bosn.-Brod;  —  Agram,  Sissek, 
Banjaluka. 

8.15  Abds. :  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom; 

—  Pola,  Rovigno;  —  Finme;  Sissek,  Ban- 
jaluka, Budapest  (via  Pghf.),  Franzensfeste, 
Meran,  Ala,  Innsbruck   (via  Marburg). 

8.45  Abds.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom, 
Mailand;  Pola,  Rovigno,  Fiume;  Agrara  ;  Buda- 
pest (via  Pghf.);  Wolfsberg,  Meran,  Verona, 
Innsbruck  (via  Marbg.);  Radkersburg,  Köflach, 
Wies  ;  Leoben,  Vordernberg;  Aussee,  Ischl, 
Villach  (via  Leoben). 


Ankunft  In  Wien: 

6.40  Früh:  (Postz.)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig, 
Görz ;  JS  gram,  Budapest  (via  Pghf.) ;  Verona, 
Innsbruck  (via  Marburg);  Radkersburg;  Köf- 
lach, Wies;  Venedig;  Villach  (via  Leoben). 

8.58  Früh:  (Persz.)  Kanizsa,  Bosn.-Brod,  Essegg; 
—  Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oeden- 
burg). 

9.40  Vorm. :  (Persz.)  Steinamanger,   Güns.. 

9.50  Vorm.:  (Schnellz.)  Triest,  Rom,  Mailand, 
Venedig,  Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume, 
Sissek,  Agrara;  Budapest  (via  Pghf.);  Ala, 
Meran,  Innsbruck,  Franzensfeste  (via  Marburg), 
Leoben,  Neuberg. 

1.52  Nachm.;  (Persz.)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang,   Hainfeld. 

3.40  Nachm. :  (Persz.)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4.  — Nachm.:  (Postz.)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola; 
Fiume,  Sissek,  Agram,  Radkersburg,  Köflach, 
Wies;  Vordernberg,  Leoben;    Neuberg. 

9.30  Abds.:  (Persz.)  Sarajevo,  Essegg;  Agram, 
Budapest ;  Kanizsa,  Pakräcz-Lipik  (via  Oeden- 
burg); Hainfeld. 
10.15  Abds. :  (Schnellz.)  Triest,  Görz,  Pola,  Rovigno  ; 
Fiume;  Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  Villach, 
Wolfsberg;  Radkersburg;  Köflach,  Vordern- 
berg, Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba) ; 
Verona ,  Meran,  Innsbruck  (via  Villach,  Leoben) ; 
Ischl,  Aussee,   Neuberg. 


OC3TERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FOR   DEM   ORIENT,' 


III 


d 

ü 
tn 

.— < 

<0 

CO 

<o 

O 
I 

ö 

n 

Ol 

w 

I 

CO 

CO 
CO 

c/) 

Ä 
Ü 

CO 

O 

<u 
o 

:0 


(-1 


.2 

! 

o 

§• 

n 

1 

S 

o 
1 

t 
2 

o 
o 

7-25  1 

HB    .       il 

-  ■- 

fe    °    ■■  M    S 

igS^Ssli  1 

to'odm  3 

> 

1 

4) 

i^lsj 

i25 

'S 

^5 

|3  1  *?§g 

m 

|«2 

.  3 

<  - 

2 

D 

N 

u 

c 
u 

c 

0 

(• 
CO 

£•*  = 

•sa 
• 

.  « 

•  ä 

1- 

.  s 

■ 

'S 

'1 

?i 

s    « 

«  J 

11 

ii 

gä 
>l 

'S 

& 

B 

• 

N 

o. 

i  1-  1.^  l 

■< 

•afs*"  .• 
S3~U  ' 

rt  r-l  N    ü 

z 

■xi  »ai  -J»  £ 

OQ 
1 

> 
t 
« 
s 

H 

© 
c 

0 

B              Ä  e»  »i  »^ 

1 

.äi 

oi  r-i  rH  •*■ 

»'  O  1-t  5^ 
T-t  rH  ^1 

i 

9 
« 

g 

-      3 

0 

■*       a 

« 

s 
1      1- 

c 

» 

c 

0 
CO 

■s  «    ^  ^  -- 

•     *   Ift     ■     •     • 

o  .  2   .   • 

®  d  ä  o  S-o 

•       •   V 

•  Sit 

.^     h.      L.  ^ 

•o  u  E  «5 
ö  SS  «o  o 

-    -  5 

.     tl 

6«       V 

- 

J 

1 

i       £2 

1     >3 

u 

4 
% 

.2 

o 

> 

1 

> 

o 

s 

o 
1 

■♦» 

n 
o 

P« 

et 
•d 

d 
M 

i- 

a«fS3l 

nv.Sa| 

ö  3  t:     3 
c 

V 

c 
o 

« 

• 

n 

1 

'•  1.2-  S 

IS« 

JO    c 

.^ 

a    * 

c 

3 

w 

V 

5 

1 

?  =5 

"1^ 

1 
V 

1.1 

9; 

—  o" 

c 

—  s 

0 

ac 

0 
1 

Q 
C 

o 

<• 

•* 
CO 

i 

.  1 

M 

'S 

SS 

§5 

rH 

".1  i.-s 

« 

1 

» 

jj  s<5  CO   ö  .^  ,o  «e  pi 

^'^  cd  ad        ö  rH  r-i'  ai 

§1. 
«1 

««CO  o 

ä 

a 

1 

i0  5» 

r-i  O 

•    1 

« 

1  !0           tC  0»  O  CO  ä 

ä  1.-.     '-.■*'^.«| 

1.5000          OSO»»-i,-<3 

e 
i 

l 

•s  =      =  «  =  = 

rt     .                ^^  Vi    ^ 

««•3       -g  2  e-- 

S  2        5  0  -o  2 

au 

"5 

"is: 

>> 

=  --S 

Ii 

•4«  ~ 

Vi 

.    1 

- 
s. 

\ 

1 

■ 

IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


öiltig  bis  auf  Weiteres.  ^ B^tplüll     llEÖ     „<l^eftCrrCirf|ifrtjmngarifrijEU     1ClDpb*'\  ^ms  bi«  auf  weiterem. 


EilUnie  TRIEST-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jedenMiltwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag  S'/sUbrNm.,  berühr.:  Pola,  Lnssin- 
piccolo,  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Castelnuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Risauo 
und  Perzagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Montag  11  Uhr  Vorm. 
DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  11  Uhr  Vorm., 
in  Cortu  P«onntag  */»!  Uhr  Km.,  berührend : 
Roviguo  ,  Pola ,  Lussinpiccolo ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Mi  Ina  ,  Lesina  ,  Curzola  ,  Orebicli ,  GraTosa, 
Ragusavecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizza.  Antivari.  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  CORFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  Val   Uhr  Nm. 

Anschluss    an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen  CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  Dienstag ÖUhrVorm.,  berührend:  Parga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6Vj  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH- ALBAKESISCHE 

LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm..  in 

Corfu  Donnerstag  S'/a  Uhr  Abends,  berührend: 

Rovigno,    Pola,    Lussinpiccolo ,    Melada,    Zara, 

Sebenico,    Rogosnizza,    t^palato,  Milnä,  Civita- 


veccbta.  Lissa,  Comisa,  Vallegrande,  Lagosta, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Budua,  Medua,  Durazzo,  Valoua  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRückfahrt  wiid  auchDulcigno 
und  Antivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  n  Trieat 
nächsten  Samstag  IIV4  Ubr  Vorm. 

Anßchluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FlUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  Va^  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cherso,  Pola,  Roviguo 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Ubr  Mittags. 

Waarenlinie     FIUME  -  CATTARO    A) 

jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nci. ,  berührend ; 
Malinsca,  Veglia,  Lussiugrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Ijissa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Auscbluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfalirt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  £) 
jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner. 
Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm.,  berührend  :  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo ,  Selve  ,  Zara ,  Sebenico, 
Traii,  Spalato,  Porto-Carober,  Mtlnii,  Leaina, 
Lifsa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Flame  Donnerstag  5  Uhr  Nra. 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-Metcoricb 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  1'/»  Uhr  NachU.   Ank.  in 
Cattaro  Montag  4Vi  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  (i  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm-,  in 
Metcovich  Samstag  12V3  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  lOV,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  Ü'/a  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
A)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4Va  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich  Montag  5  Uhr  Nrn..  berührend:  S.  Piotro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  and  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  ü'i^  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachti  im 
Winter,  und  um  11  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  T  Uhr  Früh  im 
Winter,  und   um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


LE^S7".A.lSrTE-r>IE3SrST- 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstag  11  UhrVorm, 
mit  Berührung  von  Brindi.si,  Cprfu,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  t»  Uhr  Vorm.; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Alontag 
.5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  5Vj  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  Zwciglinic  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  thessali- 
sche  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nm.,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnäch»ten  Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Rethymo,  Candia,  Samos  (Vathy),  Tschesme 
und  Chios  *,  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Ank,  in  Triest  zweit- 
näcbsten  Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel    -n  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwochs  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank,  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALLSCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  C  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  C'/,  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras,  Catacolo,  Calam^ta,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänuer 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME- ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  S  Uhr  Nachm.;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.5.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  JaflFa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28, 
Jänner  angefangen  7^/3  Ubr  Abends,  Ank.  iu 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm.;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nrn.,  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung   von    Gallipoli 

Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 

')  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rhodos ,  Limassol ,  Larnaca,  Beirat,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
.iänner  angefangen  Mittags ;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7^»  Ubr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Linie    CONSTANTINOPEL-BR AILA. 

Samstag  2  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch it  Ubr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
KÜ8tendje,Sulinaiind  Galatz;  RückfahrtDonners- 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  rrüh. 

Ansihluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  Constantinopel  an  den  Eildampfer* 
Triest-Constantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küstendje. 

Linie  CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 
Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Ubr  Nrn.,  Ank.  inBatum- 
Mittwoch  Ö'/a  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  ü  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti* 
nopel  Mittwoch  iVa  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Ubr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Ubr  Vorm., 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


insriDO-OHLIISrESISCHEiR     IDIElSrST. 


Eillinie  TRIEöT— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Kachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rothes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rückfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis   iucl.  Jänner  1891. 

Linie  TrtlEST— KOTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  l,i.  der  geraden  Monate*) 

»)  Februar,  April,  Juni,  August,*  OctohAr, 
Deceraber.  *"; 


des  Jahres,  4  Ubr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay,  Colombo ,  Penang,  Singapore. 
Rückfahrt  von  Hongkong  am  18.|4.,  17. ]6.,  17.|8., 
18.|I0.,  18.|12.  1890  und  lfi.|2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay  •,  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18,  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl. 
"Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Elldampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfalrt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweigltnie  Calcutta — Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zwciglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madrau.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  Ö.  Fe^er 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis   incl,  Jänner  18!)I. 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  eininat 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest^ 
Rothes  Meer — Hongkong  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt. 


BI^.A.SIim^!INriSOI3:E  LIlSriE  TI?,IDBST-S./^2SrXOS. 


Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  Deceniber   1890,    berührend:    Malaga,  Gibraltar»  Insel    St.  Viuceut,     Pernambuco,  Bahia, 
Rio  de  Janeiro-,  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.') 

')  Bei   eventueller  Auslassung   der   Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco   auf  der  Rückfahrt  verfrühen 

sich     dip.     Anltiinfto     in     <^l«i.     f^lrtonrlon      T7!/>lw.Ilan     .ir«     Ai^     ..„  »i.,.„„„V.„„  J„     "7-,!. 


OESTERR  EICHISCHE 


: — — — •-       -^^ 

SECHZEHNTER    JAHRGANG.  WIEN,     IM     MAI     1890.  '*'"     $•    BBILAOB. 


Die  „Oesterreichisclie  Monatsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im  Verlage  des  k.  k.  österr.  Handels -Museums  in  Wien  (I.,  Börse- 
gasse 3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Älitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
und  Reisender,  bringt  Artikel  und  Äliscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
das  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 

Das  Jahies-Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.   5. —  ü.  W.  ■=    lo  Mark. 


( ^'^^m 


ffö 


A7^-' 


KAISERL.   KÖNIGL.       ^^»      P  R  I  V  I  LE  G  I  RT  &s^/^>'6^^  P/^/^ 


TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 


*<c 


VON 


Philipp  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WAÄRENHÄUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 

FILIALE;  VI,,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

EMPFEHLEN  IHR  GROSSES  LAGER  IX  MÖBELSTOFFEN,  TEPPICHEN,   TISCH-.   BETT- 

UND  FLANELLDECKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE,  BAST  und  JUTE,  WEISSEN 

VORHÄNGEN  und   PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  grosse  laoer  von 

ORIEIfTALISCHElf  TEPPICHE]«[  ro  SPECIALITiTEK 

NIEDERLAGEN: 

BUDAPEST,     GISELAPLATZ   (EIGENES   WAARHNHAUS).    PR.\G,   GRABE»     (EIGENES  WAAREHAUS).    URAZ, 
HERRKNGASSK.     LE.MBERO,    ULICY    JAGIKLLONSKIEJ.    LINZ,    FRANZ   JOSEF-PLATZ.    BUKAREST,    CALLEA 

viCTORiAE.  MAILAND,  domplatz  (eigenes  waarenhaus).  NEAPEL,  via  roma.  GENUA,  vla  roma. 

ROM,  VIA  DEL  C0R80. 

FABRIKEN: 

WIEN,  VI.  STÜ.MPBRGA8SE.  EBERGASSING,  nieder-österreich.  MITTKRNDORF,  nieder-östkrreich. 
HLINSKO,  BÖHMEN.  BRADPORD,  England.  LISSONE,  itaukn.  ARANYOS-MAROTH    ■-••-: 

KPf^MSä.     FIR    DEN    VEUKAIP    I.M   PREISE    HERABGESETZTER  WAAREN  IST     EINE    BIOENK    ABTHKlLUSa    Ut 

3at?'i        WAAUENHAUSK  EINOERIOHTET. 


>, 


y 


II 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN   ORIENT. 


K.  k.  kfldesbefugte 


Gegrüniiei  1813. 


Glasfabrikanten 


S.BEICH&C 


U.  ßfiarnrnlfit 


Geerlnilet  1813, 


fjauptnicdcrlagc  iiiiii   Cciitrnit   fäinmllidicr  lEtabitfircuicnts : 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

N  I  F.  D  K II L  A  C,  K  X : 

BERLIN,  AMSTERDAM,    LONDON,   MAILAND 
und  NEW-YORK. 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterrelch- 
Ungarn.  umfassend  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und Wasserschleiferelen,  Glas-Raffinerien,  Maler- 
Ateliers  etc.,  in  denen  alle  in  das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  werden. 

SPECIALITÄT: 

GlaSwaaren  zu  Beleuclitungszwecken 

für  Petroleum,  Gas,  Oel  und  elekto-techn. 
Gebrauch. 

Preiscourante    und   Musterbücher  gratis  und  franCO. 
9^~  Export  nach  allen  Weitgehenden. 


Kaiserl.  köaigl.    S" 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grosste  Lampe-n-Fakik  am  Contineote 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger   Auswahl,    in    nur    solider  Ausführung; 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priT. 

Äieoer  Blitzlampe  iniJ  BnllaoMißteoptirefinßf 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar-Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen: 
Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,   Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  IVIailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 

in  allen   Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt 

Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttheilen. 


ü«  k-  pri"V"-  S\id.TDa.tLraL-C3resellsctLa.ft- 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 


outig:  vom  1.  Juni  1890. 


Abfahrt  von  Wien: 


6.— 
7.— 

7.30 

1.20 

1.35 

4.30 
5.05 
7.40 

8.15 


Früh  :  (Personenzug)  Payerbach  ;  Kanizsa  ,  Budapest ; 
Pakräcz-Lipik-,  Essegg,  Sarajevo;  Agram ;  Aspaug. 
Früh :  (Schnellzug)  Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Ischl; 
Venedig,  Rom,  Mailand  {via  l'onlebba);  Bozen,  Meran, 
Verona  (via  Leoben) ;  Neuberg  ;  Kanizsa,  Budapest,  PakrÄcz- 
Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo;  Aspang. 
Früh:  (Schnellzug)  Triest,  iiörz,  Fiume,  Agram,  Sissek 
(via  Steinbrück);  Brod;  Klagenfurt,  ViUach,  "Wolfsberg; 
Uadkersburg,  Köflacb. 

Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  ü-örz,  Venedig;  Fiume; 
Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben,  Vordernberg;  Neuberg. 
Nachmittags :  (Personenzug)  Oedenburg,  Kanizsa,  Güqs, 
Budapest. 

Nachmittags:  (Personenzug)  Graz,  Neuberg. 
Nachmittags :  (Personenzug)  Steinamanger. 
Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 
Essegg,  Bosnisch-Brood;  Agram,  Sissek,  Banjahika;  Haiu- 
feld,  Gutenstein. 

Abend.s:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom;  Pola, 
Roviguo ;  Fiume ;  Sissek,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Pragerhof),  Klagenfurt,  Franzeusfeste,  Meran,  Ala,  Inns- 
bruck   (via  Marburg). 

Abends:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom,  Mailand; 
Pola,  Kovigno.  Fiume,  Agram ;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
Klagenfurt,  Wolfsberg,  Meran,  Verona,  Innsbruck  (via 
Marburg);  Radkeraburg,  KÖflach,  Wies;  Leobeo,  Vordern- 
berg; Aussee,  Ischi,  Villaeh  (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 


6.40  Früh:    (Postzug)    Triest.    Rom.    Mailand,   Venedig,    Görz; 

Agram,    Budape-^^t    (via    Pragerhof);    Verona,     Innsbruck, 

Klagenfurt    (via   Marburg);    Uadkersburg,    Köflach,  Wies; 

Venedig;  ViUach  (via  Leobeu). 
8.58  Früh:    (Personenzug)    Kanizsa,    Bosnisch-Brood,    Essegg; 

Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 
9.40  Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  Güns. 
9.50  Vormittags;   (Schnellzug)  Triest,    Rom,  Mailand,  Venedig, 

Görz;    Pola,    Rovigno;    Fiume,  Sissek,  Agram;   Budapest 

(via  Pragerhof),    Ala.   Meran,    Innsbruck,   Klagenfurt  (via 

Marburg),  Leoben,  Neuberg. 
1.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Graz. 
1.52  Nachmittags:    (Personenzug)   Oedenburg  (nur  Montag  und 

Freitag);  Aspang;  Hainfcld,  Gutensti-ia. 
3.40  Nachmittags :     (Personenzug)     Kanizsa,      Budapest      (via 

Oedenburg). 
4._  Nachmittags  :  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola  ;  Fiume, 

Sissek,  Agram;  Radkersburg,  KÖflach,  Wies:  Vordernberg, 

Leoben,  Neuberg. 
8.44  Abends:  (Personenzug)  Sarajevo,  Essegg;  Agram,  Budapest, 

Kanizsa,     Pakräcz-Lipik     (via     Oedenburg),     Hainfeld, 

Gutenstein. 
it.30  Abends:  Schnellzug)  Triest,  Görz,  Pol»,  Rovigno;  Fiume; 

Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  ViUach,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  KÖflach,  Vordernberg. 
10.15  Abends:    (Schnellzug)  Venedig,    Rom,    Mailand    (via  Pon- 

tebba),  Verona,    Meran,  Innsbruck  (via  Villaeh— Leoben)  ; 

Ischl,  Aussee ;  Neuberg. 


Sohlafipagreu    verkehren    mit   den   SchneUzügen    (Wien  ab  8.15  Abends,    Wien  an  9.50  Vormittags)  zwischen  Wien  -Venedig' 

via  Cormons  und  Wien-Merau  via  Marburg. 

Dlrecte  Wag'en  I.,    ZI,  Olasse    verkehren    mit    den  obigen  Schnellzügen  zwischen  TtTien-Finme  (Abbazia),    ferner  mit  den 
SchneUzügen  (Wien  ab  7. —  Früh  und  Wien  an  10.15  Abends)  zwischen  Wlen-VenedigT  via  Leoben. 


J!I\ 

Ca 


805't 


OCöTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOR    DEN    ORIENT. 


III 


(D 

CO 

<0 

r1 

1 

fl 

xi 

CO 

Ä 

Ä 

■/) 

3 

< 

1 

7) 

^ 

->-> 

ctS 
C3 

fi. 

4-1 

■y) 

tf 

1) 

X2 

s 

C) 

73 

< 

N 

c 
I 
;■ 

i 

E- 

e 

c 
;• 
e 

;■ 

c 

I 

e 

c 

;. 

C 

I 

■*- 
z 

4. 
P. 

s 


0 

I 

s 

p« 


=  5  " : 
1=-    X. 


.=  N  ^  _;  ^ 


=   S   J 


£NS5  = 


CO 


i'^l;^: 


1?= 

13  1. 

5»  =  «!«'' 

< 

Nr.  10 
I.II  lU. 

Clmase 

7.15 

i  IS  ijs 

Abd«. 

9.35 
12.05 

1.58 

1 

9.— 
1.19 
1.39 
4.25 

2  IS 

iS 

1 

8.30 
1058 
11.11 
12.51 

.«- 

V 

fjgs 

ä 

t-»» 

o 

!■ 

> 

V 

hfl 

SS5 

i 

•d  «  «  2     1 

cl 

■< 

cu 

3S2 

." 

'4<0  <ä 

.0 

■< 

33  1 

i 

rt  i-i  w 

u 

Ä 

'  t^      ©  —  jsi 


MCQtN 


oSS ; 


iSW, 


^        (rt  w    (/;    «J 
_       -äs   J!   >,^ 


5x 


Et:. 

•o  o 

HO. 


4 
t» 
O 
h 
O 
•r« 
O 
»4 
« 

I 

> 

o 
«i 

o 
I 

■ 
o 
P< 
ci 
'S 
d 

n 

I 

'0 


Eg==: 


er-: 
Z-" 


o^idS 


£NZ  = 


^Z"^ 


a'^a- 


n 
CO 


4^ 

— 

Nä 

.2    1  SO 

h 

•< 



.lOOO 

tu 

•  (N-«r 

<« 

k> 

014 

^SSg 

S«so 

Z 

s^s 

£«» 



"'1 


..      g  3  OJ  ^.  N  -  3  e  lg  ^ 

N    S5         ^ifaJilü     ■< 


r;    1.  in 


,,  o  5^  m  1-t 

"    ri  T-l  CO  r" 


SS 


^9 


\% 


t^  Ȁ  O  30 
■*  —  Ä  rH 

TjJia  «ei  t» 


2S 


S  I 

*»  r 


ff;  •*»  S 


©r-li-i04 


•AM 

40  QO 


•»^    .«-3  £■♦5 

«''^  !•:  =  -'»£ 


5  E  I  J 


'S  <x 

sau 


ir  c  £  o 
r  —  =  «» 


;.?d 


5=! 


42 

•  > 


2S- 


i3 


•«3©  o    . 


^  a 


t 
■       t 

a 

?    ^ 

C  • 


--    e 


s:  iL 


£2 


0  ter-  ZZ  * 


,o  U-:  .  <=■ 


S-.«._ 


z         ^ 


.=  s 


Sa 

es 


J 

k 


S 


■§5 


8 

« 

m 

e 

■ 

e 

s 


2 


IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FOr    DEN    ORIENT 


üiltig    hl«  alil   Weiteres. 


jfalirplan  bcs  ,,^citcrrcicf)ti"rt)''tmganfif|cn  IBLiouö' 


iiiui{  Uis  auf  Weiter«*. 


-Aui:>i^I-A.TISCHEK.     IDIEISrST- 


Eillime  TKltbT-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag 3'/jUhrNm.,  berühr.:  Pola,  Lussin- 
piccolo,  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Castelnuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Risano 
und  Peizagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
In  Triest  Montag  11  Uhr  Vorm. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 
Ab  TRIEST  jeden   Montag   11    Uhr  Vorm., 

in  Corfu  Sonntag  V»l  Uhr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  Lussinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Mi  Ina  ,  Leeina  ,  Curzola  ,  Orebich  ,  Grarosa, 
Rsgu-^aveccbia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizza,  Antivari,  Dutcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Qnaranta. 

Ab  CORFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
TriePt  Mittwoch  »/jl   Uhr  Nm. 

Anschluss    an    die    Eillinie    Trlest-Constan- 
tinopel  in  Corfn  bei  der  Hinfahrt. 
l/J  Zwischen   CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  DienstagOUhrVorm.,  berührend  :  Parga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6Va  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBANESISCHE 

LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm..  in 

Corfu  Donnerstag  S'/^  Uhr  Abends,  berührend: 

Rovigno,    Pola,    Lussinpiccolo,    Melada,    Zara, 

Sebenico,    Rogosnizza,    Spalato,  Milni,  Civita- 


veechia.  Lissa,  Comi^a,  Vatlegrande,  Lagosta, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa.  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Biidna,  Medua,  Durazzo,  Valoua  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRtickfabrt  wird  auchDulcigno 
und  Aniivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  n  Triest 
nächsten  Samstag  ll'/4  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FIUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  */al  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cherso,  Pola,  Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Uhr  Mittags, 

Waarenlinie  FIUME  -  CATTARO  A) 
jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh.  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nrn.,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milni, 
Lesina,  Lissa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),   Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Monteg  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschliies  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  B) 
jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner, 
Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve.  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Lissa.  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Fiunie  Donnerstag  5  Uhr  Nrn. 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-Metcovich 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  l'/»  Uhr  Nachts.   Ank.  in 
Cattaro  Montag  i'/a  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Trieät-Metcovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  U'/j Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10'/,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  9Va  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
Ä)  in  Spalato  auf  der  Hiu-  und  Ruckfahrt. 

Linie  .SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4';a  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  9'/,  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  nm   11  Uhr  im   Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  T  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  um  G  Uhr  Früh  im  Sommer. 


LE^V.A.ISrTE-r>IElSrST. 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 
Ab  von  TRIEST  jeden  Samstag  11  UhrVorm. 
mit  Berührung  von  Brindisi,  Corfu,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm. ; 
Rückfahrt    von    Constantinopel    jeden    Montag 

5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  SV^  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  thessali- 
sche  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie   in   Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nm,,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnäch»ten  Sonntag 

6  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Relhymo,  Candia,  Samos  (Vathy),  Tschesme 
und  Chios-,  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsteu  Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel   in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  MitiwochS  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nm.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/,  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras,  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME-ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu.  Ank.  In  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm. ;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.Ö.  Jänner  augefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Be'rut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Frfih. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28. 
Jänner  angefangen  T',,  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm.;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freilag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woch«  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nrn..  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung   von    Gailipoli 

Dardanellen,  TenedoB,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 

')  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rhodus ,  Limasso] ,  Larnaca,  Beirut,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7*/«  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechiseh-orienlalisclie 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie    CONSTANTINOPEL-BK AILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 9  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
Küstendje,Sulina  und  Galatz;  RQckfahrtDonners- 
tag  8  Uhr  Früh.  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  Ir-rüh'. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Parts,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  v^'onstantinopel  an  den  Eitdampftrr 
Triest-Coustaniinopel  in  beiden  Riehtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschräiiken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küstendje. 

Linie  CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 
Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Sarnstag  3UhrNm.,  Ank.inBatum 
Mittwoch  G'/a  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Inebolt,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  6  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch  iVa  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Bfcrührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9   Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


insrüo-OiHiiisrEsisci^iEi^   idiehstst-. 


Eiliime  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschtu.-is  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rothes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  RÜL-kfahrt 
von  Bombay  vom  l.Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis   iucl.  Jänner  1891, 

Linie  TtilEST— ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  15.  der  geraden  Monate  i) 


')  Februar,   April,   Juni,   August,   October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay,  Colombo,  Penang.  Singapore. 
Rückfahrt  von  Hongkong  am  18.(4.,  17.|6.,  17.|8., 
18.110.,  18.|12.  1890  und  IG  |2.  1891. 

Anschlusi  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay ;  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutla— Colombo. 

ZweiglinJe  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18.  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl, 
Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Amicnluss  m  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutla — Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCÜTTA— COLOMBO.  Ab 
Caicutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Feber 
ab  Jeden  5.  des  Monates  bis  incl.  Jänner  1891. 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer — Hongkong  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der   Hin-und  Rückfahrt. 


Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December  1890,    berührend:   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vinceut,    Pernambuco,  Babia, 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt  von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891. >) 

')  Bei  eventueller  Auslassung   der  Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco   auf  der  Rückfahrt  verfrühen 
sich  die  AnkUnfie  in  den  folgenden  Echellen  um  die  entsprechende  Zeit. 

Ohne   Haftung  für  etwaige  Aenderungen   in   den  Zwischenhäfen  und  ohne  Verbindlichkeit  für   die  Rege)m&ssigkeit    des    Dienstes  wabreaa 
der  Gontumazmassregein. 


Verantwortlicher  Redacteur:  A.  v.  Scala. 


Druck  von  Gh.  Reisser  &  M.  Werthner  in  Wien. 


p 


OESTERREICHISCHE 


SECHZEHNTER   JAHRGANG.  WIEN,    IM     JUNI     1890.      \j^/t^^i'^      N"*     ^     BEILAO«. 


Die  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  aen  Orient" 

erscheint  im   Verlage    des  k.  k.   österr.  Handels -Museums    in  Wien   (I.,  Börse- 

i^  gasse  3). 
^K  Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 

und  Reisender,    bringt    Artikel    und    Miscellen    handelspolitischen,    kunstgewerblfchen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 
Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 

Idas  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 


KAISERL.   KONIGL.     "^^^^    PRIVILEGIRTE 

TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 


VON 


Philipp  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WAARENHÄUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 

FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

KMPFKHLEN  IHK  GROSSES  LAGER  IN   MÖBELSTOFFEN,  TEPPICHEN,  TISCH-,   BETT- 

UND  FLANELLDECKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE ,  BAST  und  JUTE,  WEISSEN 

VOEHÄNGEN   und  PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  grosse  laoer  von 

ORIEITALISCHEI  TEPPICHElf  ura  SPECIALITiTEK 

NIEDERLAGEN: 

BUDAPEST,  GISELAPLATZ  (eigenes  WAARENHÄUS).  PRAG,  GRABEN  (kiqenks  waarehaus).  GRAZ, 
HERRENGASSE.  LEJIBERG,  ULICY  JAGIELLONSKIEJ.  LINZ,  FRANZ  JOSEF-PLATZ.  BUKAREST,  CALLBA 
VICTORIAE.    MAIIiAND,   DOMPLATZ   (EIGENES   WAARENHÄUS).   NEAPEL,   VLA   ROMA.    GENUA,   VIA  ROMA. 

ROM,    VIA   DEL  CORSO. 

FABRIKEN: 

WIEN,  VI.  STUMPEROAS8E.  EBERGASSINti,  niedeu-österreich.  MITTERND0RI«\  nif.der-österreich. 
HLINSKO,  BÖH.MEN.  BRADPORD,  England.  LISSONE,  Italien.  ARANYOS-MARÖTH,  onoarn 

KPfSpa  FÜR  DBS  VERKAUF  IM  PREISE  HERABGESETZTER  WAAREN  IST  EINE  BIOENB  ABTHKILÜNO  IM 
Itty.        WAARENHAUSE  EINGERICHTET. 


11 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


K.  k.  laDdesbefugte^lGlasfabrikanteü 


Gegrtin4ei  1813. 


Begrindet  1813, 


fjttuptiiicbf ringe  iiiii   Cculvnlc   fäinnitlid)ct  (EtoDlifffintitts : 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

NIEDERLAG KN: 

BERLIN,   AMSTERDAM,    LONDON,    MAILAND 
und  NEW-YORK. 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterrelch- 
Ungarn,  umfassend  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und Wasserschlelfereien,  Glas-Raffinerien,  Maler- 
Ateliers  etc.,  in  denen  alle  in  das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  werden. 

SPECIALITÄT: 

Glaswaaren  zu  Beleuclitungszwecken 

für  Petroleum,  Gas,  Oel  und  elekto-techn. 
Gebrauch. 

Preiscourante    und  Musterbücher  gratis  und  franCO. 

gV  Export  nach  allen  Welt^egenden. 


Kaiserl.  königl. 


Lampi 


landesprivilegirte 


len-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grösste  LampeD-Fatirik  am  Contineote 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossarliger   Auswahl,    in    nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priv. 

Mm  Blitzlampe  unil  Brillafit-Iisteoptipeiifief 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar-Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen: 
Wien,  Graz,  Prag.  Lemberg,  Triest,  Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 
in  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttheilen. 


ü.  k:_  pri^^-  S'ÜLcL'bgLih.xx-Oesellsoih.gLft- 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 

Giltig  vom  1.  Jaul  1890. 


Abfahrt  von  Wien: 

6. —  Früh:  (Personenzug)  Payerbach ;  Kanizsa ,  Budapest  •, 
Pakräcz-Lipik;  Essegg,  Sarajevo;  Agram;  Äspang. 

7. —  Früh:  (Schnellzug)  Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Iscbl; 
Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen,  Meran, 
Verona  (via  Leoben) ;  Neuberg ;  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz- 
Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo;  Aspang. 

7.30» Früh:  (Schnellzug)  Triest,  GÖrz,  Fiume,  Agram,  Sissek 
(via  Steinbrück);  Brod;  Klagenfurt,  Villach,  Wolfsberg ; 
Radkersburg,  KÖflach. 

1.20  Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  GÖrz,  Venedig;  Fiume; 
Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben,  Vordernberg;  Neuberg. 

1.35  Nachmittags:  (Personenzug)  Oedenburg,  Kanizsa,  Güns, 
Budapest. 

4.30  Nachmittags:  (Personenzug)  Graz,  Neuberg. 

5.0.5  Nachmittags;  (Personenzug)  Steinamanger. 

7.40  Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 
Essegg,  Bosnisch-Brood;  Agram,  Sissek,  Banjaluka;  Hain- 
feld, Gutenstein. 

8.15  Abends:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom;  Pola, 
Rovigno ;  Fiume ;  Si-ssek,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Pragerhof),  Klagenfurt,  Franzensfeste,  Meran,  Ala,  Inns- 
bruck   (via  Marburg). 

8.45  Abends:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom,  Mailand; 
Pola,  Rovigno,  Fiume,  Agram ;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
Klagenfurt,  Wolfsberg,  Meran,  Verona,  Innsbruck  (via 
Marburg);  Radkersburg,  KÖflach,  Wies;  Leoben,  Vordern- 
berg; Aussee,  Ischl,  Villach  (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 

6.40  Früh:  (Postzug)  Triest.  Rom,  Mailand,  Venedig,  Görz; 
Agram,  Budapest  (via  Pragerhof);  Verona,  Innsbruck, 
Klagenfurt  (via  Marburg] ;  Radkersburg,  KÖflach,  Wies; 
Venedig;  Villach  (via  Leobeuj. 

8.58  Früh:  (Personenzutt)  Kanizsa,  Bosnisch-Brood,  Essegg; 
Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 

9.40  Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  Güns. 

9.50  Vormittags:  (Schnellzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig, 
Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume,  Sissek,  Agram;  Budapest 
(via  Pragerhof),  Ala,  Meran,  Innsbruck,  Klagenfurt  (via 
Marburg),  Leoben,  Neuberg. 

1.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Graz. 

1.52  Nachmittags:  (Personenzug)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag) ;  Aspang  ;  Hainfeld,  Gutenstein. 

3.40  Nachmittags:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4. —  Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola;  Fiume, 
Sissek,  Agram  ;  Radkersburg,  KÖflach,  Wies;  Vordernberg, 
Leoben,  Neuberg. 

8.44  Abends:  (Personenzug)  Sarajevo,  Essegg;  Agram,  Budapest, 
Kanizsa,  Pakräcz-Lipik  (via  Oedenburg),  Hainfeld , 
Gutenstein. 

9.30  Abends:  Schnellzug)  Triest,  Görz,  Pola,  Rovigno;  Fiume; 
Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  Villach,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  KÖflach,  Vordernberg. 
10.15  Abends:  (Schnellzug)  Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pon- 
tebba), Verona,  Meran,  Innsbruck  (via  Villach— Leoben) ; 
Ischl,  Aussee;  Neuberg. 


Sohlafwagren   verkehren    mit   den   Schnellzügen    (Wien  ab  8.15  Abends,   Wien  an  9.50  Vormittags)  zwischen  Wien -Venedier 

via  Cormons  und  Wien-Meran  via  Marburg. 

Dlreote  Waffen  I.,    II.  Olasse    verkehren   mit   den  obigen  Schnellzügen  zwischen  Wien-Flame  '  Abbazia),    ferner  mit  den 
Schnellzügen  (Wien  ab  7.—  Früh  und  Wien  an  10.15  Abends)  zwischen  Wlen-Veoedigr  ^'ia  Leoben. 


OZoTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT  ID 


Im  VERLAGE  des 

K  K.  ÖSTERR  HANDELS-MUSEUMS 

erscheint  die 

Yolkswirth  Schaft  liehe  Wochenschrift: 

mit   Beilage : 

Comiiiirciiile  Berite  Jiir  1 1 1  isterr.-ii.  Coisttlar-Ailer. 

— >— K  Abonnements  -  Bedingungen  für  ,,Das  Handels  -  Museum"  +— «— 

incl.  Postversendung: 

nir   Ocsterrflch-rmarn :    JIhrllch    IS.  W.    n.  S.—,   halb-  Für  iil<-  Mnilrr  dm  Wrltpo»tr«rrlnni:  JUrlich  Fm.  Sä.— 

JSlirlhh  il.  W.  II.  4.-.  =  20  ShIM..  h«ll.JJhrl.   Krr«.  IS.—  =    lü  Hhlll.  4  4. 

Mir    Di'iitM'hluiKl :    Jglirlli-h    Mark     Ki.-.     hathjübrlitli  Ffir  daii  iilirii>>   tiiolunil:  jahrllrh  Frrs.  2s.-  =  2j  Mhlll. 

Mark  i«. —  5  d.,  halhjälirlirli  Krt».  15 --   12  Hklll. 

Ktnzclnummern  30  kr.  —    Probcnunimorn  i^ratlii. 

Insertions-Bedingungen  für  das  Handels-Museum: 

Kiir  dir    lOitialiffo   iinuntcrhroelifiic    Aiirnuhaie   eines    In-  FQr  ailernirende   Insfrute   ]0"„    ZaHchiac.  —  Brarhthflle 

»erates   in    '  j  itlattlireite    von   4  t'm.  IHiiie  fl.   12. — ,       i  eine»  lentimeter?»  «erden  für  Ti>il  aererhnet. 

riir  Jeden  ireileren  Centinieter  fl.  8.—.  >       Die  Inoertlons-Oehahren  »ind  im  Vorhinein  zn  entrlektea. 

:Die  -A-d  Tn  inistratioii,  Wien,  Börsegasse  3. 


©i  — >— »-    ZÜNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    H— f—  |© 

UlluifWiUliiiiiiliiiiiiiiiiiiiiuiiiuiiuilllliliuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiMiiiiniiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiniuuliiiwiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiuuliuiiiu 


I 


Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  China  etc. 

Etablirt  1856. 

HöcliHle  AiiszelchnniiK:  AiisHlelliiiiK  (^irnz  1880:   Klireii  -  Diplom. 

Auszeichnungen:  Graz  1H70,  Triest  1S71,  Silberne  Medaille. 
Melbourne  1880,  Verdienst  •Diplom.  Triest  1882,  Ooldene  Medaille. 


3 


3 


Die  k.  k.    '^^^^mmSß^^^    privllegirte 

Grösste  süd  -  österreichische  15 


in  3 

<' 

D  i 


ZUNDWAAREN-FABRIK 


FL.  POJATZI  &  COMP. 


in   Deutschlandsberg   bei   Graz  (Steiermark) 

Oh  I  OEBTEBKEIOB 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esoa). 


I 


Die  Fabrikate  besitzen  eine  ganz  besondere  ll^ideratandafählffkelt  gegen  fenolit««  Klima    o<j«r  J*%^%t 

und  brennen   unfehlbar. 


Specialitäten,  rauchlos  brennend: 


AUnmettes  Imperiale«,  run<ie  HUch.seu  mit  PortrmlU  und  Bildern,  aebr  eIeg:AQt  und  dennoch  btlllf. 

Pearl  Matches  in  s<  tmhern  tiiul  Kisttchen,   erbte  Aspenbftixcben  mit  TorsUgHcher  Brennkraft. 

Flammlferi  Igienloi  Uao  Oamerai    Kipsb51icben    in    schönen   lackirten    Schobern    mit   orientallachen    Bild«» 

und  Photographien. 
Ausserdem  :  Wiener  SalonhÖlscben  In  allen  Sorten,  acbwediacbe  Stcberbeitaiflnder  etc. 

Offerte  sowohl  direct  von  der  Fabrik,  als  durch  die  Generat-Repräsentanz: 

SMREKER   &  COMP.  IN  TRIEST. 

|iiiiji§MiiiiiiiiniiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiimiiiiiiiiiiniiiitiiiinuiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiuiniiiiiHiiiiiiiiiiiiiniiiniinuiiiiiniiiiuiniu^ 
'■?-*  -H      FIAMMIFERI.    —    MATCHES,     -i-  — ;- 


Aäifii 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


'^'M-^r>h 


jfafitplan  öeö  „o^ßftErrcittifrij'iingarifcÖEn  IClopö' 


Olltig  bis  unf  Weiteres. 


3?^^ 


'       Ey3^(JR€EST-CATTAR0. 

AbTjRIElST  jeden  Mittwoch  11  Uhr  Vorm. 
Cattaro  FreltagSVsUhr Nrn.,  berühr.:  Pola,Lu88in- 
piccolOf  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
Tosa,  Castelnuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Ribhdo 
und  PeizagDo. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Montag  11  Uhr  Vorm. 
DALMATINISCH -ALBAKESISCHE 
LIKIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  (Sonntag  */>!  Ubr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  Lussinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Mi  Ina  ,  Lewina  ,  Curzola  ,  Orebich  ,  Grarosa, 
Ragu-avecchia,  Castelnuovo  (uder  Megline), 
Cattaro,  Budna,  Spizza,  Antivari,  Dulcigno, 
Medua,   Burazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  CORFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  V3I   Uhr  Nm. 

Anscbluss    an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen   CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  DienstagSUhrVorm.,  berührend  :  Farga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6V2  Uhr  Abds, 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück ;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATIKISCH-ALBANESISCHE 
LIME  BIS  CORFU. 
Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Corfu  Donnerstag  8'/a  Uhr  Abends,  berührend; 
Rovigno,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Melada,  Zara, 
Sebenico,    Rogosnizza,    ^palato,  Milnä,  Civita- 


J^üK.IJ^TISOüEIi     IDIElSrST. 


veccbia,  Lissa,  Comisa,  Valtegrande,  Lagoata, 
Terstenik,  MeJeda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
findua,  Medua,  Dnrazzo,  Valona  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRückfabrt  wird  aucbDuIcigno 
und  Antivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  n  Triest 
nächsten  Samstag  11'/«  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FIUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  Vjl  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cherso,  Pola, Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie  FIUME  -  CATTARO  A) 
jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm. ,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Miln&, 
Lesina.  Lis^a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),   Perasto.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovicb  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  £) 
jede  zweite  Woche  vom  9,  Jänner. 
Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milni,  Lesina, 
Lissa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Fiume  Donnerstag  5  Uhr  Nra. 


Anschluss  an  die  Linie  Spatato-Metcovicb 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  1»/,  Uhr  Nachts.   Ank.  in 
Cattaro  Montag  4>/a  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  C  Uhr  Abends. 

AnscblusH  an  die  Linie  Triest-Metcovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  12';2  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  lO»/,  Uhr  Vorm.. 
in  Triest  Donnerstag  9*/»  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
A)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4»/,  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  öUbrNm.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  9«/,  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  »im  II  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  7  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


nLE^v.A.isrTE-r>iEisrsT. 


Eillinie  TR  lEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstae  11  UhrVorm. 
mit  Berührung  von  Brindisi,  Corfu,  Patras, 
Piräus.  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm. ; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  ö'/a  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  ui'd  an  die  ihessali- 
fiche  Linie  auf  der  Hin-  und  Rü<  kfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie  in  (orfn  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Sniyrna  den  zweitnäch^ten Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien  ,  Zanle,  Cerigo,  (;anea  (Suda), 
Rethynio,  Candia,  ^amos  (Vathy),  Tschesme 
und  Chio.s-,  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsteu  Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel   in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anspliluss  an  die  syri^che  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  RiU-kfMhrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TKIEST-ALEXANDRIEN. 

Jeden  Freilag  12  Uhr  Mittaps  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwochs  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrieu  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends, 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandi'ien  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  G'/j  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Pal  ras,  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatscb,  Dardanellen,  GalHpoIi,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME- ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm. ;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.^.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Früh, 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28, 
Jänner  angefangen  7^/a  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaifa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm. ;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woch«  vom  2.  Jänner, 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nm..  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung   von    Gallipoli 

Dardanellen,  Teuedos,  Mytilene,  Sniyrna,  Chios, 

•)  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rhodus ,  Limassül ,  Lamaca,  Beirat,  Caiffa 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7Vj  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 9  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
Küstendje,Sulina  und  Galatz;  RückfahrtDonners- 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Cons{autinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  Früh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug  von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  Constantinopel  an  den  Eildampfer 
Triest-Constantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küstendje. 

Linie    CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Batnm 
Mittwoch  6Va  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  .länner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  6  Uhr  Abends.  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch  l'/a  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank,  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


IISriDO-OHCIlSrESISCIEiEI^     IDIElSrSX- 


Elllinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  i'  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rothes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rü'-kfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis    incl.  Jänner  1891. 

Linie  TKIEST-ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  1").  der  geraden  Monate*) 


*)  Februar,   April,   Juni,   August,   October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Saakim,  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Colombo,  Peuaug,  Singapore. 
Rückfahrt  von  H  -ngkong  am  18.|4.,  17.]6.,  17. |8., 
18.|10.,  18.112.   1890  und  IG  |2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay ;  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18,  der  ungeraden  äionate  des  Jahres  bis  incl. 
Jänner  1891. 


AuächtuHs  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutta — Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCIJTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Feber 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis  incl.  Jänner  1891, 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer — Hongkong  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay— Hongkong 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt. 


BE,A.SI]liIA.]Sr3:SO:E3:E  I^IJSTIE  TIÜEST-SA-ZSTTOS-  

Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December  1890,    berührend;   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vincent,    Pernambuco,  Bahia, 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.') 

')  Bei   eventueller  Auslassung  der   Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Babia  und  Pernambuco   auf  der  Rückfahrt  verfrühen 
sich  die  Ankünfte  in  den  folgenden   ^chellen  um  die  entsprechende  Zeit. 

Uhne    Haftung  für  etwaige  Aenderungen    in    den  Zwiscbenhäfen  und  ohne  Verbindlichkeit  für    die  RegeJmasälgkeic     des    Dienstes  wahrend 
der  ContumaKmassrei^eln. 


Verantwortlicher  Redacteur:  A.  v.  Scala. 


Druck  von  Gh.  Reisser  &  M.  Werthner  in  Wien. 


OESTERREICHISCHE 


SECHZEHNTER    JAHRGANG.  WIEN,    IM    JULI     1890.  «"•    ?.    BEILAG». 


Die  „Oesterreichische  Montitsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im  Verlage    des  k.  k.   österr.  Handels -MuseumB    in  Wien  (I.,  Börse- 
gasse 3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
und  Reisender,  bringt  Artikel  und  IMiscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
das  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 
Das  Jahies-Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.  5. —  ö.  W.  =   10  Mark. 


KAISERL.   KONIGL.       «g«»      PRIVILEGIRTE 

TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 


VON 


Philipp  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WääRENHäUS:  I.,  STOCK-IM-SISENPLÄTZ  6 

FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

KMPFEHLEN  IHR  GROSSES  LAGER  IN   MÖBELSTOFFEN,   TEPPICHEN,  TISCH-,   BETT- 

üND  FLANELLDECKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE,  BAST  i*d  JUTE,  WEISSEN 

VORHÄNGEN  und   PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  grosse  \lager  von 

ORIEITALISCHEI  TEPPICHE!  und  SPECIAÜTlTEIT. 

\ 

NIEDERLAGEN:  \ 

BUDAPEST,   GISELAPLATZ  (eigenes  waarexhaus).  PEAO,  graben   (eigenes  waarehaus^  URAZ, 

HERRENGASSB.     LEMBERG,    ULICY   JA0IELL0NSK1EJ.    L[2^Z,    FRANZ  JOSEF-PLATZ.   BUKAREST,  "fALLEA 

victoriab.  MAILAND,  domplatz  (eigenes  waarenhaus).  NEAPEL,  via  roma.  GENUA,  viaVhoiia. 

ROM,    VIA    DEL   OOKSO.  \ 

FABRIKEN:  \ 

WIEN,  vi.  stompergasse.  EBERGASSINü,  nieder-österreich.  MITTERNDORF,  niedbr-östbrUkicW- 
HLINSKO,  BÖHMEN.  BRADPORD,  England.  LISSONE,  Italien.  AJIANYOS-MARÖTH,  onqar.s.     | 

PUR   DEN   VERKAUF  IM  PREISE    HERABGESETZTER  WAAREN  IST    EINE  EIGENE   ABTHEILÜNO   IM" 
WAARBNHAUSH  EINGERICHTET. 


II 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÜR   DEN   ORIENT. 


K.  k.  laBdesbefugte^j^Glasfabrikanten 


\imMi[  1813. 


nmm 


'0. 


Gegründet  1813. 


ijauplnitbcrlngc  iiiiti   Cciilntlt   rüinintlidicr  (Elnliliffntunls: 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

NIEDERLAGEN: 

BERLIN,  AMSTERDAM,   LONDON,   MAILAND 

und  NEW-YORK. 

'  Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterreich- 
Ung  arn.  umfas.scnd  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und   Wasserschleifereien,     Glas-Raffinerien,    Maler- 
Ateliers   etc.,  in  denen   alle   in   das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  \verdeD. 

SPECIALITAT: 

Glaswaaren  zu  Beleuclituiigszwecken 

für  Petroleum,  Gas,  Oel  und  elekto-techn. 
Gebrauch. 

Preiscourante    und  Musterbücher  gratis  und  franCO. 

9^~  Export  nach  allen  Weltgeg-enden. 


Kaiserl.  königl. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grösste  Lainpen-Falirik  am  Conlinente 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger   Auswahl,    in   nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priv. 

Wiener  Blitzlampe  M  Brillant-Illeteortireiiner 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar-Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen: 

Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,   Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 
in  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  alten  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nacli  allen  Welttheilen. 


IK-  k-  pri"v-_  S-ü.cL"bELli.n-C3-esellsc!h.a-ft- 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 


Oiltig  vom  1.  Juni  1890. 


Abfahrt  von  Wien: 


6.— 
7.— 

7.30 

1.20 

1.35 

4.30 
5.05 

7.40 

8.15 


Früh:  (Personenzug)  Payerbach ;  Kanizsa ,  Budapest; 
Pakräcz-Lipik;  Essegg,  .Sarajevo;  Agram;  Aspaug. 
Früh:  (Schnellzug)  Leoben,  Vordernberg,  Aussee,  Iscbl; 
Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen,  Meran, 
Verona  (via  Leoben) ;  Neuberg ;  Kgi'nizsa,  Budapest,  PakrÄcz- 
Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo;  Aspaug. 
Früh:  (Schnellzug)  Triest,  Uörz,  Fiume,  Agram,  Sissek 
(via  Steinbrüok);  Brod;  Klagenfurt,  Villach,  Wolfsberg; 
Radkersburg,  Köflach. 

Nachmittags :  (Postzug^  Triest,  Görz,  Venedig ;  Fiume ; 
Sissek,  Brod,  Banjaliyka;  Leoben,  Vordernberg;  Neuberg. 
Nachmittags:  (Per^nenzug)  Oedenburg,  Kanizsa,  Güns, 
Budapest.  > 

Nachmittags :  Personenzug)  Graz,  Neuberg. 
Nachmittags  :^^Personenzug)  Steinaraanger. 
Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 
Essegg,  Byjsnisch-Brood;  Agram,  Sissek,  Banjaluka;  Hain- 
feld, Gu^instein. 

Abendsj^:  (Schnellzug)  Triest,  GÖrz,  Venedig,  Rom;  Pola, 
Rovigao;  Fiume;  Sissek,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Praga^hof),  Klagenfurt,  Franzensfeste,  Meran,  Äla,  Inns- 
brucK    (via  Marburg). 

Abwnds:    (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom,  Mailand; 
PoJIa,  Rovigno,  Fiume,  Agram  ;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
"'  agenfurt,    Wolfsberg,   Meran,    Verona,    Innsbruck    (via 
arburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Leoben,  Vordern- 
berg; Aussee,  Ischl,  ViUach  (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 


6.40  Früh:    (Postzug)   Triest,    Rom,    Mailand,   Venedig,    Görz; 

Agram,    Budapest    (via    Pragerhof);    Verona,    Innsbruck, 

Klagenfurt    fvJa   Marburg) ;    Radkersburg,   Köflach,  Wies ; 

Venedig;  Villaeh  (via  Leoben). 
8.58  Früh:    (Personenzug)    Kanizsa,    Bosnisch-Brood,    Essegg; 

Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 
9.40  Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  Güns. 
9,50  Vormittags:   (Schnellzug)  Triest,    Rom,  Mailand,  Venedig, 

Görz;    Pola,    Rovigno;    Fiume,  Sissek,  Agram;   Budapest 

(via  Pragerhof),    Ala,   Meran,    Innsbruck,  Klagenfurt  (via 

Marburg),  Leoben,  Neuberg. 
1.05  Nachmittags;  (Personenzug)  Graz. 
1.52  Nachmittags:    (Personenzug)   Oedenburg  (nur  Montag  und 

Freitag);  Aspang;  Hainfeld,  Gutenstein. 
3.40  Nachmittags:     (Personenzug)     Kanizsa,      Budapest      (via 

Oedenburg). 
4. —  Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola;  Fiume, 

Sissek,  Agram;  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Vordemberg, 

Leoben,  Neuberg. 
8.44  Abends ;  (Personenzug)  Sarajevo,  Easegg ;  Agram,  Budapest, 

Kanizsa,     Pakräcz  -  Lipik     (via     Oedenburg),    Hainfeld, 

Gutenstein. 
9.30  Abends:  Schnellzug)  Triest,  GÖrz,  Pola,  Rovigno;  Fiume; 

Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  Villaeh,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Vordernberg. 
10.15  Abends:    (Schnellzug)  Venedig,    Rom,    Mailand    (via  Pon- 

tebba),  Verona,    Meran,  Innsbruck  (via  Villach — Leoben); 

Ischl,  Aussee;  Neuberg. 


BoUStafwagron   verkehren   mit   den   Schnellzügen    (Wien  ab  8.15  Abends,   Wien  au  9.50  Vormittags)  zwischen  Wien *Veiiediff 

via  Cormons  und  ^len-Meran  via  Marburg. 

I^ipeote  Waffen  I,,    ZI.  Olasse    verkehren    mit   den   obigen  Schnellzügen  zwischen  'Wien*Fllime  (Abbazia),    ferner  mit  den 
Schnellzügen  (Wien  ab  7. —  Früh  und  Wien  an  10.15  Abends)  zwischen  W^len-Venedlff  via  Leoben. 


OtSTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN   ORIENT  III 


Im  VERLAGE  des 

K  K  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS 

erscheint  die 

Volks wirthachaftliche  Wochenschrift: 

mit  Beilage: 

Cffliercimiß  Berlie  1 1  o.  i  Mm.-mi  Cisnlar-ABitBr. 

— >— »-  Abonnements  -  Bedingungen  für  „Das  Handels  -  Museum"  ^-H.<— 

incl.  Postversendung: 

Für   OostcriTlcli-rni?»™ :    ■llilirllcli   B.W.   n.  (>,—,   bulb-  FDr  dir  Llnilrr  des  WrllpostrrrrliiPti:  Jlhrllrh  Frr«.  2ä.— 

JBhillfli  ö.  W.  II.   t.-.  j               =  40  Shlll..  hulhjlhrl.   Frr«.  13.—  =    10  Nhlll.  4  d. 

Für    DcMitM'hliiiicl :     .iUlirlUli    Jlurk    10.-,     halbJShrllrh  Für  das  llhrlKc  Ausland:  Jihrlich  Frm.  2>.-  =  22  Hhill. 

Mark  S.— .  5  ,i..  hallijaiirllrli  Freu.  15.—  -  12  Nhill. 

Klnzelniiminern  UO  kr.  —    ProIx^niiiniiK'rn  irratN, 

Insertions-Bedingungen  für  das  Handels-Museum: 

FUr  die    IOiiialia;e  nniiiitorbrorliruo   Aiimakmr   eines   In-  F'llr  allernirende  Inserate  10';«    /nsehia«.  —  Brnrhtheilr 

serates    in    '  ,  Itlnltbrelte   von   4  (ni.  Hübe  n.   12.—,  eines  Cenlhnelers  werden  für  Toll  xereeknel. 

rilr  Jeden  iveltereu  (  entimeter  11.  :).- .  Die  Insertlons-Uebübren  sind  Im  Vorhinein  zu  entrieblfn. 

IDie  .A-dm inistratiorL ,  Wien,  Börsegasse  3. 


m=  --^— t-    ZUNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    H— <~  1© 

iiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiuiiuiuiiiiiiinniiiiniiuiiiiiiiniiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuuliuiuiiiniiiiiniiiiiuiiiiiiuiuuliiiiniuiiiuiiuiiuulu 

Export  nach  dem  gesummten  Orient,  Indien,  China  etc.  | 

Etablirt  1856.  f 


ÜAcbfitte  AiiszeichnniiK:  AiiHstelliiiiK  (>>rHK  1880:   Klireii  •  Uiploiii. 

Auszeichnungen:  (Jraz  1H7(),  Tricst  1871,  Silberne  Medaille. 
Melbourne  1880,  Yerdieust' Diplom.  Triest  1882,  Goldene  Medaille. 


3 


I 

T 

bß 

C 

3 

u 

X! 
-.3 

CA 

6 


Die  k.  k.    ^•■'■ßMi^^^    privllegirte 

Grösste  süd  -  österreichische    *  15 

ZÜNDWAAREN-FABRIK  "" 


15 


4  FL.  POJATZI  &  COMP.  1 


I 


in  Deutschlandsberg  bei  Graz  (Steiermark) 

OEBTEKKEIOR 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabrikate  beaitaen  eine  gani  besondere  Wlderatandsrihigkelt  gegen  fenohtcs  Klima   oder  Lafsr 

und  brennen  uufeblbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend: 


; 


Allnmettes  Impörlalofl,  runde  BUcbsen  mit  Portrait«  und  Bildern,  sebr  elegant  nnd  dennoch  billig. 

Pearl  Matohea  in  Sctuibern  uud  Kisteben,   eobte  Aspenbülzcben  mit  vorviiglicber  Brennkraft. 

Flammiferi  Iglenlol  Uao  Oamarai    Ripshölscben   in    schönen   lackirten    Schubern    mit    orieDtaliachea    Bildern 

uml  rliutographien. 
Ausserdem :  Wiener  tialonbölzchen  in  allen  Sorten,  scbwediacbe  SicherbeitaiQnder  etc. 

Offerte  eowohl  direot  von  der  Fabrik,  als  durch  die  General-Repräsentanz: 

SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST. 

iniiiSiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiuiiuiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiuiiuiiiiuuliiiiuiiiiiiiiiiiiiliUlliUliiiiiiiiiiiiiiiiim 
1  — * H      FIAMMIFERI.   —    MATCHES.     ■>>-'H>- 


IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Gütig  bis  auf  Weiteres.  ifa^tplan     ÜEÖ     „tJ^eftCttCirflifd^lingarifrflEn     KCIOPÖ".  öimg  Ms  auf  weiteres. 


Eillinie  THIEST-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag  S'/^Uhr  Nm-,  berühr.:  Pola,  Lussin- 
piccolo,  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Casteluuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Rtsano 
und  Perzagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Trieat  Montag  11   Uhr  Vorm. 

DALMATIKISCH-ALBANESISCHE 

LINIE  BIS  PREVESA. 

a}  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  IX  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  Sonntag  Val  Ubr  Nrn.,  berührend: 
Rovigno  ,  Pola  ,  Lussinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Traii,  Spalato, 
Milnä  ,  Lesina  ,  Curzola  ,  Orebich  ,  GraTosa, 
Ragusavecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizea,  Antivari,  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,     Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  CORFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  V»l   Ubr  Nm. 

Anschluss   an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen   GORFU  und    PREYESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevesa  Dienstag 9UhrVorm.,  berührend:  Parga, 
Sta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6V3  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt derDimpfer  eine  Fahrt  nach  Salabora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Corfu  Donnerstag  S'/a  Uhr  Abends,  berührend: 
Rovigno,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Melada,  Zara, 
Sebenico,    Rogosnizza,    Spalato,  Milnä,  Civita- 


vecchia,  Lissa,  Comisa,  Vallegrande,  Lagosia, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Budua,  Medua,  Durazzo,  Valoua  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRückfahrt  wi  d  auchDulcigno 
und  Antivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  n  Trieat 
nächsten  Samstag  IIV4  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FlUMB  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  */al  Uhr  Mittags,  be- 
rührend ;  Malinsca,  Rabac,  Cherao,  Pola, Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonnlag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie     FIUME  -  CATTARO    A) 

jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonnlag  5  Uhr  Nm. ,  berührend : 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Lissa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovicb  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

"Waarenlinie  FIUME-CATTARO  B) 

jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  SUhrNm.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo ,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Traxi,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Lissa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline).    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Fiume  Donnerstag  5  Uhr  Nm, 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-MetcOTieb 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  l'/j  Uhr  Nachts.    Ank.  in 
Cattaro  Montag  4Va  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara, 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Ubr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metpovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm  ,  in 
Metcovich  Samstag  12V2  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opas. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  lO'/,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  9Va  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
Ä)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4Vi  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  .0  Uhr  Nm.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm.. 
in  Spalato  Donnerstag  9'/,  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B} 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag-, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  um  11  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  THJEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  T  Uhr  Früh  im 
Winter,   und   um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


LE^S7".A.3SrTE-X)IElSrST- 


Eillinie  TRIEST-COKSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstaer  11  UhrVorm. 
rait  Berührung  von  Brindisi,  Corl'u,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm.; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
5  Uhr  Nm,  Ank.  in  Triest  Sonntag  ö'/a  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anachlnss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  ihessaÜ- 
^che  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
GRIECHISCH-ORIEKTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnächhten Sonntag 
5  Ulli'  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Rethymo,  Candia,  Samos  (Valhy),  Tschesrae 
und  Chiosj  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsten Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TKIEST-ALEXA^'DRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Ubr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  MitiwochS  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALIiiCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/,  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras,  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME-ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  IG.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corl'u,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  3  Uhr  Nachm. ;  nach  Beirut  Samsiag 
vom  2ö.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28, 
Jänner  angefangen  7^',  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm.;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nm.,  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung    von    Gallipoli 

Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 

')  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rhodus ,  Limassül ,  Larnaca,  Beirat,  Caiffa 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7Vi  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 9  Uhr  Vorm.  mit  Berührting  von  Varna, 
Küstendje,SuIina  und  Galatz;  RückfahrtDonners- 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  Früh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  Constantinopel  an  den  Eildampfer 
Triest-Constantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küsttndje. 

Linie    CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Batum 
Mittwoch  6V2  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  .länner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  Ü  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch   IVa  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm.,, 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9   Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräns  an  die  Eillinie  Triest- 
Conslantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


IISriDO-OIEaillSrESISOIEiEI^    idieistst. 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Ro.thes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rückfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis  incl.  Jänner  1891. 

Linie  TftlEST-ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  15.  der  geraden  Monate') 


')  Februar,   April,   Juni,   August,   October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  >Jachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim,  Massauab,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Colombo,  Penang,  Singapore. 
Rückfahrt  von  H mgkong  am  18.|4.,  17.|6.,  17. |8., 
18.110.,  18-112.  1890  und  If.  |2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay ;  Anschluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18,  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl. 
Jänner  1891. 


AnsclilusH  in  liombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutta — Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ah 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Feber 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis  incl.  Jänner  189K 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer— Hongkong  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der    Hin-und  Rückfahrt. 


Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December  1890,    berührend:   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vinceut,    Pernambuco,  Bahia, 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18,  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891. ») 

')  Bei   eventueller  Auslassang   der   Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco   auf  der  Rückfahrt  verfrüheu 

sich  die  Ankünfle  in  den  folgenden  Echellen  um  die  entsj  rechende  Zeit^ 

Ohne   Haltung  für  etwaige  Aenüerungen   in   aen  Zwiscüenhalen  una  onne  VerDindiichkett  für   üie  Kegel massigkeit    des    Dienstes  wahrend 
der  Contumazmassregeln. 


OESTERREICHISCHE 


P0Mfe5t|rift  für  kn  #rM 


SECHZEHNTER    JAHRGANG. 


WIEN,  IM  AUGUST  1890. 


M^    8.    BBILAGB. 


Die  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im   Verlage    des  k.  k.   österr.  Handels- Museums    in  Wien   (I.,  Börse- 
gasse 3). 

IH^  Das  Blatt,   herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 

und  Reisender,    bringt    Artikel    und    Miscellen    handelspolitischen.    kun.stgewerblichen, 

1^^  ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 
^B  Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 

das  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 
Das  Jahres- Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.  5. —  ö.  \V.  ■=•   10  Mark. 


II 


li 


KAISERL.   KONIGL. 


"1 


PRIVILEGIRTE 


TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 


VON 


PHILIPP  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WAARENHÄUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 
FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

EMPFEHLEN  IHK  GROSSES  LAGER  IN    MÖBELSTOFFEN,    TEPPICHEN,    TISCH-,    BETT- 

üND  FLANELLDECKEN ,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE ,  BAST  und  JUTE,  WEISSEN 

VORHÄNGEN   und   PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  grosse  lager  von 

ORIEITALISCEEI[  TEPPICHEIf  tjo  SPECIALITATEK. 

NIEDERLAGEN: 

BUDAPEST,     Q18ELAPLATZ    (EIGENES   WAARE.NHAUS).    PRAG,    GRABEN     (EIGENES   WAAREHAUS).    WR*7! 
HERRENGASSE.     LEMBERQ,    ULICY    JAGIELL0N8K1EJ.    LINZ,    FRANZ   JOSEF-PLATZ.   BUKAREST,    CA! 
VICTORIAE.   MAIL.\ND,   DOMPLATZ   (EIGENES  WAARENHAÜS).   NEAPEL.   VIA    ROMA.    GENUA,    VIA  ROMA 

ROM,   VIA  DEL  C0R80. 

FABRIKEN: 

WIEN,  VI.  STUMPERQASSE.  EBER0AS81NG.  nieder-österreich.  .MITTERNDORF,  niedbr-Ostbrrbicb. 
HLINSKO,  BöH-MEN.  BRADPORD,  e.vgland.  LISSONE,  Italien.  ARANYOS-MARÖTH,  ünoarn. 


FÜR   DEN    VERKAUF   IM   PREISE    HERABOESETZTSR  WAAREN  IST     EINE   EIGENE    ABTHKILCNQ    IM 
WAAKENHAIISK  EINGERICHTET. 


II 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN   ORIENT. 


K.  k.  laBdeskfugte^PGlasfabrikanten 


aegrOnäet  1813, 


S,REICH&C' 


Gearüidei 


ijaupinUDcrlast  uiib   (tnttralc  fämintlid)cr  etitliliffcmciits : 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

K  I F, r ) i: III .  A ( j  K N  : 

BERLIN,  AMSTERDAM,   LONDON,   MAILAND 
und  NEW-YORK. 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterreich- 
Ungarn  .  umfassend  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und  Wasserschleifereien,  Glas-Raffinerien,  Maler- 
Ateliers  etc.,  in  denen  alle  in  das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  ■werden. 

SPECIALITAT: 

Glaswaaren  zu  Beleuclitungsz wecken 

für  Petroleum.  Gas,  Oel  und  elekto-techn. 
Gebrauch. 

Preiscourante    und  Musterbücher  gratis  und  franCO. 

Export  nach  allen  Weitgehenden.  "W 


Kaiserl.   köni};!. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grösste  Lanipen-Fabrik  am  Contineote 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger   Auswahl,    in    nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 

K.  k.  priY. 

Ilieoer  Blitzlampe  iiod  Brillant-isteortiPßiiner 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen: 
Wien,  Graz,  Prag.  Lemberg,  Triest,  Budapest  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

'  Agenturen 

in  allen  Hauptstädten  Europas  und  In  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nacli  allen  Welttlieilen. 


Kl-  k-  pri^r.  S-ü.ci"ba.!h.ri-C3-esellsctLa.ft- 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 

Oiltig  vom  1.  Juni  1890. 


Abfahrt  von  Wien: 


6. 


Ankunft  in  Wien: 

6.40  Früh;  (l'ostzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig,  Görz ; 
Agram,  Budapest  (via  Pragerhof);  Verona.  Innsbruck, 
Klagenfurt  {via  Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies; 
V^enedig;  Villach  (via  Leoben). 

8.58  Früh:  (Personenzug)  Kanizsa,  Bosniseh-Brood,  Essegg; 
Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 

9.40  Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  GQus. 

9.50  Vormittags:  (Schnellzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig, 
Görz;  Pola,  Rovigno ;  Fiume,  Sissek,  Agram;  Budapest 
(via  Pragerhof),  Ala,  Meran,  Innsbruck,  Klagenfurt  (via 
Marburg),  Leoben,  Neuberg. 

1.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Graz. 

1.52  Nachmittags:  (Personenzug)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang;  Hainfeld.  Gutenstein. 

3.40  Nachmittags :  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4. —  Nachmittags:  (Postzug)  Trieat,  Görz,  Venedig,  Pola;  Fiume, 
Siasek,  Agram;  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Vordemberg. 
Leoben,  Neuberg. 

8.44  Abends;  (Personenzug)  Sarajevo,  Essegg;  Agram,  Budapest, 
Kanizsa  ,  Pakräcz  -  Lipik  (via  Oedenburg) ,  Hainfeld  , 
Gutenstein. 

9.30  Abends:  Schnellzug)  Triest,  GÖrz,  Pol»,  Rovigno ;  Fiume; 
Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  Villach,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Vordemberg. 
10.15  Abends:  (Schnellzug)  Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pon- 
tebba),  Verona,  Meran,  Innsbruck  (via  Villach— Leoben); 
Ischl,  Aussee ;  Neuberg. 

Schlaf^vagren    verkehren    mit    den   Schnellzügen    (Wien  ab  8.15  Abends,   Wien  an  9.50  Vormittags)  zwischen  'Wlem •▼eii«dlff 

via  Cormons  und  Dtrieil-Merail  via  Marburg. 

Dlreote  Waffen  I.,    II.  Glasse    verkehren    mit   den  obigen  Schnellzügen  zwischen  Wlen-Ftnme  (Abbazia),    ferner  mit  den 
Srlmellzügen  (Wien  ab  7.—  Früh  und  Wien  an  10.15  Abends)  zwischen  'Wlen-Venedlff  via  Leoben. 


Früh :  (Personenzug)  Payerbach ;  Kanizsa  ,  Budapest ; 
Pakräcz-Lipik:  Essegg,  Sarajevo;  Agram;  Aspang. 

7. —  Früh:  (Schnellzug)  Leoben.  Vordernberg,  Aussee,  Ischl; 
Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen,  Meran, 
Verona  (via  Leoben) ;  Neuberg ;  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz- 
Lipik;  Agram,  Essegg,  Sarajevo;  Aspang. 

7.30  Früh:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agram,  Sissek 
(via  Steinbrück):  Brod;  Klagenfurt,  Villach,  Wolfsberg ; 
Radkersburg,  Köflach. 

1.20  Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  G:8rz,  Venedig;  Fiume; 
Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben,  Vordernberg;  Neuberg. 

1.35  Nachmittags:  (Personenzug)  Oedenburg,  Kanizsa,  Güns, 
Budapest. 

4.30  Nachmittags:  (Personenzug)  Graz,  Neuberg. 

5.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Steinamanger. 

7.40  Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 
Essegg,  Bosnisch-Brood;  Agram,  Sissek,  Banjaluka;  Hain- 
feld, Gutenstein. 

8.15  Abends:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom;  Pola, 
Rovigno;  Fiume;  Sissek,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Pragerhof),  Klagenfurt,  Franzensfeste,  Meran,  Ala,  Inns- 
bruck   (via  Marburg). 

8,45  Abends:  (Postzug)  Triest,  GÖrz,  Venedig,  Rom,  Mailand; 
Pola,  Rovigno,  Fiume,  Agram;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
Klagenfurt,  Wolfsberg,  Meran,  Verona,  Innsbruck  (via 
Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Leoben,  Vordem- 
berg; Aussee,  Ischl,  Villach  (via  Leoben). 


OZÖTERnEICHISCHE    MONATSSCHRIFT    fOr    DEM   ORIENT 


III 


Im  VERLAGE  des 

K  K  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS 

erscheint  die 

Volks wirthschaftliche  Wochenschrift: 

pn«  $anhei9-^nfsnm 

mit  Beilage : 

Coiircie  ßerils  t  i  1 1  isterr.-DDi,  Gisnlar-AeilBr. 

— >— ^  Abonnements  -  Bedingungen  für  „Das  Handels  -  Museum"  ^— ^— 

incl.  Postversendung: 
halb- 


Fllr   Orstrrrrlch-l'n^arii :    .Illirllch   <t.  V.   11.   s. 

Jiilirllch  !(.  W.  n.  4. — 
FUr    IMutMliluml :    .lührlltli    Mark    1«.-,    halbJShrlUh 

Mark  S 

EInzcInnnimern  SO  kr. 


FDr  ifle  Länder  di-i.  VOItixiilvcrrliirs:  Jihrllrh  Frro.  2%.— 
=  i»  Shlll..   hulhjiihrl.   Fn-.  i:i.-  =    10  Shill.  4  d. 

Fllr  da>  aiiri«-  Aiioland:  Jiihrlirh  Frn>.  it.-  =  i:!  Sklll. 
:>  d..  hullijährllrh  Frr-..  15.-  =  |i  Hklll. 

ProtM'niininu'rii  fr^uti^. 


Insertions-Bedingungen  für  das  Handels-Museum 


Für  dir  10mali«(*  nniinti'rbrocltriio  Aiirnukuie  eines  In- 
serates In  '  j  Blattbreite  von  4  t'ni.  Müthe  11.  li.— . 
für  Jeden  weiteren  Centlmeter  II.  3.—. 


Fllr  ulternlrende   Inserate   10%    /usehlar.  —  Bmehthelle 

eines  tentinieters  werden  Tllr  voll  »ereehnet. 
nie  Inserllons-t.eblihren  sind  Im  Yurhlnrln  la  ratrirhtrn. 


IDie  -A-dm  inistratioriL,  Wien,  Börsegasse  3. 


^  -^~"».   ZÜNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    ^ 

unimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimuuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuuiumiuiiinnuniiiiiuiiiiMuiiuiiiiiiiiiiiiiiiuii^ 


II 


bei 
s  i 

^  ! 
£  : 
:3  3 


<  = 


Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  Ciiina  etc. 

Etablirt  1856. 

Höeliüile  AiisixeicbiiuiiK:  AiiHMtelliiiiK  tiirnz  1880:   Ehren  •  Ulploin. 

Auszeichnungen:  (Jraz  1H7(),  Triest  1871,  Silberne  Medaille. 
Helbonrne  1880,  Verdienst  .Diplom.  Triest  1882,  (•oidene  Medaille. 


Die  k.  k. 


privHegirte 


I 


Grösste  süd- österreichische 

ZÜNDWAAREN-FABRIK 

von 

FL.  POJATZI  &  COMP. 

in   Deutschlandsberg   bei   Graz  (Steiermark^ 

OE8TEKKEIOB 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabrikale  besitzen  eine  gaui  besondere  Wldarstandsf&lklckclt  gegen  fcnobtaa  Klima   oder  bkc«r 

und  brennen  unfehlbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend: 

AUnmettea  Imperiales,  runde  BUchsen  mit  Portrait«  und  Bildern,  sehr  elegant  nnd  dennoch  billig. 

Pearl  Matches  in  Schubern  uud  KUtchen.  eebte  AspenbßUcben  mit  Toraügllcher  Brennkrafi. 

Flammiferl  Iclenlol  TTso  Camera,    KlpshSlichen    in    ach&nen   lacklrten    Schubern    mit    oritDlalUckes    BlMers 

unii   Pbotographien. 
Au-»^er(iem  ;  Wiener  Salonbolzchen  in  allen  Sorten,  schwedische  Slcherheltsxflnder  etc. 

Offerte  sowohl  direot  von  der  Fabrik,  als  durch  die  fieneral-Repräsentaaz: 

SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST. 


'ünikl  '■■■■■■■'"■■'■■■■■''■'■'■■■'■■■■■■■■■'''■■■'■''■'''■■■■'■■■'■■'''■'■■■■■■'■■'■■■■■■■■■"'■■"'■■■'■■■■■■■■■■"■■■■'■'■■■'■■■"■"■'■■'■■■'■""K 

FIAMMIFERI.    —    MATCHES. 


'^  ■> 


I 


IV 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN    ORIENT 


Giltig  bis  auf  Weiteres.      jfaStplaH  facg  „«J^cftcttciitlifrij^unganfcöen  IClopb".      aimg  ms  auf  weit««. 


Eillinie  TKIEST-CATTARO. 

Ab  TRIKST  jeden  Mitiwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  Freitag S'/jÜhr Nrn.,  berühr.; Pola,Lu8sin- 
picci'lo,  Zara,  Spalaio,  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Castelnuovo  (oder  MegÜDe),  Perasto,  Risano 
und  Peizagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Montag  11  Uhr  Vorm. 

DALMATINISCH-ALBANESISCHE 

LINIE  BIS  PREYESA. 

a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  Sonntag  '/3I  Uhr  Nrn.,  berührend : 
Rovigno  ,  Pola ,  Lussinpiccolo  ,  Selve ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Milnä  ,  Lesina  ^  Curzola  ,  Orebich  ,  Graroea, 
Ragn^avecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizta,  Antivari,  Duk-igno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  CORFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Triest  Mittwoch  »/a^  Uhr  Nm. 

Aiischluss    an    die    Eillinie    Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen  CORFU  und    PREYESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachts,  in 
Prevt-sa  Dienstag  OUhrVorni.,  berührend  :  Parga, 
6ta.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittworh  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  G'/a  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück-,  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBANESISCHE 

LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm.,  in 

Corfu  Donnerstag  S',^  Ulir  Abends,  berührend: 

Rovigno,    Pola,    Lussinpiccolo ,    Melada,    Zara, 

Sebeni«  o,    Rogosnizza,    Spalaio,  MilnÄ.  Civita- 


vecchia.  Lissa,  Comisa,  Valiegranae,  Lagosia, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Rieano,  Cattaro,  Perzagno, 
Kudua,  Medua.  Durazzo,  Valona  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRfickfahrt  wi,  d  auchDulcigno 
und  Aniivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samtlag  6  Uhr  Früh,  n  Triest 
nächsten  Samstag  ll'/,  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FIUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Änk. 
in  Triest  Donnerstag  >/al  Uhr  Mittags,  be- 
rührend: Malinsca,Rabac,  Cherso,  Pola, Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Finrae  Sonntag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie     FIUME  -  CATTARO    A) 

jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh.  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nm. ,  berührend: 
Malinsca,  Vegiia,  Lassingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Lis^a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  B) 

jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  C  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  ö  Uhr  Nrn.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo.  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Li^sa.  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Peraslo.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Fiume  Donnerstag  ö  Uhr  Nrn. 


Xj  E"V-A.2Sr  T  E  -  ID I E  IST  S  T. 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-Metcovich 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  1',,  Uhr  Nachts.   Ank.  in 
Cattaro  Montag  4Va  Uhr  Nrn.,  berührend:  Z»ra, 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Ubr  Frü 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschlug»    an    die   Linie     Triest-Met* 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt,     x 

Linie  TRIEST-SPALATO-MET(    .- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  II  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  12',;.  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico»  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  IOV4  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  öVj  Uhr  Vorm, 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
Ä)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4';a  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich  Montag  öUhrNm.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  B»/,  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  YENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  nm   11   Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  7  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstair  11  UhrVorm, 
mit  Berührung  von  Brindisi,  Corfu,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm.; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  öVa  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  H»n-  und  Rückfahrt. 

An>chluß8  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  (1fr  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  ihessali- 
ßcbe  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Au>chluss  an  die  dalmatinisch-albanesische 
Linie   in   Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Nm.,  Auk.  in  Smyrna  den  zweitnächhten  Sonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Rethymo,  Candia,  iSamos  (Vathy),  Tschesme 
und  Chiosj  Rückfahrt  von  Smyrna  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Triest  zweit- 
nächsteii  Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und'Rückfahrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TRIEST-ALEXAKDRIEN. 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwoch  5  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  Q  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7   Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 
Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/j  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras.  Catacolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
galsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Linie  FIUME- A  LEX ANDRIEN- 
BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  voni  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corr'u,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstags  Uhr  Nachm. ;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.^.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  Dienstag  7  Uhr  Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  28. 
Jänner  angefangen  7';^  Uhr  Abends.  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Samstag  10  Uhr  Vorm. ;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner, 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nrn..  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung   von    Gallipoli 

Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene,  Smyrna,  Chios, 

')  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


insriDO-OKciisrESisonEn   iDiEnsrsT. 


Rhodus ,  Limassol .  Larnaca,  Beirut,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags ;  Ank,  iu  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7*/»  Uhr  Früh, 
Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 9  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
KÜ3tendje,SulinaundGalaiz;RÜckfahrtDonner8- 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  Früh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpresa- 
zug  von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  Constantinopel  an  den  EilHampfer 
Triest-Coustantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Wiuters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küstendje. 

Linie    CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Batnm 
Mittwoch  6V3  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Eerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  6  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch  1^/3  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und   Rückfahrt. 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anschluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest — Rotbes  Meer — Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rückfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis  incl.  Jänner  1891. 

Liuie  TftlEST— ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  15,  der  geraden  Monate') 

»)  Februar,  April,  Juni,  August,  October, 
December. 


des  Jahres,  4  Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim.  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Coiombo.  Penang.  Singapore. 
Rückfahrt  von  Hongkong  am  18.  j4.,  17. |6.,  17.18., 
I8,jl0.,  18.!12.  1890  und  18.(2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay,  Anschluss  in  Coiombo  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Calcutta— Coiombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Coiombo.  Penang,  Siugapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18.  der  ungeraden  .viouate  des  Jatires  bis  incl 
Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss  in  Coiombo  an  den  Dampfer  der 
Zweiglinie  Calcutta — Coiombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Coiombo  vom  5.  Feoer 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis  incl.  Jänner  1891. 

Anschluss  in  Coiombo  abwechselnd  einmal 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer — Hongkong  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay — Hongkong 
auf    der   Hin-und  Rückfahrt. 


Bi^.A.sii.i.A.nsrzsci3:E  i^insriE  triest-s^a^hsttos. 


A*  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  December  1890,    berütirend:   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vinceut,    Pernambuco,  Bahia, 
Klo  de  Janeiro;  Rückfahrt   von  Santos  4.  April,  dann  am  18.  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Jänner  1891.') 

')  Bei   eventueller  Auslassung   der  Berührungen    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco  auf  der  Rückfahrt  verfrühen 
sich  dift  Ankünfte  in  den  foigeaden  Echellen  um  die  entsprechende  Zeit. 

Ohne   Haftung  für  etwaige  Aendernngen   in    den  Zwischenhäfen  und  ohne  Verbindlichkeit  für   die  Regelmässigkeit    des    Dienstes  während 


OESTERREICHISCHE    *  po?^?3v,vj 


0naf55t|rift  für  kn  mimi 

SECHZEHNTER   JAHRGANG.  WIEN,    SEPTEMBER-OCTOBER    1890.  N«-    9    UND    lO.    BEILAGE. 


I 


Die  „Oesterreichische  Monatsschrift  für  den  Orient" 

erscheint  im  Verlage    des  k.  k.   österr.  Handels -Musenms   in  Wien   (I.,  Börse- 
gasse 3). 

Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  ^Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
und  Reisender,  bringt  Artikel  und  Äliscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 

Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
das  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 

Das  Jahres-Abonnement  beträgt  ohne  Postversendung  fl.   5. —  ö.  \V.  =    10  Mark. 


KAISERL.   KONIGL.     "^^^^    PRIVILEGIRTE 

TEPPICH-  UND  MÖBELSTOFF-FABRIKEN 


I 


VON 


i' 


PHILIPP  Haas  &  Söhne 

WIEN 

WAÄRENHAUS:  I.,  STOCK-IM-EISENPLATZ  6 

FILIALE:  VI.,  MARIAHILFERSTRASSE  75  (MARIAHILFERHOF) 

KMPFEHLEN  IHR  GROSSES  LAGER  IX   MÖBELSTOFFEN,  TEPPICHEN,  TISCH-,   BP:TT- 

UND  FLANELLDECKEN,  LAUFTEPPICHEN  in  WOLLE,  BAST  und  JUTE,  WEISSEN 

VOEHÄNGEN   und  PAPIER-TAPETEN,   sowie  das  GßossE  lager  von 

OEIEIffTALISCHEI  TEPPICHEJ[  ura  SPECIALITiTEI. 

NIEDERLAGEN: 

BUDAPEST,     OISELAPLATZ   (EIGENES   WAAKENHAUS).    PRAG.    GRABEN    (EIGENES  VTAAREXHAÜS).  (iRAZ, 

heruenoas.se.   LEMBERG,  ulicy  jagiellonskiej.  LINZ,  franz  josef-platz.  BUKAREST,  callea 
victortat:.  MMI.AND,  domplatz  (eiqe.ves  waarenhaus).  NEAPEL,  vta  tjova    UKNIV.  via  roma. 

ROM.   via   DEL  CORSO. 

FABRIKEN: 

WIEN,  vi.  stujipergasse.  EBERGASSLSü,  nikdpr-österreich.  MITTERNÜORE.  NisoBR-ÖSTERitEicn. 
HLINSKO,  Böhmen.  BRADPORD,  esqland.  IISSONE,  Italien.  ARANYOS-MARÖTH  ,  Ungarn. 

kür  den  verkauf  im  prei.se  herabgesetzter  waaren  ist   eins  eigenb  abtheiluno  ix 

waauenhaush  einobhu'htet. 


II 


OESTERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN   ORIENT. 


1 1.  lasdesbefagtel^Glasfabrikanten 


Gegrüuiiet  1813. 


Begründet  1813. 


:^auptni(ii((la9(  uii!i  Centrale  fainmtli(t)(r  (Etabli|Tcinciits : 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

NIF.DKHLAGEN: 

BERLIN,  AMSTERDAM,   LONDON,   MAILAND 
und  NEW-YORK. 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterreich- 
Ungarn,  umfassend  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und Wasserschleiferelen,  Glas-Raffinerien,  Maler- 
Ateliers  etc.,  in  denen  alle  in  das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  werden. 

SPECIALITÄT  :• 

Glaswaaren  zu  Beleuclitungszwecken 

für  Petroleum,  Gas,  Oel  und  elektro-techn. 
Gebrauch. 

Preis courante   und  Musterbücher  gratis  und  franco. 
Export  nach  allen  Welt^egenden.  IK 


Kaiserl.  königl. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grosste  Lampen-Fakik  am  CoDtioente 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in    grossartiger  Auswahl,    in   nur    solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priv. 

iieoer  Blilzlampe  uol  Bpillant-ilsteortPEfinep 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen! 

Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,  Budapest,  Berlin, 
München,  Rom,  Mailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 
in  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttlieilen. 


IK_  "k-  pri-v-  S-ü.d.TDa.3n.ii-C3resellsc3:i.a.ft- 

Auszug  aus  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 


Oiltig  vom  16.  Ootober  1890. 


Abfahrt  von  Wien: 

6. —  Früh:  (Personenzug)  Payerbach ;  Kanizsa ,  Budapest; 
Pakracz-Lipik;  Essegg,  .Sarajevo;  Agram;  Aspaug. 

7.—  Früh :  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Fiume,  Agrani,  Sissek 
Brod  (via  Steinbrilck) ;  Klagenfuit,  Villach,  Wolfsberg; 
Eadkersburg,  Köflach.  Kanizsa,  Budapest,  Pakracz-Lipik; 
Agram,  Kssegg,  Sarajevo;  Leoben,  Vordernijerg,  Aussee, 
Ischl;  Venedig,  Rom,  Mailand  (viaPcntebba);  Bozen,  Meran, 
Verona  (via  Leoben) ;  Neuberg;  Heinfeld,  Gutenstein;  Aspang. 

1.20  Nachmittags ;    (Postzug)    Triest,    G6rz,    Venedig;    Fiume; 

Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben,  Vordernberg;  Keuberg; 

Kanizsa,  Güns,  Budapest. 
.5.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Steinamanger. 

7.40  Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakracz-Lipik; 
Essegg,  Bosnisch-Brood;  Agram,  Sissek,  Banjaluka. 

8.15  Abends ;  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom ;  Pola, 
Rovigno;  Fiume;  tSissck,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Pragerhof),  Klagenfurt,  Franzensfeste,  Meran,  Ala,  Inns- 
bruck   (via  Marburg). 

8.45  Abends :  (Poatzug)  Triest,  Gürz,  Venedig,  Rom,  Mailand ; 
Pola,  Rovigno,  Fiume,  Agram ;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
Klagenfurt,  "VVolfsberg,  Meran,  Verona,  Innsbruck  (via 
Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Leoben,  Vordern- 
berg; Aussee,  Ischl,  Villach  (via  Leoben). 


Ankunft  in  Wien: 


6.40  Früh:  (Postzug)  Triest.  Rom,  Mailand,  Venedig,  G«rz, 
Agram,  Budapest  (via  Pragerhof);  Verona,  Innsbruck; 
Klagenfurt  (via  Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies; 
Venedig;  Viliach  (via  Leoben). 

8.58  Früh:  (Personenzug)  Kanizsa,  Bosnisch-Brood,  Essegg; 
Pakracz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 

9.40  Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  Güns. 

9.50  Vormittags:  (Schnellzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig, 
Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume,  Sissek,  Agrain ;  Budapest 
(via  Pragerhof),  Ala,  Meran,  Innsbruck,  Klagenfurt  (via 
Marburg),  Leoben,  Neuberg. 

1.52  Nachmittags:  (Personenzug)  Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang;  Ilainfeld,  Gutenstein. 

3.40  Nachmittags:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest  (via 
Oedenburg). 

4.—  Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola;  Fiume. 
Sissek,  Agram;  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Vordernberg, 
Leoben,  Neuberg. 

9.20  Abends  ;  (Personenzug)  Sarajevo,  Essegg ;  Agram,  Budapest, 
Kanizsa  ,  Pakracz  -  Lipik  (via  Oedenburg) ,  Haiufeld  , 
Gutenstein. 
10.15  Abends:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Pola.  Rovigno;  Fiume ; 
Brod,  Sissek  (via  Steinbrilck);  Villach,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Vordernberg.  —  Venedig,  Rom, 
Mailand  (via  Pontebba),  Verona,  Meran,  Innsbruck  (via 
Villach— Leoben);  Ischl,  Aussee;  Neuberg. 

Schlafwagen   verkehren   mit  den   Schnellzügen   (Wien  ab  S.ln  Abends,   Wien  an  9.50  Vormittags)  zwischen  'Wien- Venedig 

via  Cormons  und  Wien-lleran  via  Marburg. 

Sireote  Wagren  I.,    II.  Olasse    verkehren   mit   den  obigen  Schnellzügen  zwischen  VTlen-flume  CAbbazia),    ferner  mit  den 

Schnellzügen  ^Wien  ab  7.—  Früh  und  'Wien  an  10.15  Abends)  zwischen  Wlen-Venedigr  via  Leoben. 


0=3TERREICHISCHE    MONATSSCHRIFT    FÖR    DEN    ORIENT. 


III 


Im  VERLAGE  des 

K  K  ÖSTERR  HANDELS-MUSEUMS 

erscheint  die 

Yolkswirthschaftliche  Wochenschrift: 

mit  Beilage : 

Berlie  äer  1 1  i  österr.-ii  Coisii 

Abonnements  -  Bedingungen  für  „Das  Handels  -  Museum" 


incl,  Poslversendun 
fl.  H.— ,    halb- 


Flir   OMtcrrdoh-ln^arn :    Jiilirllcli   ».  W 

IShrlleli  ».  W.  fl.  4 

Ftir    UoiitsehUiKl :     JBlirllrh    Mark     16.-,     halbjihrllrli 

Mark  8.-. 

Kinzcliiiiiiiniprn  :iU  kr. 


FOr  dir  Lündpr  de«  Wrltpoiitrrrrlim:  Jihrllrh  Irr».  S« 

=  20  Shlll..   halbjihrl.   Frn.  IS =    I«  Kklll.  4  d. 

FUr  da«  llbrlai-  Ausland:  JShrllrh  Frn.  t^ =  ft!  Khlil. 

:>  d..  halbJShrllrh  Frr«.  I.'> -  li  8kiU. 

rnibi-ntiiiiiiK'rn  icralls. 


Insertions-Bedingungen  für  das  Handels-Museum: 


FUr  die  lOniaÜg:«*  ununlfrhriK'lM'ni'  Aiifnahitii*  rlnfs  In 
KeratCH  In  '>,  Itlatthrcilo  von  4  4  m.  Hüht'  fl.  1*J.— 
fflr  Jeden  weiteren  ('entimeter  fl.  ;l.— . 


Fflr  allornirrnde    Innirat«'    lO"»     /nurhlafc.  —  BmrlilheMe 

rlne<i  ( i>nlliiieter>>  werdi'n  für  roll  vcrerhnet. 
I)!p  lnM'rtion>t-t*eb(ihren  nlnd  Im  Vorhinein  zu  entrlthtea. 


üie  -A-dmiiiistratLoxi,  Wien,  Börsegasse  3. 


m 


m=  — >— »-    ZUNDW AAREN.    —    ALLUMETTES.    -<• -~^- 

IIIIIIITIUIUIIIIUIUIIIIIIIIIIUUIIUIUIIIUIIIIIIUUIIIIIIIUUUIIUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIUIIIIIIIIIIIIIUIIIIIUUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIUIIIIIIIIIUIIUIIU 


I 


si 
H 


I 


Export  nach  dem  gesammten  Orient.  Indien,  China  etc. 

Etablirt  1856- 

IIAoliste  AiiszetclinnuK :  AiiHHielliiiiK  d*Hz  1880:   Ehren  •  Diplom. 

Auszeiclinungen:   (iriiz  IHK),  Trlest  1871,  Silberne  Medaille. 
Melbourue  1880,  Verdienst- Diplom.  Trlest  1882,  tioldene  Medaille. 


Die  k.  k. 


privilegirie 


Grösste  süd  -  österreichische 

ZÜNDWAAREN-FABRIK 

von 

FL.  POJATZI  &  COMP. 

in   Deutschlandsberg  bei   Graz  (Steiermark) 

OEBTESREIOR 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (£$ca). 

Dii>  Fabrikate  besitzen  eine  gans  besondere  IKTlderstandaffthiSTkelt  gegen  f«noht«s  Klima    oder  Lav«r 

uud  breuufu  unielilbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend: 

AUumettes  IxnpArlaleSt  runde  HHcbsen  mit  Portrait-i  und  Bildern,  sehr  elegant  und  dennoch  billig. 

Pearl  Matches  in  Srtinlii>rn  und  Kistcheu,    erbte  Aspeubt^lxchen  mit  vorxUgHcber  Brennkraft. 

Fiamxulfcrl  iKlenlol  Uao  Oamera,    RIpahöltchen   in    icb^nen   lackirten    ticbubem    mit   ort*nt«lUeb«B    BiM«r« 

uml   IMioionrHpliit-n. 
AuRserdem  :   Wient-r  Nalonhiitzrlu'n  in  allen  Sorten,  urb'vcdiflrhi'  Sicberh«'ll:»j;nnder  etc. 

Offerte  sowohl  direct  von  der  Fabrik,  als  durch  die  General-Repräsentanz: 

SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST. 


1lll<l=:IIIIIUnilllllllllliIUIIIIIIIillllllllllllllllllllllllllllllllllllllUIIIIIIUIIUII1IIIIHIIIIIIIIIIIIIIIUIUIUUIIIIIIIIIIUIUIUIIIIUIIIIIII« 

1^1  -->—►•      FIAMMIFERI.    —    MATCHES.     -«~-«- 


It 

5    T 

3 


3  = 

in 


3  • 


IV 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÜR    DEN   ORIENT 


onus  bis  »uf  Weitere,.      jfaf)rplan  bEö  „(j^EftErrciföifrtj'iinaarifd&cn  KCtopö' 


Giltig  bis  auf  Weiterea. 


,A.r>IiI.A.TISCKCEI^    IDIE3^TST- 


Eillinie  TRIEST-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  11  ührVorm.,  in 
Cattaro  Freitag  3 VjUhr  Nm,,  berühr.:  Pola,  Lussin- 
piccolo,  Zara,  Spalato,  Macarsca,  Gurcola,  Gra- 
▼osa,  CastelnuoTO  (oder  Megline),  Ferasto,  Risano 
und  Perzagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samatag  10 Uhr  Vorm., 
In  Triest  Montag   11  Uhr  Vorn». 
DALMATINISCH-ALBANESISCHE 
LINIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRIEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  MonUg  11  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  Sonntag  Vi^  Uhr  Nrn.,  berührend: 
Rovigno ,  Pola,  Lussinpiccolo ,  SeWe ,  Zara, 
Zaravecchia,  Morter,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Milni,  Leoina  ,  Curzola ,  Orebicb ,  Grarosa, 
Ragu!)avecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  Spizza,  Antivari,  Dulclgno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quar&nta. 

Ab  COKFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
TrieBt  Mittwoch  V»l  Uhr  Km, 

Anschlüge    an    die    Eillinie    Trlest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Hinfahrt. 
bj  Zwischen  CORFU  und   PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  11  Uhr  Nachte,  in 
Prevesa  Dienstag  9UhrVorm.,  berührend :  Parga, 
8tB.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwo.h  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6'/»  Uhr  Abds. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dumpfer  eine  Fahrt  nach  Salabora 
und  zurfick ;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
j«docb  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 

LINIE  BIS  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm.,  in 

Corfu  Donnerstasr  S'/a  Uhr  Abends,  berührend: 

Rovigno,    Pola,    Lussinpiccolo,   Melada,    Zara, 

JSebenico,    Rngosnizza,    l^palaro,  Milni,  Civita* 


Tecchia,  Lissa,  Comisa,  Vallegrande,  Lagosia, 
Tersteoik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Perasto,  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Budua,  Medua,  Durazzo,  Valona  und  Santi- 
Qaaranta.  Auf  derRückfahrt  wi:  d  anchDulcigno 
und  Antivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  n  Trieat 
n&chaten  Samstag  IIV4  Uhr  Vorm. 

Anscblusa  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  bei  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FlUME  Mittwoch  U  Uhr  Vorm.,  Ank. 
in  Triest  Donnerstag  Vjl  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cberso,  Pola,  Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TRIEST  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Finme  Sonntag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie  FIUME  -  CATTARO  A) 
jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  FlUMB  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonnlag  5  Uhr  Nrn.,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lassingrande.  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnii, 
Lesina,  Lisi^a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),   Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTAIO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

AnscLluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  £) 
jede  zweite  Woche  vom  9.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Lifsa,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),    Perasto.  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh  ,  in 
Finme  Donnerstag  5  Uhr  Nrn. 


Anschluss  an  die  Linie  Spalato-MetcoTieh 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  1'/,  Uhr  Nachts.   Ank.  In 
Cattaro  Montag  4Vs  Uhr  Nm.,  berühren-l:  Z»ray 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Triest-MetcoTich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  lü'/a  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10'/,  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  9*/»  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Waarenlinie  Finme-Cattaro 
A)  in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 
Ab  SPALATO  Montag  4»/,  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  8.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  lO  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  ä*/«  Uhr  Abends. 

AnschlusH  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  B) 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten  zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  12  Uhr  Nachts  im 
Winter,  und  nm  11  Uhr  im  Sommer. 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TRIEST  jeden 
Mittwoch,  FreiUg  und  Sonntag  T  Uhr  Früh  im 
Winter,  und  um  6  Uhr  Früh  im  Sommer. 


Il.E-V:A.3SrTE-IDIElSrST. 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 
Ab  von  TRIEST  jeden  Samsta«  11  UhrVorm. 
mit  Berührung  von  Brindiei,  Corfu,  Patras, 
Piräus,  Ank.  nächsten  Freitag  9  Uhr  Vorm.; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  jeden  Montag 
5  Uhr  Nm.  Ank.  in  Triest  Sonntag  5'/a  Uhr 
Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Ijinie  in  Corfu  auf  der  H»n-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die  thessalt- 
scLe  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatinisch-albaneslscbe 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  RÜcktahrt. 
GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 
Ab  von  TRIEST  jeden   Donnerstag  6  Uhr 
Nrn.,  Ank.  in  Smyrna  den  zweitnächsten Sonntag 
5  Ulir  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cepbalonien),  Zante,  Cerigo,  Canea  (Suda), 
Rethymo,    Candia,    Samos    (Vathy),    Tschesme 
und    Chios-,      Rückfahrt    von    Smyrna     jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,     Ank.    in  Triest    zweit- 
nächsten Montag  11  Uhr  Vorm. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Triest-Constanti- 
nopel  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Smyrna, 
auf  der  Hin-  und  Rückfuhrt  (jede  zweite  Woche). 
Eillinie  TRIEST-ALEXANDRIEN. 
Jeden  Freitag  12  Uhr  Mitlags  über  Brindisi, 
Ank.  nächsten  Mittwoch  5  Uhr  Früh;  Rückfahrt 
von  Alexandrien  Dienstag  9  Uhr  Früh,  Ank.  in 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  syrische  Linie  in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


THESSALISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  7.  Jänner. 
Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Nrn.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/]  Uhr 
Früh  mit  Berührnng  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patriia,  Cataeolo,  Calamata,  Piräus, 
Syra'),  Volo,  Salonich,  Cavalla,  Lagos,  Dedea- 
gatsch,  DardaneHen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constantinopel  vom  8.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm.  V 

Linie  FIUÄE-ALEXANDRIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  16.  Jänner. 

Donnerstag  1  Uhr  Nm.  mit  Berührung  von 
Lissa  und  Corfu,  Ank.  in  Alexandrien  nächsten 
Dienstag  8  Ubr  Nachm.;  nach  Beirut  Samstag 
vom  2.1.  Jänner  angefangen  Mittags  mit  Berüh- 
rung von  Port  Said  und  Jaffa;  Ank.  in  Beirut 
folgenden  DienslSfc  7  Ulir  Früh. 

Rückfahrt  v6n  Beirut  Dienstag  vom  28. 
Jänner  angefangen  TV,  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port  Said  Safcstftg  10  Uhr  Vorm.;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
5.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.  Ank.  in 
Fiume  Freilag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 

Jede  zweite  Woche  vom  2.  Jänner. 

Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

Nrn.,  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 

11    Uhr  Vorm.    mit    Berührung   von    Gallipoli 

Dardanellen,  Tenedos,  Mytileue,  Smyrna,  Chios, 

*)  Der  Hafen  von  Syra  wird  auch  auf  der 
Rückfahrt  nach  Piräus  angelaufen. 


Rbodus ,  Limassol ,  Lamaca,  Beirat,  Caiffa, 
Jaffa,  Port-Said,  Alexandrien  ;  Rückfahrt  von 
Alexandrien  jeden  zweiten  Samstag  vom  4. 
Jänner  angefangen  Mittags ;  Ank.  in  Con- 
stantinopel den  zweiten  Dienstag  7*/,  Uhr  Früh. 
Anschluss  an  die  griechisch -orientalische 
Linie  in  Smyrna    aut  der  Hin-  und  Rückfahrt, 

Linie    CONSTANTINOPEL-BRAILA. 

Samstag  2  Uhr  Nm.,  Ank.  in  Braila  Mitt- 
woch 9  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Varna, 
KÜ3leudje,Sulina  und  Galatz;  RQckfahrtDonoers* 
tag  8  Uhr  Früh,  Ank.  in  Constantinopel  Mon- 
tag 8  Uhr  früh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest,  in  Lonstantinopel  an  den  Eildampfer 
Triest-Constantinopel  in  beiden  Richtungen. 

Diese  Fahrten  sind  während  des  Winters 
eingestellt  und  beschränken  sich  auf  die  Unter- 
haltung einer  wöchentlichen  Verbindung 
zwischen  Constantinopel,  Varna  und  Küatendje. 

Linie    CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 

Jede  zweite  Woche  vom  4.  Jänner. 
Abfahrt  Samstag  3  Uhr  Nrn.,  Ank.  in  Batum 
Mittwoch  6Va  Uhr  Früh  mit  Berührung  von 
Ineboli,  Samsun,  Kerasunt,  Trapezunt;  Rück- 
fahrt vom  9.  Jänner  ab  jede  zweite  Woche 
Donnerstag  G  Uhr  Abends,  Ank.  in  Constanti- 
nopel Mittwoch  iVa  Uhr  Nm. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 

Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.  Ank.  in 
Smyrna  Donnerstag  2  Uhr  Nm.  mit  Berührung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  U  Uhr  Vorm., 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9  Ubr  Vorm, 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Triest- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 


insriDO-OHEiisrESisoiEaiEi^   diektst. 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eiaes  jeden  Monates,  4  Uhr  Nachm., 
berührend:  Brindisi,  Port  Said,  Suez,  Aden. 

Anscbluf:»  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest— Rotlies  Meer— Hongkong  und  an 
die  Zweiglinie  Bombay — Hongkong.  Rückfahrt 
von  Bombay  vom  1.  Feber  ab  jeden  1.  des  Mo- 
nates bis  incl.  Jänner  1891, 

Linie  TaiEST-ROTHES  MEER— HONG- 
KONG. Ab  Triest  am  15.  der  geraden  Monate') 

')  Februar,  April,  Juni,  August,  October, 
December. 


desJahres,  4Uhr  Nachm.,  berührend  :  Port  Said, 
Suez,  Djeddah,  Suakim.  Massauah,  Hodeidah, 
Aden,  Bombay.  Colombo.  Penang.  Singapore. 
Klickfahrt  von  HmgkoDg  am  18. |4.,  17. |C.,  IT-jS-, 
18.|10.,  18.|lä.  1880  und  11V|2.  1891. 

Anschluss  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay,  Ansihluss  in  Colombo  an  den 
Dampfer"der  Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  21.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Colombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  19.  März,  sodann  am 
18,  der  ungeraden  Monate  des  Jahres  bis  incl. 
Jänner  1891. 


Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest— Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss  in  Colombo  an  den  Dampfer  di:r 
Zweiglinie  Calcutta— Colombo  auf  der  Hin-  und 
Rückfahrt. 

Zweiglinie  CALCUTTA— COLOMBO.  Ab 
Calcutta  am  18.  eines  jeden  Monates,  Derührend: 
Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  5.  Fe"t!r 
ab  jeden  5.  des  Monates  bis   iud.  Jänner  1891. 

Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einuial 
an  den  Dampfer  der  directen  Linie  Triest — 
Rothes  Meer — Hongkons  und  einmal  an  den 
Dampfer  der  Zweiglinie  Bombay— Hongkong 
auf   -der    Hin-und  Ritckfahrt. 


B^l^SILrA.I^TISCI3:E  X^I3SriE  TI^IEST-SAlSrTOS. 


Ab  Triest    am    1.  jeden  Monates    von  August  bis  Decemt^r  1890,    berührend:   Malaga,  Gibraltar,  Insel   St.  Vincent,    Pernambuco,  Bahia, 
Rio  de  Janeiro;  Rückfahrt  von  Spntos  i.  April,  dann  am  18,  jeden  Monates  vom  September  1890  bis  Janner  18:il.  ) 

'■      Ifiei  eventueller  Auslawrang  der  Bertthrnngcn    eines  oder  der  beiden  Häfen  von  Bahia  und  Pernambuco  anf  der  Rückfahrt  Terfrühen 

»ich  die  Ankünfte  in  den  folgenden  Echellen  um  die  entsprechende  Zeit. ^ _ 

Ohne   Haftung  für  etwaige  Aenderangen   in   den  Zwischenhäfen  und  ohne  Verbindlichkeit  für  die  Regelmassiskeit    des    Dienstes  während 


OESTERREICHISCHE 


0Mfesr|rift  ffir  kn  imnt 


SECHZEHNTER   JAHRGANG.  WIEN,    NOVEMBER-DECEMBER    1890.  N«-    H    und    12    BEILAOE. 


^Rer 


Die  „Oesterreichiscbe  Momitsschrift  für  den  Orient" 


rscheint  im  Verlage    des  k.  k.  österr.  Handels -Muaeums    in  Wien  (I.,  Börse- 
gasse  3). 

II  Das  Blatt,  herausgegeben  unter  der  Mitwirkung  hervorragender  Fachschriftsteller 
Lnd  Reisender,  bringt  Artikel  und  Miscellen  handelspolitischen,  kunstgewerblichen, 
ethnographischen  und  geographischen  Inhaltes,  Reisebeschreibungen,  Literaturberichte  etc. 
t  Abonnements-Anmeldungen  werden  dortselbst  entgegengenommen,  wie  denn  auch 
pas  genannte  Blatt  wie  bisher  durch  alle  Buchhandlungen  bezogen  werden  kann. 
I  Das  Jahres-Abonnement  beträgt  ohne  Postvcrsendnng  fl.  5. —  ö.  W.  "=>   10  Mark. 


Vom  1.  April  bis  15.  Juni  1891 

findet  in  den  Räumen  des 

K.  K.  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS 

eine 

Ausstellung 

Orientalischer  Teppiclie 

atatl. 

-A.3Sr:^/^EI-.IDXJ2SrC3-E3Sr 

werden   ab    2.    Jänner    im    Bureau    des   Museums 
entgegengenommen. 


n 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÖR   DEN   ORIENT. 


K.  l.  laBdesMngte^l  Glasfabrikanten 


Gegründet  1813, 


Gegrünlet  1813. 


ijnu)itnukrla9(  nnii  (Etiitralt  fümmtlidjcr  (Elnliliffcincnls : 

WIEN 

II.,  Czerningasse  3,  4,  5  und  7. 

N  lED  EKLAG  EN : 

BERLIN,  AMSTERDAM,   LONDON,   MAILAND 
und  NEW-YORK. 

Ausgedehntester  und  grösster  Betrieb  in  Oesterreich- 
Ungarn,  umfassend  10  Glasfabriken,  mehrere  Dampf- 
und Wasserschleiferelen,  Glas-Raffinerien,  Maler- 
Ateliers  etc.,  in  denen  alle  in  das  Glasfach  ein- 
schlagenden Artikel  erzeugt  werden. 

SPECIALITÄT  : 

Glaswaaren  zu  Beleuchtiingszwecken 

für  Petroleum,  Gas,  Oel  und  elektro-techn. 
Gebrauch. 

Freiscourante    und  Musterbücher  gratis  und  franCO. 

1/^   Export  nach  allen  Weltgegenden.  '^Q 


Kaiser!,  königl. 


landesprivilegirte 


Lampen-Fabrik 

von 

R.  Ditmar  in  Wien. 

Grössle  LampeD-Fabrik  am  CouÜDeDte 

gegründet  1840. 

Petroleum-Lampen 

in   grossartiger  Auswahl,   in   nur   solider  Ausführung 
und  zu  billigsten  Preisen. 


K.  k.  priv. 

Mm  Blitzlampe  und  Brillant-lIßteopljPGoiier 

mit  Leuchtkraft  bis  157  Normalkerzen. 

Ditmar -Flachbrenner. 

Eigene  Niederlagen; 
Wien,  Graz,  Prag,  Lemberg,  Triest,  Budapest,  Berlin, 
IHünchen,  Rom,  lUailand,  Lyon,  Warschau  und  Bombay. 

Agenturen 

In  allen  Hauptstädten  Europas  und  in  allen  Haupt- 
Handelsplätzen  des  Orients. 

Export  nach  allen  Welttheilen. 


IKl-  k-  priTT-  S\id.TDSLtL2a.-C3resellsc!h.a.ft_ 

Auszug  m  dem  Fahrplane  der  Personenzüge. 


Oiltlg  vom  16.  Ootober  1890. 


Abfahrt  von  Wien : 


Ankunft  in  Wien: 


6.—  Früh :     (Personenzug)    Payerbacli ;     Kanizsa  ,     Budapest  ■, 

Pakräcz-L-ipik;  Essegg,  Sarajevo;  Agram;  Aspaug. 
7. —  Früh :  (Schnellzug)   Triest,    GÖrz,    Fiume,    Agram,   Sisaek 

Brod    (via   Steinbrück) ;    Klagenfurt,    Villach,  Wolfsberg; 

Radkersburg,  KÖflach.  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 

Agram,  Essegg,  Sarajevo;   Leoben,   Vordernberg,   Aussee, 

Ischl;  Venedig,  Rom,  Mailand  (via  Pontebba);  Bozen,  Meran, 

Verona  (via  Leoben);  Neuberg;  Heinfeld,  Gutensteiu;  Aspang. 

1.20  Nachmittags:    (Postzug)    Triest,    Görz,    Venedig;    Fiume; 

Sissek,  Brod,  Banjaluka;  Leoben,  Vordernberg  j  Neuberg; 

Kanizsa,  Güns,  Budapest. 
5.05  Nachmittags:  (Personenzug)  Steinamanger. 

7.40  Abends:  (Personenzug)  Kanizsa,  Budapest,  Pakräcz-Lipik; 
Essegg,  Bosnisch-Brood ;  Agram,  Sissek,  Banjaluka. 

8.15  Abends:  (Schnellzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom;  Pola, 
Rovigno ;  Fiume ;  Sissek,  Banjaluka,  Budapest  (via 
Pragerhof),  Klagenfurt,  Fraazensfeste,  Meran,  Ala,  Inns- 
bruck   (via  Marburg). 

8.45  Abends:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Rom,  Mailand; 
Pola,  Rovigno,  Fiume,  Agram;  Budapest  (via  Pragerhof) ; 
Klagenfurt,  Wolfsberg,  Meran,  Verona,  Innsbruck  (via 
Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Leobeu,  Vordern- 
berg; Aussee,  Ischl,  Villach  (via  Leoben). 

Schlafwagen    verkehren   mit   den    Schnellzügen    (Wien  ab  8.15  Abends,   Wien  an  9.50  Vormittags)  zwischen  Wien- Venedig 

via  Cormons  und  Wleu-Ueran  via  Marburg. 

Directe  Wagen  I.,    II.  Classe    verkehren   mit   den   obigen  Schnellzügen  zwischen  Wlen-Finme  fAbbaziu),    ferner  mit  den 

Schnellzügen  (Wien  ab  7.—  Früh  und  Wien  au  10.15  Abende)  zwischen  Wien-Venedig  via  Looben. 


6.40 


S.58 


9.40 
y.50 


1.52 
3.40 

4.— 

9.20 
10.15 


Früh:  (Postzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig,  GÖrz ; 
Agram,  Budapest  (via  Pragerhof);  Verona,  Innsbruck; 
Klagenfurt  (via  Marburg);  Radkersburg,  Köflach,  Wies, 
Venedig;  Villach  (via  Leoben). 

Früh:  (Personenzug)  Kanizsa,  Bosnisch-Brood,  Essegg; 
Pakräcz-Lipik,  Agram,  Budapest  (via  Oedenburg). 
Vormittags:  (Personenzug)  Steinamanger,  Gfins. 
Vormittags:  (Schnellzug)  Triest,  Rom,  Mailand,  Venedig, 
Görz;  Pola,  Rovigno;  Fiume,  Sissek,  Agram;  Budapest 
(via  Pragerhof),  Ala,  Meran,  Innsbruck,  Klagenfurt  (via 
Marburg),  Leoben,  Neuberg. 

Nachmittags:    (Personenzug)   Oedenburg  (nur  Montag  und 
Freitag);  Aspang;  Ilainfeld,  Gutenstein. 
Nachmittags :     (Personenzug)     Kanizsa,      Budapest      (via 
Oedenburg). 

Nachmittags:  (Postzug)  Triest,  Görz,  Venedig,  Pola;  Fiume, 
Sissek,  Agram;  Radkersburg,  Köflach,  Wies;  Vordemberg, 
Leoben,  Neuberg. 

Abends :  (Personenzug)  Sarajevo,  Essegg ;  Agram,  Budapest, 
Kanizsa,  Pakrücz  -  Lipik  (via  Oedenburg) ,  Hainfeld, 
Gutenstein. 

Abends:  (Schnellzug)  Triest,  GÖrz,  Pol».  Rovigno;  Fiume; 
Brod,  Sissek  (via  Steinbrück);  Villach,  Klagenfurt,  Wolfs- 
berg; Radkersburg,  Köflach,  Vordernberg.  —  Venedig,  Rom, 
Mailand  (via  Pontebba),  Verona,  Meran,  Innsbruck  (via 
Villach— Leoben) ;  Ischl,  Aussee;  Neuberg. 


OLÖTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT    FÜR    DEM   ORIENT. 


III 


Tni  VERLAGK  d.-s 

K  K  ÖSTERR.  HANDELS-MUSEUMS 

erscheint  die 

Volks wirthschaftliche  Wochenschrift: 

mit  Beilag-e: 

Cmeriiielle  Berlclilii  ier  i  i  i  IMmi  CoBselar-AB*. 

-^^-^'t-  Abonnements  -  Bedingungen  für  „Das  Handels  -  Museum"  h— ^— 

incl.  rostvcrsenduiif;: 
,   bnib- 


Kllr   Ocslcri-ciili-l  ni?urn:    JIhrllrh   8.  W.   fl.  » 

jaiirllcli  ii.  W.  II.  t.— . 
Für    IIcutM'liUnil  :     jaiirllrli     Mark     1«.-  ,     ImlbJBlirllrh 

Mark  S.-. 

Kln/.clniiriiinern  'M)  kr. 


FDr  dir  UniliT  <ii">  W<'ll|)ii»lvcrrlnrii:  Jihrllrh  Krra.  So.  - 
=  ■>()  ShIIl..  hnllijührl.   Krra.  Kl =    10  ShIII.  4  d. 

Kür  das  rihrlc  Ausland:  Jährlleh  Irr«.  i<i =  22  Hhlll. 

:>  d..  halbjahrlirli  Krr».  I.'i.—  =:  12  Hblll. 

rroticnuniiurrn  sratU. 


Insertions-Bedingungen  für  das  Handels-Museum: 


l'Ur  dir  lUmaliKO  »niind'rhrorhciio  Aurnahaio  rini's  In- 
Koratvs  tu  Vi  Ulatlbrcltc  von  4  C'iii.  UShc  11.  1-2.—, 
für  jeden  weiteren  Centlnieter  0.  3.—. 


Für  alli'rniri'nde  InKeraIr   lU",    ZuM'hlax.  —  Hrnrklbrlle 

eine»  ('entlmeterii  worden  Tür  toII  KererhHrt. 
Die  Insertlonü-dobttbren  Kind  im  Vorhinein  zn  ralrlelilen. 


ZDie  .A.<ii3aiiiistratioxi,  Wien,  Börsegasse  3. 


gl                              _~>.^j-    ZÜNDWAAREN.    —    ALLUMETTES.    H— ^^  1© 

uuJliiiuuimuiiiiiuiiiuiuuuiiuiiiiiiliuiniuiiiiHiuiuuuiiiuiUUiiiiuiiiiinuiiiiiuiiniuuiimuiiinuiuniuiiiJiiuuuiuuiiiniiwiiuiiniiii^  111111=111111 

Export  nach  dem  gesammten  Orient,  Indien,  China  etc.  | 

Etablirt  1856. 


I 


bD 
C 

u 

:D 

3 


II 


llilcliHte  AiiSKelcliiiiiiiK :  AiiM8(elliiiiK  (>>rnK  1H80:   Kli reu  •  Diplom. 

Auszeichnungen:  (Jraz  1N70,  Triest  ISTl,  Silberne  Medaille. 
Melbourne  1880,  Verdienst  ■  Diplom.  Triest  1882,  Ooldene  Medaille. 


Die  k.  k. 


privlleglrte 


Grösste  süd  -  österreichische 

ZÜNDWAAREN-FABRIK 

FL.  POJATZl  &  COMP. 

in   Deutschlandsberg   bei   Graz  (Steiermark) 

OEBTERKEIOH 

erzeugt  alle  im  Orient  gangbaren  Sorten  Zündhölzchen,  sowie  Zündschwamm  (Esca). 

Die  Fabrikate  besitien  eine  gani  beaondere  Wlderatandaf&hlgrkalt  (egen  fanehtas  KUata   od«r  LmT** 

uuil  breuDcn  unl'eblbar. 

Specialitäten,  rauchlos  brennend: 

AUnmettea  Impörlalaa,  runde  BUcbnen  mit  Portratlj  und  ßlldora,  scbr  elegant  und  dennoch  billig. 

Fearl  Matches  in  St-hubern  und  Kii^tcben,  «ebte  AspenböUcben  mit  vor«Qglicber  Drennkralt. 

Flammlferl  Iglenlol  Uao  Camera,    KIpabSlichen   in   achOnen   lacklrten    Scbubcm    mit   ortentallacbea    Bildern 

und  IMiotoKraiilliun. 
Ausserdem  :  Wiener  i^aloub51zcUeu  iu  allon  Sorten,  scbwediscbe  Sicberbeit-siünder  elo. 

Offerte  sowohl  direot  von  der  Fabrllc,  als  duroli  die  General-Repräsentanz: 

SMREKER  &  COMP.  IN  TRIEST. 

iiiuniiiiuiiiiiiituuiiiiiiiiiiiiiiliiiiiiiniiiiiiiiiiniiTiniiininiiiiininiiiiinmiiiMniiiinitiiniiiiiniiiiiiniiiiiiiiiiniiiiitiiiuiiininiiiiiiiiMiiiuiiin 

^y.  -h       FIAMMIFKRI.       -     M.^TCHF.S.      -l- — f- 


=  ca 


i'^ 


£. 


I 


m 


IV 


OESTERREICHISCHE   MONATSSCHRIFT   FÜR   DEN    ORIENT 


Giltig  vom  Jänner  18'J1 
bis  auf  Weiteres. 


ifafirplan  beö  „^eflcrrcicöifdi'iingarffrfJEn  KClonb' 


Gilllg  vom  Jänner  18Ö1 
bis  auf  Weiteres. 


-a.id:ri-a.tiso:e3:ei^   idieistst. 


Eillinie  TRIEST-CATTARO. 

Ab  TRIEST  jeden  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  in 
Cattaro  FreitagSVaUhrNm.,  berühr.:  Pola,  Luaein- 
piccolo,  Zara,  Spalato^  Macarsca,  Curzola,  Gra- 
vosa,  Castelnuovo  (oder  Megline),  Perasto,  Risano 
und  Perzagno. 

Retour  ab  CATTARO  Samstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Trießt  Moatag  11  Uhr  Vorm. 
DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  PREVESA. 
a)  Zwischen  TRiEST  und  CORFU. 

Ab  TRIEST  jeden  Montag  H  Uhr  Vorm., 
in  Corfu  Sonntag  Val  Uhr  Nrn.,  berührend: 
Rovigno ,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Selve,  Zara, 
Zaravecchia,  Morfer,  Sebenico,  Trau,  Spalato, 
Mi  Ina  ,  Lesina  ,  Curzola,  Orebich  ,  GraTosa, 
Ragusavecchia,  Castelnuovo  (oder  Megline), 
Cattaro,  Budua,  SpizBa,  Antivati,  Dulcigno, 
Medua,    Durazzo,    Valona  und  Santi-Quaranta. 

Ab  COBFU  Donnerstag  6  Uhr  Früh.,  in 
Trieat  Mittwoch  Vjl  Uhr  Nm. 

Anecbluse   an    die    Eillinie .  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  auf  der  Hinfahrt. 
ÖJ  Zwischen  CORFU  und    PREVESA. 

Ab  CORFU  jeden  Montag  9  Uhr  Abends,  in 
Prevesa  Dienstag VÜhrVorm.,  berührend:  Farga, 
StA.  Maura. 

Ab  PREVESA  Mittwoch  7  Uhr  Früh,  in 
Corfu  Mittwoch  6V2  Uhr  Abda. 

Während  des  Aufenthaltes  in  Prevesa  unter- 
nimmt der  Dampfer  eine  Fahrt  nach  Salahora 
und  zurück;  das  Anlaufen  dieser  Station  ist 
jedoch  facultativ. 

DALMATINISCH-ALBAKESISCHE 
LINIE  BIS  CORFU. 
Ab  TRIEST  jeden  Freitag  11  Uhr  Vorm..  in 

Corfu  Donnerstag  ß'/a  Uhr  Abends,  berührend: 
Rovigno,  Pola,  Lussinpiccolo ,  Melada,  Zara, 
Sebenico,    Rogosnizza,    Spalato,  MilnJi.,  Civita- 


veecbia.  Lissa,  Comi^a,  Vallegrande,  Lagosta, 
Terstenik,  Meleda,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),  Pera«t0j  Risano,  Cattaro,  Perzagno, 
Budua,  Medua,  Durazzo,  Valona  und  Santi- 
Quaranta.  Auf  derRÜckfabrt  wird  auchDulcigno 
und  Antivari  angelaufen. 

Ab  CORFU  Samstag  6  Uhr  Früh,  in  Trieat 
nächsten  Samstag  IIV4  Uhr  Vorm. 

Anachlusa  an  die  Eillinie  Triest-Constan- 
tinopel  in  Corfu  auf  der  Rückfahrt. 

Linie  FIUME-TRIEST. 

Ab  FIUME  Mittwoch  11  Uhr  Vorm.,  Auk. 
in  Triest  Donnerstag  Vil  Uhr  Mittags,  be- 
rührend :  Malinsca,  Rabac,  Cberso,  Pola,  Rovigno 
und  Parenzo. 

Ab  TR1ES,T  Samstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Fiume  Sonntag  12  Uhr  Mittags. 

Waarenlinie  FIUME  -  CATTARO  A) 
jede  zweite  Woche  vom  1.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Ubr  Nrn.,  berührend: 
Malinsca,  Veglia,  Lussingrande,  Selve,  Zara, 
Sebenico,  Trau,  Spalato,  Porto  Carober,  Milnä, 
Lesina,  Lis^a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo 
(oder  Megline),    Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh,  in 
Fiume  Donnerstag  4  Uhr  Nm. 

Anscbluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich  in 
Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Waarenlinie  FIUME-CATTARO  B) 
jede  zweite  Woche  vom  8.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  6  Uhr  Früh,  Ank. 
in  Cattaro  Sonntag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  Ma- 
linsca, Lussinpiccolo,  Selve,  Zara,  Sebenico, 
Trau,  Spalato,  Porto-Carober,  Milnä,  Lesina, 
Li^6a,  Curzola,  Gravosa,  Castelnuovo  (oder 
Megline),   Perasto,  Risano  und  Perzagno. 

Ab  CATTARO  Montag  7  Uhr  Früh ,  in 
Fiume  Donnerstag  5  Uhr  Nrn. 


Anschluss  an  die  Linie  Triest-Metcovich 
in  Spalato  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  FIUME-CATTARO. 
Ab  FIUME  Sonntag  l'/jUhr  Nachts.   Ank.  In 
Cattaro  Montag  4*/j  Uhr  Nrn.,  berührend:  Zara, 
Spalato,  Gravosa. 

Ab  CATTARO  Donnerstag  5  Ubr  Früh,  in 
Fiume  Freitag  6  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Linie  Spalato-Metcovich 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  TRIEST-SPALATO-METCO- 
VICH. 

Ab  TRIEST  Donnerstag  11  Uhr  Vorm.,  in 
Metcovich  Samstag  IS'/a  Uhr  Mittags,  berührend: 
Zara,  Sebenico,  Spalato,  Macarsca,  Gradaz  und 
Fort  Opus. 

Ab  METCOVICH  Dienstag  10»/«  Uhr  Vorm., 
in  Triest  Donnerstag  9Va  Uhr  Vorm. 

Anscbluss  an  die  Waarenlinie  Fiume-Cattaro 
in  Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Linie  SPALATO-METCOVICH. 

Ab  SPALATO  Montag  4Va  Uhr  Früh,  in  Met- 
covich Montag  5  Uhr  Nrn.,  berührend:  S.  Pietro, 
Almissa,  Macarsca,  Gradaz,  Trapano  und  Fort 
Opus. 

Ab  METCOVICH  Donnerstag  10  Uhr  Vorm., 
in  Spalato  Donnerstag  9'/4  Uhr  Abends. 

Anschluss  an  die  Eillinie  Fiume-Cattaro  in 
Spalato  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Periodische  Fahrten    zwischen  TRIEST 
und  VENEDIG. 

Ab  TRIEST  und  VENEDIG  jeden  Dienstag, 
Donnerstag  und  Samstag  um  11  Uhr  Nachts 

Ank.  in  VENEDIG  und  in  TKIEST  jeden 
Mittwoch,  Freitag  nnd  Sonntag  6  Ubr  Früh 


IjE^V.A^lSra7E-IDIEISrST- 


Eillinie  TRIEST-CONSTANTINOPEL. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Samstag  11  UhrVorm. 
mit  Berührung  von  Brindisi,  Corfu,  I'atras, 
Piräuß  j  Ank.  in  Coustantinopel  nächsten  Freitag 
9  Uhr  Vorm.;  Rückfahrt  von  Constantinopel 
jeden  Montag  5  Uhr  Nm,,  Ank.  in  Triest  Sonntag 
5V»  Uhr  Abends. 

Ausserdem  wird  auf  der  Hinfahrt  Dar- 
danellen berührt. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrf. 

Anschluss  an  die  Zweiglinie  Piräus-Smyrna 
in  Piräus  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  und  an  die 
thessalische  Linie  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Anschluss  an  die  dalmatiniscb-albanesische 
Linie  in  Corfu  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
GRIECHISCH-ORIENTALISCHE 
LINIE. 

Ab  von  TRIEST  jeden  Donnerstag  6  Uhr 
Abds.,  Ank.  in  Smy  rna  den  zweitnächhtenSonntag 
5  Uhr  Früh,  berührend:  Fiume,  Corfu,  Argos- 
toli  (Cephalonien),  Zante,  CerigACanea  (Suda), 
Rethymo,  Candia,  Samos  (^njfe'  Tschesme 
und  Cbios;  Rückfahrt  vojj^\t$F]y'na  jeden 
Samstag  4  Uhr  Nrn.,  Anl^jp  "Tfriest  zweit- 
näcbsten  Montag  11  Uhr  Vorm^r', 

Anschluss  au  die  Eillinie  s^est-a(T>^stanti- 
nopel   in  Corfu  auf  der  Hin-  und  IMtmtAbrt. 

Anschluss  an  die  syrische  Lini&jJSjfy^a, 
(jede  zweite  W'oche)  auf  der  Hin-  und  Kiirkt^iri^ 
Eillinie  THIEST-ALEXANDRM^^^ 

Jeden  Freitag  12  Uhr  Mittags  über  Bri&4 
Ank.  nächsten  Mittwoch  5  Uhr  Früh;  Rückfahrt' 
von  Alexandrien  Dienstag  li  Ubr  Früh,  Auk.  Vti 
Triest  Samstag  7  Uhr  Abends. 

Anschluss    an    die    syrische    Linie    in  Ale- 
xandrien auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 
THESSALISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  6.  Jänner. 

Ab  TRIEST  Dienstag  6  Uhr  Abds.,  Ank.  in 
Constantinopel  den  dritten  Donnerstag  6'/^  Uhr 
Früh  mit  Berührung  von  Fiume,  Corfu,  Santa 
Maura,  Patras,  Cata  colo,  Calamata,  Piräus 
Syra,  Volo,   Salonich,   Cavalla,   Lagos,   Dedea- 


gatsch,  Dardanellen,  Gallipoli,  Constantinopel; 
Rückfahrt  von  Constanlinopel  vom  7.  Jänner 
an  jede  zweite  Woche  Mittwoch  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Triest  den  dritten  Donnerstag  11  Uhr 
Vorm. 

Anscbluss  in  Piräus  an  die  Eilfahrt  Triest- 
Constantinopel  und  zurück. 

Facultative  Fahrten  von  TRIEST  nach 
SALONICH  alle  14  Tage,  mit  Verlängerung  bis 
Constantinopel  und  Batum  ab  Triest  jeden 
zweiten  Dienstag  vom  13.  Jänner. 

Linie  FIUME- ALEX  AND  RIEN- 

BEIRUT. 

Jede  vierte  Woche  vom  15.  Jänner. 

Ab  FIUME  Donnerstag  1  Uhr  Nachm.  mit 
Berührung  von  Lissa  und  Corfu,  Ankunft  in 
Alexandrien  nächsten  Dienstag  3  Ubr  Nachm.; 
nach  Beirat  Samstag  vom  24.  Jänner  angefangen 
12  Uhr  Mittags  mit  Berührung  von  Port  Said  und 
Jaffa;  Ank.  in  Beirut  folgenden  Dienstag  7  Uhr 
Früh. 

Rückfahrt  von  Beirut  Dienstag  vom  27. 
Jänner  angefangen  7^/3  Uhr  Abends,  Ank.  in 
Alexandrien  nach  Berührung  von  Caiffa,  Jaffa 
und  Port-Said  Samstag  10  Uhr  Vorm. ;  Abfahrt 
von  Alexandrien  nach  Fiume  Sonntag  vom 
4.  Jänner  angefangen  11  Uhr  Vorm.,  Ank.  in 
Fiume  Freitag  11  Uhr  Vorm. 

SYRISCHE  LINIE. 
Jede  zweite  Woche  vom  1.  Jänner. 
Ab  CONSTANTINOPEL  Donnerstag  4  Uhr 

■Nrn.,  Ank.  in  Alexandrien  den  zweiten  Sonntag 
'  11  Uhr  Vorm.  mit  Berührung  von  Gallipoli 
Dardanellen,  Tenedos,  Mytilene-  Smyrna,  Chios, 
Rhodus,  Limasol,  Larnaca,  Beirat,  Caiffa, 
Jaffa  und  Port-Said  ;  Rückfahrt  von  Alexandrien 
jeden  zweiten  Samstag  vom  3.  .länner angefangen 
12  Uhr  Mittags;  Ank.  in  Constantinopel  den 
zweiten  Dienstag  7*/»  Uhr  Früh. 

Anschluss  an  die  griechisch-orientalische 
Linie  in  Smyrna    auf  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Eillinie  PIRÄUS-SMYRNA. 
Ab  PIRÄUS  Mittwoch  4  Uhr  Nm.,  Ank.  in 


Smyrna  Donnerstag  ^  Uhr  Nm.  mit  Bbrübrung 
von  Chios;  Rückfahrt  Dienstag  11  Uhr  Vorm., 
Ank.  in  Piräus  Mittwoch  9  Uhr  Vorm. 

Anschluss  in  Piräus  an  die  Eillinie  Trieat- 
Constantinopel  bei  der  Hin-  und  Rückfahrt. 

Fahrten  von  CONSTANTINOPEL  Lach 
der  unteren  Donau. 
Giltig  vom  März  ab  bis  inclusive  November. 
Ab  CONSTANTINOPEL  Samstag  2  Uhr  Nrn., 
Ank.  in   Braila  Mittwoch  9  Uhr  Vorm.  mit  Be- 
rührung von  Varna,Küstendje,Sulina  und  Galatz; 
Rückfahrt    Donnerstag    8   Uhr   Früh,    Ank.    in 
Constantinopel   Montag  8  Uhr  Früh. 

Anschluss  in  Varna  an  den  Orientexpress- 
zug von  und  nach  Paris,  Wien,  Budapest, 
Bukarest;  in  Constantinopel  an  den  Eildampfer 
Triest-Constanlinopel  in  beid'-n  Richtungen. 

Die  Waarenanfnahme  ab  Triest  nach  den 
Stationen  der  unteren  Donau  wird  in  der  Regel 
Mitte  November  eingeKtetIt  und  beginnt  Ende 
Februar.  Während  der  Monate  December, 
Jänuer  U-Fuhrnar  verkehrt  derDampfer  wie  foU-t: 

Ab  CONSTANTIONOPKL  Samstag  2  Uhr 
Nrn..  Ank.  in  Küstendje  Montag  7  Uhr  Früh  mit 
Berührung  von  Varna;  Rückfalirt  Montag  (>  Uhr 
Abends,  inConstan^tinopelM  ttwochSVi  Uhr  Früh. 

Im  Anschluss  wie  oben  in  Varna  an  den 
Orient- Expresszug  ;  in  Conätantinopel  an  den 
Eildampfer  von  'l'riest. 

Linie  CONSTANTINOPEL  -  BATUM. 
Jede  zweite  Woche  vom  3.  Jänner. 
Ab  CONSTANTINOPEL  Samstag  3  Uhr  Nrn., 
Ank.  in  Batum  Mittwoch  6V3  Uhr  Früh  mit 
Berührung  von  Ineboli,  Samsun,  Kerasnnt, 
Trapezunt;  Rückfahrt  vom  8.  Jänner  ab  jede 
zweite  Woche  Donnerstag  6  Uhr  Abends,  Ank. 
in  Constantinopel  Mittwoch  1V3  Uhr  Nm. 

Facultative    Fahrten     CONSTANTINO- 
PEL-ODESSA. 

Ab  Constantinopel  Samstag  2  Uhr  Nachmittags; 
ab  Odessa  Samstag  4  Uhr  N;  chmittags. 

Je  nach  Bedarf  finden  diese  Fahrten  ent- 
weder .wöchentlich  oder  alle  14  Tage  statt. 


IlSriDO-OIEHlSrESISOHCER     HDIElSrST- 


Eillinie  TRIEST— BOMBAY.  Ab  Triest 
am  3.  eines  jeden  Monates,  Mittags,  berührend: 
Brindisi,  Port-Said,  Suez,  Aden.  Rückfahrt  von 
Bombay  vom  1.  Februar  ab  jeden  1.  des  Monates 
bis  incl.  Jänuer  1892. 

Anscbluss  in  Bombay  abwechselnd  an  die 
Linie  Triest -Hongkong  und  an  die  Zweiglinie 
Bombay — Hongkong. 

Linie  TltlEST-HONG  KONG.  Ab  Triest 
am  18  der  geraden  Monate'j  des  Jahree  Mittags, 
berührend:  Port-Said,  Suez,  Djeddah,  Suakim, 
Massauah,  Hodeidah,  Aden,  Bombay,  Colombo, 
Penang,    Singapore.    Rückfahrt   von    Hongkong 

l\   Pphriiar.i  Anril      .Tnni.    Auirnfit.     Octnh«r 


am  21.14..  19.|6.,  21.18.,  22.110.,  22.112.  1891  und 
2012.  1892. 

Ansch;us8  in  Bombay  an  die  Eillinie  Triest 
— Bombay^,  Anschluss  in  Colombo  an  die 
Zweiglinie  Calcutta— Colombo. 

Zweiglinie  BOMBAY  —  HONGKONG.  Ab 
Bombay  am  24.  der  geraden  Monate  des  Jahres, 
berührend:  Corombo,  Penang,  Singapore.  Rück- 
fahrt von  Hongkong  am  22./3.,  21./5.J  20./7., 
21./9.,  21./11,  1891  und  22./1.   1892. 

Anschluss  in  Bombay  an  den  Eildampfer 
Triest — Bombay  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt; 
Anschluss    in    Colombo    an    den    Dampfer    der 


Zweiglinie    CALCUTTA— COLOMBO.     Ab 

I  Calcutta  am  21.  eines  jeden  Monates,  berührend: 
!  Madras.  Rückfahrt  von  Colombo  vom  8.  Fenrnar 
!    ab  jeden  8.  des  Monates  bis  incl.  Jänner  1892. 

I  Anschluss  in  Colombo  abwechselnd  einmal 

,     an    den    Dampfer    der    directen    Linie    Triest — 

Hongkong    und    einmal    an     den  Dampfer    der 

Zweiglinie  Bombay — Hongkong  auf  der  Hin-  und 

Rückfahrt. 

BezÜBÜch    des     indo-chinesiscben    Diens'es 
gilt    der  Vorbehalt,    dass    die  Ankunft   in  oder 
die   Abfahrt    ab    einem    Zwiscbenhafen   —    die 
!    anffurehenfin    Anachlusshafeu    ausaenommcn  - 


«4 


c£. 


HF 
13 
04 
Jg.  16 


Oesterrei Chi sehe  Monatsschrift 
für  den  Orient 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY