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Full text of "Opuscula"

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GODOFREDI HERMANNI 


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OPVSC V.L A. 


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VOLVMEN SEXTVM. 


LIPSIAE, APVD ERNESTVM FLEISCHERV M. 
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[TEES 
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IIIS e€d$i.ee€e 
Test 


Zweite Abtheilung. 


Recension von Herrn Müllers Eumeniden des Aeschylus. Mit 


Zusatzen, 


GODOFREDI HERMANNI 
OP V S.C V L A. 


VOL. VL PARSL 


Hrgnw. Or. VI . Α 


PINDARI CARMINA TE 


QVAE SVPERSVNT 
CVM DEPERDITORVM FRAGMENTIS SELECTIS 
EX RECENSIONE BOECKHII. 
COMMENTARIO PERPETVO ILLVSTRAVIT 
LVDOLPHVS DISSENIVS, PROF. GOTTING. 


Sect. I. Carmina cum annotatione critéca. Adiectae 
sunt tabulae duae geographicae delineatae a Car. Odofr. 
JMMüllero. Gothae et Erfordiae sumpt. Guilielm. Hennings. 
MDCCCXXX. C u. 282 S. 8. Sect. Il. Commenta- 
rius. 634 S. Auch unter dem Titel: Bióibiéiotheca 
Graeca eic. eurantibus Friderico lacobs et Val. Chr. 
Fr. Rost. Poetarum vol. VI.*) 


A ngegangen um eine Beurtheilung dieser Ausgabe, lehnte 
Rec. anfaugs ein Gescháft ab, bei dem er voraus sah, 
wegen ganz entgegengesetzter Ansichten dem sehr von 
ihm geschützten Herausgeber mehr widersprechen xu miüs- 
sen, als er thun zu kónnen wünschte.  Indessen liess er 
sich am Ende doch noch dazu bestimmen, zumal da Herrn 
Dissens Abhandlung über die Árt den Pindar zu er- 
klàren ihm nach der im Jahre 1824 von dem verstor- 
benen J. Aug. Jacobs in der Vorrede zum "PlheokrK 5. 
CLIH f. und nicht von diesem allein ergangenen Awf- 


*) Àus Seebodens ἃ, Jahns Jahrbüchern 1831. I. D. 1. Hft. 
A2 


4 c PINDARI CARMINA 


forderung gewissermaassen die Pflicht auflegte, sem Urtheil 
über diesen Gegenstand micht zurückzuhalten. ^ Er ist 
stefs der Meinung gewesen, dass die Horazische War- 


&5nung, Pindarum quisquis studet aemulari, auch. dem 


Erklürer gelte. Auch dieser hat sich zu prüfen, ob er 
auf angebornen Flügeln den Flug mit dem güóttlichen Ad- 


. ler wagen dürfe, oder ob ihm der Strahljfter Sonne 


Gefahr bringen kónne, "Tritt er auf das Wagstück zu 
unternehmen, so stellt er, ob es gelungen sey, den Ur- 
theilen Ánderer anheim. Diese Urtheile fallen natürlich 


" sehr verschieden aus, je nachdem sie von dem geeigne- 


s 
£t. 
fet . 

t» 


tem oder dem nicht geeigneten Richter, bestochen oder 
Wwmbestochen, oberflüchlich oder gründlich sind. Wie viel 
ihnen zu trauen sey, muss Inhalt und Form angeben. 
Und so macht auch die gegenwáürtige Beurtheilung kei- 
nen andern Anspruch, als den, gehórt zu werden. 

Der erste Band enthült, nach der Zueignung an 
Herrn Bückh, eine Abhandlung de ratrone poetica car- 
minum  Pindaricorum et de interpretatsonis genere 
$$ adhibendo, der ein Conspectus temporum, qui- 
bus eptinicia scripla, angehàngt ist, sodann den Text 
nach der Bóckhischen Recension mit untergesetzten kur- 
zen kritischen Ánmerkungen, und endlich zwei Excurse, 
den ersten über die Ordnung der Kümpfe in deg, fünf 
Tagen der Olympischen Spiele, den zweiten über das 
AÁsyndeton des Pindar. Der zweite Band umfasst den 
Commentar. : 

Herrn Disseus Gelehrsamkeit und Scharfsinn sind 
eben so anerkannt, wie sich in dem Antheil, den er an 
der Bóckhischen Ausgabe genommen, seine grosse Án- 
hánglichkeit an Hrn. Bóckhs Anssprüche gezeigt hat. 
Wenn man daher auf der einen Seite finden sollte, dass 
das Ansehen dieses allerdings in hohem Grade um den 
Pindar verdienten Gelehrten eine nicht zu billigende Be- 
fangenheit des Urtheils hervorgebracht hat, auf der an- 
dern aber Herr Dissen durch seinen Scharfsinn ver- 
leitet worden zu seyn scheint, auch das, was entwe- 
der histerischer Natur ist, oder durch blosses Gefühl auf-- 


EDID. DISSEN. . $ 


gefasst werden muss, mit dialektischer Subtiltüt zu ana- 
lysiren: so dürfte das Charakteristische seines Buchs mit 
wenig Worten bezeichnet seym. Eine genaue Prüfung 
wird zeigen, ob dieses Urtheil gegründet ist. Wir be- 
ginmen mit den beiden Excursen. 

In dem ersten dieser Excurse, der von der Ord- 
nung der Kümpfe in den Olympischen Spielen handelt, 
bestütigt sich nur zu sehr, was so eben von dem Bestre- 
ben gesagt worden, empirische Dinge bloss durch Dia- 
lektik anfs Reine zu bringen, indem hier Herr D. aus 
der Stelle des Pausanias V, 9, 3. durch blosse Schlüsse 
herausfolgert, was in ihr nicht liegt, sondern ganz ande« 
rer Beweise bedürfen würde. Nachdem er bemerkt hat, 
Pindar erwühne in der eilften Olympischen Ode als vom 
Herkules eingeführt Wettlauf, Ringen, Faustkampf, Wa- 
genrennen, Wurfspiess- und Discuswerfen, und bezeichne 
dadurch die noch bestehende Ordnung der Kümpfe; spá- 
ter aber sey an die Stelle des Wettstreits mit dem blos- 
sen Wurfspiess und Discus das Pentathlon getreten, wel- 
ches nach Xenophon δέ. Gr. VII, 4, 29. auf das 
 Pferderennen gefolgt sey: sagt er, wenn Pausanias V, 8.46 
und Julius Africanus beim Eusebius erzühle, nach dem 
Wettlaufe sey Olymp. 18. das Ringen und das Pent- 
athlon, Ol. 23. der Faustkampf, Ol. 25. das Pferderen- 
nen aufgenommen worden, so sey es offenbar widersinnigs, 
anzunehmen, dass in den ersten 17 Olympiaden: bloss 
der Wettlauf zu Fusse gebráuchlich gewesen, da ja schon 
bei dem Homer auch die übrigen Kümpfe vorkommen, 
und schwerlich die Spiele zur Ehre des Pelops des Wa- 
genrennens entbehrt haben. Vielmehr sey bloss gemeint, 
dass von den genannten Olympiaden sichere Nachricht 
auf den Sáulen eiugegraben worden.  Uebrigems sey ge- 
wiss, dass man das Pankration am spáütesten, Ol. 33. 
eingeführt habe, Den Viros xéAgg, der in derselben 
Olympiade aufzenommen wurde, lisst er unerwáhnt. Ob- 
gleich dieses alles nur Vermuthungen sind, so lüsst sich 
ihnen doch nichts erhebliches entgegensetzen, indem es 
allerdings unwahrscheinlich ist, dass 17 Olympiaden lin- 


6 PINDARI CARMINA 


durch die Spiele bloss im Wettlaufe zu Fusse bestanden 
hütten.  Alleig was Pausanias von der Einführung der 
andern Kámpfe sagt, móchte wohl eher so zu verstehen 
seyn, dass sie in den genannten Olymyiaden durch einen 
fórmlichen Beschluss als feststehend angenommen wurden. 
Weiter nun betrachtet Hr. D. die Worte des Pausanias 
V, 9, 8.: ὁ δὲ κόσμος ὃ περὶ τὸν ἀγῶνα ἐφ ἡμῶν, 
ὡς ϑύεσθαι τῷ ϑεῷ τὰ ἱερεῖα πεντάϑλου μὲν καὶ 
δρόμου τῶν ἵππων ὕστερα ἀγωνισμάτων, οὗτος κατ- 
δότη σφίσιν ὃ κόσμος ᾿Ολυμπιάδι ἑβδόμῃ πρὸς ταῖς 
ἑβδομήχοντα. τὰ πρὸ τούτων δὲ ini ἡμέρας ἦγον 
τῆς αὐτῆς ὁμοίως καὶ ἀνθρώπων καὶ ἵππων ἀγῶνα. 
τότε δὲ προήχϑησαν ἐς γύκτα οὗ παγχρατιάζοντες, 
ἅτε oU χατὰ καιρὸν ἐοχληϑέντες" αἴτιοι δὲ ἐγένοντο 
οἵ te ἵπποι καὶ ἐς πλέον ἔτι ἣ τῶν πεντάϑλων ἅμιλ-- 
Ao καὶ ἐκράτει μὲν ᾿4ϑηναῖος Καλλίας τοὺς παγχρα- 
τιάσαντας. ἐμπόδιον δὲ οὐκ ἔμελλε τῷ παγκρατίῳ 
τοῦ λοιποῦ τὸ πένταϑλον οὐδὲ οὗ ἵπποι γενήσεσθαι. 
Aus dieser sehr dunkeln und nicht einmal unverdorbenen 
Stelle ergiebt sich blos folgendes: 1) vor der 77. Olym- 
piade kámpften Menschen und Pferde an einem und dem- 
selben Tage; 2) Olymp.- 77. dauerte das Pferderennen 
πιὰ das Pentathlon so lange, dass die Pankratiasten in 
der Nacht kümpfen mussten; 3) daher wurde es Sitte, 
die Opfer nach dem Pentathlon und dem Pferderennen za 
bringen; 4) hieraus folgt, dass das Pankration auf einen 
andern Tag verlegt warde. Dunkel aber bleibt 1) ob 
das Pentathlon dem Pferderennen, oder dieses dem Pent- 
athlon, da beide sugenscheinlich an demselben Tage ge- : 
halten wurden, vorausgegangen sey: denn aus den Wer- 
ten des Pausanias lisst sich beides schliessen; 2) ob 
das Pankration auf dem folgenden Tag, wie Hr. D. meint, 
oder auf ei&en der vorhergehenden verlegt wurde; 3). was 
für Opfer gemeint seym mógen, da, wenn das Hauptopfer 
des ganzen Festes gemeint seyn sollte, dieses dech ge- 
47wiss erst nach Beendigung der Spiele gebracht wurde. 
Was macht nun Hr, D. mit diesen Nachrichten? JDesos- 
meus er hs verbis, sogt er, primum. omietbus. cer 


EDID. DISSEN, 7 


tameu generibus certatum eodem die, hoc est, 
ut ego censeo, quum ires minimum ante Ol. 77. 
dies ludorum essent, praeter gymnica. certamina 
semel curribus, altero de rhedis mulartbus, tertio 
celete decursum, ut unusquisque dies et. hominum 
et equorum certamina haberet, — Et. ultimum qui- 
dem fust. sezxtumque $n. fine diei pancratium, quod 
quum aliquando in. noctem. protractum esset pro- 

ler curruum et quinquertii certamina antecedentia, 
inde ab sila Olympiade mutatio facta, — Woraul 
aber beruht sein s ego censeo? Offenbar &uf nichts 
als auf einer kinstlich ersonnenen Miglichkeit. Und wie 
kommt Herr D. dazu, den Spielen anfangs nur drei T 
einzuriumen, da davon niemand etwas gemeldet hat? Er . 
láhrt fort: Quid vero mutatum est? [mn cetero or- 
déne plane swhil mutatum, hoc entin. djcere. debe- 
bat Pausanias, sed reiectum est. pancratium ἦν 
sequentem diem οἱ finita prioris. dies concertatio 
post quinque genera spectata, — Natürlich sagt Pau- 
sanias nicht, dass in der übrigen Ordnung etwas peün- 
dert worden: aber er sagt anch micht, dass man daa 
Pankration auf den folgenden Tag verlegt habe. Denn 
wenn auch Hr. D. sagt: Hoc enim aperte Pausanias 
dicere me eidetur δὲς ceris: ὃ δὲ κόσμος --- ἐβδο-- 
μήκοντας So ist doch diese Ansicht durch nichts he- 
gründet, und hat daher für Andere keine Beweiskralf. 
Demungeachtet stellt nun. Hr. D., auf dieser aller Grund- 
lage entbehrenden Hypothese fortbanend, folgende T'ofel 
ven dem, was jeden Tag gemacht worden sey, aul: 


1. δρόμος, πάλη, πυγμή, ἅρματα, πένταϑλον. 

2. παγχράτιον, δρόμος, πάλη, πυγμή; πένταϑλον: 

3. δρόμος, πάλη, πυγμή, ἀπῆγαι, πένταϑλον. 

4. παγχράτιογν, δρόμος, πάλη, πυγμή, πένταϑλον. 

ὅ.. δρόμος, πάλη, πυγμή, κέλητες, πένταϑλογν. 
Des Píferdereunen hant er vor das Pentathlon naeh Pin- 


dar und Xenophon gesetzt. Den letztermm Zeugen erkem- 
men wir sls gülüg an. Aber sehr eigen is die Art, 


8 PINDARI CARMINA 


wie er weiter seine "Tafel rechtferigt: Primum :g9tur 
proposita descriptio ut. per. se aequalslitate. placet, 
sta. confirmatur Pindaré loco, 0l. V. 6. 7., ubs 
quinque ludorum | dies sic designantur : neu ue 
Qo. ἅμιλλαι ἵπποις, ἡμιόνοις τὲ μοναμπυκίᾳ ve. Quo-- 
snodo autem per quinque dies certars potest (ribus 
his generibus, nist premo, tertio, quinto die certa- 
lur, ul$ in nostra descriptione eides? Die Ausle- 
gung, die Hr. D. von den Werten des Pimdar macht, 
bedarf keiner Widerlegung, da das, was er hineintrügt; 
weder in ihnen liegt noch liegen kann: und die Frage, 
die er anfwirft, setzt schon den festen Glanben voraus, 
dass es keine andere, als die von ihm künstlich erfan- 
48dene Müglichkeit, die Worte und die Sache zu erklüren, 
gebe. PDald darauf führt Hr. S. 267. fort: Quod dem- 
que Οἱ. 99. πώλων ἅρματα addita sunt, Ol. 128. 
πώλων συνωρίς, Ol. 131. πῶλος χέλης, 60 non mu- 
tatum credo reliquum ordinem, sed primo , dte in- 
πῶὼν τελείων et πώλων do, μασι, tertio ἵππων et πώ- 
λων συνωρίδι, quinto ἵππῳ et πώλῳ κέλητι decur- 
sum suspicor. Ante Οἱ, 71. quum «unus, duo, tres 
dies ludorum essent, eodem die hominibus et equis 
certatum, ut Pausamas supra dias; postea cero 
statum est hoc, et eides nunc secundo. et quarto 
die non certatum equis. — Nicht dass dieses so ge- 
schehen ist, sieht man, sondern bloss, dass Hr. D. an- 
nehme, es sey geschehen. — Vom Stadium sagt er S. 
268: De ratione certamtnis notabilis locus Pausa- 
n4a€ VI, 13, 2. licel mancus, ubs non omnes cur-- 
sores simul certasse tradit, sed untecersum mune- 
rum sortitione in. quaterniones. divisum, cictores 
autem harum denuo compositos, | Atque sta. exsti- 
ἔξ σταδιονίχης. Die letzten Worte, die keinen schick- 
lichen Sinn geben, sind wahrscheinlich durch einen 
Sichreib- oder Druckfehler entstellt. Hr. D. wollte ge- 
wiss sagen, was Pausamias sagt: afque tía tdem bes 
exstitit σταδιονίχης. Er spricht sodann weiter über 
die verschiedenen Arten des Wettlaufs, wobei er die von 


EDID. DISSEN, 9 


Herrn Boeckh in dgm Corpus Insereptt. Y. y. 708. 
 aufgestellre Meinung zu billigen scheint, dass der δόλι- 
xos 7 Stadien, der δόλιχος ἵππιος aber 24 gehabt habe. 
Allein da der δόλιχος ἵππιος ausser jener Inschrift wohl 
nicht leicht erwühnt seyn dürfte, Plato aber Legs. VIII. 
p. 833. Α. zwischen den δίαυλος und δόλιχος nech 
den ἐφίσππιος setzt, so wird es wahrscheinlich, dass δό- 
λιχος ἵππιος dasselbe, was ἐφίππιος, ist, und also diese 
Benennung nicht, wie man auf den ersten Anblick den- 
ken sollte, einen lüngern, sondern vielmehr. einen kür- 
zern dóAuyoc, als der schlechthin so genannte ist, be- 
zeichnet, — Herr D. führt fort, S. 269.: Vides mwlta 
genera «usurpata; pobwt ieitur. primo die. quum 
στάδιον esset, secundo διαύλου δρόμος esse, fertto 
δόλιχος, quarto ὅπλίτης δρόμος, quinto παίδων δρό- 
μος, $$ autem etiam ἵππιον δρόμον Olympia δαδωΐ, 
primo die στάδιον et. διαύλου δρόμος esse potwt 
eel alius. — Und bald darauf: Sed in Olympia secun- 
dum Pausan. VI. 13, 3. Pohtes Ol. 212. ἀπὸ τοῦ 
μηκίστου xai διαρχεστάτου δὲ ὄδλιγίστου χαιροῦ 
μεϑηρμόσατο ἐπὶ τὸ βῳϑδχύτατον ὁμοῦ καὶ ὥχιστον, 
καὶ δολίχου γε ἐν ἡμέρᾳ τῇ αὐτῇ καὶ παραυτίχα 
σταδίου λαβὼν νίχην, προςέϑηχε διαύλου σφίσι τὴν 
τρίτην. Quae sí recte intelligo, Polites «no die 
doliché et stadi? eictortam tulit, secundo diauls et- 
tam. — Singulare cero est, quod. tum dolicho pri- 
mum, deinde stadio certatum ; vulgo entm non du- 
bium, est stadis certamen primum fuisse omnium. Sed 
mutacerant hoc Hellanodicae ista Ülyapiade aliquam 
de causa, quemadmodum etiam. alias ἐπ cetero or- 
dine cursuum fieri potutt ; neque arbitror singulos 
dies $n. perpetuum fixa. cursuum. genera. habwisse,49 
ut mutare nihil. licuerit pro temporis: et. certato-: 
rum ralione, — Quare elitam. 8ὲ quis Politen uno 
die tres υἱοὔδγίαβ cursus. reportasse contendat, 
non negabo polwisse (sta quidem. Olympiade. ἐξα 
factum esse.  Pansahias spricht allerdings so, dass man 
glauben móchte, der δόλιχος sey dem στάδιον vorange- 


10 PINDARI CARMINA 


gangen: aber erstems ist zu bedenken, dass er n&ch sei- 
ner gesuchten Árt zu reden auch rückwürts vom lüng- 
sten und die meiste Ausdaner :erforderndem zum kürze- 
Sten und schnellsten Laufe gemessen haben kann, so wie 
er auch in der oben angeführten Stelle V, 9, 3. die 
Ordnung das erste Mal umkehrt, und das Pentathlon vor 
dem Pferderennen nennt; und zweitens wird bei dem Eu- 
sehius Polites bloss als Sieger des Stadiums angegeben, 
se dass man sicherhch damals keine Ausnahme gemacht, 
sendern auch diese Olympiade mit dem Stadium begon- 
nen, und durch Nennung des Siegers in diesem Wett- 
laufe bezeichnet hat. | Uebrigens ist nieht der inindeste 
Grund vorhanden zu glauben, Polites babe im Diaulos 
an einem andern Tage gesiegt. Vielmehr mmss erst be- 
wiesen werden, dass an mehr als einem Tage Wettlüufe 
zu Fusse gehalten worden seyen. Es folgen wieder S. 
270. folgende bloss aus Hypothesen bestehende Sàtze: 
Ie t cetera persequar, probabile mih est. par- 
tem. luctatorum. e£. pugilum primo die. certasse, 
partem secundo, quum plerumque non pauci essent 
certateres, tertio vero vciceqyes cum. ἐφρέδρῳ» aut 
$0105, sí ἔρεδρος πον erat, sed par numerus certan- 
bium. Ác δὲ ἔφεδρος aderat, deinceps victores antece- 
dentumn derum certabant cum hoc, cf. Boeckh. 
Explicatt. ad Pind. Pyth. VIII. p. 319. (Hr. Bóckh 
sagt dort kein Wort von fsegern der vorhergegangenen 
Tage) 8$ non aderat, φόρα paria ex «eictoribus so- 
lis componebantur, donec summus evaderet victor. — 
Denique ad eandem normam quarto die puerorum 
luctatorumn €t. pugilum certamen esse potuit, quento 
eictorum. et. ἐφέδρου. δὲ autem pauciores certa- 
[ores aderant, etiam omitti uno die potuit hoc ge- 
nus ceríamimis. — Venio ad quinquertium. — Est 
autem. enazime, eertsimile/ composttos quinquertio- 
4:68 per quatermtones fuisse, ut quaterni saliu, cur- 
8uw, disco, saculo certarent, ad luctandum «ero duo 
paria prodirent, unum post alterum, — Igitur. si v, 
e. sedecim erant, commode δὲ per. quattuor dies 


EDID, DISSEN, ' n 


certacerint, quinto autem. die eictores horum. Ne- 
que tamen semper existimo omnibus diebus quin. 
querlto ceriatum, sed sé pauciores aderant, omis- 
sum est uno alteroque die hoc certamen, et intro- 
ducta pro eo, δὲ fieri poterat, luctatorum aut gu- 
gtilum plura paria. | Quemadmodum δὲ plus quam 
sedecvm aderant, «no die duae quaterniones cer- 
terunt. Tala enim necessario. mutata sunt. ab 
Hellanodécis pro namero certantium in. quoque ge- 
nere, ut, quantum fiers posset, aequalter. dversu 
haberentur per singulos dées certamina et. specta-50 
torum oblectamenta. — Von diesem allen ist nan nichts 
historisch begründet, nichts wahr, einiges sogar gan 
falsch, und die ganze von Hrn. D. so mühsam ausge- 
dachte Einrichtung ist bloss in seiner Phantasie vorhan- 
den, und hat keinen andern Nutzen, als dass etwa, wer 
jetzt Olympische Spiele anstellen wollte, sie sich zum 
Muster nühme. — Noch lesen wir von dem Pentuthlon 
S. 271: Tumen «ut paucis meam. sententiam. ape- 
riam, cum Boeckheto cerum babeo ductam wulti- 
mam fuisge ἐπ ordine, neque obstare puto  Paw- 
saniam 71]. 6, 9. (vielmehr 11, 6.) quem: locum 
Boeckus optime explicat. Dass Hr. D. in Erklá- 
rung der Stelle des Pausanias, so wie Philipp in der Àb- 
handlung de pentathio, Herrn Boeckh beitritt, ist nieht 
zu verwundern. Allein es scheint nicht nóthig zu seyn,. 
weiter etwas zu sagen, als was in der Abhandlung de 
Sogenis Aeginetae eictoria. quinquerti$ sesagt wor- 
den; indem jeder die Sache selbst prüfende und nicht von 
Autoritàt abhüngende Leser schon von selbst finden wird, 
wer Recht hale. --- Zuletzt zeigt Hr. D. noch aus dem 
Pausanias, dass bisweilen von den Aronotheten etwes in 
der Ordnung der Kümpfe nach den Umstünden abgeün- 
dert worden. Was ist nun eigentlich das Ergebniss die- 
ses Exeurses?  Blosse Vermuthungen, und nichts weiter: 
aber nicht éinmal Vermuthungen, die sich als annehmlicl 
empfehlen kónnten. | ' | 

ΜΈΝ mass. nicht alles wissen wollen: aber was ge- 


12 PINDARI CARMINA 


wusst werden kann, inuss man da schópfen, wo es zu 
finden ist. Würe Hr. D. nicht bei dieser rein hüstori- 
schen Sache ὦ preore verfahren, sondern hütte vielmehr, 
theils was andere Zeugnisse andeuten, berücksichtigt, 
theils die Schwierigkeiten der Stelle des Pausanias, von 
der er ausging, gehürig erwogen: so würde er leicht selbst 
die Unwahrscheinlichkeit solcher Hypothesen, wie die von 
iun aufgestellten siud, eingesehen, und sogleich als das 
Natürlichste erkannt haben, dass nicht an jedem Tage 
allerlei. Kámpfe, sondern vielmehr die gleichartigen alle 
mit- oder nacheinander gehalten worden seyen. Es ist 
kaum denkbar, dass die Kampfspiele nicht, wie so vie- 
les andere bei den Griechen, überall ziemhch auf dieselbe 
Art sellten eingerichtet gewesen seyn, selbst wenn man 
nicht in Anschlag bringt, dass die Olympischen wohl als 
Muster für die meisten andern dienen mochten. Num ist 
zü Olympia und überall der Anfang mit dem Wettlaufe 
* gemacht worden, οὗ πρώτη χρίσις», wie Sophokles Electr. 
684. sagt. Und dass mehrere Arten von Wettlhuf an 
demselben Tage zu Olympia, zu Delphi, zu Athen ge- 
halten wurden, ist ausser Zweifel, theilss aus, dem Pau- 
sanias, theils aus andern Zeugnissen , z. B. des Pindar 
OL XIII 50. Einem andern Tage pehürten die Pfer- 
derennen an, die gleich am frühen Morgen begannen: 
Sephokles E/. Vs. 698. 
51 ἄλλης ἡμέρας, 09 ἱππικῶν 
ἦν ἡλίου τέλλοντος ὠχύπους ἀγών. 
Und dass auch bei dieser Árt ven Wettkampf ἅρματι, 
ἀπήνῃ, χέλητι am einem Tage gewetteifert. wurde, lisst 
sich aus Pindar Ol. V. wahrscheinlich machen , Wovon 
weiter unten gesprochen werden soll ^ Das Pentathlon 
verbindet Pausanias mit dem Pferderennen an einem Ta- 
ge, und zwar ergiebt sich aus der Stelle des Xenophon 
Hellen. ὙΠ. 4, 29., dass das Pferderennen voraus- 
ging, was wiederum mit den angeführten Worten des So- 
phokles übereinstimmt, der das Pferderennen gleich mit 
AÁufgang der Sonne beginnen lüsst. Zwar lüsst dieser 
dort in den Pythischen Spielen das Pentathlon dem Pfer- 


EDID. DISSEN, 13 


derennen, jedoch nicht an demselben "Tage, vorausgehen, 
Vs. 691.; aber jene Stelle ist offenbar verdorben, und 
vielleicht ist der ganze Vers gar nicht von Sophokles. 
Ist er aber von ihm, in welchem Falle die Stelle so ge- 
lautet haben kónnte: 
ὅσων γὰρ εἰςεχήρυξαν βραβῆς.. 
δρόμων, διαύλων, πέντε ϑ' ὧν νομίζεται 
ἄϑλων ἐνεγχὼν πάντα τἀπιγίχια᾽ 

so Κύππίο der Dichter ja wohl, um den Orestes zu rüh- 
men, die Ordnung etwas veründert haben. Was meint 
nun aber Pausanias mit den Worten: ὃ δὲ χόσμος ὃ 
περὺ τὸν ἀγῶνα iq ἡμῶν, ὡς ϑύεσθαι τῷ ϑεῷ τὰ 
ἱερεῖα πεντάϑλου μὲν xal δρόμου τῶν irinov ὕστερα 
ἀγωνισμάτων! Das hier bezeichnete Opfer ist wohl 
unsireitig das Hauptopfer des ganzen Festes. Aber die- 
ses Hauptopfer wurde doch schwerlich mitten nnter den 
Káümpfen selbst, sondern erst nach deren pgünzlicher Be- 
endigung dargebracht. Das liegt nicht nur in der Sache, 
sondern geht auch aus den Scholien zur Ol. III. 33. ber- 
vor, und wird vom Pindar selbst Ol. XI. (X. der ültern 
Ausg.) beschrieben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, 
dass auch Pausanias nichts anders als dieses sagen wollte. 
Aber die Stelle ist offenbar lückenhaft, wie theils das 
μὲν zeigt, dem hier nothwendig ein anderer Satz entge- . 
genstehen musste, theils das überflüssig dastehende ἄγω-- 
γισμάτων vermuthen lásst, theils aus der ganzen Be- 
schreibung hervorgeht, indem angedeutet werden* musste, 
welche Stelle das Pankration erhalten habe, da ausdrücklich 
gesagt ist, von Ol. 77. anseyen dem Pankration das Pent- 
athlon und die Pferde nicht mehr hinderlich gewesen. 
Herr Bóckh hat Th. IV. p. 148. die Schwierigkeit durch 
folgende sehr verwegene Veründerung zu heben versucht: 
πεντάϑλου μὲν xai δρόμου τῶν ἵππων ὑπὲρ ἀγωνγι- 
σμάτων τῇ προτεραίᾳ, ὑπὲρ δὲ τῶν λοιπῶν ὕστερα 
ἀγωνισμάτων, so dass die Opfer gemeint würden, die 
wegen jeder einzelnen Kümpfe dargebracht zu werden 
pfegten. Philipp de pentatAlo S. 88..hht nichts, das 
die Schwierigkeit beseitigte, vorgebracht. —Hr. Bekker 


14 PINDARI CARMINA 


52vermuthet, dass τῶν δὲ λοιπῶν πρότερα vor dywvi- 


σμάτων einzuschieben sey.  Allem dann würde man, 


wie bei Hrn. Bóckhs Conjectur, an die einzelnen Opfer 
denken müssen, deren Erwühnung gar nicht wahrschein- 
lich ist. Herr Dissen übergeht die ganze Schwierigkeit 
mit Stillschweigen. 


Wenn, wie man wohl voraussetzen darf, das Haupt- 
opfer, mithin die Beendigung der gesammten Spiele, ge- 
meint ist, so lósen sich die Schwierigkeiten, sobald man 
annimmt, dass in dem oft lückenhaften "Texte des Pau- 
sanias eine Zeile ausgefallen ist, und der Satz ungefáhr 
so lautete: ὡς ϑύεσθαι τὰ ἱερεῖα πεντάϑλου μὲν xai 
δρόμου τῶν ἵππων ὕστερα; [πρὸ τούτων δὲ γεγενη- 

évov τῶν ἄλλων») ἀγωνισμάτων. | Daun ist der Sinn: 
as Hauptopfer, welches die Spiele beendigte, habe man 
zwar nach dem Pferderennen und dem Pentathlon darge- 
bracht (d. h. diese beiden Kümpfe wurden von Ol. 77. 
an, wie bereits vorher, am letzten 'Tage gehalten); vor 
diesen beiden Kümpfen aber habe man von Ol. 77. an 
die übrigen voransgeschickt. ^ Daraus folgt, dass das 
Pankration, welches, als das zulezt aufgekommene Kampf- 
spiel, bisher die letzte Stelle gehabt hatte, und also am 
letzten Tage, d. i. wie angegeben ist, nach dem Pferde- 
rennen und Pentathlon folgte, nunmehr an einem der 
frühern Tage gehalten wurde, mithin die Pankratiasten 
ferner njcht in die Verlegenheit kamen, wegen der Pfer- 
de und des Pentathlons bis in die Nacht warten zu müs- 
sen. Durch diese ganz einfache und auch mit dem Xe- 
nophon übereinstimmende Erklárung der Sache füllt nun 
' Hrn. Dissens ohne alle historische Basis ausgedachte Àn- 
ordnung der Spiele gánzlich zusammen. Zum Ueberfluse 
móge noch die oben berührte Stelle des Pindar Ol. V. 
᾿ B. beleuchtet werden. Dort sagt er von Psaumis: 


βωμοὺς 85 διδύμους ἐγέραρεν ἑορταῖς ϑεῶν με- 
γίσταις 

ὑπὸ βουϑυσίοαωις ἀέϑλων τὸ πεμπταμέροις ἁμίλλαις, 

ἵπποις ἡμιόνοις τὸ μοναμπυκίᾳ τε. 


. EDID. DISSEN. 15 


Dass Psaumis nicht in diesen drei Kümpfen zugleich ge- 
siegt habe, hat Herr Bóckh mit Recht behauptet und 
bewiesen. Um aber die Erwühnung dieser drei Kümpfe 
zu erkliren, lisst er die Worte von ἁμίλλαις abhüngen, 
worin ihm Herr D. felgt. Dann háütten aber beide nicht 
naclr ἁμίλλαις ein Komma setzen sollen. Hr. Béóeckh 
ist nicht der erste, welcher auf diese Erklürung gefallen 
ist. Lüngst war schon der Scholiast darauf gefallen, der 
sie zu Vs. 8. ποι πῆρ vortrügt. Allein diese eines 
Scholiasten würdige Erklürung háíte nicht wiederholt wer- 
den sollen. Denn wer wird glauben, dass Pindar nüthig 
gefunden habe zu erzálhlen, man wetteifere mit RBossege- 
spann, mit Maulthieren, und 1mit Reitpferden? — Nein, 
nicht von ἀμέλλαις hüngen diese Worte ab,. sondern von 
ἐγέραρε, und sind eben deswegen nichts weniger als ein 
müssiger und unnützer Zusatz. Die Dativen bedeuten53 
wegen.  Gesiegt hat Psammis, wie Hr. Bóckh zeigt, nur 
mit den Maulthieren, aber zugleich auch Wagenpferde 
und ein Reitpferd nach Olympia geschickt, mit denen er 
jedoch den Sieg nicht davon trug. Das durfte der Dich- 
ter als einen Beweis grosser Bemühung um den Preis 
der Kampfspiele nicht unerwáhnt lassen, So hat be- 
kanntlich Alcibiades (s. Plutarch. Alctb. 11) sieben 
Wagen auf einmal nach Olympia geschickt, und den er- 
sten, zweiten, vierten, oder, nach dem Euripides, den 
dritten Preis davon getragen. Uebrigens spricht die Stelle des 
Pindar so wenig für Hrn. Dissens Hypothesen, dass viel- 
mehr die ἑορταὶ ϑεῶν μέγισται, die βουϑυσίαι, und 
die πεμπτάμεροι ἅμιλλαι, welcher Ausdruck den Gram- 
matikern statt πεντάμεροι anffallend gewesen, ganz ei- 
gentlich, wie bei dem Pausanias, das Hauptopfer und die 
Kàümpfe des fünften Tages zu bezeichnen scheinen. 

Der zweite Excursus scheint zur Absicht zu haben, 
die gegen Hrn. Bóckhs Ansicht vom ÁAsyndeton bei dem 
Pindar erhobenen Einwürfe zu beseitigen. —Allem das 
hátte auf eine solehe Weise geschehen sollen, dass 
eine klare Einsicht in die Sache erlamgt werden konnte. 
Zuerst war nüthig zu erórtern, was ein Ásyndeton sey. 


16 PINDARI CARMINA 


Herr D. begnügt sich mit dem unbestimmten Begriffe des 
Mangels einer Copula, und classificirt nun den Gebranch 
desselben folgendermassen: Ll. Cum antecedentibus ar- 
cius cohaeret, 1) quum res universe ecl. indirecte 
aut obscurius 4ndicata explicatur accuratius ; 2) δὲ 
eadem res cum οὐ repetitur aliis eerbis; 3) ἐπ enu- 
smeratione; 4) ubs hic est nezus locorum duorum, 
«t elter causam et rationem contineat, alter con- 
sequutionem; alter. protasis, alter apodosts senten- 
tiae alicusus sit, omissis particulis ἐπεί, ἐπειδή, 
γάρ: welchen Fall er wieder eintheilt ἃ) wo der Nach- 
satz auf den Vordersatz folgt, b) wo der Nachsatz dem 
Vordersatz vorausgeht; 5) $n fine locorum, quum gra- 
eter. finitur (eine eigne. Latinitit: überhaupt scheint 
Hr. D. sich um den Ausdruck nicht sehr zu kümmern). 
IIl. Novam rem :infert: quum abrumptitur subito 
oratio, ut ad alia. ventatur , wovon fhernach auf die 
subtiliores quosdam modos, über welche Streit. ist, 
übergegangen wird. Mit diesen Eintheilungen ist nicht 
viel gewonnen, da sie nicht nur zum Theil nicht logisch 
richtig, sondern auch weder an sich scharf genug bestimmt, 
noch auf eine klare Ansicht von dem Wesen der Sache 
gegründet sind. Ánch die Weise, wie Hr. D. darüber 
spricht, gewáhrt keine deutliche Ansicht, da er. nicht nur 
Stellen von ganz verschiedener Art unter einander mischt, 
sondern auch für Asyndeta hált, was eigentlich keine 
sind, z. B. wo die demonstrativen Pronomima und Ad- 
verbia, wie τόν, ró91, den Satz anfangen. Denn diese 
54enthalten ja offenbar eine nicht bloss logische, sondern 
auch grammatische Verbindung mit dem Vorhergehenden. 
Um über eine rhetorische Figur mit Erfolg zu spre- 
chen, ist zuvórderst eine richtige Definitien derselben er- 
forderlich. — Versteht man nun unter Ásyndeton bloss die 
Weglassung der Verbindungspartikel, wie dieses Hr. D. 
gethan hat, so ist dieser Begriff zu weit. Denn amsser, 
dass es nüchst der "Verbindungspartikeln noch andere 
Verbindungswórter giebt, wie z. D. eben die erst er- 
wühnten Pronomina und Adverbia, so kónnen auch euft- 


EDID. DISSEN. ΕΙΣ 


weder bloss Theile. eines ϑδίζοβ᾽ unverbunden seyn, Wab 
bei Aufzühlungen und Steigerungen, wie & T φόνον, ἄν 
γέκυας, oder bei Gegensátzen » σμικρὸς ἐν σμιμροῖς». 
μέγας ἐν μεγάλοις ἔσσομαι, Statt findet; oder es kann die 
Unverbundenheit vollstindiger Sátze gemeint seyn, Und: 
das Letze ist eigentlich das, woven Hr. D.. spreclien 
wollte. Ferner aber muss man bei einer rhetorischea 
Figur auch nach ihrem Wesen fragen, d. h. untersuchen, 
welchen Grund, und folglich auch welche Wirkung, mit- 
hin welchen Gebrauch sie habe.  Diess geschieht nicht 
dadurch, dass man verschiedene Fülle, in welchen die . 
Figur gebraucht wird, auízáhlt, sondern dadurch, dass 
man das, was in allen Füllen als der gemeinsame Grund 
erscheint, gehórig entwickelt, Was ist nun das Wesen : 
des Asyndeten ganzer Sütze? Ein mit dem vorbherge- 
henden nicht verbundener Satz erscheint als Anfang der 
Rede: denn das ist das Wesen der Unverbundenbeit. - 
Wenn also das Asyndeton eine Redefigur, und nicht ein. 
Fehler seyn soll, so kann es nur da Statt haben, wo 
ein im Fortgange der Rede befindlicher Satz als AÁn- 
fang der Rede gelten kann.  JBDiess kann aber nur da 
eintreten, wo ein Theil der Rede anhebt, der rhetorisch 
für sich als ein Ganzes gelten kann.  Rhetorisch: denn 
bei einer rhetorischen Figur kann bloss. das in Betrach- 
tung kommen, was ein rhetorischer "Theil der Rede ist, 
Das aber sind die 'Theile, die für den Zweck der Rede 
als besondere ausgezeichnete 'Theile derselben hervortre- 
ten. Denn logisch betrachtet ist jeder "Satz ein für sich 
bestehendes Ganzes, und so künnte man den ganzen Ín- 
halt einer Rede in lauter einzelne Sütze auflósen, die 
ohne Verbindungspartikeln auf. einander Íelgten. Das 
würden zwar -Asyndeta, aber keine rhetorischen. Figu- 
ren seym. 
Wenn demnach das Wesen des Asyndeten daria 
besteht, eime zwar mit dem Vorhergehemden in einer Ver- ^ 
» bindung stehende, aber doeh für sich selbst einen Anfang ΄᾿ 
machende Rede zu seyn: so folgt, dass das, Vorherge- 
hende: zwar geandigt, aber so. geemdigt weyn- müsse, dass 
Hrnw. Or. VI. B 


4 


Ὁ — 0: —PINDARI CARMINA 


. mmm eim neuer Anfang kommen kónne. — Dijess geschieht 
nun quí.viererlei Weise: erstens, durch Ankündigung ei- 
'" nes megen Anfangs; zweitens, wenn der Inhalt des Vor- 
^ hergagangenen für sich abgeschlossen ist, und nun etwas 
' Neues anhebt; drittens, wenn die Rede abgebrochen wird, 
65wie in der schónen Stelle Ol. II, 150: πολλά uoi ox 
dyxdvog ὠχέα βέλη ἔνδον ἐντὸ φαρέτρας.» oder Nem, 
VIL 70: τρία ἔπεα διαρχέσει; viertens, wenn im affect- 
valler Rede die Stze einzeln stehen, wo eigentlich swi» 
Schen jedem eine Pause gemacht, oder wohl 8808 noch 
ein Mittelglied hinzugedatht wird, wie Ol. L. 83: ἀφίέ- 
σταμαι.- ἀκέρδεια λέλογχεν ϑαμινὰ xoxoyógoc. | Wels 
τς ehe Art τοῦ Asyndeton aber auch gebraucht werde, ao 
manss die Rede so heschaffen seyn, dass sie sich rheto- 
risch .als einen. Ánfang darstellt, mithig sowohl der Ge- 
danke els der Ausdruck kráüftig ist. Daher wird es Hr. 
D. nicht durchsetzen, Ol. IL, 81. das von τη. Bückh 
behauptete Ásyndeton zu rechtfertigen, indem am Gedan- 
.. . ken mad Ausdruck.nichts matter und elender seyn kama, 
" -'. als die dort angenommenen Sütze: ὅϑεν σπέρματος 
ἔχοντι ῥίζαν. πρέπει τὸν Αἰνησιδάμου ἐγχωμέων τε 
e μελέων λυρᾶν τε τυγχανέμεν. Denn der erstere der- 
selben würde ae leer und kahl seym, wie nur immer die 
Anmerkung eines Scholiasten; und der zweite sagt, was 
. von. jedem ίορος gesagt werden kamn, so mackt aber 
. won keinem wird, weil es sich von jedem ven 
selbst versteht. nn wer würde eim. Gedieht auf einen 
machen, ὃν οὐ πρέπει μέλους τυγχάνειν! Eben so 
unstatthaft ist das Ol. III, 30. bei πεατὰ φρονέων an- 
genommene syndeton, und noch maache andere, Es 
.Scheint daher. dieser Kxcursus die Sache keineswegs aufs 
Reine zu bringen, da Hr. D. auch hier sich gama in 
den ihm von Hirn. Bóckh angelegten Fesseln bewegt. 
Die sehr lange und weitliuf&ge Abhandlung de ra- 
Home poetica carmenum  Pindaricoruin e£ de. $n- 
' derpretationss genere ἐδ adhibendo hat zum Zwe- . 
cke, die Kunst des Pindar bemerklieh zu machen. Nach 


dem im Kingange gessgt worden, dass heutzutage wohl. - 


x 


EDID. DISSEN. . I9 


miemand mehr glauben werde, Pindar habe sich durch 
Begeisterung blindlings fortreissen lassen; dass mmn viel- 
mehr jetzt wisse, die Griechen haben mit Verstande und 
der reiflichsten Ueberlegung ihre Dichterwerké ausgear- 
beitet, obgleich diese Kuust bei dem Pindar noch nicht gehb- 
rig erkannt sey: wird dieselbe nun im Einzelnen nach- 
gewiesen, und zwar zerfallt dus Ganze in folgende Ab- 
schnitte: 1. de sententiarum ratione quae epintcits . 
auóbsectae; M. de £ractatione argumenti: 1) de di- 
recta tractattone; 2) de fabulis: 4) de digmitate 
et usu fabularum; b) de tractatione. fabularum; 
III. de désposstione partium. — Eine so gegliederte ÀAn-. ἢ 
ordmung lásst allerdiugs auf Gründlichkeit scliliessen: aber . 
suffallen muss es doch, dass diese Anordnung gleich auf 
dem erstem Anblick gerade nur die Hülfte, bei nüherer 
Betrachtung aber gar nur ein Drittheil von dem enthiült, 
was man zu erwarten berechtigt war. Denn wie man 
sieht, geht der Verfasser von dem Inhalte eines KEpini- 
kion aus, und bleibt bei dessen Behandlung stehen. Aber 
der inhalt ist noch nicht das Gedicht: derselbe ΙΔ. 
kann auch zu einer Lobrede benutzt werden: erst die56 
Form ist es, wodurch der hnhalt zum Gedichte wird. 
Diese Form besteht in der poetischen Folge und Ver. 
bindemmg der Gedankeu, in der Diction und was zu ihr 
gehürt, im der rhythmischen Anordnang, und in dem Mu- - 
sikahsehen, welches letzte freilich für uns nicht mehr 
vorhanden ist. Man hátte erwarten sollen, Hr. D. wür- 
de diesen zweiten Theil unter der £raecfatío verstehen: — . . 
aber gleich die Eintheilung in directe. Behandlung πῆ in 
Fabeln zeigt, dass anch hier bloss vom Inhalte die Rede ᾿ 
ist. Ueber die Form kann nun nicht müt Erfolg gespro- . 
chen werdet, wemn nicht auch das Wesen und die DBe- 
 schaflenheit der Gattung von lyrischer Poesie, zu welcher 
dte vorliegendem (redichte gehóren, erürtert worden ist, 
Dieses aber ist des dritte Drittheil des Ganzen, welches 
dem zwei bemerklich gemachten "Theilen hátte vorausge- 
schickt werden soHen. Denn wie kann man die Kunst 
in einem Kunstwerke richtig und vollstindig beurtheileu, 
B2 


« 


2. PINDARI CARMINA 


wenn von dem, was das Kunstwerk als solches seyn, 
und worin die Kunst bestehen soll, noch kein sicherer 
Begriff vorhanden ist? Hr. D. machte es sich leicht, 
indem er von diesen drei Theilen bloss einen, und zwar 
den, mit dem sich am ersten fertig werden lásst, behan- 
delte, Denn den Stoff eines Gedichts kann: man, weil 
hier etwas in bestimmten Begriffen enthaltenes vorliegt, 
leicht & prtort in seine 'Theile zerlegen: und das hat 
Herr D. gethan, Schwieriger aber ist es, über die poe- 
tische Form, d. h. über das, was man dus Aesthetische 
.zu nennen pflegt, zu sprechen, weil man es hier mit An- 
schauungen, die zwar angeregt, aber nicht demonstrirt 


. werden kónnen, zu thun hat. Und noch mühsamer dürfte 


die Erórternng des dritten, allgemeinen Theils seyn, bei 
welchem man sich auf nicht überall angebautem histori- 
schen Boden befindet, und weder es priori verfahren, 
. noch üsthetisch rüsonniren kann, sondern aus den Alten 
selbst nachweisen soll, welche Vorstellungen sie von die- 
ser Gattung lyrischer Poesie gehabt, und worein sie die 
Kunst des Dichters gesetzt haben. Aber nicht nur dar- 
über schweigt Hr. D. günzlich, sondern, wenn man so- 
wohl seine ganze Abhandlung, als einzelne Aeusserungen 
betrachtet, z. B. gleich im JAnfange, wo er von den 
Griecbischen Dichtungen sagt: Nom sunt Mc $nanes, 
eagt, confusi, inexplicabiles sensus, quos complecte 
anno nequeas, sed quo penitius 4n. intima compo- 
$fhonum penetres et quo subtilius eas examines, 
" €o magts quam clare sint omnia cogitata sentis et 
quanta perfectione artis expressa: müchte man zwei- 
feln, ob er eine richtige Vorstellung von der Art habe, 
. wie überhaupt ein Dichter arbeitet und arbeiten kann. 
Allerdings wird ein verstündiger Dichter nicht in den Tag 
hinein schreiben, sondern überlegen, was und wie er zu schrei- 


ben, und was und wie er nicht zu schreiben habe; auf wel-' 
57che Weise die Gedanken besser uud. wismksamer  verbun- : 


den werden, und in welcher Verbindung sie nicht ste- 
hen dürfen; welcher Ansdruck, welche Stellung der 
Worte angemessener, oder unangemessener sey: aber wer, 


ΒΝ πα — BEER ^— alf 


EDID.DISSEN. ὁ ' 2 


wie: Hr. D. zu thun scheint, der Meinung ist, ein Ày- 
rischer Dichter mache erst einen gemanen Plon zu sei- 
nem Gedichte, wie etwa ein Bildhauer en Modell, eder: 
ein Mgler eine Skizze, und führe diesen Plan hernach 
im Einzelnen aus, der vernichtet das Wesen des Dich- 
ters, welches eben darm besteht, dass er, indem er die 
im Ganzen aufgefasste Idee in Worten darzulegen an- - 
fángt, mehr und mehr begeistert von: einem Gedanken 
auf den andern, meistens durch ein dunkles Gefühl ge- 
leitet wird, und dann diese Gedanken und das Gewand, 
in welches sie gehüllt sind, ebenfalls nach dunkelm Ge- 
fühle, bald anders legt, bald beschneidet, bald erweitert, 
bald ergünzt, bis eim üsthetisch wohlreordnetes Ganzes, - 
das auch wieder nach blossem Gefühle beurtheit wird, 
hervergegangen ist. Diess kommt ebem daher, weil der 
Dichter nicht, wie der Maler und Bildhauer, es «mit ei- 
. nem Elemente, dem Raume, sondern: mit zweien, den 
Gedanken; die an sich keine Lünge und Breite, und 
überhaupt keine handgreiflichen Gesetze luben, und dem 
rhythmischen Maasse der Strophen und Vérse, welchem 
diese Gedanken auf eine schiekhche Weise angepasst 


" werden müssen, zu thun hat. Es ἰδέ daher. wohl nmicht 


so richtig, was Hr. D. auf der ersten Seite seiner Ah- 
" handlung sagt: ὦ JPyndari $ntelhzentia lenge olm 
abfuerünt qui caece, tmpetu. abreptum 1n alia. om- 
ni abire putaruht, sive fmperfectam talem ratio- 
rem dicerent sive admirarentur et veri éngenat do- 
cumentum haberent. Die se geurtheilt haben, und 
unfer ihnen war auch Horaz, ei wahrhafüg nicht zu 
verwerfender Kunstrichter, haben wenigstens eben so viel, 
wo nicht mehr Recht, als die, welche die Begeisterung 
des Dichters in kleinlhche Disposition einesstreng zu be- - 
folgenden Plans, und. in mühsame Aufputzung desselben 
wud Ansfellung des Putzes verwandeln, wie Hr. D. thut, 
wenn er S. 90. f. sagt: Profecto non per assocta- 
itonem «dearum, quae dicitur, exsistere potest clas- 
sicum opus, ut sunt qui opinari cidentur, sed «n- 
venio demum themate et fundamento elocutio. [o- 


1 


22 , PINDARI CARMINA 

cum habet, nec dubium Pindarum, antequam s/lud 
énvenisset, ne. cerbum quidem scribere potwisse, ad- 
eo constanter per tolum carmen obsercars e$ οἷο 
dist conceptam ante descriptionem. Wie ein Kunst- 
werk entstanden sey, ist eine vergebliche Frage, da sie 
. mur der Künstler selbst beántworten kónnte. Die "Wir- 
kung aber des. Kunstwerks hegt in dem Werke selbst 


vor Augen: und' namentlich soll ein Gedicht der Art, 


wie die Pindarischen sid, eben jenen Anschein eimer 
hohen rei fortgerissenen Begeisterung haben. Finden 
wir diese darin, so legen wir sie: dem Dichter mit Recht 
als die Schópferin des Gedichts bei, er mag sie gehabt 


^ BS8haben oder nicht. Denn da seine Kunst eben darin be- 


steht, uns diesen Glauben beizubringen, so muss ihm die 
Vorstellung dieser «Bepeisterung vorgeschwebt haben, da sie 
: das waf, was.er in seinem Werke darstellen wollte. 
Doch da H£. D. seine Abhandlung blos amf den 
Inhalt beschrünkt hat, so fragt es sich bei der Beurtbhei- 
lung derselben, wie er dieses gethan. habe. n dem er- 
sten. Abschnitte, der de semtentyarum ratione 
epsnictis subiectae: handelt, stellt Hr. D. S. 12. den 


Satz auf, dass, da.in diesen Gedichten eim Sieg besun- 
gen werde, das Lob dieses Sieges nicht nur erwühnt, 
sondern , wenn auch das Gedicht noch viel anderes ent- ' 


halte, einen Theil des Hauptgejankens, der ihm zum 


Grunde liege, ausmachem müsse. Das übrige müsse so' 
beschaffen seyn, dass es mit dem Siege in WVeérbindung, - 


gesetzt, zusammen eine einzige poetische Idee" gebe. Der 
letztere dieser Sütze ist unstreitig richtig; der erstere hin- 
gegen, der bloss & prior$ aus dem Begriff ehes Epi- 


nikion geschlossen ist, enthült Unrichtiges. Denn der Be-- 
griff eines solchen Lobgedichfs ist nur ven Seiten des 


Inhalts, nicht der Form, aufgefasst, und da musste das 
Ergebniss so ausfallen, als wenn an eine Lobrede in 
Prosa auf einen Sieg zu denken würe. Kin Epinikien ist 


zur Feier eines Siegs ein Gedicht. — Inwiefern es zur Keier . 


eines Siegs gehürt, verlangt man nothwendig Krwühmung 
des Siegs, nicht auch, dass der Sieg einen Theil den 


EDID. DISSEN. ' — . 133. 


Haspigedaaketo ausmache; in wiefern c» ein Gedicht 
ist, wird ei&e poetische ldee erfordert, die' den inhalt 
zusammenhake.  Diess erkemnt Hr. D. an, igdem er S. 
13. sagt: iserim tllud patef, talia uleque elig$ de-— .— 
luisse, quae cum «icforiae laude apte sociars ed. 
eonflari potuerint ἢ wnam poeticam sententiam, 
Aber was ist eie poetische Idee? Das sagt er uns nicht. 
Hütte et diesem Begriff erklàrt, so würde sich ergeobem 
habes, dess ein Epinikien in Ánsehung der Erwübnung 
des Siegs gérade um so poetischer seym kümne, je mehr 
diese Krwühnwng Nebensache, und je weniger das Ge- 
dicht ein Lohgedicht auf den Seg ist, z. B. des dritte. 
P ythische. ΕΝ 
Nach den eben angeführten Worten. führt Hr. D. 80 
frt: Quare etiam sic a eictortae laude fanquam ὦ 
principio proficiscs debet! disputatio nostra. — Ut 
δύων ad hanc peullo prepsus accedamus, pos- 
$451, ato, cicloriae (udscrae omnino duo- 
bas modis laudari, siquidem cel eirtws, 
ἀροτή, preedécars potest quae erctorsam 
reportaeit, vet decus et Jesestas per vs- 
ctariam a dits donata, εὐτυχία, quum nihel 
gloriosius et felicius haberotur quam os 
cosse $n ludis publicis; atque haec observato . 
simeplez eain. wobis. patefaciet ad. omnim Epim- 
ciorum fumdamenta penitius perspsesenda, — Zuge- 
gehen, was wir jedoch nicht zogehem, dass der 
nothwemdig gelobt werden misse, so istes klaw, dass die-59 
ses Leb mur das, wodurch der Süeg erkwgt worden, uad 
den dureh den Sieg erlangten Ruhm beireffen kann. ' Diess 
fükrt num Hr. D. sehr weitlüinfüg aus, und nachdem er 
beguemkt bat, dass die eirius in der ἀνδρέα bestehe, 
die sich in aHen Kiunpfen zeige, zu demen küórperliche 
Kráite und Geschicklichkeiten erferdert werden,  mithim, 
bicht genannt werden kónme, wo jemand mit Pferden ge- 
siegt habe, ohne in Person die Pferde zu regieren, zeigt 
er, dass oft mut dieser ἀνδρία noeh eine oder mehrere 
awdere Tugonden verbunden werden, welches er semiesm- 


1 


ὃ. | — PINDARI CARMINA 


fias compositas.nennt; endlich, dass auch gunz andere 
. Dimge, z. B. der. Mangel einer Tugend, jit der Tu- 
gend (Nem, VL.) in Verbimdung gesetzt werden. 

Eben so weitlàuftüig und mikrologisch wird über den 
andern Grund des Lobes, das Glück und den Rulun, ge- 
sprochen. Dieses Glück, meimt& Hr. D., werde niemals 
allein gepriesen, weil ein "Preisen des Glückes allein bei 
den Griechen für Uebermuth gegolten habe.  Diess ist 
ein sophistisches Argument, das sich aus dem Pindar 
selbst widerlegen lüsst.  Ueberhaupt ist es nie für Ueber- 
 muth gehalten worden, glücklich gepriesen zu werden, 
sondern auf das. Glück zu bauen und zu trotzem. Num 
sell also meistens überhaupt, was noch ausser dem Siege 
zum Glücke gehórt (Hr. D. fasst das unter dem Worte 
ὄλβος zusammen),.gelobt werden; bisweilen aber werde 
. &uch der Sieg als Belohnung der T'ugend, oder als 
Trost für Unglück dargestell. Hierzu fügt endlich Hr. 
D. noch einige Bemerkungen, namentlich, dass bei dem 
Pindar alle von den alten Philosophen erwáühnten Cardi- 
naltugenden vorkommen: dass meistens Kntgegengesetztes, 
wie Tapferkeit und Verstand, verbunden werde; dass die 
Hauptidee meistens eine zusammengesetzte und in sich 
vollendete sey; und zuletzt rühmt er noch sehr die Ge- 
. Schickhlehkeit des Dichters in diesen Zusammenstellungen. 

Sollte wohl durch dieses alles viel gewonnen oder 
klarer worden seyn, das sich nieht von selbst verstünde ? 
Schwerlich. Diese Gedichte sind (Gelegenheitsgedichte 
zur Fejer eines Siegg Es versteht.sich daher von selbst, 
dass der Sieg erwühnt seyu muss; dass, wenn dieser ge- - 
lobt werden soll, die Kxaf& oder Geschicklichkeit, durch 
die er erlangt wurde; θοῦ das Glück und der Ruhm 
ihn erlangt zu haben, gepriegen werden muss; dass, da - 
die Feierlickkeit zur. Ehre .des Siüegers angestellt wird, 
auch wohl sonst noch was die Tugemden, Verdienste, 
Sehicksale, Verhültnisse des Siegers, seines Geschlechts, — ' 
seines Vaterlandes angeht, nicht unerwühnt bleiben wird; ' 
endlich, dass, weil das Ganze ein Gedicht 188, es auch 
eine poefische Einheit haben mwss. Diese letzte ist num 


EDID. DISSEN., 25 


uber das, worin eigentlieh die Kunst des Dichters be- 
steht; jenes übrige bloss:der Stoff, der jedem, welcher 
ein Gelegenheitsgedicht machen soll, gegeben werden muss :60 
allein daraus wird nur der ein Gedicht machen kónnen, 
der den gegebenen Stoff auch in einen poetischen Zu- 
sammenhang zu bringen versteht. Wie diess Pindar be- 
werkstellügt habe, wird durch das, was Hr. D. anführt, 
keineswegs klar, und kann überhaupt der Natur der Sa- 
che nach durch allgemeine Darstellungen nie klar wer- 
den. Denn das Wesen eines Kunstwerks besteht alle- 
mal in der Individualitit, weil es nicht logisch unter den 
Begriff des Schónen oder Erhabenen subsumirt, sondern 
nur in der Ánschauung aufgefasst, und nur gezeigt wer- 
den kamn, wie diese individuelle Form ein éásthetisches 
Gauzes gebe. Es kann daher über die Kunst nur bei 
Entwickelung der Anlage und Behandlung jedes einzel- 
nen Gedichts bestimmt gesprochen, im allgemeinen aber . 
hóchstens, was etwa ein Dichter für Eigenheiten in künst- 
lerischer Rücksicht hat, wenn er dergleichen hat, be- 
merkt werden. Dies ist aber von Hrn. D. nicht gethan worden. 
Es folgt der zweite Abschnitt, in welchem von der 
Behandlung gesprochen wird, die der Verfasser in di- 
recta tractatto vnd in die fabulas eintheilt. — Was 
die directe Behandlung betrifft, so wird erinnert, dass im 
jedem Gedichte ausser dem "Namen des Siegers noch er- 
stens der Ort,. wo der Preis gewonnen; zweitens die Art . 
des Kampfes genannt werden musste, "welches letzte . 
jedoch in dem kurzen vierzehnten Olympischen: Gedichte : 
micht geschehen sey.  Mejstens habe Pindar auch den 
Gott, dem zu Ehren-die Spiele gegeben wurden (dews 
ludorum neunt xn Hr. D.), gepriesen. — Ferner gehóre 
zur directen Behandlung Lob, Ermahnungen, Wünsche. 
Diese drei Stücke werden mun einzeln durchgepangen, 
und bei dem Lbe gezeigt, was alles gelobt werden kón- 
ne; bei den Érmahnungen erstens das arítfictwm tra- 
elationis (Hr. D. übersetzt diesen Ausdruck der Dent- 
lichkeit: wegen selbst. ins Deutsche: de fese .Kunst.. 
die Bemahnung einzuletten und zu motworren), 50» 


ὅν 


26 PINDARI CARMINA 


daun das erwühnt, dass Pindar eft von sich und zu sich 
sage, was auderm gelteu solle; dass er tropisch, mad 
durch Gemeinsprüche ermahme. ^ Endlich wird bei den 
Wünschen erwühnt, dass sie sich nicht überall finden, 
sondern nur wo Veramlassumg dazu da sey: dass sie 
an einer schicklichen Stelle stehen; dass sie manchmal 
den Uebergang vom einer Sache zur anderm methen. Zu 
allen. diesem fand Hr. D. noch nóthig hinzuzmsetzen, 
dass bisweilea auch zwei dieser Sachen vemrmiseht wet- 
den, die man trenmen umd wieder verbinden misse, 

die " Axt der Behandlung einzasehea: 2. B. we Femah- 
mung und Loeb vermischt werden. Ucbriges sext Hr. D. 
liaza, gehóren zur direeten Behandlung amch Verglei- 
ehumgen und morabsche Semienzen, δὸ wie oweh des 
menehaaal die gegenwürtige Wirklichkeit dureh eime al- 
gemeine Sentemz bezeiehnet wird, 

61 Das alles sind num Sachen, die seh entweder von 
βουσί verstehen, oder von der Bescheffenheit jedes be- 
seadern Gediehés abhümgem. Durch ihre Áufzáhlung wird 
men daher keineswegs üher die Kunst des Diebters be- 
lehrt, Denn ein Dichter kónnte ale die angeführten 
Kunstgrie gebràuehen, und doch, wemn er es mieht am 
rechten Orte und auf die rechte Weise tháte, würde er 

ein schlechter Künstler seyn. Der rechte Ort aber uud 
die rechte Weise lassem sich wieder mur xa jedem besonderü 
Falle, und zwar nurso, dass die gesammtoe poetischie Anlage und 
Einrichtung des Gedichts durchgegangen wird, sachweisen. 
lm zweiten Theile des zweiten Absehaitts spricht 
Hr. D. von den Fabeln, und meint, da sie fast überall 
vorkommen, müssten sie für nothwendig gehalten worden 
seyn.  Alerdings; aber das hütte Mz. D. nicht bless . 
schliessen, sondern wissen sellen. Er theilt nun wieder 
diesen Theil in zwei andere 'Fhexe, und haudel& in dem 
ersten de dégmtate (das soll den Werth bedeuten) δέ 
ut fabularum. Der Zweck des Dichtess bei Einmi- 
schang der Fabeln soli seyn (S. 34.): «£ Proton ᾿ 

. €$us, οὐὐὐμεέ lowdom  sentenpia carent» δλαδεσέ, ei 

poenarem, ὧδὲ quid reprokondendum, $deale exem- 


EDID, Ὁ155ΕΝ.. 24 


plum adsit, Was Andere gesagt haben, die Fabeln dienen 
hauptsüchlich die Vaterstadt des Siegers zu verherrlichen, 
sey zwar wahr, reiche aber nicht zur Beantwortung der 
Frage aus. Denn erstens beziehen sich viele Kabeh 
nicht auf das Vaterland des fsiegers; zweitens, da aueh 
die Árt der Erzühlung zu erklüren sey, so kómne diese 
daraus micht nachgewiesen werden: endlich gewübre die 
ganze mythische Árt zu reden den Vortheil, dass indi- 
rectes Lob und indirecter Tadel angenehmer als directer 
sey, und auch Staatsangelegenheiten würdig besprochen wer- 
den kómnen. Nachdem Beispiele angeführt worden, geht Hr, 
D. auch hier ins Einzelne, und bemerkt erstens, duss bis- 
weilen eine Siache durch mehrere Fabeln erliutert werde 
zweitens, dass zwei Gegentheile beide durch FPabeln er- 
klürt werden; drittens, dass seltener bei zusammengesetz- 
ten Árgumenten bloss der eine "Theil durch eine Fabel ausge- 
schmückt werde; aber auch manchmal, nachdem dieses ge- 
Schehen, wieder das Ganze auf eine andere Fabel zurückge- 
führt werde; endlich, dass in einiren. Gedichten, in welchen 
statt der Kabel etwas nicht Mythisches gesetzt sey, dieses doch 
durch die Geschicklichkeit des Dichters ein mythisches Ge- 
wand erhalten habe. | 
Im zweiten Thede dieses Abschnitis wird von der 
Behandlung der Fabeln gesprochen. Da diese lvrisch 
seyn müsse, so Írage sich, wie das Pindar erreicht habe: 
daher sey erstens von der Einheit der Fabel,. sodann von 
der Áuswahl der Sachen und dem. lyrischen. Schmucke, 
endlich von der Vorbereitung und Spannung der Erwar- 
tung zu sprechen. Was den ersten dieser Puncte an-62 
lenpgt, so sagt Hr. D. S..46.: Ipseus fabulae $n 
fronte aut gejneratiéim annunctatur quid 
eg atur, aut, defiitior qui est modus, senten- 
ξέα vel factum pónítur, quo tota naorra- 
io reeoears et cutus explicatio esderi 
possét; ἐπ fine aut redstur ad hoe préíncs- 
psum aut alius aptus oxitus paratur. Dies 
belegt er sodann mit Beispielen. Die Wahb der Ba-. 
chen und den Mrischen Sohmuck amhngend, wid er- 


28. PINDARI CARMINA 


innert, dass der Lyriker, weil er die Fabel zu einem 
Zwecke gebrauche, nieht, wie der Epiker, alles Einzelne 
nach der Ordnung erzáhle, sondern nur das, was zu sei- 
ment Zwecke dient, mit Uebergehang des Uebrigen her- 
vorhebe; und diess wird an Pyth. IV. und andern Bei- 
spielen erwiesen. Endlich wird der dritte Panct, die 
Vorbereitung, erórtert, die entweder durch Ankündigung, 
oder durch Aufstellung einer That oder einer Sentenz, 
deren Grund angegeben oder die erklirt werden solle, 
oder durch sexus per consequutionem, wo das Spáü- 
tere aus dem Vorausgeschickten folge, bewirkt werde. 
Was in diesem ganzen Kapitel gesagt ist, enthült, 
in wiefern es sich auf einzelne Beispiele bezieht, viele 
gute Bemerkungen: was aber die aufgestellte "T'heorie 
selbst anlangt, so kónnen die vielen Divisionen und Sub- 
divisionen, zu denen Hr. D. einen besondern Hang hat, 
schwerlich grossen Nutzen bringen, oder bedentende Auf- 
schlüsse über die Kunst des Dichters geben. Denn fasst 
man alles zusammen, so ist das Ergebniss, Pindar habe 
es bald so, bald so gemacht; ob aber recht, kann doch 
allemal nur in dem einzelnen Beispiele erst gezeigt wer- 
den.  Eintheilungen, wo nichts durch.sie gewonnen wird, 
geben nur eine formelle, nicht eiue reelle Gründlichkeit. 
Der letzte Abschnitt handelt von der Anordnung der : 
Theil. Den Anfang des Gedichts mache das Proó- 
mium, dessen Inhalt sey: Cano s. canam Sempronium, 
Carum, etctorem, was jedoch auf sehr mannichfaltige ᾿ 
Weise varürt werde, Muss denn aber ein lyrisches Ge- 
dicht ein Proómium haben? Ein zweiter Satz ist so aus- 
gedrückt S. 68.: Ar/tftíctfosas esse rerum diés- 
posctéones ἐπ δ δ, carminibus brevis lectio 
docet. Diese Kunst nun bestehe in der Vorbereitung : 
und in der Verflechtung der 'Theile. Die Vorbereitung, 
da früher schon davon gesprochen worden, wird mit we- 
.nig Worten abgethan, und über die Verflechteng der 
Theile folgende hóchst seltsame Lehre aufgestelk. ^ Das 
, Pindarische Gedicht, cimnige kurze Oden ausgenommen, 
bestehe ausser dem Proómium "wenigstens aus zwei Thei- 


EDID. DISSEN. 29 


len, Wiüren diese nacheinander gestellt, nnd der erstere 
derselben im Proómium vorbereitet, der andere aber dem 
erstern angehüngt, so entstehe, wie man sehe, eine ganz 
unansstehliche Gestalt. Diese ist so abgemalt (I—). Seyen 
aber beide TTheile im. Proómium vorbereitet und hüngen 
von ihm ab (A), so sey auch das keine gute Gestalt, 63 
wenn der zweite "Theil nicht von dem erstep abhünge. 
Diess missfalle, wenn drei Theile sind, so sehr, dass 
kein einziges Gedicht des Pindar folgende Gestalt: habe 


(—— —). Deshalb werden durch Dazwischenstellung, £n- 
terpositio, die Theile getrennt. Hieraus entstehe die einfach- 
ste Gestalt: ὦ 5 «; und eine künstlichere: « 5 c 5 a. 


J V 


Aus diesen Formen werden nun mehrere andere Sche- 
mata entwickelt, verzeichnet, und in den einzelnen Ge- 
dichten nachgewiesen; und zum Schlusse sagt Hr. D. 
S. 88.: Perlustrata sunt omnia carmina, et pote- 
vit lector nunc tpse sudicare de arte Pindar, .INe- 
que vero de sndustria artificiostores dispositiones 
quaesivi, sed. potius ubi possem. simplictores prae- 
tul, quod intelliget qué singula examinaverit. Mo- 
do sjmul ad praeparationes ubique. attendat , et 
quum Epinicia sint, ludicra laude teneat ut. plurs- 
mum rege rerum cursum (Ludicra laus sol das 


Lob der Kampfíspiele bedeuten). 


. Dem ganzen folgt ein Epilog, in welchem gesagt - 
wird, was der Erklürer zu thun, wie er zu Werke zu 
gehen, worauf er alles zu achten habe. ^ Grossentheils 
smd das.Dinge, die jeder verstindige Erklárer von selbst 
finden und thun wird und zu thun gezwungen ist: wenn 
aber zuletzt verlaügt wird, er soll auch die in der vor- 
ausgeschickten Abhandlung entwickelten /eges summas 
ins Áuge fassen, und darnach jedes Gedicht prüfen, so 


kónnen wir in diesen Rath nicht einstimmen. — Erasmus 


Schmid hat jedem Gedichte eine sehr chrienhafte Dispo- 


30 PINDARI CARMINA 


sition des Inhalts vorausgeschickt, die für jenes logisch- 
rhetorische Zeitalter gar nicht übel war: aber dass heut- 
zutage jemand solche Schemata, wie Hr. D. gethazn, aus- 
sinmeg, und die Gedichte des Pindar auf eine eben so 
logischrhetorische, nnd nur moderner eingekleidete Ατί 
analysiren würde, hütte man doch nicht erwarten sollen. 
Dergleichen ist dem Pindar nicht eingefallen, und kommte 
ihm nicht einfallen. — Auch die dramatischen Dichter wür- 
den solche Schemata nicht für dié Ánorduung mancher me- 
lischer Stücke erfunden haben, wenn die Symmetrie nicht 
für das Auge wie für das Ohr erkenntlich gewesen würe. 
Woran aber soll man in den Pindarischen Gedichten 
eine solche symmetrische Anordnung erkennen, da die 
Strephen mit allem, was zu der sinnlichen Darstellung 
gehürt, einem ganz andern Gesetze folgen? Hütte Pindar 
den Inhalt nach selchen Figuren angeordmet, so hütte 


denselben nothwendig auch die strophische und musika- 


lische Einrichtung entsprechen müssen; sonst würde er 
sich ohne allen Nutzen eine Mühe gemacht haben, die 
G4ihm niemand gedankt hàtte, weil sie niemand bemerken 
konnte. Doch Hr. D. hat vielleicht, und das wollen wir 
hoffen, sich dieser Figuren bloss zur Versinnlichung sei- 
ner Lehre von der interposito bedient. Allein immer 
noch bleibt diese ganze Lehre, ausser dem dass sie un- 
wahr ist, kleinlich und geisttódtend. 

Was aber hütte denn nun Hr. D. thun sollen, um 
auf eine wirklich zweckmássige, nützliche, und des Dich- 
ters würdige Weise de ratione poetica. corminum 
Pindaricorum et de interpretatvomnis genere δὲς ad- 
Ásbendo zu schreiben? Offenbar hütte er im einer Ab- 
handiung, welche bloss das Allgemeine umíassen sollte, 
die wesentlichen Stücke, auf welche der Erklürer zu se- 
hem hat, angeben, erórtern, und erlünterm sollen. Die 
vorliegenden Gediehte sind Gelegenheitsgedichte der hó- 
hern lyrischen Gattung von einem Griechen, von Pindar, 
sur Feier von Siegeg im den Kampíspielen. Darin ἰδέ 
ales enthalten. — Dass in einem Gelegenheitsgedichte die 
Gelegenheit selbst, und was sonst die Person, Zeit, Ort 


N 


EDID. DISSEN. 31 


salangt, theils erwühnt werden müsse, theils berührt wer- 
den kónme, versteht sich von selbst, und brauchte daher 
nur mit wenigen Worten erwühat zu werden,  Demm je- 
des Gedicht muss einem Stoff haben: aber dadurch wird 
vs noch kein Gedicht, noch kein Gedicht der hóhern ly- 
rischen Gattung, nech kein. Gedicht eines Griechen, noch 
kein Gedieht des Pindar. 

Soll ein Gedicht entstehen, so wird eine poetische 
idee eríordert, die den Stoff zu einem Ganzem verbinde. 
Mime peetische Idee aber ist ein Gedanke, der ven ἣν 
gend einer Seite das Gefühl im Ánspreeh nimmt. Hütte 
Hr. D. diesen Degriff erórtert und erklárt, so würde er 
nieht bei der ἀνδρία, dem ὄλβος, und anderm mikrolo- 
gischem Kintheilumgen des Steífes stehen gehhebem seyn, 
nooh sich mit der Aufstellung von Lob, Ermahnungen und 
Wiünschem begnigt haben, sondern er hátte einen weit 
héhera Standpanct genommen, von welchem aus jeme 
Masse von Dingen mur als roher, erst zu ordnender Stoff 
erschienen würe, Dabei würde ihm zugleich die Schwie- 
rigkeit bemerklich worden seyn, welche die Vereimigumg - 
des gegebenen Stoffes mit der poetischen Idee ia Ge- 
legenheitsgedichten überhaupt hat, und selbst für eimen 
Dichter hatte, wie Pindar war. Dieser gar micht un- 
wichtige Punet ist gana unberücksichtigt gebliebem, so 
wie überhaupt Hirn. Dissens Verfahren nicht zu der Frei- 
heit führt, die, wo es móthig seyn sellte, auch den Dich- 
ter zu tadeln sich unterfangen darf. 

Es sind aber die Pindarischen Siegagesimgo auch 
Gedichte der hóhern lyrischen Gattung. ^ Folgheh hitte 
He. D. auch zeigen solemn, werin das Wesen dieser Gat- 
tang bestehe, welches man doch nicht bloss in Dialekt, im 
Versmaas, in strophischer Einrichtung, in Singen von einem 
Chore zu suchen hat. Aber davon ist ebenfalls nichts gesagt 
werdem, obgleieh hierin hauptsáehlich der Schlüssel zu65 
einer richtigen Erklürong und Beurtheilung der Kunst liegen 
muss, ÁuchSapphe, Álcáns, Anakreen, Alkmas, Stesicho- 
rus warem lyrisehe Dichter: aber wie von ihren Dichtun- 
gen sich die des Pindar unterscheiden, ist mit.keinem 


* . v , 1! 


a2 PINDARI CARMINA 


Worte berührt, Nehmen wir nun an, auch von diesem 
bütte einer in seiner Art einen Sieg der heiligen Kampí- 
spiele besungen, müsste nicht auch für ihn, da Hr. D. 
seine ganze Lehre aus dem Begriff eines Epinikion con- 
struirt hat, alles gültig seyn, was wir über den Pindar 
gesagt sehen? Und doch welcher. Ábstand würde von ei- 
nem solchen Gedichte zu einem Pindarischen seyn? Gilt 
also das Gesagte von allen Lyrikern, warnm wird es bloss 
. xem Pindar gesagt? gilt es aber bloss von ihm, warum 
werden nicht die Gründe angegeben, aus welchen es nicht 
auch von den andern gelte? 

Ferner aber sind diese Gedichte der hóhern lyri- 
schen Gattung auch Gedichte eines Griechen. Dieser 


bei dem ersten Anblicke, wenn. die Rede von Gedichten: 


des Pindar is(, wegen seiner anscheinenden Unmótliügkeit 
Sich fast als lücherlich ankündigende Satz ist nichts we- 
 miger als das. Denn es findet sich.gerade, dass. die hü- 
here lyrische Poesie der Griechen ein Gesetz hat, das 
in ihrem Wesen überhaupt keinesweges gegründet ist, 
und also erfordert, dass ausser der Erklürung dessen, 
was überhaupt lyrische Poesie hóherer Art ist, noch die 
besondere "Theorie der Griechen aufgestellt werde, Da- 
von hat nun zwar Hr. D. eie Ahnung gehabt, indem 
er sagte, dass dje Fabel für ein nothwendiges Stück in 
den Pindarischen Gedichten gegolten haben müsste: aber 
erspriesslicher würe es gewesen, wenn er, anstatt ὦ prtort 
über Werth, Gebrauch, Behandlung der Fabeln zu phi- 
losophiren, das Historische. der Sache erórtert hütte. 
Denn allerdings war die Fabel nicht bloss ein nothwen- 
diges, von .der "Theorie der Alten (denn sie hatten eine 
Theorie der Dichtkunst) ausdrücklich anerkanntes Stück, 
sondern ursprünglich das Hauptstück jener hóherm lyri- 
schen Poesie, die eben, weil sie von Anfang herein aus 
. Chorgesüngen bestand, auch das Wesen der ültesten Poe- 
sie überhaupt, die Fabel, beibehiel. Denn überall ist 
bei den Griechen das, was bei jeder Erfindung der Kern 
. und die Urform war, als umabünderliche Einrichtung ste- 
hen gebliehen. — Háéte also Hr. D. diesen .lüstorischen 


t . . $* 


LM ,...... “ω.. ————Mh—IlÀ I tto “ὦν. ERR. ERE 


EDID, DISSEN. " 33 


Weg eingeschlagen, so würde sich seine ganze Ansicht 
der Fabeln anders gestaltet. haben; er würde sie nicht 
als einen Theil der Behandlungsart aufsestellt, sonderm 
gleich mit zu dem Inhalte, den senfentós quae epintces. 
subiectae gezühlt, und ihren Werth und Gebrauch nicht 
nach seiner, sondern nach der Ansicht der Griechen an- 
gegeben und geschützt haben. Nach der "Lehre der Grie- 
chen war die Fabel die eigentliche Poesie, mithin die 
Hauptsache eines Chorgesangs. Je mehr sich die ly- 
rische Dichtkunst ausbildete, desto mehr musste man66 
freilich merken, dass das Wesen dieser Dichtungsart 
nicht hierin besteht: aber die Fabel war herkómmlich als 
das Wesentliche anerkannt, und, da sie auch allemal 
reichlichen poetischen Stoff darbot, blieb sie ein unent- 
behrlicher "Theil des Inhalts. Ihr poetischer Werth be- 
Steht theils in dem Anziehenden, das jederzeit mit dem 
Wunderbaren verbunden ist, theils in der Khrwürdigkeit 
und Heiligkeit, in der alles Alte dem Gemüthe erscheint, 
theils in der Ehre, welche es hringt, sich hochgepriese- 
ner Ahnherrn oder der Verwandtschaft mit den Góttern 
rühmen zu kónnuen, theils in dem Effect, den ihre KEin- 
flechtung in dem Gedichte durch mancherlei andere Be- 
ziehungen auf den Inhalt macht. Da nun dem Dichter 
eine Fabel'anzubringen durch das QGeseiz seiner Kunst 
geboten, die Wahl der Fabel aber frei gestellt ist, so 
versteht es sich von selbst, dass er eine zu dem übrigen 
Inhalte seines Gedichts passende Fabel wáhlen werde. 
Wenn er daher durch eine Fabel bald eimen Satz erliu- 
tert, bald den Ruhm des Siegers verherrlicht, so ist das 
80 natürlich, dass man sich wundern müsste, wenn er es 
nicht thüte. Εἰ bedarf daher bei dergleichen nicht einer 
so ins Kleinliche gehenden Untersuchung, wie die voa 
Hrn. D. angestellte, die am Ende doch nicht nur wenig 
Nutzen bringt, sondern auch, weil er nicht von dem rich- 
tigen Standpunkte ausging, auf den zu eng begránzten 
Satz führte, S. 30. ἐπ fabulis ideale exemplum 
$nest sententiae carmini subsectae, . 

Kmdlich aber sind die vorliegenden Gedichte auch 

Hrnw. Or. VI. C 


34 . PINDARI CARMINA 


Gedichte des Pindar, und bei der Erklürung und künst- 
lerischen Beurtheilung derselben kommt gar viel auch 'auf 
die Individualitàt des Dichters an. Aber michts ist über 
seinen Charakter, seinen Ernst, seinen Stolz, seine Fróm- 
migkeit, seine besondern Meinungen, seine kurzen Sen- 
tenzen gesagt, und doch simd das alles Dinge, auf die 
bei der Beurtheilung dieser Gedichte um so mehr zu se- 
hen ist, je mehr sie zu dem poetisehem Charakter bei- 
tragen und ihm das erhabene Geprüge geben, das zu al- 
len Zeiten in so hohem Grade bewundert worden ist. 
Betrachtet man daher die Abhandlung des Hyn. D. 
im Ganzen, so kanm man nicht umhin zu hedauern, dass 
er sich dureh seinen Scharfsinn und seinen Hang zar 
Dialektik verleiten liess, aus dem . blossen Begriffe eines 
Epinikion, wie es imm Pindar vorliegt, a prior: die Kunst- 
gesetze und Regeln der Erklürung durch allerlei spitz- 
findige und unnóthige KEintheilungen zu entwickeln, die 
Hauptsachen aber, wenn er sie auch zum "Theil ahnete, 
doch zu übersehen und nicht zum Gegenstand seiner Un- 
tersuchung zu machen. Wenn daher ameh.viel Gutes in 
Beziehung auf einzelne Gedichte gesagt worden, so ist 
doch im Ganzen weder die Kanst des Dichters zweck- 
müssig, vollstándig, richtig, und grossartig aufzefasst, noeh 
67dem Erklürer eine Anleitung gegeben, den rechten Weg 
zu finden, da sie ihn vielmehr auf kleinlichen Ábwegen 
von dem Ziele einer den Geist des Dichtérs erkennen- 
' den Erklürung abführt. 
Ob dieses Urtheil gegründet oder umgegründet sey, 
muss die That beweisen, und aus der Art, wie Hr. D. 
den Pindar erklürt, sich ergeben, .ob er den rechten Weg 
getroffen habe. Es móge hierzu gleich die erste Olym- 
pische Ode dienen. — - | 
Was die Kritik des Textes anlangt, folgt Hr. D. 
fast überall Hrn. Bóckh. Daher findet auch er Vs. 10. 
ἱχομένοις hart, und zieht íxouéyovg vor. Allein der 
. Dativ hat bessere hamdschriftliche Auctoritit, und ver- 
. dient als das minder Gewóhnliche und als das Poetischere 
den Vorzug. Hart kann das niemand finden, dass zu 


EDID. DISSEN. 33 


σοφῶν μητίεσσι das Masculinum ἱχομένοις hinzugesetzt 
ist, der bei dem ganz plan redenden Homer ψυχὴ Tu- 
ρεσίαο χρύσεον σκῆπτρον ἔχων gelesen hat. Ganz 
dasselbe gilt von Vs. 28., wo auch Hr. D. φάτιν vor- 
zieht, obgleich, wer die Stelle unbefangen betrachtet, se- 
hen muss, dass diess die Emendation eimes Grammati- 
kers ist, der die Apposition, eine dem Pindar so ge- 
wóbnliche Figur, von der selbst dieses Gedicht allein 
mehrere Beispiele enthült, nicht begriff, weil Pindar nicht 
ἐξαπατᾷ.» sondern in Rücksicht auf das durch Apposi- 
tion hinzngesetzte μὖϑοι gleich ἐξαπατῶντιει  geschrie- 
ben hat, Zu Vs. 37, heisst es: τὸν εὐνομώτατον ig 
ἔρανον ez plurimis libris restitutum cum Herman- 
"0, qut hunc articuli usum ostendit non abhorrere 
G Pindaré consuetudine, Hier aber bütte gerade weit 
eher als an so manchen andern Stellen widersprochen, und 
gelragt werden sollen, ob nicht der Artikel vielmehr nicht an 
dieser Stelle stehen sollte, sondern, da die von den Me- 
trikern noch nicht corrigirte Lesart ἐς εὐνομώτατον 
ἔρανον ist, entweder diese beizubehalten, und dann ἐς 
φίλαν τε “Σίπυλον, oder, wie sich der Fehler am leich- 
testen erkliren lásst, ἐς δὐνομώτατον τὸν ἔρανον zu 
schreiben seyn móchte. ^ Ueber das Vs. 50. nach Hrn. 
Bóckhs Vorgange aufgenommene δεύματα wird bei den 
erklárenden Anmerkungen gesprochen werden. Vs. 104. 
billigt Hr. D. des Recensenten Conjectur ἀλλὰ καί. 
Wir gehen zur Erklürung über. In dem Commen- 
fare ist jedem Gedichte eine sn£roduct:o vorgesetzt, der 
᾿ die explicatio folgt. In der éntroductto wird kürz- 
lich das nóthige Historische angegeben, sodann der In- 
halt angezeigt und die Einrichtung des Gedichts beur- 
theilt. Bei der ersten Olympischen Ode, nachdem das 
Historische mit wenig Worten und mit Verweisung auf 
Hrn. Bóckh abgethan ist, folgt das Argument in fol- 
genden Worten: Post proaemum, $n quo de prae- 
stantia eictortae ÜOlympicae dicitur et de Hiero- 
nis γορία laude, transit poeta. (transit? wie aber? 
Das ist ja doch eine Hauptsache, wenn ein Zusammen- 


36 PINDARI CARMINA 


hang klar werden soll) ad Pelopis et Tantas fabu- 
las canens, ut Pelops inde αὶ partu amatus sit a 
08Neptuno et, quum dw aliquando apud  Tantalum 
Sipyli. coenarentur, ab eo puer. raptus ἐπ Olym- 
pum: quum autem [a subito evanuisset Pelops, 
ab ineidis eicinis incentum esse mendactum de ne- 
faria cocltone eius humeroque consumpto, tum re- 
situto ex ebore. — Tantalum eo tempore dés di- 
lectissimum fuisse, eundem tamen postea, quum 
Jerre felicitatem non posset, furatum dus. nectar 
et ambrosiam aequalibus conetvis apposutsse; quo 
crimine factum esse, «t in poenas sncideret. gra- 
vissimas, filius autem  remiteretur ad mortales. 
Hic sic redux (n terram mox adulta. aetate Hip- 
podamiae coniugium cupit. — Implorat. «gitur. au- 
cilium Neptuni, a quo accepto curru celerrimo 
vincit. Üenomaum et: potitur. Hippodamia, gignit 
stirpem praeclaram et. adhuc pro heroe colitur 
Olympiae. | His narratis Pindarus ad Hieronem 
redit (auch hier fragt man aus demselben Grunde, wie.?), 
auguratur victoriam curulem et hortatur ad mo- 
destiasm. — Das heisst nun zwar wohl sagen, was alles 
in dem Gedichte stehe, nicht aber den Inhalt angeben. 
Denn dazu gehórt, dass man aus der Darstellung selbst 
hegreife, was der Dichter gewollt habe, was der Gedan- 
ke sey, den er durchführe, und wie das, was er erzáühlt, 
- mit diesem Gedanken zusammenhange. Doch vielleicht 
geschieht noch, was hier nicht geschehen ist, in der weitern 
Erórterung. Videamus nunc de consilio et cera ra- 
tione harum rerum. | Monet Boeckhius optime, 
antiquitates Ülympicas quum ter tractaret. Pinda- 
rus, Ol. I, III, Xl, factum hoc esse in 4s car- 
minibus, quae ἐπ Italia et Sicilia canenda essent, 
ubi talia minus nota quam in Graecia magnopere 
placere debuisse. — Vielleicht hat auf die überall sicht- 
bare Abhüngigkeit von Herrn Bóckhs Urtheile Respect 
oder Freundschaft einen Einfluss gehabt: folgt aber Hr. 
D., und das ist billiger Weise eher zu vermuthen, zumal 


EDID. DISSEN. 37 


da sich überhaupt manche Beweise von somglosem Bewenden- 
lassen bei dem was Andere gesagt haben finden, aus Be- 
quemlichkeit und dem guten Glauben, Herr Bóckh wer- 
de das Wahre getroffen haben, so ist dieses unwachsame 
Vertrauen nicht eben zu billigen. Nun hat vielleicht Hr. 
Bóckh wohl darin Recht, dass zu Olympia die hier er- 
zühlte Fabel sehr bekannt seyn musste: aber wer 
wird glauben, dass eine allgemein in Griechenland aus 
den alten Epikern bekannte Sage in Sicilien, was doch 
só viele Olympische Sieger hatte, weniger als im übri- 
gen Griechenland gekannt gewesen sey? Und was soll 
man davon sagen, dass auch bei Aeginetischen Siegern 
die gewiss in Áegina am meisten bekannten Fabeln der 
Aeakiden erzühlt werden? — Monet :dem hoc $n car- 
mine Hieroni reg$ regias res Pelopis, Tantali, Oe- 
noma proponi, quod 1pse etiam verum habeo, nist 
quod hutus rei rationem distinctius explicari posse 
crediderim. |. Ác primum quidem $n. narratione de 
Pelope maxime conspicuus est amor Neptuni; hic 
inde « partu (diess ist, wie sich weiter unten ergeben 
wird, eine ganz unstatthafte Erfindung von Hrn. D. selbst)69 
amacit infantem. lumero eburneo ornatum, et ra- 
puit mox puerum in. Olympum, postea vero suveni 
velocissitmum currum dedit et. victoriam  curulem 
nolilissémam. | Ac tam. celeber erat in fabuhs hic 
currus, ut etiam tn proverbium abiret λύδιον dg- 
μα; — nec mator laus contingere gosset curribus lu- 
dicris, quam si tlli velocitate similes essent. — Iam 
vide Hiwronem: Vicit celete et meditatur curulem 
picloriam, quam manifesto respicit de Pelopis 
celerrino, curru et. ceríamsne canons. — Woher vill 
Hr. D. beweisen, dass Pindar, weil er hofft auch einen - 
Olympischen Wagensieg des Hiero zu preisen, deswegen 
den Wagensieg des Pelops besungen habe? Sein znantfesto 
ist kein Beweis, sondern bedarf vielmehr erst eines Be- 
weises. Ja Pelops hat nach der Fabel keineswegs einen 
ehrlichen Sieg davongetragen, ^ und eine Vergleichung 
des Hiero xit ihm würde daher auch eine arge Schat- 


88 PINDARI CARMINA 


tenseite haben.  Uebrigens aber müsste doch in dem Ge- 
dichte irrend etwas zu finden seyn, das auf eine zu 
niichende Vergleichung hinwiese: aber davon ist auch 
nicht die geringste Spur anzutreffen. Porro, quid est 
quod de Neptum! amore eximio $n Pelopem narrat, 
nis$ hoc quoque propter Hieronem facit? Nimirum 
ἐπ familia Hieronis cultus deorum "Trioptorum 610. 
snesticus erat, — nter quos quum Neptunus esset, 
etiam Hiero, opinor, a tenero carus fust Neptuno 
famsbari, qué eum. equestré. studio. imbuit, — Auch 
hier linft alles auf ein op$nor hinaus.  Sey es dass 
Hiero den Neptun besonders verehrt, dass er ihn um 
den Wagensieg besonders gebeten habe: wenn diess nicht 
ausdrücklich gesagt wird, kann es kein Mensch errathen, 
und das áusserste, was man zugeben künnte, würe nur, 
dass dem Hiero eine Erzühlung von seinem Schutzpotte 
hütte angenehm seyn kónnen. Vtde munc quam apte 
otia conveniant, απ  Pindarüs hoc. carmine 
sllustrem fortunam Héeronis, Pelops vetusto simt- 
lis. Ut Pelops rex fuit in. Elide celeberrimus, — 
sc Hieronis laudatur. regsa potentia. ἐμ Stcilta ; 
Pelepem Neptunus olim amawtt, .nunc. «dem  Hie- 
ront ὦ tenero faeit eximie, atque ut. Pelopis cur- 
rus clarissimus, clarissima: eictoria Olympica (Pe- 
lops hat ja nicht in den Olympischen Spielen gesiegt), 
stc Hiero, quo nemo hodie per Graeciam harum 
rerum studio clarior, nunc celete eicit $n. Pelopto 
curriculo el mox, ut speratur, curru celeri eincet, 
o absoleetur dev benegnitas.. — Auf diese Weise 
lisst sich freilich àlles mit allem vergleichen. — Aber wo 
ist auch nur die.geringste Spur, dass Piudar an eine sol- 
che Zusammenstellung gedacht habe? Ja dass Neptun 
dem Hiero von Kindesbeinen am günstip gewesen sey, 
ist ein von Hrn. D. zum Behuf seiner Vergleichung 
radezu erdichtetes Moment, und was den bevorstehenden 
Wagensieg des Hiero anlangt, so müchte es damit, wenn 
auch Hiero in der folgenden Olympiade wirklrch einen 
Wagensieg erlangt hat, doch jetzt in Beziehung auf eine 


EDID. DISSEN, 30 


Vergleichung init dem Pelops sehr misslich aussehen.70 
Denn wahrscheinlich dachte Hiero schon in dieser Olym- ᾿ 
piade, wo:sein Reitpferd siegte, auch einen Wagensieg 
zu erreichen, hatte aber das Misgeschick besiegt zu werden, 
und die ganze Erwühnung des künftig noch zu erlangenden 
Wagensiegs ist wohl nichts als ein "T'rost dafür, dass der 
. Wagen des Hiero diessmal dem siegreichen Wagen des Pe- 
lops vielmehr unühnlich, als ühnlich gewesen. Verum ensem 
vero «dem ad superbiam inchnabat. Quod (gstwur sae- 
pe altas sed paucis monere solet Pindarus, abstinen- 
dum esse a superbia nec ultra husnanam sortem qwid- 
quem qeaerendum, hoc nunc vel inprimis ei facten- 
dum eidebatur, quum Hiero prosperrimo rerum suc- 
cessu. uleretur, et nova speraret ὦ deo. Hinc ?nte- 
ewtst fabulam de Tantalo, qué, marime amatus ὦ 
dés, quwm ferre fortunam non posset, nunc me- 
serremam poenam. pendit, suaviter. ceterum tegens 
conesiium, quas? quae de Tantalo norrantur non- 
sse propter Pelopis historwam allata simt. — Ac de 
Tuntalo sdem sentit Boeckhvus. Die Anspielang δαί 
den Hiero, die in der Erzáhlung vom Tantalus hegen 
soll, ist in der That so versteckt, dass, wenn Pindar 
einé solche Absicht gehabt hátte, doch gewiss weder 
Hiero noch sonst Jemand, der den Gesang hórte, sie ge- 
ahndet haben würde. Als das Verbrechen des Tantalos 
giebt der Dichter an, dass er, mit seimem Ghieke sich 
micht begnügend, den Gáttern Nektar und Ambrosia ent- 
wendete, und sie seinen sterblichen "Tischgenossen mit- 
theiite. Vom Hiero miüsste daher etwas hiermit anf ir- 
gend eine Weise vergleichbares nachgewiesen weréem, 
wenn mam eine Veranlassung haben sollte an ihn zu den» 
ken. Dann aber. würde sich Pindar wenig bei ihm em- 
pfohlen hnben, und eim Gedicht, das solchen "Tadel ent- 
hielte, wàre wohl nieht zür Feier des Siegs in Syra- 
kus gesungen, noch weniger aber der Dichter dafür be- 
lohnt worden. Aber woher kommt diese ganze Vermü- 
thung? Offenbar entweder aus eimer unrichtigen An- 
sicht vom Gebrauch der Fabel, oder aws einer irrigen 


40 PINDARI CARMINA 


Auffassung des ganzen Gedichts. Semel vides coctso- 
nem Pelopis tolli debuisse, ut omnia hc Hieronis 
rebus similtora fierent, Also um den Hiero mit dem 
Tantalus vergleichen zu kónnen sollte Pindar geleugnet 
haben, dass Pelops geschlachtet und gekocht worden sey? 
Freilich nachdem Hr. D. einmal eine grundlose Hypo- 
these angenommen hatte, musste er alsdann zu dieser 
Spitzlndigkeit seine Zuflucht nehmen, um das, was je- 
ner Hypothese entgegensteht, zu beseitigen.  -Memnerst 
ἐρίων Hiero. modestiam servare $n. summa  pro- 
speritate sua; caveat ne Tantalo simslis fiat, cus 
Pelopis fortunam fata dederunt; ne poenas luat, 
ut 1ste, sed laudem habeat post mortem, quemad- 
modum  Pelops, illustris Pelopsdarum gentis auctor, 
Olympiae hodieque colitur heroicis honoribus. Hier- 
7lzu lüsst sich weiter nichts sagen, als dass es ein Glück 
für den Pindar gewesen ist, dass Hiero das Gedicht nicht 
wie. Hr. D. auslegte. — Caeterum monente  Boechhto 
carmen cantatum Syracusis i$. domo regsa inter 
convicium, praesente tum. Pindaro et fortasse et- 
«am alis claris poetis. — Weil das Hr. Bóckh sagt, 
spricht es Hr. D. nach. Was ist aber Hrn. Bóckhs 
Grund?  Folgender T. IV. p. 102: Piadarum tum 
apud Hieronem fuisse mela quidem. liquet. — Herrn 
D. genügte das. Betrachtet man das Gedicht selbst, &o 
Besse sich so etwas bloss aus ἐξ ἀφνεὰν ἱχομένοις ud- 
xoigay Ἰέρωνος “ἑστίαν Vs. 10. und aus ἐμέ ve τοσ- 
σάδε νιχκαφόροις ὄμιλεῖν Vs. 115.  vermuthen, Aber 
erstens felrt aus beiden Stellen nur die Müglichkeit, 
nicht aber die Wirklichkeit; und zweitens scheint Hrn. 
Bóckhs Behauptung sogar auf eimer unrichtigen Erklü- 
rung der erstern Stelle zu beruhen, wovon weiter unten. 
Das ist nun wórtlich, was Hr. D. als en£roduct?o: 

der explicatio vorausgeschickt hat, der hergebrachten 
Kinrichtung folgend, dass, was man im Allgemeinen über 
ein Gedicht zu sagen hat, als Einleitung vorausgehe. Im 
Ganzen mag darüber nicht gestritten werden: zweckmiüs- 
siger aber würe es, die Beurtheilung nicht als eime Kin- 


EDID. DISSE N. A4 


litung vorausgehen, sondern vielmehr als einen Ueber- 
blick des Ganzen, nachdem man das Einzelne erklürt 
hat, nachfolsen zu lassen. Denn was vorausgehen muss, 
ist bloss die Notiz der Veranlassung des Gedichts wnd 
was etwa sonst Historisches zu wissen nüthig ist. — Aber 
kann denn wohl nun das, was Hr. D. gegeben hat, 
als eine Darstellung des Inhalts, als eine Beurtheilung 
des poetischen Werthes, als eine zweckmüssig richtige, 
geschmackvolle Entwickelung der Kunst des Dichters gelten ? 
Schwerlich kann das von einer Einleitung gerühmt werden, 
die den eigentlichen Inhalt des Gedichts nicht angiebt,die den 
Hauptgedanken desselben verrückt, die aus unbegründeten 
und unhaltbaren Hypothesen mit mikrologischer Subtilitit in 
das Gedicht hineintrágt, was darin weder liegt, noch liegen 
kann; endlich die das, was kunstvoll, was yoetisch, was über- 
haupt lobenswerth an ihm ist, nicht nur nicht klar macht, 
sondern günzlich übergeht, und das alles in einem Gedichte, 
das zu den einfachsten, plansten, und am wenigsten schwie- 
rg zu erklürenden gehórt. 

Was würe denn nun aber zu thun, wenn man thun 
wollte, was eine richtige Auslegungskunst gebietet? — Die 
erse Frage muss allemal seyn, welches der Gedanke 
sey, den der Dichter ausgeführt habe. Aber wieist die- 
ser zu finden? Meistens ist er gleich im  Ánfange aus- 
gesprochem, und lüuft hernach als der Faden, an welchen 
sich alles übrige anreihet, durch das ganze Gedicht fort. 
Aber eine solche anfingliche Angabe darf man nicht, wie 
Hr. D. thut, allgemein. eim Proómium nennen, welches 
eine dem Anfange des eigentlichen Vortrags vorausge- 
hende Einleitung ist (obgleich gerade in dieser Ode ein72 
Proómium angenommen werden kann: allein das ist Zu- 
fal nicht Nothwendigkeit): denn weder ein Epos, noch 
eine Rede, noeh eine Chrie schreibt der Lyrikker. ' Nun 
sagt Pindar mrt klaren Worten gleich im Anfange sei- 
nes Gedichts: die Olympischen Spiele ragen vor allen 
andern Spielen hervor. 516 sind es also, deren Ruhm 
er preisen will: und das ist der in dem Gedichte durch- 
gelührte Hauptgedanke, den der Grammatiker, der die 


a PINDARI CARMINA 


Pindarischen Siegssesünge ordmete, sehr richtig aufpefaset 
hatte, als er dieses Gedicht an die Spitze stellte. 

Nun besteht das Wesen der lyrischen Poesie darin, 
dass der Dichter frei die dargebotenen Veranlassungen 
ergreifend von einer Sache zur andern fortgeht, immer 
aber den Hauptgedanken im Auge behaltend von Zeit zu 
Zeit wieder zu ihm zurückkehrt. Je natürlicher dieses 
Abschweifen, je ungesuchter dieses Zurückkehren, je le- 
bendiger der Ausdruck, wo der Hauptgedanke wieder her- 
-voriritt, ist: desto schóner und wohlgefülàger ist die Án- 
lage des Gedichts; und je mehr die einzelnen Theile 
sich durch ihren Charakter und Schmuck von einander 
enterscheiden, desto geeigneter sind sie, das Gemüth zu 
bewegen und mit dem beabsichtigten Gefühle zu erfüllen. 
Hier nun hüngt sich an den Hauptgedanken, μηδ᾽ 'O4up- 
zog ἀγῶνα φέρτερον αὐδάσομεν.» zunüchst das, was 
dem Dichter selbst das nüchste it, dass dorther der Stoff 
 weitberühmter Lieder komme: ὅϑεν ó πολύὕὔφατος ὕμνος 
ἀμφιβάλλεται σοφῶν μητίεσσι κελαδεῖν Κρόνου παῖ- 
δα: Meran wieder die Veranlassumg zu dem gegenwürti- 
gen Gesange, ἐς ἀφνεὰν ixouévow udxougov Ἰέρωνος 
ἑστέαν, u. s. w.; aber Hieros siegreiches Ross führt 
wieder auf den Hauptgedanken zurück, dass sein Ruhm 
in Olympia strahle in der wackern Pflanzstadt des Pe- 
lops. Eine Fabel musste das Gedicht haben. . Pelops 
bietet sie dar, er, dessen Verherrlichung zugleich die 
Verherrlichunr von Olympia ist, wo er, wie Pausunias 
V. 13, 1. meldet, eben se vor allem Heroen, wie Jup- 
piter vor allen Güttern geehrt wurde. Der Dichter fángt 
&n zu erzühlen: aber das frevelhafte Wunder erschreckt 
ibn, Er mag nicht wiederholen, was frühere Diehter, 
übertriebener Sage durch kunstreichen Schmuck der Re- 
de Glauben bewirkend, gesungen haben: amders und wür- 
diger will er die Sache erzühlen, und er thut es, alles, 
was er erzühlt, anf Olympiagbezrehend. Darum spricht er 
von der Werbung des Pelops um Hippodamia, und ven 
dem Wagensiege, dem vornehmsten der in Olympia ge- 
brüuchlichen Kümpíe; darum erwühnt er den Sieg über 


^ 


EDID. ὈΙ55ΕΝ, 48 


Oenomaus nur mit einem Worte, und übergeht den Be- 
trug des Myrtilus und den an diesem begangenen Mord, 
dessen nicht gedacht werden durfte, wo Pelops und Olym- 
pia gepriesen werden sollten. Dagegen lüsst er wieder 
den Hauptgedanken auf die glünzendste Weise hervortre- 
ten, indem er die feierlichen "Todtenopfer des Pelops,73 
sein geheiligtes Grabmal an dem Alpheus, bei dem viel- 
besuchten Altare, seinen weitstrahlenden Ruhm in den 
Wettrennen zu Olympia preiset, wo die Schnelligkeit der 
Füsse und die kühne mühevolle Arbeit der Kraft «m dea 
Preis wetteifert, und die Ehre dés fsiegs des Siegere 
ganzes Leben mit süsser Heiterkeit erfüllt. — In dieser 
lebendigen Beschreibung íst die ganze Summe des Haupt- 
gedankens auf das kráftigste zusammengedrüngt. Und da 
diese Ehre jetzt dem Hiero zu 'Theil ward, so war der 
natürlichste Gedanke, der sich anschloss, der, dass iiber 
ἈΠ das eben erlangte Glück dem Menschen das h6chste 
Sey. Denalso, derjetzt gesiest hat, preisend, schliesst er 
mit dessen Lobe, und füpt, vermuthlich weil der Wagen- 
Bieg nicht erlangt worden war, mit tróstender Hoffnung 
darauf, den Wunsch ihn zu erlangen hinzu, indem er 
auf den schützenden gnüdigen Gott hinweist, und für den 
gehofften Sieg seinen Gesang verspricht, stolz anf die 
Macht seiner Lieder, und dem Konige dauernde Ehren, 
Bich selbst weit verbreitetem Ἀπηπι wünschend." 

So uwfsefasst, steht frei von scholastischer Mikrolo- 
gie em grosses erhabenes Ganzes da, das in freier le- 
bendiger Bewegung seinen harmonischen Lauf vóllig ab- 
gerundet beschliesst. Εἶθ bleibt mun noch übrig, dass 
auch in den einzelnen 'Theilen das poetische Verdienst 
bemerklich gemacht werde. Da es Hrn. D. gefallen hat, 
das derezplicat?o einzuweben, wiewol es vielleicht zweck- 
müssiger gewesen würe, die üsthetische Beurtheilung günv- 
lich von der Erklürung der Worte, der Sachen und des 
Sinhes xu trenhen: so wollen wir num dieser ezphtoatvo, 
wie sie vorlegt, folpen. Vs. 1—17: Prooemstum 
carminis, Paratur hymnus Hyeront rege 
polentséssimo οὔ esctoriam coleberrimo 


44 PINDARI CARMINA 


Olympico certamine reportatam. . Wenn 
nach Hrn. D.s Meinung einmal jedes Gedicht ein Proó- 
mium haben muss, so hátte wenigstens als Inhalt nicht 
das angegeben werden sollen, was, wenn man den Na- 
ien des Siegers und des Orts der Spiele wegnimmt, 
ohne Ausnahme von jedem Ejpinikion gilt. Aber eben 
diese Worte zeigen unwidersprechlich, dass Hr. D. von 
dem eigentlichen Inhalte des Gedichts gar keine Ahnung 
hatte. Nachdem er nun den Anfang des Gedichts mit 
dem des zehnten, ehemals eilften, verglichen, führt er fort: 
Nempe Ülympicum certamen per se una tantum 
tllustratur. comparatione solis ; praecedentia prae- 
parandae Olympiae laudi énsereiunt, quum. nimis 
nudum fuisset tale principum: εἰ μὲν ἄεϑλα ya- 
oUsv Uso, seqq. Ac similiter Pindarus οἱ al 
emnes scriptores saepe sententiam, de qua agitur, 
praeparant et illustrant, u. s. w. Bei diesem Vor- 
bereiten kann man sich nichts Deutliches denken, und 
überdiess geht durch diese mikrologische Ansicht alles 
Poetische verloren, Der Dichter wollte sagen: wie das 
7AWasser das beste ist; wie das Gold, dem Feuer in der 
Nacht gleich, vor anderer stolzen Pracht hervorstrahlt: 
80 sind unter den Kampfspielen die Olympischen die er- 
sten. Aber als er zu dem Nachsatze gekommen ist, 
ΠΕ ihm moch ein Gleichniss, und ein weit grossartige- 
bei. Dieses setzt er, wo es nicht erwartet wurde, 

in den Nachsatz, und so schwingt sich auf einmal die 
Rede von meuem noch hóher auf: ,,wenn du aber Kampf- 
spiele singen willst, mein Geist, so schaue nicht weiter 
nach einem wáürmendern Gestirne des Tages in der Leere 
des -Aethers, noch wirst du herrlichere Kampfspiele als 
.die von Olympia nennen. Zu bemerken war hierbei 
áuch das verstárkende und lebendiger darstellende μηχέτε, 
hóre auf ein anderes Gestirn zu suchen. Mit Recht 
übrigens erinnert Hr. D., dass Pindar micht Jeouóregor 
gesetzt habe, weil diess den Begriff des Lüstigen mit sich 
führe: aber was er weiter sagt: ἐρήμα αἰϑήρ, vacuus 
ei deser(us aer, e perpetua aeris vacwitale petitum, 


EDID. DISSEN. - 48 


genügt nicht, Die Erwühnung des leeren Aethers trügt 
vel zu der Wirkung des Bildes bei, indem sie andeutet, 
wie die Sonne bei wolkenlosem Himmel allein in der 
weiten Leere:des Aethers stehe, so sei auch weit und 
breit kein dem Olympischen gleiches Fest zu finden. — 
Wir kommen nun zur Worterklirung. Vs. 1. vtm 
proverbis ἄριστον μὲν ὕδωρ. monente Boeckhso meo, 
δῖ. Sllustrat Aréstoteles. Die beiden charakteri- 
stischen Merkmale von Hrn. Dissens Buche, fester Glau- 
be an Herrn Bóckh, und der Hang, auch was Sache der 
Erfahrung bleiben muss, aus blossen Begriffen zu con- 
Struiren, zeigen sich hier seltsam in einem Worte ver- 
eint. Hr. Bóckh sagte T. IV. p. 103. Keducamus 
pottus sensum teruntorem, genuina communis citae 
sapientia et antiquitatis auctoritate commendalilem. 
Hr. D. verstand diese Worte unrichtig, und machte dar- 
aus ein procerbeum, woran Hr. Bóckh nicht gedacht 
hat, und Hr. D. nicht hátte denken sollen, der dadurch 
denen, für die das Buch bestimmt ist, den ganz fal- 
schen Begriff beibringt, dass ἄριστον μὲν ὕδωρ ein 
Sprüchwort gewesen sey, was er auch zu Ol. III, 42. 
wiederholt. Gerade umgekehrt: es war eine dem Pindar 
eigne Sentenz (und das ist ja gerade das Gegentheil ei- 
nes Sprüclworts), die eben als solche überall von den 
Alten erwühnt wird, wovon Hr. D. die Zeugnisse bei 
Hrn. Tafel hütte finden kónnen. Er fáhrt fort: Sed, 
ut equidem censeo, dicitur ἄριστον ὕδωρ» quta sa- 
luberrimum habetur. | Vide enim quam pulcre 
haec aqwae et auri commemoratio accominodata sit 
convivio praesenti, poculis aure«s mensas ornan- / 
£ibus et aqua vinum temperante; unde quovis pi- 
gnore contendam neminem coneivarum de Thale- 
&s placito cogitasse, quod multi cum. Scholiis sn- 
ferunt (incommode. | Pindarus e praesentibus re- 
bus talia petit de more. ' Ac quum Artstotelica ra- 
£o devuna videatur ipso. Boeckho $udice, qué eam 
probavit, nunc contra nobile proverbium. est. et 
vere antiquum, ex 15jsa veterum «ita ductum, wube75 


40 PINDARI CARMINA 


eel vino. admscebatur aqua, — Die Spitzfindigkeit dic- 
ees kleinlichen Gedankens abgerechnet, dass Pindar die 
auf dem Tische stehenden goídnen mit Wein und JJas- 
ser gelüllten Pokale im Sinne gehabt habe, ist auch das 
Uebrige alles erdichtet, Denn woher weiss denn Hr. D.,, 
dass das Gedicht hei "Tische gesungen worden? was 
hüchst unwahrscheinlich, oder vielmehr ganz unglaublich 
ist, Doch davon weiter unten, Khen so soll anch im 
der dritten Olympischen Ode, wo dieselbe Erwühnung 
des Wassers und Goldes vorkommt, der Dichter an den 
Tisch gedacht haben. Uebrigens warum Pindar das Was- 
ser als das beste bezeichnet hat, lüsst sich in Ermange- 
lung eines Aufschlusses vom ihm selbst nicht ausmachen. 
Sjo viel lüsst sich aus Allem abnehmen, dass es ein Philo- 
sophem von ihm war: und wenn sich aus der Allgemein- 
heit des Áusdrucks etwas schliessen lásst, so war wohl 
die uralte Meinung, dass alles ans dem Wasser entstan- 
den sey, zugleich mit dem vielfachen Nutzen desselben, 
der Inhalt dieses ,Philosophems. — Sequentia construe 
$c: ὃ δὲ χρυσός, αἰϑόμενον πῦρ ἅτε διαπρέπει νυ- 
χτί, μεγάνορος ἔξοχα πλούτου (διαπρέπει)» $5 qua 
eollacattone verborum ne claudicaret et. 9nfirmsor 
eeaderet primarsa sententia, Pindarus bene addi- 
«t ἔξοχα. Das ἔξοχα hebt bloss den Gedanken; hin- 
ken würde er nicht im geringsten, wenn dieses Wort 
fehlte. Dass Hr. D. αὐδάσομεν für dag Futurum, und 
micht, wie Hr. Bóckh, für den Coninnetiv hiült, isf zu 
loben: aber dann musste er auch, was Hr, Bóckh für 
seine Meinung anführt, dass das Futurum o004 verlange, 
widerlegen, Da er das micht gethan hat, lüsst er den 
Leser, der sich nicht selbst zu helfen, und den Unterschied 
zwischen οὐ und μὴ zu finden weiss, in Ungewissheit, ob 
nicht Pindar einen Solücismus gemacht habe. — Ueber das 
vielbestrittene ἀμφιβάλλοται werden erst die. Meinungen 
Anderer kurz angeführt; dann sagt Hr. D.: Mea sen- 
teniia haec est: Ut latine dicitur amplects ani- 
mo ef complects, quorum hoc est sulla s. ma- 


gae comprehendere, sllud cupede. suscipere animo 


δ EDID. DISSEN. 47 


et eersare, svaliter graece ἀμφιβάλλεσθαι et πε- 
ριβάλλεαϑαι διανοίᾳ9(ᾳ μητίεσσι décs polwit, celui 
ap. Isocratem Phslopp. p. 118. Bekk. est περι-- 
βάλλεσθαι τῇ ἁιανοίᾳ τὰς πράξεις. Nunc ἀμφιβάλα- 
λεται passvoum. est. — Tae ewe sensum. simplscisst- 
mum; Hymnos s. laudes e£. materiam 

poetae e ludoriun locis suscipiunt. e£. amplectuntur 
mentibus, u£ canant apud eictores. Quare verto: 
Unde nunc praeclarus hymnus prehondi- 
iur doctorum menisbus, quo canant To- 
cess $n domo Hieronss, Diese Erklirung, die 
nicht minder prossisch ist, wie die damit verglichene bei 
Isokrates, máchte wohl eben so wenig gerechtfertigt wer- 
den kónnen, als was Andere aufgestellt haben. — Der Sinn 
des Pindarischen Ausdrucks wird so lange dunkel und 
ungewiss bleiben, bis eine klare Parallelstelle gefunden76 
ist, durch die entweder die Erklürung eimes Sicholinsten, 
ἀναβάλλεται, oder, was das einfachste zu seyn scheint, 
ἀμφιβάλλεται als ziemlich soviel wie ἐμβάλλεται bestá- 
tigt wird. — Vs. 9. σοφῶν. | Videntur. enm plures 
tum in aula regis affuisse cum. Hierone. poetae, 
Quuth. igitur. posset sic. dicere: Unde, nunc mente 
sea suscipitur Aymnus 4n. praesentia. ceterorum 
peetarum, qui carmen Pindaricum una cantabant, 
wmeltus rem ad umversum chorum transtult, nunc 
honoris causa σοφῶν nomine appellatum. Hr. D. pflegt 
alles wórtlich zu nehmen. Da nun von Dichtern, ven 
Kommen zu dem Hiero, von Siüegen die Rede ist, sa 
sollen gleich mehrere Dichter jetzt zu dem Hiere gekom- 
men seyn; diese Dichter, was ein ganz seltsamer Ge- 
danke ist, sollen das Gedicht des Pindar mitsingen; ja 
der Chor, der das Gedicht singt (das sind doch gewiss 
nicht die erwühnten Dichter, sondern die eigentlich soge- 
nannten Sànger, das Orchester), soll von dem anf seine 
Dichterkraft so stolzen Pindar σοφοὶ genannt werden. 
fSchwerlich háütte wohl jemand etwas Unglaublicheres er- 
denken kónnen, und dàs in einer Stelle, die, wer nur 
einigon Siümn für Poesie hat, durchaus nicht - missvere 


48 ᾿ PINDARI CARMINA 


stehen konnte. Der Dichter spricht allgemein: ,,aus 
Olympia. kommt den Weisen Stoff, den Sohn des Kro- 
nos zu singen.  Diess gehórt mit zu dem Hauptgedan- 
ken des Gedichts, der Berühmtheit der Olympischen 
Spiele: aber weil dieses Gedicht dem Hiero gesungen 
wird, so wendet Pindar gleich den Gedanken so, dass er 
in Beziehung mit dem Hiero tritt: ,jndem sie zu dem 
reichen beglückten Heerde des Hiero kommen,*^ und zeigt 
auf diese Weise die Veranlassung des Gedichts an. — 
Vs. 10: Habetur autem conteietum: ἐπ oeco. eiro- 
rum, opinor, qui ex Homero notus. — Ác pulcre 
verba: ἀφγνεὰν μάκαιραν ἑστίαν magntficum appa- 
ratum hospitalis coneivit respictunt, quo nunc ez- 
ciptuntur canentes. — Wo ist auch nur eine Spur in 
dem Gedichte von einem Gastmale, bei dem es gesun- 
gen worden? Diese ganze Behauptung beruht darauf, dass 
es Hrn. Bóckh klar war, Pindar sey damals bei dem 
Hiero gewesen. — ᾿“4γλαΐζεται, ornatur, ut Athen. 
XIV. p. 022. c. Sensus: ut est ἐκδὲρ nts, cele- 
bratur etiam talis et ornatur a nobis. 
Diese Deutung móchte wohl nicht die richtige seyn. Ein 
Lob, das Hiero bloss in seinem Pallaste, bei "Tafel, als 
emn freundschaftliches Spiel erhült, ist eben nicht geeig- 
nef grossen Ruhm zu geben, und die Erwáühnung eines 
solchen Lobes dient vielmehr den Ruhm za verringern. 
Statt des Verses aus dem Athenáus, 
σοὶ, Báxys, τάνδε μοῦσαν ἀγλαΐζομεν, 
würe zweckmüssiger lliad. X, 330. angeführt worden: 


μὴ μὲν τοῖς ἵπποισιν ἀνὴρ ἐποχήσεται ἄλλος 
Τρώων; ἀλλὰ σέ φημι διαμπερὲς ἀγλαϊεῖσθαι- 


7T ἀγλαΐζεσθαι bedeutet seine Freude an etwas haben: 
und dass hier aus den Tugenden des Hiero nur seine 
Begünstigung der Dichter hervorgehoben werde, zeigen 
die Worte selbst eben so klar, wie die ganze Wendung, 
die der Dichter nimmt. — Παίζομεν, canimus. Aller- 
dings: aber das Wort bezeichnet bestimmter nur Gesang 
zur Ergützlichkeit, nicht Gesünge zu besonderer Verherr- 


EDID,. DISSEN. 49 


lichung eder Siegesfeier. —  Védes poetas, qus$ saepe 
in convivis οἱ comissationibus familiariter con- 
«unct? celebrarent. regem. sllustrem. cf. Boeckh. 
Quidni igttur. etiam nunc affuerint? — Dieser Schluss 
ist, wie jeder Schluss von der Müglichkeit auf die Wirk- 
lichkeit, schon an sich ein Fehlschluss: noch falscher 
aber zeigt er sich durch das, was folgt: Immo hic 
epse locus more Pindarico propter. praesentis tem- 
poris similitudinem posttus est. — Denn erstens liegt 
hierin eine petitio principi? , indem schon angenom- 
men wird, was erst aus dieser Stelle bewiesen werden 
soll. Zweitens ist eben was Pindar hier sagt, οἷα παΐί- 
Cousv φίλαν ἄνδρες ἀμφὶ ϑάμα. τράπεζαν,. dem In- 
halte und der Bestimmung eines Chorgesanges zur festli- 
chen Feier eines Sieges nicht nur nicht àhnlich, son- 
derd gerade entgegengesetzt. 

Vs. 17—100. Med:a pars carminis, to- 
£u fere mythtica. Progressus ὦ luude ve-.— 
ctoriae mox Pelopis fabulam propons:t, 
tnterposito locode Tantali superbta poe- 
naque. Was heisst wohl szedea pars carmsnis, da 
man doch ein Gedicht nicht nach Maassen messen kann? 
Ferner, dass die Fabel vom Pelops erzáhlt, dass die 
. Stelle von des Tantalus Uebermuth und Bestrafung hin- 
eingeschoben ist, verlangí man nicht von dem KErklürer 
zu hóren: denn das liegt im Gedichte selbst vor Augen: 
sondern man will wissen, wie diese Sachen mit dem Gan- 
zen zusammenhüngen, weswegen sie angebracht worden, 
und warum sie so: und nicht anders vorgetragen sind. 
Darüber hat nun zwar Hr. D. seine Ansicht in der $n- 
droductio im. Allgemeinen aufgestellt, aber hier hütte sie 
doch, wenn das anders móglich ist, erwiesen, und die 
poetische Verbindung der Gedanken im Hinzelnen ge- 
zeigt werden sollen. — Vs. 17: ΖΔωρία φόρμιγξ est, 
cuius. densto Doróswn medum habet. cf. Boeckh 
d. Metr. Pind. p. 250, ac significat. poeta. simul 
sllustrissimam se eligere harmoniam, quum | Dort- 
ew nomen ceteris sllustrius sit, cf. ad Ol. VII, 

Hrnw. Or. VI. ' D 


ω | PINDARI CARMINA 


30. Wie kapn die Dorische Harmonie gemeiut seym, 
da nicht nur das Versmaass nicht das der Dorischen, 
sondern der Aeolischen Harmonie ist, sondern auch die 
Aeolische Harmonie unten Vs. 102. ausdrückich ge- 
nannt ist? Die übrigen Bemerkungen gehürten gar nicht 
hierher. Patet autem nunc demum citharae can- 
lum audiri coeptum, quum antecedentia ad. solam 
tibiam cantata essent. — Wir wissen gar nichts davon, 
wie; die lustrumentalbegleitung eingerichtet gewesen ist: 

78also ist an ein patere gar nicht zu denken, Aber Hr. 
D. zeigt hier an einem  hóchst auffallenden Beispiele, 
wie er alles buchstüblich nimmt, Sollten denn also, wenn 
Horaz sagt: 


dic age tibia 
regina longum Calliope melos, 
geu eoce nunc macis acuta, 
sew fidibus citharace Phoebe. 


diese Strophe anfangs mit der Flóte, hernach ohne De- 
gleitung eines Instruments, zuletzt zu der Cither gesua- 
gen worden seyn? — Hermannus 4wpoixv φόρμιγγα 
enterpretatur poesin. Doriam; stc sensus esset: Age 
sume nunc Doriam poeain, quod mos «ntellgo, 
quum talis am ὧς prooemio sif. — Ein neuer Boweis, 
wie würtlich umd buchstáblich Hr, D. alle Worte des 
Dichters nimmt, Wer sollte glauben, dass es ihm ein- 
fallen konnte, zu denken, wenn Pindar jetzt erst die Dorische 
Poesie erwáhne, kónne, was vor djesem Verse steht, nicht 
Dorische Peesie gewesen 8670, Wer sieht micht, dags 
der Dichter, wenn er sagt, , nimm die Dorische Cither,*t 
nichts anders meint, als: ,,50 will ich nun ein erhabnea 
Lied singen. Denn eben hier hebt er nun an zu thum, 
was er angekündigt hatte, das Lob der Olympiachem 
Spiele zur Feier des Siegs des.Hiero zu begimgen. — 
ἀπὸ παασάλου͵ suaciter, guum. etiatu. $9. Ierones 
oeco chara penderet, ut olim in. Bero 90cts ; 
ut s epico cantu delectabantur, sw here pro 
déversitate temporum. lyrécis camntnibus chertsgue. 


EDID, DISSEN. 91 


Auch diese Behauptung beruht erstens wieder gans auf 
dem festen Glauben.an Hrn. Bóckh, der sich den Pin- 
dar in Syrakus gegenwürtig dachte; zweitens auf einer 
buchstüblichen Deutung eines: bildlichen Áusdrucks, die 
eben so beschaffen ist, als wenn einst ein spütgeborener 
Scholiast behaupten sollte, unser Uz habe eine wirkliche 
Léier in der Hand gehabt, als er sang: 


Der Unmuth reichet. mir die scharfzestimmte 
| Leyer. 


— Ves. 18. Πίσα, urbs oltm celebris apud  Olym- 
»έωπι et capul regni, saepe pro Olympia posita; 
᾿ς Áéc memorata propter Pelopem regem, ad quem 
irancire eult, — Aber warum will er denn auf den Pe- 
lops übergehen? Das war es doch, was dem Krklürer 
anrageben oblag.  Uebrigens ist die Behauptung selbst 
unrichtig, indem Hr. D., wenn er den Inhalt des Ge- 
dichts nicht verkannt hátte, gesehen haben würde, dass 
Bicht Pisa des Pelops wegen, sondern Pelops genannt 
wird, um Pisa zu preisem. — ὑπὸ mxe, subsecst, 
quem. memoria Pelopis et admiratio Pherenict cur- 
rentis animum. Pindari abriperet ad. cantum.  Vi- 
defur enim (um praesens fuisse Olympiae, — Es ist 
in der 'That merkwürdig, wie Herr D. alles, was 
deh Dichter zum Diüchter macht, zu vernichten be- 
strebt ist. Muss man denn, umr ein siegreiches Renn-79 . 
pferd zu hesingen, es wirklich haben laufen sehen? — 
λάμπει δέ oi χλέος seqq. Sensus: Splendet au- 
lem reg? glorca non ignobtili loco, sed ἐπ 
egregia Pelopas nobéléssims colonéia, qus 
o Nepíuno amatus est seqq., atque «ta trans- 
$$ ad fabulam. Das non tgnobilt loco ist ein ganz . 
fremdarGsger Gedanke, der dem Pindar nicht einfallen 
konnte. Und was ist mit dem atque sia erklirt? — 
Πέλοπος ἀποικία urbs Písa consulto nunc diciieer 
mugneficenttus, quum laus victoriae petatur e no- 
bslstate loci, et. potuit etiam recte dic, quoniam, 
won mullis comsitbus stipatus, regnum tamen con- 
. D2 


32 PINDARI CARMINA 


sequutus est Pelops. Nam si non esset vex factus, 
sed i» aequa ura cum suis receptus civis. inter 
ctves cizisset, etx poterat apte Pisa colonia Pelo- 
pis dics. Potius ἐποίκους tales homtnes nominas- 
Sef. Aber es ist. ja auch wirklich die Lesart ἐποιχίᾳ 
vorhanden, und sie verdiente den Vorzug. Denn ἀποι- 
χία Πέλοπος bezieht sich auf Lydien, worauf hier nichts 
ankommt; ἐποιχία hingegen bedeutet den Ort, welchen 
er mit den Seinigen einnahm. Dass durch dieses Wort 
Pelops als οὐδὲβ tnter cíves bezeichnet seyn würde, ist 
ein engherziger Gedanke, der keinem Griechen einfallen 
konnte. — Herr D. führt nun die gewühnliche Erzáüh- 
lung von Pelops, und die Art, wie Pindar die Sache 
darstellt, an. Dann führt er fort: Imspíciamus nunc 
propsus poetae verba, — Ex Pindari mente quum 
son consumptus 8} humerus nec novus a Parca 
suppletus eburneus, quomodo, tamen dictt: τοῦ ἐράσ- 
σατο Ποσειδᾶν, ἐπεί γιν —. xexaduévov? | Statuunt 
inferpretes omnes poetam hic. primum eulgarem 
fabulam ponere, quam deinde neget. Sed «ide 
quid nunc dicat Pindarus ex hac ratione: ,Hiero 
etcit. in. nolbilissuma Pelopis colonia, qué amatus est 
a Neptuno, propter humerum eburneum, quem ta- 
men non habebat. Es ist ganz leicht, etwas als ab- 
surd darzustellen, wenn man es geflissentlich so verdreht, 
dass es absurd scheimen muss. Nichts von dem, was 
Hr. D. den Erklürern unterschiebt, liegt in ihrer ganz 
einfachen und richtigen Erklárung, sondern: Neptun liebte 
den Pelops, nachdem ihn Klotho aus. dem Kessel ge- 
schmückt mit der elfenbeinernen Schulter herausgezogen 
hatte, d. h. nachdem er den schónen Kmnaben mit der 
elfenbeinernen Schulter erblickt hatte. Denn die Schón- 
heit des Knaben ist die Ursache der Liebe, nicht die 
elfenheinerne Séhulter. Daher kann Pindar diese Schul- 
ter immer wegleugnen, ohne absurd zu werden, weil die 
Liebe nicht, wie Hr. D. sophistischer Weise einschiebt, 
durch die Schulter erregt war. nest hwic loco laus 
Olympiae et. Pelopis, ἀξ qua re certa et cera ex- 


EDID. DISSEN. 33 


spectamus, nec potest. una pars laudis σοῦ esse 
(τοῦ — γαιάοχος). altera falsa (ἐπεὶ κεκαδμένον), 
ubt serio laudes, nec licet cera et. falsa continua 
oratione sungere, nullo discrimine facto. — Diess. 
ist offenbar ein Sophisma, das auf dem ganz falschen80 
Satze beruht, dass man nichts erzühlen kónne, wovon 
man hernach einen Theil leuguet und ^ berichtigt. Dass 
Pindar, wie die übrigen Erklürer ganz richtig behauptet 
haben, hier die herkómmliche Fabel erzühle, ist aus den 
Worten selbst klar. Dass er sie nicht ganz, sondern 
nur einen Theil davon widerlegt, ist eben so evident. 
Denn die Liebe des Neptun gesteht er unten selbst zu, 
aber das Schlachten und Kochen erklürt er für eine Er- 
dichtung. . Aber hüren wir nun, was Hr. D. für eine 
Erklárung vorbringt. Nachdem er bemerkt hat, die el- 
fenbeinerne Schulter habe nicht wohl vom Pindar geleug- 
net werden künnen, führt er fort: Cauttus sg$tur sta- 
tuemus minime negare à Pindaro rem hoec modo 
Jirmatam , sed aliter. explicari.  Censet natum 
esse puerum cum eburneo humero. 446 quum 
ex ipso Pindaro constet Parcas. n. partu. adesse 
inprimis: egregtorum, sMlustryum puerorum, cf. Ol. 
VI, 42. Nem. VII, 1. ego tta snfelhgo locum: 
Vicst Hero ἐπ nobilissima Pelopés colo- 
nia, qut a Neptuno amatus est inde a prs- 
moa infantia, quum Clotho recens natum 
sustulisset e lebete, eburneo hwmero splen- 
dentem. Est igttur λέβης usu Homerico pelvts, 
(n qua lotus erat infans post partum. Etwas in 
aller Rücksicht unstatthafteres hátte wohl nicht leicht er- 
sonnen werden kónnem. Erstens widersprechen die kla- 
ren Worte des Dichters, der ausdrücklich sagt, als die 
Gótter zu dem: Male des Tantalus gekommen seyen, ha- 
be Neptun, δαμεὶς φρένας ἱμέρῳ, den Pelops geraubt 
zu demselben Gebrauch, wie spüter Juppiter den Gany- 
medes. Das heisst denn doch unwidersprechlich nichts 
anders, als die Sichünheit des Knaben, der zur Knaben- 
liebe reif war, habe den Neptun gefesselt, —Diess ist der 


94 PINDARI CARMINA 


Grand, warum er den Knaben raubte, und eben um die- 
sen Grund noch mehr hervorzuheben, fügte Pindar die 
Worte hinzu, ἔνϑα δευτέρῳ χρόνῳ ἦλϑε xoi Γανυ- 
μήδης Ζηνὶ τωὔτ᾽ ἐπὶ χρέος, Worte, die Hr. D., wenn 
er den poetischen Werth des Gedichts im seiner Krklü- 
rang gehórig berücksichtigt und gewürdigt hütte, als ei- 
nen sehr matt ansgedrückten Zusatz hütte rügen sollen. 
Zweitens scheint Hr. D. den Unterschied zwischen ἐρᾶν 
und φιλεῖν nicht beachtet haben. ^ Würe davon die Re- 
de, dass Neptun den Pelops von Geburt an gelebt hütte, 
80 konnte nicht ἐράσσατο gesagt werden, das sich verlie- 
ben bedeutet. Drittems was hütte denm Neptun für ei- 
nen Grund gehabt, seinen Neffen von Kindesbeimen an 
zu lieben? Das müsste doch von Pindar angegeben seyn. 
Wáre Neptun der Vater des Pelops, se würe doch noch 
ein Sinn in diesem Gedanken.  Viertens, dass die Par- 
zen bei der Geburt gegemwürtig sind, beweist noch nicht, 
dass hier, weil Klotho den Knaben aus dem Kessel ge- 
mommen hat, von der Gebart desselben die Rede sey: 
vielmehr hütte bewiesen werden müssen, dass die Parzen, 
81die Pindar in den beiden angeführten Stellen mit der Hi- 
thya verbindet, nicht dem MNeugebornen sei Schicksal 
bestimmen, sondern Handlangerinnen der Hebamme seyen. 
Fünmfens endlich hátte Pindar, wenn von der Geburt die 
Hede seyn sollte, diess doch irgend durch ein Wort an- 
zeigen, und nicht gerade solche Worte wühlen müssen, 
die diese Deutwug var nicht zulassen. Sehr verstündig 
hat Hr. Jacobs hier folgende Note eingeschaltet: Eps- 
theton χαϑαροῦ nunc non simpliciter ornat, sed 
cogitare nos cogit de lebete, quem. eulgaris faba 
lae inventores fingebant, οὗ caedem pwere μιαρῷν 
— Zu, Vs. 30. sagt Herr D. χάρις cf. Ol. XIV, 5. 
Videtur autem. dea. ἐμέο πα propler | cerbum 
ἐμήσατο. Dieser Grund will nichts sagen. Denn χά- 
οις. kann hier eben so πὲ auch das Gescháft der Bich- 
ter bezeichnen, die Erzühlungen anmuthig zu machen, 
umd dann passt das Verbum ebenfalls, dafern überhaupt 
alles wórtlich verstanden werden muss, und man dem 


EDID. DISSEN, 5S 


Dichter nicht die Erlaubniss gestatten will metapho- 
risch zu reden, was dech zum Wesen der Dichtkunmst 
gehórt, — Vs. 35. μείων, ne dicat οὐδεμία, tminore 
saltem culpa. errabimus bona fingendo. — Est. Inc 
«5u8 comparalves non infrequens. cf. Pyth. I, 82. 
Soph. Aj. 264. Hom. Od. III, 69, ubé eid. Nstzsch. 
Notabis inprimis etiam. modeste, caute, religiose 


es eo uti, Wahr ist das allerdings, aber damit 


die Redensart noch nicht erkdárt. Denn wenn nun der, 
welcher Belehreng sucht, nicht begreifen kann, wie Ga- 
tes von den Góttern zu sprechen aus Bescheidenheit, Be- 
hutsamkeit, Frómmigkeit nur geringere Schuld, und nicht 
vielmehr heilige Pflicht heisse, so erhült er keine Aus- 
kunft. Der Gedanke des Dichters war dieser: von den 
Góttern, die hoch über dem Menschen erhaben sind, et- 
was zu behanptea ist stets anmaasslich und gefahrvoll: 
geringer ist daher die Schuld, wenn man wenigstens Gu- 
tes von ihnen sagt. — οὐγομώτατον, ἦς. e. non cru- 
entum caede fiw. — Seriores quidam bono. consilio 
Tantalum mactasse dis filum suwmn fingunt, τὸ 


φιλόξενον αὑτοῦ ἐνδειχνύμενον. cf. Tafeltum p.33... 


Tw cero eace Labia ἐπ Pindarum inferas cum 60. 
dem €iro. Hier geschieht Hrn. Tafel zwiefach Unrecht, 
einmal, weil ihm vorgeworfen wird, was er πὶ Bezug auf 
das Wort εὐνομώτατον gar nicht gethan hat; zweitens, 
weil das, was er gethen hat, das Schlachten des Pelops 
in der gewóhnlichen Erzühleng für ein Zeichen zu neh- 
men, dass Tantalus seinen. Güsten 445 liebste und kóst- 
lichste, was er hatte, vorsetzen wollte, keinen Tadel ver- 
diente, indem es wirklich der Inhalt jener alten Sage 
war. — τότ᾽ ἁρπάσαι. Es Pindari sententia Neptu- 
nus puerum tnde a partu sibé carum. τς cupt- 
detale domstus (fortasse olyoyooUvva eidens, «ut cult 
Phslostr. Imag. 1, Vi.) rapit et. ἐπ Olympum 
abducst, quem aptus am esset amoribus. — Hier wi- 
derlegt Hr. D. selbst seine verunglückte Erfindung, das 


Neptun den Peleps von dessen Geburt an geliebt habe,82 
indem er zugesteht, dass diese Liebe doch nicht zureichte, ' 


36 PINDARI CARMINA 


den Raub zu erklüren, sondern Neptun sich erst, als er. 
den schon herangewachsenen Knaben Wein einscheuken 
sieht, in ihn verlieben muss, um auf den, Einfall zu kom- 
men, ihu in den Himmel zu entführen, — Vs. 41. yov- . 
σεαι ἵπποι, οὗ frena et phaleras. Besser würe es 
doch wohl gewesen zu sagen, dass unter den Pferden, 
wie meistentheils, der Wagen zu verstehen sey. Sollen 
die Pferde wegen der Záumung golden heissen, so, wird 
man bei dea vielen Dingen, die von den Dichtern gol- 
deu genannt, werden, nicht wissen, wo man das Gold su- 
. chen soll. — Potuit Pelops simul pincernae munere 
μερὶ apud deos, sed huius rei nulla Mc mentio! 
Pindarus per totum locum nonnisi de amore ἴο- 
quitur. Allerdings ist das wahr: aber eben, weil bloss 
von Liebe die Rede ist, ist nicht die Rede davon, dass 
Pelops auch, wie Gauymedes, Mnndschenk der Gótter ge- 
wesen. Wozu wird also gesagt, man solle nicht an das 


denken, woran ohnehin niemand denken wird? — ὕδα- 
τος — ἀχμάν. — Ceterum obserca concinnam bre- 


ettatem ín. re abominabili. | Ad. aquam. ferventem 
dissecta membra dicens cocttionem simul. significat, 
sed diserte non nominat, eaque causa est orattó- 
s»48 stc formatae, — Wahrhaftüg eine hóchst seltsame 
Kürze, die darin bestinde, das Wort Áochen nicht zu 
gebrauchen, die Handlung des Kochens selbst aber sehr 
weitlinfig zn beschreiben, und dabei die res abomna- 
bilhs, die doch eben nicht in dem Kochen, sondern in 
dem Zerhacken und Vertheilen des Fleisches liegt, recht 
mit den unzweideutigsten Worten zu bezeichnen, —Ueber- - 
diess widerspricht sich aber gar noch Hr. D. Denn da 
er δεύματα liest, so ist ja auch das Kochen ausdrück- 
lich benannt. — 'δεύματα χρεῶν, carnes embam- 
mate sive tusculo $mbutae, ut fallerentur 
di, quos tentare colebat Tantalus. eid. Boeckh. 
Nott. critt. ad ἢ. |. (Diesen Gedanken des τη. 
Bückh, dass die neidischen Nachbarn erzáhlt hátten, das 
Fleisch des Pelops sey durch gewürzte Brühen so zuge- 
: richtet worden, dass es den Góttern wie T'hierfleisch ge- 


EDID. DISSEN, "57 


schmeekt habe, fand Hr. D., wie man sieht, nicht an- 
stóssig.) Ego cur non probem δεύτατα cum als 
esris doctis, hinc acctpe. — Plane evanuerat Pelops 
sublatus ἐπ Olympum. | Hinc viciné dixerunt. eum 
in Slo cone9eto coctum et comesun. — INI]. sémph- 
cus et ad. rem. explicandam clarius. — Iam pone 
alteram lectionem. δεύτατα, quae s$ de extrema 
corporis parte, humero intelligitur, eictni. hume- 
rum tanium consumptum dixerunt, et puer. statim 
restitutus est. Cur autem mslominus evanuit? 
En εἰδὲ ineptos homines, qué cur evanutsset. puer 
ezplicaturs invenerunt fabulam de humero absum- 
pto, tum reststuto! 4 coluerunt. humerum | ab- 
sumptum, lum restitutum, denique puerum a Ne- 
»έωπο in. coelum raptum? | Vides quam multa Mc 
suppleant interpretes, quae non leguntur nec po-83 
ferant omnino cicinis a poeta tribus, — . Nam $n co- 
clionem quidem inciderunt facile, quum. conevetum | 
&cirent fuisse; quare hoc verisimiliter ponit. Pín- 
darus; sed cetera omnia de humero absumpto, 
restituto, de ebore apposito, de raptu Neptunt unde 
quaeso susptcars poterant? — Contra ex nostra ra- 
£one omnia clara. — Auch hier erklàárt Hr. D. den 
Pindar wie einen trockenen Prosaisten. — Wir wollen die 
Sache etwas náher beleuchten. Die elfenbeinerne Schul- 
ter ist, wie Hr. D. oben selbst zugegeben hat, nicht vom. 
Pindar erdichtet, sondern er fand sie schon imder Fabel 
vor, und zwar so, dass, weil Ceres die Schulter verzehrt 
hatte, die nicht mehr vorhandene Schulter, als die Gót-- 
ter den zerstückelten Pelops wieder ganz machten und 
belebten, durch eine elfenbeinerne ersetzt wurde. ^ Diess 
hatte er. oben deutlich dadurch bezeichnét, dass er sagte, 
Klotho habe den Pelops mit einer elfenbeinernen Schul- 
ter aus dem Kessel genommen. ^ Denn ausser Hrn. D. 
wird. gewiss niemand zweifeln,: dass das in Prosa heisse, 
es war dem Pelops durch das Schicksal bestimmt, wie- 
der unter den Lebendigen zuseyn. Indem nun der Dich- 
ter diese Fabel nach seiner Weise deutet, erklárt er beide 


ὅ8 PINDARI CARMINA 


Theile der oben angegebenen Fabel. Natürlich konnten 
die neidischen Nachbarn, die wegen Verschwinden des Pe- 
lops das Schlachten und Kochen ersonnen haben sollem, 
nichts von der elfenbeinernen Schulter, mithin auch da- 
von nichts wissen, dass bless die Schulter verzehrt wor- 
den war, sondern glaubten oder sagten, Pelops sey ge- 
schlachtet, gekocht, und von den Góttern verspeit wor- 
den. Geichwohl ist die elfenheinerne Schulter zusammt 
der Ursache davon in der Fabel vorhanden. Dieser Theil 
der Fabel konnte erst nur dann hinzugesetzt werden, als 
Pelops wieder unter den Lebendigen mit semer weissen 
Schulter erschienen war. Deutet man daher den Pindar 
so buchstüblich, wie Hr. D. thut, so würde es allerdings 
nicht denkbar seyn, dass die Nachbarn, als Pelops ver- 
schwundem war (ὡς δ᾽ ἄφαντος ἔπελες), sogleich (αὖ-- 
. víxo) gesagt hüttem, bloss die Extremitüten (δεύτατα) 
würen von den Góttern verzehrt worden. Aber wer, der 
einen Dichter erkliren will, móchte verlangen, dass der 
Dichter noch ausdrücklich angebe, za dem Gerüch& vom 
Scehlachten und Kochen des Pelops sey die Erzühlung 
von der elfenbeinernen Schulter erst spüter, als Pelops 
wieder zum  Vorschein gekommen war,  hinzugesetzt 
worden? Das mag ein Scholiast thun; der Dich- 
ter überspringst was jedermann von selber einsehen 
muss, erwühnt aber bestimmt die Extremitüten, um 
diesen spütern Zusatz zu der Fabel anzudeuten, und so 
die ganze:Fahel zu erklüren, die er vorher gamz erwáhnt 
hatte. "Das Schlachten und Kochen erklürt er aus dem 
durch des Verschwinden des Pelops veranlassten Ge- 
rüchte; die spüter hinzugekommene Erzühlung, dass nur 
84die Extremitüten verzehrt, und durch eine elfenbeinerne 
Schulter ersetzt "worden seyen, aüs dem Wiedererschei- 
nen desselben in schónerer Gestalt. Betrachtet man die- 
ses, so füllt Hrn. Dissens Vertheidigung der Lesart δεύ- 
ματα in Nichts zusammen. Aber was hat denn diese 
Lesart senst noch für sich? Zwei Codices, davon der 
eine sechshundert Jahre alt ist.. Soll das Alter der Zeu- 
gen gelten, so sind die Soholiasten noch ülter, noch ülter 


EDID. DISSEN. 59 


als diese aber Atheniüus. Und ehen diese Erklürungsver- 
sache des Athenáus und der Scholiasten beweisen für 
δεύτατα. Nachdem nun Hr. D. die Meinung des Athe- 
náus widerlegt hat, rühmt er seine Erklürung mit folpen- 
den Worten: Sed u£ ἐπ ciam redeam, quomodo or- 
4a est vulgares fabula? Nempe, quod fraudem fe- 
eit. plerisque, Pindarus tantum fundamenta re$ $n- 
dicaeit, unde tamen cetera facillime colligt pote- 
rant. Nam quum alsquo tempore post Pelops a su- 
peris remissus esset, sntellectun sane eun non de- 
coratum esse; quare posteriores fabulas duas. ob- 
latas de humero eburneo et de coctiene sta. eon- 
sumcerunt, ut. dtssecium. quidem et. coctum. £rado- 
rené  Pelopem, sed consumptum tamen. Inumerum 
jantum et statim. suppletum ebore. (Es ist seltsam, 
wie Hr. D. dem Wahren so nahe seyn, und es doeli 
verkennen konnte, bloss durch seine Erfindung von der 
Liebe des Neptun zum Pelops von dessen Gebmrt an 
verleitet.) — 4c consulto Pindarus supra Pelopem 
inde à prima infantia a. Neptuno. amatum sient- 
ficaturus ita. dial: ἐπεί viv. χαϑαροῦ λέβητος ἔξελε 
Κλωθώ, ut monstraret. quomodo posteriores, cera 
iraditsone male intellecta, de coquinarto lebete co- 
gttare et ad cocttonem humerum eburneum revo- 
care potuerint. — Atque sta nunc declarata esdetur 
cera mons Pindar?, ac negari nequit. facilem. esse 
et claram e«us. explicationem, quod unum  poste- 
lar$ poterat. pro ratione tslhus temports. — Deni- 
que post ommia s$ quaeritur. etiam tllud, cur om- 
1)no inftezuerit Pindarus hanc refutationem fabu 
lae eulgaris: foeda erat cocto, foeda γαστριμαρ-- 
γία deorum, contra suams cogtfatio nat« pueri cum 
eburnes humeri splendore. Quare, sublatés quae. ab- 
omenabelia, omnem rem ad meltorem spectem re- 
e0cavil, ut et Pelops a partu amatus a Neptuno 
simelier esset. Herons, et. Tantalus commodsus ez- 
emplium superbiae regiae punttae, quae ferre for- 
dunam non posset, Es würde überflüssig seyn, macl 


.60 PINDARI CARMINA 


dem, was bereits gesagt worden, noch etwas hinzuzuse- 
tzen, als dass Hr. D. die Warnung sich selbst hütte 
sollen gesagt seyn lassen, die er unmittelbar vor der eben 
angeführten Stelle in folgenden Worten ausgesprochen 
hat: JPlurimum interest. n. snterpretatione ceterum 
diligenter attendere quid quoque loco dicere pos- 
sint ac debeant. — Vs. 52. γαστρίμαργον. gulo- 
sts. — Praeter lexica cf. Tafel. ad ἢ. lL. Nunc 
qui foeda edtit. Das Lexicon wird ein Schüler 
wohl auch ungeheissen nachschlagen, wenn er nicht weiss 
85was γαστρίμαργος ist.  Dergleichen überflüssige und 
triviale Sachen dndet man nur gar zu hàáufig: aber doch 
sollte nicht sogar Falsches dazu gesetzt seyn. Weder 
hier noch irgendwo bedeutet γαστρίμαργος qus foeda 
edit. — Vs. 57. Richtig ist hier, was über oi gesagt 
wird, dass dieses Pronomen nicht zu πατὴρ statt des 
Genitivs gesetzt ist. — Ueber die Worte μετὰ τριῶν 
τέταρτον πόνον — Vs. 60. spricht Hr. D. nicht recht 
klar, scheint jedoch denen beizutreten, welche πόνων 
suppliren, was unsireitig die richtige Erklürung ist, da 
sie nicht nur ganz natürlich und fast nothwendig in den 
Worten liegt, gpnderu sich auch auf den Homer stützt, 
dessen Zeugniss für das ganze Álterthum die hewührte- - 
Ste Quelle ist. Vs. 65. τοὔνεχα seqq., ut quam ami- 
cts 8418 irtbuere volebat 4mmortaltatem, ea 86 do- 
leret fibum suum privasse. — Vides igitur οἵ non 
esse ad eum, quass in. Lydia Tantalus secundum 
Pindarum poenam luat. Wenn oi nicht ad eum 
andeutet, wie soll es denn sonst zu nehmen seyn? Statt 
des Genitivs nicht: denn das hat Hr. D. kurz vorher 
dem Pindar abgesprochen. Um eine Antwort dürfte er 
wohl etwas in Verlegenheit seyn, und eben deswegen - 
Scheint er nur gesagt zu haben, was oi nicht bedeuten 
solle. Da nun oi nur noch s$Aes» bedeuten kanm, was 
sol] man sich denn denken, wenn mit diesem «As» nicht 
zu un. nach Lydven. gemeint ist? Verstehen wir Hrn. 
D. recht, so hat er auch hier wieder den Pindar. auf 
eine unbegreifliche Árt buchstüblich genómmen, und ge- 


EDID. DISSEN, 61 


dacht, weil zuletzt von der Strafe des "Tantalus ín der 
Unterwelt die Rede gewesen, künne Pindar nun, nicht 
sagen, die Gtter schickten seinen Sohn zu ihm mach 
Lydien unter die Lebendigen zurück. ^ Freilich wenn 
Pindar so chronologisch, wie Herr Dissen zu glauben 
scheint, erzühlte, so war Tantalus bereits in der Unter- 
welt, als Pelops wieder zu den Menschen geschickt 
wurde.  Indessen hat wohl noch kein Leser des Pindar 
die Stelle anders verstanden, als dass Tantalus erst nach 
seinem T'ode in der Unterwelt büsst, damals aber, als 
Pelops wieder auf die Erde, folglich zu ihm nach Ly- 
dien zurückkehrte, noch nicht gestorben war. — Vs. 81. 
Sensus: Scio fortitudine et audacia opus esse en 
hac re, magnum periculum inbellem. eirum. non 
recipit, admsttit (λαμβάγει), sed quum semel ami- 
sereém immortalitatem, qued. prodest. ota οὐδὲ no- 
bili facto sliustrata? — Àn die verlorne Unsterbliehkeit 
dachte Pindar schwerlich. — Das wáre eine eines Helden 
unwürdige Gesinnung: vielmehr redet Pelops, wie über- 
haupt ein Tapferer, der, weil jedem" Menschen der T'od 
beschieden ist, ihn nicht fürchtet. — Ueber πέσσειν sagt 
Hr. D. Metaphora «nde ducta, quod qui ederunt 
dsligenter servant stomacho | cibos, caventque ne 
turbetur concoctto. — Einen solchen diütetischen Ur- 
sprung dürfte der metaphorische Gebrauch dieses Wor- 
tes bei Leuten von gesunder Verdauung, wie die alten 
Griechen waren, wohl nicht.gehabt haben, sondern viel- 
mehr von wirklichem Kochen, was Zeit erfordert. um86 ὁ ΄ 
eine Sache recht garzu machen, herkommen. Wir nen- 

nen das mit einer ühnlichen Metapher óre«fen. — Vs. 

84. -—— ὑποχείσεται. $ncumbam $n. hoc certamen. 
Proprie materia artis subiecta. dicitur. artificibus, 

ἐπ qua versantur, quam tractant. cf. Cic. de Off. 

Ἶ, 5, 17. Inde ducta alia. Plutarch. in Pert- 

cle Cap. VI. ὑπέχειτο γὰρ τῷ μὲν (τῷ φυσικῷ) ἐκ 
τίνων γέγονε xoi πῶς πέφυχε ϑεωρῆσαι. τῷ δὲ (μάν--. 

τιν dicit) πρὸς Tí γέγονε καὶ τί σημαίνεε προειπεῖν. 
Bas proprée ist kemeswegs richtig. — Eigentlich heisst 


, 


Μ 
Ld 


62 PINDARI CARMINA 


ὑπόχοιται als Unterlage, Grund, gelegt, folelich festge- 
'Stelli sen. Daher würe es Lateinisch eher durch s»A$ 
cerium. est zu übersetzen. — Vs. 86. οὐδ᾽ — ἐφά- 
wer, neque irritas preces fecit. — Verbum 
date. c. Pyth. VIII, 60. Nem. VIII, 36. cum 
genet. Οἱ, IX, 13. Pyth. III, 29. Von diesen Ci- 
tatem hütten &us Ol. IX, 13. die Worte selbst hinge- 
setzt werden sollen: οὔτοι χαμαιπετέων λόγων ἐφάψεαι, 
indem diese Stelle es wahrscheinlich macht, dass ἐφά- 
wor ἔπεσσιν eben so gesagt sey. Dabei hátte aber be- 
merkt werden sollen, dass mam sonst auch zu ἐφάψατο 
hier αὐτοῦ verstehen, und der Sinn seyn künate, neque 
eum orrs£io verbis est. aggressus. — Vs. 88. — 
μεμαλότας gratos, caros: Der Grieche denkt bei die- 
sen Worten nichts als sfudiosos, dedstos eeortzdsbwse. 
Dass Hr. D. die Tugenden hier micht als Góttinnen ge- 
nommen wissen will, ist zu leben.  Ceterus esdes nos 
eredere. Pindarum. Atres et. 'Thyestae nefaria | dis- 
s«déa. "Nempe antiquior. iraditio ignorabat haec ; 
praeter «lam tamen eulgari coepsi. alia (am a cy- 
chess quibusdam, quam amplexi sunt (tragici. Diese 
DBehauptungen bhütte Hr. D. erweisen, micht e prioré 
ame Pindars Stillsehweigen,; oder dem Ausdrucke &pe- 
ταῖσι μεμαλότας schlessen sollen, — Áuch ist dieser 
Schluss falsch. Denn die hier gemeinten T'ugenden sind 
hriegerieche, die dem Atrens amd Thyestes, be& aller ih- 
rer somstigen Schándlichkeit,. nicht abgingen, — Und darfie 
wohl Pidar hier, wo er Olympia umd dea dort gefeier- 
tea Pelops rühmen wollte, der Unthatea der Pelopiden 
gedenken? Hat er Bicht auch von dem Morde des Myr- 
tlus geschwiegen? ^ Und sell er darum etwas gar nicht 
kenmen, weil er davon sehweipt, und ans guíen Grümdea 
sehweigen muss? — eiuaxovoíeig — Satieri sangus- 
ue décebaniwr manes precibus ececal$ sacrisque 
quodammodo interesse cisi. — Hr. D. folgt also. der 
Ableitumg des Wortes vom χορένγνυμι. Aber dana war 
dech zu seigen, nach welcher Analogie o. im οὐ habe 
. kénaen verwandelt werden. 5o lenge das nieht derge- 


«* 


* 


EDID. DISSEN. 63 


than ist, wird χείρει» für die Wurzel gelten müssen, 
und dann fragt sich, was das Wort ursprünglich bedeu- 
tet habe. — Vs. 92, — τὸ δὲ xAéog seq. Meli est: 
Gloria Pelopis longe splendet aut e longinquo splen- 
det $5 curriculis. | Iunge potius χλέος ἐν δρόμοις» 
h.e. gloria parta tn. currseulis, ut saepe Pindaoreus.87 
— Porro cum δρόμοις $unge utrumque genmiticum ; 
ac Πέλοπος δρόμοι sumt ἐπ quibus Pelops olim cer- 
laeit, et ᾿Ολυμπιάδων δρόμοι diclé, «t Pyth. 1, 32. 
Πυϑιάδος iv δρύμῳ. αι verte: Gloria autem 
longe splendet parta Olympicorum [udo- 
rum $n currieulis Pelopéss. |. Est enim Mc 
serus loc: Laudans poeta Pelopem etiam iunc. . 
ouliuse ef celebratum, ot sic ad praesentia tempo- 
ra paulatim rediens, d$cst; Nunc autem pro heroe 
colitur, fumnulum habens celeberrimum, glorta. au- 
lem, quae paratur ἐπ curriculis esus, maxima est. 
Ahs vertent: Gloria Pelopis parta in. curriculis 
Olympicorum | ludorum, h. e. δὲ institul$ lud 
Olyswpeci. Sed minime placet repetitio certamines 
oin a Pelope facti laus: aptior et nervostor prae- 
«οἴ cursuum  memoraito cum Pelopis laude 
sunecta. Da Herr D. den eigentlichen Inhalt des Ge- 
'dichts gar nicht begriffen hatte, ist es kein Wunder, dass 
er unsicher umhergreifend auf eine Krklirung gerieth, 
die nicht bloss von der Absicht des Dichters ganz fern 
lag, sondern auch einen überhaupt fremdartigen, mattem, 
tantologisch ausgedrückten Gedanken giebt, und eine der 
schónsten Stellen des Gedichts ganz verdirbt. — Fremd- 
artig ist der Gedanke, weil, da alles Vorausgegangene 
den Ruhm des Pelops betrifft, nicht abzusehen ist, wie 
damut ohne alle Veranlassung der Ruhm der gegen- 
würtigen Olympischen Sieger zusammenhánge; matt ist 
er, weil ein unnützer mit dem gans überflüssigen 
Werte Πέλοπος beschwerter Satz keine Wirkung thun 
kamn; tautologisch ausgedrückt ist er, weit dasselbe 
gleich in den folreiden Worten ἕνα ταχυτὰς WU. 8. Με 
wiederkehrt — Was Herr Dissen ££Aeis nennt, Wi 


* 


δὲ PINDARI CARMINA 


ist vielmehr das einzig Wahre. Denn da der Zweck 
des Dichters war, die Olympischen Spiele zu verherrh- 
chen, welche.ihn auf die Erzühlung von Pelops leiteten, 
so kehrt er nun zu seinem Ziele zurück, indem er nun 
das geheiligte Grabmal des Pelops an dem Alpheus bei 
dem vielbesuchten Altare erwühnt, und diese Rede mit 
den Worten, die alles zusammenfassen, schliesst; ,,fern- 
hin strahlt in der Olympiaden Wettlàufen des Pelops 
Ruhm. — Als das Hanptwort ist Πέλοπος krüftig ans 
Ende gesetzt. Nun, da die Olympiaden genannt sind, 
strómt in vollem Strome die Rede fort; die Schnellig- 
keit der Füsse, die Blüthe der kühn angestrengten Kraft, 
die lebenswierige süsse Heiterkeit preisend, ,,wegen des 
Kampfes. — Auch diese Worte stehen sehr nachdrucks- 
voll zuletzt im der Periode, und zu Anfang der Strophe; 
Worte, über die Hr. D. folgendes sagt: Boeckh. 
quantum quidem certamina praestare 
possunt. cf. Blomfd. ad Aesch. Pers. 343. 
Relhgiose dictum. — Die Erklirung ist ganz matt, und 
würde den eben ausgesprochenen Ruhm des Glückes min- 
dern, anstatt ihn zu erhühen. Was rehgeose dictum 
heisse, mógen Andere errathen. —  Beiláufig sey gesagt, 
88dass Πέλοπος auf áhnliche Weise am Ende des Satzes 
Ol. III, 23. steht, wo Hr. D. mit Hrn. Bóckh, gegen 
Aristarchs riehtige Meinung, Koovíov Πέλοπος verbin- 
det, ohne zu bedenken, dass Pindár, wenn er dieses ge- 
meint hütte, Koovíóc gesagt haben würde. — Vs. 104. 
καλῶν ἴδριν Boeckhsus mustces peritum vntelhigset, 
2555 est, qui χαλὰ peragere novit, ut certami- 
num studium significetur , quod propter. sequentia 
eiz hic praeteriri poterat. Atque «ta Tafel, — Un- 
Btreitig kann hier nur von Wettkümpfen die Rede seyn, 
und Hr. D. hátte nicht so furchtsam sprechen sollen. — 
ὕμνων πτυχαὶ — JBoeckhto eo sunt artificiose 
. flexus numerorum,  Áarmontae, saltattonts, non ta- 
sen proprée et unice οὗ strophas antsstrophasque 
et: epodos.* — Ms potsus ad. fabulae supra lectae 
| propositam enteriorem rationem. respicere et. hoc 


e 


EDID. DISSEN. 05 


dicere esdetur Pindarus, énstgniorem 8e nemít- 
nem recondstis poessos recesssbus. orna- 
(urwum. τιτυχαὶ entm sunt valles et recessus, veluti 
aetheris, cf. Elmsl. ad Eurip. Med. p. 1265. ἐπ: 
primes cero. montium, μὲ Olymps, Pindi, Pelis, 
Parnass:, Idae, quod notissimum. — "Tribuebat 
haud dubie multum propositae a se emendatto- 
μὲ fabulae, alque est ea decus. carminis pul- 
cherrsimum ; | commode igitur | exquisittiora | haec 
propter. ers. excellentiam dicta significat. | Rarso- 
res verborum stgntficationes classticus sertptor. cu- 
rare debet, ut a ceteris quae dixit, intelligs pos- 
sin£; quare haec quoque metaphora per se obscu- 
rior ad hitsus carminis rationem recte miht revo- 
cata evidetur. Ac non semel Pindarus hoc 'modo 
ezplicandus. | Ceterum conf. μυχοὺς Πιερίδων Pyth. 
VI, 49. Die uvyoi Πιερίδων gehóren offenbar nicht 
hierher. Die natürlichste Erklárung ist die des Scholia- 
sten, dass die Strophen gemeint sind, allerdings auch 
mit Beziehung auf die musikalische Abwechselung, wie Hr. 
DBóckh Wil.. Aber was Hr. D. mühsam ausgesennen hat, 
würde weder Hiero, noeh irgend ein anderer Zieitgenosse 
des Dichters verstanden haben. — Ei δὲ μὴ ταχὺ M- 
ποῖ, — Κρόνιον, ist richtig erklárt, aber wenn Hr. D. 
sagt: stmul ἅρμα ϑόον tib “ύδιον Pelopis ἅρμα 
en mentem revocabit, so gebietet er an etwas zu den- 
ken, an das niemand denken wird noch denken soll. Ist 
denn ein Wagen nur schnell, wenm er mit dem Lydi- 
schen des Pelops verglichen wird? — Zu ἀλχᾷ wird. 
angemerkt: Dativus est exqussibtor. —Àlso scheint Hr. 
D. der Meinung zu seyn, dass ἀλχᾶς das natürlichere 
würe, Allein es fragt sich, ob nicht ἀλκῷ als eigentli- 
cher Dativ zu nehmen sey, in der Bedentung von ἐπι- 
xovoíq, βοηϑείᾳ, in dem Sinne, in dem gleich vorher 
und: anderwürts ἐπίκουρος gesagt ist. — Vs. 113. 
Quamquam ἐπὶ 1n ales loquutiontbus est propter, 
nunc (amen hec. sensu. Pindarus dixisset, opinor, 
ἄλλοισι δ᾽ ἄλλοι μεγάλφι, alius alsa re magnus; 


Hrgnw. Or. VI. 


66 PINDARI CARMINA 


quare certam: Super aliis also magnis, h. e. 

80alius alio mator. — Das ist erstens gar nicht Griechisch, 
zweitens ein unpassender (Gedanke. Nicht dass einer 
grósser als der andere, sondern dass einer hüerin, der 
andere darin pross sey, wollte. und musste der Dichter 
hier sagen. Und er sagt ἐπ᾽ ἄλλοισι, well in μεγάλοι 
der Begriff von χαυχώμενγοι liegt. — Vs. 1415. — τοσ- 
σάδε, «eque diu s. per etam meam. — Durch. diese 
nicht einmal den Worten angemessene Erklürung wird 
.der Gedanke matt. Τοσσάδε bezieht sich, wie vixaqó- 
goig zeigt, auf die Siege. Und müge ich jedesmal den 
Syegern^ (8o oft sie. siegen: er denkt aun den Hiero) 
mit meinem Gesange zur Seite stelten. 


So weit die Erklürung der ersten Olympischen Ode. 
Nicht überflüssig dürfte die Bemerkung seyn, dass Hr. 
D. sich in Ansehung des Historischen und Chronologi- 
schen gáünzlich auf Hrn Bóckh verlassen, und dessen Án- 
gaben ohne eigene Prüfüng angenommen hat. Wenn nun 
aber auch Hr. Bóckh in dieser Rücksicht vorzügliches Ver- 
dienst- hat, und mit grossem .Fleisse alles was ddhin ge- 
hórt, auszumitteln bemüht gewesen ist, so scheint doch 
manches nicht mit der gehórigen Klarheit vorgetragen 
zu seyn, oder noch einigem Zweifel zu unterliegen, oder 
noch hier und da ergánzt und berichtigt werden zu kón- 
nen. Man würde es daher mit Dank erkennen müssen, 
: wenn Hr. D. sich nicht begnügt hátte, ganz kurz die Ergeb- 
nisse von. Herrn Bóckhs Untersuchungen anzugeben oder 
als ausgemacht anzanehmen, sondern wenn er mit eigner 
Forschung nach ihrer Richtigkeit gefragt, und was etwa 
dann noch Anderes oder Neues hervorgegangen  würe, 
aufgestellt hütte, Es würde zu weit führen, wenn wir 
auf diesen Theil der Erklárung eingehen wollten: allein, 
da wir einmal über die erste Olympische Ode gesprochen 
haben, scheint es nicht unzweckmüssig, wenigstens eine 
Frage in Anregung zu bringen, deren Beantwortang, wenn 
sie so, wie Wir vermuthen, ausfallen sollte, auch für die- 
ses Gedicht nicht ohne Bedeutung seyn würde. Die Be- 


EDID. DISSRN. 67 


antwortung selbst jedoch, die einer weitlàuftigen Erwá- 
gung aller Momente bedarf, lassen wir für jetat dahin 
gestellt. seyn. 


Immer ist uns ín der dritten Olympischen Ode die 
Stelle Vs. 75. anstóssig gewesen: 


δὲ δ᾽ ἀριστεύει μὲν ὕδωρ, κτεάνων δὲ χρυσὸς αἷ- 
δοιέστατον;, 

γῦν γε πρὸς ἐσχατιὰν Θήρων ἀρεταῖσιν ἱκάνων 
ἅπτεται 

οἴχκοϑεν Ἡρακλέος σταλᾶν. 


Denn obgleich Pindar manche Gedanken mehrmals an- 
bringt, so pflegt er sie doch wenigstens im Ausdruck 
zu variren. Dass er aber hier nicht etwa das Wasser 
oder das Gold allein, sondern beides, beides in dersel- 
ben Ordnung, beides fast mit denselben Worten, wie 
in der ersten Olympischen Ode, und an einer Stelle, 
wo man nicht recht eineieht, wie er gerade auf diese 


Vergleichung kam, nennt, fállt so unangenehm auf, dassgo 


man sich der Vermuthung nicht erwehren kann, es liege 
hier eine absichtliche Anspielung auf den Anfang des 
Gedichts an Hiero zum Grunde. Ist diesem so, so folgt, 
dass, wenn Herr Bóckh den Sieg des Theron mit Recht 
der 76sten Olympiade zuschreibt, auch das erste Ge- 
dicht an den Hiero auf den in dieser, und nicht in der 
7Tsten Olympiade erlangten" Sieg gemacht ist. Denn 
das dritte Gedicht bezieht sich auf denselben Sieg, der 
im zweiten besungen wird, ist aber etwas spáter gemacht, 
um bei den Theoxenien in Ágrigent gesungen zu werden, 
Auf diese Weise ist also eine Anspielung in ihm auf das 
Gedicht an Hiero chronologisch müglich; sodann auch 
gar nicht unwahrscheinlich. Denn diese Gedichte, die einen 
Theil des Siegesruhms ausmachten, mógen damals sehr schnell 
verbreitet worden seyn, so dass man 8150 auch in Ágrigent 
schon die selbst i im Alterthum etwas befremdliche Sentenz, 
ἄριστον μὲν ὕδωρ, mag besprochen haben. Insofern wàre 


schon 'eine Veranlassung vorhanden gewesem, diese Sen- . 


E2 


68 PINDARI CARMINA 


tenz zu wiederholen, und man kóünnte sich mancherlei 
Tadel oder Spott denken, den die Belobung des Was- 
sers, besonders vielleicht von Weintrinkern, erfahren hütte, 
weswegen Pindar sie auch bier mit einer gewissen Hart- 
. Dückigkeit hütte wiederholen wollen. —Indessen lásst sich 
wohl eine bessere und wahrscheinlichere Vermuthung auf- 
stellen. Bei der mehr scheinbaren als wahren Freund- 
schaft*zwischen "Theron und Hiero muss dem erstern eine 
leise Ándeutung eines Vorzugs vor dem Hiero keines- 
wegs unangenehm gewesen seyn. Wenn daher Pindar 
auf ein Gedicht anspielt, in welchem der Sieg, den Hiero 
durch sein Rennpferd Pherenikus erlangt hatte, besungen 
worden war, so knüpft sich daran von selbst der Gedan- 
ke, dass T'heron einen noch glorreichern Sieg, den Wa- 
gensieg, davon getragen hatte. Aber nicht genug. Denn 
siegten beide in der 76sten Olympiade, und bezeichnen 
die Worte in dem Gedichte an Hiero, ἔτε γλυκυτέραν 
x&v ἕλπομαι σὺν ἅρματι Dod κλεΐξειν, wie wir oben 
bemerkten, einen Trost für den jetzt noch nicht erreich- 
ten Wagensieg: so wird es wahrscheinlich, dass der Wa- 
gen des Hiero von dem des Theron besiegt worden ist, 
und um so bedeutsamer würde jene Erinnerung daran er- 
scheinen. ἀπῇ diese Weise würde sich zugleich die 
oben gegebene Erklirung der angeführten Worte aus 
dem ersten Gedichte bestütigen, und die auffallende 
Stelle in dem dritten nicht nur das Anstóssige verlie- 
ren, sondern sogar noch eine besondere Bedeutsamkeit er- 
halten. . 


Das angeführte wird hinreichen den Leser in den. 

Stand zu setzen, ein Urtheil über Herrn Dissens Arbeit 
zu Íálln. Rec. hat geglaubt, mehrentheils die eignen 
Worte des Herausgehers anführen zu müssen, damit ihm 
nicht der Vorwurf gemacht werden kónnte, die Meinung 
desselben nicht treu wiedergegeben zu haben. Dass 
er derselben in den meisten Puncten nicht beitre- 
ó1ten kann, beklagt er um so mehr, je mehr er Herrn 
Dissen als einen gelehrten,  scharfsinnigen, waMrheit- 


* 


EDID. DISSEN. 69 


liebenden, und humanen Mann achtet und schützt. Aber 
in der Wissenschaft darf nur gelten, was aus redlichem 
Streben nach Wahrheit hervorgegangene Ueberzeugung 
ist, und diese ist Rec. sich bewusst ausgesprochen zu 
haben. “ 


217 


UEBER DIE BEHANDLUNG 
DER GRIECHISCHEN DICHTER 
' BEI DEN ENGLÁNDERN 
NEBST BEMEBKUNGEN 
ÜBER 
HO M E ΒΕ 


UND DIE 


FRAGMENTE DER SAPPHO?*,. 


Die 1deo einer Wissenschaft ist und kann nur eine S6yD, 
und es muss dahér als eine billge und gerechte Forde- 
rung erscheinen, dass diese Idee jedem, der in der Wis- 
senschaft arbeitet, als das Ziel vorschwebe, dass er zu er- 
reichen, oder zu dessen Erreichung er hülfreiche Hand 
zu leisten habe.  Gleichwohl zeigt die Erfahrung oft ge- 
rade das Gegentheil, und die. Vervollkommnung der Wis- 
senschaften scheint vielmehr. einem, Naturgesetz unterwor- 
fen zu seyn, nach welchem sie, wenà auch auf manchet- 
lei Ábwegen und Umwegen, doch.im Ganzen fester und 
sicherer fortschreitet, als es vielleicht bei der planmüssig- 


sten Behandlung geschehen würde. Denn wie lobens- 


*) Aus den Wiener Jahrbüchern 1831. LIV, Band. 


UEBER HOMER UND SAPPHO. 71 


werth es auch ist, die Idee des Ganzen vor Augem zu 
haben, so leidet doch gewóhnlich bei der hierzu erforder- 
lichen Vielseitigkeit das Einzelne, und dadurch am Ende 
auch wiederum ἀκα Ganze; dagegen, wo sich alle Kraft 
auf das Einzelee wirft, ein solcher Theil in Kurzem 
bedeutende Fortschritte macht, und, indem hier eine si- 
chere Grundlage erlangt worden, nun auch andere Theile ' 
desto schneller und zuversichtlicher nachrücken Kkónnen. 
Daher pflegt die Besonderheit eines einzelnen ausgezeich- 
neten Mannes, oder die Eigenheit eines ganzen Volkes 
grossen Einfluss auf den Gang einer Wissenschaft zu 
haben, und, weun auch oft eine Zeitlang hemmend, doch 
am Ende fórdernd zu wirken. Denn wie jeder einzelne . 
Mensch, seiner Anlage, aeiner Bildung, seinen üussern 
Verháltnissen nach, seinen eigenen Weg geht, so geben 
auch ganzen Vólkern ihr angeborner Sinn, ihre Bildungs- 
anstalten, ihre Sitten und Einrichtungen eine eigene Rich- 
tung in Behandlung der Wisseuschaften. ^ Für die Phi- 
lelogie, von der hier gesprochen werden soll, ist in neuern 
Zeiten, nachdem die weniger auf grammatische Genanig-218 
keit, als auf reiche und von grosser Belesenheit zeugende 
Phraseologie ausgehende hollündische Schule sich ziem- 
lich verloren hatte, in Deutschland aber theils eine árm- 
liche pedantische Wortklauberei, theils ungründliche Ober- 
flichlichkeit eingerissen war, England besonders wichtig 
worden, und es muss anerkannt werden, dass von dort 
aus eim neuer Anstoss begonnen hat, dessen Früchte nach- 
her in. Deutschland zu einem bedeutenden Grade der Reife 
gediehen sind. Von Natur zur Bedáüchtigkeit und Gründ- 
lichkeit hingeneigt, durch den Schulunterricht und die 
Hiünrichtang ihrer Universitüten fast einsexig auf das 
Studium der Klassikér hingeleitet, durch ihre Sitten und 
bürgerliche Verfassung an strenge Gesetzlichkeit und an 
Ergeben in die Entscheidung von Stimmenmehrheit .ge- 
wüóhut, haken die Englünder sehr viel anf Auctori- 
.tüt, und sind geneigt, wo es auf Gründe und Deweise 
ankommt, dieselben aus dem Vorrathe der Erfahrung zu 
entnehmen, und sie folglich wie auf Thatsachen beruhende 


72 UEBER HOMER 


Zeugnisse mehr zu záhlen als zu wiegen; was aber die- 
sem Verfahren sich in den Weg stellt, und zu freisinni- 
ger Prüfung auffordert, dem widerstreben sie nicht selten, 
besonders weun es von Auslündern herrührt, da gegen 
diese ihr Nationalstolz leicht ein Vorurtheil fasst, Aus 
eben dieser Ursache erhalten bei ihnen ausgezeichnete 
' Landsleute leicht ein so unheschrünktes Ansehen, dass 
deren Aussprüche als unbestreitbare Wahrheit gelten. 
Wo sie fühlen, dass nur mit Gründen, und nicht durch 
Auctorifáten und Zeugnisse eníschieden werden kann, 
fehlt es ihnen meistens an philosophischer Schule: daher 
sie in solchen Füllen leicht weitschweifig werden, und die 
entscheidenden Punkte übersehen. ^ Doch dabei sind sie, 
eiuzelne leidenschaftlichere Geinüther ausgenommen, aller- 
meist hóchst rechtlich und gerecht, und geben mit ruhi- 
ger Prüfung und strenger Unparteilichkeit einzig der 
Wahrheit die Ehre, eben so wiliig den eigenen lIrrthum 
eingestehend, als fremdes Verdienst anerkennend: wie sie 
denn auch unmer mehr, selbst was im Auslande geleistet 
wird, mit grosser Gerechtigkeitshebe würdigen mnd hoch- 
schützen. Da sie in den Schulen viel zu Uebungen in 
griechischen und lateinischen Versen angehalten werden, 
so sind ihre philologischen Studien vornehmlich auf die 
Dichter, besonders auf die griechischen gerichtet, Die 
lateinischen scheinen sie mehr fleissig zu lesen, als zu. 
bearbeiten. Daher es wohl kommen mag, dass sie mit dem 
Geiste derselben vertraut, sehr gute lateinische Verse machen, 
wührend ihre lateinische Prosa selten gut, oft sogar feh- 
lerhaft ist, einzelne treffliche Beispiele abgerechnet, wie 
des Dr. Parr berühmte Vorrede zu dem Bellendenus. 
Ihre griechischen Verse stehen dagegen den lateinischen 
 919weit nach, und sind manchmal mehr Centonen, denn eigene 
Gedichte, ein Zeichen, dass mehr Studium, als Auffas- 
sen des griechischen. Geistes zum Grunde liegt. Doch 
wollen wir damit keineswegs einen T'adel ausgesprochen 
haben, der nicht uns Deutsche eben so gut, oder noch 
weit mehr trüfe. Auch ist es überhaupt keine allzuleichte 
Sache, griechische Verse zu machen, die ein echtes Ge- 


UND SAPPHO. 43 


prüáge des Alterthums trügen: und sollte jeder, der einen 
griechischen Dichter herausgiebt, seiner Ausgabe nur ei- 
uen Prolog von zwanzig Versen vorsetzen müssen, 80 
würde das sicher die treffendste Recension seiner ganzen 
Ausgabe seyn. Diese Beschiftgung mit den Dichtern 
hat die Aufmerksamkeit der Englánder vor allen Dingen 
auf das Versmaas und die Prosodie gelenkt, einen Weg, 
auf welchem ungemein viel Gutes und Richtiges, und 
zwar vornehmlich für die Sprache, zu 'Tage gefordert 
werden, wührend in der Metrik selbst die zu mechani- 
sche Behandlung derselben nicht seltem zu nichts als 
vergeblicher Bemühung führte. 

Wir kónnen hier nicht Richard Payne Knights Ho- 
mer unerwühnt lassen, der zu London 1820 in emem 
Quarthande, von dem nur eine geringe Anzahl Exem- 
plare abgezogen worden, mit weitlàuftigen Prolegomenen 
erschienen ist, die wenig verschieden schon früher in dem 
Classical Journal (Nro. 14 — 16., und .daraus wieder 
von Ruhkopf in Leipzig 1816 abgedruckt waren; inglei- 
chen mit einem Anhange kritischer Noten. Bentley, der, 
auch wo er irrte, grossartig war, hatte den Gebrauch des 
áolischen Digamma hei dem Homer bemerkt, und mit ge- 
wohnter Kühnheit einen Versuch zu dessen Herstellung 
gemacht. Andere hielten den einen gefundenen Pfeiler 
des grossen Gebáudes für das Gebünde selbst, und mein- 
ten, wenn sie diesen auspolirten, den Homer hergestellt 
zu haben. Fr. Aug. Wolf verspottete mit unvorsichtiger 
' Leidenschaftlichkeit dieses allerdings ^mit sehr unsicherer 
Hand durchgeführte Unternehmen, und verlor sich daher 
so weit iu der entgegengesetzten Richtung, dass er nach- 
her, um den Schein eines Rückzugs zu vermeiden, einen 
ionischen Hauch zugebend, die Sache liegen liess; wie 
denn überhaupt. seine Homerische Kritik in den letzten 
Jahren seines Lebens, da er mit neuen Untersuchungen 
fertzusehen unbequem fand, unsicher wurde. —Hátte Bent-. 
ley das Bekanntwerden der. venetianischen Scholien. er- 
lebt, so würden sieh seine Ansichten sehr erweitert ha- 
ben, und er hütte sich vielleicht mit seiner panzen Kraft 


74 UEBER HOMER 


auf den Homer und die alte epische Poesie geworfen: 
woraus unstreiig wichtigere Ergebnisse, als die Kintüh- 
rung des Disamma, würden hervorgegangen seyn. Allein 
jedes Zeitalter hat bestimmte Grenzen, und nur langsam 
und allmülich werden die "lTrümmer der Vorwelt aus dem 


220Schutte darüber hingesunkener Jahrhunderte und Jahr- 


tausende ausgegraben. Wolf hat das grosse Verdienst, 
neben schürferer und festerer Kritik der Homerischen Ge- 
dichte im Einzelnen, den Glauben an die Einheit dersel- 
ben so stark erschüttert und fast zerstórt zu haben, dass 
die dadurch bewirkte allgemeine Aufregung nicht nur zu 
manchen sehr wichtügen KErórterungen Veranlassung ge- 
geben hat, sondern man auch, vor dem geóffneten Ab- 
grunde zurückbebend, jetzt wieder sucht zu dem aen 
Glauben zurückzukehren, wozu der treffliche Nitzsch durch 
die" gründlichen Untersuchungen einen sichern Weg zu 


bahnen scheint, in welchen er die Wolfischen Behaup- 


tungen einer strengen Kritik zu wnterwerfen, undin man- 
chen Punkten ihre lrrigkeit und Unsicherheit zu zeigen 
angelangen hat. 

In England war es nicht zu verwundern, dass, wie 
man auch von Wolfs Ansichten denken mochte, man 
doch, was den Text im Einzelnen anlangt, die Entdeckung 
des grossen Landsmanns in Rücksicht auf das Digamma 
festhielt, Allein dass diess auf eine andere Weise hütte 
geschehen sollen, als es Payne Kuight versucht hat, liegt 
vor Augen. Dieser Mann, einrenommen gegen die Wol- 
fische Meinung, bestreitet dieselbe, jedoch mit so schwa- 
chen Gründen. , und mit so ungenligender Berücksichti- 
gung der vielen Dinge, worauf es hierbei ankam, dass 
es nicht nóthig ist, ein Wort darüber zu verlieren. Er 
selbst ist der Meinung, die Homerischen Gedichte seyen 
ülter als die des Hesiodus, und unter ihnen wieder die 
llias álter als die Odyssee. Aber auch für diese Be- 
hauptungen sind die Beweise unzureichend und unhaltbar. 


Es bleibt daher nur die Form übrig, in der er diese bei- 


den Epopóen gegeben hat, von der wir hier etwas sagen 
kónnen. Diese Form wird uum wohl miemand für etwas 


UND SAPPHO. 79 


anders, als für einen günzlichen Missgriff erkláren. Denn 
es ist an sich einleuchtend, dass es ihr an zwei wesent- 
lichen Erfordernissen fehlt, eimmal dass ein wirkliches 
und vóllig gesichertes Beispiel jener alten Sprache vor- 
handen würe; denn in welcher Gegend und zu welcher 
Zeit hat man so gesprochen? sodann, dass wir sichere 
Nachrichten über den Gebrauch des Digamma, und be- 
sonders auch in wiefern es consequent angewendet wor- 
den, besássen, "Daher. sind die Homerischen Gedichte, 
s0 wie sie Payne Knight gegeben hat, unerachtet man- 
ches Guten, das in den Prolegomenen gesagt ist, doch 
aus der Luft segriffene Missbildungen, die sich nicht bes- 
ser ausnehmen, als der Name ἔἰλιάς. 

Es liegt i^ der Natur der Sache, dass es kaum 
eie schwierigere Aufgabe geben Mónne, als eine sichere 
Homerische Kriük. Da diese Gedichte das ülteste sind, 
was wir nicht bloss von der Poesie, sondern überhaupt 
von den Schriften der Griechen haben, so kónnen die221 
Grundsátze ihrer Beurtheilung mur aus ihnen selbst ge- 
nommen werden.  Áber ausser den allem Schriften des 
Alterthums gemeinsamen, wenn auch plücklicherweise in 
diesen Gedichten viel seltenern ÍIrrungen der Abschreiber, 
biete sich hier vorzüplich folgende Punkte dar, auf de- 
ren Krórterung es ankommt. Erstens die vielbestrittene 
Frage, ob die Homerischen Gedichte ursprünglich nieder- 
geschrieben, oder bless von Mmwnd zu Μαυπά überliefert 
worden, eine Frage, die, wenn für die schriftliche Ab- 
fassung entschieden werden sollte, doch mach. den von 
Nitzsch angestellten scharfsimnigen und gründlichen Un- 
tersuchungen wenigstens auf eine weit frühere Zeit führt, 
8is jp welche die von Wolf angenommene spüte Samm- 
leng und Niederschreibung der beiden grossen Epopóen - 
filit. Alei eine nicht bloss auffallende, sondern vóllig 
wmerkkirhphe Emscheinung würe es, wie wir auch bei Be- 
wrtheilue dot Nitzschischen Melefemata in den Góttinger 
Ánzeigen von K. Ὁ, Müller, dessen Ansicht peanz mit . 
der umsrigen. übereintrifft, bemerkt sehen, dass der unver- 
keunbere Gebramoh des Digunma, wenn diee Gedichte 


. 96 . UEBER HOMER 


gleich anfangs würen niedergeschrieben worden, so pans 
spurlos in der Schrift sollte verschwunden seyn. Würe 
aber das Digamma je geschrieben worden, wovon jedoch 
nichts bekannt ist, so würde daraus nur.folgen, dass wir 
die ursprüngliche Orthographie nicht mehr haben; allein 
das ist ein blosses negatives Ergebniss, das - noch keines- 
wegs zu NKünführung einer andern Orthographie berech- 
tigt, da wir diese gar nicht kennen, und, dafern die Ge- 
dichte anfangs gar nicht geschrieben wurden, nicht einmal 
kennen kónnen; ja selbst wenn wir sie kennten, ihre Ein- 
führung bei den manmigfachen Veründerungen, die der 
Text.erhtten hat, nicht móglich würe. 

KRine zweite, noch gar nicht gehórig in Erwügung 
gezogene Schwierigkeit machen die von fremder Hand 
herstammenden KEinschiebsel, Variationen und Veründe- 
rungen, die sich zum "Theil nachweisen lassen, zum Theil 
nur vermuthet werden kónnen. 

. Hierzu kommen drittens die Zusátze und Abünde- 
rungen, welche die Bearbeiter und Ordner dieser Gedichte 
gemacht zu haben scheinen. Auch diese lassen sich hier 
und da mehr oder minder bemerklich machen. 

Endlich viertens tritt zu diesem allen noch die Ue- 
berarbeitung der Grammatiker hinzu, die bald aus histo- 
rischen, bald aus moralischen, bald aus ásthetischen, mei- 
stens aber aus grammatischen Gründen diese Gedichte 
nach ihren 'Ánsichten umgestalteten. 

Wenn wir auf diese Weise einen durchaus unsichern 
Text vor uns haben, was soll da den Kriüker leiten, 
. der einen Homer, mit dem man zufrieden seyn kónnte, her- 
stellen wollte? — Offenbar ist, was Payne Knight gelei- 

222stet hat, wenn auch der Idee nach nicht zu tadeln, doch 
in der Ausführung unmóglich. Er wollte das Unechte aus- 
scheiden. — Was ist dieses aber? Die Nacbrichten der 

Scholiasten reichen nicht zu. Die Vermnachlissiguug des - 
Digamma eben so wemig, besonders da ja manche Wór- 

. ter bisweilen anch nicht digammirt seyn konnten, wie 
auch in andern Füllen die Formen wechsela, und wie 
selbst die üolischen Dichter nicht consequent im Gebrau- 


UND SAPPHO, 77 


che des Digamma sind.  Sedann welche Bürgschaft ha- 
ben wir, dass mit Herstellung des Digamma alles gethan 
sey, da sich doch wohl denken lüsst, wenn in einem 
Punkte geündert wurde, werden eben so gut auch man- 
che grammatikalische Hárten und rhythmische Freiheiten, 
die sich die ülteste Poesie erlaubt hat, verbessert und 
ausgeglittet worden seyn? Ferner, wenn nicht alles von 
einem Dichter ist, wenn manches Zusütze, Variátionen, 
Veründerungen anderer, sey es gleichzeitiger oder auch viel 
spüterer Dichter, sind: was ist da echt, was unecht? 
und ist nicht das Echte unecht, das Unechte echt, je 
nachdem es in dieser oder jener Beziehung betrachtet 
wird? Wir glauben das an den Homerischen Hymnen 
evident gezeigt zu haben, und mit gleicher Sicherheit 
lisst es sich an der Hesiodischen 'Theogonie und dem 
Schilde des Hercules nachweisen. Endlich aber ist gar 
das, was uns als das Wahre-gegeben wird, ein blosses 
Luftgebild, dessen jemaliges Vorhandenseyn durch kein 
Beispiel dargethan werden kann. 

Einen andern, unstreitig bessern und sicherern Weg, 
aber nicht mit durchgüngiger Consequenz, da doch manch- 
mal ein richtiges Gefühl siegend dazwischen trat, befolgte 
Wolf, indem er die Recension des Áristarch, als des ver- 
stündigsten, einsichtsvollsten Grammatikers, móplichst her- 
zustellen bemüht war. Aber auch das ist theils nicht 
überall móglich, theils gewührt es doch nur eine einseitige 
Ansicht, und giebt uns eigentlich immer noch nicht den 
wahren Homer. 

Dieser ist, wenn wir uns richtig ausdrücken wollen, 
zwiefach. Unter dem einen verstehen wir die llias und 
Odyssee so, wie diese Gedichte, als sie eine feste Ge- 
stalt erlangt hatten, für Griechenland als Homer galten. 

Qiragt man, was zu thun seyn móchte, um ihnen diese - 
Gestalt müglichst wiederzugeben, so dürfte bei den vielía- 
chen Schwierigketen der Sache wohl das Richtigste und 
Vernünftigste seyn, als Prinsip der Kritk die Idee der 
aken epischen Poesie der Griechen überhaupt anzunehmen. 
Dieser Begriff scheint beun ersten Anblicke sehr unbe- 


78 UEBER HOMEB 


stimmt und schwankend; diess verliert sich jedoch bei 
nüherer Betrachtung. Denn wie auch immer die Ho- 
merischen Gedichte im Einzelmen umgearbeitet und ver- 
223ündert seyn mügen: das allermeiste ist man doch berech- 
tigt für unverfülscht anzusehen. ^ Ein Geist weht durch 
das Ganze; eim Ton klingt überall durch; ein Bild von 
Gedanken, Sprache, Rhythmus steht unveründerlich fest; 
und wird dieser T'otaleindruck groseartig aufgefasst; wer- 
den die Züge, in denen sein Wirken besteht, mit schar- 
fer Beobachtungsgabe, ohne Spitzfndigkeit, die allemal 
auf Irrwege führt, entdeckt und hervorgezogen: so ent- 
steht allmálich eine klare Vorstellung von dem, waà in 
Form der Gedanken, der Rede, des Rhythmus das Ki- 
genthümliche dieser Poesie ist, einer Poesie, die wir nicht 
nelunen dürfen, wie sie in einzelnen Worten und Versen 
emtweder ven ihren Urhebern mag gegeben worden seyn, 
oder durch die Bearbeiter der Gedichte wirklich gegeben 
ist, sondern wie sie für Griechenland als Norm gestaltet 
war, als sie .un Munde der Griechen, von denen wir 
Kunde haben, aller Orten gesungen wurde. In Deutsch- 
land ist zu diesem DBehufe viel Erspriessliches geleistet 
worden; vieles ist aber auch, was noch sehr einer ge- 
nauen und unbefangenen Prüfung bedarf. Wenn Butt- 
mann sehr schützbare Bemerkungen über Wortbildungen 
aufgestellt; wenn 'lThiersch der Lehre von der Verbin- 
dung der Sütze besendere Aufmerksamkeit gewidmet hat; 
so ist doch in beiden Füchern noch vieles zu thun übrig, 
und ins besondere auf den Gebrauch der Partikeln .noch 
nicht durchgángig mit der Scháürfe geachtet worden, die 
zu richtipem Verstündniss und sicherer Kritik nóthig ist. 
Etwas besser steht es um die Gesetze, nach denen sich 
die "Tempora und Modi richten. Die schwierige Frage 
nach dem Gebrauch des Digamma hat man meistens ei 
seitig beantwortet, indem sie gleich vou Anfang ni 
richtig gestellt war. Man hütte unterscheiden sollen, in 
welchen Wórtern ein Hauch, der die Stelle eines Con- 
sonanten vertrat, festetehend war, und folglieh stets seine 
Wixkung üusserte, wie ihn die Pronomina ὅν, ov, £9e», 


UND SAPPHO, 29 


ol, 8 haben; in welchen Würtern er hingegen als nicht- 
feststehend angesehen wurde, und mithin der Hiatus nicht 
als ein. Zeichen gelten kann, dass in manchen Stellen 
die Elision oder Kürze eier mit einem Consonanten en- ' 
digenden Sylbe fehlerhaft sey.  Ingleichen hátte man be- 
denken sollen, dass dieser Hauch nicht überall gleich ge- 
lautet, sondern in manchen Würtern stürker, in andern 
schw&ácher geklungen habe, und, nachdem er einem «ww, 
wh, gu, qu entsprach, auch wohl eine vorhergehende 
Elision zugelissen oder nicht zugelassen haben móge. 
Kin ganz verunglückter Gedanke aber ist es, dieses Di- 
gamma durch ein Schriftzeichen einführen zu wollen, da, 
wie immer es mag ausgesprochen worden seyn, es doch 
bei der Aufzeichnung der Homerischen : Gedichte kein 
Schrifigeichen erhalten hat, und daher, wo es dennoch 
durchaus in der Schrift angedeutet werden musete, durch 
einen andern Buchstaben, wie in εὔαδεν und χαυάξαις,224 
eder durch Verdopplung des mit ihm verbundenen Con- 
sonanten, wie in ἔδδεισεν., bezeichnet wurde, wo uns 
noch überdies niemand mit Sicherheit gezeigt hat, ob es 
vor oder nach dem à zu setzen sey. 

In einer andern Bedeutung nehmen wir deu Namen 
Homer, wenn wir darunter nicht die llias und Odyssee in 
ihrer vollendeten Gestalt, sondern nach der Wolfischen 
Ansicht die einzelnen alten Gesánge verstehen, aus denen 
diese grósseren Gedichte zusammengefüpt sind. In diesem 
Sinne, die Richtigkeit der Wokischen Meinung voraus- 
gesetzt, ist es im Ganzen unmüglich, den wahren Homer 
wieder herzustellen. — Allein die Unmüglichkeit darf nicht 
abschrecken, wenigstens so weit zu. gehen, als es einer 
verstindigen und besonnenen Vermuthung erlaubt ist. 
Wie unsicher nun auch die Zeit seyn mag, in welcher 
die Homerischen Gesánge gedichtet sind, so lassen sich 
doch sehr merklich drei ganz verschiedene Elemente un- 
terscheiden, Vorhomerisches, Homerisches und Nacbhome- 
risches. — Unter Vorhomerischem, woven wir weiter unten 
noch einmal sprechen werden, verstehen wir, was die 
Dichter, die wir unter dem Namen Homer zusammenfas- 


80 UEBER HOMER 


sen, erkennbar aus alten Gedichten aufgenommen haben. 
Homerisches nennen wir die einzelnen Gedichte selbst, 
in denen sich, bei aller übrigen Uebereinstimmung, doch 
ein so verschiedener Geist ausspricht, und so manche 
einzelne Abweichungen gefunden werden, dass, auch wer 
sie sámmtlich einem und demselben JDichter zuschreiben 
will, doch mindestens annehmen muss, dass sie in sehr 
verschiedener Stimmung und grossen Zwischenrüumen ge- 
dichtet seyen. —Nachhomerisehes aber lüsst sich da nach- 
weisen, wo entweder offenbare Nachahmung des Homeri- 
schen, oder Stücke angetroffen werden, von denen sich 
zeigen lásst, dass sie gedichtet sind, um andere Gedich- 
te in Verbindung mit einander und in einen schicklichen 
Zusammenhaug zu bringen, 1st diese Ansicht richtig, 
so ergiebt sich von selbst, wie vergeblich die Bemühun- 
gen derer sind, die in geographische und mythologische 
Dinge eine durchgángige Consequenz und Uebereinstinmung 
bringen wollen. Aber selbst wenn alles von einem einzigen 
Dichter herrührte, würde es eitle Mühe seyn, alles, was 
er bald aus àltern Gedichten, oder aus Sagen ohne ge- 
naue Kenntniss aufnahm, bald nach seiner Phantasie und 
seinem jedesmaligen Bedarf bildete und ausschmückte, in 
ein System zu bringen, und die flüchtigen Schatten pleich- 
sam zu fixiren und zu verkórpern. Ueber Vossens Welt- 
tafel würden Homer und Hesiodus eben so erstaunt seyn, 
wie über die Chorographien des Himmels und der Unter- 
welt, die von fleissigen Gelehrteu, als ob sie den Dante 
225vor sich hütten, nach langen und mühsamen Untersu- 
chungen sind entworfen worden.  Solches thun heisst dem 
Dichter verbieten, Dichter zu seyn, und ist etwas so 
fruchtloses, als wenn jemand die Ansichten der Sappho 
von dem Liebesgott in Einklang bringen wollte, von der 
Pausanias IX. 27, 3. ausdrücklich sagt: “Σαπφὼ δὲ 1) 
“εσβία πολλά τὸ καὶ οὐχ ὁμολογοῦντα ἀλλήλοις i ἐς Ἔρω- 
τὰ ἦὖσε. 
Wir haben jetzt vom Homer so gesprochen, dass 
wir die gewóhnlichen schwankenden Begriffe zum Grunde 
legten, nach denen jene beiden grossen Gedichte entweder 


UND SAPPHO. 81 


beide von einem: Vérfasser, oder jedes von einem andern : 
Dichter, oder beide von mehreren Urhebern ihrer einmzel- 
nen Theile herrühren sollen. Wie aber, wenn von al- 
lem diesen eigentlich nichts das Wahre würe, und wür, 
indem wir von Homer sprachen, im Grunde nicht dn 
mal wussten, wovon wir redeten? 


Es scheint nicht unangepmessen, hier einen erhebli- 
chen Zweifel gegen die Wolfischen Ansichten zur Spra- 
che zu bringen, der bei náherer Betrachtung wohl eine 
Ausgleichung der entgegengesetzten Meinungen vermitteln 
kónnte. Wenn die Homerhchen Gedichte, wie Wolf be- 
hauptete, ursprünglich weder ein Ganzes, dergleichen in 
in der lias und Odyssee vorliegt, ausgemacht haben, noch 
zu einem solchen bestimmt waren wenn sie ferner nicht 
von einem Verfasser, sondern von mehreren, in dersel- 
ben Schule gebildeten, und daher sich in allem, was zur 
Dichtkunst gerechnet wurde, gleichenden Dichtern ge- 
macht worden sind: so sprechen dafür allerdings sehr 
starke Gründe: namentlich erstens die Unglaublichkeit, 
dass man in Zeiten, wo die Poesie durch mündlichen 
Vortrag mit dem Leben verwebt war, und man nicht 
Bücher las, den Gedanken gefasst habe, Gedichte von 
einem Umfange zu verfertigen, der für den Gebrauch 
ganz zwecklos gewesen würe; sodann die Widersprüche, 
die sich in einigen Stellen dieser grossen Gedichte fin- 
den, und die Spuren von mangelndem Zusammenhange; ' 
ferner die nachweislichen KEinschiebsel, um Zusammen- 
hang und Áusgleichung des Widersprechenden hervorzu- 
bringen; endlich die merkliche Verschiedenheit mancher 
Thelle in Geist, Ton, Sprache, Versbau. — Wenn diese 
Gründe sich nicht eben allzuleicht beseitigen lassen, so 
Stehen ihnen auf der andern Seite für die entgegenge- 
setzte Meinung drei eben so starke, wo nicht noch stür- 
kere Gründe entgegen: die Beschrünkang auf einen so 
kleinen Theil der 'Troischen Begebenheiten; das Ver- 
stummen der epischen Poesie nach Homer; das grosse 
Ansehn der Homerischen Poesie in ganz Griechenland. 


Hrnw. Or. VI. E 


82 UEBER HOMER 


Gab es eime Schule von Homeriden, die nach dem 
Vorbilde eines Meistersüángers und nach einer gewissen 
226Disciplin sich bildeten, und theils Gesünge ihres Vergün- 
gers vortrugen, theils eigene verfertigteh: so war diess bel 
der grossen Kinfachheit der Homerigghen Poesie, bei der 
ungemeinen Gefügigkeit der Sprache, bei der Menge den 
Vers leicht ausfüllender Beiwórter und Formeln, bei dem 
80 vielfache rhythmische Abwechslungen gestattenden Bau 
des heroischen Verses gar keine schwierige Kunst, und 
das IÍmprovisiren in heroischem Versmaasse und Home- 
rischer Sprache susste mindestens eben so leicht seyn, 
als es den Italienern unter nicht unühnlichen Bedingungen 1st. 
Je grüsser nun diese Leichtigkeit ist, eine desto unbe- 
greilichere Erscheimung ist es, dass alle jene Dichter 
sich einzig anf den Zorn des Achilles und die Heimkehr 
des Ulysses sollten beschrünkt haben. Wollte man auch 
annehmen, dass das meiste, was nach dem "Tode des 
Hector vorgefallen seyn soll, erst von spütern -Dichtern 
ersonnen sey; wollte man selbst die Andentungen dieser 
Ereignisse, die in der Odyssee gegeben sind, für spá- 
tere Zusátze ansehen: so ist es doch unglaublich, dass 
nicht wenigstens der Untergang der vorzüglichsten Hel- 
den, des Achilles und Ájax, besonders aber die Haupt- 
Sache des gaumzen Krieges, die Eroberung und Zerstórung 
der Stadt selbst, in: besondern Gedichten besungen wor- 
den würe, zumal da diese Begebenheiten nicht nur Stoif 
in reichlichem Maasse darboten, sondern anch die Zmhó- 
rer, denen die Gesünge der ΠΙᾺ und Odyssee vorgetragen 
wurden, eben durch diese Gesünge noch begieriger wer- : 
den musstem, das Schicksal ihrer tapfersten EHelden und 
den Fall der Stadt, durch den ganz OGriechenland mach 
zehnjihrigem Kampfe wnendlichen Ruhm erlangt hatte, 
ausführlich zu vernehmen. Aber keine Spur, nicht ein- 
mal in einem dunklen Gerüchte, ist vom solchen Home- 
rischen Gedichten vorhanden, wührend man ihm doch αἷ- 
nen Margites beilegte. Man kamn dieses seltsame Ráüth- 
Sel nicht durch die Vermuthung lósen, dass diese Ge- 
dichte sümmtlich unfergegangen seyen. Denn das liesse 


UND SAPPHO. 83 


sich mur dann denkem, wenn sie denen, die wir jetzt um- 
ter Homers Namen haben, so weit an Werth nachgestan- 
den hátten, dass sie gar keiner Beachtung werth pewe- 
sen wáren. Das aber würde geradezu der in der Natur 
der Sache begründeten Annahme widersprechen, dass die 
Hemerden im gleichem Geiste, mit pleicher Kunstfertig- 
keit, umd mit der Leichtigkeit gedichtet haben, an der 
Bich gar nicht zweifeln lüsst. —Aher selbst angenommen, 
so unglanblich es auch ist, dass die Sünpger, die durch 
die Erzühlengeun von dem Zorn des Achiles wnd der 
Rückkehr des Ulysses ganz Griechenland begeisterten, 
μπᾶ sich .selbst einen unsterblüchen Namen erwerben, ia : 
der Beschreibumg aller übrigen Begebenheitea des trei- 
schen Krieges sich selbst so unühnlich gewesen würen, 
dass man diese Gesünge micht hóren mochte: se ist e227 - 
doch ganz andenkbar, dass sich nicht wenigstens irgend 
eme Neehricht, umd würe es selbst die von dem Unwer- 
the dieser Gedichte, sollte erksiten hahen. "Wenn dem- 
nach aus der Welfischen Ansicht von der ienischen Sán- 
gerschbule die. unabweisliche  Nothwendigkeit folgt, dass 
a«ch die übrigen "Theile des troischen Krieges, "und vor 
allen die Eroberumg der Stadt besungen worden, mithin 
entweder die lhas noch eine weit lingere Epopóe geben, 
oder nebst dem beiden jetzt verhandenem Epopóen noch 
eime dritte aus jemem übrigen Gesüngen zusammengezogen 
werden musste: so Meibt es eie vüllig unbegreifliche und 
unerklirliche Eascheimumg, dass von diesem allen, wie die / 
gümaliche Spurlesigkeit zeigt, michts geschehen ist. 

. Hiermit hángt die zweite, eben so seltsame Erschei- 
Humg zusammen, das günzliche Verstummen der Homeri- 
schen Poesie, — Gab es.eine solche Dichterschule, wie 
sie angenommen worden, so müsste doch machpgewiesen 
werden kónnen, wenn und warum sie so plótzlich amf- 
bórte, dass nach der Jas und Odyssee nichts weiter ven 
ihr ams Licht kam, und nur geramme Zeit nachher erst die 
epische Poesie: durch die sogenannten cykliechen Dichter 
wieder ims Leben trat. Diess ist aber nicht nachgewie- 
sen worden, wnd die Cykliker, wenn sie auch den Ho- 

F2 


84 UEBER HOMER 


mer sich zum Vorbilde nahmen, werden doch so schroff 
von ihm unterschieden, dass sie nicht als eine Fortset- 
gang jener angenommenen ionischen sSüngerschule, die 
unter dem Namen des Homer und der Homeriden zu- 
sammengefasst werden, angesehen werden kómnen. 

Diess tritt in ein noch bhelleres Licht durch die 
drite unerklürliche Erscheinung, das grosse Ansehen, in 
welchem die Homerischen Gedichte in ganz Griechenland 
gestanden haben. Homer heisst schlechthin der Dichter; 
er wird allgemein als. der álteste betrachtet, und von den 
meisten für ülter als Hesiodus gehalten, den die Unge- 
wissheit der Chronologie mit ihm in Vergleichumg bringt; 
sein Ausspruch mt überall als ein vollkommen pgegrün-- 
detes historisches Zeugniss, und wird angeführt als Be- 
 weismittel in Zwistigkeiten von. Stüdten und Stümmen 
unter einander; ihm allein widerfáhrt diese Ehre im Al- 
terthum, und was aus spütern Dichtern angezogem wird, 
gilt entweder als aus Segen und Meinungen geschüpft, 
oder als Erfindung; ja die Cykhker selbst zeugen für 
sein hohes Alter, indem sie den Stoff ihrer Gesünge aus 
den beiihm zerstreuten Ándeutungen nahmen, und so ge- 
wissermassen nur Commentatoren der llias und Odyssee 

. wurden. Denn diess háütte micht geschehen kónnen, wenn 
Homer nicht schon damals in einem Ansehen gestanden 
hütte, welches ihn günzlich vor allen andern Dichtern 
auszeichnete. Damit aber lüsst sich der hohe Grad von 

228Vollendung, den. die Homerischen Gedichte in der Dar- 
2j» Stellung der Gedanken, der Sprache, dem Versbau ha- 

. ben, nicht wohl vereinigen. Denn da die Cyklhker, so 
viel sich aus den Fragmenten und überhaupt aus dem, 
was wir von der epischen Poesie der Griechen wissen, 
abnehmen lisst, in der Kounstfertipkeit wenig von dem 
Homer unterschieden sind: so kann das Anséhen des 
Homer nicht auf dieser Vollendung beruhen, sondern es 
wird dazu noch ein bedeutender Abstand des Alters er- 
fordert.  Déunit scheint aber eine solche Vollendung in 
starkem Widerspruche zu stehen, indem diese Gedichte, 
je iler sie wáren, desto mehr Spuren von Mangel am 


* 


Ls 3 


UND SAPPHO. 83 


Vollendung zeigen würdeu. .Es hilft hier nichts, zu sa- 
gen, was man allerdings mit Recht sagen kann, dass bei 
den Griechen, nachdem in irgend einer Gattung von ἢ 
Kunst ein ausgezeichnetes Muster hervorgetreten war, 
dieses als Richtschnur und Gesetz anerkannt wurde für 
jeden, der nachher in derselben Kunstgattung etwas er- 
zeugen wollte. Denn wenn hieraus folgen musste, was 
auch wirklich gefolgt ist, dass Homer als Vorbild aller 
epischen Poesie galt: so würde doch auch noch das er- 
folgt seyn, was nicht erfolgt ist, dass man nun sogleich 
auch die übrigen troischen Begebenheiten und andere he- 
rühmte 'Thaten in &hnlehen Kpopóen besungen hütte, 
welche dann gleichen Rang und gleiches Ansehen, wie 
die Homerischen, würden erlangt haben. ^ Nun aber be- 
ruht offenbar das Ansehen des Homer nicht sowohl auf 
der Vorireffüchkeit seiner Gedichte, welche bloss die 
Ursache von der allgemeinen. Verbreitung werden konnte, 
sondern auf dem Inhalte und den in den Gedichten er- 
zühlten 'à'hatsachen. Zwar kónnte jemand einwenden, 
eben diese allgemeine Verbreitung sey die Ursache 'je- 
nes grossen Ánsehens; und das ist allerdings wenigstens 
zum 'CTheil wahr: denn geglaubt wird, was einem von 
Kindesbeinen an vorgesagt wird. ^ Aber dann kommen 
wir wieder auf den ersten Punkt zurück, und kónnen 
nicht begreifen, warum bloss der Zorn des Achilles und 
die Rückkehr des Ulysses besungen worden. 

. Fasst man mun dieses alles ins Áuge, so móchte 
man wohl auf der einen Seite geneigt seyn, wieder zu - 
dem Glauben an den einzipen Homer, der gerade nur 


. jene beiden Gegenstinde zum Stoff seiner Gesánge ge- 


macht hütte, zurückzukehren; auf der andern Seite ste- 
hen nun wieder die oben für die entgegengesetzte Án- 
sicht angeführten Gründe zu müchtig entgegen, als dass 
man sie nicht erst vüllig beseitigt zu sehen wünschen 
müsste, Die gründlichen Forschungen, welche der ge- 
lehrte' und scharfsinnige Nitzsch begonnen hat, werden 
nun wohl in ihrem weitern Fortgange zu glaubhaften Ergeb- 
miasen führen.  Indessen móge ein Gedanke der Prüfung 


86 UEBER HOMER 


229auszestellt werden, der, wie nns dünkt, den Streit heben, 
und allen Widersprueh der Ansichten auf eine ganz na- 
'türliche Art ausgleichen künnte. ^ Einen nicht ganz ut- 
ühnlichen, aber doch verschiedenen Gedanken fmden wir 
ven Nitzsch in den JMeletem. de storia  Homers 
S. 112. in folgenden Worten ausgedrückt: Ergo, wf 
dicam quod wuhi nunc mazime probatur, Home- 
rum interpretor ew, qui ex cars. antiqueomum 
carminibus, quae de rebus Troianis fuerint mtno- 
ra, multum profecerit, et. qui Iltadem, quae antea 
de sola lovis βουλῇ fuisset, conformaverst ἐς hanc 
quam legémus de ira. Áchilhs, primum | Graecis 
gravi, deinde in ^ epsum certente; donee, Priams 
sazcune admonitione, in. temperantiam humanae- 
que sorits consctenliam: vocatur. In hoc carmsne 
plurima ex. antiquioribus retenta. swspicor:. Odys- 
seam cero ab eodem fortasse poeta. simili qusdem 
antiquiorum usu, sed tamen sta. compositam, «t 
, fon solum hanc operis descriptéonem. promus. $n- 
eenerit, sed etiam singula $pse exornaverit. plera- 
que omnta. Allein durch diese Ánsicht würde sich von 
den oben genannten unbegreiffichen Erscheinungen doch 
mur bloss die letzte, das grosse Ansehen des Homer er- 
kláren lassen. Denn bewunderungswürdig hütte allerdings 
der Mann erscheinen müssen, der aus einzelnen kleinem 
Gedicliten zwei solche grosse Epepóen zu machen umter- 
mommen hütte. ^ Aber ein solches Untermehmem halten 
wir mit Wolf in einer Zeit, in der kein Grund vorhan- 
den war, so grosse Gedichte zu verfertigen, für nieht 
wohl! denkbar und werden in dieser Meinung durch die 
Betrachtung dieser Épopóen nur noch mehr bestárkt. ᾿ 
Niunmt man dagegen an, dass ineiner Zeit, die den 
troischen Degebenheiten náher lag, als die, in welche He- 
redot den Homer vierhundert Jahre vor seiner Zeit setzt 
(vielleicht würde sich diese Zeit nach einer vorsichtigen Prü- 
fang der in den Homerischen Gedichten erwühnten und nicht 
erwühnten Ereignisse yuthmasslich bestimmen lassem), eis 
Sünpger lebte, der den Zorn des Achilles and die Heimkehr des 


UND SAPPHO. 87 


Ulysses in zwei Gedichten von nicht grossem" Umfang, 
aber mit mehr Geist, Kraft und Kunst besang, als an- 
dere Sünmger seiner Zéit: so war es natürlich, dasa diese 
Gediehte vor andern gern gehórt wurden; dass sie vom 
Munde zu Munde gingen; dass man nichts zu hóren ver- 
langte, als was Homer (denn warum sollte jener Sünger 
nicht so geheissen haben?) gesungen hütte; dass mithin 


anderer Dichter Gesánge, die wohl ebenfalls die troischen Ὁ 


“ 


Begebenheiten besangen, in Vergessenheit versankem. In 
sehr alter Zeit, wo unstreitig die Poesie nech ganz róh 
war, musste das offenbar weit leichter móglich seyn, als 


wo 816 schon eine solche Vervollkommnung erfahren hafte,230 


dega sie ohne Schwierigkeit gehandhabt werden konnte, 
und wo die Nation bereits so ausgebildet war, dass poe- 
tisches Talent und Kunstfertigkeit nicht mehr em so sel-. 
tener und nur hüchst wenigen zu Theil gewordener Vor- 
zug seyn konnte.  Jener Zustand mag eine lange Zeit 
gedauert haben, und in dieser mag sich der Ruhm des 
Homer als schlechthin des Dichters begründet haben, wenn . 
ihm amch diese Benennung wohl erst spáter beigelegt 
wurde. Aber die Dichtkunst, einmal dmrch einen aus- 
gezxeichneten Sünger angeregt, konnte nicht günzalich still 
Stehen; sie musste weiter fortsohreiten, und am Leichtig- 
keit und Gewandtheit des Ausdrucks, an Biegsamkeit und 
Geschmeidigkeit der Sprache, au Beweglichkeit und Fülle 
des Rhythmus immer vollkommener werden, Da aber 
einmal Homer der war, dessen Gesánge man als die 
einzig vorzüglichem hóren wollte; da es bekannt war, dass 
dieser Homer bloss den Zorn des Achilles und die Rück- 


" kehr des Ulysses besungen hatte: so konnten die Sünger 


mur dadurch Beifall erhalten, und ihre Zuhórer befriedi- 
digen, dass sie Homers Gesünge sangen, und also, wie viel 


. gie auch ündern, verbessern, ausschmüeken, hinzufügen 


mochten, nur immer bei diesen Gegenstánden stehem blie- 
ben. Denn alles andere würde sich gleich durch deà 
Inhalt als nicht Homerisch angekündigt haben. Nehmen 
wir eine solche allmálige Umwandelung der Homerischen 
Gedichte an, bis sie die Vollendang erreicht hatten, im 


88 UEBER HOMER 


der wir sie im Ganzen noch jetzt haben (und auf ülm- 
liche Weise haben auch bei andern Vólkern alte Gedichte 
ihre ursprüngliche Gestalt verándert): so hebem sich alle 
Schwierigkeiten von selbst. Erstens lenchtet ein, woher 
bei so vollendeter und mithin offenbar spáterer Zeit an- 
gehóriger Form der Inhalt, als aus uralter Zeit, wenig- 
stens in den Hauptsachen, herrührend, ein so grosses | 
* Ansehen haben konnte, und zugleich, warum andere, doch 
nicht weit von der letzten Gestaltung des Homer entfernte 
Gedichte dieses Ansehen nicht geniessen.  Zweitens er- 
klàrt sieh. vollkommen, wie durch die Umarbeitungen, die 
wohl nicht auf einmal und nicht von einem einzigen Dich- 
ter gemacht worden sind, sich eine solche Verschieden- 
heit in Charakter, Ton. , Vershau und andern Dingen 
zeigt, die zugleich die Annahme von einer ionischen Sán- 
gersohule, deren Gedichte in der llias und Odyssee ver- 
einigt sind, rechtfertigt, zugleich aber auch den Homer 
als emen und denselben Dichter bestehen lásst.  Drittens , 
- hat die Erscheinung, dass diese Homeridenschule nicht 
. auch die übrigen Begebenheiten des troischen Krieges be- 
sungen hat, nicht nur nichts Befremdliches mehr, sondern 
sie ergiebt sich als natürliche Folge, indem diese Ge- 
genstinde als offenbar nicht von dem Singer des zür- 
231uenden Achilles und des irrenden Ulysses herrührend, 
"der historischen Autoritit entbehrt, und als handgreifliche 
Erdichtungen gegolten haben wür deu.  Viertens hebt sich 
der Ánstoss, den die mit einer sehr alten Zeit nicht yer- 
einbare grosse Lünge der beiden Epopóen hat, sobald 
 mán bedenkt, dass dieselben nur allmülig aus zwei klei- 
men Gesüngen zu diesem Umfíange angewachsen sind. 
Fünftens endlich wird auch das ganze Wesen der cykli- 
schen Poesíe begreiflich, die, als eigentliche dDichtung, - 
um doch einen anerkannt Jüstórischen  Stützpunkt zu ha-. 
, ben, den Homer sls Grundlage voraussetzte, und, wes. 
dieser, der als historischer Zeuge galt, angedentet hatte, 
weiter ausführte.- 

In dichtem Nebel liegt das graue Alterthum einge- 

hüll, und die Facke! der Yermuthung wird verdunkelt, 


UND SAPPHO. 89 


wenn sie sich hineinwagt. Dennoch muss gewagt wer- 

den, wo schwer zu hoffen ist, dass der Nebel sich je 
zertheile. Und so mag noch eine Frage hier Platz finden, 

die, wenn auch verwegen, doch Veranlassung zu einer. 
Beantwortung geben kann. Wie kam es, dass jener alte 
Homer, den wir angenommen haben, sich so auszeich- 

nete, und eine alles andere verdunkelnde Berühmtheit er- 
lengte? Die Vortrefflichkeit seiner Gedichte als Ursache 
anzugeben, wie wir oben einstweilen gethan haben, .ist 

eine Antwort, die genügen müsste, wenn sie die einzig 
mógliche würe. Dem dürfte aber nicht so seyn. Gros- 

ser Ruhm trifft seltener den, der sich auf einer schon 
betretenen Bahn hervorthut, als den, der zuerst eine neue 

Bahn bricht, ünd das "Thor aufthut, das dem Blicke eine 

bisher noch unbekannte weite Aussicht eróffnet, — Und 

bei dem Homer giebt es Veranlassung, dieser Vermuthung 

Raum zu geben. Er steht an der Spitze der heroischen 
Poesie, und vor ihm wird keiner genannt.  Vézere for- 

les ante Ágamemnona multi, sed omnes dllacrimabiles 
wurgentur 1gnotique longa nocte, carent quta vate 
sacro. Nében ihm steht die didaktische Dichtkunst, und, 

nicht an ihrer Spitze, sondern nur als àültestes vorbande- 

nes Beispiel, Hesiodus, von dem nach der von ums auf- 
gestellten Hypothese wahr seyn kann, was Cicero de se- . 
nectute c. 15. meint, dass Homer mwutts seculis vor 

ihm gelebt habe. — Es fragt sich nun, welche Poesie álter sey, 

die epische oder die didaktische. Uns scheint, wnnauch an- | — - 
dere der. entgegengesetzten Meinung sind, der didaktischen ; — / 
. der Vorzug des Alters zu gebühren. "Die alten Sagen — 
der Griechen versetzen die Musen und ihr Gefolge, eine - 
Anzahl fabelhafter Dichternamen, in das alte "Thracien, 
"Pierien und die benachbarten Gegenden, zu denen auch 

der Wohnsitz des Hesiodus gehórt. Homer nennt von 

allen jenen Süngern bloss den 'Thracier Thamyris, und 
bestátigt dadurch wenigstens auch seinerseits die alte Sage.232 
Wenn es nun schon an sich. sehr wahrscheinlich ist, 

dass, wo wir den Hesiodus wohnhaft finden, . auch die 
Gattung von Dichtkunst, zu der seine Gedichte gebóren, 


.. τῶν πὰ τ ἂν 


90 UEBER HOMER 


einbeimisch gewesen sey, diese Gegend aber überhaupt uls der 
ülteste Sitz der Poesie berühmt war: so hat mam keinem 
Grund, anzunehmen, dort sey auch die heroische Poesie 
geübt worden. Denn nichts weist darauf hin, und, wie 
anch immer die Sagen von Orpheus, Mueáus, Eumolpas und 
andern 4Dichtern dem Hemer unhekannt gewesen seyn 
mógen, se führen sie doch sümmtlieh nur auf didaktische 
Poesie der alten Thracier. Es kommen aber noch am- 
dere Gründe hinzu, welche die didaktische Poesie als die 
ülteste bezeichnen. Offenbar irrte Herodot, als er dea 
Homer und Hesiodus für die hielt, welche zuerst den 
Griechen eine Theogonie gemacht, und dem Góttern ihre 
Bemennungen, Ehren, Gescháfte zugetheilt, und ihre Ge- 
stalen beschrieben hütten. — Denn dass seine Worte IL, 
53. nur diesen Sinn haben kónnen, wird jetzt wohl schwer- 
lich jemand mehr bezweifeln. Nun aber ist die ganze 
Mythoelegie so sinnvoll, dass man sich üherzeugen muss, 
es liegen iu ihr kosmologische und teleologische Begriffe 
zum Grande, die nichts anderes, als durch Persenifiei- 
rung in ein poetisches Gewand eingekleidete Philosophe- 
me sind. Gleichwohl erzühlt Hesiodus alles 'so ,.harmlos 
und naiv, dass man nicht verkenpen kann, er trage die 
Sachen vor, ohne an den Sinn, der darunter verhorgem 
liegt, zu denken oder von ihm sa wissen. Daraus folgt 
Aber nothwendig, dass eine Zeit vorhergegangen seyn 
musste, im der man. diesen Sinn sehr wohl verstand, in- 
dem eben um ihn darzustellen jene Personificirangen er- 
Ínnden worden sind. Eben dasselbe finden wir nun nicht 
selten auch bei dem Homer, umd besonders ganz evident 
in der Odyssee, z. D. in der Fabel von den Heerden der 
Sonne. Da alle diese Dinge, die unmwidersprecblieh al- 
legoriseh sind, auch von dem Homer mit vollkommener 
Unbefangenheit als überlieferte "Thatsaehen erzühlt wer- 
den: so bleibt nichts ührig, als sie für Erzühlungen aus 
alen didaktischen Gedichten, den einzigen Urkandem des 
Wissens in Sieeter wit, anzusehen, die mit griechi- 
schem Leichtmzmn, der bloss an dem áussern Bilde hán- 
gen. hheb, ohne sich wm dem verborgenen Sinn mu be- 


UND SAPPHO. 91 


kümmern, würtlich angenommen und geglanbt wurdem. 
Denn an spütere Einschiebung solcher Stellen ist schon 
deswegen nicht zu denken, weil es ganz zwecklos gewe- 
sen seyn würde, Állegorien su ersinnen, die nicht, alle- 
gorisch genommen werden sellten. — Vielmehr würden die 
Dichter, die jene Zusáütze gemacht hütten, es angemesse- 
ner gefunden haben, etwas zu ersinnen, das überhaupt 
den Reiz des Neuen, Wunderbaren, Unglaublichen gehabt 
hátte, Wenn wir daher durch solche Spuren vorhemeri-233 
scher Poesie dahin geführt werden, dass diese Poesie ih- 
rem Wesen mach didaktisch war, so wird es begreiflich, 
wie ein Dichter auf einmal Epoche machen mmsste, der 
die didaktische Poesie verliess, und den augenseheinlich 
für jeden Zuhórer weit anziehendern Weg betrat, wahre 
Begebenheiten und grosse Thaten tapferer Helden zu be- 
schreiben. Wenn wir daher in dem Homer uns den Sün- 
ger vorstellen, der diese Bahn brach, so haben wir mit 
einem Male die einfachste und natürlichste Quelle seiner 
grossen Berühmtheit und seies hohen Ansehens.  Zu- 
gleich, zeigt sich auch, wie die neueróffnete Bahn für die 
alte didaktische Schule nicht unbenutzt bleibeu konnte. 
Denn da einmal eis weit anmuthigerer Weg gezeigt war, 
musste auch sie, wenn sie nicht zurückbleiben und m 
Vergessenheit versmken wollte, diesen Weg betreten: und 
80 mag es gekommen seyn, dass die '/7oie, und andere 
solche Gedichte, obwohl sie im ihrer Anlage didaktisch 
waren, doch in der Ausführung immer mehr in die he- . 
roische Poesie übergingen. 
Doch wir verlassen den Homer, und kehren gu wna- 
serm "Thema zurück. In England ist das Stadimm des Homer 
ziemlich in den Schatten gestellt worden durch die Beschüfti- 
g mit den attischen Dichtern, einem dort mit weit glückhi- 
€herem Erfolre angebauten Felde. DasStudium der attischen 
Dichter hatte bekanntlich durch des Dawes Miscellanea 
erstica eine bedeutende Anregung erhalten, indem dieser, 
von der Beacltung des Versmaasses ausgehend, eine ziem- 
liche Anzahl die Presedie, den Dialekt, die Syntax be- 
freffender Regeln aufstelke, uud diese Regeln mach Art 


δ΄ 


92 UEBER HOMER 


seiner Nation durch Induction bewies, welcher Weg al- 
lerdings für das Auffinden einer Gesetzmüssigkeit der 
richtigste und sicherste ist, aber doch nicht zureicht, son- 
dern, wenn wahre Einsicht und feste Wissenschaft gewonnen 
werden soll, noch das Hinzutreten einer Untersuchung 
der Gründe solcher als Regel gefundener Ergebnisse ver- 
langt. Denn ohme solche Erürterung ist die Regel etwas 
todtes , und wenn sich, wie das überall vorkommt, Aus- 
nahmen finden, wird man leicht, wie es die Erfahrung 
nur zu oft gezeigt hat, verleitet, das Richtige für falsch 
zu halten, und, indem man es zu verbessern meint, ge- 
rade das Gegentheil von dem zu thun, was man zu thun 
beabsichtigte. Nur die Einsicht in den Grund einer Re- 
gel giebt zugleich die Bestimmung der Grenzen dersel- 
ben, wodurch die anscheinenden Ausnahmen sich wieder 
als Bestütigung der Regel, und ,nicht minder, denn die 
Regel selbst, als gesetzmüssig zeigen. Valckenür betrach- 
tete die Dawesischen Canones mit einer Árt von scheuem 
Staunen, Brunck ergriff sie blindlings als ein sicheres 
Steuerruder auf seiner kühnen, allerdings genialen Fahrt; 
234die Englánder folgten ihnen durch die Zahl der Beweis- 
stellen mit gewohntem Hange zur Stimmenzühlung bewogen;. 
in Deutschland, als man aus langem Schwanken zwischen 
allen Meinungen, ohne selbst eine,zu haben, erwachte, 
fing man an, nach den Gründen zu fragen, und an der 
Allgemeingültigkeit der Dawesischen Regeln zu zweifeln. 
Die Englünder nahmen ihren Landsmann in Schatz, und 
* Richard Porson, ein durch gründlichc Gelehrsamkeit und 
viel Ueberlegung vor allen seinen Landsleuten damals 
hervorstechender Gelehrter, der ausserdem noch durch sei- 
nen Stolz imponirte, trat mit der Hecuba des Euripides 
anf, der in Kurzem eine neue Ausgabe und nach und 
nach die drei nüchsten "Tragódien dieses Dichters folgten. 
Aber der Tod kam dazwischen, und diese in vieler Rück- 
sicht hüchst ausgezeichnete Bearbeitung des Euripides 
blieb durch den unersetzlichen Verlust dieses Mannes auf 
jene vier Stücke beschrünkt, —Demungeachtet sind auch 
diese wenigen Stücke von entschiedenem Einfluss auf das 


. 


UND SAPPHO. 93 


Studium der Philologie gewesen, theils und vornehmlich 
durch ihren eigenen Werth, theils auch durch die grosse 
Verehrung, mit der man im England jedes Wort von 
Person wie einen Orakelspruch ansah; eine Verelirung, 
die, als Porson in Deutschland scharfen Widerspruch er- 
fahren, und, darüber entrüstet, eine noch stolzere Miene 
angenommen hatte, sogar zur Nationalsache wurde. Doch, 
wie zuletzt immer das Wahre hervortritt, haben sich die 
Gemüther wieder beruhigt, besonders, da ausgezeichnete 
Mánner, wie Parr, Elmsley, Gaisford, mit leidenschafts- 
loser Unparteilichkeit auf die Sache, und nicht auf die 
Personen sahen, und so ist am Ende jedem sein Recht 
worden. ^ Betrachtet yan Porson .als Kritiker, 80 
sind gründliche Sprachkenntnisse, grosse Belesenheit, be- 
sonnene Vorsicht, und wohlüberlegtes Urtheil die Haupt- 
züge seiner Kritik. Die Genialitüt eines Bentley hinge- 
gen und die Freiheit des Geistes, welche mit Leichtig- 
keit den einfhchen Process findet, durch den ein man- 
nigfach gemischter Stoff in seine Elemente zersetzt wer- 
den kann, war ihm nicht eigen.  Auffallend beweisen das 
manche der von ihm aufgestellten und befolgten Regeln, 
z. B. die vielfach gepriesene, dass die leichteste Árt von 
Emendation in Umstellung der Worte bestehe, eine Re- 
gel, die, wie wir in einer besondern Ábhandlung gezeigt 
haben, ohne die gehórige Beschrünkung auf die geeigne- 
ten Fülle und Bedingungen, nicht nur grundlos, sondern 
vóllig falsch ist. .Allemm weder Porson, noch seine be- 
fangenen Nachfolger haben an diese Beschrünkungen ge- 
dacht, und daher diese Hegel oft 80 unrichtig angewen- 
det, dass gerade dadurch erst manche Stelle ist verdor- 
ben worden. Eben so ist es mit der sehr guten, vom 
Porson zuerst gemachten Beobachtung über die. lange235 
Endsylbe zu Anfang des fünften Fusses im tragischen 
Trimeter beschaffen, die zu ganz vergeblichen Spitzfin- 
digkeiten Veranlassung gab, wührend der blosse Amblick 
der in der Vorrede zur Hecuba zusammengestelken Bei- 
spiele die Interpunction als den Grund der Erscheinung 
bemerklich gemacht haben würde. Aber gerade die Me- 


94 UEBER HOMER 


trik, wiewoll ein Haaptstadium der Kuglünder, ist doch 
ven ihuen, Bentley ausgenommen, immer mur einseitig, 
und wenm anch in er Hinsicht mit gutem Erfolg, 
doch nicht auf die rechte Weise behandelt worden, Auch 
hiervon liegt die Ursache ia ihrem. diplomatisehen Ver- 
fahren. — Indem sie sich stremg am das Vorhandene hiel- 
ten, blieben sie in den bekannten und vóllig gesicherten 
Versarten stehen. Wenn daher über Metra zu entschei- 
 4en war, die nicht in diesem Kreise hegen, und wshi 
gar erst aus unrichtigen Versabtheilaengén heransgefunden 
werden müssen, wogzu allgemeime . Priuzipien erforderlich 
sind, fehlíe es ihnen an einem Stützpankte, und ihr Ur- 
theil blieb günzlich -sclewankend. — EAnen auífallenden. Be- 
weis hiervon giebt Karl Burmeys Tewiamen de metris 
ab Aeschylo i» choricis cantébus -adhibetis, das κα 
Cambridse 1809 herausgekommen ist, und nicht über die 
besehrünkte Ansicht des Triklinias hinausgeht, Aber auch 
im den bekannten Versartem verfahren sie micht anf die 
rechte Art, indem sie das eipenthche Lebemsprinzip des 
Metrums, den Rhythmus, der sich nach der Bede uud . 
dem Sine gestaltet, nicht beachtetem, sondern einen Ves 
wie den andern scamdirend, mit gresser Sorgfíak auf alle 
Kleinigkeiten aufmerksam waren, abet eben weil sie das 
micht in den Áagen haíten, wovon alles abhággt, das We- 
sentlche nicht voa dem UÜnwesentlichen, das Brauchbase 
micht von dem Unbranchbaren umterschieden, und daher 
oft das für sehr wichtig hielem, worauf darchaus gar 
michts amkemmt. . So scheint besonders der übrigens hoch- 
verdiemte Elmnsley eine lange Mühe daramf verwendet zu 
habea, die tragischen Trimeter Fuss für Fuss durchz 

uad zu sehen, welche Wórter, welche Árten von Sylben, lange 
eder kürze, Anfamgs- oder Endsylbem, apostrephirte oder 
micht apostrephirte, an jeder Stelle stehen, eine Arbeit, 
aus der nur ein hóchst unbedeutender Nutzen hervorge- 
hen konnte. Wenn wir dieses Verfahren der Engliader 
iadeln, so wellen wir damit keineswegs umsern Lands- 
leutea ua Alisemeimem cisem Vorzug einrànmen. — Es sind 
Zwar mter nas mehrere, die cime lebendigere und grümd- 


UND SAPPHO. 95 


lehere Ansicht von der Metrik haben, und es nicht ver- 
pessen, dass Verse für das Ohr gemacht werden, wm 
dem Sinne der Werte dem rechten Eingang und die an- 
pemessene Wirkunp zu verschaffen. Aber auch von die- το 
sen verlieren sich manche in wmnütze Spitzfindigkeiten,236 
vnd die gvóssere Anzahl unserer Philologen lüsst sich 
Unrgründlichkex , Flüchtigkeit, "Willkür, ja wohl auch 
Unwissenheit zu JSSchukden kemmen. Doch wir kehren 
zu Pdrson zurück. Die Kenntniss der Metrik dietes 
Geleletet beschrünkte sich auf die inmbischen, trochái- 
schen, anapüstschen und daktylischen Verse. Selbst die 
dechmischen warem ihm noch unbekannt; in den übripet 
war er gunz unsicher.  Betrachtet man nuwn die anpege- 
benen Grundzüge von Persons Kritik, so ergiebt sich 
ven selbst das Resultat, dus im seinem Euripides vor Áu- 
gen hegt: sirehge metrische Richtigkeit im den bekafm- 
ten Versurtem; im den übrigen bald resignirtes Beibehal- 
ien des Gegebenen, bald unsicheres. Áendern; im der 
fiprache grosse Correctheit, in der Wahl der Lesarten 
besomnenes Urtheil, in Conjecturen überlegte Vorsicht, 
ausser wo jene oben erwühnten Regeln dazwischen traten. 
Vermis&t wird dagegen manchmal scharfer und den rech- 
ten Punkt treffemder Beweis, und eine aus lebendiger 
Auffassung des Poetschen hervorgegengene Kritik, indem 
alles mehr von grossem Bleiss und kalter Prüfung zeugt. 
Den von Porson eróffneten Weg verfolete und er- 
weiterte Peter Elmsley, ein Mann, der nicht bloss wegen 
seiner gründlichen Gelehrsamkeit, sondera &uch wegen 
seiner unparteiischen Gerechtgkeit und strengen Wahr- 
heitshebe hüchst ehrenwerth ist. Sein viel zu früh erfolgter 
Ted ist für die Wissenschaft wie für den Ruhm seines 
Vaterlamdes ein unersetzlicher Verlust.  Seinem umer- 
wmüdlüchen Fleisse und seiner grossen Genawipkeit ver- 
danken wir einen reichen Schatz trefficher Beobachtun- 
pen über Sprache und Dialekt der Attiker; und wem 
er zm geneigt war, alles auf Repeln zurückzuführen, und 
um dieser Regeln. willen. vieles unnüthiger oder irriger 
Weise zu emenHiren, so muss man 5e bilhg seyn, va 


* 


96 UEBER HOMFR 


bedenken, wieleichteine fleissige Beobachtung zu Annah- 
me' einer Regel, und die angenommene Hegel wie- 
der zur Verdüchtigung des Abweichenden führe. Aber 
Elmsley besass xu viel richtiges Urtheil und zu unbefan- 
gene Wahrheitsliebe, um nicht, wie er durch manches 
Beispiel gezeigt hat, bald wieder zu dem Richtigen zu- 
rückzukehren, und den' Irrthum nur zu mehrerer Befe- 
stigung des Wahren und zu neuen Fowschritten auf dem 
. rechten Wege zu benutzen. 

Die von Porson angéfangene Àusgabe des Euripides 
fing Jakob Heinrich Monk an fortzusetzen, seinem Vor- 
günger nuf von fern folgend, und günzlich von ihm und 
Elmsley abhüngend. Die Alcestis und der Hippolytus, 
beide in mit einigen Berichtizungen wiederholten Ausga- 
ben, sind die Früchte dieser Arbeit, die, wie es scheint, 

237durch die -Gescháüfte, die dem Herausgeber jetzt seim 
Amt auferlegt, unterbrochen oder aufgegeben ist. 

Ungefáhr um dieselbe Zeit unternàhm es Karl Ja- 
kob Blomfield, jetzt Bischof von London, von dem wir 
auch eine brauchbare Aüsgabe des Kallimachus besitzen, 
die Tragódien des Aeschylus nach dem Beispiel des 
Porsonschen Euripides herauszugeben, ausser dass er je- 
dem Stücke ein Glossarium anhüngte, in welchem die 
meisten Wórter mit Beispielen belegt, oder erklürt, oder 
sonst mit Anmerkungen begleitet werden. Der Fleiss, 
mit dem Blomfeeld gearbeitet hat, obwohl er in Angabe 
der Varianten micht zuverlissig genug ist, verdient alle 
Anerkennung; in Ánsehung der Kritik aber, und diese 
ist mehr als Interpretation der Zweck dieser Ausgabe, 
sind wir im Ganzen keineswegs mit dem Herausgeber 
einverstanden. Wenn er auf der einen Seite fast pünz- Ὁ 
lich von fremdem Urtbheil, besonders Porsons und Elms- 
leys, abhüngt, finden wir auf der andern eine grosse 
Kühnheit im Aendern ohne feste Principien, zugleich mit 
einem aus dem Streben nach Beobachtung des Atticis- 
mus hervorgegangemen eigenen Hange, die Syrache des 
Aeschylus in das Gewühnliche und Prosaische herabzn- 
ziehen. — Von der Kraft der Poesie des Diehters, die, 


UND SAPPHO, 97 


wenn irgend bei eibem Dichter, vorzüglich bei dem Ae- 
schylus, "den Kritiker leiten muss, scheint der Herausge- 
ber nicht ergriffen zu seyn. | Und es ist seltsám, dass 
auch in Deutschland, wo Aeschylus in der neuesten Zeit 
so viele Bearbeiter gefunden hat, gerade an den gewal- 
 tigsten Dichter sich niemand gemacht hat, der von des- 
sen Kraft etwas in sich spüren liesse. — Der Veteran 
Schütz ist der einzige, dem poetischer Sinn nicht abzu- 
sprechen ist. Selbst Porson, von dem, wie aus Wolfs 
literarischen. Ánalekten ILI, 1. S. 284. ff. jetzt auch in 
Deutsehland bekannt ist, eine Ausgabe des Aeschylus re- 
vidirt worden, nicht die Glasgower von 1795. in Folio, ^ 
welche man eine Zeitlang für die Porsonische hielt, son- 
dern in Kleinoctav ebendaselbst nach Wolfs Angabe 1794. 
(das Exemplar aber, welches wir einem F reunde in Eng- 
land: verdanken, führt die Jahrzahl 1796), selbst Porson 
ist, einige treffliche Einendationen abgerechnet, nichts 
weniger als glücklich im Aeschylus gewesen, und selbst 
von. den in der bezeichneten Ausgabe aufgenommenen 
Emendationen, welches nur die weniger kühnen sind, kón- 
nen mehrere nicht auf das Lob, gelungen zu seyn, Án- 
spruch machen. Es sind in der genannten Ausgabe 
die von Porson [für verdüchtig  gehaltenen — Lesarten 
mit einem Kreuz, T, die aufgenommenen Kmendationen 
mit einem Sternchen, *, bezeichnet: doch würde sich 
der Leser irren, wenn er Porson selbst für den Urheber 
aller dieser Emendationen hielte, indem mehrere derselben238 
von Canter, Stanley, Heath und andern sind. 

Porsons Nachfolger im Amte, Jakob Scholefeld, hat 
zu Cambridge 1828. eine Ausgabe des Aeschylus mit 
wenigen Anmerkungen, die meistens: kurze Ángaben frem- 
der, selten einer eigenen Meinung enthalten, herausgegeben. 

Die Supplices des Aeschylus hatte zu London 1821. 
und die Éumeniden 1822., so wie schon 1807. die Troaden 
des Euripides, Georg Burges, aus Bengalen, ein talent- 
voller, aber noch tollkühnerer Veránderer, als in Deutsch- 
land Bothe, herausgegeben, in dessen Ausgaben man 
den Dichter kaum wieder erkennt. 


Henw. Or. VI. € 


98 UEBER HOMER 


Der feissige πιὰ gelehrte "Thomas Gaisford hat sich 
um die ehemals von Winterton herausgegebenen Poefas 
minores durch Ausstattung mit einem kritischen Áppa- 
rat und Hinzufügung der aus Handschriften ergánzten und 
berichtigten Scholien ein nicht geringes Verdienst erwor- 
ben. Da es nicht seine Absicht war, diese Dichter von 
Neuem zu bearbeiten, so darf man an diese Ausgabe 
nicht die Ansprüche machen, die man ausserdem zu ma- 
chen berechtigt würe, aber die wenigen Anmerkungen, 
in denen er etwas ausführlich behandelt, lassen es be- 
dauern, dass er nicht eine eigene Bearbeitung dieser 

«Dichter unternahm. 

Die Bukolischen Dichter hat Thomas Briggs 5 
Cambridge 1821. mit Anmerkungen Anderer und seinen 
eigenen herausgegeben, in denen manches Gute ist, aber 
eine feste und durchgreifende Kritik, und, was hier vor- 
züglich nóthig war, aber bis jetzt auch bei uns noch 
nicht geschehen ist, eine Erórterung über den Dialekt 
in diesen Gedichten, vermisst wird. 

Einen grossen Verlust hat die Wissenschaft durch 
den Tod des scharfsinugen Peter Paul Dobree, eines 
leidenschaftlichen Verehrers von. Porson, erlitten, dem wir 
eine Áusgabe des Plutus des Aristephanes und dessen, 
was sich in Porsons Nachlass zu diesem Dichter fand, 
nebst einem Ánhange von Varianten und eigenen sehr 
schützbaren Bemerkungen verdanken.  Müge die Hoff- 
nung in Erfüllung gehen, dass, was sich noch von diesem 
geistreichen Gelehrten über andere Schriftsteller ange- 
merkt findet, dem Publikum nicht vorenthalten werde. 

Wenn die Englünder sich fast ausschliesslich. auf 
Kritik und Sprachbemerkungen beschrünkt haben, so hat 
man dagegen bei -wns zum^ Theil auch die historische, 
antiqüarische, und die üsthetische Interpretation zum Zael 
seiner Bestrebungen gemacht, was allerdings zu loben 
ist: aber bedauern muss man, dass viele dieser Interpre- 
fen, bald aus Mangel an gründlichen Kenntnissen, bald 

239aus Schwüche der Urtheiskraft sich i Spitzfmdigkeiten 
und leeren Trüumereién verloren, und diese mit unend- 


-- 


UND SAPPHO. 99 


licher Weitschweifipkeit, dem charakteristischen Zeichen 
unklerer Vorstellungen, vorgetragen haben. 

Ob das, was von uns gesagt worden, gegründet sey, 
bleibt der Beurthedung derer anheim gestellt, die mit den 
Schriften sowohl der Englünder als der Deutschen die er- 
forderliche Bekanntschaft haben. Belege unserer Án- 
sichten glauben wir anderwürts zureichend gegeben zu 
habes. Nicht uninteressant aber müsste es seyn, wenn 
an einem Beispiele die Verschiedenheit der Richtung, 
die beide Nationen unterscheidet, gezeigt würde. ^ Al- 
lein da eine solche Krórterung, wenn sie alles, was 
für einen griechischen Dichter von beiden Nationen 
geleistet werden, umfassen wollte, zu einer unverhilt- 
nissmüssiyen rósse anwachsen würde; wenn sie aber 
nur einen oder wenige von jeder Nation betráfe, .sich 
dem Vorwurfe aussetzte, nur den Unterschied der Per- 
senen, nicht der Nationen zu zeigen: so stehen wir von 
diesem Unternehmen ab, und geben, was folgt, bloss als 
einen Ánhang, der nur in sofern mit dem Obigen zu- 
sammenhüngt, als er zwar als ein Beispiel dessen, was 
in der Behandlung eines Schriftstellers national ist, al- 
lenfalls dienen kann, doch aber weit mehr die individu- 
elle Eigenheit der Personen angeht.  Seidlers treffliche 
Abhandlung in dem neuesten Hefte des rheinischen Mu- 
seums hat uns Veranlassung gegeben, einen Blick auf 
das zu werfen, was für die Bruchstücke der Sappho von 
Blomfield in dem Museum  €riticum  Cantabrtgtense 
im ersten, zweiten und achten Hefte, und von Neue ἴῃ 
der Auspabe dieser Bruchstücke geleistet worden. Wir 
geben, was uns dabei eingefallen ist, nicht als eine Re- 
cension, die sich über das Ganze erstreckt, sondern als 
ein Urtheil überhaupt über die Arbeit beider Gelehrtenu, 
und aly Bemerkungen über einzelne Stellen, in denen wir 
glauben, etwas zur Verbesserung dieser F'ragmente bei- 
tragen zu künnen. 

Dass nichts schwieriger ist, als eine richtige Be- 
handlung von Fragmenten, ist eine. eben so anerkannte, 
wie an sich evidente Sache. Die Schwierigkeit ist um 

: G2 


ς 100 UEBER HOMER 


so grósser, wenn die Fragmente in einer Sprache ge- 
schrieben sind, deren eigentliche Beschaffenheit man noch 
nicht recht kennt, und zum Theil erst aus diesen nicht 
immer unverdorbenen Fragmenten kennen lernen soll. 
Wenn daher die hóchste Vorsicht nóthig ist, wo der Bo- 
" den, auf dem man steht, noch so schwankend und unsi- 
cher ist, so kann es nicht gebilgt werden, wenn bei ei- 
ner solchen Arbeit nicht alles in Erwügung gezogen wird, 
was gehórige Grenzen und den rechten Maassstab geben 
.-240kann. . Blomfield hat mur vorzüglich auf den Dialekt sein 
Augenmerk gerichtet: aber so wie nicht alles, was die 
Grammatiker attisch nennen, bei jedem Attiker und in 
jedem Zeitalter gefunden wird, so ist es ebenfalls mit 
dem áolischen Dialekte bewandt, und zwar noch weit 
mehr, einmal weil wir viel zu mangelhafte Nachrichten 
darüber haben; zweitens weil es auch nur wenige unbe- 
deutende, unsichere Denlunáler desselben giebt; drittens 
endlich, weil die áolischen Dichter, wie alle Dichter, 
nicht ganz reinen à&olischen Dialekt, sondern vermischt 
mit der allgemeinen, aus der epischen abstammenden poe- 
tischen Sprachc, und das auch wohl nur in gewissem, 
erst zu ermittelndem Maasse, und unter gewissen, noch 
zu entdeckenden Bedingungen, geschrieben haben. Man 
kann daher von Blomfields Versuchen, alles in áolischen 
Formen zu geben, mit Bestimmtheit behaupten, dass er 
weit über die Grenzen des von der Sappho gebrauchten 
Aeolismus hinausgegangen ist.  ÁÀuch hat er, darauf auf- 
 merksam gemacht, diess selbst in dem achten Hefte. ein- 
gestanden. Aber auch seine des Metrums oder des Sin- 
nes wegen gemachten Veránderungen sind. nicht selten 
zu gewaltsam, als dass sie Zustimmung erhalten kónnten. 
Auf den Dialekt sah nun freilich auch Neue, der Sap- 
phonmis Mytilenaeae fragmenta, specimen. operae 
in omnibus artis. Graecorum lyricae reliquiis ex- 
cepto Pindaro collocandae zu Berlin 1827. in Quart 
herausgegeben hat; aber, ohne darüber zu bestimmten 
und zusammenhüngenden Begriffen gelangt zu seyn, noch 
überhaupt über den richtigen Weg, der zu dem erwünsch- 


UND SAPPHO, 101 


ten Ziele führen künnte, gehórig Rath gepflogen zu ha- 
ben, ergreift er mit unsicherer Hand bald das, bald je- 
nes, nicht selten das zunáchst fiegende nicht beachtend: 
daher auch, .was er sagt, oft unbestimmt und weit- 
schweifig wird. Wenn.Blomfield die Fragmente in sehr 
zufaliger Ordnung giebt, so hat Neue zwar eingesehen, 
dass es zweckmüssig sey, der von den Grammatikern be- 
folgten Anordnung zu folgen, nach welcher die sáümmtli- 
chen Gedichte in sieben Bücher eingetheilt waren, so 
dass jedes Buch die in gleichem Metrum geschriebenen 
Gedichte, das letzte Buch aber die in verschiedenartigen 
Versen oder Strophen gemachten enthielt: aber theils ist 
er in Áuffindung des wahren Versmaasses mehrmals nicht 
glückhch gewesen, und hat daher manches Fragment an 
die unrechte Stelle gesetzt, theils hat er nicht erwogen, 
dass, was in einerlei Versmaass geschrieben, oder was 
verwandten Inhalts ist, wohl auch nicht bloss aus dem- 
selben Buche, sondern gar aus demselben Gedicht seyn 
kónne. Das ist aber von grosser Wichtigkeit, indem auf 
diese Weise wohl ein Fragment durch das andere Licht 
erhalten kann. Freilich wissen wir nur von vier Büchern be- 
Stimmt, in welchem Metrum die in ihnen enthaltenen Ge-241 
Wichte geschriehen waren: das erste in der bekannten, 
mach der Dichterin selbst benannten Strophe; das zweite 
in daktylischen Hexumetern mit der Basis: 


€ ——Q Q— o Q—oo——O09 
das dritte in. Choriamben mit der Basis: 
e —QQg———QQo——ouo0—-o-— 


Beide waren in Distichen geschrieben, so dass kein Ge- 
dicht ein ungleiche Zahl von Versen hatte. Das fünfte 
Buch war in glykonischem Metrum geschrieben. — Aus 
dem siebenten haben wir nur ein einzelnes bestimmt an- 
gegebenes Beispiel: 


Q-—90—o0——|ooc—coc-—oc—eoc 


Ausserdem finden wir in den Fragmenten noch heroische 
Verse, und, wie es scheint, andere Gattungen, von de- 


102 UEBER HOMER 


nem ungewiss ist, ob sie im vierten, sechsten oder sie- 
benten Buche ihren Platz hatten. Es würde nun wenig- 
stens eine leichtere Uebersicht gewührt haben, wenn die 
Fragmente nicht bloss nach der von den Grammatikern 
angenommenen Folge der Versarten geordnet, sondern 
auch die einzelnen Bücher durch besondere Ueberschriften 
würen unterschieden worden. Doch das ist nun einmal 
nicht geschehen. Wir tragen daher das, was wir über 
einige Stellen zu sagen haben, nach der in der Neui- 
$chen Sammlung angenommenen Ordnung der Fragmente. 
ver, wobei wir uns von selbst bescheiden, zum Theil 
blosse Vermuthungen vorzubrinpen, wie es nicht anders 
seyn kann, wo man es mit sehr corruptem, und manch- 
mal von den Schriftstellern nicht. vollstándig angeführten 
Fragmenten zu thun hat. Das aber kann verlangt wer- 
den, und dieser Forderung setzen auch wir uns aus, dass 
nichts unmógliches, nichts aller Wahrscheinlichkeit erman- 
gelndes, nichts unpoetisches und geschmackloses, wie es 
80 oft geschehen ist, aufgestellt werde. ^ Uebrigens móge 
sich niemand wundern, wenn wir in der ZAccentuation 
eft mehr' den allgemeinen Regeln,. als denen folgen, die 
man dem üolischen Dialekt zuschreibt. Wir thun das 
bloss, weil diese Materie noch nicht so weit aufs Reine 
gebracht ist, dass man überall mit Sicherheit verfahrem 
kann. 

L In der von dem Dionysius von Halikarnass er- 
haltenen Ode an die Aphrodite giebt Neue V. 5: 


ἀλλὰ τυΐδ᾽ ἔλϑ', al πότα κατέρωτα᾽ 

τᾶς ἐμᾶς αὐδῶς ἀΐοισα πόλλας 

ἔχλυες. ' | 
Blomfeld hat o? ποτὰ richüg accentuirt ^ Neue scheint 
geglaubt zu haben, durch die üolische Zurückziehung des 
Accents hóre das Wort auf, ein Enklitikon zu seyn, 
Da die Handschriften αἰδῶς, αὐδῶς, αὐδὼς, und nur 

2942die Münchner αὐδὰς haben, hater αὐδῶς aufgenommen, 

diess mit Is. Vossins für üolisch haltend, worin ihm Bern- 
hardy in der Syntax S. 334. gefolgt ist. — Blomfield hat 


UND ΒΑΡΡΗΟ. 108 


vorsichtiger das gewühnliche αὐδᾶς beibehalten. — Was 
Neue für. αὐδῶς anführt, πειϑώ, πευϑώ, φειδώ. und 
die. Weibernamen auf.c«, beweist nichts. Jene Substan- 
(ive, zu depen man noch das seltene μελλὼ hinzufügen 
kenn, sind von eerb:is barytonis gemacht, und folglich 
scheint die. Ánalogie wenigstens πίοι für αὐδὼ zu 
sprechen. Ferner hat die Aldine ἀΐοις ἀπόλας. Das 
letztere Wort ist in der Victorianischen Abschrift Gr, 
in dem Münchner Codex ἀπόλ geschrieben. —Blomfield 
und Neue,. bloss in der ÁAccentuation abweichend, lesen 
ἀΐοισα πόλλας, und der letztere wundert sich, dass wir 
am diesem πόλλας Anstoss genommen haben. Ja Bern- 
hardy a, a. O. seiner unverkennbar aus zusammengetra- 
genen.und bei der Ausarbeitung nicht wieder nachgese- 
henen Citaten zusammengeschriebenen Syntax führt diese 
Stelle neben τιναξάσϑην πτερὰ πολλά und πολὺν τὸν 
χηφῆνα καὶ πτωχὸν ἐμποιοῦσι τῇ πόλει an, Es hátte 
bekannt seyn sollen, dass τᾶς ἐμᾶς αὐδᾶς πόλλας nicht 
meam multam precationem bedeuten kónne , well das 
“τᾶς πολλᾶς ἐμᾶς αὐδᾶς oder τᾶς ἐᾶς αὐδᾶς τᾶς 
πολλᾶς heissen musste, und dass, wenn das Adjektiv ohne 
Artükel vor oder nach dem mit dém Artikel verbundenen 
Substantiv steht, es zum Verbo gehóre, mithin die auf- 
genommene.Lesart, wenn, was. Neue eingesteht, πολὺ 
Ley, keinen Sinn giebt, eben so des Sinnes ermanugle. 
Wir schlagen. daher vor: ἀλλὰ τυΐδ᾽ £49", αἴ ποτα 
xüréguma, τᾶς ἐμᾶς αὐδᾶς ἀΐοισα᾽ ποιλὰ δ᾽ ἔχλυες. 
Seidler sagt hierüber S. 257: ,,Αὐῇ diese Weise würe 
»5u ἀΐοισα ἂμ dem vorigen ἦλιϑες zu verstehen, und 
»0AÀd für πολλάχις gesetzt. Alei auch diese Emen- 
ation befriedigt nicht, ob sie gleich beim ersten Án- 
»blick manches [für sich hat. ᾿ Die Interpunction. nach 
οοκἀΐοισα hat etwas auifallendes, und die Umstündlichkeit 
»der gleich folgenden Erzühlung deutet mehr auf eine 
.,einzelne Begehenheit hin, als anf mehrere áhnliche; wie-. 
weh! zugegebem werden muss, dass die Lebhafügkeit 
ler Sappho das oft Geschehene in die Erzáhlung einer 
,8inzelaen kandlung übergehen lassen konnte. Den 


104 UEBER HOMER 


Sinn dieser Emendation hat Seidler nicht ganz richtig 
aufgefasst. Nicht zu ἀΐοισα ist ἦλϑες zu verstehen, son- 
dern zu χαἀτέρωτα. Die Rede hüngt so zusammen: d4- 
Ad τυΐδ᾽ ἐλϑὲ τᾶς ἐμᾶς αὐδᾶς díowa, αἴ ποτα xd- 
τέρωτα ἦλθες. Dadurch verliert sich der Anstoss, den 
Seidler an. der Interpunction nach ἀΐοεσα nahm. Was 
aber die Umstándlichkeit der Erzühlung anlangt, se kann 
diese, unsers Beachtens, nicht einmal auf einen einzelnen 
Fall hindeuten. Das kónnte bei eimer unter wirklich le- 
benden' Wesen vorgefallenen Begebenheit Statt haben, 
243nicht aber bei dem erdichteten Erscheinen der Géóttin,. 
das günzlich aufhóren würde poetisch zu seyn, wenn es 
nicht individualisirt würde. ^ Auch hatte gewiss . Sappho 
die Góttin schon oft angerufen, wie selbst die Wenduug 
zeigt, die sie nimmt: ,,Komm, wenn du je auch sonst 
kamest, und hóre meine Stimme: oft aber hast du mich 
erhórt, und verliessest das Haus des Vaters.** 
In den Worten Y. 10: 
χαλοὶ δέ o ἄγον 
ὠχέες ᾿στροῦϑοι περὶ γᾶς μελαίνας 
πυκνὰ δινῆντες πτέρ' ἀπ᾽ ὡρανῶ αἶϑέ- 
poc διὰ μέσσω, 
nahm Blomfield an dem dorischen ὠρανγῶ und der Kra- 
sis dieses Wortes mit dem folgenden .mit Recht, wie uns 
dünkt, Anstoss, der Bemerkung von Hemsterhuys zy Pol- 
lux X. 124. folgend, dass ὁρανὸς üolisch, ὠραγνὸς aber 
dorisch sey. Seidler S. 275, 289, 319. hült mit Απ- 
dern beide Formen für üolisch , anf das Zeugniss von 
Herodian περὶ μονήρους λέξεως p. 7, 24: σημειῶδες 
ἄρα τὸ οὐρανός, ὅτι ἤρξατο ἀπὸ φύσει μακρᾶς. 4- 
καῖος δὲ elg ὦ ἀποφαίνεται τὸ ἄνομα » xoi digervóc 
λέγων κατὰ τροπὴν τῆς ov διφϑόγγου εἷς τὸ 0, χαὲ 
ἄνευ τοῦ υ ὁρανός, ὥςτε τὸ ἐπιξητούμενον παρ᾽ 
αὐτῷ λελύσθαι. καὶ Σαπφώ, Ψαύειν δὲ οὐ δοκεῖ 
pov ὡρανῷ δυςπαχέα. δοιποηοῖιι dürften diese Worte 
ohne Fehler seyn, da sie zur Hülfte das, was Herodian 
beweisen will, widerlegen. Denn er will zeigen, dass die 
anf αγνος sich endigenden dreisylbigen oxytonirten Nomi- 


UND SAPPHO, 105 


na, wenn dem ἃ ein Consonant vorhergeht, die erste 
Sylbe von Natar kurz haben. Davon scheine. οὐρανὸς 
eine Áusnahme zu machen: aber Álcáus zeige, dass es ei- 
gentlich ὀρανὸς heisse. Daher schrieb Herodian wohl 
80: ᾿4λκαῖος δὲ εἷς o ἀποφαίνεται τὸ ὄνομα, ἢ ὄρα- 
vóg λέγων κατὰ τροπὴν τῆς ov διφϑόγγου εἷς τὸ 
o, ἢ ἄνευ τοῦ v ὀρανός, ὥςτε τὸ ἐπιζητούμεγνον παρ᾽ 
αὐτῷ λελύσϑαι. Sein Árgument würe also dieses: Al- 
cüus sagt ὀραγός, und dieses ógavóg ist entweder χατὰ 
τροπὴν des ov in o aus οὐρανὸς ὀὁρανὸς worden, oder 
es ist ὀρανὸς durch Wegwerfung des v. Es findet sich 
nun aber auch in den àáolischen Fragmenten die Form 
ὠρανὸς nicht, ausser durch Irrthum der Ábschreiber, son- 
dern bloss ὁρανὸς, wie beim Alcáus das Metrum in Er. 27. 
der -Matthiüischen Sammlung zeigt, und in dem in der ange- 
führten SteHe des Herodian erwühnten Fragmente der 
Sappho, von dem weiter unten die Rede seyn wird, zu 
lesen ist. Beim Alcáus aber Fr. 52. haben DBlomfield 
im Museum criticum. VIII. p. 600. und Seidler der 
irigen Lesart der Worte γαίας καὶ νιφόεντος ὠραγνῶ 
μέσοι getrant, so dass der letztere Sapphisches Metrum 
vermuthete, und die Strophe mit γεφόεγντος schliessen244 
wollte. Aber der Vers war wohl vielmehr ein choriam-  ; 
bischer, und lautete so: ) 


γαίας καὶ νιφόεντος δ᾽ ὀρανῶ μέσοι. 


Aus diesen Bemerkungen würde sich dann ergeben, dass 
dz ὡρανῶ. αἰϑέρος διὰ μέσσω nicht für richtig anzu- 
erkennen "würe. Mit Recht hat man sich auch an πτέρυ- 
γας μελαίνας πυχνὰ δινῆντες πτερὰ gestossen. Die 
Münchner Handschrift und die Varianten des Victorius 
geben περὶ γᾶς» was Emendation des verdorbenen πτέ- 
ριγας, das die Aldina hat, zu seyn scheint. Wollte je- 
mand dieses περὶ γᾶς. vertheidipen, so müsste er die 
Worte so nehmen: ,,Die Sperlinge, welche viel um die 
Exde flattern:« was sich darauf bezóge, dass die Gót- 
tin überall gegenwáürtig und wirksam ist. Aber es leuch- 
tet ein, dass dieser Gedanke hier, wo die Sperlnge die 


106 UEBER HOMER 


Gótün von den Himmel nieder auf die Erde bringen 
sellen » unpassend ist, und noch überdiess das Beiwort 
μελαίνας ganz unschicklich gewühlt seyn würde.  Den- 
noch nahmen Blomfeld und Neue diese Lesart auf, un-. 
sireitig weil πτέρυγας und πτερὰ tantologisch schienen, 
Des Letztern Erklüirung prope terram advolantes hot 
schon Seidler als sprachwidrig gerügt. —Vielleichí, da 
wir ὠραγνῶ zu dulden nicht berechtigt sind, schrieb 
Sappho: 


πτέρυγας μελαίνας 
πυχνὰ δινῆντες περάτων ἀπ᾽ αἰϑέ- 
ρος διὰ μέσσω; 


damn würde μέσσω das Neutmm. seyn, und. den Raum 
zwischen Himmel und Erde.bezeichnen. .So sagt Hamer 
ün Hymnus des Ápoll V. 108; 


βῇ δα ϑέειν, ταχέως δὲ διήνυσε πᾶν τὸ μεσηγύ. 


Und fast mit denselben Wortem im Hymnus der Ceres 
V. 317. Doch kónnte Sappho wohl &uch διαμέσσω 
als ein Wort geschrieben haben, das den Aether zwischen 
Himmel upd Erde bedeutete. 

V. 15. hat die Aldina ἤρεέ ὄττε δ᾽ ἦν, τὸ, mé- 
πονϑὲ χόττι δ ἥν ve χάλημμι. Ὥϊο Münchner Hand- 
schrift δεῦρο χάλημι. Und δεῦρο haben auch andere, 
offenbar aus Émendation, Wahrscheinlich hat das den 
ültern Lycikern so gebrüuchliche Ombre, wovon Bnttmaun 
im zweiten Bande des Lexilogus gesprochen, dreimal in 
dieser Rede der Aphrodite gestanden ; zweimal in diesem 
beiden Versen: 


406 ὄττι ϑηῦτε πέπονϑα; χῦττι 
δηὖτε χάλημι 


V. 18. giebt die Aldina τίμα δ᾽ eire πείθωμαι 
σαγηνεύσαν , φιλότατά τις σω. Die meisten andern 
245Bücher τίνα δ᾽ εὖτο πύϑωμαι σαγηνεῦσαι φιλότητος 
α᾽ ὥ.. Die Münchner Handschrift τίνα δ᾽ ηὔτε πει- 
ϑῶ xol σαγήνεσσαν quAórQgza τίς c. . Die Victeria- 


UND SAPPHO. 101 


nische Ábschrift πειϑὼ xoi σαγινόευσαν. In diewer 
vielfach versuchten Stelle ist es leichter, zu sagen, was 
nicht das Wahre sey, als was es sey. Wenn Neue ver- 
muthete εἰδαγίνεισ᾽ ἂν φιλότατα, 80 scheint er nieht 
bedacht zu haben, dass das micht smducens in amorem 
bedeuten kann, weil ἀνὰ so micht gebraucht wird; in- 
gleichen scheint ihm unbekannt gewesen zu seyn, dass 
ἀγινεῖν nicht gleichbedeutend mit ἄγειν, sondern eime 
Art von verbum frequentativcum ist.  Seidler fand ea 
wahrscheinlich, dass Sappho so geschrieben habe: 


viva δηὖτε Πείϑω 
λαῖς ἄγην ἐς σὰν φιλότατ' » ὅτις σ᾽, ὦ 
Yáng, ἀδικήη; 


quemnam eis ut. Suada ducat ad amicitiam luam, 
qui le, Sappho; laedit. Aber auch dieses ist gewiss 
nicht das Richtige. Denn die Pitho würde hier sehr un- 
passesd genannt werden, wo Aphrodite vielmehr sich selbst 
nennen, und, da nicht die Pitho, sondern sie angerufen 
war, Íragen "musste: wen soll ich dir zuführen?« Schá- 
fer zu Greg. Cor. p. 020. hielt σαγήνεσσαν lür das 
Participium von σαγηνέω, einem sonst nicht vorkommen- 
den Verbum. Aber dieser Aeolismus. statt. σαγήνεισαν 
bedarf erst noch, so wie das Verbum selbst, einer Be- 
Stütigunp, Die Schrift der Bücher führt am leichtesten 
auf τίνα δηὖτε πείϑω καὶ σαγηνάεσσαν φιλότατα. 
wezu aus den vorhergehenden Worten ἐϑέλω γενέσθαι 
su verstehen ist: ,,was ieh wolle, dass meinein entbrann- 
ten Gemüthe werde; welche Ueberredung und umgarnende 
Liebe. Denn, wie die folgende Strophe zeigt, wünscht 
sie sich Gegenliebe, und also die Gabe der Ueberredung, 
uad dass ihre eigene Liebe auch den Gegenstand dieser 
Liebe bestricke. Zeyr νάεσσαν ist σαγηνᾶσσαν ausxüu- 
sprechen, wie φωνάεσσα Kr. 24., und bei dem Pindar 
φωνάεντα; ἀργάεντα. 

Ji. 8. haben die Handseliriften ἄϑυφων. σαῖς. 
Blomfield ἁδὺ φωνοίσας, Nene ἀδὸ φωνείσὰς; und so 
auch V. 11. ἐπιρρόμβεισε und. Fr. V. οἰνοχόεισα, und 


108 UEBER HOMER 


an mehreren andern Stellen ühnliche Formen, über die 
er immer von einer Stelle auf die Anmerkung zu der 
andern verweist, nirgends aber eine gehórige Begründung 
dieser Form in eerbtés contractis mebt, in denen, wie 
es scheint, auch die àáolischen Dichter die alte poetische 
Form φωνεύσας gebrauchten. 

V. 5. gehen Blomfielld und Neue mit dem Cod. 
Ambr. τό μοι ἐμὰν χαρδίαν ἐν στάϑεσιν ἐπτόασεν. 
Die “ἀπάρτι Handschriften τὸ μὴ ἐμὰν.  Robortellus τό 


24θμοι χαρδίαν. Stephanus, Ursinus, Vossius τό μοι τὰν 


χαρδίαν, was wir unbedenklich vorziehen, und ἐμὰν für 
eine schlechte Ergünzung eines Abschreibers halten. Was 
Toup, das μοι "μὰν vertheidigend, sagt: afqué sud 
μοι eleganter παρέλχει. ductor Arimasptorum (infra: 


"^" 233 € wv bj ^^ ^ * € Á 
JaoUu ἡωῖν καὶ τοῦτο μέγα φρεσίν ἡμετέρῃσιν : 


das hátte man nicht nachsprechen sollen. Erstens ist 
ein Unterschied zwischen einem Ejpiker und einem Ly- 
riker; zweitens stand in jenem Hexameter ursprünglich 
wohl μετὰ φρεσὶν ἡμετέρῃσιν; drittens kann man das 
παρέλχει nicht sowohl von uoi, als von ἐμὰν sagen; 
und viertens ist dieses angeblich elegante μον ἐμὰν so 
erbürmlich schleppend, dass man der Sappho auf keine 
Weise zutrauen darf, so geschrieben. zu haben.  Uebri- 
gens beziehen sich nicht auf dieses τό μοι, wie Seidler 
S. 261. meint, die Bemerkungen in dem E£ymol. Gud. 
p. 932, 4. 13. und 538, 42. sondern es ist dort von 
dem àüolischen τὔμοι, d. 1. τοὶ ἐμοὶ statt o£ ἐμοὶ die 
Rede. 

V. 7. hat die erste Ausgabe des Longin ὡς γὰρ 
ἴδω σε, die Handschriften ὥς yog σ᾽ ἴδω, Blomfield 
Uc τε γὰρ ἰδῶ, Neue ὥςτε γάρ ο᾽ ἴδω. Dieses ist 
ganz unpassend, und 889: sich mit Herodots ὅκως τε 
ἀπίοι ὃ ποταμὸς σπαγίζοντες ὑδάτων. 11, 108. gar 
nicht vergleichen. Denn dieses eigentlich ionische τὲ 
hat eine schwüchende Bedeutung, die hier ganz am un- 
rechten Orte seyn würde.  Seidler leugnet, dass φωνᾶς 


3^ 3 3. 


οὐδὲν ἔτ LX6L μὲ gesagt. werden künne 9 weil die Stim- 


ΝΟ ΒΑΡΡΗ͂. 109 


me nicht von aussen, sondern von innen komme, und da- 
her μοι stehen miisste. Deshalb will er gelesen wissen: 


ὡς γὰρ εἰςίδω βροχέως σε, φωνᾶς 
οὐδὲν ἔτ᾽ ἴκει. 


So viel das auch für sich hat, so tragen wir doch Be- 
denken, beizustimmen. ^ Die Construction der Würter, 
welche kommen bedeuten, mit dem Áccusativist so ge- 
brüuchlich von dem Eintstehen irgend eines Zustandes, 
dass nicht mehr daran gedacht worden zu seyn scheint, 
ob die Ursache von innen oder von aussen komme. So 
kann man z. B. χάματος δὲ μιν alvóg ἱκάνει nicht 
wohl als von aussen her gekommen annehmen. Hierzu 
kommt, dass, wie der gleich folgende Gegensatz ἀλλὰ 
χὰμ μὲν γλῶσσα ἔαγε zeigt, der Gedanke eigentlich 
ist φωνᾶς οὐδέν" us γλῶσσαν ἴκει, wodurch der An- 
stoss vollends gehoben wird. Aber βροχέως kann schwer- 
lich richtig seyn, da das vielmehr schwach bedeuten, 
als einen kurzen Moment bezeichnen würde, was vielmehr 
βροχέα heissen muss, Wir halten daher für das Wahre: 


ὡς ἴδω γάρ σε βροχέ" , ὡς μὲ φωνᾶς 247 
οὐδὲν ἔτ᾽ ἔχει. | 
Und dies ist die gewóhnliche Árt zu reden, wie ὡς ἴδον, 
ὡς ἐμάγνην; ut eido, ut perit. 

V. 15. liest Neue. τεϑνάχην δ᾽ ὁλίγω ᾿πιδευέην 
φαίνομαι, ein neues Wort ἐπιδευέω von ἐπιδευὴς bil- 
dend. Dazu ist man durch die Lesart eines Codex £&u- 
δεύειν eben so wenig berechtigt, als zu glauben, dass 
Sappho von ἐπιδεύεσθαι das Activum gebraucht habe, 
Vielmehr scheint die Lesart anderer Handschriften. ἐπι-- 
δεύσην aus ἐπιδευὴν mit darüber geschriebenen c ent- 
sjanden zu seyn, so dass als die richtige Lesart ἐπι-- 
δευὴς angegeben werden sollte. — Das nach «qoívouot 
von Manutius ergünzte ἄπνους ist gewiss nicht das rechte 
Wort.  Natürlicher ist es, die Stelle so zu lesen: 


τεϑνάχην δ᾽ ὀλίγω ᾿πιδευὴς 
φαίνομαι οὐδέν. 


110 ᾿ UEBER HOMER 


V. 17. steht im dem Mandsehriften so: ἀλλὰ πᾶν 
τολματὸν ἐπεὶ xai πένητα. Das xoi haben die Her- 
ausgeber  weggestrichen. ^ Unstreitig hat wohl Seidler 
Recht, wenn er meint, Longin werde nicht so das Fra- 
gment mitten in der Rede abgebrochen haben, sondern 
es werde hier ein vóllig abgeschlossener Gedanke erwar- 
tet. Doch kónnen wir ihm nicht beitreten, wenn er 
glaubt, der Vers sey so zu verbesserm: 


ἀλλὰ πᾶν τολματόν, ἐπεὶ εὐγενῆτα, 


wozu elui zu verstehen sey.  Áuf diese Conjectur leite- 
ten ihn die corrupten Worte des Longin: χαϑ' onevav- 
τιώσεις ἅμα ψύχεται, καίεται, ἀλογιστεῖ, φρονεῖ" ἢ 
γὰρ φοβεῖται, ἢ παρ ὀλέγον τέϑνηχεν.. Denn das 
φρονεῖ beziehe sich auf diesen Vers,' und da sich die 
folgenden Worte durch das γὰρ als Beweis ankündigen, 
80 seyen.sie so zu scureiben: οὐ γὰρ φοβεῖται, ἢ παρ᾽ 
ὀλίγον τέϑνηχεν.  Hierin kónnen wir nicht beipflichten. 
Denn nicht nur würe das ein ganz unrichtiger Beweis 
für das bei Verstaànde seyn, wenn Longin hinzusetgte: 
Denn sie, die beinahe todt ist, fürchtet nicht, hat noch 
Muth:*^ weil diess 16 auch em Muth der Verzweiflung 
seyn kónnte: sondern der ganze Beweis ist auch so über- 
flüssig, dass man ihn dem Longin nmicht zutrauen darf. 
Vielmehr zeigt eme genanere Betrachtung der Stelle, dass 
jenes γὰρ, wie so hüufig, nichts als 7o, d. i. γράφεται 


oder γραπτέον, und die Worte ἢ yo. φοβεῖται nur die. 


zu dem irrigen «qoovei hingeschriebene wahre Lesart imé, 
die; als sie. einmal in. den Text gekommen war, auch 
noch das zweite 7] veranlasste. — Denn die -Ordhung det 
Gedanken in dem Gedichte selbst zeigt auf das eviden- 


248teste, dass Longin, indem er sie.kürzlich wiederholte, so 


schrieb: ἅμα ψύχεται, καίεται, ἀλογιστεῖ, φοβεῖται, 
παρ᾽ ὀλίγον. τέϑνηχαν, ἵνα μὴ ἕν τι. περὶ αὐτὴν ná- 
Sog φαένηται, παϑῶν δὲ σύνοδος. Wenn demnach 
der Grund der Seidlerschen Conjectur wegfállt, so ver- 


hert sie schon ihre Hauptstütze, — Aber auch abgesehen 


davon, scheint sie uns nicht das Wahre zu treffen. Denn 


UND SAPPHO. ni 


wollten wir anch die. ungewóhaliche Form εὐγενήτα gel- 
ten lassen; wollten wir auch übersehen, dass dech erst 
bewlesen werden müsste, dieses Wort bedeute nicht bloss 
edel geboren, sendern auch edel gesinmt: so will doch 
der ganze Gedanke nicht zu dem Vorhergehenden pas- 
sen, da schwerlich das heisse Gemüth der Dichterin; nach 
dieser so lebendigen Schikerung der gewaltigsten Lei- 
denschaft anf einmal so rnhige Ergebenheit zeigen, und 
sagen kam: ,,aber alles lüsst sich aushalten, da ich edel- 
gesinnt bin. — Dieses würde eine Herrschaft über sich 
selbst voraussetzen, die dem eben beschriebenen, aller Herr- 
schaft über sich beraubten Ziustande gerade entgegenge- 
setzt würe. Weit eher kónmte mhn geneist seyn, die 
Worte ἀλλὰ πᾶν τολματὸν so 58 nehmen: ,,aber alles 
lüést sich wagen. — Aber .diess vorausgesetzt, würde 
man doch ohne handschriftliche Hülfe schwerlich entdek- 
ken kónnen, was mit den folgenden Worten anzufangen 
seyn amóchte, da weder in den vorhergehenden Versem, 
noch in dem, was Longin sagt, irgend eine Andeutung 
liegt, ob von glücklicher oder unglücklicher Liebe, von 
Eifersucht, von Zurücksetzung oder wovon sonst die Re- 
de. sey. . Um indessem nicht alles verloren zu geben, kann 
doch vielleicht folgende Betrachtung  ungefiühr auf den 
Gedanken führen, der in dem verdorbenen Verse liegen 
müsse. Longin führt die Strophen der Sappho als ein. 
Beispiel des Erhabenen an, das aus dem gedrünpgtep Zu- 
sammenfassen der Hauptmomente in der Besehreibmmg lei- 
mes Gegenstandes entsteht, und nachdem er den Hhhalt 
derselben in den ohen angeführten Worten kurz wieder- 
holt hat, setzt er noch hinzu: πάντα μὲν τὰ τοιαῦτα 
γίνεται περὶ τοὺς ἐρῶντας" 7j λῆψις δ᾽ » ὡς ἔφην, 
τῶν ἄκρων καὶ 7) elg ταὐτὸ συναίρεσις ἀπειργάσατο 
τὴν ἐξοχήν. Nun würe es offenbar etwas ganz Unnüz- 
zes und sogar Widersinniges gewesen, wenn er asser 
den Worten der Dichterin, die den Beweis seiner Be- 
hanptung enthielten, noch andere, nicht dazu gehórige 
Worte hinzugefügt hátte. Ánch thut er das bei der Wie- 
derholung des Inhalfs nicht, sonderm schliesst mit dem 


112 UEBER HOMER 


παρ᾽ ὀλίγον τέϑνηχεν, als dem letzten Gedanken der 
Beschreibung. Wollen wir ihm daher nicht etwas Zweck- 
loses und Verkehrtes aufbürden, so müssen wir anneh- 
men, dass mit diesem Gedanken sich die angeführten 
Strophen geendigt haben. Daraus folgt aber keineswegs, 
dass das mit den vor dem ἀλλὰ πᾶν τολματὸν vorher- 
249gegangenem Worten geschehen seyn müsse; vielmehr, 
wenn wir diese Worte richtig. so ergünzt haben, τεϑγά- 
χήν δ᾽ ὁλίγω "πιδευὴς φαίνομαι οὐδέν, liegt eben 
hierin die Ándeutung dessen, was auf sie folgte und be- 
státigt hierdurch zugleich wieder unsere Ergünzung. Denn 
es ist eine durch die ganze griechische Sprache durchge- 
hende Gewohnheit, awf emen Satz, in dem sich eine Ne- 
gation befindet, einen Gegensatz mit ἀλλὰ folgen zu las- 
sen. Schrieb daher Sappho φαίνομαι οὐδέν, so folgte 
dieser Gewohnheit zemüss ein ἀλλὰ mit dem Gegensatze, 
der nichts als die Bestütigung des vorhergehenden Satzes 
war, und folglich einen Theil dieses Satzes ausmachte, 
weshalb er von dem Longin nicht weggelassen werden 
konnte; bei der Wiederholung aber, weil diese alles kurz 
zusammenfassen sollte, eben so nothwendig wegbleiben 
musste, da er schon in dem παρ᾽ ὀλίγον τέϑνηχεν ent- 
halten war. Auf eben dieselbe Weise, nur umgekehrt, lie- 
ben bekauntlich die Griechen auch einen affirmativen Satz 
durch die nachfolrende Verneinung des Gegensatzes. , die 
aber natürhch nicht durch ἀλλά, sondern durch zai an- 
geknüpft wird, zu verstürken, wie γγωτά, xov)x ἀἄγνω- 
τά μοι. Hieraus folet, dass in dem verdorbenen Verse 
dasselbe, was mit φαίνομαι οὐδὲν gesagt is, aber in 
afürmativer Form gesagt war, wie bei dem Aeschylus 
im Prolog der Eumeniden, nur dass dort statt ἀλλὰ die 
gleichbedeutenden Partkeln μὲν οὖν stehen: 


δείσασα γὰρ γραῦς οὐδέν, ἀντίπαις μὲν οὖν. 


- Wenn wir demnach den Gedanken, der ausgedrückt seyn 
muss, gefunden haben, so sind wir wenigstens gesichert, 
bei dem Versuch einer Emendatien nicht auf etwas, wo- 
ran micht zu denken ist, zu gerathen. Demusgeachtet 


UND SAPPHO. 113 


getranen wir uns nicht, ohne Hülfe von Handschriften zu 
bestimmen, in welchen Worten der Gedanke ausgespre- 
€hen war. indessen mügé doch, damit an der Müglich-- 
keit nicht gezweifelt werde, versuchsweise 9 zumal da in 
einem Codex παντόλματον als ein Wort geschrieben ist, ^ 
folgendes aufgestellt werden: 


p τεϑνάχην δ᾽ ὀλίγω "πιδευὴς 
φαίνομαι οὐδέν, 
ἀλλὰ παντόλματον ἀπεῖπεν ἧτορ. 


So sagt Euripides in der Hecuba V. 942: τάλαιν᾽, 
ἀπεῖσιον ἄλγει. 

IX. Hier ist Neue auf den wunderbaren Einfall ge- 
kommen, die schon oben berührten Worte bei dem He- 
rodian, ψαύειν δὲ οὐ δοκεῖ μοι ὠραγνῶ Ovcnaxéo, 
folgendermassen in Sapphisches Metrum zu bringen: 


ψαύειν δὲ [πόλον] δοκεῖ μοι 
ὠρανῶ δυςπαχέα.- 


Ac tangere mili eidelur. polum. caeli. 4mmensum. 250 
Ausser dem, was Seidler hiergegen eingewendet hat, ver- 
dient auch noch die Construction von ψαύειν mit dem 
Accusativ Tadel, die wohl aus Passows Woórterbuch ge- 
nommen ist, wo sie mit ein Paar missverstandenen Stel- 
len des Sophocles belegt worden. ^ Einleuchten musste 
aus den Worten des Herodian, was Seidlern nicht entgan- 
gen ist, dass Sappho ὀρανῶ schrieb, wodurch das Sapphi— - 
sche Metrum wegfáll. —Seidler vermuthet nun zwar sehr 

" imgeniós, dieses Fragment sey aus dem choriambischen 
Gedichte auf eine reiche und ungebildete Frau genom- 
men, aus welchem das neunzehnte Fragment ist, wes- 
halb er lesen will: 


ψαύειν δ᾽ οὐ δοχέει μοι δρανῶ δυςπαχέα. | 

"Er glaubt, der Vers habe sich mit δυςπαχέ οὐδένα 
geendigt. Δυςπαχὴς beziehe sich entweder auf die Roh- 
heit oder anf den Reichthum, da παχὺς in beiden Be- 


ziehungen gesagt werde, Den, Hiatus sucht er durch | 
ξεν. Or. VI. H | 


n4 | UEBER HOMER 


andere Beispiele aa rechtfertigen, die jedoch von gams 
amderer Árt sind; und das einzige, das noch allenfalls 
passen würde, Fr. 66: 
χρύσειοι ἐρέβινϑοι ἐπὶ dióvov ἐφύοντο, 

ist unsicher, da wohl hier ein δ᾽ dazwischen gestanden 
haben konnte, es aber auch ohne δ᾽, als im heroischen 
Versmaasse, nichts beweist, und selbst wenn dieses χρύ- 
costo, ἐρέβινϑοι in. choriambischem Metrum stánde, da- 
durch nicht das enklitische μον unter dem Ictus gerecht- 
fertigt seyn würde, Eben so wenip will uns das δυς- 
παχέα zusagen. Der Vers scheint uns ein daktylischer 
mit der Basis gewesen zu seyn, und δοχεῖ uo. aus falsch 
verstandénem δοχεῖμ᾽, worüber οὐ geschrieben war, ent- 
standen. Dann bedarf es nur der Hinzufügung eines ein-, 
zigen Buchstabens in dem Worte δυςπαχέα, üm einen 
sehr guten Sinn zu erhalten: | 


ψαύειν δ᾽ οὗ δοχέοιμ' ὀρανῶ δυσαπαχέα" 
ich müchte nicht glauben, dass ein Misstóne Singender 
an den Himmel reiche. — Dieser Gedanke würde sehr 
put in das Gedicht passen, aus welchem das sechzehnte 
Fragment entnommen ist: 

μνάσασϑαί τινά φαμι xoi ὕστερον Gdugué£ov: 
uud man kónnte daraus vermuthen, Sappho hütte sich 
in diesem Gedicht mit einem andern, oder überhaupt mit 
andern Dichtern verglichen. 

X. Dieses von dem Aristoteles Aefor. 1J. 23. 

erwühnte Fragment führt Gregorius iq dem Commentare 
zum Hermogenes S. 8906. so an: οἷόγ ipgouw ἡ :Σασι- 


25190; ὅτι τὸ ἀποθνήσκειν “ακόν" οἱ ϑϑοὲ γὰρ τοῦτο 


(Aristoteles οὕτω) χεχρίκασιν᾽ ἀπέϑνησχον γὰρ ἄν 
(so weit auch Aristoteles), εὔπερ ἦν χαλὸν τὸ ἀποϑνή- | 
σχειν. Wir sind geneigt, auch das, was Gregorius hin- 
zufügt, für Worte der Sappho zu halten, und das ganse 
Fragment so σὰ lesen: 
ἀποθνάσχειν χὰἀκόν᾽ οἱ ϑεοὶ γὰρ οὕτω wexgl- 
| xetUty. 


4 


- 


UND SAPPHO. 115 


ἀπέϑνασχοψ γὰρ ἄν, αἴπερ ἦν καλὸν δή μ᾽ ἀπο- 
ϑνάσχειν. 


XV. Hier hat Neue die vom" Athenáus XI. p. 460. 
D. erhaltenen Worte, πολλὰ à" ἄνάριϑμα ποτήρια χα- 
λαίφις, so geschrieben: 


᾿ πολλὰ δὲ xai ἀνάριϑμα ποτήρια 
χαλλαίφης" 


anita vero et. $nnumera pocula glutís : indem er 
ganz selteamer Weise behauptet, dass πολλὰ ἀνάριϑμα 
ohne dazwischen gesetztes xo, πολλὰ δ᾽ ἀναριϑμὰ 
aber nicht ohne xoi gesagt werden kónne. Gegen den Hiatus, 
den das eingeschobene xc macht, haben wir dasselbe zu erin- 
nern, was Er. 9. gegen μοι; und καλλαίφην, d. i. xa- 
ταλαιφᾶν, ist ein neu gemachtes Wort ohne Auctoritüt. 
Mit solcher Willkür ist nichts unmóglich. — Sieht man 
aber auf das Wabrscheinliche, so ist wohl nichts natür- 
licher, als dass za ποτήρια noch ein anderes Wort, wel- — 
ches Trinkgeschirre bedeutete, hinzugesetzt gewesen sey. 
Welcls, getrauen wir uns nicht mit Sicherheit zu be- 
stimmen, aber wohl móglich wáre es, dass das verdor- 
αλ 

bene χαλαίφις aus χαιφι, d. i. xai φιάλαι, entstanden 
würe, In diesem Falle würde an den Worten weiter 
nichts zu ndern seyn; und dass sie in ein von der 
Sappho, wie es scheint, gebrauchtes Metrum, so wie zu 
dem in diesem Metrum behandelten Gegenstamde passen, 
werden wir zu Fr. 70. zeigen. 

XVI. Neue und Blomfield Fr. 81. lesen dieses Fra- 
gment mit Volger so: 

^ μνάσασϑαί τινά φαμι xai ὕστερον ἀμμέων. 
Bei dem Dio Chrysostomus am Ende der 37. Rede Th. 
If. S. 128., aus welcher es genommen ist, steht xoi 
ἕτερον.  Beidler S. 270. vermuthet aus den Worten des 
Aristides T^. H. S. 508., der neuesten Ausgabe: οἶμαι 
δέ σε χαὶ Σαπφοῦς ἀκηκοέναι πρός τινα τῶν εὖδαι- 
μόμων δοκουσῶν εἶναι γυναικῶν μεγαλαυχουμένης 
καὶ λεγούσης ὡς αὐτὴν αἱ Μοῦσαι τῷ Tt ὀλβίαν 
2 


425 


M6 UEBER HOMER 


τε xoi. ζηλωτὴν ἐποίησαν xai ὡς οὐδ᾽ ἀποθανούσης 
ἔσται λήϑη, dass auch dieses Fragment aus dem Ge- 
dichte an die reiche, aber ungebildete Frau: sey, wie vor 
ihm schon Blomfield zu Fr. II. meinte, und man also 


A € 


2wohl xoi ἕτερον zu rasch geündert habe, da, wenn χἄ- 


τερον geschrieben werde, und nach qo/ ein Choriamhe 
fehle, alles richtig sey; denn es kónne ja leicht ein Ge- 


. danke vorhergegangen seyn, auf den sich dieses xoi ἕτε- 


gov bezog, z. B. ,,nicht bloss mein Vaterland und mei- 
me Freunde werden meiner gedenken, auch andere. Ue- 
ber eine Sache, deren Méóglickheit sich eben so wenig 
leugnen, als die Wirklichkeit des Gegentheils, in Ermang- 
lung von bestimmten Zeugnissen, behaupten lisst, kann 
nicht gestritten werden; wohl aber kann der Grad der 
Wahrscheinlichkeit in Frage kommen. Und von dieser 
Seite móchten wir der Volgerischen Emendation den Vor- 
zug geben, nicht bloss wegen ihrer Leichtigkeit, und weil 
dadurch gleich ein ganzer tadelloser Vers hergestellt wird, 
als wegen der Natürlichkeit des Ausdrucks. Denn ὠνά- 
σασϑαί τινά φαμι κἄτερον duuéoy, was ganz richtig 
gesagt seyn würde, wenn die Worte eine Drohung ent- 
hielten, setzt, da sie den  Nachruhm betreffen, eine 
siémlich gesuchte Beziehung voraus, wie eben die von 
Seidler aufgestellte ist. Sollte aber diese einen poeti-: 
schen Charakter haben, so müsste wieder zu dem χἄτε- 
gov noch eine Beschreibung hinzukommen, z. B. χἄ- 
veQoy Ἑλλάνων. Aber das würde bei einer griechischen 
Dichterin sehr befremden. Denn ein griechischer Dich-.. 
ter denkt sich gar nichts anders, denn als σοφίᾳ πρό- ^ 
qavrov xaO" Ἕλλανας ἐόντα παντᾷ.  Von.den Bar- 
baren nehmen sie gar keine Notiz, und etwas, wie sme 
Colchus et qui. dissitnulat metum Marsae cohortis 
Dacus et ultimi noscent. Gelont; me peritus dis- 
cet Iber Rhodantque potor, ist ihnen fremd. — Uebri- 
gens ist der Gedanke an den.Nachruhm den Dichtern 
so natürlich, dass wohl anch Sappho, wie Pindar, wie 
Horaz, in mehreren Gedichten ihrer Unsterblichkeit kann 


gedacht haben. Ja wir sind um 80 mehr geneigt zu 


᾿ς ΝΡ SAPPHO. 15 


glauben, dass das Fragment nicht aus dem Gedichte an 
die reiche Unwissende ist, weil die andern Sichriftsteller, 
die dieses Gedicht in eben der Absicht, wie Dio Chry- 
sostomus, erwühnen, nicht diese Worte, sondern andere, 
die wir sogleich besprechen werden, anführen. Darüber 
hat Neue S. 46. zü Ende richtig geurtheilt. 

XIX. Dieses ist nun das Fragment des Gedichts 
πρὸς ἀπαίδευτον γυγαῖχα, welches Neue so giebt: 


καϑανοῖσα δὲ xeiasat [nóva, xov] μναμοσύνα aé- 
| £y 

ἔσσετ᾽ αὐδέποτ᾽ [εἰς] ὕςτερον " οὐ γὰρ πεδέχεις δό- 

ὃ 


| ων 

τῶν ix Πιερίας" ἀλλ ἀφανὴς κὴν " 4t0a δόμοις 

φοιτάσεις 9 πεδ᾽ ἀμαυρῶν νεκύων ἐχπεποταμέγα. 
Bekanntlich wird dieses vom Stobáus IV. 12. erhaltene. 
Fragment von mehreren Schriftstellern stückweise ange- 
führt. Das Supplement πότα im ersten Verse ist matt, 
und χωὐ oder xo) klingt in dieser Verbindung gar 
nicht griechisch, πὸ nothwendig οὐδὲ stehen müsste.253 
Mit Recht ist daher Blomfield dem, was bei Stobáus 
steht, οὐδέποτε oder οὐδέποχα treu geblieben, indem er 
οὐδέποτα schrieb. — Aber auch er hat, wie Neue, im 
zweiten Verse das unrichtige Supplement von Grotius, 
εἷς, aufgenommen, wodurch die Rede nicht nur prosaisch 
wird, sondern widersprechend: denn wer sich erinuert, 
dass εἰς ὕστερον etwas anderes als ὕστερον ist, sieht 
leicht, dass οὐδέποτε sich wohl mit ὕστερον, nicht aber 
xit εἰς ὕστερον vereinigen lüsst. Ist mun aber οὐδέ- 
στοτε. im ersten Verse richtig, so kann es nicht auch 
im zweiten stehen. Plutarch giebt im ersten Verse 
οὐδέ τις μναμοσύνα σέϑεν. Die Worte οὐδέποχ' 
ὕστερον hat bloss Stobáus,. aber die folgenden, o) γὰρ 
σεεδέχεις δόδων τῶν ἐκ Πιερίας auch Plutarch an zwei 
Sitellen, und Clemens. Es ist zu bedanern, dass die 
Metriker uns so unvollstündige Nachrichten über die von 
der Sappho gebrauchten Strophen geben. Denn obgleich 
die beiden letzten Verse offenbar choriambische, oder, 


118 UEBER HOMER 


wie die Metriker sie nennen, antispastische Tetrameter 
sind, so móchte man doch bei der Betrachtung der bei- 
. den ersten vermuthen, die Strophen wáren vom Anfang 
herein glykonisch gewesen: 


^ A / 

χατϑανοῖσα δὲ κείσεαι 

3$ , ^, 
οὐδὲ μναμοσύνα σέϑεν 
3^ 3 2. δ52 3 » . 
ἔσσετ᾽ οὐδέποτ᾽ ὕστερον 

3 Pd 
οὐ γὰρ πεδέχεις βρόδων" 


so dass der letzte, von vorn herein um eine Sylbe kür- 
zere Vers, dafern nicht auch hier οὐδὲ gestanden, den 
Uebergang zu den Choriamben gemacht hátte. Allein da 
wir zu einer solchen Hypothese nicht berechtigt sind, 
müssen wir wohl das Gedicht für chorimbisch halten, 
und daher die Krasis der Sylhen so; οὐ zulassen. Dann 
dürfte das Fragment, wenn es griechisch klingen sell, am 
wahrscheinlichsten so zu verbessern seyn: 


κατϑανοῖσα δὲ κείσεαι, οὐδέ ποτα μναμοσύκα σέ- 
Ote» — 

ξἔσσετ᾽, οὔτε s τόν οὔτ᾽ ὕστερον" οὐ γὰρ πεδέχεις 
᾿βρόδων 

τῶν ἐκ Πιερίας, ἀλλ ἀφανὴς Jv * fíoa δόμοις 

φοιτάσεις πεδ᾽ ἀμαυρῶν νεχύων ἐκπεποταμένα. 


Das letzte Wort giebt der Codex Α. richtig im Nomi- 
nativ. Die Trincavellische Ausgabe hat ἐχπετοταμέναν, 
daher Gesner, man weiss nicht woher, nach φοιτάσεις 
folgendes giebt: οὐδεὶς δέ oe ᾿βλέψει παῖδ᾽ duavodv 
γεχύων ἐχπεποταμέναν.  Blomfield und Neue haben den 
Vers richtig geschrieben, aber der letztere scheint ihn 
nicht richtig verstanden zu haben, da er nach φοιτάσεις 
ein Komma gesetzt hat. Denn z:0" ἀμαυρῶν νεχύων 
ist mit φοιτάσεις, nicht mit ἐχπεποταμένα zu verbin- 
den, welches Participium für sich allein steht, und so 
viel als vecors, unstüten, scheuen Gemüthes, bedeutet. 


254 XX. Hier kónnen wir der Meinung Seidlers micht 


beitreten, dass das Metrum glykomisch, und der erste 
Vers das Ende der Strophe sey, da weder der Mangel 


τ m. i — —— 


. UND SAPPHO. H9 


eines Ruhepunkts am Sehlusse der Strophe, moch die 
Zusammenziehung in νεώτερον, noch die Vernachlüssi- 

des Digamma in ξυνοικεῖν angenehm ist, wenn man * 
die Verse so abtheilt, wie er will: 


ἀλλ ἐὼν φίλος ἄμμιν 
λέχος ἄρνυσο νεώτερον᾽ 
οὐ ᾽ γὰρ τλάσομ᾽ ἐγὼ ξυγοι- 
xti». ἐοῖσα γεραιτέρα; 


oder νέῳ οὖσα mit der Krasis (so, nicht mit dem Hia- 
tus, wolle er sagen). Wahrscheinlich stiess er sich an 
die etwas ungewóhnliche Verdoppelung ἄργυσσο, da man, 
wenn diese Verse, wie wir mit Blomfield, Neue, und an- 
dern glauben, choriambische sind, so atatt ἄργνυσο schrei- 
ben muss. Die Handschriften haben &ovnoov. Im zwei- 
ten Verse ist ξυν οϊχῆν zu schreiben, und nicht οὖσα, 
das im diesem Dialekte nicht Statt findet, hütte Neue 
geben sollen, sondern wenigstens, was er auch für em- 
pfehlenswerth hült, oco, da der Codex des Ursinus μέ 
οὖσα hat. Aber die wahre Lesart, δῦσα, findet sich in 
den Mss. A. B., die nicht, wie Neue angiebt, vé! οὖ- 
σα haben. 

. Dieses Fragment, welches Blomfield Fr. 35. 
im ganz angewühnlichen Versmaassen, Neue hingegen zwar 
in dem richtigen Versmaasse, aber mit zwei an den un- 
rechten Stellen eingeschobenen Wórtchen τοὶ πότ᾽ gege- 
ben hat, ist, wie Seidler mit Recht bemerkt, abgekürzt 
von dem Athenüus gegeben worden, wie auch die vom 
Maximus Tyrius erhaltenen Worte zeigen, — Leicht aber 
lassen sich die Stellen entdecken, wo das, was vorhanden 
ist, stand: 


τίς δέ o ἀγροιῶτιν ἐπεμμένα 
σπόλαν. C ϑέλγει γόον, . .. 
οὐχ ἐπισταμένα τὰ βράχὲ ἕλκην à ἐπὶ τῶν σφυ- 
ρῶν. 


ΧΧΥ͂, Dieses Fragment findet sich beim Athenüus 
IX. 8. 410. D. so geschrieben: Σαπφὼ. δ᾽ ὅταν λέγῃ 


129 UEBER HOMER 


ἐν τῷ πέμπτῳ τῶν μελῶν πρὸς τὴν ᾿Ἱφροδίτην, χει" 
ρόμακτρα δὲ χκαγγόνων πορφυρᾶ, xai ταῦτα “μὲν 
ἀτιμάσεις ἔπεμψα πυφῶώχαας ϑῶρα τίμια; χκαγγόνων 
κόσμον λέγει χεφαλῆς τὰ χειρόμαχτρα. — Statt. xoi. 
ταῦτα hat der Codex A. xearevra ,.der Codex B. χατ 
ταῦτα, und statt ἀτιμάσπεις der Codex Α. ἀτατιμάσεις. 
Zu welchen abenteuerlichen Verbesserungsversuchen die- 
ses Fragment Veranlassung gegeben hat, findet man bei 
Schweighüuser angegeben. ^ Blomfield Fr. 70. hat die 
Verse falsch abgetheik, übrigens aber sich der Kritik 
enthalten. Neue giebt sie 80: 


255 χειρόμακτρα δὲ πορφυρᾶ 

| ταῦτα μὴ [σύ 7] ἀτιμάσεις, 
[ταγ7}] ἐ ἔπεμψ᾽ ἀπὺ «Ῥωχάας 
δῶρα τίμια κὰγ γόνων. 


Àn dem Sinne würe nichts auszusetzen: doch hàte mit 
Jacobs ἀτιμάσῃς geschrieben, und nicht den irrigen Be- 
hanptungen Schüfers üher das prohibitive Futurum ge- 
traut werden sollen ; ; ταγ᾽ ist matte und unpoetische Er- 
günzung , xày γόνων aber, wie Seidler gezeigt hat, 
falsch, da γοῦνα üolisch γόννα, nicht γόνα heissen. 
Auch Tte die seltsame Redensart. κατὰ voveo» nicht | 
mit dem ganz unühnlichen χατὰ χειρὸς ὥϑωρ. sollen ge- 
rechtfertigt werden. Seidler vermuthet, die Stelle habe 
arsprünglich so gelautet: 


χειρόμακτρα δὲ xày κόμων 
πορφυρᾶ 
χαταρταμένα τιμᾷς" 
εἴς σ᾽ ἔπεμψ᾽ dn) «Φωχάας 
δῶρα τίμια xày κόμων. 
So ingeniós auch diese Conjectur ist, so kónnen wir sie 
doch nicht für das Wahre halten. Auf den nngewühn- 
lichen Cretikus in einer glykonischen Strophe eines Ly- 
rkers legen wir kein Gewicht: denn leicht kónnte Áthe- 
nüus etwas ausgelassen haben, das den glykonischen Vers 
' ergünzte. Bedeutender aber ist Folgendes. Erstens scheint 


UND SAPPHO. 121 


wns der Gedanke doch gar zu eigen, dass zu der Git- 
tin gesagt. werde: ,,du hültst viel auf Handtücher in 
den Haaren: ich schicke dir recht schóne von Phocáa.* 
Wenn Sappho das zu einer Freundin sagte, derem Ge- 
schmack sie kannte, würe das sehr gut: aber zu der 
Góttün gesagt, klingt es doch gar zu naiv. Sodann hat 
Seidler nicht beachtet, dass der Dialekt doch xà» xo- 
μᾶν erfordern würde. Endlich kóünnte, auch hier wohl 
schwerlch si; σ᾽ ἔπεμψα gesagt werden, sondern es 
solle col ἔπεμιψα heissen, da die Geschenke ihr, der 
Güttin, aber nicht zu ihr geschickt werden. Da xaoy- 
yóvov zweimal ohne Varianten im "Texte steht, lüsst 
Sich nicht viel an dem Worte ándern. Sonst würe die 
Conjeetur von Casaubonus, πλαγγόνων ziemlich anspre- . 
.ehend, da Hesychius unter πλαγγὼν sagt: xai πλαγ- 
yóvec, κεκρύφαλοι. — Was es auch mit diesem. χαγγό- 
γών für eine Bewandtmiss habe, so scheint doch so viel 
klar, dass es entweder eine besondere Árt Zeug, aus 
welchem dié χειρόμακτρα gemacht waren, oder eine be- 
sendere Form derselben bedeutet haben müsse.  Bedenkt 
man nun, dass Pollux VIT, 73. die Handtücher mit fol- 
genden Worten erwühnt: λάσια δὲ ἐκάλουν τὰ ucA- 
λοὺς ἔχοντα xeipóuaxrQa, ὡς ἀπὸ τῆς δααύτητος; 
sodamn, dass er diese λάσια ebenfalls mit Worten der 
Sappho belegt; fermer, dass diese Worte, die bei Neue256 
das 31. Fragment sind,-gleichfalls, wie das 25ste, ἐν 
τῷ πέμπτῳ τῶν Σαπφοῦς μελῶν gestanden haben sol- 
len, und mithin auch sie in glykouischem Veramaasse - 
waren: so wird es nicht nur wahrscheinlich, dass sie 
gar auch aus eben demselben Gedichte entnommen sind, 
sondern wir haben auch eine Spur, die, da λάσια eine 
Art χειρόμαχτρα seyn sollen, auf eine leichte Emenda- 
tion führt. Denn Pollux sagt: ἐν δὲ τῷ πέμπτῳ τῶν 
Σαπφοῦς μελῶν ἔστιν εὑρεῖν, Gugi λάβροις λασίοις 
εὖ ἐπύχασε᾽ καὶ φασὶν εἶναι ταῦτα σινδόνια ἐπε-- 
στραμμένα. Offenbar hat er dieses aus den Erklürern 
der Sappho genommen. Da nun ἐπεστραμμένα ,,zusam- 
mengedrebte*€ bedeutet, so dass vermmthlch die Handtü- 


122 UEBER HOMER 


cher nach Art eines Seiles gewunden, und so um dea 
Kopf befestigt wurden, so legt der Gedanke ganz nahe, 
dass die Grammatiker sich dieses Wortes zu Erklürumg 
des problematischen χαγγόνων bedient haben, das nicht 
J. KAITON.ON, sondern KATTON/YN . geschrieben war, 
d, i. χατατόνων, was so viel als ,,gespaunt* bedeutet, 
und folglich mit dem angegebenen Begriife sehr wohl 
übereinstimmt. Wir wollen dieses daher als das Wahre 
scheinlichste annehmen, — Wenn wir dann die Worte 
des Athenüus betrachten, 80 scheint sich ganz na- 
türlhch zu ergeben, dass er nicht eine, sondern swei 
Stellen aus dem Gedichte anführte, und folglich, wobei 
wir einen ganz schicklichen und passend ausgedrücktem 
Gedanken erhalten, so geschrieben hat: Σαπφὼ δ᾽ ὕταν 

yp àv τῷ πέμπτῳ τῶν μελῶν πρὸς τὴ» ᾿Αφρο- 
δίτην, 


χειρόμακτρα δὲ καττόνων 
πορφυρᾶ, 
s , 


xc. 


3 25» 3 


ταῦτα τἄμ᾽ ἀπατιμάσεις, 
0d ἔπεμψ᾽ ἀπὺ Φωχάας 
δῶρα τίμια χαττόνων; 


κόσμον λέγει χεραλῆς τὰ χειρόμαχτρα. — Nachdem 
Sappho die Geschenke genannt hat, durch die sie sich die 
Góttin geneiyt zu machen gehofit hatte, führt sie fort: 
 »üiese meine kostbaren Geschenke willst du verachten?*€ 
Da, wie wir gesagt haben, auch das vom Pollux erhal- 
tene 31. Fragment hierher zu gehóren scheint, in wel- 
chem Seidler gewiss richtig ἀμφὶ δ᾽ ἁβροῖς verbes- 
ser, so muss auch dieses in glykonischem "Versnraasse 
seyn. Hat das δ᾽ im Texte gestanden, so hat Pol- 
lux wohl etwas, z. B. σὸν χάρα oder σὸν βρέτας, 
weggelassen : 


2 
ἀμφὶ δὲ [σὸν κάρα] 
ἁβροῖσιν λασίοισιν εὖ 
ἐπύχασσε- 


UND ΒΑΡΡΒΟ.΄ 123 


Ausserdem kónnte es aber auch geheissen haben: 
τς ἀμφὶ δ᾽ ἁβροῖσιν εὖ ἢ 257 
λασίοις ἐπύκασσε. ) . 
Da Sappho, wie das ἔπεμψα zeigt, die Geschenke nicht . 
selbst gebracht hat, so bezieht sich die dritte Person 
ἐπύχασσε wahrscheinlich auf eime Freundin, die in ihrem 
Auftrage das Standbild der Góttin geschmückt hatte. 

'" XXVI. Hier würde es ráüthlicher gewesen: seyn, 
ὑποθυμίδας zu schreiben, als eine Synizesis in ὕποϑυ-- 
μίαδας ahzunehmen.  Uebrigens liegt allerdings in dem, 
was bei dem Athenüus XV. S. 674. C. so geschrieben 
ist, ἀντια παλαιδέραι, das üolische dum ἀπαλᾷ δέρᾳ: 
aber eigen ist es, dieses Gut gerade hier zu finden, 
wo.es wegen des folgenden o; nicht angenehm klingt, 
da anderwürts dugi steht, wie Fr. 4. 31. 

XXX. Im Etym. M. S. 822, 40. steht dieses 
Fragment 80: φασὶ δή ποτε λήδαν vaxivOivov πεπυ- 
καδμένον εὑρεῖν dior. Von den Pariser Handschrif- - 
ten giebt die eine φασὶ γὰρ ποταμὸν δακίνϑινον Aj- 
δαν: die andere und Zonaras S. 1879. φασὶ δὴ zo- 
ταμὸν ὑαχίνϑινον λήδαν. Athenüus Hl. S. 57. D. 
und Eustathius S. 1689, 40. φασὶ δή ποτε “ήδαν 
diov εὑρεῖν. Neue, ohne über das Metrum entscheiden 
zu wollen, hült Folgendes für wahrscheinlich: 


φασὶ δὴ πότα ““ήδαν ὑαχίνϑινον 

πεπυχαδμένον ὥϊον 

εὑρεῖν- 
Seidler nennt die Wortstellung beim Zonaras ὕὑαχίγνϑι-- 
vov λήδαν offenbar falsch, und meint, wenn man nur in 
diiov die erste Sylbe als kurz annehme, habe man ja in 
der Lesart des Etymologicum fast zwei ganze Asklepia- 
dische Verse, welches Metrum Sappho oft gebraucht habe; 


φασὶ δή ποτε day ὑακίνϑινον 
πεπυκαδμέγναν δὑρεῖν ὠΐον. . 


Darin kónnen wir nicht beitreten, — Denn erstens ist die 


124 UEBER HOMER 


Correption des ὦ in do» keineswegs wahrscheinlich, und 
leichter wiirden wir glauben, dass vor ὦϊον zwei Sylben 
fehlten; zweitens hat die Lesart des gedruckten Etymo- 
logicum nicht nur nicht gróssere Auctoritüt, als die des 
Zonaras, sondern vielmehr geringere, da zwei Handschrif- 
ten des Etymologicum die Wortstellung des Zonaras be- 
státigen; drittens fragen wir, was eov voxivOtvov sey. 
Neue ferügt diese Frage sehr leicht damit ab, dass m den. 
Mysterien.alles purpurn sey, wozu er Creuzers Symbo- 
lik II. S. 358. anführt. Aber auch ein Ey? Und 
die Mysterien müsste man doch auch erst. durch eme 
sehr unsichere Vermuthung mit dem Fragmente in Ver- 
binduny setzen. Endlich viertens, was soll σεπυκαδμέ- 
258yrov seyn, wenn nicht noch etwas dazu gesetzt wird? 
Uns scheint aus diesem allen hervorzugehen, dass das 
Fragment ürger verdorben ist, als man geglaubt hat, wo- 
rauf gewissermassen auch die Lesart ποταμὸν binweist. 
Wenn nun auch das Wahre ohne Handschriften schwer- 
lich ausgemittelt werden kann, .so muss doch, wie uns 
dünkt, der Sinn der gewesen ἜΘΟΥ, den etwa folgendes 
giebt : 
φασὶ δή o9 on ἀνθέων ὑακινϑίνων 
“Ἵήδαν ὥὦϊον εὑρεῖν πεπυχαδμένον. 


XXXI. Hierüber ist bereits zu ΕἾ. 25. gesprochen 
worden. 
XXXV. Hier sind alle Zweifel durch den glücklichen 
Fund des Dr. Walz gehoben, der auf der letzten Seite 
des rheinischen Museums angegeben ist. . 
| XLI. Neue und Blomfield Fr. 74. haben die Worte 
gegeben, wie sie bei dem Galen stehen; allein das Me- 
trum ist nicht das der Sapphe gewóhnliche, indem am 
Ende des ersten Verses zwei kurze Sylben fehlen, und 
der zweite durch ἔσται katalektisch wird. — Es ist 2u 
Schreiben: 


ó μὲν yàp καλὸς ὅσσον ἰδεῖν πόλοται καλός" 
. δᾶὰδὲ χἀγαϑὸς αὐτίκα καὶ καλὸς ἔσσεται. 


XLIL Diese- Verse schreibt Neue nicht richtig so: 


UND SAPPHO, 125 


εὐμορφοτέρα Mvaaidixa τᾶς ἁπαλᾶς Γυρίννως' 
ἀσαροτέρας οὐδάμ' ὑπωράνια σέϑεν τύχαις ἄν. 
Formosior quum sis, Mnasidica, quam tenera Οῳ- 
rinno, maestiorem. nusquam sub caelis temet «psa 
repererss.. Hier ist nicht bloss die Synekphonesis, und, 
nachdem: was oben über ógcvóc gesagt worden, das ganze 
ὑπωράγια, sondern auch die Wendung des Gedankens 
selbst .verwerflich. Die Handschriften des Hephüstion ha- 
ben ἀσαροτέρα. σοῦ δ᾽ ἅμ᾽ ἐπώραναν σέϑεν τυχοῦσα. 
Kine:. ἀσαροτέρα σοῦ δ᾽ Gu ἐπὶ ὥρανε τυχοῖσα. 
Eine andere: ἀσαρωτέρα σουδαμὰ πωρανα σέϑεν τυ- . 
χοῖσαν. Die Vulgata ist: ἀσσαροτέρας οὐδ᾽ ἅμα 
πώραγνα σέϑεν τυχοῖσαν.  Sonach braucht man keinen 
,Buchstabem zu àündern, die Verdoppelung des » ausge- 
nomnmen; und auch diese nicht einmal, da ραγαν eigentlich 
ρανα mit darüber geschrieben gewesenem » zu seyn 
Scheint, um emen ganz einfachen guten Sinn zu erhalten: 
εὐμορφοτέρα ἹΜνασιδίχκα τᾶς ἁπαλᾶς Γυρίννως 
ἀσαροτέρας οὐδαμά πω, ἤραννα, σέϑεν τυχοῖσα" 
Formosior tenera. Ουγέπηομο παβλΐοα fastidso- 
storem nullo modo dum, amalnhs, quam te ex- 
perta. —Vermuthlich folgte im náchsten Verse ὦ mit 
dem Vocativ der Angeredeten. Denn sonst würde es ὦ 
"gavva heissen müssen, aber es scheint hart, οὐδάμ᾽ ἔπ, 
ὦ ραννα, σέϑεν τυχοῖσα; d. i. ἐπιτυχοῖσα, zu lesen. 
᾿ς XLIV. Athenàus schreibt XV. S. 674, E.: Σαπ-259 
φὼ δ᾽ ἁπλούστερον τὴν αἰτίαν ἀποδίδωσι τοῦ στεφα-- 
γνοῦσϑαι ἡμᾶς λέγουσα τάδε᾽ σὺ δὲ στεφάγοις ὦδικα 
παρϑέσϑ' ἐραταῖς φόβαισιν ὅρπακας ἀννήτω συνεῤῥαὶς 
ἀπαλλαγίση χερσίν. εὐάνθϑεα γὰρ πέλεται καὶ χάριτες 
μάκαιρα μᾶλλον προτέρηνα στεφανώτοισι δαπυστρέ- 
φονται. ὡς εὐανϑέστερον γὰρ καὶ χεχαρισμένον μᾶλ- 
λον τοῖς ϑεοῖς παραγγέλλει στεφανοῦσϑαι τοὺς ϑύον-- 
τας. Dass ἁπαλαῖσι χερσὶν und ἀστέφανώτοισι δ᾽ ἀπυ- 
στρέφονται zu schreiben sey, sah schon Casaubonus. 
Neue: macht es wahrscheinlich, dass συγνεέῤδαιο᾽ zu schrei- 
ben ist, von συνείρειν». Mit Recht bemerkt Seidler, dass 


126 UEBER HOMER 


diess dàs einzige ist, was von Neue's Conjecturen An- 
spruch auf Billigung machen kanm. Was müt ὠδικὰ an- 
zufangen sey, wissen wir eben so wenig, als Ándere, an- 
zugeben.  Indessen ist bemerkenswerth, dass sich bei dem 
Hesychius ὦ δέμα, ὦ αὐτὴ findet, was wohl ὦ αὕ- 
v: heissen soll, und dem Sinne nach gut in das Fra- 
gment passen würde. Wenn darin nicht ein Fehler ver- 
borgen liegt, so müsste man es für eine familiáre Ánrede 
halten, die entweder ὧδ᾽ iud, huc mea, mit üolischer 
Correption, oder ὦ δέμα statt ὦ δέμας mit einer Áb- . 
kürzung würe, wie sie etwa bei dem Attikern in ὦ μέλε 
gefunden wird. Die beiden letzten Verse schlàgt Seid- 
ler vor so zu lesen: s 
εὐάνϑεα μὲν γὰρ πέλεται κεὐχάριτ' ἐς μακαίρας 
μᾶλλον προτόρην" ἀστεφανώτοισι δ᾽ dnvorgé- 
φονται. 
Προτόρην, d. i. προςορᾶν, halten wir für eine über- 
aus glückliche Emendation, Im übrigen aber kónnen wir 
nicht beistimmen, sondern beharren vielmehr bei der von 
uns ihm mitgetheilten Conjectur εὐανϑεία. —Allein er 
nahm dieses als Ádjectiv, und trug daher mit Recht Be- 
denken, eine solche Adjectivíorm bei der Sappho anzu- 
mehmen.  JDesshalh war er genóthigt, des Versmaasses 
wegen noch ein μὲν einzuschieben. Κεὐχάριτα zu 
schreiben finden wir nicht nóthig, und ἐς μακαί- 
ρας Scheint uns nicht recht passend, indem dann das 
προτόρην sich nicht auf die Góttin, die die Blumen 
gern sáhe, sondern auf die Menschen beziehen würde, 
die es gern sáhen, wenn jemand sich für die Gótter wohl- 
gefülig schmückte. ^ Unsere Meinung war, dass δὐα»- 
ϑεία als Substantiv für Blumenschmuck genommen wer- 
den solle. Dann bekommen wir mit weit geringerer 
Veründerung einen sehr guten Sinn, in den wir das pro- 
blematische ὦ δέμα einstweilen, und von Seidler περ-- 
Déc9? und προτόρη» aufnehmen: 


σὺ δὲ στεφάνοις, ὦ δέμα, περϑέσϑ᾽ ἐραταῖς qó- - 
| ^ fou, 


UND SAPPHO. 199 


ὄρπακας ἀνήτω συνεέῤῥαιο' ἅπαλαῖσι χερσίν. 

εὐανϑεΐα γὰρ : πέλδται καὶ χάριτες μαχαίρᾳ 

μᾶλλον προτόρην" ἀστεφανώτοισι δ᾽. ἀπυδστρέ- 
φονται- 


Denn Blumenschmuck ist der Géttin angenehm anzuse-260 
hen: aber von den Unbekránzten wenden sie sich ab.*€ 
: Wahrscheinlich ist von einem der Aphrodite zu bringen- 
den Opfer die Rede, Da aber Blumenkrünze amch an- 
dern Güttern wohlgefillig sind, so konnte unbedenklich 
von dem Singular in den Plural durch das ἀπυστρέφον-- 
ται übergregangen werden. 

XLV. Sappho kann nicht geschrieben haben, wie 
Neue den ersten Vers giebt: 


[0] ἀλοῦτος ἄνευ [τᾶς] ἀρετᾶς οὐκ ἀσινὴς πάροι-- 
xog. 

So würde ein Grieche kaum in Prosa, in Versen aber 
vollends gar nicht reden künnen. Die Behauptung, dass, 
wenn πλοῦτος den Artikel habe, ihn auch ἀρετᾶς haben 
müsste, ist irrig, und wie man im Deutschen richtig sagt, 
üer Reichthum ohne T'ugend,* so redet man auch im 
Griechischen, und zwar aus dem guten Grunde, weil der 
erste Begriff allen Reichthum, der zweite nicht alle Tu- 
gend umfasst. Die Scholiasten des Pindar haben πλοῦ- 
rog und ὃ πλοῦτος, und so auch Pseudoplutarch de 
nobihtate bei Wyttenbach S. 931., aber im Faebric 
Bil. Gr. ΧΗ. p. 272. der ültem. Ausgabe εὐμέμεια.- 
Vielleicht hatte Sappho den ὄλβος genannt. Denn die- 
ses Wort hat beide Bedeutungen, und offenbar nennen 
die Schriftsteller, die das Fragment anführen, nur die 
Sache, von der die Rede ist, und erst mit &vev heben 
die Worte der Sappho selbst an. Die zweite Zele, 7 
δ᾽ ἐξ ἀμφοτέρων χρᾶσις εὐδαιμονίας ἔχει τὸ ἄκρον, 
ΜΒ ums gar nicht recht wie von der Sapphe herrührend | 
&ussehen, Neue versucht das Metrum so herzustellen: 


εὐδαιμονίας δ᾽ Guqorégoy κρᾶσις ἔχησι τἄχρον. 


Aber diese Wortsielhung ist micht angenehm. ^ Leichter 


128 |». GEBER HOMER 


würe es, das Fragment nach dem Metrum, welches die 
unter No. 46. folgenden Verse haben, so zn schreiben: 


ἄνευ δ᾽ ἀρετᾶς οὐκ ἀσινὴς πάροικος" 

& δ᾽ ἀμφοτέρων κρᾶσις ἔχησι τἄχρον 

εὐδαιμονίας. 
Állem etwas sicheres lásst sich hier nicht ausmachen. 
^. XLIX. Dieses Fragment, das aus den Epithalamiis ' 
ist, gehórt wahrscheinlich in ein und dasselbe Gedicht 
mit Fr. 63., und ist daher wohl so zu schreiben: 


χαῖρε δὲ, νύμφα, χαῖρε, τίμιε γαμβρὲ, πολλά. 


Oder auch χαέρετε, νύμφα. Der Vocativ νύμφα ist 
ein Trocháus, wie sehon bei dem Homer. 


LI. Demetrius de elocuttone ὃ. 140.: αἱ ἀπὸ | 

τῶν σχημάτων. χάριτες δῆλαί εἶσι, xci πλεῖσται παρὰ 
261 Σαπφοῖ" οἷον ἐχ τῆς ἀναδιπλώσεως, ὅπου γύμφη πρὸς 

τὴν παρϑενίαν φησί" παρϑενία » παρϑενία, ποῖ μὲ λι- 
ποῦσα οἴχῃ; ἡ δὲ ἁ ἀποκρίνεται πρὸς αὐτὴν τῷ αὐτῷ σχή- 
ματι" οὐχέτι ἥξω πρός 08, οὐχέτι ἥξω. πλείων γὰρ χά- 
οις ἐμφαίνεται ἢ εἴπερ ἄπαξ ἐλέχϑη καὶ ἄνευ τοῦ σχή-- 
ματος. Neue wil das Fragment so gelesen wissen: 

παρϑενία, παρϑενία, ποῖ us λιποῖσ' οἴχῃ; 


32 


οὐχέτι πρός σ᾽ οὐδέποτ᾽ ἴξω, οὐχέτι πρός 0. i50. 


Seidler meint, der Name der Jungfrau sey von Deme- 
trius weggelassen worden, und die Verse. künnten etwa 
so geheissen haben: 


παρϑενία, παρϑενία, ποῖ us λιποῖσ᾽ ἀποίχῃ; 

οὐχέτι [Σαπφοῖ] ποτί σ᾽ ἴξω, ποτί ο᾽ οὐκέτ᾽ ἴξω- 
Wir sind fest überzeugt, dass keine von beiden Conje- 
cturen richtig ist. Die Neuische ist ganz matt; in der 
Seidlerischen geht durch die Umstellung der Worte 
bei der Wiederholung das Nairye verloren, von dem 
diese Stelle als Beispiel dienen soll; auch bringt 
diese Umstellung den nicht hierher gehürenden Gedanken 
hinein, ,,zu dir nicht mehr, aber zu einer andern werde 


ich kommen.* Offenbar führt Demetrius von dem zwei- 


UND SAPPHO. . 329 


en Verse nur das an, was er zu seimem Zwecke nóthig 
hatte, Wir glauben uns nieht sehr zu tüuschen, wenn 
wir der Sappho zutrauen, diese Verse so geschrieben zu ' 
haben: | 
παρϑενία, παρϑενία, ποῖ μὲ λιποῦσο᾽ ἀποίχεαι; 


ἔτ᾽ 2’ 


[χαῖρε, φίλα] οὐ γὰρ &r ἴξω προτὶ 0 , οὐκέτ᾽ ἴξω. 
᾿“ποίχεαι ist dreisylbig auszusprechen. 

LII. Die bei dem Hephistion S. 60. so geschrie- 
benen Worte, τί ue Πανδιονὶς ὠράνα χελιδὼν, in de- 
nen Andere ὦ ἴραννα verbessert haben, liest Neue 80: 


τί με Πανδιονὶς ὠράνια χελιδών, 


auch hier zu der sehr problematischen Synekphonesis des - 
vc seme Zuflucht nehmend, wozu ihn theils Servius in 
dem Centüimetrum, der seiner Meinung nach diesen Vers 
übersetzte, als er das Metrum zu belegen schrieb: sonat 
alia trabe fizus tibi nidus , theils Hesychius. veran- 
lasste, dessen Glosse ὡράνα , χελιδόνων ὀροφὴ er so 
corrigirt: ὠράνα χελιδών᾽ ógogj,. Er übersetzt den 
Vers: quod me Pandionis ad caelum usque hirundo. 
Diese Conjecturen künnen wir sümmtlich eben so wenig 
billigen, als es für glaublich halten, dass Sappho den Satz 
so, wie er meint, vollendet habe: προφυγοῖο᾽ οἰκία πά- 
ξαιο 0a πέμπει. Wenn. Servius wirklich aus dem Ge- 
dichte der Sappho etwas übersetzt hat, so war es einer 
der nicht mehr vorhandenen Verse, weil der erste sich 
nicht im Lateinischen zu Jonécts a m*nore eignet. 

LIV. Herodian περὶ μονήρους λέξεως S. 30, 27.:262 
ἀναδ ράμωμεν ἐπὶ τὸ προχείμενον, παραϑέμενοι τὸ τύλη, 
ὅπερ οὐχ ἦν παρ᾽ “Ἱττικοῖς. ἀλλὰ μέμνηται “Σαπφὼ ἐν 
δευτέρῳ" ἐγὼ δ᾽ ἐπὶ μαλϑαχὰν τύλαν σπολέω μέλεα" 
xüv μέν v6 τύλαγχας ἀσπόλεα" οὐ γὰρ ὃ τε σύνδεσμος. 
Neue rüth ganz unsicher umher, bemerkt aber mit Recht, 
wenn Sappho, wie er will, geschrieben habe: 


ἐγὼ 0" ἐπὶ μαλϑακὰν 
τύλαν πολέω μέλεα, 


80 kónne das Fragment nicht ans dem zweiten Buche 
Hrnw. Or, VI. 


130 UEBER HOMER 


seyn, des nach dem Hephüstion darchgüngig im fünffüssi- 
gen Daktylen geschrieben war, dafern nicht durch einen 
ganz seltsaumen Zufall von beiden Versen die erste Hálfte 
verloren gegangen sey. Auch da nicht einmal, weun 
nicht vorher bewiesen werden, dass τύλα bei der Sappho 
die erste Sylbe kurz habe. Aber ehe mam in die Rich- 
tigkeit von Herodians Angabe Zweifel setzte, hátte doch 
gefragt werden sollen, ob das Fragment nicht wirklich 
in fünffüssizen Daktylen, d. h. in daktylischen "T'etrame- 
tern mit der Basis, geschrieben, und folglich Herodians ᾿ 
Angabe richtig würe.  Áuch Seidler hat diess unbeach- 

tet gelassen, der folgende Vermuthung aufstellt: 


Α. ἐγὼ δ᾽ ini μαλϑαχὰν 
τύλαν σπολέω μέλεα. 

B. καὶ μέν τε τύλᾳ χατα- 
σπολέαι ---- 


Aber ausser dem Versmaasse steht anch dieser Conjectur 
nicht nur die ohne Auctoritit angenommene Kürze des 
langen v in τύλᾳ, sondern auch das entgegen, dass, wenn 
hier zwei Personen sprüchen, die andere ihre Rede mit 
cl μὲν anfangen müsste, und nicht xoi μὲν sagen kónnte. 
Bedenkt man aber, dass σπολέω aus χασπολέω verdor- 
ben worden, was Hesychius zu bestütigen scheint, der 
χασπολέω durch ὑποστρέφω erklürt (Seidler will dieses 
im ὑποστορέσω verwandelt wissen, aber er meinte wohl 
^ ἐπιστορέσω): 80 liegt eine leichte, und dem erlangten 
Versmaasse angemessene Emendation ganz nahe: 
ἐγὼ δ᾽ ἐπὶ μαλϑακὰν 
τύλαν κασπολέω μέλε᾽, αἷ καὶ ἅμ᾽ ἐν τὲ τὺ 
τύλᾳ κασπολέεαι" | 


Jeh werde meine Glieder auf ein weiches Kissen stre- 
cken, wenn zugleich anch du dich anf das Kissen stre- 
cken willst. 

LVII. Hepháüstion führt S. 63. an: τριβωλέτερ᾽- 
οὐ γὰρ ᾿ἀρχάδεσσι λώβα. Einige Bücher haben τριβώ- 
λετες. Neue führt den Ghórobeskns in Bekkers A4necdo- 


Dd 


UND SAPPHO. 131 


fs S. 1239. an: οἱ ΑΠολεῖς ἔϑος ἔχουσι πολλάχις συ» 
στέλλειν τὸ ἡ εἷς τὸ ε΄ ἐν τῇ χλητικῇ, καὶ ἀναβιβάζεινδβ 
τὸν τάγον, οἷον ὃ τριβολέτηρ, ὦ τριβόλετερ ἔστι δὲ εἶ» 
δος ἀκάνθης. — οἱ γὰρ Alois τότε συστέλλουσι τὸ q 

ἂν τῇ χλητιχῇ, ἡνίχα μὴ μακρᾷ παραλήγεται, οἷον ó 
τριβολέτηρ, ὦ τριβόλετερ. Man muss sich wundern, 
wie er dieses Zeugniss so ganz verwerlen konnte, dass 

er vorschlug: | ' 


» 3 


voi)" du ἕτερ᾽», oU γὰρ ᾿Αρχάδεσσι λώβα 

[ἐστὶν βαλανηφαγεῖν)], 
fere erudas alias, neque entt& Árcadibus ἐσηοηνο 
sH0sum; und das auf ἔλαιον ὠμοτριβὲς beziehen konnte, 
das doch mit der Kichelkost in gar keiner | Verbindung 
steht. Dagegen: scheint τριβολέτηρ, Wegsperre (denn 
gewiss kommt die Benennung daher, dass man mit die- 
sen Dornen die Fusssteige, die nicht betreten werden 
sollten, versperrte), ein sehr passendes Wort zu Bezeich- 
nung eines unbequem fallenden und überlástigen Menschen 
zu seyn. lm Nominativ forderte die Analogie, die sich 
aus dem heroischen Metrum herschreibt, τριβολέτηρ, mit 
dem o. Und so mügen auch die Aeolier gesagt haben: | 
aber im Vocativ, wo: die letzte Syllié kurz wurde, scheint 
man, gewissermassen nach derselben Analogie, das ὦ 
vorgezogen, und τριβώλετερ gesprochen zu haben. 

LVHI. Die beiden Verse bei dem Hephüstion S. 82. 

ἔχει μὲν ᾿Ανδρομέδα χαλὰν ἀμοιβάν; 

Pato, τί τὰν πολύολβον Ἀφροδίταν" 
hielt Blomfield Fr. 33. 34. vielleicht mit Recht für zwei 
verschiedene Fragmente. Jedes konnte der Anfang eines 
besondern Gedichtes seyn. ^ Neue sagt dagegen: sed 
ἀμοιβῆς nomen nequaquam alvenum est a rev sa- 
crae cogitatione, altero eersu contenta, ἴδ Ne- 
piunus. (nvocatur Odyss. y. 58: δίδου χαρίεσσαν 
ἀμοιβὴν σύμπασιν Πυλίοισιν ἀγακλειτῆς ἑκατόμβης. 
χαλὰν $rontce déctum videtur; quamquam — potest 
Jieri, οἱ Sappho se 1psa commoneat de veneranda 


12 


28M 
132 UEBER HOMER 


dea, cw Andromeda non frustra sacrificaeenit, 
Hüngen die Verse zusammen, so ist wohl nicht an Ire- 
nie zu denken, sondern der Zusammenhang dieser: ,,der 
Andromeda ist ein schóner Lohn zu Theil worden: Sappho, 
was bittest du noch lünger die segensreiche Góttin, oder: 
warum preisest du sie nicht ?« 

^ .— LIX. Hier hat Neues Einfille Seidler ganz leicht 
beseitigt; doch müchten wir nicht x7, sondern χἤν lesen: 


ἐγὼ δὲ κἢν νοτ- 
TO τις ἐρᾶται.- 


doch zweifeln wir an der Richtigkeit seiner Vermuthung, 
264dass '"Theokrit den Conjunctiv ἐρᾶται für einen Indica- 
tiv gehalten, und daher IL 149. geschrieben habe: 


κἧπέ μοι ἄλλα τε πολλα xai ὡς ἄρα 4έλφις ἐρᾶ- 
ται. 
Wir alten hier ἐρᾷ τευ für das Wahre, was auch Briggs 


gebillgt hat. 
LXl. Hier schreibt Neue: 


αἱ UN Ixé σ᾽ ἐσλῶν Ἱ ἵμερος ἢ καλῶν» 
χαὶ μή τι εἰπῆν Moo ἐχύχα κακόν, 
αἰδὼς [δέ] xév o οὐκ εἶχεν ὄμματ᾽, 
ἀλλ᾽ ἔλεγες περὶ τῶ δικαίω. 


Jeder andere der vielen Versuche, die er erwáhnt, dem 
drittn Vers herzustellen, wáre besser gewesen, als die- 
ses eingeschobene δέ. Denn wenn er sagt: nos malut- 
mus, ceteris éntaclis, δὲ voculam «nserere, eodem 
modo ex proíast iteratam «n apodost, quo frequen- 
ter sibi. referuntur. pronomina ὃς δὲ et οὗτος δέ, 
80 verrüth er, dass ihm die Bedingungen, unter denen 
eine solche Wiederholung des δὲ im Nachsatze sfattfin- 
det, unbekannt waren. 
LXII. Hier hat Neue mit Recht Bentley's .Conje- 
etur, xei τὰν ἐπ óo0 ἀμπέτασον χάριν, statt ἐπὶ ὄὅσ- 
σοις, verworfen: doch hüfte er nicht sofort glauben sol- 
len, Bentley habe auch τὰν für kurz gehalten, Jéce£ fa- 
lía doceant Ioannes Grammaticus Praecc. ton. p. 


g 
UND SAPPHO. | 133 


.8. et Choeroboscus in Bekkers Anecdd. Gr. p. 1200. 
An beiden Stellen haben wir nichts der Art gefunden. 
Bentley kónnte ja wohl auch nach der Lehre der Metri- 
ker eine iambische Dipodie statt des Choriamben ange- 
nommen haben. Neue theilt die Verse, die er für al- 
cüische hált, so ab: 
ΕΝ | στᾶϑι χἄντα φίλος, 
χαὶ τὰν ἐπὶ ὄσσοις ἀμπέτασον χάριν. 

Dagegen erinnert Seidler mit Recht, dass die dem στᾶ- 

J. vorhergegangene Sylbe, was wegen des oc nicht an- 
geht, kurz seyn müsste.  Ueberdiess hátte auch noch an 
dem zai in χἄντα  Ánstoss genommen werden sollen: 
denn entweder dieses oder das folgende xoi ist überflüs- 
sir, dafern nicht, und das ist wahrscheinlich, nach x&»- 

vc ein Verbum fehlt, Das Metrum scheint Sapphisches 
gewesen zu seyn. . 

.. LXIIL Ausser den von Gaisford angeführten Bü- 
chern hàben noch zwei Handschriften des Hephüstion, 
deren Varianten wir besitzen, ἄρας statt der Vulgata 
ἄραο.  Gaisfords Codex C. hat ὡς ἀρᾶϊ und ὃν ἀρᾶϑ. 
Neue sucht ἀρᾶο als aus docso zusammengezogen mit 
einer nicht wohl vergleichbaren Analogie zu rechtfertigen. 
Vermuthlich ist die alte ursprüngliche Form das Wahre,2605 
die, weil ein Abschreiber das über das o gesetzte oc, 
vermachlissigt hatte, in coco, um den Vers herauszu- 
bringen, verwandelt wurde: 

ὄλβιε γαμβρὲ, σοὶ μὲν δὴ γάμος ὡς ἀρᾶσαι 
ἐκτετέλεστ᾽, ἔχεις δὲ παρϑένον ὃν ἀρᾶσαι- 

LXV. Die Worte: οὐ γὰρ ἑτέρα ἦν παῖς, ὦ γαμ- 
βρὲ, τοιαύτα, kónnen nur dann mit den Demosthenischen, 
die denselben Rhythmus haben sollen, verglichen werden, 
wenn man mit Blomfie]d schreibt: | 


οὐ yàg ἦν ἑτέρα πάϊς, ὦ γαμβρὲ, τοιαύτα. 
Dabei hátte Neue stehen bleiben, und nicht, was sich 


nicht halten kann, vermuthen sollen,  Seidler meint, die 
Worte brauchen nicht umgestelll zu werden, wenn mam 


134 ,UEBER HOMER 


ἁτέρα ἦν schreibe, dà die Aevlier, wie ἀτερυί zeige, . 


eben so, wie die Dorier, das α in diesem Worte gebraucht 
hàben, das wohl in früher Zeit lang gewesen seyn müge, 
wie in τοῖσιν ἁτέροις des Solon beim Aristides Th. II. 
S. 398. der Dindorfischen Ausgabe. Mag das auch 
Buttmann in der Grammatik Th. L S. 121. für richtig 
ausgeben: wir kónnen uns davon nicht überzeugen. Ue- 
brigens würde das auf das üolische oder dorische ἁ kei- 
nen Bezug lhabenekónnen, das, wie in andern Worten, 
in denen es aus s entstanden ist, gewiss seine Kürze be- 
halten hat. 

LXVIII Demetrius de elocut?one δ. 141.: χα- 
ριεντίζεται δέ ποτε “Σαπφὼ καὶ ἐξ ἀναφορᾶς, ὡς ἐπὲ 
τοῦ ἑσπέρου, ἕσπερε, πάντα φέρεις, φησὶ, φέρεις οἶνον» 
φέρεις αἶγα» φέρεις ματέρι παῖδα.- muss sich ver- 
wundern, dass Neue oivov gegen das lingst von ÁAndern 
an dessen Stelle vorgeschlagene und von Blomfield auf- 
genommene ὄϊν oder οἷν in Schutz nehmen konnte. 
Durch οἶνον geht ja offenbar die ganze Naivitit und 
Anmuth verloren, da unverkennbar der Gedanke, der in 
den Worten liegen muss, dieser ist: ,,Wie die Lümmer, 
wie die Ziegen sich des Morgens auf der Weide zer- 
streuen, und am Abend heimkehren, so kehrt am Abend 
auch das Müdchen zu der Mutter zurück. ^ Eben so 
wenig glanben wir ihm zugeben zu künnen, dass die ein- 
zeluen Theile des Bildes jeder für sich weitlàuftiger aus- 
geführt gewesen seyen, wie es Catull LXII. V. 20. 26. 
30. gemacht habe. Dass Gedicht des Catull ist ganz 
verschiedener Art, und lásst sich mit der Stelle der 


Sappho gar nicht vergleichen. Daher kónnen wir auch Ὁ 


nicht in die Behauptung einstimmen, dass jeder Versuch, 
das Versmaas wieder herzustellen, vergeblich sey. Nur 
scheint Blomfield Fr. 45. vollkommen Recht zu haben, 
wenn er die ersten, von Demetrius angeführten Worte 


260aus dem Etymologicum M. an zwei Stellen und dem 


Scholiasten des Euripides zum Orestes V. 1260. (1252. 
Matth.), wozu noch das Etymologicum Gudianum kommt, 
ergünzt, welche sümmtlich anführen: 


l 


UND SAPPHO. 135 


-ἔσπερε: πάντα φέρων , ὅσα φαινόλις ἐσχέδασ' 
ἄυως. 


Und auch das billigen wir, dass Blomfield in diesem Verse 
φέρεις geschrieben hat, wie bei dem Demetrius steht, und e$ 
der Sinn und die Anmuth der Rede zu verlangen scheint. 
Zweifeln aber müóchten wir, ob dieser Vers für einen he- 
roischen zu halten würe, welches Versmaass weder zu 
dem linhalte recht passen will, noch durch die bei dem 
Demetrius folgenden Worte empfohlen: wird. — Wir sind 
. daher uugewiss, ob er nicht für einen Asynartetus. zu 
halten sey, so dass entweder die letzte Sylbe ven ὅσα 
als anceps zu betrachten sey, oder ὅσ᾽ ἃ φαινόλις zu 
schreiben würe. Wenn wir uns dari nicht irren, erbal- 
fen wir mit leichter Mühe, da auch hier Demetrius die 
Worte nicht genau, sondern nur was er bedarf, amíührt, 
zwei gleiche Verse: - 


ἕσπερε, πᾶντα φέρεις, 00 ἃ φαινόλις ἐσκέδασ᾽ 
ἄυως" 
καὶ γὰρ ὄϊν σὺ φέρεις, φέρεις αἶγα, φέρεισθα δὲ 
ματρὲ 
παῖδα. 
Doch bleibt das freilich nur eine unsichere Vermuthung. 
^. LXX. Dieses Fragment, das bei dem Athenas und 
Macrobius so gelesen wird,  Χοινῇ δ᾽ ἄρα πάντες χαρ- 
got ἔχον καὶ ἔλδιβον, ἄράσαντο δὲ πάμπαν ἐσθλὰ 
τῷ γαμβρῷ, ist allerdings sehr gewaltsam von Blom- 
field Fr. 8. in Sapphisches Metrum gezwumgen werden, 
Wenn aber Neue es so abtheilt:. 


κοινῇ δ᾽ ἄρ᾽ πάντες xo piat ἔχον καὶ ἔλειβον, 

ἀράσαντο δὲ πάμπαν ἐσλὰ 

τῷ γαμβρῷ. 
so sind das micht.nur ungewühnliehe Versptasse, sondern 
der bereische Vers hat auch den Fehler, dass ἄρ umter 
den lectas gestellt ist, — Seidler stimmt in Ansehung des 
Versmasees der Blomficischen Meinung bei, und ihm 
soheiut das leichteste: 


136 UEBER HOMER 


χῆνοι δ᾽ ἄρα πάντες ix xap- 
χησίων xéov καὶ ἔλειβον, ἀρά- 
σαντο δὲ πάμπαν 
ἐσλὰ τῷ γαμβρῷ 


Auch kónne man ἔχευν lesen. Das Wort χαρχησίων, 
sagt er, konnte die Dichterin nicht anders als mit Bre- 
chung in den Vers bringen; daher an der Brechung kein 
Anstoss zu nehmen sey. Diess kónnen wir nicht zuge- 
ben, da sie ja das Wort mit einem andern vertauschen, 
oder es mit einer andern Wendung der Rede im Nomi- 
nativ oder Áccusativ ohne Brechung in den Vers brin- 

.267gen konnte. Wenn wir uns nicht sehr tàuschen, ist gar 
nichts zu ündern, sondern es kann dieses Fragment als ein 
Beispiel dienen, dass man wohl thue, wenn man Fragmente, 
die an Inhalt und Versmaass einander ühnlich sind, un- 
ter einander vergleiche. Mit Recht bemerkt Blomfield, 
dass dieses Bruchstück aus den Epithalamien genommen 
ist. Nun finden wir Fr. 73. bei dem Hephástion die 
Worte; 


ὕψοι δὴ τὸ μέλαϑρον, Ὑμήναον, 
ἀέῤῥετε, τέκτονες ἄνδρες, ᾿ἵμήναθν, 
γαμβρὸς ἔρχεται ἶσος "Mon, - | 
zu denen Demetrius de elocutione ὃ. 148. noch 
. ἀνδρὸς μεγάλω πολλῷ μείζων 
hinzusetzt. Bentley sah, dass die beiden erstep Verse - 
. einen heroischen Hexameter geben. Das Mesympion 
braucht nicht weggeworfen oder versetzt zu werden, sen- 
dern der Vers wurde wahrscheinlich durch einen Chor, 
der "Yuzvoov sang, unterbrochen.  Dergleichen Unter- 
brechungen sind durch "Tyrwhitts Entdeckung in dem 
Jon des Euripides hinlünglich gerechtfertigt. — Ja, was 
noch nicht bemerkt worden, Aristophanes hat in den Fró- 
schen V. 664—667. der Brunckischen Verszahl, auf 
eine scherzhafte Weise in der Mitte eines "Trimeters et- 
was in ganz anderm Tone eingeschaltet, In dem von 
Demetrius erhaltenen Verse will Neue nicht πολλῷ, sen- 


ὌΝΡ ΒΑΡΡΗΟ.. 137 


dern πολὺ. lesen, wie Casaubonus. zum 'lheophrast, viel- 
leicht aus Conjectur oder aus Irrthum, anführt. Lassen 
wir aber die Lesart, wie sie in den Büchern gegeben 
ist, unangetastet, so " haben wir, wenn wir den zweiten 
Vers ams dem Demetrius mit Seidler S. 275. verbessern, 
mit Weglassung der Mesymnien, folgendes: 


ὕψοι δὴ τὸ μέλαϑρον dé ἔξβετε, τέχτονες ἄνδρες" 
γαμβρὸς ἐξέρχεται ἶσος "Αρηὶϊ, 
ἀνδρὸς μεγάλω πολλῷ μείζων. 


Vergleichen wir nun damit das siebzigste Fragment, so 
finden wir, dass, wenn es aus demselben Gedichte ge- 
nommen.ist, wir keinen Buchstaben zu &ándern nóthig 
haben, zngleich aber entdecken, dass dem letzten der 
oben angeführten Verse ein logaódischer, mit ihm in 
einem Hhythmus zusammenhüngender Vers folgte, der 
sich uns nun in:dem siehzigsten Fragmente darbietet: 


χῆνω δ' ἄρα πάντες 
καρχήσϊ ἔχον καὶ ἔλειβον" ἀρά- 
σαντο δὲ πάμπαν ἐσλὰ 
τῷ γαμβρῷ. 
Haben wir nun oben Fr. 15. uns nicht getàuscht, wenn . 
wir: dort φίαλας zu. lesen vorschlugen, so haben wir auch2068- 
in jenen Worten, die sehr wohl aus demselben Epitha- 
lamium genommen seyn künnen, ebenfalls wieder Spuren 
dieses Versmaasses: 
πολλὰ ὃ ᾿ 
ἀνάριϑμα ποτήρια καὶ φίαλαι. 


LXXI. Hier liest Neue mit dem Scholiasten des 
Dionysius Thrax: 


19 ἔτι παρϑενικὰς ἐπιβάλλομαι,. 
und verwirt, was bei dem Apollonims steht, παρϑε- 
γίης» mit den Worten: quod apud Apollonsum. legs- 
dur παρϑενίης, οἔνωριδὲ Ionica Jieoto fuerit expul- 
sa, ineptam sententiam facit, πρὸ forte muker 
emainitats vel assequendae. cel recuperandae. stu- 


* 188 UEBER HOMFR 


,dere posse eideatur. Das dürfte nicht bedachtsam ge- 
nn ausgesprochen seyn. Wir halten vielmehr. παρϑε- 
γικὰς nicht bloss für unpassend, sondern auch nicht erm- 
mal für sprachrichtig, indem, wo nicht eine Handlung, 
sondern eine Person genaunt wird, ἐπιβάλλομαε nicht 
den Áccusativ bei sich haben kann, sondern den Genitiv 
oder Dativ verlangt, dagegen 


7 ῥ᾽ ἔτι παρϑενίας ἐπιβάλλομαι 


keineswegs dem gemachten Vorwurfe ausgesetzt ist. Denn 
eine Neuvermühlte konnte ja, indem sie sich glücklich 
fühlte, Frau worden zu seyn, recht wohl Sagen : verlahge 
ich noch nach der Jungferschaft? — Ja wir wissen ja 
nicht einmal ob eine Frau spricht. Es kómnten ja auch 
Worte einer Braut seyn, die eben dem geliebten Brüuti- 
gam übergeben wird, 

LXXX. Die Worte πολλά μοι τὰν Πολυάναχτος 
παῖδα χαίρειν scheinen, da eine Handschrift 77oAvova- 
κτίδα giebt, Sapphisches Metrum gehabt zu haben, und 
89 geschrieben werden zu müssen: 


πολλά μοι τὰν Πολυαναχτίδαο 
παῖδα χαίρην. | 


Im üolischen Dialekt ist dieser Nome hier wohl eher 
Πολλυαναχτίδαο als Πουλυανακτέδαο ausgesprochen 
worden. Die Genitivform «o konnte in eine; Eigenna- 
men auch in diesem .Versmaasse gebraucht werden, so 
wie die auf o:o in daktylischen Rhythmen, wovon Seid- 
ler S. 274. gesprochen hat. Dagegen dürfte es sehwer- 
lich erlaubt seyn, Fragm. 44. ὅρπακας ἀνήτοιο cuy- 
ἔῤῥαισα zu schreiben, Eben se wenig kann Alcáus 
Fr. 35. χυλιχνάων geschrieben haben, wie Seidler S, 
277. emendirt, eine Form, die selbst dem P$sndar fremd ist. 
LXXXIlI. Die Worte σύ- τε χαλὸς ϑεράπων Ἔρως 
lauteten wahrscheinlich 80: σύ τοι χαλὸς ϑεράπων " Epog, 
und scheigen in Sapphisches Metrum su.gehóren. 
260 . XCIL Weáàn Vr XII. S. 584. B, sagt: xoi 


“Σαπφώ φησιν ἰδεῖν à ᾿ ἀμόργουσαν παῖδ᾽ ἃ ἄγαν 


UND SAPPHO. 139 


ἁπαλήν, so hat Sappho weder das matte ver» ἁπαλὴν 
geschrieben, noch konnte sie, wie Blomfield liest, παῖδα 
τὰν ἁπαλὰν schreiben, weil sie dureh den Artikel das 
Máüdchen von einer andern nicht zarten unterschieden ha- 
ben würde.  Áthen&us führt das Fragment nicht vollstün- 
dig an, das choriambischen oder ionischen Rhythmus hatte. - 
Die Worte der Sappho waren: ἄνϑε ἀμέργοισαν. .. 
πάϊδ᾽ ἁγνὰν ἁπαλάν. | 
XCIH. In diesem von Plutarch de cohtibenda $ra 
| p. 451. E. erhaltenen. Fragmente haben wir nicht nóthig, 
mit Seidlern die Wortstellung zu veründern um adonische 
Verse zu erhalten, wenn wir nur à» vor στήϑεσι»ν weg- 
. Streichen: 


ἧς σχιδναμένας στάϑεσιν δργᾶς πεφυλάχθαι 
γλῶσσαν μαψυλάκαν- 


Dasselbe Metrum findet sich Fr. 128. 


Zum Schlusse führt Seidler die von Bekker aus 
der Ravennatischen Handschrift bekannt gemachten Scho- 
lien zu Aristophanes TÁesmoph. 401. an: νεωτέρων 
xoi ἐρωτιχῶν τὸ στεφανοπλοκχεῖν. πρὸς τὸ ἔϑος, ὅτι 
ἐστεφανηπλόχουν αἱ παλαιαί. Σαπφὼ αὐυταόρα at- 
στεφανηπλόχουν.. Was Seidler vermuthet, org ὅρᾳ 
ἐστεφανηπλόχουν, so dass ὅρᾳ üolich für ὥρᾳ gesagt 
,Sey, ist allerdings wohl das leichteste und dem Anscheine 
nach zunáchst hegende: allein nicht wohl lüsst sich ein 

Fall denken, in welchem «rà ὅρᾳ passend zu der Sa- 
- €he würe, weil das bedeuten würde, ,,gerade in der Ju- 
gend flochten sie Krünze.& Wenn wir uns nicht sehr ir- 
ren, ist das Wahre durch die Sache selbst angezeigt, 
indem die Worte der Sappho zum Beweise dessen die- 
nen müssen, was der Scholiast damit beweisen will. Of- 
fenbar sind hier aber zwei dasselbe sagende Scholien, 
die daher auch durch. emen Absatz von Bekker ge- 
trennt sind. In dem zweiten ist mun augenschei-. 
lich die Negation ausgefallen, und dadurch erhell, was 
Sappho mag geschriebem haben. Wir verbesserm 80: 


140 UEBER HOMER 


πρὸς τὸ ἔϑος, ὅτι οὐκ ἐστεφανηπλόχουν oí παλαιαί. 
Σαπφώ" 


. αὐτὰρ δραῖαι στεφανηπλόκευν. 


Indem wir den vorstehenden Aufsátz absenden woll- 
ten, wurden wir zufálig an eine in dem Anzeigeblutte 
dieser Jahrbücher zum XLV. Bande, S. 65, bekannt 
gemachte, auf einem Steine in Aegypten gefundene ver- 
stümmelte Inschrift in elegischem Versmaasse, angeblich 
auf den Untergang des alten ügyptischn T'hebens, erinnert. 
Diese Inschrift ist dort so gegeben worden: 


2700 | 0... ees 
ὠλετοκαιϑηβηςτειχεα .. 
τουτοδετειχοςεμονπολ. . .. 
ουδοιδενδηιωνεργατεχαιρ.. 

5 αιειδειλαπιναισίχαιευχω. . . 
ηιϑεωντεχοροισπαντοϑ. . . 
ᾳ«υαωγνουσαλπιγγοφακ.. «-.. 
ταυρωνουχαγρωνδευε. . .. 

. ἡμασιδανϑοπλωνχοσμο. .. 

10 ουξιφοςαλλαχυλιξδαι. .. . 
πανγνυχιοιςδυμνουμενυ.... 
o . θμαχινστεφαγοισχρατα. 


Dass diese Verse nicht auf den Untergang von Theben 
geschrieben sind, sondern dieser bloss beispielsweise ange- 
führt wird, zeigt schon das zo, noch weit mehr aber der 
am Tage liegende und mit ziemlicher Sicherheit ergünz- 
bare Inhalt des Epigramms. Denn nur sehr Weniges 
ist, wo mehr als eine Árt, die Verse auszufüllen, übrig 
bleibt. Sie müssen ungeführ so gelautet haben: 


ὥλετο xoi Θήβης τείχεα [περϑόμενα. 

τοῦτο δὲ τεῖχος ἐμὸν πολ[εμόχλονον ἔχϑει" dona, 
οὐδ᾽ οἶδεν δηΐων ἔργα τε καὶ ῥ[αϑάγους " 

olei δ᾽ εἰλαπίγαισι καὶ εὐχω[ζλαῖσι τέϑηλεν, 


UND SAPPHO, ^" M 


ἠϊθέων 1 τὸ χοροῖς πάντοϑ|εν d ἀγρομένων-. 
αὐλῶν, . οὐ σάλπιγγος ἀχ[ούεται ὄρϑιος ἡ ἠχή. 
ταύρων, οὐκ ἀνδρῶν δεύεϊται aio φόνῳ" 
εἵμασι δ᾽ ἄνϑ' ὕπλων κοσμο[ὕμεϑα, xoi διὰ χει-- 
ρῶν 
οὐ ξίφος, ἀλλὰ κύλιξ' δαι[νυμένοισι πρέπει" 
παννυχίοις δ᾽ ὑμνοῦμεν [n εὐφροσύναις ϑεὸν 
ἁγνὴν 
" Aouovinv, στεφάνοις κρᾶτα [πυκαζόμενοι. 


Wenn man bedenkt, dass bloss von ΠΡ] ρθη. die hier 
zusammenkommen, die Rede ist, so wird es wahrschein- 
lich, dass diese Inschrift in einem Sáulengange des weit- 
lànfügen Gymnasiums zu Alexandria, der zu Schmáusen 
und Festlichkeiten diente, angebracht war. Von diesem 
Gymnasium sagt Strabo XVII S. 795: κάλλιστον δὲ 
τὸ γυμνάσιον » μείζους ἢ σταδιαίας ἔχον τὰς στοὰς 
ἐν μέσῳ. Man kónnte daher, da sich beim Hesychius 
ἀρμακίαςν τὰς στοάς findet, im letzten Distichon auch 
ergánzen ὑπ᾽ εὐφροσύναισι φίλοινον ἀρμαχίην. Doch 
ist dieses Wort nicht weiter gesichert, und das ganze Ge- 
dicht führt auf ἁρμογνίην. Im Anfange muss mehr als ein 
einziger Hexameter fehlen, Der Sinn war: , Krieg und 
Sitreit ist ein verderbliches Ding: alles zerstórt er: auch 
... (hier folgten vermuthlich einige Beispiele) auch The- 
ben ist untergegangen.** 


1:2 HESIODI CARMIN A. 


RECENSVIT ET COMMENTABIIS 
INSTRUXIT 
CAROLVS GOETTLINGIVS. 
GOTHAE ET ERFOBDIAE SVMTIBVS 6. HENNINGS. 1831. 
XLIV und 261 S, 8., nebst 2 Windtafeln. 
Auch unter dem "Titel: 


BIBLIOTHECA GRAECA xrc., CVRAN TIBVS Fn. lAcops 
ET V. Cuz. Fr. Rosr, POETARVM VOL. V.*) 


A 


De Zustand, in welehem die Hesiodischen Gedichte | 
auf uns gekommen sind, bietet dem Erklürer wie dem 
Kritiker so grosse und mannichfalige Schwierigkeiten 
dar, dass man sich nicht verwundern darf, wenn diese 
Gedichte, auch als die Hemerische Poesie die vielseitig- 
sten Bestrebungen rege gemacht hatte, noch in hohem 
Grade vernachlissigt worden sind. Ja man kann diess 
nur um so natürlicher finden, da bei den Fortschritten 
der Wissenschaft überhaupt, und besoüders bei dem tie- 
fern Eindringen in die Homerischen Gedichte diese Sehwie- 


———————— 

*) Aus den Wiener Jahrbüchern 1831. LIX. Band. Einige 
jetzt hinzugekommene Zusátze in der Recension sind durch Klam- 
mern [] bezeichnet. 


LZ 


HESIODI THEOGONIA, 13 


rigkeiten in immer hellerem Lichte hervortreten mussten. 
Seit der 1778. erschienenen Léósnerischen Ausgabe, die 
ausser einer RBicht bedeutenden Siammlung von Varianten 
und Glossen fast nichts Neues enthült, hat Fr. A. Wolf 
1783. die Theoronie, Herr Heinrich 1802. den Schild 
des Hereules einer sorgfüligern Behandlung gewürdigt, 
Arbeiten, die der damaligen Zeit amgemessen wuren; für 
die gegenwürtge aber nicht ausreichen. — Die "Egyo καὶ 
Ἡμέραι wurden 1808. von L. Lanzi mit einem wort- 


reichen Commentare und der pomphaften Verkündigung193 


einer Vergleichung von 50 Handschriften herausgegeben. 
Allein nicht nur sind unter dieser Zahl von Handschrif- 
ten auch alle von Ándern vor Lanzi verglichenen begrif- 
fen, sondern es zeigt auch gleich der erste flüchtige Blick, 
dass die gegebenen Varianten mur einen sehr kleinen 
"Theil der Abweichungen ausmachen, die sich im diesen 
Handschriften. finden mussten, — Ueber dasselbe Gedicht 
schrieb 1815. Hr. A. T'westen eine Commentatto crs- 
i$ca, um die in demselben vorhandenen Interpolationen 
nachzuweisen. Die gesammten Gedichte des Hesiodus 
wurden ohne eine neue Recension 1814. in den Poetes 
'snénoribus wieder abgedruckt, begleitet von brauchbaren 
Anmerkungen des gelehrten Gaisford, in denen besonders 
Nachweisungen citirter Stellen beigebracht sind; auch ist 
die Vergleichung einiger Handschriften angehüngt. ^ Eine 
sorgfáltige kritische Behandlung der "Ἔργα unternahm 
der fleissige Sjpohn; allein mur die kleinere Ausgabe ist 
gedruckt worden, mit kritischen Zeichen und ganz kur- 
zen Noten versehen, 1810. Das Erscheinen der grós- 
sern verhinderte der frühe 'Tod des ehrenwerthen Man- 
nes, und wir müssen erwarten, was durch Herrn Jahn 
aus seinen hinterlassénen Papieren, die eine reiche Samm- 
lung von Materialien enthielten, noch ans Licht kommen 
werde. Einen correcteren Text, dem einige wenige schütz- 
bare Ánmerkungen angehüngt sind, gab 1825. Herr Lud- 
wig Dindorf. ^ Um so erfreulicher war dem Rec. das 
Erscheinen der Ausgabe, von Hrn. Prof. Góttling, einem 
Manne, dessen Scharfsinm und Gelehrsamkeit zu bedeu- 


144 mE HESIODI 


tenden Erwartungen berechtigen. — Diese Erwartungen 
sind nun auch allerdings zum Theil in Erfüllung gegan- 
gen. Wenn sie aber zum Theil auch unerfüllt geblieben 
sind, so ist das weder den T'alenten, noch den Kennt- 
nissen des Herausgebers, sondern der unverkennbaren 
Eilfertigkeit gynd. Flüchtigkeit, mit der er gearbeitet hat, 
zuzuschreiben. So dankbar daher auch Hec. die guten 
und scharfsinnigen Bemerkungen, die das Buch enthült, 


 anerkennt, kann er doch nicht umhin, in vielen Dingen 


anderer Meinung zu seyn. Wenn ihm mithin die Hesio- 
dischen Gedichte auch jetzt noch einer neuen Recension 
zu bedürfen scheinen, so wünscht er, indem er das Buch 
von Anfang bis zu Ende durchgeht, und seine abwei- 


. chenden Ansichten darlegt, dazu einen Beitrag zu geben. 


Eine tiefere Untersuchung jedoch über die beiden: vor- 
handenen Hauptwerke des Dichters, so wie über die Be- 
schaffenheit der verloren gegangenen Gedichte bleibt, da 
das auch Hr. G. nicht berührt hat, ausgeschlossen, 

Die Vorrede hebt sogleich mit den Nachrichten von 


dem Leben des Hesiodus an. Hr. G. stellt hier, aus 


den Zeugnissen des Dichters selbst auf, dass derselbe 


 YO4nicht in Cuma, sondern in Askra geboren Sey, WO sein 


Vater als μέτοιχος aufgenommen gewesen. Nach des 
Vaters Tode' habe ihn bei dem Streite um die Erbschaft 


ein Bruder Perses mit Hülfe bestochener und ungerechter 


Richter hevortheilt; dennoch habe diesen Hesiodus nach- 
her noch aus eigenen Mitteln unterstützt. Der Meinung 
jedoch, dass Hesiodus wegen jenes ungerechten Richter- 
spruches sich nach Orchomenus gewendet hahe, dürfte 
schwerlich jemand beizutreten geneigí seyn; wie denn 
dieselbe auch vou Hrn. Jacobs, von welchem einige Án- 
merkungen eingeschaltet sind, zu "Theog. 91. sehr gut 
widerlegt ist. Dort will Hr. G. in den Worten: 


ἐρχόμενον δ᾽ ἀνὰ ἄστυ ϑεὸν ὡς ἱλάσχονται, 


"Eoxyousvóv lesen, die bóotische Form für Ὀρχομενόν. 
Hr. Jacobs hátte noch hinzufügen kónnen, dass, wenn 
der Dichter die Stadt gemeint hátto, er notwendig dem 


» 


THEOGONIA. 145 


Siprachgebrauche zu Folge hütte sagen. müssen: 'Epyo- 
μενοῦ δ᾽ ἀνὰ &orv. Auch das kann nicht zugegeben 
werden, was in der Vorrede S. 4. gesagt wird: Nas 
αὖϑι vocabulo satis sndicatur. solum. eertisse He- 
siodum atque 4n. urbem venisse quae susttorsbus 
eteretur sudicibus. Die Worte stehen "Egoy. 34.: 


σοὶ δ᾽ οὐχέτι δεύτερον ἔσται 
ὧδ᾽ ἔρδειν" ἀλλ αὖϑι διακρινώμεϑα νεῖκος 
ἰϑείῃσι δίχαις, ovv ἐχ Διὸς εἰσὶν ἄρισται. 


“4{ζι heisst hier nichts, als was gewóhnlich, ,,auf der 
Stelle, sogleich; ^ und ἰϑείῃσι δίχαις ist nicht nmóthig 
von der Entscheidung vor einem Richter zu verstehen. 
Diese Erklirung verlangt der Zusammenhang der gan- 
zen Rede. 

Nüchst diesem handelt Hr. G. von Anderem, was 
über den Hesiodus yon den Alten gefabelt worden, worlüber 
auch Hr. Welcker in Jahns Jahrbüchern IX. 2. S. 137. 
if gesprochen hat. Wenn hier Hr. G. in den Worten 
Plutarchs €Coneiv. Sept. Sapient. c. 10., wo von dem 
Wettstreit des Hesiodus mit dem Homer die Rede ist, 
ἐτράποντο πρὸς τοιαύτας ἐρωτήσεις xci προὐβάλο-- 
uev, ὥς φησι ““έσχης, Wyttenbachs GConjectur προῦὔ- 
βαλ' Ὅμηρος biligend, vermuthet, der Verfasser des 
"Ayàv Ἡσιόδου xai Ὁμήρου habe Lesches geheissen: 
so dürfte das schon um desswillen mcht wahrscheinlich seyn, 
weil Plutarch schwerlich diesen sonst ganz unbekannten Le- 
sches, der, wie Hr. G. erinnert, nicht mit dem àltern - 
dieses Namens verwechselt werden darf, so bestimmt und 
ehne weitern Zusatz genannt haben würde; noch zweifel- 
haíter aber wird die Sache durch die Varianten λέσχας. 
dc φησι und ὥς φασι λέσχας. Daher móchte Plutarch 
wohl so geschrieben haben: ἐτράποντο πρὸς τοιαύτας 
ἐρωτήσεις xai λέσχας, καὶ προὔβαλεν ὃ μέν, ὥς qa- 
σι: dafern er nicht gar ἐρωτήσεις αὐτοσχεδίας schrieb.195 
Proklus wenigstens sagt: ἐξηρωτηχέναι γὰρ αὐτοὺς 
πολλὰ πρὸς ἀλλήλους φασὶ δὲ ἐπῶν αὐτοσχεδίων καὶ 
ἀποκρίνασϑαι. 


Ἤκεμ, Or. VL - K 


*» 


M6 BRSIODI 


Ferner spricht Hr. G. von der Verschiedenheit der 
Mesiodischen und Homerischen Poesie, der Árt ihres Vor- 
trags, δαψῳδὸς von δαβδὸς ableitend, dem Dialekt, der 
AÁebnlchkeit mit der Delphischen Orakelsprache, dem 
Alter des Dichters, den noch vorhandenen Gedichten und 
den Teilen, aus denen sie bestehen. In Ansehung der 
Mythologie bezieht er sich auf das, was er in einer 
AÁbhandlung im. XXIX. Bande des Hermes. ausge- 
führt hat. 2 
Es folgt die Erwáhnung der Grammatiker, die den 
Hesiodus behandelt haben, und die Angabe der gebranch- 
ten Hülfsmittel. —Hr. G. selbst hat drei vorher noch 
nicht benutzte Codices verglichen, einen in der St. Mar- 
cusbibliothek zu Venedig, No. 464., von de» Hand des 
Demetrius Triklinius; einen im Vatican No. 1409., und 
eimen T'uriner Ilf. 16., welche beide letztere bloss die 
Theogonie enthalten. Hierzu kommen eine mit G. he- 
zeichnete Handschrift. der Ἔργα xoi Ἡμέραι in St. 
Gallen, deren Lesarten der Herausgeber Hirn. Dr. ΕἾ» 
scher in Weimar verdankt, und Ms. $ncerfus, dessen 
Lesarten einem Exemplar der Áldiua auf der Jenaischen 
Universitütsbibliothek beigeschrieben sind.- Die Lesar- 
ten der übrigen Mss. hat Hr. G. von Gaisford und 
Lanzi entnommen.  Bentleys Conjecturen, von Heyne co- 
 pirt, hat Hr. Jacobs eingeschaltet. 

So dankbar man nun auch dem Herausgeber für 
den Inhalt dieser Vorrede zu seyn Ursache hat, so ver- 
misst man doch ungern eine Erürterung über die Beschaf- 
fenheit der. Hesiodischen Gedichte, und über die Grund- 
sütze, die bei der Behandlung derselben befolgt worden 
sind, Eine solche Erórterung würde nicht bloss den Le- 
ser in den Stand setzen, leichter ein richtiges . Urtheil 
zu füllen, sondern sie dürfte auch auf Herrn Gottlings 
Arbeit selbst von bedeutendem Einflusse gewesen seyn. 
Ks ist zwar nicht zu verkenmen, dass er mit dea Fra- 
gen, auf deren Beantwortung es hier ankommt, sehr wohl 
bekannt war: indessen lásst sich doch vermuthen, dass 
eine klare und ausführliche Darstellung derselben zu ei- 


ἸΒΕΟΘΟΝΙΑ. ul 


ner gróssern Sicherheit und Bestimmtheit geführt habem 
würde, indem sie die Grenzen gehórig abgesteckt hütte, 
in welchen sich die Behandlung dieser Gedichte nach 
verschiedenen Rücksichten bewegen soll oder kann. 

Was zuvürderst die Beschaffenheit der Hesiodischen 
Gedichte, wie sie aus dem Alterthume überliefert sind, 
anlanpt, so ἰδέ auch Hr. G. von den Interpolationen, die 
sich in ihnen finden, und namentlich auch von der Ver- 
schmelzung verschiedener Recensionen überzeugt, durch 
welche ein relatives Urtheil über Aechtheit und Unàácht-196 : 
heit bedingt wird, indem mehrere Dichter mit Beibehal- 
tung eines Theils des ursprünglichen Gedichtes einzelne 
Stellen veránderten; jetzt aber das Ursprüngliche mit den 
Variationen zugleich in unserm Texte vermengt gefunden 
wird. Hr. G. hat daher auch an mehreren Stellen die 
verschiedenen Recensionen gesondert: allein eine genauere 
Betrachtung zeigt, dass er diess nicht nach einem festen 
Grundsatze, und nicht mit einer durchgreifendern Erfor- 
schung gethan habe. ^ Vermuthlich hielt ihn das davon 
ab, dass diese Sache sehr unsicher isf, und oft der Móg- 
lichkeiten viele sind. — Indessen scheint es doch, dass man 
viel weiter gehen kónne, wenn man die eigenthümliche 
Beschaffenheit jedes der drei Gedichte genauer betrach- 
tet. In der Theogonie sind, wie. leicht begreiflich ist, 
die Interpolationen zwiefacher Art: die einen gehen die 
Sache, die andern die Darstellung an. In Ansehung der 
erstern leuchtet ein, dass, was sich widerspricht oder 
nicht vereinbar ist, nicht von einem und demselben Dich- 
ter seyn kónne. Was die zweiten anlangt, so bestehen 
sie in variürter Áusschmückung dessen, was einer poeti- 
schen Darstellung fühig ist: und hier zeigen Wiederho- 
lungen, Mangel an Zusammenhang, Verschiedenheit der 
Ansichten, was von einander getrennt werden müsse. 
Eben dasselbe findet sich in dem Schilde des Hercules, 
in welchem die überladene Beschreibung des Schildes 
durch gehórige Betrachtung der demselben zugeschriebe- 
nen Bilder mit Berücksichtigung dessen, was überhaupt 
als móglich gedacht werden kann, eine gute Richtschnur 

| K 2 


148 HESIODI 


zur Trennung der Interpolationen darbietet. Weit schwie- 
riger ist die Sache in den "Eoyoic, einem Gedichte, das 
auf die Individualtát des Perses bezogen, in einem an 
keine bestimmte Ordnung gebundenen Vortrage 'Tadel, 
Klagen, Lebensregeln, Vorschriften über Ackerbau, Haus- 
haltung, Schifffahrt, günstige und ungünstige Tage ent- 
πᾶ], Hier, wo so vieles vorkommt, das weder an sich, 
noch an der Stelle, an der es steht, nothwendig ist; wo 
das scheinbar Unzusammenhüngende einen subjectiven 
Grund des Zusammenhanges in der Seele des Dichters 
und in Beziehung auf den, an den das Gedicht gerichtet 
ist, haben kann, wird im Ganzen nie zu einer Gewiss- 
heit zu gelangen seyn, und nur in einzelnen Stellen das, - 
was sich als widersprechend, als unnützer Weise wieder- 
holt, als offenbar varirt ankündigt, geschiedem werden 
kónnen. Man wird daher m diesem Gedichte weit .zu- 
rückhaltender über Interpolationen entscheiden müssen, 
als in den beiden andern.  Gleichwohl scheint das von 
. Hrn. G. gerade umgekehrt geschehen zu seyn. ! 
Eine andere Betrachtung verdient der Text, den 

wir haben. Auch hierüber ist es erforderlich sich Re- 
197chenschaft zu geben, wenn man mit Sicherheit zur Her- 
stellung desselben verschreiten will. Was wir von den 
Bearbeitungen der alexandrinischen Grammatiker wissen, 
ist beinahe gar nichts; weniges ist aus dem Commentar 
des Plutarch aufbehalten; und auch die geschwützigen Àn- 
merkungen der vorhandenen Scholiasten geben geringe Áus- 
beute. Der Handschriften giebt es zwar eine grosse Án- 
zahl, aber keine von hervorstechendem Werthe. Wenn 
schon die Odyssee gegen die llias aus Mangel an Hülfs- 
mitteln -weit nachsteht, so ist leicht zu erachten, wie 
weit noch von der Odyssee die Gedichte des Hesiodus 
. entfernt seyn müssen. Wenn also die kntischen Hülfs- 
mittel bei weitem nicht ausreichend sind, so bleibt nichts 
übrig, als eine genaue Dekanntschaft mit der epischen 
Rede in Wendung der Gedanken und in Ausdruck. [8ὲ 
diese Bekanntschaft, die ihrer Natur nach bloss empirisch 
gewonnen werden kann, auf die rechte Weise erworben, 


THEOGONIA. 149 


d. h. besteht sie in einem durch vieles Lesen erlangten 
' Gefühle, welches sich nicht. durch "Theorien oder Spitz- 
findigkeiten oder Leichtglàubigkeit an verdorbene Lesar- 
ten hat irre machen lassen: so ist sie unstreitig die si- 
cherste und festeste Richtschnur, an die man sich halten 
kann. Sie führt aber auf eine zwiefache Gestaltung des - 
Textes, die eine, wie wir denselben etwa aus den Hün- 
den der alten Grammatiker überkommen haben mógen: 
die andere, wie der Dichter selbst wohl manches gespro- 
chen haben werde. In der letztern Rücksicht, die be- 
sonders bei den digammirt gewesenen Wórtern eintritt, giebt 
es jedoch eine eng beschrünkte Grenze, über die nicht 
himausgegangen werden darf, innerhalb welcher man aber 
mit Ziemlicher Zuversicht auftreten kann. Wenn man 
diese Sicherheit bei Hrn. G. in manchen Füllen vermisst, 
so liegt die Ursache davon eben wohl darin, dass theils 
eine sichtbare Vorliebe für etymologische Erklürungen, 
thells eine bemerkbare Neigung zu dem Seltenern, Unge- 
wóhnlichern, Gesuchtern der Unbefangenheit des Urtheils 
in den Weg getreten sind. —Es ist sehr erklürlich, dass 
gerade ein scharfsinniger und gelehrter Mann in diesen 
Dingen einen besondern Reiz finde: dennoch wird über- 
all das Einfachste und Natürlichste der Wahrheit am 
nüchsten liegen. So viel daher auch Schónes und Gu- 
tes in den. Ánmerkungen enthalten ist, se dürfte doch 
manches gefunden werden, was man lieber mit etwas an- 
derem vertauscht sühe, besonders da diese Gedichte so 
vieles umfassen, was einer Erklirung oder Bemerkung 
bedürftig ist. 

Ferner, was den kritischen Apparat anlangt, so ist 
derselbe zwar ziemlich reichlich, aber doch nicht voll- 
stándig genug, indem nicht-nur manche Lesarten, und 
zwar bisweilen anch wichtige oder gar solche, die in den 
Text aufgenommen zu werden verdient hátten, nicht an-198 
gegeben sind, noch weniger aber auf die  Lesarten 
Rücksicht genommen ist, die sich in den von andern 
Schriftstellern angeführten Stellen des Hesiodus vor- 
finden. 


150 HESIODI 


Endlich was die Mythologie betrifft, folgt der Her- 
ausgeber im Ganzen seiner scharfsimmigen und hóchst le- 
senswerthen Abhandlung im XXIX. Bande des Hermes, 
in welcher er eine politische Ansicht der Homerischen 
und Hesiodischen Mythologie durchführt, zugleich jedoch 
der allerdings wohlbegründeten Meinung des Hrn. O. Miül- 
ler beitretend, welcher die Verbreitung des Cultus der 
verschiedenen Gótter durch Wanderungen und Ánsiedlun- 
. gen nachgewiesen hat. So wahr dieses nun auch ist, 
so erscheinen doch die Homerschen und Hesiodischen 
 Gütter, wie auch Hr. G. in jener Abhandlung anerkannt 
hat, nicht als Localgottheiten, wenn sie gleich bisweilen 
als an gewissen Orten vorzugsweise verehrt erwáhnt wer- 
den. Da die Namen der Gótter, wie natürlich, das We- 
sen derselben bezeichneten, viele Namen aber vieldeutig 
sind, und zu Benennung ganz verschiedenartiger, obwohl 
in einer durch den Namen ausgedrückten Kigenschaft 
überemstimmender Wesen gebraucht  werdem konnten, 
und auch wirklich gebraucht wurden: so konnte es nicht 
fehlen, dass eine Vermischung verschiedener Mythen ent- 
stand, und was in Beziehung auf ein mit einem gewissen 
Namen belegtes Wesen hier oder da die Sage erzáhlte, 
duf eim anderes gleichnamiges Wesen übergetragen wurde. 
Mag daher z. B. der Mythus von der Gorgo immer ein 
argolischer Localmythus gewesen seyn: die Gorgonen des 
Hesiodus gehóren darum noch nicht jenem Lande 
sondern sind ganz andere Wesen am Ende der Welt bei 
den Hesperiden, die über dem Ocean wohnen. War aber 
Perseus als Erleger einer Gorgo bekannt, so wurde auch 
er, wenn man diese mit einer andern gleichnamigen ver- 
mischte, als der angesehen, der diese erlegt hütte. Es 
dürfte daher schwerlich zugegeben werden kónnen, was 
zu Theog. 265. gesagt wird: Sequuntur fabulae pÀy- 
sict quidem arguments, sed ad. singulas Graecsae 
regiones s(a. particulatim pertinentes, ut fere ab- 
horrere eideantur ὦ cosmogonta generali, quae kha- 
ctenus tractata est.  Harpyrae, morborum ut ei- 
detur contagswn, a Boreae filis pellendae, ad Thra- 


THEOGONIA, 151 


cwn pertinent, Graeae cum  Gorgonibus et Belle- 
rophonte (solte Perseo heissen) ad Argolsdem, Dass 
Hesiodus die Gráen und Gorgonen als Personificirungen 
der schreckbaren Meereswogen dargestellt habe, worüber 
zuletzt Herr Vólcker in dem ersten Bande der mythi- 
schen Geographie gesprochen, lásst sich wohl kaum in 
Abrede stellen. Es würde daher für richtige Interpre- 
tation sehr vortheilhaft gewesen seyn, wenn einige Grund- 
sütwe aufgestellt worden wárem, nach welchen man diel99 
Hesiodische Mythologie zn beurtheilen hütte, um nicht in 
gie hineinzutragen, was nicht hinein gebórt, und wieder- 
um nicht auszuschliessen, was alt und ácht ist; oder es 
anders zu deuten, als es der Dichter genommen hat, 

Nach diesen Vorerinnerungen gehen wir zu dem In- 
halte des Buches fort. Auf die Vorrede folgt die Ab- 
handlung des Proklus über das Geschlecht des Hesiodus 
mit untergesetzten Varianten. —Unangenehm füllt hier S. 
41. in dem sonst sehr correct gedruckten Buche der 
Druckfehler ἀσπὶς Παρ᾽ ἀσπίδ᾽ ἔρειδε auf, Der auf 
derselben Seite dreimal vorkommende Name lJ«víógc 
hat sicherlich Πανείδης geheissen. Eben so wenig ist 
es glaublich, dass die S. 42, 22. aus zwei Handschriften 
aufzenommene Lesart d»vyécg richtig sey. Die Analogie 
von dergleichen Namen verlangt den langen Stammvocal oder 
Diyhthong. Diesen Vocal giebt eine angeführte Emendation 
ερυσέως, wenn sie anders das Richtige getroffen hat, 
und der Erfinder den Namen von φυσᾶν herleitete. Denn 
die Trincavellische Ausgabe hat doryíug, einen bekann- 
ten Namen (und so steht er auch in dem Certamen 
Hesiodi et Homeri, S. 250, 17., wo ihn Hr. G. nicht 
veründert hat), und die fehlervolle Plantimische φησέως. 
Woher Hr. G. und eben so auch Hr. Welcker in Jahns 
Annalen IX. 2. S. 141. die Nachricht haben, dass Li- 
lius Gyraldus aus dem Plutarch «Pnowéog gebe, weiss 
Rec. nicht. Bei dem Plutarch findet sich. dieser Name 
mirgends, und Gyraldus sagt auch nicht, dass er seine - 
Nachricht aus dem Plutarch gebe, sondern nenmt gerade- 
»a den Mann, aber nicht so, sondern PAystgeus. Auch 


152 HESIODI 


die "Tochter dieses Mannes hat gewiss nicht, wie Hr. G. 
S. 42, 20. 43, 20. seiner Angabe mach mit Proklus 
und der vaticanischen und neapolitanischen Handschrift 
liest, Kvnuéry, sondern entweder Kriuérm (die Trinca- 
vellische Ausgabe hat an der zweiten Stelle Kveuuévy) 
oder KAvuérg geheissen, was Wyttenbach zu Plutarch 
Moral. p. 162. C. aus eben demselben Proklus S. 66. 
b. (39. b. der Trincavellischen Ausgabe) herstellen: wollte, 
Was die Deutung der Namen in dieser Sage anlangt, 
móchte wohl Hr. Welcker sich sehr versehen haben, und 
besonders Τανύχτωρ nichts weniger als Ζανυνύχτωρ 

. seyn. — S. 43, 4. bedurften die Worte oi δὲ Ὃμήρου 
τετραχοσίοις ὑστερίζοντα ἔτεσι, χαϑά φησι xai Hoó- 
δοτος einer Berichtigung, oder wenigstens einer Ánmer- 
kung. Sie sind offenbar ein Scholion, das ans dem, was 
Proklus S. 42, 16. gesagt hat, ausgezogen, verstümmelt, 
aber mit einem andern Scholion vermischt ist, welches 
sich auf die bekannte Stelle des Herodot II. 53. bezop, 
und von dem nur noch die Worte χαϑά φησι xai *Hoó- 
δοτος übrig sind. | 

Es folgen die Gedichte des Hesiodus selbst, und 

— 900zwar macht den Anfang die T'heogonie. Da Hr. G. der 
ven dem Rec. aufgestellten Annahme beitritt, dass meh- 
rere Proómien verschiedener Rhapsoden in eins zusammen 
verbunden sind, ohne dass der erste Vers, der allen ge- 
meinsam war, wiederholt geschrieben wurde:, so würde 
es für den Leser bequem gewesen seyn, wenn ihm mit 
einigen Worten yon der Unterscheidung dieser Proómien 
Kenntniss gegeben würe. 

V. 4. ist die in dem Etym. M. p. 604, 4. befind- 
liche Variante 4ovocvro,nicht bemerkt: das gewóbnliche 
ὀρχεῦνται steht auch bei Libanius T. IIl. p. 352, 
3. 14. 

V. 5. hat Hr. G. die Lesart des Zenedotws Tso- 
μησσοῖο, die sich auch in einigen Mss. und bei Pausa- 
nias IX. 29, 5. findet, aufgenommen, weil der Fluss 
gleichsam τέρμων des Helikon und denselben τερμίζων 

' Bey: Πορμησσὸς hült er für eine spütere Verirrung. Das 


f 


ΤΗΒΟΘΟΝΙΑ. 158 


Scholion zu dieser Stelle führt er in der Vorrede S. 31. 
an, in welchem behauptet wird, Τερμησσὸς sev ein Berg, 
nicht ein Fluss. | Die andere Form, 7*4Au5ooóg, meint 
er, sey aus der Verwandtschaft von τέρμα und τέλος 
entstanden, Hier dürfte ihn die Neigung zum Etymolo- 
gisiren zu weit geführt haben. Den Ursprumg so alter 
.Námen, besonders in einer Gegend, wo ein eigener, grós- 
stentheils uns unbekannter Dialekt gesprochen wurde, zu 
bestimmen, ist etwas sehr Missliches. Den Berg nennt 
Stephanus Τευμησσός» und belegt das mit Beweisstellen: 
so auch der Scholiast zu Euripides Phoen. 1100.  Án- 
dete nennen ihn Τελμησσός: s. Suidas und AÁpostolius 
in Τελμησσία ἀλώπηξ. Den Fluss nennt auch Hesy- 
chius Περμησσός. In den Orphischen Argonauticis 
V. 124. geben: die Mss. Τελμησσοῖο und Τερμησσοῖο» 
eine Stelle, über welche Hr. O. Müller Orchom. S. 45. 
Sich unvorsichtig üussert, Wahrscheinlich ist Τερμησ- 
σὸς nur eine andere Form von Περμησσός, so wie I1eg- 
γασσός, der nach Stephanus vorher “αρνασσὸς geheis- : 
sen hatte, zu des Eustathius Zeit von den Einheimischen 
Ζερνεσσὸς genannt wurde. S. denselben S. 1873, 52. 

. V. 18. 19. Diese beiden Verse stehen in einigen 
Handschriften in umgekehrter Ordnung, ein Zeichen, dass 
V. 18. ein spáterer Zusatz ist, welcher nicht hier, son- 
dern nach V. 20. seine rechte Stelle findet, wie es die 
natürliche Ordnung der hier genannten Wesen erfordert. 
Uebrigens hat Hr. G., wie ehemals der Rec. wollte, 
λαμπρήν re Σελήνην hier und V. 371., ingleichen im 
Certamen Hesiod et. Homeri, S. 251, 29. geschrie- 
ben. Die feststehende Lesart ist λαμπράν, die sich 
V. 371., was nicht bemerkt ist, auch bei dem Scholia- 
sten zu KEnuripides Phoen, 175. und zu Apollonius IV. 
54. findet, Áuch steht λαμπρά τε Σελήνη in dem von 
mehreren Schriftstellern angeführten dritten Homerischen201 
Epigramm: daher es zweifelhaft ist, ob micht diese 
Form beizubehalten sey. — Man wird nicht viele Bei- 
spiele von dem Femininum dieses Wortes bei den Epi- 
kern finden. | ΄ 


184 HESIODI 


V. 15. liest Hr. G. wohl mit Recht: ἠδὲ Ποσει-- 
δάω γαιήοχον, wo bisher Ποσειδάωνα stand. 
V. 25.: 


/3 2) 


ποιμένες ἄγραυλοι, κἀκ ἐλέγχεα, γαστέρες olov, 
ἴδμεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὅμοῖα. 


Hier führt Hr. G. den Vers des Epimenides an: Κρῆ- 
τες ἀεὶ ψευσταί; xoxà ϑηρία; γαστέρες ἀργαί. Adde, 
fáhrt er fort, Hom. Ii. V. 787.: αἰδώς, "“4ργεῖοι, 
x&X ἐλέγχεα, εἶδος ἀγητοί. Eodem modo apud He- 
sstodum post ἄγραυλοι tntellige cloíy.  Düeser Er- 
klàrung kann Rec. auf keine Weise beipflchten. Bei 
dem Epimenides ist allerdings sio? zu verstehen. Bei 
dem Homer ἐστὶ zu αἰδώς: denm gewiss wird Hr. 6G., 
nicht die auf dieses Wort folgenden Vocative für Nomi- 
native, wie man aus dem eodem. modo schliessen kónnte, 
angesehen haben. Bei dem Hesiodus hingegen, den die 
Musen mit diesen Versen anreden, würde, wenn über- 
haupt em Verbum zu verstehen würe, ἐστὲ zu suppliren 
seyn. Aber die Anslassung eines Zeitwortes hat hier 
gar nicht Statt, weil dann nothwendig ἡμεῖς δὲ folgen 
müsste. Vielmehr verlangt nicht nur der Sprachgebrauch, 
sondern auch die ganze Beschaffenheit dieser Anrede, 
dass man die Worte des ersten Verses als Vocative neh- 
me, die mit mitleidigem Bedauern ausgesprochen werden, 
und daher eben dasselbe, was Hr. G. will, aber auf ganz - 
andere Árt ausdrücken, ,,ihr rohen Hirten, ihr elenden 
Wichte, ihr nichts als Büuche.** 

V. 31. ist sehr gut gezeigt, dass δρέψασθαι von 
ἔδον abhüngt. Nur wünschten wir den Zusatz weg: 
Interpretationem, quam | dedst Bernhardy (Synt. 
gr- p. 360.): ,,wenn man ihn bricht, ein Wunder, 
ferrem nis? praegressum esset ἔδον. Diese Erklárung 
konnte füglich dem Geschmacke ihres Erfinders überlassen ᾿ 
bleiben. ὦ | 

^. WV. 84. σφᾶς δ᾽ αὐτὰς πρῶτόν vs καὶ ὕστερον 
αἱὲν ἀείδειν. Wolf meinte ὕστατον würe gebrüuchli- 
cher, und Herr Dindorf hat es aufgenommen mit Recht. 


THEOGONIA, 155 


Bei dergleichen Dingen, die durch einen festen Gebrauch ge- 
sichert sind, haben die Handschriften kein | Gewicht, am 
wenigsten die des Hesiodus. 

V. 35. sagt Hr. G. τίη est curnam; 1; entm, 
quod additum est τι vocabulo, respondet Latino- 
rum enchtico nam.  Schwerlich móchte curnam bei 
einem rómischen Schriftsteller gefunden werden. Aber 
auch der Behauptung von 7, widerspricht ὁτιή. 

V. 37. Das Sprichwort περὶ δρῦν ἢ περὶ πέτρην 
erklárt Hr. G. in der Hauptsache wohl richtig als von 
den Orakelsprüchen, die aus dem Felsen oder von einer202 
Kiche herab ertónen, aber doch, wie es scheint, nicht vàllig 
passend. | Ám meisten fállt das in der Stelle Iliad. XXII. 
126. auf: o) “μέν πως γῦν ἔστιν ἀπὸ δρυὸς οὐδ᾽ 
ἀπὸ πέτρης τῷ ὀαριξέμεναι, ἅτε παρϑένος ἠϊϑεός τε, 
παρϑένος ἠϊθεός v ὀαρίζετον ἀλλήλοϊν. —Diess er- 
klürt Hr. G. so: non «il ego tta persuadeam, wt ora- 
culorum voces audire sibi eideatur, quemadmodum 
eirgint persuadet. eius amasius. | Schon δαρίζειν wi- 
derspricht dieser sehr erkünstelten Erklirung. ^ Vielmehr, 
weil man nicht wusste, wessen Stimme es würe, die aus 
dem Felsen oder dem Baume hervorkam, wurde die Re- 
densart von allem Ungewissen, Leeren, Nichtigen ge- 
braucht, und war ungefáhr eben das, was μὰψ αὔτως. 

. V. 37. sagt Hr. G. zu ἐντὸς Ὀλύμπου: Abhor- 
rent haec ab aetate Ἠοϑέοαἑ,. Doch. führt er Odyss. 
XI. 315. (vielmehr 313.) an, wo ἐν Ὀλύμπῳ steht; 
háült aber dergleichen für spütere Zusülze. —Müóglich ist 
das allerdings: aber schon die alte Dichtersprache scheint 
manchmal Ὄλυμπος und οὐρανὸς für gleichbedeutend 
genommen zu haben: eine Sache, die freilich nicht, wie 
es Kinigen beliebt hat, so unpoetisch erórtert werden 
darf, dass man dem Homer eine Himmelskarte macht. 

V. 48. hat Hr. G. die gewühnliche Lesart, ἀρχό- 
μεναί ϑ' ὑμνεῦσι ϑεαὶ λήγουσαί τ' ἀοιδῆς, beibehal- 
ten und entschuldigt die Zusammenziehung in ἀοιδῆς 
mit V. 497. des Homerischen Hymnus auf die Ceres, 
zoóqgovec àv? dic βίοτον ϑυμήρε ὁπάξζειν: so 


136 HES10DI 


liest er, unnóthig, statt ὄπαζε. ^ Auch hier will er doi- 
δῆς geschrieben wissen. Allein dieser neue Zusatz zu 
dem Hymnus beweist schon an sich nicht, am wenigsten 
aber für den Hesiodischen Vers, der dadurch ganz un- 
rhythmisch würde. Ob Homer lad. Il. 844. Πείρως 
ἥρως und Hesiodus "Eoy. 574. ἐπὶ ἠῶ χοῖτον ausge- 
sprochen hsben, móchte noch sehr zu bezweifeln seyn. 
Das mehrmalige Πολυπαίδη des Theognis hat ebenfalls 
kein Gewicht, seitdem man eingesehen hat, dass dieser 
Name fünfsylbig ist. Die andere Lesart, A5yovot τὶ 
ἀοιδῆς, die Hr. G. mit Wolf ganz unverstündlich hült, 
ist ohne alle Frage die richtige, und nichts Unverstünd- 
liches darin, indem es Jedem einleuchten muss, dass zu 
λήγουσι aus dem eben vorhergegangenen Verbum ὑμγεῦ- 
σαι hinzuzudenken ist. Wenn Hr. G. sagt: Quod con- 
sectt. 1. Dind. ἀρχόμεναί 9? ὑμνεῦσιν ἰδὲ λήγουσιν 
ἀοιδῆς placeret, s$ meminissem exempli ubi τε sta 
ab Ἰδὲ sevunctum esset; so ist diese Bedenklichkeit 
unnóthig. Denn da hüufig ἰδέ, auch wo kein vc, oder 
wo xai oder ἠδὲ vorhergegangen ist, steht (Iliad. XIX. 
285. στήϑεά v ἠδ᾽ ἁπαλὴν δειρὴν ἰδὲ χακὰ πρός- 
ὠπα): 80 kommt gar nichts darauf an, wie weit das τὲ 
von ἰδὲ getrennt sey, wenn es nur sonst an der rechten 
203Stelle stehet. Zu dem aus Odyss. IX. 180. angeführ- 
ten μαχρῇσίν cvs πίτυσσιν ἰδὲ δρυσὶν ὑψικόμοισιν 
kann man noch Πιαά. XVIIE. 589. hinzufügen: στα- 
ϑμούς ve κλισίας τε κατηρεφέας ἰδὲ σηχούς. 
V. 60. ἧσιν und alle Dative dieser Form móchte 
Hr. G. ohne untergesetztes lota schreiben, und so auch 
die Conjunctive, wie λάβῃσι. Was er darüber zu Ari- 
stoteles Polit. p. 343. sagt, ist allerdings scharfsinnig 
ausgedacht, und wenn er meint, die Endung des Da- 
tivs sey ἐς oder gi, das an den Namen angeháüngt werde, 
wesshalb Homer ϑεαῖς» nicht ϑεῇς sage, indem die Ca- 
$us oblique o, nieht ἡ in diesem Worte haben: so hat 
das einen ziemliehen Schein für sich. Allein Homer hat 
anch noch ἀχταῖς gesagt Iliad. XII. 284., nach der Án- 
gabe im Etym. M. 160, 30. und im Etym. Gud. 249, 1., 


THEOGONIA. 157 | 


was jener Behauptung entgegensteht, und sie zu widerle- 
gen scheint. Ueberhaupt lásst sich. diese Materie nicht 
in einer beilàufigen Anmerkung abfertigen. | 

V. 61. Der Meinung des Herausgebers, dass uéu- 
βλεται eim Prüsens sey, ἰδὲ μέμβλεσθαι bei Hesychius 
und μέμβλεσθε bei dem Apollonius Il. 217. günstig, 
wo nur wenige Handschriften μέμβλησϑε haben. 

V. 65. Ὄσσα, woraus eor, scheint bei dem Ho- 
mer das Digamma zu haben. Nicht so bei dem Hesio- 
dus V. 43. 67. 832. Dem umgeachtet sollte nicht aus 
der Turiner Handschrift διὰ ovóueax ὄσσαν ἱεῖσαι def , 
gewóhnlichen Lesart διὰ στόμα vorgezogen seyn, da 
der Hiatus im vierten Fusse keinen Anstoss giebt, und 
auch V. 10. περιχαλλέα ὄσσαν steht. —Uebrigens hat 
Hr. G. die Worte ἐν ϑαλίῃς richtig zu dem Vorherge- 
henden gezogen. Doch bedurfte das noch einer náhern 
Besümmung. Da diese Verse so lauten: 


ἔνϑα σφιν λιπαροί τὸ χοροὺ xoi δώματα καλά. 
πὰρ δ᾽ αὐτῇς Χάριτές τε xai Ἵμερος οἰκί᾽ ἔχου-- 
| σιν. 
ἐν ϑαλίῃς" 
so kann ἐν ϑαλίῃς weder mit οἰκί᾽ ἔχουσι, noch mit 
dem ersten Verse verbunden werden, sondern es ermiebt 
sich, dass V. 62— 64. ein Einschiebsel aus einem an- 
dern Proómium sind, und jene Worte mit V. 60. so 
zusammenhingen : 


« 3 » 3 » ΄ e e 7 tT 3 M! 
ἣ δ᾽ ἔτεχ ἐννέα χοῦρας ὅμόφρονας, jou. doi, 
d 3 / ! 3 / ᾿ M 2 ’ 
μέμβλεται, ἐν στήϑεσσιν ἀκηδέα ϑυμὸν ἐχού-- 
σαις, ς 
ἐν ϑαλίῃς. 


Wie aber Hr. G. schliessen konnte, dass, wenn ἐν 3α- 
λίῃς von den Charitesien verstanden würde, nun nicht 
mehr, wie Rec. wollte, sieben Proómien, sondern nur 
sechs anzunehmen seyen, leuchtet nicht ein. Denn dieses 

* hüngt nicht hiervon, sondern von dem ungeschickt wieder- ' 
holten ὄσσαν ἱεῖσαι ab. Wenn Hr. G. diese Wieder-204 


158 HESIODI 


holung zu V. 606. mit Dad. XXII. 126. 127. Callim. 
Lav. Pall. 72— 74. rechtfertigen will, so passen diese 
Stellen nicht, die von ganz anderer Art sind. Eher 
hütte V. 129. 130. der Theogonie angeführt werden kón- 
nen, von denen jedoch nachher die Rede seyn wird. 
Rec. ist noch jetzt überzeugt, und hofft auch Anderer 
Beistimmung zu erhalten, dass in den Versen, 


ἐρατὴν δὲ διὰ στόμα ὄσσαν ἱεῖσαι 
μέλπονται πάντων τε νόμους καὶ ἤϑεα χεδνὰ 
ἀϑανάτων κλείουσαι, ἐπήρατον ὄσσαν ἱεῖσαι, 


der letzte nicht hierher gehürt, 'sondern mit V. 61. so 
zusammenhing : 


iy στήϑεσσι δ᾽ ἀκηδέα ϑυμὸν ἔχουσαι, 
ἀθανάτους χλείουσιν ἐπήρατον ὄσσαν ἱεῖσαι. 


V. 67. war χλείουσαι statt χλείουσιν aus der Tu- 
riner Handschrift unbedenklich, wie es die epische Rede 
verlangt, aufzunehmen. 

V. 74. móüchte wohl wegen ἐπέφραδε nicht sofort 
ἐπιφράζω in die Würterbücher aufzunehmen seyn, das, 
wie ἐπέφυκον», nur durch Hinzufügung des Áugments ent- 
standen ist. S. Buttmanns Gramm. 11. p. 250. Auch 
findet sich ἐπέφραδε und διεπέφραδε bei dem Homer. 
Uebrigens wünschte man in der Anmerkung nicht die 
Form γέρατα, die nicht vorkommt, gebraucht zu sehen. 

V. 79. ist die Lesart bei dem Diodor IV. 7. jj 
Oq&c» προφερεστάτη nicht erwühnt. 

V. 80. Hier geht die Rede so fort: ἣ γὰρ xoi 
βασιλεῦσιν ἅμ᾽ αἰδοίοισιν ὀπηδεῖ, ὅντινα τιμήσωσι 
Διὸς κοῦραι μεγάλοιο — τῷ μὲν ἐπὶ γλώσσῃ γλυ- 
χερὴν χείουσιν ἐέρσην. Hr. G. hat nach ὀπηδεῖ ei- 
nen Punkt gesetzt, und sagt vom dem, was folgt: Que 
sequuntur versus 81— 95. alius esse eidentur re- 
censtonts, nam necu cum v. 80. carent. — Keines- 
weges fehlt es an Verbindung, wenn man sich erinnert, 
dass alle Schriftsteller von Homer an àusserst hánfiy den 
vor den Vordersatz gestellien Nachsatz am Ende wieder- 


THEOGONIA, 159 


holen. Daher hütte nicht die volle Interpunction nach 

. ῥπηδεῖ gesetzt werden sollen, durch die Hr. G. selbst 
erst sich die Nothwendigkeit seiner Vermuthung aufge- 
legt hat. 

V. 83. ist nicht bemerkt, dass Stobáus XLVIII, 
12. προχέουσιν» und in den vorhergehenden Versen τι- 
μήσουσιν und yewóuevóv τὸ ἴδωσιν giebt, da hinge- 
gen Themistius IX. p. 122. (146. der eben erschie- 
nenen Dindorfischen Ausgabe) χεύουσιν ᾿τπὰ οἱ δέ vs 
λαοί, und Aristides LII. p. 132., der ebenfalls τιμήσουσι 
hat, χείουσιν behült. 

V. 87. ὁ δ᾽ ἀσφαλέως ἀγορεύων αἶψά τὸ καὶ 
μέγα νεῖκος ἐπισταμένως χατέπαυσε. ὙαΒ Hr. G. 
sagt: olyo τε καὶ ἐπισταμένως οοπόμηρὶ debent,205 
würde schon an sich wegen der Verschiedenartigkeit der 
verbundenen Begriffe in poetischer Rede unpassend seyn; 
gar nicht aber hat diese Verbindung bei einem Ejpiker 
Statt, wenn μέγα νεῖκος dazwischen steht. Vielmehr 
bezieht sich τὸ auf das vorhergehende Participium, das 
dem Sinne nach wie ἀγόρευε construirt ist. Diese Con- 
struction, von der zum Viger S. 772. gesprochen wor- 
den, bestreitet Hr. Dóderlein iu dem Specimen I1. Le- 
cttonum Homericarum, p. 9. fl. Noch befremdlicher 
aber ist es, dass Hr. G. diese vermeintliche Verbindung 
von αἶψά τὸ καὶ ἐπισταμένως 815 Widerlegungsgrund 
gegen Lennep gebraucht, der aus dem Homer ἀγορεύει 
lesen wollte, und dann den 92. Vers einschaltete, aber 
nicht gesehen habe, dass so in den folrenden Worten die 
Copula fehle. Lennep nahm, was sehr wohl angeht, «e 

"Yür die Copula, zog aber unstreitig xoi zu μέγα νεῖκος, 
9uch einen grossen Streit. * 

V. 91. ist nicht bemerkt, dass statt ἑλάσχονται 

bei Plutarch in der Schrift pegen. Epikur p. 1098. E. 
. δἰσορόωσιν steht. | ! 

V. 93. kamn man nicht wohl zugeben, dass οἷά ce 
"Μουσάων ἱερὴ δόσις ἀνθρώποισι sich auf die vorher- 
gegangenen Verba μεταπρέπει und ἱλάσχονται beziehe, 
was die Rede sehr dunkel machen würde, indem, was. 


. 
—- up pur o cett Ἢ 


100 HESIODI 


jene Verba enthalten, nur sehr mittelbar von der Gunst 
der Musen abhüngt. Vielmehr gehórten wohl V. 87 ---- 
92. einer andern Recension an, und das οἷά τὲ schloss 
sich unmittelbar an das von Lennep aus dem Homer ge- 
nommene ὃ δ᾽ ἀσφαλέως ἀγορεύει ün. 

V. 95. Um den Áccusativ in ἀοιδοὶ ἔασιν ἐπὶ 
χϑόνα zu rechtfertigen, passen bloss die aus dem He- 
siedus angeführten Stellen, von denen die erste, falseh — 
cirte, V. 187. der 'Theogonie steht. Denn Scháfer 
zum Longus, auf den sich Hr. G. beruft, vermischt 
Verschiedenartipes, und Longus redet dort gemeine Spra- 
che, Durch ἐπὶ yOóvo wird ausgedrückt ,,über die 
Erde hin. | 

V. 97. hat Hr. G. die Lesart ὅνσινα οῦσαι 
φιλεῦνται, wofür einige Handschriften φιλῶνται haben, 
Rec. aber und nach ihm Andere φίλωνται schrieben, 
beibehalten. — Allein. weder φίλε κασίγνητε, und noch 
weniger d»i4voíónc, künnen die langgebrauchte kurze Sylbe 
rechtfertigen. — Vollends aber gehórte φιλητὴς statt φη- 
λητής», wovon Hr. G. zu Oper. 373. spricht, ganz und 
gar nicht hierher.  Áuch hier hat die Neigung zum Ety- 
mologisiren Hrn. G. verleitet, dieses Wort von φιλεῖν abzu- 
leiten. Er hat aber dabei nicht bedacht, dass es auch 
bei den Tragikern, und zwar wenn auch in manchen 
Handschriften φιλητής, doch in andern φηλητὴς geschrie- 
ben vorkommt; dass es ferner, selbst wenn man es gi- 
λητὴς schreiben wollte, doch bei den 'Tragikern nicht 
206die erste Sylbe lang haben kónnte, die nirgends kurz ge- 

funden wird; endlich dass es vielmehr seinem Ursprunge 
nach mit σφάλλειν, ἔσφηλα, verwandt ist, wie das eben- 
falls von den Tragikern gebrauchte φηλοῦν beweist. Es 
kann durchaus kein Zweifel seyn, dass bei dem Hesio- 
dus φίλωνται zu schreiben ist, da φιλεῦνται auch we- 
gen der passiven. Form in activer Bedeutung verworfen 
werden muss, φίλεσθαι himgegen mit langem ἐν wie ἐφέ-- 
Aero zeigt, active Bedeutung hat.  Uebrigens ist auch 
die Prosodie durch die feststehende .AÁnalogie gesichert, 
mach welcher das lange , im φέλεσϑαι in der Form auf 


|J 
/ 


/ 


THEOGONIA, 161 


eo kurz wird, wie das Ὁ voh χύρειν in χυρέω, und so 
in vielen andern Verbis. 

V. 100. hat Hr. G. zwar Recht, dass xAeic aus 

χλέεα zusammengezogen sey, aber dass der Nominativ κλεῖος 
keine zu verwerfende Form ist, zeigen bei Homer nicht 
mur ὑπὸ δείους, ὑπὸ σπείους, sondern anch Odyss. V. 
194. iov δὲ σπεῖος. 
- V. 107. f führt Hr. G. die von Herrn Ritsehl vor- " 
geschlagene Versetzung der Verse an, ohne sein Urtheil 
. darüber zu sagen.  Bemerkenswerth würe gewesen, dass 
nichts zu versetzen ist, sondern V. 108 — 113. in einer 
andern Recension statt V. 105—— 107. gesetzt waren. 

V. 118. scheint auch dem Plutarch de def. orac. 
43. p. 433. .F. nicht bekannt gewesen zu seyh. 

V. 120. ist die merkwürdige Abweichung bei Ari- 
stoteles Phys. IV. 1. Metaph. 1. 4. ὃς πάντεσσι μδτα- 
πρέπει ἀϑανάτοισι nicht angezeigt. 

V. 122. findet man wie gewühnlich interpungirt: 
λυσιμελής. πάντων τε ϑεῶν πάντων v ἀνθρώπων 
δάμναται ἐν στήϑεσσι νόον .xai ἐπίφρονα βουλήν. 
Diese Interpunction führt die Hárte mit sich, dass man 
das τε nach πάντων nicht, wie es natürlich ist, als dem 
folgenden zs entsprechend ansehen kann, sondern als Co- 
pula nehmen muss, durch welche δάμναται mit dem 
Vorhergehenden verbunden sey. Richtig ἰδὲ in der Trin- 
cavellischen Ausgabe das Komma nicht nach λυσιμελής, 
sondern nach ἀνθρώπων gesetzt: denn die Genitive hàn- 
gen von λυσιμελὴς ab, d. i. χύων μέλη. Im folgenden 
Verse ist δϑαμνᾷ v zu lesen. S. Odyss. XI. 221. 

V. 126. ist mit Recht bemerkt, dass ἑαυτῇ in den 
Worten Ταῖα δέ row πρῶτον μὲν ἐγείνατο ἶσον éav- 

τῇ nicht alte Sprache ist. Aber obgleich der Scholiast 

zu Sophokles Elektra 86. und das "Etym. M. p. 042. 
11., ingleichen Stobáus Ecl. 1. 11. p. 284. dieselbe 
Lesart haben: so ist doch zu vermuthen, dass der alte 
Dichter nicht 80, sondern vielmehr sagte: J'eim δὲ oi 
πρῶτον μὲν ἐγείνατο πάντοσε ἶσον. 

V. 120. 130. γείνατο ὃ οὔρβα μαχρά, ϑεῶν 

Hrnw. Or. VI. L 


LI 


102 HESIODI 


207yaoísvrog ἐναύλους Νυμφέων, ci ναίουσιν dy' οὔρεα 
βησσήεντα. Hic versus additus esse esdetwr. a “6- 
centtore quodam, qui ϑεῶν sllud explicare conaba- 
tur. Nam quid slla sibi colunt addita: ci vaíov- 
div dy οὔρεα βησσήεντα post eerba ϑεῶν χαρίεντας 
ἐναύλους3 In montibus templa erant deorum con- 
stibuta; hoc significant slla. ϑεῶν χαρίεντας ἐναύ- 
λους. Allerdings kann der Vers wegfallen, und ist auch 
vielleicht von einem der Dichter nicht geschrieben wor- 
den. Der aber, welcher ihn hinzusetzte, hat ebenfalls 
Recht gethan, zumal wenn er vielleicht 9s» schrieb. 
Denn der Zgsatz zu Νυμφέων hat nichts Anstüssiges, 
sobald man den ganzen Vers für eine Umsohreibung von 
Ὀρειάδ cf nimmt. 


V. 131. ist ἡδὲ καὶ zu lesen, da nicht ein Gegen- 
satz gemacht, sondern nur in Aufzáhlung des Gleichar- 
tigen fortgefahren wird. | 


V. 132. hátte die von Hrn. O. Müller in den Pro- 
legomenen zu einer wissenschaftlichen Mythologie S. 379. 
gegebene Erklürung bemerkt seyn küónnen, dass dieser 
ohne Vater erzeugte Pontus das Salzmeer, der Ocean 
hingegen der Strom sey, aus dem die süssen Wasser 
hervorquellen. ! 

.... V. 135. Gewóhnlich las man Θείαν τὸ Ῥείαν τε. 
Hr. L. Dindorf, der Θείην ve ἹῬείην τὲ corrigirt wissen 
wollte, hat bloss in Ocígyv, das durch einige Mss. und 
durch V. 371. gerechtfertigt wird, die Beistimmung des 
Herausgebers erhalten; wegen ὩΡείην aber tadelt er ihn, 
und behauptet, Ῥείη gehóre den neuen Epikern. Und 
80 hat er denn auch V. 625. 634. diese Form beibe- 
halten. Mit Unrecht. Schon die Gleichheit der Namen 
verlangt gleiche Form: aber “Ῥείη steht auch an sich 
fest. Homer im Hymnus des Ápollo V. 93.: 


doceas ἄρισται ἔασι, Διώγη τε. Ῥείη τε. 
Auf die Ceres V. 442.: | 
“Ῥείην ἠὕΐκομον. 


ΤΗΒΟΘΟΝΙΑ. ᾿ 168 


In der Theogonie ist V. 458. Ῥείη δ᾽ αὖ δμηϑεῖσα, 
eine handachriftliche Lesart, aufsunehmen, oder '"Peíg δὲ 
διμηθϑεῖσα zu schreiben. In lliad. XV. 187. irrten die. 
Grammatiker, welcbe lasen: 


τρεῖς γάρ v ἐχ Koóvov εἰμὲν ἀδελφεοί, οὗς τέ- 
ὄχι 
xtto Ῥέα. 


Homer sagte οὖς τέχε “Ῥείη. 

᾿Υ̓͂, 140. vertheidigt Hr. G. wohl mit Recht die 
Schreibart ὀμβριμόϑυμον. Aber dass er, wie Buttmann 
richtig ἄμβροτος von μόρος ableitete, so auch von dem- 
selben Worte ὄμβριεμος abstammen lassen will, wird nicht 
leicht jemand. billigen. — Eher kónnte man es von ὁρμὴ. 
ableiten, wenn nicht die in βριάειν, βρέϑειν, Βριάρεδως 
und 'Ofjg.coece vorhandene Wurzel βρὲ noch nüher làge. 
Dadureh wird dem μὴ micht widersprochen, das wegen 
des 9 gesetzt ist, so wie es auch in ἄμβροτος das mit kur-208 
zer Anfangssylbe ἄβροτος lautete, nicht aus μορτὸς übrig 
ist, und nicht zur Wurzel gehórt, deren ὦ in 9 verwan- 
delt ist, sondern bloss des Wohllants wegen hinzukommt. 

V. 142. hat Hr. L.. Dindorf, der aus Herodian ὀφρϑαλ- 
μὸς δὲ Suc μέσσῳ ἐνέκειτο προρώπῳ schrieb, in sofern 
Recht, als diess wohl die Lesart einer alten Recension war. 
Hr. G. meint, der Grammatiker habe aus dem Gedácht- 
nisse citirt, und V. 142. und 145. zusammengemischt. 
Uebrigens sind V. 143—145. mit Recht eingeklammert, 
als statt V. 141. 142. in einer andern Recension gesetzt. 
V. 148. den schlechten Rhythmus: 


τρεῖς παῖδες μεγάλοι καὶ ὄμβριμοι, οὐκ ὀνομα- 
στοί, 


hütte Hr. G. unbedenklich durch τὲ xoi corrigiren sollen. 
Er berührt diesen Rhythmus zu V. 250., aber ein schlech- 
ter Vers wird nicht durch einen andern , eben.so leicht 
zu verbessernden gerechtfertiget. 

V. 151. ist ἄπλαστοι beibehalten, und ?nformes über- 
setzt, Alleim unmóglich kann dieses Wort bei einem alten 
Ejpiker diese Bedeutung haben. Vielmehr verde es ,,nicht 

᾿ 2 


164 a HESIODI 


erdichtet bedeuten.  Hr..G. will nicht glauben, dass 
ein epischer oder attischer Dichter ἄπλατος von πελᾶν 
gesagt habe, sondern meint, er würde ἄπλητος gesagt 
haben. Ein Epiker freilich: und so ist auch hier, wie 
in andern Stellen des Hesiodus, ἀπλητοι das Richtige. 
Dass eim Attker hingegen nicht ἀσιλητορ, sondern ἄπλα- 
vog sagt, hütte Sophokles 'TTrach. 1093. beweisen kün- 
nen, wenn es sich nicht von selbst verstánde. 
V. 165. hütte Hr. G. in den Worten πατρός ye 
xax)v τισαίμεϑα λώβην zwar gern xe gesetzt, liess 
sich aber durch den Uebellaut χε καχὴν abhalten. Allein 
.9hne alle Frage muss xe gesetzt werden, weil γε unpas- 
send ist. Und die Furcht vor dem Uebellante wird durch 
xai xe und xe xoi, noch mehr aber durch xóxov χεχα-- 
χωμένον Odyss. IV. 754. vollkommen beseitigt. 
"V. 171. Hier scheint Hr. G. in dem, was er über 
ἀννέφελος und andere ühnliche Zusammensetzungen sagt, 
die er von &vev ableiten will, zu subtil etymologisirt zu 
haben. "vésizra in der Theogonie V. 660. und ἀγά- 
πνευστοι V. 797. scheint ihm mit δυσάσχετος analog 
zu seyn, wobei er sich auf Buttmanns Grammatik IL p. 
357. beruft. Mit diesen Wórtern sieht es eben so miss- 
lich aus, wie mit den von Bnttmann hingefügten ἀγάεδ-.- 
voc und ἀγάγνωστος. Von ἀνάεδνος sagen die Scho- 
liasten des Homer nichts, wohl aber Eustathims. — Allein 
wer móchte es nicht wahrscheinlicher finden, dass d»ésó- 
209roc und ἀνέελπτος die richtigen Formen würen? In 
V. 197. der 'Theogonie hatte wohl der Dichter gesagt, 
ἀλλά ve κεῖται ἅμ᾽ ἄπνευστος καὶ ἄναυδος, wie ἄπνευ- 
στος xci ἄναυδος κεῖτο in der Odyss. V. 450. steht. 
Ueher ἀνάγνωστος, das "Eustathius dreimal erwühnt, 
lásst sich nicht bestimmt urtheilen. Es ist aus dem 423. 
Fragmente des Kallimachus, das bloss in' dem Penta- 
meter besteht: 


μηδὲν Gvdyvocvov χαλὸν ἔχοιμε φίλῳ. 


Theophylaktus , der davon zweimal Gebrauch machte, 
setzte ἄγνωστον. Da die Grammatiker ἀνάεδνον an- 


THEOGONIA, 165 


erkaunten, mag wohl der gelehrte Alexandriner das haben 
nachahmen wollen. Aber ὀδμὴ δυςάσχετος bei dem 
Apollonius II. 272. ist ein offenbarer Schreibfehler statt 
δυςάνσχετος. 

V. 183. wird behauptet, ἦν sey Plural, was aueh 
die Meinung mancher alten Grammatiker war. Aus dem 
angeführten Matthià $. 303. 1. liesse sich eher das Ge- 
gentheill darthun. Dje Attiker und wohl überhaupt die 
alten Griechen scheimen es für den Singular, und mit 
Recht, genommen zu haben: daher sie auch ἐστὶ so ge- 
brauchen. ἮΝ 
V. 186. Der Dichter nennt hier die Giganten: 


3 5 


τεύχεσι λαμπομένους, δόλιχ ἔγχεα χερσὶν Eyov- 
τᾶς. ΄ 


Ein pasr Codices lassen diesen Vers weg, und Hr. 
G. verwirft ihn als aus Iliad. XVIIL 510. von einem 
Rhapsoden gemacht, indem er hinzusetzt: Quis wn- 
quam fando audiet loricis. $nstructos fuisse G4- 
gantes et. longis hastis usos esse? — Warum nicht? 
Homer, wie schon die alten Ausleger bemerkten, kennt 
die Giganten nicht unter der ihnen spüter beigelegten 
Gestalt, sondern als ein mit den Pháaken verwandtes 
Volk (Odyss. VII. 59. 206.), das durch seinen Ueber- 
müth umkam. Vgl. Huschke Analect. litter. p. 321. f. 
Der Vers dürfte daher viehnehr für sehr alt und Hesio- 
disch zu halten seyn, ein spüterer Rhapsode aber ihn in 
seiner Theogonie weggelassen haben. 

V. 190. Sehr kann gezweifelt werden, ob hier ἀφρο- 
γενέα und V. 199. Κυπρογενέα richtig geschrieben sey, 
umerachtet das gleich folgende quAouunóéa gewiss recht 
geschrieben ist. Denn wenn zwei kurze Sylben vorher- 
gehen, missfillt die Zusammenziehung zweier kurzer Vo- 
cale, und es wird ἢ gesetzt, wie Ὀδυσῆ bei Homer Odyss. 
XIX. 136. Die Grammatiker haben das manchmal wei- 
ter ausgedehnt, als nóthig war, und auch Τυδῆ und M7- 
κιστῆῇ geschrieben. S. die Scholien zu lliad. IV. 384. 
Daher war auch in der Theogonie V. 982. Τηρυογῆ 


166 HESIODI 


beizubehalten. Noch schwieriger war das Aussprechen 
det Zusammenziehung selbst eines kurzen und langen 
Vocals, wenn ihr kein Consonant voraussyinp. ^ Daher, 
210wenn dyogéov, Βριάρεω und dergleichen keinen. Án- 
stoss geben, doch Hesiodus V. 41. nicht Jeécv, son- 
dern ϑεᾶν: nicht μεμιέων Op. 145., sondern μελιᾶν 
sagte. Eben so wenig V. 204. σχολιέων τὲ διχέων, 
9bwohl das letzte Wort vielleicht. 80 zu schreiben ist 
(daher ist auch der Genitiv von Βορέας nicht Bogéso, 
sondern Bogéc).  Folglich kann in demselben Gedichte 
auch σοὺ δ᾽ ἐγὼ ἐσϑλὰ νοέων wohl nicht richtig seyn, 
wenn auch vielleicht der Fehler nicht in dem Participium liegt. 

V. 199. hátte an der aufsenommenen Lesart Kv- 
προγενέα d^, ὅτι γέντο gezweifelt werden sollen, Die 
gewühnliche Lesart ὅτε γένοιτο ist gar nicht erwühnt, 
und doch findet sich γέντο und ἔγεντο von wíyvouo:, 
das die spátern Dichter gebrauchen, nur ah bedenkli- 
chen Stellen bei dem Hesiodus. Eben so wenig ist er- 
wühnt, dass der Scholiast zu Iliad. V. 422. das Etym. 
M. p. 546. 20. und das Etym. Gud. p. 355. 10., in- 
dem sie von der Sache sprechen, διὸ oder διότι γεν- 
γᾶται sagen; ferner, dass einige Grammatiker den Vers 
gar nicht zu kennen scheinen, wie er denn auch im Etym. 
M. p. 179. 0. fehlt. Daher ist wohl noch eine andere Les- 
art anzunehmen, Κύπρι» δ᾽, ὅττι γένοιτο. 

V. 200. sagt Hr. G.: Ven. melius xoi φιλομῆη-- 
δέα δ᾽ αὖ. Aber diese Lesart scheint vielmehr ver- 
werflich zu seyn, da der Dichter die herkómmliche Ver 
lüngerung in φιλομμειδὴς beibehalten musste. 

. . V. 200. Hier sagst Hr. G.: Post hunc versum 
desunt narrationes de Crono imperium Urans οὐδν 
arrogantt, Daran móchte doch sehr zu zweifelu seyn, 
da es nicht mur nicht nóthig scheint, dass der Dichter 
diess erzühlte, sondern auch unsere TTheogonié vielmehr 
an Zusützen Deberfluss hat.  Auslassungen würden hüch- 
stens da anzunehmen seyn, wo etwas in einer ündern 
Recension schon gesagt war, und die Ordner "unserer 
Theogonie, um Widersprüche zu venneiden, etwas weg- 


THEOGONIA. 167 
gestrichen h&tten. So künnte man gleich in dem, was 


| V. 211. folgt, eine Auslassung vermuthen: 


Νὺξ δ᾽ ἔτεχε στυγερόν τε Μόρον καὶ Κῆρα μέ- 
λαινα»9 

καὶ Θάνατον, τέχε δ᾽ Ὕπνον, ἔτικτε δὲ φῦλον 
Ὀνείρων" 

οὔτινι χοιμηϑεῖσα ϑεὰ τέχε Νὺξ ἐρεβεννή. 


Hr. G. bemerkt nichts über den letzten dieser Verse, 
dem es gühzlich an Zusammenhang mit den vorhergehen- 
den gebricht. Man kenn nun hier zwar vermuthen, die- 
set Vers sey in eier andern Recension, die den mittle- 
ren nicht kannte, mit dem erstern so verbundeu gewesen? 
j δ᾽ αὖτε orvyspóv τε Mógov u. s. w. Allein da 
bald darauf V. 220— 222. nicht nur schleppend, son- 
detn gánz unrichtig gesagt wird, was den Erinyen zu- 
kommt: so ist es sehr wahrscheinlich, dass vor V. 213. 
ein Vers ausgefallen oder mit Fleiss weggelassen ist, in 


welchem die vorher als Tóchter der Erde aufgeführten211 


Erinyen nach der andern Sage zu 'Tóchtern der Nacht 
gemacht waren, und nun folgten V. 220 — 222. ganz 
richtig auf V. 213.  Uebrigens verlangt die epische fSpra- 
che V. 220. nothwendig ἐφέπουσιν, οὐδέ ποτε λήγουσι. 

V. 224. will Hr. G., seiner oben zu V. 97. be- 
rührten Étymologie gemüss, «d»Aórgro durch einen Eu- 
phemismus für Diebstahl nehmen. Εἶπ KEuphemismus 
kann in einer schlichten Erzáhlung der Sache nicht statt- 


fiudeu. Der Dichter stelle bloss die Werke der Nacht 


zussnmen. 

V. 247. Auch hier zeigt sich die Neigung zm 
urgewohnlichen Etymolegien, wenn Εὐνείχη von εὐνγὴ 
und εἴκειν» die dem Anker weicht, abgeleitet wird. Die 
rkhtige Form is Εὐνίχη, wie bei Apollodor. 


V, 248. wird die schon V. 243. unter den Nerei- 


den genannte Proto noch einmal genannt. Man hat wi 
vieler Wahrscheinlichkeit Πλωτὼ vermuthet, wozu je- 
doch der von Hr». G. angeführte Nonnus 1. 146. nicht 
gebraneht werden kann, da dort offenbar IlIAovroivc die 


168 HESIODI 


richtige Lesart ist. Entweder also ist Πλωτὼ das Wahre, 
oder derjenige Dichter, der hier Πρωτὼ setzte, hatte 
eben einen andern Namen genannt. Ingeniós ist der Ge- 
danke, dass für “υσιάνασσα V. 258. Ὑσιάνασσα zu 
lesen sey: doch ist wohl nichts zu ündern. Ja ein und 
funfzig Nereiden statt funfzig aufgezáhlt sind, ist des 
Herausgebers Meinung, nach welcher V. 262. νημερτής, 
ἢ als Adjectiv zu lesen ist, in sofern wahrscheinlich, als. 
dieses wohl in einer der HRecensionen gestanden seyn 
mag. Allein der, welches Νημερτής 9, ἣ schrieb, hatte 
wohl vorher einen Namen weniger. Án der Form des 
Namens, den nicht bloss Homer, sondern auch Eimnpedo- 
kles V. 14. hat, war kein Ánstoss zu nehmen. 

V. 250. war der unrhythmische Vers: 

Δωρὶς καὶ Πανόπη καὶ εὐειδὴς Γαλάτεια, 
unbedenklich durch Πανόπεια zu verbessern. S. oben 
zu V. 148. Homer setzte Παγόπη, well er xai ἀγα- 
χλειτὴ Γαλάτεια folgen liess. 

V. 270. ist nach einer Correction ven Seleucus ge- 
schrieben Φόρχυϊ δ᾽ αὖ Κητὼ Τραίας τέκε καλλιπά- 
ρηος. Ob diess der altem Lesart χαλλιπαρήους vorzu- 
ziehen war, kónnte doch sehr gezweifelt werden. — Ínge- 
niós aber ist die Vermuthung παῖδας véxe, da bei Τραίας 
τέκε das folgende τὰς δὴ ΤΓραίας καλέουσιν un 
nehm auffüllt.  Indessen folgte wahrscheinlich im der al- 
ten Theogonie auf V. 270. sogleich V. 273., der die 
Namen der Grüen enthilt. Nach V. 273. vermisst Hr. G. 
einen Vers, welcher die dritte Grüe, 4Δεινὼ oder Jouvoó 

212genannt, habe. Allein mit Recht meint Hr. Vólcker in 
der mythischen Geographie S. 18., die dritte sey erst 
spáter, weil der Gorgonen drei sind, der Gleichmüssig- . 
keit wegen hinzugedichtet worden. Und allerdings muss- 
ten auch ursprünglich nur zwei seyn, wenn sie, wie Rec. 
überzeugt ist, Ebbe und Fluth bedeuten, und der Se/a- 
céa wnd Venilia der Rómer entsprachen. Daraus er- 
| giebt sich zugleich, dass die spüter hinzugekommene Ἶαι- 
vo mit ihrem. andern. Namen Zio, nicht evo hiess, 
indem diese Namen die Besünftigung des Meeres und das 


THEOGONIA. 169 


Umkehren der Wellen zwischen Ebbe und Fluth bezeich- 
nen. Es mógen daher wohl V. 271. 272. ein spüterer 
Zushiz seyn, dér eigentlich nach V. 273. stehen sollte. 
Da Hr. G. den Mythus von den Grüen und Gorgonen nacb 
O. Müller für einen argolischen nahm, woran, wie be- 
reits oben bemerkt worden, bei dem Hesiodus nicht zu 
denken ist: so gerieth er auf den Hinfall, unter den 
Gorgonen active, unter den Grüen passive Unfrachtbarkeit 
zu verstehen, und die Πεφρηδὼ in Teq91óo umwandeln zu 
wollen. Mit grauen Haaren geboren zu werden, sey bei 
den Griechen ein Zeichen der àussersten Schwüche und 
Unfruchtbarkeit, wie aus Oper. 181. erhelle. Dort wird 
die Behauptung wiederholt, und, dabei wieder auf die 
Stelle der Theogonie verwiesen. — Allein davon sagt He- 
siodus kein Wort, sondern seine Worte, Ζεὺς ὁλέ- 
σει xai τοῦτο γένος μερόπων ἀνθρώπων, εὖτ᾽ ἂν 
γεινόμενγοι πολιοχρόταφοι. τελέθωσιν, bedeuten offenbar 
nichts anders, als ,,wenn sie, nachdem sie geboren wor- 
den, in das Greisenalter werden gekommen seyn.4 Nur 
die Sceholiasten haben den Worten Zwang angethan, und 
jene seltsame Auslegung ersonnen. Die Gráen heissen 
grou, wegen des Schaumes der Wellen, und sind die 
σιροφύλαχες der Gorgonen, weil hinter ihnen die grossen 
und geführlichen Wellen des hohen Meeres sind. 


V. 274. nimmt Hr. G. πέρην nicht als Adverbium, 


sondern als Substantivam, und versteht darunter die ez- 
trema Üceans ora. . Aber das ist günzlich gegen dem 
epischen Sprachgebrauch, wie sich klar aus Had. IL 
626. ergiebt: 

γήσων, ct ναίουσι πέρην ἁλὸς Ἤλιδος ἄντα, 
und aus Hesiodus selbst V. 294.: 

σταϑμῷ ἐν ἠερόεντι πέρην κλυτοῦ ᾿(κχεανοῖο. 
Wie sollte hier πέρην Substantiv seyn ' kónnen? 

V. 271. solle ταὶ δ᾽ statt αἱ δ᾽ geschrieben seyn. 

V. 282. if wird vom Pegasus und Chrysaor gesagt: 

τῷ μὲν ἐπώνύμον ἦν, 0v dg ᾿Ωκεανοῦ περὶ 

πηγὰς ᾿ 
γένϑ᾽) .ὃ δ᾽ ἄορ χφύσειον ἔχεν μετὰ χερσὶ φίλῃσι. 


^ 


-—- - 


19 HESIODI 


χῶ μὲν ἀποπτάμενος. προλιπὼν zO8dvo μητέρα 
μήλων, 
(xev ἐς ἀϑανάτους. 
213Schon das unsichere γένϑ᾽, wofür Andere γείνεϑ᾽ ha- 
ben; ferner die Varianten παρὰ und ἔχων, und endlich 
das nicht epische 7d machen die Lesart verdüchtig. Wie 
wir die Stelle jetzt haben, rührt sie von einem neuern In- 
terpolator her. "Von den àültern Dichtern schrieb einer: 


3 2^ 23 


τῷ μὲν ἐπώνυμον ἦν, 0r &Q Ὠκεανοῦ παρὰ 


πηγὰς 
(xev ἀποπτάμενος, προλιπὼν χϑόνα μητέρα 
μήλων" 


ein Anderer: | 
0v ἄρ᾽ ὩὨχεανοῦ περὶ πηγὰς 
jxev ἐς ἀϑαγάτους" 
defern nicht etwa beide Distichen durch ἴχέ᾽ τ᾽ zusum- 
menhingen. V. 283. aber dürfte wohl so gelautet haben: 


γέντο δ᾽ ἄορ χρύσειον, ἑλὼν μετὰ χερσὶ φί- 
| λῃσιν, 


und nach V. 280. als Parenthese gesetzt gewesen seyn, 
so dass Chrysaor nach dem goldenen Schwerte des Per- 
seus benannt würe.  Diess ist das Homerische γέντο; 
er ergri. 

V. 284. hütte Hr. G. zu dem blitztragenden Pe- 

 gasus, den er mit dem Aetna in eine umerwartete Ver- 
bindung setzt, nicht den átnüischen Mistkáfer des Aristo- 
phanes benutzen sollen, der bloss wegen seiner (xrósse 
ütnáisch genannt wird. S. die Sprichwórtersummler in 
Aivvoio πῶλος. 

V. 203. 307. 327. ist es nicht eben plaublich, 
dass Ὄρϑον, was gar zu sehr dem Adjectiv áhnlich ist, 
die richtige Form sey: und es dürfte daher wohl besser 
gewesen seyn, die auch bei anderm Mythologen vorhan- 
dene Form Ὄρϑρος. beizubehalten. 

V. 300. Hier hat der Herausgeber zwar mit Recht 


4 


THEOGONIA. 171 


zwei verschiedene Recensionen, sber nicht auf eine be- 
friedigende" Weise unterschieden. Die zweite derselben, 
welche V. 295, 296, 208, 209, 305, 308. gehabt ha- 
ben soll, würde an sich nichts Anstóasiges haben. Aber 
dass die erste nus V. 205 —297, 300—302. be- 
standen habe, kann nicht zugegeben. werden. Sie lau- 
tet so: 


ἣ δ᾽ ἔτεχκ ἄλλο πάλωρον, ἀμήχανον, οὐδὲν ἐοι- 
χὸς 

ϑνητοῖς ἀνθρώποις οὐδ᾽ ἀϑανάτοισι ϑεοῖσβ 

σπῆϊ évi γλαφυρῷ, ϑείην κρατερόφρον᾽ "Eyió- 
vov, 

ποιχίλον, ὡμηστήν, ξαϑέης ὑπὸ χεύϑεσι γαίης. 

ἼἜνϑα δέ οἱ σπέος ἐστὶ χάτω κοίλῃ ὑπὸ πέτρῃ 

τηλοῦ ἀπὶ ἀϑανάτων ve ϑεῶν ϑνητῶν τ᾽ ἀν- 
ϑρώπων. 


Erstens soll sich oz ivi γλαφυρῷ auf die Hühle be 
ziehen, in welcher die Echidna geboren ist, nicht auf 
die, in weleher sie wohnt, die in den Worten i νϑα δέ 
οὗ σπέος ἐστὶ bezeichnet "werde. Aber wer kann erra- 
then, dass die letztere eine andere Hóhle sey? Zweitens 
was soll man sich unter ἔνϑα denken, da das vorherge- 
hende ὑπὸ χεύϑεσι γαίης viel zu unbestimmt ist, um 
einen Ort anzuzeigen, und die vorher genannte, angeb-2 14 
lich. verschiedene Hóhle doch wohl ebenfalls ὑπὸ χεύϑε- 
ot γαίης ist ἢ Endlich passen die münnlichen Epitheta 
ποικίλον, ὠμηστήν, die Hr. G. künstlich zu rechtfer- 
tigen sucht, nicht auf die Echidna, sondern gehóren of- 
fenbar zu dem von dieser Recension getrennten, und der 
andern zugeschriebenen Verse: 


? 
f40U δ᾽ αὖτε πέλωρον ὄφιν, δεινὸν vs μέγαν 
᾿ Tt. 


Einen weit natürlichern Weg konnte der Turiner Codex 
zeigen, in welchem die Verse in folgender Ordnung ste- 
hen: 295 — 300, 303—305, 301, 302. Daraus er- 
giebt sich, dass die eine Recension V. 295—300, 303. 


172 HESIODI 


haéte; die andere 205—209, 304, 305, 301, 302., 
wodurch alle Anstóssigkeiten vóllig beseitigt werden. 

V. 300. Hier stellt Hr. G. eine ganz eigene Mei- 
mung auf, dass Typhon, der hier ἄνεμος genannt wird, 
nicht mit dem V. 821. genannten Typhoeus eine Per- 
Son, sondern dessen Sohn sey, was er aus V. 869. 
schliesst, wo die:schüdlichen Winde als Erzeugnisse des 
Typhoeus dargestellt werden. Aus diesen Prümissen lásst 
sich aber geradezu auch auf das Gegentheil, und noch 
mitgweit grüsserem Rechte, schliessen. 

V.. 315. ist die hergebrachte Lesart ἄπλητος bei- 
behalten: allein es würe doch erst besser, als Ruhnke- 
nius zum Hymnus auf die Ceres V. 83. gethan hat, zu 
erweisen, dass dieses so viel als ἄπληστος seyn künme. 

V. 337. ff. Die hier aufgezühlten Namen von Flüs- 
sen, die als ein Denkmal der geographischen Kenntnisse 
des Hesiodus angesehen werden, sind doch nicht alle so 
sicher, dass nicht auch hier vielleicht ein oder. der an- 
dere Vers ein spüterer Zusatz seyn kónnte. V. 342. 
bilgt Hr. G. die Conjectur von Hrn. Fr. Franke, ϑεῖον 
Zuuóevio statt θεῖόν τε Σιμοῦντα, mit Recht, wenn 
nicht etwa Σιμόενταά ve ϑεῖον das Wahre ist. 

V. 349. Dass die Oceaniden, die hier aufsezühlt 
werden, auf Lünder hinweisen, und fois das dorisehe 
Land, Ῥόδεια Rhodus, Περσηὶς Persien, Ἰάγνειρα Jo- 
nien bezeichne, wird Hrn. G. wohl miemand zugeben. 
Alle diese Namen beziehen sich anf Eigenschaften der 
Quellen, und Ζωρὶς hat ungefáhr dieselbe Bedeutung, 
wie die áhnlich benanntem Πολυδώρη und Ευδώρη; 
“Ῥόδεια kann von ῥόδον herstammen, das vielleicht mit 
ῥδαδινὸν verwandt ist; Περσηΐὶς bedeutet wohl die Durch- 
brechende, und Ἰάνειρα ist ziemlich klar von loívew 
gebildet. — Andere Namen hat Hr. G. wohl unstreitig 
richüg erklürt; bei andern aber móchte noch starker 
Zweifel erhoben werden kónnen. So dürfte Γαλαξαύρη 
sehwerlich lgcteum succum jvrocreans seyn, sendern 

215in Vergleichung mit Πληξαύρη eher emen Gegensatz . 
von.dieser .sadeuten: denn γάλα, γαλαϑηνός, γαλήνη 


THEOGONIA. | 3 


scheinen verwandte Wüórter.zu seyn, das ftillen bezeich- 
nend. Καλυψὼ móchte leichter die Verborgene oder 
sich Verhergende seyn, als quae luto ferundo «ndu- 
cit terram; und. Ζευξὼ ist gewiss nicht bifida, βοῃ- 
dern das Gegentheil, die aus zwei Quellen sich vereinigt; 
dagegen ist die 41/100, welche Hrn. G. viel Zweifel ver- 
ursachte, und ihn sogar an eine Veründerung des .Na- 
mens in ᾿“μφυρὼ von ἀναφύρειν, mithin des Vers- 
maasses "wegen auch der ᾿ἰκυρόη in Κρυερὴ denken 
liess, ganz eigentlich 5efida ist 

. VW. 369. hat Hr. 6. die Lesart ἄνδρα ἐνισπεῖν 
in ἄνδρ᾽ ἐνενιπεῖν veràndert, weil ἄνδο᾽ ἕν ἐνισπεῖν, 
das sich in einigen Handschriften findet, das Wahre dar- 
thne. Aber um das anzuerkennen, müsste man doch den 
Beweis fordern, dass dieses Verbum so viel als ἐγνισπεῖν 
sey, und nicht. die Bedeutung von ,,ausschelten* . und 
,nfahren** habe. 

V. 373. ἀϑανάτοις vs ϑεοῖς, τοὶ οὐρανὸν εὐρὺν 
ἔχουσι. Hier sagt Hr. G. Libenter scripsissem ἀϑα- 
γάτοις τε Ótoic., μὲ eolut Τοῦ. Warum that er 
es nicht? Dergleichen muss ohne Frage corrigirt werden. 

V. 379. Sehr gut ist, was hier über die Winde 
gesagt wird, und die Abtrenmung von ᾿“4ργέστην als Sub- 
stantiv. 

V. 380. f. sagt der Dichter von Κράτος und Bío. 


τῶν οὐκ ἔστ ἀπάνευϑε Διὸς δόμος» οὐδέ τις 


ἕδρη, 
οὐδ᾽ ὅδος, ὅππῃ μὴ κείνοις ϑεὸς ἡγεμογεύει. 
Hier wollte Wolf, damals. noch nicht fest in der Gram- 
matik, mit C'uyetus ἡγεμονεύοι lesen. Hr. G. sagt: 
Non. recte. Constructio est. τῶν δόμος οὐχ ἔστιν 
ἀπάνευθε Διός , οὐδὲ ἕδρη, οὐδὲ 000g ἐστιν αὐτοῖς, 
ἣν μὴ Ζεὺς ἡγεμονεύει. Nam neque coniunctio ne- 
que ορίαξένο proplerea usus est poeta, ut demen- 
siraret nullam non sllis veiam praeire Tocem: sllud 
cero esset: Sí quando Iuppster iliis eéam 
non praeicerst, pro cta eam non habers 


τ - enr um - 
-——————— a m - 


L 


174 HESIODI 


ab asseciss. Diess ist eine Spitzfindigkeit, die sich 
nicht eimnal aus: den Worten herausbringen lüsst. Der 
Optativ konnte hier gar nicht stehen, und den Indicativ 
konnte der Dichter hier auch nicht setzen, sondern er 
setzte den Conjunctiv ἡγεμομούῃ, der nothwendig war. 

V. 394. Her würde eine Anmerkung über den 
Unterschied von τὸ πάρος γε umd τὸ πάρος περ von 
Nutzen gewesen seyn. Denn obwohl sich τὸ πάρος yt 
vertheidigen lisst, wáre doch hier ἣν τὸ πάρος περ ἐν 
ἀϑανάτοισι ϑεοῖσιν angemessener. 

V. 401. Die aus Apollonius de adeerbio statt 
de pronomine ciürten Stellen (in Wolfs Museum p. 


210358. 307.) zeigen allerdings, dass &£ou zu accentuiren 


ist, wenn diese Lesart eimiger Handschriften aufgenom- 
men wird. .Án das dorische ἑοῦς aber hütte nicht ge- 
dacht werden sollen. "Wenn Hesiodus das pereonelle Pro- 
nomen setzte, sagte er wohl ἔοι. 

Sehr gut ist, was Hr. G. zu V. 411. über die ein- 
geschaltete Beschreibung der Hekate sagt, die Rec. jedoch 
nicht für einen Hymnus derselben halten móchte; gut 
auch die Ausscheidung von V. 410 bis 420., als einer 
andern Recenmsion angehórend, denen er ihre Stelle nach 
V. 428. anweist, V. 427. aber, ebenfalls jener andern 
Recension angehórig, nach V. 425. gesetzt wissen will. 
In diesem letzten Punkte will Rec. nicht entgegen seyn, 
dafern entweder xoi γέρα der Plural, oder von ἔχει ab- 
hangend ὃν γέρας gelesen wird: deun nur auf eine die- 
ser beiden Arten bekommt die Rede einen schicklichen 
Zusammenhang. Allein gar keiner Veründerung bedarf 
es, wenn man annimmt, V. 427. habe in einer andern 
Recension statt V. 413. gestanden, was viel wahrschein- 
licher jat. Ob V. 419. ᾧ, oder mit dem Turiner Co- 
dex οὗ ὑποδέξεται εὐχὰς zu lesen sey, bleibt ungewiss: 
aber was Hr. G. sagt, dass die von Porson und Schü- 
fer zu Euripides Hec. 539. angeführten Belege für dem 
Dativ sich sümmtülich auf Dinge beziehen, die gleichsams 
wit den Hünden dargereicht werden, thut nichts zur Sa- 
che, da hei dem Dativ nur daran gedacht wird, dass 


THEOGONIA, 135 


der Empfangende sich durch das Annehmen dem Geber 
gefállis erweise. 
V. 442. kónnte bei χυδνὴ Ruhnkenius Epist. crit. 
P. ue (138.) angeführt seyn. 
. 452. οὕτως ἐξ ἀρχῆς xovooroóqoc* αἷ δέ τε 
τιμαί. ^ Dien ist die hergebrachte Lesart, gegen die sich 


zwar nichts bedeutendes einwenden lüsst, aber doch ein- ᾿ 


gestanden werden muss, dass es einfacher seyn würde, 
αἵδε τε τιμαὶ zu schreiben. 

V. 464. den schlechten Hiatus, τῷ" ὅγε οὐχ be- 
fiehlt Hr. G. so wegzubringen: τῷ Κρόνος οὔχ. Das 
ist gewiss nicht das Rechte, sondern τῷ καὶ ὅγ᾽ οὐχ. So 
steht xo; vor der Negation lliad. XV. 194, Odyss. 
XHI. 331. 


V. 473. Hier hat sich "Hr. G. versehen, und τέ- 


σασϑαι puntre mit τῖσαι [were verwechselt. Daraus 
ergiebt sich, dass er ganz mit Unrecht behauptet, τίσαιτο 
habe kein Subjeet, wenn V. 473. herausgeworfen werde. 
Allerdings ist der Vers beizubehalten, aber 7Zei« su τέ- 
σαιτο, wie es die Stellung, die Bedeutung der Worte, 
und die ganze Rede verlangt, zu ziehen. 

V. 479. 480. Μὲ versus sunt alius recensto- 
nés pro cerstbus 481—484. — Diess kann Rec. nicht 
zugeben. Denn 50 würde V. 481. ἔνϑα μὲν lvo φέ- 
ρουσα dem ὅππότ᾽ ἤμελλε widersprechen, da das erstere 


effenbar nur von dem schon gebornen Kinde zu verste-217 


hen seyn kann. Vielmehr müchte die eine 9Recension 
wohl bis V. 480. fortzegangen, eine andere aber nach 
V. 477. sogleich mit V. 481. fortgefahren seyn, wo noth- 
wendig ἔνϑα μὲν ἷκτο φέρουσα zu lesen ist. Dass 
der von Hrn. G. angenommene Knossische Interpolator, 
der seine Sache doch nicht ganz recht gemacht habe, 
den ida “ἰγαῖον ὄρος genannt haben sollte, ist nicht 
sehr glaublich. Kallimachus hymn. ἴον. 49— 51. kann 
das nieht beweisen; Herr Hóck in semem Kreta L p. 
409. wollte ᾿“ργαίῳ ἐν ὄρει, gegen die Scholiasten, le- 
sen, weil Jupiter nach Plutarch de fluv. XVI. 3. aus 
Lyktus die Nymphe Árge geraubt habe. Auch das ist 


110 . HESIODI 


micht wahrscheinlich, und wir müssen wohl “γαῖον ὃρος 
für einen Theil des Ida, der diesen Namen geführt habe, 
ansehen. 

... V. 487. Um ἑὴν ἐγκάτϑέτο νηδὺν zu rechtfer- 
tipen, bedarf es nicht des Aeolischen ἐν mit dem Accu- 
sativ: sonst müsste man ja auch bei den Attikern zu. 
diesem Áeolismus seine Zuftucht nehmen, wenn sie àu- 
βάλλειν und. andere solche Verba mit dem Accusativ 
construiren, 

V. 497. hat Hr. G. mit allen. Herausgebern ἐξή- 
pos unberührt stehen lassen.  Diess würde von ἐξαμᾶν 
seyn. Es war ἐξήμεσσε zu schreiben. Iliad. XIV. 437. 
χελαινεφὲς alu dnéíuscotv. 

V. 501—500., behauptet Hr. G., seyen aus ei- 
nem andern Gedichte eingéschoben, indem die Cyklopen 
nicht Οὐρανίδαι heissen kónnen, weil sie nach V. 139. 
und 147. von der Erde allein ohne den Uranus erzeugt 
seyen. Hec. muss hier geradezu widersprechen, da aus 
den angeführten Stellen vielmehr hervorgeht, dass dort 
nur Kinder der Erde und des Himmels genannt werden, 
und namentlich auch V. 147. ἄλλοι δ᾽ αὖ Γαίης τε 
καὶ Οὐρανοῦ ἐξεγένοντο nichts anders heissen kann, 
als ,,noch andere, wodurch die Cyklopen augenschein- 
lich für Kinder auch des Uranus erklürt werden. 

V. 521. ist δῆσας wohl nur eine verdorbene Les- 
arí, die einige neuere Grammatiker vorfanden. Das 
Etym. M. p. 71, 34. hat die gewühnliche richtige —Les- 
art δῆσε δ᾽. ln dem folgenden Verse hütte das μέσον 
διὰ xíoy ἐλάσσας, worein sich Heyne nmicht [finden 
konnte, sowohl an sich, als wegen der von Aeschylus 
im Prometheus V. 64. angenommenen Auslegung; einer 
Erlàuterung hedurft. —Hesiodus meinte wohl, dass die 
Handschellen in der Mitte der Sáule angeschlagen waren. 

V. 532. Die leichteste Weise, dem fehlerhaften 
Verse anfzuhelfen, ist ταῦτ᾽ ἄρ᾽ 0y ἁζόμενος. In dem fol- 
genden Verse hat sich Hr. G. ohne gerechte Ursache an die 
feblende Copula gestossen.- Sie ist der Regel gemüss wegse- 
- lassen, weil der Vers das Vorhergegangene erklüren soll. 


à 


THEOGONIA, 177 


V. 554. Der ungeschickte Vers: ^^ - . 218 
χώσατο δὲ φρένας, ἀμφὶ χόλος. δέ μὲν ἵκετο 
μόν, 


μδείο ein Bemerkung verdient. Die Lesart einer Hand- 
Schrift, ἀμφὶ δέ μιν χόλος ἵκετο ϑυμόν, ist: eine nicht, 
üble Verbesserung vermuthlich von einem Gràinmatiker. 
Aber es scheinen auch hier verschiedene Recensionen 
unterschieden werden. zu miüssen, deren eine V. 554. 
555. nicht hatte, in der'andern aber V. 551, mit. 554. 
so verbunden war: 


yvà ῥ᾽, οὐδ᾽ ἠγνοίησε" χόλος δέ μιψ reco ϑυμόν, 


u. 58. W., mit Weglassung dessen, was zwischen diesen 
Hemistichien steht. Die Ausfüllung, χώσατο δὲ φρένας 
ἀμφί, gehórt wohl dem Ordner an, der duqi mit φρέ- 
γας construirte. Sehr seltsam ist auch die Rede, mit 
der Prometheus angeredet wird, die man kaum. anders, 
als in Bezug auf einen schon vorhergegangenen Betrug 
nehmen kann; und doch wird dieser zweite Betrug. 
erst nachher erzühlt. Daher scheint es, dass in der Re- 
cension, welche V. 555. enthielt, auf diéseh Vers so- 
gleich V. 562 — 5609., dann 558 — 561., und nach die-: 
sem 570. fl. gesetzt waren. 
- ΥΥ̓͂͵ 574. χαταχρῆϑεν δὲ καλύπτρην, δαιδαλέην 
χείρεσσι, κατέσχεϑε, ϑαῦμα Ἰδέσϑαι. — So interpungirt 
Hr. G., nnd wil, dass δαιδαλέην passiv genommen 
werde. Allein nicht nur das ist viel zu gesacht, beson- 
ders für die epische Sprache, sondern es bleibt auch noch 
κατέσχεϑε übrig, das auch so sich nicht wohl verstehen 
lisst. Der Münchner Scholiast erklürt es ἀπέβαλεν, 
verschrieben statt. ἐπέβαλεν. Glaublicher ist, dass der 
Dichter χεέρεσσι περίσχεϑε sagte. Auch in den gleich 
daranf offenbar aus einer andern. Recension genommenen 
Versen 976. 577. hütte das fehlerhafte παρέϑηχε xa- 
ρήατι in περίϑηκχε, oder nach Hesiodischem  Áeolismus, 
'π : περέϑηχε corrigirt werden sollen. 
V. 585. durfte sich Hr. G. nicht durch die Cor- 
Hrn». Or. VI. M 


ΜΆ HES10DI 
reption im χαλὸν Oper. 63. abhalten lessen, die Emen- 


dation des Rec. αὐτὰρ ἐπεὶ τεῦξεν καλὸν χαχὸν ἀντὶ 
ἀγαϑοῖο aufzunehmen. Ein corrapter Vers schützt noch 
nicht einen andern.  Uebrigens ist τεῦξε nicht vom Ju- 
De ; wie Hr. G. will, sondern vom Vulkan gemeiM. 
ieser hatte die Pandora gemacht (s. V. 571.), wed 
nachdem er sie gemacht heat, führt er sie den Góttern 
ver, was nicht das Geschüft des Jupiters seyn. kamn, der 
vielmehr mit unter den Géttere iet, die sich über die 
Ausstattung dieses Geschüpfes verwundern. 
V. 590. gehórt einer andern Recemsien an, als die 
folgenden, eben dasselbe sagenden Verse. 
V. 591. ff. interpungirte Hr. G. so: 


:219 τῆς γὰρ ὁλώϊόν ἐστι γένος xai φῦλα γυναικῶν, 
πῆμα μέγα ϑνητοῖσι uev. ἀνδράσι ναιετάουσιν, 
οὐλομένης πενίης οὐ σύμφοροι, ἀλλὰ κόροιο. 


Die vorher, ebgleich nicht in den alten Ausgaben, ange- 
momuaene Inierpunction: τῆς γὰρ ὁλωϊόν ἐστι γένος" 
καὶ φῦλα γυναμκῶν πῆμα μέγα ϑνητοῖαι μετ᾽ ὧν- 
dodo. καιετάουσιν, δὲ Hr. G. zwar mit Recht verlas- 
sem: aber wenn seine laeterpunction fast nech weniger 
episch ist, ae ist vollends die Annahme, dass votevcov- 
σιν das Participium sey, und μετὰ mich& zn ἀνδράσι 
gehóre, sondern der Simn sey etfrés «na cum e$ ha- 
istentebus, nicht bloss sánzlich unepisch, sondern villig 
dem Sprachgehregche zuwider. Die Stelle war mit ei- 
nem einzigem Jeta zu corrigiren: 


τῆς γὰρ δλωϊόν ἐστὶ γένος καὶ φῦλα γυναικῶν; 
πῆμα μέγ᾽, et ϑνητοῖσι μετ᾽ ἀνδράσι ναιετάουσιν 
οὐλομένης πενίης οὐ σύμφοροι, ἀλλὰ χόροιο.- 


V. 594. kosa Ree. nicht billgen, dass Hr. ας βά- 
doxog, desswegen nicht aufgenomwaem hat, weil der Iadi- 
cativ ἀπεύδουσι folge. Denn sobaM cime Vergleichnsg 
im directe Erzáhlung ühergéht, pfegt auch der ladieativ 
gesetzt zu werden, und muse ea sogar.  Adleim damiá ist 
der Síéelje mech nicht geioMen, die, wie die. V. 594. 


! ! 


ΤΗΒΟΘΟΝΙΑ. 179 


zwischen σίωμβλοισι mnd σμήνευσσι schwankende Lesart, 
und noch mehr das tautologische πρόπαν ἦμαρ ἠμάτιαε 
zeigt, ams zwei verselüedemnen Recensionen zusamienge- 
schmolzen ist. hh der erstern stand alles, was wir ha- 
ben, und zwar ὡς δ᾽ ὁπότ᾽ ἐν σμήνεσαε und βόσχωσι, 
nur dass statt ἠμάτιαι ein amderes Wert gosotzt war. 
in der andern lautete es ungeführ 50: 


),3525 


ὡς δ᾽ ónóv ἐν σίμβλοισι χατηρεφέεσσι μέλισσαι, 
᾿ἡμάτιαι σπεύδουσι; τιϑεῖσί τε κηρία λευχά" 
οἱ δ᾽ ἔντοσϑε μένοντες ἐπηρεφέας κατὰ σίμβλους. 
κηφῆνες παρὰ τῇσι χαλῶν ξυνήονες ἢ ἔργων . 
ἀλλότριον κάματον σφετέρην ἐς γαστέρ᾽ ἀμῶνται- 


Υ. 605. und 609. ist aus einigen Handschriften 67 
und τῷδέ y statt ὅδ᾽ und τῷδέ v, wofür ein Codex 
τῷδ᾽ hat, aufgenommen. — Beides ist nicht das Wahre, 
sendern der Sprachgebrauch, und vorzüglich der epische, 
verlangt ὃ δ᾽ und τῷ δέ v. S. Buttmann zu Sophe- 
kles Philektet, und in dem zwülfen Excurs zu des De- 
mostbenes Rede gegen Midias. 

V. 612. ist weder mit Ramkhnkenius auszustreichen, 
noch irgend etwas zu veründern. 210 Worte, ζώει ivi 
στήϑεσσιν ἔχων dMacvoy ἀνίην ϑυμῷ xai χραδίῃ, 
habem nichts Ánstüssiges, wenn man ϑυμῷ xoi χραδίῃ 
als eigentliche Dative nimmt, ,für das Herz und Ge- 
müth. - 

V. 039. soll παρέσχεϑεν in den Worten ἀλλ᾽. ὅτε 
δὴ χείνοισι παρέσχεϑεν ἄρμενα πάντα Tür παρεσχέ- 
ϑησαν genommen werden.  Áber dann müsste es noth-220 
wendig παρεσχάϊγη heissen, wenn die Worte nicht sollen | 
xissverstamdem werden. Auch hier zeigt. die Wiederho- 
inng derselben Sache, dass verschiedene Recensionen sm 
&óndern simd, wodurch. alle Schwierigkeit beseitigt wird. 
In der einen folgíe auf V. 640. sogleich V. 643., wo 
siph nnn ἀλλ ὅτε. nud. δὴ τότ gemaa anf einander be- 
ziehen. In der amdern folgten anf V. 639. die Verse 
641. 642., in welchem letztern νέκταρ τ. Was einige 
Bücher erhalten habem, stand. M 

2 


180 HESIODI 


V. 656. ist es wunderbar, dass niemand noch ge- 
sehen hat, es müsse geschrieben werden: Jue» ὅ cot 
πραπίδες. S. Dliad. VIII. 32. 403. XVIII. 197. 

V. 659. war wohl ὑπὸ ζόφου atfzunehmen., 

V. 665. kann gefragt werden, ob sonst wo noch 
ἐλιλαίξτο mit dem Augment, was die Bücher geben, vot- 
komme. Dem Rec. klingt es fremd, und er würde δὲ 
λιλαίετο trotz dem weniger guten Rhythmus vorziehen. 
So ist such V. 680. wohl δὲ τινάσχετο zu schreiben. 

V. 676. Sehr mit Recht bemerkt Hr. G., dass 
dieser Vers den Zusammenhang stóre: daher er ihn ans- 
werfen will. Boissonade's Inter punction ist nicht zulüs- 
sig: Τιτῆνες δ᾽ ἑτέρωϑεν ἐκαρτύνᾳντο φάλαγγας προ- 
φρονέως. Χειρῶν ve βίης 9' &ua ἔργον ἔφαινον 
ἀμφότεροι. S. was oben zu V. 122. bemerkt worden. 
Wird aber, wie Hr. G. will, der erstere dieser Verse. 
weggenommen, so fehlt der Rede die Verbindungspartikel — 
δὲ nach προφρονέως. Doch der Vers ist nicht so un- 
bedingt zu verwerfen, sondern es muss ihm sein Recht 
widerfahren. Allerdings stand er nicht in der Recension, 
welche die Verse vor nnd nach ihm hatte; sondern die 
Rede hing so zusammen: 


οἵ τότε Τιτήνεσσι κατέσταϑεν ἐν δαὶ λυγρῇ, 

πέτρας ἠλιβάτους στιβαρῇς ἐν χερσὶν ἔχοντες, 

προφρονέως" χειρῶν δὲ βίης 9? ἅμα ἔργον ἔ-. 

| qoivoy 

ἀμφότεροι. 
In eben dieser Recension stand auch der nicht minder 
stürende G68ste Vers nicht. In einer andern aber fehlte 
V. 607. und an V. 660. schloss sich sogleich V. 608. 
an, womit die Benennung der Kümpfenden beschlossen 
war. Noch eine andere HRecension hatte V. 664 — 667., 
worauf unmittelbar V. 676. folgte: dafern nicht etwa 
die Erzühlung noch kürzer gehalten WBr, und V. 670. 
gleich nach 664. sfand. 

V. 681. 682. widerspricht der Einfachheit der epi- 
schen Sprache, was Hr. G. annimmt, ποδῶν v' αἰπεῖά 


THEOGONIA. - 181 


1o?) ἀσπέτου loyuoto βολάων τ χρατεράων sey Áp- 
position zu ἔνοσις. Auch ist gar kein Grund zu dieser 
Annahme vorhanden, da das Beben der Erde und das221 
Getóse der Kümpfenden, wenn auch das erstere durch dag 
zweite hervorgehracht, doch an sich ganz verschieden sind. 
. Ὁ W. 702. konnte die seltsame Art zu reden ὡς Ore 
πίλνατο statt ὡς εἰ níAvoro der Aufmerksamkeit des 
Heransgebers nicht entgehen: indessen begnügte er sich 
mit der Bemerkung, dass ὡς ὅτε für ὡς εἰ gesetzt sey. 
Aber das scheint etwas gauz uninügliches zu seyn, und 
die Worte, wie sie gewühnlich . gelesen werden, kónnen 
sich, was offenbar nicht so seyn soll, bloss auf etwas 
wirklich Geschehenes beziehen. — Sie lauten 80: 


9᾽ eye ^ « 3 A » A] vet 
αυτῶς, ὡς otc γαιὰ ζαι οὐυθαᾶνος ευρυς ὕπεὲερ- 
᾿ ϑεν 


πίλνατο᾽ τοῖος γάρ χε μέγιστος δοῦπος ὀρώρει. 


- Glücklicherweise aber zeigen abweichende Lesarten einen 
Ausweg. Eine Handschrift und die Trincavellische Áus- 
gabe geben τοῖος γάρ xs μέγας ὑπὸ δοῦπος ὀρώρει. 
Die Turiner Handschrift hat ebenfalls μέγας, und im 
Anfang des Verses zíAvoavro. Der Münchner Tzetzes: 
πίλνατο. συνήρχοντο. μέγιστος δοῦπος óoó- 
Q&i- γρ. μέγας ὑπὸ δοῦπος ὀρώρει. Hieraus. wird er- 
ΒΟ ΠΟ... dass die Stelle in verschiedenen Recensionen 
verschieden geschrieben war, und man nur das einer je- 
den Eigenthümliche aufsuchen darf, um den Fehler zu 
entfernen. In der einem stand die angegebene gewóhnliche 
Lesart, aber sicherlich nicht ὡς ὅτε, sondern ὡς εἶ, 
wie.es die Sprache erfordert. Die andern Lesarten ge- 
hóren der zweiten an, von der sich kaum zweifeln lüsst, 
dass.sie Folgendes hatte: | 


αὔτως, ὡς ὅτε γαῖα καὶ οὐρανὸς εὐρὺς ὕπερϑεν 
ἀλλήλοις πίλναιντο, μέγας δ᾽ ὕπο δοῦπος ὀρώ- — : 

Qot. 0? 

Diese Árt einer hypothetischen Vergleichung findet sich 

Odyss. ΙΧ, 384.: ὡς ὅτε τις τρυπῷ δόρυ νήϊον ἀνήρ, 


182 HESIODI 


wo sie auch von den Scholiasten bemerklich gemacht 
worden.  Áuf diese Weise lüsst sich zugleich, was auf 
jme Verse folgt, vollkommen rechtfertigen: 


“ὦ 3, ^ av » €, δὴ ? 
τῆς μὲν ἐρειπομένης, τοῦ δ᾽ ὕψοϑθεν ἐξεριπόντος. 
τόσσος δοῦπος ἔγεντο ϑεῶν ἔριδι ξυνιόμτων- 


Es ist sehr zu billigen, dass Hr. G. den letzten dieser 
Verse nicht wie andere Gelehrte, als aus lliad. XX. 66. 
gemacht, für untergeschoben hált. Dennoch passt das 
τόσσος δοῦπος micht wohl zu τοῖος γάρ xe μέγιστος 
δοῦπος. 'Stend aber der Vers im der Recension, wel- 
che jenes τοῖύς xs μέγιστος nicht hatte, in der aber, 
"die es hatte, nicht: so ping in beiden die Rede ohme 
Anstoss zu geben fort.  Uebrigens mag auch in diesem 
letzten Verse einige Variation Statt gefunden haben, wie 
das in einer Handschrift statt ἔγεντο gefundene ἔπλειτο 
zeigt, das auf ἔπλετο hinweist, so dass also vielleicht 
ein anderer Dichter den Veszs so varürte: τόσσος ἄρ᾽ 
ἔπλετο δοῦπος ἀὐϊτή τε ξυνιόντων. 


222 V. 700. Mit Grand fand Hr. G. den Hiatus xó- 


yiy O ἅμα ἐσφαράγιζον anstóssig. Da ἅμα in meh- 
reren Handschriften fehlt, eine aber χογέην giebt, so 
würde mit xovíyy τ᾿ ἐσφαράγιζον geholfen seyn. 
Hr. G. vermathete xóviv τ᾽ ἀμφεσφαράγιζον. 

V. 709. ὄτοβος δ᾽ ἄπλητος ὀρώρει. Die rich- 
tge Lesart des Etym. M. p. 636, 59. ἄτλητος ist nicht 
angemerkt. 

V. 723. und 725. selle aus Handsehriften das 
Richtige δεχάτῃ δ᾽ ἐς γαῖαν ἵκοιτο wmd δεκάτῃ δ᾽ 
ἐς Ταρταρ᾽ ἵχοιτο. anígenommen seys. Mit diesem δὲ 
im Nachsatze hat es dieselhe Bewanmdtmms, wie in -dem 
zu V. 605. berührten Falle. Wenn übrigems Hr. G. 
verbietet( δεχάτῃ x ἐς Τάρταρον ἕκοι zu schreihen, 
weil der Sinn sey, εἰ ἵκοιτο, ἀλλ οὐχ ἵξεται, wobei er 
sich auf Reisigs Abhandlung über die Partikel &y S. 129. 
und seine eigene Anmerkung zu Aristoteles Polit. p. 350. 
beruft: se kann Rec. diese Lehre, wic. er anderwürts 
gezeigt hat, micht für richüg snerkennen. Was Ἦν, 6, 


THEOGONIA. 183 


hinzufügt: Apftissémum est. cerbum | Antisthenis ap. 
Diog. Laert. VE. 1, 4. Mavelqv ἢ ἡσϑείην, 86. 
ἀλλ᾽ οὐδέτερον ποιήσω, verhült sich ganz anders. Diese 
Worte, die bei dem Diogenes im dritten Paragraphe ste- 
hen, lauten dort 80: μαγείην μᾶλλον ἢ ἡσϑείην, und 
Sind ganz cisentlicher Optativ, der, weil er einen Wunsch 
ausdrückt, das ἄν gar nicht zulüsst. 

V. 720. Dass die Beschreibung des Tartarus nicht 
ron einem Dichter« herrühre, liegt eben so klar vor Án- 
gen, als dass das Proómium der Theogonie aus mehre- 
ren Proómien bestehe. Hr. L. Dindorf hat den Ver- 
such gemacht, die Recensionen zu sondern, und acht ver- 
schiedene Beschreibungen des Tartarus angenommen, die je- 
doch noch manche Bedenklichkeiten zulassen, z. B. dass V. 
731. günzlich ühbergangen ist; dass V. 743. δεινὸν δὲ xoi 
ἀϑανάτοισι ϑεοῖσι τοῦτο τέρας unmóglich sich auf 
die ϑύελλα beziehen kann; dass V. 746. Atlas wohl 
Bicht passend vor die 'Thore der Unterwelt (nach V. 
132.) gestellt ist. Diese Umstünde berührt Hr. G. nicht, 
macht dagegen aber andere Einwürfe, denen Rec. jedoch 
niclit beitreten kann. Wenn Hr. G. sagt, dafern V. 740. 
nach 735. gesetzt werde, habe πάντα, das nicht adver- 
bial zu nehmen sey, ein anderes Subject als χάλκεος 
ἄχμων : so befremdet die Art, wie er die Worte πάντα 
xéAecqópov sig ἐνιαυτὸν £u verstehen scheint, in de- 
nen offenbar πόντα ἐνιαυτὸν zu verbmden ist, und das 
Subject, weil es das unbestimmte τὶς ist, mit Recht weg- 
blieb. Eben so wenig müchte darauf etwas zu geben 
seyn, dass er in der Dindorfischen Anordnung das ci 
πρῶτα πυλέων ἔντοσϑε γένοιτο V. 741. desswegen an- 
stóssig findet, weil die Thore des Neptun noch nicht er- 
wühnt seyen. Denn einen Ringang imuss die Unterwelt 
dech haben, und der heisst überall πύλαι '.dfídao. Àm 
meisten aber filli der Einwand auf, dass die Ordnung 
der Ráünme, in welche die Unterwelt eingetheilt sey, ge-223 
stórt werde. Hr. G. nimmt, wie es scheint, nach Vos-  . 
sischer Methode eine Art von Chorographie der Un- 
ter welt &n. — Aber die alten Dichter haben, wie je- 


184 HESIODI 


der Dichter von gesunder Natur, ausser einigen we- 
nigen, in dem  Volksglauben gegründeten, unbestimm- 
ten Vorstellungen, dergleichen Dinge mach jedesma- 
ligem Bedarf oder Belieben bald so, bald anders aus- 
gemalt, und man muss diese Gemálde nehmen, wie sie 
die Phantasie des Dichters gegeben hat, ohne daraus ein 
festes, zusammenhángendes Gebáude errichten zu wollen. 
Mit vólhger Gewissheit lisst sich nun freilich nicht be- 
stimmen, was jede einzelne Darstellung enthalten habe: 
aber das immer wiederkehrende ἔμϑα zeigt doch ziem- 
lich. sicher. den. Anfang einer neuen Beschreibung am. 
Darin mag nun well] Herrn Dindorf Recht gegeben wer- 
den, dass die eiue, und vielleicht die álteste Beschrei- 
bung bis zu V. 736., mit Ausschluss des 731. Verses 
fortging. — Audere würden nach V. 719. einsetzen, und 
zwar die zweite V. 736 — 742., die dritte V. 758— 
760., die vierte V. 707 —773., die fünfte V. 807 — 
819. Eine sechste endlich scheint geeignet zu seyn, die 
Schwierigkeiten zu beseitigen, welche der offenbar am 
 umrechten Orte stehende V. 731. und die für matt ge- 
haltenen, eigentlich aber da, wo sie stehen, absurden 
Verse 743—745. gemacht haben. Dem 731. Verse: 


χώρῳ ἐν εὐρώεντι, πελώρης ἔσχατα γαίης, 


fehlt es an einer schicklichen Verbindung mit andern 
Worten, die durch Herrn Góttlings Vermuthung πέλωρ᾽ 
εἷς ἔσχατα γαίης nur mit Verlust des epischen Charak- 
ters der Rede bewirkt werden kónnte. In jenen andern 
Versen aber müssen die Worte δεινόν τὲ xoi ἀϑανά- 
τοῖσι τοῦτο τέρας, wenn sie einen passenden Sina ge- 
ben sollen, sich auf die Styx beziehen, wie V. 775: 
ἔνϑα δὲ ναιετάει στυγερὴ ϑεὸς ἀϑανάτοισι δεινὴ 
rob. Auch ἰδὲ offenbar vs xoci nnrichtig. — Dass die 
Trincavelische Ausgabe τὸ μὲν, was ye μὲν segn sollte, 
die Mediceisehe Handschrift aber und eine Pariser δὲ 
καὶ haben, ist von Hrn. G., vermuthlich weil er die 
Verse für untergeschoben hielt, nicht einmal angezeigt 
worden. Es scheint also, da von der Styx die Rede 


ἸΒΕΟΘΟΝΙΑ. 383 


seyn muss, einer der Dichter das, was V. 775. ff. me- 
sagt ist, ungefáhr so variirt zu haben: 


ἔνϑα δὲ ναιετάει Στὺξ ἄφϑιτος ἸὮΩὨχεανίνη, 
743. ἀργαλέη᾽ δεινὸν δὲ xai ἀϑανάτοισι ϑεοῖσιν 
τοῦτο τέρας" xai Νυχτὸς ἐρέμνης οἰχία δεινὰ 
ἕστηχεν, νεφέλῃς χεκαλυμμένα κυανέῃσιν, 
731. χώρῳ ἐν εὐρώεντι, πελώρης ἔσχατα γαίης" 
746. τῶν πρόσϑ' Ἰαπετοῖο πάϊς ἔχει οὐρανὸν εὐρύν, 


u. 8. W. bis zu V. 757., wo jedoch wieder V. 755—757., 

die Hr. G. mit Unrecht nicht in Klammern schliessen224 
wollte, von einem andern Dichter statt V. 752 — 754. 
gesetzt sind. So erháült nicht nur der 731. Vers, in 
welehem ἔσχατα von ἕστηκεν abhüngiges Adjectiv zu 
οἰχία ist, eine angemessene fStelle, sondern es passt nun 
auch. die Stellung des Atlas am áussersten Ende der 
Erde. 

V. 734. gefiel Hrn. G. mit Recht L. Dindorfs 
Emendation Kórrog τε xoi Ὅβριάρεως. Sie hütte un- 
bedenklich aufgenommen werden sollen, da sie hinling- 
lich bestátigt ist, und namentlich durch das von Heyne 
zu lad. 1. 403. angeführte, wenn &uch verdorbene Scho- 
lon als Hesiodisch erscheint, und sollte auch in den 
übrigen Stellen V. 149, 617, 714. stehen, ausgenom- 
men in dem einem andern Dichter angehórigen 817. 
Verse. | 
V. 740. ist ἔχετ᾽ οὐρανὸν mit Stillschweigen über- 
gangen. Die Sprache verlangt ἔχει, und ἔχετ᾽ ist wohl 
nichts als ein alter Schreihfeller. 

V. 795. meint Hr. G. sey τετελεσιένον clo ἔνι-" 
αὐτὸν, wie μέγαν εἰς ἐνιαυτὸν V. 799. zeige, von 
dem grossen, aus acht gewóhnlichen Jahren bestehendem 
Jahre zu nehmen. So scheinbar auch diese Vermuthung , 
ist, 80 muss inan doch an ihrer Richtigkeit zweifeln, da 
bei dem Homer der áühnliche Ausdruck τελεςφόρον εἷς 
ἐνιαυτὸν nur ein gewóhnliches Jahr bedeutet, und hier 
gleich hinzugesetzt wird, wer von den QGéóttern bei der 
Styx falsch geschworen habe, müsse, nachdem er ein 


186 | HESIODI 


' langes Jahr wie todt gelegen, noch viel schwereres Lei- 
den dulden, und neun ganze Jahre von den übrigen Güt- 
tern fern bleiben. 


V. 804. hat Hr. G. die Lesart der Handschriften und 
Ausgaben beibehalten: δεοχάτῳ δ᾽ ἐπιμίσγεται αὖτις 
εἰρέας ἀϑανάτων. Er sagt: εἰρέα, non εἴρα veram 
vrocabuls formam esse apud Boeotos demonstravs ad 
V. 38. Allein dort findet man nur Folgendes: elgéo, 
unde 7 εἰρέα v. 804. veerbum est poeticum pro 
ὑμνέω. Das kann aber eben so wenig für einen Be- 
weis gelten, als man die Behauptung zugeben kann, dass 
der Áccusativ εἰρέας von ἐπὲ in ἐπιμίσγεται abháünge. 
Kallimachus hymn. lov. 12., den Hr. G. anführt, οὐδέ 
τι μὲν χεχρημένον Εἰλειϑυίης ἑρπετὸν οὐδὲ γυνὴ ἐπι- 
μίσγεται, hat, wenn er ἐπιμίσγεται schrieb, nicht μὲν 

* gesetzt; wenn μέν, nicht ἐπιμίσγεται, sondern die an- 
dere Lesart ἐπινίσσεται. — So ist auch bei dem Hesio- 
dus, wenn der Áccusativ richtig ist, ἐπινέσσεται zu le- 
sen; wenn aber ἐπιμίσγεται richtig ist, haben die Recht, 
welche εἴραις corrigirten. Die Existenz einer Form εἷ- 
θέα aber, die doch wohl von irgend einem  Grammatiker 
erwühnt seyn würde, kann aus einer Stelle, in der sie 
sich nicht einmal construiren lisst, auf keine Weise ge- 
folgert werdeu; vielmehr würde eher, was bei Hesychius 

225steht, tosc, λόγοι»), zur Vertheidigung der GConjectur zi- 
ocig angeführt werden kónnen, vorausgesetzt, dass Hesy- 
chius ἴραις (denn auch so schreiben das Wort einige 
Grammatiker), λόγοις geschrieben habe. Nicht unglaub- 
lich ist, dass Hesiodus sagte: εἶρας ἐς ἀϑανάτων. 


V. 821. In der Beschreibung des Typhoeus glaubt 

Hr. G. die Beschreibung des ültesten Ausbruchs des Aetna 

, £ü finden, weil dieser Berg dem Hesiodus nach Strabo 
I. p. 42. (23. Casaub.) nicht unbekannt gewesen. Diese 
Vermnthung móchte doch sehr unsicher seyn, da die 
Kunde von feuerspeienden Bergen auch aus andern Ge- 
genden gekommen seya- kaum, und niehts bestimmt auf 
den Áetma hinweist, Denn die spütere Fabel, dass Ty- 


1 


THEOGONIA 187 


phoeus unter dem Aetna begraben liege, kann dafür nieht 
als Beweis dienen. 

V. 820. Auch Hr. G. hat, wie die übrigen Her- 
ausgober , die sinnlose Construction übersehen: : ἐκ δέ οἱ 
ὄσσων ϑεσπεσίῃς χεφαλῇσιν ὑπ ὀφρύσι πῦρ ἀμά- 
ρυσσεν. Es muss ἐν δὲ heissen; ἐν gehürt zu χεφα- 
Anci. Die Lesart ἐκ δὲ ist 88 einer andern Recen- 
sion übrig geblieben, in welcher statt des folendes Ver- 
ses der, welcher auf diesen folgt, ohne à" stand : 

ἐχ δέ οἱ ὄσσων 

πασέων ἐκ κεφαλέων πῦρ δαίετο δερχομένοιο. 

V. 831. Hier spricht Hr. G. über die Gütterspra- 
che, welches die Sprache der Pelasger sey; denn diese 
heissen δῖοι. — Er sagt: Hoc ουΐποῖξ Steph. Byx. lo- |, 
cus v. Ἴμβρος et Myrina urbs Pelasgorum. Was 
bei dem Stephanus steht, "Tufgooc , γῆσος ἱερὰ Καβεί- 
ρων xoi ᾿Ερμοῦ, ὃν ἴαβρον λέψουσι μάχαρες, musste 
sich sehon durch die Sprache als corrupt ankündigen, 
und war linpst von den Gelehrten aus Handschriften und 
aus dem Eustathius zum Dionysius V. 524. p. 203, 16. 
und selbst aus dem Scholiasten zur Theogonie V. 344. 
im Ἴμβραμον λέγουσιν οἱ Κᾶρες corrigirt. Uebrigens 
bedurfte die Erklárung der Worte des Hesiodus, ὥς τὸ 
᾿'ϑεοῖσι cvviéusv, Bicht des erkünstelten Hülfsmittels, duss 
ὡς eigentlich «sque ad bedeute, was wohl niemand zu- 
geben wird. 

V. 843. sagt der Dichter von dem Kumpfe des Ju- 
piter mit dem Typhoeus: 


καῦμα δ᾽ ὑπ ἀμφοτέρων χάτεχεν Ἰοειδέα πόντον 

βροντῆς τὸ στεροπῆς «τε, πυρός T ἀπὸ τοῖο 7t5- 
λώρου, 

πρηστήρων ἀνέμων τὲ χεραυνοῦ τὸ φλεχέϑον- 
70S. 


Die Erklirung, die Hr. G. giebt, weil unter dem Olymp 
die Erde, tiefer aber als diese das Meer sey, so beziehe 
sich ἀμφοτέρων auf den Olymp und die Erde, welche 


188 HESIODI 


vorher genannt worden, nicht aber auf den Blitz des Ju- 


226ypiter und das Feuer des Typhoeus, ist viel zu künstlich 


» 


und gesucht, als dass sie irgend einem Zuhórer des al- 
ten Süngers, noch viel weniger ili selbst hátte einfallen 
künnen. Man kann daher den Schluss nicht zugeben, 
den Hr. Hr. G. macht; Genwinus est tsgitur versus 
846. y; nam  genttivs βροντῆς, στερυπῆς, πυρός, πρη- 
στήρων᾽ ἀνέμων pendent a χαῦμα cocabulo, non ab 
ὑπὸ praepositione , etemque abesse debet τε parti- 
cula post πρηστήρων cum A. H. Dind., quod &ve- 
μος solus non potest χαῦμα habere. Vielmehr ist 
der letzte dieser Verse offenbar Variatiou einer andern 
Recension statt des zweiten Verses, und in der einen 
Recension bezog sich ἀμφοτέρων auf βροντῆς τὸ στε- 
ροπῆς τε und πυρὸς ἀπὸ τοῖο πελώρου, in der andern auf 
πρηστήρων τ᾽ ἀνέμων Té und χεραυνοῦ φλεγέϑοντος.- . 
Würde anch T nach πρηστήρων we agestrie hen, so würde doch 
πρηστήρων nicht als Adjectiv von dvéudwv zu nelimen seyn, 
weil dann das ve nach ἀνέμων nicht der epischen Rede 
gemüss gestellt würe. Der Einwurf, dass der Wind al- 
lein keine Hitze gebe, hat kein Gewicht, wo er sich 


durch die von Vielen verkannte, und oft auf eine ganz 


unmópliche Weise gebrauchte, hier aber an der rechten 
Stelle sich findende Figur £v διὰ δυοῖν erledigt. Ihren 
Gebrauch hat Rec. zu Euripides Iph. Aul. 53. angedeutet. 

. V. 848. Was Hr. G. hier sagt: wisí c. A. le- 
gendum est τρέσσε δ᾽ “αδης (v. Voss. hymn. Cer. 
348.) de quo cehementer dubito, wüuschte man nicht 
gesagt. Unter vielen unmóglicben Dingen, die sich Voss 
aus Mangel an gründlicher Sprachkenntniss einbildete, 
ist auch dieses "4À rc statt "trc oder "finc, das von 
ἥδω abstammen soll. Dergleichen, was nie jemand sich 
bütte in den Sinn kommen lassen sollen, niuss der Ver- 
gessenheit übergeben werden. ^ Ganz unerhórt aber ist 
vollends die Verkürzung der ersten Sylbe. 

' V. 852. ff. vermuthet Hr. G. ans dem Ápollodor, 
dessen Worte I. 6, 3, 10.: Ζεὺς δὲ τὴν ἰδίαν ἀνα- 
πομισάμεγος loyov, dem Hesidiodischen Ζεὺς δ᾽ ἐπεὶ 


THEOGONIA, 189 


οὖν χκόρϑυνεν. ἑὸν μένος entsprechen sollen, es sey 
nach diesem Verse etwas ausgefallen. — Aber ÁApollodor 
erzáhlt ja die Fabel ganz anders, und hat nicht aus dem 
Hesiodus geschópft. ^ Wenn etwas ausgefallen ist, so 
würde vielmehr vor diesem Verse eine Lücke anzuneh- 
men seyn, indem er ganz abgerissen dasteht, und man 
die Genitive mit nichts in dem Vorhergehenden construi- 
ren kann. Aber wahrscheinlich ist seine rechte: Stelle 
nach V. 844. in einer Recension, die weder V. 845, 
noch 840. hatte. 


^v » €25 9 Pd Á, / 
καῦμα δ᾽ vn ἀμφοτέρων xdreyev Ἰοειδέα πόντον 
ἀσβέστου κελάδοιο καὶ αἰνῆς δηϊοτῆτος. 


V. 856. Mit richtiger Divination hat Hr. G. Frag- 
zeichen zu der von "Thiersch in der Grammatik aus ei- 
ner Pariser Handschrift und dem Münchner Scholiasten227 
angeführten Variante ἔπραε gesetzt. Die Handsehrift ist 
die von Ruhnkenius verglichene, und diese hat ἔπρεε, 
eben so wie der Münchner Scholiast, dessen Worte sind: 
ἔπρεε, ἔχαιεν, ἀπὸ τοῦ πρέω, πρέϑω, xai πρήϑω. 
Zu erwühnen war, dass das herkómmliche ἔπρεσε auch 
im Etym. M, p. 687, 40. steht. 

V. 862. hat Hr. G. interpungirt: χαὶ ἐτήχετο, 
κασσιτερὸς ὡς τέχνῃ, vm αἰζηῶν ὑπό v εὐτρήτου 
χοάνοιο ϑαλφϑείς. Er sagt: Sic distinzs, quum ὑπό 
αἰζηῶν et ὑπ᾽ εὐτρήτου xo&voio 8εδὲ respondeant, 
egttur non. potest. aduitts scriptura δέμπαουν πὲ τέ- 
χνῃ ὑπὶ αἰζηῶν; τέχνη pertinet. ad χασσίτερος ὡς 
τήχεται (es. 866.): quare stem ποίμε cum eodem 
JDind. (et al. editt.) χασσίτερος ὡς scribere, quod 
recte haberet, s$ praecederet τήχεται, non sequere- 
ἔων. Male tamen me habet proclitica (sta in. fine 
eersus herotct. Ἦν. Dindorf hatte ganz Recht. Denn 
da die αἰζηοὶ und χόανος ganz verschiedenartige Dinge 
sind, und die erstern mittelbar, der χόαγνος unmittelbar 
dos Schmelzen bewirken: so wird ja mit Recht nach die- 
ser verschiedenen Rücksicht such ὑπὸ verschieden con- 
struirt, und. steht eben so richtig hier mit dem Dativ 


190 HESIODI 


τέχνῃ On αἰζηῶν, wie gleich darauf τήχεται ἐν χϑονὶ 
δίῃ ὑφ᾽ Ἡφαίστου παλάμῃσιν. —Uebrigens ist die Rede 
in dieser Stelle schleppend durch unnütze Wiederholung, 
erhült aber sogleich ihre rechte Gestalt, wenn man V. 
865, 800. als Lesart einer anderm Hecension statt V. 
803. 864. abtrennt. 

V. 868. Hr. G. sagt hier: Dind. scripsit. (ive 
certe conira regulas ab. Herodeiano datas. V. an- 
nof. meas ad Theod. p. 238. Das móchte noch sehr 
zu bezweifeln seyn: und wenn es auch Herodian σοβαρά 
hàtte, wáre darum noch nicht wahr, was aller Analogie 
entgegen ist. Hr. G. ist indessen dem Herodian so treu 

gefolgt, dass er auch im Schilde des Herkules V. 32. 
das herkómmliche i£5 in $52& verwandelte. 

V. 875, Die Vermathung, dass der Schol. Τόν, 
zn lliad. V. 526. ἄλλοτε δ᾽ ἄλλῃ ἄεισι elesen habe, 
konnte Hr. G, aus dem ven ihm selbst angeführten Etym, 
M, p. 22, 12. bestáügen, wo sich diese Lesart findet. 
Indessen kénnte wohl auch ἄλλφι, was bei dem Seholia- 
sten steht, richtig seyn, dafern in einer andern Recensien 
ot δ᾽ ἄλλοι μὰψ αὖραι, sich auf ἄνεμοι bezogen, und 
80 durchaus in den folvemden Versen die mánnlichen For- 
men standen. | 

V. 885. Wenn in den Worten ὃ δὲ τοῖσιν ἐὺ 
διεδάσσατο τιμὰς kei Fehler ist, so scheint die Pros- 
odie mit der Aeelischen Aussprache ζαεδάσσατο, wie 
ζαελεξόμαν. hei der Sapphe, gerechífertigt werden zu 
müssen. 

228 V.900. Dass Hr. G. diesen Vers nicht eingeklammert 
hat, ist zu loben: aber er hátte nicht ὡς δή αἱ φράσε 
de4ro siehen lassen sollem, da ρρέζεσϑαι miht sagen 
bedeutet, sondern er musste die Lesert bei dem Galen, 
die er nicht einmal erwáhnt hat, aufuehmen, qi oi συμ- 
φράσσαιτο. 

V. 927. Die vom Galen angeführten Verse, wel- 
che Hr. G. lier, zum Theil nach den Emendationen voa 
Bahnkeniug, anführt, sind noch nicht το. Es ist gu 
leen: ἔνϑα ϑεὰ παρόδεκτο᾽ (nümlich τὰ δίκαια) 994v 


 THEOGONIA. MM 


παλάμαις περὶ πάντων ἀϑανάτων ἐχέκαστο ᾿Ολύμπια 
δώματ᾽ ἔχοντας. 

V. 937. Die Lesart des T'ariner Codex Κάδμος 
ὑπέρϑηβος statt ὑπέρϑυμος veraulasste Hrn. G. zu der 
Vermnthung, αἱ ἄνω (ὑπὲρλ Θῆβαι sey das thessalische, 
αὖ κάτω das bóotische Theben, ππὰ ὑπέρϑηβος heisse 
Kadmes als aus Thessaliem stnmaend. —Víse, setzt er 
hinzu, ezplhitanda esse etdentur ex verbis Puuse- 
«(a8 XI. (soll TX, heissen) 5. Diese Worte sind fol- 
gende: Καϑμος δὲ τὴν πόλιν τὴν καλουμένην ἔτι xai 8e 
ἡμᾶς Καδμείαν à ᾧχισεν.. αὐξηϑείσης δὲ ὕστερον τῆς πό- 
λεως, οὕτω τὴν Καδμείαν ἀκρόπολιν συνόβη τῶν κάτω 
γενέσϑαι Θηβῶν. Doch ὑπέρϑηβος ist nichts als « ein 
Sohreiblehler. 

V. 954. wird Heyne mit Unreckt getadelt , done er 
in dem Worten vom Herkules, ὁ ὃς μέγα ἔργον ix ἀϑα- 
γάτοισιν ἀνύσσας ναίει, das ἐν ἀϑανάτοισε mit ναίει 
verband. "Was Hr. G. sagt, pottus opera Herculis 
iam magntfica erant, ut vel d admtrarentur, macht 
die Rede ganz unepisch und gekünstelt. Und was sollte 
vaícs, wenn nicht dazu gesetzt würe, wo er wohne? 

V. 963. schliesst der Dichter seine Erzáhlung von 
dem Ursprung der Gótter mit den seltsamen Versen: 


e ^ L LE / 3 3 , Ld 3 » 
ὑμεῖς μὲν νῦν χαίρετ᾽, ᾿Ολύμπια δώματ᾽ ἔχοντες, 
νῆσοί v. ἤπειροί τε xai ἁλμυρὸς ἔνδοϑι πόντος. 


Mr. G. vermuthet, dass entweder, zwischen diesen beiden . 


Versen ein Vers, wie etwa οἷς ὕπο πάντ᾽ ἐπὶ γῆς Ba- 
βλήαται ἠδ᾽. ὑπὸ γαίης» ausgefallen, oder es geheissen 
habe οἷαιν Um" ἥἤπειρός τὸ UU. 8. W. Weder dieses, 
noch das andere (wenigstens würde der ausgefalleno Vers 
gewiss nicht so gelautet haben) ist wahrscheinlich: son- 
dern der zweite dieser Verse hatte wohl seino rochte 
Stelle nach V. 843.: 


ὑπεστενάχεξε δὲ γαῖα, 
γῆσοί τ᾽ ἤπειροί τε καὶ ἁλμυρὸς ἔνδοϑι πόντος: 


Dass diese Verse, die aws aadern Recensionen sind, 


192 HESIODI 


mehrmals an ganz falschen Stellen stehen, kommt wmn- 
streitig daher, dass mehrere derselben erst spüter nach- 
getragen, und mit einem Zeichen am Rande beigeschrie- 
ben wurden. Diese Zeichen sind in den Handschriften 

2290ft mit so schwachen Linien und Punkten geschrieben, dass 
man sie kaum erkennen kann. — Daher denn die Ábschreiber 
solche Verse nach ihrem Gutdimken oft sehr am unrech- 
ten Orte einsetzten. . 

V. 970, Die Vermathang, dass bei den alten Epi- 
kern die Form Ἰάσιος nicht in Gebrauch gewesen, und 
daher Ἰασίῳ eine Contraction aus Ἰασίωνι sey, kann 
um so weniger zugegeben werden, da die Dichter aller 
Zeiten, und besenders die alten Eypiker, bekanntlich die 
Endungen der Namen nach Belieben und wie es der Vers 
verlangte, gestalteten. 

V. 972. heisst es vom Plutus: 


ὅς ela ἐπὶ γῆν τε καὶ εὐρέα νῶτα ϑαλάσ- 
σης 
- . ^ LI / N T 3 » “ " 
πᾶσαν" τῷ δὲ τυχόντι xoi οὗ X ἐς χεῖρας ἵχη- 
ται» | 
. τόγδ᾽ ἀφνειὸν ἔϑηχε, πολύν τέ oi ὥπασεν DA- 


βον.- 


Hr. G. macht hier auf das nachlüssig an die unrechte 
Stelle gesetzte πᾶσαν und die Anakoluthie in τῷ δὲ 
τυχόντι---- τόνδ᾽ aufmerksam, und meint, V. 973, 974. 
sey spüterer Zusatz. Dem ist nicht so. Πᾶσαν lüsst 
sich gar nicht vertheidigen. Der Dichter. schrieb. πᾶ- 
σιν, wie eben die Anakoluthie, die in diesem πᾶσιν 
ibren Grand hat, und der Sinn der Stelle zeigt: ,,für 
ale Menschen; für den aber, der seiner hubhaft wird, 
den beglückt er. ^ Uebrigens sollte τὸν δ᾽ geschrieben 
seyn. 5S. oben zu Vers 603. 

V. 982. S. oben zu V. 196. ! 

V. 1013. Hier befindet sich eine bemerkenswerthe 
Note, in der Hr. G. wahrscheinlich zu machen sucht, 
dass Laur. Lydus de mens. Ll. 4. Τραῖχόν v" ἠδὲ “1α- 
τεῖνον gelesen habe.  Indessen ist nicht glaublich, was 


SCVTVM HERCVLIS, 193 


er aufstellt, dass dieser Schriftsteller, indem er von jenen 
beiden Brüdern spricht, geschrieben hahen sollte: ὥς φη- 
σιν Ἡσίοδος, l'ocixóv 4 ἠδὲ “ατῖνον e ein. Scholiast 
aber habe an den Rand geschrieben: ἐν χαταλόγοις" 
χούρη δ᾽ ἐν μεγάροισιν ἀγαυοῦ “ευχαλίωνος Παν- 
δώρη 4i πατρί, ϑεῶν σημάντορι πάντων, μιχϑεῖσ᾽ 
ἐν φιλότητι τέχε l'ooixov μενεχάρμην. Viel glaubli- 
cher ist es, dass Johannes Lydus die Verse aus dem 
Kataloge anführte, ein Scholiast aber "4ygrov ἠδὲ 2fa- 
τεῖνον. was im Texte nach .Καταλόγοις steht, aus der 
Theogonie, als eine abweichende Nachricht, am Rande 
anmerkte. n der Theogonie ist "ἄγριον ἠδὲ “Ἵατῖνον, 
ausser dem Eustathius, auch noch durch den Scholiasten 
des Apollonius zu MI. 280. gesichert. 


Es folgt der Schild des Herkules, dessen erste 50 
Verse bekanntlich aus den Eóen sind. — Hier behauptet 
Hr. G. zu V. 2., es müsse "“μφιτρύων» ᾿Αἀμφιτρύω- 
voc; Ἠλεχτρύων, ἩἨλεχτρύωνος, hingegen' Augirovaüiv, 
* Auquovóvoce, ἩἬλεχτρυών, "Hàiexrovóvoc  accentuirt 
werden. Einen Grund giebt er nicht an. Wenn aber, 
was man doch auf jeden Fall annehmen muss, die Pros-230 
edie in einem oder dem andern Falle erst von den Dich- 
tern nach dem Accente bestimmt worden ist: so war ent- 
weder ᾿“μφιτρύων, ᾿Αἰμφιτρύωνος die ursprüngliche 
Form, und folglich wurde der Genitiv wegen des vorher- 
gehenden Áccentes, wenn es das Metrum verlangte, ver- 
kürzt, wie in Kgoviíovog, wesshalb ᾿Αμφιτρύονος zu 
schreiben ist: oder wollte jemand ᾿Αμφιτρυὼν für die 
ursprüngliche Form nehmen, so würe ' 4uqirgvóvoc auch 
wieder des Accents wegen verlüngert, und es müsste ' u- 
φιτρυῶνος geschrieben werden. ^ Folglich verhült sich 
die Sache gerade umgekehrt, als Hr. G. angiebt. 

^. V. 7. hütte bemerkt werden kónnen, dass Eusta- 
this, der S. 1303, 55. βλεφάρων ἀπὸ χυανεάων, 
und S. 1257, 54. ἀποκρῆϑεν βλεφάρων δπίμμτί, das 
T nicht gekannt zu haben scheine. 

Hrnw. Or. VI. N 


194 " HESIODI 


V. 12. hat Hr, G. χωσάμενος πέρι βουσὶ ge- 
schrieben, statt περὶ βουσίν weil Amphitryon micht auf 
den Klektryon, sondern auf eine weggelaufene Kuh er- 
zürnt, diesen aus Versehen getódtet habe. ^ Aber πέρι 
ist matt, und περὶ βουσὶ erfordert auf keine Weise, dass 
man denke, der Zorn habe dem Elektryon gegolten, da 
es ja V. 82., den Hr. G. selbst vergleicht, heisst χτεί-- 
vac Ἤλεχτρύωνα βοῶν ἕνεκ εὐρυμετώπων, was doch 
eben so viel ist als περὶ βουσί. 

V. 54. ist es befremdlich, dass Hr. G., der sonst 
viel auf die alten "Techniker giebt, die von dem Rec. 
bei Schüfer zu Gregor. Cor. p. 879. für Ἰφικλῆ ange- 
führten Zeugnisse nicht beachtend, Ἰφικλέα gegeben hat. 
S. oben zu "Theog. V. 196. 

V. 75. ist nichts über χείνων angemerkt. ^ Aber 
die Sache selbst und V. 77. zeigen, dass nur Her- 
kules allein gemeint seyn kann. Daher ist xeíyc zu 
schreiben, was der Wittenberger Codex bestütiget, der 
χείνω hat. | 

V. 79—94. Haec alius esse auctor:s recte su- 
spicatur "Thiersch. de Hes. p. 28. Aber diese Vermu- 
thung hat gar keinen Grund, und die Rede des Herku- 
les bedarf dieser Verse, um dem Gedichte von dem Kam- 
pfe eine schickliche Einleitung zu geben. Hr. G. hátte 
daher vielmehr widersprechen sollen: was er mit eben 
dem Rechte gethan haben würde, mit dem er sich gegen 
Thiersch zu V. 95. erklürt, der eine arge Wiederholung 
in σὺ θᾶσσον Ey ἡνία und Ιϑὺς ἔχειν ϑοὸν ἄριια fin- 
dend, V. 95, 96. auswerfen wollte. ^ Mit Grund erin- 
nert H. G., dass das gar keine Wiederholung ist: aber. wie 
kam es, dass er ében so wenig als Thiersch bemerkte, 
V. 96 bis 101. gehóren nicht hierher? Denn wie kann 
Herkules befehlen, die Ζ 56] zu ergreifen, und gerade 
auf den Cycnus zuzulenken, da ihn lolaus doch nicht 
fahren konnte, indem er noch nicht eimmel die Waffen 

23langelegt hatte? — Werden diese Verse herausgenommen, 
so erweist sich nun vollends ganz klar, dass V. 79— 
9& ücht sind. Denn auf diese passt ganz die Antwort 


SCYTVM HERCVLIS. 193 


des lolans, Woher aber sind nun jene Verse?  Un- 
Btreitig wohl aus einer andern Gestaltung der Erzáühlung, 
in der die Waffen des Herkules gar nicht beschrieben 
waren, sondern bloss der Kampf geschildert wurde. Setzt 
man sie nach V. 77., und fügt ihnen dann V. 338. 1f. 
an, die dann etwa so geklungen haben móchten: 


ὥς εἰπὼν ἐς δίφρον ἔβη Διὸς ἄλκιμος υἱὸς 
ἐσσυμένως" τότε δή δα διόγνητος Ἰόλαος 
σμερδαλέως ἵπποισιν ἐκέχλετο, 


U. S. W., 80 hat man wohl! ungefáhr die vielleicht ülte- 
ste Erzühlung, die noch nicht durch Hinzufügung ande- 
xes Schmuckes verlüngert war. 

V. 101. kann Rec. nicht beistimmen, dass ἄαζαι 
die Bedeutung des Futurums habe in den Worten: 7, 
μὴν xai κρατερός περ ἐὼν ἄαται πολέμοιο. Sie gehen 
nicht auf den Cycnus unmittelbar, sondern sind ein Ge- 
meinspruch: ,,2uch ein noch so Tapferer wird des Kam- 
pfes satt.* 

V. 110, Hier hütte die andere Lesart: ἐπεὶ οὔ- 
vos ἀτάρβητον Διὸς υἱὸν οὐδ᾽ Ἰφικλείδην δειδίξεται, 
unstreitig den Vorzug vor οὔτι verdient. | 

V. 113. nimmt Hr. G. in den Worten o? δή σφι 
σχεδὸν εἶσι, weil statt oc. weder εἶσι noch σι gesagt 
werden kónne, seine Zuflueht zu dem Pindarischen Sche- 
ma, das er anch V. 245., wovon dort die Rede seyn 
wird, anwendet. Dieses Schema war passend in der 
Theogonie V. 321., wo er es nicht anerkennen wollte, 
Hüer aber hat es auf keinen Fall Statt. Die TTrincavel- 
lische Ausgabe hat εἰσὶ, woran nichts auszusetzen ist: 
warum solte man also das nicht vorziehen, zumal da die 
beiden Streiter noch gar nicht so weit sind, auf den Cyc- 
mus loszugehen, sondern Herkules erst nach diesem Ge- 
sprüche die Waffen Stück vor Stück anlegt? 

V. 131. Hier kann die Frage aufgeworfem werden, 
ob die Interpancton nach δοτῆρες beizubehalten sey, in 
welchem Falle das Folgende, weil es zur Erklürung des 
Vorhergehenden dient, richtig obne Copula angehiüngt ist; 

2 


196 HESIODI 


eder ob πολλοὶ δ᾽ ἔντοσθεν Oicroi ohne Interpunction 
mit εἶχον und μῦρον zusammenhünge. 

.V. 139. Dass die Beschreibung des Schildes durch 
Zusütze und Variationen spüterer Dichter entstellt ist, 
liegt am Tage. Gánzlich aber muss Rec. Hrn. .G. wi- 
dersprechen, wenn er dem alten Dichter mit Weglassung 

. vm V. 141—317. die Verse 139, 140, 318. beilegt: 


232 χερσί ys μὲν σάκος εἷλδ παναίολον, οὐδέ τις αὐτὸ 
οὔτ᾽ ἔῤῥηξε βαλὼν οὔτ᾽ ἔϑλασε, ϑαῦμα ἰδέσθαι, 
 ϑαῦμα ἰδεῖν καὶ Ζηνὶ βαρυκτύπῳ᾽ 


u. s. w. Der dazu angeführte Beleg aus Pindar Pyth. 
I. 47.: τέρας μὲν ϑαυμάσιόν ve ἰδέσϑαι,. ϑαῦμα δὲ 
παριόντων ἀκοῦσαι, passt gar nicht. 7s in diesen 
Worten ist wohl ein Druckfehler statt τὰς denn so hest 
Hr. Bóckh aus einer in aller Rücksicht verunplückten 
Conjectur. Die ake richtige Lesart ist: τέρας μὲν ϑαυ-- 
μάσιον προσιδέσϑαι, ϑᾳῦμα δὲ xai παριόντων ἀκοῦ- 
σαι. — Aber eben diese Stelle hátte Hrn. G. von der 
Verbindung θαῦμα ἰδέσθαι, ϑαῦμα ἰδεῖν xoi Ζηνὶ 
abhalten sollen, die nicht nur logisch unrichtig ist, son- 
dern auch, wenn sie diesen Fehler nicht hütte, und es z. B. 
hiesse: ϑαῦμα βροτοῖσιν, ϑαῦμα ἰδεῖν xoi Zmqvwi, 
doch in epischer Rede auf keine Weise steheu kónnte, wenn 
nicht ϑαῦμα δ᾽ ἰδεῖν, was aber auch der alten epischen . 
Sprache nicht recht zusagt, stinde. . Wollte Hr. G. die 
ausführliche Beschreibung des Schildes auswerfen, und 
die Erzáhlung mit θαῦμα. ἰδεῖν xoi Ζηνὶ V. 318. fort- 
gehen lassen, so musste er vor diesen Worten V. 139 
—142. als alt und ácht anerkennen. Denn irgend et- 
was inusste doch von dem Schilde gerühmt seyn, wenn 
der Zusatz θαῦμα ἰδεῖν xci Ζηνὶ nicht unbegreiflich 
erscheimen sollte. Um 80 befremdlicher ist, was er zu 
V. 318. sagt: lllud ϑαῦμα ἰδεῖν certissimum $nds- 
ctum est, nunc pergere canendo antiquiorem poe- 
tam, qui v. 140. desierat filum, quod ἃ recentiors 
aliquo susceptum est. —Fand Hr. G. jene Worte an 
der Stelle, we sie stehen, unpassend, so hütte er ihnen 


e 


SCVTVM HERCVLIS. 197 | 


einen andern Platz, als den nach V. 140., anweisen 
sollen, wo sie in der "That noch weit unpassender sind. 
Dass diess aber sehr wohl geschehen konnte, wird sich 
zu seiner Zéit zeigen. Denn von der Beschreibung. des: 
Schildes soll nachher gesprochen werden, wenn das Ein- 
zelne .durchgegangen ist. 

V. 144. hütte Hr. G. aus den gedruckten Scho-: 
Hen des Tzetzes auf die Variante δ᾽. ἀδάμαντος statt 
δὲ δράχοντος schliessen kónnen. Der Münchner Tre: | 
izes giebt ausdrücklich noch ^9. ἐν μέσσω δ᾽ ἀδά ἀπ᾿ | 
parvos. - 

V. 155. hátte wohl die andere Lesart, φόνος, vorgezo- 
gen werden sollen, insbesondere auch wegen der Paralleistelli: 
Odyss. XI. 611.: ὑσμῖγαί τε μάχαι τὲ φόνος v y 
δροοχτασίαι τε. 

Υ. 160. χαναχῇσί T6 βεβριϑυῖα. Hier sagt Br: 
G.: xovoyoi sunt sonitus spoltorum quorum pondere 
graevis incedit. — Das ist eine. viel zu gekünstelte Er-, 
klürung. Wem sollte nicht sogleich auf den ersten An- 
bliek der.Stelle einfallen, dass βεβρυχυῖα zu schreibeib 

sey? Uud so las Tzetzes, dessen Scholion i in dem Münocli- 
mer Codex so lautet: χαναχῆσι. γόοις. χραυγαῖς Ot: 
τῶν χραυγῶν βρυχομένη. 
. 167. war χυάνεοι χατὰ γῶτα aufzunehmen,233 
aümlich Oodxovreg, was mit veründerter Construction aus 
δράκουσιν zu verstehen ist. —Dieselbe Construction findet 
sich auch V. 183., wo Hr. G. nicht richüg. ἦσαν. 
supplirt. | 

V..168. Eher sagt Hr. G. von χλούνων:" Con- 
tractum esse videtur ex yskoUvijc, μὲ a χελὼν dertve- 
tur, quod apprime accommodatum apro est. Das 
ist sehr rüthselhaft, und Hr. G. hátte hinzufügen. sollen, 
was ilm χελὼν bedeute, das einem Eber angemessen sey. 

V. 173. Hier hegnügt sich Hr. G., wegen czov- 
ράμενοι auf Buttmanns Lexilogus I. p. 16. zu verwei- 
sen, der wie Andere, das Wort in passiver Bedeutung 
nimmt, Zu dieser Abnormitüt ist keine Nüthigung vOr- τ 
handem, wenn man richtig interpungirt: ἤδη γάρ σφιν 


198 HESPODI 


ἔκειτο μέγας Aig, ἀμφὶ δὲ χάπροι δοιοί, ἀπουράμέ- 
yoL ψυχάς. Denn das Participium geht auch anf den 
Lówen: ein Lówe und zwei Eber lagen da, die einan- 
der das Leben geraubt hatten. ) 

V. 199. ἔγχος ἔχουσ᾽ ἔν χερσὶ χρυσειήν τὸ TQU- 
φάλειαν. n diesem, von Hrn. G. selbst für ganz un- 
rhythmiseh anerkannten Verse sollte ohne alle Bedenk- 
lichkeit mit Hrn. Dindorf die Emendation des Rec., die 
lemge vorher schon Bentley gemacht hatte, aufgenommen 
seyn, ἔγχος Éyovo ἐν χερσὶν ἰδὲ χρυσέην τρυφάλειαν. 
Dergleichen Dinge sind ὦ pr*$or$ evident. | 

V. 203. Die alles Zusammenhanges entbehrende 
Rede: ϑεῶν δ᾽ &oc ἁγνὸς ᾽᾿Ολυμπος" ὃν δ᾽ ἀγορή, 
πέρι δ᾽ ὄλβος ἀπείριτος ἐστεφράνωτο, welche auf et- 
was ganz anderes hátte führen sollen, sucht Hr. G. durch 
folgende Vermuthung zu verbessern: ϑεῶν δ᾽ ἔδος ἁγνὸς 
Ὄλυμπος ἦν ἀγορή, i e. ἁγνὸς Ὄλυμπος, τὸ ϑεῶν 
ἕδος, ἦν 7j ἀγορή (locus quo concenerant). So konnte 
kein alter Dichter reden. Vielmehr muss es sogleich in 
die Augen fallen, dass die Worte ἔν δ᾽ ἀγορὴ emen 
Markt, anf dem alles Prüchtge feil gehalten wird, be 
zeichnen, und folglich der Vers an der unrechten Stelle 
Steht. 

V. 212. ist ἐθοίνων beibehalten, ohne etwas an- 
deres, als die von Hrn. Dindorf aufgenommene Lesart 
der meisten Handschriften. ἐφοίτων zu erwühnen. Wo 
aber kommt sonst noch ϑοινᾶν statt ϑοινᾶσθϑαι vor? 
Auch der Sinn verlangt ἐφοίτων. Denn ἔλλοπας ἰχϑῦς 
ist von ἀναφυσιόωντες,», was ,,aufscheuchend** bedeutet, 
abhángig. Die Beschreibung der Sache findet man bei 
Oppian Halieut. V. 427 — 447. | 

V. 217. Weil es von der Figur des Perseus heisst, 
dass er ausser dem Schilde gewesen, οὔτ᾽ dg ἐπι- 
ψαύων cáxeog ποσὶν ovO' ἑχὰς αὐτοῦ, ἐπεὶ οὐδαμῇ 
ἐστήρικτο. will Hr. G. das ganze Stück von V. 141 
— 317. einem alexandrinischen Dichter beilegen. — Das 
234müchte doch zu rasch geschlossen seyn, da schon Ae- 

schylus diese Árt von Zierrath auf dem Sehilde des Par- - 


ΒΟΥΤΥ͂Μ HERCVLIS, 199 


thenopáus kennt, Sept. ad Theb. 547.: Zeiyy ὧμό- 
giro», προρμεμηχαγημένην γόμφοις, λαμπρὸν ἔχχρου-- 
στον δέμας" φέρει δ᾽ ὑφ᾽ αὑτῇ φῶτα Καδμείων 
ἕνα. Diesem nachgebildet ist ein Pferdekopf auf dem 
Schilde des Rhesus in der gleichnamigen "Tragódie V. 
306. Die Figur des fliegenden Perseus war mittelst ei- 
nes Zapfens an dem Schilde befestiget,' so dass sie frei- 
vor demselhen zu schweben schien. 

V. 221. ὦμοισιν δέ μιν ἀμφὶ μελάνδετον ἄορ - 

ἔχειτο. — Hier vermuthet Hr. G. δέ oi ἀμφί. — Vielmehr 
ist ὦμοισιν δ᾽ ὃ μὲν ἀμφὶ zu lesen, nümlich Perseus. 
Ζιερίκειμαι ξίφος wird bekanntlich gesagt, wie περι-- 
βέβλημαι. 
. V. 222. Gegründet ist die Einwendung, die Hr. G. 
gegen des Rec. von Hrn. Dindorf aufgenommene Conjectur 
ὃ δ᾽ ἔπτατο ὥςτε νόημα macht, dass hier nicht der Áorist 
Stehen kann. Er hátte aber nicht das unrhythmische ὃ 
δ᾽ ὥςτε νόημα ποτᾶτο beibehalten, sondern mit τη. 
Heinrich νόημ᾽ ἐποτᾶτο schreiben sollen. Der Witten- 
berger Codex hat nicht, wie Rec. angegeben hatte, ἔπτα- 
vo, sondern, wie der Pfülzer, νόημ᾽ ἐπτᾶτο. 

.V. 224. Nicht billigen kann man es, dass Hr. G., 
seinem Hange zum Etymologisiren nachgebend, eine von 
. Niemand im Alterthume bestimmt anerkannte Form χί- 
βυσις aus der Stephanischen und Commelinischen, hóchst 
Iehlerhait gedruckten Ausgabe (einige andere alte: Áus- 
gaben haben χύβισις, andere χίβησις, die Codices 
und mehrere Schnfisteller und Grammatiker, die die 
Stelle οὔτοι, χίβισις) in den Text gesetzt hat, weil sei- 
ner Meinung nach dieses Wort so viel als χισσύβιον 
ist, was zu beweisen ihm das bei Suidas in den alten 
Ausgaben obne Erklürung vor κίσσιρις stehende κίσσι-- 
βιες dienen muss. 

V. 239. Da die meisten Bücher ὑπὸ (nicht dai) 
σφετέρης πόλιος σφετέρων τε τοκήων λοιγὸν ἀμύνον- 
veg haben, so hütte das richtige ὑπὲρ aus dem Cod. 
Harl. hergestellt werden sollen. 

Y. 243. besieht sich Hr. G. bei χάλκεον ὀξὺ βόων, 


200 HESIODI 
das er vertheidigt, auf die Conjectur des Rec., hat aber 


vergessen, sie dem Leser mitzutheilem. Sie ist iua 
τῶν ἐπὶ πύργων, χαλκέων, ὀξὺ βόων. So wird oft 
in dieser Beschreibung das Metall, aus dem die Sache 
gebildet war, angegeben. S. V. 183, 188, 102, 208, 
212, 213, 920, 222, 225, 226, 271, 295, 297, 298, 
313. Wenn Hr. G., um zu zeigen, dass ὀξὺ βόων 
für ein einziges Wort gelte, sich auf V. 445. δεινὰ δ᾽ 
ὑπόδρα ἰδοῦσα beruft, so móchte dieser wohl für ver- 
dorben zu achtende Vers wenig Beweiskraft haben. 

V. 245. Hier giebt Hr. G. wiederum das Pinda- 
rische oder Bóotische Schema, dessen sich Hesiodus an- 

23S5geblich, was jedoch vóllig ungegründet ist, ófter bedient 
haben soll ἄνδρες δ᾽ o? πρεσβῆες ἔσαν, γήρᾳ τ᾽ ἐμέ- 
μαρπτο, wo wenigstens γήραι geschrieben seyn sellte: 
8. des Rec. Note zu Sophokles Electr. 1307. Die ge- 
wühnliche Lesart ist γῆράς τὸ μέμαρπον. Einige Hand- 
Bchriffen und alte Ausgaben geben γῆρας v ἐμέμαρ- 
πτογ» Was auch in einem Pariser Codex, der γήρᾳ τε 
μέμαρται hat, am Rande mit γρ. beigeschrieben ist. 
.Der Wittenberger :Codex hat γῆράς τε μέμαρπτον. 
Tzetzes in dem Münchner Codex: γῆρας v ἐμέμαρ- 
πτογ᾽ τὸ γῆρας κατέλαβον. vg. γήρᾳ vs μέμαρται. 
ἤγουν μεμάρανται ὑπὸ τοῦ γήρως. Das ist nun frei- 
lich eine einfilüge  Erklürung:  indessen lassen sich 
doch aus diesen Varianten zwei richtige Lesarten, viel- 
leicht verschiedener Recensionen, herausfinden, beide nach 
einer sehr gewühnlichen Árt zu reden mit einem andern 
Casus des Pronomens, als der vorausgegangene war, con- 
struirí: die eine γῆράς ve uéuagro, d.i. olg ve γῆρας 
εἵμαρτο"; die andere γῆράς τ' ἐμέμαρπεν, d. i. οὕς 
τε γῆρας ἐμέμαρπεν, was ein vom Perfectum gemach- 
tes Imperfect ist, wie énéqvxov. 

V. 254. In den Worten: ὃν δὲ πρῶτον usud- 
ποιεν, ἀμφὶ μὲν αὐτῷ βαλλ' ὄνυχας μεγάλους, iet 
ebenfalls nicht an ein bóotisches Schéma zu.denken, son- 
dern es ist klar, dass mit veründerter Darstellung eine 
von den Keren gemeint ist. In den folgenden Worten, 


SCVTVM HERCVLIS, 201 


ψυχὴ δ᾽ "didócÓs χατεῖεν, bemüht sich Hr. G. wohl 
vergeblich, diese Form zu reehtferhgen. - Der Wittenber- 
ger Codex hat ψυχὴν δ᾽ ἄϊδι κατεῖεν. ^ Auch einige 
alte Ausgaben geben ψυχὴν, was Hr. G. unbemerkt ge- 
lassen hat. Daraus ergiebt sich wohl, dass das Wahre 
ist: ψυχὴν δ᾽ ᾿Αϊδόςδε καϑέει. 

V. 258. scheint Hr. G. nicht an dem Μδμπροὶ᾿ οἷ- 
ner Copula angestossen zu seyn. 

V. 259. Die Vulgata ist ἀλλὰ xoi ἔμπης τῶν 
ys μὲν ἀλλάων προφερής T ἦν. Ἦν, OG. hat die Les- 
art der meisten Bücher ἀλλ᾽ ἄρα ἣγε aufgenommen: al- 
lein damit ist der Stelle noch nicht geholfen, wenn nicht 
bewiesen wird, dass ἀλλὰ und das fast gleichbedeutende 
[ μὲν in einem und demselben Satze verbunden werden 

ónnen. Das aber geht micht an. Daher findet man 

e μὲν nicht mit ἀλλὰ verbunden, sondern allein ste- 
end, wie in diesem Gedichte V. 139, 171, 209, 282, 
283, 288, 209, 300.  Folglich wird Hr. Dindorf mit 
Unrecht getadelt, dass er τῶν μέν v was des Rec. Con- 
jectur ist, aufgenommen hat. ^ Aber der Wittenberger 
Codex hat ἀλλ ἄρα ἥγε 7j μὲν ἀλλάων, προφερής c 
ἦν, was Hr. G., dem diese Lesart bekannt seyn musste, 
nur zum Theil erwühnt. Der Cod. Med. und Harl. ge- 
ben ἥδε statt ἥγε: und so ist wohl die wahre Lesart, 
wofür ein Corrector ἀλλὰ καὶ ἔιστης setzte, diese ge- 


wesen: ἀλλ᾽ ἄρα τῶν ys ἥδε μὲν ἄλλάων προφερής286 


τ' ἦν. "Der Positivus προφερὴς ist im Stephanischen 
Thesaurus noch aus Plato Euthyd. p. 1. DB. und Ae- 
Bchines c. Timarch. $. 49. beigebracht. 

V. 261. geht πᾶσαι δ᾽, wie Hr. G. meint, nicht 
auf die zunáchst vorher genannten Parzen, sondern auf 
die ,vor ihnen erwühnten Keren. Ein Zaurückkehren zu 
der Person, von der vorher die Rede war, ist nicht un- 
gewóhnlich: aber wenn gerade πᾶσαι gesagt wird, kann 
niemand errathen, dass die Parzen nicht mit gemeint 
seyen. Mithin kann entweder diese Auslegung nicht 
stattfinden, oder der Fehler muss auf andere Weise be- 
geiigt werden. a 


-.--“νπ-- ----.- . ος... - 


202 HESIODI 


V. 203. Dass zwischen diesem und dem folgen- 
den Verse der von Ruhnkenius verglichene Pariser Co- 
dex den Vers xeíuevov ἢ πίπτοντα νεώτατον.» ἀμφὶ 
μὲν αὐτῷ einschiebt, was auch der Wittenberger thut, 
ist unbemerkt gebliehen. 

V. 266. Dass aus dem Cod. Harl. γουνοπαγὴς 
zu schreiben sey, hat Maltby zu Morelli 'T'hesaur. p. 212. 
angemerkt, γυιοπαγὴς vergleichend. — Áuch. der Medicei- 
sche und der von Ruhnkenius verglichene Pariser Codex 
haben γουνοπαγής. Das im Texte stehen gebliebene 
γουνοπαχὴς ist der Ánalogie entgegen. 

V. 268. Auch hier muss ἀπλῆτον in ἄπληστον 
verwandelt werden. ",4n4gorov σεσαρυΐῖα, wie gleich 
darauf πολλὴ xóvig. "4nAgrov σεσαρυῖα würde schen 
an sich ganz unpassend gesagt seyn. 

. . V. 276. hátte διωῶν statt δμώων nach Guyetus 
Emendation aufgenommen, oder διιωέων geschrieben wer- 
den sollen, wie das folgende vo; δὲ zeigt. Der Witten- 
berger Codex hat χερσὶν ἀνιδμωῶ»γ. 

V. 211. τοῖσιν δὲ χοροὶ παίζοντες ἕποντο. Hr. 
G. sagt: τοῖσιν pertinet ad δμῶας, sed est neutrius 
generis: hinc sequuntur etc., ul ἐπ Homerico 
τοῖς. Wo steht dieses Homerische τοῖς 9 und überhaupt, 
wo haf je Homer oder irgend ein anderer Schriftsteller 
80 geredet? | 

V. 279. ist es hóchst befremdemd, dass Hr. G. zu 
ἁπαλῶν στομάτων sagt: Sunt arte facta ora. Und 
wie soll ein. Epiker ἀοιδὴ von der Píeife gebraucht ha- 
ben? wie αὐδὴ ἐκ στομάτων ὑπὸ συρίγγων den 
Ton der Pfeife bedeuten kónnen? Die Verse lauten so: 


τοὶ μὲν ὑπὸ λιγυρῶν συρίγγων ἵεσαν αὐδὴν 
ἐξ ἁπαλῶν στομάτων, περὶ δὲ σφισιν ἄγγνυτο 
ἠχώ. 
αἵ δ᾽ ὑπὸ φορμίγγων ἄναγον χορὸν ἱμερόεντα. 
Was kann klarer vor Augen liegen, als dass eià Ab- 
sohreiber aus Versehea die Sache umgekehrt, und voi μὲν 
Sinit ταὺ μὲν.» αἱ δὲ aber statt οἱ δὲ gesetzt hat. Die 


ΒΟΥΤΥΝ HERCVLIS. 203 


Frauen sangen iit ihren feinen Kehlen zur Syrinx, die 
Mánner zur Phorminx.  - 

V. 289. schwankt die Lesart zwischen χορυνιόεν-237 
τα, χορωνιόεγτα, χορυνιόωντα, χορωγνόεντα; πορωγιό- 
ὡντα. Nun liesse sich hiervon χορυγιόεντα und χορω- 
γιόωντα, das auch der Wittenberger Codex hat, und 
ausserdem noch χορυνήεντα vertheiigen. Passend ist 
jede dieser Formen. Daher ist nicht abzusehen, warum 
sie Hrn. G. sámimntlich missfallen, und er eine neue, xopv— 
γώεντα, für die wahre hült, die noch dazu der Analogie 
entgegen ist, und durch die angeführten! ὠτώεντα und 
κητώεντα nicht gerechtfertist werden kann. 

"^W. 303. So auffallend anch das χαὶ xepyogódoyca 
χύνε πρό ist, sowohl wegen der Stellung des πρό, als 
wegen des ausgelassenen δύω, Scheint es doch nicht ge- 
üándert werden zu dürfen. Was Hr. G. meint, dass, wer 
Anstoss nehme, πρὸ δύω »vvs χαρχαρόδοντο aus dem 
Homer corrigiren künne, kann nicht zugegeben werden, 
indem die Sprache nothwendig noch ein δὲ verlangt, 
Die Andeutung des Rec., dass der Vers ans dem Homer 
corrigirt werden kónne, hat Hr. G. missverstanden. Rec. 
meinte folgendes: ϑθηρευταί, πρὸ δὲ τῶνδε δύω κύνε 
χαρχαρόδοντε. 

' V. 310. ist die Vulgata: οἱ μὲν ἀρ' ἀΐδιον εἶχον, — 
πόνον. Die Handschriften haben ἔχον. Rec. hatte be- 
merkt, dass eine Sylbe fehle. —Hr. G. meint, vielleicht 
sey χατέχον zu lesen. Aber das würde eie ganz un- 
gewóhnliche Redensart seyn. Der Vers ist durch eim 
Glossem verdorben: denn ἀΐδιος ist kein Wort der alten 
Epiker.: Der Dichter schrieb: oi μὲν ἄρ᾽ ἔμπεδον oliv 
Éyov nóvov. 

V. 316. hat sich Hr. G. versehen, wenn er sagt: 
ἤπυον media brevi hec. usurpatum fugit Passovts 
Gcsem.  Passow sagt im Gegentheil, v sey immer kurz, 
ausser im Prásens einmal bei Moschus. 

V. 318. Wenn Hr. G. von dea. Worten. Zcbua 
ἰδεῖν καὶ Ζηνὶ sagt: Iuppiter non. solum illos. pisce- 
culos admératures orat: eo thut ev dem Unrecht, der 


[ 


204 HESIODI 


die Verse so ordnete. Denn dieser wollte jene Worte 
nicht auf die Fische, die nur beiliufig erwáhnt sind, son- 
dern auf den Ocean mit den Schwinen bezogen haben. 
Wir kónnen nun zu der Beschreibung des Schildes 
zurückkehren. Wenn irgend etwas gewiss ist, so ist es, 
dass diese Beschreibung nicht von einem einzigen Dichter. 
herrührt, sondern von mehreren varürt worden ist, deren 
Veründerungen und Zusütze in unsern Text eingescho- 
ben sind. Das zeigt nicht sowohl die übergrosse Menge 
der Gegenstinde, die auf dem Schilde dargestellt seyn 
Sollen; denn das kónnte man mit einer üppigen Phanta- 
sie und mit dem Bestreben, die Homerische Schildbe-. 
Schreibung zu übertreffen, entschuldigen: sondern es zei- 
gen .es unwidersprechlich erstens die Unordnung in der 
238AÀufzühlung dieser Gegenstinde; sodann die Wiederholun- 
gen derselben Sachen, bald auf gleiche, bald auf verschiedene 
Weise ausgemalt; ferner die Widerkehr ganzer Verse, wie 
150—103. 282.283 — 299, oder wiederholte Stücke von 
Versen, wie 147 —230. 195 — 324. 277 —284. 295 
2-298300, endlich vornehmlich auch die Ungereimt- 
heit und Undenkbarkeit mancher Bilder, wenn alles von 
einem Dichter so zusammengefüsgt wáre. In der Mitte 
ein Drache; sodann Zank, Verfolrung, Flucht, Getüm- 
mel, Mord, Todtschlag, die Eris, der Lürmgott, die Ker, 
welche T'odte und Verwundete fortschleppt; Schlangen, 
Heerden von Ebern und Lówen, die mit einander küm- 
pfeu; die Schlacht der Lapithen und Centauren; Mars 
auf sezmnem Wagen, Furcht. und Schrecken an séiner 
Seite habend; die Minerva; eine Versammlung der Gót- 
ter, in der Apollo die Cither spielt. und die Musen sin- 
gen; ein Markt; ein Hafen, in welchem Delphine einem 
Fischer beim Fischfang helfen; Perseus ver. dem Schilde 
befestigt; hinter ihm die Gorgonen; über diesen wieder- 
um der Sclirecken; über ihnen ferner eine belagerte Stadt, 
auf den Mauern jammernde Krauen, vor dem 'Thore νος 
tende Greise, dann die Kümpfenden, und unter .ihnen die 
Keren,:die Parzen, .dann. wieder von den Keren etwas, 
die "Trauer; daneben eie schóne Stadt.mit sieben 'Tho- 


SCVTVM HERCVLIS. 205 


ren, "Tanz, Musik, Hochzeit, ein Fackelzur, ein Wett- 
rennen von Reitern; ein Saatfeld mit Schnittern, Ger-- 
lienbindern, und einer Tenne; eine Weinlese, Kelterer, 
Ringer, Faustkümpfer; eine Hasenjagd; ein Wettrennen 
zu Wagen um einen zum Preise ausgesetzten Dreifuss; 
endlich ym den Rand des Schildes der Ocean mit vie- 
len singenden Schwünen und lustigen Fischen: wer mag 
dieses Chaos von Dingen in ein nur halbweg leidliches 
Bild vereinigen, oder einem vernünftigen Menschen zu- 
trauen, ein so tolles Gewirre zusammengewürfelt zu haben? 
Hr. Dindorf bemerkte, dass an keiner Stelle leichter und 
sicherer drei verschiedene Recensionen unterschieden wer- 
den kónnten, als V. 292—300. . Hr. G., in der Án- 
sicht befangen, dass V. 141—317. von einem Alexan- 
drinischen Dichter herrühren, hat die Interpolationen nur 
ein paar Mal leise berührt, ohne sich auf eine wei- 
tere Untersuchung einzulassen. Eben so wenig haben 
das Andere gethan; z. B. Hr. Welcker in der Zeit- 
Schrift für Geschichte und Auslegung der alten Kunst, 
obwohl er Interpolationen ahnete. Und allerdings darf 
man sich nicht wundern, wenn Aufgaben dieser Art ent- 
weder günzlich bei Seite gesetzt werden, weil man ein 
sicheres Ergebniss für unmüglich hált, oder wenn sie zu 
einer leichtsinnigen Aufstellung willkürlicher Hypothesen 
verführen. So lüsst sich auch hier begreifen, dass mau 
nicht durchpángig mit Sicherheit angeben kóünmne, wie 
viele Bearbeiter an dieser Beschreibung des Schildes ÀAn-239 
theil haben, und was jedem beigelegt oder abgesprochen wer- 
den müsse: aber wer desswegen gleich die ganze Frage auf- 
gübe, würde eben so unbedachtsam verfahren, als wer die erste 
beste Móglichkeit aufgreifen, und darnach die Interpolationen 
sondern wolle, Vielmehr kommt es bei Dingen dieser 
Art darauf an, zuvórderst zu sehen, was auszumachen 
móglich oder unmóglich sey. Sind dann erst die Gren- 
zen der Méglichkeit gefunden, so wird man dahingestellt 
seyn lassen, was nicht aufs Heine zu bringen ist; das 
hingegen, was gefunden werden kann, mit ziemlicher Zu- 
verlüssigkeit entrüthseln kónnen. Nun aber liegt es am 


— ———————— 2l 


206, HESIODI 


Tage, dass, da der Schild eine Anzahl günzlich verschie- 
deuer und von einander abgesonderter Bilder entháült, man 
im Ganzen nicht bestimmen kónne, welche derselben von 
andern, als dem ersten Verfasser, eingeschoben seyn mó- 
gen: das aber lüsst sich mit Sicherheit ànnehmen, dass, 
wenn einige dieser Bilder so gleichartig sind, dass sie ei- 
gentlich denselben Gegenstand darstellen, sie ven ver- 
schiedenen Verfassern herrühren.  Zweitens hüngen auch 
wieder einige Bilder ihrer Natur nach oder weil sie einen 
Gegensatz bilden so zusammen, dass man sie für 'Theile 
einer und derselben Beschreibung zu nehmen Linreichen-. 
den Grund hat. Drittens, wenn ein Bild ausführlich be- 
handelt und sehr poetisch ausgeschmückt ist, lüsst sich, 


was von diesem Schmucke etwa spüter hinzugethan seyn 


móge, alsdanm angeben, wenn Mangel an Zusammenhang, 
Wiederholungen, Widersprüche, Unpgereimtheiten sichere 
Merkmale verschiedener. Bearbeitung darbieten. — Viertens 


endlich laufen einige Bilder so in einander, dass man wohl eine 


Vermischung von Verschiedenartigem wehrnimmt, und be- 
merkt, dass sie in der Mitte der Verse anfangen oder 
enden, aber nicht sofort von einander abgesondert werden 


. kónnen, .obne den Zusammenhang des Ganzen zu zerreis- 
Sen; in welchem Falle em sehr unzweifelhaftes Anzeichen 


der Iuterpolation durch die: Wiederholung ganzer und hal- 
ber Verse gegeben ist, aus denen sich abnehmen liisst, 


& wo ein fremdes Stück einsetze. 


Betrachten wir nun die ganze Beschreibung des 
 Sehildes, so besteht sie aus folgenden Theilem. I. V. 
144—155. ein confases Bild eines Drachen, des Schre- 
ckens, des Zanks. IL 156—160. Eris und die Ker, 
IL 161—107. Schlangen. IV. 168—177. Kampf 
von Ebern und Lówen. V. 178—190. Schlacht der . 
Lepithen und Centauren. VI. 191—196. Mars. VII. 
197 —200. Pallas. "VIII. 201-—(204) — 206. Fest- 
gelag der Gótter. IX. 204. 207 — 215. Markt, Hafen, 
Fischfang. X. 216—237. Perseus und die Gorgonen. 
XL 237—248. eine belagerte Stadt. XIL 248. 263. 
die Keren und Parzen, wieder ein confuses Bild. XIIL 


SCYTVM HERCVLIS. 207 


264 — 270. die Traurigkeit. XIV. 270—288. über-240 
ladene Darstellung des Wohllebens einer Stadt, XV. 
288—304. Ernte, Kampfspiele, Hasenjagd, Weinlese. 
XVI. 305 —313. Wettrennen zu Wagen. XVH. 314. 
iff. der Ocean. Von diesen Bildern wollen wir nun vor- 
erst diejenigen betrachten, welche zu Unterscheidung ver- 
schiedener Bearbeitungen Veranlassung geben. | 

I. Dieses Bild enthült eine Masse zwar gleicharti- 
ger, aber so unordentlich, so unzusammenhüngend, mit 
solchen Wiederholungen und Widersprüchen zusammen- 
geworfener Dinge, dass schon daraus mit Sicherheit auf 
Interpolation geschlossen werden kann. Die Variante V. 
144. δὲ δράχοντος und δ᾽ ἀδάμαντος, und der zwei- 
mal vorkommende Vers 150., 163.: οἵτινες ἀντιβίην 
πόλεμον Διὸς vii φέροιεν. setzen vollends die Sache 
ausser Zweifel. Das ganze BiM lüsst sich in vier Stü- 
cke zertheilen, nicht als ob jedes dieser Stücke für sich 
allein bestánde, sondern weil sich einige derselben sowohl 
an das, was ihnen jetzt vorhergeht, als an ein anderes 
Sitáck anschliessen kóünnen; einige aber sich nicht mit 
andern vereinigen lassen. Diese vier Stücke sind fol- 
gende: 1) V. 144. 145. nach der einen Lesart ein 
Drache: ἐν μέσσῳ δὲ Ógdxovrog ἔην φόβος; im einer 
andern Bearbeitung der Schrecken als Person dargestellt: 
ἐν μέσσῳ δ᾽ ἀδάμαντος ἔην dbóflog. 2) V. 146— 
153. Beschreibung der Zühne und des Antlitzes des 
Schreckens. 3) V. 154.--- 160. personificirte Gestalten 
der Uebel des Krieges; unter ihnen der Eris, ein ganz 
abgerissenes Stück, das sich nicht mit dem vorhergehen- 
den: vertrágt, in welchem der Zank, ἔρις, zwar nicht als 
Person gebildet, aber doch mit allen Thütigkeiten der Per- 
son ausgerüstet erscheint. 4) V. 161—167. Schlan- 
gen: ein Bild, das nicht von dem Verfasser des zwei- 
ten Stückes seyn kann, wie V. 147. zeigt, der in die- 
sem vierten Stücke V. 1063. wiederkehrt. —Fasst manm 
mun das Ergebniss aus diesen Angaben znsammen, 80 
wird es sehr wahrscheinlich, dass der Dichter, weleher die 
Beschreibung des Schildes mit der Darstellung des Schre- 


208 HESIODI 


ckens anfing, und ἐν μέσσῳ δ᾽ ἀδάμαντος ἔην Φό- 
flos schrieb, das Gleichartige zusammenstellte, und zu 
dem Schrecken die übrigen Kriegsdámonen hinzufügte; 


. ferner dass in einer zweiten Recension, welche mcht den 


Schrecken, sondern den Drachen nannte: à» μέσσῳ δὲ 
δράχοντος ἔην φόβος, dieser Drache beschriehen wur- 
de; endlich, dass ein anderer Dichter, welcher gleichfalls 
mit dem Drachen anfing, auch wieder das Gleichartige 
verband, und dem Drachen Schlangen zugesellte, So 
erhglten wir in drei verschiedenen Recensionen das erste 
Bild jedesmal gut und verstündig beschrieben: 


241 1. V. 144, 145, 149—100. 


Il. - 144—153. 
IIl. - 144, 145, 161—107. 

Bei den hierauf folgenden Bildern ist nichts zu be- 
merken, als dass das sechste, welches den Mars darstellt, 
nicht zu der HRecension gehórt, in welcher das erste Bild 
den Schrecken enthielt, indem dieser hier noch einmal 
als Begleiter des Kriegsgottes vorkommt. 

X. XI. XII. Mit der Beschreibung des Perseus 
ist auf eine ganz ungeschickte Weise die Belagerung ei- 
ner Stadt in Verbindung gesetzt. Denn nachdem gesagt 
worden, wie die Gorgonen den Perseus verfolgen, heisst 
es V. 236.: ἐπὲ δὲ δεινοῖσι καρήνοις Γοργείοις ἐδο- 
γεῖτο μέγας φόβος" ot δ᾽ ὑπὲρ αὐτέων ἄνδρες ἐμαρ- 


γάσθϑην πολεμήϊα τεὐχὲ ἔχοντες. Wie kommt eine 


Schlacht unbenannter ὙΟΪΚΟΣ mit dem Zuge des Perseus 
zu den Gorgonen zusammen?  Áuch das oi δὲ scheint 


auf etwas Vorhergehendes, worauf es bezogen werde, hin- 


zuweisen, dergleichen jedoch hier weder gefunden wird, 
noch überhaupt denkbar ist.  DBetrachtet man hingegen 


das sechste und siebente Bild, welche den Mars und die 


Pallas darstellen, so erscheinen beide nicht in Verbin- 
dung mit den von ihnen erwáhnten Lapithen und Cen- 
tauren, sondern vielmehr mit andern kriegführenden Hee- 
ren: denn von dem Mars heisst es V. 103. πρυλέεσσι 
κελεύων, und von der Pallas V, 200. ἔπὶ δ᾽ üiysvo 
φύλοπιν calváv. Dadurch wird es wahrscheinlich, dass 


SCYTYM HERCVLIS. |. 200 


der Erfinder des Sehlachtgemüldes der bekriegten Stadt ὁ 
dieses Bild an jene Beschreibung der Kriegsgótter ange- 

knüpft habe. Wie jedoch der Zusammenhang zwischen 

V. 200. und 237. oder 238. beschaffen gewesen, wenn 
überhaupt diese Vermuthung Grund hat, lisst sich nicht 
sicher angeben. Um indessen doch wenigstens einen Weg 

zu zeigen, wie sich die vorhandenen Worte zu einer  — ' 
Verbindung eiguen, kann man, da sich V. 237, die Va- 

rante Τοργείης, und V. 238. αὐτῶν statt αὐτέων fin- 

det, etwa anf folgenden Fortgang der Rede schhessen: 


199. ἔγχος ἔχουσ᾽ ἐν χερσὶν ἰδὲ χρυσέην τρυφά- 


λειαν, 
αἰγίδα τ' ἀμφὶ ὥὦμοις" ἔπι δ᾽ devo φύλοπιν 
αἷνήν, 
236. δεινὸν δερχομένη᾽" κεφαλῆς 0" ἀμφὶ στήϑεσσιν 
Γοργείης ἐδονεῖτο μέγας φόβος » οἱ δ᾽ ὑπὲρ 
αὐτῶν. 


3 » 


ἄνδρες ἐμαρνάσϑην πολεμήϊα τεὐχε᾽ ἔχοντες. 


So würde sich αὐτῶν auf den Mars und die Pallas be- 
ziehen, dafern es nicht etwa gar ὑπὲρ αὐτῆς geheissen 
bütte. Demnach würden V. 216 —235., worin Perseus 
und die Gorgonen beschrieben werden, ein besonderes 
Bild ausmachen; das sechste, siebente, eilfte und zwülfte 
Bild aber zusammengehóren, und aus V. 191—200, 
236 1f. bestehen. Aber hier müssen wiederum V. 258242 
— 260., die mit dem Vorhergehenden gegen alle Regel 
ohne Copula verbunden sind, und auch durch ihren In- 
halt, indem sie von den Parzen handeln, die Erzàh- 
lung von den Keren günzlich unterbrechen, 'als ein offen- 
bar nicht hierher gehóriges Einschiebsel angesehen wer- 
den. Es [ἈΠ jedoch in die Augen, dass diese Verse 
nichts als eine Variation der Erzühlung von den Keren * 
sind, und sie mithin in einer andern Recension die Stelle 
dieser Erzáhlung vertraten. So erhalten wir hier zwei 
Recensionén: | 
I. V. 236—257, 261— 203. 
|». IL - 236—248, 258— 200. 
Hrnw. Or. VI. 0 


: 410 | HESIODI | 


Ia dér erstern pelióst μετ’ αὐτοὺς V. 248. zu δῆριν 
Kyo»; iü der zweiten stand vielleicht. μεταῦτες. | 
XIIIL Es folgt des Bild der Traurigkeit, und dawn 
der Stadt im Wohlleben. Beide Bildet simd mit den 
vorhergehenden durch πάρα δὲ verbunden, und nicht 
durch den mewühnlichen Anfang eines neuen Bildes ἔν 
δὲ eingeführt. Daraus, so wie auch aus dem Inhalte selbst, 
lisst wich βοΐ ein Nebeneinawdergestelltseyn dieser Bilder 
schliessen: und da die Tranrigkeit am sich als ein be- 
sonderes Bild &berhaupt ünschicklich seyn würde, sehórt 
Sie unstreitig zu dem vorhergehenden Kriegsgemálde. Mit- 
hin folgte entweder in eiuer der so eben angegebenen 
Recensionen, oder in,beiden auf V. 260. sogleich V. 
261—270. 
. XIV —XVI. Die Beschreibung der fróhlichen Stadt 
hebt nun mitten in diesem 270sten Verse an, und durch 
diese enge Verbindung ist sie schon als Gegenstück zu 
der bekriegten Stadt angekündigt. ^ Auf eben diese Art 
hüngt-mit ihr die Beschreibung det Ernte zusammen, 
und àuch was ferner von dem Weinbau und mancherlei 
Lustbarkeiten angefüst ist, muss sowohl dem Inhalte als 
der Árt der Verbindung nach als Fortsetzung der Schil- 
derung des WohlHebens der friedlichen Stadt angesehen 
werden: so dass also V. 270—313. ein einziges Bild 
ausmachen. Allein in diesem DBilde ist die Beschreibung 
der Festlichkeiten nicht &ur offenbar überladen, sondern 
ganz deutlich zeigt auch das vweimalige πρόσϑ'᾽ ἔκιον 
V. 217. und 284., dass ein "Theil dieser Beschreibang 
nur Varihtion eines undern Diehters ist. Ferner dürlte 
auch ἐν ἀγλαΐαις τὲ χοροῖς τε V. 272. ἀπ ϑαλέαι 
τὸ χοροί τε V. 284. nicht von einem und demselben 
Dichter seyn. Weiter weist auch V. 282. und der im 
" einigen Büchern fehlende V. 283., welcher in andern 
noch einmal ganz am wmrechtem Orte als V. 299. steht, 
anf eine dritte Recension hin, $à der statt τοί ys μὲν 
αὖ παίζοντες Om ὀρχηϑιαῦῷ χαὶ ἀοιδῇ geschrieben 
war τοί γε μὲν αὖ γελόοντες Um αὐλητῆρι ἕχαστος. 
243Wer aber das letzte schrieb, hmtte schwerlich den Tanz 


SCYTYM HERCVLIS. ' 211 


weggelassen, dessen Erwühnung durch die Lesatt einer 
andern Recension verwischt zu seyn scheint.  Fasst man 
diese Umstünde fest ins Áuge, so ergeben sich drei ver- 
schiedene Recensionen. Alle fingen mit πάρα δ᾽ εὔ- 
πύργος πόλις ἀνδρῶν V. 270. an: 


LI V. 270—281, 292 ff. 
IL - 270— 274, 282, 284— 291, 292 fr 


In dieser Recension fehlte wahrscheinlich roi δ᾽ ἄνδρες 

ἐν ἀγλαΐαις τὸ Xopoid τὸ τέρψιν ἔχον V. 272., und 
die Hede ging wohl so fort: ἑπτὰ πύλας" τοὶ δ᾽ iy 
δὸν ἐϊσσώτρου ἐπὶ ἀπήνης. Dasn entspricht genau 
diesein ἐνδὸ» das τοὶ δ᾽ αὖ προπάροιϑε πόληος V. 285. 


ΤΠ, V. 270---274, 283, 287 —291, 292 ff 


Hier war der Zusummenhang zwischen V. 283. und 287. 
“ vermuthlich mit Veründerung eines einzigen Wortes in. - 
dea Homerischen Ausdruck gemacht: 


vol γε μὲν αὖ γελόωντες ὑπ αὐλητῆρι ἕκαστος 
πέπληγον χϑόνα δῖαν" ἐπιστολάδην δὲ: χιτῶνας 
ἐστάλατ᾽. ' 


Und so hatte auch der "Tanz sein Recht erhalten, Es 
folgte in allen drei Recensionen die Weinlese V. 292., 
aber, wie Hr. Dindorf richtig angegeben hat, folgender- 
massen verschieden: 


I. V. 202—295, 301. f. 
IL - 292, 296—298, 301. ff. 
JI. - 2906, 297, 300, 301. ff. 


Neluen wir nun das Ergebniss von diesem allen 
znsammen, so zeigt sich, dass der Schild, wie wir die 
Beschreibung jetzt haben, . nicht siebzehn, wie wir oben 
angegeben hatten, sonderm nur eilí Bilder enthib: I. In 
der Mitte entweder einen Drachen oder den Schrecken; 
Il. den Kampf der Eber und Lówen; IIL das Gefecht 
der Lapithen und Centsuren; IV. Mars und Pallas; 
VI. das Festgelag. der Gótter; VIE. Markt, Hafen und 

02 


212 )J HESIODI 


Fischfang; VIIE. Perseus und die Gorgonen; IX. eine 
Stadt im Kriegszustand; X. eine Stadt in Frieden und 
Wohlleben; XI. den Ocean. Wollen wir nun den Dich- 
tern, die diese Dinge erfünden haben, Verstand und Ue- 
berlegung, wie es doch wohl billig ist, zutrauen, so scheinen 
die genannten Gegenstünde durch ihre Beschaffenheit ei- 
nen bedeutungsvollen Wink zu geben, wie man sich das 
. . Ganze geordnet vorzustellen habe. Da die Beschreibung 
nicht von emem und demselben Dichter herrührt, so sind 
gewiss auch nicht alle Bilder vón dem ersten Verfasser 
erfunden, sondern es ist wahrscheinlich, dass bei verschie- 
244denen Bearbeitungen andere Bilder statt anderer gewühlt, 
andere mit andern verbunden wurden. So ist oben wahr- 
scheinlich gemacht worden, dass die Beschreibung der 
belagerten Stadt in Verbindung gesetzt war mit der Schil- 
derung von Mars und Pallas. Nun finden wir, dass die 
. angegebenen Gegenstánde überall einen Parallelismus geben, 
Jwie es die Gestalt eines runden Schildes erfordert, auf 
welchem die Mitte und der Rand, sodann die Fláchen zwi- 
schen der Mitte und dem Rande auf allen Seiten ein- 
.ander entgegenstehen. Wir kónnen daher wenigstens in 
sofern mit Sicherheit eine Anordnung der Dilder entwer- 
fen, als man über die Mitte und den Rand, und über die 
einander auf ieder Seite entgegenstehenden Felder nicht 
in Zweifel seyn kann. Darüber hingegen lásst sich strei- 
ten, ob die angegebenen Gegenstánde sümmtlich oder mit 
wechselseitiger Áusschliessung auf dem Schilde dargestellt 
anzunehmen seyen. Die einfachste und darum auch die 
wahrscheinlichste Eintheilung eines runden Schildes ist 
die in vier Felder. Da nun der für diese Felder geeig- 
neten Gegenstünde sich acht vorfinden, es aber nicht 
wahrscheinlich ist, dass, wo eine Stadt mit den Gescháf- 
ten des Friedens abgebildet war; Markt und Fischfang, 
welche ebenfalls zu diesen Gescháften gehóren, davon auf 
einem hesondern Felde abgetrennt sollten dargestellt wor- 
den seyn: so kónnen wir diese beiden Bilder nicht wohl 
zu einer und derselben Vorstelluugg von dem Schilde 
zühlen. Dagegen passen zu den Bildern einer durch 


ΒΟΥΤΥ͂Μ HERCVLIS.- . 213 


Krieg geángstigten , und einer in Wohlleben blühenden 
. Stadt die Gütter sehr wohl, deren Bilder wir vorfinden, 
der Kriegsgott und die, wiewoll der Gewohnheit gemiüss 
ebenfalls als kriegerisch geschilderte Pallas, die Vorste- 
herin der die Caltur fórdernden Künste. So erhalten 
wir für die eine Vorstellung des Schildes folgende Felder: 


Bekriegte Stadt. Stadt im Frieden. 
Mars. Pallas. 


Ist die oben über die Verbindung dieser Bilder in dem 
Gedichte aufzestellle Vermuthung richtig, so nehmen, wie 
. das οἱ δ᾽. ὑπὲρ αὐτῶν V. 237. zeigt, Mars und Pal- ' 
las die beiden untern, die Bilder der Stádte aber die bei- 
den oberu Felder ein. 

Hierdurch werden nun zugleich für eine nweit Àn- 
ordnung folgende vier Felder bestimmt: 


Wohlleben der Gütter. ' Reichthum der Menschen. 
Lapithen und Centauren. Eber und. Lówen. 


Es bleibt nun, da der Ocean den Rand bildet, nur 
noch die Mitte übrig. Für diese ist, wie oben gezeigt 
. worden, von einem Dichter der Schrecken mit' seinem -: 
Gefolge, von andern ein Drache angegeben. Es kann - 
aber gar kein Zweifel seyn, dass noch ein anderér Dich- 
ter die Eigur des Perseus in die Mitte gestellt habe.: 
Das zeigt schon die Beschaffenheit dieser Figur, die von243 
allen andern dadurch unterschieden ist, dass sie frei vor 
' dem Schilde schwebend, mit einem Zapfen an demselben . 
befestigt ist; eine Sache, die nothwendig sich bloss. für 
die Mitte eignet. Es ist daher auch nieht zu zweifeln, 
dass der Dichter , ; der diese Figur beschrieb, V. 216. 
nieht ὃν δ᾽ ἦν, sondern wohl so geschrieben habe: 


iv μέσσῳ μὲν ἔημ Δανάης τέκος ἱππότα Περσεύς. ) 
Der Ordner aber musste das ündern, nachdem schon der 
Drache als Gegenstand des Mittelfeldes augegeben war. 


Doch liesse sich auch denken, dass der Dichter die Be- 
schreibüng dieser merkwürdigen Figur bis suletzt aufge- 


2.4 ᾿ HESIODI 


spart hüfte, wiewehl das weniger wahrscheinlich ist. Auf 
jelen Fall aber lásst sich darch diese auf ungewóhnliche 
Art dargestellte Figur der Zweifel, den Hr. G. über V. 
918, erhoben hat, weit natürlicher und angemessener ló- 
een, Von dem frei schwebenden P'erseus konnte mit Recht 
gesagt werden: ϑαῦμα ἰδεῖν καὶ Ζηνὶ βαρυκτύπῳ, 
Desswegen ᾿ᾶϑϑί sich wohl annehmen, dass diese Worte 
und die ganzen zwei Verse 318, 319. eine Variation 
von ϑαῦμα μέγα φράσσασϑαι, ἐπεὶ οὐδαμῆ ἐστήρι- 
xro V. 318. sind, und πη jene Stelle so lautete: 


iy μέσσῳ μὲν ἔην “ανάης τέχος ἱππότα [7ερ- | 

οὔτ | ἀφ ἐπιψαύων adus ποσίν, ol9^ ἑχὰς αὖ- 
ϑαῦμα Ἰδεῖν xol Ζηνὶ βαρυχτύπῳ, οὗ διὰ βου- 
. φαιστος ποΐῃπ8 σάχος p ve στιβαρὸν τε. 


Unter diesér Voraussetzung liesse sich damn auch ver- 
muthen, dass, wenn eine Hecension V. 318, 319. nach 
— V. 217. setzte, die ganze Beschreibung des Schildes wit 
V. 317, 319. f. geschlossen war, natürlich aber mit οἷν 
. Rer kleinen Veründerung, wie z, D.1 


τὼς Ἥφαιστος ἔτευξε σάκος μέγα τε στιβαρόν τε 
ἀρσάμεγος" παλάμῃσι. 


Nach dieser Abschweifung über die Beschreibung 
. des Schildes kehren wir zu den eingelpen Stellen des ^ 
Textes in dem noch übrigen Theile.des Gedichts zürück. 
. V. 322. ist es irrig, was Hr. G. von εἴκελος dore- 
gonj; sagt: stc decur propter celeritatem. — Das 
beweist nicht nur die von ihm selhst apgeführte Stelle deg 
Homer lliad. XIV. (nicht XVIIL) 386., wo es gar 
nicht móplich ist, an Schnelligkeit zn denken: sondern, 
wie sich überall diese Vergleichung auf den (xlama und 
Nchimmer bezieht, so. wird agch hier Herenles wegen des 
" glàinzenden fehildes mit dem Dlitze verglichen. - Siehe 
noeh lliad. X. 154, XII 242—245.  . | 


SCYTVM HERCVLIS. 235 


V. 327.  Minerea. propterea prioretm. Iolaum 
alloquitur, non. Herculem, qued tlle, utpote eurs- 
ga, ante Herculem tn curru. collocátus erat. — Es 
ist nicht einzusehen, was zu dieser ErkJürung berechti- 


gen soll Denn erstens wird gar micht der lolgus zu-246 


er&t, oder hesonders, sondern beide Helden sogleich 8B- 
geredet: yoígere, “Τυγκῆος yevet, νῦν δὴ Ζεὺς xod- 
τος ὕμμι διδοῖ,  Zweitens ist auch kein Grund vor- 
handen, unter “υγκχῆος γενεὴ bloss den lolaus zu ver- 


stehen. Denn obwohl Hercules vom Jupiter erseugt ist, 


ist er doch auch Amphitryons Sohn, und also von deseen 
Stammvater Lynceus noch um einen Grad weniger ent» 
fernt, als lolaus.  Drittens steht der Kümpfer gewóhn- 
lich neben dem Wagenlenker, wogegen lliad. XIX. 397., 
wenn sich darauf jemand berufen wollte, nichts beweisen 
würde.  Viertegs ist der vorzüglich Angeredete, wie die 
folgenden Ver&e zeigen und es natürlich war, Hercnles; 
daber auch Hr. G. nicht zu V. 330. hütte sagen sel- 
len: ed Herculem se convertit. Miinergsae. eratio ; 
eben so wemig, als er das erthe£onirte Pronemen ooi 
in den Worten ἄλλο δὲ σαί. τε ἔπορ ἐρέω Bait des en- 
klitischen hütte &etzen sollen, indem es zo« heissen muss. 
Auch geben ja statt der von Hirn. G. beibehaltenen Legart 


einige Büeher ἄλλο δέ τοι ἔπη ἐξερέω. — Wessholb eut- 


weder diese, Lesart, die jedoch vielleicht Eamendatlon οἷν 
nes Metrikers 158, aufgenommen, oder ἄλλο δέ ταί τι. 
ἔπος. ἐρέω geschrieben seym spllte. ! 


V. 841, iet mit einigen Handsehriften .das nach 


σμερδαλέον zwhr richtig weggelassen wordem, aber micht 


bátte unbemerkt bleibem sollen, dass der miediceische Co- 
dex σμερδαλέην mit darüher gesohriebenem ὡς hat, Und 
da die Production in σμερδαλέον Ynzoigw ἐκέκλετο an- 
sióssig isf, solle σμερδαλέως aufgenommen seym, ob- 
gleich dieses Adverbium sonst webl nicht yerkomsst. Al- 
lein dabei dürfte e» nicht ühberflüssim aeyn, za bemerken, 
dass wahrscheinlch V. 330, 340. ven einem spátem 
Bearbeiter dea (xedichts linzngesohst sipd, der üjfere aber 


218 HESIODI 


wohl von der Minerva schrieb: σμερδαλέον δ᾽ ἵπποι- 
σιν àxéxAevo, wie Homer Iliad. XIX. 399. 

: V. 365. ist ein Schelion des Münchner Tzetzes 
bemerkenswerth: ἔγχεος δὁρμῆ. yo. ἔγχεος αἰχμὴ. 

V. 307. Wenn hier Hr. G. Herrn Heinrichs Mei- 
nung, fgnomwose spoliatum esse Martem secun- 
dum poetam nostrum, quum nefas esset. (v. 3606.) 
spoliare deum aliquem ; dadurch zu widerlegen sucht, 
dass, wie ἔνϑα χε ἐτύχϑη zeige, Mars nicht der Waf- 
fen beraubt worden sey; aus welchem 4Grundé auch das 
Ausfallen zweier Verse nach V. 367. glaublich sey: so 
füllt diese Widerlegung zusemmt der Annahme verloren 
gegangener Verse dadurch in sich selbst zusammen, dass Hr. 
6. ebeii so wie Hr. Heinrich die Worte V. 3306.: ἐπεὶ 
οὔ νύ τοι αἴσιμόν ἐστιν οὔϑ᾽ ἵππους  ἑλέειν οὔτε 

. κλυτὰ τεύχεα τοῖο, missverstand, und, wahrscheinlich 
indem er vo. für die Partikel und nicht für das Prono- 
men ansah, das für einen allgemeinen Satz hielt, was 
bloss für den gegenwürtigen Fall als nicht von dem Schick- 
sal gestattet ausgesprochen ist. Vgl. V. 447. 

247 V. 373. Dass πόσ᾽ in den Worten τῶν. δ' 

' σευομένων χαγνάχιζε πόσ᾽ εὐρεῖα χϑὼν für πόσα qe- 
nommen werde, geht schlechterdings nicht: an, und kein 
Grieche würde so geredet haben. Rec. beharrt um 80 
mehr bei seiner Conjectur καναχὴν ἔχεν εὐρεῖα χϑών, 
“ἀὰ dag schlechte πόσ᾽ nicht einmal feste Lesart ist 80n- 
dern einige Codices πᾶσ᾽ haben. 

V. 377. wird sehwerlich jemand beistimmen , dass 
᾿ ῥήγνυνται wegen der V. 375. vorhergegangenen Con- 
ὦ junctive Conjunetiv sey. — Es ist ja etwas ganz gewühn- 

liches, dass ia Vergleichangen von dem Conjunetiv in 

. die erzühlende Rede üibergegangen wird. 

V. 389. soll μαστιχόωντι von μαστίχη, das ein 
Harz bedeutet, herkommen, und anf den Schaum im.Ra- 
chen des Ebers übergetragen seyn. . Das ist schon an 
sich unglaublich, und vielmehr ist ᾿ die Meinung .Anderer 
anzunehmen, ἀΔ59. μαστίχη vom Kauen den Namen hat. 
Deun was Hr. G. sagt, de imanducetione: non. cogt- 


ΒΟΥΤΥ͂Μ HERCVLIS. 217 


ἑαυΐξ poeta, ist nicht richtig; Der erzürnte' Eber óffnot 
und schliesst den Rachen, als ob er kánte oder bisse; 
und der Dichter nahm sein μαστιχόωντι aus dem Ho- 
merischen ὑπαὶ δέ ve κόμπος ὀδόντων γίγνεται, lliad. 
XI. 417. So sagt Ovid. Metam. VIII. 370. von dem 
Kalydonischen Schweine frendens. 

|» V. 409. ist zwar richtig angegeben, dass das Fu- 
turum ἀπαλήσεται hier nicht Statt habe, aber es hütte 
nicht ἀπαλήσατο oder ἀπαλήσετο vermuthet werden sol- 
len, zumal da für die bestehende Lesart such das Etym. 
M. spricht. "Vielmehr war zu bedenken, dass ἀπαλήσε-- 
ται die episch verkürzte Form des GConjunctivs ist, was 
Hr. G.. gewiss nicht übersehen haben würde, wenn e? 
micht V. 406. die Variante des mediceischen Codex und 
der Trincavellischen Áusgabe μάχεσθον und eines Pa- 
riser Codex μάχονται unbemerkt gelassen háütte, aus wel 
chen μάχησϑον oder μάχωνται herzustellen war. 

V 420. ist zwar die richtige Verbesserung ἐμ μέ- 
γεὸς — πέμπλαται aufsenommen: es hátte aber nicht 
vermuthet werden Sollen, dass ἐμμενέως verthekigt wer- 
den kónnte, indem nicht nur πόμπλαται für. sich allem 
niclit ,,schwoll& bedeuten kann, sondern auch die $Stelle 
offenbar der Homerischen Iliad. Y. 103. nachgebildet ist. 

V. 437. háütte nicht ein nie erhórtes Participium - 
ópoUoc, das noch überdiess, selbst wenn'0goUnc statt 
δρούσασα gesagt werden künnte, doch als Participium 
wegen des folgenden ÓZ-nicht zulüssig würe, in Scltutz 
genommen werden sollen, da die richtige Lesart ὀρούσῃ 
schon dureh Bücher gegeben war. 

V. 438. ist es kaum begreiflich, wie kein einziger Her- 
ausgeber gesehen hat, dass ἠχῇ statt ἠχὴ zu schreiben ist. 
| V. 440. Hier haben die Worte πάρος δέ oi ἂντ- 
εβόλησεν ὕψηλός᾽ τῷ δὴ συψενείκεται ἔνϑα μιν ἴσχειν 


Hrn. G. Schwierigkeit gemacht. Er glaubt, der Dich-248 ὁ 


ter habe die Subjecte umgetauscht, uud gemeint, ἔνϑα 
τὴν πέτράν ἴσχει, συνενείκεται αὐτῇ, wie Oper. 518, 
καί τε διὰ δινοῦ βοὸς ἔρχεται, οὐδὲ (aus Versehen 
ist ἔνϑα geschrieben) μεν" ἴσχει. Nicht: umgekehrt sind 


Φ18 o. HESIODI 


die Subjecte, sondern veründert, und ἔνϑα ist nicht w ο," 
sondern da: χῷ (πάγῳλ συνεγείκεται᾽ ἔνϑα μι» (τὴν 
πέτραν) ἴσχει (6 πάγος). Noch weniger kann es ge- 
billigt werden, dass i G. vorzieht, τῷ für 7, ἦχι zu 
nehmen. Aber ist denn auch das sonst ganz ungebrüuch- 
liche συνενείκεται richtig? — Der Wittenberger  Co- 
dex hat ovvevávexro: —— Hierzu passt die Erklürung 
des Münchner Tzetzes: συγνενδίχεται. noocuéret. 
προρκολλᾶται.. Des Richtige ist wohl das Plusquamper- 
fect: τῷ δὴ συνεγήγεκτ᾽" ἔνϑα μὲν ἴσχει. 

V. 441. τόασῃ ὁ μὲν laxi, βρισάρματος οὔλιοςᾳ 


"dons, χεχληγὼς ἐπόρουσεν, Der Artikel misefállt Hrn 


G., und er móchte ihn:gern weglassen, wenn ein guter 
Codex heistimmte. — Vielleicht mit Recht, da ἰαχὴ di- 
gammir( gewesen zu seyn scheint. Doch ist sonst 88 
dem Artikel, der micht Artikel, sendern Pronomen ist, 
nichts ansgusetzen. So bei Homer, αὐτὰρ ὃ αὖτε Θύ- 
δσξα, und an unzühligen Stellen; Es solle daher auf 
6, ἢ, οἱ, αἱ, WO diese Würter ihre ursprüngliche Kraft 
als Pronomen haben, auch der Accent nicht weggelassen 
werden. Auch findet man ihn in vielen Handschriften, 
Daher Rec. ὃ μὲν — ὅ δὲ, und so überall, wo eigent- 
liehes Pronomen nicht bloss gedacht, somderm auch ge- 
sprochen wird (denn man kann ja dergleichen gar nicht 
mnaccentuirt aussprechen) zn schreiben gewohnt ist: was 
hier heüufig bemerkt werden müge, damit die Leser 
snoh dieser Abhandlung nieht, wo sie so accentuirt findeu, 
etwa einen lrethum vermuthen, oder das demonstrative 
Pronomen für das relative halten. ! | 
ες Ὕ, 445. 4 εινὰ δ᾽ ὁπόδρα iOobo. S. oben zu 
V. 243. Hr. G. wiederholt die Bemerkung, dass ὑπό- 
oo ἰδοῦσ᾽ als óq^ ἕν zu nehmen sey. Es ist nicht 
glenblieh, dass der Dichter so wemig die epische Art zu 
Teden beachtet hütte; vielmehr mógen bier die Lesarten 
zweier BRecensionen zusammengesclusolzen seyn, in deren 
diner τὸν δ᾽ ἄρ᾽ ὑπόδρα ijoUc , in der andern aber 
δεινὰ δ᾽ ἰδοῦσα Oed stand. — 

V. 493. ἰδὲ micht gbzusehen, warm die. richtige 


v 


OQ. ET D. 219 


δ᾽ É 


Interpunction , "καί βαλε χάλκεον ἔγχος σπερ- 
χνόν, ἑοῦ παιδὸς verbo πέρι τεϑγηῶτος, ἐν σάχεϊ 
μεγάλῳ, in die weder dem Sinne, noch der Sprach- 
gewohnheit angemessene, xoi δ᾽ ἔμβαλε χάλκεον ἔγχος; 
σπερχνὸν ἑοῦ παιδὸς κοτέων πέρι, τεϑνηῶτος, ἐν σά- 
χεὶ μεγάλῳ νοτϑπάονς ist. 

V. 468. hütte das unepische σχυλεύσαγτες der ὅ an- 
dern Lesart, συλήσαντες», weichen sollen. 

V. 47 9. ist die Lesart der mediceischen  Hand- 
schrift //»c» unbemerkt geblieben. 


Wir*). kommen zu den von dem ganzen Álter-1 
thume für ücht anerkannten "Egyorc, einem Gedichte, 
das in aller Rücksicht weit mehr Schwierigkeiten darbie- 
tet, als die beiden andern. ^ Es ist bekannt, dass die 
zehn ersten Verse nicht zu dem Gedichte selbst 
gehóren, nnd nicht auf den bleiernen Tafeln standen, auf: 
welchen das Gedicht am Helikon aufbewahrt wurde. $Sie 
sind eins der willkürlichen Proóimien, die der Sünger dem. 
Vortrage des. Gedichts voraussehickte. — Hr. G. meint, 
sie seyen aus einem Hymnus auf den Jupiter genommen, 
Zu dieser Hypothese ist man micht berechtiget, da die 
kleinen Homerischen Hymnen  dentlich zeigen, dass es 
die Gewahnheit der Dichter war, mit einer Ànrede an 
einen Gott dem. vorzutragenden Gedichte zu prülndiren. 
Was die Behandlung dieser Verse betrifft, kann Rec. 
nicht umhin, in mehreren. Stücken zu widersprechen, 
Die Verbindung von Μοῦσαν Πιερέηϑεν, wie Οἴηϑεν, 
᾿“λωπεχῆϑεν gesagt wird, würde *einem Griechen im 
hóchsten Grade prosaisch geklungen haben, und nur ein 
Dichter, der die Musen hütte ins Lücherliche parodiren 
wollen, durfte sich dieser Redensart bedienen. ^ Aher es 
ist 7LspínOev auch nicht, wie Spohn wollte, mit δεῦτε, 
zu verbinden, sondern wie es die eimíache Stellung der 


: ἢ Àus d&mn LX. Bande der Wiener Jahrbücher, 


220 HESIODI 


Worte verlangt, mit ἀοιδῆσιν χλείουσαι. — Das zeigt 

schon das Homerische Ζεῦ πάτερ Ἴδηϑεν μεδέων. — 
V. 2. hátte für δεῦτε 40 Eustathis p. 1809, 13. 

angeführt werden künnen, der ausdrücklich von dieser 

Lesart spricht. | 
V. 3. 4. hat Hr. G. so interpungirt: 


ὅντε διὰ βροτοὶ ἄνδρες ὁμῶς ἄφατοί ve qaot 
T6é* ! 

δητοί v' ἀἄῤῥητοί τε Διὸς μεγάλοιο ἕκητι. 
Er findet eine gewisse Kraft in dieser Wiederholung, 
und meint, wie ῥητοί τ᾽ ἄῤδητοί τε sich zu ἄφατοί τε 
φατοί r& verhalte, so sey Διὸς μεγάλοιο ἕχητι dem 
ὅντε διὰ entgegengesetzt. So künstlich und rhetorisch 
spricht die einfache epische Sprache nicht. In der Wie- 
derholung, die nicht mit denselben Worten gemacht wird, 
legt gar keine Kraft, sondern sie ist vielmehr nichts, 
2als eine recht gemáchliche Ausführlichkeit, wodurch eine 
Sache noch mehr erliutert wird. S. was Ruhnkenius, 
sein früheres Urtheil über dergleichen Stellen berichti- 
gend, in gereifterem Alter schrieb, Epist. crit. p. 56. 
(1106). 

V. 10. ist sehr mit Unrecht eingeklammert worden. 
Hr. G. hált ihn für einen Zusatz, den jemand gemacht 
habe, um das Proómium mit dem Gedichte in Verbin- 
dung zu bringen. Der Vers, meint er, 'sey abgeschmackt, 
indem es lücherlich sey, dass der Dichter sich dem Ju- 
piter gegenüber stelle. Das ist allerdings richtig, wenn 
man τύνη, wie gewóhnlich geschehen ist, und es auch 
das Etym. M. p. 314, 43. thut, zu dem Vorhergehen- 
den zieht. Aber das ist Fehler der Interpreten, nicht 
des Dichters. Denn das τύνη. Μουσάων ἀρχώμεϑα 
in der Theogonie V. 36. hátte lehren kónuen, dass τύνη - 
bei dem Hesiodus ungefihr so viel sagen wolle, als ἀλλ᾽ 
ἄγε.  Folglichl, wenn man, wie der Dichter that, cro»: 
mit dem Folgenden verbindet: τύνη, ἐγὼ δέ xs Πέρσῃ 
ἐτήτυμα μυϑησαίμην, füllt das Abgeschmackte weg. Auch 
ist der Vers ganz unentbehrlich, weil sonst das Proó- 


d$ m 


0. FT D. 221 


mium in gar keinem Zusammenhange mit dem Gedichte 
stánde. 

V. 18. 19. hat Hr. G. mit einigen ültern und 
neuern Auslegern die Worte so verbunden: αἰϑέρι ναί- 
ων γαίης v ἐν δίζῃσι xai ἀνδράσι. — Dieser Gedanke, 
Jupiter wohne in dem Aether, in der Erde, in den Men- 
schen, ist orphisch und christlich. — Hesiodus hat an so 
etwas nicht gedacht, und die ganze Rede verlangt schon 
ihrer Natur nach, dass, wie gewühnlich, Κρονίδης ὑψί- 
Cvyog, αἰϑέρι ναίων die epitheta ornantia seyen, 
ϑῆχε. δέ μὲν aber mit γαίης v' àv δίζῃσι xai ἀνδρά- 
σι verbunden werde. Wenn Hr. G. zu dieser Verbindung 
sagt: :ía quid. sibi velit. Oijxé μιν ἐν yang δίζῃσι 
καὶ ἀνδράσι non intelligo; nam de νείχει Empedo- 
chis minime hic cogitare licet: so kann doch wenig- 
stens ἐν ἀνδράσι nicht dunkel seyn, da eben YoR dem 
Wetteifer der Menschen die Rede ist. Ζ7Ζαίης v ἐν ῥί- 
ζῃσι aber, was dem Sprachgebrauch zu Folge nur die 
Tiefen der Erde bedeuten kann, bezieht sich wohl kaum 
auf etwas anderes, als auf die Zeugungskraft der Erde, 
die. jedes Jahr mit sich selbst wetteifernd, neue Früchte 


hervorbringt. Was Hr. G. von V. 18. 19. sagt; sms 


postea, additi videntur, kann auf keine Weise gebil- 
ligt. werden. Denn so würde 18 nicht nur aller Zusam- 
menhang aufgehoben, sondern es würde gar von der bó- 
sen ἔρις das ausgesagt, was nur von der guten gelten kann. 
V. 25. 26. scheinen Herrn Twesten spüterer Zu- 
satz. Hr. G., der sie gern anders wohin gesetzt hütte, 
nimunt sie für ein Sprichwort, eine Ánsicht, mit der er 
sich oft in diesem Gedichte hilft, die jedoch keinen Grund 


hat. Sentenzen sind am sich nicht Sffrichwórter, obwohl3 


sie manchmal dazu werden kónnen. Warum aber wer- 
den sie das? Doch eben, weil sie, eine einleuchtende 
Wahrheit enthaltend, irgend einmal von einem Manne, 
dessen Ansehen etwas galt, geschickt ausgesprochen wur- 
den. Wenn nun dergleichen Sentenzen in einem Lehrge- 
dichte an der rechten Stelle angebracht sind, warum sol- 
len sie als Sprichwórter dastehen, und nicht vielmehr ala 


-.“-. — -- 
— —— — 


22 - HESIODI 


darch die Sache, von welcher gesprochen wird, herbei- 
geführte Sentenzen, die nachher zum Theil Sprichwór- 
ter wurden? Hier würde .sich der Zwejfel leicht erle- 
digt haben, wenn bedacht worden wáre, dass die Worte 
ἀγαϑὴ δ᾽ ἔρις ἥδε βροτοῖσι nur Parenthese sind. Dann 
büngt mit ζηλοῖ δέ τὸ γείτονα γείτων ganz natürlich 
καὶ χεραμεὺς χεραμεῖ κοτέει zusammen, —KEher künnte 
man vermuthen, der dazwischen gesetzte Vers, sic üge- 
vov onevOoyr' ἀγαϑή δ᾽ ἔρις ἥδε βροτοῖσιν, sey 
spüter hinzu gesetzt worden. | 

V. 35. über die Auslegung des αὖϑιε ist oben auf 
Veranlassung der Vorrede gesprochen worden. 

V. 39. oi τήνδε δίχην ἐθέλουσι διχάσσαι erklürt 
Hr. G. qué hutusmods ltem, de patrimonio, liben- 
ter ditudicare solent, — Aber δίχη bedeutet in der al- 
ten Sprache nicht die Streitsache, den Prozess, sondern 
das Recht. Der Sinn ist daher: ,,denen dieses Recht 
zu sprechen beliebt, ^ d. h. so ungerechtes. ^ Eben so 
steht τήνδε δίκην V. 247. 207. 

V. 41. Wenn Hr, G. sagt: Haec cehaerere ctm 
sequentibus mthi non. persuadet  JWelckerus Trl. 
Aesch. p. 73., so ist das zu kurz ausgedrückt, als dass 
man seine Ánsicht errathen kónnte. Herr W'elcker sagt 
dort, der Sinn scheine zu seyn: ,, Thor, wer nicht 
weiss,. sich zu begnügen, und nicht erkennt, wie viel 
im jetzigen harten Leben auch Malve und Ásphodelos 
werth sind; denn die arbeitlese Zeit des Ueberflusses ist 
ja vorüber.4* Hr. G. meint, V. 42——46. hünge eng 
xasammen mit V. 11— 24., und hàált alles, was dazwi- 
schen sieht, für moralische Sprichwórter. Hier vermisst 
man nun gar sehr eine bestimmte und feste Ansicht von 
dem ganzen Gedichte.  Liesse sich nachweisen, dass das- 
selbe aus. lanter Bruchstücken bestánde, so móchte die 
Annahme solcher Sprichwórter noch allenfalls gestattet 
werden künnen, Aber da sieh das nicht erweisen làsst, 
BO ist mam zu einer solchen Hypothese micht berechügt, 
sondern muss 2uerst als. das. natürlichste annehmen, dass 
ein Zusunmenhang der Gedanken, wie sie uns gegeben sind, 


Ὁ, ET D. 223 


Statt haben werde. Diesen Zusammenhang zu finden 
ünd richtig darzustellen, des ist gerade der schwerste 
Punkt in diesem Gedichte, dessen Rede, wie im fami- 
liáren Gesprüche, nicht an eine systematische Ordnung 
gebunden ist, sondern durch eine subjective Gedanken- 
folge bestimmt wird. Nun aber hángt hier dem Inhalte 
nach aMes vollkommen richtig zusammen. Hesiodus, der 
seinen arbeitscheuen und eigenntitzigen Bruder auf den rech- 
ten Weg führen will, sagt: ,,es giebt einen zwiefachen 
Streit, einen büsen wnd einem guten. Das beherzige, und 
bedenke, dass ich mich nicht zum zweiten Male, wie bei 
der Erbschaítstheilung, werde bevortheilen lassen: sondern 
wir wollen lieber die Sache gleich ausmachen, nicht durch 
Richter, die solches Recht zu sprechen für gut finden; 
die 'Thoren, die nicht wissen, dass auch die Hülfte, put 
angewendet, besser ist als das Ganze. Denn die Gót- 
ter haben den Menschen die Mittel zum Leben versteckt, 
Sonst kónnte jemand in einem Tage den Bedarf des gan- 
zen Jahres erwerben, und dann müssig gehen; sogleich 
kónnte er das Ruder aufhüngen, «und die Arbeit der 
Süere und Màünler würe unniütz.*  Bloss in der Form 
kónnte man etwas unzusammenhüngendes finden, weil V, 
45. keine Copala hat. Allein das αἶψα vertritt hier 
4ie Stelle der Verbindungspartikel. Dieses olo haben 
die Bücher des Hesiodus und einige Schriftsteller, wel- 
ehe diese Verse anführen. Eben diese Kraft hat αὐτί- 
χα. das statt αἶψά χε bei dem Scholiasten des Aristo- 
phanes zu den Vógeln. V. 712. steht. Nicht übel ist 
die Verbindeng darch ἔνϑα xs bei demselben Scholia- 
&ten zu den Ácharhem V. 2888. — 

V. 4&4. steht zwar ohne Variante ὥςτε σὲ xelc 
ἐνιαυτὸν ἔχειν. Doch 3st das entweder ein Fehler der 
Abschreiber statt ὥςτε xí o0, wie es die Regel verlangt 
(s. V. 307. 340.) oder eine durch Hinzufügung des un- 
nóthisen Pronomens ventstandene "Verderbung einer der 
epischen Sprache angemessenen Sehreibart ὥςτε xai tlc 
ἐνιαυτὸν ἔχειν χαὶ ἀεργὸν ἐόντα. 


.W. 56. hat Hr. G. techt gethan, πῆι ogi» δ᾽ 


224 HESIODI 


αὐτοῖς μέγα πῆμα aulzunehmen, was auf Schüfers Em- 
pfehlung zum Gregor. Cor. p. 470. die Spohnische 
und Dindorfische Ausgabe haben. Die Worte des Apol- 
lenius von oqiv, ὑπὸ γὰρ Ἡσιόδου ἐν ἀρχῇ τεϑεῖσα 
εὐλόγως ὠρϑοτονήϑη ἐν τρίτῳ, σφὶν δ᾽ αὐτοῖς 
μέγα πῆμα; zeigen unzweideutig, dass die Stelle aus 
dem dritten Buche der Eóen genommen ist. Denn was 
Hr. G. glaubt, ἐν τρίτῳ  bedeute. ἐν τρίτῳ προσώπῳ» 
ist unmóglich, da σφὲν nicht nur keiner andern als der 
dritten Person angehórt, sondern auch, selbst wenn es 
von der ersten oder zweiten Person gebraucht werden 
kónnte, auf die Person gar nichts ankam. 

V. 03. Die vorhandene Lesart, die χαλὸν mit 
kurzem c gegen die Regel der alten Epiker giebt, ist 
wohl bloss daher entstanden, dass ein Metriker den Vers 
corrigirte, nachdem in alter Zeit ein Abschreiber, wie 
5so hüufip geschehen, gleichbedeutende Worte vertauscht, 
und anstatt παρϑεγνιχῆς εἶδος πολυήρατον zu schreiben, 
ἐπήρατον gesetzt hatte. 

V. 64. hütte zu διδασχῆσαι die Bestütigung des 
Eustathius p. 1715, 53. angeführt werden kónnmenm. 

V. 72. Dass in der Erzáhlung der Pandora einige 
der Verse wiederkehren, die sich auch in der Theogonie 
finden, hat nichts Anstóssiges. Sind beide Gedichte von 
einem . Verfasser, so wiederholte er sich; sind sie von 
verschiedenen, so benutzte einer den andern. Man kann 
daher mit Recht nur das auswerfen, was, weil es unange- 
messen ist, sich als eine vergleichende Randanmerkung 
verrüth. Das ist aber lier bloss V. 72., der entweder 
aus der Theogonie zu dem dasselbe sagenden 76. Verse 
88 Parallelstelle angemerkt, oder von einem andern Rha- 
psoden statt dieses Verses gesetzt wurde. 

V. 108. Sehr zu loben ist es, dass Hr. G. den 
Vers: ὡς ὁμόϑεν γεγάασι ϑεοὶ ϑνητοί v ἄνθρωποι, 
nicht, wie die frühern Herausgeber, mit dem Folgenden 
verbunden hat. Er hátte noch hinzufügen kónnen, dass 
. das schon die Sprache verhietet, die in diesem Falle das 
Plusquamperfect verlangen würde. Die drei Verse 106 


O. ET D. 225 


——108. sind eingeklammert als Zusatz dessen, der das 
Stück von den Menschenaltern eimgeflochten habe: mam 
ὅμόϑεν γε γάασι » sagt Hr. G., pertinet ad. cognatéo- 
nem, «ut hymn. Hom. Ven. 135. — Sed hanc non 
fisse sententiam. antiquioris poefae patet ex ποί- 
ἤσαν t. 110. qwod est. ef formarunt (Kfformare 
ist von den Rómern nicht gebraucht worden). ὋὉμόϑεν 
γεγονέναι, εἶναι kommt háufis vor, und bedeutet allei- 
dings ,,ven gleichem Ursprung seyn. ^ Wie aber komnte 
auch ein neuerer Dichter sich dieser Redensart hier be- . 
dienen, wenn er nun die derselben widersprechenden Verse . 
des Hesiodus folgen liess? ^ Selbst wenn kein Wider- 
spruch Statt finde, würde der Vers sehr schleppend an 
die beiden vorhergehenden angehüngt seyn: da er aber 
offenbar mit der gleich folgenden Erzühlung im Wider- 
spruüch steht, kann er weder vom Hesiodus selbst, noch 
von einem [Interpolator, wenn anders einem solchen, wo- 
zu kein zureichender Grund vorhanden ist, die beiden 
vorhergehenden Verse zugeschrieben werden, anm dieser 
Stelle, die er cinnimmt, gemacht seyn. Er muss folg- 
lich in jedem Falle hier weichen: wohin er gehóre, wird 
bald angegeben werden. Der Gedanke des Heramsgebers, 
dass. dié Bénesnung der Menschenmalter von Metallen dar- 
um gewühlt sey, weil die anfgehende Sonne zuerst. Kol- 
chis, das Goldland, dann: die Chalyber, ὅθε τ᾽ ἀργύρου 
ἐστὶ γενέϑλη,. darauf Europa, das Land des Erzes, be- 
rühre; das eiserne Geschlecht aber nicht, wie die übri- 
gen, von dem Metalle den Namen habe, 'sondern durch 
σιδήρεον bloss hart bezeichnet werde, ist nicht nur in 
sich selbst inconsequent, sondern auch so weéit hergeholt,6 
so unnatürlich und spitzfindig, dass sicherlich niemand 
dieser Meinung. beitreten wird. 

. V. 111. ist in Klammern eingescliamsen, : weil Hr. G. 
ihn nicht für &eht hált.. Den Grund dieser Vermuthung 
hütte. er um.5o' mehr angeben sollen, da man ihn nicht 
nur niché errathen kann, sondern auch Diodor V, 660. 
eben um dieses Verses wien die Stelle anführt. 

Zur Bequemlichkeit der Leser móge lier bemerkt 

Hrnw. Or. VL P 


226 HESIODI " 


werden, dass Rec. in dem Bolgenden überall der Vers- 
zahl des Hrn. G. folgt, dessen Ausgabe, weil V. 120. 
eus dem Diodor und V. 169. aus Handschriften aufge- 
mommen ἰδέ. von V. 120. bis 169. einen, von 170. bis 
zit Ende zwei Verse mehr zühlt, als die früheren Aus- 
ben. 
9 V. 160. Bei dem Homer kommt ἡμιϑέων γένος 
ἀγδρῶν nur ein einziges Mal vor, lhad. XIL 23., wo 
die &choliasten Bagen: οὐδώτοτε τοὺς σὺν »ἀφαμέμνονι 


./ ἡμιϑέους ὠνόμασεν" ἄρα οὖν τοὺς σὺν Ἡρακλεῖ φη- 


σέμ; ἢ χαὶ τοῦτο πρὸς αὔξησιν τοῦ πάϑους. ἨΪοτ- 
her 'gehórt der:oben nicht an .der rochten Stelle steheude 
108, Vers: 


ἀνδρῶν ἡρώων ϑεῖον γένος, οἵ χαλέονται 

fui tot προτερῇ yevey xov ἀπείρονα γαῖαν, 

ὡς OuóOev γεγάασι, ϑεοὶ ϑνητοί. v ἄνϑρω- 
πῶι. 


'OuóOsv ist zu verstehen τοῖς ϑεοῖς xai vel; ᾿ἄνϑροώ- 
πφιὶς : 80 wie sie mit ibnen-(den Güttern und Mensehen) 
gemeinsamen Ursprung haben, sind sie “παῖ. zugleich 
Gótter und sterbliche Menschen. .... "- 

V. 161. ff ist nichts über.'die exwahrecheinlicho 
und der epischen Réde wenip- anjenessemo, Kürze und 
Hürte.in folgenden Versen gesagb: ᾿ ΠΝ 


u καὶ τοὺς μὲν πόλεμός T& χαχὸς χαὶ 'φύλοπις αἰνή, 
' vote μὲν ἐφ᾽ ἑπταπύλῳ Θήβῃ, Kedyaji )γαΐῃ, 
. ὦλεσξε μαρναμένους μήλων ἕνεχ ἰδ ἡπόδαο» 
τοὺς δὲ καὶ iv νήεσσιν ὑπὲρ μέγα dad ϑα- 
λάσσης 

ἐς Τροίην ἀγαγὼν Ἕλένης ἕνεχ ἠῤχόμοιρ.. . 


Ὥλεσε kann swar zu dem letzGern Satze ldcht aus dem 
Vorhergehenden hinzugedacht werden: abersollle auch von 
dem Kriege ἐς Τροίήν dywyüw:gesapt Worden- seyn? 
Das ist hóchst unwahzscheinlich, und man.wüwde doch 
eher erwarten müssen: ἐς Τροίην ἀγαγὼν Ῥλόνης πό- 
σις TUxóuóic. Damn Κῦππξε, obwoht Ammier seeh mit 


O, ET D. 2H 


einiger Hürte, das ru werstehende ὥλεσε durch den Vers, 
welcher folst, ergángt seyn: 


ἐνϑ' ἦτοι τοὺς μὲν ϑανάτου φέλος ἀμφεκάλυ- 

| ey. 
Indessen müsste doch ein alter Epiker ziemlich unpe- 
schickt gewesen seyn, der nicht gefühlt hátte, dass der 
Rede zur Ábrundung noch ein Vers fehle, den ja 4die7 
Sache selbst sehr leicht darbot: τοὺς δὲ καὶ iv γνήεσ- 
OU/ ὑπὲρ μέγα. λαῖτμα ϑαλάσσης ὃς Τροίην ἀγαγὼν. 
Ἑλένης ἕνεχ, ἠὐχόμοιο “Βλλάδι χῦϑος ἔϑηκεν ἄναξ 
ἀνδρῶν yo, μέμνων. ἔνϑ' ἤτοι τοὺς μὲν ϑαγάτου 
τέλος ἀμφεχάλυψεν. 

V. 179. Die Worte ἀλλ᾽ ἔμπης "m '“τοῖσε μεμῖ- 
ξεται ἐσθλὰ χαχοῖσι kónnen schon an sich nicht be- 
deuten, was Hr. G. will, magna fiet confusio, sum- 
ma imis miscebuntur, , male benis, mech weniget 
aber wegen .des dieser Erklirung widersprechenden dX 
ἔμσιης. Vielmehr will Hesiodus nicht gerade aHes Gate 
diesem (Geschlechte, zu dem er ja selbst gehórt, abspre- 
chen. Das leuchtet noch mehr ein, wenn man -bedenkt, 
dass sowohl der Ánalogie nach, als weil im den fólpen- 
den Versen darchans das Futuram gebraucht ist, die Be- 
schreibang des eisernen Geschlechts mit dem Verse εὖτ᾽ 
ἂν γεινόμονοι πολιοχρόταφοι τελέϑωσινν über dessen 
Sünn eben zu Theog. V. 280. gesprechen worden, be- 
schlossen werden muss. Dareus erhelt, dass nach die- 
sem Verse etwas ausgefallen seyn muss, indem. mun of- 
fenbar für die Zukunft eine noch schlechtere Zeit, und 
ein grundles verdorbenes Geschlecht prephezeit wird, 

. V. 191. wünschte Rec. nieht seite Anmerkung zum. 
Viger p. 895. zu Vertheidigung der: Behauptung, dass 
᾿ὥβριν von ῥεχτῆρα regiert werde, anpeführt zu sehen, 
indem ihm diese Stelle so zu erklüren nicht belsekom- 
men seyn würde. Für dem Hesiodus ist diese Constru- 
ction, zumal i Verbindung mit dem Genitiv, χαχῶν ὅε- 
χτῆρα καὶ ὕβριν ἀνέρα, viel xu gekünstelt. — Auf eine 
bequemere Weise deutet Lobeck zum Ajax. S. 284. an, 


228 HESIODI 


dass ὕβριν [ἂν ὕβριν ὄντα genommen werden kómne. 
Hierzu hütten die Anmerkungen zum Viger p. 932. f. 
angeführt werden kóünnen. 

V. 198. 199. kann an φαρέεσσι, da die Epiker 
sonst φᾶρος mit langem α sagen, und an ?rov, da viele 
Codices und einige der diese Stelle anführenden Gram- 
— maátiker Zzgv haben, die Dualformen aber sehr schwan- 

kend sind, gezweifelt werden. 

V. 202. viv δ᾽. alvov βασιλεῦσιν ἐρέω φρονέ- 
ουσι καὶ αὐτοῖς, und V. 210. 211. ἄφρων δ᾽, ὅς x 
ἐϑέλῃ πρὸς κρείσσονας ἀντιφερίξειν. γίχης τὸ στέρε- 
φαι πρός τ᾽ αἴσχεσιν ἄλγεα πάσχει, hat Hr. G. einge- 
klammert, den ersteren, weil er spüter zur Verbindung 
der "Theile hinzugesetzt sey; die andern beiden, die Ári- 
starch obelisirte, den Tzetzes gut widerlegt hat, weil sie 
zu der gmomischen Poesie, wie V. 25. 20. gehóren: à" 
mey eingesehoben, und die Verse gehóren nicht an diese 
Stelle, Diese Urtheile sind nicht begründet, und. beru- 
hen auf eimer willkürlichen, nicht nur nicht erwiesenen 
eder erórterten, sondern auch überhaupt hóchst unglanbli- 
chen Ansicht, nach welcher das Hesiodische Gedicht ent- 
weder aus lauter nach und nach zusammengetragenen 
SBruchstücken, oder aus einzelnen unverbundenen Senten- 
zen bestehen musste. Aber selbst in dieser Ansicht fin- 
det.man keine. Consequenz beobachtet; sonst müsste z. 
B. auch V. 265. 266. eingeklammert seyn. Nichts be- 
rechtigt zu diesen Behauptangen. 

. . V. 2183. Ueber ie ist Bachmann nachzusehen zu 
Lykophron V. , 46 l. 

V. 250. ἣ δέ ve παρϑένος ἐστὶ Ζίχη kann nicht 
bedeuten, alque. praeter hos est etiam Tustitia, son- 
dern, wie schon die Wortetellung zeigt, ist der Sinn ἢ 
δέ, Δίκη, παρϑένος ἐστί" : ,,8e aber, die Gereclitig- 
keit, ist keusch und rein.* 

V. 287. wird von den Werten τὴν μέν τοι χαχκότητα 
καὶ ἰλαδὸν ἔστιν ἑλέσθαι ἸοἸροπάο Erklürumg gegeben: 
8ὲ οὐδέο potirs €15, facilis est. aditus neque. opus 
est μὲ solus οὐδὲ ciam «neas, sed. multos habebis 


O. ET D. 229 


$0c108 o9mmassationum amantes, well iios comnmwWs- 
salionum antiquae. sodalstates seyen, was Pindars. εὖ- 
φρογες ἴλαι beweisen sollen. Aber diese Bedeutung ist 
geradezu von Hrn. G. erfunden, und das Wort hat we- 
der bei Pindar, noch irgendwo diese Bedeutung.  Hesio- 
dus hat eben so wenig an commtssattones gedacht, oder . 
denken kónnen, als Homer, indem er lliad. II. 93. sagte: 
ἐστιχόωντο ἰλαδὸν εἷς ἀγορήν. Das Wort bedeutet 
. haufenweise, ^ und es ist kaum begreiflich , wie Hr. G. 
den so ganz klaren und von jedermann richtig aufgefass- 
ten Sinn der Stelle 80 verdrehen konnte. 

V. 314. hat Hr. G. so interpungpirt, δαίμονε δ᾽, 
οἷος ἔησϑα, τὸ ἐργάζεσθαι ἄμεινον, und ninmt, sei- 
ner Neigung zu sonderbaren Etymologien nachgebend, 
δαίμονε in der von Plate und andern gefabelten Be- 
deutung für δαήμογι9. so dass der Sinn der Stelle 
sey: quapropter satius est. homine prudente, qualis 
olim: tu fuisti, antequam. alienarum rerum. cupt- 
dus eres (antequam lite mecum agebas), laborare 
alque ἴα dieitias sustas tibi parare. — Das ist ge- 
radezu unmóglich. In der Spohnischen und Dindorfischen 
Aussabe ist Scháfers Emendation aufgenommen, δαίμονι 
δ᾽ ἶσος ἔησϑα᾽ τῷ ἐργάζεσθαι ἄμεινον. Diese Kmen- 
dation hat auf den ersten Anblick einen sehr günstigen 
Schein, der sich jedoch bei náherer Betrachtung verliert. 
Exstens kónnen die Worte nicht bedeuten deo πη 8 
68, wie Spohn angiebt. Denn wenn auch wohl eine Aeo- 
lische Form οἶσθα gerechtfertigt werden kónnte, so kann 
es doch ἔεισϑα nicht; noch weniger aber kann ἔησϑα, 
Prüsens seyn, ungerecehnet, dass hier gar das Futurum 
stehen sollte. — Zweitens ist es sehr problematisch, ob 
δαίμονι ἶσος vom Glücke gesagt; werden kónne, wie V. 
112. ὥςτε ϑεοὶ ἔζωον. Homer wenigstens gebraucht 
die Vergleichung δαίμονι ἴσος mie anders, als von ei- 
nem stürmischen Anlaufe. Drittens ist zweimal auf das 
Digamma keine Rücksicht genommen, und, wenn auch9 
δ᾽ ἶσος sieh vertheidigen liesse, würde doch das kurze 
τῷ vor ἐργάζεσθαι sehr anstóssig seyn, ebwohl dieses 


230 HESIODI 


τῷ an sich richtig zu seyn scheint. Wolke man daher 
ja diese Cenjeetur vetheidigen, só müsste man, weil die 
Lessrt der Aldima V. 312. τάχα σε ζηλώσει xdeoyóc 
αὐ τύχα xs ζηλώσαι degyóc zu schliessen erlaubt, die- 
ses annehmen, und dann lesen δαίμονε δ᾽ loog ἔοις, 
welcher Optativ Hiad. FX. 142. 284. vorkommt. Die 
Sicholiasten haben die gewóhnliche Lesart den Worten nach 
richtig erklárt: ,,wie du auch immer an Glücksumstün- 
den beschaffen seyn magst, so ist Árbeiten das Bessere. 
Dem Zusammenhange und der ganzen Absicht des Dich- 
ters nach scheint das doch aber nicht das Rechte zu 
seyn, sondern vielmehr: 


δαίμων δ᾽, οἷος ἔῃς᾽ τῷ ἐργάζεσθαι ἄμεινον, 

εἴ xsy ἀπ᾿ ἀλλοτρίων χτεάνων ἀεσίφρονα ϑυ- 
μὸν . 

εἷς ἔργον τρέψας μελετᾷς βίον, ὥς σε κελεύω. 


d. i. δαίμων τοῖός ἔστιν, οἷος ἔῃς. 

V. 317. wird bei den Worten αἰδὼς δ᾽ ovx ἄγα- 
ϑὴ κεχρημένον ἄνδρα κομίζει Spohn getadelt, der ἀγα- 
ϑὴ statt Adverbium nahm, da hingegen Hr. G. die nicht 
gute Schaam genannt wissen will. Allein V. 500. heisst 
es: ἐλστὶς δ᾽ οὐκ ἀγαϑὴ xeyonuévov ἄνδρα χκομίζοι, 
wo mau diese Erklàrung nicht anwenden kann.  Folg- 
lich hatte entweder Spohn recht, oder es ist an beiden 
Stellen χομίζειν zu lesen, was das Natürlichste würe. 
Doch geben das weder die Handschrifteà, noch in der 
ersten Stelle Suidas, in der zweiten Stobáüms. 

V. 320. χρήματα δ᾽ οὐχ ἁρπακτά" ϑεόοδοτα 
πολλὸν ἀμείνω. nom sunt rapsendae. 165. müsste 
ἁρπακτέα heissen. Es ist nach. ἁρπαχτὰ nur ein Kom- 
ma zu setzen: denn anstatt zu sagen: χρήματα δ᾽ οὐχ 
ἅρπαχτά, ἀλλὰ δεόςδοτα ἀγαθά ἐστι, ist bloss der 
leizte Satz etwas abgeündert, aber der Begriff, der dar- 
in enthalten ist, bezieht sich auf das οὐχ.  ,Nicht ge- 
raubte Güter, von Gett geschenkte sind viel besser.**- 

- NW. 825. sollte ῥεῖά vé μὲν der andern Lesart. δεῖα 


. δέ μιν vorgexogen seyn. 


O. ET D. 231 
V. 329. in den Versen: 


" Oc re κασιγνήτοιο ἑοῦ ἀνὰ δέμνια βαίνῃ 
᾿χκρυπταδίης εὐνῆς ἀλόχου, παρακαίρια ῥέζων, 


versteht Hr. G. nach Art der heiligen Schrift unter. dem 
Bruder den Náchsten. Daran ist nicht zu denken. He- 
siodus hat es überall mit seinem Bruder zu thun, und 
wahrscheinlich treffen alle hier aufgehüuften Vorwürfe 
ganz besonders diesen Perses. Ferner soll &£vexo zu 
χρυπταδίης εὐνῆς verstanden werden, quod admodum 
famihare est. epicorum | poetarum. supplementum. 
In solcher Construction móchte sich dazu micht wohl einlO 
Beispiel finden lassen. Warum sollt man nicht ganz 
natürlich construiren ἀγὰ δέμνια χρυπταδίης εὐνῆς 
ἀλόχου χασιγνήτοιο ἑοῦ Nach V. 332. 501Π6 übri- 
geus ein Punkt stehen. Denn alles hüngt von ἶσον V. 
327. ab, und mit τῷ δ᾽ ἤτοι V. 333. fángt ein neuer 
Satz an. 

V. 338. sáhe man lieber die den Epikern gewühn- 
liche Form σπονδῇς Ovéscoí τε, als die andere Lesart 
σπονδῇσι ϑύεσσί τε aufgenommen, wogegen, wie oben 
bemerkt wurde, V. 198. φάρεσσι wohl besser als go- 
ρέεσσι würe. Ein Versehen ist: JPro δὲ JDénd. δή. 
Umgekehrt, nicht δὴ» sondern δὲ hat die Dindorfische 
Ausgabe, was das Richtige ist. 

V. 341. Gut ist die Vermuthung, dass dieser hier 
unpassende Vers nach βιότου δὲ τεὴν πιμπλῇσι xe- 
λιὴν V. 301. zu setzen sey. 

V. 347. ἔμμορέ vow τιμῆς, ὅστ' ἔμμορε γείτονος 
ἐσθλοῦ. Τιμὴ est praemvum ὦ dés honoris causa 
datum.  Keineswegs, sondern Werth. Dazu passt, 
was Hr. G. aus dem Proklus anführt, dass Themistokles 
bei dem Feilbieten eines Grundstücks habe ausrufen las- 
sen, es hahe einen guten Nachbar. 

V. 351. wird mit Unrecht DButtmanns Erklürung 
&gxwv.als zu künstlich getadelt, da sie vielmehr ganz 
natürlich, nothwendig, und durch den Gebrauch bestátigt 
ist. Der Sinn der Stelle ist: ,,gieb dem Nachbar das 


232 HESIODI 


, Geborgte richtig und reichlich wieder, damit dir das Bor- 
gen auch für die Zukunft, wenn du etwas nóthig hast, 
gesichert ist.« 

V. 357. war δώῃ aufzunehmen. Denn die beibe- 
haltene Vulgata, so, wie Hr. G. mit der Spohnischen und 
Dindorfischen Ausgabe interpungirt hat: ὃς μὲν γάρ LEV 
ἀνὴρ ἐθέλων, ὅγε χἂν μέγα, δοίη.: χαίρει τῷ δώρῳ 
καὶ τέρπεται ὃν χατὰ ϑυμόν, giebt den Sinn: ,,wer 

- gern giebt, der giebt Grosses: er freut sich dieses Ge- 
schenkes. So nimmt es auch Hr. G., aber dann sollte 
ὃ δὲ geschrieben seyn. Und so mag wohl auch derjenige. 
Dichter, der den folgenden Vers nicht setzte, geschrieben 
haben, dafern überhaupt angenommen werden kann, dass 
ein Dichter ihn nicht setzte, und δοίη schrieb — Wird 
aber dieser Vers gesetzt, so fehlt die Verbindungsparti- 
kel. Daher schrieb der Dichter, der ihn hinzufüpte: 


ὃς μὲν γάρ xev ἀγὴρ ἐθέλων, ὅτε καὶ μέγα 
TIR 
χαίρει τῷ δώρῳ xai τέρπεται ὃν χατὰ ϑυμόγ᾽ 
ὃς δέ χεν αὐτὸς ἕληται ἀναιδείηφι πιϑήσας, 
καί τε σμιχρὸν ἐόν, τὸ δ᾽ ἐπάχνωσεν φίλον 
ἦτορ. 
Zu ὃς μὲν γάρ xev ἀνὴρ ἐθέλων ist aus dem folgen- 
den δώῃ zu verstehen: ,,wer gern giebt, freut sich, anch 
llwenn er Grosses giebt, dieses Geschenkes: wer aber un- 
verschimter Weise selbst nimmt, wenn es auch eine We- 
nigkeit ist, dem macht es bóses Gewissen. So erklürte 
diese Stelle mit andern Interpreten ganz richtig auch 
Spohn. Daher musste die alte Interpunction beibehalten, 
das ungeschickte ὅγε mit der vorhandenen richtigen Les- 
art (s. Stobüus X. 10.) vertauscht, das nicht eypische 
χἂν in xoi verwandelt, und in dem letzten dieser Verse 
das unriehtige τότ᾽ nicht mit ein Paar Büchern in τόγ᾽ 
sondern in τὸ δ᾽ veründert, werden. 
V. 361. Hier sollte statt der Optative geschrieben 
seyn: . | 
— & γάρ xtv xoi σμικρὸν ἐπὶ σμικρῷ χατάϑηαι, 


! O. ET D. 233 


, 


xci ϑάμα τοῦτ᾽ ἔρδῃς, τάχα κεν μέγα xai τὸ 
γένοιτο" 
dafern nicht der Dichter εἰ γὰρ καὶ σμικρόν neg schrieb, 
in welchem Falle die Optative χαταϑεῖο und ἔρδοις 
richtig sind. 

V. 363. Ueber die hier zusammengestellten Lebens- 
regeln scheint Hr. G. nicht richtig zu urtheilen: insbe- 
sondere kann nicht zugegeben werden, dass der Vers: 

οἴχοι βέλτερον εἶναι, ἐπεὶ βλαβερὸν τὸ ϑύρηφι» 
sich auf die Frauen beziehe. Nicht nur ist von diesen 
hier gar keine Andeutung zu finden, sondern das von 
Hrn. G. selbst angeführte Sprichwort: οἴχοι μένειν δεῖ 
τὸν καλῶς εὐδαίμονα, zeigt ja, dass der Sinn sey: 9968 
ist besser zu Hause für das Seinige zu sorgen: denn das 
Umherschweifen ausser dem Hause bringt Schaden.* 

V. 370. μισϑὸς δ᾽ ἀνδρὶ φίλῳ εἰρημένος &o- 
κιος ἔστω. — Auch hier widerspricht Hr. G. der Behaup- 
tung Battmanns im Lexilogus Il. p. 36. ganz mit Un- 
recht. Es ist unmóglich, dass dieser Vers bedeuten 
kónne, was er angiebt: Am:tcus contentus esto cum 
capite, de quo concenit, nolit praeterea etiam usu- 
ras flagitare. | Denn 140906 εἰρημένος kann nichts 
anderes heissen, als ,,der festgesetzte Lohn.*€ Nur scheint 
Buttmann &oxiog von dem Festmachen zu verstehen: 
aber der Sinn ist vielmehr: ,,der ausgemachte Lohn werde 
sicher ausgezahlt.* 

V. 383. In diesem Verse, in dem so viele Schrift- 
steller, die ihn anführen, die hergebrachte Form ':ia- 
γενέων bestütigen, hat Hr. G. aus einem einzigen Àm- 
brosianischen Codex, nicht, wie er angiebt, aus Med. 5., 
welches die ülteste Handschrift ist, 'rAoyyevéow auf- 
genommen, und hült diese Schreibart für so begründet, 
dass er überall diesen Namen so schreibt. Vae Jfle- 
zésse Graecos " 4rog, " 4iio, sagt er, quod Tzetza 
voluit non. potest demonstrari nisi vocatico " 411a. 
Atque εἴα exspectasses " 4rknyevéov. — Nun " 4rAjyt- 
νέων konnte er bei dem Scheliasten zu lad. XVII. 


236 HESIODI 


lich ist auch irrig, und selbst den Worten des Dichters 
widersprechend, dass das αὐτόγυον V. 427. γύης ge- 
.mannt sey. Vielmehr ist ganz bestimmt und in eigent- 
licher Bedeutung mit γύης, wie eben aus den darauf fol- 
genden Worten erhellt, der Krümmel allein gemeint, der 
in das ἔλυμα, den Scharbaum, eingefügt werden soll. 
Mithin vernichtet sich auch die aufgestellte Vermuthung, . 
dass der Dichter statt δρυὸς £Avua, γύης πρίνου ge- 
schrieben habe: zoívov ἔλυμα, δρυὸς δὲ γύην. Denn 
auf diese Weise würde er hier das Gegentheil des so 
eben Gesagten lehren. Das Argument, das Hr. G. von 
ἔγδρυον hernmmt, δᾶ] ebenfalls nicht Stand, indem 
es auf einer erdachten Bedeutung beruht, nach welcher 
dieses Wort eine Deichsel bezeichnen sell, da es doch 
nur einen Pflock bedeutet. 

V. 438. Diesen Vers hat Hr. (x. eingeklammert, 
unstreitig, weil er ihm eben dasselbe, was der vorherge- 
hende Vers, zu sagen schien. Er bemerkt, dass er bei 
Suidas in ζυγομιαχεῖν fehle. — Er fehlt auch im Etym. 
Gud. p. 232, 45. Dagegen führt die ersten Worte der 
Scholiast zu BHliad. XIIL. 484. an. —Wegbleiben konnte 
er zwar: keineswegs aber ist er desshalb für unücht zu 
halten. Denn was in den Büchern geschrieben ist, co 
ἐργάζεσθαι ἀρίστω, konnte offenbar nicht von Hesiodns 
kommen: s. oben zu V. 314.  Indessen bedarf es nur 
einiger Áufmerksamkeit, um einzusehen, dass die Stelle 
so lautete: 

| βόε δ᾽ ἐνγναετήρω 

ἄρσενε χεχτῆσθϑαι, τῶν γὰρ σθένος οὐκ ἀλα- 

παδγόν, 

ἥβης μέτρον ἔχοντε, τὸ ἐργάζεσθαι ἄριστον. 


14 V. 439. 443. Es dürfte nicht überflüssig gewe- 
sen seyn, wenn bei der Variante ἐρίσαντε ἐν αὔλακε in 
dem erstern dieser Verse, und bei dem vielleicht Man- 
chem anstóssigen Txochüus ἰϑεῖαν αὔλαχ ἐλαύνοι in 
dem letztern, angemerkt worden würe, dass αὐλαξ 
in der alten Sprache digammirt gewesen sey: woher auch 


O. ET D. 237 


κατὰ ὠὦλχα und εἰ ὦλχα bei Homer. Daraus lüsst sich 
abnehmen, dass es eines Stammes mit βῶλος, und égi-- 
βῶλαξ so viel als ἐριαῦλαξ ist. Folglich sollte V. 439. 
ἐρίσαντ᾽ ἐν αὔλακι Stehen. 

V. 448. ist nicht bemerkt, dass . bei dem Scholia- 
sten des Aratus zu V. 1010. γεράνων φωνῆς, und 
bald darauf ὁμβροινοῦ steht. 

V. 4506. sollte οὐδὲ τὸ oi auch gegen alle Co- 
dices statt οὐδὲ τόγ᾽ ol)" geschrieben seyn. Die Eli- 
sion ist in der epischen Sprache hier selbst nach dem 
Verlóschen des Digamma anstüssig. 

V. 488. ist sóv ἄν φανείη ein Solücismus, Rich- 
tig setzte Spohn den Conjunctiv: ob dieser φανείῃ oder 
φανήῃ zu schreiben sey, mag gestritten "werden. — Hrn. 
G. findet man in diesem Punkte ungenau und inconse- 
quent. Er hat ϑείῃ V. 550. gegeben, hier aber und 
V. 680. an φανείη, so wie V. 693. an duavoo- 
ϑείη keinen Anstess genommen (s. oben zu V. 3061.), 
eben so wenig, wie an εἴῃ V. 501. 577. 600. 

V. 403. ist nichts über ἔτι χουφίζουσαν ἄρουραν 
bemerkt, das die Ausleger in neutraler Bedeutung neh- 
men. Αουφίζειν kommt bei dem. Homer gar uicht, bei 
dem Hesiodus bloss hier vor: hóchst unwahrscheinlich 
aber ist die neutrale Bedeutung, da sonst überall nur 
die active: gefunden wird. — Sollte daher nicht der Dich- 
ter gesagt haben: 


γειὸν δὲ σπείρειν ἐπικουφίζουσαν ἄρουραν" 


wobei die active Bedeutung bleibt, und der Sache nach 
dasselbe gesagt wird, indem der Áccusativ τὸ σπείρειν. 
zu verstehen ist. 

V. 47 6. ist mit Andern auf Bruncks Vorgang βιό- 
TOU αἱρεύμενον aus dem Etym. M. p. 38, 12. aufge- 
nommen, eie Lesart, die, weun sie überhaupt vertheidipt 
werden kann, doch an dem Etymologicum eine sehr un- 
sichere Stütze hat,: und einen erbármlich matten Sinn 
giebt. Allerdings giebt die Vulgata βιότοιο ᾿ ἐρεύμεγνον 
ein: ganz. unhekanntes Wort: indessen. die. Glosse égevyó- 


288 HESIODI 


μδνον, und die Lesart einiger Handschriften βιότου 
hütte auf ἠρευγμένον führen sollen. Der Glossator las 
ἐρεύγμενον, und so auch Tzetzes, dessen Anmerkung 
in dem Münchner Codex so lautet: ἐρεύμενον. ἀντὶ 
τοῦ ἐρευγόμενον. ἀπὸ τῆς ἐρυγῆς τὴν ἀφθονίαν (der 
Codex hat ἀφωνία») τοῦ πλούτου ἐδήλωσε χατὰ μι6-- 
ταφορὰν ἀπὸ τοῦ στομάχου, ὃς ὅταν πολλῶν βρωμά- 
τω» πλησϑῇ τὰς ἐφυγὰς ἐργάζεται. 
V. 479. Die Form ἀρόῃς ist anstóssig. — Richtig 
l5würde ἀρόσῃς seyn, wie V. 485.  Bemerkenswerth ist 
die Lesart des Wittenberger Codex ἀρόως m&t darüber 
geschriebenem 4j., Sie enthült das Wahre, den Optativ 
doó«s, der hier richtig gesetzt ist, weil nicht vorausge- 
setzt wird, dass jemand zu der angegebenen Zeit ackern 
werde. 
V. 480. Was heisst ὀλίγον περὲ χειρὸς ἐέργων 3 
Hr. G. βοϊυποῖρί, wie alle Ausleger, ausser "Tzetzes, des- 
sen einfiültige Erklàrung περὶ χεερός" διὰ χειρός; 
das Fehlerhafte nur erst recht hervorhebt. Eben so was er 
in der Gaisferdischen Ausgabe sagt: μιχρὸν χειρόβολον 
τῶν σταχύων τῇ σῇ χειρὶ κρατῶν. Wenn nicht ein 
anderer Eehler verborgen liegt, muss πέρι χειρὶ (oder 
χερσὶν) ἐέργων gelesen werden, | 
|. V. 491. Es würe seltsam, wenn die Dichter dee 
Verses wegen .als Wunsch hütten ausdrückem .müssen, 
was Vorschrift ist. Der Optativ μηδέ cs λήϑοι scheint 
hier sehr unschieklich. Der Wittenberger Codex verei- 
nigt ihn mit dem Conjunctiv so. λήϑηοι. Der Conjun- 
cüv des Prüsens hcheint richüg zu seyn, da vom einer 
stets Statt habenden Sache die Rede ist, Nicht gut 
würde den vermeintlichen Solócismus wegbringen, wer μηδὲ 
λάϑῃ σε schreiben wollte, Der Optativ lüsst sich nicht 
müt ix δ᾽ ἀγγέων ἐλάσδιας Goüyvuxs: V. 475. verthei- 
digen, was vielleicht Hr. G. σὰ thun geneigt scheinen 
- kénnte, da er dort vor diesen Worten die volle Inter- 
, punctom gesetzt hat. Aber ἐλάσειας gehórt xu ὦδε xsv 
. φρύοριεν 3ls Fortsetzung dieser Constmuotion. — . 
V. 498. hat Hr. Θ΄, accentuirt: »9o δ᾽. ἴϑι χάλ- 


Ο. ET D. 239 


xstoy ϑῶχον xoi ἔπ ἀλέα λέσχην. Er sagi: - ἔπι Me 
est praeterea, insuper, prae ceterós, "Em, 
so gestellt, ist in dieser Bedeutung günzlich ungriechisch, . 
und selbst, wenn es das bedeuten kónnte , würde es ein 
ganz iatter und lástiger Zusatz seyn. Folslich, wenn 
anch die meisten Handschriften ἐπὶ ἀλέα haben 9 "und 80 
auch bei dem Aristides steht, und par ἐπὶ ἀλέᾳ bei dem 
Eustathius p. 1849, 3., muss doch ἐπαλέα die richtige 
Lesart seyn, dafern nieht eine andere nachgewiesen wer- 
den kann. So würde z. B. dem Sinne πάρα δ᾽ ἀλέα 
λέσχην angémessen seyn. 

V. 494. ist ἀνέρα statt ἀνέρας zu schreiben, eine 
Lesart des Leidner Etym. M., die aus Gaisfords Án- 
merkung zum "Scholiasten zu entnehmen war. 

V. 495. sagt Hr. G.: Pro ὀφέλλῃ A., Med. 5., 
Vat. G. ὀφέλλει. Stribliginem son habet Ven. c. 
el. Aber ἔνϑα x' ἄοχνος ἀνὴρ. μέγα οἶκον ὀφέλλῃ, 
wie er mit den Handschriften liest, ist ja auch eine δέν 
ὄρος. Mit Recht nahm Gaisford von Brenck den Op- 
tativ an. 

V. 559—521. Haec omnia digmora: eunt se- 
plhiéstico aliquo poeta. quam. Nesodo, Ma in diesen 
Versen durchaus nichts -Witziges liept, und sie vielmehr16 
auch ganz besonders in deu Worten χαὺ διὰ “παρϑενε- 
aic ἁπαλόχροος οὗ διάησιν π. s. w., did nicht von 
emer erwachsenen Jungfran, sondern von eisbm Müdchen, 
das neoh. Kind iet, zu versteheri sind, «eine grosse Nai- 
vitüt -vettüthen:' so Soheincn so vielmehr: ein Zeichen 
sehr hohen: Alterthums zu seyn. Ueberhaupt-trügt diese 
hóchst :molerisehe: Beschreibung der . Winterkülte - dieses 
Geptrüge. Betrachtet man, wie überall:die^ treffendsten 
Merkmale:'heraüsgehoben simd, so fállt du»! γθχίη" κατα 
λέξεται ἔνδοϑι οἴκου ἥματν χειμερίῳ" auf, : weniger 
wegen der Verbindung von γυχίη und ἤμαει» die 
sich rechtíoKigen lesse, als weil ἔγδοϑε oixou riemlich 
müssiser Zusatz ist, da schon δόμων ἔντοσϑε voraus- 
gekchiekt: werden, — Daher ist wibht zu zweifeln, dass die 

andere ρακί. μυχίην die richtigé ist, wodureh sieh. ! 


240 HESIODI 


nicht nur beide Ánstósse von selbst heben, sondern auch 
die Sicherheit vor der Külte noch charakteristischer be- 
zeichnet wird.  Uebrigens zeigt χαταλέξεται, was Con- 
junetiv ist, dass, wenn diese Verse und V. 520. von 
demselben Dichter sind, dort juu»; zu schreiben ist, 
dafern überhaupt das Verbum gesetzt worden. Denn da 
der Wittenberger Codex ἥτε δόμων ἔντοσθεν μίέμγει 
παρὰ μητέρι χεδγῇ giebt, so hat es vielleicht ohne Ver- 
bum geheissen: ἥτε δόμων ἔντοσθε φίλῃ παρὰ μητέρι 
χεδγῇ. 

᾿ΟΥ͂, 522. ist im Texte εὖ τὸ statt δὖτε gesetzt, 
hoffentlich ein Druckfehler, da nichts darüber gesagt wor- 
den, obgleich einige Interpreten es Óeneque  über- 
setzt haben, wodurch Spohn veranlasst wurde, davor zu 
warnen. 

V. 526. Correpta γὰρ syllaba ante oi, quod 
habet digamma, (ndiceum est. sertorsis aetatis; v. 
Herm. Ürph. p. 780. Das ist nie des Ree, Meinung 
gewesen: vielmehr hat er dert erinnert, dass οὐδέ. οἱ zu 
lesen, und die Worte mit den vorhergehenden zu ver- 
binden sind, wodurch zugleich gewonnen wird,. dass. Óeixvv 
ven órs abhüngt, und man nicht nóthig hat, dieses mit — 
Hrn. G. als Prüsens anzunehmen, was eine ganz unge- 
bránchliche Form seyn würde. 

V. 524. xvevéov ἀνδρῶν δῆμόν τὲ πόλιν τε. 
Meroen «nnt, Aethiopum  meiropolin, «e. Hero- 
dot. II. 29., de qua sil apud Homerum. | He- 
siodus "wusste wohl eben so wénig von Meroe etwas, 
als Homer. . Die Griechen tragen ihre Einrichtungeu - 
auch auf fremde Volker über, und die.hier gebrauchte 
Formel gehórt zy den stehenden Redemsarfen. Kann je- 
mand sagen,.wie die Stadt der Cimmerier beim Homer 
gelieissen habe, ven der er sept: Αϊμμερίων δῆμός τε 
πύλις «ve?  — | | 

V. 532. Brunck hatte Recht, wenn er an xod, πᾶσῳν 
ἐνὶ φρεσὶ τοῦτο μέμηλεν, οἱ σκέπα μαιόμοψοι πυχε- 
ψοὺς κευϑμῶγας ἔχουσιν Ansiess nahm: aber er háite 
l7sich begnügen sollen, oí vorzuschlagen, und nieht ἕλω- 


Ὁ. ET D. 24 


cot» hinzuzufügen. Mit bekannter Attraction ist oi ge- 
sagt für ἐχεῖσε, οὗ χευϑμῶνγας ἔχουσιν. 

|: . VW. 533. 535. Nicht bloss Spohn, den Hr. Ο, 
nennt, sondern auch die alten Erklürer haben φοιτῶσιν. 
auf die Thiere bezogen: und wenn die hergebrachte Les- 
art beibehalten wird, so ist das anch schlechterdings noth- 
wendig. Nun aber hat allerdings Hr. G. Recht, wenn 
er die Vergleichung τρέποδι βροτῷ ἴσοι abgeschmackt 
findet. — Aber entweder musste er diese Abgeschmackt- 
heit dem: Dichter lassen, oder den Text corrigiren, wena 
er wollt, dass von den Menschen die Rede wáre. — Vos- 
sens Üebersetzung: ,,Gleich sid anch die Menschen 
dem Dreifuss, dem sich der Rücken verbog und das. 
Haupt zum Boden herabschaut, hat er missverstanden, 
wenn er glaubte, Voss hátte an cinen leblosen Dreifuss 
gedacht. Wahrscheinlich las Voss ./9poroí, und nahm 
τρίποδι für eime Benennung des am Stabe sich forthel- 
fenden Greises, was Hrn. G. theils wegen der Bemer- 
kungen, die er über diese, besonders in Béóotien einhei- 
mische Metapher macht, theils wegen anderer, ühnlicher 
Bilder, die er in der Vorrede S. 15. zusammenstellt, am. 
wemigsten hütte befremden sollen. Nun aber ist Vossens 
KEunendation, wenn er, wie zu vermuthen ist, βροτοὶ ge- 
lesen hat, ganz richüg, genügt aber noch nicht.  Demn : 
es leuchtet ein, dass die Menschen hier nicht bloss ge- 
nanntí,  sondera auch den  Thieren  entgegengesetzt 
werden müssen. Daher ist zu schreiben voi δὲ τρίπο- 
δὲ βροτοὶ ἴσοι u. s. w. | 

ο΄ V. 541. Βορέαο πεσόντος, $. 6. ἐμπεσόντος, 
non: cessante Borea, quod volwt Spohnows. 
Sipohn hatte Recht: denn πέστειν kann nicht ἐμστίστειν 
bedeuten, sondern πίστει ὃ ἄγεμος heisst, ,der Wird 
legt sich:* ^ s. Odyss. XIX, 202. Die ganze Stelle hat 
den alten und neuen Erklárern viel Noth gemacht. Hr. 
G. scheint die Schwierigkeiten gar nicht bemerkt zu 
haben, und weun er ó79 πυροφόρος fwbes fecundo, 
quae irsbieum procreat übersetzt, so hütte ihn diese 
ganz ungewóhnliche Metapher bedenklich maehen sollen; 

Hgnmw. Or. VI. Q 


242 , HESIODI 


wenn er aber himzufügt: L4jo Áéc pro abge, so wider- 
spricht es, dass dasselbe Wort zugleich eine Wolke und 
auch Luft hedeuten soll, Die Unrichtigkeiten der 
Stelle sind folgende. Erstens, da Βορέαο πεσόντος 
nur heissen kann: ,j wenn der Nordwind sich legt,*^ so 
ist der Satz falsch, dass da der Morgen kalt sey: viel- 
mehr ist er weniger kalt.  Zweitens kann der Ne- 
bel (denn das ist ἀήρ) nicht πυροφόρος heissem. 
Drittens ist auch ἄλλοτε μὲν ὕει, ἄλλοτ᾽ ἄησι falsch: 
denn -der Nebel kann sich wohl in Hegem ergisssen, 
aber er wehet nicht. —Viertens endlich ist die Rede 
am Ende mangelhaft, weil dem ὕει ποτὲ ἕσπερον der 
18Gegensatz fehlt, was am Morgen geschehe. Dieser Ge- 
ist aber vorhanden, wiewohl nicht an der rech- 
ten Stelle, V. 548. — Aus allem diesen felgt, dass die- 
ser Vers an den gehérigen Ort gestellt, und das Ganze 


80 gelesen werden müsset 


ψυχρὴ γάρ T ἠὼς πέλεται. Βορέω δὲ πεσόντος 

ἀὴρ πυροφόροις τέταται μακάρων. ἐπὶ ἔργοις, 

ὅρτε ἀρυσσάμενος ποταμῶν ἀπὸ ἀεναόντων, 

ὑψοῦ ὑπὲρ on ἀρϑεὶς ἀνέμοιο ϑυέλλῃ, 

ἄλλοτε μέν θ᾽ ὕει ποτὶ ἕσπερον, ἄλλοτε δ᾽ di- 
σιν 

ἡῷος y ἐπὶ γαῖαν ἀπὲ οὐρανοῦ ἀστερόεντος. 


Wem der Nordwind sich legt, verbreitet sich Nebel 
über die fruehttragenden Felder der Wohlhabenden, der 
aus den Flüssen schópfend und vom Sturme emporgetra- 
gen bald am Abend sich in Regen auflóst, bald wenig- 
stens gegen Morgen anf die Erde vom Himmel hernieder- 
steigt. * Der nicht hierher gehórige 553. Vers ist wohl 
eine Variation des 5647. Verses, der, in. Verbindung mit 
diesem gesetzt, etwa. so gelautet haben mag: ψυχρὴ γάρ 
v ἠὼς πέλεται ϑειλοῖσι βροτοῖσιν πυχνὰ. Θρηϊκίου 
Βορέω νέφεα κλονέοντος. 

V. 559. bedarf die rhythmisch harte, dem Sine 
nicht angemessene, und moch überdiess umsichere. Lesart 
einer Verbesserung. Es ist zu lesen: 


O. ET D. 243 


τῆμος ϑὥώμισυ βουσίν, ἐπ’ ἀνέρι δὲ πλέον εἴη 
ἁρμαλιῆς. 

V. 56] ----ὅ63. sind, wie in andern Ausgaben, nach 
Plutarchs Urtheil als-unücht eingeklammert, — Ein zurei- 
chender Grund für dieses Urtheil scheint nicht vorhan- 
den zu seyn. Denn an dem Sinne iet nichts auszuse- 
tzen, wenn der Dichter, nachdem er im, Winter das Fut- 
ter zu beschrünken gerathen, hinzusetzt: ,,50 wirst du 
die Tage des ganzen Jahres ausgleichen,** d. h. so kommt 
im Ganzen auf einen Tag des Jahres so viel Fütterung, 
als auf den andern. Ja wer die Verse noch mehr sichern 
wollte, kónnte vermuthen, sie hütten ehemals mit den vor- 
hergehenden eng zusammengehangen, wozu es nur der 
 Hiunzufügung eines einzigen Buchstabens bedürfte: μα- 

κραὶ γὰρ ἐπίφῥοθοι εὐφρόναι εἰσὶ ταῦτα φυλασσο- ᾿ 
μένοις, — Ἰσοῦσϑαι νύχτας ve xoi ἤματα. 

V. 590. ist in der Note aus Versehen μᾶζάν γε 
μεμαχότος Btat μεμαχὼς aus Suidas angegeben. fs 
kann kein Zweifel seyn, dass das o kurz ist. 

V. 591—595. hált Hr. G. für Verse eines an- 
dern Dichters, | Aber da bloss die Worte ἔπι δ᾽ oi- 
Sono πινέμεν οἶνον ἐν oxejj ἑζόμεγον, weil sie das 
schon Gesagte enthalten, zu Vermnuthung einer Interpo- 
lation Anlass geben kónnen, so hütte Hr. G. seine. Ver- 
dáchtigung bloss auf diese Worte beschrünken sollen. 
Denn lüsst man sie weg, und setzt in den folgenden Ver-19 
sen die Dative χεχορημένῳ und τρέψαντι statt der Ac^ 
cusative, so ist nichts dagegen, dass die ganze Stelle 
vom Hesiodus sey. Der Rhapsode aber, welcher die an- 
gegebeneu Worte einschob, fand wahrscheinlich das harte 
πεεραίη τὸ σχιὴ anstüssig, und setzte daher V. 588. 
ἀλλὰ τότ᾽ εἴη, schaltete den Gedanken des weggelasse- 
uen 589. Verses nach ἐρίρων ein, und verwandelte 
die Dative und Áccusative. | 0 

V. 596. hat Hr. G. zwar mit Recht das δ᾽ weg- 
gelassen: er bütte noch bemerken künnen, dass es auch 
in den Handschriften und bei den Schriftstellern, die die- 


Q2 


, 


244 HESIODI 


sen Vers anführen, fehlt: aber befangen in seiner Mei- 
nung von einzelnen Sprichwürtern und Lebensregeln, die 
in dem  Hesiodischen Werke  zusammengeháuft seyen, 
benutzte er diese Lesart nicht richtg. Der vorherge- 
hende Vers: 

κρήνης τ ἀενάου xai ἀποῤῥύτου, ij ἀϑόλω- 

| τοῦ» 7 

würde sehr Ueberflüssiges enthalten, wenn er bloss auf 
das Ánschauen des Quelles bezogen würde. Vielmehr 
bezieht er sich auf den Gebrauch des Wassers, das rein 
seyn soll der Gesundheit wegen; und so verstanden die 
Worte Plutarch, Porphyrius, Áthenius. Der letztere 
XI. p. 782. A. führt sogar diesen Vers in Verbindung 
mit dem folgenden an, und Casaubonus las hier richtig, 
so wie die Vulgata in einer andern Stelle des Athenüus 
ist, τρεῖς» wodurch zugleich die metrische Unrichtigkeit 
beseitigt wird. Τρεῖς, nümlich μοίρας. Das τρὶς ist 
ein alter Irthum, der sich auch in die Schriftsteller, 
welche den Ver$' citiren, verbreitet, hat. — Nun ist der 
Sinn richtig, und von εἴη hàángen die verbundenen 
Verse ab: ' 


€65 23 


κρήνης v ἀενάου xai ἀποῤῥύτου, ἥτ᾽ ἀϑόλωτος, 
τρεῖς ὕδατος προχέειν, τὸ δὲ τέτρατον ἱέμεν 
t οἴνου. 
Ὕδατος ist wegen οἴνου hinzugesetzt: ,,aus einem rei- 
hen Quell drei 'Theie Wasser und den vierten "Theil 
Wein. 

V. 600. Die Anmerkung zu ἐν ἄγγεσιν, De ἐν 
pro εἷς apud. Aeoles e. animadvers. ad Theory. 487. 
passt nicht. Dort ist von dem Aeolischen ἐν mit dem 
Accusativ die Rede: wo aber ist hier ein Accusativ? 
wo überhaupt etwas Aeolisches? 

V. 607. Hier konnte bemerkt seyn, dass ἐπηετα- 
ψὸς viersylbig auch in dem Homerischen Hymnus des 
Merkur V. 113. vorkommt: bei dem Hesiodus es aber auch 
kónne ursprünglich ἐπηετά» geheissen haben. 


Ο. ET D. | 245 


V. 617. móchte schwerlich £u verdammen seyn. 
Wenn πλειὼν von den Alexandrinern ófters gebraucht 
worden, so beweist das nicht, dass das Wort neu, son-20 . 
dern nur, dass es ein bei den Alten selten vorkommen- 
des Wort ist. . 

V. 623. Auch diesen Vers für untergeschoben zu .: 
halten, damit er als Verbindung diene, ist nicht der min- 
deste Grund vorhanden. Ja er dient nicht einmal zu 
irgend einer Verbindung, so dass man fast vermnthen 
müchte, die ganze Anmerkung solle micht zu diesem, 
sondern zu V. 618. gehóren: εἰ δέ oe ναυτιλίης Óvg- 
πεμφέλου ἵμερος αἱρεῖ. 

V. 624. hat sich Hr. G. sehr geirrt, wenn er zn 
λίϑοισι sagt: εὐγαῖς apud Homerum dictis. Homer 
nennt ja εὐνὰς Ankersteine, die statt des Ánkers dienen, 
wenn das Schiff in See steht; Hesiodus aber. spricht von 
Steinen, die um das auf das 'Trockene gezogene Schiff 
ringsher gelegt werden sollen, damit es vom Winde nicht 
umgerissen werde. Es ist zu verwundern, wie Hr. G. 
die klaren Worte »Zc δ᾽ ἐπὶ ἠπείρου ἐρύσαι überse- - 
hen konnte. Auch Herrn Wachsmuth geschieht in die- 
ser Note Unrecht, der nicht sagte, noch sagen wollte, 
dass Homer das Wort ἀγχυρα, sondern nur, dass er 
die Sache, die bei ihm εὐναὶ heisse, gekgnnt habe. 

V. 640. Eher spricht Hr. G. von Hesiodus als 
sicherem Verfasser dieser Stelle: gleichwohl hàált er zu 
V. 0633. von dort an alles bis V. 642., auf Herrn T we- 
Sten sich berufend, für untergeschoben. Warum sollen 
aber diese Verse von einem Bóotier seyn, der den He- 
siodus zu einem Askrüer machen wollte? Da müsste . 
man doch ganz gewiss wissen, dass Hesiodus nicht in 
Bóotien geboren würe.: Und gleichwohl hált Hr. G. selbst 
in der Vorrede den.Hesiodus für einen in Askra gebo- 
renen Dóotier. 

V. 646—662., welche Herr 'Twesten mit Aus- 
nalme der beiden ersten für unáücht erklürte, verwirft 
augh Hr. G. Wenn er aber: sagt: Aon esse Hestods 
persuasum. erat. Pausan, IX. 31. 3., ut. ex esus 


^ 


246 ' HESIODI 
verbis patet: so folgt das aus den Worten des Pausa- 
nias keineswegs, welche so hwuten: ἐν δὲ τῷ 'Euxów 
καὶ ἄλλοι τρίποδες χεῖνται, xol ἀρχαιότατος, ὃν ἐν 
Χαλχίδι λαβεῖμ τῇ ἐπ’ Εὐρίπῳ λέγουσιν Ἡσίοδον νική- 
σαντα qQOy. Daraus kann doch nur geschlossen wer- 
den, dass Pausanias den altem Dreifuss, den man vor- 
seigte, nicht ausgemacht für den von Hesiodus geschenk- 
ten hielt; nicht aber, dass ihm die jener Sage zum Grunde 
liegenden Verse, in denen der Dichter einen Dreifuss ge- 
weihet zu haben versichert, unücht geschienen habem. 
Damit soll jedoch micht behauptet werden, dass diese 
Stelle, und namentlich, was von der Schenkung des Drei- 
fusses gesagt wird, ven Hesiodus sey. Ferner kanm nicht 
zugegeben werden, dass die Worte V. 683. οὐ γὰρ ἐμῷ 
ϑυμῷ χεχαρισμένον ἐστίν mit V. 650. f. in Wider- 
spruch stehen, weil sie beweisem, dass der Verfasser mehr- 
21mals das Meer befahren habe. Sie beweisen das gw 
nicht. Denn erstens kann auch einer, der mmr einmal sur 
See gewesen ist, besonders auf dem stürmischem Euripus, 
dadurch einen Widerwillen gegen Seefahrten bekommen; 
und zweitens sagt ja die Stelle etwas ganz anderes: sie 
sagt: ,,mir gefülll das zur See gehen im Prühjahre 
nicht: es ist eine geführliche Sache.* 

V. 647. Wenn Qi, weil es durch die Dücher ge- 
sichert ist, beibehalten wurde, so hátte doch entweder an- 
gemerkt werden sollen, man müsste in den Worten βού-: 
ληαι δὲ χρέα τε προφυγεῖν das βοΐληαι in zwei Syl- 
ben zusammenziehen; oder es war τῷ wegzustreichen, 
was das Bessere war. 


V. 056. παῖδες μεγαλήτορες. V« praefat. In. der 
Vorrede kann Bec. nichts. finden, was hierher gehórte, 
Man erwartet etwas über dieses nackte παῖδες μεγαλή- 
ToQsc, was sehr den Verdacht der interpolation anregt. 
Hesiodus sagte wohl παῖδες μεγαλήτορος ᾿ἀμφιδάμαν- 
roc. Ein spáterer Dichter mag das geündert, und die 
Sage von dem Siege hineingeflochten haben. . 

V. 682. muss man sich wundern, dass auch Hr. 


O. RT D. 24M 


G., wie andere Erklirer, die hóchst anstóssige Stelle 
mit Stillschweigen übergeht. Man liest hier: 
εἰαρινὸς δ᾽ οὗτος πέλεται πλόος οὔ μὲν ἔγωγε 
αἴνημ᾽ * οὐ γὰρ ἐμῷ ϑυμῷ κεχαρισμένος ἐστίν, 
ἅἁρπακτός᾽ χαλεπῶς xe φύγοις xaxóv' ἀλλά νυ 
καὶ τὰ 
ἄνθρωποι ῥέζουσιν ἀϊδρείῃσι νόοιο. | 
χρήματα γὰρ ψυχὴ πέλεται δειλοῖσε βροτοῖσι. 
Erst V. 678. hatte der Dichter gesagt: ἄλλος δ᾽ sla- 
ριγὸς πέλεται πλόος ἀνθρώποισιν. — Wie abgeschmackt 
ist es daher, dass er nun hinzufügt: εἰαρινὸς δ᾽ οὗτος 
πέλεται πλόος. Auch die folgenden abgebrochenen Sátze, 
und das allein dastehende, unklare ἁρπαχτὸς geben keine 
gehórig zusammenhüngende und verstándliche Rede. Nun 
muss aber sogleich einleuchten, dass Vers 682. 683. :. 
nur Variation von V. 678. sind, in welchen ein Ord- 
ner, der die Verse nicht weglassen wollte, das einfiltige 
οὗτος Betzte, weil er, da ἄλλος schon V. 6078. stand, 
nicht εἰαρενὸς δ᾽ ἄλλος πέλεται πλόος beibehalten konnte, . 
Eben se ist V. 687. δεινὸν δ᾽ ἐστὶ ϑανεῖν μετὰ xó- ς 
μασιν Variation von V. 691.: δεινὸν γὰρ πόντου μετὰ 
κύμασι πήματι κῦρσαι, und man kann nicht zweifeln, : ' 
dass hier Verse verschiedener Dichter in anderer Ord- : 
nung zusammengefügt sind, als sie stehen würden, wenn 
wir jedes dieser Gedichte besonders beeüssen. So mó- 
gen V. 687. 688. wohl nach V. 677. gestanden haben. 
Es lassen sich aber der Méglichkeiten mehrere denken, 
und es dürfte schwerlieh je mit voller Sicherheit das Zu-- 
sammengehórige ausgemittelt werden kónnen. Es lassen 
sich zx. D. V. 674— 077., wie sie dastehen, wohl ver- 
theidigen: dennoch aber kann die in ihnen enthaltene22 
Wiederholung auf die Vermuthung führen, einer der Dich- 
ter habe die Worte νέον xai ὁπωρινὸν ὄμβρον xai 
χοιμῶν ἐπιόντα, ein anderer den 077. oder aueh 
zugleich den 670. Vers weggelassen. Das aber sehoint 
klar, dass V. 684. zu lesen sey: ἁρπαχτὸν χαλεπῶς χε" 
φύγοις xaxór. ΜΌΝΗΙ zugezogenem Uebel wirst dn 
sohwer entkommen.* | 


A 


248 HESIODI | 
V. 709. ist zu schreiben εἰ δέ σ᾽ dy ἄρχῃ oder 


εἰ δὲ xéc ἄρχῃ. 


V. 714. σὲ δὲ μή τι νόον χατελεγχέτω εἶδος. 
Sensus: nols tamen externam hominum 


specsem masorsis habere quam animum el 


ctus. Diesen Sinn kónnen die Worte nicht haben. 
ΤᾺ Erklárer hatten lüngst die Stelle richtig verstanden. 
V. 727. werden folgende Vorschriften gegeben: 


uno ἀντ᾽ ἤελίου τετραμμένος ὀρϑὸς ὀμιχεῖν᾽" 
αὐτὰρ ἐπεί χε δύῃ, μεμνημένος, ἔς τ᾽ ἁνιόντα. 
ἹΜμήϊ ἐν ὁδῷ μήτ᾽ ἐχτὸς ὁδοῦ προβάδην οὐρή- 
60» 
μηδ᾽ ἀπογυμνωϑείς" μαχάρων τοι γύχτες ἔασιν". 
ἑζόμενος δ᾽ ὅγε ϑεῖος ἀνήρ, πεπνυμένα εἰδώς, 
ἢ ὅγε πρὸς τοῖχον πελάσας εὐερκέος αὐλῆς. 


Wie die Interpunction zeigt, nahm Hr. G. wohl an, was 

Gnuyetus sagt: ab occasu ad ortum rectum metere 
licet. Aber abgesehen, dass das Stehen hier nur Ne- 
bensache ist, und der ganze Vers, so erklárt, einen un- 
nóthigen und fast lücherlichen Satz enthilt ; konnte auch 


^. gar nicht so geredet werden, weil αὐτὰρ nicht so viel 


iet, wie ἀλλά. Die Hiülfte der Handsehriften hat d»i- 
ὄντος. Jer Wittenberger Codex: αὐτὰρ ἐπῆν Χδ σὺ 
μεμνημένος ὅτ᾽ ἀνυόντος. Proklus schreibt: id οὖν 
ἀπεναντίας ἡλίου μήτ ἀνιόντος, ὅ ἐστι πρὸ usanu- 
P olas, μήτε εἷς δύσιν Ἰόντος, 0 ἔστι μετὰ μεσημι- 
βρίαν οὐρεῖν. Er scheint also gelesen zu haben: εἴτ᾽ 
ἄρ᾽ ἐπήν xe δύῃ μεμνημένος, εἴτ᾽ ἀνιόντος. Aber 
auch das ist nicht nur ein ganz überflüssiger, sondern 


"auch nicht richtüg ausgedrückter Gedanke, indem es viel- 


mehr ὅταν δύῃ heissen sollte. Hierzu kommt, dass dann 


. ganz unbegreiflich ist, was das μαχάρων τοι νύχτες ἔα- 


σιν solle, Gráüvyius verstand die Sitelle richtig, indem er 
die Interpunction nach ἀνιόντα aufhob, und den Sinn seaus- 
drückte; sed etam postquam occidit, enemor eus ves, 
adversus orientem neque $n eia, neque enter. eun- 
dum extra viam mesas, — Hieraus folgt, dass in swá 


O. ET D. 249 


verschiedenen Hecensionen, in einer ἀντ᾽ dvióvrog, in 
der andern εἷς dvióvro stapd, beides richtig, und eins 
davon. aufzunehmen. . Ferner wundert sich Hr. G. mit 
andern Erklürern, dass die Mánner niedergekauert ihr 
Wasser abschlagen sollen, was dem Herodot als eine 
seltsame Gewohnheit der Aegypter aufgefallen war, —He- 
siodus hat wohl nicht daran gedacht, eine solche Vor- 
schrift zu geben. Denn erstens war es ja natürlich, ja23 
sogar nothwendig, auch die Entüusserung der festen Ex- 
cremente zu erwühnen: wie denn diess auch bei einer andern 
Gelegenheit V. 759. geschieht; und zweitens sind die 
Worte offenbar verdorben: denn was soll des erste ys? 
und ϑεῖος ἀνὴρ ist hier geradezu lücherlich: das zweite 
ὅγε aber weist auf einen Gegensatz von πρὸς τοῖχον 
hin, dergleichen hier doch nicht zu finden ist. Da die 
unsaubere Sache doch nicht mit den gemeinen Aus- 
drücken genannt werden konnte, sondern auf eine an- 
.Stündige Weise angedeutet werden musste: so ist leicht 
zu erachten, dass erstens die Lesart, μηδ᾽ ἀπογυμνω- 
ϑῆς» vorzuziehen, und in dieser Beziehung zu verstehen 
sey; ferner aber muss auch der erforderliche Gegensatz 
zu πρὸς τοῖχον gefunden und hergestellt werden, indem 
zugleich der ϑεῖος ἀνὴρ beseitigt wird. Das scheint am 
leichtesten so geschehen zu kónnen: - 


ἑζόμενος δ᾽ ὄνϑειος, ἀνὴρ πεπνυμένα εἰδώς, 
ἢ ὅγε πρὸς τοῖχον πελάσας εὐερχέος αὐλῆς. 


8ondern wer sich auf den Misthaufen oder an die Wand 
des Hofes setzt, ist ein verstindiger Mensch.* 

V. 740. 748. Hr. G. sucht hier zu beweisen, 
dass V. 740. ἀνεπίῤῥεκτον» wie nach Versicherung der 
Scholiasten Einige gelesen haben, das Richtige sey; V. 
748. hingegen ἀγεπιξέστων statt ἀνεπιῤῥέκτων geschrie- 
ben werden solle, und χυτρόποδες die Füsse des Kes- 
sels, nicht den Kessel selbst bedeuten. Die Gründe, die 
er dafür anführt, sind, dass es nicht wohl erklürlich sey, 
warun man ein Haus nicht unabgeputzt lassen solle, da- 
mit mitht eine: Krühe darauf ihre Stimme hóren lasse; 


23930 HESIODI 


ferner, daas Pythagoras vorgeschrieben habe, die Spur 
des Kessels in der Asche zu vertilpgen: denn aus der 
Asche habe man geweissagt: V. Soph. Ὁ. R. 21. (ein 
hóchst seltsamer Beweis aus den ganz etwas anderes sa- 
genden Worten ἐπ᾽ Ἰσμηνοῦ τὸ μαντείᾳ σποδῷ)» und 
der Sinn der Regel sey, was in der Küche, d. h. im 
Innern des Hauses, vorgehe, sei nicht Anderen zu verra- 
then. Man kann nun zwar allenfalls die -Mógliehkeit der 
Vertauschung jener beiden Wrter zugeben: gegen alles 
andere aber lassen sich sehr gegründete Eimwendungen 
machen. Erstens bütte doch bemerkt werden sollen, dass yv- 
τροπόδων ἀνεπιῤφῥέχτων durch Pollux X. 99. und Plu- 
tarch Q. Sympos. p. 703. D. geschützt wird. Sodaun 
ist χυτρόπους, ganz wie τρίτους», ein Wort, das den 
mit Füssen versehenen Kessel bedeutet. ^ Ferner ist an 
die symholische Auslegung, die Hr. G. mebt, ganz und 
gar nicht zu denken, indem die hier gegebemen Regeln 
offenbar auf allerlei Aberglauben, den die Griechen hat- 
ten, gegründet sind. Endlich lüsst sich auch die herge- 
brachte Lesart in beiden Versen sehr leicht erklüren. 


24Das Haus soll man nieht unabgeputzt lassen, weil, wenn 


eme Krühe sich darauf setzt, wnd ihr Gekrüchz hóren 
lásst, diess eine der Vollendung der Geschüfte ungtinstige 
Vorbedeutung sey. Was den Kessel anlangt, se ist zu 
bedenken, dass ἀγνεπίῤδεκτοι χυτρόποδες Kessel sind, 
die noch nicht zu einem heiligen Gebrauché genommen, 
und dadurch geweihet sind. In solchen Kesseln soll man 
nicht nur keine Speisen kochen, sondern, was Hrn. G. 
umsonst in Verlegenheit gesetzt hat, auch kein Bade- 
wasser warm machen: natürlich weil aus einem unge- 
weihtem Geschirr beides dem Menschen nicht bekommen 
werde. Demerkenswerth ist die Lesart des Wittenberger 
Codex: ebDew μηδὲ λόεσϑαι. 

V. 750. 753. Sehr befremdlich ist, dass Hr. G. 
glauben komnte, das Verbot, einen zwülftigimen Knaben 
auf ἀχένητα zu setzen, weil das ihm die Mannskraft ent- 
ziehe (ὅ τ᾽ ἀνέρ ἀνήνορα ποιεῖ) bedeute, man solle 
für die nóthige Bewegung der Kinder sorgen. Des be- 


OETD. -. 951 


durfte bei einem alten Griechen nicht erst einer Vor- 
schrift. ber mit dem zwülften 'Tage nach der Geburt 
kann man doch nicht schon an Gymnastik denken. Die 
Külte steinerner Denkmüler mag wohl za der Mei- 
nung von Lühmung der Zeugungskraft Veranlassung ge- 
wesen, und der Aberglaube durch die unheilvolle Vor- 
stelluuz, die das Wort ἀχίνητα mit.sich führt, noch 
verstürkt worden seyn. Der folgende Vers, der dieses 
Verbot auf einen Knaben von zwólf Monden anwendet, 
bedarf wegen des kurzem , in ico» keiner Emendatiom, 
sondern verrüth sich dadurch als meuern Zusatz.. Das 
Hr. Οὐ. γυναικεῖον λουτρὸν von warmen Büdern ver- 
steht, kanm auch nicht gebilligt werden. . Dass warme 
Büder nicht für schwüchend gehalten wurden, und keines- 
wegs den Münnern untersagt waren, ist sattsum schon 
aus Homer und Pindar bekannt. 

. VW. 704. hütte unbedenklich das durch Handschrif- 
teu gesicherte φημέξωσι dem Futurum vorgezogen wer- 
den sollen. . 

^W. 708. εὖτ᾽ ἂν ἀληϑείην λαοὶ χρίνοντος ἄγωσιν. 
Hr. G. drückt den Sinn dieser Worte so aus: eo d$e 
quo popuh lies dwudicantes festa agunt. . Àber 
ἄγειν für sich allein kann nicht feséa agere bedeuten, 
.und ἀληϑείημ χρίνειν heisst nicht fes d$udicare, 
sondern diess würde ein Grieche Jíxec χρένειν genannt 
haben. Auch müsste ἄγει» den Worten nach auf ἀλη- 
ϑείην bezogen werden, und man kónnte nicht etwa τριη- 
χάδα aus dem Vorhergehenden "dazu verstehen, — Mit Un- 
recht werden Lanzi und ldeler getadelt, welche den Sinn 
50 fassten: ,,wenn der wirkliche dreissigste Tag (nicht 
der neun und zwanzigste, der mehrere Monate beschliesst) 
begangen wird. So haben :es schom die Seholiastem 
verstanden, aus denen Hr. €. deutlich hütte sehem kón- 
nen, dass sie ἀληϑείῃ lasen. Dieses ist augenscheinlich 
das Riehtige, und dadureh wird die Beziehung von ἄγειν 5 
und xoívorrec suf τριηχάδα müglich. Jene Erklürung 
von τριηκὰς bestüügt sich auch h V. 770.: “πρῶ- 
vov ἔνη τετράς vs xol ἑβδόμη ἱερὸν juop. Hr. G. 


— 


232 HESIODI 


will ἔνη hier von dem letzten Tage des Monats, nicht, 
wie Scaliger, von dem ersten Tage des neuen Monats 
versíanden wissen. ^ Aber es ist nicht nur unnatür- 
lich, dass der Dichter hier, wo eigentlich die Beschrei- 
bung der Tage anhebt, mit dem letzten Tage des Mo- 
nats anfangen sollte, sondern er würde anch ungeschickt 
reden, wenn er, nachdem er so eben von dem letzten 
Tage des abgelaufeneu Monats gesprochen hatte, mit 
πρῶτον ἔνη fortführe, und so die τριηκὰς mit einem 
andern Namen bezeichnete. Vielmehr ist ἔνη hier 80 
viel, wie bei den Komikern und Prosskern £v; χαὶ véo, 
also uch der auf einen Monat von 29 Tagen folgende 
erste Tag des neuen Monats, der eben desswegen £v; 
genannt wird, weil er nicht lediglich der auf den dreis- 
sigsten folgende erste ist. Hr. G. gründet seine Behaup- 
tung auf die zu V. 410. gegebene, zwar in der Haupt- 
Sache wahre, aber in der Ausführung zu sehr gekünstelte 
Erklürung von £vog. Er leitet diess von ἐν her, und 
vergleicht es mit és, das aus snsmus entstanden sey, 
welches den Innersten oder Untersten in einer verticalen 
Abstufung bedeute, folglich den dritten, da die Reihe aus 
Anfang, Mittel und Ende bestehe. So sey'"denn auch 
ἔνη qui dies. est. in. tribus ternionibus. novissimus, 
€. 6. bricesimus. So werden nun auch ferner die an- 
. dern Bedeutungen von ἔνος entwickelt. Die Ableitung 
von ἐν nun ist wohl richtig: alles übrige aber scheint zu weit 
hergeholt. Ursprünglich sind ἔνον und νέον (von wvéo- 
μαι) einander entgegengesetzt, und bedeuten eigentlich, 
was innen in einer Sache ist, und was noch hinzu- 
kommt: alt und neu, vorjiübris und heurig, gestrig und 
heutig. Daraus lásst sich nun einsehen, wie £v; auch 
den übermorgenden Tag bezeichnen kann. Denn εἷς 
ἔνην wird in Beziehung auf si; αὔριον gesagt, und stellt 
also den morgenden. Tag als schon abgelaufen dar. Soo 
ist auch ἔνη xoi νέα σελήνη der eben abgelaufene und 
der jetzt angehende Mond; und so bezeichnet Hesiodas 
durch das blosse ἔνη den mit dem ablaufenden Monde 
anfangenden ersten. Tag des neuen Monats. Was Hy 


X 


- 


O0. ET D. 253 


G. sagt, dass ἔνος a medo postersor sey, durüber 
solle man Ruhnkenius zum "Timüus p. 303. nachsehen, 
ist irrig. Davon steht bei Ruhnkenius nichts. 

V. 772. Hier ist stillschweigend der herkómmliche 
Mangel der Interpunction beibehalten, und ὀγδοάτη τὶ 
ἐνάτη vs δύω ws μὲν ἤματα μηνὸς ἔξοχ᾽ w. s. w. 
laufen in einem Zuge fort. Aber das nachgestellte γε 
μὲν ist doch gar sehr befremdlich, hier und eben so v. 
774. Denn die Worte Sollten so stehen: δύω ye μὲν 
ἤματα μηνός, ÓyOodrg v ἐνάτη vs. Daher ist es26 
auch gekommen, dass Zonaras p. 433. und Favorinus 
die Glosse haben: yéuev: ἐγένοντο. Ἠσίοδος, ὀγδοάτη 
Y ἐνάτη ve δύω γέμεν ἤματα μηνός. Denn dafern 
nicht eine andere Lesart anzunehmen ist, was wohl yé- 
yo» seyn müsste, sieht man, dass die Grammatiker 5«- 
μὲν in dieser Stellung gar nicht glaubten für die Par- 
tikeln ansehen zu kónnen, sondern ein Verbum darin er- 
blickten. Es scheint aber in dieser ganzen Stelle keiner 
andern Verbesserung, als einer richtigen Interpunction zu 
bedürfen : | 


πρῶτον ἔνη τετράς τε καὶ ἑβδόμη ἱερὸν ἦμαρ, 
τῇ γὰρ ᾿“πόλλωνα χρυσάορα γείνατο “Τητώ, 
ὀγδοάτη v ἐνάτη ve^ δύω γε μὲν ἤματα μηνὸς 
ἔξοχ ἀεξομένοιο βροτήσια ἔργα πένεσθαι, ΄ 
ἑνδεχάτη τε δυωδεχάτη v* ἄμφω γε μὲν ἐσϑλαΐ, 
ἣ μὲν ὄϊς πείκειν, ἣ Ó εὔφρονα χαρπὸν ἀμᾶ- 
| σϑαι" 

ἡ δὲ δυωδεκάτη τῆς ἑνδεκάτης μέγ᾽ ἀμείνων. 

V. 780. Die Bemerkung, dass μὴν ἱστάμενος 
eigentlich die erste Dekas des Monats sey, was hier un- 
gewühnlicher Weise auch die zweite mit begreife, ist, 
weéhigstens in Beziehung auf den Hesiodus, nicht gegrün- 
det. Dieser nennt, wie Homer, bloss den ἱστάμενον uij- 
γα und den φϑίνοντα, und theil also den Menat in 
zwei Hidften, ohne den μεσοῦντα, den Hr. G. zu V. 
765. hinzugedichtet hat. Denn dass der Dichter- mehr- 
mals μέσση gebraucht, geschieht bless im Beziehung amf 


254 HESIODI 


eine dreimal vorkommende Zahl, wie z. D. uégon τε-- 
τρὰς l& ist, weil die erste 4, die dritte 24 ist. 

V. 792. εἰχάδι d" iv μεγἄλῃ, πλέῳ ἤματι, ἴστο- 
ρα φῶτα γείνασϑαι. Der Sinn dieser Wotté ist nicht: 
eo die calum eirum decet progsgnere pueros, son- 
dern, ,,an diesem Tage erzeugt man einen verstándigen 
Menn.* Das zeigt nicht nur det ganze Zusammenhang 
der Stelle, sondemm auch was felgt: ἐσθλὴ δ' ἄνδρο- 
γόγος δεκάτη, und noch mehr das μάλα γάρ τὸ νόον 
σιπυκασμένος ἐστίν, das offenbar auf den an diesem 
Tage Erzeugten geht. Vergl V. 788. 

V. 797. Die verzweifelte und lüstige Construction: 
πεφύλαξο δὲ ϑυμῷ τετράδ᾽ ἀλεύασϑαι φϑίνοντός 8' 
ἱσταμένου τὸ ἄλγεα ϑυμοβορεῖν, wird sehr σπί durch 
die, in dem Wittenberger Codex erhaltene üchte Lesart 
beseitigt : πεφύλαξο δὲ ϑυμόν. Diese Worte gehóren 
zu den vorhergehenden, und warnen , dass man sich bei 
dem Zühmen der Thiere vor ihrem Zorne hüte. Soc 
wird in dem Folgenden ϑυμοβορεῖν von ἀλεύασθαι ab- 
hüngig. Vergl. V. 780. 

V. 808. 809. stehen in dem Wittenberger Codex 
in umgekehrter Ordnung. 

27 . V. 815. xoi ἐπὶ ζυγὸν αὐχένα ϑεῖναι. Diese 
Redensart ist zwar grammatikalisch nicht falsch: gleich- 
wohl fállt sie als nicht episch auf, so dass, wenn der 
Dichter αὐχένα setzte, es ἐπίξυγον heissen sollte. Si- 

er aber zog er vor: xal ἔπι ζυγὸν αὐχένι ϑεῖναι. 
S. V. 581. Uebrigens hat Hr. G. zwar richtig die 
Lesarten zweier Recensionen unterschieden, deren die eine 
V. 814 —810., die andere V. 814, 817, 818. gehabt 
habe. Aber er hütte weiter gehen sollen. Denn so blei- 
ben die Wotte: παῦροι δέ v ^ ἀληϑέα πικλήσχουσεν, 
vóllig wnverstindlich, &n denen daher auch Gmyetus sdh- 
stiess; und zu παῦροι δ᾽ αὖτο pev εἰκάδα μηνὸς ἀρί- 
στην V. 820. (σα diesem Verse gehórt die aus Verse- 
hen zu dem $824. gesetmie Anmerkung) konm man, da 
V. 819. dazwischen sieht, unmóglich χεκλήσκουσιν in 
Gedanken wiederholen, Die richtige Lesart ist μέσσην; 


FRAGMENTA. 255 
das nicht, wie in der Lósnerischen Ausgabe 


gesagt wird, — 
in der Trincavellischen steht, somdern diese hat pola 


das jedoch, so wie μεσσήη der Wittenberger und ande- 
rer Handschriften, auf μέσσην hinweist. Die Verse hin- 
gen so zusammen: . 


παῦροι δέ v ἀληϑέα κικλήσχουσιν 
᾿μέσσην" παῦροι δ᾽ αὖτε μετ᾽ εἰχάδα μηνὸς ἀρί- 
στη». 


Dass der 810, Vers nicht hierher gehórt, zeipt ameh 
der Wittenberger Codex, in welchem er, obwohl mit der« 
selben Hand, am das Ende des vorhergehenden Verses 
angehüngt, nur die Worte τετράδι δ᾽ olye πίϑον ent- 
hült, über welche geschrieben ist περισσῶς ἐστίν. 


Wir kommen zu den Fragmenten. —Schwerlich 
móchte es irgend einen Vorwand geben, mit dem sich 
die Flüchtigkeit und Unaehtsamkeit entschuldigen liesse, 
durch die Hr. G., statt eine brauchbare Sammlumg za 
geben, vielmehr das Gegentheil bewirkt hat. Da unbe- 
dingte Vollstándigkeit einer Fragmentensammlung etwas 
ganz Unmógliches ist: so muss, wer zweckmüssig verfah- 
ren wil, er mag die Bruchstücke ordnen oder nicht, da- 
für sorgen, dass man sogleich übersehen kónme, welche 
Fragniente die Sanmunlung enthalte, und welche ihr feh- 
len. Das haben &uch mehrere Gelehrte erkannt, und. 
daher ihrem Sammlungen entweder ein vollstündiges Wort- 
register oder eim Verzeichniss der Schriftsteer, aus de- 
nen die Fragmente entnommen sind, beigegeben.  Keimes 
von beiden findet man hier. Ferner, wenn bereits eine 
Fragmentensammlung vorhanden ist, "und man dieselbe 
micht.durch eme neue vüllig überflüssig machen kann 
eder wil, muss man entweder die Ordnung der ersten 
Semmlung beibehalten und die gefandemen Vermehrungen 
am Ende amhángen, oder, weun maa die Ordnung ἄπ 


dert, muss m&u zwei vergleichende Verzeichnisse zum28 


Behuf des Auffindens in der einen oder der andern Sjamm- 


256 HESIODI 


lung beifügen, oder doch allerwenigstens in seiner Samm- 
lung bei jedem Fragmente die Zahl oder den Ort, 
den es in der andern Sammlung hat, angeben. Auch 
davon hat Hr. G. nichts gethan. Doch móchte anch das 
noch hingehen, wenn er es nicht noch schlimmer pge- 
macht hátte. Er wolle die Fragmente nach einem Plane 
ordnen, und so finden wir sie durch die Ueberschriften 
abgesondert in “4]Ἰγίμιος, ᾿Ἡστρονομία» Κατάλογοι ἢ 
"Hoiet, ΜΜελαμποδία, Χείρωνος ὑποθῆκαι, und Fra- 
gmenta ἐποογίαο sedis. — Würe aber dabei doch nur 
" ein Princip oder eine Regel befolgt: aber alles ist bunt 
durch einander geworfen; was zusammengehórt, weit ge- 
trennt; Fragmente, die keine sind, als solche ausgegeben; 
die bei mehreren Schriftstellern vorkommen, nicht aus 
allen, sondern nur aus einem oder dem andern angeführt ; 
bald nach dieser, bald nach jener Ausgabe, ohne sie zu 
nennen, -citirt, z. B. Eustathius bald nach der Basler, 
bald nach der rómischen; abgeschrieben, was in der Gais- 
fordischen oder Dindorfischen Ausgabe steht, ohne es 
. machgeschlagen zu haben; bald vollstindig abgeschrieben, 
bald mit Weglassungen, auch des Wichtigen und Noth- 
wendigen. Selbst die Vermehrungen zum Theil nur scliein- 
bar, indem oft, was in der Gaisfordischen und Dindorfi- 
Sohen Ausgabe unter eine Nummer gebracht ist, in meh- 
rere, oft weit von einander entfernte Nummern geson- 
dert worden. Daher darf man nicht glauben, dass, wenn 
Gaisford nur 88 Nummern, Dindorf 101, Hr. G. aber 
165 zühlt, seine Sammlung 77 Fragmente mehr, als die 
Gaisfordische, und 64 mehr als die Dindorfische enthalte. 
Endhich, wenn jede bedachtsam eingerichtete Fragmenten- 
sammlung eine besondere Rubrik für die* unsichern und 
die dem Schriftsteller fülschlich 'heigelegten Fragmente 
haben sollte, ist auch darauf keine Rücksicht genommen 
worden, sondern, was RBRuhnkenius mit Recht oder Un- 
recht dem Hesiodus absprach, stillschweigend weggelas- 
sen, das Uebrige aber mitten unter die üchten Bruoh- 
Stücke gestellt. Wir wollen mun zuvürderst diese Samm- 
lung init einigen Ánmerkungen begleiten, 


- . FRAGMENTA. 257 


ΠῚ. Da eben τὴν ziv ““βαντίδα κίκλησχον ϑεοὶ 
vorauspegangen, kann nicht gleich wieder τὴν in dem 
auch übrigens unrhytlunischen. Verse τὴν τότ᾽ ἐπώνυμον 
, πὔβοιαν βοὸς ὠνόμασεν Ζεὺς folgen, sondern der Vers 
wird wohl.so gelantet haben: . — ; 


Εὔβοιαν δὲ βοὸς τότ᾽ ἐπώνυμον ὠνόμασε Ζεύς. 


IV. Dieses Eragment steht auch bei Tzotzee Exeg, 
Iliad. Pa 153, 21. 

Hierher gehórt. Fr. CXLII, und zu dem. Ver- 
folg die in allen drei Sammlungen fehlenden Verse des29 
Hesiodus. selbst, bei dem Scholiasten zu Platos Gastinahl 
S. 45. (374. Bekker): | 


ἐκ τοῦ δ᾽ 0 ὅρκον ἔϑηκεν ἀμείνονα ἀνθρώποισιν 
νοσφιδίων ἔργων περὶ Κύπριδος. 


Das: Wert, welches folgt, ἀφροδισίων, hat Bekker mit 
Recht als eine Erklàrung weggelassen. Sehr verunglückt 
.war die Conjectur eiues Recensenten in der Jenaischen 
À. L. Z. 1820. No. 35. S. 270. Aber statt ἀμεί- 
vor ist ἀπήμονᾳ zu lesen. Noch gehirt hierher He- ' 
sychius i in ᾿ἀφροδίσιος ὅ Üpxog: πρῶτος. δὲ “Ἡσίοδος ἔπλα-- 
σε τοὺς περὶ τὸν 4ία καὶ τὴν Ἰὼ ὁμόσαι.. 
. - X. Zwar steht anch bei dem Athenüus τάρδε βρο- 
voi καλέουσι Πελειάδας: aber das Richtige ist τὰς δέ. 
, XII Dass die monstrósen Conjecturen des Herrn 
Grasshof in der Schnulzeitung 1831, II. No. 69. S. 548. 
ff. nicht erwühnt sind, ist guí: aber die von Fabricius 
Bibl. Gr. vol. I. p. 612. angeführten Conjectureu, uünd 
Herra Ritschls Versu) in den Schedis erifícis p. 35. 
Sollten bemerkt seyn. Des Richtige hat wohl Hr..Ja- 
eobs aus dem Gothaischen Codex herausgefunden, worans 
zu erhellen scheint, dass, wenn anders das Fragment vom 
Hesiodus ist, der Hexameter halb in Prosa verwandelt 
worden: χαλῶς wenigstens rührt gewiss micht vom.He- 
siodus her. Hr. G. aber hütte, ehe er εὐλάχτων vor- 
brachte, doch fragen .sollen, .ob das auch ein griechisches 
Wort würe. Teoiros soll nach EF ulgentius. pamphylisch 
Hrnw. Or. VI. R 


L] 

488 HESIODI — 
seym, und sordédus bedenten. Auch das sieht niehtisehr 
wahrsebeinlich aus,. [Der Reeemeent von. Herrm Ritschl 
in der Schulzeitung 1832. H. Oct. No. 118. führt noch 
den Hr. v. Leutsch ia der Hallschen Α. L. Z, Oct. 
1831. No. 219. an, und vid hat auch Herr Welcker 
in dem. Rheinischen Museum für Philologie 1. 3. Heft, 
S. 422. ff, darüber gesprochen, der an Heringa Observ. 
p. 21. und 302. (nicht 203.) erinnert, Heringa sah an der 
letztern Stelle wohl das Wahre: sed eereor ne frustra 
in loe luto haereamus, et. fraudem. nolis. faciant 
honines barbari ; quod susmcabatur. Serinersus. et 
jam, notante Munckero. — In. Aside . sub. - Heojods 
940mtine vulgata es. 300. sta habet: βριϑόμενος στα- 
φυλῇσι" μελάνϑησάν γε μὲν dida, quorum vestigia 
e Fulgentianis ists apparent: an. $gttur ex ἦος 
cersu suum effinzst? Jebrigens spricht Herz Welcker 
a. ἃ. O» weitünfüg über den Gehalt des verlorenen 
Gedichts vom. Landbau]. 

XVIII Hier war μύλης ἔπε zu schreibe. e 

XXIH, Hier fehlt Tzetzes Exeg. p. 68, 5. 13. 

XXV. Hier ist nioht angegeben, dass Gemistus Ple- 
tho Ζευχαλέωνι hat, was andere Gelehrte, wie natürlich, 
von selbst als das Wahre erkannten. "Ex γαίηρ. δευ-- 
χαλύωγος zu verbinden, hütte Hirn. G. gar micht einfal- 
len sollen. 

.[XXVE Hr, Creuzer in. den Wiener Jahrbüchern 
B. LXI. 1833. S. 18&. ,,Zu den Hragmenten des He- 
siodus, um welche sich Herr Géttlng á&ehr verdienb go- 
macht hat, muss noch.bei No. 20. folgondes a» Hero- 
. dian über den Solócismus bei Valckenür und. Boissenade 
[Anecd. Gr. T. HI. No. 9.] engefügt, bei Merra K. €. 
Müller aber, dem Apolledor. I. 9, 6. zufolpe, 80 ge- 
schrieben werden: άγνης δ᾽ αὖ Ζύιτυν τε καὶ àvii- 
ϑεον ΠΠολυδευχέα.Κ5 Das hat auch Hr. Lehmann. ΕἾ. 
19. bemerkt, und zuletzt Hr. Osann in.Jahns Anmalen 
1833. IX. B. 3. Heft, S. 255.] 

XXVII Es fehlt Etym. M. p. 523, 8. 

XXVIIL Es fehlt Eustathius p. 1337, 34 


$ e 
FRAGMENTA, -259 


' XXX. Dui legé δείξασα muss der Leser für eime 
Emendatzem "des Herausgebets halten: es ist aber, wie 
das Uebrige, aus Jinhnkenius abgesehrieben, und dabei 
wieder Anderes weggelassen, das nieht hütte wegbleiben 
sollen, namentlich Kustathis p. 1685, 61. Schol. min. 
ad: Odyss. IH. 68. md XL 285. FMdocie p. 333, 

! XXXEE Diess wird auch vom Eastaihius zum Dio- 
mysius V. 927. berührt. -. - 

XXXV. und XLV. sind keine. Fragmente, sondern 
beide Stellen heziehen Sich auf den Anfrag. vom Seuwfwn 
Herculis. 

XXXIX. Diees hátte suversichtlicher kónnen dem30 
Stesiehorus belgelegt werden, und gehürt daher wohl zu 
den fülschlich dem Hesiodns beigelegten Fragmenten. 

XL. Hier sollte die dazu gehórige verdorbene Stelle 
des Eustathins p 1023, 45. angeführt «nd. verbessert 


XLIV. Hieg sind. die: Stellen. des Strabo L, p. 43. 
VH. p. 299. D. Casaub. unbemerkt geblieben; die er- 
stere abet Nr. CXXVL als ein besenderes Fragment ge- 
setzt, bei dem jedoch hierher verwiesen wird, 

XLVk Ebem .dasselbe erzühlt der Seholiast des 
Aratus zu V. 322., aus welchem der Sicholiost des Ni- 
canüer Zu verbessern is& 

XLIX. Toig; δ᾽ ist wohl Drackfehler satt. τοῖς δ᾽. 

L. Hier fehlt Sttebo XJV. p. 647—958. und 
Stephaaus Byz. in 4uvooc, |ingleichen dessen Fragment 
in der Bibl. Coislig. p. 290. vergl. HWscÁi de Oro 
δὲ Orione p. ὅθ. seg.] 

EE Hier fehlen Eustathius p. 101, 19. 277, 2. 
650, 48. 1018, 59. Der Scholast zu Iliad. E. 204. 
Der Scholiast des Pindar zu Ol. IX. 167. Das Etym. 
M. p. 346, 41. "Tzetzes Exeg. p. 120. f. 

111. Hier fehlt Eustathius p. 265, 5. 

LIV. Τὴν δὲ Ζεὺς ἐφίλησε xal ὃν χρηστήριον 
εἶναι τίμιον ἀνθρώποις, ναῖον δ᾽ iy πυϑμένι φη- 
»γοῦ. Was Hr. G. verlangt, dass ναῦον Participium 
seyn, uud δα χρηστήριον gehem. solle, E^ nicht Statt 

| ! , 


v 


200 HESIODI 


finden. Ks ist offenbar eim Vers, wo.nieht mehr als ei- 
mer, ausgefallen, Veo» muss auf die Dodenischen Tau- 
ben gehen, die in dem, was fehlt, genannt waren. - 

ΠΧΥΗ. Die . wichtige Variante des Güttinger Co- 
dex, ἐπὶ statt vecóc, ist nicht erwühnt; ében so auch 
nicht Herrn Bückhs vier Conjecturen, von denen freilich 
die zweite und dritie gar nicht hütten gemacht werden 
sollen: aber auch die beiden andern, die an sich nicht 
zu tadeln sind, dürften das: Wahre nicht getroffen haben, 
das wohl eher F olgendes seyn müchte: : 


πρῶτοι δ᾽ ἱστία ϑέσσαν ἔπι πτερὰ ποντοπορού- 
| 'σαις» 


oder auch ποντοπορῆσαι: 
. Hier konnte Niebnhrs Andeutung bemerkt 
seym in der Rümischen Geschichte, I. Bond, dritte Aus- 
gabe, S. 50. in der Note. 
] LXX. Hierzu gehórén noch der Scholiast zu 
Jiad. XI. 740.  Kustathius p. 882, 27. 192], 22. 
Apollonius Lex. Hom. in MoAiove; Plutarch περὲὸ τῶν 
κοιγῶν ἐννοιῶν p. 1083. C. 
LXXX. Hierzu gehórte Eusiothius p. 21, 14, 
LXXXL  Enütwedet hiütte. geradezu ᾿ἀϑηνάων ee- 
schrieben, oder .doch ᾿4“ϑηγαίων als fehlerhaft bemerkt. 
seyn sollen, damit man es micht für einen Druckfehler. 
ansühe. 
31 XC. Hr. G. scheint den Scholiasten des Pindar zu 
Pyth. III. 14., aus dem dieses Fragment ist, gar nicht 
nachgesehen zu haben:.sonst hütte er finden müssen, dass . 
nach Herrn Bóckhs Vermuthung auch folgende, vo& dem, 
Asklepiades bei dem Scholiasten angelührte Verse vom 
Hesiodus sind: 


ἣ δ᾽ ἔτεχ iv μεγάροις ᾿4“σκληπιόν, ὄρχαμον àv- 
Qv, 
Φοίβῳ ὑποδμηϑεῖσα, ἐὑπλόκαμόν v Ἐριῶπιν. 


Ja man kann mit Zuversicht noch weiter gehen, und, 
was bei dem Scholiasten unmittelbar auf diese Verse 


FBAGMENTA, 201 


folgt: xai ᾿“ρσινόης ὅμοέως, worin Hr. Bóckh den N a- 
men eines Dichters verborgen : glaubte, so corrigiren: xai 
περὶ “Ἱρσιμόης ὁμιοίως" " 


 "dgotwón δὲ μιγεῖσα 4ιὸς “αὶ “Τητοῦς υἱῷ 
τίκι᾽ ᾿Ἁσχληπιὸν νἱὸν duvuovd vs χρατερόν τε. 


So erhalten wir vier Verse des Hesiodus, die jedoch in 
offenbarem Widerspruche mit dem von ében diesem Scho- 
liasten dort angeführten Fragmente. stehen, das Hr. G., 
wie seine Vorgánger, alein aus jener Stelle aufnahm, 
Aber dieser Widerspruch würde lüngst vóllip gehoben, 
uüd zugleich Hrn. "Bóckhs Vermuüthung vollkommen be- 
stütigt worden seyn, wenn man' micht die für dieses 
Fragment hóchst wichtige Stelle des Pausanias übersehen 
hátte,. der die ἐν τοῖς elc Ἡσίοδον ἀναφερομένοις ἔπεσε, 
stehenden Verse, in welchen Kororis für die Mutter des 
Aesculap ausgegeben. wird, gar nicht als Hesiodisch, son- 
.dern vielmehr jene anderen Verse als dem Hesiodus bei- - 
gelégt kannté. Er sagt Il. 26, 7., machdem er die Mes- 
- senische Sage, welche die Arsinoe zur Mutter des Áe- 
sculap machte, und ein Orakel, das auf die Frage nach der 
wahren Mutter die Koronis nennt, angeführt hat: οὗτος ὃ 
χρησμὸς δηλοῖ μάλιστα. οὐχ ὄντα. “Ασχληπιὸν “Ἴρσι- 
γόης; ἀλλὰ. Ἡσίοδον ἢ τῶν τινὰ ἐμπεποιηχότων ἐς 
τὰ Ἡσιόδου τὰ ὅπη συνθέντα ἐς τὴν [Μεσσηνίων 
χάριν... 
XOL Wer kanh errathen, dass mit οὐδ infra 
das 149. Fragment gemeint ist, zumal da dort aus ei- 
er andern Ausgabe des "Sttzbo. eine andere Seitenzahl 
als.hier. angegebem istP? ὁ ' 
᾿ς XOlL Es würe eine leichte Mühe gewesen, auf 
Veranlassung des Scholiasten den Eustathius nachzu- 
schlagen, der p. 1324, 16. gerade die von dem Scho- 
liasten nicht berührte Hauptsache enthült, dass von dem 
Ringen des Hippomenes mit der Atalanta die Rede war: 
woraus.sich würde ergeben haben, .dass das Bruch- 
Sfück wohl nüher mit dem 75. zu verbinden gewesen 
würe. 


. 903 ^ HESIODI 


XCVIL Hier ist nicht amgepeben, dass diese Verse 
anch Emdooia p. 278. und Knustathius | p. 1163, 61. 
De ta 
XCVIIL Hier ist παντοίης σοφίης δεδαηχότα zu 
schreiben. ERN 
. XCIX. Anstatt τέχο τῇ ἹΜελιβοίᾳ mochte wohl 
véxero χλειτὴ Μελίβοια Hesiodischer seyn, als was Hr. 
G., ohne den Sinn der Worte zu bedenken, vermutheie : 
τόχε τηλεχλυτῇ MeAgotn. , | 
32 CIV. Wenn man mit Hrn. G. ἢ xoi ΠΠαιήων. ὃς 
Tyra τὸ Qdouaxa οἶδεν schreibt, muss mam anneh- 
men, dass das durch τὸ angekündigte felpende Glied des 
Satzes wegselassen sey; mnd das ist.sehr wahrscheinlich, 
da dieses Glied' gewiss auch seim eigenes: Verbum gehabt 
hat. JIndessen bleibt doch einiger Zweifel übrig, da man 
auch πάντων stai πάντα τὸ geschrieben. Rndet. Hr. 
G. sezt nun alles her, was Hr. Dimdorf giebt, det mit 
alizu lakonischer Kürze den Leser in. einigo Verlegenheit 
setzt, Denn weder ist angegeben, woher die Nete won 
Hemsterhuys sey (sie ist eie von Gaisford in dem 446» 
dendis mitgetheike handschrifliche Ánmerkunpg im einem 
Exemplare der Lósnerichen Ausgábe), noch erfáhrt 1n, 
wie Barnes lese, dessen Conjectur wenigstens weit besser, 
als die Hemsterhuysische sey (Barnes liest, schlecht pe- 
nug, ἢ αὐτὸς «Παίων, 0g ἁπάντων φάρμακα οἶδεν); 
noch lüsst sich,endlich, erkennen, was Hr." Dindorf selbst 
bilipe, wem er sagt: sed omnéum: optima haud du- 
bie est. librorum scriptura, snodo οἶδεν 6: Eusta- 
io reciptatur.: Dens es giebt hier mehr als eime d 
brorum scriptura, und keine taugt: etwas, Selbst wenn 
jemand ἢ xoi l1oujwv, παντοῖ ὃς φάρμακα οἶδεν 
lesen wolke, würde das nicht eben sehr zu loben seym. 
CVi, Hier hat Hr. G. slles was Gaisford aus Rukln- 
kenius gab, und den Zusatz von Herra- Dindorf wegpe- 
ilmssen, so dass der Leser weder von Ausonims ΧΟ 
XVIIL, Plmius H. N. VII. 48., dem Etym. M. P» 13, 
86, dem Scholiasten zu Aristophanes Vógeln 610., dem 
. Tzeizes Exeg. p. 149., noch von der Verschiedenheit 


' FRAGMRNTA, 968 '' 


der Lesart etwas erfáhrt, Aber rmicht einmal die Stelle 
des Plutasch, aus der er:das Fragment giebt, scheint 'er 
machgeschlagen zm haben: somst hitte er doch wohl an- 
geführt, was dort über die Versehiedenheit der Lesert, 
ἡβώντων nd γηρώντων gesagt ist, wovon das letztere 
darch den Ausomus, das Btymologicum, den lzetzes be- 
βίδρέ. wird. Uebrigens. gehórt zu diesem F'ragtnente noch 
Platarch im Gryllus p. 989, A, und Tzetzes zum L;- 
cophron V. 794. 

CXL Die yo Miller zum Tzetzes anpefülirten Va- 
rignten scheint Hr, G. ebenfalls nicht nachgesehen zu ha- 
ben: sonst bitte er wohl eine andere Conjectur gemáohf, 
als εἴϑε μοι εἴθ' ἥσσω αἰῶνα βίοιο. Die ersten Verse 
Ed so gu. verbessern: 


Ζεῦ πάτερ, EO ἥσσω μοι ἔχειν αἰῶνα βίοιο 
, dites δοῦναι xai μήδεα ἴδμεοναι ἶσα 
ϑνητοῖς ἀνθρώποις. 


Was Hr. 6: von dem letzten Verse sagt: pro ἑπτά μ᾽ "33 
screbe ἑπτὰ δ᾽. imb der Sprache zuwider. Ἕπτά μὲ 
ist ganz.richtig; aber was 50 ἔτι, das zwar einige Hand- 
schriften,, aber eben so amnpassend, als die. andoro Lesart 
ἔτη geben? Es ist zu schreiben: ἕπτά p ἐπὶ ζώειν 
γενεάς. , 

ΟΧΗΙ, Den zweiten Vers führt such Eustathius an 
p. 900, 17. 1775, 17. . 

CXV. Hier, steht am Ende GAISF. statt DIND. 

. CXIX. Diess wird auch vem Scholiasten des Ára- 
tus zu V. 102. angeführt, wo ξυγοὶ δ᾽ αὖ ϑῶχοι steht. 
.  CXXH. Es ist ken Gruxmd werhalen, lieber τ᾽ 
ἦδὲ als τὸ Ἰδὲ zm schreiben, 

. CXXX. Diess ist, wie dir. G. selbst sesteht, ein 
.des Empedokles, Warum steht es also mitten 
uxter den Hesiodischen? 

. CXXXIL Bei dem Sirabo steht nicht, wie Hr. G., 
der Gaisfordischen oder Dindorfischen Ausabe folgend, an- 
giebt, xaí ve, sondern xoi δέ. Diess hütte er sehr gut 
zu seiner Conjectur ὃς παρὰ μὲν Πανοπῆα ῥέει bran- 


264 HESIODI 


chen kónnen, einer r Conjectur, die allerdings manches für 
sich hat. Da jedoch bei dem Strabo bloss IIovo- 
πέδα ohne δόει steht; ferner da die Rede vom Cephissus 
is, von welchem Hesiodus (Fr. CLIL) sagte: ócre 
“Ἰιλαιῆϑεν προχέει xoAMóoor ὕδωρ; endlich da Strabo 
eben erst von dem Ursprunge dieses Flusses bei [2188 
gesprochen hat: ist es hóchst wahrscheinlich, dass er das 
ὃς aus dem eben genannten Verse nahm, und nur das 
Epitheton zu Πανοπίδα wegless; mithin die beiden Fra- 
gmente so zusammenhingen: . 


ὅρτε “ιλαίηϑεν προχέει καλλίφῥοον ὕδωρ 
καὶ παρὰ Πανοπίδα. . Τλήχωνά τ᾽ ἐρυμνήν, 
καί ve δὲ ᾿Ορχομενοῦ εἰλιγμένος εἶσι δράχων 


Ebenfalls ist unbemerkt geblieben 9 dass der mediceische 
Codex nicht Z'A5xcova, sondern, was wohl das Richtige 
ist, ΤΓλήχωνα hat. Uebrigens .kann gefragt werden, ob 
Hicht zu diesem Fragmente gehóre, was als Fr. CXXXTIT, 
, davon gesondert iat, bei dem Scholiasten des Pindar zu 
OL XIV. arg. ταὐταὶς yàg ᾿Ἑτέοκλος à Κηφιασοῦ τοῦ 
ποταμοῦ πρῶτος ἔϑυσεν, ὥς φησιν Ἡσίοδος" διὰ δὲ 
τοῦ: ᾿Ορχομενοῦ ὃ Κηφισσὸς δεῖ. Denn es scheint, 
dass die Worte ὥς quow Ἡσίοδος nicht: an der rech- 
ten Stelle stehen; mithin nicht was vam Kteoclus er- 
zühlt wird, sondern dass der Cephissus durch Orchome- 
nus fliesse. , mit dem Zeugnisse des Hesiodus bewiesen 
ist, Ein áhnlicher lrrthhum der Abschreiber findet sich 
Fr. CXXXVIIL, welches anch zu 'den'fálschlich dep 
Hesiodus beigelegtan Fregmenten gehórt. 
34 . CXL. Hierzu gehóren .die Scholien. zu. Iliad. XII. 
202., wovon das zweite ausführlchere .muskunit giebt. 
CXLV. Hier hátte die unbedachtsame Emendatiog 
von Ruhnkenius nicht ohne Rüge wiederholt werden sollen. 
CXLVI. Hier war leicht zu sehen, dass , Was von 
den Harpyien gesagt wird, ἢ εἰς τὰς πνοὰς ἔτρεχον, ὡς 
Ἡσίοδός qai, S0 zu verbessern ist: ἢ ἴσα ταῖς πνοαῖς 
ἔτρεχον : Woraus sich ergiebt, dass .die Stelle meht un- 


FRAGMENTA. 265. 


ter die Fragmente zu setzen. War, » indem gie eich auf 
Theogon. 268. bezieht: 


€ 5» 


αἵ ὁ ἀνέμων πνοιῇσι. καὶ οἱωνοῖσιν ἕπονται 
ὠχείῃς πτερύγεσσι.. 


CLY. Bei den Worten des Seholiosten zu Iliad. 
XXI. 528.: ὅϑεν ἄφυζαν τὸν λέοντα Ἡσίοδός φησιν, 
hütte noch das andere Scholion, wodurch dieses Citat 
zweifelhaft wird, hinzugefügt. werden sollen: ὅϑεν ἄφυ- 
ζαν Ἴωνες ἐχάλουν τὸν λέοντα.  Uebrigens fehlt dieses 
Wort in dem an Unnützem überreiehen Londoner The- 
saurus des Stephanus. 

. CXLIX. Hierzu gehórt ach Eustathius P 882, 64. 

CLIL Hier ist Buitmanns von dem neuen Heraus- 
geber des Clemens aufgenommene Emendation in der 
Grammatik Ι, S. 335. übersehen: ἀϑανάτωκ τέ οἱ οὖ-- 
τις ἐρήρισται κράτος ἄλλος. 

. S. oben zu ΟΧΧΧΙ,  Unverzeihlich ist es, 
dass Hr. G. hier den Hesiodischen Vers bloss aus dem | 
Scholiasten. des Homer mit der Lesart “Τιλαΐησι προϊεῖ 
(Οιροΐει steht dort) anführte, und sagte, in dem Homeri- 
schen Hymnus des Apollo, wo dérselbe Vers vorkomme,. 
sey “ιλαίηϑεν προχέξι geschrieben; nicht aher hinzu- 
setzte, was er doch in der Gaisfordischen und Dindorfi- 
schen Ausgabe vor Áugen hatte, dass Eüstathius p. 275, 
16. diesen Vers gana so, wie er in dem Hymnus steht, 
aus dem Hesiodus anführt. 

CLV. Dieses Fragment wird von dem Eustathius. 
auch noch p. 126, 10. und 797, 45. erwühnt.  Ver- 
muthlich hingpen die" Worte: zusammen: - Φυλῆα φίλον 
μαχάρεσσι ϑεοῖσιν. 

CLVI. Auch hier sind die bereits von Ruhnkenius 
angeführten Stellen des Eustathius p. 1206, 8. 1689, 2. 
und des Schol. min. zu. Odyss, ΧΙ, 325. nicht bemerkt, ' 
Hinzuzusetzen ist der Sicholiast zu Iliad. XX. 227. und 
der des Apollonius zu E. 48. 

CLVII. Die Stelle: des Nicolaus und die Verse 
des Hesiodus sind hier aus der Gaisfordischen oder Din- 


e 


* 


206 . HESIODI 


deefischen Ausgabe nit .dem zweimaligen alten Sehreib- 

fehler ᾿“μαϑαονιδῶν und "uePaovidans wiederholt, und, 

weil Gaisford blos sagt; Kustero citatus ad. Suidam 

v. ZdAxi, ist Suidas, den Hr. G. gewiss nicht nachschlug,.- 

35nicht einmal erwühnt, bei dem doch das Fragment eben- 

^ ' falls steht, wad zwar richtig geschrieben, bis auf δέ περ. 

| wofür pro neg. lege nóp cum Reto den Gebrüdern 

Dindorf nachgeschrehen ist. Reiz emendirte den Sinn, 
| nicht auch den Rugthmus, der δ᾽ ἔπορ᾽ verlangt. 

CLVIIL Auch dieses F ragment findet sich moch bei 
dem. Snidas in δαῖτας. 

DLIX. Diess gehórt, wie. aus dem. Clemens ge- 
schlossen werden kann , ὅπ eiher amderm. Recenaion, der 
Ἡμέραι. als die ist, welche wir besitzen. — 

CLX. Hier oder oben zu Fr. LV. solite doch der, 
webn auch unversichtipon Conjectur von Ruhnkenims Kr- 
wühnung gethan seyn, dass “Χαρίτων ἀμαρύγματ᾽ ἔχου- 
σὰ ἄοτί statt Χαρέτων ἄπο χάλλος ἢ ἔχουσα zt selten sey. 

CLXI. Diess Fragment, das, wie Hr. G. selbst be- 
merkt, Worte des Pindar enthált, sollte anch nicht mitten 
unter Hesiodischen stehen. 

| CLXIH. Hier ist East p. 6, H4. micht am- 


CLXIV. Hierzu gehírt noch Fastathins. p 1710, 
39.: : ἐνταῦϑα δέ φασὶν oí παλαιοὶ ὡς ἐντεῦϑεν λα- 
βὼν Ἡσίοδος ἐμυϑεύσατο ὑπὸ “Σειρήνων καὶ τοὺς 
ἀνέμους ϑέλγεσθαι.  Uebrigens sollte dieses Fragment 
mit CXX VII, i in welchem ven den Siremen die Rede 
is, zusammengestellt seyn. —Amuch ist der Spholiast zu 
Odyes, XII, 160..statt 168. citirt. 


Wir wollen mun diese Sammleng mit eir Nach- 
lese unbemerkt gebliebener Fragmente i in fortlaufender Záüh- 
lang bereichern. 

CLXVI. Athenàus XIII, p 609. E.: Ἡσίοδος δ᾽ 
ἂν τρίτῳ ἹΜελαμποδίας τὴν ἐν Εὐβοίᾳ Χαλκίδα καλ- 
ἐεγύναικα εἶπεν.  Diess wiederholt . Eustathius p. 875, 


b 


FRAGMENTA, 267 


CLXVIL Etyn. M. p. 60, 41. Es wird gezeigt, 
dass die Mntter des "Tityus imicht 5221£oo, sondern Ἐλά- 
pc geheissen habe: πίστις τούτου' ἐκ τοῦ παρ᾽ Hoi- 
δῳ μετὰ προςϑήχης τοῦ ει λέγεσϑαι τὸ πατρωνυμι- 
xóy* ΕἸἰλαριάδην' γάρ φῃσι Τιτυόν. Es ist Εἰλαρί- ' 
δὴ» Zu schreiben; nicht, Wie Hr. Bóckh zum Pindar. 
Fragm. 138. will, ΕἸλαράδην. Auch Chiron heisst jà 
. φιλυρίδης, nicht Φιλυράδης. | : 
 CLXVII. Etym. M. p. 133, 34. 183, 24. ἄπτε- 
ρέως. fSchwerlich nióchte Rulnkenius mit Recht behaup- N 
tet haben, dieses Wort gehóre nicht dem: Hesiodus, sen- 
dern dem Ápellonims, och haben es die Fragmenten- - 
sgmmler, ihm folgend, weggelassen. | 
CLXIX. RHtym. M. p. 215, 37. Boovós. — ὃ 
δὲ Ῥμσίοδος. ἀπὸ BootoU τοῦ i9éoac καὶ Ἡμέρας. 
CLXX. Etym. M. p. 430, 506. Ἠμύω" ἐκ τοῦ 
prt, πλεογασμῷ τοῦ v. ὃ δὲ Ἡσίοδος ἀμύοντα xo- 
pde εἶπε διὰ τοῦ a. “ον 7 
CLXXL Etym. M. p. 790, 57. Φοῖβος — 1/36. 
ἀπὸ. Φοίβης μαμμωνυμικῶς (so hat man verbessert) 
ὡς Ἡσίοδοςς Der Scholiast zu lad. L 43. 3 ἀπὸ 
Φοίβης μαμμωνυμικόν, ὡς καὶ Ἡσίοδος. — | 
CLXXI. Harpoeration in. Μελίτη" χεχλῆσϑαι δέ 
φησι τὸν δῆμον φδιλόχορος ἐν τρίτῃ ἀπὸ ἹΜελίτης 
ϑυγατρὸς κατὰ μὲν Ἣ σίοδὸν Μύρμηκος, κατὰ δὲ 
Μουσαῖον Δίου τοῦ "᾿Απόλλωνος. Eben dasselbe er- 
zühlt Suidas in Μελίτη. | mE 007 
CLXXIIIL Harpocration und. Suidas: “πὸ γῆν οἷ- 
κοῦντας λέγοι ἂν τοὺς ὑπὸ 2xwAexog iv τῷ Περί- 
σιλῳ λεγομένους Τρωγλοδύτας, xai τοὺς ὑπὸ Ἡσιό- 
δου ἐν τρίτῳ Καταλόγου Κατουδαίους ὀγνομαζομέ- 
ψους. Vielleicht hat eben daber auch Hesychius Κατου- 
δαῖοι. ᾿ 0 0007 
CLXXIV. Apellenins Lex. Hom. inórov. — 
ἔστι δὲ οὗτος τῶν 'oxaÓixdv ἡρώων, περὶ οὗ φη- 
σιν Ἡσίοδος" 


Αἴἴπυτος αὖ τέκετο Ἰλησήνορα Πειρίϑοόν τε. 


208. HESIODI 


CLXXV. Suidas in ἀγάλματα: x αἱ Ἡσίοδος τὸν 
ὅρμον ἄγαλμα καλεῖ. 

CLXXVI. Dioder von Sicilien IV.: 85. Ἡσίοδος 
δὲ -ὃ ποιητὴς φησὶ τοὐναντίον ἀναπεπταμένου τοῦ 
πελάγους, "Ὠρίωνα προρχῶσαι τὸ κατὰ τὴν “Πελωρί- 
δὰ χείμενον ἀκρωτήριον; xoi τὸ τέμενος. τοῦ Ποσει- 
δῶνος χατασκευάσαι, τιμώμενον ὑπὸ τῶν ἐγχωρίων 
διαφερόντως" ταῦτα δὲ διαπραξάμενον εἷς Εὔβοιαν 
μεταστῆναι κἀκεῖ κατοικῆσαι" διὰ δὲ τὴν δόξαν ἐν 
τοῖς XOT οὐρανὸν ἄστροις καταριϑμηϑέντα τυχεῖν 
ἀϑαγάτου μνήμης. 

CLXXVII. Der Scholiast zu Iliad. IV. 195.: .Ma- 
χάων δὲ οὗτος υἱὸς ᾿Ασκληπιοῦ καὶ ᾿Αρσινόης ἢ. Κο- 
ρωνίδος, χατὰ δὲ τινὰς Ἥπιόνης τῆς Μέροπος, κατὰ 

& Ἡσίοδον Ξάνθης. Der Scholiastes minor hat (Ξὰν - 
ϑινόης. 

CLXXVIII. Der Scholiest zu lliad. XL 155. über 
ἄξυλον: ot μὲν τὴν ϑρυώδη ἀποδεδώχασιν , οὗ δὲ 
τὴν. πολύξυλον᾽ βέλτιον δέ, dq ἧς οὐδεὶς ἐξυλίσατο, 
ὡς Ἡσίοὗ ος. | 


᾿τῆλε. γὰρ ἀξυλίῃ χατοπύϑετο χείλεα γηῶν. 


So ist zu corrigiren. Was geschrieben steht, κήλεα, das 
von Schneider und Passow für eine andere Form von. 
κῆλα ausgegeben wird, ist barbarisch. —Auch τῆλε. ist 
vielleicht nicht richtig, 'sondern künnte wohl τῇδε geheis- 
sen haben, was:jedoch nicht mit ἀξυλίῃ zu construiren, 
sondern für dort.zu nehmen seyn würde. 
.CLXXIX. Die Scholiasten zu Odyss. XII. 68. 
 diaevec δὲ xai Πολυμήλας καϑ' Ἡσίοδον γίνεται "Iá- 
σων. Es ist kein liberzeugender Grund vorhanden, mit 
 Ruhmkenius JJoAvgrjumé und Ἡρόδωρος zu schreiben, 
weil der Scholiast des Apollonius. zu I. 40. sagt: "Hoó- 
δωρος δὲ Πολυφήμην φησὶν εἶναι τὴν Ἰάσονος μη- 
τέρα. Noch hatte “ἴσονος vielleicht Stephamus Byz. 
in 4fiowy im Sinne. 
37 CLXXX. Atheniüus Il. p. 49. B. ὅτε Ἡσίοδος ἐν 
Κήϊχος γάμῳ, κἂν γὰρ γραμματικῶν ὁ ῦδες ᾿ἄποξε-- 


' FRAGMENTA. |. 969 


γῶσι vob ποιητοῦ τὰ ἔπη ταῦτα, ἄλλ᾽ ἐμοὶ δοχεῖ 
ἀρχαῖα εἶναι. τρίποδας τὰς τραπέζας φησί. Pollux 


VI. 83. ἦσαν δέ τινες πρῶται “τράπεζαι ; xoi δεύτε- E 


gat; χαὶ τρίται; καὶ τρίποδες μέν, ἐφ᾽ ὧν ἔχειντο. xol 
ἔστι τοὔνομα 7o Ἡσιόδῳ καὶ ἐν Τελμησσεῦσιν ^ dpr- 
στοφάγους. - j 

CLXXXTI. Strabo vin. p. 364. Casaub. 560. 
Alm. Ἡσιόδου δέ, ὅτι τὸ βριϑὰ τὸ βριαρὸν βοῖ Aé- 
yet« Wiederholt von. Eustathius p. 295, 4. 

CLXXXII. Strabo VIIE. p. 370— 508. " Holodoy 
μέντοι καὶ ᾿Αρχίλοχον ἤδη εἰδέναι χαὶ Ἕλληνας λε- 
γομένους τοὺς σύμπαντας καὶ Πανέλληνας" τὸν μὲν 
περὶ τῶν Προιτίδων λέγοντα ὡς Πανέλληνες. ἐμνή- 
στευον αὕὗτάς, τὸν δὲ ὡς Πανελλήνων ὀϊζὺς ἐς Od- 
σον συνέδραμεν. 

COLXXXIIL Strabo XIIL p. 588—879. οὐδὲ 
γὰρ. "Ho(odoc οἷδε Πρίαπον. 

CLXXXIV. Strabo XIV. p. 676— 994. * Hafo- 
δὸς δ᾽ ἐν Σόλοις. ὑπὸ ᾿“ΤΠπόλλωνος ἀναιρεθῆναι τὸν 
᾿Αμφίλοχον φησίν. 

CLXXXV. Der Scholiast zu Sophocles Oed. Ty. 
arg. οὔτε γὰρ Ὅμηρος. οὔτε ᾿Ησίοδος οὔτε ἄλλος oU- 
δεὶς τῶν παλαιῶν. τύραννον ἐμ τοῖς ποιήμασιν ὁγό- 
μάξει.. 

CLXXXVI. Eustathius P. 112. am Ende: ioréov 
δὲ ὅτι τὸν Πάτροκλον ἡ παλαιὰ ἱστορία καὶ συγγε- 
γῇ τῷ Ay pet παραδίδωσι, λέγουσα ὃ ὅτι “Ησίσδός φησι͵ 
Μενοίτιον τὸν Πατρόχλρυ πατέρα Πηλέως εἶναι ἀδελ- 
φόν, ὡς εἶναι αὐταγνεψιοὺς οὕτως ἀμφοτέρους ἀλλήλοις. 

C . Den ganzen Inhalé der Melampodie 
erzühlt der Sgheliast des Apollonius zu I. 118.: ἐν δὲ 
ταῖς καλουμέναις μεγάλαις "οίαις λέγεται u.- 8. w. 

LXXXVHI. Der Schóliast des Theocrit zw XVI. 
49..vom Cycnus, dem Sohme: des Neptun .und der Ga- 
lyce; ᾿Πσίοδος δέ φησιν αὐτὸν τὴν χεφαλὴκ ἔχειν 
λευκήν" διὸ καὶ ταύτης τῆς κλήσεως ἔτυχεν. 

| . Pausanizs 1.43, 1. ἐγὼ δὲ ἤκουσα 
μὲν καὶ ἄλλον ἐς Ἰφιγένειαν λόγον ὑπὸ '"doxdádoy 


220 ' : HESIODI 


"λεγόμενον, οἶδα dà ΣΗσίοδον ποιήσαντα ἐν Χαταλό- 
yo γυναικῶν. Ἰφιγένειαν οὔκ. ἀποθανεῖν » γνώμῃ δὲ 
" Agréuidoc Ἑχάτην εἶναι. 

CXC. Antonimus Liberalis in der Ueberschrit des 
26. Kapitels, das vom Battus handelt: ἱστορεῖ Nixay- 
δρος Ἑτεροιουμένων d, xai ᾿Ησίοδος iv μεγάλαις 
᾿Ηοίαις u. 8. Ww... 

CXCI. Die Gesclüchte der Helice, der Tachter Ly- 
caons, erzühlt weitliulkg aus dem Hesiodus der Scholiast 
des Aratus zu V. 27. 

38 . CXCIIL Wahrscheinlich aehórt. dem. Hesiodus Fol- 
ΜῈΝ bei dem Eustathius p.. 272, 18. Ὀρχομενοῦ γάρ 
φασιν υἱοί" 


"Ασπληδὼν Κλύμενός vs καὶ * 4uqid'oxós ϑεο- 
o διδήρ. 

CXII. Eustathius. p. 1318, 8. ὑπερβασία, ἧς 
xai παρ᾽ Hoi χρῆσις àv τῷ 


ὑπερβασίαι δ᾽ ἀλεχειναέ 


Diess war selon von Gaisford zu dem. letzien Verre der 
Ἔργα bemerkt. 

CXCIY. Eustathius p 1424, 6. ὅτι δ᾽ ἐντεῦϑεν 
λαβὼν *Hoiodog καὶ τὰ Μέγαρα τὴν χώραν σκιόεντα 
ἔφη, ὃ Πορφύριος δηλοῖ. 

ΟΧΟΥ͂. Porphyrius. de abstin, IL 18. p. 134. 
καὶ τὸν “Ἡσίοδον οὖν εἰχότως τὸν κῶν ἀρχαίων ϑυ- 
σμῦν νόμον ἐπαινοῦντα. εἰπεῖν: 

ὥς χε πόλις δέζῃσι" νόμος δ ἄρχαῖρς ἄριστος, 
Dieses Fregment war sehon in. den Semmlungen -von 
Gaisford, in der Lüsnerischeu Aüsgabe V. 189. abet iz- 
rig aus der Sehrift de eniro nympharum: vitirt. . 

CXCVL Der Victorianiselie Siclioliast zu. Dad. XVE 
174. Ζηνόδοτος δὲ Κλεοδώρην φησίν, “Ἡσιόδου xci 
τῶν ἄλλων Πολυδώρην. αὐτὴν χαλούνετων.  Gaisiord 
“πὰ ὃ. Fregmente seiaer Siamunhung mneinf, es se 
*Hiodopov zu schreiben, ᾿ , 


* — FRAGMENTA m 


CXCVIL Pelax X, 85. τὰ 0? κάναστρα τοῦ 
ποιήσαντος τοὺς -Κεραμέας, οὃς τινὲς (Bo ist statt oDc- 
τινὰς zu lesen) ᾿“Πσιόδῳ προςνέμουσι"" λέγει γοῦν" 


δὺ δὲ περανθεῖεν χότυλοι καὶ πάγτα χάνα- 
στρα. ^ —— mE 
Diess ist der dritte. Vers dieses unter den kleinen Ho- 
merischen befndlichen Gedichtes, | 

CXCVIII. Suidas: χομιδή, f; Gvdaociw. " Hoódo- 
vog" λέγεται δὲ καὶ 7) ἄφιξις. “Ησίοδος. Πολύβιος. 
Küster hat “Ἡσίοδος weggelassen. Auch ist dieses Citat 
allerdings verdüchtig. ^  - 

Hierzu mügen nun nachfolgende, irrig dem Hesiodus 
beigelegte Stellen kommen, ! 

CXCIX. Hesychius in ἄμφουδις: wo “Ηρωδιανὸς 
zu lesen. Die Glosse gehórt zu Odyss. XVII. 237. 

CC. Etym. M. p. 300, 2. ἄνεμος δὲ φλόγ᾽ εἴλυ- 
φάξζων, was wahrscheinlich aus dem Gedüchtniss statt 
ἄνεμος φλόγα εἰλυφάζει citirt ist, das sich Tliad. XX. 
492. findet. . 

CCI. Eustathims führt die. Homerische Sentenz, dass . 
wepige Sühne ihren Váütern gleichen, p. 124, 37. 447, 
27. als Worte des Hesiodus an, hat aber wohl nachher 
den Irrthum erkannt, da er p. 1035, 43. dieselben Worte, 
ohne den Hesiodus zu nennen, berührt, Die Verse ste- 
hen Odyss. II. 276. f. | 

CCIIL Der Scholiast zu.den Flügeln des Simmias:39 
S, Jacobs zu der Anthologie 1, P. IL. p. 8. "4xpo»t- 
δὰν δὲ τὸν οὐρανόν. 'Hoíodoc* Γαῖα μὲν "ἄκμονα 
ἔτικτεν᾽ ἀπὸ δ᾽ "4xuovog Οὐρανός. Dieses weicht 
so sehr von der überall im Alterthume als Hesiodisch an- 
erkannten Meinung ab, dass mam es nicht einmal einem 
spütern Umarbeiter der Theogonie zutrauem kann.  Be- 
trachtet man aber, was Eustathius p. E154, 25. sagt: 
di; 08" 4xuovos ὃ Οὐρανός, ὃ ",dAxudàv φασὶν ἕστο- 
gri, 80 kann man wohl mif ziemlicher Sicherheit vermu- 
then, dass jene Worte aus daktylischen Versen des Alk- 
yan sind: | 


7272 HESIODI 


Γαῖα uiv"4xuoy Eux?: ἀπὸ δ᾽ "dxuovoc 
Οὐρανός. | ᾿ 
[CCIII. Zonaras S. 948. f. μι Go?» ἄνεμον: ὡς 
παρὰ τὸ πέτω γίνεται πετήν. "Hoíoódog: αἰετὸν μὴ 
πετῆγα γενέσθαι. Dass der Vers zweifelhaft, und ge- 
wiss verdorben sey, ist von Ritschl de Oro et Ortone 
p. 75. bemerkt. Sicher ist Hesiodus statt eines loni- 
schen oder Aeolischen Lyrikers genaunt — Denn offenbar 
. sind diese Worte ein daktylischer Vers mit der Basis, 
und so zu schreiben: 


. alevóv μὲ πετῆνα γενέσθαι. 


Es ist zu bedauern, dass Porson nicht das Scholion des 
Cod. Harl. zu Odyss. XIL.313. mitgetheilt hat, wo 
schwerlich, wie er meint, das Citat aus Choriamben des 
Anakreon, αἰνοπαϑῆ πατρίδ᾽ ἐπόψομαι sich auf die 
Lesart ζαῇ bezieht. Eher móchte man vermuthen, auch 
der Vers bei Zonaras.sey vom Anakreon, und das Fra- 
gment habe so gelautet: 


 alevóv μ18 πετῆνα γεμέσθαι,, 
. αἰνοπαϑῆ ἵνα πατρίδ᾽ ἐπόψομαι. 


Wir wollen nun, damit Herrn Góttlings Fragmen- 
tensammlung doch brauchbar werde, ein Verzeichniss der 
Schriftsteller geben, aus welchen diese Fragmente genom- 
men sind. Die Zahl der Fragmente geben wir doppelt 
an, zuerst nach der Gaisfordischen und Dindorfischen, 
sodann, durch einen Strich getrennt, nach der Giótt- 
lingischen Záühlung*). — Ein beigesetztes "Sternchen be- 
deutet, dass die Angabe eines Schriftstellers von Hrn. G. 
unterlassen, und in unsern Bemerkungen nachgetragen ist. . 


*) Es ist jetzt noeh eine dritte. Zahl hinzugekommen, welche 
sich auf die Zahl der Fragmente in der Sammlung bezieht, die 
Herr Karl Lehmann zu Berlin. 1828. in der unter dem Titel: 
De Hesiodi carminibus perditis particula prior herausgekomme- 
nen Schrift gegeben hat, Dadurch ist zugleich diess Verzeich- 
niss vollstándiger geworden, 


FRAGMENTA. 


Achilles Tat. Isag. in daret. p. 169 
2 


Aelian. V. H. XII. 2 
36 
Ammonius ὃ ὄρϑρος 
Antoninus Lib. 23 
Apollodorus " 8, 4, 


Apollonius Dysc. 


Athenaeus IL p. 40 
49 B. 


609 E. 
Athenágoras Legat. p 
Ausonius Idyll. Xvili. 


Choeroboscus in Bekk. Anecd, p. 


1183. 


de pronom, 

Apollonius Lex. Hom. 4irrov ἡ 
Moàtovs 
τορος . 

Aristoteles Eth. Nic. m. 3 


. Áspasius ad Eth. N. E Pa 


. 364 B. 
. 428 C. 
. 491 C. 
498 À. 
503 D. 
. 557 Α. 


134. 


99 — - 


Clemens Alex. Coh. p. 63. Pott, .53 — 


Strom. Y. p. 330. 
337. 

V. (p. 438. Sylb.) 
710. 


Hrnw. Or. VI. 


1] — 
54 — 


53 — 


MEME 


| 


rs HESIODI 

Clemens Strom. V. p. 727. 52 — 114 
VI. p. 751. $5 — 110 

| Constantin. Porphyrog. de Themat, 

p. 82. 88 — 26 — 18 
Diedores Sic. IV. 85. — 176* 
Diogenes Laert. VIII. 1, 26. | — — 120 
Etymol. M. p. 13, 30. 50 — 1068 | 

21, 20. 01 — 71 — 30 . 
60, 41. — 167* — 131 
71, 31. 85 — 100 
133, 34. — 168 
183, 24. — 1085 
215, 37. — 169* — 8 
.300, 2 — 200* 
346, 41 3 — 51* 
430, 56 τ ς- 1705 β 
523, 8 5 — 275 — 110 | 
557, 8. 20 — 145 
768, 25. 68 — 7 — 20 
706, 57. --- 1715 
' Etymolog. Mis. ᾿]λεὺς. 3 — 81 
Eudocia p. 23. — — 93 
37. — 03 — 21 
71- — 18 — 73 
| 108. — 21-:— 14 
148. 600 — 64 — 121 
278. 1— 97* — 1 
280. — 187* — 107 
314. t — — 132 
331. -— 1886 — 40 
333. ΄. 22 — 30* 31 — 
33. 35 
375. 6] — 71 — 30 
3094. ) 601 — 71 — 30 
415. ! — 61* — 112 
, Eustathius p. 6. ΝΣ 84 — 103* 
13. — — 9 
21. — 805 


$ 
i] 7 " 


LI 


FBAGMENTA.  .  . 235 


Eustathius p. 101. 89 — 515" 
112. — 180* — 40 
124. — 2015 
125. 8 — 155 — 23 
126. 8 — 155*  - 
231. 22 — 31 — 235 
205. & — 92* — 123 
272. — 192 
275. 6 — 153* 132*— 41 
125 . 
277. 8— 51. ᾿ 
205. — 1815 
302. ἢ — — 13 
323. 2 — 156 
447. — 201* 
. — 461. 58 — 72 — 8 
650. 8 — 51* — 374 ,. 
797. 8 --- 1555 ' 
875. -- 166* — 
882. 0 — q4*.— 24 
882. 12 — 149* ' 
900. 42 — 113* 
1018. 8 -τ 515 . 
1163. Ι -- 97* — [1 n 
1206. 2 —156* ᾿ 
1318. — 193* , e 
1321. — 74* — 24 
1324. — 92* — 60 
1337. 5 — 28* — 109 
1424. — 149* ' 
1494. 89 “--- 104 | 
1023. — 40. 
1685. 22 — 5608 — 33 
- 1689. |^ 2 — 1665 
*. 1710. — 164 — 68 


᾿ς 


4) Gehórt zu Theog. 220. S 
2 


Φ 


220 * HESIODI 
Eustathius p. 1746. 5— 21 
1775. 42 — 1135 
1796. 7 — 103* 
Eustathius ad Dionys. 927. 9 — 32* 
Favorinus εὐφυὴς. 98 — 78 
Ἴφικλος. — 1565 
Fulgentius Myth. III. 1. 86 — 12 
Grammaticus in Bachm. Àn.L 281. -“-“- 138 
. Grammaticus περὶ βαρβαρισμοῦ., — — 
Gemistus Pletho epit. Strab. 11 — 25* 
Harpocration ἔργα νεῶν. θ5 --- 116 
μαχροκέφαλοι. θέ -- 44 
ἹΜελίτη. — 172* 
ὑπὸ γῆν οἴχοῦντας -- 173" 
Herodisnus περὶ μον. λέξ. p. 11. 90 — 99 
17. 91 — 1422. 
, | 18. 92— 42 
* 42. 93 — 43 
Herodotus IV. 32. — 129 
Hesychius ἄμφουδις. — 199* 
! ᾿“Ιφροδίσιος ὅρκος. — 58 
δίψιον "4ργος 58 --- 72 
42 àv Εὐρυγύῃ ἀγὼν. 45 — 81 
κατουδαῖοι — 172* 
Hyginus Fab. 154. — 107 
Poet. Α. p. 419. ed. Stay. — 102 
c. 20. — 58 
25. — 11 
, 34. — 46 
Laurentius Lydus de mens. c. 4.  - — 20 
Mia. Ephes. ad Arist. Eth. N. p. 07. 
690 — 150 
Nic Damasc. in Exc. Vales. p. 445. 48 — 157, 
Origenes c. Cels. IV. 216. 67 — 119 
Palaephatus 42. — 
Pausanias E. 43. — 189* 


Il. , 2, 3. 


17 


03 
127 
95 
86 


.' FRAGMENTA. 


Pausanias IL, 6. 
16, 3 
20. 29 
HL 24, 7. 
IV. 2, LL 
VI. 21, 7 
" IX. 36. 20 
40. 21 
X.31, 2.. 
Philemon εὐφυὴς. 98 


Photius ὑπὸ γῆν οἰχοῦντες 


Plato Rep. III. p. 390. 87 
Plinius H. N. VII. 16. 
48. 50 
XV. 1. 
XXI. 17. 
20. 
XXII. 22. 
AXV. 2. 
Plutarchus Thes. c. 16. 
20. 51 
T. ΤΙ. p. 415. C. 50 
505. D. 62 
747. F. 28 
989. Α. 
1083. C. 
Pollux VI. 83. 
X. 85. 
Polybius V. 2. ! 49 


Porphyrius de abst. IT. 18. p. 134. 
inschol.ad D. XIV.200. 73 
Probus ad Virg. Ecl. X 83 
Scholiastes Aeschyli Prom. 351. ᾿ 
] 793. 
Schol. Ápolloni Rhodii 1. 45. 2 
| |. 118. 
156. 22 — 
456, 26 — 


LLL EEELLEEEEELLEEELL LL E LLBEBF BL TB P B LB 1011 


56 
57 


78 
173 
117 
148 
106 * 

13 

14 

15 


162 ' 


16 
87 
88 
106 
118 
23 
106* 


74* 


180* 
197* 
158 

195* 


A . 


161 
123 
156 * 
187* 
30 
145 


LLL LLL BL B g 1g 


» 
΄ 
. 


83 


16 


* 


2778 . HESIODI 


Schol. Apolleni Rhodu 1, 482. 
3 781. 

824. 
II. 178. 


181. . 


276. 
2906. 
297. 
1123. 
ΠῚ 311. 
587. 
1080. 
IV. 57. 


259. 


260. 


284. 
816. 
828. 
892. 
1396. 
Schol. Árati. v. 27. 
45. 
102. 
172. 
322. 
Schol.. Áristeph. Áv. 610. 
Schol. Eurip. Orest. 249. 
᾿ Phoen. 1123. 
Alcest. 1. 
Rhes. 98. 
Schol. Hesiodi Theog. 142. 
Scut. 
Schol. Hom. min. ad Iliad. IT. 336. 
XI. 135. 
Odyss. Hi. 68. 
TV. 231. 


25 — 
23 


24 


LLL LE TL T B gG g 


66 


63 — 21 
144 — 70 
9 — 118 
61 — 50. 119 
62 
146 
147 
143 — 49 
65 
— 66 
Ι 
21 — 14 
64. 134 --- 
121 
60 — 57 
24. 
59 
2 
66 — 113 
i298 — 07 
137 
191* 
132 
119* 
70 
465 
1065 
136 --- 90 
4 
84 --- 102 
149 — 5 
33 — 101 
36.45 — 31. 
114 
30 — 33 
178* 
30* — 35 


4 


FRAGMENT A, 


Sqpol. Nicandri Ther. 15. 


E ΄ 279 
Schol. Hom. min. adOdyss. X. 2. — 24 — 14 , 
᾿ς — 16 
XI. 285. 22 — 305 
, ΧΗ, 68. — 179" — 41 
΄ Ven. ad Iliad. I. 7. — .— 98 
264, 3 — 515 
Il. 4906 (Cat. 3). 4 — 52 — 123 
522 (Cat.20) 6 — 153 — 125 
764 (Cat.271). 70 — — 59 
IV. 195. — 177* — 100 
IX. 246. — — 133 
XI. 155. — 178* 
749. — 4* — 424 
XII. 292. — 140* — 5 
XIV..119. 72 — 154 . 
| 200. 73 — 41 — 44 A4 
XIX. 116. — — 120 
XX. 227. 2 — 156* 
XXI 528. 74 — 151 
. 038. 75 — 74 — 24 
083. — 92 — 00 
Vict. ad Il. VI. 164. ap. Valck. 2 | 
ad Amm, p. 242. - — — 86 : 
XIV.271(T.VL p.054) -- — 126 
XVI. 174 (T. VIL..784) 78 — 196* — 39 
XIX.240(T.VILp.800)8& — 38 — 91 
Ambros. ad Odyss. 1. 85. — — 69 
98. 73 — 41 — 44 
, IV. 231. — 104 ᾿ 
VIL 54. -- 7 — Tl 
104. —.18 -- 72 
X. 2. — 22. 
XL 285. 22 — 30 
325. 2 — 156 . 
XII 68 — 179. — 4l 
168. — 104 
Harlei. ad Od. IX. 199. 85 — 40 
-63 — 46. 


HESIODI 


fchol. Nicandri Ther. 452, 


Schol. Ovid. 
Schol. Pindari Ol. 


Met. 1. 

VH, 42. 
VIII 27. 
IX. 167. 


Eh. V. 53. 


Schol. Platenis ad S 8. 
Schol. ad Simmiae as 


Schol. Sophoclis Electr. 539. 
Oed. T. arg. 


- A$Schol. Theocriti ad XI. 75. 
XVI. 


Trach. 263. 
1174. 


49. 


Schol. Thucyd. I. 3. 
Servius ad Georg. I. 14. 


III. 283. 


ad Aen. VII. 268. 


VIII. 130. 


Stephanus Byz. ᾿“4βαντίς. 


. 19. 


63 — 135 
| — — 15 
— 93 — 28 
87 — 67 — 61 
3 —'51* — 97. 
7h 
30 — 91 
38 — 95 — 85 
— 8 — 88 
76 — 133.132* — 
126 
29 — 90* — 98 
29 — 90 — 97 
36 — 53 — 130 
77 — 105. — 43 
98 — 23 -— 16 
33 — 115 
35 — 55 — 105 
834 — 163 
37 — 67 — 61 
32 — 86 — 42 
31 — 85 — 37 
— 87 — 89 
— — n5 
— 5.8 
— 2025 
40 — 96 — 94 
— 185* 
41 — 48 — 29 
39 — 54 — 135 
62 — 118 
— 188* — 122 
28 — 23 — 16 
— 78 — 106 
— 17 
— 19 
—  8* — 88 
47— 3 


FRAGMENTA. 


: Stephanus Byz. 4iyoioy πέλαγος. 


" Auvpoos, 
Τερηνία. 
Παλλάντιον. 
. Τάβαι. 
"Yoía. 
| "(QAsvoc. 
Fragm. in Bibl. Coisl. p. 290. 
Strabo L 238. Cas. 42. Alm. 
42. 72. 
43. 72. 
59. 103. 
V. 221. 338. 
VII. 299. 458. 
300. 460. 
302. 463. 
322. 490. ! 
327. 504. 18. 
328. 505. 
VIII. 324. 526. 12. 
. 804. 500. 
370. 508. 
371. 570. 
IX. 393. — 603. 
424. 649. 
442. 674. 
X An. 723. 
XIII. 588. 879. 
XIV. 642. 951. 
647. 958. 
676. "994, 
Suidas ἀγάλματα. 
ἀλκή. 
δαῖτας. 


ϑῶρα ϑεοὺς πείϑει. 


ἐπιάλτην. 
. κομιδή. 


19 
22 


ΓΠ11{1{|]11{|1{{{1|͵͵1{1|1{{}Ἐ{{1{Τ11| 


ΠΠΠ{1111| 


03 


22 


' 282 HESIODI . 


Suidas μαχλοσύγη. 5 — 28 — 109 
ὑπὸ γῆν olxobvttg. (— 173 — 55 
Theo ad Arat. 45. "15 — 132 —— 124 
Theo progymn. — — 4 
Tzetzes ad Lyc. proleg. 57 — 49 — 38 
v. 176. 37 — 6] — 61 
284. 28 — 23 — 16 
46 |^ 844. 6r — 71 — 80 
|. 393. . 3— 51 — 74 
682. 50 — 111 — 112 
794." — 106* 
1396. 81 — 138 — 78 
Chiliad. XH. 171. 60 — 70 
Exeg. lliad. p. 4. 3— 51 ^— 74 
63. — 248" — 16 
68. 100 — 80 — 93 
126. 3— 51* — 74 
134. — 23* — 16 
149. — 11 
8053 149. ^ $0 — 106* 
! 153. — &4*: 
Zonaras ἐπιάλτην. 79 — 83 — 22 


ι ζαὴν &veuov. 203 


᾿ Es folgt das letzte Stück des Buches, das soge- 
mnaunte Certamen  Hescodé et. Homert:. — Auch. diese 
Schrift, die freilich nicht viel werth ist, hátte doch, wenn 
sie einmal wieder abgedruckt werden sollte, eine weni- 
ger flüchtige Behandlung verdient. Gleich nicht weit vom 
Anfang ist die alte Lesart stehen geblieben: Ὅμηρον δὲ 
πᾶσαι ὡς εἰπεῖν αἱ πόλεις xab οἱ ἔποικοι αὐτῶν παρ᾽ 
ἑαυτοῖς γεγενῆσϑαι λέγουσι. — Wem aber springt nicht 
in die Augen, dass das xai oi ἄποικοι heissen muss? 
— V. 244, 31 ist χορέσϑην beibehalten, was entweder 
κόρεσθϑεν zu schreiben, oder, wenn das móglich ist, zu 
vertheidisen war. Das Homerische μιάνϑην würde je- 
doch dazu nicht viel helfep, da auch μίανθεν, obgleich 


FRAGMENTA. (t 283 


es einen scheinbaren Trochüen giebt, das Wahre seyn 
kann. — Unter diesen Versen, mit denen Hesiodus den 
Homer auf die Prob$ stellt, indem er ihm immer einen 
angefangenen Satz zu vollenden giebt, las man S. 245, 
1. 2. vorher 8o: 


HZ. xai Φρύγες, οἱ πάντων ἀνδρῶν ini vqv- 
σὶν ἄριστοι 
OM.. ἀνδράσι ληϊστῆρσιν ἐπὶ ἀκτῆς δόρπον ἑἐλέ- 
| σϑαι. 


Hr. G. hat, ohne einen Grund anzugeben, beide Verse 


dem Hesiodus beigelegt, und lüsst die Antwort des Ho- 
mer, die er durch Striche bezeichnet hat, ausgefallen 
seyn. *"Es scheint aber michts zu fehlem, und die alte 
Vertheilung richtig zu seyn. Die Aufrabe, die Hesiodus 
giebt, besteht darin, den paradoxen Satz, dass die Phry- 
gier sich zu Schiffe vor allen Menschen auszeichnen, auf 
eine passende Weise zu ergánzen. Da nun ihre merk- 
würdigste That die Entführung der Helena war, ergáünzt 
Homer den Satz so: ,durch Rüuber am Strande ein 
Mahl einzunehmen.* — Denn das ist ein Zeichen, dass 
ihre Tapferkeit nicht gross ist, indem sie bei dieser Maass- 
regel sogleich wieder in See stechen kónnen. —* Auf 
derselben Seite Z. 8. liest man: 


HX. οὔτ᾽ ἄρα σοί ys πατὴρ ἐμίγη xoi πότνια 
᾽ Jj 
| 1,72 / μήτηρ » 
OM. σῶμα 1óy ἐσπείραντο διὰ χρυσέην ' 4qoo- 
) | δίτην. 


[ad 


Die alte Lesart ist ovv ἂρ. Hr. G. sagt: Fortasse47 


Εὐϊν ἄρα σοί γε, ἐξα ut σοι Sif nominativus plura- , - 


ls σα πατὴρ ef μήτηρ pertinens. Ζα. dem zweiten 
Verse führt er die Conjectur von Boissonade an, σῶμα 


τόγε σπείραντε. Eben so corrigirte ein alter Besitzer 


eines Exemplars der Heinsiusischen Ausgabe, das jetzt 


, dem RHRecensenten gehórt, und in dem vorhergehenden 


Verse σός, was Herrn Güttlings sehr gesuchter Erklá- 


rung des coi bei weitem vorzuziehen .seyn würde, wenn. 


284 . : HESIODI 


überhaupt die Verse den Sinn haben künnten, der in ih- 
nen vermuthet worden ist. Aber πατὴρ ἐμίγη καὶ μή-- 
vro Statt. ἐμίγησαν ist so seltsam geredet, dass man 
das auch dem schlechtesten Scribenten kaum zutrauen 
kann. Wollte man aber auch Herrn Gittlings Conje- 
ctur und Erklárung gelten lassen, soó wáre doch wieder 
das Medium ἐσπείραντο hüchst auffallend, und überdiess 
müsste man doch auf jeden Fall σῶμα τόδε schreiben. 

Der Fehler liegt in der Negation und in dem elenden 
τόγε. Die Sentenz schliesst sich gewissermassen an die. 
vorhergehenden Verse an, in denen von dem Sohne ei- 
mnes krüftipen Mannes und einer schwachen Frau die 
Rede ist. Sie sind daher wohl so zu lesen: 


HZ. ἢ v ἄρα σοί ye πατὴρ ἐμίγη καὶ πότνια 


μήτηρ, 
OM. σῶμα τότε σπείραντε διὰ χρυσέην "“φρο-- 
δίτην. 


.Wahrlieh in dir ist Vater und Mutter vermischt: d. 
h. du bist krüftig, wie dein Vater, und feig, wie deine 
Mutter. — S. 246, 13. ff. sind so vertheilt: 


Hz. τοῖσιν δ᾽. ᾽Ατρείδης. μεγάλ᾽ εὔχετο πᾶσιν 
ὀλέσϑαι 

OM. μηδέποτ᾽ ἐν πόντῳ. καὶ φωνήσας ἔπος ηὔδα" 

ΠΣ. ἐσϑίετ᾽, ὦ ξεῖνοι, χαὶ πίνετε. μηδέ τις ὑ- 

μέων 

οἴκαδε γοστήσειε φίλην ἐς πατρίδα γαῖαν 

OM. πημανϑείς" ἀλλ᾽ αὖτις ἀπήμονες οἴκαδ᾽ 
ἕκοισϑε. 


Würen die beiden ersten Verse nicht da, so würe gegen 
die letzten nichts einzuwenden. Falsch ist, was in der 
. Anmerkung gesagt wird, der dritte und. yierte dieser 
Verse werde. eu/go dem Homer beigelegt. — Dás trifft 
bloss den dritten. Aber Homer kann nicht xo φωνή- 
σας ἔπος ηὔδα sagen, weil er dann auch seinerseits den 
Hesiodus auf die Probe stellen würdé, was sowohl der 
Absicht des ganzen Gesprüchs, als den bald darauf fol- 


- FRAGMENTA. . 7 985 


genden Worten des Erzühlers widerspricht: πρὸς ταῦτα ᾿ - 
δὲ πάντα τοῦ Ὃμήρου χαλῶς ἀπαντήσαντος.  Eolg- ' 

lich tritt hier ein, was der Verfasser der Schrift oben 

gesagt hatte, bisweilen frage Hesiodus auch mit zwei Ver- 

sen. Es sind daher die beiden ersten Verse dem Hesio- 

dus, die drei letzten dem Homer beizulegen. — S. 047, 

16. hütte τετρακόσιοι καὶ πεντήχοντα, was in den al- | 
ten Ausgaben mit den Zahlzeichen v» peschrieben ist, 
eingeklammert werden sollen, wie von andern Herausge- 
bern geschehen ist. Denn bis zu dieser Zahl ist die48 
Berechnung richtig, und weiter scheint der Schrift- 
steller nicht multiplicirt zu haben.  Hitte er es aber ge- : 
than, und auch die letzte Zahl noch angegeben, wel- 
che 112,500,000, oder mach griechischer Abtheilung 
1,1250,0000 ist: so würde es statt jener Worte oder 
Zeichen heissen müssen: ἀγδρῶν δὲ διπλῆ μυριὰς μία, 
xai ἁπλαῖ χίλιαι διαχόσιαι πεντήχοντα. ---- δ. 247, 

εἶναι Barn. Vulgo εἶναι. : Das hat Hr. G. aus der 
Angabe in der Lüsnerischen Áusgabe γρ. eive. geschlos- 
sen, ohne andere. Áusgaben nachzusehen: sonst hátte er 
εἶναι schon in der ersten von Stephanus 1573. und in 
der von Heinsius 1603. gefunden. — Auf derselben 
Seite Z. 28. ist τῷ ϑυμῷ statt σῷ ϑυμῷ ein sehr 
stórender Druckfehler. — S. 248, 2— 4. Auf die Fra- 
ge, wie man am Besten in einem Staate,.lebe, antwortet 
Homer: (7 | 


-- τα AA. ὮΝ πὰ am 8 WR RR 


εἶ μὴ κερδαίνειν ἀπὸ τῶν αϊσχρῶν ἐϑέλοιεν. 
οἱ δ᾽ ἀγαϑοὶ τιμῷντονγ δίχη δ᾽ ἀδίκοισιν 
3 . 


ἐπείη" | 
εὔχεσθαι δὲ ϑεοῖς 0 τι πάντων ἐστὶν ἄριστον. 


Der letzte dieser Verse hüngt weder in der Construction 
mit den vorhergehenden zusammen, noch giebt er an sich 
einen passenden Sinn. Es ist aber leicht einzusehen, 
dass vor.diesem Verse ein Vers ausgefallen ist, in wel- 
chem ein Optativ stand, von dem εὔχεσθαι abhing. 
Der Gedanke musste seyn: ,und wenn sie nicht vorzie- 
hen, auf sich selbst zu vertranen, sondern zu den Gót- 


t€ 


296 HESIODI 


tern zu betón, was von allem das beste ist. — Der letzte 
Vers jst daher 80 zu lesen: 


εὔχεσθαι δὲ ϑεοῖσι᾽ τὸ πάντων ἐστὶν ἄριστον. 


— f. 251, 16. und 18. sollte nicht ζ΄, sondern ζ ge- 
schrieben seyn, da nicht 7, sondern 7000 Verse gemeint 
sind. Oder sollte sich Hr. G., wie Herr K. W. Mül- 
ler de Cyclo Graecorum eptco, p. 68., durch die la- 
teinische Uebersetzung haben tüuschen lassen, die aus 
ἔπη C septem libros gemacht hat? — Doch das lisst 
sich nicht glauben, da er S. 252, 3. 4. bei der Angabe 
der Lünge der llias und Odyssee die Záühlung nach Ver- 


^ gen beibehielt, die vorher aus Unwissenheit in xÓ' abge- 


ündert worden war.  Ueberhaupt geben die Alten die 
Lüngé eines Gedichts nach der Verszahl an: z. B. Sui- 
das in Πανύασις, und die Marmortafel bei Heeren in 
der Bibliothek der alten Kunst und Literatur, viertes 
Stück, S. 43. ff, — S. 251, 29. ist stillschweigend 
λαμπρὴ statt λαμπρὰ gesetzt. S. oben zu Theog. 18. . 
— S. 252. ist das sinnlese νῆσόν τ ΑἸγινάν τὸ 'Μά- 
σητά τὸ beibehalten. Aber nach lliad. II. 562., woher 
der Vers genommen ist, hütte das zweite τε entfernt wer- 
den sollen. — S. 252, 8— 10. ist ebenfalls die fehler- 
hafte Lesart beibehalten worden, ἐψηφίσαντο ϑυσίαν 


4θἐπιτελὲν "Ouop χαϑ' ἡμέραν xoi κατὰ μῆγα 


καὶ κατ᾽ ἐνιαυτόν, ἀλλὴν ϑυσίαν πεγταετηρίδα ἐς 
Χίον ἀποστέλλειν. Offenbar fehlt χὰ dem letzten Satze 
xci oder dé. — S. 253, 10. war ποινὴν von Barnes 
anzunehmen, — S. 254, 1. ist die Conjectur ὅσα δ᾽ 
unnóthig. | 

Es kann den Lesern unserer Bemerkungen nicht 
entgangen seyn, wie der grósste "Theil derselben nur 
durch die unverkennbare Eilfertigkeit und Flüchtigkeit 
veranlasst worden ist, die sich in Herrn Góttlings Ar- 
beit zeigt. Wenn man daher kaum zweifeln kann, er 
habe, mit andern Arbeiten beschüftpgt, nur Nebenstunden 
auf die Herausgabe dieses Buches verwenden kónnep: so . 
hat mam freilich Ursache, das zu bedauern, und muss 


— 


FRAGMENTA. - 98 


wünschen, dass er den Callimachus, dem er, wie sich 


aus einigen Ándeutungen schliessen lásst, ebenfalls her- 
ausgeben wird, nicht anf ühnliche Weise beeile , beson- 
ders da sich hier leicht zwei vom Kopf bis zum Fusse 
geharnischte Miibewerber um den Preis finden dürften. 
Herrn Góttlng, der ein gelehrter, scharfsinniger, geist- 
reicher und überhaupt krüftiger Mann ist, kann es nicht 
schwer werden, sobald er nur will, etwas Ausgezeichpe- 
tes ins Werk zu richten. Móge er sich dazu die nó- 
thige Zeit und Musse nehmen, und eingedenk der Kraft, 
die er besitzt, den Kranz, der den Starken gebührt, nicht 
andern überlassen, 


MERRAWÜRDIGE ART VON LOGIR. 


WV enn. man. bei einigen Philologen,' besonders solchen, 
die sich bloss mit der Sprache beschüftigen, oft gar keine 


— Logik findet, so trilft man dagegen bei andern, und nma- 


mentlich bei denen, die eine unmittelbare oder-aus dem 
Inmern hervorgegangeue Anschauung des Alterthums zu 
besitzen meinen, auf eine ganz besondere, von der ge- 
wühnlichen verschiedene Árt von Logik. Da ich gegen 
beide mich der hergebrachten Logik bedient habe, so 
hat das freilich grossen Zorn erregt, und ich bin nicht 
nur auf mannichfache Weise, durch "Gift , durch schwe- 
res Geschütz, durch Kleingewehrfeuer, . durch Wurlge- 
schosse aller "Art vertódtet worden, sondern man hat mir 
auch bereits in verschiedenen Sprachen Grabschriften ge- 
setzt, Durch so viele Todesarten abgehürtet, kommt es 
mir auf einige Cenotaphien mehr oder weniger nicht an, 
sondern ich werde, so lange ich noch nicht wirklich ge- 
storben bin, sowohl dem unlogischen als dem neulogischen 
"Verfahren, wo ich auf meinem Wege darauf treffe, mit 
der alten Logik begegnen. Allein wenn ich auch weit 
entfernt bin, darauf besonders auszugehen, was leicht Stoff 
zu einem dicken Folianten geben würde, so kann ich 


doch dem Reize nicht widerstehen, ein Beispiel auszuhe- 


ben, das.gar zu eigen ist, als dass es nicht einer beson- 
dern Aufmerksamkeit werth würe, 


MERKWÜRD. ART VON LOGIK, ες 282 


Den Anfang der sechsten Pythischen Ode des Pin- 


dar geben die Bücher 50: 


᾿Ακούσατ᾽ * ἦ γὰρ ἑλικώπιδος ᾿Αἀφροδίτας 
ἄρουρων ἢ Χαρίτων 

ἀναπολίζομεν, ὀμφαλὸν ἐριβοόμου 
χϑονὸς ἐς ναὸν προςοιχόμεγοι. 


Da die Worte ἐς ναὸν sich nicht mit dem Versmaasse 
vertragen, hatte ich im Jahre 1798. vorgeschlagen, statt 
derselben ἀένναον zu schreiben, indem ich keinen Zwei- 
fel in die Richtigkeit dieser Form setzte. Herr Bóckh 
nahm diese Conjectur auf, und ihm folgté, wie er zu 
thun pflegt, Herr Dissen. fSpáter erkannte ich, dass ich 


mich geirrt hatte, und nur ἀέναος» nie ἀένμαος gesagt | 


worden ist. Ich nahm daher.zu dem lon des Euripides 
|. V. 117.,. wo ich davon sprach, jene Conjectur zurück, 
und schlug. nun vor ὀμφαλὸν ἐριβρόμου χϑονὸς ἐς 
γάϊον σα schreiben. Herr Dissen sagt nun in der Note 
unter. dem Texte: Lectio est ἐς ναὸν contra metrum. 
Boeckhius reposuit, quod emendavit olii Herman- 
sus, ἀένναον. Nuper Hermannus ὀμφαλὸν ἐς vdtor 
comecit, quod refutaes $n. Commentarto ,: ub$ ede. 
Als ich dieses las, erwartete ich natürlich, Herr Dissen 
würde in dem Commentare gezeigt haben, erstens, warum 
ἐς νάϊον irrig sey; zweitens, dass die Form ἀένναος 
auf sichern Stellen beruhe. Allein was den zweiten Theil 
der erwarteten Widerlegung anlangt, so lautet dieser in 
dem .Commentare S. 271. 8o: 1226 eoce ἀένναον cf. 
Boeckh. Nott. critt. Nuper Hermannus αὐ Eurtp. 
Jon. 117. unam tantum formam ἀέναος statut, et 
dévyaoc plane damnat. Man erwarte& nun wieder, 
die Form ἀένναος von:Herrn Bóckh gerechtfertigt zu 
finden.. Dieser aber sagt folgendes: .Egregte emenda- 
οὐ Hermannus ἀένναον; obloquente . Botlno, qus 
ἀέναον primam longam habere dicst, non ἀένναον. 
Bene epéico usu dévaoc potissimum longam | habet 
primam, non. dubito lamen eliam. ἀένναον prema 
Jonga dic$ posse, praesertim οὗ simelsiudinem 'eo- 
Hxxw. Or. VI. T 


288 MERKWORD, ART VON LOGIK. 


οἷα olei, quae apud Alticos vel simplices a 
priorem producit. — Da. Herr Bóckh, als er dieses 
schrieb, eben so wenig, wie ich, als ich ἀένναον vor- 
schlug, an der Richtigkeit dieser Form zweifelte, sondern 
bloss über das Maass der ersten Sylbe gegen Bothe 
sprach, die zweite Sylbe aber, gegen welche meine Be- 
merkung zum lon gerichtet ist, unberührt liess: so sagte 
er ja nur, was ich schon, als ich ἀένναον lesen wollte, 
vormusseizte, dass die erste fSSylbe awceps würe.  Mithin 
konnte er gar nicht ampeführt werdem wegen einer Sache, 
die er weder gesagt hat, noch sagen wollie, dass die 
zweite Sylbe lang seyn künnte,  Folglich fehlt vom irm. 
Dissens Wiederlegung der ganze zweite Theil, 

Hóchst merkwürdig aber ist der erste Theil, die 
Widerlegung des ἐς γαϊον. Dieser lautet 80: .45 emsem 
Pindarus, quem terra ἐρίβρομος δ, concussa mo- 
. bbus et tonstribus sublerranets, «umbilicum aeter- 

num. Üicit. e£ enconcussen, guod son ammadeerist 
Hermannus. Nunc ὀμφαλὸς vóloc, per se male 
dictus, notionem templi enfert plane alienam, quem 
eere notante Boeechhw curmon mon cantaóum st 
in templo, «n quo mulla. vneocatio Apollinés, vpe- 
theton ἐρίβφρομος awtem ineptum reddstwr, Qqwippe 
manifesto positwn. propter ἀἔνγαον. Hier ist num 
erstens das paaz irrig, dass der ὀμφαλός, der doch ἴα 
dem Tempel ist, nicht wohl dioc genannt werden kónne, 
weil das Gedicht nicht in dem Tempel gesengen wordea 
sey, Da Herr Bóckh bemerkt, dass die Werte nicht 
eigentlich 2u verstehen seyen, sondern Pinder bloss sage, 
er begebe sich im Geiste mach Pytho, so ist es wahrhnf- 
tig einerlei, ob, wenn er einmal den ὀμφαλὸς nennt, er 
das Epitheton noch hinzusetzt oder weglisst.  Zwoitems 
ist das, was ich nicht gesehen háben sol, etwas, das 
ich auch nicht einmal sehen móchte, weil es gar nicht 
vorhanden ist, und auch nieht vorhanden seyn kann, dass 
ἐρόβρομος als concessus und ἀέναος als smconcwssws 
einander entgegengesetzt seyem, da in keinem der beiden 
Worte die angegebenen Degriffe enthalten sid. Drittems 


MERKWÜRD. ART VON LOGIK, 289 


endlich, und das ist wirklich der Triumph der neuen Lo- 
gik, soll ἐρέβρομος septum. seyn, wenn es nicht we- 
gen ἀένναος gesetzt ist. Da Pindars Ode im dritten 
Jahré der 71. Olympiade, mithin 494 Jahre vor Christi 
Geburt geschrieben ist, so heisst dieses Argument nun 
80: ἀένναος ist die richtge Lesart, weil Pindar 494 
Jahre vor Christi Geburt wegen dieses von Gottfried Her- 
mann im Jahre nach Christi Geburt 1798. gesetzten déíy- - 
γαον, 2292 Jahre vorher ἐριβρόμου schrieb. Ich sollte . 
denken, Herr Dissen müsste sich selbst über diese Legik 

wundern. 


T 2 


GRIECHISCHES 
WORTVERZEICHNISS. 


— «4. 


Ayortiy 107. 
ἀγλαΐζεσθαι 48. 
ἀγορὴ 198. 
“ἰγαῖον ὕρος 179. 
αἱμακουρίαι 62. 
tic, ῃς Dativ 156. 
ἀλκὴ 65. 


ἀλλὰ und ye μὲν 201. 
ἀμπὶ 123. 
ἀμφιβάλλεσϑαι 46. 
Aiugigo) 173. 
“Ἀμφιτρύων, Zugiovov 193. 
ἀνάγνωστος 164, 
ἀνάεδνος 164. 
ἀνάελπτος. 104. 
ἀναφυσιᾶν 18... 
ἀνεπίῤῥεκτος 249, f... 
ἄπλαστος 163. f. 203. 
ἄπληστος 163. f. 203. 
ἄπλητος 103. f. 303. 


. ἀπὸ δρυὸς ἢ ἀπὸ πέτρης 155. 


ἀπογυμνοῦσϑαι 249. 
ἀπούρασϑαι 197. 
ἄριστον μὲν ὕδωρ 49. 


ἄρκιον 231. 233. 
ἀρμακίη 141. 
ἀστεροπῇ εἴκελος 214. 
᾿ἀτλαγγενὴς 233. 
Milay 234. 
αὐδὼ 103. 
αὖλαξ 230. 
ἅων Genitiv 138. 

I. 
I ἀλαξαύρη 172. 
Γανύκτωρ 152 
γαστρίμαργος 60. 
ys μὲν und ἀλλὰ 201. 
γέντο 166. 170. 
Γλήχων 264. 


. γουνοπαγὴς 202. 


γύης 230. 
4. 
δαίμονι ἶσος 229. 


διάμεσος 106. 
δίκη 222. ᾿ 


. “ινὼ 1θ8.. 


REGISTER, 


δόλιχος ἵππιος 9. 
δυςάσχετος 165. 
Δωρία φόρμιγξ 49. 


E. 


Εἰλαρίδης 267. 
ἐμέμαρπον 200. 
ἔνδρυον 230. 
ἐνενιπεῖν 173. 

tvoc 252. 

. ἑπαλὴς 239. 
ἐπέφραδε 158. 
ἐπηέτανος 244. 
ἐπιβάλλεσϑαι 138. 
ἐπικαμπίλος : 235. 
ἐρᾶν 54. ' 
ἐρεύγεσϑαι, ἠρευγμένος 244. 
Ἐυνείκη 167. | 
ἐφίππιος δρόμος 9. 
ἕων Genitiv 166. 


Z. 
Ζευξὼ 173. 
ἢ Accusativ statt ἔα 163. 194, 
᾿Ηλεκτρύων, ᾿Ηλεκτρυὰν 195. 


ἦν Plural 165. 
ἧς und αἷς Dativ 156. 


I. 


Ἰάνειρα 172. 
Ἰάσιος 192. 
ἴλη, ἰλαδὸν 298. f. . 


K. 


Καλυψὼ 173. 
κασπολέω 130. 
κάττονα 122. 
κήλεα 2068. 


29] 


κίβισις 199. 

κλεῖος 161͵ 

Κλυμένη 152, 
κουφίζειν 217. 
Κτιμέγη 152. 
ἸΚυπρογενέα 165. 194. 


t. 


λαμπρά, λαμπρή 153. 286. 
«dapvacoóg 153. 


M. 


μαστίχη, μαστιχόων 2106. 
μέμβλεσϑαι 157. 


Ο. 


Ὄλυμπος 158. 
ὄμβριμος 163. 
ὁμόϑεν 295. 226. 


' ὄγϑειος 249. 


ópavóc 104. f. 113. 
"Op3ooc 170. 


II. 


παίζειν 48, ' 
Ilave(ógc, Πανίδης 151. 
Παρνασσὸς 153. 

πέρην 169. 

Περμησσὸς 152. f. 
Περσηΐς 172. 

πίπτειν vom Winde 241. 
Πληξαύρη 173. 


^A 


P. 
Ῥεί 162. ὃ τ᾿ 
Ῥόδεια 172. 

Σ. 


., σαγηναεὶς 107. 


σμερδαλέως 215. 
συνενείκεται 218. 


T. 


τε — ἰδὲ 156. nach dem Par- 
ticip 159. 

Τελμησσὸς 152. f. 

Τερμησσὸς 152. f. 

Τερνεσσὸς 153. 

τὸ πάρος ye, τὸ πάρος περ 174. 

τριβολέτηρ, τριβώλετερ 131. 

τρίπους vom Greise 241. 

τύλη 130. 

τύνη 220. 


Y. 


ὑπέρϑηβος 191. 
ὑποκεῖσϑωε 61. 


REGISTER. 


d. 


φαρέεσσι 228, 231. 
Φηγεύς 151. 
φηλητής 160. 
Φησίγεως 151. 
φίλεσϑαι 160. 
Φυσεύς 151. 


Χ. 
χελών 197. 


Q. 


ὦ δέμα 126. 
ἀρανός 104. f. 113. 


LATEINISCHE WOÓRTER. 


curnam 155. m ΄ 


efformare 225. 


SACHVERZEICHNISS. 


Asyndeton 14. ff. 

Digamma 73. 75. 78. f. 
Erkl'árungsart des Pindar 30. ff. 
Fabeln des Pindar 27. 32. f. 
Gigsnten, ein Volk 165. 


Olympische Spiele, ihre Ord- 
5. ff. 


Spondeen, zwei einzelne am En- 
de des Hexameters 156. 
Typhon, Typheous 172. 


REGISTER. 293 


VERZEICHNISS DER SCHRIFTSTELLER. 


Aeschylus Prom. 234. 
Alcáus 105. 

Alkman 271. f. 

Anakreon 272. 

Apollonius Rhod, (11.) 165. 
Athenàus 119. f. 


Certamen Homeri et. Hesiodi 


282. ff. 

Empedokles 263. 

Epigramm auf einen Sáulengang 
zu Alexandria 140. f. 

Heroin περὶ μονήρους λέξεως 
4 


Hesiodus 83. ff. 142. ff. (Theo- 
gonie 91.) 144. (982.) 165. 
(O. et D. 35.) 145. 


Hesychius 126. 

Homer 73. ff, (lliad, XV.) 163. 
Longin 110. . 

Nonnus (Dionys. L) 167.) 
Pausanias (Vl. 13.) 9. (11. 11.) 


11. 

Pindar 266. (OLI) 18. 34. ff. 
(11) 18. (IIL) 18. 67. f. 
(Pyth. VL) 287. 

Plutarch (Conv, sept, Sap.) 
145. 

Proklus 151. ἢ 

Sappho 99, ff. 

Sophokles (El. 691.) 13. ὦ 

Stesichorus 259. 


GODOFREDI HERMANNI 
OPVSC V L A. 


VOL. VI. PARS II. 


Hrnw. Or. VI. Α 


Vorrede. 


WV as ich am fSchlusse der Recension von Herrn Mil- 
. lers Eumeniden gesagt habe, dass das neue Geschlecht, 
welches tiefere Fragen als die Notengelehrsamkeit an das 
Alterthum zu richten vorgiebt, wennihm widersprochen wird, 
zu einer in Gesinnung und Ton gemeinen Wehr greifen 
| müsse, die man sicher zu erwarfen, nicht aber nüthig habe, — 
dagegen zu protestiren: das hat Herr Müller in dem neu- 
lich herausgekommenen Anhange zu seinem Buche voll- 
kommen bestátigt. Ich kann daher in den Zusützen zü 
meiner Recension bloss über den wissenschaftlichen Ge- 
halt dieses Ánhangs, in wiefern sich derselbe auf meine 
Beurtheilung ezieht, zu denen sprechen, denen es um 
die Sachen zu thun ist. "Vorher muss ich jedoch etwas 
über Herrn Fritzschens Schrift, ingleichen über die Ent- 


stehung meiner Recension sagen. 


ΑΞ 


IV VORREDE. 

Herr Fritzsche ist wegen des Tones, den er sich 
in seiner Schrift erlaubt hat, sehr hart getadelt worden, 
und sogar seinen Charakter hat man angegriffen. —Jenen 
Ton heisst er jetzt wohl selhst nicht mehr gut, so wie 
derselbe allerdings micht gebillhgt werden kanu,.  -Aber 
Herrn Fritzsche muss man persónlich kennen, wenn man 
ihn richtig beurtheilen will — Er besitzt das beste, red- 
lichste, wahrheitliebendste, wohlwollendste Herz von der 
Welt: allein seine ausserordentliche ILebhaftigkeit und 
sein überall in helle. Flamme auflodernder Hifer reissen 
ihn nur zu leicht über die Grenzen hinaus. Alles macht 
auf ihn die stürksten Eindrücke: er lobt daher ungemes- 
sen und tadelt ungemessen, beides aus Herzenspgrunde, 
und frei von kleinlichen und unwürdigen Ábsichten. Ent- 
zückt vor Freude, wenn er etwas Gates gefunden zu 
haben glaubt, ist er auch wiederum, wenn er entdeckt 
geirrt zu haben, eben so schonungslos gegen sich selbst, 
wie gegen andere. Daher verdient und erhált er Liebe 
und Áchtung von jedem, der ihn kennt. Denn Wahr- 
heitsliebe ist die Quelle, aus der diese Hefügkeit ent- 
springt. Dei einem solchen Gemüthe war es natürlich, 
über ein Buch ; wie Herrn Müllers Eumeniden, das bei 
solcher Aumaassung solche Resultate giebt, entrüstet zu 
werden,  Offenhar hat er seine Schrift in der ersten 
Anfwallug des Unwilleus niedergeschriehen, wovon nicht 


/— ΥΟΆΒΕΡΕ, Y 
mur der Ton, sondern auch manche handgreifliche Ue- 
bereilungen den sichern Beweis geben. Da Herr Miül- 
ler ganz in demselben Tone, obwohl mit anderer Gesin- 
nung spricht, so kann ich wohl sicher seyn, dass, wie 
die übrigen Professoren in Góttingen es verbitten wür- 
den, wenn man von der Denkart und Sprache ihres Col- 
legen auf die ihrige schliessen wollte, so auch niemand 
von Herrn Fritzschens Ton auf meine Schule überhaupt 
einen Schluss machen, und an eine Partei glauben werde, 
an deren Spitze ich stehen soll, da doch, wührend man 
mich mit vereinigten Kráüften angefallen hat, von mir 
auch nicht einer meiner Schüler oder Freunde veranlasst 
worden ist, zu diesen unwürdigen Angriffen ein Wort 


zu sagen. 


Was meine Recension von Herrn Müllers Buch an- 
langt, so entstand sie auf folgende Weise. Ich hatte . 
für das Sommerhalbjahr 1833. "Vorlesungen über die 
Eumeniden angekündigt, als ich in dem Messkataloge 
Herrn Müllers Ausgabe angezeigt fand. ^ Diess konnte 
mir nicht anders als sehr willkommen seyn, da ich glaubte, 
in diesem Buche, besonders in antiquarischer und archáüo- 
losischer Hinsicht, lehrreichen Erürterungen entgegense- 
hen zu dürfen. 4158 ich das Buch erhalten und die Vor- 
rede gelesen hatte, liess ich mich, bekannt mit Herrn 


! 


VI , VORREDR. 


Müllers 'Ton, nicht abschrecken die gefasste Hoffnung 
festzuhalten, sondern in dem guten Glauben mun doch 
den Aeschylus, dessen Verstündniss mir zusammt dem 
Verstindniss aller alten Dichter überhaupt abgespro- 
chen war, wirklich verstehen zu lernen, beschloss ich 
diese Ausgabe nach Karlsbad, wohin ich vor dem 
Anfange der Vorlesungen mich zu begeben im Be- 
griff war, mitzunehmen, und da das Buch recht mit 
Musse zu studiren;. vielleicht auch, wenn ich einigen 
Stoff dazu fánde, eine Recension, obwohl von ganz an- 
derer Árt, zu schreiben, indem ich erwartete, die ange- 
kündigten tieferen Fragen au das Alterthum befriedigend 
beantwortet zu sehen.  Áls ich dort angekommen war, 
las ich das Buch durch; fand mieh aber in meinen Er- 
wartungen so getüuscht, dass ich es mismuthig weglegte, 
und den Gedanken an eine Recension aufgab. — Indessen, 
da eine andere Arbeit, die ebenfalls für den Aufenthalt 
in Karlsbad bestimmt war, früher beendigt wurde, als 
ich gedacht hatte, führten mich Ueberfluss an Zeit und 
Mangel an Beschüftigung wieder zu den Eumeniden, und - 
veranlassten mich den Gedanken an eine Recension wie- 
der aufzunehmen. So wurde/ der. grósste Theil dieser 
" Recension, das heisst, alles, wozu es keines Nachschla- 
gens von Büchern beduríte, in Karlsbad geschrieben: 
denn ich hatte bloss Wellauers Ausgabe und gwei Tex- 


VOBREDRE. vH 
tesabdrücke mit beigeschriebenen Anmerkungen nebst ei- 
nem in früherer Zeit niedergeschriebenem Hefte mitge- 
mommen; was hingegen Nachschlagen erforderte, wurde 
für die Zeit nach der Rückkehr aufgehoben, in welcher 
ich dann auch dieses vollendete. Nachdem die Recen- 
sion nach Wien geschickt war, und wáhrend sie ge- 
druckt wurde, fanden sich, besonders auch durch Herrn 
Fritzschens Schrift, manche Veranlassungen zu Zusützen, 
zu denen jetzt wiederum meue Zusátze gekommen sind, 
nachdem Herrn Müllers Anhang erschienen ist. Beide 
Arten von Zusützeu sind durch Klammern, die letztern 
noch durch ein lhinzugefügtes Sternchen bemerklich 
gemacht. 

Diese Erzáhlung wird bestütigem, was ohnediess je- 
dermann sieht, dass ich, was mir niemand wehren kann, 
bloss mein Urtheil über die Art, wie Herr Müller das . 
Alterthum behandelt , ausgesprochen, mit Herrn Müller ' 
selbst aber nichts zu verkehren habe. Grosssprecheri- 
sches Aufstellen leichtsinnig erdichteter Dinge, unredliches ' 
Verdrehen und hóhnisches Abwehren jedes Widerspruchs, 


überall sichtbares Bestreben in Verbindung mit einer ge- . | 


genseitig auch das nmichtlobenswerthe lobenden und die 
nichteinstimmenden gemeinschaftlich schmühenden Partei - 
sich den Schein ausschliesslicher Competenz zu verschaf- 
fen, sind Künste, durch die selbst Leichtgliubige, Un- 


Vili VORREDRE, 

wissende, und Furchtsame nur eine Weile geblendet und 
erschreckt werden; jeder andere aber wendet mit Wi- 
derwillen den Blick ab, wo eine Denkart hervortritt, die 
auf die eigne Achtung verzichtet hat. 


AESCHYLOS EUMENIDEN, 203 
Griechisch und Deutsch 
MIT ERLAUTERNDEN ABHANDLUNGEN 
UEBER DIE 


AEUSSERE DARSTELLUNG UND UEBER DEN 
INHALT UND DIE COMPOSITION DIESER 
TRAGOEDIE 


VON 


K. O MÜLLE R. 


Gotipgen, im Verlage der Dietrichschen Buchhandlung 1833. 
VI und 203 8. gr. 4.*) 


WVie das Gehen durch wechselseitiges Vorsetzen eines 
Fusses vor den andern bewerksteligt wird, so pflegen 
auch die Wisseuschaften theilweise abwechselnd fortzu- 
schreiten, Hütte jeder Fuss sein besonderes Bewusstseyn, , 
so würe es lücherlich, wenn der jedesmal vorausgeschrit- 
tene sich darauf etwas einbilden, und den zurückgeblie- 
benen verachten wollte, auf den er sich doch stützen 
musste um voraus zu kommen, und der sogleich wieder 
ihm voraus seyn wird; noch lücherlicher aber, wenn er, 
ausgestreckt ohne Boden unter sich zu haben, sich sei- 
nes Vorgeschrittenseyns rühmte. Die Gelehrten verges- 
sen es manchmal, dass sie gleichsam die Füsse sind, auf 


*) Aus den Wiener Jahrbüchern. Band LXIV. 


10 AESCHYLOS 


denen die Wissenschaft fortschreitet. In der Philologie 
war in den neuern Zeiten eine Weile die hollándische 
Schule vorherrschend gewesen, die bei der Erklárung der 
alten Schriftsteller, und besonders der Dichter, fast bloss 
Wort- und Sprachgebrauch erórterte und Parallelstellen 
verglich. In Deutschland fing man an das Unzureichende 
und Unzweckmáüssige dieser Methode zu fühlen, und vor- 
züglich war Heyne bemüht, die Philologie auf einen hó- 
hern Standpunkt zu erheben, und Geschichte, Alterthü- 
mer, Mythen, Philosopheme, das gesammte Leben der 
Alten zur Anschauung zu bringen. Man müsste sehr un- 
gerecht seyn, wenn man dieses Verdienst verkennen, und 
ihm zum Vorwurf machen wollte, dass die vielen Rich- 
tungen, nach denen er sich ausbreitete, nicht sogleich 
mit der Sicherheit, die nur eine Folge langer und müb- 
samer Uebung seyn kann, verfolgt werden konnten; in- 
gleichen, dass tiefere Sprachforschung und scharfe Kritik 
einstwellen etwas zurückbleiben mussten. Dennoch ha- 
ben diess eimige selbstsüchtige Gemüther gethan, und 
haben, ohne zu erwügen, dass, wer zuerst in unweg- 
samer Gegend die Bahn bricht, nicht auch den gauzen 
Weg ebnen und glütten und die sámmtlichen Umgebun- 
gen anbauen künne, sein Verdienst auf eine widrige Weise 
herabzuwürdigen gesucht. 4415 man nun anfing einzuse- 
204hen, dass alle Kenntniss des Alterthums zuletzt auf dem 
Verstündniss der Schriften, die uns übrig sind, beruht, 
- wnd folglich gramimatische Genauigkeit und kritische Be- 
rchtigung der Texte allem vorausgehen muss, wandte 
sich die Philologie wieder nach dieser Seite mit vorzüg- 
lichem Eifer, und besonders erwarben sich die ZEnglün- 
der ein bedeutendes Verdienst um Erforschung der Sprach- 
gesetze, vornehmlich der Attischen Schriftsteller. — Ilinen 
folgten die Deutschen, und brachten durch philosophische 
Betrachtung der Sprache, die bisweilen jedoch sich zu 
weit verstieg, Licht in die vorher meistens bloss empi- 
risch angesehene Sache. Nachdem man luer das Feld 
Tür hinlànglich gereinigt hielt, ging man wieder zu der 
Geschichte und den. Álterthümerm mit dem, was dazu ge- 


EUMENIDEN, 1 


hórt, über, auch hier aber wieder oft einseitig, und theils aus 
Vernachlüssigung der grammatischen Studien, theils durch 

ein unlogisches Spiel einer zügellosen Phantasie mit un- 

klaren Begriffen das Ziel verfehlend. Herr Hofrath Mül- 

ler, ein Mann, dessen ausgebreitete Gelehrsamkeit, des- 

sen ausgezeichnete Talente, und dessen grosse Verdien- ὶ 
ste um Geschichte, Mythologie und Archáüologie allge- 

mein gerühmt sind, gehórt zu denen, die das Alterthum 
vornehmlich von dieser Seite betrachten. 

Je mehr man ihm dafür dankbar zu seyn schuldig 
ist, desto mehr ist es zu bedauern, dass er sich nicht 
von der unfeinen Hoffürügkeit frei gemacht hat, die sich 
in der Schule, welcher er angehórt, zu zeigen pflegt. 
Diese Hoffártigkeit kann dem, der sie besitzt, keine Ách- 
tung erwerben, und der Empfehlung seiner Sache ist sie 
vielmehr hinderlich als fórderlich. — Denn schon ihrer 
Natur nach kündigt sie. sich als befangen an, und, da 
sie die Nachweisung eines Irrthums, vor dem doch niemand 
Sicher ist, nicht ertragen will, wird sie es durch Leiden- 
schaft noch mehr, und greift zu Vertheidigungsmitteln, 
die der, dem es um Wahrheit zu thun ist, für unwür- 
dig hilt. Wenn Herr Müller in der Vorrede die Philo- 
logen von Profession, die er als von sich und denen, die 
seinen Weg betreten, verschieden bezeichnet, mit Gering- 
Schátzung ansieht, und sagt, es gebe wohl auch schon 
jetzt ein anderes Geschlecht, welches tiefere Fragen an 
das Alterthum richte, als Notengelehrsamkeit beantworten 
kónne: so liegt darin, neben einem unfreiwillig entschlüpt- 
ten Gestündniss der schwachen Seite, erstens ein Irrthum, 
und zweitens eine grosse Anmaassung. Ein Irrthum: 
denn dem Philologen von Profession setzt Herr Miüller 
offenbar den Archáologen gegenüber: richtig aber kann 
man ihm bloss eimen Dilettanten entgegenstellen, und di- 
lettantisches Behandeln der Schriften des Alterthums ist 
es, was die Philolorzen von Profession meistens den Ar- 
chüologen, Herrn Müller nicht ausgenommen, zum Ver- 
wuüurf zu machen genóthigt sind. — Ánmaassung aber ist. es,205 
die Notengelehrsamkeiten der Beantwortung jener tiefern 


12 AESCHYLOS 


Fragen für unfühig zu erkláren, da eine wirkliche Be- 
antwortung solcher Fragen dieser Notengelehrsamkeit so 
sehr bedürftig ist, dass sie ohne dieselbe zu einem lee- 
ren Gerede wird. Die archüologische Schule sucht das 
Verstehen der Schriftsteller fast alleim in der Erürterung 
der geschichtlichen, antiquarischen, mythologischen und 
artistischen Beziehungen; das aber, worin doch gewiss 
jeder Unbefangene zuerst dieses Verstehen setzen wird, 
das Verstándniss der Worte, des Sinnes, des Zusammen- 
hanges der Gedanken, stell sie nach, obwohl sie sich 
den Schein vom Gegentheile zu geben bemüht ist, einen 
Schein, mit dem sie sich und ihre Anháünger, nicht aber 
die, welche der Sache auf den Grund geben, táüuschen 
kann. Das ist denn aber augenscheinlich eine nicht ge- 
ringere Einseitigkeit, als die der blossen Sprachgelehrten, 
welche alles, ausser was zur Sprache gehórt, unberück- 
sichtigt lassen, Nur beides zusammen, mit gleicher Gründ- 
lichkeit und Vorsicht behandelt, und [frei gehalten von 
Beimischung grundloser Hypothesen und nicht zur Sache 
gehóriger Dinge, kaun eine wirklich richtige Erklárung 
und wahres Verstüándniss einer alten Schrift geben; ins- 
besondere aber erscheinen archáologische Erklürungen als 
leere Trüume, wenn sie mit den richtig verstandenen 
Worten der Schrift nicht in Zusammenhang oder gar in 
Widersprach stehen, Bei Herrn Müllers Festhalten “τ 
der Manier seiner Partei ist nicht befremdlich, m 
Ende der Vorrede auf folgende Weise ausgedrückt ist: 
. 5,Der Hoffnung indessen, zu erneuter Ueberlegung man- 
Cher Gegenstinde den berühmten Philologen- anzuregen, 
von welchem nun schon se lange eine neue Bearbeitung 
les Aeschylos erwartet wird, darf ich leider keinen 
Raum geben, da dieser Gelehrte im Voraus entschlos- 
99.565 scheint, über das, was die neuere Alterthumsfor- 
.,schung in gewissen HRiehtungen, die der seinigen fern 
liegen, hervorbringt, den Stab zu bréchen, und noch 
»ganz insbesondere, wenn es den Aeschylos betrifft. Ich 
,hege nicht die Einbildung, darin eine Ausnahme machen 
,Lu.kónnen: aber dagegen, dass Hermann uns vor dem 


EUMENIDEN. 13 


Publikum, wie ein um sein Urtheil gebetener Richter, 
Iit dictatorischen Aussprüchen znrecht weist, ehe er 
uns noch im Geringsten überzengt hat, dass er wirk- 
,lich von einer Áeschyleischen "Tragódie oder überhaupt 
e6mem Werke der alten Poesie das Verstündniss des 
,Gedankenzusammenhanges und Plans besitze, nach wel- 
chem, unserer Meinung zufolge, die heutige Philologie 
vor allen Dingen streben soll: dagegen lege ich schon 
im Voraus den entschiedensten Protest ein. — Mit die- 
ser Protestation scheint sich kein rechter Sinn verbinden 
zu lassen.  Protestiren heisst sein Recht gegen Eingriffe. 
verwahreg, Nun hat aber Recensent weder Herrn Miül-2060 
lers noch sonst jemandes Recht über den Aeschylus zu spre- 
chen beeintráchtiget, sondern nur, da doch Herrn Miül- 
lers Partei nicht ein Privilegium haben kann alleia zu 
sprechen, sein eigenes Urtheil über manches, was von 
Andern behanptet worden, ausgesprochen. Einige der- 
selben haben ihn wirklich um sein Urtheil gebeten; an- 
dern mag ein Urtheil, das nicht nach ihren Wün- 
schen war, wohl unerbeten und dictatorisch vorgekommen 
seyn; denn alle negative Urtheile, wie auch das in obi- 
ger Stele von Herrn Müllers Vorrede enthaltene, sind 
ihrer Natur nach von dictatorischem Charakter, indem 
auch in wissenschaftlichen Dingen die juristische Regel 
Dit: uffermant? fncumbit probatio. | Es ist daher un- 
klaz 5..5 Herr Müller mit seiner Protestation sagen 
wollte, Nur drei Fülle scheinen sich denken zu lassen. 
Entweder protestirté er in Beziehung auf sich, und meinte, 
er erkláre schon im Voraus das, was Hecensent etwa 
gegeu ihn sagen würde, für unstatthaft. —Das scheint et- 
was voreilig, und ist kein Schutzmittel, dafern, was Re- 
censent sagen wird, nicht wirklich unstatthaft ist. Oder 
er protestirte in Beziehung auf die, die er mit dem Plu- 
ral uns bezeichnet, in Folge des Schütz- und Trutz- 
bündnisses der Partei, zu der er sich bekennt. Und aller- 
dings hat.diese Partei gezeigt, dass sie kein Mittel verachet, 
ihre Behanptungen für wahr geltend zu machen, selbst, 
wie dem Recensenteu versichert worden, den Versuch 


14 AESCHYLOS 


nicht, das Erscheinen einer Hecension, von der sie star- 
ken Widerspruch gegen einen von ihr begünstigten Ge- 
lehrten voraussieht, zu verhindern. Dadurch aber kann 
dech weder wahr werden, was unwahr, noch unwahr, 
was wahr ist, Oder endlich protestirte Herr Müller in 
Beziehung auf den Recensenten selbst. Jn welcher Ab- 
sicht das auch geschehen seyn móchte, so war es ver- 
geblich, da Recensent, dem es bloss durum zu thun ist, 
zu finden, was auch für künftige Zeiten wahr bleibe, die 
literarische Demagogie denen überlüsst, die ihrer benó- 
thiget sind, und nur für diejenigen schreibt, die, ohne 
schon vor der Prüfung entschieden zu haben, unbefangen 
urthellen kónpen und wollen. Doch vielleicht ist diese 
ganze Protestation mur ein Stück der akademischen Vor- 
lesungen, dio den eigentlichen Inhalt von Herrn Müllers 
Buch ausmachen. Ob es gut war, diese Vorlesungen, 
bei deren Anhórung doch wohl ein und der andere Za- 
hürer etwas von Uhglüubiskeit empfand, mit sorgloser 
Selbstzufriedenheit in aller ihrer Breite zur Belehrung 
auch des Publikams drucken zu lassen, móchte sehr zu 
bezweifeln seyn. Der Zuhórer hat nicht viel Zeit zum 
Nachdenken; und Nachschlagen kann er wáührend des 
Vortrags gar nicht. Der Leser dagegen hat zu beidem Mus- 
ge, und lüsst sich daher nicht so leicht tàuschen, dafern er 

. ur überhaupt mit eigenen Augen zu sehen im Stande ist. 
207 Herrn Müllers Buch enthàlt den Text, und ihm 
gegenüber eine Uebersetzung in denselben Versmaasseu; 
darauf folgt ein Verzeichniss der: Lesarten, in welchen 
der Text von der zum Grunde gelegten Wellauerschen 
- Ausgabe abweicht; sodann zwei Abhandlungen in fort- 
laufenden Paragraphen, deren Inhakt gleich nach der Vorrede 

. eusführlich angegeben ist. Den Schluss macht ein Register. 
Der Uebersetzung, die mit vielem Fleisse ausgear- 
beitet ist, gebührt, obwohl sie viele Hárten hat, und oft 
den Sinn, noch ófter den Ton verfehlt, doch im Ganzen 
das Lob der Treue, und sehr richtig sind die Bemerkun- 
gen, die Hr. Müller in der Vorrede über die Art, wie 
griechische Dichter im Deutschen nachzmbilden sind, 


EUMENIDEN. iN 


macht. Einzelnes wird man freilich überall, wie wobl 
an jeder Uebersetzung, ausstellen kónnen: allein man muss 
auch die Schwierigkeit in Betrachtung ziehen, die es hat, 
deu Sinn zugleich mit dem Versmaasse wieder zu geben. 
Wo jedoch ohne Nachtheil beider etwas dem Originale 
nicht genau entspricht, oder der tragischen Rede minder 
ampemessen ist, kómnte man wohl etwas anderes wünsehen. 
Se fallt 2. D; V. 20, das Deminutivum unangenehm auf: 


 Pentheus dem Hàslein gleich $m Todesgarne 
. Jing. 

Noch fügt Recensent die Bemerkung hinzu, dass 
anch wohl i& dem deutschen Trimeter die lange End- 
sylbe im Anfange des fünften Fusses mur in den Fiüllm, 
wo sie auch bei den Griechen gestattet ist, zugelssem 
werden sollte. Denn Verse, wie 1. und 20. erhalten 
dadurch eine ziemliche Hürte: 


» Zuerst eon allen | Góttern  lobpreist  diess 
. Gebet. | 
Dess sind die Gótter, welche anruft metn 
Gebet. € 


Doch von der Uebersetzung wird Recensent nur in 
sofern sprechen, als sie für Erklürung des Textes anzu- 
sehen ist. Denn mit Recht meimt Herr: Müller, dass 
eine Uebersetzung nothwenmdig schon selbst Interpretation 
sey, und. daher einzelne Anmerkungen meist überflüssig 
mache. Ja gerade bei Diehtern ist eine gute Ueberse- 
tzung am meistem wünschenswerth, und es würde gar 
manche miht bloss unnütze, sondern auch irrige Ánmer- 
kuag ven. den Plulologen nicht gemacht worden seyn, 
wena sie vorher die Steden gehórig übersetzt gehabt hüt- 
ten, was sie auf vieles würde aufmerksam gemacht haben, 
das sie, mit einzelaen Sachen, Worten und Ausdrücken 
beseháftigt, übersahen. Da eine Uebersetzung, die zu- 
gleich als Imterpretation geltem soll, natürlich auch einen 
bestimmten Text des Originals: voraussetzt: so war es 
zweckmüssig, dass Herr Muller das Original zur Seite 


- 


16 AESCHYLOS. 


208setzte in dem Maasse verbessert, wie es erforderlich warde, 
damit die Uebersetzung zu ihm passte.. Er hatte, wie er 
ausdrücklich erklürt, nicht die Absicht eine neue Recen- 
sion zu geben, sondern begnügte sich, der Wellanerischen 
Amnsgabe zu folgen, und ünderte nur, wo es ihm des 
Sisnes oder des Versmaasses wegen nóthig schien, bald 
nach alten Büchern, bald nach eignen oder anderer Ge- 
Jehrten Vermuthungen. Die Worte, die er ohne hinling- 
liche áussere Probabilitàt in den Text anfnahm, bloss um 
ihn überhaupt lesbar zu machen, hat er mit einem Ὁ be- 
zeichnet. Gegen dieses Verfahren lüsst sich im Ganzen 
michts einwenden: doch ist nicht zu verkennen, dass Hr. 
Müller, zu sehr der archüologischen Auffassung ergeben, 
den Text mit weniger Sorgfalt, als es nóthig war, be- 
Fücksichtigte, besonders da er doch auf eine Interpreta- 
tion ausging, die sich von der gewóhnlichen Art zu in- 
terpretiren auszeichnen sollte. Dieser Meegel an Sorg- 
falt zeigt sich selbst darin, dass in dem sonst correct 
gedruckten Buche doch ausser beibehaltenen fehlerhaften 
Aecenten der Wellauerischen Ausgabe, wie V. 701. 868. 
und nicht mit der Uebersetzung übereinstimmender In- 
terpunetion, wie V. 114. 526. auch neue Druckfehler 
hinzugekommen sind, wie V. 336. Owouérva,, und V. 
017. wo τ᾽ nach νεανίδων fehlt, ja zwei Mal ganze 
^  Würter vermisst werden, V. 503. ϑεὸς» und V. 630. 
ξένῳ. Von diesen Fehlern ist bloss der falsche Accent 
V. 701. in der Anzeige der Druckfehler verbessert. 
Hierzu kommt noch, dass man V. 334. ff, und V. 345. 
ff, ingleichen V. 887. und 957. f. auch die Verse der 
Antistrophe anders als die der Strophe abgefheilt findet. 
Aber auch die kritische Behandlung. des Textes zeigt 
geringere Sorgfalt, als zum Behuf einer richtigen Inter- 
pretation erfordert wurde.  'Theils findet man die alten 
Bücher und die Scholien zu wenig beachtet; theils hat 
sich Herr Müller sichtbar zu leicht mit unbaltbaren Ver- 
anathungen der Kritiker. begnügt; theils verrathen auch 
seine eignen Conjecturen kem eindringendes Studium der 
Tragiker. Keine derselben i&& von Bedeutung; .die. mei- 


 EKUMENIDEN. 17 


ten geben einen matten Sinn; andere entbehren der kri- 
tischen: Haltbarkeit; einige sind' auch vólig wagrieclüsch, 
Wenn daher das in der Vorrede besprochene Verstehen 
des Dichters erzielt werden sollte, so leuchtet ein, dass 
dieses in mancher Rücksicht mangelhaft bleiben musste. 
Aber auch dessen, was ganz archüologisch ist, ist man- 
ches unberührt geblieben, wogegen vieles, was ferner lag, 
weitlàuftige Erórterüng gefunden hat, anderes aber in un- 
haltbaren Vermuthungen besteht, manches auch Unkennt- 
miss der Sache verrüth. — Recensent wird der Ordnung 
des Buches folgen, und zuvórderst den "Text durchgehen, 
wobei er,.was unbedeutend und ohne Einfluss auf rich- 
tiges Verstündniss ist, unberücksichtigt lassen wird. - 
V. 21. ist Παλλὰς noovaío beibehalten worden,209 - 

und auch S. 101. erwühnt Herr Müller die zu Belphi 
verehite Pallas Pronüa.  Würe dieser Name überhaupt 
richtig, so müsste er nach der heutigen Art zu schrei- 
ben προνῴα geschrieben werden: allein lüngst hatte sehon 
Lennep zum Phalaris S. 143. ff. mit unwidersprechli- 
chen Gründen gezeigt, dass diese Pallas Πρόνοια liess. 
[*Herr Müller schreibt im Anhange S. 14. ,,V. 21. 
Yverlangt Herr H. dass für 7JoAAec Προναία' (wofür 
»lioovda richtiger, aber bis jetzt nieht gebráuchlich ist) 
.9Π. Πρόνοια geschrieben werde, und bernft sich auf 
Lenneps bekannte Auseinandersetzung. Aber diese be- 
sWweist nur, dass vom Zeitalter der Redner an (wenn 
Dümlich die erste Rede gegen Aristogeiton diesem Zeit- 
Alter wirklich angehórt) die Delpher diese Góttin durch 
,€ine kleme Umbhiegung des Namens, die eimer hóhern 
Bedeutung Platz verschaffte, Πρόνοια nannten. Bei " 
Hen Aeltern aber, namentlich bei Herodot, wo Προνηΐη 
5,1, 92. ohne Variante steht, VIII, 37. aber durch Har- 
pokrations Zeugnis festgestellt wird, und nur geringere 
Quellen Προνοίης haben (vgl. Schweighüusser T. IV. 
,P. Hl. p. 19), Πρόνοια oder Προνοίη zu corrigiren, . 
,Würe hóchst verwegen, besonders weil der Tempel die- 
8er Pallas, dessen Local genau bekannt ist, für alle 

Griechen, die aus Bióotien, Ann, dem Peloponnes 

κει. Or. VI. B 


18 AESCHYLOS 


Qn. 8. w. kommen, wirklich vor dem Pythischen Heilig- 


5Uume lag, Die alten Grammatiker zeigen durch ihre 
,Urklürüngen, dass ihnen beide Formen Προναία und 
οἰ πρόνοια vorlagen; der Scholiast an unserer Stelle aber 
unterstützt die erste, welche bei Aeschylos durch keine 
Variante zweifelhaft wird, auch ἄγοι Kallimachos: χ᾽ 


»!j Παλλὰς, Δελφοί νιν ὅϑ' ἱδρύοντο Προναίην, wo 


8uf die Verbindung der beiden letzten Worte sehr zu 
,uohten ist. Wie ein nachdenkender und sianvoller My- 
s tholeg heut £u Tage sich über diese vielbesprechene 
Erage entscheidet, kann Herr H. in dem Buche: Der 
Dienst der Athena, von E. Bückert S. 78., nachse- 
, hen. Herr Müller nennt hier Lenneps Auseimander- 
setzung bekanat, was sie allerdings ist; um so nbthiger 
war es, dass er in seiner Áusgabe die durch diesen be- 


kannten bündigen Beweis sich im lrrthum befindenden 


Leser des Aeschylus.auf den rechten Weg xzurückführte. 
Das hat et jedoch unterlassen, Er bringt diess nun jetzt 
ein, indem er berichtet, von wem umd wenn die 17ρο- 
»oía in Πρόνοια umgetauft worden. Und weil ihm das 
nun nicht zu bezweifeln scheint, wird auch pleich S. 17. 
über die Unwissenheit derer, die so etwas micht wissen, 
gespottet, Da nun niemand gern unwissend erscheinen 
will, werden auch in Deutschland die, welche eines Glau- 
bens sind, und einige andere das glauben; viele aber auch 
nicht; in England aber, wo man die Zeugen streng ver- 
hórt, niemand; und auch in Frankreich nicht, wo es 
Mánher, wie den gelehrten und besonnenen Wü 

umhaltbarer Archáologie Letronne giebt: somdernp 1man 
wird fragen, welcher Delpher Herrn Müller diese Nach- 
richt nütgetheilt habe, und, wenn er das wicht angeben 
kann, wird :man seiner Versicherung keinen Glàuben 
schenken. Denn die übripen Stützen wird niemand für 
Stützen erkennen, der Lenneps Note gelesen hat, ja man 
wird sich eher über die 7790voíc wundern, da πρόναοι, die 
Gütter genannt zu werden pflegen, vom denen bless .Sta- 
ἔπει vor dem Tempel einer andezn Geféheit stehen. Des 
Citet Rückerts endlich ist Hertm Müller nur nachtheilig. 


EUMENIDEN. 19 


Eimmal sieht man daraus, wo er geschópít hat, und dann 
klmgt es auch ganz anders.  Rückerts Worte sind: 
Diese Delphische Athena wird aber anch háüefig Pronün 
»Zzenannt, und sm verschiedenen Stellen, wo von ihr die 
ede ist, schwanken die Lesarten zwischen Pronnia und 
,Pronón. Ks lüsst sich schwerlich bestimmen, welches . 
das Ursprüngliche, und welches das Ábgeleitete sei, doch 
»,Inüchte wohl die delphisch- delische Athena zuerst Pro- 
,ai& gehemsen haben, woraus dann spüter das geistigere 
Pronóa wurde.4 Des ist die Rede eines verstándigen Man- 
nes, der eine Vermathung vortrágt, nicht aber diese Vermu- 
thung für eine Thatsache ausgmebt, und dann über die spottet, 
die von einer solchen T'hatsache nichts wissen.] Was übri- 
gens Hr. Müller sagt, ein Hanptgrund, dass die Priesterin of- 
fenbar an einem Altar, der wahrscheinlich den grossen Altar 
von Delphi darstellte, gebetet habe, dessen vom Euripides im 
Ton V. 1403. erwühnte ξόανα Gáa, Themis, Phóbe, 
Phóbes gewesen seyen, liege in den Worten der Pythias 
selbst, welche auf das bestimmteste ihr Gebet xu jenen 
vier Gottheiten, als tnmittelbar gegenwürtigen, von der 
ehrenvollen Nennung der übrigen dort verehrten Gótter 
unterscheide: das darf man füglich zu den Dingen rech- 
nen, die ein archüologischer Interpret leichter sich ein- 
bilden, als erweisen kann. Von einem solchen Altar mit 
den Bildern jener vier Gottheiten sagt der Dichter nicht 
nur nichts, sondern es berechtigt auch sonst nichts, ei- 
nen solchen Altar anzunehmen. Denn dass die Prieste- 
rin, indem. sie die Orakelsprüche zu empfangen sich an- 
schickt, zuerst und vorzüglich zu den Géüttern bete, de- 
nen das Orakel von seinem Ursprange an bis jetzt ge- 
hórt hat, dann aber erst sich auch an die andem Git- 
ter in der Nühe wende, liegt in der Natur der Sache, 
es mag ein Álkar mit jenen Bildern da seyn oder nicht. 
Vor V. 50. haben mehrere Kritiker eine Lücke 
angenommen. Herrn Müller ist das mit dem Vorherge- 
hendem gar micht zusammenbüngende εἶδον πον ἤδη dbi- 
νέως γεγραμμένας δεῖπνον φερούσας nieht anstóssig. 
Ex meint S. 185. die Priesterin ermnere sich wieder an 
B2 


20 AESCHYLOS 


. ein Kunstwerk, und, indem sie nur den Anblick im Gei- 
ste sich erneuere, setze sie nicht erst den Namen der 
Harpyien hinzu, den jeder Hórer von selbst ergánzt habe. 
Dass sie sich an ein. Kunstwerk erinnere, erhellt aus ih- 
ren Worten: aber weder in einer andern Sprache noch 
im Griechischen würde jemand in dieser Gedankenverbin- 
dung, die hier Statt hat, so sprechen, dass er den Ge- 
genstand, auch wenn ihn jeder nicht Unwissende errathen 
künnte, nicht durch irgend einen Subjectsbegriff bezeich- 
nete. Herr Müller selbst fühlte, dass niemand so reden 
würde, wie er, um seiner Meinung einen Anstrich zu ge- 
ben, diesen Satz ausdrückte: ,,jich sah auch schon ein- 
mal des Phineus Mahlzeit Raubende.^ Denn in der Ue- 
bersetzung ergünzte er das fehlende Subject: 


»JVohl sah ich Unholdinnen irgendwo gemahlt 
De Kost des Phineus rauben.* | 


Wer anf die Gesetze der Rede und den.Gang der Ge- 
danken achtet, kann durchaus nicht zweifeln, dass hier 
210einige Verse fehlen, und die Priesterin, wie sie angiebt, 
warum sie die Schreckgestalten nicht für Harpyien halte, 
so auch gesagt habe, warum dieselben nicht Gorgonen 
seyn kónnen, dann mag sie etwa so fortgefahren haben: 


ἀλλ οὐδ᾽ àv Ldonwieug προσειχάσαιμί vu. 
εἶδόν nov ἤδη Φινέως yeyoouuévag 
δεῖπνον φερούσας. 


Denn wie in unsern Büchern das εἶδόν ποτ᾽ ἤδη un- 
müttelbar auf οὐδ᾽ αὖτε Γοργείοισιν εἰχάσω τύποις 
folgt, kann es schon desswegen nicht gefolgt seyn, weil als- 
dann nach den Gesetzen einer vernünftigen Rede γε- 
γραμμένας auf die Gorgonen bezogen werden müsste. 
[*Den von mir problematisch vorgeschlagenen Vers nennt 
Herr Müller S. 26. des Ánhangs ,,in grammatischer Hin- 
,,Sicht bedenklich, dem Gedanken nach aber ganz falsch, 
weil die Pythias nicht den Vergleich mit den Harpyien 
»Wegwerfen kann, ehe sie sich ihr Bild durch KErimne- 
,rng an ein Gemáülde erneuert hat, . Denn wenn sie 


EUMENIDEN. 21 


,,0as Erste schon gethan hat, ist das Zweite vóllig un- 
,Bütz. -Freilich kann man ein Bild nicht wegwerfen, 
an das man gar micht gedacht hat: aber dass manm ein 
Bild, indem man daran denkt, wegwerfen, und dann 
den Grund, warum man es wegwerfe, angeben kón- 
ne, wird sich niemaud von Herrn Müller ausreden 
lassen. Er führt fort: ,,Aber die Hauptsache ist, dass 
,,Herr H. sich doch an den, von ihm erst neulich 
herausgegebenen lon des Euripides hütte erinnern sol- 
len, wo die die Metopen des Delphischen Tempels be- 
,trachtenden Frauen sich gerade eben so ausdrücken, 
wo es nümlich darauf ankommt, bloss das Gesehene, 
,,die Figur, anzugeben , ohne die Erklürung beizufügen. 
»»Αεύσσεις οὖν ἐπὶ 'EyxsMdóq γοργωπὸν πάλλουσαν 
οοὔτυν, sagt die eine dieser Frauen; Schaust du wohl 
die gegen Enkelados ihr Gorgonenschildd schwingende; 
Worauf die zweite antwortet: : Ich schaue Pallas meine 
»Géóttin. Dass γοργωπὸν ἴτυν auf besagte Weise zu 
,Yerbinden ist, versteht sich von selbst; zum Ueberfluss 
» kónnte aus Euripides Elektra V. 1267. yogyd vneg- 
οτείνουσά σου χάρα κύχλον verglichen werden. —ÁAehn- 
lich sagt luvenal XIL 4. Par eellus dabitur gni- 
»gnanis Gorgone Maura. Wenn das die Haupt- 
sache ist, so hütte Herr Müller kein unglücklicheres Bei- 
spiel finden künnen, als dieses, im welchem er nicht nó- 
thig hatte so sorgsam vorzubanen, dass nicht jemand 
γοργωπὸν für die Benennung der Góttin nàhme.  Hitte 
er die griechische Antwort, λεύσσω Παλλάδ᾽ ἐμὰν ϑεόν 
hinzugefügt, so müsste gleich jedermann sehen, dass die 
zweite Person der ersten in die Rede fállt, und, was diese 
eben sagen wollte, Παλλάδα, ihr aus dem Munde nimmt.] 
V. $7. übersetzt Hr. Müller die Worte, τὸ φῦλον 

oUx ὄπωπα τῆςδ᾽ ὁμιλίας SO: 
Ken Volk noch sah sch, das Verkehr snst abnen 

pflegt. 

Dieser Sinn kann in den griechischen Worten, wel- 
che sagen, ,,die Art dieser Gesellschaft habe ich nicht 
gesehen, * schon der Sprache wegen micht liegen; aber 


22 AESCHYLOS 


auch des Gedankens wegen nicht. Denn nach Hrn. Miül- 
lers Uebersetzung müssten die Furien der Priesterin schon 
bekannt seyn. Sie sagt ja aber weitlünftüpr, dass ihr diese 
Gestalten günzlich fremd sind. [*Herr Müller sagt S. 
15. des Anhangs: ο»Ομιλία heisst bei Aeschylus nie 
,Schwarm überhaupt, sondern steht immer in Beziehung 
Auf denjenigen, ᾧ τις ὁμιλεῖ. Die Krinnyen heissen 
nie eine ὁμιλέα überhaupt, sondern eine ὁμιλία χϑο- 
"óc. Die Pythias sagt also: Ich kenne dus Geschlecht 
dieses Umgangs nicht, d. h. das Geschlecht der Men- 
schen, die mit den Erinnyen verkehren móchtean. Daran 
B8chliesst sich trefflich: noch auch das Land, welches 
üie Erinnyen ohne Schmerzen hegen künnte. 5 Hier 
legt mehr als ein Irrthum. — Erstens ist Aeschylus nicht 
der einzige Schriftsteller seines Zeitalters, dass die weni- 
gen Stellen, in denen hei ihm ὁμελία vorkommt, allen 
Gebrauch dieses Wortes "umfasstem, — Zweitens heisst 
ὁμιλία Gesellschaft, und enthült also schon in sich 
den Begriff des ὁμιλεῖν τινί, nümlich ἀλλήλοις. Drit- 
tens, wo die Eumeniden ὁμιλία χϑονὸρ genammt werden, 
heissen sie. so in Beziehung auf ihre Gegenwart zu Athen, 
weshalb sie, weil hier davon nicht die Rede ist, hier 
nicht so genannt werden konnten.  Viertens endlich ist 
das Geschlecht dieses Umgangs auch im Deut- 
schen ein Ausdruck, dessen μη niemand errathen wür- 
de, wenn Hr. Müller nicht gesagt hütte, was ihm diese 
Árt zu reden bedenten solle.] In dem folgenden Di- 
stichon, 


3 ce - 9 ) P4 
οὐδ ἥτις ala τοῦτ᾽ ἐπεύχεται γένος 
τρέφουσ' ἀνατεὶ μὴ μεταστέγειν πόγων, 


behielt der Herausgeber den fehlerhaften Genitiv πόνων 
bei, unerachtet schon von D'Amaud πόνον verbessert 
worden war, vermnuthlich anf Wéellauers wenig bedaehte 
Bemerkung, dass στένω auch mit dem Genitiv construirt 
werde. Wellauer war noch sehr schwach und ungeübt, 
als'er dem Aeschylus herausgab.  Spüter suh er das eim, 
und hatte eine ganz andere Árt von Bearbeitung im Sume, 


EUMENIDEN, eg 


wie er dem Hecensenten noch kgrz vor seimem "Tode 
schrieh.  Diess zu Entschuldigung des Manues, den He- 
censent noch mehrmals scharf zu tadela Veraulassung 
haben wird.  Wabrscheinlich würde er auch hierin spá- 
terhin eingesehen haben, dass, wss in einigen Füllen vich- 
üg iet, in andern falsch seyn kann. Auch der Soholiost 
las πόνον» in dessen Erklürang, τὸ τῆς ἀνατροφῆς, 
τὸν zu schreiben ist.  [*,,Die Verbesserung πόνον," 
sagt Hr. Müller ebendaselbst, ,.kann ich aueh jetzt nocli 
Richt für néthig halten.4^ Dadurch ist sie «ber auch 
moch nicht widerlegt.] | 
V. 67. 1. giebt Hr. Müller ens eigner Conjectur 80: 


b] “ € , ; M L4 € 
καὶ νῦν ἁλούσας ταςδὲ τὰς μάργους δρᾷς 
ὕπνῳ᾽ πονοῦσι T δ᾽ αἱ χατάπτυστοι κόραι 
γραῖαι, παλαιαὶ παῖδες. ᾿ 


Dieses πογοῦσιε ist ganz matt, wnd an der Lesart der 
Bücher πεσοῦσαι ist michts auszusetzen. Das Partici- 
pimm steht, wie oft, besonders anch im. dieser Tragódie, 
statt des eerbs fuis.  Bespr würe .es gowesen, mit211 
Valckenaer Nvxvóc staft γραῖαι zu setzeu, welches Wert 
sehr einer Erklürung áhnlich sieht. — [*Hr. Müller wünscht 
in dem Anhange S. 15. ich hátte πεσοῦσαι übersetzt. 
Nachdem, was.ich gesagt habe, hielt ich für unnóthig 
hinguznmsetzen, das hiesse sie.sind pgefallen.] 

V. 76. ist ebenfalls aus eigner Coenjectur gesetzt: - 


βεβῶτ᾽ ἀλατεὶ ἵ τὴν πλανοστιβῆ χϑόνα, 


statt βεβῶτ᾽ ἂν αἰεὶ. Hr. Müller sagt S. 64.: ,,Ich 
habe gewagt, für “ΝΑΙΕΙ zu setzen 44,4 4TEI, da 
ein solches Adeerbsum verbale von ἀλάομαι zwar 
8S0nst nirgends vorkomunt, aber doch sehr gut existiren 
konnte (und ἅπαξ λεγόμενα sind aus Aeschylos sicher 
8m meisten und frühesten verdràngt worden).*^ Dann 
sucht er noch das dorische c der mittlerm Sylbe zu 
rechtfertigen. — Würter, die in den Wüórterbüchern fehlen, 
liegen allerdings noch mamehe im Aeschylus verhergen; 
aber wer dergleichen herstellen ΧΗ]. muss mieht :nur os. 


24 AESCHYLOS 


nicht ohne Noth thun, sondern darf auch nicht Wiórter 
màchen, die, wie dieses ἀλατεί, aller Analogie zuwider- 
laufen, und daher nicht zu denen gehóren, welche exi- 
stiren konnten.  Ueberdiess würde dieses Adverbium auch 
einem überflüssipen, schon. in πλαγνοστιβῆ enthaltenem 
Begriff geben. Es bedurfte nur eines Blickes, um zu 
"sehen, dass bloss ein , Apestroph fehlt, und der Dichter 
schrieb. βεβῶτ dy eli τὴν πλανοστιβῆ χϑόνα. 
[*Herr Müller im Anhànge S. 15, .»βεβῶτ᾽ ἀλατεί. 
Diese Lesart ist noch immer die, welche .dem Sinne 
8llein zusagt, da ein immer in diesem Satze überhaupt 
und besenders.zwisehen ἀνὰ und τὴν πλαν. xy9óvo 
»ganz an unrechter Stelle stehen würde, Dass ἀλᾶσθαι 
0nd πλανᾶσθαι ohne Pleonasmus zusammenstehen kón- 
nen, sollte bekannt seyn. L4Ag:i würde mach ἀμογητί, 
»ἀνουτητί π. dgl. ganz analog gebildet seyn. — Warum 
ein immer hier an murechter Stelle stehen solle, da 
dech von einer immer fertwáhrenden Verfolgung die Rede 
| ist, wird schwerlich. jemand begreifen. Was die Stellung 
.ii;vwen cle; wwischen der Práposition. und dem Nomen an- 
langt, se scheint Herrn: Müller unbekannt zu seyn, dass 
diese: selbst in Prosa vorkommt. Plato Legs. VIIL p. 
Q32. C. (ἀλλ ἀκόντων: ἑκοῦσα .ἄῤχει. σὺν ἀεί τενε βίᾳ. 
Ἰλαρα ἀλᾶσθαι. und. πλαγᾶσϑαι zaspmmenstehen künnen, 
war nicht; geleugnet "worden, .sondern nur gesagt, der eine 

* dieser Begníle sey überflüssig; Endlich scheint ἀλᾶσθαι 
für Herrn Miller. ein mit dem c jprivatiro zusammen- 
gesetztes Verbum zu seyn , da er die Analogie durch 

duoi mnd ἀγνουτητὶ rechtferügen will] 
.[V. 78. findet man: 


"^ χαὶ μὴ πρόχαμγε τόνδε Bovxoloduevos 


πόνον. 

Und. nicht zu früh ermatte, diese Schmerzens- 
np ia) 

Zu. weiden. 


εὐ, d. 
. Est "springt]in die Augeu, 9 dám Hem Müller die eigent- 
lichen -Bedeutungem von a νιροχάμνει, und, von dem Pass- 


EUMENIDEN, 25 


vum βουχολούμενος nicht kannte,  Stanleys Ueberse- 
taung hátte hier das Richtige zeigen kónnen.] 
[V. 85. liest man hóchst Befremdliches: 


ἀναξ ᾿Απολλον, οἶσϑα μὲν τὸ μὴ ᾿δικεῖγ᾽ 
ἐπεὶ δ᾽ ἐπίστᾳ, χαὶ 'τὸ μὴ ᾿μελεῖν. μάϑε. 
σϑένος δὲ ποιεῖν εὖ φερέγγυον τὸ σόν. 


O Fürst Apollon; dir ἐξέ Rechtthun einge- 
Get. ' 
Nun dirs bewusst ἐξέ, fige IWWachsamkeit Mnzu. 
Denn dass du wohithun kannst, verburget deine 
Macht. 


Den zweiten dieser Verse dürfte schwerlich jemand ver- 
Stehen. Auch in diesen Versen konnte Stanleys Ueber- 
setzung den richtigen Weg zeigen.] 

V. 92. liest Hr. Müller mit Heath: 


3 


σέβει τοι Ζεὺς; τόδ᾽ ἐχνέμων σέβας, 
δρμώμενον βροτοῖσιν εὐπόμπῳ τύχῃ. 


Werth hàált Zeus, der diese, Würd' er- 
thesit, 

Den, elohor heilvoll mit Gelest den Menschen 
ποδί. 


Heaths Conjectur ἐκνέμων statt der alten Lesart ixvó- 
pov taugt nichts, nicht nur wegen des hier unpassenden 
seltenen Wortes &xvíustv, sondern auch weil jeder Hó- 
rer ὁρμώμενον hier nicht für das Masculinum, sondern 
für das Neutrüim nehmen musste, das sich auf σέβας be- 
zieht. Das that auch der Scholiast. Es ist ἐχνόμως zu lesen, 
sehr, wie im Ágamemnon V. 1482. s. Suidas in éxvouícg 
Der Sinn ist: ,,sehr hoch achtet Zeus diese Würde, 
wenn sie den Menschen mit glücklichem Geleite naht.** 
[Im Anhange S. 15. heisst es: ,,T00" ἐχνέμων σέβας 
1st immer noch bei weitem das Beste. Die τιμὴ des 
οπομπαῖος ϑεὸς ist für Hermes ein ἐξαίρετον γέ- 
,0xc. Durch éxvóuoc, welches im Agamemnon 1452. 
,89hr heissen soll (ich fide dort nur ἐχνόμως, fre- 
Tventlich), kügmnte immer nur ein aus dem rechten Maasse 


20 AESCHYLOS, 


,,herausitretendes SS ehr bezeichnet werden. Dieses Beste 

ist.aber durch diese Benennung noch nicht gegen die 

denselben — entgegengestellen — Einwürfe  gerechtfertiget. 

Ἐχνόμως ist, wie ἐχνομίως hei dem Aristophanes und 

ἐξαίσιον in Odyss. XVIL. 577. ein Ausdruck, der 

gleich unserm ausserordentlich weniger sagt, als er 
zu sagen scheint. 

X V. 96. ist ὡς μὲν ἔχταγον beibehalten worden, 
Tyrwhitt und Wakefield hatten richtig ὧν verbessert, 
und so las auch der Scholiast, ob er gleich nicht rich- 
tig oonstrurte. —Gemordet haben viele: hier aber kam 
es darauf an, wer ermordet worden war. [*JDiess soll 
mach S. 8. des Anhaugs eine recht einleuchtende Probe 
von Unfáhigkeit den Zusamnenhang wahrzunehmen seyn. 
Es heisst dort: ,, Wen Klytümnestra getódtet habe, davon 
kaun hier die Rede nicht seyn; und es kann dnrchaus 
nicht in Klytümnestras Absicht liegen, dabei an Aga- 
uemnons Mord und dadurch an Orestes Rachepfücht 
zu ernnern Dass ich gemordet habe, sagt sie, 
die Schande geht in der Unterwelt nicht ans; aber für 
»die von ihren Kindern schmachvoll hinge- 
richtete Mutter hat keine Gottheit einen ráchen- 
den Groll (wobei der Nominativ παϑοῦσα anakoluthisch 
vorangestellt wird, am denm Gegensatz gegen das auf 
üdas Subject zurückgehende ὡς μὲν Exravo» recht zu 
UIarkiren.) — Der erste dieser Sitze, dass hier micht 
die Rede davon seyn kónne, wen Klytümnestra getódtet 
habe, ist eine blosse Behauptung ohne Beweis. Dass sie grund- 
los ἰδὲ, wird sich nach Betrachtung der andern Sütze 
zeigen. Der zweite Satz, die Absicht der Klytümnestra 
betreffend, δέ im sofern wahr, als sie allerdings micht die 
Absicht hahen kann an des Orestes Racheplight zu er- 
innern. Aber an AÁgamemmons Mord, worin Herr Mül- 
ler diese Erinnerung finden will, erinnert sie, auch wenn 
sie sagt, dass ich getódtet habe, indem mon nicht 

— tódten kann, ohne dass jemand getódtet wird ; ausser dem Aga- 

memnon &ber (denn an die Kassandra denkt miemand) 

kein Ermordeter im Betracht kommen kann, Die Ex- 


EUMENIDEN. . 21 


klárumg nun, die Herr Müller von den T'extesworten 
giebt, sagt, wenn ich sie recht verstehe, so viel: der 
Schande eine Mórderin zu seyn kann ich freilich nie 
entgehen, aber dass ich von meinen Kindern getódtet 
worden bin, dafür giebt es keine Rache. Dieser Ge- 
danke aber ist nun erstens ungehürig: denn nichts kommt 
darauf an, dass Klytümnestra in der Unterwelt eine Mór- 
derin heisst; xweitens ist er dem Charakter der Klytü- 
mnesira entgegen, die dem begangenen Mord jetzt eben 
so wenig als im Ágamemmon bereut; drittens ist er auch, 
wie schon in der Recension engedeutet worden, falsch, 
. weil gemordet zu haben an sich keine Schande ist, und 
der Mürder sich viele in der Unterwelt befinden. Die 
Bemerkung über παϑοῦσα aber trifl gar nicht, sondern 
spricht vielmehr für ὧν» indem, wie ἔχτανον and πα- 
ϑοῦσα einander entgegenstehen, so auch ὧν und τῶν 
φιλτάτων Sich auf einander beziehen. Dass nun aber 
auch der erste der angeführten Sütze irrig ist, und Hr. 
Müller, indem er die folgenden Worte αἰσχρῶς δ᾽ ἀλῶ- 
μαι nicht beachtete, die ganze Stelle misverstanden hat, 
ergiebt sich, wenn man die Worte ὧν μὲν ἔχτανον 
ὄνειδος ἐν ἐφϑιτοῖσιν οὐχ ἐχλείπεται richtig versteht, 
Klytümnestra sagt: der Vorwurf derer, die ich ge- 
tédtet habe, verlüsst mich unter den Todten 
nie, und schmühlich irre ich umher. Sie beklagt 
sich, dass sie emsam und werachtet unter den 'Todten 
ist, nicht weil jemand von ihr getódtet worden, was viele 
gethan haben, senderm weil von ihr als der Mürderin ih- 
res Gemals sich non and die andern Sehatten 
abwenden. Was Herr Müller übrigens noch hinzufügt, 
wird jeder Leser selbst zu würdigen wissen.] 
V. 103. liest Hr. Müller: 


δρᾷ δὲ πληγὰς τάςδε καρδία σέϑεν. 
Und doch erblicht dée Wunden jetzo auch 
dein. Herz. 


So hat Aeschylus weder gelacht woch geredet, — Die Les- 
art der Bücher ist: ὅρα δὲ πληγὰς τάρδε καρδίας oé- 


28 AESCHYLOS 


2129«» und χαρδία σέϑεν. Offenbar über ist, wie schon 
der Zusammenhang der Stelle zeigt, zu schreiben: 


ὅρα δὲ πληγὰς τάςδε καρδίας ὅϑεν. 


Siehe diese Wunden meines Herzens, woher 
sie kommen. 


[*Auch diess soll eine jener einlenchtenden Proben nicht 
verstandenen Zusammenhanges seyn. Zusammenhang ist 
ein Wort, das Hr. Müller immer im Munde führt. Fragt 
man sich, was es bedeute, so findet man, es sey damit 
ein dunkel geahndeter unerklürlicher Grund gemeint. Man 
müsse, meint Herr Müller im Anhange S. 9. der alten 
Psychologie wenig kundig seyn, wenn man daran Anstoss 
nehme, dass das Herz, der Sitz der φρένες.» es sey, 
welches im '"Traume Erscheimungen sehe; für Aeschylus 
brauche nur an Agam. V. 172. erinnert zu werden: 
στάζει δ᾽ ἔν O^ ὕπνῳ πρὸ καρδίας μνησιπήμων nó- 
γος. JDass das Herz im. Traume beángsügt werde, was 
die Stelle des Agamemnon sagt, dazu bedarf es kei- 
ner sonderlichen Kunde alter Psychologie: aber, was diese 
Stelle nicht sagt, dass χαρδία ὁρᾷ von wirklichem Se- 
hen im Traume richtig gesagt sey, das war zu beweisen. 
Sodann heisst es: ,,woher sie kommen, diese Wunden; 
das kónnen die Erinnyen an der Traumerscheimung un- 
1Bóglich sehen, sondern nur aus früherem Wissen hin- 
Z2uthun. Allerdings: aber auch nach Hrn. Müllers 
Lesart kónnen die Furien nur aus früherem Wissen von 
diesen Wunden Notiz nehmen. Denn eine Wunde bloss 
als Wunde kümmert sie nicht, sondern nur das kann sie 
anregen, dass sie wissen,. die Wunden, die sie sehen, 
seyen der Mutter von ihrem Sohne geschlagen. — ,,Ueber-. 
diess ist Klytümnestra von ihrem Sohne nicht durch 
eine Wunde im Herzen, sondern im Halse (Eum. 502.) 
»Zetódtet worden.*€ — Allerdings steht dort ξιρουλκῷ χει-- 
oi πρὸς δέρην vsucv. Wenn diese geriehtliche Àn- 
gabe hier se streng genommen werden soll, dass das von 
oben eingedrungene Schwert nicht auch das Herz .ge- 
troffen habe, so fragt man bilhg, warum, da dort nur 


EUMENIDEN. 29 


ein tüdtlicher Streich bezeichnet wird, hier mehrere ge- 
nannt werden.] 
Die beiden folgenden Verse, 


εὕδουσα γὰφ φρὴν ὄμμασιν λαμπρύνεται, 
ἐν ἡμέρᾳ δὲ μοῖρ᾽ ἀπρόσχοπος βροτῶν, 


sind 80 übersetzt: 


Denn schlafend schauet hellen Augs der Geist 
umher, 

Ob auch das Tagecht solche Vorschau nicht 
cergzónnt. 


Der zweite Vers ist in der Uebersetzung sehr matt ge- 
wendet, und würde, wenn die Lesart des Originals rich- 
tig ist, schwerlich anders verstanden werden kóünnen, als: 
un Tageslicht kann das Schicksal der Menschen nicht 
vorhergesehen werden. ^ Denn diess musste jedem Hó- 
rer eher einfallen ; als μοῖρα βροτῶν für βροτοὶ zu 
nehmen. Die Erklárung des Scholiasten , die Stanley 
misverstanden hat, 7) τῆς φρενὸς μοῖρα οὐ προορᾷ ἐν 
ἡμέρᾳ, weisst darauf hin, dass die alte Lesart φρενῶν 
statt βροτῶν war, und. dann ist der Sinn klar uud pas- 
send: ,,am Tage vor sich zu sehen ist dem Geiste nicht 
beschieden.^  [*Herr Müller sagt S. 9. des Anhangs, 
dass er meine Emendation φρεμῶν sogleich. annehmen 
würde, wenn sie diplomatisch wahrscheinlich, und wenn 
auch diess ausgemacht würe, dass Aeschylus den qoévec, 
dem Sinne und Geiste, eben so gut eine μοῖρα zutheilen kón- 
ne, wie den Menschen, Góttern, und bestimmten Einzelwe- 
sen,  Vertauschen von Wórtern, die, weil sie in stetem 
Gebrauche sind, dem Abschreiber zur unrechten Zeit 
verschweben, kónnen keine diplomatische Begründung ha- 
ben, weil ihre Veranlassung psychologisch ist. Die zweite 
Bedenklichkeit heruht auf einem zu engen Begriffe von 
μοῖρα. Μοῖρα ist Loos, und eine μοῖρα kann alles 
hahen, dem ein Loos fallen kann, also auch dem Sinne 
und Geiste.] 

[*V. 114. ist so interpungirt: 


30 AESCHYLOS 


ἀχούσαϑ'᾽, ὡς ἔλεξα τῆς ἐμῆς περὶ 
ψυχῆς. 
Ich sprach 1» metne Seele, also hóret mech. 


Die Anmerkung. S. 64. sagt: Aeschylos Gedanke ist: 
»» Περὶ ψυχῆς ὁ ἀγών ἐστιν (wie die Redner sagen, 
»YBl über περὶ ψυχῆς in diesem Sinne Odyss. 9, 423.); 
in der Weise habe ich gesprochen, in der Weise hórt 
mich. Diesen Sinn soll die Interpunction deutlich ma- 
Chen. 4 Den Sinn würde Hr. Müller in der Ueberse- 
tzung ziemlich getroffen haben, wenn er nicht also für 
auf diese Weise genommen wissen wollte. — Denn 
seine Erklirung ist mit Recht von Herrn Fritzsche als 
ungriechisch getadelt wordem. Zur Vertheidigung wie- 
derholt er sie bloss im Anhange S. 15. ohne auch jetzt 
noch sich zu erinnern, dass ὡς 20 viel als denn, 
t6, ist.] 


"Ovag γὰρ ὑμᾶς νῦν Ἀλυταιμνήστρα καλῶ. 
Denn Klytümnestra rufet. dich. 4n. Traum 
anizt. 


So ist V. 116. übersetzt. Áber dieser Gedanke ist üus- 
serst matt, und würde im Origimale sogar falsch seyn, 
wo ὄναρ durch die Stellung des Worts als der Haupt- 
begriff hervorgehoben wird.  Vielnehr kann ὄναρ hier 
nicht im Traume bedeuten, sondern bedeutetein T rau m- 
bild, einen nichtigen Schatten. Denn das giebt 
jà Klytimnestra als Grund am, warum die Furien auf sie 
hóren sollen, dass sie verachtet unter den 'Todten ist. 
[*Hiergegen sagt Herr Müller S. 10. des Anhanps: ,,wenn 
von einer Traumerscheinung selbst die Rede ist, kann 
diese Erscheinung, indem sie sich einen T'raum nennt, 
nicht sich dabei zugleich als nichtiges und verachtetes 
»Wesen bezeichnen. Denm — eine sehr wichtige Re- 
»Rel für alle Auslegung —- das unmittelbar Passende des 
»directen Sinnes schliesst alle metaphorische . Uebertra- 
»gung aus. Diese Regel, die ich selbst anderwáris vor- 
. getragen habe, ist durch die vem ὄναρ gegebene Erklü- 


ΕΥΜΕΝΙΡΕΝ. 31 


rung keineswegs verletzt, Denn erstens erscheint Kly- 
tümnestra ja nicht als ein Traum, sondern sie ist der 
wirkliche Geist der Klytümnestra, Zweitens verletzt 
auch übrigens die Rede diese Regel nicht, Sie würde 
sie verletzen, wenn entweder der Chor sagte ὄναρ oe 
ὁρῶμεν, oder Klytimnestra ὄναρ ὑμῖν φαίνομαι, wnd 
damit ein nithtiger Schatten gemeint seyn sollte. — So 
aber sagt die wirkliche Klytàmnestra ὄναρ γάρ (οὖσα) 
ὑμᾶς νῦν Αλυταιμνήστρα χαλῶ: ich, Klytümne- 
stra, die jetzt ein Traumbild bin, rufe euch. 
Herr Müller fáhrt fort: ,Was aber die Stellung von 
οοὔναρ betrifft, so erklürt sich diese, dünkt mich, auch 
8us der wirklichen Bedeutung von ὄναρ hiulünglich. 
.Klytümnestra, welche die Erinnyen wáührend ihres Le- 
bens hüufig angerufen, hebt es mit Emphase hervor, 
0ass sie ihnen jetzt im Traume, als Traumgesicht er- 
,8Scheine, was sie nicht thun würde, wenn sie in der 
Unterwelt eine ruhige Stütte gefunden, wenn sie nicht 
0cloyodc ἀλᾶσϑαι müsste. Woher muss Hr. Müller 
wissen, dass Klytümnestra die Erinnyen wührend ihres 
Lebens oft angerufen habe? Etwa aus dem Agamemnon 
V. 1407. f. μὰ τὴν τέλειον τῆς ἐμῆς παιδὸς Zxnv, 
στην, Ἐρινύν O^, αἷσι τόνδ᾽ ἔσφαξ᾽ ἐγώ3 Das 
konnte sie doch nur wegen der Iphigenia. Denn wegen 
des an ihr selbst verübten Mordes konnte sie doch nicht 
ehe sie ermordet war, die Furien anrufen; An die Iphi- . 
genia denkt hier uber niemand, zumal da sie dieser we- 
gen das Sitrafamt selbst ausgeübt hat. Die vermeintliche : 
Emphase kann hier gar nicht stattfinden. — Emphatisch 
steht ein Wort dann, wenn es eine Deziehung auf das 
Gegentheil enthül. Nun aber steht dem im Traume 
nar in der Wirklichkeit entgegen. Das passt aber 
hier gar nicht, da die ganze Handlung des Ánrufens, auf 
die esihier ankommt, wirklich ist. Will man aber sup- 
pliren, was Hr. Müller that, ieh würde euch nicht 
erscheinen, wenn ich in der Unterwelt Huhe 
gefunden hátte, so verschwindet nicht nur alle Eim- 
phase ganz und gar, sondern der Gedanke wird auch 


32 AESCHYLOS 
absurd. — Denn hütte Klytümnestra Huhe gefondon, so 


würde sie die Furien weder im Traume noch wo sie 
wachen anrufen, Ueberhaupt beklagt sie sich nicht, dass 
die Furien den Orestes nicht bestrafen wollten, sondern 
dass sie ihr Geschüft nachlüssig betreiben und sich dem 
Schlafe überlassen. Da sie nun wirklich schlafen, und 
mithin nicht wachend die Klytümmestra sehen kónnenm, 
so würe es eine lücherliche Emphase, zu sagen: im 
Traume rufe ich euch; und vielmehr musste Kly- 
tümnestra, wenn sie emphatisch sprechen wollte, das Ge- 
gentheill sagen: nicht als Traum, sondern wirk- 
lich stehe ich vor euch, und rufe euch. Beilüu- 
fg kann es nicht schaden zu bemerken, dass ὄναρ auch 
an sich ein Gespenst bedeutet, Aesch. Sappl. 865.] 

V. 118. ist die alte Lesart beibehalten worden: 


φίλοις γάρ εἶσιν οὐκ ἐμοῖς προςίστορες. 
Denn Schützer finden. $e, die meine | Seele 
hasst. 


Zwar ssh Hr. Müller S. 147. ein, dass προςίχτορες 
passiv von. denen, um deren Schutz gebeten wird, zu 
nehmen iet, im Uebrigen aber folgte er seinem Führer 
Wellauer. Allein wie kann φίλοις οὐκ ἐμοῖς heissen 
Hie, die meine Seele hasstP* Entweder muss mit 
Schütz gelesen werden φίλοι γάρ εἶσιν. οὐκ ἐμοὶ προς- 
ἔχτορες, oder, was wahrscheinlicher ist, φίλοις γάρ εἴ- 
. σὲν9 οὐχ ἐμοί, προςίχτορες. ,,Meine Verwandten, nicht 
ich, haben Beschützer.4  [*,,Hierin ist, 4 sagt Hr. Mül- 
ler S. 10. des Anhangs, ,,erstens Das gegen allen Ge- 
,dankenzusammenhang des Stückes, dass Klytümnestra sich 
ῳπροςίκτορας wünschen soll, d. h. Gótter, zu denen 
man sich schutzflehend wendet; weil der von Aesch. sehr 
Scharf gefasste Begriff des ἑχέτης auf einen Rache ver- 
langenden Schatten nicht anwendbar ist. Warum aber 
ist der Begriff des ixérme von Aeschylus, ja von allen 
Schriftstellern so scharf aufgefasst? ^ Weil in der Regel 
nur lebendige Menschen um Schutz flehen, und es ein 
ganz ausserordentlicher Fall ist, dass auch einmal der 


EUMENIDEN, | . 83 


 .Schatten eines "Todten etwas zu flehen hat, das ntn frei- 
lich .nicht Schutz Seiner Person, indem diese-schon todt 
ist, sondern nur seines Rechtsseyn kenn, welehes Rechtin dem 
gegenwürtigen Fallej: wo ein solcher Schatten erscheint, die 
. Rache ist, . Splieinbarer .ist das zweite Argument: ,,Eben 
2,80 sehr 'verstisst. es gegen den Sprachgebrauch, φίλσι, 
, ,die Lieben, schlecltweg für Verwandte zu setzen, die in . 
diesem Augenblicke wahrhaftig nicht.als Liebe. aufge- 
sasst werden,  Klytüzanestra kann' V. 100. sagen, sie 
:,»,Würe von 'den Liebsten ermordet worden, d h.. von Km- 
dern, 'gegen welche sie Mutteyliebe . empfend ;** (diese 
Krklürung ist jicht richtig; 'vielmehr.von denen sie ge- 
liebt, werden sollte) ,;sie kann (Agam. 1209.)-ein Un- 
»Beheuer genannt werden, welches: uhversóhplichen Streit 
.Begen die Lieben athmet: aber indem sie sich beklagt, 
,ass ihr Mórder Orestes Schutz finde, und also kein 
» V erháültniss von Mutter- und Verwandtenliebe berührt, 
"kenn sie diesen nicht ihren Lieben nennen.« - Aller- . 
dings hegt in den meisten Stellen, in denen das .Wott . 
Verwandte bezeichnet, -wenn etwas Feindliches genapnt: 
wird, eine Beziehung auf die Liebe, welche .da seyn soll- 
te, ber nicht da ist, zum Grunde. So in den Sieben 
gegen. Theben V. 954. πρὸς φίλου ἔφϑισο. xot φίλον 
᾿ἔχτανες᾽ und in den Eumeniden Ὗ,. 335. ὅταν “Ἄρης 
τιϑασὸς . ὧν φίλον ἕλῃ. Allein. keineswegs ist das 
nothwendig, und, wie qíAo& nicht selten ohne alle Be- 
ziehung auf Liebe die Verwandten bedeutet, so findet 
man bei dem Sophokles dieses .Woft .in einer ganz dem 
bestrittenen Verse àáhnlichen. Stelle, we nichts weniger 
als an Liebe gedacht werden kann; in der Elektra V. 516. 


ἀνειμένη μὲν, ὡς ἔοικας, αὖ στρέφει. 
οὐ γὰρ πάρεστ᾽ “ἴγισϑας, ὅς d ety. ἀεὶ 
uu τοι ϑυραίαν y οὖσαν αἰσχύνειν φίλους. 


Hr. Müller hátte mir.noch einwendem.kónnem, das$ Ae- 

schylus: anch das. serede  Gepentheil, ἐχϑροῖς, setzen 

konnte. Deshalb fige ich noch lhimzu, dass, wenn er 

φίλοις gesphrieben hat, der Gedanke der ist: meine Ver- 
Hn. "Or. IV. C 


34 AESCHYLOS 
wandten zwar, aber ich, die ich dech auch zu diegem 
Geschlecht gehóre, habe nicht Güjfter, die mich schützten. 
Was Herr Müller nun aohst noch schiit; wird der Le- 
ser selbst zu würdigen wissen. : Nur- die Deutung, die 
er seiner Lesart giebt, mag noch betraehtet werden: - 
,Udenn für Freunde, die nicht die meinigen- sind, giebt 
p schitzende Gottheiten, .d. h.' denn für Leute, die zwar 
,Wohl Anderer Ereunde, aber micht die meinigen simd, 
,Eiebt és m. s. w, Sie bezeichnet.alse den Orestes als 
. ,Ereund, aber nicht von sich; sie deutet an,. er habe 
andere Fregmde gefanden, nümlich Apollon und Hermes, 
ohne sie nemnen,zn wollen, weil se diese Gottheiten 
enischieden a&zuklagen sich scheut, was' den Krinnyen 
,Zukommt, aber nicht. dem Schaiten der Klytámnestra. 
Jn der deutschen Uebersptzüng ist meine Seele scharf 
ἔῃ betonen. Würtlich übersetzt würe das: für die, 
die geliebt, werden, nicht. von. mir, giebt es 


. Beschützer. JDiess ist aber nicht nur ein .vérschroben 


adsgedrückter. Gedanke, sondern. er enthült auch den gar 
aicht- hierher gehürenden, und daher matten Zusatz nicht 
von mir, und dàneben noch eine Árt von Tautologié: 
für die, die von Apollo und Hermes geliebt 
werden, sind Apollo. und Hermes Beschüfzer; 
je er.ist überhaupt ganz unnütz, da niemand einen be- 
schützt, der ihm nicht lieb ist.  Schwerlich wird daher 
. diese Erklirung Beifall finden. Uebrigens wenn mir zum 
Vorwurfe gemacht. wird, .dass ich nicht gesagt habe, Hr. 
" Müller habe die passive. Bedeutung von προςίχτρρες ,,nach- 
.gewiesen, ^ sondern mur .er habe sie ,,eingesehen:* so 
gebülrt der Ruhm des Nachweisens, wenn darauf so viel 
ankommt, Herrn Sehwenk, der diess lange vorher gethan 
. hatte.] 
[V. 119. ist der Gehukenzusimmenlang nicht ge- 
troffen: 
| ἄγαν ὑπνώασεις,. 200. κατοικχτίζεις πάϑος. 
φονεὺς δ᾽ ᾿Ορέστης Ἰτῆςδε μηκρὸς οἴχεται. 
We ud du s&chlummerst; -micht erbartmt der. 
E Jemmer, dich; .- 


EUMENIDEN. | 3$ | 
Orest der Mürder seiner Mutter ΩΣ 6st. 


(0 ort. . 
Ausser dass schlummern hier nicht das: rechte Wori 
ist, und der ganze Vers enders géwehdet wordei, ruft . 
in der Uebersetzung des zweiten Verses Klytámnestra denFu-' ὃ. 
rien zu, Orestes sey fort. Bei dem Geiechischen Dich-':. 
ter klagt sie nur schmerzlich für sich, dass Orestes ent« . 
flohen ist. ] 

— W. 121. liest Hr. Müller ὄξεις ὑπγνώσσουσ᾽; statt 
ὦζεις; ὑπγνώσσεις; nicht ohne Wahrscheinlichkeit. ies . 
ist die beste von seinen .Conjecturem, jedoch auch sie2 13 
micht nóthig, zuinal. wenn man ὥζεις nicht fragend nimmt. . 

V. 125. geben die Bücher λάβε, λάβε, λάβε, 
λάβε, φράζου: Herr Müller meint S. 80. , der metri- 
sche Scholiast habe gelesen: 


uo ui, ui μῦ, μὺ μῦ, φράξου, 

λάβε, λάβε, λάβε, λάβε, λάβε: 
Ich nehme, sagt er, ,keinen Anstand, das: Pass auf 
»(tPodbov), gegen die gewühnliche Ordnung, Vor dàs: 
Pack an (Ade). zu stellen, was auch der natürliche 
Sinn der Stelle, in der die Erinnyen wie auf das Wild 
8nschlagende Dogzen vorgestellt worden, sehr empfehlt: 
Nun aber ist gar kein Grund abzusehen, warum hier 
,Jüer gewühnliche Gang des iambischen Verses unterbro- 
,Jchen werden sollte, indem nach dem Brauche der Tra- 
»giker mur die unarticulirten Laute des Aechzens und 
Stóhnens, M9? ub, ein Recht haben, ausserhalb des dia- 
logischen Versmaasses zu stehen, keineswegs - -aber die 
,daranf folgenden Würter gewühnlicher Art. : So-mapht 
er denn einen Trimeter: 


Φράξου. "Ae fe. Aa Du. Ais. “άβε. Ad Bs “Μάβε. “άβε, | 


in weleheim das.erste Wort von dem Chorführer, jedes 

der sieben ;1d&/js aber von zwei Furien zugleich gespro- 

. chen werde. Allerdings müchte das. grosse Wirkung ge- 

macht haben. Dennoch kann diese Kntik durchaus 

nicht gebilligt werden. Der einzige Grund " der einigen 
2 


A 


3$ ——.— AESCHYLOS 


Seliein: [ἥν sich hat, iat, dass φράζου passender vor dem 
λάβε stehe. Allein es ist auch im  Geringsten nichts 
dagegen, dass dieses φράζου, womit gewarnt wird, dass 
der Flüchtling nicht entkomme, auch nachgesetzt werde. Die 
übrigen Gründe sind nicht nur unstatthaft, sondern amch 
iig. Den metrischen Scholiastem zu V. l. hat Herr 
Miller nicht verstanden. — Die Worte desselben sind: 
μετὰ δὲ τὸν ρχδ' ἕτερα β' χῶλα, ὧν τὸ ἕν δίμετρον 
βραχυκατάληκτον" τὸ. δὲ ὅτερον ἐφϑημιμερὲς ἐκ τρι- 
βραχέων" el δὲ τροχαϊκὰ τὰ κῶλα ταῦτα εἴποις, οὐκ 
ἂν ἁμάρτοις. Der Scholast las sicher in seinem Co- 
dex. statt des ersten Verses dasselbe, was wif jetzt in 
den Handschriften und alten Ausgaben finden: μυγμὸς 
διπλοῦς. ὀξύς, d. i. er nahm die Laute u$ μῦ, uv μῦ 
an, umd séhrieb also wohl ἀκατάληχτον. Βραχυχατά- 
ληχτον ist ein Versehen des Abschreibers, der dieses 
. Wort aus der vorhergehenden Zeile nahm. Ferner las 
der Scholiast auch das folgende, wie wir es in den Bü- 
chern finden: denn die Worte geben das angereigto ἔφϑη- 
μιμερές: 
oo δι"; ῳ ῳΌ T — 
λάβε, λά | Bs, λάβε, | λάβε, qoc | Gov. 
. Sedagn ist nicht wahr, dass nur die unarticulirten Laute 
das Hecht haben, ausserhalb des dialogischen Versmaas- 
214ses zu stehen. Diess istso bekannt, dass man sich wun- 
dern muss, so etwas behauptet zu sehen. ^ Ueberdiess 
kann ja hier gar nicht von dialogischem Versmaasse die 
Rede seyn, da noch gar kein Dialog vorhanden ist. Wenn 
demmach die gemachte Veránderung schon desswegen nicht 
zpnlissig ist, weil sie auf irrigen Gründen beruht, so er- 
echeint sie " vollends ganz, verwerflich, wenn man. "Folgen- 
des in Erwügung zieht. Erstens reden die Furien noch 
im Tranme, wie Klytümmestra selbst V.-126. sagt. Da- 
zu passt, der regelmüssige T'rimeter nicht, somdern es, 
wird ein anderes, von der. Rede" Wachender verschiede- 
nes Versmaass erfordert. —Ziweitems ist.ein. solches Vers- 
maass anch um desswillen nóthig, wed, was, die. Furien. 


EUMENIDEN. ' 8} 


im Traume.spreghen, epodisch ist. Denn sowohl der 
μυγμὸς. als der ὠγμὸς sind ja offenbar antistrophisch, 
folglich besteht auch der doppelte μυγμὸς aus Strophe 
und Antistrophe, und der letzte Vers 1st dazu die Epode. 
Drittens ist für den Traum auch die Personeneintheiluug; 
zufolge: welcher jedes λάβε von 'zwei Furien zugleich ge- - 
sprochen werden soll, zu regelmnüssig. Hr. Müller hat 
hier, wie.-wir auch an andern Chorgesingen sehen wer- 
den, den Gedanken, alle funfzehn Personen des Chors 
sprechen zu lassen, ohne Princip aufgegriffen, und bringt 
ihn auch willkürlich ohne Princip in Anwendung, Vier- 
tens endlich ist der Effeet, den seime Anordnung machen 
würde, hier zu stark, und vielmehr verlangt die "Natur 
der Sache, dgss das Erwachen allmálich vor sich gehe. 
Erst das volle Bewusstseyn lásst den 'Trimeter zu, in 
welchenr Versmaasse die Führerin des Chors V. 135 — 
137. spricht...  - EE 005 | 

[V. 128. ist τέ δρᾷς übersetzt: was schaffst 
du? Es beduríte nur einiger Aufmerksamkeit auf den 
Sinn der Rede, um zu sehen,. dass vi δρᾷς atcentuikt 
werden müsse, und init diesen Worten gesagt werde: 
machst du Anstalt? ^ Auch μή os γιχάτω πό- . 
voc ist unrichtig übersetzt: keine .Müh*. besiege 
dich. Der Sinn ist: lass dich nicht von Ermü- 
Aung überwültigen.] v 

Von dem Chorgesange, welcher folgt, hat Hr. Mül- 
ler eben so, wie Rec. Opusc. Il. p. 136., in der er- 
sten Strophe und Antistrophe den ersten und dritten Vers 
derselben BPerson gegeben. Den vierten und fünften giebt 
er in jeder dieser Strophen nur einer Person, der drit- 
ten: und sechsten, und von den vier folgenden Strophen 
lisst er jede. von zwei Personen zusammen singen, 80 dass 
die Zall:14 herauskómmt, nachdem die funfzehnte die 
Jambeh V. 135 — 137 gesprochen hatte. Er erklürt 
Sich- hierüber: S. 84. f, wo er sagt, er kónne nicht zu- 
gebei dass man mit Herrn Bamberger vor πάρεστι γᾶς 
ὀμφαλὸν intetpungiren kónne.' "Rec. muss"dieser Be- 
hauptung,. so wie. der gánzem Anordnung von *W. 141. 


38. ᾿ AESCHYLOS, 


am widersprechen. An Vertheilung der Personen darf 
iman nicht eher denken, als bis der Text gahórig emen- 
dirt, und der Zusammenhang der Worte richtig verstan- 
den ist, Num aber zeigen zuvürderst in der ersten Sitro- 
phe dre Verse: 


ἐξ ἀρκύων πέπτωκεν, οἴχεταί 95 ὁ ὃ ode 
ὕπνῳ κρατηϑεῖο ἄγραν ὥὦλεσα, 


215durch den Mangel aller Verbindung, dass sie nicht beide 
von einer Person, wie in Herrn Müllers Anordnung, son- 
dern jeder von einer andern gesnngen Werde. Eben so 
verhált es sich mit den ihnen in der Aniurepe respon- 
direnden Versen: 


τὸν μητραλοίαν δ᾽ ἐξέκλεψας ὧν ϑεός. 
τί τῶνδ᾽ ἐρεῖ τις δικαίως ἔχειν; Σ 


folglich: vertheilt sich die, erste Strophe mi& ihrer Anti- 
strophe nieht, wie Herr Müller angiebt, unter-6, . sondern 
unter. 8 Personen. In dem zweiten Strophenpaare wei- 
set das'gleichmüssig hervorgehobene πάρεστε Schon an 
sich selbst auf den Anfan, .einer neuem Rede hin. Fer- 
ner würde nach der. von ;Herrn MüHer belolgten Lesart 
die Interpunction .in diesen Strophen verschieden ausfal- 
len, inderà et ia der Strophe nach dem dritten, in bs 
Antistrophe nach dem zweiten Verse interpungirt, 

die Tragiker sorgfáltüg vermeiden. Die Au&mahme, ie 
sich V. 334. und 345. zu zeigen. scheint, wird weiter 
unten ihre Erledigung erhalten, Herr Müller hat diese 
Beobachtung auch V. 057. vernachlüssiget. Sedann ent- 
sprechem einander auch die Worte μεσολαβεῖ κέντρῳ 
und φοβολιβῆ Ooóvov nicht mit der erforderlichen Ge- 
pauipkeit des Maasses. Hierzn komunt, dass auch: 770i 
πόδα, περὶ χάρα Worte sind, welche ganz ungeschickt 
auf den Sitz, den Exdnabel, bezogen werdén.  Endhch 
Tehit offenbar in den Worten V. 130.: ἐμοὶ δ᾽ ὄγειδᾳς 
ἐξ ὀνειράτων μολὸν ἔτυψεν Óbtav διφρηλάτου μδθο- 
λαβεῖ κέντρῳ, der ganz unentbehrhehe Accusativ. Elite 
daher Herr Miller erst sich bemüht, die Worto des Dich- 


RUMENIDEM. ον τς 89 


ters right fu versíehgn, elio er.an "die Personenabthei- 
lung: dachte, so würde er gefunden Maben, dass Wake- 
' field richtig ϑρόμβον statt ϑράνον verbesserte, aber un- 
richtig interpungirte. Diese beiden Strophen, welche von 
den Personen 9 --- 12. gesungen werden: » Mid 80 Zu 
schreiben : 


9: ἐμοὶ δ᾽ ὄνειδος ἐξ. ὀνειράτων μολὸν 
| ἔτυψεν δίχαν διφρηλάτου U 
ἊΝ ᾿ μεσὐλαβεῖ' χέντρῳ . ᾿ 
᾿ ὕπο φρένας, Vno λοβόν. ᾿ 
10. πάρεστι μαστίκτορος͵ δαΐου δαμίου 
βαρύ, τὸ περίβαρυ κρύος ἔχειν. 
. MH. τοιαῦτα δρῶσιν οὗ νεώτεροι ϑεοί,. 
. χρατοῦντες τὸ πᾶν δίχας πλέον. 
φογολιβῆ᾽ ϑρόμβον 
περὶ πόδα, περὶ κάρα. 
12. πάρεστι γᾶς ὀμφαλὸν σιροοδρακεῖν αἱμάτων 
βλοσυρὸν ἀρόμενον ἄγος͵ Exety.. 


. Darsach geben denn mun imWijich beide Strophen einen U 


ganz &mder& Sinn, als welchen Herrn- Müllers Ugherse- 
tsang ausdrügkt. . [*S..33. des  Anhengs stellt Herr 
Müller eime andere Maglichkejt auf, wie die Persenen 
εἶδ dem erstem "Sérpphenpaare 80 vertheilt werden kónmen, ᾿ 
sMass' qur seths demselbém sprechen. Diese Müglichkeit 
. findet allemdings Statt. .Nmn führt er aber fort: ,, Main 
,mag indess diese Strophen sechs eder acht: Persowen 
, »2ütheilen, worüber ieh micht stréiten wil: so πιὰ für . 
.,,las Ganze der Higrmannséhen Ansicht dadurch Nichts 
.zgewongen.  Demn dass.es unmüglich ist das folgende 
,Strephenpaar.auf die angegebene Weise zu vertheilen, 
Wenn man:nicht den schónsten passendsten Gedanken 

,1n JNonsens verwandeln will, ist oben S. 11. hinlinglich . 
» nachgewiesen. € Dort wird nun zuerst gesagt, die Be- 
merknuug, dass die Interpunctionen in Strophe und An- 


tistrophe. einander respondiren, .sey oft anwendbar, oft .. 


aber auch nicht. Dem ist micht so, sondern mur selten 
sind die ipéerpunctionen ungljeich; yo aber auch die übri- 


A0 | AE£SCHYLOS. 


ge Rede sebr. markliche Gleichheit zeigt , Nirde die Un- 
gleichheit der -Interpmaetign unstalthaft seyn, Ferner 
soll ,,bekenntlich*€ die Genauigkeit. der "T'hesis-der Doch- 
mien und Kretiker (χέντρῳ .und ϑρόνυ») nicht durch- 
güngig vorhanden seyn.. Diese Behauptung kann de- 
nen imponiren, die: mit der Strenge des Aesclrylus nicht 
bekannt sind. Ja guch die andern Tragiker zeigem sich, 
je mehr die Sache untersucht .wird, strenger als man 
elemals glaubte. Endligh übersetzt Herr Müller zum 
Bebufe seiner Einwürfe mene Lesart so: ,,Solches voll-: 
»bringen die jüngeren Gótter, indem sie überall mehr, 
,als das Recht zulfüsst, an Haupt und Fuss über einen 
,bluttriefenden , Klampem Gewalt erlangen (oder Gewalt 
ausüben), € .und behauptet, die Furien halten sich in ih- 
ren Yorwürfen immer an das Vorliegende, Wirkliche. 
Was er sonst, noch sagt, findet in dem Erróthen des Le- 
sers seine Erledigung. Ein etwas artigerer Uebersetzer 
würde übersefzt haben; solches vol]bringen die 
, jungen .Gótter, die sich gegen alles Recht der 
Blutspur an Fuss: und. Haupt bemüchtigen: d.. 
h. die sich das Gericht über dem an Haupt und Fuss: 
mit Blut bespritzten Mürder anpaassen, Dass die Fu- 
rien von nichts reden, als Was .sie vor Augen sehen, 
' kamn ich so wenig zugeben, als es wohl auch mancher. 
andere zugeben wird. Ja, wer sich nicht übermengen kann, 
dass diese ganze Scene innerhalb des Tempels : vorgeht, 
wird einsehen,. dass nach dieser Lehre die Furien "amc 
den: Erdnabel nicht erwühnen kónbien.] 
210  . V. 106. bedenfet χάμοί vs ,λυπρὸς nicht ich 
werdà' ihm gram, sondern ,Jmich beleMigt er. 6. - 
V. 181. liest man naeh Erfurdts Vorgang; - 


ἀλλ οὗ καραγιστῆρες, ὀφϑαλμώρυχοι 

δίχαι, σφαγαί τε, σπέρματος T ἀποζϑορᾷ 
παίδων κακοῦται χλοῦνιςν 7/0" ἀκρωγία 
λευσμός TE, καὶ μύζουσιν οἱχτισμὸν πολὺν ' 
ὑπὸ ῥάχιν παγέντες. 


Die Bücher haben ἀποφρϑοραὶ und neben χαμρῦπρι auch 


EUMENIDEN. . δὲ 


κακοῦ vs und λευσμόν. Wenn die aufeenommene Emen- 
datio richtig ist, und. χλοῦνις; ^ wovon SS. 65. gespro- 
ohen wird, üppige Fülle. bedeutet: se würde doeh, wem 
man dabei st chen bleibt, der. Fertgang der Rede seht 
hart: darch κακοῦται usterbrochen werden, ' weil ἀἄχρω- 
vic und λευσμὰς. nicht. von diesem Verbüm abhüngen kónn-: 
ten. 4xpovíe hat Herr Müller sorgles mit andera In- 
terpreten für'Gowcnoucuós genommen :. aber diese. Er-- 
 klürung hat gàr keine Auctoritit. Vielmehr konnte der 
Scholiast in Vergleiclung "mát den .auf die Stelle des 
Aeschylus bezliglichen "Glossen . der Grammatiker, des 
Hesychius in ἀχρώνιά, des Etym. M. p. 53, 41., und 
des Lexikons$.in Bekkers Amecd. p. 372 9 3. zeigen, . 
dass σπέρματός T ἀποῳϑορᾷ παίδων κακοῦται χλοῦγις- 
ἠδ᾽ ἀκρωνία' zusanimengehürten. 'Dam ist'die Rede 
richhg and λευσμόν, das von μὐζσυσιν' dibingt, Bhicht 
zu ünderm,, Aber wenn Recensen sagt,. die ede sey 
richtig, so, vill er damit noch nicht gesagt haben, dass ' 
auch die Lésart richtig; sey. ' Denn. dazu wird erst er- 
fordert, dass χλοῦνις als Substantivum erwiesen werde. 
[* Aber anch daegn würde noch kein :Grund. vorhanden 
seyn; eine so gesuchte, gezwangene, und schwerfillige 
Redensart. der weit leichtern und erklárlichern, σπέρμα-- 
τός. v ἀπαφϑοραὶ᾿ παίδων, «χαχοῦ τε χλοῦνις ἠδ᾽ 
ἄκχρωνία, "vorzuziehen. - “ευσμὸν :darf aber amch da 
nichí geündert werden. Was Herr Müller S. 15. des 
Anlangs eimwendet, dass auf diese Weise rwisehen be- 
stimmte: Vorstellingen die allgemeine, tin Haufen Un- 
glücks, komme. welche hóchstens ami Schlusse stehen 
künme, diess ist zwar gegtündet, làsst sich aber beseiti- ' 
gen, wenn man-diese allsemeine Vorstellung wirklich als 
Sichluss betrachtet, ünd da stürker interpngirt , hernach 
aber noch einem Zusatz, λευσμόν cvs uU. 8. W. folgen 
lisst. Denn sehr wohl kann , wer alley umfasst zu ha- 
hen glaubte, dann noch etwas stürkeres, das ihm ein- 
fállt, hinzufügen. Man ist daher keineswegs genüthigt, 
anzunehmen, der Scholiast habe sich zu ἀχρωνία jene 
Ezklürung.aus Herodian angemerkt. «n diesen ohnodiess 


42 4ESCHYLOS 


sehr kurzen Scholien ist eine 80 gajelmte Anmerkung 
wohl kaum anders als fim ein Excerpt aus ültepn Scho- 
Ben, welche hier Herodians rklirmng der Stelle anführ- 
ten, zu nehmen] 

[V. 200. wundert man βίον den: ganz klaren Sinn 
so sehr verfehlt zu sehen: 


τίς ἥδε τιμή; κόμπάσον γέρας χαλόν.᾿ 


Was für οἷα Amt das 2 Ruhm ein .schónres 
0 Ehrenamt. (C 


Es würe, gui gewesen, Stanleys fichtigo. Uebersetzung an- 


 zusehenz g«wts hsc honor? Sectio. praemsum 


hoc a:mplum.] - 

[V. 202." Auch, er. würde es rathsauer: gewesen 
seyn, sich Stanley, als Wellauers Führung anzuvertrauen, 
wührend Herr Müller beiden and keinem vob beiden folgt. 


τί γάρ; γυναικὸς, fue ἄνδρα. γρόφίση, 

οὐκ ἂν γένοιϑ᾽ ὅμαιμος αὐθέντης. φόνος; 

We denn 4. das Wei 80ll, das. den , Ehmann 
umgebracht, 

Nicht auch der Blutsfreund "tódten emt, der 
eignen. Hand? 


. Es ist belcemdiih, dàss. Herr Miller, dgr sich der Ein- 
sicht in-den Gedankenzusammenhang des:Stüekes so oft 


rühmt, nicht nux gar keine Rücksicht auf die doch we- 
nigstens einige Beachtung verdienende Personeneintheilung 
der Robortellischen Ausgabe und: deg Scholiasten nimmt, 
mach welcher der zweite dieser Verse dem, Chür beigelegt 
wird, senderm anch den Hauptgedanken ganz aus denm 


" Augen verliert, . dass: die : Ermordung des . Ehegatten 


kein Merd unter Blutsverwandtem sey, eiuen Gedgitken, 
der um so mehr erwühnt. wetden, musste, weil auf ihm 
das beruht, dass Klytámnesta von den Furien.nicht ver- 


felt wird;.ja eien Gedanken, der in dem Gerichte 


selbst von der grüssten Wichtigkeit iet, und. daher von 


- den Eumeniden V. 576. gang bestimmt ansgesprochen wird ; 


οὐχ ἦν ὅμαιμος quos y ὃν. κακέχτανῳ»] 


REUMENIDEN, 00 «4 
[V. 204. Hier.ist Herr Miljór. nit. Unreeht von 


Herrn Fritzsche wepen Aufnahme von Bothes Conjectar ἄρ- 
κέσει getadel| worden in den Vereen: 


7 χάρτ' ἄτιμα, καὶ παρ᾽ ᾿οὐδὲν ἀρκέσει 
᾿ Ἥρας τελείᾳς καὶ Διὸς πιστώματα. Ν 


Dem wenigstens kan Aeschylus so'statt der Lesart der : 
. Bücher ἠρχέσω geschrieben | haben, zumal da aus.eier . 
Handschrift auch ἀρχέσω angeführt wird. . Von den bei- 
den Cohjecturen Wellauers ἠρέσω und jjéoo, ist die 
letztere gut;.die erstere' aber, die Herr Fritzsche für 
das Walre: hielt, kann.gar nicht Statt finden, da hier 
von. einem. ἀρέσασϑαι Φεοὺς dar nicht die Rede seyn - 
V. 208. kann über de Sinn und: die "Lesut ge- 

. Stritten werdet, Herr Müller giebt: | 


οὐνὴ γὰρ ἀνδρὶ᾽ αὶ: ᾿χυναιπὴ μουσσίμη 
ὅρκου "στὸ μείξων, τῇ Δίχῃ φρουρουμένη. 
Das Beti » wo Sehichsalswalfung JMenn und. 
αι veretnt, | 
Ist: der Bidschoury eenn das : Recht die JFa- 
NE che Ààlt. 


Es war uiéht δεν, τῇ Δίξῃ init grossem  Knfangsbuch- 
staben zu schreiben; s. V. 417.  Betrachtet man den 
Znusammenbang'der Stelle, so. ergiebt sich," dass das án 
der Uebersetzang: schwerfülim anseedrückte- ἀνδρὶ xui 
γυναιχὶ μορσίμη bessek hervorgehoben seyn solke, und 
der zu beweisende Satz, Αὔπρις ἄτιμος τῷδ᾽ ἀπέῤῥι- 
TrGt λόγῳ, vielmehr die andere nieht ὁ unbegrlniete Les- 
art und Interpunetion verlangt: 


εὐνὴ γὰρ ἀνδρὶ καὶ γυναικὶ μορσίμη, | 
ὅρχου τε μείζων, τῇ δίχῃ φῥαυρουμένη. 
Die Ehe, sagt der Dichter, is&den Menschen vom Schick- 
sal bestunmt, und hóher als der bid, - wenn sie treu be- 


walrt wird. | 
Es folgen die Vete: ZEE | 217 


«4 | AESCHYLOS 
ei τοῖσιν' 0D. χτείνουσιν ἀλλήλους χαλᾷς, 
τὸ μὴ πένεσθαι, μηδ᾽ ἐποπτεύειν κότῳ. 


Πένεσϑθαι "statt γενέσϑαε hat Herr Miller ᾿ ποῖ einer 
Conjectur des Recensenten, die sich micht rechtfertigen 
lisst, aufgenommen. Das Wahre ist riveoOo:; | S. So- 
| phokles Oed. Col. 094. 096. [* Τίνεσθϑεαι fand auch 
Herr Exitzsche, und Herr Müller billipt.es.] 

[Auch hier wirft Herr Fritzsche mit Unrecht Hrm. 
-Müller ver falsch construirt und. ἐμφανῶς unriehtig über- 
setzt zu haben 9 indem ἐμφανῶς nieht offenbar be- 
deute, und τὰ ἐμφανῶς zu verbinden sey. Das erstere 
lüssl sich durch zahlreiche Beispiele . viderlegen; ; das 
zweite widerlegt sich dadurch, dass σὰ μὲν hloss .den 
. Gegensatz «à δὲ verlangt, (τὰ ἐμφαγῶς aber, wenn es 
. überhaupt hier einen passenden. Sinn gübe, das entgegen- 

'gesetzte Prüdicat bei τὰ μὲν erfordern würde. —Dariu 
aber hat Herr Fritzsche recht, dass πράσσουσαν ἧσυ- 
χαιτέραν falsch ühersetzt,. nd der Sinn nicht getroffen 
ist . durch, 


Das Andere. trügst- de 0 ffenbar weit: ruliger.] 


V. 210. ist, wahrscheinlich .auf Wellauers "Aucto- 
ritit, der Solócismus οὔ τι “μὴ λείπῳ ποτὲ beibehalten. 
Wellanér kannte. den Unteráchied zwischen dem Conjun- 
ctiv des Prüsens und dem dea Aorists in dieser Redens- 
" art nicht. Hierüber bat Rec. zur Medea V. 1120. und 
zum Oed. Col. V. 1028.. gesprochen. [Im. Anhauge S. 
16. wird gesagi:.,,V. 210, meihe, ich, dass οὔ τι μὴ 
»"λίπω :hessen würde: Es ist nieht zu.denken, dass es 
jemals vorfallen kónnte,:dass ich einmal von. die- 
8em Manne abliesse.. Der. Sinn fordert. aber: Es ist 
,]iclit zu denken, dass ich jenials von diesem-Manne da- 
Von bleibe, ihn fortwáhrend unverfolptlasse.. Ich wüsste 
,hicht, auf welche Weise diess anders: als durch das 
Prüsens bezeichnet werden künnte. ,Auch passen dazu 
 ȟie bekannten Beispiele (Stallbaum al Plat. de R. P. L 
9}. 341.).von οὐ μὴ δύνηται und οὐ μὴ οἷός v ἧς.“ 
Das Citat des Herrn Stalibaum steht nicht S. 311. son- 


EUMENIDEN, 45 


dern ᾿ l1. und enthilt nur dje schon vorher von mir zum 
Sophokles angeführten Stellen. In dem was Herr Müller 
sagt, liegt ein zwiefacher Irrthnm; denn o) τε μὴ λίπω 
kang micht das Vorfallen kónnen bedeuten, und was Herr 
Müller dann durch das deutsche Priüsens, welches er in . 
der Bedeutung des Futurs nimmt, ausgedrückt hat, ist 
οὔ τι μὴ λίπω, nicht οὔ τι μὴ λείπω 

| Ebenfalls mit Wellauer ist V. 221. s nach der 

mediceischen Handschrift gegeben : : 


- ἐγὼ δ᾽, ἄγει γὰρ αἷμα μητρῷον, Pros 
μέτειμι v0vÓs φῶτα χαχχυνηγέτις. 


Κατακυνηγετεῖν kotmt nicht vor? aueh scheint ein sol- 
ches Compositum fast absurd zu seyn. — Hütte sich der 
Dichter eines zusanimengesetzten Wortes bedienen ^wol- 
len, so ibt glaublicher, dass er ἀειχυγηγέτὶς gesagt haben 
würde. . Vermuthlich aber schrieb er κἀχχυνηγετῶ.- 
Diess ist hier das passenüste Verbum. Euripides im Ion 
V. 1422.:: ὦ Ζεῦ, τίς ἡμᾶς ἐχχυνηγετεῖ πότμος. 
[*Diese Emendation findet Herr Müller sehr wahrschein-. 
lich im Ánhange S. 10.] 


V. 229. nahm Herr Müller an dem schlecht ge- 
stellten πρὸς in den Versen: 


. ἀλλ᾽ ἀμβλὺν ἤδη προςτετριμμένον. τὸ πρὸς. 
ἄλλοισιν οἴχοις καὶ πορεύμασιν βροτῶν, 


so wemig Anstoss, dass er es sogar, wie auch V. 429. 
S. 150. für vor nahm, was ganz irrig ist. Auch scheint 
ihm weder das Unrichtige des Gedankens, noch der Man- 
gel einer Verbindungspartikel in dem auf diese Verse 
folgenden Satze aufgefallen zu seyn. Der Scholiast, wie 
sich aus seien Worten, ἀλλοίς προςτριψάμενον τὸ 
μύσος, vermuthen làsst, las προςτετριμμένον μύσος. 
Diese, jedech anders verstandene Lesart, giebt, wenn die 
Verse unigestelt, und ein einziger DBuchstab geündert 
wird, in uller Rücksicht genügende Rede: 


οὗ προςτρόπαιον, οὐδ᾽ ᾿ἀφοίβανχον" χέρα 


- 46 AESCHYLOS. 


ἄλλοιοιν olxpig xol πορεύμασιν. βροτῶν" 
ἀλλ᾽ , ἀμβλὺς ἤδη᾽ προςτετριμμένον “μύσος, 
ὅμοια χέρσον καὶ ϑάλασσαν ἐκπερῶν, 


(OW. 8. We [*Heir Müller sagt im Anhange S. 10. dass 


er πρὸς adverbial genommen hat, zu welcher Stellung 


. mah doch Beispiele vermisst. In meiner Umstellung der 


Verse müsse man über Vieles erstaunen, besonders wie 
einer durch fremde Háüuser und Wege 'gereinigt wer- 
den kónne,  Diess isf ein Ungedanke: dass aber ein 
,Gereinigter, wenn er' sich viel in andern Hüusern und 
auf der Strasse des Volks herumgetrieben, dadurch noch 
,Unschüdlicher werde, ist ein üchter Gedanke des grie- 
,chiscóhen Alterthums.« Diesen üchten Gedanken hátte 
Herr Müller belegen sollem. Den Üngedanken aber, den 
er tadelt, hat er erst, um ihn einen Üngedanken nennen 


. zu kónuen, selbst geschaffen, indem er πορεύμασι durch 
"Wege übersetzte, Aeschylus drückt diesen Gedanken 


V. 429. so aus: 
πάλαι πρὸς ἄλλοις ταῦτ᾽ ἀφιερώμεϑα 
οἴκοισι καὶ βοτοῖσι καὶ ῥυτοῖς πόροις.) . 
Auf eine sehr merkliche Weise zeist sich bei dem 
zunüchst folgenden Chorgesange, wie wenig Halt archiüo- 
logische Einfálle.haben,. wenn ihneg nicht die erforder- 
liche Kri&k und Erklárung der Worte vorausgegangen 


- 
Lj 


218ist. Hr. Müller sclireibt S. 86. f. ,, Auch bei dem nun 


,lolgenden Chorgesange tritt, wie bei dem vórigen, das 
Abgebrochene, Kommatische, deutlich hervor; schon 
uas dochmische Versmaass eignet sich für vielstimmigen 
,Gesamg sehr wenig; dann geschieht auch die Fortfüh- 
Iung des Gedankens meist durch Gegensütze. auf eine 
»ganz dialogische Weise. Ausserdem unterstützen bei 
der Vertheilnng der Stimmen die eingestrenten iambi- 
8chen Verse, indem in diesem Gedichte keine Rede an- 
ders, als mit einem gewühnlichen iambischen Verse an- 
,ingt, von welchem sie alsdann bei steigender Bewe- . 
gung in'dochmische Weisen übergeht, aber zum Theil 
auch, sieh selbst berüligend, wieder mit einem iambi- 


' EUMENIDEN.. EE. 


,8chen Verse schliesst. Aber eben so wenig glanb' ich 
,Zweifeln .zu dürfem,, dass dieses Lied, den. Vorgesang 
»(Προφδός). abgerechnet, antistrophisch geordnet war, 
indem die. antistrophische "Entpeggumng in dem zwei«- 
ten; Strophempaare .ganz bestimmt hervortri&; ii dein 
ritten wenigstens durchschimmert.  Freilieh hat, auch 
Bach unserer T'extanordmmg, jede der zwei Abíiheijun- 
»gen, in welche die dritte. Antistrophe' nach den ver- 
,Schiedenen, Stimmen zerfüllt, einen Dochmius : mehr als 
,in der vorhergehenden Strophe gefunden wird; aber 
,wenr ich, uit dem Entsprechen im Uelirigen, zugleich 
en besonders energischen (xedanken erwüge, der ge- 
,rade in diesen scheinbar überhingenden, das antistro- 
,phiscle  Verhültniss. stórenden Stellen liegt, welche 
in wenig Sylben wahre Blitzstrahlen gegen den Orestes 
58chleudern: so finde ich niohts wahrscheinlicher und an- 
,nehmlicher, als dass hier die Stimmen, welche die Stro- 
£phen sangen, auch in die Antistrophe einfielen, und mit 
den gegenüberstelenden vereinigt, die in Rede stehen- 
den überzühligen. Worte: ἢ τοβέας φίλους. und wer 
Aeltern schlug, und ἔνερϑε χϑονός, im Exdschlunm- 
96 tief, sangen: obschon ich weiss, dass eine solche 
Vereimgpgung von Stimmen.—- wie. wohl noch: vielés an- 
dere, aur "Techmik der alten "Tragódie Gehórige '— bis 
jetzt noch nirgends nachgewiesen worden ist. Nach dieser 
Angabe vertheilt sich das Lied auf eine gewiss sehr 
Ungezwungene Weise unter vierzehn Personen; womit 
1ndess nieht gelüpgnet werden soll, dass vielleicht auch 
andere Vorstellungen ihr Kmpfehlendes haben kónnen.* 
Es ist gut, dass Hr. Müller die letzten Worte hinzuge- 
fügt hat: denn von dem, was er selbst aufstelit, kann 
nichts für wahr anerkannt werden, als der micht von ihm 
herrührende Satz, dass die dochmischen Rhythmen sich nicht 
für vielstunmigen Gesang eignen. Wir wollen das Einzelne 
des Gedichtes durcbgehen. Denn noch mehreres, als das 
hier angeführte, hült eben so wenrm Stand, In der Pro- 
ode behált Herr Müler das aus der Robortellischen Áus- 
gabe stammemde λεύσσετον bei, und 4iest mit οἰ δὲν 


᾿48΄. '" A ARSCHYLOS 


παντᾷ [ἂν άντα.᾿ Der Dualis soll den Beweis geben, 
219dass die Furien in zwei langgedehnten Reiben hereinka- 
men, und sich theils nach. der rechten, theils nach der 
Bnken Seite wandten, wie es dem Begriffe von Suehen- 
den, die Gegend nach Art von Jagdhunden. Durchspü- 
renden, vollkemmen angemessep sey. Wynn das Herein- 
kommen von zwei Seiten in langen Reihen schon am sich 
nicht nóthig. war, indem ja die Fnrien den Orestes, der 
sich keineswegs versteckt hat, sondern das Standbild der 
Góttin in dem Tempel umfasst hült, gleich :beim Herein- 
treten erblicken müssen: so ist vollends der einzige Grund, 
anf den diese ganze Phantasie, und amit ihr. die irrige, 
wilkürlich ángenommene. Deutung des σποράδην εἷς- 
ἄγειν τὸν χορόν, Was nicht einzeln,. sondern nur 
nicht in Gliedern und Reihen, bedeute, gebaut ist, 
so morach, dass er bei der leisesten Berührung zusam- 
! menbricht. Die ursprüngliche Lesart der Handschriften 
ist: ὅρα, ὅρα LXX -αὖ, λεῦσσε τὸν πάντα, μὴ λάϑῃ 
| φύγδα βὰς ὃ ματροφόνος ἀτίτάς. Es hedarf mur sehr 
. geringer Uehung, um in. diesen . nnrhythmisehen Worten 
die klar vor Augen hegenden Dochmien .zu. entdecken, - 
mit denen der Dualis, und folglich auch die auf dénselben ge- 
stützten zwei langen Reihen von Furiem verschwinden: 


ὅρα, ὅρα μάλ᾽ αὖ, λεῦσσέξ Jte πᾶντᾳ, μὴ 
λάϑῃ φύγδα βὰς ματροφόγος ἀτίτᾳς. 


Ferner soll in dem zweiten Strophenpaare (Herr Müller 
nennt das zweite und dritte statt des 'eysten und zweiten: 
denn es sind mur zwei Paare) die antistrophisthe: Ent- 
gegnung ganz bestimmt hervortreten. Dass das aber irrig ist, 
sieht jeder, der mit .den Gesetzen " des  Vershaus bekannt 
ist. Denn die Worte: ó δ᾽ αὖτέ γ᾽ οὖν. ἀλχὰν ἔχων 
περὶ βρέτει, kónnen wegen des dorischen ἀλκὰν und 
wegen der Production der Endsylbe in πδρὲ nicht 'ein 
iambischer 'Lrimeter seyn, wofür sie Herr Müller hielt. 
Wenn also dieses Srophempaar sich micht .Pespon- 
dirt) so ist es nicht der Mühe werth, ein Wort über 
das zweite xu verlierem, dessen Strophen einander.aoch 


D sd 


EUMENIDEN, | 49 


weniger sleichen.  Mithin erscheint auch die neue Lehre 
von überhüngenden Füssen und dem seltsamen KEinfallen 
anderer Stimmen als ein leerer, vóllig ungegründeter Ge- 
danke, vou dem man sich wundern muss, dass Herr Mül- 
ler ihn seinen Zuhórern vortragen, noch mehr aher, dams 
er ihn auch ins Publikum bringen konnte.. Es drüngt 
sich nur zu oft die Bemerkung auf, dass Herr Müller 
alle Entdeckungen der Philologen benützen und in Ane 
 wendung bringen wollte; wo aber und wie das zu ma- 
chen sey, nicht wusste, und darüber nachzudenken sich 
nicht Zeit nahm. Nicht überall sind Asdüstrophen am 
rechten Orte. :In einem Gesange wie dieser, mit dem . 
die Furien einzeln, σποράδην, ohne geregelte Ordnung 
hereinkommen, würden Antistrophen der Sache ganz ent-220 
gegen seyn, Darum ist hier nicht daran.zu denken, Ín 
dem ganzen Gesange, wie ihn Herr Müller gegeben hat, 
ist bloss die Angabe einer Lücke in den Worten V. 
200. ἢ ϑεὸν ἢ ξένον τίν᾽ ἀσεβῶν richtig, jedoch lüsst 
Sich sehr zweifeln, ob, wie er glaubt, nach ἀσεβῶν zwei 
Sylben ausgefallen sind, indem sich schwerlich etwas fin- 
den lassen dürfte, das. diese Lücke, ohne den Gedan- 
ken zu schwüchen, ausfüllte. ^ Weit wahrscheinlicher ist, 
dass ein gewühnlicher Schreibfehler, ἀσεβῶν für εὐσεβῶν, 
Veranlassung zur Weglassung der Negatiom gab, und der 
Vers so lautete: . 


ἢ ϑεὸν ἢ ξένον τίν᾽ oUx εὐσεβῶν.- 


Die übrige Anordnung kann mieht gebilligt werden. Die 
aweite Strophe dieses Gesanges ist so zu schreiben: 


ὃ δ᾽ * αὖτέ γ᾽ ἀλχὰν ἔχων 
περὶ βρέτει πλεχϑεὶς ϑεᾶς ἀμβρότου 
ὑπόδικος ϑέλει γενέσθαι χρεῶν. 


Das οὖν rührt vom einem unverstündigen Metriker her, 

der einen Trimeter herausbringen wollte. «Χρεῶν staít 

χερῶν las offenbar der Scholiast: du" ὧν ἡμῖν χρες 

ωὠστεῖ πρόςφυξ ϑέλει γενέσθαι τῆς ϑεοῦ. V. 221. .1f. 

hehielt Herr Müller die günzlich matte Iniorponction sei- 
Hen. Or. VI. 


40 ὔ AESCHYLOS 


mes Vorgüngers Wellauer bei: αἷμα μητρῷον χαμαὲ 
δυραγκόμιστον, παπαῖ. τὸ διερὸν πέδῳ χύμενον oi- 
χεται. — Ks springt in die Ángen, dass, wemn der Süimn 
Kraft haben soll, interpungirt werden muss, wie Rec. mit 
dem Scholiasten gethan hat: 

τὸ δ᾽ o) πάρεστιν" αἷμα μητρῷον χαμαί. 

δυςαγκόμιστον, παπαῖ» 

τὸ διερὸν πέδῳ χύμενον οἴχεται. 
V. 256, nahm Herr Müller, vielleicht mit Recht, für 


einem Trimeter, und setzte aus einer Conjectur von Wa- 
. kefield, die auch Boissenade aufgenommen hat: 


βοσχὰν φεροίμαν πώματος τοῦ δυςπότου. 


Aber wenn man auch hier die dorischen Formen gestat- 
ten künnte, so ist doch der eingeschobene Artikel nicht 
nar jn der BDichtersprache ganz wnertrüglich, sondern 
auch dem Begrifle nach falsch. Sollte ein Trimeter ge- 
macht werden, so war es jaleicht, Óvcsx;rórov zu schrei- 
ben. Sonst ist durch Umstellang der Worte ein Doch- 
mius herzustellen, dem Kretiker folgen: 
φεροίμαν βοσχὰν πώματος δυςπότου. 
Die beiden folgenden Verse sind so gegeben: 
καὶ ζῶντά σ᾽ ἰσχνάνασ᾽ ἀπάξομαι χάτω᾽ 
. ᾿ἀντιπόνους τίνεις μητροφόνας δύας. 
221Würe diese Lesart richtig, so würde das Unzusammen- 
hángende der Rede nothwendig erfordern, dass der letzte 
Vers einer andern Person gegeben würe, was nicht ge- 
schehen ist, Aber auch dann wáüre dieser Satz, so 
. mackend hingestellt, üusserst matt, und sehr ungeschickt 
stánde der Indicativ des Prüsens. Die alte und am mei- - 
Sten beglaubigte Lesart ist ἀντεποίνουρ τίνῃς. ᾿Αντισιοί- 
vovg zu ándern, ist kein hinreichender Grund vorhanden: 
dass aber der Vers mit dem vorhergehenden zusammen- 
hüngen müsse, haben mehrere Kritiker eingesehen. Man 
hat daher vermathet ἀντίποιν᾽ ὡς τίνῃς μητροφόνου 


EUMENIDEN. 51 


δύας: und μητροφόνας wenigstens hat Aeschylus schwer- 
lich geschrieben. Wer ohne Hülfe einer Partikel dem 
Simne nachhelfen will, kann cíveuv schreiben. Wahr- 
scheiulicher aber ist es, dass vor diesem Verse einige 
Worte, in denen eine Parükel war, von welcher der Con- 
 junctiv rívgc abhángt, ausgefalen sind. ^ Endlich aber 
kann auch das nicht gebillist werden, dass jede der von 
Herr» Müller angenommenen Strophen von zwei Perso- 
nen zugleich gesungen werde, Schon überhaupt ist es 
keineswegs nothwendig, wie sich an gar manchen Bei- 
spielen zeigen lüsst, dass, wo einzelne Personen des Chors 
singen, »16 alle funfzehn singen müssen: am allerwenig- 
sten aber kann es amgemessen erscheinen, dass mau in 
ein so bewegtes Gedicht, wie dieses ist, das cben dess- 
wegen auch keine Ántistrophen hat, jener Hypothese zu 
Liebe eine der Beschaffenheit des Gedichts so fremde Re- 
gelnüssigkeit in Vertheilung der Personen hineinbringe. 
Auch nimmt man bei der Trennung der einzelnen Stücke 
kein Princip wahr, dem Herr Müller gefolgt wáre, son- 
dern es war ihm genug, nur alle vierzehn Furien unter- 
zubringen. Was zu trennen oder zu verbinden sey, müs- 
sen die in den Worten enthaltenen Gedanken jedesmal 
anzeigen, wobei auch auf die Rhythmen mit zu sehen 
ist. Und we nicht alle Personen des Chors sprechen, 
muss doch auch ein Grund sich nachweiseu lassen, war- - 
rum nur so und so viele ausgewáühlt sind. Hier liüset 
Bich leicht errathen, dass, da sich ganz von selbst sie- 
ben Stücke unterscheiden, der Dichter die Einrichtung 
getroffen habe, dass nur die Hiálfte des Chors singe, 
wührend die andere Hülfte einzeln dazwischen ohne Ge- 
sang herangestürzt kam. Die Ánfánge der sieben Stü- 
cke sind folgende: 1. ὅρα — 2. ὃ δ᾽ αὖτέ y — 3. 
τὸ δ᾽ οὐ πάρεστιν — 4. ἀλλ ἀντιδοῦναι — 5. xoi 
ζῶντά σ᾽ — O0. ὄψει δὲ — T. μέγας γὰρ dide — 
[*Herr Müller findet die von mir angenommenen sieben 
Personen vóllig unmotivirt, S. 34. des Anhangs. Die 
-Reden der Furien, glaube ich, zeigen schon selbst ge- 
muésam, dass sie nur von den einzelnen gesprochen wer- . 
D* 


. 


32 AESCHYLOS 


den kónnen, Da nun der Sütze sieben sind, so folgt, 
dass die Háülfte des Chors nichts sagt.  ,JNach dem 
Kunstsine des Alterthums, 6 sagt Herr Müller, ,,und 
insbesondere nach dem Styl des Aesch. hebt auch eine 
,;heftige Bewegung Symmetrieund Ordnung des Ganzen nicht 
vilig auf, und da τὸν χορὸν σποράδην εἰσάγειν nur 
der dem χατὰ ζυγὰ oder κατὰ στίχους gegenüber- 
stehende Kunstausdruck zu seyn scheint: (es scheint 
diess ja aber nur Herrn Müller) ,,so ist nicht einzuse- 
hen, warum das Antistrophische dieses Gesanges durch 
,,lie oben besprochenen Emendationen (namentlich αὐτά 
»y dàixàv), absichtlich vertilgt werden soll./ Aber es ist 
ja gar nicht vorhanden, und soll daher nicht vertilst, son- 
dern nur nicht am unrechten Orte hergestellt werden, 
Ueber meine Ansicht aber, dass die beiden überzühligen 
,Dochmien der zweiten Antistrophe durch die vereinig- 
ten Stimmen der Strophe und Antistrophe gesungen 
,Worden seyen, wird eine vorurtheilsfreiere Kritik, 

die gegenwürtige, zu richten haben.** Da durch eine solche 
vorurtheilsíreie Kritik alles móglich werden würde, so 
würde sie zugleich das Ende aller Kritik seyn. Was 
den Kunstsinn des Alterthums anlangt, so bin ich es ja 
selbst, der zuerst auf die grosse .SSymmetrie bei den Sce- 
nikern aufmerksam gemacht hat: aber diese wird darum 
noch nicht aufgehoben, wenn nur der halbe Chor sprieht; 
, vielmehr versteht sich von selbst, dass in der Art, wie 
sich die sprechenden Personen zu den nicht sprechenden 
verhielten, und in dem Herankommen und in den Stel- 
lungen aller sehr wohl eine Symmetrie kann beobachtet 
worden seyn, Sehr leicht kónnte diese nachweisen, wer, 
wie Herr Müller, dergleichen mit seimer Phantasie er- 
sinnem und mit Figuren abmalen wollte. ^ Aber über 
Dinge, die sich auf vielerlei Weise denken lassen, etwas 
lestzusetzen, würde nur, eine Spielerei seym. — Von der 
gemachten Emendation heisst es S. 10. des Anhangs: 
Hier ist γ᾽ οὖν allerdimgs nicht leicht zu erklüren; 
»doch kann man, wenn man es nur nicht in οἷα Wort 


,Verbindet, von beiden einzelnen Partkeln Rechemschaft. 


EUMENIDEN, 53 


geben. Warum giebt aber Hr. Müller diese Rechen-- 
schaft nicht? ΜΙ Herrn H. οὖν für Erfindung eines 
unverstindigen Metrikers, der einen Trimeter heraus- 
bringen wollte, zu halten, scheint mir ein verzweifelter 
Gedanke. Wenn das Herauswerfen einer ungescbickt 
gesetzten Partikel, dergleichen die Metriker so oft um 
einen Trimeter zu Stande zu bringen, eingeschoben ha- 
ben, ein verzweifelter Gedanke ist, wie soll man die von 
' Herm Müller erfündenen überhüngenden PFüsse . nennen, 
die gerade ein solcher Áuswuchs sind, als wenn man in 
den heroischen Hexameter bisweilen noch in die Mitte 
einen Fuss bhineinsetzen wollte? — ,,Gegen den Trimeter 
wendet Herr.H. auch den Dorismus ἀλχὰν und die Pro- 
duction in περὶ vor βρέτει ein: aber sollen denn diese 
»lyrischen "Trimeter in Dialekt und Prosodie die Gesetze 
,.der dialogischen befolgen, und z. B. in einem Satze, 
der zur ΔΙ einen solchen T'rimeter, zur andern 
,SDochmien bildet, zuerst Attischer, dann Dorischer Dia- 
,ekt herrschen? — Vgl. z. B. auch Choeph. 442. Well. 
Dort steht ein falsches χεχρυμμένα. Die Kritik hat 
sich bloss um die Gesetze zu bekümmern, welche wirk- 
lich bestehen, nicht um die, welche Herr Müller einfüh- 
ren will ehe er jene willerlegt hat. Weiter schreibt Hr. 
Müller S. 17. ,,Herr H. schreibt χρεῶν. Wenn der 
,Scholiast wirklich so gelesen hat, kann doch Aesch. 
,Richt.so geschrieben haben.  Xoéoc ist nur: Bedarf, 
"Gebrauch, Gescháft, Bedürfniss, Nothwendigkeit und 
Schuld an Geld; niemals Blutschuld oder etwas dem 
,Aehnliches. Dass aber, nach altem Euphemismus der 
Sprache, in vielen Worten der Begriff Hand für Mord- . 
that genommen wird, sollte. aus αὐτόχειρ. παλαμγαῖος, ᾿ 
οοδὐχέρεια (Eumen. V. 471.) bekannt seyn.*& Er scheint 
zü glauben, was jemand nicht erwáhne, sey ihm nicht 
bekannt. Zwar war mir das allerdings micht bekannt, 
dàss auch εὐχέρεια, wie er lehrt, diesen Begriff enthalte.: 
Dass aber χρέος jede Schuld bedeute, zeigt Aeschylus ᾿ 
selbst im Agam. V, 444. βαρεῖα δ᾽ ἀστῶν φᾷτις σὺν 
' κότῳ" δημοχράντου δ᾽ ἃρᾶς τίνει χρέος. Wo mür - 


54 AESCHYLOS 


von Blutschald die Rede ist, bezeichnet χρέος natürlich, 
πον wie auch das Deutsche Schuld, die Blutschuld. End- 
lich liest man im Anhange S. 17. τοῦ δυςπότου,, als 
| , nachkommende genauere Bestimmung und , Verstárkung 
des πῶμα (wie z. B. V. 370. τὸν μοιρόχραντον zu 
»»ϑεσμὸν) 9,9 ist viel hesser, als was Herr H. vorschlüpt: 
οοδυςεχπότου, da von eem Austrinken hier nicht 
üie Rede seyn kann. Was Herr Miüller viel besser 
nennt, konnte Aeschylus durchaus gar nicht schreiben, 
weil das nicht bloss der Dichtersprache zuwider ist, son- 
dern sogar einen ungereimten Begriff giebt, indem es eine 
Beziehung auf ein Blut von anderer Art entháült. Zu 
Deutsch würe es ein "Trank desjenigen Blutes, welches 
schwer zu trinken ist. Dass Herr Müller V. 370. ver- 
gleichen konnte, zeigt, dass er die Bedeutung des Arti- 
* . kels und den Unterschied, der zwischen beiden Stellen 
ist, gar micht gefasst hat. Sodann dürfte δυςεχπότου 
wehl leichter zu erklüren seyn als Juczóvov. Denn 
schwer auszutrinken ist ein Blut, an dem man lange 
trinkt, ehe es erschüpft wird: und nur langsam saugen 
ja die Furien das Blut aus. — Was aber ist δυςπότουϑ 
Wird ihnen das Aussaugen selbst, das doch ihr Gescháüft 
ist, schwer? | ,,Die Lesart V. 258.,* sagt Herr Müller, 
bleibt auch nach Hrn. H., durchaus zweifelhaft.* Das habe 
ich selbst gesagt, aber dass Herrn Müllers Lesart nicht 
die richtige seyn kann, das ist es, was ich bestimmt be- 
' hauptet habe. Zweifelhaft ist, was so oder so seyn kamn; 
nicht zweifelhaft aber, was überhaupt nicht seyn kann.] 
[*Mit Recht hat Herr Fritzsche V. 272. f. geta- 
- delt, wo von dem Blute, oder, wie es Herr Müller aus- 
drückt, dem Grüul des Muttermordes gesagt wird: 


ποταίνιον γὰρ ὃν πρὸς ἑστίᾳ ϑεοῦ, 
φοίβου καϑαρμοῖς ἠλάϑη χοιροκτόνοις. 


Denn da er frisch noch an " dem Gottesheerde - 
Entfernt. ὁ sn Phóbos derck der Opferferken 
B 


EUMENIDEN. 4 0785 


Die Interpunction scheint von Herrn Müller. zu seyn: 
denn Wellauer wie Stanley interpungiren erst nach dboí- 
βου, Herr Eritzsche aber nach ὄν. Dass 9600 d5o(- 
βου susammengehóren, wird jedermann leicht einsehen. 
Herr Müller erwiedert nun darauf im Anhange S. 17. ᾿ 
ein Comma nach ποταίνιον γὰρ ὃν zerstórt den Zu- 
,sammenhang. Hier in Athen, sagt Orest, am Schlusse ᾿ 
,Jneiner Wallfahrt, ist das Blut vertrocknet; frisch war 
,e8 da, wo ich zuerst hinkam, am Pythischen Altar.* 
Es ist wunderbar, wie Herr Müller selbst da vom Zu- 
sammenhange sprechen kann, wo er ihn selbst recht auf- 
hebt. "Wo steht bei dem Aeschylus irgend etwas davon, 
dass das Blut erst in Athen vertrockne? Ja, dass das 
lange vorher geschehen ist, zeigen die folgenden Verse, : 
in welchen Orestes sagt, dass er schon an vielen Orten 
gewesen sey, ohne durch dieses Blut etwas zu verunrei- 
"migen. Noch mehr, Herrn Müllers Uebersetzung selbst 
sagt gerade das Gegentheil von seiner Note: Apollo hat 
durch Opfer das Blnt entfernt. ^ Und das that er doch : 
wobl nicht erst hier in Athen im Tempel der Pallas] 

V. 270. lautet so: 

χρόνος χαϑαιρεῖ πάντα γηράσχων ὁμοῦ. 

Denn ἐπι Ῥοῤροδη der. Zeiten schwindet alles smt. 
Von diesem Verse sagt Herr Müller S. 150. ,,Wie be- 
trüchtlich aber die Zeit 1st, welche zwischen dem Απί- 
,nthalte in Delphi and der Ankunft in Athen zu den- . . 
ken, dem Zuschauer zugemuthet wurde: spricht Aeschy-222 
Jos sehr naiv auch dadurch aus, dass, ausser dep Süh- 
,nmngen und dem Menschenverkehr, die Lünge der Zeit 
Selbst schon allen Makel von Orestes genommen . haben 
80ll..^ Man sieht, dass ihm dieser Gedanke etwas auf- 
fiel: aber wer die Stelle nicht oberflüchlich, sondern mit 
einiger Aufmerksamkeit ansieht, wird leicht entdecken, 
dess dieser so ohne alle Verbindung hüngestellte Vers 
micht sowohl einen naiven, .als hier auf diese Weise gar 
micht hergehórigen Gedanken giebt; dass mithin der Vers 
entweder cine von einem Erklürer irgendwoher au denm 
Rand geschriebene Sentenz ist, oder an einef falschen 


| $6 . ΑΒΒΟΒΎΓΟΒ. 


Stelle steht, oder vor ihm etwas ausgefallen. seyn muss, 
wodurch er, vielleicht mit einem ἐπεί, in eine schickliche 


 . Werbindung mit der übrigen Rede kam. In der Ueber- 


setzung hat Herr Müller das Anstóssige dureh ein hin- 
zugefüptes denn gemildert, aber nicht gehoben, da 
der (Gedanke selbst so  hingestellt, noch immer ein 
Mittelglied verlangt, wenn er passen .sol. Welche von 
den drei angegebenen Vermuthungen die richtige sey, 
dürfte schwer auszumachen seyn. So viel ist klar, dass, 
wenn der Vers versetzt werden soll, es keine andere 
Stelle giebt, als nach V. 269. 

In derselben Rede sagt Orestes an dem Standbilde 
der Pallas V. 282.: | 


Drum mag ste jetzo ἐπ den Landen Libya's 
Am Wasser Trstons, shres hesmatlichen Stroms, 
Den Freunden lhülfreich, bald com Wagen, .' 

bald den Fuss, 
Vorstellend, kàmpfen. 


Von den griechischen Worten: 
τίϑησιν ógO0y ἢ κατηρεφῆ πόδα, 


' bemerkt Herr Müller S. 112., dass man auf dem Wa- 
gen, mit welchem Pallas ankomme, ,,ohne Zweifel deut- 
»lich sah, was χατηρεφῆ πόδα bedeutet. .Da hüttem 
dech die Zuschauer ziemlich lange warten müssen, indem 

Pallas erst V. 375., und, wie sich zeigen wird, nicht 
 &uf einem Wagen, erscheint. Wie alte Bildwerke zei- 
gen, meint er, habe man auf den ἅρμασι gebückt ge- 
standen, so dass bei Frauen das Gewand über die Füsse 
fiel; zu Fuss kümpfend hingegen setze Pallas das linke, 
gerade ausgestreckte Bein vor. Diese Deutung konnte 
keinem Griechen einfallen, die weder sprachlich noch 
archüologisch richtig ist. Erstens bedeutet ὀρθός.» von der 
Stellung gesagt, keineswegs die Stellung eines Kümpfen- 
den mit vorgestelltem, gerade ausgestrecktem Beine, son- 
" dern ist vielmehr der bestimmte Ausdruck für eine ganz 


ruhige, aufrechte Stellung, die dem Sitzen em&gegemge- 


EUMENIDEN, 51 


stellt wird, wie eine Menge: Stellen des Pausanias be-223 
weisen. Ja sogar zur Unterscheidung dieser ruhigen 
Stellung von der der Kümpfenden wird ὀρϑὸς gebraucht. 
Pausanias IX. 30, 1.: καὶ ᾿“πόλλων χαλχοῦς ἐστὶν ἐν 
Ἑλικῶνι καὶ Ἑρμῆς μαχόμενοι περὶ τῆς λύρας, καὶ 
Ζιόνυσος, ot μὲν “υσίππου. τὸ δὲ ἄγαλμα ἀνέϑηχϑε 
Σύλλας τοῦ Διονύσου τὸ ὄρϑόν, ἔργον τῶν Μύρω- 
γος. Zweitens kann auch χατηρεφῇ πόδα, von der 
Pallas gesagt, die angegebene Bedeutung nicht haben, da 
die Pallas regelmüssig immer mit einem bis auf die Erde 
reichenden, die Füsse bedeckenden Gewande erscheint, 
und folglich in diesen Worten so wenig jene Stellung 
auf dem Wagen angedeutet wird, dass sie eben so put 
auch auf das ὀρϑὸν anwendbar sind. Besser würe da 
noch immer die Meinung derer, die 'den Vers auf die 
Statuen der Güttim bezogen, so dass die stehende und 
sitzende Stellung bezeichnet würde, wozu jedoch das fol- 
gende φίλοις ἀρήγουσα nicht wohl passt, und immer 
auch χατηρεφῆ πόδα bei der Pallas kein richtig unter- 
scheidendes Merkmal würe. Schneider in dem Würter- 
buche fiel gar auf ein ungriechisches Mort χατηρεπῆ, 
was χαταῤῥεπῆ., wie Heath lesen wollte, heissen musste. 
Andere haben χατωφερῆ vermuthet. Der Scholiast, der 
bemerkte, χαταβάλλει γὰρ ἢ ὀρϑοῖ, scheint wenigstens 
nicht χατηρεφῆ gelesen zu haben. Die angemessenste 
KErklürung dieses Verses dürfte wohl die seyn, dass, da 
ópOóc von allem gesagt wird, was richtig und so, wie 
es seyn soll, ist, ὀρθὸν πόδα τιϑέναι von dem wirk- 
lichen Auftreten, χατηρεφῆ πόδα hingegen von der in 
Nebel und Wolken verhüllten Gegenwart gemeint sey. 
So hat es auch de ἴα Porte du The verstanden, der 
es etstble ow tinotistble  übersetzte, — Man kann gewis- 
sermaassen damit vergleichen Soph. Oed. Tyr. V. 419.: 
βλέποντα νῦν μὲν 09g9* , ἔπειτα δὲ σκότον.  [* Nach 
Wiederholung seiner Erklàrung schreibt Herr Müller im 
Anhange S. 17. f. ,;Og9Oóc steht. dem χάμπτων τὸ 
»»γόνυ entgegen (vgl. Prom.'52;), und kann eben .só 
,Stehemde Bildsüulén (wie bei Pausanias sehr oft), 915 


48 AESCHYLOS 


$,,Cine mit geradem Bein vorschreitende Figur bezeich- 
,uen, welches hier der Zusammenhang fordert. Herr H. 
,Jetritt, um diese Lesart zu bekümpfen, das bedenkliche 
,,Feld der Kunstarchüologie, wie bei Pallas Pronüa das 
der Mythologie, und behauptet, χατηρεφῆ πόδα. von 
,,dler Pallas gesagt, kónne die angegebeue Bedeutung 
nicht haben, da die Pallas regelmáüssig immer mit einem 
bis auf die Erde reichenden, die Füsse be- 
,üeckenden Gewande erscheint, und folglich in die- 
85en Worten so wenig jene Stellung auf dem Wagen 
8ngedeutet wird, dass sie eben so gut auch auf das 
50090» anwendbar sind! Welche Heiterkeit muss diese 
Belehrung von Seiten Hrn. H.'s bei den Kunstireunden 
οἷα Rom und Berlin, wenn diese philologischen Streit- 
Schriften sie erreichen, hervorbringen, bei ihnen, die 
jetzt von Panathenaischen Ámphoren, zum Theil gerade 
,8us Aesch, Zeit, umgeben sind, auf denen Pallas den 
linken Fuss, sehr gerade in der That, und bis über 
den Knóchel aufwürts unbedeckt, vorstellt, indem sie 
mit gezückter Lanze ihren Freunden beisteht, Es 
giebt gewisse wohlfeile Bilderbücher, von Millin, Hirt, 
8uch dem Verfasser dieser Blütter, in denen zum Nu- 
5tzen der Jugend treue und zuverlüssige Abbildungen 
Uer Ántiken auf compendiarische Weise zusammenge- 
Btelli sind, und wo denn —— wenigstens im Jetztem 
»Werke — auch Beispiele der Árt nicht fehlen; Hr. H. 
,versuche doch, sich daraus die Elemente dieser Kennt- 
Risse anzueignen; wenn er auch nach dem Kunstgeiste 
und den QCompositionsgesetzen des Alterthums wenig 
,Íragt, so wird er doch daraus Manches zum Verstándniss 
dieser oder jener Dichterstelle lernen kónnen; aaf je- 
uen Fall aber wird es Herrn H. nicht gestattet wer- 
den, auf diesem Felde den Dictator zu spielen, ehe er 
etwas davon versteht. Ist es nun auch noch nóthig, die 
,Erklürung abzuweisen, dass ὀρϑὸν πόδα τιϑέναι wirk- 
liche Gegenwart, xaz57955 in Nebel und Wolken ge- 
hülle bezeichne (womit man den Ausdruck βλέσειν 
5égÓoc auch nieht einmal gewissermaassen. vergleichen 


EUMENIDEN. 39 


,,8ollte), was" erstens gegen den Sprachgebrauch von xo- 
»οοτηρεφὴς (von oben bedeckt, nicht: eingehüllt) streitet, 
und dabei doch keinem richtigen Gegensatz zu ὀρϑὸν 
»,7t00 a t.O évo: machen würde ?** So hóftieh und nobel spricht 
Hr. Hofrath und Ritter Müller in Góttingen, nachdem er, um so 
sprechen zu künnen, dem von mir gebrauchten Áusdrucke 
die Deutung giebt, als habe ich einen bis über den Knó- 
chel unbedekten Fuss der Pallas ableugnen wollen. Die 
Kunstfreunde in Rom und Berlin aber, und Herr Mül- 
ler selbst werden sich gewiss gar mancher Standbilder 
$n natura und in Bilderbüchern einer ruhig stehen- 
den Pallas mit ganz bedeckten Füssen erinnern, und diese 
mussten beseitigt werden, wenn etwas widerlegt werden 
sollte. Denn wenn χατηρεφῆ πόδα bedeckte Füsse be- 
deutet, ππὰ diese eben so wohl der ruhig stehenden Pal. 
las, als der auf dem Wagen sich vorbeugenden, ausser- 
dem aber auch noch der sitzenden zukommen: woher er- 
kennt man denn, welche von diesen drei Stellungen ge- 
meint ist? Aus dem Gegensatze ὀρϑόν., ist die Ant- 
wort. Aber ὀρϑὸς ist ganz eigentlich und selbst ety- 
mologisch das Deutsche aufrecht, und wenn dieses 
Wort allein von einer Stellung gebraucht wird, bezeich- 
net es nirgends etwas anderes als die gerade aufrechte 
Stellung. Sollte das ὀρϑὸν πόδα τιϑέναι das Vorse- 
tzen eines gerade ausgestreckten Fusses bezeichnen; so 
musste nothwendig es wenigstens προτίϑησιν heissen. : 
Denn ὀρθὸν πόδα τίϑησι kann, so lange nicht eine 
ganz neue Griechische Sprache eingeführt ist, schlechter- 
dings nichts anders bedeuten, als sie steht aufrecht. 
Was Herr Müller anführt, dass dem ὀρϑὸς das χάμ- 
πτῶὼν γόνυ entgegengesetzt werde, beweist gegen ihn. 
Denn eben desswegen heisst es von Prometheus . ὁρ-- 
ϑοστάδην, οὐ χάμπτων γόνυ, weil er aufrecht 
steht, und nicht die Knie zum Sitzen beugen kann. 
Hierams δος  unwidersprechlich hervor, dass, wenn 
ὀρϑὸν πόδα τίϑησιν heisst, sie steht aufrecht, bei 
aufrechter Stellung aber die Pallas ebenfalls die Füsse 
bedeckt zu haben pílegt, χατηρεφῇ πόδα von einer vor- 


0 AESCHYLOS - 


gebeugten Stellung micht verstanden werdeg kann, weil 
es keinen charakteristischen Unterschied anzeigt und eben 
so gut auch auf ὀρθὸν πόδα, dem es doch entgegenge- 
seizt seyn soll, sich beziehen lüsst. Ist also das Wort 
riehtig, so bleibt, wean ὀρϑὸν πόδα sinnlich genommen 
wird, nichts übrig, als der richtige Gegensatz des Sitzens, 
der das für sich hat; dass dabei die Füsse nothwendiger 
Weise bedeckt sind; wird aber ὀρϑὸν πόδα nicht ei- 
gentlich genommen, so ist wiederum die einzige mágliche 
Metapher die des Feststehens. — Und dann kann χατηρε-- 
qi; verhüllt bedeuten. Die grammatische Bemerkung über 
dieses Wort ist Herrn Müller nicht geglückt, Denn be- 
kamntlich bezeichnet χατὰ in der Zusammensetzung auch 
über und über, günzlich, folglich χατηρεφὴς gánz- 
lich bedeckt, und so kommt dieses Wort mehrmals 
bei dem Sophokles vor. Auch bedeckt man etwas nicht 
von unten. Aber selbst Herrn Müllers Erklürung ange- 
. nommen, muss man sich wundern, dass ihn nicht an die 
archüologische Richtigkeit des Ausdrucks der 45e can- 
dentes humeros amictus Apollo, und Iliad. 
V. 183. erinnerte: 


c ὃ 


οὐχ Oy ἄνευϑε ϑεῶν τάδε μαίνεται, ἀλλά τις 
^9 ἄγχι 
dou ἀϑανάτων, νεφέλῃ εἰλυμένος ὦμους.] 
V. 292. liest man nach Wellauers Ausgabe: 
ἀναίματον βόσχημα δαιμόνων; σκιάν. 
Blutleer gesogen con Dáümonen, schattenglesch. 


Hüer vermisst man sehr die mythologische Rechtfertipung. 
Denn was sind das für Dáümonen, die das Geschüft der 
Furien verrichten, und doch, der Uebersetzung naeh, von 
den Furien verschieden sind? ^ Und wem soll das erbürm- 
lich matte σχιὰν gelallen? — Herr Miller würde wohl 
die Interpunction des Recensenten aufgenommen ha- 
ben, ἀναέματον βόσχημα, δαιμόνων σχιάμ, wenn er 
bedacht hátte, dass in δαιμόνων σχιὰν eine bittere Án- 


spielung auf das Homerische voüveX ἀγαίμονές εἰσι 


EUMENIDEN. 61 


liegt, Ilias V. 342. [*Herr Müller verlangt in dem 
Anhange S. 18. eine Uebersetzung. Nach dem, was gesagt 
worden, glaubte ich, würe es leicht einzusehen, dass δαιμό- 
νων σχία. einen Οὐδειοτθοϊιαέίοα bedeutet, d. h. du wirst 
der Schatten eines Gottes seyn, da die Gót- 
ter kein Blut haben.] 

ΕΥ̓͂, 293. liest man: 


οὐδ᾽ ἀντιφωνεῖς ; à ἀποπτύεις λόγους» 
ἐμοὶ τραφείς ve καὶ καϑιερωμένος. 


Erstummen wirst. du, aile Rede con dir spes'n, 
Du sir. genáhrtes, mir gewethMes Opferthser. 


Welch seltsames Verstummen, indem man die Rede von 
sich spei, was doch wohl eher die thun, die recht viel 
und hasüg redén. Dass diess offenbar ungereimt sey, 
sah Herr Fritzsche ein, aber von seiner Heftigkeit fort- 
gerissen versah er sich, und verwarf den Sinn, der sich 
ihm aufdrüngte, weil er der einzige richtige ist: du 
tsprichst nicht einmal dagegen, sondern ver- 
schmáhst die Rede? wogegen er einen andern in 
den Worten suchte, der nicht darin liegen kann, sondern 
von dem die Worte gerade das Gegentheil ausdrücken 
würden. Denn befehlend, wie Herr Fritzsche will, die 
Worte genommen, würe ja der Sinn sprich, und 
nicht schweige. Auch redet ja Orestes hier gar nicht, 
dass die Furie sagen kónnte: schweigst du augen- 
blicklich? Nein, siesagt: und du widersprichst 
mir nicht einmal, sondern verschmühst die 
Rede, du, der mir geweiht ist und eigen ge- 
hórt? . Herr Müller scheint hier den Gedankenzusam- 
menhang so wenig beachtet zu haben, dass er nicht ein- 
mal einen dénkbaren Gedanken gegeben hat. Um so 
weniger befremdend ist es, wenn er nicht sah, was, wer 
auf den Zusammenhang der Rede achtet, nothwendig se- 
hen muss, dass hier drei Furien sprechen, die erste V. 
289—-292., die zweite V. 293. 294. und die driáte 
V. 295. 290.] 


Es folgt οἷα horgesang , dem Anapüsten vorans- - 


**.2 


62 AESCHYLOS 


gehen, Von diesen sprieht Herr Müller S. 89. f., und 
findet in ihnen ein antithetisches System der Form o. 

2249. y. μεσῳδ. y. (9. α.» in welchem die Gleichheit der 
beiden ünspersten Systeme nur durch Zufügunp eines 
Doppelanapüsts gestórt sey, dergleiehen nicht vóllig ge- 
naues Entsprechen anapüstischer Systeme sich auch sonst 
werde nachweisen lassen. Das ist nun schon in sich 
selbst widersprechend:. denn eine Responsion, die sich 
nicht respondirt, ist keine Responsion, und man muss 
die Strenge der scenischen Dichter sehr wenig kennen, 
wenn man glauben kann, es komme auf einen Doppel- 
anapüsten mehr oder weniger nichts an. Kinige Beispiele 
solcher Mangelhafügkeit lassen sich freilich nachweisen: 
aber diese kónnen michts beweisen, da im dieser Versart, 
die aus lauter getrennten Dipodien besteht, das Ausfallen 
eines Doppelanapásten eben so leicht, als das Hinein- 
schieben ist. Die vorliegenden  Ánapüsten isst num 
Hr. Müller wieder unter vierzehn Personen vertheilt 
seyn, deren je zwei zugleich sprechen sollen, íolgender- 
Wmaassen « 


1.2. ἄγε δὴ καὶ χορὸν yov, ἐπεὶ ἱἹΜοῦσαν στυ- 
γερὰν ἀποφαίνεσθαι δεδόκηχεν, 
3. 4. “έξαι τε λάχη τὰ xov ἀνθρώπους ὥς àuvo- 
μᾷ στάσις ἅμα, 
5.6. εὐθδυδίχαὶ 9' ἡδόμεϑ' εἶναι. 
Μεσφῳφῳδὸ. 
7. 8. τὸν μὲν χαϑαρὰς χεῖρας προνέμοντ᾽ οὔτις ἀφ᾽ 
ἡμῶν μῆνις ἐφέρπει, 
9.10. ἀσινὴς δ᾽ αἰῶνα διοιχνεῖ" 
11. 12. ὅςτις δ᾽ ἀλιτρῶν, ὥςπερ ὅδ᾽ ἀνὴρ » χεῖρας 
φονίας ἐπικρύπτει, 
13. 14. μάτυρες ὀρϑαὶ τοῖσι ϑανοῦσι παραγιγνόμεναι » 
πράχτορες αἵματος 
αὐτῷ τελέως ἐφάνημεγν.. 
δὰ es werden sogar die Ntellumgen und Bewegungen der 
Personen in einer Figur dargestellt. Das alles ist num 
augenscheimlich nichts als eie eile Spielerei. Denn 


EUMENIDEN. | 63 


warum sollen Anapüsten, eine Versart, die sich beson- 
ders für einzelne Personen eignet, je von zweien zusam- 
men gesprochen werden? warum ist es nóthig, dass hier 
alle Furien reden, wo nicht einmal ein sicherer Grund 
da ist, dass überhaupt mehr als eine sprechend ange- 
nemmen werde? warum sollen diese vierzehn Personen 
enf eine so unerhürte und widersinnige Weise vertheik 
werden, dass die meisten Paare einander das Wort aus 
dem Munde nehmen, und, was das eine Paar zu sagen 
angefangen hat, micht von ihm, sondesn von einem an- 
dern Paare fortgesetzt und vollendet wird? ^ Es giebt auf 
' diese Fragen keine andere Antwort, als dass es Herrn 
Müller so beliebte, und zwar nachdem er den Text nicht 
einmal ordentlich angesehen hatte: denn. sonst würde er 
nicht anf die gleichinlls aus eigenem Belieben angenom- 
mene, nicht sich respondirende Responsion gekommen 
seyn, sondern die wahre Beschaffenheit dieser Ánnpásten 
gefanden haben. Wenn man darauf achtet, dass die ur- 
kundliche Lesart V. 303. nicht die von den Kritikern 
gemachte, und von Herrn Müller angenommene ist, sene 
dern τοὺς μὲν καϑαρὰς χεῖρας προςνέμοντας, der nur 
ein aus angenfiliger Veranlassung ausgelassenes Wort225 
zur Ergünzung des Verses fehlt: so wird man leicht ent- 
decken, dass diese Anapástem aus Strophe, Antistrophe 
und Epode bestehen, und folglich, dafern sie überhaupt 
von mehr als eimer Person gesprochen werden, nur dreien 
beigelegt werden künnen. Diese Strophen lauten demnach 
verbessert so: 
1. ἄγε δὴ καὶ χορὸν ἅψωμεν, ἐπεὶ. 
Μοῦσαν στυγερὰν 
ἀποφαίνεσθαι δεδόχηκεν, 
λέξαι ve λάχη và xev ἀνθρώπους 
ὡς ἐπινωμᾷ στάσις dud. 
2. οὐθυδίκαιοι δ᾽ ἡδόμεϑ' εἶναι" 
τοὺς μὲν καϑαρὰς 
᾿ χαϑαρῶς. χεῖρας προνέμοντας 
οὔτις &q ἡμῶν μῆνις ἐφέρπει" 
ἀσινὴς δ᾽ calvo διοιχνεῖ.. 


— -————— € ΌΘΆΞ ὁ ..ὄ. 


804 AESCHYLOS 


3. ὅςτις δ᾽ ἀλιτών, ὥςπερ ὅδ᾽ ἀνήρ, 
χεῖρας φονίας ἐπικρύπτει, 
μάρτυρες ὀρϑαὶ τοῖσι ϑανοῦσιν 
παραγιγνόμεναι πράχτορες αἵματος 
αὐτῷ τελέως ἐφαάνημεν. | 
Was die Absetzung der Verse anlangt, so erklürt sich 
Herr Müller S. 99. so: ,,Diese Anapüsten sind hier so 
gedruckt, dass das ganze System als ein zusammen- 
hüngendes Ganze erscheint; die Unterabtheilungen, wel- 
Che keine eigentlichen Verse darstellen sollen, sind mit 
Rücksicht auf die Gliederung der Sátze angeordnet, da 
ie sonst gewóhnliche Abtheilung in Dimeter und Mo- 
nomefer den müchtig dahin rollenden Strom solcher Ána- 
Dpüstenreihen auf eine. zu kleinliche Weise. zu zerstiü- 
ckeln scheint. ^ Dieselbe Methode ist auch in den übri- 
gen anapástischen Stücken befolgt. Da es seit Bentleys 
Untersuchung bekannt ist, dass anapüstische Systeme in 
ununterbrochenem Rhythmus fortgehen, was im Ganzen 
von allen Systemen ἐξ ὁμοίων gilt: so ist es eigentlich 
nur ein Wortstreit, ob man das ganze System in einer 
einzigen langen Zeile, oder in kleinere Glieder abgesetzt 
schreiben solle. Indessen scheinen par manche Zeichen 
die gewóhnliche Abtheilung in Dimeter und Monometer 
zu empfehlen, aus denen eime den Heden in iambischen 
Trimetern und trochüischen Tetrametern ühnliche würde- 
volle Haltung hervorgeht, die anch schon durch. die Cá- 
suren stark angedeutet ist. Denn Rhythmen, welche in einem 
Strome fortgehen sollen, haben dergleichen Cásuren nicht, 
g. B. die daktylischen im Oedipus auf Colonos V. 229. ff. 
Herrn Müllers Urtheil ist ganz subjectiv, und kann da- 
her nicht für eine Norm angesehen werden. Áuch hindert 
die gewóhnliche Abtheilung nicht, dass man in der De- 
clamation die Abschnitte des Sinnes bemerklich mache; 
wohl aber hat die von Herrn Müller befolgte. Methede 


226den Nachtheil, dass sie micht nur den würdevollen regel- 


müssigen Gang des Rhythmus aufhebt,. und eine grosse 
Ungleichheit in denselben hineinbringt, welche zu vermei- 
den eben die Systeme erfnnden worden sind, sondern auch 


EUMENIDEN. | 65 


oft den der Tragódie ganz fremden, sogenannten Aristo- 
phanischen Vers herbeiführt, wie z. B. gleich hier: 


λέξαι τε λάχη τὰ xav ἀνθρώπους ὡς ἐπινωμᾷ 
στάσις Gud. 


Denn wenn auch das Maass desselben ganz mit dem Ende 
eines Systems aus Dimetern übereinstimmt, so macht es 
doch bei der Recitatiom einen grossen Unterschied, ob 
die Dimeter oder der komische '"'etrameter gehórt wer- 
den, eben so wie in den dorischen Strophen des Pindar 
oft zwei Glieder einem heroischen Hexameter ganz gleich 
sind, und doch nicht wie ein solcher gelesen werden dür- 
fen. No konnte in der zweiten Strophe der obigen Ana- 
pásten ein Hiatus Rechtferügung finden, da, wenn die 
Worte einen Aristophanischen Vers ausmachten, sie so 
stehen müssten: 


οὔτις ἐφέρπει μῆνις dq? ἡμῶν" ἀσινὴς δ᾽ αἰῶνα 
διοιχγεῖ. 
[*S. 31. des AÁnhangs liest man: ..016 neue antistro- 
phische Constitution des erwáhnten anapástischen Liedes, 
, Welche Herr H. vorschlügt, leidet an zwei grossen Ue- 
belstinden, erstens daran, dass der Vers, yon dem Al-* 
es ahhüngt: 


»εὐθυδίκαιοι δ᾽ ἡδόμεϑ' εἶναι" τοὺς μὲν χαϑαρὰς 
,καϑαρῶς χεῖρας προνέμοντας, 


über einen sehr starken Einschmitt des Gedankens hin- 
Weglüuft, und ein Stück des folgenden auf eine unge- 
,chickte Weise abreisst; zweitens daran, dass, so gern 
auch die Tragiker denselben Begriff in zwei verschiede- 
nen Fügungen in einem und demselben Satze anbringen, 
doch dabei der Gedanke eine neue Entwickelung erhal- 
ten muss, hier aber das um des Verses willen hinzugelügte 
οχαϑαρῶς dem Sinne gar nichts hinzufügt. Denn was 
,,80ll wohl das reine Hinhalten reiner Hiünde irgend 
£u bedeuten haben?« Der erste dieser Einwürfe scheint 
Sich bloss auf die Art, wie Herr Müller diese Worte 
Hrnw. Or. VI. E 


66 AESCHYLOS 


im einen Vers verbimdet, beziehen zu kónnem, trifft also 
meine Lesart nicht. Doch hitte man gerade von Herrn 
Müller diesen Einwurf am wenigsten erwartet, der diese 
ganzen Ánapüsten von verschiedenen Personen anf eine 
unerhórte Weise zerreissen liess. —Indessen Herr Müller 
wollte bloss tadelin, daher er auch Hinhalten gesetzt 
hat, ein Wort, das auch, wenn bloss gesagt würde reine 
Háünde hinhalten, die Sache absurd machen miisste. 
Reine Hánde rein zu den Gescháften bringt, wer, von 
Schuld rein, das was er thut, so thut, dass er anch bei 
diesem Thun rein bleib.  ,,So lange daher keine be- 
Iriedigende Emendation dieses Verses, dessen handsehrift- 
»liche Gestalt freilich von den angemommenen Formen 
,ehr abweicht, gefunden wird: ist die in meinem Text 
»gewühlte wohl immer noch die wahrscheinlichste. — Da- 
durch stellt sich aber dieser Vers als Mesodos des Gan- 
zen dar, und die andern gruppiren sich ganz deutlich 
auf dieselbe Weise, wie sonst anapüstische Systeme und 
,Antisysteme um eine Mesodos (Prometheus 1042 — 
$1082. Eumen. 887 —967.)* Damit ist bless zu ver- 
gleichen, was die Recension gerügt hat. Von wirklichen 
Philologen habe ich hier keinen Widerspruch zu erwar- 
ten. Die Vergleichung der Responsionen im Prometheus 
und in den Eumeniden V. 887. ΗΠ sind so himmelweit 
verschiedener Art, dass die Anführung derselben nur für 
den ein Blendwerk seyn kann, der diese Stellen nicht 
nachsieht. Endlich wird noch S. 30. des Anhangs ge- 
sagt: ,,was Herr Hl. angiebt, eben durch diesen Hiat un- 
terscheide sich: οὔτις ἀφ ἡμῶν μῆνις ἐφέρπει" ἢ 
ἀσινὴς δ᾽ αἰῶνα διοιχνεῖ, von einem Aristophanischen 
 letrameter, welcher so lauten müsste: οὔτις ἐφέρτεε 
ομῆνις ἀφ᾽ ἡμῶν " ἀσινὴς τι. B. W.: 80 ist diess za sichtlich 
cur für diese Stelle erfunden, um bei Andern Beifall 
“7. finden»  Wodurch aber doch ein solcher Chorvers 
»Bich ven einem Aristophanischen unterschied ? —Offen- 
»bar durch eine ganz amdere Haltuas in der Reocitation: 
Schwerlich aber dureh eine prüssere "lremmung an der 
»durch || bezeichneten Stelle, wo die Diürese des Am- 


EUMENIDEN. 01 


stophanischen Verses auf keineg Fall minder bedeutend 
,8eyn konnte als in dem Chorverse.4 Warum nicht? 
und gehürt das nicht auch zu der ganz andern Haltung 
in der Recitation?] 

[V. 316. sind die Rhythmen so abgetheilt : 


ἐπὶ δὲ τῷ τεϑυμένῳ 
τόδε μέλος, παρακοπὰ, παραφορὰ φρενοδαλὴς. 


Doch zw der Üpferung ertónt 
Nun shm ei lied, das ihe mut Wahn, das 
mt Verwirrung ihn erfüllt. 
Man sieht Herr Müller habe geglaubt das Versmaass des 
Originals wiederzugeben. Da hütte er doch zeigen sob- 
len, weher φρενοδαλὴς mit vorletzter kurzer Sylhe stam- 
me, und was dieses neue Wort bedeute.] 

[*V. 319. wird in dem Anhange S. 18. gegei 
Herrn Fritzsche gesagt: ,,Die bekannte Erklirung: ovo- 
»Và βροτοῖς.» eine Ausdórrung für die Menschen, habe 
,1ch verworfen, weil das Lied der Erinnyen hóchstens 
uf Orestes, aber nicht auf die Menschen überhaupt ab- 
nehrend wirken künnte, und ἀφόρμικτος auf die an- 
0ere Bedeutung von αὐογὰ führt ᾿“φόρμικτος weisst 
anf die Bedeutung Geschrei nur damn hin, wenn man 
αὐονὰ i dieser Bedeutung nimmt. Allein sie ist bless 
aus dem lambogrephen Simonides bekannt, und dieses 
Wort scheint demnach ein lonisches Wort zu .Beyn, 
Herr Fritzsche hatte ganz recht, ἀφόρμικτος mit ὕμνος 

zu verbinden, wnd vom den folgenden Worten die ErkKi- 
rung zu biligen, welche Herr Müller verwirft. — Denn 
der Hyumus wird eben desswegen als abzelrend für den 
Orestes gesungen, weil er der Zaubergesang ist, mit dem 
die Furien allen denen, die ihnen anheim fallen, Abzeh- 
rung bewirken.] 

In dem Stasimon selbst hat Herr Miller V. 332. 
aus eigner Conjectur geschrieben: 


παλλεύχων δὲ πέπλων ἄπόμοιρος ἄκληρος ἐτύ- 
x)". 
.E2 


68 AESCHYLOS 


wo die Bücher ἄμοιρος haben, und in der Antistrophe 
V. 344.: 


Ζεύς y αἱμοσταγὲς ἀξιόμισον ἔϑνος τόδε λέ- 
σχας. 


Keine von beiden Aenderungen kamn Statt finden: ἀπό- 
poigoc nicht, nicht nur weil die Regel verlangt, dass, 
wenn mehrere solche negative Wérter zusammengestellt 
werden, alle das « pr$vafieum haben; sondern auch 
weil die Furien wohl παλλεύχων πέπλων ἄμοιροι» aber 
nicht ἀπόμοιροι sind; Ζεύς y αἱμοσταγὲς nicht, weil 
ein solcher Gebrauch dés ys ganz ungriechisch ist. Eben 
80 wenig konnte Aeschylus im Agamemnon V. 1118., 
wie Herr Müller bei dieser Veranlassung S. 66. ver- 
langt, schreiben: 


περιβάλοντό γ᾽ οἱ πτεροφόρον δέμας. 


was er übersetzt: et hanc amtzerunt saltem d$ pen- 
segero corpore, Auf Griechisch müsste das γοῦν heis- 
sen. Es scheint Herrn Müller upbekannt zu seyn, dass 
55 keine satzverbindende Conjunction ist. ^ Es war hier 
zuvórderst zu fragen, ob die Worte: Ζεὺς γὰρ αἱματο-- 
σταγὲς ἀξιόμεσον ἔϑνος τόδε λέσχας ἃς ἀπηξιώσατο, 
von den Méórdern, wie der Scholiast, oder von den Fu- 
rien, wie Abresch wollte, zu verstehen würen. Die Worte, 
wie der Zusammenhang, führen schon von selbst auf das 
letztere, und schreibt man mit einer ganz unbedeutenden 
Veründerüng Ζεὺς γὰρ δειματοσταγές. eim Wort, das 
anch in den Choephoren V. 820. gebraucht ist: .50 er- 
giebt sich leicht, wie man den lückenhaften strophischea 
Vets schreiben und ergünzen müsse: 


3 


227 παλλεύχων πέπλων δ᾽ ἀγέραστος, ἄμοιρος, ἄκλη-- 
pog ἐτύχϑην. 

— [*Hiergegen sagt Herr Müller in dem Anhange S. 18. 
»-nóuoigoc, von dem Antheil ausgeschlossen (wie ἀπό- 
x*Angog), ist dem Sinne angemessen, und obwohl die 
»Wiederholung des α precatweuwm eleganter würe, wird 


EUMENIDEN, 69 


man sie doch nicht für nothwendig erkliren. Dagegen 
Herrn H.s παλλεύχων πέπλων δ᾽ ἀγέραστος, 
ἄμοιρος, ἄχληρος ἐτύχϑην, mit einer sehr kühme& - 
,inschiebung, einen Gedanken, welcher nur einen un- 
tergeordneten Zug des Bildes enthült, mit einer unver- 
hültnissmüssigen Masse synonymer Ansdrücke beschwert, : 
und einen zu grossen Nachdruck darauf legt. In der 
,,Antistrophe schreibt Herr H. darnach: Ζεὺς γὰρ δει- 
»οοματοσταγὲς U. 8. w. und versteht die Stelle von 
,üen  Erinnyen (welches letztere: auch meine Mei- 
nung ist). Das γ᾽, welches ich nach Ζεὺς für γὰρ 
»gesetzt, habe ich nicht als satzverbindeud genommen; 
sondern ein Ásyndeton statuirt. — Die Einreden für 
ἀπόμοιρος und gegen ἀγέραστος kann ich mir leicht 
gefallen lassen, da sie angenscheinlich nur vorgebracht 
sind, um etwas zn sagen. Jeder Verstündige, dem das 
Sephokleische μοῖρ᾽ ἀνυμέναιος, ἄλυρος, ἄχορος und 
ühnliches erimnerlich ist, wird sie zu würdigen wissen. 
Das Asyndeton, das Herr Müller statuirt, werden armdere, 
die Herrn Disseus Lehre nicht anerkennen, ehen so un- 
passend, als das auch nicht satzverbindende γὲ hier ge- 
radeza abgeschmackt und der poetischen Rede vüllig 
fremd finden.] « 
V. 3806. f. giebt Herr Müller: 


ἐπὶ τὸν, ὦ, διόμεναι 

κρατερὸν OvÓ' ὅμως μαυροῦμεν καμάτοισιν. 
Die Bücher haben, χρατερὸν ὄνϑ᾽ ὁμοίως μαυροῦμεν 
ὑφ᾽ αἵματος νέου.  Recensent hatte νέον αἷμα statt 
der.letzten Worte σοβοίχί. Herr Müller scheint auch 
hier sich es bequem gemacht zu haben, und setzte, an- 
statt den Scholiasten nachzusehen, mit einer günzlich ver- 
unglückten Conjectur das matte χαμάτοισιν. Dort hest 
man: διὰ τὸ νέον αἷμα τοῦ γνεωστὶ εἰργασμένου, feh- 
lerhaft statt: διὰ τὸ νέον αἷμα, τὸ νεωστὶ eloyaaué- 
γον vx αὐτοῦ. Die beiden letzten Worte, ὑπ αὐτοῦ, 
sind aus Handschriften genommen. — Daraus erhellt, dase 
auch ὕφ᾽ αὕματος νέου nichts als eine Erklirung von 


70 AESCHYLOS 


véov αἷμα ist. Aber die Scholiasten haben den Diüch- 
ter uicht verstanden, der hier nicht von einem neuen 
Merde sprechen konnte, wo kein früherer Mord gemanmnt 
war, sondern das junge Blut des Mürders meinte, das ibm, 
wie krüftig er auch seyn mag, von den Furien ausgesogen 
wird. [" Auch hiergegem sagt Herr Miller etwas in dem 
" Anhange S. 18. und gesteht im dem Scholiastem xu den 
Emmeniden sehr wemige Sparen besserer Lesartem finden 
zu kómnen. Im so wenigen Scholen kónnen freilich nicht 
viele sem. ἘΠ Herr Müller hier keine anerkegnem, 
was thnt das, wenn nur die Lesart selbst gut ist?] 

V, 340. giebt Herr Müller mach Herm Dóderlein: 


σπεύδομεν αἵδ᾽ ἀφελεῖν τινὰ τάςδε μερίμνας 
ϑεῶν δ᾽ ἀτέλειαν ἐμαῖς λεΐταις ἐπικραίνειν, 
μηδ᾽ εἷς ἄγκρισιν ἐλϑεῖν. 
| Einen Erhabnen entheben ww hier des Ge- 
. Scháftes, 
Unsere Leistung befreset die Gótter con. La- 
aten, 
Fern bleibt ihnen. die Prüfung. 


Der letzte Vers ist ganz falsch verstanden. Nicht die 
Gótter, sondern die Furien, sollen von der ἀνάχρεσιᾳ 
frei , Syn. [*Im Anhange S. 19. wird gesagt, ven der 
&vdxgicic, oder der Prüfung, kónnen nur die Gótter, 
nicht die Erinnyen, verschont bleiben; daher es nóthig 
sey aus dem Hauptbegriffe ϑεῶν ἀτέλειαν, αὐτοὺς als 
Subject sm ἐλϑεῖν herauszunehmen. Aber εἰς ὠνάχρε- 
diy ἐλθεῖν ist bloss die Sache der Parteien (s. Demosth. 
c. Theocr. p. 1324, 12.) und passt »wthin gar nicht 
auf. die Gótter, wohl aber auf die Ermnyen, die sich als 
die διωχούσας darstellen, und, weil ihre Seche allemal 
satisaum begründet ist, nich$ méthig haben sich zur dvd- 
χρισις Xu stelln.] kh den beiden ersten Versem ist die 


Lesart der Bücher σπευδόμεναι δ᾽ und ἐμαῖσε λιταῖς. . 


ΣΣπεύδομεν οἵδ᾽ kann Aesehylws micht geschrieben ha- 
ben: denn das hiesse: , wir hier eem, und würde sich 
auf den gegemwürtigen Moment beziehen, ven dem hier 


4 


EUMENIDEN, 41 


gar nicht die Rede seyn kann. Herr Müller hat das 
hier zwar ausgedrückt, aber in anderer Beziehnng, und 
doch auch so ganz prosaisch und überflüssig. [*Im Án- 
hange S. 18. steht: ,οΣπεύδομεν αἵδε, wie: Dóderlein 
»geschrieben, kann doch wohl wegen.des oiJs nicht ge- 
,tadelt werden, da ja eben anch in dem gegenwürtüigen 
Moment die Erimnyen ihr Ámt zu verwalten streben.* 
Kben wegen des αὖδε aber wurde diese Veründerung ge- 
tadelt, weil, wenn gleich die Erinnyen auch in dem ge- 
genwürtipen Momente ilr Amt zu verwalten streben, doch 
von diesem Momente nicht die Rede ist, sondern sie ilr 
Amt überhaupt beschreiben.]  feírg aber ist ein ganz 
unbegründetes Wort, das ein absolut genommenes weibli- 
ches Adjectiv seyn soll, welches für eewnes publicum 
im Gebrauch gewesen sey. Wenn mam nach Belieben 
waerhórte Würter erdichten darf: so ist nichts leichter 
als Kritik, und keine Schwierigkeit s0 gross, dass man 
sie nicht mit diesem Zaubermittel beseitigen kónnte. Von 
demselben Stamme erfindet Herr Müller auch im Αρὰ- 
memmon ein neues Wort V. 1208., ϑύουσαν “4ἰδου 
λήτορ᾽ , indem er, was ϑύουσαν "iov μητέρα ist, 
eben so wenig verstand, als was in den Eumeniden ἐμαῖς 
σι λιταῖς. worin auch micht die geringste Dunkelheit ist, 
sobald man begreift, dass diese Worte hier mur paseiv228 
vea dem QGebete, womit die Farien angerufen werden, 
gesagt seym kónnen. Ueber σπευδόμεναι kann aller- 
dings Zweifel entstehen, in wiefern das Medium gesetzt 
ist, nicht aber in wiefern das Wort eia Participium ist. 
Es mag dahin gestellt bleiben, "ob das Medium sich recht- 
fertigen lasse, was Elmsley zur Medea V. 179. streug ver- 
wirft. Im Agamemnon jedoch V. 147. scheint e8. guten 
Grund zu haben. Wie es aber dort in dem Wolfenbüttler 
Codex in σπενδομέόνα corrgirt ist (denn die Ángabe bei 
Blomfield, dass dieser Codex σπαρδομένα habe, ist unrich- 
tig), so witrde σπενδόμεναι in den Eumeniden sehr. yassend 
gelesen werden. Was aber das Participium anlangt, so ist 
é1eses gesetzt, weil damit das folgende χαταφέρω verbunden 
werden solite, was jedoch, nach Einschiehung der Parenthese, . 


72 AESCHYLOS 


nun durch ein Anakoluth mittelst der Partikeln γὰρ οὖν 
geschieht. — Daher ist auch vermuthlich der Singular 
σπενδομένα zu setzen, was auch zu ἐμαῖσι gut passt. ὁ 
Zugleich erhellt aus dieser Construction, dass nach dz- 
ηξιώσατο kein voller Rnhepunkt ist, mithin die oben bei 
dem ersten Chorgesange erwühnte Regel von gleichmás- 
siger Interpunction in Antistrophen nür scheinbar ver- 
letzt ist. [* Hiergegen wird im Ánhange S. 18. f. ge- 
sagt: ,,Ueber λεΐτη wird eine die Begriffe des Aesch. 
5chürfer fassende Alterthumskunde zu richten haben, 
der es klar seyn dürfte, dass Jemand zwar durch Lei- 
8tungen Ándern ἀτέλεια, Freiheit vou Lasten verschaf- 
fen kónne, micht aber durch Bitten (λιταῖς). die an 
ihn gerichtet sind. Auch würde ἐμαῖς λιταῖς in pas- 
Siven Sinne hier ganz unpassend stehn, wo die Erin- 
Uuyen durch diese “λιταὶ etwas bewirkend und vollführend 
dargestellt werden, indem eine solche Verbindung nur 
Statthaft ist, wo die übrige Wortfügung sie erleichtert. 
Was einer die Begriffe schürfer fassenden Alterthums- 
kunde klar seyn soll war durch die aufgestellte Erklá- 
rung schon gegeben. Denn es versteht sich von selbst, 
dass, wenn die Érinnyen sagen, dadurch, dass wir, 
und nicht ihr angerufen werdet, befreien wir 
euch von dem Strafamte, sie anch meinen, dass 
sie diese Ditten erfüllen, und durch die Erfüllung der- 
selben die andern Gótter von diesem Gesehüfte befreien. 
Die passive Bedeutung wird aber eben durch die übrige 
Wortfügung bier nicht bloss erleichtert, sondern gefordert, 
weil die Erinnyen nichts zu bitten haben, sondern nur 
kónuen gebeten werden.] 

Wie Herr Müller V. 346. 1f. im Ganzen, nicht 
aber wie er die einzelnen Worte genommen ' habe, , zeit | 
seine Uebersetzung : 

"^ μάλα yàg οὖν ἁλομένα 
ἀνέχαϑεν βαρυπεσῆ χαταφέρω ποδὸς ἀχκμὰν 
σφαλερὰ τανυδρόμοις χῶλα; δύςφωορον ἄταν. 

Dorum. nun schwingt sich mir der Fuss mtt dem 

gewaltigen Guwscht 


EUMENIDEN. ^ 73, 


Her con der Holy, und unbemerkt 
In: dem behenden Lauf stürzt er grásshich den 
Flichtling. 


Dass δύςφορον ἄταν als Apposition zu βαρυπεσῆ πο- 
δὸς ἀγμὰν gesetzt ist, leuchtet ein.  Schwerlich aber 
lassen die Worte σφαλερὰ τανυδρόμοϊς κῶλα, die von 
den Füssen nicht der Furien, sondern der Verbrecher ge- 
sagt sind, eine Construction zu, die sich überhaupt er- 
kláren liess, Es kómmt noch hinzu, dass das Vers- 
maass zweifelhaft ist, da dem in den beiden ersten Wor- 
ten enthaltenen Dochmius das χρατερὸν ὄνϑ᾽ Opus, 
was Herr Müller gesetzt hat, nicht mit gehóriger Strenge 
und noch weniger die Lesart der Bücher χρατερὸν ὄνϑ᾽ 
ὅμοίως entspricht. Ja es wird hier vielmehr ein páoni- 
scher Vers, wie die vorhergehenden sind, erwartet. Und 
nun bedarf es nur der Hinzufügung einer Partikel, oder 
vielmehr eines einzigen dem folgenden v ganz àáhnlichen 
Zeichens, um Sinn und Veramaass schicklich herzustellen: 

μάλα γὰρ οὖν ἁλομένα 

ἀνέχαϑεν βαρυπεσῆ 

 χαταφέρῳ ποδὸς ἀκμάν, | 

(σφαλερὰ γὰρ vovvOgóuois 229 

κῶλα) δύςφορον ἄταν. 
Der strophische, von den Metrikern verdorbene Vers wird 
dann mit den dazu gehórigen Worten so zu verbessern seyn: Ὶ 


ἐπὶ τὸν, ὦ, διόμεναν 
χρατερὸν ὄντα περ, ὅμως 
μαυροῦμεν νέον αἷμα. 


[*Was σφαλερὰ γὰρ τανυδρόμοις κῷλα besage, ist 
Herrn Miüller nicht deutlich, und darum dagegen zu 
sprechen bedenklich, im Anhange S. 19. Es besagt: 
denn unsicher werden die Füsse den lange 
fliehenden.. Und das scheint doch sehr deutlich zu seyn.] 

V. 360. liest Herr Müller mit einigen Herausge- 
bern: 


"uéver γὰρ εὐμήχανοί ve καὶ τέλειοι. 


74 AESCHYLOS 
Des Zornes Krof£ zeigt uns Wege, fuhrt zum 
Zeel. 


Schwerlich war diess der Gedanke des Aeschylus, da es 
nicht eben ein sonderliches Lob ist, wenn die Furien 
durch Zorn und Wuth εὐμήχανοι und τέλειοι seyn sol- 
len. Die alte Interpunction: μένει γάρ᾽ εὐμήχανοί τε 
xai τέλειοι, giebt einen weit krüftigern Sinn: ,,Denn es 
steht fest: wir sind*6 u. s. w. So im Agamemmon V. 
1544.: μίμνει δὲς μίμγοντος ἐν ϑρόνῳ Διός, παϑεῖν 
τὸν ἔρξαντα. [*Hüerzu sagt Hr. Müller im Ánhange S. 
19. ,,V. 360. heisst μένει γὰρ nach beiden Bearthei- 
Jer: es bleibt, oder es hat dabei seia Bewenden. Was 
1st nun aber, das bleibt, und wobei es sein Bewenden 
hat? Nach Hrn. Fr. die Blutschuld des Mórders; nach 
Herrn H. der folgende Gedanke: wir sind εὐμήχανοι, 
u. i. erfindungsreich, wu. s. w. worin Nichts ist, was 
»Eerade vorzugsweise als unverrückbar aufsestellt. werden 
,,Bellte. — Man sieht wohl, dass mit diesem: μέμει, es 
bleibt, nichts anzufangen ist. Das ist Herrn Müllers 
unbegründeter Áusspruch. ^ Andere dürften finden, dass 
mit diesem μένει etwas bedeatendes anzufangen ist. Denn 
mit diesen Worten, mit denen ganz andere Rhythmen 
eintreten, und, wenn man den Gang des ganzen Chorge- 
sangs betrachtet, es sehr wahrscheinlich wird, dass von 
hier au erst der gesammte Chor singe, wird das Ergeb- 
niss des Vorhergehenden áusserst kráftig und nachdrück- 
lich von den stolzen, ihre Ehre nicht schmilern lassen- 
den Erinnyen zusammengefasst: Denn es steht fest: 
unser Ámt ist, u.s. ἡ. Herr Müller scheint die poeti- 
sche Beschaffenheit dieses Chorgesangs weniger als dic 
archáologische in Betrachtung gezogen zu haben; sonst 
würde er manches gesagt haben, was er nicht gesagt, 
und einiges hicht gesagt haben, was er gesagt hat. Auch 
war an dem 'Texte noch zu bessern.  Uebrigens sind 
εὐμήχάνοι anch nicht erfindungsreiche.] 


V. 389. f. ist die urkundliche Lesart beibehalten 
worden: 


EUMENIDEN. 49 


ὑμᾶς 9! ὁμοίας οὐδενὺ σπαρτῶν vyévei, 
2 ἃ 


οὔϊ ἐν ϑεαῖσι πρὸς ϑεῶν δρωμέναις. 


Aber wer müchte nicht sowohl des Sinnes als der Spra- 
che wegen Stanleys Emendation ὁρωμένας vorziehen? 
[Herr Müller vertheidigt im Anhange S. 19. seine Les- 
art: ,, Athena motivirt ihre Verwunderung über die neuen 
,Ankómmlinge, und ihre Fragen, wer sie seyen, dadurch 
dass die Erinnyen keinem QGeschlechte der Gebornen 
»Eletch sühen, weder unter den Góttinnen, welche von. 
den Güttern gesehen würden (diess fügt sie aus weiser 
»Miüssigung hinzu, indem es auch dümonische Wesen 
»Eab, die das Auge der Olympier zu erblicken sich 
Scheute) noch auch unter dem Menschen, welches zweite 
,Glied durch eine natürliche Veránderung der GConstru- 
Ction umgebildet wird. Da es Geschmackssache ist, 
ob jemand die weise Missigung der Pallas bewundern 
wolle, mit der sie auf eine feine Art auf die Gorgonen 
und Harpyien hinweist, so lisst sich darüber nicht strei- 
ten; doch würde es noch gróssere Müssigung seyn, an 
dergleichen micht zu erinnern, ja gar nicht daran zu 
denken. ] | . 
[V. 391. ist geschrieben: 


λέγειν δ᾽ ἄμομφον ὄντα τοὺς πέλας καχῶς 
πρόσω δικαίων, ἠδ᾽ ἀποστατεῖ Θέμις. 
Doch andre lüstern, de dir mchts zu led 
gethan, 
Ist fern eon. Hechtthun; Themis hasset sol- 
a ches JFerk. . 


Die Themis hat Hr. Müller hier wohl zur unrechten Zeit 
auftreten lassen, wo bloss vom Hecht, micht von der 
Góttin die Rede ist.] 
[V. 396. übersetzt Herr Miller: 
yévog μὲν. οἶδα, κληδόνας v ἐπωνύμους" 
Den Stamm nun kenm ich, und des Laut des 
Namens auch. 


76 AESCHYLOS 


Das ganz falsche nun nicht zu erwühnem, würe es hier 
rathsam gewesen, nach Stanley zu übersetzen, wo es 
heisst: e£ unde nomen obttnes.] 

V. 413. ist nach der Ausgabe des Recensenten 
σέβουσαί γ᾽ ἄξι᾽ ἄντ᾽ ἐπαξίων geschrieben. Diess hátte 
nicht sollen aufzenommen werden, da Pallas noch kein 
Verdienst um den Chor hat. Es ist zu schreiben oé- 
βουσαί γ᾽ ἀξίαν γ᾽ ἐπαξίων. 

V. 423. haben einige Kriüker, weil ἐφεζομένῃ 
dem Verse zuwider ist, geschrieben und Hr. Müller bei- 
behalten: 


οὐδ᾽ ἔχει μύσος 
πρὸς χειρὶ Tjj uj τὸ σὸν ἐφημένῃ βρέτας. 
So hat schwerlich in Griechenland jemand geredet. Schon 


Burges hatte ἐφημένου geschrieben, wie V. 387. 
V. 451. ff. werden in den Büchern so gelesen: 


ἄλλως τε xai σὺ μὲν κατηρτυχὼς ὅμως 
. ἱκέτης προςῆλϑες καϑαρὸς ἀβλαβὴς δόμοις" 
ὅμως δ᾽ ἄμομφον ὄντα o αἱροῦμαι πόλει. 


Herr Müller nahm in dem ersten Verse von Heath zi 

. Statt xai, von Pauw ἐμοῖς statt ὅμως an, und schrieb 
in dem dritten nach eigner Conjectur, die er S. 135. 
zu erklüiren sucht, ὁσίως ἀιιομφον ὄντα“ c.  Ueber- 
setzt ist das so: 


Nun ganz besonders, da nach treu vollführ- 
tem Brauch 
Dwu als ei» reiner | Schützling  unbefleckend 


nahst ; 
Empfüngt smt Fug dich ohne Vorwurf meine 
Stadt. 


Er hat den ganzen Gang und Éusammenhang der Rede 
nicht beachtet, der es micht erlaubt, so zü schreiben. 

. Denn jetzt kann Pallas noch nicht sagen, dass sie den 
2300restes aufnehme. Vielmehr führt sie erst bloss die 
Gründe an warum sie nicht dürfe über den Mord rich- 


EUMENIDEN. H 


ten. Diese sind erstens, dass Orestes schon gereinigt 
ist, und zweitens, dass der Zorn der Furien zu belürch- 
ten steht. —Wellauer sah daher ganz richtig, dass V. 
453., welches der dritte der dhgeführten Verse ist, gar 
night hierher gehürt: er irrte aber, indem er ihn nach 
V. 457. gesetzt wissen wollte. Denn auch dahin ge- 
hórt er noch nicht, weil Pallós V. 458. 459. nur die 
Gründe, warum die Aufnahme bedenklich sey, wieder- 
holt. Betrachtet man nun V. 460 —4062., welche Hr. 
Müller nach des Casaubonus Conjectur so schreibt: 


ἐπεὶ δὲ πρᾶγμα δεῦρ᾽ ἐπέσκηψεν. τόδε, 
φόνων διχαστὰς δρκίους αἱρουμένη, 
ϑεσμὸν τὸν εἷς ἅπαντ᾽ ἐγὼ ϑήσω χρόνον. 


so füllt schon die gewaltsame Aenderung der urkundlichen 
Lesart ógxicv αἱρουμένους, noch mehr aber ϑεσμὸν 
τὸν auf. Herr Müller sagt. davon S. 116.: ,,V. 462. 
.;befremdet mich ϑεσμὸν τὸν nicht; ϑεσμὸν ist Prü- 
,Jlicat des Object τὸν, welches durch das Prüdicat anf 
griechische Weise attrahirt wird (diess als ein "Thes- 
mos). Man findet das ófter bei ihm, dass ihn etwas 
nicht befremde, ihm etwas genüge, und dergleichen. Das 
konnte er.seinem Zuhórern sagen, denep vielleicht seine 
Auctoritát als Beweis gilt: aber es für Andere drucken 
zu lassen, war nicht gut, da diesen nicht alles, ..was 
Herrn Müller, genügt. Hier muss ihnen die angebliche 
griechische Weise gar sehr befremdlich erscheinen, da 
es derselben nach wirklich griechischer Weise gar nicht 
bedurfte. Betrachtet man nicht bloss diese Stelle, , S0n- 
dern auch die Absicht und den Zusammenhang der gan- 
zen Rede, so ergiebt sich mit Aenderung eines einzigen 
Buchstabens in der von den Büchern gegebenen Lesart 
ein klarer, richtig ausgedrückter und durch die Sache 
selbst sgeforderter Sinn, der zugleich zeigt, wohin V, 453. 
zu setzen sey: 


| ἐπεὶ τὸ πρᾶγμα deg ἐπέσκηψεν τόδε, 
ὅμως ἄμομφον ὄντα cO αἱροῦμαι πόλει" 


79 AESCHYLOR. 


φόνων δικαστὰς δρχιῶ δ᾽ αἱρουμένους 
ϑεσμόν, τὸν εἰς ἅπαντ᾽ ἐγὼ ϑήσω χρόνον. 
Des δ᾽ nach ὅμως war von den Abschreibem gesetzt, 
nachdem der. Vers an eme unrechte Stelle gekommen 
war, ὋὈρχίζειν ἰδέ zwar vorzüglich bei den Neuern von 
der Zeit des Demosthenes &n statt des alten ὅρχοῦν ge- 
brüuchlich worden, aber*von den Grammatikern aner- 
kamnt, und überhaupt nicht so beschaffen, dass es nicht 
Schon von Aeschylus hütte gebraucht werden künnenm. 
S. über dieses Verhum Lobeck zum Phrynichus S. 361. 
[*Hiergegen spricht Hr. Müller im Anhange S. 20. so: 
Diese Stelle hátte wohl verdient, schon oben unter den 
Beispielen angeführt zu werden, wie wemig Herr H. auf 
Sinn und Zusammenhang der Aeschyleischen Poesie 
Rücksicht nimmt, Ich behaupte, dass der Gedanke der 
Pallas: d&uouqov ὄντα o αἱροῦμαι, gerade an die 
Stell gehürt, wo ihn die Handschriften haben. Pallas 
richtet sich zuerst an Orestes (σὺ uiv), von dem sie 
,Príahren hat, dass er gesühnt, also Kein ἐναγὴς mehr 
,,5ey, und doppeltes Anrecht auf schützende Aufnahme habe; 
5ie erwühlt ihn entschieden zur Aufnahme in ihre Stadt. 
Aber auch die Erinnyen (αὗται δὲ) kónnen ihrer Würde 
Wegen nicht so leicht entfernt werden; wenn ihnen aber 
Ü restes nicht ausgeliefert wird, werden sie gegen das 
..Lend ergrimmen. So bringt, Bleiben und Wegsenden 
.(der Erinnyen nümlich), Beides in grosse. Bedrüngmiss, 
jenes, weil dann Orest nicht geschützt werden kann, 
,1iess aus dem eben angegebenen Grunde. Darum be- 
schliesst Athena, beide zunüchst zu behalten und durch 
ein von ihr eingesetztes Blwtgericht ihre Ansprüche σὰ 
,Schlichten. — Die Verbindnmg dagegen, welche die neme 
Conjectur: φόνων διχαστὰς δρχιῶ ϑεσμὸν, einführt, 
ΓΘ dem Zusammenhange des ganzen Stücks grossen 
Sehaden ἔπη. Nicht auf dem ϑεσμὸς «ereidigt Pb 
οἶδα die Areopagiten; sondern vereidigt sind diese Rich- 
ter schon, da sie Pallas V. 536. hereinführt; den 9ὲ- 
»0Ouóg aber, die Stiftumg des Gerichts, verkündet sie 
erst V. 651. Man kann Richter schwüren lassen, und 


EUMENIDEN. || 99 


üie Befugniss und Auctoritit des Gerichts dieser Ge- 
Schwornen erst spüter feststellen; und so geschieht es 
hier.  Esist nicht wohl einzusehen, wie Herr Müller mit 
diesen Sátzen bei einem Leser, der den Text ansioht, 
etwas auszurichten glaube. Dass Pallas, wie er sagt, 
den Orestes entschieden zur ÁAnfnahme in ihre Stadt er- 
wühle, ist kein Beweis, dass der Vers hierher gebürt, 
sonderm zeigt nur, dass Hr. Müller annimmt, er gehóre 
hierher. Denn dass Orestes kein ἐναγὴς mehr ist, maeht 
ihn zwar der Áufaahme fáhig; dennoch aber ist diese Anf- 
nahme bedenklich, weil dann der Zorn der Krinnyen zu 
befürchten steht.  Nimmt also Pallas dennoch den Ore- 
stes anf, wozu berathschlagt sie noch lange? wozu findet 
sie für nóthig ein Gericht anstellen za lassen? waram 
endlich hült Orestes selbst V. 724. erst dann, als das Ge- 
richt ihn losgesprochen hat, sich für aufgenommen, χατ- 
οἐκισϑένταϑ Es kann also der angegebene Gedanke nicht 
an diese Stelle gehóren. Noch weniger kann er in der Ge- 
stalt hierher gehüren, wie die Bücher ihn geben: ὅμως 
δ᾽ ἄμομφον ὄντα οὗ αἱροῦμαι πόλει, und eben so wenig, 
oder vielmehr noch weit weniger mit Hr. Müllers allen Zusam- 
menhang unterbrechender Aenderung ὁσίως. Denn da Pallas 
so beginnt: die Sache ist schwer zu entscheiden: 
auch kommt mir nicht zu über Mord Recht zu 
sprechen: überdiess aber hast »war du 916 ein 
gereinigter Büsser dich in meinen Schutz be- 
geben, — was erwartet. man nun? erwartet man, was 
Herr Müller sie sagen lüsst: ich nehme dich auf? 
neip; sondern: aber diese Erinnyen sind nicht 
so leicht wegzuweisen. Der Schaden nun, den 
meine Emendation dem Zusammenhange des ganzen Stü- 
ckes thun soll, ist erst von Herrn Müller erdacht worden. 
Die Richter sollen schon vereidet seyn, da sie Pallas V. 
536. hereinführt.  Freilich werden sie dort, d. h. lange 
nach dem gegenwürtigen Zeitpuncte, als bereits vereidet 
hereingeführt; jetzt aber sind ja gar noch nicht einmal 
Richter vorhanden, viel weniger vereidet, da Pallas eben 
erst beschliesst eim Gericht einzusetzen, damit sie 'aus 


"— 


80 AESCHYLOS 


der Verlegenheit herauskomme, in der sie sich jetzt be- 
findet, entweder dem Orestes oder den Erinnyen zu nahe 
zu treten. Neu ist die Behauptung, dass die Areopagi- 
ten nicht auf den ϑεσμὸς vereidet werden. Denn einen 
Rüchter auf das zu vereiden, was ihm erst künftig zur 
Pflicht aufgelegt werden solle, ist selbst in dem Munde 
der Pallas ein fast unsinniger Despotismus. Die Ver- 
kündigung der Stiftung des Gerichts V. 651. ist nicht 
eine Feststellung der Befugniss und Anmctoritüt der vor- 
her auf das, was ihnen obliegen werde, vereideten Rich- 
ter, sondern nur die an das Volk gerichtete Bekanntma- 
chung der Befugnisse und der Auctoritát, auf welche die 
Richter  vereidet worden sind. .Uebrigens die selt- 
same Construction δικαστὰς δρκιῶ ϑεσμὸν ist mir, wie 
jederman sieht, von Hrn. Müller erst angesonnen worden. 
Ich habe αἱρουμένους ϑεσμὸν construirt, nicht ahndend, 
dass das auch noch ausdrücklich zu sagen nóthig würe.] 

[V. 460. Auch hier hátte Stanless cereum quan- 
doqusidem res huc pereentt dienen kónnen zu 
verhüten, was man liest: 


ἐπεὶ δὲ πρᾶγμα δεῦρ᾽ ἐπέσκηψεν τόδε. 
Weil nun die Sache Mer so festen Fuss ge- 


fasst.] 
δ, 463, f. ist mit Pauw geschrieben: 
ὑμεῖς δὲ μαρτύριά τε καὶ τεχμήρια 
καλεῖσϑ', ἀρωγὰ τῆς δίκης ὀρϑώματα. 
231Die Bücher haben δρχώματα, was auch der Scholiast 
anerkennt.  Wahrscheinlicher ist daher Wellauers. Con- 
jectur, ἀρωγὰ τῆς δίκης 9' δρκώματα; s. V. 407. 
. Auf den Eid der Richter bezieht sich V. 467., den 
Hr. Müller mit Markland und Wakefield so liest: 
|. ὅρχον ntgüvrac. μηδὲν ἔχδικον φράσειν. ᾿ 
Treu shrem. Exde, nie zu sprechen. falschen 
Spruch. 


Aber die griechischen Worte sagen ja das Gegentbeil, 


EUMENIDEN, 81 


indem ὄρχον περᾶν den Eid übertreten heisst. 
Hitte sich Hr. Müller die Mühe genommen, den Scho- 
listen nachzusehen, der diese Worte durch ὅρχον Ói- 
δόντας erklárt: 80 hütte er einsehen müssen, dass der 
Dichter 0gxov πορόντας schrieb. [*5. 20. des Án- 
hangs lest man: V. 403. ist die Lesart üpxov περῶν- 
οτας μηδὲν ἔχδιχον φράσειν allerdings sehr bedenk- 
ich; und es wird ὅρχον περᾷν, für den Eid erfüllen, 
durch περαίνειν χρησμὸν nur sehr unvollkommen ge- 
schützt. ^ Aber um nichts besser ist die neue Conje- 
,ctur Herrn Hs: 0gxov πορόντας.» da πορεῖν seinem 
 Grundbegriffe gemiüss von Aesch. nur von Geschenken, 
Ehren und andern zu gewührenden Vortheilen gesagt 
Wird. ^494ov ἀλγίω πόροι, Prometh. V. 930. ist 
nur eine bittre Uebertragung desselben Begriffs. Herr 
Müller schadet seinem Zwecke selbst durch Kinwürfe 
dieser Árt, denen jedermann gleich ansieht, dass sie bloss 
gemacht worden sind, um etwas auszusetzen. ^ Derplei- 
chen zu widerlegen ist der Mühe nicht werth.  Uebri- 
gens ist πορόντας hier in derselben Absicht Conjectur 
genannt, obgleich es evident die Lesart des Scholiasten ist.] 
In dem, was man V. 473. f. liest: 


πολλὰ δ᾽ ἔτυμα παιδότρωτα πάϑεα προβμένει, το- 
κεῦσιν, μετά T αὖϑις ἐν χρόνῳ, 


hátte das matte μετά vs schon an sich, dann aber auch 
um des Rhythmus willen, der hier trochüisch seyn sollte, 
Veranlassung zum Anstoss geben kónnuen, und es hátte 
μεταῦϑις, was Robortellus hat, gesetzt werden sollen. 
In der Antistrophe liest man bei Hrn. Müller: 


λῆξιν ὑπόδοσίν τε μόχϑων" ἄκεα δ᾽ οὐ βέβαια, 
τλάμων δὲ μάταν παρηγορεῖϊ. 


Die alte Lesart ist dxéP , was die,Kritiker richtig in 

ἄχεά τ abgeándert hatten, und τλάμων δέ τις μάταν 

παρηγορεῖ. Ὑπόδοσις ist ein neueres und prosaisches 

Wort. Richtig hat Heath ὑπόδυσιν verbessert und so 

las der Scholiast, der es jedoch falsch durch διαδοχὴν - 
Hen. 0». VL F 


82 AESCHYLOS 


erklürt. Μάόταν ist Erklárung von οὐ βέβαια, und die 
Stele so Zu lesen: 


πεύσεται δ᾽ ἄλλος ἄλλοθεν, προφω- 
γῶν τὰ τῶν πέλας χαχά, 

λῆξιν ὑπόδυσίν τὸ μόχϑων 

» / 3 3 / / 

ἀχεά T. oU βέβαια τλά- 

μων δέ τις παρηγορεῖ. 


[*Auch hier helwst && im Anhange S. 20. ,,V. 481, 
,vértheidigt Herr H. die Verbesserihg ὑπόδυσεν (wohl 
,ridltig, doch ist der Fall nicht so, dess ich voa. Wel- 
,]aner abgehen konnte); * Das scheint doch su heissen, 
dass Hr. Müller auch das unrichtige billipen musste.] 

Die zweite Antistrophe dieses Gesanges V. 492. 
liest Herr Müller folgendermaássen : 


ἔσϑ' ὅπου τὸ δεινὸν εὖ xai φρενῶν ἐπίσχοπον δει- 
μανεῖ χαϑήμενον.. 
ξυμφέρει σωφρονεῖν ὑπὸ στένει. 
τίς δὲ μηδὲν ἐν φράδαις καρδίας ἂν ἀνατρέφων, ἢ 
πόλις βροτός ϑ', ὁμοίως ἔτ᾽ ἂν σέβοι δίχαν ; 
Zittern. senuss des Menachenherz, wann an rech- 
ter Stelle sitzt, sinnbeherrschend scheue 
Furcht. 
Ja, es frommt, wenn man seufzend Zucht ge- 
lernt. | 
Hát, wer i des Herzehs Sinn ché die Furcht — 
awch resfen less, sey'a ein. Beirger, sey's eet 
Voi, wohl ἐπ Ehren tioch das Hecht? 
Der erste dieser Verse ist ganz utrichtip übersetzt. Dehn . 
232die griechischen Worte sagen: ,ymanchmal wird die Furcht 
auch den niedergesetzten Wachter der Seele fürchten.* 
Aber es muss gleich auffallen, dass das sehr ungeschickt 
ausgedrückt, und εὖ zoi ganz überflüssige Würter sind. 
Die Lesart ist von den Kritikern gemacht, und von Hrn. 
Müller sorglos beibehalten worden. In den Büchern steht 
δειμαίνει. Der Dichter schrieb: 
ἔσϑ' ὅπου τὸ δεινὸν sb, 


EUMENIDEN,. 85 


καὶ φρενῶν “ἐπίσκοπον 
δεῖ μένειν καϑήμενον. 


,.Manchmal ist die Furcht gut, und es muss ein Wüchter 
der Seele niedergesetzt bleiben. ^ Dass diess so ist, 
zeigt die Erklürung des fscholiasten: o) πανταχῇ τὸ 
δεινὸν ἀπεῖναι φρενῶν δεῖ. Αι dem so eben erhal- 
tenen zweiten Bande von Dobrees Adversariis S. 29. er- 
sieht Recensent, dass schon vor ihm ein anderer in ei- 
nem Exemplare der Aldina, das die óffentliche Biblio- 
thek zu Cambridge besitzt, δεῖ μένειν corrigirt hat. 
[*Im Anhange S, 21. sehr Herr Miller: »V. 492. 
habe ich so construit: ἔσϑ᾽ ὅπου τὸ δεινὸν εὖ (xa - 
»ἤἥμεγνο») xoi φρενῶν ἐπίσκοπον χαϑήμενον δειμαν εἴ. 
D. h. Es giebt Fülle, wo das δεινὸν», welches einen 
,Iechten Platz und einen solchen hat, wo es das Ge- 
Iüth beherrschen kann, es in Furcht setzen wird. Diese 
..Verbindung ist künstlich, dass sie unrichtig sey, wird 
Niemand behaupten, der auf solche Verbindungen von 
Participien mit Adverbien geachtet hat. Herrn dLs δεῖ 
»οομέγνειν» es muss ein Wiüchter der Seele niedergesetzt 
,Dbleiben, hat viel für sich; doch bleibt nach meinem Da- 
,ürhalten die Erwühnung eines ἐπέσχοπος φρενῶν im- 
Uer befremdend, da das ganz unpersónliche δειγὸν 
Schwerlich ein ἐπίσκοπο e, ein Wüchter oder Aufseher 
»Benannt werdén kann.* Ich begnüge mich zu bemer- 
ken, dass Herr.MüHer δειμανεῖ für in Furcht setzen 
nimmt, vermuthlich durch Passows Würterbuch verleitet, 
der dufür diese und eine amdere misverstandene Stelle 
des Plato anführt.] — In dem dritten Verse hat Herr 
Müller φράδαις aus eigner Conjectur, und χαρδίας ἂν 
mit Herm Lachmann, statt τάδε und. χαρδίαν gesetzt. 
Man soll.àleo, wie die Uebersetzung zeigt, τὸ δεινὸν 
aus dem Vorhergehenden hinzudenken: oder soll vielleicht 
gar μηδὲν keine bedeuten?  Keines von beiden ist sol- 
ches Griechisch, wie man in Griechenland kannte, Schütz 
hatte richtig. δέδι verbessert: τίς δὲ μηδὲν ἐν δέει χᾳρῳ- 
δίαν ἂν ἀνατρέφων. 


F2 


84 AESCHYLQS 
V. 523. liest man: 


τὸν ἀντίτολμον δέ φαμι παρβάταν 

ἄγοντα πολλὰ παντόφυρτ᾽ ἄνευ δίκας 
βιαίως ξὺν χρόνῳ καϑήσειν, 
λαῖφος ὅταν λάβῃ πόνος ϑραυομένας κεραίας. 


Die Lesart der Bücher ist: τὸν ἀντίτολμον δέ φαμι 
παραιβάδαν τὰ πολλὰ παντόφυρτον ἄνευ δίχας. 
Pauw hatte παντόφυρτ᾽ dor ἄνευ δίκας vorgeschla- 
gen. Herr Müller, wahrscheinlich an dem Artikel an- 
stossend, nahm zwar ἄγοντα auf, setzte es aber an eine 
andere Stelle, und machte eben durch Weglassung des 
Artikels die Rede matt. ^ Aber der ganze Zusatz des 
ἄγοντα war unnóthig und unnütz. Der Dichter schrieb: 


τὸν ἀντίτολμον δέ go καὶ παραιβάταν 
τὰ πολλὰ παντόφυρτ᾽ ἄνευ δίκας 

βιαίως ξὺν χρόνῳ καϑήσειν 

λαῖφος, ὅταν λάβῃ πόνος 

ϑραυομένας κεραίας». 


Der zweite Vers ist ein ἐγέμιοῖοῦ ὄνγασἠψοσέξαϊοοῖμδ, 
und widerlegt dadurch Herrn Müllers auch an sich 
unrichtipe Veründerung, mit welcher er V. 531. ff 
schrieb : 


233 γελᾷ δ᾽ ὁ δαίμων ἐπὶ ἀνδρὶ ϑερμῷ 
τὸν οὔποτ᾽ αὐχοῦντ᾽ Ἰδὼν ἀμηχάνως 
δῦναι λέπαδνον, οὐδ᾽ ὑπερϑέοντ᾽ ἄχραν. 


Es lacht der Gott οὗ des Mannes Hitze; 

Er seht ihn jetzt, der des Zawms sich fres 
gewáhnt, 

Den Nacken schmiegen. — Hoher. thaéirmt die 
Klippé sich. 


Die Lesart der Bücher ist: τὸν οὔποτ᾽ αὐχοῦντ᾽ Ἰδὼν 
ἀμηχάνοις δύαις λέπαδγνον, οὐδ᾽. Herrn Müllers δῦ- 
voL verstósst gegen die Strenge der Aeschylischen Me- 
ttik schon an dieser Stelle, erscheint aber vollends als 
falsch, wenn es, wie die Strophe verlangt, an das Ende 


EUMENIDEN, 85 


des vorhergehenden Verses gesetzt werden soll Woher 
ist aber gar die Klippe? Herr Müller scheint die Re- 
densart ὑπερϑεῖν ἄκραν nicht gekannt zu haben. Eau- 
ripides Archelaus Fr. 24. (7. bei Matthià) οὐ γὰρ $- 
περϑεῖν χύματος ἄχραν ÓOvvduscOa. Kaum lüsstsich 
wohl zweifeln, dass die wahre Lesart war: τὸν οὔποτ᾽ 
αὐχοῦντ᾽ ἰδὼν ἀμηχάνοις δύαις λαπαδνόν. Wie die 
Attiker. λαπάζειν und λαπαγμὸς sagten, so lüsst sich 
wohl nnbedenklich annehmen, dass sie auch λαπαδγὸς 
Blatt ἀλαπαδγνὸς gebrauchten. [Ἐσαπαδγνὸν hat auch Hr. 
. Fritzsche gefunden, und Herr Müller erkennt diess jetzt 
im Ánhange S. 21. als das richtige an. Zu der Stelle, 
die ich aus dem Euripides angeführt habe, kann man 
noch aus dem 'Theognis V. 620. hinzuthun: ἄχρην yàg 
πενίης οὐχ ὑὕπερεδράμομεν.] 
V. 537. liest man nach Butlers Conjectur: 


ἥ v οὐρανοῦ διάτορος 7j Τυρσηνικὴ 

σάλπιγξ. 
Sicher hàátte das ganze Theater in Athen den Dichter 
ausgepfffen, der es gewagt hütte, einen so ganz gráuli- 
chen, in Sinn, Sprache und metrischer Wortstellung 
fehlerhaften Vers hóren zu lassen. Die alte Lesart ist 
jv οὖν oder εἴτ᾽ οὖν διάτορος Τυρσηνιχής. Der ganz 
schlechte Artikel ist aus der Robortellischen Ausgabe ge- 
mommen.  Valckenaer scheint, nach. einer handschriftli- 
chen Anmerkung zum Hesychius zu schliessen, , anf Ás- 
kews unpglücklicher Conjectur οὐρανοῦ διάχτορος fort- 
bauend, οὐλαμοῦ διάκτορος lesen gewollt zu haben, 
was nicht viel besser ist. Diese Stelle gehórt zu denen, 
die nur von eimer Handschrift oder einem  Citate sichere 
Hülfe erwarten künnen. Nur so viel lásst sich muth- 
masslich sagen, dass das fehlende Beiwort, wenn jemand 
den Vers schicklich ergünzen wollte, keines seyn dürfte, 
das sich auf oc endigte. Grosse Wahrscheinlichkeit aber 
ist vorhanden, dass der Vers so lautete: 


» 29 3 


εἴτ᾽ οὖν διάχτωρ διάτορος Tvponvuxij. 


86 AESCHYLOS 


[*An dem Fehler in dem Wiemer Drucke εὐτ᾽ 
Btatt εἴτ᾽ stiess Herr Müller an im Anhange S. 21. Der 
Sinn ist: oder es móge die Botin, die schmet- 
ternde tyrrhenische Trompete ihre starke 
Stimme ertónen lassen. Etre scheint eben deswe- 
gen richtige Lesart zu seyn, weil der Herold schweigt, 
und an dessen Stelle bloss die Trompete gehórt wird.] 
V. 540. f. ist die alte Lesart beibehalten: 


πληρουμένου γὰρ τοῦδε βουλευτηρίου 
σιγᾶν ἀρήγει; χαὶ μαϑεῖν ϑεσμοὺς ἐμοὺς 
πόλιν τε πᾶσαν elc τὸν clavi; χρόνον, 
χαὶ τῶνδ᾽ ὅπως ἂν εὖ καταγνωσθῇ δίκη. 


. 234 Dens wesl dee. αλ[είαίξ dieses Raths sich 
- fllet, fromamt 
Jedwedem schwetgen, dass ich meine Satzun- 


gen 
Der ganzem Stadt für alle Zukunft künden 


mag, 
So wie zu dieses Haders, Rechtserledsigung. 
S. 116. sagt Herr Müller: Die Ausweichung aus der 


,)Construetion in xai τῶν δ᾽ ὅπως &v εὖ καταγνω- 
5095 δίχη, hat nichts Befremdliches, und darin ihren 
Grund, dass hier der Begriff des gegenwürügen Rechts- 
ΕΝ 9 dort der des gauzem Volks als der erste vor- 
Waltet. Wenn es für Herra Müller nichts Befremd- 
liches hat, dass der Dichter sage: ,,sowohl die 
Stadt hóre meine Satzungen, als damit der Streit recht 
entschieden werde; denn das sagen die griechischem 
Worte: so ist doch nach anderer Leste Logik darin kein 
Sinn, die zu sowohl — als auch entweder zwei, die 
hórem, oder zwei Dinge, die gehórt werden, verlangen. Der 
Wolfenbüttler Codex und de Aldina haben xai τὸν ὅπως; 
weshalb Rec. xoi τόνδ᾽. ὅπως schrieb — Konnte sich 
Herr Müller nicht entschliessen, diess von dem Rec.. an- 
zunehmen, so háíte er doch x«i τούςδ᾽ schreiben kóm- 
nen, was auch gut gewesen würe. [*Im Anhange S. 
521. wird gesagt: ,,Die Ausweichung aus der Constru- 


EUMENIDEN. 87 


ἤθη in diesen beiden Versen ist so natürhch, dass sic. 
recht zmm Beispiel dienen kónnen für eine üusserlich un- 
 ,Epenane, inperlich aber fein gedachte Copulativ - Verbin- 
dung.  Eretens frommt es μαϑεῖν ϑεσμοὺς ἐμοὺς (in 
»politischer Beziehung) der ganzen Bürgerschaft für ewige 
»4eit; zweifens frommt es μαϑεῖν ϑεσμοὺς ἐμοὺς (im 
,ZZusammenhange des Dramas) zur Eutscheidung des 
Rechtsstreits unter diesen Parteien, Im ersten Gliede 
ist das Subject πόλιν der Hauptbegriff; im zweiten 
aber der Zweek des μαϑεῖν, die Erledigung dieses 
,Rechtsstreits zwischen Orestes und den Erinnyen. Τόνδε 
1ür τῶνδε mit Herm H. zu schreiben ging durchaus 
,Bieht, da Orestes miecht der ist, welcher die ϑεσμοὺς 
,hauptsüchlich zu hóren hat, sondern mehr.die Richter; 
»70Ug06 aber hat keine diplomatische Wahrscheitlichkeit, 
pO und legt nach meinem Gefühl auf die bestimmten Füchter 
ein zu grosses Gewicht, Die Construction, welche Hr. 
Müller so natürlich findet, iet vóllig umerhórt. Es ist 
daher asnóthig weiter etwas darüber zu sagen. Ferner, 
da Pallas hier nicht die Richter, sondern das Volk an- 
redet, so sind die, welche hauptsücllich zu hüren habes, 
das Volk, und der, über dem gerichtet wird.] 

V, 946. giebt Hr. Miller nach eigner Vermuthung : 


xol μαρτυρήσων ἤλϑον᾽" — ἔστι yàg δόμων 

ἱχέτης ὅδ᾽ ἀνὴρ χαταφυγὼν ἐφέστιος 

ἐμῶν. | 
Das matte, einen ganz überflüssigen Begriff gebende χα- 
ταφυγὼν hat er statt xoi δόμων gesetzt. — Freilich ver- 
trügt sieh xoi δόμων nicht mit dem eben vorbergegan- 
genen δόμων: aber muss denn darum das letztere, und 
kann aicht das erstere verdorben seyn? Burges hat sehr 
gut das erste δόμων in νόμῳ veründert. — Sophokleg 
Qed. Col. 5&8. νόμῳ δὲ καϑαρὸς ἄϊδρις ig τόδ᾽ ἢλ- 
ϑον. Auch das xoi zeigt, dass Apollo einen doppelten 
Grund anführe, erstens, weil Orestes nach rechtlicher 
Sitte um Schutz flehe, und zweitens, weil er bei ilm, 
dem Apollo, Schntz gesucht habe, [*Im Anhange S. 22. 


88 AESCHYLOS 


»Was νόμῳ statt δόμων hier zur Sache thut, begreife 
ich nicht, da die ἱχετεία selbst micht gerechtfertigt zu 
»werden brgucht. Ich will nicht fragen, was das ganz 
unnütze χαταφυγὼν zur Sache thue, sondern es genügt 
zu sagen, dass Orestes νόμῳ ἱχέτης ist, weil er schon 
durch Opfer gereinigt worden: weshalb ihn oben Pallas 
Ν κατηρτυχὼς und χαϑαρὸς und ἀβλαβὴς nannte.] 
| V. 350. liest man aus Hrn. Müllers Conjectur: 


σὺ ὃ * εἴςαγε 
ὅπως ἐπίστᾳ, τήν τε χύρωσον δίκην. 


Dw eróffne nun 
Nach desner. Weishest, diesen Strest, und ordm 
thn. at 


Stünde dieses barbarische Griechisch in den Büchern, so 
würde man es lüngst in τήνδε, was die Bücher geben, 
veründert haben. Denn als Artikel ist τὴν in dieser 
Stellung gegen die Grammatik; alspronomen demonstra- 
tivum aber gegen den Sprachgebrauch. Aber Hr. Mül- 
Jer wellte nur nicht mit dem Recensenten 7 nach ὅπως 
einschieben. — Uebrigens ist χυροῦν δίχην auch nicht 

235den Streit anordnen, sondern ihn zur Entschei- 
dung bringen. S. V. 609. [*Jetzt erkennt Herr 
.Müller im Anhange S. 22. meine Lesart als das wahr- 
scheinlichste an.] 

“ V. 578. ist nach Wellauers unbedachtem Urtheil 
die alte Lesart beibehalten: 


τοὶ γὰρ σὺ μὲν ζῇς, ἡ δ᾽ ἐλευθέρα qóvov. 
Dafür nun lebst. à du; se ἐξέ fres der blut gen 
Schuld. 


Schütz hatte richtig φόνῳ verbessert. Denn, wenn Ver- 
stand in der Rede seyn soll, muss der Chor nicht, dass 
Klytümnestra frei sey, sondern warum sie es sey, sagen. 


V. 584. lesen wir: 


λέξω πρὸς ὑμᾶς τόνδ᾽ ᾿ἀϑηναίας μέγαν 
ϑεσμὸν δικαίως, μάντις ὧν δ᾽ οὐ ψεύσομιαι, 


EUMENIDEN. 89 


οὐπώποτ᾽ εἰπὼν. μαντικοῖσιν. ἐν ϑρόνοις, 
oUx ἀνδρὸς, oU γυναικος, οὐ πόλεως πέρι 
ὃ μὴ κελεύσῃ Ζεὺς ᾿Ολυμπίων πατήρ. . 


Εἰπὼν ist von Herrn Müller ohne Noth und matt ge- 
setzt statt εἶπον. Dagegen erforderte die Grammatik 
κελεύσαι» was nicht gesetzt ist. [*Im Anhange S. 22. 
 zweifelt Herr Müller, ob diese grammatische Regel schan 
befriedigend bestimmt sey.] 

V. 601. ist mit H. Voss geschrieben: 


ἀπὸ στρατείας γάρ μὲν ἠμποληχότα 

τὰ πλεῖστ᾽ ἀμείνον εὔφροσιν δεδεγμόγη 
δροίτῃ περαίνει λουτρὰ, xdni τέρματι 
φᾶρος παρεσχήνωσεν. 


Die Bücher haben περῶντι, was niemand wird geündert 
wissen wollen, dem die Construction des Parücips mit 
καὶ statt des eerbe fint? bekannt ist. Auch ist offen- 
bar ἄμεινον zu schreiben. [ΠΠερῶντι wünschte Herr 
Müller im Anhange S. 22. deutlicher vertheidigt. Καὶ 
wird nach dem Partcip wie εἶτα gebraucht. S. zum 
Viger Not. 219. Wenn Herr Müller hier gegen Herrn 
Fritzsche sagt: ,,Die Fracht, welche Agamemnon von 
,1roja zurückbrachte (natürlich in bildlichem Sinn, der 
,Flettenanführer wird mit einem  Kauffahrer  vergli- 
chen), war,meist heilbringendes Gut. Εὔφρονα ist sub- 
stantivisch zu nehmen, im Sinne von εὐφροσύναι, Mah-. ᾿ 
lesfreuden (s. z. B. Solon Fragm. 13. V. 10. Bach): 
so ist beides irrig. Die Vergleichung des Agamemnon 
mit einem Kauffahrer ist unpassend. "EuzoAóv ist über- 
haupt Geschüfte führen: s. die Erklürer des Hesychius. 
Stanley übersetzte richüg rebus plerssque bene 
gestes. Εὔφροσιν ist, wie μειλιχίοισιν,, von. freund- 
licher Rede gesagt. Wenn Herr Müller übersetzt: 


Ais er com Heerzug, meist mit seegensreichem 
| Gut 


Beladen heimkam, ládi sie . hn. zum frohen 


Mai, : 


98 AESCHYLOS 


wundert man sich, deu Agamemnon in seinem eignen 
Hause xum Mahle geladen zu sehen.] 
V. 617. 1l, ist interpungirt: 


ἀνδρὸς δ᾽ ἐπειδὰν aiu ἀνασπάσῃ κόνις. 
ἅπαξ ϑανόντος οὔτις ἐστ᾽ ἀνάστασις, 


Diess ist matt, und auch die Vergleichung anderer Stel- 
len konnte zeigen, dass ἅπαξ ϑανόντος mit den vorher- 
gehenden Worten zu verbinden ist, z. B. im Agamemnon 
V. 990. 

[V. 619. liest man Folgendes: 


τούτων ἐπῳδὰς οὐχ ἐποίησεν πατὴρ 
οὐ juo, τὰ δ᾽ ἄλλα παντ ἄνω rs καὶ κάτω 
στρέφων τίϑησιν, οὐδὲν ἀσϑμαίνων μένει, 


Und keinen. Heslspruch schuf. fir solches Mss- 
geachsck 


Mein. Vater, er, der jeglich Andres auf und 
' ab 


Im Wirbel umeschwingt, dem der Odem sie 
cerstegt. 


Herr Fritzsche begnügte sich die Uebersetzung zu ta- 
deln. Es war aber vielmehr zu fragen, ob ein Gedanke, 
der auch im Original abgeschmaekt und durch die schwan- 
kende Lesart verdüchtig ist, nicht, wenn das Original 
nicht emendirt werden konnte, doch mit einem Gedanken, 
" den man etwa dem Dichter zutramen durfte, hütte ver- 
tauscht werden sollen.] 
Was V. 634. f. die Bücher haben; 


μάρτυς πάρεστι παῖς ᾿λυμπίου didg, 
οὐδ᾽ ἐν σχότοισι νηδύος τεϑραμμέγη, 


hütte einen Fingerzeig geben soHen, dass zwischen diesen 
beiden Versen etwas ausgefallen ist, "wahrscheinlich die 
Erwühnaag der Gebum der Pallas aus dem Haupte ih- 
res Vaters: denn sonst müsste οὐχ, und nicht οὐδ᾽ 
stehen oder geschrieben werden, wie euch die Ueber- 
setzung Nicht giebt. [*Im Anhange sagt Herr Mül- 


EUMENIDEN. 9 


ler: ,,Aber das erste Glied, welches vermisst wird, ist 
ja schon in παῖς Ὀλυμπίου 4ιὸς enthalten, und.da- 
Jurch der Fortschritt οὐδὲ motivirt. Würde wohl Je- 
mand anstossen, wenn es hiess; παῖς ᾿Ολυμπίου Διὸς 
οὐδὲ μητρός Tivog) — Er würde ganz recht haben, 
wenn παῖς Ὀλυμπίου Διὸς hier πολέ als Benennumg 
der Person stünde, sondern die Benennung schon vorher- 
gegangen würe, “Παλλάς, παῖς "'Olvuntov Διός, οὐδὲ 
μητρός τινος. 
V. 649. f. ist interpungirt: 
ἠχούσαϑ᾽ ὧν ἠχούσατ', ἐν δὲ χαρδίᾳ 
ψῆφον φέροντες, ὅρχον αἰδεῖσθε, ξένοι. 
Ihr hórtet, was shr hórtet; nach des Herzens230 
Sein 
Feccht euer. Stéimmstesn, esdestreu, ἐν Fremd- 
linge. 
Den Stimmstein reicht man nicht im Herzen, sondern 
ehrt im Herzen den Kid. 
V. 650. Íff. schrieb Herr Miiller: 


ἔσται δὲ καὶ τὸ λοιπὸν ΑΠγείῳ στρατῷ 
ἀεὶ δικαστῶν τοῦτο βουλευτήριον, 
πάγον γεραῖρον τόνδ᾽, ᾿«μαζόνων ἔδραν. 


Von diesem γεραῖρον, das er statt ρειον setzte, sagt 
er S. 67.: οοἷαϊι halte γεραῖρον noch nicht für das 
rechte Wert, habe es aber in den Text gesetzt, weil 
dieser ohne ein Verbmm unübersetzbar ist. Auch scheint 
08 mir poetisch nothwendig, dass der Name des ÁAres- 
hügels nicht vor V. 660. eintrete. ^ Uebersetzbar ist 
der Text ohne Verbum ger wohl, wemn man beachtet, 
dass die mit dem AÁccusativ angefangene Construction 
nàch den lüngern Einschaltungen abgebrochen , und die 
Rede mit ἐν δὲ τῷ fortgesetzt wird. — Die Nothwendig- 
keit aber, dass der Areshügel nicht vor V. 660. er- 
wühnt werde, ἐδ nicht eine poetische, sondern cine lo- 
gische. — Wahrscheinlich sehrieb der Dichter πάγον δ᾽ 

ὔρειον τόνδε. [km Anhange S. 12. schreibt Herr Mül- 


92 AESCHYLOS. 


ler: ,,Herr H. erkennt das Letztere an; (dass der 
Areshügel erst V. 660. erwüáhnt werden müsse) ,,um 
aber nach seiner Gewohnheit meistern zu kóünnen, be- 
lehrt er uns, diese Nothwendigkeit sey keine poetische, 
80ndern eine logische, Herr H. wolle doch den Aus- 
druck stehen lassen, wie ich ihn gesetzt; es. ist keine 
logische Nothwendigkeit, dass man ein Ding nicht gleich 
in Anfange bei dem Namen nenne, welchen man her- 
nach etymologisch ableiten will, sondern es. schwücht 
nur den poetischen Eindruck. ^ Es ist schwer einzu- 
sehen, welchen stürkern poetischen Eindruck es machen 
sollte, wenn der Areopag, in dessen Etymologie nichts 
besonderes liegt, nicht gleich zu Anfang genannt wird. 
Was über die logische Nothwendigkeit gesagt wird, ist 
an sich wahr, aber die Anwendung anf den gegenwárti- 
gen Fall nicht richtig, weil es nicht heisst, der Ares- 
hügel, sondern dieser AÁreshügel Denn logisch 
fehlerhaft ist: dieser Áreshügel, welcher aus der 
und der Ursache der Áreshügel heisst; logisch 
richtig aber: dieser Hügel, welcher der Areshü- 
gel heisst. Weiter schreibt Herr Müller: ,Ich be- : 
haupte nur, dass, wenn die Leuchte der Grammatik 
,Richt zu einem lrrlichte werden soll, welches den Er- 
Lklürer von der Bahn gesunder Auslegung ablenkt in 
Sümpfe und Untiefen, die keinen festen Schritt gestat- 
ten, solche Uimwandlungen der Construction nie ohne 
Nachweis einer bestimmten lebhaften Vorstellung ange- 
1ommen werden dürfen, welche den Geist des Schrift- 
Sstellers aus der Bahn der natürlichen Satzverbindung 
herausgedrüngt hat. Es musste also an unserer Stelle 
nachgewiesen werden, dass, nach Erwühnung des Ge- 
,richtes selbst, erstens der Hügel, worauf die Ámazonen 
einst lagerten , im einer accusativischen Abhángigkeit, 
etwa von einem Verbum, das dem Geiste hóchst leben- 
ȟig vorschwebte, vor die Seele trete, alsdanu aber wie- 
üerum aus innern Gründen, für dies dem Geiste vor- 
5Schwebende Verbum die' Construction ἐν δὲ τῷ σέβας 
»ἀστῶν -—— τὸ μὴ ᾿διχεῖν σχήσει géwühlt werde. Dies 


! 


ΕὔΜΕΝΙΒΕΝ, 93 


weist aber Herr H. weder nach, noch wird er es nach- 
Weisen kónnen, schon desswegen micht, weil der in die- 
ser Stiftungsrede herrschende, sehr ruhige Fortschritt des 
Gedankens verlangt, dass der Areshügel erst mit dem 
Gerichte verbunden, als Sitz. desselben bezeichnet werde, 
ehe von ihm gesagt werden kann, dass dort Ehrfurcht 
Yor Gesetzen und die verschwisterte Scheu wohnen und 
,,walten solle.4 Wer etwa durch dieses wortreiche Be- 
denken confus worden ist, wird sogleich dasselbe für ge- 
hoben erkennen, sobald er sich erinnert, dass nach ein- 
geschalteten Sáützen δὲ wiederholt zu. werden pflegt, und 
folglich πάγον δὲ — ἐν δὲ τῷ so viel ist als πάγον 
δὲ, iy τῷ, ein ganz gewóhnliches Anakoluthon. Was 
aber gesagt wurde, der Areshügel müsse erst mit dem 
Gerichte verbunden werden, trifft nicht mich, da nach 
der von mir vorgeschlagenen Versetzung der Verse diess 
schon geschehen ist] ^ Von V. 658. wird weiter unten 
gesprochen werden. Án den bald daranf folgenden ganz 
unzusammenhüngenden Sützen scheint Herr Müller keinen 
Anstoss genommen zu haben: 


A — .,μλΆ2ν} A d 3 ce 
χαχαῖς ἐπιῤῥοαῖσι βορβόρῳ 4 ὕδωρ 
λαμπρὸν μιαίγων οὔ noO' εὑρήσεις ποτόν. 
τὸ μήτ' ἄναρχον μήτϑ δεσποτούμενον 
ἀστοῖς περιστέλλουσα βουλεύω σέβειν. 


Die Grammatiker, welche Sprichwürter gesammelt haben, 
führen βορβόρῳ ὕδωρ — ποτὸν an, und scheinen da- 
her xoxoig ἐπιῤῥδοαῖσι, wie in den alten.DBüchern des 
Dichters, mit dem vorhergehenden Verse verbunden, folg- 
lich βορβόρῳ δ᾽ gefunden zu haben. Dadurch kommt 
wenigstens dieses Distichon mit dem vorhergehenden Verse 
in Zusammenhang, dafern man nicht.schreiben will χα- 
xois δ᾽ ἐπιῤῥοαῖσι βορβόρῳ 9? ὕδωρ. ^ Um aber 
auch das folgende Distichon gehórig anzuschliessen, muss 
man, wenn man nicht vor demselben eine Lücke anneb- 
men wil, wozu kein Grund vorhanden ist, τὸ μὴ δ᾽ 
ἄναρχον, μηδὲ δεσποτούμεγον schreiben. Das bestü- 
tigen auch einige Bücher, in denen sich wenigstens . μηδὲ 


96 ' AESCHYLOS 


lichkeit — diese drei Verse urplótzlich vor V. 053. 
Ἔσται δὲ xai τὸ λοιπόν. Wie gross, wie dringend 
1Hussten doch die innera Gründe seyn, um eine so un- 
erklürbare Versetzung zu motiviren! Hier aber sind 
für den, welcher für geordneten Gedankenfortgang ' Sinn 
hat, alle innere Gründe grade dagegen, indem es durch- 
aus erst nóthig ist, überhaupt zu zeigen, dass diese 
Münner, welche jetzt zum erstenmal über vergossenes 
Blut richten, auch in Zukunft ein Gericht und einen 
Rath bilden sollen, ehe gesagt werden kann, dass Athena 
,8n ihnen einen unbestechlichen Rath, einen immer wa- 
chen Schutz des Landes gründe, indem eben diese Prá- 
üicate noch gar nicht dem gegenwürtigen Dlutgericht, 
sondern nur dem zukünftigen, politisch bedeutenden Rath 
anf dem Areopag zukommen, Auch würde die Wie- 
lerkehr der Worte τοῦτο βουλευτήριον, schon im 
TVrten Verse, sehr lüstig fallen.4 — Da diese lange Rede 
nicht eine Beweisführung, sondern eine mit einigen Ver- 
drehungen ausgestattete Declamation ist, mit welcher 
die nicht zusammenhüngende Rede der Pallas als zusam- 
menhángend gepriesen wird, so kommt es darauf an, ob 
jemand sich dadurch überzeugen lassen kann. Mir ist das 
nicht móglich, da ich weder Herrn Dissens Excurs mu- 
sterhaft finden, noch in einer unzusammenhángenden Er- 
zühlung Feierlichkeit wahrnehmen, noch eine Verglei- 
chung-imit der sententiósen Sprache eines Chorgesanges 
. zugeben, noch das graester finitur entdecken 
kann. ch vermuthe, dass das manchem andern, der mit 
den Alten bekannt ist, auch so gehen werde.  Uebrigens 
nimmt Hr. Müller jetzt die üchte Lesart der Quellen 
25Qu0TÉAAOVOL von mir an.] 

V. 680. ist μένων nach Wellauers Auslegung über- 
setzt: 


μαντεῖα δ᾽ οὐκ 89? ἁγνὰ μαντεύσῃ μένων" 
Befleckt hinfort Sind deine Sprüche, weslst du 
noch. | ! 
Aber.darin ist ja gar kein vernünftiger Sinn. Denn we- 


) 


/ EUMENIDEN. | 97 


der kónnen die Parteien einander befehlen die Gerichts- 
stitte zu verlassen, noch würde hier etwas darauf ankom- 
men, ob Apollo verweilte oder fortginge, weil die Par- 
teien keinen Einfluss mehr auf die Kntscheidung haben 
kónnen, indem die Richter bereits abstimmen.  Recen- 
sent hatte νέμων verbessert, ,bewohnend,* was durch- 
aus nothwendig ist. [*Im Anhange S. 22. wird ge- 
Bagt: ,,V. 680. ist μένων ganz richtig; denn der Recht- 
Spruch, das Urtheil über Blutschuld, welches die Alteri 
Uit einer gewissen Scheu betrachteten, δὲ es, wobei 
. s Apollon nach dem Verlangen der Erinnyen nicht zuge- 
gen bleiben soll, weil er* dadurch befleckt werde. Dem 
ist nicht so. Apollo mag gehen oder bleiben, so wird 
er befleckt, weil bloss davon die Rede ist,.dass er dem 
Müórder wohlwil, was er schon früher durch dessen Be- 
schützung in seinem Tempel gezeigt hat. ^ Áuch wollen 
ihà die Erinnyen nicht fortschicken, sondern werfen ihm 
nur vor, dass er sich anmaasse den Ausspruch seines 
Orakels geltend zu machen, da ihm gar nicht zukomme, 
über Mord zu entscheiden, sondern er nur dadurch den 
Sitz dieses Orakels schánde.] | 

[V. 710. ist unglaublich, ja abenteuerlich, was man 
liest: | | 

vüv ἀγχόνης μοι τέρματ᾽ ἢ φάος βλέπειν. 
Nun droht's mich, ἐοαξ zu wirgen, oder hel- 
ler werd's. 


Wer.auch nur weuig die Sprache kennt, muss sehen, 
dass der Sinn ist: nun stehe ich am Ziele ent- 
weder sterben zu müssen, oder zu leben. 

V. 721. schrieb Hr. Müller: 


, πάλλουσά v olxov ψῆφος ὥρϑωσεν μία. 


Er sagt: ,,Ich nehme hier an, dass πάλλειν — das ei- 

»gentliche: Wort von dem Durcheinander- und Heraws- 

,,Schütteln von Leosen, mit denen die Stimmsteime man- 

he Aehalichkeit haben —-. auch in dieser. Bedeutung 

,Jntransitiv stehen kann, 80 wie oft in anderer Bedeutung. 
HrRw. Or. VI. 


98 AESCHYLOS. 


Person zum Orest 310. Von der Verwechselung mit 
»οβάλλειν der englische Sfephanus water 7L4/f/1Q.** 
Porson führt aur eine einzige Stelle des Euripides an: aber 
238allerdings ha£ πάλλειν. oft intransitive Bedeutung, — Allein 
we kommt es vou Stimaosteineg 80 vor?  Ueberdiess be» 
dachte Hr. Müler micht, dass, selbs£ wenn dieses Verbum 
hier hütte gebraucht werden kónnem, doch das ParGeipinm 
dea Prüsens eisen nbsgrden Begrif giebt. — Es wire 49 
her besser gewesen mieht emrzunehwen, was mácht asge- 
hommen werden kama, sondern mit der Lesert der Bü- 
cher βαλοῦσα πυΐήθάθῃ gm seyn, za welchem Verbo 
γγεύμην ans dem vorhergehendeg Verse verstesnden würd, 
indem ψῆφος se gesagt ix, dass der ψηφιζόμενος da- 
bei gedacht wird, [*Herr Müller verlamgí im Anbhango 
S, 23. eine Uebersetzung. Zwar scheint das nach der 
gegebenen Erklürumg ziemlich überflüssig: indeseem kann 
sie gegeben werden: fehlt eine Stimme, so ent- 
steht grosser Nachtheil: aber ein einziger 
Stimmsfein, den sie hineingeworfen (abgegoben) 
hat, richtet ein Haus auf.] 
V. 737. lest man: 


αὐτοὶ γὰρ fusis ὄντες ἐν τάφοις τότε 
τοῖς τἀμὰ παρβαίνουσι γῦν δρχώματα 
ἀμηχάνοισι πράξομεν δυςπραξίᾳρ, 
ὁδοὺς ἀϑύμους καὶ παρόρνιϑας πόρους 
τιϑέγτες, ὡς αὐτοῖσι μεταμέλῃ πόνος. 


Hec. hielt δυρπφαξίας, das Herr Miller für δυξπρατ 
δίαις gesetzt hat, für einen Druckfehler, bis er sah, dass 
es ausdrücklich sls Conjeetur angegebem wird, — Hütte 
Aeschylus so geschrieben, so muwsete jedermann τρῖς mit 
dumydvow verbinden, was einen widersinnigen Gedan- 
ken giebt. .Konnte Herr Müller mit dieser Stelle nicht 
fertig werden, ohne δυρπραξίας κα setzen, in der doch 
die Cosstraetion ἀμηχάνοισι δυφςπραξίαις πράξομεν ὡς 

αὐτοῖσε μεταμέλῃ πόνος se gar keine Schierigkeit 
hat: so musste er wenigstens, wenn mam die Bede ver- 
stehen soli, das Participium ἀμηχανοῦσι setzen. [* Die 


EUMENIDEN. 90 


von mir amgegehene Comstruetion ist nach Merrm Müller 
S. 23. des Anhangs doch gewiss sehr bari. 
|. X, 7&5. ist interpungirt: — — 


καὶ χαῖρε καὶ σὺ, xai πολισσοῦχος λεὼς» 
πάλαισμ᾽ ἄφυκτον τοῖς ἐναντίοις ἔχοις. 


Der Sinn und 416 Gewohzhei( forderten: χαὶ χαῖρε: 
«xb σὺ xeb U, S. W,- 

In dem Chergesange V. 751. liest man die Vul- 
gate: Ἰοὺ, ἰοὺ ἀνετεπαϑῆ μεϑεῖσα καρδίας σταλαγμόν. 
Dagegen würe ὃ sich nichts einzuwendem: allem da die 
ülteste und beste handsehriftbche Antortáüt 10», ἰὸν «av- 
τιπενϑῆ giebt, was sehr krüftig 18£; so fragt man doch 
billig, warum das nicht aulsenommen wurde. 

V. 757. f. sind so geschrieben: 


στενάζω; τί ῥέξω; γένωμαι ϑυςοίστα πολί- 
᾿ ταις. 
πάϑον, Ἰὼ, μεγάλα τοι κόραι; δυςτυχεῖς Νυ- 
χτὸς ἀτιμοπενϑεῖς. 


71λν seufzt noch? was schafft εἐὖ.3 das Volk 
lasst die Zornwuth empfinden. 

Grosses Leid traf firwahr der Nacht Toch- 
fer, uns, welche verachtet trauern. 


Vorher las manm: τί ῥέξω; γένωμαι; ϑύροιστα πολέ-239 
ταις ἔπαϑον. Herr Miller schreibt S. 68. : »leh halte 
es hier für viel hürter, zu γένωμαι ein τί aus dem 
»Vorigea zu suppliren (woeraus auch für mich kein be- 
»riedigender Zusammenhamg hervorgeht), als den Con- 
,jsmctiv des Entechlusses anf Hormerische' Weise obme 
,ein einleMendes ἄγε, qos zu smtatuiren, welches dech 
Cimigemal bei den Tragikern zugelassen wird. Damit 
,Bhahe ich das Folgende verbunden, mit.der Vorausse- 
izung, dass Aeschylos ducoíora ehen so gut wie παν- 
»U0xíra νόσος u. dgl. mgen künne, usd die Form ge- 
. »Wühlt habe, um dem Metrum der Bacchien mehr Ge- 
»Wicht und eine gewisse Schwerfálligkeit zu geben. Dar- 
auf lisst sich erwiedern, dass die angebliche Hiürte den 
| G* | 


100 AESCHYLOS 


Griechen wohl nieht als eine solche vorkam, du sie mehr- 
mals so reden, 2. B. Euripides im Ion V. 1446.: τίν 
αὐδὰν dco; βοάσω; Aeschylus in den Persern V. 
668.: τίνα πόλις πονεῖ ztóvov ; στένει, κέχοτιται, xoi τα- 
ράσσεται πέδον; lerner, dass, wenn für Herrn Müller 
kein befriedigender Zusammenhang daraus hervorgeht, er 
doch sehr wohl für Andere daraus hervorgehen kann, 
die es ganz natürlich finden dürften, wenn correlate Be- : 
griffe: ,,was soll ich than? was soll mir widerfahren?« 
mit einander verbunden sind. Sodann dass in Herrn 
Müllers Lesart δυςοίστα γένωμαι πολίταις der Con- 
junctiv des Entschlusses unnóthig war, da ja auch diese 
Worte fragend genommen werden konnten. Gegen diese 
Worte selbst lisst sich zwar nichts einwenden: dennoch 
aber kónnen sie nicht das Wahre seyn, weil Aeschylus 
nicht das Folgende so schreiben konnte, wie Herr Miül- 
ler gethan hat.  /Ií9o» ohne Augment konnte hier gar 
nicht stehen. Denn die Weglassung des Augments hat 
ebenfalls ihre, wenn auch Hrn. Müller unbekannte, Re- 
geln. Aber auch wenn man ἔπαϑον, was die Bücher 
haben, wieder herstellt, würde doch die Wortstellung falsch 
seyn, weil, wenn der Gedanke nicht gauz elend und 
sprachwidrig ausgedrückt seyn soll, es entweder μεγάλα 
τοι ἔπαϑον heissen, oder ἔπαϑον für sich allein einen 
Satz ausmachen müsste: dieser aber würde mit dem nack- 
ten einmaligen ἔπαϑον wieder zu schwach seyn. . Wie 
aber kam es, dass Herr Müller, da er an dem γένωμαι ' 
Anstoss nahm, nicht mit Tyrwhitt und Lachmann γελῶ- 
μαι las? Diese Conjectur empfiehlt sich in hohem Gra- 
de, besonders auch da sie fast noch besser als das auch 
von dem Scholiasten anerkannte γένωμαι zu der Perso- 
meneintheilung stmunt, — Herr Müller freilich nimmt in 
diesem Gesange mur drei Stimmen an, auf welche, wie 
er S. 08. sagt, ausser dem Inhalte, die eingestreuten 
iambischen Vezse führen. Man kann sich in der That 
micht genug über den Leichtsinn wundern, mit dem er dem 
240ersten dem besten KEinfalle Raum giebt. Obensahen wir, 
dass die Anapüsten V. 297 — 310., wo man vernünf- 


EUMENIDEN. 101 


tiger Weise nur drei Stimimen unterscheiden kann, auf 
die allerunglaublichste Art unter siehen Paare vertheilt 
wurden: hier, wo die Wiederholung des ganzen Gesan- 
ges ganz offenbar darauf hinweist, dass der Chor in Halb- 
chóre vertheilt ist, und dieselben Worte, die der erste 
Halbchor gesungen hat, bald darauf von dem andern Halb- 
chore wiederholt werden, mithin zu vermuthen steht, es 
werden sich sieben oder acht Stimmen unterscheiden las- . 
sen, ist daran nicht gedacht, sondern es beliebt Herrn 
Müller bloss drei einzuführen, was um 80 befremdender 
ist, da er in dem nüchsten auf eben diese Weise von 
dem Dichter eingerichteten Gesange selbst sieben Stimmen. 
annimmt. — Aber anstatt auf die Abschnitte der Rede, 
auf die Beschaffenheit und Beendigung der Gedanken zu 
sehen, nimmt er die Trimeter als Zeichen der Verthei- 
lung an, &uf die überaH gar nichts ankommt, wenn die 
Worte und der Inhalt nicht einen sichern Anhalt geben. 
So soll denn nun. die erste Stimme V. 748. 749., die 
zweite V. 750—750., die dritte V. 757 —700. sin- 
gen. Und doch liegen acht Stimmen so klar vor Áu- 
gen, dass man kaum daran zweifeln kann. Sie sind von 
V. 755. so zu unterscheiden; wenn man ὦ δίχα der 
dritten Person giebt: 


&. στενάζω; 9. τί ῥέξω; 0. γελῶμαι; 7. δύς- 
οιστα 

πολέταις ἔπαϑον. 8. Ἰὼ μεγάλα τοι 

κόραι δυςτυχεῖς Νυχτὸς ἀτιμοπενϑεῖς. 


Die Rhythmen sind ganz gebráuchliche: erst zwei hyper- 
katalektische Dochmien, dann drei akatalektische, und 
zuletzt wieder ein hyperkatalektischer Dochmius. Acht 
Personen zu unterscheiden scheint deswegen nothwendig, 
weil der Koryphàe hier nicht, wie oben V. 135. ff. und 
anderwürts, etwas von den Halbchóren getrenntes spricht, 
und es unschicklich seyn würde, wenn er gauz geschwie- 
gen hátte. Daher ist zu vermuthen, dass ihm ebenfalls 
etwas zugetheilt war, und er darnach, als der zweite 
Halbchor sang, zu diesem übertrat, und dort dieselben 


102 AESCHYLOS 


Worte, die er das erste Mal sang, wlederholte, (*1a 
dem Anhamnge S. 23. wird gesagt: ,,Das Augment von 
πάϑον kann eben so. gzt fehlen, wie es bei πά- 
»Oousv, Ofoephoren A413. fehlt;. wnd wem auch die 
.Auslassung des Áugments bei einem zweisylbigen Wor- 
te wie πάϑον hárter ist, se erlaubte der sehr aufge- 
,regte "Ton dieser Stelle auch etwas Ungewóhnlicheres. 
50b man aber aa Stellung von rot so grossen Anstoss 
,1ehmen dürfe, bezweifle ich; da wir im einfachen Dia- 
leg in der Nühe haben: xai γῆς πατρῴας ἐστερημέ- 
,v0v σύ rot κατηξίωσάς us, wo eim Komma vor σύ 
t0. den Gedanken vüllig. zerrüéten würde. Die Parti- 
kel coi steht mur deswegen meist im Vordergrunde, 
Weil der Begriff, den man mit sokher Conftdenz aus- 
,,Spricht, mach der regelmüssigea Wortstellnng verantritt; 
Sid aber Gründe vorhanden, diese Stellung zu ündern, 
,Wle im V. 725. der Fortschritt des Gedankens wud 
hier die Kntgegenstelluag des παθεῖν gegen den im 
»Vorigen liegenden Gedanken des τίσασθαι eimen sol- 
Chen Grund emthült: so kann mit dem Begriffe, an den 
,,08 sich anschliesst, auch vo, zurücktreten./ —Wemn in 
der sehr zweifelhaften Stelle der -Choephoren πάϑομεν 
richtüg ist, so làsst sie sich doch auch deswegen nicht 
hier gebrauchen, weil dort das Wort nicht zu Anfang 
des Satzes steht. — Ein Gegensatz von παϑεῖν und τί- 
σασϑαι müsste, wenn er bemerkt werden sollte, durch 
Worte ausdrücklich bezeichnet seyn. ^ Wollte Hr. Müj- 
ler sein ro: vertheidigen, so hátte er sagen sollen, es 
seyen zwei Gedanken verbunden: ich habe gelitten, 
wehe, wahrlich grosses. Von ψελῶμαι sagt er so- 
dann, ,jich asse, indem ich dieses aufnehme, den unertrüg- 
lichen Gedanken stehen: ich habe den Bürgern Un- 
ertrágliches geduldet.* Diesen Gedanken hat er, 
um ihn unertrüplich nemmen zu künnen, erst durch diese 
Uebersetzung dazu gemacht. Richtig verstanden, Schwer 
von den Bürgern zu Büssendes ist mir wider- 
fahren, werden ihn Andere nicht wunertrüplich finden. 
Von der Personeneintheilung heisst es S. 35.: ,In dem 


Ι 


EKUMENIDEN. 103 


kemmatiehen Liede V. 748. und 775. würde ieh, 
,"WeBn ich auch selbs$ Herrn His GConstitetion des Tex- 
, Aes gutheissen késmte, mich nie emtschliessem kónnen, 
,Jnit ihm eie so kleimliche Verthei,ws der Personen 
,YVorzunehmen, dass der zweiten Erinnys über die Hülfte 
des Ganzen bleibt, dagegen die Stimme 3. ὦ δίχα, 
4. στενάζω, 5. τέ ῥέξω, 0. γελῶμαι, 7. δύςοιστα πο- 
λίταις ἔπαϑον, 8. das Uebrige erhült.4 Wozu sich 
Hr. Müller entschliessen kónne oder wolle, geht mich 
nichts an, Andere werden vielleicht diese Personenver- 
theilung sehr bewegt und krüftig finden.] 
[V. 765. f. sind misverstanden: 
αὐτός Ü' ὃ χρήσας, αὐτὸς ἦν ὃ μαρτυρῶν, 
ὡς ταῦτ᾽ ᾿Ορέστην δρῶντα μὴ βλάβας ἔχειν. 
Er, der geweissagt, legte selbst. auch Zeua- 
sss eb, 
Nickt trage Schuld Orestes, der volifiührt die 
TAat. 


Der Sinn der griechischen Worte ist unstreitig der: er 
sélbst, der die That geheissen hat, war auch 
Bezéuger, dass Orestes straflos seyn solle. 
Dass übrigens die alte Lesart αὐτός 9' ὃ ϑήσας in 
αὐτός Ó' ὃ φήσας zu veründern sey, hatte Rec. schon 
vorlüngst als durch den Scholasten bestütigt angemerkt. 
Ohne den Scholiasten zu beachten, hat auch Herr Fri- 
tzsche φήσας oder πείσας vorgescehlagen.] 

... V. 709. ist das corrupte ἀφεῖσαι δαιμόνων στα- 
λάγματα beibehalten, die Uebersetzung aber, ,,aus der 
Brust, drückt Wakefields Conjectur πλευμόνων aus. 
Ueber diesen und den folgenden Vers, in welehem ol- 
χμάς, die Lesert der Bücher, beibehalten ist, liessen 
sich noch einige Bemerkungen machen: aber da feinere 
Kenntniss der Gráücitit und der peetischen Sprache von 
Herrn Müller zu verlangen eine unbillige Forderang seyn 
würde, so schweigt Recensent hier, wie anmderwürts, über 
dergleichen Dinge. 

In dem folgenden Chorgessmmge findet man zwsc V.241 


104 AESCHYLOS 


803. mit Recht die Lesart der Bücher μῖσος wieder 
hergestellt, aber weder die Umstellung ἀτίετον μῖσος, 
φεῦ, statt ἀτίετον, φεῦ, μῖσος, noch die Abtheilung . 
der Personen kann gebilligt werden, Sie ist folgende: . 


1. ἐμὲ παϑεῖν τάδε. 


φεῦ. 
2. ἐμὲ παλαιόφρονα κατὰ γᾶς οἰχεῖν ἀτίετον 
| μῖσος. 
φεῦ. 
. πγέω τοι μένος, 4. ἅπαντά τε χότον. 
P oi δᾶ, φεῦ. 


. τίς Hu ὑποδύεται πλευρὰς ὀδύνα; 

. ϑυμὸν ἄϊε, μᾶτερ, 

Νὺξ, ἀπὸ γάρ ue τιμᾶν Ó αμιᾶν ϑεῶν 
δυςπάλαμοι παρ᾽ οὐδὲν ἦραν δόλοι. 


Denn wer, der nur einige Vertrautheit mit den Tragi- 
kern besitzt, wird nicht einsehen, dass ἐμὲ παλαιόφρο- 
vc nicht von einer andern Person als das vorhergehende 
ἐμὲ παϑεῖν τάδε, und so auch ἅπαντά ve χότον nicht 
von einer andern, als welche ztvéc τοι μένος. hatte, ge- 
sungen werden konnte? Aber Herr Müller, der in dem 
ganz ühnlichen Falle V. 140. das Wahre gesehen hatte, 
ergriff hier das Ünmógliche, ohne zu bemerken, was sich 
jedem bei dem ersten Anblick nicht nur überhaupt, S0R- 
dern besonders auch durch das den Dochmius drísrov 
μῖσος unterbrechende φεῦ fast gewaltsam aufdrüngt, dass 
die Interjectionen von andern Personen gesprochen wer- 
den. Die Personen sind so zu unterscheiden: 


ἜΘΡΙΡ 


1. ἐμὲ παϑεῖν τάδε, | 

2. φεῦ. 

1. ἐμὲ παλαιόφρονα, κατά τε γᾶς οἰχεῖν 
ἀτίετον 

8. φεῦ. 

1. μῖσος. . 

4. πνέω τοι μένος ἅπαντά ve χότον. 

ὅ. ot οἱ δᾶ. 

6, | φεῦ. 


EUMENIDEN. 105 


7. τίς μὶ ὑποδύεται πλευρὰς ὀδύνα; 

8. ϑυμὸν ἀϊΐε, μᾶτερ 
Νύξ' ἀπὸ γάρ ue τιμᾶν δαμαιᾶν ϑεῶν 
δυςπάλαμοι παρ᾽ οὐδὲν ἦραν δόλοι. 


In dem dritten Verse, der in der Ὑαϊραία ein ganz un- 
gewóhnliches und unbekanntes Versmaass hat, war der 
Dochmius durch Hinzufügung des τὲ aus alter Lesart 
V. 833. herzustellen, Am Ende des Gesanges hst Hr. 
Müller τιμᾶν δαμιᾶν, ,,des Volkes Ehre, beibehalten, 
Aber es ist nicht einzusehen, wie die Furien hier über242 
die ihnen entrissene Verehrung des Volks klagen kónnenm, 
da sie die Ehren, von denen in dieser Tragódie die 
Rede ist, erst noch erhalten sollen: vielmehr kann der 
Grund dieser Beschwerde hier kein anderer seyn, als der, 
den sie von Anfang an wiederholen, dass ihnen das Recht, 
den Verbrecher zu bestrafen, genommen wird. Die il- 
tere Lesart δαμαιᾶν giebt aber diesen Begriff, und zu- 
gleich statt eines ungebrüuchlichen Versmaasses einen 
richtigen Dochmius. [*Im Anhange S. 35. schreibt Herr 
Müller: ,,Das Vertheilen der Interjectionen an einzelne 
Personen ist gewiss sehr bedenklich; eher ist zu glau- 
ben, dass diese φεῦβ vom ganzen Chor intonirt worden 
Sind. Wendet man diess auch auf o? of, δᾶ, φεῦ 
8n, und verbindet man, was man gern móchte: πγέω 
τοι μένος ἅπαντά vs χότον (wo mich nur die sy/la- 
0a anceps am Schlusse des ersten Dochmius zur 'Tren- 
nung der Personen bewogen hat): so würden sich 
9916 sieben Stimmen auf fünf reduciren, — Dann kóünnte 
den vorhergehenden Gesang, den wir in drei Stimmen 
,theilen, das erste ζυγὸν (aber nicht in gewóhnlicher 
..,Dtellung), diesen aber der erste στίχος gesungen ha- 
ben. Jedermann sieht, dass Herr Müller nur etwas 
anderes sagen wollte, und man muss gestehen, dass ein 
solches ζυγὸν in nicht gewóhnlicher Stellung eben so 
wie der στέχος um so merkwürdigere Erfindungen sind, 
als Herr Müller bei dem Chorgesange V. 245. f. nach 
dem Kunstsinne des Alterthums und insbesondere nach 


| 806 AESCHYLOS 


dem Styl des Aeschylus durch sieben Persomen die Sym- 
metrie und Ordnung des Ganzen für aufgehoben erklárte. 
»Twu&v Ónuidy, heisst es S. 23. ,,geht nicht auf den 
Cultus der Semná, sonderm auf die den Erinnyen, als 
»Verfolgerinnen der Mórder, bei allem Volke von selbst 
,gezollle Ehrfurcht. Diese konnte ihnen durch Orestes 
,Ereisprechung entrissen werden. Diese Erklürung kann 
nicht Statt finden, weil kein Athener die Worte so ver- 
standen haben würde. Hütte der Dichter das sagen wol- 
len, so hütte er ἀνθρώπων oder ein gleichbedeutendes 
Wort setzen müeseg. Herr L. Dindorf vermuthet in 
dem Stephanischen Thesaurus nicht übel δαγναιᾶν, wo- 


,0lie anapüetisy .. .podie xard γᾶς οἰκεῖν nicht der in V. 
5837 eben so eei Dochmias anocb;7. 477 πλευρὰς ὁδύ- 


schen, ΠΟΙ . ..hmiem (denn auch ϑυριὸν &is μᾶτερ it 
ein bj, n3) unrichtig scheint. Da ich aber keine si- 
chere(y&5,, niafion verzubringen weiss, habe. ich von die- 
sen Vk i qv gescliwiegen.] 
V. 810—812. liest man: | 
ὀργὰρ ξυνοίσω σοι" γεφαιτέρα γὰρ εἶ, 
χαΐτοι ys μὴν σὺ χαρτ᾽ ἐμοῦ σοφωτέρα, 
φρονεῖν δὲ χἀμοὶ Ζεὺς ἔδωχεν οὗ καχῶςρ. 
Dein Zürnen trag «ch; denn. du bist die ál- 
tere. 
WPiewoh jedoch du mehr als ich erfahren bist, 
Doch ward der Einsicht Maass durch Zeus 
euch mir xu Thes. 
Text und Uebersetzung Iassen die Pallas doch in der That gar 
zu hóffich sprechen: doch verbirgt die Uebersetzung ei- 
nigermaassen den oMenbar widersprechenden Zusammen- 
hang, den im Originale die gebrauchten Partikeln ganz 


EUMENIDEN. ' 103 


grell hervortreten lassen. Die Partikela zeigem, dass 
der Dichter schrieb: . 


L4 M! 3 / 3 »5 dv ^ 
Καίτοι y65 ΜΏΜ οὐ χαρτ ὅμου goquzrspc. 


[* Nachdem Herr Müller im Anhange S. 23. von χαΐτοι 
gesprochen, führt er fort: ,,Herr H. hat wegen dieser 
Schwierigkeit die Stelle schon auf drei verschiedene 
»Weisen (in seiner Áusgabe, zum Viger, in der Recen- 
8lon) eonstituirt; zuletzt so, dass er (ühnlich wie Bothe) 
509 xdgr ἐμοῦ σοφωτέρα schreibt, wobei nur die Ver- 
bindung zwischen diesem Satze: Indessen bist du mich 
eben klüger als ich; und dem folgenden: klug zu seyn 
8ber hat auch mir Zeus nicht im schlechtem Maasse 
verliehen, sich nicht recht natürlich fügen will. Be- 
fremdlich ist, dass Herr Müller, wie es scheint, vielleicht 
um dem Gedanken etwas anzuhaben, in dieser Ueberse- 
tzung οὐ χακῶς mit ἔδωχεν, und mb "wie jedemenn 
thun. wird, mit , ....:» verbünden hat, ^ Wemn ew aber 
das auc h mir nicht recht natürlich findet , 80 Scheint 
er nicht bedacht zu haben, dass in eimem Satze, der 
eine Vergleichung anfügt, das auch so&Ü no endig 
ist. Weiter sagt er: ,,Mir schien χαίτοι, ^le essen, 
dem Vorigen auf regelmüssige Weise si ^ i.'"ügen, 
das Zugestündniss hóherer Weisheit für di Ki.nnyen 
,,aber als erstes Glied auf eine Weise eingeschoben zu 
8eyn, welche der Simplicitàt des Aesch. wohl nicht 
Iremd ist. Etwa so: Ich will dein Zürnen ertragen; 
denn da bist die ültere.  Indessen — bist du freilich weiser 
als ich —; aber Zeus hat auch mir kein geringes 
,Maass von Weisheit verliehen. — Dies drüekt meine 
JUebersetzung aus. . Im T'exte steht χαέτοι ye μήν, 
was nicht indessen, sondern indessen dennoch be- 
dentet. Die von Herrn Müller jetzt aufgestelko Art zü 
reden würde ironisch seyn.] | 
V. 823. liest Herr Müller aus eger Conjectur: 


μηδ᾽ ἐχχολοῦο᾽ ὡς καρδίαν ἀλεχτόρων, 


statt ἐξελοῦσ. Mine solche. Vermuthung trügt keime 


M68 AESCHYLOS 


Wahrscheinlichkeit in sich. — Homers ϑυμοβόρος ἔρις 
hütte leicht auf ἐξέδουσ᾽ führen kónnen.  Vergl. Apol- 
lonius Lex. Hom. in ϑυμοβόρου, und Wakefield zu 
Sophokles '"Frach. 142. Bald darauf V. 820. hütte 
nicht von Burges und Bothe 


ϑυραῖος ἔστω πόλεμος, οὐ δόμοις παρών 


aufgenommen werden sollen; was jedoch Hr. Müller S. 
124. mit Bedenken gethan zu haben bekennt. Recht 
hatte er, dass die Lesart der Bücher οὐ μόλις παρὼν 
nicht passe: aber man begreift nicht, wie er dann dazu 
setzen konnte: ,,den edlen Streit mit dem Perserreiche 
verwirft Aeschylos gewiss nicht. Denm da die alte Les- 
art den Sinn giebt: ,,auswürtig sey der Krieg, nicht we- 
nig nahe: so ist dus zwar absurd ausgedrückt, aber es 
làge doch kein Verwerfen des Perserkrieges, sondern 
vielmehr eine Beziehung auf die ganz in der Náühe ge- 
fochtene -Marathonische Schlacht darin. Dagegen in der 

243aufgenommenen Emendation nicht nur alle. Beziehung auf ' 
den Perserkrieg wegfállt, sondern auch der sogleich fol- 
gende Vers: 


3» » 


3 d 3 » ΄ , 
évoixtov δ᾽ OgviOog oU λέγω μαχῆν» 


unnóthig, und, weil der Hahnenkampf schon V. 823. ab- 
gewiesen war, abgeschmackt seyn würde. Deswegen hat 
Rec. ἢ μόλις παρὼν geschrieben, wie der Scholiast ge- 
lesen haben muss, da er es durch οὐ μαχρὰν erklürte. 
Eben weil der Dichter die marathonische Schlacht, auf 
welche Áthen so stolz war, nicht verwarf, legte er der 
Pallas eine Weissagung dieses Kampfes mit dem beden- 
tungsvollen Zusatze ἐν ᾧ τις ἔσται δεινὸς εὐκλείας 
ἔρως, in den Mund; um aber noch bestimmter auf den 
Sinn der an sich zweideutigen Worte hinzuweisen, setzte 
er hinzu: ,,aber ich meine nmicht einen DBürgerkrieg.* 
[*Diess weiss Herr Müller im Anhange S. 24. auf eine 
allerdings unwiderlegliche Weise so zu widerlegen: ,,V. 
,926. behauptet Herr H. sein ἢ μόλις παρών; was 
uf die Marathonische Schlacht gehen soll; Hr. Fr. 


EUMENIDEN. 109 


»Will o? -μόλις παρὼν durch nicht langsam unter- 
,1ommen erklüren. Auch hier kommt das Schlechtere 
zum Schlechten. Die ursprüngliche Lesart scheint noch 
nicht gefonden zu seyn.] 

In den. Ánapásten ist V. 891. geschrieben: ὃ 98 
δὴ χύρσας βαρέων τούτων οὐχ οἶδεν ὅϑεν πληγαὶ 
βιότου Xx 


JVen aber der Zorn des Gefürchteten drückt, 
er εὐθῖ88 s4Ccht, woher sein Leben die 
. SchMáge betreffen. 


Ws die Uebersetzung sagt, steht mieht im Original, 
welches gar keinen Sinn giebt. Denn was soll man sich 
bei βαρέων τούτων denken, oder worauf dieses unver- 
stindliche τούτων beziehen? Das δὴ ist von Paaw an- 
genommen:: die Bücher haben ganz richtig ὃ δὲ μὴ 
κύρσας. Es ist zu verbessern: 
ὃ δὲ μὴ χύρσας 
βαρέων τέχτων οὐχ οἶδεν ὅϑεν 
πληγαὶ βιότου **** 


Vermathlich ist das fehlende Wort προςέπαισαν. Pallas 
sagt: ,,alles beherrschen die Erinnyen: und wer nicht 
Unheil gestiftet hat, weiss nicht woher die Schláge sein 
Leben treffen. Denn die Verbrechen der Vorfahren über- 
geben ihn diesen Góttinnen, und. schweigendes : Verderben 
verlgt mit feindlichem Zorne auch den, der stolz sich 
' geines Glückes rülhmt. Die letzten Worte, von demen 
Herrn Müllers Führer Wellaner sehr unverstündig sapt: 
σιγῶν δ᾽ Herm. Sclnitz. Both. contra hbrorum 
auctoritatem οἱ sensu. depraeato; σιγῶν. ὄλεθρος 
est. appositio praecedentium ; sehen wir demnach so 
geschrieben, wie in den Büchern: τὰ γὰρ ἐκ προτέρων 
ἀπλαχήματά νιν πρὸς τάςδ᾽ ἀπάγει, σιγῶν ὄλεθρος, 
xoi μέγα φωνοῦντ᾽ ἐχϑραῖς ὀργαῖς ἀμαϑύνει, und 
das μέγα φωνοῦντα auf eine kaum begreifliche Weise 
missverstanden, indem: es übersetzt ist,.,,50.laut er auch 
ruft. Wenn überhaupt diese Worte das bedeuten kónn- 


110 ARSCHYLOS 


tem, müsate ja dieser Uebersetzang zufolge im Originale 
244gar mit zweimaligem xoi geschrieben seyn: xoi xci μέ- 
γα φωγοῦντα. Wer diese Worte richtig versteht, und 
&uch nur ein wenig Sinn für Poesie hat, muss das à" 
mach σιγῶν mnentbelrlich finden: σιγῶν :0" ὄλεθρος 
καὶ μόγα φωνοῦντ᾽ ἐχϑραῖς ὀργαῖς ἀμαϑύνει. Denn 
das χαὶ hier nicht für auch,, sondern für und zu neh- 
men, heisst geradezn dem Gedanken und dem Ausdrucke 
desselben alle Kraft entziehen,  [*Hierüber spricht Herr 
Müller in ÁAnhange so S. 24. ,,V. 892. ist die Lesart 
Wegen der ausgefallenen Worte sehr dunkel. Herrn 
11.5 neuer Gedanke: ὃ δὲ μὴ χύρσας βαρέων τέ- 
xcov, οὐχ οἶδεν ὅϑεν πληγαὶ βιότου (προρέταισαν), 
,J9t zwar sinnreich, aber es ist doch am dieser Stelle 
0n unstatthafter Gedanke: Wer nichts Bóses verrich- 
»tet:(wenn es moch biesse: Auch der, welcher nichts 
Bóses verrichtet), weiss nieht, woher die Schlüge sein 
Leben betreffen. Denn die Verbrechen der Vorfahren 
,iefern ihn den Erinnyen aus, und vernichten ihn (was 
üdoch an Orestes nicht in Erfüllung gegangem war). — 
SBei dem folgenden μέγα φωνοῦντα lüsst sich das 
,8ueh, selbst gewiss viel leichter hinzudenken, als bei 
,Jliesem im seimer Allgemeinheit farchtbarem fjatze. ἴῃ 
meiner Debersetzumg 1x: der Gefürchteten, für: des 
Kefürehtetem, za sphreiben.4 Ob der Leser das auch, 
891bst in Hm. Millers Leasrt so leicht bhimzudenken 
kónmne, ist des J,esers Sache; aber dass μέγα φωγοῦν-- 
τα 80 laut er auch ruft bedente, hátte ihm doch 
vorher bewiesen werden sollen. Die Verbesserung der 
^ Uebersetzung ist nicht glücklich: denn num nimmt Herr 
Müler gar das Masemlinum oder Neutrum βαρέων für 
das lemininun βαρειῶν. Hütte der Dichter die Erin- 
myen gemeint, so konnte er ja τῶγδιε. βαρειῶν schrei- 
ben. Was aber die Einwürfe gegen meine Emendation 
hatrift, so mag ébenfalls der Leser urtheiem, ob das 
auch nothwendig, nnd der Gedanke  unstatthaft ist, 
wenn δα. δορί: Dena diese verwalten alles, 
und, hat jemand nichts verhbrechen, so trifft 


EUMENIDEN. , Nl 


ihn nherwartet ein Sellag: denn der Vorfah- 
ren Verbrecheg ühergeben ihn diesen, und 
sohweigendes Verderben vernichtet auch den 
Hoffürthigesm, Dess diess übripeas am dem Orestes 
nicht in Erfülung gegapgen ist, bleibt auch in Herrm 
Müllers Uebersetzung, weil som Orestes hier gae nicht 
die Rede ist.] 
Befremdender*) noch als das Vorhergehende ist die96 

Behandlung der folgenden Strophe des Chors. Zuerst 
liest man V. 898.: 


( 

δενδροπήμων δὲ μὴ πνέοι βλάβα, τὰν ἐμὰν χά- 

φριν λέγω, 

᾿φλογμός v ὄμματοστερὴς φυτῶν, τὸ μὴ περᾶν 

ὅρον τόπων. 

Die ake Lesart φλοιγμὸς ohne τ᾽, das ein Zusetz ven 
Turnebus ist, umd die Construction der Worte hütte zei- 
gen kónmen, daas «ployuoic ὀμματοστερὴς zu lesem, 
msd diess mit βλάβα zu verbinden ist. Weiter aber 
findet man: 

μῆλά v εὐθενοῦντα γᾶ ξὺν διπλοῖσιν ἐμβρύοις 

τρέφοι χρόνῳ τεταγμένῳ, γόνος δὲ πᾶς 

πλουτόχϑων ἙἝἭ,ρμαίαν 

δαιμόνων δόσιν τίοι. 

Wohgedieme fehafe soll, Zwillingslámmer 

tragende, 

Zu rechter Zest. das Land erziehn; es 4ey 

46 Zucht 

Heimatschatz, Treftgolihesdt! 

Deiner. Begenagabe werth, 
Εὐϑενοῦντα γᾷ ist ven Dobree, statt οὐθενοῦντ᾽ ἄγαν.97 
Kin Zusatz ven Herrn Müller selbst ist δὲ πᾶς. ἘΔ- 
was mafteres als dweses πᾶς hütte sehwerlich jemand er- 
sinnen kónnen. Aber auch am der Richtigkeit von. Do- 


*) Àus den Wiener Jahrbüchern Bd. LXV. 


n AESCHYLOS 


brees Emendation lüsst sich sehr zweifeln, indem der Ge- 
danke, genau betrachtet, nicht richtig zu seyn scheint. 
Dénn die Wiesen grünen in jedem Jahre zu derselben 
Zeit. Johannes Auratus vermuthete dahér τέχοι. Doch 
passt das nicht zu ξὺν διπλοῖσιν ἐμβρύοις. Wahr- 
scheinlieh schrieb der Dichter: 


3 » 


μῆλά P εὐθενοῦντ ἄγαν 

ξὺν διπλοῖσιν ἐμβρύοις 

πρέποι χρόνῳ τεταγμένῳ" γόνος δὲ γᾶς 
πλουτόχϑων ἑρμαίαν 

δαιμόνων δόσιν τίοι. 


" Wunderbar ist hier, wie Hr. Müller aus ἑρμαίαν δόσιν 
die Triftgottheit Hermes herausgebracht, und ihn die Ár- 
 ehüologie hier auf eine recht büsliche Weise verlassen 
hat. Aber seine Führer hatten nicht gesehen, und 80 
sah er ebenfalls nicht, dass der Dichter von ergiebiger 
Ausbeute der Laurischen Silberbergwerke spricht. Diese 
Bergwerke rühmte der Dichter auch in den Persern 
V. 234.: 


ἀργύρου πηγή τις αὐτοῖς ἐστί, ϑησαυρὸς x9o- 
/ 
| γός. 


[*Hiergegen üussert sich Hr. Müller im Ánhange S. 25. 
80: ,,V. 996. ff. wird es genügen zu erklüren. Ζόγος 
(δὲ πᾶς, nach conjecturaler Ausfüllung) πλουτόχϑων 
“Πρμαίαν δαιμόνων τίοι δόσιν», heisst: die junge Zucht 
der Schafe mache Ehre der Güttergabe des Hermes 
(des Gottes der Viehzucht), als das Laud bereichernd. 
»Wer die Compositionsgesetze der Griechischen Sprache 
kennt, weiss, dass πλουτόχϑων eine adjectivische Be- 
. sdeutung annehmen, . und etwa landbereichernd — heissen 
 ,,muss. Diese wórtliche Erklürung liegt meiner Ueber- 
5setzung zum (Grunde, deren Unbeholfenheit . durch .die 
bei dieser Stelle ihren Gipfel erreichende. Schwierigkeit 
Uer metrischen Nachbildung entschuldigt werden dürfte.*, 
In der Note ruft Hr. Müller aus: ,,Wie? hier an die- 
ser Stelle, zwischen der jungen Zucht des Viehes und 


EUMENIDEN. 113 


den Geburten der Menschen die Silberbergwerke, und 
8ls eie Gabe des Hermes, nicht des Hephüstos!« 
Wenn Herr Müller die Compositionsgesetze der Griechi- 
schen Sprache zu kennen zeigen wollte, hátte er nicht 
sagen sollen, dass πλουτόχϑων eine adjectivische Be- 
deutung annehme, sondern Adjectiv sey, und γόνος πλου-- 
τόχϑων nach der natürlichsten Erklürung so viel sey 
als γόνος πλουσίας yOovóc. Dass ἑρμαία δόσις ei- 
neu glücklichen Fund bedeute, weil es vom Glück ab- 
hüngt, ob eine ergiebige Ader entdeckt werde, weshalb 
auch unsere Bergleute einander Glück auf wünschen, wollte 
vermuthlich Herr Müller nicht sehen: denn was ἑρμαῖα 
. Sind, ist zu .bekannt, als dass er nicht hátte daran den- 
ken sollen. In gleicher Absicht sucht er die Ordnung 
der Gegenstünde als widersinnig darzustellen. ^ Aber wer 
den Text ansieht, wird das Gegentheil finden: denn in - 
dieser Strophe werden die Gaben der Erde genannt: sie 
erzeugt Früchte, sie ernührt die Heerden, sie giebt un- 
terirdische Schátze. Die Menschen, und zwar uicht die 
Geburten der Menschen, wie er sagt, sondern ihr Leben 
und Wohlseyn werden erst in dem folgenden Strophen- 
paare als ein neuer Gegenstand besonders behandelt.] 
Aeusserst matt und zugleich auch unrichtig im Ge- 
danken ist, was Herr Müller V. 919. aus eigner Ver- 
muthung gesetzt hat: 


γεαγίδων ἐπηράτων 

3 od / ἤ 3» MN 

ἀνδροτυχεῖς βιότους δότε κυρ ἔχοντες τὰ 
ϑνατῶν, 

"Μοῖραι ματροχασιγγῆται. 


Die Bücher haben: zo? ἔχοντες ϑεαὶ, τῶν [Μοῖραι 
ματροχασιγνγῆτα. — Er sagt S. 184.: ,Diess beruht 
auf einer Auslegung der Stelle V. 919. ff., nach wel- 
cher nicht von den Horen, welche gar nicht dahin pas- 
sen, sondern von den Móren die Rede ist, die allein 
πιάντᾳ τιμιώταται ϑεαὶ heissen kónnen. JMergoxaot- 
(rires als Basen zu nehmen, würde lücherlich heraus- 
ommen: Aeschylos setzt es für κασιγγνῆται ὁμομήτριοι. 


Hrnw. Or. VI. 


114 AEBSCHYLOS 


Noch lücherlicher würe es, wenn die Erimnyen audere 
Güttinnen so bezeichneten: ,jhr Góttinnen, deren Basen 
die Móren sind.  Diess ist gegen den Hecensenten ge- 
sagt, der bei DBlümner über die ldee des Schicksals S. 
71. meinte, es seyen die Horen unter dem xUgt &yov- 
τὸς ϑεαὶ zu verstehen, worauf anch ἀώρους in den un- 
mittelbar vorausgegangenen Worten ἀγδροχμῆτας δ᾽ 
ἀώρους ἀπεννέπω τύχας Sich beziehe. Herr Müller 
wird etwas geschwind mit der Widerlegung fertig, wenn 
er sagt, die Horen passen gam nicht hierher. Man sollte 
doch denken, dass die Gunst der Horen den Máüdchen, 
eben wenn sie ὡραῖαι Bind, nichts schaden kónnte um 
Mánner zu bekommen. Zum Ueberfluss kann man den 
Anfang von Pindars achter Nemeischer Ode vergleichen, 
. 98Von grosser Flüchtigkeit zeugt ferner, dass allein die 
Móren sollen πάντᾳ τιμιώταται ϑεῶν heissen kónnen; 
einmal weil ja das auch sehr gut sich von den Horen 
rühmen lüsst, und dann, weil Rec. gar nicht daran ge- 
dacht hat, die nach Μοῖραι folgenden Prádicate auf die 
.Horen zu beziehen, sondern vielmehr ausdrücklich von 
ihm das Gegentheil behauptet worden ist. Auch würde eben 
nichts Láücherliches darin liegen, wenn der Chor sagte: 
,1hr dieses .Amt führenden Góttimnen, deren Mutter- 
schwestern die ehrwürdigen a!le« beherrschenden Miren 
sind. Denn dadurch würde ja nur angezeigt, dass die 
verwandten Móren die Gaben der Horen begünstigen und 
bestitigen móchten. Auch werden mehrmals Horen und 
Móren verbunden. Hesiodus "Theog. 901. ff. führt beide 
als Schwestern, Téóchter des Zeus und der Themis, auf. 
Pausanias I. 40, 4. ὑπὲρ δὲ τῆς κεφαλῆς τοῦ 4hós 
εἶσιν Ὧραι xoi Μοῖραι. δῆλα δὲ πᾶσι τὴν πεπρωμέ- 
γὴν μόνῳ οἷ πείϑεσθαι , καὶ τὰς ὥρας τὸν ϑεὸν 
τοῦτον νέμει» εἷς τὸ δέον. Und III 19, 4. πδποίη-- 
ται δὲ ἐπὶ τοῦ βωμοῦ χαὶ ἡ Δημήτηρ xoi Κόρη καὶ 
Πλούτων᾽ ἐπὶ δὲ αὐτοῖς “Μοῖραί T6 χαὶ Ὧραι, σὺν 
δέ σφισιν ᾿Φφροδίτη xoi ᾿41ϑηνᾶ τε καὶ "dorejus. 
Nach dem Hesiodus würden also ματροκασιγνῆται nicht 
einmal Basen, sondern, eben wie Herr Müller nach am- 


EUMENIDEN, 1s 


drer Vorgang erklürt, Sehwestern von mültterlicher Seite 
bedenten, nur dass man da nicht einsühe, warum der 
Dichter gerade diese Bestimmüng gewáühlt hütte, dafern 
er nicht etwa einer andern Genealogie gefolet würe, in- 
dem ihm anderwürts Θέμις xoi l'eja πολλῶν ὀνομά- 
τῶν μορφὴ uío ist. Nicht sowohl alse die genannten 
Gründe hátte Herr Müller anführen sollen, als, was er 
unterlassen hat, dass die Móren nach dem Aeschylus V. . 
696. ff. zu den áltern Góttern gehüren, und daher sie 
vielmehr, als die Horen, ματροκασιγνῆται der Furien 
heissen müssen. Was nun aber Herr Müller giebt, κύ- 
οὐ ἔχοντες τὰ Ovordwv, enthült nicht nur eimen hóchst 
unbestimmten, und daher ganz matten, sondern auch ei- 
nen falschen Begriff. Denn τὰ Ovovóv umfasst alle 
menschlichen Dinge und Verhültnisse, folglich auch die, 
welche unter der Obhut und Herrschaft anderer Gótter 
stehen; zugleich aber ist es umrichtig, weil die .Gewalt 
der Móren sich nicht bloss auf die Menschen beschránkt, 
sondern auch über die Gütter erstreckt. —Kógoéí ἔχοντες 
τὰ ϑνατῶν kann daher Aeschylus nicht geschrieben ha- 
ben, und wáüre nichts DBesseres zu finden, so würde doch 
wohl zu den Horen zurückgekehrt werden müssen. Allein 
man kann wohl leichter mit der Emendation fertig wer- 
den.  Zuvórderst ist es allerdings an sich wahrschein- 
lich, dass die ματροχασιγνῆται die Moóren sind, die 
auch anderwürts von dem Dichter mit den Farien ver- 
bunden werden, 


Μοῖραι τρίμορφοι μνήμονές τ᾽ Ἐρινύες. 
Sodann füllt es auf, dass die Bücher nicht, wie man. er-09 


warten sollte, ϑεαὶ r&v, sondern ϑεαὶ τῶν haben. Da- 
her ist wehl das leichteste und natürlichste, zu schreiben: 


ἀνδροτυχεῖς βιότους δότε κύρὶ ἔχοντες, 
ϑεαί τ ὦ Μοῖραι, ματροχασιγνῆται. 


So sind die Verse abzutheilen , deren zweiter offenbar 

ein dochmischer Dimeter ist.  Kwvg/ ἔχοντες bedurfte 

keines Siubstantivs, und darum steht das Masculinum. 
H2 


116 AESCBYLOS 


Es sind die Gótter, welche der Ehe vorstehen, ausser 
der Aphrodite besonders die V. 205. erwühnten Ζεὺς 
xai Ἥρα τέλειοι. 

In der Antistrophe ist V. 935, ff. Wellauers ganz 
matte Lesart, aber noch schlechter interpungirt beibe- 
halten worden: μηδὲ πιοῦσα κόνις μέλαν αἷμα no- 
λιτᾶν δὲ ὀργὰν ποινὰς ἀντιφόνους, ἄτας, ἁρπαλί- 
σαι πόλεως. Schon Pauw hatte eingesehen, dass δὲ ὁρ- 
yov ποινᾶς ἀντιφόνους ἄτας zu lesen ist. 

V. 940. ist nach Wellauers unverstándigem Urtheil- 
das. ungriechische χοινοφελεῖ beibehalten. 

V. 946. ff. steht. die Vulgata: τάςδε γὰρ εὔφρο- 
vag εὔφρονες ἀεὶ μέγα τιμῶντες xoi γῆν καὶ πόλιν 
ὀρϑοδίχαιον πρέψετε πάντες διάγοντες. — Wellauer 
sagt: ὀρϑοδίχαιον Hermann. Sclhutz., sed causam 
snutationts non. magts esdeo » quam qua commots 
versu sequente tidem πάντως pro πάντες dederunt, 
obsequente Bothto. ᾿Ορϑοδίχαιοι giebt eine Hand- 
schrift, und eine andere πάντως. Ὀρϑοδίχαιον kann 
vertheidigt. werden , besser und leichtverstündlicher aber 
seheint xoi γῆ καὶ πόλις ὀρϑοδίκαιοι. Dass man noch 
Sagen muss, warum πάντες schlecht ist, ist schlimm. 
Man sollte doch denken, wie matt diess sey, misse jedem 
einlenchten. Herr Müller hat in der Uebersetzung we- 
der πάντες noch πάντως ausgedrückt. : 

V. 957. ff. lest man: χαίρετε y ὑμεῖς: ἡ προτέ- 
ραν δέ με xe στείχειν ϑαλάμους ἀποδείξουσαν᾽ 
πρὸς φῶς ἱερὸν τῶνδε πφοπόμπων lre, καὶ φαχίων 
τῶνδ᾽ ὑπὸ σεμνῶν κατὰ γῆς σύμεναι; ugs. Wa Wel- 
lauer sagt sehr unverstándig: δ᾽ ἐμὲ JW'akefield. qi 
Hermann. Schiütz., sed causam non eideos 
folgt Herr Müller. Dass aber &uch die Tüterpun 


falsch ist, hütte schon das s pisce System, noch mehr 
aber der ganze Sinn der R A Worst ung zei- 
gen sollen. — Erst nach προπό Se 'war erpun- 


giren. 
V. 968. ist mit Boissonade geschrieben: : 
χαίρετε, χαίρετε δ᾽ αὖτ, ὀπιδιπλοίζω. 


EUMENIDEN,. . 117 


, So ist nicht geredet worden. “ζϑις war nicht zu áün- 
dern, und ἐπιδιπλοίζω ist fehlerhaft wegen der Produ- 
ction der dritten Sylbe. "Wenn in der Strophe statt αἰ-100 
. σιμέαις geschrieben wurde αἰσιμέαισι, so háütte sich von 

" selbst die richtige Lesart ergeben: * 


χαίρετε, χαίρετε δ᾽, αὖϑις ἐπανδιπλοίζω. 


V. 982. Herr Müller sagt S. 170. f: ,,Die Gram- 
,matiker (Harpokration, Photios, Suidas, nebst dem Ar- 
»gument zu Aeschylos Eumeniden) geben daher selbst 
als Inhalt der Aeschyleischen "Tragódie an, dass die 

Erimnyen sich in Eumeniden verwandelten. — Man hat 
deswegen auch mach V. 982. eine Lücke angenom- 
men, so dass an dieser Stelle Athena die Erinnyen 
,Eumeniden genannt habe. Von einer solchen Lücke 
1st aber keine: Spur, und der Gedanke, welcher einge- 
»Schoben sey, würde dort allen Zusammenhang zerstó- 
, ,rIen.4  Diess ist wieder nach Wellauer gegen den Re- 
censenten gesagt, der so wenig von seiner Behauptung 
abgehen kann, dass er sich vielmehr wundern muss, sol- 
che Gründe als Widerlegung angeführt zu sehen, zumal 
.da Herr Müller gleich S. 177. selbst sagt: ,,Die Ver- 
,wandlung der Erinnyen in die Eumeniden gehórte we- 
,Sentlich in Griechenland zur Orestessage.** Dass von 
einer Lücke keine Spur sey, ist ein Machtspruch, den 
Sprache und Sinn sogleich widerlegen. Die Worte lau- 
ten 80: | | 


μα γὰρ πάσης χϑονὸς 
Θησῇδος "c ἂν, εὐχλεὴς λόχος 
παίδων, γυναικῶν, καὶ στόλος πρεσβυτίδων᾽ 
φοινικοβάπτοις ἐνδυτοῖς ἐσθήμασι 
τιμᾶτε, καὶ τὸ φέγγος δρμάσϑω πυρός. 


Nicht nur fehlt hier eine Verbindungspartikel , sondern 
anch das nackte τιμᾶτε, das Herr Müller doch mit Bei- 
spielen hátte rechtfertigen sollen, zeigt schon unwider- 
sprechlich eine |Lücke am. , Aber eben das thut auch 
der Sinn. Denn warum werden als Begleiter der Fu- 


- 


118 AE8CHYLOS 


rien bloss Kinder, Frauen und bejahrte Mütter, nicht 
aber auch Jünglinge, Máünner und Greise genannt? Be- 
steht das ὄμμα πάσης χϑονὸς Θησῆδος bloss in Franen ἢ 
Herr Müller will es so haben: darum schreibt er S. 
180.: ,,An die zahlreiche Dienerschaft des Tempels der 
Pallas schlossen sich andere Frauen, so wie Mádchen 
und Greisinmen an (981.), wobei man die Érwáhnun 
,von Münnern ohne Grund vermisst hat; Frauen waren 
bel diesem Cult immer besonders thütig , wie auch Kal- 
limaches in einem berühmten und vielbesprochenen Epi- 
gramm (Schol. Oed. Col. 489.) die Frauen ams dem 
Geschlechte der Hesychiden als die bezeichnet, welche 
2ls óffenthche Priesterinmen den Eumeniden ihre wein- 
losen Spenden und Opfer darbrachten.:^ Ist diess ein 
Beweis, dass die Münner an der Feierlichkeit keinen 
Antheil hatten? Das Scholion zum Sophokles, in wel- 
chem Herr Müller zu Leake's Topographie von Athen 
1015, 455. richtig KvAcvsiorv hergestellt hat, ist so zu 
schreiben: τοῦτο ἀπὸ τῆς δρωμένης ϑυσίας ταῖς Εὖ- 
μενίσι φησί" μεεὰ γὰρ ἡσυχίας τὰ ἱερὰ δρῶσι. χαὶ 
διὰ τοῦτο οὗ ἀπὸ Ἣ σύχου ϑύουσιν αὐταῖς; καϑάπερ 
Πολέμων ἐν τοῖς πρὸς Ἐρατοσθένην φησὶν οὕτω" 
»τὸ δὲ τῶν εὐπατριδῶν γένος, ὃ μετέχει τῆς ϑυσίας 
ταύτης.“ εἶτα ἑξῆς ο.,«ιῆς δὲ πομπῆς ταύτης Ἡσυχί- 
δαι; ὃ δὴ γένος ἐστὲ περὶ τὰς σεμνὰς ϑεάς, καὶ τὴν 
ἡγεμονίαν ἔχει. καὶ προϑύονται πρὸ τῆς ϑυσίας 
χριὸν Ἡσύχῳ. ἥρω τοῦτον οὕτω καλοῦντες διὰ τὴν 
εὐφημίαν. οὗ τὸ ἱερόν ἐστι παρὰ τὸ Κυλώνειον 
ἐχτὸς τῶν ἐννέα πυλῶν.““ xal ᾿Ζ“πολλόδωρος δὲ ἐν 
τῇ περὶ ϑεῶν ιζ΄. περὶ τοῦ τῶν Ἡσυχιδῶν γένους 
καὶ τῆς ἱερᾶς (Bentley schrieb ἱερείας: indessen kónnte 
auch πομπῆς ausgefallen seyn) φησί" xoi Καλλίμαχος᾽ 
»νηφάλιαι χαὶ πῇσεν ἀεὶ μελιηδέας ὄμπας 
λήτειραι καίειν ἔλλαχον Ἡσυχίδε. “ 
Hieraus folet bloss, dass die Vorsteherimmen des Opfere 
ieses 


aus dem Geschlecht der Hesychiden waren, weil 
Geschlecht die Hegemonie hatte. Aber schon diese He- 


EUMENIDEN. 19 


gemonie weist klar auf den Antheil anderer Leute hin, 
und dass an dem festlichen Aufzuge das münnbche Ge- 
schlecht keinen Theil gehabt hütte, ist nirgends ange- 
deutet. Vielmehr finden wir ἱεροποιοὺς der Eumeniden, 
welche aus den gesammten Athenern ausgewühlt wurden, 
mehrmals erwühnt: s. die Interpreten zu Demosthenes 
gegen Meidias zu S. 552, 6. Ja Herr Müller selbst 
war von der Unrichtigkeit seiner Behauptung überzeugt, 
stellte aber das Wahre, um nur die Lücke um Aeschy- 
lus verwerfen zu kónnen, ganz in Schatten, indem er 
bless in der Note sagt: ,,Indessen waren doch nach Phi- 
lon quod omn. prob. liber δ. 20. Münner und Frauen 
(aber immer nur freie) hei dieser Pompe beschüftigt.« 
Es ist der Mühe werth, diese schon von Casaubonus zum 
Athenüas δ. 305. benutzte Stelle an das Licht zu zie- 
hen, um zu zeigen, wie man um den Schein des Rechts zu 
haben, die klarsten Zengnisse ins Dunkel stelle. Philo 
schreibt: διό μοι δοκοῦσιν οἱ τῶν Ἑλλήνων ὀξυδερ-- 
χέστατοι διάνοιαν ᾿4ϑηναῖοι ---- τὴν ἐπὶ ταῖς σεμναῖς 
ϑεαῖς πομπὴν ὅταν στέλλωσι, δοῦλον μηδένα προς- 
λαμβάνειν τὸ παράπαν, ἀλλὰ δὲ ἐλευθέρων ἕκαστα 
τῶν νενομισμένων ἀνδρῶν ve καὶ γυναιχῶν 
ἐπιτελεῖν, καὶ οὐχ οἵων ἂν τύχῃ, ἀλλὰ βίον ἐζηλω- 
χότων ἀνεπίληπτον. ἐπεὶ xoi τὰ πρὸς τὴν ἑορτὴν 
πόμματα τῶν ἐφήβων οἱ δοκιμώτατοι σιτσποι-- 
000i, πρὸς εὐδοξίας καὶ τιμῆς, ὅπερ ἔστι, τὴν ὕπη- 
ρεσίαν ϑέμενοι. Wenn also Jünglinse und Münner eben 
so gut wie Frauen bei dem Feste bescháftigt waren; 
solite Aeschylus, weil es τη. Müller so beliebt, das 
ganze münnliche Geschlecht nicht der Rede werth: ge- 
funden, und gar nicht zu der Blüthe der ganzen Stadt, 
welehe ausziehen soll, gerechnet haben? Ja sollte er es 
gar gerade hier, wo es am wenigsten übergangen wer-102 
den konnte, ausgeschlossen haben, da er es oben V. 818. 
im den Worten παρ' ἀνδρῶν καὶ γυναικείων στόλων 
bestimmt bezeichnet hat? ^ Durch diese Worte widerlegt 
ja der Dichter selbst Hrn. Müllers das Alterthum nach 
Belieben gestaltende Behauptung. — Zweitens sagt Hr. 


* 
τὸν 


120 AESCHYLOS, 
Müller, der Gedanke, die Erinnyen seyen von der Pallas 


Eumeniden genannt worden, zerstóre allen Zusammen- 
hang. Aber es fehlt ja eben der Zusammenhang: und 
wer, der mit einiger Besonnenheit spricht, kann von ei- 
nem Gedanken, von dem man, eben weil er fehlt, nicht 
wissen kann, wie er ausgedrückt war, sagen, er zerstüre 
allen Zusammenhang? Hier aber liegt es klar am Tage, 
dass Zmsammenhang eben erst durch diesen Gedanken 
hervorgebracht wird. Pallas muss ja schon der Sache 
nach sagen: ,ziehet aus, alle Edelsten der Stadt, Mád- 
chen, Frauen, hejahrte Mütter, Jümglinge, Mànner und 
Greise; und die Góttinnen, die sich der Stadt nicht mehr 
feindlich, sonderm gnáüdig zeigen, verehret fortan wegen 
dieser Huld unter dem Namen HEumeniden.4^ — Hierzu 
kommt nun noch das von Herrn Müller ganz willkürlich 
verworfene Zengniss der Grammatiker, die ausdrücklich 
bemerken, Aeschylus habe in dieser Tragódie gesagt, die 
Hrinnyen seyen von der,Pallas Eumeniden benannt wor- 
den, Am klarsten und bestimmtesten zeigt das beson- 
ders das Argument der Eumeniden; “Ὀρέστης ἐν 41}.-- 
φοῖς περιεχόμενος ὑπὸ τῶν Ἐρινύων βουλῇ "4πόλ-- 
λωγνος «παρεγένετο εἰς ᾿“ϑήνας εἷς τὸ ἱερὸν τῆς “Α4ϑη- 
γᾶς" ἧς βουλῇ γικήσας κατῆλϑεν εἰς “4ργος. τὰς δὲ 
Ἐρινύας πραὔνασα προςηγόρευσεν Εὐμενίδας. Ja es 
würe ganz ungereimt und par. nicht denkbar, dass der 
Dichter diesen Namen, der eben von der Versóhnung 
dee Furien hergenommen ist, in einer Tragódie, die ganz 
jiesem | Gegenstande gevidmet war, unerwàhnt gelassen 
hátte, zumal da er, wie überhaupt. die "Tragiker, sehr 

rn Ableitangen von Denenhungen aufstellt, und die 

hge von Entstehung dieser Denennnpg auch anderwürts, 
wo: Orestes gesühnt worden seyn,soll, gefunden wird, 


(wie, Herr Müller selbst S. 149. bemerkt. Endlich wo- 


lier kam es'denn, dass dus Stück des Dichters EUyus- 
γίδες und nicht Ἐρινύες genannt wurde, als weil, wie 
Bephokles (Oed. Col. 42.) .sagt: 
τὰς πάνϑ' ὁρώσας Εὐμενίδας ὅ 5, ἐνθάδ᾽ ἂν 
εἴποι λεώς γιν. 


EUMENIDEN. | 121 


. Auch der Scholiast führt dort die Sage an, dass der 
Name von dem Gericht des Orestes komme. — Aber selbst 
den Namen des Stücks kann Herr Müller seiner Behaup- 
tung zu Liebe nicht unangetastet lassen, sondern bezwei- 
felt S. 177. dass Aeschylus selbst das Stück Εὐμενίδες 
genannt habe, besonders auch weil die F'urien ja die 
Erinnyenmaske bis ans Ende behalten. So unwürdiges 
Spiel treibt er mit dem Alterthum , und muthet uns zu,103 
zu glauben, die Namen, welche die Dichter ihren Stü- 
cken gaben, seyen — von wem denn? und warum denn? 
—- nachmals abgeündert worden, bloss weil es ihm nicht 
beliebt, eine Lücke zuzugestehen.  [*Sehr weitlànftig 
schildert Hr. Müller S. 27. des Anhangs den Zugso, wieer sich 
vorstellt, dass er beschaffen seyn müsse. ch will nur 
auf einen Irrthum darin aufmerksam machen, den auch 
Herr Fritzsche theilt, dass die Pallas den Zug anführe. 
Der Zug geht auf der Orchestra vor sich, und die Pal- 
las, die auf der Bühne ihren Platz hat, geht von dieser 
ab, nachdem sie dem Chor Lebewohl gesagt hat, um, 
wie sie angiebt, vorauszugehen und den Erinnyen ihre 
Wohnungen, wenn sie mit dem Fackelzuge kommen wer- 
den, anzuweisen, Das ist nicht beachtet worden, ob- 
gleich es ganz klar V. 957. gesagt ist: 


| χαίρετε χὐμεῖς" προτέραν δ᾽ ἐμὲ χρὴ 
στείχειν ϑαλάμους ἀποδείξουσαν 
πρὸς φῶς ἱερὸν τῶνδε προπομπῶν. 


Ven dem Ζαρα selbst spricht Herr Müller jetzt etwas 
nachgebender: ,,Dieser Zug muss, nach dem Znsammen- 
hange, wenigstens zum "Theil aus den Dienerinnen der - 
Pallas bestehen; ob allein daraus, kann nicht mit Si- 
herheit geschlossen werden. Allein zur Vertheidigung 
seimer Ableuganng einer Lücke schreibt er: ,, Wenn man 
ber. bemerkt, dass in dieser Stelle die Rede der Áthena 
1n eine lebhafte Anrede übergeht, und zweitens, dass 
die Propompen, von denen bisher in der dritten 
Pérson die Rede war, hier zum erstemmal angeredet 
Werden, wird mam den Mangel eine» anknüpfenden Par- 


124 AESCHYLOS 


cten als unsicher bezeichnet, und allerdings dürfte lier 
der Sitz des Fehlers zu suchen seyn. Auch erwartet 
man: statt des zu allgemein ausgedrückten περίσετσιται 
(Aeschylus hütte wohl περέσεπτοι geschrieben) etwas Be- 
stimmteres; und da hier immer die Fackeln als etwas 
Auszeichnendes hervorgehoben werden, ist es sehr wahr- 
scheinlich, dass auch in diesen Worten darauf angespielt 
wurde. n den beiden folgenden Strophen bat Hr. Mül- 
ler das hergebrachte λαμσιάδε τερπόμεναι" καϑ' ὁδὸν 
* ὀλολύξατε beibehalten, und sodann geschrieben: 


σπονδαὶ δ᾽ ἐςτόπαν ἔνδαδες οἴχων. 
Παλλάδος ἀστοῖς ὃ Πανόπτας 

et —- P /,n.. 
οὕτω [Μοῖρα τε συγχατέβα 


Boissonade hatte schon richtig eingesehen, dass τερπό- 
μεναι xa9' ὅδδὸν zu verbmden, nnd das δ᾽ zu strei- 
chen ist. “αμπάδι entspricht dem Versmaasse nicht 
genau. "Ecróza» als Daktylus streitet. mit der attischen 
Prosodie. Ὃ lIJevószrog, was mit Bothe statt Ζεὺς 
παντόπτας gesetzt ist, kann hier, am Ende des Gesan- 
ges, durchaus nicht gefallen, wo es schicklich war, den 
Namen selbst des obersten der Gütter zu setzen. Andere Feh- 
ler in dem Texte sind noch ἱλαοὶ δὲ καὶ εὐθύφρονγες γᾶ, 
wahrscheinlich eine Emendation von "Triklinius, um die 
fehlende Sylhe zu ergánzen: ingleichem der Mangel einer 
Sylbe in dem folgenden Verse. Betrachtet man nun den 
ganzen Gesang, so ergiebt sich, dass, wenn Herr Müller 
SN. 99. zu verstehen giebt, dass er den Sinn desselben 
richtig aufsefasst habe, das sich ganz anders verhilt, 
l04und er vielmehr die Einrichtung des Gesangs gar nicht 
begriffen hat. Ein wenig Aufmerksamkeit hütte zeigen 
kónnen, dass auch in diesem Gesange zwei Stimmen, um 
einstweilen diesen Ausdruck zu gebrauchen, unterschieden 
werden müssen, davon die eine am die KEumeniden, die 
andere, welche den Endvers von jeder Strophe singt, an 
das Volk gerichtet ist. Es liesse sich nun zwar denken, 
dass der gesammte Chor der Begleiter selbst seinen an 
die ' Eumeniden gerichteten Gesang durch die in den 


EUMENIDEN, ' 125 


Endversen zu dem Volke gesprochenen Worte unterbrü- 
che. Doch ist. das micht sehr wahrscheinlich, sondern 
es lüsst sich vielmehr glauben, dass nur einige Stimmen, 
die Priesterinnen vielleicht und ἱεροποιοί, die Eumeni- 
den anreden; die übrige Schaar aber diesen Gesang dnrch 
᾿ die Endverse unterbricht und beschliesst. Der ganze 
Gesang hat demnach vermuthlich so gelautet: 


- / [4 
4. βᾶτε, δόμῳ μεγάλαι φιλότιμοι , 
Νυχτὸς παῖδες ἄπαιδες, ὑπ᾽ εὐθύφρονι πομπᾷ 
. εὐφαμεῖτε δὲ, χωρῖται. 
. γᾶς ὑπὸ χεύϑεσιν ὠγυγίοισιν 
τιμαῖς χαὶ ϑυσίαις πυρισέπτορι τύχᾳ τε. 
. εὐφαμεῖτε δὲ πανδαμί.. 
. ἥλαοι δὲ καὶ τᾷδ᾽ εὔφρονες γᾷ 
δεῦρ᾽ ἴτε, σεμναὶ; σὺν πῦύρι dup 
λάμπᾳ τερπόμεναι xo ὅδόν. 
B. ὁλολύξατε νῦν ἐπὶ μολπαῖς. 
Α΄. σπονδαὶ δ᾽ ἐς τὸ πᾶν ἐνδᾷδες οἴχων 
Παλλάδος ἀστοῖς. Ζεὺς ὃ πανόπτας 
et - f Á/ 
οὕτω [Μοῖρα ve συγχατέβα. 
B. ὀλολύξατε νῦν ἐπὶ μολπαῖς. 


ἈΝ ὦ 


So erst macht dieses Schlusslied nicht nur ohne Stórung, 
sondern auch mit gehüriger Regelmássigkeit in wohlge- 
wühlten kráftigen Rhythmen den einfachen erhabnen Ein- 
druck, den Herr Müller rühmt. | 
Diess ist, was Recensent über Herrn Müllers Be- 
handlung des Textes zu sagen hatte. Wenn er überall 
nur Veranlassung zur Misbiligung fand, so wird der 
Leser gesehen haben, ob mit Grund getadelt worden. 
Wo sich gute Veründerungen der gewóhnlichen Lesart 
ffhden, war darüber nichts zu sagen, weil dieselben, wie 
das dem Texte folgende Verzeichniss der Abweichungen 
Yon Wellauers Ausgabe beweist, nicht von Herrn Müller 
herrühren. Zwar wollte Herr Müller, wie bereits er- 
wühnt worden, keine neue Recension geben: da er aber 
doch sowohl durch Veránderung des Textes als durch 
Interpretation in das Gescháft der Philologen von. Pro- 


126 AESCHYLOS 


fession eingegriffen hat: so musste seine Arbeit auch wie 
die eines Philologen von Profession beurtheilt werden. 
Wir kommen nun zu den erliuternden Abhandlun- 
l05gen, welche Hr. Müller für die Hauptsache des Buches 
angesehen wissen will Diese sollen die ,,tieferen Fra- 
gen an das Álterthum, als Notengelehrsamkeit zu be- 
8ntworten im Stande ist, und das Verstündniss des Ge- 
,üankenzusammenhanges und Plans enthalten. Die No- 
tengelehrsamkeit sucht das Alterthum aus richtig verstan- 
denen, wohlgeprüften Zeugnissen der Schriftsteller, aus 
vorsichtiger Ánwendung alter Denkmiüler anderer Art, 
und aus folgerechten, auf sicherm Grunde ruhenden Schlüs- 
sen kennen zu lernen. Man solle denken, diess würe 
der rechte Weg und der eiuzige. Allein da sie damit 
nicht im Stande seyn soll, jene tieferen Fragen zu beant- . 
worten, so scheint es, dass das ,,neue Geschlecht, 4 wel- 
ches diess vermag, andere Erkenntnissquellen besitze. 
Nun lüsst sich aber, ausser dem Gegentheil der angege- 
benen, d. i. ausser misverstandenen und ungeprüft ange- 
nommenen Zeugnissen, leichtsinniger uud  unkritischer 
Anwendung alter Denkmáler, unlogischen und auf Ein- 
bildungen beruhenden Schlussfolgen, nur noch eine durch 
Inspiration eingegebene unmittelbare Anschauung des Al- 
terthums denken, welche diesem neuen Geschlechte zu 
Theil worden sey. Da diese etwas ganz Subjectives ist, 
und also nur von dem für wahr erkannt werden kann, 
der so glücklich ist ihrer theilhaftüig zu seyn: so giebt 
es für andere Leute entweder gar kein Princip der Be- 
urtheilung dessen, was zur Beantwortung jener tüeferen 
Fragen vorgebracht wird, oder man ist genóthigt wieder 
zu denselben Erkenntnissquelln zurück zu kehren, deren 
sich auch die Notengelehrsamkeit bedient. Denn sonst 
müsste, wer von einer solchen divinatorischen Beantwor- 
tung nicht überzeugt würde, ihr eine andere Divination 
entgegensetzen. Das gübe aber einen nmie zu entschei- 
denden Glaubensstreit, in welchem jede Partei nur zu 
sagen wüsste, sie glaube weil sie glaube. So unógen 
denu, weil es nicht anders móglich ist, Herrn Miül- 


EUMENIDEN. 127 


lers Abhamdlungen nach den HRegeln der Netenselehr- 
samkeit geprüft werdem. ' Sie sind offembar akademische 
Vorlesungen über Archüologie in Beziehung auf die 'Tra- 
gédie. Daher wird denn auch vieles mit grosser Weit- 
láufügkeit abgehandelt, was theils schon jedem nicht Un- 
unterrichteten hinlünglich bekannt war, theils nur in sehr 
emtfernter Verbindung mit den Eumeniden des Aeschylus 
steht. Anderes war schon in andern Schriften von Hrn. 
Müler vorgetragen. Zu wünschen wáüre es, dass das 
Publikum nicht zum Theil allbekannte Sachen, und we- 
mipstems nicht alles in der Breite des mündlichen Vor- 
trags erhalten hátte. Dann würden die mancherlei guten , 
und scháützbaren Beobachtungen, Bemerkungen und Aus-: 
eimandersetzungen besser hervortreten. Doch wir nehmen 
, das Gegebene, und betrachten es nüher. | 
Die erste Abhandlung beschüftigt sich mit der &üus- 
sern Darstellung der Enmeniden, und beginnt mit der100 
Frage, wie viel Personen Aeschylus zu seiner Tetralogie 
von dem Choragen Xenokles erhalten habe. Die gewühn- 
liche Meinung, dass der Chor in allen vier Stücken von 
denselben Leuten gegeben worden sey, sucht Hr. Müller 
zu widerlegen. Der Eingang dieser Widerlegung ent- 
hült bloss rhetorisehe Argumente, die zwar blenden kón- 
nen, aber keine Kraft haben. Damit es nicht scheine, 
als wolle sie Rec. durch veránderte Darstellung schwá- 
chen, setzt er Herrn Müllers eigne Worte her: ,, Wie? 
dieselben Personen, welche doch durchaus keine beson- 
ders gebildeten Künstler waren, wie die Hauptschau- 
Spieler der Bühne, sondern Leute aus dem Volke, bei 
denen mur die gewóhnliche Jugendbildung eines Athe- 
Bers vorausgesetzt werden konnte, sollten alle die man- 
uUiglachen Figuren (σχήματα) so vieler langen "Tünze 
,-—- und man weiss, dass gerade den ültesten "Tragikern 
»Tanzkunst Weisen verlieh so mannigfach, 
,8ls in der Sturmnacht das unermessliche 
»Meer schüumende Wogen erregt —- sollten alle 
die im der ültern "Tragódie dreifach und vierfach zusam- 
1mengehüngten Reihen oder Ketten von Liedern, welche 


128 AESCHYLOS 


ium Agamemnon, den Choephoren, Eumeniden und noch 
einem Satyrdrama vorkommen, wohl eingeüht und im 
,Gedüchtniss behalten, und dieselben Personen auch gleich 
»geschickt gewesen seyn, Greise, sanfte Frauen, Furien 
und muthwillige Satyrn in Gesang und Tanzfiguren aus- 
Zudrücken? Und woher dann die unermüdliche Kraft, 
die Bewegungen, die auch bei dem tragischen Feiertanz 
ο(ἐμμέλεια), wie wir wissen, in Sprung und Schwung 
nicht selten heftüg, gewaltsam und von einer gewissen 
,alterthümlichen Schroffheit waren, und zugleich die ÀÁn- 
.Strenguug der Stimme, indem damals bekanntlich Ge- 
Sang und 'Tanz noch eng verbunden waren, durch alle 
(Ver Stücke hindurch auszuhalten: woher endlich auch 
üie Zeit, bei dem Zusammendrángen so vieler Tragó- 
ien in die kurze Festzeit, zwischen den Stücken Greise 
8uf gehórige Weise in trauernde Frauen, Frauen in 
Erinnyen, und diese zuletzt in Satyrn umzukleiden?«* 
— Hine solche Rede mag in einem skademischen Hór- 
saale wohl imponiren, wührend sie angehórt wird.  Re- 
 petirt aber der Zuhórer das Gehürte, und fragt sich, 
was er denn eigentlich gehórt habe: so wird er in die- 
sen vielen Worten nur drei Gründe finden. Bei dem 
ersten, welcher von der nicht das Gewóbhnliche überstei- 
genden Bildung der Choreuten hergenommen ist, wird 
ihm einfallen, dass bei lebhaften Vólkern auch unserer 
Zeit künstliche 'Tánze mit bewundernswürdiger Gewandt- 
heit auch von übrigens ungebildeten Leuten aufgeführt 
werden; und erinnert er sich gar noch mancher Stellen 
bei den griechischen Schriftstellern, insbesondere aus Lu- 
107cians Schrift περὶ ὀρχήσεως : so wird er auf dieses Ár- 
gument gar nichts geben, zumal wenn er auch weiss, 
dass die Choreuten von dem χοροδιδάσχαλος sehr eim- 
geübt wurden. Bei dem zweiten Grunde, der die uner- 
müdliche Kraft in den Bewegungen, die Anstrengung der 
Stimme, und die Unzulünglichkeit des Gedüchtnisses nennt, 
wird er bedenken, dass der Chor ja nicht des ganze 
Stück hindurch tanze und singe, sondern das mur in 
langen, hinlingliche Ruhe gewáhrenden Zwischenráumen, 


EU MENIDEN. 129 


die meistens durch ganze Acte von einander gétrennt 
sind, thue; [auch dass es mit dem angeblichen ,,wie wir 
wissen ^ sehr misslch aussele, da die meisten Chüre 
aus Greisen oder Frauen bestehen, die eben nicht sehr 
durch Sprung und Schwung dürften. ermüdet worden 
seyn;] ingleichen dass dem  Gedüchtnisse im Nothfalle 
ja auch ein Souffleur, ὑποβολεύς. zu Hülfe kommen 
konnte; auch wird ihm einfallen, dass. das Gescháft des 
Schauspielers, zumal da dieser oft mehrere Rollen in 
demselben Stücke zu spielen hatte, weit anstrengender 
war, und dennoch Polus in vier Tagen ácht '"Tragüdien, 
und zwar im siebenzigsten Jahre seines Alters, gegeben 
hat: s. Plutarch an sené ger. resp. c. 3. S. 785. B. 
Noch weniger wird er die angegebene grosse Ánstren- 
. gung in den Bewegungen 80 erstaumenswürdig finden, 
wenn er in einer der nüchsten Vorlesungen (S. 95.) 
ziemlich das Gegentheil hórt, dass Hr. Müller den Chorin den 
Stasunis, gerade dem Hauptstücke seiner Bescháftigung, 
seinen Platz gar nicht verlassen, sondern bloss die ein- 
- zelnen Choreuten bei einander vorübergehen, und ihre 
Stellen wechseln lásst. Endlich den dritten Grund, dass 
es an Zeit zum Umkleiden fehle, wird er sogleich ganz 
für nichtig erkennen, da doch zwischen den Stücken eine 
Pause gemacht werden musste, und funfzehn Leute nicht 
mehr Zeit brauchen sich umzakleiden, als ein einziger 
Mensch, was der Schauspieler oft mitten im Stücke thun 
musste. 

Doch Herr Müller giebt diess nur als Kinleitung 
zu Gründen entscheidenderer Art. Von solchen wird 
zuerst angeführt, dass in den Stücken des Aeschylus aus- 
ser dem eigentlichen Chor fast durchgüngig Personen in 
bedeutender Zahl vorkommen, die nicht. Schauspieler, 
auch nicht eigentlich Choreuten sind, aber doch mit die- 
sen offenbar grosse Aehnlichkeit haben. Der Hórer oder 
- Leser, der die Tragüdien des Aeschylus kennt, erstaunt. 
Allein er erführt nun, dass diese Personen von bedeu- 
tender Zahl in der vorliegenden Trilogie, im Agamemnon 
die Dienerinnen sind, die den Teppich ausbreiten; in 

Hrnw. Or. VI. I 


130 AESCHYLOS. 


den Choephoren die in der letzten Scene wirklich und 
leibhaftig erscheinenden Furien; in den Eumeniden der 
Zug der Areopagiten und Geleiterinnen am Schlusse des 
Stückes. Darüber erstaunt man nun noch mehr, ent- 
deckt aber auch sogleich, dass Herr Müller, um seinen 
Kinfall, [auf den er wohl nur durch das gekommen ist, 
was Kolster de parabasé S. 19. f. geschrieben hat,] 
durchzuführen, gesucht habe, wo er die verlangten vielen 
Persomen ausser dem regelmüssigen Chore in dem Aga- 
memnon und den Choephoren anftreiben kónne. Die 
l08Dienerinnen im Ágamemnon sind keines Wortes werth. 
Das sind ein Paar Statisten, wie jedesmal Koónige oder 
Kóniginnen mit ein Paar Dienern oder Dienerinnen er- 
seheinen. Es bleibt also nur noch das wirkliche Kr- 
scheinen der Furien in den Choephoren übrig. Wir wol- 
len sehen, wie bündig der Beweis ist, der dafür S. 73. 
aufgestellt wird. ,,Es ist wahr, der Chor der Choephoren 
sieht die Erinnyen, von denen Orestes spricht, nicht, 
Woraus man geschlossen hat, dass sie überhaupt nur in 
der Einbildung des Orestes vorhanden gewesen: ein 
Gedanke, welcher nach meiner Meinung den ganzen 
poetischen und religiósen Zusammenhang der Trilogie 
8uf das Gefáhrlichste angreift und zu zerstóren droht. 
Dena wahrhaftig waren nach Aeschylos 1406 die Krin- 
uyen hier, wo sie Orestes zuerst schaut, eben so real 
»vorhanden, wie da, wo sie ihn nach Delphi und Athen 
Verfolgen; und es hiesse alle Wahrheit des poetischen 
Gebildes geflissentlich vernichten, wenn Aesehylos die- 
58elben Wesen, die er hernach als wirklich und wahr- 
haft daseyend vorführen wollte, ja auf deren Daseyn 
ler Zusammenhang des ganzen folgenden Stückes gebaat ist, 
hier im Voraus als eine blosse Kinbildung, als ein Phan- 
tom eines kranken Gehirns, wie es ungeführ Euripides 
thut, behandelt hátte. Soolcher Misgriffe war unter al- 
οἷοι Dichtern Aeschylos am wenigsten fühig. Wer die 
Erinnyen hier nicht mit Augen sah, dessen Angen, be- 
,haupten wir, mussten sie awch im Verfolg unerkenmbar 
bleiben. Die. letzten Worte scheinen dem HBecensen- 


EUMENIDEN, 131 


ten keinen verstündlichen Sinn zn haben. Aber Herr 
Müller ereiferte sich, weil es mit dem Beweise nicht recht 
fort wollte, Die Logik, nach welcher hier geschlossen 
wird, ist allerdings sehr seltsam. Wenn 416. Furien dem 
Orestes nicht wirklich erscheinen, soll der ganze poeti- 
sche und religióse Zusammenhang der Trilogie auf das 
Gefáhrlichste bedroht werden. ,,Denn* — nun ist man 
gespannt, den Grund zu vernehmen: aber was vernimmt 
man? ,denn wahrhaftig waren sie real vorhanden. Das 
ist ja aber nur die Wiederholung des Ausspruchs, aber 
kein Grund für die Richtigkeit desselben. Doch es kommt 
etwas, wüás ein Grund seyn soll, aber nicht mit einem 
denn, sondern mit ,,und^ angehángt: ,,und es hiesse 
alle Wahrheit des poetischen Gebildes vernichten* u.s. w. 
Vernichtet würde die Wahrheit des poetischen Gebildes 
werden, wenn die Furien erst dem Orestes wirklich er- 
schienen wáren, hernach aber von ihm bloss in der Ein- 
bildung gesehen würden; nicht aber umgekehrt. Denn 
das wird doch Jedermann für ein recht àcht poetisches 
Gebilde erkennen, dass die Furien dem Orestes im Gei- 
Ste erscheinen, dem Chore aber und den Zusehauern un- 
sichtbar sind: was einen hüchst furchtbaren Eindruck 
auf die Zuschauer machen musste. Zugleich wird jeder- 
mann darin wohl auch nur eine zweckmüssige Vorberei-229 
tung des wirklichen Erscheinens der Furien wahrnehmen. 
Nicht wird, wie Herr Müller meint, etwas Wirkliches in 
eine blosse Einbildung verwandelt, sondern vielmehr geht 
die Ahnung des Wirklichen dem Hervortreten desselben 
als eines Wirklichen voraus. ^ Euripides muss, weil er 
ebenfalls that, was poetisch ist, sich tadeln lassen, und 
Aeschylus soll eines solchen  Misgriffs gar nicht fühig 
gewesen seyn. [st vielleicht auch das Gespenst des Ar- 
gus im Promethens wirklich auf der Bühne aufgetreten? 
Doch Herr Müller hat noch andere Argumente. 
Aber zum Glück für Manehe, welche nur glauben, was 
ie üusserlich .bezeugt sehen, es steht anch geschrieben, 
dass es so isí,  Wenigstens meldet Pollux, dass die 
Érimnyen der Tragódie (and aa welches Stück hat man 
12 


182 AESCHYLOS 


e3 nüher zu denken als an Aeschylos Trilogie?) durch 
Seine Art von Fallthüren (ἀναπιέσματα), welche bei 
der Treppe von der Orchestra nach den Schausitzen 
hinauf (ἀναβαϑμοῖῆ angebracht waren, gleichsam aus 
der Unterwelt emporgehoben wurden (IV. 132. vgl. 
5121.) Nun ist aber der Schluss der Choephoren der 
einzige Zeitpunkt, in welchem die Erinnyen, als aus 
der Unterwelt kommend, gedacht werden künnen und 
Inüssen; beim Beginne des folgenden Stückes sind sie 
58chon lange auf der Oberwelt, sie haben den Orestes 
bereits von dem vüterlichen Hause in Árgos hinweg nach 
Delphi gejagt. ^ Folglich bezeugt Pollux auf indirecte 
Weise das hier Behauptete: dass der Erinnyenchor auch 
chon neben dem Chor der Choephoren die Orchestra 
betrat. Zugleich erklürt er gewissermaassen das Nicht- 
Sehen des Chors; jene Fallthüren lagen, seiner Angauhe 
Z2ufolge, im Rücken des.der Bühne zugekehrten Chors; 
indessen mógen wohl noch besondere Vorrichtungen hin- 
,Z2ugekommen seyn, um zu bewirken, dass der Platz, 
8uüf welchem die Erinnyen erschienen, nicht von der 
Ebene der Orchestra, sondern nur von den erhóhten 
Standpunkten der Bühne und der Schausitze aus gesehen 
Werden konnte. 4 So drohend auch für die Unglàubi- 
gen das ,,es steht geschrieben*^ auftritt, so kleinlaut klingt 
doch sogleich das ,,wenigstens meldet Pollux, und giebt 
keine gute Vorbedeutung für die Haltbarkeit des Bewei- 
ses, Wir wollen sehen. Er besteht aus folgenden Sü- 
izen: 1) Pollux meldet, dass die Furien in der Tragó- 
die durch Fallthüren emporgehoben werden. 2) Man 
hat dabei zunáchst an die Trilogie des Aeschylus zu 
denken. 3) Der Schluss der Choephoren ist der einzige 
Zeitpunkt, wo die Furien aus der Unterwelt kommen 
kónnen — und müssen. (Müssen? durch dieses Wort 
wird ja wieder das zu Beweisende als schon bewiesen angenom- 
men. Durch solche Zwingworte, an Stellen, wo ein wirk- 
lich fester Beweis derselben nicht bedarf, verráth sich 
110allemal das Gefühl, dass der Beweis keine Kraft habe). 
4) Folglich beweist Pollux indirect einen Chor ' neben 


EUMENIDEN. 133 


den Choephoren. Gleich zwischen dem ersten und zweiten 
Satze fehlt derjenige Satz, der allein Beweiskraft haben 
würde, dass weder vor noch nach der Aufführung der Choe- 
phoren Furien in der Tragódie aus der Unterwelt herauf- 
gestiegen würen. — Denn der zweite Satz hat bloss für 
uns einen Schein, die wir in der kleinen Zahl von Tra- 
gódien, die uns von unzühligen übrig sind, nur in der 
Aeschylischen "Trilogie Furien wirklich auftreten sehen. 
Der dritte Satz sagt nur soviel, dass, wenn Furien in 
den Choephoren wirklich auftraten, sie aus der Fallthüre 
gekommen seyn müssen. Das wird niemand láugnen: 
aber es soll ja bewiesen werden, dass sie aufgetreten 
sind. Da nun das aus diesen Sützen nicht hervorgeht, 
so ist auch der Schlusssatz falsch, und nicht auf indi- 
recte Weise, sondern gar nicht bezeugt Pollux das Án- 
gegebene.  Folglich steht nieht geschrieben, was als ge- - 
schrieben stehend angegeben wurde, sondern nur das steht 
geschrieben ; dass Furien als aus der Unterwelt heranf- 
kommend in Tragüdien erschienen sind. Und dass das 
ófter mag geschehen seyn, sieht man aus Aristophanes 
Platus V. 422. ff. und den Scholien dazu. 

Da Herr Müller bei dieser Veranlassung auch die 
ἀναπιέσματα, die Versenkungen, erwühnt, die er mit 
einem unpassenden Namen Fallthüren nennt, so mag auch 
von diesen gesprochen werden. Sie sollen bei der Trep- 
pe von der Orchestra nach den Schausitzen hinauf (dvo- 
βαϑμοῖδ angebracht gewesen seyn, im Rücken des 
der Bühne zugekehrten Chors. Das ist nun schon an 
sich nicht glaublich. Denn da würen die Furien unmit- 
telbar vor den Füssen der auf der untersten Sitzreihe 
sitzenden Zuschauer emporgestiegen. Doch Pollux soll es 
sagen. Er sagt: αἱ δὲ χαρώγειοι χλίμακες, κατὰ τὰς 
ἐκ τῶν ἐδωλίων καϑόδους κείμεναι, τὰ εἴδωλα ἀπ᾽ 
αὐτῶν ἀναπέμπουσι. τὰ δὲ ἀναπιέσματα, τὸ μέν 
ἔστιν ἐν τῇ σχηγῇ, Oc ποταμὸν ἀνελϑεῖν ἤ τι τοιοῦ- 
τον πρόφωπον, τὸ δὲ περὶ τοὺς ἀναβαϑμούς, dq 
ὧν ἀνέβαινον Ἐρινύες. Pollux ist ein sehr umzuver- 
lissiger Compilator, der ohne Kenntniss der Sachen seiue 


134 AESCHYLOS 


Nachrichten aus allerlei Schriften zusammenpgetragen hat. 
Hier wird seine Angabe dadurch unklar, dass man nicht 
recht sieht, warum Furien anderswoher, als woher die Schatten 
kommen, aufsteigen sollen, da beide aus der Unterwelt 
kommen. JDoch er móge Recht haben. Wir fragen nur, 
wo die ἀναβαϑιμιοὶ seyen, bei denen die Versenkung 
sich befinden soll. Da Herr Müller die Treppen nennt, 
welche von der Orchestra nach den Schausitzen hinauf 
angebracht waren, wnd sich anf δ. 121. beruft, so scheint 
er ἀναβαϑμοὶ für diese "Treppen genommen zu haben. 
Aber in dem angegebenen $. heisst es: τοὺς δ᾽ dva- 
111βαϑμοὺς xai βάϑρα xoi ἕδρας xai ἑδώλια. Also 
heissen: ja hier ἀναβαϑμοὶ die Sitze, worauf die Zu- 
Schauer sitzen. Das würe nun freilich im Rücken des 
der Bühne zugekehrten Chors: aber da es ungereimt 
scheint, anzunehmen, dass die Furien vor den Füssen der 
Zuschauer an einer zu dem. Platze der Handlung gar 
micht gehórimen Stelle aufgestiegen seyen: so folgt, dass 
δ. 132. ἀναβαϑμοὶ in anderer Bedeutung genommen 
ist Denn das Wort bedeutet eigentlich Stufen. — Es 
làisst sich daher wohl eher glauben, dass es die von der 
Orchestra auf die Bühne führenden Stufen bezeichne. 
Diess ist der passende Ort, wo jemand aus der Un- 
terwelt kommen kann, zwischen der Bühne und der Or- 
ehestra. — Dort waren auch die χαρώγειοε χλέμακες. 
Denn χατὰ τὰς ἐκ τῶν ἑδωλίων χαϑόδους heisst denm 
Treppen zwischen den Sitzen gegenüber. 
Betrachtet man nun den ganzen von Hrn. Müler 
geführten Beweis für das wirkliche Erscheimen der Ku- 
rien (ein Chor würde das immer noch nicht seyn, da 
anch drei oder vier genug gewesen würen) in den Choe- 
phoren::so besteht er in einem durch misgedeutete Stellen 
erfolglos unterstütztem "Machtspruche. Zum Ueberfluss 
kann man noch fragen, wie es denn komme, dass die 
grosse Sensation, welche die Erscheinung eines Chors so 
fürchterlich ausgestatteter Personen gemacht haben soll, 
den Emmeniden, und nicht, was doch natürbch gewesen 
würe,' den Cheephoren, wo sie zuerst aufgetreten seyn 


EUMENIDEN. | 135 


sollen, zugeschrieben wird. Doch es werden wohl Leute 
genug einsehen, dass der. weise Dichter das hóchst tra- 
gische Sehen der Furien im Geiste in den GChoephoren 
eben darum erfand, damit das wirkliche Auftreten dieser 
Wesen in den Eumeniden die rechte Wirkung hervor- 
bringen konnte. 

Aus diesen grundlosen Muthmassungen nun bildet 
Hr. Müller sofort für die Aeschyleische Trilogie einen gros- 
sen Chor, der in drei Hauptchóre, I. Greise; II. Frauen; 
ΠῚ. Furien; und iu eben so viel Nebenchóre zerfíalle, 
im Agamemnon die Frauen aus den Choephoren; in den 
Choephoren die Frauen aus den Eumeniden; und in den 
Eumeniden die Greise aus dem ersten,. zusammt den 
Frauen aus dem zweiten Stücke. So phantasirt er denn 
nun 5. 74. in folgenden Worten weiter fort: ,,Alle drei 
,Chóre ziehen am Schlusse der Eumeniden, um dem 
,Volke eime zugleich glanzvolle und durch den Gegen- 
,88tz ibres Charakters bedeutungsvolle Schau zu gewüh- 
ren, in der Ordnung, in der sie aufgetreten sind, von 
»der Orchestra; die Geronten veran (V. 965.); dann 
,folgen fackel&ragend und Purpurgewünder darbringend 
(V. 982.): die geleitenden Máüdchen, Frauen und Grei- 
Sinnen (aus welcher Stelle man nun schliessen darf, dass 
,,8uch die Choephoren nicht sàmmtlich áltere Frauen waren, 
,9bgleich ibre Fübrerin eine Greisin war, Choeph. 169.); 
Zuletzt die Grauengestalten der Erinnyen. Der eigent-112 
»liche Chor des Stücks verlisst die Orchestra zuletzt.* 
Erstaunen muss es erregen, wenn er nun fortfáhrt: ,, Was 
init vollkommener Sicherheit aus der bisherigen Erórterung 
hervorgeht, ist diess: Der Choregos stellt dem Dichter 
;Pimen viel gróssern Chor, als den von zwülf oder funf- 
Zehn; und des Dichters Sache ist es, diesen grossen 
, Cher nun selhst.in die Chóre der einzelnen "Tragó- 
dien und des Satyrdramas zu zerfállen.4^ ^ Mit voll- 
kommener Sicherheit also aus lauter vóllig unerwiesenen 
Náützen geht diess hervor? Und damit diesem auf solche 
Weise gewonnenen Ergebniss die Erzáhlung des Plutarch 
im Phocion Καὶ, 19. nicht widerspreche, wo ein Tragó- 


190 AESCHYLOS 


de von dem Choregos den Schmuck einer Kónigin und 
viele prüchtig gekleidete Dienerinnen ferdert, wird diess 
wieder mit dem Machtspruch abgewiesen: ,,Man sieht, 
.,dass es immer noch dem Choregen zufiel, solche Per- 
8onen zu stellen, aber es war zu einer Supererogation 
geworden, was ehemals mit der Chorstellung selbst sich 
8ehr natürlich verband.4 ^ Wenn nur diese erdichtete 
Chorstellung erst durch irgend etwas erwiesen würe. 

Die erfundenen Hülfschóre benutzt nun Hr. Müller 
auf "eine ganz eigene Weise noch weiter. Da nümhch 
der scenische Chor sich aus dem ocyklischen von funízig 
Personen, aber als ein viereckter, entwickelt habe: so 
sey es glaublich, dass, wenn der tragische Chor in frü- 
hern Zeiten als ein ungetheiltes Ganzes auftrat, seine 
Zahl acht und vierzig gewesen sey. Dieser Chor zer- 
falle nun in viermal zwólf Choreuten, und daher komme 
die Angabe, dass der tragische Chor aus zwólf Personen 
hestanden habe, wie das auch im Agamemnon und im geló-- 
sten Prometheus der Fall sey. Ja es wird sogar ver- 
muthet, dass der Wurf der Achtzahl im Würfelspiel, 
welcher Στησίχορος, der Chormeister, hiess, sich auf 
die Zahl von acht Gliedern bei Choraufstellungen bezo- 
gen habe. Sodann wird die schon anderwürts von Hrm. 
Müller vorgetragene Behauptung wiederholt, dass der Chor 
des Agamemnon in der Scene V. 1317. ἢ, als eine ye- 
ρουσία von zwülf Personen auftrete, gegen die von vie- 
len Gelehrten gebilligte Darstellung des Recensenten, nach 
der hier funfzehn Personen sprechen. Rec. hat schon 
an einem andern Orte gesagt, dass das ausdrückliche 
Zeugniss des fcholiasten zu Aristophanes Rittern V. 
586., Aeschylus habe funfzehn Personen im Apgamemmon 
aufgeführt, einzig auf diese Stelle gehen kónne, und dass 
es fast lücherlich sey, anzunehmen, die argivischen Greise 
constituiren sich hier auf der Strasse zu einer γερουσία, 
in der sie ordentlich abstummen. [ἃ welchem noch so 
bunten Volkshaufen wird man nicht, wenn in eimem 
Hause Mord gerufen wird, hóren, dass einer sagt: wir 

, |13müssen hineindringen; ein zweiter: ich binauch der Mei- 


EUMENIDEN,. 137 


nung; ein dritter: ich stimme dafür, vorsichtig zu Werke 
zu gehen; und so fort. ^ Es ist ein grosser Misbrauch, 
wenn man alte HKinrichtungen bei Dingen wittert, die 
tüglich überall auf dieselbe Weise, weil es in der Natur 
der Sache liegt, vor sich gehen. Oder macht es etwa 
einen Unterschied, wenn diese ÁArgiver sogenannte Ge- 
ronten sind? Ein Rath, der ἐπ córpore den zurückge- 
kehrten Landesherrn becomplimentirt hütte, "und nun, 
indem er noch vor dem kónmiglichen Pallaste stünde, den 
Kónig schreien hürte, dass er ermordet würde, müsste 
doch aus gewaltigen Pedanten bestehen, wenn er gravi- 
tütisch über diesen Casus abvotiren wollte. Doch Herr 
Müller bedurfte einer Gerusia von .zwólf Geronten, um 
die funfzehn Personen nicht gelten zu lassen. Diese 
Zwülfzahl soll nun auch aus andern Theilea dieser Tra- 
gódie hervorhlicken. Er sagt S. 77.: ,,In dem vorher- 
»gehenden Gesprüche der Kassandra sprechen erst. zwólf 
Personen in lamben, und zwar so, dass immer drei Re- 
en in nüherer Beziehung auf einander stehen, sich un- 
ter einander zu einem Ganzen gruppiren. Darauf, als 
lie Begeisterung und Unglücksahndung der Kassandra 
1n demselben Maasse auf den Chor übergeht, in wel- 
Chem die Wieissagerin selbst sich klarer zu besinnen 
und ruhiger zu fassen anfüngt: singen die Geronten 
»9echsmal, vielleicht paarweise, Lieder voll lyrischer 
Bewegung, welche die der Kassandra fortsetzen, zuerst 
mit iambischen, die gewóhnliche Rede darstellenden 
Versen verbunden, dann ohne solche; worauf alsdann 
Wieder von drei Hauptpersonen des Chors jede ein 
lüngeres Gesprüch, welches regelmássig mit vier Ver- 
5en beginnt, und mit einzeluen Versen fortgeführt wird, 
über Kassandra's Weissagungsgabe und den Inhalt ih- 
Ter Verkündigungen mit ihr führt. ^ Auch der Kassan- 
üra gegenüber und im Streite mnt ihr singt hernach 
er Chor sechs Strophen und eben so viele.Antistrophen, 
Welche den eimzelnen Personen desselben anzugehóren 
,8cheinen. In der Note hierzu stellt er folgendes Schema 
der Stellung der Personen auf: 


138 AESCHYLOS 


06 12 9 3 
5 118 2 
4 10 7 1 


und bemerkt, dass jedesmal die dritte Person (3. 6. 9. 
12.) die Kassandra nicht anrede, sondern mur von ihr 
spreche. So gut num auch diese Bemerkungen sind, so 
kann doch alles, was Hr. Müller anführt, . keineswegs. als 
ein Beweis für die angenommene Zwülízahl gelten. Er- 
stens wird die angegebene Regelmüssigkeit schon dadurch 
unterbrochen, dass auch die Personen 7 und 11. die 
Kassandra nicht anreden, sondern nur von ihr sprechen. 
Zweitens kann man doch mit Recht fragen, ob in der 
113Stele, von der die Rede ist, V. 1017 — 1084. der 
Wellauerschen Ausgabe (Hr. Müller nennt die Zahlen ei- 
ner andern), da alle übrigen Kommata zwei Trimeter, 
und nur das erste und vierte drei haben, von welchen 
der erste für sich allein den Gedanken abschliesst, nicht 
vielmehr das erste und vierte Komma zweien Personen 
zu geben, mithin die Zahl der Personen 14 sey. Aber 
gesetzt auch, man wollte es bei den angegebenen 12 be- 
wenden lassen: wie kommt es, dass in der Fortsetzung 
dieses Dialogs, wo er anfüngt lyrisch zu werden, die bei- 
den ersten Strophen des Chors ebenfalls mit zwei Tri- 
metern, die für sich abgeschlossen sind, anfangen, und 
dann erst mit einem neuen Satze Dochmien folgen? 
Führt das nicht darauf, dass man diese zwei Trimeter 
einer andern Person geben müsse,. als die Dochmien, 
was sich auch schon durch die Verschiedenheit des T'óns, 
der in diesen Versarten liegt, empfiehlt? So hátten wir 
also auch auf diese Weise wieder 14 Personen. Β6- 
trachtet man nun das Ganze noch etwas genauer, als 
. Herr Müller gethan hat: so ergiebt sich, dass zwei Halb- 
chóre zu unterscheiden sid, die einander in allen müg- 
lichen Rücksichten auf das vollkommenste respondiren. 
Um das anschaulich zu machen, mógen die Zahlen bei- 
behalten werden, deren sich Herr Müller bedient hat, 
und man braucht nur sich zu erinnern, dass, wenn man 


EUMENIDEN, 139 


der ersten der angegebenen Abtheilungen folgt, die Zah- 
len 1 und 4, jede zwei Personen umfassen, um die Zahl 
14 zu haben. Die Halbchóre sprechen demnach iu fol- 
gender Ordnung: ! 


1 4 
2 9 
3 6 
7 9. 
8 10 
11 12 


Eben dasselbe Resultat ergiebt sich aus der andern 
Abtheilung, nach der 5 und 4, jede nur eine Person be- 
zeichnen, die beiden den ersten lyrischen Strophen vor- 
hergehenden 'Trimeter aber den Personen 13 und 14 
zugetheilt werden. —Auf beiden Wegen haben wir also eine 
weit genauer sieh entsprechende Regelmüssigkeit mit 14 
Personen, als Herr Müller in seinem Nchema von 12 
Personen aufstellen konnte. Nun ist aber die erste Art 
von Abtheilung schon an sich hinreichend wahrscheinlich, 
und, da der lyrischen Strophen sechs sind, so bekommen 
wir von V. 1090. an, wenn die 'Trimeter von einer, die 
lyrischen Verse aber von je zwei Personen gesungen wer- 
den, zum zweiten Male 1& Personen: 


1 4 
2. 3 5. 6 
7. 8 9. 10 
11. 12. 13. 14 


Was Herr Müller ferner von drei Hauptpersonen sapt, 
die hernach mit vier Versen ein lüngeres Gesprüch be- 
" ginnen (V. 1171. ff. 1215. ff. 1268. ff), kaun nichts 
für die Zwólfzabl beweisen, da auch ein Chor von 15 
Personen durch 3 theilbar ist, und, wenu man in diesen 
Gesprüchen überhaupt drei Personen unterscheiden will, 
die drei der ersten Reihe sich eben so gut in dem Chore 
von 15, wie in einem von 12 Personen finden.  End- 
lich soll nach Herrn Müller der Chor der Klytümnestra 


140 AESCHYLOS 


gegenüber sechs Strophen und eben so viele Ántistrophen 
singen. Er meint den Wechselgesang von V. 1423. 
an: aber hier muss er sich entweder verzáhlt haben, oder 
ἐν hat geflissentlich zur Aufrechthaltung seiner Meinung 
irgendwo zwei auf einander folgende Strophen, ungeach- 
tet sich alle scharf durch hinreichende Kennzeichen un- 
terscheiden, für eine gezühlt. Denn der Strophen und 
der Ántistrophen sind nicht sechs, sodern sieben, die 
auch in der Wellauerischen Ausgabe durch die Zahlen 
&, [, y, & c, 5, O angegeben sind. —Folglich beweist 
auch hier der Dichter gegen Herrn Müller. Ist aber 
dieses, so füllt auch der Schluss, den er macht, dass 
die zwólf Geronten des Agamemnon in den Eumeniden 
von neuem als Áreopagiten auftreten, indem es wahrschein- 
lich werde, Aeschylus habe für den Areopag die beliebte 
Zahl emer Rechtsversammlung aus heroischer Zeit, zwólf, 
angenommen. Das vermuthet er daraus, dass Apollo und 
der Chor von V. 681. an eilfmal spreche, wodurch zwólf 
gleichweit von einander gelegene Ruhepunkte entstehen, 
in denen ,,ohne Zweifel (ein Lieblingsausdruck Herrn 
Müllers), jedesmal ein Areopagit den Stimmstein in die 
Urne geworfen habe. Mit den gleichweit von einander 
gelegenen Ruhepunkten sieht es bedenklich aus; denn es 
sind zehn Disticha und ein Tnstchen dort: folglich ge- 
gen die Regel ein grósserer Zwischenraum gegen die 
beiden, die zuletzt ihre Stimmen abgeben. Sodann ist, 
um zwólf Ruhepunkte herauszubringen, ganz willkürlich 
und sehr seltsam angenommen, dass nicht wührend Apollo 
oder die Furien sprechen, sondern jedesmal erst, wenn 
sie gesprochen haben, ein Richter seinen Stimmstein in 
die Urne werfe. [Apollo also nnd die Chorführerin der 
.urien, so heftg sie sich auch streiten, sollen allemal, 
ehe sie einander etwas entgegnen, 80 lange warten, bis 
ein Richter aufgestanden ist, seinen Stimmstein von dem 
Altar geholt, ihn zu dem "Tische hingetragen, in die 
Urne geworfen, dann wieder an seinen Platz gegangen 
und sich niedergesetzt hat. Dazu geliórt in der "That 
viel Ruhe und Geduld.] Vollends aber wird diese ganze 


: d 


EUMENIDEN, M1 


Erfindung dadurch vernichtet, dass, wie sich unten zei- 
geu wird, zwólf Áreopagiten gar nicht angenommen wer- 
den kónnen, weil ihre Zahl eine ungerade seyn muss. 
Wenn nun Herr Müller S. 78. fortführt: ,,So klar wie 
im Agamemnon sehen wir nun in keinem andern Stücke«116 
(wie klar, hat sich gezeigt), und weiter von Stücken des 
Aeschylus und anderer Tragiker, in denen der Chor aus 
zwólf Personen bestehe, spricht, unter welchen Stücken 
0hne Zweifel auch der gelóste Prometheus ist: so 
überlisst Recensent diesen Chor von zwülf Personen gern 
denen, die mit Herrn Welcker in dem gelósten Prome- 
theus eine und dieselbe Person zugleich zweimal, auf 
der Bühne und auf der Orchestra, auftreten lassen; was 
die Schutzflehenden des Aeschylus aber anlangt, genügt 
es zu bemerken, wie schon anderwürts erinnert worden, 
dass die Dienerinnen, am die auch Herr Müller glaubt, 
aus einer irrigen Erklürung des Wortes ὀπαδοὶ herver- 
gegangen sind. Da, was Herr Miller hier vortrügt, von 
ihm selbst nicht ohne, sondern mit Zweifel ausge- 
sprochen wird, freut sich Recensent, es übergehen zu 
kónnen. 

Es folgt ein anderer Abschnitt über die Anordnung 
des Chors mit einer Figur des "Theaters, offenbar ein 
Stück einer archáologischen Vorlesung, in der vieles, was 
jedermann weiss, obwohl auch einiges Neue vorgetragen 
wird.  Allzu archüologisch móchte wohl seyn, was man 
S. 82. liest: ,,Nun geht bei der Behandlung des Chors 
uie Analogie desselben mit einer Rotte oder einem 'T'rupp 
zur Schlacht gerüsteter Krieger (Lochos) auf eine merk- 
Wwürdige Weise durch; daher es Aeschylos liebt, den 
Chor selbst Lochos zu nennen, und sogar einmal im 
Agamemnon die Geronten mit der Hand am Schwert- 
Zriffe als Lochiten gegen Aegisthus anrücken lüsst. 
Das εἶα δὴ φίλοι λοχῖται ist nichts, als was überall 
ein alter Soldat zu denen, die mit ihm im Kriege ge- 
wesen sind, sagen würde: ,,auf, ihr Kriegsgeführten.* 

Eine neue Lehre wird S. 88. ff. über die Parodos 
anfgestellt, die jedoch in blossen Vermuthungen besteht. 


143 AESCHYLOS. 


Die ursprüngliche Form soll anapüstisch gewesen seyn, 
nachmals aber misfallen haben, ob man gleich bisweilen 
wieder zu ihr zurückgekehrt sey. ^ Das Maass der Be- 
wegung in den Anapásten kónne daraus genommen wer- 
den, dass die Geronten im Ágamemnon 118, in den Per- 
sern 123 Doppelanapüsten singen, wührend sie den vom 
Eingang bis zur Thymele auf 150 bis 200 Fuss anzu- 
schlagenden Raum durchschreiten; flüchtiger und eiliger 
aber haben sich offenbar die schutzülehenden Danaiden 
bewegt, die in demselben Raume nur 76 Doppelanapá- 
sten gesungen haben. Was hütten denn aber die Sala- 
miner in dem Ajax so zu eilen gehabt, die gerade eben 
89 viel oder gar noch einen Doppelanapüst weniger sin- 
gen? Dagegen die wirklich in Eile kommenden Frauen 
in der Hecuba, warum brauchten diese 107 Doppelana- 
püsten? Herr Müller scheint mit dem Scholiasten an- 
zunehmen, dass der Chor in die Orchestra gleich her- 
ll7eingesungen kam. — Beachtungswerth ist die Bemerkung 
S. 89., dass in den anapüstischen Stücken des Chors 
die Zahl der Systeme sich immer durch 3 dividiren lasse. 
Herr Müller scheint bloss von Aeschylus zu sprechen, 
und, da er den kritischen Krürterungen, die angeblich 
dabei zum Grunde liegen, hier keinen Platz einrüumen 
konnte, lásst sich nichts dazu sagen, ohne, was zu weit 
führen würde, alle diese Stücke kritisch durchzugehen. 
[Uebrigens ist diese Bemerkung nicht von ihm gemacht, 
sondern aus Lindners Abhandlung über den Chor im Ae- 
schylus im Jahns Annalen 1827. (3. Band, 3. Heft, S. 
102.) genommen.] Was er aber aus dieser Einrichtung 
schliesst, dass die drei Protostaten der drei Reihen (στοῖ- 
X0L) die ἐξάρχοντες waren, welche von ihrer Reihe im 
Gesange begleitet wurden, und ein jeder von diesen Pro- 
tostaten ein einzelnes System vortrug, so dass immer am 
Schlusse von dreien die Ordnung wieder von vorn 88- 
hob: das ist eine Erfindung von τη. Müller, deren 
Grundlosigkeit jeder leicht wahrnehmen kann, der auf 
den Sinn und Zusammenhang der Rede achtet, und nicht, 
wie Hr. Müller in den Eumeniden V. 207. ff. gethan 


EUMENIDEN, M38 


hat, die Personen eimander in die Rede fallen, und das 
Wort aus dem Munde nehmen lüsst. Auch was von dem 
Gesange der Anapüsten überhaupt gesagt wird, hat kei- 
men haltbaren Grund. Für die Behauptung (des Recen- 
senten) dass diese Ánapüsten gesprochen, nicht gesungen 
werden, sagt er, sehe er sich umsonst nach einem Be- 
weise um.  Freilich sagt das kein bestimmtes Zeugniss, 
wie überhaupt von dergleichen Dingen wenig ausdrückli- 
che Zeugnisse vorhanden sind. ^ Áber erstens ist der 
Charakter dieser Rhythmen schon denen, in denen bloss 
gesprochen wird, am nüchsten, und steht zwischen ihnen 
und den Dochmien. Ferner zeigt überall der Inhalt 
bloss gewühnliche Rede an, und zwar einer einzelnen Person. 
Endlich machen aber das auch besonders die Stelleu be- 
merklich, wo zwischen spondeischen Anapiásten regelmüs- 
sige Systeme vorkommen, wie in der Iphigenia in Tau- 
ris, Einen recitativartigen Vortrag aber, wie Hr. Mül- ᾿ 
ler will, kónnen diese Anapüsten auf keine Weise gehabt 
haben, indem ihr durchaus fester gleichbleibender Tact 
gerade den entgegengesetzten Charakter hat. Denn die 
Rhythmen des Recitativs sind schwebend, schwankend, 
unbestimmt und unsicher. . Allein Hrn. Müllers sichtbares 
Streben, alles, was in neuerer Zeit in Anregung gebracht 
worden, eine Ánwendung.finden zu lassen, und zu zei- 
gen, dass auch er damit bekannt sey, hat ihn, weil er 
eben nicht gehórig damit bekannt war, gar manchmal in 
lrrthümer verwickelt. So wil er S. 85., dass V. 153. 
159. ὑπὸ φρένα und περὶ πόδα, ingleichen V. 155., 
161. περέβαρυ und ἀρόμενον Parakataloge sein solle, 
woran gar nicht zu denken ist. In beiden Füllen be- 
darf es nur ganz gemeiner Kenntniss der Metrik, um 
die ganz unzweideutig daliegenden lamben zu erkennen. 
Bei dem Chore ist aber noch anderes zu bemerken. 
Nach Herrn Müllers Ansicht kommt der Hegemon, derl18 
μέσος ἀριστεροῦ (S. 82.), ,,wenn der Chor sich an 
"lem angegebenen Platze in der Orchestra aufstellt, von 
,Belbst auf die "Thymele zu stehen; auch bedarf er schon 
deswegen einer hóhern Stelle, um über die zwei andern 


144 AESCHYLOS 


,Beihen hinweg mit den Personen der Bühne sprechen 
zu künnen.4 Herr Müller würde sich Dank erworben 
haben, wenn er gesagt hátte, woher er diese uuglaubli- 
chen Sachen wisse. Dass der Chor für gewóhnlich mehr 
nach der Bühne als nach dem Theater zu stand, wess- 
halb er sich auf den Scholiasten zu Aristophanes Frie- 
den 735. oder 718. Bekk. beruft, also zwischen der 
Thymele, wenn diese in der Mitte der Orchestra war, 
und dem Proscenium, wird ihm jedermann zugeben, ob- 
gleich das aus jenem Scholion keineswegs klar ist. Wer 
aber sagt denn, dass der Hegemon auf die Thymele ge- 
treten sey, und, was fast abenteuerlich ist, über die andern 
Reihen hinweg mit den Schauspielern gesprochen habe. 
[Doch nicht etwa das Etymologicum S. 458, 32.? Dort 
lest man unter QuuéAg: τράπεζα δὲ ἦν, ἐφ᾽ ἧς ἑστῶ- 
veg ἐν τοῖς ἀγροῖς ἦδον, μήπω τάξιν λαβούσης τρα- 
γῳδίας.) Man sieht, Herr Müller lisst die Choreuten 
so an ihren Platz treten, dass der linke στοῖχος immer 
auf der nach dem Theater gerichteten Seite bleibt, jeder 
einzelne Choreut aber sich dann in dieser Position nach 
dem Proscenium umwendet, und eben so auch wieder je- 
. der einzelne sich bei der Parabasis umdreht, um das Ge- 
sicht gegen die Zuschauer zu kehren. Aber der Scho- 
liast sagt ja: παράβασιν ἐχάλουν ἀπὸ τοῦ παραβαί- 
"y&y τὸν χορὸν ἀπὸ τῆς νενομισμένης στάσεως εἷς 
τὴν χαταντιχρὺ τοῦ ϑεάτρου ὄψιν. — ἐστρέφετο δὲ 
ὃ χορός, καὶ ἐγίνοντο στίχοι δ΄, εἶτα διελθόντες τὴν 
καλουμένην παράβασιν ἐστρέφοντο πάλιν εἰς τὴν 
προτέραν στάσιν. Das ist denn doch wohl natürlicher 
von emer Schwenkung des gesammten QChors, wie es 
schon die Schicklichkeit verlangte, zu verstehen. Es ist 
daher wohl auch wahrscheinlich, dass der Chor, nach 
dem er hereingekommen war, und geradeaus gehend sich 
mit der linken Seite den Zuschauern prüsentirt hatte, 
auf der Orchestra eme Schwenkung rechts machte, wo- 
durch nun die linke Seite gegen die Bühne gekehrt war, 
und in ihrer Mitte der Chorführer den Platz einnahm, 
den er haben musste, um mit den Schauspielern zu spre- 


EUMENIDEN. 145 


chen. Denn ganz abgeschmackt würe es gewesen, diese 
Gesprüche nicht nur in bedeutender Entfernunk von dem 
Proscenium, sondern auch über die Küópfe der andern. 
Reihen weg zuführen. Herr Müller scheint, was er über 
diese Dinge sagt, theils aus nnrichtig verstandenen Stel- 
len genommen, theils selbst erfunden zu haben.  Orche- 
stra hat zwei Bedeutungen; in der einen bedeutet es den 
ganzen Raum zwischen dem Proscenium und den Za- 
schauern; in der andern den dem Proscenum zunáchst 
liegenden, mit Dielen belegten, und vermuthlich etwas 
erhóhten Platz jenes Raumes. Am deutlichsten spricht 
davon das Etym. M. S. 743., womit Suidas in oz5»7119 
zu vergleichen: 7; ὀρχήστρα. αὕτη δέ ἐστιν ὃ τόπος ὃ 
ix σανίδων ἔχων τὸ ἔδαφος, ἐφ᾽ οὗ ϑεατρίζουσιν οἱ μῖ- 
now εἶτα μετὰ τὴν ὀρχήστραν βωμὸς ἦν τοῦ 4io- 
γύσου, τετράγωνον οἰχοδόμημα xsvóv ἐπὶ τοῦ μέσου, 
ὃ χαλεῖται ϑυμέλη παρὰ τὸ ϑύειν᾽ μετὰ δὲ τὴν ϑυ- 
μέλην T) χονίστρα; τουτέστι τὸ χάτω ἔδαφος τοῦ 
ϑεάτρου. Dadurch ist nun schon die ϑυμέλη von dem 
Standorte des Chors ausgeschlossen. Wer auf ihr.ge- 
standen habe, sagt der oben angeführte Scholiast zum 
Frieden des Aristophanes V. 718.: ἦσαν δὲ ἐπὶ τῆς 
ϑυμέλης δαβδοφόροι τινές, oi τῆς εὐχοσμίας ἐμέλοντο 
τῶν ϑεατῶν. Hieraus folgt nun auch, dass die Linien, 
die auf der Orchestra für die Reihen des Chors gezogen 
waren, in Herrn Müllers Zeichnung, wo die letzte der- 
selhen über die Thymele weggeht, ganz falsch angege- 
ben sind.  Ueberhaupt scheint er von diesen Linien nicht 
die rechte Vorstellung zu haben, indem er das Zeug- 
niss des Hesychius wüórtlich annahm, ohne die Beschaf- 
fenheit der Sache ins Áuge zn fassen. Hesychius sagt: 
γραμμαὶ ἔν τῇ ὀρχήστρᾳ ἦσαν, cc τὸν χορὸν ἂν oroí- 
xq ἵστασϑαι. Demnach hat Herr Müller drei dem Pro- 
scenium parallel laufende Linien in der Mitte der Or- 
chestra verzeichnet. Es ist aber nicht abzusehen, war- 
um eine so kleine Ánzahl von 15, oder in der Komó- 
die 24 Personen, die noch überdiess wohl eingeübt waren, 
solcher Linien bedurft hütten, um in Reihe und Glied 
Hrnw. Or. VI. K 


146 AESCHYLOS 


zu stehen, Vielmehr ist es zu glauben, dass bei den 
manuigfachen Abwechslungen der Ntellungen und T'ouren, 
die der Chor zu machen hatte, an verschiedenen Stellen 
der Orchestra Linien gezogen waren, die als Zeichen 
dienten, wohin der Chor oder dessen einzelne T'heile bei 
den verschiedenen Evolutiomen zu treten, und wie weit 
sie wegzugehen oder sich zurücksmziehen hatten, damit 
auf beiden Seiten die erforderliche Gleichheit beobachtet 
würde; z. D. in der Parabasis. Das musste denn auch 
zum HEinlernen dieser Günge sehr behülflich seyn, indem 
man gewiss in jedem Raume, wo diess geschah, eben sol- 
che Linien verzeichnete. 

[*Durch die Recension scheint Hr. Müller veram- 
lasst worden zu seyn, seine Vorstellung von der Thy- 
mele zu berichtigen, und jetzt erst die Sache. etwas wn- 
tersucht zu haben, die er vorher bloss nach seiner Phan- 
tasie gebildet hatte. — Er nimmt jedech denm Schein an, 
als trüge er vor, was ihm lüngst bekannt gewesen: in- 
dessen wird der Erfolg zeigen, dass er nur, weil die er- 
ste Erfindung nicht halten wollte, eine zweite nicht min- 
der unhaltbare gemacht hat. S. 35. des Anhangs schreibt 
er: οςοθυμέλη kommt von 2s» her, und bedeutet einen 
»Opferheerd, oder auch im weitern Sinne einen Opfer- 
platz. Das Wort war schon in der Zeit des Attischen 
Dramas alterthümlich, so dass es immor nur in lyri- 
5sehen Stellen gebraucht wird. S. Aesch. Sehutzíl, 654. 
,Ennp. Schutzül. 65. Ion 40. 115. 235. Elektra 717. 
»lphig. in Aul 152. vrgl. Rhesus 236. Aus Aesch. 
Stelle, wo die "Fhymelen Greise aufnehmen (πρεσβυ-- 
»todóxo, ϑυμέλαι), aus Euripides lon, wo die 'Thymele 
dos Phübos unterbalb des Tempels mit Lorbeerzweigen 
»gekehrt wird, und andern sieht man, dass die "Thymele 
,8usser dem Altar nothwendig auch die oft gerüu- 
1Imige Terrasse begreift, auf der der Altar sich erhob, 
und die bei dem grossen Altar von Olympia προθύσες 
»gemannt wurde. Die Stellen der T'ragiker scheiat Hr. 
Müller sehr in Eil angesehen zu haben. Denn im Ion 
ist V. &0. nichts weniger als eine lyrische Selle, sen- 


/ EUMENIDEN. 147 


dern ein T'rimeter des Prologs, mithin die &us dem Vor- 
kommen des Wortes in bloss lyrischen Stellen geschlos- 
sene Alterthümlichkeit eine Einbildung von Herrn Müller. 
Nachdem nun auch die Grammatiker angeführt worden, 
heisst es weiter: ,,Um diese Thymele bewegten sich die 
Chortünze,  Pratinas, in dem berühmten hyporchemati- 
,8chen Stücke (Athen. XV. p. 617. C.) beklagt sich über 
die ungebührliche Herrschaft, welche die Flótenspieler 
über die Chóre in der Orchestra ausübten. Dabei ge- 
braucht er die Worte: 


Τίς ὃ ϑόρυβος ὅδε; ví τάδε và χορεύματα; 
Τίς ὕβρις ἔμολεν ἐπὶ Ζιονυσιάδα πολυπάταγα 
ϑυμέλαν; 


Offenbar nahmen damals die Flütenspieler, statt ἴω 
,Hintergrunde za stehen, den am meisten in die Au- 
gen fallenden Platz auf der Thymele ein; diess ist die 
»Ufoi, die auf die Thymele gekommien.4 — Hier giebt 
Herr Müller eimen der evidentestem und unwiderleglich- 
sten Beweise von der Art, wie er aus blosser Phantasie 
das Alterthum construirt. Nicht damals standen die Fló- 
tenspieler auf der Thymele anstatt im Hintergrunde zu 
stehen, Denn die Thymele war ihr natürlicher Ort, àm 
den Ton der Flóten gleichmüssig für den umherstehen- 
den Chor za vertheilen, wmd thóricht würe es gewesen, 
sie in den Hintergrund zu stellen. — Eben so wenig be- 
steht die ὕβρις darm, dass sie auf die Thymele getreten 
seyen, sondern darin, dass sie sich anmaassten der imstru- 
menmtalhmusik den Vorrang za geben, und den Gesang nur 
als Nebensache z& betrachten, da umgekehrt die Ehnstru- 
mente nur al: Begleitang des Gesanges da würen. Das 
sagt Athenius ausdrücklich: JJocwríyag δὲ ὃ «ῥλιάσιθο, 
αὐλητῶν xai χορευτῶν μισθοφόρων κατεχόντων τὰς 
ὀρχήστρας, ἀγανακτεῖν τινὰς ἐπὶ τῷ τοὺς αὐλητὰς 
μὴ συναυλϑδῖν τοῖς χοροῖς, καθάπερ ἦν πάτριον, ἂλ- - 
λὰ τοὺς χοροὺς συνῴδειν τοῖο αὐληταῖφ᾽ ὃν οὖν εἴ- 
χὰ ϑυμὸν κατὰ τῶν ταῦτα ποιούνων ὃ ρατίνας, 
ἐμφανίζει διὼ τοῦδε τοῦ ὕπορχήματος. κ Herr Müler ' 


148 AESCHYLOS 


führt fort: ,,Indem die Instrumentalmusik in den griechi- 
schen T'heatern immer mehr die Oberhand gewann: be- 
kam die Orchestra allmáhlig eine andere Einrichtung und 
9016 Thymele eine nene Bedeutung, welche man beson- 
»ders aus Suidas und dem Etymol. M. s. e. σχηνὴ ge- 
hauer bestimmen kann, und ja nicht mit der ursprüng- 
lichen verwechseln darf. Die Orchestra zerfiel námlich 
nun in die χογίστρας» eine Árt Arena auf ebenem Bo- 
den, und eine einigermaassen erhóhte T'errasse, welche 
von diesen Lexikographen Orchestra im engern Sinne, 
von andern Thymele genannt wird. Letztere lag gegen 
die Bühne der Schauspieler, das Proskenion, erstere 
»gegen die Schauplátze; die ursprüngliche 'Thymele aber, 
der Dionysos- Áltar, blieb an der Scheidelinie der Ko- 
Bistra und der Tanzbühne stehen. Die erstere konnte 
noch immer zu Chortünzen, Zügen u. ἀρ]. dienen (wenn 
sie nicht zu Sitzplützen gebraucht wurde); die Thymele 
dagegen war jetzt die Bühne für die  Flótenspieler 
und andere Virtuosen in Musik, auch für die 'lTünzer 
und Mimen.* Da die Stelle des Suidas und des Ety- 
molegen in der Recension wórtlich angeführt ist, so kann 
jeder Leser sehen, wie Herr Müller hier eine "Terrasse 
erindet, von der nirgends etwas berichtet wird, und in- 
dem er einen erst bei den spátern Schriftstellern vor- 
kommenden Gebrauch, nach welchem ἔν τ οἷο alle 
die Künstler sind, die entweder als Musiker auftreten, 
oder deren Leistungen von der Musik geleitet werden, 
mit der sehr klaren Beschreibung des Suidas und des 
Etymologen vermischt, eine Vorrichtung ersinnt, die nie- 
mals vorhanden gewesen ist.  Schlimmer aber wird die 
Sache durch das, was bald daramf gesagt wird: ,,Was 
man hiernach über die 'Thymele weiss, ist, dass sie 
82us dem Dionysischen Altar hervorginp, um den der 
,kyklsche und dithyrambische Chor sich bewegt hatte, 
und also im Mittelpunkte der Orchestra lag: was da- 
durch vollkommen bestütigt wird, dass sie an der Schei- 
,,;lelinie der Konistra und :spütern Thymele oder Orche- 
' »Stra als ein Dionysos- Altar stehn blieb; diese Linie 


EUMENIDEN. 149 


wird aber der Wahrscheinlichkeit nach den Kreis, nach 
,welehem die Orchestra beschrieben wurde, halbirt ha- 
,.ben. Ferner erhellt, dass der Chor sich zwar nicht 
ganz auf dieser Thymele befand, weil ein blosser Sug- 
»,ge8t keinen Raum für die Entwickelungen seiner ''ánze 
»gewührt hátte, aber doch um dieselbe herum sich grup- 
.pirte, und die "Thymele, die überhaupt nur für den Chor 
da seyn konnte, auf irgend eie Weise von ihm benutzt 
Wurde. Und dass wenigstens der Hegemon des Chors 
8uf derselben seinen Platz nahm, das heisst natürlich, 
wenn die '"Thymele ein Altar war, auf dem Unterbau 
0der den Stufen desselben, wird dadurch im hóchsten 
Grade wahrscheinlich, dass der Hegemon der dritte der 
;.linken Reihe der Chorsünger (der τρίτος ἀριστεροῦ) war, 
vou welcher Reihe wir durch unzweideutige Zeugmisse 
5(S. 82.) wissen, dass sie den Schauplützen am nüch- 
sten ihren Stand hatte; dass also der Hegemon, ohne 
einen erhóhten Standort zu haben, wie das so oft ge- 
Schieht, als das Organ des Chors sich mit den Perso- 
.nen der Bühne unterreden konnte. Auch standen auf 
derselben '"Thymele, aber natürlich vom Chore getrennt 
und weniger in die Augen fallend, die Rhabdophoren, 
»Welche für Ruhe und Ordnung im "Theater zu sorgen 
hatten (Schol. Aristoph. Freden 735.).« Um das 
Sprechen des Hegemon über die Kópfe der andern Cho- 
reuten weg zu entschuldigen, wird in einer Note gesagt: 
Dass man auf das ganze Verháltniss der Orchestra zur 
Bühne keine vom heutigen 'T'heater entnommenen Vorstel- 
lungen übertrage, und die alte TTragódie nicht moder- 
hisiren dürfe, ist ja wohl eine der ersten Regeln, 
916 man bei Beurtheilung dieser: Dinge zu beobachten 
hat. Zuerst, solle man doch denken, küme die Re- 
gel, den Alten nicht zuzutrauen, was offenbar widersin- 
nig ist, dass der Schauspieler, wenn er mit dem Chore 
spricht, nicht mit dem zunáüchst stehenden, sondern über 
die Kópfe der andern weg mit dem, der in der entfern- 
testen Reihe steht, sprechen werde. Doch ohne die Er- 
findungen, welche Herr Müller hier so wortreich aufge- 


130 AESCHYLOS 


stellt hat, für jetzt weiter zu erürterm, indem sich die 
Sache unten von selbst erledigeu wird, kann das nioht 
unberührt bleiben, dass er jetzt eine merklich verschiedene 
Vorstellung von der Thymele giebt, als in seinem. Ba- 
che geschehen war. Dort war die 'Thymele noch, wie 
die Zeichnung S. 81. zeigt, offenbar bloss der Diony- 
sos- Áltar, und mitten auf demselben ist der Stand des 
Hegemon in der Zeichnung angegeben. Jetzt tritt an 
die Stelle dieses Altars vor ihn nach den Schauspielern 
zu die Thymele, und der Hegemon steht nicht mehr mit- 
ten auf dem Altar, sondern ist bereits auf eine Stufe 
desselben herabgestiepen. — Ánf der Terrasse aber, wel- 
che zwischen diesem Altar und dem Proscenium liegen 
soll, wird auch die Polizeiwache aufgestellt, vom —Chore 
getrennt und weniger in die Augen fallend. —Wie kann 
man aber auf einer T'erresse stehen und wenig i die Απ- 
gen fallen? — Man sollte denken, leichter würe es gewe- 
sen, wenn einmal etwas erfunden werden musste, zu sa- 
gen, diese errasse habe zugleich eine Árt von Kam- 
mer gebildet, so dass die Polizei unter der Decke der- 
selben, auf welcher der Chor aufgestellt war, ihren Platz 
gehabt hütte. —Indessen solcher Mittel bedarf es nicht, 
wie sich hermach zeigen wird. Von der aufgestellten 
Ansicht geht nun Hr. Müller aus und schildert aus sei- 
mer Phantasie die Einrichtung und Ausschmückung der 
Orchestra und Thymele im Agamemnon und dem Sieben 
gegen Theben so ansführlch, wie er selbst die Sache 
ausgeführt haben würde. Mit diesen Phantasien habe ich 
nichts zu thun, sondern halte es für erfolereicher, das, 
was Herr Müller erst m seinem Buche über die Eume- 
niden des Aeschylus aufgestelk hat, sodann aber, was 
sich aus seiner muumehrigen Krklürung der Thymele er- 
giebt, genau nach seinen eigenen Angaben zu betrachten, 

In den Eumeniden ist nach der Zeichnung sowohl, 
als nach dem, was die Abhandlungen sagen, die 'Thyr 
mele als der Altar angenommen, uad auf ihm steht de- 
Hegemon; die Orchestra aber, das heisst der ganze 
übrige Raum zwischen den Sitzreihen und der Bühne als 


EUMENIDEN. 151 


eine ebne Flüche vorausgesetzt. Der Umfang dieser 
Flüche ist richtig nach den von Vitruvius für das Grie« 
chische Theater angegebenen Verhültnissen verzeichnet; 
richtig auch die Thymele mitten in diese Orchestra ge- - 
setzt. Der Durchmesser dieser Orchestra muss nach der 
Angabe S. 88. ungefáhr 300 Lis 400 Fuss betragen 
haben. Wir wollen die kleinste dieser Zahlen nehmen. 
Unter der untersten Sitzreihe sitzen auf dahingestellten 
Stühlen die 12 Areopagiten; 150 Fuss vor ihnen steht 
auf der Thymele die Chorführerim der Erinnyen; noch 
150 weiter von ihnen ist die Scenenwand, vor welcher 
das Prescenium ist, und folglich stehen Orestes, Apollo 
und Pallas noch geggn 150 Fuss von der Chorführerin, 
und gegen 300 Fuss von den Áreopagiten entfernt. Ich 
weiss nieht, ob das jemand glaublich fnden werde. Nach 
der in dem Anlhange gegebenen Darstellung verhált sich 
die Sache etwas anders. Die Areopagiten haben eben- 
falls 150 Fuss vor sich den Altar, aber die Chorführe- 
rin steht nun auf einer Stufe desselben, vermuthlich doch 
von ihmen jenseits nach dem Proscenium zu: nach dem 
Altare folgt die "errasse, auf welcher in einiger Entfer- 
nung von dem Chore auch noch die zu dem Stücke nicht 
gehórge, unmbegreiflicher Weise nicht sehr bemerkbar seyn 
sollende Pelizeiwache steht. Endlich wiederum 150 Fuss 
weiter isí die Scenenwand und vor ihr die Bühne mit 
dém Orestes, dem Apollo und der Pallas, Das scheint 
noch.unwahrseheialicher zu seyn. Doch wir wollen eine 
andere Scene nehmen, ,,wo der Chor sich zwar nicht 
ganz auf der Thymele befand, weil ein blosser Suggest 
keinem Raum für die Entwickelungen seimer Lünge ge- 
,Wührt bátte, aber doch um dieselbe herum sich grup- 
pirte, und die Thymele, die überhaupt nur für den Chor 
,aseyn konnte, auf irgend eine Weise von ihm benutzt 
Wurde. Nun wird die Sache noch schwieriger. Denn 
sol] man sich wohl den Chor bald von dieser Terrasse 
herab, bald wieder hinauf tanzend denken? Oder grup- 
pirte er sich um dieselbe herum, und tanzte um sie her- 
unm? Dam museen ja die Tanzenden mach DBeschaffen- 


152 AESCHYLOS 


heit der Terrasse entweder ganz oder doch mit dem un- 
tern Theile des Kórpers, immer einem 'CTheile der Zu- 
schauer verdeckt werden, wodurch die Ordnung und Re- 
gelmüssigkeit des 'lanzes für dieselben verloren ping. 
Das móchte also wohl auch nicht das Wahre seyn, und 
es wird noch auffallender, wenn man sich einen kleinen 
Chor von 15 oder 24 Personen in eimem Raume, des- 
sen Durchmesser 300 Fuss betrügt, um diese Terrasse 
herumbewegen sieht. 

Doch es ist Zeit für die, welche nicht an leeren 
Phantasien und unglaublichen Dingen Wohlgefallen fin- 
den, die Sache ganz einfach, natürlich, und den klaren 
Worten des Suidas und Etymológep gemüss darzustellen. 
Da die Theater noch zu manchen andern Zwecken dien- 
ten als zu Spielen, so waren sie, wenn keine Spiele ge- 
geben wurden, natürlich von dem zu diesem Behuf ge- 
hórigen Vorrichtungen leer. Der ebne Fussboden zwi- 
schen den Sitzrethen und dem Proscenium mag vielleicht, 
weil er bei den Dionysischen Festen zu 'lünzen diente, 
Orchestra genannt worden seyn. Sein eigentlicher Name 
aber ist xovíorgo. Die Thymele war, wie das Wort 
selbst zeigt, der Altar, vermuthlich vom einigem Umfange 
und mit Stufen umgeben. Dass er mitten in der Koni- 
stra gestanden habe, sagen nicht nur die genannten Gram- 
matiker, sondern es liegt auch in der Natur der Sache, 
indem wohl nicht zu zweifeln ist, dass um ihn der cykli- 
sche Chor seine T'ünze aufführte. Auf den Stufen die- 
ses Altars waren die Flótenspieler aufgestellt, die eben 
deshalb ϑυμελιχοὶ hiessen, und begleiteten den Gesang 
und Tanz. Ob dieser Altar für bestindig in der Ko- 
nistra stand, oder nur für die Zeit der Dionysischen Fe- 
ste errichtet wurde, kann ich nicht angeben. Es ist 
wahrscheinlich, dass für die Aufführuug der Dithyramben 
der Platz um den Altar zum Behuf der Chortünzer mit 
einem Breterboden belegt wurde, welcher Boden sodann 
ὀρχήστρα hiess, und Veranlassung wurde ,, dass man die 
ganze zovícto« unter dem Namen ὀρχήστρα begriff. 
Nicht konnte aber dieser Breterboden für die Schauspiele 


EUMENIDEN. 153 


dienen, Die Bühne war, wie Vitruvius V. 8. (7.) an- 
giebt, nicht minder denn 10, und nicht mehr denn 12 
Fuss über die Orchestra, d. h. die Konistra erhóht. 
Daraus folgt nothwendig, dass der Chor der 'Tragódie 
und Komódie, der nicht nur mit den Schauspielern auf 
der Bühne zu sprechen, sondern auch oft an dem, was 
auf der Bühne vorgeht, selbst Ántheil zu nehmen hatte, 
nicht 10 bis 12 Fuss tiefer als die Schauspieler stehen 
konnte. Wenn daher Schauspiele gegeben werden soll- 
ten, 80 musste für den Chor auf einem Gerüste ein 
Platz errichtet werden, der mur wenig, hóchstens ein 
Paar Stufen, tiefer war als die' Bühne. — Dieser Platz 
nun wurde, wie Suidas und der Etymolog ausdrücklich 
angeben, von der Bühne an bis an die Thymele errich- 
tet, und da der Raum von dem Mittelpunkte der Thy- 
mele bis an die Scenenwand, wie oben angegeben wor- 
den, nach Herrn Müllers eignem Ánsatze, wenigstens 150 
Fuss betrug; so betrug die Tiefe dieses Platzes, wenn 
man das Proscenium auch 20 Fuss Tiefe haben lüsst, und 
die halbe 'Thymele zu 10 Fuss anschlàgt, 120 Fuss, was 
ein mehr als hinreichender Raum für die 'Tnze ei- 
nes Chors von 15 oder 24 Personen ist. War nun 
dieser Platz, welcher ὀρχήστρα in engerer Bedeutung, 
d. h. die Orchestra der Schauspiele, genannt wurde, nach 
den Angaben etwa 8 bis 10 Fuss über den Fussboden, 
d. h. üher die χονίστρα erhüht, so überragte er wohl 
sicher die Thymele, d. i. den Altar, auf dessen Stufen die 
Flótenspieler und die Polizei stehen konnten ohne den 
Zuschauern im Wege zu seyn, indem sie vermuthlich, 
wie noch in unsern Theatern, kaum mit den Koópfen 
über den Boden der Orchestra hervorragten. — Zugleich 
hatte die Orchestra die schickliche Entfernung von den 
Zuschauern und was auf ihr vorging, zeigte sich als zu 
dem Stücke gehórig, und kam nicht in Berührung mit 
den Sitzen der Zuschauer. Kam mun der Chor, wie 
meistens, (denn nicht immer geschah das) von der rech- 
ten Seite der Zuschauer anf die Orchestra, auf welche 
von den παρόδοις Stufen geführt haben müssen, so war 


154 AESCHYLOS 


seine linke Seite gegen die Zuschauer gewendet, und da 
er die meisten Chorgesünge wohl gegen diese gekehrt 
sang, stand der Hegemon in der Mitte. Hatte aber der 
Chor mit den Schauspielern zu sprechen, so war es na- 
türlich, dass er eine solche Evolution machen musste, wo- 
durch der Hegemon mit seiner Reihe an die Stelle kam, 
welche die nüchste an der Bühne war, und mithim die 
andern Reihen nun, von der Bühne aus angesehen, hin- 
ter dieser Reihe standen, folglich der Hegemon weder 
über die Kópfe der andern wegsprach, noch über- 
haupt auf der ganzen Orchestra etwas vorhanden war, 
worauf er háütte hinaufsteigen kónnen, die Stufen auspe- 
momunen, welche auf die Bühne führten, die er aber ge- 
rade nur dann betreteu konnte, wenn er am wenigsten 
über jemand wegzusprechen hatte, weil die andern damn 
binter ihm, nicht vor ihm waren. Auch hieraus wird 
nun klar seyn, dass die Areopagiten auf den Stühlen, 
auf denen sie Herr Müller unter der untersten Sitzreihe 
hat Platz nehmen heissen, bei ihm 10 bis 12 Fuss tie- 
fer als die auf der Bühne befindlichen Personen, und 8 
bis 10 Fuss tiefer als der Chor, ganz einsam und ver- 
lassen, nd von niemand bemerkt dasitzen würden; ja 
wenn sie es dann gewagt 'hütten aufzustehen, sich einen 
Stmmstein zu holen, und über das, was auf der Bihne 
und Orchestra vorging, abzustimmen: so wird wohl leicht 
zugegeben werden, dass da ganz in der Ordnung die 
Polizei hütte hervortreten, und solche ungehürige Perso- 
nen von einer Sache, die sie nichts angimg, zurückweisen 
müssen. | 

Gut sind die Bemerkungen, die S. 90. über den 
ὕμνος δέσμιος gemacht werden, nur móchte ὕμνος dqóg- 
μίκτος9 das Hr. Müller würtlich nimmt, nicht sofort 
anf Flóten schliessen lassem. Er wird hierdurch auf die 
Behauptamg geführt, der Gesang habe die plrygische 
Tonart gehabt, worin er sich nicht irre machen lassen 
wil, ,,durch die dunkle Stelle des Aristexenos im Le- 
hen des Sophokles, welche diesem Dichter gewiss mur 
die Emführang der phrygischen Tonart in die Gesünge 


EUMENIDEN. 155 


einzelner Personen, die Monodien (δια ἄσματα, vgl. 
,,Aristot. Poet. 12.) zuschreiben will. ^ Die Stelle des 
Aristoxenus hat gar keine Dunkelheit: φησὶ δὲ ᾽άριστό-- 
&syoc ὡς πρῶτος τῶν ᾿4ϑήνηϑεν ποιητῶν τὴν Φρυ- 
γίαν μελοποιΐαν εἷς τὰ ἴδια ᾷσματα παρέλαβε καὶ 
τῷ διϑυραμβιχῷ τρόπῳ κατέμιξεν. Man muss günz-120 
lich den Sprachgebrauch verkennen, wenn man in diesen 
Worten etwas anderes finden kann, als in seine Ge- 
sünge, und in den gar nicht hierher gehórigen Worten 
des Aristoteles gar einen technischen Ausdruck: 70o:- 
xóv, xci τούτου τὸ μὲν πάροδος, τὸ δὲ στάσιμον" 
᾿ κοινὰ μὲν ἁπάντων ταῦτα, ἴδια δὲ τὰ ἀπὸ oxy- 
γῆς χαὶ χόμμοι. — Doch was hat überhaupt die Nachricht 
des Aristoxenus, das verhindern kónnte, in dem Gesang 
der Eumeniden phrygische Harmonie anzunehmen, wenn 
sieh dieselbe nur sonst rechtfertigen lüsst? Denn Sophokles 
kann ja immer der erste gewesen seyn, der diese Har- 
Hmonie in Chorgesüngen gebrauchte, Aeschylus aber das 
von ihm angenommen haben. Und sehr glaublich ist es, 
dass er sich dieser Harmonie in den Phrygiern bedient 
habe, wenn man erwügt, was Aristophanes von diesem 
Stücke beim Athenüus I. p. 21. EF. sagt. Als Haupt- 
mittel, die Rhythmen der phrygischen Harmonie kenneu 
zu leruen, giebt Herr Müller mit Recht die Monodie des 
Phrygers im Orestes V. 1369. ff, das Fragment eines 
Pindarischen Dithyramben, in der Bóckhischen Ausgabe 
Th. III. S. 515. f., und eine Stelle in den Bacchen 
V. 159. an: aber aus diesen Stellen folgt gerade 
das Gegentheil seiner Behauptung. Denn was er nun 
von den einzelnen Füssen in diesen Rhythmen und von 
dem νόμος ὄρϑιος sagt, hat um desswillen kein Gewicht, 
wei es bei der Beurtheilung eines Rhythmus in Anse- 
hung der ihm eigenen T'onart nieht auf einzelne Glieder 
oder Füsse, sondern anf den. Charakter des Ganzen an- 
kommt. Nun aber haben die drei angegebenen Beispiele, 
zu denen sich noch manche andere hinzufügen lassen, 
einen so himmelweit von dem Chorgesange der Eumeni- 
den verschiedenen Charakter, dass, wenn jene Rhythmen 


156 AESCHYLOS 


der phrygischen T'nart gehóren, lüér an diese T'nart 
gar nicht gedacht werden kann.  Jene Rhythmen haben 
einen lebhaften, unsicher bewegten, in ungleichen Glie- 
dern schwankenden; die in den Eumenidem hingegen ei- 
nen sirengen, abgemessenen, eisenfesten Gang, und, wo 
sie rasch werden, rauschen sie mit so regelmüssiger Ge- 
walt und in so gleichfórmigen Gliedern daher, dass sie deu 
phrygischen des Pindar und Euripides gerade entgegen- 
gesetzt erscheinen. — Wenn in dem Otestes ein paar kre- 
tische und anapástische Strophen vorkommen, so sind 
diese mit Kunst gerade da angebracht, wo der schwa- 
che Phrygmer gern aus seinem "Tone herausfallen, und 
einen erhabenen annehmen móchte. ^ Von dem a9- 
μάτειος und ὄρϑιος νόμος wissen wir zu wenig, um 
von ihren Rhythmen eine bestimmte Vorstellung fassen 
zu kónnen. Von der ersten Benennung geben das Ety- 
mologicum und der Scholiast zum Orestes so vielerlei 
Erklárungen an, dass man bloss sieht, wie die Gramma- 
tiker aufs Ohngeführ herumriethen. — Dass dieser ψόμος 
121phrygische Harmonie gehabt habe, ist allerdings wahr- 
scheinlich. Von dem ὄρϑιος aber, weil ihn Herodot und 
Plutarch ,in engem Zusammenhange mit dem Dithyram- 
ben erwühnen,^ lüsst sich das noch nicht sofort behaup- 
ten. Herodot I. 24. erzáhlt bloss, dass Arion, den er 
vorher Erfinder der Dithyramben genannt hat, sich mit 
dem ὄρϑιος νόμος ins Meer gestürzt habe, und Plu- 
tarch de mustca c. 9. 10. sagt, Polymnestus aus Ko- 
lophon habe diesen νόμος gebraucht ; K. 7. aber: ὅτι 
δ᾽ ἐστὶν Ὀλύμπου ὃ ἁρμάτειος “νόμος ἐκ τῆς Γλαύ- 
χου ἀναγραφῆς τῆς ὑπὲρ τῶν ἀρχαίων ποιητῶν μα- 
ϑοι ἄν τις, καὶ ἔτι γνοίη ὅτι Στησίχορος ὃ Ἱμεραῖος 
οὔτε “Ὀρφέα οὔτε Τέρπανδρον οὔτε ᾿Αρχίλοχον οὔτε 
Θαλήταν ἐμιμήσατο , ἀλλ Ὄλυμπον , χφησάμενος τῷ 
ἁρματείῳ νόμῳ καὶ τῷ κατὰ δάχτυλον εἴδει, ὅ τινὲς 
ἐξ ὀρϑίου νόμου φασὶν εἶναι" ἄλλοι δέ. τινὲς ὑπὸ 
“Μυσῶν εὑρῆσϑαι. τοῦτον τὸν νόμον" γεγονέναι γάρ 
τινας ἀρχαίους αὐλητὰς Μυσούς. Beide Arten hat- 
ten einen kriegerischen Charakter, wie man aus Plutarch 


EUMENIDEN. 15) 


de fortuna Alexandri p. 335. A. Athenàus XIV. p. 
631. B. Lucian Bacch. 4. sieht. Das passte nun zwar 
zu dem Gesange der Eumeniden: aber ehe die Identitüt 
dieser Rhythmen mit denen der Eumeniden nachgewiesen 
ist, da es der kriegerischen Rhythmen gar mancherlei 
geben kann, lásst sich noch keineswegs auf phrygische 
Harmonie für den Gesang der Furien schliessen, da die 
wirklich phrygischen Rhythmen des Pindar und Euripi- 
des scharf entgegenstehen. ^ Uebrigens in Pindars Olymp. 
ΙΧ, wegen der Worte ὄρϑιον ὥρυσαι ϑαρσέων, und 
im Agamemnon V. 1107. 1117., weil der Chor V. 
1123. sagt, τὰ δ᾽ ἐπίφοβα δυςφάτῳ κλαγγᾷ usko- 
τυπεῖς ὁμοῦ τ' ὀρϑίοις ἐν νόμοις, den orthischen 'T'on 
vernehmen zu wollen, gehórt zu den Beweisen, mit de- 
nen man alles beweisen kann. Án beiden Stellen be- 
deutet das Wort, wie meistens, laut, scharftónend, 
gellend, weshalb auch die Trompete so oft 0pOíc ge- 
nannt wird. Eben so wenig beweist der Fuss, welcher 
Orthius heisst, oder der £rochaeus semantus, oder der 
paeon epibatus etwas für phrysgische Harmonie, da diese 
 Füsse ja auch in dorischer und andern "Tlonarteu ge- 
bráuchlich sind. Plutarch hat in. dem von Herrn Müller 
angezogenen 33. Kapitel sehr. verstándig darüber gespro- 
chen, dass der Charakter nicht in solchen Kinzelnheiten 
lege. Wenn also Hr. Müller meint, die £rochae: se- 
manis die kretischen und páonischen Füsse, die lan- 
gen daktylischen Reihen, und dergleichen, lassen es nicht 
zweifelhaft, dass der Gesang der Furien phrygische Har- 
 monie gehabt habe: so kónnen diese einzelnen, in jeder 
Tonart Statt findenden Rhythmen gegen den offenbar ganz 
verschiedenen Charakter der anerkannt mit phrygischer 
"Fonart verbundenen Gesünge durchaus nichts beweisen. 
Hátte Herr Müller, anstatt so viel über diese F'üsse und 
die für uns doch einmal günzlich verlorne phrygischel122 
Harmonie zu sprechen, den Charakter der Rhythmen im 
Ganzen, den der Gesang der Eumeniden hat, betrachtet: 
so würde ihm eine andere Bemerkung nicht entgangen 
seyn, die von grósserm Nutzen seyn dürfte: dass mit 


! 


158 AESCHYLOS 


dem letzten Strophenpaare die Rhythmen und der ganze 
Ton des Gedichts sich ündern, und folglich hier auch 
eine andere Tonweise eintrete. —Betrachtet man den Inm- 
halt des ganzen Gedichts, die Rhythmen, die Wiederho- 
lang derselben Verse am Ende des ersten Strophenpaa- 
res, das auch im zweiten Strophenpaare wiederkehrende 
Ueberspringen in die püonischen Rhythmen: so hat man 
sehr starke Gründe, zu vermnthen, dass die drei ersten 
Strophenpaare von den Halbchüóren, und zwar im den beiden 
ersten Strophenpaaren, was ver den Páüonenm vorausgeht, 
nur von einigen Stimmen, die Püonen aber. bis zn. Ende 
der Strophen von dem gesammten "Halbchor gesungen 
wurden, bis endlich der ganze Chor das letzte Strophen- 
paar sang. Allerdings ist das blosse Vermnuthuug; in- 
dessen hat Recensent die Eimwürfe, die man theils da- 
von, dass das Gedicht eim Stasimon ist, theils von dem 
Einfallem mehrerer Stimmen in die schon begonnene Rede 
V. 335. hernehmen kónnte, nicht unberücksichtigt ge- 
lassen, und glaubt darauf antworten zu kónnen. 

S. 94 1f. beschreibt Herr Müller weitlàuftig den 
Stand des Chors und die Veránderungem seiner Stellun- 
gen, wobei er meint, was Recensené zur Poetik des Ari- 
stoteles 12, 8. und Doetr. metr. p. 727. gesagt habe, 
sey schon um desswillen irrig, weil dann der Chor gar 
keine στάσις mehr gehabt hütte. — Als ob στάσις ein 
unmbewegliches Stilletehen, wie ein oder der andere Gram- 
matiker ἀχίγητοι μένοντες vom Stasimom sagt, beden- 
fen müsste. Es ist aber klar, dass Herr Müller mur 
widersprechen wollte: denn er windet sich, um den Schein 
zm haben, als sage er etwas anderes, umd stelit den Satz 
auf, dass der Chor in dem Stasimom nicht stll gestan- 
den sey, somdern will, dass, wührend die Einzelnen 
ihre Plátze veründern, das Gramze seme Stele be- 
haupte. Wüunmdern muss imam sich, dass er unter dea 
nichts beweisenden Stellen der Grammatiker, die er dem 
Recensenten entgegenstellt, anch den Scholinsten za Eurr- 
pides Heeuba V. 647. (640. Matth.) anführt, wo doeh 
mit klaren Worten eben das, was HBecemsent in den 


. EUMENIDEN., 159 


Elem, d. metr. gesagt hat, geschrieben steht: ἰστέον 
δὲ ὅτι τὴν μὲν στοφὴν χινούμεγοι πρὸς và δεξιὰ oi 
χορευταὶ jÓov, τὴν δὲ ἀντίστροφον πρὸς τὰ ἄριστε- 
ρά" τὴν δὲ ἐπῳδὸν ἱστάμενοι TÓov. Das führt der 
Scholiast dann noch weiter aus. Nun nimmt Hr. Miül- 
ler ,,mit ziemlicher Sicherheit aus den Evolutioneu ei- 
nes Lochos im Kriege ab, wie die Choreuten ihre Plütze 


gewechselt haben, und versinnlicht das sogar durch einel23 


Figur. Es ist langweilig und unnütz, Dinge, die aus 
blosser Phantasie aufgestellt werden, zu besprechen. Nur 
was aus Zeugnissen geschlossen wird, mag zeigen, wie 
Herr Müller verfáhrt. Man liest S. 95.: ,,Die Cho- 
Teuten, welche vom Anfang an auf der Orchestra mit 
dem Gesicht gegen einander standen (ἀντιπρόφωποι 
»οἀλλήλοις στάντες Hephüst. π. ποιημ. 14. p. 131. 
Vgl. Schol. zu Arist. Rittern 512.), traten dabei von 
,beiden Seiten eimander gegenüber, und machten einan- 
Jer entsprechende, sich wechselseitig nachahmende Be- 
Wegungen (diess ist das ἀντιστοιχεῖν Xenoph. Anab. 
V. 4, 12.; vgl. Sympes. 2, 20.; Süvern über Ari- 
Steph. Vógel S. 102.; Kolster de parabast p. 13.), 
Wobei sie sich zuerst immer nüher kamen, dann einan- 
üer vorübergingem, und am Ende die Plátze tauschten.* 
Wunderbar ist, wie die Chorenten, da sie schom von Án- 
fang an mit dem Gesichte gegen einander stehen sollen, 
doch von beiden Seiten einander gegenüber getreten seyen. 
Da braschen sie ja nur stehen zu bleiben. Doch was 
sagt denn Hephüstion? — KaAeirat δὲ παράβασις, ἐπει-- 
δὴ εἰςελϑόντες εἷς τὸ ϑέατρον καὶ ἀντιπρόςωποι dÀ- 
λήλοις στάντες οὗ χορευταὶ παρέβαινον χαὶ εἷς τὸ 
ϑέατρον ἀποβλέποντες ἔλεγόν τινα. — Damit soll der 
Seholiast zu den Rittern des Ártstophanes verglichen wer- 
den, Diess ist sehr unbedachtsam Kolstern nachgeschrie- 
ben worden, der den dort ganz etwas anderes sagenden 
Scholiasten mit dem Hephüstion übereinstimmend fand. 
Richtiger hütte der oben angeführte Scholiast zum Frie- 
den V. 735. (718.) verglichen werden kónnen, welcher 
die Sache eben so, wie Hephástion, obgleich minder klar, 


^ 


160 AESCHYLOS 


beschreibt. —Aus den Worten dss Hephüstion nun hat 
Herr Müller offenbar das genommen, dass die Choreuten 
von Anfang an mit dem Gesicht gegen eiuander gestan- 
den hütten. Das scheint sehr unbedachtsam gesagt zu 
seyn, und überdiess noch mit einer andern Angabe Hrnm. 
Müllers in Widerspruch zu stehen. Was soll das heis- 
sen ,,von Anfang an?« Man kann das nicht anders ver- 
stehen, als von Anfang an, als sie die Orchestra betre- 
ten hatten. Das widerspricht aber dem, was oben über 
das Auftreten des Chors gesagt war, und der dort S. 
81. gegebenen Zeichnung. Aber würe das auch nicht, 
so hátte doch Hephüstion gar nicht sagen kónnen, was 
in seinen Worten enthalten ist, da es an sich falsch und 
sogar unsinnig ist, dass die Choreuten, nachdem sie in 
die Orchestra gekommen, sich einander gegenüber ge- 
stellt hitten. Die Florentiner Ausgabe hat nicht εἰςελ- 
ϑόντες, sondern ἐλϑόντες. So, oder wohl vielleicht gar 
παρελθόντες muss es heissen. Denn was Hephüstion 
sagt ist diess: Parabasis heisst, wenn die Choreuten, 
nachdem sie gegen die Zuschauer vorgetreten sind, und 
sich einander gegenüber gestellt haben, vorgingen, und 
124sich gegen die Zuschauer wendend, etwas sprachen. He- 
phüstion' und die Scholiasten redeu nur bloss von der 
Parabasis. Dieser gehórt das ἀγτιπρόςωποι ἀλλήλοις 
στάντες als etwas: Eigenthümliches und Wesentliches an, 
weil in ihr sich Halbchóre trennen müssen, was die στρο-- 
φὴ und ἀγτίστροφος, das ἐπίῤῥημα und ἀντεπίῤῥημα 
beweisen.  Halbchóre sind aber in dem Stasimon, dafern 
sie gebraucht worden sind, wie diess eben von dem Re- 
censenten in dem Chorgesange der P'urien angenommen 
wurde, doch durchaus nichts Wesentliches des Stasimon, 
und von Hrn. Müller, wie es scheint, nicht einmal zu- 
gestanden,  Ueberhaupt aber, was hat die Parabasis mit 
dem Stasimon der Tragódie zu thun, und wie kann auf 
dieses übergetragen werden, was die Grammatiker von 
einer bloss der Komódie angehórigen Einrichtung berich- 
ten? Wenn nun also weder Hephüstion noch die Scho- 
lasten, da sie insgesammt nur von der Parabasis spre- 


EUMENIDEN. | 161 


chen, irgend etwas für das Stasimon beweisen kónmnen: 
woher hat Herr Müller die Nachricht, dass die Choreu- 
ten in- der, Tragódie, wenn sie das Stasimen .sangea, 
nicht nur einander gegenüber standen, sondern auch eim- 
ander entsprechende Bewegungen machten, und bei einan- 
der vorübergehend die Plátze tauschten? Die entsprechenden 
Bewegungen, das ἀγτεστοιχεῖν, aus Xenophons Ánabasis. 
Aber dessen Worte, ὥςπερ οἱ χοροί; emthalten ja nicbts 
vem Stasimon, sondern kónnen vielmehr nur.auch wie- 
der auf die Parabasis, oder auf jede ühnliche Aufstellung 
von Halbchóren,; auch bloss. Tanzender bezogen werden, 
80 wie das ἀντιστοιχεῖν in dem Symposion bloss vom 
Tanze gesagt ist. Wer sagt endlich etwas von dem bei 
einander Vorübergehen und vom Wechseln der Plátze? 
Hoffentlich wird das Herr. Müller doch weder aus dem , 
παρέβαινον des Hephüstion, noch aus der Anabasis ge- 
nommen haben, wo es δ. 14, von den Mossynóken heisst: 
ἐντεῦϑεν ἐξῆρχε. μὲν αὐτῶν εἷς, οἱ δὲ ἄλλοι πάντες 
ἐπορεύοντο ἔδοντες àv QuDOudQ, xai διελθόντες διὰ 
τῶν τάξεων xoi διὰ τῶν ὅπλων τῶν Ἑλλήνων ἐπο- 
οϑύοντο εὐθὺς πρὸς τοὺς πολεμίους. Wir wollen ihm 
so arge Misgriffe nicht zutrauen: aber doch weiss man 
nicht, was man denken soll, da er keine andere Beweise 
angeführt hat. So lange das also nicht geschieht, kann 
diese ganze Beschreibung des Stasimon für nichts als 
eine grundlose Phantasie gehalten werden. Woher aber 
das alles? Bloss aus dem Worte στάσιμον» dessen ein- 
fachste Erklárung doch wohl am Ende keine andere seyn 
kann, als dass es zum Unterschiede von πάροδος und 
ἔξοδος den Gesang bedeutete, den der Chor weder bei 
dem Kommen, noch bei dem Abgehen, sondern wührend 
er sich auf der Orchestra aufhielt, sang. 


Was über die übrigen Chorgesinge noch in diesem 
Abschnitte gesagt wird, sind Bemerkungen, mit denen 
Hr. Müller auf den Charakter und einige EFigenheiten125 
der Rhythmen aufmerksam zu machen sucht. —Auffallend 
ist S. 98. die Note: ,,Hatten die Dochmien immer phry- 


Hxnw. Or. VL L 


N2 |" AESCHYLOS. 


»gische Tonart, weil sie in den Baechen μέλη βάρβα- 
0x heissen, 1026. (Νόμος βακχχεῖος, Eur. Hek, 685.)? 
Ich sollte glauben, oft anch die für leidenschaftliche 
Darstellung geeignete üolische. Oder die klagende mi- 
,xolydische?**  Recensent hatte in der Abhandlung über 
Pindars Dialekt die Bemerkang aufgestellt, dass man aus 
der Ángabe der Harmonie die Beschaffenheit der Rhyth- 
men erkenne, umd also wieder rückwürts von den Rhyth- 
men auf die Harmonie schliessen dürfe. Dadurch ist es 
Mode worden, nach der Tonart zu fragen. Wo das 
einen Nutzen bringen kann, wie im Pindar, da ist es 
der Mübe werth, diese Frage anfzuwerfen. Aber so ins 
Weite hinein ist sie ganz unnütz, besonders da wir nur 
sehr unvollkommene Begriffe von den zu jeder Ton- 
art passenden Rhythmen haben.  ÁÀus dem εὐάζω ξένα 
μόλεσι βαρβάροις lisst sich gar michts schliessen. — Da 
die Dochmien: zu Darstellung .der verseltiedenartigsten 
Empfindungen gebraucht werden, so Kkónnen sie nichí 
immer dieselbe "Tonart gehabt haben. — Sollte aber mit 
Nutzen gefragt werden, so sollte gefragt seyn: wie viel 
Arten von Dochmien giebt es? (denn deren giebt es 
mehrere, und sehr charakteristiseh von einander verschie- 
dene): was ist der eigenthümliche Charakter jeder Art? 
welche 'T'onarten sind diesen Charakteren angemessen? was 
für Gründe giebt es, auf diese "Tonarten zu sohliessen ὃ 

Es folgt ein anderer Absclmitt mit der Ueberschrift 
Theater. Hier wird zuerst der Vorplatz vor dem 'Tem- 
pel, und dann das pythische Heiligthum, das sich den 
Augen der Zusehauer nach dem Prolog zeige, ausführ- 
lch beschrieben. Dieses Innere des '"Temypels &oll man 
gleich nachdem die Priesterin wieder hineingegangen ist, 
erblicken, und, da nun in,dem Tempel der Chor der 
Furien, Apollo, Orestes und Hermes sey: so fragt Herr 
Müller, auf welche Weise diese Gesellschaft von 18 Per- 
. 8onen den Zuschauern auf eiumal vor die Augen gerückt 
werden konnte. Er erklürt desshalb zuvórderst die Be- 
schaffenheit der Exostra oder des Ekkyklema, und nach- 
dem er durch Vergleichumg der davon vorkommenden 


EUMENIDEN, 168 
Béispiele :gefunden hat, worüher ziemlich weilüuftig pe- 


sprochen wird, dass immer nur zwei, drei, hüchstens vier 
Personen: auf dem Kkkyklema erscheinen, hier aber der 
.Chor der Furien sogar noch einen Chortanz in dem Tem- 
pel aufführe, findet er sich gedrüngt anzunehmen, erstens, 
üass die. ganze Bühne als Tempelraum gedacht werden 
inüsse; zweitems, das eim Vorhang den Ramm, welcher 
das Innere des Tempels darstelle, vorher bedeckt habe. 
Diess habe zwar keine áussere Bescheinigung, . aber mehr 
innere Wahrscheinlichkeit. — Ehe wir die Sütve prüfen, - 
ist zu bemerkem, dass, gesetzt auch, diese Beschreibung126 
würe richtig, doch das Innere des "T'empels nicht sogleich, 
nachdem die Priesterin hineingegangen.ist, sondern erst 
nach der darauf folgenden Scene erschemen würde. Denn 
nicht nur. würe. es. ganz unnüthig gewesen,.die Furien 
zu zeigen, wo sie gar nichts zu thun haben, sendern der 
Anblick derselben háütte anch die Aufmerksamkeit der 
Zuschauer günzlich von der Unterredung des Apollo und 
Orestes abziehen müssen. : Vielmehr kómmt Orestes, im 
Begriff seine Wanderung anzutreten, .aus dem "lempel, 
geleitet von Apollo," der.ihn belehrt, was :er zu thum 
habe, und dann dem Hermes übergiebt. Warum soll das 
micht vor dem Tempel geschehen, da ja Orestes eben 
. nun fortgeht?: Man sieht bald, Herr Müller wurde he- .- 
Btunmt durch das xei νῦν ἁλούσας τάςδε τὰς μάρ- 
γους δρᾷς ὕπνῳ. Das würe aber doch schlimm, wenn 
man zu einem, der so eben noch dic Furien im "Tem- 
pel hat schlafen sehen, nicht, nachdem er. heraasgetreten 
ist, sagen -kónnte : ,,Du siehst, sie schlafen.fs 
Zweifelhafter ist die Sache bei der mun felpendem 
Scene, in welcher der Schatten der Klytümnestra die 
Furien.weckt. Es zwingt aber auch hier nichts, an- 
zunehmen, dass man das Innere des Tempels ' selle, 
sondern es kann sehr wohl der: Schatten der Klytámne- 
Stra die.charenisehe '"'reppe beraufkommen, und an der 
offenen Pforte des 'lTempels die darin schlafenden Furien 
wecken. : Herr Miüler:scheint:das seMst gefühlt.zu ha- 
ben, indem. er über"diese wm-Genelli aufgestellte :Ani- 
L2 


104 AESCHYLOS 


sicht S. 105. sagt: ,,So grosse Wirkung mun einzelne 
5Laute und Ausrufangen aus dem verborgenen Innern - 
eines Zeltes oder Zimmers auf der Bühne hervorbrin- 
»gen künnen: so wenig findet diess seine Ánwendung auf 
0das Zwiegesprüch des Schattens der Klytümnestra und 
des im Schlummer üchzenden mund stóhnenden Chors; 
und so wenig war gewiss Áeschylos geneigt, seine Zu- 
Schauer Jer hóchst tragischen Gestalt des kóniglichem 
Schattens mit der blutigen Wunde in der Brust, auf 
welche Klytümnestra selbst hinweist,, und des Anhlcks 
üer im Schlaf sich ingrimmig und krampfíhaft ringenden 
,EÉrinnyen zu berauben.^  Nimmt man hier erst die 
zwei irrigen Sátze weg: denn ein Zwiegesprüch ist hier 
gar nicht vorhanden, und Klytümnestra mit ihrer Wunde 
muss allerdings von den Zuschauern gesehen werden, 
braucht aber desshalb nicht im Innern des T'empels zu 
Stehen: so ist der ganze Eindruck bloss auf die willkür- 
liche Behauptung zurückgeführt, dass Aeschylus die Zu- 
schauer nicht werde des Anblicks der krampfhaften Re- 
gungen der Furien haben beramben wollen. —Folglich ist 
durchaus keine  Nothwendigkeit erwiesen, dass man 
das Innere des Tempels sehen müsse. Denn dass 
auch das Erwachen des Chors und sogar der Tanz 
127desselben in dem Tempel selbst vorgehen müsse, weil, 
wie Herr Müller S. 106. sagt, erst maehher der Gott 
den Furien gebiete, aus seinem Hause zu weichen: das 
ist ein. Grund, den, wer einige Bekanntschaft mit den 
- Tregikern hat, nicht anerkennen , und eben so wenig, 
wie das oben erwihnte ὁρᾷς» buchstüblich nehmen wird, 
was Apollo sagt: 


ἔξω, κελεύω, τῶνδε δωμάτων τάχος 
χωρεῖτ᾽, ἀπαλλάσσεσϑε μαντιχῶν μυχῶν». 


Ja wer es denn so unmmüglich fünde, dass jemand 
ὅπ denen, die noch vor dem Hause stehen, im Zorne 
sagte: geht aus meinem Hanse, und macht, dass ihr fort- 
kemumt: der künnate ja, da micht- alle Furien zugleich 
singen, eime oder die andeme wieder in den Tempel hin- 


EUMENIDEN. 103 


eingehen, und den Orestes dort suchen lassen. — Doch 
wir wollen einmal annehmen,' es zeige sich wirklich das 
Ianere des Tempels: auf keinen Fall wird der Tanz des 
Chors in. demselben, sondern auf dem Platze vor dem 
Tempel, und zwar in der Orchestra aufgeführt. Das. 
ist nothwendiges Gesetz der Tragüódie, und der Unter- 
schied nur der, dass hier der Chor von der Scene in 
die Orchestra hinabsteigt. — | 
Betrachten wir nun, was Herrn Müller drüngte, ohne 
alle üussere Bescheinigung, wie er selbst gesteht, einen 
Vorhang anzunehmen: so zeigt sich, dass das nichts als 
eine mit grosser Leichtglüubigkeit und Akrisie angenom-. 
mene irrige Vorstellung ist. Er sagt S. 103.: ,,Exostra 
9der Ekkyklema (der letzte Ausdruck ist viel gewühn- 
licher) bezeichnet ein Gerüst oder eine hélzerne kleine. 
Bühne, welche an solchen Stellen des Drama, wo das 
Innere eines Hauses den Blicken der Zuschauer offen 
gestellt werden soll, durch die grossen Thüren der Sce- 
Uuenwand vorgestossen oder anf Rüdern vorgerollt (2z- 
οοχυκλεῖν), und dann, wenn das Innere wieder unsicht- 
bar werden solle, zurückserolt wurde (sigxuxAsiv). 
,Pollx IV. 128. Schol Acharn. 407. Eust. zur ll. 
o» p. 976, 15. Rom. Ven. Schol. zur Il. Σ᾽, 474. Vgl. 
Bekker. p.. 830.«« "Wozu soll das letzte Citat, in wel- 
chem bloss das Wort ἐχχυκλεῖν ohne Erklürung vor- 
kommt? Was die gegebene Erklürung anlangt, fragen 
wir nun zuerst, worauf es sich gründe, dass ἐξώστρα und 
ἐκχύχλημα dasselbe sey. Die Antwort wird seyn: He- 
sychius sage: ἐξώστρα, ἐπὶ τῆς σκηνῆς τὸ ἐκκύκλωμα, 
und Pollux IV. 129.: τὴν δὲ ἐξώστραν ταὐτὸν τῷ ἐκχυ- 
κλήματι γομίζουσιν. Diese letztern Worte machen 
schon an sich die Sache verdüchtig; noch mehr aber, 
dass Pollux $. 127. vermuthlich aus dem Schriftsteller, 
den er excerpirte, bei Aufzühlung der Maschinerien schreibt: 
εἶεν δ᾽ ἂν τῶν ἐκ ϑεάτρου xoi ἐχχύχλημα, καὶ ug- 
xav), καὶ ἐξώστρα u. s. w. Hier also werden beide 
Vorrichtungen, und wohl unstreitig mit Recht, unterschie-128 
den, da ἐξώστρα;, wie das Wort selbst zeigt, etwas ist, 


106 AESCHYLOS 


das hervorgeschoben wird, z..B. eih Balcon.  Mnn darf 
daher wohl mit Zuversicht ' annehmen ,. dass ἐκκύκλημα μα 
etwas ganz ánderes war. Würe nuu die Erklürung, die 
davon gegeben wird, richtig, so hütten in der "That 
die griechischen Maschinenmeister nichts ungeschickteres 
und widersinnigeres erfinden kómnen, 818 eine kleine hól- 
zerne Bühne, die ans den Thhüren der Scenenwand würe 
herausgeschoben worden. Das Iünere, um es als Inne- 
res zu zeigen, zur 'Thüre herausschieben, und es so erst 
recht als zum: Hause hinausgeworfen dàrstellen , ἰδὲ et- 
was so ÜUnsinniges, dass es: sich sogleich: durch sieh 
selbst widerlegt, und eben desshalb, selbst wemu es wirk- 
lich berichtet worden würe, bei dem ersten "Blicke als 
falsch erkannt werden musste, Wer aber hat es berich- 
tet? Niemand. Woher ist es: also genommeá? . Áus 
der für die Sachphilologie so breit fliessenden Quelle un- 
richtiger Wuorterklrung und leichisinniger Akrisie, Der 
elende Compilator Pollux hat .aus verschiedenen :Schrif- 
ten folgendes zusammengetragen :. aci τὸ «μὲν ἐχκύκλη- 
μα ἐπὶ ξύλων ὑψηλὸν βάϑρον, ᾧ inixeivoy ϑρόνος" 
(diess ist offenbar aus der Erklürung eines eirzelnen Fal- 
les genommen) δείχνυσι δὲ καὶ τὰ ὑπὸ τἦν σκηγὴν 
ἐν ταῖς οἰκίαις ἀπόῤῥητα πραχϑέντα, (diss ist die 
richfipe, auch mit den andern Zeugnissen übereinstim- 
mende Erklárung) καὶ τὸ uo τοῦ ἔργου χκἀλεῖται 
ἐχχυκλεῖν.. ἐφ᾽" οὗ "06 εἰςάγεταν τὸ ἐκχύκλημα' εἰςκύ--: 
Mua (sollte εἰοχυκλήϑρα ; heissen) ὄνομάζεται. καὶ 
χρὴ τοῦτο νοεῖῦσϑαι χαϑ' ἑκάστην ϑύραν, οἱονεὶ καϑ'. 
ἑχάστην oiziíav.  Diess/ist richtig. bedeutet aber nicht 
durch die "Thüren, wie' es: Herr Müller ülbersetst, Schon 
dié Beispiele von 'Ekkyklemen, die er durchgeht (im Oe- 
dipus Tyrannus V.: 1297. ist jedoch an'ein Fkkykdeua zu 
denken kein Grund vórhatdén), -hütten zeigen kónmenj 
dass nichts durch die '"Thüren hervorgeschobeswird, 50n- 
dern die Scenenwand selbst auf beidem Seiten aus ein- 
ander weicht: scena versis: déscedWt frontibus , : wie. 
-'Virgil. Georg. ΠΙ 24. sagt, wo Servius naehzuselun; 
und Seneca Tyist. 88, zu vergleichen ist. So leduríte 


EUMENIDEN. ME. 


es also, anch wemn das Innere des Tempels gezeigt wer- - 
den sollte, nicht der Annahme eines nirgends erwiühnten 


Vorhanges. 


Nachdem S. 100. die Veründerung der Scene, wel- 
che nunmelir den. Tempel der Polias in. Athen mit sei-^ 
"il alten Standbilde zeigt, beschrieben worden, erfàáhrt 

. 107. der Leser bei weitem das Abenteuerliehste, was 
Ham Müllers Buch enthált, in folgenden Warten: ,,In 
dieselbe Orchestra, gewiss "nieht auf die Bühne, treten 
,,herpacli anch die von dér (Güttin zur Entscheidung des 
olieelitsstréita, erwühlten Bürgér, die ersten: Areopagiten ; 
,;Uud zwar üssem diese anf Sitzen Platz genimmen haben, 129 
,7ie sich nnierhalb. der Schanplütze am. Hallkreise der 
Orchestra befanden (vgl. die Zeichnüng 1. δ, 3.). Es 
,kómunt .nàmlich im Folgenden dem Dichter offen- 
»,Dár.darauf an, den: Áreopag im Drama und die als Zu- 
»,SChauer versamunelten Athener als ein Ganzes fassen zu 
,Lünnen, welches die Athena in ihrer Stiftüngsrede des 
,Areopag (651 f£) memeinschaftlich auredet. ^ Wie bei ᾿ 
"len &erichten..der Hoinérischen Geronten: so wird auoh 
ὁδοὶ dieser: ersten Ausübung des Dlutbanns in Áthen eine 
» Volksveragimlung: (die λαοὶ oder λεῴ) als gegenwürtig 
gedacht, welcher die. Góttin wáhrend der Bathssitzung 
ünreh die. Stimme des. Herolds und, Trempetentóne 
»Nchweigen: pebeut (536.). Gewiss liess Aeschylos 4a- 
hel, wirkliche. "Trompetenstósse durch das "Theater ere 
,8challen, ;und man hórte, wie sonst, den. Ruf des He- 
,rolds: 44xo)ers Asq. Die Volksversammlung abér konnte 
,Junmóglich durch Menschenhaufen, welche: sich auf det 
Bühne. óder i der Orchestra sehen lessen, dargestelk 
, Werden, sondern die im Theater versammelten Athener 
,8elbst sind das gegenwürtige und angeredete Velk. Au ' 
» schünsten ber wird diess dann zur Erscheinung gebracht, 
Wenn die .Áreopagiten auf Stühlen in der Orchestra, 
Unmitíelbar unter den. Sitmzreiben des 'Theatron Platz 
nehmen; zunüchst über ihnen sitzt dann der wirkliche 
»gegenwárüge: Rath von Athen, dem .die .unterste Sitz- 


Me ' ABSCHYLOS 


1eihe (τὸ βουλευτιχὸν) angewiesen war; darüber steigt - 
in zahllosen Heihen und immer weitern. Kreisen die dicht- 
»gedrüngte Masse des athenischen Volkes empor; gegen- 
über auf der Bühne erhebt sich, wie ein Redner auf 
,,dem Bema, die erhabene Gestalt der Athena, welche 
das areopagitische Gericht anordnet, und die Heiligkeit 
dieser Stiftung den Athenern ans Herz legt. Auf diese 
Weise wird das athenische Volk mit einer unwidersteh- 
»lichen Gewalt in das Drama selbst hineingezogen, und 
»gleichsam mitzuspielen genóthigt; das Theater verwan- 
üelt sich wie durch einen Zauberschlag in die Pnyx, 
der Dichter in einen rathenden und warnenden Redner, 
,,die mythische Vergangenheit in unmittelbare, über Wohl 
und Wehe der Zukunft entscheidende Gegenwart. — 
Man kann sich denken, zu welcher Bewunderung des 
Dichters, der einen so grossartigen Gedanken fasste, 
"Hrn. Müllers Zuhórer durch diese begeisterte Rede hin- 
gerissen worden sind. Aber durch den Druck derglei- 
chen vor die Áugen derer zu bringen, die xmicht durch 
die Declamtion betüubt werden kónnen, ist doch etwas 
gefáhrlich. Die Sátze, aus welehen diese Deduction be- 
Steht, sind folgende: 1) Es kam dem Dichter darauf an, 
den Áreopag und die Zuschauer als ein Ganzes fassen 
zu kónnen.  Áus diesem Satze folgt gar nichts. Denn 
das Ganze war schon dadurch gegeben, dass die zu- 
Schauenden Athener ihr eigenes Gericht, ihren Areopag 

130einsetzen sehen; mithin, was auf der Scene vorgeht, sie 
Selbst betrifft. 2) Es wird eine Volksversammlung ge- 
dacht, der der Herold und die Trompete Sehweigen ge- 
beut. Diess ist wahr. 3) Die Volksversammlung konnte 
nicht durch Menschenhaufen auf der Scene: oder in der 

^ Orehestra. dargestellt werden. Ist auch wahr. 4) Die 
Zuschauer sind selbst diese Volksversammlung. In die- 
sem Satze liegt die Veranlassung zu der aufgestellten 
Fiction. — Gedacht wird allerdings eime Volksversamm- 
lung, aber wirklich dazuseyn braucht sie nicht: eben so 
wenig, als in der Iphigenia in Tauris Leute im Wege 
stehen müssen, weil Iphigenia V..1220. sapi: 


N 


EUMENIDEN. 169 


ἐχποδὼν δ᾽ αὐδῶ πολίταις τοῦδ᾽ ἔχειν ἱκά- 
σματος. 

In den Eumeniden ist das nun noch weniger der 

Fall weil, was von dem Volke gesagt wird, da die- 

ses Volk die Athener sind, die Zuschauer natürlich auf 

sich selbst beziehen müssen. Es sind diess aber bloss 

zwei Verse, durch die gar keine thátige "lTheilnahme der 


- Volksversammlung an der Handlung, sonderr bloss das 


Anhóren geboten wird; V. 635.: | 
χκήρυσσε; κήρυξ, xai στρατὸν κατεργόάϑου; 


κλύοιτ᾽ ἂν ἤδη ϑεσμὸν ᾿Αττιχὸς λεώς. 
Herr Müller hat demnach zwei ganz verschiedene - 
Dinge verwechselt. nnd in eins zusammengeworfen, das 
angeredete nicht dargestellte Volk, und die Zuschauer, 
die, weil sie ein Theil des Volks sind, das angeredet 
wird, sich/anch mit darunter gemeint sehen. — Wenn also 
der Grund der Fiction wegfállt, so ist die ganze Fiction 
nichtig. — Áber sie ist auch in sich selhst so abenteuer- 
lich, dass Herr Müller in nicht geringe Verlegenheit kom- 
men würde, wenn er als Theaterdireetor seine Idee zur 
Ausführung bringen sollte. Eine Kleinigkeit ist das 
ἀχούετε λεῴ. Das hat gewiss der Herold nicht geru- 
fen, sondern er hat wohl mur agirt: somst lüsen wir auch 
das dxovere λεὼ zwischen den Versen: mit dem Trom- 
petenstosse war es genug, um der Sache einen würdigen 
Eingang zu verschaffen, und darauf weist auch die alte 
Lesart εἴν οὖν V. 630. hin. Aber das wichtigste sind 
die Áreopagiten. — Ánfangs tritt Herr Müller gleich ge- 
bietend auf, und. sagt, sie müssen ihre Sitze unnmttelbar 
unter den Sitzreihen gehabt haben. ^ Nachher spricht er 
etwas milder, und sagt, am schónsten sey es so.  Sichon 
sehr muss es befremden, die Richter im Rücken der Par- 
teien sitzen zu sehen, was doch ganz ungewübnlich ist. 
Nun aber kommt gar noch Folgendes hinzu. Der Raum 
vom Eingang in die Orchestra bis zur Thymele hetrügt 


110 AESCHYLOS 


nach S. 88. nicht weniger als 150 bis 200 Fuss: der 
131ganze Durchmesser der Orchestra mithin beinahe 3600 bis 400 
Fuss; also der Halbzirkel noch weit mehr. ^ Unmittelbar 
unter diesem Halbzirkel nun hat Herr Müller die Areo- 
agiten auf Stühlen, die er für sie dahin gestellt hat, 
latz nehmen lassen.  Áreopagiten aber sind, seiner Án- 
gabe zufolge, nur zwólf. Sassen diese dicht bei einan- 
der, oder einzeln in dem grossen Halbzirkel vertheilt ἢ 
Herr Müller verweist auf seine Figur. Dort hater aber 
unglücklicher oder glücklicher Weise diese Stühle nicht 
1t verzeichnet. Mógen sie nun dicht neben einander oder 
getreunt gestanden haben, so würe ja dieser.winzige Áreo- 
pag kaum, bemerkt worden, und, hátte man ihn bemerkt, 
so hütte er einen so ármlichen Anblick gewührt, dass 
das: ganze. Gericht, dessen Ehrwürdigkeit der kfhalt die- 
ser Scene isf, zum (Gespétte hütte werden müssen. Fer- 
ner solle;diese Areopagiten bei der Abstinimung einzeln 
snígestenden seyn, ihren Stimmstein vom dem Altar ge- 
nommen, und.in die. anf einem "Tische stehende Urne ge- 
worfen haben. "Thaten sie das alles im Rücken der Par- 
teien, und sprach Minerva zu ihnen üler die Kópfe der 
Parteien hinweg, oder gingen sie mitten durch die Or- 
chestra duroh auf die Scene? ^ Deng wo der Altar, wo 
der Tisch.mit der Urne gestanden habe, sagt uns Herr 
Müller night. . Wie man sich auch.die Sache denken 
fag, so:erscheinen diese zwólf Areopagiten in diesem 
weiten Baume nur immer noch armseliger und lücherli- 
cher, zumal da die Sache nach. S. 78. ziemlich lang- 
sam vor sich.geht, und allemaà ein Areopagií, nachdem 
Apollo oder die Furien ein Disüchon gesprochen haben, 
seinen Stimmstein in die Urne wirft. So zerfliesst diese 
schimmernde Seifenblase. 

. Wenn Herr Müller in. dieser Scene. aab, was nicht 
iSt, s0 sagt er in der folgendem vicht, was ist. Εὖ sagt 
S. 107.: ,,Darans, dass die Góttin in ihrer Kimsetzunge- 
,rede,.des Areshügels als des Ortes gedenkt, auf wel- 
chem das ebem pestiftete Gerich$ seine fSitzungen halten 
werde (633.), dass sie diesen Hiüügel auch als vor den 


EUMENIDEN. 171 


Augen der Zuschauer. befindlich bezeichnet (J7&yov — 
5Tó»0 s, 655.), kóhnte man vielleicht schliessen, dass 
ie Scene-von neuem verlegt worden sey. ^ Doch lásst 
j,8ich diess nicht ohne die gróssten Schwierigkeiten durch- 
führen, umd es.genügt vóllig, anzunehmen, dass. man den 
,JÜer Burg gegenüber liegenden Hügel. auf einer Periaktos 
dargestellt in der Ferne erblickte, und Athena, zeigend, 
1i Hand nach dieser Áussieht ausstreckte, — Wird doch 
gerade auch.in derselben Stelle (658.) die Burg von 
Atlen als vor den Augen der Zuschauer befimdlich be- 
teichnet. ^ : Diese ,,grüssten Schwierigkeiten' hat Herr. 
Müller: seinen. Zuhórern nicht mitgetheilt. Mancher mag 
indessen wohl: gedacht .habem, wenn vorher:die Scene von 
Delphi. nach Athen versetzt: werden konnte, so müsse sie 
doch wohl:.noch leichter im Athen selbst von der Akro- 
polis auf den :nahegelegenen Hügel gegenüber versetzt132 
werden künnen. . Dem Leser. verhilit jedoch die Nete 
bei der am. Ende der: angefülirten Worte berührten Stelle 
zur Entdeckung. jener.,,gróssten Schwierigkeiten. Sie 
lautet $0: -,jIeh:;kann diese Stelle námlich nur so vete 
,Stehen, 4485. {10 Amazonen die nene Feste, d. h. die voi 
,lheseus gehaunte' Stadt, und Burg, die hochgethürmte; 
.,,durch eine: Gegenburg:auf dem Áreopag angreifen : (ühn- 
lich wie die. :Perser,  Hérodot VIII. 52.), und rechtfera 
tige mür ἀντιπυργοῦν σιόλιν. ἸᾺ diesem Sinne durcli 
»"ἀντιάξζοιν wd, jemanden angrelen. ' Sie thürmten 
eine hoochgethürmte neugebaute Stadt entge 
gen scheint mir dagegen umertrüglich pleonastisch aus 
gedrückt. €; Das ist .nun freilich schlimm, dass Herr 
Müler diese: Stelle nicht anders als so verstehen kann, ! 
wie sie niemand verstehee kann und wird, der ein Ver. 
bum mit seinem Casus .richtig zu  construiren weiss. 
Ber Bichter sagt: ΝΞ pros s 


20 πάγον δ᾽ ὄρειον τόνδ᾽, ““μαζόνγων ἔδραν, 
σχηνάς 9^ Ov. ἦλθον Θησέως χατὰ φϑόγον 
στρατηλατοῦσαι.. καὶ πόλιν γεόπτολιν 


τήνδ᾽ ὑψίπυργον ἀντεπύργωσαν τότε. 


172 AESCHYLOS 


Das übersetzt Herr Miller: ,,und dem jungen Bau 
,,der Stadt, dem hochgethürmten, Gegenthürme errichte- 
te. Wer auch nur einigermaassen die Sprache der 
Tragiker kennt, wird hier nicht etwas unertrüglich pleo- 
mastisch ausgedrücktes finden, sondern wissem, dass d»- 
τιπυργοῦν τι ὑψίπυργον so viel ist als ὑψοῦ τι ἀν- 
τιπυργοῦν. Aber vollends den Accusativ als statt des 
Dativs mit ἀντιπυργοῦν verbunden, wobei noch über- 
diess der Áccusativ des zu befestigenden Ortes fehlen 
würde, anzunehmen, und das durch die nur dem Hero- 
dot eigene Redensart ἀντιάζειν τινὰ zu rechtfertigen, 
das ist ein exemplarisch schlagender Beweis, wie Herr 
Müller und seine Genossen alles aus allem zu machen 
wissen, wenn es ihnen beliebt, und sie glüuhige Jünger 
vor sich haben. Vor dem Publicum aber sollte man 
doch einige Scheu hegen. So sind denn nun jene ,,gros- 
sén Schwierigkeiten, welche der Verlegung der Ncene 
auf dem Áreopag entgegenstehen , nichts, als dass Herr 
Müller über diese Verse nicht hinwegkommen konnte, 
obne dass er eine aller Grammatik zuwiderlaufende Er- 
klárung, und mit dieser zugleich eine Nache annahm, die 
das Allerundenkbarste ist, das einem Interpreten in den 
Sinn kemmen konnte. Den Areopag batte die Sage als 
den Ort geheiligt, auf welchem das Gericht über den Ore- 
stes gehalten worden war; der Areopag ist es, um des- 
sen Heiligke sich, als um: den Mittelpunct, der ganze 
Inhalt des Stückes dreht; dem Areopag will der Dichter 
durch seine T'ragüdie sein altes Recht schützen und Scluni- 
lerang von ihm abwenden; der Áreopag ist der Ort, der 
l33mit dem gleichnamigen Gericht so eins ist, dass das Ge- 
richt nicht mehr das Gericht des Areopags seyn kann, 
wenn es nicht auf seiner ibm geheiligten Stelle gehalten 
wird: und diesen Áreopag soll man in der Ferne anf ei- 
ner Periaktos abgebildet sehen, das Gericht selbst aber 
soll aller Sage zum Trotz auf der Akropolis gehalten 
werden, und das versammelte Volk den Áreopag in der Pnyx 
vor sich zu sehen wühnen. ^ Oben S. 73. sollte der 
ganze poetische und religióse Zusammenhang der T'rilo- 


EUMENIDEN. 1323 


gie auf das Geführlichste angegriffen und mit Zerstórung 
bedroht werden, wenn in den Choephoren die Furien 
nicht leibhaftip erschienen; bier wird ohne Gefahr der 
geschichtlich, religiós, poetisch, kurz in aller Rücksicht 
unabweislich — wirklich gegebene Ort gemalt auf einer 
Periaktos in der Ferne gezeigt, bloss weil Herr Müller 
eine allbekannte Redensart so unertrüglich pleonastisch fin- 
det, und zwar wo gleich daneben ein Beispiel dieses 
Pleonasmus in πόλιν νεόπτολιν vor Augen liegt, dass 
er an dessen Stelle eine aus seiner Grücitit zu substi- 
tuiren sich genóthigt sieht. | | | 
Kin dritter Abschnitt spricht von dem Costam der 
Schauspieler erst im Allgemeinen, dann von jeder Per- 
som besonders. Da in dieser Trilogie der . Dichter drei 
Schauspieler gehabt habe, 80 wird angegeben, welche 
Rollen einem jeden derselben. in diesen drei Tragódien 
zugetheilt waren. Diese Vertheilung ist angeblich im 
Ganzen ziemlich sicher: warum, davon erführt man nichts 
weiter, als dass angenommen worden, es sey ohne Noth nicht 
dieselbe Rolle. in auf einander folgenden Stücken. ver- 
schiedeuen Schauspielern gegeben. Das Zweifelhafte . ei- 
niger Puncte sey durch Fragezeichen angedeutet, .Es 
findet sich aber nur ein einziges Fragezeichen bei der 
Würterin in den Choephoren, die dem Deuteragonisten 
zugetheilt ist. . Das übrige also soll. man für ziemlich 
sicher annehmen. Und dech, wer sollte das glauben? 
ist im Agamemnon die Hauptrolle die der Kassandra, 
dem T'ritagonisten zugeschrieben. Wer weiss aber nicht, 
dass τριταγωνιστεῖν als verüchtlich bezeichnet, und der 
τριταγωνιστὴς als ein gemeiner Schauspieler genannt 
wird, der sich dem Hauptschauspieler zu verdingen pflegte ? 
S. Demosthenes von der Krone, $..202., S. 314., 
Reisk. und. Plutarch praec. polit. S. 810. F. —Viel- 
mehr würde man Kenntniss der Sache wahrnehmen, wenn 
diesem τριταγωνιστὴς die Rolle des Agamemnon, die 
wir dem πρωταγωνισεὴς beigelegt sehen, gegeben γα, 
Das zeigt Demosthenes de. faísa.leg. δ. 247. S. 418. 
Reisk. ἴστε γὰρ δήπου τοῦϑ' ὅτι ἐν ἅπασι τοῖς δρά- 


114 AESCHYLOS 


μασι τοῖς τρἀγιχοὶς ἐξαιρετόν ἐστιν ὥρπερ γέρας 
τοῖς τριταγωνισταῖς τὸ τοὺς τυράννους καὶ τοὺς 
τὰ σχῆπτρα ἔχοντας sleéroi. — [Fragt man woher 
dieser sehr arge lrrthum Herrn Müllers komme, so 
zeigt sich, dass er sich begnügte aus dem  Pel- 
lux zu schópfen, der IV. 124. von den drei Thüren 
schreibt: 5 μέση μὲν βασίλειον ἢ σπήλαιον ἢ olxoc 
. ἔνδοξος ,ἢ πᾶν τὸ πρωταγωγιστοῦν τοῦ. δράματος" 
ἡ δὲ δεξιὰ τοῦ δευτεραγωνιστοῦντος καταγώγιον" ἣ 
δὲ ἀριστερὰ ἢ τὸ εὐτελέστατον ἔχει πρόφςωπον ἢ ie- 
ρὸν ἐξηρημωμένον ἢ ἄοικός ἔστιν. Aber Pollux ge- 
braucht diese Namen von dem Range der in dem Schau- 
spiel vorkommenden Personen, nicht von den Haupt- 
und den Nebenrellen.] 

Bei der Klytümnestra heisst.es S. 111.: ,,Ohne 

134,,Zweifel sieht man die entblósste Brust, die sie, nach 
,e0inem Zuge der Sage, den die Poesie und die Kunst 
»gleichmüssig festhalten * (hierzu sind viele Citate gege- 
ben), ,,dem Sohne, der sie morden wollte, hinhielt, und 
über dieser, mehr am MHalse, den blutigen Streif der 
,WMWunde.4 Die Wunde sieht man allerdings: Klytümne- 
Stra zeigt ja darauf, Aber was .soll.die entllósste Brust, 
die sie dem Sohne zeigte, als er sie ermorden wollte, 
hier, wo sie schon lüngst ermordet ist? Das würde ganz 
abgeschmackt seyn. In die Choephoren gehórt das, umd 
auch dert nur für einen Moment. 

Von der.Pallas lesen wir S. 112.: ,,Athena hat 
bei ihrer Fahrt über das Meer die Aegis, wie sie selbst 
»sagt (382.), wie ein fSegel in der Luft sausen lassen, 
Dies Aegis-Segel hat aber, mach Aeschylos kühner 
,Erfindumg, eimem mit Rossen bespannten Wagen gleich- 
5am zur Schwinge gedient, auf welchem Athena, wié 
die Worte des:Dichters besagen, hereinführt. "Wie Ae- 
5chylos, der an'der Einführung auffallender Gestalten 
ein besonderes. Gefallen fand, dergleichen eingerichtet, 
üarüber w&re es zwecklos, weitere Vermuthungen auf- 
,zustellen.* ^ Das. dürfte denn. doeh nicht so  zwecklos 
seym, da die gepriesene kühne Erfindung. eines gleichsam 


EUMENIDEN, 175 


noch mit einem Segel versehenen, mit Pferden bespeun- 
ten Wagens, der in den Lüften kommt, etwas bedenk- 
lich aussieht. - Der peflügelte Wagen im Prometheus und 
der vierfüssige Vogel in eben diesem Stücke konnten 
recht wohl aus der Luft herabgelassen werden: aber ein 
Wagen mit nachgemachten Pferden móchte doch einen 
sehr unbeholfenen Anblick gegeben haben, und würe doch 
immer eine viel umstándlichere Vorrichtung gewesen, als 
die Sache bedurfte. Dass aber die Güttin gar dem Wa- 
gen noch mit der Aegis nachhelfen soll, scheint nicht 
sowohl eine kühne, als eine 'abgeschmaekte Erfindung zu 
seyn, die den kráüftigen Pferden micht eben zum Lobe 
gereicht, ja lücherhch werden müsste, wenn man steif- 
beinige Rosse aus der Luft herabschweben she, und nun 
freilich begriffe, dass Pferde mit unbeweglichen Füssen 
ohne ein Segel nicht von der Stelle kónnten. Soll man 
aber die Pferde, wie doch Herr Müller annehmen muss, 
als wirklich ziehend denken, so scheint wenigstens sei- 
ne Uebersetzung, in weleher die Güttin dem Winds- 
gebraus die Aegis bietet, die Sache beinahe unmóg- 
hch zu machen. Denn da ein dem Winde bloss gebo- 
tenes Segel von der entgegenstrómenden Luft, dafern die 
Pferde nicht faul sind, aufgeblüht wird, so wird der Wa- 
gen hicht mit dem Winde ; sondern gegen den Wind 
fahren, und: das aufgespannte Segel die Fahrt 1üicht be- 
schleunigen, sondern hemmen. Die Sache wird noch lu- 
stiger; wenn man die Verse selbst betrachtet: 


ἔνϑεν διώχουσ᾽ ἦλθον ἄτρυτον πόδα, | 135 
πτερῶν ἄτερ δοιβδοῦσα κόλπον αἰγέδος» 


3 » 


πώλοις ἀἄχμαίοις τόνδ᾽ ἐπιζεύξαο᾽ ὄχον. 
ον dort nun lenk? ἑοἢ unertnüdbar meinen 


Fuss, .. 

Dem Windsgebraus die Aegis bsetend. schwin- 
genlos,. 

,Da starke Füllen diesem JFagen vorge- 
scherri, 6 


In dem Original geht ; fliegt und führt die Góttin; 


M6 AESCHYLOS 


in der Uebersetzung geht und fliegt sie, weil der Wagen 
mit starken Pferden bespannt ist. Hier ist doch wahr- 
haftig eins so abenteuerlich wie das andere. —Dergleichen 
ist dem Dichter nicht eingefallen, — Hátte er die Güóttin 
auf einem Wagen kommen lassen, so hütte er. nicht διωώ- 
xovd ἄτρυτον πόδα hinzugesetzt, weil das einen Wi- 
derspruch giebt. Auch hütte er die Góttin nicht noch 
mit der Áegis rudern lassen, wenn sie von den reissend 
schnellen Gütterpferden gefahren würde, weil das licher- 
lich gewesen wáre, Endlich hütte er auch nicht zve- 
ρῶν ἄτερ gesagt, weil diese Worte nur dann einen Sinn 
haben, wenn die Pallas nicht iu einem Wagen getragen 
wird, sondern auf eine solche Weise kommt, bei der 
man eigentlich Flügel nóthig hat. Pauw sah das ein: 
unglücklich aber ist sein Gedanke, πώλοις ἀκμαίοις 
οὐχ ἐπιζεύξασ᾽ ὄχον zu schreiben. Denn hatte Pallas 
Schon gesagt, wie sie gekommen würe, so war es un- 
nütz zu sagen, wie sie nicht gekommen wáre. Das 
Wahre hat Wakefield gefunden, χώλοις ἀχμαίοις τόνδ᾽. 
ἐπιζεύξασ᾽ ὄχον. Denn nicht nur die Sache selbst zeigt, 
dass Pallas durch die Lüfte geschritten ist, und sich da- 
bei, ohne Flügel zu haben, der Aegis statt Schwingen 
bedient hat; sondern auch das Verbum selbst, welches 
ἐπιζεύξασα9 nicht, wie bei Pferden, ὑποζεύξασα ist, 
weist deutlich auf ein oben angebrachtes Vehikel, das 
die Bewegung der Füsse beschleunige, hin. 

Die zweite Abhandlung, welche mehr als nech. ein- 
mal so lang ist, führt den allgemeinen Titel: Ueber den 
Inhalt und die Composition der Eumeniden.  lhre erste 
Abtheilung ist überschrieben: Politischer Gesichtspunkt ; 
und hiervon wieder der erste Abschnitt: Innere Verhált- 
nisse, In der Darstellung dieser Verhültnisse wird wahr- 
scheinlich gemacht, dass die von Diodor unter Olymp. 
80, 1. erzühlte Beschrünkung der Gerichtsbarkeit des 
Áreopags durch, Ephialtes noch nicht kónne zu der Zeit, 
als die Trilogie des Aeschylus gegeben wurde, Olymp. 
80, 2. durchgegangen gewesen seyn. Der Streit, ob 
der Blutbann dem  Áreopag durch diese Beschrünkung 


EUMENIDEN, 177 


enizogen worden sey, solite als entschieden angesehen 
werden, da die unwidersprechlichsten Zeugnisse beweisen, 


dass dieser Theil der Gerichtsbarkeit zu allen Zeiten 


unangetastet geblieben ist, wie er denn auch das We- 
sentlichste dieses Gerichts war. — Auch ist das von den 
meisten Gelehrten anerkannt worden, die der von Herrn136 
Müller selbst angeführte K. Fr. Hermann in seinem Lehr- 
buche der griechischen Staatsalterthümer $. 109. nam- 


: haft macht. Herr Müller indess tritt, wie zu. erwarten 


war, auf Herrn Bóckhs Seite, und, wie diesem, muss 
auch ihm die bekannte Stelle des Lysias sich wohl 
oder übel fügen. Da diese Sache schon hinlünglich be- 


-Sprochen ist, so genügt es, den neuen Grund zu betrach- 


ten, den Herr Müller vorbringt, welcher, wie er sagt, 
wohl eine eben so grosse Ueberzeugung, als irgend ein 
historisches Datum gewührt. Er besteht darin, dass ja 
die unverkeunbare Absicht des Aeschylus sey, den Áreo- 
pag gerade im Besitz des Bluthannes zu schützen. "Es 
bedarf nur eines unbefangenen Blickes und einer gesun- 


— den Logik, um einzusehen, dass t nur dieser Grund 


nichtig ist, sondern auch Aeschylus vielmehr die entge- 
gengesetzte Meinung bestütigt. Von einer andern Sache, 
als vom Gerichte über Mord, kam in der Sage vom Orestes 
nichts vor. Brachte daher der Dichter diese Sache auf die 
Bühne, so konnte er nichts anderes als den Blutbann behan- 
deln, Ephialtes mochte diesen Blatbann selbst, oder bloss an- 
dere Rechte des Areopags beschrünken wollen. Was 
in der Beschaffenheit des Stoffes nothwendig gegründet 
ist, kann nur in sofern ein Zeichen der Absicht des 
Dichters seyn, in wiefern er überhaupt diesen Stoff wühlte. 
Nun aber musste Áeschylus, wenn er den Áreopag auch 
nicht gegen Angriffe auf dessen Blutbann, sondern bloss 
gegen Beschrünkungen anderer' Rechte in Schutz nehmen 
wollte, dennoch diesen ΘΟ wáühlen, nicht nur weil er 
die Einsetzung des Áreopags betraf, sondern auch weil 
in den Mythen kein Stoff vorhanden war, der jene an- 
dern Rechte dieses Gerichts betroffen hütte. — Würe nun 
aber seine Absicht die von Herrn Müller ihm untergeleste 
Hrnw. Or. VI. M 


178 AESCHYLOS. 


gewesen, den Bliutbann des Areopags ru vertheidigen, so 
würde er doch irgendwo diesen Theil der areopagitischen 
Gerichtsbarkeit hervorgehoben, und als den bezeichnet 
haben, der, als nothwendig zum Wesen dieses Gerichts 
gehórig, am allerwenigsten aufzehoben oder eingeschrünkt 
werden dürfte, Das hat er aber nirgends gethan, son- 
dern vielmehr .scheist er das Bestehen des Blutbanns, 
als etwas, das sich von selbst verstehe, vorauszusetzen, 
und lisst die Pallas V. 660—676. nur theils überhaupt 
darauf dringen, dass keine Nemerunpen gemacht werden, 
theils sehr merklich auf Entriehumg anderer Rechte, als 
des Blutbanns, hinweisen, besonders durch die in dieser 
Hinsicht sehr bedeutungsvollen Verse; | 


τὸ μὴ δ᾽ ἄναρχον, μηδὲ δεσποτούμενον 
ἀστοῖς περισεόμουσι βουλεύω σέβειν, 
καὶ μὴ τὸ δεινὸν πᾶν πόλεως ἔξω βαλεῖν. 


137FEolglich beweist Aesohylus nicht für, sondern gegen Hrn. 
Müller. Beilinfg mag "bemerkt werden, dass Clinton im 
der Note S. 118. wohl mit Unrecht getadelt ist, weil 
er mit dem Plutarch im Cimon K. 10. 17. annehme, 
dass Cimon oder die Athener zweimal den Lacedümoniern 
zn Hülfe gekommen seyen, indem diess gewiss Bur eine 
Verdoppelung derselben Begebenheit sey, wie man aus 
Thucydides ἢ. 102. schliessen milese, — Vielmehr scheint 
Thucydides die erste Hülfsleistung, die ven karzer Daner 
war, und, wie man aus dem wunabestimmten Ausdrucke 
μετὰ πολλῶν ὁπλιτῶν abnehmen kann, mit nicht grow 
sen Streitkrüften ausgeführt wurde, ganz übergangen zu 
haben. 

In dem zweiten, die &ussern Verháltmisse betreffen- 
den Abschnitte, wird von dem Bündnisse mit Árgos wnd 
der auch in andern Tragódien sichtbaren Gesinmung des 
Dichters für diesen Staat weitliuftig sesprechen. — Bei 
dieser Gelegenheit wird S. 122. die Strophe in dem 
Schutzfehenden V. 679—684. nach muthmasslichem 
Verbesserungen auf eine Weise corrigirt, die sehr pe- 
walsam, dem Sinne nach matt, und der Sprache zuwi- 


EUMENIDEN, 119 


der íst. Dos Wahre liegt nüher, wenn mam es zn fin- 
den weiss, m 
Eine zweite Abtheilung mit der Ueberschrift: Rechts- 

goorüncte nnd Ideen, handelt im erhten Abschnitte von der 

lutrache und Verfolgung des Mórders. Hier wird in 
einer neuen Unterabtheilung in dem ersten Theile von 
der Pflicht,der Blutrache in Athen und in àülterer Zeit 
ausführlich gesprochen; in einem zweiten die Pflicht des 
Orestes nach dem Zusammenhange dep Sage betrachtet; | 
und in einem dritten die Lage des flüchtigen Mórders 
geschildert. Da hier das Bekannte ansiührlich zusam- 
amengestellt ist, 5o begnügt sich Becensent nur das günz- 
liche Misverstehen einer Stelle in den Choephoren V. 
272—294., die zugleich metrisch übersetzt ist, bemerk- 
bar zu machen, über welche in der Note S. 131. ge- 
sagt wird: ,,Zu dieser Üebersetzung ist nur zu bemer- 
ken,dass im Anfange die χρήματα der Person (αὐτὸς τῇ 
ψυχῇ) entgegengeseizt werden. Die χρήματα gehen ' 
S,dadnrch verleren, dass Apell das Volk ajle Früehte als 
»ο»μειλίγματα iemdlicher Dàümosen darzwbringen nbthigt 
»U. 8. W.  Mermach schreibe ich V. 292.: δωμῶν 7 
υ»ἀπείργει»ν oOx ὁρωμένην πατρὸς Mijviy δέχεσθαι, 
ῳτοῦ vs συλλύειν τινά, und erklire: μῆνεν ἀπείργειν 
βωμῶν, — náümlich (ὡς) δέχεσθαι τινα. αὑτοὺς εἰς 
βωμούς, --- τοῦ τὸ συλλύειν τινὰ αὐτοῖδ. “Συλλύ- 
pA τενὺ 8. V. 8. σύν τεγι καταλύειν. Wie bei Pindar 
»Avcig für κατάλυσις.“5  Diess ist alls img, mad die 
vorgeschlagene Veründerung giebt eie sehr schwerfüllige 
Construction; auch sagt man nicht δέχεσθαι slg βω- 
μούς. Die Uebersetzung lautet so: 


» Durch Minderung an Gitern 5011} ch schwer138 
gesiraft — "y 

»Und selbst. aw lieben Leben mannmigfache 
Lei. 


»Trostioses, tragend, büssen drum , 80 droht 
er mm. 


M2 


180 AESCHYLOS 


Dena eon der Erdfrucht werde se& Gebot 
das Volk 

»Sühnopfer spenden. heissen; Krankhest. aber 
4228 0007 

Verzehren, Aussatz, der mit «ldem  Frass 
vom Fleisch | 

Fortwuchert, und des alten Ansehns Schóne 
tilgt 

"Dass weiss: hervortritt. aus dem Srechthum 
das Gesicht. 

»Noch andern dngriff der Erinnyen bündef 


er 


3 
»Der aus des Vaters. ungerochnem Blut er- 
wüchst, 
»JIVenn ich «m. Dunkel. seine Augen leuchMen 
seh. fe 


Es ist kaum móglich, eine Stelle so . miszuverste- 
hen, wie hier geschehen ist. Ausser dass χόρσαι zum 
Gesicht gemacht, und in dem letzten Verse die Augen 
des Verbrechers, diess freilich mit andern Erklürern, ge- 
gen die des Ágamemnon ausgetauscht sind, bedeutet auch 
ἀποχρημάτοισι ζημίαις nicht das, was Herr Müller dar- 
in findet, und τὰ ἐκ γῆς sind nichts weniger als Feld- 
früchte, so wie auch Aeschylus nicht daran gedacht hat, 
diese Worte zu verbinden. Der Vers, mit dem die Ue-. 
bersetzung anhebt, gehórt zu den vorhergegangenen Ver- 
sen, und wenn der Dichter sagte: 


τρόπον τὸν αὐτὸν ἀνταποχτεῖναι λέγων, 
í | 
ἀποχρημάτοισι ζημίαις ταυρούμενο»» 


so liess er den Orestes Folgendes sprechen: ,,Apollo 
befahl mir, die Mórder des Waters auf gleiche Weise 
zu iódten in Entrüstung wegen des mir entzogenen vü- 
terlichen Erbes.4 Das ist V. 299. in χρημάτων ἄχη-- 
víc wiederholt. Und wenn bald darauf fertgefahren wird ς 


τὰ μὲν γὰρ ix γῆς Óvegoóvov μειλίγματα 
βροτοῖς πιφαύσχων εἶπε, τας δὲ τῶν νόσους, 


EUMENIDEN, ὁ al 


(denn τῶν ist statt vq» zu lesen), so ist der Sinn da- 
von dieser: theils verkündigte er den Menschen die Süh- 
nungen der unter.der Exde Zürnenden, theils jenen (dem 
Méórdern) die Krankheiten, und das Uebel, das sie tref- 
fen würde. Der Vers, welcher in der Uebersetzung der 
letzte ist, steht offenbar an der unrechten Stelle. Eine 
eufmerksame Betrachtung hátte den Kritiken Zeigen kün- - 
nen, wo er hingehórt: 


τὸ γὰρ σχοτειγνὸν τῶν ᾿ἐνερτέρων βέλος uN 
ἐκ “προρτρρπαίων' ἐν γένει πεπτωχότων, 

καὶ λύσσα καὶ μάταιος, ἐκ γυχτῶν φόβος 

| ὁρῶντα λαμπρὸν ἐν σκότῳ νωμῶντ' ὀφρὺν ᾿ 
χιγεῖν ταράσσει. 


Endlich die in der" Note von Herrn Müller behandelten 
Verse waren lüngst richtig so emendirt: 


βωμῶν T ἀπείργειν οὐχ ὁρωμένην πατρὸς 139 
μῆνιν" δέχεσθαί τ᾽ οὔτε συλλύειν τινά. 


Weiter wird S. 131. f. ausführlich von Pylades 
gesprochen, durch welchen nach einem schónen Zuge der : 
alten Sage die Einwirkung des Apollo auf den Orestes 
dargestellt sey. — Dieser Zusammenhang .der alten Sage 
sey dem Aeschylus. noch vólig klar gewesen, der ihn 
dem denkenden Zuschauer in den Choephoren auf eine 
geistreiche und tiefe Weise einpráge, indem er den sonst 
stunmen Pylades bloss in dem Augenblicke, wo Orestes, 
von den Bitten der Mutter erweicht, den Mord zu voll- 
ziehen zaudert, sagen lüsst V. 887.: ,Wo bleiben 
denn wohl (ποῦ δῆτα λοιπὰ) Loxias Verkündi- 
gungen, die Sprüche Pythos, wo der Schwüre 
heilge Treu! zieh du die Feindschaft Aller 
der der Gótter vor! Offenbar werde hier Pylades 
als Mahner an Apollo eingeführt. ^ Becensent ist profan 
genug, überzeugt zu seyn, dass, so wenig ποῦ δῆτα Àoi-- 
zd, wo bleibt.denn wohl, Griechisch ist, so wenig. 
auch Aeschylus oder ein denkender Zischaner am so 
moderne Subtilititen gedacht babe, wie Herr Müller hier 


182 '" A AESCHYLOS. 


ausgesonnen hat. Euripides war doch auch ein denkem- 
der Mann, und ganz besonders zu: Philosophemen ge- 
meigt, und wahrscheinlich auch unter dem Zuschauern bei 
der Auffübrang der Choephorem gewesen: aber er scheint 
nichts von solchen Dingen genhnet zu haben. Dafür wird 
ihm demn freilich der Vorwurf, dass er diesen schómen 
Zusammenhang verdorben habe, indem er den Pylades 
nach der Ermerdung der Klytümnestra von der Heimath 
verbannt werden liess,, Nun das würe doch wenigstens 
ein Zeichen, dass auch andere Leute in Athen nichts von 
diesem Zusammenhange wussten, und also auch die Ver- 
derbung desselben sich unbedenklich gefallen liessen. Aber 
worin besteht denn nun dieser gerühmte Zusammenhang? 
In Folgendem: Pylades, dessen Name wahrseheinlich auf 
die Vólkerversammlung Pylia in Delphi deutet, ist ein 
Sohn des Strophius und Enkel des Krisus; Krisa aber 
die Stadt, in deren Gebiet nach der üchten Darstellung. 
im Homerischen Hymnus ursprünglich das Heiligthum 
des Apollo lag; in Krisa wohnt Orestes als Verbannter; 
von lüer begleitet ihn ,,znr bestündigen Erinnerung an 
' die obliegende Pílicht, gleichsam als ein Diener des Got- 
tes, ^ der Enkel des Krisus Pylades, : — Das ist nun 
der Zusammenhang, der dem Aeschylus noch vóllig klar 
wesen, und von ihm dem denkenden Zuschauer auf 

je angegebene geistreiche und tiefe Weise soll einge- 
prügt worden seym,  Fragt man sich, was eigentlich da» 

. mit gesagt sey, so findet man folgenden Sohluss: weil 
Orestes in. Krisa als Verbannter lebt, Krisa aber das 
ursprüngliche Heiligthum des Apollo ist; só ist der En- 
140kel des Krisns, Pylades, für den Orestes ein Mahner an 
die Pffcht und gleichsam ein Diener des Apollo, In die- 
sem Schlasse ist aber kein Sinn. Denn aus den vor- 
dera Sützen folgt weiter nichts, als dass Pylades, als ein 
Enkel des Krisus, wahrscheinlich anch in Krisa gewohnt, 

᾿ und vermuthlich also mit dem ebendaselbst sich aufhal- 
fenden Orestes Bekanntschaft gemacht habe, Sollte der 
 Sehluss wenigstens einige DBlündigkeit haben, so durfte 
das fehlende Mittelelied nicht weggeleseen, und hintesher 


EUMENIDEN. — 185 
erst als die klare Einsicht eines Zusammenhanges, der, 


weil er kein Zusammenhang ist, niemanden klar seyn 
kann, aufgeführt werden: sondern es musste so heissen: 
weil durch den Aufenthalt des Orestes in Krisa ange- 
deutet wird, dass er auf Geheiss des Apollo handle; der 
Krisüer Pylades aber bei dem Aeschylus ihn an den Be- 
fehl des Apollo erinnert; so ist Pylades gleichsam als 
ein Diener Apollos anzusehen.  Áber auch dieser Schluss 
steht auf sehr schwachen Füssen, und die dem Aeschy- 
lus angedichtete Einsicht in. den Zusammenhang der Sage 
verschwindet ganz, wenn dieser Zusammenhang erst der 
Stelle des Aeschylus bedarf, um nur ein Zusammenhang 
zu werden. Es ist nun moch einiges amdere zu betrach- 
ten. Dass Orestes in Krisa gewohnt babe, wird mit 
den Worten des Chors in. der Elektra des Sophokles V. 
181. bewiesen: ὃ τὰν Κρῖσαν βουνόμον ἔχων ἀκτάν. 
Diese Nachricht würde an sich wenig Beweiskraft haben, 
da diese Worte, der Dichter mag so, oder, wie der, 
Scholiast gelesen zu haben scheint, ó Αρισαίαν ge- 
Bchriebem haben, auch eine poetische Bezeichnung von 
Phocis überhampt seyn künnteu: aber.sie wird dadurch 
bestitigt, dass die sehr amsgebreitete Sage den Orestes 
bei dem Strophius erzogen werden isst, welcher ein 
Sohn des Krisus war. Wenn sber nwn Herr Müller S. 
132. schreibt: ,JUebrigens ist wohl klar, dass Homers ' 
Schweigen vom Orestes Aufenthalt i» Krisa (Od. III. 
»307. nach der gewühnlichen Lesart) michts gegen das 
,,Alterthum der Sage beweist, indem sich dort mieht 
leicht Jemand überreden wird, Pylades sey eine spüter 
,;rfundene Person: so ist das ein Machtspruch, den 
er des schónen Zusammenhanges der Sage wegen, denn 
er entdeckt hat, thut. Denn warum soll man sich den 
nicht überreden, dass die Sage, der Homer folgte, üker 
ist? Er kisst den Orestes dz? ᾿49ϑηνάων kommen, 
Die Scholiasten aber sagen ausdrücklich, die Neuern lies- 
sen ihn sichin Phocis bei dem Strophius aufhalten : wesshalb 
Zenodotus ἀπὸ «Φωχήων sohrieb. Noch seltsamer ist 
Herm Müllers Note za seimen obigen Worten: ,,Bei 


184 | AESCHYLOS 


Pacuvius (Servius ad Aen. IV, 473.) war es Pylades, 
»Welcher den Orestes, zum Schutz gegen die KErinnyen, 
,in den delphischen. Tempel führte. . Sehr merkwür- 
dig ist auch, dass in der Sage von Aristodemos Tode 
141, (Pausan. III. 1, 5.) die Sóhne des Pylades und der 
Gott Apollon einander gleich gesetzt werden. ^ Was 
kann wohl die Stelle des Servius anders beweisen, als 
dass Pacuvius, vermuthlich wie sein griechischer Vorgün- 
ger, es dem Plane seiner T'ragódie angemessen fand, 
den Orestes auf den Rath des Pylades sich in den Tem- 
pel des Apollo flüchten zu lassen? Krstaunen aber muss 
man über die angebliche Gleichsetzung der Sóhne des 
Pylades. mit dem Apollo. .Pausanias erzühlt, dass die, 
welche die Sache wunderbarer darstellen wollten, den 
Áristodemus vom Apollo tódten liessen; die wahrhaftere 
Sage aber nenne als dessen Mórder die Sóhne.des Py- 
lades und der Elektra. Nach solcher Logik ist überall 
Gleichsetzung, wo.dieselbe That verschiedenen Urhebern 
zugeschrieben wird. Was soll nun.also die ganze Note 
beweisen? Wie es scheint, das, dass Pylades keine spü- 
ter erfundene Person sey. Das beweist sie aber nicht, 
und auch wenn sie es bewiese, wird dadurch das hohe 
Alter der Sage von dem: Aufenthalte des Orestes in 
Krisa noch nicht erhártet. — Denn da.die Dichter, die 
die Bestrafung der Klytümnestra und was damit zu- 
sammenhüngt, hehandeln wollten, doch den Orestes irgend- 
woher kommen lassen mussten, so war das natürlichste,. 
ihn i der Fremde bei.einem Verwandten sich aufhalten. 
zu lassen: wozu niemand bequemer war, als Strophius, 
sey es, dass dessen Ehe mit der Schwester des Aga- 
memnon schon in Sagen gegeben war, oder dass man 
Sie .erst erfand, weil eine Sage von einem Freunde des. 
Orestes, Pylades, auf den Sohn des Strophius führte. 
Daher haben woehl die Homerischen Scholiasten ganz 
recht, wenn sie den Aufenthalt des Orestes bei dem 
Strophius den Neuern beilegten. Was Herr Müller noch 
Sonst sagt, dass ,,ohne Zjweifelé^ Sophokles einen alten 
Zug der Sage durch das, was er.vom Phanoteus berich- 


EUMENIDEN. n 185 


tet, aufbewahrt habe, ist von ihm schon in den Góttin- 
ger gelehrten Anzeigen 1831., No. 101. S. 1004. be- 
stimmter, doch nicht. durchgángig richtig, in folzenden 
Worten vorgetragen: ,,Phanoteus ist der ἥρως ἐπώνυ- 
μος der yhokeischen Stadt Phanoteus oder Panopeus, 
und wie diese Stadt mit Krisa, in dessen Gebiet Del- 
phi lag, so wurden auch Phanoteus und Krisos als: 
leindselige Brüder dargestellt. — Wáhrend nun Krisos 
»Sohn Strophios und Enkel Pylades immer als Freun- 
de des Agamemnonischen Hauses und der hinterlasse- 
nen Kinder erscheinen, ist es ganz angemessen, dass 
Klytimnestra sich ihre Bundesgenossen (δορυξέγους) 
bei dem feindlichen Geschlecht des Phanoteus suche, 
üer freilich selbst in der Zeit, in welcher die Elektra 
Spielt, schon als ein sehr greiser Held gedacht werden 
Uuss, Und so finden wir eine ausnehmend feine An- 
,wendung mythologischer Gelehrsamkeit darin, dass die 
,Eremdlinge, welche Orestes Asche bringen, sich der 
Klytümnestra als von Phanoteus, der Elektra aber als142 
Yon Strophius gesandt ankündigen, indem sie gerade 
,,dlann auf die wohlwollendste Aufnahme rechnen kónnen.* 
Im Ganzen ist diese Bemerkung sehr gut, und das al- 
lerdings wahr, dass es mythologische Gelehrsamkeit be- 
weise, wenn Sophokles den Phanoteus und Strophius als - 
verschieden gesinnt unterscheidet. ^ Auch das ist wahr, 
dass der Name des Phanoteus der Klytümnestra, der des 
Strophius hingegen der Elektra willkommen erscheinen 
muss. Dennoch wird die Schwierigkeit, welche die Nen- 
nung verschiedener Namen den Interpreten gemacht hat, 
wenn man, wie Herr Müller thut, annimmt, dass die- 
Abgesandten mit Rücksicht auf die Person, mit welcher 
sie sprechen, einmal den Phanoteus, ein andermal aber 
den Strophius nennen, eher vergróssert als beseitigt. 
Denn als Orestes der Elektra V. 1110. sagt: ἀλλά uot 
γέρων ἐφεῖτ᾽ ᾿Ορέστου ΣΣερόφιος ἀγγεῖλαι πέρι, weiss 
er noch. nicht, dass er mit seiner Schwester spricht; noch 
nicht, ob er den Strophius nennen darf, wenn er be- 
fürchten muss, mit jemand von der Partei der Klytimne- 


A86 AESCHYLOS 


Bira zu sprechen; ja er darf überhaupt, wenn er den 
von ihm selbst im Prolog angegebenen Plan micht unbe- 
dachtsam zerstóren will nicht etwas anderes sagen, als 
was bereits der Klytümnestra berichtet worden ist, und 
zwar um so weniger, da er eben unmittelbar vorher der 
Elektra geheissen hat, dem Aegisthus zu melden, dass 
Leute aus Phocis da sind; indem mun gleich Aegisthus 
wissen musste, dass es die vom Phanoteus abgeschickten 
würen. Die Schwierigkeit lóst sich folgendermaassen, 
Auch Sophokles folet der Sage, welehe dem Orestes vom 
Strophius erzogen werden, und bei diesem sich aufbhal- 
ten lüsst, wohin ihn Elektra geschickt hatte (V. 13490. 
ff.) um ihn vor den Nachstellungen der Mutter wad des 
Áegisthus zu sichern. Soll also seine Asche gebracht 
werden, 80 muss diese vom Strophius kemmen, Der 
Nachricht aber, die Strophius von dem Tode des Ore- 
gtes geschickt hütte, würde Klytümmestra nicht getrant 
haben, und gegen den Abgesamdten amf ihrer Hut gewe- 
sen seyn. Darum macht Orestes seinen Plan so, dass 
der Freund der Klytimmestra und des Aegisthus, der 
ebenfalls in Phocis wohnende Phanoteus, ala er denm Tod 
des Orestes erfahren habe, gleich Botschaft schicke, welche 
die mit dem Ueberbrimger der Asche beauftragten Máünner 
ankündige. Nun kónnen diese, die nicht vom Phanoteus, 
sondern vom Strophius kommen, unverdáchtig eintreten. 
Darum sind mun auch zu beiden Geschüften verschiedene 
Personen gewáhl. Der Püdagog kommt mit der Todes- 
botschaft vom Phanoteus; Orestes und Pylades kommen 
mit der Ásche vom Strophius (ἄνδρες «ῬΦωχέων τετα- 

143γμένοι, V, 759.), und erst als Orestes und Elektra ein- 
ander erkannt haben, tritt der Pádagog aus dem Palla- 
ste heraus, und mahnt zur Vollbringung der That. 

- Sehr scharf, aber sehr ungerecht, tadelt Hr. Müller 
in dem folgenden $. mehrere Stellen im Orestes des Eu- 
ripides, Wer die Stellen nachschlagen will, wird finden, 
dass schon die genommene Wendung den gróssten Theil 
des Tadels aufhebt, Und überhaupt lásst sich gar vie- 
les sur Vertheidigung des Euripides sagen: doch theila 


EUMENIDEN. 187 


würde diess ener sehr langen Auseinandersetzung bedürfen, 
theils steht es nicht in nüherer Beziehung auf das Stück des 
Aeschylus. Daher übergeht Recensent dieses, wie noch 
gar manche Dinge von ühnlicher Beschaffenheit. 

. . Bei der folgenden weitlüuftgen und hinlünglich be- 
.kanntes enthaltenden Schilderang der Lage des flüchti- 
gen Mürders mag nur bemerkt werdeu, dass die Leser 
leicht táuschen kónne, was S. 134. ff, von Iliad. XXIV. 
482. gesagt wird: ,,Die alten Scholien hatten vor sich: 
οἀνδρὸς ἐς AI'NITEGQ, wie die Erklárungen: ἀπέρ- 
οχεται πρὸς τὸν ἁγνίσοντα, und: τὸν δὲ χαϑαίροντα 
» xai ἁγνίτην ἔλεγον, klar beweisen. Denn dass sie 
,diess nicht etwa bloss aus dem Küntreten in das Haus 
..,8chliessen, geht daraus hervor, dass sie den angeblichen 
,Anachronismus hervorheben, indem ihnen die sonst 
in Homer nicht so klar ausgesprochene Bezeichnung des 
,;ühners an dieser fStelle auffiel, — iie vergleichen daher 
,3die Stelle Zoys σάλπιγξ, wegen der anachronistischen 
,Erwühnung der Trompete.  Diess is& irrig. Schon 
das xoi in den angeführten Worten zeigt, dass die Be- 
. merkung über ἁγγνίτης bloss beiliufig gemacht ist, — Án 
einen .Ánachronismus konnten die Scholissten gar nicht 
denken, da die Sühnung in der Fremde uralt, und mehr- 
mals bei dem Homer deutlich erwühnt ist, Die Worte 
des Scholiasten; ἴσως δὲ ἀναχρονισμός ἔστιν, ὡς τὸ. 
ἔαχε σάγπιγξ, gehórem zu V. 476. S. den kleinern 
Sicholiasten dort, und Athenüns Y. p. 12. A. B. [*We- 
gen der im Homer angenommenen Blutsühne, bei der 
mich mein Gedüchtniss getánscht hat, bin ich mit Grund 
von Hrn. Müller S. 19. des Anhangs pgetadelt worden.] 

Es folgt S. 130. ein zweiter Abschnitt, der in drei 
Unterabtheilungen über Mordsühne und Reinigung im All. . 
gemeinen, über den Unterschied der hilastischen und ka- 
fhartischen Gebrünche, und über des Orestes Reinigung 
eine sehr weitlànftire und wortreiche mythologisch - anti- 
quariséhe Vorlesung entháült, in welcher die Ausführung, 
dass die ϑεοὶ μειλίχιοι unterirdische Gótter seyen, Aus- 
xeichnung verdient. Denn in den Geschichten Helleni- 


.188 . AESCHYLOS 


scher Stimme, L S. 160. war der Ζεὺς μειλίχιος für 
einen Heerdengott angesehen worden. .Ám Ende dieses 
Abschnittes wird S. 150. ff. die Frage berührt, warum 
die Furien den Orestes, auch nachdem er sich mannig- 
fachen Reinigungen unterworfen hat, doch immer noch 
l44verfolgen. Herr Müller meint, diese Schwierigkeit kónne 
nur durch Unterscheidung der kathartischen und hilasti- 
schen Gebrüuche genügend gelóst werden: die letztern 
seyen wahrscheinlich in der Regel an die Stütte, wo der 
Mord verübt worden, und das Grab des Krschlagenen 
war, gebunden gewesen; daher erwühne auch Aeschylus 
nirgends die hilastischen Gebráuche, sondern halte sich 
bloss an die kathartischen. — Wahr ist diess allerdings: 
doch ist die Lósung der Schwierigkeit von Hrn. Müller 
nicht ganz klar ausgesprochen worden, indem doch noch 
immer die Versóhnung der Mutter an ihrem Grabe zu 
fehlen scheint. Denn dass der Groll der Mutter durch 
die Erinys dargestellt werde, genügt nicht, wo die letz- 
tere als eine von der erstern unterschiedene Person auf- 
tritt, Es ist daher nóthig einen andern, und zwar den 
Weg einzuschlagen, der relipósen Dingen eigenthümlich 
is, dass man nur nach dem íragt, was geglaubt wird. 
Eigentlich sollte der Geist der Ermordeten versóhnt wer- 
den, damit die Verfolgung der Furien aufhórte: aber die 
Sage erzühlt, die Furien hütten.den Orestes verlassen, 
nachdem ihn der Areopag von der Schuld losgesprochen 
hatte. —Folglich bedurfte es bei dieser. Gestaltung der 
. Sage keiner hilastischen Opfer. 

Es folgt ein dritter Abschnitt, die Gerichte über 
Blut und das gerichtliche Verfahren betreffend, in wel- 
chem ebenfalls in Unterabtheilungen erst über die Atti- 
schen Gerichte nnd Mahlstütten, sodann über das ge- 
richtliche Verfahren. bei dem Aeschylus gesprochen wird. 
Sehr gut ist, was über die Epheten und über die. auf 
religiósen Gründen beruhende "Trennung versehiedener 
Árten von Mord und Ueberweisuug jeder Art an ihre 
besondere Mahlstitte gesagt wird. Was aber S. 159. 
1i in Bezug auf die V. 407. erwühnten Eide der Par- 


EUMENIDEN. 189 


teien vor dem Areopag, welche die von. Lysiàs gegen 
Theomnestus L 1I., und Demosthenes gegen Aristocra- 
tes δ. 67. ff. beschriebenen Eide sind, von einer Pro- 
klesis gesagt wird, von der hier gar nicht die Rede seyn 
kann, ist so unstatthaft, dass man nur sieht, wie Herr 
Müller eimige Kenntniss des Attischen Processes zei- 
gen wollte, aber unglücklicher Weise das da gethan hat, 
wo er durch unpassende und unrichtige Anwendung der 
Proklesis nur diese Kenntniss" verdáchtig macht. In 
der Beschreibung des gerichtlichen Verfahrens bei dem 
Aeschylus aber überlüsst sich Herrn Müller wieder sei- 
ner Phantasie. Er findet die von Vielen gehegte Vor- 
stellung verworren und lücherlich, dass Pallas. dem Ore- ἡ 
stes einen Stimmstein zulege, und erst dadurch die Stim- 
men gleich werden; denn gerade das sey die Idee des 
calculus Minervae, dass er bei gleicher Stimmen- 
Ζ8 81 noch hinzugedacht.werde. Es drüngt sich durch- 
güngig in Herrn Müllers Schriften dem Leser die Be- 
merkung auf, dass es ihm mehr um Durchführung einer]45 
gefassten Meinung, als um unbefangenes Krforschen des 
Wahren zu thun sey. Daher verführt er oft parteiisch, 
und übergeht entweder, was seiner Meinung entgegen ist, 
oder sucht es gewaltsam zu seinem Vortheil zu drehen. 
Von dem, was er hier in der Note zu Unterstützung 
der aufzestellten Behauptung anführt, ist παρ᾿ die Stelle 
des Scholiasten zu Aristides Panathen. p. 108, 7. Dind. 
geeignet, wo erzühlt wird, dass die zwólf Gótter über 
den Orestes gerichtet hátten, uud, da sechs Stimmen für 
ἅδη, sechs gegen ihu gewesen, habe die spüter hinzugee 
kommene. Pallas ihre Stimme den erstern hinzugefüpt. 
Warum übergeht aber Hr. Müller das entgegengesetzte 
Zeugniss eines andern Scholiasten auf der folgenden Seite, 
zu p. 108, 10. und bei FErommel S..428.? Dieser 
Scholist schreibt: φασὶ δὲ ὅτι τῶν 8$ ϑεῶν προςτε- 
ϑέντων ταῖς Ἐρινύσι, καὶ τῶν é τῷ- Ὀρέστῃ; μετέω- 
ῥα» ἔχουσαν τὴν ψῆφον 'A95vàv ὕστατον προςτι- 
ϑεῖσαν νικῆσαι αὐτὸν πεποίηχεν᾽" εἰχότως" ὑπὲρ oU 
γὰρ τὴν ἐκεῖσε κρίσιν ἠγάπησεν, ἀντὶ χάριτος χάριν 


190 AESCHYLOS 


αὐτῷ elesví]voyev. el δό τις εἴποι, πῶς τὸ ἴσον ἔχων 
τῶν ϑεῶν νενίκηχεν, ἐρεῖς» ὅτι ϑγητὸς ὧν τὰς ἴσας 
τῶν ϑεῶν ψήφους ἐδέξατο, διὰ τοῦτο νενίχηχε. So 
ist dieses Scholion zu lesen. Hier wird als Grund, ware 
um Orestes siegte, angegeben, weil er als ein Sterblicher 
eben so viel Stimmen erhielt, als die Góttinnen, für die, 
als solche, die Wahrscheinlichkeit einer Ueberzahl gewe- 
sen war, No hat man aber überheupt anch im Áthem 
diess angesehen, da man, wie aus Demosthenes gegen 
Aristokrates S. 641. δ. 66 erhellt, dem (xlauwben hatte, 
Orestes würe auf dem Areopag von den. zwólf Gttermn 
gerichtet worden, Und was kann klsrer zeigen, worin 
der Begriff des calculus Minervae bestehe, als die 
Worte Lucians zur Pallas im .Piscater K. 21. ἐμὲ δὲ 
ἤν nov κρατούμενον ἴδῃς καὶ πλείους ὦσιν ab μέλω- 
yc4, σὺ προςϑεῖσα τὴν σεαυτῆς σῶζε Und im Har- 
mondes K. 3. deve ἤν που χαὶ νῦν ἐμοὶ ἐς τὸ χεῖ» 
ρον δέπωσιν αἱ ψῆφοι ἐν τῷ λόγῳ καὶ ἐλάττους d 
σεν αἱ ἀμείνους, σὺ τὴν τῆς ᾿«ϑηνᾷᾶς προςτιϑεὶς ἄνα- 
πλήρου τὸ ἐνδέον παρὰ σεαυτοῦ.  Ebea so nahm amch 
Euripides die Sache, als er in der Taurschen lphigenie 
V. 963. sehrieb: ἴσας δέ μοι ψήφους διηρίϑμησε Πα}»- 
λὰς ὠλένῃ, und als er V. 1407. die ῬΑ], selbst, wo 
bloss vom zwei Stimmen, der ihrigen wand anf der gndern 
Seite der des Chors die Rede ist, den Sieg der losepre- 
chenden Stimme beilegen lüsst, Eben dieser Ansicht 
folgte aber anch Aeschylus, wenn maa deseen Worte 
nicht, wie Herr Müller thnt, gewalisam 69 οὐκί γέ, dnm» 
Pallas zwar einen S&ümmstein emporhalie, den sie dem 
Orestes beilegen welle, um ihm, wemn die Stimmen der 
Bichter gleich befumden würden, eine Stimme mehr za 
verschaffen. Diesen Stimmsíe: werfe sàe nicht jetzt in dije 
Urne, meint er, sondern lege ihm erst, nachdem die Stim- 
men der Richter gezühlt wnd für beide Partem glüch 
140ausgefallen seyem, hinzu. Es bedarf nur eines unbefan- 
genen Blickes, um zu sehen, dassdas der Dichter weder 
gesagt hat, noch. sagen durfte. Nachdem die Richter 
auf Befehl der Pallas aufgestanden sind, uad, wührbted 


EUMENIDEN. 191 


die Furien und Apollo mit einander sprechen, ihre 
Sümmsteine in die Urne geworfen haben, sagt Pallas 
V. 704.: ' 
ἐμὸν τόδ᾽ ἔργον, λοισϑίαν κρῖναι δίχην" 
ψῆφον δ᾽ "Ὀρέστῃ τήνδ᾽ ἐγὼ προςϑήσομαι. 
Und Y. 711.: 


|. wu δ᾽ Ὀρέστης, κὰν Ἰσόψηφος κριϑῇ. 
Sie wirlt, wie diese Wos zu erkennen geben, 'wirklich 
ihren Stimmstein in die Urne, und nun erst verordnet sie, 
dass, wenn die Zühlung gleiche Stimmen ergebe, Ore- 
stes losgesprochen werden solle, .Áls nun die Stimmen 
gezühlt sind, sagt sie V. 722.: 
&v)o ὅδ᾽ ἐχπέφευγεν αἵματος δίχην" 
ἴσον γάρ ἐστι τἀρίϑμημα τῶν ndÀor. 

Auch.der Scholiast scheiat diess so verstanden zu haben, 
dessen Ánmerkung zu V. 704. so zu lesen ist: ἐγὼ 
προςϑήσω τὴν ἐσχάτην ψῆφον, p, ὅταν ἴσαι γένων-- 
ται, νιχᾷ ὃ κατηγορούμενος. Und V. 762. wieder- 
holt es Pallas: ἰσόψηφος δίκη ἐξῆλϑ' ἀληϑῶς.  Hátte 
Aeschylus gewollt, was Herr Müller ihn sagen Lisst, so 
hütte er ganz anders geredet, und die Pallas erst danm, 
als die Stimmen gleich befunden waren, sagen lassen, dass 
sie ihren Stein hinzulepe. Allein er komnte das gar 
nicht thun, ohne inconsequent zu werden, und etwas sei- 
nem Plane gerade entgegengesetztes xu thun. Denn er 
hatte oben V. 448. if, die Pallas die Entscheidung des 
Sitreites von sich ablehnen lassen, damit sie weder wmge- 
recht gegen den Orestes würe, noch den Zorn der Fu- 
rien über ibre Stadt brüchte. — Darum musste sie hier, 
indem sie ihre Stimme abgab, das vor der Záhlung thun, 


und mua das Gesetz machen, dass, wenn die Stimmen - 


gleich ausfielen, der Beklagte für losgesprochen geachtet 
werdem solle. Se hatten die Furien keine Ursache, sich 
zu beschweren, wenn Orestes freigesprochen wurde. Hütte 
hingegen Palas erst nachher darch  Hinzulegung eines 
Uebergewichts dem Orestes die Freisprechung versehafft, 


192 AESCHYLOS 


so waren die Furien offenbar gekrünkt und beleidigt, und 
die Versóhnung derselben unmóglich gemacht. So ist 
denn diese Vorstellungsart der Sache keineswegs ver- 
werren oder lücherlich, sondern dieser Vorwurf würde 
vielmehr die  entgegengesetzte Ansicht treffen. ^ Zu- 
gleich aber ergiebt sich auch, dass die Zahl der Areo- 
pagiten nicht zwólf seyn kann, sondern eine ungerade 
Zahl seyn muss. [*Herr Müller vertheidigt seine Mei- 
nung im Anhange S. 40. ff., indem er von dem Satze 
ausgeht, der Geist des Griechischen Volks habe sich in 
dem Fall, wo keine àáussere Entscheidung durch die 
Richter selbst vorlag, eine hinzutretende gütige Gottheit 
gedacht, welche einen freisprechenden Stein dazulege. 
Dieser Zusammenhang, der jedem, welcher die Elemente 
der Mythologie inne habe, klar seyn müsse, kónne anch 
dem, welcher sich damit nicht beschüftigt habe, klar ge- 
macht werden.  ,jSetzen wir nümlich den Fall, Athena 
lege in der Geschichte des Orest ihren Stimmstein den 
lossprechenden zu, um diese erst den verdammenden 
gleich zu machen, so wáre damit Orestes noch nicht 
befreit. ^ Denn da diese Verhandlung (wenigstens bei 
Aesch.) als das erste Gericht übe» vergossenes Blut 
angesehen wird, und die Erinnyen sich bereits im Be- 
Sitze ihrer schon lange verfolgten Beute glauben: so 
kann hier unmóglich auf den spüter vorhandenen Ge- 
brauch oder auf ein allgemeines Princip der Dilhgkeit 
hingewiesen werden, sondern es bedarf einer neuen Er- 
Sklirung, dass nun auch die weissen Steine siegen 
Sollen. Diese Erklirung muss, besonders wenn sie 
von der Person ausgeht, welche erst die weissen Steine 
»gleich gemacht, als reine Willkühr erscheinen ;- ziemlich 
eben so wie eine eigenináchtig hinzugefügte zweite Stim- 
ue.  Hierin liegt ein dreifacher Irrthum. — Erstens ist 
es unwahr, dase die Erinnyen sich schon im Besitz des 
Orestes glauben. Denn da würden $ie nicht zugeben, 
dass ein Gericht amgestellt. würde.  Ziweitens, de der an- 
geblich spüter entstandene Gebrauch oder das allgemeine 
Princip doch zur. Zeit des Aeschylus schon hesfend; kam 


EUMENIDEN. 193 


es nur darauf an, wie Aeschylus dessen Entstehen er- 
klürte, gesetzt auch es würe in der Wirklichkeit durch 
einen überzühligen Stein entstandem.  Drittens würde 4l- 
lerdings reine Willkür eintreten, weun bei überzàhligen 
schwarzen Steinen Pallas die Zahl durch einen weissen 
Stein gleich machte, und dann verlangte, dass die gleich- 
zühligen weissen siegen sollten. — Áber das ist uicht der 
Fall wenn sie, bevor gestimmt wird, einen weissen Stein 
abgiebt, und nun οὐκ γί, wenn sich bei der Zühlung 
gleiche Steine für und wider finden, solle die mildere 
Sentenz gelten. Denn hier ist es immer noch müglich, 
dass die Zahl der schwarzen Steine siege, ja dass ihr 
Stein der einzige weisse sey. 

, Nun wird auch Euripides gedeutet, Von den Wor- 
ten der Pallas in der Taurischen Iphigenia V. 1483. 


ἐκσώσασά G& 
καὶ πρίν y» ᾿Αρείοις ἐν πάγοις ψήφους ἴσας 
κρίναο᾽ ; 'Ogécva, xai ψόμισμ' εἷς ταὐτό γε 
γικᾶν, ἰσήρδις ὅςτις ἂν ψήφους λάβῃ, 


heisst es: ,,Athena sagt hier deutlich, dass sie den Orest 
8uch früher dadurch gerettet, dass sie über die Stim- 
Umengleichheit auf dem Areopag entschied; und eben da-. 
her bestehe das Gesetz dort, dass bei gleichen Stim- 
men der Beklagte siegen solle. Es konnte keinem Grie- 
»chen einfallen ψήφους ἴσας κρίνει» anders zu nehmen, 
als: Stimmengleichheit schlichten, entscheiden; wolke 
man etwa, durch eine sogenannte Prolepsis, ἔσας als 
,;Hesultat des χρίγειν,, die Gleichheit als Ergebniss des 
.Stimmgese(zes verstehen: so würde dies erstens gegen 
B8llen fprachgebranch seyn, indem. ein Gleichmachen 
üer Stimmen nicht durch χρίνειν bezeichnet: werden 
kann, noch mehr aber gegen allen vernünftigen Zusam- 
.1umenhang, indem ja gerade diess χρίνειν ψήφους ἴσας 
als Grund des Gebrauchs, νιχᾶν ἰσήρεις u. s. w. an- 
.gelührt wird, welcher Gebrauch ganz unbegründet da- 
Stünde, wenn nicht eben ψήφους ἴσας κρίνειν die Àn- 
,Ordnung.desselben enthielte. Vgl. auch die Schol. zu. 
Hrnw. Or. VI. N 


104 kESCHYLOS 


Àristeph. Fróschen 607.  Vergleicht man hiermit die 
9Stele, welche in derselben 'Tragódie V. 961. über 
,,lieselbe Sache vorkommt, wo Orestes erzühlt: 
οοἵσας δέ μοι 
ψήφους διηρίϑμησε Παλλὰς ὠλένῃ᾽ 
οογικῶν δ᾽ ἀπῆρα φόνια πειρατήρια: 

,,80 entspricht offenbar dies ψήφους διαριϑμεῖν dem 
vorigen ψήφους ἴσας xoivery. Die Pallas zühlt und. 
,8Sondert die Steine, und, was damit noethwendig zusam- 
IHenhüngt, spricht das Resultat ans. Euripides, dessen 
,,Ausdruck schlichter und weniger mythologisch ist, lüsst 
die Pallas nicht erst einen eignen Stimmstein hinzule- 
»Egen; sie entscheidet nur darüber, was bei der Stimmen- 
»gleichheit gemacht werden solle, "Wenn sie aber selbst 
,,üiese Stimmengleichheit erst als Richterin hervorgebracht 
hütte, so hütte dies auf jeden Fall als eine andere 
,Wohlthat, die sie dem Orest erwiesen, dentlich ausge- 
Sprochen werden müssen. Die letzten Worte sind mir 
dunkel. Wie es scheint, beziehen sie sich auf das, was bei 
dem Aeschylus geschieht. Von dem Kauripides giebt hier 
Herr Müller zu, dass er die Pallas bestimmen lasse, was 
bei gleicher Zahl der Stimmen geschehen solle, weil sein 
Ausdruck weniger mythologisch sey. Billig fragt manm, 
warum Aeschylus mehr mythologisch seyn solle, als Ku- 
ripides. Wie sich aus den letzten Worten Herrn Miül- 
lers vermuthen lisst, wohl] weil bei ihm Pallas als Rüch- 
terim auftrete. Allein er leugnet ja, dass sie Richterin 
.bei dem Aeschylus sey. ch gestehe, mir das nicht ló- 
sen zu künnen. Doch er fáhrt fort: ,,Die dritte, eben 
so bekannte Stelle des Euripides, Elektra 1274 — 1278. : 


οοἷσαι δέ οὐ ἐχσώζουσι μὴ ϑανεῖν δίχῃ 
ψῆφοι τεϑεῖσαι" “οξίας γὰ αἰτίαν 
»»εἷς αὑτὸν οἴσει; μητέρος χρήσας φόνον" 
xai τοῖσι λοιποῖς ὅδε γόμος τεϑήσεται, 
»»γικᾶν ἴσαις ψήφοισι τὸν φεύγοντ᾽ ἀεί, 


»stimmt vóllig mit jenen beiden überein, ΘΗΝ man über- 
legt, dass hier die Diüoskuren reden, welche Pallas Ent- 
| 


EUMENIDEN. 195 


Scheidung über die Stimmengleiehheit nicht erst erwüh- 
,,Den, sondern nur dadurch andenten, dass sie sagem: Stim- 
mengleichheit habe damals den Orestes errettet, und 
dasselbe gelte deswegen für alle spátern Fülle. ^ Also 
auch nach dieser Stelle ist die Meinung des Euripides 
die,: dass, wo gleiche Stimmen sind, Pallas die Losspre- 
chung bestimmt habe. 

Ich übergehe, was. Herr Müller nun gegen Herrn 
Fritzsehe sagt, und betrachte seine Ansicht von dem, 
was Aeschylus meine. Er sagt; ,,AÁthena habe gleich 
bei dem ersten Verlangen des Orestes an sie, über 
8eime That zu richten, erklürt (V. 424.), dass es für 
sie nicht θέμις sey über Mord Recht zu sprechen 
»(qóvov διαιρεῖν ὀξυμηνίτου δίκας). Es ist schon 
hiernach unmüglich, dass sie hernach als eigentlicher 
Richter, der vor der Entscheidung eine Stimme abyiebt, 
8uftreten kónne,  Wüàhrend des HRechísstreits erscheint 
Sie als einführender Vorstand des Gerichts (als εἰσαγω-- 
»ογεὺς nach Attischer Verfassung); niemals aber wird sie 
8ls Richterin angeredet; sie hat das Richteramt . ent- 
8chieden abgelehnt. Herr Müller thut hier, was man 
in der technischen Sprache einen Satz erschleichen 
memnt. Nicht das Richteramt hat Pallas abgelehnt, son- 
ders das Ámt allein zu richten. Das ist aber ein sehr 
bedeutender Unterschied, und zwar gerade der, auf den 
hier alles ankommt. Er führt fort: ,,AÀl& die Sache 
Spruchreif ist, legt sie dem Gerichte durch den früher 
Schon angekündigten Jsouóg seine Pflichten ans Herz, 
Indem sie zugleich die Würde und Heiligkeit der neuen 
Süftung den Athenern einprügt. —Naehdem aber die 
Hichter alle den Stimmstein genommen und abgegeben 
. haben, erklürt sie einen Stimmstein dem Orestes zule- 
»Zen zu wollen (weil sie für den ermordeten Mann mehr 
»Mitgefühl habe, als für die Frau); Orestes werde sie- 
ȣen, . wenn er auch mit gleiehen Stimmen gerichtet 
werde. Wer sollte hier nicht einsehen, dass der aweite 
Gedanke: nur ein Schluss aus dem ersten jist: duss 
Athena, .die. der Zuknnft auch nicht unkundige Góttin, 

' | N2 


-...ἕ — - 


198 AESCHYLOS 


voraussieht, dass aus der eben vollzognen Abstimmung 
,9ümmengleichheit hervorgeheu werde, und' zu deren 
,Schlichtung einen Stein für sich nimmt. — Schwerlich . 
dürfte das jemand einsehen. Denn ob Pallas die Zu- 
kunft voraussieht oder nicht, gehürt gar nicht zur Sa- 
che, indem sie so handelt, als kónne die Zukunft nicht 
mit Gewissheit vorausgesehen werden, sondern vielmehr 
beides müglich sey, dass die Stimmen gleich oder dass 
sie ungleich ausfallen. ,, Würe der Gedanke der Athena: 
Erstens lege ich Orestes einen Stimmstein zu, und 
Z2Weitens bestimme ich, dass bei dadurch bewirkter Stim- 
1Imengleichheit Orestes siegen solle: se müsste erstens 
üieser zweite Gedanke durch die nóthigen Partikeln. (etwa 
x«i μὴν) als eine neue Znfügung und ein wesentlicher 
Fortschritt bezeichnet werden, und zweitens bedürfte die 
,Eeststellung dieses νόμισμα, wofür Aristoteles so viele 
Gründe aufzusuchen sich die Mühe gegeben, sicherlich 
irgend eines rechtfertigenden Wértleins. Warum aber 
Athena diesen Stimmstein nicht sogleich  hinzulegt? 
,.Auch diese Frage beantwortet sich sehr leicht. Eben 
deswegen, weil die ᾿4“ϑηνᾶς ψῆφος keine Richter-Stim- 
Te ist, weil dieser Stein niemals mit in die Urne fiel, 
.5enderm erst nach Sonderung der schwarzen und weis- 
sen Steine, wenn sie sich gleich waren, hinzugedacht 
wurde. Daraus folgt nothwendis, dass Athena ih- 
ten Stein, dessen Bedeutung sie im voráus angegeben 
hat, erst hinzulegen kann, nachdem die Richter - Stim- 
,1Ien gezühlt sind, und es sich gezeigt hat, dass die. 
,losspreehenden den verurtheilenden gleich sind. — Herr 
Müler spricht nun noch weiter fort: allem zur Sache 
ist schon das, was angeführt worden, mehr als hinreichend. 
Die Weitschweifigkeit seiner Rede und das Beimischen 
von Dingen, die gar nicht hergehóren, wie hier z. D. 
effenbar des Aristoteles Probl. 20, 13. dient ihm, 
die Sache dunkel zu machen und ihre Schwüchen. zu 
verhüllen, ker ist nun erstens das ganz irrig, ^ dass 
von den angegebenen zwei Sáützen der andere 'nmüt .xoi 
μὴν angefügt seyn müsse.  Sagte Pallas: ψῆφον δ᾽ 


EUMENIDEN, 197 


᾿ὈΟρέστῃ τήνδ᾽ ἐγὼ προφςϑήσομαι" xal μὴν νικᾷ Ὀρέ- 
guns, χἂν ἰσόψηφος χριϑῇ. so würe dieses σἕς- 
4, nun aber ja gerade das umgekehríe von dem, 
was Herr Müller will. — Denn die in diesen Worten 
angedeuteten Gedanken — wáren . folpende: ich will 
dem Orestes einen Stein zulegen: nun aber 


siegt er auch mit gleichen Steinen. Dann. 


würe der Schlusssatiz: also habe ich nicht nó- 
thig ihm einen Stein zuzulegen. Was Herr 
Miiller verlangt, ist ja schon durch das δὲ in den Wor- 
ten vixà δ᾽ Ὀρέστης, χἂν ἰσόψηφος κριϑῇ vollkom- 
men ausgedrückt. Wozu soll ferner die Feststellung die- 
ses γόμισμα emer Rechtfertigung bedürfen? Wer ein 
Gesetz giebt, braucht ja micht auch noch die Gründe 
dafür anzugeben, zumal wenn, wie hier, der Grund vor 
Augen liegt, dess es billiger ist, bei gleichen Stimmen der 
Milde den Vorzug zu geben. Weiter soll die Pallas ihren Stein 
micht sogleich hinzulegen, weil die ψῆφος ᾿4“9ηνᾶς keine 


Richterstimme sey, sondern erst nach gleichbefundenen 
. Stimmen hinzugedacht werde, Von diesen beiden Grüa- 


den beruht der erste auf dem oben erwühnten erschliehe- 
nen Satze, dass Pallas, weil sie nicht allein Richterin 
seyn will überhaupt nicht Richterin sey; und der zweite 
ist die. Fiction, die, wie; Herr Müller selbst S. 42. be- 
kennt, die spáütern Schriftsteller Aristides und Julianus 
erwühnen, dass der Stein der Pallas noch zu den gleich- 
zühlisen Steinen hinzugelegt werde, um ein Uebergewieht 
zu geben, eine Fiction, die, damit man nicht an ihr 
zweifle, dargestellt wurde als ein Zusammenhang (d. h. 
nach der oben gegebenen Erklürung, als ein dunkel ge- 
ahndeter unerklürlicher Grund), der jedem klar seyn 
müsse, welcher die Elemente der Mythologie inne habe. 
Nimmt man nun aus Herrn Müllers weitlüuftiger 
Auseinandersetzung die Sütze, worauf es ankemmt, her- 
ams, so sind sie folgende: ,,Man dachte sieh in dem 
Falle gleicher Stimmen eie gütige Gottheit, welche noch 
einen Stein linzuthat, um den lossprechenden Stimmen 
das Uebergewicht zu geben.  Aher das sagen nur Ari- 


196 AESCHYLOS 


stidoá und Julianws und ein Scholiast des Aristides; die 
ülern Sehriftsteller hingegen, Euripides und Demosthenes, 
8 selbst Aristoteles, wiseen davon nichts, sondern neh- 
men geradezu als Gesetz an, dass bei gleichen Stimmen 
losgesprochen wird; Lucian aber, dem freilich nach S. 42. 
Aristides im Studium der Attischen Archüplogie bedeu- 
tend überwiegen soll, und ein anderer Scholiast des Ari- 
slides lassen die Stimmen erst durch den Stein der Pal- 
las gleich werden, und stimmen in soferm der Sache nach 
mit dem Euripides und Demosthenes übereim; aber Ku- 
ripides muss deswegen den Vorwurf dulden sich weniger 
mythologisch auszudrücken.  ,,Aeschylus nwm sreht die 
Sache wie Aristides und lahanus an, und zwar deswe- 
gen, weil bei ihm die Pallas nicht Richterin ist, also 
die Stimmen auch ohne ihren Stein gleich seyn miüs- 
sen. Nun aber ist diess em  erschlichener Satz, und 
keineswegs erwiesen, dass Pallas, weil sie nicht allen 
Richterin seyn. will, &uch πίοι! als Mitrichterin ihre 
Stimme abgebe, Nach einem solchen Beweise schreibt 
Hr. Midler S. 45. ,,Mir scheimt, dass nach dieser Ex- 
Ürterung auch nmicht ein hierher gehóriger Ausdruck des 
Aesch. mach irgend einer Seite einen Schatten des 
»Zweifels wirft, sondern Alles in vólligem Lachte steht. 
Das dürfte nicht jedermann so scheinen, sondern vielmehr 
dadurch die von mir sowohl als von Herrn Fritzsche auf- 
gestellten Gründe keineswegs widerlegt seyn. Ea sind 
aber, awsser der Uebereinstimmang mit den ákern und bes- 
sern Sriftstellern, folgende zwei: erstens, : dass mach der 
Erklirumg, bei gleichen Stimmen solle Orestes siegen, 
es vóllis unmóthig seym würde, ihm noch einem Stein hin- 
zuzuülegen, nachdem die Stimmen gleich befunden worden; 
zweitens, dass ein solches Verfahren der Absicht der 
Pelias seradezu entgegen ist, indem se nmm erklüren 
würde, dass, wenn das Urtheil schwanke, sie gegen die 
Erinyen entscheiden wolle, wodureh sie nothwendig, was 
sie doch vermeiden wil, diese.Góttinnen erzürgen mirsste ; 
wegegen, wen sie vor der Zühlung ihren Stein abgiebi, 
und mun bestimmt, bei gleichem Stimmen solle Orestes 


EUMENIDEN. 190 


siegen, sie nur eine billixre Bedingung für den móglichen 
Fall gleicher Stimmen macht, übrigens aber ganz unpar- 
teiisch erscheint, und es bloss nun auf die Stimmenzáh- 
lung ankommen lisst.] . 

Der vierte Abschnitt handelt von den Exegeten, 
welche Stelle in den Eumeniden ApoHo vertritt. —DieS. 
163. geümsserte Vermuthung, dass die Emmolpiden die147 
Exegesis auch .auf Nichteumolpiden übertragen haben, 
soll aas dem Ausdrucke ἐξηγητὴς ἐξ Εὐμολπιδῶν her- 
vorgehen. Das ist geradezu unmüglich. 

Wir kommen zu der dritte Abtheiluug, die den 
religiósen Gesichtspunkt, und zwar zmerst die Erinyen, 
4en Begriff des Namens und die mythische Vorstellung 
derselben, die Caltus-ldee der Erinyen und Eumeniden 
eder Semnü, den Athenmischen (xottesdiemst der Semmá, 
die Vorstellungen des Aeschylus von den Krinyen, sud 
ihre üussere Darstellnng, endlich den Zeus Soter be- 
trifft, Diese Materien sind natürlich in der Manier der 
amystischen Mythologie, die alles za deuten, alles in Ver- . 
bindung zu bringen weise, behandelt, und werden daher 
den Augen der Anhánger dieser Schule im vollem Lithte 
erscheipen. — Wer nicht zu dieser Schule gehórt, wird 
freilich diese dnreh Phantasien und unlogisehe Schlüisse 
was sie braucht supplirende, und durch unendlicehe Ab- 
schweifungen nach allen Richtungen hin mehr verwirrendé, 
als etwas ordentlich enmtwickelnde Mamier micht billigen, 
und sehr die Mühe beklagen, die es dem Leser macht, 
einer durch bestündige Seitensprünge unterbrochenen ποᾶ 
selten fest auftretenden Spur gehórig zu folgen, wobei 
noch alle die citirten fStellen nachzaschlagen sind. Denn 
wer mit den Schriften dieser Schule bekannt ist, wird 
wissen, dass ian sich mie auf ihre Angaben verlassen 
kaun, wemn man nicht die Stellen selbst machsieht, in- 
dem sie bald aus mangelhafter Nprachkenutniss die Zeug- 
nisse falsch versteht, bald dieselben ihren Ansicbtem ge- 
müss willkürlich interpre&rt, bald etwas hineimphantasirt, 
das nieht darin legt. Hier fingt nun Hr. Müller damit 
an, dass in der Arkwdechen, ,,ohne Zyweilel auch in 


200 AESCHYLOS 


vielen Stücken alterthümlichen Mundart, ^ igit nach 
Pausanias VIII. 25, 4. und Etym. M. p. 374, 1. zür-- 
" nen heisse. Der erstere sagt: or. τὸ ϑυμῷ χρῆσϑαι 
χαλοῦσιν ἐρινύειν οἱ ᾿Αρκάδες. In dem andern steht: 
ἐρινύειν κατὰ "doxdoog τὸ ὀργίξζεσϑαι. Herr Müller 
giebt als genaue Bezeichnung, was ἐρενύς heisse, das 
Gefühl tiefer Krünkung, schmerzlichen Unwillens. an, 
wenn uns zuüstehende heilige Rechte von Personen, . die 
sie am meisten achten sollten, freventlich verletzt wer- 
den,  Diess ist weitlinfüg . erürtert. — Allerdings wird in 
.Solchen Fállen das Wort gebraucht. Doch kann ein so 
viel umfassender Begriff offenbar nicht dessen ursprüng- 
liche und eigentliche Bedentung seyn. Da es kaum glaub- 
lich ist, dass ἐρινὺς und ἐριγύειν so ganz einsam.in 
der Sprache dastehen sollten, und wir die ganz &hnh- 
chen Formen ἐλεγὺς (ἐλιγύες ἡμέραι, Ferien, bei Po- 
H]ybius XXI. 1, 1.) und ἐλινύειν haben: 80 muss es 
Sich als hóchst wahrscheinlich empfehlen, dass nur der 
rauhe Arkadische Dialekt ein Qo statt 4 setzte. — Auch 
148das Etymologicum führt diese Ableitung an, aber nach 
Art der. Grammatiker, ἐρινὺς xov ἀντίφρασιν als ἡ 
ἡσυχάζουσα mnehmend. ἘἘλινύειν ist zóügern, zau- 
dern, von einem sehr weit verbreiteten Wortstamm, aus 
welchem sich schliessen lisst, dass die ursprüngliche Be- 
deutung wohl sich winden war, στρέφεσθαι, περι- 
στρέφεσθαι: weshalb es auch durch ὀκνεῖν erklárt wird, 
[*Herr MüHer spottet über diese Ableitung in dem An- 
hange S. 17. mit folgenden Worten: ,,Das zeigt nun 
Allerdings, dass Hrn. H.s Studien ganz auf der Stufe 
,,Seiner oben erwühnten Abhandlang über die Theogonie 
stehen geblieben sind. — Demungeachtet beobachtet Hr. 
Müller selbst bekanntlich in seimen Schriften dasselbe 
Verfahren, und erkennt es in seinen Prolegomenen zu 
einer wissenschaftlichen Mythologie S. 285. 1f. für. ein 
Haupthülfsmittel zur Ezrklirung des Mythus. Ja er bedient 
sich dessen. selbst bei dem Namen Ἐρινύες.» aber írei- 
lich auf eine sehr eigne Weise.] Die in Arkadien so 
genünnte 4“ημήτηρ ἐρενὺς ist daher wohl eigentlich die 


EUMENIDEN, 291 


zügernde, das Keimen, Wachsen und Heifen der Früchte 
zurückhaltende. "Und ans ühnlichem Grunde wurde wohl 
auch in Cyrene nach dem Hesychius ein Ζεὺς ἐλενύμε-- 
voc verehrt. Hat das Verbum ἐρινύεεν in Arkadien 
zürnen bedeutet, so kann es wohl schwerhch anders 
als von einem die Rache verzógernden Grolle gebraucht 
worden seyn, [πᾶ so sind auch die Ἐρινύες . eigentlich 
die langsam und spát strafenden, ihren Zorn zurückhal- 
tenden Géóttinnen, die man eben deshalb mit dem Na- 
men der Züógernden belegte. Sehr schón hat diess Àe- 
schylus in den Choephoren V. 640. ausgedrückt: «civec 
μύσος χρόνῳ κλυτὰ βυσσόφρων Ἐρινύς" und in den 
Eumeniden V. 8θ4.: τὰ γὰρ ἐκ προτέρων ἀπλαχή- 
ματά νιν πρὸς τάςδ᾽ ἀπάγει, σιγῶν δ᾽ ὄλεϑρος xai 
“μέγα φωνοῦντ' ἐχϑραῖς ὀργαῖς ἀμαϑύνει. Eben deshalb 
heissen sie auch μνήμογες, und bei dem Sophokles λω- 
. βητῆρες ὑστεροφϑόροι, und ἃ δεινοῖς χρυπτομένα 
λόχοις χαλκόπους Ἐρινύς. Geht man num von dieser 
Ansicht aus, so sind die Furien und die “ημήτηρ ' Epi- 
γὺς ganz verschiedene Wesen, denen das gleichna- 
mige Prüdicat des Zügerns in ganz verschiedener Be- 
ziehung zukommt. Die Furin heissen so, weil sie 
ihren Zorn zurückhalten, die BDemeter, weil sie die 
Früchte nicht wachsen lüsst. Da aber das Hemmen des 
Wachsthums der Früchte als eine Folge eines Ziürnems 
der Góttin angesehen wird, so trifft die Benennung ' Egi- 
γὺς auch wieder im Begriff des Zornes mit den Fu- 
rien überein. Deswegen wird aber aus der Demeter noch 
keine Furie, und aus den Furien noch keine Demeter. 
Denn oft werden in der Mythologie ganz verschiedene 
Wesen mit einem und demselben Namen oder Beiworte 
benannt, weil sie in der dadurch bezeichneten Eigen- 
schaft auf irgend eine, wenn auch manchmal sehr ver- 
schiedene, Weise zusammentreffen. Daher muss man sich 
sehr hüten, worin oft von den Mythologen sehr gefehlt 
worden ist, aus der Gemeinschaft solcher Benennungen 
auf die Identitit der Wesen, denen sie:beigelegt werden, 
zu schliessen. In diesen Fehler ist nun hier auch Herr 


202 AESCHYLOS 


Müller gefallea. Nachdem er mit gromer Weitlünfügkeit 
über die Erinyen gesprochen hat, kommt er S. 108. 
zu der Cultusidee derselben, und meint, der ausgebreitete 
und angesehene Cultus dieser Góttinnen liesse sich schwer 
begreifen, wenn manm sie zur Klasse der sich auf einzelne 
Lebensverháltnisse oder Gemüthszustánde. beziehenden Gott- 
149heiten, wie Áte, Eris, und vieleandere, rechne, sondern sie 
seyen nichts anderes als eine besondere Form der gros- 
sen Góttinnen, welche die Erde und die Unterwelt be- 
herrschen, und den Segen des Jahres heraufsenden, der 
Demeter und Kora. Diesem anf die Tilphossische De- 
ater Erinys gebauten Gedanken ist eine besondere weit- 
ausholende und weit umnherschweifende Dedaction von S. 
168. bis 173. gewidmet. Wer nun die Sache mit un- 
getrübtem Auge betrachtet, kann nicht umhin, sich gleich 
von Aafung herein über das dieser miythologischen fSchnle 
eigene unlogische Verfahren zu verwundern, mit welchem 
der Satz, der bewiesen werden soll, schon für ausge- 
macht angenommem, und als Grundlage des Deweises ge- 
braucht wird. Denn der angebliche ,,ausgebreitete und 
amgesehene Cultus der Erimyen, ^ der erklürt werden soll, 
ἰδὲ erst durch die Erklürung, welche Herr Müller giebt, 
entstanden, Er hátte also vielmehr vorher als vorhan- 
den nachgewiesen, und dann gezeigt werden sollen, dass 
er.sich bloss auf die amgegebene Art erklüren lasse. 
Aber wer sag& denn etwas von einem ausgebreiteten und 
angesehenen Cultus der Erieyen? Davon würde doch 
am erstea Pausanias Zeugniss geben, der überall die Hei- 
lgthümer bemerklich za machen pflegt. Was erfahren 
wir aber in seiner ganzen Heise dureh Griechenland? 
Ausser I. 28, 6. VII. 25, 1. 2., wo er das Heiligthum 
der Furien iu. Athen, von dem auch bei dem Aeschylus 
die Rede ist, erwáhnt, spricht er nur mech I. 31, 4. 
im eimer weiter unten anzaführenden Stelle von einem Altar 
der σεμγῶν Ov; HM. 11, 4. von einem am Asopus 
gelegemen Hain und Tempel der Géttipaen, welche die 
Athener Σεμνάς, die ficyonier aber Ξὐμενίδας nennen; 
umd VIL 25, 7. vou einem Heiligthum der Eumcniden 


KUMENIDEN. - 206 


. 4» Keryneia, das Orestes gestiftet haben solle; endlich 
VII. 34, 1. 2, von einem Heiligthum gewisser Góttin- 
men in Arkadien, von demen er sapt: χαλοῦσι δὲ καὶ 
αὐτὰς τὰς ϑεὰς xai τὴν χώραν τὴν περὶ τὸ ἱδρὸν 
Mavíac* δοκχεῖ δέ uot, ϑεῶν τῶν Εὐμενίδων ἐστὴν 
ἐπίχλησις». xai ᾿Ορέστην ἐπὶ τῷ φόνῳ τῆς μητρός qa- 
σιν αὐτόϑι μανῆναι; und nicht weit davon bemerkt er 
einen 74x; genannten Ort, wo Orestes geheilt worden, 
und ein Heiligthum der Eumenmiden sey. Das ist doch 
micht eben ein sehr ausgebreiteter Cultus, auch wenn man 
den Heim auf dem Colonos bei Athen noch hinzuthut. 
Freilich aber gewinnt das ein ganz anderes Ansehen, 
wenn man mit Herrn Müller sofort die Furien mit der 
Demeter Erinys zusammenwirít, und diese nun überaH, 
auch wo sie nicht ist, findet. — Denn so nun schon die 
Jdentitit beider voraussetzend, fángt er init der ülte- 
sten Geschichte von "Theben an, und weist zuerst 
den von  Áres mit der Erinnys Tilphossa erzeugten 
Drachen bei dem Scholiasten zu Sophokles Antig. 120. 
nach. Diese Fabel lüsst sich nach der Erklürung de2150 
Namens, die Hecensent gegeben hat, auf eine sehr ein- 
fache Weise erklüren: allein Herr Müller, da er einmal 
die Rachegóttinnen mit der Δημήτηρ ἐρινὺς identificirt 
hat, weiss nun alles Thebanische Unheil, bei dem die 
Kurien erwühnt werden, der /zu5rro ἐρινὺς zuzuschrei- 
ben. Weil Orestes nach Ptolemáus  Hephástion beim 
Photius Bibl. p. 247. Hüósch. (148. b. Bekk.) am Feste 
dieser Demeter geboren worden, soll amch Oedipus als 
Kind vom Citháron aufgenommen wordem seym, den Her- 
mesianax bei dem Plutarch de filwm. 2, 3. den Wohn- 
sitz der Erinnyen nenne, Dort wird erzáhlt, Helikon 
und Cithüron seyen Brüder gewesen; der letztere habe 
Vater umd Bruder umgebracht, und nach der Verwand- 
lung beider Brüder in Berge, sey der eine der Sitz der 
Musen, der andere der Furien geworden. Wenn man in 
der Erzühlang bei dem Photius schwerlich etwus. anderes 
finden kanm, als einen Versach, zu zeigen, wie Oedipus 
gleich von seiner Geburt &n den Furien vevíalleg gowe- 


4 


a AESCHYLOS 


sen sey: S0 wird man in der Geschichte bei. dem Her- 
mesianax auch nicht eine Demeter Erinys entdecken kón- 
men, die Hr. Müller durch das bei dem Scholiasten zu 
Oed. Col. 91. erwühnte Heiligthum der Demeter zu Eteo- 
nos am Fusse des Cithüron, ,,gewiss einer Demeter Eri- 
nys, zu erschaffen weiss. Nach Attica habe die Eri- 
nyen ,vielleicht* das Kadmeische Geschlecht der Ephy- 
rüer gebracht. Es ist ja aber noch gar nicht bewiesen 
worden, dass sie irgendwo in Bóotie vorhanden waren. 
Denn das kónnen doch wahrhaftig die oben erwühnten 
Fabeln, die offenbar bloss poetische Fictionen sind, und 
die ,,gewiss eine Demeter Erinys* seyn sollende Demeter 
zu Eteonos nicht beweisen. Weil ferner ein Grab des 
Oedipus in dem Heiligthume der Furien zwischen dem 
Areopag und der Burg des Pausanias L 28,7. und Va- 
lerius Maximus V. 3. ext. 3. und ein anderes auf dem 
Colonos Hippios war, wo, wie in dem Arkadischen Thelpusa 
meben der Demeter Erinys, Poseidon neben den σεμναῖς 
verehrt wurde, ,,welche ursprünglich gewiss mit der eben- 
'. da verehrten Demeter und ihrer Tochter identisch wa- 

ren; auch Oedipus nach dem Androtion bei dem Scho- 
lasten zu Odyss. XI. 271. als Sehutzflehender sich an 
die Demeter von Colonos wandte (die Worte lanten: 
καὶ ἱκέτευεν ἐν τῷ ἑερῷ τῶν ϑεῶν, Δήμητρος xoà 
“Πολμούχου ᾿Αϑηνᾶς xci Διός): so ist nun sofort diese 
Demeter in eine Demeter Érinys umgewandelt: denn wir 
lesen gleich: ,,Der Demeter. Erinys stand im Dienst der 
,Coloneer wahrscheinlich die Mühende, grünende Demeter 
 Εὔχλοος) gegenüher.* Mit solcher Logik lüsst sich frei- 
lich alles móglich machen, und wiederholt man nur das 
Angejormene recht oft, wie denn Herr Müller das hier 
Angelührte sopleich auch in dem eben erschienenen Briefe 


151an Hrn. Forchhammer S. 23. wie etwas sattsam bekann- 


tes erwühnt: so halten es die Leute am Ende für wahr. Nun 
ergiesst sicli der Strom der Rede noch breit über den Oe- 
dipus auf Colonos des Sophokles, wo nur bemerkt wer- 
. den müge, dass, wenn die S. 171. in einem Fragment 
des Euphorien bei dem Scholissten za V. 681.. zu die- 


EUMENIDEN. 203 


sem Stücke gemachte Emendation, γήλοφον εἷς ἀργῆτα, 
die sehr wahrscheinlich ist, ihre Richtigkeit hat, es" doch 
nicht nóthig war Εὐιιενίδες als Glossem herauszüwerfon, 
sondern es nur versétzt zu werden brauchte: 


Εὐμενίδες, ναρκίσσου ἐπιστεφέες πλοχαμῖδας. 


Nachdem also Hr. Müller auf diese Weise eine Demeter 
Erinys in Athen eingeführt hat, wird mun zur Thebani- 
schen Geschichte zurückgekehrt, und auch der furchtbare 
Gaul Areion, den Adrastus geritten habe, behandelt; umd 
nachdem weiter über diese Mythen viel gesprochen wor- 
den,.meint Hr. Müller endlich, als man sich scheute, 
von der Demeter als einer grollenden Gottheit zu spre- 
chem, sey, ,,der gewiss einst sehr verbreitete Gottesdienst. 
der Tilphossischen oder Delphusischen Demeter Krinys*. 
verdunkelt worden, und an ihre Stelle seyen die Eri- 
nyen als abgesonderte Wesen getreten. — Hütte er sie: 
vorher nicht identificirt, so war es nicht nóthig, wieder. 
eine vóllig unerweisliche Hypothese aufzustellen, um sie 
wieder zu trennen, und sich von einander absondern zu 
lassen, Es werden sodann noch allerlei Aehnlichkeiten 
angeführt, um die Identitát zu rechtfertigen, und zuletzt 
der Satz aufgestellt, dass der in Sicyon gebrüuchliche 
Name Eumeniden und der weissen Erinyen in Arkadien 
bei dem Pausanias VIII. 34, 3. sich nicht hinlünglich er- 
klüren lassen, wenn man nicht auf die Grundideen des 
Chthonischen Cultus zurückgehe, dass aus derselben. 
Quelle Tod und Verderben, wie Leben und Heil hervor- 
stróme: denn der Fluch kóünne sich doch dureh seine 
Aufhebung nicht in eine gütige segnende Gottheit ver- 
wandeln. Aber die Erinyen sind ja auch nicht segnende 
Gottheiten, und dass sie Kumeniden heissen, ist ja über- 
all als ein bloss auf' das Aufhóren ihrer Rache bezüpli-. 
cher Euphemismus anerkannt, weshalb man auch in Athen 
mit heilger Scheu es vermied, ihrem Namen auszuspre- 
chen, und sie nur die ehrwürdigen Góttinnen nannte. 
Eben dieselbe Bedeutung haben die weissen Furien, wie aus 
dem, was Pausamias von ihnen erzáhlt, sonnenklar her- 


/ 


208 AESCHYLOS 


vorgeht: ταύτας τὰς ϑεάς, ἡνίκα τὸν Ὀρέστην ἔρ- 
φρονα ἔμελλον ποιήσειν , φασὶν αὐτῷ φανῆναι pe- 
λαίνας" ὡς δὲ ἀπέφαγε τὸν δάκτυλον, τὰς δὲ αὖϑις 
δοχεῖν οἱ λευκὰς εἶναι » καὶ αὐτὸν σωφρονῆσαί τὸ 
ἐπὶ τῇ ϑέᾳ, καὶ οὕτω ταῖς μὲν ἐνήγισεν ἀποτρέπων 
τὸ μήνιμα αὐτῶν, ταῖς δὲ ἔϑυσε ταῖς λευκαῖς" ὁμοῦ 
δὲ αὐταῖς xoi Χάρισι ϑύειν νομίζουσι. Auch in der 

152Tregódie des Aeschylus erscheinen sie keineswegs als 
segmende (Gottheiten, sondern wünschen nur der Stadt 
Gutes, den Segen wirklich zu geben aber bitten sie 
die Móren, deren Ámt dieses ist. Herr Müller bemüht 
sich zwar zu zeigen, dass Pallas den Erinyen eime wirk- 
liche Macht Gutes zu geben zuschreibe, aber die Stel- 
len, auf die er sich beruft, kómnen das micht darthun, 
indem sie mur negativ sind, entweder ummittelbar, oder 
das Positive um des N egativen willen binzufügend. Sie 
sind felgende: V. 855.: 


ὡς μή τιν᾽ οἶκον εὐϑενεῖν ἄνευ σέϑεν. 
V. 912.: 


περί T ἀνϑρώπων 
φανερῶς τελέως διαπράσσουσιν 
τοῖς μὲν ἀοιδάς, τοῖς δ᾽ αὖ δαχρύων 
βίον ἀμβλωπὸν παρέχουσαι" 


wo die Freude über erfolgte gerechte Dertraleng gemeint 
ist ; 4 und V. 96 l.: Φ 


τὸ μὲν ἀτηρὸν 
χώρας κατέχειν, τὰ δὲ κερδαλέον 
^. πέμπειν πόλεως ini νίχῃ. 


Wiüren sie wirklich segenspendende Güttinnen , 50 wür- 
den sie den Athenern micht sowohl Gutes wünschen, als 
versprechen es ibmen zu geben. 

In dem, was sehr wortreich über des Aeschylus 
Verstellung von den Erinyen und ibrer üussern Darstel- 
lung gesagt wird, findet sich anch die Bemerkung, dasa 
der Dichter sie stets Tóchter der Naeht nennt, ohne 


EUMENIDEN. 207 


des Vaters zu gedenken. Wenn hierbei Herr Müller S. 
184. seinen Zuhórern sagte; ,,Offenbar entsprach diese 
Genealogie Áeschyles Ansichten und poetischen Zwe- 
,Cken besser, als eine der sonst vorhandenen:*€ so ist 
das zwar sehr wahr, der Grund davon aber dürfte durch 
das ,,offenbar/ doch manchem nicht offenbar worden 
seyn, und es hütte daher wohl mehr Nutzen gebracht, 
hierüber, als über manches andere zu sprechen. Fermer 
lesen wir S. 185.: ,,Áuch nahm Aesehyles von den 
Gorgonen ohne Zweifel die heraushüngende Zunge und 
die gefletschten Záühne, welche regelmüssig zu dem Gor- 
»goneion der alten Kunst gehóren: wir werden sehen, 
Welche Bedentung er diesen Zügen bei den Erinnyen 
»gab.4 Man hofft nun das zu erfahren: aber natürlich 
da der Dichter nirgends etwas von heraushüngender Zun- 
ge oder gelletschten Zühnen sagt, sondern Herr Müller 
das auf Treu und Glanben von Béóttiger angenommen 
hat: so weiss er auch weiter nichts anzuführen, als dass 
die Furien wie Jagdhunde das Wild verfolgen; dass sie 
Blut aus den Leichnamen (doch wohl der Lebendigen) 
lecken; dass sie geradezu Hunde genannt werden (so 
heisst ja aber bei den Griechen jeder, der etwas bewacht) ;153 
ja sogar, dass sie wie Jagdhunde bellen. Ei, das würe 
doch entsetzlich. — Aber wo steht es denn? V. 120.: 


3 c 


» e H 
ὄναρ διώχεις ϑῆρα, xAoyyaiveg δ᾽ ἅπερ 
κύων μέριμγαν οὔποτ᾽ ἐκλιπὼν πόνου. 


Nun die Furien hatten doch nur den μυγμὸς und ὠγμὸς 
und das λάβε λάβε φράζου hórenlassen. Das ist also 
Bellen? 

Der letzte Abschnitt handelt von dem Ζεὺς σωτήρ, 
der, als der dritte »ach Anrufung des Zeus Olympios, 
der Erde, und der Heroen,. als der über beide Welten 
herrschende genannt werdé. Das giebt allerdings eine 
schóne Idee; nur dürfte sie sich schwerlich aus allem, 
was Herr Müller zusammengestelit hat, ergeben, wenn 
man den Glauben daran nicht schon mithringt.  Einiges 
ist auch hier sehr merkwürdig.. S. 188. wird. gesagt: 


208 AESCHYLOS 


,;Behr bedeutungsvoll ist die von Mnmaseas (bei Suidas 
»5. Ὁ. Πραξιδίκη) mitgetheilte Genealogie, wonach Zeus 
Soter mit der Praxidika, d. h, eimer gerecht waltenden 
und bestrafenden Schicksalsgóttin, den Zeus Ktesios 
erzeugt; und enthült offenbar den Gedanken, dass erst, 
wenn die richtende Góttin, ursprünglich vielleicht eine 
,Erinnys, und der rettende Gott den Grund alles Ue-- 
, bels hinweggeschafft haben, der Segen der Natur wie- 
üer fühlbar wird. Das glauben die Zuhürer, wenn 
sie es hóren; schwerlich aber, wenn sie den Suidas auf- 
schlagen, und dort finden: Πραξιδίκη, ϑεὸς ἧς τὴν xe- 
φαλὴν μόνον ἱδρύοντου ΜΜνασέας δὲ ἐν τῷ περὶ 
Εὐρώπης, Σωτῆρος καὶ τῆς ἀδελφῆς Πραξιδίχης γε- 
γέσϑαι Κτήσιον υἱὸν xol ϑυγατέρας Ὃμόνοιαν καὶ 
"Αρετήν, ἃς ἀπὸ τῆς μητρὸς Πραξιδίχας χληϑῆναι. 
Denn hier kann, bei wem nicht die: Erinys zu einer fixen 
Idee worden ist, durchaus nicht eine gerecht waltende 
und bestrafende Schicksalsgóttin, sondern nur eine Recht-- 
thuende finden, und der in dieser Fabel liegende Ge- 
danke ist der, dass der Erhalter das Rechtthun segne,. 
umd daraus Wohlstand, Eintracht und T'ugend hervorge- 
hen lasse, [Dazu kann auch die Erklirung des Hesy- 
chius dienen: Πραξιδίχην δαίμονά. τινα φασὶ τὴν ὥς - 
περ τέλος ἐπιτιϑεῖσαν τοῖς τε λεγομένοις xoi πρατ-- . 
vouévoig. διὸ καὶ τὰ ἀγάλματα χεφαλὰς γίνεσθαι xai 
τὰ ϑύματα ὅμοίως. Meursius, dessen Hegnum At- 
. ticum Y. 5. mehr über die Ιραξιδίχας enthült, setzt 
damit in Verbindung, was Pausanias ΠῚ, 22, 2. sagt: 
Mevékaog δὲ "aov ἑλὼν καὶ ἔτεσιν ὕστερον ὄχτὼ 
μετὰ Τροίας πόρϑησιν οἴχαδε ἀναλυϑείς, ἄγαλμα 
Θέτιδος xai ϑεᾶς Πραξιδίχας ἱδρύσατο ἐγγὺς τῆς 
“Μιγωνίτιδος. Der auffallende Dorismus führt auf ϑεὰς. 
Πραξιδίχας. Wie uber die Laverna dazu komme in 
dem Glossarium des Philoxenus durch Πραξιδίχη über- 
setzt zu werden, woran lunius de p$ciura y. 104. kei- 
nen Anstoss nahm, ist von Gerhard Vossius in der 
Theologia gentilis 1X. 37. p. 826.gelragt, aber wohl 
noch von niemand beantwortet worden.] . Nicht minder 


EUMENIDEN. | 209 


seltsam ist die Note zu der angeführten Stelle, und giebt 
ebenfalls einen Beweis, wie der glüubige Leser getüuscht 
werden kann, wenn er die Citate nicht aufschlàgt, und . 
sieht wie Herr Müller die Sachen verdreht hat:  ,,Bei 
üieser Verbindung des Zeus Ktesios, des Penaten der 
»griechischen Nation, mit Gottheiten der Rache und des 
,Hhechts werden wir es auch nicht befremdend finden, 
dass der Sühn- Widder, von dem das .fióce χώδιον. 
genommen wurde, dem Meilichios und Ktesios geopfert 
wurde (Hesych. uud Smidas), wo Lobeck Aglaoph. p. 
183. für den Ktesios den Hikesms setzt. Auch ge- 
,hórt Ktesios, als ein Zeus Pluton, mit den Krinnyen in 
den Kreis der Chthonischen Gótter (oben $. 86.), und 
Sieht dem Meiliehios sehr nahe (vgl. Lobeck p. 1239.)** 
Das ist ein sehr luíftiper Beweis, durch den Lobeck kei- 
meswegs widerlegt seyn dürfte, obgleich in der Lesart 
ausser dem Simidas aweh Apostolius VIL 10. überein-154 
stimmt. Eustathius S. 1035, 8. nennt bloss den Ζεὺς 
μειλίχιος. Denn was beweist denn $. 86.? Nichts als 
dass Pansanias 1, 31, 4. sagt: “γαὸς δὲ ἕτερος ἔχει 
βωμοὺς “4ήμητρος ἀνησιδώρας χαὶ Διὸς χτησίου χαὶ. 
Τιϑρωνῆς καὶ Κόρης πφωτοχόνης xaL σεμνῶν Óvo- 
uabouévotv ϑεῶν. Die nuno. ἀνησιδώρα weist 
doch wohl dentlich, dass Ζεὺς κτήσιος micht zu den 
: ehthonischen Güttern gehórt, dafem man unter diesen, 
wie Herr Müller thut, die wmnterirdischen Stftaf- und 
Raehegótter versteht. Und vollends Zeus Pluton? Wer 
Lobecks Note S. 1239. nachsieht, und dort den Zeus 
Plutom als πλουτοδότης, und darum als χτήσεος ange- 
geben findet, wird sich nur wundern kónmen, wie er in 
die Gesellschaft der Erinyen komme. Was heisst aber 
gar, der Ζεὺς κτήσιος stehe dem μειλίχιος sehr nahe? 
Der Hórer oder Leser. muss denken, die Begriffe bei- 
dér stehen einander nahe.  Sehligt er aber die von Lo- 
beck angeführte Stelle des Xenophon jn der Anahasis 
VIL 8, 4. auf, so findet er das Gegenteil, indem dert 
gesagt wird, der Ζεὺς μειλίχιος müsse erst besünfügt 
werden, ehe der Ktesios Güter und Beiehthum gebe. 
Hrnw. Or. VI. O0 


210 AESCHYLOS 


Endlich kommen wir zu der letzten Abtheilung 
dieser Abhandlung, werin über die poetische Composi- 
tion zwar manches (ute, aber mit derselben Weit- 
schweifigkeit und Unbestimmtheit gesagt wird, zu der die 
Verbindung nicht zur Sache gehóériger Dinge nothwen- 
dig führen muss. So wird hier von der χάϑαρσις auch 
in dem Bacchischen Gottesdienste gesprochem, worüber 
einiges zu hórem $. 6]. S..148. Hoffnung machte. Es 
wird aber hier wieder auf jenem $. verwiesen, und 
man erfáhrt nichts, als.dass diese Katharsis der in ei- 
mem wilden 'Tammel hineingezegenen Seele die Ruhe und 
Klarheit wiedergebe. Damit scheint aber sehr wenig, 
wenn überhaupt etwas, gesagt zu seyn.  Sedann wird 
über die TTrilegie des Aeschylus gesprochen, .und nament- 
lich soll der Agamemnon mit Empfindungen freudiger, 
ruhiger Árt beginnen.  Gleichwohl ist gleich von dem er- 
sten Worten an die Besorgniss zu erwartenden Unheils 
auf das unverkennbarste nicht bloss angedeutet, sondern 
sehr bestimmt ansgesprochen. . Doch über das Poetische 
kann viel hin und her gesprochen werden, und im Gan- 
zen ist, was Herr Müller sagt, recht wohl geeignet auf 
den Charakter der Stücke und ihre Schónheiten aufmerk- 
sam zu machen, wenn auch einiges weiter ausgefübrt, 
eder bestimmter ausgedrückt seyn kónnte. ^ Recensent 
begnügt sich daher, nur einige Nebensachen aus den No- 
ten zu berühren. S. 195. wird in den Choephoren V. 
711 ff. vorgeschlagen zu schreiben: ὦ πότνια χϑὼν ... 
γῦν ἐπάρηξον (νῦν γὰρ ἀκμάζει Πειϑὼ δολία), ξυγ- 
καταβῆναι Χϑόνιόν ϑ' “Ερμῆν, καὶ τὸν Νύχιον τοῖςδ᾽ 
ἐφοδεῦσαι ξιφοδηλήτοισιν ἀγῶσιν. — Herr Müller sagt: 
155, Hermes ist, als δόλιος, auch bei Tage vóyiog (805.)* 
Das steht nicht dort, und, wie er lesen will,: kann ein 
Dichter mcht reden. Folglich hat Aeschylus:so micht ge- 
schrieben. In derselben Note heisst es: ,,V. 680. schreibe 
ich: Ol ἐγὼ, χατ' ἄχρας ἔμπας (Éunüc nach vielen 
Analegien) cc zogOovusOo.* Hütte Herr Müller doch 
wenigstens eine dieser vielen Analogien angeführt. — Für 
seine Schüler und .Glaubensgenossen mag seine Anctori- 


EUMENIDEN, 211 


tit hinreichen. — Wer aber zu keinen von beiden gehürt, 
hat nur zu viel Ursache zum Misstrauen. In einer an- 
dern Note S. 196. spricht,er noch einmal von der Par-. 
odos, ünd, indem er mit Recht bemerkt, dass manchmal, 
wie im Agamemnon und den Persern, auf die mit einer 
Epode geendigte Parodos unmittelbar ein Sfasimon folge, 
scheint er seinen S. 88. gegen den Recensenten ausge- 
sprochenen '"T'adel wieder zurückzunehmen, indem er ganz 
dasselbe sagt, was Recensent in den Elem. d. metr. lil. 
22, 2. S. 724. ff. gesagt hat. Erscheint daher einge- 
sehen zu haben, dass S. 88. alles dmrch einander ge- 
mischt, und der Gesang, der mit dem technischen Na- 
men πάροδος heisst, mit πάροδος, dem Hereinsohreiten 
des Chors, verwechselt worden war, weher denn uatür- 
lich Hepháüstion von Anapásten, die der Chor ἐν zagó- 
δῳ spreche, reden konnte, ohne in Widerspruch mit den 
Stellen zu stehen, in denen der Gesang, der πάροδος 
heisst, gemeint ist. 


Zuletzt sind noch Bemerkungen über die "Trilogien 
des Aeschylus überhaupt angeháüngt. Dass hiebei Herr 
Müller auf die von dem Recensenten in der Abhandlung 
de compositione tetralogiarum, vorgetragene Ansicht, 
der Góthe seinen Beifall gab, nicht eingehen konn- 
te, ist aus der Schule, der er angehórt, erklürlich: in- 
dessen ist seine Bemerkung, dass die ausser der Trilo- 
gie noch vorhandenen Stücke des Aeschylus Mittelstücke 
seyen, beachtungswerth, so wie auch die Vermuthung, 
die über das zu der vorhandenen Trilogie gehórige : ga- 
tyrische Stück, den Proteus, aufgestellt ist. 


[Seltsam ist es, dass Herr Müller, der somst über- 
all seinem Drange sinnliche Ánschanungen vor die Áu- 
gen zu bringen nachgiebt, die antiken. Biklwerke, welche 
Scenen aus den Eumeyiden darstellen, günzlich übergan- 
gen, und nicht einmal Herrn Raoul-Rochette, der in 
der Oresteide so ausführlich davon gesprochen, éryühnt 
hat.  Diess würe nützlicher gewesen, als selbsterínndene 
Eestaufziüge und Praehtausstellungen zu. beschreiben.] : 

02 


212 AESCHYLOS 


Noch manches andere, das in dem Buche enthalten 
ist, hütte sich besprechen lassen: allein es schien gnügend, 
vorzüglich nur das zur Sprache zu bringen, was eigent- 
lich in Beziehung auf die in demselben behandely Tra- 
gódie steht. Der Leser dieser Hecension wird Persehen 
haben, welches ,,die tieferen Fragen, die ein neues Ge- 
schlecht an das Alterthum richtet, ^ und welches die 
Antworten sind, die dieses Geschlecht auf diese Fragen 
giebt; zugleich such, warum es die Philologem von Pro- 
fession perhomscirt (ἀξδιόμεσον ἔϑγος τόδε λέσχας ἃς 
ἀπηδιώσατο); παπᾶ waram es, wenn ihm widersprochea 
wird, zu einer in Gesinnung. und Ton gemeinen Wehr 
preifen muss, die man sicher zu erwarten, nicht aber 
móthig hat dagegen zu protestiren. 


NACHSCHRIFT. 


Ya den in die HRecension eingeschalteten Zusützen ist 
alles berührt worden, worüber Herr Müller in seinem 
Ánhange im Beziehung aüf die Recension gesprochen hat. 
Am Schlusse des Ánhangs sagt er noch Folgendes: ,,Vor- 
,8tehendes war in den Osterferien unserer Universitát in 
ȟlesem Jahre geschrieben und am Ende derselben in 
» Druck.gegeben worden. Erst hernach ist mir Fortse- 
»tzung und Schluss der Hermannsehen Recension (Wie- 
ner Jahrb. LXV. S. 96.) in die Hünde gekommen, in 
einer Zeit, wo Geschüfte, die: mir imebt «m Herzen 
legen müssen, es mir verbieten, diesen Nachtrag noch 
um einige Begen uuszüdelinen, ; Pass dies mioht :aus 
Eleéinmüthigkeit geschieht, "wird mr. der awfmerksame 
j;Leéser dieser Bogen gern glawbeny: wo die Basis der 
attrpretition 80. locker und: lodo ; und das. Verstándaies 
“οὐ "Einzelnen sé zinzulünglieh- ist, Wie Herr Eh es-bei 
,ieser Τταῤθάϊο "offenbar sezeiut Nat, knnm des.Gebinde 


EUMENIDEN. 213 


der allgemeineren  Erklüirung und Construction des 
Stücks unmüglioh haltbar seym. ^ Einige Behanuptungen 
üieser Fortsetzung, welche mit denen des Herrn Er. 
,übereintreffen, insbesondere üher die Zahl der Areopa- 
»Eiten, den Stnnmstein der Athena und die Thymele, 
indem, nach meiner Ueberzeugung, schen in den obigen 
Erürterumgen ihre Widerlegnng; auch habe ich in ein 
paar kleinen Anmerkungen, die ich wührend des Drucks 
hoch sufügen konnte, einige von den gróssten Seltsam- 
keiten aus dieser Fertsetzung.zur Verwunderung hinge- 

» stellt; was aber die Ausführungen über den Gesammt- 
. »€chor, über die Eumeniden in den QChoephoren, die 
,Parodos, die Phrygische 'Tonmart, die Aufführung der 
,Stasima, das Ekkyklem, die Areepagiten in der Or- 
Cchestra, Ágamemmon als Protagonisten, den Bluthann 
,des Areopag, und die mytholegischen Gegenstünde an- 
: 80 meine ich, wird sich ein Leser, welcher ver- 

», Stehen will, die Antwort 3uf die von Herrn H. vorge- 
,tragenen Behauptungen bei weitém in den meisten Fil- 
,len aus meiner Auseinandersetzumg entnehmen künnem.« 
Da Herr Müller das Urtheil über die hier bezeichneten 
Puncte dem Leser überlassen, die weitere Augeinander- 
Betzung derselben aber zurückgehalten hat: so konnte 
ich in Beziehung .auf diese Punete nur ebendasselbe thun. 
Jedermann muss aber wünschen, dass, wenn Hr. Müller künf- 
tig noch einen oder den andern dieser (egenstünde be- 
Sprechen solle, er diess micht nur mit mehr Gründ- 
lichkeit, sondern anch mit mehr Anstand thun müge, als 
in seinem Anhange geschehen ist. In der Wissenschaft 
sind klar und bündig dargelegte Gründe die einzigen 
Wallen, mit denen etwas ausgerichtet wird. — Wer lun- 
gegen daranf ausgeht, sich Bewunderung und Andern 
Geringschützung zu bereiten, verfehlt dieses. Ziel um 80 
mehr, je mehr er, von Leidenschaft geblendet, die Wahr- 
heit aus, den Augen verliert, und, indem er ÁAndern eine 
Wunde beibringen will, selbst Blüssen giebt, die ihn der 
Verwundung aussetzen. Herrn Müllers Anhang giebt 
davon überall Beweise, und vielleicht keinen schlagendern 


214 AESCHYLOS 


als S. 5., wo er von Herrn Fritzsche schreibt: ,,Men- 
Schen von dieser Árt, welche mit geringen Geisteskrüf- 


ten grosse Aufseblasenheit verbinden, verblendet dann ἢ 


auch wohl eine Nemesis oder eine Homerische Ate so, 
dass sie in ihrer Kinbildung auch das gewóhnlichste 
hicht sehen, und die schmühlichsten Fehler begehen; 
,Wie denn diese Αἰ z. B. Herrn Fritzsche getrieben 
hat zu schreiben: Auch ist ἐπὶ φέγγει λαμπάδων 
eine ücht griechische und grade dichteri- 
»sche Construction für geyyóvvov λαμπά- 
»0c». Zu solchen Schnitzern machte der Archüolog, 
wie Herr Fritzsche mich zu nennen beliebt, .als er 
Collega Quintus an Maria Magdalena war, in die Grie- 
,chischen Exercitien der Primaner jederzeit eine sehr 
,uaxgà vocuun. Wer wundert sich hier nicht über 
ein so unzeitipes und so wenig anstündizes Frohlocken, 
mit dem die nur zu schnell hórenden Góttinnen Neme- 
sis und Áte citirt werden, damit Herr Fritzsche wegen 
eines offenbaren Versehens mit einer μαχρὰ γραμμὴ von 
dem bedroht werden kónne, der, um so manche andere 


Gymnasiastenfehler nicht zu wiederholen, in diesem Án-. 


hange selbst S. 24. durch das Femininum βαρέων sich 
die μακρὰ γραμμὴ verdient hat? — Wer wundert sich 
nicht über die Anmaassung, mit der Hr. Fritzsche, der 
überall als ein Mann von ausgezeichneten Fühigkeiten 
gekannt ist, von Herrn Müller unter die Menschen von 
geringen Geisteskráften gestellt wird, weil er es gewagt 
hat Herrn Müllers Irrthümer zu rügen? Ein Privatgelehr- 
ter mag immerhin sich auf solche Weise benehmen: er hat 
es bloss bei sich selbst zu verantworten, und die Fol- 
gen allein zu tragen. Aber gewissenlos. uzd unverzeihlich 
ist es, wenn ein akademischer Lehrer, der die doppelte 
Pfücht hat, gründliche Kenntnisse zu befüórdern und sei- 
nen Schülern ein Beispiel sittlicher Würdigkeit zu ge- 
ben, ihnen, anstatt wohlgeprüfte und bedachtsam erwo- 
gene Lehrsitze auf eine überzeugende Weise zu .erliw- 
tern, aus flüchtig angesehenen, sprachwidrig erklürten, 
willkürlich gedeuteten Stellen der Alten, aus überall auf- 


EUMENIDEN. 215 


.  gerafften, stillschweigend sich angeeigneten, nicht immer 


verstandenen Aeusserungen anderer Gelehrtet, endlich 
aus der übersprudelnden Quelle einer regellos schwürmen- 
den Phantasie geschóüpfie Erdichtungen von Dingen, wel- 
che nie gewesen sind und mie seyn konnten, als tüefe 
Weisheit vortrigt, und anstatt sie zu ernstem, leiden- 
schaftslosem, bescheidenem Erforschen des Wahren an- 
zuleiten, ihnen mit eitler Rnhmredigkeit und hoffárthi- 
zem Aufblühen wegen des eignen Wissens, mit zwiefach, 
 wissentlich und unwissentlich, sich blossgebender Lob- 
preisung auch des Schlechten, wenn es von den wieder- 
lobenden Genossen kommt, mit geflissentlicher Verdre- 
hung, spóttischer Verunstaltung, schnóder Verhóhnung 
der Meinungen JAndersdenkender, überhaupt mit dem 
Grundsatze der niedrigsten Volksclasse, wegen erhaltenen 
Tadels sich durch andern 'Tadel zu ráchen, und in Schmi- 
hen und Schimpfen ein siegreiches Ersatzmittel für feh- 
lende Beweise zu suchen, vorangeht. Der urtheilsfáhise 
Leser, der Herrn Müllers Buch und dessen Anhang mit 
dem, was sowohl von mir als von Hrn. Fritzsche nachgewie- 
sen worden, vergleicht, wird sehen, ob diese Schilderung 
etwas anderes als die Wahrheit sagt. ^ Ein Verfahren 
aber, wie das bezeichnete, ist nicht der Weg, sich Cre- 
dit zu erwerben, sondern vielmehr ihn zu vermichten; 
und zu bewirken, . dass anch was man etwa: Wahres 
sagen müchte, verdüchtig wird; nicht der Weg, sich, 
wie sehr ian es auch wünschen mag, furchtbar zu 
machen, sondern man macht sich, ausser dem Verlust 
der Achtung, nur licherlich, und die hohlen Lobreden der 
Verbündeten in Büchern und Zeitschriften kónnen das 
so wemig verhindern, dass durch sie die wahre Beschaffen- 
heit der Sache erst vollends recht ans Licht tritt. 


3 » 


Τάδ᾽ οὐχ Om ἄλλων, ἀλλὰ τοῖς αὑτῶν πτεροῖς. 


GRIECHISCHES 
WORTVERZEICHNISS. 


4A. 


α privativum in mehreren Wór- 
tern nach einander 68. f. 
ἀεὶ zwischen Práposition und 

Nomen 24. 
ἀλατεὶ 23. f. 
ἀναβαϑμοὶ 133. 
ἀνάκρισις 70. 
ἀναπιέσματα 133. 
ἀντιάζειν τινὰ 172. 
ἀντιπυργοῦν 172. 
ἀπόμοιρος 68. 
αὐονὴ 67. 
αὖτε 1106. 
ἀφόρμικτος 154. 


I. 
γε 68. f. 


4. 
δειμαίνειν 83. 


δειματοσταγὴς 68. 
ΖΠημήτηρ Ἐρινὺς 200. 1i. 


E. 


ἐκκύχλημα 165. ff. 
ἐχκυνηγετεῖν 45. 
ἐλινύειν, ἐλινὺς 200. 
ἐμπολᾶν 89. 
ἐκφανῶς 44. 


. ἐξέδειν 1 


08. 
ἐξηγητὴς ἐξ Ἐὐμολπιδῶν 199. 
ἐξώστρα 1065. f. 
ἐρινύειν, ἐρινὺς 200. ff. 
Ἐρινὺς Δημήτηρ 200. f. Τιλ- 
φῶώσσα 203. 205. 
ἐςτόπαν 124. 
εὐμήχανος 14. 
εὐχέρεια 53. 


Z. 


Ζεὺς κτήσιος 200. μιειλέχιος 
187. f. σωτὴρ 207. 


REGISTER. 217 


8. 
ϑυμέλη 145. ff. 
[. 


ἴδια ἄσματα 155. 
ἱεροποιοὶ der Furien 110, 


K. 


κατακυνηγετεῖν 45. 
κατηρεφὴς 56. ff. 
. πονίστρα 145. ff, 
κτήσιος Ζεὺς 209. 
κυροῦν δίκην 88. 


. 4l. 


λαπαδγνὸς 85. 
λέξη 71. 


M. 


α φωγεῖν 109. 
μέγυ ϑεοὶ 187. f. 
μένει 74. 
μητροκασιγνῆται 113. ff. 
μητροφόνη 541. 


Ν. 
νόμος ὕρϑιος 155. f. 


Ο. 


ὁμιλία 22. 

ὄναρ 30. 32. 

ὀρϑὸς 56. ff. 

ὀρκίζειν 78. 

ὀρχήστρα 145. ff. . 
oV μὴ mit Prásens 44. 


II. 


πάλλειν O7. f. 

Πανόπτας 124. 

πάντα ὀχτὼ 1306. 

παράβασις 144. 159. f. 
παρακαταλογὴ 143. 

πάροδος 141. f. 211. 
πλουτόχϑων 112. f. 
Πραξιδίκη 208. 

προναέα, πρύνοια Παλλὰς 177. ff. 


Σ. 


σπεύδεσθϑαι 71. 
σποράδην 48. f, 52. 
στάσιμον 158. 161. 
στάσις des Chors 158. 
στησίχορος 130. | 


T. 


Τιλῳφῶσσα Ἐρινὺς 203. 205. 
τίς ein statt zwei Mal 99. f. 
τοι Stellung 102. 
τριταγωνιστὴς 173. ff. 


Y. 


^ » 


ὑπερϑεῖν ἄκραν 85. 
ὑπόδοσις 8. 
ὑπόδυσις 8. 


o. 


φίλοι Verwandte 33. 
φρενοδαλὴς 67. 


X. 


χαρώνειοι xMpaxec 133. f. 
χοέος 53. 


SACHVERZEICHNISS. 


Anapüsten nicht gesungen 143. 
anapáüstische Systeme 62, 64. 
ff. 


antistrophische und nicht anti- 
strophische Gesánge 49. 

Areopag beschrünkt 170. ff. 

Areopagiten in den Eumeniden 
140. ff. 

Artikel 50. 54. 

Augmentsauslassung 100. 102. 


Bühne, ihre Hóhe' 153. 


Calculus Minervae 189, ff. 
Chóre der Tetralogie 127. ff. 


Dochmische Verse 161. f, 


Ekkyklema 165. f. 
Exostra 165. f. 


Fallhüren in der Orchestra 
132. f. 

Füsse, überzáhlige 49, 

Furien in der. Tragodie 133. 
weisse 205. 

Halbchóre im Stasimen 158. 

Hegemon, sein Standort 143. f. 
153. f. 


Hiatus in anapástischen Systemen 
65. 
Horen* und Móren verbunden 


114. 


Interpunction in Strophe und 


Antistrophe 38. ff. 72. 
Linien auf der Orchestra 145. 
Màinner im Dienste der Éume- 

niden 117. ff. 

Móren und Horen verbunden 

114. 

Orthius 157. 

Paeon epibatus 157. 

Parabasis 144. 159. f. 
Parakataloge 143. 

Parodos 141. f. 211. anapástische 

142. 

Personen, einzelne des Chors 

51. 62. 100. f. 102. f. 104. 
Phrygische Tonart 154. ff. 


Stasimon 158. 161. 
Thymele 145. ff, 


Trochaeus'semantus 157. 


Aeschylus Prom. (Argus) 131. 


Agam. Dienerinnen 129 f. 


V. 


VERZEICHNISS 
DER SCHRIFTS'LTE LLER. 


? 


Chor 130. f. 
147. 71. 


1017 - 1084. 137 f. 


1107. 157. 
1117. 157. 
1118. 68. 
1123. 157. 
1171. ff. 139. 
1208. 71. 
1215. ff. 139. 


" 1268. ff. 139. 


1317. ff, 4139, ff. 


1423. ff, 140. 
1634. 141. 


Choeph. V.271-294.. 179 ff. 


Letzte Scene 130 ff, 135. 


413. 102. 
680. 210. 
711. ff, 210. 
887. 181. 
977. 122. 


Eum, V. 126. 207. 


Aesch, Eum, 153. 159. 143. 
155. 161. 143. 
311. ff. 157. 


961. 206. 
Suppl. 141. 
Phryges 155. 
Prom, sol, 141. 
Aristoteles ἃ, P. 12. 155. 
Probl. 20, 13. 196. 
Aristoxenus bei dem Schol. des 
Soph. 155. 
Demosthenes g. Aristokr. δ. 66. 
190. 198. 
Etym. M. σκηνὴ 145. 
Euphorion 204. f. 
Euripides, niit Unrecht getadelt 
186. 


Eur. Orest, 1369. ff, 156. 
Iphig. in Taur. 961. 194. 
1226. 108. 
1483. 193. 
Bacch. 1026. 162. 
Ion 209. ff. 21. 
Elektr. 1274. ff. 194. 
Hephástion p. 131. 150. f. 
Hesychius γραμμαὶ 145. 
Homer Iliad, XXIV. 482. 187. 
Odyss. ΠῚ, 307. 183. 


Lucian Harmon. 3. 190. 198. 


Pisc. 21. 190. 198. 


Lysias de c. Eratosth, ὃ. 30. 


' 177. 


22, 
VIII 34, 3. 205. f. 


Plutarch Cimon 16. 17. 4178. 


Phodon 19. 135.f. 


de mus, 9. 10. 156. 


de fluv, 2, 3. 203. 


REGISTER. 


Pollux IV. 121. 134. 
124. 


174. 
127. 168. ἢ. 
129. 168. ἢ. 
132. 133. 
Pratinas 147. 
Scholiast zu Áesch, Eum. 23. 
36. 41. f. 69. f. 


des Aristides 189. f. 
zu Aristoph. Hittern 512. 159. 
Frieden 735. 144. 
159. 
zu Hom. Il. XXIV. 482. 
187. 
zu Soph. O. C. 118. 
Sophokles D T. Í T. 1297. δ΄, 165.f. 
ektra 184. ff. 
V. 181. 183. 
Suidas σχηνὴ 145. 
Thucydides 1. 102. 178. 
Xenoph. Anab. V. 4, 12. 14. 161. 
Symp. 2, 20. 161. 


DRUCKFEHL E R. 


Seite 11. letzte Z. Notengelehrsamkeiten lies Notengelehr- 


29, 
33. 


samkeit, 
Z. 9. vonunten Vertauschen 1. Vertauschungen. 
im Norm IV, 1, VI, 
Z. 60. τίγεσϑεαε l. τίνεσϑαι. 
Z. 4, oxía l σκιὰ. 
Z. 7. passerndern l, passendern, 
Z. 16. Rechtsversammlung 1. Rathsversammlung. 


. £.2. erledigeu 1l, erledigen, 


Z. 4. u. 3. von unten Thyr 1, Thy- 
de- der 
Z. 9. von unten Lánge 1, Tánze, 


zs ^ . - -— τοῦ . - -- Ll 
Ac wen ur» e PU YERPIIPUE tant oe IS S ERMERANRANT, “2 Ἐν Bisnes LET EIE rOPRUE MPIT c ERREUR 78 ἐς, τς xL uwocu4 lo ".dAL DueeWi d. ub od. es iaat pape j^ 


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