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Full text of "Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge; ethnologische und historisch-topographische Studien zur Geschicte des 9. und 10. Jahrhunderts (ca. 840-940) von J. Marquart. Mit Unterstützung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin"

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Osteuropäische 
und  ostasiatische  Streifzüge 


Ethnologische  und 

historisch-topographische  Studien  zur  Geschichte 

des  9.  und  10.  Jahrhunderts 

(ca.  840-940) 


J.  Marquart 


Mit  Unterstützung  der  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin. 


Leipzig 

Dieterich'sche  Verlagsbuchhandlung 
Theodor  Weicher 

1903. 


903257.  M?>5 


Herrn 

Professor  Dr.  M.  J.  de  Goeje 

und 

Herrn  Geheimen  Regiemngsrat 

Professor  Dr.  Eduard  Sachau 

in  Verehrung  und  Dankbarkeit 

der  Verfasser. 


VORWORT. 


Die  Zeit  von  ca.  840 — 940  bildet  eine  der  wichtigsten  Über- 
gangsperioden der  Weltgeschichte.  In  diesen  rund  hundert  Jahren 
ist  der  ethnologische  Körper  Europas  und  Asiens  im  wesentlichen 
teils  vollendet,  teils  vorbereitet  worden,  welcher  nach  einem  Jahr- 
tausend endlich  die  Fesseln  des  beispiellos  zähen  Wahngebildes 
des  einen  christlichen  ßömerreiches  in  Ost  und  West  endgiltig 
gesprengt  hat  und  das  Gerüst  einer  neuen  Staatenordnung  ent- 
weder schon  geworden  ist,  oder  wenigstens  an  dem  Abbruch  der 
auf  dynastischer  oder  religiöser  Grundlage  erwachsenen  Staaten- 
gebilde mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  arbeitet,  indem  er  diese 
dazu  verurteilt,  sich  dem  erwachten  Selbstbewusstsein  der  Völker 
entsprechend  umzugestalten  oder  der  Ohnmacht  und  allmählichen 
Auflösung  anheimzufallen.  Jedenfalls  zwingt  heutzutage  der 
nationale  Gedanke  die  Politik,  welche  das  nackte  Recht  der  Waffen 
und  des  Besitzes  immer  noch  als  einen  rechtmässigen  Besitztitel 
anerkennt  und  die  Kraft  der  Völker  vielfach  damit  vergeudet, 
sich  der  Auflösung  von  unter  längst  versunkenen  Anschauungen 
und  Verhältnissen  geschlossenen  oder  erzwungenen  Verträgen  ent- 
gegenzustemmen ,  ernstlich  mit  ihm  Rechnung  zu  halten  und  das 
Recht  der  physischen  Eroberung  wenigstens  durch  das  der  volk- 
lichen und  kulturellen  zu  ergänzen. 

Der  chemische  Prozess,  welcher  durch  die  erste  Völker- 
wanderung eingeleitet  war,  nahte  sich  seinem  Ende.  Die  Ver- 
welschung  der  Langobarden  und  gallischen  Franken  war  nicht 
mehr  aufzuhalten,  wenn  überhaupt  jemand  auf  den  Gedanken  ge- 
kommen wäre ,  dem  Rad  in  die  Speichen  zu  fallen.  Diese  Ab- 
klärung hatte  aber  das  Gute,  dass  sich  jetzt  allmählich  auch  eine 
deutsche  Nation  bildete  und  teilweise  durch  den  Gegensatz  gegen 
die  nun  verwelschten  Franken  auch  der  staatliche  Zusammenhang 


VI  Vorwort. 

mit  diesen,  die  das  Reich  einst  gegründet  hatten,  gelöst  wurde. 
Nicht  zum  wenigsten  ist  dies  freilich  ermöglicht  worden  durch 
Karls  Vernichtungskrieg  gegen  die  Sachsen.  Die  in  diesem  be- 
gangenen Grausamkeiten  und  Gewaltthätigkeiten  sind  gewiss  um 
so  verabscheuungswürdiger ,  als  sie  im  Namen  der  Religion  der 
Bruderliebe  stattfanden.  Allein  ohne  die  Verpflanzungen  der 
Sachsen,  die  natürlich  in  erster  Linie  den  politisch  massgebenden 
Teil  der  Bevölkerung,  die  eigentlichen  Sachsen  inguaeonischen 
Stammes  trafen,  die  als  fremde  Erobererrasse  gleich  den  Rös  in 
Russland  oder  den  Franken  in  Gallien  im  Lande  zerstreut  waren 
und  besonders  in  Nordalbingien  sassen,  wären  die  Sachsen  heute 
Dänen  und  uns  nicht  minder  feindselig  gesinnt  als  Dänen  oder 
Angelsachsen.  Die  Verpflanzungen  der  Sachsen  erscheinen  unter 
diesem  Gesichtspunkte  gewissermassen  als  eine  politische  Not- 
wendigkeit, eine  Massregel,  durch  welche  die  den  Deutschen  näher- 
stehende bodensässige  Masse  der  Bevölkerung  wieder  ausgelöst 
und  ihre  Assimiliening  mit  den  übrigen  Stämmen  ermöglicht  und 
befördert  wurde.  Durch  die  Ablösung  eines  eigenen  ostfränkischen 
Königreichs  wurde  immerhin  der  Verwischung  deutscher  Eigen- 
art durch  welsches  Wesen,  die  bei  der  anerkannten  Schwäche  des 
germanischen  Stammesbewusstseins  bei  längerem  Fortbestehen  des 
einheitlichen  Frankenreiches,  das  seinen  natürlichen  Schwerpunkt 
in  den  romanischen  Ländern  hatte ,  unvermeidlich  gewesen  wäre, 
oder  gar  einer  welschen  Kolonisation  in  den  rechtsrheinischen 
Gauen  rechtzeitig  ein  Riegel  vorgeschoben. 

Auf  der  südöstlichen  Halbinsel  herrschte  zwar  noch  immer 
der  Kaiser  der  Romäer,  allein  der  weitaus  grösste  Raum  derselben 
war  von  Slawen  besetzt.  Während  Justinian,  ebenso  eitel  wie 
Trajan,  alles  daran  setzte  um  die  Grossmachtstellung  des  Reiches 
zu  behaupten,  traf  er  dasselbe  in  Wahrheit  durch  seine  Religions- 
politik  ins  Mark.  Die  Quittung  für  die  Behandlung  der  syrischen 
und  ägyptischen  Monophysiten  zahlten  freilich  erst  die  Araber, 
allein  während  er  seine  Heei-führer  aussandte,  um  in  langjährigen 
Kriegen  die  verhassten  gotischen  und  wandalischen  Arianer  zu 
vertilgen,  musste  er  ruhig  zusehen,  wie  Bulgaren  und  Slawen 
Jahr  für  Jahr  Thrakien  verheerten  und  die  Bevölkerung  ausrotteten. 
Die  Goten  giengen  daran  zu  Gninde,  dass  sie  zu  rücksichtsvoll 
gegen  die  anspruchsvollen  Provinzialen  waren  und  zu  wenig  volk- 
liches Selbstgefühl   besassen.      Die    gewöhnliche   Behauptung,    das 


Vorwort.  VU 

Volkstum  der  in  den  römischen  Provinzen  angesiedelten  Germanen 
habe  dem  der  ihnen  an  Zahl  und  Kultur  weit  überlegenen  Eomanen 
erliegen  müssen,  lässt  sich  durch  den  Hinweis  auf  die  Araber 
leicht  widerlegen:  im  Vergleich  zu  diesen  waren  die  Germanen 
des  4. — 6.  Jahrhunderts  ohne  Frage  hoch  gebildet.  Die  Slawen 
aber  waren  zu  ihrem  Glücke  noch  Heiden  und  kannten  keinerlei 
Rücksicht.  So  wurden  denn  die  christlichen  Goten  durch  Bulgaren, 
Slawen  und  Awaren  gerächt,  und  die  heutigen  Neohellenen  \ind 
Rumänen  können  sich  bei  jenem  gepriesenen  Kaiser  dafür  be- 
danken, dass  ihnen  der  grösste  Teil  der  Halbinsel  für  immer  ver- 
loren ist. 

Allein  die  Slowenen  besassen  noch  weit  weniger  selbständige 
politische  und  militärische  Begabimg  als  die  Goten.  Auf  die 
Dauer  hätten  sie  daher  der  Unterwerfung  und  Entvolklichung 
durch  die  Romäer  nicht  entgehen  können.  Da  erschienen  aber 
zur  rechten  Zeit  die  hunnisch  -  türkischen  Bulgaren,  bei  denen 
militärisch-politische  Befähigung  ein  altes  Rassenerbteil  war,  um 
sie  vor  jener  Gefahr  zu  retten.  Als  Untertanen  der  Bulgaren 
gewöhnten  sich  die  Slowenen  an  ein  monarchisches  Staatswesen, 
das  allein  imstande  war,  den  Romäern  die  Spitze  zu  bieten,  und 
da  sie  gegenüber  ihren  bulgarischen  Herren  weitaus  in  der  Über- 
zahl waren,  so  waren  sie  zugleich  vor  dem  Verluste  ihrer  Eigenart 
sicher.  Die  Bulgaren  blieben  noch  zwei  Jahrhunderte  nach  ihrer 
Ansiedlung  ein  von  den  slawischen  Untertanen  scharf  unter- 
schiedenes türkisches  Reitervolk,  das  aber  in  der  uns  beschäftigen- 
den Periode  rasch  in  den  Slawen  aufgieng.  So  wurden  also  die 
türkischen  Bulgaren  die  Retter  und  Vorkämpfer  des  Slawentums 
der  Balkanhalbinsel  gegen  die  Romäer,  wie  es  ihre  Nachkommen 
heute  wieder  cremen  die  Türken  und  Neugriechen  sind,  und  oft- 
mals  haben  sie  das  Romäerreich  an  den  Rand  des  Verderbens 
gebracht.  Dass  es  ihnen  trotz  aller  Anstrengungen  schliesslich 
doch  nicht  gelungen  ist,  die  beiden  vielumstrittenen  Bollwerke 
Carigrad  und  Solun  zu  erstürmen ,  ist  im  Interesse  der  Kultur 
wohl  zu  begrüssen,  da  der  Bulgarenstaat  noch  keineswegs  die 
Stetigkeit  und  Durchbildung  des  romäischen  besass  und  vor  allem 
über  keine  Flotte  verfügte  und  daher  dem  Vordringen  des  Islams 
kaum  so  langen  und  hartnäckigen  Widerstand  entgegengesetzt 
hätte  wie  das  Romäerreich.  Von  nicht  zu  unterschätzender  Be- 
deutung war  es,  dass  gerade  in  dem  Augenblick,  als  die  Aktions- 


VIII  Vorwort. 

kraft  des  letztern  wieder  in  die  Höhe  gieng,  die  Widerstands- 
fähigkeit des  bulgaro -slawischen  Volkstums  durch  die  Einführung 
der  slawischen  Kirchensprache  und  die  Schaffung  einer  un- 
abhängigen Hierarchie  wesentlich  gestärkt  wurde. 

Im  Osten  nahm  das  armenische  Volkstum  einen  grossen  Auf- 
schwung infolge  der  Gründung  eines  nationalen  Königreichs  durch 
Asot  den  Grossen,  und  zwar  als  reichsunmittelbarer  Vasallenstaat 
des  Chalifats,  eine  Stellung  die  freilich  Asots  Nachfolger  nicht 
zu  behaupten  vermochten.  Diese  Schöpfung  erfolgte  in  einem 
sehr  kritischen  Zeitpunkt,  als  das  ai-abische  Element  sich  in 
stärkeren  Massen  im  Lande  einzudrängen  und  einzunisten  be- 
gonnen hatte  und  die  Armenier  selbst  bereits  nicht  selten  arabische 
Namen  führten.  Auch  hier  hat  eine  kurze  Glanzperiode  natio- 
nales Selbstbewusstsein  und  christliche  Widerstandskraft  mächtig 
gehoben,  die  dem  vielgeprüften  Volke  trotz  aller  furchtbaren 
Schicksalsschläge  den  Bestand  seiner  volklichen  Eigenart  bewahrt 
haben. 

Mit  der  inneren  Festigung  der  neuen  Nationen  begannen 
sich  alsbald  auch  Interessensphären  vorzubereiten ,  die  den  wei- 
teren Gang  der  Geschichte  gewissermassen  vorzeichneten:  diese 
sollte  zeigen,  wie  jene  mit  dem  ihnen  anvertrauten  Pfunde  zu 
wuchern  verstehen  würden.  Die  Deutschen,  denen  durch  ihre 
inzwischen  verwelschten  Brüder  zu  ihrem  Glücke  die  Möglichkeit 
genommen  war,  dem  dämonischen  Zuge  nach  dem  Süden  und 
Westen  zu  folgen ,  begannen  ihr  altes ,  von  ihnen  und  ihren 
Brüdern  verlassenes  Haus,  in  dem  sich  seit  der  Begründung  des 
Frankenreiches  allmählich  die  nachrückenden  Slawen  eingenistet 
hatten ,  wieder  in  Besitz  zu  nehmen  und  in  Stand  zu  setzen. 
Leider  musste  hiefür  die  Verbreitung  des  Christentums  den  Vor- 
wand liefei-n.  So  kamen  zunächst  Sorben  und  Abodriten,  bald 
auch  die  Stämme  der  Liutizen  in  den  Bann  der  deutschen  Macht- 
sphäre, deren  Schwergewicht,  unterstützt  durch  die  Lässigkeit 
der  Polen,  später  auch  ein  lechischer  Stamm,  die  Pommern, 
sich  nicht  zu  entziehen  vermochte.  In  unserer  Periode  wurde 
also  die  Verdeutschung  der  grossen  polabischen  Gruppe  der  West- 
slawen eingeleitet,  die  erst  in  unserer  Zeit  ihren  Abschluss  findet. 
Es  muss  dabei  hervorgehoben  werden,  dass  dies  Ergebnis  vor  allem 
dadurch  erreicht  worden  ist,  dass  diese  Stämme  nicht  in  monarchi- 
scher Geschlossenheit  den  Deutschen  gegenübertraten,  insbesondere 


Vorwort.  IX 

aber  durch  die  beispiellose  Treue,  mit  der  die  Liutizen  an  ihrem 
alten  Götterglauben  festhielten.    Dadurch  giengen  sie  des  Schutzes 
der  Kirche,    des    einzigen   der  in  den  folgenden  Zeiten  gegenüber 
der  Unterdrückung  durch  den  bevorrechteten  Ritterstand  wirksam 
war,  verlustig  und  wurden  mit  deren  Billigung  und  Aufmunterung 
zur  Rechtlosigkeit  herabgedrückt.    Eine  eigenartige  Stellung  nahm 
dagegen  Mähren  ein.     Seit  den  Tagen  Ludwigs  des  Frommen  be- 
trachteten die  ostfränkischen  Könige    die  Fürsten   der  Mährer   als 
ihre  Vasallen,    und  von  Baiern  aus  ward  in  diesem  Lande  zuerst 
das  Christentum    verbreitet.     Wiederholt    versuchten    die  Mährer- 
fürsten die  fränkische  Oberhoheit  abzuschütteln,  und  zumal  Rastis- 
law   und   sein  Neffe  Swetoplxk   verfolgten    dies  Ziel   mit    grosser 
Zähigkeit.     Diesem  Zwecke  sollte    auch    die  Berufung   der  beiden 
Brüder    Konstantin   und  Methodios    aus  Byzanz    dienen,   und    mit 
der  Einführung  des  slawischen  Gottesdienstes   schien   in  der  That 
Mähren    der  Brennpunkt    eines   neuen  Einfluss-  und  Kulturkreises 
werden  zu  sollen.     Dabei  bleibt   indessen  die  Politik   sowohl    der 
beiden  Fürsten  als  der  beiden  Glaubensboten  in  mancher  Hinsicht 
unbegreiflich  und  rätselhaft.     Man  fragt  sich,    warum  Konstantin, 
der    doch   ein  Freund  des  Photios  war   und   über    die    politischen 
Bestrebungen  Rastislaws  ohne  Zweifel  unterrichtet  war,  sich  nicht 
alsbald  bemühte,    diesen    zum  Anschlusss  an  den  Patriarchen  von 
Neurom  und    zur  Ausweisung  der  lateinischen  Geistlichen    zu  be- 
wegen,  um    deren   gehässigen  Anfeindungen    ein    für   allemal    ein 
Ende  zu  machen,  statt  sich  an  den  Bischof  von  Rom  zu  wenden  und 
damit  dessen  Ansprüche  auf  die  Zugehörigkeit  Mährens  zu  seinem 
Patriarchatssprengel   ausdrücklich    anzuerkennen.     Begreiflicher  ist 
die   Zurückhaltung    des    Methodios,    zu    dessen    Sprengel   ja    auch 
das  ganz  von  Baiern  abhängige  Fürstentum  des  Kocel  am  Platten- 
see gehörte  und  der  daher  viel  mehr  Rücksicht   auf   den  ostfrän- 
kischen König  zu  nehmen  hatte.     Ganz  und  gar  unverständlich  ist 
dagegen  die  Haltung  des  SwgtopHk,    der    selbst   nach  der  Rück- 
kehr Bulgariens  von  der  römischen  zur  griechischen  Kirche  weder 
in  kirchlicher  Beziehung  dem  Beispiele  des  Fürsten  Bogoris  folgte 
noch   auch    die  Bundesgenossenschaft   der  Bulgaren   und  Griechen 
gegen    seine    fränkischen    Gegner    zu    gewinnen    suchte,    ja   sogar 
schliesslich    die    slawische  Liturgie  unterdrückte,    die  Schüler  des 
Methodios  vertrieb    und    die  Leitung    der  mährischen  Kirche  Me- 
thodios' Gegner,    dem  Alamannen  Wiching  übergab!     Damit  war 


X  Vorwort. 

denn  das  Lebenswerk  des  Konstantin  und  Methodios  zerstört  und 
die  Abhängigkeit  der  mährisch  -  pannoniscben  Kirche  von  der 
fränkisch  -  römischen  besiegelt.  Bei  der  damaligen  innigen  Ver- 
schlingung geistlicher  und  weltlicher  Interessen  konnte  es  aber 
nicht  ausbleiben,  dass  die  Franken,  d.  h.  vor  allem  die  Baiern, 
nun  mehr  denn  je  Gelegenheit  fanden,  sich  in  die  inneren  Ver- 
hältnisse Mährens  einzumischen.  So  hat  Swgtopl'Lk  trotz  seiner 
vielen  und  glücklichen  Kriege  durch  seine  unselige  Kirchenpolitik 
die  von  ihm  und  Rastislaw  angestrebte  Unabhängigkeit  Mährens 
selbst  vernichtet  und  seinen  Söhnen  die  erbitterte  Feindschaft  der 
Baiern  hinterlassen,  während  bereits  der  Steppenwind  heranbrauste, 
der  die  aufblühende  Kultur  jählings  hinwegfegen  sollte. 

Viel  besser  ergieng  es  den  Cechen  und  Polen.  Jene  hatten 
gerade  in  dem  kritischen  Augenblick,  als  sie  zum  ersten  Mal  zu 
ernstlicher  Unterwerfung  unter  das  ostfränkische  Reich  gezwungen 
wurden,  soeben  den  entscheidenden  Schritt  von  der  Zersplitterung 
unter  eine  Anzahl  von  Gaufürsten  zum  Einheitsstaat  und  vom 
Heidentum  zum  Christentum  vollzogen  und  sich  zunächst  der 
baierischen  Kirche  willig  untergeordnet.  So  wurde  Böhmen  als 
christliches  Staatswesen  anerkannt  und  in  seinen  Einrichtungen 
beschützt,  und  die  Perioden  seiner  Unabhängigkeit  während  der 
Ungarnnot  trugen  nur  dazu  bei,  seine  Stellung  zu  befestigen  und 
ihm  auch,  als  es  unter  Boleslaw  I.  abermals  und  für  immer  die 
Lehnshoheit  des  Reiches  anerkennen  musste,  seine  Selbständigkeit 
zu  sichern.  Es  ist  also  nicht  allein  die  Unfähigkeit  des  baierischen 
Stammes  zu  germanisieren,  welche  die  Eigenart  der  Cechen  ge- 
rettet hat.  Bei  den  Polen  aber  fiel  die  Herstellung  der  staat- 
lichen Einheit  mit  dem  Eintritt  in  den  christlichen  Staatenverband 
und  der  freiwilligen  Anerkennung  der  Lehnshoheit  des  Reiches 
zusammen,  ihre  Abhängigkeit  war  daher  von  Anfang  an  eine 
sehr  lose. 

Auch  auf  der  Balkanhalbinsel  bereiteten  sich  solche  Einfluss- 
kreise  vor.  Trotz  aller  Anstrengungen  war  es  dem  Caren  Symeon 
nicht  gelungen,  sämtliche  Slawen  der  Halbinsel  unter  seinem 
Szepter  zu  vereinen  und  zumal  die  Slowenen  von  Hellas  und  dem 
Peloponnes  aus  der  drohenden  Isolierung  zu  befreien.  Auch  die 
Eroberungen  des  Caren  Samuel  und  später  die  des  Serbencaren 
Stephan  Dusan  vermochten  die  Romaisierung  der  Slawen  der 
griechischen  Halbinsel   nicht    aufzuhalten.     Auf   der   andern  Seite 


Vorwort.  XI 

waren  aber  auch  weder  die  furchtbaren  Greuelthaten  des  Bulgaren - 
Schlächters  Basileios  noch  die  glänzenden  Eroberungen  des  Serben- 
caren  Stephan  Dusan,  noch  selbst  die  Schi-ecken  des  fünfhundert- 
jährigen Türkenjoches  imstande,  den  nationalen  Besitzstand  auf 
die  Dauer  wesentlich  zu  verändern  und  das  Bulgarentum  zurück- 
zudrängen. 

So  waren  die  meisten  politischen  Faktoren  wenigstens  durch 
volkliche  Abklärung  hinlänglich  vorbereitet  und  gefestigt,  als  eine 
zweite  Völkerwelle  von  Osten  heranbrauste ,  während  schon  seit 
hundei't  Jahren  Raubmörderbanden  aus  dem  Norden  fast  unablässig 
die  blühenden  Gaue  von  Westeuropa  heimsuchten  und  verheerten. 
Wenn  sich  aber  die  westlichen  Normannen  ausschliesslich  als 
Totengräber  der  Kultur  in  die  Geschichte  einführten,  haben  die 
östlichen  Wikinger,  die  von  Anfang  an  als  streitbare  Sklaven- 
jäger und  Handelsleute  auftraten,  alsbald  eine  hohe  Kulturmission 
angetreten,  indem  sie  unter  den  östlichen  Slawen  einen  kraftvollen 
Staat  und  damit  ein  starkes  Bollwerk  schufen  gegen  die  Steppen- 
völker. Thörichte  Verblendung  ist  es,  wenn  es  noch  russische 
Forscher  gibt,  die  nicht  anerkennen  wollen,  welch  grosse  Wohl- 
that  die  schwedischen  Rös  den  zerspKtterten ,  friedfertigen,  de- 
mokratisch gegliederten  Slawenstämmen  dadurch  erwiesen  haben, 
dass  sie  sie  in  einer  festen  staatlichen  Organisation  vereinigten, 
welche  sie  sich  nicht  selbst  zu  geben  vermochten  und  ohne  die 
sie  den  raschen,  an  militärische  Zucht  gewöhnten  und  streit- 
baren Nomaden  gegenüber  wehrlos  waren.  Noch  einen  andern 
Staat  im  Osten  konnte  die  christliche  Welt  als  einen  Vorposten 
der  Gesittung  gegen  nomadische  Roheit  betrachten,  das  Reich 
der  halbzivilisierten  Chazaren^),  einen  Überrest  des  einst  mäch- 
tigen westtürkischen  Reiches,  das  vermöge  seiner  alttürkischen 
Heeresverfassung  den  Nomaden  ein  ebenbürtiger  Gegner  war,  bis 
es  durch  die  Einrichtung  eines  aus  fi-emden  Söldnern,  vorzugs- 
weise Muslimen  zusammengesetzten  stehenden  Heeres  seine  Aktions - 
freiheit  lähmte  und  seinen  eignen  Bestand  aufs  Spiel  setzte. 
Es  ist  aber  immerhin  ein  gutes  Zeugnis  für  die  Festigkeit  des 
Chazarenstaates,  dass  er  es  vermocht  hat,  die  Magyaren  zu  bändigen 
und    die  Horden    der  Peöenegen   im   Schach   zu   halten.     Freilich 


^)  Sie  waren  wenigstens  im  10.  Jahrhundert  (sämtlich?)  zum  Acker- 
bau übergegangen ;  s.  u.  S.  XLII  A.  3. 


XII  Vorwort. 

den  Übergang  der  letzteren  nach  Europa  zu  verhindern  war  er 
ausserstande.  Die  Magyaren  ,  von  den  Pe^enegen  geschlagen  und 
aus  ihren  Sitzen  vei'trieben,  waren  ängstlich  darauf  bedacht,  soweit 
als  möglich  von  den  gefürchteten  Türken  wegzuziehen.  In  Europa 
war  sich  niemand  der  herannahenden  Gefahr  bewusst.  Als  Kaiser 
Leon  der  Weise  die  Magyaren  gegen  die  Bulgaren  zu  Hilfe  rief, 
ahnte  er  sicherlich  nicht,  dass  er  durch  diesen  Schritt  Geister 
gerufen  hatte,  die  die  Balkanhalbinsel  Jahrhunderte  hindurch  nicht 
mehr  los  werden  sollte.  Der  streitbare  und  unverzagte  Bulgaren- 
fürst Symeon  zeigte  sich  der  Lage  gewachsen;  er  knüpfte 
Friedensunterhandlungen  mit  dem  Kaiser  an  und  zahlte  nun 
den  von  ihrer  Heimat  abgeschnittenen  Magyaren  die  Verwüstung 
seines  Landes  und  die  Niederlagen,  die  sie  ihm  beigebracht, 
blutig  heim.  Dann  überfiel  er  im  Bunde  mit  den  Pe^enegen  ihre 
Familien  und  rottete  sie  aus.  So  sahen  sich  die  Magyaren  aber- 
mals gezwungen,  weiter  gen  Westen  zu  wandern,  und  schlugen 
in  dem  durch  den  Karpatengürtel  geschützten  Theisslande,  das  sie 
bereits  ausgekundschaftet  hatten,  ihren  bleibenden  Sitz  auf.  Jene 
Katastrophe  hatte  bei  ihnen  einen  so  unauslöschlichen  Eindruck 
hinterlassen,  dass  sie  zu  Lebzeiten  Symeons  keinen  Einfall  nach 
der  Balkanhalbinsel  und  Bulgarien  mehr  wagten.  Dieses  hatte 
aber  jetzt  in  den  Pecenegen  noch  weit  gefährlichere  und  furcht- 
barere Nachbarn  erhalten ,  und  jede  weiterblickende  Staatsleitung 
in  Byzanz  hätte  erkennen  müssen,  dass  diese  Gefahr  mittelbar 
auch  das  Romäerreich  bedrohte ,  und  ein  starkes  Bulgarien  eine 
Schutzwehr  für  Konstantinopel  bedeute.  Seitdem  die  Bulgaren 
zum  Christentum  bekehrt  waren  und  Bogoris  mit  dem  Kaiser  ein 
Bündnis  geschlossen  hatte,  war  ein  mit  Byzanz  verbündetes  un- 
abhängiges und  mächtiges  Bulgarien  ein  Lebensinteresse  fürs 
RomäeiTeich.  Für  eine  solche  Auffassung  zeigten  jedoch  die 
byzantinischen  Staatsmänner  seit  Leon  dem  Weisen  zumeist  ge- 
ringes Verständnis,  und  als  das  Ziel  ihres  Ehrgeizes,  die  Ver- 
nichtung der  bulgarischen  Selbständigkeit  erreicht  war ,  war  zu- 
gleich den  verheerenden  Einfällen  der  Pecenegen  und  später  der 
Kumanen  ins  Romäerreich  das  Thor  geöflnet. 

Die  zweite  christliche  Vormacht,  das  geteilte,  aber  ideeU 
noch  eine  Einheit  bildende  Frankenreich ,  besass  ebenfalls  einen 
Vorposten  gegen  die  rohen  Barbaren  in  den  Mährern.  Allein  von 
der   Erkenntnis,    dass    sie    mit   diesen    zusammen    die    christliche 


Vorwort.  XIII 

Kultur  des  Abendlandes  zu  schirmen  hatten  gegen  die  ungezügelte 
Wildheit  der  Nomaden,  zeigt  sich  bei  den  Ostfranken  keine  Spur, 
vielmehr  untergruben  sie,  von  dem  einzigen  Bestreben  beseelt,  die 
völlige  Unterwerfung  der  Mährer  zu  erzwingen ,  mutwillig  selbst 
den  Wall,  der  die  heranwogende  Flut  noch  aufhielt.  Die  jämmer- 
liche Schwäche  und  Hilflosigkeit  aber,  welche  das  ostfränkische 
Reich  gleich  den  andern  Frankenreichen  in  der  Abwehr  der 
fürchterlich  hausenden  Magyaren  bewies,  tritt  um  so  handgreiflicher 
hei-vor,  wenn  man  damit  die  unerschrockene  Haltung  des  Bulgaren - 
fürsten  Symeon  sowie  den  Verlauf  ihrer  wenigen  Züge  nach  dem 
Romäerreiche  zusammenhält.  Lehrreich  für  den  Wechsel  der 
Zeiten  und  die  richtige  Beurteilung  der  politischen  Begabung  der 
einzelnen  deutschen  Stämme  ist  auch  ein  Vergleich  des  Einfalls 
der  Magyaren  mit  dem  der  Awaren,  Diese  unternahmen  gleich 
bei  ihrem  ersten  Auftreten  diesseits  der  Karpaten  auch  zwei  Raub- 
züge nach  dem  Frankenreiche,  allein  König  Sigibert  trat  ihnen  in 
Thüringen  unverzagt  gegenüber,  und  obwohl  sie  Sieger  blieben, 
flösste  ihnen  doch  die  wohlgeordnete  Heeresmacht  und  der  ent- 
schlossene Widerstand,  auf  welche  sie  hier  stiessen,  solche  Achtung 
ein,  dass  sie  das  Frankenreich  mit  Einfällen  fortan  nicht  zu  be- 
helligen wagten.  Das  Ziel  ihrer  Raubzüge  bildete  vielmehr  das 
Romäerreich,  wie  die  Frankenreiche  der  Tummelplatz  der  Magyaren 
wurden ,  bis  die  kraftvolle  sächsische  Dynastie  die  halbhundert- 
jährige  Schmach  zum  Teil  auswischte.  Doch  auch  hier  fällt  ein 
Vergleich  zwischen  der  Beendigung  der  Awaren-  und  Magyaren- 
plage sehr  zu  Ungunsten  des  deutschen  Reiches  aus ;  denn  während 
der  grosse  Karl  ganze  Arbeit  machte,  ist  Otto  der  Grosse  auf 
halbem  Wege  stehen  geblieben. 

In  religionsgeschichtlicher  Beziehung  ist  unsere  Periode  nicht 
minder  wichtig  als  in  ethnologischer  und  politischer.  Vermochte 
man  den  Barbaren  nicht  durch  die  Waffen  beizukommen,  so  suchte 
man  sie  durch  die  friedliche  Botschaft  des  Gekreuzigten  zu  zähmen. 
In  diesem  Sinne  wurde  von  den  Zeitgenossen  die  Bekehrung  der 
Bulgaren  avifgefasst,  welche  zu  dem  höchst  interessanten  Streite 
zwischen  den  Patriarchen  von  Alt-  und  Neurom  über  die  kirch- 
liche Oberleitung  des  neubekehrten  Landes  Veranlassung  gab,  der 
später  zur  Gründung  eines  eigenen  bulgarischen  Patriarchates 
führte.  Wie  die  Bulgaren  die  Geissei  der  Romäer,  so  waren  die 
Normannen  die  Würgengel  des  Westens.     Es  gab  jedoch  manchen 


XIV    *  Vorwort. 

nordischen  Fürsten,  der  sich  der  neuen  Lehre  gewogen  zeigte  und 
ihre  Verkündigung  in  seinem  Gebiete  gestattete  und  unter  seinen 
Schutz  nahm.  Öfters  nahmen  auch  Wikingerhäuptlinge  selbst  das 
Christenwasser  an,  was  sie  aber  gewöhnlich  nicht  im  mindesten 
hinderte,  bei  der  nächsten  Gelegenheit  ihre  Gelübde  zu  brechen, 
um  aufs  neue  auf  ihren  gewohnten  Wikingei'fahrten  Mord  und 
Verheerung  in  die  christlichen  Länder  zu  tragen.  Ähnliches  mag 
auch  unter  den  östlichen  Normannen  vorgekommen  sein.  Ibn 
ChordäJbih  erzählt  uns,  die  Kaufleute  der  Kös,  welche  Baydäd 
besuchten,  hätten  sich  dort  für  Christen  ausgegeben  und  als  solche 
die  Kopfsteuer  bezahlt.  Es  ist  daher  wohl  glaublich,  dass  nach 
dem  Scheitern  des  grossen  Zuges  gegen  Konstantinopel  im  Jahre 
865  einzelne  vornehme  Russen  die  Taufe  annahmen  und  die 
Fürsten  Askold  und  Dir  die  Verkündigung  des  Evangeliums  in 
Kyjew  gestatteten.  Dei'artige  vorübergehende  Erfolge  wurden 
aber  von  den  Zeitgenossen  leicht  überschätzt  und  masslos  über- 
trieben^). So  war  es  auch  mit  der  Bekehrung  der  Chazaren.  Es 
wäre  für  das  Romäerreich  ohne  Zweifel  von  grossem  Werte  ge- 
wesen, das  befreundete  und  durch  eine  gewisse  Literessengemein- 
schaft mit  ihm  verbundene  Chazareni'eich  auch  durch  die  Ge- 
meinsamkeit des  Glaubens  an  sich  zu  ketten  und  in  ihm  einen 
zuverlässigen  Bundesgenossen  gegen  die  heidnischen  Nomaden  wie 
gegen  das  islamische  Reich  zu  gewinnen.  Hier  stritten  indessen 
mit  dem  christlichen  auch  jüdische  und  muslimische  Einflüsse, 
und  so  hatte  die  Sendung  des  späteren  Slawenapostels  Konstantin 
nur  teilweisen  und  vorübergehenden  Erfolg.  Der  Chagan,  ver- 
mutlich dem  halbnomadischen  Charakter  seines  Staates  Rechnung 
tragend  und  bestrebt,  seine  Unabhängigkeit  sowohl  vom  christ- 
lichen Romäerkaiser  wie  vom  Gebieter  der  Gläubigen  zu  wahren, 
trat  schliesslich  mit  seinem  Gefolge  zum  Judentum  über,  während 
die  grosse  Masse  seiner  Untertanen  zunächst  im  Heidentum  ver- 
harrte 2).  Im  übrigen  erhielten  alle  Religionen  vollkommene 
Duldung,  so  dass  im  10.  Jahrhundert  Muslime,  Christen  und 
Heiden  den  jüdischen  Adel  an  Zahl  übertrafen.  Zuletzt  soll  auch 
dieser  von  den  muslimischen  Haustruppen  gezwungen  worden  sein, 

^)  So  sind  die  Behauptungen  des  Photios  (unten  S.  391)  und  der 
Späteren  aufzufassen.  Vgl.  auch  Gregor  Krek,  Einleitung  in  die 
slawische  Literaturgeschichte  2  451—466,  bes.  455  S. 

^  Vgl.  Ibn  Rusta  \n,  12—14. 


Vorwort.  XV 

den  Islam  anzunehmen.  Dieser  machte  im  Jahre  922  eine  wich- 
tige Eroberung  durch  die  Bekehrung  der  ackerbautreibenden 
Wolga -Bulgaren  mit  der  Handelsstadt  Bulyär.  Unter  den  Nomaden 
besass  er  von  Anfang  an  grössere  Werbekraft  als  die  Lehre  der 
Bruderliebe,  und  es  scheint  in  der  That,  dass  es  imter  den 
Peöenegen  schon  am  Ende  des  9.  Jahrhunderts  Muslime  gab. 
Mas'üdl  erzählt,  im  Jahre  312  H.  (924/25)  sei  eine  Schar  von 
Buryar  (Magyaren)  in  Venetien  zu  den  auf  einem  Seeraubzug 
nach  den  adriatischen  Gestaden  gelangten  Arabern  von  Tarsus 
gekommen,  um  ihnen  ihre  Hilfe  anzubieten,  imd  einige  von  ihnen 
seien  mit  nach  Tarsus  gegangen.  Mas'üdl  hat  allerdings  die 
Magyaren  mit  den  Wolga  -  Bulgaren  vermengt,  und  so  haben 
sich  in  seinem  Kopfe  Nachrichten  über  diese  beiden  Völker  zu 
der  phantastischen  Vorstellung  von  einem  grossen  muslimischen 
Bulgarenreiche  verdichtet,  dessen  Macht  bis  nach  Konstantinopel, 
ja  selbst  bis  nach  Spanien  reichen  sollte.  Es  ist  indessen  sehr 
wohl  möglich,  dass  man  zu  seiner  Zeit  in  muslimischen  Kreisen 
die  Gewinnung  der  Peßenegen  und  Magyaren  für  den  Islam  in 
allem  Ernste  erhoffte.  Welch  glänzende  Aussichten  für  einen 
neuen  Siegeslauf  desselben,  wenn  diese  beiden  wilden  und  streit- 
baren Nomadenvölker  den  Glaubenskrieg  nach  dem  Romäer- 
und  den  Frankenreichen  trugen!  Vereinzelte  Bekehrungen  von 
Magyarenhäuptlingen  zum  Christentum  waren  sehr  oberflächlich 
und  wirkungslos:  erst  das  deutsche  Schwert  hat  hier  dem  Kreuz 
den  Weg  bereitet. 

Zur  Aufhellung  der  im  Vorstehenden  skizziei-teu  Verhältnisse 
möchten  diese  Studien  beitragen. 

Eine  sachkundige  zeitgenössische  Berichterstattung  über  die 
politisch- ethnologischen  Verhältnisse  der  in  Aussicht  genommenen 
Periode  dürfen  vsdr  nicht  erwarten.  Seit  dem  Ende  des  6.  Jahr- 
hunderts war  der  historische  Faden  im  Osten  wie  im  Westen  der  christ- 
lichen Welt  abgerissen,  und  die  magere  Chronistik,  die  an  die  Stelle 
der  Geschichtschreibung  getreten  war,  kann  diesen  Mangel  in  keiner 
Weise  ersetzen.  Wenn  wir  feste  Regierungsgrundsätze  und  eine 
zielbewusste ,  von  den  Launen  des  jeweiligen  Trägers  der  Krone 
und  den  Wechselfällen  des  Glückes  unabhängige  PoUtik  bei  den 
Franken  und  in  noch  weit  höherem  Grade  bei  den  Nachfolgern 
Karls  d.  Gr.  in  Deutschland  bis  auf  die  Erhebung  der  sächsischen 
Dynastie   durchgängig   vermissen,    so    darf   es   uns   nicht  Wunder 


XVI  Vorwort. 

nehmen,  wenn  die  fränkisch-römischen  Nachrichten  über  die  Be- 
ziehungen zu  auswäi-tigen  und  zumal  unzivilisierten  Völkern  nie- 
mals den  Charakter  des  Zufälligen  verleugnen  und  die  durchweg 
treistlichen  Berichterstatter  gar  keinen  Versuch  machen,  über  Ziele 
und  Wege  der  Politik  und  den  inneren  Zusammenhang  der  Be- 
gebenheiten zu  einiger  Klarheit  zu  gelangen.  Man  hat  darum  bei 
ihrer  Lektüre  dasselbe  unsichere  Gefühl,  das  den  gemeinen  Soldaten 
bei  jedem  grösseren  Manöver  beherrscht:  gebannt  an  die  eigene 
Truppe,  hat  er  von  dem  räderartigen  Eingreifen  der  derselben 
zugewiesenen  Bewegungen  in  die  Gesamtheit  der  Operationen,  von 
denen  die  meisten  ihm,  zumal  in  durchschnittenem  Gelände,  un- 
sichtbar bleiben,  keinen  Begriff.  In  dieser  Hinsicht  sind  die 
romäischen  Chroniken,  dank  der  auf  Neu-Rom  übergegangenen 
anderthalb  tausendjährigen  Tradition  des  römischen  Staates,  ohne 
Zweifel  den  fränkisch -römischen  überlegen,  obschon  sie  ihnen  an 
Dürftigkeit  des  Inhalts  nicht  nachstehen.  Der  klarste  Beweis 
hiefür  ist  ihre  Unkenntnis  der  Geschichte  Armeniens,  das  doch  als 
einziges  christliches  Felseneiland  im  islamischen  Ozean  für  die 
romäische  Politik  von  der  grössten  Wichtigkeit  war.  Einer  er- 
freulichen Erscheinung  begegnen  wir  erst  um  die  Mitte  des 
10.  Jahrhunderts,  zu  einer  Zeit  freilich,  als  die  Macht  der  Romäer 
bereits  wieder  nach  allen  Seiten  im  Aufsteigen  begriffen  war. 

Die  Werke  des  Kaisers  Konstantinos  Porphyrogennetos 
berühren  vor  allem  darum  wohlthuend,  weil  sie  die  auswärtigen 
Völker  und  Staaten  nicht  vom  Standpunkte  der  eignen  Unfehlbar- 
keit, wie  man  es  von  Franken  und  Muslimen  gewohnt  ist,  sondern 
mehr  in  chinesischer  Weise ,  nach  den  Gesichtspunkten  des  poli- 
tischen Nutzens  oder  Schadens,  den  sie  dem  eignen  Reiche  bringen 
können,  behandeln  und  daher  insbesondere  ihre  militärische  Stärke 
und  staatsrechtliche  Stellung  sowie  ihre  geographische  Lage  sorg- 
fältige Berücksichtigung  erfahren.  Dem  Bedürfnis,  sich  Rechen- 
schaft über  die  eigne  Stärke  und  Organisation  zu  geben,  ent- 
springt dann  auch  die  Beschreibung  und  Territorialgeschichte  des 
Reiches.  Dieser  politischen  Richtung  des  Kaisers  vei-danken  wir, 
was  uns  hier  besonders  interessiert,  die  Schilderung  der  damaligen 
ethnologisch  -  politischen  Verhältnisse  der  nördlichen  Barbarenwelt 
von  Ungarn  bis  zum  Ural.  Allein  diese  Nachrichten,  so  wichtig 
sie  auch  sind,  sind  doch  erst  nach  Abschluss  der  ersten  Episode 
der  zweiten  Völkerwanderung,    der  Ansiedlung   der  Magyaren    in 


Vorwort.  XVII 

Ungarn,  geschrieben  und  setzen  somit  bereits  wieder  einen  ge- 
wordenen Zustand  voraus;  es  kann  daher  bei  den  historischen  Rück- 
blicken in  Anbetracht  des  flüssigen  Charakters  der  mündlichen 
Überlieferung,  auf  welche  sie  sich  stützen,  an  mannigfachen  Irr- 
tümern nicht  fehlen.  Als  einen  solchen  haben  wir  Konstantins  Be- 
stimmung von  Gross-Mähren  als  des  angeblichen  Reiches  Swgtopltks 
erkannt  (S.  119),  ein  weiteres  Beispiel  liefert  seine  Geschichte 
der  Chrowaten.  Hier  berichtet  er,  nachdem  die  Romanen  von  den 
Awaren  aus  Dalmatien  verdrängt  worden,  hätten  die  Chrowaten 
beim  Kaiser  Herakleios  Zuflucht  gesucht  und  auf  sein  Geheiss  die 
Awaren  überwältigt  und  aus  jenen  Gegenden  vertrieben,  die  sie 
dann  selbst  eingenommen  hätten.  Ihr  damaliger  Fürst  sei  der 
Vater  des  Porga  gewesen.  Hierauf  habe  Herakleios  aus  Rom 
Priester  kommen  lassen  und  aus  ihnen  eine  förmliche  Hierarchie  mit 
einem  Erzbischof  an  der  Spitze  errichtet  und  die  Chrowaten  taufen 
lassen.  „Damals  hatten  diese  Chrowaten  zum  Fürsten  den  Porga*. 
Diese  Darstellung  scheint  durch  eine  Art  Nachtrag  vollkommen 
bestätigt  zu  werden ,  der  erklären  soll ,  weshalb  die  Chrowaten 
keinen  Krieg  ausser  Landes  führen  wollten:  jener  Papst,  welcher 
ihnen  unter  Herakleios'  Regierung  Glaubensboten  gesandt,  hatte 
sie  auf  den  hl.  Petrus  in  Pflicht  genommen,  dass  sie  niemals  in 
ein  fremdes  Land  ziehen  und  es  bekriegen ,  sondern  mit  allen 
Frieden  halten  wollten;  dafür  erhielten  sie  vom  Papste  die  Ver- 
sicherung: a)g  £t  riveg  äXXoi  id'vmol  -naxa  f^g  x&v  ccvt&v  X^aßä- 
r(ov  xcoQag  inEkd'coötv  nal  TtoXs^ov  ineveyKcoötv,  l'vcc  6  xäv  Xqg)- 
ßccTCov  Qsog  TtQoöTtoXe^st  Kai  Ttqol'Gxaxai ,  Kai  vixag  avxoig 
nixQog  6  xov  XqiGxov  fi a d' rj r t}  g  nQO^svst^).  Dieser 
Satz  gibt  allerdings  den  Stil  der  päpstlichen  Kanzlei,  die  zumal 
im  Zeitalter  Pippins  und  Karls  d.  Gr.  mit  dem  Alleinbesitz  des 
siegverleihenden  Fetisches  St.  Petrus  so  gerne  prahlte  und  bald 
dessen  gute  Dienste  —  natürlich  gegen  entsprechendes  Entgelt  — 
anbot ,  bald  mit  seiner  Rache  drohte ,  so  getreu  wieder ,  dass  er 
unmöglich  ganz  erfanden  sein  kann.  Damit  ist  freilich  noch  nicht 
gesagt,  dass  auch  die  Zeitangabe  der  Bekehrung  richtig  ist. 

In  der  That  lesen  wir  in  dem  Kapitel  über  das  Thema  Del- 
matia,  dass  die  Chrowaten  eine  Zeit  lang  den  Franken  unterworfen 


^)  Konstantin  Porphyrog.   de   administr.  imp.   c.  31   p.  148,  14- 
149,  22. 


XVIII  Vorwort. 

waren,  durch  deren  empörende  Grausamkeiten  aber  zum  Aufstand 
getrieben  wurden  und  ihre  Beamten  erschlugen.     Als  die  Franken 
mit  einem  grossen  Heere  anrückten,  entspann  sich  ein  hartnäckiger 
Krieg,    in  welchem   die  Chrowaten  erst  nach  7  Jahren  die  Ober- 
hand gewannen,  worauf  sie  sämtliche  Franken  samt  ihrem  Fürsten 
Kotzilis    erschlugen.      «Von    da    an    blieben    sie  selbstherrlich  und 
unabhängig  und  erbaten  sich  die  hl.  Taufe  vom  Bischof  von  Rom ; 
es  wurden  nun  Bischöfe  abgesandt  und  sie  tauften  sie  unter  ihrem 
Fürsten    Porinos"  ^).     Die    dieser  Erzählung    zu  Grunde   liegenden 
Begebenheiten    sind    uns    glücklicherweise    durch    die    fränkischen 
Annalen    bekannt:    der  fränkische  Fürst  Kor^lhg  ist  kein  anderer 
als  der  Markgraf  Cadolah  von  Friaul,    über  dessen  Bedrückungen 
Nikephoros,  der  Gesandte  des  Kaisers  Leon  des  Ai'meniers,  a.  817 
im   Namen    der   dalmatischen  Romanen   und    Slawen    vor  Ludwig 
dem  Frommen   in  Achen    Beschwerde   führte,    der  Fürst  ÜÖQivog 
aber,  unter  welchem  die  befreiten  Chrowaten  die  Taufe  empfangen 
haben  sollen,  ist  identisch  mit  Borna,  dem  Herzog  von  Dalmatien 
und  Liburnien  d.  h.  dem  Grosszupan  von  Chrowatien,  der  in  den 
Jahren  818 — 820  erwähnt  wird  und  im  Jahre  821  starb  (S.  140  f.). 
Es  ist  daher  deutlich  genug,    dass  auch  JJoQyd,  unter  welchen  in 
der  Geschichte   von  Chrowatien    die  Bekehrung  dieses  Volkes  ge- 
setzt wird,   von  Borna  nicht  verschieden  und  nur  fälschlich  zum 
Zeitgenossen  des  zwei  Jahrhunderte  früher  regierenden  Herakleios 
gemacht   worden  ist.     Damit  folgt  von  selbst,    dass  auch  Porga's 
Vater    zu  Unrecht    mit    der  Niederlassung  der  Chrowaten  in  Dal- 
matien   in  Verbindung    gebracht    worden  ist  und  die  Vertreibung 
der  Awaren   rmd   die  Befreiung  der  Chrowaten  von  ihrem  Joche, 
die  unter  ihm  stattgefunden  haben  soll,   nicht  lange  vor  die  Zeit 
des  Borna  fällt,  m.  a.  W.  eine  Folge  der  Awarenkriege  Karls  des 
Grossen  ist.     Wahrscheinlich  hängt  die  Begründung  der  langobar- 
disch-fränkischen  Oberhoheit  über  die  Chrowaten  mit  dem  Awaren- 
krieg  von  788  und  der  Besetzung  von  Istrien  (vor  791)  zusammen. 
wenn   der  langobardische  Heerbann  791  (über  Istrien)  nach  Uli/- 
ricum   und   von    da   nach  Pannonien   vordiüngen   konnte  '^).     Dass 
die  Vertreibung    bezw.    Unterwerfung    der    Awaren    in    Dalmatien 
durch  die  Chrowaten  in  der  That  in  die  angedeutete  Epoche  ge- 


1)  De  admin.  imp.  c.  30  p.  144,  16—145,  6. 

2)  Brief  Karls  au  Fastrada,  Ep.  Card.  VI  JaflFe  IV  350.  352. 


Inhalt.  XIX 

hört,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  es  nach  der  Versicherung 
des  Kaisers  Konstantin  noch  zu  seiner  Zeit  Reste  der  Awaren  in 
Chrowatien  gab ,  die  sich  von  der  slawischen  Bevölkerung  scharf 
unterschieden^).  Sie  sassen  wahrscheinlich  in  den  drei  Zupen 
KQißaöa  (Krbawa),  Aix^a  (Lika)  und  rbvT^tjxa  (Gacko),  die  unter 
einem  gemeinsamen  Fürsten  standen,  der  den  awarischen  Titel 
hajan,  slawisch  bojan  (ßosdvog,  ßodvog^),  jetzt  in  der  magyarisch- 
lateinischen Staatssprache  banus)  führte  und  dem  Grosszupan  unter- 
worfen war.  Wie  selbständig  aber  dieses  Fürstentum  dem  Gross- 
zupan gegenüberstand,  ersehen  wir  aus  den  fränkischen  Annalen, 
wo  dasselbe  unter  dem  Namen  der  Guduscani  auftritt.  Borna 
wird  zuerst  (im  J.  818)  als  dux  Guduscanorum  bezeichnet,  das 
richtige  Verhältnis  tritt  aber  unter  dem  Jahre  819  zu  Tage,  wo 
es  heisst,  dass  Borna,  der  dux  Dalmatiae,  in  der  Schlacht  gegen 
den  Slawenfüi'sten  Ljudewit  von  den  Guduskanern  im  Stiche  ge- 
lassen wurde  und  sie  von  neuem  unterwerfen  musste  (Ann.  regni 
Francorum  a.  818.  819).  Dass  die  Awaren  in  Chrowatien,  wären 
sie  schon  unter  Herakleios  den  Slawen  unterworfen  worden,  ihre 
Sonderstellung  bis  in  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  behauptet 
haben  sollten,  ist  an  sich  schon  gegen  alle  Wahrscheinlichkeit;  es 
wird  vielmehr  anzunehmen  sein,  dass  die  politische  Ordnung,  die 
der  kaiserliche  Schriftsteller  in  Chrowatien  voraussetzt,  vor  allem 
die  Beschränkung  der  Awaren  auf  jene  drei  Zupen  und  ihre  Unter- 
ordnung unter  den  Grosszupan,  von  Karl  d.  Gr.  eingeführt  worden 
ist,  und  zwar  einer  Andeutung  der  Annales  Mettenses  zufolge  ver- 
mutlich im  Jahre  803.  Nimmt  man  dazu  die  Ansiedlung  der 
Awaren  des  Kapkans  Theodor  zwischen  Camuntum  und  Sabaria 
(805),  sowie  die  Notiz  des  Suidas  über  die  Beteiligung  des  Bul- 
garenkans  Krum  an  der  Teilung  der  awarischen  Beute,  so  erkennt 
man,  dass  die  Reste  des  Volkes  in  Reservationen  eingepfercht 
worden  sind.  Dies  System  that  vollständig  seine  Schuldigkeit, 
und  es  erweckt  daher  um  so  grössere  Beschämung  und  Bedauern, 
dass  diese  Lehre  der  Geschichte  zum  Schaden  der  Deutschen  wie 
der  Slawen  nach  der  Schlacht  auf  dem  Lechfelde  ungenützt  blieb. 
Es  mag  sein ,  dass  während  der  Krisis ,  welche  das  Awarenreich 
nach    der    vergeblichen  Belagerung   von  Konstantinopel   im  Jahre 


^)  De  administr.  imp.  c.  30  p.  144,  6—7. 

2)  ib.  p.  145,  9;   c.  31   p.  151,  15.    Vgl.  Schafarik  U  278  A.  2. 

b* 


XX  Inhalt. 

626  erschütterte,  auch  die  Chrowaten  und  Serben  zeitweilig  das 
awarische  Joch  abschüttelten,  allein  nach  der  Niederwerfung  der 
Empörung  der  pannonischen  Bulgaren  und  zumal  nach  der  Auf- 
lösuno- des  Reiches  Samo's  erholten  sich  die  Awaren  wieder  ziemlich, 
und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  mussten  auch  die  Chrowaten 
und  wohl  auch  die  Serben  wieder  in  das  alte  Unterthänigkeits- 
verhältnis  zurückkehren.  Die  Geschichte  erscheint  auch  hier  ge- 
fälscht durch  die  byzantinische  Legende  des  10.  Jahrhunderts, 
welche  den  frommen  Herakleios  als  Archegeten  und  Ktistes  ver- 
ehrte und  sich  besonders  darin  gefiel,  die  Regelung  der  staats- 
rechtlichen Verhältnisse  auswärtiger  Staaten,  die  seit  dem  9.  und 
zumal  seit  dem  10.  Jahrhundert  Vasallen  von  Byzanz  waren,  auf 
Akte  jenes  Kaisers  zurückzuführen  i). 

Die  Arbeiten  des  Kaisers  Konstantin,  so  verdienstlich  sie  auch 
sind,  können  uns  somit  zeitgenössische  Berichte  aus  dem  9.  Jahr- 
hundert nicht  ersetzen ;  dass  es  an  solchen  in  der  That  nicht  ganz 
gefehlt  haben  kann,  beweist  das  Bruchstück  über  den  Untergang 
des  Awarenreiches  bei  Suidas  s.  v.  BovkyaQOi.  Den  Werken  des 
Kaisers  reihen  sich  die  kriegswissenschaftlichen  Schriften  an,  deren 
Hauptwert  natürlich  in  den  geschichtlichen  Beispielen  liegt,  zumal 
in  solchen ,  wo  sie  zeitgenössische  Begebenheiten  schildern.  Sie 
bedürfen  indessen  einer  neuen  Gesamtausgabe,  in  welcher  das  gegen- 
seitige Abhängigkeitsverhältnis  übersichtlich  dargestellt  ist. 

Die  fehlenden  Reisebeschreibungen  könnten  uns  einigermassen 
die  Lebensbeschreibungen  von  Glaubensboten  ersetzen,  insofern  sie 
auf  zeitgenössische  Berichte  zurückgehen,  wenn  sie  für  unsere 
Periode  nicht  so  überaus  spärlich  wären;  so  ausgezeichnete  Quellen- 
werke wie  das  Leben  des  hl.  Severinus  von  seinem  Schüler  Eugippius 
sind  vollends  weisse  Raben.  Es  ist  jedoch  dringend  zu  wünschen, 
dass  die  hierhergehörigen  Schriften,  mögen  sie  nun  in  griechischer, 
slawischer,  armenischer,  georgischer  oder  lateinischer  Sprache  ge- 
schrieben oder  erhalten  sein,  aufs  neue  herausgegeben  und  in  einer 


^)  Es  ist  immerhin  bemerkenswert,  dass  in  der  Erinnerung  der 
Chrowaten  und  Serben  die  erste  Erschütterung  der  Awarenmacht  unter 
Herakleios  mit  ihrem  endgiltigen  Untergang  zu  einer  einzigen  Episode 
zusammengeflossen  erscheint,  ganz  wie  in  der  russischen  Tradition,  wo 
derselbe  unmittelbar  an  die  Vergewaltigung  der  Dudleby  angeschlossen 
wird,  obwohl  der  Chronist  vom  Reiche  Samos,  welcher  wenigstens  die 
Westslawen  vom  awarischen  Joche  befreite,  keine  Kunde  hat. 


Vorwort.  XXI 

besonderen  Sammlung  vereinigt  werden.  Dahin  rechne  ich  vor 
allem  die  Wunder  des  hl.  Demetiios ,  die  Schrift  de  conversione 
Bagoariorum  et  Carantanorum ,  die  Lebensbeschi-eibungen  der 
Slawenapostel  Konstantin  und  Methodios,  des  hl.  Klemens,  des  hl. 
Wenceslaw ,  des  hl.  Georg  von  Amastris ,  des  hl.  Stephan  von 
Sugdaia,  des  hl.  Abo. 

Die  Völkerkunde  von  Osteuropa  hat  aber  ausser  dem  Mangel 
griechischer  Geschichtswerke  aus  dem  9.  Jahrhundert  den  Verlust 
von  drei  Hauptwerken  zu  beklagen,  des  Dexippos,  Priskos 
und  Menander  Protektor,  die  uns  gestatten  würden,  die  Völker- 
verschiebungen vom  3.  bis  zum  Ende  des  6.  Jahrhunderts  hin- 
reichend zu  übersehen  und  uns  von  den  im  ganzen  stabil  gebliebenen 
Verhältnissen  von  der  Mitte  des  6.  bezw.  vom  7.  bis  um  die  Mitte 
des  9.  Jahrhunderts  eine  ziemlich  zutreffende  Vorstellung  zu  bilden. 
Überdies  hat  die  Gleichgiltigkeit  späterer  Geschlechter  einem  der 
wichtigsten  armenischen  Geschichtswerke  den  Untergang  bereitet, 
dem  des  Sapuh  Bagratüni,  das  die  100  Jahre  von  790 — 890 
behandelte  und  uns  wenigstens  über  die  in  den  Kaukasusländern 
während  jener  inhaltreichen  Periode  eingetretenen  Veränderungen 
Aufschluss  geben  würde.  Auszüge  aus  den  obengenannten  Werken 
sind  ims  hauptsächlich  in  den  Bruchstücken  der  staatswissenschaft- 
lichen Chrestomathie  des  Kaisers  Konstantin  Porphyrogennetos  er- 
halten ,  für  welche  übrigens  erst  jetzt  durch  die  im  Erscheinen 
begriffene  Gesamtausgabe^)  zum  erstenmale  die  nötige  kritische 
Grandlage  gelegt  werden  soll.  Wie  wenig  dieselben  jedoch  im 
stände  sind  uns  für  jenen  Verlust  einigermassen  zu  entschädigen, 
möge  ein  Beispiel  veranschaulichen. 

Jordanes  sagt  in  seiner  Beschreibung  von  Skythien ,  die  er 
in  die  Geschichte  der  Goten  einflicht,  um  ihre  ehemaligen  Sitze 
in  Skythien  zu  verdeutlichen :  ad  litus  autem  Oceani,  ubi  tribus 
faucibus  fluenta  Vistulae  fluminis  ebibuntur,  Vidivarii  resident, 
ex  diversis  nationibus  adgregati;  post  quos  ripam  Oceani  item 
Aesti  tenent,  pacatum  hominum  genus  omnino.  quibus  in  austrum 
adsidet  gens  Acatzirorum  fortissima,  frugum  ignara,  quae  pe- 
coribus  et  venationibus  victitat.    ultra  quos  distendunt  supra  mare 


^)  Excerpta  historica  iussu  imp.  Constantini  Porphyrogeniti  confecta 
edd.  U.  Ph.  Boissevain,  C.  de  Boor,  Th.  Büttner- Wobst;  vol.  I:  Excerpta 
de  legationibus  ed.  C.  de  Boor.  Berolini  1903. 


XXII  Vorwort. 

Ponticum  Bulgarum  sedes,  quos  notissimos  peccatorum  nostrorum 
mala    fecei'unt.      hinc   iam   Hunni    quasi    fortissimorum    gentium 
fecundissimus  cespes  bifariam  populorum  rabiem  pullularunt.    nam 
alii  Altziagiri^),    alii   Saviri    nuncupantur,    qui  tamen  sedes 
habent  divisas:  iuxta  Chersonem  Altziagiri  2),  quo  Asiae  bona  avidus 
mercator   importat,    qui   aestate    campos   pervagant   effusas   sedes, 
prout  armentorum  invitaverint  pabula,  hieme  supra  mare  Ponticum 
se  referentes.     Hunuguri    autem    hinc  sunt  noti,    quia  ab  ipsis 
pellium   murinarum  venit  commercium.     Gothos^)  tantorum  vi- 
rorum  formidavit  audacia.     quorum*)  mansione  prima  in  Scytbiae 
solo  i\ixta   paludem  Meotidem,   secundo    in   Mysiam  Thraciamque 
et  Daciam,  tertio  supra  mare  Ponticum  rursus  in  Scythia  legimus 
habitasse  (Jordan.  Get.  c.  5    §  36—38).     Die  Äesti  an  der  sam- 
ländischen  Bernsteinküste  waren  dem  Cassiodorius,  dessen  gotische 
Geschichte  Jordanes    flüchtig  ausgezogen  hat,    sehr  wohl  bekannt, 
da  er  im  Namen  des  Königs  Theoderik  einen  Brief  an  sie  redigiert 
hat   (Cassiodor.  Var.  V  2    p.  143—144    ed.    Mommsen).      Nimmt 
man  ihn  also  beim  "Worte,    so  würden  die  südlich  von  den  Aesti 
sitzenden  Äcatziri  genau  ins  Gebiet  der  späteren  Drewljane  kommen, 
dessen  Lage  man  sich  durch  die  der  Stadt  Korosten  in  Wolhynien 
(Schafarik,    Slawische    Altertümer   II  123 — 125)    veranschau- 
lichen   kann.     Dazu   würde    stimmen,    dass    der  Name  Dreivljane 
(Waldleute)    sich    seiner   Bedeutung    nach    mit   Äcatziri   förmlich 
deckt,    sowie    dass    sich  jenseits  d.  h.  östlich  oder  südöstlich  von 
diesen  die  Sitze  der  Bulgaren  ausdehnen  sollen,    unter  denen  wir 
die  westlich  vom  Don  bis  etwa  zum  Bug  schweifenden  Kuturguren 
zu   verstehen   haben.     Allein    die  Drewljane  waren  ein  slawisches 
Volk,  wogegen  die  Äcatziri  nach  Charakter  und  Lebensweise  oflen- 
bar  als 'eine  besondere,  von  Aisten  wie  von  Hunno-Bulgaren  und 
Slawen  verschiedene  Nation  bezeichnet  werden  sollen.     Hätte  Jor- 
danes bezw.  Cassiodorius  sie  für  Slawen  gehalten,   so  hätte  er  sie 


1)  So  HPVLAXY;  altziagri  Z,  **aulziagri  0,  aulziagri  B. 

2)  So  HY;  ultziagiri  P  V,  ultiziagiri  X,  ultiziagriZ,  uultziagri  L, 
autziagiri  A,  aulgiagiri  0,  aulziagri  B. 

^)  Hss.  und  Ausgaben  quos. 

■*)  Man  liest  am  einfachsten  quos  in.  Behält  man  die  überlieferte 
Lesart  bei,  so  muss  man  mansione  xyrima  als  vulgären  Akkusativ  ohne 
m  auffassen  und  dazu  dem  Sinne  nach  ein  Prädikat  fuisse  und  vor 
secundo  ein  Subjekt  quosque  ergänzen. 


Vorwort.  XXIII 

unter  den  Gruppen  der  Venethamm  natio  §  34 — 35  aufgeführt. 
Überdies  ist  das,  was  sich  sonst  über  die  Wohnsitze  der  Akatziren 
ermitteln  lässt,  mit  dem  Lande  der  Drewljane  schwerlich  vereinbar. 
Der  einzige  Quellenschriftsteller,  welcher  unseres  Wissens  von 
den  Akatziren  gesprochen  hat,  ist  Priskos.  Ob  die  Erwähnung 
des  Volkes  in  einem  Verzeichnis  nordkaukasischer  Völker  aus 
dem  Jahre  555  (unten  S.  356  A.  1)  aus  einer  historischen  Quelle 
des  6.  Jahrhunderts  stammt,  wofür  die  Namensform  Kas{i)r  zu 
sprechen  scheint,  oder  lediglich  auf  Priskos  zurückgeht,  ist  nicht 
mit  Sicherheit  auszumachen.  Wenn  es  nun  in  einem  der  Auszüge 
des  Priskos,  in  welchem  die  damals  in  Mittelasien  erfolgten  Völker- 
bewegungen kurz  berührt  werden,  heisst,  die  Saraguren,  Ugoren 
und  Onoguren  seien  von  den  Sabiren  aus  ihren  alten  Wohnsitzen 
vertrieben  worden,  worauf  die  Saraguren  auf  der  Suche  nach  einer 
neuen  Heimat  auf  die  Akatziren  gestossen  seien  und  sie  nach  zahl- 
reichen Kämpfen  niedergeworfen  und  (um  463)  mit  den  Oströmern 
freundliche  Beziehungen  angeknüpft  hätten  (fr.  30  bei  Dindorf,  Hist. 
Gr.  min.  I  341),  so  führt  dies  zunächst  allgemein  auf  Gegenden  dies- 
seits des  Ural  und  zwar,  wenn  man  die  Angabe  des  Jordanes  hinzu- 
nimmt, auf  das  Land  der  Mordwinen  als  Heimat  der  Akatziren,  sofern 
wir  uns  die  damals  neugewonnenen  Sitze  der  Sabiren  wahrscheinlich 
im  späteren  Reiche  Sibir  zu  denken  haben  i).  Aus  der  weiteren 
Angabe,  die  Saraguren  seien,  nachdem  sie  die  Akatziren  und  andere 
Völker  angegriffen,  gegen  die  Perser  gezogen  und  (durch  den  Pass  von 
Darband  an  der  damals  schlecht  verteidigten  Festung  luroj-parhak 
vorbei  in  Albanien  und  von  da)  in  Persien  und  Armenien  ein- 
gebrochen 2) ,  darf  man  vielleicht  schliessen ,  dass  die  Akatziren 
damals  von  den  Saraguren  zur  Heeresfolge  gezwungen  wurden. 
Da  nun  diese  dürftigen  Andeutungen  gestatten,  ihre  Sitze'wenigstens 
teilweise  denen  der  Magyaren  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahr- 
hunderts gleichzusetzen  und  Charakter  und  Lebensweise  der  Akat- 
ziren mit  den  Sitten  der  Magyaren  übereinstimmen,  so  habe  ich 
unten  angenommen,  die  Akatziren  seien  (mit  den  Onoguren)  als 
die  Vorväter    der  Magyaren    zu  betrachten.     Gegen  diese  Ansicht 


^)  Wann  die  Sabiren  nach  Südwesten  in  die  nordkaukasischen 
Ebenen  vorgedrungen  sind,  ist  unbekannt,  doch  geschah  dies  wahr- 
scheinlich vor  515. 

2)  fr.  37  ib.  p.  346.  Siehe  mein  Eransahr  nach  der  Geographie 
des  Ps.  Moses  Chorenac'i  S.  98—101. 


XXIV  Vorwort. 

spricht  jedoch  der  Umstand,  dass  kein  Anzeichen  dafür  vorhanden 
ist,  dass  die  Akatziren,  wie  dies  doch  von  den  Magyaren  sicher  steht, 
von  Osten  her  in  das  zur  Zeit  Attila's  von  ihnen  inne  gehabte 
Gebiet  eingewandert  wären:  im  Gegenteil  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  sie  von  den  Hunnen  weiter  nach  Osten  gedrängt  wurden. 
Die  Gesandtschaft  des  Kaisers  Thedosios  II.  (fr.  28  p.  298,  30  ff.) 
erreichte  sie  jedenfalls  von  Cherson  oder  von  Bosporos  aus.  Er- 
wägt man  alle  in  Betracht  kommenden  Umstände,  so  kommt 
man  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  ^Akcct^lqol  in  der  Hauptsache  den 
Mordwa  der  russischen  Chronik,  den  y/-lo.j  Burd-äs  oder  y/^Lby 
Burt-äs  der  Araber  entsprechen,  die  als  Mordens  schon  in  der 
Geschichte  des  Greutimgenkönigs  Ermanarik  vorkommen,  aber 
im  4.  und  5.  Jahrhundert  ohne  Zweifel  noch  lange  nicht  so  weit 
nach  Osten  geschoben  waren  als  im  9.  und  10.  Jahrhundert,  sondern 
den  Sitzen  der  herodotischen  avSQoqxiyoi  am  mittleren  Dnjepr,  als 
deren  Nachkommen  sie  zu  gelten  haben,  noch  viel  näher  wohnten. 
Es  ist  indessen  zu  beachten,  dass  Priskos  von  zahlreichen  Stämmen 
und  Geschlechtern  (cpvla  Kai  yivri)  des  Akatzirenvolkes  (to  töi' 
UKazLQcov  e&vog  p.  298,  26.  299,  2.  14—16.  306,  11)  spricht,  die 
je  unter  besonderen  Häuptlingen  standen.  Bedenkt  man  daher, 
dass  ^A%dr^iQOi  =  alttürk.  aqaa-äri  „  Waldleute "  eine  hunnisch- 
türkische Bezeichnung  von  allgemeinem  Charakter  ist,  so  wird  es 
wahrscheinlich,  dass  mit  diesem  Namen  mehrere  nahe  verwandte 
Finnenstämme  zusammengefasst  sind ,  die  einst  in  unmittelbarem 
Zusammenhang  mit  den  Esten,  Liven  und  Kuren  gestanden  haben 
müssen,  im  11.  Jahrhundert  aber  bis  zur  Oka  und  Wolga  zurück- 
gedrängt waren.  Zu  diesen  gehörten  ausser  den  Mordwa  be- 
sonders die  Merja  und  Muroma  *).  Bei  dieser  Auffassung  recht- 
fertigt es 'sich,  wenn  Priskos  die  Akatziren  zu  den  Völkern  des 
pontischen  Skythien  rechnet  (p.  310,  30:  ta>v  ^AKariQOv  Kai  ra>v 
Xoinäv  i&v&v  x&v  v£(io^iv(üv  T'^v  tcqoq  xov  TIovxov  2lY,v%LKr\v), 
aber  auch  Jordanes'  Ansatz  wird  nun  verständlich,  falls  wir  unter 
Aesti  das  ganze  preussisch -lettische  Volk  verstehen  und  die  süd- 
liche Richtung  als  üngenauigkeit  für  Südost  nehmen.  Er  sagt  ja 
ausdrücklich  (§  34 — 35),  dass  von  den  beiden  Zweigen  der  Slawen, 


1)  Vgl.  hierzu  Tomaschek,  Kritik  der  ältesen  Nachrichten  über 
den  skythischen  Norden  II  7—18,   besonders   S.  13.     SB  WA.  Bd.  117 

Nr.  1,  1888. 


Vorwort.  XXV 

welche  die  Griechen  zu  seiner  Zeit  unterschieden,  der  östliche,  die 
Anten,  sich  vom  Dnjestr  bis  zum  Dnjepr  erstreckte i) ,  und  dass 
er  hier  auf  einem  für  seine  Zeit  veralteten  Standpunkte  steht, 
beweist  der  wohlunterrichtete  Prokopios ,  der  den  Anten  bereits 
eine  viel  grössere  Ausdehnung  gegen  Osten  und  Norden  gibt:  er 
lässt  sie  vom  Don  an  nordwäx-ts  reichen  -).  Während  daher  Jordanes 
die  westliche  Gruppe,  die  Sklawenen,  sehr  gut  aus  eigener  An- 
schauung kannte ,  muss  er  bezw.  Cassiodorius  die  Umschreibung 
-der  Wohnsitze  der  Anten  einer  älteren  Quelle  entnommen  haben, 
wahrscheinlich  dem  Ablabius.  Dieser  hat  ja  die  Anten  auch  schon 
in  die  Geschichte  des  Unterganges  des  Ostgotenreiches  (c.  48 
§  247)  eingeführt,  wo  seine  gotische  Quelle  ohne  Zweifel  nur  von 
Wenden  (Winipös)  gesprochen  hatte.  Die  grosse  Ausbreitung 
der  Anten  über  das  ganze  Gebiet  zwischen  Dnjepr  und  Don  und 
Oka  und  nordwärts  bis  Nowgorod  und  die  Zui'ückdrängung  der 
sogenannten  Wolgafinnen  gehört  demnach  dem  Jahrhundert  von 
ca.  450 — 550  an. 

Zur  Zeit  des  Priskos  hatten  die  Onoguren,  deren  alte  Heimat 
von  den  Sahiren  besetzt  worden  war,  das  spätere  Land  der  Mordwa 
zu  beiden  Seiten  der  mittleren  Wolga  eingenommen ;  ihr  Gebiet 
gilt  daher  bei  Jordanes  als  die  Heimat  der  Marder-  und  Zobel- 
felle, wie  nachmals  das  der  Burtäs.  Prokopios  berücksichtigt  sie 
nicht,  dagegen  berichtet  Menander  Protektor,  nachdem  Valentinus 
den  im  Lande  der  Alanen  weilenden  Awaren  Geschenke  des  alten 
Kaisers  Justinian  überbracht  hatte,  mit  dem  Auftrage  sich  gegen  die 
Widersacher  der  Romäer  zu  waflfnen,  hätten  sie  zuerst  die  Uniguren, 
darauf  die  Zalen,  ein  hunnisches  Volk,  niedergeworfen,  die  Sahiren 
aber  vernichtet  (a.  558)  ^).     Schon  vor  576  waren  die  alanischen 


^)  Antes  vero,  qui  sunt  eorum  (Venetharum)  fortissimi,  qua  Pon- 
ticum  mare  curvatur,  a  Danastro  extenduntur  usque  ad  Danaprum, 
quae  flumiua  multis  mansionibus  ab  invicem  absunt. 

2)  Prokop.  de  hello  Goth.  IV  4  p.  474,  15—16:  Kai  avtwv  (der 
Uturguren  östlich  von  der  Maiotis  bis  zum  Tanais)  v.aO'vnsQQ'Bv  ig 
ßoQQäv  av£[Lov  i'&vri  rci  'Avt&v  u^sxqu  lÖQvvtai. 

^)  Excerpta  de  legationibus  p.  443,  8  ed.  de  Boor  =  Menandri 
Prot.  fr.  5  p.  5,  16 — 21 :  tov  dh  BaXsvrivov  iKetßt  ccq)iiio^tvov  nal  tcc 
SwQa  naQaa^o^ävov  Kai  oaa  i6rj[Lr\vsv  6  ßaadsvg  i^ai,7t6vrog,  ngürov 
^hv  i^S7toXs^md"r]Gav  OvviyovQOig,  slta  ZdXoig ,  Ovvviv.m  cpiXa-  y.cii 
IJaßi]QOvg  dh  ^ad'slXov. 


XXVI  Vorwort. 

Völker  sowie  die  Stämme  der  Uniguren,  welche  gar  kühn  und  auf 
die  eigne  Macht  vertrauend  dem  unbezwinglichen  Volke  der  Türken 
Widerstand  geleistet  hatten ,  von  diesen  unterworfen  worden  ^). 
Diese  beiden  Notizen  lassen  darauf  schliessen,  dass  die  Uniguren 
damals,  von  den  aus  dem  Westen  kommenden  Mordwa  verdrängt, 
bereits  weiter  nach  Süden  ins  Dongebiet  vorgerückt  waren,  wo 
sie  der  Geograph  von  Eavenna  im  7.  Jahrhundert  verzeichnet. 
Bis  zum  9.  Jahrhundert  hatten  sie  dann  auch  mit  oder  gegen  den 
Willen  der  Chazaren  das  alte  Land  der  üturguren  zwischen  Don 
Kuban  besetzt,  und  hier  kennt  sie  ein  Araber  in  der  ersten  Hälfte 
des  9.  Jahrhunderts  unter  ihrem  eigentlichen  Volksnamen  Magyar. 
Diese  wie  die  Uniguren  der  patria  Onogoria  erscheinen  der  Natur 
des  Landes  entsprechend  als  Fischer  und  ihre  Identität  kann  tat- 
sächlich nicht  bezweifelt  werden. 

Wenn  aber  auch  Cassiodorius  demnach  im  wesentlichen  die 
Darstellung  des  Priskos  und  Ablabius  wiedergegeben  hat,  so  hat 
sie  doch  Jordanes  nicht  verstanden  und  durch  eigene  Zutaten  ver- 
dorben. Vor  allem  unterscheidet  er  von  den  Bulgaren  die  Hunnen 
und  bemerkt  nicht,  dass  das  eine  der  beiden  aufgeführten  Hunnen- 
völker thatsächlich  mit  jenen  identisch  ist.  Die  Ältziagiri  bezw. 
Ultziagii'i  ^  welche  in  der  Nähe  von  Cherson  wohnen  und  im 
Sommer  ausgedehnte  Ebenen  durchschweifen,  um  sich  im  Winter 
über  den  Pontos  zurückzuziehen ,  sind  nämlich  keine  anderen  als 
die  Kuturguren  (Kurturgur),  bei  Agathias  Koxqiyovqoi^  bei  Menander 
Protektor  KoxQccyrjQOt  oder  Kot^iyovQoi'^),  bei  Theoph.  Sim.  7,  8,  16 
Kox^ayrjQOi,  und  VLTZLÄ.GIRI  —  so  (mit  geringfügigen  Varianten) 
die  meisten  Hss.  an  zweiter  Stelle  —  ist  lediglich  ein  alter 
Schreibfehler  für  LVTZIAGIRI  aus  Cutziagiri^).  Die  Hunuguri 
(L  unigui'i)  aber  scheint  Jordanes  mit  den  bei  ihm  fehlenden 
OvriyovQOc    vermengt   zu    haben.     Die  Sitze    der    Goten    denkt  er 


1)  Exe.  de  legat.  p.  206,  14—19  =  Men.  Prot.  fr.  43  p.  87,  SO- 
SS,  4  (unten  S.  505). 

2)  Exe.  de  legat.  p.  170,  17  KozQiayrJQoi.  codd.;  170,  22.  171,2  xo- 
rgayilQovg-  196,  4  ■novrQiyoQOi  codd.;  196,  19  ■aovtQayovQOi's  codd.; 
196,  30  KOXQäyriQOi  codd.;  443,  18  6  KoxQäyriQog  ixtivog-^  458,  27  Kotqi- 
yovQ(av. 

'^)  Vgl.  fluvius  qui  nominatur  Lutta  Geogr.  Ray.  IV  4  p.  175,  10 
=  Guthalus  Plin.  h.  n.  4  §  100.  Das  Richtige  schon  bei  Zeuss,  Die 
Deutschen  715. 


Vorwort.  XXVII 

sich    in   der  Nähe  der  Maeotis ,    also  etwa  da,    wo  zu  seiner  Zeit 
die  Krimgoten  wohnten. 

Wie  zufällig  die  uns  gebliebenen  westländischen  Nachrichten 
über  Osteuropa   und   wie    schwierig  häufig  ihre  richtige  Deutung 
ist,    dürfte  hiernach  klar  genug   geworden  sein.      In  diese  Lücke 
treten    nun   die    Araber    ein.      Einzelne    Nachrichten    über   Nord- 
völker  findet   man    schon  in  alten  arabischen  Bearbeitungen   des 
Alexanderromans,  noch  älter  sind  aber  die  wissenschaftlichen  Ver- 
suche  der  Araber  über  Völkerkunde,  die  sich,  wie  die  ethnologi- 
schen Einleitungen  der  romäischen  und  der  von  diesen  abhängigen 
slawischen    und   armenischen  Chroniken,    an   den    ÖLafisQiafibg  tfig 
yrjg  anschliessen  und  daher  zunächst  nichts  weiter  als  genealogische 
Listen  von  Völkemamen  sind.    Schon  von  dem  Genealogen  Dayfal 
(t  65  H.  =  684/85)   werden  derartige   Angaben  überliefert,   die 
beweisen,    dass   man    sehr   frühzeitig   begann,    auch    die   seit  den 
grossen  Eroberungen   in   den  Gesichtskreis  der  Araber   getretenen 
fremden  Völker  in  das  von  der  Bibel  und  der  mythischen  Geschichte 
Irans  gelieferte  Schema  einzuzwängen.    Die  umfassendste  Tätigkeit 
auf   diesem  Gebiete    entfaltete  Hisäm  b.  Muhammad    genannt  Ibn 
al  Kalbi    (f    um  820).      Von    den  Erzeugnissen  dieser  Litteratur- 
gattung  hat  sich  direkt  nichts  erhalten,  doch  ist  Vieles  daraus  in 
die   späteren  Chroniken  und  geographischen  Werke  übergegangen. 
Besonders  günstig  für  die  Fortschritte  der  Erd-  und  Völker- 
kunde war  das  Zeitalter  des  Chalifen  al  Ma'mün  (813 — 833  n.  Chr.), 
der   sich   lebhaft   für   die  Wissenschaften    interessierte   und  unter 
dem     der    Gesichtskreis     der    Araber     weiter     reichte     denn    je. 
al  Ma'mün  knüpfte  Verbindungen  an  mit  verschiedenen  Barbaren- 
fürsten,    und  die  Muslime  kamen  damals  auf  ihren  Handelsreisen 
bis  zu  den  Kirghizen.    Die  Grundlage  der  geographischen  Arbeiten 
bildeten  die  Übersetzungen  des  Almagest  und  der  Geographie  des 
Ptolemaios,   die  der  Chalifa  anfertigen  liess,  und  nach  dem  Vor- 
bilde dieser  Werke  wurde  das  reiche  Material,  das  damals  zusammen- 
gekommen  sein    muss,    in  Listen    der    geographischen  Länge    und 
Breite  der  Hauptorte  und  in  Klimentafeln  verarbeitet  und  —  be- 
graben.   Die  damals  herrschende  mathematische  Richtung  hat  daher 
den    Originalberichten    dasselbe    Schicksal    bereitet   wie    einst   das 
geographische  Werk  des  Ptolemaios. 

Eine    andere    Richtung    schlug    'Amr    b.    Bahr    al    Gähic 
(t  868/69)  ein,    welcher  den  Merkwürdigkeiten    der  Länder   und 


XXVIII  Vorwort. 

ihrer  Bewohner,  der  Natur-  und  Kulturgeschichte  sein  Augenmerk 
zuwandte.  Der  Verlust  seines  ,  Buches  der  Hauptstädte  und  der 
Wunder  der  Länder"  ist  umsomehr  zu  bedauern,  als  darin,  nach 
gelegentlichen  Anführungen  und  dem  Charakter  seiner  sonstigen 
Schriften  zu  schliessen,  besonders  auch  das  Folklore  einen  grossen 
Raum  eingenommen  haben  muss.  Von  der  Vielseitigkeit  des 
Gähie  mögen  die  Bruchstücke,  welche  ich  unten  durch  die 
Liebenswürdigkeit  meines  unglücklichen  Freundes  van  V loten 
mitteilen  konnte,  eine  kleine  Probe  geben.  Um  nur  eines  hervor- 
zuheben, so  ist  Gähic  der  einzige  bis  jetzt  bekannte  Araber, 
welcher  vom  Untergange  des  grossen  Uigurenreiches  ausdrückliche 
Kunde  gibt. 

Für  denjenigen,  der  die  Arbeitsweise  der  arabischen  Geo- 
graphen und  Historiker  kennt,  ist  es  selbstverständlich,  das  manche 
der  unter  al  Ma'mün  und  seinen  nächsten  Nachfolgern  gesammelten 
Nachrichten  in  spätere  Werke  übergegangen  sind,  allein  sie  sind 
hier  in  der  Regel  mit  solchen  aus  späteren  Epochen  unterschiedslos 
verbunden  und  so  ihres  Hauptwertes,  der  genauen  zeitlichen 
Fixierung,  beraubt.  Eine  wichtige  Ausnahme  bildet  ein  Bericht 
über  die  Nordländer,  der  im  zweiten  Viertel  des  9.  Jahrhunderts 
verfasst  sein  muss  und  seit  Herodot  die  erste  einigermassen  zu- 
sammenhängende ,  auf  gleichzeitigen  Erkundigungen  beruhende 
Beschreibung  der  pontischen  und  nordkaukasischen  Länder  bietet. 
Derselbe  ist  zwar  leider  auch  nicht  im  Original  erhalten ,  aber 
wenigstens  als  Ganzes  in  spätere  geographische  und  historische 
Werke  aufgenommen  worden.  Er  ist  zuerst  bekannt  geworden 
aus  der  im  Jahre  1456  verfassten  Chronik  ^.LäJ!  '^^^  t<^^- 
mut  der  Chroniken"  des  Persers  Sukru'lläh  b.  Sihäb,  aus 
welcher  Jos.  v.  Hammer  in  seiner  Schrift  Sur  les  origines  russes, 
St.  Petersbui-g  1827  p.  105—109  =  44—48  Auszüge  veröffent- 
lichte. Die  wahre  Bedeutung  des  Berichtes  konnte  jedoch  damals 
noch  nicht  erkannt  werden,  da  er  hier  mit  einer  Reihe  von 
Artikeln  über  die  Türkenvölker  verknüpft  war  und  Sukru'lläh, 
wie  sich  jetzt  herausteilt,  lediglich  Muhammad-i  'Aufl's  v«i-^ 
oLUJl   ^J*,  oLbC^  „Sammlung  der  Geschichten  und  Schimmer 

der  Überlieferungen"  (XHI.  Jahrh.)  sehr  nachlässig  ausgezogen  hat. 
Im  Jahre  1849  gab  sodann  Defremery  Auszüge  aus  dem  „Buche 
der  Königreiche  und  Routen"   des  Spaniers  Abu  'Ubaid  'Abdallah 


Vorwort.  XXIX 

b.  'Abd  al  'Aziz  al  Bekri  (f  1094)  heraus,  die  jenen  Bericht  in 
reinerer  und  vollständigerer  Gestalt  enthielten^)  und  von  Baron 
Rosen  in  den  Izvestija  al-Bekri  wieder  abgedruckt  worden  sind^). 
Zu  seinem  Rechte  kam  der  ganze  Bericht  aber  erst,  als  eine 
wesentlich  vollständigere  Fassung  desselben  in  einer  Handschrift 
des  British  Museum  (Add.  23  378)  entdeckt  wurde,  welche  einen 
Teil  des  „Buches  der  kostbaren  Edelsteine"  »..«^^ftÄJl  v^^l  LjUi' 
von  Abu  'All  Ahmad  b.  'Omar  Ihn  Rusta  enthält.  Diese  Version 
ist  von  Daniel  Chwolson  fast  vollständig  mit  russischer  Über- 
setzung und  Kommentar  herausgegeben  worden  unter  dem  Titel : 
Izvestija  o  Cbozarachi. ,  Burtasacht ,  Bolgarach-L ,  MaäLJarachi», 
SlavjanachT>  i  Russachi  Ihn  Dasta.  Sanktpeterburgi>  1869.  Man 
findet  den  Text  jetzt  im  VII.  Bande  von  de  Goeje's  Bibliotheca 
Geogr.  arabicorum,  Lugduni  Batavorum  1892  p.  (H — tfA. 

Denselben  Bericht,  verbunden  mit  einem  andern  über  die 
Türkenvölker,  fand  dann  Sachau  in  der  zwischen  1050  und  1052 
verfassten  Chronik  (  LAi>^!  ..yj;)  des  Persers  Abu  Sa'Td  'Abd  al 
Haij  b.  ad  Dahhäk  b.  Mahmud  Gurdezi,  deren  einzige  bekannte 
Handschrift  die  Bodleiana  zu  Oxford  bewahrt  (Cod.  Ouseley  240), 
und  da  er  den  Wert  desselben  alsbald  erkannte,  fertigte  er  eine 
Abschrift  an ,  die  er  später  dem  Grafen  Geza  Kuun  überliess. 
Dieser  gab  den  mit  Ihn  Rusta  und  Bekrl  parallelen  Abschnitt 
mit  ungarischer  Einleitung  und  Übersetzung  heraus  in :  Keleti 
Kütfök.  Különnyomat  "a  Magyar  honfoglaläs  kutföi"-böl.  Buda- 
pest 1898 ,  S.  5 — 60 ,  und  Hess  daneben  den  Text  Ihn  Rusta's 
nach  de  Goeje's  Ausgabe  abdrucken.  Da  jedoch  die  Oxforder 
Handschrift  sehr  schlecht  geschrieben  ist  und  der  Herausgeber  sich 
nicht  die  Mühe  nahm,  die  Abschrift  nochmals  mit  dem  Original 
vergleichen  zu  lassen,  so  ist  diese  Ausgabe  ziemlich  mittelmässig 
ausgefallen. 

Dagegen  hatte  W.  Barthold  schon  1897  den  ganzen  ethno- 
logischen Abschnitt  Gurdezi's  (einschliesslich  der  Artikel  über  die 
Türkenstämme)  mit  russischer  Übersetzung  herausgegeben  in  seinem 


^)  Fragments  de  g^ographes  et  historiens  arabes  et  persans  in- 
edits,  relatifs  aux  anciens  peuples  du  Caucase  et  de  la  Russie  möridio- 
nale.     Journ.  as.  IVe  Ser.  1. 13,  1849,  p.  460—477. 

-)  A.  Kunik  und  Baron  W.  Rosen,  Izvestija  al-Bekri  i  dru- 
gichi  avtorovi  o  Rusi  i  Slavjanachi.  Teil  1.  St.  Petersburg  1878, 
S.  42—46. 


XXX  Vorwort. 

Bericht  über  eine  Reise  in  Mittelasien  zu  wissenschaftlichem 
Zwecke  1893 — 1894"  (russ.);  Mem.  de  l'Academie  des  sciences  de 
St.-Petersbourg  VHP  Ser.  vol.  I  Nr.  4,  St. - Petersbourg  1897, 
g  80 — 126.  Diese,  was  die  Textbehandlung  anlangt  i),  sehr  sorg- 
fältige und  verdienstliche  Arbeit  scheint  Kuun  nicht  bekannt  ge- 
wesen zu  sein-). 

Mit  Gurdezi  zeigt  eine  im  Jahre  372  H.  (982/83  n.  Chr.) 
verfasste  persische  Geographie  mit  dem  Titel  ^llx}]  o^lXs»,  von 
welcher  Tumanskij  eine  Handschrift  in  Buchara  aufgestöbert 
hat,  sowohl  in  dem  uns  beschäftigenden  Abschnitt  (s.  S.  517)  wie 
in  dem  über  die  Türken 3)  die  auffälligste  Verwandtschaft,  die 
nur  durch  eine  beiden  gemeinsame  Vorlage  erklärt  werden  kann. 
Leider  ist  aber  dieser  wichtige  Text  meines  Wissens  immer  noch 
nicht  veröffentlicht.  Tumanskij 's  Bericht  über  denselben  in  den 
Zapiski  der  orientalischen  Abteilung  der  Kaiserl.  Russ.  Archäo- 
logischen Gesellschaft  Bd.  X,  St.  Petersburg  1897,  121—137,  ist 
mir  nicht  zugänglich. 

Endlich  ist  noch  M  u  h  a  m  m  a  d  -  i  ' A  u  f  i '  s  „  Anekdotensamm  - 
lung"  (oLjÜC^  ;«^L>)  2^  erwähnen,  welche  unseren  Bericht  eben- 
falls enthält,  freilich  mit  späteren  Zusätzen  (so  über  die  angeb- 
liche Bekehrung  Wladimirs  des  Heiligen  zum  Islam*)),  sonst  aber 
in  einer  Fassung,  die  Ibn  Rusta  noch  näher  steht  als  Bekri.  Auch 
dieser  Bericht  ist  leider  noch  nicht  im  Zusammenhange  ver- 
öffentlicht. 

Kein  einziger  von  den  bis  jetzt  bekannten  Auszügen  ist  un- 
mittelbar  aus  dem  Originalbericht  abgeleitet,    sondern   sie    gehen 


1)  Die  Übersetzung  ist  mir  leider  unzugänglich. 

2)  Auch  in  seinem  Artikel  ,  Gurdezi  a  Törökökröl"  (Keleti  Szemle 
IV,  1903,  S.  17—40),  der  mir  zufällig  in  die  Hände  kommt,  kann  ich 
keine  Bekanntschaft  mit  Bartholds  Arbeit  entdecken.  —  Ich  hatte  zu- 
erst durch  die  Güte  meines  Freundes  W.  Bang  Kuun's  Keleti  Kütfök 
erhalten  und  war  erst  später  auf  Bartholds  Ausgabe  aufmerksam  ge- 
worden. Daraus  erklärt  sich  die  Nameusform  Gurdezi  (Keleti  Kutfök 
p.  12) ,  während  Barthold  auf  Grund  einer  Glosse  in  einer  Handschrift 
'Utbi's  Gardlzi  schreibt  (S.  78  A.  2). 

3)  S.  Bart  hold  a.  a.  0.  S.  79  und  die  Anmerkungen  zum  Texte. 
■*)  Fr.  Westberg,  Die  Fragmente  des  Toparcha  Goticus.    M^m. 

de  i'Acad.  de  St.  Pötersbourg  T.  V  Nr.  2,  1901,  S.  120f.  nach  Barthold, 
Zapiski  der  orient.  Abteilung  der  Kais.  Russ.  Archäol.  Ges.  Bd.  IX, 
Ausgabe  I— IV,  S.  262—267. 


Vorwort.  XXXI 

Sämtlich  auf  ein  geographisches  Werk  zurück,  das  nicht  vor  der 
Bekehrung  der  Wolga-ßulgaren  zum  Islam  im  Jahre  922  verfasst 
sein  kann  und  in  welchem  der  alte  Bericht  spätere  Interpolationen 
erfahren  hatte.  Dies  war  höchstwahrscheinlich  das  „Buch  der 
Routen  und  Königreiche*  des  Abu  'Abdallah  Muhammad  b.  Ahmad 
al  GaihänT,  der  als  WezTr  der  Samaniden  (seit  301  H.  = 
913/14)  das  Material  zu  seinem  umfangreichen  Werke  sammelte. 
Ich  bilde  mir  natürlich  nicht  ein ,  alle  Fragen ,  die  sich  an  den 
Bericht  knüpfen ,  bereits  gelöst  zu  haben ,  was  vor  der  Ver- 
öffentlichung der  Texte  'Aufl's  und  des  Anonymus  Tumanskij's 
ja  auch  unmöglich  ist;  ich  darf  mich  aber  wenigstens  der  Hoff- 
nung hingeben ,  dass  meine  Mühe  um  die  Aufhellung  desselben 
nicht  ganz  umsonst  gewesen  ist.  Der  Bearbeiter  hat,  wie  gesagt, 
im  allgemeinen  den  Bericht  unberührt  gelassen  und,  abgesehen 
von  etwaigen  Streichungen,  nur  einzelne  Interpolationen  eingefügt. 
Allein  bei  der  Spärlichkeit  topographischer  und  geschichtlicher 
Einzelheiten  ist  es  besonders  schwierig,  jene  richtig  auszuscheiden, 
und  gerade  dies  macht  in  Verbindung  mit  der  in  arabischer 
Schrift  so  leichten  Entstellung  von  unbekannten  Namen  die  Deu- 
tung der  Berichte  teilweise  so  imsicher  und  mühsam.  Dies  gilt 
besonders  von  dem  Artikel  über  die  Magyaren :  hier  weisen 
Gurdezi  und  der  Verfasser  der  ^JLjtJ!  Oj,Js.5>  einen  längeren  Ein- 
schub  auf,  der  nicht  bloss  bei  den  anderen  Zeugen  fehlt,  sondern 
(wenigstens  in  der  bis  jetzt  allein  genau  bekannten  Passung 
Gurdezi's)  geradezu  unverständlich  ist  und  daher  auch  bei  GaihänT 
noch  gefehlt  haben  wird.  Wir  können  darnach  das  Verhältnis 
der  verschiedenen  Auszüge  vorläufig  durch  folgenden  Stammbaum 
veranschaulichen : 

A 

B  (GaihänT) 

Ibn  Kusta                X  BekrT                C 

I . 

Muhammad-i  ^LxJl  c>^J<s^          GurdezT 
'AufT 

Der  ursprüngliche  Bericht  ist  geschrieben,  als  Ishäq  b.  Ismä'Tl 
Herr  von  Georgien  (ca.  833 — 853)  und  unter  al  Wä^iq  (842 — 
847)  vorübergehend  sogar  anerkannter  Statthalter  von  Armenien 
war,   und   von  Ai-menien   bezw.  vom  Chazarenreiche    aus   müssen 


XXXII  Vorwort. 

auch  die  meisten  Erkundigungen  eingezogen  sein;  nur  die  Nach- 
richten über  die  Peöenegen  sind  zumeist  von  Chwärizm,  die 
über  die  Burgän  (Donau  -  Bulgaren)  und  vielleicht  auch  einiges 
über  die  Slawen  von  Konstantinopel  aus  erkundet.  Die  Schreib- 
weise der  Namen  ist  sehr  genau  (z.  B.  Ä.xi'ÜLÄAJt  =  Päcänäg 
mit  Imäla)  und  mehr  persisch  als  arabisch  (z.  B.  jSh  für  ^LiL, 

y*b,j  für  y*Lb,J,  i^Jj*^  fi"*^'  ^j^-^J  etc.).  Nichts  deutet  darauf 
hin,  dass  der  Verfasser  die  von  ihm  beschriebenen  Völker  selbst 
besucht  hätte,  dagegen  ist  für  die  Herkunft  des  Hauptteils  seiner 
Nachrichten  die  Mitteilung  von  Wichtigkeit,  dass  al  Wä'&iq  den 
Astronomen  Muhammad  b.  Müsä  al  ChuwärizmT,  den  Verfasser 
des  ^jo^\  *.*-.  „Systems  der  Erde",  zum  Tarchän,  dem  König  der 
Chazaren  gesandt  habe*).  Dieser  mag  die  Gelegenheit  benutzt 
haben,  um  beim  Chazarenfiirsten  Erkundigungen  über  die  um- 
liegenden Völker  einzuziehen,  allein  die  Abfassung  des  uns  vor- 
liegenden Berichtes  dürfen  wir  ihm  nicht  zuschreiben ;  dieser  weist 
vielmehr  deutlich  auf  ein  Werk  zurück ,  das  der  politischen  Geo- 
graphie und  daher  auch  der  Völkerkunde  gewidmet  war.  Eine 
derart  umfassende  Forscherthätigkeit  in  so  früher  Zeit  war  natür- 
lich nicht  alltäglich,  und  da  ist  es  gewiss  mehr  als  Zufall,  dass 
wir  von  einem  Schriftsteller  ausdrücklich  Kunde  haben,  welcher 
gerade  unter  al  Wä'9'iq  lebte  und  auSser  der  Geschichte  und 
Organisation  des  Romäerreiches  auch  die  benachbarten  Barbaren- 
reiche, die  Burgän  (Donau  -  Bulgaren) ,  Awaren,  Buryar  (Wolga- 
Bulgaren?  oder  Magyaren?),  Slawen,  Chazaren  u.  a.  behandelt 
hatte  1).  Es  ist  dies  Muslim  b.  Abu  Muslim  al  Garml  (S.  28  f.), 
den  wir  daher  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  für  den  Verfasser 
unseres  Berichtes  halten  dürfen.  Da  Ihn  ChordäfJbih  die  Werke 
des  al  Garml  kannte,  so  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  bereits  er 
in  seinem  ethnologischen  Werke  ^j«jäJ!  ^L*^j!  »?■?■■*->  oLä^3 
JsjLaJ!^  „Sammlung  der  Genealogien  der  Perser  und  der  ver- 
pflanzten Völker",  das  die  Urgeschichte  und  Verteilung  der  Völker 
in  der  Weise  des  6i,afiSQi6(i6g  rrjg  yij?  behandelt  zu  haben  scheint, 


1)  Muqaddasi  Hr,  11. 

1)  Mas'üdl,  Kitäb  at  tanblh  II.,  25.  Unten  ist  gezeigt,  dass 
Mas'üdi  unter  Buryar  sowohl  die  Wolga  -  Bulgaren  als  die  Magyaren 
versteht. 


Vorwort.  XXXIII 

jenen  Bericht  aufgenommen  hatte  und  Gaihäni  ihn  hier  wie  auch 
sonst  so  häufig  ausschrieb. 

Wenn  ich  hier  das  von  unserem  Bericht  gezeichnete  Bild 
der  Völkerkarte  von  Osteuropa ,  wie  es  sich  nach  meinen  Unter- 
suchungen schliesslich  darstellt,  in  seinen  wichtigsten  Umnssen 
kurz  zusammenfassen  darf,  so  wohnten  zwischen  dem  Aralsee  und 
dem  Jajyk  die  Pec^enegen,  zwischen  diesen  und  den  Isgil  (wahr- 
scheinlich an  der  Kama),  einem  der  drei  Stämme  der  Wolga- 
Bulgaren,  lag  ,das  erste  der  Gebiete  der  Magyaren".  Damit  ist 
entweder  das  Land  der  Baskiren  gemeint,  welche  später  von  den 
Arabern  mit  den  Magyaren  vermengt  worden  sind,  oder  die 
Mescera,  ein  finnischer  Stamm,  der  ehemals  unter  den  Mordwa 
lebte  und  sich  noch  jetzt  in  turkisierten  Resten  unter  den  Baskiren 
im  südlichen  Ural  findet.  Südlich  von  den  Bulgaren  und  zwar 
(wenigstens  im  10.  Jahrhundert)  zu  beiden  Seiten  der  mittleren 
Wolga  1)  Sassen  die  Burdas,  welche  unter  der  Botmässigkeit  des 
Chagans  der  Chazaren  standen  und  die  Bulgaren  wie  die  Peße- 
negen  mit  Überfällen  heimsuchten.  In  loser  Abhängigkeit  von 
den  Chazaren  standen  die  Magyaren,  die  hauptsächlich  zwischen 
Don  und  Kuban  wohnten  und  unter  den  Slawen,  die  ja  schon 
seit  dem  6.  Jahrhundert  bis  zum  Don  reichten,  Menschenjagden 
veranstalteten,  deren  Beute  sie  in  einem  romäischen  Hafen  Karch 
(wahrscheinlich  Taman)  verkauften.  Mit  ihren  Nachbarn  im  Kau- 
kasus ,  den  Tül-äs  oder  As ,  einem  alanischen  Stamm ,  scheinen 
sie    in   Frieden    gelebt    zu    haben.     Im  Beginne    des  Gebietes   der 


^)  Mit  Sicherheit  denkt  sich  Mas'üdi  die  Burtäs  östlich  von  der 
Wolga,  und  zwar  nicht  bloss  in  den  Goldwäschereien  11  14,  wo  er 
über  den  Burtäsfluss  spricht  (unten  S.  336),  sondern  noch  deutlicher  im 
Kitäb  at  tanbih  IC,  16,  wo  es  heisst:  »Der  Chazarenfluss,  der  an  der 
Stadt  Itil  vorbeifliesst.  In  ihn  mündet  der  Burtäsfluss;  die  Burtäs  sind 
eine  mächtige  Nation  von  Türken  zwischen  dem  Lande  Chwärizm  und 
dem  Königreich  der  Chazaren,  jedoch  mit  den  Chazaren  verbunden". 
Dagegen  setzt  Istachri  CCv,  4  voraus,  dass  die  Burtäs  (hauptsächlich) 
westlich  von  der  Wolga  sassen :  ,  Von  Itil  bis  zum  Anfang  des  Gebietes 
von  Burtäs  20  Tagereisen;  vom  Beginn  von  Burtäs  zu  seinem  Ende 
gegen  15  Tage;  von  Burtäs  zu  den  Pecenegen  gegen  10  Tagereisen; 
von  Itil  zu  den  Pecenegen  eine  Reise  von  einem  Monat".  Konstantin 
Porphyrogennetos  und  die  russische  Chronik  kennen  nur  die  westliche 
Abteilung.  Diese  Abweichungen  erklären  sich  durch  den  verschiedenen 
Standpunkt  der  Berichterstatter. 


XXXIV  Vorwort. 

Slawen  lag  eine  Stadt,  deren  Name  verdorben  überliefert  und 
wahrscheinlich  .,i>.xil;  Zänbat  =  Sa^ßaxäg  d.  i.  Kyjew  zu  lesen 
ist.  Diese  Stadt  hatte  damals  jedenfalls  viel  unter  den  Einfällen 
der  Magyaren  zu  leiden.  Der  Verfasser  kennt  keine  Sondernamen 
slawischer  Stämme,  sondern  spricht  nur  von  Slawen  schlechthin. 
Sie  stehen  unter  einem  Fürsten  Swet  malik  (Swetoplxk),  der  den 
Titel  „Fürst  der  Fürsten"  führt  und  in  der  Stadt  Chorwät  d.  h, 
in  Krakau,  der  Hauptstadt  des  Chorwatenlandes  i'esidiert.  Die 
Eos  bilden  einen  Kriegerstaat  auf  einer  Insel  in  einem  See,  d.  h. 
wahrscheinlich  in  Alt-Ladoga  oder  Nowgorod. 

Ihn  Eusta  verdanken  wir  auch  die  Kunde  von  dem  Eeise- 
bericht  des  Hämn  b.  Jalijä,  der  hier  zum  ersten  mal  den  Nicht- 
arabisten  zugänglich  gemacht  wird. 

Äusserst  schmerzlich  ist  der  Verlust  des  den  Norden  behan- 
delnden Abschnittes  des  „Buches  der  Länder"  von  Ahmad  b.  Abu 
Ja'qüb  b.  Ga'far  b.  Wahb  b.  Wädih  al  Kätib  al  'AbbäsT  genannt 
al  Ja'qübl  (geschrieben  278  H.  =  891/92).  Der  Verfasser, 
ein  Schi'it,  hatte  lange  Zeit  in  Armenien  gelebt,  wo  er  bei  ver- 
schiedenen Fürsten  und  Statthaltern  Sekretär  war,  und  zeigt  sich 
in  seinem  Greschichtswerke  über  die  Geschichte  dieses  Landes 
ausgezeichnet  unterrichtet.  Wenn  irgend  einer  war  er  in  der 
Lage ,  über  die  Völker  des  Kaukasus  und  der  nordkaukasischen 
Länder  zuverlässige  Nachrichten  einzuziehen.  Man  darf  vermuten, 
dass  manches  davon  von  Mas'üdi  entlehnt  worden  ist. 

Eine  einzigai-tige  Stellung  in  der  arabischen,  historischen 
Litteratur  nimmt  Mas'üdi  ein.  Eine  eingehende  Schilderung  seiner 
Vorzüge  und  Fehler  liegt  natürlich  ausserhalb  des  Eahmens  dieses 
Vorworts,  und  wir  müssen  uns  daher  auf  einige  Bemei'kungen  be- 
schränken. Zunächst  ist  man  überrascht  über  die  Allgemeinheit 
seiner  wissenschaftlichen  Interessen  und  seine  Unbefangenheit  in 
nationalen  und  religiösen  Fragen ,  die  ihn  über  den  Durchschnitt 
der  arabischen  Chronisten  und  Geographen  weit  hinausheben.  Einen 
Begriff  von  seiner  Vielseitigkeit  und  Fruchtbarkeit  vermag  schon 
das  Verzeichnis  seiner  Schriften  zu  geben.  Die  Bekehrungs- 
geschichte der  Chazaren  oder  die  Streitfrage  über  den  Zusammen- 
hang des  Kaspischen  und  Schwarzen  Meeres  interessiert  ihn  nicht 
minder  als  die  iranische  Heldensage  oder  die  Falknerei,  und  es  ist 
erstaunlich,  was  Mas'üdi  alles  zusammengelesen  und  erkundet  hat. 
Leider     lässt    aber     die    Verarbeitung     dieses    reichen    Materials 


Vorwort.  XXXV 

sehr    viel    zu    wünschen    übrig.      Mas'üdi    kann    sich    nicht   dazu 
zwingen,  scharf  und  streng  logisch  zu  denken  und  sich  auszudrücken, 
dafür   schreibt    er    viel    zu   hastig.     Man   darf   daher  seine  Worte 
nicht    auf   die  Goldwage    legen.     Er  kommt  vom  Hundertsten  ins 
Tausendste,    und    wie    sein    Stil   mit   seiner   Unbestimmtheit    eine- 
schlagende Verwandtschaft  mit  dem  heutigen  Zeitungsjargon  zeigt, 
so    kann  Mas'üdi  selbst  seinem   ganzen  Wesen  nach  als  Vorläufer 
des  modernen  Reporter-  und  Weltbummlertums  gelten.   An  strengem 
wissenschaftlichem  Ernste    kann    er   sich    daher    mit    dem  grossen 
BerünT,  diesem  Leuchtturm  arabisch-iranischer  Wissenschaft,  oder 
auch    nur    mit    seinem  Vorgänger  Ja'qübl    nicht    entfernt   messen. 
Seine    geographischen  Vorstellungen   sind  nichts  weniger  als  klar, 
und  so  kann  es  nicht  wunder  nehmen,  dass  er  bei  der  grossen  Hast, 
mit  der  er  arbeitet,  nicht  immer  im  Stande  war,  verschiedene  Nach- 
richten   über    unbekannte  Völker    richtig   auseinanderzuhalten  und 
zu  kombinieren.    Dies  ist  für  uns  um  so  empfindlicher,  als  er  bei 
seinen  ethnologischen  Nachrichten  in  der  Regel  seine  Quellen  nicht 
nennt.     Dabei  ist  er  noch  der  in  arabischer  Schrift  besonders  ge- 
fährlichen Versuchung    verfallen,    gleichgeschriebene   Namen    ohne 
weiteres  auch  sachlich  gleichzusetzen,    und   hat    es  so  z.  B.  fertig 
gebracht,  die  Wolga-Bulgaren  mit  den  Magyaren  zu  identifizieren 
und  Streifzüge  bis  nach  Spanien  ausführen  zu  lassen,  ja,  man  kann 
geradezu    beobachten,    wie    Gelesenes   und  Gehörtes    aus  verschie- 
denen Zeiten  sich  in  seinem  Kopfe  zu  einer  förmlichen  Legenden- 
bildung verdichtete,    wie  wir    dies  bei   der  Analyse  des  Berichtes 
über    die  Eroberung  von  Walandar   gezeigt    haben.     Dazu  kommt 
noch,   dass   seine  beiden  uns  allein  erhaltenen  Werke,  die   „Gold- 
wäschereien und  Edelsteinminen "   (geschrieben  943)  und  das  „Buch 
der  Erinnerung    und  Revision"    (geschrieben    955),    selbst   wieder 
nur  Zusammenfassungen    früherer  ausführlicherer  Werke  sind  und 
daher    oft    bei    den    für   uns   interessantesten  Dingen  einfach   auf 
jene  verweisen.    Auf  der  anderen  Seite  muss  betont  werden,  dass 
Mas'üdi  an  den  Fortschritten  der  Länder-  und  Völkerkunde  seiner 
Zeit    den    lebhaftesten  Anteil    nimmt    und    stets    bemüht   ist,    die 
neuesten  Nachrichten    über   entfernte  Barbarenländer  aufzutreiben. 
Sehr  vieles  würden  wir  ohne  ihn  überhaupt  nicht  wissen. 

Mehr  als  drei  Bände  der  Pariser  Ausgabe  der  Goldwäschereien 
sind  der  Urgeschichte,  der  Länder-  und  Völkerkunde  gewidmet,  es 
leuchtet  aber  von  selbst  ein,  dass  dieser  Schatz  erst  dann  wirklich 

c* 


XXXVI  Vorwort. 

crehoben  werden  kann,  wenn  der  Text  auf  ebenso  sicherer  hand- 
schriftlicher Grundlage  hergestellt  ist,  wie  das  Kitäb  attanbih  durch 
de  Goeje's  musterhafte  Ausgabe.  Eine  Übersetzung  hätte  überdies 
soweit  möglich  die  verschiedenen  Quellen  auszuscheiden  und  das 
Verständnis  des  Textes  zu  fördern.  Dass  die  Pariser  Ausgabe 
diesen  Forderungen  weder  im  Text  noch  in  der  Übersetzung  genügt, 
wird  niemand  bestreiten;  haben  ja  doch  die  Herausgeber  nicht 
einmal  den  Namen  ihrer  eigenen  Hauptstadt  erkannt  und  daraus 
Baiern  gemacht.  Es  war  daher  meine  Absicht,  die  Notwendigkeit 
einer  neuen  Ausgabe  der  Goldwäschereien  darzuthun,  und  als  Vor- 
arbeit für  eine  solche  möchten  diese  Studien  betrachtet  sein. 

Der  Abschnitt  über  die  Slawen  hat  mich  bis  nach  Deutsch- 
land geführt  und  mich  veranlasst,  die  Geschichte  und  Genealogie  der 
Abodritenfttrsten  im   10.  und  11.  Jahrhundert  festzustellen.     Der- 
selbe regt  aber  auch  sonst  zu  verschiedenen  Fragen  an,  die  bisher 
ungelöst    sind.      Mas'üdi    behauptet,    die    Walinjänä ,    einer    der 
edelsten  Slawenstämme,  hätten  vormals  unter  ihrem  König  Mägak 
eine    Vorherrschaft    über    die    anderen    Slawenstämme     ausgeübt. 
Ich  habe  unten  gezeigt,  dass  Walinjänä  d.  i.  Wolynjane  die  jüngere 
Bezeichnung    der    Dudleby   war,  die    nach    ihren  Wohnsitzen    am 
wolhynischen  Bug  auch  Buzane  hiessen  ^).     Wahrscheinlich  hatten 
aber  die  Dudleby  in  älterer  Zeit  weiter  südöstlich  am  podolischen 
Buc^  cresessen.     Nur  unter    dieser  Voraussetzung  werden  Mas'üdi's 
und  Nestors  Angaben    völlig  verständlich.     Der  König  Mägak    ist 
dann  kein  anderer  als  Mt^d^yiQog,  welcher  zur  Zeit  des  Einbruchs 
der  Awaren    (zwischen  558  und  562)    den  meisten  Eintiuss  unter 
den    Anten    besass     und    sich    dem    Häuptling    der    bulgarischen 
Kuturwuren    gefürchtet    gemacht  hatte,    auf  deren  Betreiben  aber 
von    den  Awaren  völkerrechtswidrig  ermordet  wurde.     Es  ist  ge- 
wiss kein  zufälliges  Zusammentreffen,  dass  dieser  Slawenfürst  und 
sein  Bruder  Ktlayci6XY]g  als  Gostun  und  Bezmer  auch  in  die  bul- 
aarische  Fürstenliste  Aufnahme  gefunden  haben.    Wir  müssen  uns  das 
Machtgebiet  dieser  Anten    zwischen  Dnjestr   und  Dnjepr   nördlich 
von  den  Kuturguren,  mit  dem  Mittelpunkt  am  (podolischen)  Bug 
denken.     Wie  furchtbar  die  Awaren  unter  den  ihres  Führers  be- 
raubten Anten  gehaust  haben  mögen,  lässt  sich  nach  dem  Verluste 
der  ausführlichen  Berichte  des  Menandros  nur  ahnen,    so  viel  ist 


J)  Vgl.  Nestor  c.  7—9. 


Vorwort.  XXXVII 

aber  klar,  dass  die  Dudleby  damals  als  der  Hauptstamm  der  Anten 
galten  und  daher  den  Verheerungen  und  Gewalttätigkeiten  der 
uigurischen  Unholde  in  erster  Linie  ausgesetzt  waren,  wovon  ja 
auch  die  russische  Chronik  noch  eine  Erinnerung  bewahrt  hat. 
Die  Erzählung  der  letzteren  von  der  Vergewaltigung  der  Dudleby 
durch  die  Awaren  ist  am  wahrscheinlichsten  auf  die  Zeit  der  von 
Menander  Protektor  angedeuteten  Raubzüge  gegen  die  Anten  vor 
ihrer  Niederlassung  in  Ungarn  zu  beziehen,  woi-aus  sich  gleichfalls 
ergibt,  dass  sie  Dudleby  damals  noch  am  podolischen  Bug  gewohnt 
haben  müssen.  Aber  freilich  wird  damals  ihre  Auswanderung  be- 
gonnen haben,  wennschon  wir  nicht  wissen,  wann  und  unter  welchen 
Umständen  die  später  in  Böhmen  und  in  Unter-Pannonien  bezeugten 
oder  vorausgesetzten  Bruchteile  dieses  Volkes  in  diese  Länder  ein- 
gewandert sind.  Wenn  der  Chagan  im  J.  591  sogar  die  Häuptlinge 
der  am  Ende  des  westlichen  Ozeans  wohnenden  Slawen  d.  h.  wahr- 
scheinlich der  Abodriten  auffordern  lässt,  ihm  eine  Streitmacht  zu 
senden  ^)  so  ist  es  selbstverständlich,  dass  er  die  in  seinem  näheren 
Machtbereich  siedelnden  Slawen  in  grösstem  Umfange  aufbot  und 
ihrem  Zuge  nach  dem  Süden  Vorschub  leistete,  wie  dies  ja 
auch  die  Ansiedelung  der  jQoyovßixai,  ZayovMxai,  B£X£yet,^xcii, 
Baiovvfixai  und  Beq^rixai  in  Makedonien ,  Epeiros  und  Thessalien 
deutlich  zeigt  (S.  243  f.).  Man  sieht,  für  das  Verständnis  der 
ältesten  slawischen  Kolonisation  ist  eine  sorgfältige  Sammlung 
aller  die  Geschichte  der  Awai'en  betreffenden  Thatsachen  un- 
erlässliche  Vorbedingung.  Auf  keinen  Fall  darf  aber  aus  der  Über- 
einstimmung böhmischer  Ortsnamen  mit  polnischen  gefolgert 
werden,  die  Dudleby  hätten  dem  lechischen  Zweige  der  Slawen 
angehört  -). 

Jordanes  bezeugt,  dass  vor  der  Wanderung  der  Awaren  von 
den  beiden  Zweigen  des  Wendenvolkes,  welche  er  nach  griechischem 
Vorgang  unterscheidet,  die  Sklawenen  vom  lacus  Mursianus  bei 
Cibalae  unterhalb  Mursa  (Esseg)  ostwärts  bis  zum  Dnjestr  und  nord- 
wärts bis  zur  Weichsel  reichten  (Get.  5  §  35).  Von  diesen  Sklawenen 


^)  Theophyl.  Simok.  6,  2,  10—16.  Bei  dem  Ausdruck  itnbg  rw 
TEQiLUTL  rov  SwiKov  'SIk8(xvov  denkt  man  freilich  zunächst  an  unsere 
Nordsee ,  allein  an  dieser  haben  niemals  Slawen  gesessen.  Es  kann 
daher  nur  die  Ostsee  gemeint  sein,  die  im  Gegensatz  zum  Pontos  und 
dem  Archipel  allerdings  als  westlicher  Ozean  aufgefasst  werden  konnte. 

2)  Darnach  S.  127  A.  3  und  129  Z.  3—4  zu  ändern. 


XXXVIII  Vorwort. 

sind  nicht  bloss  die  bulgarischen  Slowenen,  die  von  Dakien  aus 
Moesien  besetzten,  sondern  ebenso  gTit  die  oben  genannten  Stämme, 
die  von  Pannonien  her  in  Makedonien,  Epeiros  and  Hellas  ein- 
drano-en  und  in  diesen  Landschaften  sitzen  blieben,  sowie  die 
Karantanen  ausgegangen.  Als  letzte  Ansiedler  kamen  die  Serben 
und  Chrowaten  auf  die  Balkanhalbinsel.  Bei  diesen  weist  schon 
ihr  Name ,  der  nichts  als  die  regelrechte  slawische  Umformung 
des  germanischen  Namens  des  Karpatengebirges  {Hardapa  nach 
Th.  Braun)  ist,  auf  Herkunft  aus  den  Karpatenländern,  wozu  die 
Tradition  bei  Konstantin  Porphyrogennetos  im  allgemeinen  stimmt. 
Dagegen  hat  dieser  über  die  ursprüngliche  Heimat  der  Serben 
sehr  unklare  Vorstellungen;  jedenfalls  sind  für  die  nähere  Be- 
stimmung derselben  seine  Angaben  über  das  Land  Weissserbien 
unbrauchbar,  höchstens  könnte  man  einen  Anhalt  dafür  in  der 
Nachricht  über  die  Herkunft  des  Fürstengeschlechtes  der  Zachlumer 
finden:  ort  7;  yBVBci  xov  av^vndxov  xat  narQinlov  MixariX  tov 
vtov  rov  Bovosßovr^r]  toi)  ciQXOvrog  räv  ZayXov^av  riXd'tv  aitb 
T(üv  y.iaoiKOVvxfOV  aßaTiZLazav  elg  xov  noxa^bv  BiaXag,  xov  btcovo- 
fia^Ofievov  Jn^iKrj,  '/.al  aarioev  elg  xov  noxa^ibv  xbv  inovofia^öfievov 
Zaxlov^ui^),  falls  unter  den  aßccTCxiöxot ,  wie  der  Zusammenhang 
nahe  legt,  die  c/ßanxißxoi  Ss^ßloi  ot  kol  uGTtqoi  STtovoj^a^ofAevoi.  ge- 
meint sind.  Dann  fällt  aber  das  Ursprungsland  der  Serben  inner- 
halb des  nachmaligen  Gebietes  der  Weisschrowaten ,  und  es  ist 
um  so  aussichtsloser,  hier  noch  Spuren  des  Serbennamens  zu 
finden,  als  derselbe  ja  nach  dem  Zeugnis  des  Prokopios  ehemals 
die  gemeinsame  Bezeichnung  der  Slawen  (wenigstens  der  Ost- 
und  Südslawen)  gewesen  war  und  daher  in  den  meisten  Gegenden 
frühzeitig    speziellen    Staramnamen    hatte    weichen    müssen '').     In 


1)  De  administr.  imp.  c.  33  p.  160,  18—22. 

*)  Schafarik,  Slawische  Altertümer  II  102  f.  glaubt,  dass  noch 
im  zehnten  Jahrhundert  ein  Stamm  den  Namen  Serben  geführt  habe, 
der  nach  ihm  am  (wolhynischen)  Bug  sass,  wo  die  russische  Chronik 
die  Buzane  kennt,  und  noch  Krek,  Einleitung  in  die  slawische  Literatur- 
geschichte ^  (1887)  S.  330  spricht  einfach  von  den  „Buzanen  am  Bug, 
vordem  Serben  geheissen".  •  Diese  Ansicht  stützt  sich  lediglich  auf  eine 
Stelle  des  Konstantinos  Porphyrogennetos,  der  von  den  Kos  sagt :  rjviyicc 
6  NofnpQios  \ii]v  tlail%'ri,  ev&tcog  oi  uvxiav  aQ%ovx£g  i^iQXOVtai  ftsro: 
ndvTcov  Twv  'P&g  anb  xbv  Klccßov ,  xal  ciTtfQ^ovrai  tlg  tu  TCoXvSta  a 
Xiytxai  Tvqa,  ijyovv  fi's  xug  ÜHXaßiviag  x&v  rt  BnQßiävcov  xai  tmv 
jQOvyovßiTäv   xal   Kgtßit^üiv    xai   xüv   I^sgßiav    ^cd  Xontäv   I^xXaßwv, 


Vorwort.  XXXIX 

Übereinstimmung  mit  Jordanes  zwingt  uns  also  die  Richtung  der 
Wanderung  der  Chrowaten  und  Serben  zu  der  Annahme,  dass  das 
Land  an  der  oberen  Weichsel  im  6.  Jahrhundert  von  Sklawenen 
d.  h.  von  Südslawen  besetzt  war.  Wenn  sich  dann  später  der  Name 
Chrowaten  wieder  in  derselben  Gegend  findet,  so  folgt  daraus 
keineswegs,  dass  die  damalige  Bevölkerung  mit  der  nach  Süden 
abgezogenen  desselben  Stammes  war,  da  jene  Bezeichnung,  weil 
topischen  Ursprungs ,   an  der  Gegend  haftete  und  daher  ganz  von 

onivtg  BiGi  Ttuv.Tiibrui  xwv  Pwg.  6i  ölov  dk  tov  '/^ti^wvog  ixtlas  ölcc- 
ZQS(p6^svoi,  TiäXtv  ccTtb  iirivbg  'ÄTtgilXlov  öialvo^svov  tov  Ttccyovg  tov 
Juvänqsag  Ttoraaov  KatSQ^ortui  TtQog  tov  Kiußov  (de  administr. 
imp.  c.  79,  13—20).  Schafarik  a.  a.  0.  II  133  wollte  täv  TsßsQjSiä- 
vav  für  täv  tu  BiQßiävcov  lesen  und  unter  diesem  Volke  die  Tiiccrci 
am  Dnjestr  verstehen,  diese  Auffassung  wird  indessen  durch  den  Sinn 
der  ganzen  Stelle  entschieden  widerlegt;  denn  wenn  die  Rös  im  April 
beim  Schmelzen  des  Eises  wieder  nach  Kyjew  hinabfuhren,  so  folgt 
von  selbst,  dass  die  Landschaften,  nach  welchen  sie  sich  beim  Beginne 
des  Winters  zu  begeben  pflegten,  oberhalb  von  Kyjew  lagen.  Damit 
fallen  die  Tiwerci  und  die  vermeintlichen  Serben  am  Bug  von  selbst 
fort.  Dagegen  stimmt  alles  aufs  beste,  wenn  man  jene  Namen  auf  die 
Drewljane  (BtQßiccvoi  für  JsQßiävoi,  c.  87  p.  166,  11  Jsqßlsvivoi), 
Drogowici  (zwischen  Pripet  und  Dwina) ,  Kriivici  (mit  der  Hauptstadt 
Smolensk)  und  Sewer  {^'2!eßiQ0i.,  südlich  von  den  Kriwicen  zwischen 
Desna  und  Sem  mit  den  Städten  Ljubec  und  Cernigow)  bezieht:  all 
diese  Stämme  waren  von  Kyjew  aus  auf  dem  Wasserweg  des  Dnjeprs 
und  seiner  Nebenflüsse  zu  erreichen.  Die  Verderbnis  von  ^XißiQoi  in 
üfgßioL  ist  nicht  auffällig;  wir  treff"en  einen  ganz  analogen  Schreib- 
fehler bei  Konstantin  im  Namen  I^SQßötioi  für  ZsßÖQtioi  (unten  S.  39). 
Wenn  Mas'üdi  von  den  Serben  sagt:  „Dieser  Stamm  der  Slawen  und 
andere  erstrecken  sich  nach  Osten  und  sind  fern  von  Westen"  (S.  102) 
wobei  er  an  die  im  Chazarenreiche  wohnenden  Slawen  zu  denken 
scheint ,  so  ist  dieser  Ausdruck  viel  zu  allgemein ,  als  dass  sich  daraus 
etwas  Greifbares  entnehmen  Hesse.  Die  Brauchbarkeit  seiner  Angabe 
wird  dadurch  nicht  erhöht,  dass  er  an  einer  früheren  Stelle  (II  9),  auf 
welche  er  hier  verweist,  Verschiedenes  durcheinander  gemengt  hat 
(S.  502).  Auf  die  Descriptio  civitatum  et  regionum  ad  sepentrionalem 
plagam  Danubii  (sog.  baierischer  Geograph)  darf  man  sich  aber  über- 
haupt nicht  berufen,  so  lange  das  Mittelstück  (von  Phesnuzi  bis  Zeri- 
vani  bezw.  Lucolane)  jeder  systematischen  Erklärung  spottet  und  noch 
nicht  einmal  sicher  ist,  in  welcher  Richtung  man  zu  suchen  hat.  Vgl. 
einerseits  Zeuss,  Die  Deutscheu  S.  601.  615  f.  und  weiter  ausgeführt 
Lelewel,  La  geographie  du  Moyen-Age  III  82 — 34.  42 — 45,  andrer- 
seits Schafarik  a.  a.  0.  II  54.  136—145. 


XL  Vorwort. 

selbst  wieder  auf  neue  Ansiedler  übertragen  wurde.  So  erklärt 
sich  ungezwungen ,  dass  die  späteren  Weiss-Chrowaten  lechischen 
Stammes  waren ,  ohne  dass  man  eine  spätere  Polonisieining  der- 
selben anzunehmen  brauchte,  eine  Hypothese  die,  so\iel  ich  sehe, 
in  den  bekannten  Thatsachen  keinerlei  Stütze  findet.  Die  Chro waten 
in  Böhmen  werden  von  Haus  aus  lechische  Geschlechter  gewesen 
sein ,  die  im  Laufe  der  Zeit  ßechisiert  worden  sind.  Nach  dem 
Abzug  der  Sklawenen  (Serben  und  Chrowaten)  waren  also  von 
Norden  lechische  Geschlechter  in  deren  verlassene  Sitze  eingerückt. 
Daraus  ergibt  sich,  dass  die  südliche  Ausbreitung  der  Lechen  erst 
verhältnismässig  spät  begonnen  hat,  und  ähnliches  gilt  wohl  auch 
von  den  Cechen;  Mähren  und  die  Slowakei  scheinen  aber  nicht 
von  Norden,  sondern  erst  von  Nordwesten  (Böhmen)  her  besiedelt 
worden  zu  sein,  und  zwar  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Slowaken 
erst  nachdem  Serben  und  Chrowaten  das  Weichselland  geräumt 
hatten,  an  der  Wag  und  am  Bodrog  erschienen  sind^). 

So  entsprechen  also  die  Sklawenen  genau  den  späteren  Süd- 
slawen ,  wie  die  Anten  reinlich  in  den  Ostslawen  (Russen)  auf- 
gehen, wogegen  die  grosse  Gruppe  der  Westslawen  dem  Gesichts- 
kreise der  Griechen  entrückt  war  und  daher  von  ihnen  nicht  be- 
sonders berücksichtigt  wurde,  Nur  Jordanes  scheint  eine  Kunde 
von  derselben  zu  verraten ,  wenn  er  von  den  Venethi  schreibt 
(Get.  23  §  119):  nam  hi  ...  ab  una  stirpe  exorti,  ti-ia  nunc 
nomina  edidei-unt ,  id  est  Venethi ,  Antes  ,  Sclaveni :  qui  quam  vis 
nunc ,  ita  facientibus  peccatis  nostris ,  ubique  deseviunt ,  tarnen 
tunc    omnes   Hermanarici    imperiis   servierunt.     Allein  Venethi  ist 


*)  Anders  E.  Du  mm  1er,  Geschichte  de.s  Ostfränkischen  Reiches 
II  ■^  184  f.,  der  sich  zu  der  Annahme  gezwungen  sieht,  dass  die  slawische 
Kirchensprache  (das  Altslowenische)  nicht  etwa  von  den  griechischen 
Glaubensboten  aus  ihrer  makedonischen  Heimat  mitgebracht ,  sondern 
erst  unter  den  an  Deutschland  angrenzenden  Slawen  und  zwar  unter 
den  Mährern  ausgebildet  worden  sei,  wo  die  beiden  Brüder  Konstantin 
und  Methodios  zuerst  ihre  Thätigkeit  entfalteten.  Er  glaubt  daher 
schliessen  zu  müssen,  die  Mährer  hätten  damals  noch  Altslowenisch  ge- 
s'prochen  und  seien  erst  seit  der  Besetzung  Mährens  durch  die  Böhmen 
(etwa  915)  allmählich  cechisiert  worden.  Diese  Ansicht  scheitert  jedoch, 
vom  historischen  Standpunkte  aus  betrachtet,  daran,  dass  die  ebenfalls 
zum  cechischen  Zweige  gehörigen  Slowaken  schon  seit  dem  Jahre 
099;  1000  politisch  von  den  Öechen  getrennt  sind  und  seit  1025  unter 
dem  Joche  der  Magj^aren  schmachten. 


Vorwort.  XLI 

nur  der  germanische  Name  für  SyXavrivoi  =  Slowene,  und  die 
Westslawen,  welche  damals  geräuschlos  die  weiten  Ödlande  Ger- 
manlens  zwischen  Weichsel,  Oder  und  Elbe  besetzten,  machten 
sich  um  jene  Zeit  weder  dem  Römerreiche  noch,  soviel  wir  sehen 
können,  den  in  Deutschland  verbliebenen  Germanenstämmen  be- 
merkbar. Sie  sind  ohne  Zweifel  gemeint  mit  den  ÜKlaßrivöv 
k'^vi],  welche  die  Heruler  auf  ihrer  Wanderung  von  der  Donau 
zu  den  Warnen  an  der  Ostsee  im  Jahre  512  zu  passieren  hatten 
(Prokop.  de  hello  Goth.  II  15  p.  205,  11—12). 

Mas'üdr  ist  von  Späteren  sehr  viel  ausgeschrieben  worden, 
häufig  ohne  ihn  zu  nennen. 

Das  grosse  Interesse,  welches  die  islamische  Welt  im  10.  Jahr- 
hundert der  beschreibenden  Länder-  und  Völkerkunde  entgegen- 
brachte, gab  jedoch  auch  Veranlassung  zu  schwindelhaften  Erzeug- 
nissen. Schon  der  Bei'icht  des  Dolmetschers  Salläm  über  seine 
Reise  zur  Mauer  von  Gog  und  Magog,  der  gleichzeitig  ist  mit 
dem  oben  charakterisierten  Bei'icht  über  die  Nordländer,  erschien 
den  Späteren  in  sehr  zweifelhaftem  Lichte,  und  das  letzte  Wort 
ist  über  denselben  immer  noch  nicht  gesprochen.  Später  rief  der 
Beifall,  welchen  die  Werke  Mas'üdl's  und  der  Reisebericht  des 
Ihn  Fadlän  fanden,  den  erdichteten  Reisebericht  des  Abu  Dulaf 
Mis'ar  b.  al  Muhalhil  und  das  „Buch  der  Wunder"  hervor,  von 
denen  jedoch  letzteres  hauptsächlich  für  die  Ki-itik  Idlsl's  in  Be- 
tracht kommt,  während  ersterer  sich  auf  Mittel-  und  Ostasien  be- 
zieht und  deshalb  besser  bei  anderer  Gelegenheit  zur  Sprache 
kommen  soll.  Selbstverständlich  blieben  auch  die  Juden,  die  Ur- 
heber der  Apokryphen  und  Pseudepigraphen,  hierin  nicht  zurück 
und  zumal  die  brennende  Frage  nach  dem  Verbleib  der  zehn 
Stämme  gab  Anlass  zu  mancherlei  Machwerken,  wie  dem  Roman 
des  Eldad  had-Dänl,  die  jedoch,  wie  alle  Apokryphen,  an  topo- 
graphischen Einzelheiten  äusserst  dürftig  sind.  Dahin  gehört  auch 
der  angebliche  Brief  des  Chazarenkönigs  Joseph  an  Rabbi  Chisdai. 
Derselbe  bedarf  freilich  ebenso  wie  der  Brief  des  letztern  noch 
einer  sorgfältigen  Einzeluntersuchung,  um  jedoch  über  seinen  Cha- 
rakter ins  Reine  zu  kommen ,  genügt  es ,  sich  die  Beschreibung 
der  drei  Hauptstädte  der  Chazaren  vor  Augen  zu  führen: 

„Ferner  thue  ich  dir  kund,  dass  ich  an  diesem  Strome  wohne 
durch  die  Hilfe  des  Allmächtigen,  und  in  der  Mitte  meines  Reiches 


XLII  Vorwort. 

drei  Hauptstädte  (nil-^nW)  besitze  i).  In  der  ersten  wohnt  die 
Königin  mit  ihren  Mädchen  und  Eunuchen  -) ,  ihre  Länge  und 
Breite  (ist)  50  X  50  Farsah  mit  ihren  Weideplätzen  und  zu  ihr  ge- 
hörigen Dörfern^),  und  ihre  Einwohner  sind  Israeliten,  Ismaeliten 


1)  Der  alte  Bericht  bei  Ibn  Rusta  IH,  14  sagt:  ^Ihre  Hauptstadt 
ist  Säriysar,  und  dabei  ist  eine  andere  Stadt  namens  Habu  balyy  oder 
Chabu  balyy."  Ebenso  kennen  Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  II  fn  —  fi^v  und 
Istachrl  f \*. ,  2 — S  nur  zwei  Teile  der  Stadt  Itil :  „Itil  besteht  aus  zwei 
Teilen :  ein  Teil  liegt  auf  der  Westseite  dieses  Stromes,  der  Itil  heisst, 
und  dies  ist  der  grössere,  der  andere  Teil  auf  der  Ostseite  des- 
selben; der  König  wohnt  in  der  westlichen."  Mas'üdl  II  7 — 8  sagt: 
„Itil,  das  der  König  der  Chazaren  gegenwärtig  bewohnt,  besteht  aus 
drei  Teilen,  die  ein  grosser  Strom  teilt  .  .  .  Diese  Stadt  besteht  aus 
zwei  Seiten,  indem  sich  in  der  Mitte  dieses  Stromes  eine  Insel  befindet, 
auf  welcher  der  Regierungssitz  ist.  Das  Schloss  des  Königs  ist  am 
Ende  dieser  Insel,  und  sie  besitzt  eine  Schiffbrücke  nach  einer  der 
beiden  Seiten." 

^)  Vgl.  dagegen  über  das  Haremsleben  des  Chagans  Ibn  Fadlän 
bei  Jäq.  II  f t^l ;  „Das  Herkommen  des  Königs  der  Chazaren  ist,  dass 
er  25  Frauen  hat,  wovon  jede  die  Tochter  eines  der  Könige  ist,  die 
ihm  gegenüber  sind,  indem  er  sie  mit  oder  gegen  ihren  Willen  nimmt. 
Und  Beischläferinnen  besitzt  er  für  sein  Lager  60,  lauter  ausgezeichnete 
Schönheiten,  und  jede  einzelne  von  den  Prinzessinnen  und  Beischläferinnen 
ist  in  einem  ihr  gehörigen  besonderen  Palast,  einer  mit  Teakholz  be- 
deckten Qubba,  und  rings  um  jede  Qubba  ist  ein  grosses  Zelt.  Jede 
einzelne  von  ihnen  hat  einen  Eunuchen,  der  sie  den  Blicken  entzieht. 
Wünscht  (der  König)  nun  eine  von  ihnen  zu  beschlafen,  so  schickt  er 
zu  dem  Eunuchen,  der  sie  bewacht,  und  er  bringt  sie  schneller  als  in 
einem  Augenblick,  um  sie  auf  sein  Lager  zu  legen,  und  es  wartet  der 
Eunuche  an  der  Thüre  der  Qubba  des  Königs.  Wenn  dieser  sie  nun 
beschlafen  hat,  fasst  er  sie  bei  der  Hand  und  entfernt  sich  und  verlässt 
sie  hernach  keinen  einzigen  Augenblick." 

3)  Vgl.  Ibn  Fadlän  1.  1.  II  f t*'v/f  I^a  =  Ist.  m ,  10—12  (Ibn  Hauq. 
PaI,  1 — 4):  „Diese  Stadt  hat  keine  Dörfer,  jedoch  sind  ihre  Saat- 
felder ausgebreitet,  indem  sie  im  Sommer  gegen  20  Fars.  (weit)  auf 
die  Saatfelder  ausziehen  und  säen  und  es  zusammenbringen,  wenn  es 
reif  geworden  ist,  teils  zum  Strome,  teils  in  die  Ebene,  und  es  auf  Wagen 
und  auf  dem  Strome  transportieren."  GurdezT  (bei  Barthold  a.  a.  0. 
S.  96,  16 — 17)  sagt  zwar  auch  am  Ende  des  Berichtes  über  die  Chazaren: 
„Im  Gebiete  der  Chazaren  gibt  es  viele  Felder  und  Gärten ,  und  der 
Wohlstand  ward  reichlich;  es  gibt  viel  Honig  und  man  bringt  schönes 
Wachs  von  da"  (vgl.  S.  XLIV  A.  2).  Dieser  Satz  findet  sich  indessen 
weder  bei  Ibn  Rusta  noch  bei  Bekrl  und  ist  wohl  zu  den  dieser  Be- 
arbeitung  eigenen  Interpolationen   zu   rechnen.     Ibn  Rusta  bemerkt  in 


Vorwort.  XLIII 

und  Christen ,  und  andere  Nationen  aus  anderen  Zungen  wohnen 
darin  1).  Was  die  zweite  Hauptstadt  anlangt,  so  ist  mit  ihren 
Weideplätzen  ihre  Länge  und  Breite  8X8  Fars.-),  und  die  dritte 
Hauptstadt  bewohne  ich  mit  meinen  Fürsten  und  meinen  Knechten 
und  all  meinen  Dienern,  die  mir  nahe  sind-^);  sie  ist  klein  — 
ihre  Länge  und  Breite  3X3  Fars.  —  und  zwischen  den  Mauern 
zieht  dahin  und  läuft  der  Strom.  Wir  aber  wohnen  in  der  Haupt- 
stadt den  ganzen  Winter;  im  Monat  Nisan  aber  ziehen  wir  aus 
in  die  Landschaft*)  und  gehen  ein  jeder  auf  sein  Feld  und  zu 
seinem  Garten  und  zu  seiner  Arbeit  ^).    Ferner  besitzt  jede  Familie 


ÜbereiustimmuHg  mit  GurdezI:  „Die  Bevölkerung  hält  sich  im  Winter 
in  diesen  beiden  Städten  auf,  sobald  aber  der  Frühling  kommt,  ziehen 
sie  aus  in  die  Ebene  und  bleiben  fortwährend  darin  bis  zum  Heran- 
nahen des  Winters."  Aus  diesen  Worten  lässt  sich  nicht  entnehmen, 
ob  die  Chazaren  damals  noch  Viehzüchter  oder  bereits  Ackerbauer  waren. 

1)  Vgl.  Ibn  Fadlän  1.  1.  11  ft^A  =  Ist.  m,  16  — m ,  1:  Jn  der 
östlichen  Hälfte  der  Hauptstadt  der  Chazaren  ist  die  Masse  der  Kauf- 
leute und  der  Muslime  und  der  Waren."  Ist.  ft.,  12 — 13:  „Die  Chazaren 
bestehen  aus  Muslimen ,  Christen  und  Juden ,  und  es  gibt  unter  ihnen 
auch  Götzendiener;  die  wenigst  zahlreiche  Partei  sind  die  Juden,  und 
die  zahlreichsten  von  ihnen  sind  die  Muslime  und  Christen,  jedoch  der 
König  und  seine  Vertrauten  sind  Juden." 

-)  Vgl.  dagegen  Ist.  i'r.,  4  =  Ibn  Fadlän  1.  1.  fi^v:  „Die  Aus- 
dehnung dieses  Teiles  (des  westlichen,  s.  S.  XLII  A.  1)  beträgt  in  der 
Länge  gegen  1  Fars.,  und  es  umringt  ihn  eine  Mauer;  jedoch  ist  es 
zerstreut  gebaut,  und  ihre  Gebäude  sind  mit  Filz  gedeckte  Holzzelte 
mit  Ausnahme  von  wenigen,  die  aus  Lehm  gebaut  sind." 

^)  Der  einzige,  der  berichtet,  dass  das  Schloss  des  Königs  auf 
einer  Insel  im  Strome  lag,  ist  Mas'üdl  (s.  S.  XLII  A.  1).  Dagegen 
sagen  Ibn  Fadlän  und  Istachrl  TC ,  8 — 9  =  Ibn  Hauq.  Tva,  13—14 
nur:  „Das  Schloss  des  Königs  ist  fern  vom  Ufer  des  Stromes,  und  sein 
Schloss  besteht  aus  Backstein ;  niemand  ausser  ihm  besitzt  ein  Back- 
steingebäude,  und  der  König  erlaubt  niemanden,  mit  Backstein  zu 
bauen";  und  S.  m,  1—2  (=  Ibn  Hauqal  ^aI,  15—16,  fehlt  bei  Jäqüt) 
bemerkt  Istachrl:  „Die  Westhälfte  (der  Chazarenhauptstadt)  gehört 
ungemischt  dem  König,  seinem  stehenden  Heere  und  den  reinen  Chazaren." 
Auch  aus  Mas'ödl  geht  übrigens  hervor,  dass  jene  Insel  zur  Weststadt 
gerechnet  wurde.  Über  den  Hofstaat  des  Königs  vgl.  Istachri  S'i^,  11 — 12 
=  Ibn  Fadlän  1.  1.  f!*'v:  „Ihr  König  ist  Jude;  es  heisst,  dass  er  an 
Gesinde  gegen  4000  Mann  besitzt." 

**)  n2■'^72n  5N  kann  hier  nur  in  seiner  ursprünglichen  Bedeutung 
„Landschaft",  eigentlich  Gerichtsbezirk,  genommen  werden. 

^)  Siehe  S.  XLII  A.  3. 


XLIV  Vorwort. 

den  Grundbesitz  ihrer  Väter,  weshalb  sie  aufbrechen  und  in  ihrem 
Gebiete  lagern  mit  Freude  und  Liedern:  nicht  hört  man  die  Stimme 
eines  Drängers  und  nicht  ist  ein  Versucher  noch  ein  schlimmes 
Becrearnis.  Ich  aber  und  meine  Fürsten  und  Diener  brechen  auf 
und  gehen  eine  Strecke  von  20  Fars.^),  bis  wir  zum  grossen 
Strom  gelangen,  der  Warsän  heisst,  und  von  da  wenden  wir  uns, 
bis  wir  zum  Ende  der  Landschaft  (n*">1"3r!)  kommen.  Dies  ist 
die  Ausdehnung  unseres  Landes  und  die  Stätte  unserer  Ruhe. 
Das  Land  ist  nicht  sehr  beregnet,  aber  es  gibt  darin  viele 
Ströme  mit  grossen  Fischen  in  Menge  2),  und  es  gibt  darin  für 
uns  viele  Quellen,  und  das  Land  ist  fruchtbar  und  fett  an 
Feldern ,  Weinbergen ,  Gärten  und  Baumgärten ,  alle  bewässert 
von  den  Flüssen.  Und  wir  besitzen  alle  Fruchtbäume  in  Menge 
gar  sehr^). 

Ferner  thue  ich  kund  die  Grenze  meines  Landes:  nach  der 
Seite  des  Ostens  eine  Strecke  von  20  Fars.  bis  zum  Meere  von 
Gurgän,  und  zur  Seite  des  Südens  eine  Strecke  von  30  Fars., 
und  nach  der  Seite  des  Westens  eine  Strecke  von  40  Fars.  — • 
ich  aber  wohne  in  der  Mitte  der  Insel^),  meine  Felder,  Wein- 
berge, Gärten  und  Baumgärten  sind  mitten  auf  der  Lisel  —  und 
nach  der  Seite  des  Nordens  eine  Strecke  von  30  Fars.,  Flüsse, 
viele  Quellen,  und  mit  Hilfe  Gottes  wohne  ich  in  Sicherheit." 

Bei  einem  Vergleich  dieser  Darstellung  mit  den  Angaben  der 
arabischen  Geographen  kann  es  keinen  Augenblick  zweifelhaft  sein, 


1)  Siehe  S.  XLII  A.  3. 

2)  Vgl.  Ist.  rn,  12—14  =  Ibn  Hauq.  CaI,  4—6:  Jhre  haupt- 
sächlichsten Nahrungsmittel  sind  Reis  und  Fische;  der  Honig  und  das 
Wachs  dagegen ,  das  von  ihnen  ausgeführt  wird ,  wird  erst  zu  ihnen 
eingeführt  aus  der  Gegend  der  Rös  und  Bulyär." 

«)  Vgl.  Ist.  l'rr,  12  — rrS*',  2:  ,Die  Chazaren  besitzen  eine  Stadt 
namens  Samandar,  zwischen  Itil  und  Bäb  al  Abwäb,  die  viele  Gärten 
besitzt;  es  heisst,  dass  sie  gegen  4000  (Ibn  Hauqal  40  000)  umfasst  bis 
zur  Grenze  von  Sarlr.  Ihre  hauptsächlichsten  Früchte  sind  Trauben. 
Es  gibt  hier  eine  Menge  von  Muslimen,  die  dort  Moscheen  haben.  Ihre 
Gebäude  bestehen  aus  Holzstücken,  die  (mit  Rohr)  durchflochten  sind, 
und  ihre  Dächer  sind  konvex.  Ihr  König  gehört  zu  den  Juden  und  ist 
ein  Verwandter  des  Königs  der  Chazaren.  Sie  sind  zwei  Fars.  von 
der  Grenze  von  Sarlr  entfernt.  Zwischen  ihnen  und  dem  Herrn  des 
Thrones  besteht  Friede."     Vgl.  Muqadd.  Hi,  12—15. 

*)  Siehe  S.  XLII  A.  1. 


Vorwort.  XLV 

auf  welcher  Seite  die  Ursprünglichkeit  und  auf  welcher  die  Ab- 
hängigkeit liegt.  Wer  es  angesichts  der  ersteren  fertig  bringt, 
an  eine  besondere  Residenzstadt  der  Chatun  zu  glauben  und  in 
obiger  Schilderung  das  echte  Werk  eines  Chagans  anzuerkennen, 
der  mag  seines  Glaubens  leben.  Dazu  nehme  man  noch  die  An- 
zahl der  dem  Chagan  tributpflichtigen  Völkerschaften,  im  ganzen 
9_(_x+15  +  13-|-y,  also  über  37.  Viel  bescheidener  ist  noch 
Eldad  had-Däni,  welcher  nur  von  25  den  Chazaren  tributpflichtigen 
Königreichen  weiss  (unten  S.  198),  in  bemerkenswerter  Über- 
einstimmung mit  Ibn  Fadlän  (S.  XLII  A.  2).  Li  der  Deutung  der 
Einzelheiten  des  angeblichen  Briefes  können  wir  irren,  die  Grund- 
lage seiner  Erklärung  muss  aber  die  Erkenntnis  bilden,  dass  er 
ein  apokryphes  Schriftstück  ist. 

Die  nachfolgenden  Untersuchungen  sind  zu  verschiedenen  Zeiten 
entstanden  und  sollten  ursprünglich  nur  ein  Parergon  sein.  Die 
siebente  Abhandlung  (S.  160  fi'.)  wurde  erst  hinzugefügt,  als  die 
vorhergehenden  bereits  teilweise  gedruckt  waren.  So  erklärt  sich 
auch  der  für  das  jetzige  Buch  eigentlich  nicht  mehr  passende 
Titel.  Der  Hauptteil  (bis  S.  204)  nebst  Exkurs  II  und  der 
ersten  Fassung  von  Exkurs  IV  war  schon  1899  in  die  Druckerei 
c^ecrancren.  Die  Bearbeitung  des  Reiseberichts  des  Härün  b.  Jahjä 
wurde  aber  durch  die  Entwirrung  der  historischen  Topographie 
und  Ethnologie  des  Daghestan,  die  mich  vom  Januar  bis  März  1900 
in  Anspruch  nahm,  zunächst  in  den  Hintergrund  gedrängt  und 
konnte  samt  den  übrigen  Exkursen  erst  später  in  Leiden  vollendet 
werden.  Auch  sonst  hat  das  Buch  unter  der  Ungunst  der  Ver- 
hältnisse zu  leiden  gehabt.  Manche  Quellen  und  einschlägige 
Schriften  wurden  mir  erst  später  und  zum  Teil  erst  während  des 
Druckes  zugänglich,  deren  Berücksichtigung  zu  zahlreichen  Um- 
brechungen und  Verzögerungen  des  Satzes  führte,  welche  den 
Druck  sehr  verteuerten  und  die  Opferwilligkeit  des  Herrn  Ver- 
legers auf  eine  harte  Probe  stellten.  Ein  geplanter  Exkurs  „zur 
Kritik  der  ungarischen  Chronik"  konnte  leider  nicht  ausgearbeitet 
werden,  da  ich  mir  hier  in  Leiden  Florianus'  kritische  Ausgabe 
der  ungarischen  Chroniken  (Historiae  Hungaricae  fontes  domestici) 
nicht  verschaffen  konnte,  was  ich  um  so  mehr  bedauere,  als  mir 
dieser  Exkurs  Gelegenheit  gegeben  hätte,  mich  mit  Hirth's  Hypo- 
these über  den  Stammbaum  Attila's  bei  Johannes  von  Thuröcz 
auseinanderzusetzen.      Wäre    mir    der    S.  480  fl\    mitgeteilte   Text 


XLVI  Vorwort. 

Michaels  des  Grossen  früher  bekannt  geworden,  so  wäre  mir  viele 
Mühe  erspart  geblieben  und  die  Anordnung  des  Buches  eine  ein- 
fachere geworden.  Schmerzlich  habe  ich  es  empfunden,  dass  mir 
Jäqüt  häufig  nicht  zur  Verfügung  stand.  Ich  dai-f  vielleicht  noch 
darauf  hinweisen,  dass  der  Leser  die  Lösung  mancher  in  diesem 
Buche  noch  verbliebenen  Schwierigkeiten  in  drei  anderen  Arbeiten 
finden  wird,  welche  Fragen  der  Ethnologie  des  Kaukasus,  von 
Osteuropa  und  Mittelasien  behandeln,  falls  mir  die  Verhältnisse 
deren  Vollendung  gestatten. 

Zum  Schlüsse  erübrigt  mir  noch  die  angenehme  Pflicht,  allen 
denen  zu  danken,  welche  mich  bei  dieser  Arbeit,  sei  es  durch 
Übersendung  von  Separatabdrücken  oder  durch  wissenschaftliche 
Mitteilungen  unterstützt  oder  ihre  Vollendung  ermöglicht  haben; 
vor  allen  Herrn  Professor  Dr.  M.  J.  de  Goeje  in  Leiden,  welcher 
die  Güte  hatte  fast  vom  ganzen  Buche  die  Korrekturbogen  durch- 
zusehen und  mir  manch  wertvolle  Bemerkung  und  Verbesserung 
mitteilte,  ferner  meinem  verstorbenen  Freunde  Dr.  Gerlof  van 
Vloten  und  Herrn  Dr.  Paul  Brönnle  in  London;  sodann 
Herrn  Geheimen  Eegierungsrat  Professor  Dr.  Eduard  Sachau 
in  Berlin,  sowie  der  K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin, 
welche  auf  seine  Veranlassung  in  hochherziger  Weise  einen  Bei- 
trag zu  den  Druckkosten  gewährte,  und  nicht  zuletzt  dem  Ver- 
leger, Herrn  Verlagsbuchhändler  Theodor  Weicher  in  Leipzig. 

Leiden,    14.  August  1903. 

J.  Marquart. 


INHALT. 


1.  Belaweza  =  Itil 1—5.  474-477 

2.  Die  Bekehrung  der  Chazaren  zum  Judentum  .     .       5—27 

Mas'üdi  und  Dimasql  5  f.  Der  Bericht  ßekri's  7  f.  Der  Brief 
des  Chazarenfürsten  Joseph  8—12.  Verhältnis  der  Erzählung  BekrI's 
und  des  Briefes  Josephs  zum  altslawischen  Leben  des  Slawenapostels 
Konstantin  13—18.  21—23.  Der  Brief  Josephs  und  Jehuda  Hallewi's 
al  Chazarl  19—21.  Christianus  Druthmar  23.  Ansiedlung  von  Cha- 
zaren in  Samkör  durch  Boyä  24.  Die  Religion  der  Chazaren  nach 
der  Quelle  des  Ihn  Rusta,  Bekri  und  GurdezI  (Gaihäni).  Alter 
dieses  Berichts  24 — 27. 

8.  Die  ältesten  Berichte  über  die  Magyaren  ....  27—60 
Muslim  b.  Abu  Muslim  al  Garml  als  Urquelle  der  Berichte  des 
Ibu  Rusta,  Bekri  und  GurdezI  28—80.  Die  Magyaren  und  ihre 
Nachbarvölker  nach  GurdezI  28—33.  492—496.  Verdrängung  der 
Magyaren  aus  Lebedia  und  Niederlassung  in  Atelkuzu.  Arpadis  zum 
Fürsten  gewählt  33—35.  Die  Sevordik'  in  Armenien  36—40.  496  f. 
'ÄKocr^iQOt  40—43.  XXI— XXIV.  ünuguren  43-45.  XXIII.  XXV— 
XXVI.  Ursprung  der  byzantinischen  Bezeichnung  der  Magyaren 
als  TovQKOi.  Die  Magyaren  keine  Türken,  sondern  Ugrier  46 — 56. 
Herodots  'Ivqkki,  die  Turcae,  Tyrcae  des  Mela  und  Plinius  55  f. 
Die  T'urk'k'  des  Ps.  Moses  Chorenac'i  57—59.  Die  Scythia  des 
Simon  de  Keza  59—60.  498—499. 

4.  Der  Raubzug  der  Magyaren  gegen  Konstantinopel 

im  Jahre  934  bei  Mas'üdl 60—74 

Mas'udi's  Berichte  über  den  Einfall  der  vier  Walandar-Horden 
61 — 64.  Datum  und  Identifikation  des  Raubzuges  gegen  Walandar  64. 
Die  vier  Walandar-Horden  Magyaren  und  Pecenegen  65 — 68. 
Mas'üdl's  -c.-:  (II  15  f.)  ==  Magyaren  68.  70.  Die  verschiedenen 
Namen  der  Magyaren  bei  Romäern,  Armeniern,  Arabern  und  Abend- 
ländern 68  f.  Die  Festung  Walandar  69—71.  499  f.  Die  angebliche 
Veranlassung  des  Einfalls.  Analyse  der  Erzählung  Mas'üdl's  71 — 74. 
519—529. 


XLVIII  Inhalt. 

5.  Das  Itinerar  des  Mis'ar  b.  al  Muhalhil  nach  der 

chinesischen  Hauptstadt 74 — 95 

Das  Itinerar  geographisch  unmöglich  75—83.  Ls^it  (^-^?^0  i° 
der  Nähe  von  China  kombiniert  mit  Mas'üdT's  ^^^^.  (Pecenegen)  77 f. 
Benutzung  schriftlicher  Quellen  83  f.  Die  Lage  der  chinesischen 
Hauptstadt  Sandäbil  84—88.  Sie  entspricht  Kancou,  der  Haupt- 
stadt der  östlichen  üiguren  88—90.  Weitere  Zeugnisse  für  die  Be- 
ziehungen der  Toyuzyuz  (Uiguren)  zu  den  Manichäern  90—95. 

6.  Mas'udi's  Bericht  über  die  Slawen 95—160 

Text  und  Übersetzung  S.  96—103.  Erster  Abschnitt  103—141. 
xß^C>  =  Dudlebier,  M\y^L^\  =  Stodorani  103—105.  xÜ^e,  der 
König  der  {j)::^^^  (Deutschen)  105—106.  ij^^y^  =  Sorben  106— 
108,  die  weissen  Serben  des  Konstantin  Porphyrogennetos  109—111. 
Ihre  Witwenverbrennung  111—113.  qjLa/«  =  Dalemincier  113—115. 
»^5y«  =  Mähren  115—122.  i]  ^sydXri  Mogaßia  nach  Konst.  Porphyro- 
gennetos 119—120.  [j^^'^  =  Cechen  und  Dudlebier.  Der  Ur- 
sprung des  böhmischen  Staates  122—129.  ^jJS\^j=>  =  Chrowaten. 
Lage  und  politische  Entwicklung  bis  zur  Unterwerfung  durch 
Boleslaw  I.  von  Böhmen  129—131.  Weiss  -  Chrowatien  das  Reich 
Boleslaws  I.   131—135.     Analyse    der    Stiftungsurkunde    des   Prager 

Bistums  135—139.  ^jol..^'ly  =  Branicewci,  ^J^.iLco>  =  Guduscani 
140—141.  Zweiter  Abschnitt  142—146.  ^^ftii  =  Prag  (Böhmen) 
142—144.  ü5.Äi!  =  TovQxoL  (Magyaren)  144  f.  jJtXJ!  =  Krakau 
oder  Kyjew  145  f.  Die  Zeit  des  Urkönigs  Mägak.  Walinjänä, 
Wolynjane,  Buzane,  Duleby  und  Anten.  Mägak  =  MiJafiTjpos  = 
Bezmer  146  flP.  Analyse  des  Berichts  über  die  Buryar  (Murüg  II 
15—18)  149—160.  Vermengung  von  Wolga -Bulgaren,  Magyaren 
(und  Schwarz -Bulgaren?)  151  ff.  vgl.  503.  Die  Ausdehnung  der 
magyarischen  Raubzüge  156 — 159. 

7.  Analyse    der    Berichte    des    Graihänl    über    die 

Nordländer 160—206 

Die  Sitze  der  Magyaren  und  ihrer  Nachbarvölker  160  ff. 
(^iJ^  =  Äsen  (Osseten)  164-172.  ol^ya  =  ji.^^  =  Ap'chazen 
172—176.  495  f.  vgl.  517—519.  Staatsrechtliche  Stellung  und  Ver- 
hältnis zu  den  Arabern  und  Gurz  (Georgiern)  im  9.  und  10.  Jahr- 
hundert 175—188.  Gaihänl's  Bericht  älter  als  der  Zug  des  Boyä  188. 
Das  Land  der  Slawen  und  die  Grenzstadt  ^.^ajU,,  u>.aäjU,  188-200. 
508  f.  Der  Don  der  Slawenfluss,  aber  kein  slawisches  Reich  am 
Don  198  f.  Alteste  Erwähnung  eines  Slawenreiches  200,  identisch 
mit  Krakau  510.  Die  Insel  der  Rös.  Ihr  Chäqän.  Zusammensetzung 
des  Berichtes  und  Alter  des  Grundstocks  200—204.  Die  heidnischen 
Burgäu  (Donau-Bulgaren)  204 — 206. 


luhall.  XLIX 

8.  Der  Reisebericht  des  Härün  b.  Jahjk 206 — 270 

Person  und  Zeit  des  Verfassers  206  f.  Übersetzung  und  Kom- 
mentar 208 — 270.  a)  Herstellung  des  Itinerars  von  'Asqalän  nach 
Konstantinopel  208—214.  b)  Beschreibung  von  Koustantinopel. 
Auszug  des  Kaisers  nach  der  grossen  Kirche,  die  für  das  gewöhn- 
liche Volk  bestimmt  ist  215 — 237.  c)  Herstellung  des  Itinerars  von 
Konstantinopel  nach  Rom  237 — 259.  d)  Beschreibung  Roms  260 — 269. 
e)  Beschreibung  des  Weges  von  Rom  nach  Britannien  269—270. 

Exkurs  I.  Zur  Bekehrungsgeschichte  der  Chazaren  >  .  270 — 305 
Abhandlung  des  al  GrüuQ  über  Jesu  Sprechen  in  der  Wiege. 
Text  und  Übersetzung  271 — 276.  Kommentar.  Zeit  und  Wege  der 
Verbreitung  des  Judentums  und  Christentums  zu  den  Nordvölkern: 
Gelän,  Armenien,  Kaukasien,  Krim,  Chazaren  und  Türken  276—305. 
Das  Judentum  in  Adiabene  288 — 300. 

Exkurs    II.      Der    Stammbaum    der    Abodritenfürsten    im 

10.  Jahrhundert 305—329 

Der  Mistiwi  des  grösseren  Söndervissinger  Runensteins  305  f. 
Hermann  Korners  Micisla  und  Gudurynus  306—307.  310.  Widukinds 
Dänenkönig  Chnuba  und  die  beiden  Runensteine  von  Vedelspang 
308—310.  Korner  und  Adam  von  Bremen  310—314.  Thietmars 
Mistui  (Mistuwoi)  und  Mistizlavus  314—316.  Svein  Estridssons  Liste 
der  christlichen  Slawenkönige  316.  322.  Die  Legenden  im  Schol.  30 
zu  Adam  und  bei  Helmold  I  13—16.  Der  angebliche  Obotritenfürst 
Billug  entspricht  dem  historischen  Boliljut,  Pristaw  von  Branden- 
burg 317—322.  Gmipa  und  Sederich  (Sigtryggr),  Könige  der  Dänen 
von  Südjütland  und  der  Abodriten.  Die  Gründung  der  Bistümer 
Oldenburg  in  Wagrieu  und  Schleswig  322—328.  Die  Fürsten  der 
Abodriten  und  Wagrier  326.  Die  Mark  Schleswig  326  f.  Die  Dynastie 
Naccon's  skandinavisch?  327.  512.  Tafel  der  Fürsten  von  Jütland, 
der  Abodriten  und  Wagrier  329. 

Exkurs  III.  Mas'üdl's  Bericht  über  die  Russen  ....  330—353 
Übersetzung  330-334.  Analyse.  Widerlegung  des  angeblichen 
Zusammenhanges  des  Fontos  und  der  Maiotis  mit  dem  Chazaren- 
meer  334  f.  Der  Verlauf  des  Russenzuges.  Die  Wolga  -  Bulgaren 
335  ff.  Die  Wohnsitze  der  Fuzen.  Vermengung  von  Tuzen  und 
Magyaren  337—341.     Der  russische  Stamm  xiLcö^JÜ!  342—353. 

Anhang:  Der  Ursprung  des  Namens  Rös  .  .  .  353 — 391 
Ruotsi  etc.,  finnische  Bezeichnung  Schwedens,  von  den  Slawen 
als  Rusi  entlehnt  353.  Verhältnis  dieser  Form  zum  byzantinischen 
'Pmg,  arabisch  ar  Rüs  353  ff.  Die  Hrös  in  der  Völkertafel  des  sog. 
Zacharias  Rhetor  ein  wirkliches  Volk  355—361,  wahrscheinlich 
Nord -Germanen,  vermutlich  Heruler  361—365.  Die  Hrös  und  die 
Rosomoni  der  gotischen  Heldensage,  Heruler  und  Harlungen  365—383. 


L  Iiilialt. 

Analyse  der  Erzählung  des  Jordanes  vom  Untergange  des  ostgotischen 
Reicües  367 — 377  Anm.  Heruler  und  Rös  388  S.  Die  Hrös  nordische 
Wikinge  (Gauten)?  385 f.,  vgl.  513.  Die  Heruler  als  VorLäufer  der 
Normannen  in  Spanien  886 — 889.  Zeugnisse  für  das  Auftreten  der 
Küssen  am  Pontos  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  389 — 391. 

Exkurs  IV.  Der  Ursprung  der  iberischen  Bagratiden  .  .  391 — 486 
Die  Legende  von  ihrer  davidischen  Abstammung  bei  Konstantin 
Porphyrogennetos  392.  Weitere  Ausgestaltung  in  der  georgischen 
Chronik  398  ff.  Angebliche  erstmalige  Ankunft  und  Thronbesteigung 
der  Bagratiden  in  Iberien  393  f.  Zweite  Version  über  die  Ein- 
wanderung der  Bagratiden  394 — 397.  Genealogie  der  iberischen  und 
Geschichte  der  armenischen  Bagratiden  im  ersten  Drittel  des  9.  Jahr- 
hunderts nach  Wardan  (aus  Sapuh  Bagratuni)  397 — 406.  Geschichte 
der  iberischen  Bagratiden  bis  auf  Bugha  nach  der  Chronik,  kon- 
trolliert durch  Ja'qübl  406 — 414.  Verhältnis  der  Genealogien  Wardans 
und  der  Chronik.  Später  Ursprung  des  davidischen  Stammbaumes. 
Wahrer  Zeitpunkt  der  Ankunft  der  Bagratiden  in  Iberien.  Auf- 
lösung des  georgischen  Königreichs.  Das  Leben  des  heiligen  Abo 
414 — 421.  Asot  Kuropalates  421.  Die  bagratidischen  Kuropalaten 
und  Ishäq  b.  Ismä'il  421 — 424.  Die  iberischen  Bagratiden  und  die 
Fürsten  von  Ap'chazien  und  Armenien  424—427.  Erbfolge  und  Ver- 
wandtschaft der  Kuropalaten  im  10.  Jahrhundert  427  f.  Analyse 
der  Ursprungslegende  bei  Konstantin  Porphyi'ogennetos.  Spandiat 
428 — 430.  Tafel  der  Fürsten  von  Iberien  vom  Anfange  des  6.  bis  zum 
Anfang  des  9.  Jahrhunderts  431—433.  Stammtafel  der  iberischen 
Bagratiden  bis  zum  Ende  des  10.  Jahrhunderts  434—435. 

Anhang:  Übersicht  der  Bagratiden  bis  ins  6.  Jahrhundert 
436  f.  Stammtafel  der  (armenischen)  Bagratiden  vom  Ende  des  6. 
bis  zur  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  438  f.  Anmerkungen  dazu  438— 
465;  vgl.  514. 

Exkurs   V.     GaihänI's  Bericht  über  die  Slawen     ....    466—473 

Analyse   466—470.     V-jI^-s^,   die   Hauptstadt  des  Grossfürsten 

yxLo  ^^j^^yM  (Swetopl'fck)  :^  c^l^.i»,  die  Hauptstadt  der  Chorwaten 

d.  i.   Krakau  470  ff.     Befestigungen ,   Bewaffnung    und   Kampfweise 

der  Slawen  472  f. 

Zusätze  und  Berichtigungen 474—515 

Weitere  Bemerkungen  über  Bulgaren  und  Magyaren   .    .     .    515-530 

Register 531—557 


I.   Belaweza  =  Itil. 

In  der  WZKM.  XII  194  habe  ich  nachgewiesen,  dass  der 
einheimische  türkische  Name  der  Chazarenhauptstadt  am  Westufer 
der  Wolga,  die  bei  den  späteren  arabischen  Geographen  nach 
dem  Strome  schlechtweg  Itil  heisst,  ^iai^L^  Sar9/y-sär  „die  gelbe 
Stadt"  war,  was  dem  tlA^xJ!  al  Baida  „die  Weisse"  der  älteren 
arabischen  Historiker  entspricht  ^).  Dadurch  fällt  auch  einiges 
Licht  auf  die  russisch-chazarische  Geschichte.  Die  russische  Chronik 
erzählt,  wie  der  junge  Swjatoslaw,  zum  Manne  herangewachsen, 
gegen  die  Wjatitschen  an  der  Oka  und  Wolga  zog  und  sie  fragte: 
Wem  bezahlt  ihr  Tribut?  Sie  erwiderten:  den  Kozaren.  Im 
Jahre  6473  (965  n.  Chr.)  zog  Swjatoslaw  dann  gegen  die  Kozaren. 
„Als  diese  Kozaren  dies  erfahren  hatten,  zogen  sie  gegen  ihn  mit 
ihrem  Kagan,  welcher  ihr  Fürst  ist,  er  stiess  mit  ihnen  zusammen 
und  schlug  sie  und  nahm  ihre  Stadt  Belaweza,  und  besiegte  die 
Jasen  und  Kasogen  und  kehrte  nach  Kiew  zurück".  Im  folgenden 
Jahre  (966)  besiegte  der  Grossfürst  die  Wjatitschen  und  legte 
ihnen  einen  Tribut  auf.  Ins  Jahr  967  wird  sodann  der  erste  Zug 
des  Swjatoslaw  gegen  die  Donaubulgaren  gesetzt^). 

Die  Chazarenstadt  Belatveza,  die  in  der  Chronik  nicht  weiter 
erwähnt  wird,  pflegt  man  allgemein  mit  der  durch  den  Griechen 
Petronas  unter  Kaiser  Theophilos  erbauten  Festung  Sarkel  am 
Don  gleichzusetzen,  deren  Namen  Konstantinos  Porphyrogennetos 
durch  aangov  boniTiov  erklärt-^).  Die  einzige  sachliche  Parallele 
bilden  bis  jetzt  die  Angaben  des  Ibn  Hauqal.  Dieser  erzählt 
S.  I^A^',  9  ff .  ed.  de  Goeje:  „Die  Chazaren  besitzen  auch  eine  Stadt 
namens  Samandar,  die  zwischen  Itil  imd  Bäb  al  abwäb  (Darband) 
liegt.  Es  gab  dort  viele  Gärten;  wie  man  sagt,  umfassten  sie 
gegen    40  000    Weinstöcke.      Ich    fragte    darüber   in    Gurgän   im 


1)  Inwieweit  saryy  in  türkischen  Dialekten  auch  geradezu  „weiss" 
bedeuten  kann,  werden  uns  die  berufenen  Turkologen  sagen.  Ich  habe 
hier  nachzutragen,  dass  die  richtige  Etymologie  von  ^xi^i^LA«  bereits 
von  H.  Vämbery,  Der  Ursprung  der  Magyaren  Leipzig  1882,  S.  84,  ge- 

— .      o    ^ 

geben  worden  ist.  —  i^Lüa^Jt  KäjuXÜ  wird  auch  bei  Bekrl  22,  4  genannt. 

2)  Chronique  dite  de  Nestor  trad.  par  L.  Leger,  c.  XXXII,  p.  6L 
=*)  Vgl.   Fr  ahn,    Ibn   abi   Ja'qüb   el   Nedim    S.  21,   26;    Dorn, 

Caspia  119  und  Kunik  bei  Dorn  eb.  302,  304  Anm.  2. 

Marquart,  Streifzüge.  1 


2  J.  Marquart, 

Jahre  358  einen,  der  vor  kurzem  dort  gewesen  war.  Dieser  sagte: 
Wenn  es  dort  einen  Weinstock  oder  Garten  gibt,  so  ist  seine  Frucht 
ein  Almosen  für  die  Armen  [d.  h.  nach  de  Goeje:  es  gibt  keine 
Weinlese ,  da  alle  Weinstöcke  abgeschnitten  sind] ,  es  hätte  denn 
Gott  dort  Blätter  an  einem  Stumpf  ausschlagen  lassen,  womit  er 
sagen  wollte,  dass  all  das  mit  der  Stadt  untergegangen  sei.  Diese 
besass  meistens  Trauben  und  Weinstöcke.  Es  wohnten  dort  Muslime 
und  andere,  jene  hatten  dort  Moscheen  und  die  Christen  Kirchen 
und  die  Juden  Synagogen.  Da  überfielen  die  Ros  dies  alles  und 
vernichteten  alles ,  was  am  Strome  Itil  allen  Geschöpfen  Gottes 
gehörte ,  den  Chazaren ,  Bulgaren  und  Burtäs ,  und  bemächtigten 
sich  desselben.  Nun  flüchteten  sich  die  Einwohner  von  Itil  nach 
der  Insel  von  Bäb  al  abwäb ')  und  verschanzten  sich  dort  und 
einige  von  ihnen  halten  sich  auf  der  Insel  tiyäh  höh  auf  und 
sind  in  Furcht". 

S.  CaI,  11  sagt  er  noch:  „In  unserer  Zeit  ist  den  Bulgaren, 
Burtäs  (Mordwinen)  und  Chazaren  nicht  einmal  ein  Rest  mehr 
übriggeblieben,  und  zwar  weil  die  Russen  über  sie  alle  herfielen 
und  ihnen  all  jene  Wohnsitze  entrissen,  die  ihnen  selbst  dann 
zufielen.  Die  welche  ihren  Händen  entrannen,  sind  zerstreut  in 
den  in  ihrem  Bereich  liegenden  Gebieten ,  weil  sie  daran  hängen, 
in  der  Nachbarschaft  ihres  Landes  zu  sein  und  in  der  Hoff- 
nung, dass  jene  mit  ihnen  einen  Vertrag  schliessen  würden  und 
sie  unter  ihrer  Botmässigkeit  zurückkehren  könnten".  Die  Ver- 
wüstung von  Bulgär  erwähnt  er  auch  S.  CaI,  12  als  im  Jahre  858 
(24.  Novbr.  968—12.  Novbr.  969)  geschehen. 

Man  hat  nun  angenommen,  dass  beide  Berichte  sich  auf  ver- 
schiedene Ereignisse  beziehen.  Allein  dabei  wäre  es  doch  merk- 
würdig, dass  die  russische  Chronik  zwar  die  Einnahme  der  Festung 
Sarkel  verzeichnet,  dagegen  der  weit  wichtigeren  Eroberung  der 
Hauptstädte  Itil  mid  Samandar  mit  keinem  Worte  gedacht  hätte. 
Dass  auch  der  von  Ihn  Hauqal  berichtete  Zug  sich  ebensoweit  süd- 
lich erstreckte  wie  derjenige,  welchen  die  Chronik  verzeichnet  und 
auf  welchem  auch  die  Jasen  (Alanen  oder  Osseten)  und  Kasogen 
(arab.  ^^^  gr.  KctGa^ia  in  der  nordwestlichen  Ecke  des 
Kaukasus)  besiegt  wurden,  zeigt  die  Einnahme  der  Stadt  Samandar 


*)  Diese  Insel  lag  nach  S.  fvv ,  8  gegenüber  der  Kurmünduiig. 
Sie  war  gross  und  es  gab  auf  ihr  Röhrichte,  Wälder  und  Wasser. 
Man  führte  von  da  Färberkrapp  aus,  und  (!s  begaben  sich  dahin  aus 
den  Distrikten  von  Bar^a'a  Leute  die  den  Krapp  suchten,  und  man 
brachte  dahin  die  Pferde  aus  den  Gegenden  von  Bar<5"a'a  und  andern 
benachbarten  Orten  und  Hess  sie  frei  weiden,  damit  sie  fett  wurden. 
Welche  der  zahlreichen  Inseln  von  Baku  bis  Lenkoran  gemeint  ist, 
weiss  ich  nicht  zu  sagen.  Die  Insel  des  Sijäh  köh  ist  die  Insel  Celeken 
am  Eingang  der  Bai  von  Krasnowodsk.  Vgl.  G.  Hoff  mann,  Auszüge 
aus  syr.  Akten  pers.  Märtyrer  S.  280.  Es  gab  auf  ihr  gleichfalls  Quellen, 
Flüsse,  Wälder,  Röhrichte  und  wilde  Pferde. 


Osteuropäisclic  und  ostasiatische  Streifzüge.  3 

(jetzt  Tarchu).  Da  aber  die  Chronik  meldet,  dass  Swjatoslaw  zur 
Oka  und  Wolga  zog  und  dort  die  Wjatici  traf,  so  deckt  sich 
auch  die  nördliche  Ausdehnung  seiner  Wikingsfahrt  mit  derjenigen 
des  von  Ihn  Hauqal  erwähnten  Russenzuges,  wenn  auch  die  Ver- 
wüstung von  Bulgär  in  der  Chronik  nicht  speziell  erwähnt  wird. 

Es  handelt  sich  also  offenbar  in  beiden  Nachrichten  um  den- 
selben Wikingerzug,  und  die  Stadt  Belaweza  („weisser  Turm" 
oder  „weisses  Zelt")  ist  identisch  mit  Itil,  türkisch  Sarygsär 
„die  weisse  (gelbe)  Stadt".  Das  heutige  Astrachan  hätte  also 
mindestens  denselben  Anspruch  auf  den  alten  Namen  Belaweza, 
wie  Dorpat  auf  Jurjew.  Selbstverständlich  hat  man  bei  der 
chronologischen  Einreihung  dieses  Ereignisses  von  der  Angabe  des 
Zeitgenossen  Ibn  Hauqal  auszugehen.  In  der  russischen  Chronik 
ist  es  um  einige  Jahre  zu  früh  datiert.  Die  Entstehung  dieser 
chronologischen  Verwirrung  ist  leicht  erklärlich.  Der  Zug  gegen 
die  Wolgavölker  ist  vor  die  beiden  Unternehmungen  gegen  die 
Donau  -  Bulgaren  und  Byzantiner  (August  968  und  969  bis  Juni 
972) '),  gesetzt,  und  der  erste  Zug  gegen  die  Bulgaren  wird  schon 
ins  Jahr  965  verlegt,  wie  denn  überhaupt  die  russische  Über- 
lieferung über  diese  beiden  Feldzüge  sehr  verworren  ist. 

MuqaddasT,  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Ibn  Hauqal  (schrieb 
375  H.  =  985/86)  kennt  gleichfalls  den  Fall  von  Itil.^  Er  er- 
zählt darüber  S.  ni ,  1:  „Ich  habe  gehört,  dass  al  Ma'mün  sie 
(die  Chazaren)  von  GurgänTja  aus  bekriegte  und  deren'-)  König,  und 
ihn  zur  Annahme  des  Islams  aufforderte.  Dann  habe  ich  gehört, 
dass  ein  Heer  von  Romäern,  welche  Rös  heissen,  sie  bekriegte 
und  ihr  Land  in  Besitz  nahm".  MuqaddasT  scheint  von  der 
Hauptstadt  der  Chazaren  keine  rechte  Vorstellung  gehabt  und 
nicht  gewusst  zu  haben,  dass  dieselbe  sich  zu  beiden  Seiten  des 
Stromes  Itil  ausbreitete  und  die  westliche  Hälfte  Itil,  die  östliche 
Chazarän  genannt  wurde.  So  erscheint  bei  ihm  Ckazar  als  be- 
sondere Stadt,  „die  an  einem  anderen  Fluss  liegt  in  der  Richtung 
der  weiten  Fluren-^)  auf  einer  Seite.  Sie  ist  geräumiger  und  an- 
genehmer zu  bewohnen  als  die  vorher  erwähnten.  Die  Einwohner 
waren  von  da  nach  dem  Meeresufer  ausgewandert,  sind  aber 
gegenwärtig  wieder  dahin  zurückgekehrt  und  haben  den  Islam 
angenommen,  nachdem  sie  vorher  Juden  gewesen  waren". 

Jener  Feldzug  des  Ma'mün  gegen  die  Chazaren  fand  ver- 
mutlich nach  Emins  Tode  (25.  Sept.  813)  statt,  nach  welchem 
Ma'mün  noch  bis  203  H.  (818/19  n.  Chr.)  in  Chorasan  blieb,  oder 
noch  zu  Lebzeiten  des  Harun  ar  Rasid,  als  er  schon  (seit  183  H. 


'■)  de  Mural t,   Essai  de  Chronographie  byzantine   I  545,  547  ff. ; 
Kedrenos  p.  372,  12,  16.  388,  14;  Leo  V  2,  3  etc. 
^)  Lies  *..gXLa»  statt  ^wXJU», . 
^)  ^— jL^Ü  ,   Gesamtbezeichnung  für  Armenien,  Arrän  und  Ä(iar- 

baigän;  s.  S.  Tvt*^  (de  Goeje). 

1* 


4  J.  Marquart, 

=  799  n.  Chr.)  nominell  die  Oberhoheit  in  Chorasan  hatte. 
Näheres  über  die  Annahme  des  Islams  durch  die  Chazaren  er- 
fahren wir  durch  Ibn  al  Ai^'Tr. 

Noch  im  Jahre  310  H.  (922  n.  Chr.)  Hess  der  Fürst  der 
Chazaren,  wie  uns  Ibn  Fadlän  versichert,  auf  die  Kunde,  dass  die 
Muslime  die  Synagoge  in  ^jjLxJl  .^0  ^)  zerstört  hätten,  den  Turm 
der  Hauptmoschee  in  Itil  zerstören  und  die  Gebetsausrufer  töten, 
indem  er  beifügte :  Wenn  er  nicht  fürchtete ,  dass  dann  keine 
Synagoge  in  den  Ländern  des  Islams  unzerstört  bleiben  würde, 
so  würde  er  auch  die  Moschee  niederreissen  lassen-). 

Wenige  Jahre  vor  der  Katastrophe  von  Itil,  im  Jahre  354  H. 
(965  n.  Chr.)  war  das  Land  der  Chazaren  von  einem  türkischen 
Stamme  angegriffen  worden.  Die  Chazaren  forderten  nun  die 
Chwärizmier  zur  Hilfe  auf,  allein  diese  verweigerten  jede  Unter- 
stützung, wenn  die  Chazaren  nicht  den  Islam  annähmen.  Nun 
bekehrten  sich  diese  zum  Islam  mit  Ausnahme  ihres  Fürsten, 
worauf  die  Chwärizmier  für  sie  fochten  und  die  Türken  von  ihnen 
abwehrten.  Hierauf  nahm  auch  ihr  Fürst  (d.  i.  der  Beg)  den 
Islam  an-^).  DimasqT,  der  diese  Stelle  des  Ibn  al  Ai^'Ir  wieder- 
gibt, nennt  als  Datum  fälschlich  das  Jahr  254  H.  (867/68  n.Chr.)*), 
wodurch  es  den  Historikern  bisher  unmöglich  war,  das  Ereignis 
chronologisch  richtig  einzureihen  und  im  Zusammenhang  mit  den 
gleichzeitigen  geschichtlichen  Verhältnissen  zu  begreifen.  Unter 
den  hier  genannten  Chwärizmiern  (*•  Li>  J^Pt)  haben  wir  nicht 
etwa  die  Einwohner  von  Chwärizm  zu  verstehen,  sondern  die 
grösstenteils  aus  muhammedanischen  Söldnern  aus  Chwärizm  be- 
stehende Leibwache  des  Begs  der  Chazaren,  die  12  000  Mann  stark 

war  und  den  Namen  Äj^-w.'^t  al  Arslja  oder  ä.a.«^.^J(  al  Lärislja 
führte.  7000  davon  dienten  als  gepanzerte  Bogenschützen  zu 
Pferde,  während  andere  mit  Lanzen  bewaffnet  und  nach  allgemein 
muslimischer  Weise  ausgerüstet  waren  ^).  Die  Weigerung  der 
Chwärizmier,  gegen  die  eingebrochenen  Türken  zu  fechten,  erklärt 


*)  Wörtlich:  „WohDsitz  der  Kamille".  Welche  Stadt  unter  diesem 
poetischen  Namen  gemeint  ist,  weiss  ich  nicht  |s.  Nachtrag]. 

-)  Ibn  Fadlän  bei  Jäqüt  II  ff,.  Vgl.  Fr  ahn,  Veteres  memoriae 
Chazarorum  ex  Ibn-Foszlano,  Ibn-Haukale,  Schems-ed-dino  Damasceno. 
M(5m.  de  l'Acad.  de  St.  Pdtersbourg  t.  VIII  p.  589,  594.  —  Fr  ahn 
übersetzt  das  Wort  '».mm.X.S^  hier  falsch  durch  ecclesia  (Christiana),  wo- 
durch die  Pointe  der  Erzählung  verloren  geht.  Der  Zusammenhang 
wie  ein  Vergleich  mit  Ibn  Hauqal  CaC,  14  zeigt  aber,  dass  unter  'sJ^^j^Xf 
hier  eine  Synagoge  zu  verstehen  ist,  im  Gegensatz  zu  Käj^j  Kirche. 

3)  Ibn  al  Amr  ed.   Tornberg  VIII  f\^,  7. 

'')  DimasqT,  Kosmographie  trad.  par  Mehren  p.  380.  Vgl.  Frähn, 
Möm.  de  l'Acad.  de  St.  P(5tersbourg  t.  VIII,  1822,  597. 

5)  Ibn  Fadlän  bei  Jäqüt  II  f^v,  13  ff;  Istachrl  t^t^!,  1  ff.;  Mas'fldT, 
Murüg  aWahab  II  10  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  5 

sich,  wenn  letztere  bereits  Muslime  waren.  Denn  jene  hatten 
sich  unter  anderem  das  Recht  ausbedungen,  neutral  bleiben  zu 
dürfen,  so  oft  der  Beg  der  Chazaren  gegen  Muslime  Krieg  führe. 
In  der  That  gab  es  unter  den  den  Chazaren  im  Westen  benach- 
barten PeSenegen  bereits  zahlreiche  Muslime  (s.  u.).  Dieses  Er- 
eignis wirft  aber  ein  grelles  Schlaglicht  auf  die  innere  Schwäche 
des  Chazarenreiches ,  dessen  kriegerische  Kraft  längst  erloschen 
war  und  das  sich  nur  mehr  mit  Hilfe  fremder,  andersgläubiger 
Söldnerscharen  mühselig  gegen  die  Angriffe  der  umliegenden 
Barbaren  zu  halten  vermochte.  Dieser  Zustand  macht  es  begreif- 
lich, wie  das  einst  so  mächtige  Reich  wenige  Jahre  nach  jener 
Begebenheit  den  nordgermanischen  Recken  zur  leichten  Beute 
werden  konnte. 

2.    Die  Bekehrung  der  Chazaren  zum  Judentum. 

Das  Ende  der  grossen  Raubzüge  der  Chazaren,  durch  welche  sie 
sich  so  lange  Zeit  hindurch  den  Völkern  im  Süden  des  Kaukasus, 
den  Iberern,  Armeniern,  Persern  und  später  den  Arabern  furcht- 
bar gemacht  hatten,  fällt  beinahe  zusammen  mit  der  Annahme 
des  Judentums  durch  den  Chagan  und  die  politisch  massgebende 
Klasse    der    Bevölkerung,    die    reinen    oder    eigentlichen  Chazaren 

((jJl'ü),  deren  Zahl  infolge  der  fortwährenden  Kriegszüge  stark 
zusammengeschmolzen  sein  muss.  Nach  Mas'üdi  II  8  fand  dieses 
bedeutsame  Ereignis  zur  Zeit  des  Härün  ar  RasTd  (786 — 809) 
statt.  In  dessen  Regierungszeit  fällt  aber  auch  der  letzte  grosse 
Raubzug  der  Chazaren  in  die  südkaukasischen  Länder.  Ein 
halbes  Jahrhundert  hindurch,  seit  der  Vermählung  einer  chaza- 
rischen  Prinzessin  mit  dem  arabischen  Statthalter  von  Armenien 
Jazid  b.  Usaid  unter  al  Man^ür  (s.  u.)  hatte  thatsächlich  Friede 
zwischen  dem  Chagan  und  dem  Chalifenreiche  geherrscht.  Jetzt 
sollte  im  Jahre  182  H.  (798/99)  eine  Tochter  des  Chagans  der 
Chazaren  mit  dem  Barmakiden  al  Fadl  b.  Jahjä  vermählt  werden, 
starb  aber  unterwegs  in  BarJa'a  (Partav)  in  Albanien.  Die  Tar- 
chane, die  sie  begleiteten,  brachten  bei  ihrer  Rückkehr  dem  Chagan 
den  Verdacht    bei,    dass    sie    vergiftet   worden    sei  ^).     Darauf  er- 


')  Die  nämliche  Geschichte  erzählt  der  Armenier  tevond  bei 
Brosset,  Hist.  de  la  Gdorgie  I  p.  257/58  Not.  von  dem  Statthalter 
JazId.  b.  Usaid.  Die  Prinzessin,  welche  diesem  durch  ein  grosses  Ge- 
folge von  Dienerinnen  und  Sklavinnen  zugeführt  worden  war,  starb 
bald  darauf,  worauf  der  Chagan,  der  argwöhnte,  dass  sie  keines  natür- 
lichen Todes  gestorben  sei,  eine  grosse  Truppenmacht  versammelte  und 
sie  unter  dem  Tarchan  Rai  in  die  Provinzen  des  JazId  einfallen  Hess. 
Auch  Belä^.  CL,  3  gibt  an,  dass  jene  Prinzessin  im  Wochenbett  ge- 
storben sei,  nachdem  sie  dem  Jazid  einen  Knaben  geboren  hatte.  Es 
ist  deshalb  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  die  Motivierung  des  Zuges 
unter  Härün  ar  Rasld  jener  älteren  Geschichte  entlehnt  ist. 


Q  J.  Marquart, 

folgte  im  Jahre  183  H.  (11.  Febr.  799  bis  30.  Jan.  800)  ein 
oTosser  Einfall  der  Chazaren  durch  "das  Thor  von  Darband  nach 
Armenien,  bei  welchem  sie  gegen  100  000  Gefangene  weggeschleppt 
haben  sollen  ')■  Nach  anderer  Version  wären  sie  von  einem  Sohne 
des  vom  Statthalter  Sa'id  b.  Salm  hingerichteten  Munaggim  as 
Sulaml  aufgereizt  worden.  Sie  blieben  70  Tage  in  Armenien  und 
wurden  endlich  von  dem  neuernannten  Statthalter  Jazid  b.  Mazjad 
im  Verein  mit  Chuzaima  b.  Chäzim  vertrieben-). 

Mas'üdl  hatte,  wie  er  in  der  Muriig  II  9  bemerkt,    die  Ge- 
schichte der  Bekehrung  der  Chazaren  bereits  in  früheren  Werken 
ausführlich    erzählt.     Ausser   ihm  erwähnt  dieselbe  auch  Dimasqi. 
Dieser   berichtet   von    den    Chazaren  =5):     ,Sie    bestehen    aus    zwei 
Klassen:    aus  Kriegern,    die  Muslime  sind  und  Juden,  die  Unter- 
thanen  sind.     Früher  kannten   sie  wie  die  Türken  keine  Religion, 
aber    nachdem,    wie    Ibn    al    At9-ir     von    ihnen    berichtet,     der 
Herrscher    von  Konstantinopel    zur   Zeit    des    Härün  ar  Hasld    die 
in    seinem    Reiche    wohnenden    Juden    auswies,    begaben    sie    sich 
ins    Land    der    Chazaren    und    fanden    verständige    und    einfältige 
Leute.      Denen    boten    sie   ihre    Religion    an    und    sie    fanden    sie 
trefflicher    als    die,    welcher    sie    anhingen,    und    fügten    sich    ihr. 
Nach    einiger  Zeit    überzog   sie  ein  Heer  aus  Chorasan  mit  Krieg 
und  bemächtigte  sich  ihres  Landes  und  nahm    es    in  Besitz,    und 
sie    wurden    deren  Unterthanen^     Ich    habe    diese  Erzählung    bei 
Ibn    al    Ai^-Tr    vergebens    gesucht.      Allein    bei    genauem    Zusehen 
erkennt  man,  dass  sie  nichts  anderes  ist  als  eine  sehr  nachlässige 
und    durch   Missverständnisse   entstellte  Wiedergabe    der  Angaben 
Mas'üdis  II  8 — 9.     Dieser  sagt  nichts  davon,   dass  die  Juden  zur 
Zeit  des  Härün  ar  Rasld  aus  dem  Romäerreich  ausgewiesen  worden 
seien,  sondern  bemerkt,  dass  beim  (jüdischen)  Chagan  der  Chazaren 
zahlreiche  Juden    aus    den  Hauptstädten  der  Muslime  sowohl  wie 
aus  dem  Romäerlande  Aufnahme  gefunden  hätten,   weil  zu  seiner 
Zeit  der  Kaiser  Romanos    die  Juden  gewaltsam  zur  Annahnae  des 
Christentums    zwingen    wollte.     Das   nämliche  Missverständnis  der 
Worte  des  Mas'üdi   findet   sich    aber   auch   bei   Bekri  S.  30,  4  ff., 
der  eingestandenermassen  den  Mas'üdT  ausschreibt.     Die  angebliche 
Occupation    des  Chazarenlandes    durch  Truppen    aus   Chorasan  er- 
innert   auch   im  Wortlaut    an   die  oben  mitgeteilte  Nachricht  des 
MuqaddasT  über  einen  Kriegszug  des  al  Ma'mün  gegen  die  Chazaren 
und  die  Eroberung  des  Landes  durch  die  Russen,  und  macht  ganz 
den  Eindruck  einer  Vermischung  dieser  beiden  Ereignisse.    Dimasqis 

1)  Ibn  al  Gauzi  giebt  dagegen  die  Stärke  des  Chazar enheer es 
auf  mehr  als  100  000  Mann  an. 

^)  Tab.  III  Ifv,  10;   IfA,  3-14. 

3)  Trad.  par  Mehren  p.  880;  vgl.  Frähn,  Vetercs  memoriac 
Chasarorum  ex  Ibn-Foszlaiio,  Ibn-Haukale  et  Schems-ed-dino  Damasceno. 
Hörn,  de  l'Acad.  de  St.  Pdtersbourg  t.  VIII  (1822)  p.  597  5. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  7 

Bericht  geht  wenigstens  materiell  auf  Mas'ödT  zurück,  seine  un- 
mittelbare Quelle  ist  vorläufig  unbekannt. 

Auf  Mas'üdi  geht  dagegen  vermutlich  die  Erzählung  bei 
Bekrl  S.  44,  1  ff.  zurück,  obwohl  dieser  seine  Quelle  nicht  aus- 
drücklich nennt'.    Der  erste  Teil  seines  Berichtes  über  die  Chazaren 

43,  15 — 23  stammt  aus  Gaihäni-),  dazwischen,  sowie  am  Schluss 
finden  sich  einige  Sätzchen  aus  IstachrT  (S.  43,  18 — 20  =  Ist.  t*!*., 
1—3;  43,  21/22  =  Ist.  rr.,  9/10;  43,  22—44,  1  =  Ist.  Cl^.,  Uff.; 

44,  1  =  Ist.  t^t^.,  8;  44,  13  =  Ist.  Y\'l',  2;  44,  14  =  fri,  6).  Daran 
schliesst  sich  die  Erzählung  der  Bekehrung  der  Chazaren:  „(Die 
Hauptmasse  der  Chazaren  sind  Muslime  und  Christen,  und  es  gibt 
neben  ihnen  auch  Götzendiener,  die  am  wenigsten  zahlreiche  Partei 
unter  ihnen  bilden  aber  die  Juden  3).  Ihr  König  bekennt  sich  zum 
Judentum,  und  seine  Residenz  befindet  sich  in  einem  Schloss  fern 
[oder:  in  einiger  Entfernung]  vom  Strome.)*)  Die  Ursache  der  Be- 
kehrung des  Königs  der  Chazaren,  der  vorher  Heide  (Feueranbeter) 
gewesen  war,  zum  Judentum,  war  folgende.  Er  hatte  das  Christen- 
tum angenommen.  Da  erkannte  er  die  Verderbtheit  seines  Bekennt- 
nisses und  begann  über  das,  was  ihn  daran  mit  Kummer  erfüllte, 
mit  einem  seiner  Marzbane  zu  sprechen.  Dieser  sagte  zu  ihm: 
0  König,  die  Besitzer  von  Offenbarungsschriften  bilden  drei  Ab- 
teilungen. Entbiete  sie  nun  und  frage  sie  aus  über  ihre  Sache, 
und  folge  dem  von  ihnen,  der  im  Besitze  der  Wahrheit  ist.  Da 
sandte  er  zu  den  Christen  um  einen  Bischof.  Es  befand  sich 
aber  bei  ihm  ein  in  der  Dialektik  gewandter  Jude,  der  disputierte 
mit  demselben.  Er  fragte  ihn:  Was  sagst  du  über  Moses,  den  Sohn 
des  'Amram,  und  die  ihm  geoffenbarte  Thora?  Jener  erwiderte 
ihm:  Moses  ist  ein  Prophet  und  die  Thora  ist  Wahrheit.  Da 
sagte  der  Jude  zum  König:  Er  hat  bereits  die  Wahrheit  meines 
Bekenntnisses  zugestanden.  Frag  ihn  nun  nach  dem,  woran  er 
glaubt.  Da  fragte  ihn  der  König,  und  er  erwiderte:  Ich  sage, 
dass  der  Messias  Jesus  der  Sohn  der  Maria  ist,  er  ist  das  Wort, 
und  dass  er  im  Namen  Gottes  die  Geheimnisse  bekannt  gemacht  hat. 
Da  sagte  der  Jude  zum  König  der  Chazaren:  Er  bekennt  eine 
Predigt  die  ich  nicht  kenne,  während  er  doch  zugesteht,  was  ich 
vorbrincre.      Der    Bischof   war    aber    nicht    stark   in    der    Beweis- 


^)  Dieses  vermutet  schon  Defremery,  Journ.  as.  IV^  Ser.  t.  XIII 
(1849),  p.  470  n.  1. 

2)  Vgl.  Ibn  Rusta  IH,  5— if.,  3;  GurdezT  bei  Bart  hold,  Otictt, 
0  noisÄKi  BT.  CpeaHK)K)  Aairo  bt.  1892—1897.  Memoires  de  l'Acad.  de 
St.  Petersbourg  Vllle  Ser.  t.  I,  4  (1897)  S.  95,  18—96,  2. 

»)  So  nach  der  Lesart  des  IstachrT  und  Ibn  Fadlän  bei  Jaq.  II 
frv,  9;  vgl.  Defremery,  Fragments  de  geographes  et  historiens 
arabes  et  persans,  Journ.  as.  1849,  1,  469  n.  3. 

*)  IstachrT  fl'.,  8:  ,Das  Schloss  des  Königs  ist  fern  vom  Ufer  des 
Stromes\  Nach  Mas'ndT  befand  es  sich  auf  einer  Insel  des  Stromes, 
die  durch  eine  Schiffbrücke  mit  den  beiden  Ufern  verbunden  war. 


g  J.  Marquart, 

führuiig.  Nun  entbot  er  den  Muslimen,  die  zu  ihm  einen  gelehrten, 
verständigen  Mann  sandten,  der  sich  auf  die  Disputation  verstand. 
Da  dang  der  Jude  gegen  ihn  einen,  der  ihn  unterwegs  vergiftete, 
so  dass  er  starb.  Der  Jude  aber  wusste  den  König  für  seine 
Religion  zu  gewinnen,  sodass  er  das  Judentum  annahm". 

Wie  anderwärts  so  haben  meiner  Ansicht  nach  auch  in 
dem  Bericht  über  die  Chazaren  Gaihäni  und  Mas'üdl  die  Haupt- 
quellen des  Bekrl  gebildet.  Ohne  weiteres  fällt  die  grosse  Ähnlich- 
keit der  obigen  Erzählung  mit  der  Bekehrungsgeschichte  der 
Chazaren  im  Briefe  des  Chazarenfürsten  Joseph  an  den  Rabbi 
Chisdai  auf.  Letzterer  war  Arzt  und  Minister  am  Hofe  des 
Chalifen  Abd  ar  Rahmän  an  Nä9ir  (912 — 961)  in  Cordova,  also 
ein  Zeitgenosse  des  Mas'üdl. 

Er  hatte  durch  Kaufleute  aus  Chorasan  -jt^DN-in  von  der 
Existenz  eines  jüdischen  Königs  im  fernen  Chazarenreich  gehört, 
und  sandte  nun  einen  Brief  an  den  BeheiTScher  desselben,  um  von 
diesem  selbst  Auskunft  über  die  inneren  Verhältnisse  seines  Reiches 
zu  erhalten.  Dieser  Brief  gelangte  jedoch  nicht  an  seine  Adresse ; 
erst  ein  zweites  Schreiben,  in  welchem  er  die  Zustände  im  Reiche 
des  "Abd  ar  Rahmän  beschreibt  und  vom  Fürsten  der  Chazaren  Auf- 
schluss  wünscht  über  Lage  und  Umfang  seines  Reiches,  seine  Städte, 
Heerwesen,  Regierung,  über  die  Herkunft  der  Dynastie  u.  s.  w., 
gelangte  in  die  Hände  des  Fürsten.  Als  Antwort  auf  dieses 
Schreiben  gibt  sich  der  überlieferte  Brief  des  Fürsten  Joseph  aus. 
Die  Erzählung  des  Briefes  weicht  hauptsächlich  darin  von 
der  des  Bekri  ab ,  dass  sie  auch  den  iDNpbN  (lies  ■'itspbN  --•= 
-Ä>LäiI)  der  Ismaeliten  in  der  Disputation  auftreten  lässt.  Die 
Vergiftungsgeschichte  bei  Bekri  kann  in  der  That  eine  tendenziöse 
Erfindung  sein,  um  den  Vertreter  des  Islams  nicht  unterliegen 
lassen  zu  müssen  bezw.  die  Erklärung  zu  umgehen,  weshalb  der 
Chagan  nicht  dem  Islam  den  Vorzug  gab.  Doch  ist  auch  eine 
andere  Erklärung  denkbar.  Sonst  aber  ist  der  Brief  an  historischen 
Andeutungen  so  farblos  und  macht  so  wenig  den  Eindruck  der 
Unmittelbarkeit,  dass  es  sehr  schwer  fällt,  in  ihm  wirklich  ein 
echtes  Dokument  eines  Chazarenfürsten  zu  erkennen.  Wie  sehr  ein 
Vergleich  mit  den  lebensvollen  Schilderungen  der  neugefundenen 
Inschriften  der  Türken-  und  Uigurenchane ,  deren  Völker  doch 
ebenso  litteraturlos  waren  Avie  die  Chazaren,  zu  Ungunsten  des 
saft-  und  kraftlosen  Briefes  des  angeblichen  Chazarenfürsten  aus- 
fällt, braucht  nicht  näher  ausgefülirt  zu  werden.  Allerdings  ent- 
hält die  von  Abraham. Fi rkowitsch  im  J.  1870  angeblich 
aus  Ägypten  mitgebrachte  Handschrift  des  Briefes,  wie  es  scheint, 
etwas  mehr  geographisches  u.nd  historisches  ,  Detail.  Die  von 
Harkavy')   in  Aussieht  gestellte  Ausgabe  dieses  vollständigeren 

1)  Altjudische  Denkmäler  aus  der  Krim  S.  284  zu  S.  140  Anm.  2. 
Mem.  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg  VIL  Ser.  t.  XXIV  Nr.  1  (1877). 


Osteuropäische,  und  ostasiatische  Streifzüge.  9 

Textes  ist  jedoch  meines  Wissens  bisher  nicht  erschienen,  und 
auch  dessen  Übersetzung  in  der  Russischen  Revue  VI,  1875, 
Heft  1  S.  69  ff.  ist  mir  unzugänglich;  aber  nach  dem  was  Paulus 
(früher  Selig)  Cassel,  Der  chazarische  Königsbrief  aus  dem 
10.  Jahrhundert.  Berlin  1876,  daraus  anführt,  kann  ich  mit  diesem 
nur  den  Schluss  ziehen,  dass  diese  Entdeckung  Firkowitschs  ganz 
auf  der  Höhe  seiner  übrigen  Fälschungen  steht.  Vermutlich  ist  auch 
Harkavy,  der  in  der  eben  angeführten  Abhandlung  den  Fälscher 
so  gründlich  entlarvt  hat,  inzwischen  zu  derselben  Überzeugung 
gelangt  und  hat  deshalb  auf  die  Herausgabe  des  Textes  verzichtet. 
Auf  die  Frage  nach  der  Echtheit  des  Briefes  selbst  auch 
in  der  bisher  bekannten  Fassung  kann  ich  mich  hier  nicht 
näher  einlassen^).  Dieselbe  ist  übrigens  schon  von  Fr  ahn  und 
neuerdings  von  Kunik^)  bestritten  worden.  Verhängnisvoll  für 
dieselbe  ist  der  Name  des  „grossen  Stromes  riTT^"'^),  welcher  die 
Nordgrenze  des  Gebietes  der  Chazaren  bildet.  Nur  der  Exegese 
eines  rabbinisch  geschulten  Theologen  war  es  möglich,  in  diesen 
Namen  den  Jaik  (z/at|,  ^cii^i  Ural)  hineinzuinterpretieren.  Ich 
glaube  aber  nicht  fehlzugehen  mit  der  Vermutung,  dass  hier 
lediglich  eine  durch  die  doppelte  Bedeutung  der  Wörter  ;s: 
bezw.  Lj.O  veranlasste  falsche  Übersetzung  des  arabisch-persischen 
^^j*)  j^.  bez.  1:25^3^3  tLj^o  „Warägermeer"  vorliegt.  Bekanntlich 
bezeichnen  jene  beiden  Ausdrücke  nicht  bloss  „Meer" ,  sondern 
auch  „grosser  Strom"  (z.  B.  Nil,  Euphrat),  und  in  der  That  findet 
dieses  Miss  Verständnis  sich  öfters  in  persischen  Übersetzungen 
arabischer  Geographen.  Buxtorf  war  daher  von  einem  richtigen 
Instinkte  geleitet,  wenn  er  die  Worte  STT"  l73U5a  bnn^rt  "imn  ^y 
durch  usque  ad  mare  Jusag  wiedergab.  Für  ^.^  Warang  las 
der  Verfasser  irrtümlich  ^•^.     Eine  Kenntnis    vom  Warägermeer 


1)  Ich  benutze  den  Text  des  Briefes  bei  Buxtorf  in  der  Prae- 
fatio  zur  Ausgabe  der  hebräischen  Übersetzung  von  Jehuda  Hailewis 
Werk  al  Chazarl,  Basel  1660,  da  Selig  Cassels  Magyarische  Alter- 
tümer auf  der  hiesigen  .Bibliothek  nicht  vorhanden  sind.  Übrigens  ist 
Buxtorfs  lateinische  Übersetzung  für  denjenigen,  welchem  das  hebrä- 
ische Original  nicht  zugänglich  ist,  nützlicher,  weil  objektiver,  als  die 
Cassels  in  der  oben  angeführten  Broschüre.  Der  moderne  Anwalt 
des  Briefes  unterscheidet  sich  in  Bezug  auf  historische  und  philologische 
Kenntnisse  keineswegs  vorteilhaft  von  dem  Verfasser.  Aus  dem  Meer 
von  ■jN^'na  (=  ^'^_f^  Gurgäii,  Hyrkanien)  d.  i.  dem  Kaspischen  Meere 
ein  Meer  von  Georgien  (^^ß)J^)  zu  machen,  ist  doch  selbst  einem 
Theologen  unerlaubt.  In  den  nahezu  30  Jahren  seit  dem  Erscheinen 
seiner  Magyarischen  Altertümer  hätte  der  Verfasser  doch  Zeit  gehabt, 
sich  auf  der  Karte  davon  zu  überzeugen,  dass  Georgien  nicht  bis  zum 
Kaspischen  Meere  reicht  und  nie  soweit  gereicht  hat. 

2)  Bullet,  de  FAcad.  de  St.  Petersbourg,  t.  VII,  1864.  p.  367. 

3)  So  der  Text  bei  Buxtorf,  nicht  pTV,  wie  Cassel  S.  79  N.  v 
angibt;   Harkavy  liest  T5T. 


10  J-  Marquart, 

(1^3,5  j-^, )  i'ussisch  loarjazslwe  more)  d.  i.  der  Ostsee  findet 
sich  aber  auf  arabisch-persischer  Seite  zuerst  bei  Berüni  (geboren 
973,  t  1038  n.  Chr.)i).  In  einer  aus  seinem  Canon  Masudicus 
entlehnten  Klimentafel  bei  Jäq.  I  Tf,  21  werden  die  y^j\  Isü 
d.  i.  die  Wes^ ,  <^2\.^  und  ä.jj  Jära  (Jugrier)  neben  einander 
genannt.  Ich  glaube  daher ,  dass  in  den  a"iN"ia"'lriM ,  bis  zu  deren 
Grenze  die  Unterthanen  des  Chazarenfürsten  die  Steppe  durch- 
ziehen, in  der  That  die  »  ».j  des  Berüni  bezw.  die  ».ijj  der 
späteren  Araber  zu  erkennen  sind  ^).  Daraus  ergibt  sich  aber, 
dass  der  Brief  des  angeblichen  Chazarenfürsten  nicht  vor  der 
ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  verfasst  sein  kann.  Noch  ver- 
räterischer ist  das  Land  n:n  •^),  welches  als  Südgrenze  des  Chazaren- 
landes  erscheint.     Der  Text  lautet : 

fii   i5>  n:m  t<DNn  y-ix  -^^'^iv  bDi  ti^^nn  D-'Sin  om  iNinx  b« 
07:  ■'b  D'^:m:  ob::  ü^-öin  'n  ^bn72  n-^rü^'oop 

d.  h.  „Nach  Süden  hin  sind  15  zahlreiche  und  mächtige  Nationen 
bis  nach  Bäb  al  abwäb,  die  in  den  Bergen  wohnen,  und  die 
Einwohner  des  Landes  Bäsä  und  Tanaf^)  bis  zum  Meer  von 
Konstantinopel,  einen  Weg  von  zwei  Monaten :  sie  alle  geben  mir 
Tribut".  Tanat  ist  hier  unverkennbar  die  Landschaft  am  untern 
Don,  welche  in  den  italienischen  Karten  Thanatia^  bei  den  unga- 
rischen Chronisten  Dencia^  beim  sog.  Belae  regis  notarius  Derdu 
moger  d.  i.  Dont'ö  Magyar  ,die  Magyaren  am  untern  Don"  ge- 
nannt wird  ^).  Dieser  Name  ist  aber  sicherlich  nicht  vor  den 
Niederlassungen  der  Genuesen  an  der  Maeotis  und  den  Missions- 
reisen ungarischer  Predigermönche  nach  Hochasien,  also  nicht  vor 
dem  13.  Jahrhundert,  aufgekommen.  Die  Vermutung  liegt  daher 
nahe,  dass  der  Verfasser  des  Briefes  seine  geographischen  Kennt- 
nisse etwa  aus  dem  Tuhfat  al  albäb  wa-nuchbat  al  a'gäb  des 
Spaniers  Abu  Hamid  Muhammad  b.  "Abd  ar  Rahim  al  MäzinI  aus 
Granada  (f  565  H.  =  1169  n.  Chr.)  entlehnte,  das  nach  dem 
Jahre  557  H.  =  1162  n.  Chr.  verfasst  ist,  und  dieselben  durch 
zeitgenössische  Nachrichten  ergänzte.  Die  von  Firkowitsch 
„entdeckte"  Handschrift  weiss  die  Namen  sämtlicher  dem  Chagan 
tributären  Völker  aufzuzählen.  Ich  zweifle  aber  nicht  daran,  dass 
es  Harkavy  ein  Leichtes  sein  wird,  mit  Hilfe  von  Firkowitschs 
Papieren  die  Quelle  jedes  einzelnen  Namens  nachzuweisen. 

^)  Vgl.  Wilh.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russ.  Staates  S.  118. 

2)  Vgl.  Wilh.  Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachriehtcin 
über  den  skythischen  Norden  II  44;  SB  WA.  Bd.  117,  1888,  Nr.  I. 

^)  So  Biixtorf,   nicht   niin,  wie  Cassel  angibt. 

^)  Harkavy  liest  Kasa  (NDND)   und  Takat  (nnn). 

^)  Vgl.  Geza  Kuun,  Relationum  Hungarorum  cum  gent.  oriental. 
bist,  antiquiss.  I  136,  206. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  11 

Nach  meiner  Ansicht  ist  also  der  Brief  des  angeblichen 
Chazarenfürsten  nicht  älter,  sondern  jünger  als  Jehuda  Hallewis 
Werk  al  Chazarl,  dessen  Abfassung  ins  Jahr  1140  n.  Chr.  fällt,  und 
ist  eben  durch  die  Andeutungen  dieses  Werkes  veranlasst  worden. 

Der  Brief  lässt  die  Bekehrung  der  Chazaren  unmittelbar  nach 
einem  grossen  Raubzug  in  die  Länder  ^Nb-n^  ^)  und  b-^Tlt?  er- 
folgen. Auf  dem  Raubzug  des  Jahres  112  H.  (730/31  n.  Chr.), 
bei  welchem  sie  ein  Heer  unter  al  Garräh  b.  'Abdallah  al  Hakami 
völlig  aufrieben,  gelangten  sie  in  der  That  bis  Ardabel  und  er- 
oberten es  2).  Die  Verderbnis  von  Ardabel  J^ajO^I  (armen.  Artavet) 
zu  Ardll  JvjJ»  \  ist  leichter  in  arabischer  als  in  hebräischer  Schrift 
begreiflich  und  setzt  arabische  Quellen  voraus.  Der  andere  Ort 
-(Nb'm  ist  gewiss  nicht  ^.,:^i  y  Dar-i  Alan,  wofür  man  übrigens 
arabisches  .ß.l\  ^Lj  erwarten  würde;  vgl.  nNin^bx  äNn  im  Briefe 
Chisdais  wie  in  der  Antwort  des  Chagans.  Vielleicht  darf  man 
an  den  Gau  \}^nuAn-nuj  Aran-rot  der  armenischen  Provinz  Uti 
oder  Balan-rot  in  P'aitakaran  erinnern.  Diese  Provinz  wurde 
damals  gleichfalls  von  den  Chazaren  durchzogen.  Viel  besser 
würde  allerdings  ^Nnbi  passen,  d.  i.  ^.yij ,  die  Ebene  des  Flusses 
Wararat  BaXagä&og,  in  welcher  Ganzak-Sahastan  (j^^JOi  <^ie 
zweite  Hauptstadt  von  ÄJarbaigän,  lag'^).  Diese  Stadt  bildete 
nach  dem  Armenier  Levond  die  Grenze  des  Chazareneinfalles  von 
730  gegen  Südosten. 

Ich  halte  es  daher  sehr  wohl  für  möglich,  dass  dem  Ver- 
fasser der  Chazareinfall  des  Jahres  730  vorschwebte,  der  ihm  aus 
arabischen  Quellen  bekannt  sein  mochte.  Jehuda  Hallewi  setzt 
die  Bekehrung  des  Chazarenkönigs  „nach  den  Geschichtsbüchern" 
etwa  400  Jahre  vor  seine  Zeit,  also  um  740  n.  Chr."),  d.  h.  eben 
in  die  Zeit  des  erwähnten  Chazareneinfalles.  Wenn  der  Verfasser 
des  Briefes  von  der  Bekehrung  bis  auf  den  Fürsten  Joseph  um 
950  mehr  als  neun  Generationen  rechnet  —  der  erste  Fürst  der 
Genealogie,  Obadja,  ist  erst  „einer  von  den  Enkeln"  des  Bulan  — 
so  lässt  sich  dies  zur  Not  damit  vereinigen,  wenn  er  etwa  vier 
Generationen  auf  ein  Jahrhundert,  also  die  Generation  zu  25  Jahren 
rechnete.  Von  echter  historischer  Tradition  kann  dabei  freilich 
keine  Rede  sein,  und  auf  alle  Fälle  ist  die  lange  Reihe  jüdischer 
Ahnen,    welche    der   angebliche    Brief   des  Königs  Joseph    diesem 

1)  So  der  Text  bei  Buxtorf;  Cassel  liest  l.sb'm. 

2)  Tab.  II  iör.,  15  ff.  vgl.  Belä^".  M,  9-,    Ja'qüb!  II  t^vo,  wo  für 
J.AJO  jp  zu  lesen  ist  J.ajOJ  y^;    tevoud  bei  Brosset,   Hist.  de  la 

Gdorgie  I  257  Not. 

3)  Mas'üdl,  Murug  2,  131,  235.  4,  74.    Vgl.  G.  Hoffmann,   Aus- 
züge aus  syr.  Akten  pers.  Märtyrer  248,  251  und  N.  1992. 

*)  Jehuda  Hallewi,  Das  Buch  al  Chazarl  übersetzt  von  Hartwig 
Hirschfeld  S.  1. 


-^2  J-  Marquart, 

vorangehen  lässt,  völlig  erdichtet.  Es  sind  12  jüdische  Namen, 
welche  9  Generationen  darstellen,  bis  auf  Obadja,  „welcher  das 
Gesetz  befestigte",  dieser  ist  aber,  wie  bemerkt,  erst  einer  von  den 
Enkeln  des  Chagans  Bulan,  der  zuerst  das  Judentum  angenommen 
hatte.  Es  scheint  vielmehr,  dass  dem  Verfasser  eine  Angabe  in 
arabischen  Quellen  den  Anstoss  zu  seiner  Kombination  gegeben 
hat.  Paulus  Cassel^)  führt  aus  d'Ohsson,  Les  peuples  du 
Caucase  p.  65  folgende  Erzählung  arabischer  Schriftsteller  an: 
„Mervan  fit  en  119  (737),  ä  la  tete  de  cent  milles  hommes,  une 
nouvelle  Invasion  dans  le  pays  des  Khazares.  II  passa  par  les 
villes   de   Balandjar   et    de   Semender  et  s'avan^.a  jusque  Baizza 

[j^LiaAjn  residence  du  Khacan,  qui  avait  pris  la  fuite.  II  surprit 
son  armee,  forte  de  quarante  mille  hommes  et  la  mit  en  deroute. 
Alors  le  Khacan  lui  demanda  la  paix.  Mervan  ne  voulut  la  lui 
accorder  qu'ä  condition,  qu'il  embrasserait  l'islamisme.  Le  Khacan 
et  ses  generaux  vinrent  au  quartier  de  Mervan  et  professerent  la 
foi  maliometaine ,  conversion  qui  fut  celebree  par  des  grands 
festins".  Da  d'Ohssons  Werk  hier  nicht  vorhanden  ist,  so  weiss 
ich  nicht,  auf  welche  arabischen  Schriftsteller  er  sich  beruft.  Ibn 
al  A^ir  V  i1.  sagt  bloss:  „Im  Jahre  119  H.  machte  Mai-wän  b. 
Muhammad  einen  Kriegszug  nach  Armenien.  Er  di'ang  ins  Land 
der  Alanen  ein  und  zog  darin  umher,  schliesslich  zog  er  von  dort 
weg  ins  Land  der  Chazaren,  passierte  Balangar  und  Samandar  und 
gelangte  bis  nach  al  Baida  [Sary/sär,  das  spätere  Itil],  wo  der 
Chäqän  residiert,  der  vor  ihm  floh".  Ausführlicher  ist  BeläJorl 
r.v,  19  ff.  über  den  Feldzug  des  Marwän.  Darnach  drang  er  in 
der  Nähe  des  Alanenthores  in  das  Land  der  Chazaren  ein  und 
befahl  dem  Abu  Jazid  Usaid  b.  Zäfir  as  Sulaml  mit  den  Königen 
der  Gebirgsstämme  aus  der  Gegend  von  Darband  weiter  vorzudringen, 
während  er  selbst  Slawen,  die  sich  im  Chazarenlande  befanden, 
überfiel,  und  20  000  Familien  gefangen  wegführte  und  in  Chachet 
ansiedelte.  Als  nun  der  Fürst  {^hr)  der  Chazaren  hörte,  mit 
welch  gewaltiger  trefl'lich  ausgerüsteter  Streitmacht  Marwän  in 
sein  Land  eingebrochen  sei,  ward  er  mit  Schrecken  erfüllt.  Als 
Marwän  sich  ihm  näherte,  liess  er  ihm  durch  einen  Gesandten  die 
Alternative  stellen,  entweder  den  Islam  anzunehmen  oder  Krieg  zu 
gewärtigen.  Der  Fürst  entschloss  sich  zur  Annahme  des  Islams,  legte 
öffentlich  das  Bekenntnis  ab  und  söhnte  sich  mit  Marwän  aus  unter 
der  Bedingung,  dass  er  ihn  in  seinem  Reiche  belasse.  Marwän 
nahm  dann  eine  Anzahl  von  Chazaren  mit  2),  die   er  zwischen  dem 


^)  P.  Gas  sei,  Der  chazarische  Köuigsbrief  S.  60.  Anm. 

")  .-.^  ^y»  ,  äii^  awJLÄ  ..^,yi  .Lvj.  Das  xjw  steht  hier pleonastisch. 
Diesen  Sprachgebrauch  von  ^  belegt  de  Goeje,  wie  er  mir  freund- 
lichst mitteilte,  im  Glossar  zu  Tabari  durch  zahlreiche  Beispiele. 


Osteuropäische  und  ostasiatischc  Streifzüge.  13 

Samür  und  as  Säbirän  in  der  Ebene  des  Landes  der  Lakz  (Lezghier) 
ansiedelte. 

Der  Verfasser  des  Briefes  setzt  also  die  Bekehrung  der  Cha- 
zaren  zum  Judentum  um  dieselbe  Zeit,  in  welcher  nach  den 
arabischen  Historikern  der  Fürst  der  Chazaren  zur  Annahme  des 
Islams  gezwungen  wurde.  Dass  hier  eine  bestimmte  Beziehung 
vorliegt,  ist  unverkennbar.  Nur  konnte  der  Jude  als  Hintergrund 
nicht  den  für  die  Chazaren  unglücklichen  Zug  des  Marwän  brauchen, 
sondern  wählte  den  siegreichen  Einfall  der  Chazaren  im  J.  112  H. 
Darnach  wird  man  auch  kein  Bedenken  tragen,  eine  Abhängigkeit 
des  Verfassers  des  Briefes  von  der  bei  Bekri  erhaltenen  Bekehrungs- 
geschichte anzunehmen,  mag  dieselbe  nun  von  Mas'üdi  herrühren 
öder  von  einem  andern.  So  gut  wie  der  Spanier  Bekii  (f  487  H. 
=  1094  n.  Chr.)  konnte  auch  ein  spanischer  Jude  von  derselben 
Kenntnis  erhalten. 

Es  ist  hier  noch  die  Ähnlichkeit  der  Bekehrungsgeschichte 
bei  Bekri  und  in  dem  angeblichen  Briefe  des  Chagans  mit  der 
Erzählung  vom  Auftreten  des  Slawenapostels  Konstantin  (Kyrillos) 
unter  den  Chazaren  in  der  altslawischen  Vita  des  Konstantin  *)  zu 
erörtern.  Diese  Vita  ist  nach  Dum  ml  er-)  von  einem  Slawen 
verfasst,  und  zwar  von  einem  wohlunterrichteten  Zeitgenossen, 
vielleicht  von  einem  Schüler  des  Apostels  selbst,  während  Vor  o - 
noff=^),  dem  sich  auch  Jagic^)  im  wesentlichen  anschliesst,  wahr- 
scheinlich zu  machen  sucht,  dass  die  Vitae  des  Konstantin  und 
Methodios  von  einem  Bulgaren  in  griechischer  Sprache  nicht  vor 
dem  zweiten  Viertel  des  10.  Jahrhunderts  geschrieben  worden  seien. 
Friedrich^)  setzt  die  Abfassung  der  Vita  Constantini  in  ihrer 
ursprünglichen  Gestalt  ziemlich  spät,  in  die  Zeit  vor  Papst  Ale- 
xander II.  (1061—1072).  Sie  ist  nach  ihm  jünger  als  die  Vita 
Methodii.  Der  Verfasser  beruft  sich  zweimal  auf  schriftliche 
Quellen :  einen  in  acht  Abschnitte  geteilten  Bericht  des  Methodios 
über  die  Disputation  Konstantins  gegen  die  Juden  im  Chazaren- 
land  (c.  10),  der  sonst  völlig  unbekannt  ist,  und  eine  Erzählung 
von  der  Auffindung  der  Reliquien  des  hl.  Klemens  (c.  8).  Eine 
solche  Schrift  ist  uns  noch  erhalten  in  der  sogenannten  chersonischen 
oder    slawischen    Legende    der   Inventio    reliquiarum    s.  Clementis 

1)  Herausgegeben  mit  lat.  Übersetzung  von  Ernst  Dümmler 
und  Franz  Miklosich,  Die  Legende  vom  hl.  Cyrillus.  Denkschriften 
der  kais.  Akad.  d.  Wiss.  XIX,  1870,  203  fl". 

-)  Denkschriften  d.  kais.  Akad.  d.  Wissenschaften  XIX  207. 

5)  Cyrill  und  Methodius.  Die  hauptsächlichsten  Quellen  zur  Ge- 
schichte des  hl.  Methodius  1876/77. 

*)  Archiv  f.  slav.  Philol.  IV  97  ff. 

6)  Ein  Brief  des  Anastasius  bibliothecarius  an  den  Bischof  Gau- 
dericus  von  Velletri  über  die  Abfassung  der  ,Vita  cum  translatione  s. 
Clementis  Papae".  Sitzungsber.  der  bair.  Akad.  d.  Wiss.  Phil.-hist.  Cl. 
1892,  S.  428  ff,  436. 


■tA  J.  Marquart, 

des  grossen  Menologium'),  und  aus  einem  neugefundenen  Briefe  des 
Anastasius  bibliothecarius  an  den  Bischof  Gauderich  von  Velletri, 
der  zwischen  875  und  879  geschrieben  ist-),  wissen  wir  jetzt, 
das  jene  Schrift  von  Konstantin  selbst  verfasst,  aber  anonym  her- 
aus^ecreben  worden  war  3).  Allein  der  Verfasser  oder  Überarbeiter 
der  Vita  des  Konstantin  kann  nicht  aus  der  Inventio  reliquiarum 
S.  Clementis  geschöpft  haben,  denn  davon  dass  Konstantin  die 
Reliquien  suchte,  den  Bischof  von  Cherson ,  seinen  Klerus  und 
sein  Volk  zum  Suchen  bewog,  fand,  er  in  derselben,  wie  der  Brief 
des  Anastasius  zeigt,  nichts.  Er  muss  vielmehr  die  Vita  cum 
Translatione  S.  Clementis  des  Bischofs  Gauderich  benutzt  haben*), 
zu  welcher  Anastasius  das  Material  lieferte  und  die  uns  in  über- 
arbeiteter Gestalt,  wenn  auch  fragmentarisch,  erhalten  und  von 
Hen  sehen  in  den  Acta  Sanctorum  Bollandiana  März  II  p.  19  ss. 
herausgegeben  ist.  Wahrscheinlich  kannte  er  diese  bereits  in  über- 
arbeiteter Gestalt.  Denn  er  teilt  mit  der  Translatio  auch  den 
Fehler,  dass  er  die  Auffindung  der  Reliquien  des  hl.  Clemens  vor 
der  Reise  des  Konstantin  zu  den  Chazaren  erfolgt  sein  lässt.  ^ 

Trotzdem  muss  aber  gerade  der  Bericht  über  die  Missions - 
reise  des  Konstantin  zu  den  Chazaren  (c.  8 — 11)  auf  alte  Quellen 
zurückgehen.  Angaben  wie  die,  dass  Konstantin  auf  dem  Wege 
von  Cherson  zu  den  Chazaren  von  den  Magyaren  ( ügri)  überfallen 
wurde,  die  nach  Art  der  Wölfe  heulen  (c.  8),  müssen  auf  gleich- 
zeitige Erinnerungen  zurückgehen,  da  man  späterhin  von  den  alten 
Sitzen  der  Magyaren  im  Norden  der  Maeotis  nichts  mehr  wissen 
konnte  5).  Nach  der  Vita  bemühten  sich  die  im  Chazarenlande 
zahlreichen  Juden  und  Muslime  um  die  Wette,  den  Chagan  zu 
ihrer  Religion  herüberzuziehen  ,  worauf  dieser  eine  Gesandtschaft 
an  den  Kaiser  nach  Konstantinopel  schickte  und  liier  um  Zu- 
sendung eines  gelehrten  Mannes  bitten  liess,  der  jene  widerlegen 
und  ihn  selbst  im  rechten  Glauben  unterweisen  könnte  c.  8: 
Venerunt  vero  Kozarorum  legati  ad  imperatorem  dicentes :  a  prin- 
cipio  unum  deum  agnoscimus,  omnium  rerum  dominum,  et  eum, 
ad  orientem  conversi,  veneramur,  quamquam  ceterum  mores  im- 
mundos habemus.  Hebraei  vero  nobis  suadent,  ut  fidem  et  opera 
eorum  accipiamus,  ab  alia  vero  parte  Saraceiii  pacem  et  munera 
multa  offerentes  nos  ad  suam  fidem  soUicitant  dicentes:  nostra 
fides  praestantior  est  fide  omnium  gentium  etc.  Der  Kaiser  will- 
fahrte der  Bitte  des  Chagans  und  betraute  den  Konstantin  mit 
jener  Aufgabe,  worauf  derselbe  über  Cherson  zu  Schiffe  zu  den 
Chazaren  nach  der  Maeotis  und  zu  den  kaspischen  Thoren  im 
Kaukasusgebirge  reiste   (c.  9  S.  236). 

1)  Friedrich  a.  a.  0.  395. 

-)  Friedrich  a.  a.  0.  401. 

■')  a.  a.  0.  403  f.,  425  f. 

*)  Friedrich  S.  430  f. 

&)  Dümmler,  Denkschr.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  XIX  210. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  15 

Aus  dem  Wortlaut  der  Vita  ist  zu  schliessen,  dass  die  Clia- 
zaren  damals  noch  nicht  zum  Judentum  übergetreten  waren, 
sondern  noch  an  ihren  heidnischen  Gebräuchen  festhielten.  Unter 
dem  einen  Gott,  den  sie,  gegen  Osten  gewandt,  verehren,  ist  der 
T'engri-chan  gemeint,  den  die  Hunnen  wie  die  Türk  als  Haupt- 
gottheit verehrten!),  über  letztere  sagt  die  Geschichte  der  Wei- 
Tataren:  „Le  Khan  habite  constamment  sur  le  mont  Tou-kin  chan 
[Ütükän-jys].  Sa  tente  s'ouvre  du  cöte  de  l'orient,  par  respect 
pour  le  cöte  du  ciel  oü  le  läve  le  soleil.  Chaque  annee,  on  con- 
duit  les  nobles  au  caveau  de  leurs  ancetres  pour  y  sacrifier.  De 
plus,  dans  la  deuxi^me  decade  du  cinquifeme  mois.  on  rassemble 
d'autres  hommes  pourqu'ils  aillent  adorer  l'esprit  du  ciel  sur  la 
meme  montagne  et  lui  offrir  un  sacrifice"-).  In  den  alttürkischen 
Inschriften  ist  es  der  Himmel,  welcher  das  Schicksal  der  Menschen 
bestimmt  und  auf  den  alles  Glück  und  Missgeschick  zurückgeführt 
wird.  Ebenso  wird  in  den  Inschriften  der  heidnischen  Bulgaren 
das  alttürkische  tängrt  schlechtweg  durch  ßsog  (monotheistisch) 
wiedergegeben.  Es  braucht  also  nichts  specifisch  Jüdisches  darin 
zu  lieg°en,  wenn  der  Chagan  beim  Mahle  sagt :  bibamus  in  nomine 
dei  unius,  creatoris  omnium  rerum ,  wogegen  Konstantin  seinen 
Glauben  an  die  Dreifaltigkeit  betont  (c.  9).  Der  Baumkult 
aber,  gegen  welchen  Konstantin  in  der  Gegend  von  Sugdaia  auf 
der  Krim  eifert  (c.  12),  ist  ursprünglich  bei  den  Völkern  des 
Kaukasus,  insbesondere  den  Tscherkessen  und  Abchazen  heimisch, 
von  denen  er  sich  auch  zu  den  benachbarten  Alanen,  sowie  zu 
den  Hunnen  des  Kaukasus  verbreitet  hat^). 

Nach  der  Darstellung  der  Vita  hätten  wir  uns  die  damalige 
Residenz  des  Chagans  nicht  in  Itil  {Särijyiär)  an  der  Wolga- 
mündung, sondern  im  Kaukasus,  in  der  Nähe  der  Alanen  zu  denken. 
Man  erinnert  sich,  dass  schon  in  der  aus  der  Kirchengeschichte 
des  Johannes  von  Ephesos  stammenden  Erzählung  des  Barhebraeus 
über  die  Wanderung  der  Bulgaren  das  Land  der  Alanen,  d.  i. 
Barsalia,  oder  die  Stadt  Kaspia*),  welche  die  Bulgaren  und 
Phanagoreer    „Thor    der    Türken"    nennen,    als    die    Heimat    der 

1)  Vgl.  Moses  K'alankatvac'i  bei  M  a  n  a  n  d  i  a  n ,  Beiträge  zur  alba- 
nischen  Geschichte  S.  31;  Brosset,  Eist,  de  la  Georgie.  Additions 
et  eclaircissements  p.  484. 

2)  Journ.  as.  1864,  1,  335.  Vgl.  das  T'ang-su  eb.  1864,  2,  201: 
„Quand  (le  khan)  dtait  assis,  il  se  tournait  constamment  vers  rorient\ 

3)  Moses  K'alankatvac'i  bei  Manandi an  a.  a.  O.  S.  31 ;  Brosset, 
Eist,  de  la  Georgie.  Additions  et  eclaircissements  p.  484  Diesen  Baum- 
kultus finden  wir  auch  in  der  Stadt  ^j^^j  im  östlichen  Kaukakus, 
Ihn  Rusta  \f\ ,  4  flf.  Vgl.  über  den  Baumkult  bei  den  Tscherkessen 
R.  Löwe,  Die  Reste  der  Germanen  am  Schwarzen  Meere  S.  57  if. 
nach  C.  Eahn. 

*)  So  j-0)fv>f>  liest  Bedjan  nach  gütiger  Mitteilung  Nöldekes 
für  das  unsinnige  |*J30*2l-D  Kappadokia  bei  Bruns  und  Kirsch, 


jß  J.  Marquart, 

Chazaren  bezeichnet  wird^).  Es  liegt  daher  nahe,  an  \\ujpuj^^ 
Warac  (m  oder  i\ujpuM^ufu  Waragan,  die  Hauptstadt  der  Hunnen 
im  Kaukasus,  bezw.  die  Chazarenfestung  y^xXi  Balangar  nördlich 
von  Darband  zu  denken,  wo  sich  nach  Mas'üdi  ehemals  die  Residenz 
des  Chagans  befunden  haben  solP). 

Der  Name  Balangar  wird  zuerst  unter  Chosrau  Anösarwän 
(531 — 578)  genannt,  und  zwar  als  der  eines  Stammes,  welcher 
im  Verein  mit  den  Chazaren  (.;Ü),  Bulgaren  (j^^,  Verlesung 
von  pahl.  ^^)U  Burgar)  und  Alanen  in  Armenien  Einfälle  machte^). 

Ganz  ebenso  wird  j^J„fw  noch  unter  'Oi^-män  als  Name  eines 
chazarischen  Stammes  genannt*),  während  es  späterhin  nur  noch 
als  Name  einer  Stadt  bekannt  ist.  Als  Hauptfestung  der  Chazaren 
erscheint  Balangar  in  der  Eroberungsgeschichte  schon  im  Jahre 
32  H.  unter  'Oj^män^),  dann  wieder  in  den  Jahren  104*^),  105^), 
112^),  113'')  und  119  B..^^).  An  ihrer  Stelle  wird  dagegen  in  der 
Geschichte  der  Bekehrung  der  Hunnen  zum  Christentum  durch  den 
albanischen  Bischof  Israel  i.  J.  62  H.  (681/82)  Waraa'an  als  Haupt- 
stadt der  Hunnen  genannt  ^^).  Dass  die  Araber  von  letzterer  Stadt 
gar  nichts  wissen  sollten,  ist  undenkbar,  und  daraus  ergiebt  sich 
mit  Notwendigkeit  die  Identität  von  Balangar  und  Wara^'an.  Die 
Wiedergabe  des  fremden  c  durch  arab.  „  (sonst  ^j^  oder  (ji)  kommt 

^'  0    3 

gerade   in   kaukasischen    Gebieten    auch    sonst   vor ,    z.  B.   JiOs.Xj>- 


^)  Vgl.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  83  f. ; 
Historische  Glossen  zu  den  alttürkischen  Inschriften.  WZKM.  XII  198  f. 
Es  war  voreilig  von  mir,  das  j^Vo^wiS  des  Textes  in  |...Vq^O)  ver- 
bessern zu  wollen.  Tn/urtTaQxa  (Tmutorokan,  j.  Taman),  das  auch  noch 
später  unter  dem  alten  Namen  (t>nvay6Qei.a,  fpavayovqia  vorkommt  (s.u.), 
lag  in  unmittelbarer  Nähe  der  Kuban-Bulgaren. 

2)  Mas'üdi,  Kitäb  at  tanblh  If,  16;  vgl.  WZKM.  XII  195;  Chrono- 
logie der  alttürk.  Inschr.  87. 

3)  Tab.  I  aIo,  1.  16.  aH,  4  vgl.  aIa,  15.  1..,  2;  Nöldekc,  Gesch. 
der  Perser  und  Araber  S.  157,  159,  vgl.  166.  S.  meine  Chronologie 
der  alttürk.  Inschriften  S.  96;  Historische  Glossen  zu  den  alttürk.  In- 
schriften WZKM.  XII  169  N.  8. 

")  Bei.  iiv,  18. 

^)  Bei.  r.f ;  Tab.  I  I^aaI,  Ö-Mf,  11. 

«)  Tab.  II  Ifoi^,  2;  Ibn  al  A5-Tr  V  83—85;  Ja'qübT,  Eist.  TI  t"vö. 

')  Tab.  II  ifir,  4;  Ihn  al  A^Ir  V  94. 

")  Tab.  II  !ori,  3;  Ibn  al  A.^ir  V  118. 

»)  Tab.  II  iol.,  8  ff.;  Ibn  al  A^Ir  V  129. 

1»)  Ibn  al  A^Tr  V  160. 

")  Moses  K'alankatvac'i  bei  Man  an  di  au,  Beiträge  z.  albanischen 
Geschichte  S.  31;  Brosset,  llist.  de  la  G<5orgie.  Additions  et  (iclair- 
cissemeuts  j).  484. 


Osteuropiiisehe  und  ostasiatische  Streifzüge.  17 

Gundär^    arm.  Qm^q-tupg    Ö'undarh'^),     d^^.^J' ,    arm.  Arces 

(Bei.  'li*",  ult.  '''1^,  4),  i^)''-»-^r=-jr'^'  =  arm.  Harclatmlc^);  vgl.  auch 
Nj^öL:^  GäÖöi  (in  ^^j^iL:^  ^^♦.^j ,  io^oL>^^^)  =  arm.   (jatagow, 

phl.  gätakgöß  „Fürsprecher"  in  der  Eroberungsgeschichte.  Die 
richtige  armenische  Form  ist,  wie  ich  glaube,  in  der  abgekürzten 
Recension  der  Geographie  des  Ps.  Moses  Chor,  erhalten:  il«i«_«#^«Ä 
Wai-acan  mit  «-  =  Warraoan^),  was  iür  *Warnacan  stehen 
kann.  Die  arabische  Form  ^ili  setzt  zunächst  eine  Pahlawiform 
^©  \j  Warancan{r)    bezw.  Warnacan{r)  voraus.      Die   Aussprache 

Balangar   findet    sich    nur    in    dem    Ausdruck    iü^b  Kj^,.^.    für 
eine  aus  jener  Gegend  stammende  Art  Jagdfalken,  den  v.  Kremer, 
Beiträge    zur    arabischen   Lexikographie    S.   15    aus    den   Ai9-är  al 
owwal   fi   tartib    adduwal.    Kairo    1295  H.,    S.  141,  1    (verfasst 
a.  708  H.)  belegt.     Allein  ich  glaube,  dass  hier  eine  auf  falscher 
Analogie    beruhende  Rückbildung    vorliegt ,    indem    man   nach  ge- 
wöhnlicher Weise  das  „  als  Vertreter  eines  neupers.  ^   auffasste. 
Für  die  Lage  der  Stadt  ergibt  sich  aus  den  arabischen  Nachrichten 
nur ,    dass    sie    nördlich   von  Darband   an    einem  Fluss ,    dem  ^j 
:>uJlJ!,    gelegen  haben  muss;    dasselbe  folgt  auch  für  Waraiyan 
aus  dem  Itinerar  des  Bischofs  Israel  zu  den  Hunnen.    Aus  Tab.  II 
Iflt»,  4  und  Ibn  al  Ai^-Tr  V  160  lässt  sich  ferner  entnehmen,  dass 
Balangar    östlich    vom    Gebiete     der    Alanen     und    westlich     von 
Samandar  zu  suchen  ist.     Marwän  b.  Muhammad  dringt  im  Jahre 
119  H.  ins  Land  der  Alanen  ein,    durchzieht  es  und  wendet  sich 
dann  nach  dem  Lande  der  Chazaren.     Nachdem    er  Balangar  und 
Samandar  passiert  hat,  gelangt  er  nach  al  Baida",  der  Residenz  des 
Chagans*).     Dagegen    sind   die  Beschreibungen   des  Feldzuges   des 
al  Garräh  b.   'Abdallah    gegen  die  Chazaren  im  Jahre   104  H.  bei 
Ja  qübi  li  t**fö  und  Ibn  al  A«9-]r  V  84,  auf  welchem  auch  Balangar 
erobert  wurde  ^),    im    einzelnen  viel  zu    ungenau    und  weichen  zu 
sehr  in  den  geographischen  Namen    und    der  Reihenfolge  der  Be- 
gebenheiten ab,  als  dass  sich  daraus  ein  klares  Bild  vom  Verlaufe 
des  Feldzuges  gewinnen  Hesse.     Hirth  vermutet,  dass  Waracan 
im  alten  Gebiete  der  Alanen  oder  Aorsen  zu  suchen  sei,   das  bei 


1)  Vgl.  WZKM.  XII  171  Anm.  11. 

2)  Belä^.  YS",  8;  Moses  Chor.  Geogr.  ed.  Soukry  p.  33. 

'•")  Mos.  Chor.  Werke,  Venedig  1865  S.  605,  5.  Saint- Martin, 
Memoires  sur  l'Armenie  II  356. 

*)  Tab.  II  nS^c,  13  ff.  verlegt  diesen  Zug  ins  Jahr  120  H. ,  gibt 
aber  gar  kein  Detail. 

^)  Belri^t\  ('.1 ,  3  ff.  erwähnt  die  Eroberung  von  Balangar  nicht, 
wohl  aber  Tabarl. 

Marquart,  Streifzüge.  " 


j^g  J.  Marquart, 

den  Chinesen  auch  Wön-na-scha  (=  *War-na-6a)  genannt  und 
als  Land  dei-  Hiung-nu  unter  dem  Namen  Sogdak  geschildert 
werde.  Ist  die  Gleichsetzung  von  Samandar,  dessen  Entfernung 
von  Itil  auf  acht  Tagereisen  angegeben  wird,  mit  Tarki  (Tarchu) 
östlich  von  Temii'chan-Schura  richtig,  so  muss  Balangar  an  einem 
der  Quellflüsse  des  Koi-su  (Sulak)  gelegen  haben. 

Die  Stadt  wird,  soviel  ich  sehe,  zuletzt  in  einem  im  Jahre 
269  H.  (882/83  n.  Chr.)  entstandenen  Preisgedichte  des  Dichters 
al  BuliturI  auf  Ishäq  b.  Kundäg,  einen  Offizier  chazarischer  Ab- 
kunft in  Diensten  des  Chalifen  al  Mu'tamid  erwähnt'),  scheint 
aber  seitdem  keine  Rolle  mehr  gespielt  zu  haben.  Es  ist  sehr 
fraglich,  ob  Balangar  damals  wirklich  noch  bekannt  war  oder  ob 
der  Dichter  den  Namen  nicht  lediglich  aus  den  Gedichten  der 
Eroberungszeit  kannte.  Sonst  wird  der  Ort,  soviel  ich  sehe,  zum 
letzten  Mal  beim  Feldzug  des  Marwän  b.  Muhammad  gegen  die 
Chazaren  im  Jahre  119  H.  (737/38)  erwähnt,  scheint  aber  damals 
seine  Wichtigkeit  als  Festung  bereits  verloren  zu  haben-).  In 
den  Kämpfen  des  Maslama  b.  'Abd  al  Malik  im  Jahre  ^113  H. 
(731/32  n.  Chr)  werden  auch  die  Berge  von  Balangar  ge- 
nannt =^),  ob  aber  die  Stadt  damals  noch  existiert  hat,  geht  aus 
der  Stelle  nicht  hervor.  Im  Jahre  104  H.  hatte  nämlich  al  Garräh 
b.  'Abdallah  al  Hakami  die  Stadt  und  die  Burgen  in  ihrer  Nähe 
erobert  und  einen  Teil  der  Bevölkerung  teils  im  Flusse  ertränkt, 
teils  gefangen  genommen,  worauf  die  Mehrzahl  auswanderte*). 
Damals    müsste    also    die   von    Mas'üdl   berichtete  Verlegung    der 

Residenz  nach  Itil  (tUsAJl)  stattgefunden  haben,  das  als  solche 
bei  Ibn  al  A^ir  a.  111  H.  (729/30  n.  Chr.)  und  119  (737  n.  Chr.) 
erscheint. 

Ibn  Chordä^bih  (schrieb  um  846/47)  kennt  bereits  Chatnlich 
(die  Oststadt  von  Itil)  als  Hauptstadt  der  Chazaren &)  und  al  BuhturI 
selbst  nennt  unter  den  Städten  der  Chazaren  al  Baidä'  (nach 
anderer  Lesart  Chamlich)  vor  Balangar*^).  Aus  Ibn  Rusta  und 
GurdezT  wissen  wir  aber,  dass  die  aus  Holzhäusern  bestehende 
Doppelstadt  Säry^'sär  -  Qapubaly/  den  Chazaren  nur  als  Winter- 
lager (Qyslaq)  diente,  während  sie  beim  Beginn  des  Frühlings  in 


1)  Ibn  Chord.  Iff,  13;    al  BuUturi,  Diwän  I  Vff-,    Jäq.  I  vr.,  14. 

vir,  uit.  II  fvi,  7.  ,  o,,  - 

2)  Ibn  al  A.^ir  V  160:   ^l-*:2^il  ,^i!  ^_^^\^  j<JJ^^»,  j^-^J  j*^ 
liL:>    L^xS     .,»Xj' ^^ül    d.i.    „(Marwäu)   passierte  Balangar  und 

Samandar  und  gelangte  nach  al-Baidä',  wo  der  Chäqän  residiert". 
»)  Tab.  II  lol.,  11. 

*)  Tab.  II  Iför,  2  a.  104;  vgl.  if'll',  4  a.  105.  lo^!,  3  a.  112. 
'')  Ibn  Chord.  Iff,  8.  12.   lof,  12.   !öo,  5. 
♦>)  S.  die  Anm.  1  angeführten  Stellen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  19 

die  Ebene  hinauszogen ').    Vielleicht  befand  sich  also  das  Sommer- 
lager (Jailaq)  der  Chazaren  bei  Balangar  (Waraöan). 

Man  könnte  versucht  sein,  dafür  auch  eine  Bestätigung  ni 
dem  angeblichen  Briefe  des  Chagans  finden  zu  wollen,  wo  es 
heisst:'  „Wir  wohnen  in  der  Stadt  (Itil)  den  ganzen  Winter;  im 
Monat  Nisan  aber  ziehen  wir  heraus  aus  der  Stadt  und  geht  jeder 
auf  sein  Feld  zu  seinem  Garten  und  zu  seiner  Arbeit.  Jedes  Ge- 
schlecht besitzt  sein  Erbgut,  weshalb  sie  aufbrechen  und  in  dessen 
Gebiet  lagern  in  Freude  und  Jubel.  Man  hört  da  keine  Stimme 
eines  Drängers;  kein  \yidersacher  und  kein  schlimmes  Begegnis 
ist  da  und  ich  und  meine  Fürsten  und  Knechte  brechen  auf  und 
gehen  20  Parasangen  weit,  bis  wir  den  grossen  Strom  erreichen, 
der  Warsän  iNT^m  heisst.  Von  da  ziehen  wir  herum,  bis  wir 
zum  Ende  der  Landschaft  gelangen"  2).  Dass  Familiengüter,  Äcker 
und  Gärten  bei  einem  Nomadenvolke  sonderbar  berühren,  darauf 
näher  einzugehen  ist  hier  nicht  der  Ort.  Unter  dem  hier  ge- 
nannten Flusse  Warsän  könnte  natürlich  nicht,  wie  Gas  sei 
(S.  104)  meint,  der  Araxes  (Erasx) ,  sondern  höchstens  der  Fluss 
von  Wara£  an  d.  i.  ,^iXA\  j.i  (Belä^.  M^,  2)  gemeint  sein.  AUein 
dabei  wäre  es  sehr  auffällig,  dass  wir  hier  einer  armenischen  und 
nicht,  wie  zu  erwarten,  der  arabischen  Namensform  begegnen 
würden.  Nun  spielen  aber  in  der  Bekehrungsgeschichte  des  Chazaren- 
königs  bei  Jehuda  Hallewi  „die  Berge  von  Warsän"'^)  eine 
Rolle.  Der  Chazarenfürst  offenbart  seinem  Wezier  den  gehabten 
Traum,  wie  auch  die  Wiederholung  des  Traumes: 

U.^>ui:..e5  ^^j*,  <3W^  S  ^^^*^'  ^'  ^-^^  Lf'^-^^  "^^^  V*^:^  O^- 
J,  LjoL/^  ^-ä>;5^  j-^t--^  ^^^  »j^^'  i3W-^  ty^^  ^ß}^i>  ^^-^^  ^tt*-=-- 
^5    O^aJ!    ^^A    ^J5    L^AJ   c:a.>..^j    ^^^=>    ,^^5    'ij^i\    ^<6>^    ^}^^ 

„dass  er  das  gottgefällige  Thun  in  den  Bergen  von  Warsän  suchen 
solle.  Sie  wanderten  nun  beide,  der  König  und  sein  Wezier,  zu 
dem  wüsten  Gebirge  am  Meere  und  gelangten  nachts  zu  jener 
Höhle,  in  welcher  die  Juden  jeden  Sabbat  zu  feiern  pflegten.  Sie 
offenbarten  sich  ihnen,  traten  in  ihren  Glauben  ein,  Hessen  sich 
in  dieser  Höhle  beschneiden  und  kehrten  in  ihr  Land  zurück,  be- 
gierig, das  jüdische  Gesetz  kennen  zu  lernen"*). 

1)  Ihn  Eusta  iH,  15  ff.;  GurdezT  bei  Barthold,  a.  a.  0.  S.  95  _ult. 
Vgl.  schon  Ps.  Mos.  Chor.  Geogr.  ed.  Soukry,  S.  26,  16  =  36  der  Übs. 

2)  Nach  dem  Texte  Buxtorfs.   Vgl.  P.  Cassel,  Der  chazarische 
Königsbrief  S.  80. 

3)  Die  einzige  Hs.  des  arabischen  Textes  liest  "i^lD^i,  die  Münchner 
Hs,  der  hebräischen  Übersetzung  "|ND"n  . 

•»)  Jehuda  Hallewi,  Das  Buch  al  Chazarl  hg.  von  Hartwig 
Hirschfeld  S.  68  =  50  der  Übersetzung. 

2* 


20  J-  Marquart, 

Es  ist   hier  offenbar   eine  Örtlichkeit    im    östlichen  Kaukasus 
wemeint      wo    die    Juden    zahlreich    waren.      Der    Hauptsitz    der 

ü      > 

Juden  im  Kaukasus  war  nun  !l\ä:>,  eine  Stadt,  die  12  Tagereisen 
(Stationen)  vom  Schloss  des  Herrschers  von  Sarlr  entfernt  war 
und  ein  eigenes  Fürstentum  unter  chazarischer  Oberhoheit  bildete, 
von  welchem  die  Einwohner  von  Bäb  al  abwäb  viel  zu  leiden 
hatten  (Ihn  Rasta  Ifv,  19  ff.;  Mas.  II  7,  39).  In  der  alten  Quelle 
des  Ibn  Rasta  (Muslim  b.  Abu  Muslim)  führt  der  Fürst  noch 
den  rein  persischen  Namen  At)'ar-Narse.  Derselbe  beteiligte  sich 
in  gleicher  Weise  am  Gottesdienst  der  drei  Hauptreligionen:  am 
Freitag  betete  er  mit  den  Muslimen ,  am  Sabbat  mit  den  Juden 
und  am  Sonntag  mit  den  Christen;  „so  oft  nun  jemand  zu 
ihm  kommt,  behauptet  er:  jede  Partei  von  diesen  Religionen 
fordert  zu  ihrer  Religion  auf  und  behauptet,  dass  die  Wahrheit 
in  ihrem  Besitze  sei,  während  es  ausser  ihrer  Religion  nur  Ii-rtum 
gebe.  Deshalb  hänge  ich  allen  an,  bis  ich  die  Wahrheit  der 
Religionen  erreiche".  Zu  Mas'udis  Zeit  war  dagegen  die  Dynastie 
muslimisch  und  beanspruchte  arabische  Abstammung  von  Qahtän. 
Der  Fürst  führte  den  Titel  ^^Lä^JLv.  (Mas.  II  39).  al  Garräh  b. 
'Abdallah  al  Hakami  hatte  im  Jahre  104  H.  hierher  die  Ein- 
wohner von  Chumrin  Qjj*i>  verpflanzt  (Bei.  I'.l,  7).  Maslama  b. 
'Abd  al  Malik  schloss  mit  den  Einwohnern  von  Gundfir  eine 
Kapitulation  ab  und  Hess  ihre  Festung  schleifen  (BeläJ.  r.v,  3 
a.  113  H.).     Die  Araber  lokalisierten  hier  die  Tötung  des  Knaben 

durch  Moses  (Sur.  18,  73),  bei  dem  Dorfe  (^.ji^y^W  dagegen  suchte 

man  den  Felsen,  bei  welchem  Moses  Unterkunft  gesucht  hatte 
(Sur.  18,  62):  ,der  Fels  ist  der  Fels  von  Sarwän,  das  Meer  das 
von  Gelän,  das  Dorf  das  Dorf  Bägarwän".  Vermutlich  haben 
bereits  die  Juden  Ereignisse  der  biblischen  Geschichte  bezw.  der 
rabbinischen  Sage  hier  lokalisiert,  und  sind  die  Araber  nur  in 
ihre  Fusstapfen  getreten. 

Ich  glaube  daher,  dass  wir  auch  die  Berge  von  Warsän  am 
Meere  und  die  dortige  Höhle ,  von  welchen  Hallewi  spricht  und 
an  die  sich  wohl  gleichfalls  geheimnisvolle  Sagen  knüpften,  bei 
Bägarwän  und  Gundär  zu  suchen  haben.  Unverkennbar  hängt  al)er 
mit  diesem  Gebirge,  welches  in  der  Bekehrungsgeschichte  eine  be- 
deutsame Rolle  spielt,  der  , grosse  Strom  Warsän"  im  Briefe 
des  angeblichen  Chazarenfürsten  zusammen,  m.  a.  W. ,  wir  haben 
hier  für  bn:>!n  'i'n^'b  „zum  grossen  Strome"  einfach  zu  lesen  'inb 
bn:ir!  „zum  grossen  Gebirge".  Mit  der  Stadt  ^.J^j^  Ward  an 
(Wardanakert  in  P'aitakaran),  wie  Hirschfeld^)  meint,  hat  das 


>)  Ibn  "Chord.  \rf,  3  ff.;  Ibu  al  Faq. J'av,  14  f. 

*)  Das  Buch  al  ChazarT,   deutsche  Übersetzung  S.  XXV  Anm.  1. 


Osteuropäische  und  ostasiatischc  Streifzüge.  21 

Gebirge  Warsän  nichts  zu  thun,  da  jene  Stadt  ja  in  einer  Ebene 
liegt,  die  nach  ihr  benannt  ist. 

Denkbar  wäre  dagegen,  dass  der  Verfasser  der  Vita  an  Sa- 
mandar  (jetzt  Tarchu)  gedacht  hätte,  wo  wenigstens  im  10.  Jahr- 
hundert ein  eigener  Fürst  residierte,  der  mit  dem  Fürsten  der 
Chazaren  verwandt  war  und  gleich  diesem  sich  zum  Judentum 
bekannte,  vermutlich  ein  Tudun  des  Chagans^).  Nach  al  Azhari 
wäre  Samandar  sogar  ursprünglich  Kesidenzstadt  der  Chazaren  ge- 
wesen '). 

Am  Hofe  des  Chagans  angelangt,  überwand  Konstantin  in 
einer  Disputation  siegreich  seine  jüdischen  und  sarazenischen 
Gegner  und  bewirkte  dadurch,  dass  200  Personen  sich  taufen 
Hessen,  reicientes  abominationes  paganorum  et  matrimonia  üle- 
güima.  Sie  waren  also  keine  Juden,  sondern  noch  Heiden.  Der 
Chagan  bot  dem  Apostel  reiche  Geschenke  an,  die  dieser  aber 
ausschlug,  indem  er  sich  nur  200  griechische  Gefangene  ausbat. 
Darauf  sandte  der  Chagan  folgenden  Brief  an  den  Kaiser:  misisti 
nobis,  domine,  virum,  qui  nos  edocuit,  fidem  chiistianorum  verbo 
et  re  sanctam  esse  .  et  persuasum  habentes,  hanc  esse  fidem  veram, 
praecepimus,  ut  baptizarentur  volentes,  sperantes ,  etiam  nos  id 
consecuturos  esse  .  nos  omnes  socii  et  amici  imperio  tuo  sumus  et 
parati  ad  serviendum  tibi,  ubicunque  volueris  (c.  11).  Mit  der. 
Vita  stimmt  der  Bericht  des  Überarbeiters  der  Translatio  (c.  1 
und  c.  6)  über  die  Reise  zu  den  Chazaren  ganz  überein,  nur  ist 
er  viel  kürzer  und  ungenauer.  Beide  gehen  aber  unzweifelhaft 
auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurück.  Viel  kürzer  ist  der  Bericht 
der  Vita  Methodii  c.  4.  Während  die  Vita  und  die  Translatio 
als  Gegner  des  Konstantin  Juden  und  Saracenen  nennen,  hat  er 
es  in  der  Vita  Methodii  nur  mit  Juden  zu  thun:  ibi  enim  (bei 
den  Chazaren)  Judaei  fidem  christianam  vehementer  increpitabant. 
Es  ist  in  der  That  möglich,  dass  die  Saracenen  in  den  beiden 
andern  Berichten  spätere  Zuthat  sind.  Über  den  Erfolg  heisst  es 
nur:  Methodius  precibus,  philosophus  vero  oratione  eos  vicit,  et 
ambo  pudore  eos  affecerunt. 

Von  der  Taufe  des  Chagans  selbst  ist  in  der  Vita  nicht  die 
Rede,  sie  wird  vielmehr  ausdrücklich  ausgeschlossen.  Dagegen 
heisst  es  in  einer  kurzen  Vita  des  Konstantin ,  die  einen  Auszug 
aus  der  grösseren  Legende  in  kirchenslawischer  Sprache  enthält: 
^Es  wurden  (dann)  geschickt  Gesandte  von  Zacharias,  dem  Fürst- 
Gaggan  an  Michael  den  Zaren,  um  einen  Mann  zu  holen,  welcher 
diese  (die  Chazaren)  zum  orthodoxen  Glauben  führen  könnte,  da 
sie    noch    nicht    Christen    wären    ....    Konstantin    der    Schrift- 


1)  Ist.  flT,  15;   Ibn  Hauq.  ^a^  19. 

2)  Bei  Jäqüt    s.  v.    .o\.Ä.fw   (Fr ahn   1.  1.  616  s.).      Vgl,   Mas'üdl, 
Murüg  II  7. 


22  J-  Marquart, 

gelehrte  unterrichtete  alles  Volk  und  den  Gaggan  im  orthodoxen 
Glauben   und   taufte    den   Gaggan    und    200  (seiner)  Genossen"  ^). 

K  u  n  i  k  erkennt  an ,  dass  die  kürzere  Vita  in  dem  Bericht 
über  die  Chazarenmission  von  der  grösseren  Legende  abhängig  sei, 
meint  aber,  dass  dem  Eedaktor  entweder  die  letztere  in  einer 
uns  nicht  bekannten  Abfassung  oder  noch  eine  andere  Quelle  vor- 
gelegen habe.  Wäre  dies  zutreffend,  so  würde  durch  den  Namen 
Zacharias,  welchen  die  kürzere  Vita  dem  Chagan  giebt,  bewiesen, 
dass  dieser  schon  vor  der  Ankunft  des  Konstantin  sich  zum  Juden - 
tume  bekannte.  Gegen  die  Echtheit  jener  Zusätze  der  kürzeren 
Vita  erheben  sich  jedoch  schwere  Bedenken.  Zunächst  lässt  sich 
kein  Grund  denken,  weshalb  die  längere  Vita  die  Taufe  des 
Chagans,  wenn  sie  wirklich  stattgefunden  hätte,  nicht  etwa  über- 
gangen ,  sondern  als  bevorstehend  hingestellt  hätte ,  während  es 
umgekehrt  leicht  begreiflich  ist,  wie  ein  Späterer  in  ungenauer 
und  übertreibender  Weise  auch  den  Chagan  selbst  getauft  werden 
Hess-).  Bei  diesem  Verhältnis  der  beiden  Texte  wird  man  auch 
Bedenken  tragen,  den  Namen  des  Chagans  für  echt  zu  halten,  da 
nicht  einzusehen  ist,  weshalb  ihn  die  längere  Vita  hartnäckig  ver- 
schwiegen hätte.  Ich  sehe  daher  in  dem  Namen  Zacharias  eine 
Interpolation,  welche  spätere  Vei'hältnisse  in  die  alte  Zeit  zurück- 
trägt •^). 

Die  Missionsreise  des  Konstantin  fällt  zwischen  851  und 
863  n.  Chr.  Wäre  nun  nicht  die  Angabe  des  Mas'üdl,  so  würde 
wohl  jedermann  aus  der  Erzählung  der  Vita  den  Schluss  gezogen 
haben,  dass  der  Übertritt  der  Chazaren  zum  Judentum  erst  nach 
jener  Missionsreise  des  Konstantin  stattgefunden  haben  kann,  wenn 
auch  damals  schon  die  Juden  einen  gi'ossen  Einfluss  im  Chazaren- 
reiche  ausübten  und  der  Chagan  mit  jüdischen  Vorstellimgen 
einigermassen  verti'aut  war.  Dies  wird  aber  gewissermassen  auch 
von  BekrT  vorausgesetzt,  der  ausdrücklich  angibt,  dass  der  damals 
noch  heidnische  Fürst  der  Chazaren  zuerst  das  Christentum  an- 
genommen hatte,  ehe  er  zum  Judentum  übertrat.  Eine  Kombina- 
tion der  Angabe  Bekris  und  der  Vita  führt  also  zu  dem  Schlüsse, 
dass  der  Chagan  der  Chazaren  zuerst  zwischen  851  und  863  von 
Konstantin  infolge  einer  Disputation,  in  welcher  er  die  jüdischen 
(und  muslimischen?)  Theologen  besiegt  hatte,  für  das  Christentum 


1)  S.  A.  Klinik,  Bulletin  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg  VIT, 
1864,  p.  398/99. 

2)  Paulus  Cassel,  Der  chazarische  Königsbrief  aus  dem  10.  Jahr- 
hundert S.  66  will  auch  auf  den  Ausdruck  hnez-gagan  in  der  kürzeren 
Vita  Gewicht  legen  und  darunter  nicht  den  Gross- Chagan ,  sondern 
den  Chagan-beg  verstehen.  Diese  Auffassung  scheitert  jedoch  an  der 
längeren  Vita. 

^)  Nach  Konstantin  Jirecck,  Das  christliche  Element  in  der 
topographischen  Nomenclatur  der  Balkanländer  S.  88  (SBWA.  Bd.  136, 
1897,  Nr.  XI)  ist  jene  Obdormitio  des  hl.  Cyrillus  spät  und  von  Hilfer- 
ding, Kunik  und  Bilbasov  überschätzt  worden, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  23 

gewonnen  worden  war,  ohne  aber  zunächst  selbst  die  Taufe  an- 
zunehmen. Bald  darauf  aber  unterlag  er  den  fortwährenden  Ein- 
flüssen der  Juden  und  trat  offiziell  zum  Judentum  über.  Ob  dies 
infolge  einer  abermaligen  Disputation  geschah ,  in  welcher  der 
wenig  schlagfertige  Bischof,  welchen  er  sich  von  den  Christen  er- 
beten hatte,  seinen  jüdischen  Gegnern  unterlegen  war,  wie  BekrT 
(und  ähnlich  der  angebliche  Brief  des  Chagans)  angibt,  oder  ob  diese 
Disputation  nur  ein  Nachhall  und  eine  Umbildung  der  des  Kon- 
stantin ist'),  wird  sich  vorläufig  nicht  feststellen  lassen.  Dass  bei 
Bekrl  von  einem  christlichen  Bischof  die  Rede  ist,  würde  nicht 
gegen  diese  Vermutung  sprechen.  Es  ist  nämlich  bemerkenswert, 
dass  Konstantin  in  späteren  Quellen  auch  den  Bischof stitel  er- 
hält ^).  Mas'üdis  Datum  für  den  Übertritt  des  Chagans  zum  Juden- 
tum muss  darnach  falsch  sein.  Wie  dieser  Irrtum  entstanden 
ist,  wird  sich  nicht  mit  Sicherheit  ermitteln  lassen,  so  lange  kein 
grösseres  Bruchstück  seines  ausführlichen  Berichtes  oder  einer 
Parallelerzählung  ans  Licht  kommt.  Immerhin  wird  es  kein  Zufall 
sein,  dass  seine  Angabe  sich  mit  der  oben  S.  3  mitgeteilten  Notiz 
des  Muqaddasl  zeitlich  sehr  nahe  berührt,  dass  al  Ma'mün,  der 
Sohn  des  Härün  ar  Rasid,  den  König  der  Chazaren  zur  Annahme 
des  Islams  aufgefordert  habe. 

Das  so  gewonnene  Ergebnis  erfährt  von  anderer  Seite  eine 
hübsche  Bestätigung.  Die  älteste  zeitgenössische  Erwähnung  des 
Übertritts  der  Chazaren  zum  Judentum  findet  sich  meines  Wissens 
im  Matthaeuskommentar  des  Christianus  Druthmar.  Dieser  be- 
merkt zu  Matth.  24,  14''):  Nescimus  iam  gentem  sub  caelo  in  qua 
Christiani  non  habeantur.  Nam  et  in  Gog  et  Magog,  quae  sunt 
gentes  Hunorum,  quae  ab  eis  Gazari  vocantur,  iam  una  gens  quae 
fortior  erat  ex  his  quas  Alexander  conduxerat,  circumcisa  est,  et 
omnem  Judaismum  observat.  Bulgarii  quoque ,  qui  et  ipsi  ex 
ipsis  gentibus  sunt,  cottidie  baptisantur.  Über  die  Lebenszeit  des 
Verfassers  hat  auch  die  Histoire  litteraire  de  la  France  V  86 
nichts  weiter  feststellen  können ,  als  dass  er  um  die  Mitte  des 
9.  Jahrhunderts  geschrieben  hat*),  wobei  gerade  die  obige  Angabe 
über  die  Bekehrung  der  Bulgaren  als  Argument  benutzt  wird. 
Die  Taufe  des  Bulgarenchans  Bogoris  fällt  wahrscheinlich  ins 
Jahr  864,  in  welchem  er  Ludwig  den  Deutschen  von  seinem  Ent- 
schluss,  Christ  zu  werden,  in  Kenntnis  setzte.  Schon  vorher  hatten 
nämlich  viele  Bulgaren  das  Christentum  angenommen^),  und  nach 


^)  So  schon  Schafarik,  Pamätky  dfevniho  pisemnictvi  Jiho- 
slovanuv.     Prag  1851  angeführt  bei  Kunik  a.  a.  0.  399/400  Anm.  7. 

2)  Friedrich,  Sitzungsber.  d.  bair.  Akad.  Phil. -bist.  Kl.  1892, 
S.  410  ff. 

^)  Maxima  bibliotheca  veterum  patrum  Lugdun.  XV  (1677)  p.  158. 

*)  Vgl.  Wetzer  und  Weite,  Kirchenlexikon  3.  Aufl.  Bd.  III, 
2087—2090. 

^)  Mansi  XV,  457 :  quia  vero  dicis  quod  christianissimus  rex  speret, 


24  J-  Marqiiart, 

Empfang  der  Taufe  zwang  Bogoris  dieselbe  auch  allen  seinen  noch 
heidnischen  Unterthanen  auf.  DerMatthaeuskonimentar  desDruthmar 
wird  also  etwa  im  Jahre  864  oder  kurz  vorher  geschrieben  sein. 
Dann  gehört  aber  gewiss  auch  die  Annahme  der  Beschneidung 
durch  die  Haupthorde  der  Chazaren  (quae  foi'tior  erat)  der  aller- 
jüngsten  Vergangenheit  an,  und  kann  sehr  wohl  in  der  Zeit  seit 
der  Rückkehr  des  Konstantin  von  seiner  Missionsreise  unter  ihnen 
erfolgt  sein. 

Für  diese  Ansicht  lässt  sich  auch  eine  Stelle  des  Belä^orl 
(S'.S^,  15)  anführen,  welcher  berichtet,  dass  der  Türke  Bo/ä,  der 
Klient  des  Chalifen  al  Mu'tagim  billäh,  als  Statthalter  von  Armenien, 
Äclarbaigän  und  Simsät  die  Stadt  Samkör  im  Jahre  240  H.  (854/55 
n.  Chr.)  wieder  bevölkerte  und  daselbst  Chazaren  ansiedelte ,  die 
wegen  ihrer  Hinneigung  zum  Islam  zu  ihm  gekommen  waren, 
um  sich  in  seinen  Schutz  zu  begeben.  Dieses  merkwürdige  Er- 
eignis würde  sich  ohne  Frage  am  leichtesten  erklären,  wenn  eben 
damals  von  selten  der  chazarischen  Regierung  ein  Druck  auf  ihre 
Unterthanen  ausgeübt  wurde  zu  gunsten  der  Bekehrung  sei  es 
zum  Christentum  oder  zum  Judentum.  Gar  keine  Schlüsse  will 
ich  dagegen  aus  der  Angabe  des  R.  Chisdai  ziehen ,  dass  er  erst 
durch  chorasanische  Kaufleute  und  später  durch  Gesandte  aus 
Konstantinopel,  die  nach  Cordova  an  den  Hof  des  Chalifen  ge- 
kommen seien,  von  der  Existenz  eines  jüdischen  Königs  im  Cha- 
zarenlande  gehört  habe.  Denn  dies  muss  unter  allen  Umständen 
als  eine  selbst  für  einen  spanischen  Juden,  geschweige  für  den 
Minister  des  Gebieters  der  Gläubigen  strafbare  Unwissenheit  be- 
zeichnet werden,  um  so  mehr,  da  bereits  Ibn  Chordä^bih  100  Jahre 

früher  berichtet,  dass  die  weitgereisten  „wegkundigen"  (K>.iiJ^Sityi) 

jüdischen  Kaufleute  aus  Spanien  u.  a.  auch  regelmässig  auf  dem 
Landwege  durch  die  Länder  der  Slawen  bis  nach  Chamlich ,  der 
Hauptstadt  der  Chazaren  kamen  (Ibn  Chord.  ioö,  4  ff.). 

Ein  früheres  Datum  für  die  Annahme  des  Judentums  durch  die 
Chazaren  wäre  freilich  anzunehmen,  wenn  der  ganze  Bericht  über 
die  Chazaren,  von  dem  wir  Reflexe  bei  Ibn  Rusta,  Bekrl  und  GurdezI 
besitzen,  aus  einer  Schrift  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  al  Garmi  (s.  u. 

S.  28  f.)  stammen  würde.  Denn  es  heisst  hier  ausdrücklich :  ^^>jj^^ 

i^UlixJt»  d.  h.  „ihr  oberster  Fürst  bekennt  sich  zur  Religion  der 
Juden,  und  ebenso  der  lsä§  {Äj-sad  =  Äl-sad)  und  die  Offiziere 


quod  ipse  rex  Vulgarorum  ad  fidem  velit  converti  et  iam  multi  ex 
ipsis  christiani  facti  sint  elc.  Vgl.  E.  Dümmler,  Gesch.  des  ostfränk. 
Reiches  II  628.  .       . 

1)  So  Gurdczl  bei  Bart  hold  a.  a.  O.  S.  Ü5,  20;  Ibn  Rusta  L^jI, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  25 

und  Grrossen  die  wie  er  gesonnen  sind''^).  Doch  ist  jene  Annahme, 
wie  ich  glaube ,  nicht  unbedingt  notwendig.  Die  unmittelbare 
Quelle  des  Ibn  Rusta,  Gnrdezi  und  Bekri  in  den  Berichten  über  die 
Chazaren,  Magyaren,  Burtäs ,  Wolga-Bulgaren,  Pe^enegen,  Eussen, 
Slawen  und  Burgän  (Donau-Bulgaren)  ist,  wie  wir  jetzt  mit  Be- 
stimmtheit sagen  können ,  das  Kitäb  al-Masälik  wa'1-Mamälik  des 
Gailiäm^  welches  dieser  als  Wezier  des  Samaniden  Na^r  b.  Ahmad 
(seit  301  H.  =  913/14  n.  Chr.)  unter  Zugrundelegung  des  gleich- 
namigen älteren  Werkes  des  Ibn  Chordä(5bih  verfasste-).  Dies 
ergibt  sich  unzweideutig  aus  dem  allen  drei  Autoren  gemeinsamen 
Berichte  über  die  Wolga-Bulgaren,  welcher  bereits  weiss,  dass  der 
Fürst  der  Bulgaren  und  die  meisten  seiner  Unterthanen  sich  zum 
Islam  bekennen  und  es  in  ihren  Wohnorten  Moscheen  und  Schreib- 
schulen ,  sowie  Gebetsausrufer  und  Imäme  gibt ,  ja  sogar  den 
Namen  dieses  Fürsten,  ^i\  Almys  kennt  '^).  Wir  kennen  die  Zeit 
der  Bekehrung  der  Bulgaren  nicht  ganz  genau,  wir  wissen  nur 
dass  sie  unter  der  Regierung  des  Chalifen  al  Muqtadir  statt- 
gefunden hatte*).  Sie  kann  aber  nicht  lange  vor  das  Jahr  309  H. 
fallen,  da  der  Fürst  Almys  in  diesem  Jahre,  offenbar  bald  nach 
seiner  Bekehrung,  eine  Gesandtschaft  an  den  Chalifen  sandte, 
welche  um  Männer  bitten  sollte,  um  ihn  in  der  Religion  zu  unter- 
richten und  die  heiligen  Gebräuche  des  Islams  zu  lehren,  ihm 
eine  Moschee  zu  erbauen  und  eine  Kanzel  zu  er- 
richten. Bei  der  Gesandtschaft,  die  der  Chalifa  darauf  abordnete 
und  die  über  Gurgäng  in  Chwärizm  und  Itil  nach  Bul;'är  reiste, 
befand  sich  bekanntlich  Ahmad  b.  Fadlän,  der  einen  Bericht  über 
die  Erlebnisse  der  Gesandtschaft  verfasste.  Dieselbe  brach  am 
11.  gafar  309  (21.  Juni  921  n.  Chr.)  von  Bagdad  auf  und  langte 
am  12.  Muharram  310  (11.  Mai  922)  in  Bul^är  an.  Sie  traf 
bei  den  Bulgaren  bereits  Gebetsausrufer,  aber  eine  ausgebildete 
Organisation  mit  Moscheen,  Schreibschulen  und  Imämen,  wie  sie 
der  Bericht  des  Ibn  Rusta  und  GurdezI  voraussetzt,  besass  der 
Islam  nach  dem  Bericht  Ibn  Fadians  vor  Ankunft  der  Gesandt- 
schaft des  Chalifen  unter  den  Bulgaren  offenbar  noch  nicht. 

Daraus   ergibt    sich,    dass   der  dem  Ibn  Rusta,  GurdezI  und 


1)  Ibn  Rusta  in,  12 ;  GurdezI  a.  a.  0.  S.  95,  22. 

2)  Vgl.  de  Goeje,  Bibl.  Geogr.  Arab.  V  p.  XI. 

•■»)  Ibn  Rusta  \f\,  9—10.  16.  ifr.  1;  GurdezI  bei  Barthold  a.a.O. 
S.  97,  13.  20—21;  Bekrl  bei  Kunik  und  Rosen,  H^Ricria  aji-BeKpa 
H  ÄpyrHx-b  aBTOpoBi  0  PycH  h  CjiaBaHaxt  S.  45,  1—2.  Bei  Bekri  ist  der 
Name  zu  .äaÜ  ,  bei  GurdezI  zu  ,.»X«1  entstellt. 

*)  Jaq.  s.  V.  ^Lib.  Vgl.  Fr  ahn,  Die  ältesten  arabischen  Nach- 
richten über  die  Wolga-Bulgaren,  Mem.  de  TAcad.  de  St.  Petersbourg 
VI.  Ser.  t.  I  (1832),  526  ff.  565.  Mas'üdls  Angabe  (11  16j,  dass  die  Be- 
kehrung nach  dem  Jahre  310  H.  infolge  eines  Traumes  erfolgt  sei,  hat 
natürlich  keinen  Wert. 


26  J-  Marquart, 

Bekri  zu  Grunde  liegende  Bericht  über  die  Wolga-Bulgaren  erst 
nach  der  Rückkehr  jener  Gesandtschaft  von  Bul/är,  also  nach 
310  H,  (922  n.  Chr.)  geschrieben  sein  kann.  Bekri  nennt  nun 
in  der  Beschreibung  des  Oxuslaufes  S.  25,  16  ff. ,  die  sich  ganz 
ebenso  auch  bei  Ibn  Rusta  91,  13  ff.  wiederfindet,  ausdi-ücklich 
den  al  Gaihänl  als  Quelle,  und  dasselbe  dürfen  wir  nach  dem  Ge- 
sagten auch  für  die  Berichte  über  die  Wolga  -  Bulgaren ,  sowie 
über  die  übrigen  Nordvölker  annehmen.  Gurdezi,  der  unzweifel- 
haft aus  derselben  Quelle  schöpft  wie  Bekri  und  Ibn  Rusta  und  mit 
letzterem  fast  wörtlich  übereinstimmt,  nennt  S.  103  unter  seinen 
Quellen  an  erster  Stelle  das  Werk  des  Gaihänl.  Daraus  ergibt 
sich,  dass  alle  drei  Schriftsteller  in  den  ihnen  gemeinsamen  Kapiteln 
über  die  Nordvölker  das  Werk  des  Gaihäni  ausgeschrieben  haben  *), 
welches  nach  dem  Jahre  310  H.  (922/23  n.  Chr.)  verfasst  sein 
muss.  Der  Anwalt  des  nabatäischen  und  des  karäischen  Herodot 
(Ibn  Wahsija  und  Firkowitsch)  hat  es  aber  trotzdem  fertig  ge- 
bracht, aus  den  Nachrichten  Ibn  Rustas  über  die  Wolga-Bulgaren 
zu  schliessen,  dass  dieser  vor  dem  Jahre  301  H.  (913/14  n.  Chr.) 
geschrieben  habe-). 

Gaihäni  hat  nun  in  sein  Werk  unzweifelhaft  sehr  alte  Be- 
richte aufgenommen,  dieselben  aber  vielfach  mit  jüngeren  Bestand- 
teilen verbunden,  ohne  dies  irgendwie  äusserlich  kenntlich  zu 
machen.  Zu  diesen  jüngeren  Elementen  gehört  namentlich  auch 
der  Reisebericht  des  Härün  b.  Jahjä,  der  als  Kriegsgefangener 
nach  Konstantinopel  kam  und  von  dem  die  Beschreibung  von 
Konstantinopel  und  des  Weges  von  da  nach  Rom  herrührt'^). 
Weiteres  über  ihn  später.  Der  Bericht  über  die  Chazaren  enthält 
nun  unstreitig  sehr  altertümliche  Züge :  so  die  türkischen  Namen 
der  beiden  Hauptstädte,  den  Titel  des  Majordomus  öL/iXj( ,  vor 
allem  aber  die  Nachrichten  über  das  Heerwesen  und  die  nomadische 
Lebensweise  der  Chazaren.  Daneben  aber  finden  sich  doch  einzelne 
Angaben,    die    auf  jüngeren  Ui'sprung    zu    weisen    scheinen.     Ich 


^)  Dass  Gaihänl  die  gemeinsame  Quelle  des  Ibn  Rusta,  Bekri  und 
Gurdezi  ist,  hat  auch  Geza  Kuun,  Keleti  Kütfök  S.  8  ff .  erkannt, 
aber  auf  Grund  ganz  anderer  Erwägungen.  Herr  Prof.  v.  Lenhossek 
hatte  die  Güte,  mir  die  Einleitung  vorzuübersetzen.  S.  10  führt  der 
Verf.  aus,  die  Bemerkung,  dass  einer  der  beiden  Flüsse  im  Magyaren- 
lande grösser  sei  als  der  Gaihün  (Oxus) ,  weise  auf  Gaihäni ,  der  die 
Gewohnheit  hatte,  alle  Flüsse  mit  denen  seiner  eigenen  Heimat  zu  ver- 
jlleichen.  Besonders  aber  spreche  für  Gaihäni  die  charakteristische 
Form  der  Darstellung,  die  auf  Erdmessung  und  physikalische  Geographie 
l)esonderc  Rücksicht  nahm,  während  bei  den  andern  Geographen  ethno- 
graphische und  historische  Gesichtspunkte  im  Vordergrunde  standen. 
Nach  Kuun  hätte  Gaihäni  sein  Werk  wahrscheinlich  noch  vor  907 
geschrieben.  Er  steht  hier  unter  dem  Banne  der  sonderbaren  Beweis- 
führung C  h  w  0 1  s  0  n  s. 

2)  Angeführt  bei  de  Goeje,  Bibl.  Geogr.  VIT,  p.  VI. 

3)  Ibn  Rusta  iil ,  2    in,  4.  6.  23.   in,  24.    T.,  1. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  27 

will  kein  Gewicht  darauf  legen,  dass  der  Bericht  als  Feinde  der 
Chazaren  nur  die  Peöenegen  kennt  i),  während  der  Berieht  über 
die  Magyaren  noch  eine  Spur  davon  bewahrt  hat,  dass  in  der 
ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  noch  die  Magyaren  das  Chazaren - 
reich  bedrängten-).  Dagegen  scheint  mir  die  Angabe,  dass  es  in 
den  beiden  Hauptstädten  zahlreiche  Muslime  mit  Moscheen  und 
Schreibschulen,  Imämen  und  Gebetsausruf em  gebe,  auf  eine  spätere 
Zeit  zu  weisen. 

Sollte  es  sich  aber  dennoch  herausstellen ,  dass  der  Bericht 
einheitlich  ist  und  aus  der  Feder  des  Muslim  b.  Abu  Muslim 
stammt,  so  hätten  wir  Mas'üdis  Datum  für  die  Annahme  des  Juden- 
tums als  korrekt  anzuerkennen.  In  der  Erzählung  Bekrls  hätte 
sich  dann  zwar  eine  richtige  Erinnerung  an  die  zeitweilige  An- 
nahme des  Christentums  durch  den  Chazarenfürsten  infolge  der 
Mission  des  Konstantin  erhalten ,  allein  dieselbe  wäre  fälschlich 
vor  den  Übertritt  zum  Judentum  gesetzt,  was  bei  der  ephemeren 
Dauer  jener  Bekehrung  leicht  begreiflich  wäre.  Ist  dagegen  unsere 
obige  Annahme  richtig,  so  haben  die  chazarischen  Füi-sten  nur 
etwa  ein  Jahrhundert  lang  der  jüdischen  Religion  gehuldigt. 

Schon  vor  der  förmlichen  Annahme  des  Judentums  scheint 
der  kriegerische  Geist  unter  den  Chazaren  geschwunden  zu  sein. 
Wenn  wir  Mas'ödls  Datum  für  jenes  Ereignis  annehmen  dürften, 
so  wären  wir  geradezu  berechtigt,  diese  Abnahme  des  kriegerischen 
Sinnes  mit  der  Annahme  der  neuen  Religion  in  ursächlichen  Zu- 
sammenhang zu  bringen.  Jedenfalls  hat  dieselbe  aber  diese  Ent- 
wicklung beschleunigt,  und  an  den  Chazaren  haben  sich  die  Be- 
fürchtungen bestätigt,  welche  räuberische  Nomadenvölker  jederzeit 
von  friedfertigen  Religionen  hegten^). 


3.    Die  ältesten  Berichte  über  die  Magyaren. 

Schon  ums  Jahr  833  baten  der  Chagan  und  der  Beg*) 
(Wezier)  der  Chazaren  den  Kaiser  Theophilos  (829 — 842),  ihnen 
gegen  die  Einfälle  der  Nomaden  eine  Festung  zu  erbauen,  worauf 
dieser    den    Spatharokandidatos    Petronas    absendet,    welcher    den 


1)  Ibn  Rusta  \f,,  5;  GurdezI  a.  a.  0.  S.  96,  4. 
")  Ibn  Rusta  iff,  1  flf. 

^)  So  z.  B.  das  Hunnenheer  des  Sanesan,  Fürsten  der  Mask'ut'k' 
bei  Faustos  von  Byz.  3,  6.  Aus  denselben  Gründen  ist  der  Türke 
Tonjukuk  ein  Gegner  des  Buddhismus,  Journ.  asiat.  1864,  2,  460  s. 
Deguignes  I  579. 

*)  Konstantin  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c  42,  p.  178,  2  ist  zu 
lesen:  5  ydp  x«yävos  xai  6  nix  Xa^agias  füi'  6  xai  nix  X.,  wie  das 
folgende  Prädikat  im  Plural  zeigt.  Konstantin  hat  also  so  gut  wie  die 
Araber  zwischen  dem  Chagan  und  seinem  Majordomus  zu  unterscheiden 
gewusst. 


28  J-  Marquart, 

Chazaren  die  Backsteiiifestung  Sarkel  am  Don  erbaut  i).  Hierauf 
bezieht    sich    eine    Stelle    im   Bericht    des    Ibn    Rusta    über    die 

Magyaren    S.  Ift*',  1    ed.   de  Goeje:    ^^Xü'S   Uxs  ^jü    ^^,!    ^^üü^, 

*.$>l3^J  Ä.4.i>Uil  d.  h.   „Es  heisst,  dass  die  Chazaren  einstmals  sich 

selbst  mit  einem  Graben  umgeben  hatten  aus  Besorgnis  vor  den 
Magyaren  und  andern  ihrem  Lande  benachbarten  Völkern".  In 
dieser  Notiz  ist  allerdings  nur  von  einem  Graben  die  Rede,  während 
Konstantinos  Porphyrogennetos  von  einer  Backsteinfestung  Sarkel 
am  Don  spricht.  Ich  glaube  aber  trotzdem,  dass  beide  Berichte 
auf  dasselbe  Ereignis  zu  beziehen  sind  und  sich  gegenseitig  er- 
gänzen. Es  wird  sich  um  ein  ganzes  Befestigungssystem  handeln, 
von  welchem  der  Byzantiner  nur  das  wichtigste  Stück,  die  Festung 
Sarkel  hervorhebt.  Aus  Ibn  Rusta  erfahren  wir  noch,  dass  diese 
Befestigungen  in  erster  Linie  gegen  die  Einfälle  der  Magyaren 
gerichtet  waren,  die  sich  damals  also  besonders  lästig  gemacht 
haben  müssen 2).  Gegen  die  PeSenegen  kann  Sarkel  nicht  ursprüng- 
lich angelegt  worden  sein,  da  diese  damals  noch  östlich  von  der 
Wolga  Sassen.  Dies  spricht  sehr  für  die  Vermutung  Harkavys^), 
dass  die  Hauptquelle  einer  Reihe  von  Nachrichten  über  das  by- 
zantinische Reich  und  die  osteuropäischen  Länder  bei  den  älteren 
arabischen  Geographen,  wie  Ibn  Chordä^bih,  Ibn  al  Faqih  u.  a. 
eine  Schrift  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  al  Garmi  gewesen  sei. 
Dies  gilt  vor  allem  von  den  Berichten  über  die  Chazaren,  Magyaren, 
Peßenegen,  Burdas,  Wolga  -  Bulgaren ,  Slawen,  Russen,  Burgän 
(Donau -Bulgaren)  bei  Ibn  Rusta,  Bekri  und  Gurdezi,  die,  wie  wir 
gesehen  haben,  zunächst  aus  Gaihänl  schöpfen.  Über  jenen  sonst 
fast  unbekannten  Schriftsteller  berichtet  Mas'üdi,  Kitäb  attanbih 
II.,  25:  „Er  hatte  in  den  Grenzfestungen  (,jjü)  seinen  Wohnsitz 
und  kannte  die  Romäer  und  ihr  Land.  Er  hat  Schriften  verfasst 
über  die  Geschichte  der  Romäer,  über  ihre  Könige  und  Würden- 
träger, ihr  Land,  seine  Strassen  und  Wege,  die  Zeiten  des  Einfalls 
in  dasselbe,  die  Kriegszüge  gegen  dasselbe  und  die  benachbarten 
Königreiche,  die  Burgän  (Donau-Bulgaren),  Avaren,  Bur/ar  (Kuban- 


1)  Muralt,  Essai  de  Chronographie  byzantine  I  415  setzt  das 
Ereignis  ins  Jahr  833,  Graf  Geza  Kuun,  Kelationum  Hungarorum 
cum  gentibus  orientalibus  liistoria  aiitiquissima  I  86  ins  Jahr  835. 

2)  Vämbf5ry,  Ursprung  der  Magyaren  S.  125,  der  den  Bericht 
auf  die  spätem  Sitze  der  Magyaren  in  Panuonien  bezieht,  versteigt 
sich  zu  der  grotesken  Annahme,  dass  „hier  unter  Khazarcn  nur  die  vor 
der  Einwanderung  der  Magyaren  in  Pannonicn  ansässigen  Khazarcn 
verstanden  werden" ! 

'')  Skazanija  musulmanskicht  pisatelej,  St. Petersburg  1870,8.29-34, 
181,  286,  citiert  bei  Harkavy,  Sur  un  passage  des  Prairics  d'or  con- 
cernant  Thistoire  ancicnne  des  Slaves  in  den  Arbeiten  des  Petersburger 
Orientalistenkongresses  1876,  Bd.  II  338  s. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  29 

Bulgaren?),  Slawen,  Chazaren  u.  a."  Er  befand  sich  unter  den 
Kriegsgefangenen  von  Zibatra  (Sozopetra) ,  die  im  Jahre  231  H. 
(845/46)  losgekauft  wurden.  Ibn  Chordä^bih  hat  seine  Schriften 
bereits  benutzt  (ed.  de  Goeje  i.o,  5),  leider  wissen  wir  aber  nicht 
mit  Sicherheit,  ob  dieses  Citat  sich  schon  in  der  ersten  Ausgabe 
des  Werkes  Ibn  ChordaJbihs  (um  232  H.  =  846/47  n.  Chr.)  oder 
erst  in  der  spätem  nicht  vor  272  H.  vollendeten »)  fand.  Doch 
ist  ersteres  wahrscheinlich,  da  es  sich  auch  in  der  Handschrift  B 
findet,  welche  nach  de  Goeje  eine  nach  der  ersten  Ausgabe  an- 
gefertigte Abkürzung  des  Werkes  darstellt.  Dann  muss  Muslim 
schon  zur  Zeit  jenes  Loskaufs  als  Schriftsteller  bekannt  gewesen 
sein.  Ein  besonders  eklatantes  Beispiel  für  das  Alter  dieser  Haupt- 
quelle für  die  Ethnographie  des  Nordens  ist  die  Bemerkung  bei 
Ibn  Eusta  ir.,  11,  dass  Britannien  von  7  Königen  beherrscht 
werde-).  Bekanntlich  war  aber  die  angelsächsische  Heptarchie 
schon  durch  den  westsächsischen  König  Ecgbert  beseitigt  und 
England  seit  dem  Jahre  827  geeinigt  worden.  Auch  die  Be- 
schreibung der  Sitze  der  Pec^enegen  bei  BekrT  und  Gurdezi  '^)  weist 
auf  die  Zeit  vor  839  zurück.  Beachte  auch  die  Namensform 
^LfVä^,  genauer  bei  Ibn  Chord.  \^],  9  und  al  Baihaqi  (bei  Abul- 

fedä,  Geogr.  I  f.1 ,  7  =  II  1,  293)  •L.^äi>  für  späteres  ^L^äs 
Qypcaq.  Insbesondere  spricht  für  jene  Hypothese  auch  der  Um- 
stand, dass  sich  bei  Bekrl  neben  den  aus  Gaihäni  (Härün  b.  Jahjä) 
und  Ibrahim  b.  Jaqüb  entnommenen  Nachrichten  über  die  christ- 
lichen Bulgaren  noch  ein  Bericht  über  die  heidnischen  Burgän 
(Donau-Bulgaren)  findet,  die  mit  Romäern,  Slawen,  Chazaren  und 

1)  de  Goeje,  Bibl.  Geogr.  Arab.  VI,  p.  XX. 

^)  Diese  Bemerkung  kann  natürlich  nicht  von  Harun  b.  Jahja 
stammen.  Offenbar  hat  dieser  dieselbe  mit  der  Beschreibung  des  Weges 
von  Rom  nach  Britannien  aus  einem  älteren  Werke  übernommen.  Für 
die  eigene  Zeit  des  Härün  ergibt  sich  aus  der  Notiz,  dass  die  makedo- 
nischen Slaven  unter  dem  König  (j-yvwJ  d.  i.  dem  Kaiser  Basüeios  I. 
867—886  das  Christentum  angenommen  hatten  (S.  il*v,  15),  als  terminus 
a  quo  das  Jahr  867.  [Vgl.  de  Goeje  bei  Westberg,  Ibrählm's- 
Ibn-Jä'küb's  Reisebericht  über  die  Slawenlande  S.  127.  156.  Mem.  de 
l'Acad.  de  St.-Petersbourg  Vllle  Sör.  t.  III  ur.  4,  1898.  Korrekturzusatz.] 
Dieselbe  Angabe  hat  auch  Bekrl  übernommen  (Kunik  und  Rosen, 
Izvestija  al-Bekri  S.  38,  4),  der  sie  der  abweichenden  des  Juden  Ibrahim 
b.  Ja'qüb  gegenüberstellt.  Dagegen  ist  die  Angabe,  dass  die  eigentüm- 
liche Ceremonie,  welche  der  Papst  jährlich  am  Gründonnerstag  im 
Grabe  des  Apostelfürsten  vornehmen  soll,  bereits  seit  900  Jahren  geübt 
werde  (ifi,  4),  auf  jeden  Fall  um  100  Jahre  zu  hoch  gegriffen.  Vom 
traditionellen  Todesjahr  der  Apostelfürsten,  67  n.  Chr.,  führen  uns 
800  Jahre  gerade  bis  867  n.  Chr.  Auf  eine  wenig  spätere  Zeit  weist 
der  Bericht  über  die  Slaven,  nach  welchem  Swatopluk  (870 — 894)  noch 
auf  der  Höhe  seiner  Macht  steht. 

")  Kunik  und  Rosen,  HsBicxifl  aj-BcKpH  S.  42,  17;  Gurdezi 
bei  Göza  Kuun,  Keleti  Kütfok  S.  14  f. 


30  J-  Marquart, 

Türken  üS^JcJI  im  Kriege  liegen').  Unter  diesen  Türken  können  nur 
die  Magyaren  unter  ihrem  gewöhnlichen  byzantinischen  Namen 
TovQ'/.oi  gemeint  sein.  Höchstwahrscheinlich  denkt  der  Verfasser 
dabei  an  den  Einfall  der  Magyaren  ins  Gebiet  der  Bulgaren  im 
Jahre  839  oder  840  (s.  unten). 

Der  Erfolg  jener  Grenzbefestigung  zeigte  sich  ebenso  rasch 
wie  einst  bei  der  grossen  chinesischen  Mauer;  die  nunmehr  vom 
Gebiete  der  Chazaren  abgesperrten  Nomaden  suchten  in  der  Ferne 
Beute  und  schon  im  Jahre  839  oder  840  erscheint  auf  den  Hilferuf 
der  vom  Bulgarenkan  Krum  aufs  linke  Donauufer  verpflanzten 
makedonischen  Slawen  eine  unzählbare  Menge  von  Magyaren  (in 
den  Quellen  abwechselnd  Ovyyooi,  Tovqxov  und  Ovvvoi-  genannt) 
an  der  Donau-). 

Als  so  den  Magyaren  die  Macht,  dem  Chazarenreiche  zu 
schaden,  genommen  war,  entwickelte  sich  bald  zwischen  den  beiden 
Völkern  ein  gutes  Einvernehmen ,  und  die  Magyaren  gerieten  in 
eine  Art  Abhängigkeit  vom  Chagan.  Die  alte  Quelle  des  Gaihäni 
(s.  0.)  lässt  sie  zwischen  zwei  Flüssen  wohnen ,  deren  Fischreich- 
tum ihre  Hauptnahrungsquelle  bildete  und  von  denen  der  eine 
grösser  als  der  Oxus  sein  soll.  Ibn  Rusta  teilt  die  Namen  der 
beiden  Flüsse  nicht  mit,  bei  GurdezT  dagegen  werden  sie  J^j"! 
liil  und  Lj»l>  genannt,  bei  Sukru'lläh  b.  Sihäb  .y^'J]  und  Ls^  ^). 
Das  nächstliegende  wäre,  an  die  Wolga  (Itil)  und  den  Don*) 
zu  denken,  also  Li^J  zu  emendieren.  Allein  die  Wolga  wird 
durch  Ibn  Rustas  ausdrückliche  Angabe  ausgeschlossen ,  dass 
beide  Flüsse  ins  Romäermeer  d.  h.  ins  Schwarze  Meer  münden^). 


»)  Bekrl  S.  45,  19  ff. 

2)  Theoph.  Cont.  V  5—9;  Leo  Diac.  231,  13—234,  48;  Georg. 
Monach.  ed.  Bonn.  530.  de  Muralt  verlegt  dies  Ereignis  ins  Jahr  837, 
s.  aber  Geza  Kuun   1.  1.  I  132. 

^)  ^j.!«jd!  x^^i,  verfasst  a.  862  H.  =  1556,  bei  Hammer, 
Sur  les  origines  russes  p.  108,  9  =  47  d.  Übs.  Muhammad  al  Kätib, 
der  in  seinem  ;^j.\y^\  ,t/eL>  (verfasst  982  H.  =  1574)  den  Sukru'Uäh 
kompiliert,  schreibt  Lls^ ;   eb.  124,  1  =  65. 

*)  An  die  Donau  (bei  Mas'üdT,  Tanbih  1v,  14  ^>.iO,  Ut^,  16  ^i^^) 
darf  hier  nicht  gedacht  werden,  da  der  Bericht  durchaus  auf  die  alten 
Sitze  der  Magyaren  im  Dongebiet  weist,  wenn  man  nicht  etwa  eine 
spätere  Interpolation  im  ursprünglichen  Berichte  annehmen  will.  In 
diesem  Falle  böte  sich  zur  Erklärung  dar,  dass  in  der  Chronik  von 
Dubnica  der  Name  Etel  den  Dnjestr  bezeichnet  (Geza  Kuun  1.  1.  I  189). 
Unter  den  beiden  Flüssen  hätte  man  dann  den  Dnjestr  und  die  Donau 
zu  verstehen ,  welche  die  Grenzen  des  Magyarengebietes  in  Atelkuzu 
angeben  würden. 

'^)  Ibn  Rusta  ifP,  12;  GurdezI  bei  Bartbold  S.  98,  10  sagt: 
(AXM   Lj.O      .\    -J     ..y^:>-   O».    :i    iS  statt  ;;J!  ^O    »S . 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzügo.  31 

Den  Don  kennen  die  Araber  überdies  sonst  unter  seinem  grie- 
chischen Namen  Tanais  i).  Dazu  kommt,  dass  die  Sitze  der 
Magyaren  gegen  Osten  sicherlich  nicht  bis  zur  Wolga  reichten. 
Die  Beschreibung  der  beiden  Flüsse  bei  GurdezT  ist  sehr  unklar 
und  wimmelt,  wie  der  ganze  Bericht  über  die  Magyaren,  von 
Übersetzungsfehlern.  „An  jenem-)  Strom  (Gaihün),  der  zur  Linken 
von  ihnen  auf  der  Seite  der  Slawen  ist,  sind  Leute  von  den 
Romäern,  sämtlich  Christen,  die  man  ^^xi  Nandar  nennt.  Sie 
sind  zahlreicher  als  die  Magyaren,  aber  schwächer  .  .  .  Wenn  die 
Magyaren  am  Ufer  des  Flusses  sind,  sehen  sie  diese  Nandari's. 
Oberhalb  der  Nandari's  am  Ufer  des  Flusses  ist  ein  grosses  Ge- 
birge, und  an  der  Seite  dieses  Gebirges  kommt  Wasser  heraus". 
Noch  unbestimmter  drückt  sich  Bekri  über  die  Sitze  dieses  Nach- 
barvolkes der  Magyaren  aus.  Er  sagt:  „Eine  Grenze  des  Magyaren- 
landes erreicht  das  Land  der  Romäer,  und  am  Ende  ihres  Gebietes 
in  der  Nähe  der  Steppe  ist  ein  Gebirge,  das  ein  Volk  bewohnt, 
namens  ^J^z\ ,  welche  Pferde  und  Viehherden  und  Saatfelder  be- 
sitzen"^). Es  ist  also  dasselbe  Volk  gemeint,  welches  Ibn  Rusta 
iri,  10  (vv^j-b  nennt*)  und  ans  äusserste  Ende  des  Kaukasus  setzt. 

Soviel  ist  klar,  dass  nicht  an  das  nordöstliche,  sondern  das  nord- 
westliche Ende  des  Kaukasus  gedacht  ist.  Man  ist  daher  ver- 
sucht, in  dem  Flusse,   welcher  die  Magyaren    und    y*^^  (j«-^-^) 

trennt,  den  Kuban  zu  sehen.  Freilich  passt  dazu  die  Angabe 
GurdezTs  nicht,  dass  jener  Fluss  an  der  Seite  der  Slawen  sei. 
Der  grössere  der  beiden  Flüsse,  welcher  rechts  von  den  Magyaren 
ist,  läuft  durch  Saqläb  und  von  da  kommt  er  in  die  Wohnsitze 
der  Chazaren. 

Wenn  GurdezT  Recht  hat,  den  Fluss,   welcher  links  von  den 
Magyaren  ist,  in  die  Nähe  des  Kaukasus  zu  verlegen,  so  muss  der 


1)  Z.  B.   y*oyu   Ibn  Chord.  !of ,  12;    g*^Lb  Ibn  Rusta  aö,  17; 
fj^lxh  Mas'üdT,  Tanblh  1v,  12    vgl.  Murüg  I  204,  260.     Plinius  h.  n. 

6,  20  gibt  als  dessen  einheimische  skythische  Form  Sinus  an.  Diese, 
sowie  das  griechische  Tävnig,  weisen  auf  einen  palatalen  Anlaut,  also 
wohl  auf  ursprüngliches  Öinwat  zurück,  was  im  Awestä  die  mythische 
Bezeichnung  des  Regenbogens  (Öinwat-Brücke)  ist.  In  ähnlicher  Weise 
ist  die  Raiiha  ('Pä,  Wolga)  zum  mythischen  Strome  geworden.  —  Die 
heutige  Bezeichnung  Don  ist  alanischen  Ursprungs  und  geht  auf  das 
Appellativ  don,  clonä  , Wasser"  zurück,  hat  also  mit  dem  alten  Namen 
Tavate  nichts  zu  thun. 

2)  Hs.  ^^^>   ^i^  lies  e)^^^  Jj^. 

^)  Kunik  und  Rosen,  Izvestija  al  Bekri  S.  45,  6. 

'»)  Ebenso  Sukru'lläh  bei  Hammer  1.  1.  p.  107,  15  =  47,  Muham- 
mad al  Kätib  eb.  123,  7  =  64. 


32  J-  Marquarf, 

andere  Fluss,  welcher  rechts  von  ihnen  ist  und  zuerst  durch  das 
Slawenland  fliesst,  auf  der  Westseite  des  Magyarengebietes  ge- 
sucht werden.  Unter  letzterem  kann  daher  nur  der  Don  gemeint 
sein.  Der  Berichterstatter  hat  sein  Gesicht  also  der  Maeotis  zu- 
gewandt und  geht  von  Ost  nach  West.  Unsere  eben  ausgesprochene 
Vermutung ,  dass  unter  dem  Fluss  links  von  den  Magyaren  der 
Kuban  zu  verstehen  sei,  wird  somit  zur  Notwendigkeit,  d.  h.  wir 
haben  für  Lj»J>  zu  lesen  Lj.J'  Kühä  (bei  Mos.  Chor.  Geogr.  ed. 
Soukry  p.  25,  23  Kup%  Theophan.  p.  356,  27.  357,  9.  434,  11 
und  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  42  p.  179,  15 
Kovcfig,  NikejDhor.  cöt.  övvt.  p.  33,  15  Kwcpig  Acc.  Kuxfiva)^). 
Nun  findet  sich  aber  bei  älteren  ungarischen  Chronisten  wie 
Simon  de  Keza  die  Angabe,  dass  der  Don  bei  den  Ungarn 
Etui  heisse-).  Dieser  Sprachgebrauch  kann  sich  nicht  erst  nach 
der  Einwanderung  der  Magyaren  in  Pannonien  gebildet  haben, 
sondern  muss  von  denselben  aus  ihrer  alten  Heimat  mitgebracht 
worden  sein.  Derjenige  der  beiden  Flüsse  des  alten  Magyaren- 
landes, der  grösser  als  der  Gaihün  ist,  wäre  demnach  der  Etui 
d.  i.  der  Don.  Konstantinos  Porphyrogennetos  nennt  das  Land, 
in  welchem  die  Magyaren  damals  wohnten,  yisßeÖia,  das  vom 
Flusse  Xidfxäg  oder  XiyyvXovg  durchströmt  wurde  ■^).  Unter 
diesem  Flusse  ist  nach  Jerney  nicht  der  Ingul  zu  verstehen, 
sondern  die  heutige  MoloSnaja,  welche  durch  den  Zusammenfluss 
der  beiden  Quellflüsse  Cinhul  und  Takmak  gebildet  wird^).  Noch 
heute  werde  die  von  denselben  durchströmte  Gegend  Lepedika 
genannt.  Die  Magyaren  nahmen  fortan  als  treue  Bundesgenossen 
an  allen  Kriegen  der  Chazaren  teil,  bis  sie  durch  die  Petenegen, 
die  ihrerseits  durch  einen  kombinierten  Angriff  der  Ghuzen  und 
Chazaren  aus  ihrem  alten  Lande  zwischen  Ätil  und  Jaik  verdrängt 
wurden,  weiter  nach  Westen   geschoben  wurden.     Sie  Hessen  sich 


1)  Es  wäre  sehr  verführerisch,  wegen  der  vielberufenen  Stadt 
jii-Ls^i  Kummä^ar  „Mägar  an  der  Kuma"  (Abü'lfid;!,  Geogr.  I  l*.!,  8 
=  II,  1,  283),  ,=>-Vi\  bei  Ihn  Batütä  II  375—379.  382,  deren  Ruinen 
man  au  der  Vereinigung  der  Kuma  mit  der  Byruma  wiedergefuudeu 
hat,  hier  an  die  Kuma  zu  denken,  welche  schon  im  Gesandtscbafts- 
bericht  des  Zemarchos  a.  .568  unter  dem  Namen  Kwcpriv  (acc.  Kcocprivit) 
erscheint  (Menander  Prot.  fr.  21  bei  Dindorf,  Hist.  Gr.  min.  II  55,  2). 
Allein  abgesehen  davon ,  dass  der  Zusammenhang  jener  Ruinen  mit 
den  Magyaren  zum  mindesten  sehr  zweifelhaft  ist  (vgl.  Klaproth, 
Reise  in  den  Kaukasus  I  402  ff. ;  Vämbery,  Ursprung  der  Magyaren 
S.  184  ff.),  bleibt  die  Kuma  schon  aus  demselben  Grunde  wie  die  Wolga 
(S.  30)  ausgeschlossen. 

2)  Vgl.  Geza  Kuun,  Relat. Hungarorum  cum  gentibus  orientalibus 
hist.  antiquissima  I  39  ss. 

3)  De  administr.  imp.  c.  38  p.  168,  8. 

^)  Angeführt  bei  G<5za  Kuun,  Relat.  Huugar.  cum  gent.  orieutal. 
hist.  antiquissima  I  118  s. 


Osteuropilisclie  und  ostasiatische  Streifzüge.  33 

jetzt  in  der  Steppe  zwischen  Dnjepr  und  Sereth  nieder,  welche 
später  von  den  Pe^enegen  durchstreift  wurde.  Dieses  Gebiet  er- 
hielt den  Namen  'JteX-xovCov  d.  i.  etwa  asaonorafxia  oder  pers. 
!3^  .U/s  , Zwischenstromland"  ^),  weil  es  von  5  Flüssen  durch- 
strömt  wurde:  dem  Waruch  (Dnjepr,  hunnisch  War)"),  Kubu 
(Bug),  TruUos  (Dnjestr,  türkisch  Turla) ,  Brutos  (Pruth)  und 
^igsTog  (Sereth)'^). 

Der  genaue  Zeitpunkt  der  Verdrängung  der  Magyaren  aus 
dem  Dongebiet  und  ihrer  Festsetzung  westlich  vom  Dnjepr  ist 
nicht  überliefert.  Der  Slawenapostel  Konstantin  traf  sie  der  alt- 
slawischen Vita  c.  8  zufolge  noch  zwischen  851  und  863  in  ihren 
alten  Sitzen*).  Einen  wichtigen  Fingerzeig  gibt  uns  die  Zweit- 
älteste genau  datierbare  Nachricht  über  das  Auftreten  der  Magyaren 
im  Westen.  Zum  Jahre  862  bemerkt  Hinkmar  von  Rheims:  sed 
et  hostes  antea  illis  populis  inexperti,  qui  Ungri  vocantur,  regnum 
eiusdem  (Ludwigs  des  Deutschen)  populantur  5).  Wir  werden  wohl 
nicht  fehl  gehen  mit  der  Annahme,  dass  es  eine  Nachwirkung  des 
eben  erlittenen  Stosses  der  am  Don  erschienenen  Pe(ienegen  war, 
vor  dem  die  Magyaren  sich  über  den  Dnjepr  zurückgezogen  hatten, 
wenn  wir  jetzt  nach  mehr  als  20  jähriger  Pause  die  Magyaren 
wieder  ins  Donaugebiet,  ja  bis  nach  Deutschland  ihre  Streifzüge 
ausdehnen  sehen,  nachdem  ihnen  der  Osten  durch  die  neuauf- 
getretene Macht  der  Pecenegen  versperrt  war.  Also  nicht  drei, 
sondern  etwa  20  .Jahre  hatte  die  Zugehörigkeit  der  Magyaren 
zum   Chazarenreich    gedauert'').     I^    diese   Zeit    passt    auch    allein 

^)  Vgl.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Naehbarstämme  751  f.; 
Kuun  1.  1.  I  189:  Secunda  compositi  pars  „terram  intermediam' 
denotat,  cf.  Szamos-köz,  Mura-köze,  Räba-köze. 

2)  Der  hunnische  und  pecenegische  Name  sind  wohl  nichts  als 
eine  Abkürzung  des  alten  iranisch  -  skythischen  Namens  BoQva&evrje 
d.  i.  *ioaru-stäna. 

^)  Konstantin.  Porphyrog._de  admin.  imp.  c.  38,  p.  171,  7:  "Ott 
6  rcöv  riaT^tvaicncdv  lönos  ii'  (o  im  rors  xnipcö  Kniioxi]oav  ui  Tovqhoi, 
xn^sTmi  jtrtT«  TT/V  sTTMvvjUinv  TMi'  kxtlüs  ovrcor  TiorafiMv'  ot  ob  nora- 
uoi  eioiv  ovTOi'  noraude  tiqcöios  o  xaAovfievos  Bnoovx,  norauog  Sev- 
xeoos  o  y.füovfisvog  Kovßov ,  noTUfioi  iQixoi  b  icalovintvos  TqovHos, 
TtOTdftös  rsrnoTot  o  yrt^nvusroi;  Bi)OVToe,  Ttoxa/ibs  Tia'faixOs  6  xalovfievos 
HsQKXOi.  C.  40,  p.  173,  12:  ö  ^e  ronoe  iv  o>  n^öisQov  ol  Tovqxoi  vniJQXov, 
hvount.srai.  xaja  trjv  sncovvfiiav  tov  sxtlas  Si.e^yofj.st'ov  jcoranov  'Ersl 
y.ai  KovCo'',  e*-  (o  Uprima  ol  Tlnrt.i.i'ftiü.rnt.  ymoixovatr.  In  dieser  Stelle 
stecken  zwei  Fehler.  Anstatt  des  Singulars  tov  s-xsToe  Sieqxou^'-ov  ■^o- 
rniiov  ist  der  Plural  zu  lesen:  rcov  bx.  Sisovoii-'ix'^i'  TTmautoi.  Der 
Singular  ist  eine  Verschlimmbesserung  eines  Kopisten,  der  in  Exf^- 
Kov^ov  die  beiden  Namen  des  Flusses  sah,  nach  welchem  die  Landschaft 
benannt  sein  sollte.  Er  fasste  also  Knr>i:ov  als  andern  Namen  für  'Eiel 
und  seizte  zwischen  beide  ein  xni  =  oder. 

*)  Über  die  Glaubwürdigkeit  dieser  Nachricht  s.  o.  S.  14. 

^)  Mon.  Germ.  Scr.  I  50.  Vgl.  Ann.  Alamann.  a.  863:  Gens  Hunorum 
christiauitatis  nomen  aggressa  est  (Mon.  Germ.  Scr.  I  G6). 

^)  Diese  drei  Jahre  erinnern  stark  an  die  zwei  Jahre,  welche  die 
russische    Chronik    c.  15    zwischen    der    Berufung    der    drei    russischen 

Marquart,  Streifzüge.  g 


34  J-  Marquart, 

dei-  Zug  der  ügri  gegen  Kiew,  welchen  die  russische  Chronik, 
freilich  ohne  einen  Fürsten  zu  nennen,  zwischen  888  und  898  setzt: 
Les  Ougres  passferent  auprfes  de  Kiev ,  prös  de  la  montagne  qui 
s'appelle  encore  aujourd'hui  la  montagne  des  Ougres.  Arrives  au 
bord  du  Dnieper,  ils  y  etablirent  leurs  tentes;  car  ils  etaient 
nomades,  comme  sont  encore  aujourd'hui  les  Polovtses.  Ils  venaient 
de  rOrient;  ils  franchirent  de  grandes  montagnes  qu'on  a  appelees 
montagnes  des  Ougres  et  se  mirent  ä  combattre  avec  les  Ylokhs 
et  les  Slaves  qui  vivaient  dans  ces  contrees  etc.  Die  Chronik 
verbindet  dieses  Ereignis  unmittelbar  mit  der  Festsetzung  der 
Ungarn  in  Pannonien  und  ihrem  Auftreten  auf  der  Balkanhalb- 
insel, wofür  ihr  allein  chronologische  Daten  zur  Verfügung  standen, 
da  sie  nicht  weiss,  dass  den  Magyaren  einfallen  nach  Pannonien 
von  889 — 896  bereits  30  Jahre  früher  ein  bis  nach  Deutschland 
sich  erstreckender  Raubzug  vorausgegangen  war.  Dass  das  Er- 
scheinen der  ügri  vor  Kiew  in  die  Zeit  vor  der  Festsetzung  der 
Russen  unter  Askold  und  Dir  in  der  Hauptstadt  der  Poljane  (nach 
der  traditionellen  Chronologie  im  Jahre  862  n.  Chr.)  fallen  muss, 
zeigt  der  ganze  Tenor  der  Erzählung ;  es  ergibt  sich  aber  indirekt 
auch  aus  den  Angaben  c.  XVIII,  dass  Oleg  bei  seinem  Angriff 
auf  Kiew  bis  zum  Berg  der  ügri  vorrückte,  sowie  dass  Askold 
und  Dir  auf  dem  Berge  bestattet  wurden,  „der  noch  heute  der 
Berg' der  ügri  heisst".  Darnach  führte  der  Berg  jenen  Namen, 
den  er  beim  Einfall  der  Magyaren  erhalten  hatte,  bereits  beim 
Zuge  Olegs  und  beim  Tode  der  beiden  Russenfürsten  (nach  der 
Chronik    880—881)1). 

Die  Verdrängung  der  Magyaren  über  den  Dnjepr  und  die 
Festsetzung  der  PeSenegen  im  Dongebiet  war  in  erster  Linie  ein 
schwerer  Schlag  für  die  Machtstellung  des  Chazarenreiches.  Bei 
dieser  Auffassung  wird  es  verständlich,  dass  den  Russenfürsten 
Askold  und  Dir  die  Festsetzung  in  Kiew  so  leicht  wurde,  und 
dass  sie  es  wagen  konnten,  den  Tribut,  den  die  Poljane  bisher 
den  Chazaren  gezahlt  hatten,  zu  verweigern-).  Doch  der  Chagan 
war  nicht  gewillt,  auf  sein  früheres  Machtgebiet  westlich  vom 
Don  ohne  Kampf  zu  verzichten.  Er  gedachte  seine  bisherigen 
Bundesgenossen,  die  Magyaren,  gegen  die  PeSenegen  auszuspielen, 
und  mit  ihrer  Hilfe  die  gefürchteten  neuen  Herren  des  Dongebiets 
wieder  zu  vertreiben.     So  lange  die  Magyaren  unmittelbare  Nach- 


Brüder  und  dem  Tode  der  beiden  jüngeren,  Sineus  und  Trnwor,  ver- 
fliessen  lässt. 

1)  GurdezT  bei  Barthold  8.98,3  v.  u.  sagt  allerdings,  dass  die 
Magyaren  die  Slawen  und  Rös  bekriegen.  Doch  ist  in  der  Parallel- 
stelle bei  Ibn  Rusta  Ifl",  18  nur  von  den  Slawen  die  Rede,  so  dass  die 
Vermutung  sehr  nahe  liegt,  dass  die  Mos  nicht  von  GaihänT  stammen, 
sondern  lediglich  ein  Zusatz  des  Gurdezi  sind. 

-^)  Dies  ist  doch  aus  Nestor  c.  XV  Ende  zu  schliessen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  35 

barn  der  Chazai'en  gewesen  waren,  lag  es  in  deren  Interesse,  die 
politische  Zersplitterung  jener  in  eine  Anzahl  von  Stämmen  unter 
eigenen  Häuptlingen  zu  begünstigen.  Seitdem  die  Magyaren  aber 
vom  Gebiet  der  Chazaren  durch  die  Pecenegen  getrennt  waren, 
konnten  sie  dem  Chagan  nicht  mehr  gefährlich  werden ,  dagegen 
war  es  jetzt  für  diesen  von  Wichtigkeit,  die  militärische  Kraft 
der  Magyaren  durch  eine  straffere  Organisation  zusammen  zu  fassen 
und  für  den  Angriff  gegen  den  gemeinsamen  Feind  um  so  wirk- 
samer zu  machen.  So  Hess  denn  der  Chagan  kurze  Zeit  nach 
der  Festsetzung  der  Magyaren  in  Atelkuzu^)  den  Magyaren  ent- 
bieten, ihren  ersten  Wojewoden  Lebedias  zu  einer  Zusammenkunft 
nach  Chelandia  (jetzt  KalanSa  obex-halb  Perekop)  zu  schicken^),  und 
als  dieser  erschien,  bot  er  ihm  an,  ihn  zum  Fürsten  der  Magyaren 
unter  seiner  Oberhoheit  zu  erheben.  Lebedias  lehnte  zwar  ab,  aber 
auf  seinen  Vorschlag  wurde  von  den  Magyaren  unter  Grenehmigung 
des  Chagans  der  junge  Arpady,  des  Salmucy'^)  Sohn  nach  chazarischer 
Sitte  auf  den  Schild  erhoben  und  zum  Fürsten  und  ^daavog  ge- 
wählt*). Dies  muss  bald  nach  dem  J.  862  geschehen  sein.  Die 
Wahl  des  Ortes  der  Zusammenkunft  an  der  Ostgrenze  von  Atelkuzu, 
nicht  weit  vom  Meere  entfernt  zeigt,  dass  damals  der  Landweg 
vom  Gebiet  der  Chazaren  zu  den  Magyaren  durch  die  Pecenegen 
gesperrt  war.  Allein  jene  Massregel  hatte  nicht  den  von  den 
Chazaren  gewünschten  Erfolg.  Die  Pecenegen  wurden  immer 
mächtiger,  und  Ende  der  achtziger  Jahre  muss  ihr  Druck  immer 
stärker  geworden  sein.  So  wandten  sich  denn  seit  dem  Jahre  889 
ihre  Raubzüge  wieder  dem  Donaugebiete  zu,  und  bald  mussten 
sie  auch  aus  Atelkuzu  vor  den  übermächtigen  Pecenegen  weichen. 
Schon  Konstantinos  Porphyrogennetos  hat  diese  zweimalige 
Verdrängung  der  Magyaren  durch  die  Pecenegen  durcheinander- 
geworfen.    Im  wesentlichen   richtig    ist    das  Verhältnis  aufgefasst 


^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  administr.  imp.  c.  38  p.  169,  11  ff. 

'■^)  oXiyov  Se  iqövov  SiaSQauövTOS  o  xaydvos  ixsTvos  dc/cov  Xa^n- 
gias  Tols  TovQtiois  Bfirjvvas  xov  nQOS  avrov  anonTalfjvni  <^  sts  ^  Xs- 
XdvSta  %6v  TiQcJärov  nvrwv  ßofßot^ov.  Bandurius  hat  bemerkt,  dass 
XsXävSia  hier  nicht  als  Appellativ  für  eine  Art  von  Transportschiffen 
(vgl.  Kunik  bei  Dorn,  Caspia  222  f.),  sondern  als  Name  einer  Stadt 
aufzufassen  ist.  Vgl.  Geza  Kuun  1.  1.  208.  Lebedias  nahm  offenbar 
eine  ähnliche  Stellung  tmter  den  Magyaren  ein ,  wie  Kuridach  unter 
den  Akatziren  (unten  S.  42). 

^)  Diese  Form  ist  durch  das  dreimalige  Vorkommen  gesichert.  Au 
den  beiden  ersten  Stellen  (p.  170,  4.  6.)  könnte  zwar  das  anlautende  ^, 
da  das  vorhergehende  Wort  auf  o  auslautet,  als  Dittographie  aufgefasst 
werden,  allein  dies  ist  durch  die  dritte  Stelle  (170,  11  i^nsQ  2nluovxt,r^ 
ausgeschlossen.  Die  in  späteren  imgarischen  Chroniken  vorkommende 
Form  Almus  ist  aus  ^aliini'rtris  Salmuhy  lautgesetzlich  entstanden,  wie 
Geza  Kuun  1.  1.  I  22.  '209  richtig  bemerkt. 

^)  Arpady  war  damals  noch  sehr  jung,  da  neben  ihm  sein  Vater 
Salmucy  noch  in  Vorschlag  kommen  konnte. 


3g  J.  Marquart, 

von    E.  Dümmler,    Geschichte    des    Ostfränk.    Reiches    II    439 
Anm.  81). 

Andere  Scharen  der  Magyaren  waren  schon  nahezu  100  Jahre 
vor  ihrem  ersten  Auftreten  im  Westen  über  den  Kaukasus  ge- 
drungen und  unter  dem  Namen  ^aßaQTiOL  äöcfakoi  in  Armenien 
und  Albanien  erschienen.  Konstantinos  Porphyrogennetos  berichtet, 
dass  ein  Teil  der  Magyaren  {TovQXOi)  nach  der  durch  die  Pe6e- 
negen  erlittenen  Niederlage  ostwärts  nach  der  Gegend  Persiens 
übergesiedelt  sei  und  entsprechend  der  alten  Benennung  des 
Volkes  noch  zu  seiner  Zeit  ^aßägroi  ccGtfccXoi  genannt  werde  -). 
H.  Vambery3)  bemerkt  mit  Recht,  dass  hier  unter  Persien 
nicht  das  eigentliche  Iran,  sondern  vielmehr  dessen  Dependenzen 
zu  verstehen  seien,  ,zu  denen  man  nicht  nur  während  der 
Sassanidenherrschaft ,  sondern  auch  während  der  ersten  Jahr- 
hunderte des  Khalifats  den  Kaukasus  und  die  nördlichen  Uferlande 
des  Kaspisees  rechnete ^  Wie  Jos.  Thüry  erkannt  hat,  sind 
diese  Saßägroi  äörpaXoi  identisch  mit  den  \\L.npq.liß  Sevordih' 
, schwarze    Söhne"    der   armenischen  Chronisten,    den  iüjKj^L^Jl  *) 

asSäwardya,  iijvyi^U^iS  «5  >S'^aM?ar%a  der  Araber,  al  Baläc^uri 
erwähnt  ihr  Auftreten  mit  folgenden  Worten:  „Eine  Anzahl  von 
Einwohnern  von  BarJa'a  (Partav)  hat  mir  erzählt:  Samkör  war 
eine  alte  Stadt.  Da  sandte  Salmän  b.  Rabi'a  al  Bähili  jemand 
ab,  der  es  eroberte,  und  es  blieb  ununterbrochen  bewohnt  und 
blühend,  bis  es  die  Säwardl's  zerstörten.  Es  sind  das  Leute  die 
sich  zusammenrotteten  zu  der  Zeit,  als  JazTd  b.  üsaid  aus  Armenien 
abzog.  Da  ward  ihre  (der  Stadt)  Lage  hart  und  ihre  Schicksals- 
schläge mehrten  sich.  Darauf  bevölkerte  es  wieder  Bo;'ä,  der 
Klient  des  al  Mu'ta^im  billäh,  im  J.  240  (854/55  n.  Chr.),  als 
Statthalter  von  Armenien,  A^arbaigän  und  SimSät  und  besiedelte 

1)  Doch  setzt  er  S.  488  noch  irrtümlich  die  Wahl  des  Herzogs 
Arpady  in  die  Zeit  ihres  Aufenthaltes  im  Lande  der  Chazaren. 

*)  De  admin.  imp.  C.  38  p.  169,  11:  xal  rö  /uiv  ef  fie^os  ngos  äva- 
TO/Lr/v  SIS  TO  T^g  UeoaiSoi  ixt^ot  xarwxrjoev,  ot  xni  fxejcgi  rov  vvv  xatu 
triv  rcüv  TovQ^iwv  äoxniav  kncjvvuiav  unlovvrai  ^aßäoTOi  aafaloi. 
Vgl.  p.   168,   11.  ' 

^)  Der  Ursprung  der  Magyaren  S.  133. 

■*)  So  al  Balä^urT  mit  genauer  Transskription  des  armenischen 
WLn[>q.l>^  Sevordik'  {ä  mit  Imäla  gesprochen  ==  arm.  e).     Die  Spätem 

schreiben  dafür  'i.jj>. ^[^^!i\;  indem  sie  etymologisierend  für  das  arme- 
nische seav,  das  beim  Fortrücken  des  Tones  zu  sev  werden  rausste, 
das  entsprechende  persische  sijäw ,  »U*^  einsetzen.  Die  Identität  der 
2'aßänroc  äo'i  >Uoi  des  Konstantinos  Porphyrogennetos  mit  den  Sevordik' 
der  armenischen  Chronisten  hat  Jos.  Thury  erkannt  {Szdzadok  31, 
1897,  S.  317—327.  391—403,  mir  nur  bekannt  aus  dem  Resumd  von 
Wilh.  Pecz,  BZ.  VIT,  1898,  S.  201—202). 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  37 

es  mit  Leuten    von    den  Chazaren,    die  zu  ihm  gekommen  waren 
und  ihn  aus  Verlangen  nach  dem  Islam  um  Schutz  baten". 

Jazid  b.  Usaid  as  Sulami  war  nach  al  Balä()url  von  al  Man9ür 
bei  seinem  Regierungsantritt  (754)  zum  Statthalter  von  Armenien 
ernannt  worden  und  eroberte  das  Alanenthor,  wohin  er  eine  Be- 
satzung legte,  und  demütigte  die  Canark',  bis  sie  Tribut  zahlten. 
Auf  Befehl  des  Chalifen  heiratete  er  sodann  eine  Tochter  des 
Chazarenfürsten  ^).  Nach  Tabari  III  a1,  1  wurde  Jazid  bereits  im 
Jahre  134  H.  (29.  Juli  751  bis  16.  Juli  752)  zum  Statthalter 
von  Armenien  ernannt  und  wird  als  solcher  im  Jahre  135  er- 
wähnt (a^,  10).  Er  wurde  dann  abgesetzt  und  an  seine  Stelle 
trat  al  Hasan  b.  Qahtaba  vom  Stamme  Taiji',  worauf  die  Armenier 
unter  Musei  einen  Aufstandsversuch  machten.  Nach  Ibn  al  A?9-ir 
V  f"o1,  4  wäre  al  Hasan  b.  Qahtaba  bereits  im  Jahre  137  H. 
(26.  Juni  754  bis  14.  Juni  755)  Stellvertreter  des  Chalifen  in 
Armenien  gewesen,  wovon  Tabari  III  ir,  17  ff.  freilich  nichts  weiss. 
Dagegen  war  er  dies  wahrscheinlich  wenigstens  im  Jahre  140  H. 
(757/58  n.  Chr.),  in  welchem  er  nach  einigen  einen  Sommerfeldzug 
in  die  Gegend  des  Gaihän  (Pyramos)  gemacht  haben  soll-). 

Wir  düi-fen  also  immerhin  als  beglaubigt  ansehen,  dass  die 
Sevordik'  bereits  zwischen  750  und  760  in  Armenien  erschienen 
sind,  also  100  Jahre  früher  als  Konstantinos  Porphyrog.  angibt, 
der  ihre  Auswanderung  ins  persische  Gebiet  mit  dem  unglück- 
lichen Kriege  gegen  die  PeSenegen  in  Verbindung  bringt,  infolge- 
dessen die  Magyaren  aus  Lebedia  über  den  Dnjepr  westwärts  ge- 
drängt wurden  (um  862). 

Die  Sijäwardi's  wohnten  nach  Mas'üdl  II  75  am  Kur,  östlich 
von  Tiflis  und  westlich  von  BarJa'a.  Er  beschreibt  sie  als  „eine 
Spezies  der  Armenier,  tapfer  und  mächtig,  nach  dem  was  uns  von 
ihren  Thaten  erzählt  worden.  Nach  ihnen  sind  die  sogenannten 
Sijäwardl-Streitäxte  benannt,  welche  die  Sisagäner  und  andere  von 
den  persischen  Truppen    führen"-^).     Istachri  weiss  wenig  Rühm- 

1)  Bai.  f.1,  ult.  Diese  Nachricht  wird  bestätigt  vom  Armenier 
tevond  bei  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  257/58  not.  Nach  diesem 
war  es  eine  Chatun,  eine  Tochter  des  Chagans  selbst. 

2)  Tab.  III  \ro,  11.   Ibn  al  A,^Tr  V   TvP,  \"^^, 

3)  Ausgabe   Kairo  p.  aI)   xjp^^U.w.J!  O^j  ^  {jS.^\  ^)  L5Lr^-.5 

'  ^:>Lc^l   iA>Li>-  .-»/i   rt  yf>i-^  iL«.:^>.A^LA.<A*.J)   1^1.4-xx.w.j 
Für  ä^.:?Uv«UavJ1   hat    die   Pariser  Ausgabe   i«l:S^jL;^i! .     Allein 


38  J-  Marquart, 

liches  von  ihnen  zu  berichten.  Er  sagt  nach  der  erweiterten 
Rezension  ß    (cod.  C,  L  und  F)    S.   \f,  2    ed.  de  Goeje:    ^^^ 

ijöaäJLäJI^,  oLjwkäiU,  d.  h.  „Hinter  Bar<3a'a  und  Samkör  ist  eine  Gat- 
tung der  Armenier,  ßijcvi-ardija  genannt,  Leute  der  Verderbnis 
und  der  Gewaltthat  und  des  Eäuberhandwerks".  Darnach  er- 
scheinen die  östlichen  Magyaren  als  ein  ähnliches  Raubgesindel 
und  zeigten  dieselben  unliebenswürdigen  Eigenschaften  wie  ihre 
europäischen  Brüder. 

Dimasqi  (trad.  par  Mehren  p.  378)   rechnet  die  Sijäwardija 

gleich    den    ebenfalls   unarmenischen    üj  .U^aJi   (Canark')  und    „  S 

(Georgiern)  zu  den  Armeniern.  Nach  d'Ohsson  bewohnten  die 
Sijäwardija  das  Thal  des  Borßalo,  eines  Zuflusses  des  Kur^). 
Thomas  Arcruni  III  33  nennt  sie  \S^"pi-l'-ß  t^tutj.tupnL.  ^Sevordik'' 
der  Hagar^  und  stellt  sie  damit  als  räuberische  Nomaden  den 
eigentlichen  Kindern  der  Hagar,  den  Ismaeliten  gleich:  „Quand 
le  grand  deuil  (für  Gurgen ,  den  Bruder  des  Königs  Gagik ,  nach 
923  n.  Chr.)  fut  termine,  le  roi  mit  fin  dans  le  pays  aux  agitations 
de  la  guerre ,  causees  par  les  Persans  et  par  les  noirs  enfants 
d'Hagar,  vivant  du  cöte  des  montagnes"-).  Inöißean,  Stora- 
grut'iun  hin  Hajastaneaic'  S.  335  führt  eine  SteUe  aus  Johannes 
Katholikos  an,  in  welcher  sie  als  Bewohner  des  Gaues  Uti  be- 
zeichnet werden ,  und  an  einer  anderen  Stelle  nennt  Johannes 
einen  nahapet  (Häuptling)  der  Sevordik',  namens  Georg,  und 
leitet  ihren  Namen  von  ihrem  Ahnherrn  Sev  ab^).  Bei  Stephan 
Asoiik  wird  ihr  Name  \^lriuLiipr^^^  Seavordik^  geschrieben ,  in 
der  Geographie  des  Wardan  Wujunfir^liß  Savordili.  ^).  Nach 
Brosset  hatten  sie  den  Süden  der  Provinz  Gugark'  und  die  an- 
grenzenden   Landschaften ,    wie  Arcax ,    Uti    und  die  benachbarten 


die  Sajäbiga  (über  welche  zu  vergleichen  de  Goeje,  De  Sajabidja.  Feest- 
biindel  ter  gelegenheid  van  ziju  tachtigsten  geboortedaag  aan  P.  J.  Veth 
S.  10—12)  haben  hier  nichts  zu  thun.  Vgl.  dagegen  Beb  llf,  16  und 
Anm.  f.   Ibn  al  Faq.  Caa,  16.  fü,  12. 

1)  Les  peuples  du  Caucase  p.  170,  angeführt  von  Mehren  (mir 
nicht  zugänglich). 

2)  Brosset,  Collection  d'historiens  armeniens,  St.  P^tersbourg 
1874,  I  232.  —  Auch  die  Ungarn  werden  von  den  abendländischen 
Chronisten  häufig  Agareni  genannt. 

^)  Johannes  Katholikos,  Jerusalem  1867,  S.  235.  275;  trad.  par 
J.  Saint-Martin,  Paris  1841,  p.  175.  210  [s.  Nachträge]. 

•*)  Ich  entnehme  die  Citate  I  n  c  i  c  e  a  n  ,  da  mir  die  Werke  der 
beiden  Historiker  nicht  zu  Gebote  stehen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  39 

Gaue  inne  ').  Vielleicht  sind  sie  später  in  den  Utiern  aufgegangen, 
die  wahrscheinlich  zur  albanischen  Nation  (armenisch  W/l2'-"^.ß 
Alvank^)  gehörten  und  deren  geringe  Reste  in  wenigen  Dörfern 
in  Transkaukasien  und  einigen  kleinen  Ortschaften  am  Kaspischen 
Meere  noch  heute  eine  Sprache  reden ,  welche  zur  südöstlichen 
oder  kürinischen  Gruppe  der  kaukasischen  Bergsprachen  gehört-). 
Die  Nachricht  des  Konstantinos  Porphyrogennetos  über  die 
^aßuQTOi  docfaXoi  stammt,  wie  die  Namensform  zeigt,  aus  arabisch- 
persischen Quellen.     Denn  ^aßaoxoi  (gesprochen  Savardi)^)  stellt 

sich  gegenüber  armen.  Sevordild'   genau  zu  arab.  iuO.^Ljyw.Jl .      In 

dem  Werke  De  caerimoniis  aulae  Byzantinae  II  48  p.  687,  13/14 
ed.  Bonn,  gebraucht  der  kaiserliche  Schriftsteller  dagegen  die 
armenische  Namensform  ^eßögvLOi  =  Sevordih\  welche  er  formell 
richtig  durch  Mavga  TiaLÖia  übersetzt.  Wir  erfahren  hier  von 
ihm ,  dass  diese  Nation  unter  drei  Häuptlingen  {uQ^ovrec; ,  arme- 
nisch ^üiw'yujttfk-urß)  stand*).  Ich  sehe  aber  in  dem  -ordik^  des 
armenischen  tSevordik'  „schwarze  Söhne"  nur  volksetymologische 
Umbildung  eines  barbarischen  Volksnamens.  Man  erinnert  sich 
unwillkürlich,  dass  die  russische  Chronik  die  Magyaren  TJgri 
cernii  „schwarze  Ungri"  nennt  im  Unterschied  von  den  JJgri 
helü  „Weiss  -  Ungern"  d.  i.  den  Chazaren.  Diese  „schwarzen 
Ungern"  sind  aber,  wie  man  längst  erkannt  hat,  zu  kom- 
binieren mit  den  ■z>-  La  Qarä  Chazar  „Schwarz-Chazaren"  des 
Istachri^).  Das  armenische  Sev-ordiM  erklärt  sich  somit  als 
armenische  Volksetymologie  für  *Sev-orgtk^  „schwarze  Orgi^ 
(Ugrier) ,  wobei  die  erschlossene  Grundform  *Orgi  gegenüber 
dem  slawischen  Ugri  {*Ugri)  die  bekannte  alanische  bezw.  osse- 
tische Konsonantenversetzung  zeigt*').    Wir  haben  demnach  in  den 


1)  1.  1.  p.  232  n.  2. 

-)  Vgl.  von  Erckert,  Der  Kaukasus  u^nd  seine  Völker.  Wien 
1888,  S.  247.  Die  Sprachen  des  kaukasischen  Stammes.  Wien  1895, 
11  S.  67.  385.  388. 

ä)  Die  Tenuis  weist  hier  wie  in  andern  Transskriptionen  fremder 
Namen  bei  Koustantinos  wohl  weniger  auf  westarmenische  Aussprache 
hin,  sondern  dient  nur  zur  Bezeichnung  der  reinen  Media  im  Unterschied 
von  den  neugriechischen  Spiranten  fJ,  y.  ö.  Vgl.  z.  B.  ntx  bäg  p.  178,  2; 
rie^xQi  =  Berkri  p.  191, 14.  192,  9.  196,  5;  nayxodrios  Bagrat  189,  12  etc.; 

L4noynvefi  184,  3  ^=  *iLc  »j!  ;  'A:ioaa.Ttti  p.  191,  18.   192,  16  =  lAx*«  j.j1  * 
.4noasßuzas  193,  9  =  äjL-w  »j1  ;  'Anoael/xris  =  A.m yi\  194,  8.  196, 1  usw. 

*)    El?     TOVS     y       äoxOVXUS     XCÖV      ^EOßOTlOJf      (1.     ^eßOQlicJv)      TCOV 

Isyofitvatv  Mnv^a  naiSia.     Vgl.  Brosset   1.  I.  p.  617. 

5)  Ist.  rT,  11.    Ihn  Hauq.  r^^T,  6.    Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  II  fl^A. 

")  Phantasiereicbe  Leute  werden  natürlich  der  Versuchung  nicht 
widerstehen  können,  hier  auch  die  zu  den  Sarmaten  gerechneten  Ovgyoi 
bei  Strab.  S  3,  17  p.  306  heranzuziehen  (siehe  z.  B.  Geza  Kuuu,  Relat. 


40  J.  Marquart, 

Sevordik^  oder  ^aßccgroc  äöcpaAot  einen  östlichen  Zweig  dei- 
ügri  aernü  zu  erblicken^)  und  die  Behauptung  des  Kaisers,  dass 
jene  den  alten  Namen  der  Magyaren  (Tovgxof)  bewahrt  hätten, 
besteht  zu  Recht.  Nun  wird  sich  auch  der  bisher  so  rätsel- 
hafte Beiname  äocpaXoi,  den  die  ^aßägroi  beständig  führen,  be- 
friedigend erklären  lassen.  Da  die  Form  ^aßdgroi  aus  arabisch- 
persischer Quelle  stammt,  so  ist  dies  auch  für  das  Wort  äocpaloi 
zu  vermuten:  es  kann  kaum  etwas  anderes  sein  als  arab.  J^ä*«! 
„unterhalb",  so  dass  also  die  armenischen  Sevordz'Jc'  als  „untere 
Schwär z-Ungern"  bezeichnet  wurden  im  Unterschied  von  dem 
nach  Atelkuzu  und  später  nach  Pannonien  ausgewanderten  Zweige. 
Da  nun  die  Magyaren  bereits  in  verhältnissmässig  so  früher 
Zeit  unter  dem  Namen  Sevordi/c''  in  Armenien  auftreten,  so  wird 
man  sich  fragen  müssen,  ob  sie  sich  nicht  schon  in  einem  früheren 
Zeitpunkt  im  Norden  des  Kaukasus  nachweisen  lassen.  Erwägt  man, 
dass  die  Magyaren  bei  ihrem  Auftreten  in  ihrer  jetzigen  Heimat  als 
ein  echtfinnisches  Fischer-  und  Jägervolk  geschildert  werden  2),  so 
denkt  man  zunächst  an  die  gens  Aca  tzir  orum  fortissima, 
frugum  ignara,  quae  pecoribus  et  venationibus 
victitat.  Cassiodor  lässt  sie  freilich  südlich  von  den  Aisten 
(Litauern  und  Preussen)  wohnen,  und  setzt  jenseits  von  ihnen  die 
Bulgaren  am  Pontos,  —  die  am  Kuban  sassen  —  von  denen  er 
wiederum  die  Hunnen  unterscheidet  ^j.  Allein  aus  Priskos  fr.  8 
geht  deutlich  hervor,  dass  die  'Axcct^iqoc  gleichfalls  in  der  Nähe 
des  Pontos  sassen  *),  wenn  auch  wahrscheinlich  mehr  nördlich  nach 


Hungarorum  cum  gent.  Orient,  bist,  antiquiss.  1  21.  89.  91*).  Allein 
die  Worte  Strabons  lauten:  /?  de  viieuKtif(.tiy//  naou  xoü  /.txd-svrog  ue- 
T«|v  BoQvodii'uv^  xai  'laiQOV  Ttfjcörri  fiBf  ioriv  tj  icuv  FeTuiv  korjfiia, 
enena  oi  TvQeyirai,  fied"^  ove  ol  'lä^vyes  ^aofiätni  xnl  oi  Baoilsiot 
leyäusvoi  ynl  Ov^yot,  lo  /tiei'  Tikiov  rofidSse,  oliyoi.  Se  xai  yecoQyins 
sTti/ieliovfievoi,'  rovrovs  faai  -Aal  ixnQO.  tov  ' Iotqov  oi^celr,  sf'  exäjtQa 
noXXdyie. 

1)  Auf  den  Zusammenhang  zwischen  den  Sev-ordik'  und  den  Ugri 
cernii  der  russischen  Chronik  hat,  wie  mir  Graf  G  ^  z  a  K  u  u  n  mitteilt, 
bereits  Thüry  aufmerksam  gemacht. 

2)  Regino  ad  a.  889:  Et  primo  quidem  Pannoniorum  et  Avarum 
solitudines  pererrantes,  venatu  ac  piscatione  victum  cottidianum  quae- 
ritant.  Vgl.  Z  e  u  s  s ,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  746  f., 
wo  auch  eine  interessante  Stelle  des  Anonymus  regis  Belae  notarius 
c.  7  angeführt  wird. 

3)  Jordan.  Get.  c.  5  §  37  ed.  Mommsen:  Quibus  (Aistis)  in 
Austrum  adsidet  gens  Acatz'irorum  .  .  .  Ultra  quos  distenduntur  supra 
mare  Ponticum  Bulgarum  sedes,  quos  notissimos  peccatorum  uostrorum 
mala  fecerunt.  Hinc  iam  Hunni  quasi  fortissimorum  gentium  fecun- 
dissimus  cespes  bifariam  populorum  rabiem  pullularunt  .  nam  aUa 
Altziagiri,  alii  Saviri  nuncupantur,  qui  tarnen  sedes  habent  divisas: 
iuxta  Chersonem  Altziagiri,  quo  Asiac  bona  avidus  mercator  importat, 
qui  aestate  campos  pervagant  effusas  sedes,  prout  armentorum  invita- 
vcriüt  pabula,  hieme  supra  mare  Ponticum  se  referentes. 

")  Müller,  FHG.  IV  p.  89  a:   der  älteste  dor  Söhne  Attilas  von 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  4X 

der  Waldregion  zu.  Der  Name  'AxarigoL  oder  '^xcer^igoi ')  ist 
unzweifelhaft  türkisch,  wie  schon  Hammer,  Gesch.  der  goldenen 
Horde  S.  16  erkannt  hat:  alttürkisch  *aqac-äri,  oghuzisch  ,  c  :>Lt! 
ayac-äri  bedeutet  „ Waldleute '''^).  Dies  war  offenbar  die  hunnische 
Bezeichnung  des  Volkes,  welche  für  ein  Jägervolk  ja  sehr  treffend 
war,  die  einheimische  Namensform  ist  uns  vorläufig  unbekannt. 
Die  'AxuT^iQOL  standen  zur  Zeit  Attilas  unter  einer  grossen  An- 


seiner    Gemahlin    Kreka   r/^x^  twi'  I4xnriocov   ynl   rdiv   Xomtüv  eO'rföv 

V  e  fi  o  fi  tv  cor    z  i,  v    ?r  />  <)  s    t  o  7'    Tl  ü  vt  o  i'    ^  y  v  d'  i  y.  r/ 1>, 

1)  Priskos  kann  sehr  wohl  l^ynnpot  geschrieben  haben,  was  spätere 
Abschreiber  und  Excerptoren  in  das  der  barbarischen  Aussprache  näher 
kommende  '^y.äTL,i(>oi  geändert  haben  mögen.  Vgl.  Xo/.iniai  Men.  Prot, 
fr.  20.  21  ^  türk.  Qalac,  TaKfxat  Konst.  Porphyrog.  de  admin.  imp. 
c.  37  p.  165,  3  =  'l\xAfo.iQoi  de  caerim.  p.  579.  664.  667  d.  i.  türk.  Talmai 
(vgl.  C.  Neumann,  Byz.  Zs.  III,  1894,  374  ff.). 

-)  Vgl.  Houtsma,  Ein  türkisch-arabisches  Glossar  S.  \^,,  2.  49. 
Nach  einer  türkischen  Genealogie  bei  KasTd-eddin  (citiert  bei  Göza 
Kuun,  Relat.  Hungar.  cum  gent.  Orient,  bist,  antiquiss.  II  133**** 
mir  nicht  zugänglich)  war  Ayacäri  der  Name  einer  der  sieben  Türken- 
horden (die  andern  Oyuz,  Qypcaq,  Chalag,  Qarlyq,  Qanqli,  Uigur). 
Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den  skyth.  Nordcni 
II  13  sieht  in  Aydtt^iooi  eine  hunnische  Bezeichnung  der  in  die  Wald- 
region zusammengedrängten  Finnenstämme.  —  Andere  haben  in  'Axd- 
t^iQoi  eine  ältere  Namensform  von  Xäc,a()oi  (arm.  \a"'qj'{'^  Chasirlc') 
gesehen,  wie  schon  der  Anonymus  Ravennas  p.  168,  14.   Allein  dies  wäre 

nur  unter  der  Voraussetzung  denkbar,  dass  .  •c>  bezw.  (Plur.)  ..I  -3»  die 
persische  Namensform  gewesen  wäre  —  wie  Mas'üdT,  Tanblh  aF^,  16  in 
der  That  behauptet  (s.  WZKM.  XII,  193)  —  die  dann  von  dem  Volke 
selbst  recipiert  worden  sein  müsste.  Denn  dass  die  Form  .  ;3>  thatsächlich 
bei  den  Chazareu  selbst  gebräuchlich  war,  zeigt  der  Titel  ...LäL^  ,-:>• 
Ibn  Rusta  \f"\ ,  10,  bei  Istachri  M'f,  4  ^  li*  tj^^'-^  (1^°  Fadlän  bei  Jäq. 
II  frA  jAx>>.i!  (mL^L-5*  „Gross-Chagan"),  den  der  Gross-Chagan  führte, 
sowie  der  Ausdruck  .  ;i>  L'i  Ist.  I^fl',  11  und  Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  II,  f\"A 
(aus  gemeinsamer  Quelle)  für  einen  Teil  der  Chazaren.  .Nur  im  Neu- 
persischen wäre  der  Abfall  des  anlautenden  a,  sowie  der  Übergang  von 
intervokalischem  c  über  z  in  z  erklärbar,  sodass  Aqac-äri  zu  *Xazar, 
Xazar  werden  konnte. 

Henry  H.  Howorth,  The  Khazars,  were  they  Ugrians  or  Turks? 
(Travaux  du  Ille  Congrös  des  Orientalistes  tenu  k  St.  Pdtersbourg 
II,  1879,  p.  135.  142)   will  nicht  an  die  Etymologie  von  'AxäT^ifjoi  = 

Ayac-äri  glauben  und  setzt  jenes  vielmehr  =  .  Li>    v ! ,  dem  Gegensatz 

zu  obigem  Qara  Chazar.  Allein  dies  ist  sachlich  ganz  verkehrt,  denn 
die  ^AUT^ifjoi  entsprechen  vielmehr  den  „Schwarz-Chazaren"  oder  ügri 
cernii,    den    Unterthanen    ugrischen    Stammes    im    Gegensatz    zu    den 

, eigentlichen"  (^j^iü)  oder  , weissen  Chazaren",  der  wenig  zahlreichen 
Herrenrasse. 


42  J-  Marquart, 

zahl  von  Stammeshäuptlingen,  von  denen  der  älteste  gewisse  Ehren- 
rechte hatte  ,  also  ganz  wie  uns  Konstantin  noch  die  Ungarn  des 
9.  Jahrhunderts  vor  der  Wahl  des  Fürsten  Arpad  schildert.  Kaiser 
Theodosios  suchte  sie  nun  durch  Geschenke  von  der  Bundes- 
genossenschaft mit  Attila  abwendig  zu  machen  und  zu  einem 
Bündnis  mit  den  Römern  zu  bewegen.  Allein  sein  Gesandter 
verletzte  hierbei  die  Etikette  und  der  älteste  Häuptling  Kov^iSa^og 
fühlte  sich  zurückgesetzt,  weil  er  nicht  zuerst  beschenkt  worden 
war  und  rief  den  Attila  gegen  die  übrigen  Häuptlinge  zu  Hilfe. 
Dieser  sandte  denn  auch  unverzüglich  eine  grosse  Streitmacht, 
welche  jene  Häuptlinge  teils  aus  dem  Wege  räumte,  teils  zur 
Unterwerfung  zwang.  Dem  Schicksal ,  das  Attila  dem  Kuridach 
zugedacht  hatte ,  entging  dieser  nur ,  indem  er  List  gegen  List 
setzte,  und  behielt  so  die  Herrschaft  über  seinen  Stamm,  während 
die  übrigen  Stämme  der  Akatziren  sämtlich  unter  die  unmittelbare 
Herrschaft  des  Attila  fielen.  Dieser  bestimmt  darauf  seinen  ältesten 
Sohn  Ellak  zum  Fürsten  der  Akatziren  und  lässt  ihn  durch  Hünigis 
COv7]yj'j(7iog)  in  sein  Herrschaftsgebiet  einführen  (a.  448)  i).  Bei 
dieser  Gelegenheit  werden  dieselben  schlechtweg  als  S^xv&ixov 
^&vog  bezeichnet,  und  alle  Wahrscheinlichkeit  spricht  zunächst 
dagegen,  dass  sie  ein  hunnisches  Volk  gewesen  wären. 

Nachdem  Ellak  in  der  Schlacht  am  Flusse  Nedad  in  Pannonien 
in  heldenmütigem  Ringen  dem  Schwerte  der  Gepiden  erlegen  war 
und  das  grosse  Hunnenreich  sich  aufgelöst  hatte  ^),  werden  auch 
die  Akatziren  freier  aufgeatmet  haben.  Aber  ums  Jahr  463 
wurden  sie  von  den  Saraguren,  welche  gleich  den  Uguren  und 
Onoguren  von  den  Sahiren  aus  ihren  alten  Wohnsitzen  vertrieben 
worden  waren  und  sich  eine  neue  Heimat  suchten ,  angegriffen 
und  nach  langen  und  hartnäckigen  Kämpfen  niedergeworfen. 
Wenn  sie  jetzt  als  Hunnen  (Axcctlqol  Ovvvoi)  bezeichnet  werden, 
so  erklärt  sich  dies  wohl  zur  Genüge  daraus ,  dass  sie  ein  be- 
sonderes hunnisches  Chanat  gebildet  hatten  3).  Gegen  466  hatten 
die  Saraguren  die  Akatiren  und  andere  Völker  angegriffen  und 
wahrscheinlich  zur  Heeresfolge  gezwungen*);  darauf  zogen  sie 
gegen  die  Perser  und  gelangten  zuerst  zu  den  Kaspischen  Thoren 
(hier  Darband),  welche  sie  jedoch  durch  eine  persische  Besatzung 
bewacht  fanden ,  worauf  sie  einen  andern  Weg  einschlugen ,  auf 
welchem    sie    nach    Iberien    (also    durch    das  Alanenthor   mit   der 


1)  Prise,  fr.  8  bei  Müller  IV  82  b.  83  a;  vgl.  89  a.  Jordanis 
Get.  c.  50.  Der  Name  'OvTiyrjuiog  ist  gotisch ,  so  gut  wie  'A^vsyioxioe, 
'Ogviyiaxkog  =  Arngisl  Prisc.  fr.  38,  Job.  Ant.  fr.  206  (C.  Müller, 
FHG.  IV  617),  was  ich  nur  wegen  Vämböry,  Ursprung  der  Magyaren 
S.  46  f.  bemerke. 

2)  Jordan.  Get.  50. 

*)  Prisc.  fr.  30  p.  104  b:  .  .  .  uianeo  xnl  ol  ^aQtiyovQOi  elad'evrse 
xara  Ü,riTTiasv  yi/s  nijds  lols  IdxntiQOii  Ovvvoig  eyevovro,  xal  /Urions  nobt 
ixsivovg  ■jTolXag  miaxrjanfievoi  zö  re  (pvlov  ytairjycaviaftvTO  ytk. 

*)  Prisc.  fr.  .37;  Müller  p.  107  b. 


Osteuropäische  uud  ostasiatische  Streifzüge.  43 

Festung  Wtro-parhak)  uud  weiterhin  nach  Armenien  gelangten. 
Wie  früher  den  Hunnen,  müssen  also  die  Akatziren  jetzt  den  Sara- 
guren  Heeresfolge  leisten,  und  schon  damals  haben  sie  den  Weg 
über  den  Kaukasus  kennen  gelernt,  welchen  sie  drei  Jahrhunderte 
später  zum  Schrecken  Armeniens  abermals  beschreiten  sollten. 

Dainit  verschwindet  der  Name  der  Akatziren.  Dass  es  un- 
philologisch ist,  denselben  mit  dem  Namen  der  Chazaren  (arm. 
Chazii'Jv)  in  Verbindung  zu    bringen ,    haben  wir  bereits  gesehen. 

Den  gleichen  Anspruch,  für  „Ugrier"  zu  gelten,  können  aber 
neben  den  Akatziren  auch  die  Unuguren  erheben.  Hunuguri 
autem  hinc  sunt  noti ,  quia  ab  ipsis  pellium  murinar um 
venit  commercium:  quos  tantorum  virorum  formidavit  au- 
dacia  sagt  von  ihnen  Jordanes  Get.  c.  5  §  37.  Sie  waren  also 
Pelzhändler  und  in  ihren  älteren  Sitzen  wohl  auch  Pelzjäger, 
wie  die  Jü-kiüe-lü,  die  zu  den  Movxgi  (Mekrit?)  geflohenen 
Überreste  der  echten  Avaren  oder  Zuan-zuan,  die  östlich  von  den 
Hia-ka  (Hat-kat)  d.  i.  den  Qyryyzen  des  Jenissei  sassen ,  also 
etwa  in  der  Baikalregion  ^). 

Freilich  stimmt  die  Haartracht  der  Ungarn ,  die  den  Kopf 
bis  auf  drei  mächtige  Zöpfe  kahl  schoren  -),  wie  auch  die  Bulgaren 
vor  ihrer  Festsetzung  auf  dem  rechten  Donauufer  •^),  nicht  zu  der- 
jenigen der  Jü-kiüe-lü :  ces  gens  ont  la  tete  couverte  de  longs 
cheveux;  leurs  chefs  gardent  entiöre  leur  chevelure  et  l'enferment 
dans  un  sac  violet.  Diese  stimmt  vielmehr  überein  mit  derjenigen 
der  sogenannten  Pseudavaren.  sowie  der  Türk  und  Chazaren*).  Die 
Unuguren  treten  gleich  den  Saraguren  und  Uguren  {OvQwyOL  1. 
OvycoQOi)  zum  erstenmal  um  463  im  Norden  des  Kaukasus  auf, 
als  sie  infolge  der  durch  die  Eroberungen  der  Avaren  ('Aßagsig) 
oder  Zuan  -  zuan  hervorgerufenen  Völkerbewegungen  von  den 
Sahiren  aus  ihren  alten  Wohnsitzen  vertrieben  worden  waren  und 


1)  Theophyl.  Sym.  7,  7,  7.  12.  Vgl.  WZKM.  XU,  189.  Ed.  Cha- 
vannes,  Voyageurs  chinois  chez  les  Khitan  et  les  Joutchen.  le  partie 
p.  30.  Extrait  du  Journ.  as. ,  mai — ^juin  1897.  Jü-kiü-lü  war  nach 
chinesischen  Angaben  der  einheimische  Name  der  sog.  Zuan-zuan  oder 
Zui-zui.  Vgl.  Deguignes,  Gesch.  der  Hunnen  und  Türken  I  457; 
Parker,  A  thousand  years  of  the  Tartars. 

")  Eegino  a.  889:  Capillum  usque  ad  cutem  ferro  caedunt.  Vgl. 
Jos.  und  Hermenegild  Jirecek,  Entstehen  christlicher  Reiche  im 
Gebiete  des  heutigen  österreichischen  Kaiserstaates  von  500 — 1000. 
Wien  1865,  S.  217;  Dümmler,  Gesch.  des  ostfränkischen  Reiches 
II  448.  N.  37.   Vämbery,  Ursprung  der  Magyaren  286  f. 

^)  S.  die  bulgarische  Fürstenliste  bei  Göza  Kuun,  Relat.  Hungar. 
cum  Oriente  historia  antiquissima  II  11. 

*)  Vgl.  Johannes  y.  Ephesos  3 ,  25 :  die  fluchwürdigen  Völker- 
schaften der  Slawen  und  derjenigen  mit  geflochtenen  Haaren,  welche 
"AßapEis  genannt  werden  (nach  Barhebr.  Chron.  Syr.  p.  95).  6,  24: 
das  greuliche  Volk  der  Avaren,  das  nach  seinen  Haaren  AßnQeis  heisst. 
Von  den  Türk  sagt  das  Sui-su:  ils  laissent  leurs  cheveux  ^pars  (Journ. 
as.  1864,  1,  351),  und  das  Wei-su:   les  Tou-kioue  laissent  flotter  leurs 


^^  J.  Marquart, 

nun  Gesandte  zu  den  Oströmern  schickten  i).  Sie  blieben  nun 
an  der  Maiotis  ßitzen,  wo  ihr  Land  patria  Onogoria  noch  der 
Geograph  von  Eavenna  kennt.  Agathias  bezeichnet  sie  als  Hunnen, 
worauf  aber  wohl  kein  grosses  Gewicht  zu  legen  sein  dürfte. 
Nach  ihnen  soll  die  'FesiuugVvoyovgig  im  Lande  der  Lazen  be- 
nannt sein  2).  Der  Ravennas  führt,  angeblich  aus  Libanios,  noch 
als  interessante  Einzelheit  an,  dass  ihr  Gebiet  multitudinem 
piscium  ex  vicinantibus  locis  habere,  sed  ut  bar- 
barus  mos  est,  insulse  eos  perfruere.  Als  Fischervolk 
schildert  die  Magyaren  bekanntlich  auch  der  Anonymus  bei  Ihn 
Rusta^).  Theophylakt  7,  8,  13  weiss  sogar  von  einer  ehemals 
von  den  Unuguren  besiedelten  Stadt  Baxcc^,  die  durch  ein  Erd- 
beben zerstört  worden  sei. 

Der  Name  'Ovoyovgoi,  Hunuguri,  Ovwovyovgoi  kann  frei- 
lich mit  dem  spätem  Namen  der  Magyaren ,    OvyyQOi ,    Ugri  etc. 
nichts    zu    thun   haben,    sondern    gehört    offenbar    zu    hunnischen 
Namen  wie  Bütug-ures  (var.  hurtugures)  Jordanis  Get.  c.  53  §  272, 
BiTTOQsg    Agath.  2,  13    bei    Dindorf,  Hist.  Gr.  min.  II  201,  6, 
OvTiy-ovQOi  und  Kovrgiy-ovgoi  bei  Prokop  und  Agathias,    Ko- 
rt,ayy]goL  bei  Theophyl.'Sim.  7,  8,  16   (vgl.  Korgäyi^yog  1.   Ko- 
Tgdyr]gog    bei   Menander   Prot.  fr.  6    bei    C.  Müller,   FHG.  IV 
204),  ^agay-ovgoi  Priskos  fr.  30  bei  Dindorf,  Hist.  Gr.  min. 
I  341,  2.  14.  fr.  37,    Tovoo^ovgeg    Prisk.  fr.  1    bei    Dindorf, 
I  276,  7  =  TunCarsos  Jordan.  Get.  c.  24  §  126  ,  also  wohl  zu 
lesen   TovoF-ovgsg.     Ob    damit   Namen    wie    Sadag-arü  Jordan. 
Get.  c.  50   §  265,   Altziag-iri  Jordan.  Get.  §  37,   'Elfiiyy-eigog 
ein  Hunne   Agath.  3,  21    p.  275,  8    (vgl.  'EX^iV-^ovg  ein  Hunne 
Agath.  4,  15  p.  314,  31),  Bard-ores  (var.  hard-ares)  Jordan.  Get. 
c.  53  §  272  etwas  zu  thuu  haben,  ist  mir  zweifelhaft.    In  letzteren 
erkennt  man  ohne  weiteres  als  zweites  Element  türk.  äri  „Leute" 
(vgl.  oben  Ayac-äri).    Den  Namen  Sadag-arü  erklärt  Vämbery*) 
durch  türkisches  sadag   „Köcher",    also   „Köcherleute".     Hier  ist 
demnach  der  erste  Teil  des  Kompositums  ein  Appellativum.     Nach 
anderer  Richtung  scheint  dagegen  für  die  Namen  auf  -ovgov  bezw. 
-yovgoi   die  Stammsage  der  Bulgaren  bei  Theophanes  p.  356,  18  ff. 
und  Nikephoros   cot.  avvr.  p.  33,  13  ff.  zu  weisen,    nach  welcher 


cheveux  (ib.  p.  331).  Vgl.  dazu  die  Charakteristik,  welche  Moses 
K'alankatvac'i  (bei  Manandian,  Beiträge  zur  albanischen  Geschichte 
41)  von  den  Chazaren  gibt:  „die  hässliche  Menge  mit  frechen,  breiten 
Gesichtern,  ohne  Wimpern,  mit  herabhängenden  langen  Haaren  den 
Weibern  gleich". 

1)  Prise,  fr.  30  bei  Müller,  IV  104. 

2)  Agath.  3,  5  bei  Dindorf,  Hist.  Gr.  min.  U  243,  18.  Moses 
K'alankatvac'i  II  1  kennt  einen  Hunnen  Honagur  schon  zur  Zeit 
ääpürs  II.     Manandian,  Beiträge  zur  alban.  Geschichte  S.  34. 

3)  ed.  de  Goeje  IfC,  12  ff.;   GuidezT    bei  Barthold  S.  98,  11. 
*)  Ursprung  der  Magyaren  S.  47. 


OsteuropiÜHche  und  ostasiati-atische  Streifzüge.  45 

die  KoTQayot  (so  hier  für  KovTQiyoVQOi)  die  Horde  des  Korgayog 

bilden.  Bei  Prokopios  de  hello  Gotth.  4,  5  p.  476,  1  werden  die 
Kutriguren  und  Utiguren  auf  zwei  Brüder,  OvrovyovQ  und 
KovTQiyovQ,  also  ebenfalls  auf  Personennamen  zurückgeführt,  und 
in  der  That  scheint  das  Verhältnis  von  Korgayog  zum  Stamm- 
namen KoVTQiy-ovQOi  kaum  eine  andere  Deutung  zuzulassen.  Für 
diese  Auffassung  spricht  vor  allem  auch  das  Verhältnis  zwischen 
TJltzindur  (Verwandter  Attila's)  Jordan.  Get.  c.  50  §  266  und  den 
Ultzinzures  Jordan.  Get.  c.  53  §  272,  OvXtI^ovqoi  bei  Agath.  5, 11 
p.  365,  9.  22.  Freilich  ist  die  Ableitung  der  Stammnamen  von 
Personennamen,  wie  sie  der  genealogischen  Volkssage  eigentümlich 
ist,  auf  andern  Gebieten  der  Völkerkunde  mit  Recht  verpönt, 
allein  hier  wird  sie  durch  zahlreiche  Analogien  bei  den  türkischen 
Völkern  geschützt.  So  wurde  den  Namen  sämtlicher  Peßenegen- 
horden  je  der  Name  eines  früheren  Häuptlings  vorgesetzt,  z.  B. 
PForo  -  Tolmaö ,  Jazy  -  ChoTpon.  In  späterer  Zeit  nennen  sich  zahl- 
reiche Ttirkenhorden  einfach  nach  ihrem  Führer,  z.  B.  die  Nogai- 
Tataren,  Özbegen  u.  a.,  und  bekanntlich  werden  noch  beute  die 
Osmanen  nach  ihrem  Fürsten  Osman  genannt.  Ich  halte  es  daher 
für  möglich,  dass  die  Stammnamen  jener  Bildung  von  Namen  von 
Häuptlingen  abgeleitet  sind,  und  demnach  auch  die  Unuguren, 
wie  die  Akatziren ,  einen  hunnisch  -  türkischen  Namen  führen. 
Vämbery  erkennt  in  den  Namen  KovTQiyovgoi,  OvTiyovgoL  etc. 
das  türkische  Adjektivsuffix  -gur. 

Sind  aber  auch  die  Namen  'Aaa.tt,iooi  und  '  Ovoyovgoi  un- 
zweifelhaft türkisch,  so  bin  ich  nichtsdestoweniger  der  Ansicht, 
dass  wir  in  denselben  zwei  ugrische  Völker  zu  erblicken  haben, 
welche  später  zum  Teil  den  Kaukasus  überstiegen  und  sich  als 
Sevordik  in  Armenien  niederliessen ,  zum  grössern  Teil  aber  das 
spätere  Magyarenvolk  bildeten. 

Ebensowenig  hat  der  Name  der  Ovyovgoi  oder  üvyäJgoL  an 
der  Wolga  mit  dem  Namen  ügri ,  Ovyygoc  etc.  zu  thun.  Ich 
habe  sie  früher  für  eine  Abzweigung  der  Uiguren  erklärt ^), 
aber  wie  ich  jetzt  glaube,  mit  Unrecht.  Der  Name  Ui;'ur  ( Ui-gä) 
scheint  zuerst  unter  der  Sui-Dynastie  (581 — 618)  vorzukommen. 
Diese  Ui^^ur  sind  zweifellos  identisch  mit  den  Ungii'  (nach 
Schlegels  Transskription)  oder  0-gu  (O^uz),  dem  vornehmsten 
der  15  Stämme  der  Kau-^e  zur  Zeit  der  Wei-Dynastie  (227—264)2). 
Aber  erst  seit  der  Sui-Dynastie  scheint  der  Name  des  vornehmsten 
Stammes  auch  auf  die  verbündeten  Stämme  übertragen  worden 
zu  sein.  In  den  Oiiywgot,  Ovyovgoi  des  Priskos  (fr.  30)  und 
Menandros  (fr.  5,  21,  43)  sehe  ich  jetzt  vielmehr  eine  Abzweigung 
der  Jü-kiüe-lü,  wie  der  einheimische  Name  der  echten  Avaren 


1)  Chrouologie  der  alttürk.  Inschr.  81.    WZKM.  XII,  193. 
-)  Vgl.  G.  Schlegel,  Die  chines.  Inschrift  auf  dem  uigur.  Denk- 
mal in  Kara-Balgassun  S.  1  ff. 


46  J-  Miiifliuirt, 

oder  Zuan-zuan  lautete  (s.  o.  S.  43  Anm.  1).  Dafür  spricht  auch 
der  Name  des  Fürsten  der  Uguren,  Anagai^),  der  sich  mit  dem 
Namen  eines  der  letzten  Chagane  der  Zuan-zuan  A-na-kwei 
(t  552)  deckt. 

Der  Name  Tovq'Aol  ,  welchen  die  Magyaren  regelmässig  bei 
den  Byzantinern  führen ,  ist  meines  Erachtens  noch  nicht  be- 
friedigend erklärt  worden.  [Die  romäischen  Historiker  des  6.  und 
7.  Jahrhunderts  bezeichnen  mit  diesem  Namen  ganz  korrekt  die 
Tu-hiue  der  chinesischen  Annalen ,  die  Türk  der  neugefundenen 
Inschriften  der  Mongolei.  Dieser  Name  ist  zunächst  ein  poli- 
tischer terminus  und  umfasst  eine  Anzahl  von  Stämmen  o^'U- 
zischer  Abstammung  vom  Orchon  bis  Jaxartes,  welche  unter 
Führung  der  Familie  Asihna  das  alttürkische  Reich  gebildet 
hatten  und  bald  in  ein  östliches  und  westliches  Türkenreich  zer- 
fielen. Diese  streng  ethnische  Bedeutung  hat  der  Name  Tu-kiue 
bei  den  Chinesen  immer  behalten  und  wird  daher  nie  auf  die 
Hoei-Jie  (üiguren),  Qarluq  oder  gar  Qyrp'yzen  ausgedehnt. 

Die  Perser  dagegen,  und  ihrem  Beispiele  folgend  die  Araber, 
haben  dann  den  Namen  Tüyh  nicht  bloss  auf  die  dem  alttürkischen 
Reiche  unterworfenen,  den  eigentlichen  Türk  in  Sitte  und  Sprache 
verwandten  Völker,  wie  Ghuz,  Türgäs,  Ciqil,  Qarluq,  To/uz-Ojoiz, 
Qyryjz,  Xalaß  u.  s.  w.  übertragen,  sondern  auch  auf  andere  noma- 
dische Nord  Völker,  mochten  sie  nun  sprachlich  mit  den  eigentlichen 
Türk  verwandt  sein,  wie  die  Wolga-Bul/aren,  Baskiren  {Bäsyird), 
Qypcaq,  Pe^enegen,  oder  ganz  verschiedener  Rasse  angehören,  wie 
die  Burtäs,  Qytai  und  Tübät.  Ja  sogar  die  Barbarenvölker,  welche 
sich  vor  dem  Auftreten  der  Türk  in  Centralasien  und  im  Kaukasus - 
gebiet  abgelöst  haben,  werden  in  anachronistischer  Weise  kurzweg 
flTurk"  genannt.  Doch  wird  der  Name  Turk  in  ethnographischem 
Sinne  bei  den  ältesten  und  genauesten  Schriftstellern  auf  solche 
Völker  beschränkt ,  die  in  der  That  ein  und  dieselbe ,  nur  dia- 
lektisch verschiedene ,  Sprache  redeten ,  welche  wir  nach  dem 
Hauptvolk   „türkisch"   nennen-). 

Aus  den  Gesandtschaftsberichten  des  Zemarchos  und  Valen- 
tinus  sehen  wir  nun,  dass  die  Türk  ihr  Machtgebiet  um  568  im 
Westen  bis  über  die  Wolga  und  im  Jahre  576  bis  an  die  Maiotis 
ausgedehnt  hatten.  Unter  der  Oberhoheit  der  Türk  entstand  hier 
nach  dem  Untergang  der  Sahiren  (558)  das  Reich  der  Chazaren, 
welche  sich  schon  unter  Chosrau  I.  Anösarwän  (531 — 578)  den 
Persern  fui'chtbar  machten.  Dass  die  Chazaren,  welche  in  gleich- 
zeitigen Ui-kunden  zuerst  ■  in  der  Kirchengeschichte  des  Johannes 
von  Ephesos    a.  585/86   genannt   werden,    auch    in    der  Folge    in 

1)  Vgl.  WZKM.  XII,  193  N.  6. 

2)  Vgl.  Ihn  Chord.  ri ,  7  f.  Ja'qiibT,  Kitäb  al  buld.  Mo  ,  5  ff.  Ibn 
al  Faq.  m,  3  ff.  Jäqfit  I  aH,  1  ff.  Mas'iidl,  Kitäb  at  tanbih  ^T  ^  15. 
Murüg  I  288. 


Osteuropäische  uud  ostasiatische  Streifzüge.  47 

Abhängigkeit  von  den  Türk  blieben,  geht  aus  einer  Erzählung 
des  Armeniers  Sebeos  aus  dem  Jahre  627  unzweideutig  hervor  ^). 
So  erklärt  sich,  dass  die  Chazaren  von  den  Byzantinern,  als  diese 
zuerst  ihre  Bekanntschaft  machten,  ot  TovQXOt,  ix  T^g  iaiag 
genannt  wurden.  Der  Name  Tovgxoi  wechselt  in  der  Erzählung 
des  Theophanes  über  die  Unterstützung,  welche  Kaiser  Herakleios 
im  J.  627  vom  Chagan  erhielt,  mit  Xä^aQSig  ^).  und  ebenso  noch 
100  Jahre  sjDäter-^).  Das  Land  TovQxia,  gegen  welches  Maslama 
im  J.  731  (A.  M.  6223)  zieht,  ist  offenbar  das  Land  der  Chazaren*), 
und  diese  sind,  wenigstens  in  erster  Linie,  auch  unter  den  TovQXOi 
zu  verstehen,  welche  in  den  Jahren  6255  und  6256  (763  und 
765  n.  Chr.)  durch  die  Kaspischen  Thore  (Darial)  in  Armenien 
und  Iberien  einfielen^). 

Von  dieser  Zeit  an  verschwindet  bei  den  Byzantinern  die 
Bezeichnung  der  Chazaren  als  Tovgxoi.  Und  doch  gehörte  sicher 
wenigstens  die  herrschende  Klasse  der  Bevölkerung  im  Chazaren- 
reiche  der  türkischen  Rasse  an  und  sprach  einen  türkischen 
Dialekt,  wie  denn  auch  die  militärische  und  politische  Organisation 
völlig  türkisch  (im  engeren  Sinne)  war.  Ja  vielleicht  dürfen  wir 
sogar  aus  Sebeos  entnehmen ,  dass  die  Dynastie  geradezu  vom 
Herrschergeschlecht  der  Türk,  den  Asihna,  abstammte. 

Man  hat  nun  die  merkwürdige  Thatsache ,  dass  von  den 
byzantinischen  Chronisten  seit  dem  zweiten  Drittel  des  9.  Jahr- 
hunderts mit  dem  Namen  Tolgxoi  die  Magyaren  bezeichnet  werden, 
durch  die  Annahme  zu  erklären  gesucht,  dass  die  Dynastie  der- 
selben eine  türkische  gewesen  sei.  Noch  weiter  geht  Vämbery''), 
der  geradezu  behauptet,  dass  die  Magyaren  von  Haus  aus  ein 
türkisches  (im  weitern  Sinne,  d.  h.  altaisches)  Volk  seien,  welches 
in  seinen  Ursitzen  im  südlichen  Ural,  auf  der  Grenze  des  altaischen 
und  finno-ugrischen  Volkstums,  sehr  frühzeitig  eine  Anzahl  ugro- 
finnischer  Elemente  in  seine  Sprache  aufgenommen,  aber  in  seinem 
Wesen ,  in  Sitten  und  Lebensgewohnheiten  den  echttürkischen 
Charakter  bewahrt  habe.  Diese  Ansicht  ist  bereits  in  die  neueste 
Geschichte  der  Ungarn  von  C  s  u  d  a  y  ^)  übergegangen,  und  es  steht 


^)  S.  meine  historischen  Glossen  zu  den  alttürkischen  Inschriften. 
WZKM.  XIL  191  f. 

-)  Theophan.  Chronogr.  p.  315,  15:  xal  iv  xavTrj  (t^  ^a^ixfj)  Sta- 
tfoißojv  Tovs  TovQxovs  SK  rf,s  ecJns,  ovg  Xäl^aQeis  övouä^ovoiv,  eis  avfi- 
fiaxiav  iiQoaexaXiaaTO.  p.  316,  8:  nns  Se  6  labs  rcöv  Tovgxmv  et?  yfjv 
neaövres  nprjveie  y.r/..     Vgl.  Nikephor.  tar.  avvr.  p.  15,  21  ff.   p.  21,  29. 

3)  p.  407,  6.  11  (A.  M.  6220  und  6221  =  728  und  729  n.  Chr.,  nach 
den  Arabern  aber  112  und  113  H.  =  730/81  und  731/32  n.  Chr.). 

*)  p.  409,  27. 

")  p.  433,  26.  435,  20.  de  Muralt,  Essai  de  Chronographie  byz. 
I  361  s. 

®)  Der  Ursprung  der  Magyaren.     Leipzig  1882. 

')  Eugen  Csuday,  Die  Geschichte  der  Ungarn.  2.  Aufl.  übs. 
von  M.  Darvai.     Berlin  1899.     Bd.  1,  S.  1—47. 


48  J.  Marqnart, 

zu  befürchten,  dass  dieselbe  bald  auch  ihren  Weg  in  die  populären 
Hand-  und  Schulbücher  finden  wird.  Es  ist  daher  für  den  un- 
befangenen Historiker  an  der  Zeit,  dieser  Hypothese  gegenüber 
Stellung  zu  nehmen.  Gegen  dieselbe  ist  indessen ,  soweit  der 
byzantinische  Name  der  Magyaren,  Toioxoi,  in  Betracht  kommt, 
sofort  zu  erwidern,  dass  die  Byzantiner  dann  mit  viel  grösserem 
Rechte  die  Chazaren  und  Pecenegen,  ja  auch  die  Bulgaren  hätten 
als  Türken  bezeichnen  müssen.  Gerade  für  die  Pecenegen  aber, 
deren  reintürkische  Abstammung  —  das  Wort  türkisch  in  sprach- 
lich-ethnographischem Sinne  gefasst  —  ausser  allem  Zweifel  steht, 
und  die  den  Byzantinern  nicht  sehr  viel  später  als  die  Magyaren 
bekannt  geworden  sein  können,  findet  sich  bei  jenen  die  Bezeich- 
nung TovQXot  nicht,  und  für  die  Chazaren  hört  sie  mit  dem 
letzten  Drittel  des  8.  Jahrhunderts  auf.  Eine  solch  vage  Be- 
zeichnung für  ein  so  eigenartiges  und  den  Byzantinern  wohl- 
bekanntes Volk  wie  die  Magyaren  widerspricht  aber  auch  völlig 
den  Gepflogenheiten  der  älteren  byzantinischen  Chronisten.  Wenn 
irgendwo,  so  erwartet  man  hier  den  Eigennamen  der  Nation, 
nicht  eine  allgemeine  Bezeichnung  (wie  etwa  Semiten  für  Juden, 
Franken  für  Dänen,  Romanen  für  Spanier,  Slawen  für  Deutsche). 
Was  nun  die  sprachliche  Seite  anbelangt,  so  wird  das  Ma- 
g_yarische  bekanntlich  gegenwäi'tig  allgemein,  hauptsächlich  mit 
Rücksicht  auf  die  Lautverhältnisse  und  die  Flexion,  zu  den 
iinnisch-ugi'ischen  Sprachen  gestellt  und  gelten  als  seine  nächsten 
Verwandten  das  Wogulische  und  Ostjakische ,  also  speziell  die 
ugrische  Gruppe  des  genannten  Sprachstammes.  Der  Wortschatz 
zeigt,  wie  man  längst  bemerkt  hat,  eine  Unmenge  türkischer 
Lehnwörter,  die  nur  teilweise  erst  in  osmanischer  Zeit,  meist  aber 
weit  früher,  und  zwar  zu  verschiedenen  Epochen  und  sicherlich 
auc  1  in  verschiedenen  Gegenden  in  die  Sprache  aufgenommen 
wurden.  V  ä  m  b  e  r  y  sucht  aber  zu  zeigen  ,  dass  auch  in  der 
Phonetik,  sowie  in  der  Flexion  und  Wortbildung  die  Überein- 
stimmungen des  Magyarischen  mit  dem  Altaischen  oft  viel  grössere 
seien ,  als  die  mit  den  finnisch-ugrischen  Sprachen ;  insbesondere 
teilt  das  Magyarische  mit  dem  Türkischen  im  Gegensatz  zum 
Ugro-Finnischen  das  Gesetz  der  Vokalharmonie  und  die  entschiedene 
Abneigiang  gegen  mehrkonsonantigen  Anlaut.  Was  aber  den  Wort- 
schatz anlangt,  so  legt  er  Gewicht  darauf,  dass  das  Magyarische 
mit  dem  Türkischen  nicht  bloss  eine  Menge  fertiger  Wörter 
gegenüber  dem  Finnisch-ugrischen  geraein  hat,  sondern  auch  viele 
Wurzeln,  vind  zwar  auch  Verbalwurzeln  des  Magyarischen  nur  im 
Türkischen,  nicht  aber  im  Finnisch-ugrischen  Analogien  haben. 
Er  behauptet  schliesslich  S.  223:  „abgesehen  von  solchen  Stamm- 
wörtern, die  einen  speziell  finnisch-ugrischen  Lautcharakter  ver- 
raten, d.  h.  die  mit  h,  v,  l,  n  und  r  anlauten,  stehen  beinahe 
zwei  Drittel  des  magyarischen  Wortschatzes  mit  dem 
Türkischen  in  engerer  Verbindung,    können    nur   mittels 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  49 

desselben  analysiert  und  erklärt  werden;  und  beweisen 
demnach  auf  unverkennbare  Art  die  grössere  Verwandt- 
schaft des  magyarischen  "Wortschatzes  mit  dem  des 
Turko-tatarischen  als  mit  jenem  des  Finnisch-ugri- 
schen*. Diese  Übereinstimmungen  des  magyarischen  mit  dem 
tüi'kischen  Wortschatz  erstrecken  sich,  wie  Vämbery  eingehend 
nachzuweisen  sucht,  bis  auf  die  niedersten  Begriflfsphären  und  die 
primitivsten  Kulturverhältnisse. 

Allein  die  einfacheren  und  ältere  Bildungszustände  bezeichnen- 
den Wörter  des  Magyarischen  sind  im  allgemeinen  ugrischen  Ur- 
sprungs, wenn  sich  daneben  aus  demselben  Begriffskreise  auch 
Wörter  türkischen  Ursprungs  finden.  Ebenso  ist  der  grösste  Teil 
der  Zeit-  und  Verhältniswörter  ugrisch ,  wogegen  die  Wörter  für 
die  Jahreszeiten,  Naturerscheinungen  und  das  Familienleben  sowohl 
der  einen  wie  der  andern  Sprachengruppe  entnommen  sind.  Das 
auffällige  Zusammentreffen  des  Magyarischen  mit  den  ugrischen 
Sprachen  in  den  sieben  Gnindzahlen,  sowie  in  der  bestimmten  und 
unbestimmten  Konjugation  wagt  auch  Vambery  nicht  zu  leugnen. 
Die  Wörter  für  Viehzucht,  Ackerbau  und  Kriegswesen  sind  aller- 
dings schon  überwiegend  türkischen  Ursprungs,  und  noch  weit 
mehr  die  Bezeichnungen  für  Wohnung,  Kleidung  und  die  Aus- 
drücke des  geistigen  Lebens.  Massgebend  für  die  Frage  nach  der 
Verwandtschaft  einer  Sprache  ist  aber  in  erster  Linie  die  Formen- 
lehre als  das  Knochengerüst  der  Sprache,  sodann  die  Zahlwörter 
und  Verwandtschaftsnamen  als  der  älteste  und  festeste  Bestand  des 
Wortschatzes.  Wie  vorsichtig  man  in  der  Vei-wendung  gewisser, 
für  diesen  oder  jenen  bekannten  Sprachstamm  charakteristischer 
Lautverhältnisse  für  die  Klassifikation  isolierter  oder  andersartiger 
Sprachen  sein  muss,  mögen  einige  Beispiele  veranschaulichen. 
Was  z.  B.  die  dem  Magyarischen  mit  dem  Türkischen  gemeinsame 
Verpönung  des  mehrkonsonantigen  Anlauts  betrifft,  so  ist  bekannt, 
dass  dieselbe  auch  das  Neupersische  (vorwiegend  unter  arabischem 
Einfluss)  angenommen  hat,  obgleich  das  Alt-  und  noch  das  Mittel- 
iranische gleich  sämtlichen  übrigen  indogermanischen  Sprachen  an 
mehrkonsonantig  anlautenden  Wörtern  Überfluss  hatte.  Die  für 
das  Tüi-kische  so  charakteristische  Vokalharmonie  ist  auch  im 
Udischen  durchgeführt,  einer  zur  südöstlichen  oder  kürinischen 
Gruppe  der  kaukasischen  Bergsprachen  gehörigen  Sprache,  welche 
schon  seit  sehr  alter  Zeit  der  Einwirkung  türkischer  Dialekte  aus- 
gesetzt war:  im  4.  Jahrhundert  wird  uns  im  nördlichen  Albanien 
das  Hunnenreich  des  Arsakiden  Sanesan  genannt,  im  5.  Jahr- 
hundert hören  wir  von  einem  Hunnenfürstentum  in  Baiasakan  i), 
im  Jahre  575  wurden  hunnische  Sahiren  südlich  vom  Kyros  an- 
gesiedelt 2)  und  im  8.  Jahrhundert  endlich  drangen  die  magyarischen 


1)  Faustos  Byz.  3,  6.  7.   EKse  wardapet  S.  104. 

2)  Siehe  WZKM.  XII,  193. 

Marquart,  Streifzüge. 


FjQ  .7.  Marquart, 

Sevordik'  in  Uti  ein.  Auch  Konsonantenhäufungen,  wie  man  sie 
in  andern  kaukasischen  Sprachen  trifft,  sind  dem  Udischen  fremd  ^). 
Endlich  hat  das  Udische,  abgesehen  von  den  tiefgreifenden  Ein- 
flüssen des  Türkischen  in  lexikalischer  Hinsicht,  dem  letzteren 
eine  Reihe  Wortbildungssuffixe  entlehnt.  Das  Armenische  dagegen 
sowie  das  im  übrigen  völlig  iranische  Ossetische  haben  sich  unter 
dem  Einfluss  ihrer  Umgebung  sogar,  was  das  Lautsystem  betrifft, 
völlig  in  ein  kaukasisches  Gewand  gehüllt. 

Man  wird  sich  unwillkürlich  des  ganz  ähnlichen  Streites  über 
die  Stellung  des  Armenischen  erinnern,  welches  man,  hauptsächlich 
auf  Grund  der  Menge  iranischer  Lehnwörter,  die  man  als  solche 
nicht  erkannte,  lange  Zeit  für  eine  iranische  Sprache  erklärte. 
Auch  beim  Armenischen  beruht  seine  jetzige  Klassifikation  vor- 
wiegend auf  der  Flexion  und  den  nach  Ausscheidung  der  Lehn- 
wörter auf  Grund  einer  verhältnismässig  beschränkten  Anzahl 
etymologisch  durchsichtiger  Wörter  festgestellten  Lautgesetzen, 
während  der  Wortschatz  zum  allergrössten  Teil,  abgesehen  von 
den  ungemein  zahlreichen  Lehnwörtern,  etymologisch  noch  unerklärt 
ist.  Das  Lautsystem  selbst  aber  ist,  wie  bemerkt,  geradezu  kau- 
kasisch und  stimmt  mit  dem  iberischen  fast  völlig  überein.  Auch 
hier  aber  hat  das  dem  Jahrhunderte  dauernden  Einfluss  einer 
Kultursprache  unterliegende  Idiom  sich  nicht  auf  die  Entlehnung 
fertiger  Wörter  beschränkt,  sondern  auch  Verbalwurzeln  und  leben- 
dige Bildungssuffixe  aus  dem  Iranischen  herübergenommen.  Wie 
aber  die  Unterscheidung  der  verschiedenen  Schichten  iranischer 
Lehnwörter  im  Armenischen  zur  Entdeckung  und  genaueren  Datie- 
rung wichtiger  Lautgesetze  der  Sprache  geführt  hat,  so  verspricht 
eine  genaue  Sonderung  der  verschiedenen  Schichten  türkischer 
Lehnwörter  im  Magyarischen  auch  wichtige  Aufschlüsse  für  die 
Lautgeschichte  dieser  Sprache.  Übrigens  sieht  auch  Vämbery 
das  Magyarische  keineswegs  geradezu  für  ein,  wenn  auch  ver- 
dorbenes, türkisches  Idiom  an,  wie  etwa  das  Cuwasische,  sondern 
erklärt  es  für  eine  Mischsprache  im  eminenten  Sinne,  die  erst 
nach  mehrfachen,  durchgreifenden  Wandlungen  ihre  heutige  Ge- 
stalt erhalten  habe.  Da  aber  mindestens  seit  den  Zeiten  Attilas 
wohl  wiederholte  Einwirkungen  türkischer  Völker  auf  die  Sprache 
der  Magyaren  stattgefunden  haben  müssen,  von  einem  direkten 
Einflüsse  des  Ugrischen  aber  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann,  so 
ist  klar,  dass  das  Magyarische  mit  seinen  ugrischen  und  türki- 
schen Bestandteilen  nach  Vambery's  Auffassung  schon  im 
5.  Jahrhundert  eine  ähnliche  Mischsprache  gewesen  sein  müsste 
wie  heute.  Ein  Volk  aber,  welches  eine  solche  Mischsprache 
redete,  die  für  sämtliche  Türken  schon  im  9.  Jahrhundert  völlig 
unverständlich  sein  musste ,  hätte  sicherlich  kein  vernünftiger 
Mensch    schlechtweg    „Türken"    genannt.      Wir    überlassen    daher 

1)  R.  von  Erckert,  Die  Sprachen  des  kaukas.  Stammes  S.  385. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  51 

den  Streit  daräber,  ob  das  Magyarische  mehr  ugrischen  oder  tür- 
kischen Charakter  trage,  getrost  den  Finnologen.  Freilich  wird 
eine  endgültige  Lösung  nur  von  einem  Manne  zu  erwarten  sein, 
der  mit  dem  weiten  Blick  und  dem  historischen  Sinn  die  peinliche 
Genauigkeit  und  Genialität  eines  Thomsen  in  sich  vereinigt. 

Auch  die  von  Vambery  so  oft  mit  Emphase  in  den  Vorder- 
grund gestellte  Behauptung,  dass  Nationalcharakter,  Lebensweise, 
kriegerische  Tüchtigkeit  und  staatenbildende  Kraft  die  Magyaren 
entschieden  den  Türken  zuweise  und  von  den  Finno  -  Ugriern 
trenne,  ist,  was  die  Hauptsache,  nämlich  die  Lebensweise  anlangt, 
irrig  und  beraht  im  übrigen  auf  einem  Mangel  an  Genauigkeit  in 
der  Verwertung  der  überlieferten  historischen  Angaben.  Es  ist 
nicht  meine  Absicht,  auf  diese  Frage  hier  näher  einzugehen,  wozu 
mir  übrigens  auch  der  Raum  mangeln  würde.  Ich  will  nur  daran 
erinnern,  dass  nicht  bloss  Ibn  Kusta's  bezw.  Gaihäni's  Quelle  die 
Magyaren  in  ihren  alten  Sitzen  zwischen  Don  und  Kuban  als  ein 
echtfinnisches  Fischervolk  beschreibt,  und  auch  Regino  von 
den  Ungarn  bei  ihrem  ersten  Auftreten  in  Pannonien  im  J.  889 
berichtet,  dass  sie  in  den  Ebenen  an  der  Donau  Jagd  und  Fisch- 
fang betrieben,  sondern  schon  der  Anonymus  von  Ravenna  von 
den  Hunuguren,  die  Jordanes  als  Pelzhändler  gekannt  hatte,  genau 
in  den  von  Ibn  Rusta  angegebenen  Sitzen  der  Magyaren  aus- 
drücklich meldet,  dass  sie  von  den  in  ihrem  Gebiete  ungemein 
zahlreichen  Fischen  lebten i).  Die  'Jxdz^iQOi  dagegen,  welche 
wir  neben  den  Hunuguren  für  die  Vorväter  der  Magyaren  an- 
sehen, lebten  von  Jagd  und  Viehzucht.  Da  nun  Jagd  und  Fisch- 
fang als  Hauptnahrungszweige  gerade  für  die  finnisch-ugrischen 
Stämme  charakteristisch,  dagegen  als  solche  den  türkischen  Völkern, 
welche  von  jeher  wandernde  Viehzüchter  waren,  fremd  sind,  so 
ist  unabweisbar,  dass  jene  Beschäftigung  ein  uraltes  Erbstück  der 
Magyaren  aus  ihrer  ugrischen  Heimat  bildet,  und  dass  sie  erst 
unter  dem  Einfluss  der  ihnen  benachbarten  Hunnen  daneben  auch 
zur  Lebensweise  viehzüchtender  Nomaden  übergegangen  sind  '^).  Es 
ist  nun  gewiss  charakteristisch,  dass  sowohl  das  magyarische  Wort 
für  Fisch 3)  (hal,  mordwinisch  kal,  finnisch  kala)  wie  das  für  Netz 
(hdlö,  ostjakisch  kolyi),  wogulisch  kuluiS)  ugrischen  Ursprungs 
sind,  während  die  Ausdrücke  für  Falle  oder  Schlinge  (magyarisch 
tör,  türkisch  tor  und  tür  =  Netz  zum  Fangen  der  Vögel  und 
Fische),  sowie  für  den  Lazzo,  magyarisch  hurok,  türkisch  kuruk, 
mit  welchem  das  auf  der  Steppe  umherirrende  Vieh  eingefangen 
und  gezähmt  wurde,  auf  türkischen  Ursprung  weisen.    Eine  Anzahl 


1)  S.  o.  S.  39.  43. 

2)  Ebenso  haben  die  wogulischen  Stämme  an  der  Tawda  und 
Tura  unter  türkischem  Einfluss  Ackerbau  und  Viehzucht  kennen  ge- 
lernt. Siehe  Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den 
skyth.  Norden  II  34. 

3)  Vämbery  a.  a.  0.  275.  298. 

4* 


52  J-  Marquart, 

von  ugrisclien  Ausdrücken,  welche  sich  auf  Jagd  und  Fischfang 
beziehen ,  hat  Tomaschek  zusammengestellt *).  Über  den  dem 
finnisch  -  ugrischen  Charakter  fremden  kriegerischen  Geist  der 
Magyaren  werden  wir  alsbald  zu  sprechen  haben. 

Ist  demnach  weder  die  Sprache  noch  die  Lebensweise  der 
Magyaren  im  Stande,  die  Bezeichnung  derselben  als  Tovgxoi  bei 
den  Byzantinern  zu  rechtfertigen  oder  auch  nur  begreiflich  zu 
machen ,  so  scheint  auf  den  ersten  Blick  die  andere  Hypothese 
mehr  für  sich  zu  haben,  wonach  jene  Benennung  ihren  Grund 
darin  haben  soll,  dass  das  Fürstengeschlecht  derselben  türkischer 
Abstammung  gewesen  sei.  Die  eigentlichen  Magyaren  bestanden 
aus  sieben  Stämmen ,  zu  welchen  dann  noch  die  sogenannten 
Kaßagoi  kamen,  welche,  wie  uns  Kaiser  Konstantin  der  Purpur- 
geborene versichert,  chazarischer  Abstammung  waren  und  nach 
einem  verunglückten  Aufstau  dsversuch  gegen  die  chazarische  Re- 
gierung-) sich  zu  den  Magyaren  im  nachmaligen  Pe^enegenlande 
(Atelkuzu)  geflüchtet  und  mit  diesen  ein  Waffenbündnis  geschlossen 
hatten.  Sie  bestanden  eigentlich  aus  drei  Stämmen,  hatten  aber 
im  Unterschiede  von  den  eigentlichen  Magyaren,  von  welchen 
jeder  Stamm  seinen  eigenen  Häuptling  hatte ,  ein  gemeinsames 
Oberhaupt,  eine  Einrichtung,  die  noch  zur  Zeit  des  kaiserlichen 
Schriftstellers  bestand^).  Wegen  ihrer  grösseren  militärischen 
Tüchtigkeit  fiel  ihnen  naturgemäss  die  Führung  bei  ihren  gemein- 
samen Raubzügen  zu  und  nahmen  sie  unter  den  nunmehrigen 
acht  Stämmen  den  ei'sten  Rang  ein*).  Ich  zweifle  nicht  daran, 
dass  der  unter  den  Auspicien  des  Chazarenchagans  zum  Herzog 
der  Nation  gewählte  Arpady  und  sein  Vater  Salmuöy  eben  dem 
Stamme  der  Kabaren  angehörten.  Dafür  spricht  noch  besonders, 
dass  wir  als  Häuptling  derselben  einen  Sohn  Arpady's  treffen.  In 
dem  Kriege  gegen  den  Bulgarencar  Symeon,  den  die  Magyaren 
im  Verein  mit  den  Kabaren  als  Bundesgenossen  Kaiser  Leons  des 
Weisen  im  Jahre  895  unternahmen,  erscheinen  die  Küßagoi,  als 
das  treibende  und  handelnde  Element.  Ihr  Oberhaupt  war  damals 
Arpads  Sohn   Aiovvng  (Acc.  AiovvtiVa)^)^   ein  Name,  welchem 


1)  A.  a.  0.  II  45  f. 

2)  KaßaQoi  ist  nach  Vjimb^ry  a.  a.  0.  S.  145  Anm.  1  ein  tür- 
kisches Wort  mit  der  Bedeutung  „Revolutionär,  Empörer". 

3)  Konstantin.  Porphyrog.  de  adm.  imp.  c.  39  p.  172, 5  flP.  c.  40  p.  174, 19. 
*)  Konstantin.  Porphyrog.  de  adm.  imp.  c.  39  p.  172,  3:  Sia  Se  to 

sie  rovi  nolefiove  iaxvQoisqove   aal  ävS^eiOTegov?  Seixvvad'ai   i(Sv  oxtco 
ysvscöv  ytti  TignsSripystv  rov  noXeuvv  ngoexgi&Tjaav  TtpfSrni  ysvsm'. 

^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  40  p.  172,  13  ff.:  Kai 
ovTcoe  allTjioie  owafd'svies  fiSTÖ.  rcov  Tovqkcov  oi  KdßuQOi  sie  ttjv 
nart,ivaxircöv  xnrcoxrjoav  yfjv ,  fisra  Si  invra  .  .  .  tov  ^Iv/newv  nole- 
fujaavres  xara  xfjnrog  avrbv  rJTxrjaav ,  xnl  ä^BXdaavres  fiexQ'^  '^VS  Hoe- 
a^Xäßov  SifjX&ov  änoxXsianvTSS  avrdv  eis  ro  xäaxQOv  ro  Xeyöfievov 
MovvSqäya,  xal  eie  t^v  iSiav  ^'^OQav  vTiEorgErpaV  rcp  oi  tote  xniQw 
rov  ytiovvtivn  rov  viov  tov  yiQnaSrj  ei^ov  a.gxovTn  xrX.  Subjekt  sind 
hier  überall   die    Kaßagoi,  und   daraus   ergibt  sich,    dass  Aiovvcn  als 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  53 

wir  in  der  Form  Levente  im  11.  Jahrhundert  wieder  begegnen^). 
Die  Kabaren  bewahrten  nicht  nur  ihre  chazarische  Sprache,  son- 
dern drängten  sie  auch  den  Magyaren  {TovQXoC)  selbst  auf,  sodass 
das  Chazarische  die  gemeinsame  politische  und  militärische  Sprache 
war;  daneben  behielten  übrigens  die  in  der  Überzahl  befind- 
lichen Magyaren  ihr  eigenes  Idiom  bei^).  Das  Chazarische,  die 
Sprache  der  Kabaren,  war  aber  sicher  ein  türkischer  Dialekt^^),  und 
es  ist  daher  begreiflich,  wenn  die  überwiegende  Mehrzahl  sämt- 
licher in  byzantinischen  und  einheimischen  Chroniken,  besonders  bei 
Konstantinos  Porphyrogennetos  und  dem  famosen  Notar  des  Königs 
B61a,  überlieferten  magyarischen  Personen-  und  Würdenamen,  sowie 
Glossen  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  wirklich,  wie  Vämbery*) 
behauptet,  rein  türkisch  sind,  ja  selbst  noch  die  in  Urkunden  des 
14.  und  15.  Jahrhunderts  vorkommenden  Personennamen  häufig 
einen  rein  türkischen  Sprachcharakter  tragen.  Es  ist  selbst- 
verständlich, dass  die  Sprache  der  Kabaren  auf  die  der  eigentlichen 
Magyaren  einen  grossen  Einfluss  ausgeübt  und  das  Magyarische 
auch  während  dieser  Periode  eine  Menge  türkischer  Wörter  auf- 
genommen haben  muss.  Allein  die  Sprache  der  Kabaren  ver- 
schwand im  Laufe  der  Zeit  ebenso  wie  die  der  späterhin  in  Ungarn 
angesiedelten  Peßenegen  und  Kumanen.  Indessen  der  Einfluss  des 
Türkischen  auf  das  Magyarische  ist  viel  älter,  und  da  wir  gesehen 
haben,  dass  die  Magyaren  in  der  That  —  wie  die  ungarischen 
Chroniken  behaupten  —  schon  zum  Reiche  Attila's  gehörten  und 
am  Pontos  in  der  Nachbarschaft  hunnisch  -  bulgarischer  Stämme 
Sassen,  so  können  wir  denselben  mindestens  bis  ins  5.  Jahrhundert 
hinauf  verfolgen.  Wahrscheinlich  ging  aber  dieser  hunnischen 
Einwirkung  noch  eine  ältere  Periode  türkischen  Einflusses  auf 
Sprache  und  Sitten  der  Magyaren  in  deren  ürsitzen  im  südlichen 

Häuptling  der  Kdßa^oi,  nicht  als  Herzog  der  Magyaren  zu  denken  ist. 
Georgios  Monachos  nennt  die  Häupter  der  Magyaren,  mit  welchen  der 
byzantinische  Gesandte  Niketas  Skieros  jenen  Raubzug  gegen  die 
Bulgaren  verabredete,  Agnäöris  und  Kovaävrjs  (ed.  Bonn.  p.  854,  1.  ed. 
de  Muralt  p.  772.  16).  Hier  steht  'AquölStis,  wie  Geza  Kuun  1.  1. 
II  38  glaubt,  vielleicht  irrtümlich  für  den  weniger  bekannten  Namen 
seines  Sohnes. 

1)  Vgl.  G^za  Kuun,  Relat.  Hungar.  cum  Oriente  hist.  antiq.  II  5. 
*)  Die  Worte    des   Kaisers    lauten    (de   admin.  imp.  c.  39  p.  171, 

21  ff.):  ....  xat  KäßaQoi  iivss  divo/Liäoü'rjoav.  od'tv  xai  tj^V  tcüv 
Xat,äQ(av  ylcÖaaav  avroTg  rols  TovQOiOit  iSiSa^av,  xai  fii^Qt  lov  vvv 
rrjv  aviTjv  Siälexrov  ejcovaiv  e^ovoi  ^s  xai  xrjv  tcüv  Tovqxcov  eregav 
yXcöaaav.  Als  Subjekt  von  xai  fiixQi  an  sind  offenbar  die  Tovqkoc  zu 
denken.  Im  folgenden  sind  freilich  wieder  die  KaßnQoi  Subjekt,  ohne 
dass  dies  besonders  hervorgehoben  wäre,  und  die  Ausdrucksweise  des 
Kaisers  bleibt  daher  auf  jeden  Fall  ungenau. 

2)  Vgl.  vor  allem  Mas'üdi,  Kitäb  attanblh  Ar,  15  ff.,  der  zu  den 
türkischen  Völkern  ausser  Charluch,  Ghuz,  Kaimäk  und  Toyuzyuz 
auch  die  Chazaren  rechnet  und  bemerkt:  ,sie  haben  eine  Sprache  und 
bilden  ^in  Reich"  (bezieht   sich  auf  das  ehemalige  alttürkische  Reich). 

*)  S.  135  ff.  165  ff. 


54  J-  Marquari, 

Jugrien  (in  der  Nähe  des  Isim  und  in  der  Baraba)  voraus.  Auf 
jeden  Fall  darf  man  den  kriegerisclien  Geist  der  Magyaren  keines- 
wegs erst  von  der  Einwirkung  der  Kabaren  ableiten,  vielmehr  sind 
sie  zum  mindesten  schon  durch  die  Hunnen  ihrer  früheren  fried- 
fertigen Lebensweise  als  ugrische  Fischer  und  Jäger  entfremdet 
und  auf  den  Kriegspfad  gedrängt  worden,  wenngleich  sie  noch  im 
9.  Jahrhundert  die  kriegerische  Überlegenheit  der  numerisch  viel 
schwächeren  chazarischen  KdßdQOi  unumwunden  anerkennen  und 
sich  ihrer  Führung  willig  unterordnen. 

Das  Geschlecht  der  magyarischen  Herzöge  aus  dem  Hause 
des  Arpady  war  nach  den  obigen  Ausführungen  in  der  That  ein 
chazarisches,  d.  h.  nach  unserer  heutigen  ethnographischen  Termino- 
logie nicht  ugrischer,  sondern  türkischer  Abstammung.  Will  man 
aber  in  dieser  Thatsache  den  Grund  zu  der  byzantinischen  Be- 
nennung der  Magyaren  als  Tovq^ol  erblicken,  so  muss  man  not- 
gedrungen einen  Zusammenhang  mit  der  identischen  Bezeichnung 
der  Chazaren  annehmen.  Dem  steht  indessen  entgegen,  dass  sich 
der  Name  TovQXOi  für  die  Chazaren  zum  letztenmal ,  soviel  ich 
sehe,  im  Jahre  765  n.  Chr.  findet,  während  die  Magyaren  unter 
diesem  Namen  zum  erstenmal  im  Jahre  839  oder  840  vorkommen. 
Diese  Bezeichnung  könnte  aber  nach  obiger  Voraussetzung  erst 
nach  der  Vereinigung  der  Kabaren  mit  den  eigentlichen  Magyaren 
und  der  Wahl  Arpady's  zum  Herzog,  also  erst  nach  dem  Jahre 
862  aufgekommen  sein.  Allein  in  dem  oben  erwähnten  Berichte 
über  den  Zug  der  Magyaren  nach  der  Donau  zur  Zeit  des  Kaisers 
Theophilos  bei  Georgios  Monachos  und  Leon  Grammatikos  werden 
jene  abwechselnd  bald  Ovyygoi,  bald  Ovvvoi  und  Tovgxoi  genannt, 
und  man  müsste  annehmen,  dass  die  Einführung  des  Namens  Tovgxoi 
hier  späterer  Überarbeitung  zur  Last  falle.  Dazu  kommt,  dass  noch 
Konstantinos  Porphyrogennetos  die  eigentlichen  Magyaren  unter 
dem  Namen  TovQXOc  von  den  chazarischen  Küßagoc  streng  unter- 
scheidet und  beide  als  zwei  ethnographisch  verschiedene  Völker- 
individuen einander  gegenüberstellt.  Daraus  folgt,  dass  der  Name 
TovQXOi  für  die  Magyaren  schon  vor  ihrer  Vereinigung  mit  den 
chazarischen  KdßaQoi  und  vor  der  Wahl  des  Chazaren  Arpady 
zum  Herzog  in  Gebrauch  war,  und  mit  der  früheren  identischen 
Benennung  der  Chazaren  nichts  zu  thun  haben  kann.  Mit  den 
eigentlichen  Türk,  deren  Reich  schon  100  Jahre  vor  dem  erst- 
maligen Aufti-eten  der  Tovqxol  gestürzt  worden  war,  können 
die  Magyaren  vollends  in  keinerlei  Beziehung  gesetzt  werden. 

Nachdem  sich  somit  alle  bisherigen  Versuche,  den  byzanti- 
nischen Namen  der  Magyaren  zu  erklären,  als  unbefriedigend  und 
irreführend  herausgestellt  haben,  halte  ich  es  für  methodischer,  einen 
andern  Weg  einzuschlagen,  um  der  Wahrheit  näher  zu  konuuen.]') 


')  D<;r  zwischen  [  ]  gesetzte  Abschnitt  von  S.  4r)  an  ist  nachträg- 
licher Zusatz. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  55 

Her.  d  22  kennt  im  nördlichen  Asien  ein  Jägervolk  der 
^JvQxai,  welche  man  mit  dem  Lande  Jugra  der  russischen  Chronik 
in  Verbindung  bringt  und  für  die  Vorväter  der  Magyaren  hält^). 
Gegenüber  der  Form  Jugra,  welche  noch  heute  bei  den  Permiern 
im  Gebrauche  ist ,  zeigt  nun  Herodots  'IvQxai  eine  Konsonanten- 
versetzung ,  die  Tomaschek,  wie  ich  glaube  mit  Recht ,  auf 
Rechnung  pontisch-iranischer  (skythischer)  Vermittlung  setzt.  Das- 
selbe Volk  wird  nun  von  Plin.  6,  19  Tyrcae  und  von  Mela  I,  §  116 
Turcae  genannt,  und  wir  haben  zunächst  kein  Recht,  diese  Form 
lediglich  als  einen  Schreibfehler  für  lyrcae  zu  betrachten.  Über 
die  Sitze  dieses  Volkes  lassen  sich  aus  dem  Kontext  des  Plinius 
keine  sicheren  Schlüsse  ableiten.  Seine  Worte  lauten:  A  Cimmerio 
accolunt  Maeotici,  Hali,  Sernis,  Serrei,  Scizi,  Gnissi  ^).  dein  Tanain 
amnem  gemino  ore  influentem  incolunt  Sarmatae ,  Medorum  (ut 
ferunt)  suboles,  et  ipsi  in  multa  genera  divisi:  primi  Sauromatae 
Gynaecocratumenoe  Amazonum  conubia ;  dein  Naevazae ,  Coitae, 
Cizici'^),  Messeniani,  Cotobacchi,  Cetae,  Zigae,  Tindari,  Thussegetae, 
Tyrcae  usque  ad  solitudines  saltuosis  convallibus 
asperas,  ultra  quas  Arimphaei  qui  ad  Ripaeos  pertinent  montes. 
All  diese  Völker  werden  also  zu  den  Sarmaten  (im  weiteren  Sinne) 
gerechnet.  Von  denselben  sind  nun  die  Zigae  und  Tindari  be- 
kannt: jene  entsprechen  den  Zi'/oc*),  diese  den  /iavöccgioi 
Strab.  la  2,  11,  p.  495  an  der  Maiotis,  in  den  Cetae  stecken  wohl 

^)  Vgl.  z.B.  Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über 
den  skyth.  Norden  II  43  ff.  SBWA.  Bd.  117,  1  (1888).  K.  E.  v.  Baer 
und  Geza  Kuun,  Relat.  Hungarorum  cum  gentibus  orientalibus  bist, 
antiquissima  I  187  halten  die  '  Iv^xat  dagegen  für  Türken. 

^)  R'^  gneapsa  d.  i.  wohl  genapsae  =  Kovaxpoi  {Kövaxpos  näna 
findet  sich  als  Personenname  bei  Latyschev,  Inscript.  graecae  orae 
septentrionalis  Ponti  Euxini  II  100),  Kovaxjjrjvoi  Ptol.  5,  8  p.  349,  9. 
Damit  wird  die  KavoStifjas  %ui^a  Ptol.  6,  14  p.  426,  30  (lies  Kova\i)i\(ia\'i) 
identisch  sein.  In  Hali  sind  wohl  die  bei  Plin.  6,  16  genannten  Thali 
zu  erkennen,  die  mit  den  Divali  der  Tabula,  den  OuaXoi  des  Ptol.  5,  8 
p.  349,  18,  Valli  Plin.  6,  30  d.  i.  den  kaukasischen  DvaW  (Mos.  Chor. 
Geogr.  p.  26,  30  ed.  Soukry)  in  der  Landschaft  Z)«ü«^e«Ä«  (K 1  a  p  r  o  t  h , 
Reise  in  den  Kaukasus  II  383.  578  f.  Kaukas.  Sprachen  S.  177;  vgl. 
Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  u.  s.  w.  11  40)  identisch 
sein  dürften.  In  Sernis  (1.  SERVII)  sehe  ich  die  2aQßoi  Ptol.  5,  8 
p.  349,  16,  Serrei  sind  wohl  sicher  die  Serri  Cephalotomi  (hinter  den 
Cercetae  genannt)  Plin.  6,  16.  Scizi  ist  kaum  etwas  anderes  als  Schreib- 
fehler für  Zici  =  Zixoi. 

^)  F  cizi,  R  zici.  Letzteres  ist  gewiss  das  Richtige  ==  Zi^oi.  Für 
Naevazae  ist  wohl  Navazae  zu  lesen.  Vgl.  den  Wifra  Nawäza  jt.  5,  61. 
23,  4,  von  welchem  es  heisst,  dass  er  die  weitufrige  Ranha  (d.  i.  die 
Wolga,  'Pn)  erreichte.  Jt.  24,  2  steht  dafür  pud-rö  näiwäzö  =  „der 
Sohn  des  Nawäza".  Diesen  Volksnamen  erkenne  ich  in  dem  Personen- 
namen NdßaC,o£  auf  einer  Inschrift  aus  Tanais  Lat.  II  447.  Vielleicht 
ist  auch  bei  Strab.  la  5,  8  p.  506  für  NaßmNoi  zu  lesen  NäßaZoi.  — 
Für  Coitae  ist  zu  lesen  Co\r^itae\  vgl.  Mela  1,  13:  Moschi  corsitae,  eine 
Verstümmelung  für  Cercetae. 

4)  Ptol.  5,  8  p.  349,  8  Ziyxoi. 


56  J.  Marquart, 

sicher  die  KsQxitai  Strab.  p.  492,  496,  497;  Ptol.  5,  8,  p.  349,  24. 
Allein  es  wäre  tollkühn,  nun  auch  die  Thyssageten  und  Tyrcae  in 
die  Nähe  der  Maiotis  rücken  zu  wollen  und  anzunehmen,  dass 
bereits  in  so  früher  Zeit  finnisch-ugrische  Jägervölker  bis  zum 
Kaukasus  vorgerückt  seien.  Vielmehr  zeigt  der  ausführlichere 
Text  der  Mela,  dass  die  letzte  Quelle  für  alle  drei  Namen  Herodot 
ist.  Immerhin  kann  aber  die  Quelle  des  Mela  und  Plinius  die 
Namensform  Tyrcae  so  gut  wie  Arimphaei  statt  AQyinTtaioi  oder 
' AQyifXTiaioi  ^)  aus  einer  jüngeren  griechischen  Quelle  geschöpft 
haben,  welche  Herodots  Nachrichten  überarbeitete,  und  ich  nehme 
daher  keinen  Anstand,  dieselbe  als  echt  zu  betrachten.  Dann 
haben  wir  aber  die  merkwürdige  Thatsache  vor  uns,  dass  Mela 
und  Plinius  und  dann  wieder  die  Byzantiner  vom 
9.  Jahrhundert  ab  ein  und  dasselbe  Volk  in  ganz  ver- 
schiedenen Wohnsitzen  und  ohne  jede  litterarische  Ab- 
hängigkeit mit  demselben  Namen  benennen,  der  sich 
von  Herodots  Namensform  'IvQxai  nur  durch  das  an- 
lautende t  unterscheidet.  Bei  beiden  Namensgruppen  treffen 
wir  aber  die  charakteristische  Konsonantenversetzung,  die  eine 
Eigentümlichkeit  der  pontisch-iranischen  Dialekte  war.  Ich  glaube 
deshalb,  dass  auch  die  Formen  Turcae,  Tyrcae,  Tovqxol  skythischen 
Dialekten  angehören,  und  die  Byzantiner  diese  Bezeichnung  der 
Magyaren  von  den  Alanen  entlehnt  haben.  Das  anlautende  t 
muss  somit  ein  Präfix  sein,  das  wohl  irgend  einer  kaukasischen 
(oder  finnisch-ugrischen?)  Sprache  entstammt.  Mit  den  Türken 
hat  sonach  jene  Bezeichnung  der  Magyaren  nichts  zu  thun. 

Das  älteste  Beispiel  für  diesen  Gebrauch  des  Namens  Tovgxoi 
in  der  romäischen  Litteratur  erkenne  ich  in  der  Erzählung  des  Bar- 
hebraeus  über  die  Wanderung  der  Bulgaren,  die  aus  der  Kirchen- 
geschichte des  Johannes  von  Ephesos  (schrieb  585/86)  stammt. 
Die  Bulgaren  und  Chazaren  werden  hier  von  drei  Brüdern  ab- 
geleitet, von  denen  einer  Bulgaris  hiess.  ,Die  beiden  andern 
Brüder  aber  kamen  ins  Land  der  Alanen  d.  i.  Barsälia,  oder  zur 
Stadt  Kaspia,  welche  die  Bulgaren  und  Phanagoreer  'Thor  der 
Türken'  nennen,  welche  ehemals  Christen  waren  und  jetzt  Chazaren 
genannt  werden  nach  dem  Namen  ihres  ältesten  Bruders"  2).  Ich 
halte  es  für  ausgeschlossen,  dass  der  Name  ,Thor  der  Türken" 
für  das  Kaspische  oder  Alanenthor  etwas  mit  den  eigentlichen 
Türk  zu  thun  hat,  auch  glaube  ich  nicht,  dass  hier  bereits,  wie 
später  bei  den  Arabern  und  Byzantinern,  Turk  eine  Bezeichnung 
der  Chazaren  ist.  Vielmehr  ist  jener  Name  auf  die  Tovqxov  = 
Magyaren  zu  beziehen.  Ebenso  ist  der  altrussische  Name  des 
Kaukasus,   ,Berg  der  Ugri",  von  den  Ugri  cernü  abzuleiten. 


•)  Diese  werden  durch  eine  etymologische  Spielerei  mit  den  Kipaei 
montes  zusammengebracht. 

^}  S.  0.  S.  I5t".  und  meiuc  Chronologie  der  alttürk.  laschrifteu  S.  85, 


^  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  57 

Eine  weitere  SiDur  dieser  Benennung  der  Magyaren  glaube 
ich  in  der  Beschreibung  des  asiatischen  Sarmatiens  in  der  Geo- 
graphie   des    Ps.  Moses  Chorenac'i    ed.  Soukry    p.  25  zu  finden, 

wo  es  heisst  ^) :  «/»  (\ln.UJßu  ^tun^^  lupäuii^l^  ah-in  JJt 
^ut-t-ß/L.nu  uAni^jy  nn  Jlri^ül^  fi*t  ^"uihnpidfu  Itl.  9/i^ 
.ßiiJ*  J  uui^^JiuImU  jnpnL.tr  ^utijujnfi^  '\j^l^nihu  t  f) // 
pum  <fftL.ufiunj  trü  ujqn.  ^nL.pßUJ^  Iru.  ^ni^jrpiuptuq )  PUUl 
uhinL-utiäa  a^lruinqn.  ^n^qlriu^  \\nLjhfi  ^nciquip  f  ^\nL.tJi 
^nL.£fytup  f     [\n^nismnp     ^^tup     trlpi  y     ^rLtup     ^niLiup     d.    h. 

„dieses  (das  Gebirge  Koga^)  entsendet  einen  Fluss,  namens 
Psyehros,  welcher  die  Grenze  bildet  zwischen  Bosporos  {P'os- 
p'oronn)  und  dem  Gebiete  Zik'un  {Zi^wv) ,  in  welchem  das 
Städtchen  Nikop's  {Nixoiptg)  ist-^).  Nördlich  davon  sind  das 
Volk  (lies :  die  Völker)  der  T'urk'k'  und  Bulyark',  die  nach  den 
Namen  der  dortigen  Flüsse  benannt  sind:  Kup't  Bulyar  (am 
Koicfig  oder  Kuban),  Duo'i  Bulkar*)^  Olxontor  ßlkar^)  der  Ein- 
wanderer, (J'dar  Bolkar^.  Hier  können  mit  den  T'urk'k'  nicht 
die  Chazaren  gemeint  sein,  da  diese  nachher  S.  26,  16  im  Verein 
mit  den  ^ncjjpi^  By2xk'  besonders  gei^nnt  und  den  Basilk' 
bezw.  Barselk''  gegenüber  gestellt  werden.  Wenn  es  an  dieser 
Stelle  unmittelbar  vorher  heisst,  dass  die  T'urk'k'  den  70 -armigen 
(d.  i.  die  Wolga)  den  Strom  At'l  nennen,  so  brauchen  auch  hier 
unter  diesem  Volk  keineswegs  die  Chazaren  verstanden  zu  werden, 
sondern  der  Name  kann  sich  ebensogut  auf  die  eigentlichen  Türk 
oder  auf  die  Magyaren  beziehen.  Dass  das  türkische  Wort  Atü 
auch   in    die  Sprache  der  Magyaren  übergegangen  war,    zeigt  der 

^)  Vgl.  zum  Folgenden  Chronologie  der  alttürk.  Inschriften  S.  88  f. 

^)  Hs.  qt  B""^ ,  Soukry  jf^ti» 

*)  Der  Verfasser  hat  hier  den  fvxQos  des  Ptolemaios,  welcher 
unter  66»  40'  L.  47*>  30'  Br.  mündet  (p.  346,  22),  mit  dem  Ovxqovx  d.  i. 
dem  südlichsten  Mündungsarm  des  Kuban  kombiniert.  Vgl.  Konstantin. 
Porphyrog.  de  adm.  imp.  c.  42  p.  181,  lOff. :  dnö  to  l'u/xäiaqxü^  eoxi, 
noxa/iöi  anb  fiikicov  irf  i]  xal  x',  /.eyofitvos  Ovxqov x^  o  S laxa» q  it,a)  v 
TTJv  Zixiav  xal  r  o  Ta  fiär  a  q  x^'  (t'^o  Se  zov  Ovx^ovx  f^t'^ot  rov 
NixöxpEcos  noTttfiov ,  iv  q>  xal  xÜotqov  iariv  bfxaivvfiov  tco  norajuw, 
k'ari.v  fj  ;^ß/ßa  t^s  Zixias  xtA.  Für  Tafidrao-/a  (Tmutorokan,  Taman) 
nennt  Moses  das  gegenüberliegende  Bosporos. 

*)  Es  wird  sich  fragen,  ob  mit  Rücksicht  auf  S.  16,  22  T»*"-^' 
nicht  in  M"'-i_t  zu  verbessern  ist.  Hier  nennt  der  Verfasser  nämlich 
einen  Fluss  ^n^sj  Koo^oj  in  Sarmatien. 

^)  Die  Namensform  {[qjutfuuinfi  ^i^utp  scheint  ein  Kompromiss 
zwischen  den  ü'vvvovyowSov^oi  der  bulgarischen  Wandersage  und  den 
\^"ULn}"t"'-C-^  zu  sein,  welche  EHse  im  5.  Jahrhundert  nördlich  vom 
Kaukasus  kennt. 


gg  J.  Marquart, 

Ausdruck  'AreXnovCov^) ,    die  Türk    aber  herrschten    im  6.  Jahr- 
hundert in  der  That  bis  zur  Wolga. 

Dem   widerspricht    auch    nicht    das    Ende    der   Beschreibung 
Sarmatiens  S.  27,  14  ff.,  wo  wir  Folgendes  lesen: 

„Nördlich  davon  (von  der  Stadt  Pahak   Coraj  oder  Darband) 
ist   das  Königreich    der   Hunnen    in    der  Nähe    des  Meeres.     Und 
im  Westen    desselben    am    Kaukasus    Waragan,    die    Stadt  jener 
Hunnen,  und  C'undars  und  Smendr-).    Gegen  Osten  wohnen  die 
Savirk'  bis  zu  diesem  At'l-Flusse^),  der  die  Grenze  bildet  zwischen 
dem  asiatischen  Sarmatien  und  den  Ländern  Skythien.     Dies  sind 
die  Nordländer,  d.  i.   T'urk'astank' ^  und  ihr  König  der  Chak'an^ 
und  die  Chat'un,  ihre  Königin,  die  Frau  des  Chak'ans".    Die  Gleich- 
setzung Skythiens  mit  13."/"'A'P"'/!^  (bezw.  Ü»"/A''""'/^)  Ap(^^- 
t'ark  d.  i.  den  Nordländern,  die  wiederum  mit  ^ni^pßiuumufuß 
T'urk'astank'    für    identisch    erklärt    werden ,    findet    sich    schon 
S.  12,  5,  sowie  in  der  Beschreibung  Skythiens  S.  42,  15  (=  56 
der  Übs.)  und  beruht  auf  Sebeos,  welcher   „den  grossen  Chak'an" 
d.    i.    den    Chagan    der    Westtürken    als    König    der    Nordländer 
tunntuj   linqJufußit  '^ftt-uftunj    bezeichnet*).     Ps.  Moses  versteht 
unter  T'urk'astank'  ebenso  wie  Sebeos    das  Reich  der  eigentlichen 
Türken,    das  im  6.  Jahrhundert  in  der  That  im  Westen    bis    zur 
Wolga  reichte.     Dass  aber  die    oben  mitgeteilten  Nachrichten  des 
Ps.  Moses    grossenteils    auf   eine    Quelle    aus    dem  6.  Jahrhundert 
zurückgehen,  zeigt  schon  die  Erwähnung  der  Savirk',  welche  seit 
dem    Jahre  558  n.  Chr.    im    Norden    des  Kaukasus    verschwinden. 
Die  abgekürzte  Recension    der  Geographie    des   Ps.  Moses  hat  die 
Stelle  missverstanden  und    den  Ausdruck  T'urk'astank^  fälschlich 
auf  die  Chazaren  bezogen,  obwohl  der  Verfasser  in  der  Beschreibung 
Skythiens    klar    ausspricht,    dass    Skythien    oder  T'urk'astank'    im 
Westen    durch    Sarmatien    bezw.   den   Fluss   At'l   begrenzt   werde. 
So  ist  denn  hier  der  ursprüngliche  Text  folgendermassen  zurecht- 
gemacht^):   1^  [J^uJ^iui^npU   <l[,i.u(,unj    k   \iut^uflh,   np  l^  mkft 
\otuapiuq^      L-     rj-^nj'ü     P^iuii-mJ^fi     1^     ^ntußni^iht  y     np     l^   ') 

L[fu  \aixipufüujj  ^[t   ^^ujpuqujg  ')  luijjf^l-it   d.  h.   „und  der  König 

1)  Vgl.  auch  oben  S.  32  f. 

2)  Soukry  2"«-^'^«'/'"  ^^  IT"/:'''?^"-.  lies  ^n^'i.q.u.p,,  t^.  y»/^%^n. 
Siehe  WZKM.  XII  171  Anm.  1.   195  Anm.  2. 

»)  ed.  j  ^ußi_t  t^*" »  lies  j  W^Lt  t'^'"' 

*)  Sebeos  ed.  Pathan e au  S.  66,  2.  68,  2  v.u.  Vgl.  WZKM.  XII 
191  f     Nach  ersterer  Stelle  kommt  der  Wehrot  aus  T'urk'astan. 

^)  Moses  Chorenae'i,  Werke,  Venedig  1865,  S.  605,  6  ft".  J.  Saint- 
Martin,  Memoires  historiques  et  geographiques  sur  l'Armeme  II  356. 

•*)  om.  Ven. 

')  Veu.  I'u^u^wj* 


Osteuropäische  und  ost asiatische  Streifzüge.  59 

des  Nordens  ist  der  Chak'an,  d.  i.  der  Herr  der  Chazirh\  und  die 
Königin  ist  die  Chat'un ,  d.  i.  die  Frau  des  Chak'ans ,  aus  dem 
Volke  der  Barsilk'" . 

Da  es  sich  somit  nicht  beweisen  lässt,  dass  der  Verfasser 
unter  den  T'urk'k'  die  Chazirk'  verstanden  wissen  will,  so  halte 
ich    mich    berechtigt,    in    den    nördlich    von    Nikopsis    neben    den 

Bul^'ark'  (Kuban  -  Bulgaren)  genannten  T'urk'k'  die  Kj,i:>^il  des 
Ibn  Rusta,  die  Onoguren  des  Ravennaten  d.  h.  die  Magyaren  zu 
erkennen. 

Endlich  möchte  ich  diese  Namensform  auch  in  dem  Namen  eines 
Flusses  ei'blieken,  der  in  der  Beschreibung  der  vermeintlichen  ür- 
sitze  der  Magyaren  bei  den  ungarischen  Chronisten  eine  grosse  Rolle 
spielt.  Dieselbe  lautet  bei  Simon  de  Keza  I  1,6^):  Scitica  enim  regio 
in  Europa  situm  habet,  extenditur  enim  versus  orientem,  ab  uno 
vero  latere  ponto  aquilonali,  ab  alio  montibus  Rifeis  includitur,  a 
zona  tonida  distans.  de  Oriente  quidem  Asie  iungitur.  Oriuntur 
eciam  in  eodem  duo  magna  flumina,  uni  nomen  Etui,  ät  alterius 
Togora.  gentes  siquidem  in  eo  regno  procreate  ocia  amplectuntur, 
vanitatibus  dedite ,  nature  dedignantis  artibus  (1.  actibus)  venereis 
intendentes  rapinas  cupiunt,  generaliter  plus  nigre  colore,  quam  albe. 
Scitico  quoque  regno  de  Oriente  iungitur  regnum  lorianorum,  et 
post  hec  Tarsi'a,  et  tandem  Mangalia,  ubi  Europa  terminatur.  ex 
plaga  vero  estivali  subsolana,  gens  iacet  Corosmina,  Ethiopia  eciam, 
que  India  minor  dicitur ,  ac  post  hoc  inter  meridiem  et  cursum 
Don  fluvii  desertum  existit  immeabile.  fiuvius  siquidem  Don  in 
Scicia  oritur,  qui  ab  Hungaris  Etui  nominatur,  sed  ut  montes 
Rifeos  transit  diffluendo,  Don  est  appellatus,  qui  tandem  in  planum 
effluens ,  currit  terram  Alanorum ,  postea  vero  cadit  in  rotundum 
mare  ternis  ramusculis.  Togora  autem  fluvius  discurrit  de  Scicia 
exiendo  per  desertas  silvas,  paludes  ac  montes  niveos,  ubi  nunquam 
sol  lucet  propter  nebulas ,  tandem  intrat ,  in  Yrcamam  vergens, 
in  mare  aquüonis. 

Die  auf  der  Ostseite  Skythiens  liegenden  Landschaften  Tarsia 
und  Corosmina  sind  von  V a m b e r y  und  Geza  ^Kuun  durch 
•AJo  Taräz  oder  Talas  an  einem  Nebenflusse  des  Cui  und  durch 
Ghwärizm  erklärt  worden  ^) ;  Mangalia  soll  mit  dem  in  der  ra^ig 
Tiüv  TiuTQiaQ'/^ixitJv  ■d'Qovwv  des  Neilos  Doxopatres  aus  dem  Jahre 
1143  genannten  Mayicagia  identisch  sein 3),  was  Bruun  für  den 
tatarischen  Namen  Kiews  hält.  Da  aber  nach  unserem  Text  Mangalia 
an  der  Ostseite  von  Skythien  liegen  soll,  so  vermutet  Kuun,  dass 


^)  Endlicher,  Rer.  Hungar.  monum.  Arpadiana  p.  87  s.  Hist. 
Hungaricae  fontes  domestici  II  56,  ed.  M.  Florianus.  Chron.  pict. 
Vindob.  c.  2  (ib.  II  105). 

2)  Vämbery  a.  a.  O.  S.  161  f.  175  f.;  Geza  Kuun,  Relat.  Hungar. 
I  33  SS. 

^)  In  Parthey 's  Ausgabe  von  Hierokles'  Synekdemos  p.  270,  29. 


gQ  J.  Marquart, 

die  spätere  Tradition  ursprüngliches  Mongolia,  „ubi  Asia  termi- 
natur",  durch  das  bekanntere  Mangalia,  „ubi  Europa  terminatur", 
ersetzt  habe.  Den  Ausdruck  regnum  lorianorum  erklärt  der- 
selbe wohl  richtig  aus  einer  Vermischung  des  Landes  Jugra  der 
russischen  Chronik,  ö.jj  oder  s^i^  der  arabischen  Geographen 
mit    ,  L>  >  Gurgän,  Gurgän  „Hyrkanien"  oder  wohl  richtiger  mit 

iJib*!^^  al  Ourgänija,  persisch  ^\j^ß  Gurgäng ,  der  Haupt- 
stadt von  Chwärizm^).  Das  rotundum  mare,  in  welches  der  Don 
in  drei  Armen  fällt,  ist  die  Maiotis;  in  dem  mare  aquilonis  da- 
gegen, in  welches  der  Fluss  Togora  nach  Hyrkanien,  d.  i.  Gurgän 
oder  wahrscheinlicher  Gurgäng,  der  Hauptstadt  von  Chwärizm  ein- 
lenkend, mündet,  haben  wir  wahrscheinlich  eine  Vermengung  des 
Kaspischen  Meeres,  arabisch  ,^^^_f>-  ysr.  «Meer  von  Gurgän"  oder 
.i;Cv-j>L>   j<^.    „Meer  von  Tabaristän",    mit   dem  Aralsee,    arabisch 

».IiL>^^  öj*^^  »See  von  GurgänTja  oder  Gurgäng"  zu  erblicken. 
Mit  dem  Ausdruck  „Nordmeer"  war  wohl  eigentlich  der  den 
Arabern  sehr  wenig  bekannte  Aralsee  gemeint-).  Die  Entstehung 
dieser  Benennung  ist  wohl  im  Iraq  oder  in  Syrien  zu  suchen  und 
die  Ungarn  werden  mit  derselben  durch  Vermittlung  muslimischer 
Kaufleute  bekannt  geworden  sein.  Kuun  erinnert  mit  Recht  an 
die  muslimischen  Kaufleute  aus  Ungarn,  mit  welchen  Jäqöt  um 
1220  n.  Chr.  in  Haleb  zusammentraf. 

Ich  stimme  Vämbery  darin  vollkommen  bei,  dass  unter  dem 
Flusse  Togora^)  nur  der  Jajyk  oder  Ural  gemeint  sein  kann, 
welcher  in  der  That  ins  „Meer  von  Gurgän"  mündet  und  in  dessen 
Nähe  die  Magna  Hungaria  der  ungarischen  Chronisten  zu  suchen 
ist.  Der  Name  Togora  aber  zeigt  dasselbe  Präfix,  wie  der  oben 
erörterte  byzantinische  Name  der  Magyaren,  und  hängt  mit  dem 
Namen  des  Landes  Jugra  und  dem  slawischen  und  westeuropäischen 
Namen  der  Magyaren  OvyyQOi,  Ungri,  Ugri  zusammen. 


3.   Der  Raubzug  der  Magyaren  gegen  Konstantinopel 
im  Jahre  934  bei  Mas'üdl. 

Soviel  ich  sehe,  ist  eine  Erzählung  desMas'üdT,  Murügll  58 — 64, 
die  sich  auf  einen  Einfall  der  Magyaren  und  anderer  Barbaren 
ins  byzantinische  Reich  bezieht,  wobei  diese  bis  vor  die  Mauern 
der  Hauptstadt   kamen,    bisher   von    den  Byzantinisten   noch    gar 


1)  1.  1.  p.  32  s. 

2)  Bei  Faustos  Byz.  3,  6  S.  14  wird  das  Kaspische  Meer  als  „das 
grosse  nördliche  Meer"  bezeichnet. 

*)  Dies  scheiut  die  besser  beglaubigte  Lesart.  In  der  Wiener  Bilder- 
chronik lautet  der  Name  Thogata.     Siehe  Gdza  Kuun  1.  1.  I  32. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  61 

nicht  beachtet  und  auch  von  anderer  Seite  noch  sehr  ungenügend 
aufgehellt  worden.     Er  lautet: 

„In  der  Nähe  der  Chazaren  und  Alanen,  zwischen  diesen 
und  dem  Westen  wohnen  vier  türkische  Völker  ^) ,  die  auf  einen 
gemeinsamen  Stammvater  zurückgehen,  teils  Nomaden,  teils  fest- 
ansässig, unzugänglich  und  von  gewaltiger  Tapferkeit.  Jedes  von 
diesen  Völkern  hat  seinen  König,  die  Ausdehnung  jedes  von  diesen 
Königreichen  beträgt  mehrere  Tagereisen.  Einige  von  ihnen  reichen 
bis  zum  Pontos.  Ihre  Kaubzüge  erstrecken  sich  bis  zum  Lande 
von  Rom  und  den  in  der  Nähe  von  Andalus  gelegenen  Gebieten. 
Sie  haben  die  Oberhand  über  die  übrigen  dort  wohnenden  Völker. 
Zwischen  ihnen  und  dem  Fürsten  der  Chazaren  besteht  ein  Waffen- 
stillstand, und  ebenso  mit  dem  Herrscher  der  Alanen.  Ihre  Wohn- 
sitze berühren  das  Land  der  Chazaren.  Der  erste  Stamm  von  59 
ihnen  heisst  Bagnh  ^:>^ "),  dann  kommt  ein  zweites  Volk  namens 
ßagyard  OJe.^\i  ^),  dann  ein  drittes  Volk  namens  Bagnäk,  welches 
das  tapferste  dieser  Völker  ist;  in  seiner  Nähe  ist  ein  anderes 
Volk  namens  Nükarda  ■iJ>Jy*).  Ihre  Könige  sind  Nomaden. 
Sie  hatten  Kriege  mit  den  Romäern  nach  oder  im  Jahre 
320  H,  (932  n.  Chr.).  Die  Romäer  besassen  an  der  Grenze  ihres 
Landes  in  der  Nähe  der  genannten  vier  Völkerschaften  eine  ge- 
waltige griechische  Stadt ,  namens  Walandar  lXaJj,  ^) ,  die  eine 
zahlreiche  Bevölkerung  und  schwierigen  Zugang  hatte,  zwischen 
dem  Gebirge  und  dem  Meere.  Ihre  Einwohner  konnten  daher  die 
genannten  Völker  abwehren  und  diese  Türken  hatten  keinen  Zu- 
gang zum  Lande  der  Romäer,  weil  die  Berge  und  das  Meer  und 
die  Einwohner  dieser  Stadt  sie  abwehrten.  Es  entstanden  nun 
Kämpfe  zwischen  diesen  Stämmen  infolge  einer  Uneinigkeit,  die 
wegen  eines  muslimischen  Mannes,  eines  Kaufmannes  aus  Ardabel, 
zwischen  ihnen  ausgebrochen  war.  Derselbe  hatte  sich  bei  einem 
von  ihnen  niedergelassen  und  Leute  vom  andern  Stamm  hatten  ihn 


^)  Ich  verdanke  der  stets  hilfsbereiten  Liebenswürdigkeit  Prof. 
de  Goeje's  die  Varianten  der  Namen  in  den  Leidener  Handschriften 
547a  (=  LI)  und  282  (=  L^).  Prof.  Seybold  hatte  die  Güte,  mir  die 
Ausgabe  von  Kairo  1303  H.  zu  leihen. 

2)  B  i^L^,  LI  La:S^,  L«  ^x^sVaj,  Kairo  I  S,  av,  13  ^>:^.,  Par. 

^J^. ;   I  262 :   L^  ^:$\j<^  ,  L^  ^:?\/.j ,    Kairo   I   S.  öS ,  13    lässt    die 

Namen  aus. 

»)  JJ  OjX:S\j ,  L2  OyuS^Aj ,  Kairo  Oyt> ;  I  262 :  L^  0^:^aj  , 
L2  Ax:<\aj. 

*)  LI  »^j^,  L2  »oy^.i,   Kairo  »O^JI. 

^)  L^    .<AÄi» ,  L-  , -i-AtvIii )   Kairo  j^-N^J»  • 


62  J-  Marquart, 

geschädigt.  Da  brach  Streit  aus  und  die  romäischen  Truppen  von 
Walandar  machten  einen  Streif zug  gegen  ihre  Wohnsitze,  während 

60  sie  von  denselben  abwesend  waren ,  und  führten  viele  Kinder  in 
die  Gefangenschaft  fort  und  trieben  die  Viehherden  weg.  Dies 
wurde  ihnen  hinterbracht,  als  sie  durch  ihren  Krieg  beschäftigt 
waren.  Da  verständigten  sie  sich  und  verziehen  sich  gegenseitig 
alles  Blut,  das  zwischen  ihnen  geflossen  war,  und  das  Volk  stürzte 
sich  insgesamt  auf  die  Stadt  Walandar.  Sie  zogen  gegen  dieselbe 
mit  gegen  60  000  Reitern,  und  zwar  ohne  ausserordentliche  An- 
strengung und  Aufgebot  ihrerseits.  In  diesem  Falle  wären  sie 
gegen  100  000  Reiter  gewesen.  Als  nun  die  Nachricht  von  ihnen  zu 
Armanös  (Romanos  Lekapenos),  dem  gegenwärtig  —  im  J.  332  H. 
(943/44  n.  Chr.)  —  regierenden  König  der  Romäer  gelangte,  sandte 
er  gegen  sie  12  000  Reiter,  die  zum  Christentum  bekehrt  worden 
waren,  mit  Lanzen  bewaffnet  in  arabischer  Weise  ^),  und  gesellte 
ihnen  50  000  Romäer  bei.  Sie  erreichten  die  Stadt  Walandar  in 
8  Tagen,  schlugen  hinter  derselben  ihr  Lager  auf  und  lagerten 
beim  Feinde,  nachdem  die  Türken  bereits  eine  grosse  Menge  von 

Gl  der  Besatzung  von  Walandar  getötet  hatten.  Aber  ihre  Besatzung 
hielt  dank  der  Festigkeit  ihrer  Mauer  Stand,  bis  diese  Verstärkung 
zu  ihnen  kam.  Als  die  vier  Könige  die  Gewissheit  hatten,  wie 
viele  bekehrte  Christen  und  Romäer  angekommen  waren,  sandten 
sie  in  ihre  Länder  und  boten  die  muslimischen  Kauf  leute  auf,  die 
bei  ihnen  waren  und  ihr  Land  besuchten  aus  den  Ländern  der 
Chazaren ,  al  Bäb  (Darband),  der  Alanen  und  anderer ,  sowie  die- 
jenigen unter  diesen  vier  Stämmen,  welche  bereits  den  Islam  an- 
genommen hatten,  aber  sich  mit  ihnen  nur  bei  einem  Krieg  gegen 
die  Ungläubigen  zu  vereinigen  pflegen.  Als  nun  die  Feinde  in 
Schlachtordnung  standen  und  die  zum  Christentum  Übergetretenen 
im  Vordertreffen  der  Romäer  vorrückten,  zogen  gegen  sie  die 
Kaufleute,  welche  auf  Seite  der  Türken  waren,  und  forderten  sie 
auf,  die  Religion  des  Islams  anzunehmen  unter  dem  Versprechen, 
sie ,  falls  sie  sich  dem  Schutz  der  Türken  ergeben  würden ,  aus 
ihrem  Land  in  das  Gebiet  des  Islams  zu  bringen.  Als  sie  das 
zurückwiesen ,  nahmen  die  beiden  Parteien  alsbald  gegeneinander 
Aufstellung,  und  die  übergetretenen  Christen  und  Romäer  blieben 
gegen  die  Türken  im  Vorteil,  weil  sie  an  Zahl  doppelt  so  stark 
waren  als  die  Türken.  Sie  verbrachten  die  Nacht  in  ihren  Stel- 
lungen, und  die  vier  Könige  der  Türken  berieten  zusammen.     Da 

62  sagte  zu  ihnen  der  König  der  Petenegen:  Bekleidet  mich  für 
morgen  früh  mit  dem  Oberbefehl!  Sie  gewähren  ihm  das".  Dank 
seinen  strategischen  Massnahmen    erleiden  die  Griechen  dann  eine 

63  vernichtende  Niederlage,  gegen  60  000  Romäer  und  bekehrte  Christen 
(also  fast  die  ganze  Armee)  bedeckten  die  Wahlstatt,  so  dass  ihre 

^)  Es  handelt  sich  um  muslimische  Kriegsgefangene,  die  mit  mehr 
oder  weniger  Zwang  zum  Christentum  bekehrt  worden  waren.  Also 
byzantinische  Janitscharen ! 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  63 

aufgetürmten  Leichen  als  Leiter  dienten  um  die  Stadtmauer  zu 
ersteigen  (wie  beim  Malakoffturm) ,  und  so  die  Stadt  erobert 
wurde.  „Das  Schwert  wütete  in  ihr  mehrere  Ta»e ,  und  ihre 
übrig  gebliebenen  Einwohner  wurden  in  Gefangenschaft  weggeführt. 
Nach  drei  Tagen  zogen  die  Türken  von  ihr  ab,  um  Konstantinopel 
zu  erreichen.  Da  zogen  sie  mitten  durch  die  Kulturen ,  Wiesen 
und  Landgüter ,  indem  sie  die  Einwohner  teils  töteten ,  teils  ge- 
fangen nahmen  und  wegführten,  bis  sie  vor  der  Mauer  von  Kon- 
stantinopel Halt  machten.  Sie  lagerten  davor  gegen  40  Tage, 
indem  sie  die  erbeuteten  Frauen  und  Kinder  gegen  Stoffe  und 
Gewänder  aus  Brokat  und  Seide  austauschten.  Die  Männer  aber 
hatten  sie  sämtlich  über  die  Klinge  springen  lassen ,  ohne  einen 
einzigen  von  ihnen  zu  verschonen ,  ja  manchmal  töten  sie  auch 
die  Frauen  und  Kinder.  Und  sie  sandten  ihre  Raubscharen  in 
jenen  Gegenden  nach  allen  Richtungen  zur  Plünderung  aus.  Ihre 
Raubzüge  hatten  bereits  das  Land  der  Slawen  und  Roms  erreicht, 
hierauf  erstreckten  sich  dieselben  in  unserer  Zeit  fast  bis  zu 
den  Grenzen  von  Andalus ,  der  Franken  und  Galäliqa  (Gallegos). 
So  erstrecken  sich  denn  die  Raubzüge  der  genannten  Türken  bis 
zum  Gebiet  von  Konstantinopel  und  der  genannten  Königreiche 
bis  zu  diesem  Zeitpunkt". 

An  einer  früheren  Stelle  (I  262)  nennt  Mas'üdi  den  Pontos 
das  Meer  der  Bul^^ar  (Donau-Bulgaren) ,  Russen ,  Pa^nä  t^^pj 
Pacnäk  und  Bag^'ard  (Magyaren).  Diese  Vorstellung  stammt  aus 
einer  Zeit,  als  die  Magyaren  noch  in  Atelkuzu  sassen.  Im  Kitäb 
at  tanbih  ed.  de  Goeje  S.  ja. ,  7  ff.  kommt  er  wiederum  auf  jenes 
Ereignis  zu  sprechen  und  sagt:  „Die  Buryar  und  nomadische  Türken- 
horden, welche  Walandar-Leute  {al  Walandarya)  heissen  nach  einer 
Stadt  namens  Walandar  in  den  äussersten  Grenzgebieten  der  Romäer 
gegen  Osten,  nämlich  die  Pacnäk  i^Vx^i ,  Pacnh  c^^i  ^),  Bagyard 
und  Nüharda  »oJ'^^)  haben  die  meisten  dieser  fünf  ßävda  er- 
obei-t,  und  zwar  nach  dem  Jahre  320,  und  haben  dort  ihre 
Zelte  aufgeschlagen  und  den  Weg  von  Konstantinopel  nach  Rom 
versperrt  —  es  ist  eine  Strecke  von  gegen  40  Tagen  —  und  die 
meisten  der  dortigen  Kultm-en  verwüstet,  und  ihre  Raubzüge 
haben  Konstantinopel  erreicht,  so  dass  gegenwärtig  niemand  in 
Konstantinopel  nach  Rom  gelangen  kann  ausser  zur  See  .  .  .  Wir 
haben  im  „Buche  der  Gattungen  der  Wissenschaften  und  der  Er- 
eignisse in  vergangenen  Zeiten"  die  Ursache  der  Auswanderung 
dieser  vier  Türkenvölker  aus  dem  Osten  und  die  Kriege  und 
Raubzüge  erzählt,  die  zwischen  ihnen  und  den  Ghuz ,  Charluch 
und  Kaimäk  am  See  von  Gurgäng  (Aralsee)  stattfanden"  ^). 


1)  Cod.  L  ^^^^^,   ed.  ^:fVj. 

^)  P  v^j^yi,   ed.  »O-xi^  =  Langobarden. 

^)  Die  Verdrängung  der  Pecenegen   erwähnt   auch  Istachri  |. ,  8 


54  J-  Marquart, 

S.  Ur,  11  spricht  er  dann  nochmals  von  den  „romäischen 
Grenzfestungen ,  welche  die  Buryar  und  die  türkischen  PaSnäk 
und  die  übrigen  Wal andar- Leute  zu  unserer  Zeit  erobert  haben". 

In  den  Murüg  lässt  Mas'üdi  diesen  Einfall  „nach  oder  in 
dem  Jahre  320"  stattfinden,  in  seinem  spätesten  Werke  dagegen 
sagt  er  bestimmt  „nach  dem  Jahre  320".  Ibn  al  Ai9'ir,  welcher 
dem  Mas'üdT  folgend  jenen  Raubzug  ebenfalls  kurz  erzählt,  gibt 
als  Datum  genauer  das  Jahr  322  (21.  Dez.  933  bis  9.  Dez.  934) 
an  ^).  Dadurch  ist  ohne  weiteres  klar ,  dass  den  thatsächlichen 
Hintergrund  jener  Erzählung  der  Einfall  der  Magyaren  ins  Romäer- 
reich  im  Jahre  934  bildet,  auf  welchem  dieselben  xaTaÖQaf.wvTsg 
ui/Qi  Tijg  TioXeoog  iX^fiaavro  näöav  ©Qaxaav  ipvx'tjv^).  Dies 
wird  durch  die  Behandlung  der  Kriegsgefangenen  aufs  beste  be- 
stätigt: es  war  Gebrauch  bei  den  Magyaren,  die  männlichen  Ge- 
fangenen, die  einem  Jägervolk  sehr  lästig  fallen  mussten,  kaltblütig 
abzuschlachten.  „War  der  Gegner  geworfen  und  in  die  Flucht 
geschlagen,  Hessen  sie  von  dessen  Verfolgung  nicht  eher  ab,  als 
bis  der  letzte  Mann  erbarmungslos  niedergemacht  war;  erst  dann 
kehrten  sie  zu  ihrer  Beute  zurück.  Es  herrschte  unter  ihnen  der 
Glaube ,  dass  alle  Krieger ,  die  auf  Erden  durch  ihr  Schwert  ge- 
lallen, im  Himmel  ihnen  als  Sklaven  dienen  müssten,  daher  kam 
es,  dass  sie  fast  nie  Männer  zu  Gefangenen  machten  und  sich 
durch  keine  Regung  des  Mitleids  zu  deren  Erhaltung  ain  Leben 
bestimmen  Hessen"  ^).  Bei  der  Auslösung  der  Gefangenen  im 
Jahre  934  machte  sich  der  Patrikios  und  Protovestiarios  Theo- 
phanes  sehr  verdient,  fujdevog  cfeißd^svog  X(^V!^^^og  ngog  Ti]v 
XüJv  alyjiaXtüTcov  avccQQVöiV.  Welch  gewaltigen  Schrecken  vor 
den   TovQXOi  dieser  Einfall  bei  den  Zeitgenossen  hinterliess,  zeigt 


(=  Ibn  Hauq.  ^ö,  1),  aber  ohne  Zeitangabe.  Vgl.  Konstantin.  Por- 
phyrogennet.  de  admin.  imp.  c.  37  p.  164,  8  ff.,  der  aber  die  Verdrängung 
der  Pecenegen  aus  dem  Uralgebiet  durch  die  Ghuzen,  welche  wiederum 
die  Vertreibung  der  Magyaren  aus  dem  Dongebiet  durch  die  Pecenegen 
im  Gefolge  hatte,  mit  der  endgiltigen  Verdrängung  der  Magyaren  aus 
Atelkuzu  (um  895)  zeitlich  zusammengeworfen  hat.  In  Wahrheit  hat 
die  Niederlage  der  Pecenegen  durch  die  Ghuzen  schon  um  860  statt- 
gefunden. 

^)  ed.  Tornberg  I  fft^,  4.  Die  Pacnk  erscheinen  hier  in  der 
Schreibung  ^_^.5^>.Jl . 

3)  Georg.  Mon.  ed.  de  Muralt  p.  840.  Vgl.  Leo  p.  322,  17.  Theo- 
phan.  cont.  IX  37  etc.   Nestor  c.  26  a.  6442. 

")  Jos.  und  Hermen egild  Jirecek,  Entstehen  christlicher 
Reiche  im  Gebiete  des  heutigen  österreichischen  Kaiserstaats  vom 
J.  500  bis  1000.  Wien  1865  S.  222.  Vgl.  z.  B.  Ann_.  Sangall.  maiores 
a.  894:  Nam  homines  et  vetulas  matronas  penitus  occidendo,  iuvenculas 
tantum  ut  iumenta  pro  libidine  exercenda  secum  trahentcs.  Benedict! 
chronic,  c.  29  (M.  G.  Script.  III  714):  Ungarorum  gens  ....  multos 
populo(s)  simul  cum  femine  et  quiequid  manum  capere  poterat  asporta- 
verunt.     Dümmler,  Gesch.  des  ostfränk.  Reiches  II  449. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  65 

uns  recht  drastisch  die  Erzählung  des  Mas'üdi.  u5yJ!  am  Ende 
derselben  sind  speziell  die  Magyaren.  Mas'üdT  folgt  also  hier  dem 
byzantinischen  Sprachgebrauch  (TovQXOi) ,  wie  übrigens  auch 
III,  64  (s.  u.).  Schon  924  waren  die  Ungarn  nach  der  Verbren- 
nung von  Pavia  über  die  Alpenpässe  in  das  burgundische  Reich 
und  von  da  bis  nach  Guyenne  gelangt.  Im  Jahre  937  kamen  sie 
über  Schwaben  nach  Frankreich  und  Aquitanien  i),  941  oder  942 
und  947  nach  Italien,  943  tind  948  ins  Romäerreich,  951  durch 
Italien  nach  Südfrankreich. 

Auch  die  Taktik  der  vier  Völker  in  der  Schlacht  von  Walandar 
stimmt  mit  der  magyarischen  genau  überein.  Am  Morgen 
des  Schlachttages  verteilte  der  Fürst  der  Pecenegen,  der  den  Ober- 
befehl hatte,  auf  seine  beiden  Flanken  eine  beträchtliche  Anzahl 
von  Schwadronen  in  der  Stärke  von  je  1000  Mann.  Als  nun  die 
beiden  Armeen  sich  in  Schlachtordnung  gegenüberstanden,  brachen 
zuerst  die  Schwadronen  des  rechten  Flügels  gegen  das  feindliche 
Zentrum  los  und  überschütteten  dieses  mit  einem  Hagel  von 
Pfeilen,  worauf  sie  sich  auf  den  linken  Flügel  zurückzogen.  Das- 
selbe Manöver  wurde  dann  auch  von  den  Schwadronen  des  linken 
Flügels  ausgeführt,  worauf  sie  sich  auf  den  rechten  Flügel  zurück- 
zogen. Durch  diese  fortwährenden  Angriffe  wurden  die  Romäer 
so  lange  belästigt,  bis  Unruhe  in  ihre  Reihen  kam,  während  der 
Kern  des  Feindes  sich  bisher  am  Kampfe  gar  nicht  beteiligt  hatte. 
Als  die  Romäer  nun  einen  Vorstoss  gegen  den  Feind  machten, 
stoben  die  leichten  Schwadronen  wie  Spreu  auseinander,  aber  als- 
bald wurden  die  Romäer  von  einem  Hagel  von  Pfeilen  über- 
schüttet und  gerieten  ins  Wanken. 

Die  Magyaren  „vermieden  soviel  sie  konnten  das  Handgemenge 
und  suchten  den  Kampf  aus  der  Ferne  zu  führen.  Darum  lieferten 
sie  selten  regelmässige  Schlachten  und  noch  weniger  gaben  sie 
sich  mit  der  Belagerung  fester  Plätze  ab.  Flüchtete  sich  der 
Feind  in  einen  solchen,  so  lauerten  sie  in  Verstecken  auf  eine 
günstige    Gelegenheit    seiner   habhaft    zu    werden    oder    schnitten 

ihm  jede  Zufuhr    von  Lebensmitteln  ab Vor  der  Schlacht 

war  ihr  Heer  in  kleine  Haufen  zu  etwa  1000  Köpfen  geteilt,  die 
in  unbedeutenden  Entfernungen  von  einander  standen.  Ausserdem 
soi'gten  sie  immer  für  eine  Reserve,  aus  der  sie  den  kämpfenden 
Scharen  frische  Streiter  zuführten,  oder  dem  Feinde  Hinterhalte 
legten"  ^). 

Schwierigkeiten  in  der  Erzählung  des  Mas'üdi  bereiten  aber 
zunächst  die  vier  Völker,  von  denen  nur  die  ldL>^>^  (Peßenegen) 
mit  ihren  8  Horden  Ärtim,  Cur,  Jyla,  Kulpej,  Charowoj,  TalmaS, 
Chopon    und  Copon,    sowie    die  0,i:p.j  Bagyard  (Magyaren)  mit 


1)  Vgl.  E.  Dümmler,  Kaiser  Otto  der  Grosse,  1876,  S.  58  £ 

2)  Jos.  u.  Hermenegild  Jirecek  a.  a.  0.  S.  220.    Dümmler, 
Gesch.  des  ostfränk.  Reiches  a.  a.  0.  447. 

Marquart,  Streifzüge.  " 


gß  J.  Marquart, 

ihren  7  Stämmen  Neki  {Ni}cri),  Magyar  (MeyiQV),  Kurtyg-ermati), 
Tarjan,  Jenach  (revdx) ,  Kary  und  Kasy ,  wozu  als  erster  noch 
die  chazarischen  KccßaQOi  kommen,  anderweitig  bekannt  sind. 
Wenn  man  die  'iö/y  in  öJy5y  ändert  und  für  Langobarden 
erklärt  wie  de  Goeje  in  seiner  Ausgabe  des  Kitäb  attanblh 
thut,  so  vergrössert  sich  nur  die  Schwierigkeit.  Denn  was  haben 
die  Langobarden    mit    den   Peienegen    und   Magyaren    zu   thun^), 

1)  Vgl.  die  huuno-bulgarischeu  KovtQly-ovQoi? 
-)  Man  wird  geneigt  sein,  zu  gunsten  irgendwelcher  Beziehungen 
zwischen   Magyaren    und  Langobarden    sich   auf  Ibn   Rusta  IfA,  3  zu 
berufen,  wo  die  Stadt  ^j^fr^^  als  ^jJVj..jCi^i  iLoJuo  (so  de  Goeje 
für  das  ^jJ^jCi^i  der  Hs.)  , Stadt  der  Langobarden^  bezeichnet  wird. 
de  Goeje   vermutet   darunter  mit  Recht   das  TitÜiog  des  Kinnamos, 
mag    Titul,  Titil,  Tetel,  an  der  Einmündung  der  Theiss  in  die  Donau. 
Vgl.  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Hämushalbinsel  IL  Die  Handelswege 
im  12.  Jh.   nach  Idrlsi.     SBWA.  113,  1886,  S.  294.     ^j^I^^J ,    richtig 
iw^aIj^Lj,   wäre   also   eine   Umstellung  für  jj^aJÜij.     Ibn  Rusta  sagt 
von  dieser  Stadt:    „Es   ist   eine  grosse  Stadt,   die  sechs  Meilen  im  Ge- 
viert hat.     Sie   ist   reich   an   Gütern.     Es    gibt  daselbst  Ölbäume   und 
Obstarten,  und  sie  hat  zwei  laufende  Flüsse ,  die  dort  zusammeufliessen. 
Es   ist   die  Stadt  der  Langobarden,    die   sich   in   ihren  Ebenen   nieder- 
gelassen haben  in  einer  Entfernung  von  20  Schritt  (?);   sie  leben  nach 
Art   der  Kurden,   indem   sie    in    den  Ebenen  in  Zelten  wohnen".     Von 
dieser  Stadt  hat  man  einen  Monat  durchs  Land  der  Slawen   zu  reisen, 
die    unter   dem   König  (j^j-^J   d.  i.   dem  Kaiser  Basileios  ij*^i^J  das 
Christentum   angenommen   haben,   bis   man   zu  einer  grossen  Stadt  am 
Meeresufer,  drei  manzil  westlich  von  iöji^  (Saloniki)  gelangt.   Sie  be- 
sitzt Märkte   und  hat  ringsum  viele  Flüsse   und  wird  von  Kanälen  be- 
wässert.    Sie  ist  mit  einer  doppelten  Mauer  und  mit  einem  Graben  be- 
wehrt,    de  Goeje  hat  richtig  erkannt,  dass  die  Stadt  KtTpog,  das  alte 
Pydna,  gemeint  sein  muss,  bei  IdrisT  u^y^'-   Vgl.  Tomaschek  a.  a.  0. 
S.  351  f.    Dieser  Name  steckt  in  ^.^J^/>  (für  ^.^Jai  oder  JLjo-'i)  S.  !rv,  13, 
das  am  Rande  nachgetragen  war  und  von  da  an  falscher  Stelle  in  den 
Text  geraten  ist.     Im  Texte   des  Ihn  Rusta  Ifv,  12   ist  nämlich  hinter 
s:.^^   offenbar   eine   Lücke,   die   so  zu  ergänzen  ist:    ^\  ^^i^^  J-^ 
Jai  LfJ  S^ij  iÜ-jA/s.    Kitros  heisst  auf  den  italienischen  Seekarten 
Quitori  cum  portu  Quitori,  für  Kitro,  fränkisch  Cytre. 

Die  Beschreibung  der  Lebensweise  der  Einwohner  von  ^j^^b'^'J 
bei  Ibn  Rusta  stimmt  aufs  genaueste  überein  mit  derjenigen  der  Be- 
wohner von  KUj  ^J\  Francavilla  bei  Idrisi  II  377:  „Ses  habitants 
boivent  de  l'eau  de  puits  et  de  foutaines,  jouissent  d'abondantes 
ressources,  mais,  pour  la  plupart,  m^nent  une  vie  nomade". 
Der  Ort  Francavilla  in  den  Berichten  der  Kreuzfahrer,  ^QuyyoxotQiov 
der  Byzantiner,  lag  südlich  vom  Höhenzuge  der  Fruzskaja  gora.  Die 
Franken  unter  Karl  dem  Grossen  hatten  dies  Gebiet,  das  sich  zwischen 
dem  antiken  „inong  Alma"  und  der  „civitas  Sirmimn"  erstreckte  den 
Bulgaren  abgewonnen.     Ifrankbila  wird  bei  Idrisl  p.  378   ausdrücklich 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  67 

ausser  dass  sie  gleich  den  Deutschen  von  den  Eintällen  der  letzteren 
heimgesucht  wurden  ?  Und  vollends  mit  dem  Magyareneinfall  des 
Jahres  934,  der  doch  den  Kern  der  ganzen  Erzählung  bildet,  stehen 
sie  in  gar  keinem  Zusammenhange  —  ganz  abgesehen  davon,  dass 
es  selbst  für  einen  Araber  ein  recht  starkes  Stück  wäre,  die 
Langobarden  für  „Türken"  zu  erklären.  Es  hat  sich  mir  nun 
schon  früher  öfters  die  Vermutung  aufgedrängt,  ,J^:>^.  oder  ^c^i , 
U.>u  Facnh  möchte  nur  eine  Nebenform  für  uiU^  Peöenegen 
sein.  Fasst  man  einmal  diese  Möglichkeit  ins  Auge,  so  ist  es 
nicht  mehr  allzu  schwer,  auch  über  ri^jSy  ins  Reine  zu  kommen. 
Andere  Nomadenvölker  als  Magyaren  und  Pe^enegen  gab  es  da- 
mals im  untern  Donaugebiete  nicht,  es  muss  also  in  »O^^J 
eine  Nebenform  des  Magyarennamens  stecken,  mit 
andern  Worten :  so/ji  bezw.  »O^  (so  die  Kairiner  Ausgabe  und 
cod.  P  Tanbih  \^.,  10)    ist    eine    leicht   erklärliche  Verderbnis  für 

'^Ss%  oder  genauer  »oyT-^  Bazgarda.  Hierfür  werden  wir  später- 
hin noch  eine  Bestätigung  von  anderer  Seite  her  erhalten  i). 
aJ  '■^•■Li  und  l.L>^o  sind  in  der  That  die  lautgesetzlich  zu  erwarten- 
den neupersischen  Formen  für  älteres  O^xr^j  und  l^L.^?o. 
In  der  persischen  Übersetzung  des  Istachri  S.  1. ,  9  wird  der  Name 
der  Peöenegen  xX^j  d.  i.  »J.^^  geschrieben.  In  Ihn  Sabibs 
^.,3;^!  «y-wj  ^.,yÄii  fJ^,  wo  jene  vier  Völker  gleichfalls  (m 
letzter  Linie  aus  Mas'üdl)  aufgeführt  werden,  findet  sich  für  '■i^J'y 
die  Variante  Ov3y>  yi\  -)  d.  i.  »Oy>^  aus  BO^^jj  ±!azgaraa. 

von  ^J>.yLifJJ  unterschieden  und  von  Tomaschek  mit  Sirmium,  slaw. 
Srhn,  dem  heutigen  Dmitrovica  gleichgesetzt.  Konstantin  Jirecek, 
Das  christliche  Element  in  der  topographichen  Nomenclatur  der  Balkan- 
länder S.  94  (SB WA.  Bd.  136,  1897  Nr.  XI)  spricht  sich  gegen  die 
Identität  von  Francavilla  und  Sirmium  aus;  Ortvay,  Geographia 
ecclesiastica  Hungariae  I  349—350  (citiert  bei  Jirecek  S.  98)  identifi- 
ziert Francavilla  mit  Nagyolasz,  jetzt  Mandjelos.  Trotzdem  glaube  ich, 
dass  ehemals  auch  Titüiog  diesen  fränkischen  Kolonisten  gehört  und 
einst  den  Vorort  ihres   Gebietes    gebildet    hat.     Ich  vermute    deshalb, 

dass  ^..f*jJ^5o^!  bei  Ibn  Rusta  auf  einer  Verwechselung  mit  den 
Franken  seitens  des  Gewährsmannes  Härfm  b.  Jabja  beruht. 

1)  Geza  Kuun,  Relat.  Hungar.  cum  gent.  oriental.  bist,  anti- 
quissima  I  75  sieht  sich  zu  dem  Ausweg  gezwungen,  in  »->jJ^ 
ein  türkisches  Appellativ  für  , Krieger"  zu  erblicken,  welches  Mas'üdl 
fälschlich  als  Eigennamen  eines  türkischen  Stammes  aufgefasst  hätte. 
[Nach  Vämb^ry,  Ursprung  der  Magyaren  S.  416  N.  3  ist  jS'y  Nölcer 
ein  vom  Mongolischen  stammendes  Wort  in  der  Bedeutung  „Soldat, 
Krieger".] 

")   Beruh.   Dorn,    Bullet,   de    l'Acad.    imp.   de    St.   Petersbourg 

5» 


ßo  J.  Marquart, 

Darnach  müssen  also  die  verschiedenen  Namensfonnen  aus 
zwei    verschiedenen   Quellen    stammen,    von    denen   die    eine    von 

^->L^j  und  OjL>u,  die  andere  von  LL^j  und  »jj'^ij  redete,  und 
wir  haben  es  lediglich  mit  Pecenegen  und  Magyaren  zu  thun. 
Dafür  spricht  auch  Istachri  iTö,  6  (=  Ibn  Hauq.  rAö,  7),  welcher 
die  Magyaren  (oy>v.v-j)  und  Peöenegen  nebeneinander  stellt  und 
als  Türken  bezeichnet,  wohl  ebenfalls  mit  Rücksicht  auf  den  Zug 
des  Jahres  934. 

Mit  der  Annahme  einer  solchen  Konfusion  treten  wir  der  Ehre 
des  Weltbummlers  Mas'üdi  gewiss  nicht  zu  nahe.  Eine  noch  viel 
greulichere  Verwirrung  hat  er  sich  II  15  f.  geleistet,  wo  er  Wolga- 
Bulgaren  und  Magyaren  zu  einem  Ragout  verarbeitet,  wie  man 
es  im  Alexanderroman  nicht  geschmackvoller  finden  könnte  (siehe 
unten).  Auch  hier  muss  der  Grund  der  Verwirrung  ein  ähnlicher 
wewesen  sein.    Die  Einfälle  ins  Land  von  Konstantinopel,  welche  der 

ö 

Verfasser  von  dem  muslimischen  König  der  Wolga -Bulgaren  ( ji^ji) 
berichtet,  Hessen  sich  zur  Not  auf  die  Donau-Bulgaren  beziehen; 
aber  die  Ausdehnung  ihrer  Raubzüge  bis  nach  den  Ländern  von 
Rom,  Andalus  und  den  Gebieten  von  Burgund  (^.^L?-yj),  der  Gal- 
legos (».Äj^L.^)  und  Franken  zeigt,  dass  nicht  die  Bulgaren,  sondern 
die  Magyaren  gemeint  sind.  Zu  demselben  Resultat  führt  auch 
die  Angabe,  dass  vom  König  der  Bur^ar  bis  nach  Konstantinopel 
ein  Weg  von  zwei  Monaten  sei.  Dies  passt  nicht  auf  die  Haupt- 
stadt der  Bulgaren  Preslaw,  wohl  aber  auf  das  Land  der  Magyaren  i). 
Mas'üdi  muss  also  eine  schriftliche  Quelle  vor  sich  gehabt  haben, 
in  welcher  von  ^  j  die  Rede  war,   was  aber  in  persischer  Weise 

^■••j  *Bazyar  =  arabisch  'iLiji.:^  zu  lesen  war. 

Sämmtliche  Namensformen,  unter  welchen  die  Ungarn  auf- 
treten, lassen  sich  somit  auf  zwei  Grundformen  zurückführen: 

I.  Der  Stammname  Magyar,  bei  Konstantin  dem  Purpur- 
gebornen  Meyigt],  mit  dem  sich  das  Volk  selbst  bezeichnet  und 
der  als  nationaler  Name  den  Arabern  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des    9.   Jahrhunderts  bekannt   geworden    ist:    in    den    ungarischen 

Chroniken  Mogor,    arab.  \'jjk^i\    (Muslim  b.  Abu  Muslim);  y^j 

d.  i.y.^  (Mas'üdi);  »o^j  für  nöß-^  (Mas'üdi);  ^j:^^^^  (Istachri 

t.  XVI,  1871,  S.  23.  ^_c^:po  findet  sich  dort  zu  ^^l^'S,  OjX.>U  zu  Oj.i-\j 
verstümmelt.  Anm.  42  führt  Dorn  aus  d'Ohsson,  Les  peuples  du 
Caucase  p.  117  (vgl.  245)  die  Varianten  j^^^^J,  ^^^F^  und  ^J^-^  an 
und  verweist  noch  auf  Kasem  beg,  Derbend-Nameh,  St.  Petersb. 
1851,  S.  197  Anm.  16  und  Klaproth,  Description  du  Caucase  im 
Magasin  asiat.    T.  I  No.  II  S.  293. 

')  Vgl.  Härün  b.  Jal.ijk  bei  Ibn  Rusta  Ifv  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  69 

fVo,  5  ff.  Ibn  Hanq.  rr,  16.  I^ao,  6  f.),  o^i^i^j  (DorH,  Auszüge 
aus  muhammedan.  Schriftstellern.  Bullet,  de  l'Acad.  de  St.-Peters- 
bourg  t.  16,  23.  18,  303.  19,  294  ff.),  iCjJyLiiL?  Jäqüt  I  f11. 
Letztere  drei  Formen  sind  dem  Namen  der  Baschkiren  (oylcoLil 
Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  I  fV)  angeglichen,  die  als  „innere  Baschkiren" 
Aj>!jJt  o..^^j  von  den  Magyaren  unterschieden  werden  (IstachrT 
ft'^,  9  =  Ibn  Hauq.  I'av,  7).  Von  arabischem  Sprachgebrauch, 
welcher  die  Magyaren  und  Baschkiren  mit  demselben  Namen  be- 
zeichnet, geht  die  Benennung  der  vermeintlichen  Urheimat  der  Ma- 
gyaren bei  den  Reisenden  des  13.  Jahrhunderts  und  den  ungarischen 
Chi-onisten  aus:  terra  Bascart^  id  est  magna  Hungaria  (Joannes 
de  Piano  Carpini) ,  Pascatir  (Wilhelm  de  Rubruquis),  Bascardia 
(Wiener  Bilderchronik),  Barsatia  (Simon  de  Keza).  Vgl.  Vämbery, 
Ursprung  der  Magyaren  S.  117  ff.  162  f.;  Tomaschek,  Kritik  der 
ältesten  Nachrichten  über  den  skyth.  Norden  II  42.  Daraus,  dass 
dieser  Name  den  Ungarn  durch  arabische  Vermittlung  bekannt  ge- 
worden ist,  erklären  sich  auch  die  mannigfachen  Verstümmelungen 
desselben.  Mit  den  Mescerjaken,  einem  finnischen  Volke,  das  ehe- 
mals unter  den  Mordwa  lebte  und  jetzt  völlig  turkisiert  in  ge- 
ringen Resten  unter  den  Baschkiren  wohnt  (Vämbery,  Ursprung 
der  Magyaren  S.  447  f.),  hängt  der  Name  der  Magyaren  wohl 
nicht  zusammen. 

IL    Der  Volksname  Jugra^  bei  den  Permiem  noch  heute  die 
Benennung  sämtlicher  ugrischer  Stämme. 

a)  OvyyQOi,    üngri,    Ungarn,  Hungari    (in    der   Genealogie 
Hunor,  der  Bruder  des  Mogor),  bei  Jäqüt  I  f  11  (nach  mündlicher 

Erzählung  muslimischer  Ungarn)  jLx^l\;   Agarem'  bei    westeuro- 
päischen Chronisten;  altslawisch  *Ugri,    Ugri, 

b)  mit  Umstellung  des  r  'Ivgxai  Her.  ^  22 ; 

c)  mit  Umstellung  des  r  und  vorgesetztem  t:  Tyrcae  (Plin.), 
Turcae  (Mela);   Tovgxov  bei  den  Byzantinern; 

d)  mit   volksetymologischer   Umdeutung    armen.  X^^t-nftfiß 

Sev-ardik',  arab.  iüJV,»L*.il ,  -lUJj^U^^ ,  gr.  ^eßÖQTioi  =  Mavga 
TTCdöia  für  *Sev-orgiV  =  russ.  Ugri  cernü,  ^aßaQTOi  aacpaloi. 
In  grosse  Verlegenheit  geraten  wir  bei  dem  Versuch  einer 
Identifizierung  der  von  Griechen  bewohnten  romäischen  Grenz- 
festung Walandar.  Dieses  Sperrfort  lag  8  Tagmärsche  von  der 
Hauptstadt  entfernt,  zwischen  dem  Gebirge  und  dem  Meere,  also 
an  der  Nordostgrenze  des  Reiches  und  beherrschte  die  Strasse 
von  der  untern  Donau  nach  Konstantinopel.  Unter  dem  ge- 
waltigen Garen  Symeon  lief  die  bulgarisch-romäische  Grenze  süd- 
lich von  Mesembria  auf  Adrianopel  zu ;  ob  unter  seinem  schwachen 
Nachfolger  Peter  (927—968),  der  bald  nach  seinem  Regieiiings- 
antritt  mit  den  Byzantinern  Frieden  schloss,  gine  Grenzberichtigung 


70  J-  Marquart, 

zu  o-unsten  der  letzteren  stattfand,  ist  mir  nicht  bekannt^).  Da 
Mas'üdi  ausdrücklich  berichtet,  dass  der  Kaiser  Romanos  der  Stadt 
Walandar  ein  Entsatzheer  schickte,  so  ist  unter  allen  Umständen 
daran  festzuhalten ,  dass  dieselbe  auf  romäischem  Gebiete  lag. 
Dadurch  ist  Bruuns  Gleichsetzung-)  mit  Gross  -  Preslaw  (beim 
heutigen  Eski  Stambul)  von  selbst  hinfällig.  Auch  Warna  ist  als 
bulgarisch  ausgeschlossen.  Überlegt  man  sich  die  ganze  Sachlage, 
so  kann  kein  anderer  Ort  in  Betracht  kommen  als  die  wichtige 
Grenzfestung  Develtos,  bei  den  Byzantinern  /Je^ekrög,  /lovElxoq  etc. 
geschrieben,  deren  Trümmer  bei  Jakyzly  am  Westende  der  süd- 
lichsten der  drei  Lagunen  von  Burgas  gefunden  wurden^).  Im 
Jahre  864  oder  865  wurde  dem  Bulgarenkan  Bogoris  von  den 
Romäern  Zagoria  zwischen  dem  Eisernen  Thor  und  Develtos  ab- 
getreten (Theophan.  Cont.  IV,  15)*). 

IdrTsT  rechnet  von  Konstantinopel  nach  Anchialos  am  Öst- 
lichen Ende  der  Bucht  von  Burgas  130  Meilen  =  43  Parasangen 
oder  6  Tagreisen  zu  7  Par.  Ich  glaube  daher,  dass  in  v^^Jj  der 
Name  Dveltos  vermehrt  um  ein  Appellativ  steckt:  etwa  -Jv^^^Jj 
„Festung  {D)welt'^'}  Dies  wüi'de  abermals  auf  eine  persische 
Quelle  hinweisen  (oben  S.  67). 

Der  Durchzug  durch  das  bulgarische  Gebiet  scheint  den 
Barbaren  sehr  leicht  geworden  zu  sein:  offenbar  wagte  der  un- 
kriegerische Gar  gar  nicht,  ihnen  entgegenzutreten,  und  war  froh, 
als  sie  aus  seinem  Gebiete  weitergezogen  waren.  Nach  den  späteren 
Angaben  Mas'üdTs  im  Kitäb  attanbTh  könnte  es  sogar  scheinen, 
dass  die  Bulgaren  { ^J)  gezwungen  wurden,  sich  den  Walandar- 
horden  anzuschliessen.  Aber  wie  so  oft  trifft  es  auch  hier  zu, 
dass  der  Schein  trügt.  S.  U^,  11  nennt  er  von  den  Walandar- 
Horden  nur  die  Bur/ar  und  Paönäk  mit  Namen,  sodass  diese 
geradeso  gepaart  erscheinen  wie  die  Basgirt  und  Paönäk  bei 
Istachrl.  Die  ^_j  stammen  daher  vielmehr  aus  einer  dritten  Quelle 
über  jenen  Magyareneinfall,  welche  er  auch  Murüg  II,  16  be- 
nutzt hat.  Diese  wusste  wahrscheinlich  nur  von  einem  einfallenden 
Barbarenvolke,  und  unter  den  J;j  waren  hier  nicht  die  Donau- 
Bulgaren  zu  verstehen ,  sondern  der  Name  sollte  ^-ij  Bazyar 
=  Magyaren  gelesen  werden.  Da  Mas'üdi  aber  seine  Identität 
mit    den    O  Jt:^  nicht    erkannte ,    so    hat    er    ihn  als   fünften  den 

1)  S.  Max  Büdinger,  Österreich.  Geschichte  bis  zum  Ausgange 
des  IB.  Jahrhunderts  I.  Lpz.  1858,  S.  373  f.  Konstantin  Porphyrog. 
de  them.  II  p.  47,  9  rechnet  Develtos  zur  inaq^ia  Ai^i^övzov. 

-)  Angeführt  von  Göza  Kuun  a.  a.  0.  II  41. 

^)  Arch.  epigraph.  Mitth.  aus  Österreich-Ungarn  X  167.  Jire6ek, 
Das  christliche  Elenient  in  der  topographischen  Nomenclatur  der  Balkan- 
länder S.  79  f.     Vgl.  Tomaschek  a.  a.  O.  S.  306. 

*)  de  M uralt,  Essai  de  Chronographie  byz.  I  427/28.  Jirecek, 
Gesch.  der  Bulgaren  153  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  71 

vier  übrigen  angereiht.  An  der  Einnahme  einer  byzantinischen 
Grenzfestung  im  Jahre  934  werden  wir  aber  festhalten  müssen. 
Die  Feinde  müssten  sich  demnach  im  unteren  Donaugebiet  ver- 
einigt haben.  Freilich  lag  Walandar  nur  auf  der  Route  der 
Peöenegen  nach  Konstantinopel,  während  der  Weg  der  Magyaren 
über  das  heutige  Serbien  und  Sofia  nach  Thrakien  führte.  Sodann 
ist  es  mindestens  sehr  auffällig,  dass  die  Byzantiner  gar  nichts  von 
einer  Beteiligung  der  Pe^enegen  am  Zuge  von  934  oder  von  einem 
selbstständigen  Raubzug  der  Peßenegen  ins  byzantinische  Gebiet 
um  diese  Zeit  wissen,  obwohl  ihnen  Mas'üdl  gerade  die  Haupt- 
rolle zuweist.  Sollte  dieser  bei  seiner  Darstellung  durch  den 
Plünderungszug  beeinflusst  worden  sein ,  welchen  die  Peßenegen 
im  Jahre  941,  also  zwei  Jahre  vor  der  Abfasssung  der  „ Gold- 
wäschereien",  auf  Anstiften  des  russischen  Fürsten  Igor  während 
seiner  Expedition  gegen  Konstantinopel  nach  Bulgarien  unternahmen, 
das  damals  mit  den  Romäern  im  Bunde  war  ? ')  An  und  für  sich 
kann  es  allerdings  nicht  als  unwahrscheinlich  bezeichnet  werden, 
dass  sich  den  Magyaren  bei  jenem  Raubzuge  im  grossen  Stile 
auch  Peöenegenhorden  angeschlossen  hatten ,  so  grossen  Respekt 
sie  auch  vor  diesen  gehabt  haben  sollen. 

Ganz  anders  verhält  es  sich  dagegen  mit  der  angeblichen 
Veranlassung  zu  jenem  Einfall.  Dass  eine  byzantinische  Besatzung 
quer  durch  das  bulgarische  Gebiet  hindurch  einen  Streifzug  nach 
dem  nördlichen  Donauufer ,  nach  der  Walachei  oder  Bessarabien 
gemacht  hätte,  wo  damals  die  Pe^enegen  sassen,  ist  ganz  undenk- 
bar. Sie  müsste  höchstens  zu  Schiffe  nach  den  Donaumündungen 
gefahren  sein.  Aber  dann  würden  wir  doch  wohl  etwas  von  dieser 
denkwürdigen  Expedition  bei  den  Byzantinern  lesen.  Und  selbst 
die  Richtigkeit  jener  Behauptung  zugegeben,  so  müsste  der  Rache- 
zug von  den  PeSenegen  ausgegangen  sein  ,  was  den  Angaben  der 
Byzantiner  widerspricht,  welche  die  Teilnahme  der  letztern  gar 
nicht  erwähnen. 

Allein  die  Erzählung  des  Mas'üdi  zeigt  in  mehreren  Punkten 
eine  frappante  Ähnlichkeit  mit  einem  Ereignis,  welches  Konstantin 
Porphyrogennetos  erzählt,  aber  in  die  Zeit  vor  dem  Abzug  der 
Magyaren  nach  Pannonien  verlegt.  Nach  Mas'üdi  hätte  die  Gar- 
nison von  Walandar  einen  Krieg ,  der  zwischen  den  genannten 
vier  Stämmen  ausgebrochen  war  und  infolgedessen  diese  von  ihren 
Wohnsitzen  abwesend  waren,  benützt,  um  ihre  Familien  gefangen 
zu  nehmen  und  üire  Herden  wegzutreiben. 

Bei  Konstantin  lesen  wir  nun  de  administr.  imp.  c.  40 
p.  172,  22:   /xera   öi    zo  näktv  rov  ^vfieiov  fiiToc  xov  ßaGi- 


^)  Konst.  Jirecek,  Geschichte  der  Bulgaren  S.  173.  Schon 
Büdinger,  Österreichische  Geschichte  bis  zum  Ausgange  des  13.  Jahr- 
hunderts Bd.  I,  1858,  S.  374  findet  „die  beinahe  völlige  Teilnahmlosig- 
keit  der  Petschenegen"  bei  den  bulgarisch-byzantinischen  Verwickelungen 
iu  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  rätselhaft. 


72  J«  Marquart, 

Keug  Twv'PcofiaioüV  £iQt]V£veG&cci,  xai  Xccßslv  äSsiav,  Öienk^Apaio 
TiQoq  Tovg  (173)  Uar^ivaxircig ,  xai  fier  avrcöv  (*)/no(poji>y6s 
Tov  xaTa7iolsfii]oai  xal  äcpavißai  rovg  TovQXovg'  xai  6t s  oi 
TovQXOi  TiQog  ta^eidiov  ciTiiiX&ov^),  oi  IlaT^tvaxiTai /nera  tov 
^vfisiov  ii]Xüov  xaTCi  töjv  Tovqxwv,  xai  Tag  avxwv  cpafxtUag 
navTelcög  i^7](fccvtOav,  xai  rovg  sig  cpvXa^iv  Trjg  %MQag  avTwv 
ToiiQXOvg  änexslos  xaxivxäxwg  änediio^av.  ol  de  Tovgxoi 
v7ioOTQi\pavTEg,  xai  Tijv  ^oogav  avTwv  ovTug  svQovTsg  l-gri^ov 
xai  xaTi](faviGuevi]v,  xareoxi'jvwGav  üg  ri]V  yiiv  üg  tjv  xai 
O7']fisgov  xaxoixovai,  .  .  .  oi  öt  Tovqxol  nagä  tuv  JUaT^tva- 
XLTMV    öiio^ßkvTBg    }jX&ov   Xai    xaTiGxrjviüOav   üg  Tt)v  yijv  dg 

TjV    VVV    OIXOVGIV. 

Das  war  die  Rache  des  Garen  dafür,  dass  die  Magyaren  die 
Romäer  gegen  die  Bulgaren  unterstützt  und  diese  in  grosse  Be- 
drängnis gebracht  hatten.  Der  thatsächliche  Hintergrund  dieser 
Erzählung  tällt  nach  den  Annales  Sangallenses  maiores  ins  Jahr 
896.  "Wie  aber  ein  Vergleich  mit  diesen  zeigt,  ist  die  Version 
des  Konstantin  sagenhaft  zugespitzt  -) ,  und  dass  dasselbe  Motiv 
in  der  Erzählung  des  Mas'üdT  verwandt  ist,  ist  unverkennbar"). 
Ja  die  Greschichte  vom  Ausbruch  der  Streitigkeiten  zwischen  den 
vier  (richtig  zwei)  Stämmen ,  so  sagenhaft  und  unwahrscheinlich 
sie  an  sich  auch  ist,  weist  deutlich  in  dieselbe  Zeit  zurück.  Die 
Veranlassung  dazu  soll  die  Misshandlung  eines  muslimischen  Kauf- 
manns aus  Ardabel,  der  sich  bei  dem  einen  Volke  (d.  h.  den 
Pe^enegen)  niedergelassen  hatte,  durch  die  andere  Nation  (d.  h.  die 
Magyaren)  gegeben  haben.  Unter  den  Peßenegen  gab  es  bereits 
viele  Muslime,  wie  der  Bericht  von  der  Schlacht  von  Walandar 
ja  zeigt.  Das  Verhältnis  zwischen  den  muslimischen  und  den 
noch  heidnischen  Peöenegen,  wie  es  sich  aus  Mas'udis  Erzählung 
ergibt,  wird  aufs  beste  illustriert  durch  eine  anonym  überlieferte 
Nachricht ,  die  sich  bei  Bekri  S.  43,  4*)  findet ,  und  die  ich  für 
wichtig  genug  halte  um  sie  in  Übersetzung  herzusetzen:  „Eine 
Anzahl  voa  Muslimen,  die  in  Konstantinopel  gefangen  gewesen 
waren,  hat  erzählt,  dass  die  Peßenegen  (ehemals)  der  Religion  der 
Magier  (Feueranbeter)  anhingen.  Da  geriet  nach  dem  Jahre 
400  H.  ein  Gefangener  von  den  Muslimen  zu  ihnen,  ein  gelehrter 


^)  Nach  Eugen  Csuday,  Gesch.  der  Ungarn.  2.  Aufl.  übs.  von 
M.  Darvai  Bd.  I  S.  64  Anm.  1  ist  damit  der  von  den  Ungarn  im 
Bunde  mit  dem  deutschen  König  Arnulf  gegen  Swatopluk  geführte 
langwierige  Krieg  gemeint. 

-)  Unrichtig  ist  das  Verhältnis  aufgefasst  von  Geza  Kuun  1.  1. 

^)  Ich  halte  es  für  möglich,  dass  die  mindestens  gewaltig  über- 
triebene Geschichte  von  der  vollständigen  Aufhebung  der  zurück- 
gelassenen Familien  der  Magyaren  durch  die  Peienegcn  nur  zu  dem 
Zwecke  erfunden  ist,  um  zu  erklären,  weshalb  die  Magyaren  auf  ihren 
Kaubzügen  überall  die  Frauen  und  Mädchen  herdenweis  zur  Befriedigung 
ihrer  Wollust  wegschleppten. 

';  Defrcmery,  Journ.  as.  1849,  1,  461/62.  467/68. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  73 

Theologe,  der  einer  ihrer  Horden  den  Islam  anbot.  Sie  nahmen 
nun  den  Islam  an  und  ihre  Gesinnungen  wurden  tadellos,  und 
es  verbreitete  sich  die  Mission  des  Islams  unter  ihnen.  Das 
nahmen  ihnen  die  übrigen  übel,  die  den  Islam  nicht  an- 
genommen hatten,  und  es  kam  schliesslich  zum  Krieg  zwischen 
ihnen.  Gott  verlieh  aber  den  Muslimen  den  Sieg  über  sie.  Sie 
waren  etwa  12  000,  während  die  Ungläubigen  mehr  als  doppelt 
so  stark  waren,  allein  sie  töteten  diese,  und  der  Rest  nahm 
den  Islam  an,  so  dass  sie  heute  sämtlich  Muslime  sind,  und  es 
bei  ihnen  Gelehrte,  Theologen  und  Koranleser  gibt.  Sie  nennen 
heute  diejenigen,  welche  der  Herrscher  von  Konstantinopel  oder 
ein  anderer  zu  Sklaven  gemacht  hat  und  die  als  solche  zu  ihnen 
geraten,  die  Echten  (^LÜ)  und  lassen  ihnen  die  Wahl,  ob  sie 
bei  ihnen  bleiben  wollen,  in  welchem  Falle  sie  dieselben  behandeln 
wie  ihresgleichen  1)  und  sie  bei  ihnen  nach  Belieben  heiraten 
können  —  oder    ob  sie  sie  an  einen  sichern  Ort  geleiten  sollen". 

Die  Bekehrung  der  Pegenegen  wird  hier  allerdings  viel  später 
gesetzt  als  Mas'üdi  voraussetzt,  allein  die  Erzählung  erinnert  selbst 
im  Wortlaut,  namentlich  am  Schlüsse,  stark  an  Mas'üdl  und  ich 
bin  daher  überzeugt,  dass  das  Datum  400  H.  auf  einem  Text- 
fehler beruht  und  in  300  zu  verbessern  ist.  Umgekehrt  ist  bei 
Dimasqi  das  von  Ibn  al  A?9ir  angegebene  Datum  der  Bekehrung 
der  Chazaren  zum  Islam  354  H.  zu  254  (867/68  n.  Chr.)  ge- 
worden. Da  nun  in  diesen  Kapiteln  Mas'üdi  neben  Gaihäni  überall 
die  Hauptquelle  BekrTs  bildet,  so  nehme  ich  keinen  Anstand,  auch 
die  vorstehende  Erzählung  auf  ihn  als  Quelle  zurückzuführen. 
Ebenso  wird  ja  auch  die  Geschichte  von  der  Bekehrung  der  Cha- 
zaren zum  Judentum  unter  Härün  ar  Rasld  bei  BekrT  S.  44,  1  ff. 
auf  Mas'üdl  zumckgehen  (s.  o.  S.  7). 

Wir  dürfen  also  als  bezeugt  annehmen,  dass  bald  nach  dem 
Jahre  300  H.  (912/13  n.  Chr.)  der  Islam  unter  den  Pe^enegen 
eine  erfolgreiche  Propaganda  machte,  x  Wahrscheinlich  gewann 
derselbe  aber  schon  weit  früher  bei  ihnen  Eingang.  Nicht  bloss 
bei  den  Chazaren  gab  es,  wie  die  Vita  des  Konstantin  zeigt,  um 
die  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  zahlreiche  Muslime,  sogar  bei  den 
Donau-Bulgaren  drangen  ums  Jahr  864  durch  muslimische  Kauf- 
leute muhammedanische  Schriften  ein  2).  Um  die  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts gab  es  auch  im  Magyarenlande  muslimische  Kaufleute, 
die  von  da  bis  nach  Prag  kamen  ^). 

Ich  halte  es  daher  für  durchaus  wahrscheinlich,  dass  in  der 
zweiten  Hälfte_  des  9.  Jahrhunderts  muslimische  Kauf  leute  von 
Chorasan  und  A^arbaigän  aus  bereits  auch  zu  den  Pe^enegen  ge- 
langten, seitdem  diese  die  Wolga  und  den  Don  überschritten  und 


J)  Nach  der  Eandlesart  s^*.??.  für  »^>oij  beiDefr^mery  S.  462. 
2)  Responsa  Nicolai  papae  c.  14—16.    Mansi  XV  432. 
ä)  Ibräblm  b.  Ja'qnb  bei  Bekrl  S.  35,  3. 


r^^  J.  Marquart, 

sich  bis  zum  Dnjepr  ausgedehnt  hatten.  Nach  dem  Einbruch  der 
Magyaren  in  Pannonien  fehlt  für  jene  Geschichte  des  Mas'üdi 
jeder  reale  Boden,  während  sie  zur  Zeit  des  Nebeneinanderwohnens 
beider  Völker  in  der  Steppe  wenigstens  denkbar  wäre.  In  der 
That  wissen  wir  auch  gar  nichts  von  Kämpfen  zwischen  Magyaren 
und  Peöenegen  in  der  fraglichen  Zeit  (934),  vielmehr  versichert 
Konstantin  wiederholt,  dass  jene  nach  der  Niederlage  des  Jahres 
896  selbst  auf  die  Aufforderung  des  griechischen  Kaisers  hin  sich 
nie  wieder  in  einen  Kampf  mit  jenem  schrecklichen  Feinde  ein- 
lassen wollten'). 

Auch  als  Sage  hat  also  die  Geschichte  nur  einen  Sinn  in  den 
alten  Sitzen  der  Magyaren  in  Lebedia  oder  Atelkuzu.  Dies  wird 
bestätigt  durch  die  Angabe,  dass  die  genannten  Völker  mit  dem 
Fürsten  der  Chazaren  und  mit  dem  Herrscher  der  Alanen  in 
einem  Friedensverhältnis  stünden.  Dies  kann  sich  nur  auf  die 
Mao-yaren  vor  ihrer  Vertreibung  aus  Lebedia  durch  die  Peöe- 
negen,  nicht  aber  auf  die  letzteren  beziehen.  Gegen  diese  unter- 
nahmen die  Chazaren  nach  Ibn  Rusta  !f.,  5  jedes  Jahr  einen  Kriegs- 
zug, mit  den  Magyaren  standen  sie  dagegen,  wie  uns  Konstantin 
versichert,  in  einem  engen  Bundesverhältnis ^).  In  Lebedia  aber 
waren  die  Magyaren  auch  Nachbarn  der  Alanen. 

Bei  Mas'üdi  sind  demnach  verblasste  Erinnerungen  an  die 
früheren  Wohnsitze  der  Magyaren  in  der  Nähe  der  Chazaren  und 
Alanen  sowie  ihre  jahrelangen  Kämpfe  mit  den  Pecenegen  und 
endliche  Vertreibung  durch  diese  aus  dem  südrussischen  Steppen- 
gebiet mit  dem  mehr  als  ein  Menschenalter  späteren  Einfall  der 
Magyaren  ins  Romäerreich  im  Jahre  934,  bei  welchem  sich,  wie 
es  scheint,  auch  Pe^enegenhorden  beteiligten  und  eine  romäische 
Grenzfestung  Walandar  erobert  und  verwüstet  wurde,  verbunden 
und  durch  Herstellung  eines  ätiologischen  Zusammenhanges  ver- 
schmolzen worden.  Eigentümlich  ist  nur,  dass  der  Fürst  (Beg)  der 
Pec^enegen  in  der  Schlacht  von  Walandar  den  Oberbefehl  erhält. 
Hier  scheint  wirklich  der  gewaltige  Respekt  der  Magyaren  vor 
den  Peöenegen  nachzuwirken. 

4.   Das  Itinerar  des  Mis'ar  b.  al  Muhalhil  nach  der 
chinesischen  Hauptstadt. 

Jetzt  ist  das  Urteil  über  das  merkwürdige  Itinerar  des  Abu 
Dulaf  Mis'ar  b.  al  Muhalhil  bereits  gesprochen,  das  die  Ethno- 
graphen so  lange  genarrt  hat.  Der  Verfasser  will  mit  Gesandten 
des  Samaniden  Na9r  b.  Ahmad  gereist  sein,  welche  den  Auftrag 
hatten,  eine  Gesandtschaft  des  chinesischen  Königs  ^^aj^^!  ^^j  (jOti 

^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  3.  8  p.  74,  2.  c.  13 
p.  81,  13.  c.  38  p.  170,  24.  Vgl,  Dum  ml  er,  Gesch.  des  ostfränkischeu 
Reiches  II  444.     Büdinger,  Östorreich.  Gesch.  I  376. 

-)  de  administr.  imp.  c.  38   p.  168,  15  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  75 

QälTn  b.  as  Sachlr^)  an  den  chinesischen  Hof  zurückzubegleiten. 
Diese  Gesandtschaft  sollte  eine  Verschwägerung  zwischen  dem 
König  von  Cin  und  dem  Samaniden  zustande  bringen  und  für  ihren 
Herrn  um  eine  Tochter  des  Emirs  werben.  Dieser  wollte  jedoch 
nicht  darauf  eingehen,  und  so  wünschten  sie,  dass  einer  von  seinen 
Söhnen  die  Tochter  des  Königs  von  China  heiraten  sollte.  Hierin 
willigte  der  Emir  ein  und  schickte  Gesandte  mit  ihnen.  So  er- 
hielt Abu  Dulaf  Gelegenheit,  nicht  bloss  das  Land  der  Chinesen, 
sondern  auch  die  Stämme  der  Türken  gründlich  kennen  zu  lernen. 
Jeder  der  es  versucht,  auf  der  Karte  das  Itinerar  des  Reisen- 
den zu  verfolgen,  wird  alsbald  mit  steigendem  Kopfschütteln  die 
sonderbaren  Kreuz-  und  Querzüge  betrachten,  die  uns  bald  nach 
Tibet  und  an  die  Grenze  von  China,  bald  nach  dem  Stromgebiet 
des  Cui  und  Tibet,  bald  wieder  nach  dem  Irtischgebiet  oder  dem 
Tarimbecken  führen-).  Die  Gesandtschaft  brach  etwa  im  Jahre 
331  H.  (941  n.  Chr.)  von  Buchara  auf.  Nachdem  man  die  islami- 
schen Städte  von  Transoxiana  verlassen,  kam  man  zuerst  zu  einem 
Stamm  mit  einer  Stadt  namens  Chm-gäh  »li^ü  d.  i.  persisch 
„Zelt"  ^) ,  dessen  Gebiet  in  einem  Monat  durchzogen  wird ,  dann 
zur  Stadt  Tachtäch  •  LLj^iLJl ,  deren  Gebiet  man  in  20  Tagen 
dui-chquert.  Die  Einwohner  zahlen  nach  Chargäh  Tribut,  weil 
diese  dem  Islam  näher  und  demselben  beigetreten  sind,  und 
verbünden  sich  meistens  mit  ihnen  zur  Bekriegung  der  Heiden, 
welche  in  geringer  Entfernung  von  ihnen  sind,  gehorchen  aber 
dem  König  von  Cin.  Von  hier  gelangt  man  zum  Stamme 
Bagä  L^Ji  *).  »Wir  lebten  bei  ihnen  von  Hirse,  Kichererbsen 
und  Linsen  und  reisten  durch  ihr  Gebiet  einen  Monat  sicher  und 


1)  So  nach  Jäq.  III  ff^,  2;  v.  1.  ^^Lä,  ^Jb. 

^)  Der  Reisebericht  findet  sich  in  Jäqüts  geographischem  Wörter- 
buch (III  f  f  ö ,  12  ff.)  unter  dem  Artikel  ^^J^^l ,  sowie  in  der  dritten  Aus- 
gabe des  ersten  Teiles  von  Qazwinis  Kosmographie  (oLiJl.i^ii  v.^^jL^)j 
die  nur  in  der  Gothaer  Handschrift  Nr.  231  erbalten  ist.  Hier  ist  der 
Bericht  aber  nur  bis  zur  Ankunft  in  der  chinesischen  Hauptstadt  wieder- 
gegeben. Wüstenfeld  hat  diesen  Abschnitt  in  seiner  Ausgabe  des 
QazwInI  nicht  abgedruckt  (vgl.  die  Vorrede  zu  Band  I  S.  XI),  doch 
hat  er  eine  deutsche  Übersetzung  desselben  in  der  Zeitschrift  für  ver- 
gleichende Erdkunde  Bd.  II  (1842)  S.  205—218  veröffentlicht.  Durch 
Kombination  des  QazwIni  und  JäqOt  hat  dann  Kurt  v.  Schlözer 
den  Text  des  Reiseberichts  mit  lateinischer  Übersetzung  veröffentlicht 
unter  dem  Titel:  Abu  Dolef  Misaris  ben  Mohalhel  de  itinere  Asiatico 
commentarius.  Diss.  Berlin  1845.  Stücke  aus  dem  Reisebericht  über 
die  einzelnen  von  Abu  Dulaf  berührten  Völkerschaften  finden  sich 
auch  im  zweiten  Teil  der  Kosmographie  QazwTnI's ,   bes.  S.  t*"i. ,  14  ff. 

^)  Nach  v.  Schlözer  Jarkand,  unter  Berufung  auf  Marco 
Polo's  Karkan,  beim  Jesuiten  B.  Goes  Hiarchan.  Bei  Henry 
Yule,  The  Book  of  Ser  Marco  Polo  I  195  heisst  diese  Stadt  aber  Yarcan. 

•*)  Jäqüt  codd.  co  L:fVxJ(,  die  Ausgabe  und  Qazwini  L^uJt . 


76  J-  Marquart, 

friedlich.  Sie  sind  Polytheisten  und  zahlen  den  Tachtäch  Tribut. 
Sie  werfen  sich  vor  ihrem  Fürsten  nieder.  Die  Rinder  ehren  sie 
hoch,  und  es  gibt  bei  ihnen  keine,  und  sie  halten  keine  aus  Hoch- 
schätzung  für  sie.  Das  Land  ist  reich  an  Feigen,  Trauben  und 
schwarzem  Mispel ,  und  es  gibt  daselbst  eine  Holzart ,  die  das 
Feuer  nicht  verzehrt  ^).  Aus  diesem  Holze  machen  sie  Götzen- 
bilder. Durchreisende  Christen  pflegen  dies  Holz  fort  zu  nehmen, 
und  behaupten ,  dass  es  von  dem  Balken  stamme ,  an  welchem 
Jesus  gekreuzigt  wurde  2).  Hierauf  kamen  wir  zu  einem  Stamme, 
namens  Bagnäk  (Peöenegen),  mit  langen  Barten  und  Schnurrbärten, 
rohen  Barbaren,  die  einander  gegenseitig  überfallen.  Sie  essen 
nur  Hirse.  Ihre  Frauen  begatten  sie  auf  offener  Strasse.  Wir 
reisten  durch  ihr  Gebiet  12 3)  Tage  lang,  und  es  wurde  uns  er- 
zählt, dass  ihr  Land  nach  Norden  und  den  Slawenländem  zu  un- 
geheuer sei.     Sie  zahlen  niemanden  Tribut". 

Weiterhm  gelangt  man  zum  Stamme  JsjCs*  Oikil,  die  keinen 
König  haben  und  ganz  von  den  Turkstämmen  abhängig  sind.  Ihr 
Land  wird  in  40  Tagen    durchzogen ,    dann  das  Land  der  „\  juS\ 

^)  Dieses  Holz  kam  auch  bei  den  Charluch  sehr  häufig  vor,  die 
damit  ihre  Häuser  erbauten  (Schlözer  p.  13).  Es  ist  damit  wohl 
kaum  das  „unzerstörbare"  Holz  t.«!/»^^«"«  (so  lies  für  ^M'f»/»^^//»")  darisat 
gemeint,  welches  nach  der  Geographie  des  Ps.  Moses  Chor.  ed.  Soukry 
p.  44,  27.  45,  15  im  indischen  Lande  Hak'er  sowie  auf  Taprobaue 
wächst,  wo  auch  der  Ingwer  (snhrvet)  vorkam.  Denn  unter  jenem  Holz 
ist  so  gut  wie  sicher  das  Teakholz  zu  verstehen,  nach  Ibn  Chord.  1v,  6 
ein  Produkt  von  Kamkam  (Konkan),  das  in  Indien  zum  Schiffsbau 
verwandt  wird.  Dies  war  aber  den  Arabern  wohlbekannt  unter  dem 
Namen  —Lw ,  einem  Lehnwort  aus  dem  indischen  säha^  das  zwar  auch 
im  Persischen  gebräuchlich,  aber  zweifellos  ein  Mu'arrab  aus  echt- 
persischem Sakj  mg  ist,  weshalb  ich  in  dariSat  einen  Fehler  vermute. 
Es  wird  zunächst  neuarmenische  Schreibung  sein  für  qr'"rtl^t,  und 
dieses  ist  Schreibfehler  für  q-uipli^uif.  dariSag  =  pers.  ^Lii  .io  där- 
i-Säg .     Als  sehr   hart  und   dauerhaft    galt    bei   den  Persern   die  Birke 

(ß^LS.s>j ,  deren  Holz  bei  Indern,  Chinesen  und  andern  zu  Bogen  ver- 
arbeitet wurde,  während  die  Rinde,  ;  ».j  genannt,  bei  den  alten  Persern 
als  Schreibmaterial  gedient  haben  soll.  Vgl.  die  Erzählung  des  Abu 
Ma'sar  bei  Hamza  tiv,  14  ff.  5  Abu  Nu'aim,  Geschichte  von  Ispahan 
(Cod.  Leid.),  Fihr.  Cf.,  5  ff.  sowie  BerQni,  p.  ff.,  10—12.  Dozy, 
Supplement  deutet  es  als  ^Weisspappel",  und  ebenso  de  Goeje,  Gloss. 
Geogr.  s.  v.  -^Ji  und  ^^^^s>.  S.  aber  Fr  ahn,  Ibn  Foszlaus  und 
anderer  Araber  Berichte  über  die  Russen  älterer  Zeit  S.  131/132. 
G.  J  a  c  0  b ,  Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  aus  den  nordisch- 
baltischen  Ländern?   2.  Aufl.   S.  61  f. 

-)  Wir  haben  hier  also  die  Anschauung,  dass  das  Kreuzesholz 
wunderbarer  Weise  wieder  ausgeschlagen  habe. 

^)  Jäqüt  cod.  c  „18". 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  77 

Bayräc  in  einem  Monat,  worauf  man  nach  Tübät  kommt.  Die 
Cikil  sind  auch  aus  andern  Quellen  bekannt  i).  Der  gleichnamige 
Vorort  war  eine  Stadt  in  geringer  Entfernung  von  Taraz  (Talas) 
Moq.  fvf ,  16.  Es  ist  vermutlich  derselbe  Stamm,  der  bei  Ihn 
Chord.  1^1,  8    Jl'^     (lies  Jä.^)     geschrieben     und     zwischen     den 

Ghuzen  und  Pe^enegen  aufgeführt  wird 2).  Die  Bayräc  (Boyräc?) 
sind  vielleicht  das  Volk  des  ^.,L!Jli>  lyb  Boyrä  Chagan  (wön 
lieh:  Kamelhengst) ■^) ,  dessen  Residenz  nach  Moq.  rf  1 ,  3  und 
Qodäma  M,  4  sechs  Tagreisen  von  Ober-Nüsagän  (Barsxän)*)  lag. 
Es  war  die  Stadt  Baläsa/ün  am  Cui^).  Die  ältere  Geschichte 
dieser  Dynastie  ist  noch  in  Dunkel  gehüllt.  Als  Ahnherr  der- 
selben nennt  Ibn  Chaldün  einen  'Abd  al  karim  Sabak  Farchan 
.,1^*5  (lies  .,l3-\^Äj?),  den  ürgrossvater  des  im  Jahre  993  ge- 
storbenen Härün  Bo/rächän.  Abd  al  karim  muss  im  Anfang  des 
10.  Jahrhunderts  gelebt  haben,  und  da  er  bereits  einen  musli- 
mischen Namen  trägt,  so  muss  die  Dynastie  bereits  damals  sich 
zum  Islam  bekannt  haben.  Seit  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts 
griifen  die  Bo;/ra-Chagane  auch  in  die  Geschicke  des  Samaniden- 
reiches  ein.  Die  Ba^^räS  waren  nach  Abu  Dulaf  Muslime  und 
standen  unter  Fürsten,  die  sich  alidischer  Abstammung  (aus  der 
Familie  des  im  Jahre  125  H.  in  Gözgän  getöteten  Jahjä  b.  Zaid 
b.  'All  b.  al  Husain  b.  'Ali)")  rühmten.  Sie  besassen  ein  ver- 
goldetes Koranexemplar,  das  bei  ihnen  grosse  Verehrung  genoss, 
und  betrachteten  'All  als  den  Gott  der  Araber.  In  früherer  Zeit 
Sassen  die  Ba,yvä^  vermutlich  weiter  im  Osten.  Über  die  spätere 
Geschichte  der  Bo;/rä-Chagane  s.  Henry  H.  Howorth,  The 
Northern   frontagers  of  China.    IX.    JRAS.  1898  p.  467  flf. 

Aus  der  Bemerkung,  dass  das  Land  der  Peöenegen  sich 
Segen  Norden  bis  zu  den  Slawen  erstrecke,  ist  unzweideutig, 
dass  hier  die  Peöenegen  bereits  in  ihren  späteren  Sitzen  m  der 
südi'ussischen  Steppe  im  alten  Magyarenlande  gedacht  sind.  Denn 
erst  hier  wurden  sie  südliche  Nachbarn  der  Slawen.  Nach  der 
Quelle  des  Ibn  Rusta  \n,  8  und  Bekri  S.  43,  15,  welche  die 
Pe^enegen  noch  in  ihren  alten  Sitzen  am  Jajyk  kennt,  betrug 
die  Entfernung  zwischen  dem  Lande  derselben  und  dem  der  Cha- 
zaren  10  Tage,  von  Gurgäng  in  Chwärizm  bis  zum  Zeltlager  der 

»)  Vgl.  GurdezI  bei  Barthold  S.  103,  4. 
*)  Vgl.  de  Goeje,  Bibl.  geogr.  VI  p.  f*"! ,  Anm.  h. 
")  Vämjb^ry,  Ursprung  der  Magyaren  167. 
*)  Über  dieses  vgl.  Tomas chek,  WZKM.  III  106  ff.    Die  Form 
.^,^^M^^   wird  durch  die  Etymologie    .,L:>  {J^J-^.  bei  GurdezI  als  sehr 
alt  bezeugt  (bei  Bart  hold,  Otceti  S.  89). 
<*)  Ibn  al  A^lr  IX,  11,  1. 
6)  Tab.  II  ivv.— Wvf . 


78  J.  Marquart, 

Peßenegen  brauchte  man  17  Tage,  das  Gebiet  der  Pe^enegen  aber 
umfasste  30  Tagreisen  nach  Länge  und  Breite  i).  Es  ist  also 
völlig  ,  unzulässig ,  hier  mit  v.  Schlözer  a.  a.  0.  S.  34  hoch- 
asiatisöhe,  in  der  alten  Heimat  zurückgebliebene  Pe&negen  finden 
zu  wollen.  Denn  offenbar  hängt  auch  der  vor  den  Peßenegen 
genannte  Name  '„^U-Jl  bezw.  L^^Jl  mit  Mas'üdis  ,  ^sjAj  bezw.  L;->u 
Pacna  zusammen,  das,  wie  wir  gesehen,  nur  eine  Nebenform  von 
üiU^po  ist.  Da  aber  Abu  Dulaf  von  seinen  Bacä  eine  Menge 
von  Einzelheiten  zu  berichten  weiss,  die  auf  die  Pe^enegen  nicht  • 
im  mindesten  passen,  und  jenes  Volk  nach  seiner  Schilderung 
offenbar  in  der  Nähe  von  China  zu  suchen  ist,  so  ist  er  augen- 
scheinlich durch  die  Ähnlichkeit  des  Namens  L>Vj  mit  Mas'üdis 
A.:f\.j  (U.5\j)  veranlasst  worden,  beide  zu  identifizieren  und  nun 
auch  eine  Beschreibung  der  mit  letztern  zusammengenannten 
^L>L^  anzuschliessen.    Dazu  stimmt,  dass  er  auch  fast  gar  nichts 

von  diesen  zu  berichten  weiss-). 

Das  Gebiet  der  Tühät  wird  in  40  Tagen  durchwandert. 
Welches  Gebiet  der  Verfasser  speziell  hier  im  Auge  hat,  ist  nicht 
leicht  zu  sagen.  Einen  gewissen  Anhaltspunkt  gewährt  die  An- 
gabe, dass  es  in  demselben  eine  grosse  aus  Rohr  erbaute  Stadt 
gab  mit  einem  aus  gefirnissten  Rindshäuten  hergestellten  Tempel, 
der  Götzenbilder  aus  Hörnern  von  Moschusochsen  enthielt.  Man 
könnte  versucht  sein,  dies  auf  die  Gegend  am  Lop-See  zu  be- 
ziehen; doch  werden  wir  sehen,  dass  diese  bereits  durch  einen 
andern  Namen  vertreten  ist.  Die  Einwohner  zahlen  dem  alidischen 
Fürsten  der  Ba;/rä6  Tribut.  Man  findet  bei  ihnen  Muslime,  Juden, 
Christen  (Nestorianer) ,  Zoroastrier  und  Inder.  Letztere  Angabe 
dürfte  wohl  gegen  das  eigentliche  Tübät  (Bod-yul)  sprechen,  da 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  jemals  Juden,  Christen  und  Feuer- 
anbeter bis  dorthin  vorgedrungen  sind.  Auch  das  Vorkommen 
von  Trauben  und  Obstsorten  weist  auf  kultiviertere  Gegenden  hin. 

1)  Bekrl  S.  42,  7.  Gurdezi  bei  Barthold  S.  95,  7—8. 

2)  Die  früheren  Erklärungen,  die  Dorn,  Bull,  de  l'Acad.  de 
St.  Petersbourg  t.  XVI,  23  Anm.  42  auflihrt,  sind  damit  hoffentlich 
abgethan.  „Nach  Wüstenfeld,  Zs.  für  vergleichende  Erdkunde  1842, 
II  S.  209  ist  der  Name  el-Naga  vielleicht  mit  den  von  Abü'l  Ghazi 
genannten  Nagos  \yi^  einerlei;  nach  Chwolson,  Izvestija  o  Chaza- 
raxi  S.  104,  a)  wäre  g.A:>\i  Nogaier  zu  lesen.  Aber  die  Nogaier  werden 
(cli:»J  geschrieben  und  können  sprachlich  nicht  mit  den  ^J^^'^  zu- 
sammengestellt werden".  Er  verweist  dann  noch  auf  Fr  ahn,  Opusc. 
post.  msc.  2,  XLVIII,  S.  27.  28  und  2,LIV,  S.  65— 67.  75— 76;  Charmoy, 
Relation  de  Ma(;oudi  p.  322  findet  die  Nogaier  in  den  i^Uxi'.  Bulletin 
t.  XIX,  300  führt  Dorn  an,  dass  Grigorjeff,  Obi  Arabskomi  pyte- 
sestvennike  X  veka,  Abu  Dolefe  etc.  Journ.  des  Minist,  der  Volks- 
aufklärung Th.  163,  1872,  S.  25—26  Jaga  lesen  möchte,  was  ein  kleiner 
Staat  im  östlichen  Pamir  1000  Jahre  vor  Abu  Dulaf  war. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  79 

Von  Tübät  werden  wir  ganz  unvermittelt  sofort  zu  den 
Kaimäk  d^L*^/  entführt,  die  nach  Mas'üdi  am  weissen  und 
schwarzen  Irtisch  ihr  Winterlager  haben  ^).  Auch  GurdezT^)  lässt 
das  Gebiet  der  Kaimäk  beim  Irtisch  beginnen.  Dasselbe  lag  hoch 
im  Norden  und  von  Taräz  bis  zur  Ordu  des  Fürsten  der  Kaimäk 
hatte  man  nach  Ibn  Chordä^ih  einen  Weg  von  81  Tagen  durch 
die  Steppe  zurückzulegen"^).  Nach  Idrlsi  dagegen  begann  das  Ge- 
biet der  Kaimäk  schon  25  Tagreisen  nordöstlich  von  Achsikat, 
der  Hauptstadt  von  Far^'äna,  bei  der  Stadt  "ijJaiyJ  am  Ufer  des 
grossen  Sees  ..LiLc  d.  i.  unzweifelhaft  des  Balchasch  -  Sees.  Von 
Taräz  aus  zog  man  durch  die  Steppe  der  Chalaß  (Xolidrai  des 
Zemarchos)  und  erreichte  den  ersten  Ort  der  Kaimäk  in  33  Tagen*). 

Verschiedene  Züge  in  der  Beschreibung  des  Landes  der 
Kaimäk  bei  Abu  Dulaf  sind  offenbar  fälschlich  auf  sie  übertragen 
und  vielmehr  auf  Tübät  zu  beziehen.  Der  Regenstein  (Nephrit) 
„wird  bekanntlich  seit  Alters  südlich  von  Khuttan  aus  anstehen- 
dem Felsgestein  gebrochen  (H.  v.  Schlagintweit,  Hochasien  IV  161  f.) 
und  die  Flüsse  von  Khuttan,  Yarqand,  Kiria  und  CarSan  führen 
Nephrit  im  Gerolle"  ^).  Wenn  auch  einige  Bäche  der  Baikalregion, 
wie  Belaja,  Kitoi  und  Bystraja  (Irkut)  in  ihrem  Gerolle  ebenfalls 
Nephrit  enthalten,  so  beweist  dies  nichts  für  das  Irtischgebiet. 
Die  Goldminen  in  ebenem  Lande ,  wo  man  das  Gold  durch  ein- 
faches Schürfen  findet,  sowie  die  Diamanten,  welche  die  Flüsse 
zu  Tage  fördern,  sind  nicht  im  Irtischgebiet  zu  suchen,  sondern 
auf  die  Sandwüsten  des  rauhen  Tibet,  des  sog.  „ Frauenreiches " 
der  Chinesen  zu  beziehen,  woher  schon  im  Altertum  das  Ameisen- 
gold kam 6).  Die  Trauben,  deren  Beeren  zur  einen  Hälfte  weiss, 
zur  andern  schwarz  sind,  sowie  das  Vorkommen  des  Rohres 
und  seine  Vei-wendung  als  Schreibmaterial  nach  indischem  Vor- 
bild weisen  auf  ein  Gebiet  wie  Chotan  oder  Käschgar.  Auch  die 
Angabe,  dass  die  Kaimäk  keinen  König  hätten,  stimmt  weder  zu 
Ibn  ChordäJbih  noch  zu  IdrTsi,  welcher  die  Macht  und  den 
Regierungsapparat  des  Chagans  der  Kaimäk  ausführlich  schildert 
(II  222  s.). 


^)  So  werden  seine  Worte  Tanbih  1f ,  8  aufzufassen  sein: 
\^>MiA^    iV'^'^    (u^^^^   U^^^y   J^^  öyJ^\    ^^'■^J  ^)  ^^i^^i 
tjSyÜt   ^^A  KjiiJt^  iclyU-OCJt.     Der   Ausdruck   01*^0^   ist    dann    auf 

die  Ghuzen  zu  beziehen.     Vgl.  Murüg  I  213. 

2)  Vgl.  Barthold,  OiHeTi  S.  83  f. 

")  Ibn  Chord.>A,  7.  H,  7.  Qod.  M,  6. 

*)  IdrTsT  trad.  par  Jaubert  II  214  ss.  218  ss. 

^"i  Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten   über  den  sky- 
thischen  Norden  I  42  =  SB  WA.  Bd.  116,  1888,  756. 

8)  Tomaschek  a.a.O.  S.  38  ff. 


80  J.  Marquart, 

Von  den  Kaimäk  kommt  man  nach  35  Tagen  zu  den  Ghuzen. 
Diese  haben  nach  Mas'üdl  ihr  Sommerlager  am  weissen  und 
schwarzen  Irtisch^),  aber  ihre  Hauptsitze  waren  um  den  Aralsee, 
wo  sich  auch  ihre  Hauptstadt  öuX-jlXI^  K.ÄjAil  (Jengikent)  befand-). 
Die  Gesandtschaft  hätte  sich  also  von  den  Kaimäk  wieder  süd- 
westwärts  wenden  müssen !  Dies  eine  Beispiel  würde  genügen,  um 
zu  zeigen,  dass  wir  es  hier  mit  keinem  wirklichen  Itinerar  zu 
thun  haben,  sondern  lediglich  mit  einer  Aufzählung  von  Völker- 
schaften, die  in  das  Gewand  eines  Itinerars  gekleidet  ist. 

Das  Gebiet  der  Ghuzen  wird  in  einem  Monat  durchzogen, 
worauf  man  zu  den  To;'uz7uz  kommt,  weiterhin  nach  20  Tagen 
zu  den  Chirchiz  (Qyr/yz).  Die  Toj'uz^'uz  (Uiguren)  werden 
ganz  richtig  als  ein  Reitervolk  beschrieben,  das  unter  einem 
mächtigen  König  steht.  Aus  der  dürftigen  Beschreibung  Abu 
Dulafs  wäre  nicht  zu  ersehen,  ob  er  sich  die  Sitze  derselben  in 
Kau-6ang  (.1^^,    beim   heutigen  Turfan)   oder  noch  am  Orchon 

denkt.  Allein  wenn  die  20  Tage,  während  deren  ihr  Gebiet 
durchzogen  wird,  die  Dauer  des  Weges  von  den  Toyuzynz  zu  den 
ChirchTz  angeben  sollen,  so  ist  die  erstere  Alternative  ohne  weiteres 
ausgeschlossen.  Denn  nach  Gurdezi,  der  hier  wahrscheinlich  aus 
Gaihänl  schöpft,  betrug  der  Weg  von  vj>.J^:pjLÄx=?- ,  der  östlichsten 
Stadt  der  Tojoizj'uz  bis  zur  Ordu  des  Chagans  der  Kirghizen  über 
2^/2  Monate  3).  Diese  hatten,  wie  wir  auch  aus  GurdezT  entnehmen 
können,  immer,  auch  nach  der  Eroberung  der  ehemaligen  üiguren- 
hauptstadt  Kara  Balgassun  am  Orchon  im  Jahre  840  ihre  alten 
Sitze  am  obern  Jenissei,  westlich  von  den  Jü-kiüe-lü,  dem  Reste 
der  sogen.  Zuan-zuan  beibehalten*).  Wir  können  demnach  die 
To/uz/uz  des  Abu  Dulaf  nur  am  Orchon  suchen.  Hier  kennt  sie 
noch  Ibn  Chordä^bih  t^. ,  12;  denn  die  Entfernung  von  3  Monaten  5), 
welche  zwischen  Ober-Nüsagän  (Bars-chän)  und  der  Ordu  des 
Chagans  der  Toj'uz/uz  liegen  soll,  wäre  für  die  Strecke  vom 
obern  Cui  bis  Turfan  viel  zu  gross.  Qodäma  nr,  5  hat  offenbar 
die  spätere  Hauptstadt  Kau-ßang  im  Auge,  wenn  er  die  Entfernung 
zwischen  Ober-Nüsagän  und  der  Hauptstadt  der  To;'Uz;'uz  auf 
45  Tage  angibt.  Dass  aber  Abu  Dulaf  hier  von  Ibn  Chordä^bih 
abhängig  ist,    dafür  haben  wir  einen  direkten  Beweis.     Denn  die 

Worte    ^A  yoä  ^\s^\     .\s^  '>-^f.=>    (^er   König    der   Toymynz)   i.J 


^)  S.  0.  S.  77  Anm.  1. 

^)  Mas'üdT,  MurQs  1  212.  TdrisT  II  208.  339.  342.  Vgl.  Ibn  Rusta 
ir,  12. 

")  Bei  Barthold  a.  a.  0.  86. 

*)  Ed.  Chavannes,  Voyageurs  chinois  chez  les  Khitan  et  los 
Joutchen.     le  part.  p.  41.     Extrait  du  Journ.  as.,  mai — ^juin  1897. 

"*)  Idrisi  I  491  hat  zwei  Monate. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  81 

ü^\ji    '».M^£>   ^/«    ly  j^.,LavoI    ajU    «.^j    .^J'Ö  (S.   12,   1/2)    sind 

wörtlich  aus  Ihn  Chord.  Ti ,  4  entlehnt. 

Die  Hauptstadt  der  To^'uz^uz ,  in  welcher  der  Chagan  resi- 
diert, heisst  bei  IdrTsi  I  491  «.>.äj.  Es  war  eine  sehr  grosse 
Stadt,  welche  12  eiserne  Thore  hatte  und  mit  starken  Mauern 
umgeben  war.  Sie  lag  an  einem  Flusse  der  gegen  Osten  strömte. 
Die  Entfernung  von  Ober-Bars'chän  über  .,Li>Lj  und  ^.JLfD.^^-  (nach 
Tomaschek^)  das  heutige  Aqsu)  betrug  26  Tagreisen.  Da- 
neben gibt  IdrIsT  aber  an ,  dass  die  Residenz  des  Chagans  der 
Tojoiz^'uz  von  Ober-Barschän  zwei  Monate  entfernt  sei.  Dies  ist 
nichts  als  eine  Verschlimmbesserung  der  Nachricht  des  Ibn  Chor- 
däJbih.  Er  hat  hier  offenbar  die  Angaben  verschiedener  Quellen 
unvermittelt  nebeneinandergestellt.  An  einer  späteren  Stelle  (I  501) 
nennt  er  als  Hauptstadt  der  Toyxiz/nz  c>.^Li>;i>;  es  war  dies 
eine  gewerbreiche  Stadt,  die  nur  eine  schwache  Tagreise  von  der 
Residenz  des  Chagrans  entfernt  war.  Von  ^-/^i"S,3»;i>  rechnet  man 
4  Tagreisen  nach  der  Stadt  1»_5^>C2J ,  die  am  Ufer  des  grossen 
Sees  cij-l^y  erbaut  war.  Dieser  Bericht  stammt  offenbar  aus  einer 
andern  und  zwar  altern  Quelle ,  welche  die  To;'uz/uz  noch  in 
ihren  Sitzen  am  Orchon  kannte.  Auf  diese  geht  auch  die  An- 
schauung zurück,  dass  das  Land  der  To/uz^uz  in  der  Nähe  des 
Ostmeers  gelegen  sei  (I  491).  Ich  wage  daher  die  Vermutung, 
dass  in  ^.^/^.S'].^-^  die  alte  Stadt  Qaraqoram  steckt,  deren  Ruinen 

das  heutige  Qara  Balgassun  darstellt.  Wir  hätten  dann  v,:>.5'!_5>!.r> 
Gharächorä-hat  zu  lesen,  wobei  das  iranische  ^^^^i^,  wie  so  häufig, 
an  den  türkischen  Namen  angehängt  ist. 

Von  den  Chirchlz  führt  uns  Abu  Dulaf  nach  einmonatlicher 
Wanderung  zu  den  Ckarluch,  deren  Residenzstadt  nach  IdrTsi  II  411 
.J.^  war.  Das  Itinerar,  in  welchem  diese  Stadt  erscheint,  be- 
darf noch  der  Aufklärung,  jedenfalls  ist  aber  nach  demselben  das 
Land  der  Charluch  östlich  vom  stinkenden  Lande  d.  i.  wohl  der 
Hungersteppe  zu  suchen^).  Einem  anderen  Itinerar  zufolge  war 
das  Lager  des  Chagans  der  Charluch  9  Tagereisen  von  Achsikat, 
der  Hauptstadt  von  Fargäna  entfernt.  Das  Land  der  Charluch 
war  durch  eine  gefährliche  Wüste  von  dem  der  Kaimäk  getrennt ''), 
offenbar  das  Wüstengebiet  im  Süden  des  Balchasch-Sees.  Ihr 
Winterlager    hatten    die    Charluch    bei    ,ji,b  ic^'i^),    das    nach 


^)  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den  skyth.  Norden  I  24. 

^)  Vgl.  de  Goeje,  De  muur  van  Gog  en  Magog  24  f.  =  Vers- 
lagen en  Mededeelingen  der  K.  Akad.  van  W etenschappen,  Afd.  Letter- 
kunde, 3de  Reeks,  Deel  V  (1888)  S.  110. 

8)  Idrisi  II  214.  217. 

*)  Ibn  Chord.  Ta  ,10. 

Marquart,  Streifsüge.  g 


g2  J.  Marquart, 

Tomaschek,  WZKM.  III,  106  ff.  beim  heutigen  Aulie-ata  zu 
suchen  ist. 

Die  Silbergrube,  welche  Abu  Dulaf  bei  den  Charluch  er- 
wähnt, erinnert  an  das  Silberbergwerk  bei  ..jLo^  im  Gebiete  der 
Ghuzen  IdrTsi  II  342,  und  was  er  von  der  Unsittlichkeit  der 
Charluch  und  der  Zügellosigkeit  ihrer  Weiber  erzählt,  hat  sein 
Gegenstück  teils  in  der  von  Idrisi  (II  343)  bezeugten  Ausschweifung 
der  Ghuz,  teils  in  den  seit  alters  bei  tibetischen  Stämmen 
herrschenden  Formen  der  Gastfreundschaft.    Die  ^OlLÜ   Ghutluch 

d.  i.  die  „glücklichen"  sind  das  gerade  Gegenstück  der  Charluch. 
Sie  sind  die  tapfersten  von  allen  Türkenstämmen  und  plündern 
alle  umliegenden  Völker  aus.  Sie  gehen  zwar  auch  mit  ihren 
Schwestern  die  Ehe  ein ,  aber  ihre  Frauen  heiraten  nur  einmal. 
Es  gibt  bei  ihnen  keine  Scheidung;  wer  bei  ihnen  Ehebruch 
treibt,  wird  samt  der  Ehebrecherin  verbrannt  —  also  ganz  ähnlich 
wie  bei  den  Wolga-Bulgaren^).  Es  herrscht  bei  ihnen  die  Blutrache. 
Ihr  König  muss  im  Cölibat  leben ;  wenn  er  denselben  bricht,  wird 
er  getötet. 

Die  Chirchiz  sind  verständige  Leute  und  bilden  einen  wohl- 
geordneten Staat  mit  einem  König  an  der  Spitze,  der  bei  ihnen 
Gehorsam  und  Verehrung  geniesst.  Sie  benutzen  das  Rohr  als 
Schreibmatei-ial.  Ihre  Banner  sind  grün.  Jährlich  halten  sie  drei 
Festversammlungen  ab.  Am  befremdlichsten  ist  aber,  was  der 
Verfasser  über  die   .^LläÜ   Ghitajän   zu    sagen    weiss,   wenn   unter 

diesen,  wie  auch  v.  S  c  h  1  ö  z  e  r  annimmt,  die  K'itan  der  Chinesen, 
d.  i.  die  Qytai  oder  Qytan  der  alttürkischen  Inschriften  zu  ver- 
stehen sind  2).  Sie  besitzen  keinen  Fürsten,  sondern  je  10  von  ihnen 
wenden  sich  an  einen  verständigen  und  einsichtigen  Greis,  dem  sie 
das  Schiedsrichteramt  übertragen.  Diese  Angabe  erinnert  sehr  an 
das,  was  Ihn  Rusta  if.,  16  f.  von  den  Burdas  (Mordwinen)  berichtet. 
Dabei  ist  aber  ihre  Verwaltung  sehr  geordnet,  auch  schliessen 
sie  ihre  Ehen  in  geordneter  Weise.  Sie  üben  weder  Gewalt  noch 
Nachstellung  gegen  die,  welche  zu  ihnen  kommen.  Sie  haben  einen 
Tempel,  den  sie  fleissig  besuchen,  sowohl  beim  Neumond  als  beim 
Vollmond.  Gegen  die  Gleichsetzung  der  ..Lxä:>  mit  den  Qytai 
spricht  aber  vor  allem  das  Vorkommen  von  ausgezeichnetem  Moschus 
in  ihrem  Lande,   da  dieser,   wie  schon  Schlözer  bemerkt,  sich 


1)  Ihn  Fadlän  bei  Fr  ahn,  Die  ältesten  arabischen  Nachrichten 
über  die  Wolga'-Bulgharen.  Mem.  de  l'acad.  de  St.  Petersburg  VJe  Ser. 
t.  I  (1832)  p.  564,  8.  576. 

'-)  Im  cod.  Goth.  231  des  QazwInI  j^.jIa^»  ,  in  den  codd.  o  r  des 
Jäqüt  ..L.,iÜJ>  oder  .ijuCi^s»  (nach  Schlözer  p.  37  n.  42).  Der 
Herausgeber  des  Jäqüt  gibt  keine  Varianten  des  Namens  au. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  83 

in  den  nördlichen  Ländern  nicht  findet.  H.  Yulei)  will  dagegen 
in  den    ..Lydi  die  Einwohner  von   Chotan  erkennen,    so    dass    zu 

lesen  wäre    ..\js^   Chutanän,    also    einfach    der   persische  Plural, 

wie  z.  B.  in  ..bb:i>  Ghutalän  neben  Jji  Chutal.  Dies  würde 
in  der  That  viel  besser  in  den  Zusammenhang  des  folgenden 
Itinerars  passen.  Allein  es  ist  schwer  einzusehen,  warum  Abu 
Dulaf  dann  nicht  die  gewöhnliche  Form  dieses  bei  den  Arabern 
so  bekannten  Namens  gebraucht  hätte.  Man  müsste  geradezu  an- 
nehmen, dass  er  absichtlich  durch  die  Wahl  dieser  ungewöhnlichen 
Form  es  seinen  Lesern  unmöglich  machen  wollte,  in  diesem  Orte 
das  bekannte  Chotan  wiederzuerkennen.  Auch  wäre  es  immerhin 
sehr  auffällig,  dass  dieser  Name  von  den  Abschreibern  so  sehr 
entstellt  werden  konnte. 

Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  weiss  der  Verfasser  noch  nichts 
von  dem  grossen  Qytaireiche,  welches  Apaoki  begründet  hatte, 
indem  er  bereits  in  den  ersten  Jahren  des  10.  Jahrhunderts  die 
Hl  (Tataby)  besiegte  und  seinem  Staate  einverleibte,  und  im 
Jahre  924  auch  den  Qyr/yzen  die  alte  Uigurenhauptstadt  Kara- 
Balgassun  am  Orchon,  welche  diese  seit  dem  Jahre  840  inne  hatten, 
entriss  2).  Abu  Dulaf  kann  demnach  seine  Angaben  über  Kirgizen 
(und  Qytai)  nur  aus  einer  älteren  schriftlichen  Quelle  entnommen 
haben.  Li  der  That  bemerken  wir,  dass  die  Worte  12,  6  ^J^Äcj 
J^Jli  ^^  {j^=>j=>)  aus  Ibn  Chord.  n ,  9  (bezw.  einer  beiden  ge- 
meinsamen Quelle)  stammen,  wo  wir  jetzt  nur  noch  lesen  jj.^y->») 
li^^vw.^  L^j, .  Die  Form  des  Itinerars ,  welche  Abu  Dulaf  seiner 
Schrift  gibt,  darf  uns  nicht  täuschen:  selbstverständlich  kann  er 
nur  einen  Teil  der  Völkerschaften,  durch  die  er  gezogen  sein  will, 
wirklich  berührt  haben.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wird  er 
nur  entweder  den  Nordweg  über  Talas,  Toqmaq  am  Issykköl  vor- 
bei nach  dem  Tarym-Becken  und  Qarasahr  oder  den  Südweg  über 
Jarkand,  Chotan,  Car^an  und  den  Lop -See  eingeschlagen  haben. 
Sowohl  die  Ghuzen  und  Kaimäk,  wie  vor  allem  die  Qyr/yz  und 
Qytai  blieben  dabei  weit  im  Norden  und  Osten  liegen,  und  er  konnte 
deshalb  über  sie  nur  mündliche  oder  schriftliche  Kunde  einziehen. 
Schon  aus  dem  Bisherigen  erbellt,  dass  die  Berichte  des  Abu 
Dulaf,  ehe  sie  verwertet  werden  können,  erst  auf  ihre  Quellen 
zurückgeführt  werden  müssen,  dass  aber  aus  der  Beihenfolge,  m 
welcher  die  Völker  bei  ihm  stehen,  noch  keineswegs  auf  geogra- 
phische Nachbarschaft  geschlossen  werden  darf.  Henry  Yule 
hat  also  gewissermassen  Recht,  wenn  er  sagt:   ,0n  the  whole  the 

1)  Cathav  and  the  way  thither  I  p.  CLXXXIX  n.  3.  545  n.  2. 

2)  Vgl.  Ed.  Chavannnes,   Voyageurs   chinois  chez  les  JChitan 
et  les  Joutschen.     I^  partie  p.  6. 

6* 


84  J.  Marquart, 

Impression  gathered  is,  that  the  author's  work  (like  that  of  some 
more  modern  travellers)  contained  genuine  matter  in  an  arrange- 
ment  that  was  not  genuine"^). 

Es  ist  für  diesmal  nicht  meine  Absicht,  den  ganzen  Reise- 
bericht zu  analysieren.  Dagegen  halte  ich  es  für  notwendig,  als 
Ausgangspunkt  für  künftige  Untersuchungen  das  Ziel  der  Reise, 
die  Lage  der  chinesischen  Hauptstadt  J.j1J^A>w  nach  Möglichkeit 
festzustellen.  Hinter  den  Chitajän  wird  das  Land  ^j  genannt, 
welches  viele  Palmen,  Gemüse  und  Weintrauben,  sowie  ausgezeich- 
neten Indigo  erzeugte.  Es  besass  eine  ausgedehnte  Stadt,  in 
welcher  es  Muslime ,  Juden ,  Christen ,  Magier  und  Götzendiener 
gab.  H.  Y  u  1  e  '^)  identifiziert  dieses  Land  mit  Marco  Polo's  Pein  ^), 
welches  unzweifelhaft  der  Stadt  Pirna  des  Hüan-^uang,  330  li 
östlich  von  Chotan  entspricht*).  Yule  sucht  Pima  in  der  Nähe 
von  Kiria,  Tomaschek^)  beim  heutigen  Cirä.     Das  Gebiet  von 

^Aj  wird  in  40  Tagen  durchzogen ,  worauf  man  nach  v_^>.XÄJi 
kommt,  wo  es  viele  Palmen  gibt.  Es  leben  dort  jemenische  Be- 
duinen ,  die  vom  Heere  des  Tubba'  zurückgeblieben  waren ,  als 
dieser  einen  Kriegszug  gegen  China  unternahm.  Sie  sprechen  die 
urarabische  Sprache  und  schreiben  mit  himjarischen  Buchstaben. 
Sie  haben  eine  geordnete  Regierung  mit  regelmässiger  Erbfolge, 
und  ihr  König  gibt  dem  König  von  China  Geschenke.  Sie  be- 
reiten ein  Getränk  aus  Datteln. 

Die    bekannte    etymologische    Spielerei,    welche    den   Namen 

^^>^j■  von  einem  südarabischen  Tubba'  herleitet,  der  dort  eine  Ab- 
teijung  seiner  Krieger  angesiedelt  habe  •') ,  ist  hier  also  auf  ein 
bestimmtes  Gebiet  lokalisiert.  Es  kann  wohl  kaum  eine  andere 
Gegend  gemeint  sein  als  die  um  den  Lop-See,  dessen  Anwohner 
bei  den  Chinesen  Löu-lan  oder  (seit  80  n.  Chi*.)  Sen-sen  heissen. 
Die  zweite  Silbe  des  Namens  Qulaib  (Qallb)  mag  mit  Lop  zu- 
sammenhängen'). Nach  einmonatlicher  Durchquerung  dieses  Landes 
kommt  man  zur  „Station  der  Pforte"  (v-jLJ!  [»Lü^):  einem  Ort 
im  Sande,  wo  die  Grenzwachen  des  Königs ,  d.  i.  des  Königs  von 


1)  Yule,  Cathay  and  the  way  thither  I  p.  CXCIll. 

')  Cathay  and  the  way  thither  I  p.  CXC  n.  1. 

»)  Henry  Yule,  The  book  of  Ser  Marco  Polo  I  197  ff. 

*)     j..g.j  kann  ein  alter  Schreibfehler  für    -♦J  5ma  sein  (de  Goe je). 

*)  Kritik  der  ältesten  Nachrichten   über  den  skyth.  Norden  I  26. 

8)  Z.  B.  Ibn  al  Faq.  rp,  12.  Mas'üdT,  Murüg  I  360.  Vgl.  III  154. 
Gurdezi  (bei  Bart  hold  a.  a.  O.  S.  87)  leitet  den  Namen  Tübät  noch 
genauer  von  einem  Tubba'  der  Himjar,  namens  vi>^jLi ,  ab. 

')  An  die  Möglichkeit,  dass  in  (>^A^Xä  Köl-Lop  für  Lop-Köl  stecke, 

kau«   ich   nicht   glauben.     Ob  der  (mIjI-=>  ^J^  ^^^  ^^n  Chord.  f.,  9 
herangezogen  werden  darf,  weiss  ich  nicht. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  85 

ein,  stationiert  waren  und  von  wo  aus  für  die  türkischen  Horden 
und  andere  Reisende ,  welche  nach  China  wollen ,  die  Erlaubnis 
nachgesucht  werden  muss".  Wir  reisten  darin  drei  Tage  unter  der 
Gastfreundschaft  des  Königs,  indem  für  uns  bei  jedem  Parasang 
die  Pferde  gewechselt  wurden.  Dann  kamen  wir  zum  Thale  der 
Station  Jusi\  (jrJ!.  ,  von  wo  aus  für  uns  die  Erlaubnis  zum 
Passieren  nachgesucht  wurde,  und  wir  gingen  den  Gesandten 
voraus.  Da  erhielten  wir  die  Erlaubnis,  nachdem  wir  in  diesem 
Thale  —  es  ist  das  angenehmste  und  schönste  auf  Gottes  Erd- 
boden —  drei  Tage  als  Gäste  des  Königs  verweilt  hatten.  Dann 
setzten  wir  über  das  Thal  und  reisten  einen  vollen  Tag  und 
näherten  vms  der  Stadt  SandäMl ,  der  Haupt-  und  Residenzstadt 
von  ein.  Wir  übernachteten  eine  Tagereise  vor  dieser  Stadt, 
dann  marschierten  wir  vom  frühen  Morgen  an  den  ganzen  Tag, 
bis  wir  sie  gegen  Sonnenuntergang  erreichten.  Es  ist  eine  ge- 
waltige Stadt,  die  eine  Tagereise  (im  Umfang)  hat^).  Sie  hat 
60  Heerstrassen,  von  denen  jede  zur  Residenz  führt.  Dann  zogen 
wir  zu  einem  ihrer  Thore ,  und  fanden  die  Höhe  ihrer  Mauer 
90  Ellen  und  die  Breite  (Dicke)  90  Ellen.  Am  Beginn  der  Mauer 
ist  ein  gewaltiger  Fluss,  der  sich  in  60  Arme  teilt",  welche  die 
Einwohner  der  Stadt  und  ihre  Gärten  mit  Wasser  versorgen. 
,Sie  haben  einen  mächtigen  Tempel,  der,  wie  es  heisst,  grösser 
sein  soll  als  der  Tempel  von  Jerusalem.  Es  befinden  sich  darin 
Bilder,  Gemälde  und  Götzenstatuen  und  ein  mächtiges  Buddha- 
bild. Sie  haben  eine  mächtige  Regierung  und  feste  Ordnungen. 
Sie  schlachten  nicht  und  essen  absolut  kein  Fleisch,  und  wer  von 
ihnen  irgend  ein  Tier  tötet,  wird  selbst  getötet.  Es  ist  gleich- 
zeitig die  Residenzstadt  der  Inder  wie  der  Türken"-). 

Es  ist  zunächst  ohne  weiteres  klar,  dass  unter  der  „Pforte", 
auf  welche  in  diesem  Berichte  angespielt  wird,  nur  die  berühmte 
Nephritpassage  {Jü-mön)  verstanden  werden  kann,  welche  seit 
alter  Zeit  das  Thor  Cliinas  gegen  Westen  bildete.  Hier  beginnt 
die  grosse  Mauer,  durch  Jahrhunderte  das  Bollwerk  des  Reiches 
der  Mitte  gegen  die  Barbaren  der  Steppe,  welches,  wie  de  Goeje 
gezeigt,  den  Anlass  gegeben  hat  zur  Ausbildung  der  Sage  von 
der    Mauer,    durch    welche    Alexander    d.   Gr.    die    Völker    Gog 

1)  Jäq.  III  foi,  6/7:  j^j  '■iy.^A  ^sj^  ».^.xlic  xXjJ^  ^^ . 
Qazwinl  II  T. ,  7 :    ^j  öyj.v*x>  \J>Ja!)  'iL4^hsi  iÜJvXx  ^gj . 

2)  So  nach  dem  Texte  des  Jäqüt  III  fo.,  22— f  oi ,  18.  Vgl.  die 
Übersetzung  Wüstenfelds  in  der  Zeitschrift  für  vergleichende  Erd- 
kunde Bd.  II,  S.  216  (Magdeburg  1842),  welche  viel  klarer  ist  alsdie 
V.  Schlözers.    Bei  QazwTni  fehlt  hier  die  Beschreibung  von  Sandabil, 

sie    findet   sich    aber    im    zweiten    Teil    (O^L>.J!  ^Lil )    p.   (*'. ,   7  ff.    ed. 
Wüstenfeld. 


gg  J.  Marquart, 

und  Magog  einschloss.  Schon  100  Jahre  vor  Abu  Dulaf  war 
diese  Mauer  von  dem  Araber  Salläm  besucht  worden^).  Unter 
dem  Orte  *Ui^  lF'^'^  '  ^°  ^^^  Reisenden  drei  Tage  auf  den 
Passierschein  warten  müssen,  ist  wahrscheinlich  die  Festung  und 
Zollbarriöre  Kia-jü-kwan  unweit  der  Stadt  Su-ö6u  zu  ver- 
stehen ,  die  in  dem  Reisebericht  der  Gesandtschaft  des  Schah 
Ruch  (1419 — 1422  n.  Chr.)  Qaraul  „Grenzwacht"  heisst.  Hier 
wurde  auch  die  genannte  Gesandtschaft  angehalten  und  es  wurden 
zuerst  die  Namen  der  Mitglieder  sorgtältig  notiert,  ehe  sie  die 
Erlaubnis  zur  Weiterreise  erhielt.  Auch  die  Angaben  Abu  Dulafs 
über  die  glänzende  Gastfreundschaft  des  Königs,  welche  die  Ge- 
sandtschaft des  Samaniden  vom  Beginne  der  chinesischen  Grenze 
an  genoss,  wird  durch  jenen  Bericht  der  Gesandtschaft  des  Schah 
Ruch  aufs  beste  bestätigt  und  erläutert  2).  Speziell  von  Su-66u 
an  wurden  die  Gesandten  des  Schah  bei  jedem  Posthaus  (/am) 
von  der  Regierung  mit  allen  Bedürfnissen  aufs  reichlichste  ver- 
sehen, und  brachte  man  ihnen  450  mit  Schabraken  wohlversehene 
Pferde  und  Esel  zum  Gebrauch  der  Reisenden,  neben  50  bis 
60  Gefährten.  Su-Wu  heisst  bei  Marco  Polo  Succiur,  bei  Gur- 
dezT=^)  yj^^:<:^^  Suchcü ,  bei  RasTd  eddin  Sukcü*).  Von  hier 
rechnet  Gurdezi  drei  Tagereisen  bis  zur  Stadt  y^^\.c>  Chämcü 
d.  i.  Kan-c6u,  der  heutigen  Hauptstadt  der  Provinz  Kan-su,  wäh- 
rend die  Gesandtschaft,  mit  welcher  Abu  Dulaf  reiste,  zwei  starke 
Tagereisen  von  ^Läii  cS'-^b  ^^^  ^^^  Hauptstadt  Sandäbil  brauchte. 
Tomaschek^)  identifiziert  letztere  mit  C'ing-tu-fu'm  der  Provinz 
Sze-6uan,  dem  Sindafu  des  Marco  Polo  Buch  II  c.  44.  59''), 
allein  dies  ist  nach  dem  Zusammenhang  des  Itinerars  vollkommen 
unmöglich.  In  Wahrheit  muss  Sandäbil  mit  Kan-6öu  identisch 
sein,  wofür  wir  gleich  noch  weitere  Beweise  bringen  werden.  Das 
Itinerar  des  Abu  Dulaf  erklärt  sich  bei  unserer  Auffassung  hin- 
reichend befriedigend.     Von  w^-aIäÜ  (am  Lop-See)  bis  oL.il  (•üw, 

das  im  Sande  liegt,  rechnet  er  einen  Monat.  Ebenso  gibt  Marco 
Polo  I  c.  40  die  Entfernung  vom  Lopsee  durch  die  Wüste  nach 
der  Stadt  Sa-66u  (wörtlich  „  Sanddistrikt" ,  bei  Marco  Polo  Saciu, 
bei  Gurdezi  ^:^Lä)  am  Ostende  der  Wüste  auf  30  Tage  an.  Von 
hier  rechnen  Marco  Polo  und  Gurdezi  gleichmässig  10  Kamel - 
Tagereisen  nach  Su-^öu.  Der  Weg  führte  nach  dem  Venezianer 
durch    ein    Gebiet   fast    ohne   jede    menschliche  Wohnung.      Nach 


1)  S.  de  Goeje,  De  muur  van  Gog  en  Magog  S.  10  ff.. 

2)  Vgl.  Henry  Yule,  Cathay  p.  CGI  ff. 

3)  Barthold  a.  a.  O.  S.  92. 

*)  Vgl.  H.  Yule,  Marco  Polo  I  219  f.    Tomasch ek,  Kritik  der 
ältesten  Nachrichten  über  den  skyth.  Norden  I  29. 
»)  a.  a.  0.  S.  30. 
«)  Yule,  Marco  Polo  II  29  ff.  109  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  87 

Gurdezi  kam  man  von  Sa-26u  in  drei  Tagereisen  nach  Sangläck 
(pers.  „Steinort"),  und  dann  in  sieben  Tagen  nach  Su-^6u.  Da 
Abu  Dulaf  seinen  Ort  v«jL.J|  |,Läx  noch  in  die  Sandgegend  verlegt 
und  die  Entfernung  desselben  von  ^Uil  «^oU,  (Su-cöu)  auf  nur 
drei  Tagereisen  angibt,  so  scheint  er  den  Ort  Sa-ö6u  und  den 
Beginn  der  Nephritpforte  zusammengeworfen  zu  haben. 

Der  grosse  Tempel  von  Sandäbil,  von  welchem  Abu  Dulaf 
spricht,  ist  offenbar  der  500  Ellen  im  Geviert  messende  Götzen- 
tempel von  Kan-^öu,   welchen  der  Reisebericht  der  Gesandtschaft 

des  Schah  Euch  erwähnt.  Das  mächtige  Buddhabild  ^aIsc  l\j 
des  Abu  Dulaf  ist  das  50  Schritt  messende  liegende  Buddhabild, 
welches  sich  in  der  Mitte  des  Tempels  befand.  Hinter  diesem 
Bild  und  daräber  sah  man  andere  Idole  von  der  Höhe  einer  Elle  (?), 
neben  Figuren  von  Bachschis  (buddhistischen  Mönchen)  in  Lebens- 
grösse,  gegenüber  der  Mauer  waren  ebenfalls  andere  Figuren  von 
vollkommener  Ausführung  ^). 

Noch  mehr  spricht  aber  für  die  Identität  von  Sandäbil  mit 
Kan-5öu  die  Beschreibung  jener  Stadt  bei  QazwTnT  II  r.  ed. 
Wüsten feld  (vgl.  Schlözer  S.  38).  Es  heisst  hier  nach  der 
Beschreibung  der  60  Kanäle,  welche  die  Stadt  mit  Wasser  ver- 
sorgen :  „ ....  Es  gibt  in  ihr  Saatfelder ,  Gemüse  \ind  Obst- 
sorten und  mehrere  Arten  von  Wohlgerüchen,  wie  Gewürznelken 
und  Zimmt,  und  es  gibt  dort  mehrere  Arten  von  Edelsteinen,  wie 
Rubinen  u.  dgl.,  und  sehr  viel  Gold.  Die  Einwohner  sind  schön 
von  Gesicht,  von  kleinem  Wuchs  und  haben  grosse  Köpfe.  Sie 
kleiden  sich  in  Seide  und  schmücken  sich  mit  Elfenbein  und 
Rhinoceroshörnern^).  Ihre  Thore  bestehen  aus  Ebenholz.  Es  gibt 
unter  ihnen  Götzendiener,  Manichäer  und  Magier,  und  sie 
bekennen  sich  zur  Lehre  von  der  Seelenwanderung.  Von  da 
stammt  der  C  h  ä  q  ä  n  ,  der  König  von  Cin ,  der  als  gerecht  und 
guter  Regent  gepriesen  wii'd.  Er  besitzt  eine  goldene  Kette,  deren 
eines  Ende  ausserhalb  des  Palastes  ist,  während  sich  das  andere 
beim  Audienzsaal  des  Königs  befindet,  damit  sie  der,  welcher  Un- 
recht erlitten  hat,  in  Bewegung  setze  und  der  König  es  erfahre. 
Es  ist  eine  Gepflogenheit  desselben,  bei  jeder  Zusammenkunft  auf 
einem  Elefanten  zu  reiten  und  sich  so  dem  Volke  zu  zeigen ;  wer 
nun  Unrecht  erlitten  hat,  zieht  ein  rotes  Gewand  an,  und  sobald  das 
Auge  des  Königs  auf  ihn  fällt,  lässt  er  ihn  herbeirufen  und  fragt 
ihn  nach  seiner  Beschwerde.  Jeder  der  unter  seinen  Unterthanen 
geboren  wird  oder  stirbt,  wird  in  das  Register  des  Königs  ein- 
getragen,   damit   ihm    keiner   verborgen    bleibe.      Die    Einwohner 

^)  Quatrem^re,  Notices  et  extraits  XIV,  1  p.  387  ff.  Yule, 
Cathay  p.  CCIII.     Vgl.  auch  Marco  Polo  I  221.  223. 

*)  So  de  Goeje,  der  mir  bemerkt:  „es  muss  -wohl  das  Nashorn 
des  Rhinoceros  gemeint  sein,  das  in  Gold  gefasst  als  ein  kostbares 
Amulett  getragen  wird". 


gg  J.  Marquart, 

betreiben  feine  Kunstfertigkeiten.^)  ...  Sie  verehren  Götzenbilder 
und  schlachten  keine  Tiere;  wer  es  thut ,  dem  verübeln  sie  es. 
Sie  haben  ein  gutes  Benehmen  (im  Verkehr)  der  Unterthanen  mit 
den  Königen  und  der  Kinder  mit  den  Eltern.  Das  Kind  setzt 
sich  nicht  in  Gegenwart  des  Vaters,  und  geht  nur  hinter  ihm, 
und  isst  nicht  mit  ihm". 

Die  hier  geschilderten  Sitten  sind  im  allgemeinen  die  chine- 
sischen. Der  Staatselephant  weist  auf  indisch  -  buddhistische  Ein- 
flüsse. Was  uns  aber  vor  allem  interessiert,  ist  das  Vorkommen 
von  Manichäern  in  Sandäbil.  Diese  waren  im  Jahre  843  nach 
der  Vernichtung  des  Uigurenreiches  am  Orchon  durch  die  Qyrghyzen 
in  China  verfolgt  und  ihre  Tempel  unterdrückt  worden.  Zwar 
werden  im  Jahre  920  noch  Manichäer  in  der  Unterstatthalter- 
schaft Ceng-£6u  (in  der  Provinz  Ho-nan)  erwähnt,  welche  hier 
einen  Aufstand  erregten  und  einen  gewissen  Mu-i  zum  Himmels - 
söhn  erklärten 2).  Allein  es  gab  nur  ein  Territorium,  wo  die 
Manichäer  damals  volle  Freiheit  genossen,  und  das  war  eben 
Kan-6öu.  Diese  Stadt,  zu  Marco  Polo's  Zeit  die  Hauptstadt  des 
Reiches  Tangut  (chin.  Si-Hia),  welches  im  J.  1004  gegründet  und 
im  J.  1226  von  Öingiz-chan  annektiert  worden  war,  bildete  im 
9.  und  10.  Jahrhundert  die  Hauptstadt  der  östlichen  Uiguren. 
Ums  Jahr  844  hatte  sich  Long-tegin,  der  Führer  einiger  Horden 
der  Hoei-he  unter  dem  Titel  Pi-kia-hoai-kien-k'an  zum  Chagan 
in  Kan-2öu  und  §a-66u  ausrufen  lassen=^),  und  in  Kan-£6u  befand 
sich  der  Uiguren- Chagan,  als  der  Gründer  des  K'itanreiches  Apaoki 
im  Jahre  924  seinen  Zug  nach  dem  Norden  unternahm,  der  ihn 
bis  nach  Kara - Balgassun  führen  sollte^).  Sonst  scheinen  die 
Chinesen  nicht  viel  von  diesen  Uiguren  von  Kan-ßöu  zu  berichten. 
Im  Jahre  1010  wird  ein  Chagan  der  Hoei-he  von  Kan-($öu  namens 
Je-la-li  erwähnt,  welcher  von  den  K'itan  geschlagen  wurde,  die 
ihm  Su-6öu  abnahmen.  Im  Jahre  1011  war  Je-lu-ke  Fürst  der 
Hoei-he  in  Kan-Wu.  Bei  einem  neuen  Einfall  in  Kan-ööu  im 
J.  1025  wurden  die  K'itan  von  den  Hoei-he  geschlagen,  in  der 
Folge  aber  entrissen  die  Fürsten  von  Tangut  (Si-Hia)  den  Hoei-he 
Su-cöu,  Kan-6öu  und  Sa-Wu. 

Dies  Wenige  genügt  aber  immerhin,  um  zu  erkennen,  dass 
Kan-6öu  im  10.  Jahrhundert  der  Mittelpunkt  des  Staates  der  öst- 
lichen Uiguren  war,  der  sich  nach  Westen  mindestens  bis  Sa-^öu 
erstreckte  und  also  die  westlichen  Grenzdistrikte  des  eigentlichen 
China  umfasste.  Damit  stimmt  denn  auch  der  Ausdruck  des  Abu 
Dulaf,    dass  Sandäbil  die  Residenz   der  Inder  und  Türken  sei, 

1)  Hier  folgt  der  oben  wiedergegebene  Satz  über  den  Tempel. 

")  G.  Deveria,  Musulmans  et  Manicheens  chinois.  Journ.  as. 
1897,  2,  479. 

s)  Deguignes,  Gesch.  der  Hunnen  II  29.    Ergänzungsband  282. 

*)  Ed.  Chavannes,  Voyageurs  chinois  chez  los  Khitan  et  les 
Joutchen,  I«  part.  p.  30  n.  3.    (Extrait  du  Journ.  as.,  mais— juin  1897.) 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  gg 

und  von  da  der  Chäqän  stamme.  Mit  den  Indern  sind  offenbar 
die  Buddhisten  gameint,  die  Türken  dagegen  sind  die  Manichäer. 
Wie  in  Kau-^ang,  der  Hauptstadt  der  westlichen  Uiguren,  über- 
wog auch  in  Kan-6öu  der  Buddhismus,  daneben  aber  wurden  von 
den  Chaganen  der  Uiguren  entsprechend  ihrer  traditionellen  Politik 
die  Manichäer  sowie  die  Zoroastrier  beschützt,  deren  Glaube  be- 
reits seit  dem  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  in  der  Provinz  Kan-su  ein- 
geführt war '). 

Das  Zeremoniell  und  der  Staatsapparat  am  Hote  dieser 
Uigurenchagane  war  chinesisch.  Unter  dem  „König  von  Cin" 
^.5:ui.i!  ^i  ijj^i  ^^^'  ^^^^  Gesandtschaft  an  dfen  Samaniden 
Na^r  b.  Ahmad  geschickt  hat,  haben  wir  also  nicht  einen  Fürsten 
aus  einer  der  kurzlebigen  Dynastien  nach  dem  Sturze  der  T'ang- 
üynastie  zu  sehen,  sondern  den  Chagan  der  Uiguren  von  Kan-^öu. 
Auch  in  dem  von  mir  übersetzten  Abriss  der  Geschichte  der 
Manichäer  im  Fihrist  S.  Ti^v,  23  wird  der  Beschützer  der  Manichäer 

V 

„König  von  Cln"  genannt,  worunter  der  Verfasser  mit  Recht  den 
Herrscher  der  To/uz;/uz  (hier  der  Uiguren  von  Kau-^ang)  versteht-). 
Im  Namen  ^^;xJ)\  wird  also  türkisches  Caqyr  stecken,  und 
ebenso  wird  sich  auch  (jüLs  Qalyn  aus  dem  Türkischen  erklären 
lassen.  Zu  finden  bleibt  nur  noch  der  Ursprung  des  Namens 
Jo!Js.>L»*,  für  Kan-^öu.  Meine  Bemühungen,  etwas  von  den  Herren 
Sinologen  darüber  zu  erfahren,  waren  leider  vergeblich;  an  der 
sachlichen  Identität  aber  scheint  mir  kein  Zweifel  bestehen  zu 
können'^).  Es  darf  hierbei  daran  erinnert  werden,  dass  auch  der 
Name  Chumdän,  unter  welchem  unzweifelhaft  die  alte  Hauptstadt 
Cang-'an  (Si-ngan-fu)  im  Westen  bekannt  war,  bis  heute  noch 
nicht  befriedigend  erklärt  ist.  Neumann  sieht  darin  eine  Ver- 
derbnis von  Kong-tien  „Palast"  oder  „Hof,  welche  Erklärung  aber 
Y  u  1  e ,  wie  mir  scheint  mit  Recht,  ablehnt  (Cathay  I  p.  LI  n.  3). 
Jetzt  wird  uns  auch  der  Zweck  der  Gesandschaft  klar.  Der 
Fürst  von  Kan-ööu  fühlte  sich  infolge  der  stetig  wachsenden 
Macht  der  K'itan  bedroht  und  suchte  bei  dem  mächtigen  Samaniden, 
dessen  Ruhm  das  Gerücht  bereits  bis  nach  dem  fernen  Osten  ge- 
tragen hatte,  Rückhalt  und  Bündnis.  Deshalb  fragt  er  auch  den 
Abu  Dulaf  eingehend  nach  den  Verhältnissen  der  islamischen 
Länder.  Die  Gesandtschaft  des  „Königs  von  Cin"  an  den  Sama- 
niden Na9r  verdankte  also  im  Grunde  ihren  Ursprung  ebensogut 
der  neuen,  grossen  Bewegung  unter  den  Völkern  Gog  und  Magog, 
wie  vor  einem  Jahrhundert   die  Gesandtschaft   des  Salläm.     Denn 


1)  Deveria  1.  1.  466.  480. 

2)  S.  WZKM.  XII.  161  ff. 

*)  de  Goeje  denkt  an  eine  Verwechslung  von  Kan-cou  mit 
C'ing-tu-fu  (Sindafu)  durch  Abu  Dulaf.  Dann  müsste  letztere  Stadt 
als  Ausgangspunkt  der  Rückreise  betrachtet  werden,  die  ich  hier  aber 
nicht  behandle. 


QQ  J.  Marquärt, 

es  ist  klar,  dass  die  Veranlassung  zu  dem  Traume  des  Chalifen 
al  Wäi9^iq,  dass  die  von  Alexander  d.  Gr.  gegen  die  Völker  Gog 
und  Magog  errichtete  Mauer  geöifnet  worden  sei,  wodurch  der 
Chalife  bestimmt  wurde,  im  Jahre  842  eine  Gesandtschaft  zur 
Untersuchung  des  Zustandes  der  Mauer  abzusenden  i) ,  gewisse 
wenn  auch  noch  so  unbestimmte  Gerüchte  über  die  Umwälzungen 
gebildet  haben  müssen,  welche  durch  die  Erhebung  der  Qyrghyzen 
und  die  Vernichtung  des  Reiches  der  Tojoiz  Oyuz  am  Orchon  im 
J.  840  in  Hochasien  herbeigeführt  worden  waren. 

In  verschiedenen  Quellen  wird  Alexander  die  Gründung  der 
Stadt  Ha-c6u  zugeschrieben,  der  ersten  chinesischen  Stadt  die 
man  erreicht,  nachdem  man  die  Wüste  passiert  hat 2).  Qodäma 
spricht  von  zwei  Städten,  die  Alexander  im  Lande  ^yi  in  China 
gegründet  habe^):  die  eine,  namens  Chumdän,  weist  er  dem 
König  von  Cin  zur  Residenz  an,  in  die  andere,  namens  ,3^,  soll 
derselbe  eine  Besatzung  legen.  Chumdän,  das  auch  Theophylakt 
als  eine  Gründung  Alexanders  kennt,  ist,  wie^  man  schon  längst 
erkannt  hat,  identisch  mit  der  alten  Residenz  Cang-'an,  d.  i.  dem 
heutigen  Si-ngan-fu*).  ^  dagegen  ist  nichts  anderes  als  Cöl 
„Sand",  d.  i.  die  türkische  Übersetzung  von  Sa-c6u  „  Sandbezirk  % 
wenn   man    nicht    eine   Verschreibung    für   ^^j^  Sük   =   Sük-cu 

(Su-^6u)  annehmen  will. 

Die  beiden  Festungen,  welche  sich  nach  dem  Berichte  des 
Salläm  in  der  Nähe  des  Thores  befinden  (Ibn  Chord.  Hl,  13  fi".), 
bezeichnen  wohl  die  Festung  Kia-jü-kwan,  dagegen  ist  die  grosse 
Festung  in  der  Nähe  dieses  Ortes,  welche  10  Par.  im  Geviert 
umfasst,  unverkennbar  die  Stadt  Kan-Söu  oder  Sandäbil,  deren 
Durchmesser  (LP^Lj)  nach  Abu  Dulaf  eine  Tagereise  betrug.  Der 
Ausdruck  ist  bei  Abu  Dulaf  wohl  absichtlich  unbestimmt  und 
zweideutig  gehalten,  bei  Salläm  aber  liegt  offenbar  ein  Miss- 
verständnis vor,  indem  ihm  10  Par.  als  Umfang  der  Stadt  an- 
gegeben wurden  und  er  dies  fälschlich  auf  den  Durchmesser  der 
Stadt  bezog,  die  er  sich  als  Viereck  dachte.  So  erhielt  er  den 
ungeheuren  Flächenraum  von  100  Par.  für  die  Stadt^). 

Es  sei  mir  gestattet,  hier  zu  den  Zeugnissen  für  den  Mani- 
chaismus  der  Uiguren  von  Kau-6ang  (WZKM.  XII  179  f.)  noch  das 

1)  S.  de  Goeje,  De  muur  van  Gog  en  Magog  S.  23. 

2)  de  Goeje  a.  a.  0.  14. 

3)  Qod.  rlf,  19.  20.  ,     ,  ^    o    0^4. 
*)  de  Goeje   a.   a.  0.   S.   14.  Tomaschek  a.   a.   O.   b.  6Q  t. 

H.  Yule,  Cathay  I  p.  LI  n.  3  XCIIT.  ,    .    .    ^    w 

5)  Es  wird  aber  auch  zu  erwägen  sein,  welches  einheimische  Weg- 
mass  der  Araber  hier  durch  Farsach  wiedergibt.  Ein  ähnlicher  Fall 
findet  sich  bei  Ibn  Rusta  ili,  11/12,  wo  Harun  b.  Jahja  den  Umfang 
von  Konstantinopel  auf  12  Par.  im  Geviert  angibt,  aber  bemerkt,  dass 
der  römische  Parasang  nur  =  Vjo  Meilen  sei.  100  li  wäre  eine  Tagereise. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  91 

des  GurdezT^)  hinzuzufügen,  der  wahrscheinlich  aus  Gaihäni  schöpft. 
In  alter  Zeit  herrschte  über  die  Toj'uzp'uz  ein  Chäqän,  der  einen 
Bruder  hatte  namens  Kürtägln  (jv5.j^j/ -).  Des  letztern  Mutter 
stammte  aus  China.  Der  Chäqän  strebte  nun  seinem  Bruder  nach 
dem  Leben  und  verwundete  ihn  an  der  Kehle,  worauf  er  ihn  für 
tot  auf  den  Friedhof  warf.  Doch  die  Amme  des  Kürtägm  rettete 
diesen  zu  den  Manichäern  und  übergab  ihn  den  DTnäwarl's^),  die 
ihn  verpflegten  und  seine  Wunden  heilten.  Darauf  kam  Kürtägln 
nach  Izü  j-i,  der  Residenz  des  Chagans  und  lebte  hier  einige 
Zeit  verborgen.  Schliesslich  gelang  es,  den  Chagan  zu  versöhnen, 
der  ihn  zum  Emir  von  PangTcat  ernannte.  Als  er  aber  hörte,  dass 
der  Chagan  zur  Jagd  ausziehe,  sammelte  er  eine  Truppe  und  zog 
gegen  ihn  und  überwand  das  Heer  des  Chagans  in  einem  Treffen. 
Dieser  floh  nun  in  die  Festung  {jS^s-i  allein  die  Besatzung 
wurde  zuletzt  durch  Hunger  bezwungen  und  erhielt  Amnestie,  der 
Chagan  wurde  erdrosselt  und  Kürtägln  ergrifi'  die  Chaganwürde. 
Der  Chäqän  der  To/uzyuz  huldigt  der  (maniehäischen)  Sekte  des 
Dinäwar,  doch  gibt  es  in  seinem  Reiche  neben  Dualisten  auch 
Christen  und  Samanäer  (Buddhisten)  ...  In  der  Stadt  Clnäng-hat 
(an  der  Ostgrenze  des  Gebietes  der  To^'uz^uz)  umziehen  jeden  Tag 
3_400  Mann  von  den  Dinäwarl's  das  Thor  des  Statthalters  und 
rezitieren  mit  lauter  Stimme  die  Blätter  des  MänT,  kommen  vor  den 
Statthalter  und  machen  ihre  Aufwartung  und  kehren  wieder  zurück. 
Ein  merkwürdiges  Zeugnis  für  die  Beziehungen  der  To/uz/uz 
zu  den  Manichäern  ist  in  zwei  Stellen  des  Gähic  (f  255  H.  = 
868/69  n.  Chr )  enthalten,  deren  Kenntnis  ich  der  Liebenswürdig- 
keit van  Vloten's  verdanke.  In  der  einen,  die  sich  im  Cod. 
Mus.  Brit.  Or.  3138,  einem  Sammelband  von  Werken  des  Gähic 
findet,  sagt  der  Verfasser  fol.  209  flf.,  nachdem  er  über  den  Verfall 
der  Griechen  gehandelt: 

1)  Bei  Barthold  a.  a.  0.  90,  10  ff.  91,  4  f.  92,6. 

2)  Wahrscheinlich  alttürkisch  Kül-tägin ;  vgl.  ^y^jy^  (al-Madaini) 
=  alttürkisch  Kül-cur. 

3)  Vgl.  Fihrist  I  rrf.  II  171.    Flügel,  Mani  318. 
*)   cod.  io.^;Ü. 

^)  cod.  ci*-«iÄJ. 


92  J-  Marquart, 

d.  h.  „Und  ähnlich  diesem  wai'd  der  Zustand  der  türkischen 
Toyuzyuz,  nachdem  sie  (früher)  deren  Helden  und  Vorkämpfer 
und  die  Anführer  der  Charluch  gewesen  waren ,  obwohl  diese  an 
Zahl  mehr  als  doppelt  so  stark  waren  als  sie.  Denn  nur  weil  sie 
sich  zum  Zindiqismus  (Manichaismus)  bekannten  —  die  Religion 
des  Manichaismus  ist  aber  in  Bezug  auf  die  Enthaltsamkeit  und 
Friedfertigkeit  noch  schlimmer  als  die  christliche  Religion  — 
nahm  jene  Tapferkeit  ab  und  schwand  jene  Kühnheit.  Die  Qorais 
aber  unter  sämtlichen  Arabern  bekannten  sich  zur  Religion  der 
un  erschütterlichen  Tapferkeit " . 

Der  Verfasser  blickt  also  unverkennbar  auf  den  im  Jahre 
840  n.  Chr.  erfolgten  Untergang  des  grossen  Uigurenreiches  am 
Orchon,  dem  auch  die  Charluch  unterthan  gewesen  waren,  zurück 
und  sieht  die  Ursache  von  dessen  Niedergang  in  dem  schädlichen 
Einfluss  der  friedfertigen  Religion  Mani's.  Die  Qorais  dagegen,  die 
eigentlichen  Träger  des  muslimischen  Staates,  behielten  auch  nach 
der  Annahme  des  Islams  ihre  alte  Tapferkeit  und  ihren  Adelsstolz. 
In  Muzdalifa  bei  Mekka  stellten  sie  sich  am  Tage  des  grossen 
Pilgerfestes    hin    und    riefen:    Wir    sind    die    Unerschütterlichen 

{,^j^i.;<\l\ ,  plur.  von  ^j^4,s>-\) ,    und    der   Prophet    selbst    sagte    zu 

den  An^är  mit  Stolz:  Ich  bin  ein  Unerschütterlicher  (ahmas)^). 
Dem  kriegerischen  Sinne  der  Qorais  verdankte  es  der  Islam  nach 
Gähic's  Meinung,  dass  er  von  einem  ähnlichen  Verfalle  wie 
die  christlichen  Romäer  und  die  manichäischen  To;'UZ/uz  ver- 
schont blieb. 

Die  zweite  Stelle  findet  sich  in  einer  Risäla,  die  in  einer 
Damascener  Handschrift  (Malik  Tahir  125)  enthalten  ist,  und 
lautet  folgendermassen  -) : 

U^]y  i^  '^yih    ^j^5    ^J    ^j^:j_5    ^4xX1\   jJ^X'S    ^^    ^y:=>:> 

&j^^     J"^     rj->-A     ^^_y>     VV"^'      0,La3     Ot^ji^i     Laa«     töJL/i     vi>..«,^:>Vi^ 

lXsj  xj^^'J  Jas  Ä.x!  Ji  _^^i  ^t^^  J^-^'  J-  /*"g-'^j»J'  i^-^  ic"*^*^'^ 
^^4-  ^-^  f-h  j^l-^'  J^^j^'3  ^l-^-S'^  U^LÜ  J.  ^1  X.j^^!  ^ß  J^^ 
».j,_»LäjlXJ!_5     Ä.ASiAAa4.il     l-H^j     >-^^3     '0 '>Äj     LäaaUS     ^^^*     KäJl^wJ! 


1)  Mas'udi,  Murüg  II  221. 

^)  Die  in  der  Handschrift  fehlenden  Punkte  sind  von  van  Vloten 
beigefügt  worden.  , 

"')  So  vermutet  deGoejc;  van  Vloten  schlug  vor  tÄ.^   o>^Ai2i5. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  93 

d.  h.  „Erkläre  mir  doch ,  weshalb  an  Nu'män  und  Jazid  b, 
al  Härij?"  das  Christentum  und  z/ü  Nu' äs  das  Judentum  an- 
genommen haben,  und  die  Könige  von  Saba  Magier  (Zoroastrier) 
geworden  sind?  Und  weshalb  die  Araber  sich  in  muhill'^ 
(Feinde,  die  man  töten  darf)^),  muhrim's  (solche,  deren  Blut  man 
nicht  vergiessen  daif )  ^)  und  ahmasl  's  (solche ,  die  sich  ahmas 
nennen) '')  geteilt  haben ,  abgesehen  von  ihrer  Spaltung  in  Bezug 
auf  Religionen?  Und  weshalb  man  niemals  eine  materialistische 
Religionsgesellschaft  erlebt  hat,  da  wir  ja  erkannt  haben,  dass 
es  unmöglich  ist,  dass  ein  Materialist  als  Prophet  auftritt?  Und 
warum  hat  sich  kein  König  als  Materialist  bekannt  ?  Und  warum 
haben  wir  die  Lehre  des  Materialismus  nur  bei  besondern,  un- 
gewöhnlichen und  seltenen  Leuten  gefunden  ?  Und  weshalb  haben 
alle  Anhänger  von  Religionen  ein  Königreich  und  Könige  gehabt 
mit  Ausnahme  der  ZindTqe  (Manichäer) ,  und  weshalb  haben 
sämtliche  vergangene  Religionsgesellschaften  sie  getötet?  Und 
warum  machen  wir  diesen  Schluss,  nachdem  wir  doch  die  Ma^da- 
qiten^),  Dinäwari's  und  iLoywzyViZ  gesehen  haben?  Wenn  du 
nun  erwiderst :  weil  diejenigen,  bei  denen  der  Krieg  kein  Religions- 
gesetz und  die  Tapferkeit  nicht  Naturanlage  ist,  geplündert  und 
zu  Sklaven  gemacht  werden,  so  sagen  wir^):  wie  kommt  es  dann, 
dass  die  Romäer  es  zu  verhindern  wissen ,  dass  sie  zu  Sklaven 
gemacht  und  geplündert  werden,  obwohl  der  Krieg  bei  ihnen  kein 
Religionsgesetz  bildet?" 

Diese  etwas  dunkle  Stelle  wird  durch  die  erste  in  erwünschter 
Weise  aufgestellt.  Gähic  sucht  in  dieser  Risäla  einen  etwas  be- 
schränkten, aber  eingebildeten  Mann  durch  Vorlegung  einer  Menge 
von  nagudo'E.a  und  anoQi]fiata  in  Verlegenheit  zu  bringen  und 
sich  über  ihn  lustig  zu  machen.  Er  behauptet,  dass  die  Manichäer 
im    Gegensatz    zu    sämtlichen    andern    Religionen    niemals    einen 


Die  Konstruktion  von     ^*üä    mit    ^^  judicii  ist   ganz   allgemein,    wie 
xj  /*^>"  (de  Goeje).    Die  Hs.  hat  etwa  IAaa >.Aa5  *.]»,. 

*)  cod.  jJjC. 

'^)  Von  de  Goeje  ergänzt. 

*)  So  de  Goeje,  unter  Verweisung  auf  ZDMG.  46,  2n. 

*)  Vgl.  Mas'üdl,  Murüg  II  22  L 

^)   Zur    Schreibung    Ä-^SiA/a-LI    für    KxäO;!!     vgl.    ^^15^X^x11    für 
^ISOjIi  Muq.  f.. ,  13. 


94  J-  Marquart, 

eignen  Staat  gebildet  hätten,  sondern  von  den  Anhängern  der 
übrigen  Religionen  blutig  verfolgt  wurden,  obgleich  er  weiss,  dass 
die  Mazdakiten  den  König  Kawät  (488—495/96  und  498—531) 
und  dessen  ältesten  Sohn  Kaj'-Os,  den  Prinzstatthalter  des  Elburz- 
gebietes  (Padaswärgar-säh)^) ,  für  ihre  Lehre  gewonnen  hatten, 
die  Dinäwarl's  aber,  die  hauptsächlich  in  Transoxiana  verbreitet 
waren  (Fihrist  T^f,  11),  bei  den  Toynzyni  Eingang  gefunden 
hatten  und,  wenigstens  in  späterer  Zeit,  der  Chagan  selbst  sich 
zu  ihrer  Sekte  bekannte ,  wie  wir  aus  GurdezT  erfahren.  Der 
Mazdakismus  wird  besonders  in  Tabaristän,  der  Provinz  des  von 
den  Mazdakiten  erzogenen  Prinzen  Kaj'-Os,  geblüht  haben,  und  in 
dem  Verzeichnis  der  Provinzialhauptstädte  von  Iran  §  60  findet 
sich  die  Notiz ,  dass  die  Hauptstadt  Ämul  von  dem  todesvollen 
Zandik,  d.  i.  Mazdak  gegründet  worden  sei^).  Allein  noch  vor 
seinem  Tode  liess  der  König  Kawä(5  die  Anhänger  des  Mazdak 
ausrotten  und  in  ihren  Untergang  wurde  auch  der  Prinz  Kaj-Ös 
verwickelt^).  In  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  be- 
herrschten Mazdaks  Lehren  noch  weite  Kreise  Irans ,  besonders 
von  al  Gibäl  und  Ä^'arbaigän  *) ,  und  unter  der  Führung  des 
Bäbak  trotzten  ihre  Anhänger  ein  Menschenalter  den  Heeren  der 
Chalifen.  Allein  von  einem  wirklichen  mazdakitischen  Staate  kann 
man  auch  hier  nicht  reden,  und  nach  dem  Untergange  Bäbaks  ward 
die  Bewegung  blutig  erstickt.  Die  Lehre  des  Lichtes  hatte  aller- 
dings seit  ihrer  erstmaligen  Einführung  nach  dem  Jahre  762  n.  Chr. 
grossen  Einfluss  und  zahlreiche  Anhänger  bei  den  To/uz  Oym 
gewonnen,  allein  die  gleichzeitigen  chinesischen  Nachrichten  zeigen, 
dass  keineswegs  das  ganze  Volk  dem  Manichaismus  huldigte  und 
der  Chagan  selbst  kein  Manichäer  war^),  wenn  er  auch  die  Mani- 
chäer  sehr  hochschätzte  und  sich  ihres  Rates  und  ihrer  Dienste 
in  politischen  Fragen  bediente.  Wenn  aber  auch  der  Chagan 
selbst  später  zur  Lehre  des  Lichtes  übertrat,  wie  die  arabischen 
Berichte  behaupten,  so  musste  die  asketische  Richtung  der  neuen 
Religion,  wie  Gähic  annimmt,  unbedingt  die  Wii'kung  haben,  dass 
die  alte  kriegerische  Tüchtigkeit  des  Volkes,  auf  welcher  das  Reich 


*)  Theophan.  Chronogr.  I  167,  27  ff.  ed.  de  Beer  nennt  ihn 
^&ci6ovccQaccv,  Prokop.  Fers.  p.  50,  15.  109,  15  ff.  193,  17  Ka6oi]s'i  in  der 
Geschiebte  Tabaristans  des  Muhammad  b.  al  Hasan  b.  Isfandijär  heisst 

er  {jny^^  mit  dem  Titel  »LÄi   -:>-.!»-ii(Äs  (so  1.). 

^)  Liste  göographique  des  villes  de  l'Iran.  Par  E.  B lochet. 
Recueil  de  travaux  relatifs  a  la  philologie  et  k  rarcheologie  ^gyptiennes 
et  assyriennes  t.  XVI,  1895,  p.  170. 

^)  Vgl.  Nöldeke,  Geschichte  der  Perser  und  Araber  141  ff. 
154.  455  ff. 

")  Mas'odl,  Kitäb  at  tanblh  Pör,  10  ff.    Fihrist  rff,  18  ff". 

^)  Vgl.  G.  D^vöria,  Musulmans  et  Manichöens  chinois.  Jouru.  as. 
1897,  2,  475  s. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  95 

beruhte,  verloren  ging.  Wenn  also  die  Dinäwari's  auch  bei  den 
Toyuzyuz  thatsächlich  einen  König  und  ein  Reich  besessen  haben, 
so  hat  ihre  Religion  eben  dieses  einst  so  mächtige  Reich  zu 
Grunde  gerichtet  und  sich  somit  als  unfähig  erwiesen,  einen  Staat 
zu  gründen  und  vor  allem  zu  behaupten  i).  Bei  den  Romäem  ist 
der  Krieg  zvi^ar  auch  kein  Religionsgesetz,  wie  beim  Islam,  allein 
ihre  Religion  verbietet  nicht  jedes  Blutvergiessen  und  hat  ihre 
Verteidigungskraft  nicht  gelähmt,  wie  dies  bei  der  Lehre  des 
Lichtes  der  Fall  ist.  Diesen  Erfolg  hat  ja  in  der  That  die  Lehre 
Buddhas  bei  den  Mongolen  gehabt,  indem  sie  die  im  Blute  waten- 
den Welteroberer  zu  grübelnden  Asketen  gemacht  hat.  Gähic 
blickt  also  auch  an  der  zweiten  Stelle  bereits  auf  die  Vernichtung 
der  Macht  der  Uiguren,  der  Beschützer  der  Manichäer,  durch  die 
kriegerischen  Qyr;^yz  im  Jahre  840  n.  Chr.  und  die  sich  daran  an- 
schliessende Verfolgung  der  Manichäer  im  chinesischen  Reiche  zurück. 
Es  fällt  auf,  dass  in  der  Aufzählung  der  Fürsten,  die  vom 
Heidentum  zu  Offenbarungsreligionen  übergegangen  sind,  die 
Chagane  der  Chazaren  fehlen.  Sollte  hier  mehr  als  blosser  Zufall 
obwalten  und  Gähic  hier  indirekt  bezeugen,  dass  ihm  die  Bekehrung 
der  Chazaren  zum  Judentum  noch  nicht  bekannt  war? 

6.   Mas'üdis  Bericht  über  die  Slawen. 

Eine  ebensolche  crux  wie  Mas'üdls  Erzählung  über  den  Ein- 
fall der  Walandarhorden  bildet  sein  Bericht  über  die  Slawen  im 
34.  Kapitel  seiner  Goldwäschereien  und  Edelsteinminen.  Die 
Pariser  Ausgabe,  in  welcher  sich  der  Bericht  Band  HI  S.  61 — 65 
findet,  ist  hier  sehr  unzulänglich,  und  dieses  Kapitel  verdient  gleich 
den  übrigen  ethnographischen  Kapiteln,  welche  die  vier  ersten 
Bände  der  Pariser  Ausgabe  füllen,  dringend  eine  neue  Ausgabe 
unter  Heranziehung  sämtlicher  bekannten  Handschriften.  Dieser 
Bericht  ist  aber  schon  in  den  Jahren  1832  und  1833  zugleich  mit 
andern  arabischen  und  persischen  Nachrichten  über  die  Slawen  von 
Charmoy  herausgegeben  und  mit  einer  französischen  Übersetzung 
und  Erläuterungen  versehen  worden  unter  dem  Titel:  Relation  de 
Mas'oudy  et  d'autres  auteurs  musulmans  sur  les  anciens  Slaves. 
Mem.  de  l'acad.  imper.  de  St.  Petersbourg  VP  ser.  t.  II,  1834, 
p.  297—408.  Der  Text  findet  sich  auf  S.  308—311;  diese  ver- 
dienstliche Arbeit  ist  den  Pariser  Herausgebern  wohl  bekannt  ge- 
wesen, aber  leider  von  ihnen  zu  wenig  berücksichtigt  worden  ^).  Ich 
bemerke  jedoch,  dass  ich  bereits  avif  Grund  der  Pariser  Ausgabe  zu 

1)  Diese  Interpretation  des  Satzes  ^!  \JSj  Ik^'i  ^*,  verdanke 
ich  van  Vloten.  '-' 

2)  Dieselbe  scheint  Lelewel,  welcher  sich  gleichfalls  mit 
Mas'üdT'g  Bericht  über  die  Slawen  beschäftigt  hat  (G(5ographie  du 
Moyen-Age  t.  III.  Bruxelles  1852,  p.  47—52),  unbekannt  gebliebeu 
zu  sein. 


96  •  J-  Marquart, 

den  unten  dargelegten  Resultaten  gelangt  war,  ehe  ich  Charmoy's 
Arbeit  gesehen  hatte.  Abr.  Harkavy  hat  sich  dann  aufs  neue 
mit  Mas'üdl's  sowie  andern  muslimischen  Nachrichten  über  die 
Slawen  beschäftigt  in  seiner  Schrift  Skazanija  musulmanskichi) 
pisatelej.  St.  Petersburg  1870,  die  mir  leider  unzugänglich  ist. 

Ausser  der  Pariser  Ausgabe  habe  ich  die  von  Kairo  a.  H.  1303 
benutzt,  die  mir  Prof.  S  e  y  b  o  1  d  freundlichst  geliehen  hat.  Hier 
findet  sich  der  Bericht  Bd.  I  S.  tvo;  der  Text  dieser  Ausgabe  ist 
kein  einfacher  Abdruck  der  Pariser,  sondern  geht  bei  wichtigeren 
Varianten  mit  der  Leidener  Hs.  gegen  die  Pariser  Ausgabe.  Der 
stets  bereiten  Liebenswürdigkeit  Dr.  van  Vlotens  verdanke  ich 
eine  Kollation  der  Namen  in  der  Leidener  Hs.  Nr.  282.  Mas'üdis 
Bericht  ist  von  Bekri  (Kunik  und  Rosen  S.  33,  6 — 42,  12), 
sowie  von  Jäqüt  IH  f.o,  13  ff.  benutzt  worden.  Jäqüt's  Text 
berührt  sich  am  nächsten  mit  dem  des  cod.  Italinsky  A,  welcher 
auf  ein  Exemplar  zurückgehen  muss,  das  bei  der  Vollendung  des 
ganzen  Werkes  im  J.  336  H.  einer  Revision  unterzogen  wurde, 
nachdem  die  früheren  Bände  schon  im  J.  332   ausgegeben  waren. 

Ich  bediene  mich  folgender  Abkürzungen: 
A     =  cod.  Italinsky  A  bei  C  h  a  r  m  o  y. 
B     =  cod.  Italinsky  B  bei  „ 

C     =  cod.  Italinsky  C  bei  „ 

L     =  cod.  Leid.  282. 
K     =  Ausgabe  von  Kairo  1303. 

P     =  Ma(;oudi,  Les  Prairies  d'or.  Texte  et  traduction  par 
C.  Barbier  de  Meynai-d  et  Pavet  de  Courteille. 
J      =  Jäqüt. 
Be  =  BekrT. 
Ch  =  Charmoy. 

L^LL>1   (»)j^-i5    '■•g^^    J-^^^3    L.g.Äj'L^/ii^    xJLftxaJl  jS^O 

62  *)  JlxiJl  U^  ^;^  ^^A  '^)KjI^aJ!  ^\  ^^  yJ:^=>  dy    \    tÄ^» 

>)  Charmoy  richtig  j^bU;   Be  p.  33,  6  ^.,ljLo,  B  I^Lc,  L  ^jl» , 
A  ob,  K^b,  CP^b. 
'^)  AC   ^>y. 
3)  L  Kjfy  ,  A  Kjy  I .   ■ 

*)  Das  Folgende  bis  iüiJ'L:>  S.  97  Z.  4  bei  Jäq  ITI  f.o ,  13—15. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  97 

i")^>U  t^Aj  j^^a^  ^,Lr_5   ^UJ!  ^u>.A^  ^  UjAs  ^f:i  '^U'  ^Li' 
5  ^«^AäÜ  S   u--^    ^'J^^  ^^.-i   o'-^^     'OljL^^i    e5^->^.-^    ü--^   ^-^5 

nJI  ^jU  ^^)ß\^  ^Lxä^i^  ;^-s  >^U(  ^^^i  K-JU^i!  LrL-^5  yL^ 


')  So  richtig  Ch  mit  v.  1.  (^j^Lj,    ^j^^'?  >   ^j^W ,    J  J=j^^^  , 
P   (^J»J-Lj   mit  V.  1.   Jj^Aj  ,  L  ^aAj  ,  K  I^Aj  ,   Be   ^L*^ii  ^j^  . 

2)  C  Js-^ÄJ,     Be    J^AÄÄj    (1.    J^iiJ"),    J    y^    für    1^1/^   ^j!, 
A  LxX^ . 

3)  A  y^ii! ,  J  oyti!  j .  —  Das  Folgende  bei  Bekrl  S.  40,  9  ff. 

5)  Be  S.  40,  12  ^l\^  ^j.£ ,    J  om. 

**)   A  &j . j.LiAa.>U!  i.  e.  Ä.j.j.Li>a<ü!  . 
^)  J  om. 

8)  A  ^LLaäÜ  . 

»)  L  ^^)*^Ä>.    Das  Folgende  fehlt  in  A  (und  Jäqüt)  bis  S.  99  Z.  2 

10)  L  y5^jL.i ,  K  J^>L« ,  C  J.>U  ^  Be  Li>U . 

")  Conj.;  P  Ch  LiLl J^ ,  L  LjLJ^,  Be  1)1^*,. 

12)  om.  L. 

13)  Conj. ;  B  P  K  ÄJl^>.L/ot ,  C  ^Jt^IiAöS ,  L  M\jh,a\, ,  Ch  wl^>iiA^l , 

Be  wLxAai! . 

11)  So  K;  Ch    ^o^lÜAaj,    C    ^":iÄAaj ,    L    c^ft^as,    B    ^j  jS^^aJ  ^ 
P  ^^äao  . 

1»)  So  Ch  L;  P  B  K  Be    xJ^^O  . 

Marctuart ,  Streifzüge.  7 


93  J-  Marqiiart, 

5)^*.^ww.:!^     Ä.JLä>aii    (J'.LJ.:^!    ^:^^!    L/^^    lÄ-S^^    *)\Jtji   ^^^^:i 
xi   ,3Läj    ''^)j*/.ä.->    ^    ^)j:^'^Jj    L^'^"    f?"^^^''  ^)qJ'-'*^    1?^'-^"    L/^"?"3 

L^j'j  3j-i^j  (1~^*-J  ^^)v^H''  *^-^LÄA2.Ji  uXac  0^-*-="  ^°)i'^^^  '')u^iy*' 
^^i  L^Jl     ,3l>Lääj    ^'Oä-A-'»  ^^'«   ^^jjx'S»)*  L^>j^  ^^)y:5^j  oL^ö»,^^ 

0 

o  }  > 

w       J 


1)  om.  B  C  P  K. 

^)  Ch   »»^-o   ^ol,  ,    B    ^L ,    C    vJs^AO    ,ijo(. ,    L    s^l.,0    ^ot» , 

K  o^x3  ^1^,  p  ^^Lc  ^^3. 

'')  C  K  oix^Lj,  L  u->^U. 

^)  So  Ch;   C  '»^\js^,   K  wly:,    L  ^JL£J   P  KiljC. 

^)  So  Be ;   die  übrigen   u^M*  . 

^)  C  ^jLa/s^  L  (^L*.*,   K  O'-'"'''  ■^^  ^™" 

')  So  P   Tt^^J;  5  Ch  y^^j ,   t)  .>jx^ .  (?) ,  L  fW^>*-Jj ,  K  «i^xj. . 

^)  Die  folgenden  Worte  bis  jj/^Ä^  in  C  K  ausgelassen. 

")  So  Ch;  B  P  {J^'-ij^,  L  u^-iy,  Be  ^^Jj*«. 
iO)Py>5. 
")  L  y^^. 

12)  Ch   AxxJ  . 

13)  So  P;  B  uXb^^t  ff^Hj^J;-,  C  xX^  ^^  ^^J^^,  K  '>!/> ^^ ^'SJü^ ^ 
L  Ch  KX,Xi  i*«?jÄj»  ,    om.  Be. 

1*)  ona.  B;  für  n^\y)   K  ».tyc^  Be  »jt;-». 

15)  So  Ch;  B   uiiU>,  L   (j*»!^,    K   -jil^y?-,   P   oUi!^^^, 


Be 


LTbj^- 


16)  Conj.;    L    (jv-olj>j   Ch  P  Be  ^J^l^  ^   K  ^a^oLa:?. 
1')  Conj. ;  Ch  P  (j\jL.Ci.i>  j  C  (j\.jL^5»-  ,  L  y*LA«j>!  ^   Be  (jvj'oixo, 
K  jjoLs». —  P  hat  von  L^l  Z.5  an  folgende  Anordnung  des  Textes: 


Osteuropäisclie  und  ostasiatische  Streifzüge.  99 

\j^  Q^  olJIa«  Uxs  UxAä  lAi^  ^Ä^!  ^3L*sl  Joi^  ^L*s5  |^i_5    '^)^j!_50 
5  J^  j-.^\^  ''*)g^'^^'  ')J-t^  ^/^  I  -^^^*  ^)^V'^  er  ^5>  V^^^^'  64 

"^'*)  .,j_l-ciÄ/o  ^,^9.>;i._5    X.>.JLÄAaJl   ^xi    ij/^Ä.^   (Ä-J'^j     ..LaäJLj   ^ijw.äjt 

^)  om.  K  Be:  Ch  ^^*JL:p.it^,    L    (j^Ls^IAj. 
2)  om.  C. 

•"*)  Hier  tritt  A  wieder  ein.     Das  Folgende    (bis  AÄ.^J|  t5L*55  Z.  4) 
auch  bei  Jäq.  III  f  .ö     15  ff. 

*)  A  J  ^y^\  (A  ^J )  *.J  ^^Lfij  y^Ä:>    (A  ^x^s^^Ls )  |!|l*:fiw.i:L ; 

5)  C;^j,  K  ^xi,  3  ^Xa. 

ö)  So  A  und  J;  ChP3,  CK  om. 

')  ACK  JBe  ^S^J. 

8)  Ch  K  ^yö. 

»)  P  J..^  Ü/ö  to!;  Ch  J.x>  für  J^xi  (v.  1.  J.xi). 
10)  Ch  P  K  gj:äJ! . 
")  So  C  K;   Ch  ^^ü  ^i^  ^^  ^   L  ^y:]!^  .    P  om. 

12)  BP  oiip>. 

13)  Für  das  Vorhergehende  von  ^|^  Z.  5  an  hat  Jäq.  III  f.o,  17: 

^^^  j^if  u>.x*o  jj^  o^  ^^ . 

1^)  P  ^jLJc^s  ,  A  Be  40,  16  ^  j.iL/Ä;Cj  . 
15)  P  Öj^Lj,  A  om. 

i«)P^^J^.3. 

1')  K  Be  Vj*^'.  —  Das  Folgende  bei  Jäq.  Z.  17  ff 


100  J-  Marquart, 

->A£.    ,n.xav1^   (jii»^:>-^J    »t:^^  y^*^^   iCjuw.!»    ,.)'A/)   *>J»*    ^)tH'-^'''    ij5U^ 

IÄ%*  ^y;J!  exi^  ii)xJLÄAaJ!  ^;_j.U  ^j.*  ^Ul  iÄP  ^>j  ^'i  ^L^^..« 
Lwb  ^^55 A^!^  !oA£   ^-^j^'i    ^^^'^jj^  ».JLÄAaii  ^..v^l  ^^)u^^ 

^JrÄJ!  ij5^U!  ^^£   .Lxi>*bi!  L>LxAs  l\s»  ^^^^^  ^-j^'^i.  i(.A«LÄ>l  »^a^j 

')  A  ^jAJI  ^  L  ^^^ Aii . 

■2)  om.  ABC.     Die  Worte  ^.xii'  —  ui'^A:>-3  fehlen  iu  P  K.     J  hat 
bloss  8  .xÜ'  JL+c  aJ»  . 

3)  A   ^>CJU  j  J  ^;;)CU  . 
*)  J  KjCUil  suX^ . 

^j  Conj.:   AL  ^^sjtJ!,  BCK  ^J^!,    J  ^,äJt,    Ch  P  ^siU^l . 

6)  So  J;  A  ^J^«^,    Ch  K  ^^ J^^ ,  P  >^U. 

')  P  äjAij  (jii».-!^^^  Ä,*Av'^    jL^c»  , 

«)  A  J  oi^L^;^  .  —  Dieser  Satz  auch  bei  Bekrl  42,  11—12. 

»)  So  AL;  P  ^,äJ!,,  Ch  K  Be  ^J^L. 

10)  Conj.;  L  »J^5^Ji3,  B  C  ^/^-i'^,  A  O^xij^il^,  Ch  P  J>j>.5^J!^, 
K  Ojj.aJU  j  Be  öySyS\*  j    J  om. 

")  om.  L;  APK   ».JLftxaii   oIj  q^. 

>-^)  So  C  P  K ;  Ch    IÄ%  ,  A  xJLii;^!  ^a  ^Ut  lÄJ^. . 

1»)   B  C  P    \^y£> . 

")  Das  Folgende  im  Auszug  bei  Bekrl  S.  33,  9—12. 
1=^)  C  K  J<>U  ,   L  ^.ȟ  . 
1«)  C  K  om. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzügo.  101 

U>^^  Q^  J.^:>  J.£  U^j!  lXS  L^ji'ö  J^_^Lj  ^y>^i  ^^i'y^  ^-j^  Liy^ö 


Bericht  über  die  Slawen,  ihre  Wohnsitze ,  die  Geschichte 
ihrer  Könige  und  die  Trennung  ihrer  Zweige. 

al  Mas'üdi  erzählt:  Die  Slawen  gehören  zu  den  Nachkommen 
des  Mä(5äj  b.  Japheth  b.  Nüh ,  und  auf  ihn  gehen  die  übrigen 
Nationen  der  Slawen  zurück,  und  in  ihm  treffen  sie  in  ihren  Stamm- 
bäumen zusammen.  Dies  ist  die  Version  vieler  kenntnisreichen 
Leute,  welche  sich  um  diesen  Gegenstand  bemüht  haben.  Ihre 
Wohnsitze  sind  im  Norden  und  sie  erstrecken  sich  bis  zum  Westen. 
Sie  bilden  verschiedene  Zweige,  die  sich  gegenseitig  bekriegen. 
Sie  haben  Könige,  von  denen  die  einen  dem  Christentum  huldigen, 
und  zwar  dem  jakobitischen  5)  Bekenntnis,  während  andere  keine 
Offenbarungsschrift  besitzen  und  keinem  Religionsgesetz  gehorchen, 
sondern  Heiden  sind,  die  nichts  von  Religionssatzungen  wissen. 
Diese  bilden  mehrere  Nationen.  Unter  diesen  gibt  es  nun  eine, 
bei  welcher  vor  alters  im  Anfange  der  Zeit  die  Herrschaft  stand, 
Ihr  König  wurde  Mägak  genannt.  Diese  Nation  heisst  Walinjänä. 
und  dieser  Nation  pflegten  vor  alters  die  übiigen  Slawenstämme 
zu  folgen,  weil  unter  ihnen  die  Herrschaft  war  und  ihre  übrigen 
Könige  ihr  gehorchten. 

Auf  dieses  Slawenvolk  folgen  die  Ortofräna ,  deren  König 
in  gegenwärtiger  Zeit   Barqläbic  heisst:  dann  die  Dxdäba^  deren 


^)  L  Ij^-zaL^Jj  j   vulgO   ÜLäaJ^  . 

2)  Ch  ^jö  ^*j;  ^a5  ^jJ.5  C,  ^^^Ki  i  ^J-Vi  B,  ^-i  ^C<i  P. 
A  hat  für  das  Vorhergehende  von  xaJLä-ciJ!.  S.  100  Z.8  an  ^.^'^  «A-Sj 
K.*,^=^  *.Ji  oLääj^  f^^y^A  %^^.  ü5>.Jl'«  l^l^l  XÄA«  j.%  vii^ä^i!  \ö>.9  J.>.i 
L\5»L/fl  A-^-^"*  ü5<.l.<*  i3«^-^  VwÄi.Iaj  (j5*-N.j!    ^e^S  \^m\  ^^  lA'i^   j*..^Lä.:s-! 

.(1.  ^^'«'»-■^J)  (-^^y^^  ^^}  l*^   (1-  uX^l.'«) 

»)  Ch  c>.Jji^j5,  A  o^js^j»,  L  Vj-=^^' 

^)  So  CK;  B  ^^:^ilc,   Ch   N-.ic,  P  (^>)^  i**-^  . 

^)  cod.  A:  „nestorianischen". 


102  J-  Marquart, 

König  gegenwärtig  Wänic-gläf  (Wen^eslaw)  heisst;  dann  die 
Nämcin  (Nemec) ,  deren  König  Tiräfna  heisst.  Diese  Nation 
ist  die  tapferste  und  reisigste  der  Slawen.  Dann  die  Manäbin  (?), 
deren  König  Ratimir  (?)  heisst. 

Dann  ein  Volk  namens  Surhin  (Serben),  ein  Volk  das  bei  den 
Slawen  gefürchtet  ist  aus  Ursachen ,  deren  Aufzählung  zu  lang 
wäre,  und  wegen  Eigenschaften,  deren  Auseinandersetzung  zu  viel 
würde ,  sowie  weil  sie  jeder  Religion,  der  sie  sich  fügen  würden, 
bar  sind.  Dann  die  Moräwa  (Mähren),  die  Chorwätin  (Chorwaten), 
die  (fächln  (Cechen) ,  die  Guisänm  (Guduskaner) ,  Bränicäbln 
(Brani^ewci).  Was  die  Namen  einiger  Könige  dieser  Völker  be- 
trifft, die  wir  genannt  haben,  so  sind  es  feste  Benennungen  ihrer 
Könige.  Die  bereits  genannten  Serben  verbrennen  sich  selbst, 
wenn  ihnen  der  König  oder  Häuptling  stirbt,  sowie  dessen  Pferde. 
Sie  befolgen  dabei  Gebräuche,  ähnlich  denen  der  Inder.  Wir  haben 
diese  Dinge  an  einer  früheren  Stelle  dieses  Buches  gestreift,  wo 
wir  vom  Kaukasus  und  den  Chazaren  gesprochen  haben ,  sowie 
davon ,  dass  es  im  Lande  der  Chazaren  neben  den  Chazaren  noch 
Slawen  und  Russen  gebe,  und  dass  sie  sich  verbrennen^).  Dieser 
Stamm  der  Slawen  und  andere  erstrecken  sich  nach  Osten  und 
sind  fem  vom  Westen. 

Das  erste  der  Slawenreiche-)  ist  das  Reich  von  ad  Dir^ 
das  ausgedehnte  Städte,  zahlreiche  Kulturen,  umfangreiche  Heere 
und  zahlreiche  Kriegsrüstung  besitzt.  Die  muslimischen  Kauf- 
leute suchen  seine  Residenz  auf  mit  verschiedenen  Arten  von 
Waren.  Diesem  Slawenreich  ^)  ist  zunächst  das  Reich  von 
al  Firay  (Prag),  das  eine  Goldmine,  Städte,  zahlreiche  Kulturen, 
umfangreiche  Truppen  und  eine  zahlreiche  Heeresmacht  besitzt. 
*Es  bekriegt  die  Romäer-^),  Franken,  Bazkarda  (Magyaren)  und 
andere  Völker,  und  der  Krieg  wird  zwischen  ihnen  mit  wechseln- 
dem Glück  geführt.  Diesem  Slawenreich-)  liegt  zunächst  das 
Reich  der  Tu7-k.  Diese  Nation  ist  die  schönste  an  Gestalt ,  die 
zahlreichste  und  tapferste  der  Slawen. 

Die  Slawen  bestehen  aus  vielen  Nationen  und  ausgebreiteten 
Abarten,  deren  Beschreibung  und  Klassifikation  vorliegendes  Buch 
nicht  zu  Ende  führen  will.  Die  Geschichte  von  dem  König, 
welchem  ihre  Könige  in  alter  Zeit  sich  iugten ,  d.  i.  von  Mägalc, 
dem  König  der  Walinjänä ,  haben  wir  schon  vorausgeschickt. 
Dieses  Volk  ist  einer  von  den  Slawenstämmen  reinsten  Blutes,  der 
unter  ihren  Nationen  hoch  geehrt  war  und  sich  auf  alte  Verdienste 


1)  MurOg  II  9. 

-)  Wörtlich:    „ Slawenkönige ".     Allein   der   Vielschreiber   Mas'udi 
hat  keine  Zeit,   sich  um  die  Logik  zu  kümmern.     So  schreibt  er  II  7 

sogar:    ^^ü    ^^^  -^^-^  ^  x\.z>\ö  Kx^!   bÄ?^  . 

^)  cod.  A  und  Jäqüt:  „und  Waren  der  Romäer". 


Osteuropüiscbe  und  ostasiatische  Streifziige.  103 

unter  ihnen  berufen  konnte  ^).  Hierauf  trat  Uneinigkeit  unter  ihren 
Nationen  ein,  ihre  Organisation  hörte  auf  und  ihre  Nationen 
schlössen  sich  (einzeln)  zusammen ;  jede  Nation  machte  einen  König 
über  sich,  nach  der  Anzahl  ihrer  Könige  die  wir  erwähnt  haben, 
aus  Ursachen  deren  Erzählung  zu  lang  wäre.  Wir  haben  einzelne 
Kapitel  ihrer  Auseinandersetzung  und  vieles  Ausführliche  davon 
zu  Ende  geführt  in  unseren  beiden  Werken  , Zeitgeschichte'  und 
,Das  Vorzüglichste  (al  ausat)'." 

Einen  festen  Punkt  bildet  in  diesem  Berichte  zunächst  die 
Angabe,  dass  der  König  der  ^j^^o  Didäba  zur  Zeit  des  Verfassers 
ö^^^iU   d.  i.    Wenceslaw   hiess.      Unter  diesem   kann   nur    der 

böhmische  Herzog  Wenceslaw  I.,  der  Sohn  und  Nachfolger  des 
Wratislaw,  gemeint  sein,  welcher  ca.  926 — 935  regierte.  Wahr- 
scheinlich im  Jahre  929  rückte  König  Heinrich  I.  mit  ganzer 
Macht  gegen  seine  Hauptstadt  Prag  und  zwang  ihn  zur  Tribut- 
zahlung 2).  In  den  Düläba  erkennen  wir  den  altböhmischen  Stamm 
der  Dudlehier^  der  frühzeitig  verschollen  ist-^)  und  über  welchen 
später  eingehender  gehandelt  werden  soll.  Einstweilen  können  wir 
Mas'üdi  die  wertvolle  Angabe  entnehmen,  dass  die  Gründung  des 
böhmischen  Staates  nicht  von  den  Cechen,  sondern  von  dem  Stamme 
der  Dudleber  ausgegangen  ist. 

Die  „ Goldwäschereien "  sind  im  Jahre  332  H.  (943/44)  ge- 
schrieben. Wenn  also  Mas'üdi  den  im  Jahre  935  ermordeten 
Wenceslaw  als  den  zu  seiner  Zeit  regierenden  König  der  Dudleber 
bezeichnet,  so  sieht  man,  dass  er  nicht  immer  die  neuesten  Nach- 
richten aus  diesen  Gegenden  hatte.  Wir  werden  also  wohl  auch 
den  „gegenwäi'tig  regierenden"  König  der  \':^.jS2.*o\  noch  in  die 
Regierung  des  Königs  Heinrich  verlegen  dürfen.  Überschauen  wir 
nun  die  slawischen  Völkerschaften ,  gegen  welche  dieser  Krieg 
führte  und  die  demnach  als  die  mächtigsten  galten,  so  kann  eigent- 
lich der  Sache  und  dem  Namen  nach  nur  ein  Volk  in  Betracht 
kommen.  Etwa  im  J.  928  überzog  Heinrich  die  Slawen,  welche 
Hevelder  genannt  werden ,  mit  Krieg  und  nahm  nach  zahlreichen 
Kämpfen  mitten  im  Winter  ihre  Stadt  Brennaburg  (Brandenburg) 
ein*).  Heveldi  ,die  Havelleute"  ist  aber  nur  die  deutsche  Be- 
zeichnung der  IStodorani,  welche  in  der  heutigen  Mark  Brandenburg 
sassen.  Dies  wird  ausdrücklich  bezeugt  von  Thietmar  IV  29  (20): 
Stoderania  quae  Hevellun  dicitur.  Ebenso  die  Quedlinburger  Annalen 
a.  997.     Vgl.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstärame  651. 


o    - 

^)  Über^jiA;  =  j.^i  „altes  Verdienst"  vgl. Gloss. Tab.  (de  Goeje). 
'^)  Vgl.    G.    Waitz,    Jahrbücher    des    Deutschen    Reiches    m'ntör 
König  Heinrich  I.     Neue  Bearbeitung  1863  S.  128—29.  s)i«  // 

»)  P.  J.  Scliafarik,  Slawische  Altertümer  II  445.    i  i  V)  C 
^)  Widukind  I  35.     Vgl.  Waitz  a.  a.  0.  125  ff.,.i   liriurij/jT  ?.äHb 


j|^Q4.  J.  Marquart, 

Schafai-ik  a.  a.  0.  II  582  f.     Ich  bin  deshalb  überzeugt,  dass  wir 
bei  Mas'üdl  i(.iS_xi2/^i  Ocßoträna  zu  lesen  und  unter  denselben  die 
Stodorani    zu    verstehen    haben.     Schon   Charmoy  (p.  391)   hat, 
wie  ich  seither  gesehen ,    an  die  Möglichkeit   dieser  Gleichsetzung 
wedacht,  sie  aber  dann  mit  Unrecht  zu  gunsten  der  Identifikation 
mit    den  Abodriten    (er  will  deshalb  jivji.LjS  lesen)  zurückgestellt. 
In  der  gewaltigen  Schlacht  bei  der  Stadt  Luncini  am  4.  Sept.  929^) 
haben  ohne  Zweifel  auch  die  Stodorani  in  dem  grossen  slawischen 
Heere  gegen  die  Sachsen  mitgefochten.     Leider  hat  uns  Widukind 
den  Namen    des  Fürsten  der  Heveller ,  welcher  von  Heinrich  um 
928   zur  Unterwerfung  gezwungen  wurde,  nicht  mitgeteilt.     Eine 
vollständige  Einverleibung  der  Heveller  in  das  Reich  Heinrichs  hat 
aber  trotz  seiner  Siege    nicht  stattgefunden ,    sowenig    als  bei  den 
übritren    besiegten  slawischen  Völkerschaften.     Vielmehr   behielten 
dieselben  regelmässig  ihre    eigenen    Fürsten ,    wenn   sie    auch  dem 
Könige  Tribut  zahlen  mussten.  Markgraf  Gero  lud  nachmals  dreissig 
derselben  zu  einem  Gelage  ein  und  liess  sie  hinterlistig  ermorden^). 
Unter    denselben    müssen    auch   mehrere    Fürsten    der   Stodoraner 
oder  Heveller  gewesen  sein,   nur    ein    einziger  von  denselben  war 
späterhin  noch  übrig.     Ausserdem  lebte  aber  noch  der  Oheim  des- 
selben ,    Tugumir ,  der  sich  seit  der  Zeit  des  Königs  Heinrich  am 
sächsischen  Hofe  aufhielt.     Er  galt  bei  den  Sachsen  als  der  recht- 
mässige Thronfolger  im  Fürstentum  der  Stodoraner,  und  liess  sich 
von  jenen   bewegen ,    ihnen    das    Gebiet    in    die  Hände  zu  spielen. 
Er   kam    nach    Brennaburg     und    wurde    wirklich    vom  Volke    als 
Fürst  anerkannt,    worauf    er    seinen  Neffen   hinterlistig    ermordete 
und    die    Stadt    samt    der   ganzen    Landschaft    dem    König    über- 
lieferte (um  940)=»). 

Ich  halte  daher  ^oIäaaj  für  den  Fürsten  der  Stodoraner  oder 
Heveller,  welchen  Heinrich  besiegte,  und  vermute,  dass  jener  Tu- 
gumir sein  ältester,  zur  Thronfolge  berechtigter  Sohn  war,  welchen 
er    als  Geisel    stellen    musste*).     Welcher   slawische  Name   in  der 


1)  Waitz  a.  a.  0.  129  fi. 

2)  Widukind  II  c.  20.  Vgl.  Köpke-Dümmler,  Kaiser  Otto  d.  Gr. 
S.  85. 

3)  Widukind  II  c.  21 :  Fnit  autem  quidam  Slavus  a  rege  Hcinrico 
relictus,  qui  iure  gentis  paterna  successione  dominus  esset  eorum  qui 
dicuntur  Heveldi,  dictus  Tugumir.  Hie  pecunia  multa  captus  et  maiori 
promissione  persuasus,  professus  est  se  prodere  regionem.  Undc  quasi 
occulte  elapsus,  venit  in  urbem  quae  dicitur  Brennaburg,  a  populoque 
agnitus  et  ut  dominus  susceptus,  in  brevi  quae  promisit  inplevit.  Naui 
nepotem  suum,  qui  exomnibus  principibus  gentis  supererat, 
ad  se  invitans,  dolo  captüm  interfecit,  urbemque  cum  omni  rcgione 
ditioni  regiae  tradidit.  Vgl.  Köpke-Dümmler,  Kaiser  Otto  der  Grosse 
S.  103  und  Anm.  1.  L.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten  I  144. 
Waitz  a.  a.  0.  183. 

*)  Giesebrecht  erklärt  die  Worte  a  rege  II  inrico  relictus  so, 
dass  Tugumir  nach  der  Schlacht  von  Luncini  in  Gefangenschaft  geraten. 


Osteuropäische  uud  ostasiatiscbe  Streifzüge.  105 


arabischen  Transskription  ^sj^s/aj  bezw.  .^^o^fj^i  steckt  — 
u^  und  v.i  können  sowohl  -p  als  w  wiedergeben  —  mögen  die 
Slawisten  ausmachen.  Aber  sowohl  unser  Barqlälic  wie  der 
christianisierte  Tugumir  haben  Anspruch  darauf,  einen  Platz  in  der 
Berliner  Siegesallee  zu  erhalten. 

Auf  jeden  Fall  beruht  es  aber  auf  einer  groben  Verwechslung, 
wenn  Charmoy  angibt,  dass  „Widukind  I  p.  12"  einen  slawischen 
Fürsten  MisJaus  erwähne,  der  im  Jahre  931  König  der  Abodriten 
gewesen  sei  und  unter  dessen  Führung  die  slawische  Nation  im 
Aufstand  gegen  König  Heinrich  die  Umgebung  der  Stadt  Hamburg 
geplündert  habe.  Widukind  erwähnt  um  929  n.  Chr.  unter  andern 
tributpflichtigen  slawischen  Völkerschaften  auch  die  Jpcdrüi^ 
ohne  aber  deren  Fürst  namhaft  zu  machen^).  Die  Verbrennung 
von  Haniburg  dagegen  wird  von  Thietmar  HI  18  erzählt:  sie 
geschah  durch  den  Abodritenfürsten  (senior)  Mistui^  aber  erst  im 
Jahre  983-).  Einen  Abodritenfürsten  Mistklavus  kennt  Thiet- 
mar IX  (Vni)  5  erst  unter  König  Heinrich  H.  im  Jahre  1018; 
er  wurde  von  den  feindlichen  Liutizen  angegritfen,  denen  es  dann 
gelang,  den  dem  Christentum  feindlichen  Teil  der  Bevölkerung 
zum  Anschluss  an  die  nationale  Sache  zu  bewegen.  So  blieb  dem 
Mistislaw  nichts  übrig  als  die  angestammte  Herrschaft  im  Stich 
zu  lassen").     [S.  weiter  den  Excurs.] 

Unter  den  mn^Lj  (Nemec)  sind  hier  die  Deutschen  im  all- 
gemeinen ,  nicht  etwa  bloss  ein  bestimmter  Stamm ,  zu  verstehen. 
Dies  ergibt  sich  schon  aus  der  hohen  Vorstellung  von  ihrer 
militärischen  Macht,  die  nur  auf  das  deutsche  Königtum  seit 
Heinrich  I.  bezogen  werden  kann.  Um  so  merkwürdiger  ist  es, 
dass  es  fast  unmöglich  scheint,  ihren  König  zu  identifizieren. 
Während  man  in  dem  xj«.^  des  Ibrahim  b.  Ja'qüb  auf  den  ersten" 
Blick  Otto  erkennt,  hat  xi!^  bezw.  Ni\;c  mit  keinem  der  in 
Betracht  kommenden  Königsnamen  Ähnlichkeit.  Wollte  man  auch 
darauf   Gewicht    legen ,    dass    bei    diesem    König    der  Beisatz    „in 


aber  vom  König  am  Leben  gelassen  worden  sei,  während  die  übrigen 
Gefangenen  getötet  wurden.  Vgl.  Köpke,  Widukind  von  Corvey 
S.  148.  149.    K  ö  p  k  e  -  D  ü  m  m  1  e  r ,  Kaiser  Otto  der  Grosse  S.  103  Anm.  1 . 

^)  Widukind,  Rerum  Saxonicarum  libri  T  .36:  Cumque  vicinae 
gentes  a  rege  Heinrico  factae  essent  tributariae,  Apodriti,  Wilti,  Hevelli, 
Dalamanci,  Boemi,  Redarii,  et  pax  esset,  Redarii  defecerunt  a  fide,  et 
congregata  multitudine,  inpetum  feceruntinurbemquaedicitur  Wallislevu. 
Vgl.  Georg  Waitz,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  unter  König 
Heinrich  I.     3.  Aufl.  1885  S.  127.  142. 

-)  Thietmari  Chronicon  III  18  (11)  ed.  Kurze,  Hannover  1889: 
Mistui ,  Abdritorum  dus ,  Homanburg ,  ubi  sedes  episcopalis  quondam 
fuit,  incendit  atque  vastavit. 

^)  Vgl.  Siegfried  Hirsch,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs 
unter  Heinrich  II.  Bd.  III.  Herausgegeben  und  vollendet  von  Harry 
Bresslau  S.  93  f. 


106  J  Marquart, 

gegenwärtiger  Zeit"  fehlt,  und  in  ^ily:  Heinrichs  Vorgänger 
Konrad  I.  von  Franken  (912 — 919)  vermuten'),  so  scheitert  dies 
doch  sowohl  an  der  Form  wie  an  den  vorausgesetzten  politischen 
Verhältnissen.     Denn  für  Conradus,    Chuonrät^    würde  man  etwa 

8J»\1?>  Giurräda  oder  «j»!  i,  nicht  aber  )^'1\J^  erwarten.  Überdies 
war  die  Regierung  Konrads  keineswegs  dazu  angetan,  den  Slawen 
eine  solche  Achtung  vor  der  deutschen  Macht  einzuflössen.  Wenig 
ansprechend  ist  auch  der  Vorschlag,  hier  Mas'üdi's  Behauptung, 
dass  die  von  ihm  aufgezählten  slawischen  Königsnamen  feststehende 
Titel  seien,  die  ja  schon  bei  den  eigentlich  slawischen  Namen  keine 
Bestätigung  findet,  heranzuziehen  und  m\J:.  yräba  zu  lesen,  also 
darin    das  Amt    der  Grafen    (gravio)    wiederfinden  zu  wollen 2). 

Aus  i.Sij,$>  Herrika  (Heinricus)  kann  der  Name  auch  nicht  ent- 
stellt sein.  Da  wir  nun  unten  sehen  werden,  dass  Mas'üdT  neben 
älteren  Nachrichten  aus  verschiedenen  Zeiten  auch  solche  alier- 
neuesten  Datums  aus  der  Eegierungszeit  Ottos  I.  verarbeitet  hat, 
so  drängt  sich  immer  wieder  die  Vermutung  auf,  dass  in  Ki\^ 
die  gefürchtete  Slawengeissel,  der  Markgraf  Gero  (gen.  altsächs.  -ow, 
-ew,  ahd.  -ew,  -w? :  acc.  alts.  -ow,  -an'^),  ahd.  -on  [frank.],  -un,  später 
-on,  -en  [oberdeutsch])  stecken  möge,  der  im  Jahre  937  nach  dem 
Tode  des  Grafen  Sigifrid  vom  jungen  König  mit  der  gesamten 
Grenzwehr  gegen  die  Wenden  beauftragt  wurde*).  Freilich  ver- 
hehle ich  mir  die  lautlichen  und  sachlichen  Bedenken,  die  gegen 
eine  solche  Annahme  sprechen,  keineswegs.  Doch  würde  gerade 
jene  hinterlistige  Ermordung  der  slawischen  Häuptlinge  im  J.  939  5), 
die  ohne  Zweifel  einen  gewaltigen  Eindmck  bei  den  Slawen  zvirück- 
liess,  es  begreiflich  machen,  wenn  die  Slawen  damals  vor  Gero 
solchen  Eespekt  bekommen  hätten,  dass  sie  ihn  geradezu  als  den 
König  der  verhassten  Nemci  betrachteten^). 

Unter  den  heidnischen  yo.-«.,  welche  beim  Tode  eines 
Königs  oder  Häuptlings  sich  selbst  sowie  die  Leibrosse  desselben 
verbrennen,  haben  wir  die  in  zahlreiche  Stämme  zerfallenden 
Sorben  zu  verstehen,  welche  vom   Bober  über  die  Elbe  bis  zur 


1)  Charinoy  p.  392. 

2)  So  Charmoy.  —  Als  solche  Grafen  in  den  Grenzgebietou  gegen 
die  Slawen,  aber  noch  nicht  als  eigentliche  Markgrafen,  treten  unter 
König  Heinrich  I.  besonders  hervor  Thietmar,  der,  wie  es  scheint,  die 
Grafschaft  im  Nordthuringogau  hatte,  ferner  Si?;ifrid,  der  über  mehrere 
Grenzgaue  gebot  und  seinen  Sitz  wahrscheinlich  zu  Merseburfr  hatte, 
und  Bernhard  im  Lande  der  Redarier.  Vgl.  Waitz  a.  a.  o.  103  ff.  131 
und  Excurs  Iß  S.  240  ff. 

3)  Vgl  W.  Schlüter,  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  alt- 
sächsischen  Sprache  L     Dorpat  1892,  S.  12  ff.  29  ff. 

•")  K  ö  p  k  e  -  D  ü  m  m  1  e  r ,  Kaiser  Otto  d.  Gr.  S.  69  f. 
'>)  Au  Gero  denkt  auch  de  Goeje. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  107 

Saale  und  zum  Fichtelgebirge  sassen  und  deren  Reste  in  der 
Lausitz  jetzt  unaufhaltsam  der  Germanisierung  verfallen.  Der 
Name  hat  die  Form  eines  slawischen  Ethnikon  im  Singular: 
Srb-m.     Dasselbe   gilt  von  den  Namen  y\-^Li  Nemc-in,  ^j^l\^^ 

Chrhvat-im,  (^i>L/o  *Cech-in,  y%.iLxi.:>  Ouccan-m  {Quduscani\ 
^J^\.^\.i  *Branicew-in  (für  Branicevc-in).  Wir  finden  die  gleiche 
Erscheinung  auch  bei  Ibrahim  b.  Ja'qüb  und  Konstantinos  Por- 
phyrogennetos.  Jener  nennt  die  Bulgaren  ^j  UJLJi  Bulgar-tm^), 
die  Tiwerci  ,J^.3C^  LJl   =  *Turc-tm"),    bei   diesem  begegnen  uns 

die  Foi-men  Ovkr-ivot  d.  i.  *Ulc-im  (pl.  Uglici,  üli'i),  Je^ßlevlvot 
d.  i.  *I)revljan-im  neben  BsQßiccvoi  lies  JeQßidvoi  =  *Drevjane, 
Asv^svLvoi,  A£v^avi]voi  d.  i.  *L^can-{m^  *Lucan-im  fpl.  LucaneY)^ 
KQi,ßy]xaiy]voi  d.  i.  '"^Kriwic-im  neben  KQLßu^at  =  Kriivici^). 

Unter  König  Heinrich  I.  treten  die  Sorben  allerdings  nicht 
mehr  hervor.  Wir  erfahren  nur  aus  schwäbischen  Annalen,  dass 
der  siegreiche  Kampf  des  Königs  gegen  die  Ungarn  im  Jahre  933  in 
Syrhia  stattfand^).  Dagegen  hatten  die  Franken  im  9.  Jahrhundert 
auch  nach  der  Einrichtung  der  Sorbenmark  durch  Karl  d.  Gr. 
häufig  gegen  sie  zu  kämpfen.  Im  J.  816  brachten  die  Sachsen 
und  Ostfranken  die  Sorben  zum  Gehorsam  zurück'^').  Im  Jahre  822 
erschienen  auf  dem  Reichstage  zu  Frankfurt  auch  Gesandte  der 
Sorben ,  ebenso  fand  sich  auf  dem  Reichstage  zu  Ingelheim  826 
Tunglo,  der  Fürst  der  Sorben,  ein.  Mit  der  zunehmenden  Schwäche 
des  Reiches  unter  Ludwig  dem  Frommen  erhoben  sich  aber  auch 
wieder  die  Slawen ,  und  im  Jahre  839  wurde  ein  fränkisch- 
thüringisches Heer  gegen  die  Sorben  geschickt,  welches  im  Gau 
Kolodizi  an  der  Elster  und  Mulde  elf  feste  Plätze,  darunter  die 
Hauptstadt  Kesigesburg  einnahm,  wobei  der  Fürst  Cimislaw  selbst 
fiel.  Sein  Nachfolger  musste  den  Eid  der  Treue  leisten  und  Geiseln 
stellen^),  doch  haben  die  Sorben  ohne  Zweifel  die  Wirren  des 
Bürgerkrieges  zwischen  Ludwig  und  seinen  Söhnen  dazu  benutzt, 
um  ihre  Unabhängigkeit  wieder  zu  gewinnen.  Um  ihren  räube- 
rischen Einfällen  ins  fränkische  Gebiet  zu  steuern,  drang  Ludwig 
der  Deutsche    im  J.  851    durch  Thüringen  in  ihr  Gebiet  ein  und 

1)  Bekri  S.  33,  13.  37,  14.  38,  1.  6.  13. 

2)  Bekri  S.  39,  6. 

*)  Vgl.über  diese  Seh afarik,  Sliiw.  Altertümer  II 113.  Lelewel, 
Geographie  du  Mojen-Age  III  171. 

M  Konstantin.  Porphyrog.  de  admiu.  imp,  c.  37  p.  166,  10.  c.  9 
p.  79,  i6.  75,  2. 

6)  Chron.  Suev.  M.  G.  SS.  XIII  67  u.  a.  Vgl.  Waitz  a.  a.  O.  151 
N.  6.155  und  N.  2. 

^)  Ann.   regni  Francorum   ed.  Fr.  Kurze.     Hannover  1895.  p.  143. 

')  Annal.  Bertin.  ann.  8.39.  M.  G.  SS.  1 435-436.  Vgl.Dümmler, 
Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches  I  255. 


X08  J-  Marquart, 

zwang  sie  durch  Vernichtung  der  Ernte  zur  Unterwerfung').  Im 
Jahre  856  leisten  ihm  die  Fürsten  der  Sorben  auf  seinem  Zuge 
gegen  die  Dalemincier  und  Böhmen  Heeresfolge^).  Im  Jahre  858 
erschlugen  die  Sorben  ihren  fränkisch  gesinnten  Herzog  Cestibor 
und  machten  Miene,  das  fränkische  Joch  abzuschütteln-^).  Im 
Jahre  859  wurden  die  von  den  Böhmen  unterstützten  Sorben 
durch  ein  fränkisches  Heer  unter  Ludwig  dem  Jüngeren  abermals 
zur  Anerkennung  der  fränkischen  Oberhoheit  gezwungen*).  Ein 
abermaliger  Aufstand  im  Jahre  874  wurde  rasch  unterdrückt. 
Mehrfach  stehen  diese  Erhebungen  der  Sorben  in  Verbindung  mit 
solchen  der  kriegerischen  Mähren.  Ein  Einfall ,  welchen  ein  Teil 
der  Sorben  in  Verbindung  mit  den  Daleminciern ,  Böhmen  und 
mehreren  andern  Stämmen  im  Jahre  880  in  das  Gebiet  der  treu- 
gebliebenen Slawen  an  der  Saale  unternommen  hatte,  wurde  von 
dem  Markgrafen  Poppe  blutig  zurückgeschlagen  5).  Zum  letztenmal 
finden  wir  die  Sorben  als  selbstständiges  Volk  im  Jahre  897 
erwähnt:  in  Salz  erschienen  in  diesem  Jahre  Gesandte  derselben 
vor  dem  Kaiser  Arnulf,  um  ihm  zu  huldigen*^).  Ob  die  Sorben 
in  der  Zwischenzeit  dem  Reiche  treu  geblieben  waren  oder  gleich 
den  Böhmen  sich  dem  mächtigen  Mährenherzog  Swentopluk  unter- 
worfen hatten,  lässt  sich  nicht  erkennen.  Nach  dieser  Darlegung 
glaube  ich,  dass  Mas'üdi  seine  Kunde  über  die  Sorben  nicht  einer 
gleichzeitigen,  sondern  einer  älteren  schriftlichen  Quelle  verdankt, 
die  sich  auf  die  Verhältnisse  der  beiden  ersten  Drittel  des 
9.  Jahrhunderts  bezog. 

Die  ganz  hervorragende  Stellung,  welche  die  Serben  unter 
den  Slawenstämmen  in  Mas'üdT's  Bericht  einnehmen,  legt  den  Ge- 
danken nahe,  ob  nicht  vielleicht  seinem  Berichterstatter  der  Name 
der  Serben  noch  in  seiner  Bedeutung  als  ursprünglicher  Gesamt- 
bezeichnung vorgeschwebt  habe  wie  er  bei  Prokop  b.  Gotth.  III  14 
p.  336  unzweifelhaft  erscheint:  Kai  iirjv  nal  ovoi^a  ZnXccßrjvoLg 
TE  KcaV'Avraig  *£v  t6  avevia'&Ev  ijv.  anoQOvg  yaQ  tö  TtaXcci-bv  afxcpoTS- 
Qovg  hdlow,  öre  örj  önogccöriv .  olfica,  dieöKrjvrjfievov  ttjv  xagav 
oLKOvöi.  öTtoQOi  ist ,  wie  schon  Dobrowsky  gesehen  hat ,  nur 
eine  der  griechischen  Volksetymologie  zuliebe  vorgenommene  Um- 
stellung von  srbP). 

An  die  süddanubischen  Serben  ist  nicht  zu  denken,  selbst 
wenn  man  annehmen  wollte,  dass  Mas'üdi  seine  Nachrichten  über 
die  Serben  aus  einem  aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jh.  stammenden 
Bericht  kopiert  habe.     Denn  diese  Serben,  die  sich  im  Laufe  des 


1)  Ruodolfi  ann.  Fuld.  a.  851.  ed.  Frid.  Kurze  p.  41. 

-)  Dümraler  a.  a.  0.397. 

3~i  Ruodolfi  ann.  Fuld.  a.  858  ed.  Kurze  p.  51. 

■i)  Dum  ml  er  a.  a.  0.  716  f. 

5)  Ann.  Fuld.  a.  880  ed.  Kurze  p.  95. 

6)  Ann.  Fuld.  a.  897  p.  131.     Vgl.  Dümmler  a.  a.  0.  IT  457. 
')  Schaf arikl  93  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  109 

6.  Jahrhunderts  südlich  von  der  Donau  festgesetzt  haben  und 
gleich  den  Unugundur-Bulgaren  vom  Kaiser  Herakleios  gegen  die 
Awaren  aufgehetzt  wurden  und  mit  ihm  in  Bündnis  traten  ^),  wurden 
zum  Teil  erst  im  Jahre  877  durch  Missionäre,  die  der  Kaiser 
Basileios  zu  ihnen  schickte,  bekehrt-),  nach  Konstantin  wären  sie 
sogar  teilweise  schon  durch  Herakleios  bekehrt  worden  und  seit 
dieser  Zeit  unter  romäischer  Oberherrschaft  gestanden-^).  Auch 
würde  die  Geschichte  dieser  südlichen  Serben  in  keiner  Weise  die 
Worte  Mas'üdls  rechtfertigen,  dass  sie  bei  den  übrigen  Slawen 
gefürchtet  waren.  Erst  allmählich  hat  der  Name  SiqßXla,  der  ur- 
sprünglich auf  einen  kleinen  Gau  an  der  Drina  mit  der  Hauptstadt 
Desnica  oder  Desnik  {AeGtiviKov)  beschränkt  war,  eine  grössere  Aus- 
dehnung gewonnen*)  und  die  Namen  der  andern  kleineren  Stämme, 
der  ZufXoviioi,  TsQßovviäruL,  KavaXixui,  ^lOnkTjriavol  und  A^evtavoi 
verdrängt.  Eine  ii'gendwie  hervorragende  politische  Rolle  haben 
diese  Serben  aber  bis  zum  11.  Jh.  nicht  gespielt,  sondern  sind 
bald  unter  der  Oberherrschaft  der  Byzantiner,  bald  der  Bulgaren 
gestanden. 

pDagegen  sind  Mas'üdls  Serben  identisch  mit  den  „weissen" 
oder  ungetauften  Serben  des  Konstantinos  Porphyrogennetos ,  aus 
deren  Lande  angeblich  die  süddanubischen  Serben  gekommen  sein 
sollen.  Über  die  Sitze  jener  hat  der  Kaiser  freilich  keine  klare 
Vorstellung.  Er  drückt  sich  de  admin.  imp.  c.  32  p.  152  darüber 
folgendermassen  aus :  'löreov  uxi  ot  Ziqßloi  ano  rdv  aßaTtriörmv 
HiQßXav  Tcüv  %ul  ccöTtQcov  ETCOvofia^oiJiEvcov  nardyovvai,  tcov  xTjg 
TovQnLccg  insL&ev  natoiKOvvTcov  sig  xov  tzuq  ccvxolg  BoCki  xönov 
eTCovoficc^o^evov ,  iv  oig  TtXrjGid^ai  nal  tj  Oqayyiu ,  o^OLOjg  nai  tj 
fxeycckrj  Xqaßaxia  i]  dßänxLGxog  tj  aal  uöTtQfi  TtQOGccyoQevo^ivrj. 
Auch  c.  31  p.  148,  3.  151,  23  bezeichnet  er  die  ungetauften  Serben 
als  Nachbarn  von  Gross-  oder  Weiss-Chrobatien.  Die  Weissen 
Serben  sollen  also  nach  Konstantin  jenseits  von  TovQKta  (Ungarn) 
in  einer  Gegend  wohnen ,  die  slawisch  Bo'cKt  hiess  und  wo  sie 
einerseits  mit  Oqayyiu  (dem  Ostfrankenreich) ,  andrerseits  mit 
Weiss-Chrobatien  grenzten.  Fr.  Westberg  ^)  hat  sehr  schön 
nachgewiesen,  dass  „Weiss-Chrobatien"  bei  Konstantin  der  offizielle 
Name  des  Reiches  des  Böhmenherzogs  Boleslaw  I.  (935 — 967)  ist. 
Ein  Blick  auf  die  Karte  genügt  nun,  um  zu  zeigen,  dass  in  der  That 


1)  Dies  ist  der  historische  Hintergrund  der  Erzählung  des  Kon- 
stantin. Porphyrogennetos  de  admin.  imp.  c.  30.  32.  Vgl.  V.  Jagic, 
Archiv  für  slaw.  Philologie  XVII,  58.     V.  Oblak,  eb.  XVIII  232. 

-)  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  29  p.  129,  1 IF.  Leon 
Tact.  80.  100.  102.  Vgl.  E.  Dümmler,  Über  die  älteste  Geschichte 
der  Slawen  in  Dalmatien.     SBWA.  Bd.  XX,  1856,  S.  404  f. 

3)  de  admin  imp.  c.  32  p.  153,  15  ff.  159,  15  ff. 

*)  Vgl.  V.  Jagic,  Arch.  f.  slaw.  Phil.  XVII,  61  f. 

•'')  Ibrählm's  Ibn  Ja'küb's  Reisebericht  über  die  Slawenlande  aus 
dem  Jahre  965.    S.  97—100. 


wo  J.  Marquart, 

das  Land  der  Sorben  zwischen  Böhmen  und  Sachsen-Thüringen  in 
der  Mitte  liegt.  Freilich  ist  dem  Kaiser  eine  arge  Verwechslung 
passiert,  wenn  er  die  Serben  im  Lande  Bol'xt  wohnen  lässt.  Denn 
in  diesem  als  slawisch  bezeichneten  Namen  kann  nur  eine  slawische 
Übersetzung  des  deutschen  Boihaevmm,  Behetm  stecken,  also 
Bota%L  TOTtog  =  Bojske  seil,  vlast  (Heimat)  oder  pole,  das  war 
aber  nach  Konstantins  Terminologie  vielmehr  das  Land  der  Weiss - 
Chrobaten.  Dass  jener  Name  späterhin  im  Cechischen  nicht  mehr 
gebräuchlich  ist,  kann  natürlich  nicht  beweisen,  dass  er  vor  der 
Einigung  des  Landes  unter  dem  Stamme  der  Cechen  nicht  üblich 
war.  V.  Jagic  kommt  daher  der  Wahrheit  verhältnismässig  am 
nächsten,  wenn  er  schreibt:  „Konstantin  lässt  Grossserbien  in 
Boiki  (d.  h.  Böhmen)  gelegen  sein,  während  in  Böhmen,  nach  der 
ältesten  Geschichte  dieses  Landes,  chorvatische  Stämme  i),  dagegen 
erst  jenseits  Böhmens  Serben  wohnten.  Alles  das  beweist  nur, 
dass  Konstantin  etwas  von  den  Chorvaten  im  Norden  und  von 
den  in  ihrer  Nachbarschaft  ansässigen  Serben  gewusst  hat  und 
verführt  durch  die  Namensgleichheit,  diese  nördlichen  Chorvaten 
und  Serben,  die  aber  aus  ihrer  Heimat  nicht  auswanderten,  für 
die  eigentlichen  Vorfahren  der  zu  seiner  Zeit  schon  stark  empor- 
gekommenen Kroaten  und  Serben  des  Südens  gehalten  hat"  ^). 

Die  Herleitung  der  süddanubischen  Serben  und  Kroaten  aus 
nördlicheren  Ländern  gleichen  Namens  beruht  also  nicht  auf  Über- 
lieferung, sondern  ist  lediglich  eine  etymologische  Spielerei.  Anders 
verhält  es  sich  dagegen  mit  der  Angabe,  dass  die  Dynastie  der 
südserbischen  Zachlumer  aus  dem  Weichselgebiet  stamme:  oxi 
7}  yevsa  xov  avd'VTtccrov  Kai  naxqiKLOV  Mt.'](^arik  Toi5  vlov  tov 
Bovösßovr^f)  TOV  uqyovxog  x&v  Zaxkovficov  ijXd-sv  anb  xö)v  naxot- 
Kovvxcov  äßaTtxiörcov  eig  xov  Ttoxa^ov  BCßXag ,  xbv  iTCOvofia^oixsvov 
Jit^Ikt},  Kai  ämjöev  elg  xov  norajjibv  xbv  iTtovofia^öfisvov  Za%loviia''^). 
Diese  Nachricht  kann  sehr  wohl  richtig  sein;  so  gut  lechische 
WjatiSi  und  ßadimiSi  durch  die  Slowenenstämme  Russlands  hindurch 
über  den  Dnjepr  und  bis  zur  Oka  vordrangen,  ebensowohl  konnte 
auch  eine  slawische  Gefolgschaft  von  der  oberen  Weichsel  durch 
Pannonien  nach  dem  Süden  der  Donau  ziehen  und  unter  den 
dortigen  Slawen  eine  Herrschaft  begründen.  Der  Name  BovöEßovr^rjg 
ist  nach  Kunik  sogar  genau  =  polnisch  Wyszewycz.  Allein  diese 
positive  Nachricht  ist  von  der  Frage,  wo  wir  Konstantins  „Weiss- 
Serbien"  zu  suchen  haben,  völlig  zu  trennen.  Nur  dadurch,  dass 
Schafarik  beide  Angaben  zu  kombinieren  suchte,  ist  er  darauf 
verfallen,  Weiss-Serbien  sich  vom  Bug  durch  Grosspolen,  Schlesien 
und    die  Lausitz    bis    zur  Elbe  erstrecken  zu  lassen*).     Allerdings 


Siehe  hierüber  unten. 
•')  Archiv  für  slaw.  Phil.  XVII,  1895,  S.  7L 

3j  De  admin.  irap.  c.  33  p.  160,  18  ff.     Vgl.  Lelewel,  Göogr.  du 
Moyen-Age  III  41. 

*)  Slawische  Altertümer  II  244  f.  389. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  Hl 

ist  es  ihm  bei  dieser  etwas  allzu  vagen  Bestimmung  selbst  nicht 
wohl ,  und  er  sucht  auf  anderem  Wege  einen  genaueren  Anhalt 
über  die  Gegend  zu  gewinnen,  von  der  die  Südserben  ausgewandert 
sein  sollen.  BÖlki  ist  ihm  die  Heimat  der  heutigen  kleinrussischen 
Bojker  (ruthenisch  Uojki]  Sing,  ßojok),  „die  im  östlichen  Galizien 
von  den  Dniesterquellen  in  gebirgigen  und  ebenen  Gegenden  am 
genannten  Flusse  hin  bis  zum  Prut,  in  den  Bezirken  Sambor  und 
Stryj,  in  den  niederen  Teilen  von  Stanislawow  und  Kolomyj,  hier 
und  da  auch  in  Cortkow  und  ehemals  vielleicht  noch  weiter  nord- 
wärts wohnten"^),  und  dementsprechend  lässt  er  die  Chorvaten 
und  Serben  aus  dem  östlichen  Galizien  und  Wladimir,  dem  späteren 
ßotrussland,  auswandei'n.  Allein  es  gibt  hier,  trotz  seiner  gegen- 
teiligen Behauptung-),  durchaus  keine  Spuren  von  Serben.  Denn 
die  Zerivani  des  sog.  bairischen  Geographen  haben,  wie  schon  die 
Namensform  zeigt,  mit  den  Serben  nichts  zu  thun  und  sind  anders 
zu  erklären.  Bei  Konstantin  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  79,  17 
aber,  wo  2,kq^ioi  neben  KQtßk^oL  (Kriwici),  ^Qovyovßtrai  (Dregowiti) 
und  BsQßiccvot  (lies  JsQßidvot,  Urewlj'ane)  als  den  Russen  tribut- 
pflichtige Slawenstämme  aufgeführt  sind ,  liegt  sicher  eine  Ver- 
schreibung  vor  und  sind  unter  den  Siqßtoi,  wie  man  längst  gesehen 
hat,  die  Jbewer,  Sewerane  zu  verstehen.  Es  ist  deshalb  zu  bedauern, 
dass  sich  auch  Westberg  a.  a.  0.  98  f.  Schafarik  angeschlossen 
hat.  Späterhin  geht  er  dann  von  Schafariks  Auffassung  wieder 
ab  und  setzt  nicht  bloss  die  Weiss-Serben  Konstantins,  sondern 
auch  die  r^jjvw  Mas'üdl's  nach  dem  eigentlichen  Polen  (mit  der 
Hauptstadt  Gnesen),  dem  spätem  Reiche  Misaco's^).] 

Die  Angabe,  dass  die  Serben  beim  Tode  eines  Königs  oder 
Häuptlings  sich  selbst  verbrennen ,  ist ,  wie  der  Verweis  auf  die 
Beschreibung  der  Bestattungsgebräuche  der  Russen  imd  Slawen 
im  Chazarenreiche  (Murüg  II  9 ,  aus  Ihn  Fadlän's  Reisebericht) 
zeigt,  auf  die  Frauen  der  Toten  zu  beschränken.  Die  Bemerkung, 
welche  Mas'üdl  hieran  anknüpft:  „Dieser  Zweig  der  Slawen  und 
andere  erstrecken  sich  nach  Osten  und  sind  fern  vom  Westen" 
bezieht  sich  auf  die  Slawen  im  Chazarenlande  und  hat  mit  den 
Serben  nichts  zu  thun.  Die  deutschen  Quellen  sind  über  jenen 
Punkt  sehr  schweigsam.  Giesebrecht,  Wendische  Geschichten 
I  40,  weiss  dafür  nur  eine  Stelle  aus  einem  Briefe  des  Bonifatius 
anzuführen,  die  sich  wahrscheinlich  auf  die  Sorben  bezieht:  Et 
Winedi,  quod  est  foedissimum  et  deterrimum  genus  hominum, 
tarn  magno  zelo  matrimonii  amorem  mutuum  servant,  ut  mulier, 
viro  proprio  mortuo,  vivere  recuset,  et  laudabilis  mulier  inter  illas 
esse  iudicetur,  quae  propria  manu  sibi  mortem  intuHt,  ut  in  una 


1)  II  243.  —  Ähnlich  Lelewel,  Geogr.  du  xMoyen-Age  III  39. 

2)  n  101—104.  I  96. 

3)  S.  131  f. 


112  J-  Marquart, 

strue  pariter  ardeat  cum  viro  suo^).     Nach  dieser  Stelle  ist  auch 
die  Angabe  des  Mas'ödl  zu  korrigieren,  dass  die  Frauen  der  Slawen 
lebendig    mit    ihren    verstorbenen    Männern    verbrannt    werden. 
Thietmar  IX  (VIII)  3    erzählt    die  Wittwenverbrennung    von   den 
heidnischen  Polen:    In   tempore   patris   sui  ■•^)    cum    is  iam  gentilis 
esset,  unaquaeque  mulier  post  viri  exequias  sui  igne  cremati  decollata 
subsequitur.    Et  si  qua  meretrix  inveniebatur,  in  genitali  suo,  turpi 
et  poena  miserabili,  circumcidebatur  idque,  si  sie  dici  licet,  pre- 
putium  in  foribus  suspenditur,  ut  intrantis  oculus  in  hoc  otfendens 
in  futuris  rebus  eo  magis  sollicitus  esset  et   prudens.     Diese  An- 
gaben werden  bestätigt  durch  den  Bericht  des  Gaihäni  bei  Ibn  Rusta, 
ßekrl  und  Gurdezi'^).      „Wenn  einer  von  ihnen  stirbt,  verbrennen 
sie    ihn,    und    ihre    Frauen    schneiden    sich,    wenn    ihnen   jemand 
stirbt,    mit  dem  Messer  in  Hände  und  Gesicht*),  und  wenn  jener 
Tote  verbrannt  ist,    begeben   sie  sich  am  andern  Morgen  zu  ihm, 
nehmen    die    Asche    von    jenem    Orte,    legen     sie    in    eine    Urne 
und    stellen   sie  auf  einem  Hügel  auf.     Am  Jahrestage  des  Todes 
nehmen  sie  an  die  20  Krüge  Honig,  bald  weniger  bald  mehr,  und 
begeben  sich  damit  zu  jenem  Hügel,  und  es  versammelt  sich  die 
Familie    des  Toten   und  sie  essen  und  trinken  dort,    dann  kehren 
sie  wieder  zurück.     Hat   aber  der  Tote  drei  Frauen  gehabt ,  und 
behauptet    eine    von    ihnen ,    dass    sie   ihn  liebe ,    so  nimmt  sie  in 
Gegenwart    ihres    Toten    zwei    Balken    und    richtet    sie    auf    dem 
Boden  auf.     Dann    legt    sie    einen    anderen   Balken    quer    auf   die 
beiden  und  hängt  an  die  Mitte  desselben  einen  Strick,  dessen  eines 
Ende    um    ihren    Hals    geschlungen    ist,    während    sie    auf    einem 
Stuhle    steht.     Sobald  sie  dies  gethan  hat,    wird  der   Stuhl  unter 
ihr  weggezogen  und  sie  bleibt  aufgehängt,  bis  sie  erstickt  ist  und 
stirbt  ^).    Sobald  sie  tot  ist,  wird  sie  ins  Feuer  geworfen  und  ver- 
brannt  Sie  sind   bei  der  Verbrennung  des  Toten  in   Fest- 
stimmung, da  sie  behaupten,  dass  sie  sich  freuen,  weil  sein  Herr 
ihm  Barmherzigkeit  erwiesen  habe^). 

Ihre  Frauen  huren  nicht,  wenn  sie  verheiratet  sind.  Aber 
wenn  eine  Jungfrau  einen  Mann  liebt,  begibt  sie  sich  zu  ihm 
und  befriedigt  bei  ihm  ihr  Gelüste.  Wenn  ihr  Gatte  sie  heiratet, 
und  sie  noch  Jungfrau  findet,  sagt  er  zu  ihr:  Wenn  an  dir 
etwas  Gutes  wäre,  hätten  die  Männer  dich  begehrt,  und  du  hättest 

1)  Bonifat.  ep.  59  (Jaffe,  Biblioth.  III172).  Vgl.  Schafarik 
II  515  N.  2. 

'■')  D.  i.  des  Miseco,  des  Vaters  des  Boleslaw,  ca.  962—992. 

3)  Ibn  Rusta  ed.  de  Goeje  p.  if !^,  13  ff.  BekrT  bei  Kunik  und 
Rosen,  Izvestija  al  Bekri  S.  40,  17  ff.  Gurdezi  bei  Bart  hold  a.  a.  O. 
99,  13  ff. 

^)  Gurdezi  macht  daraus :  „wenu  ihre  Frauen  sterben,  zerschneiden 
sie  jeuer  Frau  Hand  und  Gesicht  mit  dem  Messer". 

'')  Also  ein  regelrechter  Galgen. 

")  Das  Folgende  nur  bei  Bekri  und  Gurdezi. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  113 

dir  selbst  einen  ausgewählt,  der  dir  die  Jungfrauschaft  genommen 
hätte  1),   und    entlässt    sie    und  will  nichts  mehr  von  ihr  wissen". 

Diese  Schilderung  bezieht  sich  auf  die  östlichen  Slawen, 
deren  Sitze  10  Tagereisen  vom  Gebiet  der  Peöenegen  bezw.  der 
Magyaren  entfernt  sind  und  deren  Hauptstadt  Ihn  Rusta  ^^j.^\,^ 
Gurdezi  c>.^^Jl->  l^ezw.  i,L>y.Äj5,  nennt.  Damit  stimmt  aufs  beste 
überein,  was  die  nassische  Chronik  c.  10  von  den  heidnischen 
Radimißi  und  Wjatiöi,  die  sich  von  den  Lechen  (Polen)  ab- 
gezweigt hatten,  also  zu  den  Westslawen  gehörten,  und  den 
Sewerane  erzählt:  quand  Tun  d'entre  eux  mourait,  ils  celebraient 
une  fete  (trizna)  autour  du  cadavre,  puis  ils  faisaient  un  grand 
bücher,  posaient  le  mort  sur  le  bücher,  y  mettaient  le  feu; 
ensuite  ils  rassemblaient  les  os,  les  mettaient  dans  un  petit 
vase  et  pla9aient  ce  vase  sur  une  colonne  au  bord  de  la  route. 
Nach  der  Versicherung  des  Chronisten  herrschte  dieser  Gebrauch 
bei  den  Wjatiti  noch  zu  seiner  Zeit.  Schon  Maurikios  weiss 
von  den  Frauen  der  Slawen:  6a)(pQOvovai  Se  nccl  Q^rjUa  avr&v 
vTtEQ  naöav  (pvßiv  kv&qcotiov,  oocrre  xcc  TiolXa  ccmäv  rrjv  t&v  iSL(OV 
avÖQ&v  xeXsvrriv  i'öiov  ijyetö'&at  d-dvarov,  Kccl  aTtonviytiv  eavta 
sKovaicog,  ovi  Tjyovueva  j^wrjv  ttjv  iv  x^]Qsia  öiaycoyrjv'-),  und  das- 
selbe  wiederholt  Leon  der  Friedfertige  in  seinen   TauxiKa  105. 

Der  Stamm  ,..jL>L«  muss  nach  seiner  Stellung  zwischen  den 
Nämiin  (Deutschen)  und  den  Sorben  gleichfalls  in  Deutschland 
gesucht  werden.  Bei  dem  Versuche,  denselben  zu  identifizieren, 
werden  wir  gleichfalls  am  besten  von  den  politischen  Verhältnissen 
unter  König  Heinrich  I.  ausgehen.  Nun  berichtet  Widukind  I  35, 
unmittelbar  nach  der  Unterwerfung  der  Heveller,  einen  Kriegszug 
des  Königs  gegen  die  Dalemincier  ^  deren  Stadt  Gana  erobert 
und  deren  Einwohner  nach  barbarischem  Kriegsrecht  teils  getötet, 
teils  in  die  Sklaverei  weggeführt  wurden.  Daleminci  ist  nach 
dem  Zeugnisse  Thietmars  nur  die  deutsche  Verballhornung  des 
einheimischen  slawischen  Namens  Glomaci^)  d.  i.  wohl  Ghmaci, 
der  sich  im  Namen  der  Stadt  Lommatsch  bis  heute  erhalten  hat. 
Heinrich  hatte  schon  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  gegen  die  Dale- 
mincier  gekämpft,  welche  darauf  die  Ungarn  zu  Hilfe  riefen*).  Ich 
wage  deshalb  die  Vermutung,  dass  qjLä/s  bezw.  ^jL/o  eine  Korruption 


1)  Gurdezi,  dem  dies  zu  stark  war,  macht  daraus:  „wenn  er  sie 
noch  Jungfrau  findet ,  so  macht  er  sie  zur  Frau ,  wenn  sie  es  aber 
nicht  ist,  so  verkauft  er  sie  und  sagt:  wenn  du  etwas  nutz  wärest, 
hättest  du  dich  selbst  behütet.  Und  wenn  ein  Weib  dem  Ehemanne 
die  Ehe  bricht,  töten  sie  dieselbe  und  nehmen  ihre  Entschuldigung 
nicht  an". 

2)  Mauric.  Strateg.  XI,  5. 

*)  Thietmar  I  c.  2 :  provintiam ,  quam  nos  Teutonice  Daleminci 
vocamus,  Sclavi  autem  Glomaci  appellant.  Vgl.  Waitz  a.  a.  0.  127 
SchafarikII603f. 

*)  Widukind  I  c.  17.     Thietmar  I  c.  2,     Waitz  a.  a.  0.  15. 

Marcjuart,  Streifzüge,  O 


i-^^^  J.  Marquart, 

ist  für  ijoUl  Almäc  =  (O)hmaci,  indem  das  anlautende  ^^1  als 
vermeintlicher  Artikel  von  den  Schreibern  fälschlich  weggelassen 
wurde,  um  die  Concinnität  mit  den  übrigen  Namen  herzustellen. 
[Einen  ganz  ähnlichen  Fall  haben  wir  in  Jäqüt's  Wiedergabe  des 
Reiseberichts  Ibn  Fadlän's  zu  den  Wolga-Bulgaren.  Hier  lautet 
der  offizielle  Titel  des  Bulgarenfürsten  I  vfr,  11 :  ^j  ^)J^i^ 
xJLä;.^i(  ^i^fi  ^\j^  ^^^U;  als  derselbe  bereits  den  Islam  an- 
genommen hatte,  Hess  er  sich  anfänglich  in  der  Chutba  noch  mit 
derselben  Formel  erwähnen:  iib  ij5^Lo  j\y^^  (j5^Ui  ^a£>^  ^^\ 
(S.  vCf ,  19/20).  Die  unverzeihliche,  durch  die  Autorität  Frähn's 
gedeckte  Konjektur  Senkowski's,  jl^b  =  dalmatisch  vladavac 

zu  lesen,  hat  es  wohl  verschuldet,  dass  die  russischen  Armenisten 
das  Richtige  nicht  längst  gesehen  haben.  Die  ursprüngliche  Form 
des  Titels  ist  uns  nämlich  erhalten  im  Namen  des  Hunnenfürsten  von 
WaraS'an  im  Kaukasus,  welchen  der  albanische  Bischof  Israel  im 
J.  681/82  zum  Christentum  bekehrte.  Dies  war  mir  sofort  klar,  als 
mir  jüngst  in  Bonn  die  russische  Übersetzung  des  Moses  Kaiankajtvaci' 
in  die  Hände  fiel.  Hier  wird  der  Name  des  Fürsten  zweimal  (II,  36 
p.  185.  II,  41  p.  198)  Ajl(|)mTBepi.  bezw.  Ajlü[)HJiyTBepi  geschrieben, 
das  erstemal  mit  der  Bemerkung,  dass  E  min 's  Ausgabe  AxnEOrH- 
Tßepa  lese.  An  drei  weiteren  Stellen  lautet  der  Name  einfach 
lUtver.  Seither  ist  es  mir  auch  gelungen,  die  Ausgabe  des 
armenischen    Textes    von    §ahnazarean    zu    erwerben,    wo    der 

Name  folgende  Formen  aufweist :  II  36  p.  361  W/H^/f-qt  ^'"-^L 
AlbiuU-  T'cel,  c.  41  p.  380  W^qi^^iq»..  (d»«i-4^  Aibilu-  T'vel,  p.  390, 
c.  42  p.  394,  c.  43  p.  396  li^i-^fd'«*-^/^  Ilu-T'vel  Daraus 
ergibt  sich  als  ursprüngliche  Form  \SiiP^i^i-ßni-t-p  Albüut'ver 
oder  richtiger  W/jjh^l"if^'-IP'"*-^['  Alp^ -Uutver  d.  i.  türkisch  Alp- 
Al-ätbär  „der  tapfere  Äl-ätbär"  ,  was  ofienbar  nicht  Eigenname, 
sondern  Titel  ist.  Ferner  kann  ich  denselben  jetzt  auch  belegen  aus 
der  mir  inzwischen  ebenfalls  zugegangenen  Geschichte  des  Levond  ed. 
äahnazarean  S.  163:  der  Chak'an  der  Chazaren  schickt  ein  grosses 
Heer  unter  einem  Heerführer  ^az-^^orcÄaw  aus  der  Horde  des  Ghathr- 

lit'ber  ('^  i^qJ^  \*^fP^tültJ^^^ü^j)  g^D^^  ^^^  Länder  des  Statt- 
halters von  Armenien  Jazid  b.  Usaid.  Wie  bei  Moses  Kaiankajtyac'i 
das  einfache  llutver  ohne  das  Beiwort  alp  „tapfer"  mit  Albmlitver 
wechselt,  so  ist  auch  hier  lit^ber  nichts  anderes  als  äl-ätbär.  Hier- 
nach kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  Jäqüt's  j^^  eine  Ver- 

^)  So  cod.  c,  wie  Ihn  llusta*,  in  ^/ixllj  ed.  (j***li. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  115 

stümmlung    von    ursprünglichem  ^lj.LiJl    Alp-üätvär   ist,    indem 

das    anlautende  j!    als    vermeintlicher    arabischer  Artikel  von  den 
Abschreibern  gestrichen  wurde ^).J 

Charmoy's  Vermutung,  der  in  ^L^;^  die  Misni  oder 
Meissner  sucht  und  i^Ui/s  lesen  möchte,  ist  geographisch  völlig 
zutreffend  ,  aber  historisch  nicht  zu  begründen.  Denn  die  Stadt 
Meissen  (Misni)  wurde  erst  nach  der  Zerstörung  von  Gana  von 
König  Heinrich  als  Zwingburg  im  Lande  der  Dalemincier  angelegt, 
um  die  Eroberung  zu  sichern  und  als  Stützpunkt  zu  weiteren 
Unternehmungen  zu  dienen-).  Von  den  Daleminciern  ist  in  der 
Folge  kaum  mehr  die  Rede. 

Ausser  den  Gloma^i  könnte  man  nur  noch  an  die  Milcane 
(Milzeni)  in  der  Oberlausitz  denken,  welche  von  Meissen  aus  unter- 
worfen wurden  (um  932)^).  Doch  wäre  eine  Verderbnis  aus 
^-oLäLc  zu  .-yi^J^  zu  stark,  um  wahrscheinlich  zu  sein. 

Die  B^lys  Moräwa  (Mähren),  ;jö1^y>  Chorwaten  und  ^=>l*^ 
Cechen  bilden  eine  geschlossene  Gru})pe.  Wie  weit  sich  Mas'udi 
die  Wohnsitze  der  Mähren  ausgedehnt  dachte,  lässt  sich  auch  aus 
einer  Erwähnung  im  Kitäb  at  tanblh  nicht  leicht  erkennen.  Er 
handelt  S.  11  f.  vom  Pontos  und  sagt  S.  1v,  11  ff:  „Unter  den 
mächtigen  berühmten  Strömen ,  die  in  dieses  Meer  münden ,  ist 
der  grosse  Strom,  welcher  Tanais  ^j^jLxL  genannt  wird,  der 
im  Norden  entspringt  und  an  dem  sich  viele  Wohnsitze  der 
Slawen  und  anderer  tief  in  den  Norden  eindringender  Nationen  be- 
finden ;  ausserdem  andere  grosse  Ströme,  wie  der  Strom  Dunaba  * j 
und  Mläwa^)  —  so  heisst  er  ebenfalls  auf  slawisch  —  und  das 
ist  ein  gewaltiger  Strom,  der  gegen  drei  Meilen  breit  ist.  Er 
ist  mehrere  Tagereisen  hinter  Konstantinopel;  an  ihm  sind  die 
Wohnsitze  der  slawischen  Nämgln  und  Moräwa,  und  jetzt  haben 
sich  in  denselben  auch  viele  Buryar  J^y^  niedergelassen,  nachdem 
sie  Christen  geworden  sind"  ''). 

^)  Vgl.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  42  Anm. 
Die  Entscheidung  darüber ,  ob  dieses  ü-utver  =  al-ätvär ,  lit'ber  =  äl- 
ätbär  mit  dem  alttürkischen  äl-täbär  zusammenhängt,  überlasse  ich  den 
Turkologen. 

2)  Thietmar  I  e.  9.  Vgl.  Giesebrecht,  Wend.  Gesch.  I  136. 
Waitz   a.  a.  0.  134. 

3)  Thietmar  I  c.  9.  Vgl.  Waitz  a.  a.  O.  147  N.  6.  Schaf arik 
II  598  ff. 

*)  So  L ,   P  d.Äj . ;   slawisch  Dunawo,  Duvaj. 

»)  So  L,  P  »3^J. 

8* 


\\Q  J.  Marquart, 

Diese  Stelle  ist  nicht  ohne  weiteres  verständlich.  Unter  dem 
Flusse  8»X«  Mläwa,  der  mit  der  Donau  gleichgesetzt  wird,  ist 
wohl  der  serbische  Fluss  dieses  Namens  zu  verstehen,  an  dessen 
Einmündung  in  die  Donau  die  alte  Stadt  Branicewo  lag,  nach  der 
die  Braniöewci  ihren  Namen  haben ').  Wahrscheinlich  ist  aber 
die  Mläwa  mit  der  weiter  westlich  mündenden,  viel  bedeutenderen 
Morawa  zusammengeworfen.  Wie  der  Irrtum  Mas'üdl's,  der  Mläwa 
nur  für  einen  andern  Namen  der  Donau  hält,  entstanden  ist,  lässt 
sich  nicht  erkennen.  Bezüglich  der  Angabe  über  die  an  der  Donau 
wohnenden  Völker  ist  zu  beachten,  dass  nicht  einfach  gesagt  wird, 
die  Buryar  hätten  an  der  Donau  gesessen ,  sondern  dass  sie  sich 
zum  Teil  in  den  Wohnsitzen  der  Deutschen  und  Mähren  an  der 
Donau  niedergelassen  haben  (L^Jw).  Es  fragt  sich  also  vor  allem, 
welches  Volk  Mas'üdi  mit  dem  Namen  J;.j  im  Auge  gehabt  hat. 
Das  Nächstliegende  ist  jedenfalls,  an  die  Bulgaren  zu  denken. 
Wir  finden  in  der  That  das  Gebiet  an  der  serbischen  Morawa 
mindestens  seit  dem  gewaltigen  Krum  im  Besitze  der  Bulgaren, 
und  in  Belgrad  residiert  im  Jahre  885  ein  bulgarischer  Beamter^). 
Allein  daraus  wären  die  Worte  Mas'udi's  nicht  zu  erklären.  Wir 
müssen  uns  also  nach  andern  Anhaltspunkten  umsehen. 

Im  Jahre  818  erschienen  bei  Ludwig  dem  Frommen  in 
Heristal  Gesandte  der  Abodriten ,  d.  i.  der  Oster  -  abtrizi  oder 
Praedenecenti  um  Branicewo ,  sowie  der  Timoöaner  am  Timok, 
welche  die  bulgarische  Herrschaft  mit  der  fränkischen  ver- 
tauschen wollten'^).  Im  folgenden  Jahre  wurde  Ljudewit,  der 
Herrscher  der  pannonischen  Slowenen  zwischen  Sau  und  Drau, 
durch  die  Härte  des  Markgrafen  Kadolah  von  Friaul  und 
Kärnten  zum  Abfall  bewogen,  und  das  Frankenreich  hatte  von 
819 — 822  einen  gefährlichen  Krieg  gegen  ihn  zu  führen,  wobei 
die  Timoöaner  auf  seine  Seite  übertraten.  Allein  im  J.  822 
wurde  er  zur  Flucht  nach  Serbien  genötigt.  Im  selben  Jahi-e 
erschienen  vor  Kaiser  Ludwig  in  Frankfurt  neben  andern  Gesandten 
auch  solche  der  Ostabodriten  oder  Praedenecenti  (Brani^ewci)  am 
rechten  Ufer  der  Donau,  um  sich  unter  die  Oberhoheit  des 
Frankenreiches  zu  stellen,  und  im  Jahre  824  erneuerten  dieselben 
durch    eine  zweite  Gesandtschaft  in  Aachen  ihre  Bitte ,    sie  gegen 


1)  Vgl.  Schafarik  II  209. 

2)  Vita  S.  Clementis  c.  XVI.     Migue,  PG.  t.  CXXVI  p.  r22L 
^)  Annales  regni  Francorum  a.  818  ed.  Frid.  Kurze  p.  149:  Erant 

ibi  et  aliarum  natiouum  legati,  Abodritorum  videlicet  ac  Boruae,  ducis 
Guduscanorum ,  et  Timocianonun ,  qui  nupor  a  Bulgarorum  societate 
desciverant  et  ad  nostros  fines  se  contulerant.  Vgl.  Dümmler,  Über 
die  älteste  Gesch.  der. Slawen  in  Dalmatien.  SBWA.  Bd.  XX,  1856, 
S.  388f.  Büdinger,  Österreich.  Gesch.  I  176.  Dümmler,  Gesch.  des 
Ostfräuk.  Reichea  I  37  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  117 

die  Feindseligkeiten  der  Bulgaren  in  Schutz  zu  nehmen^).  Dadurch 
gerieten  die  Franken  aber  in  Verwicklungen  mit  den  Bulgaren, 
und  im  J.  824  schickte  der  Kan  Omortag  eine  Gesandtschaft  an 
Kaiser  Ludwig ,  um  ihn  zu  bewegen ,  die  beiden  slawischen 
Stämme  wieder  aus  seiner  Hoheit  zu  entlassen.  Da  er  aber  auf 
seine  wiederholten  Botschaften  keine  genügenden  Antworten  erhielt, 
so  segelte  im  J.  827  ein  bulgarisches  Heer  auf  Schiffen  die  Drau 
aufwärts,  besetzte  Pannonien  und  setzte  über  die  dortigen  Slawen 
bulgarische  Oberhäupter.  Der  Markgraf  Balderich,  Kadolah's 
Nachfolger,  ward  nun  im  Februar  828  abgesetzt  und  der  Krieg 
gegen  die  Bulgaren  dem  jungen  König  Ludwig  von  Baiern  über- 
tragen. Doch  ist  uns  über  den  Ausgang  desselben  gar  nichts 
Näheres  bekannt.  Soviel  ist  sicher,  dass  die  Franken  auf  die 
Oberhoheit  über  jene  beiden  Stämme  wieder  verzichten  mussten. 
Wahrscheinlich  behaupteten  die  Bulgaren  auch  eine  Zeit  lang  die 
Oberherrschaft  über  das  Gebiet  zwischen  Sau  und  Drau,  wo  uns  im 
J.  838  ein  den  Franken  feindlicher  Fürst  Ratimar  becfegnet. 

Im  Jahre  845  erschien  auch  eine  Gesandtschaft  der  Bulgaren 
bei  Ludwig  dem  Deutschen  in  Paderborn^),  woraus  wohl  geschlossen 
werden  darf,  dass  damals  die  Grenzstreitigkeiten  an  der  Drau 
beigelegt  waren.  Doch  wissen  wir  nicht,  unter  wessen  Oberhoheit 
das  Gebiet  zwischen  Sau  und  Drau  schliesslich  verblieb.  Im 
J.  853  aber  brachen  die  Bulgaren  im  Verein  mit  den  pannonischen 
Slawen  auf  Anstiften  Karls  des  Kahlen  in  die  deutschen  Marken 
ein,  wurden  jedoch  von  Ludwig  dem  Deutschen  vollständig  besiegt. 
Im  J.  864  endlich  kam  es  in  Tulln  an  der  Donau  zu  einem 
förmlichen  Friedensvertrag  zwischen  Ludwig  und  dem  Bulgaren- 
fürsten Bogoris ,  der  bis  zum  Ende  des  Jahrhunderts  in  Geltung 
blieb.  Damals  scheint  das  untere  Pannonien  zwischen  Sau  und 
Drau  ans  ostfränkische  Reich  zurückgegeben  worden  zu  sein ,  da 
es  wenigstens  20  Jahre  später  die  fränkische  Oberhoheit  anerkennt^). 
Unter-Pannonien,  nördlich  von  der  Drau,  war  dagegen  im  Besitze 
Priwina's  (848—861)  und  seines  Sohnes  Kocel  (861—874),  die 
als  Lehnsträger  des  ostfränkischen  Reiches  in  Mosaburg  am 
Plattensee  herrschten*).    Nach  Kocel's  Tode  wurde  sein  Fürstentum 


1)  Annales  regni  Francorum  a.  822.  824  ed.  Kurze  p.  159.  165: 
Caeterum  legatos  Abodritorum  qui  vulgo  Praedenecenti  vocantur  et  con- 
termini  Bulgaris  Daciam  Danubio  adiacentem  incolunt,  qui  et  ipsi 
adventare  nuntiabantur,  ilico  venire  permisit.  Qui  cum  de  Bulgarorum 
iniqua  infestatione  quererentur  et  contra  eos  auxilium  sibi  ferri  depos- 
cerent,  domum  Ire  atque  iterum  ad  tempus  Bulgarorum  legatis  constitutum 
redire  iussi  sunt.  Die  Branicewci  sassen  also  im  aurelianischen  Dacien 
südlich  von  der  Donau.  Büdinger,  Österr.  Gesch.  S.  178  lässt  sie  irrig 
auf  dem  linken  Donauufer,  von  der  Mündung  der  Drau  bis  zu  der 
des  Timok  wohnen.     Vgl.  aber  Rösler,  Roman.  Stud.  202  N,  1. 

^)  Dümmler,  Gesch.  des  ostfränk.  Reiches  I  273, 

»)  Dümmler  a.  a.  0.1528. 

4)  Eb.  S.  617. 


j^jg  J.  Marquart, 

eingezogen  und  wahrscheinlich  Ludwig's  Sohne  Karlmann,  der  die 
südöstlichen  Marken  verwaltete,  unterstellt i).  Als  dieser  nach 
Ludwig's  des  Deutschen  Tod  876  Baiern  mit  seinen  Marken  als 
Königreich  erhielt,  übertrug  er  die  Verwaltung  der  Marken 
Kärnten  und  Pannonien  seinem  unehelichen  Sohne  Arnulf-). 

Im  Sommer  883  ward  Pannonien  vom  Mährenherzog  Swentopluk 
„nach  Art  eines  Wolfes"  verheert;  im  folgenden  Jahre  wiederholte 
derselbe  seinen  Einfall  mit  noch  grösserer  Heeresmacht  und  hauste 
noch  fürchterlicher  als  das  vorige  mal :  die  Unfreien,  die  das  Land 
bebauten,  wurden  samt  ihren  Familien  grossenteils  erschlagen,  die 
Grundherren  teils  gefangen  weggeschleppt,  teils  getötet  oder  grau- 
sam verstümmelt^).  König  Karl  der  Dicke  begnügte  sich  damit, 
in  einer  persönlichen  Zusammenkunft  mit  Swentopluk  am  Tulnflusse 
diesen  den  Lehnseid  erneuern  zu  lassen  und  ihm  ausserdem  die  eid- 
liche Versicherung  abzunehmen,  bei  seinen  Lebzeiten  nicht  wieder 
feindlich  in  sein  Reich  einzudringen.  Von  einer  Sühne  für  die 
unerhörte  Verwüstung  der  deutschen  Marken  war  keine  Rede. 
Zu  gleicher  Zeit  erschien  auch  Brazlawo ,  der  Herzog  des  Landes 
zwischen  Drau  und  Sau,  um   dem  Kaiser  zu  huldigen. 

Man  hat  die  Vermutung  aufgestellt,  dass  Karl  bei  dieser 
Gelegenheit  Pannonien  bis  zur  Drau  als  fränkisches  Lehen  an 
Swentopluk  abgetreten  habe,  und  Dümmler*)  hat  dieselbe  durch 
Verweisung  auf  Konstantinos  Porphyi-ogennetos  zu  stützen  gesucht, 
welcher ,  wie  wir  sehen  werden ,  unter  MoQaßia  ij  (leydXr] ,  dem 
Reiche  Swentopluk's ,  in  der  That  ein  Gebiet  südlich  der  Donau 
versteht.  Allein  in  seiner  Geschichte  des  Ostfränkischen  Reiches 
n  228  N.  85  hat  er  jene  Hypothese  selbst  wieder  zurückgezogen. 
Den  Herzog  Brazlawo  finden  wir  fernerhin  als  treuen  Bundes- 
genossen des  Königs  Arnulf  gegen  Swentopluk.  Im  Jahre  892 
schickte  Arnulf  eine  Gesandtschaft  an  den  Bulgarenfürsten  Wladimir, 
den  Nachfolger  des  Boris-Michael,  um  das  Bündnis  zu  erneuern, 
welches  sein  Grossvater  Ludwig  einst  mit  Boris  abgeschlossen 
hatte.  Die  Gesandten  mussten  wegen  der  Unsicherheit  Pannoniens 
ihren  Weg  zu  Schiffe 5)  auf  der  Odra,   Kulpa  und  Sau  durch  das 

•  r  1)  Diimmler  a.  a.  O.  I  820.  Büdinger,  Östc^rreichische  Ge- 
schichte I  188  glaubt,  dass  Swentopluk  schon  damals  Unterpannonien 
bis  zur  Drau  mit  Ausschluss  des  Gaues  Dudleipa  besetzt  habe,  ,wenn 
auch  die  völlige  Vereinigung  dieser  Landschaften  mit  Mähren  erst 
etwa  zehn  Jahre  später  gtattgefunden  haben  mag". 

*)  Dumm  1er  a.  a.  0.  1]  65. 

")  Dum  ml  er  a.  a.  0.  IJ  227  f. 

*)  Über  die  südöstlichen  Marken  des  fränkischen  Reiches  unter 
den  Karolingern.  Archiv  für  Kunde  Österreich.  Geschichts(iue]len 
X  (18531,  48  f.  Vgl.  Büdinger,  Österreich.  Gesch.  202.  R  Osler, 
Roman.  Studien  1871  S.  211. 

*)  Ann.  Fuld.  contin.  Ratisbon.  a.  892  ed.  F.  Kurze  p.  121: 
Missi  autem  propter  iiisidias  Zwentibaldi  ducis  terrestre  iter  non  valentes 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifssüge.  119 

Reich  Brazlawo's  nehmen  und  wurden  von  Wladimir  ehrenvoll 
aufgenommen  1).  Im  Jahre  896  übertrug  der  König  den  Schutz 
Pannoniens  mit  der  Moosburg  gegen  den  drohenden  Angriff  der 
Ungarn  dem  Herzog  Brazlawo,  allein  im  Jahre  900  ist  von  diesem 
nicht  mehr  die  Rede,  es  scheint,  dass  sich  Pannonien  damals  schon 
fast  völlig  in  der  Gewalt  der  Ungarn  befand^). 

Nach  den  gleichzeitigen  Quellen  ist  also  Swentopluk  niemals 
im  ungestörten  und  unbestrittenen  Besitze  von  Pannonien  gewesen. 
Ganz  anders  freilich  Konstantinos  Porphyrogennetos  ^).  Bei  diesem 
lesen  wir  de  admin.  imp.  c.  13  p.  81,  8  ff . :  "Ort  xoig  TovQKOig  tcc 
roiavTa  E'^'vr/  naqa%Hvxai  ....  n^hg  xo  ^eßrifißQivov  ^£Qog  rj  fisydlrj 
MoQaßla  rjxoi  i)  %(aQa  xov  ScpsvSoTtXoKOV,  r^xig  Kcd  TtavxeX&g  rjcpavia&rj 
TtaQCi  xäv  xoiovxav  Tovqkcov  Kai  Ttaq  avxäv  KcasGxid'r}.  c.  40 
p.  173,  19  ff.:  nai  ndhv  xaxä  xrjv  xov  Ttoxafiov  inÖQOfii^v  iöxi  xo 
ZsQjjiWv  huvo  xo  liyoiiBvov,  aito  xi]g  BsXsYQaöag  oöbv  f'^ov  rjfiSQ&v 
ovo ,  KCil  uTcb  xcov  heiße  i)  ^eyccXrj  MoQccßla  i^  aßdnxtGxog,  iqv  xal 
e'^i]Xsitpciv  Ol  TovQKOi,  ij?  ijQxe  xb  nQoxeQOv  6  S^pevdoTtlÖKog.  c.  42 
p.  177,  14ft'. :  Von  Thessalonike  bis  zur  Donau,  wo  die  Festung 
Belgrad  liegt,  sind  8  [sie !]  Tagereisen.  Kai  Tiavoinovßi  fiev  oi  Tovqkoi 
TiEQad-ev  xov  /lavovßeiog  itoxa^ov  eig  xrjv  Tf;g  Moqaßiag  yfjv,  aXkcc 
nal  ev&Ev  fjießov  xov  /lavovßeag  v,al  xov  Edßa  Tcoxafiov. 

Zunächst  ist  festzustellen,  dass  die  letztere  Stelle  den  übrigen 
widerspricht.  Nach  S.  173,  21  beginnt  Gross-Mähren  bei  Sirmium, 
es  kann  daher  kein  Zweifel  sein,  dass  wir  es  in  Unter-Pannonien 
zu  suchen  haben.  S.  177,15  dagegen  wird  Mähren  mit  dem 
eigentlichen  Magyarenland,  dem  Lande  nördlich  von  der  Donau, 
das  bei  der  Trajansbrücke  begann  (S.  173,  16),  also  mit  dem 
Gebiete  der  Theiss  gleichgesetzt;  die  Magyaren  bewohnten 
aber  ausserdem  auch  den  Winkel  zwischen  Sau  und  Donau  westlich 
von  Belgrad.  Es  ist  klar,  dass  hier  im  Texte  Konstantin's  ein 
Fehler  stecken  muss  und  wir  zu  lesen  haben:  Kai  xaxoiKOvGi,  (lev 
Ol  TovQKOi  TteQccd'ev  xov  Javovßeag  itoxa^ov,  äXXa  %ai  evd'ev  eig 
xr\v  xfigMoQaßiag  y^v  ^eßov  xov  Javovßecog  Kai  xov  Edßa 
Ttoxafiov.  Diese  Vorstellung,  dass  Swentopluk's  Reich  in  Unter- 
pannonien  gelegen  habe ,  beruht  offenbar  auf  einer  Verwechslung 
des  Mähren  reiches  mit  dem  Fürstentum  Priwina's  und  Kocel's  am 
Plattensee,  wo  die  slawische  Liturgie  zuerst  eine  Stätte  gefunden 
hatte,  ein  Irrtum,  der  dadurch  befördert  wurde,  dass  der  slawische 
Gottesdienst  von  Kocel's  Reich  nach  Mähren  verpflanzt  wurde 
und  dieses  so  als  der  geistige  Erbe  jenes  Staates  erscheint.  Die 
Bezeichnung  Grossmährens  als  aßdnxiaxog  soll  wohl  andeuten,   dass 

habere  de  regno  Brazlavonis  per  fluvium  Odagra  ad  Gulpam,  dein  per 
fluenta  Savi  fluminis  navigio  in  Bulgaria  perducti. 

1)  Dümmler  II353f. 

2)  Ann.  Fuld.  contin.  Ratisbon.  a.  896  ed.  F.  Kurze  p.  130. 
Dümmler  11450.508. 

ä)  [Vgl.  auch  Westberg  a.  a.  0.  99.J 


]^20  J-  Marquart, 

dieses  Gebiet  seit  der  Eroberung  und  Verödung  durch  die  Magyaren 
wieder  der  Barbarei  und  dem  Heidentum  anheimgefallen  war. 

Auf  Grund  dieser  historischen  Verhältnisse  könnte  man 
einigermassen  begreifen,  wie  Mas'üdT  zu  jener  merkwürdigen  An- 
gabe gekommen  ist.  Sie  würde  sich  eigentlich  auf  das  Gebiet 
zwischen  Sau  und  Drau  beziehen,  das  in  der  That  eine  Zeit  lang, 
aber  freilich  vor  der  Bekehrung  der  Bulgaren,  unter  bulgarischer 
Oberhoheit  gestanden  hatte ,  dann  aber  bis  zur  Besetzung  durch 
die  Magyaren  ein  Lehnsfürstentum  des  ostfränkischen  Reiches 
bildete.  Als  Nachfolger  der  Deutschen  in  der  Herrschaft  über 
dieses  Gebiet  hätte  sich  Mas'üdT  die  Mähren  gedacht,  indem  er 
der  byzantinischen  Vorstellung  vom  süddanubischen  Grossmähren 
gefolgt  wäre. 

Allein  es  muss  anerkannt  werden,  dass  auch  diese  Erklärung 
den  Woi-ten  Mas'üdT's  nicht  gerecht  wird.  Dieser  sagt  ausdrücklich, 
dass  sich  viele  Buryar  jetzt  nach  Annahme  des  Christen- 
tums in  den  Sitzen  der  Deutschen  und  Mähren  an  der  Donau 
niedergelassen  haben.  Es  erhebt  sich  daher  die  Frage,  ob  wir 
hier  unter   ,i.j!  wirklich  die  Donau-Bulgaren  zu  verstehen  haben, 

oder  nicht  vielmehr  die  J::j  Bazyar  (Magyaren),  wie  oben  S.  68.  70. 

In  der  That  gewinnen  wir  nur  bei  dieser  Auffassung  ein  klares 
Verständnis  der  Stelle,  ohne  dass  wir  genötigt  wären,  den  Worten 
Mas'üdl's  Gewalt  anzuthun.  Schon  frühzeitig  machte  man  von 
Byzanz  aus  den  Versuch,  das  greuliche  Volk  zum  sanften  Joche 
Christi  zu  führen  und  sich  so  gegen  seine  Raubzüge  zu  sichern. 
Wahrscheinlich  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Einfall  der 
Magyaren  ins  Romäerreich,  also  zwischen  943  und  948  ^),  erschien 
Bulßu ,  welcher  die  Karchanwürde ,  das  dritthöchste  Amt  im 
Magyarenstaate  bekleidete ,  in  Konstantinopel  und  erklärte  sich 
bereit,  das  Christentum  anzunehmen.  Er  wurde  von  Seiner  christus- 
liebenden Majestät  Kaiser  Konstantin  dem  Purpurgebornen  höchst- 
eigenhändig aus  der  Taufe  gehoben  und  erhielt  die  Würde  eines 
Patrikios  d.  h.  den  Excellenzrang.  Freilich  war  er  ein  schlechter 
Christ  und  die  Lehre  der  Bruderliebe  hinderte  ihn  keineswegs,  bei 
der  nächsten  Gelegenheit  seine  Magyaren  wieder  gegen  die  neuen 
Glaubensgenossen  zu  führen,  bis  er  im  Jahre  955  nach  der  Schlacht 
auf  dem  Lechfelde  das  verdiente  Ende  am  Galgen  fand.  Bald 
nach  Bul^u  hatte  auch  der  Gylas,  der  zweite  Würdenträger  im 
Magyarenstaat,  in  Konstantinopel  die  Taufe  empfangen  und  den 
Excellenzrang  erhalten,  und  bei  diesem  erwies  sich  die  Wirkung 
der  neuen  Lehre  nachhaltiger.  Er  nahm  einen  wegen  seiner 
Frömmigkeit  hochangesehenen  Mönch  Hierotheos  mit  sich ,  der 
vom  Patriarchen  Theophylaktos  (933 — 956)  zum  Bischöfe  geweiht 
wurde  und  im  Gebiete  des  Gylas  viele  Heiden  taufte  und  christ- 


S.  Krug,  Byzantinische  Chronologie  S.  263. 


Osteuropäische  und  ostasiatischo  Streifzüge.  121 

liehe  Anschauungen  verbreitete  i).  Dieses  Gebiet  des  Gylas  ist 
sicherlich  nicht  in  Siebenbürgen  zu  suchen,  wie  die  ungarische 
Chronik  wegen  der  spätem  Stadt  Gyvia  (Alba  Julia,  Stuhlweissen- 
burg)  annimmt  2).  Viel  besser  würde  das  Land  des  sechsten  bezw. 
(nach  Simon  de  Keza)  siebenten  capitaneus  Werbulchu  passen,  der 
sich  in  Zala  fZalavär)  am  Plattensee,  der  Moosburg  des  Priwina 
und  Kocel,  niedergelassen  haben  solP). 

Über  die  Donau-Bulgaren  weiss  Mas'üdT  nirgendwo  etwas  zu 
berichten,  wie  sie  denn  auch  den  zweiten  Akt  ihrer  politischen 
Rolle  zu  seiner  Zeit  bereits  ausgespielt  hatten;  dagegen  zeigt,  er 
in  den  Goldwäschereien  sowohl  wie  noch  in  seinem  letzten  Werke, 
dem  Buche  der  Erinnerung  und  Revision  ein  ungewöhnliches 
Interesse  für  die  Thaten  der  Magyaren,  jener  Völkergeissel ,  die 
nun  schon  über  ein  halbes  Jahrhundert  das  christliche  Abend- 
land in  Schrecken  setzte.  Wenn  wir  nun  beobachten,  mit 
welcher  Emsigkeit  er  alle  Nachrichten  über  dieses  Volk,  deren  er 
habhaft  werden  kann,  zusammenträgt,  ohne  freilich  im  Stande  zu 
sein  sie  zu  verarbeiten,  so  werden  wir  uns  kaum  wundem,  wenn 
er    zur    Zeit    der    Abfassung   seines   letzten   Werkes    (344  H.    = 


1)  Kedren.  IT  p.  328  ed.  Bonn.:  Ov  Siilmov  Sl  v.a\  ol  Tovgycoi 
dßßoXäg  f/'?  trjv  'PcoLiaicov  Ttoioi^isvoi  Kai  ravxr\v  Sriovvrs?,  [dxQig  ov 
BovloaovSrjg  6  tovtcov  &Qxriybs  ri]v  täv  iQiGXLav&v  Ttiativ  ccaita^saO'ai. 
vitoyiQt&slg  y.aT£ilrirpst  rr]v  KavGtavxivov  Kai  ßairTiaO-Hg  virb  Tovßaai- 
Uag  ävaSixstai  Kcovatavtivov .  tfi  r&v  Ttargiytiav  a^ia  riLiriQ'slg^  v.ai 
nXsiorcov  xQ-rniäxav  vTtccQ^ag  kvqloq,  sh'  avQ'ig  ohaSs  v-jtoaTQfil^ag. 
fist'  ov  Ttolv  Sh  Kai  Fvläg.  ag^av  wv  Kai  avtbg  räv  Tovgy.cov,  niGsiaiv 
Big  rr]v  ßaaiXiSa  Kai  ßanri^srai,  x&v  i'ecov  c^ioj&slg  Kai  avtbg  svsQys- 
ai&v  Kai  tiiiwv.  avbläßsro  dh  ^l£9'  savrov  Kai  ttva  ^ovaxbv  hgo- 
&fov  rowofiK,  So^av  svXaßBiag  Bxovra,  iniaKonov  TovgKiag 
Ttaga  rov'0^o(pvläKtov  x£iQ0X0vr\Q' ivta,  og  iKÜes  y^voiisvog 
TtoUovg  anb  rfig  ßaQßagiKrjg  Ttlävr\g  eig  rbv  ygiGxiaviGiibv  InavriyayBV. 
all'  6  n'hv  Fvl&g  iviasivs  xfj  Ttißxn,  iirjx'  avtbg  ecpoSöv  ttoxb  naxu 
'Pcanalcov  -rrsTtOLrjKwg  arjXB  xovg  äliGKopiivovg  Xgißxiavovg  &xriu.8lr]xovg 
i&v,  aW  i^covovusvog  Kai  iitiatlsiag  a^t&v  Kai  iXsvQ'sg&v.  BovXoaovSrjg 
Sh  xug  Ttgbg  &tbv  avvQ'riKag  rjd-exriKag  TtoXXÜKig  avv  ituvxl  xm  i^vsi  Kaxu 
'PapLaicov  ili]XaGs.  xb  S'  avxb  xovxo  Kai  Kaxu  ^gäyycov  itorfiaai^  Siavor\- 
Q'sig  Kai  aXovc  avuGKoXoniGd-T]  imb  'Icodvvov  xov'  ßaOiXfcog  avx&v.  Vgl. 
Büdinger,  Österreich.  Gesch.  .390  ff.  Dümmler,  Kaiser  Otto  der 
Grosse  2fil  f.  495.  Über  die  Würden  des  Kagx&g  und  yvXäg  s.  Kon- 
stantin. Porphyrog.  de  administr.  imp.  c.  40  p.  174,  17  —  21.  175,  12 — 17. 
GaihanT  bei  Ihn  Rusta  (fr,  9—10.     Gurdezi  S.  98,  7/8  {A:>-)- 

2)  Mag.  Simon  de  Keza,  Gesta  Hungarorum  Hb.  II  c.  1,  19  bei 
Florianus.  Hist.  Hungaricae  fontes  dompstici  vol.  II  p.  72.  Chron. 
pictum  Vindobonense  c.  XV  ih.  p.  126.  Chron.  Dubnicense  c.  32  ib. 
III  30.  S.  aber  Büdinger,  Österreich.  Gesch.  391  Anm.  5.  Rösler, 
Romanische  Stud.  201. 

3)  Simon  de  Keza,  Gesta  Hungar.  lib.  II  c.  1,  19  bei  Florianus, 
1.  1.  vol.  IT  p.  73:  Septimi  quidem  exercitus  dux  Werbulchu  dux  est 
dictus.  Hie  in  Zala  circa  lacum  Bolotum  descendisse  perhibetur. 
Chron.  Vindob.  pict.  c.  XVHI  ib.  p.  127.  Chron.  Dubnic.  §  35  ib. 
vol.  in  31. 


;[22  J-  Marquart. 

955  n.  Chi".)  bereits  von  jenen  unter  grossem  Pomp  erfolgten  Be- 
kehningen  zweier  der  höchsten  magyarischen  Würdenträger  ver- 
nommen hatte,  an  welche  man  am  Bosporus  ohne  Zweifel  grosse 
Hoffnungen  knüpfte.  Die  Magyaren  haben  aber  thatsächlich  um- 
fangreiche Gebiete  besetzt,  welche  ehemals  den  Franken  und  den 
Mähren  gehört  hatten :  ganz  Pannonien  und  die  Slowakei  von  der 
Wag  bis  zum  Bodrog  haben  sie  dauernd  festgehalten ,  die  alte 
Ostmark  ist  ihnen  erst  nach  der  Niederlage  auf  dem  Lechfelde 
wieder  entrissen  worden.  Dass  Mas'üdl  der  Meinung  ist,  die 
Magyaren  hätten  sich  erst  ganz  neuerdings  in  diesen  Gebieten 
angesiedelt ,  ist  ein  verzeihlicher  Irrtum ,  da  es  ihm  nach  seinen 
bisherigen  Nachrichten  über  ihre  Raubzüge,  die  sich  über  u.n- 
geheure  Flächen  erstreckten ,  unmöglich  gewesen  war ,  sich  ein 
festbegrenztes  Gebiet  als  deren  Wohnsitze  vorzustellen. 

Da  das  Mährerreich  zu  Mas'üdT's  Zeiten  längst  von  der  Karte 
verschwunden  war,  so  konnte  er  selbstverständlich  aus  zeit- 
genössischen Quellen  so  wenig  etwas  Genaues  über  dessen  ehe- 
maligen umfang  ermitteln  als  Seine  schriftstellernde  Majestät. 
Es  ist  daher  sehr  wohl  möglich,  ja  sogar  wahrscheinlich,  dass  die 
Moräwa  in  den  Goldwäschereien  auf  Nachrichten  zurückgehen, 
die  aus  der  Zeit  vor  dem  Untergange  des  mährischen  Reiches 
ums  Jahr  906  stammen.  An  die  Mähren  und  die  pannonischen 
Slowenen  Kocels  dachte  Mas'üdi's  Gewährsmann  wohl  neben  den 
Bulgaren  in  erster  Linie  bei  den  christlichen  Slawenfürsten  jako- 
bitischer  oder  gar  nestorianischer  Konfession.  Sie  werden  damit 
als  Ketzer  gebrandmarkt,  und  wie  heftig  die  deutsche  Geistlichkeit 
die  Rechtgläubigkeit  der  Slawenapostel  zu  verdächtigen  suchte, 
besonders  wegen  der  ihnen  so  verhassten  slawischen  Liturgie,  ist 
bekannt  genug '). 

Die  wJ^.JolAO  haben  mit  den  Sachsen  nichts  zu  thun  —  diese 
sind  ja  schon  in  den  (jyS^Li  begriffen,  überdies  würde  man  ihren 
Namen  im  Arabischen  genauer  ausdrücken;  vgl.  IbrähTm  b.  Ja'qüb's 

^.,  ^Äiv*v  d.  i.  ..».^jC^  Bekrl  S.  33,  15,  sowie  den  Namen 
des  türkischen  Stammes  ^^ä^^).  Es  ist  vielmehr  ^jxi>L>o  Qächin 
zu  lesen,  und  darin  haben  wir  natürlich  die  Cechen  zu  erkennen. 
Der  Name  (^ächin  hat,  wie  schon  früher  bemerkt  wurde,  die  Form 
eines  slawischen  Ethnikons  im  Singular:  Cech-in.  Heute  nennen 
sich  die  Cechen:  Cechowe  in  der  Mehrzahl,  Cech  in  der  Einzahl, 
ihr  Land   Cecliy,  ceskd  zeme'^).     Schafarik*)  glaubt,  dass  dieser 


1)  Vgl.  Dümmler  a.  a.  0.  I  624 ff.  699—703.  814—820.  TT  192- 
198.  255—259. 

■-)  G.  Jacob,  Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des 
Mittelalters  aus  den  nordisch-baltischen  Ländern?    2.  Aufl.  1891  S.  22.  82. 

^)  Schafarik,  Slawische  Altertümer,  deutsch  von  Mos  ig  von 
Ähroiifeld,  II  411.  *)  II  438. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Strpifzügc.  123 

Name  ursprünglich  „bloss  einem  Hauptstamme  zukam,  tlt;r  durch 
seine  Volkszahl  und  seine  Tapferkeit  alle  anderen  Stämme 
(Böhmens)  übertraf  und  ihren  Namen  verdunkelte".  Die  Namen 
einer  Anzahl  anderer  Stämme  sind  uns  besonders  durch  die  von 
Heinrich  IV.  am  29.  April  1086  zu  Mainz  ausgestellte  Urkunde 
für  das  Prager  Bistum  bekannt.  Es  sind  dies  die  S  e  d  1  i  c  a  n  e  r 
(Zedlica)  im  heutigen  Ellenbogner  und  Pilsner  Kreis,  die  Lußaner 
(Liiusena ^  sonst  Laiczane)  im  Saatzer  Land,  Dasena  (Tetschen), 
die  Lutomerici  im  Kreis  Leitmeritz,  die  Zupa  PsoW;  deren 
Gebiet  mit  dem  Melniker  Land  gleichgesetzt  wird  ^).  Unter  diesen 
bildeten  die  Lu^aner,  wie  sich  aus  Kosmas  von  Prag  noch  er- 
kennen lässt ,  einst  ein  eigenes  Fürstentum ,  das  in  fünf  Gaue 
zerfiel ,  ebenso  tritt  uns  der  Herr  von  Psow  Slawobor ,  der  Vater 
der  hl.  Ludmila,  als  ziemlich  selbstständiger  dux  (Zupan)  entgegen. 
Allein  all  diese  Namen  haben  lediglich  geographische  und  politische, 
nicht  aber  ethnographische  Bedeutung  und  können  sehr  wohl 
Unterstämme  der  Cechen  bezeichnen. 

Anders  verhält  es  sich  dagegen  mit  den  Dudlebiern,  und 
es  ist  daher  eine  Frage  von  besonderer  Wichtigkeit,  das  Verhältnis 
derselben  zu  den  Cechen  näher  zu  bestimmen.  Es  scheint,  dass 
letztere  von  Anfang  an  den  zahlreichsten  Stamm  in  Böhmen 
bildeten ,  wie  denn  auch  die  böhmischen  Slawen  ihr  Land  selbst, 
so  weit  wir  es  verfolgen  können,  nie  anders  als  Cechy  benannten. 
Dieser  Name  findet  sich  zuerst  in  der  altslowenischen  Legende 
vom  hl.  Wenzel ,  die  auch  ihr  neuester  Kritiker,  W.  V  o  n  d  r  ä  k , 
bald  nach  dem  Tode  Wenzels  (935),  etwa  940 — 950  verfasst  sein 
lässt  ^).  Freilich  stammt  die  älteste  Handschrift  der  Legende  erst 
aus  dem  Ende  des  15.  Jhs. ,  und  in  dem  altslowenischen  Kanon 
auf  den  Wenzelstag,  der  sich  in  einer  aus  dem  Ende  des  11.  Jhs. 
stammenden  Handschrift  altrussischer  Menaeen  erhalten  hat,  heisst 
es  VT,  zemli  voemhsch  (in  terra  bohemica)  für  das  ceshshy  der 
Legende  '^).  Die  russische  Chronik  kennt  keinen  andern  Namen 
für  die  böhmischen  Slawen ;  schon  in  der  Aufzählung  der  slawischen 
Völker  c.  3  werden  Öe*^' neben  Morawa  genannt,  und  zum  Jahre  898 
heisst  es  (c.  19),  dass  die  Ugri  nach  ihrer  Festsetzung  in  Ungarn 
bald  auch  die  Morawa  und  Cesi  bekriegten  *).  Bei  den  spätem 
Byzantinern,  so  bei  Kinnamos  a.  1147,  werden  sie  T^i%oi  genannt  ^). 
Den  Deutschen  blieb  dieser  Name  unbekannt,  sie  reden  nur  von 
Winidi  oder  Boemi,  Beemi. 


^)  Cosmae  Pragensis  Chronica  Boemorum  II  37  bei  Pertz,  M.  G. 
SS.  IX  91  f.     Vgl.  Schafarik  II44.5ff. 

"-)  W.  Vondräk,  Zur  Würdigung  der  altsloweniscben  Wenzels- 
legende und  der  Legende  vom  hl.  Prokop.  SBWA.  Bd.  127 .  1892, 
XIII  S.  24.  27.  .30.     Vgl.  Schafarik  II  439. 

ä)  Eb.  S.  28. 

*)  Chrouique  de  Nestor  trad.  par.  L.  Leger  p.  4.  19. 

5)  Kinnamos  ed.  Bonn.  p.  84,  11.  218,  8.  222,  10.  12.  223,  9.  242,  17. 


J24  J-  Marquart, 

„Die  frühesten  Sitze  der  eigentlich  sogenannten  Czechen, 
sagt  Schafarik,  erstreckten  sich  nach  Kosmas  und  anderer 
Überlieferung  zwischen  der  Elbe  und  Moldau,  wo  der  Berg  Rzip, 
das  Schloss  Krakow  (bei  dem  Dorfe  Krakowec),  das  Dorf  Ste- 
betschna,  die  Schlösser  und  Städte  Libuschin,  Wyschehrad,  Prag, 
Lewihradec,  Tetin,  Djewin,  Krziwoklat,  das  Turskogefilde  u.  s.  w. 
erwähnt  werden.  Noch  in  der  ältesten  Legende  von  der  hl. 
Lidmila  und  in  anderen  gleichzeitigen  Quellen  werden  unter  den 
Bohemi  bloss  die  Bewohner  des  Prager  Fürstentums,  unter  den 
Sclavi  die  Bewohner  der  übrigen  Kreise  Böhmens  verstanden"  ^). 
Inwieweit  diese  Ansetzung  der  ältesten  Wohnsitze  der  eigentlichen 
Cechen  den  Andeutungen  der  spärlichen  historischen  Quellen  ent- 
spricht, wird  erst  noch  zu  untersuchen  sein.  Soviel  steht  fest, 
dass  die  Cechen  noch  im  9.  Jh.  unter  einer  ganzen  Anzahl  von 
Häuptlingen  (duces ,  Zupane)  standen.  Am  13.  Januar  845  er- 
schienen 14  derselben  am  Hofe  Ludwigs  des  Deutschen  zu 
Regensburg  und  Hessen  sich  taufen-),  und  noch  im  J.  872  standen 
an  der  Spitze  des  böhmischen  Heeres,  welches  sich  den  Franken 
unter  dem  Erzbischof  Liudbrecht  von  Mainz  entgegenstellte,  fünf 
Herzöge :  Swentislaw,  Witislaw,  Heriman,  Spytimir  und  Mojslaw  %^ 
wozu  in  der  ersten  Rezension  der  Fuldaer  Annalen  noch  Goriwei 
d.  i.  wohl  Boriwoj  gefügt  wird^).  Selbst  im  Jahre  895,  als  die 
Cechen  die  mährische  Oberhoheit  abschüttelten  und  in  Regensburg 
dem  König  Arnulf  den  Lehnseid  leisteten,  ist  noch  von  einer 
Vielheit  böhmischer  duces  (Zupane)  die  Rede,  obwohl  bereits  zwei, 
Spitignew  und  der  schon  im  J.  872  genannte  Witizla ,  als  die 
bedeutendsten  besonders  hervorgehoben  werden^).  Aber  schon 
Spitignew's  Vater  Boriwoj,  der  um  Prag  ansässig  war,  muss  es 
gelungen  sein,  vermutlich  mit  Hilfe  seines  Schwiegervaters 
Slawobor,  des  Grafen  von  Psow''^,  sich  eine  bedeutendere  Macht 
zu  gränden.  Seinem  Sohne  Spitignew  scheint  es  dann  geglückt 
zu  sein,  die  politische  Einheit  des  Landes  zu  begründen  und  dadurch 
die  übrigen  kleinen  Häuptlinge  und  Fürsten  zum  Adel  des  Landes 
herabzudrücken.     Er    war    zugleich    der   erste  seines  Geschlechtes, 


*)  Schafarik  II  443. 

2)  Ann.  Fuld.  pars  IT  auct.  Ruodolfo  a.  845  ed.  Frid.  Kurze 
p.  35 :  Hludowicus  14  ex  ducibtis  Boemanorum  cum  hominibus  suis 
christianam  religionem  desiderantes  suscepit,  et  in  octavis  theophaniae 
baptizari  iussit.  Vgl.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches  I  273. 
Palacky,  Gesch.  Böhmens  I  110. 

^)  Zuentislan,   Witislan,  Heriman,  Spoitimar,  Moyslan. 

*)  Ann.  Fuld.  pars  III  a.  872  ed.  Kurze  p.  76.  Vgl.  Dümmler 
a.  a.  Ö.  777.     Palacky  I  133. 

»)  Ann.  Fuld.  contin.  Ratisbon.  a.  895  ed.  Kurze  p.  126:  Ibi 
de  Sclavania  omnes  duces  Boemauiorum  —  quorum  primores  orant 
Spitignewo,  Witizla,  ad  regem  venientes  et  honorifice  recepti  etc.  Vgl. 
Dümmler  a.  a.  O.  II  410  f.  und  Anm.  58.. 

ö)  Cosmas  Prag.  I  15.    Büdinger,  Osterreichische  Gesch.  1305 f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  125 

welcher  die  Taufe  annahm  und  die  Verbreitung  des  Christentums 
in  seinem  Lande  beförderte ').  Über  die  Regierung  seines  Bruders 
und  Nachfolgers  Wratislaw  wissen  wir  nichts  Näheres ;  dessen 
Sohn  Wenßeslaw  aber  nennt  der  Zeitgenosse  Mas'üdi  noch  „König 
der  Düläba  (Dudlebi)". 

Dieser  Stamm  wird  weder  bei  den  gleichzeitigen  deutschen, 
noch  bei  den  späteren  böhmischen  Chronisten  je  genannt, 
nur  in  den  Namen  einiger  Dörfer  hat  sich  eine  Erinnerung  an 
ihn  erhalten.  Eine  Stadt  Dudlebi,  das  jetzige  Dorf  Daudleby  im 
Budweiser  Kreise,  wird  von  Kosmas  I  27  im  Jahre  981,  sowie 
später  in  Urkunden  erwähnt;  nach  ihr  war  der  Daudleber  Ki'eis 
benannt,  der  noch  im  J.  1461  vorkommt.  Zwei  andere  Ortschaften 
Daudlebe  finden  sich  im  Saatzer  Kreis  und  eine  weitere  Daudlewice 
im  Pilsener  Kreise  -).  Daraus ,  dass  jener  Stamm  so  bald  völlig 
verschollen  ist,  darf  wohl  geschlossen  werden,  dass  er  nur  wenig 
zahlreich  war.  Aber  dass  von  ihm  die  Einigung  Böhmens  ausgieng, 
werden  wir  Mas'üdi  glauben  müssen.  Dass  wir  es  hier  mit  einem 
besonderen  Stamm ,  nicht  mit  einem  blossen  Gaunamen  zu  thun 
haben,  dafür  spricht  schon  der  Umstand,  dass  der  Name  etymologisch 
noch  unerklärt  ist ,  sowie  die  Thatsache ,  dass  er  sich  auch  in 
Galizien  und  in  Pannonien  findet.  Die  i'ussische  Chronik  berichtet 
uns:  „Diese  Obri  (die  Awaren)  unterwarfen  sich  im  Kampfe  gegen 
die  Slawen  die  Duleber  und  thaten  ihren  Weibern  Gewalt  an. 
Wenn  einer  der  Obri  irgendwohin  zu  fahren  hatte ,  so  Hess  er 
weder  Pferd  noch  Stier  anspannen ,  sondern  Hess  drei  oder  vier 
oder  fünf  Weiber  anschirren  an  sein  Fuhrwerk  und  Hess  sich  von 
ihnen  fahren.  Also  quälten  sie  die  Duleber.  Die  Obri  waren  in 
der  That  hohen  Wuchses  und  stolzen  Sinnes ;  aber  Gott  vernichtete 
sie  bis  auf  den  letzten  Mann.  Und  bis  auf  den  heutigen  Tagr 
hat  sich  das  Sprichwort  in  Russland  erhalten:  Sie  sind  unter- 
gegangen wie  die  Obri,  ohne  Nachkommenschaft  noch  Erbe".  Die 
Wohnsitze  der  Dulebi  waren  am  Bug,  „wo  jetzt  die  Wolynjane 
sind"-^).  Sie  stellten  noch  im  J.  907  Oleg  ein  Kontingent  zu 
seinem  Zug  gegen  Konstantinopel  ■*) ,  später  werden  sie  in  der 
Chronik  nicht  mehr  erwähnt ,  doch  kennt  sie  noch  der  spätere 
D^ligosz  in  Luck  in  Wolhynien^).  Einen  Gau  Dudleipa  finden 
wir  unter  dem  Slawenfürsten  Pribina  (848 — 861)  in  Unterpannonien ; 


^)  Gumpold ,  Vita  St.  Venceslai  c.  2.  Die  Angabe  des  Kosmas 
I  10.  14,  dass  schon  Bofiwoj  sich  habe  taufen  lassen  und  zwar  durch 
Methodios,  den  Bischof  von  Mähren,  leidet  an  verschiedenen  Wider- 
sprüchen und  ist  höchst  wahrscheinlich  unhistorisch.  Vgl.  Vondräk, 
Zur  Würdigung  der  altsloven.  Wenzelslegende  S.  3  ff. 

2)  SchafarikII445. 

*)  Chronique  dite  de  Nestor  trad.  par  L.  Leger  c.  VIIL  IX 
p.  8.  9.     Vgl.  Schaf  arik  II  59ff.  122f.     Büdinger  a.  a.  O.  67. 

')  Eb.  c.  XXI  p.  22. 

•'^)  Dlugosz,  Eist.  Polon.  I  49, 


126  J-  Marquart, 

derselbe  bildete  nach  Kocels  Tode  (874)  eine  besondere,    Kärnten 
benachbarte  Gaugrafschaft,  in  welcher  wahrscheinlich  Pettau  lag  ^). 

[W  e  s  t  b  e  r  g  -)  glaubt ,  dass  die  Nachricht  der  russischen 
Chronik  über  die  Vergewaltigung  der  Dulebi  durch  die  Awaren 
sich  eigentlich  auf  die  böhmischen  Dudlebi  beziehe ,  die  er 
mit  den  Cechen  identifiziert,  da  Fredegar  c.  48  ganz  dasselbe  von 
den  Wenden  erzählt ,  unter  welchen  in  erster  Linie  die  Cechen 
zu  verstehen  wären. 

Man  hätte  also  anzunehmen,  dass  der  Chronist  dies  fälschlich 
auf  die  russischen  Dulebi  übertragen  hätte.  Seine  Begrüiidung 
ist  indessen  nicht  stichhaltig.  Die  Schilderung  der  Misshandlungen, 
welche  nach  Nestor  die  Dulebi,  und  nach  Fredegar  die  Wenden 
zu  erdulden  hatten ,  traf  mehr  oder  weniger  auf  alle  von  den 
Awaren  unterworfenen  Slawenstämme  zu.  um  aber  die  Duleber 
am  Bug  zu  beherrschen,  brauchten  die  Awaren  keineswegs  nördlich 
von  den  Karpaten  zu  wohnen.  Die  Hauptfrage  ist,  wann  und 
von  wo  aus  die  Dulebi  von  diesen  unterworfen  wurden,  und 
hier  hat  schon  Schafarik  richtiger  gesehen.  Er  glaubt ,  dass 
die  Awaren  entweder  durch  die  Eng^msse  von  Boza  und  Rothen- 
thurm  in  Siebenbürgen  oder  durch  die  karpatischen  Pässe  bei 
Dukla  in  Oberungarn  einbrachen ,  und  ihnen  bereits  damals  die 
Duleber  erlagen.  Schafarik  hat  ferner  erkannt,  dass  die 
Worte  der  Chronik  vom  plötzlichen  Untergang  der  Awaren  darauf 
hindeuten,  dass  dieselben  von  einer  Pest  hinweggeraflft  wurden-'). 
In  der  That  wissen  wir  ,  dass,  als  der  Chagan  hn  Jahre  597  mit 
einem  ungeheui-en  Heere  Thessalonich  belagerte,  in  seinem  Heere 
eine  Pest  ausbrach,  die  auch  in  der  Umgebung  von  Thessalonich, 
wie  in  dieser  Stadt  selbst  furchtbar  wütete*),  und  ihn  (600)  zu 
einem  Friedensschlüsse  zwang ,  durch  welchen  die  untere  Donau 
als  Grenze  beider  Reiche  festgesetzt  wurde  ^).  Es  ist  freilich 
nicht  richtig,  wenn  die  Sage  schon  von  diesem  Ereignis  an  den 
Untergang  der  Awaren  datiert.  Erst  mit  der  vergeblichen  Be- 
lagerung Konstantinopels  im  Jahre  626  beginnt  der  Niedergang 
der  awarischen  Macht:  um  635  warf  Kubrat,  der  Kan  der  Unu- 
gundur-Bulgaren  in  Bessarabien,  das  Joch  des  Chagans  ab  und 
trat  in  Bündnis  mit  Kaiser  Herakleios ,  und  um  dieselbe  Zeit 
werden  auch  die  Slawen  in  Dakien  ihre  Freiheit  wieder  erlangt 
haben.  Gleichzeitig  erhoben  sich  auch  die  westlichen  Slawen, 
namentlich  in  Böhmen,  gegen  die  awarische  Gewaltherrschaft  und 


^)  Convers.  Carantan.  c.  13.  Urkunde  Arnulfs  vom  J.  889  bei 
Kleimayrn,  Juvavia.  Anhang  116  Vgl.  Dümmler,  Gesch.  des 
Ostfränk.  Reiches  I  618.  820.     Schafarik  a.  a.  O.  II  499. 

2)  A.  a.  O.  S.  132. 

")  II  59  ff. 

')  Miracula  St.  Demetrii  auet.  loanno  Thessalonic.  archiepisc.  §  31. 
Acta  SS.  Oct.  t.  IV  p.  115. 

5)  Theophyl.  Simoc.  VII  15,  14. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  127 

gründeten  unter  Samo  ein  mächtiges  Reich.  Allein  schon  im 
Jahre  602  sehen  wir,  dass  die  Anten  mit  den  Romäern  im  Bunde 
sind ,  worauf  der  Chagan  den  Heerführer  Apsich  aussendet ,  um 
sie  zu  vernichten.  Ob  ihm  die  Ausführung  seiner  Absicht  gelungen 
ist,  erfahren  wir  nicht;  man  darf  es  indessen  füglich  bezweifeln. 
Denn  zur  selben  Zeit  fielen  mehrere  Scharen  der  Awaren  ab  und 
giengen  zu  den  Romäern  über,  und  aus  Bestürzung  hierüber  Hess 
der  Chagan  kein  Mittel  unversucht,  die  Überläufer  wieder  zurück- 
zurufen ^).  Vielleicht  haben  sich  die  Duleber  bereits  um  diese 
Zeit  vom  awarischen  Joche  freigemacht ;  sollte  dies  aber  auch 
erst  später  der  Fall  gewesen  sein,  so  ist  es  doch  leicht  begreiflich, 
dass  die  Sage  den  Untergang  des  schrecklichen  Volkes  bereits  mit 
jener  Pest,  in  der  man  ein  Gottesgericht  sah,  verknüpfte.] 

Schafarik  hat  bereits  vermutet,  dass  die  Ausbreitung  der 
Dudlebier  nach  Böhmen  und  Pannonien  mit  der  Awarenherrschaft 
zusammenhängen  möge  -).  Dies  ist  auch  mir  sehr  wahrscheinlich, 
und  es  ist  wohl  möglich ,  dass  die  Dudlebier  in  ünterpannonien 
von  den  Awaren  dahin  verpflanzt  worden  sind ,  um  diesen  als 
Grenzwehi-  gegen  das  langobardische  Reich  zu  dienen.  Da  die 
Awaren  selbst  Nomaden  blieben,  so  hatten  sie  ein  Interesse  daran, 
dass  die  von  ihnen  in  Besitz  genommenen  Landschaften  wieder 
von  einer  ackerbautreibenden  Bevölkerung  besiedelt  wui'den ,  die 
ihnen  bei  ihren  Kriegszügen  als  Pussvolk  dienen  musste.  Die 
Awaren  haben  also  die  Niederlassung  slawischer  Stämme  in 
ihrem  Gebiete  nicht  bloss  begünstigt,  sondern  scheinen  vielfach 
sogar  Stämme  aus  nördlicheren  Gegenden  gewaltsam  ins  Donau- 
gebiet verpflanzt  zu  haben.  Vielleicht  sind  so  auch  die  Dudlebier 
im  südlichen  Böhmen  angesiedelt  worden,  um  gegen  das  Franken- 
reich und  die  nördlichen  Slawen  als  Grenzhut  zu  dienen  ").  Doch 
ist    ebensogut    denkbar ,    dass  die  Auswanderung  der  Dulebi  nach 


^)  Theophyl.  Sim.  8,  5,  13:  kxuq  rag  ^Paiiaicov  icpodovs  o  Xaydvog 
fitfia&riKäg  xbv  'Aipl^  (ifra  OTQatOTtidcov  i'gintintiiv,  OTtag  t6  rmv  "Ävxwv 
ötoXiöHLiv  t&vog,  0  6v(ip,u^ov  'PcoiiuiOLg  irvy^uviv  6v.  tovrcov  6i] 
yiyvo^ivcüv ,  anoatarovat,  xtbv  'Aßägcov  Ttli]&r]  rivcc  uvxo\Loltiv  xt  xü 
avxoxQdxoQL  TiaxriTtiiyovxo.  xagäxxtxat  ovv  inl  xa>  ocKOva^axt,  6  Xayävog, 
■Koi  7ii:QLdii]g  ytyovatg  nolvg  fjv  ccvxLßoXäv  -nul  aocpiaxtvav  ns&odovg 
Ttolläg  avTL^ixaaxfiaai.  xi]v  anoaxriaaaav  ävvawiv.  Daraus  Theophanes 
Chronogr.  p.  284,  18  ff. 

-)  n348:  „Nicht  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  die  von  Nestor 
geschilderte  Grausamkeit  der  Awaren  gegen  die  Duljebier  letztere  zur 
Auswanderung  nötigte".     Vgl.  II  62. 

3)  VgL  Büdinger,  Österreich.  Gesch.  71.  Lelewel,  Geogr. 
du  Moyen-Äge  III  37 f.  glaubt,  dass  die  Dulebi  nach  Böhmen  aus- 
gewandert seien,  um  dem  Drucke  der  Awaren  zu  entfliehen.  Allein 
in  diesem  Falle  wären  sie  diesen  ja  erst  recht  in  den  Rachen  gelaufen. 
Sehr  gut  weist  er  dagegen  zur  Bestätigung  der  lechischen  Abkunft 
der  Dulebi  hin  auf  die  zahlreichen  Übereinstimmungen  von  Ortsnamen 
im  Osten  der  Moldau  mit  solchen  Polens,  besonders  des  oberen 
Weichselgebiets. 


]^28  J-  Marquart, 

Böhmen  erst  nach  der  Aufrichtung  des  Reiches  Samo's  und  der 
Schwächung  der  Awarenmacht  erfolgt  ist.  In  diese  Zeit  wird 
man  auch  die  Auswanderung  der  lechischen  Radimiöi  und  Wjati6i 
nach  dem  fernen  Osten  setzen  dürfen,  wie  überhaupt  im  7.  und 
8.  Jakrhundert  eine  lebhafte  Bewegung  unter  den  lechischen 
Völkern  des  Weichselgebiets  stattgefunden  haben  muss.  Weniger 
wahrscheinlich  scheint  es,  dass  die  Einwanderung  der  Dudlebi 
nach  Böhmen  erst  eine  Folge  der  Vernichtung  der  Awarenmacht 
durch  Karl  d.  Gr.  (796)  war.  In  noch  spätere  Zeit,  etwa  in  die 
Mitte  des  9.  Jahrhunderts,  scheint  dagegen  die  Auswanderung 
einer  Gefolgschaft  aus  dem  obern  Weichselgebiete  nach  dem 
Lande  der  Serben  zu  gehören,  wo  sie  das  Fürstentum  Zach- 
lumien  gründeten.  Die  Dudlebier  in  Böhmen  werden  ursprünglich 
einen  Gau,  eine  Zupa  gebildet  haben,  deren  Mittelpunkt  wir 
am  wahrscheinlichsten  um  die  spätere  Stadt  Dudlebi,  also 
im  Süden  des  Landes  zu  suchen  haben.  Im  letzten  Drittel  des 
10.  Jahrhunderts  gehörte  dieselbe  zum  Fürstentum  (ducatus) 
Slawniks,  des  Vaters  des  hl.  Adalbert^).  In  den  Kämpfen  gegen 
die  Baiern  in  der  Ostmark  erstarkte  allmählich  die  Macht  der 
Zupane,  so  dass  vielleicht  schon  Boriwoj ,  jedenfalls  aber  sein 
Sohn  Spitignew  sich  im  Mittelpunkt  des  Landes,  auf  dem  Wysehrad 
bei  Prag  festsetzen  konnte.  Der  Ursprung  des  böhmischen  Staates 
scheint  also  ein  ganz  ähnlicher  gewesen  zu  sein  wie  der  des 
polnischen,  welcher,  wie  man  aus  Ibrahim  b.  Ja'qüb  schliessen  muss, 
aus  einer  Gefolgschaft  hervorgegangen  ist  und  uns  plötzlich  fertig 
entgegentritt.  Wähi-end  der  Einfälle  der  Magyaren  nach  West- 
europa muss  Spitignevsr  seine  Stellung  weiter  befestigt  haben,  zum 
Teil  durch  Anlehnung  an  die  neuen  Herren  der  Steppe,  mit  denen 
vereint  die  Böhmen  im  Jahre  915  durch  Schwaben  nach  Thüringen 
und  Sachsen  einbrachen-).  Um  diese  Zeit  mögen  die  Böhmen 
einen  Teil  des  alten  Mähren  erobert  haben. 

Prao-  muss  wohl  schon  vor  dieser  Zeit  als  Mittelpunkt  des 
Landes  gegolten  haben,  aber  welcher  von  den  fünf  Fürsten,  die 
uns  im  J.  872  genannt  werden,  hier  geboten  hat,  lässt  sich  nicht 
mehr  mit  Sicherheit  ausmachen.  Vielleicht  war  es  der  zuerst 
angeführte  Swentisla;  denn  während  der  unmittelbar  nach  ihm 
stehende  Witisla  im  J.  895  in  derselben  Stellung  wiederum  vor- 
kommt, erscheint  jetzt  an  erster  Stelle  Boliwoj's  Sohn  Spitignew. 


1)  Kosmas  I  27. 

'^)  Adam.  Bremens,  gesta  Hammaburg.  eccles.  pontif.  1 54.  Chronicou 
breve  Bremeuse  (Pertz,  SS.  VII  891).  Vgl.  Erust  Dümmler,  De 
Bohemiae  couditione  Carolis  imperautibus  p.  16.  Gesch.  des  Ostträukischen 
Reichs  II  593.  Unrichtig  lässt  Büdinger,  Osterreich.  Gesch.  S.  303, 
304  die  (Rechen  schon  im  J.  900  sich  mit  den  Ungarn  gegen  Mähren 
verbinden.  In  den  Fuldaer  Anualen  (Ann.  Fuld.  contin.  Altah.  a.  900 
p.  134  ed.  Kurze)  heisst  es  vielmehr:  ßaiowarii  per  Boemanuiam  ipsis 
secuui  asbumptis  reguum  Marahavoruin  .  .  .  inruperunt. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  129 

V 

In  der  Zwischenzeit  rauss  also  Boriwoj  in  den  Besitz  der  Zupa 
Prag  gekommen  sein.  Als  Hauptstadt  Böhmens  wird  Prag  zuerst 
im  Jahre  929  genannt i),  die  Dudlebier  aber,  die'  vermutlich 
lechischer  Abstamniung  waren,  sind  ohne  Zweifel  bald  m  den 
weit  zahlreicheren  Cechen  aufgegangen. 

Eine  der  schwierigsten  Fragen  ist  die  über  die  Ausbreitung 
der  nördlichen  Ohorwaien.  Soviel  ist  klar,  dass  Mas'üdT  unter 
seinen  (j^jU.i>  ein  von  den  Cechen  politisch  unabhängiges  Volk 
versteht.  Dasselbe  ergibt  sich  aus  der  altslowenischen  Wenzellegende, 
wo  es  nach  der  Ermordung  des  Heiligen  heisst:  „Seine  Mutter 
aber ,  den  •  Tod  fürchtend ,  floh  zu  den  Chorwaten ;  denn  •  •  -^  • 
(Lücke)  Boleslaw  aber  schickte  nach  ihr  und  erreichte  sie  nicht"  -). 
Wenn  Dragomir  bei  den  Chorwaten  Zuflucht  vor  den  Verfolgungen 
ihres  Sohn'es  zu  finden  hoffen  durfte,  so  können  dieselben  den 
Herzögen  von  Böhmen  noch  nicht  gehorcht  haben.  Vielleicht 
stammte  Dragomir  selbst  aus  dem  alten  Fürstengeschlecht  der 
Chorwaten,  und  ist  in  der  angedeuteten  Lücke  eine  diesbezügliche 
Angabe  ausgefallen  =^).  So  würde  sich  auch  erklären,  dass  sie  in 
der  genannten  Legende  von  Anfang  an  als  Christin  erscheint.  Aus 
dem  altslawischen  Leben  des  Methodios  scheint  sich  nämlich  zu 
ergeben,  dass  der  mächtige  Fürst  der  Wislane  von  Swentopluk 
gefangen  genommen  und  zur  Annahme  der  Taufe  gezwungen 
worden  war*).  Es  ist  daher  unberechtigt,  wenn  Schafarik 
n  443  ff.  die  Chorwaten  ins  Riesengebirge,  also  noch  nach  Böhmen 
versetzt,  wofür  er  ausser  den  Namen  dreier  Dörfer  Charwatice  im 
Leitmeritzer ,  Rakonitzer  und  Bunzlauer  Kreise  nur  die  Urkunde 
Heinrichs  IV.  vom  Jahre  1086  für  das  Prager  Bistum  anzuführen 
weiss,  in  welcher  im  Norden  Böhmens  zwei  Gaue  Ghrovati  et 
altera  Chrovati  (vor  den  Slasane)  aufgeführt  werden.  Allein  die 
dortige  Grenzbeschreibung    ist,    wie    wir   sehen  werden,    von  ihm 


1)  Widukind  I  35:  Post  haec  Pragam  adiit  cum  omni  exercitu, 
Boemiorum  urbem. 

2)  W.  Wattenbach,  Die  slawische  Liturgie  in  Böhmen  und 
die  altrussische  Legende  vom  hl.  Wenzel.  Abhandl.  der  histor.-philoso- 
phischeu  Ges.  in  Breslau  I  (1858)  S.  238.  Bü  ding  er,  Zur  Kritik 
altböhmischer  Geschichte.  Zeitschr.  f.  die  Österreich.  Gymnasien  1857 
S.  522. 

3)  Nach  Kosmas  I  15  stammte  Dragomir  freilich  de  durissima 
geute  Luticensi,  ex  provincia  nomine  Stodor,  also  aus  dem  heidnischen 
Fürstengeschlecht  der  Stodorane.  Allein  dies  hängt  mit  der  spätem 
Legende  zusammen,  welche  Dragomir  als  eine  herrschsüchtige  und 
grausame  Heidin  schildert  und  ihr  die  Hauptschuld  an  der  Ermordung 
Wenzels  zuschreibt,  in  unversöhnlichem  Widerspruch  mit  der  alt- 
slowenischen Legende,  weshalb  sie  Kosmas  selbst  et  ipsam  saxis  durio- 
rem  ad  credendum  nennt.  Waitz,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs 
unter  König  Heinrich  I.  S.  126  hat  die  Nachricht  daher  mit  Recht 
beanstandet. 

^)  Vita  Methodü  c.  IX  ed.  Fr,  Miklosich.    Viudob.  1870  p.  19. 

Marquart,  Streifzüge.  v 


130  «J-  Marquart, 

nicht  richtig  aufgefasst  worden.  Palack^i)  hat  aber  nicht 
Unrecht,  wenn  er  sagt:  „Dieses  Chorwatien ,  mit  der  uralten 
Hauptstadt  Krakau,  ausgebreitet  an  der  obern  Oder  und  Weichsel, 
auch  Gross-  und  Weiss-Chrowatien  genannt,  ist  freilich  der  dunkelste 
Punkt  der  Geschichte  und  Geographie  jener  Zeiten.  Weder  über 
dessen  Ursprung  noch  auch  über  die  Namen  seiner  Fürsten  sind 
glaubwürdige  Angaben  vorhanden". 

Der  russischen  Chronik  sind  die  Chrwaty  wohl  bekannt.  Sie 
liefern  gleich  den  Dulebi,  Tiwerci  u.  a.  Stämmen  dem  Grossfürsten 
Oleg  im  J.  907  ein  Kontingent  zu  seinem  Zuge  gegen  Kon- 
stantinopel. In  der  Aufzählung  der  Slawenvölker  c.  III  werden 
neben  Serben  und  Chorutane  auch  die  Weiss-Chorwaten  {Chrcaty 
belij)  genannt,  worunter  hier  die  süddanubischen  Chorwaten  zu 
verstehen  sind ,  aber  ohne  Zweifel  nur  auf  Grund  einer  miss- 
verstandenen griechischen  Quelle-).  Im  Jahre  993  unternahm 
der  Grossfürst  Wladimir  einen  Kriegszug  gegen  die  Chor  waten  •^), 
um  dieselbe  Zeit  aber  erwähnen  polnische  und  deutsche  Chronisten 
einen  Krieg  zwischen  Wladimir  und  Boleslaw  I.  von  Polen  (992  fi".) 
ohne  Angabe  des  Grundes.  Offenbar  handelte  es  sich  um  das 
Gebiet  der  Chorwaten ,  und  in  der  That  schreibt  Vincentius 
Kadiubek  dem  Boleslaw  die  Unterwerfung  der  Chorwaten  aus- 
drücklich zu*). 

Auf  der  andern  Seite  nennt  die  dem  König  Alfred  zu- 
geschriebene angelsächsische  Übersetzung  des  Orosius  östlich  von 
den  Daleminciern  die  Horiti  d.  i.  Chorwaten.  Seine  Worte 
lauten:  „Östlich  vom  Mährerlande  ist  das  Weichselland  (Visleland), 
und  östlich  von  da  Datia ,  welches  fräher  Goten  waren.  Nord- 
östlich von  Mähi-en  {he  nordan  eastan  Maroaro,  lies  be  ncn-dan 
V  es  tan)  wohnen  die  Daleminzier  (Dalamensan) ,  und  östlich  von 
den  Daleminziern  die  Horiti,  und  nördlich  von  den  Daleminziern 
die  Sorben  (Surpe) ,  und  westlich  von  da  die  Syssele.  Nördlich 
von  Horiti  ist  Msegdaland,  und  nördlich  von  Msegdaland  ist 
Sarmatien  (Sermende)  bis  zu  den  rhipäischen  Bergen  (beorgas 
Riffln)".  Aus  dieser  Beschreibung  ergibt  sich,  dass  die  Sitze  der 
Chorwaten  etwa  in  Schlesien  und  Kleinpolen  zu  suchen  sind.  Bei 
Msegdaland  denkt  Schafarikn672  N.  14  an  eine  Verwechslung 
mit  den  Mazowiern,  [Westberg  a.  a.  0.  141  dagegen  an  das  am 
Bug  mit  dem  Narew  bis  zum  Njemen  gelegene  Gebiet  der 
litauischen  Jatwingen]. 

Mit  Hilfe  des  Reiseberichts  des  spanischen  Juden  Ibrählm  b. 
Ja'qüb  vom  Jahre  965   können  wir  jetzt  die  politische  Entwicklung 


')  Gesch.  vou  Böhmen  I  228. 

2)  Chronique    dite    de   Nestor    trad.   par    L.   Leger   c.  111    p.  4. 
c.  XXI  p.  22. 

3)  c.  XLV  p.  101. 

*)  Kadlubek  11  ep.  13.     Hunnos  seu  Ungaros,  Croatios  et  Mardos, 
gentem   validam,   suo  mancipavit  hnperio.     Vgl.   Schaf  ari  k  11  104ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  131 

des  Chorwatenlandes  in  ihren  Hauptzügen  einigermassen  verfolgen. 
Die  Zeit  der  Ruhe  nach  dem  Frieden  zu  Forchheim  (874)  hatte 
Swentopluk  sicher  dazu  benutzt,  um  seine  Macht  nach  allen  Seiten 
auszudehnen.  Unter  andern  kämpfte  er  gegen  den  mächtigen 
Fürsten  der  heidnischen  Slawen  an  der  Weichsel ,  führte  ihn  als 
Gefangenen  in  sein  Reich  weg  und  zwang  ihn  zur  Annahme 
der  Taufei).  Vermutlich  führte  derselbe  in  seinem  Lande  gleich- 
falls die  slawische  Liturgie  ein.  Nach  dem  Tode  Swentopluk's  (894) 
rächten  sich  die  Weichselslawen,  die  Kosmas  nach  dem  Sprach- 
gebrauche seiner  Zeit  Polen  (Polonienses)  nennt,  durch  Verheerungs- 
züge nach  Mähren-),  aber  bald  darauf  gelang  es  dem  russischen 
Grossfürsten  Oleg,  die  Chorwaten  an  der  Weichsel  oder  wenigstens 
einen  Teil  derselben  zu  unterwerfen  und  zur  Heeresfolge  zu 
zwingen.  Im  Jahre  929  musste  der  Böhmenherzog  Wenßeslaw 
dem  deutschen  Könige  Heinrich  I.  huldigen,  doch  kaum  war  dieser 
gestorben,  als  Wenöeslaws  Mörder  und  Nachfolger  Boleslaw  L 
(28.  Sept.  935)  die  deutsche  Oberhoheit  abschüttelte  und  die 
gegen  ihn  anrückenden  deutschen  Heere  vernichtete  (936).  Die 
vierzehn  Jahre,  während  deren  er  dann  siegreich  seine  ünab- 
hängkeit  behauptete,  muss  er  dazu  benutzt  haben,  seine  Herrschaft 
weit  über  die  Grenzen  Böhmens  hinaus  auszudehnen  und  vor 
allem  das  wichtige  K  r  a  k  a  u  mit  seinem  Gebiete ,  also  das  Land 
der  Chorwaten  zu  erwerben,  in  dessen  Besitz  wir  ihn  im  Jahre  965 
finden.  Wenn  unsere  Vermutung,  dass  seine  Mutter  Dragomir  aus  dem 
chorwatischen  Fürstenhause  stammte,  zutrifft,  hatte  er  wohl  Erb- 
ansprüche auf  dieses  Land.  Ibrähim  b.  Ja'qüb  nennt  ihn  König  von 
Praga,  Boema  und  Krakau  •')  und  gibt  an,  dass  die  Länge  seines  Landes, 
von  der  Stadt  Prag  bis  zur  Stadt  Krakau,  drei  Wochen  betrage,  und 
dasselbe  der  Länge  nach  dem  Lande  der  Türken  d.  i.  der  Magyaren 
benachbart  sei*).  Schon  Palacky,  Gesch.  von  Böhmen  I  (1844) 
S.  221.  226  ff.  hat  aus  einer  Urkunde,  auf  die  noch  zurück- 
zukommen sein  wird,  den  Schluss  gezogen,  dass  bereits  der  erste 
Boleslaw  Eroberungen  in  Chrowatien  gemacht  habe. 

[Diesen  Umfang   des  böhmischen  Reiches  setzt  nun  auch  der 

1)  Vita  Methodii  c.  11  ed.  Miklosich:  princeps  paganus,  valde 
potens,  in  terra  Vistulanorum  sedens,  christianos  irridebat  et  vexabat. 
misit  vero  (Methodius)  ad  eum,  dicens:  salutare  tibi  est  baptizari,  tili, 
ultro  in  tua  terra,  ne  captivus  per  vim  ad  baptisma  adigaris  iu  terra 
aliena  et  mei  recorderis.  quod  etiam  factum  est.  Vgl.  Dumm  1er, 
Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches  II  3.39. 

2)  Cosmas  Prag.  I  14  bei  Pertz,  SS.  IX  44. 

^)  Kunik   und    Rosen,    Izvestija    al-Bekri  S.  32,  13:  ^^a3_.^^ 

'tpl\  y^\/*i  ^■*-:iy^^  »-c-Li  tj^i/o.    [So,  ji'lji' ist  natürlich  mit  de  Goej e 
und  Rosen    zu    lesen,    trotz   Westberg's  verzweifelten    Versuchen, 
das  \j^jL  der  Hs.  zu  verteidigen.     S.  12.  96  f.  100—102.] 
*)  Eb.  S.  34,  12  ff 


132  J-  Marquart, 

Zeitgenosse  Konstantinos  Porphyrogennetos  voraus.  Wie  nämlicli 
Westberg  S.  97ff.  nachgewiesen  hat,  ist  unter  seinem  Weiss- 
Chrowatien  nichts  anderes  zu  verstehen  als  das  Reich  Boleslaws  I. 
Entscheidend  hiefür  sind  die  Angaben  de  admin.  imp.  c.  30 
p.  144,  7ff. :  Ol  6h  loLTtol  XQvoßmoi  e^eivav  TtQog  (pQayyiav ,  %al 
Xiyovxat  a^ricog  BekoxQaßttroL  i'jyovv  aanqoi  X^coßdroi.,  l'iovtEg  xov 
i'öiov  aQiovxa'  vitÖKEivrai  Sl  "Sita  reo  ^tyuXa  Q^iyl  fpQayylag  zTjg 
%ccl  Sa'E,iag,  ymI  ußdnttGTOt  tvyjiävovöi,,  Gvintevd-EQlag  fiExd  xovg 
TovQKOvg  %al  ayünag  E'jipvxtg.  Unter  diesem  Otto  d.  Gr.  lehns- 
pflichtigen  Fürsten  kann  nur  Boleshi-w  I.  verstanden  werden ,  der 
im  Jahi'e  950  endlich  vom  König  unterworfen  wurde  ^).  Da 
Konstantin  sein  Werk  de  administrando  imperio  in  den  Jahren 
949- — 952  verfasst  hat,  so  konnte  er  sehr  wohl  bereits  von  diesem 
Ereignis  der  jüngsten  Vergangenheit  Kunde  erhalten  haben.  Die 
Behauptung,  dass  die  Chrowaten  noch  ungetauft  seien,  ist  wohl  auf 
die  eigentlichen  Chrowaten  zu  beschränken,  obwohl  auch  bei  diesen 
Ansätze  des  Christentums  vorhanden  gewesen  sein  müssen  -) ;  doch 
ist  der  Kaiser  zu  dieser  Vorstellung  wohl  auch  durch  eine  dunkle 
Kunde  über  die  Ermordung  des  frommen  WenSeslaw  durch  seinen 
Bruder,  den  regierenden  Fürsten,  geführt  worden,  wie  denn  diese 
That  allgemein  als  ein  Akt  heidnischer  Reaktion  aufgefasst  wurde 
und  auch  Kosmas  sich  mit  Abscheu  von  den  Thaten  des  saevus 
Bolezlavus  abwendet.  Es  ist  zu  beachten ,  dass  der  byzantinische 
Hof ,  welcher  mit  allen  möglichen  Kleinfürsten ,  z.  B.  in  den 
Kaukasusländern,  mit  den  Häuptlingen  der  Magyaren  und  Pe^enegen, 
aber  auch  mit  dem  Herzog  von  Baiern  in  diplomatischer  Korre- 
spondenz stand  ^) ,  gerade  mit  Böhmen  um  diese  Zeit  keine 
Beziehungen  unterhielt.  Sehr  wichtig  ist  Konstantins  Bemerkung, 
dass  die  Chrowaten  (d.  h.  deren  Fürst)  sich  mit  den  Magyaren 
verschwägern  und  mit  ihnen  Freundschaft  halten.  Darnach  dürfen 
wir  wohl  annehmen ,  dass  eine  böhmische  Fürstentochter  einem 
hervorragenden  magyarischen  Häuptling,  wohl  einem  der  Söhne 
oder  Enkel  Arpads  gegeben  worden  war.  Vielleicht  dürfen  wir 
hier  die  Notiz  der  altslowenischen  Wenzellegende  anziehen:  „Da 
begann  Wenzeslaw  sein  Volk  zu  regieren.  Er  hatte  aber  vier 
Schwestern ,  und  sie  gaben  sie  weg  in  verschiedene  Fürstentümer 
und  statteten  sie  aus"  *).  Dann  wäre  es  schon  Wenzel  gewesen, 
der  eine  Schwester  an  einen  ungarischen  Fürsten  verheiratet  und 
sich  dadurch  den  Rücken  zu  decken  verstanden  hätte.  Jedenfalls 
sind    die    politischen    Erfolge    Boleslaws    nur    dadurch    recht    ver- 


1)  Köpke-Dümmler,  Otto  d.  Gr.  S.  181. 

'^)  Noch  der  hl.  Adalbert  soll  gegen.  Ende  des  10.  Jahrhuuderts 
iu  Krakau  den  slawischen  Ritus  vorgefunden  habeu.  S.  Schaf arik 
II  375.     Palacky,  Geschichte  Böhmens  I  236. 

^)  Konstantin.  Porphyrogenn.  de  caerim.  aulae  Byz.  II 48  p.  689: 
hiq  XOV  Qfjya   Bcdov()t]. 

*)  Watteubach,  Die  slawische  Liturgie  in  Böhmen  a.  a.  O.  S.  235. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  133 

ständlich,  dass  er  durch  seine  Freundschaft  mit  den  Ungarn  nach 
anderer  Richtung  freie  Hand  erhielt.  Seine  Tochter  Dubrawa 
vermählte  er  mit  dem  Polenherzog  Misaco^). 

Die  Lage  von  Chrowatien  ergibt  sich  einigermassen  aus  der 
Umschreibung  der  Grenzen  der  Magyaren  de  admin.  imp.  c.  13 
p.  81:  "Ort  Toig  TovQuotg  ra  roiavra  s&vrj  naqccmivxca,  itQog  fiev 
ro  SvxLV,(ox£QOV  (leQog  avr&v  i)  (DQayylcc ,  Tt^og  ös  t6  ßoQSiöreQOV 
OL  IIca^ivaKiTca,  -/.cd  TiQog  xo  (i.sar}^ßQt.vov  (iSQog  /;  iisydlrj  MoQaßvcz 
r]XOL  7j  iM^a  xov  SfpevöonXomv  .  .  .  ol  öi  XQCoßuxoi  TtQog  xa  OQiq 
xotg  TovoKotg  itaQccKeivxca.  Diese  Bestimmung  wird  nach  einer 
Seite  ergänzt  durch  die  Angaben  c.  40  p.  174,  8  ff:  iihjaid^ovat 
öe  tofg  TovQKOtg  TtQog  ^ev  xb  ävaxoXiKov  fisQog  ol  BovkyaQOL,  iv  cp 
■Acd  dLaxcoQLlsL  avxovg  6  "laxQog  6  nal  JavovßLog  leya^isvog  noxa^og, 
TCQog  ÖS  xb  ßoQELOv  OL  IIca^LVCiXLxai ,  TfQbg  ös  xb  övxlkmxsqov  ol 
0QccyyoL,  TtQbg  ös  xb  (isöyjfißQLvbv  ol  Xqmßaxoi.  An  letzterer 
Stelle  spricht  er  nur  von  den  südlichen  Chrowaten,  deren  Wohn- 
sitze im  allgemeinen  richtig  angegeben  werden;  nur  sollte  es 
statt  „gegen  Süden"  genauer  heissen  „gegen  Südwesten".  Über 
die  Lage  von  Gross-Mähren  ist  schon  oben  das  Nötige  gesagt 
worden.  Dagegen  sehen  wir  mit  Befremden,  dass  sich  Konstantin 
die  Pe^enegen  und  Bulgaren  nördlich  und  Östlich  anstatt  östlich 
und  südöstlich  von  den  Magyaren  denkt.  Beseitigt  man  diesen 
Fehler,  so  folgt  mit  Notwendigkeit,  dass  die  Weiss -Chrowaten  in 
der  Eichtung  des  Karpatengürtels  nördlich  (und  nordwestlich)  von 
Ungarn  zu  suchen  sind.  Die  Grenze  gegen  Westen  ergibt  sich 
aus  nachfolgenden  Angaben,  c.  30  p.  143,20:  oi  ös  XQaßdroL 
KcacoKOVv  xrjvLzavxci  i'iiSL&EV  BayLßaQsiag,  IWa  siölv  agxiag  ol 
BsloxQcoßdxoL.  144,  7:  ol  ös  Ioltzol  XqaßdxoL  siiSLvav  Ttqbg 
Oqayyiav,  v,aL  Isyovxca  dqxiiog  BsXoiQioßdxoL  ijyovu  daitqoL  XqaßäxoL 
%xX.  c.  31  p.  147 ,  21 :  oxl  ol  XQcoßuxoi  ol  stg  xd  Jsl^axiag  vvv 
KaxoLKOvvxsg  ^sqt]  ditb  xäv  dßaTtXLötcov  XQCoßdxoyv  xcd  xüv  (1.  xäv 
XKt)  dßnQCOv  iitovo^a'^o^isvcüv  KcadyovxaL,  ol'xLveg  TovQKUcg  ^sv 
SKSL^sv  Oqayylag  ös  nkrjöLOV  KaxoLxovöL,  y,al  övvoqovöl  Zy,ldßoLg 
xoig  dßanxLöxoLg  ZsQßkoig.  Nach  diesen  Stellen  würde  man  das 
Land  der  Belochrowaten  jenseits  d.  h.  westlich  von  Ungarn,  in 
der  Nähe  des  ostfränkischen  Reiches  und  zwar  jenseits  d.  h.  östlich 
von  Baiern  suchen,  so  dass  es  sich  speziell  mit  Böhmen  decken 
müsste.  Auf  dieselbe  Vorstellung  führt,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  die  Beschreibung  der  Sitze  der  weissen  Serben  c.  32 
p.  152,  10  ff.  Dagegen  ergibt  sich  aus  c.  31  p.  151,  21  ff.  eine 
viel  weitere  Ausdehnung  von  Chrowatien  gegen  Osten:  'Oxl  ri 
^sydXvj  XQtoßaxia  yml  \  (1.  i]  oiaX)  äöngr}  £7rovojtia^ofi£V?j  dßdTtxLötog 
xvyidvst    fis%QL    xrjg    6i]fiSQ0v ,    Ka&d^g    Kcd    ol    TtXiiaidtiovxsg    avxriv 


1)  Widukind  III  69  nennt  den  Misaco  gener  Boleslaws  I,  und  nach 
Thietmar  IV  55  (35)  war  Dubrawa  die  Schwester  des  Fürsten  Csenioris) 
Boleslaw,  d.  i.  Boleslaws  IL     [Vgl.  Westberg  a.  a.  0.  S.  102  f.] 


134  J-  Marquart, 

SsQßXot.  ckiyureQOV  naßalXuQtKbv  e^ßdllovöiv,  ofioicog  Kcd  7t£^t.Kbv 
naqa  xr]v  ßcmTiöfievtiv  Xgcüßarücv  üg  avve'ieöreQOv  TtQcctöevofievoi 
■jiuQDi  re  täv  ^gayycov  ymI  TovQY.av  nai  nur^ivanirav.  .  .  .  aitb 
yciQ  räv  ekelCe  (lixQi  tj}^  d'aXdßörjg  66ög  botlv  ijiieqüv  X'.  i]  Se 
■d-ülaOGa  Eig  rjv  öia  rav  ij^EQäv  X'  KaxEQyovxaL,  iazlv  7j  XEyo^iv}] 
EnoTEivri. 

Aus  dieser  Stelle  ersieht  man,  dass  Chrowatien  im  Südosten 
den  Einfällen  der  PeSenegen  (im  Gebiet  des  Dnjestr  imd  Pruth),  im 
Westen  den  Angriffen  der  Franken  ausgesetzt  war,  und  daraus  folgt, 
dass  Chrowatien  nicht  bloss  Böhmen  (und  Mähren) ,  sondern  auch 
Kleinpolen  und  das  dazwischenliegende  Schlesien  umfasst  haben  muss. 
Als  das  Hauptgebiet  ist  aber  unzweifelhaft  Böhmen  gedacht.  Dieser 
Thatbestand  erklärt  sich  befriedigend  nur  so,  dass  der  Name 
Chrowatien  bei  Konstantinos  Porphyrogennetos ,  obwohl  er  ihn 
seinen  ethnographischen  Theorien  über  die  Herkunft  der  süd- 
danubischen  Serben  und  Chrowaten  dienstbar  macht,  ein  rein 
politischer  terminus  ist,  mit  andern  Worten,  dass  es  seit 
der  Eroberung  von  Weiss-Chrowatien  an  der  Weichsel 
eine  Zeit  lang  der  offizielle  Name  des  böhmischen 
Reiches  gewesen  ist.  Daraus  ergibt  sich  aber  schon  die  grosse 
Wichtigkeit,  welche  Boleslaw  der  neuen  Erwerbung  zugeschrieben 
haben  muss.  Ein  jedermann  geläufiges  Analogen  bietet  die  Be- 
zeichnung des  grössten  deutschen  Bundesstaates.  Vor  dem  Namen 
der  neuen  Provinz,  in  welcher  der  Kurfürst  von  Brandenburg 
zuerst  den  Königstitel  erwarb,  musste  der  des  alten  Stammlandes 
in  den  Hintergnxnd  treten. 

Einen  weitern  Beleg  für  diese  Bezeichnung  des  böhmischen 
Reiches  hat  Westberg  S.  134  ff.  in  dem  Briefe  des  Rabbi 
Chisdai  an  den  Chazarenfürsten  entdeckt.  Dass  man  es  bei  dem 
Titel  □"'binsri  ']b73  mit  einer ,  allerdings  falschen.  Übersetzung  von 
Chvhvaty  zu  thun  habe ,  war  schon  früher  erkannt  worden '). 
Es  ist  aber  das  Verdienst  Westberg's,  nachgewiesen  zu  haben, 
dass  unter  diesem  Chorwatenkönig  der  Herzog  Boleslaw  I.  von 
Böhmen  zu  verstehen  ist.  Ausschlaggebend  ist  hiefür  die  Stelle 
bei  H  a  r  k  a  V  3^ ,  Zkazanija  evi-ejskich'B  pisatele j  o  Chazaracht  i 
Chazarskomi,  carstve.  St.  Petersburg  1874  S.  106:  „Als  ich  noch 
bei  mir  übei'legte ,  siehe  da  kamen  Gesandte  des  Königs  der 
Gebalim  ,  und  mit  ihnen  zwei  Israeliten ,  namens  Mär  Sa'ül  und 
Mär  Joseph.  Als  diese  meine  Verlegenheit  hörten ,  trösteten  sie 
mich  und  sagten  zu  mir :  gib  uns  deine  Briefe  und  wir  werden 
sie  dem  König  der  Gebalim  überreichen ,  und  wegen  deines 
Ruhmes  wird  er  dein  Schreiben  den  Israeliten  zuschicken,  die  im 
Lande  der  Ungarn  (j-^-;:;:::)  wohnen,  und  ebenso  werden  sie  ihn 
zu  den  Rös  und  von  da  zu  den  Bulgär  schicken,  bis  dein  Schreiben 
deinem  Wunsche  gemäss  an  seinen  Bestimmuncrsort  gelangen  wird". 


^)  Vgl.  z.  B.  Paulus  Cassel,  Der  chazarischc  Königsbrief  S. 63. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  135 

Dass  der  Böhmeuherzog  eine  Gesandtschaft  an  den  Hof  des 
Chalifen  ^Abd  arRahmän  III.  von  Cordova  schickte ,  ist  keines- 
wegs unglaublich ,  besonders  bemerkenswert  ist  aber  das  gute 
Verhältnis  des  Chorwatenfürsten  zu  den  Ungarn ,  welches  in  dem 
Briefe ,  in  Übereinstimmung  mit  der  oben  erwähnten  Angabe 
Konstantins,  vorausgesetzt  wird. 

Nachdem  sich  so  aus  Ibrahim  b.  Ja'qüb  und  Koustantinos 
Porphyrogennetos  der  Umfang  des  böhmischen  Reiches  um  950 
ergeben  hat ,  ]  wird  die  Urkunde ,  durch  welche  Heini'ich  IV.  am 
29.  April  1086  zu  Mainz  die  Stiftungsurkunde  des  Prager  Bistums 
erneuert  hat,  erst  recht  verständlich.  Diese  Stiftungsurkunde 
war  nach  Kosmas  von  Prag  für  den  Bischof  Adalbert  ausgestellt 
und  der  ^angeführten  Urkunde  Heinrichs  zufolge  vom  Papst 
Benedikt  und  Kaiser  Otto  I.  bestätigt  worden.  Sie  bestimmte, 
dass  dem  Bischof  von  Prag  sowohl  Böhmen  wie  Mähren  unterstellt 
sein  sollte^).  Allein  gegen  ihre  Echtheit  sprechen  eine  ganze 
Reihe  von  Gründen^).  Die  Gründung  des  Bistums  Prag  fand 
erst  unter  Otto  II.  und  Papst  Benedikt  VII.  (974—983)  im 
Jahr  975  oder  976  statt.  Allein  neben  dem  Bischof  von  Pi-ag 
finden  wir  in  einer  Urkunde  des  Erzbischofs  Willigis  von  Mainz 
vom  28.  April  976  noch  einen  besondern  Bischof  von  Mähren  als 
Suffragan  von  Mainz  ^).  Bezüglich  des  Zeitpunktes  der  Erhebung 
Adalberts  zum  Bischof  widerspricht  sich  Kosmas  selbst,  da  er  I  24 
die  Weihe  des  ersten  Bischofs  Thietmar  schon  ins  Jahr  967  und 
dessen  Tod  auf  den  2.  Jan.  969  setzt  und  angibt,  dass  ihm 
Adalbert  noch  im  nämlichen  Jahre  gefolgt  sei ,  dann  aber  c.  26 
nach  der  Vita  S.  Adalberti  c.  8  anführt ,  dass  Adalbert  auf  dem 
Reichstage  zu  Verona  von  Kaiser  Otto  II.  bestätigt  und  vom  Bischof 
Willigis  geweiht  worden  sei  (983)*).  Nach  Lelewel  wurde 
die  Fälschung  veranlasst  durch  die  Translation  der  Gebeine  des 
hl.  Adalbert  von  Gnesen  nach  Prag  im  Jahre  1038 ,  und  muss 
bald  nach  diesem  Ereignis  entstanden  sein  ^). 

Wenn  aber  auch  die  Heinrich  IV.  im  Jahre  1086  vorgezeigte 
Stiftungsurkunde    zweifellos    eine    Fälschung   ist,    die    den    Zweck 


^)  Cosmae  Prag.  Chronica  Boemorum  II  37  bei  Pertz,  SS.  IX 
p.  91  ff. 

2)  Vgl.  Dümmler,  Piligrim  von  Passau  1854  S.  174.  Lelewel, 
Narody  na  ziemiach  Slav.  S.  711 ,  citiert  bei  Dudik,  Mährens  Ge- 
schichte I  314  f. 

3)  Vgl.  Köpke-Dümmler,  Otto  d.  Gr.  S.  503  Anm.  2.  Wilh. 
Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen  Kaiserzeit  I^  847. 

*)  Wollte  man  die  Echtheit  der  Urkunde  dennoch  verteidigen, 
so  müsste  man  annehmen,  dass  sie  vom  Herzog  Boleslaw  II.  für  Adalbert 
ausgestellt  und  von  Otto  II.  zu  Verona  im  J.  983  und  zur  selben  Zeit 
auch  von  Benedikt  VII.  bestätigt  worden  wäre.  Aber  wie  wollte  man 
erklären,  dass  man  Heinrich  IV.  gegenüber  die  Urkunde  für  eine  solche 
Ottos  I.  ausgeben  konnte  ? 

^)  Lelewel,  Geographie  du  Moyen-Age  III  149. 


;[36  J-  Marquart 

hatte,  die  Ansprüche  der  Bischöfe  von  Prag  auf  Mähren  und 
Krakau  zur  Geltung  zu  bringen ,  welche  durch  die  frühere 
Missionsthätigkeit  der  böhmischen  Geistlichkeit  in  jenen  Gebieten 
beoründet  waren,  und  demnach  für  die  alten  Grenzen  des  Prager 
Bistums  wertlos  ist,  so  verdient  sie  doch  Beachtung  als  eine 
nicht  zu  unterschätzende  Quelle  für  die  Kenntnis  der  politischen 
Grenzen  des  böhmischen  Reiches  in  der  zweiten  Hälfte  des 
10.  Jhs.  Diese  sind  es  in  der  That,  welche  von  der  Urkunde 
vorausgesetzt  wei'den.  Allerdings  ist  die  Komposition  dieser 
Grenzbeschreibung  keineswegs  frei  von  Anstössen.  Da  das  ganze 
Reich  Boleslaws  I.  später  vom  Polenherzog  Boleslaw  dem  Kühnen 
erobert  und  die  ausserhalb  Böhmens  gelegenen  Teile  desselben 
von  diesem  dauernd  behauptet  wurden,  so  ist  von  vornherein  die 
Möglichkeit  ins  Auge  zu  fassen,  dass  der  Fälscher  seine  Kunde 
einer  Aufzählung  der  von  jenem  Fürsten  den  Böhmen  entrissenen 
Provinzen  verdankte.  Diese  Vermutung  wird  durch  den  Text 
der  Grenzbeschreibung  in  der  Tat  bestätigt.  Zuerst  werden  die 
Grenzgaue  im  Westen  und  Nordwesten  des  eigentlichen  Böhmen 
angegeben.  Dann  heisst  es:  Deinde  ab  aquilonali  hü  sunt  termini : 
Psovane,  Ghrowati  et  altera  Chrowati,  Slasane  (Schlesien  am 
Zobtenberg),  Trebowane^),  Bobrane  (am  Bober),  Dedosane  (zwischen 
Oder  und  Bober)-)  usque  ad  mediam  silvam ,  qua  Milcianorum 
occurrunt  termini.  Inde  ad  orientem  hos  fluvios  habet  terminos: 
Bug  scilicet  et  Ztir"')  cum  Cracova  civitate  provinciaque  cui  Vag 
■nomen  est,  cum  Omnibus  regionibus  ad  praedictam  urbem  perti- 
nentibus ,  quae  Cracova  est.  Inde  Ungarorum  limitibus  additis 
usque  ad  montes,  quibus  nomen  est  Tritri  (Tatra),  dilatata  procedit. 
Deinde  in  ea  parte ,  quae  meridiem  respicit ,  addita  regione 
Moravia  usque  ad  fluvium  cui  nomen  est  Wag,  et  ad  mediam 
silvam  cui  nomen  est  Moure  *),  et  eiusdem  montis,  eadem  parrochia 
tendit,  qua  Bavaria  liminatur. 

Wahrscheinlich  wollte  der  Verfasser  der  Urkunde  mit  den 
Stämmen  bezw.  Landschaften ,  welche  er  an  der  Nordgrenze  auf- 
zählt, die  auswärtigen  Besitzungen  Böhmens  an  der  Oder  be- 
zeichnen ,  welche  ihm  nach  dem  Einfalle  Bretislaws  in  Polen  im 
J.  1038  und  dessen  Kriegen  mit  dem  deutschen  König  Heinrich  III. 
(1039 — 1041)  geblieben  waren  ^).  Allein  man  macht  alsbald  die 
überraschende     Beobachtung,     dass     die    Aufzählung,     soweit    die 


^)  Schafarik  II  598  sucht  ihre  Sitze  iu  der  Niederlausitz,  in 
der  Gegend  der  Stadt  Tretaula,  Triebel. 

■')  Schafarik  IT  406. 

ä)  Nicht  der  Styr,  welcher  iu  den  Frypct  mündet,  sondern  der 
Stryj,  ein  Nebenfluss  des  Dnjestr. 

*)  Damit  kann  unmöglich  das  Matragebirge  gemeint  sein.  Es 
handelt  sich  ja  um  die  Südwestgrenze  des  böhmischen  Gebiets  gegen 
Bayern,  während  die  Südosigrenzc  durch  die  Wag  gebildet  wird. 

5)  Vgl.  Lelewel  1.  1.  p.  150. 


Osteuropäischo  und  ostasiatische  Streifzüge.  137 

Namen  klar  sind,  der  Oder  entlang  vonSü  dost  nach  Nordwest 
fortschreitet.  Ebenso  beginnt  die  Beschreibung  der  Ostgrenze 
ganz  im  äussersten  Osten,  ohne  sich  im  geringsten  an  das  zuletzt 
aufgeführte  Gebiet  der  Nordgrenze  anzuschliessen.  Daraus  ergibt 
sich  mit  Bestimmtheit,  dass  in  der  ursprünglichen  Quelle  die 
Grenzbeschreibung  mit  dem  Osten  begann  und  sich  dann  nach 
Nordwesten  fortsetzte.  Dann  müssen  aber  auch  die  Landschaften 
Psovane  und  die  beiden  Chrowati  mindestens  an  der  obern  Oder 
und  Weichsel  bis  in  die  Nähe  von  Krakau ,  und  zum  Teil  noch 
östlicher,  gesucht  werden;  die  Psovane  haben  also  mit  der  von 
Kosmas  I  18  erwähnten  Burg  Psov  in  Böhmen  nichts  zu  thun. 
Andrerseits  ist  die  Provinz  Wag^),  die  sich  südlich  bis  Gran  und 
Agria  (Egör)  erstreckte ,  neben  Krakau  unter  die  Gebiete  der 
Ostgrenze  anstatt  unter  die  der  Südgrenze  gestellt ,  weil  sie  von 
Boleslaw  dem  Kühnen  zwischen  999  u.nd  1000  den  Cechen  end- 
giltig  entrissen  wurde  und  zuerst  eine  Provinz  Polens  bildete, 
dann  nach  Boleslaws  Tode  (1025)  von  König  Stephan  dem  Heiligen 
von  Ungarn  besetzt  wurde. 

Es    ist    nun    nicht    mehr    allzuschwer   zu    erkennen ,    dass  die 


^)  Lelewel  1.  1.  p.  151  setzt  dieses  Gebiet  mit  der  Rnzsia 
provincia  gleich,  nach  welcher  Miseco,  der  Nachfolger  Boleslaws  des 
Kühnen,  seinen  Bruder  Otto  vertrieb  (Wiponis  vita  Chuonradi  impera- 
toris  c.  9,  29  ed.  Pertz;  Script,  rer.  German.  p.  46.  60).  Schon 
Röpell,  Gesch.  Polens  I  165  Anm.  3  suchte  jene  Provinz  Euzzia 
in  Ungarn  und  Hess  den  Otto ,  welchen  er  mit  dem  von  einer  un- 
garischen Prinzessin  gebornen  Besprim  (Thietmar  IV  58)  gleichsetzte, 
obwohl  Thietmar  beide  genau  auseinanderhält,  bei  König  Stephan  dem 
Heiligen  Zuflucht  suchen.  Des  letztern  Sohn  Emerich  führt  in  den 
Hildesheimer  Annalen  a.  1031  (bei  Pertz ,  SS.  IH  98)  den  Titel  dtix 
Ruizorum.  Vgl.  bereits  Palacky  I  269  N.  77.  An  Röpell  schliesst 
sich  auch  Schiemann,  Russland,  Polen  und  Livland  bis  ins  17.  Jahr- 
hundert Bd.  I  405  N.  2  an.  Harry  Bresslau,  Jahrbücher  des 
Deutschen  Reiches  unter  Konrad  II.  Bd.  I  101  N.  1  führt  zu  gunsten 
jener  Ansicht  insbesondere  auch  Adam  von  Bremen  II  51  an,  wo  die 
Söhne  Eadmunds  von  England  ,in  Ruzziam  exilio  dampnati"  sind, 
während  wir  sie  in  Ungarn  antreffen,  und  verweist  auf  Lap  p  enberg. 
Engl.  Gesch.  I  463.  Freeman,  History  of  the  Norman  Conquest  I  455. 
Nach  Lelewel  hätte  jene  Provinz  ihren  Namen  von  Überresten  der 
Regier,  welche  sich  hier  noch  erhalten  hätten  (baierische  Zollverordnung 
um  904  in  Leges  Portorii  ed.  Merkel,  Leg.  t.  III  480).  Giesebrecht, 
Deutsche  Kaiserzeit  11^  259,  versteht  unter  Ruzzia  dagegen  Russland 
und  lässt  Otto  zum  Grossfürsten  Jaroslaw  von  Kiew  fliehen,  der  nach 
der  russischen  Chronik  im  J.  1031  mit  seinem  Bruder  Mstislaw  gegen 
die  Lechen  zog  und  ihnen  die  cerwenischen  Städte  wieder  entriss. 
Jaroslaw  siedelte  die  Gefangenen  am  Rosflusse  an  und  begann  dort 
Städte  zu  erbauen  (Chronique  dite  de  Nestor  c.  LIII  p.  127  trad.  par 
Leger).  Die  Chronologie  der  Chronik  ist  hier  unzuverlässig,  da  sie 
auch  den  Tod  Boleslaws  erst  ins  Jahr  1030  setzt,  und  wahrscheinlich 
hat  auch  jener  Zug  Jaroslaws  gegen  die  Lechen  mehrere  Jahre  früher 
stattgefunden.  Gegen  die  Deutung  von  Ruzzia  als  Russland  spricht 
aber  hauptsächlich  die  Bezeichnung  provincia,  welche  Wipo  an  der 
ersten  Stelle  gebraucht. 


138  J-  Marquart, 

jetzt  bei  der  Nordgrenze  aufgeführten  Landschaften  in  der  Quelle 
unter  die  zu  Krakau  gehörigen  Gebiete  gestellt  waren  und  vom 
Verfasser  der  Urkunde  ungeschickt  von  denselben  getrennt  worden 
sind.  Als  ursprünglichen  Text  erhalten  wir  demnach  etwa:  Ad 
orientem  hos  fluvios  habet  terminos:  Bug  scilicet  et  Ztir  cum 
Cracova  civitate ,  cum  omnibus  regionibus  ad  praedictam  urbem 
pertinentibus :  Psovane,  Ghrowati  et  altera  Chrowati,  Slasane.  .  .  . 
Inde  (a  Cracova)  in  ea  parte,  quae  meridiem  respicit,  Ungarorum 
limitibus  provinciaque  cui  Vag  nomen  est  additis  usque  ad  montes, 
quibus  nomen  est  Tritri,  dilatata  procedit.  Deinde  addita  regione 
Moravia  usque  ad  fluvium  cui  nomen  est  Wag,  et  ad  mediam 
silvam  cui  nomen  est  Moure 

Nach  dieser  Wiederherstellung  ergibt  sich,  dass  die  Psovane 
in  den  äussersten  Osten  des  Gebiets  von  Krakau ,  in  die  Nähe 
des  Bug  und  Stryj  zu  setzen  sind.  Ich  glaube  nicht  fehlzugehen 
mit  der  Annahme,  dass  diese  Landschaft  mit  der  Provinz  »Ijj-v- 
Sübära  bei  Idrisl  II  381  identisch  ist,  deren  Hauptstadt  ^^^.^ 
d.  i.,  wie  wir  sehen  werden,  Przemysl  genannt  wird.  »  Ij^  wäre 
also  ein  Schreibfehler  für  Kibj-Xi,  Lelewel^)  erblickt  in 
Sübära  den  Namen  des  Kreises  Sninhor ,  was  aber  schon  lautlich 
schlecht  passt.  An  die  Psovane  schliesst  sich,  sei  es  nördlich 
oder  westlich,  die  östliche  Abteilung  der  Chrowati  und  west- 
lich von  diesen  folgen  die  Chrowati  mit  der  Hauptstadt  Krakau. 
Die  Südostgrenze  umfasste  nicht  allein  Mähren,  sondern  auch 
die  ganze  Slowakei  in  Ungarn,  zwischen  der  Donau  und  den 
Karpaten,  östlich  bis  zum  Matragebirge  hin.  Die  Erwerbung 
des  letztern  Gebijetes  wird  z.  T.  noch  von  Spitignew  geschehen 
sein,  indem  die  Cechen  sich  mit  den  Ungarn  verbanden  und  sich 
mit  ihnen  in  die  mährische  Beute  teilten,  wobei  ihnen  der  west- 
liche Teil  des  eigentlichen  Mähren  zufiel.  Der  grössere  Teil 
dieser  Eroberungen  im  Karpatengebiet  wird  aber  erst  durch 
Boleslaw  erfolgt  sein,  und  zwar  mit  Genehmigung  der  Ungarn, 
mit  denen  er  in  Bündnis  stand. 

In  einer  Ansprache  an  seinen  Sohn  Boleslaw  III. ,  welche 
Kosmas  dem  sterbenden  Boleslaw  II.  in  den  Mund  legt ,  nimmt 
dieser  allerdings  die  Erwerbung  von  Krakau  als  sein  Verdienst 
in  Anspruch :  Talibus  enim  ne(iuam  artibus  (durch  Münzfälschung) 
et  per  legum  insolentiam  coangustabunt  huius  regni  terminos,  quos 
ego  dilatavi  usque  ad  montes,  qui  sunt  ultra  Krakov  nomine 
Triti  (Tatra),  per  Dei  gratiam  et  populi  oppulentiam 2).  Allein 
offenbar  hat  Kosmas  dies  lediglich  aus  der  genannten  Urkunde 
erschlossen,  wie  sich  aus  dem  folgenden  Kaiiitel  ergibt:  Hie 
gloriorissimus     dux     secundus    Boleslaus,     vere     et     hodie    haud 


^)  Geogr.  du  Moyen-Age  III  166. 

2)  Cosmae  Prag.  Chron.  1  33  bei  Pertz  ,  SS.  IX  55. 


Osteuropäische  und  ostasiatisehe  Slreifzüge.  139 

plangendus  satis ,  cuius  memoria  in  benedictione  est ,  in  quantum 
ampliando  dilataverit  ferro  sui  terminos  ducatus ,  apostolica 
testatur  auctoritas  in  privilegio  eiusdem  Pratensis 
episcopatus.  Dass  der  wilde  Boleslaw,  der  Mörder  des  hl. 
Wenzeslaw ,  auch  etwas  Gutes  geschaffen  habe,  konnte  man  nicht 
zugeben  ,  und  so  wurden  seine  Thaten  ohne  weiteres  auf  seinen 
frommen  Sohn  übertragen..  Nachdem  der  Herzog  Boleslaw  I.  im 
Jahre  950  von  Otto  d.  Gr.  zur  Unterwerfung  und  zur  Heeresfolge 
gezwungen  worden  war,  sah  er  sich  wohl  genötigt,  seine  Ver- 
bindungen mit  den  Ungarn  zn  lösen.  Jedenfalls  führte  er  im 
J.  955  sein  Kontingent  zum  deutschen  Heere,  und  nach  der  Ent- 
scheidungsschlacht auf  dem  Lechfelde  wurde  der  ungarische 
Anführer  Lehel  von  ihm  in  einem  besondern  Treffen  überwunden 
und  gefangen  genommen  ^).  Auch  in  der  Schlacht  an  der  Raxa 
gegen  die  Abodriten  focht  ein  böhmisches  Hilfskorps  auf  Seite 
der  Deutschen.  Boleslaw  wird  den  Sieg  über  die  Magyaren  auf 
dem  Lechfelde  nicht  ungenützt  haben  verstreichen  lassen,  und 
vielleicht  fällt  in  diese  Zeit  die  Eroberung  des  mährischen  Gebietes 
bis  zur  Wag. 

Boleslaw  ü.  wusste  das  Reich  seines  Vaters  in  vollem  Umfange 
zu  behaupten.  Mit  seinem  Nachbar,  dem  mächtigen  Grossfürsten 
von  Kiew,  scheinen  gute  Beziehungen  unterhalten  worden  zu  sein : 
Wladimir  hatte  schon  vor  seiner  Taufe  (988)  zwei  ^echische 
Frauen  geheiratet^).  Allerdings  erzählt  die  russische  Chronik 
von  einem  Kriegszuge  des  Grossfürsten  Wladimir  gegen  die  Chor- 
waten im  J.  993'^).  Allein  unter  Boleslaw  HL  sank  Böhmen  rasch 
von  seiner  Höhe  herab,  und  kaum  war  der  alte  Boleslaw  gestorben 
(999),  so  rückte  der  unternehmende  Polenherzog  Boleslaw  Chrabry 
ins  Chorwatenland  ein  und  belagerte  dessen  Hauptstadt  Krakau, 
deren  Besatzung  vom  böhmischen  Boleslaw  aus  Geiz  ohne  Unter- 
stützung gelassen ,  endlich  der  Übei-macht  erlag.  Krakau  wurde 
von  nun  an  der  Hauptsitz  der  polnischen  Macht,  der  Fall  dieser 
Stadt  zog  aber  auch  den  Verlust  nicht  bloss  aller  im  Norden  der 
Karpaten  gelegenen  Städte  und  Besitzungen  nach  sich,  sondern 
auch  den  von  ganz  Mähren  und  der  Slowakei.  Damit  war  das 
Chorwatenreich  Boleslaws  I.  aufgelöst,  ja  im  Jahre  1003  gelang 
es  dem  Polenherzog  sogar,  auch  die  Herrschaft  über  Böhmen  zu 
erlangen  und  durch   l^/g  Jahre  blieb  Prag  seine  Residenz*^). 

Wenn  wir  nun  auch  Mas'üdls  Chorwätin  unzweifelhaft  mit 
den  Belochorwaten  an  der  Weichsel  gleichzusetzen  haben ,  so 
scheint  es  doch,  dass  er  selbst  sie  mit  den  illyrischen  Chrowaten 
zusammenareworfen    hat.      Jedenfalls    führen    uns    die    gleich    nach 


1)  Köpke-Dümmler,  Otto  d.  Gr.  256.  261. 

2)  Nestor,  c.  XXXVIII  p.  64/65  trad.  par  Leger. 
^)  Nestor,  c.  XLV  p.  101  trad.  par  Leger. 

*)  Palacky,  Gesch.  von  Böhmen  1248 ff.    Hirsch,  Jahrbücher 
des  Deutscheu  Reichs  unter  Heinrich  II.  Bd.  I  231  f.  251  ff.  316  ff. 


140  J-  Marquart, 

ihnen  genannten  yvjL^ly  sicher  an  die  untere  Donau.  In  diesem 
Stamm  haben  wir  nämlich  offenbar  die  Branicewci  zu  erkennen, 
eine  Völkerschaft,  die  von  der  alten  serbischen  Stadt  Branicewo 
ihren  Namen  hatte,  welche  auf  beiden  Seiten  der  Mlawa  an  ihrer 
Einmündung  in  die  Donau  lag,  da  wo  sich  heutzutage  die  Ruinen 
Brani^ewac  und  Kostolac  befinden  i).  Schon  Charmoy  p.  385 
hat  an  diese  Gleichung  gedacht,  dieselbe  aber  mit  Unrecht  zu 
gunsten  anderer  Hypothesen  preisgegeben.  In  der  Geschichte  treten 
die  Branicewci  zuerst  beim  Aufstande  des  Slowenenfürsten  Ljudewit 
in  den  Jahren  822  und  824  auf,  und  zwar  unter  der  Namensform 
Praedenecenti.  Einhard  bezeugt  ausdrücklich,  dass  sie  mit  ihrem 
eigentlichen  Stammnamen  Abodriti  hiessen ,  beim  sog.  baierischen 
Geographen  werden  sie  Osterabtrezi  genannt-).  Im  Verlaufe  des 
Krieges  der  Franken  gegen  Ljudewit  schüttelten  sie  die  bulgarische 
Herrschaft  ab.  Im  Jahre  822  erschien  eine  Gesandtschaft  der- 
selben bei  Ludwig  dem  Frommen  in  Frankfurt,  um  diesem  zu 
huldigen.  Späterhin  mussten  sie  aber  ohne  Zweifel  die  bulgarische 
Oberhoheit  wieder  anerkennen"^);  doch  werden  sie  in  den  deutschen 
Annalen  fürder  nicht  mehr  erwähnt.  IdrTsT  schreibt  den  Namen 
der  Stadt  LäAv^jL\iy5  (so  1.)  =  BQavLt^oßa,  in  einem  andern  Itinerar 
(w.J».i  i\  offenbar  nach  einer  fränkischen  Form*).  Seit  der  Ver- 
nichtung des  bulgarischen  Reiches  durch  die  Romäer  im  Jahre  1018 
geriet  auch  das  Gebiet  von  Branißewo  unter  byzantinische 
Herrschaft  und  wird  seitdem  als  , Herzogtum"  bezeichnet.  Wahr- 
scheinlich geht  der  Name  der  Branicähm  gleich  den  Nachrichten 
Mas'udi's  über  die  Sorben  und  Moräwa,  wenn  auch  nicht  unmittel- 
bar, auf  eine  Quelle  des  9.  Jahrhunderts  zui-ück. 

Dann  wird  es  aber  schon  von  vornherein  höchst  unwahr- 
scheinlich, dass  uns  die  zwischen  (fächln  und  Branicäbin  genannten 
yvjLxi,i>  CJiusänln  (auch  yvjL^.i>,  yviLA:>-  u.  a,.  ist  möglich) 
plötzlich  weit  nach  Norden  entführen  und  wir  in  ihnen  die 
Kaschuben  an  der  baltischen  Küste,  im  eigenen  Dialekt  Kaszebi^), 
zu  erkennen  haben  sollten.  Auch  an  die  Chizzini  oder  Kyzini, 
die  von  der  Recknitz  bis  zur  Warnow  wohnten")  und  als  deren 
slawischen  Namen  Schafarik  II  579  Chyzane  oder  Kysone 
vermutet,  ist  nicht  zu  denken.  Wir  werden  besser  thun,  wenn 
wir  methodisch  vorgehen  und  uns  zunächst  im  Süden  umsehen, 
und    da   bietet  sich  ungesucht  eine  Völkerschaft,    die  vollkommen 

1)  Vgl.  Zeil  SS,  Die  Deutschen  und  ihre  Nachbarstämmc  614  f. 
Schafarik  TT  208 f. 

")  Annal.  regni  Francorum  a.  824.     8.  o.  ö.  117  N.  1. 

3)  S.  0.  S.  117. 

*)  IdrTsi  trad.  par  Jaubert  II  377.  378.  382—385.  Vgl.  Toma- 
sch ek,  Zur  K;unde  der  Häiniishalbinsel  TT.  SBWA.  113,1886, 
S.  298.  370  f. 

>■')  Schafarik  TT  408 f. 

•*)  Vgl.  Wigger,  Mecklenburgische  Annalen  S.  117. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifziige.  141 

in  den  Zusamineuhang  passt,  die  Guduscani.  Im  Jahre  S 18 
erschienen  vor  Kaiser  Ludwig  dem  Frommen  in  Heristal  legati 
Abodritorum  ac  Bornae  ducis  Guduscanorum  et  Timocianorum, 
qui  nuper  a  Bulgarorum  societate  desciverant  et  ad  nostros  fines 
se  contulerant.  Wie  bereits  Zeuss  und  Dum  ml  er  bemerkt 
haben,  ist  hinter  Guduscanorum  zu  interpungieren,  und  der  Genitiv 
Timocianorum  nicht  von  ducis,  sondern  von  legati  abhängig  zu 
denken.  Boren  war  dux  Dalmaciae  oder  dux  Dalmaciae 
atque  Liburniae,  d.  h.  Hei'zog  der  dalmatischen  Chrowaten 
und  hatte  die  Guduskaner  erst  jüngst  unterworfen  ^j.  In  dem 
Kriege  gegen  den  abgefallenen  Ljudewit  leistete  er  den  Franken 
kräftigen  Beistand,  ward  aber  im  Jahre  819  in  einer  Schlacht 
an  der  Kulpa  von  den  Guduskanern  im  Stiche  gelassen  und  erlitt 
eine  Niederlage.  Doch  gelang  es  ihm  noch  im  selben  Jahre  die 
Guduskaner  wieder  zu  unterwerfen'^). 

Die  Guduskaner  waren  also  noch  kurz  vor  818  eine  selbst- 
stündige  Völkerschaft.  Schafarik  II  210  setzte  diesen  Stamm 
nach  Kucewo  oder  Kucajewo^  wie  das  Ländchen  am  Kuöajgebirge, 
südlich  von  Brani^ewo  hiess ,  während  Zeuss  ihn  mit  Gottschee 
in  Verbindung  bringen  wollte-^).  Dumm  1er-*)  dagegen  denkt  an 
die  chorwatische  Zupa  Povr ^t^kcc  bei  Konstantin.  Porphyrog.  de 
admin.  imp.  c.  30  p.  145 ,  10 ,  die  mit  Litza  und  Kribasa  unter 
einem  Bane  stand,  „also  vielleicht  damals  dem  Grosszupan  noch 
nicht  gehorchte".  Gutzika  ist  nach  Schafarik  II  296  das 
beutige  Gefilde  Gacko  mit  den  Flüssen  Gacka  und  Gastica,  die 
sich  bei  der  Stadt  Oto^ka  vereinigen.  Wie  auch  diese  ver 
schiedenen  .Namensformen,  welche  ein  Ethnikon  Gucicane  voraus- 
setzen lassen,  mit  Einhards  Guduscani  lautlich  zu  vereinigen  sein 
mögen :  dass  mit  Mas'üdis  (j%.iL^x3>  derselbe  Stamm  gemeint  ist, 
wird  man  mindestens  als  sehr  wahrscheinlich  anerkennen  müssen  ^), 
und  ich  lese  daher  (jN.iL/ii^  Gussänln  d.  i.  ^Gtucbcanim  für  *Guci- 

canim.  Der  Name  hat ,  wie  früher  bemerkt  wurde ,  die  Form 
eines  slawischen  Ethnikons  im  Singular.    Dieser  Stamm  bildet  mit 


•)  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  614  (mir 
gegenwärtig  nicht  zugänglich).  Ernst  Dümmler,  Über  die  älteste 
Geschichte  der  Slawen  in  Dalmatien.     SBWA.  XX,  1856,  S.  388  N.  3. 

2)  Aunales  regni  Francorum  a.  819,  ed.  Kurze  p.  151. 

2)  Die  Deutscheu  und  die  Nachbarstämme  590. 

■*)  Dümmler,  Über  die  südöstlichen  Marken  des  fränkischen 
Reiches  unter  den  Karolingern.  Archiv  für  Kunde  Österreich.  Geschichts- 
Quellen  Bd.  X,  1853,  S.  25  N.  5  Ders.,  Über  die  älteste  Geschiebe 
der  Slawen  in  Dalmatien.     SBWA.  Bd.  XX  S.  388  N.  3.  375. 

5)  Wie  ich  nachträglich  sehe,  hat  schon  Lelewel,  Geogr.  du 
Moyen-Age  III  48  die  Identität  der  ^^iL^Xi>  mit  den  Guduscani 
Einhards  erkannt.     Vgl.  auch  p.  103  s. 


][42  J-  Marquart, 

den  Branißäbln  eine  geschlossene  Gruppe,  die  auf  eine  Quelle  aus 
der  ersten  Hälfte  des   9.  Jhs.  zurückweist. 

Einen  besondern,  von  dem  vorhergehenden  abweichenden 
Charakter  trägt  der  folgende  Abschnitt.  Als  terminus  post  quem 
für  die  Quelle  desselben  ergibt  sich  zunächst  die  Festsetzung  der 
Magyaren  (y5y:Ji)  in  der  Theissebene. 

Da  von  den  drei  aufgeführten  Gebieten  die  Identifikation 
des  ersten  die  meisten  Schwierigkeiten  bietet,  so  versparen  wir 
dasselbe  bis  zuletzt  und  beginnen  mit  dem  zweiten  Fürstentum. 
Der  Name  desselben  ist  unzweifelhaft   t.s.j\  al-Firay  herzustellen, 

und  darin  kann  nur  der  Name  der  böhmischen  Hauptstadt  Prag 
gesucht  werden,  lat.  Praga,  bei  Ibrähim  b.  Ja'qüb  ^cl.5,  aber  in  dem 
in  altrussischen  Menaeen  erhaltenen  altslowenischen  Kanon  auf  den 
Wenzelstag  prag^  ^).  Als  Name  eines  Gebiets  erscheint  Prag  auch 
bei  Ibrähim  b.  Ja'qüb  neben  »^j^  und  Krakau.  Dieses  Fürsten- 
tum tritt  uns  bereits  als  ein  bedeutendes  Staatswesen  mit 
blühendem  Ackerbau  und  ansehnlicher  Militärmacht  entgegen. 
Die    überlieferte   Lesart    der    Handschriften  ^^i!    „Franken"    ist 

natürlich  widersinnig,  da  es  ja  unmittelbar  darauf  von  dem 
Fürsten  dieses  Staates  heisst,  dass  er  die  Franken  bekriege ;  ebenso 
unbefriedigend  ist  die  auch  von  der  Pariser  Ausgabe  in  den  Text 
gesetzte  Konjektur  Charmoy's    (p.  393),    ^\y^\  al-Awänc,  was 

eine  Abkürzung  von  Wenceslaw  sein  soll.  Unter  den  Franken  ist 
hier  natürlich  das  ostfränkische  Reich  zu  verstehen,  welchem  wir 
bereits  im  ersten  Teile  des  Berichtes  unter  der  slawischen  Be- 
zeichnung Mv^s^Li  begegnet  sind.  Dass  die  böhmischen  Fürsten 
auch  nach  ihrer  Unterw^erfung  im  J.  895  öfters  mit  den  Deutscheu 
im  Kriege  lagen,  dürfte  man  annehmen,  auch  wenn  es  nicht 
bezeugt  wäre,  dass  sie  im  J.  915  mit  den  Ungarn  vereinigt  in 
Sachsen  einbrachen  und  König  Heinrich  I.  im  Jahre  929  den 
Herzog  Wenceslaw  mit  Waffengewalt  zur  Unterwerfung  zwingen 
musste.  Allein  die  hohe  Vorstellung ,  welche  der  Verfasser  von 
der  Macht  dieses  Staates  zeigt,  passt  nicht  zu  den  Verhältnissen 
unter  Spitignew  und  seinen  beiden  Nachfolgern  Wratislaw  und 
Wenceslaw ,  wohl  aber  auf  die  Regierung  Boleslaws  I. ,  welcher 
alsbald  nach  dem  Tode  Heinrichs  I.  die  deutsche  Oberhoheit  ab- 
schüttelte, die  gegen  ihn  ausgesandten  deutschen  Truppen  schlug 
und  vierzehn  Jahre  lang  seine  Unabhängigkeit  siegreich  behauptete. 
Dieser  Bericht  ist  also  offenbar  jünger  als  die  Nachricht  von 
Wenceslaw,  dem  König  der  Döläba. 

Dass  der  König  von  Prag  auch  gegen  die  Romäer  Krieg 
führen   soll,    spricht  nicht  gegen  obige  Erklärung;    denn  ^^J\  ist 


1)  W.  Vondrak,    Zur  Würdigung   der   altsloweuischen  Wenzels- 
legende S.  28.     SßWA.  Bd.  127,  1892,  Nr.  XIII. 


Osteuropüisclae  und  ostasiatisehe  Streifzüge.  143 

bei  Mas'üdl  wie  bei  den  spauisch-ai-abischeu  Historikern  ein  sehr  weiter 
Begritf,  der  auch  die  christlichen  Völker  Westeuropas  umfasste  und 
hier  das  Reich  Ottos  I.  bezeichnet.  Das  römische  Kaisertum  deutscher 
Nation  war  zwar  seit  Arnulfs  Tode  (899)  noch  nicht  wieder  erneuert 
worden ,  aber  die  Erinnerung  an  dasselbe  war  nicht  erloschen 
und  wurde  unter  Otto  d.  Gr.  neu  belebt.  Dagegen  wäre  es 
ein  ganz  unerklärlicher  Irrtum,  wenn  Mas'üdi's  Gewährsmann  mit 
dem  dritten  der  vom  König  von  Firay  bekriegten  Völker  wirklich, 
wie  man  seit  Charmoy  angenommen  hat,  die  Langobarden 
(j.xllÄJi  an-Nükubard)  d.  i.  das  Königreich  Italien  gemeint 
hätte,  mit  dem  doch  die  Fürsten  von  Böhmen  weder  damals  noch 
später  in  kriegerische  Verwicklungen  kommen  konnten.  Wenn 
auch  dem  arabischen  Vielschreiber  selbst  nach  unsern  bisherigen 
Erfahrungen  eine  derartige  Verwirrung  sehr  wohl  zuzutrauen  wäre, 
so  können  wir  eine  solche  unmöglich  für  seine  Quelle  zugeben. 
Es  scheinen  deshalb  auch  bereits  Charmoy  Bedenken  gegen 
jene  Gleichung  aufgestiegen  zu  sein,  weshalb  er  nach  Fr  ahn 's 
Vorgang^)  zweifelnd  an  Nowgorod  (!)  dachte.  Allein  die  Hand- 
schriften weisen  auf  ao  J».xji  an-Nükarda  als  ursprüngliche  Lesart, 
worin  wir  bereits  früher  (S.  67)  eine  alte  Verderbnis  von 
öJ-Ti^Ji  al-Bazkarda  bezw.  neup.  »0_i -i:  Bazgm'da,  einer  Variante 
des  Magyarennamens  erkannt  haben.  Wie  vorzüglich  dies  in  den 
Zusammenhang  passt,  braucht  nicht  näher  ausgeführt  zu  werden. 
Seitdem  die  Cechen  nach  dem  Untergange  des  mährischen  Reiches 
um  906  die  unmittelbaren  Nachbarn  der  Magyaren  geworden 
waren,  hatten  ohne  Zweifel  auch  sie  gleich  den  übrig-en  umliegenden 


^)  Fr  ahn,  Ibn-Foszlan's  und  anderer  Araber  Berichte  über  die 
Russen  älterer  Zeit  S.  46f.  Fr  ahn  teilt  hier  die  Nachricht  über  die 
vier  Walandar-Horden  (oben  S.  61  ff.)  nach  Ibn  al  Ward!  mit  und  ver- 
knüpft damit  eine  Notiz  üeguignes'  über  die  Nukard  (Notices  et 
Extraits  I  p.  27  not.)  aus  Mas'udl's  Goldwäschereien.  Es  handelt  sich 
hier  um  die  Beschreibung  der  Langobarden  (J.>.5»^!)  im  36.  Kapitel 
(t.  m  76 — 78  der  Pariser  Ausgabe),  die  aber  von  Deguignes  sehr 
fehlerhaft  wiedergegeben  ist.    Aus  dem  Titel  der  lombardischen  Fürsten 

y**..^iJ>!  ((j^ivAJt  dux^  macht  er  den  Namen  der  Hauptstadt,  aus  der 
Bemerkung  ^^UjL>   J,^  ^xläc  y^   \^JL^,»   ,und  ein  mächtiger  Fluss 

durchströmt  sie  (die  Residenzstadt),  und  sie  besteht  aus  zwei  Seiten'  (d.  h. 
sie  liegt  zu  beiden  Seiten  des  Flusses)  liest  er  den  Namen  des  Flusses 
Dgiainan  (^L;~jL:5-)  heraus.  Der  Text  Mas'ödi's  stand  Frähu  noch 
nicht  zur  Verfügung. 

Mas'udi  lässt  die  Langobarden  gleich  den  Franken ,  Slawen, 
Spaniern   u.    a.    von   Japheth   abstammen  (III   66).     Ob   er  sie   in   der 

That  mit  den  bOJi^Ü  d.  i.  den  Magyaren  zusammengeworfen  und  so  die 
Lesart  8  0J».>ül  selbst  veranlasst  hat,  lässt  sich,  soviel  ich  sehe,  nicht 
mit  Sicherheit  erkennen,   ich  halte  es  indessen  sehr  wohl  für  möglich. 


]^44  J-  Marquart, 

Völkern  unter  deren  Einfällen  zu  leiden,  wenn  auch  die  gleich- 
zeitige Geschichte,  wde  Palacky^)  mit  Recht  bemerkt,  ihre  Züge 
nach  oder  über  Böhmen  nicht  angemerkt  hat.  Dass  sie  einmal 
(im  J.  915)  als  Bundesgenossen  der  Magyaren  bei  einem  Einfall  in 
Sachsen  genannt  werden  und  später  Boleslaw  I.  mit  ihren  Fürsten 
in  freundschaftlichem  Verhältnis  stand,  kann  dagegen  nichts  be- 
weisen. 

Wir  können  jetzt  bereits  konstantieren,  dass  der  Bericht  des 
Mas'udi  über  die  Slawen  nicht  einheitlich,  sondern  aus  ver- 
schiedenen Quellen  zusammengesetzt  ist.  Die  Deutschen  erscheinen 
unter  dem  slawischen  Namen  yv-:s?Li  und  dem  altern  Namen 
Franken,  byz.  ^Qccyyoi,  der  böhmische  ^ Staat  ist  sogar  dreimal 
vertreten :  als  sS^^j  (Dudlebi),  ^J^.i>LAD  (Cechen)  und  ^^sl\  (Prag). 
Dies  wird  noch  weiter  bestätigt  durch  die  Bemerkungen  über 
das  letzte  Slawenvolk,  die  s^y^\  Turk.  Unter  diesem  sind  unzweifel- 
haft ,  wie  bereits  L  e  1  e  w  e  1  -)  gesehen  hat ,  die  Tovqkoi  der 
Byzantiner  d.  h.  die  Magyaren  gemeint.  Unter  demselben  Namen 
kennt  sie  schon  der  Bericht  des  Gaihänl  über  die  Burgän  (Donau- 
Bulgaren)  =^) ,  sowie  später  der  Jude  Ibrahim  b.  Ja'qüb*).  Wie 
dieser  bezeichnet  auch  Mas'üdi  die  Turk  als  Nachbarn  von 
Böhmen,  das  mährische  Reich  war  also  bereits  vernichtet  und 
Böhmen  eine  Monarchie.  Sehr  merkwürdig  ist  die  Bezeichnung 
der  Magyaren  als  des  schönsten  Slawenstammes,  die  sich  auch 
bei  GurdezT  d.  i.  Gaihäni  findet  °),  wogegen  die  gleichzeitigen 
westeuropäischen  Chronisten  nicht  müde  werden,  die  Hässlichkeit 
und  Abscheulichkeit  des  Steppenvolkes  in  den  abschi'eckendsten 
Farben  zu  schildern'*).  Es  ist  undenkbar,  dass  der  Weiberraub, 
den  die  magyarischen  Horden  unter  den  von  ihren  Raubzügen 
betrofienen  westeuropäischen  Kultuniationen  im  umfangreichsten 
Massstabe  betrieben,  schon  nach  kaum  zwei  Generationen  eine 
solche  Umbildung  des  körperlichen  Habitus  zu  Stande  gebracht 
haben  sollte,  dass  der  finnisch-ugrische  Typus  ganz  zurücktrat. 
Da  sich  aber  der  Bericht  des  Gui'dezi  d.  i.  des  Gaihänl  über  die 
Magyaren  dm-chweg  auf  deren  alte  Sitze  im  untern  Dongebiet 
und  an  der  Maiotis  bezieht  und  derselbe  wahrscheinlich  aus 
Muslim  b.  Abu  Muslim  (um  845)  stammt,  so  gilt  seine  Be- 
schreibung der  Magyaren  bereits  für  die  Zeit  vor  der  Auswanderung 
derselben  nach  Atelkuzu  (um  860)  und  nach  Pannonien  (890). 
Dann    erklärt    sich    aber    die    von    GurdezI    und  Mas'üdi    überein - 


1)  Geschichte  Böhmens  I  216. 

•-)  Geogr.    du    Moyen-Age    111    49.      Vgl.    Kuuik    und    Roseu, 
Izvestija  al-Bekrl  Ö.  109  f. 

^)  Bekrl  0.45,20;  s.  o.  S.  30. 

•*)  Bekrl  S.  35,  1.  3. 

^)  Bei  Barthold  S.  98,  2.  v.  u.     Kuuu  a.  a.  0.  S.  36,  6/7. 

«)  Vgl.  Dümmler,  Gesch.  des  ostfränk.  Kelches  11448. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  145 

stimmend  hervorgehobene  Schönheit  der  Magyaren  hinlänglich  durch 
die  jahrhundertelange  Vermischung  mit  den  benachbarten  iranischen 
Alanen  sowie  mit  den  Cerkessen  (Kasak).  Den  Weiberraub  haben 
die  Magyaren  nicht  erst  seit  ihrer  Niederlassung  im  Theissgebiet, 
sondern  schon  in  ihrer  alten  Heimat  am  untern  Don  im  grossen 
Stile  betrieben.  Eine  Erinnerung  an  diese  ehemalige  Beimischung 
alanischen  Blutes  hat  ja  noch  die  ungarische  Volkssage  bewahrt, 
wenn  sie  die  Ungarn  von  zwei  Töchtern  des  Alanenfürsten  Dula 
abstammen  lässt,  welche  die  Brüder  Hunor  und  Mogor,  die 
Stammväter  der  Magyaren ,  in  der  Nähe  der  Maiotis  geraubt 
hatten  1).  Auch  in  ihren  religiösen  Vorstellungen  müssen  die 
Magyaren  einst  von  einem  iranischen  Volke  beeinflusst  worden 
sein  2).  Auf  alte  Beziehungen  der  Ungarn  zu  den  Cerkessen  weist 
aber  die  auffallende  Sympathie  hin,  welche  diese  für  die  Ungarn 
haben.  Erckert  sagt  darüber,  ohne  an  den  Bericht  Ibn  Rusta's 
zu  denken:  „Sie  wurzelt  in  der  Überzeugung  einer  Stammes- 
gemeinschaft oder  fräheren  Nachbarschaft"  ^). 

Die  Schilderung  des  ersten  Füi-stentums  ^jlXÜ  ad-D'ir,  dessen 

Hauptstadt  augenscheinlich  ein  bedeutender  Handelsplatz  war 
und  von  muslimischen  Kaufleuten  aufgesucht  wui-de,  erinnert 
ohne  weiteres  an  die  Beschreibung  von  Prag  oder  Krakau  bei 
Ibrä.hTm  b.  Ja'qüb*).  Offenbar  ist  ad-Dir  das  erste,  dem  Mas'üdi 
bezw.  seinem  Gewährsmann  bekannte  slawische  Reich  von  Osten 
an  gerechnet ,  und  es  können  daher ,  soviel  ich  sehe ,  nur  zwei 
Staaten  in  Betracht  kommen:  Krakau  oder  Kiew.  Wenn  wir 
sicher  wüssten,  ob  Krakau  d.  h.  das  Land  der  Belochrowaten 
bis  zur  Eroberung  durch  Boleslaw  I.  von  Böhmen  noch  seine 
eigenen  Fürsten  gehabt  hat,  so  würde  ich  unbedenklich  für  diese 
Gleichsetzung  eintreten,  wofür  ja  auch  die  Nachbarschaft  des 
Fürstentums  Prag  und  der  Magyaren  laut  genug  spricht,  obwohl 
ich  den  Namen  _jjJ!  noch  nicht  erklären  kann.  Doch  wäre  auch 
möglich,  dass  es  sachlich  mit  der  im  Berichte  des  Ibn  Eusta  und 
GurdezT  über  die  Slawen  (nach  GaihänT)  genannten  Stadt  w^-ol^ 
bezw.    si>Myj|o   zusammenfällt,    welche    im    Beginne    des    Gebietes 


^)  Simon  de  Keza,  Gesta  Hungarorum  IlbeiFlorianus,  Historiae 
Hungar.  fontes  domestici.  Scriptores  vol.  11  p.  55/56.  Chronicon  pict. 
Vindob.  c.  II  ib.  p.  104/5. 

2)  Vgl.  Vämb^ry,  Der  Ursprung  der  Magyaren  S.  344ff. ,  ein 
Werk,  das  freilich  mit  grosser  Vorsicht  zu  benutzen  ist,  da  der  Ver- 
fasser z.  B.  S.  359  ganz  naiv  das,  was  Theophylakt  von  den  Türk 
berichtet,  ohne  weiteres  auf  die  Magyaren  überträgt,  worin  ihm 
natürlich  Eugen  Csuday,  Gesch.  der  Ungarn,  sowie  Geza  Kuun, 
Relat.  Hungarorum  cum  Oriente  hist.  antiquiss.  1 23  getreulich  gefolgt  sind. 

*)  R.  V.  Erckert,  Die  Völker  des  Kaukasus  S.  103. 

*)  Kunik  und  Rosen,  Izvestija  al-Bekri  S.  85,  Iff. 
Marquart,  Streifzüge.  -^^ 


^^Q  J.     Marquart, 

der   Slawen    iCjLiLöit    3^^  JJi»!   ^   liegt  i)    und    von    der   unten 
weiter  die  Eede  sein  wird. 

Was  den  König  der  Walinjänä  i^:>.\^  Mägak  (oder  ^^^\^ 
Mächak)  betrifft,  der  ehemals  alle  Slawenstämme  unter  seiner 
Herrschaft  vereinigt  haben  soll,  so  erkenne  ich  an,  dass  Harkavy 
von  dem  richtigen  Gefühle  geleitet  gewesen  ist,  dass  das  Ende 
seiner  Herrschaft  mit  dem  Aufkommen  der  Awarenmacht  in  Zu- 
sammenhang stehen  muss.  Allein  wenn  er  in  Mägak  den  vom 
romäischen  General  Priskos  im  Jahre  593  bei  einem  nächtlichen 
Überfall  am  Flusse  Paspirios  nördlich  von  der  Donau  gefangen 
genommenen  Slawenfürsten  {qi]'^  Movacamog^)  erkennen  will-'), 
so  kann  ich  ihm  nicht  beistimmen.  Schon  die  Namensformen 
entsprechen  sich  sehr  wenig:  Movöoomog  wird  von  den  Slawisten 
durch  slaw.  Muzok  erklärt.  Noch  weniger  aber  passt  die  Sach- 
lage: Die  Slawen,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  sassen  in 
Dakien;  unter  dem  Flusse  Paspirios  vermutet  Schafarik  den 
heutigen  Buzlu,  einen  südlichen  Nebenfluss  des  Seret.  Die 
politischen  Verhältnisse  dieser  Slawen  sind  nicht  ganz  klar.  Sie 
stehen  mit  den  Romäem  in  Feindschaft  und  führen  mit  ihnen 
auf  eigene  Faust  Krieg,  waren  also  nicht  unmittelbare  Unter- 
thanen  des  Awarenchagans.  Doch  beanspruchte  dieser  die  Ober- 
hoheit über  ihr  Land*).  Wenn  sie  aber  auch  eine  gev/isse 
Unabhängigkeit  bewahrten,  so  haben  sie  doch  keine  grössere 
politische  Macht  besessen,  die  sich  auch  über  andere  Stämme 
erstreckt  hätte. 

Mägak  war  nach  Mas'üdl  König  der  üL-oLJj  Walinjänä  (so 
lese  ich  für  LiUJ»)>  worin  ich  mit  Charmoy  und  Schafarik^) 
nur  die  Wolynjane,  Welynjane  erblicken  kann.  Diese  hatten 
ihren  Namen  von  der  ehemaligen  Stadt  Wolyn  zwischen  Wladimir 
und  Lemberg,  Ihr  älterer  Name  war  Buzane  „Anwohner  des 
Buc"  ^).  Aus  der  russischen  Chronik  erfahren  wir  aber,  dass  am 
Bug,  „da  wo  jetzt  die  Wolynjane  sind",  ursprünglich  die  Duleby 
sassen,  ein  altes  slawisches  Volk,  welches  einst  von  den  Awaren 
unterworfen   und    geknechtet  worden  war').     Über  den  Zeitpunkt 


1)  Ihn  Rusta  Ifi^,  8.  GurdezT  bei  Bart  hold  a.a.O.  S.  99,1 
c>.>jÄi(3,  nach  Geza  Kuuu,  Keleti  Kütfök  S.  36,  12,  der  eine  Ab- 
schrift S  ach  au 's  benutzt,  ci*.>^*J5o. 

2)  Theophyl.  Sim.  6,  9.  Vgl.  de  Mural t,  Essay  de  Chronographie 
byzant.  I  254.     Schafarik  II  157. 

3)  Travaux  de  la  Ille  session  du  Congr^s  international  des 
orientalistes.     St.  Pt^tersbourg  1876  t.  II  p.  335  ss. 

*)  Theophyl.  Sim.  VI  6.  11. 
5)  Charmoy  p.  381.     Schafarik  II  121. 
8)  Nestor  c.  7  p.  8  trad.  par  L.  Lege  r. 
')  Nestor  c.  9.  8. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  147 

der  Unterjochung  der  Dulebi  hat  schon  Schaf arik  (II  60) 
richtig  vermutet,  dass  dieselbe  zur  Zeit  des  Einfalls  der  Awaren 
in  Ungarn  (563)  erfolgt  sei.  Meine  Ansicht  geht  nun  dahin,  dass 
Mas'üdi's  Quelle  mit  ihrem  slawischen  Urvolk  ÜLvÜj  die  Duleby 
am  Bug  unter  ihrem  neuen  Namen  Wolynjane  meint.  Das  Ende 
der  ehemaligen  Vorherrschaft  dieses  Stammes  über  die  andern 
slawischen  Stämme  würde  dann  mit  ihrer  Unterjochung  durch  die 
Awaren  (Obri)  zusammenfallen. 

Nun  gibt  es  in  der  That  ein  slawisches  Volk,  welches  den 
Awaren  anfänglich  mannhaften  Widerstand  entgegensetzte,  und 
nach  dessen  Bewältigung  diesen  erst  der  Weg  nach  Ungarn  völlig 
offen  stand:  die  Anten.  Ich  habe  jüngst  wahrscheinlich  zu 
machen  gesucht,  dass  dieselben  auf  Veranlassung  Justinians  ihre 
früheren  Sitze  zwischen  Dnjestr  und  Dnjepr  aufgaben  und  sich 
als  Bundesgenossen  der  Römer  im  alten  Dakien  ansiedelten.  Auch 
späterhin  finden  wir  sie  als  treue  Bundesgenossen  der  Römer 
gegen  die  Awaren  und  die  mit  diesen  verbündeten  Slowenen  i). 
Unter  den  Häuptlingen  der  Anten  ragte  damals  am  meisten 
Me^ä^riQog ,  der  Sohn  des  'löaQiti'Og  und  Bruder  des  KeXaydarrjg 
hervor,  von  welchem  sein  grimmigster  Feind,  der  Kutriguren- 
häuptling  sagt:  ovTog  6  ccvriQ  fisylörfjv  zGoti  7tSQißsßkr}tai  6vva(ii,v 
iv  "Avrccig,  olog  re  TticpvKS  %axa  x&v  oncoGovv  avxa  TtoXsfiLCOv 
ccvxirdrreöd'cci^).  Nachdem  die  Awaren  diesen  Fürsten,  als  er 
als  Gesandter  seines  Volkes  zu  ihnen  gekommen  war,  völkerrechts- 
widrig ermordet  hatten,  ergossen  sich  die  Raubscharen  der  wilden 
Horden  erst  recht  über  das  Gebiet  des  unglücklichen  Volkes.  _ 

Ich  habe  gezeigt,  dass  auch  die  bulgarische  Fürstenliste 
eine  Erinnerung  an  diese  Ereignisse  bewahrt  hat,  und  die 
hervorragende  Stellung  des  Me^d^riQog  und  seines  Bruders  Ksla- 
ydöxtig  und  ihre  Herrschaft  über  die  dortigen  Unugundur- 
Bulgaren  dadurch  anerkennt,  dass  sie  dieselben  als  Oostun'^)  und 
Bezmer  in  die  Reihe  der  bulgarischen  Fürsten  einstellt.  Ich 
glaube  nun,  dass  der  Antenfürst  Mezamer  auch  Mas'üdi's 
Slawenkönig  ^.^^Ia  zu  Grunde  liegt,  und  die  Sitze  der  Anten 
sich  vor  ihrer  Unterjochung  durch  die  Awaren  vom  Dnjestr  und 
Seret  bis  zum  Bug  erstreckten,  wenn  die  Anten  nicht  vielmehr 
später  aus  dem  Gebiete  des  Dnjestr  nach  dem  Bug  zurückgedrängt 
wurden.  Dann  wäre  Mägak  nur  ein  Hypokoristikon  zu  Mezamer, 
gebildet  wie  Leszek,  Leszko,  Misaco    zu  Mistislaw  etc.*). 

^)  S.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  78  f.  82. 
Johannes  von  Ephesos  bei  Gregor  Barhebraeus  ed.  Bruns  und  Kirsch 
S.  95,  6  ff.     Theophyl.  Sim.  8,  5,  13. 

2)  Menander  Prot.  fr.  6. 

3)  Ein  Hypokoristikon,  gebildet  wie  Rad-un,  Bog-un,  Jar-un.  Vgl. 
Kunik,  IzvSstija  al-Bekri  S.  102. 

*)  Vgl.  Kunik,  Izvestija  al-Bekri  S.  97. 

10* 


J48  J-  Marquart, 

Auf  die  gleiche  Vorstellung,  dass  das  Gebiet  des  Bug  der 
gemeinsame  Herd  des  Slawentums  sei,  führt  auch  die  Notiz  beim 
sog.  baierischen  Geographen :  Zeriuani ,  quod  tantum  est  regnum, 
ut  ex  eo  cunctae  gentes  Sclauorum  exorte  sint  et  originem,  sicut 
affirmant ,  ducant.  Man  hat  diese  Zerivani  fälschlich  für  Weiss- 
sei'ben  erklärt,  wogegen  aber  schon  die  Schreibung  Einspruch 
erhebt.  Gemeint  ist  vielmehr  das  Land  der  ^erwenischen 
Städte,  das  als  strittiges  Grenzgebiet  in  der  älteren  polnisch- 
russischen Geschichte  eine  grosse  Rolle  spielt.  Es  ist  benannt 
nach  der  Stadt  Cerwen  (wörtlich:  rot),  nach  Leger  dem  heutigen 
Dorfe  Czerwonogrod  im  Kreise  Czartkow  in  Galizien.  Im  Jahre  981 
zog  der  Grossfürst  Wladimir  gegen  die  Lechen  und  entriss  ihnen 
die  Städte  Premysl,  Crbwen  und  andere,  , welche  noch  heute 
Russland  unterworfen  sind";  im  J.  1018  gewann  Boleslaw  Chrabry 
die  Städte  des  Landes  Cerwensk  zurück,  nach  seinem  Tode  zogen 
aber  Jaroslaw  von  Kiew  und  Mistislaw  von  Tmutorokan  mit 
grossem  Heere  gegen  die  Lechen  und  eroberten  die  .Städte  des 
Landes  Cerwensk.  Nach  der  russischen  Chronik  waren  also  diese 
Städte  ursprünglich  lechisch  d.  i.  chorwatisch.  Welche  politische 
Stellung  sie  während  der  böhmischen  Herrschaft  über  das 
Chorwatenland  einnahmen,  lässt  sich  nicht  erkennen,  aber  dass 
hier  seit  alters  die  Grenze  des  russischen  und  lechischen  Volkstums 
gewesen  ist,  darauf  deutet  in  der  That  Vieles  hin. 

Sehr  unglücklich  ist  H  a  r  k  a  v  y '  s  Einfall ,  in  ÜLaäJ^  die 
Wlachen  in  der  Moldau  und  Walachei  suchen  zu  wollen-^).  Weit 
ansprechender  wäre  es ,  an  die  Bewohner  der  Insel  Wolin, 
Julinum  oder  Winetha  zu  denken*). 

Der  Bericht  des  Mas'üdl  kann  sich  an  Bedeutung  mit  dem 
auf  Autopsie  beruhenden  des  Reisenden  Ibrähim  b.  Ja'qüb  freilich 
nicht  messen ,  zumal  er ,  wie  wir  gesehen ,  eine  Kompilation  aus 
verschiedenen,  zeitlich  z.  T.  auseinanderliegenden  Quellen  darstellt. 
Immerhin  bildet  er  aber  bei  dem  Mangel  sonstiger  gleichzeitiger 
Quellen  einen  schätzenswerten  Beitrag  zu  unserer  Kenntnis  der 
politischen  Verhältnisse  in  den  slawischen  Ländern  an  der  Ost- 
grenze des  deutschen  Reiches  unter  König  Heinrich  I.  und  in  der 
ersten  Zeit  Otto's  I. ,    der   um    so    höher  anzuschlagen  ist ,    als  er 


1)  Vgl.  Schafarik  II  371  N.  4.  Chronique  dite  de  Nestor  trad. 
par  Leger  p.  378. 

2)  Nestor  c.  XXXVIII  p.  66.    L  p.  12L   LXXX  p.  127. 

^)  Sur  un  passage  des  Prairies  d'or  de  Ma^oudi  concernant 
rhistoire  ancienne  des  Slaves.  Travaux  de  la  Ille  session  du  CoDgr^s 
international  des  Orientalistes.     II  p.  341. 

*)  Charmoy  p.  381.  Vgl.  de  Goeje,  Een  belangrijk  arabisch 
bericht  over  de  slawische  volken  omstreeks  965  n.  Chr.  Verslagen 
en  mededeelingen  der  K.  Akad.  van  Wetenschappen..  Afdeel.  Letter- 
kunde. 2<Je  reeks.  IX,  2  Amsterdam  1880  S.  191.  —  Über  die  Woliner 
Schafarik  II  575flf. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge,  149 

von  einem  Zeitgenossen  herrührt  und  die  Verhältnisse  von  einem 
unabhängigen  Standpunkte  aus  darstellt. 

[Unsere  Analyse  des  Berichts  Mas'üdi's  über  die  Slawen 
wäre  indessen  unvollständig ,  wenn  wir  nicht  auch  zugleich  seine 
Schilderang  der  Buryar  II  15 — 18  einer  kritischen  Untersuchung 
unterziehen  würden.  Dieselbe  lautet  in  Übersetzung  folgender- 
massen : 

A  „Am    Oberlaufe    des    Chazarenflusses    ist    ein    Ausfluss    (von 

Gewässern),  der  mit  einer  Bucht  des  Pontosmeeres  in  Ver- 
bindung steht,  d.  i.  dem  Meere  der  Rös;  niemand  ausser  ihnen 
befährt  es.  Sie  wohnen  an  einer  seiner  Küsten,  und  es 
ist  ein  mächtiges  Volk,  das  keinem  König  gehorcht,  noch  einem 
Religionsgesetz.  *Die  Rös  haben  in  ihrem  Lande  ein  Silberbergwerk, 
ähnlich  dem  Silberbergwerk  von  Panghlr  im  Lande  Choräsän^). 
Es  gibt  unter  ihnen  Kaufleute ,  die  den  König  der  Buryar 
besuchen  und  die  Stadt  der  Buryar,  [die  am  Gestade  der  Maiotis 
liegt].  Ich  denke  aber,  dass  sie  im  7.  Klima  wohnen.  Sie  sind 
ein  türkisches  Volk.  Es  gehen  ununterbrochen  Karawanen  von 
ihnen  nach  Chwärizm  in  Choräsän  und  von  Chwärizm  zu  ihnen. 
Jedoch  geht  dies  durch  andere  nomadische  Türkenstämme,  so  dass 
die  Karawanen  von  ihnen  (durch  eine  Eskorte)  beschützt  werden 
müssen.  Der  zu  unserer  Zeit,  d.  i.  im  Jahre  322  (943/44) 
regierende  König  der  Buryar  ist  ein  Muslim,  der  in  den  Tagen 
des  al  Muqtadir  billäh  nach  dem  Jahre  310  (922/23)  den  Islam 
angenommen  hat  wegen  eines  Traumes,  den  er  hatte.  Ein  Sohn 
von  ihm  hat  die  Pilgerfahrt  gemacht  und  ist  nach  Baydäd  gelangt 
und  al  Muqtadir  hat  ihm  eine  Fahne ,  ein  schwarzes  Galakleid 
und  Geld  mitgegeben^).     Sie  haben  eine  Hauptmoschee. 

B  Dieser     König     macht     Raubzüge     gegen     das     Gebiet     von 


^)  Dieser  Satz  ist  im  vorliegenden  Text  an  falsche  Stelle  geraten. 
Über  die  Silberminen  von  Panghlr  vgl.  Ist.  ^a.  ^  4 — 5.  t*AA ,  7 — 9.  Ibn 
Hauq.  rCv  ,  14.  t^fl ,  12—14.  ("t^v,  2—3.     Moq.  t^t^  ,  9-10.  t^H  ,  8. 

2)  So  die  alte  Leidener  Hs.  537  a  p.  163:  sLJ  .lAÄüi!  &.xa  ^^*, 
;^J!.  Die  Verleihung  eines  solchen  Staatskleides  in  den  Farben  der 
'Abbasiden  an  fremde  Fürsten  hatte  eine  ähnliche  Bedeutung  wie  bei 
uns  die  Verleihung  von  Orden  oder  noch  besser  die  Ernennung  aus- 
wärtiger Souveräne  oder  Prinzen  zu  Chefs  von  Regimentern  aus  Anlass 
ihres  Besuchs  an  fremden  Fürstenhöfen  (deGoeje).  Natürlich  schloss 
die  arabische  Höflichkeitsform  zugleich  die  Anerkennung  einer,  wenn 
auch  oft  nur  formellen ,  Lehnsabhängigkeit  des  so  Geehrten  vom 
Chalifat  in  sich.  —  Die  Pariser  Ausgabe  liest  .(AÄä^JU  für  .lXXäI! 
und  übersetzt  demgemäss:  Un  de  ses  fils  a  fait  le  pelerinage,  et  .  .  . 
il  a  offert  au  khalife  un  etendard  etc.,  offenbar  ganz  sinnwidrig. 


]^50  '^*  Marquart, 

Konstantinopel  mit  gegen  50  000  Reitern  und  darüber^),  und 
lässt  seine  Raubscharen  sieb  rings  um  dasselbe  zerstreuen  nach 
dem  Gebiete  von  Rom ,  Andalus ,  dem  Lande  Burgän  (Burgund), 
der  Gallegos  und  Franken  2).  Von  ihm  bis  nach  K.  P.  hat  man 
nahezu  zwei  Monate  ununterbrochen  durch  kultivierte  Gegenden 
und  Wüsten  zu  reisen.  Als  die  Muslime  vom  Gebiete  von  Tarsus 
in  der  syrischen  Militärgrenze  aus  unter  dem  Befehl  des  Emirs 
der  Grenzfestungen,  des  Eunuchen  ©amal  mit  dem  Beinamen  ad 
Dulaft  auf  syrischen  und  ba9rischen  Schiffen,  die  er  bei  sich  hatte  ^), 
im  J.  312  einen  Raubzug  machten  und  den  Eingang  des  Kanals 
von  K.  P.  und  den  Eingang  eines  andern  Kanals  des  Romäermeeres, 

der  keinen  Ausgang  hat*),  passiert  hatten  und  zum  Lande  KjiAäs 

(Venedig,  BEveticc)  gelangt  waren,  kam  zu  ihnen ^)  zu  Lande  eine 
Schar  von  Buryar,  um  ihnen  zu  helfen,  und  erzählte  ihnen,  dass 
ihr  König  in  der  Nähe  sei.  Dies  führt  darauf,  was  wir  aus- 
geführt haben,  dass  die  Streifscharen  der  Buryar  das  Romäermeer 
erreichen.  Einige  Männer  von  ihnen  hatten  die  Schiffe  von 
Tarsus  bestiegen,  die  sie  ins  Land  von  Tarsus  brachten.  Die 
Buryar  sind  ein  mächtiges  Volk,  unzugänglich,  von  gewaltiger 
Tapferkeit,    denen    die    benachbarten    Völker   unterworfen    sind^')- 


1)  Vgl.  II  60,  4:   y^^Ls   U>.1\   {j^^   er  y^'    i5   ^^^^    (^jLmö 

2)  Text:  |j*J^^!3  '»^»ij  ^^^  ^j^^  ^ir'y^  oljLiil  q-Äj^ 
iJi  '>.^S^\»)  ä.äJ^.^3,  (4-=r'j^  Ü^j3  •  ^*°2  ähnlich  S.  64 ,  6  von  den 
Walandar-HoräeTi:  ^pLli-  c^J^^aJ'!  lAS  ^LjiAJ!  \j^I'S  ^^  ol^LiJl  [j-i^Äj 

^W    KäJ^II^   ii^y^^   ^^^1  jjJti 

^)  Text:  ^Jl  ^^^Jlj  (_^x/iUiJ|  v^L;^  CT*  *^^  r)^^  Cr3i* 
Hier  steckt  auf  jeden  Fall  ein  Fehler.  Man  hat  entweder  zu  lesen 
^Jl    ^\S  Uj   oder  v-^lyo    (3. 

4)  Das  adriatische  Meer. 

5)  Text:  ^LjI^,  lies  ^LjI. 

*)    Text:      oLäÄJ     y^UJl     BiAjuX-ä    K*xa/o    x^aIoc    »-*!    j^j^^») 

gJ!  f^-^l  er  ?j3^  er  r^-^'.    Vgl.  il  bS-.  ^^  .  .  .  ^y  ^J  ^\ 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  151 

Ein  Reiter  von  ihnen  [von  denen  die  mit  jenem  König  den  Islam 
angenommen  haben]  besteht  100  und  200  Reiter  der  Ungläubigen. 
Die  Einwohner  von  K.  P.  erwehren  sich  ihrer  gegenwärtig  nur 
durch  ihre  Mauer,  und  ebenso  erwehren  sich  ihrer  alle,  welche 
in  jenem  Himmelsstrich  wohnen,  nur  durch  Burgen  und  Mauern.  || 
A  Die  Nacht  ist  im  Lande  der  Buryar  in  einem  Teil  des  Jahres 

äusserst  kurz.  Es  gibt  Leute  unter  ihnen  die  behaupten,  dass 
man  bei  ihnen  nicht  mit  dem  Garkochen  des  Kochtopfes  fertig 
werde ,  ehe  der  Morgen  kommt.  [Wir  haben  in  unsern  frühern 
Schriften  die  Ursache  dieser  Erscheinung  aus  der  sphärischen 
Beschaffenheit  (der  Erde)  erklärt,  und  auch,  warum  in  der 
Polargegend  die  Nacht  sechs  Monate  ohne  Unterbrechung  dauert, 
ohne  einen  Tag  dazwischen,  und  der  Tag  sechs  Monate  ohne 
Unterbrechung ,  ohne  eine  Nacht  dazwischen.  Die  Astronomen 
erklären  in  ihren  Tafeln  die  Ursache  dieser  Erscheinung  aus  der 
sphärischen  Beschaffenheit.] " 

Ich  habe  in  der  Übersetzung  die  eigenen  Zusätze  des  Mas'üdi 
in  eckige  Klammern  gesetzt,  so  dass  die  Komposition  des  Berichtes 
ohne  weiteres  klar  wird.    Er  gibt  zuerst  eine  Erzählung  über  die 

Wolga-Bulgaren  (jC-j)  ihren  Handel  und  ihre  Bekehrung 
zum    Islam    wieder,    schiebt    dann    aber    zwischen    dieselbe    eine 

^  o  - 

Schilderung  der  Magyaren  f  ^'ij)  ein. 

Der  Anfang  dieses  Berichtes  wird  einigermaassen  verständlich, 
wenn  man  weiss,  dass  Mas'üdi  derjenigen  Ansicht  folgt,  welche 
den  Pontos  und  die  Maiotis  als  ein  Meer  rechnete').  Die  Maiotis 
liegt  nach  ihm  an  der  Nordgrenze  der  bewohnten  Welt,  und  zum 
Teil  sogar  noch  unter  dem  Nordpol.  In  ihrer  Nähe  liegt  die 
Stadt  Thule  (&,aJ».j^  hinter  der  es  kein  bewohntes  Land  mehr 
gibt^).  Mas'üdi  scheint  nun  einen  Zusammenhang  der  Maiotis 
mit  dem  nördlichen  Ozean  angenommen  zu  haben.  Anders  wird 
seine  Äusserung  I  364  f.  kaum  verstanden  werden  können.  Er 
spricht  hier  von  den  Magüs  (Normannen) ,  welche  vor  dem 
Jahre  300    an    den    spanischen   Küsten    erschienen   waren  •^),    und 


iLyOj,    O^aJ    ^^♦.g.jLLc.   ^)sM3.X^^    .    .    ,    \\iiyJU    (j*Lj»|    K,xÄv«   ^»löj    -Alaff»"^ 

1)  Groldwäschereien  I  273.    Vgl.  Kitäb  at  tanbih  1v ,  6. 

2)  Kitäb-attanbih  1a,  Iff. 

s)  Vgl.  Ja'qübl,  Geogr.  t^öf,  13  ff.  a.  229  H.  Fr  ahn,  Bulletin 
scientif.  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg  t.  IV,  1838,  p.  131  ss.  bes.  137  s. 
Dozy,  Recherches  sur  Thistoire  et  la  litteratiire  de  l'Espagne  pendant 
le  Moyen-Äge  H^  (1860)  p.  275—300. 


]^52  J-  Marquart, 

verzeichnet  die  Meinung  der  Spanier,  dass  diese  Feinde  alle 
200  Jahre  bei  ihnen  erschienen  und  dass  sie  ihr  Land  durch 
einen  Meeresarm  erreichten,  der  aus  dem  Ozean  herkomme  und 
nicht  mit  dem  Kanal  zu  verwechseln  sei,  an  welchem  die  ehernen 
Leuchttürme  ständen  (d.  i.  der  Strasse  von  Gibraltar)  i).  „Ich 
glaube  aber"  ,  fährt  er  fort  —  „doch  Gott  weiss  es  am  besten 
—  dass  dieser  Meeresarm  mit  der  Maiotis  und  dem  Pontos  in 
Verbindung  steht ,  und  dass  jenes  Volk  die  Rös  sind ,  die  wir 
an  einer  früheren  Stelle  dieses  Buches  erwähnt  haben ,  da  niemand 
diese  Meere,  welche  mit  dem  Ozean  in  Verbindung  stehen,  durch- 
quert ausser  ihnen*.  Westberg  S.  133  hat  scharfsinnig 
erkannt,  dass  der  Nachricht  von  jenem  Meeresarm  eine  dunkle 
Kunde  von  der  Ostsee  zu  Grunde  liegen  müsse,  und  auch  unter 
dem  „Meer  der  Eos"  III  18 ,  an  dessen  einer  Küste  dieses  Volk 
wohnte,  kein  anderes  Meer  als  die  Ostsee  verstanden  werden 
könne.  Mas'üdi  hatte  also  eine  Kunde  von  den  Hauptsitzen  der 
Normannen  in  Skandinavien,  war  jedoch  nicht  im  stände,  dieselbe 
mit  seinen  anderweitigen  Nachrichten  über  das  Auftreten  der 
Rös  auf  dem  Schwarzen  und  Kaspischen  Meere  zusammenzureimen. 
So  sehen  wir,  dass  er  anderwärts  das  Meer  der  Buryar,  Rös, 
Pa^na ,  Pagnäk  und  Bagyard  mit  dem  Pontos  gleichsetzt  (I  262). 

Der   Ausdruck  J.-w«a/i,    eigentlich    Ausfluss,    Mündung    eines 

oder  mehrerer  Flüsse,  ist  auf  den  ersten  Anblick  nicht  ganz 
leicht  zu  erklären;  er  wird  jedoch  verständlich,  sobald  man  sich 
vergegenwärtigt,  dass  die  Quelle  des  Berichtes  erklären  will,  wie 
die  Rös  nach  der  Stadt  Bulyär  an  der  Kama  gelangten.  Zu  Grunde 
liegt  eine  dunkle  Kunde  von  dem  wolok  zwischen  dem  Ilmensee 
und  den  Wolgaquellen,  dem  schmalen  und  niedrigen  Landrücken 
der  Waldaüöhe,  über  welchen  die  Kähne  aus  dem  einen  in  den 
andern  Fluss  geschleppt  wurden  2).  Diese  Kentnis  ist  nun  in  die 
Vorstellung  gekleidet,  dass  es  im  Quellgebiet  der  Wolga  eine 
Stelle  gebe ,  wo  mehrere  Gewässer  aus  verschiedenen  Richtungen 
sich  sammeln  (der  Ilmensee),  die  dann  (durch  den  Wolchow,  den 
Ladoga-See  und  die  Newa)  mit  der  Ostsee  in  Verbindung  stehen  ^5). 
Mas'udT  selbst  hat  freilich  seine  Quelle  nicht  verstanden,  wie  sein 
Zusatz  beweist,  dass  die  Stadt  der  Buryar  an  der  Maiotis  liege. 
Diese  Angabe  hängt  allerdings  mit  seiner  Anschauung  von  der 
Erstreckung  der  Maiotis  bis  in  den  hohen  Norden  zusammen,  ist 
aber    daraus    allein    nicht   zu  erklären.     II  7  sagt  er:  „Die  Stadt 

1)  Vgl.  über  dieselbe  Kitäb  at  tanblh  11 ,  1  if.  Goldwäschereien 
I  257—259.     Dozy  1.  1.  327  ss.  LXXXIX  ss. 

2)  S.  u.  S.  155. 

')  Vgl.  übrigens  auch  die  kuriose  Beschreibung  des  Oxus-  und 
Gangeslaufes  bei  Julius  Honorius,  Cosmographia  c.  7.  8  (Alex.  Riese, 
Geogr.  lat.  min.  p.  27  s.). 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  153 

Itil  besteht  aus  drei  Teilen,  welche  ein  grosser  Strom  teilt,  der 
aus  den  obersten  Türkenländern  herabkommt  und  von  dem  sich 
ein  Arm  nach  dem  Lande  der  Buryar  zu  abzweigt  und  in  die 
Maiotis  mündet". 

Die  Vorstellung,  dass  ein  Arm  der  Wolga  in  die  Maiotis 
münde,  geht  in  letzter  Linie  auf  eine  falsche  Lesart  bei  Ptole- 
maios  zurück,  welche  schon  Ps.  Moses  Chorenac'i  in  seiner  Be- 
schreibung des  Laufs  der  Wolga  (ed.  Soukry  S.  26)  ganz 
ähnlich  aufgefasst  hat.  Ich  will  diese  ganz  hersetzen:  „Und  nachher 
sind  auf  der  Ostseite  des  keraunischen  Gebirges  angesiedelt  die 
Amazonen,  kriegerische  Frauen,  bis  zum  Flusse,  welcher  Ra^) 
(Pu)  heisst,  welcher  doppelt  (in  zwei  Armen)  entspringt  im  Norden 
des  unbekannten  Landes;  und  sie  vereinigen  sich,  und  in  die 
Nähe  der  hippischen  Berge  gelangt,  entsendet  (der  vereinigte 
Strom)  einen  Arm  zum  Flusse  Tanais  2),  welcher  in  den  Maiotissee 
hinabströmt  •^).  Der  andere  aber  kehrt  nach  Osten  zurück  bis 
gegenüber  den  keraunischen  Bergen.  Nachher  kommen  zwei 
andere    Flüsse    von    der    östlichen    Seite,    aus    dem    Gebirge    des 

1)  So  lies  für  Ira. 

2)  Text:  t  S"'^'^^"  t^'""J^  lies  ^  S*  t^'"' 

3)  Ptol.  5,  8  p.  347,  25ff.  ed.  Wilberg  und  GrashofF: 

"E(?Tt  d^  xai  kxiqa  xov  'P&  itoray-ov  iitL6TQ0(pT]  (vulgo  ixßoli]), 
■nlri6iätov6a    rrj    rov    TavdiSog    jtoTaftoi),    ns    V    '^«'«»S    i^h^i    ^oiQug 

ÖS     vt- 

vnhQ  rjv  ßvfißccXXovai  ävo  nora^ol  Qwvtsg  &nb  rmv'TTteQßoQsicov  oQeav 

Kai  7}  fi-ev  Tjys  av^ßoXfjg  &£6ig  iTt^xsi  (loipag         o&     vr\     4' 

cd  8^  Ttriyal  rov  ^ihv  övriHwregov  avrcbv  iTti^ovei  iio'iQag         o     |a 
xov  Sh  ccvaxoXiKcoxiQOv         /,     |a. 

Die  östlichen  Quellen  des  Rha  werden  auch  6, 14  p.  426, 27  erwähnt. 
Aus  der  Lesart  der  Vulgata  i^ßolrj  für  iTticxQocpri  erklärt  sich  die 
Auffassung  des  armenischen  Geographen. 

Die  pseudo-ptolemäische  Annahme,  dass  ein  Arm  der  Wolga  in 
die  Maiotis  münde,  liegt  auch  der  von  einer  Karte  abgelesenen 
Schilderung  des  alten  Bulgarenlandes  bei  Theophanes  Chronogr.  p.  356, 
20 ff.  zu  Grunde:  iv  8^  xolg  aQv.xwoig  TtsgariKoig  iiigsGi  xov  Evßsivov 
Tfövxov,  iv  X7}  Uyoyiivr)  MaimxiSi  li[iv7i,  dg  r)v  eiadyexaL  noraiibg  \iiyi6zog 
ccTto  xov  oi-nsavov  Kax'acpsQÖiisvog  Sia  xfjg  xäv  UaQiiccx&v  yrjg,^  Xsyoimvog 
"AxeX ,  iig  ov  dcäy^xai  6  Isya^isvog  Tuvaig  noxccjibg  kuI  avxbg  cnto  x&y 
'IßriQicov  TtvXäv  i^£p;(d(xfvos  xwv  iv  xolg  KuvKaeioig  oqbgiv,  ccnb  8h  xf]g 
^li^scog  xov  Täva'C  v.al  xov  "AxsX  (ävco&sv  xfjg  TtQoXi%!&d6r\g  Maicoxi8og 
XiiLvr\g  6ii^o[Livov  xov  "AxiX)  iQXSxai  6  Xsyöyavog  Kovtpig  Ttoxa^iog ,  kcci 
cnto8i8si  dg  xb  xiXog  xfig  IIovxiv.fig  Q'aXäaayig  TtXriaiov  x&v  Nhv.QoniqXav 
dg  xb  aKQCoiLu  xb  Xsyö^svov  Kqlov  Tlgöamnov  kxX.  Den  Tanais  hess 
schon  der  Namensvetter  des  Byzantiners,  Theophanes  von  Mitylene, 
auf  dem  Kaukasus  entspringen;  vgl.  Strab.  la  2,  2  p.  493:  oi jihv  vni- 
Xaßov  xkg  nr\yag  i^siv  uvxbv  iv  xolg  KavxuaioLg  ogset-,  itoXvv  8  iv^xQ'ivxa 
int  xccg  aQv.xovg  ilx  ävaGXQiipavxa  i-ußäXXmv  slg  xrjv  MaiätXLV  xovxoig 
8h  6iio8o^£l  Kul  08O(pccvj]g  6  MLXvXr]valog.  Es  liegt  hier  offenbar  eine 
Vermischung  des  Don  mit  dem  Terek  vor. 


154  J-  Marquart, 

Nordens,  das  Rimika  {'PvfifjLiKcc  oQrj)  heisst^),  und  bilden  jenen 
70 armigen-),  den  die  T'urk'k'  den  Strom  At'l  nennen.  In  dessen 
Mitte  ist  eine  Insel,  auf  welche  der  Stamm  der  BasiW  sich  begibt 
und  sich  vor  dem  mächtigen  Volke  der  Chazirk''  und  Buichk'' 
befestigt,  —  welche,  nachdem  sie  gegen  Ost  und  West  geweidet 
haben,  dahin  ins  Winterlager  (qyslaq)  gekommen  sind  —  und 
die  sie  „schwarze  Insel"  nennen-^).  Denn  wegen  der  Menge 
des  Volkes  der  Basilk' ,  der  dorthin  gekommenen  Menschen 
und  Tiere ,  scheint  sie  schwarz.  Diese  nennt  Ptiomeos  Insel 
G'P'av*).  Und  die  Arme  des  Flusses  At'l,  nachdem  sie  die 
Insel  passiert  haben ,  vereinigen  sich  abermals  und  gelangen  ins 
Kaspische  Meer,  indem  sie  Sarmatia  und  das  Land  Skythia 
trennen." 

Am  nächsten  läge  es,  in  den  Buryar  an  der  Maiotis  die 
Bulgaren  am  Kuban  zu  sehen.  Diese  werden  allerdings  noch 
von  Rabbi  Chisdai  in  seinem  Briefe  an  den  Chazarenfürsten  an 
der  Maiotis  wohnend  gedacht^).  Auch  die  ungarische  Chronik 
hat  eine  Erinnerung  daran  bewahrt,  dass  die  Bulgaren  gleich  den 
Alanen  an  der  Maiotis  einst  die  Nachbarn  der  Magyaren  gewesen 
waren.  Nachdem  sie  erzählt  hat,  wie  die  beiden  Brüder  Hunor 
und  Mogor,  die  Söhne  des  Jagdriesen  Nemroth,  sich  an  der 
Maiotis  wegen  des  Reichtums  der  dortigen  Gegend  an  Wild  und 
Fischen  niedergelassen  hatten ,  fährt  sie  fort :  Paludes  autem 
Meotidas  adeuntes  annis  V  immobiliter  permanserunt.  Anno 
ergo  VI  exeuntes  in  deserto  loco  sine  maribus  in  tabernaculis 
permanentes  uxores  ac  pueros  filiorum  Belar^)  casu  repererunt, 
quos  cum  rebus  eorum  in  paludes  Meotidas  cursu  celeri  deduxerunt '). 
Ich  glaube  nicht,  das  diese  Stelle  lediglich  aus  einer  Kombination 
von  Jordanis  Get.  c.  4  §  29,  5  §  36—37  und  c.  24  §  122—128  ent- 
standen ist;  wenigstens  der  Name  der  Bulgaren  (Belar)  als  ehemaliger 


^)  Ptol.  6,  14  p.  425,  28  sagt  nur:  xkI  ra  'Pvfi^iKc:,  .  .  .  &q>'  wv 
Qsovaiv  0  TS  'Pv^iiog  %a.l  aXXoi  riveg,  oi  idv  sig  rbv  ^P&  notaybov  ixßäX- 
iovTsg,  ol  dh  cv^ßäXlovrsg  rm  /iaCtii  TTOTßjxra. 

=*)  Vgl.  meine  Chronologie  der  alttürk.  Inschriften  S.  89  Anm.  2 
und  die  russische  Chronik,  übs.  von  L.  Leger  c.  IV  p.  5. 

2)  Also  türkisch  Qara  Ataq.  Es  ist  die  Insel  gemeint,  welche  durch 
die  Wolga  und  die  bei  Zarizyn  von  ihr  sich  abzweigende  Achtuba  ge- 
bildet wird. 

*)  Soukry  übersetzt  Ile  de  Corbeaux,  indem  er  die  Text- 
lesart %n-tuL.  stillschweigend  in  U,^«-«"'-  emendiert.  Allein  eine  Insel 
Kögai,  an  der  Rhamündung  finde  ich  bei  Ptolemaios  nicht. 

ß)  S.  0.  S.  134. 

<*)  Chron.  Vindob.  pict.  Bereka ,  Chron.  Dubn.  Berela.  Beide 
fügen  hinzu:  cum  festum  tube  colerent,  et  coreas  ducerent,  ad  sonitum 
simphonie. 

')  Simon  de  Keza,  Gesta  Hungarorum  I  1  bei  Florianus,  Hist. 
Hungaricae  fontes  domestici  II  55.  Chronicon  Vindob.  pictum  c.  II 
bei  Florianus  1.  1.  II  104/5.  Chron,  Dubnicense  c.  2  bei  Florianus 
1.  1.  III  6. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  155 

Nachbarn  der  Magyaren,  so  wie  der  des  Alanenfürsten  Dula  (oben 
S.  145)  muss  der  magyarischen  Volkssage  entstammen.    Allem  dieses 
Zeugnis  führt  uns  für  die  Fortexistenz  der  Bulgaren  am  Kuban  nicht 
weiter  herab  als  bis  zur  Auswanderung  der  Magyaren  aus  Lebedia 
(um  860).     Da  jene  Bulgaren    aber    späterhin   völlig  verschollen, 
d.  h.  in  den  Chazaren  aufgegangen  sind,  so  wird  man  mit  Recht 
Bedenken    tragen,    Chisdais    Zeugnis    als    ein    vollwichtiges    zeit- 
genössisches   für   die    Mitte    des    10.  Jhs.    gelten    zu    lassen.     Der 
Name  wird  ihm  wohl  nur  aus  der  Literatur  bekannt  gewesen  sein. 
Um    so    weniger   wird    man   geneigt   sein,   bei  Mas'udI    eine 
ganz    alleinstehende    Kunde    von  jenem   Volke,   das   seine    selbst- 
ständige   politische    Bedeutung   schon    seit    dem  Ende    des  7.  Jhs. 
verloren   hatte,    vorauszusetzen.     Ich  glaube  vielmehr,   dass  seine 
^  j  an  der  Maiotis  auf  die  Magyaren  J^--^^  zu  beziehen  sind  und 
aus  einer  altern  QueUe  stammen,  welche  dieselben  noch  in  ihren 
alten    Sitzen    vor    ihrer    Auswanderung    nach    Atelkuzu    kannte. 
Dafür    spricht    meines    Erachtens    besonders    der    Salto    mortale 
unseres   Weltbummlers,   die   Handelsstadt  Bulyär   (an   der  Kama) 
an  die  Maiotis  zu  versetzen.    Dies  vermag  ich  nur  so  zu  erklären, 
dass  seine  Quelle  von  der  Hafenstadt    -^  an  der  Maiotis  sprach, 
in  welcher  die  J^---i  die  erbeuteten  Kriegsgefangenen  verkauften  i), 
was  Mas'üdi    dann   höchst    unglücklich   mit   der  Handelsstadt  der 
.t  j    an    der   obem  Wolga   kombinierte.     Weiterhin   hat   er  dann 
die    auf    einer    falschen    Lesart    bei   Ptolemaios    beruhende    Vor- 
stellung   von    einem    in   die  Maiotis    mündenden  Arm   der  Wolga 
verquickt   mit  Nachrichten  über  den  grossen  Wasserweg  von  der 
Ostsee    durch    die  Newa,    den  Ladogasee    und   den  Wolchow  zum 
Ilmensee,    aus    diesem    in    die   Msta,    und    von   dieser   über    den 
Wolok   in    die    Twerca^),    die   bei    Twer    in   die  Wolga  mündet, 
und    von    da    auf  der  Wolga   hinab    nach  Bulyär.     Mehr   als  bei 
irgend  einem  andern  Schriftsteller  ist  es  also,  wie  man  sieht,  bei 
Mas'üdi  nötig,  seine  Berichte  bis  ins  einzelste  in  ihre  Bestandteile 
zu  zerlegen,  ehe  man  daran  gehen  kann,  sie  erklären  und  für  die 
Geschichte  und  Ethnographie  verwerten  zu  wollen. 

Abgesehen  von  seinem  eignen  Zusatz  über  die  Lage  der 
Hauptstadt  der  Buryar  bezieht  sich  nun  der  ganze  übrige,  von 
mir  mit  A  bezeichnete  Bericht  auf  die  Wolga-Bulgaren  und 
berührt  sich  sehr  nahe  mit  dem  Reisebericht  Ihn  Fadlän's,  der 
von  Erahn   herausgegeben   und  erläutert  worden  ist^).     Diesem 

1)  Ihn  Rusta  "ift ,  8  f. 

2)  Heute  verbindet  ein  Kanal  die  Msta  mit  der  Twerca.  Vgl. 
Klaproth,  Reise  in  den  Kaukasus  I  93. 

3)  Fr  ahn,  Die  ältesten  arabischen  Nachrichten  über  die  Wolga- 
Bulgaren  aus  Ihn  Foszlans  Reiseberichte.  Mem,  de  l'Acad.  de  St.  Pöters- 
bourg  VIe  Sör.  1. 1,  1832,  p.  527-577. 


j^5ß  J.  Marquart, 

ist    auch    das    Beispiel    entlehnt,    durch    welches    die    Kürze    der 
nordischen  Sommernächte  veranschaulicht  werden  soll  ^). 

Der  mit  B  bezeichnete  Bericht  dagegen,  welcher  ganz 
mechanisch  zwischen  den  vorigen  eingeschoben  worden  ist,  handelt 
nicht  etwa  von  den  Donau-Bulgaren,  wie  man  zunächst  meinen 
könnte,  sondern  von  den  Magyaren  {y^}i).     Allerdings  haben 

die  Bulgaren  unter  dem  gewaltigen  Garen  Symeon  (893 — 927), 
dem  neuen  Krum,  wiederholt  die  romäische  Hauptstadt  selbst 
aufs  äusserste  bedrängt,  und  das  Reich  an  den  Rand  des  Abgrunds 
gebracht.  Gerade  im  Jahre  923  hatte  Symeon  den  Krieg  durch 
die  Belagerung  von  Konstantinopel  erneuert,  und  um  sich  eine 
Flotte  zu  verschaffen,  unterhandelte  er  mit  Fadlün,  dem  fati- 
midischen  Chalifen  von  Qairuwän ,  wegen  eines  Bündnisses,  das 
nur  dadurch  vereitelt  wurde,  dass  die  Griechen  die  arabischen 
Gesandten  auf  dem  Meere  gefangen  nahmen.  Im  Jahre  924 
ward  Adrianopel  durch  Hunger  zur  Ergebung  gezwungen,  und 
am  9.  September  musste  Kaiser  Romanos  Lekapenos,  der  Schwieger- 
vater und  Mitregent  Konstantins  VH.,  sich  zu  einer  persönlichen  Zu- 
sammenkunft mit  Symeon  vor  den  Toren  der  Hauptstadt  bequemen, 
um  ihn  zum  Frieden  zu  bewegen  2).  Symeon  beherrschte  die 
albanesische  Küste  von  Korfu  bis  an  den  Drim  mit  Ausnahme  einiger 
byzantinisch  gebliebenen  Seeplätze;  der  Fürst  der  südserbischen 
Zachlumer,  Michael  WysewyS  (912—926),  stand  mit  ihm  in  Bündnis, 
und  mit  dessen  Unterstützung  wurde  der  Grosszupan  der  Serben, 
Peter,  der  abermals  mit  den  Byzantinern  in  Verhandlungen  getreten 
war,  beseitigt,  und  an  dessen  Stelle  ein  neuer  Fürst  erhoben,  der 
die  bulgarische  Oberhoheit  anerkennen  musste  (917).  Als  dieser 
Selbständigkeitsgelüste  zeigte  und  auch  der  923  von  Symeon 
gegen  ihn  aufgestellte  Prätendent  Zacharias  sofort  als  treuer 
Bundesgenosse  der  Romäer  auftrat  und  die  gegen  um  gesandten 
bulgarischen  Heerführer  schlug,  ward  Symeon  bei  der  Wieder- 
unterwerfung der  Serben  mit  den  Chrowaten  in  einen  Krieg 
verwickelt,  der  kurz  vor  seinem  Tode  mit  einer  völligen  Niederlage 
der  Bulgaren  unter  ihrem  Heerführer  Alohogotur  (Alp  bagatur 
,der  tapfere  Held")  endigte  (927).  Allein  nach  Venedig  sind 
die  Bulgaren  sicher  nie  gekommen. 

Dagegen  verheerten  in  den  Jahren  921  und  924  die  Magyaren 
wiederum  Italien.  Als  sie  im  J.  921  vor  Verona  erschienen, 
giengen  die  Grossen  der  Lombardei  eben  mit  der  Absicht  um,  den 
verhassten  König  Berengar  zu  vertreiben  und  Rudolf  von  Burgund 

1)  Ibn  Fadlän  bei  Fr  ahn  a.  a.  0.  560,  10.  572.  Jäqut  ist  mir 
nichtjzugänglich. 

'-)  Konst.  Jirecek,  Gesch.  der  Bulgaren  168f.  Büdinger, 
Österreich.  Gesch.  372.  de  Muralt,  Essai  de  Chronographie  byz. 
I  502.  Büdinger  a.  a.  0.  N.  2  sucht  das  Datum  dieses  Friedens- 
schlusses auf  Donnerstag  den  9.  November  926  festzustellen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  157 

ins  Land  zu  rufen.  Berengar,  der  mit  den  Ungarnfürsten  Dursac 
und  Bugat  schon  von  früher  her  in  freundschaftlichem  Verhältnis 
stand,  Hess  diesen  nun  alsbald  entbieten :  ut  si  se  amarent,  super 
inimicos  suos  iri-uerent.  Hi  vero ,  ut  erant  necis  avidi ,  bellandi 
cupidi,  a  Berengario  mox  preduce  accepto,  per  ignotas  vias  a  tergo 
hos  usque  adveniunt  tantaque  illos  tunc  celeritate  confodiunt,  ut 
nee  induendi  quidem  smnendive  arma  spatium  habere  quirent. 
Captis  igitur  cesisque  multis,  Odelricus  palatii  comes,  qui  se 
non  viriliter  defenderat ,  occiditur ,  Adelbertus  autem  marchio  et 
Gislebertus  vivi  capiuntur^).  Aus  Oberitalien  streiften  sie  durch 
die  ganze  Halbinsel  und  erschienen  im  Februar  922  in  Apulien  ^). 
Im  Jahre  924  erschienen  sie  auf  den  Hilferuf  des  von  den 
Lombarden  bedrohten  Berengar  unter  ihrem  Führer  Salard  aber- 
mals in  Italien  und  verbrannten  am  12.  März  die  reiche  Haupt- 
stadt Pavia.  Ausführlich  erzählt  diesen  Raubzug  Flodoard  a.  924 
(M.  G.  SS.  in  373):  Hungari  ductu  regis  Berengarii,  quem  Lango- 
bardi  reppulebant ,  Italiam  depopulantur ;  Papiam  quoque ,  urbem 
populosissimam  atque  opulentissimam ,  igne  succendunt,  ubi  opes 
periere  innumerabiles ;  aecclesiae  44  succensae,  urbis  ipsius  episcopus 
cum  episcopo  Vercellensi,  qui  secum  erat,  igne  fumoque  necatur; 
atque  ex  illa  pene  innumerabili  multitudine  ducenti  tantum 
superfuisse  memorantur,  qui  ex  reliquiis  urbis  incensae,  quas 
inter  cineres  legerant,  argenti  modios  octo  dederunt  Hungaris, 
vitam  murosque  civitatis  vacuae  redimentes.  His  expletis,  Hungari 
per  abrupta  transeuntes  Alpium  iuga,  veniunt  in  Galliam.  Rodulfus, 
Cisalpinae  rex  Galliae,  et  Hugo  Viennensis  Hungaros  inter  an- 
gustias  collium  Alpinorum  claudunt;  unde  inopinato  loco  per 
devia  montis  evadentes,  Gothiam  impetunt;  quos  insequentes 
praedicti  duces ,  sternunt  ex  eis  quos  reperire  poterant.  Interea 
Berengarius,  Italiae  rex,  a  suis  interimitur  ^).  In  der  That  wurde 
Berengar  am  7.  April  924,  also  kaum  einen  Monat  nach  der  Ver- 
brennung von  Pavia,  ermordet.    Etwa  zwei  Jahre  später  plünderten 


^)  Liudprandi  antapod.  II  61 — 63. 

2)  Chron.  S.  Benedicti  M.  G.  SS.  III  206 :  Quarto  die  staute  mense 
Februario  adventus  Ungrorum  in  Apuliam  indictione  10.  Ann.  Benevent, 
a.  922 :  Ungarii  Italiam  intraverunt  iam  secundo.  Flodoard  ann.  922 
(M.  G.  SS.  III  370) :  et  Hungari ,  actione  praedicti  Berengarii ,  multis 
captis  oppidis,  Italiam  depopulantur.  Darauf  bezieht  sich  wohl  auch 
Lupus  Protospatharius  a.  920  (M.  G.  SS.  V  53) :  introierunt  Hungari, 
id  est  Hunni,  in  Italiam  mense  Februarii.  Das  Ereignis  ist  hier,  wie 
häufig  bei  diesem  Chronisten,  unter  ein  falsches  Jahr  gestellt.  —  Vgl. 
R.  Rösler,  Romanische  Studien  174. 

^)  Vgl.  Liudprandi  antapod.  III  2:  Rege  Berengario  defuncto 
atque  absente  Rodulfo ,  Hungariorum  rabies  Salardo  preduce  totam 
per  Italiam  dilatatur,  adeo  ut  muros  Papiensis  civitatis  vallo  circum- 
darent,  ac  defixis  per  girum  tentoriis,  exeundi  aditum  civibus  prohiberent. 
Qui  cum  his  viribus  non  resistere  possent,  peccatis  promerentibus ,  nee 
munere  mulcent.  .  .  .  c.  6:  Exusta  denique  Papia,  factaque  totam  per 
Italiam  uon  modica  preda,  Hungarii  ad  propria  revertuntur. 


158  J-  Marquart, 

sie  das  Gebiet  von  Rom,  im  J.  937  gelangten  sie  bis  Capua 
und  Benevent  1).  Eine  Erinnerung  an  jenen  Raubzug  in  Italien 
unter  Salard  hat  sich  sogar  noch  in  der  ungarischen  Chronik 
erhalten,  nur  dass  derselbe  hier  in  die  Zeit  Attilas  projiziert 
und  mit  den  Raubzügen  nach  Unteritalien  verbunden  ist:  Interea 
rex  Atyla  ad  Apuliam  exercitum  suum  destinavit,  constituens  ipsi 
exercitui  capitaneum  Zorard  ^)  ex  tribu  Zoard  oriundum ,  qui 
quidem  Apuliam,  Terram  laboris  et  Calabriam  usque  Regionam 
civitatem  et  Catonam,  quam  sapiens  Cato  fundasse  dicitur  spoliavit, 
et  cum  summa  preda  revertitur  ■^). 

Der  von  Mas'üdl  erwähnte  Korsarenzug  des  Emirs  ©amal 
von  Tarsus  ins  adriatische  Meer  wird  auch  von  Ibn  al  A'9'Tr 
VIII  i.t,  6    kurz  berichtet,    aber  ohne  genauere  Bezeichnung  des 

Zieles:  ^J-.^  ^\^  ^\  ^*^\  q-.  ^äü  ^^\  ^s  Lai^j!  J^  i^cj 
v^^Äi!  Q^3  (j*L   (wäÜ   (_5^L^  *.Aiil   ^y**)  (j*ij  o"^!  *.-oL*i   uj1^Jv.J1 

'1-xÄJ     L^x,vj   ioiaftiU 

d.  h.  „  0amal  unternahm  ebenfalls  einen  Raubzug  zur  See ,  und 
erbeutete  an  Gefangenen  1000  Köpfe  und  an  Pferden  8000  Stück 
und  an  Schafen  200  000  Stück,  und  sehr  viel  Gold  und  Silber". 
Hier  wird  die  Expedition  jedoch  nicht  ins  Jahr  312  (9.  April  924 
bis  28.  März  925),  sondern  ins  Jahr  311  (21.  April  923  bis 
8.  April  924)  gesetzt,  und  es  scheint  in  der  That,  dass  Mas'üdi's 
Chronologie  hier  unrichtig  ist.  Im  ^ü'l  qa'da  des  Jahres  312 
(beginnt  29.  Jan.  925)  befand  sich  0amal  bei  der  Pilgerkarawane, 
welche  von  dem  Karmaten  Abu  Tähir  auf  dem  Wege  nach 
Mekka  angegriffen  und  nach  Küfa  zurückgetrieben  wurde,  worauf 
dieser  Küfa  selbst  einnahm*).  Mas'üdl  verlegt  dies  aber  fälschlich 
in  den  ^ul  qa'da  313  (18.  Jan.— 16.  Febr.  926  5).  Im  Ragab  313 
(beginnt  22.  September  925),  als  die  zehnte  Auswechslung  der 
Kriegsgefangenen  in  Lämis  stattfand,  war  ©amal  noch  nicht  wieder 
auf  seinem  Posten**),  wohin  er  erst  314  (19.  März  926 — 7.  März  927) 


1)  Bened.  ehren,  c.  29  (M.  G.  SS.  III  209).  Leonis  chron.  M.  Gas. 
c.  55  (SS.  VII  55). 

*)  Simon  de  Keza  und  Chron.  Dubn.:  Zoard. 

^)  Chron.  pict.  Vindob.  c.  IX  bei  Florianus,  Hist.  Hungar. 
fontes  domestici  II  p.  117.  Simonis  de  Keza  Gesta  Hungarorum 
I  4,  13  bei  Florianus  1.  1.  II  68.  Chron.  Dubnic.  c.  17  bei  Florianus 
I.  I.  III  20. 

*)  'Arib,  Tabarl  continuatus  ed.  de  Goeje  tTf",  21.  Ibn  al 
A&iT  VIII  tif  j  15.  Vgl.  Aug.  Müller,  Der  Islam  im  Morgen-  und 
Abendlande  I  604. 

^)  Mas'üdl,  Kitäb  at  tanblh  CaI,  1—9. 

«)  Mas'üdl,  Kitäb  at  tanbih  IT,  13. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  159 

aus  Bagdad  zurückkehrte^).  Nehmen  wir  also  Ihn  al  A'9'Ir's 
Chronologie  an,  so  konnte  0amal  sehr  wohl  Ende  des  Jahres  923 
oder  Anfang  924  eine  magyarische  Abteilung  in  Venetien  an- 
treffen, und  ihre  Angabe,  dass  ihr  König  in  der  Nähe  sei,  bestätigt 
sich  vollkommen.  Dass  diese  Magyaren  den  Arabern  ihre  Dienste 
gegen  den  gemeinsamen  Feind  anboten  und  der  Emir  eine  Anzahl 
derselben  mit  nach  Tarsus  nahm,  ist  ebenfalls  ganz  glaublich.  Auf 
deren  Aussagen  gehen  offenbar  die  Nachrichten  über  die  Entfer- 
nung ihres  Gebietes  von  Konstantinopel,  sowie  über  ihre  unbezwing- 
liche  Tapferkeit  zurück.  Ob  diese  Magyaren  sich  etwa  selbst  für 
Muslime  ausgaben  —  was  bei  ihrem  religiösen  Indifferentismus 
(oben  S.  120  f.)  nicht  besonders  auffällig  wäre  —  und  daraus 
Mas'üdi's  Irrtum  teilweise  zu  erklären  ist  oder  ob  er  auf  eigne 
Faust  diese  als  Freunde  der  Muslime  auftretenden  ^i^^j  mit  den 
zwei  Jahre  zuvor  zum  Islam  bekehrten  Wolgabulgaren  kombiniert 
hat,  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen,  aber  auch  ohne  Belang. 
Auf  die  Einfälle  der  Magyaren  durch  Bulgarien,  dessen  Macht 
nach  Symeons  Tod  (927)  rasch  von  seiner  Höhe  herabgesunken 
war,  ins  byzantinische  Reich  in  den  Jahren  934  und  943  blickt 
der  Bericht  offenbar  bereits  zurück,  allein  noch  weniger  als  bei 
der  Erzählung  über  die  Einnahme  von  Walandar  ist  es  uns  hier 
möglich,  zu  erkennen,  welche  Haltung  Symeons  Nachfolger  Peter 
den  Magyaren  gegenüber  eingenommen  hat  2). 

Die  auch  in  der  Erzählung  über  die  Walandarhorden  wieder- 
kehrende Angabe,  dass  sich  die  Raubzüge  der  Magyaren  bis  zum 
Lande  der  Gallegos  und  nach  Spanien  erstrecken,  beruht  wohl 
neben  dem  oben  erörterten  Zuge  des  Jahres  924  hauptsächlich 
auf  einem  von  Liudprand,  Antapodosis  V  19  berichteten  Ereignis, 
auf  das  mich  Graf  Geza  Kuun  aufmerksam  gemacht  hat:  Hoc 
in  tempore  rex  Hugo  datis  decem  nummorum  modus  pacem  cum 
Hungariis  fecit ,  quos  ab  Italia  acceptis  obsidibus  expulit,  atque 
in  Hispaniam  dato  eis  preduce  direxit.  Quod  vero  ad  Hispaniam 
et  ad  civitatem  ipsam  in  qua  rex  vester  moratur,  Cordobam,  non 
venerunt,  haec  causa  fuit,  quoniam  triduo  per  inaquosam  et  siti 
vastam  regionem  transierunt;  putantes  itaque  equos  seseque  siti 
perituros,  preduce  sibi  ab  Hugone  concesso  morte  tenus  verberato, 
celeriori  quam  abirent  impetu  revertuntur.  Diese  Erzählung 
gehört  nach  dem  Zusammenhang  etwa  ins  Jahr  943.  Der  von 
Lupus  protospatharius  a.  940  erwähnte  Zug  3)  ist  wohl  damit 
identisch,  aber  wie  häufig  bei  ihm  in  ein  falsches  Jahr  gesetzt^). 

Ohne  Zweifel   hat  Mas'üdl    die  Kunde    von  diesem  Zuge  aus 


1)  Ihn  al  A'^Ir  VIII  W ,  6. 

2)  Vgl.  z.  B.  Büdinger,  Österreich.  Gesch.  390 f. 

»)  M.  G.  SS.  V  53 :   intraverunt  Hungari  in  Italiam  mense  Aprilis. 
*)  Vgl.  Köpke-Dümmler,  Otto  der  Grosse  S.  130  und  Anm.  4. 


160  J.  Marquart, 

spanisch-arabischer  Quelle  geschöpft.  Herr  Graf  Geza  Kuun 
hatte  die  Güte  mir  noch  folgendes  mitzuteilen:  ,Am  Hofe  Abd 
er-Rahmäns  und  in  seiner  Leibgarde  befanden  sich,  nach  arabischen 
Quellen,  auch  einige  tausend  Magyaren.  S.  Karl  Szabö,- 
A  magyar  vezerek  Kora  (Pest  1860)  S.  219—220.  Vielleicht 
ist  Magister  Thadeus  Ungarus  im  XII.  Jahrhundert  in  Toledo 
Abkömmling  eines  dieser  ungarischen  Leibwächter,  der  die 
arabische  Übersetzung  der  (leydXr]  ßvvxa'^ig  von  Gl.  Ptolemaeus 
im  Jahre  1175  revidierte,  wie  wir  es  aus  dem  „codice  lauren- 
ziano-gadiano  XLV.  del  pluteo  LXXXIX  superiore "  in  der  Florentiner 
„Laurentiana*  Bibliothek  ersehen  können ,  in  welchem  wir  auf 
der  letzten  Seite  folgendes  lesen :  „Finit  liber  ptolomei  pheludensis 
qui  graece  megaziti.  arabice  almagesti.  latine  vocatur  vigil 
cvira  magist  ri  thadei  ungari  anno  domini  millesimo 
C'LXXV°.  Toleti  consumatis  (sie!),  unus  autem  arabum  quingen- 
tessimo  (sie !)  LXX°.  mensis  octavi  XL  die  translatus  a  magistro 
girardo  cremonensi  de  ai'abieo  in  latinum."  S.  meine  Abhandlung: 
Adalekole  a  Keleti  nyelnek ,  irodalmak  es  utazasok  törtenetehez 
„Beiträge  zur  Geschichte  der  orientalischen  Sprachen,  Litteraturen 
und  Reisen" ,  erschienen  im  I.  Heft  des  XXVH.  Jahrgangs  der 
theologischen  Zeitschrift  „Kereszteny  Unguetö"  („Der  christliche 
Sämann"),  1892."] 

7.  Analyse  der  Berichte  des  Gaihäni  über  die  Nordländer. 

Ahnlich  dem  Berichte  des  Mas'üdi  enthält  auch  Gaihäm's 
Bericht  über  die  PeSenegen,  Chazaren,  Magyaren,  Slawen  etc.  bei 
Ibn  Rusta,  Bekrl  und  Gurdezi  Elemente  aus  Quellen,  die  zwei 
verschiedenen  Zeiten  angehören.  Den  Grundstock  bildet  ein 
Bericht  aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jhs. ,  welcher  die  Sitze  der 
Peßenegen  noch  zwischen  den  QypSaq  ( 'L^.?»)  im  Norden,  den 

Chazaren  im  Südwesten,  den  Ghuzen  im  Osten  und  den  Slawen 
im  Westen  kennt  i).  Das  Zeltlager  der  Pe6enegen  erreichte  man 
am  17.  Tage,  nachdem  man  Gurgäng,  die  Hauptstadt  von 
Chwärizm  verlassen  hatte  '^),  vom  Lande  der  Pe^enegen  hatte  man 
10  Tage  bis  zu  dem  der  Chazaren  3). 

1)  Bekrl  S.  42,  17/18.     GurdezT  bei  Barthold  S.  95,  9. 

*)  [Friedrich  Westberg  in  seiner  mir  soeben  durch  die  Güte 
des  Verfassers  zugehenden  Abhandhmg:  „Beiträge  zur  Klärung  orienta- 
lischer Quellen  über  Osteuropa"  S.  2  (Bullet,  de  l'Acad.  imper.  de 
St.  Petersbourg  Ve  Ser.  t.  XI  Nr.  4  und  5  p.  309)  ist  ein  arges  Versehen 

passiert ,  indem  er  Gurgäng,  arab.  iyJL>.4^ ,  türk.  Ürgäng ,  die  wohl- 
bekannte Hauptstadt  Chwärizms  und  wichtige  Handelsmetropole  im 
Mittelalter,  mit  der  Provinz  Gurgän,  .L>^:>  (Hyrkanien)  verwechselt.] 
s)  Ibu  Rusta  m,  5.  Bekrl  S.  43,15.  Gurdezi  bei  Barthold 
S.  95,  18. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  161 

Die  PeSenegen  werden  wie  die  Bulgär  von  den  Burdas 
(Mordwinen)  bekriegt^).  Sie  hatten  daher  wahrscheinlich  damals 
die  Wolga  und  den  Don  noch  nicht  überschritten,  sondern  sassen 
noch  zwischen  dem  Aralsee  und  dem  Jajyk. 

Die  Sitze  der  Magyaren  waren  damals  noch  zwischen  den 
beiden  Flüssen  b^O    (lies  L^  Kuba)    und  J>.jS  ^   die  ins  Romäer- 

meer  münden-).  Mit  letzterem  Namen  bezeichnen  die  Araber  in 
der  Regel  das  Mittelmeer,  hier  ist  aber  ohne  Zweifel  das  Schwarze 
Meer  mit  der  Maiotis  gemeint,  für  welches  die  Araber  sonst  den 
griechischen  Namen  Pontes  (j^Läj  gebrauchen.  Mas'üdT  fand 
den  Namen  ^^  J|   y^.  in  älteren  geographischen  Schriften  noch  in 

letzterem  Sinne  angewandt.  Er  sagt  nämlich  in  den  Gold- 
wäschereien II  45 — 46:  „In  der  Nähe  des  Königreichs  der 
Alanen  ist  ein  Volk  namens  Kasak,  die  zwischen  dem  Kaukasus- 
gebirge   und    dem    Romäemieer   wohnen Diese    erwehren 

sich  der  Alanen  nur  durch  Schlösser,  die  sie  am  Gestade  des 
Meeres  besitzen.  Man  streitet  sich  aber  über  das  Meer  an 
welchem  sie  wohnen;  die  einen  nämlich  sind  der  Ansicht,  dass  es 
das  Romäermeer  sei,  und  die  andern,  dass  es  das,  Pontosmeer  sei. 
Jedoch  zur  See  stehen  sie  mit  den  Ländern  von  Trapezunt  in 
Beziehungen."  Pontos  und  Maiotis  bilden  nach  Mas'üdi  nur  ein 
Meer'^).  Unter  jenen  beiden  Flüssen  sind  daher,  wie  wir 
früher  gesehen  haben ,  wahrscheinlich  der  Don^  der  hier  unter 
seinem    magyarischen  Namen  Etui    erscheint,   und    der  Kuban   zu 


1)  Ihn  Rusta  \f. ,  20.    GurdezT  a.  a.  0.  S.  96,  22.    Dagegen  beruht 
Gurdezi's  Angabe:   (die  A^\äs>,  jt.^  jjS>  und  UJ^ä/*)  ^ji  ».!$  ^j!^ 

cXää5'  ai3jJ^  lXÄa^s  n*ijC-  \j  ^Laj'Lä^.^  (lies  l\./.j5  yj*^)  lX-oI^^xj 
L\;-%jftj3  (Barthold,  Otceti,  S.  95,  10.  Kuun,  Keleti  Kütfök  15,  3 ff.) 
wahrscheinlich  auf  Missverständnis  der  arabischen  Vorlage.  BekrI(Defre- 
mery,  Journ.  as.  1849,  1,  461.  Kunik  und  Rosen  S.  43,  1)  hat  dafür 
in  demselben  Zusammenhange:  KAyLiL^VAJ!  ^y^  L^xx+>  ^^1  ölXPj 
jt^^jj,kj^.     de    Goeje    will    für    ^^3,0  und   ^*,j^kj   lesen    ^j^oL^g-j 

und    ^j      ,.^JCxj.      Wahrscheinlich    hat    aber    Gaihäni    geschrieben 

*^  ..^yKkj*i  iü.i'LiL^AJ!  ,.)»,j*J  »sie  ehren  die  Peßenegen  und  unter- 
nehmen mit  ihnen  Raubzüge*.  Daraus  erklären  sich  sowohl  die  Lesarten 
Bekri's  als  die  falsche  Übersetzung  Gurdezi's,  welcher  ..»^^ij  las  und 
j^^i     ..^.xij   für   *..g.>^JlE     ..»ij/witj    nahm. 

^)  Gurdezi  bei  Barthold  S.  98,  14.     Kuun  a.  a.  0.  S.  84,  5. 

3)  Murug  II  272.     Kitäb  at  tanblh  1v  ,  6. 

Marcmart,  Streifziige.  11 


\Q2  J-  Marquart 

verstellen.  Auch  Ibn  Rusta  und  Mas'üdi  lassen  den  Tanais  in 
den  Pontos  münden.  Jener  schreibt:  „In  das  Pontosnieer  mündet 
der  Fluss,  welcher  Tanais  heisst  und  aus  der  Gegend  des  Nordens 
kommt,  aus  dem  See,  welcher  Maiotis  heisst i).  Dieser  ist  ein 
grosses  Meer,  obwohl  er  See  genannt  wird,  dessen  Länge  von 
West  nach  Ost  300  Meilen  und  dessen  Breite  100  Meilen  beträgt  2).« 
Mas'üdi  aber  drückt  sich  folgendermassen  aus:  „In  den  Pontos 
mündet  der  gewaltige  Strom,  der  Tanais  (^^^^jUL)  heisst.  Dieser 
Strom  entspringt  im  Norden ,  und  an  ihm  wohnen  viele  von  den 
Kindern  des  Jafeth  b.  Nöh.  Er  kommt  aus  einem  mächtigen 
See  im  Norden  aus  Quellen  und  Bergen;  die  Länge  seines 
Laufes  beträgt  gegen  300  Par.  durch  fortlaufende  angebaute 
Länder  der  Kinder  Jafeths ,  dann  durchschneidet  er  die  Maiotis, 
wie  Leute  behaupten,  die  am  meisten  in  dieser  Species  bewandert 
sind,  bis  er  in  das  Pontosmeer  mündet.  Es  ist  dies  ein  ge- 
waltiger Strom,  in  welchem  es  verschiedene  Arten  von  Steinen, 
Kräutern  \mä  Droguen  gibt ,  und  eine  Anzahl  der  früheren 
Philosophen  haben  ihn  erwähnt.  Es  gibt  Leute,  die  das  Maiotis- 
meer  See  nennen,  und  seine  Länge  auf  300  Meilen  und  seine 
Breite  auf  100  Meilen  ansetzen"  ^).  Die  Bezeichnung  ,Romäer- 
meer'  für  das  Schwarze  Meer  erklärt  sich  vollkommen  aus  den 
politischen  Verhältnissen  um  840  n.  Chr.,  als  die  Macht 
der  Chazaren  im  Sinken  begriffen  war  und  die  Romäer  ihre 
Oberhoheit  auf  der  Krim  wieder  energischer  geltend  zu  machen 
begannen. 

Das  Gebiet  der  Magyaren  betrug  100  Pars,  im  Geviert  und 
reichte  von  der  Grenze  der  PeSenegen  (im  0.)  und  der  Isgil- 
Bulgaren  (im  N.)  bis  zum  Kaukasus  und  bis  zum  Romäermeer 
in  der  Nähe  eines  Hafens  des  Romäerlandes,  namens  •  y'  Karch. 

Unter  dieser  Stadt  kann  nicht  das  heutige  Kerc  verstanden 
werden,  wie  Geza  Kuun,  Relat.  Hungar.  1185  meint,  sowohl 
wegen    der    Schreibung     •  S    als    auch    deshalb ,    weil    der    Name 

Ker2  erst  seit  der  Tatarenokkupation  aufkommt.  Das  alte 
Pantikapaion  oder  Bosporos  würde  auch  darum  nicht  passen,  weil 
die  Magyaren,  um  dahin  zu  gelangen,  zu  Schiffe  über  die  Maiotis 
hätten    setzen    müssen,    wozu    sie    sicherlich    nicht   in    der   Lage 

^)  Auch  die  bulgarische  Stammsage  des  Johannes  von  Ephesos 
bei  Gregor  Barhobraeus  (p.  95  ed.  Bruns  mid  Kirsch,  p.  91  ed. 
B  e  d  j  a  n)  lässt  den  Tanais  aus  der  Maiotis  entspringen  uud  in  den 
Poutos  münden. 

2)  Ihn  Rusta  aö  ,  15. 

«)  Murüg  II  260  f.  Vgl.  TanbTh  1v,  11  ff.  „Zu  den  grossen 
berühmten  Strömen  die  in  dieses  Meer  (den  I'ontos)  münden,  gehört 
der  gewaltige  Strom  Tanais,  der  im  Norden  entspringt  und  an  welchem 
viele  von  den  Wohnsitzen  der  Slawen  und  anderer  tief  nach  Norden  ein- 
dringenden Völker  sind". 


Osteviropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  163 

waren.  Es  passt  kein  anderer  Ort  als  das  heutige  Taman ,  bei 
Konstantin.  Porphyrogenn.  de  admin.  imp.  c.  42  p.  101  ,  7  t6 
Ta^jLDcxaQia ,  sonst  ra  MdxQaia ,  auf  italienischen  Karten  Matrica 
neben  Matercha,  altruss.  Tmutoroham.  Vgl.  über  diese  Stadt 
Harkavy,  Altjüdische  Denkmäler  aus  der  Krim.  Mem.  de  l'Acad. 
de  St.  Petersbourg  VIT«  Ser.  t.  XXIV  (1877)  Nr.  1  S.  158.  Rieh. 
Löwe,  Die  Reste  der  Germanen  am  Schwarzen  Meer  S.  33  ff. 

Eine  andere  arabische  Wiedergabe  dieses  Namens  erblicke 
ich  in  o^^J!  (1.  ^^<*^)  J;.yL^ ,  der  Judenstadt  Samkars 
bei  Ibn  al  Faq.  ^vt ,  1.  Die  Russen  kommen  (auf  dem  Dnjepr) 
aus  den  äussersten  Slawenländern  ins  Romäermeer ,  wo  der 
Herrscher  der  Romäer  ihnen  den  Zehnten  abnimmt,  dann  kommen 
sie    zur    See    nach    Oj,.^Ji  J^S..*.^ ,    worauf    sie    ins    Slawenland 

zurückkehren,  de  G  o  e  j  e  hat  mit  Recht  vermutet ,  dass  dieser 
Ort  auf  der  Halbinsel  Taman  gelegen  war,  und  Harkavy 
bringt  damit  das  y-ir;7:D  in  Firkowitsch's  Handschrift  des  Briefes 
des  Chazarenkönigs  zusammen  und  zieht  bereits  die  Möglichkeit 
in  Erwägung,  dass  dies  eine  Korruptel  von  TKfxdraQxcc  sein  könnte  ^). 
Dies  trifft  in  der  That  zu.  Die  Brücke  zwischen  den  ver- 
schiedenen Namensformen  schlägt  der  Name  der  TstQcc'^crai  (bei 
Prokopios) ,  welche  Wasiljewskij  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit nach  der  Halbinsel  Tmutorokan  (Taman)  versetzt  hat-). 
Der  Name  Tex^a^-ixai  gienge  dann  von  einer  barbarischen  Namens- 
form  *Tmtrachs    aus,    welche    dem  ^J;JJ^^^  Smkars    des  Ibn    al 

Faqih  sehr  nahe  steht,  und  *  Tmlrachs^  Srnkars,  y  ^:d72D,  Tmutorokan, 
Tci^äxaQia,    xd  Mdxqaiu,     •  S  etc.  wäi'en  nur  verschiedene  Ver- 

suche,  den  vermutlich  schwer  auszusprechenden  Namen  wieder- 
zugeben bezw.  abzukürzen.  Löwe  vermutet,  dass  ^*Tmutralc 
oder  *Tmutrakan  ursprünglich  die  Benennung  der  Stadt  Taman 
bei  den  Sindern,  den  vielleicht  den  KsQKexat.  (Tscherkessen)  ver- 
wandten Urbewohnern  der  Halbinsel  gewesen"  sei.  Die  griechische 
Pflanzstadt  OavayoQSia,  in  deren  Nähe  sich  das  spätere  TaixccxaQxa, 
das  heutige  Taman  erhoben  hat ,  wurde  nach  Prokopios  ^)  im 
6.  Jahrhundert  durch  die  Hunnen  und  Goten  zerstört.  Allerdings 
erwähnt  Theophanes  (um  817  n.  Chr.)  in  einer  Schilderung 
des  alten  Bulgarenlandes  am  Kuban,  die  er  in  die  Erzählung  von 
der  Wanderung  der  Bulgaren  einflicht,  auch  die  Stadt  Phanaguria 
und    die    dortigen  Juden  ^;.     Allein    dieser  Passus    findet  sich  bei 


1)  A.  a.  0.  S.  284.     Nachtrag  zu  S.  140  Anm.  2  und  S.  158. 

2)  Rieh.  Löwe  a.  a.  0.  S.  33ff. 

3)  De  belle  Gotico  V  5. 

*)  Theophan.  ed.  de  Boor  p.  357  A.  M.  6170:  Kai  sig  (ihv  tcc  itQog 
&vc(ToXi-jv  ^iSQTi  rfjg  TtQOUBiiifvrig  ^tftvijg  ini  ^avayovQiav  yia)  tov?  iv.stes 
oiKOuvrocg  ' Eß^uioüg  na^dv-Bivtai  f'd'vri  nXslßra. 


]^ß4  J-  Marquart, 

Nikephoros  1) ,  der  die  Geschichte  von  der  Bulgarenwanderung 
derselben  Quelle  entlehnt  hat  wie  Theophanes,  nicht,  muss  also 
aus  einer  andern  und  zwar  jüngeren  Quelle  stammen,  die  im 
wesentlichen  die  Zustände  der  eignen  Zeit  des  Verfassers  (etwa 
in  der  zweiten  Hälfte  des  8.  Jhs.)  darstellte.  Im  Jahre  704  wird 
■  Phanagoria  abermals  genannt.  Die  Stadt  war  damals  ebenso  wie 
das  gegenüberliegende  Bosporos  in  der  Gewalt  der  Chazaren-). 
Allein  die  Annahme,  dass  damals  das  alte  Phanagoreia  sich  aus 
seinen  Trümmern  wieder  erhoben  hatte,  wird  durch  nichts  em- 
pfohlen, es  ist  vielmehr  weit  wahrscheinlicher,  dass  wir  es  hier 
lediglich  mit  einem  archaistischen  Sprachgebrauch  zu  thun  haben 
und  die  Byzantiner  mitunter  fortfuhren,  den  alten  Namen  O  a'a- 
yoQEm  auch  auf  das  neuerstandene  Ta^äxaqia  zu  übertragen. 
Dann  haben  wir  es  formell  bezeugt,  dass  mindestens  seit  der 
zweiten  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  die  Juden  die  Hauptbevölkerung 
in  Tamatarcha  (Phanagoreia)  bildeten,  gerade  wie  ein  Jahrhundert 
später  in  ^jiJs.^.^.  Der  Bericht  des  Gaihäni,  der  sich  auf  die 
erste  Hälfte    des  9.  Jahrhunderts  bezieht,    kennt    -J'  wieder  als 

romäische  Stadt.  Um  diese  Zeit  war  die  Macht  der  Chazaren  sehr 
gesunken,  so  dass  sie  den  Kaiser  Theophilos  darum  angiengen,  ihnen 
eine  Festung  am  Don  gegen  die  feindlichen  Steppenvölker  zu  erbauen. 
Am  nördlichen  oder  nordwestlichen  Ende  des  Kaukasus,  durch 
den  Fluss  U.5'  Kuba  d.  i.  den  Kuban  von  den  Magyaren  ge- 
trennt ,  wohnten  die  y*^^  (Bekri  ,^ .  Gurdezi  jXi.'^) ,  welche 
nach  Gurdezi  sämtlich  Christen  waren.  Die  kurze  Beschreibung, 
welche  Gurdezi  und  Bekri  von  diesem  Volke  geben,  haben  wir 
bereits  oben  S.  31  mitgeteilt.  Aus  derselben  geht  hervor,  dass 
wir  es  mit  einem  reisigen  Volke  zu  thun  haben,  welches  haupt- 
sächlich der  Viehzucht  oblag.  Dadurch  wird  bereits  wahrscheinlich, 
dass  nicht  an  die  Cerkessen  zu  denken  ist,  welche  sich  von  jeher 
mit  Ackerbau  beschäftigten  und  noch  von  Mas'üdT  II  45  als 
„Magier"  d.  h.  Heiden  bezeichnet  werden.  Dann  bleiben  aber 
eigentlich  nur  noch  die  Alanen  übrig,  und  es  ist  nicht  mehr  allzu 
schwer   zu    erkennen,    dass    der   Name    als    zweites    Element    den 

Volksnamen  ^T  enthält ,  mit  welchem  die  Alanen  seit  der  Mon- 
golenzeit bezeichnet  werden,  und  der  identisch  ist  mit  der 
altrussischen  Benennung  Jasi  und  der  georgischen  Owst ,  woraus 
der    Landesname    Owsethi    gebildet    ist.     Noch    im  14.    Jh.    fand 

Ibn    Batütä    Reste    der   Ä^en  {o^\)    in  Sarai  =^),    welche    damals 

^)  Nikephor.  iot.  avvr.  ed.  de  Boor  p.  33,  12 ff. 
*■)  Nikephor.  icr.  avvr.  p.  40 ,  28  (^avaywQr}).     Theoph.  Chronogr. 
I  373,  3.  9.  15  A.  M.  6196. 

3)  Voyages  d'Ibn  Batouta  II  448. 


Osteuropcäische  und  ostasiatisclie  Streifzüge.  165 

Muslime  waren ,  in  früheren  Zeiten  aber  hatten  sie  das  ganze 
nordkaukasische  Steppengebiet  vom  Tanais  bis  zur  Wolga  inne  *). 
Abulfedä  r.r",  7  (=111,287)  unterscheidet  die  Äs  von  den 
Alanen  und  bezeichnet  sie,  wohl  wegen  ihrer  nomadischen  Lebens- 
weise, fälschlich  als  Türken-):  „In  der  Nachbarschaft  der  Alanen 
(  .,^IjijU  wohnt  ein  türkisches  Volk,  die  Äs,  von  ihrer  Lebensweise 

rmd  Religion".  Offenbar  sind  unter  den  Äs  hier  speziell  die 
in  der  Steppe  zurückgebliebenen  Alanen  zu  verstehen ,  im  Unter- 
schiede von  denen  im  Kaukasus. 

Ibn  ßusta  If  a  ,  10  ff.  beschreibt  in  dem  Kapitel  über  die 
Alanen  nur  die  letzteren,  sein  Bericht  scheint  mir  aber  wichtig 
genug,  um  ihn  herzusetzen :  ,,Man  verlässt  das  Königreich  as  Sarir 
nach  links  und  reist  durch  Berge  und  Wiesen  drei  Tage  lang; 
dann  gelangt  man  zum  Reiche  der  Alanen.  Der  König  der  Alanen 
ist  persönlich  Christ,  die  Masse  seiner  Unterthanen  aber  sind  Un- 
gläubige, welche  Götzenbilder  anbeten.  Dann  reist  man  10  Tage 
lang  zwischen  Flüssen  und  Wäldern,  bis  man  zu  einer  Festung 
kommt,  welche  Alanenthor  heisst.  Sie  liegt  auf  dem  Gipfel  eines 
Berges,  während  unter  dem  Berge  ein  Weg  dahin  führt  und 
ringsum  ragende  Berge  sind.  Die  Mauer  dieser  Festung  bewachen 
jeden  Tag  1000  Mann  von  seinen  Unterthanen,  die  dazu  bestellt 
werden ,  bei  Tag  und  Nacht.  Die  Alanen  bestehen  aus  vier 
Stämmen.  Der  vornehmste  derselben,  dem  auch  der  König  angehört 
heisst  ^j^L.MA,i>L3  Docks- äs.  Der  König  der  Alanen  führt  den 
Titel  ^jLxj  Bayäjar ,   der  jedem  zukommt  der  über  sie  herrscht." 

Mit  dieser  Beschreibung  ist  die  bei  Mas'üdT  11  42  f.  zu  ver- 
gleichen: „In  der  Nachbarschaft  des  Königreichs  as  Sarlr  ist  das 
Königreich  der  Alanen.  Der  König  desselben  führt  den  Titel 
Karkundäg ,  der  all  ihren  Königen  gemeinsam  ist ,  wie  Fllänsäh 
allen  Königen  von  Sarir  gemeinsam  ist.  Die  Residenz  der  Alanen 
hftisst   fjjxxA^)    MayaQ ,    d.    h.    Religiosität.     Er    besitzt    Schlösser 

und  Orte  der  Erlustigung  ausser  dieser  Stadt,  in  welche  er  zum 
Aufenthalt  übersiedelt.  Zwischen  ihm  und  dem  Herrscher  von 
as  Sarir  besteht  gegenwärtig  eine  Verschwägung,  indem  jeder  von 


1)  Einiges  über  die  Geschichte  der  Alanen  findet  man  bei  Toma- 
schek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den  skythischen  Norden 
II  36 ff.  SBWA.  117,  1,  1888.  Wsewolod  Miller,  Ossetische  Studien 
Heft  III  (russ.)  ist  mir  leider  nicht  zugänglich. 

^)  Sukru'lläh  b.  Sihäb  bei  Hammer,  Sur  les  origines  russes 
107,  15  =  47  bezeichnet  die  (j^'^J^  ebenfalls  als  Türken. 

^)  Die  Leidener  Hs.  537  a  (L),  deren  Lesarten  ich  der  Liebens- 
würdigkeit Herrn  Prof.  de  Goeje's  verdanke,  hat  ^o-x/«  wie  die 
Ausgabe. 


Ißß  J.  Marquart, 

beiden  die  Schwester  des  andern  geheiratet  hat.  (43)  Die  Könige 
der  Alanen  hatten  nach  dem  Aufkommen  des  Islams  und  während 
der  "^abbäsidischen  Dynastie  sich  zum  Glauben  der  christlichen 
Religion  bekannt,  nachdem  sie  vorher  Heiden  gewesen  waren. 
Nach  dem  Jahre  320  (13.  Januar — 31.  Dezember  932)  nun  sind 
sie  von  dem  Christenthum ,  das  sie  bekannten,  wieder  abgefallen 
und  haben  die  Bischöfe  und  Priester,  die  bei  ihnen  waren  und 
die  der  König  der  Romäer  zu  ihnen  gesandt  hatte ,  vertrieben. 
Zwischen  dem  Königreich  der  Alanen  und  dem  Kaukasus  ist  eine 
Festung  und  eine  Brücke  über  einen  gewaltigen  Fluss.  Diese 
Festruig  heisst  Alanenschloss ,  und  ist  erbaut  von  einem  König 
der  alten  Perser  in  grauer  Vorzeit,  namens  Ispandijä(J  b.  Bistäsp 
b.  Lohräsp  ').  Er  setzte  in  diese  Festung  Männer,  um  die  Alanen  zu- 
verhindern, zum  Kaukasus  zu  gelangen,  und  es  gibt  für  sie  keinen 
Weg  als  über  diese  Brücke  unterhalb  dieser  Festung.  Diese  liegt 
auf  einem  massiven  Felsen,  so  dass  es  keine  Möglichkeit  gibt,  sie 
zu  erobern  und  zu  ihr  zu  gelangen  als  mit  Erlaubnis  ihrer  Be- 
satzung-). Diese  Festung,  die  auf  diesem  Felsen  erbaut  ist,  hat 
eine  Quelle  mit  süssem  Wasser,  die  in  ihrer  Mitte  aus  dem 
höchsten  Teil  dieses  Felsens  hervorsprudelt,  (44)  und  diese  Festung 
ist  eine  der  wegen  ihrer  Unnahbarkeit  am  meisten  gepriesenen 
Festungen  der  Welt.  Die  Perser  haben  sie  in  ihren  Gedichten 
erwähnt,  sowie  das,  was  bei  ihrer  Gründung  seitens  des  Ispandijäd 
b.  BiStäsp^)  sich  zutrug.  Ispandijäd  hatte  auch  viele  Kriege 
im  Osten  mit  verschiedenen  Nationen  zu  führen ;  er  ist  es, 
der  in  die  entferntesten  Länder  der  Türken  zog  und  die 
eherne    Stadt    (  ä>aJi    *.ÄjiA/« ,    pers.     :0    (j^Jj,)    zerstörte^),    die 

einen  hervorragenden  Platz  in  Bezug  auf  Unnahbarkeit  einnahm,  da 
man  ihr  nicht  beikommen  konnte,  und  welche  bei  den  Persern  sprich- 
wörtlich geworden  ist.  Die  Thaten  des  Ispandijäd  und  das  was  wir 
beschrieben  haben,  sind  erzählt  in  dem  Buche,  das  unter  dem 
Namen  Kitäb  al-haikär  *)  (pers.  *Paikär-nä7na  „Kriegsbuch") 
bekannt  ist  und  das  Ibn  al  Muqaffa'  in  die  arabische  Zunge  über- 
tragen hat.  Maslama  b.  'Abd  al  Malik  b.  Marwän  hatte ,  als  er 
in  diese  Gegend  gelangt  war  und  die  Einwohner  überwältigt  hatte, 
in    dieser  Festung  Leute    von  den  Arabern  angesiedelt  ^) ,    die  bis 


^)  L  (das  erstemal  f  sJuvL^   q.^)    \Jun\j.,>^j  q.j   oLjiAäa/ä!  ,   ed. 

2)  Über  die  Ruinen  der  Festun«:^  Dariela  s.  Klaproth,  Reise  in 
den  Kaukasus  I  671  ff.     Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  154  N.  2. 

*)  Vgl.  meine  Beiträge  zur  Geschichte  und  Sage  von  Eran. 
ZDMG.  49,  639  und  N.  4.     Sebeos  ed.  Patkanean  S.  30. 

*)  So  ist  zu  lesen.     Vgl.  ZDMG.  49,  639  N.  2. 

^)  Nach  Bai.  H.,  1  gcechah  dies  vielmehr  durch  Jazid  b.  Usaid 
asSulami  unter  al  Man(jür. 


Osteuropüische  und  ostasiatische  Stroifzüge.  167 

zu  diesem  Zeitpunkt  diesen  Platz  bewachen.  Häufig  wird  ihnen 
der  Proviant  zu  Lande  von  der  Grenzfestung  Tiflis  aus  zugeführt 
—  von  Tiflis  bis  zu  dieser  Festung  (45)  sind  fünf  starke  ')  Tagereisen. 
Wenn  nur  ein  einziger  Mann  in  ciieser  Festung  wäre ,  so  würde 
er  die  übrigen  Könige  der  Ungläubigen  verhindern ,  diesen  Ort 
zu  passieren ,  weil  sie  (gleichsam)  in  der  Luft  hängt  und  die 
Strasse  und  die  Brücke  und  das  Thal  beherrscht.  Der  Herrscher 
der  Alanen  kann  30  000  Reiter  auf  die  Beine  bringen ,  und  er 
ist  unnahbar  und  von  gewaltiger  Tapferkeit ,  und  besitzt  eine 
Regierung ,  die  durch  Fürsten  ausgeübt  wird.  Was  sein  Reich 
anlangt,  so  sind  dessen  Wohnungen  derart  ununterbrochen  zu- 
sammenhängend ,  dass,  wenn  (an  einem  Oi*te  desselben)  die  Hähne 
krähen ,  sie  einander  im  übrigen  Teil  seines  Reiches  antworten, 
weil  seine  Wohnungen  sich  verschlingen  und  an  einander  anstossen." 
Neben  den  Abweichungen  dieser  beiden  Berichte  sind  vor 
allem  ihre  Übereinstimmungen  nicht  zu  übersehen.  Sollte  der 
Name  der  Hauptstadt  der  Alanen  bei  Mas'üdl,  ,ja.i/»  etwa  mit 
dem  ihres  Hauptstammes  ,jA,Lw.i>0  bei  Ibn  Rusta  zusammenhängen'? 

Jedenfalls  glaube  ich ,  dass  wir  auch  hier  ,j^!  als  allgemeinen 
Volksnamen  abzutrennen  haben,  so  dass  der  spezielle  Stammname 

^j^:^J>  lautete.  Damit  ist  aber  die  Existenz  des  Namens  (j*!  schon 
zur  Zeit    des  Muslim  b.   Abu  Muslim  ,    d.  h.  in  der  ersten  Hälfte 

des  9.  Jahrhunderts  bewiesen ,  und  Bekri's  |^jl  d.  i.  ^^\  für 
i)m^Ad  darf  nicht  mehr  als  eine  Korruption ,  sondern  als  eine 
berechtigte  Korrektur  aufgefasst  werden,  welche  den  unbekannten 
Stamnmamen  durch  den  bekannteren  Volksnamen  ersetzte.  Was 
die  Religion  der  Alanen  anlangt,  so  wurde  ihr  Herrscher  jeden- 
falls noch  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  in  Byzanz  als 
Christ  angesehen ,  wie  aus  der  im  diplomatischen  Verkehre  mit 
ihm  gebrauchten  Formel  hervorgeht:  iv  ovo^cat  xov  itaxqog  Kai 
xov  vlov  Kai  rov  ayiov  Tivevfiarog ,  xov  evbg  Kai  (lövov  aXrj&ivov 
0EOV  i]f.iäv.  Kcovßxavxtvog  Kai  Pco^avog,  ntöxot  iv  avxw  xä  &eä 
ßaGiXsig  Pcoiialcov ,  TtQog  6  detva  xov  i^ovGiaöxriv  AXaviag  Kai 
Ttvsv^axiKov  Tj^äv  XEKVOV-).  Spuren  dieses  ehemaligen  Christen- 
tums sind  noch  in  neuerer  Zeit  bei  den  Osseten  gefunden  worden, 
als  die  Russen  seit  dem  Jahre  1752  begannen,  die  Mission  unter 
diesem  Volke  zu  organisieren-^). 

Der  Titel    ^Lxj  erinnert  an  den  ossetischen  Riesen  Baqaüar, 
der  nach  der  georgischen  Chronik  vom  iberischen  König  Wacht'ang 


')  Lies   mit  L    .L  5    für  das    .Lfti'   der  Pariser  Ausgabe ,   welches 
hier  übersetzt  wird:  ,cette  distance  est  occupr'e  par  les  intid^les"! 

2)  Konstantin.  Porphyrogenn.  de  caerim.  aulae  Byz.  II  48  p.  688. 

3)  Klaproth,  Reise  in  den  Kaukasus  I  359 f.  II  607.  58L 


IQQ  J.  Marquart, 

Guro-aslan  (richtig  Gurgasar)  im  Zweikampf  erlegt  wird.  Ein  anderer 
Baqat^ar,  mVairar  von  Oset'i,  wird  unter  dem  Kuropalates  Adarnasell 
(881  —  923)  erwähnt').  Ich  glaube  nicht,  dass  wir  es  hier  lediglich 
in  anachronistischer  Weise  mit  dem  mongolischen  Titel  bayatur 
„Held"  zu  thun  haben,  mit  welchem  die  alanischen  Häuptlinge  seit 
der  Mongolenzeit  bezeichnet  werden.  Jedenfalls  steckt  aber  in  Ibn 
Rusta's  A.x.i  das  altiranische ,  auch  ins  Slawische  übergangene 
Wort  für  „Gott",  ap.  baya^  das  in  einigen  Dialekten  auch 
den    König    bezeichnete  ^).      Dagegen    hängt    Mas'üdl's    ^!  JOL^-i^ 

vielleicht  mit  dem  Titel  des  magyarischen  Oberhäuptlings  »tX^i^ 
zusammen  ^) ,  der  auch  bei  den  Chazaren  existiert  zu  haben 
scheint*).  Im  Anfang  des  8.  Jahrhunderts  begegnet  uns  ein 
Herrscher  der  Alanen  mit  dem  Titel  'Ird^Tjg  d.  i.  vitaxa,  eig. 
ni,ria^r}g.  georgisch  pifiachh',  patiaschi]  arm.  bdeaSch  , Markgraf  ^). 

Leider  hat  uns  Ibn  Rusta  die  Namen  der  drei  übrigen 
Stämme  der  Alanen  nicht  mitgeteilt.  [In  der  sogenannten  Kirchen- 
geschichte des  Zacharias  Rhetor  werden  den  Alanen  fünf  Städte 
zugeschrieben  ^').] 

Tomaschek'')  behauptet,  die  Alanen  hätten  ihr  Berggebiet 
südlich  vom  Kasbek  ^A%toxia,  nördlich  davon  ^A^ia  genannt.  Er 
unterlässt  leider  in  seiner  bekannten  Manier  uns  mitzuteilen,  wo 
der  Name  ^Afiayia  vorkommt,  so  dass  man  nicht  weiss,  worauf 
sich  jene  Behauptung  stützt.  ^Ai,m  ist  die  Gegend,  in  welcher 
die  Kaspischen  Thore  (Dariela)  sind,  und  hatte  mehrere  Häupt- 
linge ^).  Es  kann  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  der  Name  mit  _  dem 
Volksnamen  Äs  zusammenhängt,  also  gewissermassen  eine  Über- 
setzung des  iberischen  Owset'i  ist.  ^A%Gi%ici  ist  dagegen  offenbar 
abgeleitet  von  CJioch,  wie  die  Osseten  die  ganze  Reihe  der  Berge 
vom  Kasbek  bis  zum  Kasarai  nennen  9). 


1)  Brosset,  Eist,  de  la  Göorgie  1  157  ss.  274. 

*)  S.  meine  Untersuchungen  zur  Geschichte  von  Eran  Heft  II  6  N.  2. 

3)  Ibu   Rusta  ifl',  8.     GurdezT   bei   Barthold   S.  98,  6.     Bekrl 

S.  45,  4. 

*)  Wenn  letzteres  aus  dem  Namen  des  Vaters  des  Chazaren  Ishaq 

b.  Kundäg  oder  /  ix^I^Ä^'  (zuerst  a.  259  H.  Tab.  III  Iaw  ,  10  =  Ibn 
al  A'9'Tr  VII  IvaI  geschlossen  werden  darf,  wie  Vämb^ry,  Der  Ur- 
sprung der  Magyaren  S.  84  will. 

5)  Theoph.  Chronogr.  ed.  de  Boor  p.  392,  27  A.  M.  6209  =  717. 
—  Vgl.  Hübschmann,  Arm.  Gr.  I  119 f. 

*')  [Die  sog.  Kirchengeschicbte  des  Zacharias  Rhetor,  in  deutscher 
Übs.  hg.  von  K.  Ahrens  und  G.  Krüger  (1899)  S.  253,  15.1 

')  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den  skyth.  Norden  II  40. 
RBWA.  117,  1,  1888. 

**)  Konstantin.  Porph.  de  caerim.  aulae  Byz.  II  48  p.  688:  fi? 
tovg  aQ^ovrag  'A^iag,  iv  m  tiaiv  al  KaOTtstai  nvXai. 

9)  K.  Koch,  Reise  durch  Russland  nach  dem  kaukasischen 
Isthmus  II  89. 


Osieuropäiscbe  und  ostasiatische  Streifzüge.  169 

Nach  den  Angaben  der  Georgier  wurden  die  Osseten  erst 
von  den  Mongolen  unter  Batu-chan  aus  den  Ebenen  der  jetzigen 
Kabarda  vertrieben  und  genötigt,  sich  in  die  Gebirge  des  centralen 
Kaukasus  zurückzuziehen ,  wo  sie  sich  in  den  Felsenthälern  an- 
bauten ,  die  sie  nach  ihren  vornehmsten  Familien  benannten : 
Basiani ,  Badillat'e ,  Cerkesate ,  Tagata ,  K'urtat ,  Sidamoni  und 
Cachilate  *).  Die  meisten  dieser  Namen  sind  offenbar  neuern  Ur- 
sprungs und  entstammen  zum  Teil  ^erkessischen  Familien,  welche 
die  Osseten  im  Gebirge  ihrer  Botmässigkeit  unterwarfen.  Dies 
gilt  vor  allem  von  den  Badillat'e  und  Cerkesate  ^).  Wie  weit  es 
Wsewolod  Miller  im  dritten  Hefte  seiner  ossetischen  Studien 
gelungen  ist,  die  ältere  ethnographische  Gliederung  der  Osseten 
klarzustellen,  ist  mir  unbekannt,  da  mir  jene  Schrift  leider  un- 
zugänglich ist.  Jedenfalls  aber  sind  die  Taga-te  (eine  Pluralform), 
bei  den  Cerkessen  Tegei,  georgisch  Taga-ur^  genannt,  ein  alter 
Stamm,  welcher  am  linken  Ufer  des  oberen  Terek  und  besonders 
an  dessen  Nebenflüssen  Kizil-don  und  Gnal-don  wohnt,  während 
die  K'urtaten  in  den  Schluchten  des  Sau-don  und  Fiag  hausen. 
Über  die  Verbreitung  und  die  Namen  der  alanischen  Stämme  in 
den  nordkaukasischen  Steppen  vor  der  Invasion  der  Mongolen 
können  wir  dagegen  den  späten  georgischen  Nachrichten  nichts 
Sicheres  entnehmen. 

Auch  die  Geographie  des  Ps.  Moses  Chorenac'i  bex-ücksichtigt 
nur  die  Alanen  im  Kaukasus.  Es  heisst  hier  in  der  Beschreibung 
Sarmatiens  S.  26,  24 ff.  ed.  Soukry-^: 

\jL.    trU     (w  \^iupifuiuipnj  ^lui/iunlrtui       ujiuujjl^Uy    ul^utrtui 
fi     ifinjiß     J'^l^      ky*        'itiufv     uii£^     W^fu/üiuq'^)     W^yui/innn 
n/r     nutn     ^tunuäcnj   )*        "^lUi/iufLüiuL    %nqtu     ^o-tLnunn  ')     t-L. 


1)  Klaproth  a.  a.  0.  II  581.  Wakhoucht,  Description  geo- 
graphique  de  la  Georgie  trad.  par  Brosset  ist  mir  hier  nicht  zugänglich. 
[S.  Nachträge!] 

-)  Klaproth  a.  a.  0.  I  687  II  345. 

'')  Ich  bediene  mich  folgender  Abkürzungen: 

S   =  Text   der   Geographie   nach   der  Ausgabe  Soukry's; 

M  =  Text   der  Geographie   bei  S  a  i  n  t  -  M  a  r  t  i  n ,    Memoires 
sur  TArmenie  II. 

V  =  Text   der  Geographie   in  der  Ausgabe  der  Werke  des 

Moses,  Venedig  1865,  S.  604. 
B  =  vorkürzte  Recension  des  Textes. 
*)  S  Ü.'Z"'-'"^'«'^ ;  aber  der  Gen.  von  l],»^««-««^  lautet   ü,-2n<-.«^7y 
—  V  lJ./j"V»  zwei  alte  Hss.  Hi7r/i_«#'i;^,  «benso  M. 
5)  Om.  B. 
«)  V  •p%"V'4.',  aber  drei  alte  Hss.  \a/rpnL.p^  bezw.  la^//"«^* 


170  '^-  ^^arquart, 

ui->luiun'^h     \\ujuljuguttü       ilrniulMnlM*  nL.uuin      ^nun      u^frutü 

d.  h.  „Es  werden  zu  Sarmatien  gerechnet  wie  folgt,  angefangen 
von  Westen  nach  Osten :  zuerst  ein  Volk  der  Alanen ,  Ahtf'gor, 
das  gegen  Süden  ist.  Gleichen  Wohnsitz  mit  ihnen  haben  die 
Chcbwk^  K^ut^eth\  Argvel  und  Margoü.  Auch  die  Takoir  sind 
Alanen  nach  Di'k^or ,  im  Lande  Ardoz  der  Berge  des  Kaukasus, 
von  wo  der  Fluss  Armnaj '')  entspringt  und  durch  den  Norden 
fliessend,  durch  weite  Ebenen,  in  den  At'l  mündet". 

Von  diesen  Völkerschaften  sind  die  2  ^akoir  bekannt :  es  sind 
die  Tagauri  der  Georgier ,  die  sich  selbst  Tagate  nennen  ^) ;  der 
Fluss  Arvinaj  ist  der  Terek,  georgisch  Lomek'is-mdinare ,  in 
seinem  Oberlauf  bis  dahin,  wo  er  die  kaukasischen  Gebirge  verlässt 
und  in  die  Ebene  der  Kabarda  tritt,  auch  Aragwi  genannt). 
Derselbe  scheint  aber  hier  mit  der  Kuma  zusammen  geworfen  zu 
sein.  Umgekehrt  ist  bei  gewissen  Geschichtschreibern  der  Mi&qi- 
Sannä  der  Amazonenfluss  MEq^oöaq,  welcher  dem  Armnaj  des 
Ps.  Moses  d.  i.  dem  Terek  entsiiricht,  mit  dem  Kuban  zusammen- 
gefallen. Er  stürzt  aus  den  Bergen  herab  und  soll  dann  durch 
das  Gebiet  der  Amazonen  und  Siraken  und  die  ganze  dazwischen- 
liegende Steppe  fliessen  und  in  die  Maiotis  münden  ^^).  Theophanes 
von    Mitylene     vermischt    den    Terek    gar    mit    dem    Tanais^^). 


1)  B  -po^T^^-Cf!,   die  älteste  Hs.  '^-"•Lt^"i/.pt   eine  Hs.  *}"'-Rth^' 
^)  B  \\j"t""-^'".ef  eine  Hp.  U./'T^"'^^'^  für  U,^^f/«-tß^« 

2)  S  IT-r^^L,  V  \y-"Ct"l-e,  M  U*'"/'^^/^- 

ö)  Gm.  B. 

8)  Ebenso   Gesch.  2 ,  52   S.130  vgl.  2,  53  S.  131,  19.     B  \}j"t"'Lß' 

')  S.  27,  4  \}.l"^  1^"'  , Fluss  Arm". 

«)  Für  phantasieroiche  Leute,  die  geneigt  sein  sollten,  die  Tagauri 
iier  Georgier  bereits  in  den  Tagorae  bei  Flin.  6 .  22  wiederfinden  zu 
wollen,  will  ich  jedoch  bemerken,  dass  dieser  Name  wahrscheinlich 
aus  PayÖQai  verlesen  ist,  was  nur  eine  andere  Namensform  sein  dürfte 
für  Epagerritae  Plin.  6,  16,  nayvQixai  Ptol.  3,8  p.  201,  14,  'AyoQTtai 
Ptol.  5,  8  p.  349,  10,  d.  i.  upa  +  x.    Vgl.  'TitäyivQiq  Trorafzo?  Her.  4,  47.  55. 

ö)  Klaproth  I  627.  11  70. 

")  Strab.  la  5 ,  2  p.  504.  Weiteres  hierüber  in  einer  Schrift  über 
die  historische  Ethnographie  des  Daghestan.  In  MsQiio-öag  steckt  das 
OBsetisch-alanisclie  dän,  don  „Wasser". 

")  Strab.  la.  2,  2  p.  493.     S.  o.  S.  153  Anm.  3. 


der 


Osteuiopäische  und  ostasiatische  Streifziige.  171 

DiUor  ist  die  Landschaft  der  Digoren  am  Oberlauf  des  Uruch 
oder  Iref^).  Wahrscheinlich  haben  wir  unter  dem  Stamm 
Astigor  eben  die  Digoren  zu  erkennen.  Die  Landschaft  Ardoz 
im  Quellgebiet  des  Terek  wird  von  Ps.  Moses  mit  dem  Gau 
Arfaz  in  der  armenischen  Provinz  Waspurakan  kombiniert,  wo 
der  König  Artases  (hier  =  Tiridates  I.,  der  Brader  Volagases'  L) 
eine  Kolonie  gefangener  Alanen  angesiedelt  und  wo  sich  das 
Grab  des  Apostels  und  Märtyrers  Thadde  befunden  haben  soll-). 
Die  vier  übrigen  Namen  vei-raten  gleich  dem  Namen  T'akoir  deutlich 
iberischen  Ursprung  und  weisen  auf  eine  georgische  Quelle.  Ärgvel 
oder  ArgavcW  hat  Ps.  Moses  in  seiner  Geschichte  2,58  mit. 
dem  armenischen  Geschlechte  \\n-nL.lrqlrufhß  Arveicank'  oder 
Wp-tuLlrqlru^iß  Äraveieank\  die  er  für  ein  unter  König  Artases 
eingew-andertes  alanisches  Geschlecht  ausgibt,  in  Beziehung  gebracht  ■^), 
aber  augenscheinlich  mit  Unrecht  und  nur  auf  Grund  des  schein- 
baren Namenanklangs. 

Argvel  (bezw.  Argavet'k')  oder  Margoil  ist  nämlich  offenbar 
nichts  anderes  als  Argivef  oder  Afargwct',  ein  Kreis  von  Imeret'i, 
der  aus  dem  Gebiete  der  Calapuri ,  der  oberen  Kwirila ,  der 
Dsirula  und  der  Cerimela,  sowie  aus  der  rechten  Seite  der  untern 
Kwirila  bis  zu  ihrer  Mündung  in  den  Rioni  besteht.  Der  Haupt- 
ort war  die  Festung  Sarapani*).  In  der  Beschreibung  Iberiens 
S.  28,  15  erwähnt  unser  Geograph  denn  auch  die  Berge  von 
Argvet'  iW.f^'-irP^"^  ijff^f'^f)  nördlich  vom  Kur ,  gegenüber 
dem  Gau  T'ar.  Daraus  ergibt  sich  bereits  die  Wahrscheinlich- 
keit, dass  auch  Chehurk''  und  Kufetk'  im  Süden  des  Kaukasus 
zu  suchen  sind.  Letzteres  ist  daher  vielleicht  identisch  mit  dem 
Lande  der  ifWÄ;'  (mit  georgischer  Endung  -ef^i),  welche  unser 
Geograph  S.  25,  26  zwischen  Garsk''  (Kasak,  Cerkessen)  und 
Svank^  d.  i.  den  Swanen  aufführt  5).  Chebiirk'  bezeichnet  dann 
vielleicht  den  imeret'ischen  Kreis  Raga ,  benannt  nach  dem 
Dorf  Chebi  (mit  der  georgischen  Ableitungsendung  -uri),  bei 
welchem  der  Rioni  eine  südöstliche  Richtung  einschlägt  f').  Alle 
vier  oder  richtiger  drei  Gaue  sind  demnach  in  Imeret'i ,  südlich 
und   südwestlich  von  den  Digoren  zu  suchen  und  haben  mit  den 


»)  Klaproth  a.  a.  0.  II  S.  VI. 

'-)  Ps.  Mos.  Chor.  2,  34  S.  111.  52  S.  130/31. 

')  S.  meine  Schrift  „Eränsahr  nach  der  Geographie  des  Ps.  Moses 
Chorenac'i"  S.  5.  Abh.  der  K.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen.  Phil.-hist. 
Kl.  N.  F.  Bd.  III  2. 

*)  Vgl.  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  41  und  N.  8.  Klaproth , 
Reise  in  den  Kaukasus  II  39  f.  K.  Koch,  Reise  durch  Russland  nach 
dem  kaukasischen  Isthmus.     II  161  f. 

*)  'Fr.  Westberg  in  der  S.  160  Anm.  2  zitierten  Abhandlung 
S.  71  =  309  sieht  in  don  K'ut'k'  die  Goten  von  Anapa.] 

«)  Klaproth  II  33. 


172  ♦^-  Marquart, 

Alanen    nichts    zu    thun.     Über  ihre    Sitze    hatte    Moses    offenbar 
ganz  falsche  Vorstellungen. 

Wenn    wii-    aber    auch    bei  den    in    erster  Linie  in  Betracht 

kommenden    Quellen    vergeblich  Aufschluss   über   die  ( -."^'»Jj    des 

GaihänT  suchen,  so  hat  sich  dafür  eine  Erinnerung  an  diese  ehe- 
maligen Nachbarn  der  Magyaren  in  der  ungarischen  Volkssage 
erhalten.  Als  die  Briider  Hunor  und  Mogor,  die  Stammväter 
der  Magyaren,  bei  einem  Raubzug  in  der  Nähe  der  Maiotis  die 
Frauen  und  Kinder  der  Bulgaren  (Belar)  am  Kuban  raubten, 
befanden  sich  unter  diesen  auch  zwei  Töchter  des  Alanenfürsten 
Dula ,  von  denen  die  eine  die  Frau  des  Hunor ,  die  andere  die 
des  Mogor  wurde.  So  wurden  dieselben  die  Stammmütter  des 
ganzen  Magyarenvolkes ^).  Es  ist  mir  nicht  zweifelhaft,  dass  der 
Alanenfürst  D%da  nur  die  Personifikation  eines  Stammes  ist,  dass 
wir  also  hier  einen  Alanenstamm  Dula  bezeugt  haben,  in  dessen 
Nähe  einstmals  die  Magyaren  gewohnt  hatten.  Vielleicht  gelingt 
es  mit  der  Zeit,  denselben  auch  sonst  noch  nachzuweisen-).  Mit 
den  türkischen  T'olcis  haben  also  GaihänT's  Tül-äs  nicht  das 
mindeste  zu  thun^).  Da  wir  aber  den  Namen  As  gerade  für  die 
Alanen  der  Steppe  jetzt  wenigstens  für  die  erste  Hälfte  des  9.  Jhs. 
n.  Chr.  bezeugt  haben ,  so  wird  man  nicht  mehr  ohne  weiteres 
jeden  Zusammenhang  desselben  mit  den  'Aaaioi  des  Ptol.  V  8 
p.  348,  24  ablehnen  dürfen. 

„Hinter  jenem  Gebirge    (dem  Kaukasus)    ist    ein  christliches 
Volk,  obyo  Mardät  genannt*),  das  10  Tagereisen  von  den  Nandar 

entfernt  ist.  Sie  sind  ein  zahlreiches  Volk.  Ihre  Kleidung  gleicht 
der  der  Araber  in  Turban,  Hemd  und  Helm.  Sie  besitzen  Saat- 
felder, Anbau  und  Weinstöcke,  da  ihr  Wasser  auf  der  Oberfläche 
der  Erde  läuft  und  sie  keine  Röhren  (Kärez)  besitzen.     Wie  man 


^)  Accidit  autem  principis  Dule  Alanorum  duas  filias  inter  illos 
pueros  comprehendi.  quarum  unam  Hunor  et  aliam  Mogor  sibi  sumpsit 
in  uxorem.  Ex  quibus  mulieribus  omnes  Huni  sive  Hungari  originem 
assumpsere.  Simon  de  Keza,  Gesta  Hungarorum  I  1,  3  bei  Florianus, 
Hist.  Hungar.  fontes  domestici  II  55  s.  Chron.  Vindob.  pict.  c.  II 
ib.  11  105.     Chron.  Dubn.  c.  2  ib.  III  6. 

2)  Auf  die  Duli  gens  in  der  Kosmographie  des  Julius  Honorius 
§26  (bei  Alexander  Riese,  Geograph!  Latini  minores  p.  40,  8), 
zwischen  Gothi  gens  und  Gippedi  gens  aufgeführt,  wird  man  freilich 
verzichten  müssen,  da  unter  jenem  Volk  wohl  nur  mit  Mülle  nhoff, 
DA.  III  221  die  in  der  Karte  des  Castorius  Segm.  IV ,  3/4  genannten 
Vanduli  verstanden  werden  können. 

3)  Wie  Bart  hold,  Die  historische  Bedeutung  der  alttürkischen 
Inschriften  S.  9  und  ich  in  meiner  Chronologie  der  alttürkischen  In- 
schriften S.  96  fälschlich  angenommen  hatten. 

4)  rin  einer  von  Tumanskij  entdeckten,  aber  noch  uncdierten 
persischen  Geographie  ot^yi.  Siehe  Westberg  in  der  oben  citierten 
Abhandlung  S.  5  =  215]. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  173 

sagt,  ist  ihre  Zahl  grösser  als  die  der  Romäer'),  und  sie  bilden 
ein  Volk  für  sich.  Ihr  meister  Handel  findet  mit  den  Arabern 
statt' ^).  ßeki'T  sagt  über  dies  Volk  bloss:  ^Unterhalb  von  diesem 
Gebirge  am  Ufer  des  Meeres  ist  ein  Volk,  das  NJji,!  heisst, 

die  Christen  und  den  Ländern  des  Islams  benachbart  sind,  welche 
den  Ländern  von  Tiflis  zugeteilt  werden.  Es  ist  der  Anfang  des 
Gebietes  von  Armenien.  Dieses  Gebirge  dehnt  sich  aus,  bis  es 
ins  Land  von  Bäb  al  abwäb  kommt  und  das  Land  der  Chazaren 
ei-reicht"  ^). 

Bei    Ihn    Rusta  iH ,  9    wird    der    Name    jenes   Volkes  ^^ 

geschrieben,  bei  'Aufi^^c^^  bei  Sukru'lläh  b.  Sihäb  Vji-S,  woraus 

Muhammad  al  Kätib  gar  -c.  macht.    Aus  der  Beschreibung  ihrer  Sitze 

bei  Bekrl  und  GurdezT  geht  hervor,  dass  wir  sie  in  der  südwestlichen 
Ecke  des  Kaukasus  am  Schwarzen  Meere,  10  Tagereisen  südlich  von 
den  Tül-äs,  zu  suchen  haben.  Ich  war  also  ebenso  auf  dem  Holzwege, 
wenn  ich  in  ihnen  die  Kuban-Bulgaren  wiederfinden  wollte^),  wie 
Vämbery,  der  die  Lesung  kj^^I  vorschlug  und  in  ihnen  die 
christlichen  Krimgoten  sehen  wollte  ^).  Ganz  unsinnig  ist  natürlich 
Chwolson's  Vorschlag,  ^cJ'  zu  lesen  und  dies  für  eine  Neben- 
form von  iJiS^y=>  Qyi'yyzen  zu  nehmen*^).    Es  kann  vielmehr  kaum 

1)  Lies   ^^jl\  ? 

2)  GurdezI  bei  Bart  hold  a.  a.  O. 

3)  Bekrl  S.  45,8— IL     Sukru'lläh  b.  §ihäb,  ^J;|yJi    '»-^i^  l^ei 
Hammer,   Sur   les  origines  russes  107,  15  =  47  hat  den  Bericht  sehr 

zusammengezogen:  ji^  (jiajjCj  J^Hj-^  ^^.»M.^xj'lij  jj^^  tD*-*-^.  *>J^y*3 
y^y    ^y   i^    o*^^^    (J  o^^   j^3    "^jß   '^^^^    S'J^   4r^   ^" 

Ihn  schreibt  Muhammad  al  Kätib,  ^Jiy.i\  ^A=^  einfach  aus;  ähnlich 
bei  'Aufl  (Barthold,  Die  historische  Bedeutung  der  alttürkischen 
Inschriften  S.  9  Anm.  5):  _.J^    o-*«!    {J=hij^3   Jri)-^   L?*^"^*  ^J^  '^^• 

^J^ß  »y  ^j1»  ^y  \j  ^>hj^  j^y=>  ^^y^  !_^  ^y  ^  xi' 

4)  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  96. 
^)  Der  Ursprung  der  Magyaren  S.  120*. 

ö)  Angeführt  bei  Vämbery  a.  a.  0.  S.  72. 


174  J-  Marquart, 

ein  anderes  Volk  gemeint  sein  als  die  Ap'chazen'^)^  arm.  U,'/'/''«'^ 
Ap''chaz^  gr.  ^Aßaßyol,  welche  sich  in  Ap''silh  (AipiXon)  und  Ap'- 
chazk''  teilen.  [Als  fünftes  der  christlichen  Völker  des  Kaukasus 
wird  in  der  sog.  Kirchengeschichte  des  Zacharias  Rhetor  nach 
Arrän    und    Sisagän    aufgeführt    ,das    Land   Bazgön  .a^)^    i^it 

(eigener)  Sprache,  das  sich  anschliesst  und  bis  zu  den  Thoren 
von  Kaspion  und  zum  Meere  reicht"  ^).  Hier  ist  ohne  Zweifel  das 
Land  der  Abasger  (gen.  ^Aßaöymv)  gemeint,  und  unter  den  ,  Pforten 
von  Kaspion"  vQ*2iOCL01  JA-VL  (im  Original  stand  jedenfalls  ecog 
KaöTtLcov  nvX&v)  ist  entsprechend  dem  griechischen  Sprachgebrauch 
das  Alanenthor  (Dariela)  zu  verstehen.  Der  Beisatz  „und  zum 
Meere"   sollte  die  westliche  Ausdehnung  des  Volkes  bezeichnen. 

Die  im  Text  folgende  Bemerkung:   j^öo)   bk*:^J    w^O)    «diese  sind 

(im)  Hunnenlande "  bezieht  sich  natürlich  nicht  auf  „die  Pforten  des 
Kaspischen  Meeres"  [so!],  wie  es  der  Übersetzer  aufgefasst  hat, 
sondern  bildet  die  Überschrift  zu  dem  folgenden  Teil  der  Völkerliste. 
Schon  an  dieser  Stelle  ist  aber  der  Name  Abasger  nicht  auf  das  Volk 
der  eigentlichen  Ap'chazen  beschränkt,  sondern  bezeichnet  das 
lazische  Reich  (arm.  Egr  =  Mingrelien),  zu  welchem  auch  die 
Svanen,  Apsilen  und  Abasger  gehörten,  wie  Geizer  richtig  bemerkt 
hat'^).  Derselbe  vermutet  sehr  ansprechend,  dass  bereits  damals 
die  Ap'chazen  das  führende  Volk  in  jenem  Königreich  geworden 
waren.]  Bei  den  Arabern  werden  sie,  abgesehen  von  einer 
kurzen  Erwähnung  in  der  Eroberungsgeschichte  zur  Zeit  0-9'- 
mäns  ^  j ,     zuerst ,     soviel     ich     sehe ,    von     Mas'üdi    genannt ,     der 


1)  [Dies  hat  auch  Westberg  a.  a.  0.  215  =  5  erkannt]. 

-)  Land,  Anecdota  Syr.  III  337,. 7.  Die  sog.  Kirchengeschichte 
des  Zacharias  Rhetor  in  deutscher  Übs.  hg.  von  K.  Ahrens  und 
G.  Krüger  S.  253,  10  =  12. 

^)  In  der  citierten  Übs.  des  Zacharias  Rhetor  S.  382. 

^)  Bai.  liv,  18  heisst  es,  dass  der  romäische  Patrikios  ^jn^il^JutJ 
d.  i.  Maurianos,  der  Patrikios  des  Thema  tüv  'AQiisviäxcov ,  Ver- 
stärkungen   an  .sich    gezogen   hatte   von   den   Alanen,    oLi^5    und    den 

chazarischen  Samandar  (  .Jy.Ä<wj  oL^i^,  ^jy^^^  i}^^  oluX-x!  *^Jt  c>-««*i^|^ 
■ii  ryt).  Es  ist  allerdings  höchst  wahrscheinlich,  dass  unter  diesen 
oL:5?t  (so  die  Hss.)  die  \\.=^\  d.  h.  die  Ap'chazen  zu  verstehen  sind. 
—  Das  Fürstentum  ■X^!^^  mit  gleichnamiger  Hauptstadt,  welches 
bei  Istachri,  Ihn  Hauqal  und  Muqaddasi  genannt  wird  (Ist.  (av^  3 
=  Ihn  Hauq.  ^ff,  15.  ilt,  5  =  I.  H.  ^ö. ,  9.  !ir,  10  =  I.  H- 
föl ,  16.  Moq.  öt ,  9.  t^vf ,  8.  t^vl  ,  12.  I^aI  ,  18),  ist  im  östlichen  Kau- 
kasus zu  suchen;   der  Hauptort  lag  zwei  Tagereisen  von  Sarwän  und 


Osteuropäisclie  und  ostasiatische  Streifzüge.  175 

sich  folgendermassen  über  sie  äussert:  „Eine  Nation  ist  in  der 
Nähe  des  Landes  der  Alanen,  die  Abchäzen  (  ■^\.j^y!\)  genannt,  die 
der  christlichen  Religion  ergeben  sind  und  zu  unserer  Zeit 
einen  König  haben.  Der  König  der  Alanen  hat  die  Oberhand 
über    sie.     Sie    erstrecken    sich    bis    zum  Kaukasus  (-s^äJi   J»a:>). 

Dem  Königreich  der  Abchäzen  benachbart  ist  das  Reich  der  Gurz 

(iLjASt      Georgier)!).      Es    ist    eine    mächtige    Nation,    die    der 

christlichen    Religion    ergeben    ist    und    Gurzän    ^\,y>-    beisst^). 

Sie  besitzt  gegenwärtig  einen  König,  der  ^ixxLJi  •^)  at  Tanbayl 
heisst.  Die  Residenz  dieses  Königs  ist  ein  Ort  namens  Masgid 
A'i  'IQarnain  (Tempel  Alexanders).  Die  Abchäzen  und  die  Gurz  ^) 
pflegten  dem  Kommandanten  der  Grenzfestung  Tiflls  die  Grund- 
steuer zu  bezahlen,  seit  der  Eroberung  von  Tiflis  und  dessen 
Besiedlung  durch  die  Muslime  bis  zur  Zeit  des  al  Mutawakkil"  5). 
Darauf  ei^ähnt  er  den  Zug  des  Buya  (240  H.)  gegen  Tiflis  und  die 
durch  denselben  hervorgerufene  Unabhängigkeitsbewegung  unter  den 
Völkern  des  Kaukasus,  infolge  deren  diese  ihre  bisherige  Abhängig- 
keit vom  arabischen  Statthalter  in  Tiflis  abschüttelten  und  sich  selbst- 
ständig machten.  Im  Kitäb  at  tanbih  (öv^  8  erwähnt  er  unter  den 
barbarischen  Reichen  die  Alanen,  Chazaren ,  Sarlr,  Abchäzen, 
Gurzän  (Georgier)  und  Armenier,  und  \^f^  8  führt  er  unter  den 
Nationen,  welche  Bäb  al  abwäb  benachbart  und  in  der  Nähe  des 
Kaukasus  wohnen,  die  Alanen,  Sarlr,  Chazaren,  Gurzän,  Abchäzen, 
ganäri's  (Canark')  und  Kasak  (Kasogi,  Tscherkessen)  auf,  von  denen 

er  fälschlich  die  Käsak  (üIjC^LjC!  ,  eine  andere  Namensform  für 
Kasak)  unterscheidet. 

12  Fars.  von  der  Brücke  über  den  Samür,  auf  der  Heerstrasse  von 
Barda'a  (Partav)  nach  Darband.  Es  hat  daher  mit  den  Abchäzen 
selbstverständlich  nichts  zu  thun,  überdies  ist  die  richtige  Lesung  des 
Namens  unsicher.  Allerdings  nennt  auch  Ibn  Chord.  tft*'^  11  ein  jL^J 
zwischen  ^l^S'  {BaUd.  Y.Y,  13.  ^'v^  17.    Brosset,  Hist.  de  la  Georgie 

I  245)  und  .Uo^!  KxJli  (Gardman  in  Uti,  später  zu  Albanien  ge- 
rechnet). Allein  die  Handschriften  führen  eher  auf  ^^.^L^.^LJij  ^-^^-^.^ 
Laitan,  über  welches  Dorn,  Kaukasischer  Kalender  1856  S.  40 
handeln  soll. 

1)  So  richtig  Jäqüt  II  öa  ;  L  xj^  lü ,    ed.    '^-Aj^^' 

2)  So  richtig  Jäqüt;  ed.  ^^^jj^. 
^)  So  J:lq.;  ed.  und  L  -XA^tiii. 
*')  So  Jaq. ;  ed.  &.j . ji-^. 

6)  Mas'üdl,  Muriig  II  65,  ausgeschrieben  von  Jäqüt  II  öa. 


1^76  J-  Marquart, 

Was  Mas'üdl  hier  von  den  Abchazen,  insbesondere  von  ihrer 
ehemaligen  Zugehörigkeit  zur  arabischen  Provinz  Tiflis  erzählt, 
stimmt  genau  zu  Bekrl's  Angaben  über  die  \i».t.'.  Was  die  ver- 
schiedenen Namensformen  bei  Ibn  Rusta ,  BekrT ,  GurdezT  etc. 
betrifft,  so  steht  Bekrl  der  ursprünglichen  Form  verhältnismässig 

am    nächsten ;    wir    haben    bei    ihm    einfach    iCjiCjl    Äuyaz-lia    zu 

lesen.     Ihm    zunächst   steht   Ibn   Rusta's     ij   d.    i.     ;c.^|  Av/yaz. 

Gurdezi's    olOj/i    ist    zunächst    aus    ,..L5^j    entstanden    (vgl.    oben 

b^O  aus  \^yi)  und  dies  steht  für  •Li'^l  *'Avgäz. 

Eine  wichtige  Angabe  über  die  Ausdehnung  des  Gebiets  der 
Abchazen  im  zweiten  Drittel  des  10.  Jhs.  findet  sich  in  Mas'üdl's 
Beschreibung  des  Laufes  des  Kur  (MurQg  11  74).  Er  lässt  hier 
den  Kur    aus    dem  Lande  Gurzän ,    dem  Fürstentum   des   Gurgen 

jjv.>  ->.  entspringen  und  dann  das  Land  Abchäz  passieren,  bis  er 

zur  Grenzfestung  Tiflis  kommt  ')•  Unter  diesem  Gurgen  ist  kein 
anderer  zu  verstehen  als  der  Magistros  KovQv,ivioq,  welcher  seinem 
Schwiegervater  Asot  Patrikios  mit  dem  Beinamen  Kiskasis,  einem 
Sohne  des  Bagrat  Bagratuni,  die  Festung  Artanugi  (Adranutzi) 
in  Tao    entriss   und   ihm  zur  Entschädigung  T-y^oxaGr^ov  (Qwelis 

1)  Text:  'iSi4.A  q-,  ^)j==-  ^^  er  »'^t'  (^  jj^-^')  ^^'  J^  ^'^ 
^:>    (L   J>:S\i\)   jL^^J   S±j.i   (L  a^^yo^)   »y^    (L   y^)    ^=^j=^ 

^)  Für  die  Zeitbestimmung  haben  wir  folgende  Anhaltspunkte. 
Als  der  Kaiser  Romanos  Lekapenos  (920 — 944)  den  Patrikios  Konstaus 
nach  Iberien  sandte,  um  dem  Gurgen  die  Abzeichen  der  Magisterwürde 
zu  verleihen,  war  der  Kuropalates  Atrnerseh  (IV.),  der  Sohn  des  Bagrat, 
eben  gestorben  (nach  der  georgischen  Chronik  unrichtig  im  J.  945). 
Gurgen  ist  bereits  mit  seinem  Schwiegervater  zerfallen ,  aber  dieser 
ist  noch  im  Besitz  seiner  Festung  Artanugi  und  steht  im  Begriff,  die- 
selbe den  Romäern  auszuliefern  (p.  208,  21  ff.  209,  8  ff.  210,  Uff.  211, 10  ff.). 
Doch  wird  diese  Absicht  durch  den  einmütigen  Protest  der  iberischen 
Bagratiden  vereitelt.  Erst  nach  diesem  Zeitpunkt  kann  sich  also 
Gurgen  der  Festung  bemächtigt  haben ,  indem  er  zunächst  versuchte, 
seinen  Schwiegervater  durch  die  Abtretung  seiner  ererbten  Besitzungen 
Qwel  und  Agara  in  der  Nähe  der  römischen  Grenze  zufrieden  zu  stellen. 
Zur  Zeit  der  Mission  des  Konstans  war  auch  David  Magistros,  der 
Bruder  des  neuen  Kuropalates  Aschot,  noch  am  Leben,  der  bei  der 
Abfassung  der  Schrift  de  administrando  imperio  (952)  bereits  verstorben 
war,  wie  das  Prädikat  (Aaxaptog  p.  209,  18  voraussetzt.  Dieser  David 
Magistros  ist  identisch  mit  Dawit' ,  dem  Sohne  des  Königs  und  Kuro- 
palates Adarnase  II  in  der  Chronik,  welche  aber  dessen  Tod  schon 
ins  Jahr  937  verlegt.  Allein  die  Chronologie  der  Chronik  ist  hier 
ganz  unzuverlässig,  wie  sie  auch  den  Tod  des  Kuropalates  Atrnerseli 
(IV)  erst  ins  Jahr  945  verlegt  und  diesen  mit  Atrnerseh  II  (r.  III) 
zusammenwirft. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  177 

c'iche)')  und  das  Thal  Agara  überliess.  Nach  dem  Tode  des 
Kuropalaten  Atrnerseh  (IV.)  ■•^),  des  ältesten  Sohnes  des  Bagrat, 
verlieh  ihm  der  Kaiser  Romanos  Lekapenos  (920 — 944)  die 
Würde  eines  Magistros.  Nach  seinem  Tode  teilten  sich  Asot  der 
Kuropalat  und  sein  Bruder  Bagrat,  die  Söhne  des  Atrnerseh,  sowie 
Georgios  Magistros ,  der  Herrscher  von  Ap'chazien ,  in  seine  Be- 
sitzungen, wobei  Artanugi  dem  Vetter  des  Atrnerseh,  Smbat,  dem 
Sohne  des  David  Mamp'ali  zufiel  (vor  952)"^). 

Ap'chazien  erstreckte  sich  damals  weit  über  die  Grenzen  des 
eigentlichen  Ap'chazenlandes  am  Schwarzen  Meere  hinaus.  Schon 
der  König  Giorgi  I.  Aghcep'eli  von  Ap'chazien  (845 — 877  ^ nach 
WachuSt)  nahm  K'art'li  ein  und  Hess  einen  erist'aw  in  Cicha. 
Bereits  im  Jahre  858  griffen  die  Ap'chazen  auch  in  die  Ver- 
hältnisse Armeniens  ein.  In  diesem  Jahre  kehrte  Grigor,  der 
Bruder  des  vom  türkischen  General  Buya  nach  Samarra  deportierten 
Fürsten  Asot  Arcruni  von  Waspurakan,  aus  dem  Lande  der 
Ap'chazen  zurück  und  drang,  unterstützt  von  diesen  und  aus- 
erlesenen iberischen  Truppen,  in  Waspurakan  ein,  um  seinen 
Verwandten  Gurgen  Arcruni  zu  bekriegen  und  das  Reich  seines 
Bruders  zurückzuerobern.  Allein  seine  Hilfsvölker  verliessen  ihn  bald 
und  kehrten  in  ihre  Länder  zurück,  worauf  er  sich  zu  einem  Vergleich 
mit  Gurgen  entschliessen  musste  *).  Diese  Erzählung  scheint  die  An- 
gabe der  georgischen  Chronik  vollkommen  zu  bestätigen,  dass  sich 
K'art'li  damals  in  der  Gewalt  der  Ap'chazen  befand.  Darauf  machte 
aber  Asot  Bagratuni,  der  Begründer  des  Bagratidenreiches,  K'art'li 
den  Ap'chazen  streitig,  und  sowohl  die  Fürsten  von  Iberien  als 
die  von  Albanien  wui'den  Lehnsträger  der  armenischen  Krone  5). 
Allein  bald  nach  Asots  Tode  (890)  sank  die  Macht  Armeniens  unter 
seinem  jämmerlichen  Sohne  Smbat  (890 — 913)  jäh  von  ihrer  Höhe 
herab.  Zwar  blieb  der  Kuropalat  Atrnerseh  sein  treuester  Vasall, 
allein  Smbat  war  so  blind,  ihm  den  Königstitel  zu  verleihen  (899) 
und  dadui-ch  die  Selbständigkeitsgelüste  der  übrigen  Lehnsfürsten  zu 
nähren.  Im  Jahre  904  zog  Kostantine,  der  König  von  Mingrelien  — 
unter  diesem  Namen  ist  das  auch  Mingrelien  umfassende  ap'chazische 
Reich  zu  verstehen  —  und  Schwiegersohn  des  Königs  Atrnerseh ''), 


1)  Über  die  Identität  von  Qwel  oder  Qwelis-c-iche  mit  dem  Tvqo- 
KccatQov  Konstantins  vgl.  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie.  Additions  et 
eclaircissements  p.  148  n.  3.  t,  •  i 

2)  S.   den  Exkurs  über  die  Genealogie  der  iberischen  Bagratiden. 
ä)  Konstantin.   Porphyrog.    de    admin.    imp.   c.   46   p.   206/7.      Im 

Anfange   des  Kapitels   p.  206,3  ist  natürlich  mit  Brosset,   Additions 
et  eclaircissements  p.  148  n.  2  zu  lesen  Jaßlö  6  xcct  iidintalig. 

*)  Thomas  Arcruni   3,  13    bei  Brosset,    Collection   d'histonens 

armen.  I  159.  t^       ,  t  i_ 

5)  Hist.  de  la  Georgie  trad.parBrosset  1269  s.  Daghba  schean, 

Gründung  des  Bagratidenreiches  durch  Aschot  Bagratuni.    Berlm  1893, 

8)  Joh.  katholikos,  Ausg.  von  Jerusalem  1867,  S.  253,  1.  254,  17/18; 

12 
MaK^uart,  Streifzüge.  ■*■" 


178  J-  Marquart, 

gegen  Smbat,  um  die  Ansprüche  dei"  Ap'chazen  auf  die  Ober- 
herrschaft über  Iberien  wieder  zur  Geltung  zu  bringen,  unter- 
warf K'art'li  und  Gugark'  und  nahm  die  Festung  Üp'lis-c'iche. 
Bei  einer  Zusammenkunft  wurde  er  jedoch  auf  Befehl  des  Königs 
von  Iberien  verräterisch  gefangen  genommen  und  nach  Ani ,  der 
Residenz  des  Smbat,  abgeführt,  bald  darauf  aber  von  Smbat  wieder 
in  Freiheit  gesetzt  und  in  sein  Erbreich  zurückgeführt.  Fortan 
bewahrte  er  seinem  Oberherrn  Smbat  Treue  und  Gehorsam.  Auf 
seine  Eroberungen  musste  er  natürlich  verzichten  ^).  Als  der 
Emir  JOsuf  b.  Abu  's  Säg  in  Armenien  einbrach  und  es  aufs 
schrecklichste  verheerte,  wagte  ihm  Smbat  nicht  Stand  zu  halten, 
sondern  floh  nach  den  Bergen  von  Ap'chazet'i.  Auch  K'art'li 
und  Kachet'i  waren  den  Verwüstungen  des  Sagiden  schutzlos 
preisgegeben.  Der  Chorbischof  Kwirike  von  Kachet'i  schloss  mit 
dem  Emir  eine  Kapitulation,  aber  K'art'li,  Samc'che  und  Gawachet'i 
wurden  verwüstet,  die  Festung  Qwel,  welche  Gurgen,  dem  Erist'aw 
der  Erist'awe  gehörte ,  belagert  und  zur  Ergebung  gezwungen  -). 
Smbats  Nachfolger  Aschot  IL  der  Eiserne  (914 — 928)  wurde 
von  Atrnerseh,  dem  Könige  von  Iberien  zum  König  von  Armenien 
gekrönt  (915)  und  fortan  finden  wir  den  König  von  Iberien  als 
treuen  Bundesgenossen  Armeniens.  Neben  ihm  erscheint  von 
Anfang  an  Gurgen  als  der  vertrauteste  Anhänger  Aschots.  So- 
bald dieser  die  Provinzen  Bagravand,  Schirak,  Gugark'  und 
Taschir  von  den  Arabern  gesäubert  hatte,  begab  er  sich  ,zu 
seinem  am  meisten  geliebten  Fürsten  Gurgen"  ,  um  mit  ihm 
über  die  öffentliche  Lage  zu  beraten"').  Späterhin  wird  Gurgen 
als  Fürst  der  Iberer  bezeichnet  ^).  Es  ist  mir  völlig  rätselhaft, 
wie  B  r  0  s  s  e  t  ihn  zum  König  von  Ap'chazien  und  Mingrelien 
stempeln  konnte  ^) ,  wodurch  er  sich  das  Verständnis  der  inneren 
Geschichte  Iberiens  in  dieser  Zeit  vollständig  verbaut  hat.  Gurgen 
wird  zum  erstenmal  beim  Regierungsantritt  des  Königs  Smbat  (890) 
genannt.  In  dem  Konflikte,  welcher  damals  zwischen  Smbat  und 
seinem  Oheim  Abas  ausgebrochen  war,  suchte  der  Patriarch  Georg 
zu   vermitteln,    worauf  Abas    sich    zum   Frieden    bereit    erklärte, 

trad.  par  Saint-Martin,  Paris  1841,  p.  190.  191.  Diese  Übersetzung 
war  von  Saint-Martin  in  unfertigem  Zustande  hinterlassen  worden, 
und  es  war  daher  eine  beispiellose  Pietätlosigkeit  gegen  den  verdienten 
Gelehrten ,  die  Herausgabe  seiner  Arbeit  einem  Manne  anzuvertrauen, 
der  vom  Armenischen  keine  Ahnung  hatte.  Das  Register  ist  denn 
auch  noch  schlechter  als  die  Übersetzung  selbst. 

^)  Brosset,  Hist.  de  la  Göorgie  I  274.  Additions  et  öclair- 
cissements  „p.  164  nach  Johannes  KathoUkos  S.  252 — 255  =  p.  189  ss, 
der  franz.  Übs. 

2)  Hist.  de  la  G(5orgie  I  275  s. 

3)  Joh.  Kath.  S.  307;  trad.  par  Saint-Martin,  p.  239. 

')  Joh.  Kath.  S.  376  =  303.  379  =  307.  384  =  312.  395  =  321. 

^)  BeiLebeau-Saiut-Martin,  Hist.  du  Bas-Empire  t.  13,  1832, 
p.  484  ss.  Hist.  de  la  Gi'orgie.  Additions  et  ^claircissements.  St.  Päters- 
bourg  1851  p.  165  ss. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  179 

wenn  ihm  Atmerseh,  der  Grossfürst  von  Iberien,  die  beiden 
Festungen  herausgebe,  die  er  seinem  Schwager  (^h-n-tunJß)  Gurgen 
entrissen  habe,  und  ihm  seinen  Sohn  Davit'  als  Geisel  stelle^). 
Nachdem  die  Griechen,  Mingi-elier,  Gugarier  und  Utier,  sowie 
die  am  Fusse  des  Kaukasus  wohnenden  Völker  eine  Zeit  lang 
ihre  eigenen  Gebiete  verwüstet  hatten,  um  den  Arabern  möglichst 
Abbruch  zu  thun ,  wodurch  auch  Armenien  stark  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  wurde-),  und  die  Unbotmässigkeit  und  die 
Selbständigkeitsgelüste  der  armenischen  Lehnsfürsten  dem  Sägiden 
Jusuf  die  Vergewaltigung  Armeniens  erleichterten,  bemühte  sich 
der  Patriarch  Nikolaos  von  Konstantinopel,  eine  allgemeine  Allianz 
zwischen  sämtlichen  christlichen  Fürsten  Armeniens  und  Albaniens, 
dem  Kuropalates  von  Iberien,  dem  Fürsten  der  Ap'chaz  und 
den  Romäern  gegen  den  schrecklichen  Jusuf  zu  stände  zu 
bringen"')  (918).  Der  Katholikos  Johannes  wusste  dann  den 
König  von  Iberien  zu  bewegen,  dass  er  sich  bereit  erklärte, 
Versöhnung  und  ein  einmütiges  Bündnis  zu  schliessen  mit  allen, 
mit  den  Fürsten  und  mit  den  Herren  des  Landes  Armenien  und 
Iberien.  Es  scheint  also,  dass  er  vorher  mit  mehreren  derselben 
sich  im  Kriegszustand  befand.  Um  diese  Zeit  wurde  Kostantine, 
der  König  der  Ap'chaz,  von  Kwirike,  dem  Choi'bischof  von 
Kachet'i,  herbei  gerufen.  Beide  vereinigten  sich  in  Heret'i  und 
belagerten  gemeinsam  Wegin;  schon  waren  sie  im  Begriffe  den 
Ort  einzunehmen,  als  der  Patrikios  Atrnerseh  erschien  und  mit 
ihnen  in  Unterhandlungen  eintrat.  Gegen  Abtretung  einiger 
Plätze  verstanden  sich  die  Verbündeten  in  der  That  zum  Abzug. 
Bald  darauf  starb  aber  der  König  Kostantine  (920  nach  Wachust), 
und  Ap'chazet'i  wurde  einige  Zeit  lang  der  Schauplatz  von  Thron - 
Streitigkeiten,  bis  Bagrat ,  der  jüngere  Sohn  des  verstorbenen 
Königs,  der  von  seinem  Schwiegervater  Gurgen  Bagratuni,  dem 
Erist'aw  der  Erist'awe  und  Herrn  von  Qwel  kräftig  unterstützt 
wurde,  starb  und  Giorgi  Alleinherrscher  in  Ap'chazet'i  wurde*). 
Im  Jahre  921  begab  sich  der  König  Aschot  persönlich  an  den 
kaiserlichen  Hof  nach  Konstantinopel,  um  das  Bündnis  abzu- 
schliessen.  Unterdessen  gieng  sein  Bruder  Abas  nach  Iberien, 
wo  er  die  Tochter  des  Fürsten  Gurgen  heii'atete  ^). 


1)  Job.  Kath.  S.  183  =  131. 

J)  Joh.  Kath.  S.  321  =  253.    Die  Erzählung  ist  fast  unverständlich, 
die  Übersetzung  Saint-Martin's  völlig  falsch. 

3)  Joh.  Kath.  S.  335  tf  =  265  ss. 

*)  Rist,  de  la  Georgie  I  277  s. 

'")  Brosset,  Additions  et  öclaircissements  p.  166/67  und  n.  1  nach 
Öamcean  II  782.  Dieser  scheint  hier  im  wesentlichen  Stephan 
AsoHk  und  Wardan  gefolgt  zu  sein,  die  mir  nicht  zur  Verfügung  stehen. 
Übrigens  wird  auch  bei  Job.  Kath.  8.379=307  der  Iscban  der  Iberer 
Gurgen  als  Schwiegervater  des  Abas  bezeichnet. 

12* 


180  .  J-  Marquart, 

Nach  seiner  Rückkehr  aus  Griechenland  hatte  Aschot  gegen 
die  Brüder  Wasak  und  Aschot  aus  dem  Geschlechte  Gnt'uni  zu 
kämpfen,  welche  von  seinem  Vater  Smbat  mit  der  Bewachung 
der  Festung  Schamschulde  in  Gugark'  betraut  worden  waren 
und  jetzt  den  Gehorsam  verweigerten.  Nachdem  er  über  diese 
einen  glänzenden  Sieg  bei  Sakuret'  erfochten ,  begab  er  sich  mit 
seiriem  Bruder  Abas  mit  grosser  Beute  um  die  Gegenden  des 
Landes  Iberien  herum  zu  ihrem  meistgeliebten  Fürsten  Gurgen  ^). 
Als  Aschot  nach  zweijährigem  Kampfe  gegen  seinen  Vetter,  den 
König  Aschot  von  Dwin,  trotz  der  muslimischen  Reiter,  die  ihm 
der  Ostikan  Jusuf  ztf  Hilfe  geschickt,  bei  Dwin  eine  Niederlage 
erlitten  hatte ,  wandte  er  sich  um  Hilfe  an  den  Grossfürsten  der 
Iberer  Gurgen ,  der  ihm  zahlreiche  Truppen  lieferte ,  mit  denen 
er  vor  Waiarsapat  erschien,  um  seine  Schlappe  auszuwetzen. 
Doch  kam  es  dazu  nicht,  da  der  Katholikos  Johannes  einen 
flauen  Frieden  vermittelte  ^). 

Nachdem  der  König  einen  neuen  Aufstand  des  Moses, 
Fürsten  von  üti,  niedergeworfen  und  diesen  geblendet  hatte, 
,  berief  er  zu  sich  nach  der  Provinz  Schirak  seinen  Bruder  Abas, 
den  er  zum  Fürsten  der  Fürsten  gemacht  hatte,  und  den  Fürsten 
der  Iberer  Gurgen ,  dessen  Schwiegervater"  '^).  Doch  von  nun 
an  hörte  das  gute  Einvernehmen  des  Königs  mit  seinen  beiden 
treuesten  Stützen  auf,  und  diese  machten  einen  Anschlag  auf 
sein  Leben.  Der  König  wurde  indes  noch  rechtzeitig  davon  be- 
nachrichtigt und  floh  von  seiner  Residenz  Erazgavork'  nacli  Uti 
(922).  Ein  Konflikt,  welcher  zwischen  ihm  und  seinem  Schwieger- 
vater ,  dem  Fürsten  Sahak  von  Siunik' ,  ausbrach ,  wurde  durch 
einen  Vergleich  beigelegt,  und  nachdem  Aschot  alsdann  seinen 
Vetter  bei  Dwin  geschlagen  hatte ,  „brach  er  auf  ins  Land  der 
Wirk' ,  vereinigte  sich  dort  mit  dem  König  der  Wirk'  Atrnerseh, 
und  diese  beiden  in  den  Krieg  ziehend  gegen  den  Ischan  Gurgen 
suchten  jeder  ihre  Rache,  die  sie  ihm  hinterlistig,  böswillig  be- 
reiteten ,  ruchlose  Schrecken  und  länderverheerende  Verwüstung". 
Obwohl  aber  Aschot's  gleichnamiger  Vetter,  sowie  sein  Bruder 
Abas  sich  mit  Gurgen  vereinigten ,  vermochten  die  Verbündeten 
sich  nicht  im  ofl'enen  Felde  zu  halten,  und  befestigten  sich  in 
den  Thälern,  Höhlen  und  dichtbewaldeten  Bergschluchten,  wo  sie 
schliesslich  in  solche  Bedrängnis  kamen ,  dass  sie  bereits  im 
Begriffe  standen  sich  zu  unterwerfen  und  den  Frieden  zu  erkaufen 
durch    das    Versprechen,   für   die    von    ihnen    verübte    Zerstörung 


1)  Joh.  Kath.  S.  371  =  298. 

2)  Joh.  Kath.  S.  876  =  303. 

«)  Joh.  Kath.  S.  879/80  (=306/7.):  'd^'u-jr  i^p  '3j-"'  •  •  •  ^^ 
ihb""''''^  Aj""ä  %"--i-t'^'^  ^.ap..Ji.  iu'bhp,  S.  381  =  308  nennt  er 
Gurgen  ungenau   den  Schwiegervater   des  Königs  statt  seines  Bruders. 

*)  Joh.  Kath.  S.  385/86  =  312. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  181 

doppelten  Schadenersatz  zu  leisten,  als  die  Nachricht  kam,  dass 
des  Königs  Schwiegervater  Sahak  in  die  Provinz  Uti  eingebrochen 
sei  und  darin  allgemein  plündere ,  und  besonders  die  Festungen 
des  Gaues  Zorap'or  ausraube.  Auf  diese  Botschaft  riet  Atrnerseh 
dem  König  Aschot,  die  endgiltige  Unterwerfung  seines  Schwester- 
sohnes Gurgen,  an  welcher  er  selbst  jedenfalls  am  meisten 
interessiert  war,  auf  einen  gelegeneren  Zeitpunkt  zu  verschieben 
und  sich  unverzüglich  gegen  die  gefährliche  Erhebung  seines 
Schwiegervaters  zu  wenden.  Aschot  liess  das  Heer  bei  Atrnerseh 
zurück  und  nahm  nur  300  auserlesene  Männer  mit  sich.  Die 
von  Sahak  besetzte  Festung  Kajean  in  Zorap'or  gewann  er  zurück, 
und  trotz  seiner  geringen  Streitmacht  zersprengte  er  die  feindliche 
Übermacht  vollständig  und  nahm  den  Fürsten  Sahak  und  dessen 
Sohn  Grigor  selbst  gefangen.  Um  ihnen  ein  für  allemal  die 
Möglichkeit  zu  neuen  Aufständen  zu  nehmen,  liess  er  beide 
blenden.  Auch  die  Festung  Gardman  im  Gau  Gardmana-zor  fiel 
in  seine  Gewalt. 

Bald  darauf  trat  auch  der  Krieg  gegen  Gurgen  in  ein  neues 
Stadium.  Wasak  Gnt'uni*),^  welcher  sich  nach  der  Niederlage  bei 
Sakuret'  in  die  Festung  Samsulde  geworfen  hatte,  war  vom 
König  offenbar,  weil  er  ihm  hier  nicht  beikommen  konnte,  gegen 
die  äussere  Anerkennung  seiner  Oberhoheit  im  Besitze  jener 
Festung  bestätigt  worden'-).  Jetzt  wurde  sein  Abfall  offenbar, 
und  er  bot  Gurgen,  dem  Fürsten  der  Iberer,  an,  ihm  die 
wichtige  Festung  auszuliefern,  wofern  er  ihm  eine  andere  Festung 
in  seinem  eigenen  Gebiete  geben  würde.  Gurgen  verpflichtete 
sich  dazu  schriftlich,  worauf  sich  Wasak  zu  ihm  begab.  Als 
aber  Gurgen  vor  der  Festung  erschien  und  die  Übergabe 
verlangte,  weigerte  sich  die  Besatzung,  den  Platz  zu  übergeben, 
ehe  Wasak  nicht  wieder  in  ihrer  Mitte  wäre,  und  als  der 
Fürst  sich  nun  anschickte,  die  Übergabe  mit  Gewalt  zu  erzwingen, 


1)  Er  wird  bei  dieser  Gelegenheit  als  •p<«^i«'V""  K'ananit  be- 
zeichnet, was  dem  Herausgeber  der  Saint-Martin'schen  Übersetzung, 
F.  Lajard,  Gelegenheit  zu  der  geistreichen  Erklärung  bietet  (p.  380), 
K'ananit  sei  ,une  qualification  analogue  ä  celle  de  Khan'! 
Auch  ein  anderer  Gnt'unier,  Hasan,  der  Kommandant  der  Festung 
Kars  (Karuc'),  erhält  jenes  Epitheton  (Joh.  Kath.  8.225  =  166).  Ein 
Blick  auf  Ps.  Mos.  Chor,  hätte  genügt,  um  Herrn  Lajard  eines 
bessern  zu  belehren.  Moses  leitet  das  Geschlecht  der  Gnt'unier  nach 
seinem  etymologisierenden  System,  offenbar  lediglich  auf  Grund  eines 
entfernten  Nameusanklanges ,  von  den  durch  Josua  aus  Palästina  ver- 
triebenen Kana'anäern  ab:  ,,Von  diesen  (Kana'anäern)  ist  auch  einer 
unser  geehrtester  K'ananidas,  in  Armenien.  Und  zuverlässig  unter- 
suchend haben  wir  gefunden ,  dass  die  Abstammung  des  Geschlechtes 
der  Gnt'unik',  der  Männer  des  Kampfes,  von  ihm  war.  Dies  beweisen 
auch  die  Sitten  der  Männer  des  Geschlechtes,  dass  es  k'ananäisch  ist" 
Mos.  Chor.  I  19  S.  42.  Vgl.  H  4  S.  72.  7  S.  76.  Johannes  Kath.  hat 
aber  bekanntlich  den  Ps.  Moses  eifrig  ausgeschlachtet. 

2)  Joh.  Kath.  S.  371  =  297.  395  =  321. 


^g2  J.  Marquart, 

wandte  sich  die  Besatzung  um  Hilfe  an  Asot,  der  jetzt  den  Titel 
Hahansah  führte.  Als  dieser  mit  einem  Heere  erschien,  wurde 
Gurgen  zum  Abzüge  gezwungen;  doch  auch  dem  Asot  wollte  die 
Besatzung  den  Platz  nicht  übergeben,  so  dass  er  zur  Belagerung 
schritt.  Inzwischen  aber  wusste  Gurgen  die  Besatzung  durch 
feierlichen  Eid  zu  überzeugen,  dass  er  ihnen  den  Wasak  zui^ück- 
weben  würde ,  worauf  er  von  ihnen  eingeladen  wurde ,  ein  Heer 
zu  senden,  damit  sie  diesem  die  Festung  übergäben.  Gurgen 
sandte  nun  300  wohlgerüstete  Krieger  ab ,  allein  kaum  waren 
dieselben  in  die  Festung  eingelassen,  so  witterten  die  Verteidiger 
wiederum  Verrat ,  gaben  die  untere  Festung  preis  und  setzten 
sich  in  der  oberen  Burg  fest,  von  wo  aus  sie  einen  heftigen 
Kampf  gegen  die  Abteilung  des  Gurgen  eröffneten,  um  sie  wieder 
hinaus  zu  drängen.  Diese  wurde  nun  auch  von  Asot  angegriifen 
und  zuletzt  öffnete  ihm  die  Besatzung  der  Burg  die  Thore ,  wo- 
rauf die  Truppe  des  Gurgen  gefangen  genommen  und  verstümmelt 
wurde.  Diese  Massregel  verbreitete  solchen  Schi-ecken,  dass  alle 
Nordvölker  sich  unter  die  Faust  des  Königs  beugten. 

Hierauf  unterwarf  der  König  durch  Milde  auch  die  Provinz 
Uti,  und  ein  feierlicher  Friedensschluss  beendete  den  Kriegszustand 
mit  seinem  Vetter,  dem  König  von  Dwin.  Darauf  kehrte  der 
Sahansah  nach  seiner  geliebten  Provinz  Uti  zurück.  Auf  dem 
Wege  dahin  aber  kamen  ihm  Klagen  aus  jener  Mark  entgegen. 
Amram  genannt  Ohk  (Öchschen) ,  welchen  er  als  Hramanatar 
über  die  Verwaltung  dieser  Provinz  gesetzt,  hatte  Verbindungen 
mit  Gurgen  angeknüpft,  welcher  Fürst  der  Fürsten  des  Landes 
Oamir¥  (Kappadokien) ')  war,  und  erklärte  sich  bereit,  „unter 
das  Joch  seiner  nicht  angestammten  Knechtschaft  zn  kommen". 
Seine  Angehörigen  hatte  er  in  der  Festung  Tavus'^)  geborgen. 
Als  nun  Asot  ins  Land  der  Utier  gelangt  war  und  sah,  dass  alle 
Machthaber  sich  von  ihm  zurückgezogen  und  ihm  den  Rücken 
srewandt  hatten  und  seitdem  keiner  ihm  als  Helfer  gefunden 
wurde  ausser  einigen  gewöhnlichen  Leuten ,  so  erkannte  er  die 
ganze  Gefährlichkeit  der  Lage  und  gieng  ausser  Landes  zum 
König  der  Mingrelier,  im  festen  Vertrauen  auf  den  alten 
Freundschaftsvertrag  •^).  Hier  fand  er  ehrenvolle  Aufnahme  und 
kräftige  Unterstützung:  der  König  von  Mingrelien  übergab  ihm 
ein  grosses  Heer  von  wohlausgerüsteten ,  in  Eisen  gehüllten 
Kriegern  auf  windschnellen  erzgepanzerten  Rossen,  und  mit  diesem 
hoffte  er  in  Bälde  seine  Macht  wieder  zu  vereinigen  und  seine 
Feinde  niederzustrecken.  Allein  jener  Amram,  C'lik  geheissen, 
und  mit  ihm  noch  andere  abtrünnige  Briganten ,  hatten  zu  ihrer 
Hilfe    von    allen  Seiten   her  ein  zahlreiches  Heer  versammelt  und 


')  S  a  i  11 1  -  M  a  r  t  i  n  p.  826 :  G ougarg. 
^)  Ed.   TaurPs. 

»)  Nämlich    den,    welchen   Kostandin    bei    seiner  Freilassung  mit 
Smbat  geschlossen  hatte. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  183 

lagerten  in  Höhlen  zurückgezogen  und  befestigt  zwischen  dichten 
Fichtenbäumen  am  Gestade  des  Flusses  Kur').  Wie  dieser 
Aufstand  endete ,  erzählt  Johannes  Katholikos  nicht.  Bis  zum 
Tode  des  Königs  Asot  II  (928)  werden  die  Iberer  und  Mingrelier 
oder  Ap'chazen  in  der  armenischen  Geschichte  nicht  mehr  genannt. 
Zur  Zeit  jenes  Aufstandes  bestand  also  das  freundschaftliche 
Verhältnis  des  Königs  von  Mingrelien  zu  Armenien  fort.  Leider 
lässt  sich  den  Angaben  des  Johannes  Katholikos  gar  nichts 
näheres  über  die  damalige  Ausdehnung  des  mingrelischen  Reiches 
entnehmen.  Unter  dem  hier  auftretenden  Gurgen  kann  nicht  der 
früher  genannte  Fürst  von  Iberien  gemeint  sein ;  wenn  die  Lesart 

ji^pJtuu  fi^ufittuß  ^utJfiuMß  uj^iup<^[i  ,Fürst  der  Fürsten 
des  Landes  Kappadokien'  richtig  ist,  so  könnte  nur  Johannes 
KnrJcuas  (arm.  Gurgen),  der  romäische  General  des  Ostens  in 
Betracht  kommen,  der  seit  dem  Jahre  923  in  Armenien  operierte-). 
Sonst  Hesse  sich  an  Gurgen  II.,  den  Erist'aw  der  Erist'awe  und 
Schwiegersohn  des  Aschot  Kiskasi  (s.  u.)  denken. 

Aus  den  angeführten  Thatsachen  ergibt  sich  aber  die  Stellung 
des  Gurgen ,  des  Fürsten  der  Iberer ,  neben  dem  Kuropalates 
und  König  Atrnerseh  mit  völliger  Deutlichkeit.  Iberien  war 
um  diese  Zeit,  wie  schon  der  gelehrte  Prinz  Wachust  erkannt  hat  •^), 
auf  Samc'che  oder  Zemo-K'art'li  (Ober-K'art'li) ,  Tao,  Gawachet'i 
und  T'rialet'i  beschränkt.  Samswilde ,  Gardaban ,  Somchet'i  oder 
Georgisch- Armenien  (Gugark')  waren  in  den  Händen  der  Armenier, 
in  Tiflis  Sassen  die  Araber,  Imeret'i,  Mingrelien  und  Guria  ge- 
hörten zum  Reiche  der  Ap'chazen.  Nach  der  ganzen  Sachlage 
kann  Gurgen  nur  der  Nebenlinie  der  iberischen  Fürsten  angehört 
haben ,  welche  B  r  o  s  s  e  t  als  die  Bagratiden  von  Tao  bezeichnet, 
und  hier  brauchen  wir  in  der  That  nicht  lange  zu  suchen:  es 
ist  Gurgen  I. ,  ein  Sohn  Bagrats,  des  Herrn  von  Artanug,  der 
von  seinem  Vater  diese  wichtige  Festung  erbte.  Nach  Konstantinos 
Porphyrogennetos  war  hier  der  Haupthandelsplatz  für  den  Verkehr 
zwischen  Trapezunt ,  Iberien ,  Ap'chazien ,  ganz  Armenien  und 
Syrien ,  und  der  Kaiser  bezeichnet  sie  geradezu  als  den  Schlüssel 
zu  Iberien,  Ap'chazien  und  Meschien.  Das  Gebiet  der  Festung 
selbst ,  "Aq^7]v  genannt .  war  sehr  fruchtbar  *).  Es  wäre  in  der 
That ,  wie  B  r  o  s  s  e  t  richtig  bemerkt  ^) ,  höchst  auffällig ,  wenn 
der  Fürst  dieses  Gebietes,  dessen  Sitz  dem  Aschots  IL  so  nahe  lag, 
den  Verwicklungen  seiner  Regierung  völlig  teilnahmlos  gegenüber 
gestanden    hätte.      Die    Erkenntnis    der    Thatsache    aber,    dass    er 


1)  Job.  Kath.  8.399-403  =  324—328. 

^)  de  Muralt,  Essai  de  Chronographie  byz.  I  50L  505. 

")  Brosset,  Additions  und  ^claircissements  p.  152. 

*)  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  46  p.  206,  9ff.  207,  23  fF. 

*)  Additions  et  eclaircissements  p.  171. 


-j^g^  J.  Marquart, 

wirklich  in  den  Wechselfällen  der  Geschichte  jenes  Fürsten 
eine  sehr  bedeutende  Rolle  gespielt,  hat  Brosset  sich  selbst 
dadurch  verschlossen,  dass  er  sich  unbegreiflicherweise  einredete, 
Gurgen,  der  Ischan  der  Iberer,  sei  identisch  mit  dem  König  Giorgi 
von  Ap'chazien. 

Nach  dem  Tode  Gurgens  gieng  Artanug  in  den  Besitz  seines 
Bruders  Aschot  mit  dem  Beinamen  Kiskasi  über.  Konstantin 
Porphyrogennetos  lässt  den  Gurgen  kinderlos  sterben,  dies  ist 
jedoch  nicht  ganz  genau,  da  er,  wie  wir  gesehen,  eine  Tochter 
hatte,  welche  er  mit  Abas,  dem  Bruder  des  armenischen  Königs 
Aschot  IL,  vermählte. 

Der  Kuropalates  Atrnerseh  starb  nach  der  georgischen 
Chronik  im  Jahre  923 ,  worauf  Giorgi  II. ,  der  König  von  Ap'- 
chazet'i  (920 — 955),  der  älteste  Sohn  des  Kostantine  und  von 
mütterlicher  Seite  ein  Enkel  des  Atrnerseh,  K'art'li  seinem 
ältesten  Sohne  Kostantine  gab.  Dieser  regierte  drei  Jahre  als 
König  von  K'art'li  (923—926),  worauf  er  Unabhängigkeitsgelüste 
zeigte  und  sogar  nach  der  Krone  von  Ap'chazet'i  strebte.  Als 
aber  Giorgi  mit  den  Königen  von  Tao  und  dem  Chorbischof 
P'adla  von  Kachet'i  gegen  ihn  zog  und  ihn  in  der  Festung 
Up'lis-c'iche  belagerte,  geriet  er  nach  tapferer  Verteidigung  durch 
Hinterlist  in  die  Hände  seines  Vaters,  der  ihn  blenden  und  ent- 
mannen Hess.  Der  König  ernannte  nun  seinen  Sohn  Leon  zum 
Erist'aw  von  K'art'li,  das  demnach  jetzt  zu  einer  Provinz  des  ap'- 
ehazischen  Reiches  gemacht  wurde.  In  den  Streit,  welcher  zwischen 
dem  Patrikios  Aschot  Kiskasi  und  seinem  Eidam  Gurgen  IL 
Magistros,  dem  Hei-m  von  Qwelis-c'iche  und  Agara  und  Erist'aw 
der  Erist'awe^),  um  den  Besitz  von  Artanugi  ausbrach,  wurde 
auch  Georgios  Magistros,  der  Herrscher  von  Ap'chazet'i,  als 
Schwager  des  Aschot  verwickelt.  Aschot  zog  jedoch  vor  Gurgen 
den  kürzeren  und  sah  sich  genötigt,  beim  Herrscher  von  Ap'- 
chazien Zuflucht  zu  suchen.  Als  Gurgen  ohne  männliche  Erben 
starb,  teilten  sich  die  Bagratiden  von  Tao  und  Georgios  Magistros, 
der  Herrscher  von  Ap'chazien,  in  seine  Besitzungen.  Damals  war 
dieser  ohne  Zweifel  bereits  Herr  von  K'art'li. 

Nach  der  georgischen  Chronik ,  die  freilich  auf  streng 
chronologische  Anordnung  keinen  Anspruch  macht,  scheint  es, 
dass  Giorgi  bald  nach  der  Niederwerfung  der  Empörung  seines 
Sohnes  Konstantine  einen  Aufstand  der  Grossen  von  Kachet'i  unter 
Führung  des  Chorbischofs  Kwirike  (929-976),  des  Nachfolgers 
des  P'adla,  mit  Gewalt  unterdrücken  musste.  Alle  Festungen 
von  Kachet'i  wurden  genommen  bis  auf  drei,  worauf  der  König 
nach  Ap'chazet'i  zurückkehrte.  Allein  die  Grossen  von  K'art'li 
verbanden    sich    mit    denen    von    Kachet'i    und    veranlassten    den 


1)  Konstantin.   Porphyrog.   de   adniin.    imp.   c.  46   p.  '206,  15—17. 
Leben  des  hl.  Gobron  bei  Brosset,  Eist,  de  la  Georgie  I  276  n.  3. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  185 

Kwirike ,  von  neuem  die  Fahne  des  Aufruhrs  zu  erheben.  Im 
nächsten  Frühjahr  liess  der  König  abermals  seine  Truppen  unter 
Führung  seines  Sohnes  Leon  in  Kachet'i  einrücken,  doch  während 
der  Expedition  erhielt  dieser  die  Nachricht  vom  Tode  seines 
Vaters  (955),  worauf  er  sich  mit  dem  Chorbischof  verglich,  um 
von  seinem  Erbreich  Ap'chazet'i  Besitz  zu  ergreifen.  Er  ver- 
mählte dann  seine  Tochter  mit  dem  Sohne  des  Chorbischofs,  nach 
deren  Tode  aber  wurde  das  Verhältnis  zu  Kwirike  abermals 
gespannt  und  der  König  musste  einen  neuen  Zug  zur  Unterwerfung 
von  Kachet'i  unternehmen.  Nach  seinem  Tode  (nach  964)') 
folgte  ihm  sein  Bruder  Demetre  und  wurde  Herr  von  K'art'li. 
Dieser  hatte  gegen  einen  Aufstand  zu  kämpfen,  welchen  sein 
Bruder  Thewdose  von  Samc'che  aus  unternahm,  um  die  Herrschaft 
über  K'art'li  an  sich  zu  reissen.  Thewdose  wurde  besiegt  und 
erhielt  freien  Abzug,  als  er  aber  seine  Umtriebe  fortsetzte  und 
sich  bald  darauf  zum  Chorbischof  Kwirike  nach  Kachet'i  begab, 
forderte  und  erhielt  der  König  seine  Auslieferung  und  liess  ihn 
nach  einiger  Zeit  blenden.  Nach  dem  Aussterben  des  Königs- 
hauses von  Ap'chazien  bestiegen  die  iberischen  Bagratiden  den 
Thron  von  Ap'chazet'i  und  K'art'li-). 

Dass  in  der  Chronik  vielfach  Ereignisse,  die  zeitlich  eine 
Reihe  von  Jahren  auseinanderliegen,  zusammengezogen  werden, 
ist  unverkennbar,  da  mir  indessen  anderweitige  zeitgenössische 
Quellen,  namentlich  von  armenischer  Seite,  hier  nicht  zu  Gebote 
stehen,  so  sehe  ich  mich  vorläufig  ausser  stände,  die  Vereinigung 
von  K'art'li  mit  dem  Reiche  der  Ap'chazen  zeitlich  genauer  zu 
fixieren.  Allein  dass  Mas'üdi  in  seiner  Beschreibung  des  Laufes 
der  Kur  diesen  Zustand  voraussetzt  und  somit  dazu  beiträgt,  die 
Angaben  der  Chronik  zu  bestätigen,  ist  jetzt  ohne  weiteres  klar. 
Gurgen  ,  der  Erist'aw  der  Erist'awe  und  Herr  von  Artanug ,  und 
Giorgi  n.,  der  König  von  Ap'chazet'i  und  Herr  von  K'art'li,  waren 
offenbar  damals  die  mächtigsten  Fürsten  in  Ibenen.  Da  auch  die 
iberischen  Bagratiden,  als  sie  nach  dem  Aussterben  des  ap'chazischen 
Königsgeschlechtes  den  Thron  von  Ap'chazet'i  und  K'art'li  be- 
stiegen, fortfuhi-en,  gleich  ihren  Vorfahren  im  Norden  zu  residieren 
und  sich  „Könige  von  K'art'li  und  Ap'chazet'i"  zu  nennen,  so  wurde 
ihr  ganzes  Reich  als  Ap'chazet'i  bezeichnet  und  es  ist  daher  ganz 

korrekt,    wenn    Jäqüt   I  aoa,  9    die    christlichen    Gurg  „  aJI    im 

Jahre  515  H.  (1121/22)  aus  den  Tiflis  benachbarten  Bergen 
von  Abchäz  hervorbrechen  und  nach  glücklichen  Gefechten  wecren 
die  Stadthalter  der  Selguken  zuletzt  Tiflis  erobern  lässt^). 

1)  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  290  n.  4. 
'^)  Hist.  de  la  Göorgie  I  280.  285—294. 

^)  Vgl.  Brosset,  Bulletin  scientifique  de  l'Acad.  de  St.  Peters- 
bourg  t.  V  (1839)  p.  41.  45. 


]^86  J.  Marquart, 

Der  Titel,  welchen  der  Fürst  der  Gurzän  nach  Mas'udT  führt, 
ixxIoJt  oder  ^jtxxLJl  ist  bisher  unerklärt')  und  müsste  es 
nach  der  überlieferten  Lesart  wohl  auch  bleiben.  Ich  glaube 
aber,  dass  wir  ^3u.xX\  al-manbayl  zu  lesen  haben,  und  darin  er- 
kennt man  ohne  weiteres  die  mittelarmenische  Ausprache  (mamyl-ayi 
^=  'mamp''aU  JtuJ7^ujq[i)  des  iberischen  Titels  mamp''aU  (iccfiTtahg, 

welchen  gerade  in  der  fraglichen  Epoche  eine  ganze  Reihe  der 
iberischen  Bagratiden  geführt  haben -).  Die  Lage  der  Residenz  dieser 
Fürsten,  Masgid  ^T'l  Qarnain  vermag  ich  leider  nicht  genauer  zu  be- 
stimmen. Sie  wird,  so  viel  ich  sehe,  nur  noch  in  einem  Bruchstücke 
Ja'qübT's  (Bibl.  Geogr.  VII  r"1f  ^  9) ,  sowie  in  einer  Stelle  bei 
Tabari  II  !o.1  15  erwähnt.  Es  heisst  hier:  „Im  Jahre  110  H. 
(16.  April  728 — 4.  April  729)  fand  ein  Raubzug  des  Maslama  b. 'Abd 
al  Malik  gegen  die  Türk  statt.  Er  zog  gegen  sie  in  der  Richtung 
auf  das  Alanenthor,  bis  er  auf  den  Chäqän  mit  seinen  Scharen 
stiess.  Nachdem  sie  mit  einander  nahezu  einen  Monat  gekämpft 
hatten,  ereilte  sie  ein  gewaltiger  Regen.  Da  schlug  Gott  den 
Chäqän  in  die  Flucht  und  er  kehrte  um.  Maslama  trat  darauf  den 
Rückweg  über  Masgid  <^i'l  Qarnain  an."  Hieraus  darf  man  wohl 
schliessen,  dass  der  ,Tempel  Alexanders'  im  Thale  des  Aragwi 
gelegen     war^).      Ich    kann    mich    der    sich    immer    wieder    auf- 


1)  Denn  die  „heureuse  decouverte"  Frähns  (bei  Brosset  1.  1. 
p.  41) ,  dass  der  Personename  Smbat  [arab.  -bUi^]  darin  stecke, 
verdient  nicht  einmal  die  Ehre  einer  Erwähnung. 

2)  Hist.  de  la  Georgie  p.  267  ss.  Vgl.  Brosset  ib.  p.  272  n.  8. 
Additions  p.  148  n.  2. 

3)  In  der  von  Li  dz  bar  ski  herausgegebenen  Alexandergeschichte 
des  Wahb  b.  Munabbih  habe  ich  den  Namen  nicht  gefunden.    Dagegen 

wird  dort  (ZA.  8,  308  Z.  11)  das  ,Land  von  Armazi'^^^i  (jOj\  genannt, 
das  auch  in  der  Urkunde  des  Habib  b.  Maslama  für  die  Georgier 
(Saif  bei  Tab.  I  Hvf,  9.  Hvö,  7.  Jäq.  I  aöa,  11.  Bai.  V.S,  16;  vgl. 
Brosset,  Bxillet.  scientifique  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg  t.  V,  1839,  40) 
vorkommt.  Von  Samarkand,  wo  er  die  eingedrungenen  fremden  Stämtne 
der  Zutt  und  Kurden  (Übersetzung  von  HKv&ai  und  Maaaayhca)  unter- 
worfen hatte,  zieht  Alexander  nach  dem  Land  von  Hormizd  (so  cod.  A;  B 

.^y>,  vom  Herausgeber  mit  Unrecht  in  .yo  .verbessert'),  wo  er  die 
fremden  Stämme  der  3y> ,  ^-^y'  ""<!  Dclum  (=^  Kadovaioi)  vorfand, 
sämtlich  Nachkommen  des  Japheth.  Nachdem  er  von  diesen  die 
Widerspenstigen    getötet  und  die,    welche  sich  unterwerfen,   begnadigt 

hat,  zieht  er  weiter  nach  Herat.  Offenbar  ist  für  jjJ>-  nicht 
•.j^  al  Gurz  (die  Georgier) ,  sondern  ^jü  (die  Chazaren)  zu  lesen ,  da 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  187 

drängenden  Vernuitung  nicht  erwehren,  dass  mit  jenem  Namen 
die  oberhalb  von  Tiflis  an  der  Einmündung  des  Aragwi  in  den 
Kur  gelegene  alte  Hauptstadt  des  Landes  Mc'chet  gemeint  ist, 
welche  nach  der  Gründung  der  neuen  Hauptstadt  Tiflis  durch 
Wacht'ang  Gurgasar  ihre  alte  Bedeutung  als  religiöser  Mittel- 
punkt des  Landes  bewahrt  hatte.  Nachdem  Tiflis  der  Hauptsitz 
und  das  Bollwerk  der  Ungläubigen  geworden,  war  es  ganz 
natürlich ,  dass  die  Blicke  der  christlichen  Bevölkerung  sich 
wiederum  auf  die  alte  Hauptstadt  richteten,  wo  das  Wahrzeichen 
des  Landes,  das  von  der  hl.  Nune  errichtete  wunderbare  Kreuz 
stand.  Nach  der  glücklichen  Erhebung  der  Armenier  und  Georgier 
unter  den  Bagratiden  war  den  Muslimen  thatsächlich  nur  das 
Gebiet  in  der  unmittelbaren  Umgebung  von  Tiflis  geblieben. 
Freilich  kann  dann  diese  Nachricht  Mas'üdi's  nicht  aus  derselben 
Zeit  und  aus  der  gleichen  Quelle  stammen,  wie  seine  Beschreibung 
des  Kurlaufes,  sondern  muss  sich  auf  eine  etwas  frühere  Zeit 
beziehen,  als  die  Ap'chazen  noch  nicht  die  Herren  von  K'art'li 
geworden  waren. 

Die  neue  Machtstellung  des  ap'chazischen  Staates  hat  auch 
ihren  Ausdruck  gefunden  in  der  auf  Ps.  Moses  Chorenac'i  fussenden 
Darstellung  des  Ursprungs  der  Georgier  bei  dem  Armenier 
Ucht'anes  (10.  Jh.).  Die  Georgier  sollten  darnach  von  iberischen 
Gefangenen  abstammen,  die  Nabuchodonosor  deportiert  und  auf 
dem  rechten  Ufer  des  Pontos  angesiedelt  hatte  i).  „Quand  donc 
il  les  eut  installes  sur  le  bord  du  Pont,  leur  race  se  propagea, 
se  multiplia,  se  repandit  de  divers  cötes,  au  bord  de  la  mer, 
atteignit  jusqu'ä  la  frontiöre  de  l'Armenie  et  de  l'Aghovanie,  et 
forma  une  nation  considerable ,  sous  le  nom  di'Aphkhaz.  Quant 
aux  noms  particuliers  des  provinces  environnantes,  ils  sont  innom- 
brables.  II  y  en  a  encore  d'autres,  aux  environs  de  Tiflis,  qu'on 
appelle  Tsanark,  Dchavakhk  et  Threghk.  S'etant  donc  propages 
et  multiplies,  ils  formerent  diverses  tribus ,  et  le  pays  qu  avant 
eux  on  nommait  Veria  s'appelle  maintenant  Vratsik,  i.  e.  Georgiens"  ^). 

Auch  dem  Ibn  Hauqal  ist  die  Macht  des  Königs  der  Abchäz 
wohl  bekannt.  Zu  den  mächtigsten  Königen  der  Grenzländer 
(des  Kaukasus)    zu   seiner  Zeit  rechnet  er,  nächst  dem  Sarwänsäh 


es  sich  um  fremde  Völker  handelt,  die  sich  im  Lande  festgesetzt  hatten. 

Für  .,Lc;äit»  vermute  ich  ^.,LijJ(^  ,  d.  h.  die  Kuban-Bulgaren.  Die 
georgische  Chronik  (Eist,  de  la  Georgie  p.  33)  macht  daraus  „Turks 
primitifs  et  Qiphtchaqs". 

1)  Ps.  Mos.  Chor.  II  8  S.  78  nach  Megasthenes  bei  Euseb. 
Chron.  I  p.  41/42  ed.  Schöne  =  I  58  ed.  Avker. 

")  Vgl.  Brosset,  Hist.  de  la  Göorgie.  Additions  et  eclaircissements 
p.  110.  Leider  ist  mir  weder  der  Text  des  Ucht'anes  noch  Br  osset's 
Übersetzung  (Deux  historiens  armeniens,  St.  Pötersbourg  1871)  bisher 
erreichbar  gewesen. 


2^gg  J.  Marquart, 

Muhammad  b.  Ahmad  al  Azdi,  den  König  der  Abchäz.  „Ihm 
gehört  ein  Reich,  das  sich  bis  zu  einem  Teil  der  Berge  und 
Distrikte  des  Kaukasus  erstreckt  und  unter  dem  Namen  al 
Abchäz-säh  bekannt  ist^).  Ihm  untersteht  der  ^anciri  (Fürst 
der  Canark'),  der  Sene¥erim  heisst  und  Christ  ist,  wie  Ibn  ad 
Dirani  (Derenik) ,  der  Fürst  über  az-Zawazän,  Wän  und  Wastän 
(d.  i.  der  Fürst  von  Waspurakan  aus  dem  Hause  Arcruni)"  '^). 

Von  all  diesen  tiefgreifenden  Veränderungen,  welche  sich  in 
der  politischen  Stellung  der  Kaukasusländer  und  namentlich  auch 
der  Ap'chazen  und  Georgier  zum  Chalifenreiche  seit  den  Tagen 
des  al  Mutawakkil  und  der  Gründung  des  armenischen  Bagratiden- 
reiches  vollzogen  hatten,  weiss  aber  der  Verfasser  unseres  Reise- 
berichtes noch  nichts.  Für  ihn  ist  Tiflis  immer  noch  die 
politische  und  kommerzielle  Hauptstadt  des  arabischen  Trans- 
kaukasien  und  das  Bollwerk  der  muslimischen  Herrschaft  in  den 
Kaukasusländern,  und  wenn  in  vmseren  Auszügen  auch  nicht 
ausdrücklich  erwähnt  wird,  dass  die  Avyaz  dem  Statthalter  von 
Tiflis  unterstanden,  so  dürfen  wir  dies  doch  als  die  Meinung  des 
Verfassers  annehmen.  Aus  alledem  ergibt  sich  mit  Notwendigkeit, 
dass  der  Bericht  mindestens  vor  dem  Zuge  Buya's  des  Älteren 
nach  den  Kaukasusländern  (240  H.)  geschrieben  sein  ibuss  ,  von 
welchem  Zeitpunkte  ab  die  Araber  selbst  den  Niedergang  der 
Macht  des  Chalifats  in  Transkaukasien  datieren. 

Kehren  wir  nun  zum  Berichte  des  GaihänT  zurück!  An  die 
Beschreibung  der  Magyaren  schliesst  sich  naturgemäss  die  der 
Slawen.  Das  Gebiet  derselben  beginnt  nach  ihm  10  Tagereisen 
von  den  Magyaren  2).  Die  Slawen  werden  noch  vollständig  als 
Heiden  geschildert.  Am  Schlüsse  der  Beschreibung  der  Slawen 
findet  sich  die  Bemerkung:  „Falls  ihr  König  einen  Räuber 
in  seinem  Reiche  ergreift,  lässt  er  ihn  hängen  oder  versetzt 
ihn  nach  »  j.:;-  Glra ^  dem  äussersten  Bezirk  seiner  Länder"*), 
de  Goeje  vermutet,  dass  darunter  das  Fvqa  des  Konstantinos 
Porphyrogennetos  zu  verstehen  sei.  Dieser  berichtet  nämlich, 
dass  bei  Beginn  des  November  die  Fürsten  der  Rös  i'^eQXOvrai 
fiEXCi  TtKvroiv  rcov  'P&g  ano  t6  Klaßov ,  Kai  ani^iovrca  £ig  xa 
Ttolvöia  a.  Uyixai  FvQa,  i]yovv  st?  Tfi;g  EYlaßtviag  xo)v  xi  JeQßidvcov 
(Drhdjane)^)    Y.cd   x&v    jQovyovßixmv    (Dngowici)   Y.a\  Kgißn^üv 


1)  Ibn  Hauqal  hat  also  den  (persischen)  Titel  des  Königs  fälscli- 
licb  als  Landesnamen  aufgefasst. 

»)  Ibn  Hauq.  ^ö. ,  7—11. 

3)  So  GurdezT  bei  Barlhold  S.  99,  1.  Ibn  Rusta  (fr,  7  hat 
dagegen  für  die  Magyaren  die  später  in  deren  Sitze  eingerückten 
Pecenegen  eingesetzt. 

1)  Ibn  Rusta  Ifö,  8. 

5)  So  ist  zu  lesen  für  BsQßiävav.  c.  37  p.  166,  11  kommen  sie 
unter  der  Form  JsQßUvivoi  vor. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  189 

(Kriwict)  v,ai  xCov  Eeqßiav  (1.  ^sßsQicov ,  Sewerh)^)  Kai  Xoi- 
TTcöv  H^Xocßbiv ,  oi'rivig  eIgi  -jiaKTiärai  r&v  Päg.  Dort  verweilen 
sie  den  ganzen  Winter,  um  erst  im  April  beim  Schmelzen  des 
Eises  auf  dem  Dnjepr  wieder  nach  Kijew  hinabzufahren-).  Die 
Gleichsetzung   dieses  Fv^a    mit    Ibn  Rusta's  5-<^:s-    scheint  mir  in 

der  That  sehr  einleuchtend ,    denn  offenbar  sind  auch  unter  rvQcc 

Grenzdistrikte    zu    verstehen.  Dann    wird    es    aber    bereits 

sehr  wahrscheinlich,   dass  mit  der  slawischen  Stadt  l-^aj!^  (bezw. 

^.i>s.AÄi!^  oder  vi;/j:Ailo)  nur  Kijew,  die  Hauptstadt  der  slawischen 

Poljane  gemeint  sein  kann ,  welche  zur  Zeit  der  Entstehung  des 
Berichtes  noch  nicht  im  Besitze  der  Russen  war.  Mit  dieser  Auf- 
fassung stimmt  auch  die  Angabe ,  dass  das  Gebiet  der  Slawen 
10  Tagereisen  von  dem  der  Magyaren  entfernt  sei,  die  ja  damals 
noch  in  der  Steppe  zwischen  Don  und  Wolga  schweiften'^).  An 
Kijew  dachte  schon  H  a  r  k  a  v  y. 

Freilich  scheint  der  Name  der  Hauptstadt  zunächst  nach 
einer  anderen  Richtung  zu  weisen.  Denn  dass  derselbe  nicht 
aus  äjuj-S'  verstümmelt  sein  kann ,  ist  unbestreitbar.  Vielmehr 
vei-mute  ich ,  dass  die  Stadt  nach  einem  Flusse  benannt  ist ,  und 
zwar  führen  die  Schriftzüge  auf  i,4:/./*>.i|o  Dänast  als  vorauszu- 
setzende Gi'undform.  Damit  kämen  wir  also  in  das  Land  am 
Dnjestr ,  das  Gebiet  der  Tiwerci ,  der  Anwohner  des  TvQag,  und 
der  Uglici^  bei  Konstantin.  Porphyrog.  de  administr.  imp.  c.  37 
p.  166,  10  OvXtCvoi  (oben  S.  107),  der  Bewohner  des  sogenannten 
qgh  ("OyyAoj),  des  Winkels  zwischen  dem  Dnjestr,  der  Donau  und 
dem  Pontos^).  Diese  beiden  Völker  kennt  auch  der  sog.  baierische 
Geograph  (gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts):  Unlizi,  populus  multus, 
ciuitates  CCCXVin.  Neriuani  (Narewjane,  am  Narew)  habent  ciui- 
tates  LXXVIII.  Attorozi  habent  CXLVIII,  populus  ferocissimus  ^), 
Der  Name  JI,H4cTpi)  Dnesh'^  ist  so  wenig  slawisch  wie  Jl,H'tnp'&, 
JI,'i)Hilip'b  i)nepr%.  Die  älteste  Form  lautet  Danastius  und  findet 
sich  zuerst  bei  Ammianus  Marcellinus  31,  3, 3.  5.  Ihr  entspricht  ge- 
nau Muslim  b.  Abu  Muslim's  vorauszusetzendes  Dänast.  Aber  schon 
bei  Jordanis  (Get.  c.  5  §  30.  35)  begegnet  dafür  Danastrus,    eine 


*)  So  schon  Karamzin;  Schafarik's  Widerspruch  gegen  diese 
Verbesserung  (Slawische  Altertümer  II  102)  ist  vergeblich. 

2)  de  admin.  imp.  c.  9  p.  79,  13  ff. 

^)  Für  die  Zeit,  als  die  Pecenegen  in  Atelkuzu  sassen,  passte  dies 
nicht  mehr.  Denn  das  Land  der  Pecenegen  bezw.  deren  Horde 
Charowoj  war  vom  Gebiete  der  Rus  nur  einen  Tagemarsch  entfernt. 
Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  37  p.  166,  14. 

*)  Konst.  Jirecekj  Gesch.  der  Bulgaren  S.  129. 

^)  Schafarik,  Slawische  Altertümer  II  130—135.673. 


190  J-  Marquart, 

offenbar  der  Analogie  mit  Danaper  zuliebe  gebildete  Form ,  und 
ebenso  lieisst  der  Fluss  /iavaaxqiq  bei  Konstantin.  Porphyrog.  de 
administr.  imp.  c.  8  p.  73,  8.  c.  42  p.  179,  13.  23.  Die  Namen 
Dana-stius  und  Dana-per^  /iävanqig  (zuerst  in  dem  nicht  vor  dem 
5.  Jahrhundert  verfassten  Periplus  Ponti  Euxini  e.  58)  ^)  sind  offenbar 
sarmatisch-iranischen  Ursprungs ;  daneben  müssen  sich  aber  die  alten 
skythischen  (ebenfalls  iranischen)  Benennungen  TvQag  und  Boqv- 
ö&Evtjg  {*waru-stäna)  noch  ziemlich  lange  im  Gebrauche  erhalten 
haben,  da  von  ihnen  die  türkischen  Formen  Turla^)  (pe^enegisch 
TQOvklog)  und  War  (bei  den  Hunnen,  Jordan.  Get.  c.  52  §  269), 
Waruch  (bei  den  Pecenegen  Konstantin  Porphyrogenn.  de  admin. 
imp.  c.  38  p.  171,  10)^)  gebildet  sind.  Wie  die  ehemaligen 
skythischen  Anwohner  des  Dnjestr,  die  Tv^aye-xui  d.  i.  *Turaga-ta 
(von  *Tura-ga  mit  der  skythisch- alanischen  Pluralendung  *-ta, 
-t^a,  -t'ä)  oder  (mit  griechischem  Suffix)  TvQLtai,  sind  auch  die 
spätem  slawischen  Ansiedler  nach  dem  Flusse  Tiwerd  genannt 
worden.  Die  russische  Chronik  c.  IX  nennt  nach  den  Dulebi  am 
Bug  die  Uglici  und  Tiwerci ^  die  am  Dnestr  sassen  und  an  die 
Donau  grenzten :  „et  ils  etaient  fort  nombreux,  car  ils  s'etendaient 
jusqu'ä  la  mer,  et  leurs  villes  subsistent  encore  aujourd'hui. 
Les  Grecs  appelaient  ce  pays  la  Grande  Scythie*)".  Sie  wurden 
von  Oleg  bekriegt  (angeblich  885)  und  auf  seinem  Zuge  gegen 
Konstantinopel  im  Jahre  917  mussten  ihm  ausser  andern  Völkern 
auch  die  Chrowaten ,  Dulebi  und  Tiwerci  Heeresfolge  leisten. 
Zum  letzten  Mal  werden  die  Tiwerci  im  Heere  Igors  im  Jahre  944 
erwähnt  ^). 

Im  altslawischen  Leben  des  Apostels  Konstantin  c.  16  er- 
widert der  Apostel  den  Lateinei'n,  die  immer  wieder  die  Simpelei 
von  den  drei  privilegierten  Spi'achen  wiederkäuen :  nonne  aerem 
omnes  aequaliter  spiramus  ?  quomodo  igitur  vos  non  pudet  tres 
tantum  linguas  statuere ,  reliquos  populos  et  stirpes  caecos  et 
surdos  esse  iubentes?  ....  nos  vero  multas  gentes  novimus 
literas  scientes  et  deum  laudantes,  sua  quaeque  lingua.  constat 
autem  has  gentes  esse  Armenos,  Persas,  Abasgos,  Iberos,  Sugdos, 
Gotthos,  Avares  (Obri)^  Tyrsos  (Typ^CH),  Kozaros,  Arabes,  Aegyptios, 
Syros,  aliasque  multas'')-  Die  Armenier,  Ap'chazen,  Iberer,  Sugder 
(d.  i.  die  Alanen  von  Sugdaia  auf  der  Krim)  und  Krimgoten  waren 


1)  C.  Müller,  Geogr.  Gr.  min.  I  417.425. 

2)  Schafarik,  Slawische  Altertümer  I  505. 

^)  Tomaschek,  Kritik  der  ältesten  Nachrichten  über  den  skyth. 
Norden  II  20. 

■*)  Richtig  17  fitxpa  Hxv&ia,  Scythia  minor. 

^)  Chronique  dite  de  Nestor  trad.  par  L.  Leger  c.  XIX  p.  18. 
c.  XXT  p.  22.  c.  XXVII  p.  35. 

")  Die  Legende  vom  hl.  Cyrillus  hg.  von  Ernst  Dümmler  und 
Franz  Miklosich.  Deukschr.  d.  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  Phil-hist.  Cl. 
Bd.  XIX,  1870,  S.  227  =  244, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge,  191 

in  der  That  Christen,  und  in  Persien  gab  es  immer  noch  zahl- 
reiche Nestorianer.  Unter  den  Awaren  hatte  seit  ihrer  Unter- 
werfung durch  Karl  d.  Gr.  das  Christentum  Eingang  gefunden; 
wie  es  in  dieser  Beziehung  mit  den  Chazaren  stand,  wissen  wir 
freilich  nicht  näher.  Von  einer  eigenen  Schrift  und  einem 
Gottesdienst  in  nationaler  Sprache  bei  Ap'chazen,  Sugdern  und 
Krimgoten  ist  uns  freilich  sonst  nichts  bekannt  ^) ,  und  bei  den 
Awaren  kann  davon  zweifellos  keine  Rede  sein.  Wie  es  sich 
aber  damit  auch  verhalten  mag:  soviel  ist  klar,  dass  die  zwischen 
Awaren  und  Chazaren  stehenden  Tursi  geographisch  genau  den 
Tiwerci  der  Chronik  entsprechen.  Die  Namensform  weist  auf 
Übersetzung  aus  dem  Griechischen  hin:  Tvq6oi  =  slaw.  *Turci. 
Der  Verfasser  der  Vita  setzt  voraus,  dass  auch  bei  diesem  Volke 
das  Christentum  um  die  Mitte  des  9.  Jbs.  bereits  zahlreiche  Be- 
kenner  zählte ,  und  nach  dem ,  was  die  Chronik  von  ihren  alten 
Städten  zu  berichten  weiss,  ist  dies  durchaus  nicht  unglaublich. 
Da  die  Tiwerci  und  Ugli^i  sich  einst  bis  zum  Meere  ei'streckten, 
so  sind  die  Romäer  ohne  Zweifel  zur  See  mit  ihnen  in  manigfachem 
Verkehr  gestanden ,  in  dessen  Gefolge  sich  manche  Elemente 
romäischer  Kultur  bei  ihnen  verbreitet  haben  mögen  und  auch 
Glaubensboten  zu  den  Mündungen  der  Donau  und  des  Dnjestr 
vorgedrungen  sein  werden.  Noch  Konstantin  Porphyrogennetos 
(952  n.  Chr.)  kennt  im  Gebiete  der  Pe^enegen  westlich  vom 
Dnjepr,  gegen  Bulgarien  zu,  also  im  alten  Lande  der  Tiwerci 
und  Uglißi  sechs  Ruinenstädte ,  die  er  nach  ihren  pe^enegischen 
Benennungen  aufführt  und  unter  deren  Gebäuden  man,  wie  er 
sagt,  noch  Spuren  von  Kirchen  und  aus  Stein  gehauene  Kreuze 
finde.  Daraus  schlössen  einige  auf  ehemalige  römische  Ansiedlungen 
in  diesen  Gegenden  2), 


^)  Da  Konstantin  selbst  auf  der  Krim  gewesen  ist,  so  konnte  er 
dort  allerdings  Nachrichten  über  die  religiösen  und  sprachlichen  Ver- 
hältnisse des  Landes  einziehen.  Allein  wenn  auch  die  Krimgoten  ihre 
Sprache  noch  über  ein  Jahrtausend  nach  der  Annahme  de^hristentums 
bewahrt  haben,  so  wissen  wir  in  religiöser  Beziehung  doch  von  ihnen 
nur,  dass  sie  griechische  Katholiken  waren  und  ihre  Bischöfe  von  Kp(>l 
erhielten.  Dasselbe  gilt  von  Sugdaia.  Der  Verfasser  der  Vita  könnte 
seine  Angaben  aber  auch  aus  älteren  litterarischen  Quellen  geschöpft 
haben,  [und  unter  diesem  Gesichtspunkte  ist  eine  Nachricht  von  grösstem 
Interesse,  welche  sich  in  der  sog.  Kirchengeschichte  des  Zacharias  Rhetor 
(in  deutscher  Übs.  hg.  von  K.  Ahrens  und  G.  Krüger  S.  254, 
1 — 255 ,  37)  findet.  Darnach  gieng  der  Bischof  Qardü^t  von  Arrän  um 
507  oder  508  mit  drei  Priestern  und  vier  andern  Männern  ins  Land 
der  Hunnen,  predigte  den  dortigen  römischen  Gefangenen,  bekehrte 
auch  einige  von  den  Hunnen  und  gab  dort  Schriften  in  hunnischer 
Sprache  heraus.  Es  wäre  sehr  wohl  denkbar,  dass  der  Verfasser  oder 
seine  Quelle  diese  Hunnen  als  Chazaren  aufgefasst  hätte.] 

^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  37  p.  167,  5fF. : 
lareov  ori  sv&8v  rov  ^ocvccTtQscog  nota^ov  TtQog  rb  ccnoßlinov  ^igog  ti)v 
BovXyagiav  big  tu  7tbQd[iara  rov  avxov  norafiov  sialv  iQri\i6y.aatQa- 
HaatQOv  TtQ&rov   tb   dvoficca&hv  TtUQa  x&v  Uur^LvauLTäv  "Aon^ov  Siä  rb 


192  J-  Marquart, 

Wenn  ich  recht  sehe,  gedenkt  auch  noch  der  Jude  IbrähTm 
b.  Ja'qüb ,  ein  Zeitgenosse  des  Kaisers  Konstantin ,  im  Jahre  965 
in  einer  sehr  merkwürdigen  Stelle  seines  Reiseberichts  der  beiden 
in  Rede  stehenden  Stämme.     Es  heisst  nämlich  bei  ihm  S.  39,  5  ff.: 

JoLxS    ^^Xa   ^^j    ^loi)iXs>'^    &.jw>.iÄAaJLj   ^^j.^JL51äj   \Jtj.^   lj^L•^^   J^r*-3 

d.  h.  „die  hervorragendsten  Stämme  des  Nordens  sprechen  slawisch, 
weil  sie  mit  ihnen  (den  Slawen)  gemischt  sind.  Unter  diesen  sind 
zu  nennen  die  Turiskln,  die  Änqlijin,  die  Pe^enegen,  die  Russen 
und  Chazaren."  Von  einer  Vermischung  mit  den  Slawen  kann 
man  wohl  bei  den  Russen  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahr- 
hunderts reden,  bei  den  Chazaren  und  vollends  bei  den  Peßenegen 
kann  dagegen  von  einem  solchen  Verhältnis  keine  Rede  sein.  Der 
Ausdruck  \j  Jal'jis>\  ist  also  hier  im  Sinne  von  ,in  Verkehr  stehen  mit 

jemanden'  zu  nehmen.  Westberg,  a.  a.  0.  S.  162  kommt  dem  Sinn 
der  Stelle  nahe,  wenn  er  annimmt,  dass  jene  Stämme  „ausser  ihrem 
eigenen  Idiom,  sich  der  slawischen  Sprache  als  Hauptverkehrs- 
sprache bedienten".  Von  einer  eigentlichen  Zweisprachigkeit 
kann    man    indessen    nur    bei    den   Russen    sprechen.      Unter    den 

^J^.Ai.Äi!  sind  gewiss  nicht  die  Magyaren  (Üngri,  OvyyQOi,  alt- 
slawisch Ogri)  zu  verstehen ,  wie  K  u  n  i  k  und  ihm  folgend 
Westberg  glauben^),  da  ja  Ibrahim  dieselben  unter  dem 
Namen   tib!  j'bSt    kennt  (S.  35,  1.  3).     Ich    bin   vielmehr  überzeugt, 

dass  wir  in  ihnen  die  OvXxLvol  des  Konstantinos  Porphyrogennetos, 
die  TJnlizi  des  baierischen  Geographen ,  d.  i.  die  Uglici^  zu 
erkennen  haben.  IbrähTm  hat  den  Namen  in  Prag  gehört,  wo 
man  damals  also  noch  die  nasale  Aussjoi'ache  bewahrt  hatte. 
Es  ist  zu  beachten,  dass  im  Suffix  IbrähTm  mit  Konstantin  über- 
einstimmt: "beide  gehen  wohl  auf  die  Singular  form  '*Ulbcim, 
*Uglbcim  zurück  (oben  S.  107).    In  (j\.jC^Jd  kann  dann  nur  eine 

Nebenform  des  Namens  Tiwerci  stecken,  und  zwar  die  Singular- 
form *Turc-im>.  Die  Art  der  Transskription  erinnert  ganz 
an    das   Gvduscani  =  *Ousbcane   der  fränkischen  Annalen  (oben 


tovg  Xi&ovg  avTov  cpaivEG&ai  KaraXtvKOvg,  Käargov  äsvTSQOV  rb  Tovyycitai 

Tun-kat  i.ü*.^i«.j) ,   xacrpov   xq'ixov   xo  KQav.va-näxai ,  kixgxqov   rhccgxov 

x6  HaX^atiocxat-,  xäGXQOv  ni^nxov  xb  ^a^iaxcixai,  v,ci6xqov  i'xxov  Ftaiov- 
V.CLXUI  (Jaji/q-katf).  iv  avxois  S^  tote  xoav  TtaXaioxäaxQcov  xxiciiccGiv 
tvQiaxovtai.  xßl  txxXriGiav  yvcoQiG^axä  xtva  kccI  Gtavgol  Xa^tvrol  eig 
Xi^ovg  TtOQivovg-  oQ^hv  Hui  xivig  TtuQccdoGiv  i'xovGiv,  äg  Pw^aToi  noxt 
xug  ■Kuxoiv.iug  hl^ov  ^xiiGb.  Über  ,die  Lage  dieser  Ruiuenstädte  vgl. 
Lelewel,  Geographie  du  Moyeu-Age  III  172. 

1)  Izvestija  al  Bekri  S.  107.     Westberg  a.  a.  ü.  S.  37. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  193 

S.  141).  Die  auffällige  Erscheinung,  dass  Ibrähim  die  Uglici 
und  Tiwerci  mit  den  Pecenegen  und  Russen  auf  gleiche  Stufe 
stellt  und  für  nichtslawische  Völker  hält,  die  nur  infolge 
häufigen  Verkehrs  mit  den  Slawen  sich  der  slawischen  Sprache 
bedienen ,  beruht  offenbar  auf  einem  Missverständnis  seitens  des 
Reisenden.  Zu  seiner  Zeit  stand  das  Land  der  UgliSi  und  ein 
grosser  Teil  des  ehemaligen  Gebiets  der  Tiwerci  unter  der  harten 
Knechtschaft  der  Peöenegen.  Während  alle  andern  östlichen 
Slawenstämme  damals  sich  einer  gewissen  politischen  Selbständigkeit 
erfreuten:  die  Slawen  Thrakiens  unter  der  Vorherrschaft  der 
damals  bereits  völlig  slawisierten,  ursprünglich  türkischen  Bulgaren, 
die  Stämme  des  weiten  Russlands  unter  der  Obmacht  der 
schwedischen  Rös ,  waren  die  Tiwerci  und  UgliSi  seit  der  zu- 
nehmenden Übermacht  der  schrecklichen  Peßenegen  zu  völliger 
Bedeutungslosigkeit  herabgesunken ;  ihr  Land  verödete  infolge  der 
verheerenden  Raubzüge  der  gefürchteten  Steppensöhne ,  sie  selbst 
verschwinden  fortan  aus  der  Geschichte.  So  wird  es  einigermassen 
begreiflich,  wie  Ibrähim  dazu  kam,  den  Tiwerci  und  Uglici,  den 
Unterthanen  der  Peßenegen ,  ebensogut  einen  nichtslawischen  Ur- 
sprung zuzuschreiben  wie  ihren  türkischen  Herren. 

Vielleicht  darf  man  die  ügliH  auch  in  dem  Stamme  Di:p"'bt< 
(v.  1.  Dl3pbN)  erkennen ,  welchen  Joseph  ben  Gorion  in  seiner 
Völkertafel  unter  den  Söhnen  Togarmas  zwischen  Chazaren, 
Pe^enegen  ('];"'ü:s)  und  Bulgaren  aufführt.  Als  ursprüngliche 
Lesart  hätte  man  dann  etwa  öl2"'bpN  Uqlinüs  =  OvyXivovg 
herzustellen  ^). 

Welchem  Zweige  der  slawischen  Völkerfamilie  die  Uglici 
und  Tiwerci  angehörten,  ist  aus  der  russischen  Chronik  nicht  zu 
ersehen.  Da  wir  aber  wissen ,  dass  im  6.  Jahrhundert  gerade 
in  den  später  von  jenen  beiden  Völkern  eingenommenen  Sitzen 
die  Anten  wohnten,  deren  Name  seit  dem  Anfange  des  T.Jahr- 
hunderts verschwindet  ^),  so  werden  wir  in  den  Uglici  und  Tiwerci 
Stämme  der  Anten  zu  erkennen  haben ,  zu  denen  auch  noch  die 
nordwestlich    von    ihnen    wohnenden    Dulebi    gehörten.      Vor   den 


^)  Oder  D1j"'P^N  *OvXrivovg  für  OvXrLvovg?  —  Dagegen  wird 
man  Bedenken  tragen,  den  Namen  des  zweiten  der  Söhne  Togarma's 
im  Briefe  des  Chazarenfürsten  Joseph ,  UJlTTi ,  mit  den  Tiwerci  zu- 
sammenzubringen, sobald  man  erkannt  hat,  dass  fast  sämtliche  übrigen 
Namen  aus  Theophylaktos  Simokatta  7,  7,  13 ff.  entlehnt  sind:  "IT'SN 
für  "liaiN  'OymQ,  -[^lü  für  Tni«  "AßaQOi  7,8,2,  yHlü  für  ^15:N  Ovv- 
vovyovQOi  7,  8,  3,  bT'3  für  b^T^la  Baga-^Xv ,  N^P  für  TaQviäx  7,  8,  16, 
1T3  für  KortayriQoi,  "n:T  für  "n:<n>T  Zaßsvöig  7,  8,17,  "Sbn  = 
BovXyuQoi  7,4,1  etc.,  ^''INO  =  üaßiQOL  7,8,3.  Ich  wage  daher  die 
Vermutung,  dass  in  OTTi  eine  Verstümmlung  von  Tuvyäax  (lü^ir) 
7,  6,  lOff.  steckt. 

2)  Theophyl.  Sim.  8,  5,  13. 

Marquart,  Streifzüge.  13 


]^94  J-  Marquart, 

Spezialnamen  ist  später  der  allgemeine  Volksname  in  Vergessenheit 
geraten.  Die  Anten  finden  wir.  im  Gegensatz  zu  den  westlich 
von  ihnen  sitzenden  Slowenen,  stets  als  Bundesgenossen  der  Römer 
und  Feinde  der  Awaren.  Der  Chagan  fasste  deshalb  den  Entschluss, 
sie  zu  vernichten  und  sandte  mit  diesem  Auftrage  im  J.  602  den 
General  Apsich  ab ,  allein  durch  eine  Diversion  des  romäischen 
Generals  Petros  und  besonders  durch  zahlreiche  Desertionen  in  seinem 
Heere  vermochte  er  wahrscheinlich  seine  Absicht  nicht  völlig 
auszuführen  (oben  S.  127).  Über  das  Verhältnis  der  Anten  zu  den 
Unugundur-Bulgaren,  die  in  ihrem  Lande  nomadisierten,  aber  die 
Oberhoheit  des  Chagans  anerkannten,  ist  nichts  Näheres  bekannt. 
Nachdem  aber  der  Chan  Kubrat  um  635  auf  römische  Seite  über- 
getreten war  und  dem  Chagan  den  Gehorsam  aufgesagt  und  besonders 
seitdem  sein  Sohn  Asparuch  die  Bulgaren  im  J.  679  auf  dem 
südlichen  Donauufer  angesiedelt  hatte ,  kamen  wieder  ruhigere 
Zeiten  für  die  Anten,  in  denen  sie  sich  von  den  früheren  ver- 
lustreichen Kriegen  mit  den  Awaren  erholen  konnten.  Wahr- 
scheinlich haben  sie  sich  erst  seit  dieser  Zeit  bis  zu  den  Mündungen 
der  Donau  und  des  Dnjestr  ausgebreitet.  Für  die  Zeit  um  840, 
in  welche  der  Bericht  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  fällt,  wird 
also  die  Schilderung  Nestors  von  dem  blühenden  Zustande  des 
Landes  der  Uglißi  und  Tiwerci  vollkommen  zutreffen.  Dies  wurde 
freilich  anders ,  seitdem  die  Magyaren  sich  in  dem  Steppengebiet 
zwischen  Dnjepr  und  Seret  festgesetzt  hatten  (um  860)  und  ihre 
Raubzüge  weit  und  breit  in  die  umliegenden  Slawenländer  aus- 
dehnten, und  vollends  als  nach  Vertreibung  der  Magyaren  die 
schrecklichen  PeSenegen  die  Herrschaft  in  der  Steppe  antraten 
(um  895)  und  unter  den  Hufen  ihrer  Rosse  alles,  was  sich  noch  an 
Kultur  vorfand,  niedertraten.  Im  Jahre  885  waren  beide  Stämme 
von  Oleg  bekriegt  worden ,  allein  von  den  Ugli^i ,  die  den  Ein- 
fällen der  Pe^enegen  am  meisten  ausgesetzt  waren ,  ist  fürder 
nicht  mehr  die  Rede,  während  die  Tiwerci  in  den  Jahren  917 
und  944  als  den  Russen  heerespflichtig  genannt  werden.  Ohne 
Zweifel  haben  sie  ihre  Besitzungen  am  untern  Dnjestr  an  die 
PeSenegen  verloren  und  sahen  sich  genötigt,  sich  vor  deren 
Raubzügen  nach  dem  Oberlaufe  dieses  Flusses  zurückzuziehen. 
Es  wäre  nun  sehr  naheliegend,  in  der  im  Beginn  des 
Slawenlandes    gelegenen  Stadt  ^.^^..il^    (\,i>./*..i!j)    bei  Gaihänl  d.  i. 

Muslim  b.  Abu  Muslim  die  Hauptstadt  der  Tiwerci  am  Dnjestr 
zu  erkennen.  Dagegen  scheint  mir  indessen  zu  sprechen ,  dass 
diese  Slawen  noch  vollständig  als  Heiden  (Feueranbeter)  ge- 
schildert wei'den^),  während  wir  bei  den  Tiwerci  bereits  eine 
gewisse  Kenntnis  des  Christentums  voraussetzen  müssen.  Auch 
wäre    es   gewiss  auffällig ,   wenn  der  Verfasser  von  der  Stadt  der 


1)  Ibn  Rusta  \ff    4. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  195 

Poljanen  am  Dnjepr  nicht  gehört  hätte ,  die  jedenfalls  schon  tun 
840  eine  gewisse  Bedeutung  gehabt  hat.  Ich  glaube  daher,  dass 
wir  im  Namen  der  Stadt  eine  Verwechslung  des  Dnjepr  mit  dem 
Dnjestr  anzunehmen  haben.  [Wenn  wir  Harkavy  glauben 
wollten  1),  dass  die  von  IdrTsi  11  389.  390.  433  genannte  russische 
Stadt     t-^r^   am  c;.^am.>.jo    .p    identisch  mit  der  Chazarenfestung 

Sarkel  am  Don  sei,  so  könnten  wir  hieraus  ein  noch  viel  auf- 
fälligeres Analogon,  eine  Verwechslung  des  Don  mit  dem  Dnjestr 
ableiten.  Allein  jene  Gleichung,  die  offenbar  nur  um  des  Namens- 
anklanges willen  aufgestellt  ist,  steht  auf  schwachen  Füssen.  Die 
genaue  Lage  von  Sarkel  ist  noch  nicht  bekannt,  aber  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  haben  wir  es  an  der  Donmündung  zu 
suchen,  Ji».^  dagegen  lag  am  Fluss  vi>»-<**.Ai J ,  „dans  la  partie 
septentrionale  du  cours  de  ce  fleuve  qui  coule  vers  l'orient  jus- 
qu'ä  Zana  iüS;  (p.  389  üäh),  durant  12  journees  de  distance", 
4  Tagereisen  südlich  von  ^.Ji^^  »ville  situee  prfes  des  sources 
du   Dniest  vi^wwjoo".     Ehe   man   im    Stande   ist,    diese    Stadt    zu 

identifizieren,  ist  es  notwendig  das  Itinerar,  in  welchem  sie  vor- 
kommt, zu  analysieren. 

p.  395  ist  der  >-^a^ajO  unzweifelhaft  der  Dnjestr:  von 
Warna  nach  Erimokastro  sind  25  Meilen ,  von  da  zur  Donau 
3  Meilen,  von  dieser  nach  &>.aÜI    (lies    iLkiä  Kilia)  eine  Tagfahrt, 

von  da  bis  zur  Mündung  des  Danest  eine  Meile.  Dieses  sehr 
fehlerhafte  Itinerar  ist  von  Tomaschek  erläutert  worden ^). 

Sarmall  wird  VI  3  p.  375,  4  p.  389  zu  Polen  gerechnet, 
gleichwie  JJJLä  (Krakau),  äjjLc?-  (1.  '»^\l^  Gnesen),  ^.j^Üü  oder 
«.jUiLo,  K»)\^j^i  »^^j*J  ^^^  j^i^-^.  ^^^  Krakau  nach  iCjjLL=>j 
einer  blühenden  Stadt,  gegen  Osten 3)  sind  100  (80)  Meilen,  von 
da  nach  ^^ÄJ:^  oder  io^Liüi  60  Meilen,  von  da  nach  -^y^ , 
einer  Stadt  der  Provinz  »^bj-w,  100  Meilen  (p.  381.  389).  Von 
Sarmall  nach  'ü\-   sind  12  Tage,  von  da  nach  (^«-/«.j  180  Meilen, 


^)  Abr.  Harkavy,  Skazanija  evrejskicht  pisatelej  o  Chazarachi 
i  chazarskomi  carstve.     St.  Petersburg  1874  S.  124  N.  1. 

2)  Zur  Kunde  der  Hämus-Halbinsel  II.  Die  Handelswege  im 
12.  Jahrhundert  nach  den  Erkundigungen  des  Arabers  Idrisl.  SBWA. 
Bd.  113,  1886,  S.  307—309. 

^)  Dies  ist  natürlich  falsch.     Es  muss  heissen:   von  Krakau  nach 

Gnesen    [gegen    Norden]    (  cij^)    100    Meilen,    von    Gnesen    nach 
Äj^^LflÄj  gegen  Osten  60  Meilen. 

13* 


196  J-  Marquart, 

von  da  nach  ^aj*>.aJLc.  (Hali^)  200  Meilen.  Die  beiden  letztern 
Städte  gehören  zu  Russland  p.  389/90. 

Weiterhin  rechnet  Idrisl  aber ,  im  Widerspruch  mit  seinen 
frühern  Angaben,  ausser  Ä.AJyjjj  (=  (^gj^r?)  i^nd  i«:A.w.AJLc,  auch 
Sarmali  und  KiU  (=  K'i!;)  zu  Russland.  SarmalT  liegt  am  Dnjestr, 
im  nöi'dlichen  Teile  seines  Flussgebiets;  dieser  fliesst  gegen  Osten 
bis  zur  Stadt  iül; ,  die  Länge  seines  Laufes ,  die  der  Entfernung 
zwischen  SarmalT  und  Zäna  (Zäqa)  gleichkommt,  beträgt  12  Tage- 
reisen. Von  Zäna  bis  J,y«,J  sind  9  Tagereisen,  von  da  nach 
Kaas-^aJU.  200  Meilen  (p.  390).  SarmalT  heisst  auf  griechisch  ^j»_b, 
und  ist  ebenso  wie  ^^  Ji^  von  Russland  abhängig  (VII  4  p.  483). 

Aus    diesen  Angaben    ergibt  sich  unzweideutig,    dass     _JL/«-« 

im  obern  Stromgebiete  des  Dnjestr  gelegen  haben  muss,  also  in 
den  Distrikten,  die  seit  den  ältesten  Zeiten  historischer  Erinnerung 
zwischen  lechischen  und  russischen  Slawen  streitig  gewesen  sind. 
Zu  diesen  gehörte  aber  ausser  den  sog.  cerwenischen  Städten  vor 
allen  die  Stadt  Premysh,  polnisch  FrzemysI,  welche  ursprünglich 
den  Lechen  gehörig,  diesen  von  Wladimir  im  J.  981  entrissen 
wurde  (s.  o.  S.  148).  In  der  That  kann  in  J^y^  nichts  anderes 
stecken  als  eine  Verstümmelung  von    Ji/>.AJ  Pereviyzli.    Przemysl 

liegt  allerdings  nicht  unmittelbar  am  Dnjestr,  aber  nur  einige 
Stunden  nördlich  von  ihm  am  Flusse  San.  Zu  demselben  Er- 
gebnis war,  wie  ich  nachträglich  sehe,  schon  Lelewel  gelangt^). 
Die  Provinz  » ^^^  in  welchei'  Sarmall  lag ,  ist  nach  ihm  der 
Distrikt  Sambor ,  in  welchem  der  Dnjestr  eine  östliche  Richtung 
einschlägt,    die    Stadt  Kil; ,    die    an    der    Mündung    dieses  Flusses 

zu  suchen  ist,  erkläi-t  er  einleuchtend  durch  EaKa-Kccxai,  eine  der 
verlassenen  Städte  im  Gebiete  der  Peöenegen  diesseits  des  Dnjepr, 
welche  Konstantin  Porphyrogennetos  aufzählt'-).  Der  Name 
Ecmanäxai  ist  gleich  denen  der  übrigen  bei  Konstantin  genannten 
Ruinenstädte  zusammengesetzt  mit  dem  ostiranischen ,  von  den 
Türken  frühzeitig  übernommenen  i^i^J^  Kat  „vicus"  (eig.  „Haus"). 
s.bkÄW  habe  ich  oben  (S.  138),  wie  ich  hoffe  einleuchtender,  mit 
den  Psovane  der  gefälschten  Stiftungsui-kunde  des  Prager  Bistums 
zusammengebracht.    Dagegen  vermag  ich  aus  «.jI^Läj!  oder  äj^ä-o  ^) 


^)  La  Geographie  du  Moyen-Äge  III  p.  166. 

2)  De  admin.  imp.  c.  37  p.  167,  11. 

3)  Im  Auszug  des  Idrlsi,  Rom  1592  S.  (302),  22  XJ^iÄ>.i. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  197 

mit  dem  besten  Willen  nicht  Ploch  (a.  1155  Plozica)  herauszulesen. 
Auch  die  Entfernungen  jener  Stadt  von  Gnesen  und  Sarmali 
(Przemysl),  60  und  100  Meilen  würden  schlecht  dazu  stimmen. 
(Besser  würden  Lowecz  oder  Lodz  passen ,  falls  sie  so  alt  sind.) 
Dagegen  halte  ich  Lelewel's  Gleichsetzung  von  Kaj^^,  'i.j^yAji, 
(jyyi,  c'^yy^',  ^"^  Dnjepr  mit  SmoJensk  (p.  169  s.)  für  richtig. 
Der  Name  ist  einfach  verstümmelt  aus  Ä-Moyu  Zumuransa. 

Die  Stadt  ^L«^   am  o-^^-ajO  y^    hat   also    mit  Sarkel   am 

Don  nicht  das  mindeste  zu  thun ,  und  ebensowenig  kann  bei 
Idrisi  von  einer  Verwechslung  des  Dnjestr  mit  dem  Don  die 
Rede  sein.  Noch  unglücklicher  ist  Westberg's  Idee,  der  für 
^i>..*.xij  -ii  die  Lesart  vj.>.>.awJ1  ^i  in  der  Oxforder  Hs.  des 
L^^"i\  ■^IVm^  ^'wXi'      dessen   Verfasser    den  Idrisl   benutzt   hat, 

adoptiert  und  dies  mit  dem  von  Konstantin  Porphyrogennetos 
bezeugten  anderen  Namen  von  Kiew,  öa^ßaxäq'^),  sowie  mit  dem 
Flusse  ■jT'ün^O  kombiniert,  hinter  welchem  nach  den  Erzählungen  des 
Eldad  had-Dänl  (Ende  des  9.  Jhs.)  die  10  Stämme  wohnen  sollten  2). 
Mit  diesem  Flusse  Sambation  sei  kein  anderer  gemeint  als  der 
Don,  und  da  Kiew  nicht  am  Don,  sondern  am  Dnjepr  liegt,  so 
wäre  hier  eine  auf  jüdisch- chazarische  Einflüsse  zurückgehende 
Übertragung  jener  Bezeichnung  vom  Don  auf  den  Dnjepr  an- 
zunehmen. 

Nur  schade,  dass  dieses  Gebäude  bei  näherem  Zusehen  als- 
bald zusammenstürzt.  Der  Fluss  Sambation,  welcher  sechs  Tage 
in  der  Woche  Steine  und  Sand  führt  und  am  Sabbat  ruht-^), 
umschliesst  nach  Eldad  die  Leviten,  die  ,Söhne  Moses',  welche 
auf  wunderbare  Weise  von  der  Nähe  Babylons  in  die  Nachbar- 
schaft der  vier  Stämme  (Dan,  Naftali ,  Gad  und  Ascher)  nach 
Afrika  gekommen  waren,  und  ist  daher  in  Afrika  zu  suchen*), 
Seinen  Namen  hatte  er  nach  Eldad  von  dem  eingewanderten 
Stamme:  „Ferner  der  Stamm  des  Moses,  unseres  gerechten 
Meisters,  des  Dieners  Gottes,  welcher  der  ,Stamm  Flüchtig' 
(o^3"|  t:2Tö)  heisst,    weil  er  vor  Götzendienst  floh;   und  der  Bach, 


^)  de  admin.  imp.  c.  9  p.  75,  1. 

2)  F.  Westberg,  Ibrählm's-Ibn-Ja'qnb's  Reisebericht  über  die 
Slawenlande  S.  134. 

ä)  Über  den  Sabbatfluss  im  Alexanderroman  (C  2 ,  30)  und  seinen 
Ausläufern  vgl.  Nöldeke,  Beiträge  zur  Gesch.  des  Alexanderromans 
S.  48  und  N.  3.  Denkschr.  der  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  38  Nr.  5,  1890. 
Lidzbarski,  Zu  den  arabischen  Alexandergeschichten.  ZA.  8,  273 
und  N.  2. 

*)  D.  H.  Müller,  Die  Recensionen  und  Versionen  des  Eldad 
had-Däni.  (Denkschriften  der  Kais.  Akad.  d.  Wiss.  Phil.-hist.  Cl. 
Bd.  41   Nr.  1,    1892) ,   §  8»  S.  62/63.  §  S^^  S.  66/67.  §  9c  S.  66/67-68/69. 


198  J-  Marquart, 

der  sie  umringt,  heisst  DiD-'üi;!),  und  die  Exulanten  nennen  ihn 
Sambation"  1).  Der  Fluss,  an  welchem  der  Stamm  Dan  (nach 
jüdischer  Aussprache  Don)  vorbeizog,  um  nach  Abessinien  zu 
gelangen,  heisst  bei  Eldad  Pischon,  woraus  erst  in  dem 
apokryphen  Schreiben  des  Priesters  Johannes  §  22 ,  in  welchem 
der  Roman  des  Eldad  benutzt  ist,  Ydonus  wird^).  Die  übrigen 
sechs  Stämme  blieben  nach  Eldad  in  Asien  zurück,  und  zwar 
befinden  sich  „der  Stamm  Simeon  und  die  andere  Hälfte  des 
Stammes  Menasse  im  Lande  der  Chazaren,  sechs  Monate  von 
Jerusalem  entfernt.  Sie  sind  unerforschlich  und  zahllos,  und 
sie  empfangen  Tribut  von  25  Königreichen,  und  einige  von 
den  Ismaeliten  lassen  ihnen  Tribut"  ^).  Eine  Beziehung  des 
Sabbatflusses  zum  Don  oder  gar  zum  Dnjepr  lässt  sich  dem- 
nach aus  Eldads  Erzählungen  nicht  herstellen.  Was  übrigens 
den  zweiten  Namen  Kijews,  Za^ßaxag,  anlangt,  so  sieht  Thomsen 
darin  die  russische  (skandinavische)  Bezeichnung  der  Stadt,  die 
er  aus  altnordischem  tiandbakhi  ,Sandbank'  oder  Sandbakka-dss 
(Zafißarag)  ,Sandbank-Höhe'  erklärt*).] 

Aber  auch  ohne  eine  solche  Bestätigung  dürfen  wir  an  der 
Identität  von  ^i^^Ji^  ^^^  Kijew  am  Dnjepr  festhalten.  In  der 
älteren  Zeit  gilt  allerdings  der  Don  bei  den  Arabern  als  Fluss 
der  Slawen,  und  erscheint  als  solcher  noch  bei  Ibn  Chord.  IöI,  12. 
Dieser  Sprachgebrauch   geht  aber  auf  historische  Verhältnisse  des 


1)  §  8a,  wo  ZU  lesen  ist:  "^y  p^nitn  n"3>   irn"!  11W2  üntü  lli'T 

atr^by  lamow  bn;m     .n^r  mmy^a  03U3  did-'  un;a  it^tü  N-npsi  '- 

2)  D.  H.  Müller  a.a.O.  S.  7. 

3)  §15  S.76/77— 77/78  ist  zu  lesen:  ^'n-ö:!^  Ül^lJ  ^im  •\iyo^  ÜST23T 

ipn  VN  iy  nm   "□■^-onn  u:'ii  U5ip72n  n-'n?^  -pin^*  ''d-'-itd  ynsa 
«n"^bN3>7aT2ji  ni£p72i*  rwDbn  u^iiny-)  niüTsn^a  D72  *inpi  nm*  -ied73  ■[■'Ni 

.D72  crib  ly^E"» 

a)  JD  nmn^. 

b)  So  J;  D  nnnr),   H  D^^^i^n,   BG  ü^-i^-d;  P  d^^i^n 

„der  Awaren". 

c)  om.  P  D. 

d)  So  DP;  GB  J  ^npibi. 

e)  P  a^bNy72;ü^  TJ^  nitpi,  DJW  a^bi<y72Ti5^r:»  lit^ai;  h 
Dn^inai  ünno  ^3D7a  nü  borj  073  ünb  ü-^yrnD  ö^bNy72UJ^r;i, 
B  072  ü^y'niD  n'^bN3>72U3'^ri72  nitpv 

*)  Wilh.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  S.  72. 
Lelewel,  La  g^ographie  du  Moyen-Age  III  170  erklärt  den  Namen 
aus  slaw.  sov'viet:  „le  coucours  de  la  multitude  sov'viet,  donnait  le 
nom  aux  places  oü  eile  s'assemblait  pour  trafiquer  en  samvata,  sovieta". 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  199 

7.  und  8.  Jahrhunderts  zurück.  Bei  seinem  grossen  Zuge  ins 
Chazarenland  im  Jahre  117  H.  hatte  Marwän  b.  Muhammad  seine 
Armee  geteilt:  mit  der  Ostarmee  Hess  er  den  Usaid  b.  Zäfir  as 
SulamT,  begleitet  von  den  kaukasischen  Bergfürsten,  von  Darband  aus 
am  Kaspischen  Meere  entlang  vorgehen,  während  er  selbst  den  Weg 
durch  das  Alanenthor  nahm.  Darauf  überfiel  er  Slawen,  die  sich 
im  Lande  der  Chazaren  befanden ,  nahm  20  000  Familien  der- 
selben gefangen  und  wies  ihnen  Wohnsitze  in  Chachet  (Kachet'i) 
an.  Als  sie  darauf  ihren  Emir  töteten  und  die  Flucht  ergriffen, 
holte  er  sie  ein  und  tötete  sie  ^).  An  andern  Stellen  erfahren 
wir  aber ,  dass  Marwän  Slawen  an  der  syrischen  Militärgrenze 
als  Miliz  ansiedelte  ^).  Bal'ami ,  der  dieselbe  Quelle  wie  BalärJuri 
vor  sich  hatte ,  sie  aber  mit  andern  Berichten  zu  verarbeiten 
suchte,  schreibt:  „Merwän  se  rendit  maitre  de  toute  la  montagne; 
puis  il  laissa  le  pays  des  Khazars  derriöre  lui ,  et  fit  halte  pres 
de  la  riviere  des  Esclavons.  II  tomba  sur  plusieurs  campements 
d'infidfeles,  qu'il  pilla;  il  tua  les  hommes  et  detruisit  vingt  mille 
de  leurs  demeures"  '^).  Dies  kann  im  Sinne  der  Quelle  nur  be- 
deuten ,  dass  Marwän ,  nachdem  er  die  nordkaukasische  Steppe 
erreicht  hatte ,  zunächst  das  Land  der  Chazaren  rechts  liegen 
Hess  und  quer  durch  die  Steppe  an  den  Don  marschierte,  wo  er 
auf  die  Slawen  stiess ,  die  wir  uns  wohl  im  Solde  des  Chagans 
stehend  zu  denken  haben.  Erst  vom  Don  aus  hätte  er  sich  dann 
ostwärts  nach  der  Wolga  gewandt  und  mit  der  Ostarmee  ver- 
einigt, um  Saryysär,  die  Oz'du  des  Chagans  anzugreifen*).  Man 
darf  bei  jenen  Slawen  wohl  an  die  lechischen  Radimiöi  und 
Wjati^i  erinnern,  die  sich  nach  der  russischen  Chronik  quer  durch 
die  Slawenstämme  Russlands  hindurch  geschoben  hatten  und  von 
denen  die  WjatiSi  nach  Osten  bis  zur  Oka  und  zum  Don  vor- 
drangen. Man  geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  diese  Wanderung 
mit    den    durch  die  Awaren  veranlassten  Völkerverschiebungen  in 


1)  Bai.  r.A,  1. 

^)  Bai.  tö.,  3.  ni,  7.  —  Schon  früher  hatten  die  Romäer  kriegs- 
gefangene  Slawen  aus  der  Balkanhalbinsel  an  der  kilikisch  -  syrischen 
Grenze  angesiedelt.  Daher  finden  wir  im  J.  97/98  H.  in  der  Nähe  der 
kilikischen  Pforten  eine  Slawenveste  (&..J.J Lä^aJ f  r\*^^^  oder  *.Äj^^ 
Ä.*iLÄAiJ5)  Kitäb  al  'ujün  bei  de  Goeje,  Fragm.  bist.  Arab.  I  1*0,  .8. 
Ja'qübi  n  Töl,  9.  H.,  ult.  Tab.  II  li^lv,  10.  T^o,  15.  III  v.l,  11  a.  190. 
Ihn  Chord.  W, ,  7.  Über  die  Lage  dieser  Festung  vgl.  Ramsay, 
Historical  Geography  of  Asia  Minor  p.  351.  Brooks,  Journal  of 
Hellenic  studies  1898  p.  194  n.  6.  1899  p.  32. 

'')  Tabari  trad.  par  Zotenberg  IV  289. 

*)  Bal'ami  hat  den  Bericht  durch  seine  ungeschickte  Verarbeitung 
der  Quellen  in  ein  vgxsqov  TtQotnQov  verwandelt. 


200  J-  Marquart, 

Verbindung  bringt.  Von  einem  slawischen  Staate  am  Don 
ist  indessen  in  den  Quellen  nie  die  Rede^). 

Die  älteste  datierbare  Erwähnung  eines  Slawenstaates  finde 
ich  in  einem  Berichte  über  den  Zug  Buya's  des  Älteren  gegen 
Armenien  (240  H.)  bei  Ja'qübi,  Hist.  II  öIa,  paen.  Darnach 
wurde  Buya  von  den  Canark'  (im  Gebirge  nördlich  von  Tiflis) 
angegriifen  und  in  die  Flucht  geschlagen.  Hierauf  verfolgte  er 
diejenigen ,  welchen  er  fräher  Pardon  gegeben  hatte ,  und  ver- 
haftete sie ,  allein  eine  Anzahl  derselben  entkamen  und  wandten 
sich  an  den  Herrscher  der  Romäer,  den  Herrscher  der  Chazaren 
und  den  Herrscher  der  Slawen  und  versammelten  sich  in 
grosser  Menge.  Hier  wird  also  ein  wirkliches  slawisches  Staats- 
wesen mit  einem  Oberhaupte  an  der  Spitze  vorausgesetzt,  dessen 
Mittelpunkt  wir  uns  der  historischen  Situation  entsprechend  nur 
irgendwo  im  Umkreise  des  Schwarzen  Meeres,  am  wahrschein- 
lichsten aber  in  Kijew  zu  denken  haben-).  Es  kann  nicht  wohl 
zweifelhaft  sein,  dass  dieser  Slawenherrscher,  dessen  Staat  west- 
lich vom  Chazarenreiche  gelegen  haben  muss,  über  dasselbe  Land 
geboten  hat,  dessen  Hauptort  vi>^..w*.i5j  nach  Gaihäni  im  Beginne 
des  Gebietes  der  Slawen  gelegen  war.  GaihänI's  Bericht  würde 
uns  also  in  die  Zeit  vor  der  Festsetzung  der  Russen  in  Kijew 
führen,  ja  noch  vor  die  Unterwerfung  der  Poljane  durch  die 
Chazaren  ■^). 

Dies  wird  nun  vollauf  bestätigt  durch  den  Bericht  über  die  Rös. 
In  diesem  heisst  es:  „Die  Russen  wohnen  auf  einer  Insel,  die  rings  von 
einem  See  umgeben  ist.  Diese  Insel  hat  drei  Tagereisen  im  Umfang 
und  ist  voller  Wälder  und  Moräste.  Sie  ist  von  der  Pest  heim- 
gesucht und  so  sumpfig,  dass  die  Erde  schwankt,  wenn  man  den 
Fuss  auf  den  Boden  setzt.  Sie  haben  einen  Fürsten,  der  den  Titel 
Ghäqän  Rös  führt.  *Jene  Insel  dient  ihnen  als  Burg  gegen  die, 
welche  ihnen  etwas  anhaben  wollen.  Ihre  Gesamtzahl  schätzt  man 
auf  100  000  Seelen^).     Sie    bekriegen   die  Slawen,    indem  sie  die 


1)  [Schon  aus  diesem  Grunde  ist  Westberg's  Annahme  (Beiträge 
S.  3),  der  in  der  Stadt  ^^jJ\^)  bezw.  ».i^-^Äit^  (bei  dem  Anonymus 
Tumanskij's  ci^>j-oU)  die  Wjatici  (Wetici)  der  russischen  Chronik 
sieht,  unmöglich,  abgesehen  davon,  dass  schon  die  Transskriptions- 
gesetze  sich  einer  solchen  Gleichung  widersetzen.] 

2)  Es  scheint  mir  sehr  unwahrscheinlich,  dass  unter  diesen  Slawen 
etwa  die  slawisierten  Donau-Bulgaren  zu  verstehen  seien,  wie  Tab.  III 
^ö^,  14.  riör,  1.  2  a.  283  H.,  da  diese  doch  den  von  Buya  ver- 
gewaltigten Armeniern  nichts  helfen  konnten,  wohl  aber  die  Slawen 
von  Kijew,  wenn  sie  in  Gemeinschaft  mit  den  Chazaren  einen  Einfall 
nach  Armenien  unternahmen. 

3)  Nest.  c.  12.  14. 

■*)  Dieser  Satz  findet  sich  nur  bei  GurdczT  und  Jäqüt. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  201 

Schiffe  besteigen,  bis  sie  zu  ihnen  herauskommen  und  sie  gefangen 
nehmen  und  nach  Chazarän  ^)  und  Bulgär  bringen  und  sie  an 
diese  verkaufen"  u.  s.  w.-).  Dieser  Bericht  war  schon  längst 
bekannt  aus  einem  Auszuge  bei  Jäqüt,  den  dieser  aus  MuqaddasI 
entlehnte-^).  Merkwürdig  ist  hier  vor  allem  die  Angabe,  dass  die 
Russen  auf  einer  Insel  in  einem  See  wohnten.  Ras  müssen 
nahm  an,  es  sei  hier  eine  von  den  Inseln  oder  Halbinseln  der 
Ostsee  gemeint,  stellte  aber  daneben  die  Möglichkeit,  dass  die 
alte  berühmte  Handelsstadt  Ladoga  (jetzt  Alt-Ladoga  am  Wolchow, 
unweit  der  Mündung  dieses  Flusses  in  den  Ladoga- See,  alt- 
nordisch Äldegjubwg)  zu  verstehen  sei*).  Fr  ahn  in  seinem 
Kommentar    zu  Jäqüts  Artikel   über  die  Rös  glaubte  den  Namen 

der  Insel  in  dem  Worte  ä.aj.  zu  finden,  das  er  nicht  als  Adjektiv 
„von  der  Pest  heimgesucht"  aufgefasst  wissen  wollte,  sondern  für 
eine    Verschreibung    aus  üajJ  =  Dania    hielt  5).     Allein   letzteres 

würde  schon  sachlich  nicht  passen,  denn  man  würde  eher  etwa 
Gotland  erwarten.  Ich  glaube  in  der  That,  dass  nur  Ladoga 
oder  Nowgorod  gemeint  sein  kann.  Letztere  Stadt  hiess  skandi- 
navisch Hölmgarör  ^  wahrscheinlich  weil  sie  auf  einer  Insel  lag, 
wo  der  Wolchow  aus  dem  Ilmensee  heraustritt  *^^').  Nach  der 
russischen  Chronik  „vereinigten  sich  drei  Brüder  mit  ihren 
Familien  und  führten  mit  sich  alle  Russen;  sie  giengen  zuerst 
zu  den  Slawen,  erbauten  die  Stadt  Ladoga,  und  der  älteste, 
Rurik,  Hess  sich  nieder  in  Ladoga,  der  zweite  Sineus  am  Belo- 
ozero ,  und  der  dritte  Truwor  in  Isborsk.  Von  diesen  Warägern 
wurden  die  Nowgoroder  Russen  genannt,  und  heute  gehören  die 
Nowgoroder  zum  warägischen  Stamme ,  und  sie  waren  früher 
Slawen.  Nach  Verlauf  von  zwei  Jahren  starben  Sineus  und  sein 
Bruder  Truwor  und  Rurik  bemächtigte  sich  des  ganzen  Landes; 
er   drang    vor    bis   zum    Urnen,    befestigte    eine   kleine  Stadt   am 


1)  So  Gurdezi.  Die  Hs.  des  Ibu  Rusta  hat  ^^jZ>  ^  wofür  mit 
Recht    ..l.ii>  hergestellt  ist. 

2)  Ihn  Rusta  ifö.  Gurdezi  bei  Barthold  a.  a.  0.  S.  100—101. 
MuqaddasI  bei  Jäqüt  s.  v.  (j^^x. 

3)  Es  kann  hier  nur  der  bekannte  Geograph  (schrieb  378  H.) 
gemeint  sein,  die  Stelle  findet  sich  aber  in  de  G o e j e ' s  Ausgabe  nicht. 

t  a.  507  H.  ist  nicht  zu  denken. 

*)  Athene  et  Maanedsskift  udg.  af  C.  Molbeck  B.  II  p.  306, 
angeführt  bei  Fr  ahn,  Ibn  Foszlan's  vmd  anderer  Araber  Berichte 
über  die  Russen  älterer  Zeit.     St.  Petersburg  1828  S.  47  f. 

5)  Frähn  a.  a.  0.  S.  48fi. 

^)  Vgl.  Wilh.  Thomsen,  Die  Gründung  des  russ.  Staates  S.  84. 


202  J-  Marquart, 

Wolchow  und  nannte  sie  Nowogorod ;  er  Hess  sich  dort  als  Fürst 
nieder ,  und  verteilte  unter  seine  Gefährten  die  Länder  und  die 
Städte ,  indem  er  dem  einen  Polock  gab ,  einem  andern  Rostow, 
einem  dritten  Belo-ozero" '). 

Zu  dieser  frühen  Zeit  stimmt  es  auch,  dass  der  Fürst  der 
Russen  den  Titel  ,v«».  .,LiLi>  erhält,  der  offenbar  auf  chazarische 
Vermittlung  hinweist.  Derselbe  Titel  wird  ihm  auch  beigelegt 
in  der  ältesten  zeitgenössischen  Nachricht ,  in  welcher  die  Russen 
erwähnt  werden,  in  dem  Berichte  des  Bischofs  Prudentius  von 
Troyes  über  die  Gesandtschaft  des  griechischen  Kaisers  Theophilos 
an  Kaiser  Ludwig  den  Frommen.  Bei  dieser  Gesandtschaft, 
welche  am  18.  Mai  839  vom  Kaiser  in  Ingelheim  empfangen 
woirde ,  befanden  sich  auch  Leute  vom  Volke  Rhos ,  welche ,  wie 
sie  versicherten,  von  ihrem  König,  Chacanus  mit  Namen,  zu 
ihm  in  freundschaftlicher  Absicht  gesandt  worden  waren  und  für 
welche  der  griechische  Kaiser  jetzt  um  sicheres  Geleite  durch 
das  Reich  des  Kaisers  bat  2).  Vermutlich  haben  die  Russen  zuerst 
den  Chazaren  in  Qapubalyy  gegenüber  ihren  Füi'sten  als  Chagan 
bezeichnet,  um  ihn  so  dem  Chazaren- Chagan  als  ebenbürtig  gegen- 
überzustellen ,  und  bei  den  engen  Beziehungen ,  die  damals 
zwischen  dem  Goldenen  Hörn  und  der  Weissen  Stadt  bestanden, 
wurde  jene  Bezeichnung  durch  die  Chazaren  auch  in  Byzanz 
eingebürgert. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dass  diese  Rhos  durch  das  heutige 
Russland,  veiTQutlich  auf  dem  Dnjepr,  nach  Konstantinopel  ge- 
kommen waren.  Dass  die  'P&g  schon  lange  vor  dem  Angi'iff 
auf  Konstantinopel  im  Jahre  865  den  Byzantinern  bekannt  waren, 
geht  auch  aus  einer  Stelle  in  einem  Rundschreiben  des  Patriarchen 
Photios  an  die  orientalischen  Bischöfe  aus  dem  Jahre  866  hervor, 
worin  er  sie  t6  naqu  nolloig  nollccaiq  d'Qvllovfievov  (e'&vog) 
Kai  Big  cojnoTTjT«  xcd  ^laicpoviav  nüvxag  öevreQOvg  rarxofxsvov  nennt  ^). 
Gleichfalls  auf  die  erste  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  bezieht  sich, 
wie  de  Goeje  mit  Recht  betont  hat*),  der  Bericht  des  Ibn 
Chordäöbih  über  die  Handelszüge  der  russischen  Kauf leute  ^).  Da 
derselbe  sich  auch  in  der  Handschrift  B  findet,  so  ist  mit  dem 
Herausgeber    anzunehmen ,    dass   er  bereits  in  der  ersten  Ausgabe 


1)  Chronique  de  Nestor  trad.  par  L.  Leger  c.  XV  p.  15.  Vgl. 
Thomsen  a.  a.  0.  12  f. 

2)  Annales  Bertiniani  a  839.  Mon.  Germ.  Scr.  I  434.  Thomsen 
a.  a.  O.  42  ff. 

3)  Photii  epistolae  ed.  Richard  Montacutius  (Londini  1651)  p.  58, 
angeführt  bei  Thomsen  a.  a.  0.  S.  22  N.  1. 

*)  Bibl.  Geogr.  Arab.  VI  p.  XX.  Actes  du  Vllle  Congres  des 
Orientalistes  tenu  en  1889  a  Stockholm.     Sect.  I,  1  (1891)  p.  39  s. 

5)  ed.  de  Goeje  p.  tof,  9ff.  =  p.  115  s.  der  französischen  Über- 
setzung, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  203 

des  Werkes  (um  232  H.  =  846/47  n.  Chr.)  enthalten  war.  Nach 
diesem  Bericht  brachten  die  Rös  aus  den  entferntesten  Gegenden 
des  Slawenlandes  Biber-  und  Schwarzfuchsfelle,  sowie  Schwerter 
nach  dem  Romäermeer,  wo  der  Herrscher  der  Romäer  den  Zehnten 
von  ihren  Waren  erhob ').  Sie  fuhren  auch  wohl  den  Tanais,  den 
Slawenfluss  hinab  bis  zu  der  Stelle,  wo  er  sich  der  Wolga  bis 
auf  8  Stunden  nähert,  zogen  ihre  Kähne  dann  ans  Land  und 
schleppten  sie  bis  zur  Wolga,  auf  der  sie  dann  bis  zur  Mündung 
hinabfuhren.  Hier  mussten  sie  bei  der  Stadt  Chamlich,  der 
Osthälfte  der  Chazarenordu ,  in  welcher  sich  die  Bazare  der 
fremden  Kaufleute  befanden,  dem  Chazarenherrscher  den  Zehnten 
entrichten.  Dann  fuhren  sie  weiter  ins  Meer  von  Gurgän  und 
landeten,  wo  es  ihnen  beliebte.  Manchmal  brachten  sie  ihre 
Waren  auch  auf  Kamelen  von  Gurgän  über  Raj  nach  Bagdad, 
wo  sie  sich  für  Christen  ausgaben  und  die  slawischen  Sklaven 
ihnen  als  Dolmetscher  dienten. 

Diese  Stelle  im  Verein  mit  der  Nachricht  des  Prudentius 
über  das  Erscheinen  der  Abgesandten  des  Chacanus  der  Rhos 
in  Konstantinopel  und  in  Deutschland  und  den  oben  erörterten 
Angaben  des  Gaihäni  ergibt  mit  voller  Sicherheit,  dass  die  Rös 
schon  ums  Jahr  839  als  Kaufleute  sowohl  in  Byzanz  wie  im 
Orient  ganz  bekannt  waren.  Bereits  damals  befuhren  sie  sowohl 
den  Don  wie  den  Dnjepr,  ja  auch  das  Kaspische  Meer.  Unter 
ihrem  Chagan,  der  uns  durch  zwei  gleichzeitige  Quellen,  Prudentius 
und  den  Gewährsmann  des  Gaihäni  bezeugt  wird,  haben  wir 
sicherlich  Rurik  zu  verstehen,  der  um  840  also  bereits  Jahre 
lang  als  Fürst  in  Ladoga  gesessen  haben  muss.  Wir  werden 
daher  in  der  That  keinen  Anstand  nehmen,  jene  Nachrichten  des 
Gaihäni  (und  vielleicht  auch  die  des  Ibn  ChordäcJbih)  über  die 
Rös  auf  den  oben  genannten  Muslim  b.  Abu  Muslim  als  Quelle 
zurückzuführen,  der  seinerseits  wieder  aus  byzantinischen  Quellen 
geschöpft  hat.  So  sind  die  auf  Muslim  zurückgehenden  Nach- 
richten und  die  des  Prudentius  im  wesentlichen  gleichzeitig  und 
gehen  auf  dieselbe  Quelle,  mündliche  Mitteilungen  der  Byzantiner, 
zurück. 

Kann  es  demnach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Gaihäni's 
Bericht  über  die  Russen  einen  sehr  alten  Kern  enthält,  so  finden 
sich  daneben  doch  auch  Spuren  jüngerer  Zeit.  So  erscheint  die 
Osthälfte  der  Chazarenordu,  wo  sich  die  Bazare  der  muslimischen 
und    russischen    Kaufleute    befanden  2),    nicht    mehr   unter    ihrem 


^)  Ibn  al  Faqih,  der  diese  Stelle  durch  Vermittlung  eines  andern 
Gewährsmannes,  des  Muhammad  b.  Ishaq,  kennt,  fügt  noch  hinzu: 
„Dann  kommen  sie  zur  See  nach  der  Judenstadt  Samküs  ^JÜ^♦A« 
(oder  (ji-j>C.*-w  Samkars)  und  kehren  darauf  ins  Slawenland  zurück ^ 
S.  0.  S.  163. 

2)  Mas.  II  9.     Ist.  rri,  16.     Ibn  Hauq.  rA( ,  15. 


204  J-  Marquart, 

alten  Namen  Chamlich  ^  wie  noch  bei  Ibn  Chordädbili  und  Ibn 
al  Faqlh,  sondern  bei-eits  unter  dem  spätem  ^|  -i-,  wie  bei  Ibn 

HauqaP).  Schon  Thomsen  hat  ferner  auf  offenbare  Wider- 
sprüche in  dem  Bericht  hingewiesen  —  so  heisst  es  das  einemal, 
dass  die  Russen  keine  Saatfelder,  keinen  Grundbesitz  und  keine 
Dörfer  besitzen,  während  kurz  darauf  versichert  wird,  dass  sie 
viele  Städte  haben-)  —  und  daraus  den  Schluss  gezogen,  dass 
der  Bericht  aus  mindestens  zwei  Quellen  zusammengesetzt  ist, 
von  denen  die  erste  aus  der  Zeit  vor  der  endgiltigen  Nieder- 
lassung der  Russen  in  Kijew  datiert^).  Auch  hier  ist  also  der 
ursprüngliche  Bericht  des  Muslim  durch  Zusätze  aus  andern 
Quellen  oder  durch  eigene  Bemerkungen  des  Verfassers  (Gaihänl) 
erweitert. 

Eine  eigentümliche  Beobachtung  machen  wir  bei  den  Donau- 
Bulgaren.  Gaihänl  hat  hier  den  Bericht  des  Muslim  über  die 
noch  heidnischen  Burgän ,  wie  ich  oben  bereits  andeutete ,  un- 
verändert herübergenommen*).  Merkwürdig  sind  hier  besonders 
die  Bestattungsgebräuche,  die  sich  an  die  hunnischen  anschliessen : 
„wenn  jemand  stirbt,  so  legen  sie  ihn  in  eine  tiefe  Gruft,  ujid 
lassen  mit  ihm  seine  Frau  und  seine  Sklaven  hinabsteigen  und 
die  bleiben  dort  bis  sie  tot  sind.  Es  gibt  auch  solche  unter 
ihnen,  welche  mit  dem  Toten  verbrannt  werden".  Es  waren  also 
bei  den  Donau-Bulgaren  zwei  verschiedene  Bestattungsarten  im 
Gebrauch,  die  von  Muslim  eingehender  beschrieben  waren,  wie 
sich  aus  dem  fälschlich  Mas'üdi  zugeschriebenen  Kitäb  al'agäib 
entnehmen  lässt.  In  diesem  Werke  findet  sich  nämlich  eine  viel 
ausführlichere  Wiedergabe  jenes  Berichts,  der  mir  interessant  ge- 
nug scheint  um  hier  mitgeteilt  zu  werden  5). 

„*Les    Bordjän.      Ils    sont   descendants    de    Younän,    fils    de 


^)  Ibn  Hauq.  S'va,  8.  ^'ai,  14.  Bei  Ibn  al  Faq.  i'aa  ,  9  ist  dagegen 
für  das  .Jj5>  der  Hss.  zu  lesen  ..l;^^»^  wie  ein  Vergleich  mit  Ibn 
Chord.  \r\",  12  zeigt. 

2)  Ibn  Rusta  !fö,  15.  18.  !f1,  1. 

3)  Thomsen  a.  a.  0.  S.  28. 

*)  Bekrl  S.  45,  19.     Ibn  Rusta  hat  diesen  Bericht  weggelassen. 

^)  L'abrege  des  Merveilles,  o3uvre  attribuö  a  Magoudi,  trad.  par 
Carra  de  Vaux.  Diese  Stelle  ist,  wie  ich  nachträglich  sehe,  schon 
von  A.  V.  Kremer,  SBWA.  Bd.  IV,  1850,  S.  210  nach  einer  in 
Haleb  befindlichen  Hs.  mitgeteilt  worden,  welche  nach  dem  Titel 
die  ..LoJi  .l*.:^\  Masüdi's  enthalten  soll,  aber  nach  der  Inhaltsangabe 
augenscheinlich  das  obengenaunte  pseudo-mas'üdische  woL.>\*i!  oLÄi 
darstellt.  Kremer's  Mitteilung  ist  benutzt  bei  Konstantin  Jos. 
Jirecek,  Geschichte  der  Bulgaren  S.  131—133,  der  noch  auf  eine 
Arbeit  von  A.  Kotljarewskij ,  0  norpeöaJiLHHXi.  ooHiaaxt  «au- 
HecKHX'B  CjaB-aHi.  Moskau  1868  verweist. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  205 

Japhet.  Leuv  royaume  est  important  et  vaste.  Ils  combattent 
les  Roumis,  les  Slaves,  les  Khazärs,  les  Turcs;  leurs  ennemis  les 
plus  redoutables  sont  les  Roumis.  De  Constantinople  au  pays 
des  Bordjän  il  y  a  quinze  jours  de  marche ;  leur  royaume  a  une 
etendue  de  vingt  jours  sur  trente^). 

Chaque  place  forte  2) ,  chez  les  Bordjän ,  est  entouree  d'une 
haie  que  longe  et  que  surmonte  une  sorte  de  reseau  en  bois,  ce 
qui  constitue  une  defense  analogue  ä  celle  d'une  muraille  elevee 
derriere  un  fosse.  *Les  Bordjäns  sont  de  la  religion  des  Mages^), 
et  ils  n'ont  point  de  livres.  Les  chevaux  dont  ils  se  sei'vent 
dans  les  combats  sont  toujours  en  liberte  dans  les  prairies ,  *et 
personne  ne  doit  les  monter  en  dehors  du  temps  de  la  guerre^). 
S'ils  decouvrent  qu'un  homme  a  monte  un  de  ces  animaux  en 
dehors  de  ce  temps,  ils  le  tuent.  Lorsqu'ils  se  disposent  ä  com- 
battre,  ils  se  forment  en  lignes,  ils  placent  les  archers  devant  et, 
derriere,  ils  entassent  leurs  femmes  et  leurs  enfants.  Les  Bordjän 
ne  connaissent  ni  deniers  ni  dirhems ;  toutes  leur  transactions, 
ainsi  que  les  contrats  de  mariage,  se  fönt  au  moyen  de  bceufs  et 
de  moutons.  *Lorsque  la  paix  est  conclue  entre  eux  et  les 
Roumis ,  ils  envoient  aux  Roumis  de  jeunes  esclaves  des  deux 
sexes,  slaves  ou  d'une  race  analogue  S).  Lorsqu'un  homme  puissant 
meurt  parmi  eux,  ils  ressemblent  les  domestiques  du  defunt  et 
les  gens  de  sa  suite,  et,  aprfes  leur  avoir  fait  des  recommandations, 
ils  les  brülent  avec  le  mort*");  ils  disent:  „Nous  les  brülons  en 
ce  monde,  mais  ils  ne  brüleront  pas  en  l'autre".  *0u  bien  ils 
creusent  un  grand  caveau  oü  ils  descendent  le  mort;  ils  y  fönt 
entrer  avec  lui  sa  femme  et  les  gens  de  sa  suite ,  et  ils  les  y 
laissent  jusqu'ä  ce  qu'ils  soient  morts^).  II  est  d'usage  chez  eux 
que,  lorsqu'un  esclave  a  commis  une  faute  dont  son  maitre  veut 
le  chätier,  ils  se  jette  de  lui-meme  par  terre  devant  son  maitre 
qui  le  frappe  autant  qu'il  lui  convient;  et  si  l'esclave  se  relöve 
avant  d'en  avoir  re^u  la  permission,  il  est  passible  de  mort.  Ils 
ont  aussi  pour  coutume  de  donner  de  plus  fortes  parts  d'heritage 
aux  filles  qu'aux  gar^ons". 

Mit  der  oben  an  zweiter  Stelle  erzählten  Bestattungsart 
stimmt  auffällig  die  der  heidnischen  Russen^),  bei  welchen  gleich- 
falls   die    Lieblingsfrau    dem    Toten    lebendig   ins    Grab    folgen 


')  Ebenso  Bekrl. 

2)  ,Le  mot  rendu  par  place  forte  est  ^..♦.c''. 

3)  Bekrl  S.  45,  19/20:  &.x.wjJ^II    ^_JU   ^^5. 

■')  Bekrl  S.  46,  1:  ,Sie  besteigen  die  Pferde  nur  bei  Kriegen". 

")  Ebenso  Bekri  46,  1/2. 

6)  Vgl.  Bekrl  46,  4. 

')  Ebenso  Bekri  46,  1—4. 

8)  Ibn  Rusta  Ifl,  22ff.   Gurdedi  bei  Barthold  a.  a.  0.   S.  101,  9ff. 


206  J-  Marquart, 

musste,  was  ein  unnordischer  Zug  zu  sein  scheint  i).  Im  übrigen 
ist  auch  an  die  mit  den  Leichenfeierlichkeiten  beim  Tode  Attila's  '^) 
aufs  nächste  verwandten  Gebräuche  bei  der  Beisetzung  eines 
Chagans  der  Chazaren  zu  erinnern ,  wie  sie  uns  Ibn  Fadlän 
schildert-^).  Die  Verbrennung  stimmt  dagegen  zu  der  Bestattungs- 
weise der  alten  Türken,  bei  welchen  gleichfalls  die  Leibrosse 
und  Gebrauchsgegenstände  des  Toten  mit  der  Leiche  verbrannt 
und  wohl  auch  Kriegsgefangene  demselben  zur  Bedienung  nach- 
geschickt wurden''). 


8.  Der  Reisebericht  des  Harun  b.  Jaiijä. 

Neben  diesem  Bericht  über  die  Burgän  bot  nun  Gaihänl, 
aber  offenbar  an  einer  anderen  Stelle  seines  Werkes,  auch  Nach- 
richten über  die  JiL,  deren  Identität  mit  den  Burgän  der  älteren 
Quellen  er  indessen  nicht  erkannt  zu  haben  scheint.  Dieselben 
finden  sich  in  dem  ßeisericht  eines  gewissen  Härün  b.  Jahjä,  der 
als  Kriegsgefangener  von  Askalon  über  Antälia  (Attaleia)  nach 
Konstantinopel  gebracht  worden  war  (Ibn  ßusta  Ii1,  2)  und  von  da 
zu  Lande  über  Saloniki  und  einige  andere  Städte  nach  Rom  ge- 
langte (vgl.  IM,  24).  Dieser  Reisebericht,  den  Gaihäni  grossenteils 
wörtlich  seinem  Werke  einverleibt  hat,  enthält  vor  allem  eine 
ausführliche  Beschreibung  von  Konstantinopel  und  Rom  und  der 
Merkwürdigkeiten  dieser  beiden  Hauptstädte  des  Christentums. 
Die  Itinerare  sind  leider  sehr  summarisch  —  so  werden  z.  B. 
zwischen  Saloniki  und  Rom  nur  drei  Orte  namhaft  gemacht  — 
und  die  durchzogenen  Gebiete  werden  nur  ganz  allgemein,  ohne 
jegliche  charakteristische  Einzelheiten  beschrieben.  Dazu  kommt, 
dass  der  Text  augenscheinlich  mehrfach  gelitten  hat,  und  un- 
glücklicherweise gerade  an  einigen  topographisch  wichtigen  Stellen 
in  Unordnung  gei-aden  ist.  Trotzdem  glaube  ich  aber  wenigstens 
auf  den  Dank  der  mittelalterlichen  Historiker  rechnen  zu  dürfen, 
wenn  ich  ihnen  den  ganzen  Reisebericht  in  Übersetziing  zugänglich 
mache. 

Über  die  Persönlichkeit  des  Berichterstatters  Harun  b.  Jahjä 
ist  es  mir  leider  nicht  gelungen,  aus  anderen  Quellen  etwas  Näheres 
in  Erfahrung  zu  bringen.  Wie  lange  er  als  Gefangener  in  Kon- 
stantinopel weilte  und  auf  welche  Weise  er  nach  Rom  gekommen 


1)  Thomsen  a.  a.  0.  52  N.  2. 

2)  Priskos  bei  Jordanis  Get.  c.  49  §  256—258. 

3)  j,q.  II  frA— fn. 

*)  Cöu-su  bei  E.  H.  Parker,  The  early  Turks.  China  Review 
vol.  XXIV  Nr.  III  p.  122.  Peh-si  ib.  Nr.  IV  p.  166.  Sui-su  ib.  p.  171. 
Menander  Prot.  fr.  43  bei  Dindorf,  Hist.  Gr.  miu.  II  89,  4—20. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  207 

ist,  erfahren  wir  nicht;  doch  ist  dies  wohl  die  Schuld  des  Aus- 
zugs. Sowohl  die  syrische  Heimat  wie  das  für  einen  Muslim  doch 
ungewöhnliche  Interesse  des  Reisenden  an  Christentum  und  christ- 
lichen Kirchen  und  Gebräuchen  könnten  auf  die  Vermutung  führen, 
dass  derselbe  ein  Christ  gewesen  und  nachdem  er  als  solcher  er- 
kannt worden,  vor  der  allgemeinen  Auswechslung  der  Gefangenen, 
die  zu  Lamos  an  der  romäisch  -  arabischen  Grenze  stattzufinden 
pflegte,  auf  freien  Fuss  gesetzt  worden  sei.  Wenigstens  tritt  durch 
den  ganzen  Bericht  nirgendwo  ein  ausgesprochen  muslimischer 
Standpunkt  des  Verfassers  hervor.  Dagegen  besitzen  wir  für  den 
Zeitpunkt,  wann  die  Reise  ausgeführt  worden  ist,  wenigstens  einen 
sicheren  terminus  post  quem.  S.  it*'.,  9  spricht  der  Verfasser 
nämlich  von  einem  König  von  Burgän  d.  i.  Burgund,  unter  welchem 
nur  Boso  von  Vienne,  der  Herzog  von  Provence,  gemeint  sein 
kann,  der  am  15.  Oktober  879  zum  König  von  Burgund  gewählt 
und  einige  Tage  später  gekrönt  worden  war^). 

Dazu  stimmen  denn  auch  einige  andere  Anspielungen.  So 
werden  auf  S.  ifi,  4  seit  dem  Tode  der  Apostelfürsten  Petrus  und 
Paulus  in  runder  Summe  900  Jahre  gerechnet,  was  aber,  wie 
früher  gezeigt  worden  ist,  eine  Verschreibung  sein  muss  für  800 -). 
Diese  Angabe  würde  uns  demnach  etwa  ins  Jahr  867  führen.  Die 
Slawen ,  welche  sich  auf  Veranlassung  des  Königs  («».awj  zum 
Christentum  bekehren  (S.  !Pv,  15),  können  nur  die  bis  dahin  noch 
ungetauften  Südserben,  besonders  die  Narentaner  sein,  denen  Kaiser 
Basileios  der  Makedonier  im  Jahre  877  christliche  Geistliche 
sandte,  um  ihnen  die  Taufe  zu  spenden.  Wir  können  somit  als 
Zeitpunkt  der  Reise  und  wahrscheinlich  auch  der  Abfassung  des 
Reiseberichts  die  Jahre  zwischen  880  und  890  annehmen. 

Ganz  besonders  fällt  die  starke,  dui'ch  den  ganzen  Bericht 
sich  hindurchziehende  Vorliebe  des  Verfassers  für  Talismane  und 
Wundergeschichten  auf,  wodurch  der  Bericht  an  streng  wissenschaft- 
lichem Werte  sehr  verliert.  Freilich  hatte  er  darin  schon  ältere 
Vorgänger,  und  damit  erhebt  sich  die  Frage,  inwieweit  er  Selbst - 
gesehenes  und  Selbsterkundetes  berichtet  oder  von  schriftlichen 
Quellen  abhängig  ist.  Letzteres  ist,  wie  sich  zeigen  wird,  wenigstens 
teilweise  der  Fall  bei  der  Beschreibung  der  Langobarden  und 
Roms,  sowie  Britanniens.  Eine  Benutzung  unseres  Berichtes  habe 
ich  ausser  bei  Ibn  Rusta  nur  noch  bei  QazwTni  in  den  Artikeln 
Rom  und  Konstantinopel  feststellen  können,  der  denselben  aber 
sicher  gleichfalls  nur  aus  zweiter  oder  dritter  Hand,  und  zwar 
wahrscheinlich  durch  Vermittlung  eines  encyklopädischen  geo- 
graphischen Werkes,  kennt. 


')  E.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränkischen  Reiches  II  123— 128. 
2)  Oben  S.  29  A.  2. 


208  J-  Marquart, 


(119)  Beschreibung  von  Konstantinopel  und  was 

dai'in  ist  und  Beschreibung  des  Reiches  des 

Königs   der  R  o  in  ä  e  r. 

„Es  erzählt  Härün  b.  Jahjä,  dass  er  gefangen  genommen  und  zur 
See  auf  Schiffen  von  'Asqalän  nach  Konstantinopel  gebracht  worden 
sei.  Sie  fuhren  zuerst  drei  Tage,  bis  sie  eine  Stadt  erreichten 
die  Antälia  heisst.  Es  ist  dies  eine  Stadt  am  Gestade  des  Romäer- 
meers.  Darauf  wurden  sie  von  da  auf  Postpferde  gesetzt  (und  5 
i-itten)  eine  Strecke  von  drei  Tagereisen  über  Berge,  Thäler  und 

Saatfelder, (Lücke)    mit   ihnen    zu   einer  Stadt,    die  iixÄJ 

Niqja  heisst,  einer  grossen  menschenreichen  Stadt  .  ,  .  (Lücke)  bis 
sie  nach  drei  Tagen  zu  einer  Stadt  gelangten  namens  Sanqara.  Es 
ist  dies  eine  kleine  Stadt  in  einer  kahlen  Ebene.  (Der  Bericht-  10 
erstatter)  fährt  selbst  fort:  Dann  zogen  wir  zu  Fuss  weiter  und 
marschierten  durch  die  Ebene,  wobei  wir  zur  Rechten  und  Linken 
Dörfer  der  Romäer  hatten,  bis  wir  zum  Meere  gelangten  im  Ver- 
lauf von  zwei  Tagen.  Dann  schifften  wir  uns  ein  und  fuhren 
einen  Tag  lang,  bis  wir  die  Stadt  Konstantinopel  erreichten".         15 

&.*iLIx3l  hat  de  Goeje  mit  Recht  hergestellt  für  das  «oJ'LLiJ! 
der  Hs.  Denn  es  ist  unzweifelhaft  Attaleia  (arab.  Antälija)  ge- 
meint i),  die  Hauptstadt  des  '^i^a  räv  KißvQQaicoxwv ,  aus  dem 
sich  hauptsächlich  die  romäischen  Flotten  rekrutierten-).  Es  ist 
also  ganz  in  der  Ordnung,  dass  die  zu  einem  Plünderungszug  ins 
muslimische  Gebiet  ausfahrenden  Korsaren  aus  Attaleia  auslaufen 
und  dahin  ihre  Beute  in  Sicherheit  bringen.  Hier  begann  der 
Überlandweg,  über  welchen  wir  einige  ergänzende  Nachrichten 
bei  Ibn  Hauqal  finden.  „Dieser  Distrikt  (al  Lämis  am  Lamos- 
fiusse  östlich  von  Seleukeia  in  Isaurien-^),  wo  die  Auswechslung 
der  Kriegsgefangenen  zwischen  Romäern  und  Arabern  stattzufinden 
pflegte)  schliesst  sich  an  das  Gebiet  von  Lo-i  Agjä,  dem  Haupt- 
erzeugungsort des  Storax  an,  der  aus  diesem  Rustäq  und  dieser 
Gegend  in  die  ganze  Welt  zu  Lande  und  zur  See  verführt  wird. 
Das  Meer  erstreckt  sich  bis  Antälia  —  beide  Orte  liegen  4  Tag- 
fahrten bei  ausgezeichneter  Brise  auseinander,  und  ebensoviel  zu 
Lande.  Antälia  ist  eine  unnahbare  Festung,  und  ein  gewaltiger 
Bezirk  (öLä*«;)  ist  mit  der  Festung  Antälia  verbunden.    Der  König 


1)  S.  über  diese  Stadt  W.  Tomaschek,  Zur  historischen  Topo- 
graphie von  Kleinasien  im  Mittelalter  52—54.  SBWA.  Bd.  124,  1891, 
Nr.  8. 

2)  S.  hierüber  H.  Geizer,  Die  Genesis  der  byzantinischen  Themen- 
verfassung S.  30—35.  80.  Abb.  der  philos.-hist.  Cl.  der  Sachs.  Ges. 
der  Wiss.  Bd.  XVIII  Nr.  V.  1899. 

3)  S.  Tomaschek  a.  a.  0.  64.  66.  Ramsay,  The  historical 
geography  of  Asia  Minor  p.  350.  456. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  209 

hat  nicht  das  Recht,  von  demselben  Kaminsteuer')  oder  Schätzung 
zu  erheben,  sei  es  von  Gross  oder  Klein,  noch  besitzt  ein  anderer 
eine  Gerechtsame  in  irgendeiner  Hinsicht.  Es  befinden  sich  dort 
ein  Postmeister  und  Kuriere  mit  Maultieren  und  Pferden  zu  Land 
und  Kuriere  zu  Schiff  zur  Beförderung  von  Habseligkeiten,  Brief- 
beuteln und  Briefen.  Von  dem  erwähnten  Lj>!  ■^9J^  ^^^  man, 
wenn  man  in  die  hohe  See  sticht,  4  Tagfahrten  nach  dem  Lande 
Ägypten.  Von  Antälia  nach  Konstantinopel  braucht  man  8  Tage 
zu  Lande  auf  Postpferden  und  zur  See  bei  günstigem  Winde 
15  Tage.  Das  zwischen  beiden  liegende  Land  ist  kultiviert,  be- 
völkert und  bewohnt,  indem  eine  vielbegangene  Strasse  von  den 
Bezirken  und  dem  Rustäq  von  Antälia  —  es  ist  dies  ein  an 
Früchten  und  Korn  reicher  Rustaq  —  ununterbrochen  bis  zum 
Land  von  Konstantinopel  führt"  -). 

Durch  diese  Beschreibung  Ibn  Hauqals  gewinnen  wir  vor 
allem  die  Sicherheit ,  dass  die  Gesamtsumme  der  Distanzen  bei 
Ibn  Rusta  richtig  überliefert  ist.  Wenn  man  von  L^:^i ,  das  wir 
zwischen  Lamos  und  Attaleia  zu  suchen  haben ,  in  vier  Tagen, 
d.  h.  in  viermal  24  Stunden ,  in  direkter  Fahrt  nach  Ägypten 
segelte ,  so  konnte  auch  ein  Schnellsegler ,  wie  die  Korsaren  alle 
waren ,  bei  günstiger  Brise  in  drei  Tagen  von  Askalon  nach 
Attaleia  gelangen.  L^i  identifiziert  de  Goeje  mit  dem  heutigen 
Alaja,  sowie  mit  dem  ^Ayia  des  Konstantin  Porphyrogennetos  nsqi 
Tcöv  Q't^iacov  I  p.  38,  13.  Allein  letztere  Stadt  lag  im  Binnen- 
lande   und    zwar    viel  weiter    westlich,    noch    in  Karlen^).     Alaja 

L^xi!  oder  genauer  K-o^ljüi  al  'Alaija  aber  erhielt  seinen  jetzigen 
Namen  nach  Abü'l  fidä  I^'aI,  2  =  H  2,  135  erst  vom  Selgukensultan 
*Alä  addm  ar  RümT  Kai-Qobäd;  der  ältere  Name  war  Xo^ajcr/Gtov, 
auf  den  italienischen  Seekarten  Candeloro  oder  Scandeloro^).  Auch 
die  Entfernung  (60  miglia)  ist  für  vier  Tagfahrten  viel  zu  kurz. 
Vielleicht  leitet  uns  aber  die  Station  Draganto,  welche  die  Seekarten 
hinter  Stalimura  (Avz^ovqlov  auf  dem  gleichnamigen  Vorgebirge) 
haben,  auf  das  Richtige.    Östlich  von  Anemurion  „liegen  auf  einer 


^)  Die  richtige  Erklärung  von  ,. )!-=>'->  gibt  de  Goeje  zu  Ibn  al 
Faqih  !fv,  10  ann.  l.  Es  ist  die  Übersetzung  des  byzantinischen  xKTrvtxdv 
(Theoph.  Chronogr.  ed.  de  Boor  p.  487,  1)  oder  -nawiKÖv,  womit  die 
Steuer  bezeichnet  wird,  die  von  jedem  Kamin  {v.äTtvr\)  erhoben  wurde, 
wie  in  Holland.  S.  Ducange  s.  v.  Ibn  Chord.  Hl,  5/6  =  84.  Schlum- 
berger,  L'epopee  byzantin  p.  183  und  die  von  de  Goeje  zu  Ibn  al 
Faqih  angeführten  Stellen. 

2)  Ibn  Hauqal  irf,  20— it^o,  7. 

")  Vgl.  Tomaschek  a.  a.  0.  42. 

*)  S.  Tomaschek  a.  a.  0.  56. 

Marquart,  Streifzüge  14 


210  J-  Marquart, 

Anhöhe  die  Ruinen  von  Ndyiöog;  .  .  .  Ihn  Khordädbeh  [l!v,  16] 
nennt  unter  den  Küstenorten  westlich  von  Tarsus  und  Selewqia 
Nabik  (i5^AxJ  ,eine  Veste  auf  einem  Berge' ;  es  wird  Nagid  uX.*jp 
zu  lesen  sein^).  Hauptausfuhrhafen  für  dragante  (astragalus  traga- 
canthus),  ein  Produkt  der  pisidischen  Oropeda  (im  Markt  von  BaQig 
oder  Isbarta,  Sparta  einiger  italienischer  Portolane),  war  allerdings 
Satalia  (vgl.  Pegolotti  p.  376  draganti  ciofe  chitirra  in  Setalia  di 
Turchia) ;  aber  auch  die  Ketis  und  Kelenderis  lieferten  dieses 
Gummi  in  Menge-)".  Wir  werden  demnach  unter  'iJu.^ ,  das 
Ibn  Hauqal  als  charakteristisches  Haupterzeugnis  dieser  Gegend 
anführt,  Tragakanthgummi  zu  verstehen  haben;  in  Lx>(  aber  sehe 
ich  eine  ungenaue  Wiedergabe  von  Nagidos. 

In  dem  Itinerar  von  Antälija  nach  Konstantinopel  ist  der 
Text  des  Ibn  ßusta  augenscheinlich  zweimal  gestört.  Die  Zeilen 
ni,  4—9  (oben  S.  208,  5—14)  lauten  in  der  Hs.: 

■:üO_5^l3    i3L-*">-    i3    X?}    '»S^'S.    'ij*.>*^   "^riy:^^    (C^    ^i^    \y^4-:>-    ^'S 
»Ji**«  L^i   i^Läj   X.xjiA/1     Ji    j»Lj1   Ki^  lAxJ  l^-g-'^^   i?'^^'  J^  U* 
_S=uii       Jl    L>!-^.pjl    15'^^    fl}^   L5j^    '-^j-^:^5    L.ü:ä4.J5    j^1^:^\^5    ^3  5 

Hier  fehlen  zwischen  r,  yl\^  und  *.aj  Zeile  2,  wenn  die 
überlieferte  Anordnung  des  Textes  richtig  ist,  mindestens  einige 
Worte  aber  auch  zwischen  ^ii'  und  ^ä=>  Z.  3  ist  eine  Lücke 
zu  statuieren,  in  der  die  Weiterreise  von  üxäj  berichtet  war. 
Dazu    kommen    aber   noch    sachliche    Anstösse.     De  Goeje   ver- 

.•  ^  o  ^ 

verbessert    das  äJi^-w  der  Hs.  einleuchtend  in    »Jl;.«    und    möchte 

darunter  Dorylaion  verstehen,  das  nach  dem  Sangarios  benannt 
wäre.  Allein  Dorylaion  lag  nicht  am  Sangarios,  sondern  an  einem 
Nebenflusse  desselben,  dem  Tembrogios ,  wie  Ibn  ChordäcJbih  i.t^ 
23  —  n.,  1  ganz  gut  weiss.  Dazu  kommt,  dass  es  jedenfalls  ein 
Ding  der  Unmöglichkeit   wäre ,    von  Dorylaion    in  zwei  Tagen  zu 


^)  Einfacher   und   der   neugriechischen  Aussprache  gemäss  ist  die 
Verbesserung  lXaaj  Naj'iS. 

-)  Tomaschek  a.  a.  0.  60. 


Osteurop<äische  und  ostasiatische  Streifzüge.  211 

Fuss  das  Meer  zu  erreichen  —  Ihn  Chordädbih  l.f,  1 — 5  rechnet 
108  Meilen  von  Dorylaion  nach  i-\yje^\  ^^^=>,  clas  angeblich  noch 
24  Meilen  vom  Bosporus  entfernt  gewesen  sein  soll^). 

Dagegen  würde  Leukai  (jetzt  Lefke)  am  Öangarios,  etwas 
unterhalb  der  Vereinigung  des  Flusses  von  Wezir-chän  mit  dem 
Sakaria,  fast  allen  Anforderungen  genügen-).  Die  von  Härün  b. 
Jahjä  beschriebene  Route  hätte  dann  über  Kotyaion  geführt  und 
wäre  von  da  an  der  noch  heute  begangenen  Strasse  über  In-önü, 
Köplü,  Bilegik,  WezIr-chän  gefolgt.  Sie  müsste  also  mit  der  von 
Ramsay  auf  der  Index  Map  p.  23  verzeichneten  byzantinischen 
Strasse  von  Attaleia  über  Kotyaion  nach  Nikaia  zusammenfallen. 
Auf  dieser  gab  es  aber  bis  Kotyaion  keine  grössere  Stadt,  aus- 
genommen vielleicht  Apameia  Kibotos,  das  indessen  damals  längst 
seine  ehemalige  Bedeutung  verloren  hatte  •^).  Dadurch  wird  die 
Wahrscheinlichkeit  verstärkt,  dass  die  Worte  (3'-äj  \XjO<a  ^1\  ^ 
.^  ^Li  L^j  K.».Ali£  K>ulX^  ^^3  xxäi  LjJ  Z.  2  an  falsche  Stelle 
geraten  sind  rmd  ursprünglich  hinter  L>LA.g.:ol  Z.  5  standen,  so  dass 
also  mit  der  grossen  Stadt  K-^si  keine  andere  als  Nikaia  gemeint 
wäre.     Dann  erhalten  wir  folgenden  Text  von  Z.  4 — 9 : 


1)  Dies  geht  noch  deutlicher  aus  der  Angabe  bei  Ibn  Chord.  i.1, 
2122  =  82  hervor,  dass  Dorylaion  insgesamt  vier  Tage  von  Kon- 
stantinopel liege.  Es  handelt  sich  hier  um  Tagesritte.  Vgl.  H.  Geizer, 
Die  Genesis  der  byzantinischen  Themenverfasssung  S.  112. 

2)  Bei  Konstantin.  Porphyrogenn.  de  caerim.  aulae  Byz.  II  52 
p.  720,  7  wird  der  i,svoS6%og  ZayyÜQOv  mit  dem  i£vo86%os  HvX&v  xmA 
dem  iBvodöxog  Nmoaridtias  auf  eine  Linie  gestellt.  Allein  an  dieses 
ZdyyaQog  kann  bei  Härün  nicht  gedacht  werden,  da  es  offenbar  iden- 
tisch ist  mit  dem  Seeplatz  Sangaros  in  Bithynien,  der  nach  Sozomenos 
h.  e.  7,  18  nicht  weit  von  Helenopolis  lag  (vgl.  Wesseling  zu  Hierokles 
Synekdemos  p.  446  ed.  Bonn).  Diesen  Ort  kennt  auch  Mas'udi,  Kitab 
at  tanbih  if.,  2—4:  „Der  dritte  Übergangsort  (von  der  kleinasiatischen 
Küste  nach  Byzanz)  heisst  ä^Ä*«  Sangara.  Er  ist  vom  Übergangsort 
al  Afqätl  (AsvKccrrig,  j.  Jelkyn-kaja  am  Eingang  des  Golfes  von  Niko- 
medeia;'  s.  Tomaschek  a.  a.  0.  I  5)  gegen  30  Meilen  entfernt.  Die 
Breite  dieses  Überganges  beträgt  12  Meilen.  Dieser  Ubergangsort  liegt 
in  der  Nähe  der  Stadt  Nikaia^  Tomaschek  a.  a.  0.  S.  10  bevor- 
zugt nach  Sokrates  h.  e.  5,  21  (iv  'AyyccQcp-  i^noQiov  dh  tovto  iv 
BiQ^wia ,  nlr\aiov  rfjg  'EXsvovTtoXsag  %si[i£vov)  die  Form  "Ayyagog  und 
sucht  den  Ort  „etwa  an  Stelle  von  Engüre",  zwischen  Jalowa  und 
Boz-burun.  Dazu  stimmt  aber  nicht,  dass  HiUat,  welches  Tomaschek 
an  der  Bucht  von  Gengeli  sw.  von  Kios  sucht,  nach  Mas'udi  nur 
8  Meilen  von  Sankara  lag.  Auch  ist  bei  Sozomenos  zweimal  ZdyyaQog 
{dg  Uäyyagov,  iv  UayyccQo)  überliefert.  Dieses  wird  also  im  Golf  von 
Kios  gesucht  werden  müssen. 

^)  Ramsay,  Historical  Geography  of  Asia  Minor  74  f. 

14* 


212  "^-  Marquart, 

L^  i^Uj  &.äjlX.^     Jl   [»Li  Ki^  lXxj  [j-p^^  Lf^^^  ....  pj^j-^'^ 

LÄ>viÄJl       i?-^-^    '^^j^'^    L5'^    '■- ^■■V*^^    LxXä^j^    Ply^UaJ!    ^j,    L^^^^ 


c 


d.  h. :  „Darauf  wuräeu  sie  von  da  auf  Postpferde  gesetzt  (und 
ritten)  eine  Strecke  von  drei  Tagereisen  über  Berge,  Thäler  und 
Saatfelder  ....  bis  sie  nach  (weiteren)  drei  Tagen  zu  einer  Stadt 
kamen  namens  Sanqara.  Es  ist  dies  eine  kleine  Stadt  in  einer 
kahlen  Ebene.  Der  Berichterstatter  fährt  selbst  fort :  Dann  zogen 
wir  zu  Fuss  weiter  und  marschierten  durch  die  Ebene,  wobei  wir 
zur  Rechten  und  zur  Linken  Dörfer  der  Romäer  hatten,  bis  VN'ir 
mit  ihnen  zu  einer  Stadt  gelangten,  die  Niqja  heisst,  einer  grossen 
menschenreichen  Stadt,  dann  von  hier  zum  Meere  im  Verlauf  von 
zwei  Tagen.  Dann  schifften  wir  uns  ein"  u.  s.  w.  Der  Marsch 
von  Sanqara  (Leukai)  über  Nikaia  zum  Meere  dauerte  demnach 
zwei  Tage.  Der  nächste  Hafen  am  Golf  von  Astakos,  direkt 
nördlich  von  Nikaia ,  war  Prainetos  oder  Pronektos ,  28  m.  p.  =^ 
21  arabische  Meilen  von  Nikaia  entfernt  (T.  F.),  nach  Tomaschek 
a.  a.  0.  S.  9  bei  der  Reede  von  Qara  Mursal;  der  gewöhnliche 
Landungsplatz  war  aber  das  weiter  westlich  bei  Hersek  gelegene 
Helenopolis^).  Hier  wurden  die  Gefangenen  also  nach  Konstanti- 
nopel eingeschifi't ,  das  man  in  einer  Tagfahrt  =  100  Meilen 
erreichte. 

An  und  für  sich  läge  es  näher,  Sanqara  mit  MaXccyiva  gleich- 
zusetzen,  wo  sich  die  grossen  Depots  der  kaiserlichen  Postpferde 
befanden  2).  So  würde  sich  sehr  einfach  erklären,  weshalb  die 
Gefangenen  jetzt  die  Fostpferde  verlassen  und  zu  Fuss  gehen 
mussten:  diese  wären  hier  zu  anderweitiger  Verfügung  in  die 
Marställe  eingestellt  worden.  In  der  That  sucht  Ramsay  1.  1. 
p.  206  jenen  in  der  byzantinischen  Kriegsgeschichte  oft  genannten 
Ort  in  der  Nähe  von  Leukai.  allein  diese  Annahme  lässt  sich  mit 
dem  Itinerare  bei  Ihn  ChordäJbih  \,Y,  1  ff.  und  insbesondere  mit 
der  Lage  von  Hi(^n  al  Tabrä'  unmöglich  vereinigen.  Denn  sonst 
müsste  letztere  Route  über  Nikaia  führen.  J  a  u  b  e  r  t ,  Geographie 
d'Edrisi  II  307  und  Tomaschek  a.  a.  0.  I  11.  90  setzen  Mala- 
gina  dagegen  in  die  Umgegend  des  heutigen  Ine-giöl  an  einem 
zum  Giökge-su  abfliessenden  Bache.  Die  von  Tomaschek  in 
Aussicht  gestellte  Begründung  dieser  Auffassung  ist  meines  Wissens 


1)  Ramsay  1.  1.  p.  76.  184.  186  f.  201. 

2)  Konstantin.  Porphyrogenn.  de   caerim.  I  app.  p.  459.  476.  486. 
Vgl.  W.  Ramsay,  The  historical  geography  of  Asia  Minor  p.  203  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  213 

"bis  jetzt  nicht  erschienen,  dieselbe  stimmt  aber  sehr  gut  mit  dem 
erwähnten  Itinerar  bei  Ibn  Chordädbih  überein.  Dieser  rechnet 
von  Malagina  zunächst  5  Meilen  bis  zu  den  kaiserlichen  Marställen, 
von  da  30  Meilen  nach  i.\y^x.l\  q>ä=>)  das  noch  24  Meilen  vom 
Bosporus  entfernt  sein  soll. 

Name  und  Lage  dieses  Ortes  erfordern  eine  eingehendere  Er- 
örterung. IdrTsi  II  302  schreibt  t^xJI  iÜjL\/o  und  Jaubert 
identifiziert  es  mit  'Egißcokog  „das  breitschollige",  10  m.  p.  südlich 
von  Nikomedeia,  wie  es  scheint  nur  auf  Grund  eines  sehr  entfernten 
Namensanklanges');  denn  \y.3t.j\  hat  im  Arabischen  keine  Bedeutung. 
Diese  Gleichung  scheint  zwar  durch  die  Lesart  pL.vii!  ry^^  n*^^s 
Erdschloss"  bei  Ibn  Chord.  cod.  A  gestützt  zu  werden,  allein 
damit  lässt  sich  die  Angabe  in  keiner  Weise  vereinigen,  dass 
Nikaia  gegenüber,  oder  wie  Idrisi  noch  genauer  sagt,  östlich 
von  al  Tabrä'  liege.  Diese  Bestimmung  ist  nur  verständlich,  wenn 
Hi9,n  al  Tabra  am  Golf  von  Kios  lag.  Unter  dieser  Voraussetzung 
erklärt  sich  auch  die  von  Idrisi  angegebene  Entfernung  von 
100  Meilen  d.  i.  einer  Tagfahrt  zwischen  Damäla  (z/ajitaAtg  bei 
Skutari)  und  al  'Abrä.  Überdies  müssen  bei  Ibn  ChordäcJbih  wie 
bei  IdrTsi  Verwirrungen  stattgefunden  haben.  Nach  dem  vor- 
liegenden Texte  des  ersteren  wäre  die  Entfernung  von  Nikaia 
nach  Konstantinopel  30  Meilen,  was  aber  unmöglich  die  Mei- 
nung des  Verfassers  dieser  Itinerare  gewesen  sein  kann;  be- 
trägt doch  schon  die  Distanz  zwischen  Nikaia  und  Pronektos 
28  m.  p.  =  21  arabische  Meilen  (s.  o.).  Der  Schluss  drängt  sich 
so  von  selbst  auf,  dass  die  Worte  ^^/i  .jj-iJ^  l--^k^^^  bei  Ibn 
Chord.  Uf,  7  an  falscher  Stelle  eingeschoben  sind  und  eigentlich 
hinter  s^\ ^kl\  Z.  6  gehören,  sodass  also  jene  30  Meilen  in  Wirklich- 
keit die  Entfernung  zwischen  Nikaia  und  al  Jabra  bezeichnen. 
Dann  erklären  sich  auch  die  unmöglichen  Angaben  Idrlsl's,  dass 
Nikaia  3  Meilen  von  der  Stadt  al  'Abrä  und  ebensoviel  vom  Meere 
entfernt  sei:  3  ist  einfach  ein  Fehler  für  30.  Die  Länge  des 
Sees  von  Nikaia  beträgt  ja  allein  12  Meilen.  Die  Entstehung 
der  ebenfalls  unmöglichen  Entfernung  von  al  Pabrä'  bis  zum 
Bosporus  bei  Ibn  Chordä(5bih  wird  aber  verständlich  durch  die 
oben  mitgeteilte  Angabe  Idrlsl's,  der  von  al  'Abrä  bis  Damalis 
100  Meilen  oder  eine  Tagfahrt  rechnet.  Der  Verfasser  des  Itinerars 
hatte  die  Entfei'nung  von  al  -Tabrä'  bis  zum  Bosporus  auf  eine 
Tagfahrt  zur  See  geschätzt,  ein  Benutzer  desselben  fasste  dies 
aber  irrtümlich  als  eine  Landtagereise  auf  und  rechnete  diese  in 
Meilen  um  (24  Meilen  =  8  Fars.).  Für  al  Pabra  passt  dann 
in  jeder  Hinsicht   am   besten  die  Lage  des   alten  Tlvlai^    des  ge- 


'')  1.  1.  n.  2:  ^Eribolum.    La  meme  ville  est  indiquöe  sous  le  nom 
ä'Eriboea  sur  la  carte  de  Ptolemee"  [5,  1  p.  313,  22  ed.  Wilberg]. 


2][4  '^^  Marquart, 

wohnlichen  Landungsplatzes  der  romäischen  Kaiser.  Mas'üdT  kennt 
(wbL-^5  Ilvlag  als  vierten  Übergangsplatz  von  Kleinasien  nach  der 
Hauptstadt.  Er  widmet  diesem  Orte  einige  Bemerkungen,  die  für  die 
genauere  Bestimmung  seiner  noch  umstrittenen  Lage  von  "Wichtig- 
keit sind  und  daher  hier  Platz  finden  mögen:  „Pylas  liegt  gegen 
8  Meilen  vom  Übergangsplatz  Sankara.  Die  Breite  dieses  Über- 
gangs von  der  syrischen  nach  jener  Seite  d.  h.  dem  band  (=  ^i^cc) 
Thrakia  beträgt  gegen  40  Meilen.  Von  diesem  Übergang  werden 
die  Kriegsgefangenen  der  Romäer,  wenn  sie  dieselben  auszu- 
wechseln beabsichtigen,  nach  al  Lämis  übergeführt,  weil  es  ein 
langwieriger  Übergang  ist,  durch  welchen  sie  die  Gefangenen 
schrecken"  1).  Pylai  lag  demnach  8  Meilen  von  Sankara  {SdyyccQog), 
das  in  die  Nähe  von  Helenopolis  gesetzt  wird.  Tomaschek  sucht 
es  an  der  Bucht  von  Gengeli  und  glaubt,  dass  sich  der  alte  Name 
in  dem  weiter  im  Binnenland  in  der  Nähe  des  Nilüfer-6ai  gelegenen 
Fllah-där  erhalten  habe'-).  Einen  weiteren  Anhaltspunkt  für 
die  Lage  von  Pylai  ergibt  der  fünfte,  von  Pylai  gegen  20  Meilen 

entfernte  Übergangsort  Mas'udi's,  in  den  Hss.  I^iAjLj  bezw.  l^JuL 
geschrieben,   wenn  de  Goeje's  unter  Berufung  auf  Tomaschek 

a.  a.  0.  S.  12  f.  geäusserte  Vermutung  richtig  ist,  dass  ^oLJ  Lo- 
pädö  zu  lesen  und  damit  eine  Küstenstation  an  der  Mündung  des 
RhjTidakos  gemeint  sei,  die  auch  auf  den  italienischen  Seekarten 
als  Lupato  erscheint  und  so  benannt  war,  weil  man  hier  nach 
AoTtccStov  (Ulubäd)  einfuhr. 

Die  Gleichsetzung  von  tl^xiil  ^^:^  mit  Pylai  dürfte  hier- 
nach genügend  gerechtfertigt  sein,  fraglich  bleibt  aber,  ob 
darin  ein  griechischer  Name  steckt,  da  die  Araber  vielfach  be- 
merkenswerten Örtlichkeiten  arabische  Namen  beizulegen  pflegten. 
Sollte  jenes  aber  wirklich  der  Fall  sein,  so  wäre  wohl  i^äJl 
al  Firä  zu  schreiben.  Dieser  Vermutung  stehen  am  nächsten 
die  Lesarten  der  Hs.  B  des  Ibn  Chordädbih:  [Jo]|^i  (es  folgt 
J±s)  und  rläil.  Sonst  Hesse  sich  höchstens  noch  an  Ki'os 
selbst  denken,  also  l^äii  QijO,  was  aber  weniger  Wahrscheinlich- 
keit für  sich  hat.  Auf  alle  Fälle  war  aber  die  von  Ibn  Chordädbih 
beschriebene  Route  von  der  des  Harun  b.  Jahjä  verschieden. 


1)  Mas'üdT,  Kitäb  at  tanblh  !f.,  4—9. 

2)  A.  a.  0.  S.  10/11.     Anders  Eamsay  187.  207. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  215 


(Beschreibung    von    Konstantin  opel.) 

„*Konstantinopel  ist  eine  gewaltige  Stadt  ^),  12  X  12  Fars. 
gross.  Ihr  Farsang  beträgt,  wie  er  berichtet,  1 V2  Meilen.  Im  Osten 
wird  sie  vom  Meer  umringt,  und  westlich  von  ihr  ist  eine  Ebene, 
durch  welche  man  nach  Rom  reist.  Sie  wird  von  einer  Burg 
5  überragt.  Das  Thor,  durch  welches  man  nach  Rom  reist,  ist  von 
Gold,  und  wird  das  goldene  Thor  genannt.  An  dem  Thore  be- 
finden sich  Bilder:  fünf  stellen  Elefanten  vor,  und  eines  stellt 
einen  stehenden  Mann  vor,  wie  er  den  Zügel  jener  Elefanten  er- 
griffen hat.     *Neben    ihm    sind  Leute  von  seinen  Dienern-).     Die 

10  Stadt  hat  in  der  Nähe  der  Insel  ein  eisernes  Thor,  welches  Thor 
von  Piyäs  heisst,  ein(em)  Ort(e),  wohin  der  Kaiser  lustwandelt.  In 
der  Nähe  der  (120)  Kirche  in  der  Mitte  der  Stadt  ist  das  TtaXdriov 
d.  h.  *das  Schloss  des  Kaisers  =^),  und  daneben  ein  Ort,  der  al  buörün 
(Hippodrom)  heisst  und  einer  Rennbahn  gleicht,  in  welchem  sich 

15  vor  ihm  die  TtaxQMioi  versammeln ,  so  dass  der  Kaiser  von  seinem 
Schloss  in  der  Mitte  der  Stadt  auf  sie  herabschauen  kann.  Im 
Schloss  sind  in  Erz  gegossene  Bildsäulen  dargestellt,  die  Pferde, 
Menschen,  wilde  Tiere,  Löwen  u.  a.  vorstellen.  Auf  der  westlichen 
Seite  der  Rennbahn,   in  der  Nähe  des  goldenen  Thores,    befinden 

20  sich  zwei  Thore,  zu  denen  man  acht  von  den  Pferden  hineintreibt. 
Es  stehen  dort  zwei  goldene  Wagen,  deren  jeder  mit  vier  von 
den  Pferden  bespannt  wird.  Auf  jeden  Wagen  steigen  zwei 
Männer,  die  in  golddurchwirkte  Gewänder  gekleidet  sind,  und 
lassen   ihn   fahren   mit   aller   ihm  zu  Gebote  stehenden  Schnellig- 

25  keit,  so  dass  er  durch  jene  Thore  herauskommt  und  um  jene 
Bildsäulen  dreimal  herumfährt.  Welcher  von  ihnen  nun  seinem 
Partner  zuvorkommt,  dem  wird  von  der  kaiserlichen  Residenz 
eine  goldene  Halskette  zugeworfen  und  ein  Pfund  Gold.  Alle 
in  Konstantinopel  Anwesenden  besuchen  jene  Rennbahn  und  über- 

30  zeugen  sich. 

*üm  das  kaiserliche  Schloss  ist  eine  einzige  Mauer,  die  das 
ganze  Schloss  umschliesst,  mit  einem  Umkreis  von  einem  Farsang, 
und  mit  einer  ihrer  Seiten  im  Westen  ans  Meer  reicht.  Sie  hat 
drei  eiserne  Thore*):  das  eine  heisst  Hippodrom-Thor,  das  andere 

35  wawZ^aöä-Thor,  das  dritte  See -Thor.  In  das  Hippodrom  -  Thor 
tritt  man  ein  durch  einen  100  Schritt  langen  und  50  Schritt 
breiten  Korridor  mit  Ruhebetten  zu  beiden  Seiten,  die  mit  Brokat- 


1)  QazwInT  II  f.1,  6. 

2)  In  der  Hs.  an  falsche  Stelle  geraten. 

3)  Vgl.  Qazwinl  II  f.t,  6. 

*)  Qazwini  II  f.t,  6/7:  , Daselbst  ist  das  Schloss  des  Königs,  das 
eine  Mauer  von  einem  Farsang  im  Umkreis  umringt,  die  300  eiserne 
Thore  hat«. 


216  J-  Marquart, 

kissen,  Steppdecken  und  Polstern  belegt  sind  und  auf  welchen 
zum  Christentum  bekehrte  Neger leute  ruhen,  die  mü  Gold 
verkleidete  Schilde  sowie  Lanzen  führen,  an  welchen  sich  Gold 
befindet.  Was  das  Mankabä-Thor  betrifft,  so  tritt  man  in  einen 
200  Schritt  langen  und  50  Schritt  breiten,  mit  Marmor  ge-  5 
pflasterten  Korridor,  zu  dessen  beiden  Seiten  Ruhebetten  auf- 
geschlagen sind ,  auf  welchen  Chazarenleute  mit  Bogen  in 
den  Händen  sitzen.  In  dem  Korridor  befinden  sich  vier  Gefäng- 
nisse 1) :  eines  davon  für  die  Muslime ,  eines  für  die  Leute  von 
Tarsus,  eines  fürs  (121)  gemeine  Volk  und  eines  für  den  Befehls-  lO 
haber  der  Garden.  In  das  See -Thor  tritt  man  durch  einen 
300  Schritt  langen  und  50  Schritt  breiten,  mit  roten  Backsteinen 
gepflasterten  Korridor  ein.  In  demselben  befinden  sich  rechts  und 
links  Ruhebetten  mit  geschmückten  Kissen,  auf  welchen  Türken- 
1  e  u  t  e  mit  Bogen  und  Schilden  liegen.  Man  schreitet  dann  weiter  15 
durch  den  Korridor ,  bis  man  auf  einen  300  Schritt  messenden 
Vorraum  gelangt.  Dann  kommt  man  zu  dem  Vorhang ,  der  an 
dem  zur  Residenz  führenden  Thore  aufgespannt  ist.  Links  beim 
Eintritt  befindet  sich  *die  kaiserliche  Kirche,  die  zehn  Thore  be- 
sitzt, worunter  vier  goldene  und  sechs  silberne-).  Im  Aller-  20 
heiligsten,  an  welchem  der  Kaiser  seinen  Platz  einnimmt,  befindet 
sich  ein  mit  Perlen  und  Rubinen  ausgelegter  Platz  von  4X4  Ellen, 
*und  ebenso  ist  sein  Polster,  auf  welches  er  sich  aufstützt,  mit 
Perlen  und  Rubinen  ausgelegt.  An  der  Thüre  des  Altares  stehen 
vier  aus  einem  Stück  ausgehauene  Marmorsäulen  ^).  *Der  Hoch-  25 
altar,  auf  welchem  der  Priester  Gottesdienst  hält,  ist  sechs  Spannen*) 
lang  und  sechs  Spannen  breit.  Er  besteht  aus  einem  Stück  mit 
Perlen  und  Rubinen  ausgelegten  Khmferholzes  (Aloe),  an  welchem 
der  kaiserliche  Hofkaplan  seinen  Platz  hat.  Die  übrigen  Hallen 
(Schiffe)  der  Kirche  sind  sämtlich  aus  Gold  und  Silber  hergestellte  30 
Säulenschiffe  (azag)*).  Diese  Kii'che  hat  vier  Höfe,  deren  jeder 
200  Schritt  in  der  Länge  und  100  Schritt  in  der  Breite  misst. 
Im  östlichen  Hof  befindet  sich  ein  aus  Marmor  gehauenes, 
10  X  10  Ellen  messendes  Becken.  Dieses  Becken  ist  auf  der 
Spitze  einer  Marmorsäule  aufgestellt,  deren  Höhe  vom  Boden  an  35 
vier  Ellen  beträgt.  Über  ihm  wölbt  sich  eine  bleierne  Kuppel, 
deren  obersten  Teil   eine    silberne  Kuppel  bildet.      *Diese  Kuppel 


^)  Es.  (ji^:=^  , Truppen". 

^)  QazwTnT  a.  a.  0.:  ,In  demselben  (im  kaiserlichen  Schloss)  be- 
findet sich  die  kaiserliche  Kirche,  deren  Kuppel  aus  Gold  ist  und  die 
10  Thore  besitzt,  sechs  goldene  und  vier  silberne".  Das  Folgende  fast 
wörtlich  bei  QazwfnI. 

^)  Fehlt  bei  QazwTnT. 

^)  QazwTnT:  „und  der  Ort,  an  welchem  der  Priester  steht,  ist  aus 
einem  sechs  Spannen  grossen  Stück  Khm^rholzes.  Sämtliche  Mauern 
der  Kirche  sind  Gold  und  Silber".     Das  Folgende  ist  ausgelassen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  217 

trägt  zwölf  Säulen,  jede  vier  Ellen  hoch.  Die  erste  dieser  Säulen 
trägt  auf  ihrer  Spitze  das  Bild  eines  Falken,  die  zweite  das 
eines  Lammes,  die  dritte  das  eines  Stieres,  die  vierte  das  eines 
Hahnes,  die  fünfte  das  eines  Löwen,  die  sechste  das  einer  Löwin, 
5  die  siebente  das  eines  Wolfes,  die  achte  das  eines  Rebhuhns,  die 
neunte  das  eines  Pfaues,  die  zehnte  das  eines  Pferdes,  die  elfte 
(122)  das  eines  Elefanten,  die  zwölfte  das  eines  Königs  i). 

*In  der  Nähe  dieser  Kuppel  befindet   sich  in    diesem  Hof  in 
einer  Entfernung  von  200  Schritt  eine  Cisterne,  von  welcher  das 

10  Wasser  zu  jenen  Bildsäulen  auf  den  Spitzen  der  Säulen  geleitet 
worden  ist.  Jedesmal  an  ihrem  Feste  wird  nun  jene  Cisterne  mit 
10  000  Krügen  Weins  und  1000  Krügen  weissen  Honigs  gefüllt, 
wobei  auf  diesen  Trank  Hyacinthen,  Gewürznelken  und  Zimmt 
im  Betrag  einer  Kamellast  aufgelegt  und  er  so  angenehm  gemacht 

15  wird.  Dann  wird  jene  Cisterne  bedeckt,  indem  nichts  davon 
sichtbar  ist"-).  Wenn  nun  der  Kaiser  herausgeht  und  die  Kirche 
betritt,  fällt  sein  Auge  auf  jene  Bilder  und  jenen  Trank,  der 
ihren  Mündern  und  Ohren  entsprudelt  und  sich  in  dem  Becken 
sammelt,  bis  es  sich  füllt.    Da  schöpft  jeder  von  seinem  Gefolge, 

20  der  mit  ihm  zum  Feste  ausgezogen  ist,    ein  jeder  einen  Trunk ■^). 

Hat    man    den  Vorhang    erhoben   und   betritt    die   Residenz, 

so    ist    es    ein    mächtiger,    400  X  400    Schritt    messender,    mit 

grünem  Marmor    gepflasterter    Hof,    die   Wände    mit   Mosaik    und 

Farben  von  Golddruck  bemalt;    rechts  beim  Eintritt  in   die  Resi- 

25  denz  ist  das  kaiserliche  Schatzhaus,  und  im  Innern  das  Bild  eines 
stehenden  Pferdes,    auf  welchem    ein   Reiter   sitzt,    dessen  Augen 
aus  zwei  roten  Rubinen  hergestellt   sind.     Zur  Linken   beim  Ein 
tritt  ist  ein  200  Schritt  langer  und  50  Schritt  breiter  Empfangs- 


1)  QazwTnl:  „Davor  sind  zwölf  Säulen,  jede  vier  Ellen  (hoch),  und 
auf  der  Spitze  einer  jeden  Säule  ist  eine  Bildsäule,  entweder  einen 
Menschen  oder  einen  König,  ein  Pferd,  einen  Löwen,  einen  Pfau,  Ele- 
fanten oder  Kamel  (J*.*.^  für  J^5>)  darstellend". 

2)  Cod.     -iu  xXa  yN.Äi''!j!t,  lies  t    .i;  ».x.*  (j^*J  ^;  "^g^-  S-  ^'^^'  ^■ 

3)  Qazw.  f.v,  1-6:  Jn  der  Nähe  davon  ist  eine  Cisterne.  Wenn 
man  nun  das  Wasser  in  dieselbe  leitet,  füllt  sie  sich,  indem  das  Wasser 
zu  jenen  Bildsäulen  hinaufsteigt,  die  auf  den  Spitzen  der  Säulen  stehen. 
Jedesmal  an  diesem  Feste  nun,  dem  Palmsonntag,  werden  in  die 
Cisterne    Becken    ausgeschüttet    (vor   .^^..^xaii   ^i,    muss,    wie    mir    de 

Goeje   bemerkt,   ein  Verbum  wie  p  jäj"  ausgefallen  sein),   die  vorher 

gefüllt  sind,  eines  mit  Öl,  eines  mit  Wein,  eines  mit  Honig,  eines 
mit  Rosenwasser,  eines  mit  Essig,  und  angenehm  gemacht  durch 
Moschus  und  Gewürznelken,  und  ein  Becken  mit  klarem  Wasser.  Die 
Cisterne  wird  bedeckt,  so  dass  sie  niemand  sehen  kann,  und  das  Wasser, 
der  Syrup  und  die  flüssigen  Parfüms  kommen  aus  den  Mündern  jener 
Statuen  und  der  Kaiser  und  sein  Gefolge  und  alle  die  mit  ihm  zum 
Feste  ausgezogen  sind,  nehmen  davon".   Das  Folgende  fehlt  bei  Qazwun. 


218  J-  Marquart, 

saal,  und  in  dem  Emi^fangssaal  steht  ein  Speisetiscli  aus  Chüing 
und  ein  elfenbeinerner  Tisch,  und  im  vordem  Teil  des  Empfangs- 
saales steht  ein  goldener  Tisch.  Sobald  nun  das  Fest  zu  Ende 
ist  und  der  Kaiser  die  Kirche  verlassen  hat,  kommt  er  in  diesen 
Empfangssaal  und  setzt  sich  vorne  hin  an  den  goldenen  Tisch.  5 
Es  ist  dies  das  Weihnachtsfest.  Man  lässt  nun  die  Gefangenen 
der  Muslime  bringen  und  setzt  sie  an  jene  Tische.  Man  bringt 
dann  zum  Kaiser,  sowie  er  sich  vorne  hinsetzt,  vier  goldene  Tische, 
deren  jeder  auf  einem  Wagen  geführt  wird  —  es  heisst,  dass  einer 
dieser  Tische,  ausgelegt  mit  Perlen  und  Rubinen,  dem  Salomo,  lO 
Davids  Sohne  gehört  hatte,  der  zweite,  gleichsfalls  ausgelegt,  dem 
David,  (123)  der  dritte  war  der  Tisch  des  Qärün  (Qorah)  und 
der  vierte  der  Tisch  des  Kaisers  Konstantin  —  und  stellt  sie  vor 
ihn  hin,  ohne  dass  jedoch  auf  ihnen  gegessen  wird;  man  lässt 
sie  vielmehr  stehen,  so  lange  der  Kaiser  an  seinem  Tische  bleibt.  15 
Sobald  er  aufsteht,  werden  sie  aufgehoben.  Dann  bringt  man 
die  Muslime,  wobei  auf  jenen  Tischen  eine  Menge  Sachen  von 
Kaltem  und  Warmem  stehen.  Hierauf  ruft  der  Herold  des  Kaisers 
aus  und  sagt:  „Beim  Leben  des  Hauptes  des  Kaisers,  es  ist  unter 
diesen  Speisen  nichts  Schweinernes",  und  er  bringt  jene  Speisen  20 
zu  ihnen  •  in  goldenen  und  silbernen  Schüsseln.  Dann  wird  ein 
Ding  gebracht,  al-urqanä  (tc  oqyava^  Orgel)  genannt;  es  ist  dies 
ein  aus  einem  viereckigen  Holz  hergestelltes  Ding  nach  Art  einer 
Ölpresse,  und  jene  Presse  wird  mit  solidem  Leder  bedeckt;  dann 
werden  darein  60  kupferne  (messingene)  Röhren  eingesetzt,  deren  25 

Spitzen    bis    zu  ihren  Hälften    nach    oben (Lücke).     Jene 

Röhren  sind  über  dem  Leder  mit  Gold  bedeckt,  so  dass  nur  wenig 
davon  erkennbar  ist,  insofern  ihre  Masse  einander  nahe  kommen, 
indem  eine  immer  länger  ist  als  die  andere;  an  der  Seite  dieses 
viereckigen  Dinges  befindet  sich  ein  Loch,  in  welches  ein  Blase-  30 
balg  eingesetzt  wird,  gleich  dem  Blasebalg  der  Schmiede.  Und 
es  werden  drei  Kreuze  gebracht  und  zwei  davon  werden  an  seine 
beiden  Enden  gelegt,  und  eins  in  die  Mitte.  Dann  bi-ingt  man 
zwei  Männer,  die  in  jenen  Blasebalg  hineinblasen,  und  es  erhebt 
sich  der  Meister  und  spielt  auf  jenen  Röhren,  und  jede  Röhre  35 
singt  durch  ihre  Lage  nach  Massgabe  des  Tones,  der  auf  ihr  ge- 
spielt wird,  zum  Lobe  des  Kaisers,  wobei  sämtliche  Leute  an  den 
Tischen  sitzen.  Es  treten  20  Mann  mit  chulbäq's,  in  den  Händen 
ein  —  chulbäq  ist  eine  Cymbel  —  auf  denen  sie  spielen,  so 
lange  jene  essen,  und  in  dieser  Weise  speisen  sie  zwölf  Tage.  Am  40 
letzten  dieser  Tage  wird  jeder  von  den  muslimischen  Gefangenen 
mit  zwei  Dinaren  und  drei  Dirhams  beschenkt,  dann  erhebt  sich 
der  Kaiser  und  geht  durch  das  Hippodromthor  hinaus. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  219 

Auszug    des    Kaisers    nach    der   grossen    Kirche,    die 
für    das    gewöhnliche    Yolk    bestimmt   ist. 

Er  befiehlt,  dass  für  ihn  auf  seinem  Wege  vom  Thore  des 
Schlosses  bis  zur  Kirche,  die  für  das  gewöhnliche  Volk  bestimmt 
5  ist,  in  der  Mitte  der  Stadt  Rohrmatten  ausgebreitet  werden  und 
auf  dieselben  wohlriechende  Pflanzen  und  Kräuter  gestreut  und 
die  Mauer  rechts  (124)  und  links  von  seinem  Durchgang  mit 
Brokat  geziert  werde.  Dann  ziehen  vor  ihm  10  000  Greise  aus, 
in  roten  Brokat  gekleidet,    die  Haare    lang    herabwallend  bis  auf 

10  die  Schultern,  ohne  Burnusse  (Kapuzen).  Dann  kommen  hinter 
ihnen  10  000  Jünglinge,  in  weissen  Brokat  gekleidet,  sämtlich  zu 
Fuss  gehend.  Dann  kommen  10  000  Knaben  in  grünem  Brokat; 
dann  kommen  10  000  Diener  in  himmelblauem  Brokat,  die  mit 
Gold  verkleidete  Beile  tragen.     Dann    kommen    nach   ihnen  5000 

15  der  trefflichsten  Eunuchen,  in  chorasanischer  weisser  Halbseide, 
mit  goldenen  Kreuzen  in  den  Händen.  Dann  kommen  hinter  ihnen 
10  000  Türken-  und  Chazaren-Pagen  in  gestreiften  Brust- 
panzem,  mit  Lanzen  und  Schilden  in  den  Händen,  die  sämtlich 
mit  Gold  überzogen  sind.     Dann   kommen   100  narqUioL  von  den 

20  Grossen  in  Gewändern  von  koloriertem  Brokat,  goldene  Rauch- 
fässer in  den  Händen ,  indem  sie  mit  Khmferholz  räuchern ;  dann 
kommen  zwölf  der  vornehmsten  natqUioi  in  golddurchwirkten  Ge- 
wändern, von  denen  jeder  einzelne  eine  goldene  Gerte  in  der  Hand 
trägt;  dann  kommen   100  Pagen  in  purpurverbrämten,  mit  Perlen 

25  ausgelegten  Gewändern,  die  eine  goldene  Lade  tragen,  in  welcher 
sich  das  Andachtsgewand  des  Kaisers  befindet.  Dann  kommt  vor 
ihm  ein  Mann,  ar  ruhüm  (?)  genannt,  welcher  die  Leute  schweigen 
heisst  und  ruft:  Schweigt!  Dann  kommt  ein  Greis,  der  ein 
Becken    und    eine  Kanne    aus  Gold   in  der  Hand  hält,    beide  mit 

30  Perlen  und  Rubinen  ausgelegt.  Dann  naht  der  Kaiser  in  den 
Gewändern  der  al-akslmön  —  es  sind  dies  seidene,  mit  Edel- 
steinen durchwirkte  Gewänder  —  eine  Krone  auf  dem  Haupte 
und  zwei  Halbstiefel  (an  den  Füssen),  von  denen  der  eine  schwarz, 
der  andere  rot  ist.    Hinter  ihm  kommt  der  Minister.    Der  Kaiser 

35  hält  in  der  Hand  eine  goldene  Büchse  mit  Staub,  wobei  er  zu 
Fusse  geht.  So  oft  er  zwei  Schritte  gegangen  ist,  ruft  der  Minister 
in  ihrer  Sprache:  ^i^vriGOs  ^avarov'^)  d.h.  „gedenket  des  Todes". 
Sobald  er  ihm  nun  das  gesagt  (125)  hat,  bleibt  der  Kaiser  stehen, 
öfihet  die  Büchse,  blickt  auf  den  Staub,  küsst  ihn  und  weint.    In 

40  dieser  Weise  zieht  er  "weiter,  bis  er  zum  Thor  der  Kirche  kommt. 
Da  bietet  der  Mann  das  Becken  und  die  Kanne  an  und  der  Kaiser 


^)   In   dem   verdorbenen  \J^^   c>Jy>j   q-*    der  Es.  steckt    die 
Formel  iti^vriaQ-s   (rov)   &avccrov,   wie   der   Herausgeber   erkannt    hat. 

Lies  IjJaLo  LjixJL/«     -a  fis^v'qaQ's  ^avärov. 


220  J-  Marquart, 

wäscht  sich  die  Hand    und  sagt    zu    seinem  Minister:    „Wahrlich, 
ich  bin    unschuldig    an    dem  Blute    sämtlicher  Menschen  i);    möge 
mich  Gott  nicht  fragen    nach    ihrem  Blute,    da  ich  es  auf  deinen 
Nacken  gelegt  habe"-).     Uiid  er  bekleidet  mit  seinen  Gewändern, 
die  er  an  hat,    seinen  Minister,   nimmt  das  Tintenfass  des  Pilatus  5 
—   das  ist  das  Tintenfass  des  Mannes,  welcher  sich  für  unschuldig " 
erklärte  am  Blute  Christi  —  legt  es  auf  den  Nacken  des  Ministers 
und  sagt  zu  ihm:    „Richte  nach  Gerechtigkeit,    wie  Pilatus   nach 
Gerechtigkeit  richtete",    und    er    führt  ihn  herum  auf  den  öfient- 
lichen  Plätzen  um  Konstantinopel,  und  sie  rufen  ihm  zu:    „richte  i» 
nach  Gerechtigkeit,    wie    der  Kaiser    dich   mit  der  Regierung  des 
Volkes  investiert  hat". 

Dann  befiehlt  der  Kaiser  die  muslimischen  Gefangenen  in  die 
Kirche  hereinzuführen;  sowie  sie  nun  jenen  Glanz  und  den  Kaiser 
erblicken,    rufen    sie    dreimal:     Gott    verlängere    das    Leben    des  i& 
Kaisers    viele  Jahre;    dann    lässt    mau    sie   mit  Ehrenkleidern    be- 
kleiden. 

Hinter  ihm  werden  drei  flinke,  mit  goldenen,  mit  Perlen  und 
Rubinen  ausgelegten  Sätteln  und  brokatenen,  gleichfalls  mit  der- 
gleichen ausgelegten  Pferdedecken  bedeckte  Handpferde  getrieben,  2a 
die  er  nicht  besteigt;  dann  bringt  man  sie  in  die  Kirche,  wo  für  sie 
ein  Zügel  aufgehängt  ist.  Sie  sagen:  wenn  das  Pferd  den  Zügel 
in  sein  Maul  nimmt,  erlangen  wir  den  Sieg  über  die  Länder  des 
Islams.  Das  Pferd  kommt  nun  und  riecht  den  Zügel  und  weicht 
zurück,  ohne  bis  zu  dem  Zügel  vorgegangen  zu  sein.  Man  sagt,  25' 
dass  diese  Pferde  von  einem  Pferde  abstammen ,  welches  dem 
Awastät  (Julianus  Apostata)  gehört  hatte.  Dann  kehrt  der  Kaiser 
aus  der  Kirche  in  sein  Schloss  zurück. 

*Zehn  Schritt  westlich  von  der  Kirche  ist  eine  100  Ellen 
hohe  Säule;  sie  ist  zusammengesetzt,  Säule  auf  Säule,  indem  die  30 
Säule  mit  silbernen  Ketten  verkettet  ist.  Auf  der  Spitze  der 
Säule  ist  ein  4X4  Ellen  grosser  viereckiger  Marmortisch,  auf 
diesem  ein  aus  Marmor  gearbeitetes  Grab,  in  welchem  Ostüjänus 
(Justinianus)  ruht,  der  Erbauer  dieser  Kirche,  und  auf  dem  Grabe 
ist  das  eherne  Standbild  eines  Pferdes,  und  auf  dem  Pferde  das  3& 
Bild  des  Justinianus,  eine  goldene,  mit  Perlen  und  Rubinen  aus- 
gelegte Krone  auf  dem  Haupte  —  man  erzählt,  dass  es  die  Krone 
dieses  Kaisers  sei  —  während  seine  rechte  Hand  sich  erhebt,  als 
wollte  er  die  Leute  nach  Konstantinopel  nifen-^j. 


1)  Vgl.  Matth.  27,  24. 

2)  Vgl.  Lev.  16. 

■■')  QazwInT  II  f.v,  6:  „In  der  Nähe  der  Kirche  ist  eine  300  Ellen 
hohe  und  zehn  Ellen  dicke  Säule.  Auf  der  Säule  ist  das  Grab  des 
Kaisers  Konstantin,  der  die  Kirche  erbaute,  und  über  dem  Grabe  das 
eherne  Standbild  eines  Pferdes,  und  auf  dem  Pferde  eine  den  Kon- 
stantin darstellende  Figur,  mit  einer  mit  Edelsteinen  ausgelegten  Krone 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  221 

*Am  westlichen  Thore  der  Kirche  ist  ein  Vorsaal,  (126)  in 
welchem  24  kleine  Thüren  sind,  jede  eine  Spanne  im  Geviert, 
gearbeitet  für  die  Stunden  der  Nacht  und  des  Tages.  So  oft 
nun  eine  Stunde    zu  Ende    ist,    öffnet    sich    eine    der  Thüren  von 


auf  dem  Haupte,  die,  wie  man  erzählt,  die  Krone  dieses  Kaisers  war. 
Die  Füsse  des  Pferdes  sind  mit  Blei  am  Stein  befestigt,  mit  Ausnahme 
des  rechten  Vorderfusses ,  der  frei  in  der  Luft  schreitet.  Die  rechte 
Hand  der  Figur  ragt  in  die  Luft,  als  wollte  sie  die  Leute  nach  Kon- 
stantinopel rufen,  während  die  linke  Hand  eine  Kugel  hält.  Diese 
Säule  ist  im  Meere  aus  einer  Entfernung  von  mehreren  Tagereisen 
dem  Seefahrer  sichtbar.  Die  Aussagen  der  Leute  darüber  widersprechen 
sich  aber ;  die  einen  sagen ,  in  der  Hand  der  Figur  sei  ein  Talisman, 
der  den  Feind  von  der  Stadt  abwehre,  während  die  andern  behaupten, 
auf  der  Kugel,  die  sie  in  der  Hand  halte,  sei  geschrieben :  Ich  habe  die 
Welt  in  Besitz  genommen,  bis  sie  so  in  meiner  Hand  war  —  d.  h.  wie 
diese  Kugel  —  und  ich  ging  aus  ihr  weg  mit  ausgestreckter  Hand  so. 
Doch  Grott  weiss  es  am  besten". 

QazwTnT  hat  hier  den  Bericht  des  Härün  b.  Jalijä  mit  den 
Nachrichten  des  'All  b.  Abu  Bakr  al  Harawi  (f  600  oder  611  H.)  bei 
Jäqüt  vermengt.  Vgl.  Jäq.  IV  11,  16ff. :  „Es  erzählt  al  Harawi:  Zu 
den  wunderbaren  Leuchttürmen  gehört  der  Leuchtturm  von  Konstanti- 
nopel ,  weil  es  ein  mit  Blei ,  Eisen  und  bucrum  befestigter  Turm  ist. 
Er  steht  auf  dem  Hippodrom.  Wenn  die  Winde  gegen  ihn  wehen, 
bewirken  sie,  dass  er  nach  Ost,  West,  Süd  und  Nord  von  seiner  ur- 
sprünglichen Basis  weicht,  und  die  Leute  bringen  Topfscherben  und 
Nüsse  in  die  Bresche  des  Gebäudes  und  mahlen  sie  [=  Qazwlni  II 
f.v,  16—18]. 

An  diesem  Orte  ist  ein  kupferner  Leuchtturm ,  und  ein  Stück  ist 
umgestürzt,  ohne  dass  man  jedoch  in  denselben  eintreten  kann. 

Und  ein  Leuchtturm  ist  in  der  Nähe  des  Hospitals,  der  vollständig 
mit  Kupfer  verkleidet  ist.  Auf  ihm  ist  das  Grab  des  Konstantin,  und 
auf  seinem  Grabe  das  eherne  Bild  eines  Pferdes,  und  auf  dem  Pferde 
sein  Reiterstandbild.  Die  Füsse  des  Pferdes  sind  mit  Blei  am  Steine 
befestigt,  mit  Ausnahme  des  rechten  Vorderfusses,  der  frei  in  die  Luft 
schreitet,  als  hätte  es  ihn  erhoben,  um  zu  winken,  während  Konstantin 
auf  seinem  Rücken  sitzt,  die  rechte  Hand  mit  geöffneter  Handfläche 
hoch  in  der  Luft,  wobei  er  nach  den  Ländern  des  Islams  zeigt,  wo- 
gegen er  in  der  linken  Hand  eine  Kugel  hält.  Dieser  Leuchtturm  ist 
aus  einer  Entfernung  von  mehreren  Tagereisen  dem  Seefahrer  sichtbar. 
Die  Aussagen  der  Leute  über  ihn  widersprechen  sich  aber;  die  einen 
sagen,  in  seiner  Hand  sei  ein  Talisman,  der  den  Feind  abwehre  auf 
die  Stadt  loszugehen,  während  andere  vielmehr  sagen,  auf  der  Kugel 
stehe  geschrieben:  Ich  habe  die  Welt  in  Besitz  genommen,  bis  sie  in 
meiner  Hand  blieb  gleich  dieser  Kuget.  Dann  gieng  ich  so  aus  ihr 
weg,  ohne  etwas  zu  besitzen". 

Prof.  de  Goeje    hält   es  für  möglich,   dass  in   dem   sonst   nicht 

>     Cj     3 

vorkommenden    j»-«!*]!    eine    dialektische    Aussprache    des    persischen 

*^M,\  v_jyw5 j  L-Jy.«  ^Blsi"  stecke.  Dann  wäre  oben  zu  übersetzen: 
„mit  Zinn,  Eisen  und  Blei". 


222  J-  Marquart, 

selbst,    und  wenn  sie  sich  schliesst,    schliesst   sie    sich   (ebenfalls) 
von  selbst.     Man  erzählt,  dass  Apollonios  dies  gemacht  habe^). 

Er  erzählt,  dass  ihre  Pferde  abgerichtet  seien,  indem  sie 
nicht  von  ihrer  Stelle  fliehen  und  man  keine  Leute  braucht,  um 
sie  festzuhalten,  wenn  die  Offiziere  absteigen,  und  sie  nicht  wiehern  5 
und  keinen  Lärm  erregen ;  man  braucht  bloss  zu  ihnen  zu  sagen : 
stal  so  bleiben  sie  stehen,  bis  ihr  Eeiter  vom  Kaiser  heraus- 
kommt. Er  fährt  fort:  Da  frug  ich  einige  Leute  nach  der  Ur- 
sache davon;  da  führten  sie  mich  zu  drei  ehernen,  Pferde  dar- 
stellenden Bildsäulen,  die  am  Thore  des  Kaisers  aufgestellt  sind  lO 
und  die  der  Weise  Apollonios  als  Talisman  gegen  die  Pferde  ge- 
macht hatte,  damit  sie  nicht  wiehern  und  gegen  einander  Tumult 
anstiften  sollten^). 

Am  Thore  des  Kaisers  sind  ebenfalls  vier  aus  Erz  gefertigte 
Schlangen,   die  sich  in   den  Schwanz  beissen,    als  Talisman  gegen  15 
die  Schlangen,    damit  sie  nicht  schaden  sollen,  indem  der  Knabe 
auf  eine  Schlange  losgeht  und  sie  ergreift  und  sie  ihm  nicht  schadet. 

In  dem  in  der  Nähe  der  goldenen  Pforte  gelegenen  Teile  der 
Stadt  befindet  sich  das  Gewölbe  einer  Brücke,  das  sich  mitten 
auf  dem  Forum  der  Stadt  wölbt,  an  welcher  sich  zwei  Statuen  20 
befinden,  von  denen  eine  mit  den  Fingern  zeigt,  als  ob  sie  sagen 
wollte  :  komm  her !  und  die  andere  mit  der  Hand  zeigt ,  als  ob 
sie  sagen  wollte :  halt  nur  eine  Weile  aus !  Es  sind  zwei  Talismane. 
Die  Gefangenen  werden  gebracht  und  zwischen  diese  beiden  Statuen 
gestellt,  indem  man  für  sie  Tröstung  erwartet,  während  ein  Bote  25 
.weggeht,  um  dem  Kaiser  dies  zu  melden.  Wenn  sie  nun  bei  der 
Eückkehr  des  Boten  noch  dastehen,  führt  man  sie  ins  Gefängnis 
weg;  trifft  sie  der  Bote  aber  an,  nachdem  sie  die  beiden  Statuen 
passiert  haben,  so  werden  sie  getötet,  und  kein  einziger  von  ihnen 
wird  am  Leben  gelassen.  ^^ 

Konstantinopel  hat  eine  Wasserleitung,  indem  das  Wasser  bis 
dahin  aus  einem  Lande  geleitet  wird,  das  Bulyar  heisst.  Dieser 
Kanal  läuft  bis  dahin  aus  einer  Entfernung  von  20  Tagen  und 
wird,  sobald  er  die  Stadt  betritt,  in  drei  Teile  verteilt :  ein  Drittel 
fliesst  zur  kaiserlichen  Residenz,  ein  zweites  Drittel  zu  den  Ge-  35 
fängnissen  der  Muslime,  und  ein  Drittel  zu  den  Warmbädern  der 


ij  Qazwini  II  f.v,  19—23:  Jn  derselben  ist  eine  Stundenuhr,  an 
welcher  zwölf  Thüren ,  jede  mit  einem  eine  Spanne  hohen  Thürflügel, 
angebracht  sind  nach  der  Anzahl  der  Stunden.  So  oft  eine  der  Nachts- 
oder Tagesstunden  vorüber  ist,  öffnet  sich  eine  Thüre  und  es  kommt 
daraus  eine  Figur  hervor,  die  fortwährend  stehen  bleibt,  bis  die  Stunde 
zu  Ende  ist.  Sobald  die  Stunde  abgelaufen  ist,  tritt  jene  Figur  in  den 
Zugang  der  Thüre  ein  und  es  öffnet  sich  ein  anderes  Thor  und  es  tritt 
aus  demselben  eine  andere  Figur  hervor  nach  diesem  Beispiel.  Die 
Romäer  sagen,  dass  es  ein  Werk  des  Weisen  Apollonios  sei\ 

2)  Qazwini  1.  1.  Z.  23—25. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  223 

ncaqi'MOt  und  der  übrigen  Einwohner  der  Stadt.     Sie  trinken  nun 
das  Wasser,  welches  zwischen  süss  und  salzig  die  Mitte  hält. 

Die  Leute  von  Bulyar  bekriegen  die  Romäer  und  die  Romäer 
bekriegen  sie.  —  Es  erzählt  HärQn,  dass  rings  um  Konstantinopel 
5  Mönchklöster  seien.  Am  Thore  (127)  von  Konstantinopel  ist  ein 
Kloster  namens  !  J^L«  -  Kloster ,  in  welchem  500  Mönche  wohnen. 
Jener  Fluss,  welcher  in  die  Stadt  eintritt  und  in  drei  Teile  geteilt 
wird,  läuft  mitten  durch  dasselbe.  Einen  Farsang  nördlich  von 
der  Stadt  befindet  sich  ein  Kloster  namens  g*^/*'  ^^  welchem 
10  1000  Mönche  sind.  Vier  Farsang  östlich  von  Konstantinopel  ist 
ein  Ort,  an  welchem  vier  Klöster  sind,  in  denen  12  000  Mönche 

leben:  das  eine  ^J*/.iyJ,  das  zweite     oLm^j,  das  dritte  ^^Uy,  das 
vierte  Marienkloster. 

Westlich  von  der  Stadt  sind  zwei  Klöster  mit  6000  Mönchen." 

Um  eine  einigermassen  befriedigende  Erläuterung  dieser  Be- 
schreibung von  Konstantinopel  zu  liefern  und  besonders  die  wich- 
tige Quellenfrage  mit  Sicherheit  zur  Entscheidung  zu  bringen, 
wäre  mehr  Zeit  und  eine  ganz  andere  Belesenheit  in  byzantinischer 
Litteratur  erforderlich,  als  sie  mir  zu  Gebote  steht.  Da  mir  über- 
dies die  wichtigsten  neueren  Werke  über  die  Topographie  von 
Konstantinopel,  vor  allem  Unger's  und  Richter's  Quellen  der 
byzantinischen  Kunstgeschichte  hier  nicht  zugänglich  sind,  so  muss 
ich  mich  auf  einige  Bemerkungen  beschränken  und  die  eingehende 
Analyse  des  Berichts  dem  künftigen  Erklärer  des  Ceremonien- 
buches  des  Konstantin  Porphyrogennetos  und  den  Bearbeitern  der 
Topographie  von  Konstantinopel  überlassen. 

Härün's  Beschreibung  von  Konstantinopel  beschränkt  sich  im 
wesentlichen  auf  die  kaiserliche  Stadt,  über  die  der  Ge- 
fangene nicht  hinauskam.  Die  Klöster,  die  er  aufzählt,  kennt  er 
wohl  nur  aus  mündlicher  Erzählung,  gesehen  hat  er  sie  nicht. 

215,  1 — 2.  Hier  liegt  sicher  ein  Missverständnis  seitens  des 
Verfassers  vor.  Wenn  der  romäische  Farsang  l'/2  Meilen  betrug, 
so  sind  12  Farsang  =  18  Meilen.  So  gross  war  in  der  That 
der  Umfang  Konstantinopels  nach  Phrantzes  III  8 ,  allein  Laonikos 
Chalkokond.  p.  388  gibt  denselben  auf  nur  111  Stadien  (ca.  20^/2 
km)  an,  und  nach  Gyllius^)  erreicht  er  nicht  13  Meilen.  Ober- 
hummer-) schätzt  ihn  auf  18—^19  km.  Allein  ich  glaube  nicht, 
dass  die  Angabe  des  Härün  etwa  in  der  Weise  zustande  gekommmen 
ist,  dass  er  zwei  Nachrichten,  die  eine  auf  12,  die  andere  auf 
18  (römische)  Meilen  lautend,    vor   sich   hatte,    vielmehr  wird  in 


^)  P.  Gyllius,  De  Constantinopoleos  topographia  IIb.  1  c.  4  p.  35 
ed.  Elzevir.     Lugd.  Bat.  1632. 

2)  E.  Oberhummer,  Constantinopolis  S.  4a,  35.  SA.  aus  Pauly- 
Wissowas  RE.  Bd.  IV. 


224  J-  Marquart, 

der  Urquelle  von  12  arabischen  Meilen  äie  Rede  gewesen 
sein.  Wollte  man  Härün  beim  Worte  nehmen ,  so  müsste  man 
eine  grössere  römische  Meile  annehmen,  die  sich  zur  gewöhnlichen 
verhalten  hätte  wie  1  :  l^/g.  Von  einer  solchen  ist  mir  indessen 
nichts  bekannt,  dagegen  entspricht  die  arabische  Meile  =  1^/3 
römischen  Meilen  wenn  auch  nicht  genau,  so  doch  beinahe  dem 
romäischen  Farsang  Haruns.  Dies  setzt  aber  voraus ,  dass  seine 
Angabe  über  den  Umfang  von  Konstantinopel  bereits  eine  längere 
litterarische  Geschichte  hatte,  wie  wir  dies  bei  seiner  Angabe  über 
den  Umfang  von  Rom  noch  direkt  beweisen  können.  Damit  ist 
also  der  Nachweis  erbracht,  dass  HärSu  auch  bei  der  Beschreibung 
von  Konstantinopel  schriftliche  Quellen  benutzt  hat. 

215,  7 — 9.  Über  die  Statuen  am  Goldenen  Thore  sagt  Kodinos 
tieqI  ayaX^cctcov ,  ßrrjXmv  kccI  ^scc^iarcov  Ti]g  KTtöXecog  p.  47,  14 — 
48,  6  ed.  Bonn. :  A[  6s  6rriXai  tc5v  ilscpdvrcov  ri^g  ^(^Dffijg  jro^njg 
Tjnaötv  in  rov  7mov  rov  "ÄQsag  ano  A&r^vdbv,  naQa  &so6o6iOV  rov 
fitKQOV ,    rov    v.xiGxoQog   roö)  ^EQßaiov    xsi^ovg  ^iiQ!-    t&v  BkaiSQV&v 

a[  dh  lomcd  arrilai  cd  lörafiEvcci  eig  Trjv  iqvösluv  i]KuGl  nccQa 

BiyXiOV  a.Griv.QTijxov  Kai  a6xQov6(.iov,  fiexa  xrjg  yvvaiKtiag  xijg  naxs- 
^ovGrjg  xbv  ßxkcpuvov  eig  xvrcov  xrjg  noXscog.  ävco&sv  ös  vial  yMXCO- 
&ev  slöl  Kccl  XoiTta  ^lkqcc  '^occvcc,  axtva  örj^aiovGi.  rotg  itsnEiQa^ivoig 
a%Qißij  TtoXXrjv  yvS)6iv.  Vgl.  S.  Strzygowski,  Arch.  Jahrb.  1893, 
1 — 39,  angeführt  bei  Eugen  Oberhummer,  Constantinopolis 
9  a,  30—39. 

215,  10 — 11.  Hier  ist  zunächst  das  „  Quellenthor "  (Porta 
Puteae ,  porta  al  pozo ,  gr.  wahrscheinlich  nöqxa  sig  Ilijyccg)  am 
Goldenen  Hörn  gemeint,  das  heutige  Gub  'Ali  Kapusy,  welches 
sich  nach  dem  gerade  gegenüber  auf  dem  nördlichen  Ufer  des 
Goldenen  Hornes  gelegenen  Vorort  Üpigae  {\  Tlriyäg)^  dem  heu- 
tigen Vorort  Qäsini  Pasa  öffnete^).  Bei  Dionysios  von  Byzanz 
erscheint  dieser  Ort  unter  dem  Namen  KQrjvideg.  In  byzantinischer 
Zeit  war  in  der  Nähe  von  Urjyai  die  Richtstätte.  „A  l'epoque 
byzantine,  la  colline  qui  surmonte  le  vallon  servait  aux  executions 
capitales ;  c'est  lä  que  pendant  la  revolte  de  Nica ,  le  pröfet  fit 
executer  trois  factieux :  deux  des  supplicies  tombferent  des  potences, 
et  les  moines  du  couvent  voisin  de  Saint-Conon  les  sauvferent"  -). 
Mit  der  von  Härün  genannten  Insel  muss  also  die  Halbinsel  ge- 
meint sein ,  auf  welcher  Galata  liegt.  Übrigens  beweist  die  bei- 
läufige Art  und  Weise,  mit  welcher  diese  Insel  erwähnt  und  als 
bekannt  vorausgesetzt  wird,  dass  der  Text  der  Beschreibung  hier 
verkürzt  sein  muss.  Ob  der  Vorort  TlriyaL  in  der  That  ein  be- 
kannter kaiserlicher  Ausflugsort  war,  ist  mir  nicht  bekannt;  viel- 
leicht ist  aber  mit  der  Möglichkeit  einer  Verwechslung  des  Quellen- 


1)  Mordtmann,  Esquisse  topographique  de  Constantinople.  Lille 
1892.   §  71.     Oberhummer  a.  a.  0.  S.  10a,  10-14. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  225 

thores  mit  dem  Thore  von  Selymbria,  an  der  Landseite  der  theo- 
dosianischen  Mauer,  auch  Jti3^tj  tijg  nrjyrjg  genannt,  zu  rechnen, 
welches  zu  der  1/2  km  westlich  davon  gelegenen  ^(ood6%og  mi]yri 
und  dem  Palaste  Uriyriq  führte  ^). 

215,  11/12.  Unter  dieser  Kirche  ist  wohl  die  Hagia  Sophia 
zu  verstehen. 

215,  19  ff.  Der  Hippodrom  ist  so  weit  vom  Goldenen  Thore 
entfernt,  dass  die  Worte  >_;.5'ÄJ1  ob  ^^L  U/i  keinen  andern 
Zweck  haben  können,  als  den  der  Orientierung.  Man  würde  also 
w>^L\Ji   oLj  ^   „nach    dem  goldenen  Thore   zu"    erwarten.     In 

dem  ganzen  weitläufigen  Abschnitte  des  Ceremonienbuches  Kon- 
stantins,  der  den  Feierlichkeiten  im  Hippodrom  gewidmet  ist 
(I  68  p.  303 — I  73  p.  367),  findet  sich  keine  Beschreibung  des 
eigentlichen  Wettrennens.  Vgl.  aber  wenigstens  p.  336  mQi  öi- 
ßsQöLOv,  sowie  c.  70,  4  p.  344,  19  ff.:  Kai  eW  ovvcog  xtXiixav  xo 
TtQ&xov  ßat'ov,  Kai  ka^ßdvovöiv  01  viKTjxal  tjvioxol  xcc  e'na&Xa 
avxäv  ÖLTtluaiag,  %ccl  l^  alxrjoecog  xov  fxsQOvg  dlöoxai  xcc  drjfioGta, 
KCil  Xaßovxsg  avxcc  loößa'hai,  avayovGiv  ccvxcc  (liaov  xov  [mtiKov 
SV  rä  ccQfiaxovQLCO  xäv  vtKTjxmv  rjvioxcov.  %cci  xele&ivxav  xS)v  ß 
ßatcov,  TtQÜxxovötv  Ol  xov  loyiov  xcc  naxa  avvtj&stav  anavxa,  aXXd- 
lavzeg  81  ot  rjvCoxoi  xrig  vinrjg  xd  dtjftoata,  Kaxiqypvxai  in  6%'^(iaaLV 
BK  xäv  9vQa)v,  -Aal  'H.axeX&övxig  01  xov  viKr^auvxog  ^iqovg  dr\^6xcct, 
aiQOVöt  ddcpvag  i%  xov  Xoyiov ,  %a.i  8iypvxac  rot;?  '^vi.6%ovg  ini- 
dicpQiOvg  e'finQOG&Ev  xov  avxov  difjuoi;,  %ccl  öd'^ccvxeg  (ie%QI'  tov  dvxi- 
Kafiitxov,  dvEQ%ovxai  iv  xcö  Gxdficcxf  dvsqyp^ivoiv  6s  avx&v,  öiöoxai 
vsvfia  xotg  aQ%ov6i  xäv  xayfidxcov ,  %al  naxsX&ovxsg  l'öxavxcct  sv 
xoig  Ka^nxriQGi  %cd  sv  xotg  TtQOSiQrifisvoig  Xotnoig  xoTtotg  xov  svQt- 
Ttov ,  s'vQ'cc  at  Gxoißul  xäv  Xa^dvcov  %cci  xav  nXccKOVvxcov  slöiv. 
iXd'övxsg  6s  Ol  tjvcoxoi  fisxd  xäv  6'rj^oxS)v  xov  (iSQOvg  iv  xü  6xd- 
^ccxt,  i'öxavxccc  instös  sni6l(pQioi,,  Kai  dnxoXoyovöt  ^sx^  svcprjixiag  ot 
xov  iisQOvg  Tc5  ßaatXsi,  v.a.1  (isxd  tr/v  avixTtXrJQaöiv  xijg  svcprjfitag 
dnoöxsXXsi  avxoig  xoig  vinrixaig  rivtoxoig  6  ßa6dsvg  öxscpdvovg  6id 
xov  diixovaQLOv  %al  xov  6svxsqov,  xal  aaxsXd'ovxsg  6xs(pov6i,  xovg 
Tjvioxovg,  %al  dvsQXOvxai  ndXiv  sv  reo  Ka&t6(iaxi.  %xX. 

215,  33  ff.  Das  Seethor  ist  ohne  Zweifel  die  Eisenpforte  {6i6rjQ& 
noQxcc)  am  Marmarameer,  jetzt  Catlady  Kapu  in  der  Nähe  des 
Palastes  Justinians  und  der  Kirche  der  Heiligen  Sergios  und 
Bakchos^).  Ein  Hippodromthor  finde  ich  bei  Mordtmann 
nicht  verzeichnet.  Durch  dasselbe  kehrte  der  Kaiser  am  Weih- 
nachtsfeste aus  dem  Triklinium  der  neunzehn  Akkubita  in  den 
Palast  zurück  218,  13.    Für  das  LjClil    der  Hs.  liest   de  Goeje 


1)  Oberhummer  S.  9a,  45—50.   Vgl.  Mordtmann  1.1.  §  21. 

2)  Mordtmann  §  95.     Oberhummer  S.  10a,  60—62. 
Marquart,  Streifzüge.  ■'" 


226  J-  Marquart, 

LäXäI!  =  f^  fJiccyyava  das  Zeughaus^).  Über  die  Lage  desselben 
vgl.  Mordtmann  S.  78 — 90  und  den  dortigen  Plan;  über  seine 
Gründung  Kodin.  itSQt  Ktrjfidrcov  p.  74,  15 — 18  ed.  Bonn.  Allein 
das  Charakteristische  des  Thores  al  Mankabä  ist,  dass  sich  da- 
selbst Gefängnisse  und  insbesondere  auch  das  der  muslimischen 
Kriegsgefangenen  befanden,  während  die  eigentliche  Bestimmung 
des  Gebäudes,  wenn  man  darunter  das  Zeughaus  Mangana  zu  ver- 
stehen hätte,  bei  Härün  mit  keiner  Silbe  angedeutet  wäre.  Nun 
wissen  wir  aber,  dass  das  Hauptgefängnis,  wo  auch  die  sarazenischen 
Gefangenen  verwahrt  wurden,  das  Praetorium  war,  das  wir  nach 
dem  Ceremonienbuch  östlich  vom  Forum  Constantini  zu  suchen 
haben.  Vgl.  Reiske's  Noten  zum  Ceremonienbuch  p.  698.  727 
ed.  Bonn,  und  die  daselbst  angeführten  Stellen.  Oberhummer 
S.  17  b,  45 — 49.  Mordtmann  §  110  und  Konstantin.  Porphyro- 
genn.  de  caerim.  II  15  p.  592,  9.  20  p.  615,  11.  52  p.  767,  16. 
Daneben  wurden  sie  auch  in  der  Chalke  und  in  den  Numera 
untergebracht  (Theophan.  Contin.  p.  175,  19—20.  430,  15—16 
ed.  Bonn.  Reiske  p.  36),  die  mit  dem  Zeuxippos  den  Anfang 
des  grossen  Kaiserpalastes  nach  dem  Augusteion  zu  bildeten-). 
Von  einer  Verwendung  der  Mangana  als  Gefängnis  ist  dagegen 
nicht  die  Rede.  Da  nun  die  Chazaren,  welche  am  Mankabä-Thore 
die  Wache  hatten,  zu  der  aus  fremden  Söldnern  bestehenden 
kaiserlichen  Garde  {haiqda)  gehörten,  welcher  die  Bewachung  des 
Palastes  anvertraut  war,  so  scheint  es  mir  am  wahrscheinlichsten, 
dass  wir  jene  Gefängnisse  in   den  Numera  zu  suchen  haben. 

Es  muss  daher  in  LjCaII  etwas  anderes  stecken,  und  zwar 
glaube  ich,  dass  wir  darin  den  Namen  der  kaiserlichen  Hartschiere, 
t6  ^aylaßiov ,  (laynlaßtov ,  ol  [xccylaßhai.  erkennen  dürfen.  Vgl. 
Reiske  l.  1.  p.  53 — 55.  Bei  der  grossen  Prozession  nach  der 
Sophienkirche  erwartete  das  Manglabion  und  die  srcuQsicc  (die  aus 
fremden  Söldnern  bestehende  Garde)  mit  dem  Logotheten ,  dem 
xavtKXeiog,  dem  TtQioTOccörjKQijtig  und  dem  Protonotarios  die  Maje- 
stäten im  Sigma  oder  Trikonchon  ^).  Wir  hätten  also  mit  leichter 
Änderung  LaJüClI!  zu  lesen. 

Es  fällt  auf,  dass  das  Gefängnis  der  Muslime  von  dem  der 
Leute  von  Tarsus  unterschieden  wird.  Das  Gefängnis  des  Befehls- 
habers der  Leibwachen  ist  wohl  mehr  als  Arrestlokal  für  vor- 
läufige Verhaftungen  denn  als  eigentliches  Gefängnis  zu  betrachten. 


^)  S.  Reiske  zu  Konstantin.  Porphyrog.  de  caerim.  II  52  p.  714,  7 
<ed.  Bonn.  vol.  II  837/38). 

2)  Mordtmann  §  115. 

3)  Konstantin.  Porphyrog.  de  caerim.  I  1  p.  7,  18—21.  Über  das 
Sigma  oder  Trikonchon  Reiske  1.  1.  p.  53.  711.  Oberhummer 
S.  15  a,  7—8. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  227 

Die  Chazaren  bildeten  mit  den  Türken  die  kleine  (fiMQa)  Hetärie  ^). 
Unter  i^l  j'l  haben  wir  hier  sicher  eigentliche  Türken  aus  Trans- 
oxiana,  nicht  etwa  nach  byzantinischem  Sprachgebrauche  Magyaren 
zu  verstehen.  Ich  glaube ,  dass  sie  identisch  sind  mit  den  bei 
Konstantin.  Porphyrogenn.  de  caerim.  11  p.  576,  8.  44  p.  661,  1. 
49  p.  693,  3.  52  p.  749,  13  neben  den  Chazaren  genannten  ^or^- 
yccvot,  den  Leuten  aus  Far;'äna  (KÄÜ-äJi),  die  auch  am  Hofe  von 
Ba/däd  vor  dem  Aufkommen  der  aus  Türkensklaven  bestehenden 
Leibwache  eine  sehr  bedeutende  Rolle  spielten-).  Die  Bewaffnung 
der  Farganen  und  Chazaren  bestand  nach  Konstantin  aus  Schwert 
und  Schild  (nccvrcov  cpoQOVvrmv  Gnad'iu  nal  ßaüra^ovrcov  aKOvrccQia). 
Dagegen  sind  bei  Konstantin  unter  den  Tovqxoi,  die  einmal  neben 
den  OciQyccvot  und  Chazaren  als  Söldner  vorkommen,  sicher 
Magyaren  gemeint-^).  Neger  finden  sich  bei  Konstantin  nicht  er- 
wähnt; dagegen  erscheinen  bei  ihm  an  deren  Stelle  makedonische 
Slawen,  die  in  der  grossen  Hetärie  standen  und  gleich  den  Negern 
des  Härön  goldene  Schilde  führten:  Kai  fiEza  rovg  (laylaßkag 
evd'vg  eörrjGav  ot  vtjg  ^sydXrjg  ircaQsiag  MaKsdovsg  anh  i6o3(poQLO)v, 
q)0Q0vvx£g  Gna&La  ^(oGrMta  nal  ccQyvQU  (isra  nal  X(oql(ov  diaiQvGcav 
v-al  aQyvQav,  ßaßrd^ovteg  nai  6%ovrdQi,a  %Qv6ä  %al  xcckKOXQVOcc  kccI 
acdrjQä  Kai  iiovoTtekvKcc  %al  T^iKOVQta*). 

216,  1.     Die  cjüjyüi.«    entsprechen  wohl    den    TtiXarcc  ksvtov- 

ükEivcc  de  caerim.  p.  487,  5,  d.  i.  nach  Reiske  1.  1.  571  Matrazen. 

216 ,  15 — 18.  Für  das  Verständnis  des  Folgenden  wäre  es 
von  grundlegender  Wichtigkeit  zu  wissen ,  ob  dieser  Passus  an 
seiner  richtigen  Stelle  steht  oder  nicht  etwa  hinter  Z.  11  gehört. 
Dies  wird  freilich  erst  möglich  sein,  wenn  es  gelingen  wird,  die 
kaiserliche  Kirche  S.  216, 18/19  auf  Grund  der  Beschreibung  Härün's 
mit  Sicherheit  zu  identifizieren.  Da  uns  aber  Harun  selbst  sagt, 
dass  sich  das  Gefängnis  der  Muslime  am  Mankabä  -  Thor  befand 
und  er  doch  wohl  von  da  aus  (gelegentlich  der  ccKKOvßkoi)  und 
nicht  etwa  von  der  Eisenpforte  her  den  Palast  betreten  haben 
wird,  so  wird  man  von  vornherein  mehr  zu  der  zweiten  Möglich- 

^)  Theophan.  contin.  p.  358,  5.  Georg.  Monach.  p.  853,  18  ed.  Bonn, 
de  caerim.  II  15  p.  576,  8:  (isro;  xat  räv  ^ocgyävav  xal  Xa^czQcov^  vgl. 
44  p.  661, 1.  52  p.  749,  13.  772,  17.  Vgl.  E.  Kunik,  Über  die  Hetärie 
der  Farganen  und  Chasaren  im  Anhange  zu  Krugs  Forschungen  II 
(1848)  770—782.     Ders.,  bei  Dorn,  Caspia  36. 

2)  Vgl.  Keiske  1.  1.  p.  55—57.  674—675.  Über  die  &.>U:|^i!  und 
Chazaren  in  Baydäd  s.  Ja'qübi,  Geogr.  I^oa,  22.  Hf,  12.  15.  19.  ht*',  1. 
Vgl.  Tab.  III  irio,  1  (a.  222)  u.  ö. 

3)  de  caerim.  II  44  p.  661,  4  vgl.  II  52  p.  772,  17 :  ol  i&vcKol  zfjg 
sraLQsiag,  olov  Tovqkol,  Xa^d^Big  xat  loiitoL. 

4)  de  caerim.  II  16  p.  576,  2—6;  vgl.  II  44  p.  660,  19. 

15* 


228  J-  Marquart, 

keit   neigen.     Der  Vorhang    am  Eesidenzthor   wird    auch  217,  21 
erwähnt. 

216,  18/19.  Hätte  der  Berichterstatter  vom  Seetor  her  den 
Palast  betreten,  wie  man  nach  dem  überlieferten  Texte  anzunehmen 
hätte ,  so  könnte  diese  Kirche  nur  die  unter  Justinian  I.  erbaute 
Kirche  der  Heiligen  Sergios  und  Bakchos  sein,  die  jetzige  Moschee 
Küöük  Aja  Sofia  ^).  Eine  Beschreibung  derselben  habe  ich  leider 
nicht  gefunden. 

217, 11.  Nach  Qazwini's  Auszug  (H  f.v,  2)  fand  diese  Ceremonie 
am  Palmsonntag  ((^LstAv^il  *»j)  statt.  Die  Palmsonntagsprozession 
wird  bei  Konstantin,  de  caerim.  I  32  p.  171,  10 — 177,  2  be- 
schrieben, allein  es  findet  sich  da  von  dem  was  Härün  erzählt, 
keine  Spur,  auch  wird  die  Kirche  der  Heiligen  Sergios  und  Bakchos 
bei  derselben  gar  nicht  erwähnt,  wohl  aber  die  des  Erzmärtyrers 
Stephanos  in  Daphne-)  (s.  den  Plan  bei  Mordtmann).  Dagegen 
spielt  das  ayiov  (pQeaQ  in  der  Liturgie  des  Charsamstags  eine 
Rolle  •^).  Der  Kaiser  gelangt  dahin  6iu  Trjg  (it%Qag  TtvXrjg  tijg 
XaXnijg  Tov  %vrov*)  und  wird  dort  vom  Patriarchen  empfangen. 
Dieser  Brunnen  gehört  aber  zur  Hagia  Sophia  und  galt  als  Asyl, 
sonst  seheint  jedoch  nichts  Merkwürdiges  von  ihm  erzählt  worden 
zu  sein.  Wenn  HärGn  aber  vom  Gefängnis  aus  in  den  Palast 
kam,  so  denkt  man  bei  der  kaiserlichen  Kirche  in  erster  Linie 
an  die  des  Erzmärtyrers  Stephanos  in  Daphne.  S.  Reiske  1.  1. 
p.  49/50.  Theophan.  chronogr.  87,  4.  299,  10.  300,  14.  444,  24. 
Dort  fand  die  Krönung  des  Herakleios  statt  und  wurde  die  Ver- 
mählung Leons  IV.  und  der  Irene  gefeiert.  Zuvor  müsste  man 
freilich  die  genauere  Lage  der  Numera  kennen.  Denn  nach 
Mordtmanns  Plan  hatte  man  auf  dem  gewöhnlichen  Weg  zum 
Palast  vom  Augusteion  her  den  hl.  Stephanos  zur  Rechten. 

217,25.  Für  die  Verwaltung  des  kaiserlichen  Privatvermögens 
war  das  'idixov  bestimmt,  während  als  öflientliches  Schatzhaus  das 
revmov  diente.  Oberhummer  S.  17b,  56 — 60,  wo  aber  über 
die  Lage  nichts  zu  finden  ist. 

217,  27  ff.  Von  jetzt  an  befinden  wir  uns  wieder  auf  festem 
Boden.  Der  hier  beschriebene  Empfangssaal  ist  nämlich  unzwei- 
deutig das  berühmte  Triklinium  der  ösnccewia  ccKKOvßtra,  so  be- 
nannt nach  den  neunzehn  Tafeln,  die  darin  aufgestellt  waren  und  an 
welchen  die  Würdenträger  des  Reichs  und  die  fremden  Gesandten 


1)  Mordtmann  §  94.  96.  98. 

2)  Vgl.  Reiske  1.1.  p.  50. 

3)  de  caerim.  I  35  p.  181,  22.  182,  1.  2.  183,  2.  184,  18.  21/22.  Vgl. 
I  1  p.  18,  9.  20.  19,  2/3  und  Reiske  1.  1.  p.  115. 

*)  Vgl.  I  1  p.  19,7 — 9:  Kccl  Ttäliv  ylvstai  äsvtSQa  Soxrj  fig  ri}v 
t^a  rov  ii^vrov  rijg  xoiJ-^fjS  '^ov  i-nsies  (poQViiiov  KafiaQav  tig  xt]v  giöt]- 
Q&v  TtvXriv. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  229 

an  den  höchsten  kirchlichen  Feiertagen  vom  Kaiser  bewirtet 
wurden  1).  Hier  ist  das  Gastmahl  am  Weihnachtsfeste  gemeint, 
das  zwölf  Tage,  von  Weihnachten  bis  Epiphanie  (to:  cpära),  dauerte  2) 
und  vom  Ceremonienmeister  Philotheos  (a.  899)  ausführlich  beschrie- 
ben worden  ist  =5).  Vgl.  Liudprandi  antapodosis  VI  8  (Scriptores  rer. 
Germanicamm.  Liudprandi  opera  recogn.  E.  Dum  ml  er.  Hannover 
1890  p.  121):  Est  domus  iuxta  yppodromum,  aquilonem  versus, 
mirae  altitudinis  seu  pulchritudinis ,  quae  decanneacubita  vocatur, 
quod  nomen  non  ab  re  sed  ex  apparentibus  causis  sortita  est ;  deca 
enim  grece,  latine  X,  ennea  IX,  cubita  autem  a  cubando  inclinata 
vel  curvata  possumus  dicere.  Hoc  autem  ideo,  quoniam  quidem  X 
et  IX  mensae  in  ea  quae  secundum  camem  est  domini  nostri 
Jesu  Christi  nativitate  apponuntur.  In  quibus  Imperator  pariter 
et  convivae  non  sedendo,  ut  caeteris  diebus,  sed  recumbendo 
epulantur;  quibus  in  diebus  non  argenteis,  sed  aureis  tantum 
vasis  ministratur. 

Philotheos  fühi-t  unter  den  zahlreichen  Kategorien  von  Be- 
amten,  Würdenträgern  etc.,  die  am  ersten  Tage  der  grossen 
Gasterei  des  Weihnachtsfestes  beigezogen  wurden,  auch  die  'Aya- 
Qrjvol  xov  TiQaircoQiov  auf  (p.  743,  1).  Die  Beschreibung  lautet: 
iv  6e  rotg  ixaxEQCOv  rCov  ^iSQobv  ccKOvßkoig  Set  viiäg  Kakstv  sv 
xavxri  xfi  XafinQu  Kai  TtSQißo-rjxa)  i]fiBQCc  xrjv  v%o  %a^näyiov  Gvy%lr\xov 
Tt&öav,  olov  aöj^KQiIxag,  y^aQXOvXaQiovg  xäv  ^sydkcov  aeKQSXCOV,  ßaßi- 
XiKOvg  voxciQLOvg  x&v  Xey%'ivx(ov  6skqexcov  ,  oiov  htö  xe  öna&aQO- 
KccvöiSaxcov  %<xl  KaxcoxiQCO  VTtaxcuv,  ÖLCvTiaxav,  KOfirjxav  xäv  öyoX&v, 

CdeVXiaQlcOVj  TIQOXLKXOQCOV,   SVXV'lOCpOQGiV,    ÖKrjTtXQOCpOQOJV^  Cc'^LCOllCiXlKäV 

xav  Siaq)6QCOV  x(xyficcxcov  xov  a^td-fibv  Q'6,r]\  ^AyaQr\vovg  xov  %qcci- 
xcoQiov  KÖ',  xäv  BovXyccQCOV  (piXav  av&QOoitovg  iß',  Kai  nivrjxag 
aösXcpovg  xov  aQtd-fxbv  iß''  7tQ0Ki66EVELv  de  avxovg  oxLp\8ov  ovxvig- 
xovg  ^ev  6vy%h]xi%ovg  naxcc  rag  oheiag  avxäv  a^lag  %al  rag  rmv 
6q)(piKLcov  avrav  SiacpoQag  ötaGxeXXoiievog  k'v&ev  ncmetd'ev  Tovg  ^£ 
''AyaQyjvovg  xaxevavxt  ttj?  oifiEog  xcöv  ßaßdeiov  enl  Tr^g  eKxrjg  nai 
ißödfirig  XQUTte^rig-  xovg  6e  BovXyaQOv  avd'QcoTtovg  inl  xrjg  evaxrig 
XQaice^'rjg  xfjg  avxijg  neQioöoV  Tovg  de  Ttevrjxag  %al  avxovg  TtQoa- 
iiaXeiOd-ai,  inl  xijg  &'  XQamtrjg  xi^g  evcovvfiov  d'iöecog,  ev  t]  naga- 
GxaGig  xov  ÖQOvyyaQLOV  xvyjävEf  EiGayEiv  Ö£  Sei  anavxag  ^Exa  xr}v 
äq)i^Lv  x&v  7tQCOxo%X7Jxcov  (plXo3v  xijg  ßaadiKrjg  x^aTtE^r^g  ovTwg" 
rovg  fiEV  cc'^ico^axL'KOvg  anavxag  fXExa  xcöv  oIkeicov  ccXXa'^ifiaxayv, 
XXafivScov  XE  %al  %a(inayicov,  öxr/rjöbv  %axa  xd^iv  xov  avxov  aE,ia)- 
fjLaxog  Kai  ocpcpiKLOv "  xovg  8e  'Ayagy^vovg  XevKOcpoQOvg  a^cbvovg  vno- 
SeÖEfiivovg,  örjXovoxt,  ngonoQEvonivov  avxotg  xov  KaXißavxog  ccqxi- 
kXlvov     Kai    övvavEQXOfihov     ecp     haxeqov     xav    (leQ&v    öia    xijg 


1)  Vgl.  Konstantin,  de  caerim.  I  1  p.  20,  13.  60  p.  275,  18    und 
Reiske  1.1.  p.  124.  293.  868. 

2)  de  caerim.  I  1  p.  19,  10  vgl.  PhUotheos  ib.  U  52  p.  757,  10/11. 

3)  Konstantin.  Porphyrog.  de  caerim.  II  52  p.  741,  9—759,  2. 


230  «J-  Marquart, 

ojtLß&iov  'd'ißecog  r&v  avr&v  uKOvßitav  xai  6ia  rov  ifiTtQOö&LO'v 
xöitov  i^aQL&^ovvTog  ecp  SKaGta  aKovßha  ScoÖExdöa  ■jtqoGmitav 
liiccv  Kcci  ftr)  GvyjicoQOVvrög  xivu  avanXrj'd'iivca  f^ixQt  tilg  ix.cpavtJGECog 
räv  TtaQeörcorcov  ßaGiliKäv  ßovKaXt(ov.  (isza  de  rrjv  nccvxcov  avccnkrj- 
6iv  ÖEi  nQOOiietv  xo  fiovömov  (isXog,  aal  'r]vi%a  xo  i'öiov  aiirjiV^^'' 
(p&ey(ia,  i^aviGxaG&ai  unavxag  elg  svq)r)(JLtccv  xav  öeGTtox&v  kccI 
xag  iavxcöv  ansKÖiSvGKeGd'ai.  ^^aiivöag.  ccXXa  ixrjv  xat  oGccmg  ccv 
xb  (lOvGiKov  aTtTjiijGrjj  Kai  oGaztg  ccv  '^vfieXiKov  xi  TiQog  xsQtpiv  ek- 
xEkEGd^rj  TiQäyfia,  aal  tjvlkcc  xi  ßqcoGL^ov  in  xfjg  ßaGtXmrjg  XQcc7tE^t]g 
Sicc  xov  xEQTtvov  naGXQTjGLOV^)  TiQog  xovg  6ciixv(ji6vag  i'E,a'jtoGxaX7J- 
GExaL.  Ev  8e  xfj  xovxcov  i^6öo3  ÖEt  nqoGE%Eiv  xolg  Qcofiat'^ovGi  ßov- 
KaXiotg  nccl  Gvv  xrj  avxcöv  incpcovi^GEi,  7tQ0GE%Etv  xo  Gyr^ia  xov  kXeivov 
nccGXQrjGtov^),  kccI  ccv&ig  i^aviGx&v  itavxug  xovg  nEKXi^fiivovg  yXavi- 
SocpoQOvg  öia  xijg  OTtiG^lov  ^EGsag  xäv  aKovßixav ,  aal  tnavayELv 
avxovg  ek  xcSv  kccxco  TtQog  xi]v  ävco  TtQOGcoTHiirjv  e^oÖov  xijg  avxrjg 
itEQioöov.  %al  £1-9''  ovxcog  j-iexk  xtjv  xovxcov  xeXeIcüv  vnEiövGLV  y,uI 
avxovg  xrjg  ßaGLXtKrjg  XQaTtE^rjg  öaixv(jL6vag  i'^dysiv,  örjXovoxi  tiqo- 
TtOQEvoixEvov  avxotg  xov  kXeivov  %aGxqr]GLOV  xijg  ßaGiXiTiijg  xijxiag 
xQaTtE^7}g  (de  caerim.  II  52  p.  742,  16 — 744,  15).  Unter  den 
^AyaQy]vol  xov  TCgaixcoQLOV  sind  die  im  Praetorium  in  Gewahrsam 
befindlichen  muslimischen  Gefangenen  zu  verstehen ,  wie  sich  aus 
der  Beschreibung  der  KXrjxcoQia  xov  itaGya  ergibt,  wo  sie  voll- 
ständiger ^AyaQTjvol  ÖEGfiiOL  et,  xov  fisydXov  TCQaixaQiov  (p.  767,  16) 
genannt  werden  und  ebenso  wie  hier  unmittelbar  neben  den 
BovXyaQOi  (piXoi,  ihren  Platz  haben.  Es  wird  nicht  überflüssig 
erscheinen,  auch  die  Beschreibung  dieser  zweiten  Festlichkeit,  bei 
welcher  muslimische  Gefangene  zugezogen  wurden  (767,  4 — 768, 
19),  hier  folgen  zu  lassen:  Eni  8e  xfjg  TtQOXEifiivrjg  Iv  tc5  TtEQißXiitxco 
1QVGEC0  xqikXCvco  'jiQvGTjg  XQaTiE^fjg,  iv  w  xal  xb  TtEQigjavhg  Kxijfia  xov 
IQVGov  nEvxanvqyiov  ig  xii^rjv  nQOExid-f],  öet  ijfiäg  EvxQETti^ELV  Eig 
GvvEGxlaGiv  TCO  ßaGtXEi  (piXovg  i%  x&v  nQoXEyd'Evxav  fiayiGxQOiv, 
dv&VTtdxcov ,  TCaxQiKLCov,  GxQaxr\y&v  bcpcpiKiaXiav^  Gekqexcküv,  anb 
xijg  xaE,Ea)g  xov  GxqaxiaxiKov  nal  naxcoxEQCO,  aGrjKQrjxcov  xe  o^ov  y.al 
xoftijTwv  Twv  G^oXäv  %al  GKQißavav,  Gvv  xäv  ovo  in  BovXyccQOiv 
(piXav,  xbv  aQi&(jibv  X' '  iv  öe  xaig  TtEQiE'E,ijg  xEGGaqGi  xäv  Ka^a^äv 
xQani^aig  dnb  xijg  xaE,EOig  xav  ßaGiXiKwv  viavdiSäxwv,  ßEGxijXOQCOV 
XE  Kai  GiXsvxiaQicov,  ö^aKova^lcov ,  GKrjTCXQOcpoQav,  Gri^eiocpÖQOiv  koI 
GEvaxoQwv  xbv  ccQL&(ibv  X^' '  ^AyaQrjvovg  ÖEG^iovg  ek  xov  jxEydXov 
TtQaixcoQLOV  xbv  ccQL&iibv  irj',  %al  ix  xäv  BovXyaQtov  cpiXcov  dv&QCo- 
novg  iri  '  EiGayEiv  öe  avxovg  Kai  nqoGXL%i^ELV  nqb  xijg  EiGoSov  avxööv, 
xovg  fiEV  ETtl  xijg  %QVGijg  ßaGiXixijg  XQaTti^rjg  nEQLCpavElg  daixv^iövag 
^Exd  xüv  oIkeCcov  dXXa^t,fidx(ov  Kai  yXavididiv ,  TtQOGKaXEiG&ai  Öe 
xovg  dnb  xtov  BovXyaQcov  cpiXovg  dnb  xijg  xäi,E(og  xäv  GxQax7]yäv 
iv  Tc5  ÖEvxEQO)  fitvGo)  im  xijg  evcovv(iov  'd'EGEag  xijg  XQanE^rjg  nqbg 
xb  aQiQ^fiELG&ai  avxovg  Ttsfinxovg,  ^  Kai  snxovg  cptXovg,  Gzip^eiv  öe 

^)  Über  diese  Würde  s.  Keiske  1.  1.  p.  870. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  231 

aiiavxag  k'v&sv  KccKEL&ev  Kccta  rrjv  ccq(i6^ov6ccv  rfjg  rd^ecog  indöro) 
So^av.  ccno  öe  rrjg  ördßscog  rmv  Xeid'ivxcov  xovrviv  6xli[^£lv  av&ig 
e'v&sv  KCiKSid'sv  xovg  cmb  xrjg  xd^sojg  xcöv  navöiöccxiav  Kai  kccxcoxsqo) 
TtQog  x6  Ka&sß&rivcit,  inl  xav  Ev.axiQ(ov  ovo  TtQOKQixcov  XQane^av. 
iTtl  de  xatg  KccxcoxEQaig  rgans^ccig  ösl  ■7tQ06xi,%i'C,eiv,  inl  ftev  xr\g  i^ 
evcovvfiov  d'Eöecog  xovg  i'^  ^AyaQWV  ösß^iovg,  inl  öe  xijg  sxeQag 
xQans^Tjg  xovg  xcov  (plXav  BovXyccQwv  av&Qconovg  ndvxag.  elGccyeiv 
6e  ccvxovg  unavxag  nal  i^dysiv  ovxcog '  xovg  (iev  anb  xijg  6vyKkiqxov 
ndvxag  nal  xav  rayfidxcov  fxexa  xäv  olxsloav  aXXa^rj^cov,  xovg  ös 
AyaQf^vovg  XevKocpoQOvg,  d^avovg  %ccl  vnoöeöeixevovg,  xovg  de  BovX- 
yaQ(ov  avd'Qoonovg  fiexa  xcöv  olnelcov  ccvxcöv  Girjfidrav.  Set  de 
nQOGeieiv  xrjv  iKq)a>vi}6iv  %al  dnri%'ri6LV  xöSv  (lOvöcKäv  oQydvcov,  xal 
rjuiKCi  xo  aöofievov  aörj  fiiXog ,  aviGx&v  dnavxag  elg  evcpTq^iav  xcöv 
Seönoxcov  %al  av&ig  xag  savxcäv  iKÖiövö'Keöd'ac.  ^Xa^ivSag,  '/,al  ^lexcc 
xrjg  a<ptE,ecog  xov  (iCvGov  xcöv  öovXklcov  ndXiv  xavxag  avakci(ißdvetv 
TtQog  x6  fiex  avxcöv  ianoQeveGd'ai,  iv  rtj  ccvxav  i^oSa.  Diese  Oster- 
gasterei  fand  also  im  Chrysotriklinion  statt ,  wo  sich  der  goldene 
Tisch  ^)  und  das  nevxanvQyiov,  ein  anderes  Schaustück  ^),  befanden. 

218,  1.  Nach  218,  6/7  hat  man  anzunehmen,  dass  an  diesen 
beiden  Tischen  die  muslimischen  Gefangenen  ihren  Platz  erhielten. 
Nach  Philotheos  p.  743,  7  (oben  S.  229)  wurde  ihnen  der  sechste 
und  siebente  Tisch  naxevavxi  xrjg  oipecog  xiöv  ßaGikecov,  den  Bul- 
garen der  neunte  derselben  Reihe  (d.  h.  der  rechten  Seite)  an- 
gewiesen. Die  übrigen  achtzehn  Tische  werden  mit  Ausnahme 
des  kaiserlichen  von  Harun  nicht  berücksichtigt.  Über  den  Platz 
des  letzteren  s.  R. eiske  p.  871.  Beim  österlichen  Gelage  er- 
hielten die  agarenischen  Gefangenen  und  die  Bulgaren  ihren  Platz 
an  den  beiden  untersten  der  vier  an  die  goldene  Tafel  sich  an- 
schliessenden Tische,  diese  rechts,  die  Muslime  links  (p.  767, 
12—768,  9). 

^j1s>    cküing     (so    vokalisiert     die    Hs.)     ist     eine    in    den 

Ländern  am  Südrande  des  Kaspischen  Meeres  wachsende  sehr 
harte  Holzart,  die  vorzugsweise  zu  Schüsseln,  Bechern  u.  s.  w., 
aber  auch  zu  Speisetischen  (pers.  .,!»-5>)  verwendet  wurde.  Die- 
selbe ist  jedoch  botanisch  noch  nicht  bestimmt.  Vgl.  Fr  ahn, 
Ibn  Foszlans  und  anderer  Araber  Berichte  über  die  Russen  älterer 
Zeit  107—109.  252/53;  Dozy,  Supplement  I  400;  de  Goeje, 
Gloss.  Geogr.  229;  G.  Jacob,  ZDMG.  43,  374—375;  Ders., 
Welche  Handelsartikel  bezogen  die  Araber  des  Mittelalters  aus 
den  nordisch -baltischen  Ländern?  2.  Aufl.,  S.  60  f.     Fr  ahn  denkt 


1)  de  caerim.  11  52   p.  769,  18.  770,  12.  771,  2— 4.  19/20.  772,  18. 
I  9  p.  70,  12.  II  15  p.  580,  7—8.     Vgl.  Reiske  p.  170  s.  889. 

2)  de  caerim.  I  9  p.  70,  15.  II  15  p.  580,  7.    Vgl.  Reiske  1.  1. 
p.  171.  683—685. 


232  J-  Marquart, 

an  die  Birke,  die  bei  den  Mordwinen  kileng  oder  küing  heisst, 
persisch  y5i.ijy.:>  chadang,  arabisiert  ^iÄi>  (eb.  131  f.),  Baron 
V.  Tiesenhausen  dagegen  glaubt,  dass  chüing  der  Ahorn  sei, 
für  welche  Ansicht  G.  Jacob  noch  die  slawischen  Ausdrücke  für 
Ahorn :  russ.  Hen,  poln.  klon^  Sech,  klen  anführt  (Welche  Handels- 
artikel etc.  S.  61). 

218,  3.  Die  i^vGt]  tQccTtE^a  wird  von  Philotheos  bei  der 
Beschreibung  des  Festes  der  i&'  ccnnovßira  zu  Weihnachten  nicht 
erwähnt.  Dieser  goldene  (oder  mit  goldenen  Platten  verkleidete?) 
Tisch  spielte  dagegen  eine  Rolle  bei  den  %h]xuiqia  xov  na(5%a  und 
stand,  wie  wir  oben  sahen,  nicht  im  Triklinium  der  19  Akkubita, 
sondern  im  Chrysotriklinion.  Es  scheint  also  bei  Härün  eine  Ver- 
wechlung  vorzuliegen. 

Die  kaiserliche  Tafel  stand  in  den  19  Akkubita  von  den 
übrigen  18  Tischen  gesondert  (daher  ccitoKOTirif)  auf  einer  Estrade, 
zu  welcher  drei  Stufen  hinaufführten.  Siehe  de  caerim.  p.  742, 18/14 
und  Reiske  p.  168—169.  870—871. 

218,3 — 4.  Die  Weihnachtsprozession  ist  beschrieben  de  caerim. 
I  23  p.  128—136,  22. 

218,  7  ff.  Vgl.  Liudprandi  antapodosis  VI  8:  Post  cibum 
autem  aureis  vasis  tribus  sunt  poma  delata;  quae  ob  inmensum 
pondus  non  hominum  manibus,  sed  purpura  tectis  vehiculis  sunt 
allata.  Apponuntur  autem  duo  hoc  in  mensam  modo.  Per  fora- 
mina  laquearis  tres  sunt  funes  pellibus  deauratis  tecti  cum  anulis 
depositi  aureis,,  qui  ansis  quae  in  scutulis  prominent  positi,  adiu- 
vantibus  inferius  quattuor  aut  eo  amplius  hominibus  per  vertibile 
quod  supra  laqueum  est  ergalium  in  mensam  subvehuntur ;  eodem- 
que  modo  deponuntur.  Die  Pei'sonen ,  welche  diese  mächtigen 
Schüsseln  mit  Hilfe  von  Maschinen  auf  die  kaiserliche  Tafel  hoben, 
Messen  iyyiarccQioi  oder  iyyiöxtccQiot  1  9  p.  70,  20.  61  p.  277,  22. 
Vgl.  Reiske  p.  171.  Es  bestehen  aber  zwischen  der  Erzählung 
Haruns  und  derjenigen  Liudprands  gewichtige  Unterschiede :  dieser 
spricht  nur  von  drei  schweren  goldenen  Dessertschüsseln,  während 
bei  Härün  von  vier  kostbaren  goldenen  Tischen  und  vom  Be- 
ginn des  eigentlichen  Mahles  die  Rede  ist.  Niemand  durfte 
sich  niederlegen,  ehe  die  kaiserlichen  Spielleute  ihre  Weisen  be- 
gonnen hatten:  aal  fii]  övyxcoQovvrog  (tov  aQriKlLvov)  riva  avauXi- 
&rjvaL  (lEXQi  rrig  iKg)covr}6scog  rav  TtaQEßrcorav  ßaödiKcöv  ßovKccXicov. 
^lEta  öh  T^v  Ttuvtcov  avanlLGiv  Sst  Ttqo6i%Hv  xb  (iovOlkov  fislog, 
aal  TjvCKa  x6  i'8iov  a7t7]%i]6si  cp&Eyfia,  i^avlöxccö&ai  änavxag  elg 
ev(pr}(iiav  xav  öeGnoxüv  Koi  xag  iavx&v  aneKÖtdvöKSG&ai,  %lafivöccg' 
a.XXcc  (irjv  Kai  oöaKig  av  xb  fiovGiKbv  ccnrjX'r^Grj ,  %al  oödüi-g  av 
Q^v^tliKÖv  XI  Tt^og  xsQiptv  imeksad-fj  n^äy^a,  xat  i]vi%a  xi  ßqwai^ov 
ix  XYig  ßaöthmjg  XQa7ti^r]g  öiu  xov  xiQTtvov  Ka6XQr}6lov  Tt^bg  xovg 
öaixvfjiovag  i'^ccitoöxaXijaexui  ix  743,  21 — 744,  6  und  Reiske 
p.  170.  870. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  233 

218,  22.  Die  Orgel  wird  ausdrücklich  erwähnt  bei  dem 
Feste,  welches  der  Kaiser  nach  Ablauf  des  zwölftägigen  Gelages 
den  Würdenträgern  im  Triklinium  Justinians  gab  i),  sowie  bei  dem 
Mahle  im  Chrysotriklinion  am  ersten  Tage  der  KXrjxcoQicc  rov  itÜGia 
(p.  768,  13—16,  oben  S.  231),  während  bei  den  19  Akkubita 
nur  die  kaiserlichen  Saitenspieler  {^aGiliY.o\  ßovndhoi)  genannt 
werden.  Näheres  über  die  kaiserliche  Tafelmusik  erfahren  wir 
gelegentlich  eines  am  31.  Mai  946  zu  Ehren  der  muslimischen 
Gesandten  aus  Tarsos,  die  über  die  Auswechslung  der  Gefangenen 
verhandeln  sollten,  im  grossen  Triklinium  der  Magnaura  gegebenen 
Festmahles:  r&v  6e  cpiXav  ZaQaKrjvcbv  6vvE6Ti(0(ievcov  rotg^  Siönoxaiq^ 
eetriauv  ot  '^dkxai  anoötollxai  (aus  der  Apostelkirche)  tOaQ'ev  xov 
ßriXov  aig  t^v  nafiaQav  xriv  itgog  xbv  ßaadiKov  notx&va'^  ot  8e 
a.yio60(plxav  (aus  der  Hagia  Sophia)  eßxrjöav  k'ßcod'Ev  xoy  ßrjlov  iv 
xrj  Kcc^ccQa  xy  nQog  xb  Ttdvd-eov,  Si  oXov  xov  kXtjxcoqlov  aöovxsg 
ßaadUio:'  fiovov  elg  xdg  eiaodovg  x5)v  ^ivöäv  TjQSiiovvxeg  ölcc  xb 
xa  'oQyava  ccUetv  (II  15  p.  585,  9—15).  Vgl.  Reiske  p.  677. 
693/94.  869/70. 

Nach  Lilie ncron  im  Grundriss  für  germ.  Phil.  II  2,  316 
kannte  man  die  Orgeln  mit  Blasebälgen  seit  dem  Beginne  des 
7.  Jahrhunderts.  Nach  der  Tradition  soll  Karl  der  Grosse  die 
erste  Orgel  aus  Byzanz  erhalten  haben  (Monachus  S.  Galli  11  7), 
aber  schon  der  ^Angelsachse  Aldhelm  (f  719)  spricht  von  Orgeln. 
Vgl.  Knappert,  Revue  de  l'hist.  des  religions  t.  XXXIV,  1896, 
154  und  N.  1. 

218,  38 — 40.  Dies  sind  offenbar  die  bei  Konstantin  genannten 
ipdlxat  oder  ßovKccXiot;  vgl.  Reiske  p.  118.  Es  ist  also  nicht 
ganz  richtig,  wenn  Reiske  p.  869  behauptet:  „Quum  aversarentur 
novi  Graeci,  ut  rem  impiam  et  probrosam,  instrumentalem  musi- 
cam,  et  tarn  ex  ecclesia,  quam  epulis  suis  eiicerent,  vocales  musici 
cantabant  per  epulas  a  principio  ad  finem  usque,  pausam  tantum- 
modo  interponentes  ad  singula  illata  fercula,  quo  tempore  Organa 
pulsabantur;  vid.  p.  338.  B.  fine  [=  p.  585,  12—15  ed.  Bonn.]. 
Huic  rei  deligebantur  potissimum  psaltae  (iidem  cum  vocalibus) 
ex  aede  S.  Sophiae,  'AytoöocpLXcci ,  et  ex  aede  Apostolorum,  'Ano- 
axoXixav  dicti.  .  .  .  Canebant  autem  hi  vocales  ßaGdLKia,  cantica 
in  laudes  principis,  de  quibus  v.  dicta  ad  p.  333.  D  7  [=  p.  577,  10 
ed.  Bonn.]". 

218,  40 — 42.  Eine  Beschenkung  der  Gefangenen  wird  von 
Philotheos  weder  zu  Weihnachten  noch  zu  Ostern  erwähnt,  dagegen 
vom  Fortsetzer  des  Theophanes  p.  430,  17—18  am  Karfreitag  und 


1)  p.  758,  7 — 11:  ■»ioil  6sL  TtQO(ii%uv  töi  rov  oQjävov  cp!d-iy\iari,^v.al 
TivUa  trjv  a%ri%r]Giv  xov  ifO'oyyov  navar] ,  i^ccviOtav  aTtavtag  f tg  svqpr]- 
(iiav  r&v  dscnot&v,  xoct  avQ-i<s  iKti&sä&aL  tag  kavx&v  xlcciLvdag  [li^Qi 
ttJs  acpi^scog  xov  \iiv6ov  räv  SovXkicov. 


234  J-  Marquart, 

von  Konstantin  bei  den  zu  Ehren  der  muslimischen  Gesandten  aus 
Tarsos  im  J.  946  gegebenen  Hoffesten  (II  15  p.  592,  9.  11—13). 

219,  1  e.  Vgl.  Konstantin,  de  caerim.  I  1  p.  5,  13—6,  18: 
"Oöa  Ssi  TtaQacpvlarxEiv,  tcqokevGov  ytvo^ivov  sv  ry  (leyalrj  inKXTjßla:, 
i']XOL  xcch,Lg  Kai  anoXov'&ia  täv  evörjiicov  nal  mQicpav&v  nqoikEVöEGiv, 
iv  (xig  ol  ßaöiXstg  ccTtLaötv  iv  rrj   fieydXr}  eKKlrjöia. 

77^6  fitag  TjiiSQag  xrjg  oi'ag  ovv  ivLöxafisvtjg  TtEQicpavsaxdxrjg 
ioQxijg  ElöSQiovrai  ot  TfQaiitoßixot  iv  tü5  %Qv6ä  XQtKXivio),  xrjg  Ka&ri- 
jXEQivijg  ÖTjXovori  iGxaiisvrjg  TtQOsXEvGECog ,  nai  V7to(it(ivrjGKOV6i,  xovg 
ÖEönoxag  tieqI  xrig  EOQxijg ,  Elxa  keXevovGiv  ro'UTorg  ot  ÖEöTtoxat 
aysG&ai  inl  xrjv  ccvqiov  tiqokevöov  rjxot  nqoEXEvGiv.  oi  8e  Ei,EQ%6- 
fisvoi  OQi^ovöi,  Ttäßiv  Tofg  xov  KOvßov%XECov ,  b^oiwg  nal  xm  v,axE- 
Ttccvco  Kai  Tc5  SoiiEöxUcö  xwv  ßaöiXtKcbv,  6vv  xovxoig  öh  nai.  xotg 
Svßl  6rj(iccQ%oig'  aTtoaxiXXovßi,  6e  Kai  fiavödxa  rrö  xe  öofiEöxiKa  xäv 
voviiEQav  Kai  reo  Kofirjxi  xcov  xeixecov  ,  Kai  anXag  eltceiv  ,  naGaig 
xaig  xaS,E6i  Kai  itäGi  xoig  öEKQExoig  Kaxa(irivvov6t  tzeqI  xijg  xotavxrjg 
TtQOEXsvöEODg,  Iva  EKdöxr}  xd'^ig  Kai  EKaöxov  öekqexov  Kaxd  ttjv  iSiav 
xaE,tv  Kai  Kaxcc  xbv  iöiov  xov  üekqexov  xonov  xd  avxotg  ccQfio^ovxa 
TCQOEVXQETtiöaßi,.  Kai  (jLrjv  Kai  TW  v7tdQ%(a  XTJg  noXEag  yvcoQi^ovßi  xov 
EVXQETCLöai  Kai  dnoKad-äQai,  xrjv  ßaöLXiKrjv  eE,oÖov,  iv  rj  (liXXovGtv 
Ol  ÖEönoxai  TtQOEX&Etv,  Kai  ndßag  xdg  iKEtöE  Ei6q)eQ0v6ag  XECocpoQOvg 
oöovg ,  iv  alg  (liXXovöi  öiEQ%Ea&ai  ot  ÖE67t6xai,  ötd  xov  itv'E^ivov 
TtQiö^axog  Kai  xrjg  iK  möCov  Kai  ödcpvrjg  (XVQQivrjg  xe  Kai  öevÖqo- 
Xißdvov    xavxr\v    KaxaKOöfiEtv    Kai  dXXoig ,    oöa  6  tote  q)EQEi.  KaiQog, 

EVCoÖEßi   XE    Kai    TtOLKlXoig    dvxtEÖl. 

219,  8  ff.  Zu  der  folgenden  Prozession  habe  ich  keine  ent- 
sprechende Parallele  im  Ceremonienbuche  gefunden. 

219,  22.  Dies  sind  die  eigentlichen  itaxqiKLOi,  von  denen  sechs 
in  Konstantinopel  residierten,  sechs  in  den  Provinzen;  vgl.  Ibn 
Chord.  1.0,  2—3  =  76  der  Übers.;  Muslim  b.  Abu  Muslim  al 
Garmi  bei  Ibn  Chord.  ^.1,  1— 6  =  80/81  der  Übers.  Geiz  er, 
Die  Genesis  der  byzantinischen  Themenverfassung  S.  98  f. 

219,  27.  „Byzantini  eum  Silentiarium  appellunt  (vid.  e.  g. 
Reiske  ad  Constant.  Porphyr.  De  Cerem.  p.  11  (ed.  Bonn.)."  de 
Goeje.     Was  in  *5.>J!  steckt,  ist  mir  unbekannt. 

219,  31.  Vgl.  de  caerim.  p.  6,  23—7,  9:  Kai  eW  o^vxag 
ELßEQXOvxai  ot  ßEGxrjxoQEg ,  Kai  ai'QOvGi,  xrjv  ficoßaiKrjv  ^dßSov  dno 
xov  EVKxr}Qiov  xov  dyiov  &eo6coqov  xov  ovxog  iv  tö  ^j^-ucTOT^ixAiVa), 
Kai  ot  xcjv  dXXa'^ificov  xov  KOvßovKXEiOV ,  fiExd  Kai  xäv  xrj  xa'^Ei, 
avrav  öiaixaQLoav ,  ai'QOvGi  x6  xaßXiov,  iv  w  ccTtoKEixat  r)  ßaßtXECog 
iß&rjg ,  Kai  xd  KOQVLKXia,  aitEQ  xd  ßaciXEia  Evöod'EV  TtEQicpEQOvöi 
axififiaxa,  .  .  .  Kai  i^  fiEV  xüv  dXXa^tficov  xd'^ig  q)EQEi  xr}v  ßaßlXEtov 
GxoXiqv ,  Kai  dnoxid'rjöi.v  iv  tco  OKxaycava  KOvßovKXEia  tw  bvxi  ev 
Tc5  naXaxia  xrjg  /ddg)vr}g ,  r^yovv  nQO  xov  vaov  xov  ayiov  %qg)xo- 
(idQxvQog  SxEcpdvov.     p.   9,  6  — 10:    i^iövxEg   8e  ot  ÖEOTtoxat  ev  tw 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  235 

mraycovco  KOvßovKXelM ,  kqÜ^bl  q)(ovrj  (isydXy  6  TtQantÖGixoq ,  X^ytov 
" ßsßrrjroQEg" .  xai  örj  siöSQXOVtat  ot  ßsöTrjroQsg  Kai  nsQnt&iccöi,  rolg 
dsGTtOTcag  Tag  rovrcov  XafXTCQag  ilav  18 ag ,  %al  svd'icog  i'E,iQ%ovraL 
oi  8s  Ttqainööizoi  öracpovöiv  rovg  öeöTtotag ,  örjXovort,  rov  Kovßov- 
nXelov  TtavTog  itaQißxa^ivov  KaKuGs ,  öre  xavxa  xeXovvxat  kxX.  — 
ccXXa^ifia  oder  ccXXa'^L^axcc  sind  Galakleider,  oi  x&v  ccXXa^inoav  oder 
ot  BTtl  x&v  aXXa'E,iii(av  (p.  137,  4)  „sunt  rainistri,  qui  mutatorias 
vestes  Imperatori  pon-igebant,  quo  sensu  ai  aXXayal,  xa  aXXayfiaxa, 
apud  scriptores,  quorum  locos  Du  Gange  utroque  Glossario  collegit" 
(Job.  Heinr.  Leich  bei  Reiske  p.  43). 

219,  33/34.  Vgl.  Ibn  Chord.  Ul,  11—12  =  81:  „Nur  allein 
der  Kaiser  bat  das  Recht,  Purpur  und  rote  Halbstiefel  zu  tragen. 
Wer  sich  das  anmasst,  wird  getötet.  Nur  der  erklärte  Thron- 
folger trägt  einen  roten  und  einen  schwarzen  Halbstiefel".  Darnach 
hätte  also  Härün  den  Caesar  für  den  Kaiser  selbst  gehalten.  Über 
die  VTtoörjuaxci  Qovßsa  des  kaiserlichen  Ornats  vgl.  Reiske  zu 
Konstantin,  de  caerim.  I  96  p.  434,  14. 

219,  34  ff.  Diese  Beschreibung  passt  nur  auf  eine  Ascher- 
mittwochsprozession. 

220,  5  ff .  Von  einer  solchen  Reliquie  scheint  sonst  nichts 
bekannt;  doch  könnte  sie  in  der  gottbehüteten  Kaiserstadt,  wo 
man  auch  den  Stab  Mosis  und  den  Thron  Salomons  besass,  nicht 
weiter  auffallen. 

220,  8/9.  Die  hier  begegnende  Auffassung  des  Pilatus  als  des 
Vorbildes  eines  gerechten  Richters  ist  wohl  das  Seltsamste  in  dem 
ganzen  Berichte.  Pilatus  erscheint  allerdings  als  Heiliger  in  der 
äthiopischen  Alexioslegende  (Nöldeke,  ZDMG.  53,257  Anm.  2) 
und  wird  als  solcher  in  der  äthiopischen  Kirche  zugleich  mit 
seiner  Frau  Prokla  verehrt.  Doch  nennt  selbst  der  hl.  Ephraim 
(bei  Lamy  1,  667.  677)  Pilatus  „den  Gerechten",  da  er  ja  seine 
Hände  in  Unschuld  wasche,  während  die  gottlosen  Juden  die 
ganze  Sünde  auf  sich  nehmen.     Vgl.  Nestle,  ZDMG.  53,  540. 

220,  25 — 27.  Dass  diese  die  ungläubigen  Agarener  ver- 
tretenden Pferde  von  einem  Pferde  des  gottverfluchten  Apostaten 
abstammen  sollen,  ist  ein  billiger  orthodoxer  Witz. 

220,  35  ff.  Dies  ist  die  Säule  mit  der  Reiterstatue  Justi- 
nians  I.  (6  ^aXnovg  %l(ov  6  fieyag  —  o  Xeyofisvog  Avyovßxevg),  die 
auf  dem  Augusteion  stand,  „non  longe  a  Sophiae  angulo  ad 
occasum  vergente".  Die  bei  Mordtmann  p.  65  mitgeteilte 
Zeichnung  des  Standbildes  aus  dem  14.  Jahrhundert  stimmt  mit 
Haruns  Beschreibung,  besonders  in  der  Fassung  Qazwinl's,  trefflich 
überein.  Vgl.  Mordtmann  §  116.  117.  Oberhummer  S.  13b, 
1 — 11.  18  a,  28 — 30.  Um  so  befremdlicher  ist  die  Behauptung, 
dass   sich  auf   der  Spitze  der  Säule   das  Grabmal  Justinians,  und 


236  •'•  Marquart, 

erst  auf  diesem  sein  Reiterstandbild  befinde.  Dies  kann  in  Kon- 
stantinopel selbst  unmöglich  erzählt  worden  sein,  da  man  dort 
sehr  gut  wusste,  dass  Justinian  in  dem  nach  ihm  benannten  i)q&ov 
in  der  Apostelkirche  ruhte  ^).  Eine  derartige  Verknüpfung  des 
Reiterstandbilds  und  des  Grabmals  Justinians  kann  vielmehr  nur 
fem  von  der  romäischen  Hauptstadt  vorgenommen  worden  sein 
und  setzt  eine  litterarische  Geschichte  voraus.  Wir  werden  also 
hier  abermals  auf  eine  schriftliche  Quelle  Haruns  gewiesen.  Die 
ursprüngliche  Höhe  der  Säule  Justinians  ist  mir  nicht  bekannt, 
es  wird  sich  aber  fragen,  ob  dieselbe  nicht  mit  der  von  Konstantin 
aus  dem  Apollontempel  in  Rom  nach  Neurom  übergeführten  und 
auf  dem  Forum  Constantini  aufgestellten  Porphyrsäule  (ö  noQ- 
(pvQOvg  nai  TtSQißXsmog  xiav)  vermengt  ist,  der  jetzt  sog.  „ver- 
brannten Säule",  türk.  Gemberli  Tas,  welche  von  einem  den  Kaiser 
als  Apollon  -  Helios  darstellenden  Standbild  gekrönt  war  und  ur- 
sprünglich mit  Fussgestell  und  Standbild  176',  jetzt  noch  40  m 
hoch  ist-).  Dies  würde  besser  zu  den  100  Ellen  Haruns  stimmen, 
al  Harawi  gibt  im  wesentlichen  dieselbe  Beschreibung  von 
der  Säule  Justinians  wie  Härün  b.  Jahjä,  schreibt  sie  aber  fälschlich 
Konstantin  d.  Gr.  zu  und  verlegt  sie  in  die  Nähe  des  Hospitals. 
Ist  darunter  etwa  das  Xenodocheion  des  Sampson  (Mo  r  dt  mann 
§  112.  117)  gemeint? 

221,  1  ff.  Das  a)QoX6yiov  rijg  ccytag  üocpiag  wird  erwähnt  bei 
Konstantin,  de  caerim.  I  1  p.  14,  12.  Über  Uhren  bei  Byzantinern 
und  Arabern  im  Mittelalter  handelt  Reiske  p.  559 — 562,  weiss 
aber  kein  dem  unsern  ähnliches  Beispiel  anzuführen. 

222,  2.  11.  Über  Talismane,  die  Apollonios  von  Tyana  in 
Byzanz  gemacht  haben  sollte ,  vgl.  das  Fragment  von  den  sieben 
Türmen  und  Apollonios  von  Tyana  bei  P  r  e  g  e  r ,  Script,  orig. 
Constantinop.  fasc.  I  p.  10;  Hesychios  Illustrios,  Uäxqiu  Kriokscog 
§  24 — 25  ed.  Preger  (1.  1.  p.  10/11);  Kodin.  nsgl  aytxXfiaxcov, 
6rr}X5)v  nal  ^eaficircov  trjg  Knolecog  ed.  Bonn.  p.  55,  1 — 2:  ofioitog 
Kai  inl  Ttdßrjg  rijg  nolecog  xa  aydliiara  iatoixetcoöaTO  AnoXXtovtog 
6  TvavEvg  und  Lambeck  z.  St.;  ib.  p.  69,  7 — 11.  TteQi  UTiöfidc- 
z(ov  Trjg  KnokEcog  p.  124,  7. 

222,  14  ff.  Dies  ist  die  eherne  Schlangensäule  im  Hippodrom, 
welche  ursprünglich  einen  goldenen  Dreifuss  trug  und  nach  der 
Schlacht  von  Plataiai  von  den  Hellenen  als  Weihgeschenk  nach 
Delphoi  gestiftet  worden  war.  S.  Oberhummer  S.  17  a.  59 — 63. 
17  b,  5—11. 


^)  Konstantin,  de  caerim.  II  42  p.  644,  2 — 5  und  dazu  Lei  eh  bei 
Reiske  p.  766.  Anonym.  ti^qI  räv  rdcpcav  rcöv  ßaail^av  räv  övtcov  iv 
TW  vaö]  rcöv  dyicov  ccitoatölcov  in  Bekkers  Ausgabe  des  Kodinos  {TläxQia 
KmvGtavxLVOvnöXsag)  p.  205,  10 — 12. 

2)  Oberhummer  S.  13b,  20— 32. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge,  237 

222,  18  ff.  Diese  Brücke  muss  an  der  nach  dem  Goldenen 
Thore  führenden  Via  triumphalis  gesucht  werden  (s.  den  Plan  bei 
Oberhummer).  Welches  der  verschiedenen  Fora  aber  hier 
gemeint  ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Am  meisten  Wahrscheinlich- 
keit darf  wohl  das  Forum  Theodosii  oder  Tauri  mit  der  140  Fuss 
hohen  Säule  des  Theodosios  beanspruchen,  welche  ursprünglich 
das  Standbild  dieses  Kaisers  trug,  das  im  J.  506  durch  ein  solches 
des  Anastasios  ersetzt  wurde. 

222,  28—30.  Vgl.  Muslim  b.  Abu  Muslim  al  Garmi  bei  Ihn 
Chord.  5.1,  15—17  =  81:  , Diese  Leute  (die  400  Gardisten  des 
Hippodrom)  ziehen  das  Schwert  gegen  die  Söhne  Ismaels  und 
halten  sich  berechtigt  (sie)  zu  töten.  Manchmal  massakrieren  sie 
sogar  die  Kriegsgefangenen  mit  Beilen  und  Steinen ,  und  werfen 
sie  in  den  furnus,  d.  i.  den  Ofen". 

222,  31  ff.  Es  ist  wohl  die  von  Hadrian  angelegte  und  von 
Justinian  I.  im  J.  528  wiederhergestellte  Wasserleitung,  die  noch 
heute  als  Aquädukt  Justinians  bekannt  ist  und  „durch  ein  an  den 
Praef.  praet.  Kyros  (439 — 441)  gerichtetes  Gesetz  für  den  Ge- 
brauch des  Palastes,  der  öffentlichen  Bäder  und  Brunnenhäuser 
vorbehalten  wurde".  Oberhummer  S.  18a,  21 — 32.  Im  übrigen 
ist  hier  die  legendäre  Übertreibung  am  stärksten  zum  Ausdruck 
gekommen. 

223,  4  ff.     Über  diese  Klöster  habe  ich  nichts  gefunden. 


(Itinerar    von   Konstantinopel   nach   Rom.) 

„Von  Konstantinopel  kommt  man  durch  eine  kahle  Ebene 
mit  Saatfeldern  und  Dörfern  12  Tagereisen ,  bis  man  zu  einer 
Stadt  gelangt,  die  Salüqija  (Saloniki)  heisst.  Es  ist  eine  grosse 
bedeutende  Stadt ;  im  Osten  der  Stadt  ist  das  Gebirge  und  westlich 
von  ihr  das  Meer.  Sie  hat  vier  Flüsse  (Kanäle?),  die  sie  be-  5 
wässern,  und  es  befindet  sich  in .  ihr  ein  Kloster,  Marqus  (Markos) 
genannt,  mit  12  000  Mönchen.  Von  hier  reist  man  an  der  Meeres- 
küste entlang  drei  Stationen  durch  eine  Ebene,  in  der  es  keinerlei 
Anbau  gibt,  <bis  man  zu  einer  Stadt  kommt  namens  Qutrony. 
Es  ist  eine  grosse  Stadt,  in  welcher  es  Märkte  und  ringsum  zahl-  10 
reiche  Flüsse  (Kanäle?)  gibt;  es  bewässern  sie  Kanäle^).  Um  sie 
sind  zwei  Mauern  und  ein  Graben,  der  die  Stadt  umgibt". 

Wir  haben  hier  ohne  Zweifel  die  Küstenstrasse  von  Kon- 
stantinopel nach  Saloniki  vor  uns.  Einen  Teil  derselben  beschreibt 
Idrisi:    er    rechnet    von    der    Hauptstadt    bis    Kibslla    (Kv^jeXa, 


3 
^)  In  der  Hs.  folgt  noch  der  Name    ..JaA;   s.  den  Kommentar. 


238  ''•  Marquart, 

j.  Ipsala)  in  der  Nähe  der  Marica  über  Rio,  'Nä.&üra,  Salambrla, 
Heraqlla,  Rodosto,  Bäna^'ös  und  Rüsiö  nach  Tomascheks  Kor- 
rekturen 192  oder  richtiger  (ohne  den  Umweg  über  BänaJös) 
172  Meilen^)  =  sieben  gewöhnliche  Tagereisen  zu  24  Meilen  oder 
fast  sechs  starke  Tagereisen  zu  30  Meilen-).  Ferner  bemisst  er 
die  Strecke  von  Salonik  über  RanJlna  und  Jü^a«-?»!  XQvaonoXtg 
nach  .  w/.L»JCA«.i>!  XQtörovnoXig  (alt  NeccTioXig),  dem  heutigen  Ka- 
wala,  und  bis  zum  Flusse  ^X^^Jla  MciVQ07t6rc((A.og  d.  i.  der  Mesta 
auf  87  Meilen  =  8-/3  gewöhnliche  oder  drei  starke  Tagereisen'^). 
In  der  Tab.  Peut.  werden  von  ^AKovrißfia  östlich  von  Neapolis  bis 
Dyme  am  rechten  Ufer  des  Hebros  gegenüber  Kypsela  109  m.  p. 
=  3^/2  Tagereisen  zu  32  m.  p.  oder  24  arabischen  Meilen  gezählt. 
Härün  b.  Jahjä  ist  offenbar  auch  hier  auf  dem  kürzesten  Wege 
gereist,  so  dass  die  Entfernungsangabe  stimmt. 

Die  Schreibung  iUi  JL*  für  @e6aaXovUri,  fränkisch  Salonicia  etc., 
findet  sich  auch  bei  Mas'üdi,  Murüg  II  318,  wo  ein  Zug  Leons, 
des  Sklaven  des  Zuräfa,  gegen  Salüqija  erwähnt  wird,  den  Mas'üdi 
im  Kitäb  attanblh  !a.,  5/6  ins  Jahr  290  H.  (4.  Dezember  902  — 
22.  November  903)  setzt  und  gegen  KjCu  JL*.  gerichtet  sein  lässt. 
Es  ist  die  schreckliche  Katastrophe  von  904  gemeint,  bei  welcher 
der  Renegat  Leon  aus  Tripolis  an  der  Spitze  einer  imposanten 
Flotte  Thessalonich  erstürmte  und  ausplünderte  und  die  Bevölke- 
rung in  die  Gefangenschaft  schleppte*).  Die  Lage  der  Stadt 
wird  von  Härün  richtig  geschildert,  ein  Rätsel  bilden  aber  die 
vier  Flüsse  oder  Kanäle,  welche  die  Stadt  bewässern  sollen.  Die 
Monographie  Tafel's,  De  Thessalonica  eiusque  agro  (Berlin  1839) 
ist  mir  nicht  zugänglich. 

Mit  der  drei  manzil  von  Salüqija  entfernten  Stadt  ist  wahr- 
scheinlich KixQog  gemeint,  wie  schon  de  Goeje  vermutet  hatte. 
Der  Text  ist  zwar  beschädigt,  doch  können  hinter  p  ^  .L*.xJi  ^y% 
p.  if'v,  12  kaum  mehi'  als  die  Worte  .  .  .  &.>LjJ^     ^J(  ,g^^^  iS-^ 

ausgefallen    sein.     Der  Name    war    wohl    in    der   Vorlage    unserer 
Handschrift  an  den  Rand  geschrieben,    ist    aber  vom  Abschreiber 


1)  Idnsi  trad.  par  Jaubert  II  292.  298.  Vgl.  Tomaschek, 
Zur  Kunde  der  Hämushalbinsel  II.  Die  Handelswege  im  12.  Jahrhundert 
nach  den  Erkundigungen  des  Arabers  IdrlsT.  SBWA.  Bd.  113,  1886, 
S.  330—335.  Bei  Idrisl  II  292  heisst  es  irrtümlich,  KibsTla  liege 
12  Meilen  von  Rodosto.  Das  Richtige  ist  wahrscheinlich  62  (50  +  12), 
sofern  die  direkte  Entfernung  von  Rodosto  nach  Rusio  ebenfalls  auf 
50  Meilen  angeschlagen  wurde,  wie  die  von  Bäna<Jös  nach  Rusio  (nach 
Tomascheks  Verbesserung;  Idr.  II  297  hat  30  Meilen). 

-)  Vgl.  über  die  Masse  Idrisi's  Tomaschek  a.  a.  0.  287  f. 

3)  IdrlsI  II  296—297.     Vgl.  Tomaschek  a.  a.  0.  S.  357—360. 

*)  Lebe  au,  Histoire  du  Bas -Empire.  Nouv.  ed.  1832  t.  XIII, 
360—874. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  239 

an  unrechter  Stelle  (hinter    Lp|  Z.  13)  in  den  Text  aufgenommen 

und  in  .,  Ja/>  verdorben  worden.  IdrisT  11  296  gibt  die  Ent- 
fernung von  Kitros  nach  Salonik  auf  dem  geradesten  Wege  auf 
20  oder  nach  Tomaschek's  Verbesserung i)  auf  30  Meilen  an. 
Damit  lassen  sich  die  drei  manzü  des  Ibn  Rusta  sehr  wohl  ver- 
einigen, da  ich  jetzt  nachgewiesen  habe,  dass  das  als  Wegemass 
sehr  selten  vorkommende  j-JL/i  nicht  eine  Tagereise,  sondern  eine 
Haltestation  zu  4  Fars.  =  12  arabischen  Meilen  bezeichnet, 
und  zwar  findet  sich  der  Ausdruck  nur  für  gewisse  Gebiete,  die 
in  der  altern  Chalifenzeit  nicht  unmittelbar  mit  dem  Reiche  ver- 
einigt waren '^).    In  Iran  und  dem  grössten  Teil  des  Chalifenreiches 

lagen  die  Poststationen,  gewöhnlich  K^  genannt,  nur  zwei  Farsang 

auseinander.  Drei  manzil  ergeben  also  12  Fars.  =  36  Meilen 
oder  1^/2  Tagereisen.  Idrisl  nennt  Kitros  in  Übereinstimmung 
mit  Harun  eine  ansehnliche,  befestigte,  handeltreibende  und  wohl- 
bevölkerte Stadt.  Rätselhaft  sind  aber  die  zahlreichen  Flüsse, 
welche  sich  nach  Härfln  rings  um  die  Stadt  befinden  sollen.  Ver- 
mutlich liegt  hier  ein  Gedächtnisfehler  auf  selten  des  Bericht- 
erstatters vor,  indem  sich  in  seiner  Erinnerung  die  zahlreichen 
Flüsse  von  Niedermakedonien ,  welche  er  auf  dem  Wege  von 
Saloniki  nach  Kitros  passierte  (Echeidoros,  Axios,  Ludias  und 
Haliakmon  der  Alten),  mit  der  Endstation  selbst  verknüpften. 

Der  folgende  Abschnitt  hat  am  meisten  gelitten ,  indem  sich 
darin  nicht  bloss  einige  Lücken  finden ,  sondern  auch  ein  ganzer 
Passus  an  falsche  Stelle  geraten  ist.  Doch  ist  es  mir  nach  vieler 
Mühe  gelungen,  den  ursprünglichen  Verlauf  des  Textes,  wie  ich 
hoffe,  im  wesentlichen  wiederherzustellen.  Ich  begnüge  mich  da- 
mit, meine  Herstellung  und  Übersetzung  folgen  zu  lassen,  da  der 
überlieferte  Text  jedem  Arabisten  in  de  Goeje's  Ausgabe  leicht 
zugänglich  ist. 


Ibn  Rusta  JCv,  13  — irA,  10. 


1)  A.  a.  0.  S.  351. 

^)  S.  mein  Eränsahr  nach  der  Geographie   des  Ps.  Moses  Chore- 
j'i  S.  188.  257.  288.  296  A.  1. 

^)     Hs.     {jMyM*.i, 


240  J-  Marquart, 

•liAÄ*  ^^L^^  ^•**^»  *-JjäJ1  8l\^  q^  „j^^»^  .  .  .  .^)  II  jj^wA^j^b 

Cf   K^-    ^'*'^'   qj5A^   ^^    ^ji   ^^^   y^i    eLxJ^   sly^   ^   ^^y 
^5    j*-*A^ÄS     &,xJ!i-»a>üS     r^H^     i  ?^    -^♦•^3     -?uLft/o     0»„S^U-<    i_x/ix3»  10 
.LÄ4.J3  ^iAäc   ^^/i    ^^'Ji^    f^^^   '^J^'^   ^Jri   qJj-**»^  j^'-'^^Ai   |*^jla/«^ 

,Von  da  reist  man  ab  und  zieht  durch  waldige  Röhrichte 
inmitten  der  Slawen,  die  Holzhäuser  besitzen,  in  denen  sie  wohnen. 
Sie  sind  Christen,  die  auf  Veranlassung  des  Königs  Basijüs*)  das  15 
Christentum  annahmen ;  daher  bekennen  sie  sich  heute  zur  christ- 
lichen Religion.  Man  reist  unter  ihnen  ungefähr  einen  Monat 
durch  ihre  Gehölze ,  (128)  bis  man  zu  einer  Stadt  kommt  die 
Baläüs  heisst.  ||  ....  *Man  verlässt  dieses  Dorf  und  zieht 
mitten  durch  sie  einen  Monat  lang  durch  Röhrichte  und  Wälder;  20 
manchmal  begegnen  auch  Hügel,  auf  welchen  allerlei  Ansiede- 
lungen von  ihnen  sind,  bis  man  zu  einem  Dorfe  gelangt,  das 
al  Bandaqis  heisst^).     <.  .  .  .  Man  verlässt  diese  Stadt  und  reist 

gegen  Westen,  bis  man  zur  Stadt  Pavia  KxjLJI  kommt.>    *Es  ist 
das    eine    grosse    Stadt ,    deren    Länge    sechs    Meilen    beträgt    mit  25 
gleicher  Breite.     Sie    ist    reich  an  Früchten  und  besitzt  Ölbäume 
und  Obstsorten.     Sie    hat    zwei    laufende  Flüsse ,    welche    bei   ihr 
fliessen.      Es    ist    die   Hauptstadt    der  Langobarden^    die    sich   in 


^)  In  der  Es.  keine  Lücke  angedeutet. 

^)  In   der  Hs.  keine  Lücke   angedeutet.     Das  Folgende  bis  j»LAi>- 
Z.  8  steht  in  der  Hs.  hinter  ^y^^h^  Z.  2. 
3)  So  de  Goeje;   Hs.  ^;jOj.x3Cj^t. 
•»)  Hs.  Basüs. 
^)  In  der  Hs.  an  falsche  Stelle  geraten. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  241 

ihren  Ebenen  niedergelassen  haben  in  einer  Entfernung  von  zwanzig 
Schritt.  Sie  leben  nach  Art  der  Kurden,  indem  sie  mit  ihren 
Zelten  in  die  Ebene  hinabsteigen  ^).  Sie  wohnen  in  einer  kahlen 
Ebene,  und  haben  keine  Dörfer  und  Städte.  Ihre  Häuser  sind 
nur  aus  Holzbrettern  gebaut.  Sie  bekennen  sich  zum  Christen-  5 
tum.  Man  reist  unter  ihnen  etwa  20  Tage,  indem  man  bei  ihnen 
absteigt  und  sich  bei  ihnen  verproviantiert,  bis  man  die  Stadt 
Mom  erreicht". 

Aus  der  falschen  Abwechslung  von  Stadt  und  Dorf  in  der 
Übersetzxmg  ergibt  sich,  dass  die  Textverschiebung  nicht  erst  der 
Vorlage  unserer  Handschrift  zur  Last  fällt,  sondern  viel  älter  ist 
und  wahrscheinlich  schon  von  Ibn  Rusta  vorgefunden  wurde.  Die 
Richtung  der  Route  ergibt  sich  im  allgemeinen  daraus,  dass  sie 
von  Saloniki  zunächst  der  Seeküste  folgte,  also  nach  Süd- 
westen ausbog.  Damit  ist  zugleich  de  Goeje's  Vermutung, 
der  ich  mich  früher-)  selbst  angeschlossen  habe,  dass  unter  der 
Stadt  y-w*!?^  das  heutige  Tt'tel  an  der  Einmündung  der  Theiss 
in  die  Donau  zu  verstehen  sei,  ausgeschlossen.  Denn  in  diesem 
Falle  hätte  der  Weg  mindestens  von  Saloniki  an  südwärts 
führen  müssen  und  das  wichtige  Belgrad,  wo  aber  damals  ein 
bulgarischer  Tarkan  gebot,  nicht  umgehen  können. 

Im  10.  Jahrhundert,  als  der  mit  Riesenschritten  von  seiner 
Höhe  herabsinkende  Bulgarenstaat  in  sehr  enge  Beziehungen  zum 
Romäerreiche  trat,  kam  die  direkte  Strasse  von  Saloniki  nach 
Belgrad  wieder  in  Aufnahme  und  soll  nach  Konstantin  Porphyro- 
gennetos  nur  acht  gewöhnliche  Tagereisen  in  Anspruch  genomnaen 
haben  3),  was  freilich  mindestens  um  die  Hälfte  zu  wenig  ist. 
Die  heutige  Eisenbahnlinie  von  Belgrad  über  Nis,  Vranja,  Ristovac, 
Üsküb  nach  Saloniki  beträgt  714  km  d.  i.  15^2  starke  Tage- 
märsche zu  46  km  =  30  mil  oder  19  gewöhnliche  zu  371/2  km 
=  24  mil  nach  Idrisl.  Es  wird  also  bei  Konstantin  66bg 
rjfiSQ&v  L7\  zu  schreiben  sein.  Der  Weg  von  Kitros  nach  BalätTs 
soll  aber  nach  Härün  etwa  einen  Monat  gedauert  haben,  also 
abermals  ein  Beweis,  dass  wir  diese  Stadt  in  ganz  anderer  Richtung 
zu  suchen  haben  und  die  Karawane  einen  grossen  Umweg  ge- 
macht haben  muss.  Zugleich  beweist  die  oben  hervorgehobene 
Ausbiegung  von  Saloniki  nach  Südwesten  klar,  dass  auch  die  von 
Idrisi  II  289  f.  beschriebene  Strasse  von  Durazzo  über  ^iy:j 
Petreia,  Ochrida,  -Lö^j  BomtXLg  (Bitol),  Ostrowo,  *jLOj.j  Wodena 
nach  Saloniki*),  die  alte  via  Egnatia,  für  Haruns  Route  nicht  in 


1)  In  der  Es.  hinter  Baläüs  S.  240  Z.  19  geraten. 

2)  Oben  S.  66  A.  2. 

3)  Konstantin.  Porphyrog.  de  administr,  imp.  c.  42  p.  177,  11—14. 
*)  S.  Tomaschek  a.  a.  0.  S.  353—357. 


Marquart,  Streifzüge. 


16 


242  J-  Marquart, 

Betracht  kommen  kami,  da  jene  bereits  von  Saloniki  nach  Nord- 
westen abbog. 

Damit  wird  es  zugleicli  sehr  unwahrscheinlich,  dass  die  Slawen, 
die  in  Holzhäusern  wohnten  und  auf  Veranlassung  des  Königs 
,  «*,>«ao  das  Christentum  angenommen  hatten  i),  die  makedonischen 
sein  sollten,  zumal  diese  grösstenteils  schon  längst  dem  Heiden- 
tume  entsagt  hatten  2).  Zu  demselben  Resultate  führt  die  Be- 
obachtung, dass  man  zur  Zeit  des  Härün  b.  Jahja,  entsprechend 
den  damaligen  politischen  Verhältnissen,  offenbar  ängstlich  bemüht 
war,  soviel  als  möglich  auf  romäischem  Gebiete  zu  bleiben.  Ich 
kann  zwar  keine  ausdrückliche  Angabe  über  die  Südwestgrenze 
des  Bulgarenreiches  unter  dem  Chane  Bogoris  (bis  888)  linden, 
allein  wenn  die  Kirche  von  Ochrida  wirklich  eine  der  sieben  von 
Bogoris  gegründeten  Kirchen  war,  so  muss  das  ganze  von  slawi- 
schen Stämmen  bewohnte  Binnenland  von  Epeiros  und  Makedonien 
mit  Einschluss  des  heutigen  Albanien  schon  damals  den  Ikilgaren 
gehorcht  haben,  obwohl  uns  eine  solche  Ausdehnung  des  Bulgaren - 
reiches  erst  für  die  Regierung  seines  Sohnes  Symeon  (893 — 927) 
ausdrücklich  bezeugt  ist,  und  die  dortigen  Slawen  müssen  dann 
jedenfalls  spätestens  von  Bogoris  gleich  den  Bulgaren  in  den 
Jahren  864—867=0  vollends  zur  Annahme  der  Taufe  gezwungen 
worden  sein.  Es  bleibt  somit  nur  die  Annahme  übrig,  dass  der 
Weg  Haruns  zum  grössten  Teil  an  der  adriatischen  Küste  entlang 
geführt  hat,  und  dass  mit  jenen  christianisierten  Slawen  die  bis 
dahin  noch  ungetauften  Südserben,  besonders  die  Narentaner,  ge- 
meint sind,  welchen  Kaiser  Basileios  I.  im  Jahre  877,  als  sich 
der  Chorwatenfürst  Sedeslaw  samt  den  Häuptlingen  der  Narentaner, 
Zachlumer  und  der  übrigen  Südserben  der  kaiserlichen  Ober- 
hoheit unterwarf,  griechische  Geistliche  sandte,  um  ihnen  die 
Taufe  zu  spenden*).  Daraus  ergibt  sich  von  selbst,  dass  unter 
dem  König  ^J^y^i  nicht  der  13ulgarenchan  Bogoris  (bei  Konstantin. 
Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  31  p.  150,  21  ff.  Mtxc<i]X  6  BoQcöatjg, 
aber   c.  32  p.  154,  15  ff.  Mixar]X  o  BoQiatig)    zu    verstehen    ist  5), 


»)  Ebenso  Bekrl  S.  38,  4  aus  gleicher  Quelle. 

2)  Jiref  ek,  Geschichte  der  Bulgaren  153. 

»)  Über  das  Datum  s.  Ferd.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfräuk. 
Reiches  I  628—633. 

*)  Theophan.  Cout.  V  54  p.  291:  IsQslg  tvQ'^ag  ^istcc  Ha)ßc(6iXi^ov 
av&Qwnov  öhv  avTOig  (sc.  legatis  Sclavorum)  f^antaTnXsv.  Konstantin. 
Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  29  p.  129.  1—19.  Vgl.  Dümmler,  Über 
die  älteste  Geschichte  der  Slawen  in  Dalmatien.  SBWA.  Bd.  20,  1S56, 
S.  405    und    N.  4.     de   Muralt,    Essai   de   Chronographie   byz.   I   452 

6)  So  Kuuik,  Izvestija  al  Bekri.  St.  Petersburg  1878,  S.  82  f. 
und  ihm  folgend  de  Goeje,  Een  belangrijk  arabisch  boricht  over  de 
slavische  volken  omstreeks  965  n.  Chr.  Verslagen  en  mededeehngen  der 
K.  Akad.  van  Wetenschappeu.  Afd.  Letterkuude.  2de  reoks,  9do  deel, 
2«ie  stuk,  1880,  S.  207.     Bibl.  Geogr.  Arab.  VII,  1892,  p.  Ifv  k. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streitzüge.  243 

sondern  der  Kaiser  Basileios  1.  der  ÄFakedonier  (8G7 — 886),  wie 
de  Goeje  schon  1878  in  Baron  Rosons  Ausgabe  des  Bekrl 
S.  38  N.  3  vermutet  hatte  und  jüngst  begründet  hat  (s.  o.  S.  29 
Anni.  2).  Die  Änderung  des  bei  Ihn  Rusta  und  Bekri  über- 
lieferten (_w»-mo  in  fjMy^iM*j  scheint  mir  indessen  zu  gewaltsam, 
und  ich  glaube  vielmehr,  dass  wir  ^j*».aaw.j  liasijus  zu  lesen  und 
darin  eine  mouillierte  Aussprache  von  Bc:aiksiog  zu  erkennen  haben. 

Auch  hier  beobachten  wir  wieder  das  perspektivische  Gesetz, 
dass  die  entfernteren  Gegenstände  vor  dem  geistigen  Auge  des 
Berichterstatters  zusammeniliessen  und  er  daher  irrtümlich  die 
einmonatliche  Dauer  der  Reise  von  Kitros  bis  Balätls  mit  dem 
letzten  Volke ,  zu  dem  er  vor  der  Endstation  gelangte ,  den  neu- 
bekehrten Slawen ,  verknüpfte.  Es  kann  nunmehr  kaum  noch 
einem  Zweifel  unterliegen ,  wo  wir  die  Stadt  ^y,.j.Luii  zu  suchen 
haben:  die  historischen  und  geographischen  Verhilltnisse  zwingen 
gleichmiissig  zu  dem  Schlüsse ,  dass  damit  keine  andere  als  die 
bedeutendste  Stadt  in  Dalmatien ,  Spalato ,  byz.  ^Aanäkad-oq ,  ge- 
meint sein  kann.  Spalato  heisst  auf  italienischen  S(>ekui'ten  auch 
Spalatro  und  schon  beim  Geographen  von  Ravonna  Spalathron.  Die 
Stadt  war  der  Sitz  des  Erzbischofs  von  Dalmatien  und  Kroation. 
Nach  der  Zerstörung  Salona's  durch  die  Chorwaten  setzte  sich  ein 
Teil  der  alten  Einwolmer  in  dem  3 — 4  Milien  entfernten,  schwer 
zugänglichen  Palaste  Diokletians  fest ,  und  aus  diesem  Palatium 
entwickelte  sich  die  Stadt  Spalato.  Doch  kennt  schon  die  Karte 
des  Castorius  Segm.  VI  3  einen  Ort  Spalato  neben  Salona.  Vgl. 
Konrad  IMiller,  Mappae  Mundi  VI  17.  Nach  Konstantin 
Porphyrogennetos  soll  der  Name  „kleiner  Palast"  bedeuten'). 
Der  vorauszusetzenden  Grundform  ohne  vorgeschlagenes  s  steht 
also  Haruns  Baläfts  noch  verhältnismässig  am  nächsten,  während 
die  Formen  Spalato.  ^AGirälad'og  etc.  wohl  auf  ein  vulgärlateinisches 
ex  palatio  zurückzuführen  sind. 

Die  ziemlich  verwickelten  politischen  und  nationalen  Ver- 
hältnisse in  Dalmatien  und  Kroatien  werden  wohl  am  ehesten 
verständlich  durch  eine  geschichtliche  tHjersiclit.  Durcli  die  ver- 
heerenden Züge  der  Goten,  Ikilgaren  und  namentlich  der  Awaren 
und  der  in  ihrem  Gefolge  auftretenden  Slawen  waren  die  roma- 
nisierten  Bewohner  der  Provinzen  Dalmatia,  Moesia  superior  und 
Dardania  stark  dezimiert  worden.  Bei  dem  grossen  Einfall  im 
Jahre  581  ,  auf  welchem  die  slawischen  Völkerschaften  der  /i(to- 
yovßirai  (Dragowitii),  Zoiyovödrai,  B^kEye^iitKi  (W(^legostiii),  Baiov- 
vijrai  (Wojnici)  und  Bffi^ijTai  (Blrzaci) -)  den  grössten  Teil  der 
Präfektur    Illyrikum:    Epeiros ,    ganz  Achaia,    Thessalien    und  die 


»)  De  admin.  imp.  c.  20  p.  125,  16  ff.  137,  15  tV. 

^)  Vgl.   Coustantin    Jos.   Jireöek,    Ge.scliichte    der   Iliiliraren 
119-121. 

16* 


244  J-  Marquart, 

umliegenden  Inseln  sowie  die  Kykladen  bis  nach  Asien  hinüber 
überschwemmten  und  verwüsteten  und  sogar  die  Stadt  Thessalonich 
bestürmten ,  um  sich  schliesslich  in  Makedonien ,  Epeiros  (die 
Wojniöi)  und  Thessalien  (die  BeXeyE^i}rcci  um  Velestino)  endgiltig 
niederzulassen,  verödeten  zahlreiche  Städte  und  Provinzen,  indem 
die  Einwohner,  soweit  sie  nicht  dem  Schwerte  zum  Opfer  fielen, 
teils  in  die  Gefangenschaft  geschleppt  wurden,  teils  in  der  Haupt- 
stadt Thessalonich  eine  Zuflucht  suchten^).  So  drängten  sich  hier 
die  Flüchtlinge  aus  den  Donauländern,  aus  Pannonien,  Dacien, 
Dardanien   \md    den    übrigen  Provinzen  und  Städten  zusammen-). 


^)  Miracula  S.  Demetrü  S.  158—169.  Acta  Sanctorum  8.  Oct. 
p.  162— 167.  Vgl.  dazu  Schafarik  II  206  und  besonders  H.  Geizer, 
Die  Genesis  der  byzantinischen  Themenverfassung  S.  42 — 50.  Abb.  der 
phil.-hist.  Cl.  der  Sachs.  Ges.  der  Wissensch.  Bd.  XVIII  Nr.  V.  Dieser 
Slaweneinfall  wird  gewöhnlich  ins  Jahr  676  gesetzt.  Geiz  er  dagegen 
(a.  a.  S.  49)  identifiziert  ihn  mit  dem  von  Johannes  von  Ephesos  VI  25 
beschriebenen  und  ins  dritte  Jahr  des  Tiberius  (581)  verlegten  Einfall, 
der  sich  gleichfalls  bis  in  die  Umgebung  von  Thessalonicn  erstreckte. 
Dazu  stimmt,  dass  jenen  Slawenstämmen  die  Verwüstung  der  Provinzen 
der  Präfektur  Illyrikum:  Pannonia  I  und  II,  Dacia  ripensis  und  medi- 
terranea,  Dardania,  Mysia,  Praevalis  und  Rhodope  zugeschrieben  wird 
(Miracula  S.  Demetrü  ^  195  p.  179  vgl.  §  158  p.  162),  woraus  sich  er- 
gibt, dass  jene  vor  diesem  Einfall  noch  in  Pannonien  gesessen  haben 
müssen.  Ebenso  verträgt  sich  sehr  gut  mit  jener  Zeitbestimmung,  dass 
zu  dem  zwei  Jahre  später  stattfindenden  Zuge  des  Awarenchagans 
auch  Bulgaren  aufgeboten  werden  (1.  1.  §  170  p.  167.  §  171  p.  168. 
§  195  p.  179).  Mit  diesen  können  nur  die  pannonischen  Bulgaren  ge- 
meint sein,  die  aber  um  630  infolge  einer  aufrührerischen  Bewegung 
Pannonien  verlassen  mussten  (s.  meine  Chronologie  der  alttürkischen 
Inschriften  S.  85  f.).  In  die  Zeit  nach  jenem  misslungenen  Aufstand 
der  Bulgaren  passt  nun.,  auch  die  Erhebung  des  Kuber  (§  196 — 207 
p.  180 — 184),  den  die  Überschrift  des  Kapitels  als  Bulgaren  be- 
zeichnet. Um  676  aber  konnte  ohne  Zweifel  von  einer  romäischen 
Herrschaft  in  Pannonien  und  Dacien  längst  keine  Rede  mehr  sein,  da 
Geizer  S.  40  f.  zeigt,  dass  die  beiden  Dacien  schon  unter  Maurikios 
von  den  römischen  Garnisonen  verlassen  waren.  Auf  der  andern  Seite 
spricht  es  gegen  alle  Wahrscheinlichkeit,  dass  der  Chagan  der  Awaren 
noch  im  Jahre  678,  nachdem  seine  Macht  längst  durch  die  Bündnisse 
des  Herakleios  mit  Kubrat,  dem  Chan  der  Unugundur- Bulgaren,  und 
mit  den  Serben  und  Chrobaten  (oben  S.  109)  geschwächt  worden  war, 
auf  die  Vorstellungen  einiger  Slawenstämme  einen  grossen  Zug  gegen 
Thessalonich  veranstaltet  haben  sollte.  Freilich  ist  anzuerkennen,  dass 
der  Sammler  des  zweiten  Teils  der  Wunder  des  hl.  Demetrios  die 
beiden  Einfälle  des  Slawenfürsten  Xdr^cov  und  des  Chagans  ausdrücklich 
unter  die  Regierung  des  Bischofs  Johannes  von  Thessalonich  setzt 
(§§  158  p.  162.  168  p.  166.  171.  173  p.  168),  unter  welchem  er  augen- 
scheinlich den  Erzbischof  von  Thessalonich  versteht,  der  noch  die  Be- 
schlüsse der  sechsten  allgemeinen  Synode  von  Konstantinopel  681  unter- 
zeichnet. Hier  liegt  also  eine  Schwierigkeit  vor,  die  Geiz  er  nicht 
berührt  hat. 

2)^  Miracula  St.  Demetrü  §  169  (Acta  SS.  8.  Oct.  p.  167): 
.  .  .  (JioTt  rag  vn  avtrjv  Ttäaag  nöXsig  xal  iTtaQ%iag  i^  avrcöv  ao/xjjrorg 
ysvia&ai,  ravr-r\v  Sh  ^ovrjv,  Ka&ag  ii'grircci,  iiLybicco  avrcav  VTtaQ^SLV,  ycal 
avxr\v  VTtodb^sa&at  nävtag  rovg  6c7tO(pvyovg  x&v  iy.  rov  davovßiov  fisgwv 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  245 

Es  scheint  dass  damals  bereits  die  Städte  Naissus  (Nis)  und  Sardica 
(Sredec ,  Sophia)  der  Belagerungskunst  der  Slawen  oder  Awaren 
erlegen  waren ').  Zwei  Jahre  später  unternahm  der  Awaren- 
chagan  selbst  auf  den  Ruf  der  genannten  Slawenstämme  einen 
neuen  Zug  gegen  Tliessalonich,  zu  welchem  sämtliche  dem  Chagan 
botmässigen  Völker,  besonders  die  Slawen  und  Bulgaren,  auf- 
geboten wurden.  Die  auf  demselben  erbeuteten  Gefangenen  wur- 
den in  Pannonien  angesiedelt  und  erlangten  erst  zwei  Menschenalter 
später  ihre  Freiheit  wieder^).  Unter  Kaiser  Maurikios  entsandte 
der  A Warenfürst  im  Jahre  597  abermals  ein  grosses  aus  Slawen 
und  andern  Völkern  zusammengesetztes  Heer  gegen  Thessalonich, 
das  soeben  noch  von  einer  furchtbaren  Pest  heimgesucht  worden 
war.  Doch  wurde  die  Belagerung  schon  nach  sieben  Tagen 
plötzlich  aufgehoben,  da  die  Pest  im  Lager  ausgebrochen  war^). 
Unter  diesen  Verheerungen  hatten  aber  nicht  bloss  die  unmittel- 
bar auf  der  Heerstrasse  nach  Thessalonich  und  Konstantinopel 
liegenden  Provinzen  zu  leiden,  sondern  ebensogut  auch  die  Land- 
schaften üalmatia  und  Praevalis,  so  dass  die  noch  übriggebliebenen 
Romanen ,  als  die  nachmals  unter  den  Namen  Serben  und  Chro- 
waten  zusammengefassten  Slawenstämme  sich  in  diesen  Ländern 
festsetzten,  entweder  ausgerottet  oder  zu  Hörigen  herabgedrückt 
wurden,  soweit  sie  nicht  hinter  den  festen  Mauern  der  Küsten- 
städte Zuflucht  gefunden  hatten.  Nur  diese  letztern  vermochten 
die  Slawen  nicht  zu  bewältigen,  und  hier  bewahrte  daher  die 
romanische  Bevölkerung  ihre  Selbstständigkeit  in  loser  Abhängig- 
keit von  der  romäischen  Herrschaft,  während  wir  erst  weit  später 
wieder  von  den  Wlachen  der  serbischen  Rasa  und  Istriens  hören. 
Ob  diese  Romani  der  dalmatischen  Küstenstädte  ('Pcofiävoi  bei 
Konstantin.  Porphyrogenn.  de  admin.  imp.  c.  29  p.  125,  19.  126,  7. 
14.  17.  23.  127,  8.  16.  20.  24.  128,  2.  6.  c.  31  p.  148,  9.  11.  14. 
c.  32  p.  153,  14.  c.  33  p.  160,  3/4.  c.  35  p.  162,  8)  zu  der  Zeit, 
als  sie  durch  die  Awaren  einfalle  und  die  Einwanderung  der  Serben 
und  Chrowaten  von  den  übrigen  Romanen  oder  Wlachen  der 
Halbinsel  getrennt  wurden,  noch  diejenige  Form  der  lateinischen 
Vulgärsprache  redeten,  aus  der  das  Rumänische  hervorgegangen  ist, 
und  erst  infolge  der  venezianischen  Herrschaft  italianisiert  worden 
sind,    ist  bis  jetzt  nicht  festgestellt,    wenn   auch   von  vornherein 


üavoviccg  ts  xat  z/axiag  Kai  /ia^davlag,  ^ul  rcov  Xontcbv  inaQ%iwv  T£ 
xat  Ttölsav,  v.al  iv  avr^  insQsiSsa&cci.  Ahnlich  8  195  p.  179.  Vgl. 
§§  158.  159  p.  162. 

^)  Eb.  §  171  p.  168:  .  .  .  stsgoi  Sh  x&v  uno  NaCaaov  v.al  EagSiv-fig 
VTtUQXovtcov,  äg  nst^av  rfjg  avt&v  rsL^oiia^iag  siXTicpotsg  (isra  Q'Q'qvcov 
aXsyov,  ort  iKEi&sv  (pvyovrsg  iv&avra  ^'xofifv  (isd"'  v^äv  ccTtolh&ai,  ■  ^icc 
yuQ  rovxcov  XLO'ov  ßoXi]  xb  x£l%og  v.ax£äi,SL. 

*)  Eb.  §§  170—185  p.  167—171.  194—207  p.  179—184. 

8)  Miracula  S.  Demetrii  §  116  p.  145.  §  145  p.  155.  §§  30—40 
p.  114—118. 


246  J-  Marquart, 

wahrscheinlich  1).  Gibt  es  doch  noch  heute  sogar  auf  der  Insel 
Veglia  Rumänen  ^). 

Über  die  Geschichte  des  Küstenlandes  bis  zum  Untergänge 
des  Awarenreiches  ist  fast  nichts  bekannt.  Erst  mit  diesem  weit- 
tragenden, Ereignis  tritt  es  wieder  aus  dem  Dunkel  hervor. 

Schon  vor  dem  Jahre  791,  vermutlich  nach  dem  Peldzuge 
gegen  die  Awaren  im  J.  788,  hatten  die  Franken  das  zum  ost- 
römischen Reiche  gehörige  Istrien  erobert,  dass  mit  Pippins  König- 
reich Italien  vereinigt  wurde,  aber  seinen  eigenen  Herzog  behielt, 
der  unter  die  Oberaufsicht  des  Markgrafen  von  Friaul  gestellt 
wurde  ^).  Im  Jahre  799  fiel  der  Markgraf  Erich  von  Friaul  durch 
einen  Hinterhalt,  den  ihm  die  kroatischen  Bewohner  der  unter 
oströmischer  Hoheit  stehenden  Seestadt  Tharsatica  (Tersatto)  un- 
weit Fiume  in  Liburnien  gelegt  hatten*).  Im  Jahre  803  er- 
schienen vor  Kaiser  Karl  in  Regensburg  ausser  den  Awaren  auch 
Gesandte  verschiedener  südslawischer  Stämme,  um  dem  Kaiser  ihre 
Huldigung  darzubi-ingen,  so  dass  dieser  jetzt  eine  Neuordnung  der 


^)  In  dieselbe  Zeit  ist  auch  die  Abzweigung  der  Wlachen  des 
Pindos  und  Thessaliens  zu  setzen,  die  ja  unzweifelhaft  aus  nördlicheren 
Gegenden  gekommen  sein  müssen.  Und  zwar  findet  sich  dafür,  soviel  ich 
sehe,  kein  anderer  Anhaltspunkt  in  der  Geschichte  als  jene  grosse  Flucht 
der  Provinzialen  nach  dem  Süden,  besonders  nach  Thessalonike ,  im 
Jahre  581.  Vgl.  auch  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Hämushalbinsell. 
SBWA.  Bd.  99,  1881,  S.  486—498.  Die  alten  Thraker  1  25.  79  f  SBWA. 
Bd.  128,  1893,  Nr.  IV.  Es  ist  gewiss  mehr  als  Zufall,  dass  uns  aus  der- 
selben Zeit  (a.  587)  auch  der  erste  Satz  in  wlachischer  Sprache,  das 
berühmte  roqva,  toQva  (Theophyl.  Simok.  TI  15,  9  ed.  de  Boor)  bezw. 
TOQva,  TOQva,  (pQccTSQ  (Thcophanes  p.  258,  16  ed.  de  Boor)  überliefert 
ist.  Derselbe  Slawensturm  muss  auch  die  heutigen  Albanesen  in  die 
wilden  Randgebirge  des  Westens  zurückgedrängt  haben.  Denn  nach- 
dem man  endlich  den  sprachlichen  Thatsacheu  Rechnung  getragen 
und  zugestanden  hat,  dass  die  Albanesen  nicht  die  Nachkommen 
der  alten  Illyrier  sein  können,  sondern  ihre  Sprache  sie  dem  thra- 
kisch - phrygischen  Zweige  zuweist  (vgl.  Herman  Hirt,  die  sprach- 
liche Stellung  des  Illyrischen.  Festschrift  für  H.  Kiepert.  Berlin  1898, 
S.  181 — 188,  bes.  S.  184),  ist  der  Schluss  unausweichlich,  dass  ihre  Vor- 
väter aus  östlicheren  Landschaften  eingewandert  sein  müssen.  Sie  be- 
fanden sich  beim  Einbruch  der  Slawen  bereits  in  einem  fortgeschrittenen 
Stadium  der  Romanisierung ,  ähnlich  wie  die  Britannier  beim  Einfall 
der  Angeln  und  Sachsen.  Dies  wird  man  bei  der  Feststellung  des  noch 
unaufgeklärten  Verhältnisses  zwischen  Albanesen  und  Wlachen  (vgl. 
Jirecek,  Gesch.  der  Bulgaren  114  f.  M.  Gaster  und  Gust.  Meyer 
in  Gröbers  Grundriss  für  roman.  Philologie  I  406—410.  805)  im  Auge 
zu  behalten  haben. 

2)  Karl  Lechner,  Petermanns  Mitteil.  1883  S.  294  fi'.  Miklo- 
sich's  Abhandlung  ,Uber  die  Wanderungen  der  Rumänen"  (Denkschr. 
der  k.  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  XXX,  1879)  war  mir  leider  unzugänglich. 

3)  Dümmler,  Über  die  älteste  Gesch.  der  Slawen  in  Dalmatien 
S.  388.  Abel-Simson,  Jahrbücher  des  Fränkischen  Reichs  unter 
Karl  d.  Gr.  I^  642.   II  20—21.  337. 

^)  Abel-Simson  a.  a.  0.  II  194  fi". 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  247 

Verhältnisse  in  diesen  Gebieten  vornehmen  konnte.  Wahrscheinlich 
waren  unter  jenen  slawischen  Stämmen  auch  die  Kroaten,  die 
vermutlich  damals  ,  wie  D  ü  m  m  1  e  r  annimmt ,  unter  die  Ober- 
aufsicht der  Markgrafen  von  Friaul  gestellt  wurden,  unter  der  wir 
sie  später  finden^),  und  mit  denen  sie  bei  der  Teilung  des  frän- 
kischen Reiches  an  das  Königreich  Italien  übergingen  ^). 

Bald  nach  Weihnachten  des  Jahres  805  trafen  am  kaiser- 
lichen Hoflager  in  Diedenhofen  auch  die  beiden  Dogen  von 
Venedig,  die  Brüder  Obelierius  und  Beatus,  sowie  Paulus,  der 
Herzog  von  Zara  iind  Donatus,  der  Bischof  dieser  Stadt,  als  Ge- 
sandte der  romanischen  Dalmatiner  ein,  um  die  Unterwerfung  von 
Venetien  und  Dalmatien  anzukündigen.  Der  Kaiser  traf  sofort 
eine  Verordnung  über  die  Herzöge  und  Bevölkerungen  beider  Ge- 
biete, die,  wie  früher  schon  Istrien,  dem  italienischen  Königi'eiche 
Pippins  zugeteilt  wurden^). 

Im  folgenden  Jahre  erschien  freilich  eine  griechische  Flotte 
unter  dem  Patrikios  Niketas,  um  Dalmatien  wiederzuerobern,  und 
blockierte  auch  die  venetianische  Küste.  Er  wusste  den  Dogen 
Obelierius  durch  Verleihung  der  Würde  eines  Spatharios  zu  ge- 
winnen und  Hess  sich  von  den  Venetianern  Geiseln  stellen ,  die 
er  mit  sich  nach  Konstantinopel  nahm ,  nachdem  er  mit  König 
Pippin  einen  Waffenstillstand  geschlossen  hatte  (807).  Erst  im 
Jahre  810  gelang  es  diesem,  Venetien  wieder  zu  unterwerfen  und 
die  Dogen  zur  Huldigung  zu  zwingen,  während  seine  Flotte,  welche 
die  gleichfalls  wieder  abgefallene  Küste  Dalmatiens  verwüsten 
sollte ,  beim  Herannahen  eines  byzantinischen  Geschwaders  unter 
Paulos,  dem  Statthalter  von  Kephallenia,  sich  schleunigst  zurück- 
ziehen musste*).  Allein  nach  dem  vorzeitigen  Tode  des  tapferen 
Königs  Pippin  war  der  hochbetagte  Kaiser  mehr  als  je  darauf 
erpicht,  zu  einer  Verständigung  mit  dem  Romäerreiche  zu  ge- 
langen, und  so  schloss  er  mit  dem  Gesandten  des  Kaisers  Nike- 
phoros,  dem  Spathar  Arsaphios  ein  vorläufiges  Abkommen,  worin 
er  gegen  die  heissersehnte  Anerkennung  des  Basileustitels  das 
eben  von  Pippin  wiedergewonnene  Venetien  nebst  den  anderen 
Seestädten  an  der  Nordküste  des  adriatischen  Meeres  in  Liburnien 
und  Dalmatien  dem  Ostreiche  schmachvoll  preisgab.  Auf  dieser 
Grundlage  wurde  dann  im  Jahre  812  der  endgiltige  Friede  ge- 
schlossen 5). 


^)  Annales  regni  Francorum  a.  817  ed.  Kurze  p.  145:  quia 
Cadolah,  ad  quem  illorum  (Dalmatinorum)  confinium  cura  pertinebat, 
non  aderat. 

2)  Dümmler  a.  a.  0.  385.     Abel-Simson  a.  a.  O.  II  297  f. 

^)  Annal.  regni  Francorum  a.  806  p.  120/21.  Dümmler  a.  a.  0. 
385  f.     Abel-Simson  S.  333  f. 

")  Abel-Simson  a.a.O.  II  357  ff.  377  f.  394  ff.  415-422. 

»)  Abel-Simson  a.  a. 0.  441— 445.  459— 464.  480— 483.  Dümmler 
a.  a.  0.  386  f. 


248  J-  Marquart, 

Die  Kroaten  dagegen  blieben  auch  fernerhin  unter  fränkischer 
Oberhoheit.  Nach  dem  Tode  des  Herzogs  Borna  im  J.  821  folgte 
ihm  sein  Neffe  Wladislaw  (Ladasclavus)  unter  Zustimmung  seines 
Lehnsherrn ,  des  Kaisers  Ludwig ,  und  dessen  zweiter  Nachfolger 
Tirpimir  datiert  eine  Urkunde  nach  der  Regierang  des  Kaisers 
Lothar  in  Italien  ^).  Noch  im  Jahre  870  schickten  die  Südserben 
und  Kroaten  bei  der  Belagerung  von  Bari  auf  Geheiss  des  Kaisers 
Ludwig  IL  ihre  Kontingente,  erkannten  also  noch  die  Oberhoheit 
des  Königs  von  Italien  an^). 

Weit  weniger  klar  sind  für  die  Zeit  nach  dem  Friedens- 
schlüsse Karls  mit  dem  Romäerreiche  die  Verhältnisse  der  roma- 
nischen Küstenstädte  in  Dalmatien.  In  der  ersten  Hälfte  des 
9.  Jahrhunderts  machten  sich  die  Slawen  an  der  Narenta  als 
kühne  Seeräuber  den  romanischen  Dalmatiern  und  Venetianem 
gefürchtet.  Noch  weit  gefährlichere  Feinde  wurden  aber  bald  die 
arabischen  Seeräuber  von  Qairuwän.  Im  Jahre  840  übei-fielen 
diese  zuerst  das  obere  Dalmatien  und  versuchten  dann  sogar  Ragusa 
zu  nehmen,  das  sie  15  Monate  belagerten.  Beim  Herannahen 
einer  griechischen  Flotte  zogen  sie  ab,  nahmen  aber  dann  841 
auf  der  gegenüberliegenden  apulischen  Küste  das  feste  Bari.  Von 
hier  aus  trugen  sie  ihre  Raubzüge  und  Verheerungen  überallhin 
im  Umkreis  der  Küsten  der  Adria,  begünstigt  durch  die  schlaffe 
Regierung  Michaels  HI. ,  unter  welcher  die  Anwohner  des  adria- 
tischen  Meeres  vollständig  sich  selbst  überlassen  vrurden  und  auf 
alle  ihre  Bitten  ohne  Unterstützung  gegen  die  Feinde  blieben. 
So  wurden  denn  die  Bewohner  der  dalmatischen  Küstenstädte 
unabhängig,  indem  sie,  wie  Konstantin  Porphyrogennetos  sagt, 
weder  der  romäischen  noch  irgend  einer  andern  Oberherrschaft 
unterworfen  waren  ^).  Die  Versuche  der  Venetianer,  den  Saracenen 
zur  See  zu  begegnen,  fielen  unglücklich  aus.  Im  Chron.  Siculum 
wird    eine    zweimalige    Einnahme    Ragusas    durch    die    sizilischen 


1)  Ann.  regni  Francorum  a.  821  p.  155 :  Interea  Borna  dux  Dal- 
matiae  atque  Liburniae  defunctus  est,  et  petente  populo  atque  impe- 
ratore  consentiente  nepos  illius  nomine  Ladasclavus  successor  ei  con- 
stitutus  est.  Farlati,  lUyricum  sacrum  III  51  f.  Vgl.  Dümmler  a.  a.  0. 
388—393,  der  diese  Urkunde  ins  Jahr  852  setzt. 

2)  Brief  Ludwigs  II.  an  Kaiser  Basileios  im  Chron.  Salernit.  c.  107 
(M.  G.  SS.  HI  525—526):  non  enim  congrue  gestum  est,  ut  eisdera 
Sclavenis  nostris  cum  navibus  suis  apud  Barim  in  procincta  communis 
utilitatis  consistentibus  et  nihil  adversi  sibi  aliunde  imminere  putan- 
tibus,  tarn  impie  domi  sua  quaeque  diriperentur.  Vgl.  Dümmler 
a.  a.  0.  401.     Gesch.  des  Ostfränk.  Reichs  I  706. 

^)  de  admin.  imp.  c.  29  p.  128,  12—17:  rjjs  öh  räv  'Pojiiaiav  ßaai- 
Xtlag  äiä  rr]v  räv  Tore  XQarovvTcov  vco&Qoriqta  kuI  acpilsiuv  sig  xb 
{ir^div  naqüitav  ^ixqov  önlv  ivaTtov£vov6r\g,  v.al  [läXiGTU  dh  inl  MtjaiqX 
rov  ^1  'Aiiogiov  rov  ZQavXov,  ol  xa.  X7]g  ^sX^iariag  ■x.äaxQa  olxoiivxsg 
ysyovaaiv  avxov.icpaXoi ,  (a^ts  xm  ßaaiXsi  'Pcoiiaicov  (iTjr«  ^xigm 
•Zivi  vTtoxs'uLsvoi.     Ebenso  p.  129,  19 — 23. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  249 

Sarazenen,  848  und  867,  erwähnt i).  Der  Kaiser  Ludwig  IL,  der 
im  Jahre  848  die  Araber  aus  Benvent  vertrieb,  und  der  Mark- 
graf Eberhard  von  Friaul,  unter  dessen  Obhut  Istrien  und  Dal- 
matien  standen,  suchten  allerdings  dem  Unwesen  nach  Kräften  zu 
steuern  2).  Ob  die  dalmatischen  Städte  sich  etwa  in  dieser  Zeit, 
von  Byzanz  verlassen,  unter  den  Schutz  des  Königs  von  Italien 
gestellt  haben,  wissen  wir  nicht.  Die  Behauptung  Konstantins, 
dass  dieselben  in  der  gedachten  Zeit  weder  der  romäischen,  noch 
irgend  einer  andern  Oberhoheit  unterworfen  waren ,  würde  dieser 
Vermutung  nicht  ernstlich  im  Wege  stehen,  da  er  auch  über 
die  politische  Stellung  der  umliegenden  Slawenstämme  falsch 
unterrichtet  ist.  Für  eine  solche  Annahme  könnte  aber  sprechen, 
dass  gleich  den  Chrowaten  und  Südserben  auch  die  romanischen 
Küstenstädte  im  Jahre  870  ihre  Kontigente  zum  Belagerungs- 
heere des  Kaisers  Ludwig  IL  vor  Bari  sandten.  Konstantin  Por- 
phyrogennetos  stellt  es  freilich  so  dar,  als  ob  dies  auf  Befehl 
des  romäischen  Kaisers  Basileios  geschehen  wäre  und  jene  Gebiete 
sämtlich  schon  damals  die  romäische  Oberhoheit  anerkannt  hätten  ^). 
Dies  ist  indessen ,  wie  D  ü  m  m  1  e  r  mit  Recht  annimmt  *) ,  sicher 
falsch,  und  dann  scheint  die  Vermutung  nicht  zu  gewagt,  dass 
auch  die  dalmatischen  Städte  damals  dem  König  von  Italien  heeres- 
pflichtig  waren.  Andernfalls  muss  man  wohl  annehmen,  dass  die- 
selben aus  eigenen  Stücken  ihre  Schiffe  gegen  den  gemeinsamen 
Feind  nach  Bari  sandten,  dass  aber  Konstantin  irrtümlich  die 
späteren  Souveränetäts Verhältnisse  schon  in  diese  Zeit  zurück- 
getragen hat. 

Erst  mit  Basileios  dem  Makedonier  bestieg  wieder  ein  Kaiser 
den  Thron,  der  die  romäische  Herrschaft  im  adriatischen  Meere 
von  neuem  nachdrücklich  zur  Geltung  brachte.  Im  Jahre  870 
schickte  er  dem  Kaiser  Ludwig  IL  die  versprochene  Hilfsflotte 
unter  dem  Patrikios  Georg  nach  Bari ,  zugleich  sandte  er  aber 
eine  zweite  Flotte  unter  dem  Patrikios  Niketas  Ooryphas  zur 
Sicherung  des  adriatischen  Meeres  gegen  den  Seeraub  aus,  welche 
unter  dem  Vorwande,  die  Narentaner  für  die  kurz  zuvor  erfolgte 
Ausplünderung  der  päpstlichen  Gesandten,  die  von  der  Synode 
von  Konstantinopel  (869 — 870)  heimkehrten,  zu  züchtigen,  in  dem 
Gebiete    der    Südserben    viele    Ortschaften   zerstörte    und    die  Be- 


1)  Muratori,  SS.  rer.  Italicarum  I^  col.  245. 

2)  Dümmler,  Über  die  älteste  Geschiebte  der  Slawen  in  Dal- 
matien  S.  394-40L 

*)  de  admin.  imp.  c.  29  p.  130,  23:  Kai  hcod'EVTsg  xä  itaqu  tov 
ßaßiXiag  anoßralivri  atQatä,  ßfta  toi  Xgcüßärcp,  rü  IJeQßXa  Kai  TjayXov^co 
Kol  TBQßovviätaLg  Kai  Kavalsiraig  Kai  'Paovßioig,  ^n-ra  navxav  t&v 
ccTio  xfig  /isXyuariag  Käexqav  {ovxoi  yccQ  itävxhg  ßaciXiKfi  KsXsvast  Ttagf]- 
cav),  Kai  Tfsgaedvxcov  iv  AoyovßaQdia  iKä%'r\6av  xb  KaGxgov  BaQSoig  kuI 
inoQ&rioav  avxo. 

*)  A.  a.  0.  S.  404  N.  3. 


250  «J-  Marquart, 

wohner  als  Gefangene  wegschleppte ,  während  die  waffenfähige 
Mannschaft  im  Heere  Ludwigs  vor  Bari  lag.  Die  Klagen,  welche 
Kaiser  Ludwig  über  diese  Übergriffe  führte ,  hatten  keinen  Er- 
folg]^). Inzwischen  nahmen  die  Räubereien  der  Sarazenen  sowie 
der  Narentaner  und  Kroaten  ihren  Fortgang.  Im  Jahre  877  aber 
gieng  der  neue  Grosszupan  der  Kroaten  Sedeslaw  selbst  nach 
Konstantinopel  und  Hess  sich  vom  Kaiser  Basileios  die  Herzogs- 
würde bestätigen.  Zugleich  mit  ihm  erklärten ,  wie  wir  sahen, 
auch  die  Häuptlinge  der  Narentaner,  Zachlumer  und  der  übrigen 
Südserben,  sowie  die  romanischen  Städte  ihre  Unterwerfung.  Das 
Thema  Delmatia  wurde  einem  Strategen  unterstellt,  der  seinen 
Sitz  in  Diadora  (Zara)  hatte-).  Doch  beruhte  die  byzantinische 
Herrschaft,  namentlich  bei  den  Serben  und  Kroaten,  in  der  Regel 
auf  dem  guten  Willen  des  jeweiligen  Grosszupans.  Ganz  un- 
genügend sind  wir  über  die  politischen  Verhältnisse  Dalmatiens 
in  den  beiden  letzten  Jahrzehnten  des  9.  Jahrhunderts  unter- 
richtet. In  der  Hist.  Salonitana  des  Archidiaconus  Thomas  von 
Spalato  (t  1268)  heisst  es  c.  XIII:  Marinus  archiepiscopus  fuit 
(sc.  Salonae)  tempore  Caroli  regis  et  Branimiri  ducis  Sclavoniae. 
Spalato  war  vielleicht  noch  im  7.  Jahrhundert  an  Stelle  des  zer- 
störten Salona  zum  Sitze  des  Erzbischofs  und  zur  Metropole  für 
Dalmatien  und  Kroatien  erhoben  worden-^).  Dümmler  ist  nun 
geneigt,  jene  Notiz  auf  eine  Urkunde  zurückzuführen  und  aus  der 
Erwähnung  Karls  des  Dicken  zu  schliessen,  dass  der  Grosszupan 
Branimir  (seit  879)  denselben  dem  Namen  nach  noch  als  seinen 
Oberherren  anerkannte*).  Dies  ist  sehr  wohl  möglich,  da  sich 
Branimir,  der  Mörder  und  Nachfolger  Sedeslaws,  auch  in  kirch- 
licher Beziehung  von  Neu-Rom  lossagte  und  dem  Papste  an- 
schloss^),  und  es  daher  nur  folgerichtig  war,  wenn  er  auch  die 
politische  Oberherrschaft  der  Romäer  wieder  abschüttelte  und  mit 
der  doch  nur  schattenhaften  Lehnshoheit  des  Königs  von  Italien 
vertauschte.  Auf  keinen  Fall  darf  man  aber  aus  jener  späten 
Notiz  schliessen,  dass  der  König  von  Italien  im  letzten  Viertel 
des  9.  Jahrhunderts  auch  noch  in  Spalato  Hoheitsrechte  ausgeübt 
habe.  Denn  in  direktem  Gegensatz  zu  den  Chrowaten  hielten  die 
Bischöfe  der  dalmatischen  Städte  an  der  Verbindung  mit  dem 
Patriarchat  von  Konstantinopel  fest,  und  der  Metropolit  Marinus 
von  Spalato  Hess  sich  sogar  von  dem  Patriarchen  Walbert  von 
Aquileja,  einem  Anhänger  des  Photios  weihen  5). 


1)  Dümmler  a.  a.  O.  401/2.   Gesch.  d.  Ostfränk.  Reiches  I  706  ff. 

2)  Annal.  regni  Francorum  a.  821  p.  155.   Vgl.  Dümmler,  Gesch. 
der  Slawen  in  Dalmatien  S.  371  und  N.  3.  405  N.  1. 

^)  Dümmler  a.  a.  0.  380. 

*)  A.  a.  0.  S.  410  N.  1. 

»)  S.  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches ^  III  191  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifziige.  251 

Aus  vorstehender  Darstellung  der  politischen  Entwicklung 
Dalmatiens  ergibt  sich  ohne  weiteres,  dass  Palätls  (Spalato)  von 
Härün  b.  Jahjä  unmöglich  als   „Hauptstadt  der  Langobarden"   — 

das  bedeutet  ^^jjyJo^l  iüoj^/i  —  bezeichnet  worden  sein  kann, 

wie  es  nach  dem  überlieferten  Texte  den  Anschein  hat,  selbst 
wenn  die  dalmatischen  Städte  im  9.  Jahrhundert  einige  Jahrzehnte 
lang  die  Oberhoheit  des  Königs  von  Italien  anerkannt  haben 
sollten.  Dazu  kommt,  dass  wir  bei  Spalato  die  beiden  Flüsse, 
welche  bei  der  langobardischen  Hauptstadt  vorbeifliessen  sollen, 
vergeblich  suchen  würden  und  überhaupt  die  Beschreibung  des 
Landes  und  der  Lebensweise  der  Langobarden  auf  Spalato  natür- 
lich ganz  und  gar  nicht  passt.  Damit  rechtfertigt  sich  die  von 
mir  vorgenommene  Textherstellung  von  selbst. 

Bei  dem  Versuche,  den  Verlauf  der  Route  Haruns  von  Kitros 
bis  Spalato  genauer  festzustellen,  steht  uns  glücklicherweise  eine 
Beschreibung  des  Küstenweges  von  Aquileja  bis  zum  Golf  von 
Arta  und  eines  Inlandweges  von  Avlona  zum  Golf  von  Volo  bei 
Idrisi  zu  Gebote,  die  von  Tomaschek  treflQich  erläutert  worden 
sindi).  In  der  That  stimmt  die  einmonatliche  Dauer  der  Reise 
Haruns  von  Kitros  bis  BalätTs  sehr  gut  mit  Idrisi's  Itinerar  von 
Spalato  über  Antivari,  Durazzo,  Avlona,  Kastoria,  Larissa,  Dimi- 
triada  nach  Kitros,   wie  es  von  Tomaschek  hergestellt  worden 

ist:  Asbälatö  25  Meilen  (Mukrö  35  Meilen)  y.*^^  äi'&aj'nö 
30  Meilen  u^ji,  Rayü9  oder  Kao^^  Rayü^a  20  Meilen  ^JoMi 
Qätarö  oder  ^  oL'i  Qädarö  (Cattaro)  70  Meilen  2)  Antibärö  10 
(Text  70)  Meilen  ».;.a>^J  Dulügina  (Dulcigno),  dessen  Bevölke- 
rung Lädiqi's  .,^äj^-^)  sind,  80  Meilen  ,-^y  Duräst  (Durazzo), 
den    Franken    gehörig,    100,     oder    mit    allen    Küstenwindungen 


1)  IdrlsT  trad.  par  Jaubert  II  248  N.  1.  266  ff.  L'Italia  descritta 
nel  "Libro  del  Re  Ruggero"  compilato  da  Edrisi.  Testo  arabo  pubbli- 
cato  con  versione  e  note  da  M.  Amari  e  C.  Schiaparelli;  Roma  1883 
p.  ^1^  5_v.,  12.  AA,  2— ii,  9  =  83—84.  106—109  der  Übs.  Vgl.  IdrIsT 
trad.  par  Jaubert  II  286  ff.  291  f.  296.   Tomaschek  a.  a.  0.  839— 852- 

2)  Text:  30. 

^)  Tomaschek  verbessert  ^^j.ajÖ^  (so!)  Lateiner  =  Wlachen, 

allein  in  diesem  Fälle  wäre  es  auffällig,  dass  sich  diese  Bezeichnung 
nur  hier  und  bei  keiner  der  andern  dalmatinischen  Städte  findet.  Das 
Ethnikon  hängt  wohl  mit  dem  Stadtnamen  (Dulcinium,  byz.  'EXxvviov, 
ArKiviov,  alt  OvXmviov,  Ulcinium,  Olcinium)  zusammen,  also  vielleicht 


252  '^'  Marquart, 

125  Meilen  1)  Lablöna  (Ablöna)  2  Tagereisen 2)  jLyi.ol  'ASqiu- 
vovTtoUq,  jQvivovTtohg  3  (Text  2)  Tage  Qastörla  3  Tage  xiLLs^  .Lb 
(xÄ^^^Ll^  =  iCäxxj^^Lb,  rcc  'PoßiviKa?)  1  Tag,  Lärisa  2  starke 
Tagereisen  Armirön  (Halmyros)  30  Meilen  Dimitrijäna^)  110 
Meilen  Ablätamöna  20  (Text  120)  Meilen  Kitros,  zusammen 
530  bezw.  555  Meilen  =  22  Tagereisen  zu  24  Meilen  +11  Tage- 
reisen, im  ganzen  also  33  Tagereisen.  Natürlich  hat  aber  Härün 
den  bedeutenden  Umweg  von  Platamona  nördlich  von  der  Mündung 
des  Flusses  von  Liqostomi  (AvKoarofitov)  d.  i.  des  Salamvrias  über 
Demetrias  und  Halmyros  am  Golf  von  Volo  nach  Larissa  nicht  ge- 
macht, sondern  ist  direkt  von  Platamona  durch  das  Thal  von  Tempe 
an  Lykostomion  vorbei  nach  der  Hauptstadt  Thessaliens  gereist. 
Für  diese  Strecke  können  wir  einen  Tagemarsch  in  Anschlag  bringen 
und  erhalten  somit  insgesamt  390  (415)  Meilen  =  16  (17)  Tage  + 
10  Tage,  im  ganzen  also  26  (27)  Tagereisen.  Dass  im  9.  und 
10.  Jahrhundert  die  gewöhnliche  Route  von  Italien  nach  Konstanti- 
nopel durch  das  seit  dem  J.  783  wieder  zurückeroberte  Thessalien 
und  den  Tempepass  nach  Thessalonich  führte,  zeigt  auch  die  Legende 
von  den  italienischen  Pilgern,  die  im  Jahre  904,  als  die  Sarazenen 
gerade  Thessalonich  verwüstet  hatten,  nach  der  Kaiserstadt  zogen  *). 
Doch  wäre  von  Larissa  an  auch  eine  südlicher  verlaufende  Route 
durch  das  Thal  des  Salamvrias  nach  Trikkala  und  Kalabaka  und 
von  da  über  den  Zygospass  nach  Metsovo  und  weiter  nach  Janina 
und  Dryinupolis  denkbar.  Leider  vermissen  wir  bei  Härün  jeg- 
liche Bemerkung  über  die  Wlachen  des  Pindos  und  Makedoniens  ^). 
Von  den  Räubereien  der  Narentaner,  welche  früher  so  gefürchtet 
waren ''),  weiss  er  nichts  mehr,  man  erhält  vielmehr  den  Eindruck, 
dass  die  Eingebornen  des  ganzen  Küstenlandes  bis  nach  Venedig 
loyale  Unterthanen  des  Romäerreiches  geworden  waren. 

Hinter  ^«^xId^j  ist  der  Text  nicht  bloss  gestört,   sondern  es 
muss    ausserdem    eine    Lücke    angenommen    werden,    in    welcher 


1)  IdrisT,  Italia  1f,  2/3  =  76  der  Übers.  =  II  120  Jaubert. 

2,  Idrisl  II  29L 

3)  IdrTsi  II  296. 

*)  Miracula  S.  Demetrii  §  222—226.    Acta  SS.  8.  Oct.  p.  192—194. 

B)  Die  ältesten  bis  jetzt  bekannten  Mitteilungen  über  dieselben 
verdankt  man  dem  byzantinischen  Strategiker  Kekaumenos,  dessen 
Schrift  von  W.  Wassilje wskij  unter  dem  Titel  Sowety  i  razskazy 
wizantijskago  bojarina  XI.  weka  herausgegeben  und  erläutert  worden 
ist,  leider  an  einem  für  mich  unerreichbaren  Orte  (Journ.  des  Minist, 
für  Volksaufklärung  1881,  Bd.  215  S.  242—299,  Bd.  216  S.  102—171. 
316—357).  Vgl.  Tomaschek,  Zur  Kuude  der  Hämus-Halbinsel  I. 
SB  WA.  99,  1862,  S.  492—498.  K.  Krumbacher,  Gesch.  der  byz. 
Literatur^  269  §  118. 

6)  S.  Dümmler,  Geschichte  des  Ostfränkischen  Reiches^  I  192. 
II  258.  266.  III  25. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  253 

Näheres  über  die  Stadt  berichtet  war.  Die  Beschreibung  des 
Weges  durch  das  dalmatische  und  istrische  Küstenland  nach 
Venedig  trägt  ebenfalls  wenig  individuelle  Züge  und  die  Dauer  des- 
selben erscheint  auf  alle  Fälle  übertrieben.  Idrisi,  Italia  aa,  5 — 
a1,  14  =  106—108  der  Übs.  (=  II  266  f.  Jaubert)  hat  von 
Spalato  nach  iü.^,^!-'^)  d.  i.  Lovrana  am  Golf  von  Quarnero  folgen- 
des Itinerar-): 

Spalato   12  Meilen    y*,.  ^L  Taryüris  oder  ^  ^Ji  Taryuri 
TQuyovqiov    6    Meilen      t^yy^^^*,    (^^^^    L5j^i'j    RäwyürT)     oder 

o 

j  Li: J  Lauyärö  (Trau  vecchia?)  15  (Text  50)  Meilen  >ÜL*v^) 
Sebenico  20  Meilen  äIdLcO  (lies  'iJiD\J^':>  Diograd  für  Biograd, 
Alba  marittima,  t6  BeXoyqaSov)  30  Meilen    ».ÖL=^  Zara  (12  Meilen) 

'i^Ji  oder  ^jaJ^  (p.  aI**,  5  =  100  ^j^ijJ)  Nona  20  Meilen  ..I^Lao 
(p.  aI^,  5  jIiAao)  30  Meilen  \j^J  Arnas*)  15  Meilen  üJLiiAa/i 
Ma9qala^)    20    Meilen      »,ÄAaJlxLAv..ä    Castellum   Jasca^)    15   Meilen 

'sJ.>o  (p.  288  Jaubert  iüL*v,    p.  Ar^,  4  =  II  261  Jaubert   Ka-wI 

für  XA.w)  Segna,  Zengg  30  Meilen  B.bJ  (p-  288  Jaubert  LbJ) 
Lopara  16  Meilen  (cJü  Buccaxi  10  Meilen  iLi.^^l  Lovrana,  zu- 
sammen also  251  Meilen.  Lovrana  war  die  letzte  zur  Mark 
Aquileja  gehörige   Stadt. 

Die    Fortsetzung    des    Itinerars    von   Lovrana    an   der   Küste 
Istriens  entlang  bis  DistrTs  (Capo  d'Istria  ?)  findet  sich  nur  in  der 


0  p.  Ar,  4  =  99  d.  Übs.  =  II  261  Jaubert  Ki^^O. 

2)  Vgl.  dazu  Tomascbek  a.  a.  0.  340—343.  Lelewel,  Geogr. 
du  Moyen-Äge  III  109 — 112,  und  die  Anmerkungen  der  italienischen 
Übersetzer. 

3)  Lies  ^^LLw;   p.  Ar,  5  =  100  d.  Übs.  =  II  261   Jaubert 

*)  p.  aP,  4    A  j«o.?,   lies   (JM.J.'.      Die    italienischen    Übersetzer 

vermuten  darin  das  heutige  Arbe  auf  der  gleichnamigen  Insel,  nach 
Tomaschek  entspricht  es  dem  heutigen  Rabac. 

^)  Die  italienischen  Übersetzer  (p.  99  N.  3)  denken  an  [Castrum] 
Musculum,  jetzt  Castel  Muschio  auf  der  Insel  Veglia;  Tomaschek 
sucht  es  nördlich  von  Carlopago. 

®)  Entspricht  nach  Tomaschek  dem  heutigen  Starigrad. 


254  J-  Marquart, 

Hs,  A  und  der  verkürzten  Bearbeitung  an  der  richtigen  Stelle  i). 
Dasselbe  lautet,  soweit  es  verständlich  ist^):  iü.»^!  Lovrana  14 
(Text  4)  Meilen  iüyit^i  Flämöna  (Fianona)  6  Meilen  My^J\ 
Albona  40  Meilen  iUAJ^Öyi  Medolino  6  (Text  16)  Meilen  kJo 
Pola  12  Meilen  ».Äij.  Rovigno  15  Meilen  ^^' j  Parengio  oder 
^y^j^  Parenzo  12  Meilen  '!LiyXlcu=>-  Civitanuova,  zusammen  105 
Meilen.     Von  hier  ab  beginnen  aber  grosse  Schwierigkeiten. 

„Von  da  an  (d.  h.  von  der  Stadt jjGL^LLoO  ändert  der  Golf 
(von  Venedig)  seine  Richtung  nach  Osten ,  und  dahin  biegen  hier 
die  Länder  von  Ikläja  (Aquileja)  aus.  Zu  den  binnenländischen 
Städten  Aquilejas  gehören :    Ki^  j  Biröna,    auch    iü  \  _j  Biräna  ge- 

schrieben,  xJLjjj  Bübala  und  y*, Ja^LL  Tämatars.  Biröna  ist  eine 
grosse  Stadt,  eine  schwache  Tagereise  von  Tämatars.  Desgleichen: 
von  der  Stadt  Tämatars  nach  Bübala  9  Meilen  —  es  ist  dies 
eine  grosse  bevölkerte  Stadt  —  von  da  nach  ii.Ju.i!  Anmala,  auch 
XJl.^'!  Angila  geschrieben ,  dessen  Einwohner  Franken  sind ,  drei 
Meilen,  von  da  nach  Qandila  der  Franken  drei  Meilen  und  von  da 
nach  dem  bereits  erwähnten  Biröna,  auch  Biräna  geschrieben, 
zwei  Meilen.  All  diese  sind  die  binnenländischen  Städte  Aquilejas. 
Zu  den  Küstenstädten  desselben  gehört  aber  |«>,j JC^^o  Distris;  es 
liegt  23  Meilen  von  Tämatars,  der  Hauptstadt_von  Aquileja,  und 
von  da  zur  Stadt  Jiye  Müylö ,  auch  ^cLx^!  Umäyö  geschrieben, 
sind  9  Meilen.  Desgleichen  sind  von  der  binnenländischen  Stadt 
Biräna  nach  der  Stadt  Umäyö  18  Meilen.  Ihre  Einwohner  sind 
Franken,  und  sie  liegt  an  der  Küste.  Von  da  zur  Stadt  'i.iyh^:>. 
Civitanuova,  der  Neustadt  der  Franken,  8  Meilen". 

Es  ist  zunächst  unzweifelhaft,  dass  mit  iüj.J  oder  &jtj 
nur  Pirano  gemeint  sein  kann ,  obwohl  es  von  IdrTsi  ständig 
als  binnenländische  Stadt  bezeichnet  wird.  So  erhalten  wir 
wenigstens  noch  von  Cittanuova  bis  Pirano  ein  fortlaufendes 
Itinerar:  Cittanuova  8  Meilen  Umago  18  Meilen  (der  Küste  ent- 
lang über  Punta  di  Salvore)  Pirano.  Eine  noch  grössere  Be- 
deutung   als  Ausgangspunkt    der  Routen    kommt    aber    der    Stadt 

ijnJaA\Jo  Tämatars  (cod.  A  immer  (jA,»i3/)Lb)  zu,  die  geradezu 
(p.  11,  13)  als  Hauptstadt  von  Aquileja  bezeichnet  wii'd.    Von  hier 


^)  In  B  ist  es  an  anderer  Stelle  nachgeholt,  was  Jaubert  ent- 
gangen ist.  Dies  berechtigte  ihn  aber  noch  nicht  zu  dem  unglaub- 
lichen Verfahren ,  einfach  die  im  Jahre  1619  erschienene  lateinische 
Übersersetzung  des  Auszugs  abzudrucken  (p.  248  N.  1). 

2)  IdrisT,  Italia  p.  V,  10— v.,  9  =  81—84  d.  Ühs.;  Sil,  14— llf ,  ult. 
=  135—136  der  Übs. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  255 

nach  Pirano  rechnete  man  eine  schwache  Tagereise  oder  —  wahr- 
scheinlich nach  einer  andern  Quelle  —  genauer  17  Meilen.  In 
der  ersten  Station  hinter  Tämatars,  iJLjjj  ^),  haben  die  italienischen 
Übersetzer  gut  das  heutige  Buglia  oder  Buje  erkannt,  es  ist  also 
wohl  kJLj4J  Büjüa  zu  lesen.  fjnJoAh  selbst  setzen  sie  dem  heu- 
tigen Mattarada  gleich,  einem  zur  Bezirkshauptmannschaft  Parenzo, 
Bezirksgericht  Buje  gehörigen  Dorfe  von  684  Einwohnern  ^).  Wie 
dieser  Ort  zu  der  Ehre  kommt,  als  Hauptstadt  von  Aquileja  be- 
zeichnet zu  werden,  ist  freilich  unerfindlich.  Die  Vermutung  liegt 
allerdings  nahe,  dass  die  Worte  iJ^Xji  iou<A/fl  ^S>»^  (p.  11,  13) 
ursprünglich  zu  jj^jJCa^O  gehörten.  Ausserdem  müsste  man  aber 
annehmen,  dass  der  Name  in  der  lateinisch  geschriebenen  Vorlage 

Idrisi's  Mattaras  statt  Mattaratas  geschrieben  und  von  Idrlsi  falsch 
gelesen  worden  wäre.  Jedenfalls  ist  der  Ort  aber  südlich  von 
Buje  zu  suchen.  Die  Stadt  iJL^ii  oder  xJL^"  wollen  dieselben  mit 
Isola  zwischen  Pirano  und  Capo  d'Istria  gleichsetzen,  was  aber 
zu  den  Distanzen  nicht  stimmt.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  üX^it 
in  kJiäj5  =  Angelo  zu  verbessern  und  der  Ort  an  dem  heutigen 
Weg   von  Buje    nach  Pirano    zu    suchen    ist.      Erst    die    folgende 

Station   ^jvl^y^l   KLlX-ü    (Candela   de'   Franchi?)    lag    dann    an 

der  ßada  di  Pirano.  Das  23  Meilen  von  Tämatars  entfernte 
Distris  (auf  der  Karte  ^j^yl^)  bezeichnet  nach  LeleweP)  und 
den  Übersetzern  Idrisi's  Capo  d'Istria^  das  alte  Justinopolis ;  es 
ist  jedoch  fraglich,  ob  jener  Name  im  12.  Jahrhundert  schon  ge- 
bräuchlich war,  und  Distrts  wäre  auf  alle  Fälle  eine  sehr  sonder- 
bare Wiedergabe  von  Capo  d'Istria.  Es  liegt  mindestens  ebenso 
nahe,  an  eine  Verstümmelung  von  Trieste,  Tergeste  zu  denken, 
wofür  insbesondere  auch  die  Schreibung  auf  der  Karte  {^^A^a 
aus  (j^jaL  Tiras?)  sprechen  könnte.  Jedenfalls  kann  das  neun 
Meilen  davon  gelegene  ^^.a  oder  '»IcyA  Müyla  (A  ^Lci^)  nur 
Muggia  darstellen  und  ist  von  Idrisi  fälschlich  mit  »JL«^!  gleich- 
gesetzt worden.  Vieleicht  lag  ihm  noch  eine  Route  von  Tämatars 
nach  Umago  vor,  die  er  irrig  mit  jener  von  Distris  nach  Müylö 
zusammenwarf. 

Nun  folgt  ein  mit  dem  vorigen  nicht  verbundenes  Itinerar 
von  »XjL^Lk/^l  über  Venedig  bezw.  Padua — Ravenna  nach  Ancona, 
das  in  der  Hs.  B  in  doppelter  Form  vorliegt,  das  zweitemal  mit 
nicht  unwichtigen  Varianten. 


^)  A  und  C  immer  tXij^. 

2)  Ritter,  Geogr.-statistisches  Lexikon.   7.  Aufl.  1883.  Bd.  III  85. 

^)  La  Geographie  du  Moyen-Äge  III  111. 


256 


J.  Marquart, 


(Idrisl,  Italia  1a,   10—11,  5 
=  81—82   der  Übs.) 

,Von  KäJUs  Qumälqa  (Co- 

miaclum,  Comacchio)  nach  1^  JLs  ^) 
Fännarö  sind  44  Meilen.  Dies  ist 
die  Residenzstadt  der  Venezianer, 
wo  ihr  König  wohnt,  der  über 
Truppen  und  eine  Flotte  verfügt. 
Diese  Stadt  ist  von  allen  Seiten 
vom  Meere  umringt.  Von  da 
nach  KLjis!  (A  x^J^),  einer 
grossen,  sehr  bevölkerten  Stadt, 
sind  23  Meilen.  Sie  besitzt  zahl- 
reiche Kriegsfahrzeuge,  und  sie 
hat  Dörfer  und  Saatfelder  und 
einen  kleinen  Fluss,  der  ihnen  ihr 
Trinkwasser  liefert.    Von  &.lj_bl 

> 
nach  der  Stadt  ^j^^^-)  sind  18 

Meilen;  es  ist  eine  grosse  be- 
völkerte Stadt  mit  Handelsver- 
kehr, einem  Rechnungshof  und 
Steuereinnahmen.  Sie  besitzen 
zahlreiche  Schiffe,  in  denen  man 
Fahrten  macht. 

Von  da  nach  ^J^.C)\S  Grädis 

(Gradus,  Grado)  sind  38  Meilen. 
Es  ist  eine  grosse  Stadt  mit  zahl- 
reicher Bevölkerung  und  reich- 
lichem Zusammenströmen  von 
Menschen.  Sie  besitzen  zahl- 
reiche Fahrzeuge,  die  kommen 
und  gehen.  Von  Grädis  nach 
»jCiL>LL/^!  iQtägänkö  sind  fünf 
Meilen.  Es  ist  eine  blühende 
Stadt  von  grossem  Umfang,  be- 
völkert von  Truppen,  Fabrikanten, 


(Idrlsi,  Italia  III',  11—18 
=  p.  136  der  Übs. 

„Von  KiiUs  Qumälya   (Co- 

macchio)  nach  jj^^ixi^AJl  sind  18 
Meilen.  Von  da  nach  ä^öb  Pa- 
dova,  einer  Stadt  in  welcher  einer 
von  den  Königen  der  Venezianer 
residiert,  25  Meilen.  Es  ist  eine 
bedeutende  Stadt,  die  Schiffe  be- 
sitzt, und  sie  ist  der  Sitz  einer 
Schiffswerft.  Von  da  zur  Stadt 
AÄAj  J"  Tarti^i  sind  30  Meilen. 
Es  ist  eine  schöne  Stadt,  die  eine 
Flotte  und  verdienstvolle  Männer 
besitzt. 


Von  da  nach  der  Stadt 
g^jOl/  Grädis  sind  20  Meilen. 
Sie  sind  Venezianer.  Es  ist  eine 
sehr  bevölkerte  Stadt  mit  Fahr- 
zeugen und  Kriegsrüstung.  Von 
da  nachyoL:>LL.w  Stägänkö  sind 
fünf  Meilen.  Es  ist  eine  grosse 
bevölkerte  Stadt  an  einem  be- 
deutenden Fluss,  der  dahin  aus 
Bergen  kommt,  die  mit  dem 
Gebirge  ^y>.  c>>.Ä/>  Mont  Güi-'^) 
zusammenhängen.      Sie    ist    die 


1)  A  t^^Ls,  C  l^yLs,  G3yL5. 
*)  A  ij^y-> ,  C  ij^Aj ,  G  [j^ji . 

3)  Lies   ,y?.  o^x/>  Mont  Gür.     Der    Name    mons    Jura    ist    bei 
Idrisi  auf  die  Alpen  übertragen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  257 

ß 
(Idrlsi,  Italia  1a,   10—11,  5  (IdrisT,  Italia  11^,  U— 18 

=  81—82  der  Übs.)  =  P-  136  der  Übs. 

hervoiragenden  Leuten ,  Kauf-  letzte  der  Städte  der  Venezianer 
leuten  und  Handwerkern ;  sie  ist  und  liegt  am  Ende  des  Golfes", 
wohlbefestigt  an  einem  bedeuten- 
den Fluss,  der  bis  dahin  aus  ge- 
ringer Entfernung  fliesst,  aber 
doch  bedeutend  ist.  Aus  ihm 
beziehen  sie  ihr  Trinkwasser. 
Diese  Stadt  liegt  am  äussersten 
Ende  des  Golfes  der  Venezianer 
und  am  Ende  des  Landes  der 
Venezianer,  und  ist  der  Seehafen 
der  Länder  von  Aquileja.  Da- 
selbst befindet  sich  eine  Flotte, 
die  zu  kriegerischen  Zügen  aus- 
gesandt  wird". 

In  der  zweiten  Fassung  dieses  Itinerars  fällt  zunächst  auf, 
dass  Padua  völlig  mit  Venedig  zusammengeworfen  ist.  Dazu 
kommt,  dass  die  Summe  der  Entfernungen  von  Comacchio  nach 
Padua  (18  +  25  =  43  Meilen)  und  nach  f^yLs  (44  Meilen), 
worin  die  italienischen  Übersetzer  richtig  eine  Form  des  Namens 
Venedig  (lies  S^uXjLs  =  *Veneto  ?)  erkannt  haben,  sich  deckt.  Bei 
näherem  Zusehen  kann  es  sodann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
die  beiden  Stationen  ^jaij^  bezw.  ^>ijyj  oder  ^^  (a)  und 
,^Aj  Ji  iß)  trotz  der  verschiedenen  Distanzen  einander  ent- 
sprechen. Die  Form  von  ß  steht  augenscheinlich  der  ursprüng- 
lichen am  nächsten:  die  verschiedenen  Varianten  führen  sämtlich 
auf  ^AÄAjy  TarblQl  bezw.  TarMg  Tarvisium,  Treviso.  Dann 
lässt  sich  aber  auch  unschwer  die  Ursache  der  eingerissenen  Ver- 
wirrung erkennen.  Idrisi  hatte  zwei  parallele,  von  Comacchio 
ausgehende  Itinerare  vor  sich,  von  denen  das  eine  nach  Venedig, 
das  andere  nach  Padua  und  weiter  über  Treviso  nach  Grado 
führte.  Die  im  gegenwärtigen  Text  von  a  hinter  t^yLs  stehende 
Station  -^Ljo]  entspricht  ^Jui^i  (^jyci!?),  der  Zwischenstation 
zwischen  Comacchio  und  Padua  in  ß ,  mit  den  Verschiebungen  der 
Stationen  haben  aber  auch  solche  der  Zahlen  stattgefunden.  Die 
Frage  ist  bloss  noch,  ob  die  Route  von  Venedig  nach  Grado  gleich- 
falls über  Treviso  führte,  oder  ob  die  Strecke  Venedig— Treviso 
nur  als  Seitenroute  gedacht  ist,  in  welchem  Falle  die  38  Meilen 
bis  Grado  in  a  direkt  von  Venedig  aus  zu  rechnen  wären.  Letzteres 
scheint  mir  indessen  unwahrscheinlich,  so  dass  also  die  beiden 
Fassungen  folgendermassen  herzustellen  sind: 

17 
Mar quart,  Streifzüge. 


ogg  J.  Marquart, 


a 


'»sl\^i  Comiaclum  »ÄiL+ä 

KJüjL!  18  Meilen  g^^/J'  1^ 

I3J0L5  Venedig  (26)  Meilen  ä^ob  Padua  25 


43  Meilen 


Von  xiiJL*ä  bis  l^JüLs  44  Meilen 

oAjy  Treviso.  .      23  Meilen 
ywOiy  Gradus .  .      38        „         j^M-jOty'  Grado   .  .     30 


^jo^j'i  Treviso.  .      23  Meilen        ^Aa-oy  Treviso.  .     20 


Von  Comacchio  bis  Von  Comacchio  bis 

Grado 105  Meilen        Grado 93  Meilen 

Von     Venedig     bis  Von     Padua     bis 

Grado 61       „  Grado 50 

In  dem  wichtigen  und  woblbefestigten  Seehafen  I^tägänkö  an 
der  Grenze  des  venezianischen  Gebietes  erkennt  Lelewel  den 
Flecken  Staranzano  bei  Monfalcone,  und  in  dem  bedeutenden  Flusse 
von  kurzem  Laufe  den  Timavo ,  der  sich  vorher  als  Reka  bei 
St.  Canzian  in  den  Grotten  des  Karst  verliert  und  nach  etwa 
30  km  langem  unterirdischem  Laufe  bei  St.  Giovanni  unter  einem 
Felsen  hervorbricht,  um  sich  1/2  Stunde  weiter  unten  in  das  Meer  zu 
ergiessen  i).  Letztere  Vermutung  ist  in  der  That  sehr  einleuchtend, 
zumal  die  Küste  hier  wirklich,  wie  Idrisl  angibt,  die  Richtung 
ändert  und  nach  (Süd)osten  umbiegt.  Dagegen  kann  die  Gleichung 
jXib>LLiAo!  oder  ».3CiL>LL^  =  Staranzano  weder  sachlich  noch 
sprachlich  befriedigen,  und  man  wird  sich  fragen  müssen,  ob  in 
jenem  Namen  nicht  vielmehr  eine  kroatische,  halb  italianisierte 
Form  (*Santo  Gianco  =  Sveti  Janko)  für  San  Giovanni  steckt. 
Die  Entfernung  von  Grado  (5  Meilen)  ist  dann  freilich  zu  kurz 
und  in  15  Meilen  zu  verbessern,  was  mit  der  wirklichen  Distanz 
zwischen  Grado  und  San  Giovanni  (25  km  in  der  Luftlinie) 
übereinstimmt.  Die  italienischen  Übersetzer  sehen  in  I^tägänko 
Triest,  wobei  aber  weder  der  Name  noch  der  in  der  Nähe  der 
Stadt  entspringende  Fluss  und  die  veränderte  Küstenrichtung  eine 
Erklärung  finden.  Immerhin  wird  man  zu  erwägen  haben,  ob  die 
Schilderung,  welche  Idrisl  von  Igtägänkö  gibt,  wirklich  auf  diesen 
Ort  ziitrifft  und  nicht  vielmehr  auf  Triest  zu  beziehen  ist,  also 
eine  ähnliche  Verwechselung  wie  bei  Padua. 

Idrisi's  Itinerare  ergeben  somit  251  +  105  +  31  =  382  Meilen 
von  Spalato  längs  der  Küste  bis  Pirano  und  61  Meilen  von  Venedig 
bis  Grado,  im  ganzen  also  433  +  x  Meilen  oder  18^2  +  ^  Tage- 


1)  Vgl.  darüber  Virchow,  Verh.  der  Berl.  Anthropol.  Ges.  1897, 
226  f.  (mit  Skizze). 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  259 

reisen  zu  24  Meilen  von  Spalato  bis  Venedig,  wobei  x  die  aus 
IdrTsi  nicht  ergänzbare  Strecke  von  Pirano  über  Capo  d'Istria, 
Muggia,  Triest,  Nabresina  nach  Grado  bezeichnet,  für  welche  noch 
etwa  zwei  Tage  in  Anschlag  zu  bringen  sind.  Häiüns  Angabe 
erscheint  demnach  fast  um  ein  volles  Drittel  zu  hoch. 

Bei  der  Bemerkung,  dass  man  auf  diesem  Wege  Röhrichte 
und  Wälder  zu  durchziehen  habe,  hat  ihm  wiederum  wohl  haupt- 
sächlich der  letzte  Abschnitt,  die  venezianische  Tiefebene  vor- 
geschwebt. (W./.5J^aJ5  könnte  nur  einen  Dativ  BsvezLKOig  Veneticis 
wiedergeben,  was  aber  gegen  alle  Analogie  ist;  wahrscheinlich  ist 

vielmehr  ^^a^JOLaJI  =  tc5v  Bsver Ikcov  zu  lesen,  vsde  schon  der 
Herausgeber  vorgeschlagen  hat.  Dahinter  ist  eine  Lücke,  in  welcher 
ausser  der  vermissten  Beschreibung  von  Venedig  die  Fortsetzung 
des  Itinerars  nach  der  langobardischen  Haupts+adt,  dem  glänzen- 
den Pavia  gestanden  haben  muss ,  und  auf  dieses  passt  Haruns 
Beschreibung  ganz  vortrefflich.  Die  beiden  Flüsse  in  der  Nähe 
der  Stadt  sind  der  Ticino  und  der  Po.  Härün  weiss,  dass  die 
Langobarden  nicht  die  Ureinwohner  des  Landes,  sondern  von 
jenseits  der  Berge  in  die  Tiefebene  des  Po  herabgestiegen  sind. 
Freilich  die  Schilderung  derselben  als  eines  halbnomadischen,  auf 
primitiver  Kulturstufe  zurückgebliebenen  Volkes  nach  Art  der 
Kurden  wird  man  für  das  ausgehende  9.  Jahrhundert  unmöglich 
als  zutreffend  gelten  lassen  können,  sie  wird  sich  vielmehr  auf 
einen  um  drei  Jahrhunderte  zurückliegenden  Zustand  beziehen  und 
kann  vom  Berichterstatter  nur  aus  mündlicher  oder  schriftlicher 
Quelle,  die  er  offenbar  missverstanden  hat,  geschöpft  sein,  nicht 
aber  auf  eigener  Beobachtung  beruhen.  Die  Bemerkung ,  die 
Langobarden  hätten  sich  in  ihren  Ebenen  niedergelassen  in  einer 
Entfernung  von  20  Schritt,  ist  unverständlich.  Da  wir  aber  be- 
reits auf  Spuren  älterer,  wahrscheinlich  schriftlicher  Quellen  Haruns 
gestossen  sind  und  noch  weiterhin  solchen  begegnen  werden,  so 
wage  ich  die  Vermutung,  dass  hier  ein  altes,  wohl  durch  einen 
christlichen  Syrer  begangenes  Missverständnis  einer  lateinisch  ge- 
schriebenen Quelle  vorliegt,  welche  aussagte,  dass  die  Langobarden 
sich  in  einer  Ausdehnung  von  2  0  Grad  (gradus)  in  ihren  Ebenen 
angesiedelt  hatten.  Diese  gäbe  den  Flächenraum  des  von  den 
Langobarden  besetzten  Gebietes  an  und  wäre  als  Produkt  der 
Breite  (5'')  und  der  Länge  (4°)  aufzufassen.  Genauer  wäre  zu 
sagen ,  dass  die  grösste  Breite  des  regnum  Italiae  unter  den 
Karolingern  von  Secusia  (Susa  7°)  bis  Istrien  (14°),  roh  gerechnet, 
7°  betrug,  während  für  die  Länge  von  Trient  (46°)  bis  zur 
Südgrenze  des  ducatus  Spoletanus  (42°)  4°,  unter  den  langobar- 
dischen Königen  dagegen  mit  Einschluss  des  ducatus  Beneventanus 
(bis  zum  40°)  6°  in  Anschlag  zu  bringen  sind.  Angesichts  dieser  Ver- 
stösse erscheint  es  zweifelhaft,  ob  Härön  wirklich  selbst  in  Pavia  ge- 
wesen oder  nicht  vielmehr  direkt  von  Venedig  nach  Rom  gereist  ist. 

17- 


260  '^'  Marquart, 

(Beschreibung    Roms.) 

„Rom  ist  eine  Stadt,  deren  Regierung  ein  Fürst  leitet,  der 
Papa  {al-bäb)  genannt  wird.  Sie  ist  40  X  40  Meilen  gross.  Zu 
ihr  läuft  ein  Fluss  vom  Westen  der  Stadt,  und  durchschneidet 
ihre  Strassen.  Der  Grund  des  Flussbettes  ist  mit  Kupfer  belegt, 
seine  beiden  Wände  sind  ebenfalls  mit  Kupfer  ausgebaut,  und  5 
über  ihn^)  sind  ehei-ne  Brücken  geschlagen. 

In  der  Mitte  der  Stadt  ist  die  grosse  Kirche.  Sie  ist  zwei 
Farsang  lang  und  an  ihr  sind  360  Thore.  In  der  Mitte  der  Kirche 
steht  ein  100  Ellen  hoher  Turm,  der  auf  seiner  Spitze  eine  aus 
Blei  hergestellte  Kuppel  trägt.  Auf  der  Spitze  der  Kuppel  ist  das  lO 
eherne  Bild  eines  Staars  angebracht.  In  der  Jahreszeit,  da  die 
Oliven  reifen,  kommt  der  Wind  und  dringt  in  den  Staar  ein  und 
pfeift,  woi'auf  sich  die  Staare  jener  Stadt  versammeln,  ein  jeder 
mit  einer  Olive  im  Schnabel,  die  sie  auf  jenen  Turm  werfen. 
Jene  Oliven  werden  dann  genommen  und  gepresst  und  das  Öl  15 
herausgewonnen,  und  das  reicht  ihnen  für  die  Lampen  der  Kirche 
bis  zum  folgenden  Jahr  zur  selben  Zeit. 

In  der  Kirche  befindet  sich  die  aus  Gold  gearbeitete  Gruft 
zweier  von  den  Aposteln,  von  denen  der  eine  im  östlichen,  der 
andere  im  westlichen  Teil  der  Kirche  liegt;  der  Herr  des  einen  20 
(129)  Grabes  heisst  Simon  Kephas,  der  des  anderen  Paulus  (Bälös). 
Jedes  Jahr  am  Osterfest  der  Christen  —  es  ist  das  ein  Donners- 
tag ^)  —  kommt  der  Fürst,  öffnet  die  Thüre  der  Gruft,  steigt  in 
dieselbe  hinab  mit  einem  Rasiermesser,  und  rasiert  dem  Simon 
Kopf  und  Bart  und  beschneidet  ihm  die  Nägel,  worauf  er  herauf-  25 
steigt  und  jedem  Einwohner  seines  Fürstentums  ein  Haar  verteilt. 
Dies    ist   ihre   jährliche  Gepflogenheit    seit  900  Jahren. 

Die  Mauern    dieser  Kirche    sind    sämtlich    mit  Gold  bedeckt, 
und  die  westlichen  Thore  aus  chinesischer  Bronze  und  die  inneren 
Thüren,    die  an  ihrer  Gebetskirche  sind,    sind    sämtlich  mit  Gold  30 
bedeckt,  und  der  Ort,    auf  welchem  die  Priester  sitzen,  ist  ganz 
mit  Gold  bedeckt.     In   jeder  Ecke  dieser  Kirche  steht  ein  Turm, 
und  auf  jedem  Turm  ist  eine  aus  Silber  hergestellte  Kuppel,  auf 
welcher  man  die  Glocken  läutet.     In  ihr  sind   1000  goldene  Ven- 
tilatoren, ein  jeder  eine  Elle  im  Geviert,  mit  Perlen  und  Rubinen  35 
ausgelegt.     Sie    hat  goldene  Handgriffe   und  600  goldene  Kreuze, 
deren  jedes  in  der  Mitte  eine  Perle  hat  und   1000  Mi'&qäl  wiegt. 
Sie  besitzt  12  Kreuze  nach  der  Anzahl  der  Apostel,  an  deren  jedem 
100  Minen  Gold  sind,  und  72  Kreuze  nach  der  Zahl  der  Apostel- 
jünger, an  deren  jedem   500  Mi'&qäl  Gold  sind.     Es  befinden  sich  40 
in    ihr    1200    goldene  Kelche,    in    welche    der   Wein    zum    Opfer 


^)  Lies  xaJLc  statt  L.g-ijA.c. 
")  Gründonnerstag. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  261 

gethan  wird,  sämtlich  ausgelegt  mit  Edelsteinen.     Der  Raum  des 
Hochaltars  ist  24  Ellen  lang  und  12  Ellen  breit  gemacht. 

Man  zählt  in  ihr   an  Diakonen   und  Presbytern   3200  Seelen, 
sämtlich    in    Gewändern    von    weissem    Brokat,    wovon    der    Preis 

5  eines  jeden  100—150  Dinare  beträgt,  sowie  in  mit  Gold  und 
Perlen  durchwirkten  Überwürfen  (DaLmatiken).  An  Tempeldienern, 
die  das  Anzünden  der  Kandelaber  besorgen,  hat  sie  600. 

Westlich  von    dieser  Stadt    ist    das   Grosse  Meer,    und    rings 
um    die  Stadt   sind   die    Gärten   und  Ölbäume.     Gegen    ihre  Ein- 

10  wohner  unternehmen  die  Berbern  von  Andalus  und  Tähert  aus 
zur  See  Raubzüge,  vom  Lande  des  IdrTs  b.  Idris  und  von  Ober- 
Tähert. 

Die  Einwohner  von  Rom,    Hoch    und   Nieder,    rasieren    ihre 
sämtlichen  Barthaare,   ohne  ein  einziges  Haar  davon  an  ihrem  Kinn 

15  stehen  zu  lassen,  und  rasieren  auch  die  Mitte  ihres  Schädels  i).^  Ich 
frug  sie  nun  nach  der  Ursache,  weshalb  sie  ihre  Barte  rasieren, 
(130)  und  sagte  zu  ihnen:  Der  Schmuck  der  Männer  liegt  doch 
in  den  Barten ;  was  ist  nun  eure  Absicht  bei  dem  was  ihr  da  an 
euch  macht?     Da  sagten  sie:  Jeder  der  seinen  Bart  nicht  rasiert, 

20  ist  kein  echter  Christ,  und  zwar  deshalb,  weil  Simon  Kephas  und 
die  Apostel  zu  uns  gekommen  sind  ohne  Stab  noch  Ranzen  2);  sie 
waren  vielmehr  arm  und  schwach,  während  wir  damals  Fürsten 
waren  in  Brokat  gekleidet  und  auf  goldenen  Sesseln  sitzend,  in- 
dem  sie    uns    zur   Religion    des    Christentums    aufforderten.     Wir 

25  nahmen  es  aber  nicht  an,  ergriffen  und  folterten  sie  und  rasierten 
ihnen  Köpfe  und  Barte.  Als  uns  nun  die  Wahrheit  ihrer  Predigt 
offenbar  wurde,  begannen  wir  unsere  Barte  zu  rasieren  als  Sühne 
für  das  Verbrechen,  das  wir  durch  Rasieren  ihrer  Barte  be- 
gangen hatten". 

Dass  Rom  40  Meilen  im  Umfang  habe,  wird  auch  von  Ibn 
al  Faqih  im  Namen  des  al  Walid  b.  Muslim  ad  Dimasqi  (f  194 
oder  195  H.)  erzählt  3).  Diese  Angabe  findet  sich  schon  in  einer 
Beschreibung  Roms  in  der  sog.  Kirchengeschichte  des  Zacharias 
Rhetor*).  In  einer  altern  Beschreibung  Roms,  auf  welche  die 
Nachrichten  mehrerer  arabischer  Geographen  über  Rom  grössten- 
teils zurückgehen  und  die  sich  am  vollständigsten  bei  Ibn  al  Faqih 
wiedergegeben  findet,  wo  sie  auf  einen  Mönch  —  nach  den  Namens- 


1)  Diese  Anekdote  hat  auch  Qazwini  II  i^'i'i ,  25—29  übernommen. 

2)  Matth.  10,  10.  (Mark.  6,  8.  Luk.  10,  4). 

3)  Bei  Jäq.  II  aIa,  9.    Qazwini  II  Mv,  8. 

*)  Vgl.  Ign.  Guidi,  II  teste  siriaco  della  descrizione  di  Roma 
nella  storia  attributa  a  Zaccaria  Retore.  Bulletino  della  Commissione 
archeologica  di  Roma  fasc.  IV,  1884,  p.  223,  6.  225.  234.  1891  p.  61  S, 
Diese  Beschreibung  ist  auch  von  Michael  dem  Grossen  aufgenommen 
worden  •,  vgl.  Chronique  de  Michel  le  Syrien  ed.  et  trad.  par  J.  B.  Chabot 
p.  49  =  81/82. 


262  J-  Marquart, 

formen  Mär  Petros  und  Mär  Paulos^)  zu  schliessen  kann  es  sich 
nur  um  einen  Syrer  handeln  —  zurückgeführt  wird,  der  sich  ein 
Jahr  lang  daselbst  aufgehalten  hatte  2),  wird  der  Umfang  der  Stadt 
gar  auf  28  X  23  Meilen  berechnet  3).  Bei  Ibn  Chordädbih  und 
Ibn  Rusta,  welche  im  wesentlichen  denselben  Text,  nui*  stark  ver- 
kürzt, wiedergeben ,  heisst  es ,  dass  die  Länge  (der  Durchmesser) 
der  Stadt  vom  Ost-  zum  Westthore  28  Meilen  betrage*);  dagegen 
beläuft  sich  nach  Zacharias  Ehetor  die  Ausdehnung  des  Innern 
der  Stadt  von  Ost  nach  West  und  von  Nord  nach  Süd  auf  je 
12  m.  p.  ^).  Idrisi,  der  im  übrigen  mit  Ibn  Chordäöbih  überein- 
stimmt, gibt  den  Umfang  der  Stadt  auf  nur  neun  Meilen  an^), 
dagegen  führt  Abü'lfidä,  Geogr.  p.  Hv  =  II  1  p.  310  aus  Idrisi 
an,  dass  die  Mauern  Roms  24  Meilen  im  Umfang  hätten. 

Die  Behauptung,  dass  der  Tiber  mit  Kupferplatten  gej^flastert 
bezw.  überbrückt  gewesen  sei ,  stammt  gleichfalls  aus  der  er- 
wähnten Beschreibung  Roms  und  ist  von  da  in  eine  ganze  Anzahl 
arabischer  Schriftsteller  übergegangen.  Bei  Ihn  al  Faqih  u.  a. 
finden  wir  aber  noch  zwei  verschiedene  Versionen  tmverbunden 
neben  einander,  die  uns  die  Entwicklung  der  Sage  einigermassen 
zu  verfolgen  gestatten.  In  der  ersten  xmd  augenscheinlich  altern 
Version  ist  nur  von  einer  Überdeckung  des  Plusses  die  Rede. 
„Zwischen  den  beiden  Ringmauern,  heisst  es  bei  Ibn  al  Faqlh, 
läuft  ein  Fluss  *namens  i^Ua^L-^ö '') ,  mit  süssem  Wasser,  der  in 
der  ganzen  Stadt  henamläuft  und  in  ihre  Häuser  eintritt,  gedeckt 
mit    Erzplatten    von    je     46    Ellen    Länge®).      *Die    Anzahl    der 


1)  Jäq.  II  Ali,  11.   Qazw.  11  Hv,  28. 

")  Nach  dem  vollständigen  Texte  des  Ibn  al  Faqih  bei  Jäq.  II 
^1^,  4  — AvC,  3.  QazwTni  ed.  Wüstenfeld  II  Hv,  15— Hl,  IO5  in 
der  verkürzten  Bearbeitung  Bibl.  Geogr.  Arab.  V  p.  ifl,  21 — h\,  1 
ed.  de  Goeje.  —  Die  italienischen  Übersetzer  IdrTsi's  verweisen 
(p.  88  N.  1)  bezüglich  der  arabischen  Beschreibungen  Roms  auf  eine 
Arbeit  von  Ign.  Guidi,  La  descrizione  di  Roma  nei  geografi  arabi 
im  Archivio  della  Societa  romana  di  storia  patria  vol.  I  173 — 218,  die 
mir  leider  nicht  zugänglich  war,  sowie  auf  Arturio  Graf,  Roma 
nella  memoria  e  nelle  imaginazioni  del  medio  evo.  Torino  1882.  vol.  I 
147 — 150,  wo  sich  aber  nur  ein  allzu  kurzes  Resume  der  Abhandlung 
Guidi's  findet. 

»)  Jäq.  II  aIa,  16—17.     Bibl.  Geogr.  Arab.  V  tfl,  21— lo.,  2. 

*)  Ibn  Chord.  Iir,  18— llf,  1.     Ibn  Rusta  tr.,  18—19. 

*)  Vgl.  Ign.  Guidi  1.  1.  p.  284,  der  noch  auf  de  Rossi,  Piante 
icnografiche  e  prospettiche  di  Roma  p.  68  f.  verweist. 

«)  Idrisi,   Italia  vt^,    6    =    87    der    Übs.    =    II    251    Jaubert. 

')  So  Ibn  Rusta;  Ibn  Chord.  cod.  A  jjmJLLxIxwJj ;  Ibn  al  Faq. 
cod.  B  fjt»yi\Ja/f]ajM^ ,    I  (j^»JLLiÄli.vwJs ,    S  fj^y^ili^lzM^ . 

^)  QazwInI  II  f"1v,  17  if.:  „dessen  Wasser  in  der  ganzen  Stadt 
herumläuft;   es  ist  süsses  Wasser,  das  um  ihre  Häuser  herumläuft  und 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  263 

Platten  beträgt  240  000,  eine  jede  aus  Kupfer,  und  das  Lot  des 
Flusses  93  Ellen  bei  einer  Breite  von  43  Ellen  i).  So  oft  nun 
ein  Feind  Absichten  gegen  sie  hat  oder  ein  Unglück  sie  befällt, 
werden  jene  Platten  weggehoben,  so  dass  zwischen  den  beiden 
Mauern  ein  Graben-)  entsteht,  dem  man  nicht  beikommen  kann" 3). 
de  Goeje  hält  den  Namen  des  Flusses  für  verschrieben  aus 
^^:^Ja.v.^  Fistllätus  und  erklärt  dies  durch  lat.  fistulatus  „mit 
„Röhren  versehen*.  Allein  diese  Erklärung  passt  sachlich  nicht, 
da  es  sich  um  Kupfei-platten,  nicht  um  Eöhren  einer  Kloake  oder 
Wasserleitung  handelt.  Ausserdem  kennt  jene  Beschreibung  aber 
noch  einen  Kanal,  der  von  Ost  nach  West*)  den  Arkaden  des 
Grossen  Marktes  entlang  lief,  mit  dem  Meere  in  Verbindung  stand 
und  für  Handelsschiffe  zugänglich  war.  Derselbe  war  mit  Messing 
ausgelegt,  damit,  wie  Idrisi  sagt,  kein  Schiff  dort  Anker  werfen 
könnet).  Nach  Ihn  Sa'Id  war  Eom  an  den  beiden  Ufern  des 
Kupferflusses  {Ji^S  jS)  erbaut,  der  auf  dem  Grunde  und  an 
den  Rändern  mit  Kupfer  bedeckt  war,  um  die  Erdbeben  zu  ver- 
hindern 6).  Auch  Joseph  ben  Gorion  erzählt,  dass  die  Römer  aus 
Furcht  vor  den  Angriffen  der  Chaldäer  den  Tiber  auf  eine  Länge 
von  18  Meilen  mit  Kupferplatten  pflastera  Hessen  '),  und  ein  spa- 
nischer Dichter  berichtet,  dass  Virgil  den  Tiber  mit  Kupferplatten 
belegte»).  Bei  Ihn  Rusta  sind  aber  diese  beiden  Versionen,  von 
denen  die  zweite  nur  eine  Vergröberung  der  ersten  ist  und  des- 
halb den  Sieg  davon  trug,  bereits  verbunden. 

Haruns  Beschreibung  der  Peterskirche  weicht  von  denen  des 
Ihn  al  Faqih  und  Ibn  Chordädbih  völlig  ab.  Bei  jenem  betragen 
die  Masse  derselben:  1000  Ellen  Länge,  500  Ellen  Breite,  200  Ellen 


in  sie  eintritt.    Über  den  Fluss  führt  eine  Brücke  aus  Erzplatten,  von 
denen  jede  46  Ellen  misst^     Die  Anzahl  der  Platten  ist  ausgelassen. 

1)  Ibn  Eusta:  „Die  Anzahl  der  daran  befindlichen  Platten  beträgt 
42  000,  und  die  Tiefe  des  Flusses  92  Ellen  bei  einer  Breite  von  46  Ellen". 
Anstatt  240  000,  wie  man  bei  Jsqüt  liest,  hat  der  Auszug  des  Ibn  al 
Faqih  gar  140  Millionen. 

2)  Jäqüt  und  QazwTni:  „ein  Strom"  {y^)- 

3)  Jäq.  II  aIa,  23— All,  4.  Qazwini  II  Hv,  17-21.  Bibl.  Geogr.  V 
io.,  5—10.  Vgl.  Ibn  Chord.  l!f,  3—5.  Ibn  Rusta  \r,,  21— ri,  3. 
Idrisi  1.  1. 

*)  Ibn  Rusta  hat  richtiger:  von  West  nach  Ost. 

5)  Ibn  al  Faqih  bei  Jäq.  D  a11,  7—10.  Qazwini  II  Hv,  24—27. 
Ibn  Chord.  t!f ,  9—12  =  87  der  Übs.  Ibn  Rusta  n,  6—10.  Idrisi, 
ItaUa  vr,  13— vf,  1  =  87  der  Übs.  =  II  251   Jaubert. 

6)  Abü'lfidä,  Geogr.  p.  Hv  des  Textes,  II  1  p.  310  und  N.  3  d.  Übs. 
')  A.  Graf  1  1.  I  147  N.  85.    Vgl.  die  arabische  Übersetzung  bei 

J.  Wellhausen,  Der  arabische  Josippus  S.  7.    Abb.  der  Gott.  Ges.  d. 
Wiss.    N.  F.   Bd.  I  Nr.  4,  1897. 
8)  A.  Graf  1.1.  U  571. 


2QA  J.  Marquart, 

Höhe;    bei  Ibn  Chordädbih  bezw.  300,  200  und  80  Ellen ^).    Da- 
gegen   gibt    Ibn  al  Faqib    die    Grösse    der    „Völker-    oder    Sions- 
kirche"  neben  dem  Königsschloss  auf  1  D  Farsang  an.    „Der  Altar, 
auf  welchem  das  Messopfer  gefeiert  wird,  ist  aus  grünem  Smaragd; 
er   ist   20  Ellen  lang   und  10-)  Ellen   breit   und   wird   von   20"^) 
goldenen,    je    drei   Ellen    hohen    Statuen    getragen,    deren   Augen 
durch  rote  Rubinen  gebildet  werden"*).     Gemeint  ist  die  Basilika 
im  Lateran,    „die  Schatzkammer   der  Reliquien,  das  Abbild  Jeru- 
salems, das  römische  Zion,  Haupt-  und  Mutterkirche  der  Christen- 
heit,    dem  Heiland  selbst  geweiht,   und  durch  die  Erinnerung  an 
Constantin  ausgezeichnet"  5).     Dass  Harun   eigentlich   diese  Kirche 
meint   und    die  Peterskirche    mit    der  Lateranbasilika  verwechselt 
hat,   kann    in    der  That  nicht  bezweifelt  werden   und  geht  schon 
daraus  hervor,  dass  er  sie  in  die  Mitte  der  Stadt  verlegt.     Auch 
die  Grösse  des  Hochaltars  stimmt  mit  der  bei  Ibn  al  Faqih  überein. 
Von  S.  Giovanni  nebst  dem  zugehörigen  Palaste  gibt  Ibn  al  Faqih  ^) 
eine  zweite  Beschreibung  unter  dem  Namen  der  „königlichen  Kirche". 
In  dieser  wird  der  Reichtum    der  Kirche   noch  viel   übertriebener 
dargestellt  als  bei  Härün.     „In  der  Stadt  ist  die  Kirche  des  Königs, 
wo  seine  Schätze  sind,    unter  welchen  sich  die  goldenen  und  sil- 
bernen Gefässe    befinden    die    für    den  Altar  bestimmt   sind,    und 
worunter  10  000  goldene  Krüge  sind,  die  al  mizän  heissen,  und 
10  000  goldene  Speisetische,  10  000  Kelche,  10  000  goldene  Venti- 
latoren und  700  Leuchter,  die  um   den  Altar  in  Thätigkeit  gesetzt 
werden,  sämtlich  aus  Gold ;  daselbst  sind  30  000  goldene  Kreuze,  die 
am  Palmsonntag  herausgebracht  werden,  und  unzählige  eiserne^und 
kupferne,  gravierte  und  vergoldete  Kreuze,  und  20  000  maqtürljas'^). 
Daselbst  befinden    sich  1000  goldene  Rauchfässer,    mit    denen  sie 
vor  dem  Sakrament   herschreiten,    und   10  000  Gold-  und  Silber- 
Handschriften.     Die  Kirche    allein  besitzt  7000  Bäder,   abgesehen 
von    den    andern   Instituten".     Rings   um    die    Kirche   liefen  zwei 
steinerne  Mauern    mit   einer  Länge  von   einem  Farsang   und  einer 
Höhe  von  je  120  Ellen  (Jäq.  II  avI,  15—16). 


1)  Ibn  al  Faq.  bei  Jäq.  II  aII,  12.  Qazw.  II  Hv,  29/30.  Ibn 
Chord.  Itö,  4—5  A  (B  und  C  200  Ellen  Höhe).  IdrTsi  stimmt  mit 
Ibn  Chordädbih  überein,  nur  hat  er  die  Höhe  auf  100  Ellen  aufgerundet. 

2)  Ibn  Chord.:  6. 

3)  Ibn  Chord.:  12. 

*)  Ibn  al  Faq.  bei  Jäq.  II  av.,  3—5.  QazwTni  II  Ha,  12.  Bei 
Ibn  Chord.  Ho,  8—9  ist  die  Länge  dieser  Kirche  auf  eine  Meile  er- 
mässigt. 

5)  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  im  MA.  III  270. 

6)  Bei  Jäq.  II  AV.,  22— AvI,  7.     QazwInT  II  Ha,  22—1^11,  1. 

')  In  Kj.^Lü*  muss  der  lateinische  oder  griechische  Name  eines 
Kirchengeräts  stecken. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  265 

Die  Fabel  von  dem  wunderbaren  Staar  hat  auch  Ibn  al  Faqih, 
wie  sie  sich  selbstverständlich  auch  Mas'üdi  nicht  hat  entgehen 
lassen  *).  Bei  Ibn  al  Faqih  erscheint  sie  aber  in  doppelter  Fassung : 
nach  der  einen  war  es  ein  goldener  Staar,  der  auf  einer  50  Ellen 
hohen ,  aus  einem  Stück  gegossenen  ehernen  Säule  stand,  auf  der 
Brust  einen  Talisman  eingraviert  zeigte  und  im  Schnabel  und  jeder 
seiner  Klauen  eine  Olive  hielt,  nach  der  andern  stand  der  Staar  auf 
einem  ehernen  Baume  und  trug  eine  Olive  im  Schnabel.  Die  letztere 
Version  stammt  aus  einer  dem  'Abdallah  b.  'Amr  b.  al  'Ä^i'^)  zu- 
geschriebenen Aufzählung  der  vier  Weltwunder,  die  sich  vollständig 
bei  Ibn  Chord.  \\ö,  17 — i(1,  11  =  88  der  Übs.,  Ibn  Rusta  va,  15— 
vi,  5  und  Ibn  al  Faq.  vt*,  8 — 19  mitgeteilt  findet^),  die  erste  da- 
gegen gehört,  wie  es  scheint,  zu  der  erwähnten,  von  einem  in  Rom 
gewesenen  Mönche  herrührenden  Beschreibung  Roms.  Hier  erscheint 
die  Geschichte  eng  verknüpft  mit  der  schon  im  8.  Jahrhundert 
nachweisbaren  Sage  von  der  Salvatio  Romae ,  die  hier  in  dem 
„Palatium,  der  Residenz  des  Königs"  lokalisiert  ist*).  Ibn  al  Faqih 
bezw.  seine  Quelle  denkt  sich  diesen  , Palast"  allerdings  in  engster 
Verbindung  mit  der  „Kirche  des  Königs",  d.  h.  der  Lateranbasilika, 
von  welcher  er  unmittelbar  vorher  gesprochen  hat.  Er  kann  daher 
nur  das  Patriarchium ,  die  Residenz  des  Papstes  im  Lateran ,  im 
Auge  gehabt  haben  ^).  Vor  der  Kirche  war  ein  5X5  Meilen 
messender  Platz ,  der  campus  Lateranensis ,  in  dessen  Mitte  die 
eherne  Säule  mit  dem  Staar  stand.  Allein  die  ältere  Sage,  wie  sie 
sich  schon  beim  hl.  Kosmas  von  Jerusalem  im  8.  Jahrhundert^) 
und  in  der  dem  Beda  zugeschriebenen  Schrift  De  Septem  miraculis 
mundi  findet^),  verlegte  die  Salvatio  Romae  auf  das  Kapitol,  das 
im  Mittelalter  als  eines  der  sieben  Weltwunder,  als  Mittelpunkt 
der  Welt  und  als  Sitz  der  Konsuln  und  Senatoren  aralt,  und  ohne 


1)  Jäq.  II  AvS,  18— Avi,  9.  Qazwlni  II  '^11,  1—16.  Ibn  Chaldün, 
Prolögom^nes  trad.  M.  G.  de  Slane.  Notices  et  extraits  des  manuscrits 
t.  XIX,  1  (1862),  p.  75. 

2)  Die  Angaben  über  sein  Todesjahr  schwanken  zwischen  63,  65, 
68  und  73  H. 

")  Diese  Aufzählung  war  in  fast  alle  Werke  übergegangen,  die 
sich  mit  nccgäöo^cc  befassten,  wie  Ibn  al  Faqih  ausdrücklich  bezeugt 
(Jcäq.  II  Avf,  3—4.  Qazw.  II  Hl,  10—12):  „Diese  Geschichte  (von  dem 
Staar)  ist  sehr  berühmt;  selten  habe  ich  ein  Buch  gesehen,  in  welchem 
die  Wunder  der  Länder  erzählt  waren,  das  sie  nicht  berichtet  hätte". 
Darauf  folgt  dann  die  Version  des  Abdallah  b.  'Amr. 

*)  Jäq.  II  Av5,  11—15.  Qazw.  II  Ha,  27— Hl,  1.  Die  Angabe 
der  Ortlichkeit  ist  bei  QazwTnl  ausgelassen. 

^)  Vgl.  A.  Graf,  Roma  nella  memoria  e  nelle  imaginazioni  del 
medio  evo.  I  195. 

^)  Im  Kommentar  zum  101.  Gedicht  des  Gregor  von  Nazianz  bei 
Mai,  Spicilegium  Romanum  II  2,  221.     Graf  1.  1.  189  N.  12. 

')  Graf  1.  1.  p.  189  s.  112  N.  10.  Gregorovius,  Geschichte  der 
Stadt  Rom  im  Mittelalter  III  551  A  1. 


266  J.  Marquart, 

Zweifel  hat  dasselbe  die  Veranlassung  zur  Ausbildung  der  Sage 
gegeben*).  Unter  dem  „Palatium"  haben  wir  also  im  Sinne  der 
ursprünglichen  Sage  das  Kapitol  zu  verstehen.  Allein  auch  die 
Geschichte  vom  ehernen  Staar  mit  der  Olive  im  Schnabel  gehört 
ursprünglich  auf  das  Kapitol.  In  der  ersten  Version  Ibn  al 
Faqih's  erscheint  sie  freilich  mit  dem  Lateran  verknüpft,  und  bei 
Härün  b.  Jahjä  ist  sie  vollends  auf  die  spätere  päpstliche  Residenz 
St.  Peter  übertragen'^).  Allein  in  der  älteren  Fassung  des  Abdallah 
b.  'Amr  b.  al  'Äcji  findet  sich  von  dieser  Lokalisierung  noch  keine 
Spur,  die  Geschichte  wird  vielmehr  ganz  allgemein  ins  ,Land 
Rom"  verlegt,  die  Anekdote  selbst  aber  lässt  sich  nur  verstehen 
als  ein  von  einem  Cicerone  zur  Erklärung  der  volkstümlichen 
Form  Campidoglio,  Campo  d'oglio'^)  „Ölfeld"  herausgesponnenes 
Märchen.  Dass  dasselbe  sich  in  der  That  ursprünglich  ans  Kapitol 
knüpfte,  lässt  sich  auch  daraus  entnehmen,  dass  es  sich  zuerst  in 
einer  Aufzählung  der  Weltwunder  findet.  Zu  diesen  wird  aber 
im  Mittelalter  regelmässig  das  Kapitol  gerechnet*). 

Aus  dieser  Erörterung  geht  hervor,  dass  ein  Teil  der  sagen- 
haften Nachrichten  Haruns  über  Rom  aus  mündlichen  oder  schrift- 
lichen Erzählungen  stammen  muss,  die  ihm  in  Palaestina  zu- 
gekommen waren  und  unmöglich  an  Ort  und  Stelle  von  ihm  selbst 
erkundet  sein  können.  Den  gröbsten  Aberglauben  verraten  aber  die 
Anekdoten,  die  er  selbst  in  Rom  gehört  haben  will.  Dies  stimmt 
völlig  zu  der  Zeit,  in  welcher  Harun  die  Hauptstadt  der  abend- 
ländischen Christenheit  besuchte.  Von  der  Unwissenheit,  der  tiefen 
Finsternis  und  Unkultur  und  dem  düsteren  Aberglauben,  welche  in 
Rom  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  herrschten  und 
gegen  Ende  desselben  in  erschreckendem  Masse  zunahmen,  kann 
man  sich  nur  schwer  einen  Begriff  machen  5).  Doch  wird  dies 
niemanden  sonderlich  befremden,  der  bedenkt,  dass  wir  uns  hier 
am  Sitze  des  scheusslichsten  Volkes  und  der  widerlichsten  Religion 
des  Altertums  befinden ,  wo  einst  etruskische  Eingeweideschau 
Hand  in  Hand  mit  der  virtuosesten  Heuchelei,  welche  die  Ge- 
schichte gesehen,  ihre  Orgien  gefeiert  hatte.  Die  sich  selbst  über- 
lassenen  Römer  waren  nur  wieder  in  ihre  alten  Instinkte  zurück- 
gefallen. 

Dass  aber  diese  tonsurierten  haruspices  den  andern  Völkern 
und  zumal  dem  deutschen  Michel  gegenüber  mit  Erfolg  den  an- 
massenden  Anspruch  durchsetzen  konnten,  die  allein  wahren  Chiisten 
zu  sein,  wird  für  letztere  ewig  ein  Armutszeugnis  bleiben,  ist  aber 


1)  Graf  1.  1.  p.  182—206.     Gregorovius  a.  a.  0.  550  f 

2)  Der  Turm  am  St.  Peter  wurde  von  Leo  III.  hergestellt.    Gre- 
gorovius a.  a.  0.  29. 

^)  Letztere  Form  bei  Armannino  Giudice.   Graf  1.  1.  p.  186  N.  5. 
*)  Gregorovius,  Gesch.  der  Stadt  Rom  im  M.A.  III  551  A.  1. 
Graf  1.1.  I  111  s. 

°)  Vgl.  Gregorovius  a.  a.  O.  III  154—164.  525—537. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  267 

geeignet ,  uns  manche  befremdlichen  Erscheinungen  unserer  Zeit 
verständlicher  zu  machen.  Die  Peterskirche ,  schon  damals  die 
glänzendste  im  christlichen  Abendlande  ^),  hatte  sich  augenschein- 
lich von  der  Plünderung  durch  die  Sarazenen  im  August  846"-^) 
längst  wieder  erholt;  bereits  Leo  IV.  (847 — 855)  hatte  die  ge- 
raubten Kleinodien  aus  dem  Kirchenschatze  wieder  hergestellt'^), 
nicht  zum  wenigsten  trug  aber  zum  Reichtum  der  Kirche  der 
grosse  Zudrang  nordischer  Pilger  zu  den  Gräbern  der  Apostel- 
fürsten bei,  die  natürlich  nicht  mit  leeren  Händen  kommen  durften. 
Dass  aber  die  allzeit  hungrige  römische  Klerisei  mit  dem  „Statt- 
halter Christi"  an  der  Spitze  damals  ihr  Geschäft  schon  ebensogut 
verstand  als  heutzutage,  beweist  der  schwunghafte  Reliquienhandel, 
welchen  sie  mit  den  leichtgläubigen  Barbaren  jenseits  der  Alpen 
unterhielt*).  Aber  auch  die  fränkischen  Könige,  die  sich  dui'ch 
alle  Erfahrungen  ungewitzigt  wie  die  Fliegen  zur  Lampe  immer 
wieder  zur  verderbenbringenden  römischen  Kaiserkrone  herzu- 
drängten, mussten  dem  hl.  Petrus  selbst  das  wenig  beneidenswerte 
Recht,  seinen  Nachfolger  gegen  Sarazenen  und  , schlechte  Christen" 
zu  beschirmen,  gar  teuer  bezahlen.  Speziell  von  Karl  dem  Kahlen 
wird  berichtet ,  mit  welch  verschwenderischer  Freigebigkeit  er 
„aus  den  Schätzen,  die  er  teils  in  seinem  Reiche  aufgehäuft,  teils 
aus  dem  kaiserlichen  Nachlasse  sich  unterwegs  angeeignet,  Ge- 
schenke an  den  hl.  Petrus  und  seinen  Nachfolger,  an  den  römischen 
Adel  und  die  Geistlichkeit  spendete ,  so  dass  die  Sage  ging ,  er 
habe  die  Kaiserkrone  um  Gold  gekauft"^). 


^)  Bernardi  itinerarium  c.  20  p.  97  ed.  Tobler:  b.  Petri  principis 
apostolorum  est  ecclesia,  ubi  ipse  requiescit,  cui  in  magnitudine  non  est 
similis  ecclesia  in  universa  terra,  quae  continet  etiam  ornamenta  diversa. 

2)  Vgl.  Dümmler  a.  a.  O.2  I  303  —  307.  Gregorovius  III 
97—107. 

^)  Gregorovius  S.  118  f. 

*)  Vgl.  Dümmler^  III  5  ff.  Gregorovius  III  79—89.  Ich 
kann  es  mir  nicht  versagen,  hierzu  die  charakteristischen  Äusserungen 
von  F.  X.  Kraus  in  der  Beilage  zur  AUgem.  Zeitung  vom  2.  August 
1901  Nr.  175  S.  2  anzuführen: 

„Den  Italienern  geht  die  nebelhafte  Vorstellung  nicht  aus  dem 
Kopfe ,  als  ob  in  dem  heutigen  Land  und  Volk  der  Halbinsel  noch 
etwas  von  dem  antiken  Rom  fortlebe,  und  auch  der  Gioberti  von  1851 
ist  noch  ganz  erfüllt  von  Erinnerungen  an  die  päpstliche  Weltherrschaft, 
wie  denn  heute  noch  in  Rom  jeder  Römer,  mag  er  sein 
Geschäft  als  Orefice  in  der  Villa  Condotti  oder  als  vio- 
letter Schreiber  in  der  Datarie  betreiben,  fest  davon 
überzeugt  ist:  die  übrige  Christenheit  sei  nur  dazu  da, 
um  ihr  Geld  nach  Rom  zu  bringen.  Es  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  diese  Art  von  christlichem  Cäsarianismus 
diesseits  der  Alpen  von  der  kalten  und  herzlosen  Welt 
der  Germanen  jemals  so  recht  schmackhaft  gefunden 
werde ". 

5)  Dümmler  a.  a.  0.^  11,398. 


268  J.  Marquart, 

Dass  die  sonderbare  Ceremonie,  welche  der  Papst  alljährlich 
am  Gründonnerstag  am  Leichnam  des  Petrus  vornehmen  soll,  seit 
900  Jahren  geübt  werde,  kann  Härün  unmöglich  gesagt  haben. 
Will  man  nicht  zugeben,  dass  900  ein  Fehler  für  800  sei  (oben 
S.  29  Anm.  2) ,  so  wird  man  sich  zu  der  Annahme  bequemen 
müssen,  dass  Ibn  Rusta  das  von  Härün  angegebene  Datum  auf 
seine  Zeit  gestellt  und  in  900  verändert  hat. 

Die    Dynastie    der   Idrisiden    war   von   Idris   b.  'Abdallah   b. 
Hasan  b.  Hasan  b.  'Ali  b.  Abu  Tälib  gegründet  worden,  einem  den 
'abbäsidischen  Henkern  entflohenen  Aliden,  der  sich  im  J.  172  H. 
(788)  in  WalTli  (Volubilis)  bei  Fäs  unter  den  Berbern  festgesetzt 
hatte  und   im  Jahre  177  H.  (793)  ermordet  wurde,  sie  wird  aber 
gewöhnlich    nach    seinem    Sohne    Idris   b.  Idi'Ts    benannt,    der    im 
Jahre  192  (808)  Fäs  gründete  und  bis  213  (828)  regierte.    Tähert 
war  seit  144  H.  (761)  der  Sitz   der  Banü  Rustam.     Schon  unter 
Idris  b.  Idris  begannen  die  Pii'aterien  der  Idrisiden  und  der  spa- 
nischen Sarazenen  gegen  Sardinien  und  Sizilien  und  seit  190  (806) 
auch    gegen    Korsika.      Im    Jahre    197    (812/13)    plünderten    sie 
nicht   bloss  Korsika,    sondern    sogar  Nizza  und  Civitavecchia  und 
die  kleinen  Inseln   bis  Ischia.     Von    dem  Angriffe    auf  Rom    und 
der  Plünderung  der  Peterskirche  im  Jahre  846  ist  schon  die  Rede 
crewesen.     Auch  nach  der  Wiedereroberung  von  Bari  durch  Kaiser 
Ludwig  II.  (871)    hörten    die   Raubzüge    der    Muslime    in    Unter- 
italien keineswegs  auf,  vielmehr  begannen  dieselben  nach  der  Auf- 
hebung der  Belagei'ung  von  Tarent  auch  für  Rom  erst  recht  furcht- 
bar zu  werden,  und  während  der  ganzen  Regierung  Johannes  VIII. 
(872 — 882)  kamen  die  Hilferufe  des  Nachfolgers  Petri  wider  die 
Bedrängnisse  der  Kirche  durch  die  Heiden  nicht  zum  Schweigen'^). 
Im  Jahre  876    begannen    die  Sarazenen    plündernd    die  Campagna 
rings  um  Rom   zu   durchstreifen,    indem    sie    „wie  Heuschrecken" 
den  Erdboden  bedeckten  und  verwüsteten.    Im  Anfange  des  Jahres 
877    „haben  sie  nach  dem  Berichte  des  Papstes  schon  den  Teverone 
überschritten  und  streifen  bis  in  die  Sabina  und  bis  vor  die  Mauern 
Roms.     Sie  schonen  weder  Kirche  noch  Altar,  weder  Priester  noch 
Nonne;    verödet    stehen    rings    die    Städte    und  Dörfer,    und  alles 
Volk,    welches    dem  Schwerte  oder  der  Gefangenschaft  entronnen, 
strömt    in   Rom    zusammen,    um    dort    den    bittersten    Mangel    zu 
leiden".     Im    folgenden  Jahre    musste  sich  der  stolze  Papst,   von 
allen  Seiten  im  Stiche  gelassen,  sogar  dazu  erniedrigen,  den  Un- 
gläubigen einen  jährlichen  Tribut  von  25  000  Goldsolidi  zu  zahlen. 
Darauf  knüpfte  Johann  Verbindungen  mit  dem  romäischen  Kaiser 
Basileios  an,  und  in  der  That  sandte  ihm  dieser  (880)  Schiffe  zur 
Verteidigung    des  Gebietes    des  hl.  Petrus,    welche    die  Sarazenen 
von  Neapel   in   einem  Seetreffen  vollständig   besiegten.     Im  Jahre 
882    wurden   sie    endlich   von   ihrem    bisherigen    Bundesgenossen, 

1)  Dümmler  a.  a.  0.  II  399  f.  III  23  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  269 

dem  Bischof  Athanasius  von  Neapel,  im  Bunde  mit  dem  Herzoge 
Waimar  von  Salemo  und  den  Kapuanern  aus  der  Umgegend  von 
Neapel  vertrieben,  allein  nur  um  sich  jetzt  auf  einer  Anhöhe  am 
Garigliano  festzusetzen,  wo  sie  eine  -wohlbefestigte  Burg  anlegten, 
von  der  aus  sie  dank  der  Uneinigkeit  der  christlichen  Fürsten 
über  30  Jahre  lang  der  Schrecken  des  ganzen  unteren  und  mittleren 
Italiens  blieben.  Zwar  erstürmte  Herzog  Wido  von  Spoleto  im 
Jahre  885  ihre  Festung  und  trieb  sie  in  die  Wälder  zurück,  alleiu 
dies  war  nur  ein  vorübei-gehender  Erfolg,  und  erst  dem  Mark- 
grafen Alberich  von  Spoleto  gelang  es  im  Jahre  916,  nachdem  er 
sie  in  mehreren  Treffen  aus  ihren  Niederlassungen  zu  Ciciliano, 
Narni  und  Orta  in  der  Sabina  vertrieben,  im  Bunde  mit  dem 
Papste  Johann  X.,  dem  Fürsten  Landolf  von  Benevent  und  Kapua, 
dem  Herzog  Waimar  von  Salerno  und  einem  romäischen  Hilfs- 
korps unter  dem  Patrikios  Nikolaus  Picingli  sie  nach  heissem 
Kampfe  in  ihrem  Raubnest  einzuschliessen  und  dies  nach  drei- 
monatlicher Belagerung  zu  nehmen^). 

„Von  dieser  Stadt  schifft  man  sich  ein  und  reist  drei  Monate, 
bis  man  ins  Land  des  Königs  von  Burgän  (Burgund)  gelangt. 
Von  da  reist  man  durch  Gebirge  und  Pässe  einen  Monat,  bis  man 
ins  Land  Francia  (jC^yl)  kommt.  Von  hier  reist  man  vier  Monate, 
bis  man  zur  Hauptstadt  von  Bartlnija  (Brittania)  kommt;  es  ist 
dies  eine  grosse  Stadt  am  Gestade  des  Westmeers,  und  es  üben 
über  sie  sieben  Könige  die  Herrschaft  aus.  Am  Thore  ihrer 
Hauptstadt  ist  eine  Bildsäule;  wenn  der  Fremde  sie  zu  betreten 
wünscht,  schläft  er  ein  und  vermag  sie  nicht  zu  betreten,  bis  die 
Einwohner  der  Stadt  ihn  ergreifen  und  sich  um  seinen  Zweck 
und  seine  Absicht  bei  der  Betretung  der  Stadt  erkundigen.  Sie 
sind  Christenleute,  und  sie  sind  die  letzten  des  Römerlandes, 
und  hinter  ihnen  gibt  es  kein  bewohntes  Land". 

Über  Rom  ist  der  Berichterstatter  nicht  hinausgekommen, 
seine  weiteren  Angaben  beruhen  vielmehr  augenscheinlich  nur  auf 
Hörensagen,  wie  schon  die  unverhältnismässigen  Entfernungen  be- 
weisen.    Der  Name    .,L>.j  Burgän,  der  in  der  älteren  Litteratur 

die  heidnischen  Donau-Bulgaren  bezeichnet,  findet  sich  bei  Mas'üdT 
häufig  für  Burgund  gebraucht,  und  zwar  für  das  Königreich 
Burgundia  Cisjurana  oder  Arelate.  Boso ,  der  Schwager  Karls 
des  Kahlen,  der  im  Jahre  870  zum  Grafen  von  Vienne,  im  Jahre 
876  zum  Herzog  von  Langobardien  erhoben  worden  war-),  Hess 
sich  am  15.  Oktober  879  zum  König  von  Burgund  wählen  und 
wurde    einige    Tage   später   gekrönt-').      Nach    seinem  Tode  (887) 


1)  Eb.  III  29.  40.  72.  77.  172—175.  182.  188  f.  251.  603  f. 

2)  Dümmler,  Gesch.  des  Ostränk.  Reiches ^  II  311.  403. 

3)  Dümmler,  Gesch.  des  Ostfränk.  Reiches 2  UI  122—128. 


27  0  '^-  Marquart, 

welang  es  seiner  Gemahlin  Irmingard  zunächst  nicht,  die  An- 
erkennung ihres  unmündigen  Sohnes  Ludwig  durchzusetzen;  erst 
im  Jahi-e  890  ward  derselbe  gekrönt,  am  12.  Oktober  900  ge- 
gewann er  auch  zu  Pavia  die  eiserne  und  im  Februar  901  die 
Kaiserkrone,  ward  aber  im  Jahre  905  zu  Verona  vom  König 
Berengar  überrumpelt  und  geblendet.  Leider  lässt  sich  nicht  er- 
kennen, wer  zur  Zeit  Härüns  im  Westfrankenreiche  gebot.  Viel- 
leicht darf  man  aber  vermuten,  dass  damals  Karl  der  Dicke  die 
drei  Kronen  der  Ostfranken ,  Langobarden  und  Westfranken  auf 
kurze  Zeit  nochmals  vereinigt  hatte  (885 — 888).  Die  Bemerkung, 
dass  Britannien  von  sieben  Königen  regiert  werde,  kann  nur  aus 
einer  älteren  schriftlichen  Quelle  geschöpft  sein,  da  die  angel- 
sächsische Heptarchie  schon  im  J.  827  durch  den  westsächsischen 
König  Ecgbert  beseitigt  worden  war.  Aus  derselben  Quelle  werden 
dann  auch  die  oben  hervorgehobenen  auffälligen  Nachrichten  über 
die  Langobarden  stammen. 

Exkurs  I. 

Zur   Bekehrungsgeschichte    der    Chazaren    (S.  5 — 27). 

Für  den  genauen  Zeitpunkt  der  Bekehrung  der  Chazaren  zum 
Judentum  wäre  eine  Notiz  bei  Ibn  al  Faqlh  von  Wichtigkeit,  wenn 
ihre  Quelle  sich  mit  Sicherheit  feststellen  Hesse:  „Ausserhalb  des 
Thores  (Darband)  ist  der  König  von  Sür  und  der  Lakz,  der  König 
der  Alanen,  der  König  von  ..^xs-  Greläni),  ^gj.  König  von  al  Masqat, 
der  Herr  des  Thrones ,  und  die  Stadt  Samandar.  Von  Gurgän 
nach  Chamllch-)  der  Chazaren  hat  man  bei  günstigem  Winde 
acht  Tage.  Die  Chazaren  sind  alle  Juden,  und  zwar 
haben  sie  erst  seit  kurzem  das  Judentum  angenommen"^). 
Das  Nämliche  liest  man  auch  bei  Ibn  ChordätJbih,  aber  in  anderer 
Eeihenfolge  und  ohne  den  uns  hier  interessierenden  Schlusssatz*), 
und  zwar  nur  in  cod.  A,  der  nach  den  Ausführungen  des  Heraus- 
gebers auf  die  zweite,  nicht  vor  272  H.  (885/86)  erschienene 
Ausgabe  des  Werkes  zui-ückgeht.  Wir  dürfen  also  in  jener  Be- 
merkung über  die  Chazaren  wohl  einen  Zusatz  des  Gaihäni  er- 
blicken. 


^)  Nicht  das  bekannte  Gelän  am  Südufer  des  Kaspischen  Meeres, 
sondern  das  sonst  ,.i^xi  genannte  Ländchen  an  der  grossen  kauka- 
sischen Mauer,  gewöhnlich  in  ,.»t^AS  verdorben.  Näheres  darüber  so- 
wie über  die  folgenden  Namen  in  meiner  Historischeu  Ethnograi^hie 
des  Daghestan. 

^)  So  lies  mit  Ibn  Chord. ;  die  Hss.  ^sAs>. 
8)  Ibn  al  Faq.  flv,  17— Ma,  3. 
*)  Ibn  Chord.  \Yf,  14/15.  9—11. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  271 

Mein  Freund  Dr.  van  Vloten  hatte  die  Güte  mich  auf 
eine  merkwürdige  Stelle  des  Gähic  aufmerksam  zu  machen,  die 
geeignet  ist  auf  die  eigentümlich  schwankende  religiöse  Stellung 
der  Chazaren  in  den  beiden  ersten  Dritteln  des  9.  Jahrhunderts 
etwas  Licht  zu  werfen.  Seiner  Gefälligkeit  verdanke  ich  eine  Ab- 
schrift der  fraglichen  Stelle,  die  auf  seine  Bitte  Herr  Dr.  Paul 
Brönnle  in  London  für  mich  anfertigte.  Beiden  Herren  fühle  ich 
mich  gedrungen  auch  an  dieser  Stelle  meinen  wärmsten  Dank  aus- 
zusprechen. 


Or.  3135,  fol.  140^—142^:   ±xs>l^  ^yai  oljU^  ^lüS^ 
i)^Ls  J^l  ^  ^^xc  ^^  ^5  ^L^  ULs  »J^  J^s  [fol.  140  b] 

^>J1^  jj^^  L\>L^i!  ^J^^3  u^^-ti  ^^<^^->  ^4^j*J   ^  ^_yt^^ 
5  J^j^\   j  f^i^   C^^1^3   (*^jl.^t    O^^    ^^^L^A   ^\y>-  j  6y^ii 

w  C  w  -  * 

^ ,  '=^  v';l  ^  ^xiJb^  ^Ä:^L^'!   Jcs  ^!  ^*j;>l;^  L.g.bLäJ!    [fol.  141  a] 

is^^u>Jü   'L^l   OL^,Li>  cU*«'bi!  cij^  Lö=^S>Lb  ^^A«.=>  ^iJ    l5Lj-^»^5 

pUs»Lj   *.5Ü  ^ftj  Oj-^aJ  t  ci*.JL^  j-J  (j-)!  l5j"*^-5  l5j*"^^  Ä.AXAV  (ji;.ÄftIl 

10  ^LäJoI^  ^^^l\j   tjLXil   lXxäI!   K/iUlj    ^)^j^'J  ^-jjlXJI   Kxj^^t 

-ÄI!^    !(A/iL>   pU!    ^)^x>aj3    ä^xAM»^ii    ÄÄij^l    ^  ^AA^aJl    ^^.i^ 

iüLPjj^  \jLj!  ^t^'*^  c;^^  CT-*  ^i^'  «3  i»^*-^'  o^jCil  ^"  tU!  ^^U 

1)  Hs.  ^\.  2)  Addidi. 

'')  So  vermutet  de  Goeje;  Hs.  »LÜjÜj. 
*)  Hs.  sUxJi.  <*)  Hs.  L^ji-. 

«)  Hs.  ^^c^j.  ')Hs.^^A>^3. 

8)  Hs.  ^^iX^.5r.. 


272  J-  Marquart, 

^^Lf'   (AÜj^   L«^j>y)   ^yis^»^    Läa^L«   ^)LäjjJ   r)^3   V-^  "^^|t^3   ciAJ» 
„  .3>   xJl^    xjL^!    iji5>-SÄ5'^  ^j5«.>.^  u^5>Lo_5   ti5»-fw  i^La'*^   ij5üo  J^xä 

S  5  £  O    -  «  i: 

s^^*äJLj  *)»i-X»g-Ji   io!  ^*>  (j^^-^  *.ÄxiLil  J^aj  lX*äI!    [fol.  141b] 
y5^cX.J      -ÄJ^Li    ^^Läs    K^Lil    slX^^i    ».A^==-   Ä-Jij^    ÄJLaJl    ^s^aJI       -^As 
^i:>-j   j^^Sj»  ^jlj'  UÜ3   Jas   Läax    ^)i^.   ^'    ^J^   >^^   i-^  j4^*v!  10 
Lg-Jl    J^i>uX.5    14-^^3    ;^y^J*    (5^     '^'-^    ^^  j-^    Ksytl!    *J^^'    J«äxj! 

~  ..  £  w  - 

W  W  V.  £ 

j,    ^_^'0    ^Käj    ^^i  Jj-^.    0!.A^   I^Ls    ^^*p>-     ^Xa5»La3    j    --^"ly^ 
tj^j^If    .^>JL^=y_5    ^U:^^l3    ^LaJ/^!    ''^)^Jli^»  '')l^j^    ^')J^^5 


15 


^)  Hs.  cjL^^Jj,  2^  Konj.  de  Goeje's;  Hs.  (jis-O^. 

3)   Hs.   UaJ. 

*)  So  vermutet  de  Goeje;   Hs.  »lX..^!, 

«y 

s)  Hs.  uUj^Ls. 

^)  Hs.  ,<t4.Ä:Sf;.     Die  VIII.  Form  findet  sich  nicht  in  den  Wbb. 

')  Hs.  ^^..  ^)  Hs.^LcbS. 

8)  Hs.  ^♦i  \ö\.  10)  Hs.  U;X^. 

")  Vgl.  Sür.  19,  30.  1-)  Hs.  ^^y> . 

13)  Konjektur  van  Vloten's;  Hs.  »Xit^i . 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  273 

I^^A^ÄJ    ^^,t    ^^».^i    (-^^^    '^j^^    ($"^^'^3   äiAs»!^,    x^^äj     -^».«.axJ    Jjj 

>_äA5'3  ^XJyJ   Ut^   ^jli^\  ^5  f^iÄijü"_5   ^^   [fol.  142a]  ^^j^'±^:^\ 
5  ^^j.1   -AÄ^l    oyiJl     ^_5'^'^'     >^-^^     i^jÄJt^    ^j'^i     LXvi^Jl     OjÄJ    _,^i 

O  -  ü-  ..  o   _ 

^x    ^^A/!    jjl-^J    y^^äi!    ii^ÄJ_;5   ^-yC   i*-^'*-H'^    I^M    ^^    f*^P^    ^^l5-r*-3i 

^»   ^.jLa^w-ü!   bi^  Jalii!   ^«.^^Xc  n"*>^  ^   &.xj,^l   ^-^5^31   u*^^^ 
bvXy  !^J^Ix;Cj  J  ^^x  J^sl  lyir  [fol.  142  b]  ^1  yii  ^li  J 

er*  _;Xäj  L«_5  j*.^  ^*5lÄUi^  ^«^  Lü^  x:^  ^U  J^o  ^»^5^^ 


1)  Hs.  Kj_^^b.  2)  Hs.  |^>L*.:. 

«)  Hs.  »JA.«.  *)  Hs.  ^_^Jf_5. 

5)  Hs.  ^„.^j;xJJ^-S^  .  6)  Hs.  ,*^cjJ  . 

'')  Hs.  _:^^!j.  «)  Hs.  x;^>. 

9)  Hs.  oLoJV  . 
Marquart,  Streifzüge.  18 


274  •^-  Marquart, 

,.^/l    jt^i>    1^^^;^"=^    ('Y-*     *Jv^.».£     v^    0"'3      ^TiV'^:^      -^^hW     Ij25^J^     J»'^^ 

öi^Lj»,  Ä.äj-^M  p^i-^-^li  »i^-^W  ^Xis-^Lb  ^5  ^A^il  ^)a>^  u^'^y 
Ausgewählte  Kapitel  des  al  GälÜQ.  5 

Ein  Kapitel  daraus. 

Was    ihre  Streitfrage    bezüglich    des    Sprechens  Jesu   in    der 
Wiege  anlangt,  so  bestätigen  es  die  Christen,  trotz  ihres  Strebens, 
seine    Sache    zu    stärken,    nicht.       (Sie    sagen):      „Wir    haben    es 
berichtet  und  überliefert  nach  unglaubwürdigen  Autoritäten,   und  10 
dies  ist  ein  Anzeichen,  dass  Jesus  nicht  in  der  Wiege  gesprochen 
hat.    Die  Juden  wissen  nichts" davon  und  ebensowenig  die  Magier, 
und    ebensowenig    die  Inder,  Chazaren   und   Delum".      Wir 
erwidern    nun    in    Beantwortung    ihrer    Streitfrage :    trotzdem    sie 
das  Sprechen    des   neugebornen  Christus    in  der  Wiege  verwerfen,  15 
wird    ihnen    gesagt:     „Als    ihr    die  Streitfrage    formuliert  und    sie 
verbrämt  und  ihre  Worte  redigiert    habt,    meintet    ihr  Glück  ge- 
habt und  euer  Höchstes  geleistet  zu  haben.    Aber  wahrlich,  wenn 
auch  ihre  Oberfläche  schön  ist  und  ihr  Äusseres  das  Ohr  besticht, 
so    ist    sie    doch    hässlich   bei   näherer  Untersuchung  und  schlecht  20 
bei  der  Blosslegung. 

Wahrlich  wenn  die  Juden  euch  die  Auferweckimg  der  vier 
Toten  zugestehen  würden,  welche  ihr  behauptet,  und  die  Auf- 
richtung des  Lahmen ,  welche  ihr  in  Anspruch  nehmet ,  und  die 
Speisung  der  grossen  Menge  mit  wenigen  Semmeln,  und  das  Ge-  25 
ronnenmachen  des  Wassers  und  das  Wandeln  auf  dem  Wasser,  dann 
aber  das  Sprechen  in  der  Wiege  von  all  seinen  Wundern  und  seiner 
Beglaubigug  verwerfen  würden,  so  hättet  ihr  ein  Recht  hierüber  zu 
sprechen  und  es  stünde  euch  (sogar)  frei,  zu  schmähen.  Allein  sie 
leugnen  dies  alles,  indem  sie  bald  lachen,  bald  in  Zorn  ausbrechen  30 
und  sagen,  dass  er  Zaubersprüchen  und  Beschwörungen  ergeben  ge- 
wesen sei.  Besessene  geheilt  und  Heilkunde  betrieben  habe,  und  Listen 
und  der  Übung  von  Betrug  und  dem  Lesen  von  Büchern  ergeben  ge- 
wesen sei.  Er  sei  mild  und  schweigsam  gewesen  und  getötet  und  be- 
mitleidet worden,  nachdem  er  vorher  ein  Fischer  und  einer  der  mit  35 
Fischernetzen  umgeht,  gewesen  war,  wie  auch  seine  Gefährten.  Er 
sei  aufgetreten  infolge  einer  vorherigen  Abmachung,  die  sie  mit  ihm 
getroffen  hatten,  und  sei  kein  ehelicher  Sohn  gewesen,  habe  aber  am 
schönsten  von  ihnen  reden  können  und  sei  der  mildeste  in  Bezug 


^)  Konjektur  de  Goeje's;  Hs.  c^ax:. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  275 

auf  die  religiöse  Richtung  gewesen.  Es  gibt  Leute  die  behaupten, 
er  sei  der  Sohn  Josephs  des  Zimmermanns  gewesen  und  habe  sich 
mit  jenem  Lahmen  schon  Jahre  vor  seiner  Heilung  verständigt 
gehabt ,  so  dass  er ,  als  er  ihn  mit  Lähmung  ^)  behaftet  sah  und 
5  seinen  Platz  unter  den  Gelähmten  erkannte,  mit  einer  Anzahl  von 
Leuten  an  ihm  vorbeigegangen  sei,  als  ob  er  gar  nicht  zu  ihm 
wolle.  Da  klagte  ihm  derselbe  seine  Lahmheit  und  den  Mangel 
an  Hilfe  und  den  Druck  seiner  Not.  Da  sagte  (Jesus) :  Reiche  mir 
deine  Hand !    Da  reichte  er  ihm  die  Hand  und  (Jesus)  zog  ihn  und 

10  richtete  ihn  auf.  Er  pflegte  nun  wegen  des  langen  Sitzens  zu 
hinken,  bis  er  nachher  so  blieb.  Dagegen  habe  (Jesus)  niemals  einen 
Toten  auferweckt;  er  hatte  bloss  einen  Mann  namens  Lä'äzar 
(Lazarus)  behandelt,  da  er  einen  Tag  und  eine  Nacht  in  Ohnmacht 
lag.    Die  Mutter  desselben  war  aber  von  schwachem  Verstand  und 

15  geringer  Einsicht.  Als  (Jesus)  nun  bei  ihr  vorbeikam,  wie  sie  schrie 
und  weinte,  trat  er  zu  ihr  ein,  um  sie  zu  beruhigen  und  zu  trösten. 
Er  fühlte  ihm  (dem  Lazarus)  nun  den  Puls  und  bemerkte  an  ihm 
ein  Lebenszeichen.  Da  behandelte  er  ihn,  bis  er  ihn  aufrichtete. 
Infolge  ihrer  geringen  Einsieht  nun  zweifelte  sie  nicht,    dass  (ihr 

20  Sohn)  bereits  gestorben  gewesen  sei,  und  aus  Entzücken  darüber 
dass  er  wieder  lebte ,  rühmte  sie  ihm  (Jesus)  das  nach  und  er- 
zählte es.  Wie  könnt  ihr  nun  Leute  zu  Zeugen  anrufen,  die  so 
über  euren  Meister  sprechen,  insofei-n  sie  sagen :  Wie  ist  es  möglich, 
dass    ein   neugebornes  Kind    in    der  Wiege    spricht,    und  Freunde 

25  und  Feinde  es  nicht  wissen  sollten  ? 

Wenn  aber  auch  die  Magier  von  Jesus  ein  einziges  Zeichen 
und  das  geringste  Wunder  zugeben  würden,  so  hättet  ihr  ein 
Recht,  euch  uns  gegenüber  mit  ihnen  zu  brüsten  und  ihre  Ab- 
leugnung zum  Beistand  anzurufen.     Da  es  sich  aber  mit  der  Be- 

30  kanntschaft  Jesu  in  seiner  ganzen  Gleschichte  bei  den  Magiern 
gerade  so  verhält  wie  mit  der  Bekanntschaft  Zarä^ust's  in  seiner 
ganzen  Geschichte  bei  den  Christen:  was  bringen  sie  dann  jene 
als  Ausrede  herbei  und  klammern  sich  an  ihre  Ableugnung? 

Was  aber  eure  Frage  anlangt:  „Warum  wissen  aber  die  Inder, 

35  Chazaren  und  Türken  jenes  nicht?"  — :  wann  haben  die  Inder 
(selbst)  von  Moses  ein  einziges  Wunder  mehr  zugegeben  als  von 
Jesus?  Und  wann  haben  sie  ein  Zeichen  von  einem  Propheten 
anerkannt,  oder  einen  Zug  aus  dem  Leben  eines  solchen  über- 
liefert, sodass  sie  die  Inder  zum  Zeugnis  über  das  Sprechen  Jesu 

40  in  der  Wiege  anrufen?     Und    wann   waren    die    Türk,    Delum, 
Chazaren,    Babr   und  Tailasän   bei  einer  derartigen  Sache    er- 
wähnt,   indem  man  sie  in  dieser  Ai't    als  Beweismittel    anführte? 
Wenn  sie  uns    nun  von    sich    aus    fragen    und   sagen:    „Wie 
sollten   wir  jenes    (wenn    es   wahr  wäre)    nicht   wissen,    und   wie 


^)  Das  muss  äiAxäJ!  (oder  äLXxäll?)  hier  bedeuten,   wie  auch  d( 
Goeje  annimmt. 

18* 


276  J-  Marquart, 

sollte  uns  davon  durchaus  von  niemandem  etwas  zu  Ohren  ge- 
kommen sein?"  —  so  antworten  wir  ihnen,  nachdem  wir  uns  um 
ihre  Übertreibung,  die  Unziemlichkeit  ihrer  Worte  und  die  Er- 
dichtung ihrer  Zeugen  nicht  weiter  gekümmert,  und  unsere  Ant- 
wort ist ,  dass  sie  ihre  Eeligion  lediglich  nach  vier  Personen  5 
empfangen  haben ,  wovon  zwei  nach  ihrer  Behauptung  aus  den 
Aposteln :  Johannes  (Johanna)  und  Matthaeus  (Mattä) ,  und  zwei 
aus  den  Jüngern :  Markus  und  Lukas.  Bei  diesen  vier  ist  man 
aber  nicht  sicher  vor  Fehlern  noch  Vergesslichkeit ,  noch  vorsätz- 
licher Lüge  oder  gegenseitiger  Vereinbarung  über  die  Begfeben-  10 
heiten,  noch  dass  sie  zur  Übereinstimmung  gekommen  sind  be- 
züglich der  Teile  der  geistlichen  HeiTSchaft ,  so  dass  jeder  von 
ihnen  seinem  Kollegen  seinen  Anteil  überwies ,  welchen  er  sich 
ausbedungen  hatte.  Wenn  sie  nun  sagen,  dass  dieselben  zu  vor- 
trefflich gewesen  seien,  als  dass  sie  vorsätzlich  eine  Lüge  be-  15 
gangen  und  von  zu  gutem  Gedächtnis,  als  dass  sie  etwas  vergessen 
und  zu  ängstlich  besorgt ,  als  dass  sie  bezüglich  der  Religion 
Gottes  ein  Versehen  begangen  und  durch  Nachlässigkeit  eine 
Satzung  verloren  haben  sollten,  so  sagen  wir:  die  Abweichung  ihrer 
Überlieferungen  im  Evangelium,  der  Widerstreit  der  Bedeutungen  20 
ihrer  Schriften  und  ihre  Abweichung  bezüglich  der  Person  des 
Messias  samt  der  Abweichung  ihrer  Satzungen  sind  ein  Hinweis 
darauf,  dass  unsere  Behauptung  über  sie  richtig  ist  und  ihr  sie 
unbeachtet  lasst.  Von  einem  Manne  wie  Lukas  wird  aber  niemand 
leugnen,  dass  er  Lüge  reden  könne,  da  er  nicht  zu  den  Aposteln  25 
gehörte  und  noch  wenige  Tage  vorher  Jude  gewesen  war;  welcher 
von  den  Aposteln  ist  aber  eurer  Meinung  nach  besser  als  Lukas, 
der  Diener  des  Messias  in  ausdrücklich  zuerkannter  Reinheit,  er- 
habenem Charakter  und  Unbescholtenheit  ?" 

Die  Legende,  dass  Jesus  in  der  Wiege  gesprochen  habe,  findet 
sich  im  Qorän.  Als  Maria  von  den  Juden  wegen  ihres  Kindes  ge- 
schmäht wurde,  ,  zeigte  sie  auf  ihn.  Sie  frugen :  Wie  sollten  wir 
mit  einem  sprechen,  der  noch  ein  Kind  in  der  Wiege  ist?  Er  (Jesus) 
sprach :  Ich  bin  der  Diener  Gottes ,  der  mir  das  Buch  geschenkt 
und  mich  zum  Propheten  gemacht  hat"^).  Li  einer  andern  Süra 
spricht  Gott  zu  Jesus :  „  0  Jesus ,  Sohn  der  Maria ,  erinnere  dich 
an  meine  Güte  gegen  dich  und  deine  Gebärerin ,  da  ich  dich  ge- 
stärkt habe  durch  den  heiligen  Geist,  mit  den  Leuten  zu  sprechen 
in  der  Wiege  und  in  gereiftem  Alter"  ^).  Die  Muslime  hatten 
also  die  Pflicht,  diese  Sage  als  gottgeoffenbarte  Wahrheit  zu  ver- 
teidigen, während  gelehrte  Christen  sie  wegen  ungenügender  Be- 
glaubigung verwarfen,  da  sie  nur  von  apokryphen,  nicht  aber  von 
den  kanonischen  Evangelien  berichtet  werde.     Sie   findet   sich  im 


1)  Sür.  19,  30—31. 

2)  Sür.  5,  109;  vgl.  3,  41. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  277 

arabischen  Evangelium  infantiae,  übei'setzt  bei  Tischendorf,  Evan- 
gelia  apocrypha  p.  171:  Invenimus  in  libro  losephi  pontificis, 
qui  vixit  tempore  Christi,  dieunt  autem  nonnulli  eum  esse  Caia^iham. 
Dixit  ille  lesum  locutum  esse  et  quidem  cum  in  eunnis  iaceret, 
dixisseque  matri  Mariae  Ego  sum  Tesus  filius  Dei,  6  koyog,  quem 
peperisti  quemadmodum  adnuntiavit  tibi  angelus  Gabriel;  misitque 
me  pater  meus  ad  salutem  mundi.  Ihre  Ablehnung  rechtfertigten 
die  Christen  überdies  durch  die  Bemerkung,  dass  auch  weder  die 
Juden,  noch  die  Magier,  noch  die  Inder,  Chazaren  und  Delum  etwas 
von  der  Sache  wüssten.  Diese  Religionen  bezw.  Völker  wurden 
demnach  als  Träger  einer  selbstständigen,  von  der  christlichen 
unabhängigen  Tradition  über  das  Leben  Jesu  vorgestellt. 

al  Gähic  wendet  sich  nun  zunächst  gegen  diesen  accessorischen 
Beweis  und  bestreitet  den  Christen  prinzipiell  das  Recht,  die  ge- 
nannten Völker,  sei  es  in  positivem  oder  negativem  Sinne,  in  der- 
artigen Fragen  zu  Zeugen  anzurufen.  Dann  erst  kehrt  er  sich 
gegen  den  Hauptbeweis  und  leugnet  die  Berechtigung  des  argu- 
mentum a  silentio,  indem  er  das  Schweigen  der  vier  Evangelisten 
über  den  fraglichen  Punkt  durch  den  Hinweis  auf  ihre  Wider- 
sprüche als  bedeutungslos  hinzustellen  sucht  und  auf  diese  ge- 
stützt den  orthodoxen  Begriff  von  der  Inspiration  und  Unfehlbar- 
keit der  hl.  Schrift  selbst  angreift. 

Die  Argumentation  gegenüber  den  Juden  ist  vollkommen 
klar.  Man  sollte  allerdings  erwarten,  dass  die  Juden  als  Zeit- 
genossen und  Widersacher  Jesu  Erzählungen  über  seine  Thaten 
und  sein  Leben  auf  ihre  Nachkommen  vererbt  hätten.  Allein 
diese  wollen  nichts  von  den  in  den  Evangelien  erzählten  Wundern 
Jesu  wissen,  und  es  ist  daher  ganz  unlogich,  wenn  die  Christen 
im  vorliegenden  Falle  das  Schweigen  der  Juden  als  Beweis  gegen 
die  Thatsächlichkeit  eines  in  den  Evangelien  nicht  erzählten 
Wanders  anführen. 

Dagegen  kann  Gähic  nicht  begreifen,  wie  die  Christen  dazu 
kommen,  sich  auf  die  Magier  d.  h.  die  Mazdajasnier  zu  berufen, 
da  in  deren  Religionsurkunden  so  wenig  etwas  über  Jesus  zu 
finden  ist,  als  in  den  Evangelien  über  Zoroaster.  Aus  seiner  Dar- 
stellung geht  nicht  hervor,  ob  und  wie  die  Christen  etwa  das 
Hereinziehen  derselben  in  die  Streitfrage  zu  rechtfertigen  suchten, 
und  da  ihre  Religion,  ganz  anders  als  die  jüdische,  zum  Christentum 
in  keinerlei  genetischem  Verhältnisse  steht,  so  müssen  wir  uns  um- 
somehr  fragen,  wodurch  die  Christen  veranlasst  wurden,  über  ein 
angebliches  Wunder  ihres  Meisters  deren  Zeugnis  anzurufen.  Die 
Antwort  wird  uns,  glaub  ich,  in  diesem  Falle  auch  nicht  allzu 
schwer  fallen.  Die  Christen  stellten  sich  in  dieser  Frage,  wie  wir 
sahen,  den  Muslimen  gegenüber  formell  auf  den  Standpunkt  des 
Schriftbeweises.  Die  einzigen  NichtJuden  nun,  welche  in  der 
Kindheitsgeschichte  des  ersten  und  dritten  Evangeliums  vorkommen, 
sind  die  fiayoi  anb  avurok&v,   welche  von  fernher  dem  Stern  ge- 


278  J-  Marquart, 

folgt  waren,  um  dem  neugebornen  König  der  Juden  ihre  Anbetung 
darzubringen  Matth.  2,  1 — 12.  Es  war  nun  das  Nächstliegende, 
die  Heimat  dieser  Magier  in  Persien  zu  suchen  ^),  und  damit  hängt 
es  zusammen,  dass  man  schon  sehr  früh  von  christlicher  Seite 
gewisse  Elemente  der  mazdajasnischen  Religion  zu  apologetischen 
Zwecken  usurpierte,  so  besonders  die  Prophezeiung  von  der  wunder- 
baren Geburt  des  Saosjant,  die  man  auf  Christus  deutete.  Man 
darf  aber  voraussetzen ,  dass  den  frommen  Magiern  das  Sprechen 
des  neugebornen  Jesus  hätte  bekannt  werden  müssen,  und  dass 
sie  bei  ihrer  Rückkehr  nicht  unterlassen  hätten,  ihren  Landsleuten 
dieses  Wunder  mitzuteilen.  Diese  Magier  aber  stellte  man  sich 
frühzeitig  als  orientalische  Könige  vor,  von  denen  mindestens  einer 
aus  Persien  war.  Die  Schatzhöhle  kennt  drei  Könige ,  die  dem 
neuen  Könige  von  Juda  ihre  Huldigung  darbrachten.  Ihre  Namen 
sind ,  wie  ich  an  anderer  Stelle  gezeigt  habe ,  wahrscheinlich 
folgendermassen  herzustellen:  „Hormizdfarr  d.  i.  Mazdai,  der  König 
von  Persien,  der  den  Titel  König  der  Könige  führte  und  in  Ä(Jor- 
wäigän  unten  residierte,  Zarädus,  der  König  von  Saba,  und  Farr- 
icindäö^  der  König  von  Schebä,  das  im  Osten  liegt".  Unter  Schebä 
ist  hier  aber  nicht  Südarabien  zu  verstehen ,  sondern  Indien-), 
und  damit  besitzen  wir  zugleich  die  Erklärung  für  die  Nennung 
der  Inder  unter  den  Zeugen  gegen  jenes  Wunder,  die  dem  Gähi? 
Schwierigkeiten  machte.  Wir  brauchen  unsere  Zuflucht  also  noch 
nicht  zu  dem  Zweig  des  Traditionsbeweises  zu  nehmen ,  der  sich 
auf  die  Übereinstimmung  der  altchristlichen  Sekten  stützt,  obwohl 
sich  ein  gewichtiges  Zeugnis  für  die  frühzeitige  Verbreitung  des 
Christentums  in  Indien  beibringen  liesse  ■^)  —  ganz  abgesehen  von 
den  Thomas-christen  auf  Malabar. 

Dagegen  erscheint  es  allerdings  rätselhaft,  wie  den  Chazaren 
und  Delum,  welchen  nachher  noch  die  Türken  beigesellt  werden, 
eine  alte ,  in  die  Zeit  der  Apostel  zurückgehende  Überlieferung 
über  das  Leben  Jesu  zugeschrieben  werden  konnte,  al  Gäbic  fügt 
zu  jenen  Völkern  dann  von  sich  aus  noch  die  aaÜ  al  Babr  und 
.^LwJulaJl  at  Tailasän,  von  welchen  die  Christen  nichts  gesagt 
hatten ,  indem  er  diese  verhöhnt  und  sagen  will :  so  gut  wie 
die  Chazaren  und  Delum  könnt  ihr  auch  noch  die  vnlden  Babr 
und  Tailasän  anführen.  Diese  beiden  Völker  werden  immer 
zusammen  genannt.  .,L.*«.JlxIiJ|  gibt  eine  persische  Pluralform 
Tähsän  wieder*)  und  bezeichnet  die  heutige  Provinz  Tälis  am 
südwestlichen  Ufer  des  Kaspischen  Meeres.  Der  Name  dieses 
Landes  findet  sich  zuerst,  soviel  ich  sehe,  in  der  Form   T''alis  in 


^)  Vgl.  zum  Folgenden  meine  Untersuchungen  zur  Geschichte  von 
Eran  II  1—19. 

2)  A.  a.  0.  S.  3  f. 

3)  S.  Elise  wardapet  Kap.  III  p.  101  unten  S.  283  A.  2. 
*)  Vgl.  al  A9ma'I  bei  Jäqflt  III  övi,  19. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  279 

der  armenischen  Übersetzung  des  Alexanderromans  Kap.  194^) 
(=  II  19  p.  76  ed.  C.  Müller).  Die  richtige  Aussprache  von 
-xxJi  ist  unsicher;  ich  kann  den  Namen  aus  nichtarabischen  Quellen 
nicht  belegen,  nur  bei  tazar  P'arpec'i  wird  einmal  ein  Marzpan 
der  Koprik''  genannt,  deren  geographische  Lage  mit  der  von 
al    Babr    ungefähr    übereinkommen    würde:     \;l.    ij[uiqjluiqtul^fw 

i\yinntntutniul£uAl^  ujti3tn.  lun-triui    Iru    ft  X^nufpnruiq  ütuna 
liiufut-üy    trc    a oniSbrLU    Xltuujpuia     nn    quiiU    uilrnuMi-plM    IfttUy 
a.iuin    ^luuufiil^n     iiu^fiiUMn'^^^    ^luina     h    afrintracrpü    \jnutu^ 

1""^/  „und  sofort  aus  Atrpatakan  eine  Truppe  nehmend  und  vom 
Marzpan  der  Koprik'' ^  und  die  Truppe  der  Katisk\  die  um  jene 
Orte  waren ,  zog  er  (Atr  - Wsnasp ,  der  Marzpan  von  Armenien) 
hin,  gelangte  ins  Land  Armenien  zum  Ufer  des  Araxes"-).  Bei 
Eiise  wardapet  Kap.  VI    S.  203    heisst    es   vom  Befehlshaber  der 


')  In  der  Rückübersetzung  R.  Raabe's,  'IßroQia  'Äkt^ävSQov 
p.  61:  'ÄTtriyyiX&T}  Sh  avxä,oti  Ttscptvywg  si'j]  inl  rag  Kaemayiccg  nvlag 
nXriaiov  ty  Qalidi  (T'alis)  %coQa  slg  rilävriv  ^coqIov.  Der  armenische 
Text  ist  mir  leider  nicht  zugänglich. 

")  Lazar  P'arpec'i,  Gesch.  Armeniens.  3.  Ausg.  Venedig  1892, 
S.  417/18  =  V.  Langlois,  Collection  des  historiens  de  l'Armenie  II 
328  b.  Der  Herausgeber  bemerkt  zu  den  Namen  Kojn-ik'  und  Katisk^: 
„Beides  sind  Distrikte  östlich  von  Atrpatakan  am  Gestade  des  Kaspi- 
schen  Meeres".  Er  ist  also  gleich  Langlois  1.  1.  II  221  n.  1  noch  der 
irrigen  Meinung,  dass  die  Katük'  mit  den  Kadovaioi  der  Alten  identisch 
seien.  Sie  waren  aber  vielmehr  ein  später  zu  den  Hephthaliten  ge- 
rechnetes Volk  wahrscheinlich  hunnischer  Abstammung,  das  seinen 
Hauptsitz  in  Herät  hatte,  von  welchem  jedoch  grössere  Abteilungen 
schon  vor  440  ins  persische  Reich  gelangt  waren ,  die  von  den  Sasa- 
niden  in  Militärkolonien  an  der  Westgrenze  sowie  wahrscheinlich  in 
den  gegen  die  räuberischen  Delum  errichteten  Festungen  (Bai.  f^H ,  3  ff. 
Ibn  al  Faq.  fvl,  17  ff.  Qodäma  ft!,  8  ff.)  angesiedelt  wurden.  Vgl. 
Elise  wardapet,  Venedig  1864,  S.  203  =  V.  Langlois,  Coli,  des 
histor.  de  l'Armdnie  II  221  a.  Lazar  P'arpec'i  S.  235.  417.  430  f.  447 
=  Langlois  1.1.  II  297b.  328b.  331a.  334a.  Ps.  Josua  Styl.  §§22. 
24.  57.  Zacharias  Rhetor  übs.  von  K.  Ahrens  und  G.  Krüger  S.  165,28. 
169,19.  172,15.22.  365.  Nöldeke,  ZDMG.  33,  1879,  157—163  und 
mein  Eransahr  S.  61.  77  und  A.  2.  Die  Koprik^  werden  sonst  nicht 
mehr  erwähnt.  Hübschmann,  Arm.  Gramm.  I  34  A.  4  hält  sie  für 
identisch  mit  den  Kordik'  in  der  Provinz  Korcaik'.  In  der  Geographie 
des  Ps.  Moses  Chorenac'i  S.  12,  24  ed.  Soukry  wird  das  Hccßcäoi-  ßa^iol 
des  Ptol.  6,  2  p.  390,  5  (zunächst  aus  FaßatoL  und  dies  aus  Bccyaloi.  ver- 
dorben) durch  f\,ußp^utn-ni^  punf-lfit^  wiedergegeben,  wozu  Soukry  in 
einer  Anmerkung  zu  seiner  französischen  Übersetzung  p.  13  bemerkt: 
„Les  Gabaroubaghin  dont  le  pays  s'etend  jusqu'au  fleuve  de  Cambyse, 
sont  les  peuples  de  Gabarou  pres  de  Pai'dagaran,  province  de  TArmenie". 
Woher  diese  Gabaru  stammen,  ist  mir  unbekannt,  vielleicht  hat  aber 
Soukry  die  Koprik'  des  Lazar  im  Auge,  da  er  auch  Axe  K^aduSh  des 
Ps.  Moses  d.  i.  die  KaSovaioi  des  Ptol.  mit  den  Katisk'  der  armenischen 
Historiker  gleichsetzt.     S.  mein  Eransahr  S.  153. 


280  J.  Marquart, 

pei-sischen  Streitmacht   in    Armenien:    1^"^   ij^itfur^  qtuuiujp^ 

h-LJM  ujJlrüujpj  q^uififii  ^uifiji  ijujujinifiä  Jiunnkl^  'A  J^ 
H^C  '^"fjfl'lhp »  c-i_  <ypujJuJi£  tt^iutiinL.ftnuhjfi  gniuin  pUn- 
tu^i/k    linqipJul^     tfürj^lfu    [it-pnj    mtutnpiuuui   l^lrj^  t^rLn^l^lT 

t^ß"3  quiupujquip[fu  ^Aber  die  A2Jarhajik-TYVi]}]}Q  und  die  der 
Katisk\  Hunnen  und  Gelen^  sowie  sämtliche  anderen  auserlesenen 
Leute  des  Heeres  versammelte  er  an  einen  Ort,  und  gab  den  Be- 
fehl, auf  dem  rechten  Flügel  seines  Heeres  bereit  zu  sein  gegen 
den  Heerführer  der  Armenier".  Der  nur  hier  vorkommende  Name 
aparh-ajik  ist  ebenfalls  noch  unerklärt,  scheint  aber  gleichfalls 
auf  den  Südwestrand  des  Kaspischen  Meeres  zu  weisen.  Nach 
der  Reihenfolge,  in  welcher  al  Babr  aufgezählt  wird,  muss  es 
zwischen  Tälis  und  Gelän  gesucht  werden  i). 


^)  Der  Name  findet  sich,   soviel  mir  bekannt,   in  folgenden  Auf- 
zählungen : 

Dlnaw.  l.v,  13:     ^.^M^Lhj\^  ^■^■^^t5  C)^^  (Bahräm-Cöbin-Roman). 
Bai.  rrv,  14  =  Ibn  al  Faq.  ^aC,  4  (l j^,j^\^)  =  Jäq.  I  Ivf ,  2  (ed.^;j^j, 

cot^xäJI,,  bry^l\^)  =  Tab.  I  Ta-ö,  14:  ^^L^ILJ!^ ^aJ!,  ^L*^. 
Bai.  S^iA,  11:    ^Lw.JLLJ!3  ^xJ5    l^i^  .  .  .  ^ijJJ!    ^3, 
Bai.  1-t^r,  7  =  Ibn  al  Faq.  I^Ar,  1  (I  y.J\^):    J.mJ^\^  _^\^  ^^A>. 
Bai.  W,  10:     ^,L^JLLJ!^  ^xJ(3    ^.,Liy_5    Jl^:^. 
Ibn  Chord.  ov,  10:     ^jlXJS^    '  ^[.^U^^\^    'j-i->-!'i     'a-^j^    =  ^^^  ^^ 

Faq.  r.i,  5:     ..LvJUkJ!^    r^^Jt^  ^-LuXi!»   ^j^:.'i, 
Ibn  Chord.  W,  6:     ^.Jll\»>  jj^*,   ^Lw-.JLkS!»  y^l\ , 
Ja'qübT,  Eist.  I  l^.r,  10  (cod.  ^X;J|)  =  Mas.  I  287  (ed.^>.xil,  v.  l.^Jl): 

Qod.  no,  4  (s.  p.). 

Qod.  nt,  8  (s.  p.):     ^L,*JuIii!3  ^J!^    e,X-^>3    A^^-i'  ^y^. 

Ibn  al  Faq.  r.l',  2:    ^,Lv.rji>3  (*.JljJ^Ji_5  ^.^LäJLLiJ!^  ^LaJLaUI^  ^xJl  jLs 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  281 

Das  Einfachste  wäre  nun  die  Vermutung,  dass  auch  diese 
Völker  mit  den  Magiern  in  Verbindung  gesetzt  worden  seien. 
Die  Späteren  geben  allerdings  eine  viel  längere  Liste  von  zwölf 
Magiern  ') ,  allein  ich  bin  nicht  im  stände,  eine  Verbindung  eines 
oder  mehrerer  von  ihnen  mit  jenen  Nordvölkern  nachzuweisen. 
Die  Schatzhöhle  erzählt,  wie  zwölf  Könige  zu  Melchisedek  kamen, 
ihm  Jerusalem  erbauten  und  ihn  daselbst  zum  Könige  machten. 
Unter  diesen  befinden  sich^Tar'el,  König  der  Geläje  (nach  der 
Pesit'9'ä  Gen.  14,  1.  9),  luid  Sirsön  oder  Slsrön,  König  von  Bela'  2), 
welch  letzterer  wenigstens  indirekt  (als  Vater  des  .  jcoA,JO\jt/ ) 
in  das  Verzeichnis  der  zwölf  Magier  Aufnahme  fand-^).  Ausser 
diesen  zwölf  kam  noch  Magog,  der  hier  merkwürdigerweise  als 
König  des  Südens  statt  des  Nordens  bezeichnet  wird*),  zu  Melchi- 
sedek und  brachte  ihm  Geschenke  ^).  Magog  ist  aber  seit  Josephos 
der  Vertreter  der  Skythen  ß) ,  und  in  der  syrisch  -  christlichen 
Alexanderlegende  werden  die  Völker  Gog  und  Magog  mit  den 
Hunnen    d.  i.  den  Sahiren,    und   in  späteren  Weiterbildungen  der 


as  Sam'änl,    l-jL*o^I   >w>Lä5^   bei   Barthold,    TypRectaHi    bi   3noxy 
MOHrojbCKaro  naniecTBia   I.  Tbkcth.     St.  Petersburg   1898,   S.  55: 

Ist.  U.,  h  cod.  C:     (1.  j>.JU)  ^it^    ^^Ju^J^^    ^Lx^;     cod.  L:     ^iS 


^^iy^^  ^^^^   G-  y^^^i)  rj^^'3  ^.)U.Ul:Jl3  (*J^^'^    (Add.   Bibl. 

Geogr.  IV  401). 

Vgl.  Nöldeke,  Gesch.  der  Perser  und  Araber  481  A.  1. 

1)  Schon  Jakob  von  Edessa  (f  708)  kennt  12  Magier. 

2)  Die  Schatzhöhle  hg.  von  C.  Bezold  S.  lo.,  8  =  36  der  Übs. 
^)  S.  meine  Unters,  zur  Geschichte  von  Eran  II  16  f. 

*)  Auch  in  der  alten  arabischen  Relation  des  Voyages  (ed.  Reinaud 
p.  1%  f")  ist  das  Land  Gog  und  Magog  (hier  jji^L/s^  ;j.i  geschrieben) 
in  der  Südsee  gedacht. 

°)  Die  Schatzhöhle  S.  loT,  1.  In  der  arabischen  Übersetzung  ist 
der  Name  in  ^W>Lo  bezw.   .  «JLä-*  d.  i.  eJ'Ljb«  verdorben. 

«)  Jos.  ägi-  I  6,  1  §  123.  Jordan.  Get.  c.  4  §  29  ed.  Mommsen. 
Vgl.  auch  das  Buch  der  Jubiläen  9,  8  (übs.  von  Enno  Littmann 
bei  Kautzsch,  Die  Apokryphen  und  Pseudepigraphen  des  Alten  Testa- 
ments II,  1900,  S.  57):  „Und  im  Norden  kamen  für  Magog  heraus  die 
ganzen  inneren  Gebiete  des  Nordens,  bis  man  sich  dem  Meere  Meat 
[Maiotis]  nähert". 


282  J-  Marquart, 

Sage  mit  den  Chazaren  gleichgesetzt^).  Da  der  Priesterkönig 
Melchisedek  als  das  eigentliche  Vorbild  des  Messias  im  alten 
Bunde  gilt,  so  ist  es  sehr  wohl  möglich,  dass  das  Verzeichnis 
jener  zwölf  Könige  das  Vorbild  zu  der  Liste  der  zwölf  Magier 
gegeben  hat.  Es  scheint  nun,  dass  hier  die  verschollenen  zehn 
Stämme  hereinspielen,  welche  ja  so  gut  wie  die  Juden  Söhne 
Abrahams  und  Erben  der  Verheissung  waren  und  gewiss  ebenso 
sehnlich  auf  deren  Erfüllung  harrten  wie  die  frommen  Kinder 
Israels.  Dieselben  wurden  aber  eigentümlicherweise  auch  mit  den 
Völkern  Gog  und  Magog  zusammengebracht.  So  sagt  Orosius 
III  7  von  den  durch  Artaxerxes  III.  Ochos  nach  Hyrkanien  de- 
portierten Juden:  Quos  ibi  usque  in  hodiernum  diem  amplissimis 
generis  sui  incrementis  consistere  atque  exinde  quandoque  erupturos 
esse  opinio  est  -).  Eine  direkte  Verknüpfung  der  zwölf  Magier 
mit  den  Delum  und  Chazaren  ist  jedoch  zur  Zeit  nicht  möglich, 
und  es  muss  daher  die  Frage  aufgeworfen  werden ,  ob  sich  viel- 
leicht in  der  Religionsgeschichte  dieser  Völker  Züge  auffinden  lassen, 
die  dazu  Veranlassung  geben  konnten ,  bei  ihnen  eine  gewisse 
Kenntnis  des  Christentums  bezw.  der  Lebengeschichte  Jesu  voraus- 
zusetzen. 

Was  nun  die  Delum  anlangt,  so  muss  ich  sofort  gestehen, 
dass  mir  keine  einzige  positive  Angabe  über  die  religiöse  Ent- 
wicklung dieses  wilden  Bergvolkes  vor  ihrer  Bekehrung  zum 
Islam  bekannt  ist.  Man  darf  vermuten ,  dass  in  der  spätem 
Sasanidenzeit  der  mazdajasnische  Glaube  mehr  oder  weniger  bei 
ihnen  durchgedrungen  ist^).  Anders  würde  sich  die  Sache  stellen, 
wenn  man  annehmen  dürfte ,  dass  die  Delum  hier  ungenau  für 
ihre  Nachbarn,  die  im  Tief  lande  am  Kaspischen  Meere  wohnenden 
Gelen,  stünden.  Eine  solche  Verwechslung  hätte  nichts  Auffallen- 
des, da  beide  Völker  gewöhnlich  zusammen  genannt  werden.  Für 
die  Gelen  ist  aber  das  Vorhandensein  von  Christen  schon  in  dem 
aus  der  Schule  des  Bardai^än  (f  222)  stammenden  altsyrischen 
„Buch  der  Gesetze  der  Länder"  vorausgesetzt.  Hier  lesen  wir 
folgende  Schilderung  der  Gelen*). 

, Gesetze  der  Gelen.  Im  Lande  der  Gelen  säen  und  ernten 
die   Frauen,   bauen    und   thun    alle    Obliegenheiten    der    Arbeiter, 


1)  Vgl.  Nöldeke,  Beiträge  zur  Gesch.  des  Alexanderromans  27  ff. 
Christian,  expos.  in  Matth.  c.  37  (bei  Migne,  Patrol.  lat.  CVI,  1405): 
et  de  Alexandre  rege  legimus,  quod  ad  conclusiouem  gentium  Goc  et 
Magoc ,  quae  Gazares  nunc  vocantur ,  gentes  quondam  Hunorum  .  .  . 
petierit.  ib.  c.  56:  Nam  et  in  Gog  et  Magog,  quae  sunt  gentes  Hu- 
norum, quae  ab  eis  Gazari  vocantur  etc. 

-)  Vgl.  A.  Krause,  Beiträge  zur  Alexander-Geschichte.  Hermes 
25  (1890)_  S.  62  f. 

^)  Über  die  politische  Geschichte  der  Delum  und  Gelen  unter 
den  Sasaniden  s.  mein  Eransahr  126  f.  124  f. 

*)  Cure  ton,  Spicil.  Syr.  ^,  26— O)-.,  10  =  19/20  der  Übs. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  283 

kleiden  sich  nicht  in  farbige  Gewänder,  ziehen  keine  Schuhe  an 
noch  gebrauchen  sie  wohlriechende  Salben,  noch  tadelt  sie  jemand, 
wenn  sie  mit  Fremden  Ehebruch  treiben,  oder  wenn  sie  Umgang 
haben  mit  ihren  Haussklaven.  Aber  die  Männer  der  Gelen  sind 
gekleidet  in  farbige  Gewänder,  schmücken  sich  mit  Gold  und 
Edelsteinen  und  salben  sich  mit  wohlriechenden  Salben,  aber 
nicht  etwa  aus  Verweichlichung  benehmen  sie  sich  so,  sondern 
wegen  eines  ihnen  gegebenen  Gesetzes,  und  alle  Männer  sind  Jagd- 
liebhaber und  Kriegführer.  Aber  wir  können  nicht  sagen,  dass 
für  alle  Frauen  der  Gelen  Venus  in  den  Steinbock  oder  den 
Wassermann,  einen  Ort  des  Unglücks  gesetzt  sei,  noch  dürfen  wir 
für  alle  Gelen  sagen,  dass  Mars  und  Venus  in  den  Widder  gesetzt 
seien,  wo,  wie  geschrieben  ist,  tapfere  und  (zugleich)  weichliche^) 
Männer  geboren  werden". 

Zum  Beweise,  dass  für  die  eigentümlichen  Sitten  dieses  und 
anderer  Völker  nicht  die  Konstellation  verantwortlich  zu  machen 
sei,  wird  dann  angeführt,  dass  die  christlichen  Mitglieder  derselben 
jene  Gebräuche  nicht  befolgen,  sondern  überall  nach  demselben 
Gesetze  leben.  „Weder  heiraten  die  Brüder  in  Gallien  Männer, 
noch  heiraten  jene  in  Par'ö'av  zwei  Frauen,  noch  beschneiden  sich 
die  in  Judaea,  noch  treiben  unsere  Schwestern  im  Lande  der 
Gelen  und  der  Qusan^)  Ehebruch  mit  Fremden,  noch  heiraten 
die  in  Persien  ihre  Töchter,  noch  fliehen  die  in  Medien  vor  ihren 
Toten    oder   begraben    sie    lebendig    oder    geben    sie    den  Hunden 


1)  Lies  JotO)V>. 

2)  Aus  dieser  Stelle  erfahren  wir  also  zugleich  die  wichtige  That- 
sache,  dass  es  auch  schon  unter  den  Qusan  in  Baktrien,  von  denen  der 
Verfasser  S.  OJ-,  10—19.  23—24  =  21  der  Übs.  handelt,  Christen  gab. 
Für  das  4.  Jahrhundert  haben  wir  dafür  ein  Zeugnis  bei  EKse  wardapet, 
Venedig  1864,  S.  101  =  Langlois,  Collection  des  histor.  de  l'Armenie 
II  202  b,  der  den  Mogpet  sagen  lässt:  Jch  hatte  auch  von  unsern 
Ahnen  gehört,  dass  in  den  Tagen  des  Königs  der  Könige  Sapuh,  als 
diese  ihre  Lehre  zu  wachsen  und  sich  zu  verbreiten  und  das  ganze 
Land  Persien  zu  erfüllen  und  sogar  darüber  hinaus  nach  dem  Osten  zu 
gelangen  begann,  die  aber  welche  Lehrer  unserer  Satzungen  waren, 
den  König  antrieben,  dass  in  keiner  Weise  das  Gesetz  des  Magiertums 
aus  jenem  Lande  (Armenien)  aufgehoben  würde,  er  den  strengen  Befehl 
gab ,  dass  jenem  Christentum  ein  Ende  gemacht  werde.  Aber  in  dem 
Masse  als  er  es  verhindern  wollte ,  wuchsen  sie  mehr  und  mehr  an 
und  verbreiteten  sich,  und  gelangten  bis  ins  Land  der  K'uMnk',  und  von 
da  breitete  es  sich  aus  nach  der  Südgegend^  bis  nach  Indien".  Dies 
bezieht  sich  auf  die  Christenverfolgung  unter  Säpür  II.  (309 — 379).  Für 
das  6.  Jahrhundert  bezeugt  Kosmas  Indikopleustes  (um  547 — 49),  dass 
es  auch  bei  den  Baktrern ,  Hunnen ,  Persern  und  den  übrigen  Indern, 
den  Persarmeniern,  Medern,  Elamitern  und  in  dem  ganzen  Lande  Per- 
sien Kirchen  ohne  Zahl  gab  (Topographia  Christiana  III  p.  179).  Der 
Priester  und  Chorbischof  Mär  Izadböze«^  von  Qumdän ,  der  Errichter 
der  berühmten  nestorianischen  Inschrift  von  Si-ngan-fu  (781),  war  der 
Sohn  eines  Priesters  von  Balch. 


284  J-  Marquart, 

zum  Frass"   u.  s.  w.^).     Ein    christliches    (nestorianisches)  Bistum 
finden  wir  jedoch  in  Gelän  erst  im  Jahre  553  bezeugt"-). 

Für  unsere  Frage  ist  aber  eine  Stelle  in  der  syrischen 
Lehre  der  Apostel  bei  Cure  ton,  Ancient  Syriac  documents 
p_  ^^  26 — of^,  2  =  34  von  grosser  Wichtigkeit,  wo  zu  den 
Völkern,  welche  das  Christentum  durch  Aggai,  den  Schüler  des 
Apostels  Addai  erhielten,  auch  die  Gelen  gerechnet  werden:  „Es 
empfing  die  Hand  des  Priestertums  der  Apostel  Persien,  alle 
Assyrer,  Aramäer-^),  Meder  und  die  Gegenden  rings  um  Babylon, 
die  Hüzäje  (Chüzistän)  und  Gelen  bis  zu  den  Grenzen  der  Inder, 
und  bis  zum  Lande  Gog  und  Magog,  und  wiederum  alle  Gegen- 
den von  allen  Seiten,  von  Aggai,  dem  Seiden wirker,  dem  Schüler 
des  Apostels  Addai".  Hier  haben  wir  also  geradezu  die  von  dem 
Texte  des  Gähic  geforderte  Vorstellung  bezeugt,  dass  die  Ver- 
breitung des  Christentums  zu  den  Gelen  und  bis  zu  den  Indern 
und  dem  Lande  Gog  und  Magog  schon  in  apostolische  Zeit  hinauf- 
reiche. Denn  Addai  der  Apostel ,  einer  der  72  Jünger ,  war  ja 
von  Judas  Thomas  nach  Edessa  gesandt  worden  (Doctrine  of  Addai 
p.  Qj^  6 — 9  =:=  5).  Damit  wäre  das  Auftreten  der  Delum  (=  Gelen) 
und  Chazaren  und  Türken  =  Gog  und  Magog  in  unserem  Texte 
erklärt. 

Vielleicht  ist  eine  andere  Thatsache  geeignet,  das  frühzeitige 
Vordringen  des  Christentums  nach  Gelän  verständlicher  zu  machen. 

Geiz  er  hat  gezeigt,  dass  das  Judentum  einen  grossen  Ein- 
fluss  auf  die  Organisation  der  armenischen  Kirche  ausgeübt  hat, 
und  wir  wissen,  dass  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts die  Bevölkerung  der  wichtigsten  armenischen  Städte 
Artasat,  Waiarsapat,  Ervandasat,  Zarehavan ,  Zarisat,  Wan  und 
Nach^avan  grossenteils  aus  Juden  bestand.  König  Säpür  IL  Hess 
sie  mit  den  übrigen  Einwohnern  dieser  Städte  nach  Persien  weg- 
führen*). Später  spielen  die  Juden  in  der  armenischen  Geschichte 
keine  Rolle  mehr.  Nach  Ps.  Moses  Chor.  3,  35  sollen  allerdings 
die  von  Artasat  und  Waiarsapat  unter  Trdat  das  Christentum 
angenommen  haben  und  Geiz  er  bezweifelt  daher,  dass  es  sich 
wirklich  um  Juden  im  ethnischen  Sinne  gehandelt  habe  und  neigt 
zu  der  Ansicht,  dass  ein  Teil  des  armenischen  Volkes  sich  jüdi- 
scher Abkunft  als  einer  Art  Adelstitels  gerühmt  habe.     Dass  ein 

1)  Cureton,  Spicil.  Syr.  sD,  8—12  =  32—33  der  Übs. 

-)  S.  mein  Eränsahr  nach  der  Geographie  des  Ps.  Moses  Chore- 
nac'i  124  f. 

3)  Da  bereits  Urhäi  mit  seiner  ganzen  Umgebung,  ^uba  (JNisibis) 
und  'Arab  (Be^  'Arabäje  =  Arvastan),  der  ganze  Norden  und  der 
Süden  sowie  Mesopotamien,  also  lauter  aramäische  Gebiete  als  v-on 
Addai  selbst  missioniert  aufgeführt  sind,  so  erwartet  man  eher  , Ar- 
menier", wie  auch  Cureton  übersetzt,  statt  „Aramäer". 

*)  Faust.  Byz.  4,  55.  Vgl.  H.  Geiz  er,  Die  Anfänge  der  arme- 
nischen Kirche.    Berichte  d.  K.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1895,  S.  136  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  285 

ziemlicher  Teil  dieser  Juden  aus  Proselyten  bestanden  habe,  halte 
auch  ich  für  wahrscheinlich,  allein  auf  eine  von  Ps.  Moses  allein 
überlieferte  Nachricht  Schlüsse  zu  bauen,  ist  nach  allen  bisher 
gemachten  Erfahrungen  höchst  bedenklich.  Aber  auch  nach  dem 
eigentlichen  Kaukasus  hatte  sich  das  Judentum  verbreitet.  Im 
9.  Jahrhundei-t  erzählt  Muslim  b.  Abu  Muslim  vom  König  der 
Stadt  ..liAAi>  Ghaidän  (dem  heutigen  Magälis ,  dem  Vorort  des 
Gebiets  der  Kaitaken  in  der  Nähe  von  Darband  i)),  dass  er  es  mit 
drei  Religionen  zugleich  hielt:  am  Freitag  besuchte  er  den  Gottes- 
dienst der  Muslime,  am  Samstag  den  der  Juden  und  am  Sonntag 
den  der  Christen.  Noch  heute  „leben  in  Magälis  viele  sogenannte 
Bergjuden ,  die  sich  mit  den  Eingebornen  nicht  vermischt ,  aber 
Sprache  und  Sitte  der  unmittelbaren  Nachbarn  angenommen  haben, 
in  einer  gesonderten  Gruppe  zusammen"-).  Diese  Bergjuden,  im 
ganzen  etwa  30  000,  trifft  man  ausserdem  noch  sonst  im  östlichen 
Kaukasus  zerstreut.  „Überall  leben  sie  in  gesonderten  Gruppen 
zusammen  in  bestimmten  Teilen  der  Ortschaften".  Aber  auch 
abgesehen  von  diesen  eigentlichen  kaukasischen  Juden  trifft  man 
im  Kaukasus  (mit  Ausnahme  des  nordwestlichen  Teiles  bei  den 
Cerkessen  und  Osseten)  auffallend  häufig  den  jüdischen  Typus, 
besonders  im  Daghestan  und  zumal  unter  den  Cecenzen.  „Ahnliches, 
wenn  auch  nicht  so  typisch  ausgesprochen,  gilt  für  die  Grusier 
im  weiteren  Sinne  des  Wortes,  und  zwar  dort  vielfach  für  die 
höheren  Schichten  des  Volkes"-^).  Freilich  wird  man  diese  Er- 
scheinung nur  zum  geringen  Teil  auf  Mischung  mit  jüdischen 
Einwanderern  zurückführen  dürfen,  es  handelt  sich  vielmehr  um 
einen  allerdings  stark  an  den  jüdischen  erinnei-nden  Typus,  der 
uns  schon  auf  den  chettitischen  Denkmälern  entgegentritt. 

Eine  jüdische  Diaspora  ist  uns  ferner  in  Medien  und  Parthien 
durch  die  Apostelgeschichte  (2,  9)  bezeugt,  und  für  Medien  wird 
eine  solche  schon  durch  das  Buch  Tobit  vorausgesetzt*).  Von 
armenischen  Juden  erwähnt  die  Apostelgeschichte  nichts ,  daraus 
folgt  aber  noch  nicht,  dass  ihre  Verbreitung  nach  diesem  Lande 
erst  in  nachchristliche  Zeit  fällt 5).  Nach  Babelon  wurden  die 
Juden  in  Armenien  wie  die  in  Kleinasien  von  den  ersten  Seleu- 
kiden  hier  angesiedelt,  welche  ihre  neugegründeten  Kolonien  da- 
durch zu  bevölkern  pflegten ,    dass    sie    einen  Teil  der  Einwohner 


^)  Näheres  hierüber  in  meiner  Historischen  Ethnologie  des  Da- 
ghestan. 

-)  R.  V.  Erckert,  Der  Kaukasus  und  seine  Völker  191. 

3)  S.  V.  Erckert  a.  a.  0.  298—303.  138.  191.  202.  208.  210.  239. 
242  f.  247.  278.  281. 

*)  Von  den  rätselhaften  hyrkanischen  Juden  sehe  ich  hier  ab. 
Vgl.  mein  Eransahr  S.  143. 

^)  Faustos  von  Byzanz  4,  55  lässt  sie  durch  den  König  Tigran 
d.  i.  Tigranes  d.  Gr.   aus  Palästina  weggeführt  werden. 


286  J-  Marquart, 

einer  andern,  gewöhnlich  weit  entfernten  Gegend  gutwillig  oder 
mit  Gewalt  dahin  verpflanzten.  „Durch  dieses  System  wurden  un- 
zählige jüdische  Familien  aus  Judaea,  Babylonien  und  Mesopotamien 
nach  Syrien,  Armenien  und  in  verschiedene  Gegenden  Kleinasiens 
verbannt.  Um  die  Kolonisten  an  ihre  neue  Stadt  zu  fesseln  und 
andere  anzuziehen,  gewährte  man  ihnen  Steuererlässe  und  ausser- 
gewöhnliche  Privilegien"  i).  Babelon  betrachtet  dies  als  wohl- 
bekannte Thatsachen.  Freilich  ist  mir  kein  derartiges  Zeugnis 
betrefi's  der  armenischen  Judenkolonien  bekannt,  da  sich  die- 
selben aber  durchweg  in  den  auf  einander  folgenden  Hauptstädten 
der  Seleukidenzeit :  Ervandasat,  Artasat  und  dem  im  zweiten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  an  dessen  Stelle  getretenen  Waiarsapat;  Wan, 
Zarisat  und  Zarehavan  (nicht  aber  in  Armavir ,  der  Hauptstadt 
von  Ostarmenien  in  der  ältei'en  Achaimenidenzeit)  befinden,  so  ist 
ein  solcher  Ursprung  derselben  durchaus  wahrscheinlich  ,  da  man 
naturgemäss  in  erster  Linie  die  Mittelpunkte  der  Landschaften 
durch  Kolonien  zu  vergrössern  und  zu  sichern  suchte.  Eine  Spur 
dieser  armenischen  Juden  aus  vorchristlicher  Zeit  erkennen  wir 
in  der  durch  Nikolaos  von  Damaskos  bezeugten  Lokalisierung  der 
Landung  der  Arche  auf  dem  grossen  Berge  BaQig  in  Armenien 
oberhalb  der  noch  nicht  identifizierten  Landschaft  Mivvdg'^). 
Welcher  Berg  unter  dem  Buqlq  zu  verstehen  ist,  ist  freilich  nicht 
leicht  zu  sagen.  Vielleicht  hängt  derselbe  mit  dem  sonst  nicht 
weiter  bekannten  Heiligtum  der  BccQig  oder  ^AßäQtg  zusammen,  wel- 
ches an  der  Strasse  lag,  die  am  Berge  Abos  (wahrscheinlich  dem 
Palandökän  Dagh)  vorbei  ins  Araxestal  und  von  da  südwärts  nach 
Ekbatana  führte^).  Übrigens  ist  der  Anklang  an  das  griechisch- 
ägyptische ßäQtg  „Kahn,  Schiff"  (z.  B.  Diod.  1,  92.  Plut.  de  Is.  et 
Os.  18)  wohl  kaum  zufällig.  Man  wird  aber  voraussetzen  dürfen, 
dass  der  Archenberg  Baris  in  der  Nähe  einer  oder  mehrerer  der 
wichtigsten  jüdischen  Kolonien  in  Armenien  lag,  welche  daselbst 
die  biblische  Flutsage  lokalisierten,  und  dies  würde  allerdings 
für  den  Masis  sprechen*).  So  lange  aber  die  Landschaft  Mtvvccg 
nicht  einleuchtend  identifiziert  ist,  ist  hierin  keine  Sicherheit  zu 
erlangen.      Warum    Naber    die    Konjektur    von    Vossius    wieder 


1)  E.  Babelon,  La  tradition  phrygienne  du  d^luge.  Revue  de 
l'hist.  des  religions.     t.  XXIII,  1891,  p.  177. 

^)  Jos.  &QX-  1  §  95 :  "Egtiv  vithQ  xrjv  Mivvccda  [liya  OQog  kcczcc  rr\v 
'ÄQfiiVLav  Bägig   liyöfisvov,   stg   o   TtoXXovg   av^Kpvydvtag   inl    rov   xara- 
^Xvofiov   Xoyog   i%ti    nsQiaad'fivai   Kai  xiva   inl  XÜQvayiog  6xovfi8vov  im 
ri]v   &XQmQSio:v    öxtlXai    xat   to:   Xsiipavu   räv   ^vXcov  inl   TtoXv  aco&fjvai 
yivoLTO  d'  av  ovrog,  ovrtva  xai  Mcüv6f]g  ccviyQatptv  6  'lovdaicov  vofio&efqg. 

=>)  Strab.  la  14,  14  p.  531:  6  "Äßog  iyyvg  ißn  Tf]g  oSov  Ti]g  dg 
Exßäruva  qpspovffrjg  nagä  tbv  Tf/g  'AßägiSog  (so  codd.  Dl;  C  ßdqidog) 
vswv.     Vgl.  W.  Fabricius,  Theophanes  von  Mitylene  S.  116  flF. 

*)  Dagegen  haben  die  von  Fr.  Murad,  Ararat  und  Masis  S.  47  ff. 
angeführten  Gründe  keine  Bedeutung. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  ötreifzüge.  287 

aufnimmt  und  Mikvag  schreibt ,  ist  mir  unklar.  Mit  den  alten, 
spätestens  seit  dem  Anfange  des  6.  Jahrh.  v.  Chr.  verschollenen 
Mannäern  südwestlich  vom  ürmiasee ')  (hebr.  ^3?:  Mannt  Jer.  51,27, 
masoretisch  Minnl)  hat  Mivvug  sicherlich  nichts  zu  thun:  schon 
die  lautliche  Übereinstimmung  der  beiden  Namen  ist  so  gering 
wie  möglich.  Eher  ist  an  die  nördlich  vom  Wan-See  gelegene 
Landschaft  von  Melazgerd  ^  altarmenisch  Manaz-kert,  Manavaz- 
kert  zu  denken.  Diese  Stadt  verdankt  ihre  Gründung  dem  alten 
Chalderkönig  Mennos  ^  dessen  Namen  sie  in  iranisierter  Form 
erhalten  hat  ^).  Der  alte,  von  Menuas  abgeleitete  Name  der  Stadt 
war  natürlich  unverständlich  geworden  und  wurde  daher  an  den 
iranischen,  im  adiabenischen  Königshause  üblichen  und  von  hier 
aus  wahrscheinlich  in  nachchristlicher  Zeit  zunächst  bei  den 
Fürsenhäusern  in  der  Umgebung  des  Wan-Sees  in  Aufnahme  ge- 
kommenen Namen  Manawaz^  gr.  Movo^a^og  d.  h.  ap.  *Manu-bäzu 
„mit  einem  Arm  wie  Manu  ausgestattet"  (wie  TeiQ^ßa^og  =  Tlri- 
bäzu  „mit  einem  Arm  wie  der  Gott  Tiri  ausgestattet")  angelehnt. 
Die  Landschaft  bildete  eine  erbliche  Satrapie  unter  dem  mana- 
vazischen  Hause,  das  aber  unter  dem  König  Chosrow  IL  Kotak 
im  ersten  Drittel  des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.  in  eine  Fehde  mit 
dem  Haupte  des  Geschlechtes  der  Ordunik'  in  Basean  verwickelt 
und  vom  armenischen  Kronfeldherrn  Wa£'e,  dem  Geschlechtshaupt 
der  Mamikonier  ausgerottet  wurde,  worauf  Stadt  und  Gau  Mana- 
vazakert  dem  Bischöfe  Aibianos  als  Kirchendomäne  überwiesen 
wurde  •^').  Ist  aber  Miwccg  die  Landschaft  der  alten  Menuas-Stadt, 
so  wäre  der  Baris  mit  dem  Niphates,  arm.  Npat^  dem  heutigen 
Ala  Dagh ,  oder  mit  dem  Sipan  Dagh ,  der  sich  südöstlich  von 
Melazgerd  erhebt,  gleichzusetzen. 

Neben  einer  gewaltsamen  Ansiedlung  der  Juden  in  Armenien 
durch  die  Seleukiden  wird  man  aber,  wenigstens  für  die  spätere 
Zeit,  auch  eine  friedliche  Propaganda  annehmen  müssen,  die 
einen  gemeinsamen  Ausstrahlungsmittelpunkt  voraussetzt ,  der 
aus  geographischen  und  historischen  Gründen  nur  Assyrien  ge- 
wesen sein  kann^).  In  der  That  setzt  das  Buch  Tobit  in 
Assyrien  eine  einflussreiche  und  wohlhabende  Judenschaft  voraus, 
welche  mit  der  Diaspora  in  Ekbatana  und  Ragai  in  enger  Ge- 
schäftsverbindung stand.  Dasselbe  gilt  für  die  Achiakargeschichte, 
welche  ebenfalls  in  Assyrien ,  am  Hofe  des  Königs  Senacherib 
spielt.      Beide    Schriften   knüpfen   natürlich    an    die    Wegfühi-ung 


1)  Vgl.  über  dieselben  zuletzt  M.  Streck,  Armenien,  Kurdistan 
und  Westpersien  nach  den  Keilinschriften.     ZA.  XIV  134 — 148. 

2)  Vgl.  mein    Eransahr   S.  162.     W.  Belck,  Verhandl.  der  Berl. 
Anthropol.  Ges.   1892  S.  477.   1898  S.  577. 

3)  Faust.  Byz.  3,  4. 

■*)  Die   Juden  von    Ekbatana  und  Ragai  können   allerdings    von 
Babylon  ausgegangen  sein,  nicht  aber  die  von  Armenien. 


288  J-  Marquart, 

der  zehn  Stämme  2  Kön.  17,  6.  18,  11  an,  allein  ich  halte  es  für 
unmöglich,  dass  der  Schauplatz  der  Legenden  lediglich  aus  den 
Angaben  dieser  Stellen  herausgesponnen  ist,  sie  haben  vielmehr 
nur  einen  Sinn ,  wenn  die  Verfasser  an  reale  Verhältnisse  ihrer 
Zeit  anknüpften.  Um  so  wichtiger  wäre  es  daher,  über  Ort  und 
Zeit  der  Entstehung  dieser  Schriften  Genaueres  als  bisher  festzu- 
stellen. Halevy  nimmt  an,  dass  beide  in  der  zweiten  Hafte  des 
2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  entstanden  seien  und  von  einem  Ver- 
fasser herrühren,  der  ein  gebildeter  Jude  aus  Palästina  war  und 
hebräisch  schrieb^). 

In  der  Apostelgeschichte  ist  von  assyrischen  Juden  nicht  be- 
sonders die  Rede;  dasselbe  ist  aber  streng  genommen  auch  mit 
den  babylonischen  der  Fall,  und  da  letztere  unmöglich  über- 
gegangen sein  können,  so  sind  beide  wohl  in  den  ot  %aroi%ovvreg 
TTJv  MeßOTtorafiiav  begriffen.  Der  Hauptsitz  der  mesopotamischen 
Juden  war  das  feste  Nisibis  in  Mygdonien,  das  nachmals  vom 
Grosskönig  Artabanos  II.  dem  König  Izates  von  Adiabene  ge- 
schenkt wurde-).  Wenn  ich  mich  nicht  sehr  täusche,  so  haben 
wir  es  in  Assyrien  mit  einer  wahrscheinlich  im  Laufe  der 
Seleukidenherrschaft  stattgefundenen  Wiedergewinnung  und  Assi- 
milierung entfremdeter  Stammesgenossen  zu  thun,  die  natürlich 
von  der  gut  organisierten  und  gesetzeseifrigen  babylonischen  Juden- 
schaft ausgegangen  sein  muss.  Eine  derartige  nationale  und  reli- 
giöse Rückeroberung  der  ,Zehn  Stämme",  von  denen  ein  Teil  in 
Chalach  d.  i.  KaXaxrjvrj  nördlich  von  Adiabene  angesiedelt  worden 
war  3),  wäre  aber  durchaus  nicht  wunderbarer  als  die  in  dieselbe 
Zeit  fallende  Judaisierung  ihrer  dem  Judentum  gleichfalls  Jahr- 
hunderte lang  entfremdeten,  in  Galiläa  zurückgebliebenen  Stammes- 
genossen, über  welche  ja  auch  jede  Überlieferung  fehlt  ^).  Die 
Juden  in  Be  Tannüre  bei  DürT  in  der  Landschaft  Berwer  haben 
also  nicht  so  ganz  Unrecht,  wenn  sie  sich  für  einen  Überrest 
der  Zehn  Stämme  halten  5). 

Um  das  Jahr  40  n.  Chr.  trat  der  König  Izates  von  Adiabene, 
der  Sohn  des  Geschwisterpaares  Monobazos  und  Helena,  zum  Juden- 
tum über.  Die  Legende  erzählte  darüber  Folgendes.  Izates,  der 
zweite  Sohn  des  Monobazos  von  der  Helena,  war  seinem  Vater 
schon  vor  der  Geburt  im  Traume  als  der  durch  die  göttliche  Vor- 
sehung bestimmte  Thronfolger  bezeichnet  worden,  der  einer  glück- 


1)  S.  Hal(5vy,  Tobie  et  Akhiakar.  Revue  s^mit.  8,  1900,  p.  23— 77, 
bes.  47  SS. 

2)  Über  die  Juden  in  Mesopotamien,  Syrien  und  Babylonien  s. 
auch  Schürer,  Gesch.  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi 
III 3,  5—8. 

3)  S.  mein  Eransahr  S.  159. 

*)  Vgl.  Wellhausen,  Israelitische  u.  jüdische  Geschichte  162  f. 
'^)  M.  Landauer,  Beil.  zur  AUgem.  Zeitung. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  289 

liehen  Weihe  teilhaftig  werden  solle  ^).  Sein  Vater  gab  ihm  daher 
den  bedeutungsvollen  Namen  Izat  {aw.  Jazata  „der  Ized")  und 
behandelte  ihn  als  seinen  ausgesprochenen  Liebling,  wodurch  er 
sich  freilich  den  Neid  seiner  Halbbrüder  zuzog.  Um  ihn  vor 
diesem  zu  schützen,  sandte  ihn  daher  Monobazos  nach  Spasinu 
Charax  an  den  Hof  des  Königs  Abennerigos -) ,  der  dem  Jüngling 

seine  Tochter  üvfiaxm  (jriÄQCD  „Erholung")  vermählte.  Hier 
wurde  er,  durch  einen  jüdischen  Kaufmann  Ananias,  der  im  könig- 
lichen Harem  Zutritt  hatte  und  die  Frauen  des  Königs  in  der 
jüdischen  Gottesverehrung  unterwies,  für  das  Judentum  gewonnen, 
und  als  er  von  seinem  betagten  Vater  zurückgerufen  wurde,  be- 
gleitete ihn  Ananias  3).  Er  erhielt  darauf  die  Landschaft  Kd^Sav 
(Be^  Qardü,  Corduene,  das  heutige  Bohtän),  die  er  bis  zum  Tode 
seines  Vaters  verwaltete.  Die  Bemerkung  des  Josephos,  dass  man 
hier  die  Überreste  der  Arche  Noahs  zeigte,  scheint  übrigens  darauf 
hinzuweisen,  dass  es  in  dieser  Gegend  Juden  gab,  welche  den 
Bei-g  der  Arche  hier  lokalisierten*). 


1)  Jos.  aQX-  20,  2,  1  §  18:  (pavfjg  Tivog  sSoi,tv  anovst-v  .  .  .  &iiOv 
ngovoia  xcxl  ccqxVS  'Tv%bv  xat  tilovg  ivTrjjovg  rsv|ojxtvov. 

2)  D.  i.  'Abd-Nerig.  W-»VJ  syr.  =  Nergal  (der  Planet  Mars). 

3)  Dieser  Ananias  ist^as  Vorbild  des  'Avaviag  6  raßtXXccQiog, 
welcher  nach  der  altern  Addailegende  (den  sog.  Acta  Edessena)  bei 
Euseb.  b.  e.  1,  13  den  Briefwechsel  zwischen  Abgar  Ukkama  und 
Jesus  vermittelte.  In  der  uns  vorliegenden  syrischen  Addailegende  ist 
daraus  ein  Sekretär  (j'^CO^  =  tccßovXaQiog)  Hannän  geworden. 

*)  Jos.  a^%.  20,  2,  3  §  24 — 25.  Die  Hss.  haben  v.agQ&v,  -naiQwv  und 
xaqmv,  aber  schon  Bo'chart,  Phaleg  I  3  col.  19  hat  erkannt,  dass 
hier  Qardü  gemeint  sein  müsse,  und  es  ist  deshalb  unbegreiflich,  wie 
die  neuesten  Herausgeber  des  Josephos,  Niese  und  Naber,  es  übers 
Herz  bringen  konnten,  das  unsinnige  KaQQübv  ohne  jede  Bemerkung  im 
Texte  stehen  zu  lassen.  Vgl.  Nöldeke,  Kardu  und  Kurden.  Fest- 
schrift für  Kiepert.  Fr.  Murad,  Ararat  und  Masis.  Heidejberg  1901, 
S.  27.  Die  Lokalisierung  des  Berges  der  Arche  in  Qardu,  die  sich 
auch  in  den  Targumen  findet,  stammt  ohne  Zweifel  ursprünglich  aus 
babylonischer  Tradition.  Denn  1)  hätten  die  Juden  von  UTifc«  Gen.  8,  4 
aus  unmöglich  auf  dieselbe  kommen  können,  da  dieser  Name  seit  dem 
Untergange  des  Reiches  Urartu  mit  der  Hauptstadt  Wan-Tosp  auf  ein 
engeres  und  viel  weiter  nordöstlich  gelegenes  Gebiet  beschränkt  wurde, 
dessen  Umfang  sich  im  wesentlichen  (schon  bei  Herodot)  mit  der  Provinz 
Airarat  der  klassischen  armenischen  Litteratur  d.  i.  der  Araxesebene 
deckte;  2)  wird  jene  Lokalisierung  zuerst  durch  Berossos  bezeugt: 

Euseb.  Chron.  I    23/24   ed.  Schöne, 
Jos.  ciQx.  a  3,  6  §  93  nach  - '  -         -    ■  - 

Berossos : 

Xiyitat  Sk  xal  rov  nXoiov  iv  r  fj 
'Agfisvia  Ttgbg  t&  ögn  r&v  Koq- 
övciicov  hl  fif'pos  "^^  iivcii,  ■kccI  xo- 
^i^siv    rivccg    xfjg    KGcpäXxov    acpai- 

QOVVTUg  •       J^QWVtOCL      Öh      ^äXlGTK      OL 

ävd'Qconoi  Tft»  xoftt^ojxf'vca  TtQog  rovg 
ccnoTQoniacfiovg-^vgi.c.  Apion.  1 ,  130. 
Marquart,  Streifzüge. 


Synk.  p.  55,  16 — 56,  3  nach  Alexander 

Polyhistor : 
roü  dh  TtXoiov  rovrov  nataiiXid'iv- 
rog  iv  r y  'Ag^ievia  hi  iisQog  rt 
iv  ToTg  KoQÖvocicov  ögsat,  rfjg  'Aq- 
^isviccg  Siaiiiviiv ,  xai  Tij'as  anb 
rov  nXoiov  xo/xijiiv  ano^vovrag 
a6(faXxov ,  ii^QOiaö-ai  61  avrfjv  (sehr. 
ccvTjj)  TiQog  Tovg  ScTtoTQomciOfiovg. 
19 


290  •^-  Marquart, 

Nach  dem  Tode  des  Monobazos  ward  auf  Betreiben  der  Helena 
Izates  von  den  Grossen  und  Satrapen  als  sein  Nachfolger  an- 
erkannt.    Um  sich  gegen  seine    ihm   feindseligen  Halbbrüder  und 


Vorher  heisst  es  bei  Eusebios  p.  22,  40  =  23,  2— 3:_£i7t£  Tf  (eine 

d 


Allerdings  hat  auch  Josephos  den  Berossos  nicht  selbst  ein- 
gesehen, wie  er  glauben  machen  möchte,  sondern  kennt  ihn  nur  durch 
Vermittlung  des  Alexander  Polyhistor.  Dies  wird  schon  durch  die  bei- 
nahe wörtliche  Übereinstimmung  der  beiden  Citate  nahegelegt  (vgl. 
A.  V.  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  IV  492),  besonders  aber  durch  die  in 
beiden  wiederkehrende  Vorstellung,  dass  das  Kordyaiergebirge  zu 
Armenien  gehöre.  Im  Jahre  401  v.  Chr.  waren  die  KaQÖovxoi  vom 
Satrapen  von  Armenien  unabhängig,  und  es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dass  dies  unter  den  spätem  Achaimeniden  oder  unter  Alexander  und 
den  Diadochen  anders  geworden  sein  sollte.  Erst  Tigranes  d.  Gr.  zwang 
den  König  von  Gordyene,  die  Oberhoheit  des  Königs  von  Grossarmenien 
anzuerkennen  (zwischen  90  und  83  v.  Chr.),  und  Hess  ihn,  als  er  ihn 
auf  hochverräterischen  Verbindungen  mit  Appius  Clodius ,  dem  Ge- 
sandten des  Lukullus  ertappte,  im  Winter  71/70  hinrichten  (s.  mein 
Eränsahr  173.  175).  Wir  haben  demnach  hier  eine  der  Interpolationen 
des  Textes  des  Berossos  aus  dem  Alten  Testamente  vor  uns,  wie  sie 
dem  Polyhistor  geläufig  sind.  Er  erklärte  das  HiTnN  von  Gen.  8,  4 
nach  den  LXX  zu  Jes.  37,  38  durch  Armenien  und  schob  dies  in  den 
Text  des  Berossos  ein.  Dies  ergibt  sich  mit  voller  Deutlichkeit  aus 
dem  aufdringlichen  Kai  on  ottov  sialv  17  x'^9^  'Ag^eviag  iaxiv. 

Von  Alexander  Polyhistor  ist  dann  auch  Abydenos  abhängig, 
welcher  nur  Armenien  als  Landungsort  der  Arche  kennt:  I^iGiQ-Qog  öh 
ravxa  inirtlia  nonqGag,  tv&icag  in'  'AQ^svlrig  aviitlas,  -nal  nagavtixK 
liiv  KUtiXd^ßavs  xa  iv.  xov  &£0v  .  .  .  .  'Slg  dh  rf^fft  xQixrjaiv^  svxvpsv, 
ci.niv.axo  yuQ  öi]  nrilov  KatccnXuot  xovg  xagcovg,  Q'ioi  iiiv  i^  &v&Qwncov 
cccpavi^ovaiv ,  xb  dh  nloiov  iv  'AQjisvirj  ntqianxa  ^vXcov  aU^KpägfiaKa 
xolGiv  inix^Qi-oLOiv  naQsi%i:Xo.  Euseb.  nQon.  svayy.  9,  12  vgl.  Synk. 
70,  2—15.   Euseb.  Chron.  1  48—51  ed.  Avker  =  I  31—34  ed.  Schöne. 

Babylonische  Tradition  war  es  also,  dass  die  Reste  der  Arche 
noch  im  Kordyaiergebirge  zu  sehen  seien.  Auf  den  keilin  schriftlichen 
Bericht,  welcher  den  Berg  Nigir  als  Landungspunkt  des  Schiffes  des 
Cit-napiStim  nennt,  brauchen  wir  dabei  hier  nicht  näher  einzugehen. 
Diese  Sage  wurde  vermutlich  durch  ausgewanderte  babylonische  Juden 
in  dies  Land  selbst  getragen,  wo  sie  vorher  schwerlich  bekannt  war. 

Josephos  ccQx-  1,  3,  6  §  92  erwähnt  noch  eine  andere  Tradition 
über  den  Landungsort  der  Arche:  dcnoßax'qQiov  hbvxoi  xov  xönov 
xovxov  'ÄQ^ivioL  KaXov6iv  iv.el  yuQ  avaacoQ'hLCTig  xfjg  XdQvaxog  iti  vyv 
oi  inixöiQiOL  tu  Xsiipavcc  ini8siv.vvovGi.  Unter  'AQ{iivioi  sind  hier  gewiss 
armenische  Juden  zu  verstehen;  vgl.  Apg.  2,  9.:.  TIccq&oi  xai  Mijdoi 
y.al  Äilu^ixai  etc.  Ob  aber  das  a.noßaxriQiov  in  Übereinstimmung  mit 
der  gesamten  älteren  Tradition  in  Kordueno,  wo  nachmals  das  Dorf 
&einänön  als  Landungsort  der  Arche  galt  (zuerst  in  der  Schatzhöhle 
S.°102,  17  =  24;  vgl.  Nöldeke  a.  a.  0.  G.  Hoffmann,  Auszüge 
174  f.),  oder  im  eigentlichen  Armenien  zu  suchen  ist,  wofür  die  Er- 
zählung des  Nikolaos  von  Damaskos  (oben  S.  286  f.)  sprechen  könnte, 
lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen.  Vgl.  auch  H.  Hüb  seh - 
manu,  Armeniaca.  Strassburger  Festschrift  zur  XLVI.  Versammlung 
deutscher  Philologen  und   Schulmänner  S.  79  gegen   Murad  a.  a.  O. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  291 

übrigen  Verwandten  zu  sichern,  sandte  er  sie  samt  ihren  Kindern 
teils  an  den  Hof  des  Kaisers  Tiberius  ^)  nach  Rom,  teils  zu  seinem 
Lehnsherrn,  dem  Partherkönig  Artabanos.  Es  traf  sich  nun,  dass 
inzwischen  auch  Helena  durch  einen  andern  Juden  für  die  jüdische 
Religion  gewonnen  worden  war  und  ganz  nach  jüdischen  Sitten 
lebte-).  Als  Izates  hiervon  Kunde  erhielt,  wollte  er  sofort  voll- 
ständig zum  Judentum  übertreten  und  die  Beschneidung  annehmen, 
doch  gelang  es  seiner  Mutter,  die  ihm  die  Gefahren  vor  Augen 
stellte,  welchen  er  sich  und  seine  Herrschaft  dadurch  aussetzen 
würde,  ihn  von  diesem  Schritte  zurückzuhalten  3) ,  so  dass  er  sich 

61  ff.  Allein  auch  wenn  man  es  in  der  Nähe  der  jüdischen  Kolonien  im 
Araxesthale  sucht  und  an  Nackcavan  denkt,  kann  ccnoßatriQLOv  unmög- 
lich als  eine  Übersetzung  dieses  Namens  gelten,  wie  Hübschmann 
a.  a.  O.  S.  73  ff.  gegen  Murad  mit  Recht  betont.  Denkbar  wäre,  dass 
die  dortigen  Juden  durch  den  Namen  Nachc-avan  „Flecken  des  Nachuc 
(bezw.  Nachic)"  an  ihren  Sintflutpatriarchen  Noh  erinnert  wurden.  Auf 
alle  Fälle  müsste  man  dann  aber  bei  Josephos  bezw.  seiner  Quelle  ein 
Missverständniss  annehmen.  Auch  wäre  es  höchst  auffällig,  dass  diese 
Tradition  zur  Zeit  der  Bekehrung  Armeniens  zum  Christentum  in  diesem 
Lande  gänzlich  erloschen  gewesen  wäre. 

Qardü  (Kordyene),  das  nach  der  Erzählung  des  Josephos  im  Be- 
sitze des  Königs  von  Adiabene  erscheint,  soll  nach  Appian.  Mithr.  105 
nebst  Sophene  von  Pompeius  dem  Jüngern  Tigranes  zugedacht  und 
darauf  dem  Ariobarzanes  I.  von  Kappadokien  (95—62)  verliehen  wor- 
den sein.  Phradates  III.  von  Parthien  besetzte  das  Land  als  eines  der 
ihm  von  Pompeius  zugestandenen  Gebiete,  allein  dieser  schickte  im 
J.  64  seinen  Legaten  Afranius  mit  Heeresmacht  dahin,  welcher  die 
Parther  aus  Korduene  vertrieb  und  bis  nach  Ekbatana  in  Adiabene 
verfolgte  (Plut.  Pomp.  36.  Kass.  Dion  37,  5.  Gros.  VI,  4,  8;  vgl.  Gut- 
schmid,  Gesch.  Irans  84.  Th.  Rein  ach,  Mithridate  Eupator  382 
N.  1.  393).  Orosius  denkt  fälschlich  an  die  medische  Hauptstadt,  es  ist 
aber  Ekbatana  in  Adiabene  (Ammian.  Marcellin.  23,  6,  22)  nait  einer 
berühmten  Naphthaquelle  gemeint;  vgl.  Plut.  Alex.  35:  ro  xaciia  tov 
TtvQog  iv  'Exßarcivois.  Gurt.  5, 1, 16 :  ad  Mennin  urbem  pervenit.  Caverna 
ibi  est,  ex  qua  fons  ingentem  bituminis  vim  effundit.  Strab.  t?  1,  4 
p.  737 :  7]  tov  vd(pQ'oc  nr\yr\.  Dies  ist  wahrscheinlich  die  Naphthaquelle 
bei  Bäbä  Gurgur  IVj— 2  Stunden  nördlich  von  Kerkuk  (G.  Hoffmann, 
Auszüge  273).  Wahrscheinlich  wurde  Korduene  später  von  Augustus 
dem  König  Artaxares  von  Adiabene,  der  bei  ihm  Zuflucht  suchte  (Res 
gestae  divi  Augusti^  6,  2  =  17,  2  p.  135  ed.  Mommsen),  verliehen. 

1)  Jos.  UQX.  X  2,  4  §  37  nennt  den  Kaiser  Claudius  (41—54),  allein 
bei  dessen  Regierungsantritt  war  Artabanos  bereits  gestorben. 

■)  Diese  Nachricht  scheint  mir  ebenfalls  darauf  hinzuweisen,  dass 
es  auch  in  Adiabene  schon  Juden  gab.  Denn  es  ist  doch  die  nächst- 
liegende Vermutung,  dass  dieser  Jude  aus  Adiabene  selbst  stamnite. 
Einen  weitern  Anhaltspunkt  für  eine  derartige  Annahme  erblicke  ich 
in  §  49,  wo  es  nach  der  Beschneidung  des  Izates  heisst:  'EXiv^  8  i] 
tov  ßaadicog  fiTjrr]?,  oQwaa  xa  ^ihv  v.ark  xr]v  ßaadsiav  £iQr]V£v6^£va, 
rbv  6'  vlbv  uvTfjg  iiccKägiov  kuI  nagu  7t&6i  ^r\larov  y.al  xolg  aXXo- 
£&v£Gi  ÖLu  XT]v  iv.  %sov  TtQovoiav.  Die  bcsondcre  Hervorhebung  der 
aXXosQ-vng    scheint    mir    als    selbstverständlichen    Gegensatz     'lovSaloi 

3)  Diese  Besorgnis  vor  den  Gefahren,  welche  dem  Königre  im  Falle 
seines  Übertritts  zum  Judentum  von  seinen  Unterthanen  —  d.  h.  vom 

19* 


292  «^^  Marquart, 

auf  Anraten  des  Ananias  einstweilen  mit  der  Stellung  eines  6eß6- 
^evog  xov  ^iov  begnügte.  Allein  später  Hess  er  sich  durch  die 
Vorstellungen  eines  gesetzeseifrigen  Juden  Eleazar,  der  aus  Galiläa 
gekommen  war,  doch  bewegen,  die  Beschneidung  anzunehmen.  Als 
nun  die  befürchteten  Unruhen  ausblieben  und  ihr  Sohn  sich  nach 
wie  vor  der  Liebe  und  Anhänglichkeit  all  seiner  Unterthanen,  auch 
der  heidnischen,  erfreute,  unternahm  Helena  eine  Wallfahrt  nach 
Jerusalem ,  wo  sie  zur  Zeit  der  Hungersnot,  die  unter  den  Statt- 
haltern Cuspius  Fadus  und  Tiberius  Alexander  (44 — 48)  daselbst 
wütete  ^) ,  eintraf.  Der  König  sandte  selbst  fünf  seiner  Söhne 
nach  Jerusalem,  um  sie  dort  in  der  hebräischen  Sprache  und 
rabbinischen  Bildung  unterweisen  zu  lassen-). 

Zur  Zeit  des  Königs  der  Könige  Volagases  I.  verliessen  auch 
Izates'  Bruder  Monobazos  und  seine  Verwandten  den  alten  Mazda- 
glauben und  traten  zum  Judentum  über.  Als  dieser  Schritt  aber 
ruchbar  wurde,  verbarg  der  iranische  Adel  des  Landes  seinen  Groll 
nicht  länger.  Zuerst  veranlassten  die  Megistanen  den  Araber- 
scheich Abias^)  (in  Be'9''Arabäje  oder  Arvastan,  südlich  von  Nisibis*)) 
zu  einem  Kriegszug  gegen  Izates,  indem  sie  ihm  versprachen,  beim 
ersten  Zusammenstoss  zu  ihm  überzugehen,  und  als  dieses  Unter- 
nehmen an  der  Umsicht  des  Izates  scheiterte,  wandten  sie  sich  an 
dessen  Lehnsherrn  Volagases  mit  der  Aufforderung,  ihnen  einen 
andern  Fürsten  parthischen  Geschlechts  zu  geben,  da  ihr  König 
die  väterlichen  Satzungen  abgeschafft  habe  und  ein  Anhänger 
fremder  Sitten  geworden  sei.  Daraufhin  beschloss  der  König  der 
Könige  den  Izates  nötigenfalls  mit  Gewalt  abzusetzen.  Diese  Dar- 
stellung ist  vollkommen  glaubwürdig,  da  sie  trefflich  zu  dem 
stimmt,  was  wir  sonst  über  die  religiöse  Haltung  des  Volagases 
wissen.     Allem  nach  war  er  ein  eifriger  Mazdajasnier^),  der  nicht 

iranischen  Adel ,  wie  sich  aus  dem  weitern  Verlauf  der  Erzählung  er- 
gibt —  droben  würden  (§§  39.  47.  49  vgl.  76.  79),  spiegelt  „sich  noch 
sehr  deutlich  in  der  Addaüegende  wieder :  „  So  giengen  auch  Ostliche  in 
der  Gestalt  von  Kaufleuten  ins  Gebiet  der  Kömer  hinüber,  um  die 
Zeichen  zu  sehen  welche  Addai  vollbrachte;  und  jene  von  ihnen,  welche 
Schüler  wurden,  empfiengen  von  ihm  (so  Cureton)  die  Vollmacht  des 
Priestertums ,  und  lehrten  in  ihrem  eignen  Lande  der  Assyrer  ihre 
Volksgenossen  und  bauten  dort  heimlich  Bethäuser  aus  Furcht  vor  den 
Feueranbetern  und  Wasserverehrern "  (The  Doctrine  of  Addai  ed. 
Phillips  p.  ^\,  2—9  =  35  der  Übs.  Leroubna,  La  lettre  d'Abgar 
bei  Langlois,  CoUection  des  histor.  armen,  I  328b). 

1)  Jos.  iiQx-  20,  71. 

2)  Jos.  ccQx-  20,  49—53.  100-101.  Vgl.  E.  Schürer,  Gesch.  des 
jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  I^  (1890)  474  A.  8. 

^)  Arab.    ^jI,  oder  jüdisch  ti^^aN? 

4)  S.  mein  Eränsahr  S.  25.  162  f.' 

^)  Vgl.  über  die  religiöse  Haltung  Volagases  I.  und  seines  Bruders 
Tiridates  Tac.  ann.  15,  24.  Plin.  h.  n.  30,  2  §  16—17.  Kass.  Dion  63,  4. 
Darmesteter,  Le  Zend-Avesta  III  p.  XXIII  s. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  293 

bloss  eine  neue  Sammlung  und  Redaktion  des  Awesta,  sondern  auch 
einen  Kommentar  (Zand)  zu  demselben  in  Palhawik  d.  h.  in  der 
durch  Artabanos  II.  aufgekommenen  atropatenischen  Sprache,  das 
palhawik  den,  veranlasste^).   Izates,  der  wusste  was  ihm  bevorstand, 

1)  Dlnkart  IV  24  bei  E.  W.  West,  Pahlavi  Texts  IV  413: 
,Valkhas,  descendant  of  Askän,  in  (each)  district,  just  as  he  had 
come  forth,  ordered  the  careful  preservation ,  (and)  making  of  memo- 
randa  for  the  royal  city  (shatrö  shahag),  ofthe  Avesta  (and)  Zand 
as  it  has  purely  come  uuto  (them,  and)  also  of  whatever  Instruction 
(ämükö-c),  due  to  it,  had  remained  written  about,  as  well  as  deliver- 
able  by  the  tongue  through  a  high-priest,  in  a  scattered  state  in  the 
country  of  Iran ,  owing  to  the  ravages  and  devastation  of  Alexander 
and  the  cavalry  and  infantry  of  the  Arümans". 

Nach  der  Annahme  der  Parsen  war  das  Zand  so  gut  wie  das 
Awesta  schon  von  Ahuramazdä  selbst  dem  Zara'O'ustra  geoffenbart 
worden.  Vgl.  Dlnkart  IV  23  (West,  Pahlavi  Texts  IV  413).  VIII,  1,  3 
(P.  T.  IV  3).  VII  8,  22.  36  (P.  T.  V  99.  102)  und  besonders  IX  82,  20 
(P.  T.  IV  258),  ein  Citat  aus  der  Pahlawi- Übersetzung  des  neunten, 
Hwaetumaiti  genannten  Fargard  des  Warstmänsar  Nask,  wo  Ahuramazdä 
zu  Zara^ustra  spricht:  „they  (also)  think  scornfully_  (of )  thy  cere- 
monial,  and  think  scornfuUy  (of)  the  obeisances  {niyayisno)  and  (of) 
both  those  blessings  from  me,  the  Avesta  and  Zand,  which  I, 
who  am  the  most  propitious  of  spirits,  spoke  forth  to  thee".  V3,4 
(P.  T.  V  127):  „The  formation  of  custom,  and  the  indications  which 
(have)  come  to  manifestation  and  (will)  arrive  at  various  periods ;  and  the 
proclamation  of  these,  too,  by  Gämäsp,  from  the  teaching  of  Zaratüst, 
is  what  he  wrote,  together  with  the  Avesta  and  Zand,  upon  oxhides, 
and  it  was  written  (with)  gold,  and  kept  in  the  royal  treasury^ 
Dln-i  wigirkard  1,  23  (P.  T.  IV  447).  Sad-dar  81,  90  (P.  T.  III  346)  sagt 
Ahuramazdä  zu  Zara^ö'ustra:  „I  have  taught  (it)  to  thee  in  the  Avesta, 
in  a  language  that  no  one  in  the  world  considers  piain  (and)  easy ;  a  n  d 
I  have  told  thee  its  Interpretation  (zand)  in  a  language 
that  is  more  current  among  mankiud,  and  thou  likewise 
hast  more  eloquence  {fagli)  therein^  Vgl.  dazu  Mas'udi, 
Mm-üg  II  124—126.  Kitäb  at  tanbih  iC,  2—5,  wo  es  nach  de  Goeje's 
Herstellung  des  in  beiden  Hss.  verdorbenen  Textes  heisst: 

(P  +x*^jj)  *.5>iAÄ£  ^j.J'^  lXjJI  »L*-w  L5>yi  LCw^j'^U  ct*"Ä^Sjij  i}"*^j 
v.u^->^3    *«-*->_;J    (om.  codd.)    f^    c>.^0ijj*    ^J^^   ^j*^^    V^    f^^ 

d.  i.  „Zara'O'ustra  verfasste  auch  einen  Kommentar  zum  Awesta,  den 
er  Zand  nannte,  der  in  ihren  Augen  (ebenfalls)  das  dem  Zara-ö'ustra 
geoffenbarte  Wort  Gottes  ist;  darauf  übersetzte  es  (das  Zand)  Zara- 
-ö-ustra  aus  der  Pahlawi-  in  die  persische  Sprache.  Hierauf  verfertigte 
Zara'O'ustra  einen  Kommentar  zum  Zand,  den  er  Päzand  nannte". 

Nimmt  man  diese  Herstellung  an,  so  ist  das  Wort  *.4.>y  vor 
O  i!  »^i'  in  der  Pariser  Hs.  als  Randglosse  eines  Lesers  zu  betrachten, 
welcher  wusste,  dass  das  Zand  die  Übersetzung  der  hl.  Schrift  war. 


294  J-  Marquart, 

rüstete  sich  zum  Widerstand,  ehe  es  aber  zum  Kampfe  kam,  ward 
Volagases  durch  die  Nachricht,    dass    die  Daher   und  Saken    (von 

Nach  diesem  Texte  hätte  also  Zara'O'ustra  das  Zand  ursprünglich 
in  Pahlawi  verfasst  (vgl.  das  Sad  dar),.,  dasselbe  dann  aber  selbst  ins 
Persische  übersetzt.  Diese  persische  Übersetzung  des  Zand  ist  aber 
nach  Mas'Qdi  verschieden  vom  Fäzand,  d.  h.  der  Umschrift  der  so- 
genannten PahlawTübersetzung  des  Awesta  in  Awesta-  oder  arabische 
Schrift  (vgl.  Darmesteter,  Le  Zendavesta  I  p.  XL  n.),  welche  von 
Mas'üdi  gleichfalls  schon  auf  ZaraO'ustra  zurückgeführt  wird.  Auch 
in  einem  von  S alemann  (Mel.  Asiat.  IX  497)  mitgeteilten  Auszuge 
aus  dem  im  Jahre  748  H.  verfassten  xx^^  i*-^^^  jj-*^  ^^^^  ^^^ 
Zara-öiistra  die  Abfassung  des  „Zand  und  Päzand"  zugeschrieben.  Diese 
Angaben  werden  verständlich,  sobald  man  unter  Pahlawi  hier  die  aus 
Atropatene  stammende  Schriftsprache  der  Part  her  zeit,  das  fälschlich 

sogenannte  Chaldaeo- Pahlawi,  unter  Kj^^LäJl  aber  die  Sprache  und 
Schrift  von  Pars  versteht,  die  unter  den  Sasaniden  zur  allgemeinen  Reichs- 
sprache geworden  war  und  richtig  als  Mittelpersisch  zu  bezeichnen 
ist.  Das  Pahlawi-Zand  ist  dann  der  unter  Volagases  I.  entstandene  Kom- 
mentar zum  Awesta  in  atropatenischer  Sprache,  das  Pars! -Zand 
die  unter  den  Sasaniden  hergestellte  Redaktion  desselben  in  mittel- 
persischer Sprache.  Die  Sprache  des  Pazand  dagegen,  welche  bereits 
eine  jüngere  Lautgestalt  zeigt,  aber  doch  mit  dem  klassischen  Neu- 
persisch noch  keineswegs  identisch  ist,  bezeichnet  Mas'üdi  S.  li,  13 
(trad.  Carra  de  Vaux,   Le  livre  de  Pavertissement  et   de  la  revision 

p.  132)  als  Neupersisch  (iL^UJl  sÄ^).  Er  sagt  hier:  „Man  kennt  heut- 
zutage niemanden  der  jene  Sprache  [in  welcher  das  Awesta  geschrieben 
ist]  verstünde.  Es  sind  nur  einige  von  den  Nasks  für  sie  in  das  heutige 
Persisch  übertragen  worden,  die  sich  in  ihren  Händen  befinden  und 
die  sie  bei  ihren  Gebeten  rezitieren,  wie  das  Istad  {Stot-ja&t,  Jasna 
28—54,  14—17,  22—27,  56;  P  ^LÄ.i:^  L  ^U^^t,  Murüg  II  125  oU^l), 
CitraU  (Ci-Öradät) ,  ßayän-jaSt  (jt.  1,  5—19-,   Hss.  ci^-sM^jb,  o^a-J-iL 

lies  ci*.-Ci4j^*^) »  HäSöcht  und  andere  Nasks".  Vgl.  Darmesteter, 
Le  Zendavesta  III  p.  XVI  s.   und  Carra  de  Vaux,  1.  1.  p.  132  n.  3. 

Auch  bei  Elise  wardapet  (Venedig  1864,  p.  253  =  Langlois, 
Collection  des  histor.  arm^n.  II  230  a)  werden  zwei  persische  Religions- 
bücher Palhavik  und  Parshaden  „das  parthische  und  das  persische 
Religionsbuch "  genannt  (vgl.  Hübschmann,  Arm.  Gr.  I  168),  worunter 
meiner  Ansicht  nach  nur  der  parthische  und  der  persische  Kommentar 
zum  Awesta  verstanden  werden  können.    S.  mein  Eränsahr  123  A.  5. 

Ursprünglich  verstand  mau  aber  unter  dem  Apastah  wahrscheinlich 
nur  den  Stöt-jaSt,  dessen  wichtigsten  Teil  die  in  einem  altertümlichen 
Dialekte  und  in  metrischer  Form  abgefassten  fünf  Gathas  (Jasna  28—54) 
bildeten,  während  die  sechs  übrigen  gathischen  Nasks,  vor  allem  der 
Warst-mänsar  und  Bak,  Erklärungen  und  Erweiterungen  zu  den  Gathas, 
also  das  Zand,  darstellten.  Bei  den  beiden  andern  Hauptabteilungen 
des  sasanidischen  Awesta,  dem  Gesetz  und  dem  Hadama^ra,  lasst  sich 
das  gegenseitige  Verhältnis  der  einzelnen  zu  denselben  gehörigen  Nasks 
nicht  mehr  näher  erkennen.  Leider  ist  keines  der  Citate  aus  den  ver- 
lornen Nasks,  in  welchen  Awesta  und  Zand  als  gleichmassig  von 
Ahuramazda  geoffenbart  erwähnt  werden,   im  ursprünglichen  Wortlaut 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  295 

Sagistän)  mit  grosser  Heeresmacht  in  Pai-thyene  eingefallen  seien, 
zum  Abzug  bewogen.  Nicht  lange  darnach  starb  Izates  nach 
24  jähriger  Regierung i)  im  Alter  von  55  Jahren.  Seine  Mutter 
Helena,  die  auf  die  Kunde  von  seinem  Tode  nach  Adiabene  zurück- 
gekehrt war,  überlebte  ihn  nicht  lange.  Ihr  ältester  Sohn  Mono- 
bazos  IL,  der  nun  den  Thron  erbte,  sandte  ihre  und  seines  Bruders 
Überreste  nach  Jerasalem  und    Hess    sie   in  den  von  ihr  erbauten 


erhalten.  Doch  würde  sich  unter  obiger  Annahme  leichter  erklären, 
wie  die  Begriffe  Apastäk  und  Zand  bezw.  deren  awestische  Äquivalente 
ihre  Bedeutung  allmählig  änderten  und  der  erstere  schliesslich  die  ganze, 
aus  21  Nasks  bestehende  hl.  Schrift  umfasste,  während  die  Bezeichnung 
Zand  auf  die  durch  das  Aussterben  der  Awestasprache  nötig  gewordenen 
Paraphrasen  des  Awesta  in  jüngeren  Dialekten  (Chwarizmisch,  Sogdisch, 
Baktrisch  -  Tocharisch ,  Atropatenisch  -  Parthisch ,  Persisch,  Sagzl  u.  a.) 
übertragen  wurde.  _  . 

Man  darf  annehmen,  dass  Mas'üdi's  Nachrichten  in  letzter  Lmie 
auf  das  Dinkart  zurückgehen,  wer  aber  sein  unmittelbarer  Gewährs- 
mann war,  ist  unbekannt.  Man  könnte  an  den  damaligen  Obermobad 
Ömeä  h.  Asawahiät   denken,    der    auch    von    Hamza    IspahänT    (Jäq.  I 

f  n ,  2   u>«-s«.Pj-ü!    ^J   ^y^ ;    Tv ,  7    ^^J    [Hss.  uXjj»  1.  ^Ave^]    O^^^ 

vi>s.Ü«p5.A^l)  und  an  Nadlm,  dem  Verfasser  des  Fihrist  (Ä^il  oL«!  If,  19. 
!!*•,  13)  zu  Rate  gezogen  worden  ist;  allein  dann  würde  man  erwarten,  dass 
er  dessen  Namen  richtig  oLo^!  oder  Cs^^  schreiben  würde,  statt  der 
Verlesung  der  PahlawTzeichen  in  öUi^  (l.f ,  12).  Allerdings  begeht  er 
dasselbe  Versehen  bei  der  Wiedergabe  des  Namens  des  Grossvaters  seines 
Vorgängers,  des  im  J.  32-5  H^(936/37)  von  ar  Rädi  in  BagdäcJ  hingerichteten 
Isfandijär  b.  Ätfarbä^  b.  Ümed",  den  er  Ä-m-Ü  schreibt.  Der  Vater 
dieses  Isfandijär.  ein  Zeitgenosse  des  gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
lebenden  Oberpriesters  Zäd^pram  von  Sirakän  in  Kermän,  war  der  letzte 
Redaktor  des  Dinkart.  Vgl.  Darmesteter  bei  de  Goeje,  Bibl.  Geogr. 
Arab.  VIII  l.f  ann.  t. 

1)  Jos.  aqi.  20,  92.  Die  Zahl  24  spielt  allerdings  an  dieser  Stelle 
eine  etwas  mythische  Rolle,  da  dem  Izates  auch  je  24  Söhne  und 
24  Töchter  zugeschrieben  werden.  —  Der  Einfall  der  Daher  und  Saken 
in  Parthyene  hängt  wohl  mit  dem  Abfall  der  Hyrkanier  (a.  58)  zu- 
sammen,  die  unter  den  Nachkommen  Gotarzes'  II.  aus  dem  Hause  des 
Gew  ein  eigenes  Reich  zu  bilden  suchten,  das  wahrscheinlich  auch 
Karmanien  umfasste  (Tac.  ann.  13,  37.  14,  21.  15,  1.  2,  vgl.  6,  36.  43. 
11,  8  und  mein  Eränsahr  S.  72.  Beiträge  zur  Geschichte  und  Sage  von 
Erän  ZDMG.  49,  641).  Von  jeher  aber  hatten  die  Hyrkanier  sich  der 
Hilfe  der  benachbarten  dahischen  Nomaden  bedient  (vgl.  Tac.  ann.  2,  3. 
11,  8.  Jos.  ä^i-  18,  100).  Im  Jahre  61  finden  wir  bereits  Monobazos  IL  als 
König  von  Adiabene  (Tac.  ann.  15,  1).  Wir  können  also  die  Regierung 
des  Izates  von  ca.  34—58  n.  Chr.  setzen.  Mit  dieser  Berechnung  stimmt 
die  Angabe  des  Rabbi  Juda  (Nazir  III  6  bei  Schür  er,  Gesch.  des 
jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  III»  120  A.  58)  überein,  dass  die 
Königin  Helena  nur  vierzehn  Jahre  Naziräerin  war,  wenn  man  an- 
nehmen darf,  dass  die  Zeit  ihres  Naziräats  mit  ihrem  Aufenthalte  in 
Jerusalem  zusammenfiel.     Dieser  ist  von  44 — 58  zu  setzen. 


296  J-  Marquart, 

Pyramiden  beisetzen^).  Josephos  beabsichtigte,  die  Beziehungen 
dieser  Fürsten  zu  Jerusalem  sowie  die  Lebensgeschichte  des 
Monobazos  besonders  zu  behandeln-),  allein  dieser  Plan  ist  leider 
nicht  zur  Ausführung  gekommen.  Doch  erfahren  wir  beiläufig, 
dass  im  jüdischen  Kriege  zwei  Verwandte  des  Königs  Monobazos, 
Monobazos  und  Kenedaios,  vermutlich  Söhne  des  Izates,  auf  jüdi- 
scher Seite  fochten-^). 

Die  Bekehrung  des  Izates  muss  frühzeitig  in  einer  aramäischen 
Legende  verherrlicht  worden  sein,  in  welcher  derselbe  als  Narse, 
König  der  A'ö'öräje,    vorgestellt  wurde*),    d.  h.  an  die  Stelle  des 


1)  Jos.  &QX.  20,  53.  96. 

2)  Jos.  ccQx-  20,  53.  96. 

s)  Jos.  7t6L  'lovS.  2,  520. 

4)  The  Doctrine  of  Addai  ed.  Philipps  p.  37,9.  18  =-  35  der 
Übs,  —  Mehrere  der  wichtigsten  Persönlichkeiten,  welche  die  Addai- 
legende  am  Hofe  Abgars  auftreten  lässt,  sind  unzweideutig  bekannten 
historischen  Gestalten  entlehnt,  welche  in  der  Grescbichte  der  Parther- 
könige Artabanos  II.,  Gotarzes  II.  und  Vardanes,  also  in  der  ersten 
Hälfte  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.,  eine  bedeutende  Rolle  spielten. 

Es  sind  dies  vor  allem  j^^Cl!^  V^  .pt po  Sennaq  bar  'AtvTSä  S.  40, 

23  =  39,  der  mit  %a^\  ^  .rMor»  Sennaq  bar  'Abmdar  (cod.  Cureton 

vt«Jt  «^\   ^Abd  Saddai,    in   der   armenischen   Übersetzung   U.ft-"'^^/» 

AbdaSar),  dem  Vater  des  königlichen  Schreibers  Leböbnä  S.  53 ,  1  =  50 
identisch  ist,  und  sein  Vater.  Die  beiden  hier  für  den  Vater  des  Sennaq 
bezeugten  Namensformen  hat  ein  Späterer  S.  18, 4==  17  in  zwei  verschiedene 

Personen,  Vater  und  Sohn,   gespalten:    ^f^y  t^^^?  OlV^  J*-»Ct\.  'Awldä 

breh  de-'Abdnehad  (arm.  Abdecke),  allein  die  richtige  Form  ist  »JLws^^ZiA. 

'AbdageS  oder  ■^^^.^~^\  'AbdacheS  =  Abdagaeses.     Der  Name  )^.«CL^, 

unter  welchem  die  fragliche  Person  gewöhnlich  vorkommt  (S.  18,  16 
=  17/18.  33,  12  =  31  und,  aus  der  Addailehre  entlehnt,  auch  in  den 
Akten  des  Sarbel  und  Barsamjä  bei  Cure  ton,  Ancieut  Syriac  documents 
p.  45,  17  =45;  64,  5  =  63),  weist  auf  den^Einfluss  des  Buches  der  Ge- 
setze der  Länder,  aus  welchem  auch  Semesgram  (S.  17,  10  =  16. 
33,  2  =  31)  stammt  (vgl.  Cureton,  Spicil.  syr.  1—13  =  1—15).  In 
der  Addailegende  aber  sind  keine  geringeren  gemeint,  als  der  Surena 
Abdagaeses,  'AßSaytxarjg  (Tac.  ann.  6,  36.  37.  43.  44.  Jos.  kqx-  18,  333  f.) 
und  sein  Sohn  Sinnaces  (^Tac,  ann.  6,  31.  32.  36.  37) ,  die  Häupter  des 
nächst  den  Arsakiden  mächtigsten  parthischen  Adelshauses,  die  in  der 
älteren  Fassung  der  Legende  an  den  Hof  des  Narse  versetzt  waren. 
Freilich  erscheinen  diese  beiden  in  der  Geschichte  als  Häupter  einer 
dem  König  der  Könige  Artabanos  feindlichen  Partei,  während  dieser 
bei  Izates-Narse  von  Adiabene  Zuflucht  findet  .Jos.  &qx-  20,  54 — 68). 
Die  Verknüpfung  des  Hauses  Suren  mit  Adiabene  wird  verständlich, 
wenn  man  bedenkt,  dass  dasselbe  in  Mesopotamien  (vgl.  Sinnaka  bei 
Karrai,  den  Ort  der  Niederlage  des  Crassus  Strab.  ig  1,  23  p.  747.  Plut. 
Crass.  29)  und  sogar  in  BeQ-  Qardü  (vgl.  den  Ort  Bä  Suren  G.  Hoff- 
mann,  Auszüge  210.  214)  begütert  war  und  wahrscheinlich  mehrere 
Generationen  hindurch  die  erbliche  Statthalterschaft  in  Mesopotamien 
inne  hatte    (vgl.  Unters,  zur  Gesch.  von  Eran  II  81),   also  dem  Reiche 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  297 

Appellati vums  Izat  war  der  Eigenname  des  Izeds  Nairjösanha  ge- 
treten. Dieser  ist  eigentlich  eine  Hypostase  des  Feuers  und  erhält 
zweimal  (Jasna  17,  11  und  Siröza  für  den  Tag  Adar)  den  Bei- 
namen chsaß-rdm  nafdbrdm  (acc),  was  Darmesteter^)  durch 
„divinite  qui  reside  dans  le  nombril  des  rois"  paraphrasiert.  Im 
Grossen  Bundahisn  heisst  es  von  ihm:  „A  propos  du  germe  des 
Keanides ,    il  est  dit  que  c'est  lui  qui  le  fait  grandir ,    ainsi  qu'il 


des  Izates,  der  von  Artabanos  II.  auch  das  wichtige  Nisibis  erhalten 
hatte,  unmittelbar  benachbart  war. 

Mit  Sicherheit  entspricht  sodann  O^O^  V^  0«^X  'Abdü  bar 
'Abdü  (so  S.  5,  14  =  6.  7,  11  =  8  und  17,  24  =  17)  oder  einfach  'Abdü 
(S.  17,  10  =  17  und  33,  2  =  31 ;  S.  18,  16  =  17  und  daraus  in  den 
Akten  des  Sarbel  bei  Cure  ton  1.  1.  p.  45,  16  ist  der  Name  in  QZrJ^ 
und  in  den  Akten  des  Barsamjä  eb.  64,  5  =  63  weiter  in  Q^J  verdorben), 
, einer  von  den  Fürsten,  welche  knieend  vor  Abgar  sassen",  dem  proxi- 
mus  huic  (Sinnaci)  Abdus  ademptae  viriUtatis  Tac.  ann.  6,  31.  32  (vgl. 
schon  Nestle,  Theol.  Literaturzeitung  1876^8.644),  also  einem  nahen 
Verwandten  des  Sinnakes.  Unter  Meherda&  (S.  33,  3  =  31),  dem 
Vater  der  Salma-^  (17,  9  =  16),  ist  vielleicht  Mi.&Qt.Mt7}g ,  der  Eidam 
des  Artabanos  (Jos.  kqx-  18,  353—366)  zu  verstehen,  der  in  Babylonien 
begütert  war.  Nach  Parthien  gehören  ferner  iooS  Paqör  17,  16  =  16 
und  ^oVQQa.  Hesrön  18,  16  =  18  =  aw.  Haosrawa,  armen.  C'hosroiv, 
gr.  'OaQÖris,  sowie  der  Priester  JQ^'^^Ä  '^^  jo;^  Peröz  bar  Patr'iq 
40,  22  =  39,  S.  34,  4  =  32  in  zwei  Personen  OCUJO  jOV*3  Peröz 
und  Danqü  zerlegt.  Das  Richtige  ist  wohl  Peröz  bar  jQj*^  Farnaq-^ 
vgl.  Parraces  Tac.  ann.  12,  14. 

Auch  Bar-halbä  ,Sohn  des  Hundes"  (17,  11  =  16.  18,  15  =  17. 
33,  12  =  31.  40,  22  =  39  und  daraus  in  den  Akten  des  Sarbel  und 
Barsamjä  bei  Cure  ton  1.1.  p.  45, 17  =  45;  64,  5  =  63)  verrät  mazdajasni- 
schen  Charakter  und  ist  vielleicht  Übersetzung  eines  iranischen  Namens 
(etwa  *Sunpät  =  armen.  Smbat).  Darauf  weist  auch  der  Name  des 
Vaters ;  nach  cod.  Cureton  und  der  armenischen  Übersetzung  ist  S.  40,  22 
zu  lesen  wJ.)  V^  |"^\'^  ;^,  und  dass  ww^)  hier  aus  ^\^  oder  ^)/  Izat 
verdorben  ist,  hat  Nestle  a.  a.  0.  schon  vor  Jahren  vermutet.  Letzterer 
Name  steckt  auch  17, 11  in  dem  unmittelbar  vor  Bar-Kalbä  stehenden  ^)/, 
wofür  wohl  Jj)/  zu  lesen  ist.  Endlich  kann  auch  der  scheinbar  gut 
aramäische  Name  |i.^Q.Z^  „Nebo  hat  geschaffen"  18,16.52,22(8.33,3 
in  w^QZ)/  verdorben)  sehr  wohl  die  Übersetzung  des  wohlbekannten 
parthischen  Tiridates,  *Tlridäta  „von  Tir  geschaffen"  sein,  zumal  der 
Träger  dieses  Namens  aus  einem  parthischen  Adelshause  stammt  (vgl. 
meine  Unters,  zur  Gresch.  von  Eran  II  80  A.  3.  81  und  A.  2).  Dazu 
kommt  endlich  Hannan  ==  'Avaviag  Jos.  aQx.  20,  34.  40.  47.  All  das  ist 
in  Adiabene  sehr  wohl  verständlich,  während  für  Urhäi,  obwohl  es 
ebenfalls  zur  parthischen  Klientel  gehörte,  eine  entsprechende  Über- 
lieferung (abgesehen  von  Tac.  ann.  12,  12.  14)  fehlt.  Man  wird 
daher  auch  in  dem  Juden  |-OQ^  ;^  Y^^  ^-  5'  ^l/l^  =  6  eine  Be- 
zugnahme auf  das  Buch  Tobit  erblicken  dürfen. 

1)  Le  Zendavesta  I  147.  II  300. 


298  J-  Marquart, 

est  dit :  ,Ce  germe  des  Keanides,  de  la  race  des  dieux,  est  appele 
Neiyösang  (et  fait)  ragrandissement  du  monde',  c*est-ä-dire  que 
c'est  par  son  recours  que  se  fait  Tagrandisseinent  et  le  gouverne- 
ment  du  monde  par  les  Keanides  et  les  heros''i).  Er  behütet  den 
Samen  des  Gajümart^),  des  ZaraO'ustra '^)  und  des  Eri6*)  und 
sorgt  für  die  Fortpflanzung  des  reinen  Stammes.  Zugleich  ist  er 
der  Bote  des  Ahuramazda. 

Wir  dürfen  annehmen,  dass  die  werbende  Kraft  des  assyri- 
schen Judentums  im  Partherreiche  und  Armenien  durch  die  Be- 
kehrung des  adiabenischen  Königshauses  erheblich  gesteigert  wurde 
und  dasselbe  auch  in  jenen  Ländern  diu'ch  Bekehrungen  von 
Heiden  dem  Christentum  den  Boden  vorbereitete.  Es  konnte  aber 
nicht  fehlen,  dass  das  von  jüdischen  Fürsten  regierte  Adiabene 
bald  auch  von  christlichen  Glaubensboten  aufgesucht  wurde,  und 
wenn  wir  auch  keine  positiven  Nachrichten  darüber  besitzen,  so 
lassen  sich  doch  gewisse  Thatsachen  der  ältesten  syrischen  Kirchen- 
geschichte nur  unter  dem  Gesichtspunkte  befriedigend  verstehen, 
dass  die  Wiege  der  aramäischen  Kirche  in  Assyrien  bezw.  in 
Adiabene    stand ^).      Der  Streit    darüber,    ob    das    älteste    syrische 


1)  Ib.  II  319. 

2)  Bundah.  XV  1.  P.  T.  I  52/53. 

3)  Bundah.  XXXII  8—9,  P.  T.  I  144. 
*)  Dinkart  VII,  1,  29.  P.  T.  V  11. 

^)  An  dieser  Auffassung  kann  uns  natürlich  die  von  Mar  Michael 
aufbewahrte  Biographie  des  Bardai^än  mit  der  damit  zusammenhängen- 
den langen  Liste  von  Bischöfen  Edessas  von  Addai  bis  auf  die  Zeit  des 
Bardaicän  (Chronique  de  Michel  le  Syrien  ^d.  par  J.-B.  Chabot  p.  109  a, 
42— lila,  25  =  183  a— 185  a.  105  c,  17 ff.  =  175  b.  110  a,  27— 37  =  184b) 
nicht  irre  machen.  Nach  jener  Biographie  war  im  J.  500  Sei.  =  188  89 
u.  Chr.,  als  Bardaicän  nach  Orhai  kam,  Vstäsp  Bischof  dieser  Stadt. 
Von  einem  solchen  Bischöfe  ist  aber  sonst  nicht  das  mindeste  bekannt. 
Die  Biographie  erwähnt  die  von  Addai  in  Edessa  erbaute  Kirche,  setzt 
also  die  edessenische  Addailehre  bereits  voraus.  Der  König  von  Persien, 
unter  welchem  Bardai^äns  Eltern  nach  Orhai  flohen,  heisst  Sahroq  bar 
Narse.  Sein  fünfzehntes  Jahr  wird  dem  Jahre  475  der  Griechen  = 
163/64  n.  Chr.  gleichgesetzt,  es  ist  also  Peröz  d.  i.  Volagases  III. 
(148—191)  gemeint.  Der  wahre  Charakter  jener  Legende  ergibt  sich 
aber  mit  voller  Deutlichkeit  aus  den  angeblichen  Namen  der  Eltern 
des  BardaiQän,  wie  G.  Hoff  mann  (Auszüge  aus  syr.  Akten  persischer 
Märtyrer  S.  137  A.  1162)   schon   vor  mehr  als  20  Jahren  erkannt  hat: 

)OV'kJUwJ  d.  h.  „omen  (augurium)  meum  sublime  est"  passt  nicht  übel 
für  die  Mutter  des  Verfassers  oder  geistigen  Urhebers  des  „Buches  der 
Gesetze  der  Länder",  und  in  j:o|*.QJ,  nach  Hoffmann  ein  Fehler  für 
1»/  wJO»  „mein  Fisch  ist  (seine)  Mutter",  ist  die  Beziehung  auf  Mabbog 
und  seine  Göttin  Atargatis  nicht  zu  verkennen. 

Charakteristisch  für  jene  Bischofsliste  ist,  dass  sie  gerade  mit 
'Aqqai,  dem  Nachfolger  des  Ustäsp,  welcher  den  Bardai^an  anathema- 
tisiert haben   soll,    abbricht:    Mar  Michael  macht  nicht  den  geringsten 


i 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  299 

Evangelium  das  , Evangelium  der  Gemischten"  d.  h.  Tatians  Dia- 
tessaron  oder  das  , Evangelium  der  Getrennten"  d.  h.  die  jüngst 
in  einem  Palimpsest  auf  dem  Sinai  wiederaufgefundene  Über- 
setzung der  kanonischen  Evangelien  war,  ist  zwar  noch  nicht  ent- 
schieden ;  auch  ist  es  nicht  sicher,  ob  das  Diatessaron  ursprünglich 
syrisch  oder  griechisch  abgefasst  war^).  Soviel  aber  wissen  wir, 
dass  der  Verfasser  dieses  Werkes  aus  Assyrien  stammte  und 
nach  seinem  Weggang  aus  Rom  (172/73  n.  Chr.)  wieder  in  seine 
Heimat  zurückkehrte.  Daraus  ergibt  sich  aber  der  Schluss ,  dass 
das  Diatessaron  zuerst  in  Assyrien  verbreitet  wurde  und  erst  später 
nach  Edessa  kam.  Noch  merkwürdiger  ist  jedoch  die  Form,  in 
welcher  die  Syrer  in  ältester  Zeit  das  Alte  Testament  oder  wenig- 
stens einzelne  Bücher  desselben  benützten.  Es  ist  eine  bekannte,  bis- 
her indessen  unerklärte  Thatsache,  dass  die  Übersetzungen  mehrerer 
alttestamentlicher  Bücher  in  der  Peslt'9'ä,  namentlich  des  Penta- 
teuchs,  sowie  der  Chronik,  nicht  viel  weiter  sind  als  aramäische 
Targume^).  Diese  Erscheinung  wäre  sehr  befremdlich,  wenn  die 
älteste  aramäische  Kirche  auf  heidnischem  Boden  (in  Urhai)  er- 
wachsen wäre,  erklärt  sich  aber  sehr  einfach,  wenn  dieselbe  unter 
einer  grossenteils  jüdischen  bezw.  judaisierten  Bevölkerung  ent- 
stand, die  sogar  einst  von  einer  jüdischen  Dynastie  regiert  worden 
war  3).     Die  adiabenischen  Juden  fuhren  natürlich  auch  nach  ihrem 


Versuch,  sie  mit  der  aus  der  edessenischen  Chronik  undPs.  Dionysios 
von  Tel-Mahre  bekannten  Reihe  der  Bischöfe  von  Urhai,  welche  er 
von  S.  120  =  203  an  wiedergibt,  zu  verknüpfen.  Es  ist  aber  nicht 
schwer  zu  erkennen,  wie  dieselbe  zu  Stande  gekommen  ist.  Die  Namen 
Addai,  Aggai,  Palut  und  'Abselämä  stammen  aus  der  Addailehre 
(S.  85,  6  =  33;  47,  19  =45;  52,  1.  11^=49.  50),  aus  welcher  sie  auch  in 
die  Akten  des  Barsamjä  und  des  Sarbel  (Cure ton,  Ancient  Syriac 
documents  p.  43,  21  =  43;  61^  21  =  61;  72,  2  =  71)  ^übergegangen  sind. 
Barsamjä,  Tlrdät  und  Salula  sind  den  Akten  des  Sarbel  (eb.  42,  18  = 
42;  Barsamjä  noch  41,  18  =  41;  44,  12  =  43;  45,  1  =  44;  63,  16/17  = 
63  u.  ö.)  entnommen,  wie  Gurja  den  Akten  des  Gurja  und  Semona.  Es 
ist  demnach  klar,  dass  die  drei  aufeinanderfolgenden  Bischöfe  wJj-./  (für 
J^p/  Izat'i)^  UStäsp  (Wistäsp)  und  'Aqqai  in  gleicher  Weise  die  eigene 
Erfindung  des  Verfassers  jener  Biographie  Bardai^ans  sind. 

Dass  übrigens  die  Martyrien  des  Sarbel  und^  Barsamjä  aus  der- 
selben Fabrik  stammen  wie  die  des  Gurjä  und  Semönä,  hat  jüngst 
Nöldeke  gezeigt  (Über  einige  Edessenische  Märtyrerakten.  Strass- 
burger  Festschrift  zur  XL  VI.  Versammlung  deutscher  Philologen  und 
Schulmänner,  1901,  S.  13—22). 

1)  Harnack,  Gesch.  der  altchristlichen  Litteratur  II  1,  284 — 289 
hält  die  griechische  Abfassung  für  wahrscheinlich. 

2)  Von  einer  kritischen  Ausgabe  der  Pesit^O'ä  ist  noch  keine  Rede, 
aber  auch  mit  Untersuchungen  über  einzelne  Bücher  derselben  sieht  es 
noch  sehr  traurig  aus. 

3)  Der  letzte  bekannte  König  von  Adiabene  ist  MrißagadTtrig ,  der 
von  Trajan  besiegt  wurde,  worauf  dieser  das  Land  in  eine  römische 
Provinz  Assyrien  verwandelte  (a.  116).    Ob  die  alte  Dynastie  nach  der 


300  '^-  Marquart, 

Übertritt  zum  Christentum  fort,  ihre  aramäischen  Targume  zum 
A.  T.  zu  gebrauchen.  In  Adiabene  aber  erklären  sich  Wiedergaben 
wie  Qardü  Gen.  8,  4.  Jes.  37,  38  für  Ü^IN ,  Oeläje  für  ÖT«3 
Gen.  14,  1  völlig  befriedigend  ^).  Wir  dürfen  somit  annehmen,  dass 
Addai  in  Wirklichkeit  der  Apostel  des  Ostens  (Arvastan,  Adiabene, 
Be'9'  Garme  u.  s.  w.)  war,  und  eine  wenn  auch  getrübte  Erinnerung 
daran  hat  sich  bei  syrischen  Kirchenhistorikern  in  der  That  noch 
erhalten  -). 

Nach  der  Christianisierung  von  Adiabene  wurde  die  die  Be- 
kehrung des  Königs  Izates  zum  Judentum  verherrlichende  Legende 
selbstverständlich  in  christlichem  Sinne  umgearbeitet ;  erst  weit 
später  —  allem  Anschein  nach  kaum  vor  der  zweiten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderts  —  wurde  die  ganze  Legende  von  den 
Edessenern  usurpiert,  indem  man  an  die  Stelle  des  Königs  Narse- 
Izates  seinen  Zeitgenossen  Abgar  V.  Ukkämä  von  Edessa  setzte-^). 


Rückgabe  der  Provinz  unter  Hadrian  wiederhergestellt  wurde,  wissen 
wir  nicht.  Dinawarl  fo,  12  behauptet  allerdings,  dass  ArdasTr  auch 
gegen  den  König  von  Mau^il  gezogen  sei  und  ihn  getötet  habe  und 
aus  Tab.  I  a1.,  12  und  Hamza  fv  erfahren  wir,  dass  er  die  Stadt 
Hazza  im  Gebiete  von  al  Maugil  unter  dem  Namen  Büd^-ArdasTr  neu- 
gegründet habe.  Dies  stimmt  zum  Charakter  der  übrigen  Städtegrün- 
dungen ArdasTrs ,  die  durchweg  in  bis  dahin  unabhängigen  Gebieten 
liegen,  und  spricht  dafür,  dass  das  Gebiet  von  Mau^il  d.  i.  Adiabene 
in  der  That  bis  auf  Ardasir  ein  eigenes  Reich  gebildet  hatte.  Diese 
Ansicht  wird  auch  dadurch  unterstützt,  dass  noch  Ardasir  II.  (379 — 383) 
als  Prinz  , König"  d.  i.  Prinzstatthalter  von  Hedaijab  war.  Vgl. 
Nöldeke,  Gesch.  der  Perser  und  Araber  20  A.  4.°70  A.  1. 

Dies  spricht  noch  mehr  für  meine  Hypothese ,  dass  das  mächtige 
christliche  Adelshaus  Jazden  in  Be'9'  Garme,  welches  in  der  Sasaniden- 
zeit  eine  bedeutende  Rolle  spielte,  von  den  alten  Königen  von  Adiabene 
abstammte.     Vgl.  mein  Eräusahr  S.  22. 

^)  Es  muss  jedoch  hervorgehoben  werden,  dass  derartige  Erschei- 
nungen auch  in  den  Kreisen  des  Bardaicän  sehr  wohl  verständlich 
wären.  Vgl.  die  geographischen  Kenntnisse  des  Buches  der  Gesetze 
der  Länder,  sowie  die  Namen  jj^A  ]S->2i  (nach  Nöldeke  bei  R.  A. 
Lipsius,  Die  apokryphen  Apostelgeschichten  I  293  für  BeO'  Geläje), 
das  grosse  Gazah  (Gangak  in  Atropatene) ,  BeO'  QuSän,  MaiSän  und 
Sarhüg  in  dem  gnostischeu  Hymnus  der  syrischen  Thomasakteu  und 
besonders  die  Rolle,  welche  der  König  der  Könige  und  die  Könige  und 
Fürsten  von  Parthien  in  demselben  spielen.    Lipsius  a.  a.  0.  292  ff. 

2)  Vgl.  A.  V.  Gutschmid,  Untersuchungen  über  die  Geschichte 
der  Könige  von  Osroene  S.  15  f.  Mem.  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg, 
Vlle  Ser.  t.  XXXV,  1,  1887. 

^)  Dieses  Ergebnis,  zu  welchem  ich  schon  seit  Jahren  gelangt 
war,  kommt  überein  mit.  den  Darlegungen  von  H.  Gomp  erz  (Archäol.- 
epigr.  Mitteilungen  aus  Österreich-Ungarn  19,  154—157),  dass  es  höchst 
wahrscheinlich  niemals  christliche  Könige  in  Edessa  gegeben  hat.  Da- 
mit entfällt  aber  der  historische  Hintergrund,  der  nach  bisheriger  An- 
nahme zur  selbstständigen  Ausbildung  der  Abgarsage  in  Edessa  Ver- 
anlassung gegeben  haben  soll,  völlig. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  301 

Von  Assyi-ien  aus  kann  aber  das  Christentum  leicht  den  Weg 
nach  den  angrenzenden  Landschaften  Armeniens  und  bis  nach 
Gelän  gefunden  haben.  Ein  armenischer  Bischof  ist  uns  zuerst 
in  einem  Briefe  des  Bischofs  Dionysios  von  Alexandreia  (248 — 265) 
bei  Euseb.  h.  e.  VI  46,  2  bezeugt,  und  Geizer  sucht  aus  seinem 
charakteristischen  Namen  MsQOV^dvrjg  (arm.  Merhuzan,  Meruzan) 
wahrscheinlich  zu  machen,  dass  sein  Sprengel  in  Waspurakan,  dem 
Herrschaftsgebiete  des  Adelsgeschlechtes  der  Arcninier,  lag.^) 

Zu  den  Chazaren  konnte  eine  gewisse ,  wenn  auch  noch  so 
allgemeine  Kenntnis  des  Judentums  und  Christentums  auf  doppeltem 
Wege  gelangen:  vom  Kaukasus  und  von  der  Krim  her.  Jüdische 
Gemeinden,  um  welche  sich  zahlreiche  Vereine  von  Proselyten 
{Gsßö^Evot  &e6v  vijjiötov)  scharten,  sind  uns  für  die  zum  bospo- 
ranischen  Reiche  gehörigen  Städte  Pantikapaion  (Kertsch) ,  Gor- 
gippia  (jetzt  Anapa  am  nordwestlichen  Ende  des  Kaukasus)  und 
Tanais  inschriftlich  schon  vom  1.  bis  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  be- 
zeugt-). Die  dortigen  Juden  waren  natürlich  Hellenisten.  Im 
8.  Jahrhundert  erscheint  Phanaguria  oder  TccfidxaQxa  (jetzt  Taman) 
als  Hauptsitz  der  Juden  s).  Diese  Stadt  befand  sich  im  Jahre  704 
gleich  dem  gegenüberliegenden  Bosporos  in  der  Gewalt  der 
Chazaren,  und  selbst  Cherson  musste  damals  einen  chazarischen 
Tudun  aufnehmen.  Im  9.  Jahrhundert  wird  Phanagoria  schlecht- 
weg als  ,Samkars  der  Juden"  bezeichnet.  Um  die  Mitte  des  9.  Jahr- 
hunderts gab  es  in  Cherson  nicht  bloss  Juden,  sondern  auch 
Samaritaner *) ,  und  zwar  waren  die  damaligen  Juden  der  Krim, 
wie  die  Lebensbeschreibung  des  Slawenapostels  Konstantin  be- 
weist, bereits  Rabbaniten  ^).  Dui'ch  die  grosse  Entwickelung  des 
Handelsvei-kehrs  gelangten  aber  jüdische  Kaufleute  aus  aller  Welt, 
selbst  aus  Spanien,  bis  nach  ChamlTch,  der  Hauptstadt  der  Cha- 
zaren, wie  Ibn  Chordädbih  schon  in  der  ersten  um  232  H.  (846/47) 
veranstalteten  Ausgabe  seines  Werkes  bei-ichtet  (s.  o.  S.  24).  Über 
die  Juden  im  Daghestan  haben  wir  bereits  gesprochen. 

Von  Bemühungen  und  Erfolgen  des  Christentums  unter  den 
Hunnen  sind  mir  folgende  Beispiele  bekannt.  Im  Jahre  528  hatte 
sich  der  Utigurenfürst  Grod  in  Konstantinopel  taufen  lassen;  er 
Hess  die  silbernen  und  bronzenen  Götzen  einschmelzen,  wurde  aber 


1)  H.  Geiz  er,  Die  Anfänge  der  armenischen  Kirche.  Berichte 
der  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1895,  S.  171  f. 

2)  Vgl.  E.  Schürer,  Die  Juden  im  bosporanischen  Reiche  und 
die  Genossenschaften  der  asßö^svoL  Q'sov  vipiarov  ebendaselbst.  SBBA. 
1897,  S.  200—225. 

3)  Theophan.  Chronogr.  p.  357  ed.  de  Beer;  s.  o.  S.  163  A.  4. 
*)  Vita  Constantini  c.  8  ed.  Dümmler  und  Miklosich. 

6)  Ob  die  von  Albert  Harkavy,  Altjüdische  Denkmäler  aus 
der  Krim  1876  S.  232  in  Aussicht  gestellte  Abhandlimg  über  die  Ge- 
schichte der  rabbinischen  und  karäischen  Juden  in  der  Krim  und  in 
Süd-Kussland  erschienen,  ist  mir  nicht  bekannt. 


302  '^-  Marquart, 

von    seinen  Unterthanen    getötet,    die    seinen  Bruder  Muager    auf 
den  Schild  erhoben  i).     Schon  längere  Zeit  vorher   aber   war  von 
Albanien  aus  ein  Bischof  Qardügt  mit  sieben  Gefährten  ins  Land 
der  Hunnen  gekommen,  unter  welchen  wahrscheinlich  die  Sahiren 
zu  verstehen  sind,  um  den  dort  befindlichen  römischen  Gefangenen 
die  Tröstungen  der  Religion  zu  spenden.    Sie  machten  dabei  auch 
einige  Fortschritte  unter   den  Heiden   und    gaben   sogar  Schriften 
in  hunnischer  Sprache    heraus.     Diese  Ereignisse   fallen   vor    523, 
in    welchem   Jahre  Probos,    der   Neffe    des    Anastasios,    zu   jenen 
Hunnen  kam,  um  sie  zu  einem  Einfall  in  Iberien  gegen  die  Perser 
zu   dingen  2).     Im   Jahre   619    erschien    abermals    ein  Hunnenfürst 
mit  grossem  Gefolge  in  der  Kaiserstadt,  um  sich  taufen  zu  lassen, 
und  ward  vom  Kaiser  persönlich  aus  der  Taufe  gehoben  und  mit 
königlichen  Geschenken   und  der  Patrikioswürde    in   seine  Heimat 
entlassen  '^).     Der  Fürst  dieser  Hunnen,  in  deren  Land  sich  Hera- 
kleios  im  Jahre  625    vor    den    persischen    Heerführern  Sahrwaräz 
und  Sähen    zurückziehen    musste    (Theophan.  p.  310,  19),    ist  der 
Ahnherr  der  nachmals  so  mächtigen  „Herren  des  Thrones"  (..^^Us 
jj^iO  d.  h.  der  Könige  der  A  waren  im  nördlichen  Daghestan*). 
Aber  auch  diese  Bekehi'ung  war  nicht  nachhaltig,  und  so  sandten 
die  Albanier  im  Jahre  682  den  Bischof  Israel  von  Mec-Koimank' 
an    den    Hof   des    Hunnenfürsten  Alii-üut'ver   (oben  S.  114)    von 
Wara^'an    (nördlich    von   Darband),    um    das  Volk   für    das    süsse 
Joch  Christi  zu  gewinnen    und    dadurch   von    seinen    räuberischen 
Gewohnheiten,  unter  welchen  die  christlichen  Völker  Südkaukasiens 
soviel    zu    leiden    hatten,    abzubringen.     Israel   hatte    in  der  That 
grossen    Erfolg:    er    gewann    den  Fürsten    und    sein  Heer    für  die 
christliche  Lehre,  zerstörte  die  Heiligtümer  des  Spandiat  und  der 
Götzen  und  hieb  die  von    den  Hunnen  verehrten    heiligen  Bäume 
um.      Die    wiederstrebenden    Götzenpriester    wurden    hingerichtet 
oder   verbrannt.     Doch   wurde    dem  Verlangen    des  Ilut'ver,    den 
Israel    zum    Bischöfe    des    Hunnenlandes    einzusetzen ,    seitens   der 
Katholikoi  und  Fürsten   von  Armenien    und  Albanien    nicht  vnll- 
fahrt,  sondern  bestimmt,  dass  derselbe  sein  bisherigen  Bistum  be- 
halten und  abwechselnd  bald  in  diesem,  bald  in  dem  neubekehrten 
Sprengel  wirken  solle  ^). 


1)  Malal.  Chronogr.  p.  431,  16—21.  432,  5-18  ed.  Bonn.  Theophan. 
p.  175,  24-176,  11  ed.  de  Boor. 

2)  Die  sog.  Kirchengeschichte  des  Zacharias  Rhetor  übersetzt  von 
K.Ahrens  und  G.Krüger  S.  254  f.  Vgl.  Geiz  er  eb.  383.  Lebeau- 
Saint-Martin,  Hist.  du  Bas-Empire  8,40s. 

»)  Nikephor.  Chronogr.  p.  12,  20—28  cd.  de  Boor. 

*)  Näheres  hierüber  in  meiner  Hist.  Ethnologie  des  Daghestan. 

^)  Moses  Kah  II  39—45  (vol.  I  368—401  ed.  Sahnazarean). 
Vgl.  Manandian,  Beitr.  zur  albanischen  Geschichte  S.  30f.  Brosset, 
Hist.  de  la  Georgie  I.     Additions  et  ^claircissements  p.  484  s. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  StreifzUge.  303 

Eine  interessante  Parallele  zu  der  schwankenden  religiösen 
Stellung  der  Chazaren  vom  8.  bis  ins  10.  Jahrhundert,  die  uns 
eine  Vorstellung  davon  zu  erwecken  vermag,  wie  sich  bei  den- 
selben heidnische,  christliche,  jüdische  und  muslimische  Vor- 
stellungen gekreuzt  und  vermengt  haben  mögen,  liefert  uns  die 
Bekehrungsgeschichte  Dänemarks  unter  König  Harald.  Ich  er- 
laube mir  die  diesbezügliche,  auf  Widukind  III  65  beruhende 
Darstellung  Dümmlers  ganz  herzusetzen: 

„Das  Christenthum  machte  in  diesem  Reiche,  in  welchem  es 
schon  seit  so  langer .  Zeit  verbreitet  wurde ,  ohne  doch  völlig 
durchdringen  zu  können,  eben  damals  einen  grossen  Fortschritt 
zur  Herrschaft.  Bei  einem  Gastmahle,  an  welchem  der  König 
Harald  theilnahm  —  nach  einigen  geschah  dies  zu  Ripen,  nach 
andern  zu  Schleswig  —  entstand  ein  Streit  über  die  Verehrung 
der  Götter,  wie  er  so  recht  einer  Zeit  des  schwankenden  Über- 
gangs entsprach,  indem  die  Dänen  behaupteten,  Christus  sei  zwar 
ein  Gott,  doch  gäbe  es  grössere  Götter  als  ihn,  die  sich  den 
Sterblichen  durch  noch  gewaltigere  Wunder  und  Zeichen  kund 
thäten.  Dagegen  erhob  sich  ein  Geistlicher,  mit  Namen  Poppo 
oder  Poppa,  und  bekannte,  es  sei  nur  Ein  wahrer  Gott,  der  Vater 
mit  dem  Sohne  und  heiligen  Geiste,  die  Götzenbilder  aber  seien 
böse  Geister,  nicht  Götter.  Der  König  fragte  ihn  darauf,  ob  er 
diesen  Glauben  an  sich  selbst  beweisen  wolle.  Jener  erklärte  sich 
ungesäumt  bereit,  Harald  aber  liess  ihn  bis  zum  andern  Morgen 
bewachen.  Am  nächsten  Tage  wurde  ein  Eisen  in  Handschuh- 
form von  grossem  Gewichte  im  Feuer  rothglühend  gemacht  und 
Poppo  aufgefordert,  zum  Erweise  der  Wahrheit  seiner  Worte  es 
zu  tragen.  Er  ergriff  es  ohne  Zögern,  trug  es  eine  Strecke,  so- 
weit der  König  bestimmte,  und  zeigte  allen  Anwesenden  seine 
vom  Feuer  unversehrte  Hand.  Das  scheinbare  Wunder,  welches 
noch  lange  in  der  Überlieferung  fortlebte  und  weiter  dahin  aus- 
gesponnen wurde,  dass  Poppo  ein  anderes  Mal  ein  Kleid  von 
Wachstuch  ohne  Schaden  an  seinem  Leibe  habe  verbrennen  lassen 
in  Gegenwart  des  Königs  Erichs  des  Siegreichen  von  Schweden, 
der  damals  zugleich  über  Dänemark  herrschte,  machte  als  Zeugnis 
für  die  christliche  Lehre  einen  tiefen  Eindruck:  Harald  selbst 
empfing  mit  seiner  Gemahlin  Gunhild  die  Taufe  und  befall  aUen 
seinen  ünterthanen ,  die  Götzenbilder  abzuschaffen.  Ein  grosser 
Theil  des  Volkes  folgte,  zum  Theil  gezwungen,  seinem  Beispiele, 
und  die  christliche  Geistlichkeit  gelangte  erst  jetzt  zu  rechtem 
Wirken  und  Ansehen.  Jener  Poppo,  der  die  Feuerprobe  bestanden, 
wurde  zum  Bischöfe,  vielleicht  von  Arhus,  geweiht"  i). 

Was  das  Alter  der  Bekanntschaft  der  Türken  mit  dem 
Christentum  anlangt,  die  gleich  den  Chazaren  als  Zeugen  gegen 
das  Sprechen  Jesu   in    der  Wiege    angeführt  werden,    so  könnten 


1)  Köpke-Dümmler,  Kaiser  Otto  der  Grosse  S.  390  f. 


3Q^  J.  Marquart, 

wir  uns  darauf  zurückziehen,  dass  bis  nach  der  Mitte  des  8.  Jahr- 
hunderts die  Chazaren  bei  Byzantinern  wie  bei  Arabern  gewöhn- 
lich mit  dem  Namen  Türken  bezeichnet  werden  (oben  S.  47), 
so  dass  also  die  beiden  Ausdrücke  bei  Gähio  sachlich  identisch 
wären.  Allein  die  oben  S.  283  f.  angeführte  Stelle  der  Apostel- 
lehre rät  doch,  an  die  eigentlichen  Türken  oder  wenigstens  an 
nichtiranische  Völker  im  Nordosten  von  Iran  zu  denken,  welche 
die  Araber  als  Türken  bezeichneten.  Hier  ist  nun  daran  zu 
erinnern,  dass  die  Perser  auf  die  nichtiranischen  Völker,  welche 
nach  einander  das  Zweistromland  beherrschten,  wie  die  Jueh-ti, 
Kusan,  Chioniten,  Hephthaliten  und  Türken,  den  epischen  Namen 
Türan  übertrugen,  welchen  die  Araber  ihrerseits,  den  politischen 
Verhältnissen  der  letzten  Sasaniden-  und  der  Chalifenzeit  ent- 
sprechend, durch  Turk  wiedergaben  i).  In  der  That  haben  wir 
schon  oben  gesehen,  dass  das  Buch  der  Gesetze  der  Länder  voraus- 
setzt, dass  das  Christentum  sich  bereits  um  200  n.  Chr.  bis  zu 
den  Qusan  in  Balch  verbreitet  hatte.  Ein  Zeugnis  für  eine  er- 
neute Ausbreitung  des  Christentums  nach  dem  Lande  der  K'usank' 
im  4.  Jahrhundert  haben  wir  sodann  aus  Eiise  wardapet  an- 
geführt -). 

Der  Ausgangspunkt  für  die  Mission  unter  den  eigentlichen 
Türken  war  naturgemäss  Samarkand.  Aus  den  widersprechenden 
Angaben  lässt  sich  indessen  bis  jetzt  nicht  ausmachen,  wann  das 
dortige  Bistum  gegründet  wurde  ^).  Der  Hauptsitz  der  Propaganda 
in  Chorasan  sowohl  wie  jenseits  der  Grenzen  des  iranischen  Reiches 
war  aber  Marw,  wo  wir  schon  im  Jahre  334  einen  christlichen 
Bischof  finden.  Allein  erst  nach  dem  Untergange  des  Sasaniden- 
i-eiches  scheint  die  Bekehrungsthätigkeit  der  Nestorianer  unter  den 
Türken  lebhafter  geworden  zu  sein.  Sie  folgten  hier  überall  den 
Spuren  der  Manichäer,  deren  Hauptsitz  im  Osten  seit  alters 
Samarkand  war*)  und  die  bereits  im  Jahre  621,  vielleicht  aber 
schon  seit  den  Jahren  500 — 516  einen  Tempel  in  der  chinesischen 
Hauptstadt  Cang-'an  besassen^)  und  deren  Religion  seit  762  offiziell 
im  üigurenreiche  eingeführt  wurde  6).  Von  dem  Metropoliten  Elias 
von  Marw,  demselben,  welcher  den  ermordeten  König  Jazdgerd  V. 
königlich  bestattete  (Tab.  I  Caa^,  4),  wird  berichtet,  wie  er  selbst 


^)  S.  mein  Eransahr  S.  156. 

2)  Oben  S.  283  und  A.  2. 

ä)  [Vgl.  W.  Barthold,  Zur  Geschichte  des  Christentums  in  Mittel- 
asien S.  22.] 

^)  S.  meine  Historischen  Glossen  zu  den  alttürkischen  Inschriften 
WZKM.  XII  157  ff. 

6)  D^veria,  Journ.  as.  IXe  Ser.  t.  X,  1897,  p.  464  s.  481. 

«)  G.  Schlegel,  Die  chinesische  Inschrift  auf  dem  uigurischen 
Denkmal  von  Kara  Balgassun  Sp.  VII  69-pX  71  S.  43—69. 


( 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  305 

unter  den  Türken  Bekehrungsreisen  machte ').  Aber  schon  vor- 
her war  durch  den  Mönch  0-lo-pen  im  Jahre  636  in  der  chine- 
sischen Hauptstadt  Gang -'an  selbst  eine  nestorianische  Gemeinde 
gegründet  worden  '^). 

Exkurs  II. 

Der    Stammbaum    der    Abodritenfürsten    im 
10.    Jahrhundert    (S.   105). 

Während  des  Druckes  ging  mir  durch  die  Güte  des  Herrn 
Akademikers  Salemann  die  verdienstliche  Schrift  von  Friedrich 
Westberg  zu:  Ibrähim's-Ibn-Ja'kübs  Reisebericht  über  die  Slawen- 
lande aus  dem  Jahre  965.  Memoires  de  l'Acad.  de  St.-Peters- 
bourg  1898.  VIH^  Serie.  Classe  historico-philoiogique.  Vol.  HI 
No.  4.  St.-Petersbourg  1898.  Bei  dem  Versuche,  die  Genealogie 
der  Abodritenfürsten  festzustellen  (S.  113  ff.),  wobei  er  sich  be- 
sonders der  so  schwierigen  Angaben  Adams  von  Bremen  annimmt, 
kommt  der  Verfasser  auch  auf  Mas'üdi's  .^sj^^aj  zu  sprechen. 
Er  schreibt  S.  113:  „Missizla  des  Adam  ist  wahrscheinlich 
Kroner's  [so!]  Micissla  [so!]  a.  932  (Wigger,  Meklenb.  Annal. 
p.  137)  und  Mas'üdi's  B(i)skläig  oder  richtiger  M(i)skläig,  M(i)st- 
läig  (eine  graphisch  vollberechtigte  Konjektur) ,  Mistislaw  nach 
Charmoy,  zur  Zeit  Wenzels  und  Heinrichs  I.,  jedenfalls  aus  der 
ersten  Hälfte  des  X.  Jahrh.  Erwähnen  möchte  ich  hier  noch 
des  Mistivi  auf  dem  Söndervissing'schen  Stein  (Wigger  ibid.) 
a.  930  nach  Eafn.  Da  auf  diesem  Stein  von  der  um  diese  Zeit 
vei'stoi'benen  Tochter  des  Mistivi  die  Eede  ist,  so  muss  Mistivi 
noch  weiter  zurückreichen  und  ist  vielleicht  der  Vater  von  Missizla 
des  Adam,  Micissla  des  Korner  und  Mistläig  des  Mas'üdi". 

Um  gleich  mit  dem  letzten  Punkte  zu  beginnen,  so  ist  nach 
Wimmers  Urteil  „der  grössere  Söndervissinger  Stein  ohne  Zweifel 
von  Harald  Blauzahns  Gemahlin  Tofa  zur  Erinnerung  an  ihre 
Mutter  errichtet  und  gehört  dem  Ende  des  10.  Jahr- 
hunderts an''3)_  Die  Inschrift  lautet  nach  Wimmers  Um- 
schrift und  Übersetzung:  Tofa  let  gerwa  {garwa)  kumbl,  Misti- 
wi's  dottir ,  0ft  möbur  sina,  Haralds  hins  göda  Gorms  sunaR 
huna  d.  h.  „Tofa,  Mistiwis  Tochter,  Haralds  des  Guten  Gorms- 
sohns    Weib,    Hess    das    Denkmal    machen    nach   ihrer  Mutter"^). 


^;  Nöldeke,  Die  von  Guidi  herausgegebene  syrische  Chronik 
S.  39  f.     Vgl.  mein  Eränsahr  S.  76. 

*)  S.  Fr.  Hirth,  China  and  the  Roman  Orient  285  f. 

^)  Von  mir  gesperrt. 

■*)  Wimmer,  Die  Runenschrift.  Deutsche  Bearbeitung  1887 
S.  244.  Vgl.  P.  6.  Thors en,  De  danske  Runemindesmaerker  II  2. 
Kopenhagen  1880,  S.  75  fiF. 

Marquart,  Streifzüge.  20 


306  J-  Marquart, 

Tofa  ist  also  die  Tochter  des  uns  aus  Widukind  und  Thietmar 
bekannten  Abodritenfürsten  Misiui  oder  Mistuwoi]  der  zum  ersten- 
mal um  966  erwähnt  wird^).  Um  dieselbe  Zeit  (etwa  965)  hatte 
der  Dänenkönig  Harald  Blätand  die  Taufe  angenommen-). 

Einen  Obotritenfürsten  Micisla  nennt  allerdings  Hermann 
Korner,  ein  Schriftsteller  des  15.  Jahrhunderts,  in  seiner  Chronik 
zum  Jahre  932.  Doch  würde  schon  die  kurze  Charakteristik, 
welche  Wigger^)  von  ihm  entwirft,  geeignet  sein,  von  vorn- 
herein das  grösste  Misstrauen  gegen  dessen  Angaben  zu  erwecken. 
„Seine  Gewährsmänner  sind  noch  nicht  in  jedem  Falle  nach- 
gewiesen; dies  ist  um  so  schwerer,  da  er  nicht  nur  bisweilen 
einen  falschen  nennt,  sondern  seine  Quellen  auch  auf  die  aller- 
willkürlichste  Art  auslegt  und  mit  Zusätzen  erweitert,  besonders 
nach  Belieben  chronologisch  bestimmt".  Sehen  wir  uns  nun,  mit 
dieser  Warnung  versehen,  die  fragliche   Stelle  an*): 

Tertio  decimo  anno  Henrici ,  qui  est  Domini  932 ,  Henricus 
rex  Ohotritos  cum  Micisla^),  rege  eorum ,  et  Nordmannos 
cum  Guduryno^  rege  eorum,  secundum  Hehnoldum  ad  fidem 
catholicam  armis ,  muneribus  et  exhortationibus  salutaribus  con- 
vertit.  Antequam  autem  hoc  efficere  posset,  collecto  magno 
exercitu  eos  ingenti  hello  contrivit. 

Wigger  hebt  mit  Recht  hervor,  dass  sich  bei  Helmold 
hiervon  nichts  findet.  Es  heisst  bei  diesem  nur  (I  8):  Apud 
Danos  eo  tempore  (regnante  Conrado)  Worm  regnavit,  crudelis- 
simus,  inquam,  vermis  et  cristianis  non  mediocriter  infestus.  Ille 
cristianitatem,  que  in  Dania  fuit,  prorsus  demoliri  molitus,  sacer- 
dotes  a  finibus  suis  depulit,  plurimos  etiam  per  tormenta  necavit. 
At  vero  Henricus  rex,  successor  Conradi,  .  .  .  deinde  cum  exercitu 
Daniam  ingressus,  Worm  regem  primo  impetu  adeo  perterruit,  ut 
imperata  se  facere  mandaret  et  pacem  supplex  deposceret.  .  .  . 
Videns  igitur  sanctissimus  archiepiscopus  Unni ,  qui  Reinwardo 
successit  in  cathedram,  misericordia  Domini  nostri  et  virtute 
regis  Henrici  Danorum  Sclavorumque  pertinaciam  esse  edomitam 
ostiumque    fidei    in    gentibus    apertum    esse,    omnem   sue   diocesis 


1)  Widukind  III  68.  Thietmar  II  14  (9).  Die  Zeit  lässt  sich  nicht 
genau  bestimmen.  Die  in  diesem  Kapitel  Widukinds  erzählten  Ereig- 
nisse fallen  vor  den  Tod  Wichmanns  21.  September  967,  also  spätestens 
in  die  erste  Hälfte  des  Jahres  967.  Vgl.  Köpke-Dümmler,  Kaiser 
Otto  der  Grosse.     Leipzig  1876,  S.  433  f.     Westberg  a.  a.  0.  S.  75  ff. 

2)  Widukind  III  65,  Thietmar  II  14.  Vgl.  Köpke-Dümmler 
a.  a.  0.  389  ff. 

^)  Mecklenburg.  Annalen  bis  zum  J.  1066.     Schwerin  1860,  S.  96. 

*)  Wigger  a.  a.  0.  26  a.  931.  Leibniz,  SS.  Brunsv.  II  544. 
Eccard,  Corpus  historicum  medii  aevi  II  525.  Eccards  Ausgabe 
ist  nach  Wiggers  Bemerkung  (S.  96  A.  6)  in  den  Namen  wenigstens 
sehr  inkorrekt. 

*)  So  ed.  Leibn. ;  ed.  Eccard.  Merüla. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  307 

latitudmem  elegit  per  se  ipsum  circuire.  Multis  igitur  religiosis 
comitatus,  pervenit  ad  Danos,  ubi  tunc  crudelissimus  Worm 
regnavit.  Et  illum  quidem  pro  ingenita  flectere  ne- 
quivit  sevitia,  filium  autem  Haroldum  convertit,  et  fidelem 
Cristo  perfecit,  ita  ut  cristianitatem  quam  pater  eius  semper  odio 
habuit,  ipse  servari  publice  permiserit,  quamvis  ipsemet  baptismi 
sacramentum  nondum  perceperit. 

Helmold  berichtet  also  das  genaue  Gegenteil  von  dem  was 
K  0  r  n  e  r  erzählt :  nicht  den  König  Worm,  wohl  aber  dessen  Sohn 
Harold  soll  es  Unni  gelungen  sein,  noch  unter  der  Regierung  des 
Königs  Heinrich  für  das  Christentum  zu  gewinnen,  ohne  dass 
dieser  jedoch  schon  die  Taufe  annahm.  Helmold  schreibt  übrigens 
nur  den  Adam  von  Bremen  (Gesta  Hammaburgensis  ecclesiae 
pontificum  I  57 — 61)  aus.  In  Kap.  9  erzählt  er  dann  Harolds 
Unterwerfung  durch  Otto  d.  Gr.  und  seine  förmliche  Taufe 
(=  Adam  II  3).  Wir  vdssen  jetzt  wenigstens,  wie  Korner  zu 
seinem  Normannenkönig  Gudurynus  gekommen  ist.  Offenbar  steht 
dies  zunächst  für  Gudurinus ,  was  wiederum  ein  Fehler  ist  für 
Gudurmus,  und  dies  ist  altn.  Godormr ,  Guporm,  die  ältere 
Form  für  Gormr^),  wofür  Adam  Wrm  sagt. 

Allein  es  ist  klar,  dass  Korner  noch  andere  Quellen  gehabt 
haben  muss,  denen  er  die  Hauptsache,  die  Bekehrung  der  Könige 
der  Obotriten  und  Normannen,  entlehnt  hat.  Die  Annalen  von 
Reichenau  berichten  zum  Jahre  931 :  Heinricus  rex  regem  (so  die 
Hs.)  Abodritorum  et  Nordmannorum  effecit  christianos,  et  pro- 
fectus  est  in  Galliam-).  Schon  hier  ist  aber  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  dass  die  Fassung  dieser  Notiz  gi-ammatisch  inkorrekt 
ist.  Dieselbe  ist  dann  vom  Fortsetzer  des  Regino ,  Herimannus 
Augiensis  und  Marianus  mehr  oder  weniger  wörtlich  übernommen 
worden^)  und  durch  diese  vermittelt  in  eine  grosse  Zahl  späterer 
Annalen  und  Chroniken  übergegangen.  Spätere  Quellen,  so  schon 
die  Hersfelder  und  weiter  ausgeführt  die  Quedlinburger  Annalen*), 
haben    daraus    einen    Kriegszug    gegen    die    Abodriten    erschlossen. 


')  Gormr,  altdan.  Görmmr  aus  *God-wormR  (vgl.  got.  waurms): 
Noreen,  Gesch.  der  nordischen  Sprachen  §  85,  9  c  in  Pauls  Grundriss 
der  germ.  Phil.  I^  576.     Ders.,  Arkiv  för  nordisk  Filol.  VI  315. 

-)  Annales  Augienses.   M.  G.  Scriptores  I  69. 

")  Sie  lautet  beim  Fortsetzer  des  Regino:  Heinricus  rex  regem 
Abodritorum  et  regem  Danorum  efficit  christianos  (M.  G.  SS.  I  617).  Im 
wesentlichen  ebenso  Herim.  Augiens.  931  (M.  G.  SS.  VII  113):  H.  r. 
reges  Abodritarum  et  N.  christianos  fieri  effecit,  ipseque  Gallias  petiit. 
Am  nächsten  hält  sich  Marianus  an  den  Wortlaut  der  Quelle  (M.  G. 
SS.  VII  554) :  H.  r.  regem  Obtritorum  et  N.  eff.  christianos.  Dagegen 
Ekkehard  932  (M.  G.  SS.  VIII ,  29,  184) :  H.  r.  regem  Abodritorum  et 
N.  christianum  fecit. 

*)  M.  G.  SS.  III  54.  V  54. 

20» 


3()g  J.  Marquart, 

Allein  Widukind    erwähnt    die    Unterwerfung    der  Abodriten    und 
anderer  Slawenstämme  schon  zum  Jahre  929 1). 

Die  Unterwerfung  der  Dänen  berichten  die  Corveier  Annalen 
zum  Jahre  934.  Widukind  I  40  erzählt  dieselbe  folgendermassen : 
cum  autem  omnes  in  circuitu  nationes  subiecisset,  Danos  qui 
navali  latrocinio  Fresones  incursabant,  cum  exercitu  adiit  vicitque 
et  tributarios  faciens,  regem  eorum  nomine  Chnubam  ^)  baptismum 
percipere  fecit.  Widukind  weiss  also  nur  von  einem  getauften 
Fürsten,  den  er  als  König  der  Dänen  bezeichnet.  Dadurch  ge- 
winnt die  merkwürdige  Fassung  der  obigen  Notiz  der  Reichenauer 
Annalen,  die,  wie  schon  bemerkt,  in  vorliegender  Form  gram- 
matisch inkorrekt  ist,  erhöhte  Bedeutung.  Der  Ausdruck  regem 
Abodritorum  et  Nordmannorum  setzt  voraus,  dass  nur  von  einem 
König  die  Rede  ist,  den  wir  uns  gleichzeitig  als  Herrscher  irgend- 
welcher Nordleute  sowie  der  Abodriten  zu  denken  hätten.  Dem 
widerspricht  aber  der  Prädikatsplural  christianOS.  Die  Ausschreiber 
der  Reichenauer  Annalen  haben  denn  auch  den  Anstoss  auf  die 
eine  oder  andere  Weise  zu  beseitigen  gesucht,  am  merkwürdigsten 
aber  Ekkehard,  der  den  Singular  regem  nicht  zu  ändern  wagte 
und  dafür  lieber  christianum  korrigierte. 

Bereits  Thietmar  wusste  mit  Widukinds  Chnuba  nichts  an- 
zufangen und  setzte  dafür  den  bekannteren  Namen  Onuto^).  Die 
Neueren  wollten  in  diesem  Fürsten  einen  Sohn  Gorms  sehen,  der 
nach  nordischen  Quellen  eine  Herrschaft  südlich  der  Eider,  auf 
erobertem  deutschem  Boden  gehabt  haben  soll"*).  Allein  nach 
Storm  ist  dieser  Knut  gar  keine  sichere  historische  Persönlich- 
keit 5).  In  der  That  zeigt  sich  hier  die  Vortrefflichkeit  Widu- 
kinds wiederum  im  glänzendsten  Lichte. 

Jener  Chnuba  war  schon  seit  einem  Jahrhundert  durch  einen 
Runenstein,  den  im  Jahre  1797  entdeckten  sog.  ersten  Vedelspang- 
Stein  bekannt.  Im  Jahre  1887  wurde  sodann  beim  Schlosse 
Gottorp  abermals  ein  Stein  mit  einer  Runeninschrift  ganz  ahn 
liehen  Inhalts  entdeckt,  den  Ludwig  W immer  als  „zweiten 
Vedelspang- Stein"  bezeichnet  hat.  Beide  Inschriften  sind  von  ihm 
herausgegeben  und  zum  erstenmal  in  ihrer  historischen  Bedeutung 


1)  Widukind,  Rer.  Saxon.  I  36.  Vgl.  Wigger,  Mecklenburgische 
Annalen  S.  26.  G.  Waitz,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  unter 
König  Heinrich  I.     3.  Aufl.,  1885,  S.  142  und  Anm.  4. 

2)  V.  1.  cJionpam,  cnubam,  nubam,  bei  Sigebertus  Gemblacensis 
chiupa  für  chnupa. 

3)  Thietmar  I  9 :  Insuper  Northmannos  et  Danos  armis  sibi  ob- 
temperantes  fecit  et  ab  errore  pristino  revocatos,  cum  rege  eorum  Cnu- 
tone  hos  Christi  iugum  portare  edocuit. 

*)  Vgl.  G.  Waitz  a.  a.  0.  161  f. 

»)  Angeführt  bei  Waitz  a.  a.  0.  S.  162  Anm.  1. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  309 

voll  gewürdigt  worden^).     Sie  lauten    nach    seiner  Umschrift  und 
Übersetzung  ^) : 

I.  Asfridr  gcerdi  kumbl  päun  ceft  Sigtryggw,  sun  sinn ,  d 
we  Gnüpu  d.  h.  „Asfrid  machte  dieses  Denkmal  nach  Sigtrygg, 
ihrem  Sohn,  bei  Gnupa's  geweihter  Grabstätte". 

IL  We- Asfridr  gcerdi  kumbl  Jiaiisi,  döttir  Obinkdrs ^  ceft 
Sigtrygg  honung^  sun  sinn  auh  Gnupu  d.  h.  „Wi-Asfrid  machte 
dieses  Denkmal,  Odinkars  Tochter,  nach  König  Sigtrygg,  ihrem 
und  Gnupa's  Sohn". 

Zur  Erläuterung  dieser  Inschriften  verweist  W  i  m  m  e  r  auf 
zwei  Angaben  des  Dänenkönigs  Svein  Estridsson  bei  Adam  von 
Bremen.  Die  erste  lautet  (Adami  Brem.  Gesta  Hammaburgensis 
ecclesiae  I  50) :  Audi  vi  autem  ex  ore  veracissimi  regis  Danorum 
Suein,  cum  nobis  stipulantibus  numeraret  atavos  suos,  Post  cladem, 
inquit,  Nortmannicam  [a.  891]  Heiligonem  regnasse  comperi,  virum 
populis  amabilem  propter  iusticiam  et  sanctitatem  süam.  Successit 
illi  Olaph,  qui  veniens  a  Sueonia,  regnum  optinuit  Danicum  vi  et 
armis,  habuitque  filios  multos,  ex  quibus  Chnob  et  Gurd  regnum 
optinuerunt  post  obitum  patris.  Damit  ist  I  54  zu  verbinden: 
Aliqua  vero  recitavit  nobis  clarissimus  rex  Danorum  ita  rogantibus : 
„Post  Olaph",  inquit,  ,Sueonum  principem,  qui  regnavit  in  Dania 
cum  filiis  suis ,  ponitur  in  locum  eius  Sigerich.  Cumque  parvo 
tempore  regnasset,  eum  Hardegon ,  filius  Suein ,  veniens  a  Nort- 
mannia,  privavit  regno**.  Tanti'^)  autem  reges,  immo  tyranni 
Danorum,  utrum  simul  aliqui  regnaverint,  an  alter  post  alterum 
brevi  tempore  vixerit,  incertum  est. 

Mit  diesem  Bericht  stimmt  nun  aufs  beste  der  schwedische 
Charakter  der  Runen  wie  des  Dialekts  der  ersten  Inschrift:  in 
dieser  betont  Asfrid  die  schwedische  Herkunft  ihres  Gemahls 
Gnüpa,  in  der  zweiten  dagegen  ihre  eigene  Abstammung  avis  dem 
dänischen  Königsgeschlechte  der  Odinkär's*).  Durch  seine  Mutter 
gehört  also  auch  Sigtrygg  dem  alten  dänischen  Königsgeschlechte 
an  und  erwirbt  damit  legitime  Ansprüche  auf  die  Herrschaft 
über  Dänemark. 

Der  wirkliche  Verlauf  der  Begebenheiten  ist  darnach,  wie 
Wimmer    ausführt,    etwa    folgendermassen    zu    rekonstruieren^). 


^)  Ludv.  F.  A.  Wimmer,  S0nderjyllands  historiske  Runemindes- 
magrker.  Festskrift  fra  Kj0benhavns  Universitet  i  anledning  af  deres 
majestaeter  KoDg  Christian  IXs  og  drogning  Louises  guldbryllup. 
Kj0benhavn  1892. 

'-)  A.  a.  O.  S.  27. 
8)  =  tot. 

*)  Vgl.  Adam  v.  Bremen  II  34.     Wimmer  a.  a.  0.  S.  32. 
^)  Vgl.  dazu  die  Ausführungen  bei  G.  Waitz  a.  a.  0.   S.  159  ff. 
und  Exkurs  23  und  24  S.  273—281. 


310  J-  Marquart, 

Im  Anfange  des  10.  Jahrhunderts  landet  eine  Flotte  schwedischer 
Wikinger  unter  ein?m  Häuptling  Olaf  an  der  Küste  Schleswigs 
und  bemächtigt  sich  dieses  Ortes.  Von  hier  breitet  Olaf  seine 
Macht  weiter  in  Südjütland  aus,  und  vermählt  seinen  Sohn  Gnüpa 
mit  Asfrid ,  der  Tochter  des  mächtigen  Odinkar.  Nach  seinem 
Tode  folgt  ihm  Gnüpa,  welcher  sich  bereits  Übergriffe  gegen  seine 
südlichen  Nachbarn,  die  Friesen,  gestattet.  Da  erfolgt  König 
Heinrichs  I.  Zug  gegen  die  Dänen  im  Jahre  934 ,  bei  welchem 
Gnüpa  zur  Zahlung  eines  Tributs  und  zur  Annahme  der  Taufe 
gezwungen  wird.  In  der  Saga  Olaf  Tryggvasons  c.  63  heisst  es, 
dass  König  Gorm  mit  seinem  Heer  ins  Reich  Dänemark  zog,  das 
Reidgotaland  hiess,  aber  jetzt  Jütland  genannt  wird,  und  den  dort 
herrschenden  Gnüpa  besiegte '^).  Nach  Gnüpa's  Tode  hielten  sich 
Asfrid  und  ihr  Sohn  Sigtrygg,  Adams  Sigerich^  noch  Jahre  lang, 
bis  es  um  950  Harald  Blatand  gelang,  den  Sigtrygg  zu  ver- 
nichten, welchen  seine  Mutter  überlebte.  So  war  Harald  Herrscher 
von  ganz  Dänemark,  und  um  965  Hess  auch  dieser  sich  taufen-). 

Aus  obigen  Darlegungen  ergibt  sich  ohne  weiteres,  dass  die 
Erzählung  des  dänischen  Bischofs  bei  Adam  von  Bremen,  welche 
den  von  Heinrich  I.  besiegten  Dänenkönig  Gorm  (Wrm)  nennt, 
später  zurechtgemacht  ist.  als  man  von  der  einst  in  Schleswig 
herrschenden  schwedischen  Dynastie  Gnüpa's  nichts  mehr  wusste. 
Dagegen  kann  die  Nachricht,  dass  Gorms  Sohn  Harald  schon  zur 
Zeit  Heinrichs  I.  von  dem  am  17.  September  936  auf  seiner 
Missionsreise  zu  Birka  in  Schweden  (Björkö  am  Mälarsee)  ver- 
storbenen hamburgischen  Erzbischof  ünni  ^)  soweit  für  das  Christen- 
tum gewonnen  worden  sei,  dass  er  die  Predigt  und  öffentliche  Aus- 
übung desselben  gestattete ,  sehr  wohl  bestehen  bleiben.  Adams 
Bericht  scheint  anzudeuten ,  dass  Haralds  Herrschaft  sich  damals 
im  wesentlichen  auf  die  dänischen  Inseln  beschränkte*). 

Nach  diesen  Erfahrungen  werden  wir  der  Echtheit  des  im 
J.  932  von  Heinrich  I.  zum  Christentum  bekehrten  Abodriten- 
königs  Micisla  bei  Korn  er  ein  erhöhtes  Misstrauen  entgegen- 
bringen. Es  lässt  sich  auch  unschwer  feststellen ,  woher  er  den- 
selben bezogen  hat.  Freilich  aus  Helmold  kann  er  nicht  stammen, 
wohl  aber  aus  dessen  Quelle  Adam  von  Bremen ,  bei  dem  wir 
n  24  Folgendes  lesen :  In  Aldinburg  ordinavit  archiepiscopus 
(Adaidagus)  primo ,  ut  diximus ,  Egwardum  vel  Evargum ,    deinde 


1)  Wimmer  a.  a.  0.  S.  29. 

2)  Widukind  III  65.  Ruotger,  Vita  Brunonis  c.  40.  Vgl.  Köpke- 
Dümmler,  Kaiser  Otto  d.  Gr.  S.  389  ff. 

3)  Vgl.  Köpke-Dümmler  a.  a.  0.  S.  67  Anna.  1. 

'')  Adam  I  61 :  Ordinatis  itaque  in  regno  Danorum  per  singulas 
ecclesias  sacerdotibus ,  sanctus  Del  multitudinem  credentium  commen- 
dasse  fertur  Haroldo.  Cuius  etiam  fultus  adiutorio  et  legato,  omnes 
Danorum  insulas  penetravit,  evangelizans  verbum  Del  gentilibus 
et  fideles,  quos  invenit  illic  captivatos,  in  Christo  confortans. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  311 

Wegonem,  postea  Eziconem,  quorum  tempore  Sclavi  permanserunt 
christiani.  Ita  etiam  Hammaburg  in  pace  fuit.  Ecclesiae  in 
Sclavania  ubique  ei'ectae  sunt;  monasteria  etiam  virorum  ac  mu- 
lienim  Deo  servientium  constructa  sunt  plurima.  Testis  est  rex 
Danorum,  qui  hodieque  superest,  Suein;  cum  recitaret  Sclavaniam 
in  duodeviginti  pagos  dispertitam  esse ,  affirmavit  nobis ,  absque 
tribus  ad  christianam  fidem  omnes  fuisse  conversos,  adiciens  etiam : 
Principes  eins  temporis,  Missizla,  Naccon  et  Sederich.  Sub  quibus, 
inquit,  pax  continua  fuit,  Sclavi  sub  tributo  servierunt. 

Zunächst  ist  klarzustellen,  dass  der  erste  Teil  dieses  Berichtes 
offenbar  nicht  auf  die  mündlichen  Mitteilungen  des  Königs  Svein 
zurückgeht ,  sondern  auf  schriftlichen  Aufzeichnungen  der  Ham- 
burger Metropolitankirche  über  die  Weihe  der  Suffraganbischöfe 
von  Oldenburg  in  Wagrien  beruht.  Die  Erzählung  des  Königs 
Svein  beginnt  erst  nach  affirmavit  nobis ,  die  Formel  testis  est 
rex  Danorum  dient  also  hier  nicht  zur  Einführung  seiner  Quelle, 
sondern  einer  dieselbe  bestätigenden  unabhängigen  Erzählung  und 
ist  zu  übersetzen:  „dies  bestätigt  der  Dänenkönig,  der  uns  ver- 
sicherte"  u.  s.  w. 

Waren  also  die  dem  Christentum  freundlichen  Slavpenfürsten 
Missizla,  Nakkon  und  Sederich  Zeitgenossen  der  Bischöfe  Egwardus, 
Wego  (Wago)  und  Eziko,  wie  man  nach  dem  Zusammenhange  zu- 
nächst annehmen  muss ,  so  vpürde  jedermann ,  wenn  er  nur  auf 
diese  Stelle  angewiesen  wäre,  folgern,  dass  Missizla  der  Vorgänger 
des  Nakkon  gewesen  sei ,  und  es  liegt  dann  nahe ,  denselben  mit 
dem  nach  den  Ausschreiben  der  Reichenauer  Annalen  im  J.  931 
zum  Christentum  bekehrten  Abodritenkönig  zu  identifizieren. 
Diesen  Schluss  haben  in  der  That  Westberg  und  vor  ihm  schon 
Korn  er  gezogen,  jedoch,  wie  sich  bei  genauerem  Zusehen  ergeben 
wird,  mit  Unrecht. 

Der  Fürst  I^accon  ist  der  Zeit  nach  bekannt.  Er  begegnet 
ims ,  zugleich  mit  seinem  Bruder ,  bei  Widukind  III  50  zum 
Jahre  955.  Es  heisst  hier:  Uli  (Wichman  und  Ecberht)  cum  se 
sentirent  duci  resistere  non  posse,  sociaverunt  sibi  duos  subregulos 
barbarorum,  Saxonibus  iam  olim  infestos,  Naconem  et  fratrem 
eins.  Später  nennt  er  auch  den  Namen  des  Bruders,  Stomef  = 
slaw.  Stotgnew,  der  in  der  Schlacht  an  der  Raxa  16.  Oktober 
955  den  Untergang  fand^).  Nakon  wird  dann  nur  noch  im  Reise- 
berichte des  Juden  Ibrahim  b.  Ja'qüb  über  die  Slawenlande  er- 
wähnt, der,  wie  Westberg  nachweist,  aus  dem  Jahre  965  n.  Chr. 
stammt,  und  zwar  erscheint  Nakon  (Hs.  .yiÜ,  von  Kunik  emen- 
diert  in  ..ysLi)  bier  als  König  im  äussersten  Westen,  d.  h. ,  wie 
die  Beschreibung  seines  Gebietes  zeigt,  im  Abodritenlande.    Nakon 


^)  Widukind  III  53 — 55.  Annal.  Sangall.  maiores  955  {Ztoignav). 
Thietmar  II  12(6)  ed.  Kurze  (Stoinnegui,  Stoingneus).  Vgl.  Köpke- 
Dümmler  a.  a.  0.  250.  264  ff. 


312  J-  Marquart, 

muss  aber  noch  im  J.  965  oder  spätestens  im  Laufe  des  Jahres 
966  gestorben  sein,  da  uns  im  Jahre  966  oder  Anfang  967  be- 
reits Selibur  und  Mistav  als  Fürsten  der  Wagrier  und  Abodi'iten 
begegnen  1).  Adams  Hederich  möchte  Westberg  (S.  115)  für  den 
obengenannten  Stoignew  halten,  da  Doppelnamen  nicht  selten  bei 
Slawenfürsten  vorkämen.  Allein  seine  hierher  gehörieren  Aus- 
führungen  sind  meiner  Ansicht  nach  grösstenteils  verfehlt. 

Es  gilt  zunächst,  Adams  Berichte  über  den  Abfall  der  Slawen 
vom  Christentum  zu  analysieren.  Ausser  der  obigen  Notiz  über 
die  Dauer  des  Christentums  bei  den  Slawen  kommt  die  ausführ- 
liche Erzählung  über  den  Abfall  derselben  II  40 — 43  in  Betracht. 
Dieselbe  beginnt  folgendermassen :  Post  mortem  eius  (Kaiser 
Otto's  in.,  24.  Jan.  1002)  regnum  in  contentione  remansit.  Tunc 
vero  et  Sclavi  a  christianis  iudicibus  plus  iusto  compressi,  ex- 
cusso  tandem  iugo  servitutis,  libertatem  suam  armis  defendere 
coacti  sunt.  Principes  Winulorum  Mystiwoi  et  Mizzidrog,  quorum 
ductu  sedicio  inflammata  est.  His  ducibus  Sclavi  rebellantes,  totam 
primo  Nortalbingiam  ferro  et  igne  depopulati  sunt.  *  Deinde  reli- 
quam  peragrantes  Sclavoniam ,  omnes  ecclesias  incenderunt  et  ad 
solum  diruerunt.  Sacerdotes  autem  et  reliquos  ecclesiarum  mi- 
nistros  variis  suppliciis  enecantes,  nullum  christianitatis  vestigium 
trans  Albiam  reliquerunt.  *  Apud  Hammaburg  eo  tempore  ac 
deinceps  multi  ex  clero  et  civibus  in  captivitatem  abducti  sunt, 
plures  etiam  interfecti  propter  odium  christianitatis.  Hierauf  gibt 
er  eine  Erzählung  des  Dänenkönigs  Svein  über  die  grausame  Nieder- 
metzelung  von  60  Priestern  in  Aldenburg  wieder,  unter  denen 
sich  auch  ein  Verwandter  des  Königs,  namens  Oddar  (altn.  Ottar 
=  ags.  Ohihei-e)  befand. 

Aus  anderen  Quellen  können  wir  die  auf  den  Tod  des  Kaisers 
Otto  III.  folgende  contentio  auf  das  Jahr  1002  beschränken,  das 
folgende  tunc  würde  man  daher  ohne  Rücksicht  auf  andere  Quellen 
ebenfalls  auf  dieses  Jahr  zu  beziehen  und  den  Ausbruch  des  Slawen - 
abfalles  also  etwa  ins  Jahr  1002  zu  setzen  haben.  Damit  würde 
sich  die  chronologische  Bestimmung  cap.  42  vereinigen  lassen: 
Omnes  igitur  Sclavi,  qui  inter  Albiam  et  Oddoram  habitant,  per 
annos  70  et  amplius  christianitatem  coluerunt ,  omni  tempore 
Ottonum,  talique  modo  se  absciderunt  a  corpore  Christi  et  ecclesiae, 
cui  antea  coniuncti  fuerant,  wenn  man  den  Beginn  des  Christen- 
tums bei  den  Slawen  von  der  Christianisierung  des  Abodriten- 
füi'sten  im  J.  931  an  datiert.  Denn  von  diesem  Jahre  an  führen 
uns  70  Jahre  in  der  That  bis  1001,  und  da  König  Heinrich  I. 
bereits  fünf  bezw.  nach  der  richtigen  Chronologie  (934)  nur  zwei 
Jahre  nach  jenem  Ereignis,  am  2.  Juli  936  starb,  so  wäre  auch 
der    Ausdruck    omni    tempore    Ottonum     vollkommen     berechtigt. 


1)  Widukind  III  68.     Vgl.  Köpke-Dümmler  a.  a.  0.  433  f. 
Westberg  a.  a.  0.  75  ff.     Wigger,  Mecklenburg.  Annalen  S.  137. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  313 

Freilich  stünde  diese  Eechnung  mit  den  eigenen  Angaben  Adams 
im  Widerspruch,  der  die  Christianisierung  der  Slawenländer  erst 
unter  Otto  d.  Gr.,  und  zwar  nach  dessen  angeblichen  Siegen  über 
die  Dänen  und  der  Unterwerfung  der  Slawenvölker,  hauptsächlich 
durch  die  Bemühungen  des  Hamburger  Erzbischofs  Adaldag  und 
die  Gründung  des  diesem  unterstellten  Bistums  Aldenburg  (Olden- 
burg in  Wagrien)  erfolgt  sein  lässt  ^).  Allein  dies  spi*icht  keines- 
wegs dagegen,  dass  jene  von  Adam  übernommene  chronologische 
Bestimmung  in  der  That  so  gemeint  war.  Eine  andere  Frage  ist 
freilich,  ob  sie  richtig  ist.  Schon  Usinger^)  hat  nachgewiesen, 
dass  Adam  eine  ganze  Reihe  chronologischer  Bestimmungen  für 
jenen  Abfall  gibt,  die  z.  T.  sehr  stark  von  einander  abweichen. 
C.  43  heisst  es :  Haec  facta  sunt  ultimo  tempore  senioris  Libentii, 
sub  duce  Bernardo,  filio  Bennonis,  qui  populum  Sclavonim  graviter 
afflixit.  Eodemque  tempore  contentio  Ferdensis  episcopi  Bernarii 
de  Ramsolan  coram  papa  Sergio  tei'minata  est.  Der  Erzbischof 
Libentius  I.  starb  am  4.  Januar  1013,  Herzog  Benno  am  9.  Februar 
1011,  Papst  Sergius  IV.  regierte  1009 — 1012.  Darnach  müsste 
der  Ausbruch  des  Aufstandes  in  die  Jahre  1011/12  fallen.  Auf 
dieselbe  Zeit  führt  Kap.  47,  wo  Adam  die  Wiederherstellung  von 
Hamburg,  seiner  Kirche  und  seines  Kapitels  post  cladem  Sclavo- 
nicam  durch  den  Erzbischof  ünwän  erzählt  und  im  Anschluss 
daran  die  Weihe  des  Benno  zum  Bischof  von  Oldenburg  berichtet. 
Diese  muss  aber  noch  im  Laufe  des  Jahres  1013  erfolgt  sein; 
jedenfalls  war  Benno  (Bernard)  am  4.  Juli  1014  bereits  in  sein 
Bistum  eingesetzt  '^). 

Freilich  ist  gerade  hier  Adams  chronologischer  Irrtum  mit 
Händen  zu  greifen.  Die  Wiederherstellung  Hamburgs  fand  erst 
nach  dem  Aufstande  des  Herzogs  Bernhard  gegen  Heinrich  H.  im 
Jahre  1020  statt,  also  keineswegs  im  Anfang  der  Regierang 
Unwän's ,  wie  man  nach  jener  Stelle  Adams  annehmen  sollte. 
Sodann  ist  weder  im  Jahre  1002  noch  in  den  Jahren  1011 — 13 
aus  andern  Quellen  etwas  von  einem  so  allgemeinen  Aufstand  und 
Abfall  der  Slawen  vom  Christentum  bekannt;  vor  allem  weiss 
der  Zeitgenosse  Thietmar  nichts  davon,  und  dieser  hätte  doch 
sicheiiich  nicht  darüber  geschwiegen. 

üsinger  hat  nun  mit  Sicherheit  nachgewiesen,  dass  in  der 
Erzählung  Adams  zwei  zeitlich  weit  auseinanderliegende  Ereignisse 
verschmolzen  sind.  Der  erste  Teil  der  Erzählung  bezieht  sich 
auf  den  grossen  Slawenaufstand  des  Jahres  983,  der  nach  Thietmar 


^)  Adami  Gesta  Hammaburgensis  eccles.  pontif.  II  5  ff.  Vgl. 
Schol.  83. 

^  Über  Adam  II,  40—43.  Exkurs  VI,  b  bei  Siegfried  Hirsch, 
Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  unter  Heinrich  II.  Bd.  I.  1862. 
S.  478—486. 

3)  Thietmar  VIII  3  (VII  4). 


]^]^4  J-  Marquart, 

ni  17  (10)  am  29.  Juni  ausbrach.  Die  Veranlassung  desselben 
erzählt  Thietmar  im  wesentlichen  übereinstimmend  mit  Adam: 
Gentes,  quae  suscepta  christianitate  regibus  et  imperatoribus  tri- 
butarie  serviebant,  superbia  Thiedrici  ducis  aggravatae  presump- 
cione  unanimi  arma  commoverant.  Hierauf  beziehen  sich  auch 
die  Schollen  30 — 32  bei  Adam  von  Bremen.  Schol.  31  lautet: 
Theodericus  erat  marchio  Sclavorum ,  cuius  ignavia  coegit  eos 
fieri  desertores;  Schol.  32:  Theodericus  marchio,  depulsus  ab  honore 
et  ab  omni  hereditate  sua,  prebendarius  apud  Magdeburg  vitam 
finivit  mala  morte ,  ut  dignus  fuit ').  Der  Markgraf  Theoderich 
starb  nach  den  Quedlinburger  Annalen  und  dem  Necrologium 
Fuldense  bereits  im  Jahre  985. 

Zuerst  wurde  von  den  Aufständischen  Havelberg ,  dann 
Brandenburg  und  das  Kloster  Kalbe  zerstört.  Hierauf  heisst  es: 
Mistui,  Abdritorum  dux,  Hömanburg,  ubi  sedes  episcopalis 
quondam  fuit,  incendit  atque  vastavit.  Es  wird  dann  noch  von 
einer  Schlacht  der  Deutschen  gegen  jene  östlichen  Slawen  be- 
richtet, in  welcher  diese  besiegt  werden.  Dieser  Mistui  oder, 
wie  sein  Name  weiterhin  genauer  geschrieben  wird,  Mistuwoi, 
war  aber  Christ  —  er  hatte  damals  einen  Kaplan  Avico,  welcher 
Thietmar  späterhin  dieses  Ereignis  schilderte  —  und  wenn  auch 
in  den  Bistümern  Havelberg  und  Brandenburg  der  Aufstand  mit 
einer  heidnischen  Reaktion  verbunden  war^),  so  weist  doch  nichts 
darauf  hin,  dass  auch  Mistuwoi  damals  zum  Heidentum  abgefallen 
war^).  Thietmar  hatte  am  Rande  seines  Autographon  noch  eine 
Bemerkung  über  diesen  Mistuwoi,  vermutlich  sein  späteres  Schicksal 
betreifend,  beigefügt,  die  aber  von  einem  Interpolator  (von  Kurze 
als  N  bezeichnet)  wahrscheinlich  zur  Zeit  Heinrichs  V.  ausradiert 


1)  Daraus  der  Annalista  Saxo  a.  983  (M.  G.  SS.  VIII  630) :  Post 
hec  pro  destructione  ecclesiarum  in  Brandeburg  et  Havelberga  Teo- 
dericus  dux  et  marchio,  qui  partium  illarum  defensor  extabat,  digni- 
tatem  suam  perdidit. 

2)  Thietmar  III  17  (10):  Clerus  ibidem  (zu  Brandenburg)  capitur, 
et  Dodilo,  eiusdem  sedis  antistes  [II.],  qui  a  suis  strangulatus  tres  annos 
iacuit  tunc  sepultus,  e  tumulo  eruitur  et,  integro  adhuc  eius  corpore 
ac  sacerdotali  apparatu,  ab  avaris  canibus  predatur  et  iterum  temere 
reponitur;  omnis  aecclesie  thesaurus  distrahitur  et  sanguis  multorum 
miserabiliter  eifunditur.  Vice  Christi  et  piscatoris  eiusdem  venerabilis 
Petri  varia  demoniacae  heresis  cultura  deinceps  veneratur 
et  flebibis  haec  mutacio  non  solum  a  gentilibus,  verum  etiam  a  chri- 
stianis  extoUitur. 

III  19:  Desolatis  tunc  omnibus  preda  et  incendio  urbibus  ac 
villis  usque  ad  aquam,  quae  Tongera  vocatur,  convenerunt  e  Sclavis 
peditum  ac  equitum  plus  quam  XXX  legiones,  quae  sine  aliqua  lesione 
residua  quaeque  suorum  auxilio  deorum  [tunc]  devastare  non 
dubitarent.  .  .  .  Derelicti  sunt,  qui  prius  Deum  spernere  presumpserunt 
idolaque  manufacta  et  prorsus  inania  creatori  suo  stulti 
preposuerunt. 

3)  Vgl.  Usinger  a.  a.  0.  483.  485. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  315 

und  durch  folgende  Anekdote  ersetzt  ist:  Post  haec  Mystuwoi  in 
amentiam  versus  in  vinculis  tenetur;  et  aqua  benedieta  inmersus: 
„Sanctus",  inquid,  „me  Laurentius  incendit!"  et  antequam  liberaretur, 
miserabiliter  obiit.  Auf  diese  späte  Legende,  welche  den  Mistuwoi 
offenbar  mit  der  Verbrennung  des  Laurentiusklosters  zu  Kalbe  in 
Verbindung  bringt  —  wovon  Thietmar  jedoch  nichts  weiss  —  und 
durch  den  Patron  des  Merseburger  Bistums  für  diese  Unthat  ganz  im 
Stile  der  Heiligenlegenden  bestraft  werden  lässt,  ist  natürlich  gar 
kein  Wert  zu  legen.  Doch  setzt  auch  sie  voraus,  dass  Mistuwoi, 
trotz  seines  angeblichen  Wahnsinns,  als  Christ  gestorben  sei^).  In 
einem  späteren  Zusatz  III  24  (14)  erwähnt  Thietmar  diesen  Slawen- 
aufstand nochmals  nach  den  Quedlinburger  Annalen. 

Mistuwoi  erschien  dann  im  folgenden  Jahre  auf  dem  Hoftage 
des  Herzogs  Heinrich  in  Quedlinburg  (Thietmar  IV  2),  Seine 
Tochter  Tofa  wurde,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Gemahlin  des 
dänischen  Königs  Harald  Blätand.  Er  ist  offenbar  identisch  mit 
Adams  Mystiüooi\  der  neben  ihm  genannte  Mizzidrog  mag  der 
gleichzeitige  Fürst  der  Wagrier,  der  im  Jahre  967  vom  Sachsen- 
herzog Hermann  eingesetzte  Sohn  und  Nachfolger  des  Selibur 
(Widukind  III  68.  Thietmar  II  14  (9))  sein.  Auf  diese  Zeit  führt 
auch  die  erste  Berechnung  der  Periode  des  ungestörten  Bestandes 
des  Christentums  im  Slawenlande ,  welche  auf  Grund  von  Auf- 
zeichnungen der  Kathedrale  von  Bremen  durch  die  vom  Erzbischof 
Adaldag  (f  988)  geweihten  Bischöfe  Egwardus  oder  Evargus,  Wego 
und  Eziko  von  Oldenburg  umschrieben  wird  (Adam  II  24).  Durch 
den  Satz:  „Ita  etiam  Hammaburg  in  pace  fuit"  wird  deutlich  als 
Endpunkt  dieser  Periode   die  Zerstörung  Hamburgs  vorausgesetzt. 

Der  zweite ,  von  mir  zwischen  Sternchen  gesetzte  Teil  von 
Adams  Bericht  über  den  Abfall  der  Slawen  dagegen,  wornach 
die  kirchlichen  Einrichtungen  in  Nordalbingien  damals  zerstört, 
die  Geistlichen,  besonders  in  und  um  Aldenburg,  zu  Tode  ge- 
martert wurden,  gehört  in  eine  viel  spätere  Zeit  und  ist  auf  die 
im  Jahre  1018  ausgebrochene  allgemeine  Reaktion  gegen  das 
Christentum  zu  beziehen ,  die  von  den  von  jeher  heidnischen 
Liutizen  ausging.  Diese  griffen  zunächst  den  Abodritenfürsten 
Mistislav  an  unter  dem  Vorwande ,  dass  er  sie  im  vorjährigen 
Feldzuge  gegen  die  Polen,  den  sie  als  Verbündete  des  Kaisers  mit- 
gemacht hatten,  nicht  unterstützt  hätte.  Der  Zeitgenosse  Thietmar 
IX  5  (VIII  4)  berichtet  darüber:  In  illo  tempore  Liutici  in  malo 
semper  unanimes  Mistizlavum  seniorem  sibi  in  priori  anno  ad  ex- 
pedicionem  imperatoriam  nil  auxiliantem  turmatim  petunt  pluri- 
mamque  regni  suimet  partem  devastantes  uxorem  suam  et  nurum 
ac  semet  ipsum  intra  Zuarinae  civitatis  municionem  cum  militibus 
electis  colligere  cogunt.  Deindeque  malesuasa  suimet  calliditate 
per  indigenas  Christo  seniorique  proprio   rebelies  a  paterna    here- 


^)  So  hat  die  Glosse  auch  der  Annal.  Saxo  a.  983  aufgefasst. 


316  J-  Marquart, 

ditate  vix  evadere  hunc  compellunt.  Haec  abominabilis  presumptio 
fit  mense  Februario.  .  .  .  Tunc  omnes  aecclesiae  ad  honorem  et 
famulatum  Christi  in  his  partibus  erectae  incendiis  et  destruccio- 
nibus  aliis  cecidei'e,  cultus[que]  idolorum  Deo  prepositus  erigitur 
et  mens  populi  istius ,  qui  Abotriti  et  Wari  vocantur,  ut  cor 
Faraonis  ad  haec  induratur.  Libertatem  sibi  more  Liuticio  nota 
fraude  vendicabant,  sed  cervicem  suam  suavi  iugo  Christi  excussam 
oneroso  diabolicae  dominacionis  ponderi  sua  sponte  subdiderant, 
meliori  prius  patre  ac  nobiliori  domino  in  omnibus  usi. 

Aus  dieser  Erzählung  Thietmars  geht  also  hervor,  dass  Mistislav 
noch  Christ  war  und  gerade  wegen  seines  Christentums 
von  den  Liutizen  angegriffen  und  vertrieben  wurde.  Erst  jetzt 
wurde  der  heidnische  Kultus  im  Lande  der  Abodriten  und  Wagrier 
wiederhergestellt.  Mit  Thietmar  stimmt  das  Schob  28  bei  Adam: 
Mistiwoi  cum  nollet  christianitatem  deserere,  depulsus  a  pati'ia 
confugit  ad  Bardos,  ibique  consenuit  fidelis,  nur  dass  hier  die 
beiden  Namen  Mistislav  und  Mistiwoi  verwechselt  sind.  Einen 
Missizla  nennt  aber  auch  der  Dänenkönig  Svein  bei  Adam  II  24 
unter  den  Slawenfürsten,  während  deren  Regierungszeit  die  Slawen 
friedlich  ihren  Tribut  entrichteten  und  das  Christentum  sich  un- 
gehindert ausbreiten  konnte,  freilich  an  erster  Stelle,  vor  Naccon. 
Allein  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen ,  dass  dieser  Missizla 
mit  Thietmars  Mistizlavus  identisch  und  die  Reihenfolge  einfach 
umzukehren  ist.  Mistuwoi,  der  in  der  Reihe  fehlt,  ist  mit  Missizla 
zusammengeworfen,  wie  auch  im  Schob  28  bei  Adam  von  Bremen. 
Ich  bedaure  deshalb ,  Westbergs  Gebäude  zerstören  und  seinen 
Versuch,  den  ^J^LiuaJ  Mas'üdi's  mit  Korn  er  s  Micisla  und  Sveins 
Missizla  zu  kombinieren  und  durch  diesen  sowie  den  Mistiwi  des 
Söndervissing'schen  Runensteines  den  Stammbaum  der  mecklen- 
burgischen Herzöge  nach  aufwärts  zu  verlängern ,  als  missglückt 
ablehnen  zu  müssen. 

Der  Abfall  der  Slawen  im  Jahre  1018  war  nach  Adam  durch 
die  Habsucht  und  Härte  des  Herzogs  Bernhard  von  Sachsen  hervor- 
gerufen worden  ^).  Damals  war  Bernhard  (Benno) ,  ehemaliger 
Domherr  von  Magdeburg,  Bischof  von  Oldenbm-g-),  der  im  Jahre 
1013  vom  Erzbischof  Unwän  von  Bremen  (1013 — 1029)  geweiht 
worden  war  und  im  Jahre  1023  starb  ■^).  Er  machte  zwar  mehr- 
fache Versuche,  mit  Hilfe  des  Kaisers  wieder  in  den  Besitz  der 
Güter  und  Einkünfte  zu  gelangen,  welche  Otto  der  Grosse  für 
den  Unterhalt    des  Bistums  bestimmt   hatte,    besonders    im  Jahre 


1)  Adami  Gesta  Hammaburg.  eccles.  pontif.  II  46 :  Bernardus  enim 
dux,  tarn  avitae  bumilitatis  quam  paternae  religionis  oblitus,  primo 
quidem  per  avaritiam  gentem  Winulorum  crudeliter  opprimens,  ad 
necessitatem  paganismi  coegit. 

2)  Thietmar  IX  6  (VIII  4).   VII  14  (VI  46). 

3)  Thietmar  VIII  3  (VII  4).  Adam  II  47.  Annal.  Quedlinburg. 
a.  1023. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  317 

1021,  jedoch  vergebens.  Seit  1018  hielt  er  sich  meist  in  Hildes- 
heim auf,  und  ebenso  seine  nächsten  Nachfolger^). 

Der  Erabischof  Unwän  von  Bremen  konnte  erst  nach  der 
Beilegung  des  Aufstandes  des  Herzogs  Bernhard  gegen  den  Kaiser 
daran  gehen,  Hamburg  wiederherzustellen  und  das  dortige  Kapitel 
wieder  einzurichten,  während  es  gleichzeitig  dem  Herzoge  gelang, 
die  Slawen  wieder  zur  Zahlung  des  schuldigen  Tributs  zu  zwingen 
und  die  nordalbingischen  Sachsen  vor  ihren  Einfällen  zu  sichern"-). 

Wenn  wir  es  nun  versuchen,  die  Legenden  im  Scholion  30 
zu  Adam  von  Bremen  und  bei  Helmold  I  13 — 16  zu  analysieren, 
so  gilt  es  vor  allem ,  die  oben  festgestellten  Thatsachen  fest  im 
Auge  zu  behalten.  Am  einfachsten  ist  die  Erzählung,  die  sich  im 
Schol.  30  und  weiter  ausgeführt  bei  Helmold  I  16  findet.  Das 
Scholion  lautet :  Sermo  est  ducem  Sclavanicum  petisse  pro  filio  suo 
neptem  ducis  Bernardi  eumque  promisisse.  Tunc  princeps  Winu- 
lorum  misit  filium  suum  cum  duce  in  Ytaliam  cum  mille  militibus, 
qui  fere  omnes  ibi  sunt  interfecti.  Cumque  filiu.s  ducis  Sclavanici 
pollieitam  mulierem  expeteret,  Theodericus  marchio  intercepit  con- 
silium ,  consanguineam  ducis  proclamans  non  dandam  esse  cani  ■'). 
Diese  Angabe  würde  uns  in  die  Zeit  des  Zuges  Kaiser  Ottos  II. 
nach  Italien  im  J.  982  führen  ,  an  dem  jedoch  Herzog  Bernhard 
nicht  teilnahm.  Thietmar  teilt  uns  in  einem  späteren  Zu- 
satz HI  24  (14)  mit,  dass  er  zu  dem  Reichstag  in  Verona  im  J.  983 
aufgebrochen  war ,  aber  halbwegs  wieder  umkehren  musste ,  weil 
eine  seiner  Städte,  die  der  Kaiser  zum  Schutze  gegen  die  Dänen 
mit  einer  Besatzung  verstärkt  hatte ,  von  diesen  genommen  und 
nach  Niedermetzelung  der  Verteidiger  verbrannt  worden  sei.  Dieser 
Vorstoss  der  Dänen  erfolgte  offenbar  im  Einvernehmen  mit  dem 
Abodritenfürsten  Mistuwoi,  welcher  um  dieselbe  Zeit  gegen  Hamburg 
zog  und  die  Stadt  vex-brannte.  Auf  alle  Fälle  könnte  also  das  in 
Italien  (wohl  in  der  unglücklichen  Schlacht  am  ionischen  Meere 
am    13.  Juli   982)    aufgeriebene    slawische    Kontingent   nicht    mit 


^)  Hirsch-Bresslau,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter 
Heinrich  IL  Bd.  III,  94  ff.  186  ff.  Usinger  eb.  Bd.  I,  Exkurs  VI  b 
S.  485. 

'^)  Adam.  Brem.  II  47:  Mox  quoque  favente  Unwano,  Sclavos  tri- 
buto  subiciens,  pacem  reddidit  Nordalbiugis  et  matri  Hammaburg.  Ad 
cuius  restaurationem  venerabilis  metropolitanus  asseritur  post  cladem 
Sclavonicana  civitatem  et  ecclesiam  fecisse  novam ,  simul  ex  singulis 
congregationibus  suis,  quae  virorum  essent,  tres  eligens  fratres,  ita  ut 
duodecim  fierent ,  qui  in  Hammaburg  canonica  degerent  conversatione, 
vel  qui  populum  converterent  ab  errore  ydolatriae.  Daran  schliesst 
sich  unmittelbar  die  Weihe  des  Bischofs  Benno  von  Aldenburg,  die 
doch  schon  1013  oder  Anfangs  1014  stattgefunden  hatte.  Vgl.  c.  58.  68. 
Hirsch-Bresslau  a.  a.  O.  III  186  und  N.  2. 

^)  So  liest  Helmold  I  16,  der  die  Stelle  ausschreibt,  für  das  bei 
Adam  überlieferte  eam.  Vgl.  Usinger  bei  Hirsch,  Jahrbücher  des 
Deutschen  Reichs  unter  Heinrich  IT.,  Bd.  I  476  N.  1. 


318  J-  Marquart, 

dem  Herzog  Bernhard  ausgezogen,  sondern  höchstens  von  diesem 
dem  Kaiser  zur  Verstärkung  nachgesandt  worden  sein.  Als  der 
Sohn  des  Slawenfürsten  nach  der  Rückkehr  aus  Italien  die  ver- 
sprochene Nichte  des  Herzogs  verlangt,  hintertreibt  der  Markgraf 
Theoderich  die  Heirat,  indem  er  den  Barbaren  einer  deutschen 
Füstentochter  für  unwürdig  erklärt.  Helmold  hat  die  Erzählung 
des  Scholion  zum  Teil  verschlechtert,  indem  er  den  Slawenfürsten, 
den  er  mit  Adams  Mystiwoi  (II  40)  identifiziert,  für  sich  selbst 
um  die  Nichte  des  Herzogs  freien  lässt.  Dann  soll  der  Herzog 
nach  jener  Abweisung  sich  wieder  anders  besonnen  und  jenem 
entboten  haben,  er  möge  die  ersehnte  Braut  heimführen,  worauf 
jedoch  der  ergrimmte  Slawe  die  Antwort  erteilte :  Oportet  quidem 
generosam  magni  principis  neptem  prestantissimo  viro  copulari, 
non  vero  cani  dari.  Magna  gratia  nobis  pro  servitio  refertur,  ut 
iam  canes,  non  homines  iudicemur.  Si  igitur  canis  Valens  fuerit, 
magnos  morsus  dabit.  Hierauf  begibt  er  sich  nach  Rethra  im  Lande 
der  Liutizen,  ruft  alle  gegen  Osten  wohnenden  Slawen  zusammen 
und  trägt  ihnen  die  ihm  widerfahrene  Beschimpfung  vor.  Hier 
muss  er  nun  freilich  hören ,  dass  ihm  ganz  recht  geschehen  sei, 
da  er  seine  Stammgenossen  verachtet  und  die  treulose  und  hab- 
gierige Sachsenbrut  aufgezüchtet  habe.  Hierauf  schwört  er  ihnen, 
dass  er  die  Sachsen  jetzt  verlassen  wolle  und  erlangt  nun  ihren 
Beistand. 

Die  Sage  nimmt  an,  dass  der  Aufstand  Mistiwois  im  Jahre  983 
im  Einverständnis  mit  der  gleichzeitigen  Erhebung  der  Liutizen 
stattgefunden  habe. 

Einen  ganz  andern  Charakter  trägt  die  sagenhafte  Erzählung 
bei  Helmold  I  13 — 15,  deren  Inhalt  kurz  folgender  ist. 

Der  Bischof  Wago  von  Oldenburg  hatte  eine  schöne  Schwester, 
die  er  dem  Obotritenfürsten  Bülug  nach  inständigem  Bitten  zur 
Ehe  gab.  Dieser  Ehe  entspross  eine  Tochter  Hodica,  welche  ihr 
Onkel  in  einem  Nonnenkloster  erziehen  liess  und  dann  in  noch 
unmündigem  Alter  zur  Äbtissin  des  Nonnenklosters  zu  Mecklenburg 
machte.  Darüber  war  ihr  Bruder  Missizla  ungehalten,  odio,  licet 
occulto ,  concitatus  Christiane  religionis ,  timens  etiam ,  ne  hoc 
exemplo  peregrinus  mos  illis  in  partibus  inolesceret.  Patrem  autem 
frequenter  coarguit,  quasi  qui  mente  alienatus  supervacuas  diligeret 
adinventiones ,  nee  timeret  patriis  derogare  legibus ,  prius  quidem 
ducens  uxorem  Teutonicam'),  deinde  filiam  suam  monastice  clau- 
sure  contradens.  Durch  solche  Vorstellungen  wusste  er  den  Vater 
allmählich  umzustimmen.  Es  wird  dann  erzählt,  wie  Billug  in 
Gemeinschaft  mit  seinem  Sohne  Missizla  sich  zunächst  verschiedene 
Übergriffe  in  die  bischöflichen  Besitzungen  zu  Schulden  kommen 
liess,  _  und  auf  die  Vorstellungen  des  Bischofs  die  Schuld  auf  Räuber 


1)    Missizla    stammte    also     nach    der    Sage     oflfenbar    aus    einer 
früheren  Ehe. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  319 

schob,  die  von  den  Rani  und  Wilzi  einzubrechen  pflegten.  Zu- 
letzt verstiess  er  auch  die  Schwester  des  Bischofs,  und  dies  war 
die  Hauptveranlassung  zu  Feindseligkeiten.  Da  Otto  II.  und  III. 
durch  die  italienischen  Kriege  beschäftigt  waren,  so  benutzten  die 
Slawen  die  Gunst  der  Umstände ,  nicht  bloss  dem  göttlichen  Ge- 
setze ,  sondern  auch  dem  kaiserlichen  Machtgebot  sich  allmählich 
zu  entziehen.  Solus  Saxonie  dux  Benno  aliquam  dominationis 
umbram,  licet  tenuem,  pretendere  videbatur,  cuius  respectu  Scla- 
vorum  Impetus  retardati  sunt,  ne  aut  fidei  cristiane  renunciarent 
aut  arma  corriperent.  Ja  der  Obotritenfürst  Missizlaus  wagte  es 
gar,  seine  Schwester  Hodica  dem  Nonnenkloster  zu  Mecklenburg 
zu  entreissen  und  einem  gewissen  Boleslaw  zur  Ehe  zu  geben; 
die  übrigen  Nonnen  verheiratete  er  teils  mit  seinen  Kriegern,  teils 
schickte  er  sie  ins  Land  der  Wilzen  oder  Rani,  und  so  ward  jenes 
Kloster  verödet. 

Man  wird  kaum  auf  Widerspruch  stossen  mit  der  Annahme, 
dass  letzteres  Ereignis,  die  eigentliche  Pointe  der  ganzen  Er- 
zählung ,  nur  in  die  Zeit  der  Wiederherstellung  des  heidnischen 
Kultus  im  Jahre  1018  passe,  die  von  den  Liutizen  (Wilzen)  aus- 
gegangen war;  dazu  würde  stimmen,  dass  ein  Teil  der  Jungfrauen 
des  Klosters  ins  Land  der  Wilzen  oder  Rani  (auf  Rügen)  geschickt 
wird.  Was  aber  diese  Erzählung  von  der  des  Thietmar  vor  allem 
unterscheidet,  ist  der  charakteristische  Zug,  dass  die  ganze  Schuld 
an  jenen  Ereignissen  dem  damaligen  Fürsten  der  Abodriten  Missizla 
in  die  Schuhe  geschoben  wird,  der  geradezu  als  der  Repräsentant 
der  nationalen  Christen-  und  deutschfeindlichen  Strömung  erscheint, 
während  wir  aus  Thietmar  wissen,  dass  dieselbe  thatsächlich  von 
den  Liutizen  ausgieng  und  Missizlav  im  Gegenteil  selbst  von  der- 
selben hinweggeschwemmt  wurde. 

Wenn  im  Jahre  1018  in  der  That  die  Vorsteherin  des  Frauen - 
klosters  zu  Mecklenburg  von  einem  Boleslaw  zur  Ehe  gezwungen 
wurde,  so  war  dieselbe  sicherlich  keine  Nichte  des  Bischofs  Wago; 
denn  nach  der  Erzählung  Helmolds  wäre  sie  schon  als  Kind  von 
ihrem  Onkel  zur  Äbtissin  jenes  Klosters  gemacht  worden,  müsste 
also  im  Jahre  1018  mindestens  42  Jahre  gezählt  haben  ^).  Der 
Name  des  Slawenfürsten  Billug  bleibt  nach  wie  vor  rätselhaft. 
Die  Vermutung,  dass  damit  der  Slawenfürst  Mistui  gemeint  sei, 
welcher  im  Jahre  983  Hamburg  verbrannte,  liegt  ja  recht  nahe. 
Wigger  erinnert  an  die  auch  sonst  vorkommenden  Doppelnamen 
bei  Slawen  2).  Allein  die  Annahme,  dass  Mistui  jenen  Namen  bei 
seiner  Taufe  zu  Ehren  des  Herzogs  Hermann  von  Sachsen  er- 
halten habe^),  ist  an  und  für  sich  schon  sehr  prekär,  da  die  An- 
gabe,  letzterer  sei  der  Sohn  eines  Grafen  Billing,    sich  zuerst  in 


1)  Vgl.  auch  Ludw.  Giesebrecht,  Wend.  Gesch.  I  272. 
-)  Meckenburg-  Annalen  S.  137. 
»)  Westberg  a.  a.  O.  S.  117. 


320  J-  Marquart, 

dem  um  1230  enstaildenen  Chronicon  St.  Michaelis  Lüneburg, 
findet.  Ein  Graf  Billing  ist  allerdings  aus  Urkunden  Ottos  I. 
wohlbekannt ,  allein  derselbe  war  ein  thüringischer  Dynast  und 
nichts  deutet  darauf  hin,  dass  er  Hermanns  Vater  war;  die  Billinger 
waren  ein  altes  fränkisches  Geschlecht ,  während  Hermanns  Ge- 
schlecht unzweifelhaft  ein  altsächsisches  war^).  Da  es  sich  somit 
nicht  nachweisen  lässt,  dass  Hermann  selbst  oder  sein  Geschlecht 
den  Namen  Billunger  geführt  habe ,  so  ist  für  die  Erklärung  des 
Namens  des  Slawenfürsten  Billug  hiervon  gänzlich  abzusehen. 

In  der  That  ist  die  Entstehung  der  Legende  Helmolds  auch 
viel  komplizierter  als  man  gedacht  hat.  Die  historische  Grund- 
lage derselben  finden  wir  bei  Thietmar  IV  55(35)— 58.  IX  (VIII) 
1.  2.  Nach  dem  Tode  seiner  ersten  Gemahlin  Dubrawa  (977),  einer 
Schwester  des  Böhmenherzogs  Boleslaw  II.  (967 — 999),  die  ihm 
einen  Sohn  Boleslaw  geboren  hatte,  heiratete  der  Polenherzog 
Miseco  eine  Nonne  aus  dem  zum  Bistum  Halberstadt  gehörigen 
Kloster  Calva  (Kalbe  an  der  Milde),  namens  Oda,  die  Tochter  des 
Markgrafen  Thiedrich.  Diese  gebar  ihm  drei  Söhne  Miseco, 
Swentopolk  und  wahrscheinlich  Wladiwoi.  Nach  dem  Tode  des 
Miseco  (992)  riss  Boleslaw  die  Herrschaft  an  sich  und  vertrieb 
seine  Stiefmutter  und  seine  Stiefbrüder.  Da  Thietmar  V  18  (10) 
und  36  (22)  den  Markgrafen  Gunzelin^)  von  Meissen  (1002—1009) 
Boleslaws  Bruder  nennt  •^),  so  vermutet  Kurze*),  dass  vielleicht 
Boleslaws  Stiefmutter  Oda  die  Mutter  Gunzelins  war.  Dann  müsste 
diese  vor  ihrer  Ehe  mit  Misaco  bereits  mit  dem  im  Jahre  976 
abgesetzten  Markgrafen  Guntherius  von  Meissen  (965 — 976)  ver- 
mählt gewesen  sein.  Dazu  stimmt  sehr  gut,  dass  eine  Enkelin  des 
letztern,  eine  Tochter  des  Markgrafen  Ekkihard  I.  (985—1002) 
und  Schwester  des  Markgrafen  Hermann  (1010—1032)  und  Ekki- 
hard IL  (1032—1046),  welche  im  L  1018  mit  Boleslaw  vermählt 
wurde  ^) ,  ebenfalls  Oda  hiess. 

Eine  andere  Tochter  des  Markgrafen  Thiedrich,  ebenfalls  eine 
Nonne,  namens  Mahthild,  heiratete  um  999  einen  Slawen  Pribislaw. 
Über  ihre  weitern  Schicksale  berichtet  Thietmar  IV  64  (42): 
[Quae  post]  a  Brenneburgiensis  iniusto  provisore  civitatis  BoUUuto 
capta  in  tantum  constricta  est,  ut  neque  dominicam  nativitatem  nee 


^)  Vgl.  den  Exkurs  III  bei  Köpke-Dümmler,  Kaiser  Otto 
d.  Gr.  S.  570—576. 

^)  Sekundäres  Hypokoristikon  zu  dem  von  Günther  abgeleiteten 
Kurznamen  Gunzo,  wie  Ezzelln  von  Ezzo. 

^)  Ebenso  nennt  Gunzelin  V  36  den  Polenherzog  „frater",  und  der 
König  Heinrich  II,  beklagt  sich  VI  54  (36):  (Guncelinum)  maiorem 
apud  Bolizlavum  fratrem  gratiam  hactenus  habere,  quam  [ei] 
deceret  aut  sibi  placere  deberet.  Vgl.  Hirsch,  Jahrb.  des  Deutscheu 
Reichs  unter  Heinrich  IL,  Bd.  I  228  N.  7. 

^)  In  seiner  Ausgabe  Thietmar's  z.  St. 

f>)  Thietmar  IX  (VHI)  1. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  321 

aliam  sollempnitatein  vel  ieiunio  congruenti  prevenire  vel  festivis 
celebrare  gaudiis  potuisset.  Ubi  quendam  puerum  gerniit,  quem 
lugubriter  educavit ,  posteaque  tantae  solutionem  miseriae  [et 
abbaciam  in  Magadaburg]  iiidigna  percepit.  Cuius  vii'  [antea]  a 
confratribus  geminis  Ugione  ac  Ufficone  V.  Kai.  lanuarii  occubuit. 
Huius  frater ,  Liudulfus  nomine ,  deposito  clericatu  arma  sumens 
ultricia  multum  nocuit  nostris ,  ca]Dtus  autem  a  cesare  iterum 
restitutus  est  gradui  pristino. 

Hieraus  ergibt  sich  folgender  Stammbaum: 

Thiedricus,  Markgraf 


Mahtbild,  Nonne.     O  da,  Gem.  1)  Guntherius,  Markgr.      Misaco  von  Polen,  f  992 

Gem.  Prebizlavus.       von  Meissen  965—976,  t  982.  Gem.  1)  Dubrawa,t977. 

T'^; ■  2)  Misaco  von  Polen,  t  992,  2)  Oda. 

Sohn.  i ^'  . , 

1)  Ekkihardus  I.,        Gimzelin,        1)  Boleslaw  I.,        2)   Miseco. 

Markgraf  Markgraf  992—1025.         Suentopulcus. 

985—1002.         1002  —  1009.     Gem.  4)  Oda.       Wlodeweius. 


Liutgerda.  Oda. 

Herimannus  1010—1032.  ' 
Ekkihardus  II.  1032—1046. 
Guntherius. 


Man  sieht  jetzt  unschwer,  dass  diese  etwas  komplizierten 
Familienverhältnisse  die  Grundlage  der  Erzählung  Helmolds  bilden. 
Die  Schwester  des  Bischofs  Wago  und  ihre  Tochter  Hodica  ent- 
sprechen der  altern  und  jüngeren  Oda^  von  denen  die  erstere 
überdies  mit  ihrer  Schwester  Mahthild  vermengt  ist.  Denn  der 
Obotritenfürst  Billug  ^  der  Gemahl  der  Schwester  des  Bischofs, 
entpuppt  sich  jetzt  als  jener  BoUljut,  Pristaw  von  Brandenburg, 
welcher  Mahthild  raubte  und  gefangen  hielt.  Der  Name  der  Nichte 
des  Bischofs,  Hodica  (mit  unorganischem  h),  ist  aber  lediglich  ein 
regelrechtes  Hypokoristikon  von  Oda^  und  der  Bolizlaus  quidam, 
dem  sie  vermählt  wird ,  ist  niemand  anders  als  der  Polenfürst 
Boleslaw.  Das  Jahr  seiner  Vermählung  mit  der  jüngeren  Oda  fällt 
allerdings  mit  dem  des  grossen  Slawenabfalles  (1018)  zusammen. 
Die  Übertragung  der  Geschichte  von  Polen  und  Brandenburg 
nach  Mecklenburg  wurde  jedenfalls  begünstigt  durch  die  Überein- 
stimmung der  Namen  Misaco  (Hypokoristikon  von  Mstislaw)  und 
Missizla  (Mstislaw).  Wenn  Hodica  bei  Helmold  zur  Nonne  ge- 
macht wird  und  daher  mcestisszmo  coniugio  mit  Boleslaw  ver- 
heiratet wird,  so  beruht  dies  natürlich  auf  Verwechslung  mit  der 
älteren  Oda.  Von  der  Heirat  der  Jüngern  sagt  Thietmar  IX 
(VIH)  1 :  nupsit  duci  predicto  post  LXX^"^  absque  canonica 
auctoritate ,  quae  vivebat  hactenus  sine  matronali  consuetudine 
(d.  h.    im  jungfräulichen  Stand),  admodum  digna  tanto  foedere  ^). 


^)   Vgl.   Hirsch-Bresslau,  Jahrbücher    des    Deutschen    Reichs 
unter  Heinrich  II.,  Bd.  III  82  N.  1. 

Marquart,  Streifzüge.  21 


322  J-  Marquart, 

Man  wird  daher  anerkennen  müssen,  dass  die  Sage  bei  Helmold 
in  ihren  Hauptzügen  lediglich  eine  Übertragung  dieser  Familien- 
geschichte nach  Mecklenburg  ist.  Indem  dieselbe  mit  den  grossen 
Slawenaufständen  von  983  und  1018  in  aitiologischen  Zusammen- 
hang gebracht  wurde,  waren  natürlich  einige  Modifikationen  un- 
vermeidlich. Dahin  gehört  vor  allem,  dass  das  Frauenkloster  des 
hl.  Laurentius  in  Kalbe  in  der  Altmark  durch  das  von  Mecklen- 
burg ersetzt  wurde.  Ob  etwa  der  Bischof  Wego  (bei  Helmold 
Wago)  mit  dem  Markgrafen  der  Nordmark  Thiedrich  in  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  stand ,  so  dass  dadurch  die  Übertragung 
begünstigt  worden  wäre,  ist  mir  unbekannt.  Irgend  einen  Wert 
für  die  Geschichte  des  Christentums  bei  den  Abodriten  kann  aber 
die  Erzählung  nicht  beanspruchen. 

Wir  haben  bereits  oben  ausgesprochen,  dass  die  Reihenfolge 
der  drei  Slawenfürsten  des  Königs  Svein,  sub  quibus  pax  contmua 
fuit,  lim  zukehren  und  Missizla  an  den  Schluss  zu  stellen  ist. 
Daraus  folgt  aber,  dass  dann  Sederich  an  den  Anfang  gehört. 
Der  Name  sieht  nicht  slawisch  aus,  sondern  eher  nordisch,  und 
schon  Lappenberg  dachte  an  den  Namen  Sigtryggr^).  Erinnern 
wir  uns  nun  an  die  merkwürdige  Fassung  der  Notiz  in  den  Annalen 
von  Keichenau  zum  J.  931 :  Heinricus  rex  regem  Abodritorum  et 
Nordmannorum  effecit  christianOS,  wo  nur  von  einem  König  die 
Rede  zu  sein  scheint,  so  kommen  wir  auf  den  Gedanken,  dass  in 
der  ursprünglichen  Aufzeichnung  auch  der  Prädikatsakkusativ  im 
Singular  stand,  also  christianum.  Wir  haben  oben  gesehen,  dass 
auch  Widukind,  der  den  Ereignissen  am  nächsten  stehende  Zeuge, 
nur  von  einem  durch  König  Heinrich  I.  zur  Annahme  der  Taufe 
gezwungenen  Fürsten  weiss,  den  er  als  König  der  Dänen  be- 
zeichnet. Kombiniert  man  beide  Nachrichten,  so  hätten  wir  es 
mit  einem  nordischen  König  zu  thun,  der  seine  Herrschaft  auch 
über  die  Abodriten  ausgedehnt  hatte.  Dies  ist  nun  bei  dem  von 
Heinrich  I.  im  J.  934  besiegten  Gnüpa  und  seinem  Sohne  Sigtrygg, 
die  beide  in  Schleswig  residierten  und  über  Südjütland  heiTSchten, 
sehr  wohl  möglich.  In  diesem  Lichte  betrachtet  wird  aber  auch 
die  Geschichte  der  Gründung  des  Bistums  Oldenburg  bei  Helmold, 
Chron.  Slavorum  I  11.  12  verständlich.  Adam  von  Bremen  II  14 
erzählt  die  Stiftung  jenes  Bistums,  genau  genommen,  nicht,  sondern 
nennt  nur  im  Anschluss  an  die  Gründung  des  Erzbistums  Magde- 
burg mit  seinen  fünf  Suffraganbistümern,  die  im  J.  968  erfolgte, 
Aldinburg  als  sechstes  Bistum  des  Slawenlandes,  das  Kaiser  Otto 
der  Grosse  der  grösseren  Nähe  wegen  dem  Erzbischof  von  Ham- 
burg-Bremen unterstellt  habe.  Als  ersten  Bischof,  der  vom  Erz- 
bischof Adaldag  geweiht  worden  sei,  nennt  er  den  Euraccus  oder 


1)  In  der  Ausgabe  Adams,  M.  G.  SS.  IX:  Princeps  Slayicus  huius 
nominis  alibi  non  oecurrit.  Nomen  ipsum  vix  Slavicum  videtur,  sed 
potius  Nordmannicum,  vulgo  Sithric  dictum. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  323 

Egwardus.  Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dass  die  Stiftung  nicht 
vor  968  stattgefunden  habe ,  wozu  stimmen  würde ,  dass  in  der 
Urkunde  Ottos  für  die  Hamburger  Suffragane  vom  26.  Juni  965 
Aldenburg  noch  nicht  genannt  wird^). 

Auch  Hehnold  geht  davon  aus,  dass  Aldenburg  von  Otto 
dem  Grossen  gestiftet  sei ,  und  zwar  nach  der  Unterwerfung  des 
ganzen  Slawenlandes.  Allein  er  nennt  als  ersten  Bischof  Marko 
und  gibt  an ,  dass  ihm  auch  Schleswig  unterstellt  war :  Huic 
urbi  precellentissimus  cesar  pontificem  dederat  venei'abilem  virum 
Marconem,  subdens  ei  omnem  Obotritorum  provinciam  usque  ad 
Penem  fluvium  et  urbem  Dimine ;  preterea  civitatem  opinatissimam 
Sleswich,  que  alio  nomine  Heidibo  dicitur,  eiusdem  eure  delegavit. 
Eo  enim  tempore  Sleswich  cum  provincia  adiacente,  que  scilicet 
a  lacu  Slya  ad  Egdoram  fluvium  protenditur,  Romano  imperio 
subiacebat.  Erst  nach  dem  Tode  Marko's  soll  Schleswig  einen 
besondern  Bischof  erhalten  haben.  Der  nächste  Bischof  von  Alden- 
burg ist  dann  Ecwardus ,  welcher  die  Weihe  von  Adaldag  von 
Hamburg  empfängt.  Kaiser  Otto  hatte  ursprünglich  beschlossen, 
dieses  Bistum  gleich  den  übrigen  slawischen  der  neugegründeten 
Metropole  Magdeburg  zu  unterstellen ,  soll  aber  dann  den  Vor- 
stellungen des  Erzbischofs  Adaldag  von  Hamburg,  der  die  alten 
Rechte  seiner  Kirche  auf  dieses  Gebiet  betonte,  nachgegeben 
haben  (I   11). 

Ein  Bischof  von  Schleswig  erscheint  zuerst  neben  denen  von 
Ripen  und  Aarhus  auf  der  Synode  von  Ingelheim  948,  wozu  Adams 
Angabe  (II  4)  stimmt,  der  die  Gründung  der  drei  dänischen  Bis- 
tümer ins  zwölfte  Jahr  Adaldags  setzt;  die  Gründung  der  slawi- 
schen Bistümer  Havelberg  und  Brandenburg  setzen  die  Stiftungs- 
urkunden  auf  den  9.  Mai  946  und  1.  Oktober  948.  Die  des 
ersten  Bistums  ist  jedoch  nicht  im  Original  erhalten  und  ver- 
dächtig-). Die  Stiftung  des  Bistums  Oldenburg  müsste  also  noch 
beträchtlich  früher  fallen,  wenn  Helmold  mit  seiner  Behauptung 
Recht  hat,  dass  das  Bistum  Schleswig  sich  erst  aus  jenem  ab- 
gezweigt habe.  Es  ist  ja  auch  an  und  für  sich  schwer  verständlich, 
weshalb  als  Sitz  des  für  die  Wagrier  und  Abodriten  bestimmten 
Bistums  gerade  Oldenburg  gewählt  wurde ,  das  gar  nicht  im  Ge- 
biete des  Hauptvolkes  der  Abodriten,  sondern  in  dem  der  Wagrier 
lag.  Dies  alles  erklärt  sich  ganz  natürlich,  wenn  die  Stiftung 
unter  einem  Fürsten  erfolgte ,  der  nicht  bloss  Schleswig  besass, 
sondern  auch  über  die  Wagrier  und  Abodriten  gebot.  Denn  dann 
lag  Oldenburg  in  der  That  in  der  Mitte  seines  Herrschaftsbereichs. 
Dies  traf  aber  zu  unter   dem   von  Heinrich  I.    im    J.  934    unter- 


^)  Köpke-Dümmler,  Kaiser  Otto  d.  Gr.  S.  505  N.  2.  Lappen- 
berg, Über  die  Bischöfe  der  Hamburger  Diözese.  Pertz'  Archiv  IX 
388  f.    Wigger,  Mecklenburg.  Annalen  133  f. 

2)  Köpke-Dümmler  a.  a.  0.  166  ff. 

21* 


g24  J-  Marqviart, 

worfenen  südjütländischen  Fürsten  Gnüpa  und  seinem  Sohne  Sig- 
trygg,  falls  unsere  Vermutung  richtig  ist,  dass  in  den  Reiche - 
nauer  Annalen  a.  931  ursprünglich  gestanden  hat:  Heinricus  rex 
regem  Abodritorum  et  Nordmannorum  effecit  christianum.  Das 
Datum  in  den  Annalen  von  Reichenau  ist  ja  auf  jeden  Fall  un- 
genau ,  da  die  Unterwerfung  des  Wikingerfürsten  erst  934  statt- 
fand. Im  Jahre  939  ei'hoben  sich  die  Abodriten  wieder  gegen 
die  deutsche  Herrschaft  und  vernichteten  ein  sächsisches  Heer 
samt  dem  Führer  Haika.  Es  ist  dabei  sehr  bedeutsam,  dass  neben 
den  Slawen  d.  i.  den  Abodriten  auch  die  Dänen  wieder  als  Feinde 
genannt  werden,  welche  das  sächsische  Gebiet  im  Norden  bedrohten. 
Offenbar  ist  auch  hier  das  Vorgehen  der  Dänen  d.  h.  des  Gnüpa 
oder  Sigtrygg  und  der  Abodriten  als  ein  gemeinsames  aufzufassen. 
Gleichzeitig  war  infolge  der  Blutthat  des  Markgrafen  Gero,  welcher 
an  dreissig  slawische  Häuptlinge  bei  einem  Gelage  hinterlistig 
hatte  ermorden  lassen,  auch  bei  den  östlicheren  Slawen  ein  all- 
gemeiner Aufstand  ausgebrochen,  und  obwohl  der  König  mehr- 
mals selbst  Streifzüge  gegen  sie  unternahm  und  ihnen  manche 
Verluste  beibrachte,  vermochte  er  das  Volk  doch  nicht  völlig  zu 
unterwerfen.  Da  wurde  ihm  um  940  durch  den  zum  Christentum 
übergetretenen  Prätendenten  Tugumir  aus  dem  Stamme  der  He- 
veller  oder  Stodoranen  die  wichtige  Festung  Brandenburg  in  die 
Hände  gespielt,  was  zunächst  die  Unterwerfung  der  Heveller  zur 
Folge  hatte.  Dieser  Erfolg  machte  aber  einen  solchen  Eindruck, 
dass  sich  sämtliche  Stämme  bis  zur  Oder  wieder  zur  Tributzahlung 
verstanden ').  Um  diese  Zeit  sind  wohl  auch  die  Abodriten  wieder 
unterworfen  worden,  und  es  hat  durchaus  nichts  Unwahrschein- 
liches, dass  Otto  dieser  Unterwürfigkeit  alsbald  durch  die  Be- 
kehrung des  Volkes  und  Stiftung  eines  Bistums  für  das  gesamte 
Herrschaftsgebiet  des  süddänischen  Fürsten,  welchem  damals  die 
Abodriten  gehorchten,  Dauer  zu  verleihen  suchte.  Adams  an 
dritter  Stelle  genannter  Slawenfürst  Sederich  ist  also  wohl  der- 
jenige Herrscher,  unter  welchem  das  Bistum  Aldenburg  gegründet 
wurde,  und  höchst  wahrscheinlich  identisch  mit  Gnüpa's^  Sohn 
Sigtrygg,  dem  I  54  unter  den  Dänenherrschern  genannten  Sigerich. 
Es  wäre  sogar  denkbar,  dass  die  falsche  Angabe  der  gemeinsamen 
Quelle  Thietmars^)  und  der  Magdeburger  Annalen  ä),  der  Chronik 
Tagino's,  nach  welcher  die  Stiftung  der  Bistümer  Brandenburg 
und  Havelberg  bereits  im  J.  939  bezw.  30  Jahre  vor  Magdeburg 
erfolgt  sein  soll,  nur  auf  einer  Verwechslung  mit  dem  dritten 
slawischen  Bistum  Oldenburg  beruhte  und  eigentlich  auf  dieses  zu 
beziehen  wäre.     Dann  wäre  Oldenburg  ursprünglich  als  SuflFragan- 


1)  Widukind  11  20.  21 ;  oben  S.  104. 

2)  Thietmar  III  17  (10). 

3)  M.  G.  SS.  XVI  143. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  325 

"bistum  der  Erzdiözese  Mainz  gegründet  worden  i).  Auf  jeden 
Fall  stimmen  aber  die  Angaben  des  Königs  Svein  über  die  Dauer 
des  Christentums  bei  den  Slawen  mit  Helmolds  Erzählung  über 
die  Stiftung  ihres  Bistums  aufs  beste  überein.  Denn  auch  der 
zweite  der  Fürsten,  unter  welchen  nach  ihm  das  Christentum  un- 
gehinderte Ausbreitung  genoss ,  Naccon,  ist  sicher  noch  vor  der 
Zuweisung  des  Bistums  Oldenburg  zum  Metropolitansprengel  von 
Bremen-Hamburg  gestorben,  und  das  gleiche  gilt  natürlich  erst 
recht  von  Sederich. 

Einen  zweiten  Slawenfürsten  namens  Sedericus  nennt  Adam 
II  58  zu  der  Zeit,  als  der  Erzbischof  Unwän  von  Bremen  im 
Verein  mit  dem  Herzog  Bernhard  das  zerstörte  Hamburg  wieder- 
herstellte und  die  Slawenmission  von  neuem  organisierte,  und  zu 
diesem  Zwecke  auch  mit  dem  König  Knut  von  Dänemark  in 
freundschaftliche  Beziehungen  trat  (nach  1021)-).  Dieser  Sedericus 
oder  Sigtrygg  mag  ein  Fürst  der  Wagrier  sein,  der  mit  ihm  ge- 
nannte Üto  wird  später  (II  64)  als  Sohn  des  Mistiwoi  und  schlechter 
Christ  bezeichnet,  war  also  ohne  Zweifel  Fürst  der  Abodriten. 
Bei  Saxo  Grammaticus,  der  ihn  im  Gegenteil  als  höchst  eifrigen 
Christen  bezeichnet,  führt  er  den  slawischen  Namen  Pribignew. 
Sein  Sohn  ist  der  bekannte  Apostat  Gottschalk  3).  An  Stelle  des 
Sedericus  erscheinen  bei  Adam  II  64  neben  Uto  als  Fürsten  der 
Winuli  Gneus  et  Anatrog,  beide  als  Heiden  bezeichnet.  Ersteres 
ist  offenbar  nur-  der  zweite  Teil  eines  slawischen  Namens  wie 
Stoignew,  Pribignew  etc.  Beide  werden  dann  abermals  II  69  in 
Gemeinschaft  mit  einem  dritten  Fürsten  Ratibor  zur  Zeit  des  Erz- 
bischofs  Bescelin  (1035—1045)  als  diesem  wie  dem  Sachsenherzog 
dienstbar  bezeichnet.  Ratibor  war,  wie  wir  später  (H  75)  erfahren, 
Christ  und  wurde  von  den  Dänen  ermordet.  Wahrscheinlich  haben 
wir  auch  ihn  als  Fürsten  der  Abodriten,  die  beiden  andern,  Gneus 
und  Anatrog,  als  Fürsten  der  Wagrier  zu  betrachten. 

Dass  nach  Haralds  Siege  über  Sigtrygg  und  der  Eroberung 
Schleswigs  für  dieses  ein  eigenes  Bistum  errichtet  wurde ,  lässt 
sich   jetzt    sehr    gut   verstehen.     Denn    die    staatliche  Verbindung 

1)  Vgl.  auch  Westberg  a.  a.  0.  S.  78. 

2)  Adam.  Brem.  II  58:  Eo  tempore  cum  esset  pax  firma  inter 
Sclavos  et  Transalbianos,  Unwanus  archiepiscopus  metropolem  Hamma- 
burg  renovavit,  clerumque  dispersum  colligens,  magnam  ibidem  tarn 
civium  quam  fratrum  adunavit  multitudinem.  Itaque  cum  duce  Bernardo 
frequenter  inhabitans  locum,  saepe  dimidium  annum  vixit  in  Hamma- 
burg,  gloriosissimum  regem  Chnut  invitans  ad  colloquium,  Sclavorumque 
satrapas  Utonem  et  Sedericum.  Vgl.  Hirsch-Bresslau,  Jahrbücher 
des  Deutschen  Reichs  unter  Kaiser  Heinrich  II.  Leipzig  1875.  Bd.  III 
186  N.  2. 

3)  Saxo  Gramm,  p.  523  ed.  Müller:  Guthscalcus  Sclavicus  .  ,  . 
is  a  Pribignevo  patre  christiani  cultus  amantissimo  deficientemque 
a  religione  Sclaviam  nequicquam  revocare  conante.  Vgl.  Wigger, 
Mecklenburg.  Annal.  66.  68. 


326  J-  Marquart, 

Oldenburgs  und  des  Abodritenlandes  mit  Schleswig  muss  damit 
gleichzeitig  aufgehört  haben.  So  würde  also  die  erste  Periode 
des  Bistums  Aldenburg,  während  welcher  dasselbe  ausser  Mecklen- 
burg und  Wagi'ien  auch  Schleswig  umfasste ,  etwa  in  die  Jahre 
939 — 948  fallen,  und  wir  würden  zugleich  einen  bestimmten 
terminus  ante  quem  für  das  Ende  der  schwedischen  Dynastie  in 
Schleswig  erhalten.  Natürlich  stammt  Helmolds  Angabe ,  dass 
Schleswig  erst  nach  dem  Tode  des  oldenburgischen  Bischofs  Marko 
einen  eigenen  Bischof  erhalten  habe,  nicht  aus  wirklicher  Über- 
lieferung ,  sondern  beruht  lediglich  auf  eigener  Kombination 
Helmolds.  Man  darf  vermuten ,  dass  sich  der  schon  früher  fest- 
gesetzte Zins,  welchen  die  Gesandten  Haralds  im  J.  973  Otto  dem 
Grossen  überbrachten ,  eben  auf  das  ehemalige  Gebiet  Sigtrygg's 
bezog ,  welches  schon  von  Heinrich  I.  tributpflichtig  gemacht 
worden  war^).  In  Haralds  Zeit  verlegt  Saxo  Gramm.  XI  p.  481 
ed.  Müller  auch  die  Errichtung  bezw.  Erneuerung  des  Danewii'ke, 
die  sonst  schon  Gorms  Gemahlin  Thyra  zugeschrieben  wird;  mit 
Recht,  denn  sie  ist  erst  denkbar  nach  der  Eroberung  Schleswigs. 
Adams  Bericht  über  die  Errichtung  einer  deutschen  Mark 
und  die  Ansiedlung  sächsischer  Kolonisten  bei  Schleswig  durch 
Heinrich  I.  ist  so  unbestimmt,  dass  man  nicht  mit  Sicherheit  er- 
kennt, ob  er  Schleswig  als  Sitz  des  Markgrafen  bezeichnen  will-). 
Viel  besser  entspricht  den  vorauszusetzenden  Verhältnissen  die 
Schilderung  Helmolds,  Chron.  Slavorum  I  12:  Eo  enim  tempore 
(unter  Otto  d.  Gr.)  Sleswich  cum  provincia  adiacente,  que  scilicet 
a  lacu  Slya  ad  Egdoram  fluvium  protenditur ,  Romano  imperio 
subiacebat ,  habens  terram  spaciosam  et  frugibus  fertilem ,  sed 
maxime  desertam,  eo  quod  inter  oceanum  et  Balthicum  mare  sita 
crebris  insidiarum  iacturis  attereretur.  Postquam  autem  miseri- 
cordia  Dei  et  virtute  Magni  Ottonis  matura  pax  omnia  possedit, 
ceperunt  habitari  deserta  Wagrice  et  Sleswicensis  provincie ,  nee 
ullus  iam  angulus  relictus  fuerat,  qui  non  esset  conspicuus  urbibus 
et  vicis,  plerisque  etiam  monasteriis.  Wir  erhalten  also  folgendes 
Bild.  Das  Land  zwischen  Eider  und  Schlei,  wie  auch  das  östlich 
benachbarte  Wagrien,  hatten  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  und  im 
ersten  Drittel  des  10.  Jahi'hunderts  sehr  viel  von  den  Raubzügen 
der  Wikinger  zu  leiden ,  so  dass  das  Land  gänzlich  verödete. 
Nachdem  der  in  Schleswig  sitzende  schwedische  Wikingerfürst 
Gniipa,  der  ausser  Südjütland  auch  Wagrien  und  das  Abodriten- 


^)  Ann.  Altah.  973 :  etiam  legati  ducis  Haroldi ,  quem  putabant 
resistere  imperatori,  omnia  sua  deditioni  Otonis  subiiciunt  cum  Statute 
vectigali.  Vgl.  Köpke-Dümmler  a.  a.  0.  505  und  Anm.  1.  Waitz, 
Jahrbücher  des  Deutscheu  Reichs  unter  König  Heinrich  I.  S.  161. 

2)  Adam.  Brem.  I  59:  Sic  Heinricus  victor  apud  Sliaswich,  quae 
nixnc  Heidiba  dicitur,  regni  terminos  ponens,  ibi  et  marchionem  statuit 
et  Saxonum  coloniam  habitare  praecepit.  Vgl.  dazu  Waitz  a.  a.  0. 
161  f.  und  den  Exkurs  24  eb.  S.  277  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  327 

land  beherrschte,  von  Heinrich  I.  zur  Annahme  des  Christentums 
und  zur  Anerkennung  der  Oberhoheit  des  deutschen  Reiches  ge- 
zwungen worden  war ,  suchte  er  die  menschenleeren  Gaue  wieder 
zu  bevölkern  und  zog  als  Lehnsträger  der  deutschen  Krone  säch- 
sische Kolonisten  ins  Land.  Sein  Sohn  Sigtrjgg  wird  diese  Politik 
fortgesetzt  haben,  namentlich  seitdem  es  Otto  im  Laufe  der  Jahre 
939  und  940  gelungen  wai-,  die  Reichsgi'enzen  gegen  die  Slawen  und 
Dänen  völlig  zu  befrieden.  Helmolds  Ausdruck,  dass  Schleswig 
mit  dem  angrenzenden  Land  zwischen  Schlei  und  Eider  unter  der 
Oberhoheit  des  römischen  Reiches  stand,  ist  zwar  ungenau  — 
diese  Verhältnisse  fallen  vor  Otto's  Kaiserkrönung  —  aber  für  die 
Zeit  Gnüpas  und  seines  Sohnes  im  wesentlichen  richtig. 

Nachdem  der  Herrlichkeit  Sigtryggs  in  Schleswig  durch 
Harald  ein  Ende  gemacht  war  und  Schleswig  seinen  eigenen 
Bischof  erhalten  hatte ,  blieben  die  Wagrier  und  Abodiiten  und 
das  Bistum  Aldenburg,  natürlich  unter  deutscher  Oberhoheit,  sich 
selbst  überlassen.  Wir  finden  denn  auch  hier  bald  wieder  ein- 
heimische Dynasten,  Nakkon  und  seinen  Bruder  Stoignew,  an  deren 
Christentum  wir  trotz  ihrer  Beteiligung  am  Aufstande  Wichmans 
und  Ecberhts  nicht  zu  zweifeln  brauchen.  Man  wird  indessen  die 
Frage  aufwerfen  dürfen,  ob  dies  wirklich  Fürsten  von  altslawischer 
Abstammung  waren.  Den  Namen  Naccon  scheint  Kunik  aller- 
dings als  ein  echtslawisches  Hypokoristikon  auf  -un  aufzufassen, 
wie  Bog-un,  Rad-un,  Jar-un  (und  Oost-un  oben  S.  147)^).  Allein 
während  es  bei  diesen  ein  Leichtes  ist,  die  Vollnamen,  von  denen 
sie  gebildet  sind,  nachzuweisen,  dürfte  es  für  Naccon  sehr  schwer 
halten,  einen  solchen  aufzutreiben.  Näher  liegt  es  daher,  wie  mir 
seheint ,  an  skandinavischen  Ursprung  desselben  zu  denken ,  und 
da  bietet  sich  von  selbst  das  altisländische  Hd-ko7i7\  mittelschwe- 
disch Ha-kun  dar^).  In  der  russischen  Chronik  erscheint  dieser 
auf  schwedischen  Runeninschriften  sehr  häufige  Name  als  Äkum 
(a.  944)  und  Jakum  (a.  1024)''^).  Da  die  Slawen  kein  h  besitzen, 
so  erscheint  eine  Slawisierung  von  Hdkon  in  Ndkon  sehr  wohl 
möglich.  In  diesem  Falle  wären  Nakkon  und  Stoignew  als  Vettern 
Sigerichs  und  Söhne  Gurds ,  des  Bruders  Gnüpa's ,  zu  betrachten, 
die  sich  nach  dem  Falle  Schleswigs  in  Wagrien  und  dem  Abodriten- 
lande  behauptet  hätten.  Gurd  hätte  dann  wohl  schon  unter  der 
Oberhoheit  seines  Bruders  diese  Landschaften  verwaltet. 

In  Wagrien  dagegen ,  wo  die  Residenz  des  Bischofs  lag, 
scheint  das  Christentum  sehr  geringe  Fortschritte  gemacht  zu 
haben  oder  wieder  zurückgedrängt  worden  zu  sein;  denn  beim 
Aufstande  des  Wagrierfürsten  Selibur  im  J.  966  oder  967  findet 
man    nach    Einnahme    seines    Hauptortes    das    eherne    Bild    einer 


1)  Izvestija  al  Bekri  S.  102. 

2)  E.  Kunik  bei  Dorn,  Caspia  402. 

^)  W.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  S.  140. 


328  J-  Marquart, 

Gottheit ,  welche  man  mit  Saturn  verglich ').  Dieser  Aufstand 
mag  Otto  die  Veranlassung  gegeben  haben,  an  eine  Neuordnung 
des  Bistums  zu  denken.  Als  er  dann  im  J.  968  für  die  Slawen 
das  Erzbistum  Magdeburg  gründete,  gedachte  er  demselben  zuerst 
auch  Oldenburg  zu  unterstellen,  Hess  sich  dann  aber  durch  die 
Vorstellungen  des  Erzbischofs  Adaldag  von  Bremen -Hamburg  be- 
stimmen, davon  abzustehen  und  Aldenburg  jetzt  gleich  den  schon 
von  Anfang  an  Bremen  unterstellten  nordischen  Bistümern  der 
Metropole  Hamburg-Bremen  zu  überweisen. 

Dass  Helmold  allein  von  der  Gründung  des  Bistums  Alden- 
burg zu  berichten  weiss,  spricht  nicht  gegen  die  Glaubwürdigkeit 
seiner  Erzählung.  Es  muss  im  Gegenteil  hervorgehoben  werden, 
dass  die  politischen  Verhältnisse ,  welche  dieselbe  voraussetzt  und 
die  auch  von  Helmold,  wenn  auch  begreiflicherweise  entstellt,  an- 
gedeutet werden,  vor  allem  die  Verbindung  von  Wagrien  mit 
Schleswig,  später  unmöglich  hätten  erfunden  werden  können.  Man 
wird  also  anerkennen  müssen ,  dass  sich  eine  freilich  entstellte 
Tradition  darüber,  vor  allem  über  den  Namen  des  ersten  Bischofs, 
erhalten  hatte ,  die  Helmold  noch  zugänglich  war.  Dass  Adam 
davon  nichts  weiss,  ist  nicht  so  auffällig  als  es  auf  den  ersten 
Blick  scheinen  mag.  Schriftliche  Aufzeichnungen  hierüber  gab  es, 
wenigstens  in  Bremen ,  nicht ,  und  so  interessieren  ihn  die  Ge- 
schicke dieses  Bistums  erst  von  dem  Zeitpunkte  ab ,  da  es  dem 
Metropolitansprengel  seiner  Kirche  zugeteilt  wurde.  Die  nächsten 
Nachfolger  Markos  weiss  auch  Helmold  nicht  anzugeben,  was  bei 
der  losen  Verbindung,  in  welcher  diese  Gebiete  damals  mit  Deutsch- 
land standen,  nicht  Wunder  nehmen  darf.  Erst  mit  dem  Bischof 
Euraccus  oder  Egwardus  (otfenbar  ein  nordischer  Name),  der  die 
Reihe  der  von  Bremen  aus  ordinierten  Bischöfe  von  Aldenburg 
eröffnet,  stehen  wir  wieder  auf  festem  Boden. 

Als  Resultat  unserer  Untersuchung  ergibt  sich  somit,  dass 
die  Abodriten  und  Wagrier  mindestens  bis  zum  Untergange  Sige- 
richs  (Sigtryggs) ,  wahrscheinlich  aber  bis  auf  die  Brüder  Naccon 
und  Stoignew  von  Fürsten  schwedischer  Abkunft  beherrscht  wur- 
den ,  die  sich  von  einem  Wikingerfüi-sten  Olaf  ableiteten.  Ob 
auch  die  zweite  mit  Mistav  (Mstiwoj)  und  Selibur  beginnende 
Fürstenreihe  mit  der  ersten  genealogisch  zusammenhängt,  ist  nicht 
auszumachen. 

Wir  erhalten  demnach  folgende  Tabelle  der  Abodriten-  und 
Wagrierfürsten  vom  ersten  Viertel  des  10.  bis  zum  ersten  Viertel 
des  11.  Jahrhunderts: 


1)  Widukind  III  68. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


329 


1)  Olaph  aus  Schweden,  erobert 
Jütland  und  Schleswig') 


2)  Gni'ipa  (Chnuba,  Chnob)^), 

König  der  Normannen  und 

Abodriten*),  a.  934 

3)  Sigtryggr  (Sigerich, 
Sederich)')  f  um  950. 


Gurds) 

(Jarl  der  Abo- 

driten  ?) 

V 


6ainkär2) 

Asfrid«), 
Gem.  Gnüpa 


4)  Naccon  (Naqur), 

a.  955.  9658) 

=  Häkon? 


Gormd.Alte. 

HaraM  Blä- 
tand,  K.  von 
Dänemark. 


5)  Mstiwoj  (Mistav,  Mistui, 
Mistuwoi,  Mystiwoi),   Fürst 
der  Abodriten,  a.  966/67. 
983.  98410). 


T6fai2) 


6)  Mstislaw 
(Mistizlavus, 

Missizla), 
vertrieben 

10181»). 


7)Uto(Pribi- 
gnew),  Fürst 
d.  Abodriten, 
nach  10211*). 


Guthscalcus. 
8)  Ratibor  (Fürst  der 
Abodriten?),  ermordet 
von  den  Dänen  i^). 


Stoignew  (Fürst 

der  Wagrier?), 

t  955»). 

Selibur,  Fürst 
der  Wagrier, 
a.  966/67"). 

I  ? 
Mizzidrogi^)  (Fürst 
der  Wagrier, 
a.  983?) 

Sedericus  (Sig- 

trygg,  Fürst  der 

Wagrier?),  nach 

1021 16). 


TGneus     1 1')  (Fürsten  d. 
\Anatrog/i')  Wagrier?) 


1)  Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem.  T  50. 

2)  Zweiter  Vedelspangstein. 

2)  Erster  und  zweiter  Vedelspangstein.  Widukind  I  40.  Svein 
Estridsson  bei  Adam.  Brem.  I  50.     Olafesaga  Tryggvasonar  c.  63. 

*)  Ann.  Aug.  a.  931. 

^)  Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem.  I  50. 

6)  Vedelspanger  Steine. 

')  Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem.  I  54.  II  24.  Vedelspanger 
Steine. 

*)  Widukind  III  50.  Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem.  II  24. 
Ibrahim  b.  Ja'qüb. 

9)  Widukind  III  50.  53—55.  Annal.  Sangall.  maiores  a.  955. 
Thietmar  II  12  (6). 

10)  Widukind  III  68.  Thietmar  ni  17  (10).  IV  2.  Adam.  Brem. 
II  40. 

11)  Widukind  III  68. 

1^)  Grösserer  Söndervissinger  Stein. 

1^)  Thietmar  IX  5  (VIII  4).  Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem. 
II  24.     Schol.  28  zu  Adam.  Brem.  (Mistiwoi). 

")  Adam.  Brem.  II  58.  64.   Saxo  Gramm.  X  p.  523  ed.  Müller. 
1^*)  Adam.  Brem.  U  40  vgl.  Widukind  III  68.   Thietmar  II  14  (9). 
16)  Adam.  Brem.  II  58. 
1')  Adam.  Brem.  II  64.  69. 
1«)  Adam.  Brem.  II  69.  75. 


330  J-  Marquart, 

Exkurs  III. 

Masüdi's    Bericht    über    die    Riissen    (zu   S.  149  flf.)- 

Um  falschen  Auffassungen  und  Schlussfolgerungen,  wie  sie 
Nichtarabisten  bei  Benutzung  der  bisherigen  Übersetzungen  not- 
wendig passieren  müssen i),  in  Zukunft  vorzubeugen,  halte  ich  es 
für  angezeigt,  den  Abschnitt  Mas'üdi's  über  die  Russen  (Murüg 
aö  dahab  II  18 — 24)  hier  nochmals  in  Übersetzung  vorzulegen  2). 
Er  schliesst  sich  unmittelbar  an  den  S.  149 — 151  übersetzten 
Bericht  über  die  ^j  an,  welcher  mit  einigen  Bemerkungen  über 
die  Rös  beginnt.  Die  Nachrichten  über  die  in  der  Hauptstadt 
der  Chazaren  ansässigen  Russen  (TL  9.  11  — 12)  sind  schon  früher 
besprochen  worden.  Mit  L  bezeichne  ich  die  gute  Leidener 
Hs.  537  a,  mit  P  die  Pariser  Ausgabe. 

„Die  Russen  bestehen  aus  zahlreichen  Nationen,  die  ver- 
schiedene Abarten  bilden;  [darunter  ist  eine  Nation,  die  xjIcöJlJI 
LüSyäna^)  heissen*),  welche  Handel  treiben  nach  den  Ländern  von 
Andalus  und  RSmija  (Rom) ,  Konstantinopel  und  der  Chazaren]. 
Nach  dem  Jahre  300  (912/13)  waren  gegen  500  Fahrzeuge  5 
herabgefahren,  jedes  mit  100  Seelen  bemannt;  da  fuhren  sie 
in  den  Kanal  des  Pontos  ein,  der  mit  dem  Strome  ^)  der  Chazaren 
in  Verbindung  steht.  Dort  sind  Männer  des  Königs  der  Chazaren 
mit  mächtigen  Hilfsmitteln  stationiert ,  um  alle  abzuhalten  ^) ,  die 
aus  jenem  Meere  (dem  Pontos)  kommen,  und  die  von  jener  Seite  10 
der  Steppe  '^)  kommen ,  *  die  sich  fortsetzt  vom  Chazarenflusse 
bis  zum  Kanal  des  Pontos**),  [und  zwar  weil  nomadische  Puz- 
Türken  nach  jener  Steppe  ziehen  und  dort  überwintern.  Manchmal 
gefriert  nun  dieses  Wasser,  *  dessen  Verzweigungen  vom  Meere 
der  Chazaren  mit  dem  Pontosmeere  in  Verbindung  stehen  0),  so  dass  15 


1)  So  noch  jüngst  Fr.  Westberg,  Beiträge  zur  Klärung  orien- 
talischer Quellen  über  Osteuropa  S.  225 — 228. 

'^)  Vgl.  dazu  die  Übs.  von  Frähn,  Ibn  Foszlans  und  anderer 
Araber  Berichte  über  die  Russen  älterer  Zeit  S.  242 — 247. 

3)  P   XiUöjiJl,  L  ÜAclö^l. 

*)  P  fügt  hinzu:  ,sie  sind  die  zahlreichsten". 

')  Vgl,  Grioss,  Geogr.  s.  V.  y. 

«)  Diese  Worte  waren  im  Archetypus  an  den  Rand  geschrieben 
und  sind  an  falscher  Stelle  in  den  Text  geraten. 

8)  P:    (J^LaJ    j:^    J^Xj   jj^    jÄ    ^A    ÄA«^    (^vXÜ,     lies 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  331 

es^)  die  Puzen  mit  ihren  Reiterscharen  überschreiten.  Es  ist  das 
ein  mächtiges  Gewässer,  und  es  versinkt  nicht  unter  ihnen,  weil  es 
so  hart  wie  Stein  geworden  ist,  und  sie  setzen  über  nach  dem 
Lande  der  Chazaren.  Manchmal  zieht  nun  der  Fürst  (Bäg)  der 
5  Chazaren  gegen  sie  aus,  wenn  die  dort  stationierten  Männer  zu 
schwach  sind  sie  zurückzuweisen,  und  verhindert  sie  am  Über- 
gang über  jenes  Eis  und  verteidigt  sein  Reich.  Tm  Sommer  aber 
haben  die  Türken  keine  Möglichkeit,  es  zu  überschreiten]. 

Nachdem    nun    die  Schiffe    der  Rös    (herab)  gekommen    waren 

10  zu  den  am  Eingange  des  Kanals  postierten  Männern  der  Chazaren, 
unterhandelten  sie  mit  dem  Fürsten  der  Chazaren  darüber,  dass 
sie  sein  Land  passieren,  auf  seinem  Strome  herabfahren  und  ins 
Meer  der  Chazaren  einlaufen  dürften-),  welches  das  Meer  von 
Gurgän,    Tabaristän    und  anderer  Barbaren  ist,    wie  wir  bemerkt 

15  haben,  unter  der  Bedingung,  dass  sie  ihm  die  Hälfte  von  dem 
geben  wollten,  was  sie  von  dort  von  den  an  jenem  Meere  wohnen- 
den Völkern  erbeuten  würden.  Nachdem  er  es  ihnen  gewährt, 
liefen  sie  in  den  Kanal  ein  und  erreichten  die  Mündung  des 
Stromes  und  fuhren  jenen  Wasserarm  aufwärts,  bis  sie  zum  Strome 

20  der  Chazaren  gelangten,  auf  ihm  zur  Stadt  Itil  hinabfuhren  — 
es  ist  aber  ein  gewaltiger  Strom  3)  — -  diese  passierten  und  zur 
Mündung  des  Stromes  und  zu  seinem  Ausfluss  ins  chazarische 
Meer  gelangten.  Vom  Ausflusse  des  Stromes  bis  zur  Stadt  Itil 
ist  es  aber*)  ein  gewaltiger  Strom  mit  reichlichem  Wasser.     Nun 

25  zerstreuten  sich  die  Fahrzeuge  der  Rös  auf  diesem  Meere,  und 
ihre  Streifscharen  entfernten  sich  nach  Gel,  Delum,  dem  Lande 
Tabaristän,  Äbaskün  —  das  ist  die  Küste  von  Gurgän  5)  —  nach  dem 
Lande  der  Naphthaquelle,  und  nach  dem  Lande  Adarbaigän  zu,  und 
zwar  deshalb,  weil  die  Stadt  6)  Ardabel  in  Adarbaigän  von  diesem 

30  Meere  nur  etwa  drei  Tage  entfernt  ist.  Da  vergossen  die  Rös 
das  Blut,    nahmen  weg    die  Frauen    und    Kinder,    plünderten    die 


>nJ  5  JsjiaÄj  . . .  s^xst^  L?^-^  ^  •     ^^^  ^**^  ^*^  gleichfalls  im  Archetypus 

am   Rande   nachgetragen   und   ist   von   einem  Abschreiber   an   falscher 
Stelle  in  den  Text  eingetragen  worden. 

1)  L  j^aJIc  ,  sc.  i^L*.J  \ ;   P  Lg^Jlc ,  was  auf  lu.xXi  zu  beziehen  wäre. 

3)  om.  P. 

■*)  P  und  Lj^^,  lies  j^. 

5)  So  L;    ebenso    Kitäb   at   tanb.   1.,  8.    Ivl,  9—10.      P    ,an  der 
Küste  von  Gurgän". 

«)  So  L;   P  „das  Land". 


332  "J-  Marquart, 

Habe  und  liesseu  die  Scharen  zu  Überfällen  sich  zerstreuen,    und 
sengten  und  brannten. 

Nun  schrieen  die  Völker  rund  um  dieses  Meer  auf,  weil  sie 
von    alters    her^)  von    keinem  Feinde    wussten ,    der    sie    auf   ihm 
übei"fallen  hätte ,    und  auf  ihm  bloss  Kauffahrer  und  Fischerboote  5 
zu  verkehren    pflegten.     Sie    hatten    darauf  Kämpfe    mit    den  Gel 
und  Delum  sowie  mit  einem  Offiziere  des  Ihn  Abu  'sSäg  und  ge- 
langten bis  zum  Gestade  der  Naphthagrube  im  Königreiche  Sarwän, 
die  unter  dem  Namen  Bäkuh    bekannt   ist.     Bei    ihrem  Rückzuge 
von  den  Küsten  des  Meeres  pflegten  die  Rös  sich  nun  auf  Inseln  10 
zuräckzuziehen ,    die    in    der   Nähe    der  Naphthagrube    und    einige 
Meilen  von    ihr    entfernt    sind.     Der  damalige  König  von  Sarwän 
war    'Ali  b.  al  Hai-O'am.      Da  rüsteten    sich    die  Leute,    bestiegen 
Barken  und  Handelsschiffe  und  fuhren  nach  jenen  Inseln.     Allein 
die  Rös  wandten  sich  gegen  sie  und  es  wurden  von  den  Muslimen  15 
Tausende  getötet  und  ertränkt,  und  die  Rös  blieben  viele  Monate 
auf  diesem  Meere,  in  der  Weise  wie  wir  es  beschrieben  haben,  * 
indem  niemand  von   den   diesem  Meere  Benachbarten  ihnen  etwas 
anhaben  konnte  2),    obwohl  die  Leute  sich  gegen  sie  msteten  und 
vor  ihnen  auf  der  Hut  waren,  weil  es  ein  Meer  ist,  *  dessen  um-  20 
wohnende  Nationen  sehr  blühend  sind-^). 

Als  sie  nun  geplündert  hatten  *  und  ihr  Treiben  satt  ge- 
worden waren*),  fuhren  sie  nach  der  Einfahrt  und  Mündung  des 
Chazarenflusses  und  unterhandelten  mit  dem  Fürsten  der  Chazaren, 
und  brachten  zu  ihm  die  Schätze  und  Beute ,  so  wie  er  es  mit  25 
ihnen  ausbedungen  hatte ;  der  Fürst  der  Chazaren  besitzt  aber 
keine  Schiffe  und  seine  Mannschaften  sind  nicht  daran  ge- 
wöhnt. Andernfalls  ei*wüchse  den  Muslimen  von  seiner  Seite  ein 
gewaltiger  Verlust.  Die  Arstj'a^)  und  die  in  ihrem  Lande  wohnen- 
den Muslime  bemerkten  nun  ihre  (der  Rös)  Lage  und  sagten  zum  30 
Fürsten  der  Chazaren:  „Gib  uns  freie  Hand  gegen  diese  Feinde, 
denn  sie  haben  Überfälle  gemacht  gegen  die  Länder  unserer 
muslimischen  Biiider  und  ihr  Blut  vergossen  und  Frauen  und 
Kinder  gefangen  weggeführt".  Er  vermochte  sie  nicht  zu  hindern, 
und  so  entbot  er  den  Rös  und  that  ihnen  kund,  dass  die  Muslime  35 


1)  Lies  jji.'oyi  c^.^  ^^^. 

2)  Nach   L:    ^„*j^\   j^<^\    '^  j5^    o*^   '^^^   »^-^   '^' 

*)  P   i>-ö  ^^  U  [j-*^^;    L  ^xs  ^5'Lw.i  \y^^. 

^)  Die  grösstenteils  aus  Muslimen  bestehende  Garde  des  Chazaren- 
begs  ;  Mas.  II  10—12. 


Osteuropäisclie  und  ostasiatische  Streifzüge.  333 

beschlossen  hätten,  sie  zu  bekämpfen.  Die  Muslime  versammelten 
sich  und  zogen  aus,  um  sie  zu  verfolgen,  indem  sie  den  Strom 
herabfuhren.  Als  sie  einander  nun  in  Sicht  bekamen,  verliessen  die 
Rös  ihre  Fahrzeuge  *  und  stellten  sich    den  Muslimen    gegenüber 

5  in  Schlachtordnung  auf.  Auf  Seite  der  Muslime  befand  sich  eine 
Menge  der  in  der  Stadt  Itil  wohnenden  Christen,  so  dass  die 
Muslime  gegen  15  000  Mann  stark  waren,  mit  Pferden  und  Rüstung 
wohl  versehen  1).  Der  Kampf  zwischen  ihnen  dauerte  drei  Tage, 
und  Gott  verlieh  den  Muslimen  den  Sieg  über  sie.     Da  raffte  sie 

10  das  Schwert  weg,  und  die  einen  wurden  getötet,  die  andern  er- 
tränkt. *  Diejenigen  nun,  welche  die  Muslime  am  Ufer  des  Chazaren- 
flusses  töteten ,  waren ,  soweit  durch  Zählung  ermittelt  werden 
konnte,  gegen  30  000  Mann 2),  und  es  entkamen  von  ihnen  gegen 
5000  Mann.     Sie  fuhren  zu  Schiffe  nach  jener  Seite  (des  Flusses) 

15  in  der  Nähe  des  Landes  der  Burtäs,  Hessen  dann  ihre  Fahrzeuge 
im  Stich  und  hielten  sich  an  das  Festland,  wo  die  einen  von  ihnen 
von  den  Burtäs  getötet  wurden,  während  andere  ins  Land  der 
Buryar  [der  Muslime]  ^)  gerieten ,  welche  sie  töteten.  Die  Rös 
aber    haben    seit   jenem  Jahre    das  was    wir  erzählt   haben,    nicht 

20  wiederholt. 

Es  bemerkt  al  Mas'üdT:  Wir  haben  diese  Geschichte  nur 
erzählt,  um  das  Gerede  derjenigen  abzuweisen,  welche  behaupten, 
das  Chazarenmeer  hänge  mit  dem  Maiotismeer  und  dem  Kanal  von 
Konstantinopel  zusammen  vermittelst  der  Maiotis  und  des  Pontes. 

25  Wenn  dem  aber  so  wäre,  so  wären  die  Rös  durch  dasselbe  (den 
Pontes)  abgezogen,  da  jenes  ihr  Meer  ist,  wie  wir  erwähnt 
haben ;  und  es  besteht  darüber  keine  Meinungsverschiedenheit  zwi- 
schen den  erwähnten  Völkern,  die  diesem  Meere  benachbart  sind, 
dass  das  Meer  der  Perser  keinen  Kanal  hat,  der  mit  irgend  einem 

30  andern  Meere  in  Verbindung  stünde,  weil  es  ein  kleines  Meer  ist, 
das  man  gründlich  kennt.  Was  wir  aber  von  den  Fahrzeugen  der 
Rös  erzählt  haben  *),  ist  in  jenen  Ländern  bei  den  übrigen  Nationen 


i^^La^J!   ^   (j.iLi>   ^♦Ji^il    ^  e)^^=*-5    ^^*^l5  4>^^^  ^^^ 
2)  Im  Text  an  falsche  Stelle  verschoben. 
*)  Lies  '^\,A  J,  Üy'o  Lc_5   st.  >_^^|y«  ^y^ . 


334  J-  Marquart, 

verbreitet,  und  das  Jahr  ist  bekannt:  es  war  nach  300,  aber  das 
Datum  ist  mir  entfallen.  Vielleicht  aber  wollen  die  welche  er- 
zählen, das  Chazarenmeer  stehe  mit  dem  Kanal  von  Konstantinopel 
in  Verbindung,  sagen,  dass  das  Chazarenmeer  identisch  sei  mit 
der  Maiotis  und  dem  Pontos,  welch  letzterer  identisch  5 
ist  mit  dem  Meere  der  Bur/ar  (Bazyar?)  und  Rös. 
Aber  Gott  weiss  am  besten  wie  es  sich  damit  verhält." 

Das  geographische  Problem,  um  dessentwillen  uns  Mas'üdi 
die  Geschichte  jenes  vielerörterten  Russenzuges  mitteilt,  hat  ihn 
schon  im  14.  Kapitel  seines  Werkes  beschäftigt.  Er  bemerkt  hier 
(I  273  f.)'):  „Es  haben  manche  Leute  irrigerweise  behauptet, 
das  chazarische  Meer  stehe  mit  dem  Maiotismeere  in  Verbindung. 
Allein  ich  habe  unter  den  Kaufleuten  die  das  Land  der  Chazaren 
betreten  haben,  oder  denen  die  auf  der  Maiotis  und  dem  Pontos 
ins  Land  der  Rös  und  Buryar  gesegelt  waren,  keinen  gesehen 
der  behauptet  hätte,  dass  mit  dem  Chazarenmeere  eines  von  diesen 
Meeren  oder  eines  von  ihren  Gewässern  oder  ihren  Buchten  zu- 
sammenhänge, ausser  dem  Chazarenfluss.  Wir  werden  dies  ver- 
melden ,  wenn  wir  den  Berg  Qabq  (Kaukasus) ,  die  Stadt  al  Bäb 
wa'l  Abwäb  und  das  Königreich  der  Chazaren  behandeln,  und  wie 
die  Rös  nach  300  mit  den  Schilfen  in  das  Chazarenmeer  ein- 
gelaufen sind.  Ich  habe  gesehen,  wie  die  meisten  von  den  Alteren 
und  Späteren,  die  sich  an  die  Beschreibung  der  Meere  gemacht 
haben,  in  ihren  Schriften  angeben,  dass  der  Kanal  von  Konstanti- 
nopel, der  von  der  Maiotis  ausgeht,  mit  dem  Meere  der  Chazaren 
in  Verbindung  stehe ;  ich  weiss  indessen  nicht ,  wie  dies  möglich 
sein  soll,  noch  woher  sie  zu  dieser  Behauptung  kommen,  ob  auf 
dem  Wege  der  eigenen  Wahrnehmung  oder  der  Beweisführung 
oder  der  Analogie ,  oder  ob  sie  vermutet  haben  ,  *  dass  die  Rös 
und  die  welche  ihnen  benachbart  sind,  an  diesem  Meere,  d.  i.  dem 
chazarischen,  wohnen  -).  Ich  bin  selbst  auf  demselben  von  Abaskun 
—  das  ist  die  Küste  von  Gurgän  —  nach  dem  Lande  Tabaristän 
und  andern  gefahren,  und  ich  habe  keinen  von  denen  mit  welchen 
ich  persönlich  Bekanntschaft  machte,  weder  Kaufleute  mit  nie- 
drigstem Verständis  noch  andere,  wie  Schiifsherren ,  darnach  zu 
fragen    unterlassen:    alle    erzählten    mir,    dass    es    keinen  Weg  zu 


')  Der  Text  bedarf  mehrfach    der  Verbesserung.     Leider  hat  die 
Leidener  Hs.  537  a  hier  eine  grosse  Lücke. 

was  bedeuten  soll:  „(Peut-etre  aussi  ont-ils  confondu)  les  Russes  et  les 
populations  riveraines  de  la  mer  Mayotis  avec  les  Khazars".  Allein  mit 
j^^\  \ö^  kann  nur  das  Chazarenmeer  gemeint  sein,  um  welches  sich 

der  Streit  dreht.     Lies  also  (^  ij-=^  j-^ . 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  335 

demselben  gebe  als  vom  Chazarenfluss ^)  her,  von  wo  die  Schilfe 
der  Rös  darein  eindrangen.  Und  Leute  von  der  Bevölkerung 
von  Ädarbaigän,  Arrän,  al  Bailaqän  (P'aitakaran)  und  aus  dem 
Lande  von  Barda'a  und  andern,  und  von  den  Delum  und  den  Ein- 
wohnern von  Gel-)  und  Tabai'istän  zogen  zum  Kampfe  gegen  sie, 
weil  sie  in  vergangener  Zeit  nicht  beobachtet  hatten,  dass  sich 
ihnen  ein  Feind  auf  demselben  zeige ,  und  man  jenes  früher  seit 
Menschengedenken  nicht  erfahren  hatte.  Was  wir  aber  erwähnt 
haben,  ist  in  den  genannten  Hauptstädten,  Völkern  und  Ländern 
bekannt,  ohne  dass  sie  es  bestreiten,  weil  es  unter  ihnen  verbreitet 
ist.     Jenes  geschah  in   den  Tagen  des  Ibn  Abu  'sSäg". 

Worauf  es  Mas'üdi  hier  also  ankommt,  ist  die  Widerlegung 
der  Behauptung,  dass  Pontos  und  Maiotis ,  die  für  ihn  nur  ein 
Meer  sind  (Murüg  I  272.  Kitäb  at  tanblh  %,  6),  mit  dem  Chazaren- 
meer  d.  i.  dem  Kaspischen  Meere  zusammenhängen.  Der  Pontos 
ist  für  ihn  das  Meer  der  Russen-^)  oder  der  Buryar,  Rös,  PaSanä, 
PaSanäk  und  Bagyard*).  Mit  dieser  den  Verhältnissen  seiner  Zeit 
entsprechenden  Anschauung  vermengen  sich  bei  ihm  aber  Vor- 
stellungen aus  einer  100  Jahre  früheren  Periode,  welche  die  Rös  noch 
als  ein  hoch  im  Norden  an  den  Küsten  eines  unbekannten  Meeres 
(der  Ostsee)  hausendes  Volk  kannten  (MurQg  II  15.  I  364  f.; 
s.  0.  S.  151  f).  Daneben  finden  wir  später  bei  ihm  die  Angabe, 
dass  das  Maiotismeer  zu  seiner  Zeit  Chazarenmeer  heisse^). 

Der  Zug  der  Russen  ist  vollkommen  verständlich,  nur  muss 
man  dabei  von  den  Tuzen,  die  Mas'üdi  hineingebracht  hat,  voll- 
kommen absehen.  Die  Russen  sind  den  Dnjepr  herabgefahren  und 
ins  Schwarze  Meer  (das  „ Russenmeer ")  eingelaufen,  haben  dann 
die  Krim  umsegelt  und  wollen  nun  in  die  Strasse  von  Kertsch 
einlaufen,   wo  sie  aber  eine  starke  Besatzung  des  Chazarenfürsten 


3)  II  24.  I  364.  Ebenso  die  russische  Chronik  c.  4  trad.  par 
L.  Leger  p.  5. 

*)  Murüg  I  261/62:  ,Auf  Grund  der  Aussage  jener  Astronomen, 
die  astronomische  Tafeln  verfasst  haben,  und  anderer  früherer  Gelehrter 
ist  es  notwendig,  dass  das  Meer  der  Buryar,  Rös,  Pacana,  Pacanak  und 
Bagyard  —  letzteres  sind  drei  türkische  Völker  —  dasselbe  ist  wie  das 
Pontosmeer.  Der  Bericht  über  diese  Völker,  den  Zusammenhang  ihrer 
Wohnsitze  und  welche  von  ihnen  auf  diesen  Meeren  fahren  und  welche 
nicht,  wird  im  künftigen  Teile  dieses  Buches  erscheinen,  so  Gott  will, 
je  nachdem  wir  ihre  Erwähnung  für  gerechtfertigt  halten;  Gott  aber 
weiss  all  das  am  besten,  und  es  gibt  keine  Kraft  ausser  bei  Gott  dem 
Erhabenen  und  Mächtigen*. 

Kitäb  at  tanblh  11,  18:  „Das  vierte  Meer  ist  das  Pontosmeer,  d.i. 
das  Meer  der  Buryar  und  der  Rös  und  anderer  Völker*. 

5)  Kitäb  at  tanblh  IS^a,  16.  IM,  5.  \f.,  16. 


336  J-  Marquart, 

an  der  Weiterfahrt  hindert.  Dieser  wichtige  Posten  kann  nur  in 
Taman ,  dem  alten  TaficcrccQici  oder  Tmutorokan  gesucht  werden, 
wie  auch  Westberg  a.  a.  0.  S.  227  f.  anerkennt.  Denn  nachdem 
die  Russen  vom  Chazarenfürsten  die  Erlaubnis  zur  Weiterfahrt 
erhalten  haben ,  fahren  sie  in  den  Kanal  d.  h.  die  Strasse  von 
Jeni-Kale  ein  und  gelangen  (durch  die  Maiotis)  zur  Mündung  des 
Stromes  d.  i.  des  Don.  Diesen  fahren  sie  dann  hinauf  bis  zum 
Wolok,  über  den  sie  ihre  Kähne  zum  Chazarenstrom  (der  Wolga) 
schleppen ,  worauf  sie  auf  diesem  an  Itil  vorbei  hinabfahren  bis 
zur  Mündung.  Über  Tmutorokan  habe  ich  oben  (S.  162 — 164) 
gesprochen ,  wobei  ich  zu  zeigen  suchte ,  dass  mit  dieser  Stadt 
auch  das  Karch  des  Ibn  Rusta  sowie  die  Judenstadt  (ji^^^w  (lies 
(jii.5l.fw  Samkars)  des  Ibn  al  Faqih  identisch  sei. 

Der  von  Mas'üdi  geschilderte  Wikingerzug  der  Russen  auf 
dem  Kaspischen  Meere,  der  wahrscheinlich  ins  Jahr  301  H.  = 
913  oder  914  gehört^),  war  übrigens,  wie  wir  aus  des  Muhammad 
b.  al  Hasan  b.  Isfandijär  Geschichte  von  Tabaristän  erfahren, 
keineswegs  der  einzige,  der  um  diese  Zeit  stattfand.  Siehe  Dorn, 
Caspia  2—20. 

Die  Behauptung  Mas'üdi's,  dass  der  Fürst  der  Chazaren  keine 
Schiffe  besitze  und  seine  Leute  nicht  daran  gewöhnt  seien,  wider- 
spricht seiner  eigenen  Angabe  (II  14),  dass  „die  Chazaren  Barken 
besitzen,  mit  denen  man  einen  Fluss  oberhalb  der  Hauptstadt 
befährt,  der  von  ihren  obersten  Gebieten  her  in  ihren  Strom 
mündet ,  namens  Burtäs.  An  ihm  wohnen  ansässige  türkische 
Völker ,  die  zur  Gesamtheit  des  Chazarenreiches  gehören ,  deren 
Wohnsitze  die  Verbindung  bilden  zwischen  dem  Reiche  der  Cha- 
zaren und  der  Bur/ar,  indem  dieser  Fluss  aus  der  Richtung  der 
Bmyar  kommt  und  die  Schiffe  von  den  Burj'ar  und  Chazaren  auf 
ihm  verkehren-)".  Um  diesen  Widerspruch  auszugleichen,  müsste 
man  annehmen ,  dass  diese  Barken  nicht  von  den  Chazaren  selbst 
benutzt  wurden,  sondern  nur  von  den  in  ihrem  Reiche  ansässigen 
und  handeltreibenden  fremden  Kaufleuten. 

Die  Stärke  der  Rös  schätzt  Mas'üdi  II  18  offenbar  zu  hoch, 
wie  die  Verlustliste  S.  23  zeigt,  die  nur  ca.  35  000  statt  50  000 
ergibt.  Dies  erklärt  sich  daraus,  dass  er  die  Bemannung  eines 
Wikingerbootes  auf  100  Mann  anschlägt,  während  sie  nach  einer 
späteren  Quelle  (Thietmar  von  Merseburg)  nur  etwa  80  Mann 
betrugt).     Das  ergäbe  also  ca.   40  000  Mann. 

Nach  Mas'üdi's  Erzählung  würde  man  glauben,  dass  die  Wolga- 
Bulgaren  sich  bereits  damals  (913  oder  914)  zum  Islam   bekannt 


1)  Vgl.  Dorn,  Caspia  9  ff.   Cahlr  addln  r.r,  16. 

^)  Damit  muss  wohl  die  Samara  gemeint  sein,  die  in  der  That 
mitten  durch  das  alte  Burtäs  floss  und  noch  heute  die  nördlichen  und 
südUchen  Sporaden  der  Moksa-Mordwinen  von  einander  trennt. 

'')  Dozy,  Recherches  sur  Thistoire  de  l'Espagne  11^  (1881)  288. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  337 

hätten.  Bei  einem  ernsten  und  gewissenhaften  Historiker  vom 
Schlage  Balä(Juri's  wäre  ein  solcher  Schluss  auch  gerechtfertigt, 
allein  Ihn  Fadlän  berichtet  uns  ausdrücklich ,  dass  die  Bulgaren 
mit  ihrem  Fürsten  erst  im  Jahre  310  (922)  offiziell  zum  Islam 
übertraten,  wenn  sie  auch  schon  einige  Zeit  vorher  für  denselben 
gewonnen  waren  i) ,  und  Mas'üdi  selbst  hat  kurz  vorher  (II  16), 
Ibn  Fadians  Reisebericht  folgend,  das  gleiche  erzählt.  Es  wäre 
immerhin  denkbar,  das  hier  ein  gedankenloser  Anachronismus  vor- 
läge ,  indem  der  vielschreibende  Weltbummler  sich  die  Bulgaren 
schon  nicht  mehr  anders  denn  als  Muslime  denken  konnte,  wahr- 
scheinlicher ist  mir  aber,  dass  das  Wort  (jv.4.X.w>.il  hinter  o^j  Jt 
J;^J1  II,  23,  9  gar  nicht  Mas'üdi  zur  Last  fällt,  sondern  lediglich 
eine  alte,  in  den  Text  geratene  Randglosse  ist,  welche  durch  die  im 
überlieferten  Texte  darauf  folgende  Verlustangabe  hervorgerufen 
wurde '^).  Die  Muslime,  deren  Schwert  gegen  30  000  Russen  am 
Ufer  des  Chazarenflusses  zum  Opfer  gefallen  sein  sollen,  sind 
natürlich  die  im  Chazarenreiche  ansässigen,  von  denen  vorher  die 
Rede  war.  Die  Schlacht  fand  auf  dem  rechten  (westlichen)  Ufer 
der  Wolga  statt  und  erst  als  ihre  Niederlage  entschieden  war, 
suchten  die  Russen  zu  Schiffe  auf  das  östliche  Ufer  zu  entkommen. 
Sonst  bietet  aber  Mas'üdi's  Bericht  über  den  Russenzug,  abgesehen 
von  seinem  Schweigen  über  ihre  früheren  Unternehmungen  auf  dem 
Kaspischen  Meere,  keine  historischen  oder  geographischen  Anstösse. 
Um  so  rätselhafter  sind  dagegen  seine  Bemerkungen  über  die 
Fuzen,  welche  ebenfalls  durch  jene  Besatzung  am  Einfall  ins  Ge- 
biet der  Chazaren  gehindert  worden  sein  sollen.  Unter  „jener  Seite 
der  Steppe,  die  sich  fortsetzt  vom  Chazarenfluss  bis  zum  Kanal  des 
Pontos"  und  wo  die  JTuzen  ihr  Winterlager  aufgeschlagen  haben 
sollen ,  müsste  man  dem  Zusammenhange  nach  das  Steppengebiet 
zwischen  der  Wolga  bezw.  dem  Don  und  dem  Kuban  verstehen^), 
und  das  Winterlager  der  J^uzen  hätte  man  sich  demzufolge  am 
Kuban    zu    denken.     Allein    dies  widerspräche    nicht    bloss  unsern 


^)  Auf  die  Angabe  der  von  QazwTni  nach  Abu  Hamid  al  AndalusI 
citierten  Chronik  von  Bulyär,  nach  welcher  der  Islani.  schon  früher  bei 
den  Bulgaren  eingeführt  worden  wäre  (s.  Frähn,  Über  drei  Münzen 
der  Wolga- Bulgharen  S.  16  f.  SA.  aus  den  Mem.  de  l'Academie  de 
St.-Petersburg  VIe  Ser.  t.  1),  oder  die  noch  bestimmteren  tatarischen 
Berichte ,  welche  die  Bekehrung  der  Bulgaren  schon  ins  Jahr  12  H. 
setzen  (Frähn,  De  numor.  Bulgharicorum  f.  antiquissimo  p.  75 — 86), 
ist  natürlich  nichts  zu  geben. 

2)  Auf  diese  Stelle  stützt  sich  wohl  die  sonderbare  Beweisführung 
Chwolson's,  der  aus  den  Nachrichten  Ibn  Rusta's  über  die  Bulgär 
schliesst,  dass  dieser  vor  301  H.  geschrieben  habe  (Xbo jibcohi,,  HsBi- 
CTifl  0  Xosapaxi,  Bypxacaxi,  Bojirapaxi,  MaÄtapaxi,  CjiaBjiHaxT,  h  Pyc- 
caxt  HÖHi-^acxa  S.  91  ff.,  angeführt  von  de  Groeje,  Bibl.  Geogr.  Arab. 
VII  p.  VI). 

^)  Da  die  Russen  von  Westen  kamen,  so  können  nur  Länder  östlich 
vom  Azowschen  Meere  und  vom  Don  gemeint  sein. 

Marqtiart ,  Streifzüge.  "^ 


338  J-  Marquart, 

sonstigen  Nachrichten  über  die  Sitze  der  Puzen  in  der  ersten 
Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  durchaus,  sondern  wäre  auch  mit  der 
Angabe  des  Textes ,  dass  die  Puzen  von  ihrem  Winterlager  aus 
öfters  über  den  gefrornen  Chazarenfluss  nach  dem  Lande  der 
Chazaren  übersetzten ,  auf  keine  Weise  in  Einklang  zu  bringen, 
selbst  wenn  man  annehmen  wollte ,  dass  Mas'üdl  irrtümlich  den 
Kuban  als  einen  Arm  der  Wolga  aufgefasst  habe.  Völlig  un- 
vereinbar mit  den  Worten  Mas'üdi's  ist  aber  die  Auffassung 
Westbergs  (S.  225 — 227),  welcher  die  gegen  die  Puzen  ge- 
richtete Garnison  an  der  Mündung  des  Dons  sucht  und  mit  der 
Festung  Sarkel  gleichsetzt,  und  demnach  die  Sitze  der  Puzen  auf 
das  rechte  Ufer  des  Dons  verlegt. 

Aus  Konstantinos  Porphyrogennetos  ist  über  die  Wohnsitze 
der  Puzen  nichts  Bestimmtes  zu  lernen.  Er  bemerkt  de  administr, 
imp.  c.  9  p.  79 ,  29 :  "Ort  ot  Ov^ot  dvvavtai  xoig  IIax'C,ivaY,ixciig 
TtoksfiBLv,  und  c.  10  p.  80 :  "Ort,  oi  Ov^ot,  övvavrai  noXefietv  vovg 
Xci^aQOvg ,  d)  g  avtoig  nXrj  a  ta  ^ovr  eg'  ofiolcog  nccl  6  i^ovöto- 
XQdzaQ  ^AXaviccg  %xX.  c.  37  p.  166,  3  erfahren  wir,  dass  die  vier 
Peöenegenhorden  Kovuqx^i-x'C,ovq  ,  Evqov-KakTtii]  {ZaQV-v,ov\ni7]  ?), 
Boqo-x<xl[iax  und  BovXa-xi,o[(5]Tt6v  jenseits  (östlich)  des  Dnjepr  wohn- 
ten, nqog  xa  avaxoXtKioteQCi  nal  ßoQStoxsQa  (.ieq^]  ivaTtoßkinovxcc,  TtQog 
re  Ov^iccv  aal  Xa^aqiav  ymI  ^AXaviav  y.ccl  xrjv  XsQGcöva  k(xI  xa 
XoLTta  %li^uxa.  Das  Pecenegengebiet  war  vom  Puzen-  und  Chazaren- 
lande  5,  von  Alania  6,  von  Moqdia  10  Tagereisen  entfernt  (p.  166, 
11 — 14).  Daraus  darf  aber  noch  nicht  geschlossen  werden,  dass 
die  Puzen  bereits  innerhalb  des  Gebietes  der  Chazaren,  also  west- 
lich von  der  Wolga  sassen,  vielmehr  sagt  uns  Konstantin,  dass 
sie,  nachdem  sie  im  Bunde  mit  den  Chazaren  die  PeSenegen 
aus  ihrem  alten  Gebiete  am  Atil  und  am  Jajyk  vertrieben, 
deren  Sitze  eingenommen  hatten  i).  Diese  Angaben  werden  durch 
die  Nachrichten  der  arabischen  Geographen  der  Samanidenzeit  er- 
gänzt, nach  denen  sich  die  Wohnsitze  der  Puz  zwischen  den  Cha- 
zaren, Kaimäk,  dem  Lande  der  Charluch  und  Bul/är  und  den 
Grenzen  der  islamischen  Welt  von  Gurgän  bis  Päräb  und  IspeSäb 
erstreckten  (Ist.  i,  18).  Sie  wohnten  also  nördlich  von  Gurgän 
(Ist.  f!f,  2.  l'vt^,  6),  westlich  von  Choräsän  (Ist.  foi"",  6),  westlich 
und  nördlich  von  Chwärizm  (Ist.  H.,  18.  hl,  2)  und  (nord)westlich 
von    Transoxiana    (eb.  TaI,   16).      Nach    Mas'üdl   wohnten    sie    am 


^)  De  administr.  imp.  c.  37  p.  164,  8 — 15:  'laxiov  ort  nar^ivciKirai 
xb  an  aQpis  sig  töv  nota^ihv  'Ari]X  rljv  avrcbv  tl%ov  xaroixjjfftv,  ofioicog 
öh  v,al  sig  xbv  Ttoru\ibv  Tii)%,  f%ovttg  rovg  xs  Ma^aQOvg  (1.  Xa^agovg) 
avvoQovvxag  nal  xovg  iTtovofia^o^tvovg  OuJ-  ^QO  itüv  dl  itsvxriv.ovxa  oi 
Ityöyibvoi  Ov^  [lixa.  xüv  Xa^ägcov  ü^ovo'^oavxtg  xat  aoX^iiov  GVfißa- 
X6vx8g  TfQog  xovg  Uax^ivav.ixag  vnEQia^^vaav,  ^ul  aitb  xfjg  idiag  ywqag 
avxovg  i^tdia^av,  xai  yiaxta^ov  avxiiv  iit^Qt  xi]g  ori^iQOV  oi  Xiyo^ivoi 
Ov^oi.     Vgl.  oben  S.  63. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  339 

Chazarenmeer  (Kitäb  at  tanblh  1.,  12  vgl.  Ist.  hU,  1).  Ihre  Haupt- 
sitze  waren  um  den  Aralsee  (Ist.  S^.!**  16).  „An  diesem  liegt  eine 
Stadt  der  Türken  namens  ,Neustadt'  (bAjAII  KÄjtAl!)^),  in  wel- 
cher es  Muslime  gibt.  Die  zahlreichsten  unter  den  Türken  an 
diesem  Orte  sind  die  Puzen ,  sowohl  Nomaden  als  sesshafte ; 
dieser  Zweig  der  Türken  besteht  aus  drei  Abteilungen :  den 
unteren ,  oberen  und  mittleren.  Sie  sind  die  tapfersten  2)  und 
kleinsten  unter  den  Türken  und  besitzen  die  kleinsten  Augen"  •^). 
Ahnlich  Istachrl:  „Wenn  (der  Fluss  von  Cä6  d.  i.  der  Jaxartes) 
die  Grenze  von  ^'abrän  (jetzt  Saurän)  passiert  hat,  läuft  er 
durch  eine  Steppe ,  wobei  zu  seinen  beiden  Seiten  die  Fuz- 
Türken  sind,  und  erstreckt  sich  bis  einen  Farsang  von  Jangykent 
(.ÜjAÜ  iüJiii)*),  dann  fällt  er  zwei  Tagereisen  von  Jangykent 
in  den  See  von  Chwärizm.  Es  ist  ein  Strom ,  der  bei  seiner 
Mündung  zwei  Drittel  der  Grösse  des  Gaihün  hat.  Auf  ihm  wird 
Korn  nach  Jangykent  gebracht,  wenn  sie  in  Frieden  oder  in  Waffen- 
stillstand leben.  In  Jangykent  gibt  es  Muslime,  trotzdem  es  der 
Königssitz  der  Puzen  ist  und  daselbst  im  Winter  der  König  der 
-Tuzen  residiei't.  In  seiner  Nähe  sind  Gand  und  Chwära ,  wo  es 
Muslime  gibt,  aber  die  Puzen  herrschen.  Der  bedeutendste  dieser 
drei  Orte  ist  Jangykent,  10  Tagereisen  von  Chwärizm  und  20  Tage- 
reisen von  Päräb*^).  Der  Hauptmarkt  der  Puzen  war  al  Gurgänija 
(Gurgäng),  die  zweite  Hauptstadt  von  Chwärizm  (Ist.  ni,  7).  Nach 
einer  andern  Stelle  Mas'üdl's  wohnten  sie  am  schwarzen  und 
weissen  Irtisch,  die  von  ihm  aber  mit  dem  Jajyk  (Ural)  und  der 
Emba  zusammengeworfen  sind.  Offenbar  meint  er  hier  letztere  bei- 
den Flüsse,  an  denen  ehemals  auch  die  Peöenegen  gesessen  hatten  •'). 


-)  Ebenso  Bekri  28,  1 ;  türkisch  c^-^i^  c-*'^.-^  Abu'l  fidä ,  Geogr. 
ed.  Reinaud  p.  1f,  1.  3.  fAA^Al.  II  2,  216.  Vgl.  de  Goeje,  Das  alte 
Bett  des  Oxus  S.  113. 

2)  Vgl.  Mas.  I  288. 

3)  Mas'üdl,  Murüg  I  212. 

*)  Ebenso  Ibn  Rusta  ir,  12;  Abü'l  fidä  sAjJ^II  VjäJL 
^)  Istachrl  nach  L  (epitome  Lugduueusis) ,    den  persischen  Über- 
setzungen E  und  0,   Jäq.  11  f.ö,  4 — 5   und  Ibn  Hauqal,    Bibl.  Geogr. 
11  n\',  11— l^-it^,  5.  IV  458. 

**)  Mas'üdl  sagt  in  der  Beschreibung  der  Flüsse  (Murüg  I  213): 
„Wir  haben  weder  den  schwarzen  noch  den  weissen  Irtisch  erwähnt,  an 
welchem  das  Reich  der  ij-*^J  ü^L^-^i'  Kaimäk  Buiyür  liegt,  eines 
Zweiges   der  Türken  jenseits   des  Flusses  von   Balch  d.  i.  des  Gaihün. 

An  diesen  beiden  Flüssen  wohnen  die  türkischen  Fflz  (lies  K.Ji  «Jtil); 
von  diesen  beiden  Flüssen  gibt  es  Berichte,  wir  haben  jedoch  über  das 
Mass  ihrer  Erstreckuug  über  die  Erde  keine  Kenntnis  erlangt,  so  dass 
wir  es   berichten   könnten".     Im   Kitäb  at  tanblh  T,  6 — 9  rechnet  er 

22* 


340  J-  Marquart, 

Hiernach  kann  es  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir 
die  Sitze  der  Fuzen  zu  Mas'üdi's  Zeit  östlich  von  der  Wolga  zu 
suchen  haben.  Wenn  sie  also  die  Pe^enegen  bekriegen  wollten, 
so  mussten  sie  erst  diesen  Strom,  sei  es  mit  oder  gegen  den  Willen 
der  Chazaren,  überschreiten.  Wollte  man  also  Westbergs  Ansicht 
im  übrigen  zustimmen,  so  müsste  man  in  der  uns  beschäftigenden 
Stelle  des  Mas'üdi  eine  Verwechselung  der  jTuzen  mit  den  Pe^eneg-en 


zu  den  ins  Chazarenmeer  mündenden  grossen  Strömen  „den  schwarzen 
und  den  weissen  Irtlsch,  zwei  mächtige  Ströme,  von  denen  jeder  den 
Tigris  und  Euphrat  übertrifft.  Ihre  Mündungen  liegen  gegen  10  Tage 
auseinander.  An  ihnen  befindet  sich  das  Winter-  und  Sommerlager  der 
Kaimäk-  und  ruz-Türken " .     Vgl.  oben  S.  79  Anm.  1. 

Nach  der  altern  Stelle  in  den  Goldwäschereien  lag  das  Reich  der 
Kaimäk ,  in  Übereinstimmung  mit  GurdezT ,  am  weissen  oder  eigent- 
lichen Irtisch.  Unter  den  beiden  Flüssen,  an  welchen  die  Puzen  wohnten 
und  die  man  dem  Kitäb  at  tanblh  zufolge  als  Mündungen  des  L'tisch 
auffasste ,  hat  man  dagegen  offenbar  den  Jajyk  und  die  Emba  zu  ver- 
stehen ,  die  ins  Kaspische  Meer  münden.  Man  gab  dem  Irtisch  also 
einen  westlichen  Lauf  und  nahm  augenscheinlich  eine  Verbindung  zwi- 
schen Jajyk  und  Tobol  an,  den  man  als  südwestliche  Fortsetzung  statt 
als  Nebenfluss  des  Irtisch  betrachtete.  Ein  ähnlicher  Irrtum  findet 
sich  in  Gurdezi's  Beschreibung  des  Weges  zu  den  Kaimäk  (ßarthold, 
Oxieri,  S.  83),  wo  es  heisst:  „Von  Päräb  läuft  (der  Weg)  nach  Dih-i 
nau  (Jangykent) ,  und  von  Dih-i  nau  läuft  er  zu  den  Kaimäk.  Ein 
Fluss  begegnet,  jenen  Fluss  überschreitet  er,  gerät  zwischen  Sand- 
flächen, welche  die  Türken  ^♦Sj..i^l  (lies  ^ijJ^i  üjük-qum  „Hügel- 
sand"  ?)  nennen.  Von  da  gelangt  er  zu  einem  Flusse,  den  man  •)  vä^ 
(Sogiig;  nennt ;  überschreitest  du  ihn,  so  kommt  eine  Salzregion,  und  von 
da  gelangt  er  zu  einem  Berge,  den  man  .  ^-^Lj  .^iiAÄ5^  (Barthold 
umschreibt  Kendir-tagy  „Hanfberg")  nennt.  (Der  Weg)  läuft  immer 
durch  diese  Flussebene  und  geht  zwischen  Grün  und  Gras  und  Bäumen 
dahin,  bis  er  dahin  gelangt,  wo  die  Quelle  dieses  Flusses  ist,  und  das 
ist  ein  grosser  Berg.  Dann  geht  er  über  den  Berg  auf  einem  schmalen 
Pfad,   und   vom  Kendäwar   tagy  geht   er  hinab  nach  dem  Fluss  Asus 

i)<,ww( ;  dies  ist  ein  Weg,  wo  fünf  Tage  kein  Sonnenstrahl  auf  den 
Menschen  fällt  wegen  des  Schattens  der  Bäume,  bis  er  zu  jenem 
Strome  {..  y^\.:>-)  gelangt,  den  man  Asus  nennt.  Sein  Wasser  war 
schwarz.  Von  der  Grenze  des  Ostens  kommt  er  fortwährend,  bis  er 
zum  Meere  von  Tabaristän  (lies  ..Lä-w^aIj  ^^LJ^c^.J)  gelangt.  Vom 
Flusse  Asus  läuft  (der  Weg)  bis  zum  Flusse  Irtisch ,  welcher  den  Be- 
ginn des  Gebietes  der  Kaimäk  bildet".  Unter  dem  Strome  .ji*.m\  kann 
offenbar  nur  der  Ischim  gemeint  sein,  dem  hier  also  gleichfalls  ein 
südwestlicher  Lauf  zum  Kaspischen  Meere  zugeschrieben  wird. 

Istachrl  ffT,  4  =  Ibn  Hauq.  ^aI,  17  lässt  den  Itil  in  der  Nähe 
der  ChircbTz  entspringen  und  dann  zwischen  den  Kaimäk  und  Fxxz 
dahinfliessen  und  die  Grenze  zwischen  diesen  Stämmen  bilden.  „Dann 
entfernt  er  sich  westwärts  hinter  Bulyär  und  kehrt  wiederum  nach 
Osten  zurück,  bis  er  an  den  Rös  vorbeikommt,  dann  Bub/är  passiert, 
dann  Burtäs,  bis  er  ins  Chazarenmeer  fällt".  Augenscheinlich  gilt  der 
Irtisch  dem  Istachrl  als  ein  Quellfluss  der  Wolga. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  341 

annehmen.  Allein  der  Text  selbst  weist  auf  eine  andere,  mit  den 
wirklichen  Verhältnissen  besser  stimmende  Lösung.  „Dieses  Wasser, 
dessen  Verzweigungen  vom  Meere  der  Chazaren  an  mit  dem  Pontos- 
meere  in  Verbindung  stehen,  so  dass  die  Tuzen  es  mit  ihren  Reiter- 
scharen überschreiten",  ist  zunächst  die  Wolga,  Von  dieser 
heben  ja  auch  Abu  Hamid  al  AndalusT  und  Bäkuwi  hervor,  dass 
sie  in  ihrem  Unterlaufe  im  Winter  zufriere  i).  Westbergs 
Unterscheidung  des  chazarischen  Postens  gegen  die  Tuzen  von  der 
Besatzung  am  Kanal  des  Pontos  (in  Tmutorokan)  ist  demnach 
ganz  richtig,  nur  ist  jener  nicht  an  den  Ausfluss  des  Don,  sondern 
an  die  untere  Wolga  zu  setzen. 

Damit  ist  freilich  noch  nicht  erklärt,  wie  die  seltsam  ver- 
worrene Vorstellung  Mas'üdi's  zu  Stande  gekommen  ist.  Das  Ge- 
biet auf  „jener  Seite  der  Steppe,  die  sich  fortsetzt  vom  Chazarenfluss 
bis  zum  Kanäle  des  Pontos"  (S.  330,  10 — 12)  und  wo  wir  uns  nach 
Mas'üdi  die  Tuzen  zu  denken  hätten,  war  ehemals  das  Land  der 
Magyaren,  die  in  Karch  d.i.  Tmutorokan  ihren  Hauptmarkt  hatten. 
Dass  Mas'üdi  von  diesen  früheren  Verhältnissen  Kunde  erhalten  hatte, 
haben  wir  oben  (S.  149.  152 — 155)  gezeigt.  Er  hatte  von  einer 
Stadt  der  c-ij  Baiyar  d.  i.  der  Magyaren  an  der  Maiotis  gehört, 
die  er  aber  in  unglaublicher  Verwirrung  mit  der  Handelsstadt  Bul/är 
an  der  oberen  Wolga  zusammenwarf.  Seine  Nachrichten  über  die 
Maiotis  gehen  z.  T.  auf  antike  Quellen  zurück,  und  so  ist  es  sehr 
wohl  möglich,  dass  er  auch  vom  Zufrieren  des  kimmerischen 
Bosporos  gehört  hatte,  von  dem  schon  Herodot  und  Strabon  be- 
richtet hatten.  Über  den  zugefrornen  Bosporos  zogen  nach  Herodot 
schon  die  diesseits  des  „Grabens"  d.  i.  des  Faulen  Meeres  wohnen- 
den Skythen  gegen  die  Sinder  auf  der  Halbinsel  Taman-);  auf 
demselben  Wege  waren  offenbar  auch  die  Hunnen  vom  östlichen 
Ufer  der  Maiotis  nach  Skythien  gelangt^),  und  es  ist  wohl  denk- 
bar ,  dass  ähnliches  auch  von  den  Magyaren  erzählt  wurde.  Der 
Slawenapostel  Konstantin  traf  sie  irgendwo  östlich  von  Cherson 
(oben  S.  14).  Es  ist  aber  Mas'üdi  sehr  wohl  zuzutrauen,  dass  er 
eine  ältere  Nachricht,  die  erzählte,  wie  die  ehemals  auf  der  Ost- 
seite der  Maiotis  wohnenden,  zu  seiner  Zeit  aber  hier  längst  ver- 
schollenen Magyaren  (,i-ij)  über  den  gefrornen  Bosporos  nach  der 
Krim  übersetzten,  mit  einer  neuern  Kmide,  dass  die  Puz  im  Winter 
manchmal  über  das  Eis  der  AVolga  ins  Chazarenreich  einbrachen, 
zusammengeworfen  hat. 


1)  Dorn,  Melanges  as.  VI  704  ff.,  citiert  von  Westberg  S.  289  f. 

*)  Her.  4,  28.  Vgl.  meine  Untersuchungen  zur  Geschichte  von 
Eran  II  94  f.  Rieh.  Löwe,  Die  Überreste  der  Germanen  am  Schwarzen 
Meer  S.  28. 

8)  Vgl.  die  Stammsage  bei  Jordan.  Get.  c.  24  §  123/24.  Prokop. 
de  hello  Gotth.  IV  5  p.  476,  20—477,  12  (aus  Priskos). 


342  J-  Marquart, 

Der  Name  des  Russenstammes,  den  Mas'üdT  in  den  Gold- 
wäscliereien  xiLcö JJ  ]  cd  Lüdyäna  nennt,  wird  im  Kitäb  at  tanblh 
\f\ ,  1  Ä-iiyo^Ji  aJ  Küdkäna  geschrieben.  Die  für  die  Geschichte 
der  Warangen  wichtige  Stelle  lautet:  „Der  sechste  Übergang  (von 
Kleinasien  nach  Konstantinopel)  heisst  ,uX.ji  Abydos.  Dies  ist  die 
Mündung  des  Kanals  der  sich  ins  ägyptische  und  syrische  Meer 
ergiesst  und  vom  Maiotismeer,  welches  Chazarenmeer  genannt  wird, 
seinen  Anfang  nimmt.  Seine  Breite  beträgt  beim  Beginn  gegen 
10  Meilen.  Hier  (d.  h.  beim  Beginne  des  Kanals)  ist  eine  Stadt 
der  Romäer  namens  aZ  il/wsan??ä^  („Wellenbrecher")^),  welche  die 
Schiffe  der  Küdkäna  und  anderer  Russenstämme,  die  durch  jenes 
Meer  herabfahren,  abwehrt.  Die  Romäer  nennen  sie  La*«^^  Rüsi'ä 
(QovaLOi)  d.  h.  ,die  Roten'.  Viele  von  ihnen  sind  übrigens  in 
gegenwärtiger  Zeit  bereits  dem  Reiche  der  Romäer  beigetreten  2), 
wie  auch  die  Armenier  und  Buryar,  die  ein  Zweig  der  Slawen 
sind,  imd  die  türkischen  Peöenegen,  so  dass  sie  mit  ihnen  viele 
ihrer  in  der  Nähe  der  syrischen  Militärgrenze  gelegenen  Festungen 
belegten  und  sie  gegen  die  Burgän  und  andere  ihnen  fremd  gegen- 
überstehende und  ihr  Reich  umgebende  Nationen  verwandten"  3). 
In  diesem  Berichte  ist  bemerkenswert,  dass  die  Bulgaren  (Burj'ar) 
bereits  als  slawisches  Volk  bezeichnet  werden ,  wie  bei  IbrähTm 
b.  Ja'qüb,  sowie  dass  die  byzantinische  Namensform  ^Povöiot  für 
das  gewöhnliche  'Pcog,  die  als  Adjektiv  „rot"  bedeutet  und  sich 
erstmals  bei  Konstantinos  Porphyrogennetos  im  Jahre  949  findet 
und  dann  ausdrücklich  von  Liudprand  bezeugt  ist*),  bereits  dem 
Araber  Mas'üdi  im  Jahre  955  bekannt  war.  Dass  auch  die 
Bulgaren  um  diese  Zeit  beim  Romäerkaiser  Dienste  nahmen,  ist 
bei  den  engen  Beziehungen ,  die  zwischen  dem  Garen  Peter 
(927 — 968)  und  seinem  Schwiegervater  herrschten,  sehr  begreif- 
lich. Die  Rös  sind  als  Mietstruppen  besonders  zur  See  in  der 
Periode  von  902 — 968  häufig  bezeugt  S).  Willkommen  ist  aber 
das  Zeugnis  betreffs  der  Peöenegen. 

Hält  man  sich  an  die  oben  angeführte  Stelle  des  Kitäb  at 
tanblh,  so  hat  man  unter  den  &.jLcö^JÜl  bezw.  ^üLS^lJ^Ü  un- 
streitig   Russen    zu   verstehen,   welche  vom  Schwarzen  Meere  her 


1)  Vgl.  Ibn  Chord.  \.f,  8  und  de  Goejes  Anmerkung  zur  Übs. 
p.  75.  Tomas chek.  Zur  historischeu  Topographie  von  Kleinasien  im 
Mittelalter  S.  3. 

2)  Nämlich  als  Söldner  in  der  kaiserlichen  Garde. 

3)  Mas'üdi,  Kitäb  at  tanblh  if.,  14— Ifl,  5.  Vgl.  die  Übs.  von 
Carra  de  Vaux,  Le  livre  de  l'avertissement.    Paris  1896,  p.  194. 

^)  E.  Kunik  bei  Dorn,  Caspia  223.  395. 

6)  E.  Kunik  in  Dorns  Caspia  36.  Rambaud,  L'Empire  Grec 
p.  387—390,  citiert  bei  W.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen 
Staates  S.  24. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  343 

schon  zweimal  die  romäische  Hauptstadt  bedroht  hatten.  Da  nun 
diese  ohne  Zweifel  ursprünglich  aus  dem  östlichen  Skandinavien 
stammten,  so  denkt  de  Goeje  bei  jenem  Namen,  wenn  auch 
zögernd ,  an  die  Insel  Gotland  und  schlägt  die  Lesung  ^j^J>jX!  i 
vor.  Allein  das  ^  nach  o  wird  durch  die  Schreibung  mit  t  in 
den  älteren  Goldwäschereien  gesichert.  Sodann  heissen  die  Ein- 
wohner von  Gotland  (isländisch)  oder  Gütland  (so  in  der  Gutasaga 
und  im  Gutalag)  altgutnisch  Guti  (mit  kurzem  u),  gen.  pl.  Gutna^ 
in  den  altrussischen  Chroniken  und  Urkunden  FoTLi ,  das  zu- 
gehörige Adjektiv  gutnishr  *).  Endlich  findet  sich  unter  den  vielen 
rassischen  Personennamen  nordischen  Ursprungs,  die  uns  in  den 
Chroniken  und  Verträgen  aus  der  ältesten  russischen  Geschichte 
erhalten  sind,  „keiner  von  den  zahlreichen  Namen,  die  aus- 
schliesslich auf  der  Insel  Gottland  gebräuchlich  sind,  obwohl  man 
erwarten  könnte ,  dass  diese  Insel  seit  alten  Zeiten  eine  Brücke 
zwischen  Schweden  und  Russland  gewesen  wäre"  ^).  Dieselben 
weisen  vielmehr  sehr  bestimmt  auf  Schweden  und  zwar  speziell 
auf  die  Landschaften  üpland,  Södennannland  und  Östergötland 
als  Heimat  ihrer  Träger  hin.  Eine  nennswerte  Beteiligung  der 
Insel  Gotland  an  der  Auswanderung  nach  Russland  zur  Wikinger- 
zeit erscheint  demnach  ausgeschlossen,  obwohl  dieselbe  nach  Aus- 
weis der  Münzfunde  seit  dem  10.  Jahrhundert  der  Mittelpunkt 
des  Handels  zwischen  Skandinavien  und  dem  muslimischen  Osten 
gewesen  zu  sein  scheint. 

Wir  haben  also  nur  mit  -gäna  als  zweitem  Element  des  uns 
beschäftigenden  Namens  zu  rechnen.  Der  einzige  Name  aber, 
welcher,  von  den  TavqoGKvd'ai  der  Byzantiner  abgesehen,  im  Osten 
mit  dem  der  Rös  konkurriert,  ist  der  der  BccQayyoi,  altrussisch 
Warjag%  {*Wmyg7>),  pl.   Warjazi. 

In  der  russischen  Chronik  erscheint  der  Name  der  Waräger 
schon  in  der  Erzählung  über  den  Ursprung  des  russischen  Staates, 
wo  es  unter  dem  Jahre  6367  (859)  heisst:  „Les  Varfegues  d'outre- 
mer  se  firent  payer  tribut  par  les  Tchoudes  et  les  Slaves,  par 
les  Meriens ,  les  Ves  et  les  Krivitches"  ^).  Unter  den  Truppen, 
mit  denen  Oleg  in  den  Jahren  880/881  Smolensk  eroberte  und 
gegen  Kyjew  zog ,  werden  an  erster  Stelle  die  Waräger  genannt, 
und  dass  diesen  schon  damals  der  Weg  nach  dem  Romäerreiche 
keineswegs  unbekannt  war,  beweisen  die  Worte,  mit  denen  Olegs 
Abgesandte  den  Dir  und  Askold  täuschen:  „Nous  sommes  des 
etrangers ,  nous  allons  en  Grece  de  la  part  des  princes  Oleg  et 
Igor"*).     An  der  Sj^itze  der  zahlreichen  Hilfsvölker,  welche  Oleg 


^)  E.  Kunik   in  Dorns  Caspia  244  Anm.     Noreen,  Grundriss  f. 
germ.  Phil.  I  495. 

^)  W.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  S.  77. 
^)  Chronique  dite  de  Nestor  eh.  14  trad.  par  L.  Leger  p.  14. 
*)  Nestor  Kap.  18  p.  17. 


344  J-  Marquart, 

im  Jahre  907  gegen  Konstantinopel  führte,  stehen  wiederum  die 
Waräger  (eb.  Kap.  21),  und  als  Igor  sich  zu  seinem  zweiten 
Zuge  gegen  das  Romäerreich  rüstete,  sandte  er  zu  den  Warägern 
jenseits  des  Meeres,  um  sie  gegen  die  Griechen  aufzurufen.  Diese 
folgten  dem  Rufe  und  werden  abermals  als  das  erste  der  vom 
Grossfürsten  aufgebotenen  Völker  aufgeführt;  neben  ihnen  stehen 
aber  diesmal  die  Russen,  die  also  ausdrücklieh  von  ihnen  unter- 
schieden werden  i).  Während  wir  unter  letzteren  die  schon  längst 
in  Kyjew  angesiedelten  und  damals  beinahe  slawisierten  Nordleute 
zu  verstehen  haben,  sind  die  Waräger  fremde  Söldner,  die  immer 
aufs  neue  von  jenseits  des  Meeres  d.  h.  vor  allem  aus  Schweden 
nach  Russland  strömten. 

In  der  byzantinischen  Literatur  begegnen  uns  die  BaQayyot 
als  fremdes  Söldnerkorps  zuerst  unter  dem  J.  1034,  verschiedene 
Anzeichen  weisen  jedoch  darauf  hin,  dass  dieses  Korps  schon 
mindestens  ein  halbes  Jahrhundert  früher  bestand.  Die  russische 
Chronik  erzählt  unter  dem  J.  980,  dass  Wladimir,  nachdem  er 
mit  Hilfe  der  Waräger  seinen  Bruder  Jaropolk  beseitigt  und  sich 
Kyjews  bemächtigt  hatte,  den  grössten  Teil  der  ihm  unbequem 
werdenden  warägischen  Söldner  nach  Konstantinopel  abgeschoben 
habe.  „Et  il  envoya  devant  eux  des  ambassadeurs  ä  l'empereur 
disant:  Voici  que  les  Varfegues  vont  chez  toi;  ne  les  garde  pas 
dans  la  ville ;  car  ils  feront  du  mal  comme  ils  en  ont  fait  ici; 
mais  disperse-les  de  divers  cötes  et  n'en  laisse  pas  un  seul  revenir 
par  ici"  2).  Es  wird  nicht  überflüssig  sein  gleich  hier  zu  be- 
merken, dass  die  Romäer  genau  so  schon  zu  Mas'üdi's  Zeit  mit 
den  bei  ihnen  in  Sold  getretenen  Russen  verfuhren.  In  den  nor- 
dischen Sagas  finden  wir  schon  vor  950  zwei  Beispiele  von 
Griechenlandsfahrern:  Thorkel  Thjöstarsson ,  der  im  Dienste  des 
byzantinischen  Kaisers  stand,  und  Eyvind  Bjarnason,  der  als  Kauf- 
mann nach  Miklagard  kam.  Noch  viel  früher  als  die  Norweger 
müssen  natürlich  die  Schweden,  die  mit  ihren  in  Kyjew  an- 
sässigen Landsleuten  in  steter  Verbindung  blieben,  nach  Byzanz 
gekommen  sein-^). 

Man  könnte  also  erwarten,  dass  der  Name  der  Warangen 
auch  in  Byzanz  viel  früher  bekannt  gewesen  wäre,  als  er  uns  in 
der  Literatur  entgegentritt.  E.  Kunik  glaubt  in  der  That  bei  Leo 
von  Ostia  einen  Beweis  dafür  entdeckt  zu  haben,  dass  bereits  zur 
Zeit  Ottos  des  Grossen  jene  Bezeichnung  für  eine  kaiserliche  Truppe 
gebräuchlich  gewesen  sei*).  In  seiner  nach  1098  abgefassten 
Chronik  des  Klosters  Monte  Cassino  macht   derselbe   bei  Gelegen- 


1)  Nestor  Kap.  26.  27  p.  34.  35. 

2)  Nestor  Kap.  38  p.  64. 

3)  Vgl.  E.  Kunik  bei  Dorn,  Caspia  S.  35.    W.  Thomseu,  Der 
Ursprung  des  russischen  Staates  lll  ff. 

*)  Kunik  in  Doms  Caspia  376—379.  406—409. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  345 

heit  des  Aufstandes  der  Apulier  gegen  die  griechische  Herrschaft 
im  Jahre  1009  die  Bemerkung:  „Cum  superbiam  insolentiamque 
Grecorum,  qui  non  multo  ante,  a  tempore  scilicet  primi  Ottönis 
Apuliam  sibi  Calabriamque ,  sociatis  in  auxilium  suum  Danis, 
Russis  et  Gualanis ,  vendicaverant ,  Äpuli  ferre  non  possent ,  .  .  .  . 
cum  Melo  et  Datto  rebellant".  Für  Gudlani  gebraucht  Leo  unter 
dem  Jahre  1041,  wo  er  den  lateinischen  Chronisten  Amatus  aus- 
schreibt, die  Form  Guarani^  die  sich  auch  in  einer  auf  das  Jahr 
1022  zu  beziehenden  Notiz  über  Kaiser  Heinrich  II.  findet,  die 
in  eine  Schrift  des  Petrus  diaconus  Casinensis  (MG.  SS.  3 ,  219) 
eingeschaltet  worden  ist.  Gualani  und  Guarani  sind  romanische 
Umgestaltungen  von  Bdqayyoi'^).  Kunik  bezieht  jene  Zwischen- 
bemerkung Leo's  auf  den  Abfall  Kalabriens  und  Apuliens  sowie 
der  Fürsten  von  Capua,  Benevent  und  Salerno  von  den  Byzantinern, 
der  von  934  bis  940  gedauert  zu  haben  scheint,  und  da  Leo 
sehr  sorgfältig  gearbeitet  und  auch  eine  Anzahl  für  uns  ver- 
lorner Quellen  benutzt  hat,  so  nimmt  Kunik  unbedenklich  an, 
dass  er  die  Namen  jener  Hilfsvölker  der  Byzantiner  schon  in  einer 
altern  Quelle  vorgefunden  habe.  Dabei  wäre  jedoch  sicher  an 
keine  zeitgenössische  Aufzeichnung  zu  denken:  gegen  eine  solche 
spricht  schon  die  sehr  unbestimmte  Datierung.  Allerdings  spricht 
der  Kaiser  Konstantinos  Porphyrogennetos ,  wo  er  die  934  und 
935  von  Konstantinopel  aus  anfangs  zur  Unterdrückung  des  Auf- 
standes nach  Unteritalien  abgesandten  Truppen  aufzählt,  nur  von 
7  Schiffen  und  415  Mann  der  Rös'^),  doch  würde  dies  gegen  jene 
Annahme  nicht  allzuschwer  ins  Gewicht  fallen.  Dagegen  scheint 
freilich  die  Zusammenstellung  Russi  et  Gualani  dem  byzantini- 
schen Sprachgebrauch  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts zu  entsprechen,  wie  sich  aus  einigen  Urkunden  ergibt,  in 
denen  wir  ^P&g  BocQccyyoi  bezw.  'PcoGoi  BaQavvoi  verbunden  finden  ^), 
während  Dani  neben  Nortmanni  die  gewöhnliche  westeuropäische 
Bezeichnung  der  nordischen  Wikinger  ist.  Jene  Namen  werden 
also  bestenfalls  der  Quelle  angehören,  welcher  Leo  den  Bericht 
über  den  Aufstand  von  1009  entnommen  hat,  noch  wahrschein- 
licher bleibt  aber,  dass  er  bei  der  Einfügung  der  fraglichen  Notiz 
jenem  byzantinischen  Sprachgebrauche  gefolgt  ist. 

Auf  das  Zeugnis  Leo's  für  das  Bekanntsein  des  Warangen- 
namens in  Byzanz  um  935  und  das  gleichzeitige  Bestehen  einer 
so  benannten  fremden  Soldtruppe  wird  man  somit  verzichten 
müssen.  Wollte  man  trotzdem  Mas'üdfs  iüLco^JLi!  bezw.  Nil^öji^i! 
mit    den  Bdqayyoi  und   Warjazi  verknüpfen,    so    wäre    dies    nur 


1)  Schon  Reiske    zu  Konstantin.  Porphyrog.  de   caerim.  II  150 
=  475  hatte  die  Gleichheit  von  Gualani  und  Warangen  erkannt. 
-)  De  caerim.  II  44  p.  660  ed.  Bonn. 
3)  Kunik  a.  a.  0.  S.  378  f.  Thomsen  a.  a.  0.  121. 


346  J-  Marquart, 

möglich    unter    Zulassung    mehrerer    kühner    und    schwer    erweis- 
barer Hypothesen. 

Kunik  hat  zuerst  das  dem  byz.  BdQayyoi,  altruss.  Warjazi 
entsprechende  westnordische  Wort  vcermgi ,  pl.  vceringjar  vom 
altnord.  Plural  vdrar  , Gelübde,  verpfändete  Treue"  abgeleitet  und 
mit  dem  ags.  tvcergenga  und  dem  vcaregang  der  langobardischen 
Gesetze ,  dem  wargengus  der  Lex  Francorum  Chamavorum  zu- 
sammengestellt. Sowohl  vceringi  wie  die  verwandten  angelsächsi- 
schen, langobardischen  und  fränkischen  Ausdrücke  bezeichnen  einen 
Fremden ,  der  sich  in  den  Schutz  des  Königs  begibt  und  um  ein 
Gelübde  der  Sicherheit  (tvärä)  nachsucht.  Auf  Grund  dieses 
Schutzgelübdes  gemessen  die  vceringjar  wie  die  waregangi  eine 
bevorzugte  Stellung ')  und  ist  ihr  Wergeid  z.  B.  nach  der  Lex 
Chamavorum  dreimal  so  hoch  als  das  eines  gewöhnlichen  Freien-). 
Während  aber  sowohl  Kunik  wie  Thomsen  das  nordische 
voeringr  oder  vceringi  zwar  als  ein  mit  waregang ^  wcergenga  ver 
wandtes  Wort,  aber  als  eine  selbstständige  Bildung  auf  -ingi  auf- 
fassten ,  hat  man  seither  erkannt ,  dass  das  nordische  Wort  mit 
den  genannten  Ausdrücken  auch  formell  geradezu  identisch  ist. 
Des  Ausfall  des  5  in  vckrenge  findet  sich  ebenso  in  forenge  = 
ags.  foregenga  „Vorsteher"^).  Schwierigkeit  macht  es  aber,  das 
Alter  desselben  festzustellen.  Der  im  Vertrage  von  912  vor- 
kommende Personenname  Ruar  ==  altisl.  Hröarr  neben  Hrödgeirr^ 
ags.  Hröägdr  zeigt  ihn  bereits,  ja  in  dem  hahaisla  =  an.  Hdisl 
des  Steines  von  Möjebro  in  Schweden  ist  er  schon  urnordisch*). 
Es  ist  daher  mindestens  fraglich ,  ob  das  nordische  vcerenge  im 
9.  Jahrhundert  im  Altschwedischen  noch  *wärgang  oder  ^ivärgenge 
lautete.  In  diesem  Falle  müsste  man  überdies  erwarten,  dass  die 
Slawen  diese  ältere  und  nicht  die  jüngere  Form  mit  Ausfall  des 
g  entlehnt  hätten. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  uns  beschäftigenden  Namen 
bei  Mas'üdl,  so  fragt  sich  zunächst,  welche  der  beiden  überlieferten 
Formen  desselben  vorzuziehen  ist.  Allerdings  besitzen  wir  leider 
noch  keine  kritische  Ausgabe  der  Goldwäschereien ,  allein  da  die 
Pariser  Herausgeber  gar  keine  Variante  zu  dem  Namen  angeben, 
so  wird  das  anlautende  l  wohl  als  handschriftliche  Überlieferung 
zu  gelten  und  wird  man,  da  die  Goldwäschereien  das  ältere  Werk 


1)  Kunik  a.a.O.  248— 253.  371— 375.421.  Thomsen  a.  a.  0.  125 ff. 

2)  Kunik  a.  a.  0.  S.  249.  Über  die  bevorrechtete  Stelhuig  der 
Waräger  in  der  russischen  Pravda  s.  Heinzel,  Über  die  Hervararsaga. 
SBWA.  114,  1887,  502  ff. 

^)  N Green  in  Pauls  Grundriss  für  german.  Phil.  I'^  S.  577. 

*)  Noreen,  Altisläud.  u.  altnorwegische  Gramm.  §  216,  2  S.  87. 
Vielleicht  zeugt  für  den  Ausfall  des  5  auch  schon  der  Name  des  Bru- 
ders Ruriks  Sineus  =  an.  Signiutr  (Signjötr),  obwohl  die  schwedischen 
Runensteine  noch  Sihniutr ,  Sikniot,  Sihniutr  schreiben,  und  die  Ver- 
bindung gn  in  Mogz7iedh  =  an.  Ragnheiör,  Jiagneidr  erhalten  ist. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  347 

sind,  von  der  Form  ä.jLc.oJLJ1  auszugehen  haben,  aus  welcher 
das  iuLy  Ö^J  \  des  zwölf  Jahre  späteren  Kitäb  at  tanblh  leicht  ver- 
derbt werden  konnte.  Will  man  aber  XJL&JJlJ!  mit  dem  voraus- 
gesetzten schwedischen  *wä7-gang  zusammenbringen,  so  ist  die  not- 
wendige Voraussetzung,  dass  Mas'üdi  den  Namen  nicht  aus  münd- 
licher Kunde,  sondern  aus  schriftlicher  Quelle  geschöpft  hat.  Es 
ist  nun  bekannt,  dass  im  Arabischen  bei  fremden  Namen,  die  mit 
Hamza  beginnen,  das  l  des  Artikels  leicht  mit  dem  Namen  selbst 
verschmilzt,    wobei    dann    der    Artikel    vielfach    nochmals    gesetzt 

wird,  z.  B.  pL^liJ!  J.x>  für  j.LS'^l  J>.a^  „das  schwarze  Gebirge" 
Ist.  öl,  3  u.  ö,  (aus  syr.  ükkäma)  und  die  häufige  Schreibung 
..|-^J  Lträn,  ..L-JÜl  al  Llrän,  in  Hss.  Mas'üdi's  sogar  ..!jj^  statt 
.^Mi  für  ..LjI,  .M^d^i  ^-  i-  Eran^  Äran  (s.  mein  Eransahr  S.  119), 
sowie    J;J    Ibn    Rusta   lt*'i,  9,     t-S  Muhammad -i  'Aufl,    i^iyc.^\ 

Izvestija  al  Bekri  S.  45,  8  für  .'^^"j,]  al-Avyaz  (ob.  S.  172—176). 
Ein  anderes  Beispiel  haben  wir  bei  Mas'üdi  II  10 — 12  im  Namen 
der  Garde  des  Chazarenbegs,  wo  die  Hss.  zwischen  ay.-«..!    ä.a,w._j.! 
x-ye.bi ,  'iL^^^Sii  und  KxAv.^Jl  schwanken.    So  könnte  auch  KiLcO^Jl 
zunächst    aus    iüLiö^^i    und    dies    aus    iCiLc.»^!    verdorben    sein. 

Was  den  Anlaut  au  statt  wa  betrifft ,  so  hätten  wir  dafür  aber- 
mals eine  Analogie  bei  Mas'üdi  selbst,  der  den  Namen  der  be- 
kannten Landschaft  Wachän  am  oberen  Oxus,  die  sicher  nie  anders 
geheissen  hat,  da  ihr  Name  unzweifelhaft  von  dem  sie  durch- 
strömenden Wach-ab  (jetzt  Päng)  abgeleitet  ist,  sowohl  in  den 
Goldwäschereien  I  213  wie  im  Kitäb  at  tanblh  I  1f,  10  .^Irs-^l 
Auchän  schreibt.  Die  beiden  Fälle  sind  indessen,  wie  zuzugeben  ist, 
nicht  ganz  gleichartig,  da  das  vorauszusetzende  altschwed.  *wärgang 
ein  langes  ä  hat ;  doch  Hesse  sich  zur  Not  denken,  dass  iüLiJ JÜl 
über  &.i'Li;  .^'^l  aus  KiLc  .LJ I  *a^  Wäryäna  entstanden  wäre ,  was 
der  Grundform  ^wärgang  immerhin  näher  stünde.  Wie  wenig 
aber  gerade  bei  Mas'üdi  derartige  Fehler  zu  den  Unmöglichkeiten 
gehören,  zeigt  ein  anderer  Fall,  wo  er  den  Namen  des  bekannten 

Feuers  y^/ix^   .01  ASar  gusnasp  in  ^j>  .ö!  verballhornt,  eine 

Verstümmelung  die  freilich  schon  in  der  Hs.  A  des  Ibn  Chord. 
If,,  1  und  bei  Ibn  al  Faq.  CaI^,  3  vorkommt  und  auch  in  die  neu- 
persischen Wörterbücher  übergegangen  ist,  und  dazu  sogar  eine 
Etymologie  erfindet ').    Eine  völlige  Übereinstimmung  der  Namens- 


1)  Kitäb  at  tanbih  lö,  13. 


348  'J-  Marquart, 

form  Mas'üdT's  mit  der  vorausgesetzten  Grundform  lässt  sich  aber 
auch  so  nicht  erzielen  und  es  bliebe  unerklärt,  weshalb  die  Silbe 

-awo,  -enge  durch  -äna  und  nicht  durch  K^-j  KKi_  wieder- 
gegeben wäre  ,  wie  z.  B.  im  Namen  der  Franken.  Man  müsste 
endlich  annehmen,  dass  die  Notiz  über  die  KiliOj.i.J^  zu  denjenigen 
Elementen  des  Berichtes  über  die  Russen  gehöre,  die  aus  einer 
älteren  Quelle  stammen,  welche  die  Rös  noch  als  ein  an  der  Ost- 
see hausendes  Volk  kannte  und  gleich  der  russischen  Chronik 
eine  gewisse  Kunde  davon  hatte,  dass  sie  eigentlich  wärgenge 
hiessen. 

Diese  ganze  Beweisführung  wird  indessen  andere  ebensowenig 
befriedigen  wie  mich  selbst,  und  wenn  wir  somit  gestehen  müssen 
dass  wir  uns  in  eine  Sackgasse  verrannt  haben,  so  bleibt  nichts 
anderes  übrig,  als  wieder  zum  Eingang  zurückzukehren.  Sehen 
wir  uns  also  nochmals  den  Beginn  des  Berichtes  der  Goldwäsche- 
reien genauer  an,  so  fällt  uns  auf,  dass  Masüdi  von  den  al  Lud- 
2'äna  hervorhebt,  dass  sie  Handel  treiben  nach  den  Ländern  von 
Andalus,  Rürntja,  Konstantinopel  und  der  Chazaren.  Er  stellt 
also  Spanien  und  Rom  voran.  Nun  zeigt  allerdings  die  russische 
Chronik  (Kap.  4),  dass  man  in  Russland  wusste ,  dass  es  vom 
Warägermeere  aus  einen  Seeweg  (durch  die  Säulen  des  Herakles) 
nach  Rom,  von  da  nach  Konstantinopel  und  von  da  in  den  Pontos 
und  zur  Dnjeprmündung  gab,  ja  wenn  man  der  Chronik  glauben 
wollte,  wäre  dieser  wie  die  andern  von  ihr  aufgeführten  Wasser- 
wege schon  vor  der  Pestsetzung  der  Russen  in  Kyjew  bekannt 
gewesen.  Allein  die  Russen  d.  h.  die  Ostskandinavier  (Schweden) 
sind  als  Kaufleute  wohl  ins  Chazarenland  und  nach  Konstantinopel, 
nicht  aber,  soviel  bekannt,  nach  den  beiden  südeuropäischen  Halb- 
inseln gelangt,  und  so  scheint  die  nächstliegende  Auffassung  der 
Stelle  die  zu  sein ,  dass  Mas'üdi  die  Rös  mit  den  dänischen  Nor- 
mannen, welche  Spanien  und  859  oder  860  sogar  Italien  i)  mit  ihren 
Raubzügen  heimsuchten  und  die  von  den  spanischen  Arabern 
y/,^^  genannt  wurden,  gleichsetzte.  Die  Gleichung  der  Magüs 
mit  den  Rös  stellt  er  in  der  That  I,  364 f.  auf,  freilich  nur  als 
eigene  Vermutung.  Da  aber  der  Name  Rös  den  spanischen  Arabern 
unbekannt  war,  so  würde  man  mit  zwingender  Notwendigkeit  zu 
der  Annahme  gedrängt,  dass  in  iüUL>^ii  eine  spanisch-arabische 
Bezeichnung  der  dänischen  Normannen  stecken  müsse.  In  den 
spanisch  -  arabischen  Quellen  werden  dieselben  allerdings  meist 
ij^y^  genannt,  was  einfach  Heiden  bedeutet,  allein  später  begegnet 

dafür    auch    der   Ausdruck   ^.,^Uo^^l    al  Ordomämjün  „Nord- 
mannen", zuerst  in  dem  Berichte  des  Ihn  A^ärl  über  den  Dänen- 


^)  Steenstrup,  Normannerne  II  298 — 301. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  349 

einfall  von  971  n.  Chr.^).  Die  lateinische  Chronik  von  Albelda 
(C.  59.  60)  nennt  sie  schon  bei  ihrem  ersten  Wikingerzug  im 
J.  844  Lordomani.  Im  Chronicon  Lusitanum  unter  dem  J.  1016 
heissen  sie  Lormanes ,  und  in  einer  Urkunde  Alfonso's  V.  vom 
29.  Oktober  1024  Leodemani").  Die  Annahme,  dass  diese  Be- 
zeichnung auch  den  spanischen  Muslimen  schon  zu  Mas'üdis  Zeit 
bekannt  war,  hat  nichts  Unwahrscheinliches,  und  es  scheint  daher 

äusserst  naheliegend,  in  iüLcoJLJi  eine  Verschreibung  für  iüLoO JlJl 
bezw.  &.jL*0.^!  zu  sehen.     Zur  Stütze  dieser  Ansicht  könnte  man 

sich  noch  darauf  berufen ,  dass  Mas'udl's  jüngerer  Zeitgenosse 
Liudprand  Nordmanni  als  westeuropäische  Bezeichnung  des  Volkes 
angibt ,  das  die  Griechen  ßüsii  nennen  ^) ,  genau  so  wie  Mas'üdi 
im  Kitäb  at  tanbih  bemerkt,  dass  die  ü^iL/OjJÜ!  und  andere 
Russenstämme    bei    den   Romäern  Rüsiä    d.  i.    die  Roten    hiessen. 

Dieser  scheinbar  so  einfachen  Lösung  steht  aber  entgegen, 
dass  nach  Mas'üdi  die  ioLc.L>JLi!  als  Kaufleute  nach  Spanien 
und  Italien  kamen,  während  die  arabischen  sowohl  wie  die  lateinischen 
Geschichtsquellen  Spaniens  die  Magus  bezw.  Normannen  {Lordo- 
m.ani)  nur  als  Seeräuber  kennen  und  von  einem  friedlichen  Ver- 
kehre derselben  mit  Spanien  nichts  wissen.  Es  haben  sich  aller- 
dings Nachrichten  über  eine  Gesandtschaft  erhalten ,  welche  der 
Emir  Abd  arRahmän  II.  nach  dem  Zuge  des  Jahres  844  an  den 
König  der  Normannen  sandte ;  der  Führer  derselben  war  Jahjä  b. 
al  Hakam  al  Bekrl  al  Pazäl.  Allein  wir  erfahren  daraus  gar  nichts 
über  die  Beziehungen ,  welche  sich  etwa  zwischen  den  beiden 
Fürsten  entwickelten*).  Nichts  deutet  auch  darauf  hin ,  dass  die 
Normannen  etwa  in  derselben  Weise  wie  einst  in  den  friesischen 
Häfen  und  an  den  fränkischen  Gestaden  ^)  zuerst  als  Kauf  leute 
an  der  Küste  Spaniens  erschienen  waren,  ehe  sie  daselbst  plötzlich 
als  beute-  und  blutgierige  Seeräuber  auftraten. 

So  müssen  wir  also  die  Kombination  der  iCJLcöJLJl  mit  den 
nach  Spanien  gekommenen  Normannen  aufgeben  und  bei  den 
russischen  Kaufleuten  stehen  bleiben.  Die  Antwort  aber  auf  die 
Frage,  wie  Mas'üdi  dazu  kommt,  dieselben  bis  nach  Spanien  und 


^)  Dozy,   Recherches  sur  l'histoire  et  la  litterature  de  l'Espaerne 

2)  Dozy  1. 1.  p.  300  n.  2.  302.  338. 

^)  Liudprandi  antapodosis  V  15  p.  107  ed.  Dümmler  in  den 
Script,  rer.  German. :  Gens  quaedam  est  sub  aquilonis  parte  constituta, 
quam  a  qualitate  corporis  Greci  vocant  Povaios  Riisios,  nos  vero  a 
positione  loci  nominamus  Nordmannos. 

*)  Dozy  1.1.  p.  267. 

^)  Vgl.  Dümraler,  Gesch.  des  ostfränk.  Reiches  I^  195. 


350  J-  Marquart, 

Italien  Handel  treiben  zu  lassen,  gibt  ein  Blick  auf  Ibn  Chordä^- 
bihs  Übersicht  der  jüdischen  und  russischen  Handelswege  S.  lof", 
9 — i^ö^  6  =  115 — 116^).  Ibn  Chorda Jbih  beschreibt  zuerst,  wie  die 
jüdischen  Kaufleute  (aus  Spanien)  die  ganze  Welt  von  West  nach 
Ost    und    von    Ost   nach    West    durchreisen.      Sie    heissen    darum 

xljliljJl  (Ibn  al  Faq.  ■^li\J^S>\J\ ,  B  KaJSlX^J!  )  d.  i.  pers.  räh-dän 
„die  wegkundigen ".  Sie  gehen  im  Frankenlande  in  See  und 
begeben  sich  nach  al  Faramä  in  Ägypten,  von  wo  sie  ihre  Waren 
mit  Kamelen  nach  al  Qulzum  (Klysma)  schaffen,  und  schiffen  sich 
hier  auf  dem  Koten  Meere  ein,  worauf  sie  bis  nach  Sind,  Hind  und 
China  gelangen.  Auf  dem  Eückwege  begeben  sie  sich  teils  nach 
Konstantinopel,  teils  nach  der  Residenz  des  Frankenkönigs,  um  ihre 
Waren  abzusetzen.  Eine  andere  Route  führt  von  Antiochia  über 
Land  zum  Euphrat  und  dann  den  Strom  hinab  nach  Ba;'dä(J  und 
weiter  auf  dem  Tigris  nach  Obolla,  wo  die  Seereise  nach  'Oman, 
Sind,  Hind  und  China  beginnt.  Dann  folgen  die  Routen  der 
russischen    Kauf  leute  '^) :    sie    kommen    mit    ihren    Pelzwaren    und 


1)  Ibn  al  FaqTh  l^v.,  7  ff.  gibt  die  Lobrede  eines  Theologen 
Muhammad  b.  Ishäq  auf  Raj  wieder,  in  welche  auch  (fv.,  10— Cvt,  5) 
eine  unvollständige  Fassung  dieser  Itinerare  aufgenommen  ist,  um  die 
Bedeutung  jener  Stadt  als  Stapelplatz  ins  Licht  zu  setzen.  Muhammad 
b.  Ishäq  hält  sich  zwar  im  allgemeinen  eng  an  den .  Wortlaut  Ibn 
Chordädbih's,  hat  aber  auch  selbstständige  sachliche  Änderungen  an- 
gebracht. 

Leider  vermag  ich  die  Lebenszeit  dieses  Gelehrten  nicht  näher  zu 
ermitteln.     Eine   andere   Stelle   des   Ibn  al  FaqTh   (l'^v,  16  =  Jäq.  IV 

Vf ,  10),  nach  welcher  ^Lt^\y!i\    äj4.5>   ^J  ^Läi!    Jcxc    und    i^m^^ 

—  -^     ^j!    ,..j   häufig   bei   ihm   verkehrten   und  Disputationen  hielten, 

lehrt  uns ,  dass  er  in  Hama^än  wohnte ,  wie  auch  al  Husain  b.  Abu 
Sarb.  Sonst  habe  ich  über  diese  beiden  Personen  gleichfalls  nichts 
ausfindig  machen   können;    auch    die    in   der  Disputation   angeführten 

Gewährsmänner    \^X^i\   ^.j   xlit    O^j^c-   W,  5;     ^^,!ÖL-Ui   q..j    v^^^ 

^i\j^4.j^l\  (Dichter)  m,  10.  tr.,  5;  J,Li  ^i  ^4~^\  (Dichter)  r^!,  10. 
Jäq,  IV  986.  989;  ^io  j.jS  (Dichter)  fi^'f,  7  =  Jäq.  II  11,  4  ff .  er- 
geben keine  näheren  Anhaltspunkte  für  die  Zeitbestimmung.  Aus  dem 
Umstände  jedoch,  dass  jene  Itinerare  bei  Muhammad  b.  Ishäq  nicht 
Selbstzweck  sind,  sondern  lediglich  der  Verherrlichung  von  Raj  dienen, 
darf  man  schliessen,  dass  sie  über  eine  Mittelquelle  aus  Ibn  Chord;l(Jbih 
geflossen  sind. 

-)  Muhammad  b.  Ishäq  nennt  sie  Kauf  leute  der  Slawen  und 
braucht  den  Namen  Russen  überhaupt  nicht.  Dieses  erklärt  sich  viel- 
leicht aus  der  Angabe  Ibn  Chordädbih's,  dass  sie  sich  in  Baydadf^  sla- 
wischer Eunuchen  als  Dolmetscher  bedienten  und  sich  auch  wohl  für 
Christen  ausgaben.  So  konnten  sie  obflächlichen  Beobachtern  selbst 
als  Slawen  gelten. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  351 

Schwertern  bald  aus  den  entferntesten  Gegenden  von  ^aqlaba  ins 
Romäermeer  (das  Schwarze  Meer),  worauf  der  König  der  Romäer 
den    Zehnten    von    ihnen    erhebt');    bald    fahren    sie    auf    dem 


^ 


1)  Bei  Ibn  al  Faqih  Tvl,  1—4  lautet  der  folgende  Passus  so: 
öy^l\    (oder  iJ^j^^S)    ij^  "^  <vv    ^l\    y^l]    ^5    ^^L^,    ^^ 

kJLäaiJI  ^   xi  ^Uü   ^jvi!  ^J!  tuX^  S  J^^-^'b^  j^^   l5^' 

d.  h.  , Darauf  kommen  sie  zur  See  nach  Samküs  (Samkars)  der 
Juden,  dann  ziehen  sie  ab  zu  den  Slawen,  darauf  gehen  sie  aus 
vom  Meere  (Ibu  Chordädbih:  reisen  sie  auf  dem  Tanais,  dem  Strome) 
der  Slawen,  bis  sie  zum  Kanal  (Ibn  Chord. :  nach  Cha7nrich ,  der 
Hauptstadt)  der  Chazaren  kommen,  wo  der  Herrscher  der  Chazaren 
den  Zehnten  von  ihnen  erhebt,  dann  gelangen  sie  ins  chorasanische 
Meer  auf  jenem  Flusse,  welcher  der  Slawenfluss  heisst".  Hier  haben 
wir  augenscheinlich  wieder  den  bei  Muqaddasi  so  häufigen  Fall, 
dass  bei  der  Herüberuahme  aus  älteren  Quellen  verschiedene  an- 
einander   gereihte    Itinerare     als    ein    zusammenhängendes    aufgefasst 

worden  sind.  Statt  ^3iÄi>Lj  ^  muss  es,  wie  de  Groeje  bemerkt, 
jedenfalls  ..^LXi>Lj  ^\  heissen.  Dass  die  Lesarten  ÜAiLä/ail  y^.  und 
.1^  ^^*)>^  keine  blossen  Schreibfehler,  sondern  beabsichtigte  sach- 
Hche  Abweichungen  von  Ibn  Chordädbih  sind,  beweist  die  Stilisierung 
des  Satzes  {^    ..3,l\^>Lj,  nicht  ^Ji-c).    Es  beginnt  somit  hier  eine  neue 

Route,  die  ihren  Ausgangspunkt  vom  Slawenmeer  nimmt,  womit  nur  die 
Ostsee  gemeint  sein  kann.  Die  Zollstation  hat  man  sich  an  dem  Kanal 
der  Chazaren  d.  h.  an  dem  Kanal  des  Pontes  (der  Strasse  von  Jeni-Kale) 
zu  denken,  an  welchem  sich  nach  Mas'üdl  eine  Besatzung  des  Chazaren- 
begs  befand,  um  die  aus  dem  Pontos  kommenden  fremden  Schiffe  zu 
kontrollieren  (oben  S.  330,  6—12.  331,  9  ff.  335  f.).  Auch  nach  diesem 
Itinerar  müssten  die  Russen  also  den  Dnjepr  herabgefahren  und  ins 
Schwarze  Meer  eingelaufen  sein,  durch  welches  sie  nach  Umsegelung 
der  Krim  zur  Strasse  von  Kerc  gelangten.  Die  Fahrt  durchs  Azowsche 
Meer  und  den  Don  aufwärts  bis  zum  Wolok  ist  nicht  besonders  er- 
wähnt. Nach  diesem  Texte  ist  also  unter  dem  Slawenfluss  die  Wolga 
zu  verstehen.  Dies  erklärt  sich  aber  daraus,  dass  hier  augenscheinlich 
Don  und  Wolga  als  zwei  Arme  desselben  Stromes  aufgefasst  sind, 
wie  bei  Mas'Qdl  (oben  S.  153).  Mit  Rücksicht  auf  Ihn  Chordä(Jbih 
versetzt  de  Goeje  die  Worte  Ä.JLÄAaJ!  .  .  .  .  j^äJ!  !Jv.^  j.  hinter 
Ä.>.JLÄAaJ!  ^..  Es  ist  sodann  die  Frage,  ob  die  russischen  Kaufleute 
im  Sinne  des  ursprünglichen  Itinerars  erst  auf  dem  Rückwege  von 
Byzanz,  also  auf  dem  Schwarzen  Meere,  nach  Samkars  kamen,  oder 
ob  hier  nicht  vielmehr  eine  neue  Route  beginnt,  die  gleichfalls  den 
Wasserweg  des  Dnjepr  voraussetzt,  so  dass  sie  also  von  der  Mündung 
des  Dnjepr  durch  den  Pontos  nach  Samkars  gesegelt  wären.    In  diesem 


352  J-  Marquart, 

Tanais^),  dem  Slawenstrom  und  passieren  ChamlTch,  die  Haupt- 
stadt der  Chazaren ,  wo  deren  Herrscher  von  ihnen  den  Zehnten 
erhebt.  Hierauf  gelangen  sie  ins  Meer  von  Gurgän ,  wo  sie  bald 
da  bald  dort  landen.  Bisweilen  schaffen  sie  ihre  Waren  auch  auf 
Kamelen  von  Gurgän  über  Eaj  nach  Ba;'dä(3". 

Nach  AufzähluBg  der  Seehandelswege  folgen  die  Landrouten: 

1)  Von  Spanien  oder  dem  Frankenlande  nach  Süs  al  aq9ä, 
Tanga  (Tanger),  Ifriqija  (Qairawän)  nach  der  Hauptstadt  Ägyptens 
und  von  da  über  Ramla  nach  Damaskus,  al  Kufa,  Ba;'dä(3",  al  Ba^ra, 
dann  durch  Chüzistän,  Pars,  Kermän,   Sind  und  Hind  nach  China. 

2)  ,  Manchmal  nehmen  sie  auch  die  Route  hinter  (d.  h. 
nördlich  von)  Rom  durchs  Land  der  Slawen  und  dann  nach 
Chamllch,  der  Hauptstadt  der  Chazaren,  dann  über  das  Meer  von 
Gurgän  und  dann  nach  Balch  und  Transoxiana,  dann  zur  Ordu 
der  Toyuzynz,  dann  nach  China." 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  beiden  grossen  Landwege 
nur  den  jüdischen  Kaufleuten  aus  Spanien  und  Süd- Frankreich 
zugeschrieben  werden,  wie  auch  de  G o  e  j  e  in  einer  kurzen  Note 
zu  seiner  Übersetzung  angedeutet  hat.  Allein  Mas'üdi  hat  die 
zweite  Route  offenbar  auf  die  russischen  Kaufleute  bezogen, 
weil  von  denselben  schon  vorher  gesagt  war,  dass  sie  die  Chazaren- 
hauptstadt  Chamllch  besuchten  und  das  Meer  von  Gurgän  befuhren. 
Dabei  ist  ihm  aber  überdies,  wie  es  scheint,  das  Missgeschick 
passiert,  dass  er  jenen  Beinamen  der  jüdischen  Handelsleute 
fälschlich  auf  die  russischen  bezog.  Sein  KiLc.i3».JLit,  das  er  später 
noch  weiter  in  xi\S3yis^\  verschlimmbessert  hat,  entpuppt  sich 
somit ,    wenn    ich    mich    nicht    täusche ,    als    eine    Verderbnis    aus 

KaÜiA^  J!  -),  die  ganze  Bemerkung  über  diesen  angeblichen  Russen- 


Falle  wäre  statt  .,  »^a.:S?.  ^i  gleichfalls  ^.^j£.j.^,  *,]  und  iu  der  Über- 
setzung beide  Mal  „oder"  statt  der  gesperrten  „darauf"  zu  lesen. 

^)  Die  Hss.  haben  y^^J  und  rv*^.» ,  woraus  de  Goeje  ^J««^AJ 
hergestellt  hat.  Vielleicht  ist  aber  einfach  (jn-j  zu  lesen,  wie  der  Don 
in  der  Legende  des  Oyuz  Chan  bei  Abü'l  Fäzi  heisst  (Radi off,  Das 
Kudatku  bilik.  I.  Text  in  Transskription  S.  XXXIII— XXXIV).  In 
der  uigurischen  Legende  des  Oyuz  Chagan  (eb.  S.  XI — XIII)  wird  nur 
der  Adil  mürän  d.  h.  die  Wolga  und  der  Tarang  mürän  im  Lande  der 
dem  Orus  bek  Untertanen  Saklap  erwähnt. 

Der  Slawenfluss  ist  zunächst  der  Do7i  (s.  oben  S.  198  f.) ;  da  in- 
dessen ein  Wasserweg  auf  diesem  Strome  nicht  bekannt  ist,  so  hat  man 
wohl  anzunehmen ,  dass  der  Don  hier  mit  der  Wolga  verwechselt  ist ; 
vgl.  S.  351  Anm.  1.  Über  den  Wasserweg  auf  der  Wolga  von  Russland 
nach  Bulyär  und  zu  den  Chwalisi   vgl.  die  russische  Chronik  Kap.  IV. 

2)  An  altnord.  lid  „Gefolge,  Kriegerschar "  (Thomsen  a.  a.  0. 
111  A.  1)  kann  nicht  gedacht  werden,  noch  unwahrscheinlicher  ist  eine 
Zusammensetzung  mit  liud,  an.  li'/di-  „Volk".  Entferntere  Möglichkeiten 
(z.  B.  altnord.  hrödr  „Ruhm")  unterdrücke  ich,  da  nur  im  9./10.  Jahr- 
hundert wirklich  gebräuchliche  Namen  in  Betracht  kommen  können. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  353 

stamm  ist  aber  einer  seiner  unglückseligen  eigenen  Zusätze ,  wie 
sie  oben  S.  151  fF.  charakterisiert  sind,  der  mit  dem  Bericht  über 
den  Eussenzug  von  913/14  nichts  zu  thun  hat. 


Der  Ursprung  des  Namens 'Pco?  ist  bekanntlich  gleichfalls 
immer  noch  nicht  befriedigend  erklärt*).  Als  feststehend  darf 
gelten,  dass  weder  die  Russen  noch  irgend  ein  anderer  skandina- 
vischer Stamm  sich  selbst  so  genannt  haben,  sondern  dieser  Name 
ihnen  von  fremden  Völkern  beigelegt  wurde.  Der  einzige  Name 
nun,  welcher  mit  dem  der  Russen  eine  auffallende  Ähnlichkeit  zeigt, 
ist  die  noch  heute  gebräuchliche  Bezeichnung  Schwedens  bei  den 
Ostseefinnen :  finnisch  Muotsi,  Ethnikon  Muotsalamen,  estnisch  Rots, 
Mötslane,  wotisch  Rötsi,  Rötsalaine,  liwisch  Riiotsi^  Riiotsli. 
Diesen  Namen  wollte  man  früher  von  Roslagen  ableiten,  dem 
Namen  der  Küste  der  schwedischen  Landschaft  üpland ,  die  dem 
finnischen  Busen  gerade  gegenüberliegt,  da  derselbe  jedoch  erst 
in  neuerer  Zeit  auftritt,  so  hat  man  davon  abgesehen.  Thomsen 
geht  dagegen  von  den  Ausdrücken  Roßer ,  Ropin  aus ,  womit  in 
älteren  Zeiten  die  Seedistrikte  von  Upland  und  Östergötland  be- 
zeichnet wurden,  welche  im  Mittelalter  in  Kriegszeiten  Schiffe  zu 
stellen  verpflichtet  waren.  Die  Bewohner  dieser  Gegenden  hiessen 
Rods-karlar  oder  Rods-mcen.  Da  roßer,  an.  rödr  eigentlich  ein 
Verbalnomen  mit  der  Bedeutung  „Ruderung,  Schiffahrt"  ist,  so  lässt 
es  sich  wohl  denken ,  dass  sich  die  Bewohner  jener  Seegegenden 
nach  ihrer  Beschäftigung  selbst  als  rops-Jcarlar  oder  rops-menn 
„ Ruderleute "  bezeichneten.  Dieses  Wort  wie  das  Abstraktum 
rojyer  wurde  in  Schweden  selbst  allmählich  zum  Eigennamen,  und  so 
ist  es  begreiflich  genug,  dass  die  Finnen  denselben  als  Volksnamen 
auffassten  und  als  solchen  herübernahmen.  Den  Einwand,  dass 
dann  die  Finnen  nur  den  ersten  Teil  des  Kompositums  entlehnt 
und  ihr  Ruotsi,  Rötsi  von  einem  Genitiv  abgeleitet  hätten,  weiss 
Thomsen  durch  den  Hinweis  auf  analoge  Fälle  in  finnischen 
Lehnwörtern  aus  andern  Sprachen  zu  entkräften. 

Diese  Erklärung  des  finnischen  Namens  für  Schweden  ist 
gewiss  sehr  einleuchtend.  Das  finnische  Ruotsi,  Rötsi  soll  nun 
in  slawischem  Munde  zu  Riish  geworden  und  von  den  Slawen  zu 
den  Byzantinern  und  Arabern  gekommen  sein.  Hier  erheben  sich 
aber  mehrere  sehr  ernste  Schwierigkeiten.  "Wenn  man  auch  darauf 
kein  weiteres  Gewicht  legen  will ,  dass  man  als  Wiedergabe  von 
Ruotsi  im  Slawischen  eigentlich  eher  Ruch  als  Rush  erwartet 
hätte,  so  lässt  sich  aus  dem  Slawischen  in  keiner  Weise  die  älteste 
historisch  bezeugte  Form  des  Russennamens,  das  ^Pcög  der  Byzantiner 
und  das  (w^Ji  cirRüs  (persisch  wohl  Rös  gesprochen)  der  Araber 


1)  Vgl.    darüber    E.   Kunik   bei    Dorn,   Caspia  37  ff.    253—256, 
394  A.  9.   Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  S.  94 — 106. 

Marquart,  Streifzüge,  ^" 


354  J-  Marquart, 

erklären.  Die  byzantinische  Form  ist  durch  Pradentius  schon 
fürs  Jahr  839  bezeugt,  die  arabische  um  dieselbe  Zeit  dui'ch  den 
Bericht  des  Muslim  b.  Abu  Muslim.  Beiden  Formen  ist  die 
Länge  des  Vokals  gemeinsam,  für  die  byzantinische  ist  ausserdem 
charakteristisch ,  dass  sie  in  älterer  Zeit  stets  unflektiert  und  im 
Plural  gebraucht  wird.  Aus  dem  slawischen  Rusi,  das  stets  als 
Kollektivum  im  Singular  flektiert  wird,  lässt  sich  daher  das  byz. 
'Pcog  nicht  ableiten.  Thomsen  S.  103f.  neigt  deshalb  zu  der 
Annahme,  dass  der  slawische  Name  den  Romäern  durch  Vermittlung 
eines  türkischen  Stammes,  wahrscheinlich  der  Chazaren,  zugekommen 
sei :  daraus  würde  sich  der  indeklinable  Gebrauch  des  Namens  ot 
Pcbg  und  möglicherweise  auch  das  co  desselben  erklären. 

Es  ist  allerdings  zuzugeben,  dass  die  byzantinischen  Schrift- 
steller häufig  die  Namen  hunnisch-türkischer  Horden  unflektiert  ge- 
brauchen, z.  B.  oi  Xeyo^svot  XeQ%Lg  Menand.  Prot.  fr.  20  p.  52,  30 
Dindorf,  ol  ZaßevöeQ,  ol  Ovaq  %cd  Xovvvi,  ol  'Oycop,  ot  TavyccGx, 
bei  Theophyl.  Sim.  Auch  ein  Wechsel  zwischen  o,  co  und  ov  in  der 
Wiedergabe  hunnisch-türkischer  Namen  ist  mehrfach  bezeugt;  z.  B. 
^OvoyovQoi  Prisk.  Agath.,  Onoguria  Geogr.  Rav.  neben  Ovvvovyovqoi. 
Theophyl.  Sim.,  Hunuguri  Jordanes^);  Ovvvoyovvöovqoi  BovlyaQOi 
Theoph.,  Ovvoyovvöovqoi  Nikeph.  p.  24,  10,  ^Ovoyovvdovqoi.  Konst. 
Porphyrog.  de  them.  IIp.  45'^);  OvyovQoi  Menandr.  Prot.  fr.  21 
p.  55  Dindorf,  OviyovQOi  ib.  fr.  5  p.  5  Dindorf,  OvQCoyoi  Prisk.  fr. 
30  lies  OvyäQoi,  '^/  Üg(u)r  Land,  Anecd.  Syr.  III,  837,12  8); 
OvciQ  Kai  Xovvvi  Theophyl.  Sim. ,  Ovaq^avixai,  Menandr.  Prot.  fr. 
43  p.  86,  87  Dind.;  'A6Kr]lxov ^^y  Theophan.  p.  239,  20,  Scultor 
Corippus  in  Justinum  3,  390"*);  ^SliiovQxay ,  ''Ofxov^xdy ,  ^0(xoQxdy, 
^Sl^oQxccy  auf  Inschriften  JireSek,  Gesch.  der  Bulgaren  S.  148 
A.  11,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich-Ungarn  XVII  177 
Nr.  71,  72,  XIX,  238  Nr.  3.  Allein  in  diesen  Beispielen  bemerken 
wir  überall  ein  Schwanken  der  Lautwiedergabe  auf  Seite  der 
Griechen ,  während  im  Namen  ot  'P&g  die  Schreibung  eine  ganz 
feste  ist.  Dass  aber  die  Griechen  und  Araber  den  Namen  von 
einem  türkischen  Volke  erhalten  hätten,  ist  schon  durch  seinen 
Anlaut  so  gut  wie  ausgeschlossen,  da  bekanntlich  in  den  türkischen 
Sprachen  kein  Wort  mit  r  oder  l  beginnen  darf,  wie  denn  auch 
die  türkischen  Formen  des  Namens  sämtlich  einen  vorgeschlagenen 
Vokal    zeigen:    tatai'isch    ürus ,    kirghizisch    Orus^),    öuwaschisch 


^)  S.  meine  Chronologie  der  alttürk.  Inschr.  S.  83  A.  4. 

8)  Eb.  S.  74  A.  1. 

')  Eb.  S.  81  A.  4.  7.  Historische  Glossen  zu  den  alttürkischen  In- 
schriften. WZKM.  XII  193.  197. 

*)  WZKM.  XII  197. 

^)  Ebenso  in  der  uigurischeu  Legende  des  Oghuz  Cha^an  bei 
Radioff,  Das  Kudatku  bilik.     I.  Text  in  Transskriptiou  S.  XI. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  355 

Wyrys,  mongolisch  Oros^  magyarisch  Orosz'^).  Man  darf  dagegen 
nicht  den  chazarischen  Eigennamen  {['luJ-  [€t^tup[uu/iM  Raz  t'archan 
bei  tevond  S.  163  anführen,  da  derselbe  Erraz-t'arclian  zu 
sprechen  ist-).  Dagegen  lässt  es  sich  wohl  denken,  dass  die 
christlichen  Romäer  die  Russen  bei  ihrem  ersten  Auftreten  als 
eine  neue  Auflage  der  vom  Norden  kommenden  Weltzerstörer 
Gog  und  Magog  betrachteten  und  in  ihnen  die  ^Pag ,  welche  bei 
Ezech.  38,  2  f.  39,  1  im  Gefolge  des  Gog  erscheinen ,  zu  erkennen 
glaubten^).  Hat  man  doch  auch  in  Ba^^däd  um  dieselbe  Zeit 
das  Hervorbrechen  der  Völker  Gog  und  Magog  befürchtet,  wes- 
halb der  Challfa  al  Wä'9'iq  sogar  einen  Gesandten  nach  Mittel- 
asien schickte,  um  sich  nach  dem  Zustande  der  gegen  sie  er- 
richteten Mauer  zu  erkundigen.  Eine  derartige  Kombination  könnte 
also  sehr  wohl  auf  die  Schreibung  des  Namens  eingewirkt  haben 
—  doch  würde  dies  nur  für  die  Byzantiner  gelten ,  nicht  auch 
für  die  Araber. 

Die  These ,  dass  der  Name  Russen  die  slawische  Wiedergabe 
der  finnischen  Bezeichnung  Schwedens  sei,  die  durch  Vermittlung 
eines  andern  ^  vielleicht  hunnisch-türkischen  Volkes  in  der  Form 
^Prög  zu  den  Romäern  (und  Arabern)  gekommen  wäre ,  lässt  sich 
somit  bis  jetzt  nicht  erweisen.  Noch  immer  sind  es  die  Ufer  des 
Pontos  und  der  Maiotis,  wo  uns  derselbe  zuerst  in  der  beglaubigten 
Geschichte  entgegentritt.  Versuchen  wir  also  auf  anderem  Wege 
dem  Rätsel  des  Ursprunges  dieses  Namens  näher  zu  kommen. 
Sollten  wir  dabei  auf  Anzeichen  stossen,  dass  derselbe  schon  geraume 
Zeit  vor  Rurik  in  der  Nähe  der  romäischen  Besitzungen  auf  der 
Krim  bekannt  war,  so  werden  wir  trotzdem  noch  keineswegs  mit 
dem  nun  dahingegangenen  Vorkämpfer  der  Normannisten  glauben, 
dass  dann  die  altrussische  Chronik  „unter  den  zahlreichen  Fälschungen 
des  Mittelalters  eine  der  ersten  Stellen  einnehmen  würde  und  die 
Normannisten  dann  gründlich  beschämt  und  zerknirscht  nicht  nur 
die  Verteidigung  Nestors  aufgeben,  sondern  auch  Asche  auf  ihr 
Haupt  streuen  müssten ,  um  den  von  ihnen  angerichteten  Unfug 
abzubüssen. "  ^) 

Vielleicht  darf  man  hier  eine  Notiz  anziehen ,  die  sich  in 
der  fälschlich  als  „Kirchengeschichte  des  Zacharias  Rhetor"  be- 
zeichneten historischen  Kompilation  eines  Syrers  findet.     Sie  steht 


1)  Thomsen  a.  a.  0.  S.  104  A.  1. 

2)  Ja'qübl,  der  diesen  Heerführer  ^.}j>-Jo  y«!^  nennt  (Hist.  II 
f  f  1 ,  16) ,  war  bekanntlich  lange  in  Armenien  und  benutzt  wohl  eine 
armenische  Quelle. 

^)  Übrigens  hat  Hugo  Winckler  gezeigt,  dass  'i2)N*l  in  diesen 
Stellen  gar  kein  Volksname,  sondern  Titel  des  Gog  ist  und  „Fürst" 
bedeutet,   was  durch  N''U3D  glossiert  ist. 

*)  E.  Kunik  in  Dorns  Caspia  391. 

23* 


35g  J.  Marquart, 

am  Ende  eines  im  Jahre  555  geschriebenen  Verzeichnisses  süd- 
und  nordkaukasischer  Völker.  Hier  werden  nach  dreizehn  grössten- 
teils aus  Priskos,  Prokopios  und  dem  Gesandtschaftsberichte 
des  Zemarchos  (570)  bekannten  hunnischen  Völkern  i)  einige 
fabelhafte  Völker  aufgeführt,  die  Anunazarte  oder  Däumlinge  2), 
Hundsmenschen  und  Amazonen.  Letztere  werden  in  gewohnter 
Weise  beschrieben  als  Weiber  mit  je  einer  Brust,  die  für  sich 
alleine  wohnen  und  mit  Waffen  und  Pferden  Krieg  führen,  Sie 
haben  alljährlich  einen  Monat  lang  Umgang  mit  einem  ihrem  Lande 
benachbarten  Volke  und  kehren  dann  in  ihr  Land  zurück.  „Jenes 
Volk,  das  ihnen  benachbart  ist,  sind  die  ^PO^O)  Hrös ,  Männer 
mit  langen  Gliedern,    die  keine  Waffen  haben  und  welche  Pferde 

1)  Dieselben  heissen: 
^CU-JO/   Ün{u)gür,   ein  Volk  von  Zeltbewohnern  —  'Ovoyovqoi  Prisk. 

fr    30  etc  •    s.    meine  Chronologie    der    alttürkischen    Inschriften 

S.'  83  A.  4  und  oben  S.  43  ff.  354. 
V     o/  Üg(u)r   —    O^Qcoyoi,    (1.   Ovy&QOi)   Prisk.  fr.  30    bei   C.  Müller, 
^^  FHG   IV  104,    OvyovQOL  Menandr.  Prot.  fr.  21  ib.  p.  229  b ,  Ovi- 

yovQOi  ib.  fr.  5  p.  203.     S.  meine  Chronologie  der  alttürk.  Inschr. 

81  A.  4.  7;    Historische  Glossen   zu   den  alttürk.  Inschr.  WZKM. 

XII  193  und  oben  S.  43  f.  354. 
'^.a>  Sab(i)r  HaßiQOL  —  Prisk.  fr.  30,  Men.  Prot.  fr.  5  ib.  IV  203  etc. 

•  ^Q^  Burgar  —  ar.  ,.>U.j  bezw.  ^^^Oo,  wahrscheinlich  verschrieben 

ausyfOu  Bulgar;   Tab.  I  aIo,  1.  16.  a11,  4;  s.  o.  S.  16. 

♦  <>  <rt  o  Kurt{u)rg{u)r  —  KovxovQyovQoi  Prokop. 

;^/  Abar   —  "Aßagsig  Prisk.fr.  30  p.  104,  die  echten  Awaren;   s.  o. 

S.  43  und  A.  1. 
'^m^^  Kas{i)r  —  'AKär^iQOi  Priskos,  s.  oben  S.  40—45. 
♦♦»V*J  Dirmar  —  'Ixiilüqoi  Prisk.  fr.  1.   FEG.  IV  71.   Jordan.  Get.  24 

'§  126. 
^Q^'JO^.QD  Sarurgür  —  EaQccyovQOi  Prisk.  fr.  30,  37. 

ja,,a>VssJ^  Bägarsiq  1.  .  oN.tyi^  Bärselq  —  Theophyl.  Sim.  5,  8,  3 

BuQOiqXt. 
^\r>^  Chülas    —    Xoliäzai   Men.  Prot.  fr.  20.  21,    FHG.  IV  228  b, 

229  a,  14.  25;  s.  mein  Eränsahr  nach  der  Geographie  des  Ps.  Moses 

Xorenac'i  253. 

^t^'   ^  ^  \      ^ivav  'E(p&aUt<üv  Theoph.  Sim.  7,7, 8;  Ovvvoi 

hJ^h^/  Ephthal'dh  j       oi  'E(f&ulltai  Prokop. 

*)  Es  ist  lesen :  JLV)  (N)»/  d.  h.  „Elle  und  Spanne  lang" ;  vgl. 
G.  Hoffmann  bei  Ahrens  und  Krüger,  Die  sogenannte  Kirchen- 
geschichte des  Zacharias  Rhetor  S.  382. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  357 

nicht  tragen  können,  da  sie  (grosse)  Glieder  haben  i)."  Die 
Däumlinge  und  Hundsmenschen  werden  auch  in  der  nach  Nöldeke 
im  Jahre  514  oder  515  geschriebenen  syrischen  Alexanderlegende 
genannt,  wozu  hier  noch  die  jxaiD  (Manichäer?)  kommen-).  Doch 
kann  diese  Legende  nicht  die  Quelle  unseres  Verzeichnisses  gebildet 
haben ,  da  die  Amazonen  in  derselben  nicht  als  besonderes  Volk 
erscheinen,  sondern  als  Frauen  der  Hunnen,  und  ihre  Beschreibung 
daher  von  der  bei  Zacharias  Rhetor  abweicht  ^) ;  beiden  muss  viel- 
mehr eine  ältere  gemeinsame  Quelle  zu  Grunde  liegen*). 


1)  Land,  Anecd.  Syr.  III  337,  21—23:   ^O^  «ZilULj  6o)  JJDAO 

Die  sog.  Kirchengeschichte  des  Zacharias  Rhetor  übersetzt  von 
K.  Ahrens  und  G.  Krüger  S.  253,  32—36. 

2)  Syrische  Alexanderlegende  bei  Bu  dge ,  The  History  of  Alexander 
the  Great  p.  265,  2  v.  u.  =  152  d.  Übs.  Die  Däumlinge  heissen  hier 
l.V^/  )i»-J5  statt  JLV|2d/  fck*::^;  s.  Th.  Nöldeke,  Beiträge  z.  Gesch. 
des  Alexanderromans  S.  28.  Denkschr.  der  Wiener  Akademie  d.  Wiss. 
Bd.  38  Nr.  V.  1890.  Die  Hundsmenschen  und  Däumlinge  (Jli^io/  für 
jLVpD/)  werden  auch  bei  Salomon  von  Ba^ra,  Book  of  the  Bee  p.  128 
ed.  Budge  genannt. 

3)  Budge  1. 1.  p.  263,  12—16  =  151  d.  Übs. 

*)  Dies  folgt  schon  aus  dem  gegenseitigen  Verhältnis  der  Verzeich- 
nisse der  Völker  Gog  und  Magog  in  der  syrisch -christlichen  Legende, 
im  Texte  C  des  Alexanderromans,  bei  Salomon  von  Ba^ra,  The  Book 
of  the  Bee  p.  128,  angeführt  bei  Budge,  The  History  of  Alexander  the 
Great  p.  150  n.  3  und  bei  Pseudo  -  Methodios  nach  der  lateinischen 
(vgl.  über  dieselbe  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  V  500 — 505)  und  der  von 
Stephannos  von  Siunik'  im  Anfang  des  8.  Jahrhunderts  angefertigten 
armenischen  Übersetzung  (bei  Stephannos  Orbelean,  Hist.  de  la  Siounie 
trad.  par  Brosset  I  93). 

I  II  III  IV  V 

„  ,  Ps.  Methodios     „     •m-qh,„j       Ps.  CaU.  III 

Syrische  Legende.  ^„„"^n?^       bei  Stephannos    ^^s-  ■»le''"''!-     26  0  p.  139  a 

von  iJagra.  Orbelean.  ^^^-  ed.  Müller. 

a)  Die  Könige  der  Hunnen  p.  263,  5 — 9  =  150. 

Gög  Gög  Gog  Gog  rw& 

Magög  Magog  Magog  Magog»)  Maymd' 

^Qj  ^QJ  Anig  Anog  'Avovyoi 

Gig  Agig  Ageg  'Eyslg 

T^yV^jl   Te'amrön    Askenaz  Ak'iaz  Athenal  'E^svä^ 

sO\io\^L  Tijämrön    Denäphär     Dip'or  Cephar  Jicpäg 


a)  Darauf  folgen  noch  Mosach  et  Thubal. 


35g  J.  Marquart, 

Wegen  der  Gesellschaft,  in  welcher  die  Hrös  auftreten,  wird 
man  zunächst  geneigt  sein  sie  in  das  Reich  der  Fabel  zu  verweisen. 


I  II  III  IV  V 

„  ,  Ps.  Metbodioa    -p„    M»tv,n,i      ^^-  ^^^^-  ^^ 

S..i«c.e  Legende.  ^T^T,^^,    '^l^^^^  "-  Z'^^^^: 

»Aä       )is*:i  -BeO-  Gamli  Paqtäje       P'orinac'ik'  Pothimhei  ^anvaloi 
♦^-N\nO>.  Japhö'bar    [We]lötäje  Alrenac'ik   Lybii 
JDIVÄQJL  Sümardaq    Humnäje     Honk'  Cunei 

|ä.^qDQ\^.,^   Glösiqä 
•,o>ar>\   'AqSaphar 
O.    N.  on  Salgaddö 
■  f7)\or>^i  Nlsliq 
\>^2>'^^  Amraphel 
]\0\ß  Qä'özä 

b)   Von    Alexander    durchzogene    Landschaften    p.  261 ,  7—9.  11 
=  149. 

QpQ,».,^j^jiol  Türangiös 

\^yJ2>  ü^-3  Parzäje         Pharziac'ik'  Pharilei      ^aQilaioi 

"^'^«JOL  N*^  Daqläje        Deklimac'ik'a) 

\U2)0^1  )i<-0  Thaubeläje  T'et'alk'        Ceblei 

J.'*»)  Üs-Zi  Darmetäje    Zarmeta-      Lamar-        ZccQ^avrio:- 

^  c'ik'  chiani  voi 

lJ^^\    ^opi  Kaukebäje  Kak'onac'ik'  Chachamii 

c)  Völker  jenseits  der  Hunnen  p.  265  paen.  =  152. 
tl*t»/  jL'Sio/         Armazard      Amathartae 

(lies  ]IV).:d/ 

Däumlinge) 
Hundsmenschen  Hundsmenschen  Agrimardi  XaXövioi 


JJXX» 


Garmidö'    Garmadac'ik'  Alan         '^yp/fiapdo/. 
Menschen-  Menschen-       Anufagi    'Avovtpäyoi 

fresser  fresser       qui  dicuntur 

Thräqäje     T'arp'ac'ik'  Cinocephali  QuQpaioi 


a)  Darauf  folgen  die  Sarmaten. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  359 

Von    einer    solchen  Anschauung  geht  offenbar  der  deutsche  Über- 
setzer   aus,    wenn    er    in    Hrös    eine    einfache    Umschreibung    von 


I  II  III  IV  V 

Syrische  Salomon  Ps.  Methodios  Ps.  Methodios  Ps.  CaU.  III  26C 

Legende.        von  Ba<;ra.    bei  Steph.  Orbelean.  lat.  p.  139a  ed. Muller. 

Alänäje       Alanen  Caribalia)etThasbii  "Aluvtg 

PlsTlön    1   P'asklinkac'ik'   Philosonici  ^LGolovixaloi 
Denqäje  /  Argneac'ik'         Arcenei 

Salträje      Satareac'ik'         Paltarei  ZalraQioi 

Ein  Blick  auf  diese  drei  Verzeichnisse  genügt,  um  die  Abhängig- 
keit der  Version  C  des  griechischen  Alexanderromans  von  der  _  uns 
durch  Salomon  von  BaQra  aufbewahrten  syrischen  Liste  zu  beweisen. 
In  'E^Bvccx  hatte  schon  A.  Krause  (Beiträge  zur  Alexandergeschichte. 
Hermes  25,  1890  S.63)  den  t:d^UN  Asienaz  Gen.  10,  3  erkannt,  sowie  in 
JicpäQ  den  rs^'n,  1  Chron.  1,  6  npi-l.  Bei  Salomon  ist  V^LJ  in  ;2LJJ 
verschrieben.  Noch  viel  greifbarer  ist  aber  die  Abhängigkeit  von  der 
syrischen  Quelle  bei  den  Xulövioi ,  die  auf  missverstandenes  .jü;^  ,^^0 
zurückgehen,  bei  den  'AvovqidyoL,  die  sich  dem  syrischen  Original  zu- 
folge als  Verstümmelung  von  uvd[Q]o(pccyoi.  oder  civ[&QO}7t]o(po:yoi  ent- 
puppen, den  GaQBaioi  für  ©agKuloi  und  den  ö^feoXoj^-txKfot  =  Pisilon 
d.  i.  'A^ilcov  (arm.  AiySilh'  in  Ap'chazet'i)  und  Denqaje  (?).  Ps.  Methodios 
hat  die  letztern   nochmals  als  Arcenei  =  |*iOV/.     Durch   ihn  wird   es 

klar,  dass  jJ^QO  bei  Salomon  verdorben  ist  aus  ^JQOQD  =  Kavy.(ov£g 
in  dem  Völkerverzeichnis  des  Alexanderromans  I  2  C  Val.  'Avovyoi 
geht  auf  v^J  für  ^QJ  Nül  zurück  (so  auch  Ps.  Ephraim  bei  Lamy 
3  195,  17),  dieses  aber  wahrscheinlich  auf  die  Novvoi  in  dem  Ver- 
zeichnis der  Version  B  III  29  p.  143a  ed.  Müller.  Die  Form  Novyoi 
findet  sich  einmal  für  Ovvvol  bei  Konstantin.  Porphyrog.  de  caerim. 
II  52  p.  740,2:  ol  dh  anb  x&v  Novvcov,  ijroL  BovlyaQcav,  tl6SQ%o^svoL 
(piloi  xtX.  Die  Formen  FmO-  und  MayöaO-  beruhen  auf  der  von  Am- 
brosius  (de  fide  2,  16,  138)  vertretenen,  von  Hieronymus  bekämpften, 
aber  von  Cassiodorius  wieder  aufgenommenen  Gleichsetzung  der  Goten 
mit  den  Völkern  Gog  und  Magog.  Vgl.  Hieronymus  quaest.  hebr., 
opp.  ed.  Mart.  2,  515,  citiert  bei  Müllenhof  f,  DA.  III  268  A:_  Scio 
quemdam  Gog  et  Magog  tarn  de  praesenti  loco  quam  de  Jezechiel  ad 
Gotthorum  nuper  in  terra  nostra  bacchantium  historiam  retulisse;  quod 
utrum  verum  sit,  proelii  ipsius  fine  monstratur.  et  certe  Gotthos  omnes 
retro  eruditi  magis  Getas  quam  Gog  et  Magog  appellare  consueverunt. 
Jordan.  Get.  c.  4  §  29  und  die  von  Mommseu  z.  St.  beigebrachten 
Stellen  des  Isidorus. 

Dass  aber  auch  noch  andere  Namen  der  Liste  aus  einer 
Völkertafel  stammen,  zeigen  die  Thaubeläje  =  blin ,  LXX  ©oßsl 
Gen.  10,  2,  die  gewiss  ursprünglicher  sind  als  das  ^«OO^J  ^-O 
der  syrischen  Legende.  Damit  wird  es  wahrscheinlich ,  dass  die 
l^^pV) ,  wie  nach  Be-S'  Zamrat  und  ZccQ^avxLavoi  zu  verbessern  ist, 
den  ZavQo^aTui  entsp.echen,  die  nach  der  Völkertafel  des  Liber 
generationis  von  Riphath  abstammen  (Müllenhoff,  DA.  III  271. 
Chronica  minora  ed.  Mommsen  I  96.   M.  G.  Auct.  antiquiss.  IX).  )x^ä2> 

a)  Für  ©ccQßaloi. 


360  J-  Marquart, 

"ÜQCosg  vermutet ;  allein  dies  hätte  der  Syrer  sicher  durch  JvJIU^ 
wiedergegeben.  Sodann  muss  uns  gerade  jene  Alexanderlegende 
zur  Vorsicht  mahnen.  Alexander  erhält  auf  seine  Frage  nach 
dem  Aussehen,  der  Kleidung  und  den  Sprachen  der  Hunnen  zur 
Autwort:  „Es  gibt  unter  ihnen  solche  mit  blauen  Augen  und 
ihre  Weiber  haben  je  eine  Brust"  u.  s.  w.  Hier  haben  wir  zum 
mindesten  einen  Nachklang  der  älteren  Vorstellung  von  den 
Amazonen,  welche  sich  dieselben  in  enger  Verbindung  mit  einem 
blonden  und  blauäugigen  Volke ,  dem  iranischen  Nomadenvolke 
der  2avQ0jA.drai,  yvvaiKOKQatovuevoi  dachte ').  Noch  Dinawari  be- 
schreibt die  Amazonen  als  ein  Volk  von  roter  Farbe  mit  rötlichem 
Haar,  bei  dem  Männer  und  Frauen  getrennt,  und  nur  drei  Tage 
im  Jahre  zusammen  leben'-).  Vor  dem  Auftreten  der  Hunnen 
waren  es  aber  die  Alanen,    die  Nachfolget''  der  Sarmaten  in  den 


bei  Salomon  ist  ein  Fehler  für  Jv)  r>o>  ^die  Nachkommen  des  LilE" 
Gen.  10,  6,  wie  die  Übeinstimmuug  der  übrigen  Texte  zeigt.  Dann 
wird   der  lateinische  Methodios   auch  mit  Lybii  das  Richtige  bewahrt 

haben;  es  ist  vermutlich  zu  lesen  J---^r>\  oO)J  |JLQ^;  vgl.  Jos.  agx- 
1,  132.  Die  |-.Jv2>  sind  die  ^tQ^^atoi,  die  \\o'j  die  Nachkommen  des 
^nxXd  oder  Jtxlda  Gen.  10,  27.  Die  sonderbare  Erscheinung,  dass  bei 
dieser  Auffassung  Söhne  des  Cham  und  Joqtan  unter  die  Nordvölker 
geraten  sind,  wird  einigermassen  verständlich  durch  die  Textgeschichte 
des  öia^cQLOiibg  rfjg  yi)g.  In  der  Völkertafel  der  Osterchronik  heisst  es: 
'OdoQQU,  i^  ov  'ÄQQiavol  xal  4>fpt^«roj,  von  ^sv.lü  werden  in  den  ver- 
schiedenen Texten  des  dia^£Qi6yi,6g  die  KtSQOvaol  abgeleitet;  vgl.  Chron. 
min.  I  105  ed.  Mommsen.    A.  v.  Gutscbmid,  Kl.  Sehr.  V  253  ff. 

^)  Von  blauäugigen  Elementen  unter  den  Hunnen  ist  meines 
Wissens  nichts  bekannt.  Man  wird  sich  dafür  nicht  auf  die  Beschrei- 
bung des  Äussern  des  türkischen  Chagans  Sze-kin  Muh-kan  bei  den 
chinesischen  Historikern  berufen  wollen,  von  dem  es  heisst:  „His  face 
was  over  a  foot  broad ,  with  a  very  rudchj  tint ,  and  his  eyes  were  of 
greenish  bue"  (Cöu-su,  übersetzt  von  E.  H.  Parker,  China  Review 
vol.  XXIV  Nr.  III,  1900  p.  121b.  Peh-ii  ib.  Nr.  IV  p.  165  a);  noch 
weniger  auf  die  Bemerkung  des  Scholiasten  Jen  Si-ku  (f  645)  zum  Be- 
richte des  Ts'ien  Han-su  Kap.  96^  p.  1  über  die  U-sun:  „die  U-sun 
sind  in  ihrer  äussern  Erscheinung  von  den  übrigen  Barbaren  der  west- 
lichen Gebiete  sehr  verschieden;  die  heutigen  blauäugigen,  rotbärtigen, 
affenartigen  Tataren,  gehören  von  Haus  aus  zu  dieser  Rasse".  Vgl. 
darüber  Fr.  Hirth,  Über  Wolga-Hunnen  undHiung-nu.  Sitzungsberichte 
der  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1899,  Bd.  II  Heft  II  S.  276  f. 

Mit  diesen  Worten  will  der  Scholiast  wahrscheinlich  einen  ethno- 
logischen Zusammenhang  der  U-sun  mit  den  blonden  Kirghizen  sta- 
tuieren. Diese  lässt  der  Verfasser  der  von  GurdezT  benutzten  Ursprungs- 
legende der  Türken  und  Slawen  (wahrscheinlich  Ihn  Chordädbih)  aus 
dem  Westen  kommen  und  leitet  sie  ihrer  Blondheit  wegen  von  den 
Slawen  ab;  vgl.  Gurdezi  bei  Barthold,  OxHeTt  S.  85 — 86-  Raverty, 
The  Tabaqät-i  NücjirT  p.  871  n.  Die  Blondheit  der  Kirghizen  hat  wohl 
auch  Veranlassung  dazu  gegeben,  dass  man  später  bei  ihnen  die  Ama- 
zonen suchte;  vgl.  Idrlsi  I  501. 

•-)  Dlnaw.  n,  14—18  übersetzt  bei  Nöldeke  a.  a.  0.  S.  41. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  361 

politischen  und  nordkaukasischen  Steppen,  welche  durch  ihre  Ein- 
fälle den  Schrecken  der  südkaukasischen  Länder  bildeten  und  als 
Vertreter  der  wilden  Völker  Gog  und  Magog  galten  i) ,  welche 
Alexander  durch  ein  eisernes  Thor,  die  kaspischen  Pforten  oder 
die  Klause  von  Darband,  absperrte-).  Schon  Kleitarchos  hatte 
aber  die  Amazonen  in  die  Nähe  der  kaspischen  Thore  verlegt  und 
so  musste  sich  ihre  Verbindung  mit  den  blonden  Alanen  später 
von  selbst  ergeben'^).  Vielleicht  darf  man  aber  noch  weiter  gehen 
und  in  jener  Behauptung  der  Alexanderlegende,  dass  es  unter  den 
Hunnen  auch  blauäugige  gebe,  eine  Anspielung  auf  thatsächliche 
zeitgenössische  Verhältnisse,  m.  a,  W.  auf  eine  Mischung  der  Hunnen 
mit  blonden  und  blauäugigen  (alanischen  oder  germanischen) 
Elementen  erblicken. 

Um  so  mehr  werden  wir  in  den  mit  den  Amazonen  in  Ver- 
bindung gebrachten  Hi'ös  des  Anonymus  ein  wirkliches  Volk  zu 
erkennen  haben ,  das  noch  im  5.  oder  6.  Jahrhundert  im  Norden 
des  Kaukasus  eine  Rolle  spielte,  zumal  der  Name  sonst  bis  ins 
9.  Jahrhundert  nicht  wieder  vorkommt  und  also  schwerlich  erfun- 
den sein  kann.  Die  Hervorhebung  ihrer  langen  Glieder  lässt  auf  ein 
germanisches  Volk  schliessen;  die  riesenhafte  Körpergrösse  und 
die  Eigentümlichkeit,  dass  sie  —  im  Gegensatze  zu  Alanen  und 
hunnisch-türkischen  Völkern  —  nicht  beritten  waren,  ist  auch  den 
östlichen  und  westlichen  Berichterstattern  an  den  spätem  Rös 
bezw.  Normannen  aufgefallen  *).  Dass  in  der  That  hier  schwedische 
Normannen  gemeint  seien,  ist  keineswegs  von  vornherein  aus- 
geschlossen, da  auch  die  Dänen  schon  vierzig  Jahre  früher  ihren 
ersten  Wikingerzug  unternahmen  (s.  u.) ;  doch  kenne  ich  keine 
Nachricht,  die  zu  gunsten  eines  so  frühen  Auftretens  der  schwe- 
dischen Wikinger  an  der  Maiotis  angeführt  werden  könnte.  Von 
den  ehemals  im  Norden  des  Schwarzen  Meeres  ansässigen  Germanen 
würden  dagegen  in  erster  Linie  die  Heruler  in  Betracht  kommen, 
vorausgesetzt  dass  sich  nachweisen  Hesse,  dass  dieselben  noch  im 
5.  und  6.  Jahrhundert  dort  wohnten.  Die  Behauptung  des  Syrers, 
dass  die  Hrös  keine  Waffen  hatten,  ist  natürlich  Übertreibung  und 
auf  den  Mangel  an  Schutzwaffen  zu  beziehen,  Hesse  sich  aber 
am    besten    unter    der  Voraussetzung    begreifen,    dass    unter    dem 


1)  Vgl.  die  Schatzhöhle  S.  Iff,  14— iM,  1  =  30  d.  Übs.:  ,Und 
der  Same  Japheths  umfasste  siebenunddreissig  Völker  und  Reiche: 
Gamer,  Javan,  Madai,  Thobel,  Mesek  und  Thiras,  und  alle  Reiche  der 
Alanen,  diese  alle  sind  Söhne  Japheths*. 

2)  S.  mein  Eransahr  S.  315. 

3)  Vgl.  Ammian.  Marcell.  31,  2,  16.  21. 

*)  Vgl.  Ihn  Fadlän  bei  Jäqilt  s.  v.  i^*,y> \.  F r ä h n ,  Ibn  Foszlans 
und  anderer  Araber  Berichte  über  die  Russen  älterer  Zeit.  St.  Peters- 
burg 1823  S.  4,  2.  Ibn  Rusta  Ifl,  16-17.  F.  Dümmler,  Gesch.  des 
ostfränkischen  Reiches  I"^  194  ff.  und  die  dort  angeführten  Zeugnisse. 


362  •^-  Marquart, 

rätselhaften  Volke  die  Heruler  zu  verstehen  seien.  Von  deren 
Bewaffnung  berichtet  Prokopios  de  bell.  Pers.  2,  25 :  aq)vXa%roi. 
SK  rov  BTcl  nXüGxov  i^d%ovxo.  ovxs  yccQ  KQavog  ovre  ^c^Qa^a  ovre 
aXXo  XL  cpvXa%xi]Qiov  "EqovXoi  l'^ovötv,  oxi  [li]  aöTitöa  Kcd  XQißcoviov 
c.ÖqÖv,  0  dl]  du^toaiisvoi  ig  xbv  ayäva  Kad-laxavxca '  öovXot  ^ivxot, 
"EqovXoi.  xat  ciöTiLÖog  %coQlg  ig  ^dpiv  %(Oqov6iv ,  ineiSav  8e  ävÖQeg 
iv  TtoXifiio  aya&ol  yivcovxai,  ovxo3  öi]  aaniöag  avxoig  icpiäGiv  ol  öe- 
ßnorai  TtQoßdXXsß&at.  iv  xatg  'E,viißoXaLg.  Vgl.  Paul.  Diac.  hist.  Langob. 
I  20.  Jordanes  aber  stellt  die  leichte  Bewaffnung  und  Fechtart  der 
Heruler  ausdrücklieh  der  gotischen  und  alanischen  gegenüber: 
Get.  c.  23  §  117.  118:  Eluri  .  .  gens  quantum  velox,  eo  amplius 
superbissima.  nuTla  siqmdem  erat  tunc  gens^  quae  non  levem 
arinaturatn  in  acte  sua  ex  ipsis  eligeret.  sed  quamvis  velo  - 
citas  eorum  ab  aliis  crebro  bellantibus  evagaret,  Gothorimi  tarnen 
stabilitate  suhiacuit  et  tarditati.  c.  50  §  261 :  nam  ibi  admirandum 
reor  fuisse  speciaculum ,  übt  cernere  erat  contis  pugnantem  Go- 
thum,  ense  furentem  Gepi'da,  in  vulnere  suo  Rugum  tela  fran- 
gentem,  Suavum  pede,  Hunnum  sagitta  praesumere^  Alanum 
gravi,  Herulum  levi  armatur a  aciem  strui.  Frühzeitig 
waren  die  Heruler  wegen  ihrer  Gewandtheit  als  Söldner  gesucht  ^). 
Leider  geht  aus  diesen  Stellen  nicht  hervor,  ob  sie  zu  Pferde 
oder  zu  Fuss  kämpften.  Über  ihre  Körpergrösse  lässt  sich  aber, 
wie  ich  glaube,  wenigstens  ein  indirektes  Zeugnis  aus  Jordanes 
Get.  c.  3  §  23  ableiten:  Suetidi,  cogniti  in  hac  gente  reliquis 
corpore  eminentiores :  quamvis  et  Dani,  ex  eorum  stirpe  progressi, 
Herulos  propriis  sedibus  expulerunt,  qui  inter  omnes  Scandiae 
nationes  nomen  sibi  ob  nimia  proceritate  aflectant  praecipuum. 
sunt  quamquam  et  horum  positura  Granu,  Augandzi,  Eunixi,  Taetel, 
Kugi,  Arochi,  Ranii.  quibus  non  ante  multos  annos  Roduulf  rex 
fuit,  qui  contempto  proprio  regno  ad  Theodorici  Gothorum  regis 
gremio  convolavit  et,  ut  desiderabat,  invenit.  hae  itaque  gentes, 
Germanis  corpore  et  animo  grandiores ,  pugnabant  beluina 
saevitia-).  Wenn  die  Heruler  einst  die  nachmaligen  Sitze  der 
Dänen  eingenommen  hatten,  so  werden  sie  sich  wohl  auch  in 
Bezug  auf  den  Wuchs  enger  an  die  Scandiae  nationes  d.  h.  die 
wegen  ihrer  Körpergrösse  zu  den  eigentlichen  Germanen  in  Gegen- 
satz gestellten  Nordgermanen  angeschlossen  haben.  [Ich  treffe 
also  hier  mit  Gustaf  Kossinna  überein,  der  die  Heruler  als 
Urbewohner  der  dänischen  Inseln  durchaus  zu  den  Nordgermanen 
rechnet  =^).]  Dass  sie  ehemals  nicht  bloss  auf  den  dänischen 
Inseln,    sondern    auch    auf   dem    skandinavischen  Festlande  in  der 


1)  Vgl.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  478. 

2)  über  die  Interpretation  dieser  Stelle  vgl.  A.  v.  Gutschmid, 
Kl.  Sehr.  V  305—307. 

3)  [Indogerm.  Forschungen  7,  276  ff.]  —  Müllenhoff ,  Beovulf  und 
R.  Löwe,  Die  Reste  der  Germanen  am  Schwarzen  Meere  1896  halten 
die  Heruler  dagegen  für  Ingvaeonen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  363 

Nähe  der  Gauten  gewohnt  hatten ,  darf  man  wohl  aus  dem  Be- 
richte des  Prokopios  de  hello  Gotth.  2,  15  p.  205  über  die  Rück- 
wanderung einer  Abteilung  der  Heruler  schliessen ,  welche  nach 
der  Niederlage  ihres  Volkes  durch  die  Langobarden  im  J.  512 
es  verschmähten,  unter  römische  Hoheit  zu  treten i):  i]vi,Ka"Eqov- 
loi  AayyoßciQÖ&v  ijGGy^d'ivrBg  t-jj  f^«Zj/  ^'^  ri&&v  t&v  TtaxQLCOv 
eßrrjGav,  ol  ^\v  avx&v,  coötieq  (iol  e\i7TQ06d'Ev  6EÖiriy'i]rat,  ünrjGavro 
ig  Tcc  iv^RXvQtoLg  xcoqCu,  ot  Öe  örj  akkot"l6TQOV  norafibv  öucßalvEiv 
ovödfiTj  Eyvcoßav ,  aAA,'  ig  avrdg  tcov  rag  E6%axiag  xfig  ohov^Evr\g 
lÖQVßavxo.  ovxco  yovv  noXkäv  iv,  xov  ßaßdEtov  ai'fiocxog  7}yovfiEvcov 
GcpiGLV  i]^EL'^)av  ^Ev  xci  Zv.Xccßr]v(bv  E&vt]  i(pE^iig  anavxa,  EQTjfiov  ÖE 
%c6qccv  öiaßavxEg  ev&evÖe  7tokXi]v  ig  xovg  OvaQvovg  Kcdovfilvovg 
ixcoQTjßav,  ftE-ö-'  ovg  6r}  Kai  Jav&v  xä  E'&vr]  7taQEÖQa(xov,  ov  ßia^o- 
fxivcov  6q)cig  xav  xfiÖE  ßaQßccQcov.  iv&ivÖE  xe  ig  ojKEavov  ag}iK6- 
(lEvot  ivavxiXlovxo,  QovXy  xe  TiQoöxovxsg  xij  vi]6G)  ccvxov  e'i^Eivav.  .  .  . 
{&ovXtxcov)  E'&vog  ^ev  TtoXvdv&QConov  ol  Favxoi  eIöi,  naq  ovg  ör} 
^EqovXcov  xoxe  OL  inyjXvxai  idqvGavxo. 

Was  nun  die  Hauptfrage  betrifft,  ob  sich  nachweisen  lässt, 
dass  ein  Teil  der  Heruler  noch  in  der  von  uns  postulierten  Zeit 
d.  h.  im  fünften  und  sechsten  Jahrhundert  an  der  Maiotis  gesessen 
hat,  so  muss  sofort  bekannt  werden,  dass  ihr  Name  hier  nach  dem 
Jahre  375  völlig  verschwindet.  Durch  Ermanarik  um  die  Mitte 
des  vierten  Jahrhunderts  unterworfen,  gerieten  sie  ohne  Zweilei 
beim  Untergange  des  Ostgotenreiches  unter  die  Obmacht  der  Hunnen. 
Die  grosse  Masse  der  Heruler  muss  dann  später  gleich  den  Ost- 
goten durch  die  Hunnenstürme  nach  Westen  fortgerissen  worden 
sein;  ob  sie  aber  mit  den  Herulern  an  der  Donau  zusammen- 
hängen 2),  welche  die  Weltkarte  des  Julius  Honorius  schon  am 
Ende  des  4.  oder  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  dort  kennt  ^) ,  ist 
noch  nicht  aufgeklärt. 

E.  Löwe  glaubt  indessen  eine  Spur  der  Heruler,  wenn  auch 
unter  anderem  Namen,  noch  in  dem  um  480  von  einem  Unbe- 
kannten verfassten  Periplus  des  Schwarzen  Meeres  entdeckt  zu 
haben*).  In  diesem  heisst  es  Kap.  XLII  §  21—22  bei  C.  Müller, 
FHG.  V  1,  181 — 182:  'Ano  Se  'Ieqov  Xi^ivog  i]xoi  NIkc^lv  Elg 
^ivÖLKriv  (tJtoi  St,v8i%ov  Xi^iva,  vvv  8e  XEy6{iEvov  EvöovGlav)  Gxddioi 
a/,'  ^iXta  jLt'.  ^Anb  ovv  SlvSlv.ov  Xifiivog  Ecog  TJdyQag  Xtfihog  Ttqariv 
aKOVv  k'&vr}  ot  XEyofiEvot  Keqkexul  i]xol  Toqixca ,  vvv  ÖE  oIkovGlv 
EvSovGuivol  XEyö^Evoi,  xfj  Fox'd't'/.fi  Kccl  TavQLKrj  y^qa^Evoi  yXcorxy. 
Diese  Eudusianer,  die  nach  dem  Anonymus  an  der  kaukasischen 
Küste  zwischen  Pagrai  (j.  Gelengik)  und  Sindike  (j.  Anapa)  sassen,  das 


^)  Ebenso  F.  Dahn,  Urgeschichte  der  germanischen  und  romani- 
schen Völker  I  565.    R.  Löwe  a.  a.  0.  S.  30  f. 

2)  Vgl.  Löwe  a.  a.  0.  211.  Müllenhoff,  DA.  III  221.  312. 
Matthaei,  ZDA.  43,  313. 

^)  Geogr.  lat.  min.  p.  40   ed.  Rieso. 

*)  A.  a.  0.  19—22.  29—35. 


364  J-  Marquart, 

nach  ihnen  Evöovöta  hiess,  und  zwei  Sprachen,  Gotisch  und  Taurisch 
d.h.  Alanisch  1)  sprachen,  müssen  sich  aber,  wie  sich  aus  Proko- 
pios  de  bell.  Goth.  IV  4  p.  474  ergibt,  viel  weiter  erstreckt 
haben  als  man  nach  dem  Periplus  vermuten  würde,  und  zwar  der 
Ostküste  der  Maiotis  entlang  bis  zur  Mündung  des  Tanais-). 
Prokopios  sagt  nämlich:  'Ttisq  6e  Zayidccg  Ovvvlku  ed'vrj  noXka 
l'ÖQVvrai.  t6  d  ivrevd-ev  EvXvßla  ftfv  r]  icoQa  mvofiaörai,  ßug- 
ßaQOt  ds  avTf]g  hv&QmTtoi  rd  rs  TKXQaXia  aal  rrjv  fieGoystov  s'^ovöi, 
fiiXQt  ig  trjv  MaiärLV  KaXovfjLevriv  Xlfxvrjv  nal  noTafibv  Tdvaiv. 
Ohne  Zweifel  ist  hier  ETJTZIA  zu  lesen,  wie  schon  Wasil- 
jewskij  vermutet  hat.  Dieses  Volk  betrachtet  Löwe  als  einen 
Zweig  der  Eudoses,  die  Tacitus  Germ.  40  hinter  den  Aviones,  Anglii 
und  Varini  nennt  und  die  also  in  Nordschleswig  und  Jütland  sassen, 
und  hält  diese  wie  die  Eudusianoi  für  Gauvölker  der  Heruler. 
Seine  Darlegung  hat  in  der  That  grosse  Wahrscheinlichkeit  für 
sich,  mindestens  was  die  germanische  Nationalität  der  Eudusianer 
und  ihre  Herkunft  aus  Jütland  angeht.  Dass  ihre  Sprache  als 
gotisch  bezeichnet  wird,  ist  eine  üngenauigkeit ,  die  aber  nicht 
weiter  auffallen  kann ,  da  die  gotische  Sprache  der  den  Romäern 
bekannteste  und  am  weitesten  verbreitete  unter  den  germanischen 
Dialekten  war ,  auch  wenn  man  L  ö  w  e  's  Ansicht  nicht  beizu- 
pflichten vermag,  dass  auch  die  Tetraxiten  auf  der  Halbinsel  Taman 
und  selbst  die  Krimgoten  keine  eigentlichen  Goten,  sondern  Heruler 
gewesen  seien.  Die  alanische  Sprache  werden  die  Eudusianer  von 
den  alanischen  Tanaitai  an  der  Mündung  des  Tanais  erlernt  haben, 
von  wo  aus  sie  in  ihre  Sitze  an  der  kaukasischen  Küste  vor- 
gedrungen sein  müssen.  An  die  Maiotis  versetzen  die  Quellen 
aber  auch  die  Sitze  der  Heruler.  Jordanes  sagt  c.  23  §  117: 
nam  jDraedicta  gens  (Herulorum).  Ablavio  istorico  referente,  iuxta 
Meotida  palude  inhabitans  in  locis  stagnantibus ,  quas  Greci  ele 
vocant ,  Eluri  nominati  sunt ;  diese  Etymologie  geht  aber  schon 
auf  den  Historiker  Dexippos  zurück^),  und  so  bezeichnet  Synkellos 
p.  717  die  Barbaren,  welche  unter  Gallien  Byzanz  und  Kyzikos 
angriffen  und  sich  darauf  nach  dem  eigentlichen  Griechenland 
wandten ,  wo  sie  Athen ,  Korinth ,  Sparta  und  Argos  plünderten 
und  niederbrannten ,  als  Heruler ,  die  durch  die  Maiotis  in  den 
Pontos  herabgesegelt  waren ■*).     Tomaschek  bemerkt ,  dass  sich 


^)  So  Wasiljewskij ,  Journal  des  Minist,  für  Volksauf klärung. 
Januar  1878  S.  103  ff.,  citiert  bei  Löwe  S.  20,  nach  demselben  Periplus 
§  51  (Geogr.  Gr.  min.  I  415):  vvv  dh  Xiysxai  ©todoaicc  rjj  'AXavixjj  i'jrot 
rfj   TavQi^f]  diaXsxtcp  'Agdüßda  [r.  'Aßdagda],  tovreariv  BTtrd&sog. 

^)  Vgl.  Tomaschek,  Anzeiger  für  deutsches  Altertum  XXIII, 
1897,  125. 

'')  Etymol.  magnum  p.  333  ed.  Gaisford:  &ti6  tav  iKsTas  iXcöv 
'ElovQOL  y.i-KX7\vxai.     ^t^imtog  iv  Scads-Kaxca  'ji^Qoviy.äv. 

*)  Vgl.  Löwe  a.  a.  0.  S.  4  f.  Zeiiss,  Die  Deutschen  S.  476  f. 
Mommsen,  R.  G.  V  220—226. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  365 

die  Eudysia  des  Prokopios  mit  den  Sitzen  der  bulgarischen 
OvxiyovQOi  völlig  deckte.  Ausser  mit  diesen  ihren  Oberherren 
müssen  die  Eudusianer  aber  auch  mit  den  Alanen  in  regen  Be- 
ziehungen gestanden  sein,  wie  man  schon  aus  ihi-em  Gebrauche 
der  alanischen  neben  ihrer  eignen  , gotischen"  Sprache  vermuten 
darf,  und  wenn  in  späterer  Zeit  die  binnenländischen  Alanen  selbst 
Einfälle  in  das  Gebiet  der  Ziehen  oder  Cerkessen  unternahmen, 
wobei  sich  diese  auf  die  Inseln  an  den  Mündungen  des  Kuban 
zurückzogen  1),  so  müssen  sie  durch  das  Land  der  Eudusianer 
gekommen  sein.  Dies  spricht  aber  zu  Gunsten  der  Gleichsetzung 
der  Eudusianer  mit  den  Hrös  des  syrischen  Anonymus.  Ausserdem 
wohnten  jene  ja  auch  ganz  in  der  Nähe  der  traditionellen  Wohnsitze 
der  Amazonen-). 

Der  auf  den  ersten  Blick  so  fremd  anmutende  Name  Urös 
erinnert  sofort  an  den  der  Eosomoni,  eines  der  von  Ermanarik 
unterworfenen  Völker,  das  in  der  Erzählung  des  Jordanes  Get. 
c.  24  §  129  aufs  engste  mit  seinem  Untergange  verflochten  ist: 
nam  Hermanaricus ,  rex  Gothorum,  licet,  ut  superius  retulimus, 
multarum  gentium  extiteret  triumphator,  de  Hunnorum  tamen 
adventu  dum  cogitat ,  Rosomonorum  ^)  gens  infida ,  quae  tune 
inter  alias  illi  famulatum  exhibebat,  tali  eum  nanciscitur  occa- 
sione  decipere.  dum  enim  quandam  mulierem  Sunilda  nomine 
ex  gente  memorata  pro  mariti  fraudulento  discessu  rex  furore 
commotus  equis  ferocibus  inligatam  incitatisque  cursibus  per  di- 
versa  divelli  praecipisset,  fratres  eius  Sarus  et  Ammius,  germanae 
obitum  vindicantes,  Hermanarici  latus  ferro  petierunt;  quo  vulnere 
saucius  egram  vitam  corporis  inbecillitate  contraxit.  quam  adversam 
eius  valetudinem  captans  Balamber  rex  Hunnorum  in  Ostrogotharum 
parte  movit  procinctum,  a  quorum  societate  iam  Vesegothae  quadam 
inter  se  intentione  seiuncti  habebantur.  Inter  haec  Hermanaricus 
tam    vulneris    dolore    quam    etiam    Hunnonim    incursionibus    non 


^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  administr.  imp.  c.  42  p.  182:  i]  öh 
t))g  Zl^iocs  Ttagäliog  i%tL  vr\Gia,  zb  fif'yo;  vTqßiov  v.ixl  xä  XQia  vrjaia- 
ivSoQ'BV  dh  xovxcüv  tlal  v.ul  sxsqu  vr]aia  xu  iTtivor\%ivxa  v.a\  naqu  xcöv 
Tjifßiv  v.xiO%ivxa,  x6  xs  TovQyavi]Q%  nal  x6  T^aQßaydvL  xal  sxsqov  vrjGLOV, 
y.uL  ilg  xov  xov  Ttoxa^iov  Xi[iivu  s'xsqov  vrjGLOv,  aal  slg  xäg  Utsliag 
sxnQOV,  iv  Od  iv  xutg  xäv  'Alavcov  iitiSgo^aig  ol  7jI%o\  Kaxacptvyovßi. 
Vgl.  Mas'ndT,  Murüg  II  46—47.  Tomaschek  a.  a.  0.  S.  126.  West- 
berg, Die  Fragmente  des  Toparcha  Goticus  aus  dem  10.  Jahrhundert 
S.  104—105.  Mäm.  de  PAcad.  de  St.  -  P^tersbourg  Vllle  Sör.  t.  V 
Nr.  2.  1901. 

2)  Vgl.  z.  B.  Plin.  6,  35 :  Ultra  eos  (Arimphaeos)  plane  iam  Scythae, 
Cimmerii,  Cissianti,  Georgi  et  Amazonum  gens.  Haec  usque  ad  Caspium 
et  Hyrcanium  mare. 

Melal,  19  8  116:  primi  Maeotidae  Gynaecocratumenoe  regna 
Amazonum,  fecundos  pabulo  at  alia  steriles  nudosque  campos  tenent. 
Ammian.  Marcellin.  31,  2,  16:  parte  alia  prope  Amazonum  sedes 
Halani  sunt  orienti  adclines,  diffusi  per  populosas  gentes  et  amplas. 

^)  V  rosomanorum,  L  rosomorum,  Z  rosimanorum. 


366  J.  Marquart, 

ferens  grandevus  et  plenus  dierum  centesimo  decimo  anno  vitae 
suae  defunctus  est.  cuius  mortis  occasio  dedit  Hunnis  praevalere 
in  Gothis  illis,  quos  dixeramus  orientali  plaga  sedere  et  Ostrogothas 
nuncupari. 

Die  Episode  von  der  Verwundung  oder  Verstümmelung 
Ermanariks  durch  ein  Brüderpaar  aus  Rache  für  die  grausame 
Hinrichtung  ihrer  Schwester  hat  bekanntlich  auch  die  germanische 
Heldensage  bewahrt.  Das  älteste  Zeugnis  hierfür  findet  sich  in 
dem  vor  994  geschriebenen  älteren  Teil  der  Quedlinburger  Annalen 
(MG.  SS.  III  31)  und  in  den  um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
verfassten  Würzburger  Annalen  (MG.  SS.  VI  23) ,  die  beide  nach 
E.  Schröder 's  Ausführungen  ^)  aus  einer  gemeinsamen  Quelle, 
nämlich  einer  interpolierten  Handschrift  von  Bedas  Weltchronik 
geschöpft  haben.  Dasselbe  lautet:  Ermanricus  rex  Gothorum  a 
fratribus  Hemido  et  Serila  et  Adaccaro,  quorum  patrem  interfecerat, 
amputatis  manibus  et  pedibus  turpiter,  uti  dignus  erat,  occisus  est. 
In  dieser  Version,  die  aus  angelsächsischer  Quelle  stammt,  ist  also 
die  Schwester  durch  den  Vater  der  Brüder  ersetzt,  dessen  Tod 
gerächt  wird.  Überdies  ist  zu  dem  altüberlieferten  Brüderpaare 
Sarus  und  Ammius  (Serila  und  Hemidus)  noch  ein  dritter  Bruder 
Adaccar ,  d.  i.  der  Skirenfürst  Odoakar ,  hinzugetreten ,  der 
als  Gegner  des  Ostgotenkönigs  Theoderik  bekannt  war.  Allein 
Sunilda  ist  noch  festgehalten  in  der  norwegisch-isländischen  Sage 
und  bei  Saxo,  wo  sie  Svanhildr  heisst,  wenn  sie  auch  hier  bereits 
als  Ermanariks  Gattin  aufgefasst  wird  und  das  Motiv  zu  ihrer 
Hinrichtung  ein  persönliches,  der  Ehebruch  mit  einem  Sohne 
Ermanariks  aus  früherer  Ehe  ist.  Zu  ihren  Brüdern  Sorle  und 
Hamder  {^Sarwüa  und  *Hainapius) ,  die  Söhne  des  Jönakr 
(Verstümmelung  aus  ags.  *Eadaccar^  ahd.  Ötachar,  Odoacar?)-) 
heissen,  kommt  hier  ein  dritter  Erpr^  der  aber  an  der  Ermordung 
Ermanariks  nicht  wirklich  Teil  nimmt. 

Bei  dieser  Zähigkeit,  mit  welcher  die  Sage  die  Namen  der 
mit  dem  Untergange  Ermanariks  verknüpften  Personen  festgehalten 
hat ,  muss  es  um  so  mehr  auffallen ,  dass  sich  von  dem  Namen 
des  Volkes,  dem  dieselben  angehörten,  nach  Jordanes  keine  Spur 
mehr  findet.  Daraus  darf  man  wohl  den  Schluss  ziehen,  dass 
Rosomoni  nicht  ein  eigentlicher  Volksname ,  sondern  ein  epischer 
Beiname  war,  und  damit  erhalten  wir  das  Recht,  unter  den 
historischen  Völkern,  die  in  der  Geschichte  Ermanariks  hervor- 
treten, Umschau  zu  halten  und  uns  zu  fragen,  ob  sich  nicht  vielleicht 


^)  Die  Heldensage  in  den  Jahrbüchern  von  Quedlinburg.  Zeitschr. 
f.  deutsches  Altertum  41,  1896,  24—32. 

2)  [Nach  Bugge  sind  die  Helgi-  und  die  Volsungenlieder 
der  altern  Edda  von  norwegischen  Dichtern  in  Brittanien  verfasst; 
Helgedigtene  i  den  asldre  Edda,  deres  hjem  og  forbindelser.  Kj0bu- 
havn  1896.     PBB.  XII,  1897,  115—134.] 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  367 

hinter  einem  derselben  die  Rosomoni  verstecken  könnten.  HeinzeP) 
hat  nun  die  Vermutung  aufgestellt,  dass  mit  ihnen  ein  slawisches 
Volk  gemeint  sei,  und  beruft  sich  auf  eine  Nachricht  bei  Saxo 
1,  412,  nach  welcher  Jarmericus  die  Führer  aufrührerischer  Slawen 
von  Pferden  zerreissen  Hess.  Durch  seine  Grausamkeiten,  zu 
welchen  ihn  sein  böser  Berater  Bicco  anstachelt,  hatte  sich  Jarmericus 
den  allgemeinen  Hass  zugezogen.  Adversum  quem  etiam  Sclavorum 
tumultus  exoritur.  Cuius  sopiendi  gratia  duces  eoi'um  captos,  tra- 
iectis  fune  tibiis,  equis  in  diversa  raptantibus  praebuit  lacerandos. 
In  hunc  modum  consumpti  principes  corporum  suorum  distractu 
pertinacis  animi  poenas  dederunt.  Quae  res  Sclavorum  in  suo 
statu  aequali  ac  solida  subjectione  continuit.  Ermanarik  hatte 
allerdings  nach  dem  Zeugnisse  des  Jordanes  Get.  c.  23  §  119  auch 
die  Slawen  sämtlich  seiner  Herrschaft  unterworfen,  von  einem 
Aufstande  derselben  wird  indessen  nichts  berichtet.  Der  Erzählung 
Saxo's  liegt  wahrscheinlich  eine  von  Jordanes  Get.  48  §  247  be- 
richtete und  in  die  kurze  Regierung  des  Vinitharius,  des  Grossneffen 
und  Nachfolgers  Ermanariks  verlegte  Begebenheit  zu  Grunde :  qui 
avi  Vultulfi  virtute  imitatus,  quamvis  Hermanarici  felicitate  inferior, 
tarnen  aegre  ferens  Hunnorum  imperio  subiacere ,  paululum  se 
subtrahens  ab  illis  suaque  dum  nititur  ostendere  virtute,  in  Antorum 
fines  movit  procinctum,  eosque  dum  adgreditur  prima  congressione 
superatus,  deinde  fortiter  egit  regemque  eorum  Boz  nomine  cum 
filiis  suis  et  LXX  primatibus  in  exemplum  terroris  adfixit,  ut 
dediticiis  metum  cadavera  pendentium  geminarent.  Der  hier  be- 
richtete Sieg  des  Vinitharius  über  die  Anten  hat  in  seiner  kurzen, 
von  Kämpfen  gegen  die  Alanen  und  Hunnen  ausgefüllten  Regie- 
rung thatsächlich  keinen  Platz  und  gehört  wahrscheinlich  in  die 
letzte  Zeit  des  Ermanarik"-).     An    und   für   sich  stünde  somit  der 


3)  Über  die  Hervararsaga.     SBWA.  114,  1887,  S.  516. 

1)  Der  wirkliche  Verlauf  der  Begebenheiten  beim  Untergange  des 
ostgotischen  Reiches  ist  schon  bei  Jordanes  mehrfach  verschoben.  Nach 
seiner  Darstellung  wären  die  Ostgoten  alsbald  nach  dem_  Tode  Erma- 
nariks von  den  Hunnen  unterworfen  worden  und  zunächst  in  ihren  alten 
Wohnsitzen  geblieben:  Quos  (Ostrogothas)  constat  morte  Hermanarici 
regis  sui,  decessione  a  Vesegothis  divisos,  Hunnorum  su bditos 
dicioni,  in  eadem  patria  remorasse,  Vinithario  tarnen  Amalo 
principatus  sui  insignia  retinente  (Jordan.  Get.  c.  48  §  246).  Daran 
schliesst  sich  die  obige  Erzählung  von  dem  Siege  des  Vinitharius  über 
die  Anten,  worauf  es  heisst  (§  248):  Sed  dum  tali  libertate  vix  anni 
spatio  imperasset,  non  est  passus  Balamber  rex  Hunnorum,  sed  _ad- 
scito  ad  se  Gesimundo,  Hunnimundi  magni  filio,  qui  iuramenti  sui  et 
fidei  memor  cum  ampla  parte  Gothorum  Hunnorum  imperio 
subiacebat,  renovatoque  cum  eo  foedere  super  Vinitharium  duxit  exer- 
citum;  diuque  certati  prirao  et  secundo  certamine  Vinitharius  vincit. 
nee  valet  aliquis  commemorare,  quanta  strage  de  Hunnorum  Vene- 
tharius  fecit  exercitu.  tertio  vero  proelio  subreptionis  auxilio  ad 
fluvium   nomine  Erac   [zwischen  Dnjepr  und  Dnjestr],   dum  utrique  ad 


368  J-  Marquart, 

Vermutung  Heinzeis  nichts  im  Wege.  Wenn  die  Slawenhäupt- 
linge bei  Saxo  nicht  aufgeknüpft,    sondern   von  Pferden    zerrissen 

se  venissent,  Balamber  sagitta  missa  caput  Venetharii  saucians  inter- 
emit,  neptemque  eius  Vadamercam  sibi  in  eoniugio  copulans  iam 
omnem  in  pace  Gothorum  populum  subactum  possedit, 
ita  tarnen,  ut  genti  Gothorum  semperum  proprius  regulus,  quamvis 
Hunnorum  consilio,  imperaret.  Et  mox  defuncto  Venethario  rexit  eos 
Hunimiindus,  filius  quondam  regis  potentissimi  Hermanarici,  acer  in 
hello  totoque  corpore  pulchritudine  pollens,  qui  post  haec  contra  Sua- 
vorum  gente  feliciter  dimicavit.  Ammian  31,  3,  3  dagegen  berichtet 
kurz:  cuius  (Ermenrichi)  post  obitum  rex  Vithimiris  creatus  restitit 
aliquantisper  Haianis,  Hunnis  aliis  fretus,  quos  mercede  sociaverat 
partibus  suis,  verum  post  multas,  quas  pertulit  clades,  animam  effudit 
in  proelio,  vi  superatus  armorum.  cuius  parvi  filii  Viderichi  nomine 
curam  susceptam  Alatheus  tuebatur  et  Saphrax,  duces  exerciti  et  firmi- 
tate  pectorum  noti,  qui  cum  tempore  arto  praeventi  abiecissent  fiduciam 
repugnandi,  cautius  discedentes  ad  amnem  Danastium  pervenerunt,  inter 
Histrum  et  Borysthenem  per  camporum  ampla  spatia  diffluentem. 

Nach  Ammian  setzten  die  Ostgoten  also  nach  Ermanariks  Tode 
ihren  Widerstand  fort,  und  zwar  waren  es  die  mit  den  Hunnen  ver- 
bündeten Alanen,  gegen  welche  Ermanariks  Nachfolger  nach  zahl- 
reichen unglücklichen  Gefechten  zuletzt  im  Kampfe  blieb.  Von  einem 
Kriege  desselben  gegen  die  Anten  ist  hier  keine  Rede  und  ein  solcher 
auch  durch  die  politische  Lage  nach  Ermanariks  Tode,  wie  sie  sich 
aus  Ammiaus  Bericht  ergibt,  geradezu  ausgeschlossen :  sowohl  Ammian 
als  Jordanes  heben  die  kurze ,  kaum  einjährige  Regierung  des  Nach- 
folgers Ermanariks  (Vithimiris  bezw.  Vinitharius)  hervor.  Allein  der 
Name  Vinitharius  bei  Jordanes,  Winitarius  bei  Cassiodor.  Var.  XI 
1,  19  p.  330  ed.  Mommsen,  got.  *Winipaharjis  „ein  Wendenheer  be- 
sitzend", setzt  in  der  That  einen  Sieg  dieses  Fürsten  über  Wenden 
(Anten)  voraus ,  der  daher  wahrscheinlich  in  die  Regierung  des  bereits 
bejahrten  Ermanarik  fällt,  wie  auch  der  Name  seines  Sohnes  Vanda- 
larius,  got.  *  Wandalaharjis  einen  solchen  über  die  Wandalen  anzeigt, 
der  vor  406  und  wahrscheinlich  schon  vor  401  stattgefunden  haben 
muss,  in  welchem  Jahre  wir  die  Wandalen  in  Raetien  finden  (Chaudian. 
de  hello  Pollentino  ed.  Birt  v.  414 — 415).  Dass  die  Wandalen  durch 
die  Ostgoten  aus  Pannonien  verdrängt  worden  waren,  deutet  auch 
Jordan. Get.c. 31  §161  an:  nam  Vandali  vel  Alani,  quos  superius  diximus 
permissu  principum  Romanorum  utramque  Pannoniam  resedere,  nee  ibi 
sibi  metu  Gothorum  arbitrantes  tutum  fore,  si  reverterentur,  ad  Gallias 
transierunt.  Vinitharius  und  Vandalarius  werden  demnach  ursprüng- 
lich nicht  Eigennamen,  sondern  Beinamen  sein,  sodass  gegen  ihre  Gleich- 
setzung mit  Ammians  Vithimiris  und  Viderichus  nichts  einzuwenden  ist. 
Nach  Jordanes  war  Vinitharius  der  Grossneflfe  des  Ermanarik,  und  aus 
Ammians  Worten  darf  man  schliessen,  dass  Vithimiris  weder  der  Sohn 
noch  der  Enkel  seines  Vorgängers  war.  Zu  Gunsten  jener  Gleichung 
fällt  aber  noch  stark  in  die  Wagschale,  dass  ein  Sohn  des  Vandalarius, 
also  ein  Enkel  des  Vinitharius- Küi/imwVzis,  wieder  Vidimir  heisst. 

Der  Erzählung  des  Jordanes  zufolge ,  die  aber  bereits  sagenhaft 
zusammengezogen  ist,  indem  sie  die  Alanen  ausschaltet  und  alles  auf 
die  Hunnen  überträgt,  und  als  Volkssage  an  verschiedenen  Anachronismen 
leidet,  hätte  sich  nach  dem  Tode  des  Vinitharius  das  ganze  Volk  der 
Ostgoten  dem  Hunnenkönig  Balamber  alsbald  freiwillig  unterworfen, 
der  den  Frieden  durch  die  Vermählung  mit  einer  Enkelin  (oder  Nichte) 
des  gefallenen  Königs  besiegelt  habe,  und  einen  Häuptling  aus  der  Linie 
des    Ermanarik    erhalten.      Dies    ist   nach    dem    Zeitgenossen   Ammian 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  369 

werden,     so     ist    diese    ungewöhnliche    Hinrichtungsart    ofiFenbar 
aus    der    Svanhildsage    eingedrungen.      Aber    gegen    die    slawische 


bekanntlich  unrichtig;  es  kann  sich  vielmehr  nur  um  eine  Partei  unter 
den  Ostgoten  oder  Greutungen  handeln,  welche  den  Enkel  Ermanariks 
auf  den  Schild  erhoben  und  sich  den  Hunnen  unterworfen  hatte,  wie 
Jordanes  kurz  vorher  selbst  andeutet  (§  248 :  qui  .  .  .  cum  ampla  parte 
Gothorum  Hunnorum  imperio  subiacebat),  während  sich  der  der  älteren 
Linie  des  Königshauses  ergebene  Hauptteil  des  Volkes  unter  Führung 
des  Alatheus  und  Saphrax  nach  dem  Dnjestr  zurückzog  und  im  J.  376 
den  unter  Fritigern  stehenden  christlichen  Terwingen  (Westgoten), 
welche  vom  Kaiser  Valens  die  Erlaubnis  zur  Niederlassung  in  Thrakien 
erhalten  hatten,  über  die  Donau  folgte  (Ammian.  Marcellin.  31,  5). 
Nach  dem  Untergange  des  Valens  in  der  Schlacht  von  Adrianopel  378 
zogen  Alatheus  und  Saphrax  während  der  Krankheit  des  Theodosius 
im  Jahre  380  mit  den  Ihrigen  nach  Panuonien,  während  Fritigern 
Epeiros  und  Achaia  verheerte.  Jordan.  Get.  27  §  140:  sed  Thepdosio 
principe  pene  tunc  usque  ad  disperationem  egrotanti  datur  iterum 
Gothis  audacia  divisoque  exercitu  Fritigernus  ad  Thessaliam  praedan- 
dam,  Epiros  et  Achaiam  digressus  est,  Alatheus  vero  et  Safrac  cum 
residuis  copiis  Pannoniam  petieruut.  quod  cum  Gratianus  Imperator, 
qui  tunc  a  Roma  in  Gallis  ob  incursione  Vandalorum  [richtig  Alaman- 
norum]  recesserat,  conperisset,  quia  Theodosio  fatali  desperatione  suc- 
cumbente  Gothi  malus  saevirent,  mox  ad  eos  collecto  venit  exercitu, 
nee  tamen  fretus  in  armis,  sed  gratia  eos  muneribusque  victurus, 
pacemque,  victualia  illis  concedens,  cum  ipsis  inito  foedere  fecit. 
Zos.  4,  34:  QsoSoeiov  toivvv  övtog  iv  rovroig,  rganavog  6  ßaatlsvg 
iKTtE^nsi  tote  y-oi-ta  xo  'lUvQiäv  y.li^a  argaricotiMotg  räy^aGi  axQatriybv 
BtraUccvov,  ccvSqu  TttTiovr\y.6aL  xolg  TtQciy^aai.  v.ar  ovöhv  ixQTihaL  dvva- 
yutvov.  Tovtov  öh  ijyovfiivov  dvo  iioiqul  t&v  vTthg  xbv  "Pfjvov  FsQ^iavi- 
K&v  iO-vav  [Verwechslung  mit  den  Alamaunen],  r)  ^ihv  j]ys\L6vi  ^QixiyiQV(f> 
XQCoiLSVT],  rj  öh  vTtö  'AXlo&sov  xat  2JdcpQaoioc  xsxccyn£vr],  xoig  KtlxiTiotg 
£&V£aiv  iitiY,£l{LSv ai  v.axi6xr\6av  dg  äväyy.r\v  xbv  ßccaLliu  FQaxiavbv  iv- 
Sovvai  acpioLV,  aTfohnovaaig  xcc  Jv  Kslrolg,  diä  xov  "laxQOV  Tlaioviav 
aal  xr]P  ävco  Mvaiav  yiaxccXaßsiv  fjv  yaQ  ccvxä  löyog  xe  ■nal^aTtovSr]  xicog 
ccTtallay?]VUL  xfjg  6vvi:%ovg  xovxcov  i(p6öov.  dianUvaavxbg  ovv  iitl  xovroig 
xbv"l6rQ0V,  Siuvoov[ihvoi  xs  Siu  TIcaoviag  i%l  xr]v  "HnEiQOV ^dtaßfjvai,, 
TtSQaiaO'fjvaL  6h  xbv  'A%tl&ov  v-ot  xalg 'E%lr\viv.cilg  itöUaLV  STti'd-Eö&ca, 
rQoq)ug  TtOQiaaG&aL  arj&riaav  tvqÖxsqov  ,  'AQ'avccQi%6v<xt>  navxbg^  xov 
ßaGiUiov  x&v  I^iiv&cüv  aqxovxa  yivovg  iv-itoSav  TConqGaG&at,  Ttgbg  xb 
(ir]6ivci  yiaxa.  vatxov  xbv  xcolvaovxcc  xi]v  ccvxav  iTtixsLQTqaiv  f'xntv.  ^  sjtt'9'E- 
fifO'Ot  xoLvvv  avxä)  avv  ovötvl  novca  xüv  xöncov  iv  olg  7\v  ccTtaviaxriaav^ 
6  6h  ag  Quoöbciov  i'ÖQa^Ev  ccQxico'g  kTtaklayivxa  voaov  xbv  ßiov  avxöj 
xaxaGxriGäarig  sig  a^cpißolov  v.xl. 

Aus  der  Darstellung  des  Zosimos  ergibt  sich  demnach,  dass 
Gratian  sich  in  dem  Friedensschluss  mit  den  Goten  dazu  verstehen 
musste ,  diesen  Pannonien  und  Obermoesien  einzuräumen ,  wenn  der 
Schriftsteller  auch  den  Frieden  selbst  fälschlich  vor  die  Verheerung 
von  Epeiros  und  Achaia  durch  die  Barbaren  setzt.  Die  Greutungen 
des  Alatheus  und  Saphrax  erhielten  also  Sitze  neben  den  Wandalen, 
die  schon  unter  Konstantin  d.  Gr.  in  Pannonien  angesiedelt  worden 
waren  (Jordan.  Get.  22  §  115). 

Dass  die  Ostgoten  hier  sofort  unter  die  Obmacht  der  Hunnen 
geraten  wären,  ist  gegen  alle  Wahrscheinlichkeit,  wenn  sie  auch  von 
ihren  Streifzügen  nicht  verschont  geblieben  sein  werden.  Die  Ver- 
mählung eines  Hunnenkönigs  mit  einer  ne^^^is  des  Vinitharius-Vithimiris 
kann  aber  natürlich  erst  weit  später  stattgefunden  haben,  da  dieser  bei 

24 
Marquart,  Streifzuge.  ''^ 


370  «J-  Marquart, 

Nationalität    der    Rosomoni    spricht    schon    der    Umstand,    dass, 
während    Boz    sich     deutlich    als     slawisch    verrät,     die    Namen 


seinem  Tode  nur  einen  unmündigen  Sohn  hinterliess.  Es  ist  daher  auch 
keineswegs  notwendig,  neptis  hier  als  Nichte  aufzufassen,  wie  bei 
Cassiodor.  Var.  IV  1,  1  p.  114,  3  ed.  Mommsen,  wo  es  Schwesters- 
tochter bedeutet  (vgl.  neptes  Var.  V  43,  1  p.  170,  6  und  nejws  =  Bruders- 
sohn eb.  I  88,  1  p.  35,  28) ,  da  auch  eine  Nichte  des  Vinitharius  bei 
seinem  Tode  gewis  noch  nicht  mannbar  war.  Der  betreffende  Hunnen- 
könig kann  demnach  nicht  Balamber  gewesen  sein,  sondern  nur  einer 
der  nächsten  Vorgänger  Attilas.  Derartige  Anachronismen  sind  in  der 
Volkssage  nichts  Auffälliges  und  zumal  der  deutschen  Heldensage  ganz 
geläufig.  Diese  Auffassung  scheint  auch  durch  die  Lesart  uualada- 
marcam  in  den   Hss.  0  B   an   die  Hand    gegeben  zu  werden,    die  nur 

la  a 
aus  einer  Korrektur  VVadamercam  d.  i.  Walamarcam  erklärt  werden 
kann,  wornach  die  Enkelin  des  Vinitharius  also  zu  seinem  Enkel 
Valamer  in  Beziehung  gesetzt  würde,  gleichviel  ob  diese  Verbesserung 
nun  berechtigt  ist  oder  nicht.  Von  diesem  Zweige  der  Ostgoten  hören 
wir  nichts  mehr  bis  zur  Zeit  Attilas. 

Mit  der  Auffassung  der  gotischen  Volkssage  bei  Jordanes  kommt 
allerdings  nahe  überein  die  auch  von  Jordanes  Get.  32  §  166  über- 
nommene Notiz  des  Marcellinus  comes  Ind.  X  Hierii  et  Ardaburis 
(a.  427) :  Pannoniae ,  quae  per  quinquaginta  annos  ab  Hunnis  retine- 
bantur,  a  Romanis  receptae  sunt  (Chron.  minora  II  76  ed.  Mommsen; 
M.  Gr.  Auct.  antiquiss.  t.  XI).  Darnach  fiele  die  Besetzung  von  Pannonien 
durch  die  Hunnen  schon  ins  Jahr  378,  also  nach  der  Schlacht  von  Adria- 
nopel. Allein  dies  ist  ist  eine  allzu  schematische  Grcschichtsbetrachtung. 
Pannonien  war  allerdings  im  Jahre  379  an  die  Barbaren  verloren  ge- 
gangen, nachdem  es  schon  im  vorigen  Jahre  gleich  den  andern  Donau- 
provinzen von  ihnen  ausgeraubt  worden  war;  vgl.  Pacat.  pauegyr.  c.  11: 
Nescis  me  tibi  tuisque  decrescere?  Quidquid  atterit  Grothus,  quidquid 
rapit  Hunnus,  quidquid  aufert  Alanus,  id  olim  desiderabit  Arcadius. 
Perdidi  infortunata  Pannonias;  lugeo  funus  lUyrici;  specto 
excidium  Galliarum.  Nach  dem  Friedensschluss  Theodosius'  I.  mit  den 
Goten  folgten  die  in  Pannonien  ansässigen  Goten,  Alanen  und  Hunnen 
dem  römischen  Aufgebot,  erkannten  also  die  Oberhoheit  des  römischen 
Reiches  an;  Pacat.  panegyr.  c.  32:  o  res  digna  memoratu!  Ibat  sub 
ducibus  vexillisque  Romanis  hostis  aliquando  Romanus,  et  signa,  contra 
quae  steterat,  sequebatur,  urbesque  Pannoniae,  quas  inimica  dudum 
populatione  vacuaverat,  miles  impleverat.  Gothus  ille  et  Hunnus  et 
Alanus  respondebat  ad  nomen,  et  alternabat  excubias  et  notari  in- 
frequens  verebatur.  Aber  noch  um  die  Wende  des  4.  und  5.  Jahr- 
hunderts klagt  Hieronymus  ep.  60  c.  16  (opera  t.  I  344  ed.  Vallarsi): 
Viginti  et  eo  amplius  anni  sunt,  quod  inter  Constantinopolim  et  Alpes 
lulias  quotidie  Romanus  sanguis  etfunditur.  Scythiam  Thraciam  Mace- 
doniam  Dardaniam  Daciam  Thessaliam  Achaiam  Epiros  Dalmatiam 
cunctasque  Pannonias  Gothus  Sarmata  Quadus  Alanus,  Hunni  Wandali 
Marcomanni  vastant  trahunt  rapiunt. 

Wenn  es  aber  auch  schon  seit  jener  Zeit  Hunnen  in  Pannonien 
gab,  so  haben  wir  doch  keinen  Grund  zu  der  Annahme,  dass  die  Hunnen, 
deren  Hauptlager  noch  mindestens  zwei  Jahrzehnte  lang  irgendwo  in 
dem  Gebiete  zwischen  Dnjepr  und  Karpaten  stand ,  bereits  damals  die 
Herrschaft  über  Pannonien  ausgeübt  hätten.  Prosper  und  Hydatius 
wissen  nichts  von  einer  Besetzung  Pannoniens  durch  die  Hunnen  im 
Jahre  378.  Vgl.  auch  Wietersheim-Dahn,  Gesch.  der  Völker- 
wanderung II 2  208.  382. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  371 

Sunilda,  Sarus  und  Ammius  unzweifelhaft  germanisch  sind :  Sarus 
(got.  *Sarws,    dim.  Sarwila ,   ags.   Serila,   an.  SorJe)  heisst  auch 


Dagegen  Hessen   sich  zwischen  378  und  401  auch  Alanen   neben 
den  Wandalen  als  foederati  des  römischen  Reiches  in  der  Theissebene 
nieder.     Noch    im    Jahre   391    machten   sie   im  Verein    mit    den  Visi 
(Terwingen  oder  „Westgoten"),  Bastarnen,  Hunnen  und  Sarmaten  Ein- 
fälle nach  Thrakien;  vgl.  Claudian.  in  Rufinum  I  310  ss.: 
Mixtis  descendit  Sarmata  Dacis 
Et  qui  cornipedes  in  pocula  vulnerat  audax 
Massagetes  caesamque  bibens  Maeotin  Alanus 
Membraque  qui  ferro  gaudet  pinxisse  Gelonus, 
Rufino  collecta  manus. 
De  consulatu  Stilichonis  I  94  ss. : 

Quis  enim  Visos  in  plaustra  feroces 
Reppulit  aut  saeva  Promoti  caede  tumentes 
Basternas  una  potuit  delere  ruina?  .... 
Non  te  terrisonus  Stridor  venientis  Alani 
Nee  vaga  Chunorum  feritas,  non  falce  Gelonus, 
Non  arcu  pepulere  Getae,  non  Sarmata  conto. 
Auch    im    Jahre   395   werden    sie    noch    als  Feinde    erwähnt;    in 
Rufinum  IT  270—271: 

lam  parat  insidias,  qui  nos  aut  turpibus  Hunnis 
Aut  impacatis  famulos  praebebit  Alanis. 
Dagegen  waren    die   Alanen    im  Anfange   des  Jahres  398  gleich 
ihren  Verwandten ,  den  Sarmaten ,  in  den  Kriegsdienst  des  Westreiches 
getreten;  Claudian.  panegyr.  de  IV  consulatu  Honorii  484-487: 
Obviam  quid  mirum  vinci,  cum  barbarus  ultro 
lam  cupiat  servire  tibi?     Tua  Sarmata  discors 
Sacramenta  petit,  proiecta  pelle  Gelonus 
Militat,  in  Latios  ritus  transistis  Alani. 
Wir  treffen  sie  als  fremde  Hilfstruppen  im  Heere  Stilicho's  in  den 
Jahren  402  und  403;  de  hello  Pollentino  580—585: 
Simul  externis  praecepta  ferebat 
Auxiliis.     Ibat  patiens  dicionis  Alanus, 
Qua  nostrae  iussere  tubae,  mortemque  petebat 
Pro  Latio;  docuit  gentis  praeclarus  Alanae, 
Qui  natura  breves  animis  ingentibus  artus 
Finxerat  inmanique  oculos  infecerat  ira. 
Panegyr.  de  VI    consulatu   Honorii    224.     Wir  werden    uns    den 
pragmatischen  Zusammenhang   am  besten   so  vorzustellen  haben ,    dass 
sie  samt  den  Wandalen   im  Jahre  400   oder  401   von   den  heidnischen 
Goten  des  Radagais,  die  erst  damals,  wie  es  scheint,   von  Dakien  her 
in  die  Theissebene  einbrachen,   verdrängt  worden  und  in  Raetien  und 
Norikum    eingefallen    waren.     Vgl.   Th.  Birt,   M.  G.  Auct.  antiquiss. 
t.  X  p.  XLVIII— XLIX. 

Um  diese  Zeit  macht  sich  bei  den  Hunnen  ein  strafferes  Anziehen 
der  Zügel  bemerkbar,  und  es  ist  kein  Zufall,  dass  uns  jetzt,  abgesehen 
von  der  gotischen  Volkssage  bei  Jordanes,  zum  erstenmale  der  Name 
eines  Hunnenfürsten  genannt  wird. 

Als  der  Gotenführer  Gaina  nach  seiner  durch  Fravitta  am  Helles- 
pont  erlittenen  Niederlage  mit  dem  Reste  seiner  Truppen  an  die  Donau 
zog  und  über  den  Strom  setzte,  um  in  die  alten  Wohnsitze  seines 
Volkes  zurückzukehren  (400),  OvXSrig  dh  6  rr}v  Ovvvmv  k'xcov  y.ar'  ixd- 
vovg  Tovg  j^govovg  rjyt^oviav,.  ovv.  äacpulhg  r^yriGÜ^iSvog  slvai  ßagßaQO) 
atQdronsöov    olv-slov    i^ovri   6vy%coQfiaai   itiqav   rov  "latQOv  rr}v  oiKriaiv 

24* 


372  J-  Marquart, 

ein  Gotenfürst  Oros.  7,  37,  12.    Marcellinus  comes  a.  406,  Chron. 
min.  II  69.     Jordan.  Rom.  41,  20   ed.  Mommsen.    Olympiodor 


s'^Biv,  &na  Sh  Kcci  rw  'Pco^cäcov  ol6[i£vog  ßaOiXsl  'j(^aQiSL6%aL  rovtov  aito- 
Sl(oko3V,  sig  [Lcc^riv  avrü  v,uta6xfivai  TtagsCKSvä^ito  Kai  avvayuyav  ttjv 
Svva^i-v  avTsrärtato.  Kai  Tatvrig  öh  ovrs  TtQog  'Pco^aiovg  iitavsXQ'aiv 
iti  övväiiBvog  o^rs  aXXcog  rrjv  äitsiXoviihVTqv  fcpodov  SicccpvyBiv,  önXiGag 
Tovg  ovv  ccvrä)  rolg  Ovvvoig  ccmqvzu.  Gv^nXaKivTcov  öh  x&v  atgccroTttSav 
ovx  ciTta^  ccXXä  kuI  TtoXXämg  c:XXriXoig,  avrsaj^s  ^hv  si'g  rivug  (iccy^ccg  f] 
rccivov  iiegig,  intl  öi  noXXol  xs  i^  avtäv  fitscov,  avrjQs&r]  kuI  uvxbg 
raiVT]g,  KCiQXiQcög  kuI  ysvvaicog  aycoviaä^svog.  xov  noXi^ov  xfj  Taivov 
TbXsvxfi  TtBQag  Xaßovxog,  OiXdrig  6  x&v  O^vvcov  rjyov^avog  xr]v  tovxov 
KscpaXijv  'AQKadio}  x&  ßaatXtl  niiiipag  Scagsiöv  r]^tovxo  Kai  inl  xovxotg 
anovdäg  Tcgbg  'PcoiKxiovg  ixi&txo  (Zos.  5,  22).  Dieser  Hunnenfürst  Uldin, 
wie  ihn  Orosius  (7,  37,  12)  nennt,  wird  auch  den  Radagais  mit  seinen 
Scharen  zur  Auswanderung  nach  der  Theissebene  gezwungen  haben'; 
auf  Kämpfe  der  Goten  mit  Alanen  und  Hunnen  in  dieser  Zeit  weisen 
die  Andeutungen  des  Gros.  7,  37,  3 :  taceo  de  ipsorum  inter  se  barba- 
rorum crebris  dilacerationibus ,  cum  se  invicem  Gothorum  cunei  duo, 
deinde  Alani  atque  Hunni  variis  caedibus  populabantur.  Allein  auch 
hier  Hessen  die  Hunnen  den  gehetzten  Goten  —  wahrscheinlich  Ost- 
goten —  keine  Ruhe,  und  so  brach  Radagais  im  Jahre  404  an  der 
Spitze  von  200  000  Mann  nach  Italien  auf.  Doch  sie  vermochten  den 
schrecklichen  Feinden  nicht  zu  entrinnen;  selbst  über  die  Alpen  folgte 
ihnen  Uldin  mit  seinen  Hunnen  als  Bundesgenosse  der  Römer,  mit 
dem  sich  der  dem  Alarich  feindliche  Westgotenführer  Sarus  ver- 
einigte; das  Heer  des  Radagais,  das  in  drei  Haufen  unter  drei  ver- 
schiedenen Führern  geteilt  war  (Chron.  Gall.  a.  CCCCLII  nr.  50.  52 
bei  Mommsen,  Chron.  min.  I  652),  wurde  von  ihnen  bei  Faesulae 
eingeschlossen  und  im  Jahre  405  zur  Übergabe  gezwungen  (Gros.  7, 
37,  4 — 16  und  nach  ihm  Marcellinus  comes  Chron.  a.  406,  Chron.  min. 
II  68/69.  Jordan.  Romana  §  321  p.  41,  18—21  ed.  Mommsen;  Prosper 
Tiro  nr.  1228  a.  405,  Chron.  min.  I  464;  Additam.  ad  Prosp.  Havn. 
a.  405  ib.  I  299;  Isidori  Hist.  Goth.,  ib.  II  272.  Olympiodor.  fr.  9  bei 
Dindorf ,  Hist.  Gr.  min.  I  452;  Zos.  5,  26,  3—5).  Prosper  und  Cassiodor 
lassen  den  Radagais  irrtümlich  schon  im  Jahre  400  gemeinsam  mit 
Alarich  in  Italien  einfallen  (Chron.  min.  I  464.  II  154),  wovon  der  Zeit- 
genosse Claudianus  jedoch  nichts  weiss. 

Von  diesem  Zeitpunkte  ab  dürfen  wir  also  die  Obmacht  der 
Hunnen  in  Pannonien  rechnen,  und  damals  werden  sich  ihnen  auch 
die  Scharen  des  Alatheus  und  Saphrax  unterworfen  haben.  Uldin 
(OvX&ig  6  Tjyov^hvog  x&v  TTspi  xbv  "Iötqov  ßaQßccQcov)  überschritt  im 
Jahre  408  an  der  Spitze  eines  zahlreichen  Heeres  die  Donau  und  machte 
Raubzüge  nach  Thrakien,  ward  jedoch,  als  er  den  Rückzug  über  die 
Donau  antrat,  von  den  Römern  angegriffen  und  verlor  einen  grossen 
Teil  seines  Heeres  und  seine  ganze  Nachhut,  welche  von  den  Skiren 
gebildet  wurde  (Sozom.  9,  5).  Nach  dieser  Niederlage  ist  von  Uldin 
nicht  weiter  die  Rede.  Erst  unter  dem  Fürsten  Ena  oder  Ruga,  dem 
Oheim  Attila\s,  hören  wir  wieder  von  grösseren  Unternehmungen  der 
Hunnen.  Im  Jahre  422  verwüsteten  sie  Thrakien  (Marcellin.  comes 
Ind.  V.  Honorii  XIII  et  Theodosii  X;  Chron.  min.  II  75),  und  im  J.  425 
zogen  60000  Hunnen  unter  Führung  des  Aetius,  der  früher  bei  ihnen 
als  Geisel  geweilt  hatte,  dem  Tyrannen  Johannes  zu  Hilfe;  sie  kamen 
jedoch  erst  drei  Tage  nach  der  Hinrichtung  des  Usurpators  an  und 
Hessen  sich  nach  einem  blutigen  Kampfe  mit  dem  römischen  Reiter- 
führer Aspar  von  Aetius,  der  seinen  Frieden  mit  der  Kaiserin  Placidia 
machte ,  zur  Umkehr  bewegen  (Sokrat.  h.  e.  7,  23.  Prosp.  Tiro  nr.  1288. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  373 

Chron.  min.  I  470).  Im  nächsten  Jahre  (426)  aber  unternahmen  sie  unter 
ihrem  Fürsten  Ruga  einen  grossen  Raubzug  nach  Thrakien  und  zogen 
gegen  die  Kaiserstadt;  der  Himmel  stritt  jedoch  für  die  Eomäer,  und 
Ruga  (^Povyug,  Theodoret  'Potlag)  selbst  soll  vom  Blitze  erschlagen 
worden  sein.  Da  auch  die  Pest  in  ihren  Reihen  wütete,  so  sahen  sich 
die  Hunnen  genötigt,  wieder  über  die  Donau  zurückgehen.  So  die 
sagenhaften  Berichte  der  Kirchenhistoriker  Sokrates  und  Theodoret. 
Sokrates  h.  e.  7,4.3:  ^tru  yaQ  ri]v  tov  tvQcivvov  (Johannes)  avaigsaiv  ol 
ßägßdQOL  ovg  iaulvos  Ttgbg  ßorj&i:iav  y,ata.  'Pcoiiaicov  iiiälsGtv  stoißOi 
rjßccv  v.arurgi%siv  xu  "^Pconaicov  ■nqa.yy.ata.  ravra  6  ßaaiXsvg  Ttvd'O^evog 
cvt">]&cog  Ti]v  Ttegl  tovtcov  q^QOvridu  insTQüipi:  tä  &iö}  •  tvj^cäg  rs  G^oXd- 
aug,  ovK  nlg  {la-nQuv  ihjjVVGSv  u  i^rixsi  Xaßtiv.  ola  yuQ  di]  y.a.1  iysvnto 
ToTg  ßaQßccQOcg,  nulbv  iTtay.ovaai.  d'vrjay.n  fihv  avrwv  6  iitocQxog  cp 
bvo{ia  i]v  'Povyag  ßXri&Hg  yiSQavvä.  Xoip.ög  rs  iitLlaßö^svog  t6  rclslatov 
rmv  Vit  avroi  ccv&Qmncov  öiscpd'BiQS.  aal  ov  rovto  ^övov  E^r]Qy.86£v, 
aXlci  yccQ  v.al  tivq  j|  ovqcivov  y.utsX^'ov  noXXovg  rmv  vnoXsicp&tvrcov 
äväXcoGEV  •  V.UI  rovto  eig  dsog  (isyiatov  rovg  ßaQßdgovg  Kariarr]asv,  ov 
rocovtov  oxi  TtQog  89'vog  ysvvalov  tb  '^Pco^aiav  onXu  avaigsiv  iroX^riOav, 
ccXX'  ort,  TtXiov  vTtb  ta^vgov  Q'nov  ßor]9'oviisvovg  iq}8VQiaxov. 

Theodoret  h.  e.  5,  37  p.  243  Vales. :  kccI  yäg  r]vUcc  'Potlag  HxvQ'cbv 
rav  vo^ccScov  rjyovfisvog,  xov  xt  "laxgov  disßr]  (isxa  GXQccxi&g  ort  ^ciXiaxa 
TtXeiaxi^g,  -kuI  xtjv  ©paxTjv  iöjjov  -aal  iXrj'C^sxo,  nul  r-qv  ßaßiXida  noXiv 
TtoXioQ%r\6siv  xs  Kul  uvxoßosl  aiQt]68LV  xat  avdaxaxov  ijTtiiXrj  7ioir\G£LV, 
Gv.rftxoTg  avco&cV  6  ^sbg  iiul  7tQT\6xfiQ6i  ßaXüv  v.al  avxbv  v.axicpXti,s,  y.ul 
xr]v  cxQccriäv  KaxaväXaCBv  ciTta^.  Die  Nachricht  vom  Untergange  Ruga'ß 
war  freilich  nur  ein  falsches  Gerücht,  da  derselbe,  wie  wir  aus  galli- 
schen Chroniken  wissen,  erst  im  J.  434  starb.  Chron.  Gall.  a.  CCCCLII 
nr.  116  a.  434  (Chron.  min.  I  660):  Rugila  rex  Chunorum,  cum  quo  pax 
firmata,  moritur,  cui  Bleda  succedit.  Chron.  Grall.  a.  DXI  nr.  .589  a.  434 
(ib.  I  661):  Defuncto  Ruga  Attila  rex.  Vgl.  Chron.  Gall.  a.  CCCCLII 
ur.  112  a.  433  (ib.  I  658);  Chron.  Gall.  a.  DXI  nr.  587  (ib.  I  659). 
Nach  jenem  verhängnisvollen  Zuge  Ruga's  nach  Thrakien  hätten  die 
Römer  also  nach  Marcellinus  den  Hunnen  Pannonien  wieder  entrissen. 
Wietersheim-Dahn,  Gesch.  der  Völkerwanderung  II  382  glaubt, 
dass  etwa  ein  hunnisches  (oder  den  Hunnen  unterworfenes  germanisches) 
Volk  in  das  südliche  Pannonien  an  der  Save  vorgedrungen  war  und 
die  Räumung  durch  Aetius,  etwa  auf  Grund  des  im  Jahre  424  ge- 
schlossenen Vertrages,  bewirkt  worden  sei.  Priskos  setzt  in  der  That 
ausser  Zweifel,  dass  erst  im  Jahre  433  wieder  ein  Teil  von  Pannonien 
an  der  Save  den  Hunnen  abgetreten  wurde,  die  Gesamtprovinz  also 
vorher  römisch  und  zwar  weströmisch  gewesen  sein  muss. 

Aus  all  dem  ergibt  sich,  dass  die  von  Ermanarik  abstammende 
Linie  des  ostgotischen  Königshauses,  welcher  Hunimund  und  Thorismöd 
angehörten,  nur  über  einen  Teil  der  Greutungen  oder  Ostgoten  unter 
hunnischer  Oberhoheit  geherrscht  haben  kann,  worüber  freilich  ander- 
weitige Nachrichten  gleichfalls  fehlen.  Unter  den  Suavi,  gegen  die  Huni- 
mund glücklich  gekämpft  haben  soll,  sind  die  Donausueben  d.  h.  die 
früheren  Quaden  zu  verstehen,  die  im  J.  406  im  Gefolge  der  Wandalen 
und  Alanen  über  den  Rhein  gingen  und  mit  ihnen  409  nach  Spanien  zogen; 
ob  deshalb  aber  anzunehmen  ist,  dass  sich  auch  Hunimund  mit  seinem 
Volke  bereits  in  Pannonien  niedergelassen  hatte,  bleibt  zweifelhaft. 
Über  die  in  Dakien  (unter  hunnischer  Oberherrschaft)  zurückgebliebenen 
Greutungen  {Gruthungi)  erfahren  wir,  dass  sie  im  Jahre  386  unter 
ihrem  König  Odothaeus  (Odothei  regis  Claudian.  de  IV  consulatu  Honorii 
632)  versuchten,  mit  Weib  und  Kind  ins  römische  Gebiet  einzudringen, 
aber  vom  General  Promotus  in  einer  Seeschlacht  bei  der  Donauinsel 
Peuke  aufgerieben  wurden  (Claudian.  de  quarto  consulatu  Honorii 
623—637.  Zos.  4,  35,  1.  38—39.  Hydatii  contin.  chron.  Hieronym.  nr.  12. 


374  J.  Marquart, 

Chron.  min.  II  15.  Consularia  Constantinopol.  a.  386  ib.  I  244).  Im 
Jahre  399  finden  wir  Greutungen  und  Ostgoten  als  Kolonen  in  Phrygien 
angesiedelt,  Claudian.  in  Entropium  II  153 — 154: 

Ostrogothis  colitur  mixtisque  Gruthungis 
Phryx  ager 
die  von  Gaina  zum  Aufstande  gereizt  wurden  und  unter  dem  comes 
Triggwagild  (Tarbigilus  in  Eutrop.  II  176),  der  in  Nakoleia  residierte, 
Phrygien  und  andere  Landschaften  von  Kleinasien  verheerten.  Sie 
wurden  dann  im  nächsten  Jahre  in  den  Untergang  des  Gaina  verwickelt. 
Vgl.  Birt,  M.  G.  Auct.  antiquiss.  t.  X  p.  XXXV— XXXVI.  Lebeau- 
St.  Martin,  Eist,  du  Bas-Empire  5,  175—181.  199—212.  Birt's  Ver- 
mutung, sie  seien  im  Gefolge  der  Hunnen  im  Jahre  395  durch  den 
Kaukasus  nach  Kleinasien  gelangt,  ist  jedoch  sehr  unwahrscheinlich, 
da  es  die  weissen  Hunnen  oder  Chioniten  waren,  welche  in  jenem 
Jahre  durch  die  Kaspischen  Thore  nach  Transkaukasien  einbrachen 
und  bis  nach  Mesopotamien  vordrangen.   S.  mein  Eransahr  S.  55  A.  8.  96. 

Das  Verständnis  des  gegenseitigen  Verhältnisses  der  älteren  und 
jüngeren  Linie  des  ostgotischen  Königshauses  in  Geschichte  und  Sage 
während  der  dunklen  Zeit  vom  Tode  Ermanariks  bis  auf  Theoderik 
hat  zur  Voraussetzung  eine  richtige  Auffassung  des  Stammbaumes  der 
Amaler.  Der  Stammbaum  der  älteren,  auf  Vultuulf  zurückgehenden 
Linie  wird  durch  die  Angabe  Ammians  (31,  3,3.  4,  12)  als  richtig  er- 
wiesen, dass  Vithericus-Vandalarius  beim  Tode  seines  Vaters  Vithimiris- 
Vinitharius  (etwa  375)  noch  ein  kleiner  Knabe  war  (parvi  filii). 
Vithimiris  wird  also  damals  nicht  viel  über  dreissig  Jahre  alt  gewesen 
sein.  Wenn  daher  Vandalarius  Get.  §  252  als  fratrivelis  Hermanarici 
bezeichnet  wird,  so  muss  dies  hier  „Urgrossneffe"  bedeuten.  Des 
Vandalarius  Enkel  Theoderik  war  im  Jahre  454  oder  455  geboren 
(vgl.  Wietersheim-Dahn,  Geschichte  der  Völkerwanderung  II  322. 
Dahn,  Die  Könige  der  Germanen  II  63),  sein  Vater  Thiudemer  muss 
daher  bei  seiner  Geburt  etwa  ein  Fünfziger  gewesen  sein.  Weder  er  noch 
sein  älterer  Bruder  Valamer  hatten  bis  dahin  männliche  Nachkommen, 
und  daraus  erklärt  sich,  dass  Valamer  seinen  Neffen,  der  nicht  einmal 
ehelich  geboren,  sondern  der  Sohn  einer  Konkubine  war,  adoptierte. 
Es  fehlt  somit  kein  Glied  zwischen  Vandalarius -Vithericus  und  den 
drei  Brüdern  Valamer,  Thiudemer  und  Vidimir. 

Dagegen  ist  die  Genealogie  der  von  Ermanarik  abstammenden 
Linie  nach  Jordanes'  Darstellung  widersinnig.  Ermanarik  soll  im 
höchsten  Greisenalter,  110  Jahre  alt,  an  einer  Wunde  gestorben  sein 
(c.  24  §  130),  und  doch  soll  ihm  nach  der  ephemeren  Regierung  des 
Vinitharius  sein  Sohn  Hunimund  in  voller  Jugendblüte  (toto  corpore 
pulchritudine  pollens  Get.  c.  48  §  250)  gefolgt  sein.  Freilich  ist  es 
historisch  ganz  unmöglich ,  dass  Ermanarik  ein  so  patriarchalisches 
Alter  erreicht  haben  sollte  —  er  kam  erst  einige  Zeit  (post  temporis 
aliquod)  nach  dem  Tode  Geberichs,  der  im  Jahre  332  noch  herrschte, 
zur  Regierung  (Jordan.  Get.  23  §  116;  vgl.  Wietersheim-Dahn, 
Gesch.  der  Völkerwanderung  II  3)  —  und  da  der  Ausdruck  grandevus 
et  pleiius  dierum  dem  alten  Testament  entlehnt  ist  (vgl.  Gen.  35,  29. 
lob  42,  16),  so  ist  nicht  schwer  zu  erkennen,  dass  Cassiodorius  das 
Lebensalter  Josuas  und  Josephs  (Jos.  24,  29.  Gen.  50,  22.  25)  auf  den 
grossen  Gotenkönig  übertragen  hat.  Aus  Ammians  Darstellung  31,  8,  1.  2 
wird  niemand  den  Eindruck  gewinnen,  dass  Ermanarik  beim  Einbruch 
der  Hunnen  ein  dem  Grabe  zuwankender  Greis  war:  er  mag  etwa  ein 
rüstiger  Siebziger  gewesen  sein.  Dass  aber  Huniinund  bei  seinem  Tode 
in  der  That  noch  sehr  jung  war,  geht  auch  aus  dem  Lobe  hervor,  das 
ihm  Cassiodor  in  dem  Verzeichnis  der  kchiiglichen  Ahnen  der  Amala- 
swintha  spendet:  enituit  enim  . .  .  Unimundus  forma.  (Cassiodors  Variae 
XI,  1,  19  ed.  Mommsen;   M.  G.  Auct.  antiquiss.  XII  p.  330). 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  375 

Die  oben  angeführte  Stelle  des  Jordanes  Get.  c.  48  §  248  (s.  S.  367 
erster  Absatz  der  Anm.),  in  welcher  davon  die  Rede  ist,  dass  ein  Teil 
der  Ostgoten  unter  einem  gewissen  Gesimund,  der  ganz  ungehörig  als 
Sohn  des  erst  weiterhin  genannten  Hunimund  bezeichnet  wird,  welcher 
noch  unpassender  den  Beinamen  Magnus  erhält,  den  Hunnen  unterworfen 
gewesen  sei  und  diesen  gegen  Vinitharius  Heeresfolge  geleistet  habe,  ist 
durch  flüchtigen  Auszug  entstellt  und  wird  erst  verständlich  durch  eine 
Stelle  in  Cassiodors  Variae  (VUI  9,  8  p.  239,  3  ff.  ed.  Mommseu) ,  wo 
der  König  Athalarik  dem  Patricius  Tuluin  den  Gesimund  als  Spiegel 
vorhält:  Extat  gentis  Gothicae  huius  probitatis  exemplum.  Gensi- 
mundus  ille  toto  orbe  cantabilis,  solum  armis  filius  factus,  tanta 
se  Hamalis  devotione  coniunxit  ut  heredibus  eorum  curiosum  ex- 
hibuerit  famulatum.  quamvis  ipse  peteretur  ad  regnum, 
impendebat  aliis  meritum  suum  et  moderatissimus  om- 
nium  quod  ipsi  conferri  poterat,  ille  parvulis  exhibebat. 
atque  ideo  eum  nostrorum  fama  concelebrat:  vivit  semper  relationibus, 
qui  quandoque  moritura  contempsit.  sie  quamdiu  nomeu  superest 
Gothorum,  fertur  eins  cunctorum  adtestatione  praeconium.  unde  fas 
est  de  te  meliora  credere,  quem  nostri  constat  generis  affinitate  gaudere. 
Obwohl  Cassiodor  hier  wie  in  der  eben  erwähnten  Aufzählung  der 
Könige  aus  dem  Geschlechte  der  Amaler  den  Namen  Ermanariks,  der 
in  der  Volkssage  bereits  zum  Typus  des  grausamen  Tyrannen  geworden 
war  (Müll enh off,  ZDA.  12,  254),  geflissentlich  verschweigt,  so  kann 
über  den  Sinn  dieser  Stelle  doch  kein  Zweifel  obwalten.  Darnach 
haben  wir  uns  den  Sachverhalt  so  vorzustellen,  dass  der  alte  Ermanarik, 
nachdem  seine  Söhne  vor  ihm  gestorben  waren,  den  nicht  der  Anaaler- 
sippe  angehörigen  Gesimund  durch  die  Waff'en  adoptierte,  und  diesem 
nach  dem  Tode  des  Königs  die  Krone  angeboten  wurde,  welche  er 
jedoch  zu  gunsten  des  noch  im  Kindesalter  stehenden  {parvulis)  Erben 
desselben  ausschlug,  als  dessen  Vormund  er  sich  betrachtete.  Dies 
Verhältnis  muss  Cassiodorius  auch  in  seiner  gotischen  Geschichte  in 
dem  von  Jordanes  sinnlos  ausgezogenen  Satze  adscito  ad  se  Gesimundo, 
Hunnimundi  Magni  filio  zum  Ausdruck  gebracht  haben :  offenbar  hatte 
er  den  Gesimund  als  Adoptivsohn  des  grossen  Ermanarik  (vgl.  §  250: 
quondam  regis  potentissimi  Hermanarici)  und  Bruder  des  unmün- 
digen Hunimund  bezeichnet.  Da  aber  in  der  gotischen  Sage  bei 
Jordanes  die  historische  Rolle  des  Alatheus  und  Saphrax,  der  Beschützer 
des  unmündigen  Vithericus  - Vandalarius ,  und  ihre  Flucht  vor  den 
Hunnen  vergessen  ist  (§  249—250),  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  in 
derselben  Gesimund  zugleich  als  Vormund  des  Vandalarius  vorgestellt 
war.  So  erklärt  sich  der  Plural  {heredibus,  parvulis)  befriedigend  und 
man  braucht  nicht  mit  Müll  enh  off  seine  Zuflucht  zu  der  Annahme 
zu  nehmen,  dass  mit  jenen  unmündigen  Erben  die  drei  Söhne  des 
Vandalarius  gemeint  seien,  der  ja  der  gotischen  Sage  zufolge  gar  nicht 
König  gewesen  war.  Nach  der  Darstellung  des  Jordanes  muss  Gesi- 
mimd  schon  unter  der  kurzen  Regierung  des  Vithimiris  das  Erbrecht 
seines  Schützlings  Hunimund  zur  Geltung  gebracht  und  sich  den  Hun- 
nen unterworfen  haben;  Hunimund  war  aber  damals  jenem  Briefe  des 
Athalarik  zufolge  noch  ein  Kind  und  kann  daher  nur  ein  Enkel  des 
Ermanarik  gewesen  sein.  Den  Namen  seines  Vaters  kennen  wir  also 
aus  historischen  Quellen  nicht.  Über  die  lateinische  Schreibung  Gensi- 
mundus  für  Gesimundus  s.  E.  Schröder  im  Index  zu  Mommsen's 
Ausgabe  der  Variae. 

Es  scheint  aber  bisher  nicht  beachtet  zu  sein,  dass  auch  Himi- 
mund  „unter  der  Mund  der  Hunnen  lebend"  gleichwie  Vinitharius^  und 
Vandalarius  nicht  wirklicher  Eigenname,  sondern  nur  ein  die  politische 
Stellung  seines  Trägers  charakterisierender  Beiname  ist  und  wir  so- 
mit den  wahren  Namen  dieses  Greutungenfürsten  noch  nicht  kennen  — 


376  J-  Marquart, 

man  müsste  denn  annehmen,  derselbe  sei  erst  nach  dem  Tode  Ermanariks 
geboren,  was  indessen  äusserst  unwahrscheinlich  ist.  Wir  haben  dem- 
nach beim  Tode  Ermanariks  zwei  Parteien  unter  den  Ostgoten  zu  unter- 
scheiden :  die  eine  unter  Führung  des  Alatheus  und  Saphrax  war  der 
älteren ,  von  Vultuulf  abstammenden  Linie  des  Königshauses  ergeben 
und  erhob  Vultuulfs  Enkel  Vithimiris  und  nach  dessen  Untergang 
seinen  unmündigen  Sohn  Vithirik  zum  König,  während  die  andere 
Gesimund,  den  Adoptivsohn  Ermanariks  auf  den  Schild  erheben  wollte, 
aber  auf  sein  Anraten  dem  unmündigen  Enkel  des  Königs  als  Fürsten 
huldigte  und  sich  den  Hunnen  unterwarf.  Hunimund  kann  also  erst 
gegen  400  das  Fürstentum  über  die  Ostgoten  persönlich  angetreten  haben, 
woraus  sich  Ammians  Schweigen  über  ihn  befriedigend  erklärt.  Dies 
steht  mit  seinem  Siege  über  die  Suavi  (oben  S.  373)  im  Einklang.  Da 
Grcsimund  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des  Athalarik  bezw. 
Cassiodorius  von  den  Goten  in  Heldenliedern  verherrlicht  wurde,  so 
darf  man  erwarten ,  noch  Spuren  von  ihm  in  der  deutschen  Helden- 
sage aufzufinden.  Vgl.  Heinzel,  Über  die  ostgotische  Heldensage 
S.  66  f.  Übrigens  scheint  auch  Saj^hrax  von  der  Heldensage  nicht 
völlig  vergessen  zu  sein;  da  diese  jedoch  für  seinen  Gegner  Gesimund 
Partei  ergriff  und  diesen  als  getreuen  Eckart  feierte,  so  wurde  ihr 
Saphrax  zum  ungetreuen  Sabene,  ahd.  Savulo,  ags.  Seafola  (Hypo- 
koristikon  zu  Safrac)  Widsid  115,  dem  Widersacher  Wolfdietrichs  und 
der  Berhtunge,  dem  bösen  Ratgeber  seines  Vaters  und  seiner  Brüder, 
der  die  ünechtheit  seiner  Abkunft  behauptet.  Ahnlich  wurde  ja  auch 
der  Gotenheld  Vidigoja  (Jordan.  Get.  c.  5  §  43.  34  §  178)  zum  Verräter 
Wittig,  ags.  Wudga.  Vgl.  Müllenhoff,  ZDA.  30,  239.  Heinzel, 
Über  die  ostgotische  Heldensage  S-  58  f.  [Anders  über  Sabene  S.  Bugge, 
The  home  of  the  Eddie  poems  with  especial  reference  to  the  Helgi-lays 
transl.  by  W.  H.  Schofield,  London  1899  p.  177,  der  aber  richtig  als  das 
historische  Vorbild  Wolfdietrichs  den  Ostgoten  Theoderik  erkannt  hat.] 

Dass  auf  Ermanarik  nicht  seine  Söhne  und  Neffen,  sondern  sein 
Grossneffe  und  Enkel  folgen ,  erklärt  sich  bei  seinem  Alter  sehr  ein- 
fach. Der  Sage  genügte  diese  natürliche  Ursache  jener  Thatsache 
jedoch  nicht,  und  so  wurde  der  grosse  König  zum  grausamen  Tyrannen 
gestempelt,  der  gegen  sein  eigenes  Geschlecht  gewütet  habe. 

Hunimunds  Sohn  und  Nachfolger  Thorismüd  (thursenmutig)  wird 
von  Jordanes  richtig  als  Vetter  {consubrinus)  des  Vandalarius  bezeichnet 
(c.  48  §  251.  252),  stand  aber  dem  Alter  nach  eine  Generation  höher. 
Er  trat  die  Herrschaft  gleichfalls  in  der  Blüte  der  Jugend  an ,  starb 
aber  schon  im  zweiten  Jahre  seines  Fürstentums  nach  einem  Siege 
über  die  Gepiden  durch  einen  Sturz  vom  Pferde;  Jord.  Get.  c.  48  §  250: 
eoque  (Hunimundo)  defuncto  successit  Thorismüd  filius  eins  flore  iuven- 
tutis  ornatus,  qui  secuudo  principatus  sui  anno  contra  Gepidas  movit 
exercitum  magnaque  de  illis  potitus  victoria  casu  equi  dicitur  inter- 
emptus.  Dies  Ereignis  gehört  nach  dem  Zusammenhang  der  Erzählung 
des  Jordanes  aus  Ende  der  Regierung  des  Westgotenkönigs  Walja 
(415 — 419),  was  zur  wirklichen  Chronologie,  wie  sie  sich  aus  der  be- 
richtigten Generatiousrechnung  ergibt,  sehr  gut  stimmt.  Er  sagt  näm- 
lich Get.  c.  33  §  173 — 175:  Vallia  si  quidem,  rex  Gothorum  .  .  .  sibique 
adversa  post  longum  valetudiue  superveniente  rebus  humanis  excessit, 
eo  videlicet  tempore,  quo  Beremud,  Thorismundo  patre  progenitus,  de 
quo  in  catalogo  Amalorum  familiae  superius  diximus,  cum  filio 
Vitiricho  ab  Ostrogothis,  qui  adhuc  in  Scythiae  terras  Hunnorum 
oppressionibus  subiacebant,  ad  Vesegotharum  regnum  raigravit  ...  et 
illi  iam  post  mortem  Valliae  Theoderidum  ei  dederant  successorem. 
ad  quem  veniens  Beremud  animi  pondere  qua  valebat  eximio  generis 
sui  amplitudine  commoda  taciturnitate  suppressit ,  sciens  regnantibus 
semper  regali  stirpe  genitos   esse   suspectus,     passus   est  ergo   ignorari, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


377 


ne    faceret    ordinata    confundi.      susceptusque    cum    filio    suo   a 
rege  Theodorido  honorifice  nimis  etc. 

Freilich  geht  aus  dieser  Stelle  selbst  unzweideutig  hervor,  dass 
Beremöd  kein  Sohn  des  in  jugendlichem  Alter  gestorbenen  Thorismöd 
gewesen  sein  kann,  wie  Jordaues  bezw.  Cassiodorius  es  darstellen,  wenn 
er  bei  seiner  Auswanderung  nicht  bloss  bereits  selbst  erwachsen  war, 
sondern  auch  schon  einen  Sohn  hatte.  An  einer  späteren  Stelle  zeigt 
sich  übrigens  ein  Schwanken  bezüglich  der  Vorfahren  des  Vitirichus 
(Gret.  c.  58  §  298) :  comperit  (Theodoricus)  Eutharicum  Veterici  filium 
Beretmodi  et  Thorismodi  nepotem,  Amalorum  de  stirpe  descendentem, 
in  Spania  degi.  Beremöd  kann  daher,  wenn  man  dem  Stammbaum 
des  Eutharik  irgendwelchen  Wert  zuerkennen  will,  höchstens  ein  Bruder 
oder  Oheim  des  Thorismöd  (oder  etwa  ein  Sohn  des  G-esimund?)  ge- 
wesen sein.  Dass  Thorismöd  ohne  Nachkommen  gestorben  war,  scheint 
auch  das  ihm  in  dem  Ahnenspiegel  bei  Cassiodor.  Var.  XI  1,  19  p.  330 
gespendete  Lob  vorauszusetzen :  enituit  .  .  .  Thorismuth  castitate.  Nach 
Thorismods  Tode  soll  ein  40  jähriges  Interregnum  gefolgt  sein,  das  bis 
zum  Antritt  Valamers  dauerte;  Get.  48  §  251:  quo  defuncto  sie  eum 
luxerunt  Ostrogothae,  ut  quadraginta  per  annos  in  eins  locum  rex  alius 
non  succederet,  quatenus  et  illius  memoriae  semperum  haberent  in  ore 
et  tempus  accederet,  quo  Valamer  habitum  repararet  virilem,  qui  erat 
ex  consubrino  eius  genitus  Vandalario;  quia  filius  eins,  ut  superius 
diximus,  Beremud  iam  contempta  Ostrogotharum  gente  propter  Hun- 
norum  dominio  ad  partes  Hesperias  Vesegotharum  fugisset  gente 
secutus,  de  quo  et  ortus  est  Vetericus.  Darin  darf  man  aber  natürlich 
keine  genaue  historische  Zahl  erblicken,  sondern  nur  eine  runde  Periode, 
bei  deren  Umschreibung  der  Verfasser  mangels  genauerer  Nachrichten 
sich  abermals  durch  alttestamentliche  Erinnerungen  beeinflusst  zeigt 
(gegen  Gutschmid,  Kl.  Sehr.  V  310  f.). 

Wann  die  beiden  Gruppen  der  Ostgoten  sich  wieder  vereinigten, 
lässt  sich  bis  jetzt  nicht  feststellen. 

Ich  fasse  den  Stammbaum  von  Athal  abwärts  abweichend  von 
Mommsen  und  lese  §  79  nach  Anleitung  von  L:  Athal  genuit  Achiulf 
et  Oduulf  (Z/  odulf ) :  Achiulf  autem  genuit  Ansila,  et  Oduulf  {L  odulf, 
cett.  ediulf)  (genuit)  Vultuulf  et  Hermenerig.  Der  Stammbaum  der 
Amaler  von  Athal  bis  auf  Theoderik  ist  darnach  folgendermassen  zu 
rekonstruieren : 

Athal, 


Achiulf. 
Ansila. 


Oduulf. 


Vultuulf. 


1)  Hermenerig  „magiius" 
t  um  373. 


Valaravans. 


2)  Vithimiris,  gen. 
Vinitharius  t  375, 
besiegt  die  Anten. 

3)  Vithericus,  gen. 
Vandalarius,  geb. 
um  365/70,  besiegt 

die  Wandalen. 


(Sohn.) 


4)  N.  genannt  Hunimund, 
geb.  um  365/70,  be- 
siegt die  Suavi. 

I 

5)  Thorismöd,  f  um 

418,  besiegt  die 

Gepiden. 


Gesimundus, 

durch  die  Waffen 

adoptiert. 

I  ? 
Beremöd. 

I 
Vetericus. 


Vad(l)amerca, 
Gem.   ein 

Hunnenkönig 
(Uldin?). 


6)  Valamer.        Thiudemer. 


Theoderik, 
geb.  454. 


Vidimir. 

I 
Vidimir. 


378  J-  Marquart, 

bei   C.  Müller,  FHG.  IV  58.  Zos.  5,  30,  3  etc.;    s.  Mommsen's 
Index  zu  Jordanes^). 

Dasjenige  Volk  aber,  dessen  Überwältigung  den  grössten 
Ruhm  Ermanariks  ausmachte  und  sein  Reich  augenscheinlich  be- 
gründet-) und  das  den  hartnäckigsten  Widerstand  entgegengesetzt 
hatte,  aber  auch  am  schonungslosesten  von  ihm  behandelt  worden 
war,  waren  die  Heruler.  Nachdem  Jordanes  Get.  23  §  116  die  von 
dem  Gotenkönig  bezwungenen  nordischen  Völker  aufgezählt  hat'^), 
worunter  die  Merens  {Merja}^  Mordens  (Mordwa)  und  Rogastadzans 
d.  i.  die  Anwohner  des  Wolgastrandes*)  erkennbar  sind,  fährt  er 


^)  Sollte  es  reiner  Zufall  sein,  dass  die  Namen  Alarik  und  Sarus, 
denen  wir  zuerst  im  Königshause  der  Heruler  und  Rosomonen  be- 
gegnen, bald  nach  Ermanariks  Tode  bei  den  Westgoten  auftreten? 

^)  Jordanes  lässt  die  Unterwerfung  der  Heruler  ganz  ungereimt 
erst  auf  die  der  Nordvölker  folgen;  vgl.  Wietersheim-Dahn, 
Gesch.  der  Völkerwanderung  II  2. 

')  Einen  Versuch,  die  augenscheinlich  sehr  verderbten  Namen 
derselben  herzustellen,  hat  Th.  v.  Grienberger,  Ermanariks  Völker 
(Zs.  f.  deutsches  Altertum  39,  154 — 184)  unternommen.  Ich  will  dazu 
nur  bemerken,  dass  eine  echtgotische  Form  IScythathiudos  =  „Skythen- 
völker"  ein  Unding  ist,  da  der  Name  I^y.v&ai  lediglich  der  gelehrten 
historischen  Tradition  angehört  und  bei  den  Völkern  im  Norden  des 
Pontos  niemals  bekannt  war.  Dürfte  man  annehmen,  dass  der  ein- 
heimische Name  der  pontischen  Skythen,  UxoXo-tol  ,  noch  in  so  später 
Zeit  bekannt  und  im  Gebrauche  war,  so  würde  ich  vorschlagen,  Golthe- 
thiudos  zu  lesen,  wozu  dann  scytha  übergeschriebene  Interlinearglosse 
wäre,  also  „die  Skolotenvölker".  2Jx6lo-roL  ist  eine  skythische  Plural- 
form mit  dem  im  Ossetischen  gebräuchlichen  Pluralsuffix  -t'a,  -t'ä,  der 
Stamm  ist  also  UkoXo-,  wie  auch  der  Name  Scolo-intus  Justin.  2,  4,  1 
zeigt.  Daneben  muss  aber  auch  eine  Form  ohne  anlautendes  s  bestanden 
haben,  wie  der  Name  des  ersten  Königs  der  Skoloten,  Kold-^ais  be- 
weist (Her.  4.  5.  7),  und  dieser  würde  Gol-the  sehr  nahe  stehen.  Da 
auch  der  Name  eines  andern  skythischen  Stammes,  der  Spalaei  oder 
Ualoi  noch  in  der  gotischen  Stammsage  bei  Jordan.  Get.  c.  4  §  28  vor- 
kommt, so  ist  die  Möglichkeit  in  der  That  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen ,  dass  der  alte  Skolotenname  sich  noch  bis  in  die  Gotenzeit 
hinübergerettet  hatte. 

*)  Rogastadzans  ist  die  gotische  Übersetzung  von  'Poßoaxoi,  eines 
von  Ptol.  6,  14  p.  426,  28  Wilberg  an  den  östlichen  Rhaquellen  ver- 
zeichneten Volkes,  bei  Orosius  I,  2,  2  Mhobasci,  das  mit  den  unter  den 
Rhipaeen  sitzenden  Bogova-noi  Ptol.  3,  5  p.  201,  15  identisch  ist.  'Pößo- 
6X01,  Rhobasci  ist  vom  finnischen  Namen  der  Wolga  abgeleitet,  der 
noch  heute  bei  den  Mordwinen  Raw,  Rau ,  in  bestimmter  Form  Raws 
lautet  und  wahrscheinlich  dem  'Pwg  des  Agathemeros  zu  Grunde  liegt. 
Derselbe  ist  wohl  dem  skythisch- iranischen  *Raha,  bei  Ptol.  'Pä  (nur 
Gen.  und  Acc),  aw.  Rahha,  ved.  Rasa  entlehnt.  Neben  letzterem 
Namen  kannten  die  iranischen  Skythen  für  die  Wolga  noch  die  Be- 
zeichnung "OccQog  (Her.  4,  123.  124)  d.  i.  *ivaru-  „der  breite"  (vgl. 
BoQv-6%'iv'r\g,    hunnisch    War),    wovon    der   Volksname   BoQOvGy,oi    ab- 

feleitet  ist.  Vgl.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstäuime 
80**.  Müllenhoff,  DA.  III  98.  Tomaschek,  Kritik  der  älte- 
sten Nachrichten  über  den  skythischen  Norden  II  20.  SBWA.  117, 
1888,  Nr.  I.  Für  die  Gleichung  'Pu  =  Ranha  haben  sich  ausgesprochen 
P.  de  Lagarde,  Ges.  Abh.  262  (1866).   Beiträge  zur  baktrischen  Lexiko- 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  379 

fort:  sed  cum  tantorum  servitio  clarus  haberetur,  non  passus  est 
nisi  et  gentem  Herulorum,  quibus  praeerat  Halaricus,  magna  ex 
parte  trucidatam  reliquam  suae  subegeret  dicioni.  nam  praedieta 
gens  .  .  .  quantum  velox,  eo  amplius  superbissima  .  .  .  sed  quamvis 
velocitas  eorum  ab  aliis  crebro  bellantibus  evagaret,  GothoiTim 
tarnen  stabilitate  subiacuit  et  tarditati,  fecitque  causa  fortunae,  ut 
et  ipsi  inter  reliquas  gentes  Getarum  regi  Hermanarico  servirent. 
Die  Heruler  hatten  somit  Ursache  genug,  auf  Rache  gegen 
ihren  Oberherrn ,  der  ihnen  so  schlimm  mitgespielt  hatte ,  zu 
sinnen.  In  der  That  müssen  Heruler  einst  in  der  Ermenrich- 
sage  eine  Rolle  gespielt  haben.  Der  Heldenkatalog  des  Wldsld 
(Handschrift  aus  dem  Anfang  des  11.  Jahrhunderts)  nennt  die 
Herelingas  Emerca  und  Fridla  unter  dem  Gefolge  des  Eormenric 
(v.  112.  113),  und  die  Quedlinburger  und  Würzburger  Jahr- 
bücher wissen  des  weitern  nach  angelsächsischer  Sage  zu  be- 
richten, dass  Ermenrich  seine  beiden  Vettern  Embrica  und  Fritla 
hängen  Hess :  Eo  tempore  Ermanricus  super  omnes  Gothos  regnavit, 
astutior  omnibus  in  dolo,  largior  in  dono ;  qui  post  mortem 
Friderici  filii  sui  unici,  sua  perpetratam  voluntate^),  patrueles 
suos  Embricam  et  Fritlam  patibulo  suspendit.  Theodoricum  similiter 
patruelem  suum  instimulante  Odoacro  patruele  suo  de  Verona 
pulsum     apud    Attilam     exulare     coegit'-).      Nach     der    deutschen 

graphie  62  (1868).  Ernst  Kuhn,  Zs.  f.  vgl.  Sprachforsch.  28,  1885, 
214.  Albr.  Weber,  Über  alt-iran.  Sternnamen.   SBBA.  1888,  S.  9  A.  1. 

Rogastadzans  vertritt  wohl  ein  gotisches  '^Rauwastadjans-^  vgl.  die 
Schreibung  leuva  für  leuga  Jordan.  Get.  38  §  192  (p.  108,  6.  7  ed. 
Mommsen). 

Von  dem  mordwinischen  Namen  der  Wolga,  bei  Agathemeros 
'Pws,  will  neuerdings  Th.  J.  Knauer  sogar  den  Namen  der  Russen 
ableiten  (Th.  J.  Knauer,  0  npoHCKOiEÄeHiH  hmchh  Hapo^a  Pyct. 
Moskau  1901,  angezeigt  im  Globus  Bd.  80  Nr.  15  S.  245.    1901). 

1)  Diese  Worte  pflegt  man  im  Hinblick  auf  die  nordische  Sage, 
nach  welcher  Ermanarik  seinen  Sohn  wegen  Ehebruchs  mit  seiner 
Frau  Svanhild  hängen  lässt ,  und  die  Thidrekssaga  c.  278  allgemein^  so 
zu  verstehen,  als  ob  hier  von  einer  Hinrichtung  seines  Sohnes  Friedrich 
durch  Ermanarik  die  Rede  sei.  Allein  natürlicher  ist  es  doch,  das 
Pronomen  sua  auf  Friedrich  zu  beziehen,  so  dass  also  Ermanarik  nach 
dieser  älteren  Fassung  seinen  einzigen  Sohn  durch  Selbstmord  verloren 
hätte.  In  diesem  Falle  hätten  wir  auch  die  Erklärung  dafür,  dass 
die  Sage  schon  in  ihrer  ältesten  Gestalt  bei  Jordanes  Ermanariks 
Selbstmord  fallen  gelassen  hatte:  er  wäre  zunächst  auf  seinen  kurz- 
lebigen Nachfolger  Withimer  übertragen  worden,  welchen  die  Sage  im 
übrigen  gänzlich  vergessen  hat  und  begreiflicherweise  zu  Ermanariks 
Sohne  machte.  Vgl.  Ammian.  Marcellin.  31,  3,  3  (oben  S.  367  A.).  In 
Ermanariks  Sohne  Friedrich  erkennt  man  den  Rugierkönig  Friedrich, 
welchen  Odoakar  aus  Italien  vertrieb  (Heinzel,  Über  die  ostgotische 
Heldensage  S.  5.  SBWA.  Bd.  119,  1889  Nr.  3.  Matthaei,  Rüdiger 
und  die  Harlungensage.  ZDA.  43,  326).  Möglich,  dass  dieser  mit 
Withimer  verschmolz. 

^)  Ann.  Quedl.  bei  Pertz,  MG.  III  31,  11—15.  Ann.  Wircib. 
Eb.  VI  23,  43—46.     Schröder,  ZDA.  41,  1897,  27. 


380  J-  Marquart, 

Sage  ist  Sibiche^)  der  böse  Dämon  Ermanariks,  unter  dessen  Einfluss 
dieser  seinen  Sohn  Friedrich  wegsendet ,  wobei  derselbe  nach  der 
Thidrekssaga  umkommt ,  und  seine  Neffen ,  die  Harlungen ,  ihres 
Schatzes  wegen  hängen  lässt.  Saxo  I  413  erzählt  von  den  sororü 
Ermanariks,  welche  Ansprüche  auf  das  Reich  erheben  und  gegen 
ihren  Oheim  die  Waffen  ergreifen ,  aber  besiegt  und  auf  Bikkos 
Eat  gefangen  und  erdrosselt  werden").  Die  eigentlich  nordische 
Überlieferung  weiss  dagegen  von  der  Harlungensage  nichts^). 

Dass  der  Name  ags.  H&relingas ,  ahd.  Herilunga^  mhd. 
Harlunge  die  Heruler  bezeichnet,  hat  G.  Matthaei  erwiesen*). 
Nach  seinen  Ausführungen  ist  es  auch  wahrscheinlich,  dass  die  Ver- 
bindung der  harlungischen  Brüder  mit  der  im  Breisgau  lokalisierten 
Schatzsage  und  dem  dortigen  Dioskurenmythos  nicht  ursprünglich 
ist ,  sondern  sich  erst  nach  dem  Untergange  des  Ostgotenreiches 
vollzogen  hat^).  Hiernach  besteht  kein  Grund  zu  bezweifeln,  dass 
die  Harlungen  in  der  That  historische  Personen  und  zwar  An- 
gehörige des  Königsgeschlechts  der  Heruler  waren.  Fraglich  kann 
nur  sein ,  ob  auch  ihr  Schicksal  als  historisch  im  strengen  Sinne 
zu  betrachten  ist,  oder  ob  ihr  Untergang  etwa  in  die  dunkle 
Periode  nach  Ermanariks  Tode  fiel  und  erst  nachträglich  dem 
inzwischen  zum  Typus  des  grausamen  Tyrannen  gewordenen 
Ermanarik  aufs  Kerbholz  geschrieben  worden  ist.  Letzteres  ist 
mir  das  Wahrscheinlichere.  So  würde  sich  auch  erklären,  dass 
Jordanes  von  ihnen  noch  nichts  weiss. 

Dagegen  werden  wir  als  diejenigen  Vertreter  des  herulischen 
Königsgeschlechts,  welche  in  der  That  dem  Ermanarik  feindselig 
gegenübertraten ,  Sunilda  und  ihre  Sippe  zu  betrachten  haben, 
obwohl  dieselben  in  der  Sage  nicht  mehr  ausdi-ücklich  als  Harlungen 
bezeichnet  werden.     Der  ungenannte  Mann  der  Sunilda  wäre  dann 


^)  In  dieser  Figur  scheinen  zwei  Personen  der  älteren  Heldensage 
verschmolzen,  die  im  Widsid  v.  115  Secca  und  Becca  (in  der  Edda 
Bikki,  bei  Saxo  Biccö)  heissen: 

Seccan  söjite  ic  and  Beccan     Seafolan  and  peodric. 
Dagegen   hat   Sifeca  Widsid  v.  116   mit   Sibeche  nichts   zu  thun;    vgl. 
Binz,  Zeugnisse  zur  germanischen  Sage  in  England.   PBB.  XX,  1895, 
u\j  i  r. 

-)  I  413  ed.  P.  E.  Müller:  qui  ex  sorore  Jarmerici  apud  Germaniam 
orti  educatique  fuerant,  avito  nomine  freti,  in  avunculum  arma  susci- 
piunt  aeque  sibi  regnum  atque  ei  debere  certantes.  quorum  munitiones 
rex  apud   Germaniam    machinis    demolitus  ....  incruentam   ad    cives 

victoriam  reportavit rursum  Bicconis  instinctu  Germaniam  petens 

captis  hello  sororiis  laqueo  spiritum  eripere  non  dubitavit.  optimates 
quoque  convivii  simulatione  contractos  eodem  exemplo  consumendos 
curavit. 

^)  Vgl.   R.   Heinzel,    Über    die    ostgothische   Heldensage   S.  4  f. 
G.  Matthaei,  Rüdiger  und  die  Harlungensage.     ZDA,  43,  1899,  326. 
*)  A.  a.  0.  S.  313—321. 
'')  A.  a.  0.  S.  322—332. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  381 

der  Nachfolger  des  von  Ermanarik  unterworfenen  Herulerkönigs 
Alarik,  der  sich  —  nach  der  Darstellung  der  Sage  —  durch 
seinen  verräterischen  Abfall  in  dem  Augenblick,  als  die  Ostgoten 
den  Angriff  der  Hunnen  erwarteten,  für  die  einst  durch  Ermanarik 
erlittene  Niederlage  seines  Volkes  rächen  wollte  i).  Der  Abfall 
dieses  kriegsgewohnten  Volkes  in  einem  so  kritischen  Zeitpunkt 
musste  natürlich  den  Ernst  der  Lage  noch  verschärfen.  Übrigens 
braucht  die  Auffassung  der  Sage,  welche  für  die  Ostgoten  Partei 
ergreift  und  in  dem  Fernbleiben  des  rosomonischen  Heerbanns 
vom  allgemeinen  Aufgebote  eine  Felonie  erblickt,  keineswegs  dem 
historischen  Sachverhalt  zu  entsprechen.  Da  die  Heruler  an  der 
Maiotis  und  zwar,  wie  wir  gesehen,  auch  am  östlichen  Gestade 
derselben  sassen,  so  waren  sie  nächst  den  Alanen  in  erster  Linie 
den  Angriffen  der  Hunnen  ausgesetzt.  Wenn  sie  daher,  nachdem 
die  Alanen  bereits  dem  Ansturm  der  letztern  erlegen  waren 
(Ammian.  Marcellin.  31,  2,  12.  3,  1.  Jordan.  Get.  24  §  126),  von 
den  Ostgoten  vielleicht  ungenügend  unterstützt  der  ihnen  in  ihrer 
Isolierung  drohenden  Vernichtung  durch  rechtzeitige  Unterwerfung 
unter  die  furchtbaren  Steppensöhne  anstatt  nach  dem  Willen 
Ermanariks  durch  Rückzug  nach  Westen  und  Vereinigung  mit 
der  ostgotischen  Hauptmacht  zu  entgehen  suchten,  so  handelten 
sie  ganz  nach  der  so  oft  beklagten  Charaktereigentümlichkeit  der 
Germanen  ,  bei  welchen  das  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  be- 
kanntlich von  jeher  besonders  schwach  entwickelt  war. 

Die  Art  und  Weise,  wie  die  Brüder  Sarus  und  Ammius  an 
Ermanarik  für  die  Hinrichtung  ihrer  Schwester  Rache  nehmen, 
kann  nicht  als  histonsch  betrachtet  werden,  da  sie  dem  Berichte 
des  Zeitgenossen  Ammian  widerspricht,  nach  welchem  Ermanarik  aus 
Furcht  vor  der  nahenden  Katastrophe  seines  Reiches  durch  Selbst- 
mord endet.  Die  Sage,  wie  sie  uns  von  dem  ältesten  Gewährsmann 
Jordanes  überliefert  wird,  gibt  sich  überdies  schon  dadurch  als  un- 
ursprünglich  zu  erkennen,  dass  sie  an  Überfüllung  durch  Häufung 
der  Motive  leidet.  Obwohl  Ermanarik  mit  seinen  110  Jahren  die 
gewöhnliche  Lebensgrenze  bereits  weit  überschritten  hat,  genügt 
diese  natürliche  Todesursache  dem  Erzähler  noch  nicht,  sondern  er 
braucht  nicht  weniger  als  zwei  weitere :  das  schleichende  Siechtum 
infolge    der   von  den  beiden  Brüdern  erhaltenen  Wunde,  und  den 


1)  Heinzel,  Über  die  ostgothische  Heldensage  S.  2  sieht  in  den 
Worten  des  Ammian  31,  3,  1:  igitur  Hmii  pervasis  Halanorum  regio- 
nibus ,  quos  Greuthungis  confines  Tauaitas  consuetudo  nominavit, 
interfectisque  multis  et  spoliatis,  reliquos  sibi  concordandi  fide  pacta 
iunxerunt,  eisque  adiuti,  confidentius  Ermenrichi  late  patentes  et  uberes 
pagos  repentino  impetu  perruperunt  etc.  eine  Parallele  zum  Abfall  der 
ßosomoni  bei  Jordanes.  Allein  dort  ist  die  Rede  von  der  erst  durch 
mehrfache  Raubzüge  der  Hunnen  errungenen  vertragsmässigen  Unter- 
werfung der  Alanen,  wodurch  diese,  wie  auch  3,  3  vorausgesetzt  wird, 
den  Hunnen  gegenüber  zur  Heeresfolge  verpflichtet  wurden.  Die  Unter- 
werfung der  Alanen  berichtet  auch  Jordanes  24  §  126. 


382  J-  Marquart, 

Gram  über  die  Einfälle  der  Hunnen ,  denen  der  sieche  König 
nicht  wehren  konnte  —  das  Selbstmordmotiv  ist  hier  fallen  gelassen. 
Die  Erzählung  ist  also  nicht  einheitlich,  sondern  mit  Berück- 
sichtigung verschiedener  Versionen  kontaminiert.  Übrigens  macht 
die  Verstümmelung  an  Händen  und  Füssen ,  wie  sie  in  den 
Quedlinburger  und  Würzbürger  Annalen  sowie  in  der  nordischen 
Sage  erscheint,  einen  ursprünglicheren  Eindruck  als  die  Seiten- 
wunde bei  Jordanes.  Vielleicht  ist  die  Sage  nur  durch  Ver- 
gröberung eines  bildlich  gemeinten  Ausdrucks  entstanden.  Das 
ihr  zu  Grunde  liegende  Heldenlied  wird  erzählt  haben,  die  beiden 
Brüder  hätten  den  einst  so  mächtigen  Gotenkönig  im  Augen- 
blicke dringender  Gefahr,  als  die  Hunnen  bereits  im  Anzüge  waren, 
seiner  Arme  beraubt  —  indem  sie  ihm  nämlich  mit  ihren  Mannen 
die  Heeresfolge  weigerten  und  derart  die  Thatkraft  des  Helden 
lähmten.  Die  nämliche  Ausdrucksweise  finden  wir  auch  bei  den 
Chinesen.  Nachdem  die  Hiung-nu  durch  den  jungen  Kwen-mi 
der  U-sun  eine  Niederlage  erlitten  haben,  gibt  der  chinesische 
General  Cang-kien  den  Rat:  „Profitons  du  moment  pour  engager 
les  Ou  -  sun ,  ä  force  de  presens  et  de  helles  etofies ,  ä  venir 
habiter  plus  ä  Test  l'ancien  pays  de  Hoen-Si'e,  et  ä  faire  avec 
les  Han  une  alliance  dtroite.  S'ils  acceptent ,  le  bras  droit 
des  Hiong-nu  est  coupe:  cela  fait  les  Ta-hia  et  les  autres 
peuples  de  l'ouest  peuvent  se  laisser  attirer  eux-memes*  etc.^). 
Bei  dieser  Auffassung  ist  es  auch  gerechtfertigt,  dass  Jordanes 
für  den  Untergang  Ermanai'iks  den  Trug  des  ganzen  Roso- 
monenvolkes  verantwortlich  macht  (Rosomonorum  gens  infida  .  .  . 
tali  eum  nanciscitur  occasione  decipere).  Als  man  den  bildlichen 
Ausdruck  nicht  mehr  verstand  und  wörtlich  auffasste ,  glaubte 
man  der  Symmetrie  halber  die  Verstümmelung  der  Hände  durch 
die  der  Füsse  ergänzen  zu  müssen.  Eine  Stütze  der  oben  ent- 
wickelten Ansicht,  dass  die  Rosomonen  Heruler  waren,  darf  man 
endlich  auch  darin  erblicken ,  dass  die  Quedlinburger  und  Würz- 
burger Annalen  den  beiden  Brüdern  Hemidus  und  Serila  noch 
den  Adaccar  beigesellen :  die  Heruler  bildeten  ja  die  Hauptstütze 
Odoakars. 

Als  Resultat  der  obigen  Darlegungen  ergibt  sich  somit  min- 
destens die  Wahrscheinlichkeit,  dass  sowohl  mit  den  Rosomom  der 
gotischen  Heldensage  als  mit  den  Hrös  des  syrischen  Anonymus 
die  Heruler  gemeint  sind,  womit  von  selbst  folgt,  dass  Hrös  eine 
Kurzform  des  Vollnamens  Rosomoni  darstellt.  Eine  befriedigende 
Etymologie  des  letztern  ist  noch  nicht  gefunden.  Bugge  wollte 
ihn  2)  als  got.  *Rusmunans  erklären,  zu  *imsma,  ahd.  rosamo 
„ rubor ,    aerugo ,   lentigo ",  Th.  v.  Grienberger  dagegen  denkt 


^)  Schi-ki  Kap.  123  übs.  von  Brosset,  Nouv.  journ.  as.  II,  1828, 
p.  430. 

2)  Arkiv  f.  nord.  filologi  I  1—20. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  383 

an  ein  gut.  Hrusamans  zu  ahd.  roso,  rosa  swmf.  „crusta,  glacies, 
Treibeis  im  Flusse"  Graff  II  544,  lit.  hruszh  „Hagel",  also  etwa 
, Eismänner"  (ZDA.  39,  1895,  S.  159  A.  1).  Vielleicht  kommt 
aber  auch  got.  raus  „Rohr"  in  Betracht,  etwa  mit  Beziehung 
auf  die  Sümpfe  an  der  Maiotis.  Die  abgekürzte  Form  Rös  ('Prag, 
in  syrischer  Umschrift  Hrös)  mass  sich  nun  in  der  Umgebung 
der  Maiotis  noch  Jahrhunderte  hindui'ch  gehalten  haben  und  wurde 
im  Anfang  des  neunten  Jahrhunderts,  als  die  ersten  schwedischen 
Wikingerscharen  vom  Norden  her  teils  als  Kauf  leute ,  teils  als 
kühne  Seeräuber  im  Schwarzen  Meere  und  in  der  Maiotis  er- 
schienen, auf  die  neuen  Ankömmlinge  übertragen,  die  in  vielen 
Beziehungen  eine  so  auffällige  Übereinstimmung  mit  den  alten 
Herulern  zeigten.  Gleich  diesen  stammten  sie  aus  Skandinavien 
und  waren  von  riesigem  Wüchse,  aber  dabei  ungemein  behend; 
die  Dänen  rühmt  schon  der  Anonymus  von  Ravenna  4,  13  als 
„super  omnes  nationes  velocissimi  homines".  Wie  später  die 
schwedischen  Russen  hatten  sich  aber  schon  nach  der  Mitte  des 
dritten  Jahrhunderts  die  Heruler  an  der  Küste  des  Pontos  und 
des  ägäischen  Meeres  als  kühne  Seeräuber  furchtbar  gemacht  i). 
An  die  Nordgermanen  erinnert  auch  das  unbändige  Gebahren  jener 
Herulerscharen,  welche  nach  der  durch  die  Langobarden  erlittenen 
Niederlage  im  J.  512,  bei  welcher  ihr  König  Rodulf ^  der  Mark- 
graf Rüedeger  der  Heldensage,  im  Kampfe  geblieben  war,  in 
romäische  Dienste  getreten  waren  und  sich  in  den  Kriegen  gegen 
die  Wandalen,  Ostgoten  und  die  fränkisch-alamannischen  Scharen 
des  Butilin  als  die  tapfersten  und  kühnsten  Soldaten  auszeichneten, 
aber  den  Romäern  selbst  viel  zu  schaffen  machten. 

Jeder  Zweifel  daran,  dass  die  schwedischen  Wikinge  bei 
ihrem  ersten  Auftreten  am  Pontos  und  an  der  Maiotis  durch  ihr 
ganzes  Wesen  ihre  Zeitgenossen  an  die  alten  Heruler  erinnert,  ja 
dass  diese  in  der  That  zu  den  späteren  Rös  und  Warägern  in 
einem  sehr  nahen  Verwandtschaftsverhältnis  gestanden  haben, 
scheint  aber  schwinden  zu  müssen,  wenn  man  das  was  Prokopios 
über  die  Sitten  und  Bestattungsgebräuche  der  Heruler  zu  erzählen 
weiss,  zumal  den  charakteristischen  Zug,  dass  die  Frau  dem  Manne 
in  den  Tod  folgen  und  sich  an  seinem  Grabmale  erhängen  musste  ^), 


^)  Vgl.  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  476 — 78. 
Mommsen,  RG.  V  220  ff. 

2)  Frokop.  de  hello  Gotth.  II  14  p.  199,  16  ed.  Bonn. :  vtiIq  "Iotqov 
Ttotccfibv  ix  TCalaiov  ätiovv  tioIvv  nvu  voiii^ovr^s  ^t&v  o^ilov,  ovg  St] 
■Kai  av^QmTtcov  ^vaiaig  iXciay.£a&ui  ooiov  avtoig  iööiisi  slvai  ■  vo[iOLg  öh 
Tiollotg  ov  xarä  tuvxa  rotg  alXoig  a.v&QWTtoig  ixQ&vro.  ovrs  yaQ 
yriQ  äcv-ovaiv  o^ts  voaova  lv  avroTg  ßiot  sv  s  iv  i^f]v,  all  s- 
■nsidäv  rig  ccvrwv  t)  yr\Qa  7]  vöaca  cclcör],  i-jtdvayv.2g  ol  syi- 
VETO  tovg  ^vyysvslg  aithia&ai  ort  xäiiGxu  i^  cc  v  0' q  m  7t  cor 
avxbv  atpavitsi'V.  ol  8k  ^vlu  Ttollä  ig  ybiya  xi  vipog  ^vvv^- 
cavxsg,     ncc^-iaavxig    xs    xbv    avd'QcoTtov    iv    xy    xüv    ^vXcov 


384  J-  Marquart, 

den  Thomsen^)  sonst  aus  dem  Norden  nicht  zu  belegen  weiss, 
mit  der  berühmten,  400  Jahre  jüngeren  Schilderung  der  Kos  bei 
Ibn  Fadlän  zusammenhält  2).    Es  ist  dabei  wohl  zu.  beachten,  dass 


VTtsg  ßoXj],  T(bv  xiva  'EgovXcov,  &Xl6r  qiov  ^evroL,  avv  |^qp^- 
dico  7CCCQ  avrbv  S'Jts ^nov.  ^vyyevf]  yccg  avxä)  xbv  (povia 
slvai  ov  '9'Efns.  insiSuv  6h  avtotg  6  tov  ^vyysvov  g  q)ovsvg 
&TtavrjS L,  ^v jiTt avrcc  snaiov  avtiy,a  xa  i,v%a^  iv.  xwv  i 6 ^äx av 
SQ^d  ^svoi.  nav6a\Livrig  X£  ccvxolg  xf]g  tpXoybg  ^vlXi^avx  £  g 
XU  ößxä  xb  TtixQavx  iiia  xjj  y^  enQVTtx  ov.  'E  qovXov  6  h  avö^bg 
X  sXsvxiJGavxo  g  inävaynsg  x  f]  yvvuLy.1  ccQsxfjg  \isxaTioiov- 
lisvr]  xal  yiXsog  avxfj  i&i^Xo  votj  XtiitsaQ'ai  ßgo^ov  avaipa- 
liivri  TtccQU  xbv  xov  ccvdgbg  xäcpov  ovv.  slg  ftaxpov  d'vrjaxiiiv . 
ov  Ttoiov  arj  6h  xavxa  n  bq  is  iGxrjKSi.  xb  Xontbv  ado^ra  xe 
slvai  Kai  xotg  xov  ccvögbg  ^vyysvsoi  nQ06y.EV.Q0VV.ivai. 
xoiovxoig  {ihv  i^gävxo  "EqovXoi  xb  naXaibv  vö^oig.  Von  den  Menschen- 
opfern der  Franken,  Heruler  und  Sachsen  (d.  h.  der  eigentlichen  ing- 
vaeonischen  Sachsen,  welche  Gallien  verheerten)  spricht  auch  Ennodius, 
de  vita  beati  Antoni  (CCXL)  §  12—14  ed.  Vogel  (M.  G.  Auct.  anti- 
quiss.  t.  VII,  186 — 187):  sed  iam  peccatorum  consummatio  Pannoniis 
minabatur  excidium,  iam  succisa  radice  substantiae  regionis  illius  status 
in  pronum  deflexerat.  per  incursus  enim  variarum  gentium  cotidiana 
gladiorum  seges  messem  nobilitatis  absciderat  et  fecundas  humani 
germinis  terras  ira  populante  desolabat.  iam  Franci  Heruli  Saxones 
multiplices  crudelitatum  species  beluarum  more  peragebant;  quae 
nationum  diversitas  superstitionis  mancipata  culturis  deos  suos  humana 
credebant  caede  mulceri  nee  unquam  propitia  se  habere  numina,  nisi 
cum  ea  aequalium  cruore  placassent.  cessare  confidebant  iram  caeli- 
colum  innocentis  effusione  sanguinis,  qui  ut  in  gratiam  redirent  cum 
superis  suis,  propinquorum  consueverant  mortes  ofFerre.  quoscumque 
tarnen  religioni  titulus  declarabat  officii,  hos  quasi  sereniores  hostias 
immolabant,  aestimantes  quod  piorum  iugulis  divinitatis  cessaret  in- 
dignatio  et  fieret  materia  gratiae  locus  offensae.  Man  glaubt  eine 
Schilderung  des  Treibens  der  nordischen  Wikinge  vor  sich  zu  haben. 
Über  die  Religion  der  Rös  sagt  Ibn  Rusta:  ,Sie  haben  Medizin- 
männner  aus  sich,   die  über  ihr  Reich   die  Herrschaft  ausüben  gleich 

Göttern  von  ihnen,  indem  sie  ihnen  (so  de  Goeje;  Hs.  »Ji^y>[S)  be- 
fehlen, die  Gunst  ihres  Schöpfers  zu  gewinnen  durch  beliebige  Dinge, 
als  Frauen,  Männer  und  Pferde;  haben  die  Medizinmänner  eine  Ent- 
scheidung gefällt,  so  müssen  sie  ihrem  Befehle  unbedingt  nachkominen. 
Der  Medizinmann  nimmt  nun  den  Menschen  oder  das  Tier,  legt  ihm 
eine  Schlinge  um  den  Hals  und  hängt  das  Opfer  an  einem  Holze  auf, 
bis  es  ausatmet,  und  sagt  dann,  dies  sei  ein  Opfer  für  Gott". 

^)  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  52  A.  2. 

2)  Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  II  A^f ,  21— Af.,  11.  Frähn,  Ibn  Foszlan's 
und  anderer  Araber  Berichte  über  die  Russen  älterer  Zeit  S.  4 — 23, 
besonders  S.  11 — 21. 

Ibn  Rusta  (f1,  22  ff.:  „Stirbt  ein  Angesehener  von  ihnen,  so 
graben  sie  ihm  ein  Grab  gleich  einem  geräumigen  Hause,  in  das  sie 
ihn  hineinlegen,  und  mit  ihm  legen  sie  hinein  seine  Leibgewänder  und 
sein  goldenes  Armband,  das  er  zu  tragen  pflegte,  und  viele  Speise  und 
Krüge  mit  Getränk,  sowie  auch  Geld.  Sie  legen  auch  mit  ihm  noch 
lebend  ins  Grab  seine  Lieblingsfrau,  und  es  wird  hinter  ihr  die  Thüre 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  385 

Prokopios  ausdrücklich  hervorhebt,  die  Heruler  hätten  sich  durch 
ihre  Sitten  von  den  übrigen  Menschen,  also  auch  von  den  „goti- 
schen" Völkern,  unterschieden.  Auch  darin  stimmen  die  Heruler 
mit  den  Rös  überein,  dass  sie,  abweichend  von  andern  Barbaren- 
(d.  h.  Germanen-) Völkern,  die  unterworfenen  Stämme  zur  Tribut- 
zahlung zwangen  ^). 

Soviel  lässt  sich  etwa  zu  gunsten  der  Identität  der  Hrös  des 
Anonymus  mit  den  Herulern  anführen.  Allein  die  Möglichkeit 
darf  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden,  dass  wir  es  bei  jenen 
Hrös  in  der  That  bereits  mit  wirklichen  nordischen  Wikingen 
(Gauten  oder  Schweden)  zu  thun  haben,  die  auf  dem  grossen 
Wasserweg  der  Wolga  als  Sklaven-  und  Pelzhändler  bis  zur  Maiotis 
gelangt  waren.  Auf  solche  rätselhafte  Leute,  wie  die  nach- 
maligen Rös  und  Waräger,  von  denen  man  nicht  wusste  von 
wannen  sie  kamen  noch  wohin  sie  giengen,  und  die  als  Gefolg- 
schaften von  jungen  Männern  aus  Skandinavien  auf  Gewinn  und 
Abenteuer  auszogen  und  später  meist  wieder  heimkehrten,  würde 
auch  vorzüglich  der  sagenhafte  Zug  passen,  dass  man  sie  mit  den 
fabelhaften  Amazonen  in  Verbindung  brachte.  Solche  Abenteurer 
waren  natürlich  auf  fremde  Frauen  angewiesen.  Dagegen  würde 
jene  Anekdote  bei  einem  wirklichen  Volke  befremden,  das  mit 
Weib  und  Kind  nach  der  Maiotis  ausgewandert  war,  wie  die  Goten, 
Wandalen  etc.  Da  wir  wissen,  dass  die  Heruler  mit  der  alten 
skandinavischen  Heimat  fortwährend  in  Verbindung  blieben  und 
ein  Teil  von  ihnen  nach  512  dahin  zurückwanderte  und  sich 
neben  den  Gauten  niederliess ,  so  brauchen  wir  uns  nicht  zu 
wundern,  wenn  man  in  Schweden  über  die  Verhältnisse  in  Süd- 
russland gut  Bescheid  wusste  und  sogar  den  Wasserweg  der 
Wol^a    kannte.      Gerade    die    Erzählungen     der    zurückkehrenden 


des  Grabes  verrammelt,  so  dass  sie  darin  stirbt\  Vgl.  o.  S.  205—206 
und  W.  Thomsen,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  S.  26 — 36. 
52  A.  2. 

1)  Prokop.  de  hello  Gotthico  II  14  p.  200,  13—19:  TtQoCovtog  dh 
XQOvov  dvvä^si  XE  y.al  Ttolvav&Qcoitia  twv  TtSQioUcov  ßccQßägcov  ccTtävtcov 
TiaQ-VTtSQteQOi  ysysvri^ivoi,  inLovrss  ts,  cog  t6  sUdg,  ixäatovg  ivUcav  Kdl 
ßici^ö^evoi  ilr]itovTO  Kai  ri:Xavr&vt£g  AoyyißccQSag  xs  XQiGxiavovg  övxag 
^al  all'  axxa  s&vt}  vnrjKOU  ocpiaiv  ig  iitaywyr]v  q)6Q0V  Ttsnoirivxai ,  ovk 
sl&iöiiivov  xb  Ttgäy^a  xovxo  xolg  i^Eivr]  ßaQß(XQOig,  vnb  dh  if>ilo%Q7Hiaxiag 
v.al  ala^ovtiag  ivxav&a  'qyy.svoi.  Über  die  Rös  sagt  die  russische 
Chronik  c.  14  (p.  14  trad.  Leger):  ,Les  Var^gues  d'outre-mer  se  firent 
payer  tribut  par  les  Tchoudes  et  les  Slaves ,  par  les  Meriens,  les  Ves 
et  les  Krivitches\  Konstantin.  Porphyrogenn.  de  administr.  imp.  c.  9 
p.  79,  13  ff.  (vgl.  p.  75,  2)  bezeichnet  die  slawischen  Stämme  der 
Drewijane  {JsQßidvoi),  Drtgowici  {jQOvyovßlxai) ,  Kriwici  {KQLßirtai), 
Sewen,  (üiQßLoi)  u.  a.  als  TtaKTiaxcci  x&v  'Pcbg  (oben  S.  188  f.).  Über 
die  Gewinnsucht  der  Russen  vgl.  Ibn  Chord.  löf ,  9—16  =  115/116. 
Ihn  Rusta  ifö,  14  ff.  Ibn  Fadlän  bei  Jäq.  II  aS^ö,  23— aH,  16.  Fr  ahn 
S.  8—11. 

OK 

Marquart,  Streifzüge.  ^^ 


ggg  J.  Marquart, 

Heruler  von  den  Wundern  der  südlichen  Länder  mögen  in  Gaut- 
land  und  Schweden  die  Lust  zu  Abenteuern  geweckt  haben. 
Es  wäre  eine  vorwitzige  Frage,  warum  die  Kös  von  der  Mitte 
des  6.  bis  ins  erste  Drittel  des  9.  Jahrhunderts  für  uns  gänzlich 
verschollen  sind ;  doch  würde  diese  Erscheinung  weniger  befremd- 
lich, wenn  wir  unter  den  Hrös  des  Anonymus  näherhin  Gauten 
aus  Östergötland  verstehen  dürften.  Waren  doch  auch  die  Wikinge, 
welche  um  515  einen  Seezug  nach  Gallien  unternahmen  und  von 
den  fränkischen  Chronisten  als  Dänen  bezeichnet  werden,  dem  Beo- 
wulf  zufolge  in  Wirklichkeit  Geaten  oder  Gauten  (s.  u.).  Bald  nach 
diesem  Ereignis  aber  muss  die  Macht  der  ehemals  seegewaltigen 
Gauten  von  den  Schweden  gebrochen  und  ihr  Königtum  vernichtet 
worden  sein.  Vgl.  Müll enh off,  Beovulf  S.  18 — 23.  Daraus 
würde  sich  also  erklären,  warum  wir  weder  im  westlichen  noch 
im  südöstlichen  Europa  bis  zum  Ende  des  8.  bezw.  bis  zum  An- 
fange des  9.  Jahrhunderts  etwas  von  neuen  Unternehmungen  der 
Nordleute  hören. 

Dass  aber  die  Heruler  als  die  Vorläufer  der  späteren  Normannen 
bezw.  Rös  angesehen  wurden,  darauf  scheint  auch  anderes  hinzu- 
deuten. Wenigstens  vermag  ich  nur  unter  diesem  Gesichtspunkte 
die  schon  oben  S.  151  f.  angezogene  Angabe  Mas'üdT's  (I  364f.) 
zu  verstehen:  „Vor  dem  Jahre  300  sind  Schiffe  mit  Tausenden 
von  Menschen  nach  Spanien  übers  Meer  gesegelt  und  haben  an 
deren  Küsten  Überfälle  gemacht.  Die  Einwohner  von  Spanien 
behaupteten,  sie  seien  eine  Nation  der  Magier,  welche  sich 
ihnen  auf  diesem  Meere  alle  200  Jahre  zeige,  und 
sie  gelangen  in  ihr  Land  durch  einen  Kanal,  der  sich  aus  dem 
Meere  Okeanos  erstrecke,  aber  nicht  durch  den  Kanal,  an  wel- 
chem die  ehernen  Leuchttürme  stehen  (die  Säulen  des  Herakles). 
Ich  aber  meine  —  doch  Gott  weiss  es  am  besten  —  dass  dieser 
Kanal  mit  dem  Maiotis-  und  Pontosmeere  in  Verbindung  steht, 
und  dass  dieses  Volk  die  Eos  sind,  die  wir  früher  erwähnt  haben, 
da  niemand  anders  diese  Meere,  welche  mit  dem  Okeanosmeere 
in   Verbindung  stehen,  zu  befahren  pflegte." 

Der  Raubzug  der  Magüs  nach  Spanien,  auf  welchen  Mas'üdl 
hier  anspielt,  ist  wahrscheinlich  der  Normanneneinfall  von  229  H. 
(844  n.  Chr.),  welchen  Ja'qübi  in  seiner  im  Jahre  278  (891)  ver- 
fassten  Geographie  ^of,  13 — 15  kurz  erwähnt  und  welcher  von 
späteren  arabischen  Schriftsteilem  ausführlich  geschildert  wird^). 
Während  aber  letztere  für  die  fremden  Eindringlinge  ausschliesslich 
den  Namen  Magüs  gebrauchen,  sagt  Ja'qübi:  „In  die  Stadt  Isbilia 
(Sevilla)  sind  die  Magüs  eingedrungen,  welche  Bös  genannt  werden, 
im  J.  229,  und  haben  Gefangene  weggeschleppt,  geraubt,  gebrannt 
und    gemordet."     Man    hat    sich    darüber  gewundert,    auf  welche 


1)   Siehe    Dozy,     Recherches     sur    l'histoire     de    l'Espagne    IX*» 

S.  252—267. 


Osteuropäische  und  ost asiatische  Streifzüge.  387 

Weise  Ja'qübl  zu  der  Überzeugung  von  der  Identität  der  im 
Jahre  844  in  Spanien  auftretenden  dänischen  Wikinger  mit  den 
zwanzig  Jahre  sj^äter  vor  Konstantinopel  erscheinenden  Rös  gelangt 
sein  möge,  da  doch  die  nach  Spanien  gekommenen  Magüs  sich 
weder  selbst  Rös  genannt  hätten  noch  von  den  muslimischen 
Spaniern  so  bezeichnet  worden  seien.  Allein  Ja'qübi's  Angabe 
wird  weniger  rätselhaft,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  die  Normannen 
im  Jahre  859  sogar  durch  die  Strasse  von  Gibraltar  ins  Mittelmeer 
eingelaufen  waren  und  die  Inseln  Majorka,  Formentera  und  Minorka 
geplündert  hatten,  worauf  sie  das  Frankenreich  heimsuchten  und 
in  der  Provence  überwinterten.  Scharen  von  ihnen  gelangten 
selbst  nach  Italien,  wo  sie  Pisa  und  andere  benachbarte  Orte 
verwüsteten  1),  ja  nach  der  Angabe  des  Ibn  al  Qütija-)  wären  sie 
damals  sogar  ins  Land  der  Romäer  und  nach  Alexandrien 
gekommen.  Von  diesem  Zuge  wird  Ja'qübi  in  Ägypten  Kunde 
erhalten  haben,  und  es  lag  daher  nahe,  diese  rätselhaften  Piraten 
mit  dem  um  dieselbe  Zeit  im  Osten  Schrecken  verbreitenden 
Seevolke  der  Rös  zu  kombinieren. 

Dagegen  muss  die  von  Mas'üdl  mitgeteilte  merkwürdige  Be- 
hauptung der  Spanier,  dass  jene  Magüs  sich  ihnen  alle  200  Jahre 
auf  diesem  Meere  zeigten ,  auf  einer  wenn  auch  noch  so  dunklen 
Kunde  von  früheren  Einfällen  ähnlicher  Art  beruhen ,  die  man 
sich  am  natürlichsten  durch  ältere  lateinische  Chroniken  vermittelt 
denken  wird.  Gehen  wir  (von  844)  zweimal  200  Jahi-e  zurück, 
so  finden  wir  in  der  That  solche  Seezüge  eines  nordischen  Volkes 
an  der  spanischen  Küste  für  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  aus- 
drücklich bezeugt,  und  zwar  sind  es  diesmal  die  in  ihrer  alten 
Heimat  an  der  Ostsee  zurückgebliebenen  Heruler,  die  uns  als 
Seeräuber  entgegentreten:  de  Erulorum  gente  Septem  navibus  in 
Lucensi  litore  aliquanti  advecti,  viri  ferme  CCCC  expediti  super- 
ventu  multitudinis  congregatae  duobus  tantum  ex  suo  numero 
effugantur  occisis :  qui  ad  sedes  proprias  redeuntes,  Cantabriorum 
et  VarduUiarum  loca  maritima  crudelissime  depraedati  sunt.  Hydatii 
Chron.  Nr.  171  a.  Marciani  IV  (456?),  bei  Mommsen,  Chronica 
minora  II  28.  MG.  Auct.  antiquiss.  t.  XI.  Eruli  maritima  con- 
ventus  Lucensis  loca  nonnulla  crudelissime  invadunt  ad  Baeticam 
pertendentes.  Hydatius  Nr.  194  a.  Maioriani  III  (459).  Chron. 
min.  II  31.  Zum  letztenmal  erwähnt  die  Streifzüge  der  Ostsee- 
Heruler  im  Westen  Sidonius  Apollinaris  (epist.  VIII  9  §  5  v.  31 — 33) 
unter  der  Regierung  des  Westgotenkönigs  Eurich  (466 — 485): 

Hie  glaucis  Herulus  genis  vagatur, 

Imos  Oceani  colens  recessus, 

Algoso  proj^e  concolor  profundo  ^). 

1)  Siehe  Dozy,  Recherches  IP  279— 286.  Steenstrup,  Norman- 
nerne  IT.     Vikingetogene  mod  vest  i  det  9<ie  aarhundrede  S.  295 — 301. 

2)  Dozy  1.  c.  p.  262. 

^)  Zeuss,  Die  Deutschen  478  f. 

25* 


388  J.  Marquart, 

Dagegen  haben  wir  keinen  Anhaltspunkt  für  die  Annahme, 
dass  bereits  die  Heruler,  welche  gegen  Ende  des  3.  Jahrhunderts 
mit  den  Chaibones  zusammen  in  Gallien  einbrachen  i) ,  bis  nach 
Spanien  gekommen  waren. 

Die  Nachfolger  der  Heruler  in  Jütland  und  auf  den  Inseln 
der  Ostsee  waren  die  Dänen,  auf  dem  skandinavischen  Festlande 
die  Gauten  und  später  die  Schweden.  Soll  sich  also  die  Hypothese, 
dass  dem  von  den  Spaniern  behaupteten  Auftreten  der  Magüs 
in  200jährigen  Perioden  eine  wirkliche  Kunde  zu  Grunde  liege, 
bewahrheiten,  so  müssten  wir  erwarten,  um  die  Mitte  des  7.  Jahr- 
hunderts von  einem  abermaligen  Seezuge  eines  nordischen  Volkes 
nach  der  Westküste  Spaniens  zu  lesen.  Die  Nordleute  haben  aller- 
dings schon  zwischen  512  und  520  unter  einem  Seekönig  Chochi- 
laicus^)  die  gallische  Küste  und  von  da  aus  den  Hattuariergau 
heimgesucht,  wurden  aber  von  Theudebert,  dem  Sohne  des  Franken- 
königs Theuderik  besiegt  und  zurückgetrieben,  wobei  ihr  Anführer 
selbst  fiel  •^).  Gregor  von  Tours  und  der  Verfasser  des  Liber  histo- 
riae  Francorum  bezeichnen  die  Feinde  als  Dänen,  allein  das  angel- 
sächsische Epos  Beowulf,  welches  jenes  Seezuges  viermal  gedenkt, 
nennt  sie  Qeatas  d.  h.  Gauten,  und  diese  Angabe  verdient  ohne 
Zweifel  den  Vorzug.  Diese  Niederlage  der  Geaten  scheint  aber 
auch  den  Dänen  für  Jahrhunderte  die  Lust  zur  Nachahmung  jener 
Seezüge  benommen  zu  haben,  wenn  man  aus  dem  gänzlichen 
Schweifen  der  für  die  hier  in  Betracht  kommende  Zeit  freilich 
äusserst  mageren  fränkischen  Chronistik  soviel  schliessen  darf.  Nur 
Venantius  Fortunatus  spricht  um  580  von  Siegen  der  Franken 
über  die  Dänen,  Juten  und  Sachsen*),  jedoch  nur  in  allgemeinen 
Ausdrücken.  Auch  in  den  von  Mommsen  im  zweiten  Bande 
seiner   Chronica   minora   herausgegebenen   Quellen   der   spanischen 


1)  Mamertini  Panegyr.  Maximiane  Aug.  dictus  (a.  289)  c.  5. 
Panegyr.  genethl.  Maximiane  Aug.  dict.  (a.  291)  c.  7.  Vgl.  Zeuss 
a.  a.  0.  477  f. 

2)  Se  im  Liber  historiae  Francorum  c.  19  ed.  Krusch;  M.  G. 
Script,  rer.  Merovingicarum  II  274;  bei  Greger  von  Tours  III  3  ed. 
Krusch  (M.  G.  Script,  rer.  Mereving.  t.  I  p.  110)  ChlochUaicus,  im 
Beowulf  Hygelcic. 

3)  Gregor.  Türen,  hist.  Francorum  3,  3  ed.  Krusch.  Liber  hist. 
Francorum  c.  19  ed.  Krusch.     Vgl.  Müllenhoff,  Beovulf  S.  18  f. 

*)  Venant.  Fertunat.  VII  7,  49—50: 

quae  tibi  sit  virtus  cum  prosperitate  superna, 
Saxonis  et  Daui  gens  cito  victa  probat. 

IX,  1,  71  ff. : 

ne  ruat  armatus  per  Gallica  rura  rebellis, 

nomine  victoris  hie  es  et  ampla  tegis: 
quem  Geta,  Vasco  tremunt,  Danus,  Eutbio,  Saxo,  Britannus, 

cum  patre  ques  acie  te  domitasse  patet._ 
terror  [es]  extremis  Fresonibus  atque  Suebis, 

qui  neque  bella  parant,  sed  tua  frena  rogant. 


Osteuropcäische  und  ostasiatiscbe  Streifzüge.  389 

Geschichte  dieser  Zeit  (besonders  Isidors  GotoBgeschichte  und  deren 
Fortsetzungen)  habe  ich  nichts  über  einen  derartigen  Einfall  ge- 
funden. Erst  unter  Karl  d.  Gr,  erscheinen  die  dänischen  See- 
räuber wieder  an  der  gallischen  Küste  i).  Dies  könnte  freilich 
auffällig  erscheinen,  wenn  man  bedenkt,  dass  norwegische  Wikinger 
aus  Hördaland  schon  zwischen  590  und  644  nach  den  Shetlands- 
inseln  gekommen  waren  und  Iren  spätestens  um  630  daselbst  mit 
ihnen  Bekanntschaft  machten,  ja  dass  sie  wahrscheinlich  schon  im 
Jahre  617  die  der  Küste  von  Donegal  vorgelagerte  Insel  Toracli 
(Tory  Island)  verwüsteten  2).  Allein  auch  dieser  erste  Wikinger- 
zug der  Norweger  nach  den  irischen  Gewässern  scheint  wie  der 
des  Chochilaicus  einen  Ausgang  genommen  zu  haben,  der  zu  einer 
Wiederholung  nicht  eben  ermutigen  konnte :  in  der  That  fällt  ihr 
erster  Einfall  in  irisches  Gebiet  erst  ins  Jahr   795. 

Auf  Grund  unserer  bisherigen  Resultate  lassen  sich  jetzt 
mehrere  Zeugnisse  für  das  Auftreten  der  Russen  am  Pontos  in 
der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts,  die  man  sich  bisher  weg- 
zudeuten  bemühte  ,  mit  Leichtigkeit  erklären.  W.  W  a  s  i  1  - 
jewskij's  PyccKO-BHsaHTificKifi  HSCJl^ÄOBamii  (Russisch  -  byzan- 
tinische Forschungen  Heft  2,  St.  Petersburg  1893)  kenne  ich 
leider  nur  aus  der  Anzeige  von  V.  Jagic  im  Archiv  für  sla- 
wische Philologie  Bd.  16  (1894),  215—224.  Aber  die  wichtigsten, 
im  Gegensatze  zu  Kunik  gewonnenen  Resultate  dieses  Forschers, 
dass  die  Vita  des  hl.  Georg  von  Amastris  von  der  Encyclika  des 
Photios  unabhängig  und  vor  842  entstanden  sei,  und  die  ältesten 
Bestandteile  der  verhältnismässig  spät  kompilierten  altrussischen 
Vita  des  hl.  Stephan  von  Sugdaia  aus  der  ersten  Hälfte  oder  gar 
den  ersten  drei  Dezennien  des  9.  Jahrhunderts  stammen  und  das 
hier  von  den  Russen  Erzählte  auf  keinen  Fall  in  die  Zeiten  des 
hl.  Wladimir  im  10.  Jahrhundert  verlegt  werden  dürfe  3),  stimmen 
mit  unsern  eignen  Ergebnissen  aufs  beste  überein. 

Wenn  freilich  in  der  altslowenischen  Lebensbeschi-eibung  des 
Slawenapostels  Konstantin  von  einer  mit  rosischen  (poCBCK'B) 
Buchstaben  geschriebenen,  das  Evangelium  und  den  Psalter  ent- 
haltenden, Handschrift  die  Rede  ist,  welche  Konstantin  in  Cherson 
gefunden  und  mit  Hilfe  eines  jener  Sprache  kundigen  Mannes 
entziffert  habe  *) ,  so  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen ,  dass  es 


1)  Annales  qui  dicuntur  Einhardi  a.  800  ed.  Frid.  Kurze  p.  111. 
Vita  Karoli  c.  17. 

2)  H.  Zimmer  Über  die  frühesten  Berührungen  der  Iren  mit 
den  Nordgermanen.    'SBBA.  1891,  299—304.  308—317. 

3)  Vgl.  E.  Kunik  bei  Dorn,  Caspia  389/90  Anm.  7. 

*)  Die  Legende  vom  hl.  Cyrillus  c.  8  hg.  von  Ernst  Dümmler 
und  Franz  Miklosich  (Denkschr.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Wien. 
Phü.-hist.  Cl.  Bd.  XIX,  1870,  S.  235):  invento  vero  ibi_  evangelio  et 
psalterio  rossicis  litteris  scripto  reperit  etiam  hominem  lingua  illa  lo- 
quentem,    et  cum  eo  locutus  vim  sermonis   accepit,    cum  sua  lingua 


390  J-  Marquart, 

sich  hier  um  eine  krimgotische  Handschrift  handeln  und  die 
rosische  und  gotische  Sprache  seitens  der  Südslawen  vei-wechselt 
sein  müssen  1).  Doch  würde  sich  die  im  jetzigen  Texte  der 
Legende  vorliegende  Verwechslung  leichter  erklären,  wenn  es  etwa 
ursprünglich  hiess ,  Konstantin  habe  in  Cherson  aus  einem  krim- 
gotischen Lektionar  Gotisch  gelernt  und  sei  darauf  im  Stande 
gewesen,  sich  mit  einem  Manne  in  rosischer  Sprache  zu  unter- 
halten. Der  gegenwärtige  Text  wäre  demnach  eine  Überarbeitung, 
welche  die  Erfindung  der  slawischen  Schrift  durchaus  in  den 
Mittelpunkt  stellt  und  naturgemäss  das  Wunder  zu  vergröbern 
strebte.  Zu  dem  von  der  Legende  geforderten  Glauben,  dass  die 
Kenntnis  der  gotischen  Schrift  auf  der  Krim  zu  Konstantins  Zeit 
ausgestorben  gewesen  sei  und  dieser  die  fragliche  Handschrift 
selbstständig  habe  entziffern  müssen,  wird  man  sich  so  wie  so 
nur  schwer  entschliessen  können. 

Femer  darf  unter  den  Zeugen  für  das  Auftreten  der  Ros  be- 
reits in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhundex-ts  Ibn  ChordäcJbih  fortan 
nicht  mehr  angeführt  werden.  Denn  de  Goeje's  Hypothese,  der 
ich  mich  früher  selbst  angeschlossen  habe,  Ibn  Chordä(Jbih  habe  zwei 
Ausgaben  seines  geographischen  Werkes  veranstaltet :  die  eine  gegen 
232  H.  (846/47  n.  Chr.),  von  welcher  uns  in  der  Hs.  B  ein  Auszug 
vorliege,  die  andere  nicht  vor  272  H.  (885/86  n.  Chr.),  scheitert  an 
den  auch  in  B  enthaltenen  Nachrichten  über  die  Toyuz  Oyuz 
(Uiguren)  p.  !oö,  6.  l*'.,  12 — 1^1,  4  und  zumal  an  dem  Verhältnis 
der  letzteren  Stelle  zum  Reiseberichte  des  Tamim  b.  Bahr  al 
Muttauwa'I  bei  Jäq.  I  ^f..  Wie  an  anderer  Stelle  näher  dar- 
gelegt werden  soll,  zeigt  eine  eingehende  Analyse  dieses  Berichtes, 
von  welchem  Ibn  Chordä^bih  abhängig  ist,  dass  unter  der  Haupt- 
stadt der  ToyvLz  Oyuz  hier  unzweifelhaft  bereits  Kau-c'ang  (beim 
heutigen  Turfan)  zu  verstehen  ist,  welche  Stadt  aber  erst  im 
Jahre  866  von  den  Uiguren  von  Peh-t'ing  den  Tibetanern  ent- 
rissen und  der  Mittelpunkt  eines  neuen  Uigurenreiches  geworden 
ist.  Wie  mit  den  Nachrichten  über  die  [Jiguren  verhält  es  sich 
aber  auch  mit  dem  ebenfalls  in  B  und  A  enthaltenen  Berichte 
über  die  Rös  S.  tof,  9 — 16.  Man  hat  also  nur  mit  einer,  nicht 
vor  272  H.  vollendeten  Ausgabe  des  Kitäb  al  masälik  wa  'l 
mamälik  zu  rechnen.  Dies  betrifft  jedoch,  wie  gesagt,  nur  die 
Chronologie,  nicht  aber  den  Kern  des  Berichtes  Ibn  Chordä^bihs, 
und  Westberg  hätte  sich  daher  den  vergeblichen  Ansturm  auf 
die  Rös  des  Ibn  Chordädbih  (a.  a.  0.  S.  280 — 288)  ersparen  können. 

Müssen    wir   somit  auch    auf   das    Zeugnis    Ibn  Chordädbih's, 
in    dessen    Werke    Notizen    vereinigt    sind,     die    sich    auf    sehr 


conferens,  et  discrevit  litteras  vocales  et  consonantes,  et  deum  precaus 
mox  coepit  legere  et  loqui,  et  multi  eum  admirati  sunt,  deum  laudantes. 
^)  Vgl.  Much,  Anz.  f.  idg.  Sprach-  und  Altertumskunde  IX.  Heft, 
1898,  S.  209. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  391 

verschiedene  Zeiten  beziehen,  für  chronologische  Zwecke  verzichten, 
so  bleiben  doch  die  des  Prudentius  und  des  Gewährsmannes 
GaihänT's  unangetastet.  Auch  die  Angabe  des  Gurdezi,  dass  die 
Magyaren  gegen  die  Slawen  und  Rös  Überfälle  und  Sklaven- 
jagden ausführten,  kann,  wie  sich  unten  ergeben  wird,  sehr  wohl 
aus  dem  Urtext  der  Quelle  Gaihäni's  stammen.  Waren  aber  die 
Rös  schon  im  ersten  Drittel  des  9.  Jahrhunderts  auf  der  Krim  be- 
kannt und  gefürchtet,  so  wäre  es  ganz  in  der  Ordnung,  wenn  der 
Apostel  Konstantin  in  Cherson  auch  ihre  Sprache  erlernte  hätte,  in 
der  Hoffnung,  später  das  schreckliche  Volk  dem  Christentume  zu- 
führen und  damit  unschädlich  machen  zu  können.  Letzteres  geschah 
in  der  That  nach  ihrem  Angriffe  auf  Konstantinopel  im  Jahre  865, 
wenn  man  der  Behauptung  des  Patriarchen  Photios  in  seinem 
Ende  866  an  die  orientalischen  Bischöfe  erlassenen  Rundschreiben 
glauben  darf:  „Dieselben  Leute  haben  jetzt  ihr  heidnisches  und 
ungöttliches  Wesen  gelassen,  haben  sich  zum  Christentum  bekehrt 
und  einen  Bischof  empfangen"  ^). 


Exkurs  IV. 

Der    Ursprung    der   iberischen    Bagratiden 
(zu  S.  177  ff.). 

Die  Russen  haben  mit  dem  Antritt  der  Regierung  von 
Georgien,  dessen  100 jähriges  Jubiläum  sie  demnächst  feiern, 
auch  die  Ehrenpflicht  übernommen,  die  Geschichte  dieses  heroischen 
Volkes  soweit  möglich  aufzuhellen.  Zeitgenössische  Chroniken, 
wie  die  Armenier,  besitzen  nun  die  Geoi'gier  leider  nicht.  So 
sehr  es  daher  anerkannt  werden  muss,  dass  die  kaiserliche 
Akademie  zu  St.  Petersburg  die  grosse  Kompilation,  die  unter 
dem  Namen  der  georgischen  Chronik  bekannt  ist,  in  vollem  Um- 
fang herausgeben  und  übersetzen  Hess,  so  harrt  doch  die  noch 
weit  wichtigere  Aufgabe,  die  Materialien,  welche  den  georgischen 
Gelehrten  des  12.  Jahrhunderts  bei  der  Zusammenstellung  der 
Chronik  als  Grundlage  gedient  haben,  aus  den  georgischen 
Klöstern  wieder  ans  Licht  zu  ziehen,  immer  noch  ihrer  Lösung. 
Dies  gilt  vor  allem  für  die  vormongolische  Periode.  Auch  eine 
Sammlung  der  römischen,  byzantinischen,  armenischen  und  ara- 
bischen Nachrichten  über  Iberien ,  welche  die  Grundlage  für 
eine    erfolgreiche    Kritik    und    Analyse    der    Chronik,    namentlich 


^)  Photii  ep.  4  p.  178  ed.  Baletta  (Londin.  1864) :  all'  o^lcos  vvv 
v.al  ovtoi  TTjv  räv  XQianavcöv  v.aO'aQuv  %al  aiiißdrjlov  Q'Qriay.siav  xfig 
^EXlr\VL%T]g  ■aal  aO'iov  So^r^g,  iv  f]  xatEixovro  TtQOtSQOv,  ävtriklä^uvro, 
iv  vTtr]%6üiv  savtovg  Kai  TtQO^svcov  tä^Si,  ävtl  rf/?  itQO  ^iixqov  xaO''  fj^Lmv 
Xsrikaeiag  Kai  tov  ^sydlov  To^ftTjfiaro?,  ccyanriräg  iyKaraarrjaavrsg.  Vgl. 
W.  Thomseii,  Der  Ursprung  des  russischen  Staates  22. 


392  J-  Marquart, 

für  die  älteren  Zeiten ,  bilden  muss ,  fehlt  meines  Wissens  noch 
immer.  Es  gibt  aber  glücklicherweise  zwei  Epochen,  für  welche 
uns  auswärtige  zeitgenössische  Quellen  eine  Kontrolle  ermöglichen 
und  wo  daher  das  Messer  angesetzt  werden  kann ,  um  die  Nähte 
des  künstlichen  Gewebes  wieder  aufzutrennen.  Die  eine  dieser 
Epochen  ist  das  Aufkommen  der  Bagratiden  in  Tao  und  Iberien, 
wofür  uns  ausser  der  einheimischen  Chronik  und  den  Angaben 
Wardans  (13.  Jahrh.)  der  Bericht  des  Kaisers  Konstantinos  Por- 
phyi'Ogennetos  (952)  zu  Gebote  steht,  der  aus  offiziellen  Quellen 
schöpfte  und  den  Ereignissen  zeitlich  noch  sehr  nahe  stand. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  von  B  r  o  s  s  e  t  (Hist. 
de  la  Georgie.  Additions  et  eclaircissements  p.  153 — 155  und 
161)  nach  diesen  Quellen  entworfenen  Stammtafeln,  so  fällt  vor 
allem  auf,  dass  bei  Wardan  wie  in  der  Chronik  die  vom  ältesten 
Gewährsmann,  Konstantin,  bezeugte  Ableitung  der  iberischen  Bagra- 
tiden von  einem  Sohne  des  Königs  David  und  der  Bathscheba', 
wenigstens  in  der  bei  Konstantin  vorliegenden  Form ,  aufgegeben 
ist.  Die  Georgier  haben  demnach  in  der  Zmschenzeit  ihre  Ge- 
schmacksverirrung eingesehen  und  auch  die  chronologische  Un- 
geheuerlichkeit, welche  der  alte  Stammbaum  enthielt,  empfunden. 
Bagrat,  der  Grossvater  des  von  Kaiser  Leon  dem  Weisen  (886 — 
912)  mit  der  Kuropalateswürde  beschenkten  Atrnerseh  (III.), 
sollte  ja  ein  Sohn  Davids ,  des  Bastards  der  Bathscheba  ge- 
wesen sein !  Eine  weitere  Abweichung  ist  darin  zu  erkennen, 
dass  der  Vater  des  Atrnerseh  (III.)  nicht,  wie  bei  Konstantin, 
A  s  c  h  0 1  heisst ,  sondern  D  a  w  i  t '.  Dagegen  wird  hier  die 
Genealogie  nach  oben  über  Bagrat  hinaus  durch  einen  Aschot 
verlängert,  einen  Zeitgenossen  des  armenischen  Bagratiden  Aschot 
des  Tapferen ,  dessen  Frau  aus  Georgien  stammte  und  der  vom 
Chalifen  mit  Georgien  belehnt  wurde  und  sich  das  ganze  Land 
unterwarf,  worauf  er  vom  Kaiser  Leon  V.  den  Titel  eines  Kuro- 
palates  erhalten  haben  soll.  Seine  Bemühungen ,  die  Hilfe  des 
Kaisers  zu  erlangen ,  blieben  jedoch  erfolglos ,  da  dieser  damals 
durch  die  Verschwörung  Michaels  des  Stammlers  beschäftigt  war^). 
Von  jetzt  an  gehen  die  Genealogien  Wardans  und  der  Chronik 
auseinander  und  während  die  des  ersteren  die  iberischen  Bagratiden 
nach  aufwärts  auf  die  armenischen  zurückführt,  ist  die  Chronik 
bemüht,  die  Genealogie  ganz  nach  dem  Rezepte  der  Angaben  der 
noch  unausgebildeten  Tradition,  wie  sie  bei  Konstantin  vorliegt, 
weiter  auszugestalten. 

Nach  Konstantin  waren  seit  der  Ankunft  der  Brüder  David 
und  Spandiat  in  Iberien  bis  zu  seiner  Zeit  (952)  400  oder  500 
Jahre  vergangen-).     Dieselben    oder    die  Nachkommen  Davids   — 


^)  Brosset,  Additions  et  eclaircissements  p.  160  s. 
2)  De  admin.  imp.  c.  45  p.  199,  8  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  393 

Spandiat    starb    kinderlos    —    schlössen    sich    später    dem    Kaiser 
Herakleios    auf   seinem    Feldzuge    gegen    Persien    an    und    unter- 
warfen durch    die  Furcht   der  Perser  vor  Herakleios  viele  Städte 
und  Landschaften  derselben.     Die   iberischen  Bagratiden   rühmten 
sich  ferner  nach  Konstantin,    durch  ihre  Abstammung  vom  König 
David  auch  mit  der  Gottesmutter,    die   ja  ebenfalls  aus  dem  Ge- 
schlechte Davids  war,    verwandt    zu    sein    (p.   197,  19  ff.).     Diese 
Andeutungen  sind  bei  den  Bearbeitern  der  Chronik  nicht  auf  un- 
fruchtbaren  Boden    gefallen.     Der    unmittelbare    Stammvater    der 
Bagratiden  ist  nicht  ein  Bastard  des  König  David,  sondern  ein  Jude 
Solomon,  welcher  in  der  28.  Generation  von  Kleopa,  dem  Bruder 
des  Nährvaters  Joseph  abstammte.     Seine  sieben  Söhne  kamen  in 
die    Provinz    Eklec'  (Ekeieac')    zur  Königin  Kak'ael,    von   der   sie 
eigenhändig  getauft  wurden.     Drei  von  ihnen  traten  in  Familien- 
verbindungen mit  den  Königen  von  Armenien,    während    die  vier 
übrigen,    darunter    Guram    oder    G  war  am,    sich    nach    Georgien 
wandten.    Um  diese  Zeit  war  der  König  Bakur  HL  (557 — 570  nach 
W  a  c  h  u  s  t)  mit  Hinterlassung  von  unmündigen  Kindern  gestorben. 
K'asre  Ambarwez ,    welcher    von    seinem  Yater,    dem    Perserkönig 
ürmizd,  mit  der  Verwaltung  von  Ran  (AitSji)  und  Mowakan  betraut 
worden  war  und  seinen  Sitz  in  Bardav  {Partav)  hatte,  trat  darauf 
in  Unterhandlungen  mit  den  Erist'awen  von  Georgien,  welche  sich 
für    unabhängig    (vom    König    von    Georgien)    erklärten    und    ihm 
Tribut  zahlten,    während    die  Söhne    des  Bakur    sich   nui'  im  ge- 
birgigen Teile  von  Kachet'  hielten  und  die  des  Mirdat,  des  Sohnes 
Wachtangs,    die  Herren   von  Klarget'  und  Gawachet',  sich  in  den 
Felsen    von    Klarget'    verschanzten.      Als    aber    die    Türken    einen 
Einfall  nach  Persien    machten    und    auch  die  Griechen  die  Perser 
aus  Mesopotamien  vertrieben  und  in  Persien  eindrangen,  sah  sich 
K'asre  Ambarwez  veranlasst,  Georgien  und  Rom  (d.  h.  das  Romäer- 
reich)  zu  verlassen,    um  seinem  Vater   zu  helfen.     Nun  baten  die 
Georgier  den  griechischen  Kaiser  um    einen  König    für   ihr  Land, 
und  dieser  gab  ihnen  den  Gwaram,  einen  Schwestersohn  Mirdat's, 
der  damals  in  Klarget'  und  Gawachet'  gebot,  und  verlieh  ihm  den 
Titel  Kuropalates.     Li   seine  Zeit   fällt  der  Aufstand   des  Bahram 
Cubin.     NachdemK'asre  denselben  mit  Hilfe  des  Kaisers  Maurikios 
glücklich  niedergeworfen,  erkannte  er  Georgien  als  unabhängig  an 
und  Gwaram  regierte  fortan  unter  der  Oberhoheit  der  Griechen  i). 
Wachust   setzt   seine   Regierung    in    die  Jahre  575 — 600,    sodass 
also  seine  Ankunft  in  Georgien  in  der  That  etwa  400  Jahre  vor 
Konstantin  Porphyrogennetos    fiele.     Sein    Sohn  Step'anos  I. ,    ein 
Zeitgenosse  des  Phokas    und  Herakleios   (600 — 619),    nannte  sich 
nicht  König,  sondern  nur  Mt'awar  der  Erist'awe.     Als  K'asre,  um 
für  die  Ermordung  des  Maurikios  Rache  zu  nehmen,  gegen  Phokas 


1)  Hist.  de  la  Georgie  p.  214  ss. 


394  «^*  Marquart, 

zo«?,  verliess  Step'anos  die  Griechen  und  schlag  sich  auf  die  Seite 
des  K'asre.  Er  residierte  in  Tiflis  und  gebot  über  ganz  Georgien 
unter  der  Oberhoheit  der  Perser.  Als  Herakleios  mit  Hilfe  der 
Westtürken  Tiflis  belagerte,  verteidigte  Step'anos  die  Stadt  tapfer, 
wm^de  aber  in  einem  Gefechte  getötet,  worauf  der  Kaiser  die 
Stadt  eroberte  1).  Dieser  übergab  hierauf  Tiflis  einem  Sohne  des 
Königs  Bakur  III.,  der  Erist'aw  in  Kachet'  war,  namens  Adarnase, 
und  ernannte  ihn  zum  Mt'awar  von  K'art'li.  Nachdem  er  ihm 
noch  einen  Erist'aw  Gibghu  zurückgelassen  hatte,  um  die  Citadelle 
Kala  zu  belagern,  zog  er  selbst  gegen  Bagdad.  Gibghu  nahm  in 
wenigen  Tagen  die  Citadelle  2) ,  und  die  Griechen  gewannen  die 
Gebiete  von  Georgien,  Sper,  den  Rand  von  Klarget'  und  das 
Meeresufer  zurück.  Die  Söhne  des  Step'anos  blieben  in  den  Felsen 
von  Klarget*,  während  Adarnase  das  übrige  Georgien  inne  hatte, 
ohne  jedoch  den  Königstitel  zu  führen.  Die  Erist'awe  vererbten 
ihre  Territorien  auf  ihre  Söhne,  wenn  sie  auch  seine  Oberhoheit 
anerkannten  ^). 

Wir  haben  aber  in  der  Chronik  noch  eine  zweite  Version 
über  die  Einwanderung  der  Bagratiden  nach  Iberien.  Step'anos  II., 
der  Sohn  und  Nachfolger  Adarnase's  I.  (639 — 663  nach  Wachust), 
residierte  ebenfalls  in  Tiflis,  sah  sich  aber  genötigt,  mit  seinem 
älteren  Sohne  Mir  vor  den  Arabern  nach  Egris  zu  fliehen, 
wohin  ihm  sein  jüngerer  Sohn  ArS'il  bald  nachfolgte,  nachdem 
er  zuvor  den  königlichen  Schatz  an  verschiedenen  Stellen  ver- 
graben und  die  Kirchenschätze  in  der  grossen  Kuppel  der  Sions- 
kirche  in  Mc'chet'  versteckt  hatte.  Step'anos  starb  in  Egris. 
Während  die  Brüder  Mir  und  Arß'il  nun  in  Egris  weilten,  er- 
schien in  Georgien  der  agarenische  Emir  Murwan-Qru*),  der  die 
Landschaften  von  Griechenland  und  Armenien  bis  zum  Meere 
mit  einem  Heere  gleich  Legionen  von  Heuschrecken  und  Mücken 


1)  S.  unten  S.  401  Anm. 

2)  Diese  Erzählung  geht  in  letzter  Linie  auf  Mos.  Kalankatvac'i  II 
10—12.  14  S.  232—254.  259—266  bezw.  dessen  Quelle  zurück.  Schon 
Brosset  (Hist.  de  la  Georgie  p.  228  n.  1.  226  n.  3.  5.  225  n.  4)  hat  er- 
kannt, dass  dieser  Gibghu  dem  Gebu-Chak'an  des  Moses  Kalankatvac'i, 
dem  Zitßrjl  des  Theophanes  entspricht.  Es  ist  der  damalige  Chagan 
der  Westtürken  T'07ig  Jabgu  Chagan.  Die  Einnahme  von  Tiflis  durch 
&ebu  Chak'an  und  seinen  Sohn,  den  Sat' ,  erzählt  Moses  Kai.  11  14 
S.  262—264.  Die  Citadelle  Kala  (ar.  K*ii)  bei  Tiflis  ist  wohl  die  von 
atabischen   Geographen  erwähnte  Festung  J.-^JoV.i^   gegenüber  Tiflis. 

3)  Hist.  de  la  Georgie  p.  223—229.  Chronique  arm(5n.  Additions 
et  eclaircissements  p.  46 — 47.  [Armenischer  Text,  hg.  zu  Venedig  1884 
unter  dem  Titel  GuanSer,  ^utJiun-ouw  «^//y.««//»«-/?/«-^/  Tjpwj  (Compen- 
diosa  historia  Iberiae),  S.  96  f.] 

*)  In  dieser  Figur  sind  Muhammad  b.  Marwän,  der  Henker  von 
Nachcavan,  und  sein  Sohn  Marwän  b.  Muhammad,  der  spätere  Chalifa, 
zusammengefallen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  395 

verheerte,  den  ganzen  Kaukasus  durchzog  und  sich  der  beiden 
Thore  von  Dariela  und  Derbend  bemächtigte.  Als  er  nach  Zer- 
störung aller  Städte  und  Einnahme  zahlreicher  Festungen  Geor- 
giens und  verheerenden  Zügen  durch  Samc'che ,  Argwet' ,  Egris, 
Mingrelien  und  Ap'chazien  vor  der  Festung  Anakop'  erschien  und 
diese  belagerte,  erlitt  er  durch  die  Brüder  Mir  und  Ar^'il,  die 
sich  bei  seinem  Anzüge  von  Egris  nach  Ap'chazet'i  zurückgezogen 
und  beim  kaiserlichen  Erist'aw  Leon  Zuflucht  gefunden  hatten, 
eine  Niederlage^),  die  ihn  aber  nicht  hinderte,  auf  seinem  Rück- 
zuge über  Pityüs,  Guria  und  Sper  sich  der  Städte  und  Festungen 
des  Küstenlandes  zu  bemächtigen.  Nachdem  Mir  an  einer  Wunde 
gestorben  war,  folgte  ihm  Arß'il  (668 — 718  nach  Wachust),  welcher 
für  sich  selbst  Egris,  Swanet',  T'awkwer,  Argwet'  und  Guria  be- 
hielt und  in  C'iche-Gog  und  K'ut'at'is  residierte,  während  er 
Klarget'i  und  das  mittlere  Mt'iulet'i ,  dem  Wunsche  seines  ver- 
storbenen Bruders  gemäss,  seinen  Nichten  überliess.  Von  diesen 
verheiratete  er  die  erste  mit  dem  Sohne  oder  Enkel  des  väter- 
lichen Oheims  des  Gwaram  Kuropalates,  dem  Herrn  von  Klarget'i 
und  Gawachet'i;  die  zweite  mit  dem  von  P'eroz  abstammenden 
peteachs^  der  Mt'awar  von  T'rialet'i,  Tasir  und  Aboc'  (arm.  Asoc') 
war;  die  dritte  mit  Nerse  Nersian,  einem  der  Grossen  des  Königs 
Wachtang;  die  vierte  mit  Adarnase  Adarnasian,  welcher  mit  dem 
Vorhergehenden  Herr  des  Oberen  Landes  oder  von  K'art'li  war;  die 
fünfte  mit  Warazman,  dem  er  das  Land  von  Kotman  bis  K'urdis- 
Chew  gab  und  der  vom  persischen  Erist'aw  von  Barda  (Partav), 
dem  Vater  der  Mutter  des  Königs  Wachtang  abstammte  ^) ;  die 
sechste  dem  Guanser  Guanserian,  einem  Nachkommen  des  Königs 
Mirian  durch  die  Linie  des  Rew.  Diesem  gab  er  Guar,  Cherk,  ganz 
Mt'iulet'  und  das  Thal  Manglis  bis  nach  Tiflis.  Dem  kaiserlichen 
Erist'aw  Leon  von  Ap'chazet'i  gab  er  seine  Nichte  Guranducht 
und  die  Krone ,  die  der  griechische  Kaiser  dem  Könige  Mirian 
geschenkt  hatte.  Ar^il  „setzte  sich  fest  in  Egris  bis  nach  Sorapan, 
stellte  alle  Städte  und  Festungen  wieder  her  und  erbaute  eine 
Citadelle  an  der  Grenze  von  Guria  und  Griechenland.  So  ver- 
gieng  ein  Dutzend  von  Jahren.  Georgien  begann  sich  wieder  zu 
erholen,  aber  Mc'chet'  lag  in  Ruinen.     Als  der  König  Arö'il,  von 


1)  Mchit'ar  von  Airiwank'  verlegt  dies  Ereignis  ins  J.  681  n.  Chr. 
Brosset  1.  1.  p.  242  n.  2.  Dann  müsste  aber  Mir,  der  eine  der  beiden 
Brüder,  mit  dem  im  Jahre  681/82  gegen  die  Chazaren  gefallenen 
Fürsten  von  Iberien  identisch  sein,  dessen  Namen  wir  jedoch  aus  zwei 
armenischen  Quellen  erschliessen  können  (unten  S.  402  A.).  Die  Flucht 
der  iberischen  Fürsten  könnte  vielmehr  frühestens  zusammenhängen  mit 
der  Flucht  der  armenischen  Notabein  nach  Egr  infolge  der  Katastrophe 
von  Nachcavan  im  Jahre  705  (Levond  S.  58).     S.  u. 

")  Dieser  gehörte  sicher  dem  Hause  der  Aranmhik  an,  die  sich 
später  von  Bahram  Cöbln  ableiteten. 


396  J-  Marquart, 

Eo-ris  kommend,  in  der  ehemaligen  Festung  Chidar  Halt  gemacht 
hatte,  kam  zu  ihm  ein  Mt'awar,  ein  Nachkomme  des  Propheten 
David,  namens  Adarnase,  ein  Bruderssohn  Adarnase's  des  Blinden, 
dessen  Vater,  mit  den  Bagratiden  verwandt,  von  den  Griechen 
ein  Erist'awat  in  den  Gegenden  von  Somchet'i  (Armenien)  erhalten 
hatte,  aber  während  der  Raubzüge  des  Qru  bei  den  Nachkommen 
des  Gwaram  Kuropalates  in  Klarget'i  Zuflucht  gefunden  hatte, 
wo  er  geblieben  war.  Dieser  Adarnase  richtete  an  den  König 
ArS'il  folgende  Bitte :  ,Wenn  du  willst,  so  mache  mich  zu  deinem 
Vasall  und  gib  mir  ein  Lehen'.  Der  König  bewilligte  ihm 
Solawer  und  Artan^).  Darnach  gieng  Arß'il  nach  Kachet'i,  das 
er  unter  alle  Leute  seines  Hofes  verteilte ,  indem  er  ihnen  das 
Aznaurat  übertrug.  Er  erbaute  die  Kirche  von  Sa^mor  und 
heiratete  die  Tochter  des  Gwaram  Kuropalates,  der  von  den 
Söhnen  Wachtangs  und  seiner  griechischen  Gemahlin  abstammte. 
.  .  .  Indessen  die  Sarazenen  waren  mächtig  im  Lande  Ran  (Arrän), 
und  hatten  Gazir  (das  Land  der  Chazaren)  und  Armenien  erobert, 
und  Maslama  führte  Krieg  mit  den  Griechen.  Die  Bruderssöhne 
Adarnase's  des  Blinden,  die  ihrem  väterlichen  Oheim  ^die  Augen 
ausgebrannt  hatten,  kamen  aus  Taron  ins  Land  Sakik'  (Sak'e?),  wo 
sich  diese  drei  Brüder  mit  Zustimmung  des  Königs  Ari'il  fest- 
setzten, weil  die  ganze  Gegend  des  Kaukasus  in  der  Umgebung 
von  Ran  (Arrän)  ohne  Herren  war.  Heret'i  und  Kachet'i  behielten 
kaum  einige  Einwohner,  die  sich  in  die  Wälder  und  Gehölze  ge- 
rettet hatten:  die  drei  Brüder  nahmen  daher  das  Land  bis  nach 
Gulgula  in  Besitz"  -). 

Es  ist  nicht  dieses  Ortes ,  auf  die  Einzelheiten  dieser  Dar- 
stellung einzugehen.  Worauf  es  uns  hier  ankommt,  ist  die  Fest- 
stellung der  Thatsache,  dass  diese  Version  von  der  bagratidischen 
und  davidischen  Abstammung  des  Kuropalates  Gwaram  noch  nichts 
weiss.      Der    Nachweis    der    sekundären  Entstehung   der  Tradition 


1)  In  Samc'che;  vgl.  Brosset  p.  249  n.  5.  Artan  heisst  in  der 
Geographie  des  Ps.  Mos.  Chor.  28,  7.  35,  6  ed.  Soukry  Artahan,  arab. 

^\.j(hj  bezw.  ^^-IJ^  Baläd.  K.^,  1. 

2)  Hist.  de  la  Georgie  I  232—250.  Die  armenische  Übersetzung 
(Additions  et  öclaircissements  p.  49;  armenischer  Text  S.  100—101)  hat 
dafür  bloss:  „Jedoch  an  der  Wunde  starb  Mihr,  und  ward  bestattet  in 
Mc'chet'a.     Das  Land  hatte  zwölf  Jahre  Ruhe. 

In  jenen  Tagen  kam  ein  gewisser  Fürst  aus  dem  Hause  des  Pro- 
pheten David,  Adrnas  genannt,  zu  Arc'il.  Dieser  war  nach  Armenien 
gekommen,  und  mit  seinen  Kindern  von  den  Heiden  (Muslimen)  ge- 
fangen genommen  und  von  da  entronnen,  erbat  er  von  jenem  (Ar6'il) 
einen  Wohnort.  Er  gab  ihm  Risa,  Slver  und  Atone.  Es  kamen  auch 
aus  Tarin  ([,  g,«^^//,,  was  wenigstens  im  Armenischen  nicht  Taraun 
sein  kann)  drei  Brüder,  und  siedelten  sich  auf  Befehl  des  Arc'il  bis 
Galgat  an.  Die  Frau  des  Arc'il  war  eine  Tochter  des  Gorom  Kiura- 
paVat,  aus  den  Nachkommen  des  Königs  Wacht'ang". 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  397 

von  der  erstmaligen  Thronbesteigung  der  Bagratunier  in  Iberien 
entscheidet  zugleich  über  ihren  historischen  Wert ').  [Anders  und 
viel  günstiger  steht  es  dagegen ,  wie  sich  jetzt  herausstellt ,  mit 
der  Genealogie  der  iberischen  Bagratiden  vom  KuroiDalates  Atr- 
nerseh  (III.)    bis    zum   Kuropalates  Aschot    aufwärts.      Er^tspräche 


^)  [Nach  dem  Martyrium  des  hl.  Eustathios  von  Mc'chet'a  war  im 
zehnten  Jahre  des  Chosrau  Arwand  Gusnasp  persischer  Marzpan  von 
Iberien;  neben  ihm  war  Grigor  Hausvater  {inamasachUs)  von  Iberien 
und  ArSuSa  pitiachs  von  Iberien  d.  h.  von  Gugark'.  Drei  Jahre  später 
wurde  Wezan  Buzmil  {Burzmihr)  Marzpan.  Wie  Harnack  nach- 
weist, fällt  das  Martyrium  in  die  Regierung  des  Chosrau  Anösarwän, 
dessen  zehntes  Jahr  dem  Jahre  540/41  entspricht.  Siehe  Dscha- 
wachoff,  Das  Martyrium  des  hl.  Eustatios  von  Mzchetha.  SBBA.  1901 
S.  880  ff.  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  226  n.  1.]  Beim  Ausbruche 
des  Aufstandes  der  Armenier  im  J.  571  war  FoQy^vris  (Gurgen)  Fürst 
der  Iberer,  Theophanes  Byz.  bei  Dindorf,  Hist.  Gr.  min.  I  448.  Wir 
kennen  sodann  drei  Fürsten ,  die  in  ihrem  Namen  Münzen  in  PahlawT 
und  georgischer  Sprache  mit  den^Typen  Hormizds  IV.  (579 — 590)  prägen 
Hessen:  Gurgen,  Wachtang  und  Guanser  (Brosset,  Deux  histor.  armen, 
p.  XI.  249  n.  1). 

Von  Wichtigkeit  sind  die  Dokumente,  welche  Uchtanes  von  Edessa 
(Ende  des  10.  Jhs.)  in  seiner  Geschichte  der  Entstehung  des  Schismas 
zwischen  der  armenischen  und  iberischen  Kirche  mitteilt.  Um  dieselben 
jedoch  ohne  Bedenken  für  die  Geschichte  verwerten  zu  können,  wäre 
erst  eine  Spezialuntersuchung  derselben  und  insbesondere  ihrer  Chrono- 
logie erforderlich.  Hier  möge  soviel  genügen ,  dass  Smbat  Bagratuni, 
der  ehemalige  Marzpan  von  Hyrkanien,  nach  Sebeos  68  im  28.  Jahre 
des  Chosrow  d.  i.  nach  seiner  Rechnung  im  Jahre  616/17  starb.  Der 
Katholikos  Abraham,  der  im  21.  Jahre  des  Chosrow  d.  i.  609/10  starb 
(Seb.  78),  wurde  nach  Sebeos  64  im  18.  Jahre  des  Chosrow  unter  Lei- 
tung des  Smbat  Bagratuni  zum  Nachfolger  des  verstorbenen  Katholikos 
Moses  gewählt.  Hier  muss  aber,  wie  ich  anderswo  zeigen  werde,  das 
8.  statt  des  18.  Jahres  Chosrows  gelesen  werden,  so  dass  die  Wahl  also 
im  Jahre  596/97  d.  h.  wahrscheinlich  im  Frühling  597  stattfand.  Bei 
Uchtanes  findet  sich  merkwürdigerweise  ein  noch  viel  gröberer  Fehler, 
der  sich  sogar  viermal  (II  1.  30.  32.  35)  wiederholt,  indem  die  Wahl  ins 
17.  Jahr  des  Chosrow,  als  Maurikios  Kaiser  der  Römer  war, 
verlegt  wird.  Damit  wird  natürlich  auch  die  Angabe  hinfällig,  dass 
Abraham  23  Jahre  den  Stuhl  innegehabt  habe  (Uchtanes  II  1  vol.  II  8 
des  Textes,  Walarsapat  1871;  Brosset,  Deux  histor.  armen,  p.  278. 
St.  Petersbourg  1871.  Etienne  A^ogh'ig,  Hist.  universelle  trad.  par 
E.  Dulaurier  p.  118).  Das  Richtige  wäre  vielmehr  13  (597—609/10). 
Nach  dem  Tode  des  Moses  trat  eine  dreijährige  Sedisvakanz  ein,  wäh- 
rend welcher  Wrt'anes  K'ert'ol  als  Verweser  den  Stuhl  des  hl.  Grigor 
verwaltete  (Uchtanes  II  8.  35.  38,  p.  23.  61/62.  67  des  Textes,  289.  313. 
316  Brosset),  also  von  594—596. 

Eines  der  von  Uchtanes  mitgeteilten  Schriftstücke  nun,  das  noch 
vor  der  Weihe  des  Katholikos  Abraham  abgefasst  ist,  trägt  die  Adresse : 
„Dem  Freunde  der  Heiligen  Kiuron ,  Katholikos  von  Iberien,  und  den 
andern  Bischöfen,  euren  Amtsgenossen,  und  den  Fürsten  eures  Landes 
Atrnerseh  und  allen  euren  Vornehmen,  von  Smbat,  dem  Marzpan  von 
Wrkan,  und  Krieger  der  Herren  und  daStkarin,  und  vom  ranganführen- 
den Lehrer  Armeniens  (d.  i.  Wrt'anes  K'ert'ol),  und  den  übrigen  Freien" 
(Uchtanes  II  55  S.  93  =  p.  832  Brosset).     In  der  Antwort  auf  dieses 


ggg  J.  Marquart, 

dem  relativen  Alter  der  uns  vorliegenden  Quellen  zugleich  eine 
entsprechende  Entstehungszeit  der  von  jihnen  gebotenen  Berichte, 
so  wäre  die  Darstellung  des  Kaisers  Konstantin  auch  materiell  als 

Schreiben  (II  56  p.  95  =  333)  werden  hinter  Kiuron  und  seinen  SuflFra- 
ganen  ,die  Fürsten  Atrnerseh  und  AmSan,  sowie  alle  Vornehmen  unseres 
Landes  Iberien"   genannt. 

In  der  Antwort  auf  einen  Brief  des  Bischofs  Moses  von  C'urtav  in 
Gugark',  die  einige  Zeit  nach  der  Weihe  des  Katholikos  Abraham  ge- 
schrieben ist  (II  59  S.  101/2  =  337),  erwähnt  Smbat  als  jenem  feind- 
selig den  Atrnerseh,  Wahan  und  (deren)  Brüder;  dagegen  bittet  Moses  in 
seinem  zweiten  Briefe  an  den  Katholikatsverweser  Wrt'anes  K'ert'ol 
(II  20  S.  40  =  300),  dieser  möge  seinetwegen  einen  Brief  schreiben  lassen 
„an  den  sogenannten  Katholikos  (Kiuron),  und  an  Nerseh  und  Wahan 
und  Bzrmeh'^,  welchem  Verlangen  dieser  auch  nachgibt  (II  22  S.  42 
=  301).  Es  kann  daher  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Nerseh  hier 
dem  später  neben  Wahan  erscheinenden  Atrnerseh  entspricht;  ganz 
ebenso  findet  sich  der  Name  des  Kuropalates  Atrnerseh  II.  bei  Wardan 
abgekürzt  (B  rosset,  Additions  et  eclaircissements  ä  l'histoire  de  la 
Georo-ie  p.  161/62).  Eine  Mehrheit  von  iberischen  Fürsten  wird  im 
ganzen  zweiten  Buche  des  Uchtanes,  in  den  Ausführungen  des  letztern 
so  gut  wie  in  den  Urkunden  vorausgesetzt  (z.  B.  §  1  p.  279.  §  8.  10. 
11.  19.  28.  24.  53).  Einmal  erwähnt  Kiuron  in  einem  Schreiben  an 
den  Katholikos  Abraham  „die  Könige,  Fürsten  und  Einwohner  unseres 
Landes"  (II  52  S.  89  =  330).  Die  Residenz  war  Tiflis  (II  7  p.  19  =  287). 
Der  erste  dieser  Fürsten  war  offenbar  Atrnerseh,  allein  seine  Brüder 
Wahan  und  Bzrmeh  {Burzmihr  oder  Biizurgmihr)  hatten  gleichfalls 
Teil  an  der  Regierung.  AsuSan  ist  wohl  der  gleichzeitige  hdeasch  von 
Gugark',  dessen  Residenz,  wie  wir  durch  Uchtanes  II  18  p.  34  =  296  er- 
fahren, die  Stadt  C'urtav  war.  Asusaj  hiess  schon  der  bdeasch  von  Gugark' 
im  5.  Jahrhundert  (s.  mein  Eransahr  S.  169)  [sowie  ein  anderer  um  540 
laut  dem  Martyrium  des  hl.  Eustathios].  Die  politischen  Verhältnisse  in 
Iberien  waren  also  gegen  Ende  des  6.  Jahrhunderts  noch  ganz  ähnlich, 
wie  sie  uns  fürs  4.  und  5.  Jahrhundert  die  Lebensbeschreibung  Petrus 
des  Iberers  kennen  lehrt.  Für  einen  Kuropalates  Gwaram  ist  um  jene 
Zeit,  wie  man  sieht,  kein  Raum;  er  konkurriert  sachlich  mit  Atrnerseh, 
dem  Zeitgenossen  des  Kaisers  Maurikios,  bei  Uchtanes. 

Iberien  mit  der  Hauptstadt  Tiflis  gehörte  damals  zum  Romäer- 
reiche,  wie  sich  aus  den  Worten  des  Katholikos  Abraham  ergibt,  der 
an  Kiuron  schreibt  (II  44  S.  75  =  321):  „Denn  es  ist  etwas,  was  sich 
uns  nicht  glaubwürdig  gezeigt  hat:  weshalb  unter  einem  fremden 
Königtum  mit  den  Untertanen  des  Königs  der  Könige  Freundschafts- 
bündnis machen  und  die  Einheimischen  verbannen?"  Diese  Vorwürfe 
beziehen  sich  auf  das  Verhalten  des  Kiuron  gegenüber  dem  Nestorianer 
K'is  aus  Chuzastan  und  dem  Bischof  Moses  von  C'urtav.  Das  fremde 
Königtum,  unter  welchem  die  Iberer  stehen,  ist  natürlich  das  der 
Römer.  Was  Kiuron  darauf  erwidert  (II  45  S.  77  =  322),  ist  lediglich 
Phrase:  „Aber  was  jenes  anbelangt,  was  wegen  des  Glaubens,  der 
Synode  (von  Chalkedon)  und  des  Briefes  (des  Leon)  geschrieben  war, 
und  wiederum  ,mit  den  fremden  Unterthanen  des  Königs  der  Könige 
übereinzustimmen  und  die  Einheimischen  hinauszuwerfen',  so  standen 
unsere  und  eure  Väter  unter  der  Herrschaft  des  Königs  der  Könige 
und  hatten  den  Glauben  von  Jerusalem,  und  ihr  und  wir  ebenso.  Der 
König  der  Könige  ist  Herr  des  Landes  der  Römer  und  Arier,  und  es 
ist  nicht  so,  wie  ihr  geschrieben  habt,  dass  es  getrennte  Königreiche 
sind.  Gott  möge  den  König  glorreich  machen,  denn  er  hat  mich  glor- 
reich gemacht".    Der  Satz:   „der  König  der  Könige  ist  Herr  des  Landes 


Osteuropcäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  399 

die  älteste  zu  betrachten,  woraus  sich  die  successive  Erweiterung 
des  Stammbaumes  über  Bagrat  I.  hinaus  von  selbst  ergäbe.  Man 
müsste  dann  annehmen,  dass   des  letzteren  Vater  nach  Konstantin, 


der  Römer  und  der  Arier"  ist  natürlich  nur  ein  überschwenglicher  Aus- 
druck für  das  enge  Friedens-  und  Freundschaftsverhältnis,  das  zwischen 
dem  Perser-  und  Romäerreiche  seit  der  Thronbesteigung  Chosrau's  II. 
bestand  und  das  darin  seinen  Ausdruck  fand,  dass  Maurikios  dem 
Chosrau  auf  sein  Ersuchen  selbst  Truppen  gegen  den  Usurpator  Wstam 
schickte  (Seb.  57,  18.  48).  Das  Kompliment  für  den  König,  das  sich 
am  Schlüsse  findet,  darf  nicht  auffallen;  auch  in  der  Erwiderung  eines 
Briefes  des  Smbat  sagt  Kiuron  (II  56  S.  96  =  334):  .Wegen  dieses 
huldvollen  Befehles,  indem  er  dir,  o  Herr,  Gelegenheit  gab  zu  diesem 
Werke,  möge  Gott  den  König  der  Könige  unsterblich  machen";  der- 
selbe Brief  aber  schliesst  mit  den  Worten:  .Gehabt  euch  wohl  im  Herrn! 
Aber  Gott  erhalte  am  Leben  den  Kaiser  (^lj«y„^),  denn  er  hat  unser 
Land  am  Leben  erhalten".  Wegen  dieser  Ausdrücke  wirft  Uchtanes 
II  57  dem  Kiuron  vor,  er  habe  zwischen  Römern  und  Persern  hin- 
und  hergeschwankt:  .Er  wandte  sich  nach  jener  Seite  der  Römer, 
indem  er  verherrlichte  und  zu  Gefallen  redete  dem  Kaiser  Maurik,  und 
brüstete  sich  mit  ihm  indem  er  sagte :  ,Wir,  sagte  er,  haben  den  Glauben 
des  Kaisers  empfangen  und  halten  ihn,  .  .  .  und  Gott  erhalte  den  Kaiser 
am  Leben.  Aber  darauf  begünstigt  er  unsere  Seite  der  Perser.  Denn 
auch  ihr  Land  hat  geschwankt  nach  der  Seite  der  Perser  und  der 
Römer,  und  er  hegte  den  Verdacht  vom  König  der  Könige ,  ,er  möchte 
vielleicht   eine  Untersuchung   meiner  Handlungen   veranstalten    infolge 

der  Anstachelung  Smbats,    des  Marzpans  von  Wrkan' In  solcher 

Unsicherheit  .rühmte  er  sich  auf  jener  (der  Römer)  Seite,  weil  er  deren 
Glauben  angenommeu  hatte,  und  auf  unserer  Seite  fürchtete  er,  dass 
vom  König  eine  Glaubensuntersuchung  stattfinden  werde  auf  Antrieb 
der  Freien  Armeniens,  und  sagte:  ,Gott  mache  glorreich  den  König'. 
.  .  .  Und  derart  zu  den  Menschen  Zuflucht  nehmend,  rühmte  er  sich, 
und  mit  schmeichlerischen  Worten  und  Gebeten  betete  er  für  das  Leben 
des  Kaisers  und  erflehte  den  Ruhm  des  Königs  (von  Persien)  mit  eitlen 
Gedanken".  (Die  Übersetzung  Brossets  p.  835  ist  hier  sehr  ungenau 
und  irreführend).  Diese  zweideutige  Haltung  des  Kiuron  wird  dadurch 
begreiflich,  dass  wenigstens  ein  Teil  Iberiens  immer  noch  den  Persern 
gehörte  und  er  daher  wegen  der  unter  persischer  Herrschaft  stehenden 
Bezirke  seines  Katholikatssprengels  auf  den  König  der  Könige  Rück- 
sicht zu  nehmen  hatte.  Die  einzige  Nachricht,  die  wir  hierüber  be- 
sitzen, ist  die  Angabe  des  Sebeos  (S.  45),  Chosrau  habe  nach  seiner 
Wiedereinsetzung  dem  Maurikios  auch  den  grössten  Teil  von  Iberien 
bis  zur  Stadt  Tp'chis  überlassen,  und  zwar  muss  Tiflis,  wie  sich  aus 
den  von  Uchtanes  mitgeteilten  Urkunden  ergibt,  noch  zum  römischen 
Teil  gehört  haben. 

Der  iberische  Katholikos  Kiuron  beschuldigt  den  Bischof  Moses  von 
C'urtav  in  seiner  Antwort  an  Smbat  (II  56  S.  96  =  334),  er  sei  .wegen 
seiner  schlechten  Handlungen  heimlich  des  Nachts  (aus  Tiflis)  entwichen 
und  als  Aufständischer  zu  Wahram  weggegangen,  und  sei  derart  weg- 
gegangen um  Bosheit  zu  üben ;  denn  wenig  fehlte  und  er  hätte  auch  unsere 
Stadt  den  Ariern  in  die  Hände  gespielt  und  unserem  Lande  grossen 
Schaden  herbeigeführt"  (lies  L.  if.lrn.  ij^wquß^u  uiiüin,-i_  tmujp  ]]^tiM^, 

i.     ut^fiiuipi,ltu     jyhr     ifuuiu     £,uiunc.ßu/bkp     für     h.    ^phitig     lu^Juatp^ltu    CtC. 

des  Textes).     Moses  weist   aber  jene   Beschuldigung    mit    den   Worten 
zurück,  dass  er  nach  seinem  Besuche  beim  Katholikos  Kiuron  keineswegs 


400  J-  Marquart, 

David,  der  Bastard  der  Bathscheba',  und  Aschot ,  der  Vater  des 
Kuropalates  Atrnerseb  (III.),  in  der  jüngeren  Gestalt  des  Stamm- 
baums    die    Plätze     getauscht    und     man     auf    diese    Weise     den 


bei  dunkler  Nacht,  sondern  am  hellen  Tage  abgereist  sei  und  sich  ins 
Kloster  Surb  Johannes  (am  Aragac)  begeben  habe.  ,Und  ich  bin  nicht 
zu  Warham  gegangen,  und  jene  vermögen  das  nicht  zu  beweisen.  Allein 
ich  mache  auch  zum  Zeugen  (?  luttj-nt^iTu/b)  euren  Herrn  War r am.  Er 
hatte  an  mich  geschrieben :  ,Ein  grosser  Herzenskummer  ist  mir  eure 
Entfernung  von  der  heiligen  Kirche,  aber  wann  ihr  weggehen  solltet, 
müsstet  ihr  den  Weg  zu  uns  nehmen.  Denn  auch  ein  grosser  Teil  der 
Kirche  liegt  hier,  womit  es  auch  möglich  wäre,  euch  aufzunehmen'. 
Diesen  Brief  hat  der  Herr  Katholikos  gesehen,  und  ich  werde  ihn  dir, 
0  Herr,  zeigen.  Ich  habe  ihm  erwidert  und  sage :  , Weshalb  gienge  ich 
dann  weg,  wenn  ich  zu  dir  gienge?  Denn  euer  Glaube  und  der  ihrige 
ist  einer'  (II  58  S.  100  =^  336).  Aus  dieser  Erwiderung  des  Moses  ist 
ersichtlich,  dass  Wahram  bezw.  Warham  ein  Fürst  war,  der  zwar  eben- 
falls dem  Chalcedonense  anhieng,  aber  dem  Moses  seinen  Schutz  anbot,  — 
freilich,  wie  es  scheint,  aus  eigennützigen  Absichten,  da  sein  Bistum 
zum  grossen  Teil  auf  seinem  Gebiete  lag.  Wenn  aber  Moses  durch  den 
Übergang  zu  ihm  den  Iraniern  das  damals  zum  Romäerreiche  gehörige 
Tiflis  in  die  Hände  spielen  konnte,  so  haben  wir  Wahram  am  wahr- 
scheinlichsten als  Fürsten  des  den  Fersern  verbliebenen  Teiles  von 
Iberien  östlich  und  südöstlich  von  Tiflis  zu  betrachten.  Es  liegt  daher 
am  nächsten ,  in  ihm  den  bdeaSch  von  Gugark'  zu  sehen  und  ihn  mit 
dem  früher  genannten  ASuSan  zu  identifizieren,  so  dass  also  Asusan  ein 
gemeinsamer  Name  (Familienname  oder  Titel)  der  bdeaschk'  gewesen 
wäre.  Diese  Kombination  wird  auch  durch  die  unten  mitgeteilte  Notiz 
des  Theophanes  empfohlen.  Da  aber  Moses  der  Hausbischof  der  Pforte 
des  bdeaSch  war  und  wie  dieser  in  C'urtav  residiete  (Uchtanes  II  11 
p.  25  =  290  vgl.  II  14  p.  28  =  292),  so  wäre  es  immerhin  auffällig,  dass 
Kiuron  dann  nicht  deutlicher  angedeutet  hätte,  dass  Moses  (angeblich) 
zu  seinem  Landesherrn ,  dem  bdeaSch  geflüchtet ,  also  einfach  in  seine 
Residenz  zurückgekehrt  war. 

Die  Bemühungen  des  Kaisers  Maurikios,  das  Chalcedonense  ein- 
zuführen ,  begannen  natürlich  gleichzeitig  im  römischen  Armenien 
(Seb.  Kap.  9  S.  52/53)  und  Iberien,  und  Uchtanes  hat  gewiss  Recht 
wenn  er  bemerkt,  dass  Kiuron  im  Einverständnis  und  auf  Befehl  des 
Kaisers  handelte,  und  es  auch  nichts  genützt  hätte,  wenn  Smbat  den 
König  (von  Persien)  von  jenen  Vorgängen  unterrichtet  hätte  (II  5  S.  17 
=  286).  Erst  auf  der  Synode,  welche  Chosrau  Aparwez  nach  der  Ein- 
nahme von  Jerusalem  und  Alexandria  (nach  Seb.  82  im  25.  Jahre  des 
Chosrow  =  618/14)  am  königlichen  Hofe  unter  Leitung  des  Smbat 
Bagratuni  und  des  königlichen  Oberarztes  versammelte  und  welcher 
auch  der  gefangene  Patriarch  Zacharias  von  Jerusalem  anwohnte,  er- 
langte der  Monophysitismus  im  persischen  Reiche  die  staatliche  Appro- 
bation (Seb.  121 — 123),  nachdem  gerade  der  Patriarch  von  Jerusalem, 
also  der  Kirche  auf  deren  Glauben  sich  die  Iberer  mit  Vorliebe  be- 
riefen, sich  gegen  die  Synode  von  Chalkedon  erklärt  hatte. 

Nachdem  Chosrau  IL  sich  zum  Rächer  des  ermordeten  Kaisers 
Maurikios  aufgeworfen  und  seine  Heerführer  die  Romäer  in  Armenien 
wiederholt  geschlagen  und  zuletzt  im  18.  Jahre  des  Chosrow  =  606/7 
(Seb.  77)  selbst  aus  Karin  (Erzerum)  verdrängt  hatten,  muss  auch  das 
römische  Iberien  mit  der  Hauptstadt  Tiflis  den  Persern  wieder  in  die 
Hände  gefallen  sein.  Als  Herakleios  auf  seinem  zweiten  persischen 
Feldzuge    aus    Atrpatakan    zurückkehrte    und    in    den    Gegenden    von 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  401 

Kuropalates  Aschot  gewonnen  hätte.  Allein  Wardans  Notiz  über 
letzteren  und  seine  Genealogie  tritt  ganz  unveriänglich  auf,  so 
dass    an    eine    absichtliche   Fälschung    nicht    wohl    zu  denken   ist. 


Albanien,  Iberien  und  Armenien  überwintern  wollte  (624),  schrieb  er 
an  die  Fürsten  und  Vorsteher  dieser  Länder,  sie  sollten  ihm  freiwillig 
entgegenkommen,  ihn  aufnehmen  und  ihn  samt  seinen  Truppen  während 
des  Winters  bedienen:  wo  nicht,  so  würden  sie  vor  ihm  wie  Heiden 
gerechnet  werden,  und  die  Festungen  derselben  würden  genommen  und 
die  Grenzen  ihrer  Länder  von  seinen  Truppen  besetzt  werden.  Doch 
scheint  diese  Aufforderung  nicht  einmal  bei  den  Albaniern  grösseren 
Eindruck  gemacht  zu  haben;  vgl.  Moses  Kai. 2, 10  S.237  ed.  Sahnazarean. 
Manandian,  Beiträge  zur  albanischen  Geschichte  S.  38  f.  Immerhin 
finden  wir  im  folgenden  Jahre  ausser  Lazen  und  Ap'chazen  auch  Iberer 
als  Bundesgenossen  in  seinem  Heere  (Theophan.  p.  309,  14 — 15).  Als 
aber  Herakleios  und  Gebu  Chak'an,  der  Herrscher  der  Chazaren  bezw. 
der  Westtürken,  die  iberische  Hauptstadt  Tiflis  belagerten,  hielten  die 
Einwohner  standhaft  zu  den  Persern.  Vgl.  Moses  Kai.  II  11  S.  211. 
Manandian  a.  a.  O.  S.  42—44.  Wie  wir  aus  dem  Berichte  des  Moses 
Kalankatvac'i  über  die  Erstürmung  der  Festung  durch  Gebu  Chak'an 
und  seinen  Sohn,  den  Sat' ,  ersehen,  führte  den  Befehl  daselbst  ein 
persischer  Marzpan,  neben  welchem  ein  einheimischer  Fürst  stand.  ,Sie 
führten  auch  (nach  dem  Sturm)  die  beiden  Fürsten  herbei,  den  einen 
den  Oberkommandanten  des  Grenzhüteramtes  der  Perser,  und  den 
andern  aus  ihren  angestammten  Einwohnern,  aus  dem  Geschlechte  der 
Einwohner  des  Landes  Iberien,  die  beiden  festhaltend.  Als  diese  ge- 
fangen vor  den  König  (Gebu  Chak'an)  geführt  wurden,  befahl  er  ihnen 
die  Augen  auszustechen  dafür,  dass  sie  sein  Bild  blind  gemalt  hatten, 
um  ihn  zu  verhöhnen.  Und  mit  qualvollen  Martern  peinigten  sie  sie 
zu  Tode,  allein  sie  zogen  ihnen  auch  die  Haut  ab  von  ihren  Gliedern; 
und  pressend,  reckend,  sie  mit  Heu  ausstopfend,  hiengen  sie  sie  auf 
oberhalb  der  Mauer"  (Mos.  Kai.  II  14  S.  263—264).  Leider  werden  uns 
die  Namen  dieser  beiden  Fürsten  nicht  mitgeteilt,  allein  wenn  auf  die 
Angaben  der  Chronik  irgendwelcher  Verlass  ist,  so  kann  mit  dem  vom 
Chazarenherrscher  hingerichteten  Fürsten  von  Iberien  nur  Step'anos  I. 
(oben  S.  394)  gemeint  sein.  Als  Kawät  II.  mit  Herakleios  Frieden 
schloss  und  die  zwischen  Chosrow  und  Maurikios  festgesetzte  Grenze 
wiederhergestellt  wurde  (Seb.  101),  kam  auch  Iberien  wieder  in  die 
Hände  der  Romäer.  In  einer  Inschrift  in  schönen  Chucuribuchstaben 
über  den  Fenstern  der  Ostseite  der  Hl.  Kreuzkirche  von  Mc'chet'a 
empfehlen  sich  Step'anos,  Patrikios  von  K'art'li,  Adarnase  hypatos  und 
Demetre  verschiedenen  Heiligen  und  Erzengeln.  B rosset  (Hist.  de 
la  Georgie  I  232  n.  1)  glaubt,  dass  mit  diesen  Personen  Step'anos  II. 
und  sein  Vater  Adarnase  I.  (richtig  IL),  sowie  Demetre,  der  Bruder 
Step'anos  I.  (Hist.  de  la  Georgie  p.  224)  und  Erbauer  der  Kirche  des 
anbetungswürdigen  Kreuzes  gemeint  seien. 

In  der  Schlacht  gegen  Rähzäd  (627)  nahm  Herakleios  den  Fürsten 
des  persischen  Iberien  BuQaa^ov6r]g  gefangen  (Theoph.  p.  319,  19: 
ixQar'^&ri  dh  ^äv  BccQßccnovorig ,  6  äg^cov  t&v  'Ißiqqcov  r&v  vnb  TliQGag 
Kovdslg  Sh  ^liiivrirat,  roiovrov  noXs^ov  ysyovötog  ^istcc^v  Il£Q6&v>  nal 
'Pa^iaicov).  Ich  glaube  keinem  Widerspruche  zu  begegnen,  wenn  ich 
die  Vermutung  aufstelle,  dass  Bagcafiovarig  aus  ^BaQccn<a>aov6rig  = 
Warham-  ASusaj  verschrieben  sei  und  wir  hier  einen  bdeasch  von 
Gugark'  vor  uns  haben.  Die  Versuchung  liegt  dann  nahe  genug, 
ihn    mit    dem    obengenannten    Wahram    gleichzusetzen.      Ein    zweiter 

Marquart,  Streifzüge.  ^6 


402  J-  Marquart, 

Sie  hängt  nämlich  innerlich  zusammen  mit  seinen  Nachrichten 
über  Aschot  den  Tapferen  von  Armenien,  die  unzweifelhaft  aus 
dem    Geschichtswerke    des    Sapuh  Bagratuni    stammen ,    und    lässt 


Atrnerseh  wird  durch  Moses  des  Utiers  Geschichte  von  Albanien  be- 
zeugt. Nach  der  Einnahme  von  Ktesiphon  (645)  hatte  sich  Guanser, 
der  Sparapet  von  Albanien ,  gegen  die  Perser  erhoben ,  die  er  im 
Gebiete  von  Perozapat  und  im  Gau  Kapican  (K'ambecan)  nördlich 
vom  Kur  schlug,  worauf  er  an  den  Grenzen  von  Iberien  Halt  machte. 
,Und  dort  gieng  der  sehr  geehrte  Mann  Atrnerseh,  der  Fürst  des 
Landes,  welcher  eine  dreifache  ngcotod^QOvia  vom  Königtum  der 
Romäer  besass,  zu  ihm,  und  persönlich  brannte  er  seine  Wunden, 
den  Sieg  seiner  grossen  Tapferkeit  als  Freude  rechnend".  Guanser 
erhielt  hierauf  auch  iberische  Hilfstruppen  (Moses  Kai.  II  19  ed. 
Sahnazarean  I  295.  Vgl.  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  I  231  n.  7. 
Additions  p.  476.)  Der  Ausdruck  A^^^t«/(r  i^uj^Irp^jnLjS^^L.'b  besagt 
offenbar,  dass  der  Fürst  von  Iberien  vom  Kaiser  drei  Würden  erhalten 
hatte,  worunter  wohl  in  erster  Linie  die  des  Kuropalates  stand.  Auch 
hier  hat  die  Chronik  augenscheinlich  die  beiden  Atrnerseh  zusammen- 
geworfen. Wachust's  Berechnung  der  Regierungszeit  des  Adarnase  I. 
(619 — 639)  kann  natürlich  neben  der  Angabe  des  Moses  von  üti  nicht 
bestehen.  Rechnet  man  den  Beginn  seiner  Regierung  vom  wahren 
Datum  der  Belagerung  von  Tiflis  durch  Kaiser  Herakleios  (627)  ab,  so 
würden  die  ihm  zugeschriebenen  20  Jahre  bis  zum  J.  646/47  herab- 
führen. Einen  weiteren  Fürsten  von  Iberien  lernen  wir  durch  Johannes 
Katholikos  kennen:  „In  den  Tagen  des  Patriarchen  Israel  von  Armenien 
(677 — 687)  vertrieb  einen  gewissen  [Kuin.tupujj  Barabaj,  Heerführer  des 
Heeres  der  Araber  in  Armenien ,  und  reibt  ihn  auf  mit  Gemetzel ,  mit 
Vergeltung  Nerseh,  der  Fürst  von  Iberien,  nachdem  er  ihn. in  die  Flucht 

fetrieben"  (Job.  Kath.,  Jerusalem  1867  S.  118  =  81  der  Übs.).  Dieser 
..'ürst  Nerseh  wird  auch  bezeugt  durch  die  Vorrede  zur  armenischen 
Übersetzung  der  Kirchengeschichte  des  Sokrates :  „18  Jahre  bevor 
Philon  jene  Schrift ,  die  Kirchengeschichte  des  Sokrates  übersetzte 
(a.  696),  hatte  Abas  Grigor,  der  Übersetzer  von  Zorojp'or,  unter  unserem 
Nerseh  glorreichen  Angedenkens,  dem  Fürsten  der  Iberer,  dem  Eidam 
der  Kamsarakank' ,  die  vorliegende  Schrift  der  Lebensgeschichte  des 
hl.  Silvestros,.. des  Bischofs  von  Rom  übersetzt,  und  sie  lag  in  den 
Acten".  Die  Übersetzung  der  Vita  Silvestri  fand  18  Jahre  vor  696,  also 
678  statt.    Vgl.  Gregor  Chalathiantz,  y^mlul^u  ^anpl/buijni,  "unpiu^ 

ajtfh    lunp.pL.phlrnh    i/utuph    ^^ItliiuiLUMiniulfuilt    ni-unt-ifijußupnnL.p-pi-hp    (Jvri- 

tische  Untersuchungen  der  neuesten  Art  der  Quellen  des  Moses  Chore- 
nac'i).  Venedig  1898  S.  5  f.  Im  Jahre  681/82  fiel  Grigor  Mamikonean, 
der  Fürst  von  Armenien,  samt  den  Fürsten  von  Iberien  und  Albanien 
im  Kampfe  gegen  die  Chaza.en  (Levond  35.  Etienne  A^ogh'ik,  Hist. 
universelle  trad.  Dulaurier  I  128).  Hundert  Jahre  später  Hess  der 
Chalifa  Müsa  b.  al  Mahdl  (3.  Aug.  785—15.  Sept.  786)  den  Fürsten  von 
Iberien  grausam  hinrichten  (Levond  200;  vgl.  Brosset,  Hist.  de  la 
Georgie  I  253  n.  2).  Dieser  ist  wahrscheinlich^  identisch  mit  König 
Ar6'il  dem  Märtyrer,  der  unter  dem  Statthalter  Oicum,  auch  Asim  ge- 
nannt, den  Martertod  erlitt.  Denn  unter  diesem  Statthalter  ist  nach 
Anleitung  des  armenischen  Auszugs^S.  130  =  Additions  et  öclaircisse- 
ments  p.  50,  wo  ,er  das  eine  Mal  Ciönaüm,  Sohn  des  Mahadi  heisst, 
das  andere  Mal  „Cicnam,  der  auch  Asim  genannt  wurde",  wohl  niemand 
anders  zu  verstehen  als  Chuzaima  b.  Chäzim,  der  unter  Müsk  b.  al  Mahdl 
Statthalter  von  Armenien  wurde  und  bei  Levond  195.  200  Chazm  heisst. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


403 


sich  keineswegs  einfach  herausschälen.  Damit  wird  aber  für 
die  Aschot  Kuropalates  betreffenden  Nachrichten  gleicher  Ur- 
sprung wahrscheinlich ,  womit  von  selbst  folgen  würde ,  dass 
die  Erfindung  des  erlauchten  davidischen  Stammbaums  erst  nach 
Sapuh  Bagratuni,  also  nicht  vor  dem  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
erfolgt  oder  diesem  mindestens  noch  nicht  bekannt  war.  Die 
oben  angedeutete  Manipulation  wäre  also  umgekehrt  von  dem 
Urheber  des  davidischen  Stammbaumes  ausgeführt  worden ,  und 
zwar  hätte  ihm  Dawit',  der  Vater  des  Kuropalates  Atmerseh,  den 
Ausgangspunkt  zu  derselben  geliefert.  Das  Verhältnis  zwischen  den 
Genealogien  Wardans  und  der  Chronik  einerseits  und  Konstantins 
andrerseits  wäre  somit  folgendes : 


Wardan  und  Georgische  Chronik. 

Konstantin  Porphyrogennetos. 

Wasak  ^) 

David  mit  Batscheba' 

1 

Atmerseh 

1 

Aschot  Kuropalatesv 

David              Spandiat 

Bagarat                 ^ — ^\ 

Bagarat 

Dawit' -—-'''''^ 

^\  Aschot 

Atmerseh  (III.)  Kuropalates.  'ASgavaarj  6  y.ovQOitaXä.T7ig. 

Diese  Auffassung  wird  nun  durch  eine  Analyse  des  Berichtes 
Wardans  vollkommen  bestätigt,  welche  ergibt,  dass  derselbe  in 
der  That  auf  eine  vorzügliche  Quelle  zurückgeht,  die  mit  den 
besten  arabischen  Quellen  übereinstimmt.  Wardan  erzählt  folgender- 
massen  ^) : 

„Aber  die  Hinterbliebenen  der  in  der  grossen  Schlacht^)  Ge- 
fallenen waren  folgende:  zwei  Söhne  Smbats,  des  Sohnes  Asots, 
namens  Asot  und  Sapuh,  und  ein  Bruder  des  Samuel  (Mamikonean) 
namens  Sapuh,  aber  von  Musei  (Mamikonean)  zwei  Söhne  und  vier 
Töchter,  der  Erstgeborne  Sapuh  mit  Namen.  Diese  gelangten 
(fielen)  ins  Land  Waspurakan.  Sie  beide  tötete  Mehruzan  Arcruni, 
als  ob  durch  die  Schuld  ihres  Vaters  das  grosse  Leid  geschehen 
sei.  Eine  von  ihren  Schwestern  gab  sich  selbst  einem  gewissen 
Ismaeliten  Gahap  zur  Ehe,  indem  sie  ihn  zum  Rückhalt  machte. 
Aber  Smbats  Söhne  Asot  und  Sapuh  teilten  gleichmässig  ihre 
Erbgüter,  und  da  Gahap  einen  Teil  von  Arsarunik'  geraubt  hatte 


^)  Nicht  in  der  Chronik. 

2)  Wardan  wardapet,  Geschichtssamnalung.  Venedig  1862 
S.  76—78.  Vgl.  Brosset,  Hist.  de  la  Georgie  p.  260  n.  1.  Additions 
et  ^claircissements  p.  159 — 161. 

3)  Von  Bagrevand,  im  Monat  Hrotic'  772.  Vgl.  Daghbaschean, 
Gründung  des  Bagratidenreiches  63. 

26* 


^Q^  J.  Marquart, 

und  durch  die  Hand  seiner  Frau  sich  der  ganzen  Pi'ovinz  zu  be- 
mächtigen gedachte,  so  nahmen  dieselbe  Asot  und  Sapuh  an 
sich^),  und  hinaufziehend  nach  den  Gegenden  von  Sirak,  schlugen 
sie  die  dortigen  ismaelitischen  Truppen  und  nahmen  in  Besitz 
Sirak  und  Asoc'k'  und  den  Gau  Tajk'.  Nachdem  der  tapfere  Asot 
in  dieser  "Weise  mit  Glück  ausgezogen  war,  gründet  er  Kamach '■^) 
und  siedelt  dort  sein  Gesinde  an.  Er  selbst  glich  seinem  Vor- 
fahren Smbat,  dem  Sohne  des  Biurat,  dem  Fürsten  von  Smbatavan 
d.  i.  Beberd  im  Gaue  Sper^).  Denn  da  ihn  eines  Tages  die  Feinde 
umringten,  während  er  im  Gebete  lag,  liess  er  sich,  als  er  es  sah, 
nicht  stören  im  Sprechen  mit  Gott  bis  zur  Vollendung  und  zog 
darauf  gegen  sie,  hieb  den  Anführer  entzwei,  der  Liparon  Abdla 
hiess,  und  schlug  gegen  fünfhundert  Mann.  Als  an  diesen  das  Ge- 
schlecht der  Gnunier  appellierte,  sie  zu  retten  vor  den  Ismaeliten, 
kam  er  mit  1000  Mann  in  den  Gau  Aiiowit,  vereinigte  mit  sich 
das  ganze  Geschlecht  mit  ihren  Habseligkeiten  und  führt  sie  weg, 
siedelt  sie  an  in  Tajk'. 

Da  in  jener  Zeit  die  Ismaeliten  untereinander  in  Aufruhr 
waren,  atmete  unser  Land  Armenien  auf,  und  begannen  unsere 
Fürsten  sich  jeder  an  seinem  Orte  zu  befestigen.  Der  ismaelitische 
Fürst  gab  Asot,  dem  Sohne  des  Atrnerseh,  des  Sohnes  des  Wasak, 
des  Sohnes  Asots,  des  Fürsten  Armeniens,  das  Land  Iberien.  Dieser 
kommend  macht  es  sich  unterthan,  und  der  Kaiser  sendet  ihm  die 
Ehre  der  Kuropalatie.  Aber  Gahap,  von  seinem  Fürsten  abfallend, 
o-eht,  setzt  sich  mit  Gewalt  fest  in  Dvin  mit  seinem  Sohne  Abdla. 
Als  dies  der  Kuropalat  Asot  sah,  sandte  er  zum  Kaiser  Levon,  ihm 
zu  helfen,  dieser  aber  war  (dazu)  nicht  in  der  Lage. 

Denn  als  ein  gewisser  Michael  ihn  zu  töten  versucht  hatte, 
und  ihm  das  Werk  nicht  geglückt  war,  sondern  der  Kaiser  es 
erfahren  hatte,  wollte  er  (der  Kaiser)  diesen  töten,  ward  aber  von 
der  Kaiserin  angefleht  (zu  warten),  bis  der  Tag  des  Osterfestes*) 
vorüber  wäre,  weshalb  er  in  Fesseln  gelegt  wurde.  Der  Gefängnis- 
wächter war  aber  ein  Genosse  Michaels,  der  die  manklavikk'' 
(ixccyyXccßttai)  bestach,  welches  die  Kammerherrn  und  Vertrauten  des 
Königs  sind.  Diese  stürzten  sich  unvermutet  mit  den  Schwertern 
auf  den  Kaiser  in  der  Kirche  zur  Zeit  der  Messe,  und  er,  ge- 
zwungen an  den  Altar  zu  fliehen,  schlug  mit  der  Faust  um  sich, 
sie  aber  töteten  ihn  erbarmungslos  gleich  einem  wilden  Tiere  am 
Platze,  und  Michael  ward  Kaiser.  Er  begab  sich  auf  die  Suche 
des  grossen  Heerführers  Manuel  Mamikonean,  dieser  aber  kam  ihm 


1)  Vgl.  Stephan  AsoHk'  IT  2  p.  134  trad.  Dulaurie,r:  „Asot  ge- 
nannt msaker  kaufte  für  Geld  von  der  Familie  der  Kamsarakank'  den 
Gau  Arsarunik'  und  verlegte  dahin  seinen  Fürstensitz  von  Kogowit". 

2)  In  Tajk'. 

3)  Ps.  Mos.  Chor.  II  37. 

'•)  Vielmehr  das  Weihnachtsfest. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  405 

zuvoi-  und  gelangt  mit  190  Mann  nach  Kamachi),  und  von  da  zum 
ismaelitischen  Fürsten  Mamun,  der  seinen  Bruder  Mahmet  getötet 
und  sich  selbst  zum  Herrn  der  Araber  gemacht  hatte.  Dieser 
ehrte  jener  sehr,  verteilte  ihm  als  Sold  jenes  Tages  1306  Pfund 
Silber,  und  im  übrigen  Tag  um  Tag  Geschenke  ohne  Mass  und 
Gewicht. 

Allein  der  Kuropalat  Asot  machte  sich  zum  Herrn  von  Kiargk' 
bis  nach  Tp'chis  (Tiflis)  samt  der  Gebirgsgegend.  Sowie  jedoch  das 
Haus  des  Gahap,  das  sich  in  Dvin  befestigt  hatte,  mit  5000  Mann 
nach  Taraun,  ins  Fürstentum  Asots  des  Sohnes  Smbats 
wegziehen  wollte,  zog  jener  Kluge  und  Tapfere  voll  Vertrauen  mit 
200  Reitern  und  300  Fussgängern  ihnen  entgegen,  nicht  abwartend 
die  Versammlung  seiner  Truppen,  und  hieb  von  ihnen  3000  nieder, 
und  in  ihr  Lager  gelangt  nahm  er  all  ihre  Reichtümer,  und  sie 
kehrten  in  Frohlocken  zurück,  Christum  preisend.  Sein  Bruder 
Sapuh  aber  machte  einen  Einfall  in  die  Gegenden  von  Dvin  und 
kehrte,  nachdem  er  viele  Beute  gemacht,  zurück.  Das  Heer  aus 
der  Stadt  setzte  ihm  nach,  und  die  Städter,  sich  auf  Abdlmelik' 
stürzend,  töteten  diesen  und  schlössen  das  Stadtthor.  Als  aber  die 
Truppen  zurückkehrten  und  das  Geschehene  erfuhren,  wurden  sie 
vernichtet  und  ausgerottet." 

Die  Zeit  des  ersten  Auftretens  des  Tsmaeliten  Gahap  wird 
in  obigem  Berichte  nicht  näher  bestimmt,  dagegen  wird  die  Er- 
nennung Asots,  des  Sohnes  des  Atrnerseh,  ^zum  Fürsten  von  Iberien 
dui-ch  den  Chalifa  und  die  Auflehnung  Gahaps  in  Dvin  deutlich 
in  die  Zeit  des  Bürgerkrieges  zwischen  al  Amin  und  al  Ma'mün 
(195 — 198  H.  =  810/11 — 813/14)  bezw.  in  die  erste  Periode  des 
Chalifates  al  Ma'müns  ^bis  zu  dessen  Einzug  in  Bagdad  (a.  204  H. 
=  819/20)  gesetzt.  Gahap  selbst  wird  von  den  Arabern,  soviel 
ich  sehe,  nicht  erwähnt,  wohl  aber  sein  Sohn.  Die  Mechitharisten 
haben  richtig  bemerkt,  dass  der  am  Schlüsse  der  Erzählung  vor- 
kommende Abdlmelik^  identisch  ist^  mit  dem  weiter  oben  Abdla 
^=  'Abdu'lläh  genannten  Sohne  des  Gahap.  Als  al  Ma'mün  aber  im 
Jahre  198  (813/14)  den  al  Hasan  b.  Sahl  nach  dem  'Iräq  sandte, 
hatten  sich,  wie  Ja'qübl  berichtet,  in  Armenien  'Abd  al  Malik 
b.  al  Gahhäf  as  SulamT  und  Muhammad  b.  'Attäb  der  Gewalt 
bemächtigt-).  Ersterer  hatte  sich  gegen  Tähir  b.  Muhammad  a^ 
^an'äni,  den  neuernannten  Statthalter  al  Ma'müns  über  Armenien, 
empört,  nachdem  derselbe  sich  kaum  im  Lande  befestigt  hatte, 
während  gleichzeitig  ein  Teil  3)  der  (arabischen)  Bevölkerung  von 
Bailaqän  (P'aitakaran)  sich  erhob  und  den  Tähir  in  seiner  Haupt- 


1)  Am  Euphrat,  das  alte  Ani. 

2)  Ja'qübl,  Eist.  II  öf.,  11. 

3)  Die   LA.   der  Hs.  ^,LäUJ1  JJ=1  ^  "^hi   (H^-  ^j^^~^^)    ist 
richtig. 


406  J-  Marquart, 

Stadt  Barda'a  einschloss ;  'Abd  al  Malik  erhielt  aber  trotzdem  von 
Tähirs  Nachfolger  Sulairaän  b.  Ahmad  b.  Sulaimän  al  HäsimI 
Amnestie  ^).  Die  Verurteilung  Michaels  des  Stammlers  und  die 
Ermordung  Leons  des  Armeniers  (813 — 820)  fällt  ins  Jahr  820. 
Der  Untergang  des  'Abd  al  Malik  b.  al  Gahhäf  wird  von  Ja'qübi 
nicht  erwähnt,  es  kann  aber  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  der- 
selbe in  die  zweite,  baghdadische  Periode  der  Regierung  al  Ma'müns 
(819/20 — 833)  fällt.  In  dieselbe  Zeit  gehört  auch  die  Festsetzung 
des  Kuropalaten  Asot  in  Kiargk'. 

In  eine  etwas  spätere  Periode  führen  uns  die  Nachrichten 
der  georgischen  Chronik  über  Aschot  Kuropalates.  Dieselben 
werden  durch  folgende  Notiz  eingeleitet: 

„Dieser  Asot  Kuropalates  übte  die  Gewalt  aus  im  Lande 
Barda,  residierte  in  der  Stadt  dieses  Namens,  sowie  in  Tiflis,  und 
besass  die  Gebiete  in  der  Umgebung  der  letzteren  Stadt.  In  der 
That  übertrug  zur  selben  Zeit,  als  Maslama  nach  Griechenland  kam 
und  daraus  besiegt  und  mit  Schande  bedeckt  abzog  [717 — 718] 
der  Kaiser  die  Kuropalaten  würde  dem  Asot,  der  mächtig  wurde 
während  die  Sarazenen  schwach  wurden :  es  blieb  nur  mehr  in 
Tiflis  Ali,  der  Sohn  des  Suab.  Grigol  war  mt'awar  in  Kachet'. 
Asot  hatte  zwei  Söhne,  Adarnase  und  Bagrat"-). 

Hier  sind  zunächst  mehrere  grobe  Verstösse  zu  berichtigen. 
Natürlich  hat  Asot  nicht  über  das  Gebiet  von  Barda  (Partav, 
Arrän)  geherrscht  und_  weder  in  dieser  Stadt,  dem  Sitze  des 
arabischen  Emirs  von  Ädai'baigän,  Armenien,  Albanien  und  Geor- 
gien, noch  in  Tiflis,  das  damals  und  noch  lange  nachher  eine 
arabische  Festung  war,  residiert.  Sein  wirkliches  Herrschaftsgebiet 
gibt  Wardan  an.  Ferner  ist  es  selbstverständlich,  dass  die  für 
seine  Ernennung  zum  Kuropalates  angegebene  Zeitbestimmung 
auf  einer  Vei-wechslung  Leons  V.  des  Armeniers  (813 — 820)  mit 
Leon  in.  dem  Isaurier  (717 — 741)  beruht.  Endlich  ist  Ali,  der 
Sohn  des  Suab,  als  gleichzeitiger  sarazenischer  Machthaber  in  Tiflis 
einfach  aus  dem  Schlüsse  der  folgenden  ausführlichen  Erzählung 
bezogen. 

Diese  lautet: 

„In  jenen  Zeiten,  im  folgenden  Jahre,  als  Asot  einen  Zug 
gemacht  hatte,  lieh  ihm  T'ewdos,  der  König  der  Ap'chaz,  sein 
Eidam  und  Sohn  des  zweiten  Leon,  Beistand.  Grigol  zog  aus 
Kachet'  aus ,  indem  er  die  Mt'iul,  Canar  und  den  Emir  von  Tiflis 
als  Helfer  hatte.  In  einer  am  K'san  gelieferten  Schlacht  ward 
der  mt'awar  von  Kachet'  von  Asot  besiegt,  der  sich  all  dessen 
bemächtigte,  was  er  in  K'art'li  besass,  so  dass  er  Herr  des  Landes 
von  Klarget  bis  zum  K'san  wurde. 


')  Ja'qabi  II  o1!^,  3—7. 

^)  Brosset,  Hist.  de  la  G^orgie  p.  260. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  407 

Hernach  begann  Chalil,  der  Sohn  des  Izid,  der  aus  Arabien 
gekommen  war  und  sich  Somchet'i's,  K'art'li's  und  Heret'i's  be- 
mächtigt hatte,  Krieg  zu  führen  gegen  Asot  Kuropalates,  der, 
ausser  Stande,  Widerstand  zu  leisten,  nach  Griechenland  zu  flüchtete, 
indem  er  seine  Mutter,  seine  Frau  und  seine  beiden  unmündigen 
Söhne  mitführte:  der  ältere  Adarnase  und  der  jüngere  Bagrat. 
Ein  dritter  namens  Guaram  ward  ihm  in  Artanug  geboren.  Sein 
Gefolge  bestand  aus  einer  kleinen  ^Anzahl  Dienern  mit  ihren  Frauen 
und  Kindern.  Beim  Gebirge  von  Gawachet' ,  am  Ufer  des  grossen 
Sees  von  P'arawan  angelangt,  stiegen  sie  ab  beim  See,  um  von 
ihren  Strapazen  auszuriihen,  assen  und  schliefen  einen  Augenblick 
ein.  Während  ihres  Schlummers  erreichte  sie  eine  gewaltige  Schar 
Sarazenen;  allein  von  Gott  beschützt  trug  Asot  Kuropalates  mit 
seinem  kleinen  Gefolge  über  sie  den  Sieg  davon  und  richtete  unter 
den  Feinden  ein  bedeutendes  Blutbad  an.  Von  da  zog  er  ab  und 
gieng  in  das  Thal  Sawset',  das  damals  nur  eine  kleine  Anzahl 
Dörfer  enthielt,  weil  es  zur  Zeit  der  persischen  Herrschaft  ver- 
wüstet worden  war,  als  Qru  aus  Bagdad  alle  Festungen  zerstörte 
und  gleichermassen  das  ganze  Land  durchzog  und  die  Berge  Ghado. 
Nach  ihm  hatte  eine  epidemische  Dysenterie  vollends  Sawset'  und 
Klarget'  derart  verödet,  dass  nur  mehr  da  und  dort  eine  kleine 
Anzahl  Einwohner  übrig  blieben.  Die  schwachen  Trümmer  dieser 
Bevölkerung  nahmen  mit  Freude  und  Liebe  Asot  Kuropalates  auf, 
der  sich  an  diesem  Orte  niederliess.  Gott  gab  ihm  den  Sieg  und 
befestigte  seine  Macht  in  Sawset'  und  Klarget'.  Er  kaufte  einige 
Dörfer  mit  eigenem  Gelde,  richtete  die  Ruinen  einiger  auf  und 
liess  mehrere  andere  in  seinen  Besitzungen  erbauen.  Durch  Gottes 
Gnade  wurde  seine  Gewalt  von  den  griechischen  Kaisern  anerkannt. 
Nachdem  er  inmitten  der  Wälder  einen  Felsen  gefunden,  wo 
Wachtang  Gurgasal  die  Citadelle  Artanug  gegründet  hatte,  die 
während  des  Zuges  des  Baghadaders  Qru  zerstört  worden  war, 
stellte  er  diesen  Ort  wieder  her,  den  er  von  neuem  zur  Festung 
machte,  und  baute  eine  Stadt  vor  und  am  Fusse  ihrer  Wälle.  Er 
gründete  daselbst  gleichfalls  eine  Kirche  der  Apostel  Petrus  und 
Paulus,  wo  er  seine  Grabstätte  herrichtete,  und  nahm  seinen  Sitz 
in  der  Feste.  Nachdem  er  hernach  das  Land  bis  zu  den  Thoren 
von  Barda  wiedererlangt  hatte,  gab  ihm  Gott  oftmals  den  Sieg 
und  machte  ihn  seinen  Feinden  furchtbar. 

Eines  Tages,  als  er  Artanug  verlassen  hatte,  um  Truppen  zu 
sammeln  und  die  Sarazenen  anzugreifen,  kam  er  an  einen  gewissen 
Ort  und  sandte  seine  Leute  aus,  um  Soldaten  zusammenzuziehen. 
Ehe  seine  Befehle  ausgeführt  waren,  stürzten  sich  die  Sarazenen 
unvermutet  auf  ihn  und  zwangen  ihn  zur  Flucht.  Er  gieng  weg 
und  betrat  das  Thal  Nigal,  wo  er  seine  Truppe  zu  verstärken 
suchte,  und  die,  welche  er  beauftragt  hatte,  wollten  wieder  zu  ihm 
stossen,  aber  in  der  Absicht,  ihn  zu  töten.  Asot,  der  vor  ihrer 
Ankunft  ihre  Absichten  nicht  ahnte,  erriet  sie,  sobald  sie  an  seine 


408  J-  Marquart, 

Thüre  gekommen  waren.  Er  hatte  nur  eine  Handvoll  Leute  bei 
sich,  ungenügend  um  Widerstand  zu  leisten;  er  flüchtete  sich  in 
eine  Kirche,  wo  er  beim  Altar,  der  mit  seinem  Blute  besudelt 
wurde,  mit  Schwerthieben  getötet  wurde;  denn  er  ward  geopfert 
wie  ein  Schaf,  auf  den  Stufen  des  Heiligtums  selbst,  wo  die 
Spuren  seines  Blutes,  das  dort  vergossen  wurde,  noch  heute  sicht- 
bar sind.  Als  die  Leute  des  Kuropalates,  die  in  Dolis-Qana  waren, 
die  Kunde  vernommen  hatten,  dass  ihr  Herr  umgekommen  .  sei 
durch  die  Hand  der  Söhne  Orozmoroz,  zogen  sie  ab  aus  Dolis-Qana 
und  machten  sich  auf  die  Verfolgung  der  Mörder;  sie  holten  sie 
ein  auf  ihrem  Rückzug  am  Coroch  und  hieben  sie  bis  auf  den 
letzten  erbarmungslos  nieder.  Hierauf  hoben  sie  die  Leiche  Asot's 
auf  und  trugen  sie  in  sein  Grabmal  in  der  Apostelkirche  der 
Citadelle  Artanug.  Dieser  Asot  Kuropalates  wurde  getötet  (durch 
die  Mingrelier)  im  Weltjahr  6334,  im  46.  Jahre  des  13.  Cyklus, 
den  29.  Januar^).  (Er  hinterliess  drei  Söhne:  Adarnase,  der  älteste; 
Bagrat,  der  zweite,  welche  beiden  ihm  gefolgt  waren,  als  er  nach 
Sawset'  und  Klarget  zog;  Guram  der  jüngste,  geboren  nach  seiner 
Ankunft  in  Artanug.) 

Nach  Asots  Tode  bemächtigten  sich  die  Sarazenen  aller  aus- 
wärtigen Besitzungen  seiner  unmündigen  Söhne  und  herrschten 
in  Georgien;  als  die  letzteren  aber  gross  geworden  waren,  gab 
ihnen  Gott  alle  Besitzungen  ihres  Vaters  zurück.  In  'der  That 
wurden  die  drei  Brüder,  die  Stöhne  Asots,  in  der  Festung  Artanug 
aufgezogen;  alle  Thäler  von  Sawset',  Klarget',  Nigal  zahlten  den 
Sarazenen  Tribut,  und  Ali,  der  Sohn  des  Suab,  war  Emir  von 
Tiflis,  wo  ihn  Chalil  eingesetzt  hatte. 

In  jener  Zeit  verstanden  sich  die  Gardabanier  dazu,  zum 
Chorbischof  den  Daß'i,  den  Sohn  des  Joane  K'wabulis-ze  zu  er- 
nennen; nach  ihm  führte  Samuel  Donaur  denselben  Titel.  Indessen 
da  der  Araber  Chalil  von  neuem  zurückgekehrt  war,  lieferten 
ihm  die  Gardabanier  eine  Schlacht  bei  Gawaz  und  schlugen  ihn 
mit  grossen  Verlusten  in  die  Flucht.  Sahak,  der  Sohn  des  Ismail, 
war  damals  Emir  von  Tiflis.  Chalil  kehrte  zum  drittenmal  zurück 
und  ward  getötet  in  Gawachet'.  Als  sein  Sohn  Mohmed  nach 
K'art'li  gekommen  war,  vereinigte  sich  mit  ihm  Bagrat,  der  Sohn 
des  Asot  Kuropalates,  K'art'li  ward  ihm  gegeben  und  Gott  Hess 
seine  Regierung  gedeihen"-). 

Glücklicherweise  sind  wir  durch  das  Geschichtswerk  des 
Ja'qübi  noch  in  der  Lage,  die  Hauptzüge  dieser  Erzählung  zu 
kontrollieren.  ^Ja'qübi  bestätigt  vor  allem,  dass  Chälid  b.  Jazid 
b.  Mazjad  as  Saibäni  in  der  That  dreimal  als  Statthalter  nach 
Armenien  kam.  Die  Lage  bei  seinem  erstmaligen  Eintreffen  war 
folgende.     Nach    dem  Untergange    des   Statthalters   Muhammad  b. 

1)  826  n.  Chr. 

■^)  Brosset,  Eist,  de  la  Georgie  p.  261— 265. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  409 

Humaid  at  Tüsi,  der  im  Jahre  214  (829)  im  Kampfe  gegen  Bäbak 
geblieben  war,  hatte  der  Chalifa  al  Ma'mün  zunächst  die  Statthalter- 
schaft von  al  Gibäl,  Armenien  und  Adarbaigän  dem  'Abd  alläh 
b.  Tähir  übertragen,  und  als  dieser  nach  dem  Tode  seines  Bruders 
Talha  die  Generalstatthalterschaft  von  Chorasan  antrat,  den  'All 
b.  Hisäm  als  Statthalter  von  Adarbaigän  mit  dem  Kriege  gegen 
Bäbak  betraut,  während  'Abd  al  A'lä  b.  Ahmad  b.  Jazid  b.  Usaid 
as  SulamT  Statthalter  von  Armenien  wurde.  Dieser  zog  nach  seiner 
Ankunft  gegen  Muhammad  b.  'Attäb,  der  sich  Georgiens  bemächtigt 
und  dem  sich  auch  die  Canark'  angeschlossen  hatten,  ward  jedoch 
von  dem  Usurpator  geschlagen.  Dieser  Muhammad  b.  'Attäb  ist 
unter  dem  Emir  von  Tiflis  zu  verstehen,  welcher  mit  Grigol, 
dem  mt'awar  von  Kachet'  im  Bunde  steht.  Grigols  Hilfsvölker 
sind  die  Mt'iul  und  Canar,  von  denen  letztere  in  den  ara- 
bischen und  armenischen  Berichten  allein  hervortreten.  Ja'qübi's 
Angabe,  die  Canark'  hätten  sich  dem  Muhammad  b.  'Attäb  an- 
geschlossen, stimmt  also  völlig  zur  Chronik.  Man  darf  aber  noch 
weiter  gehen,  wenn  man  beobachtet,  dass  bei  Johannes  Katholikos 
und  andern  Schriftstellern  des  10.  Jahrhunderts  die  Canark'  mit 
ihrem  Chorbischof  dieselbe  politische  Rolle  spielen,  wie  in  der 
Chronik  die  Chorbischöfe  von  Kachet'i.  Es  kommen  hier  vor  allem 
drei  Stellen  des  Johannes  Katholikos  in  Betracht.  S.  203  der  Aus- 
gabe von  Jerusalem  =  S.  89  der  Moskauer  Ausgabe  =  147  der  Übs. 
Saint-Martins:  ,Und  in  dieser  Weise  ausbreitend  vermehrte 
er  (der  König  Smbat)  den  Pfad  seiner  Herrschaft  gegen  Nord- 
westen bis  Karnoj  K'aiak'  (Erzerum),  und  indem  er  noch  über 
Kfergk'  hinaus  (Gebiete)  abkratzte  bis  zum  Gestade  des  grossen 
Meeres,  und  bis  zu  den  Grenzen  der  Egerac'ik'  (Mingrelien),  und 
bis  zum  Pusse  des  Gebirges  Kowkas,  die  Gugarac'ik'  und  die  Canark' 
bis  zum  Thor  der  Alanen,  indem  er  sogar  an  sich  nahm  die  Festung 
ihrer  Thorwache;  und  von  da  nach  der  Südseite,  um  den  Fluss 
Kur  bis  zur  Stadt  Tp'chis,  und  den  Gau  Uti  bis  zur  Stadt 
Hunarakert,  und  bis  nach  Tus  und  Samk'or."  S.  376  =  163 
=  804:  „Hierauf  kam  der  grosse  K'orepiskopos,  welcher 
den  Teil  von  Gugark'  in  der  Nähe  des  Alanenthores  beherrschte, 
gelangte  mit  grossem  Heere  zur  Unterstützung  des  Königs  (Asot  II. 
gegen  Moses  von  Uti)."  379  =  164  =  306:  „Unvermutet  lief, 
gieng  weg  Mowses  (von  Uti)  aus  den  Gegenden  von  Sisakan,  nahm 
sich  vor  zu  gehen  zum  grossen  K'orepiskopos  der  Canark'."  Das 
Verhältnis  zwischen  Kachet'i  und  den  Canark'  ist  also  ein  ähnliches 
wie  das  zwischen  Uti  und  den  Sevordik'.  Unten  werden  wir  einen 
Fall  kennen  lernen,  wo  in  der  Chronik  die  Mt'iul  die  Stelle  der 
Canark'  der  arabischen  und  armenischen  Berichte  einnehmen. 

Asot  Kuropalates  hatte  der  Chronik  zufolge  seine  Macht  auf 
Kosten  des  von  den  Canark'  und  dem  Emir  von  Tiflis  unter- 
stützten mt'awar  von  Kachet'i  erweitert.  Als  jedoch  Chälid  b.  Jazid 
b.  Mazjad,    der   von  al  Ma'mün    an  Stelle    des  unfähigen  'Abd  al 


^^Q  J.  Marquart, 

A'lä  b.  Ahmad  zum  Statthalter  von  Armenien  ernannt  worden  war, 
im  Lande   festen  Fuss    gefasst    hatte,    forderte  er  den  Muhammad 
b.  'Attäb    vor    sich    und    gewährte    ihm  Amnestie;    als   aber  auch 
dessen  Bundesgenossen,  die  Canark'  ihre  Huldigung  anboten,  nahm 
Chälid,    von  Muhammad  b.  'Attäb    gegen   sie  aufgehetzt,    dieselbe 
nicht  an,   sondern  rückte  gegen  sie  aus  und  griff  sie  in  Georgien 
an,  schlug  sie  und  nahm  ihre  Viehherden;  hierauf  forderte  er  sie 
zum  Friedensschluss    auf   und    traf  mit   ihnen  ein  Abkommen  auf 
Lieferung  von  3000  Stuten  und  20  000  Schafen  i).    Die  Bekriegung 
Asots  durch  Chälid  b.  Jazid  ist  hier  nicht  erwähnt,  es  kann  aber 
keinem  Zweifel  unterliegen,    dass  dieselbe  in  die  angegebene  Zeit 
fallen  muss.    Dann  gehört  auch  die  Festsetzung  Asots  in  Artanugi 
noch  unter  al  Ma'mün  (813 — 833),  aber  in  die  letzten  Jahre  seiner 
Regierung,  womit  sich  die  Unrichtigkeit  des  von  der  Chronik  an- 
gegebenen Todesjahres  Asots    von  selbst  ergibt.     Dagegen  ist  der 
von  Chälid   in  Tiflis  eingesetzte  Emir  Ali,    der  Sohn  des  Suab, 
bis  jetzt    nicht   unterzubringen.^    Dem  Namen  nach  müsste  er  ein 
Oheim  des  Ishäq  b.  Ismä'il  b.  Su'aib  sein,  dessen  Vater  Ismä'il  b. 
Su'aib,  ein  in  Georgien  ansässiger  Klient  des  Marwän  b.  Muhammad 
b.  Marwän,  sich  schon  beim  Regierungsantritte  al  Amins  zusammen 
mit  Jahjä  b.  Sa'id  dem  „Morgenstern"  Armeniens  bemächtigt  hatte-). 
Allein  schon  unter  al  Hasan  b.  'All  al  Bädylsi  mit  dem  Beinamen 
al  Mamüni,    dem    zweiten    Nachfolger    des   Chälid  ^b.  Jazid   (noch 
unter  al  Ma'mün),  begegnet  uns  Ishäq  b.  Ismä'il  b.  Su'aib  at  Tiflisl 
als  Herr  von  Gurzän.     Der  genannte  Statthalter  schickte  ihm  von 
Dvin  aus  einen  Brief  mit  der  Aufforderung,  die  Gelder  abzuliefern, 
und  rückte  auf  die  Weigerung  Ismä'Ils  gegen  Tiflis,  worauf  dieser 
durch    die  Bezahlung    einer  Geldsumme    seinen  Abzug   erkaufte^). 
Als  Muhammad  b.  Chälid  Buchara- cho^äh,  der  von  al  AfsTn  unter 
al  Mu'ta9im    (833 — 842)    mit    der  Verwaltung  Armeniens  betraut 
worden  war,    die  Canark'  bekriegte    und   nach  Tiflis  kam,    suchte 
sich  Ishäq  b.  Ismä'il  gut  mit  ihm   zu  stellen.     Dessen  Nachfolger 
'All  b.  al  Husain  b.  Sibä'  al  Qaisi  erwies  sich  als  ein  Schwächling, 
worauf  al  Mu'tagim  den  Chälid  b.  Jazid  abermals  nach  Armenien 
sandte.     Die  Furcht  vor  ihm  war  aber  von  früher  her  in  Armenien 
so  gross,    dass  jeder  Fürst    sich  vor  ihm  verschanzte  und  sie  auf 
die  Empörung   hinarbeiteten.     Auf   diese  Nachricht    sah    sich   der 
Chalifa  veranlasst,  Chälid  abzurufen  und  den  'Ali  b.  al  Husain  zu 
belassen.     In    diese    zweite  Statthalterschaft  Chälids    gehört   seine 
Niederlage    bei  Gawaz    durch    die  Gardabanier.     Zum   drittenmale 
kam  er  mit  ausgedehnten  Vollmachten  und  grossem  Heere  ins  Land 
unter   al  Wä'ö'iq    (842 — 847).     Sein  Anzug  verbreitete  Schreoken 


1)  Ja'qübl,  Eist.  II  öIo,  14— ö11,  8. 

2)  Ja'qübl,  Eist.  II  oIa,  1—4. 

3)  Ja'qübl,  Eist.  :II  oll,  18— olv,  2. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  411 

unter    den    kleinen  Tyrannen,    so    dass    die    meisten  sich  beeilten, 
ihn  ihrer  Loyalität  zu  versichern.     Er  aber  wollte  nur  von  ihnen 
selbst  ihre  Huldigungsgeschenke  entgegennehmen.    Auch  den  Ishäq 
b.   Tsmä'll  forderte  er  auf,    sich  bei  ihm  einzufinden,    und  rückte, 
als  er  es  nicht  that,  gegen  ihn  aus ;  schon  war  dieser  im  Begriff, 
ihm    persönlich    die    Huldigung    zu    leisten,    als   Chälid    erkrankte 
und    nach    einigen  Tagen    starb.     Er    ward    in    einem  Sarge  nach 
Dvin    gebracht    und    dort    bestattet  ^).     Nach    seinem  Tode    geriet 
Armenien  in  grössere  Verwirrung  denn  je,  weshalb  al  Wä'9'iq  Chälids 
Sohn  Muhammad  an  Stelle  seines  Vaters  zum  Statthalter  ernannte. 
Nachdem    dieser    die    desertierten  Truppen    (aus   den  Eabl'a)    und 
Klienten  seines  Vaters  wieder  zusammengebracht  hatte,    bekriegte 
er  die  Canark'  und  den  Ishäq,  bis  er  ihn  vertrieb  und  sie  in  die 
Flucht  schlug"^).     Mit  den  letzten  Worten  stimmt  die  Chronik  in 
der  Hauptsache  in  bemerkenswerter  Weise  überein.     „Dieser  Bagrat 
und  seine  Brüder,    sagt  sie,    besassen  alle  Güter  ihres  Vaters  von 
Arianug    an    und    gehorchten    den    Sarazenen.     Nachdem   Mohmed 
nach  K'art'li    gekommen  war    und  Bagrat   sich  mit  ihm  vereinigt 
hatte,    rückte    der    Emir    von  Tiflis    Sahak    mit    einem  Heere    ins 
Feld  und  begab  sich  nach  ßech-^).     Indessen  Mohmed  und  Bagrat 
nahmen  Üp'lis-O'iche'*),    und  die  Kachen    kamen  mit    den    Garda- 
baniern  Sahak  zu  Hilfe.     Man  schlug  sich  in  Rech.     Nach  einem 
erbitterten  Kampfe  trennten  sie  sich,  indem  weder  die  einen  noch 
die  andern  Sieger  gewesen  waren.     Mohmed  brach  auf  und  zog  ab 
nach  Barda".     Auch  hier  nennt  die  Chronik  wieder  an  Stelle  der 
Canark'  Ja'qübis  die  Kachen  als  Bundesgenossen  des  aufständischen 
Emirs. 

Es  ist  sehr  glaublich,  dass  wie  die  Chronik  behauptet,  Bagrat, 
der  Sohn  des  Asot  Kuropalates,  mit  dem  neuernannten  Statthalter 
des  Chalifa  gemeinsame  Sache  machte  gegen  Ishäq,  den  Herrn 
von  Tiflis  und  die  mit  diesem  verbündeten  Canark'.  Er  suchte 
demnach  gegenüber  dem  mächtigen  arabischen  Usurpator  sein 
Heil  im  engen  Anschlüsse  an  das  Chalifat.  Dieselbe  Politik  be- 
folgte er  auch  dem  Türken  Bugha  gegenüber.  Nachdem  dieser 
Sahak,  den  Emir  von  Tiflis  getötet  und  die  Stadt  zerstört  hatte, 
rückte  T'ewdos,  der  König  von  Ap'chazet',  gegen    ihn  ins  Feld^), 


^)  Vgl.  Stephan  AsoHk  II  2  p.  134  trad.  Dulaurier:  „Zu  seiner 
(des  Fürsten  Smbat  Aplabas)  Zeit,  im  Jahre  290  (841/42  n.  Chr.),  zog 
Chalet'  Ibn  Jezid,  der  Emir  von  Armenien,  mit  beträchtlichen  Streit- 
kräften nach  Georgien;  er  starb  in  öavachk',  im  Dorfe  Chozabir". 

•^)  Ja'qübi  11  öaa,  1—13. 

^)  Am  Flusse Rechula  westlich  vom  K'sani;  Wachust,  Descriptiou 
geogr.  de  la  Georgie  p.  243. 

*)  Am  nördlichen  Ufer  des  Kur,  zwischen  den  Flüssen  Didi  Liachwi 
und  K'sani. 

*)  Offenbar  als  Bundesgenosse  oder  Vasall  des  Sahak;  s.  u. 


^■^2  J-  Marquart, 

um  ihm  Widerstand  zu  leisten,  worauf  er  den  General  Zirak  und 
den  Kuropalates  Bagrat  gegen  ihn  sandte.  Diese  schlugen  ihn 
mit  grossem  Verluste  und  zwangen  ihn  zur  Flucht  über  Dwalet'; 
bei  ihrer  Eückkehr  wurden  sie«  jedoch  in  Guaris-Gwerd  von  den 
Gardabaniern  angegriffen  und  erlitten  eine  gewaltige  Schlappe. 
„Sobald  Bugha  diese  Botschaft  erhalten  hatte,  zog  er  nach  Car- 
talet'^),  lagerte  dort  und  erhob  aus  Oset'  300  Geiseln;  er  hatte 
die  Absicht  in  Oset'  einzudringen  bis  nach  C'chawot.  Allein 
Abulbas-),  der  Erist'aw  von  Armenien,  und  Guaram  mamp'al,  der 
Bruder  des  Kuropalates  Bagrat,  Hessen  den  Mt'iul  sagen,  ihn 
nicht  dorthin  eindringen  zu  lassen.  Diese  waren  damit  sehr  zu- 
frieden und  opferten  ihre  Geiseln.  Gott  half  ihnen,  es  fiel  Schnee. 
Die  Mt'iul  versperrten  dem  Feinde  den  Weg;  Gott  verlieh  ihnen 
den  Sieg,  eine  grosse  Zahl  Sarazenen  ei'lagen  und  von  ihren 
Pferden  kamen  viele  um.  Mit  Rücksicht  auf  die  Menge  der 
Soldaten,  die  sich  auf  120  000  Mann  belief,  war  der  Verlust  in- 
dessen wenig  fühlbar. 

Nachdem  Bugha  den  Rückzug  angetreten  hatte,  begab  er  sich 
ins  Winterlager  nach  Barda,  nahm  einen  gewissen  Priestersohn 
gefangen,  der  mt'awar  geworden  war,  und  vernichtete  Gardaban. 
Er  öffnete  das  Thor  von  Derbend  und  Hess  durch  dasselbe  300 
chazarische  Familien  kommen,  die  er  in  Samk'or  einsetzte;  durch 
das  von  Dariela  führte  er  ebenfalls  3000  3)  osische  Familien  weg 
und  siedelte  sie  in  Dmanis  an.  Seine  Absicht  war,  im  folgenden 
Sommer  in  Oset'  einzudringen,  allein  da  der  Emir  al  mumenin 
erfahren  hatte,  dass  er  mit  den  Chazaren ,  seinen  Landsleuten  im 
Einverständnis  sei,  sandte  er  ihm  den  Befehl,  K'art'li  dem  Mohmed, 
dem  Sohne  des  ChaHl  zu  lassen.  Bugha  zog  also  ab,  indem  er 
als  Emir  den  Mohmed  zurückliess,  der  alsdann  abgesetzt  und 
durch  Ise,  den  Sohn  des  Sich  ersetzt  wurde,  der  auch  der  FamiHe 
desselben  Mohmed  angehörte.  Gabriel  Donaur,  der  Bruder  des 
Samuel  Donaur,  war  Chorbischof ''^). 

Hier  haben  wir  eine  im  wesentlichen  richtige  Beschreil)ung 
des  Zuges  Bugha's  gegen  Tiflis  und  seines  Rückzuges.  Die  schimpf- 
liche Niederlage,  die  er  sich  bei  den  Mt'iul  holt,  durch  deren  Ge- 
biet er  in  Oset'  eindringen  wollte,  entspricht  dem  unglücklichen 
Zuge  gegen  die  Canark',  von  welchem  die  arabischen  und  arme- 
nischen Historiker  sprechen  und  den  uns  Thomas  Arcruni  (HI  10) 
ausführHch  schildert.    Davon,  dass  Bugha  Geiseln  von  den  Mt'iul 


1)  An  einem  westlichen  Nebenflusse  des  Aragwi;  Wachust, 
Description  de  la  G^orgie  p.  221. 

2)  Smbat  Aplabas. 

3)  Im  armenischen  Auszug  JOO  Ösen";  Additions  et  eclaircisse- 
ments  p.  52.  Armenischer  Text  (Ö^uanser,  Hamaföt  patmut'iun  Wrac'. 
Venedig  1884)  S.  106. 

*)  Eist,  de  la  G(?orgie  p.  266—268. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  413 

bezw.  Canark'  in  seiner  Gewalt  hatte,  finden  wir  in  andern  Quellen 
nichts;  thatsächlich  befindet  sich  die  Chronik  hier  auch  mit  sich 
selbst  im  Widerspruch,  indem  sie  zuerst  angibt,  er  habe  jene 
Geiseln  aus  Oset'  erhoben  i).  Auch  darüber  schweigen  die  arme- 
nischen und  arabischen  Berichte,  dass  Abulbas  d.  i.  der  Bagratide 
Smbat  Abü'l  'Abbäs,  der  Sparapet  von  Armenien,  die  Mtiul  zu 
ihrem  Widerstände  aufgereizt  habe.  Der  von  Bugha  gefangen  ge- 
nommene Priestersohn,  welcher  mt'awar  geworden  war,  ist  Abu 
Muse  Esaj,  genannt  der  Priestersohn,  der  Fürst  von  Albanien, 
welcher  durch  den  Sieg  der  Canark'  zum  Widerstand  ermutigt 
über  die  Armee  des  Bugha  einen  glänzenden  Sieg  davongetragen 
und  derselben  etwa  ein  Jahr  lang  Stand  gehalten  und  im  ganzen 
28  glückliche  Treffen  geliefert  hatte,  dann  aber  auf  einen  Amnestie- 
briel"  des  Chalifa  hin  sich  ergab  2).  Ktriß ,  der  Fürst  von  Gard- 
mank'  (georg.  Gardaban) ,  war  schon  auf  dem  Rückzuge  Bugha  s 
aus  dem  Lande  der  Canark'  in  seine  Festung  eingeschlossen  und 
gefangen  genommen  worden ä).  Die  Nachricht,  dass  Bugha  in 
Samk'or  Chazaren  angesiedelt  habe,  wird  bestätigt  durch  eine  ge- 
legentliche Notiz  bei  Balädurl  S^r,  15—16.  Merkwürdig  ist  nur 
die  von  der  Chronik  angegebene  Ursache  der  Abberufung  Bugha's: 
er  sei  in  den  Verdacht  gekommen,  mit  den  Chazaren  im  Ein- 
verständnis zu  stehen.  Das  Richtige  findet  man  dagegen  bei  Ja'qübT, 
dessen  kurze  Beschreibung  des  Rückzuges  Bugha's  aus  Georgien 
übrigens  trefi'lich  zu  der  Chronik  stimmt:  „Bugha  rückte  aus 
gegen  die  Canark'  und  bekriegte  sie;  da  durchbrachen  sie  seine 
Reihen  und  schlugen  ihn  in  die  Flucht,  worauf  er  geschlagen  ab- 
zog. Er  verfolgte  nun  die  welchen  er  Amnestie  gewährt  hatte 
und  ergriff  sie,  und  eine  Anzahl  von  ihnen  flohen  und  korrespon- 
dierten mit  dem  Herrscher  der  Romäer,  dem  Herrscher  der 
Chazaren  und  dem  Herrscher  der  Slawen,  und  versammelten  sich 
in  grosser  Masse.     Er  berichtete  dies  an   al  Mutawakkil,    der  für 

1)  Auf  jenem  Zuge  wurden  die  Märtyrer  Solomon,  genannt  der 
SevorcU  (Magyare),  und  Kachaj  aus  dem  Oberlande  {•Ih^pt'''  "'^A'"'/'- 
^flrglfi,)  ergriffen,  die  am  Hofe  des  Chalifa  die  Krone  des  Martyriums 
erlangten  (Thomas  Arcruni  III  11  S.  187.  188).  Der  zweite  ist  identisch 
mit  dem  hl.  Konstantine,  einem  reichen  Georgier  aus  Kachet',  mt'awar 
des  Oberlandes  oder  von  K'art'li  im  Norden  des  Kur,  der  im  Jahre 
853  in  Bagdad  hingerichtet  wurde.  Vgl.  Brosset,  Eist,  de  la  Georgie 
p.  268  n.  2. 

2)  Thomas  Arcruni  III  10  S.  177.  180.  Vgl.  Mos.  Kai.  3,  19  (vol. 
II  55  ed.  Sahnazarean).  Joh.  Kath.,  Jerus.  1843  S.  91.  Stephan  AsoHk 
II  2  p.  185  trad.  Dulaurier.  Bei  Tabari  III  ifti,  9—10  heisst  er 
'Isa  b.  Jnsuf ,  der  Schwestersohn  des  Stephanos,  wie  bei  Moses  Kai. 
Schwestersohn  des  Step'annos  genannt  Apl-Asad.  Bei  ihm  hatte  sich 
'Abdallah,  der  Bruder  des  Bäbak,  im  Jahre  223  H.  (838)  verborgen 
gehalten.    Tab.  III  tf^t^,  19.  I^Cf ,  2.  (CrA,  2.  4-6.  i^^r,  2. 

3  Joh.  Kath.,  Moskau  1853  S.  91.  Tab.  III  iftl,  8—9. 


414  J-  Marquart, 

das  Land  den  Muhammad  b.  Chälid  b.  Jazid  b.  Mazjad  as  Saibäni 
berief.     Nachdem  dieser  eingetroffen  war,  beruhigten  sich  die  Un- 
inihigen  (Unruhestifter)    und    er   erneuerte  ihnen  die  Amnestie"  ^). 
Die  Chronik  hat  somit  die  kritische  Prüfung    hier    sehr    gut 
bestanden  und   muss    für   die  Geschichte    der  muslimischen  Herr- 
schaft in  Georgien  vom  Ende  der  Regierung  al  Ma'müns  ab  treff- 
liche Quellen  zur  Hand  gehabt  haben.     Allein  die  Vermutung,  die 
Redaktoren  derselben  möchten  arabische  und  armenische  Chroniken 
benutzt  und  mit  einheimischen  Überlieferungen  kombiniert  haben, 
widerrät  sich  bei  näherer  Überlegung  von  selbst.    Wir  dürfen  daher 
annehmen,  dass  die  Reihenfolge  der  ersten  bagratidischen  Fürsten 
Georgiens  und  die  ihnen  angewiesene  Zeit  in  der  That  auf  guter 
Überlieferung  beruht,  obwohl  sie  von  den  arabischen  und  den  uns 
erhaltenen    armenischen    Quellen ,    von   Wardan    abgesehen ,    völlig 
ignoriert  werden.     Allein  das  Schweigen  der  letzteren  erklärt,  sich 
daraus,  dass  sie  die  Periode  vor  den  Zügen  des  Abu  Sa'id  Muhammad 
b.  Jüsuf  al  Marwazi  (849)  und  seines  Sohnes  Jüsuf  (851 — 852)  fast 
völlig  übergehen  und  selbst  die  Regierung  Asots  I.  nur  summarisch 
behandeln ,    indem    sie    auf  die  eingehende  Darstellung  des  Sapuh 
Bagratuni   verweisen,    und    sich    überhaupt    streng    auf  Armenien 
beschränken  und  die  Verhältnisse  Iberiens  nur  selten  streifen.    Bei 
ihnen  wie  bei  den  Arabern  finden  wir  Listen  der  von  Bugha  nach 
Samarra  deportierten  Notabein,  unter  denen  Bagrat  von  Artanugi 
aber  augenscheinlich  nicht  war.     Dieser  wird   jedoch    auch  durch 
Wardan  bezeugt,  nach  welchem  eine  Tochter   des  sparapet  Smbat 
mit    Bagarat,    dem  Sohne    des  Kuropalates  Asot    vermählt  war^). 
Wir    vermögen   jetzt    auch    einigermassen    zu   erkennen ,    was 
der  Erzählung  von  der  Ankunft  des  Davidssprossen  Adarnase  beim 
König  ArS'il  (oben  S.  396)  zu  Grunde  liegt.     Sein  Vater  ist  mit 
den    Bagratiden    verwandt    und    er    selbst   wird    als    Bruderssohn 
Adarnase's     des     Blinden     bezeichnet.       Mit    letzterem    kann     nur 
Asot,  der  Sohn  Wasaks,  der  Fürst  und  Patrikios  von  Armenien 
(732 — 748)    gemeint   sein,    der   im  Jahre   748  von  Grigor  Mami- 
konean    überfallen    und    aus    Rache    für    die    Hinrichtung    seines 
Bruders    David    geblendet    wurde    und    13    Jahre    später    starb  ^). 
Adarnase    ist    hier    also    nur  Verlegenheitsname.     Dieser  Asot    ist 
nach  Wardan  der  Ahnherr  der  armenischen  und  iberischen   Bagra- 
tiden*).     Sein    zweiter    Sohn    Wasak,    nach    Wardan    der    Vater 
unseres  Atrnerseh,  wird  zwar  beim  Aufstande  von  771/72. erwähnt, 
und  zwar  als  Inhaber  einer  eigenen  Truppenmacht  ^),  ist  aber  nicht 
unter   den  Gefallenen  von  Bagrevand.     Aus    dem  Zusammenhange 


1)  Ja'qfibi  II  öIa,  16— öil,  2. 

*)  Wardan  wardapet  S.  79. 

")  S.  u.     Vgl.  Daghbaschean  a.  a.  0.  S.  54 f. 

*)  Wardan  S.  75.  81. 

B)  tevond  S.  178. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  415 

bei  tevond  scheint  sich  zu  ergeben,  dass  er  in  der  Nähe  von 
Ar^es  und  Waspurakan,  also  vielleicht  in  Taraun  seinen  Sitz  hatte. 
Die  Erzählung  der  Chronik  von  der  Ankunft  Adarnase's ,  des 
Bruderssohnes  Adarnase's  des  Blinden  alias  Asots,  beim  König 
Ar^'il  läuft  also  im  Grunde  genommen  auf  dasselbe  hinaus  wie 
die  Genealogie  Wardans,  der  den  Atrnerseh  zu  einem  Enkel  des 
Patrikios  Asot  macht;  nur  sind  bei  diesem  auch  die  iberischen 
Bagratiden  direkte  Nachkommen  Asots,  während  die  Chronik  sie 
von  einer  sonst  unbekannten  Seitenlinie  ableitet.  Zu  gunsten  der 
Angabe  Wardans  spricht  aber  das  Generationsverhältnis:  Bagarat, 
der  Enkel  des  Atrnerseh,  heiratet  eine  Tochter  des  sparapet 
Smbat  Aplabas,  also  eine  Enkelin  des  Asot  msaker ,  des  Vetters 
Atrnerseh's  ^). 

Hier  ist  also  der  späte  Ursprung  des  davidischen  Stamm- 
baumes noch  mit  Händen  zu  greifen.  Aber  auch  die  weitere  An- 
gabe der  Chronik,  der  Vater  Adarnase's,  der  von  den  Griechen 
ein  Erist'awat  in  den  Gegenden  von  Somchet'  erhalten  hatte,  habe 
sich  vor  den  Verwüstungen  des  Qru  zu  den  Nachkommen  des 
Gwaram  Kuropalates  nach  Klarget'  geflüchtet,  scheint  nur  eine 
Variante  zu  der  legitimistisch  gefärbten  Nachricht  zu  sein,  Adar- 
nase  habe  sich  zum  König  ArSil  begeben  und  sei  von  ihm  mit 
Solawer  und  Artahan  belehnt  worden.  In  Wirklichkeit  hatte 
Arc^'il,  der  jahrelang  als  Flüchtling  auf  griechischem  Boden  in 
Ap'chazet'i  weilte,  dort  nichts  zu  sagen.  Wasak  mag  sich  in  der 
That  vor  der  Verfolgung,  die  der  Schlacht  von  Bagrevand  folgte, 
in  die  Gebirge  von  Klarget'  geflüchtet  haben ;  aber  er  selbst,  nicht 
erst  sein  Sohn  wird  dann  auch,  sei  es  von  den  Griechen  sei  es 
—  wenn  dieser  Geschichte  irgend  etwas  Thatsächliches  zu  Grunde 
liegt  —  vom  König  Arß'il  mit  Solawer  und  Artahan  belehnt 
worden  sein.  Letzterer  soll  durch  einen  arabischen  Heerführer 
das  Martyrium  erlitten  haben.  Man  mag  im  übrigen  von  der 
Geschichtlichkeit  dieses  Königs  halten  was  man  will,    so  kann  es 


')  Das  Verwandtschaftsverhältnis  ist  nach  Wardan  folgendes: 
Asot,  Patrikios,  f  760. 
Smbat,  t  772.  Wasak. 

vi  I 

Asot  msaker.  Atrnerseh. 

Smbat  Aplabas,  f  855.  Asot  Kuropalates. 

Asot,  Fürst        Tochter.  Bagarat. 

der  Fürsten, -^ 

t  890. 

Smbat.  David  I. 

Asot  Erkat'.  Atrnerseh. 


416  J-  Marquart, 

doch  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  hier  der  Fürst  von  Iberien  ge- 
meint ist,  der  auf  Befehl  des  Chalifen  Müsä  (785/86)  zu  Tode  ge- 
martert wurde  i).  Da  nun  auch  A§ot  msaker,  der  Sohn  des  sparapet 
Smbat  und  Vetter  des  Atrnerseh,  bis  zum  Jahre  788  noch  nicht 
in  der  Geschichte  auftritt,  so  wird  Atrnerseh  bei  Lebzeiten  des 
Königs  Arö'il  noch  keine  Rolle  gespielt  haben.  Es  ist  jetzt  selbst- 
verständlich, dass  die  drei  Brüder,  die  von  Taron  gekommen  sein 
und  sich  mit  Einwilligung  des  Königs  ArS'il  in  Sakik'  nieder- 
gelassen haben  sollen,  keine  Bagratiden  sein  können,  sondern  nur 
Mamikonier,  falls  die  im  armenischen  Auszug  fehlende  Bemerkung, 
welche  sie  zu  Bruderssöhnen  Adarnase's  des  Blinden  d.  h.  Asots 
macht,  die  ihrem  väterlichen  Oheim  die  Augen  ausgebrannt  hätten, 
irgendwelchen  Wert  hat.  Latawr,  die  bagratidische  Frau  Guansers, 
des  Sohnes  und  Nachfolgers  ArS'il's^),  wird  keine  Tochter,  sondern 
eine  Schwester  des  Adarnase  gewesen  sein.  Von  diesem  behauptet 
die  Chronik:  „Da  jedoch,  während  er  (Guanser)  noch  lebte,  das 
Drittel  von  Klarget' ,  Sawset ,  A^ara ,  Nigal ,  Asis  -  P'or ,  Artan, 
Unter -Tao  und  der  von  Vater  auf  Sohn  von  den  Nachkommen 
Wachtangs  innegehabten  Festungen  dem  Bagratiden  Adarnase  zu- 
gefallen war,  kam  dieser  nach  Klarget',  wo  er  starb.  [Sein  Vater 
Nerse,  der  Sohn  des  Antipatrikios  Waraz-Bakur;  der  Vater  des 
Waraz-Bakur,  namens  Guaram  Kuropalates,  der  Sohn  des  ersten 
Step'anos  und  Bruder  des  Demetre :  all  diese  Fürsten  waren  ge- 
storben. P'ilipe  und  Step'anos,  die  Brüder  des  Adarnase,  waren 
ebenfalls  gestorben.]  Nach  dem  Tode  des  Adarnase  erhob  Gott 
zu  den  Ehren  des  Thrones  Asot  Kuropalates,  den  Sohn  dieses 
Fürsten  und  Bruder  des  Erist'aw  Gurgen".  Die  eingeklammerten 
Worte,  die  in  einer  Hs.  fehlen,  verraten  sich  nach  dem  Gesagten 
deutlich  als  spätes  Machwerk,  bestimmt,  den  Anschluss  an  die  an- 
geblichen älteren  ibei'ischen  (oben  S.  393)  Bagratiden  zu  gewinnen. 
Falls  der  Einfall  der  Chazaren  nach  Georgien,  bei  welchem 
der  mt'awar  Guanser  und  seine  Schwester  Susan  gefangen  ge- 
nommen und  Tiflis  erobert  und  zerstört  wurde,  mit  dem  von  den 
Arabern  berichteten  Einfall  im  Jahre  183  H.  (799/800)  zusammen- 
fällt, so  hätten  wir  wenigstens  einen  festen  chronologischen  An- 
haltspunkt für  die  Regierung  des  Guanser.  Zu  Gunsten  jener 
Ansicht  spricht  in  der  That  die  sagenhafte  Begrändung  der  beiden 
Einfälle.  Nach  Tabari  sollte  im  Jahre  182  H.  eine  Tochter  des 
Chaqans  der  Chazaren  dem  al  Fadl  b.  Jahjä  als  Braut  zugeführt 
werden,  starb  aber  unterwegs  in  Bar(5a'a,  worauf  die  sie  be- 
gleitenden Tarchane  zu  ihrem  Vater  zurückkehrten  und  ihm  er- 
zählten, sie  sei  vergiftet  worden.  Diese  Geschichte  ist  in  der 
That  nur  die  Kopie  einer  älteren  Begebenheit,  die  sich  unter  dem 

^)  S.  0.  S.  402  A. 

•)  Hist.  de  la  G^orgie  p.  258—259. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  417 

Statthalter  Jazld  b.  Usaid  as  Sulaml  zugetragen  hatte  und  gut 
beglaubigt  ist  i).  Ihre  Übertragung  auf  den  Barmakiden  al  Fadl 
b.  Jalijä,  der  damals  gar  nicht  mehr  Statthalter  von  Armenien 
war  (s.  u.),  würde  sich  aber  um  so  leichter  begreifen,  wenn  das 
Gerücht  auch  den  zu  seiner  Zeit  stattgefundenen  Chazareneinbruch 
einer  ähnlichen  Ursache  zuschrieb  wie  jenen  früheren.  Nun  erzählt 
die  georgische  Chronik,  der  König-Cbakan  der  Chazaren  habe,  als 
er  von  der  Schönheit  der  jüngsten  Schwester  Guansers,  namens 
Susan,  Kunde  erhalten,  einen  Gesandten  an  Guanser  geschickt, 
um  sie  zur  Frau  zu  verlangen,  mit  dem  Versprechen,  ihn  gegen 
die  Sarazenen  zu  verteidigen.  Als  der  Gesandte  des  Chakans  seinen 
Auftrag  ausgerichtet  hatte,  verständigte  Guanser  vor  allem  seinen 
Bruder  Joane  imd  ihre  Mutter,  die  ablehnten  und  ihm  sagen 
Hessen:  ,Wenn  unsere  Lage  verzweifelt  sein  wird,  wird  es  für 
uns  besser  sein,  nach  Griechenland  zu  gehen  und  uns^  an  Christen 
zu  wenden,  als  unser  Kind  beflecken  zu  lassen'.  Susan  selbst 
beschimpfte  den  König  der  Chazaren.  Drei  Jahre  später  sandte 
der  Chakan  seinen  Heerführer  Bluß'an -) ,  der  über  Leket'  in 
Kachet'  eindrang  und  die  Burg  belagerte,  wo  sich  Guanser 
und  seine  Schwester  Susan  befanden.  Er  nahm  sie  in  wenigen 
Tagen,  nahm  die  Fürsten  gefangen,  erstürmte  Tiflis  und  eroberte 
K'art'li  und  das  ganze  Land.  Als  er  über  Dariela  abzog,  sagte 
Susan  eines  Tages  zu  ihrem  Bruder:  ,Es  ist  besser  für  mich,  zu 
sterben,  damit  der  Herr  mich  unter  die  heiligen  Frauen  aufzu- 
nehmen würdige,  als  von  den  Heiden  besudelt  zu  werden',  und 
den  Stein  ihres  Ringes  entfernend,  unter  welchem  sich  ein  tötliches 
Gift  befand,  sog  sie  es  ein  und  starb  auf  der  Stelle.  Bluö'an  zog  ab, 
den  Guanser  zum  Chakan  wegführend,  und  erzählte  letzterem  den 
Tod  der  Prinzessin  Susan.  Erzürnt  darüber,  dass  er  ihm  ihren  Leich- 
nam nicht  gebracht  hatte,  den  er  sehen  wollte,  befahl  der  Chakan, 
den  Blug'an  zu  verhaften,  ihm  einen  Strick  um  den  Hals  zu  legen 
und  beide  Enden  ebensoviel  Reitern  zu  geben,  welche,  ein  jeder  von 
seiner  Seite  ziehend,  ihm  unbarmherzig  den  Kopf  abrissen  =^) " . 

Die  Elemente  der  Erzählung  sind  hier  dieselben  wie  bei  Ta- 
barT;  nur  ist  in  der  Chronik  umgekehrt  der  Chagan  der  Chazaren 
der  Heiratskandidat,  und  vergiftet  die  Prinzessin  sich  selbst,  um 
ihm  nicht  in  die  Hände  zu  fallen.  Die  Geschichte  selbst,  obwohl 
sagenhaft,  ist  an  sich  wohl  möglich.  Allerdings  erfolgt  der  Einfall 
nach  TabarT  und  Ja'qübl*)    durch  Bäb    al   alwäb  (Darband),    wo- 

^)  S.  0.  S.  5  A.  1.  Der  Name  des  Heerführers  Raz-t'archan ,  wenn 
auch  nicht  die  Veranlassung  jenes  Einfalls,  findet  sich  auch  bei  Ja'qObi 
um,  16  (^L^^^u^l^). 

2)  Im  armenischen  Auszug  ßulgan. 

3)  Eist,  de  la  Georgie  p.  256—258. 
*)  Tab.  m  IfA,  3.     Ja'qilbT  II  öIa. 

Marquart,  Streifzüge.  ^' 


418  ♦^-  Marquart, 

gegen  die  Chronik  des  Chagans  Heerführer  BluS'an  durch  Leket'i 
nach  Kachet'i  einbrechen  lässt.  Auch  gedenken  Tabari  und  Ja'qübl 
der  Einnahme  und  Verwüstung  von  Tiflis  nicht.  Doch  hebt  ersterer 
hervor,  dass  die  Verheerungen  der  Chazaren  die  Schutzgenossen 
d.  h.  die  Christen  so  gut  betrafen  wie  die  Muslime ,  während 
Ja'qübT  erwähnt ,  der  Chagan  (oder  sein  Heerführer)  ^)  sei  bis  zur 
Kurbrücke  vorgedrungen  und  habe  das  Land  verbrannt  und  sogar 
Frauen  und  Kinder  hingeschlachtet.  Das  Land  der  i5Ci  (=  Lek- 
et'i)  umfasste  aber  nach  arabischen  Angaben  auch  den  Küsten- 
strich am    kaspischen  Meere   zwischen  dem  Samür  und  Säbirän  -). 

Nach  siebenjähriger  Gefangenschaft  ward  Guanser  vom  Chakan 
in  sein  Fürstentum  entlassen.  „Von  da  an  nahm  die  Herrlichkeit 
der  grossen  chosroidischen  Könige  (von  Georgien)  ständig  ab.  Fürs 
erste  wuchs  die  Macht  der  Sarazenen,  und  verheerten  diese  durch 
ihre  häufigen  Züge  das  ganze  Land;  zweitens  sah  man,  da  die  Zahl 
der  mt'awars  im  Lande  Georgien  sich  vermehrt  hatte,  überall  nur 
innere  Kriege  und  Zwistigkeiten.  Wenn  sich  unter  den  Söhnen 
Wachtangs  einer  des  Königstitels  würdig  zeigte,  vernichteten  ihn 
die  Sarazenen;  denn  die  Agarsöhne  hatten  Tiflis  genommen  und 
es  zu  ihrer  Höhle  gemacht;  sie  erhoben  vom  Lande  den  Charag: 
endlich  erlaubte  Gott  der  Menge  unserer  Sünden  wegen,  dass  sie 
äusserst  mächtig  wurden  ^)  .... 

Nach  Verfluss  mehrerer  Jahre  kam  ein  agarenischer  Emir,  der 
K'art'li,  Armenien  und  Heret'  verwaltete  und  Chosro  hiess.  Dieser 
stellte  Tiflis  wieder  her,  das  die  Chazaren  zerstört  hatten*)". 

Sieben  Jahre  nach^dem  Chazareneinfall  von  799/800  würden 
uns  für  die  Eückkehr  Guansers  ins  Jahr  805/6  5)  führen.  In  diese 
Zeit  würde  allerdings  teilweise  passen,  was  die  Chronik  von  der 
zunehmenden  Macht  der  Sarazenen  in  Georgien  zu  erzählen  weiss. 
Der  zweite  Statthalter  Armeniens  nach  jenem  Chazareneinfall  war 
Chuzaima  b.  Chäzim  at-TamImi,  der  schon  unter  Müsä  al  Hädi 
in  Armenien  und  Georgien  ein  Schreckensregiment  geführt  hatte. 
Dieser  Hess  die  Erbfürsten  und  Prinzen  ergreifen  und  ihnen  die 
Köpfe  vor  die  Füsse  legen,  und  verfuhr  mit  ihnen  aufs  schlimmste. 
Hierauf  empörten  sich  Georgien  ^J)  und  die  Canark';  das  erste  gegen 
sie  ausgesandte  Heer  wurde  von  ihnen  aufgerieben,  Sa'ld  b.  al 
Hai'ö'am   b.  Su'ba  b.  Cahir  at-Tamimi   bekämpfte    aber  mit  einer 


1)  Der  Text  hat  hier  eine  Lücke. 

3)  Vgl.  Bai.  r.A,  7. 

'')  Es  folgt  die  Notiz  über  die  Vermählung  Guansers  mit  der 
Tochter  des  Adarnase. 

*)  Hist.  de  la  Georgie  p.  258—259. 

"*)  Nach  der  Chronik  kehrte  er  im  7.  Jahre  zurück. 

6)  .!:=>_>  Gurgän,  sonst ,  .\^3  rr*  Gurzän,  aber  auch  bei  Uchtanes 
II  52  S.  89  =  330  einmal  {{j.li.u'b  Wrkan  (B  rosset  sinnwidrig  ,Hyr- 
canie*);  vgl.  das  'Tpxat-r]  des  Joannes  Lydos  (Eransahr  S.  115). 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  419 

neuen  gewaltigen  Streitmacht  die  Einwohner  von  Georgien  und 
die  Canark',  bis  er  sie  zur  Auswanderung  aus  dem  Lande 
zwang,  und  kehrte  nach  Tiflis  zurück.  Chuzaima  b.  Chäzim  blieb 
weniger  als  ein  Jahr  in  Armenien,  seine  Nachfolger  aber  waren 
sämtlich  schwach.  Dem  Sulaimän  b.  Jazid  b.  al  A^amm  al  'Amin 
wäre  das  Land  beinahe  entrissen  worden,  und  gegen  den  ans  einer 
Stelle  ernannten  al  'Abbäs  b.  Zufar  al  Hiläll  lehnten  sich  die 
Canark'  auf,  denen  er  nicht  gewachsen  war,  worauf  Muhammad 
b.  Zuhair  b.  al  Musaijab  ad  Dabbi  Statthalter  wurde  ')• 

Welcher  Statthalter  mit  dem  agarenischen  Emir  Chosro 
gemeint  ist,  der  Tiflis  wieder  herstellte,  lässt  sich  einstweilen 
nicht  erkennen;  doch  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  für  Chuzaima 
b.  Chäzim.  Der  Name  erinnert  an  den  Statthalter  Chazr  patgos 
bei  Moses  Kai.  III  20 ,  mit  welchem  wahrscheinlich  Chälid  b. 
Jazid  b.  Mazjad  as  Saibänl  gemeint  ist  (s.  u.). 

Die  Angabe,  dass  die  Anzahl  der  mt'awars  und  die  der  Teil- 
fürsten in  Georgien  zugenommen  habe  und  daher  Bürgerkriege 
an  der  Tagesordnung  gewesen  seien,  scheint  durch  die  Lebens- 
beschreibung des  Märtyrers  Abo  bestätigt  zu  werden,  die  über- 
haupt nach  den  kurzen  Andeutungen  Brosset's  zu  schliessen 
wichtige  Aufschlüsse  zu  liefern  verspricht  und  dringend  eine  ein- 
gehende Bearbeitung  verlangt,  wie  sie  Dschawachoff  und 
Harnack  dem  Martyrium  des  hl.  Eustathios  von  Mc'chet'  haben 
angedeihen  lassen.  In  dieser  Legende  wird  erzählt,  wie  der  Erist'aw 
von  K'art'li  Nerse,  der  Sohn  des  Kuropalates  und  Erist'aw  Adarnase, 
beim  Chalifa  Abdala  (al  ManQür),  der  in  dem  von  ihm  erbauten 
Baghdad  residierte,  angeklagt  und  von  ihm  gefangen  gesetzt  wurde ; 
als  dem  Abdala  (f  14.  Sept.  775)  sein  Sohn  Mahdi  folgte,  ward 
Nerse  nach  dreijähriger  Gefangenschaft  in  Freiheit  gesetzt  und  als 
Erist'aw  nach  K'art'li  zurückgesandt.  Ihn  begleitete  als  Diener 
der  hl.  Abo,  der  von  arabischen  Eltern  in  Baghdad  geboren  war 
und  damals  18  Jahre  zählte.  In  Georgien  ward  er  Christ,  und 
als  Nerse  abermals  beim  Chalifa  in  Ungnade  fiel  und  vor  den 
Verfolgungen  der  Sarazenen  durch  das  Thor  Darialan  nach  Oset' 
floh,  schloss  sich  ihm  Abo  an.  Nerse  begab  sich  zum  König  der 
wilden  bluttrinkenden  Chazaren,  die  nur  einen  Gott  -  Schöpfer 
kennen-)  und  sonst  keine  Religion  haben;  doch  „gibt  es 
im  Lande  des  Nordens  viele  Städte,  wo  man  ohne  Furcht 
den  Glauben  Christi  bekennt".  Vom  König  der  Chazaren, 
der  ihn  als  Schutzflehenden  aufnahm,  wendet  er  sich  bald  darauf 
nach  Ap'chazet',  einem  ganz  christlichen  Lande,  das  den  Griechen 
gehorchte  und  dessen  mt'awar  ihn  günstig  aufnahm.  Nach  der 
Flucht    des  Nerse    hatte    der  Chalifa  Mahdi   inzwischen  Step'anos, 


1)  Jaqübi  II  oli,  1— 11. 

*)  Bemerke  die  Übereinstimmung  mit  der  Vita  Konstantins  (oben 
S.  15):  bibamus  in  nomine  dei  unius,  creatoris  omnium  rerum. 

27  :^ 


^20  '^-  Marquart, 

den  Sohn  des  Gurgen-Erist'aw  vmd  der  Schwester  des  Nerse,  zum 
mt'awar  von  K'art'li  gemacht,  worauf  Nerse  den  Chalifa  um  die 
Erlaubnis  bitten  Hess,  in  seine  Heimat  zurückkehren  zu  dürfen. 
Als  er  abreiste,  begleitete  ihn  Abo  trotz  der  Abmahnungen  des 
mt'awars  von  Ap'chazet'  nach  Tiflis,  wo  er  nach  drei  Jahren  er- 
griffen und  vor  den  Richter  von  Tiflis  geführt  wurde,  der  ihn 
jedoch  auf  die  Bitten  des  Erist'aws  Stepbanos  wieder  freiliess. 
Als  aber  ein  neuer  Richter -Emir  kam,  Hess  er  den  hl.  Abo 
vorführen  und  von  neuem  in  Ketten  schlagen  —  Dienstag  den 
27.  Dezember  —  und  10  Tage  später  am  Feste  der  Epiphanie, 
Freitag  den  6.  Januar,  hinrichten.  Das  Martyrium  soll  statt- 
gefunden haben  im  10.  Jahre  des  Kaisers  Konstantin,  des  Sohnes 
des  Leon,  unter  dem  Chalifen  der  Sarazenen  Mose,  dem  Sohne  des 
Mahdi,  unter  dem  KathoHkos  Samuel  von  K'art'li,  unter  dem 
Erist'awat  des  Stephanos,  Sohnes  des  Gurgen  i).  Da  das  10.  Jahr 
des  Kaisers  Konstantin  (VI,  789/90)  und  das  Chalifat  des  Müsä 
al  Hädl  (3.  Aug.  785  bis  15.  Sept.  786)  einander  gegenseitig  aus- 
schliessen,  so  kann  nur  entweder  das  eine  oder  das  andere  Datum 
in  Betracht  kommen ;  die  beiden  weiteren  Synchronismen  —  Jahr 
890  seit  der  Passion  und  Auferstehung  und  Weltjahr  6084  — 
haben  dagegen  keinen  Wert. 

Diese  Erzählung  kennt  also  für  die  ganze  Zeit  von  etwa  773 
bis  785    (oder  789)    nur   zwei  Erist'awe  von  K'art'li  als  Vasallen 
der  in  Tiflis  herrschenden  Araber:  Nerse,  den  Sohn  des  Kuropalates 
und  Erist'aw  Adarnase  und  seinen  Neffen  Step'anos,  den  Sohn  des 
Gurgen-Erist'aw,  während  vom  Fürsten  Arii'il  mit  keiner  Silbe  die 
Rede   ist.     Allerdings   wimmelt    die  Geschichte    des    letzteren  von 
den  gröbsten  Verstössen  und  Anachronismen  und  es  wird  vor  der 
Beschaffung    älteren    historischen    und    hagiographischen    Materials 
nicht  gelingen,  dieselbe   völlig  zu  entwirren;    soviel  ist  aber  doch 
deutHch,    dass    den   historischen  Hintergrund  des  Martyriums  des 
Arö'il    die    qualvolle   Hinrichtung    des   Fürsten    der   Iberer   durch 
den  Chalifen  Musä    bilden    muss,    von   welcher  Levond    berichtet. 
Will  man    nun  Ar5'il    nicht   geradezu  dem  Erist'aw  Nerse  gleich- 
setzen,   der    allerdings    ebenso    wie   jener    in   Ap'chazet'i  Zuflucht 
gesucht  hat,    von    dessen  Martyrium    aber  nichts   bekannt  ist,    so 
o-ibt  uns,   wenn  ich  recht  sehe,    vielleicht  die  Chronik  selbst  die 
Lösung  dieses  scheinbar  unbegreifHchen  Rätsels  an  die  Hand,^  indem 
sie  erzählt,    Arß'il  habe  sich  zunächst  in  Egris    bis  nach  Sorapan 
d.  h.    in   Imeret'i    festgesetzt    und    in    C'iche-Gog    und    K'ut'at'is 
residiert,     um    sich    später    nach    Kachet'    zu    begeben,     wo    er 
mehrere  Festungen  angelegt  habe.     Erst  als  sich  der  sarazenische 
Heerführer   Cicum    (Chuzaima   b.   Chäzim)    nach    der   Verwüstung 
von  K'art'H    anschickte,   nach  Kachet'  einzudringen,    um  es    voll- 
ständig   zu    entvölkern,    und   die  Könige  und  mt'awars  ihm  nicht 

1)  Brosset,  Additions  et  eclaircissements  p.  132—136. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  421 

widerstehen  konnten,  entschloss  sich  Arß'il,  sich  selbst  dem 
Cicum  zu  stellen ,  um  ihn  um  Frieden  für  das  Land  zu 
bitten  i).  Er  war  demnach  bloss  nomineller  Fürst  von  Iberien 
und  hatte  in  Imeret'i  und  später  in  Kacheti'  (bei  den  Canark') 
noch  einen  Schatten  von  Herrschaft  gerettet.  Dass  er  in  der  That 
nichts  als  ein  Schattenkönig  war,  gesteht  übrigens  die  Chronik 
selbst  ein;  nur  lässt  sie  ihn  das  Aufkommen  der  Teilfürsten,  die 
sie  zu  Männern  seiner  Nichten  macht,  selbst  legitimieren  und  das 
Land  unter  sie  verteilen.  Unter  denselben  sind  auch  „Nerse  Ner- 
sian,  einer  der  Grossen  des  Königs  Wachtang,  und  Adarnase 
Adarnasian,  der  mit  dem  Vorhergehenden  Herr  des  Oberen  Landes 
oder  von  K'art'li  war"  -) ;  diese  beiden  Personen  entsprechen  wahr- 
scheinlich dem  Kuropalates  und  Erist'aw  Adarnase  und  seinem 
Sohne,  dem  Erist'aw  Nerse  im  Leben  des  hl.  Abo.  In  welchem 
Verhältnisse  aber  der  Kuropalates  und  Erist'aw  Adarnase  zu  seinem 
Zeitgenossen  Ar^'il  stand,  lässt  sich  bis  jetzt  nicht  ausmachen. 

Treffen  obige  Ausführungen  das  ^Richtige,  so  ist  Asot  Kuro- 
palates in  der  That  nicht  lange  nach  Guanser  vom  Chalifa  al  Amin 
mit  Georgien  belehnt  worden  und  hat  später  vom  Kaiser  Leon  die 
Würde  eines  Kuropalates  erhalten,  wenn  wir  auch  die  näheren 
Umstände  des  Erlöschens  der  alten  Dynastie  nicht  kennen.  Eine 
wenn  auch  vielfach  lückenhafte  Vorstellung  von  der  wirklichen 
Machtstellung  der  ersten  bagratidischen  Kuropalaten,  deren  Mittel- 
punkt immer  Klarget  und  Artanugi  blieb,  vermögen  wir  aber  nur 
zu  gewinnen,  wenn  wir  uns  darüber  klar  sind,  welche  Rolle  der 
thatsächliche  Herr  von  Georgien,  Ishäq  b.  Ismä'Il,  über  zwei  Jahr- 
zehnte lang  in  der  Geschichte  der  Kaukasusländer  gespielt  hat. 

Wir  finden  darüber  eine  interessante,  wohl  aus  Sapuh  Bagra- 
tuni  stammende  Notiz  bei  Stephan  Asoiik  II  6  p.  171  trad.  Du- 
laurier:  „Cependant  Theophile  se  rendit  dans  la  Chaldee  Pontique 
(Khagh'dik)  passant  sur  le  continent,  par  un  point  [so !] ;  il  fit  pri- 
sonniers  quantite  d' Armeniens  avec  leur  familles.  Ayant  confere  le 
consulat  c'est-ä-dire  le  patriciat  proconsulaire  ä  Aschod  fils  de 
Schabouh,  il  le  laissa  dans  le  district  de  Sber.  Aprös  avoir  per9U 
un  tribut  des  habitants  de  Theodosiopolis,  il  s'en  retourna.  Les 
Horomitians  ayant  penetre  dans  [le  district  de]  Vanand,  au  village 
de  Gadjgak'ar,  furent  tailles  en  pifeces  par  Sahag,  fils  d'Ismael". 
Dieser  Feldzug  des  Theophilos  (829 — 842)  hängt  wohl  zusammen 
mit  der  unglücklichen  Expedition  nach  dem  Lande  der  Abasger 
(Ap'chazen),  über  welche  allein  der  Fortsetzer  des  Theophanes, 
und   zwar    ohne    alle    näheren  Einzelheiten   berichtet^).     Nach  der 

1)  Hist.  de  la  Georgie  248—249.  253. 

2)  Hist.  de  la  Georgie  p.  248 ;  s.  o.  S.  395. 

3)  Theophan.  contin.  p.  137,  16 — 18  ed.  Bonn.:  y.al  av&ig  iv  'Aßa- 
ayia  ort  &i:6cpoßog  xai  6  xfig  Otoämgag  ccötltpbg  Bagdag  ccnoeralivtsg 
y-srä  ar^ariäg  laxvQ&g  iSvßtvxriGccv,  öliycov  ccyav  iy.nO'sv  vitoatQiipdvtoiv. 
Vgl.  Lebeau-Saint-Martin,  Hist.  du  Bas-Empire  13,97  s. 


422  J-  Marquart, 

georgischen  Chronik  hatte  sich  Leon  IT.,  der  Erist'aw  von  Ap'- 
chazien  und  Sohn  einer  Tochter  des  Königs  der  Chazaren,  mit  Hilfe 
der  letzteren  von  den  geschwächten  Griechen  losgesagt,  sich  in 
Ap'chazien  und  Egris  bis  zum  Berge  Lieh  unabhängig  gemacht 
und  gegen  Ende  der  Regierung  des  iberischen  Fürsten  Guanser 
den  Titel  „König  der  Ap'chaz"  angenommen.  Sein  Sohn  und 
Nachfolger  T'ewdos,  der  Eidam  des  Asot  Kuropalates,  unterstützte 
diesen  im  Kampfe  gegen  eine  Koalition  Grigols,  des  mt'awars  von 
Kachet',  der  Mt'iul  und  Canark'  und  des  Emirs  von  Tiflis  (s.  o. 
S.  406)  1),  allein  nach  dem  Falle  Sahaks,  des  Emirs  von  Tiflis  (853), 
sehen  wir  T'ewdos,  den  König  von  Ap'chazet',  gegen  Bugha  ziehen, 
welcher  gegen  ihn  den  General  Zirak  und  den  Kuropalates  Bagrat, 
den  Sohn  des  Asot,  aussendet'-).  Der  „König"  von  Ap'chazien 
hatte  also  inzwischen  seine  Parteistellung  gewechselt  und,  sei  es 
freiwillig  oder  gezwungen,  die  Oberhoheit  des  mächtigen  Emirs 
von  Tiflis  Ishäq  b.  Ismä'il  anerkannt.  Dabei  wird  bei  ihm  gewiss 
die  Hofi"nung  eine  Rolle  gespielt  haben ,  an  diesem  einen  Rück- 
halt gegen  die  Romäer  zu  gewinnen ,  falls  dieselben  versuchen 
sollten,  ihre  Hoheitsrechte  in  Ap'chazien  mit  Waffengewalt  wieder 
zur  Geltung  zu  bringen,  und  dass  er  sich  darin  in  der  That  nicht 
getäuscht  hatte,  zeigt  eine  Kombination  der  Notizen  des  Stephan 
Asoiik  und  des  Fortsetzers  des  Theophanes  deutlich.  Im  Anfange 
der  Regierung  Michaels  III.,  des  Sohnes  des  Theophilos  (842 — 867) 
unternahmen  die  Romäer  abermals  einen  Zug  gegen  Ap'chazien 
unter  Führung  des  Theoktistos,  der  aber  einen  ebenso  unglücklichen 
Verlauf  nahm  wie  der  erste  ^).  Diese  Nachrichten  bestätigen  also 
Mas'üdl's  Angabe,  dass  die  Ap'chazen  gleich  den  Gurz  (Georgiern) 
bis  auf  al  Mutawakkil  dem  arabischen  Kommandanten  von  Tiflis 
steuerpflichtig  waren  *),  wenigstens  für  die  Zeit  des  Ishäq  b.  Ismä'il, 
welcher  zwei  Jahrzehnte  lang  (ca.  830 — 853)  als  fast  unabhängiger 
Herrscher  in  Tiflis  gebot  ^).  Die  angeführte  Erzählung  des  Stephan 
Asoiik  zeigt  übrigens  am  deutlichsten ,  wie  weit  sich  die  Macht 
Ishäq's  selbst  bis  ins  eigentliche  Armenien  hinein  erstreckte,  und 
erweist  die  Genauigkeit  der  Schilderung  Mas'üdi's ,  der  von  ihm 
sagt:  „Es  war  daselbst  (in  Tiflis)  ein  Mann  namens  Ishäq  b. 
Ismä'il,    der  durch    die    zu  ihm  haltenden  Muslime    die  Oberhand 


1)  Hist.  de  la  Gdorgie  I  259.  261. 

2)  Hist.  de  la  Gdorgie  p.  266. 

^)  Theophan.  contin.  IV  39  p.  203,  2 — 7:  xat  yaQ  r\liay,&v  nots 
^v-lsiipsav  ovo  yi-ysvrniivcov,  Karcc  t&v  'Aßaay&v  ovrog  (Öfdxrtffros)  tcqo- 
xpi'9'tig  GrQatriybg  d'no^Tjviag  cc7ti]X(xv6£  Svatvj^&g'  oi  jihv  yaQ  vavaylco 
■JtEQiituGÖvtsg  tisqI  ri]v  kavt&v  ^(orjv  idvatv^riaav ,  oi  6h  kuI  rijg  i,r]Q&g 
iTiißävxhg  talg  iKslvcov  Svcrv^icug  6vv£yioivmvr]Gav.  yial  ovrog  ^Iv  ovtwg 
ccittoXsxo  d  axQaxog.     Vgl.  Lebeau- Saint-Martin  13,  168 — 169. 

*)  Mas'üdl,  Mürug  II  65.     S.  o.  S.  174. 

")  S.  410. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  423 

hatte  über  die  umliegenden  Völker,  welche  sich  seiner  Botmässig- 
keit  fügten  und  zur  Zahlung  der  Kopfsteuer  an  ihn  verstanden. 
Seiner  Herrschaft  unterstanden  die  dortigen  Völker,  bis  al  Muta- 
wakkil  den  Boyä  sandte,  der  vor  der  Grenzfestung  Tiflis  Halt 
machte  und  vor  ihr  lagerte,  sie  bekämpfend,  bis  er  sie  im  Sturm 
eroberte  und  den  Ishäq  tötete ,  weil  er  sich  der  Gegend  mit  Ge- 
walt bemächtigt  hatte i).  Es  gab  von  ihm  Geschichten,  deren 
Wiedergabe  zu  lang  würde,  die  aber  unter  der  Bevölkerung  dieses 
Landstriches  xmä  andern,  welche  sich  mit  der  Geschichte  dieser 
Welt  beschäftigen,  berühmt  sind.  Ich  glaube  aber,  er  war  ein 
Mann  von  Qurais,  von  den  Banü  ümaija,  oder  ein  zu  ihrem 
Anhang  gehöriger  Klient-).  Seit  jener  Zeit  ist  nun  der  Eespekt 
vor  den  Muslimen  aus  der  Grenzfestung  Tiflis  gebrochen  bis  auf 
diesen  Augenblick,  so  dass  die  ihnen  benachbarten  Königreiche 
sich  geweigert  haben ,  ihnen  botmässig  zu  sein ,  und  die  meisten 
der  Landgüter  von  Tiflis  weggenommen  haben,  und  der  Verkehr 
von  den  Ländern  des  Islams  nach  der  Festung  Tiflis  durch  diese 
ungläubigen  Völker  geht,  da  sie  jene  Grenzfestung  umringen; 
allein  ihre  Einwohner  besitzen  noch  Kraft  und  gewaltige  Tapfer- 
keit, obwohl  die  erwähnten  Königreiche  sie  umringen".  Unter 
al  Wä-Oiq  (842 — 847)  wurde  Ishäq  sogar  vom  Chalifa  als  Herr 
von  Armenien  anerkannt^).  Er  hatte  eine  Tochter  des  christ- 
lichen „Herrn  des  Thrones"  (yj-^v^J!  ^.^^Las)  d.  i.  des  Königs  der 
Awaren  im  nördlichen  Daghestan*)  zur  Frau  und  Krieger  aus  dem 

beherzten  Bergvolke  der  Chojt'  (x-'.ij».il) ,  die  den  Statthalter 
Jüsuf  b.  Abi  Sa'rd  Muhammad  al  Marwazi  erschlagen  hatten,  und 
andere  in  Sold  genommen  5). 

So  lange  aber  Ishäq  b.  Ismä'Tl  in  Tiflis  herrschte,  hatten  die 
Bagratiden  im  eigentlichen  Iberien  nichts  zu  sagen  und  war  an 
die  Gründung  eines  neuen  Fürstentums  daselbst  nicht  zu  denken. 
Die  Blutgerichte,  mit  denen  Chuzaima  b.  Chäzim  unter  ar  Rasid 
gegen  die  Teilfürsten '  (&.i  .LLaxJO  und  Prinzen  Armeniens  gewütet 
hatte,  werden  in  erster  Linie  auch  die  iberischen  Notabein  be- 
troffen haben,    wie  sich  daraus  ergibt,  dass  gerade  Georgien  und 


1)  Vgl.  Bäl.  ni ,  5—6. 

2)  So  Tab.  III  (flf ,  7. 

3)  Ibn  Chord.  IT,  8. 

*)  In  dieser  Stelle  könnte  man  eine  Bestätigung  der  Angabe  des 
Eutychios  II  230  sehen,  dass  der  „Herr  des  Thrones"  der  Fürst  der 
Canark'  gewesen  sei;  vgl.  oben  S.  411  und  Ibn  Chord.  IT,  9,  wo  das 
Gebiet  des  Herrn  des  Thrones  zwischen  Tiflis  und  dem  Lande  des 
Königs  der  Alanen  gedacht  ist.  Andere  Stellen,  vor  allem  der  Bericht 
des  Ibn  Rusta  Ifv    sprechen  aber  dagegen. 

*)  Tab.  III  tfn,  5—6. 


424  J.  Marquart, 

die  Canark'  dadurch  zum  Aufstand  getrieben  wurden.  Später  ist 
aber  in  den  arabischen  Quellen  von  Teilfürsten  in  Georgien  nicht 
mehr  die  Rede,  und  was  etwa  von  ihnen  noch  im  Lande  geblieben 
war,  wagte  sicherlich  unter  dem  strammen  Regimente  Ishäqs  nicht 
zu  mucksen. 

In  den  langen,  von  Johannes  Katholikos  und  Thomas  Arcruni 
mitgeteilten  Listen  armenischer  und  albanischer  Grossen,  welche 
Boyä  in  den  Jahren  852 — 855  nach  Samarra  führen  Hess,  findet 
sich  kein  einziger  Fürst  von  Iberien;  es  waren  vielmehr  immer 
nur  die  Canark'  am  Kaukasus  nördlich  von  Tiflis,  welche  den 
Arabern  das  Leben  sauer  machten  i).  Erst  nach  dem  Falle  des 
Ishäq  (853)  und  dem  Abzüge  Boyä's  aus  Armenien,  als  sich  der 
Chalifa  infolge  des  Wiederausbruchs  des  Krieges  mit  dem  Romäer- 
reiche  genötigt  sah  seine  Truppen  aus  Armenien  zurückzuziehen, 
vermochte  auch  dieses  wieder  aufzuatmen. 

In  Iberien  abei-  suchte  zunächst  der  Fürst  von  Ap'chazien 
festen  Fuss  zu  fassen,  unterstützt  von  einem  Teile  der  iberischen 
Fürsten  bagratidischer  Abkunft  (s.  u.).  Auch  bei  Thomas  Arcruni 
ist  einige  Jahre  später,  nachdem  Asot  der  Grosse  im  Jahre  862 
zum  Fürsten  der  Füi^sten  ernannt  worden  war,  wieder  von  Fürsten 
Iberiens  die  Rede:  „Allein  da  Asot,  der  Fürst  der  Fürsten,  mit 
der  Oberleitung  unseres  Landes  Armenien  betraut  worden  war, 
machte  er  sich  daran  die  Fürsten  von  Armenien,  Iberien  und 
Albanien  zu  unterwerfen,  was  auch  geschah"-).  Bis  dahin  aber 
w^aren  die  iberischen  Bagratiden  einfache  Gaufürsten  in  Artanugi, 
die  bald  unter  romäischer,  bald  arabischer  Hoheit  standen  und 
als  Vasallen  der  Chalifen  die  nämliche  Politik  beobachteten  wie 
ihre  Vettern  in  Armenien:  gegenüber  den  arabischen  Usurpatoren 
in  Tiflis  ihr  Heil  im  engen  Anschluss  an  den  Chalifen  im  fernen 
Baghdad  zu  suchen. 

Neben  den  Bagratiden  von  Artanugi  in  Tao  gab  es  noch  eine 
andere  Linie  in  Sper ,  dem  alten  Stammsitze  des^  Geschlechtes  ^). 
Wir  haben  oben  gesehen,  wie  Asot,  der  Sohn  des  Sapuh  und  Nefle 
des  Asot  msaker  vom  Kaiser  Theophilos  auf  seinem  Zuge  nach 
Chaitik'  als  Fürst  im  Gaue  Sper  zurückgelassen  worden  war*). 
Noch  während  des   Zuges  Boyä's    finden  wir    dann    im  Gaue  Sper 


^)  Vgl.  Thomas  Arcruni  III  10  p.  143  ss.  trad.  Brosset.  Ja'qubi, 
Hist.  II  ffv,  7.  10.  13.  oll,  8.  5.  9.  olo,  4  v.  u.  o^^,  5.  oaa,  12.  oIa,  paen. 
Brosset,  Coli,  d'hist.  arm^n.  T  Appendice  p.  609 — 613.  Daghba- 
schean,  Gründung  des  Bagratidenreiches  S.  31  f. 

2)  Thomas  Arcruni  III  14  S.  206  ed.  Patkanean  =  165  trad. 
Brosset;   vgl.  Daghbaschean  a.a.O.  43. 

3)  Faust.  Byz.  5,  44  S.  263. 

*)  Der  an  sich  nahe  liegende  Gedanke,  den  Ursprung  der  iberi- 
schen Bagratiden  in  diesem  Ereignis  zu  suchen  und  Asot,  den  Sohn 
des  Sapuh,  mit  Asot,  dem  Vater  des  Grossfürsten  Atrnerseh  von  Iberien 


Osteuropäische  und  ostasiatische  StreifzUge.  425 

ein  Fürstlein  namens  Gaiabar  aus  dem  bagratunischen  Hause,  das 
den  Griechen  die  Festung  Aramaneak  entrissen  hatte  und  zu 
welchem  Gurgen  Arcruni  aus  Waspurakan  floh '). 

Den  genealogischen  Knäuel  der  vielen  Nebenlinien  der  Chronik 
nach  dem  Kuropalates  Bagarat  zu  entwirren  sind  wir  bislang  ausser 
Stande.  Wohl  aber  vermögen  wir  mit  Hilfe  Wardans  wenigstens 
einige  der  gröbsten  Irrtümer  in  demselben  aufzudecken  und  zu 
berichtigen.  Guaram,  der  jüngere  Bruder  des  Bagarat  Kuro- 
palates, wird  als  Bruder  Asots,  des  Sohnes  Smbats  und  Königs 
von  Armenien  bezeichnet  2).  Da  weiterhin  der  König  von  Armenien 
der  Bruder  seiner  Frau  genannt  wird,  so  kann  der  Sinn  dieser 
Worte  nur  sein,  dass  er  ein  Schwager  (beau-frere)  Asots,  des 
Fürsten  der  Fürsten  und  späteren  Königs  von  Armenien  gewesen 
sei.  Das  war  aber  nach  Wardan  vielmehr  sein  älterer  Brixder 
Bagarat  Kuropalates.  Guaram  soll  Ga wachet',  T'rialet',  Tasir, 
Aboc'  (arm.  Asoc'k')  und  Artahan  besessen  und  gegen  die  Sara- 
zenen Krieg  geführt  haben.  „Bald  war  er  im  Vorteil,  bald  im 
Nachteil.  Nun  teilte  Guaram  seine  Gebiete  unter  seine  Brüder 
Adarnase  und  Bagrat  und  gab  Aboc'  dem  König  von  Armenien, 
dem  Bruder  seiner  Frau".  In  dem  Kampfe,  der  zwischen  Asot, 
dem  Fürsten  der  Fürsten,  und  Giorgi  I.  Aghcep'el,  dem  König 
von  Ap'chazien,  um  den  Besitz  von  Georgien  ausbrach  und  dessen 
Geschichte  für  uns  leider  verloren  ist,  teilten  sich  die  iberischen 
Prinzen  in  zwei  Parteien:  Nasra,  der  Sohn  des  Guaram  mamp'al 
und  Vetter  des  Dawit'  Kuropalates,  und  Gurgen-^)  standen  auf 
Seite  der  Ap'chazen ,  während  Dawit'  und  Liparit  die  Armenier 
unterstützten.  „In  jener  Zeit  wurde  Guaram  Mönch".  Liparit 
bemächtigte  sich  T'rialet'i's  und  erbaute  die  Citadelle  Klde-Karni, 
und  Dawit',  der  Sohn  des  Bagrat  Kuropalates,  ward  Herrscher. 
Nach  Wardan  S.  85  breitete  der  grosse  Asot  als  Fürst  der  Fürsten 


nach  Konstantin  gleichzusetzen,  ist  aber  von  vornherein  abzuweisen. 
Da  jener  Asot  der  Vater  des  Geschichtschreibers  Sapuh  Bagratuni  ist, 
so  wäre  es,  selbst  wenn  man  von  Wardans  Angaben  völlig  absehen 
dürfte,  kaum  begreiflich,  dass  eine  so  wichtige  Thatsache,  wie  die 
Gründung  des  nachmaligen  Königreichs  Iberien  durch  den  Vater  des 
Geschichtschreibers,  völlig  in  Vergessenheit  geraten  wäre. 

1)  Thomas  Arcruni  III  13  S.  194   ed.  Patkanean  =  p.  155—156 

trad.    BrOSSet:     \jl.    trifL.    [ippd-    liminiupLujj     \^ni.[uiaj     qu/hju     w'l'jl'ß    (['"t 

2)  B rosset,  Hist.  de  la  Göorgie  p.  269.  So  ist  die  Stelle  auf- 
zufassen, denn  Smbat  Aplabas  war  ja  nicht  König,  nur  sparapet  von 
Armenien. 

3)  Wahrscheinlich  der  nachmalige  Gurgen  Kuropalates. 


426  "'•  Marquart, 

seine  Herrschaft  über  Iberien  und  Albanien  aus  und  unterwarf 
die  Kaukasusstämme,  und  nichts  fehlte  ihm  als  die  Krone.  Die 
Pai-teistellung  Dawit's  entspricht  vollkommen  der  späteren  Haltung 
seines  Sohnes  Atrnerseh.  Ohne  Zweifel  wurde  er  daher  von  Asot 
als  sein  Vasall  zum  Fürsten  von  Georgien  eingesetzt.  In  der 
That  berichtet  Wardan  S.  86:  „Aber  der  König  Asot  setzt  zum 
Fürsten  von  Iberien  ein  seinen  Schwestersohn  (d.  h.  Davit',  den 
Sohn  des  Bagarat)  und  vollendet  selbst  in  Christo  im  Alter  von 
71  Jahi'en".  Die  Frage  ist  nur,  ob  Wardan  im  Eechte  ist,  die 
Bestallung  Da\nt's  nach  der  Krönung  Asots  (885)  zu  setzen.  „In 
jener  Zeit  tötete  Nasra,  der  Sohn  des  Guaram  mamp'al,  durch 
Verrat  den  Kuropalates  Dawit',  den  Sohn  des  Bagarat  und 
seinen  väterlichen  Oheim,  im  Jahre  881 — 101.  Dieser 
hinterliess  einen  Sohn  Adarnase,  der  nach  seinem  Vater  König 
wurde ''^).  Nach  Wardan  S.  82  wurde  aber  Dawit',  der  Sohn  des 
Bagarat,  von  seinem  Vatersbruder  Goram  ermordet  ^) ,  so  dass  es 
scheint,  dass  Nasra  bezw.  (p.  272)  Nasr  in  Wirklichkeit  nur  ein 
anderer  Name  (arab.  Aoi?)  des  Guaram  mamp'al  ist.  Jedenfalls 
erweist  sich  jetzt  die  Angabe,  dass  dieser  seine  Besitzungen  unter 
seine  Brüder  verteilt  habe  und  Mönch  geworden  sei,  als  Erfindung. 
Nach  der  Ermordung  des  Dawit'  Kuropalates  vereinigten  sich 
jedoch  die  Armenier,  Liparit  und  die  Geoi-gier  sowie  Asot,  der 
Bruder  des  Dawit',  gegen  Nasr,  lieferten  ihm  eine  Schlacht,  trieben 
ihn  in  die  Flucht  und  entrissen  ihm  seine  Festungen.  Nasr  floh 
nach  Griechenland  zum  Kaiser,  wo  er  lange  blieb.  Am  Hofe  von 
Konstantinopel  befand  sich  damals  auch  Bagrat,  der  Sohn  Demetre's, 
des  Königs  der  Ap'chaz,  der  sich  vor  seinen  Verwandten  hatte 
flüchten  müssen.  Nachdem  es  diesem  mit  Unterstützung  einer 
griechischen  Streitmacht  geglückt  war,  sich  Ap'chaziens  zu  be- 
mächtigen und  den  König  Adarnase,  den  Sohn  des  Joane,  zu 
beseitigen,  rief  er  den  Nasr  aus  Griechenland  zurück  und  gab 
ihm  ein  Heer,  mit  dem  er  nach  Samc'che  eindrang,  wo  er  sich 
der  drei  von  Guaram  erbauten  Festungen  Ozrche,  Guarisc'iche 
und  Lomsiant'a  bemächtigte.  Mit  einem  unzählbaren  Heere  zog 
Nasr  dann  gegen  Adarnase,  den  König  von  K'art'li,  allein  dieser, 
unterstützt  von  Gurgen  Kuropalates  und  dessen  Söhnen  sowie  den 
Armeniern,  schlug  den  Nasr  und  die  mit  ihm  verbündeten  Ap'chaz, 
Baqat'ar,  den  Mt'awar  von  Oset'i  und  den  Erist'aw  der  Ap'chaz. 
Nasr  wurde  gefangen  genommen  und  im  Thale  von  Samc'che  ge- 
tötet (888).  Mit  ihm  starb  diese  Linie  aus,  da  sein  Bruder  Asot 
schon  im  Jahre  869  gestorben  war  (p.  274).  Unmittelbar  darauf 
lesen  wir,    dass   auch  Gurgen  Kuropalates  noch   vor  seinem  Tode 


1)  Hist.  de  la  Georgie  270.  271. 

2)  Eiüe  Handschrift  der  Chronik  (p.  282)  findet  es  nötig  hervor- 
zuheben, dass  die  Ermordung  Dawit's  durch  seinen  Vetter  Nasra  aller- 
dings zu  Lebzeiten  Guaram's,   aber  ohne  dessen  Mitschuld  erfolgt  sei. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  427 

sich  mit  Adarnase  und  Bagrat  von  Artanugi,  dem  Sohne  des  Sumbat 
Mamp'al  überwarf,  weil  er  sein  Besitztum  in  Kalmach  in  Tao  ver- 
liess,  um  in  Sawset'  und  Artan  zu  leben,  und  ihnen  beim  Dorfe 
Mglinaw  im  Thale  von  Artanug  ein  Treffen  lieferte ,  in  welchem 
er  geschlagen  wurde  und  in  Gefangenschaft  geriet,  wo  er  an  den 
Folgen  der  erhaltenen  Wunde  starb. 

Wann  Atrnerseh  III.  gestorben  ist,  wissen  wir  nicht.  Die 
Chronik  lässt  ihm  zunächst  seinen  Sohn  Dawit'  in  der  Würde  des 
Kuropalates  folgen ,  der  im  Jahre  937  starb ').  Aus  Konstantin 
Porphyrogennetos  müssen  wir  aber  schliessen ,  dass  darauf  jene 
Würde  auf  Atrnerseh  (IV.),  einen  Sohn  des  Bagrat  Magistros 
und  Bruder  Gurgens  I.,  des  Fürsten  der  Iberer  und  Herrn  von 
Artanug  aus  einer  Nebenlinie  übergegangen  ist,  in  dessen  Hause 
sie  sich  dann  vererbt  hat.  Die  Chronik  hat  aber  die  beiden 
Kuropalaten  Atrnerseh  zusammengeworfen  und  macht  die  uns  aus 
Konstantin  bekannten  vier  Söhne  des  Atrnerseh  IV.  zu  Söhnen  des 
Atrnerseh  III.  Daneben  hat  sie  allerdings  Atrnerseh  IV.  als  Sohn 
des  Bagrat  Mamp'ali  bewahrt,  aber  nicht  als  Kuropalates'-).  Seine 
vier  Söhne  werden  ihm  genommen  und  er  muss  deshalb  Mönch 
geworden  sein.  Sein  vierter  Sohn  entspricht  dem  König  Sumbat 
Kuropalates,  dem  Bruder  des  Königs  Dawit'  und  Sohne  des  Königs 
Adarnase,  der  im  Jahre  959  starb  •^). 

Gurgen  IL,  der  Fürst  der  Iberer  und  Herr  von  Qwel  und 
Aöara,  welcher  seinem  Schwiegervater  Asot  Kiskasi  später  die 
Festung  Artanugi  entreisst,  ist  identisch  mit  Gurgen,  dem  Erist'aw 
der  Erist'awe,  welcher  nach  dem  Leben  des  Märtyi-ers  Gobron  die 
Festung  Qwel  besass*).  Bagrat,  der  jüngere  Bruder  des  Königs 
Giorgi  von  Ap'chazet'i ,  soll  sein  Schwiegersohn ,  Ischanik  von 
Heret'i  der  Sohn  seiner  Schwester  Dinar  gewesen  sein 5).  Konstantin 
p.  209,  25  nennt  ihn  lE,döeX(pog  (Vetter)  der  Söhne  des  Kuropalates 
Atrnerseh  IV.,  womit  er  wohl  nur  als  Sprössling  einer  Seitenlinie 
bezeichnet  werden  soll,  und  in  der  That  wird  er  in  der  Chronik 
von  einer  solchen  abgeleitet.  Daneben  aber  hat  eine  andere  Auf- 
fassung Aufnahme  gefunden,  welche  diesen  Gurgen  für  einen  nach- 
geboi-nen  Sohn  des  Gurgen  I.  erklärte,  der  doch  nach  Konstantin 
kinderlos  verstorben  war. 

Dagegen  haben  der  Fürst  Georg  und  sein  Bruder  Äreves, 
„zwei  tapfere  Heerführer  der  Iberer",  welche  nach  Moses  Kaian- 
katvac'i  im  Anfange  der  Regierung  Smbats  des  Märtyrers  dem 
Heerführer  des  Jüsuf  b.  Abu  's  Säg  entgegentraten ,  als  er  einen 
Raubzug  nach  Iberien  machte,  aber  von  ihm  grausam  hingerichtet 


1)  Brosset,  Hist.  de  la  Göorgie  28L 

2)  Hist.  de  la  Georgie  I  272. 

3)  Hist.  de  la  Georgie  281.  280. 

*)  Brosset  p.  276  n.  3.     Siehe  oben  S.  184. 
ö)  1.  1.  278.  279. 


428  J-  Marquart, 

wurden  ^),  mit  den  iberischen  Bagratiden  nichts  zu  thun,  sondern 
waren  Fürsten  der  Sevoi^dik'  (Magyaren)  von  Uti  2),  wie  wir  aus 
Joh.  Katholikos  (Jerusalem  1867  S.  235  f.)  ersehen  (s.  Nachträge). 
Die  Stelle  des  Konstantin  Porphyrogennetos  de  admin.  imp. 
c.  46  p.  207,  15  ff.  über  die  Verwandtschaft  der  iberischen  Bagra- 
tiden-Linien,  an  welcher  Bros set,  Additions  p.  149  Anstoss  ge- 
nommen hat,  wird  verständlich,  sobald  man  erkennt,  dass  David, 
der  Sohn  des  Smbat,  um  eine  ganze  Generation  jünger  ist  als 
sein  Bruder  Bagrat,  und  von  einer  andern  Mutter  stammt  als 
dieser.  Darnach  wären  also  die  Mütter  von  Oheim  und  Neffe 
Cousinen  gewesen,  d.  h.  Bagrat,  der  Vater  des  Adarnarse,  hätte  die 
Cousine  seiner  Stiefmutter  geheiratet,  was  nicht  undenkbar  ist. 
Der  im  folgenden  genannte  'AÖQavaar]  6  aQtioig  ^dyiGTQOg ,  der 
Sohn  des  Bagrat  Magistros,  dessen  Schwester  Smbat  der  Sohn  des 
Dawit'  zur  Frau  hat,  ist  keineswegs  identisch  mit  dem  Kuropalates 
Adarnarse,  dem  Vater  „des  gegenwärtigen  Kuropalates"  Aschot,  wie 
Brosset  glaubt.  Denn  der  Magistros  Adarnarse  ist,  wie  der  Aus- 
druck 6  ciQZLfog  fxüyiörQog  ja  schon  besagt,  zur  Zeit  der  Abfassung 
des  Werkes  (952)  noch  am  Leben  und  ein  Seitenverwandter 
(ccveipiog)  des  Kuropalates  Aschot  (de  admin.  imp.  c.  45  p.  203,  16), 
während  der  Kuropalates  Adarnarse  zu  der  Zeit,  als  der  Kaiser 
Romanos  Lekapenos  (920 — 944)  dem  Gurgen  IL  die  Abzeichen 
der  Magistroswürde  überbringen  Hess,  bereits  gestorben  war. 
Bagrat  Magistros,  der  Vater  des  Adarnarse  Magistros,  kämpft  mit 
dem  Protospatharios  Johannes  (Kurkuas)  im  Jahre  934  gegen 
Theodosiupolis  (Karin)  3)  und  erhält  von  ihm  das  eroberte  Mastat, 
das  er  aber  den  Muslimen  von  Karin  wieder  ausliefert  (p.  204, 
17  ff.).  Unter  diesem  Bagrat  Magistros  kann  niemand  anders  ge- 
meint sein  als  der  Bruder  des  Kuropalates  Aschot,  der  nach  der 
Chronik  König  von  K'art'li  und  Kuropalat  war  und  im  J.  945 
starb  und  in  der  That  einen  Sohn  Adarnase  hatte,  welcher  nach 
seinen  Oheimen  Kuropalat  wurde  und  von  seinen  Söhnen  ins 
Kloster  gesteckt  im  Jahre  961  starb*).  Wenn  also  Konstantin 
den  Magistros  Adarnarse  als  aveipiog  des  regierenden  Kuro- 
palaten  (Aschot)  bezeichnet,  so  steht  dieser  Ausdruck  hier  für 
„Neffe". 

Spandiat,  der  kinderlos  verstorbene  Bruder  des  David,  der 
nur  bei  Konstantin  vorkommt,  erscheint  zunächst  rätselhaft;  allein 
die  Bemerkung,  dass  er  am  ganzen  Körper  unverwundbar  war  mit 
Ausnahme    des  Herzens,    das  er  darum  in   den  Kriegen  mit  einer 


1)  Mos.  KaK  3,  21    Bd.   II   64/65    ed.    Sabnazarean    (S.   270    ed. 
Emin). 

2)  Vgl.  oben  S.  38  f. 

^)  de  M uralt,  Essai  de  Chronographie  byz.  I  509. 
*)  Hist.  de  la  Georgie  I  280.  284. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  429 

Schutzwehr  zu  beschirmen  pflegte,  beweist  unzweideutig,  dass 
kein  anderer  gemeint  ist  als  der  gefeierte  iranische  Sagenheld 
Spandijät,  der  Sohn  des  Kai  Wistäsp,  dem  man  die  Erbauung 
des  Alanenschlosses  zuschrieb^).  Aber  die  Georgier  haben  ihn  zu 
dem  Ihrigen  gemacht  und  erzählten  daher,  er  habe  gegen  die 
Perser  gekämpft,  sie  besiegt  und  sich  ihnen  furchtbar  gemacht-). 
Im  östlichen  Kaukasus  wurde  der  Riese  Aspandiat  gar  als^  Gott 
verehrt  und  von  den  dortigen  Hunnen  mit  ihrem  Vangri-chan 
gleichgesetzt  ^).  Wenn  aber  die  georgischen  Bagratiden  soweit 
gegangen  sind,  den  Erbauer  des  Alanenschlosses  in  ihren  Stamm- 
baum aufzunehmen,  so  lässt  sich  dies  nur  daraus  begreifen,  dass 
sie  den  Spuren  des  Ps.  Moses  Chorenac'i  gefolgt  sind*).  Dieser 
behauptet  II  63  S.  142,  bei  den  Bagratiden  seien  ursprünglich 
jüdische  Namen  wie  ßagadia^  iSap^atia^  Wazaria  u.  a.  gebräuch- 
lich gewesen,  und  erwähnt  II  24  S.  99  in  der  That  zwei  angebliche 
Bagratiden  namens  Sap'atiaj  und  Azariaj ,  die  Söhne  des  Enanos, 
die  vom  König  Arsam  gezwungen  werden ,  das  Judentum  ab- 
zuschwören. Da  nach  dem  von  Ps.  Moses  selbst  gelieferten  Schlüssel 
Bagadia  Judaisierung  von  Bagarat,  Wazaria  (oder  Azaria)  von 
Waraz  ^) ,  Sambat  von  Smhat  ist ,  so  kann  es  kaum  zweifelhaft 
sein,  dass  nach  seinem  System  Sap^atia  ^=  Sacpaxiaq,  1-i^X2Z-^  für 
Aspet,  den  im  Bagratidenhause  erblichen  Titel  stehen  soll  *^) ;  allein 
man  konnte  darin  allerdings  ebensogut  Spandiat  finden,  und  da 
durch  Ps.  Moses  die  jüdische  Abkunft  der  Bagratiden  feststand, 
so  stiess  man  bei  einigem  Suchen  in  der  Bibel  leicht  auf  Eacpaxiag, 
Davids  Sohn  von  der  Abital  (2  Sam.  3,  4.  1  Chron.  3,  3)^).  Auf  den 
König  David  führte  überdies  der  bei  den  iberischen  Bagratiden 
gebräuchliche  Name  Dawit'.     War    man    aber  einmal   so  weit,    so 


1)  S.  0.  S.  166.     Vgl.  Ibn  al  Faq.  H.,  2. 

')  Konstantin.  Porphyrog.  de  admiu.  imp.  c.  45  p.  198,  5—14:  ocirts 
ÜTtavöiätris  ^v  iv.  Q^bov  Xußcov  %äQi6yL,a,  ans  avxol  cpccay-ovai ,  rov  (iTj  iv 
Ttoli^Lcp  aTttna^ai  avtov  ^icpog  atg  olov  Sr]not£  iiilog  rov  am^atog  avtov 
av£v  tfjg  KocgSiag,  rjv  xaJ.  dicc  xtvog  TtsgicxsTtäaiiarog  iv  tolg  noXi^oig 
TtSQLicpQOVQSi.  öiä  tovTO  Kai  iTttoovvto  rovtov  JCKt  idsdisLaocv  ol  niQOai  ■ 
6  dh  rkviv-fimv  avtovg  y.a.1  avräv  xar^xparrjcTf,  %al  rovg  avyytvstg  ivamasv 
"IßrjQCig  slg  Ta?  dvGKoXLug  rag  vvv  Tca^'  avräv  -nQarov iiiv ag 
(Dariela!),  i^  av  xar'  oXiyov  iTtXaTvv^7]6av  xat  r\v^avQ"ri6av  xai  ft's 
[Liya  iO'vog  iyivovro. 

■^)  Mos.  KaV.  2,  40  vol.  I  372.  378.  41  S.  382.  383.  384.  388. 

^)  In  der  georgischen  Chronik  p.  31  ist  der  berühmte  Riese  Span- 
diat Ruali  (,.yJ  (JV35)  noch  richtig  König  von  Persien. 

^)  Waraz-Tiroc'  und  Waraz -Sahak  sind  bei  den  Bagratiden  ge- 
bräuchliche Namen. 

6)  In  der  armenischen  Urgeschichte  des  sog.  Marabas  (Sebeos 
S.  6,  12  ed.  Patkanean)  \\^uu^ult^  Aspat,  der  Sohn  des  Biuram  (Biurat?). 

')  Vgl.  A.  Carriere,  La  legende  d'Abgar  dans  l'Histoire  d' Arminia 
de  Moi'se  de  Khoren.  Centenaire  de  l'Ecole  des  langues  orientales, 
Vivantes,  Paris  1895  p.  385. 


4.30  J-  Marquart, 

ei'schien    doch    die    Abstammung    von    Bathscheba',    also    die  Ver- 
wandtschaft mit  Salomo,  noch  vornehmer.     Auf  diese  Weise  wird 
also    der  altiranische  Held  Spandijät  zu  einem  Sohne  Davids  und 
zugleich  zum  Bruder  des  Ahnherrn  der  iberischen  Bagratiden  ge- 
worden sein.     Erst  durch  die  epochemachenden  Entdeckungen  des 
Ps.  Moses    wurden    also    die    Iberer    zu    eigenen    Erfindungen    an- 
gespornt und  entdeckten,  seinen  Andeutungen  folgend,  ihren  Ur- 
sprung   im    Hause    Davids.     Die    weitere    Behauptung    aber:    elQ^ 
ovro3    rov     ßaödicog    'HqcckXeIov     %axa.    UeQaiöog     iKßrQccrevaavrog 
'ilucj&riGav  Kai  6vvaraE,Ldsv6ccv  avrä,  v.a\  iKrozE  vnita'^ccv  tq  cpößo) 
'HQanisiov    rov  ßaadscog  'Pco^aCcov    fiäXlov    rjTtEQ    ry    ecivxav  iöivC 
v,a.l  dvvaiisi    Tcolsig    Kai    %(aqag  havag  xCov  IIsqG&v  ana'E,  yccQ  toi) 
ßaödecog  'HgankeCov    tovg  TleQßag  tQOTtcoöajxivov  aal   elg  xo  ^rjy.ht 
slvai    xrjv  rovxcav    a.Q%r]v  TtaQaöxrjöavxog ,    evdkcoxoi    aal    sv%ELQCOxot 
ov    ftovov    xotg  "IßrjQöiv    akla    %al    xoig    I^aQaKrjvoig  ^)     ot   TlsqGai 
yeyovaßt  (p.  198,  14 — 22),  die  sich  bei  Konstantin  auf  das  Volk 
der  Iberer  bezieht,    knüpft  nur  insoweit  an  thatsächliche  Ver- 
hältnisse   an,    als    wenigstens    zeitweilig    auch   Iberer    als  Bundes- 
genossen   im  Heere    des  Kaisers  fochten-)    und   nach    der  Chronik 
Adarnase,  der  von  ihm  ernannte  mt'awar  von  K'art'li,  den  Gibghu 
(Jabgu  Chagan)  bei  der  Belagerung  von  Tiflis  unterstützte,  während 
der  rechtmässige  Fürst  von  Iberien    bis    zu    seinem  Falle  treu  an 
der  Seite  der  Perser  aushielt  (oben  S.  394.  401  A.).     Der  nächste, 
welcher    nach    Konstantin    Porphyrogennetos    die    davidische    Ab- 
stammung der  (iberischen)  Bagratiden  kennt,    dieselbe    aber   auch 
auf  die  armenischen  überträgt,  ist  der  Chronist  Mchit'ar  von  Ani 
(12.  Jh.),  der  jedoch  bereits  die  georgische  Chronik  benutzt  hat  3). 
Ob    dieser    auch    noch    Spandiat    als    Bruder    des    Ahnherrn    der 
Bagratiden    kannte,    lässt    sich    nicht    erkennen;    in    der    uns    er- 
haltenen   Fassung    der   Chronik    ist    er    aber  gestrichen.     Wardan, 
der  den  Mchit'ar  sonst  öfters  benutzt,    hat    dadurch    einen   guten 
Takt  bewiesen  ,  dass  er  seine  Ursprungsgeschichte  der  Bagratiden 
ignoriert*). 

Es  wird  zur  Deutlichkeit  beitragen,  wenn  ich  dem  nach  obigen 
Ermittelungen  hergestellten  Stammbaum  der  iberischen  Bagratiden 
fürs  9.  und  die  erste  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  eine  Übersicht 
der  mehr  oder  weniger  historisch  beglaubigten  Fürsten  Iberiens 
vom  6.  bis  Anfang  des  9.  Jahrhunderts  vorausschicke. 


1)  Vgl.  Hist.  de  la  G^orgie  p.  234. 

2)  Vgl.  auch  Mas'udi,  Kitäb  at  tanblh  Ioa,  6  ff. 

'')  Mchit'ar  von  Ani,  Bruchstücke  seiner  Geschichte  S.  30  ed. 
Patkanean  (hinter  der  Ausgabe  des  Sebeos). 

*)  Dies  ergibt  sich  aus  einer  Vergleichung  der  Stelle  S.  91—92 
mit  S.  81—82  mit  voller  Sicherheit. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


431 


Fürsten   von  Iberien  vom  Anfang  des  6.  bis  zum 
Anfang   des    9.  Jahrhunde i'ts. 


Fürsten  von  Iberien. 

1.  rovQyivrjg,  König  von 
Iberien,  geht  im  J.  523 
nach  Konstantinopel  ^). 


UsQccvLog, 
römischer 
Offizier  in 
Italien  u. 
Armenien, 
t  544  3). 

1, 
üaKOVQwg  ^). 


Bruder. 


CPa^ag*). 


Bdeaschk'  von 
Gugark'. 


Marzpane. 

Pirän  -  Gusnasp 
(GrTgör)  -). 


1)  Gurgen,  von  Kawä<J  in  seinem  Glauben  bedroht,  begibt  sich 
in  den  Schutz  des  Kaisers  Justin  I. ;  von  den  Römern  ungenügend  unter- 
stützt, zieht  er  sich  samt  dem  ganzen  Adel,  seiner  Frau,  seinen  Kindern 
und  Brüdern  vor  Kawä^  nach  Lazika  zurück.  Hierauf  begeben  sich 
die  Iberer  nach  Byzanz  Prokop.  Pers.  I  12  p.  56,  22—58,  14;  vgl.  II  28 
p.  282,  17. 

^)  Plrän- Gusnasp  aus  dem  Hauee  Mihrän,  Marzpän  von  Gurzän 
und  Arrän,  wird  Christ  unter  dem  Namen  Grigör  und  abgesetzt  im 
Jahre  30  des  QawäcJ  =  517/18,  nach  drei  Jahren  (520/21)  restituiert; 
später  von  den  Romäern  gefangen,  kehrt  er  beim  Friedensschluss  im 
Jahre  3  des  Chosrau  (533/34)  nach  Persien  zurück  und  wird  zum  sallitä 
in  seinem  früheren  Gebiet  ernannt,  dann  auf  Betreiben  der  Magier  ab- 
gesetzt. Hingerichtet  im  Jahre  10  des  Chosrau  (540/41).  G.  Hoff- 
mann,  Auszüge  aus  syrischen  Akten  persischer  Märtyrer  78 — 86. 

^)  Beim  Friedensschluss  im  Jahre  533 :  totg  tu  "Ißr\Q6iv  iäiSouro  iv 
yvwiiTj  slvcct  t)  fi8V£LV  ocvtov  iv  Bv^avtia»  t)  ig  ßcp&v  TtatqiSa  iitaviivai. 
■fjGav  dh  Tcolloi  %ixl  ol  ^ivovtss  tat  inaviovreg  ig  rcc  nccrQi.a  ijQ'ri  Prokop. 
de  b.  Pers.  I  22  p.  113,  21. 

Peranios,  ähester  Sohn  (oder  Bruder?)  des  Königs  Gurgen:  f^v 
Tf  yvvalv.cc  v.a.1  tovg  nalSag  ^vv  totg  ccSsXcpotg  iTtayo^isvog,  o)v  öt]  Ue- 
Qclviog  6  TtQsaßvtSQog  7]v  Prokop.  Pers.  I  12  p.  58,  8 — 9.  Usqäviog  8h 
ii,  'IßrjQiug  Tjys  ay^töTo:  MrjSav,  Y^vo^isvog  ^hv  rüv  iii  ßocöiliag  'Iß-^QCov, 
avr6(ioXog  dh  TtQOtSQOv  ig  TcoiLaLovg  v,axu  £%9'og  xo  r&v  JlsqeöiV  rjtiav 
de  b.  Goth.  I  5  p.  26,  12.  Er  ficht  als  römischer  Offizier  in  den  Jahren 
537  und  538  gegen  die  Ostgoten  in  Italien  (de  b.  Goth.  I  5  p.  26,  12. 
II  1  p.  146,  11;  19  p.  221,  10)  und  543  und  544  in  Armenien  (de  b.  Pers. 
II  24  p.  262,  4;  25  p.  267,  13;  26  p.  270,  18.  272,  11;  27  p.  279,  17)  und 
kommt  im  j.  544  durch  einen  Unfall  auf  der  Jagd  um  c.  28  p.  280,  16. 
Er  ist  ohne  Zweifel   benannt   zu  Ehren   des  Marzpans  Plrän- Gusnasp. 

*)  Römischer  Offizier  in  Italien  a.  542  de  b.  Goth.  III  6  p.  302,  18 ; 
7  p.  305,  13.  16. 

^)  Dient  als  römischer  Offizier  in  Italien  a.  547  und  552  Prokop. 
de  b.  Goth.  III  27  p.  391,  14.  IV  26  p.  597,  6.  12;  34  p.  633,  17.  634, 
3.  6.  9.  11.     Vgl.  Lebeau-Saint-Martin  9,  162.  243. 


432 


J.  Marquart, 


Fürsten  von  Iberien. 

3.  Grigor  mamasachlis 

um  540  ■^). 

4.  roQYevrjg  II.' 

(Gui-gen) 

a.  572?=^). 
Wachtang  -) 
Guanser  -) 


Bdeaschk'  von 
Gugark'. 


Arsusaj  -). 


Marzpane. 

Arwand  Gusnasp 
a.  540/412). 

Wezan  Buzmil  (Burz- 
mihr)  a.  543/44  % 


unter 

-  Hormizd  IV. 

579—589. 


1)  Nach  Prokop.  Pers.  II  28  p.  282,  16— 283,  2  zum  Jahre  550 
hatten  die  Perser  nach  der  Flucht  des  Königs  Gurgen  den  Iberern  das 
Recht  entzogen,  einen  eigenen  König  zu  wählen :  inkiSr]  yciQ  ol  rovrcov 
ärj  Xoyi^mraroL  rav  ßaQßccQoiv  {tüv  'Iß'^Qcov)  ö^ov  rovQyivm  reo  ßaaiXel 
ig  änoataaLv  uSov  ....  ovx£  ßaailia  acpiai  xataaTi^ata&aL  %b  iv&tvds 
i,vv£%mQOvv  niQGai  ovte  avToyvojiiovovvrsg  IIsQaöiv  xatriy.ooi  Ißr\QEg 
rjaav,  all'  vTtoipicc  tt  Kai  ccTtiatioc  ig  cclXrjXovg  noXXf]  d'xovro.  fvdriXoi  xs 
Ißr]Q£g  rjGav  Sv6ccva6%brovvxig  rt  ißy^VQOxaru  xal  vncoxiQiovvxeg  ov  TioXXm 
VGX8Q0V,  i]v  xivög  noxs  xaLQOv  Xaßsö&ai  övvaxol  tltv.  Dies  stimmt  zu 
den  Akten  des  hl.  Eustathios  von  Mc'chetha,  die  in  Tiflis  neben  dem  per- 
sischen Marzpan  nur  einen  mamasachlis  kennen,  und  lässt  sich  auch  mit 
dem  sog.  Zacharias  Rhetor  (Ahrens-K rüger  S.  253,  3—5)  vereinigen, 
nach  welchem  Gurzän  einen  christlichen,  dem  König  von  Persien  unter- 
thänigen  Häuptling  hat.  Dagegen  erwähnt  Malalas  p.  429,  15  beim 
Regierungsantritt  Justinians  als  gleichzeitigen  König  von  Iberien 
Za^avalög,  und  Theophanes  p.  216,  6—14  berichtet  unter  dem  Wj.  6027 
=  535,  also  bald  nach  dem  Friedensschlüsse  mit  Chosrau:  Tovxcp  xä 
ixsi  6  xcöv  'IßT]Qa>v  ßaöiXsvg  Za^iavaQ^bg  &vf|X^^l•v  iv  KojvaxavxivovnoXsi 
TtQog  xbv  avGsßiGxaxov  ßaaiXfa  'lovaxiviavov  ^nxu  r]]g  yvvuLV.bg  %al  xäv 
avyxXrixi-K&v  avxov,  TtaQuxaXäv  avxbv  xov  tlvui  avxbv  avu^axov  Pco- 
licciav  Kai  q)iXov  yvTqaiov.  6  dh  ßaatXivg  ti]v  xoiavxr\v  TtQoaiqtGLV  ano- 
ds^ä^tvog  TtoXXä  avxbv  iepiXoxniricaxo  v,al  xovg  avxov  avyuXrjxiKOvg.  .  .^  . 
nal  aTtiXv6£v  avxovg  iv  sig-^vr]  f^s  xrjv  ISiav  ßaaiXiiav.  Wäre  nicht  die 
Angabe  des  Malalas,  so  möchte  man  Zamanarzos  für  einen  Bruder  des 
Königs  Gurgen  halten  und  annehmen,  er  sei  nach  dem  Friedensschlüsse 
nach  Iberien  zurückgekehrt  und  von  den  Persern  zum  Ethnarchen 
(mamasachlis)  eingesetzt  worden. 

2)  S.  o.  S.  397  A.  1. 

8)  Theoph.  Byz.  bei  Phot.  bibl.  cod.  64.  Nach  Seb.  26  fällt  der 
Ausbruch  des  Aufstandes  der  Armenier  (und  Georgier)  ins  41.  Jahr  des 
Chosrau  (2.  Juli  571  bis  30.  Juni  572).  Genauer  gibt  Stephan  AsoHk  II  2 
p.  116  an,  der  bdeasch  Wardan  Mamikonean  habe  den  Marzpan  Suren 
ermordet  im  Jahre  41  des  Chosrow  =  Justianos  (Justin  II.)  7,  am 
22.  des  Monats  Areg,  an  einem  Samstag  im  Februar,  also  572.  Vgl. 
Dulaurier,  Recherches  sur  la  chrono!,  armän.  p.  206.  Das  7.  Jahr 
Justins  II.  nennt  auch  Theophyl.  Sim.  3,  9,  4.  9.  Allein  die  auf- 
ständische Bewegung  muss  schon  etwas  früher  begonnen  haben ;  vgl. 
loannis  abbatis  monasterii  Biclarensis  chronica  ed.  Mommsen,  Chron. 
minora  II  211;  M.  G.  Auct.  antiquiss.  t.  XI  zum  1.  und  5.  Jahre  des 
JustinusII.  Euagrios  h.  e.  5,  7.  Gregor  von  Tours  4,  39.  Saint-Martin 
bei  Lebeau  10,  79  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


433 


Fürsten  von  Iberien. 


5.  Atrnerseh  I. 
Wahan 
Bzrmeh 


594- 

598 


6.  Step'anos  I.,  Patrikios 
von  K'art'li,  bis  628  3). 
Adarnase,  Hypatos'*). 
Demetre*). 

7.  Atrnerseh  IL,  Kuropa- 
lates  a.  627.     645/46; 

von  Herakleios  ein- 
gesetzt^). 

8.  Nerseh,  EidamderKam 
sarakank',  a.  678,  fällt 

gegen  die  Chazaren 
681/82  5). 


Bdeaschk'  von 
Gugark'. 

Warham,  Fürst  von 

Persisch  -  Iberien 

=  Asusan  '■^). 

Fürst  von  Persisch- 
Iberien  a.  627*). 


Marzpane. 


Adarnase  (III.),  Kuropalates 
und  Erist'aw   von  K'art'li*^). 

, _ -^ _ : — , 

Nerse,        Tochter,  G-em. 
Erist'aw     Gurgen-Erist'aw. 
um  772«).  I 

Step'anos, 
Erist'aw  von 
K'art'li  um 
885/86  p). 


l     ^ 


(Guaram 
Kuropalates) ''). 

Tochter'^),  Gern". 


(Ar^'il  IL) 
t  786«). 


Guanser,  um  800  ^). 


In  der  folgenden  Stammtafel    der   iberischen  Bagratiden  sind 
die  der  Chronik  entnommenen  Angaben  kursiv  gedruckt. 


1)  S.  0.  S.  398  A. 

2)  S.  o.  S.  398—400  A. 

8)  S.  o.  S.  395.  401  A.  Ich  identifiziere  die  drei  Personen  der  In- 
schrift lieber  mit  Step'anos  I.,  seinem  Bruder  Demetre  und  seinem 
Nachfolger  Adarnase  II. 

*)  S.  0.  S.  401  A. 

&)  s.  o.  S.  402  A.  —  Die  Zeit  des  mt'awars  Stephanos  II.  lässt  sich 
bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen.  Vermutlich  war  er  Zeit- 
genosse Justiuians  II.  und  des  Muhammad  b.  Marwän. 

6)  S.  o.  S.  419-420. 

')  S.  o.  S.  396.  Darnach  würde  also  Guaram  Kuropalates  von 
Klarget'i  etwa  zu  einem  Zeitgenossen  des  Adarnase  (III.)  Kuropalates. 

8)  S.  0.  S.  402  A.  415  f. 

9)  S.  o.  S.  416  ff. 

Marquart,  Streifzüge.  ^° 


434 


J.  Marquart, 


Asot,  Patrikios  von 
{^Adarnase  der 

Wasak. 
Atrnerseh. 


1)  Asot  Kuropalates. 


{Adarnase.) 


[ASot  Kekela, 
f  867.] 


Gurgen  Mamp'ali^) 
[Kuropalat  in  Tao] 

{f  891). 


[  Gurgen.] 


[Sumbat 

von 
Artanug.] 


Aschot 
Kuch 

{f  918). 


[Dawif, 

Erist^aw 

d.  Erist'awe, 

f  908.]'') 


Gurgen  Magistros, 
ErisPaw   der  Eri- 
st'awe ,     Herr    von 
Qwel   und  Ac'ara, 
entreisst  seinem 
Schwiegervater 
Artanugi.    f  941  '■). 
Gem.  Tochter  des 
Asot  Kiskasi. 

Vj   Gem.  Bagrat, 
Sohn  des  Konstan- 
tine I. ,  Königs  von 
Ap'chazien. 


Adarnase, 

Erist'aw  der 

Erist'awe 

(f  896). 

Dinar, 
Gem.  N. 


a)  Bagrat  II.,  Herr  von  Artanugi. 

Gem.  eine  Schwester  des  Atrnerseh 

Kuropalates  (f  909). 


iSchanik, 

Fürst  von 

Heret'i. 


6)  Adar-  Gurgen,  Ischan  der 

narse  (IV.),        Iberer  a.  890,   Herr 

Kuropalates,       von  Artanugi.  Gem. 

t  vor  944         Schwester  des  Abas, 

{945).  d.  Bruders  d.  Königs 

Aschot  I.  von 

Armenien  ^). 

[Gurgen      V,  Gem.  Abas^ 
f  968.]       Brud.  d.  Königs 
Asot  n.  von 
Armenien'). 


7)  Asot  II. 

Kuropalates 

vor  94410) 

{f  954). 


David  d.  Grosse, 

Magistros, 

t  vor  952"). 


Bagrat  III., 

Magistros 

(f  945)'^). 


[Sumbat  13) 
f  958.] 


Adarnarse  Magistros, 
Gem.  N.,  Schwester 
des  Sumbat,  Sohnes 
des  David  (f  961)^^). 

9)  B  a  g  r  a  t  Regwen 
(Dawif)  f  994. 


V,  Gem. 
Sumbat,  S. 
des  David. 


10)  Gurgen,  König  V.  Iberien 

{König  der  Könige  f  992).   Gem. 

Guranducht,     T.    des    Königs 

Giorgi  II.  von  Ap'cJiazien, 

t  10081«). 

11)  Bagrat,  König  d.  Ap'chaz, 

Erbe  d.  David  Kuropalates 

von  Tao,  König  von 

K'art'li. 


Sumbat, 
t  992. 


Adarnase  Kuropalates 
f  983. 

Dawit'  der  Grosse, 

Kuropalates, 

t  1001. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge. 


435 


Armenien,  f  761. 
Blinde). 


Lataicr,  Gem.  GuanSer. 


Sumbat  Mamp'ali  von  Artanugi 

(f  889).     G-em.   a)   N.     b)  eine 

Nichte    des    Asot    und    Cousine 

der  Mutter  des  Adarnase 

Kuropalates. 


b)  Jußlö  6 
if  943). 


Asot  I.  Kiskasi,  Patri- 
kios ,  erbt  Artanugi. 
Gem.  N.,  Schwester  d. 
Herrschers  Giorgi  von 
Ap'chazien  (f  939). 

V,  Gem.  Gurgen  IT., 

Herr  von  Qwel 

und  Acara. 


Sumbat,  erhält  nach 

Gurgens  II.  Tod  Ar- 

tanug  und  wird  Eri- 

st'aw    der    Erist'awe 

(f  988). 

Gem.  Schwester 

des  Adarnarse 

Magistros  ^^). 


V,  Gem. 
Adarnarse 
Magistros. 


DawitK 


Bagrat 

f  988. 


Gurgen. 

I 
Demet/re. 


Sumbat. 


Bagrat. 


2)  Bagarat  I., 

Kuropalates 

{f876).   Gem. 

T.  des  Smbat 

sparapet. 


Guaram 
mamp'ali 

(f  882). 


V,  Gem. 
T'ewdos  I., 
König   von 
Ap'chazet'i, 


[Nasra 
f  888.] 


[ASot 
f  869. 


3)  Dawit'  I. 
Kuropalates 

(f  881). 


(Adar- 
nase 
f  885.) 


(Asot 
f  874.) 


V,  Gem.  Sumbat 

der  Grosse. 
I 

Dawit'  Mamp'ali^). 


V,  Gem. 
Bagrat  I., 
König  von 

Ap'chazet'i. 

I 

Kostantine  I. 
(906—920). 


4)  Adarnase//.  (III.)  (Atrnerseh),  V,  Gem. 
Grossfürst  von  Iberien  a.  890^),  Bagrat  11. 
Kuropalates  unt.  Leon  d.  Weisen,  1 

a.  899  König  v.  Iberien  (t  923).     Gurgen  I.^). 


5)  Dawit'  II.3). 


V,  Gem.  Kostan- 
tine, König  der 
Egerac'ik'  *). 


Giorgi.         Bagrat,   Gem. 

T.  des  Gurgen  (II.), 

Erist'aws  der 

Erist'awe. 


V,  Gem. 
Asot  Kiskasi. 


^)  Gurgen  I.  heisst  der  Schwestersohn  des  Königs  Atrnerseh  Joh. 
Kath.  S.  313/14  =  387.  Die  Mutter  des  Kiiropalates  Adarnarse  (IV.) 
und  des  David  Mamp'ali  sind  Cousinen  Konstantin  de  admin.  imp. 
p.  207,  16  ff. 

2)  Joh.  Kath.  S.  182  =  130. 

3)  Joh  Kath.  S.  183  =  131.  Er  ist  der  König-Kuropalat  Dawit' 
der  Chronik  p.  291,  der  im  Jahre  937  starb. 

*)  Joh.  Kath.  S.  252.  255. 

Fortsetzung  der  Anmerkungen  nächste  Seite. 

28* 


436  J-  Marquart, 

s)  Sein  Enkel  Grureen,  Eristaw  der  Erist'awe,  wird  i^äSsXcpog  der 
Söhne  des  Kuropalates  Adarnarse  (IV.)  genannt  Konstantin  p.  209,  25. 

®)  Über  die  Genealogie  dieses  Dawit'  ist  die  Chronik  im  unklaren, 
indem  sie  ihn  bald  als  Sohn  des  Erist'aws  der  Erist'awe  Adarnase,  bald 
als  Sohn  des  Bagrat  Mamp'ali  bezeichnet.  Letzteres  ist  sicher  falsch, 
da  Bagrat  nach  Konstantin  nur  drei  Söhne  hatte. 

')  Konst.  p.  208,  11.  209,  3.  210,  7.  12/13.  213,  8/9.  Nach  den  Zahlen 
Wachust's  wäre  er  vor  dem  Kuropalates  Adarnarse  (IV.)  gestorben, 
dies  ist  aber  nach  Konstantin  ohne  Zweifel  falsch. 

8)  Job.  Kath.  S.  183  =  131.     Konst.  p.  206,  9  f. 

ö)  Job.  Kath.  S.  379  =  307  (381  =  308). 

10)  Konst.  p.  207,  4.  17.  209,  18.  212,  4.  23  ff.  213,  10.  20. 

11)  Konst.  p.  209,  18.  210,  9.  211,  12.  212,  4.  213,  6.  9. 

12)  Konst.  p.  204,  17/18.  24.  207,  5/6.  20. 

i*')  Konst.  p.  210,  4:  ol  ricaagsg  aöslrpol,  i]yovv  rov  'ASgccvccah  rov 
KOVQOTtccldtov  ol  Tf aiS 8g ;  vgl.  p.  209,  24. 

1*)  Konst.  p.  207,  20/21.  203,  16. 

15)  Konst.  p.  207,  8  ff.  19  ff. 

1«)  Hist.  de  la  Georgie  p.  287.  292.  295;  dagegen  p.  285  heisst 
Bagrat  III.  Sohn  einer  Schwester  des  Demetre  und  T'ewdos,  der  Enkel 
Giorgios  II.  [Ganz  anders  Mchit'ar  von  Ani  bei  Wardan  S.  92 ,  der 
diesen  Gurgen  mit  dem  dritten  Sohne  des  armenischen  Königs  Asot  III. 
olormac  (f  976)  identifiziert.  Davon  weiss  jedoch  der  Zeitgenosse  Stephan 
AsoHk  noch  nichts ,  der  Gurgen ,  den  Bruder  des  armenischen  Königs 
Smbat  II.  Tiezerakal  (III  30  S.  256),  und  Gurgen,  den  Sohn  des  Königs 
Bagarat  von  Iberien  (III  28  S.  252.  38  S.  267.  41  S.  270)  und  Vater  des 
Königs  (Smbat  und)  Bagarat  von  Ap'chazien  (III  28  S.  252.  43  S.  276) 
deutlich  von  einander  scheidet.] 


Zum  besseren  Verständnis  des  Vorhergehenden  und  zur  Er- 
läuterung der  hervorragenden  Rolle,  welche  die  Bagratiden  von 
der  letzten  Zeit  der  persischen  Herrschaft  bis  zur  Wiederherstellung 
des  Königtums  in  der  armenischen  Geschichte  gespielt  haben, 
habe  ich  es  für  nützlich  gehalten,  eine  Übersicht  ihrer  älteren 
Geschichte  in  der  Form  einer  kritisch  berichtigten  Stammtafel 
mit  den  wichtigsten  Belegen  hier  anzufügen,  die  auch  der 
byzantinischen  Geschichte  zu  Gute  kommen  dürfte.  Ich  hoffe, 
dass  mir  dabei  nichts  Wichtiges  entgangen  sein  wird. 

Vor  dem  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  ist  von  den  Bagra- 
tiden in  der  armenischen  Geschichte  auffallend  wenig  die  Rede. 
Die  einzigen  Vertreter  dieses  Geschlechtes,  die  meines  Wissens 
bis  dahin  genannt  werden,  sind  folgende: 

„Der  kronebindende  Fürst  des  Fürstentums  des  Aspettums" 
wird  bei  Agathangelos  S.  596  unter  den  Fürsten  genannt,  die  den 
hl.  Grigor  zur  Weihe  nach  Kaisareia  begleiten.  Ebenso  ist  der 
kronesetzende  Aspei  auf  der  Reise  des  Königs  Trdat  zum  Kaiser 
unter  den  Grossen  seines  Gefolges  Agath.  650.  Beidemal  rangiert 
er  unmittelbar  nach  „dem  Fürsten  des  Hauses  Angi,  dem  Fürsten 
des  Fürstentums    des    Mardpettums" ;    s.  mein  Eransahr    S.  165  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  437 

Bagrat  Bagratuni,  einer  der  fünf  Wafifengefährten  des  sparapet 
Waß'e  in  der  Schlacht  gegen  Sanesan ,  den  König  der  Mazk'it'k', 
unter  König  Chosrow  IL     Faust.  Byz.  3,  7  S.  17. 

Ein  Bagarat  (derselbe?),  „Grossfürst  des  Aspettums",  wird 
unter  den  Fürsten  genannt,  die  den  Katholikos  Nerses  zur  Weihe 
nach  Kaisareia  begleiten  (Faust.  4,  4  S.  72).  Er  rangiert  hier  wie 
bei  Agathangelos  unmittelbar  hinter  dem  Hajr^  dem  Grossfürsten 
des  Mardpettums. 

,Die  Tochter  des  bagratunischen  Äspefs  aus  dem  Gaue  Sper, 
welche  von  Anfang  an  die  kronesetzenden  Fürsten  gewesen  waren 
des  Königtums  des  arschakunischen  Geschlechts",  wird  vom  spa- 
rapet Manuel  Mamikonean  mit  dem  unmündigen  Waiarsak ,  dem 
jüngeren  Sohne  des  Königs  Pap,  vermählt  Faust.  5,  44  S.  263/64 
(382  n.  Chr.). 

Da  Bagarat  wohl  nur  den  Namen  des  Geschlechtes  wieder- 
holt, so  sind  streng  genommen  alle  diese  Fürsten  anonym.  Da 
nun  Faustos  den  Namen  des  zuletzt  erwähnten  Aspet  nicht  an- 
zugeben weiss,  der  Mann  aber  doch  nicht  namenlos  durch  die 
Geschichte  wandeln  durfte,  so  tauft  ihn  Ps.  Moses  nach  dem 
spätem  Marzpan  dieses  Namens  Sahak  (III  41  S.  231.  43  S.  234) 
und  macht  ihn  zum  Heerführer  Chosrows  HI.,  des  Königs  von 
Persisch-Armenien  III  44 — 46.   51. 

Ttroc\  Fürst  der  Bagratunier  Eiise  S.  160  vgl.  127.  tazar 
P'arpec'i  S.  217. 

Sahah  Aspet,  der  Herr  der  Bagratunier,  erhält  von  den  auf- 
ständischen Armeniern  und  dem  Heerführer  Armeniens  Wahan, 
dem  Herrn  der  Mamikonier  und  sparapet  von  Armenien,  im 
Jahre  481  die  Marzpanwürde  Lazar  S.  418.  421.  432.  434.  444. 
446—448.  463,  und  fällt  im  Jahre  482  i^azar  468.  489. 

Ausserdem  werden  die  Bagratunier,  wie  ich  glaube,  noch  im 
Jahre  539  genannt.  Denn  das  grosse  und  zahlreiche  Geschlecht 
der  ''AönsxLavoi  (so  ist  zu  lesen  statt  'ÄTtetiavoi) ,  welches  sich 
zuerst  bereit  erklärt,  sich  dem  römischen  Heerführer  Sittas  an- 
zuschliessen  (xa/  ot  xo  täv  ''Atzet iccvav  [1.  AßiXcrtavmv]  %alov[iEvcov 
vEvog,  (liya  rs  ov  %al  noXva.vQ'qoiTtov ,  TCQOßxfOQEiv  rjd'eXe  Prokop. 
Pers.  II  3  p.  160,  7—9),  dann  aber  durch  unglückliche  Zwischen- 
fälle auf  die  Seite  der  den  Römern  feindlichen  Partei  getrieben 
wird,  lässt  sich  nur  auf  das  Fürstentum  des  Aspettums  («/mu^A-^ 
uini^P^lru/ü  ft^ufüni-P^lti^)  d.  i.  auf  das  Erbfürstentum  der 
Bagratunier  in  Sper  beziehen.  Dass  der  Gau  Sper  mit  der  bagra- 
tunischen Stammburg  Baiberd  unter  Justinian  den  Römern  gehörte, 
geht  ja  aus  Prokop  de  aedif.  III  4  p.  253,  15  ganz  unzweideutig 
hervor. 

Für  die  Geschichte  des  6.  Jahrhunderts  besitzen  wir  gar  keine 
armenischen  Quellen.  Erst  mit  dem  Geschichtswerke  des  Sebeos,  das 
mit  der  Absetzung  Hormizds  IV.  und  der  Thronbesteigung  Chos- 
rows II.  einsetzt,  wird  es  wieder  Licht, 


438 


J.  Marquart, 


Stammtafel    der   Bagratiden    vom    Ende    des 

Manuel. 

I 

Smbat  I.  Bagratuni,  Chosrow-snumn, 

Marzpan  von  Wrkan,  f  616/17 1). 


Manuel  Magistros, 
hingerichtet"). 

I 

Tochter 

(Arschakunierin)^). 


Waraz-Tiroc'  I.,  Gavitean-Chosrow, 
Aspet,  Marzpan  von  Armenien*). 


Smbat  IT.,  Aspet,  Drungarios, 
Befehlshaber  in  Thrakien^). 


Waraz-Tiroc'  lt.,  getötet  von 
den  Griechen**)  vor  698. 


Smbat  (IV.)  (^ccßßdriog), 
Patrikios  und  (zwischen 
698  u.  705)  Kuropalates, 

t  726/27  8). 


Asot  (III.)»). 


Söhne  8). 


Smbat,  sparapet  von  Armenien, 

t  77211). 


Asot  (VI.)  genannt  k'ag 
oder  msaker'^^), 

806/7—825/26. 


Davit' 1')  Bagarat,  Fürst 
von  Tarauni*)^ 
gefangen  851. 


Sahaki»). 
MuseH'). 


Hiip'sime,  Gem.  X, 

Fürst  von 

Waspurakan  ^O). 


Smbat, 
sparapet -1), 

826/27—855. 


Asot  23).   Dawit'24).   N. 


Asot 

t  874. 


Gurgen 
t  860. 


Grigor 
t  859. 


Asot*»).      Musel^»). 
SahakäO). 


Sapuh-").       Smbat  2«).       Abas^»). 


1)  Smbat  Bagratuni,  führt  dem  Kaiser  (Maurikios)  1000  für 
Thrakien  bestimmte  Reiter  zu  Seb.  53;  an  der  Spitze  einer  Ver- 
schwörung a.  590  Theophyl.  Sim.  3,  8,  6  (UvfißdtLog).  Seb.  54,  vgl. 
Lebeau-St.  Martin  10,  284f.;  früher  Adoptivsohn  des  Kaisers,  wird 
zur  Verbannung  nach  Afrika  verurteilt  Seb.  55;  beim  König  Chosrow, 
wird  Marzpan  von  Wrkan  Seb.  59 — 62;  unterwirft  Taparastan  Seb.  63, 
wird  an  den  Hof  gerufen  im  8.  Jahre  des  Chosrow  (596/97),  geht  nach 
Armenien  Seb.  64;  er  ist  acht  Jahre  Marzpan  von  Wrkan. 

Er  wird  an  den  Hof  gerufen  und  erhält  den  Titel  Chosrow-Snumn, 
wird  gegen  die  K'usan  gesandt  und  besiegt  sie,  aber  sein  Heer  wird 
durch  die  Türken  zersprengt  (a.  615/16)  Seb.  64—66.  Smbat  sammelt 
ein  neues  Heer,  besiegt  den  hep't'alischen  König  der  K'usank'  und 
durchzieht  ganz  Tocharistan;   an  den  Hof  gerufen  Seb.  66 — 68.     Er  ist 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  439 


VI.    bis    zur   Mitte    des    IX.    Jahrhunderts. 

Asot  (I.),  Aspet. 

I 
Pap  a.  594/952). 

Bruder, 
Waraz-Sahak?^) 

Smbat  (III.)  Bagratuni,  Herr  von  Dariunk', 
Fürst  von  Armenien?^) 

I? 
Asot  (II.)  patrik,  Fürst  von  Armenien 
4  Jahre  683—686'). 

Smbat  (V.),  Fürst  von  Waspurakan, 

t  705  8). 
9 


Wasak.  Bagarat. 

Asot  (IV.),  Fürst  und  Patrikios  von  Isahak,  Fürst  von 
Armenien,  17  Jahre  732—7489),  Armenien  i"). 

t  761.  1 


Wasak  12).  Asot  (V.)").        Sahak^*). 


Sapuh^^).  Atrnerseh.  Bagarat,  sparapet^*). 

I  Asot  Kuropalates. 


Asot  (Vn.),  erhält  vom  Kaiser  | 

Theophilos  das  prokonsulare  Bagarat. 

Patriciat'^2)  und  bleibt  im  | 

Gaue  Sper.  Dawit'. 

Sapuh,  Galabar, 

Geschichtsschreiber  ^1).  Kleinfürst  in  Sper. 


der  dritte  Satrap  im  Palaste  des  Königtums.  Präsidiert  der  Synode 
von  Ktesiphon  a.  615  Seb.  121.  123.  Stephan  AsoHk'  112  p.  124  trad. 
Dulaurier.  f  im  28.  Jahre  des  Chosrow  (616/17)  Seb.  68  und  wird  in 
Dariunk'  im  Gaue  Gog-owit  bestattet. 

2)  Seb.  56. 

'')  ^Mundschenk  des  Königs  Chosrow  (a.  596)  Seb.  63,  erhält  den 
Titel  Gaväean- Chosrow  ßlßj  11  Seb.  67/8.  Von  Kavat  II.  zum  Marzpan 
von  Armenien  ernannt  Seb.  97,  ist  er  unbotmässig  gegen  Choroch- 
Ormizd,  den  Fürsten  von  Atrpatakan  und  dessen  Sohn  ßostom, 
sowie  gegen  Mzez  Guuni  Seb.  101/2,  flieht  mit  seinen  Söhnen  vor  dem 
Darik'pet,  Rostoms  Bruder,  nach  Taraun  und  darauf  zum  Kaiser  nach 
Konstantinopel,    verschwört    sich    gegen    Herakleios    a.  635    und  wird 


440  J-  Marquart, 

nach  Afrika  verbannt  Seb.  102.  Herakleios  lässt  seinen  Sobn  vor 
seinem  Tode  schwören,  den  Aspet  zurückzuführen  und  in  den  alten 
Rang  einzusetzen  Seb.  108  (a.  641);  dies  geschieht  durch  Konstantin, 
den  Neffen  des  Herakleios,  auf  Bitten  des  T'eodoros  Rstuni  Seb.  114. 
Er  wird  in  den  früheren  Rang  eingesetzt  a.  645/46,  flieht  nach  Tajk' 
Seb.  115,  wird  zum  Kuropalat  und  Fürsten  von  Armenien  ernannt, 
stirbt  aber  noch  bevor  er  die  Bestallung  erhält  und  wird  ebenfalls  in 
Dariunk'  bestattet  Seb.  116. 

*)  Seb.  98:  Der  Katholikos  K'ristap'or  „erregte  viel  Unruhe  und 
warf  Zwiespalt  zwischen  den  Aspet  (Waraztiroc')  und  seinen  Bruder 
durch  Verleumdung".  Dieser  Bruder  ist  aber  nicht  gleichzusetzen  mit 
Smbat  Aspet,  dem  Sohne  des  grossen  Smbat  Chosrow-sumn  und  Eidam 
des  Manuel  Magistros  Seb.  136,  der  richtig  als  Enkel  des  Smbat  Chosrow- 
snumn  zu  bezeichnen  wäre;  s.  Nr.  6.  Vielleicht  ist  er  aber  identisch 
mit  Waraz-Sahak,  dem  Vater  des  Smbat  Bagratuni  Seb.  117;   s.  Nr.  5. 

^)  Als  die  Ismaeliten  im  Jahre  643  die  Festung  Arcap'k'  be- 
lagerten, sandten  die  Belagerten  um  Hilfe  zu  Smbat  Bagratuni,  dem 
Sohne  des  Waraz  Sahak  in  Dariunk'  Seb.  117.  Dieser  Smbat  war  viel- 
leicht ein  Neffe  des  Waraz-Tiroc'.  „Im  ersten  Jahre  seiner  Herrschaft 
und  im  25.  Jahre  des  Kaisers  Kostandin,  des  Enkels  des  Herakl, 
begann  Truppen  zu  sammeln  gegen  unser  Land  Armenien  der  Fürst 
der  Araber  (Muavia).  Kund  ward  dem  König  Kostandin  das  Wort. 
Er  befahl  dem  Heerführer,  der  in  den  Gegenden  der  Kilikier  war, 
ihnen  entgegenzuziehen.  Er  setzte  auch  ab  den  Fürsten  Theodoros 
vom  Fürstentum  wegen  des  Truges,  den  er  gegen  den  Heerführer 
Pfokop  verübt  hatte,  und  anstatt  seiner  setzte  er  einen  gewissen  Smbat 
aus  der  Familie  der  Bagratunier  ein  und  entsandte  ihn  mit  seinem 
Heerführer.     Er   schrieb   auch   an  Theodoros  Rstuni,    der  früher  Fürst 

fewesen  war,  wie  folgt:  ,Zieh  mit  uns  zum  Kampfe  mit  den  Truppen 
ie  unter  deiner  Hand  sind.'  Jener  wollte  aber  nicht  hinziehen.  Er 
schreibt  wiederum  zum  zweitenmal:  ,Wenn  du  nicht  mit  uns  ausziehst 
gegen  die  Raubscharen,  so  werden  wir  bei  unserer  Rückkehr  von  da 
dein  Haus  aus  unserer  Familie  ausrotten.'  Dieser,  erschreckt  von  den 
Drohungen,  rüstete  seinen  Sohn  Ward,  mit  dem  Fürsten  Smbat  zu 
gehen.  Er  befahl  ihm  aber,  an  den  Freunden  Trug  zu  üben  und  sich 
mit  den  Feinden  zu  verständigen.  Als  dieser  zum  Heerführer  der 
Griechen  gezogen  war,  zogen  sie  weg  nach  den  Gegenden  Syriens  und 
überschritten  die  Schiffbrücke  (ffvyfta)  des  Euphrat.  Als  nun  der  Sohn 
des  Theodoros  sich  beim  Heerführer  vorgestellt  hatte,  trachtete  er  sich 
selbst  zum  Wächter  der  Schiffbrücke  bestellen  zu  lassen.  Und  dieser 
befahl  ihm,  den  Kopf  der  Schiffbrücke  zu  bewachen. 

Und  als  sie  mit  einander  im  Kampfe  stritten  und  von  beiden 
Seiten  Schläge  fielen,  verstärkte  sich  das  Heer  der  Araber  wiederum 
und  sie  schlugen  das  Korps  der  Griechen  in  die  Flucht  am  Tage  des 
grossen  Sabbats  vor  Ostern.  Als  der  Sohn  des  Theodoros  den  ismaeli- 
tischen  Sieg  sah,  ermannte  er  sich  und  setzte  über  jenseits  des  Flusses 
und  durchhieb,  kappte  die  Taue  der  Brücke,  damit  die  Flüchtlinge 
nicht  entkämen.  Und  diese,  die  Truppen  der  Griechen  in  die  Mitte 
nehmend,  sprengten  einige  in  den  Fluss,  und  einige  entkamen  flüchtig 
ins  Land  der  Griechen.  Deshalb  verzweifelte  das  Herz  des  Königs  der 
Griechen,  denn  er  erkannte,  dass  der  Niedergang  seines  Fürstentums 
vom  Herrn  sei,  und  zog  nicht  nochmals  gegen  die  Ismaeliten. 

Aber  der  ismaelitische  Fürst  schreibt  einen  Brief  ins  Land  Ar- 
menien: ,Wenn  ihr  mir  nicht  steuert  und  nicht  unter  das  Joch  meiner 
Knechtschaft  fallet,  werde  ich  alle  mit  dem  Schwerte  vertilgen'.  Da 
versammelten  sich  gemeinsam  der  Oberpriester  Armeniens  Nerses,  der 
Erbauer  (der  Kirche)   des  hl.  Grigor,   und   die  Fürsten   und  Notabein 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  441 

unseres  Landes,  nahmen  auf  sich,  der  Tyrannei  der  Ismaeliten  zu  dienen. 
Als  von  diesen  Geiseln  gefordert  wurden,  gaben  sie  zwei  von  den 
Notabein  Armeniens,  den  Grigor  aus  dem  mamikonischen  Hause  und 
den  Smbat  aus  dem  bagratunischen  Hause,  und  sie  führten  sie 
weg  zum  Fürsten  der  Araber  Muavia,  entschieden  über  unser  Land 
Armenien,  sie  sollten  ihnen  500  Dahekan  Steuern  in  einem  Jahre 
zahlen  und  furchtlos  in  ihren  Wohnsitzen  bleiben. 

Aber  im  zweiten  Jahre  des  Fürstentums  (667)  ruft  Muavia  den 
Grigor  und  den  Smbat,  welche  Geiseln  waren  an  der  königlichen 
Pforte.  Und  er  gab  dem  Grigor  die  Würde  unseres  Fürstentums 
Armenien,  und  entlässt  diesen  mit  vieler  Auszeichnung  in  unser  Land 
Armenien.  Und  es  wurde  viel  Friede  in  den  Tagen  seines  Fürsten- 
tums".    Levond  Kap.  4  S.  31 — 34. 

Daraus  Stephan  AsoHk'  II  5  p.  153  trad.  Dulaurier. 
Die  vorstehende  Erzählung  leidet  an  verschiedenen  Anachronismen. 
Schon  der  Svnchronismus  Jahr  1  des  Mu'awija  =  Jahr  25  des  Kostandin 
(Konstans  II.)  stimmt  nicht:  ersteres  fällt  mit  dem  Jahre  41  H.  (6.  Mai 
661  bis  24.  April  662)  zusammen,   während  das  25.  Jahr  des  Konstans 
dem  Jahre  666   entspricht.     Die  Niederlage   des   griechischen  Generals 
Prokop   bei  Marduc'ajik' ,    an  welcher   die  Griechen   dem  Verrate    des 
Theodoros   Rstuni   die   Schuld   zuschrieben ,   fand   im   elften   Jahre   des 
Konstans  (651/52)  statta),  und  darauf  nahm  ihm  der  Kaiser  im  zwölften 
Jahre  (652/3)  alle  Ehren  und  Würden  (Seb.  139).    Aus  Sebeos  150  wissen 
wir,    dass   Theodoros  Rstuni   nach   der   Eroberung    von   Georgien    und 
Karnoj-k'al-ak'  (Theodosiupolis)   durch  Habib  b.  Maslama  (nach  Theo- 
phanes  p.  345,  11  if.  A.  M.  6145  =  653)  .samt  seinen  Familiengenossen  mit 
ihnen  (den  Arabern)  fortzog.  Sie  führten  sie  hinab  nach  Syrien.  Dort  starb 
Theodoros,  der  Herr  der  Rstunier,  und  sein  Leichnam  ward  in  seinen  Gau 
gebracht  und  begraben  im  Grabe  seiner  Väter.    Das  Fürstentum  unseres 
Landes  Armenien  erhielt  Hamazasp,  der  Herr  derMamikonier,  der  Sohn  des 
Davit',   ein  in  jeder  Hinsicht  trefflicher  Mann".     Soll  also  die  Angabe 
des  Levond  richtig   sein,   dass  die  Schlacht  beim  Zeugma,   in  welcher 
Ward,   der  Sohn  des  Theodoros  Kstuni  Verrat  übte,   zu  Lebzeiten  des 
Theodoros  stattgefunden  habe,  so  muss  sie  bald  nach  seiner  Absetzung 
geschlagen    worden    sein.     Aber   damals    hatte    der   Kaiser,    als   er  im 
Jahre   652   selbst   nach   Armenien   zog,   um   das   Land   wieder   zurück- 
zuerobern,   Muse!   den   Herrn    der   Mamikonier    zum   Befehlshaber   der 
armenischen  Reiterei  ernannt  (Seb.  140),   während  Theodoros  und  sein 
Schwiegersohn  Hamazasp,   der  Herr  der  Mamikonier,   mit  den  Arabern 
verbündet  waren.     Von  Smbat  Bagratuni  ist  dabei  keine  Rede.     Auch 
die  Geiseln,   worunter  Grigor,   der  Bruder  des  Hamazasp,   waren  schon 
vor  'O^mäns  Tode  (656)  in  den  Händen  Mu'äwijas.     Jn  jenem  Jahre  t>) 
tielen  die  Armenier  von  der  Knechtschaft  der  Ismaeliten  ab  und  unter- 
warfen  sich   wieder  der  Knechtschaft  des  Königs   der  Griechen.     Der 
König   Kostandin   machte   den   Herrn   der  Mamikonier  Hamazasp   zum 
Kuropalates  und  schenkte  ihm  silberne  Sessel  und  das  Fürstentum  des 
Landes   Armenien c),    und    den  andern  Fürsten  Ehrenstellen,    und    den 

a)  Seb.  138.  Das  Datum  t..  ^  'i.Jl,%  u,Jl,  am  Anfang  der  Seite 
bezieht  sich  auf  den  Beginn  des  Berichtes,  das  11.  Jahr  des  Konstans. 
Levond  S.  25  setzt  diese  Schlacht  ins  „Jahr_22  des  Abu  Bak'r  und 
Ot'man  und  Amr"  d.  i.  653/54,  wogegen  Sebeos  139  das  zwölfte  Jahr 
des  Konstans  dem  20.  der  ismaelitischen  Herrschaft  gleichsetzt. 

t>)  Nach  Stephan  AsoHk'  II  2  p.  127  trad.  Dulaurier  im  Jahre  104 
der   armenischen   Ära  (655  56). 

c)  6  'AiLcc^cc«j>7trig  6  KovQOitäXatog  hr]  6'  in  der  Liste  der  arme- 
nischen Statthalter  in  der  aus  dem  Ende  des  7.  Jahrhunderts  stammen 


442  J-  Marquart, 

Truppen  Schätze.  Als  nun  der  ismaelitische  König  sah,  dass  die 
Armenier  aus  ihrer  Knechtschaft  ausgetreten  waren,  liess  er  sämtliche 
Greisein,  welche  sie  aus  dem  Lande  weggeführt  hatten,  gegen  1775 
Seelen,  insgesamt  über  die  Klinge  springen.  Die  wenigen  übrig  ge- 
bliebenen, etwa  22  an  der  Zahl,  welche  zufällig  nicht  am  Orte  waren, 
entrannen  allein. 

Allein  Musel  der  Herr  der  Mamikonier  hatte,  weil  viera)  Söhne 
von  ihm  als  Geiseln  bei  den  Ismaeliten  waren,  deshalb  nicht  gewagt, 
von  ihrer  Knechtschaft  abzufallen,  sondern  diesen  und  noch  andere  von 
den  Fürsten  samt  ihren  Frauen  forderten  sie  zu  sich  nach  Syrien.  Des- 
halb waren  (die  Armenier),  den  Tod  für  besser  haltend  als  das  Leben, 
von  ihrer  Knechtschaft  abgefallen  und  hatten  sich  in  eiligem  Hin-  und 
Hergehen  der  Knechtschaft  des  Königs  der  Griechen  unterworfen,  im 
Einverständnis  mit  den  Fürsten  und  Truppen  Albaniens  und  den  Fürsten 
des  Landes  Siuuik'  samt  ihrem  Lande.  Die,  welche  sich  früher  der 
atrpatakanischen  Reichsschatzung  unterworfen  hatten  t>),  bis  das  Reich 
der  Perser  weggenommen  worden  war  und  der  Ismaelit  die  Herrschaft 
angetreten  hatte,  diese  hatten  sich  wieder  gefügt  und  mit  den  Armeniern 
verbündet.  Und  sie  hatten  den  Musel  und  auch  die  anderen  von  den 
Fürsten,  welche  mit  ihm  waren,  gefangen  genommen.  Die  übrigen 
Fürsten  nun,  welche  sie  gefangen  genommen  hatten,  befahl  der  Kaiser 
frei  zu  lassen,  nur  den  Musel  liess  er  zu  sich  kommen".  Seb.  151 — 152. 

Nach  Sebeos  und  Levond  hat  man  kein  Recht,  jenen  Smbat  mit 
dem  Sohne  des  Waraz-Tiroc'  gleichzusetzen,  über  dessen  fernere  Schick- 
sale wir  keine  Kunde  besitzen. 

6)  Smbat,  der  Liebling  des  Kammerherrn  des  Herakleios  Seb.  102, 
wird  anad'aQoyiavdidätos  a.  645/46  Seb.  114;  wird  in  den  Rang  seines 
Vaters  eingesetzt,  erhält  den  Fürstenrang  der  angestammten  Haus- 
herrnschaft der  Aspetwürde  und  wird  zum  Drungar  der  Truppen  ernannt 
und  mit  einer  Arschakunierin  vermählt  Seb.  116.  Smbat  Aspet,  der 
Sohn  (richtig  Enkel)  des  grossen  Smbat  Chosrow  Sumn,  war  Eidam  des 
Manuel  Magistros  und  Fürst  des  Heeres  der  Fürsten  der  Thraker,  machte 
sich  aber,  als  er  dem  kaiserlichen  Befehle  nachkam,  den  der  Teilnahme 
an  einer  Verschwörung  beschuldigten  Manuel  Magistros  zu  verhaften, 
bei  den  Truppen  verhasst,  die  ihn  beschuldigen,  er  habe  das  Heer  zur 
Empörung  aufzuwiegeln  versucht,  um  ihn  so  zu  verderben.  Der  Kaiser 
sprach  ihn  aber  frei  Seb.  136.  —  Nach  Saint-Martin  bei  Lebeau, 
Hist.  du  Bas-Empire  11,  349,  der  ihn  Smbat  Kuropalates  nennt,  soll  er 
mit  dem  Patriarchen  Nerses  und  dem  Heerführer  Theodoros  Rstuni  zu- 
sammen die  Synode  von  Dvin  im  J.  648  berufen  haben.  Davon  steht 
jedoch  bei  Sebeos  119—120  nichts.  Saint-Martin  lässt  ihn  um  654 
sterben  (eb.  353).  ^ 

')  Nach  dem  Tode  des  Fürsten  Grigor  tritt  das  Fürstentum  Asot 
patrik  an,  ein  hervorragender  und  ansehnlicher  Mann  unter  den  Notabein 
Armeniens,  aus  der  Familie  der  Bagratunier.  Er  erbaute  die  Kirche 
von  Dariunk'  in  seinem  Ostan.  Unter  ihm  sandte  Justinianos  II.  in 
seinem  zweiten  Regierungsjahre  [687/88]  c)  ein  zahlreiches  Heer  nach 
Armenien  (A.  M.  6178  Theophan.  p.  863,  27—31).    Asot  fiel  im  vierten 

den  Narratio  de  rebus  Armeniae  bei  Combefis,  Historia  Monothele- 
tarum.  Graeco-lat.  patrum  bibliothecae  novum  auctarium  t.  II,  Paris 
1648,  p.  292. 

a)  Nach  einer  in  den  Text  gedrungenen  Randglosse  waren  nur 
drei  Söhne  des  MuseV,  der  vierte  war  ein  Bruder  des  Hamazasp.  Letzterer 
ist  Grigor,  der  nachmalige  Fürst  von  Armenien. 

b)  S.  mein  Eransahr  S.  122. 

c)  Stephan  AsoHk'  II  2  p.  129  gibt  das  dritte  Jahr  Justiniaus. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  443 

Jahre  seiner  Herrschaft  im  Kampfe  gegen  eine  arabische  Raubschar, 
welche  die  Flecken  der  Meder  in  Chram,  Gul-aj  und  Chosakunik'  über- 
fallen und  ausgeraubt  hatte,  und  wurde  in  seinem  Grabmal  in  Dariunk' 
in  Gog-owit  beigesetzt  Levond  37 — 39. 

Die  Narratio  de  rebus  Armeniae  nennt  als  Nachfolger  des 
'A(icc^cc<G>Tfrig  ^  KovQonälarog: 

FQTiyoQLog  6  aänXcpbg  avtov  s'tri  xd'. 

<!<4>ffwTT]5  IIa%Qttrovvr)g  f'rTj  y'. 

6  NiQai^rig  Kaiiipagaiiuv  ftrj  y  . 
Erst  der  Chronist  Samuel  von  Aui  (12.  Jahrh.)  nennt  den  Asot  patrik 
„Sohn  des  Biurat"  (bei  Brosset,  Coli,  d'hist.  arm^n.  II  409) ,  nicht 
aber  Stephan  AsoHk  oder  Johannes  Kath.,  welch  letzterer  den  Asot 
völlig  übergeht.  Saint-Martins  wohl  aus  C'arac'ean  stammende  Be- 
hauptungen bei  Lebeau  12,  5  n.  1  sind  also  völlig  unwahr. 

Der  Chazareneinfall,  bei  welchem  Grigor  gefallen  war,  fand  nach 
Stephan  Asolik'  II  2  p.  128  im  Jahre  130  der  armenischen  Ära  =  681/82 
statt.  Daneben  hat  er  jedoch  eine  abweichende  Angabe,  nach  welcher 
im  Jahre  184  =  685/86  die  Nordvölker  d.  h.  die  Chazaren  Armenien, 
Georgien  und  Albanien  ihrem  Joche  unterwarfen,  wobei  der  Fürst  von 
Armenien  und  der  von  Georgien  im  Kampfe  fielen.  Dementsprechend 
lässt  er  den  Asot  Bagratuni  im  Jahre  185  =  686/87  Fürst  von  Armenien 
werden.  An  einer  andern  Stelle  (116  p.  170)  verlegt  er  den  Chazaren- 
einfall ins  erste  Jahr  des  Justinian  =  686/87. 

**)  Stephan  AsoHk'  II  2  p.  130  trad.  Dulaurier:  „Nerseh  [Kamsa- 
rakan.  der  von  Justinian  auf  seinem  zweiten  Zuge  nach  Armenien 
Theoph.  p.  364,  4—5  A.  M.  6179  =  687,  im  Anfang  seines  vierten  Re- 
gierungsjahres zum  Fürsten  von  Armenien  ernannt  worden  sein  soll] 
erhielt  zum  Nachfolger  im  Jahre  140  [691/921  den  Smhat  Bagratuni 
Biuratean,  der  Armenien  20  Jahre  regierte".  Ebenso  erscheint  in  der 
Narratio  als  Nachfolger  des  Nerseh  Kamsarakan:  6  UaKQaxovvhg 
^v^näxiog. 

Theophan.  Chronogr.  p.  366,  25—29  A.  M.  6185: 

Tovxcp  rä  STEL  I^aßßdtLog  (z.  Uv^ißdriog),  6  jraTpixtog  'Aq^LEviag,  [la- 
&6iv  rrjv  r&v  'Pcoivc>:icov  rirrav  rrjv  'Aq^sviuv  nccQ^ScoxE  rotg  "Aga^iv,  kccI 
vnsxäyri  avxolg  iiccl  17  saa  Ilagaig,  rj  Isyo^Evr}  Xcogccadv,  xccl  cpvsxcci, 
iyistas  TtUQÜßovlog  6v6\iaxi  Uccßtvog,  nai  TfoXlovg  rav  'Agäßcov  ccTtsxxsive 
KUL  avrbv  xov  Xaydvov  rcuQ    oXiyov  xsXsiag  TtoxufiOTtvLKXov  inoiii. 

Im  zweiten  Teile  dieser  Notiz  steckt  eine  verworrene  Kunde  von 
dem  Charigitenhäuptling  Sab'ih  b.  Jazid  b.  Nu'aim  as-SaibänT  und 
seinem  Untergang  im  Dugail  im  Jahre  77  H.  (9.  April  696  bis  28.  März 
697)  a).  In  dieselbe  Zeit  gehört  vielleicht  auch  der  Abfall  des  Patrikios 
Smbat  zu  den  Arabern.  Das  Weltjahr  6185  wäre  allerdings  693  n.  Chr. 
allein  die  Chronologie  des  Theophanes  ist  hier  wie  so  oft  wieder  in 
Unordnung.  Nach  ihm  gab  dem  Kaiser  Justinian  II.  den  Anlass  zum 
Friedensbruche  die  Einführung  einer  eigenen  Münzprägung  durch  'Abd 
al  Malik,  die  er  ins  Wj.  6188  =  691  setzt,  während  sie  nach  den  Arabern 
im  Jahre  76  H.  (21.  April  695  bis  8.  April  696)  erfolgte  (Tab.  II  IH  u.  a.). 
Bei  Nikephoros  icx.  ffvvr.p.  36,  25  ff.  findet  sich  jene  Motivierung  des 
Friedensbruches  nicht.  Nach  Theophanes  ist  der  Abfall  des  Smbat 
eine  unmittelbare  Folge  der  Niederlage  der  Romäer  bei  Sebastopolis 
in  Kilikien,  welche  die  Feindseligkeiten  eröffnete  und  von  Theophanes 

a)  Vgl.  Wellhausen,  Die  religiös-politischen  Oppositionsparteien 
im  alten  Islam  S.  46  u.  A.  3.  Abh.  der  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  N.  F 
Bd.  V  Nr.  2. 


444  J-  Marquart, 

ins  Jahr  6184  =  692  gesetzt  wird.    Allein  für  das  spätere  Datum  scheint 
folgende  Notiz  zu  sprechen. 

„Nach  jenem  -was  wir  erzählt  haben  (d.  h.  nach  dem  Tode  des 
Asot  patrik),  sandte  abermals  ein  Heer  der  König  der  Griechen,  welchen 
sie  Ap'simeros  nannten,  welcher  an  Stelle  des  Kaisers  Justianos  war, 
und  befahl  Smbat,  den  Sohn  des  Waraz-Tiroc'  zu  ergreifen,  als  wenn 
er  rächen  wollte  die,  welche  derselbe  verstümmelt  hatte  von  den  Truppen 
der  Griechen  wegen  des  Todes  seines  Vaters  Waraz-Tiroc',  welchen  die 
Römer  getötet  hatten  a).  Und  angekommen  kämpften  sie  mit  ihm  in 
der  sumpfigen  Ebene  von  Pajik,  und  viele  Schläge  geschahen  den 
Truppen  Armeniens,  da  sie  zu  wenige  waren.  Es  fielen  auch  vom  Heere 
der  Griechen  zahlreiche.  Als  Smbat  sah,  dass  sie  den  Truppen  der 
Griechen  nicht  Stand  zu  halten  vermochten,  ward  er  flüchtig  und  gieng 
mit  knapper  Not  weg  mit  wenigen  Männern,  und  die  Truppen  der 
Griechen  kehrten  zurück  in  ihr  Land"  tevond  39—40.  Tiberius  II. 
Apsimar  wurde  im  Jahre  698  erhoben,  der  Abfall  des  Smbat  kann  also 
nicht  lange  vorher  stattgefunden  haben,  was  auf  das  Jahr  696/97  passt. 

Dafür  spricht  auch  die  kurze  Notiz  bei  Mos.  KaV.  III  16  (Bd.  II 
43—44  ed.  Sahnazarean) :  ,Im  Jahre  146  der  armenischen  Zeitrechnung 
(697/98)  kam  Mahmet  der  zweite  (Muhammad  b.  Marwän,  Bai.  S'.ö, 
15—19.  Ja'qübi,  Hist.  II  nf,  18— l^^o,  4)  nach  Armenien,  und  durchs 
Land  Albanien  eilend  gelangt  er  nach  C'olaj  (Darband).  Allein  die 
Armenier  abfallend  schlössen  den  Araber  ein  in  Dwin ,  und  2000  von 
den  Arabern  töteten  sie,  ein  zahlreiches  Heer  von  den  Ilomäern  herbei- 
führend. In  diesem  Jahre  war  das  Ende  der  Söhne  des  hl.  Grigor^). 
Und  Mahmet  kehrte  zurück  von  C'olaj.  Er  bleibt,  belagert  Sevan,  die 
im  See  angelegte  Burg,  drei  Jahre c),  und  nachher  nimmt  er  sie  und 
lässt  über  die  Klinge  springen  welche  er  darin  findet".  Vgl.  Job. 
Kath.  53.  54. 

Levond  S.  40  lässt  allerdings  den  bluttrinkenden  und  vom  Teufel 
besessenen  Mahmet  nach  dem  16.  Jahre  des  Abdl-Melik'  als  Heerführer 
nach  Armenien  kommen,  allein  dies  steht  mit  seiner  eignen  Darstellung 
im  Widerspruch.  Nachdem  er  nämlich  Mahmets  Thaten  in  Armenien 
im  allgemeinen  geschildert,  fährt  er  fort  (S  41):  „Und  nach  zwei  Jahren 
zum  Gipfel  der  Ruchlosigkeit  gelangt,  spie  er  das  todbringende  Gift, 
spann  gegen  den  Konvent  des  hl.  Grigor  den  Tod".  Auf  die  Erzäh- 
lung der  an  den  Mönchen  dieses  Klosters  begangenen  Unthat^)  folgen 
dann  die  unten  mitgeteilten  Ereignisse  nach  Mahmets  Abzug  aus  Ar- 
menien, worauf  es  heisst  (S.  49):  „Und  es  geschah  nach  diesem,  als  der 
ismaelitische  Fürst  Abdl-Melik'  die  Vernichtung  seiner  Truppen  ver- 
nahm, ruft  er  zu  .sich  den  Mahmet,  den  Heerführer  seines  Heeres,  und 
befiehlt  ihm  mit  sich  zu  nehmen  eine  Menge  Truppen  und  gegen  unser 
Land  Armenien  zu  ziehen  mit  Schwert  und  Gefangennahme.  Dieser 
rüstete  unverzüglich  die  Truppen,  und  hochfahrend  drohte  er  auszu- 
führen die  Befehle  ihres  Fürsten,  Als  die  Notabein  unseres  Landes 
Armenien  von  der  Raubschar  vernahmen,  welche  verstärkt  anrücken 
sollte,  rüsteten  sie  den  Katholikos  Armeniens  Sahak  und  einige  von 
den  Bischöfen  unseres  Landes  mit  ihm  aus,  dem  ismaelitischen  Heere 


a)  Waraz-Tiroc'  muss  sich  also  als  Geisel  in  den  Händen  der 
Romäer  befunden  haben  und  von  ihnen  zur  Strafe  für  den  Abfall  des 
Smbat  getötet  worden  sein. 

^)  D.  h.  des  Klosters  des  hl.  Grigor;  s.  unten  Levond. 

c)  Nach  Joh.  Kath.  S.  53  zwei  Jahre. 

d)  Vgl.  Stephan  AsoHk  II  4  p.  154—155. 


Osteuropäische  uud  ostasiatische  Streifzüge.  445 

entgegenzugehen  und  mit  seinem  Heerführer  in  Worten  des  Friedens 
zu  reden  und  sich  unter  das  Joch  ihrer  Knechtschaft  zu  unterwerfen". 
Die  Abordnung  gelaugte  nach  Harrän,  dem  Sitze  des  Statthalters  von 
al  Gazira,  allein  ehe  noch  Mahmet  daselbst  eintraf,  starb  der  Katholikos. 
Er  hinterliess  einen  Brief  an  den  Emir,  und  als  Mahmet  sich  zu  seiner 
Leiche  führen  Hess,  geschah  ein  Wunder 2-)^  wodurch  Mahmet  bewogen 
wurde,  die  Bitte  des  verstorbenen  Katholikos  zu  erfüllen.  (S.  52:)  „Aber 
die  welche  mit  dem  Katholikos  Sahak  gekommen  waren  aus  unserem 
Lande  Armenien ,  nahmen  den  Leichnam  des  seligen  Patriarchen  und 
führten  ihn  über  zur  Ruhe ,  ihn  in  einen  Sarg  legend,  glorreich.  Und 
sie  selbst  nahmen  vom  ismaelitischen  Heeführer  ein  Eideswort  ver- 
mittelst einer  Urkunde ,  und  kehrten  zurück  in  unser  Land  Armenien. 
Und  als  die  Einwohner  unseres  Landes  das  Wort  des  Eides  sahen  und 
des  Versprechens  der  Urkunde,  fassten  sie  Zutrauen  zu  demselben  und 
dienten  fürder  den  Ismaeliten  in  Sklavenknechtschaft. 

Aber  der  Heerführer  Mahmet  zog  zum  zweitenmal  herauf  in  unser 
Land  Armenien  mit  schwerem  Heere  im  achtzehnten  Jahre  des  Fürsten 
Abdl-Melik', ..  und  die  drei  (übrigen)  Jahre  blieb  er  Ruhe  haltend. 
Nichts  von  Übeln  kam  in  Erinnerung  wegen  der  Begebenheiten  die  sich 
zugetragen  hatte(n)  mit  dem  Heere  der  Araber  im  Flecken  Wardana- 
kert,  sondern  fest  wahrte  er  den  Eid  der  Schrift  den  er  gegeben  hatte, 
und  bloss  unter  seinem  Auge  überwachte  er  die  Notabein  Armeniens". 

Levond  (S.  34)  gibt  dem  Abd  al  Malik  21  Jahre,  wie  z.  T.  auch 
die  Araber.  Da  sein  Vater  Marwän  b.  al  Hakam  am  Neumond  des 
Ramadan  65  und  er  selbst  in  der  Mitte  des  Sauwäl  86  (705)  starb,  so 
entspricht  sein  18.  Jahr  ungefähr  dem  Jahre  702,  sein  16.  dem  Jahre 
700.  Da  aber  Mahmet  das  erstemal  nach  Levond  mindestens  zwei  Jahre 
in  Armenien  wütete,  so  folgt  schon  daraus,  dass  in  der  Jahreszahl  16 
bei  Levond  ein  Fehler  stecken  muss;  vollends  ausgeschlossen  ist  aber, 
dass  auch  noch  die  folgenden  Ereignisse  nach  seinem  Abzug  in  dem 
Zeitraum  nach  dem  16.  bis  zum  18.  Jahre  des  Abdl-Melik'  Platz  finden 
könnten.  Ich  vermute  daher  in  tlU^nuiuu/b  einen  Fehler  für  hplr^^ 
,nuiuufu  =  13,  womit  die  Übereinstimmung  zwischen  Levond  und  Mos. 
Kah  hergestellt  wäre,  da  das  13.  Jahr  des  Abd  al  Malik  ziemlich  genau 
dem  Jahre  697  entspricht. 

„Aber  als  Mahmet,  von  dem  wir  berichtet  haben,  alle  diese 
Schlechtigkeiten  ausgeführt,  zog  er  alsbald  mit  vieler  Beute  weg  nach 
Asorestan.  Aber  die  Bewohner  unseres  Landes  blieben  zurück  wie  vom 
Feuer  rauchende  Lava,  und  wie  ein  zermalmter  Garbenhaufen,  den  die 
Schweine  zertreten  haben.  Und  als  der  Heerführer  Mahmet  nach  Syrien 
abzog,  Hess  er  in  unserem  Lande  Armenien  einen  Befehlshaber  an  seiner 
Statt  aus  den  Ismaeliten ti).  Dieser  ging  mit  dem  schlimmen  Plane  um,  das 
die  Truppe  der  Adligen  (azatagund)  bildende  Geschlecht  aus  unserem 
Lande  Armenien  wegzuführen  samt  deren  Reitern.  Und  plötzlich  ward 
seine  Arglist  dem  Smbat  offenbar,  der  aus  dem  Geschlechte  der  Bagra- 
tunier  war,  und  den  andern  Notabein  und  deren  Reitern.  Sobald  er 
daher  den  Anschlag  merkte,  berief  er  zu  sich  seine  Verwandten  des  aus 
der  Truppe  der  Adligen  bestehenden  Lagers:  den  Smbat,  den  Sohn 
des  Fürsten  Asot,  und  den  Ward,  den  Sohn  des  Fürsten  Theodoros, 
und  seinen  Bruder  Asot,  und  andere  Notabein,  und  er  dachte  eine  List 
zu  finden ,  wodurch  sie  das  Mittel  finden  würden ,  ihre  Personen  in 
Sicherheit  zu  bringen.  Man  beschloss  wegzugehen  zum  König  der 
Griechen.  Und  dort  sich  teilend,  trennten  sich  (von  ihnen)  einige  von 
den  Notabein  der  Provinz  Waspurakan.     Aber   jene    nahmen  sich  vor 


a)  Vgl.  Joh.  Kath.  S.  54—55.     Stephan  AsoHk  II  2  p.  130—131. 
i>)  Nach  Joh.  Kath.  54  und  Wardan  S.  71,  11  hiess  er  Abdllah. 


446  J-  Marquart, 

und  zogen  ab  aus  den  Gegenden  von  Waspurakan  aus  der  ebenen 
Mark,  welche  sie  Arestahotmn  nennen".  Sie  befragten  einen  dort 
wohnenden  heiligen  Einsiedler  über  das  Unternehmen,  der  ihnen  aber 
nichts  Bestimmtes  zu  raten  wagte. 

,Sie  aber  zogen  weg  dem  Ufer  des  Flusses  Erasch  entlang,  über- 
schritten die  Grenze  von  Ulajea)  und  gelangten  zum  grossen  Flecken 
Akori.  Aber  die  ismaelitischen  Truppen,  welche  in  der  Stadt  Nachi- 
gevan  waren,  stürmten  hinter  ihnen  her  und  trennten  sich  nicht  von 
ihren  Fersen.  Denn  sie  waren  mehr  denn  8000,  und  sie  wollten  sie 
lebendig  verschlingen.  Als  dem  Heere  der  Armenier  über  die  Raub- 
schar Kunde  ward,  welche  sich  erhoben  hatte  und  gegen  sie  zog, 
ermannten  sie  sich  und  überschritten  den  Erasch  und  lagerten  im 
Flecken  Wardanakert.  .  .  .  Aber  nachdem  das  Heer  der  Armenier  die 
Strassen  des  Fleckens  befestigt  hatte,  bestellten  sie  Wächter  darüber 
bis  zum  Anbruch  des  Morgens,  sie  selbst  aber  verbrachten  die  ganze 
Nacht  im  Gebete,  feierten  beim  Morgengrauen  die  hl.  Messe  und 
kommunizierten  und  nahmen  etwas  Speise  zu  sich  wegen  der  Stärkung 
des  Fleisches.  Und  alsbald  sich  erhebend  stellten  sie  sich  in  Schlacht- 
ordnung, und  der  Kampf  entspann  sich.  Da  traf  die  Hilfe  des  gross- 
mächtigen Gottes  der  Truppe  der  Armenier  ein:  obwohl  sie  weniger 
waren  als  2000,  schlugen  sie  doch  die  meisten  und  Hessen  sie  über 
die  Klinge  springen.  Denn  es  waren  die  Tage  der  eisig  wehenden 
Kälte.  Und  indem  der  rauhe  Wind  noch  mehr  anwuchs,  hinderte  er 
die  ismaelitischen  Truppen  an  ihrer  Heldenkraft.  Denn  sie  hatten  die 
ganze  Nacht  (wachend)  verbracht  wegen  des  Schnees,  und  beim  Tages- 

frauen  fielen  sie  in  die  Gewalt  des  Schwertes.  Die  aber,  welche  dem 
chwerte  entflohen,  fielen  in  den  Fluss  Erasch.  Er  war  nämlich  gefroren 
infolge  der  Kälte  des  Windes.  Sobald  nun  aufs  Eis  stiegen  die  Menge 
der  Truppe,  wurden  sofort  dem  Abgrund  des  geborstenen  Eises  über- 
geben die,  welche  vor  dem  Schwerte  gerettet  waren.  Und  auf  diese 
Weise  ertränkt  endigten  sie  das  Leben  [vgl.  Joh.  Kath.  S.  54,  19 — 25]. 
Von  diesen  wandten  sich  wenige  zur  Flucht,  etwa  300  Mann,  und 
suchten  Zuflucht  bei  der  Fürstin  Öusan  [der  Frau  des  Smbat?].  Diese 
verfolgte  Smbat,  der  Sohn  des  Asotb),  mit  seinen  Truppen,  und  wollte 
die  Flüchtlinge  über  die  Klinge  springen  lassen.  Diesen  gieng  entgegen 
die  Fürstin  Susan,  und  mit  vielen  Bitten  und  Geschenken  befreite  sie 
diese  nackt  und  bloss  und  zu  Fuss  gehend  und  dem  Tod  nahe,  deren 
Wunden  sie  nahm  und  verband  und  heilte  und  mit  Kleidern  bekleidete. 
Sie  gab  (ihnen)  auch  Reittiere  ihrer  Herden,  und  sandte  sie  zum  ismae- 
litischen Fürsten  Abdl-Melik',  weshalb  sie  auch  von  ihm  viel  Dank- 
beweis (Gnade)  empfing  und  er  ihr  die  grössten  Ehren(zeichen)  sandte. 
Aber  nachdem  das  Heer  der  Armenier  sich  von  der  Beute  der 
Feinde  angefüllt  hatte,  sandten  sie  an  den  König  der  Griechen  die 
frohe  Botschaft  ihres  Sieges.  Sie  Hessen  ihm  Geschenke  wegführen 
aus  der  Beute  der  Feinde,  die  auserlesensten  der  Renner  der  arabischen 
Rosse,  und  die  Nasen  der  Leichen  der  Gefallenen  schnitten  sie  ab  und 
sandten  sie  damit.  Als  der  Kaiser  diese  Gabe  empfieng,  brachte  er 
dem  Schöpfer  grossartigen  Dank  dar,  und  Gnade  dem  Smbat  und  den 
Notabein  mit  ihm  und  ihren  Truppen.  Er  verlieh  ihm  (das  Recht)  die 
Ehre  der  Kuropal aten würde  zu  tragen  nach  der  Weise  der  Könige. 
Als  er  die  Ehre  vom  Kaiser  empfangen  hatte,  nahm  er  seine  Truppen 
und  gieng  hin  ins  Land  Tajk',   zog  ein  in  die  Festung,    welche  man 

=>■)  Vgl.  Grigor  Chalathiantz,  ApMaHCKifi  anoci.  Moskau  1896 
S.  190. 

b)  Dieser  machte  die  Flucht  zum  griechischen  Kaiser  nicht  mit, 
sondern  blieb  im  Lande. 


Osteuropäische  uud  ostasiatische  Streifzüge.  447 

T'uchark'  nennt,  und  war  vor  den  Söhnen  Ismaels  auf  der  Hut  [daraus 
Wardan  S.  71,  15-21.  24-26]. 

Um  diese  Zeit  zog  wiederum  eine  andere  Raubschar  gegen  das 
Heer,  das  in  den  Gegenden  der  Provinz  Waspurakan  (stand),  und  an- 
gekommen erschienen  sie  im  Gau  Estunik'  im  Dorfe,  das  man  Gukank' 
nennt.  Dort  bekamen  sie  einander  in  Sicht.  Sowie  sie  sahen,  dass  sie 
wenige  waren ,  stürzten  sie  kraftvoll  auf  sie  und  alsbald  erbarmte  sich 
die  Barmherzigkeit  Gottes  und  auch  diesmal  traf  sie  ein  zur  Unter- 
stützung. Sie  Hessen  sämtliche  über  die  Klinge  springen,  nur  280  Mann, 
die  sich  zur  Flucht  wandten,  gerieten  in  die  Kirche.  Als  (die  Christen) 
sie  nicht  zu  erobern  vermochten,  gedachten  sie  das  Heiligtum  in  Brand 
zu  stecken.  Jedoch  Smbat,  der  Fürst  der  Gegend  Waspurakan a), 
welcher  der  Sohn  des  Fürsten  Asot  war,  Hess  es  nicht  zu,  und  nicht 
gestattete  er,  jene  Missethat  auszuführen".  Die  Ismaeliten  machen  dann 
einen  Ausfall  und  werden  sämtlich  niedergehauen,    tevond  43—49. 

Aus  dieser  Darstellung  ergibt  sich  von  selbst,  dass  es  ganz  falsch 
ist,  wenn  Geiz  er  (Georgius  Cyprius  p.  LIV  n.  1)  im  Anschlüsse  an 
Saint-Martin,  Mem.  sur  l'Armdnie  1416  und  Hist.  du  Bas-Empire 
12,  31  Smbat  im  Jahre  695  Statthalter  von  Armenien  werden  und  vom 
Kaiser  Leontios  die  Kuropalateswürde  erhalten  lässt.  Saint-Martius 
DarsteUung  der  Geschichte  dieser  Zeit  (bei  Lebe  au  12,  27  ss.)  ist  chro- 
nologisch völlig  verkehrt,  und  zumal  seine  Behauptungen  über  Smbats 
Beziehungen  zum  Heerführer  Leontios  sind  durch  keine  Quelle,  am 
wenigsten  durch  AsoHk  (p.  29  n.  4)  zu  rechtfertigen. 

Jm  ersten  Jahre  seiner  Regierung  (86  H.  =  705)  gedachte  WHt' 
aus  dem  Lande  Armenien  das  Geschlecht  der  Notabein  mit  ihren  Reitern 
aufzubieten  wegen  des  Hasses,  den  sie  hegten  gegen  den  Kiurapalat 
Smbat.  Denn  er  sagte:  fortwährend  werden  sie  dieser  unserer  Herr- 
schaft ein  Splitter  und  Fallstrick  sein.  Während  sie  nun  diese  Bosheit 
ausheckten  in  ihren  Herzen,  da  schrieb  plötzlich  Smbat,  von  welchem 
wir  (früher)  gesprochen  haben,  an  den  König  der  Griechen  und  erbat 
ein  Heer  von  ihm  zur  Unterstützung.  Der  Kaiser  biUigte  und  führte 
das  Gesuch  aus.  Er  übergab  viele  Truppen  einem  Heerführer  und 
sandte  sie  ihm  zur  Unterstützung.  Als  Smbat  sich  mit  dem  Heerführer 
der  Griechen  vereinigt  hatte,  kamen  sie  und  gelangten  in  den  Gau 
Wanand  in  das  Dor^  das  sie  Draspet  nennen.  Dort  schlugen  sie  ihr 
Lager  auf.  Als  das  Mahmet  hörte,  der  Befehlshaber  des  ismaelitischen 
Heeres,  versammelte  er  seine  Truppen  und  zog  mit  grosser  Rüstung 
ihnen  entgegen  zum  Schlachtkampf.  Auf  dem  Schlachtfelde  angekommen 
ordneten  sie  Truppe  gegen  Truppe  und  Stirn  gegen  Stirn,  und  es  ent- 
spann sich  die  Schlacht.  Da  kam  plötzlich  der  Grimm  vom  Herrn  über 
sie;  es  erschlaffte  das  Herz  der  Männer  der  Griechen,  zur  Flucht  sich 
wendend  retteten  sie  sich  in  ihr  festes  Lager.  Die  Feinde  aber  sich 
ermannend  Hessen  die  meisten  über  die  Klinge  springen  —  die  Zahl  der 
GefaUenen  gibt  man  auf  mehr  als  50000  das  Schwert  ziehender  Männer 
an  —  die  wenigen  Übriggebliebenen  vertrieb  er  aus  unserem  Lande  und 
die  Truppen  seines  Lagers  versammelnd  kehrte  er  in  die  Stadt  Dvin 
zurück.  Als  dies  der  ismaelitische  Fürst  sah,  dass  Führer  des  Heeres 
der  Griechen  die  Notabein  Armeniens  geworden  waren,  befahl  er  aber- 
mals jenen  Plan  des  Truges  dem  Mahmet  auszuführen. 

Als  Mahmet  den  ruchlosen  Befehl  erhalten  hatte,  befahl  er  einem 
gewissen  Kasm  ( Qäsini),  welcher  sein  Befehlshaber  (Jiramanatar)  in  den 
Gegenden  der  Stadt  Nachcuan  war,  zu  sich  zu  rufen  die  Notabein  von 
Armenien  mit  ihren  Reitern  unter  dem  Vorwande,  eine  königliche 
Musterung  zu  halten  und  Sold  (poya)  zu  empfangen  und  wieder  zurück- 


a)  S.  o.  S.  446  Anm.  b. 


448  '^-  Marquart, 

zukehren".  Als  die  Notabelu  dem  Befehle  arglos  Folge  leisteten,  wurden 
sie  in  zwei  Haufen  geteilt,  und  teils  in  die  Kirche  von  Nacheavan,  teils 
in  die  Kirche  von  Chram  eingesperrt  und  samt  den  Gotteshäusern  ver- 
brannt. ,Da  wurden  ergriifen  Smbat,  der  Sohn  des  Asot  aus  dem 
bagratunischen  Geschlechte ,  und  Grigor  und  Koriun  aus  dem  Ge- 
schlechte der  Arcrunier,  und  Waraz-Sapuh  und  sein  Bruder  aus  dem 
Geschlechte  der  Amatunier,  und  viele  andere  von  den  Notabein  Armeniens, 
welche  ich  nicht  einen  nach  dem  andern  aufzuzählen  beabsichtige.  Diese 
alle  aus  dem  Leben  wegnehmend  machten  sie  vinser  Land  verwaist  von 
den  Notabeln".  Diese  Katastrophe  fand  nach  Stephan  AsoHk'  II  4  p.  156 
trad.  Dulaurier  im  Jahre  153  der  armenischen  Ära  =  704/5  statt,  nach 
Theophanes  p.  372,  13—18  im  Weltjahr  6195  =  703.^  Dieser  erzählt  sie 
mit  folgenden  Worten :  Tovro)  ra>  I'tsl  iataaiaaav  oi  äQ^avtng  'ÄQiitviag 
■y.ara  räv  ZlaQaytrivcöv  xal  rovg  iv  'Aq^svik  SccQaiirivovg  a-jtSKrtivccv '  nccl 
av&ig  TtQOg  'AipifiaQOv  Tti^itovai  -aal  'Pcofiaiovg  tig  rrjv  avrüv  ^mgav 
cpsQovoiv  (bezieht  sich  auf  die  Schlacht  in  Wauand)..  ö  dh  Movd^sd 
iTtioxQaxivaag  xkt'  ccvtojv  TtoXXovg  -ursivti,  xai  ri]v  (ihv  'Aq^sviuv  UccQa- 
%7]V0ig  VTtorccßßsi,  rovg  dh  ybtyiGxavag  räv  'AQ^mviav  acoQSvaag  iv  xoTtm 
kvl  ^cooKavarovg  inoir]6tv.  Vgl.  Mos.  KaV.  III  16  Bd.  II  44  ed.  Sahna- 
zarean:  „Und  von  da  (von  Sevan)  hinübergehend  nach  Armenien 
schlug  er  (Mahmet)  das  römische  Heer  (spaj)  und  das  armenische.  Und 
die  welche  er  nicht  zu  ergreifen  vermochte,  düpierend  mit  gewaltigem 
Eide,  versammelte  er  durch  Hinterlist  und  Trug  bei  sich  alle  Häupter 
der  Armenier,  und  sie  nach  der  Stadt  Nachigevan  wegführend,  sperrte 
er  800  Mann  in  die  Kirchen  und  verbrannte  sie  lebendig,  und  400  Mann 
verbrannte  er  in  Chram  gleichfalls.  Ihre  niedrigen  Leute  aber  Hess  er 
mit  dem  Schwerte  niederhauen".     S.  auch  Joh.  Kath.  S.  55 — 58. 

Ja'qübi,  Hist.  II  t^ff ,  19  bis  ^ö,  4  und  Balädurl  Y,ö,  14-19  ver- 
legen den  Schauplatz  der  Unthat  in  die  Provinz  Chilät,  wo  150  Jahre 
später  (Winter  851/52)  der  neuernannte  Statthalter  Jusuf,  der  Sohn  des 
Abu  Sa'id  (armen.  Apu-Set')  Muhammad  b.  Jiisuf,  von  den  ergrimmten 
Gebirgsbewohnern  von  Chojt'  in  der  Kuppel  der  Kirche  erschlagen 
wurde.  Vgl.  Stephannos  Orbelian,  Hist.  de  la  Siounie  trad.  par 
Brosset  I  83  n.  2. 

,Da  in  jener  Zeit  unser  Land  Armenien  vom  Geschlechte  der 
Notabeln  leer  geworden  war,  wurden  sie  verlassen  wie  Schafe  unter 
den  Wölfen.  Die  Feinde,  mit  Übeln  aller  Art  losstürmend,  hielten 
die  Bewohner  unseres  Landes  Armenien  in  furtlosen  Qualen  der  Ge- 
fahr. Diese,  erschöpft  von  den  unablässigen  Bedrängnissen,  erhoben 
die  Seufzer  und  das  Klagegeschrei  zum  Himmel.  Aber  Smbat  der 
Kiurapalat  und  die  Notabeln,  die  mit  ihm  (waren),  giengen  weg  und 
zogen  ab  aus  unserem  Laude,  und  hinübergehend  verlangten  sie  vom 
König  der  Griechen  eine  Stadt  als  Wohnsitz  und  Ställe  für  ihr  Vieh. 
Er  gab  ihnen  die  Stadt,  welche  mit  Namen  F'ojt'  [Poti,  Phasis]  ge- 
nannt wird,  in  den  Gegenden  des  Landes  Egr  [Kolchis].  Sie  wohnten 
in  derselben  sechs  Jahre. 

Aber  als  Mahmet  all  diese  Übel  ausgeführt,  erhob  sich  eine 
Anklage  unseres  Landes  Armenien  und  gelangte  zu  den  Augen  des 
ismaelitischen  Fürsten,  der  Wlit'  hiess,  und  sofort  sendet  er  einen  Brief 
und  ruft  diesen  zu  sich,  und  an  seiner  statt  entsendet  er  einen  gewissen 
Abdl-Aziz,  der  taub  war,  aber  klug,  voll  weltlicher  Schlauheit,  ein 
Fabulant  und  Sprichwörterschmied.  Als  er  sich  in  der  Regierung  be- 
festigt hatte,  schrieb  er  einen  Brief  an  die  Notabeln  Armeniens  und 
überredete  sie,  zurückzukehren  in  unser  eigenes  Land,  und  gab  ihnen 
eine  eidliche  Urkunde  nach  Massgabe  ihrer  Sitte.  Sobald  sie  in  sein 
Gelöbnis  Vertrauen  setzten,  nahmen  sie  die  Stadt  wo  sie  angesiedelt 
waren,   und   die   Schätze   der   Kirche   als   Beute   raubend,   kehrten   sie 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  449 

nach  Armenien  zurück,  sich  trennend  vom  Kaiser  der  Griechen.  Als 
der  Kaiser  es  hörte,  ward  er  erbittert  über  die  geschehene  Misseithat; 
er  rief  die  Vorsteher  der  Kirchen,  den  Metropoliten  und  die  Erzbischöfe 
und  befahl  ihnen,  den  Fluch  in  ein  Buch  zu  schreiben  und  befahl  (ihn) 
bei  der  Feier  des  Osterfestes  zu  lesen  über  die  Verüber  der  Missethat. 
Denn  an  jenem  Feste  hatten  sie  das  Werk  der  Gottlosigkeit  begangen. 
An  jenem  Feste  verordneten  sie  Jahr  für  Jahr  jenen  Fluch  zu  lesen 
bis  auf  diesen  Tag.  Dieser  ward  aber  auch  Herr  über  sie  und  ward 
die  Ursache  ihres  Untergangs",     tevond  Kap.  6  S.  54 — 59. 

Die  Rückkehr  des  Smbat  nach  Armenien  fand  somit  im  Jahre  710 
oder  711  (91  oder  92  H.)  statt,  je  nachdem  man  das  sechste  Jahr  seines 
Aufenthaltes  in  P'ojt'  als  voll  oder  nur  angetreten  zu  betrachten  hat. 
Zum  zweiten  Datum  stimmt,  dass  nach  Moses  Katankajtvac'i  III  16 
(II  43  ed.  Sahnazarean)  Abdl-Aziz  im  Jahre  160  der  armenischen  Ära 
=  711/12  nach  Albanien  kam.  Nach  Moses  KaK  a.  a.  0... starb  Smbat, 
der  Fürst  von  Armenien,  im  Jahre  175  der  armenischen  Ära  =  726/27 
n.  Chr.  Mit  dem  Diphysiten  Smbat,  dem  Aspet  Armeniens,  hatte  der 
junge  Stephannos  von  Siunik'  eine  Disputation ,  nach  Stephannos 
Orbelean  zur  Zeit  des  Kaisers  Leon  (des  Isauriers  717 — 741).  Vgl.  Mos. 
KaK  III  17  (II  47  ed.  Sahnazarean).  Stephannos  Orbelean,  Hist.  de  la 
Siounie  trad.  par  ßrosset  I  82.  Diese  Disputation  fand  vermutlich  auf 
der  Synode  von  Manazkert  statt,  welche  der  Katholikos  Johannes  der 
Philosoph  (718 — 728)  unter  der  Statthalterschaft  des  Smbat  gegen  die 
diphysitischen  Chalkedonier  abhielt  Stephan  AsoHk  II  42  p.  131 — 132. 

Seine  Söhne  beneiden  Asot,  den  Sohn  des  Wasak  um  das  Patri- 
ciat,  das  ihm  Marwän  b.  Muhammad  a.  732  übertragen  hatte,  und 
intriguieren  gegen  ihn ,  werden  aber  samt  den  Mamikoniern  Grigor 
und  David  von  Marwän  nach  Jemen  verbannt  Levond  143.  Nach  der 
Ermordung  Wallds  II.  (744)  gelingt  es  ihnen  nach  Waspurakan  zu 
entkommen ,  doch  nachdem  Marwän  II.  das  Chalifat  errungen  hatte 
(745),  Hess  er  sie  durch  seinen  Statthalter  Ishäq  b.  Muslim  unschädlich 
machen. 

Hieraus  ergibt  sich  also,  dass  man  Smbat  den  Kuropalates,  den 
Sohn  des  Waraz-Tiroc',  und  Smbat,  den  Fürsten  von  Waspurakan  und 
Sohn  des  Fürsten  Asot  patrik,  scharf  auseinander  zu  halten  hat.  Letz- 
terer fand  bei  der  Katastrophe  von  Nachcavan  705  seinen  Untergang. 
Der  Beiname  ßmratean,  welchen  der  erstere  bei  Stephan  AsoHk  erhält, 
ist  noch  unerklärt.  Die  Behauptung,  dass  Smbat  Biuratean  ein  Bruder 
des  Asot  patrik  gewesen  sei  (Saint-Martin  bei  Lebeau,  Hist.  du  Bas 
Empire  XII  5,  und  B  rosset,  Additions  et  eclaircissements  a  l'Histoire 
de  la  G^orgie  p.  157,  der  dazu  Wardan  p.  57  zitiert),  beruht  offenbar 
nur  auf  Samuel  von  Ani  (oben  S.  443  Z.  10 — 11)  und  ist  nach  der  Er- 
zählung Levonds  äusserst  imwahrscheinlich. 

Johannes  Katholikos  hat  sich  die  Lösung  dieser  Schwierigkeiten 
sehr  leicht  gemacht.  Er  erzählt  S.  49  der  Ausgabe  Emins  (Moskau  1853) 
nach  dem  Tode  des  Waraz-Tiroc':  „Darauf  ersucht  (der  Patriarch) 
Nerses  seinen  Sohn  Smbat  in  den  Rang  des  Vaters  einzusetzen  und 
bittet  auch  Theodoros,  den  Herrn  von  Rstunik'  im  Heerführeramte  zu 
bestätigen.  Nachdem  in  dieser  Weise  die  Nachfolge  geregelt  war, 
blieb  auf  eine  Zeit  lang  unser  Land  sicher  vor  den  bösen  Raubscharen 
Hagars".  Vgl.  Seb.  116.  Nach  dem  Tode  des  Fürsten  Grigor  Mami- 
konean  (681/82)  berichtet  er  sodann  (S.  53):  „Nach  diesem  übernimmt 
unser  Fürstentum  Armenien  Smbat  Bagratuni,  der  Sohn  des  Smbat. 
Da  bekriegte  ein  gewisser  Mrvan  [Muhammad  b.  Marwän]  aus  dem 
ismaelitischen  Geschlechte,  als  Statthalter  nach  Armenien  gesandt, 
sämtliche  Festungen  Armeniens.  .  .  .  Nach  Mahmet  [Muhammad  b.  Mar- 
wän] ward  ein  anderer  Statthalter  nach  Armenien  gesandt,  Abdllali  mit 
Marquart,  Streifzüge.  29 


450  J-  Marquart, 

Namen,  ein  verworfener  unverschämter,  zügelloser  und  höchst  bösartiger 
Mann.  Dieser  hielt  die  Heuchelei  wie  Viperngift  in  sich  beherbergt 
und  folterte  die  Fürsten  und  die  Edlen  unseres  Landes  Armenien  im 
Gefängnisse,  und  nahm  als  Beute  die  Habseligkeiten  und  Besitztümer 
vieler.  Hierauf  Hess  er  auch  den  grossen  [Katholikosl  Sahak  in  Ketten 
legen  und  nach  Damaskos  wegführen  [vgl.  Stephan  AsoHk'  II  2  p.  130 
trad.  Dulaurier],  mit  ihm  auch  den  Fürsten  Armeniens  Smbat,  den  Sohn 
des  Smbat". 

Damit  ist  allerdings  das  Legitimitätsprinzip  aufs  einfachste  ge- 
wahrt: Smbat  der  Kuropalates  ist  der  Sohn  des  Smbat,  der  Enkel  des 
Waraz-Tiroc',  der  Urenkel  des  Smbat  Chosrow-snumn.  Nur  schade, 
dass  dieser  Stammbaum  an  Levond  scheitert.  [Die  Darstellung  Wardans 
S.  70 — 73  ist  lediglich  eine  magere  Kompilation  aus  Johannes  Kath. 
p.  62—58  und  Stephan  AsoHk  II  Kap.  2  p.  128—133  und  Kap.  4 
p.  152 — 156 ,  welch  letzteres  Kapitel  selbst  wieder  ein  Auszug  aus 
Levond  ist,  und  besitzt  daher  gar  keinen  selbständigen  Wert.] 

^)  Als  Marwän  b.  Muhammad,  von  Hesm  (Hisäm)  an  Stelle  des 
Set'  Harasi  (Sa'id  b.  'Amr  al  HarasT)  zum  Statthalter  von  Armenien 
ernannt,  in  Dvin  eintraf  (114  H.  =  732  n.  Chr.),  , stellten  sich  ihm  die 
Notabein  Armeniens  vor,  und  er  redet  mit  ihnen  in  Worten  des  Friedens. 
Er  ruft  zu  sich  den  Asot,  den  Sohn  des  Wasak  aus  dem  Hause  der 
Bagratunier,  und  gab  ihm  das  Fürstentum  des  Patriciats  über  unser 
Land  Armenien  auf  Befehl  des  Hesm,  und  ehrte  ihn  mit  vieler  Ehre" 
Levond  143  ff.  Unter  dem  Chalifate  Marwäns  II.  (745—750)  wurde 
Asot  von  dem  Mamikonier  Grigor,  der  nach  der  Ermordung  Walld's  II. 
(744)  aus  Jemen  zurückgekehrt  war,  aus  Rache  geblendet.  „Aber  als 
Asot  das  Fürstentum  17  Jahre  mit  glorreicherer  Ehre  inne  gehabt  hatte 
als  die  früheren,  welche  höher  (war)  als  (die)  sämtlicher  Fürsten  vor 
ihm,  verfiel  er  der  verräterischen  Arglist,  und  nachdem  er  hernach  noch 
dreizehn  Jahre  gelebt  hatte,  starb  er  in  glücklichem  Greisenalter  und 
ward  beigesetzt  in  einem  prachtvollen  Sarge  in  seiner  Ruhestätte  im 
Dorfe  Dariunk'".  Levond  S.  151— 156.  Vgl.  Daghbaschean,  Grün- 
dung des  Bagratidenreiches  durch  Aschot  Bagratuni.    Berlin  1893  S.  52  ff. 

Asot  regierte  also  von  732  bis  748  und  starb  im  Jahre  761. 
Stephan  AsoHk'  114  p.  161,  der  jedoch  lediglich  Levond  ausschreibt, 
lässt  den  Asot  nur  15  Jahre  regieren  und  nach  seiner  Blendung  noch 
14  Jahre  leben.  Auch  im  zweiten  Kapitel  p.  133  gibt  er  ihm  15  Regie- 
rungsjahre. 

10)  Als  'Abd  alläh  „der  Pfennigfuchser"  (^AiU,tX3!  j.j!  ,  arm. 
^u.j[,  >i-u/i,.f-l^) ,  der  Bruder  des  Chalifen  'Abd  alläh  (Abu  'l'Abbäs  as 
Saffäh  750—754)  und  spätere  Chalifa  Abu  Ga'far  al  Man^ür,  aus  Ar- 
menien abzog,  „Hess  er  als  Befehlshaber  des  Richteramtes  und  der  Steuer- 
einziehung über  unser  Land  Armenien  den  Ezit,  den  Sohn  des  Usad  (so 
lies!)  zurück.  Und  Ezit  setzte  über  unser  Land  als  Fürsten  aus  den 
Notabein  Armeniens  ein  den  Isahak,  den  Sohn  des  Bagarat  aus  jenem 
Hause  des  Fürsten  Asot,   welcher  der  Sohn  seines  Vatersbruders  war", 

Levond  160.  ..  m  i.     - 

Diese  Angabe  befindet  sich  in  Übereinstimmung  mit  Tabari,  wo- 
nach Jazid  b.  Usaid  as  SulamT  schon  unter  dem  Chalifate  des  as  Saffah, 
nicht  erst  unter  dem  seines  Bruders  al  Man^ür,  Statthalter  von  Armenien 
wurde  (Tab.  III,  aI  ,  1  a.  134  H.  =  751/52;  ^f ,  10  a.  138  ^  752/53; 
s.  o.  S.  37).  Nach  Ja'qübT,  Hist.  TI  f\". ,  5  ff.  ernannte  Abu  'l'Abbäs 
seinen  Bruder  Abu  Ga'far  zum  Statthalter  von  al  Gazira,  al  Mau9il, 
der  Militärgrenze,  von  Armenien  und  Adarbaigan.  Darauf  zog  dieser 
nach  ar  Raqqa  und  steckte  ar  Räfiqa  am  Ufer  des  Euphrats  ab  und 
Hess   es   durch  Adham  b.  Muhriz    abmessen.     „Da   ernannte    er   den  al 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  451 

Hasan  b.  Qalitaba  at  Tä'T  zum  Statthalter  von  al  GazTra,  und  den  Jazid 
h.  Usaid  as  SulamT  zum  Statthalter  von  Armenien;  hierauf  setzte  er 
ihn  ab  und  ernannte  zum  Statthalter  von  Armenien  den  al  Hasan  b. 
Qahtaba.  Dieser  blieb  es  während  der  Regierung  des  Abu  'l'Abbas". 
Nach  dem  Regierungsantritte  des  al  Man^ür  wäre  dann  JazTd  b.  Usaid 
abermals  Statthalter  von  Armenien  geworden  (ffl,  9).  Der  Fürst  Sahak 
und  der  Patriarch  Ter  Trdat  aus  dem  Hause  der  Notabein  des  Gaues 
Wanand  (741 — 764)  beklagten  sich  oftmals  bei  JazTd  über  die  Härte  des 
Steuerdruckes ,  aber  umsonst.  Die  Klagen ,  die  sich  gegen  JazTd  er- 
hoben, gelangten  endlich  an  'Abdallah,  der  ihn  unter  Drohungen  zu  sich 
rief  und  statt  seiner  den  Bagar,  den  Sohn  des  Mslim  entsandte,  der  aber 
kein  volles  Jahr  blieb  (tevond  167).  Bakkär  b.  Muslim  al  'Uqaili  ward 
im  Jahre  153  H.  (770)  Statthalter  von  Armenien,  Tab.  III  r'vl ,  16. 

[Aus  dieser  Darlegung  ergibt  sich  das  Unrichtige  und  Künstliche 
der  Angabe  AsoHks  (II  2  p.  133  =  p.  105,  1  der  Ausgabe  von  Malcha- 
seanc',  St.  Petersburg  1885)  von  selbst:  „Und  nach  ihm  (Asot)..(war  Fürst 
von  Armenien)  dessen  Sohn  Smbat  22  Jahre".  Die  Übersetzung 
Dulaurier's  ist  hier  sinnlos  falsch]. 

11)  Zieht  mit  Mahmet,  einem  Offiziere  des  Statthalters  al  Hasan 
b.  Qahtaba,  nach  Iberien  gegen  die  aufständischen  Armenier  unter  dem 
Mamikouier  Artavazd  tevond  170;  schliesst  sieh  nach  dem  Siege  des 
Musel  über  Apu  Ncip  bei  Bagavan  den  Aufständischen  an,  fällt  in  der 
Schlacht  von  Bagrevand  772  Levond  173.  183.  Vgl.  Daghbaschean 
S.  58 — 63.     Über  sein  angebliches  Fürstentum  s.  Nr.  10  Ende. 

12)  Levond  178;  s.  o.  S.  414  f. 

13)  tevond  174.  178. 

1*)  Sitz-  und  Kriegsgefährte  des  Smbat,  fällt  in  der  Schlacht  von 
Bagrevand  tevond  183. 

15)  Er  stirbt  auf  dem  Feldzuge  des  Statthalters  Ot'man  gegen 
Darband,    am   Ende    der   Regierung    des  Muhammad   al  Mahdi   (786). 

Unter   jenem   Statthalter  ist  f*-Jj.^  rvJ  ö,L.*.c  ^yi    il^iü   (Bai.  H.,  14) 

zu  verstehen;  er  wird  durch  i2oÄ  (^xLg.11  j*--''^^^  rri  r'*>)  B^^-  ^''j  14/15) 
ersetzt.  Levond  194 — 195.  Während  Roh  hinzog,  ward  Mahmet  (al 
MahdT)  ermordet. 

1®)  In  dem  Geschichtswerke  des  Levond,  das  mit  dem  Antritt  des 
Katholikos  Step'annos  (789/90)  abschliesst,  wird  nach  dem  Tode  des 
sparapet  Bagarat  (786)  kein  Bagratide  mehr  erwähnt.  Nach  Stephan 
AsoHk'  II  2  p.  134  trad.  Dulaurier  regierte  nach  Smbat,  dem  Sohne 
des  Asot  (Nr.  11),  sein  Sohn  Asot  mit  dem  Beinamen  msaker  (Fleisch- 
esser) 20  Jahre  als  Fürst  von  Armenien,  welchem  sein  Sohn  Smbat  mit 
dem  Beinamen  Aplabas  folgte,  der  die  Macht  30  Jahre  lang  inne  hatte. 
Dass  aber  Asot  msaker  Smbat  nicht  unmittelbar  gefolgt  sein  kann, 
ergibt  sich  schon  aus  Levond.  Sein  Sohn  Smbat  der  Bekenner  war  in 
seiner  Jugend  unter  Harun  ar  RasTd  als  Geisel  in  Samarra  .festgehalten 
worden  und  kehrte  erst  im  Jahre  275  der  armenischen  Ära  (826/27) 
nach  Armenien  zurück.  Da  er  im  Jahre  855  von  Bogha  dem  Altereu  nach 
Samarra  deportiert  wurde,  so  ist  klar,  dass  seine  dreissig  Jahre  von  seiner 
Rückkehr  nach  Armenien  an  (826 — 855)  gerechnet  sind.  Die  Regierung 
seines  Vaters  Asot  msaker  fiele  somit  von  806/7 — 825/26.  Demnach  ist 
anzunehmen ,  dass  Smbat  der  Bekenner  gleich  beim  Regierungsantritt 
seines  Vaters  an  den  Hof  des  Härün  ar  Rasld  (786—809)  als  Geisel 
gesandt  worden  war. 

29* 


452  J-  Marquart, 

Füi-  die  Kenntnis  der  politischen  Entwicklung  der  Kaukasusländer 
unter  Härfin  ar  RasTd  und  seinen  Söhnen,  zumal  während  des  zwanzig- 
jährigen Aufstandes  des  Persers  Bäbak,  und  damit  auch  für  das  Ver- 
ständnis der  neuen  Machtstellung  der  Bagratiden  im  9.  Jahrhundert 
und  der  Vorgeschichte  der  Gründung  des  bagratidischen  Königreichs 
wäre  das  Geschichtswerk  des  Sapuh  Bagratuni  von  unschätzbarem 
Werte.  Umfasste  doch  jene  Periode  eine  reichbewegte  Geschichte,  da 
überall  die  armenischen  Teilfürsten  sowie  unbotmässige  Araberhäuptlinge 
ihr  Haupt  erhoben.  Leider  scheint  aber  jenes  Werk  endgiltig  verloren, 
so  dass  wir  fast  ausschliesslich  auf  die  kurzen  Auszüge  in  Wardans 
Weltgeschichte  (13.  Jh.)  angewiesen  sind.  Ein  ähnlicher  Unstern  hat 
es  gefügt,  dass  auch  der  Armenien  behandelnde  Abschnitt  von  Ja'qübi's 
Geographie,  von  dem  wir  insbesondere  Aufschlüsse  über  die  ethno- 
logische Zusammensetzung  der  Bevölkerung  der  Kaukasusländer  er- 
warten dürften,  für  uns  verloren  ist.  Unter  diesen  Umständen  gewinnt 
die  einzige  zusammenhängende  Geschichte  Armeniens  unter  Harun  vind 
seinen  Söhnen  in  Ja'qübi's  Geschichtswerk  erhöhte  Bedeutung,  zumal 
der  Verfasser  selbst  Jahre  lang  in  Armenien  gelebt  und  einer  Anzahl 
von  Fürsten   und   Statthaltern   des  Landes   als  Sekretär   gedient  hatte 

(Tbn  al  Faq.  H.,  19flf.). 

Die  Notiz  des  Stephan  AsoHk'  über  die  Verlegung  der  Residenz 
von  Dariunk'  im  Gaue  Kogowit  am  Masis,  an  der  Grenze  der  Provinz 
Waspurakan ,  nach  dem  Gau  Arsarunik'  durch  Asot  msaker  ist  schon 
oben  (S.  404  A.  1)  angeführt  worden.  Es  scheint  jedoch,  als  ob  die- 
selbe nicht  ganz  freiwillig  geschehen  sei.  Während  nämlich  bis  zur 
Katastrophe  von  Nachcavan  (705)  eine  Linie  der  Bagratiden  das 
Fürstentum  von  Waspurakan  inne  hatte,  sehen  wir  schon  unter  ■  al 
Man^ür  als  die  thatsächlichen  Herren  von  Waspurakan  die  dort  erb- 
ansässigen Arcrunier  auftreten  (Levond  162.  176.  178),  und  sobald  wir 
gegen  die  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts  wieder  eingehendere  Nach- 
richten erhalten,  ist  von  einem  Einfluss  der  Bagratiden  in  Waspurakan 
nichts  mehr  zu  spüren,  während  die  Arcrunier  die  anerkannten  Landes- 
herren sind.  Mit  der  zunehmenden  Macht  der  Arcrunier  in  Waspurakan 
wird  es  also  zusammenhängen ,  dass  die  Bagratunier  hier  das  Feld  ge- 
räumt haben. 

Den  Grund  zu  seiner  Macht  legte  Asot  durch  die  Bekämpfung 
des  Ismaeliten  Gahap  und  seines  Sohnes  Abdlmelih',^äer  von  den  Ein- 
wohnern von  Dvin  getötet  wurde,  während  sein  Heer  Sapuh,  den  Bruder 
Asots,  verfolgte,  der  einen  Raubzug  ins  Gebiet  von  Dvin  gemacht 
hatte  (oben  S.  405).  Aus  dem  diesbezüglichen  Berichte  Wardans  er- 
fahren wir  ganz  beiläufig,  dass  Tarmm  der  Herrschaft  Asots  unterstand, 
ohne  dass  uns  jedoch  gesagt  würde,  wann  und  auf  welche  Weise  er  in 
den  Besitz  dieser  von  alters  her  mamikonischen  Provinz  gelangt  war. 
Doch  flieht  schon  Waraz-Tiroc'  Gavitean-Chosrow,  der  Sohn  des  Smbat 
Chosrow-snumn,  mit  seinen  Söhnen  vor  dem  Darik'pet  nach  Taraun 
Seb.  102  (s.  Nr.  3  S.  439).  Der  Gau  S2)er  in  der  Provinz  Tajk'  war  das 
alte  Stammland  der  Bagratunier,  aber  noch  in  der  ersten  Hälfte  des 
7.  Jahrhunderts  wird  ganz  allgemein  l'ajk'  als  Zufluchtsort  des  Aspet 
Waraz-Tiroc'  bezeichnet  Seb.  115,  und  hieher  zieht  sich  nachmals  auch 
Smbat  Kuropalates  vor  den  Arabern  zurück  (s.  S.  446/7).  Dazu  gewann 
dann  Asot  msaker  noch  Sirak  und  Asoc'k'. 

Über  das  Ende  seiner  Regierung  und  die  Anfänge  seines  Sohnes 
Smbat  berichtet  Wardan  S.  79,  1—13:  .Aber  als  ein  gewisser  Sevadaj 
aus  dem  Hause  des  Gahap  mit  4000  (Mann)  mit  Asot  und  mit  seinem 
Bruder  Sapuh   kriegte,    starb  Sapuh    in  der  Schlacht.     Und  nach  zwei 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  453 

Jahren  starb  Asot  in  seinem  Hause  und  es  nahm  das  Fürstentum 
sein  Sohn  Smbat  und  trug  Sorge  für  die  zurückgebliebenen  Waisen,  die 
Söhne  des  Sapuh,  sie  ansiedelnd  in  Ani»)  in  Sicherheit.  Nachdem  er 
mit  Sevada  Frieden  gemacht,  empfängt  er  von  ihm  die  väterliche  Würde 
des  Asj)arapetamtes,  und  sich  vermählend  mit  der  Schwester  des  Davit', 
zeugt  er  zwei  Söhne:  Asot  und  Sapuh,  deren  Schwester  zur  Ehe  ge- 
geben ward  dem  Bagarat,  dem  Sohne  des  Asot  Kiurapalat.  Und  Davit', 
der  Bruder  des  Smbat,  gründet  die  Festung  K\xz\^)  Nach  dem  oben 
Ausgeführten  ist  der  Tod  Asots  ins  Jahr  825/26  und  folglich  der  seines 
Bruders  Sapuh  ins  Jahr  823/24  zu  setzen.  Der  Friedensschluss  Smbats 
mit  Sevadaj  ward  durch  ein  Ehebündnis  besiegelt,  wie  wir  durch 
Johannes  Kath.  (S.  64)  erfahren:  .aber  ein  gewisser  Sevadaj  mit  Namen 
aus  persischem  Geschlechte,  welcher  zur  Frau  genommen  hatte  die 
Aruseak  aus  dem  begratunischen  Hause  und  durch  ihre  Hand  einen 
beträchtlichen  Teil  unseres  Landes  beherrschte,  dessen  er  sich  mit  Ge- 
walt bemächtigt  hatte,  ziemlich  in  der  Weise  eines  Allods^ 

Johannes  Kath.  lässt  den  Sevadaj  d.  i.  Sawada  b.  'Abd  al  Hamid 
al  Gabhrvf!  (s.  unten  S.  458)  irrig  ,aus  persischem  Geschlechte" 
{[.  <\\..,p..l.li  a,n^Jk)  stammen,  wofür  Stephannos  Orbelean  (Hist.  de  la 
Siounie  I  p.  101  trad.  Brosset)  /-  \^u.j..lrp,uli,u'i.  ...nC^Jk  liest.  Dies  wird 
aber  kaum  mit  Brosset  in  l|«,,«//-«4"/%  „aus  qaisitischem  Geschlechte" 
verbessert  werden  dürfen,  sondern  lediglich  als  schlechte  Konjektur  zu 
betrachten  sein.  Sevadaj  wird  zuerst  beim  Geschichtschreiber  Albaniens 
unter  dem  Jahre  270  arm.  =  821  n.  Chr.  erwähnt:  Jn  jenem  Jahre 
machte  einen  Überfall  Sevadaj  der  länderverheerende  Tacik,  welcher 
als  Avai-anSaji  (Vorbote  der  Zerstörung)  mit  Namen  bekannt  war,  ins 
Gebiet  Armeniens,  und  ausplündernd  sämtliche  Provinzen,  kehrt  er 
nach  Siunik'  zurück  und  befestigt  sich  im  Burgort  des  Fleckens  Salat, 
welcher  im  Gau  Clukk'  liegt.  Der  Herr  Wasak,  der  Herr  von  Siunik', 
den  Baban  (Bäbak)  von  Persien  herbeiführend  schlug  sie  und  trieb  sie 
in  die  Flucht."  Mos.  Kat.  III  19  Bd.  II  54  ed.  Sahnazarean.  Vgl. 
über  diese  Persönlichkeit  auch  Brosset  Coli,  d'hist.  armen.  I  p.  XIII. 
Daghbascheau  Gründung  des  Bagratidenreiches  S.  3  A.  1. 

Auf  die  politischen  Verhältnisse,  unter  denen  Asot  msaker  sein 
neues  Fürstentum  schuf,  fällt  erwünschtes  Licht  durch  die  Darstellung 
Ja'qübl's,  Hist.  II  ö(ö,  15  bis  öil,  11,  wenngleich  dieselbe,  vom  ara- 
bischen Standpunkte  aus  geschrieben,  zu  unserem  Bedauern  die  Ent- 
wicklung der  armenischen  Teilfürsten  nur  in  allgemeinen  Ausdrücken 
schildert  und  uns  ihre  Namen  verschweigt.     Sie  lautet: 

Armenien  hatte  sich  nach  dem  Hinscheiden  des  al  Mahd!  empört 
und  blieb  fortwährend  im  Aufruhr  unter  der  Regierung  des  Musa. 
Nachdem  nun  ar  Rasld  den  Chuzaima  b.  Chazim  at  TamimT  c)  zum 
Statthalter  von  Armenien  ernannt  hatte,  blieb  er  daselbst  ein  Jahr 
und  zwei  Monate  und  hielt  die  Ordnung  aufrecht,  das  Land  war  in 
Blüte,  und  die  Einwohner  benahmen  sich  loyal.  Hierauf  ernannte 
ar  Rasld   den   Jüsuf  b.  Räsid   as  Sulamid)   an  Stelle   des  Chuzaima  b. 

a)  Die  nachmalige  Residenz  der  ßagratiden  in  Sirak. 
^)  In  Taraun. 

c)  Vgl.  Bai.  n.,  15.  Nach  Levond  195  ernannte  Muse  (al  Hädl)  an 
Stelle  des  Roh  (Rauh  b.  Hätim  al  Muhallabi  Bai.  H.,  14;  oben  Nr.  15)  den 
Chazm  zum  Statthalter  von  Armenien,  womit  nur  |.jL3-  ^J  »-^Jj^ 
gemeint  sein  kann. 

d)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 


454  J-  Marquart, 

Chäzim.  Dieser  verpflanzte  ins  Land  eine  Menge  von  Nizäriten,  während 
in  Armenien  die  Jemener  vorwogen,  so  dass  die  Nizäriten  unter  der  Regie- 
rung des  Jüsuf  zahlreich  wurden.  Darauf  ernannte  (ar  Rasld)  den  JazTd 
b.  Mazjad  b.  Zäida  as  Saibänia),  der  von  allen  G-egenden  RabT'a  dahin 
verpflanzte,  so  dass  sie  heute  dort  überwiegen,  und  das  Land  aufs  pünkt- 
lichste in  Ordnung  hielt,  so  dass  keiner  sich  darin  zu  rühren  wagte. 
Hierauf  ernannte  er  den  'Abd  al  Kablr  b.  'Abd  al  Hamid  von  den  Nach- 
kommen des  Zaid  b.  al  Chattäb  al  'AdawTb),  dessen  Wohnort  Harräu 
war.  Der  zog  dahin  mit  einer  Anzahl  Leuten  von  Dijär  Mudar,  blieb 
aber  nur  vier  Monate,  bis  er  entlassen  wurde,  (ar  Rasid)  ernannte  nun 
den  al  Fadl  b.  Jabja  b.  Chälid  al  Barmaki  <=),  der  persönlich  dahin  zog. 
Nach  seiner  Ankunft  wandte  er  sich  nach  der  Gegend  von  al  Bäb  wa"l 
abwäb  und  bekriegte  die  Festung  Chamrin ,  deren  Einwohner  ihn  je- 
doch schlugen,  worauf  er  abzog,  ohne  sich  noch  um  etwas  zu  kümmern, 
bis  er  nach  dem  'Iräq  kam,  und  den  'Omar  b.  Aijub  al  Kinänld)  zum 
Stellvertreter  über  das  Land  zurückliess.  Nachdem  al  Fadl  nun  nach 
dem  'Iräq  gelangt  war,  entsandte  er  den  Abu  '9  Qabbähd)  über  die 
Grundsteuer  und  den  Sa'Td  b.  Muhammad  al  Harränl  al  Lahbid)  über 
das  Kriegswesen  Armeniens.  Da  erhoben  sich  die  Einwohner  von  Bar^a'a 
gegen  Abu  '9  Qabbäh  und  töteten  ihn,  Armenien  wurde  abtrünnig 
und  es  trat  daselbst  auf  Abu  Muslim  der  Schismatiker d).  Nun  über- 
trug al  Fadl  dem  Chälid  b.  Jazid  b.  Usaid  as  SulamT  d)  die  Verwaltung 
Armeniens  und  sandte  zu  ihm  den  'Abd  al  Malik  b.  Chalifa  al  Harasld) 
mit  5000  Mann.  Als  sie  auf  Abu  Muslim  den  Schismatiker  beiWar-ä-än  (lies 
..Li.  •.:  statt  .l.i»,.j)  stiessen,  schlug  sie  Abu  Muslim,  zog  ab  nach  Qal'  at 

al  Kiläb  (Hundefestung)  e)  und  nahm  es.  ar  Rasld  aber  ernannte  zum 
Statthalter  über  Armenien  den  al  'Abbäs  b.  Garlr  b.  JazTd  b.  Garlr 
b.  'Abdallah  von  Bagllad).  Nachdem  dieser  nach  Barda'a  gelaugt  war, 
erhoben  sich  gegen  ihn  die  Bailaqänier  (Leute  von  P'aitakaran),  worauf 
er   sich  vor   ihnen   in   der  Vorstadt   von  Barda'a   verschanzte    und    den 


a)  Bai.  n.,  15.  Levond  S.200:  b^/.«.  nOh  np^^,  Xy^^kt  ^ies  IftH/')- 
Tab.  III  1.V,  5  berichtet  nur  die  Absetzung  des  Jazid  b.  Mazjad  a.  172 
=  788/89.  Nach  Levond  waren  Ezit,  der  Sohn  des  Mzead,  Äbdalk'bir 
('Abd  al  Kabir  b.  'Abd  al  Hamid)  und  Suleiman  (fehlt  in  den  arabischen 
Quellen)  Statthalter  von  Armenien  im  Namen  des  OwbedLa  ('Ubaidu'Uäh 
b.  al  Mahdl),  welcher  von  seinem  Bruder  Harun  ar  Rasld  zum  General- 
statthalter von  Atrpatakan  und  Armenien  samt  Iberien  und  Albanien 
ernannt  worden  war.  Nach  Suleiman  kam  auch  Owbedia  selbst  in  die 
Stadt  Partav  und  setzte  den  Suleiman  als  Fürsten  von  Armenien  ein. 
Nach  Tab.  III  l.v,  5  ernannte  ar  Rasld  den  'Ubaid  alläh  b.  al  Mahdl 
im  Jahre  172  zum  Statthalter  von  Armenien  als  Nachfolger  des  Jazid 
b.  Mazjad;  vgl.  BaL  H.,  15,  Bei  Ja'qübi  ist  er  ausgelassen.  Joh.Kath.  61 
erzählt  unbestimmt  nach  dem  Antritte  des  Katholikos  Jowab  (790) : 
„Um  diese  Zeit  war  ein  gewisser  Ezit  als  ostikan  vom  amirapet  nach 
Armenien  gesandt.  Als  dieser  nach  der  Stadt  Nachgavan  gelangte, 
sandte  er  Statthalter  und  Aufseher  nach  den  verschiedenen  Gauen". 

b)  Levond  200  XS^pq^'^L-epln'- 

c)  Bai.  n.,  16.  Tab.  III  ^ir,  16—17  a.  176  H.  (27.  April  792  bis 
16.  April  793). 

d)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 

e)  In  Sisagän  oder  Siunik':    Bai.  tlo,  9  (=  Ibn  al  Faq.  Caa,  12). 

r.i,  17. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  455 

Ma'dän  al  Him^T»)  mit  6000  Mann  gegen  den  Schismatiker  Abu  Muslim 
sandte.  Beide  stiessen  zusammen  und  es  fand  zwischen  ihnen  eine 
Schlacht  statt,  in  welcher  Ma'dän  al  Him^T  fiel.  Da  zog  Abu  Muslim 
der  Schismatiker  gegen  DubTl  (Dvinj  und  belagerte  es  vier  Monate; 
dann  zog  er  ab  und  rückte  nach  al  Bailaqän,  wo  er  sich  niederliess, 
und  die  Macht  Armeniens  erstarkte,  ar  RasTd  aber  entsandte  den  Jalija 
al  HarasI  mit  12  000  und  den  JazTd  b.  Mazjad  as  Saibänl  mit  10000 
Mann  und  befahl  dem  JazTd  b.  Mazjad,  auf  Armenien  loszugehen,  und 
dem  al  HarasI,  über  Adarbaigän  zu  ziehen,  wo  sich  Muhalhil  at  Ta- 
mlmi  a)  der  Gewalt  bemächtigt  hatte.  Da  traf  ihn  al  HarasI,  bekämpfte 
und  schlug  ihn  und  brachte  das  Land  wieder  in  Ordnung;  hierauf  zog 
er  nach  Armenien,  um  sich  mit  Jazid  b.  Mazjad  zur  Bekriegung  des 
Abu  Muslim  as  Säri  zu  vereinigen,  und  traf  im  Lande  ein,  nachdem 
dieser  gestorben  war  und  nach  ihm  as  Sakan  b.  Müsä  al  Bailaqani »), 
ein  Klient  (Lücke)  aufgetreten  war,  dessen  Wohnsitz  al  Bailaqän  war. 
Als  derselbe  nun  die  Ankunft  des  Jahja  al  HarasI  erfuhr,  sandte  er 
gegen  ihn  den  al  Challl  b.  as  Sakan  mit  seinen  besten  Reitern;  als 
dieser  mit  al  HarasI  zusammenstiess,  nahm  ihn  al  HarasI  gefangen 
und  rückte  nach  al  Bailaqän.  Auf  diese  Nachricht  zog  as  Sakan  flüchtig 
weg  und  begab  sich  nach  Qal'at  al  Kiläb,  während  die  Einwohner  von 
al  Bailaqän  sich  zu  al  HarasI  begaben,  ihn  um  Verzeihung  baten 
und  in  die  Stadt  einliessen.  Da  gewährte  er  ihren  Einwohnern  Ver- 
zeihung und  schleifte  ihre  Befestigung;  as  Sakan  aber  begab  sich  mit 
8000  Mann  zu  Jazid  b.  Mazjad,  um  von  ihm  Verzeihung  zu  erbitten, 
und  dieser  Hess  ihn  zu  ar  Rasld  bringen.  Als  das  Land  aber  ruhig  ge- 
worden war,  ernannte  ar  Rasld  den  Müsa  b.  'Isä  al  Häsimia);  dieser 
blieb  ein  Jahr  in  Armenien,  als  der  Aufstand  desselben  sich  wieder- 
holte und  seine  Distrikte  in  Verwirrung  gerieten.  Er  meldete  dies  dem 
ar  Rasld,  der  darauf  sagte :  Ich  glaube,  al  HarasI  ist  allein  der  richtige 
Mann  dafür!  Er  setzte  also  den  Mflsä  b.  'Isa  ab  und  entsandte  den 
al  HarasI  a)  als  Statthalter  darüber.  Dieser  Hess  sie  über  die  Klinge 
springen,  bis  die  Ordnung  hergestellt  war.  Hierauf  ernannte  ar  Rasld 
den  Ahmad  b.  Jazid  b.  Usaid  as  Sulamia).  Nach  seiner  Ankunft  er- 
hoben sich  gegen  ihn  die  im  Lande  befindlichen  Chorasanier,  die  mit 
und  vor  al  HarasI  angekommen  waren,  bekämpften  ihn  und  verschworen 
sich  gegen  ihn  und  sagten :  du  erhältst  keinen  Gehorsam  und  Unter- 
würfigkeit. Da  ernannte  ar  Rasld  den  Sa'ld  b.  Salm  b.  Qutaiba  al 
Bähilli^).  Als  dieser  im  Lande  eintraf,  vertrugen  sich  die  Leute  einige 
Monate  lang;  hierauf  behandelte  er  die  Erbfürsten  verächtlich.  Da 
wurden  die  Leute  von  al  Bäb  wa'l  abwäb  widerspenstig  gegen  ihn  und 
erhoben  sich  gegen  seinen  Statthalter.  Sa'ld  b.  Salm  hatte  nämlich 
den  an  Nagmc)  b.  Häsim,  der  Kommandant  von  al  Bäb  wa'l  abwäb 
gewesen  war,  getötet,  worauf  sich  dessen  Sohn  Haijfln(?)  b.  an  Nagm 
erhob,  Sa'ids  Statthalter  über  al  Bäb  wa'l  abwäb  tötete,  sein  Haupt  zum 
Aufstand  entblösste  und  an  den  Chäqän,  den  König  der  Chazaren  schrieb. 
Da  rückte  der  König  der  Chazaren  aus  zu  ihm  mit  einer  gewaltigen  Menge, 


a)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 

t)  Bai.  n.,  16  hinter  al  Fadl  b.  Jahja.  Dazu  stimmt  Tab.  HI 
Ifo,  14,  nach  welchem  Sa'ld  b.  Salm  bei  der  Absetzung  des  al  Fadl 
b.  Jahja  im  Jahre  180  H.  (15.  März  796  bis  3.  März  797)  die  Statthalter- 
schaft von  Mesopotamien  antrat,  wozu  auch  Armenien  gehörte.  Er  wird 
als  Statthalter  von  Armenien  ausdrücklich  erwähnt  im  Jahre  182  H. 
(798/99)  Tab.  HI  Ifv,  11. 

c)  Tab.  III  IfA,  10  ,  'A^^]  *^. 


456  J-  Marquart, 

überfiel  die  Muslime,  tötete  und  führte  in  Gefangenschaft  eine  gewaltige 
Menge  und  zog  Aveiter,  bis  er  zur  Brücke  des  Kur  kam,  und  nahm  eine 
Menge  Muslime  gefangen  und  tötete  Menschen,  verbrannte  das  Land 
und  tötete  Frauen  und  Kinder  a).  Auf  die  Nachricht  davon  sandte 
ar  Rasld  den  Nahhät(?)  und  befahl  ihm,  den  Sa'ld  b.  Salm  zu  verhaften 
und  den  Leuten  auszusetzen.  Als  er  nun  im  Lande  anlangte,  wollte  ihm 
Sa'ld  Geld  geben  und  an  Nahhät  neigte  dazu,  das  Geld  anzunehmen. 
Als  das  ar  Rasld  erfuhr,  entsandte  er  den  Na§r  b.  Hablb  al  Muhallabii») 
als  Statthalter  über  das  Land;  doch  dauerte  es  nur  kurze  Zeit,  bis  er 
ihn  absetzte  und  den  'All  b.  'Isa  b.  Mähnn  ^)  ernannte.  Als  er  ankam, 
war  sein  Betragen  schlecht,  und  es  erhoben  sich  gegen  ihn  die  Ein- 
wohner von  Sarwän  und  das  Land  geriet  in  Verwirrung.  Da  ernannte 
ar  Rasld  den  Jazid  b.  Mazjad  as  SaibSnIo)  und  schickte  den  'All  nach 
Chorasan  zurück  d),  und  für  Jazld  b.  Mazjad  wurden  Armenien  und  Ä(3'ar- 
baigän  vereinigte).  Nach  seiner  Ankunft  vertrugen  sich  die  Leute  und 
er  stellte  die  Ordnung  im  Lande  her,  söhnte  die  Nizäriten  und  Jemener 
miteinander  aus  und  schrieb  an  die  Fürstensöhne  und  Erbfürsten, 
indem  er  ihre  Hoffnungen  aufheiterte.  So  kam  das  Land  wieder  ins 
Gleichgewicht.  Hierauf  ernannte  ar  Rasld  den  Chuzaima  b.  Chäzim 
at  Tamiml,  der  die  Erbfürsten  und  Fürstensöhne  ergriflF,  ihnen  die 
Köpfe  abschlagen  liess  und  mit  ihnen  aufs  schlimmste  verfuhr  f).  Da 
ward  GurgänS)  und  die  Canark'  aufrührerisch,  und  als  er  nun  ein 
Heer  zu  ihnen  vordringen  liess,  machten  sie  es  nieder.  Da  sandte  er 
gegen  sie  den  Sa'ld  b.  al  Hai'S'am  b.  Su'ba  b.  Cahir  at  Tamlml^)  mit 
einem  gewaltigen  Heere,  der  die  Einwohner  von  Gurgäng)  und  die 
Canark'  bekriegte,  bis  er  sie  zur  Auswanderung  aus  dem  Lande  zwang, 
und  nach  Tiflis  zurückkehrte.  Chuzaima  b.  Chäzim  blieb  weniger  als  ein 
Jahr,  dann  setzte  (ar  Rasld)  ihn  ab  und  ernannte  den  Sulaimän  b.  Jazld  b. 
al  A^amm  al  'Amirll'),  der  ein  schwacher  nachlässiger  Greis  war.  Er  war 
schwach,  so  dass  ihm  kein  Ding  erlaubt  galt,  bis  ihm  das  Land  beinahe 
entrissen  worden  wäre,  ar  Rasld  aber  ernannte  den  al  'Abbäs  b.  Zufar 
al  Hiläli'j);  da  empörten  sich  gegen  ihn  die  Canark'  und  er  bekämpfte 
sie,  war  aber  gegen  sie  zu  schwach.  Da  sandte  ar  Rasld  den  Muhammad 
b.  Zuhair  b.  al  Musaijab  ad  Dabbl^),  der  der  letzte  der  Statthalter 
ar  Rasids  über  Armenien  war. 

n  örA,  1-7: 

Muhammad  al  Amin  ernannte  den  Asad  b.  Jazld  b.  Mazjad  t))  zum 
Statthalter  von  Armenien.  Dieser  traf  daselbst  ein,  nachdem  sich  Jahjk 
b.  Sa'ld  mit  dem  Beinamen  der  Morgenstern  und  Ismä'll  b.  Su'aib^»), 
ein  Klient  des  Marwän  b.  Muhammad  b.  Marwän,  die  in  der  Gegend 
von  Gurzän  waren,  einer  Gegend  des  Landes  bemächtigt  hatten.  Da 
legte  er  ihnen  eine  Falle,  so  dass  er  sie  ergriff,  worauf  er  ihnen  Wohl- 


a)  a.  183  =  799/800;  vgl.  Tab.  III  IfA,  7—14. 
!>)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 

c)  Bai.    n.,    16.    Tab.  III  IfA,  13,   f  a.  185  H.  =  801  n.  Chr. 
Tab.  III  1ö.,  16. 

d)  Tab.  III  Ifl,  2. 

e)  Vgl.  Tab.  III  IfA,  6. 

f)  Vgl.  Bai.  H.,  17.  Joh.  Kath.  63  (unter  dem  Katholikos  Joseph, 
795 — 806):  „In  seinen  Tagen  unterjochte  ein  gewisser  ostikan  Chuzima, 
nach  der  Stadt  Dwin  gekommen,  die  für  sich  Gebliebenen". 

B)  S.  0.  S.  418  A.  6. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  457 

thaten  erwies  und  sie  laufen  Hess,  und  er  war  von  gutem  Betragen 
und  freigebig.  Hierauf  setzte  ihn  Muhammad  ab  und  übertrug  Arme- 
nien dem  Ishäq  b.  Sulaimän  al  Häsimia),  der  seinen  Sohn  al  Fadli^) 
als  seinen  Stellvertreter  dahin  sandte,  al  Fadl  war  daselbst  ununter- 
brochen während  der  Regierung  des  Abgesetzten  (d.  h.  al  Amins)." 

Ziemlich  ausführlich  ist  die  Geschichte  Armeniens  unter  al  Ma'mun 

(II  öir— ö%). 

Nachdem  dieser  das  Chalifat  angetreten  hatte,  übertrug  er  die 
Verwaltung  von  Armenien  und  AtJ'arbaigän  dem  Tähir  b.  Muhamniad 
a^  Can'änia);  nach  anderer  Angabe  entsandte  ihn  Har'9'ama  b.  A'jau 
von  HamafJän  aus,  als  er  sich  nach  dem  'Iräq  wandte  (a.  196  H.=  811/12). 
Derselbe  zog  nach  War'S'än  (Ward  anakert)  in  der  Provinz  Ädarbaigan 
und  verhandelte  mit  den  Offizieren  und  den  Spitzen  der  armenischen 
Miliz  und  sie  huldigten  dem  al  Ma'mün.  Allein  Ishäq  b.  Sulaimän, 
der  im  Namen  des  Abgesetzten  (al  Amin)  Statthalter  über  das  Land 
war  und  mit  welchem  'Omar,  al  Hazüno),  Narse^)  und  'Abd  ar  Rahmaud), 
der  Patrikios  von  Arrän,  sowie  eine  Anzahl  anderer  Erbfürsten  (batariqa) 
hielten,  rückte  auf  Bard^a'a  los,  um  dessen  Bevölkerung  niederzuwerfen, 
weil  sie  seinen  Sohn  vertrieben  hatten.  Da  sandte  Tahir,  der  Statt- 
halter des  al  Ma'mun,  gegen  sie  den  Zuhair  b.  Sinän  atTamImia)  mit 
einer  gewaltigen  Menge.  Sie  stiessen  zusammen  und  stritten  den  ganzen 
Tag,  dann  flohen  Isliaq  b.  Sulaimän  und  seine  Gefährten  und  sein  Sohn 
Ga'far  b.  Ishäq  b.  Sulaimän  a)  ward  gefangen  genommen  und  mit  anderen 
Gefangenen'  an  al  Ma'miln  gesandt.  Es  dauerte  aber  nur  einige  Tage^ 
bis  'Abd  al  Malik  h.  al  Gakhäf  as  Sulaml  sich  gegen  Tahir  aQ  Qan'ani 
empörte,  während  sich  Leutee)  von  der  Bevölkerung  von  al  Bailaqan 
(P'aitakaran)  erhoben  und  den  Tähir  in  der  Hauptstadt  BarrJ'a'a  be- 
lagerten, wo  er  eine  Anzahl  Monate  belagert  blieb.    Auf  die  Nachricht 


a)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 

b)  Tab.  III  1ö.,  16  a.  185  =  801/2  (als  Nachfolger  seines  Vaters). 

c)  Unbekannt.     Ist  ,.,5j-^    *,j*-^  als  ein  Name  zu  lesen? 

d)  Dies  ist  sicher  NerseJi-i  P'üipjjean,  welcher  im  Jahre  270  arm. 
=  821/22  seinen  Verwandten  Waraz-Trdat  i  Step'annosean,  den  letzten 
Fürsten  von  Albanien  aus  dem  Hause  Mihrakan,  und  dessen  unmündigen 
Sohn  Step'annos  ermordete.  Waraz-Trdat  oder  sein  Vater  Step'annos 
entspricht  also  dem  Patrikios  'Abd  ar  Rahmän  von  Arran.  Nach  seinem 
Tode  vererbten  sich  die  Ansprüche  seines  Hauses  auf  Atrnerseh,  den 
Herrn  von  Chac'en  (vgl.  Tab.  III  IfSI,  15.  Thomas  Arcruni  3,  11  p.  153 
Brosset),  der  seine  Tochter  Spram  heiratete.  Dieser  war  ein  Sohn  des 
Sahak  (so  lies  nach  Tab.  III  tfll,  15  statt  Sahl),  des  Herrn  von  Siunik', 
der  aus  Tohak  war  und  sich  des  Gaues  Gelam  mit  Gewalt  bemächtigt 
hatte.  Siehe  Mos.  Kah  8,  19  S.  54.  21  S.  68/69,  wo  nach  Step'annos  der 
Name  seines  Sohnes  Waraz-Trdat  ausgefallen  ist.  Sahak,  der  Fürst 
von  Siunik',  wird  erwähnt  von  Joh.  Kath.  S.  64.  65.  Vgl.  Steph.  Or- 
belean,  Hist.  de  la  Siounie  trad.  Brosset  I  101.  II  25.  Daghbaschean 
a.  a.  0.  S.  8.  Wenn  Sahl-i  Smbatean  (arab.  -bL^-x-w  ^^J  ö^'^)  bei  Mos. 
Kai.  III 19  (II 54)  schon  im  Jahre  270  arm.=  821/22  den  Titel  ^«-'"^^."'^M 
EiranSahik  =  sL.^i^i  erhält,  so  ist  dies,  falls  damit  nicht  lediglich  die 
Abkunft  aus  dem  alten  Fürstenhause  der  Aronsahih  angedeutet  werden 
soll,  ungenau,  da  sich  Sahl,  wie  wir  unten  aus  Ja'qübl  erfahren,  erst 
unter  al  Mu'ta^im^der  Provinz  Arrän  bemächtigte.  Ursprünglich  war 
er  nur  Herr  von   Sak'e  Thom.  Arcruni  III  11  p.  153. 

e)  S.  0.  S.  405  A.  3. 


458  J-  Marquart, 

davon  ercamite  al  Ma'mün  den  Sulaimän  b.  Ahmad  al  Häsimia)  zum 
Statthalter.  Der  langte  an  bei  der  Stadt,  während  Tähir  belagert  war, 
entsetzte  ihn,  schickte  ihn  heim  und  gewährte  dem  'Äbd  al  Malik  Straf- 
losigkeit, und  die  Ordnung  im  Lande  war  hergestellt.  Hierauf  ernannte 
(al  Ma'mün)  den  Hätim  b.  Har-O-ama  b  A'jan»)  zum  Statthalter  von 
Armenien.  Da  kam  er  im  Lande  an,  nachdem  zwischen  den  Mu'tazila 
und  der  Gemeinde  Parteiung  ausgebrochen  war,  so  dass  sie  einander 
töteten ,  bis  sie  sich  beinahe  gegenseitig  vernichtet  hätten ,  worauf  sie 
miteinander  Frieden  geschlossen  hatten.  Hätim  b.  Har-ö'ama  blieb  nur 
wenige  Tage  im  Lande,  bis  er  die  Nachricht  vom  Tode  seines  Vaters 
Har-ö'ama  und  den  Umständen,  unter  denen  er  starb,  erhielt^).  Da  zog 
er  weg  aus  Bar(5^a'a  und  Hess  sich  schliesslich  in  Kisäl  nieder,  wo  er 
eine  Burg  baute,  auf  die  Empörung  hinarbeitete  und  mit  den  Erb- 
fürsten  und  den  Spitzen  des  armenischen  Volkes,  sowie 
mit  Bäbak  und  den  Churramiten  korrespondierte  und  die 
Macht  der  Muslime  bei  ihnen  als  schwach  hinstellte.  Da  rührten  sich 
Bäbak  und  die  Churramiten  und  Bäbak  ergriff  die  Gewalt  in  der  Provinz 
A^arbaigän.  Als  al  Ma'mün  die  Nachricht  erhielt,  übertrug  er  dem  Jalija 
b.  Mu'äeJ  b.  Muslim,  einem  Klienten  der  Banfl  z/uhl,  die  Verwaltung  von 
Armenien  (Lücke).  Da  that  er  dies  und  Jalijä  b.  Mu'ä(5^  schlug  mehrere 
Schlachten,  ohne  ihn  in  einer  derselben  zu  besiegen c).  al  Ma'mün 
hatte  aber  dem  Offizier  und  Kämpen  'Isa  b.  Muhammad  b.  Abu  Chälid, 
der  sich  unter  der  Regierung  des  Abgesetzten  ausgezeichnet  hatte,  be- 
fohlen (ihm  mit  den  al  Harblja^)  Hilfe  zu  bringen).  Als  er  nun  den 
Wandel  des  Jahja  nicht  billigte,  übertrug  er  dem  'Isk  die  Verwaltung 
von  Armenien  und  A^arbaigän  und  befahl  ihm,  sie  (die  HarLlja)  aus 
seinen  Mitteln  auszurüsten  und  zu  besolden.  'Isa  b.  Muhammad  rüstete 
sie  aus  seinen  Mitteln  aus  —  es  waren  diejenigen,  deren  Bezirk  in  der 
Stadt  des  Heils  war  —  und  rückte  aus,  und  es  blieb  kein  einziger  von 
der  Harbija  -  Legion  in  Baydäd  zurück,  welche  sich  am  Bürgerkriege 
beteiligt  hatten  e).  Als  er  nun  im  Lande  eintraf,  kamen  zu  ihm 
Muhammad  b.  ar  Rauwäd  al  Azdl  und  sämtliche  Häuptlinge  jenes 
Landes  und  stellten  sich  zur  Verfügung  zur  Bekriegung  Bäbaks.  Als 
er  aber  durch  einen  Engpass  zog,  traf  ihn  in  demselben  Bäbak  und 
schlug  ihn  f),  worauf  'Isa  den  Rücken  wandte  und  abzog,  ohne  irgendwo 
anzuhalten.  Da  rief  ihm  einer  der  Tapfern  der  Harbija  zu:  Wohin,  o 
Abu  Müsa?  worauf  er  erwiderte:  Wir  haben  bei  der  Bekämpfung  dieser 
Leute  kein  Glück;  wir  werden  nur_  gefürchtet  bei  der  Bekämpfung 
der  Muslime.  Er  zog  sich  daher  aus  ÄtJarbaigän  nach  Armenien  zurück, 
nachdem  Sawäda  b.  'Abel  al  Hamul  al  Gahhäfis)  den  Gehorsam  auf- 
gesagt hatte.  Da  bot  ihm  'Isa  an,  ihn  zum  Statthalter  von  Armenien 
zu  machen;  als  jener  aber  darauf  bestand,  ihn  zu  bekriegen,  bekämpfte 
er  ihn  und  schlug  ihn  nach  (grosser)  Anstrengung,  und  Armenien  wurde 
dem  Isa  b.  Muhammad  wieder  loyal. 


a)  Nicht  bei  Bai.  und  Tab. 

b)  a.  201  H.  =  29.  Juli  816  bis  18.  Juli  817;  vgl.  Tab.  III  111,  15 
bis  IIa,  9.     Ja'qubl  II  of  1 ,  12—19. 

c)  a.  204  H.  (819/20):  Tab.  III  I.H,  8.   irrr,  3. 

d)  Tab.  III  !^rA,  12.  IIa,  10  ff. 

e)  Gemeint  ist  der  Aufstand  der  Harbija  gegen  al  Hasan  b.  Sahl 
und  die  sich  daran  anschliessenden  Wirren,  Ja'qübl  II  öfl,  20  bis  of  a,  18. 
Tab.  III  IIa,  10  ff. 

f)  a.  205  H.  (820/21).     Tab.  III  l.ff ,  6—7.  f.fo,  4.  irrr,  3. 
s)  S.  0.  S.  453. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  459 

Die  Macht  des  Bäbak  in  al  BaSd  aber  wurde  gewaltig.  Als  al 
Ma'mün  nun  den  Zuraiq  b.  'All  b.  ^adaqa  al  Azdl  zum  Statthalter  er- 
nannte, der  aber  nichts  that»),  ernannte  er  den  Ihn  Humaid  at  Tflslt>). 
Als  nun  Zuraiq  die  Nachricht  seiner  Entlassung  erfuhr,  empörte  er  sich 
und  zeigte  offene  Auflehnung,  und  als  Muhammad  b.  Humaid  im  Lande 
erschien,  bekämpfte  ihn  Zuraiq.  Als  aber  Muhammad  seine  Gefährten 
tötete,  bat  er  um  Verzeihung:  jener  gewährte  sie  und  Hess  ihn  zu  al 
Ma'müB  bringen.  Muhammad  b.  Humaid  blieb,  bis  er  das  Land  von 
denen  gesäubert  hatte,  deren  Gegend  er  fürchtete.  Als  er  nun  zur 
Bekriegung  des  Bäbak  freie  Hand  hatte,  rüstete  er  zum  Kriege  gegen 
ihn  und  rückte  gegen  ihn.  Er  führte  nun  einen  harten  Kampf  gegen 
ihn,  wobei  ihm  fortwährend  der  Sieg  blieb.  Als  er  dann  aber  an  einen 
engen  Ort  mit  rauhem  Boden  gelangte,  gieng  Ibn  Humaid  und  eine 
Schar  mit  ihm  zu  Fuss,  worauf  sich  die  Leute  des  Bäbak  auf  sie 
stürzten  und  Muhammad  und  eine  Anzahl  von  den  Spitzen  seiner  Ge- 
fährten fielen  und  das  Heer  floh,  während  das  Kommando  des  Heeres 
Mahdl  b.  A^ram,  ein  Verwandter  des  Ibn  Humaid,  übernahm.  Dies 
geschah  im  Jahre  214  (829  n.  Chr.)c). 

Nach  dem  Falle  des  Muhammad  b.  Humaid  ernannte  al  Ma'mün 
den  'Abd  alläh  b.  Tähir  und  verlieh  ihm  die  Bestallung  über  die  Kreise 
von  al  Gibäl,  Armenien  und  Adarbaigän ,  und  schrieb  an  die  Eichter 
und  Steuereinnehmer,  sich  nach  seinem  Befehle  zu  richten.  Da  rückte 
'Abd  alläh  aus  und  schlug  sein  Quartier  auf  in  Dinawar,  und  schrieb  an 
Mahd!  b.  AQram,  Muhammad  b.  Jüsuf  und  'Abd  ar  Rahmän  b.  Hablb, 
die  Offiziere,  welche  bei  Muhammad  b.  Humaid  gewesen  waren,  auf 
ihren  Posten  zu  bleiben. 

Talha  b.  Tähir  starb  in  Chorasandj;  da  ernannte  al  Ma'mün  an-, 
seiner  Stelle  den  'Abd  alläh  und  sandte  ihm  seine  Bestallung  durch 
Ishäq  b.  Ibrähim  und  den  Oberrichter  Jahja  b.  Ak'ö'ame).  'Abd  alläh 
zog  daher  in  diesem  Jahre  nach  Chorasan  durch,  während  al  Ma'muu 
mit  Adarbaigän  und  der  Bekriegung  des  Bäbak  den  'All  b.  Hisäm 
betraute  f),  den  'Abd  al  A'la  b.  Ahmad  b.  Jazid  b.  Usaid  as  Sulaml 
aber  mit  Armeniens).  Dieser  kam  im  Lande  an,  nachdem  sich  Mu- 
hammad b.  'Attäb  zum  Herrn  von  Gurzän  (Georgien)  gemacht  und 
die  ^anärlja  (Canark')  ihm  angeschlossen  hatten.  Er  bekriegte  ihn 
daher,  allein  Ibn  'Attäb  schlug  ihn,  da  er  kein  Geschick  und  keine 
Kenntnis  vom  Kriege  besass.  Nun  ernannte  al  Ma'mün  den  Chälid 
b.  Jazid  b.  Mazjadli).  Der  Hess  die  von  seinem  Stamme,  welche  im 
'Iräq  im  Gefängnis  waren,  frei  und  rückte  nach  Mesopotamien  aus,  wo 
sich  ihm  eine  gewaltige  Menge  von  Rabl'a  anschloss,  worauf  erjns 
Land  gelangte.  Als  er  nun  in  Chilät  eintraf,  kam  zu  ihm  Sawada 
b.  'Aid  al   Hamid    al    Gahhäfi,    und    er    gewährte    ihm    Verzeihung. 


a)  v-ÄJ.ij  v_53j*I!     "i£  Q.J   ».sA^s  Tab.  III  t.vr,  3  a.  209  H.  = 
824/25.  irrt^,  3. 

b)  a.  212  H.  =  827/28.    Tab.  III  1.11,  3. 

c)  Tab.  III  ü.t,  9.     Moses  Kalankatvac'i  III  19  (II  55),   der  ihn 
Tavusi  nennt,  gibt  das  Jahr  278  arm.  Ära  =  829/30  an. 

d)  Nach  Tab.  III  t.11,  19  a.  213  H. 

e)  Vgl.  Tab.  ni  ll.r,  3-5. 

f)  Tab.  III  It.r,  8. 

g)  Nicht  bei  Tabarl. 

ii)  Bai.  rn,  1. 


460  J-  Marquart, 

Hierauf  gelangte  er  nach  Nachcavau ,  wo  sich  Jazid  b.  Hi^n ,  ein 
Klient  der  Banu  Muliärib,  der  Gewalt  bemächtigt  hatte.  Da  Üoh  Jazld 
b.  Hi^n  vor  ihm  und  kam  nach  Kisäl  und  blieb  dort.  Er  entbot  dem 
Muhammad  b.  'Attäb  und  er  kam  zu  ihm  unter  Zusicherung  freien 
Geleits,  indem  er  Gehorsam  zur  Schau  trug,  worauf  ihm  Chälid 
Straflosigkeit  gewährte.  Hierauf  sagten  die  Cauark' :  Wir  sind  dir  gehor- 
sam. Muhammad  b.  'Attäb  sagte  aber  zu  ihm:  Sie  sind  mir  nicht 
botmässig.  Da  rückte  Chälid  gegen  sie  aus,  griff  sie  an  in  Gurzän 
und  schlug  sie,  und  nahm  ihre  Herden.  Hierauf  forderte  er  zum  Frieden 
auf  und  schloss  mit  ihnen  Frieden  unter  der  Bedingung,  dass  sie 
3000  Stuten  und  20000  Schafe  zu  liefern  hatten.  Es  dauerte  aber 
nicht  lange,  bis  sie  (Lücke).  Mit  ihnen  erhoben  sich  die  Qaislten^)  und 
schürten  Aufruhr  gegen  Chälid  '^).  Unter  den  Feinden  befand  sich  'All 
b.  Jalijä  al  Armani;  da  nahm  ihn  Chälid  samt  einer  Menge  anderer 
gefangen  und  sandte  sie  an  al  Ma'mün,  der  sie  in  die  Umgebung  des 
Abu  Ishäq  al  Mu'ta^im  versetzte  und  ihm  zuwies,  und  ihnen  eine  Pension 
aussetzte.  Hierauf  ernannte  al  Ma'mfin  den  'Abd  alläh  b.  Mu9äd  al 
Asadic)  an  Stelle  des  Chälid  und  Hess  den  Chälid  zu  sich  kommen. 
Dieser  fürchtete  daher,  er  möchte  bei  ihm  angeschwärzt  sein.  Als  er 
nun  eintraf,  wies  er  ihn  seinem  Bruder  al  Mu'ta^im  zu.  Als  'Abd  alläh 
b.  Mu9.äd  al  Asadi  im  Lande  angekommen  war,  blieb  er  nur  kurze 
Zeit,  bis  er  starb  und  seinen  Sohn  'All  zum  Stellvertreter  ernannte. 
Da  geriet  das  Land  in  Verwirrung,  al  Ma'mfin  ernannte  darauf  den 
al  Hasan  b.  'All  al  Bädylsl,  bekannt  unter  dem  Namen  al  Ma'münld). 
Dieser  kam  an,  als  das  Land  in  Verwirrung  war,  bekämpfte  die 
Leute  der  Festung  ..yxajLxJ  und  eroberte  sie  und  zog  sich  nach  Dubll 
(Dvin)  zurück,  wo  er  blieb,  worauf  er  dem  Ishäq  b.  Ismä^ll  h.  Su^aib 
at  Tifllsl  entbot,  die  Schätze  abzuliefern.  Ishäq  jedoch  hielt  ihn  hin 
und  wies  seine  Gesandten  zurück.  Da  rückte  jener  aus  nach  Tiflis. 
Als  er  nun  in  seine  Nähe  gelangte,  kam  er  zu  ihm  heraus  und  gab  ihm 
Geld,  worauf  er  von  ihm  abzog". 

Unter  der  Regierung  al  Mu'tacims    (834 — 842)   lesen    wir   H  övi  , 

18  ff.:  „al  Afsln  hatte,  als  er  in  Ad'arbaigän  anlangte,  die  Verwaltung 
Armeniens  dem  Muhammad  b.  Sulaimän  al  Azdl  as  Samarkandlc) 
übertragen.     Dieser    kam   daselbst  an ,   nachdem  Sahl  b.  Sunbät  e)  sich 


a)  Dies  sind  die  Kaisiklc^,  von  denen  Brosset  mehrfach  (besonders 
Collection  d'hist.  armen.  I  p.  XII  ss.),  aber  nicht  sehr  glücklich  ge- 
handelt hat.  Sie  hatten  im  9.  Jahrhundert  ihren  Sitz  in  Apahunik' 
mit  der  Hauptstadt  Manazkert.  Vgl.  Thomas  Arcruni  III  19  trad. 
Brosset  [=  p.  218  ed.  Patkanean,  St.  Petersburg  1887].  20  p.  179  [=  224. 
225J.    III  28  p.  199—200  [=  245—247].    31  p.  222  |=  IV  2  p.  276]. 

t>)  Dies  ist  wohl  der  Aufstand  des  Sevadaj  und  des  mit  ihm  ver- 
bündeten grossen  sparapet  Smbat  gegen  den  sonst  nicht  unterzu- 
bringenden ostikan  iiiii^i_Haul,  von  dem  Johannes  Kath.  p.  64  erzählt. 
Vgl.  Daghbaschean  a.  a.  0.  S.  8  f.  In  ^«/«.^  würde  dann  iu,^ 
=  Cludid  stecken. 

c)  Nicht  bei  Tab.  und  Bai. 

<i)  Vgl.  Bai.  nt,  8 — 6.  Nach  BaläJurT  wurde  er  von  al  Mu'tacjim 
ernannt. 

e)  Welcher  den  Bäbak  gefangen  und  an  al  Afsln  ausgeliefert  hatte 
Ja'qübl  II  övi,  8— 9.  Tab.  III  irrS^,  1.  5,  14.  17.  iS'S'f ,  1.  3.  5.  9.  11.  18. 
trro.l.  6ff.  ifi"1,3.  9.  14/15.  irrA,2.  !r'^r,2.  Dmaw.  f..,8.  10.  Vgl. 
S.  457  A.  d. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  461 

in  Arr.än  empört  und  zum  Herrn  des  Landes  gemacht  hatte.  Als  er 
nun  in  sein  Land  eingedrungen  war,  überfiel  ihn  Sahl  des  Nachts  und 
schlug  ihna).  Es  erhob  sich  auch  Muhammad  b.  'Ubaid  alläh  al 
War'ö'änib)  in  War'9'rin  (Wardanakert);  da  sandte  al  Afsln  gegen  ihn 
den  Mangcür,  um  ihn  zu  bekriegen,  und  'All  b.  Jahjk  al  Armani  sprach 
wegen  seiner  Angelegenheit,  worauf  ihm  al  Mu'ta(;im  Verzeihung  ge- 
währte und 'All  b.  Jahjk  ihn  (an  den  Hof)  brachte  c).  Hierauf  ernannte 
al  Ai^ln  den  Muliammad  b.  Chrdid  Buchärä-chof^äh  <J)  zum  Statthalter  von 
Armenien.  Nachdem  er  nun  angekommen  war,  bekriegte  er  die  Canark' 
und  zog  nach  Tiflis,  worauf  Ishäq  b.  Ismä'll  gegen  ihn  bieder  handelte 
und  ihn  besuchte.  Darauf  ernannte  (al  Afsln)  zum  Statthalter  von 
Armenien  den  'All  b.  al  Husain  b.  Siba'  al  Qaisi  e),  den  die  Einwohner 
des  Landes  für  schwach  hielten,  so  dass  er  wegen  seiner  Schwäche  und 
Verächtlichkeit  ,die  Waise'  genannt  wurde.  Nun  übertrug  al  Mu'taQim 
dem  Chrdid  b.  Jazidf)  Armenien  und  einen  Bezirk  von  Dijär  Rabl'a. 
Als  nun  das  Gerücht  davon  nach  Armenien  gelangte,  befestigte  sich 
jeder  Häuptling  darin  und  ihre  Furcht  vor  ihm  ward  heftig,  und  sie 
arbeiteten  auf  die  Rebellion  hin.  Als  Man^ür  b.  'Isä  as  Subai'i,  der 
Postmeister  von  Armenien,  dies  an  al  Mu'taQim  berichtete,  berief  er 
den  Chälid  zurück  und  befahl  den  'Air  b.  al  Husain  zu  belassen. 
Es  dauerte  inde.ssen  nur  einige  Tage,  bis  das  Heer  gegen  ihn  Aufruhr 
erregte  in  Barda'a  und  sie  von  ihm  ihre  Löhnung  forderten.  Da  sagte 
er:  ,Ich  habe  nichts,  sondern  die  Gelder  besitzen  die  Einwohner  des 
Landes',  und  stellte  Forderungen  an  die  Einwohner  des  Landes,  die  die- 
selben aber  verweigerten  und  sich  in  ihren  Burgen  befestigten,  worauf 
sie  einander  Botschaften  sandten,  sich  vereinigten  und  ihn  in  Bard'a'a 
belagerten.  Da  sandte  al  Mu'ta^im  den  Hamdöi  b.  'Ali  b.  al  Fädle) 
ins  Land ;  als  er  nach  Nachcavan  gelangte ,  kam  Jazid  b.  Hi^n  unter 
freiem  Geleit  zu  ihm  heraus  (Lücke).  Er  wagte  sie  aber  nicht  anzu- 
greifen aus  Furcht,  sie  möchten  ihn  bewältigen." 

Über  die  Zustände  Armeniens  unter  al  Wä-S-iq  (842—847)  heisst 
es  II  öAv,  19  fi^.:  ^.Armenien  empörte  sich  und  es  rührten  sich  daselbst 
Leute  von  den  Arabern  und  den  Erbfürsten  {al  batäriqa)  und  Usur- 
patoren, und  es  bemächtigten  sich  die  Fürsten  der  Berge  und  von  al 
Bäb  wa  'labwäb  der  ihnen  benachbarten  Gebiete,  und  die  Sache  der 
Regierung  wurde  schwach.  Da  ernannte  al  Wä'9'iq  den  Chälid  b.  Jazid 
b.  Mazjade)  zum  Statthalter  und  befahl  ihm  durchzudringen,  und  überwies 
ihm  einige  von  den  Kreisen  von  Dijär  Rabl'a.  Da  setzte  er  sich  mit  einem 
gewaltigen  Heere  in  Marsch.  Als  nun  die  Usurpatoren  in  jenem  Lande 
das  Gerücht  davon  vernahmen,  fürchteten  sie  ihn  und  die  meisten  von 
ihnen  schrieben,  sie  seien  fortwährend  loyal  gewesen,  und  sandten  Ge- 
schenke;  er   aber   erwiderte:   ich  nehme  nur   das  Geschenk  desjenigen 


a)  Vgl.  Bai.  rii,  6—8. 

b)  Tab.  ni  r.\,  3  (a.  224  =  838/39)  ^^j'y>S  ^\  0.j^ 

c)  Tab.  III  It^.r,  13  a.  225  =  839/40:  .Ankunft  des  al  War-Ö-änl 
bei  al  Mu'ta^im  im  Muharram  unter  Begnadigung". 

ii)  Als  Offizier  des  Afsln  im  Kriege  gegen  Bäbak  genannt  Dinaw. 
Ha,  19.  Tab.  III  Itiv,  5.  irr,  13.  17.  \X.f,  1.  2.  4.  (r.v,  13.  iM,  1. 
3.  5.    iCio,  18/19. 

e)  Nicht  bei  Tab.  und  Bai. 

f)  Vgl.  Stephan  Asoük'  II  2  p.  134  trad.  Dulaurier  (oben  S.  411 
A.  1),  wo  aber  der  Zug  des  Chälid  b.  Jazid  nach  Georgien  und  sein 
Tod  fälschlich  ins  Jahr  290  armen.  =  841/42  gesetzt  wird. 


AQo  J.  Marquart, 

an,  der  (persönlich)  zu  mir  kommt.  Dies  vermehrte  noch  ihre  Angst. 
Er 'schrieb  ferner  an  Ishäq  b.  Ismä'll  und  befahl  ihm,  sich  bei  ihm  ein- 
zufinden, und  als  er  es  nicht  that,  rückte  er  gegen  ihn  aus ;  Ishäq  war 
schon  im  Begriff,  (den  Tribut)  eigenhändig  zu  übergeben,  als  Chalid 
krank  wurde  und  nach  einigen  Tagen  starb  a).  Er  wurde  in  einem 
Sarge  nach  Dubll  (Dvin)  gebracht  und  dort  bestattet;  seine  Leute 
trennten  sich,  und  das  Land  sank  in  seine  abscheulichste  Lage  zurück. 
Nun  ernannte  al  Wä-O'iq  den  Muhammad  b.  Chalid i>)  an  seines  Vaters 
Stelle.  Dieser  berichtete  den  Abzug  der  Gefährten  seines  Vaters  und 
bat,  sie  zu  ihm  zurückzusenden.  Da  sandte  er  den  Ahmad  b.  Bistamt») 
nach  NaQlbln;  der  prügelte  (die  Deserteure),  sperrte  sie  ein  und  verbrannte 
die  Häuser.  Da  sammelten  sich  bei  Muhammad  die  Gefährten  und 
Klienten  seines  Vaters,  worauf  er  die  Canark'  und  den  Ishaq  bekriegte, 
bis  er  ihn  vertrieb  und  sie  schlug;  und  er  hielt  fortwährend  das  Land 
in  Ordnung". 

Nach  Moses  Kai.  III  20  (Bd.  II  58  ed.  Sahnazarean  =  S.  265  ed. 
Emin)  „kam  nach  drei  Jahren  (nach  dem  Tode  Mamuns)  ein  gewisser 
amiraj  Badoli  (Var.  Bardoti,  Bardot)  auf  Befehl  des  Fürsten  der  Araber, 
der  Amir-Mumin  genannt  wird,  gelangte  nach  Nachigevan".  Dieser  Hess 
einen  Knaben  Johan  ergreifen  und  um  des  Glaubens  willen  zu  Tode 
martern.  Drei  Jahre  nach  dem  Tode  al  Ma'müns  (833)  würden  uns  ins 
Jahr  886  =  221  H.  führen,  das  letzte  vor  der  Einnahme  von  Babaks 
Eesidenz  al  Badd ;  mit  dem  Emir  Badoli  kann  somit  der  Zeitfolge  nach 
nur  der  von  al  AfsTn  ernannte  Statthalter  Muhammad  b.  Sulaiman  al 
AzdTi  as  Samarqandl  gemeint  sein,  und  p«,^«,^^,  das  sich  durch  seine 
Endung  als  arabische  Nisba  erweist,  wird  daher  als  Verstümmelung 
aus  W.irtl'  zu  betrachten  sein.  Das  anlautende  p  ist  wohl  vom  Rande 
hereingekommen  und  war  dort  als  Variante  zu  t^/.^  u^Jhi^  angemerkt. 
„Nach  Verfluss  von  noch  zwei  Jahren  kam  Chazr  iwtgos ,  ein  wüten- 
der und  erbarmungsloser  Mann,  und  im  selben  (Jahre)  ward  er  er- 
mordet. Aber  dessen  Sohn  kam,  nahm  unser  Land  mit  Schwert  und 
Gefangennahme,  und  viele  Kirchen  steckte  er  in  Brand  mit  Feuer 
und  verbrannte  er,  und  zog  ab  nach  Baldat.  Und  von  da  wiederum 
kommend  mit  königlichem  Befehl  und  Schatz  gründete  er  die  Stadt 
Ganzak  im  Gaue  Arsakasen".  Mit  diesem  rätselhaften  CAasr  patgos 
(Emin  CJiaze  j^'atgos)  und  seinem  Sohne  können  nur  Chalid  b.  Jazid  b. 
Mazjad,  der  Henker  Armeniens,  und  sein  Sohn  Muhammad  gemeint 
sein,  welcher  ihm  nach  seinem  Tode  in  der  Statthalterschaft  folgte. 
Die  Angabe,  dass  Chazr  ermordet  worden  sei,  stimmt  zur  georgischen 
Chronik,  nach  welcher  Chalil ,  der  Sohn  des  Izid,  bei  seinem  dritten 
Zuge  nach  Armenien  getötet  wurde  (oben  S.  408).  Es  kann  sich  dem- 
nach nur  um  die  dritte  Statthalterschaft  Chalids  unter  al  Wa^iq  handeln, 
und  ich  vermute  daher,  dass  die  Jahreszahl  2  (p)  verschrieben  ist  für 
8  (Q),  wenn  man  nicht  vorzieht,  eine  Vermengung  der  beiden  Statt- 
halterschaften unter  al  Mu'tagim  und  al  Wä^iq  anzunehmen.  Dann 
fällt  die  von  Moses  Kai.  berichtete  Statthalterschaft  ins  Jahr  844  oder 
845  (836  +  8).  Was  den  Namen  ]u""2^  oder  \au.q^  angeht,  so  darf 
darin  kaum  eine  Verschreibung  für  ju/n^y.  Chaid  =  Chalid  gesucht 
werden ,  da  dieser  Name  in  demselben  Kapitel  weiter  unten  (II  60  = 
267  der  Ausgabe  Emius)  richtig  \an^p  bezw.  ]u«/-.^/^  ChaW  geschrieben 
wird;  es  wird  vielmehr  ein  Schimpfname  sein  =  arm.  ^««^  „abituato 
al  vizio",  wie  sich  ja  Levond  auch  den  Namen  Clmzaima  b.  Chäzim  als 


a)  Vgl.  oben  S.  408.  411  und  A.  1. 
1»)  Nicht  bei  Tab.  und  Bai. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  463 

\aiuqJ'  Chazm  , Krieg"  mundgerecht  macht  (S.  195:  «^  /«^^«/^Ar«.  ^m«# 
.u'Un^u.Vu  {.all  l„.uqJ'u.pu,p  L,-  ij.<f «^«.^tc).  Vgl.  obcn  S.  402  A.  und 
die  georgischen  Benennungen  Öicum  und  Chosro  S.  419.  420,  beide 
wahrscheinlich  für  Chuzaima  b.  Chazim. 

Von  dem  Bagratiden  Asot  K'ag,  seinem  Bruder  Sapuh  und  seinen 
Söhnen  Bagarat  und  Smbat  ist  auffälliger  Weise  hier  nirgends  die  Rede. 

1')  Wardan  S.  78  erwähnt  als  Brüder  des  Smbat  Aplabas:  Davit', 
Sahak,  Muse!  und  Bagarat.  Davit'  gründet  die  Festung  Auz.  Smbat 
heiratet  die  Schwester  des  Davit',  also,  wie  es  scheint,  seine  eigene 
Halbschwester  (S.  79). 

"*)  Bagarat  aus  dem  bagratunischen  Geschlechte,  Fürst  von  Taraun 
Thoma  Arcruni  11  5 — 7  trad.  Brosset,  Collection  d'hist.  armen.  196—104. 
III  7  p.  135.  Bagarat  Bagratuni,  Befehlshaber  und  Fürst  der  Fürsten 
Armeniens  {~,ntuJuiituiuitup  lu  [t^^uufu  fi^fnu/buiju  Z^ujjnj)  um  841  Job. 
Kath.  S.  65.     Vgl.  Daghbaschean  a.  a.  0.  S.  9   nach  C'amc'ean, 

Gesch.  Armeniens  II  430.  -b^l  q.j  -bijÄJ  Baqrät  b.  Asöt  mit  dem 
Titel  Ki/LuJi  v-ÄJ^I^J  Tab.  III  If.A,  13  a.  237  H.  =  851/52.  (f.l,  4. 
Fragm.  bist.  Arab.  ofl,  5  v.  u.  Vgl.  Bai.  Uo,  9:  -b^l  ^^i  -^5^äj 
_b^3>   \JLiJai.     nS,  11.    Ja'qObT  II  öIa,  5.     Theophan.  contin.  III  31 

p.  126,  23 — 127,  3  ed.  Bonn.:  Aaßövrog  yovv  ccvtov  "Aiisga  rbv  xriviv.avxa 
öiiitovta  ti]v  MsXirrivrjv  y.al  Tovqkovs  coffit  jjdjadag  dexa,  lisrci  Traffjj? 
T?}g  i^  'ÄQiiiviav  axQutiüg  v.ai  rov  aq^ovrog  rcbv  aQ^övrcov,  xata 
rbv  ^at,y\\L6va  TtQOOißaltv  (unter Theophilos;  s.  Lebeau-Saint-Martin, 
Hist.  du  Bas-Empire  13, 138  s.);  Genesios  lib.  III  p.  67, 13—19  ed.  Bonn.: 
Tov  öh  i'diov  vlbv  6  a^£QOV^vl}i  Ttgos^msfiips  yiatcc  xb  Ttpög  ccvaroXi]v 
6VV  rois  ccvccrolixcordrois  x&v  avÖQixwv  Tovqkcov,  xal  avtoTg  ysitviä- 
lovaiv ,  üxQi  %iliäSav  i\  ^sxu  Ttdarig  xfjg  f'|  'Aq^isvlcov  axQuxicig,  xov  xt 
BiG7tccQuy.avLxov  (des  Fürsten  von  Waspurakan),  Kai  avxov  xov  aQ%ovxog 
x&v  aQx6vxü3V,  Kai  "A^tQ  xrjviKavxa  xi]v  MBlLxr]vr]v  Siiitovrog,  ol  v.axa 
xbv  Jak,ni(bva  (so)  6vvri%Q'r]6av  axQaxoTCsäsvadusvot,. 

Asots  ältester  Sohn  Bagarat,  der  Fürst  der  Fürsten,  besass  auch 
Chlat'  (Bai.  Iao,  9).  Über  die  Machtstellung  der  Araber  in  Armenien 
unter  Asot  dem  Grossen,  dem  Fürsten  der  Fürsten  (862 — 890),  und 
seinen  Nachfolgern  unterrichtet  uns  Konstantin  Porphyrogennetos  de 
administr.  imp.  c.  44.  Darnach  standen  die  drei  Städte  Berkri,  Chlat' 
und  Arces  (xcc  XQia  xavra  v,a6XQa,  x6  xt  JJtQXQi  %ul  xb  Xa^tar  xai  xb 
"A-Qöbg)  vor  der  Regierung  Asots,  des  Fürsten  der  Fürsten,  unter  der 
Herrschaft  von  Persien  d.  h.  des  Chalifats.  Der  Fürst  der  Fürsten  be- 
sass auch  die  drei  Städte  Berkri,  Chlat'  und  Arces,  sowie  Dvin  (Ti.ßrj), 
Her  (XiQx)  und  Salamas,  verlieh  aber  die  drei  erstgenannten  dem 
'ArtsXßaQX  (v.  1.  'Anbl-x.dQx)  zu  Lehen,  der  ursprünglich  nur  Manazkert 
{Mavx^LKiiQx)   besass   und   dem   Fürsten   der  Fürsten   unterworfen   war. 

Dies  ist  der  Kaisik  Aplbar  ^unp.um-  d.  i.  .aJI  lAxc,  der  Tyrann  von 
Apahunik',  der  in  Manazkert  residierte  Thomas  Arcruni  II  19.  20  S.  210 
—220.  224—225  ed.  Patkanean  =  p.  175—176.  179—180  trad.  Brosset. 
Vgl.  Daghbaschean  a.  a.  0.  S.  47 — 51.  Nachdem  Asots  Sohn  und 
Nachfolger  Smbat,  der  Fürst  der  Fürsten,  vom  Emir  Jüsuf  b.  Abu 
's  Säg  (TtaQoc  xov  'Aitoaäxa  xov  c:\iriQa  UsgaLdog  de  administr.  imp. 
c.  44  p.  192,  16   vgl.   191,  18.  193,  19—20)   hingerichtet    worden    war 


464  '^-  Marquart, 

(913),  machte  sich  Abu  Sawäda  ('ATtoasßatus,  arm.  U,"/««-  Wlri.,uq.u^,  mit 
westarmenischer  Aussprache),  der  Enkel  des  Aplbar  zum  unabhängigen 
Herrn  von  Manazkert,  Chlat',  Berkri  und  Arces,  und  unterwarf  sich 
mit  seinen  beiden  Brüdern  Abu'l  Aswad  und  Abu  Salm  dem  Kaiser. 
Der  weitere  Verlauf  interessiert  uns  hier  nicht  mehr. 

Brosset,  CoUection  d'hist.  arm^n.  I.  Introd.  p.  XIV  hat  aus 
seiner  Quelle  wieder  einmal  einen  Gallimathias  gemacht,  indem  er  aus 
den  Worten  des  Kaisers  ttqo  tov  'Aacoriov  tov  aQxovrog  räv  ag^ovrcov, 
rov  TtaTQog  tov  ^viißariov  tov  KQXOVTog  Tötv  aQ^övrojv,  ov  cc7tiKS(puXi6sv 
6  aiirjQcis  UiQaidos  6  'AitoGÜTag,  og  -aal  inoirias  dvo  viovg,  tov  Tb  'Äßw- 
Tiov  TOV  iht'  ainhv  ysvö^svov  aQ'jiovTa  t&v  ägxövTcov  y.ai  'ÄTiaßdxiov 
TOV  fj-fro;  TavTCi  iidyiOTgov  Ti^r]&evTa  (p.  191,  16 — 21  vgl.  192,  6 — 7. 
25 — 192,  3)  den  Asot  msaker,  seinen  Sohn  Smbat  den  Bekenner  (f  856) 
und  Enkel  Asot  den  Grossen  herauslas ,  von  denen  doch  die  beiden 
ersten  den  Titel  „Fürst  der  Fürsten"  gar  nicht  geführt  haben  und  der 
zweite  gar  nicht  hingerichtet  worden,  sondern  im  Gefängnisse  ge- 
storben ist. 

19)  Thoraas  Arcruni  II  6  p.  117  =  104;  vgl.  Nr.  21. 

20)  Thomas  Arcruni  III  4  p.  143.  5  p.  151.  15  p.  208. 

21)  Smbat,  genannt  Aplabas,  Sohn  des  Asot  msaker,  kommt  unter 
HärOn  ar  Rasld  als  Geisel  an  den  Hof  von  Samarra,  wird  im  Jahre 
275  arm.  =  826/27  freigelassen  Stephan  AsoHk  II  2  p.  134  trad.  Du- 
laurier.  Der  grosse  sparapet  Smbat  verbindet  sich  mit  Sevadaj 
gegen  den  ostikan  Haul  Job.  Kath.  S.  64  (oben  S.  460  A.  b).  Aus  einer 
apokryphen  Quelle  stammt  die  Notiz  Wardans,  S.  78,  27—79,  1:  „Nach 
diesem  stirbt  Asot  im  Bette  und  es  nimmt  sein  Fürstentum  sein  Sohn 
Smbat  ein  Jahr.  Und  darauf  kämpfend  mit  4000,  wird  er  mit  500  Mann 
gekrönt  in  Christo  von  den  Ismaeliten.  Seine  Brüder  Davit',  Sahak, 
Musei-  und  Bagarat  nahmen  ihre  Mutter  und  giengen  weg  nach  Np'rkert 
zum  amiraj  Chalaf,  mit  Liebe  vom  ihm  aufgenommen".  Die  falsche 
Meinung,  Smbat  sei  im  Kampfe  gegen  Haul  gefallen,  hat  Wardan  auch 
S.  80,  9—10. 

Smbat  Bagratuni,  der  Regent  von  Mokk'  ([y^^ujj  /.»^/r^»,^,  nicht 
llliiiu'i,),  kommt  mit  Bugha  vor  Nkan  zusammen  Thomas  Arcruni  III  2 
p.  110.  117  trad.  Brosset  [=  127.  137.  138  ed.  Patkanean].  y^.«.« 
n(,  Ir.^  \\u(iiupuju  (so  1.),  Sparapet  von  Armenien  III  9  p.  141  [=  173 
ed.  Patkanean].  Es  ist  auffällig,  dass  er  von  Thomas  Arcruni  bei  seiner 
erstmaligen  Erwähnung  nicht  als  .sjxiraj^et ,  sondern  als  Regent  von 
Mokk'  vorgestellt  wird,  während  ihm  Job.  Kath.  immer  den  Titel 
sparapet  oder  „der  grosse  sparapet"  gibt.  Allein  jene  befremdliche 
Thatsache  erklärt  sich  daraus,  dass  Smbat  an  jeuer  Stelle  eben  in 
seiner  Eigenschaft  als  Herr  des  Waspurakan  benachbarten  Mokk', 
nicht  als  sparapet  handelt.  An  seiner  Identität  mit  dem  sparapet  darf 
deshalb  mit  nichten  gezweifelt  werden.  Vgl.  Daghbaschean  a.  a.  O. 
S.  26  A.  1.  Vielleicht  hat  er  den  Schutz  von  Mokk'  erst  nach  der 
Gefangennahme  seines  älteren  Bruders  Bagarat  (851)  übernommen,  zu 
dessen  Fürstentum  die  Provinz  eigentlich  gehört  haben  wird,  und  sollte 
die  Besitznahme  zunächst  nur  provisorisch  sein.  Er  vererbte  die  Herr- 
schaft über  Mokk'  dann  auf  seine  jüngeren  Söhne.    Siehe  Nr.  26,  27,  28. 

^\^M^;^\    ")^-i;yS    u-LI*^5  ^j1    Tab.  III   \f\ö,  1    a.  238    = 

iyi!  ^  Jolxx^  i^^\^  ^^-i^y!  uv-L1*J5  jj!  Tab.  III  ifn,  13. 

a)  So  Ibn  al  A^Ir;   0  hier  ^'-^j^y^,    'f'^  13  ^'-^y,    C  ^'^^y^ . 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  465 

Das  Beiwort  r^jU-^i  ist  am  ehesten  als  Übersetzung  des  arme- 
nischen ubuini-i,  sepnh  aufzufassen,  was  man  am  besten  durch  „Erb- 
prinz" wiedergeben  kann.  Nach  der  Gefangennahme  Bagarats  und 
seiner  Söhne  war  Smbat  in  der  That  das  Haupt  des  bagratunischeu 
Hauses  und  hatte  die  nächsten  Ansprüche  auf  die  Fürstenwürde.  Es 
ist  aber  unhistorisch,  wenn  er  bei  den  armenischen  Chronisten  des 
10.  Jahrhunderts  als  Nachfolger  seines  Vaters  Asot  msaker  gilt.  Dies  war 
vielmehr  sein  Bruder  Bagarat,  der  Fürst  der  Fürsten,  während  er 
selbst  nur  sparapet  und  nach  der  Gefangennahme  seines  Bruders  Präten- 
dent war :  also  genau  dieselbe  Verschiebung  in  legitimistischem  Sinne, 
die  wir  bei  Stephan  AsoHk  zu  gunsten  Smbats ,  des  Sohnes  des  Asot 
patrik  (Nr.  11)  kennen  gelernt  haben.  Die  jüngere  Linie  hatte  eben 
durch  die  politische  Entwicklung  seit  dem  Zuge  Bogha's  die  ältere  in 
Taraun  derart  in  den  Schatten  gestellt,  dass  man  sich  ganz  von  selbst 
daran  gewöhnte,  jene  als  die  Hauptlinie  zu  betrachten  und  dies  Ver- 
hältnis auch  in  die  vorangehende  Periode  übertrug. 

••^2)  S.  0.  S.  421. 

2^)  Asot  und  Dawit',  die  Söhne  des  Bagarat,  von  Bugha  gefangen 
genommen  Joh.  Kath.  S.  67,  Wardan  S.  80;  die  drei  Söhne  des  Baga- 
rat in  Taraun  verhaftet  Steph.  AsoHk  II  2  p.  135  trad.  Dulaurier. 
Asot  Korapatat ,  Fürst  von  Armenien  Thomas  Arcruni  III  19  S.  218 
=  175. 

2')  Davit',    Bruder  des  Kuropalates  Thomas  III  20  S.  220  =  176. 

'^5)  Asot,  Sohn  des  Sparapet  Thomas  Arcruni  III  9  p.  173  =  141. 
11  S.  191  =  153:  jAsot,  der  Sohn  des  Sparapet,  und  Muse!  und  Smbat 
der  Bruder  des  Asot". 

26)  Musel,  Sohn  des  Sparapet  (Smbat)  Thomas  III  10  S.  182  = 
148;  11  S.  191  =  153  (s.  Nr.  25);  17  S.  213  =  170:  ,Sahak,  der  Sohn 
des  Fürsten  der  Fürsten  (Asot),  und  Smbat  und  Sapuh  und  Musel,  die 
Regenten  von  Mokk'"  ([fn^u^j  (.^^Irjnq^);  19  S.  218  =  175:  Asot 
Korapatat,  der  Fürst  von  Armenien,  Musel,  der  Fürst  von  Mokk', 
äapuh,  der  Bruder  des  Fürsten  der  Fürsten.  20  S.  224  =179:  Gurgen 
und  Muse!  Bagratuni. 

Musel-,  der  Regent  (l'i^f^jnqj  von  Mokk',  ein  Mann  ausgezeichnet 
und  von  hohem  Rang  Thomas  III  20  S.  221  =  177. 

2')  Regent  von  Mokk'  Thomas  III  17  S.  213  =  170  (s.  Nr.  26); 
Bruder  des  Fürsten  der  Fürsten  (Asot)  Thomas  III  19  S.  218  =  175. 
Asot  und  Sapuh,  die  zwei  Söhne  des  Smbat  Wardan  S.  79. 

28)  Thomas  III  11  S.  191  =  153  (s.  Nr.  25);  III,  17  S.  218  =  170: 
, Smbat  und  Sapuh  und  Musel-,  die  Regenten  von  Mokk'". 

2**)  Abas,  Sparapet  von  Armenien,  Bruder  des  Fürsten  der  Fürsten 
Thomas  III  20  S.  222  =  177. 

30)  Thomas  Arcruni  3,  17  S.  213  =  170. 

^^)  Dies  ist  vielleicht  Sapuh,  der  Sohn  des  Asot,  welcher  den 
arabischen  Statthalter  Ahmad  b.  Chälid  auf  einem  Maultier  nach  Syrien 
eskortierte  Thomas  III  20  S.  222  =  178. 


Marquart,  Streifzüge.  30 


466  J.  Marquart, 

Exkurs  V. 

Gaihäni's   Bericht    über    die   Slawen   (zu  S.  188  f.). 

Da  Gaihäni's  Beiücht  über  die  Slawen  oben  zu  kurz  ge- 
kommen ist,  so  scheint  es  mir  unerlässlich  hier  nochmals  aus- 
führlicher auf  denselben  zurückzukommen.  Freilich  sind  die 
topographischen  und  historischen  Anhaltspunkte  hi  diesem  Ab- 
schnitte gerade  am  dürftigsten,  was  gewiss  damit  zusammenhängt, 
dass  die  Gegend,  in  welcher  die  Nachrichten  über  die  Slawen  ein- 
gezogen wurden,  vom  Lande  derselben  weit  ablag.  Denn  ohne 
Zweifel  hat  Muslim  b.  Abu  Muslim  das  Slawenland  nicht  selbst 
besucht,  sondern  berichtet  über  dasselbe  nur  nach  mündlichen 
Erkundigungen,  die  wohl  derselben  Quelle  entstammten  wie  seine 
Nachrichten  über  die  Magyaren. 

Doch  lassen  sich  auch  hier  einzelne  Spuren  einer  späteren 
Üherarbeitung  erkennen.  Der  Anfang  lautet  bei  Ibn  Rusta  und 
GurdezT  fast  wörtlich  übereinstimmend: 

GurdezT  bei  Keza  Kuun  S.  38. 

Ibu  Rusta  irr,  7—10.  Barthold  S.  99,  8—11. 

Zwischen    dem    Lande    der  Zwischen  den  PeSenegen  und 

Pe^enegen    und    dem  Lande   der  Slawen  (Saqläb)  ist  ein  10  tägiger 

Slawen  ist  ein  Weg  von  10  Tagen.  Weg.     Dieser    Weg   ist   weglos, 

Die  Slawen  haben  im  Beginne  doch     dieser     Weg     geht     über 

ihres    Gebietes    eine    Stadt  Quellen   und  viele  Bäume.     Der 

namens  <^,/^\*,  (s.  o.  S.  189),  zu  Bezirk  der  Slawen  ist  ein  weites 

der  man  durch  Steppen  und  un-  Gebiet   und   voller  Bäume ,    und 

betretene  Landschaften,  Wasser-  sie  wohnen  meist  zwischen  Bäu- 

quellen    und    dicht    verwachsene  men.      Sie    haben    keine    Reben 

Wälder  reist,  bis  man  in  ihr  und  keine  Saatfelder. 
Land  kommt.  Das  Land  der 
Slawen  ist  ein  ebenes  und  wald- 
reiches Land.  Sie  wohnen  in 
denselben  und  besitzen  keine 
Reben  noch  Saaten. 

Der  gesperrt  gedruckte  Satz,  welcher  bei  Gurdezi  hier  fehlt, 
steht  bei  ihm  in  dem  Bericht  über  die  Magyaren,  wo  über  deren 
Verhältnis  zu  den  Slawen  die  Rede  ist: 

GurdezT  bei  Geza  Kuun  S.  36,2  —  6. 
Ibn  Rusta  iff,  16— tfi^,  1.  10—12.    Barthold  S.  98,  23—99,  1. 

1.   Sie  haben  die  Oberhand  1.    Sie  (die  Magyaren)    üben 

über    sämtliche    in    ihrer    Nähe  sämtlich  die  Oberhand   über  die 

wohnenden    Slawen,    und    legen  Slawen,    und    befehlen    den    be- 

ihnen  harte  Lasten  auf,  und  sie  nachbarten    Slawen    Leistungen, 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  467 

.  Gurdezi  bei  Geza  Kuun  S,  36,  2 — 6. 

Ibn  Rusta  tfC,  16— Ifi^,  1.  10—12.     Barthold  S.  98,  23-99,  1. 

sind  in  ihrer  Gewalt  wie  Ge-  und  halten  sie  wie  ihre  Ge- 
fangene, fangenen. 

2.  Die  Magyaren  sind  Feuer-  2.    Die    Magyaren    verehren 

anbeter.  Sie  machen  Überfälle  das  Feuer.  Sie  bekriegen  die 
gegen  die  Slawen  und  ziehen  Slawen  und  Rös  und  führen  von 
mit  den  Gefangenen  der  Küste  da  Gefangene  weg,  bringen  sie 
entlang,  bis  sie  sie  nach  einem  zu  den  Romäern  und  verkaufen 
Hafen  des  Romäerlandes  bringen,    sie  .  .  . 

der  Karch  heisst.  3.  Fortwährend  ziehen  sie  zur 

Bekriegung  der  Slawen.  Von 
den  Magyaren  zu  den  (^a- 
qläb  sind  10  Tagereisen.  In 
den  (Grenzgebieten)^)  der  Slawen 
ist  eine  Stadt,  die  man  ^i>yJot5  -) 
nennt". 

Hier  ist  also  die  ui'sprüngliche  Aussage  Muslims  bewahrt: 
nicht  von  dem  Gebiete  der  Pe^enegen,  sondern  von  dem  der  Ma- 
gyaren war  das  Land  der  Slawen  10  Tagereisen  entfernt,  Gaihäni 
hatte  aber  im  Berichte  über  die  Slawen,  den  Verhältnissen  seiner 
Zeit  Rechnung  tragend,  an  Stelle  der  Magyaren  die  Peöenegen 
eingesetzt.  Der  erste  Satz  erinnert  auffällig  an  Nestors  Schilderung 
der  Vergewaltigung  der  Dulebi  durch  die  Awaren  (oben  S.  125  f.) 
und  nimmt  sich  auch  äusserlich  wie  ein  späteres  Einschiebsel  aus, 
da  er  vom  Hauptbeiicht  §  2  getrennt  ist  und  mit  diesem  im 
Widerspiniche  steht.  Setzt  er  ja  doch,  im  Gegensatz  zu  §  2,  voraus, 
dass  die  Magyaren  sieh  in  einem  von  Slawen  bewohnten  Lande  zu 
Herren  gemacht  haben ,  oder  m.  a.  W. ,  dass  sie  sich  bereits  in 
Atelkuzu  oder  gar  in  Pannonien  festgesetzt  hatten.  Der  Haupt- 
bericht dagegen  denkt  sich  die  Slawen  als  unabhängiges  Volk, 
das  aber  von  dem  wilden  Steppenvolk  mit  fortwährenden  Raub- 
zügen heimgesucht  wui'de. 

Die  bei  Ihn  Rusta,  GurdezT  und  Bekri  völlig  übereinstimmende 
Schilderung  der  Wohnsitze,  der  Lebensweise,  Bestattungsgebräuche 
und  geschlechtlichen  Verhältnisse  der  Slawen  bietet  keinerlei  Hand- 
habe zu  genaueren  chronologischen  Bestimmungen.  Versuchen 
wir  also,  ob  wir  vielleicht  eine  solche  in  der  Beschreibung  ihrer 
Regierungsform  zu  entdecken  vermöcren. 


1)  Hs.  iUcb  (?). 

2)  In  einer  von  Tumanskij  entdeckten,  noch  uuedierten  persischen 
Geographie  \ii*,jJ>j\^  (Zapiski  der  orientalischen  Abteilung  der  Kais. 
Riiss.  Archäolog.  Gesellsch.  Bd.  X,  St.  Petersburg  1897  S.  121—137,  citiert 
bei  Fr.  Westberg,  Beiträge  zur  Klärung  orientalischer  Quellen  über 
Osteuropa.     S.  21.3). 

30* 


468  J-  Marquart, 

Barthold  S.  99,  23  — 100,  7. 
Ibn  Rusta  iff,  9-5ro,  9.  GurdezT  beiGezaKuun  S.41,4— 43,7. 

(Die  Slawen)  haben  nur  wenig  Sie  haben  wenig  Pferde.  Ihre 

Packpferde,  und  Reitpferde  gibt  Kleidung  ist  ein  Hemd  und  sie 
es  nur  bei  berühmten  Männern,  besitzen  Stiefel.  Ihr  Schuh  ist 
Ihi-e  Waffen  sind  Wurfspeere,  nach  der  Form  des  tabarista- 
Schilde  und  Lanzen ;  andere  be-  nischen  Stiefels ,  welchen  die 
sitzen  sie  nicht.  Frauen    von    Tabaristän    haben. 

Ihr     Lebensunterhalt     ist    nicht 
sehr    kostspielig.      Ihre    Waffen, 
mit  denen  sie  Krieg  führen,  sind 
Wurfspeer,  Schild  und  Lanze. 
Ihr  Fürst  wird  gekrönt;  ihm  Ihr   Fürst    setzt    eine   Krone 

gehorchen    sie   und   nach  seinem  auf  und  alle  sind  ihm  gehorsam 
Worte  handeln  sie.     Sein  Wohn-    und  unterwürfig, 
sitz  liegt  in  der  Mitte  des  Slawen- 
landes. 

Den    berühmtesten    und    ge-  Ihren   grössten  Fürsten   nen- 

feiertsten  von  ihnen ,  welcher  nen  sie  8wet  malik  ^) ,  und  Sü- 
den  Titel  „Fürst  der  Fürsten"  pang^)  nennen  sie  seinen  Stell- 
führt, nennen  sie  8wet  mah'Jc^). 
Er  ist  mächtiger  als  der  *Sü- 
dang,  und  der  Sübang  '^)  ist  sein 
Stellvertreter.  Dieser  König  be- 
sitzt Stuten,  deren  Milch,  welche 
er  milkt,  seine  einzige  Nahrung 
bildet.  Er  besitzt  ausgezeichnete, 
feste  und  kostbare  Panzer.  Die 
Stadt  welche  er  bewohnt,  heisst 

Grwäb  ol3y>,  und  sie  haben  Vertreter.  Die  Residenzstadt  nen- 
dort  einen  Markt  drei  Tage  im  neu  sie  o^^y^  Oaräwat.  Jeden 
Monat,  an  welchem  sie  mit  ein-  Monat  ist  drei  Tage  in  jener 
einander  Geschäfte  schliessen  und  Stadt  Markttag,  wo  sie  alle  Güter 
verkaufen.  suchen  und  verkaufen. 

In  ihrem  iiande  ist  die  Kälte  Sie    besitzen    eine    Methode 

1)  Hs.  ij5^Lo  u>vy*-  —  Mugmal  at  tawärich  bei  Barthold, 
TypKecTaHi  Bt  snoKy  MOHrojiBcaaro  HainecTBia  I  p.  ^. ,  15  c^J^.  Sukru'lläh 
b.  Sihäb  bei  Hammer,  Sur  les  origines  russes  p.  108  =  48  vi>>.J^, 
Muhammad  al  Kätib  p.  124  =  65  c>^.a^Jj-vw,  Häggl  Chalfa,  Ölhän-numä 
eb.  p.  130  =  71  ^Läj^. 

-)  So  Chwolson;   Hs,  ^nj^^,  A^yhn, 

3)  Hs.  f^.y**)\  Mugmal  at  tawärich  ^j*«i,  Sukru'lläh  b.  Sihäb 
^Oj.^,  Muhammad  al  Katib  ^.y^,  Häggl  Chalfa  ^y^- 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  469 

Barthold  S.  99,  23—100,  7. 
Ihn  Kusta  ]ff,  9— !fo,  9.  GurdezI  belGezaKuun  S.  41,4—43,7. 

allgemein    und    heftig ,    weshalb   des  Festungsbaues :  alle  Personen 
man    unter    der    Erde    eine   Art   kommen    etwas    zu    thun,    und 
Erdloch    gräbt     und     dann     ein   machen  eine  Festung,  da  die  M  a  - 
Holzdach    dazu    macht    wie    das   gyaren  jederzeit  Einfälle   gegen 
einer    Kirche     und     dann    Erde   sie  unternehmen    und   gegen   sie 
darauf  wirft,    worauf  der  Mann   Überfälle    machen  i).      Kommen 
mit    seiner    Familie     darin    ein-    also    die  Magyaren ,    so    begeben 
zieht  und  Brennholz    und  einige   sich  die  Slawen  in  jene  Festun- 
Steine    bringt.      Hierauf    steckt  gen,  welche  sie  errichtet  haben, 
er  es  in  Brand,  bis  es  rot  glüht,  und   ihr    hauptsächlichster    Auf- 
Sobald    es    (das  Holz)    dann   ab-   enthalt  sind  im  Winter  die  Bur- 
gebrannt ist,  sprengt  er  Wasser  gen    und    Festungen,     und     im 
darauf,    sodass    sich    der   Rauch   Sommer  im  Walde, 
dadurch  verbreitet  und  das  Haus 
warm  wird.     Nun  werfen  sie  ihre 
Kleider  ab  und  bleiben  fortwäh- 
rend   in    jenem    Hause    bis    zur 
Frühlingszeit  -). 

Ihr  König  treibt  jedes  Jahr  von 
ihnen  Abgaben  ein.  Hat  jemand 
unter  ihnen  eine  Tochter,  so  nimmt 
(der  König)  von  ihren  Kleidern 
einmal  im^  Jahre  ein  Staatskleid, 
und  hat  er  einen  Sohn,  so  nimmt 
er  von  dessen  Kleidern  ein  ande- 
res Mal  im  Jahr  ein  Staatskleid. 
Hat  er  aber  weder  Sohn  noch  Toch-  • 

ter,  so  nimmt  (der  König)  von  den 

Kleidern  seiner  Frau  oder  seiner  Sie    haben    viele    Gefangene 

Sklaven  ein  Staatskleid.  Falls  (Sklaven).  Wenn  sie  einen  Dieb 
er  einen  Räuber  in  seinem  Reiche  ergreifen ,  nehmen  sie  all  sein 
ergreift,  lässt  er  ihn  hängen  oder  Besitztum  und  schicken  ihn  nach- 
versetzt ihn  nach  s^a:^-  Gira,  dem  her  an  die  Grenze  des  Gebietes 
äussersten  Bezirk  seiner  Länder,   und  peinigen  ihn  dort. 

Die    unvermittelte  Art   und  Weise,    mit  welcher   zuerst    der 
Fürst  der  Slawen,  der  in  der  Mitte  des  Slawenlandes  seinen  Sitz 


1)  Arab.  /»-.g-J^  r)*)jii'ri»i  (^i-*rJi  '^S^-  GurdezT  bei  Bart  hold 
S.  98,  25.   Ihn  Rusta  tff ,  18. 

2)  Bekri's  Schilderung  der  Kälte  in  den  Slawenländern  und  der 
Bäder  der  Slawen  (S.  41,  8 — 42,  11,  übersetzt  von  de  Goeje,  Een  be- 
langrijk  arabisch  bericht  over  de  slawische  volken  omstreeks  965  n.  Chr. 
Verslagen  eu  Mededeelingen  der  kon.  Akad.  von  Wetenschappen.  Afd. 
Letterkunde.  II<ie  Reeks,  9,  1.  Amsterdam  1880  S.  213  f.)  stammt  nicht 
aus  GaihänT,  sondern  wahrscheinlich  aus  Ibrähim  b.  Ja'qüb. 


470  J-  Marquart, 

hat,  eingeführt  wird,  ohne  dass  sein  Name  oder  Titel  erwähnt 
würde ,  iind  dann  ohne  weiteres  von  einem  andern ,  mit  Namen 
und  Titel  vorgestellten  Fürsten  die  Rede  ist,  welcher  zu  einem 
dritten  in  Gegensatz  gestellt  wird,  hat  mit  Recht  Bedenken  er- 
regt. Chwolson^)  und  de  Goeje  suchten  daher  hinter  -jJu 
„er  wird  gekrönt"  eine  Vei'schreibung  des  weitei-hin  vorkommen- 
den Titels  a^y*>  Sübang   =   slaw.  zupanec.     Diese    Vermutung 

ist  indessen  durch  den  Text  Gurdezi's  nicht  bestätigt  worden,  und 
wir  wissen  daher  nicht,  wer  unter  diesem  in  der  Mitte  des  Slawen- 
landes residierenden  Fürsten  gemeint  ist.  Da  er  als  Fürst  der 
Slawen  schlechtweg  (^_g.A«-(^j  .j)  bezeichnet  wird,  so  haben  wir  hier 
augenscheinlich  eine  vom  Hauptbericht  abweichende  und  diesen 
unterbrechende,  übrigens  sehr  unbestimmt  gehaltene  Version  vor 
uns,  die  sich  demnach  wiederum  als  spätei-er  Einschub  zu  er- 
kennen gibt.    Dass  aber  i^Lo  c>H^  dem  ursprünglichen  Berichte 

angehört,  dafür  sprechen  folgende  Gründe.  Z.  10  heisst  es:  ^^ 
J^yjät  ^J\  JOLc  '^\  *.jUJ!  qjXj,  Z.  14  aber  wird  von 
y5Uu  c>«Jvwv5  der  Z.  12  in  wörtlichem  Anklänge  an  obigen  Satz 
als  ^kA   L_fi;j*It  jj/iÄIl  eingeführt  wird,  berichtet :    y>JLl!  liX.^» 

LjLo.  Der  Königstitel  aber,  den  er  hier  führt,  begegnet  uns 
wieder  S.  Ifo,  5.  Darnach  dürfen  wir  den  übrigen  Teil  des  Be- 
richtes als  einheitlich  betrachten. 

In  y5^L«  ci^v*  ^^^  Chwolson  mit  Recht,  wie  ich  glaube, 
den  slawischen  Namen  Swetophk  erkannt.  Dass  sich  der  Araber 
den  fremden  Namen  mundgerecht  machte,  so  gut  wie  die  Deutschen 
mit  ihrem  Zueiiteboldus  neben  Zwentebolchus  und  einer  Menge 
von  Vei'unstaltungen -) ,  und  beim  zweiten  Teil  an  das  arabische 
^J5sL«  dachte,  werden  wir  ihm  nicht  verdenken.  Dagegen  ist  West- 
bergs Vermutung,  dass  c>j»*«  hier,  dem  ihm  gegenüber  gestellten 
^sÄJ^Aw  entsprechend,  nicht  als  Eigenname,  sondern  als  Titel  auf- 
zufassen sei  =  slaw.  swet^  wozu  ^J5UL<l  arabische  Glosse  wäre^^), 
aus  sprachlichen  Gründen  zurückzuweisen.  Bei  dem  Namen 
Swgtopltk  denkt  man  natürlich  zuerst  an  den  bekanntesten  Träger 
dieses    Namens,    den    Mährenherzog    Swentopluk    I.    (870 — 894), 


^)  Daniel  Chwolson,  Izwestija  o  Chazarachi,  Burtasachi>, 
Madjarachi,  Slawjanachi  i  Russachi  Ibni-Dasta.  St.-Petersburg  1869 
S.  138  f.,  citiert  bei  de  Goeje,  Bibl.  Geogr.  Arab.  VIT  iff,  ann.  d. 

2)  Eine  Auswahl  davon  findet  man  bei  Moritz  Müller,  Die 
Kanzlei  Zwentibolds,  Königs  von  Lothringen.    Diss.  Bonn  1892  S.  26  f. 

^)  Briefliche  Mitteilung. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  471 

Diese  von  Chwolson  aufgestellte  Ansicht  lässt  sich  indessen 
nicht  mehr  halten,  nachdem  wir  die  Einheitlichkeit  und  damit 
das  Alter  des  Hauptberichtes  erkannt  haben.  Die  von  Muslims  Swe- 
topl'bk  beherrschten  Slawen  haben  wir  uns  nicht  in  Pannonien 
oder  Mähren,  sondern  jenseits  der  Karpaten  im  Bereiche  der  alten 
Sitze  der  Magyaren  zu  denken.  Die  vorausgesetzten  historischen 
und  politischen  Verhältnisse  sind  also  ganz  ähnlich  denjenigen, 
welche  zur  Zeit  der  Einwanderung  der  Awaren  in  den  nord-  und 
ostkarpatischen  Ländern  herrschten,  solange  diesen  die  Anten  in 
mannhaftem  Widerstände  den  Weg  über  die  Karpaten  versperrten 
(oben  S.  147).  Erinnern  wir  uns  nun,  dass  schon  im  Jahre  839 
oder  840,  also  gerade  zu  der  Zeit,  in  welche  die  Abfassung 
unseres  Berichtes  fällt,  magyarische  Scharen  in  unzählbarer  Menge 
an  der  unteren  Donau  erschienen,  so  werden  wir  uns  des  Ein- 
drucks nicht  erwehren  können,  dass  damals  die  ganze  Steppe  von 
der  Donau  bis  zum  Don  von  den  Magyaren  beherrscht  wurde  und 
erst  im  Gebiete  des  obern  Dnjestr  und  der  oberen  Weichsel  von 
einem  unabhängigen  slawischen  Reiche  die  Rede  sein  konnte. 
Einen  Anhaltspunkt  aber,  wo  wir  das  Reich  dieses  Sw§toplxk  zu 
suchen  haben,  gibt  uns  vielleicht  der  Name  seiner  Hauptstadt. 
Diesen    schreibt    Ibn    Rusta    oljy^,    Gurdezi    o^ilys-,    die    von 

Tumanskij  entdeckte  persische  Geographie^)  ol0y3-.  Als  ur- 
sprüngliche Form  ergibt   sich  aus  diesen  Varianten    ungezwungen 

oL3-  Chorwät^  und  damit  erhalten  wir  zwar  nicht  den  Namen 
einer  Stadt,  wohl  aber  den  eines  wohlbekannten  Volkes,  der 
weissen  Chor  waten  im  Gebiete  der  oberen  Weichsel  und 
des  Dnjestr,  deren  uralte  Hauptstadt  Krakau  ehemals  der  Sitz 
eines  altberühmten  Reiches  gewesen  sein  muss.  Hier  haben  wir 
also  jenes  Chorwatenreich  für  die  erste  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts 
ausdrücklich  bezeugt,  dessen  ehemalige  Existenz  auf  Grund  der 
späteren  polnischen  und  ßechischen  Sagen  notwendig  vorausgesetzt 
werden  musste,  für  welche  aber  bisher  nur  äusserst  dürftige  rmd  un- 
bestimmte Zeugnisse  aus  älterer  Zeit  beigebracht  werden  konnten 
(s.  0.  S.  129 — 139).  Da  Muslim  b.  Abu  Muslim  das  Slawenland 
ohne  Zweifel  nicht  selbst  besucht  hat,  so  ist  es  nicht  verwunderlich, 
dass  er  den  Namen  des  Reiches  für  den  der  Hauptstadt  genommen 
hat.  Dasselbe  gilt  für  die  slawische  Stadt  i_*»-^jU|  ,  wenn  wir  deren 
Namen  oben  richtig  als  c>»-**oto  (oJJIo)  hergestellt  haben. 

Unter  der  Hauptstadt  \^\^j>-  bezw.  o^^p»  ist  also  Krakau, 
die  alte  Königsstadt  der  Chorwaten  zu  verstehen.  Aus  der  An- 
gabe,   dass   daselbst  jeden  Monat   eine    dreitägige  Messe  gehalten 


1)  Angeführt  bei  Westberg  a.  a.  0.  S.  217. 


472  J-  Marquart, 

wurde,  darf  man  wohl  schliessen,  dass  sie  ein  bedeutender  Handels- 
platz war.  Dasselbe  war  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahr- 
hunderts der  Fall,  wie  aus  des  IbrähTm  b.  Ja'qüb  Bemerkung 
hervorgeht,  dass  von  der  Stadt  Krakau  (}yS'\j^  Cracova)  Bussen 
und  Slawen  ihre  Waren  nach  Prag  brachten,  das  damals  eine 
grosse  Handelsstadt  war^).  Hauptsächlich  waren  es  Sklaven  und 
Pelzwaren,  die  über  Krakau  nach  Prag  kamen.  Aus  unserem 
Bericht  erfahren  wir  des  ferneren ,  dass  sich  die  Raubzüge  der 
Magyaren  bis  in  die  Weichselländer  erstreckten,  ehe  sie  die  Länder 
im  Westen  der  Karpaten  zu  ihrem  Tummelplatze  machten.  Es 
ist  deshalb  an  und  für  sich  auch  nichts  dagegen  einzuwenden, 
dass  GurdezI  die  Sklavenjagden  der  Magyaren  ausser  gegen  die 
Slawen  auch  gegen  die  Rös  gerichtet  sein  lässt,  da  ja  das  Auf- 
treten derselben  in  Südrussland  für  die  angegebene  Zeit  durch 
das  Zeugnis  des  Prudentius  bewiesen  ist  und  die  unberittenen 
Rös  ausserhalb  ihrer  Boote  den  magyarischen  Reiterscharen  ebenso 
wehrlos  gegenüberstanden  wie  nachmals  den  Peöenegen  und  daher 
beim  Passieren  der  Stromschnellen  des  Dnjepr  von  ihrer  Seite 
derselben  Gefahr  ausgesetzt  waren,  die  sie  später  seitens  der 
Pei^enegen  so  sehr  fürchteten  und  welcher  der  Grossfürst  Swja- 
toslaw  erlag.  Von  dem  Grenzbezirk  »yj>,  den  wir  uns  wohl 
an  der  von  Russen  und  Magyaren  häufig  beunruhigten  Ostgrenze 
zu  denken  haben,  war  schon  oben  (S.  188)  die  Rede. 

Die  Festungen  der  Slawen,  grad  (russ.  gorod)  genannt,  waren 
mit  Graben  und  hölzerner  Mauer  umzogene  feste  Orte-),  die  durch 
umgebendes  Sumpfland  geschützt  waren.  Die  Anlage  derselben 
beschreibt  Ibrahim  b.  Ja'qüb  %  Schon  Maurikios  spricht  von 
oxvQaficcra  und  6%vqcot£qoi  xonoi  der  Slawen,  und  von  ihm  er- 
fahren wir  auch  den  Grund,  weshalb  diese  sich  im  Winter  aus 
den  Wäldern  in  die  Burgen  zurückzogen:  %q^]  81  raq  xar  avxSiv 
syXeiQrjOetg  ev  xatiiSQtoig  }iäXlov  aaiQotg  yivsad-ca,  ox  av  x&v  öiv- 
ÖQCOv  Yviivov(iEvcov  lav&dvEiv  evKoXag  ov  övvavxai,  aXXu  kuI  T^g 
%i6vog  xcc  lyvri  x&v  cpsvyovxoav  8L£l£y%ov6Y]g ,  xai  xfig  cpa^iliag 
ccvxcov  xaTtiLvfig  ovGrig  ola  yvfjiv&g ,  Xomov  81  %a.l  t«  viQvti*)  oi 
Tcoxafiol  £v8iccßaxoi,  yivovxai%  Sie  fühlten  sich  also  im  Winter 
in  den  kalilen  Wäldern  nicht  mehr  sicher  genug.  Über  ihre 
Wohnungen  sagt  Prokopios:  ohovßi  8e  iv  KccXvßaig  ohxqatg 
8i£6nrjvr}(i£voi.  TCoXXa  jxhv  an  aXXi^Xcov ,  cc(i£tßovx£g  8£  w?  xcc  %oXXcc 
xbv  xr^g  £votKrj6£(og  EnccGxoi  %5)qov'^).     Ausführlicher  ist  Maurikios: 


1)  Izvestija  al  Bekri  S.  35,  2.     de  Goeje  a.  a.  0.  S.  196.  198. 

2)  Siehe  F.  J.  Schafarik,  Slawische  Altertümer  II  675. 

3)  Izvestija  al  Bekri  S.  34,  6—10.     de  Goeje  a.  a.  O.  S.  194. 
■*)  Ausgabe  kqovul. 

&)  Mauricii  Strategicou  XI  5  ed.  Scheffer.    Upsala  1664,  citiert 
bei  Schafarik  a.  a.  0.  S.  663  f. 

6)  De  belle  Goth.  III  14  vol.  II  335,  8—10  ed.  Bonn. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  473 

^Ev  vXaLg  Öe  nal  Ttorcc(ioig  nal  riX^aöt  Kai  Xi(ivai,g  övößdroi-g 
OMOvvza,  Kcd  TtoXvGxiösig^)  rag  i'^oöovg  räv  olmiaecov  noiov^iva, 
6ta  tag  ag  stKog  ßv^ßaivovGag  avxolg  TteQiöraöeig.  Ta  avaynata 
tav  TtQaYfjidxcov  avx&v  ev  aTtOKQVcpcp  '/^(ovvvovGiv,  ovöev  nsQixxov 
iv  cpavsQco  KSKX7]fiivo3V,  Kai  ßlov  ^avxa  XrjßXQiKOV  cpiXovGiv  ev  xoig 
öaGsGt  Kai  axsvotg  Kai  KQy](ivco6e6i  xonoig  rag  Kaxä  r&v  eiO'q&v 
avxäv  iyxsiQTiöEtg  EQyd^ea&ai  kxX.  Über  Bewaffnung  und  Kampf- 
weise der  Slawen  lesen  wir  bei  Prokopios:  'Eg  (idxriv  öe  Kad-i- 
Grd[ievoL  Tte^-rj  iiev  inl  xovg  TtoXe^lovg  oi  noXXol  l'aGiv  dönidia  Kai 
aKÖvxia  ev  %eQ6lv  e%ovxeg ,  Q'mqaKa  8e  ovSa^i]  ivöiövöKOvrai ,  Ttvfg 
6e  ovöe  ;(tTc5va  ovde  xqiß(hviov  e%ovGLv,  dXXa  fiovag  rag  d.vaE,vqi8ag 
ivaQ(.io6d(ievoi  jit£;^^t  ig  t«  aiöota,  ovrco  Sr]  ig  '^v^ßoXijv  rotg  ivav- 
xioig  Kad'iGravrai  '^).  Genauere  Einzelheiten  finden  wir  wieder  bei 
Maurikios :  ^OnXl^ovrat  öe  aKOvxioig  ^iKQotg  övgIv  eKaGrog  dvrjQ, 
xiveg  öe  avr&v  Kai  GKovxaqioig  yevvaioig  fiiv,  övGfiexaKOfitGxoig  öe' 
KeiQrjvxai  öe  Kai  xo^oig  '^vXCvoig  Kai  Gayhaig  fitKQatg  Ke%Qr}(ievat,g 
xo^iKÜ  (paQ^aKfov,  o%eq  iGxlv  iveqyextKov,  el  fii]  nofiaxi  xrjg  -O'r^^iax^g 
TtQOKaxaXrjcp&fj  •^)  6  xiXQCoGKOfievog  naq  avxov,  i)  exeQOig  ßoiq^ri^aGiv 
iyvcoGjxivotg  xotg  iTttGxrjfiaGiv  iaxq&v ,  r]  Ttaq  ev%^v  TteQirfirjd'Tjvat 
xi]v  TtXrjyriv  slg  rb  ^r\  Karaveiirj'&rjvaL  avxb  Kai  ro  XoiTtov  rov  Gco- 
^axog.  "AvaQ%a  öe  Kai  fiiGaXXrjXa  ovxa  ovöe  xd'^tv  yivcoGKOvGiv, 
ovöe  Kard  xrjv  GvGxdÖTjv  ^dp]v  iTtixrjöevovGi,  ixd')(^eGd'ai ,  ovöe  iv 
yvfivotg  Kai  ofiaXotg  xoTCoig  cpaiveGQ'aL.  Ei  öe  Kai  Gvfißfj  avrovg 
KaxaxoX}ifjGai  iv  to5  Kaiqü  rijg  Gv^ßoXrjg,  Kqd^ovxeg  a^ia  öXiyov  iTil 
rb  TtQoGo)  KivovGi,  Kai  el  (xev  ivömGovGt  rrj  qocovrj  avr&v  ot  dvri- 
raGGoiievoi,  irceQXOvrai  GcpoÖQwg '  el  öe  ^rjye ,  rrjv  avrrjv  XQeTtovxai, 
fiij  GTtevöovxeg  x^iqI  a.%07teiQaGQ'i\vaL  rijg  rav  i'/pQcov  avräv  övvd- 
fiecog  •  nqoGrqeypvGL  öe  raig  vXaig,  TtoXXriv  iKei&ev  ßoi^&eiav  e%ovreg, 
wg  yivdiGKOvreg  ccQfioöltog  iv  rotg  Grevoo^aGt  fid^eG^ai  mX.  Die  Ver- 
hältnisse hatten  sich  demnach  in  den  drei  Jahrhunderten  seit 
Justinian  I.  nur  wenig  geändert.  Noch  immer  kämpft  die  Masse 
des  Volkes  zu  Fuss  und  bildet  der  Schild  ihre  einzige  Schutz- 
waffe, während  Rosse  und  Panzer  nur  bei  mächtigeren  Fürsten 
(Grosszupanen)  getroffen  werden ,  welche  damit  wohl  ihre  engere 
Gefolgschaft ,  die  Druzina  ausrüsteten ,  wie  uns  dies  Ibrahim  b. 
Ja'qüb  im  J.  965  für  Mieszko  von  Polen  bezeugt*). 


^)  Ed.  Ttolvo^edelg. 

2)  Prokop.  de  belle  Goth.  ITI  14  p.  335,  10—15. 

^)  Ed.  TtQOtiutaXvqiQ'fj. 

•»)  Izvestija  al  Bekri  36,  8—11.     de  Goeje  a.  a.  O.  S.  201. 


474  J-  Marquart, 

Zusätze  und  Berichtigungen. 

Zu  S.  2  Z.  27  flf.  Hier  ist  die  wichtige  Stelle  Ibn  Hauqal 
S.  if,  21 — 23    übersehen:    ^3^.4.c|   L^  j-^A-^  «jA*^   ä-ovA/i    vLib^, 

d.  h.  „Bulyär  war  berühmt,  weil  es  der  Stapelplatz  für  diese 
(vorher  aufgezählten)  Königreiche  war.  Da  plünderten  es  die  Rös 
gänzlich  aus  sowie  Chazarän ,  Itil  und  Samandar  im  Jahre  358 
(24.  Nov.  958 — 12.  Nov.  969),  und  zogen  unverzüglich  ins  Land 
der  Romäer  und  al  Andalus".  Mit  Rücksicht  auf  diese  Aussage 
ist  die  Auffassung  Westbergs,  Beiträge  zur  Klärung  orienta- 
lischer Quellen  über  Osteuropa  S.  230  ff.  vorzuziehen ,  nach 
welchem  die  hier  genannten  Russen  keine  Unterthanen  Swjatoslaws, 
sondern  normannische,  über  die  Ostsee  gekommene  Wikinge  waren, 
welche  die  Wolga  herabfuhren  und  nach  Verwüstung  der  an 
derselben  liegenden  Städte  Bulyär  und  Itil  ins  Kaspische  Meer 
einliefen  und  Samandar  (jetzt  Tarchu)  plünderten,  worauf  sie 
wieder  bis  zum  Wolok  zurückgefahren  sein  und  ihre  Kähne  in 
den  Don  gebracht  haben  müssen.  Von  da  gelangten  sie  auf  dem 
gewöhnlichen  Wege  den  Don  herab  ins  Azowsche  und  Schwarze 
Meer.  Diese  Annahme  empfiehlt  sich  auch  deshalb,  weil  in  Ibn 
Hauqals  Bericht  weder  von  der  Festung  Sarkel  am  Don  noch 
von  dem  chazarischen  Fort  an  der  Strasse  von  KerS ,  das  noch 
beim  Russenzuge  des  Jahres  913/14  seine  Schuldigkeit  that,  die 
Rede  ist,  die  doch  beide,  wären  sie  noch  in  den  Händen  der 
Chazaren  gewesen,  der  Durchfahrt  der  Russen  ernstliche  Schwierig- 
keiten hätten  in  den  Weg  legen  können.  Man  hat  also  an  der 
Identität  des  der  Chronik  zufolge  von  Swjatoslaw  im  J.  965  er- 
oberten Belaweza  mit  ^uqueX  an  der  Donmündung  festzuhalten. 
Vgl.  Westberg  a.  a.  0.  S.  226  f. 

Der  Schaden,  den  die  Rös  in  Bulyär  angerichtet  hatten,  kann 
übrigens  nicht  so  bedeutend  gewesen  sein.  Besitzen  wir  doch 
aus  dem  Jahre  366  (976/77)  Münzen  in  arabischer  Sprache  und 
Schrift,  die  in  der  Hauptstadt  Bulyär  und  in  der  Stadt  Suwär 
im  Namen  des  Fürsten  Mu'min  b.  Ahmad  geprägt  sind^)  und  also 
die  fortdauernde  Blüte  dieses  Handelsstaates  bezeugen.    Auch  von 


1)  Siehe  Fr  ahn.  Drei  Münzen  der  Wolga -Bulgharen  aus  dem 
X.  Jahrhundert  S.  3—10.  SA.  aus  den  Mem.  de  l'Acad.  de  St.-P6ters- 
bourg  VIe  S^r.   t.  I.   1830. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  475 

Chazarän  (ChamlTch)  sagt  Ibn  Hauqal  t*A^,  14 — 15:  „Das  Zusammen- 
strömen des  Handels  der  Rös ,  das  nach  Chazarän  erfolgte ,  ist 
noch  ununterbrochen  in  diesem  Zustand*.  Als  Handelsplatz  hat 
das  alte  ChamlTch  also  seine  Bedeutung  behalten. 

Dagegen  kann  ich  nicht  ohne  weiteres  anerkennen ,  dass  mit 
den  Schlussworten  Ibn  Hauqals  einfach  angedeutet  werden  solle, 
die  Rös  hätten ,  mit  Beute  beladen ,  ihren  Rückweg  durch  das 
Schwarze  Meer ,  den  Bosporus ,  das  Mittelmeer ,  die  Strasse 
von  Gibraltar  und  den  Atlantischen  Ozean  genommen.  Freilich 
bezeugt  ja  die  russische  Chronik,  dass  man  in  Russland  wusste, 
dass  es  auch  einen  Wasserweg  vom  Warägermeere  aus  nach  Rom 
und  von  da  zur  See  nach  Konstantinopel,  von  da  zum  Pontosmeer 
gab  (Kap.  4).  Allein  es  ist  doch  gewiss  ein  merkwürdiges  Zu- 
sammentreffen, dass  um  dieselbe  Zeit,  als  die  Russen  nach  glück- 
lich ausgeführtem  Raubzug  ihre  Rückkehr  von  der  Wolga  und 
dem  Pontos  durch  das  Mittelmeer  und  (durch  die  Strasse  von 
Gibraltar)  an  Spanien  vorbei  bewerkstelligt  haben  sollen,  dänische 
Normannen  an  der  Küste  Galiziens  ungestört  (seit  968)  plünderten 
und  im  März  970  sogar  auf  Santiago  de  Compostella  anrückten, 
das  ihnen  nach  einem  Sieg  über  den  Bischot  Sisenand  wahr- 
scheinlich in  die  Hände  fiel,  worauf  sie  ganz  Galizien  plünderten 
und  verheerten.  Im  Jahre  971  erlitten  sie  allerdings  eine  Schlappe 
durch  Rudesind,  den  Nachfolger  Sisenands,  und  eine  entscheidende 
Niederlage  durch  den  Grafen  Gonsalve  Sanchez,  worauf  sie  Galizien 
verliessen ,  jedoch  nur ,  um  sich  nach  dem  muslimischen  Spanien 
zu  wenden^).  Gleichzeitig  unternahm  aber  auch  der  russische 
Grossfürst  Swjatoslaw  seinen  Zug  gegen  das  Romäerreich,  zu 
welchem  er  wohl  schon  seit  969  gerüstet  hatte,  und  es  wäre 
wiinderbar,  wenn  er  jene  Wikinge ,  die  eben  von  einem  glück- 
lichen Zuge  gegen  die  Chazaren  zurückkehi'ten,  nicht  für  sein  be- 
vorstehendes Unternehmen  in  Sold  genommen  hätte.  Ich  halte  es 
daher  für  wahrscheinlich,  dass  Ibn  Hauqal  den  Zug  Swjatoslaws 
gegen  die  Romäer  und  die  Plünderungsfahrten  der  dänischen 
Normannen  in  Spanien  mit  der  Nachricht  von  den  Russen,  welche 
Bulyär  und  Itil  geplündert  hatten,  verknüpft  hat. 

Zu  S.  3  Z.  23 — 25 :  Eine  Spur  dieser  Nachricht,  freilich  auf 
die  Wolga-Bulgaren  übertragen ,  findet  sich  auch  in  der  Risälat 
al-intisäb  (bei  Frähn,  Drei  Münzen  der  Wolga-Bulgharen  aus  dem 
X.  .Jahrh.  n.  Chr.  Mem.  de  l'Acad.  de  St.-Petersbourg  VI^  Ser.  t.  I 
p.  186,  N.  19).  Es  heisst  hier:  „Das  Land  der  Bul/är  ist  das  Land 
der  muslimischen  Türken.  Sie  sind  gläubig  geworden  unter  der  'Abba- 
sidendynastie,  unter  dem  Chalifate  des  al  Ma'mün  und  des  al  Wäi^-iq 
bi  'lläh  (227 — 232  H.),  und  wiederum  nahmen  unter  dem  Chalifate 
des  al  Qäim  bi  'amri  'lläh  (1031—1075  n.  Chr.)  30  000  Zelte  den 


1)  Dozy,  Eecherches  sur  l'hist.  et  la  littdrature  de  l'Espagne  11^ 
294—299. 


476  '^-  Marquart, 

Islam  an".     Dürften  wir  annehmen,  dass  der  ursi^rüngliclie  Bericlit, 
abgesehen    von    der  Übertragung    auf    die   Bulgaren ,    mit    einiger 
Treue  hier  wiedergegeben  ist,    so  hätten  wir  den  von  Muqaddasi 
erwähnten    Zug    Ma'müns    gegen    die    Chazaren ,    bei    welchem    er 
deren  König  zur  Annahme  des  Islams  aufforderte,  mit  Sicherheit 
in    die  Zeit    seiner  Alleinherrschaft    (seit  813  n.  Chr.)    zu    setzen. 
Dafür    spricht    auch    folgende   Angabe    des  BaläJuri    (ft".,  1 — 5): 
„Als  al  Mam'ün,    der  Gebieter    der  Gläubigen,    das    Chalifat    an- 
getreten   hatte,    Hess    er    die    Truppen    Raubzüge    machen    gegen 
Soyd   und   Usrüsana   und    die  Einwohner    von  Faryäna,    die    sich 
gegen    ihn  erhoben  hatten,   und    bedrängte  sie  durch  Kriege  und 
Einfälle  während  seines  Aufenthaltes  in  Choräsän  wie  auch  nach- 
her.    Aber  ausserdem  dass  er  seine  Reiterscharen    gegen    sie  ent- 
sandte, pflegte  er   mit  ihnen  zu  korrespondieren  und  sie  zur  An- 
nahme   des    Islams    und    zur  ünterwerfang    aufzufordern    und    sie 
dazu  anzureizen".     Speziell  vom  Käbulsäh  erfahren  wir  ausdrück- 
lich,   dass  al  Ma'mün  damals  ein  Heer  gegen  ihn  sandte  und  ihn 
zur  Huldigung  und  zur  Annahme  des  Islams  zwang  (Bai.  f\".,  5 — 6. 
f^f,  12 — 14  vgl.  Tab.  III  a\ö,  6).     Nach  seinem  Einzug  in  Baydäd 
(a.  204  H.)  hatte  er  einen  Aufstand  des  Königs  Käös  von  Usrüsana  zu 
bekämpfen.    Nach  der  Niederwerfung  desselben  (207  H.  =  822/23)  i) 
„pflegte  al  Ma'mün  seine  Statthalter  in  Chorasan  anzuweisen,   die 
Einwohner  von  Transoxiana,  welche  nicht  im  Verhältnis  der  ünter- 
thänigkeit  und  des  Islams  standen,  zu  bekriegen  und  seine  Agenten 
auszusenden,  welche  denjenigen  unter  den  Einwohnern  und  Prinzen 
jener  Gegenden,    welche  Neigung    zeigten    sich  in  die  Musterrolle 
aufnehmen  zu  lassen  und  Sold  wünschten,  eine  Pension  bestimmten. 
Er  suchte  sie  durch  Wertschätzung  zu  gewinnen.     Wenn  sie  nun 
an  seinen  Hof  kamen,    zeichnete  er  sie  aus  und  erhöhte  ihre  Be- 
schenkungen  und  ihren  Sold"    (Bai.  f^^l,  7 — 11).     Hiernach  ist  es 
also  sehr  wohl  möglich,    dass   jener  Eeldzug   gegen  die  Chazaren 
erst    nach    der   Unterwerfung    von    Usrüsana    (822/23)    stattfand. 
Freilich    kann    derselbe    dann    nicht    mehr    als  Rachezug    für    den 
grossen  Einfall  der  Chazaren    nach  Armenien  vom  Jahre  799/800 
aufgefasst  werden.     Dass  auch  al  Wä-^iq  mit   der  Bekehrung  der 
Bulgaren  (richtig:    Chazaren)    in  Beziehung    gesetzt  wird,    beruht 
auf   dem  Bericht   über    die  Gesandtschaftsreise  des  Salläm,    dem- 
zufolge   die    Chazaren    damals    in   freundschaftlichen    Beziehungen 
zum  Chalifen  standen-). 

Stammt  die  Anekdote  etwa  aus  des  Spaniers  Abu  Hamid 
Tuhfat  al  albäb  wa-nuchbat  al  a'gäb,  welches  der  Verfasser  der 
Risäla  auch  sonst  citiert?  (vgl.  Fr  ahn  a.  a.  0.  181  N.  12). 

Dagegen  geht  die  Angabe  über  die  Bekehning  von  30  000  Zelten 


1)  Tab.  III  Uli,  1—2. 
^)  Ibn  Chord.  lir,  11  ff. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  477 

von  Bulgaren  unter  dem  Chalifen  al  Qäim  wahrscheinlich  auf  einen 
Bericht  über  die  Wallfahrt  einer  Karawane  von  50  Bulgaren  zurück, 
die  unter  Führung  eines  ihrer  Häuptlinge  im  Jahre  433  H. 
(1041/42  n.  Chr.)  auf  dem  Wege  nach  Mekka  in  Bagdad  eintrafen 
und  unter  anderm  erzählten ,  dass  ihr  Land  das  entfernteste  der 
Türkenländer  sei ,  und  dass  sie  etwa  50  000  Zelte  stark  seien. 
Urspi-ünglich  Heiden,  hätten  sie  insgesamt  den  Islam  angenommen 
und  folgten  der  Lehre  des  Abu  Hanifa.  Vgl.  Fr  ahn.  Bullet, 
scientitique  de  l'Acad.  de  St.-Petersbourg  t.  IV,  1838,  S.  379  ff. 
Auch  Dimasqi,  welcher,  wie  Fr  ahn  a.  a.  0.  gezeigt  hat,  von 
derselben  Wallfahrt  redet,  ist  der  Ansicht,  dass  die  Bekehrung 
der  Bulgaren  erst  kurze  Zeit  vor  derselben  stattgefunden  habe. 
Fr  ahn,  Die  ältesten  arab.  Nachrichten  über  die  Wolga-Bulgharen. 
Mem.  de  l'Acad.  de  St.-Petersbourg  VP  Ser.  t.  I,  1832,  S.  579  ff". 
Übrigens  ist  auch  die  Nachricht  des  Ibn  al  A'^'ir  (IX  !^öö — t^öl)  zu 
beachten,  im  ^afar  435  (9.  Sept.— 8.  Okt.  1043)  hätten  10  000 
Zelte  von  Türken  den  Islam  angenommen,  die  im  Sommer  in  der 
Nähe  des  Landes  der  Bulgaren ,  im  Winter  um  Baläsayün  (bei 
Tokmak)  nomadisierten. 

Zu  S.  4  Z.  6:  Herr  Prof.  de  Goeje  glaubt,  dass  unter 
diesem  rätselhaften  Ausdruck  Spanien  zu  verstehen  sei:  ^^jLaÜ 
soll  nämlich,  wie  schon  Rein  au  d  (Geographie  d'Abou'lfeda  II  1, 

240  n.  4)  vermutet  hatte,  dem  spanisch-arabischen  «.aaÜ  al  Bahüg 
d.  i.  spanisch  baboso  entsprechen,  einem  Spottnamen  welchen  ara- 
bische Quellen  dem  König  Alfons  IX.  von  Leon  (1188 — 1230)  bei- 
legen, der,  wie  Ibn  Chaldun  berichtet,  dem  Muhammad  an  Nä(?ir 
seine  Hilfe  versprochen  vmd  dann  durch  seinen  Verrat  die  Nieder- 
lage von  al  'Iqäb  oder  las  Navas  de  Tolosa  (16.  Juli  1212)  ver- 
schuldet haben  soll  (vgl.  'Abd  al  Wähid  al  Marrekoshi,  The  history 
of  the  Almohades  ed.  D  ozy  p.  235.  Abü'lfidä,  Geographie  p.  111  = 
II  1,  240  d.  Übs.  Ibn  Khaldoun,  Histoire  des  Berbäres  trad.  par 
M.  G.  de  Slane  II  226.  Geschichte  der  christlichen  Könige 
Spaniens  bei  Dozy,  Recherches  sur  l'histoire  et  la  litteratüre  de 
TEspagne  pendant  le  moyen-age  I»,  1881,  p.  XVHI,  7  ff.  106/7 
und  N.  3.  Schirrmacher,  Gesch.  von  Spanien  IV  282  f.  314  f.). 
Jäqüt  (t  626  H.  =  1229  n.  Chr.)  hätte  also  die  Halbinsel  nach 
seinem  Zeitgenossen,  dem  König  von  Leon,  als  „Wohnsitz  des 
Baboso"  bezeichnet  und  diesen  Ausdruck,  wie  Reinaud  annimmt, 
in  den  Text  des  Ibn  Fadlän  eingeschoben.  Allein  dieser  Annahme 
stehen  ernste  Schwierigkeiten  entgegen ,  die  nicht  verschwiegen 
werden  dürfen.  Schon  die  Übereinstimmung  zwischen  den  beiden 
Formen    ^J^LJl    und      j.xxJ5    ist    keineswegs    sehr    überzeugend. 

Sodann  ist  die  Angabe,  dass  der  König  von  Leon  durch  seinen 
Treubruch  die  Niederlage  von  las  Navas  verschuldet  habe,   völli» 


478  '^'  Marquart, 

unbegründet  (s.  Sohirrmacher  a.  a.  0.  314  f.),  die  Araber  aber 
wussten  wohl,  dass  der  mäcbtigste  der  damaligen  christlichen 
Fürsten  Alfons  VIII.  von  Castilien  (1158 — 1214)  war,  der  Namens- 
vetter und  Lehnsherr  des  Königs  von  Leon,  der  Besiegte  von 
Alarcos  und  der  Sieger  von  las  Navas  (vgl.  Ibn  Chaldün  bei 
Dozy,  Eecherches  I-''  106/108).  Man  müsste  also  erwarten,  dass 
Jäqüt  das  Land  vielmehr  nach  diesem  benannt  hätte,  und  eine 
Verwechslung  der  beiden  gleichnamigen  Könige  annehmen. 

Noch  schwerer  wiegen  aber  folgende  Bedenken.     Ibn  Fadlän 
behauptet,    die   fragliche  Synagoge    sei   von  Muslimen   zerstört 
worden.    Lag  dieselbe  nun  in  dem  nachmaligen  Gebiete  des  Baboso 
d.  h.  in  Leon,  so  muss  man  annehmen,  dass  jene  Zerstörung  auf 
einem    Kriegszuge    des    Chalifen    'Abd  ar  Rahmän  III.    an   Nä9ir 
(912 — 961)  gegen  Ordono  IL  von  Leon  stattfand.    Im  Jahre  918 
sandte    der   Challfa    seinen  Hägib  Badr    an    der   Spitze    eines   be- 
trächtlichen Heeres  gegen  die  Christen,    die  bei  Mutonia  zweimal 
geschlagen    wurden ,    und    im  Jahre  920 ,    zwei  Jahre    vor   jenem 
Vergeltungsakte    des    Chazarenfürsten    gegen   die  Muslime    in  Itil, 
zog  er  persönlich  gegen  die  Leonesen,  nahm  die  Festungen  Oxoma 
(Osma)  und  San  Estevan  am  obern  Duero,  sowie  das  benachbarte 
Clunia   und    brachte    den    Truppen    Ordono's    eine    entscheidende 
Niederlage    im  Thale    la   Junquera   beii).      Allein    das    in    diesem 
Feldzuge  betroffene  Gebiet  hat  mit  dem  Lande  des  Baboso  nichts 
zu  thun  und  man  müsste  wiederum  eine  Verwechslung  Alfons  IX. 
von    Leon    mit    Alfons  VIII.    von   Castilien    annehmen.      Überdies 
dürfte  es  in  jenen  Festungen  auch  keine  bedeutenderen  Synagogen 
gegeben  haben.    Es  geht  auch  kaum  an,  an  den  Teil  des  ehemals 
muslimischen  Spaniens  zu  denken,  der  seit  der  Wiedergewinnung 
Toledos    dmxh    Alfons    VI.    (1085)    zu    Castilien     gehörte     und 
Alfons  VIII.  gehorchte,    da  Toledo    sich  erst  im  Jahre  932  'Abd 
ar   Rahmän    ergeben    müsste,    nachdem    es    volle    80    Jahre    seine 
Unabhängigkeit  vom  Emirat  von  Cordova  behauptet  hatte.     Noch 
crrösser  wird  die  Verlegenheit,    wenn    man    sich  zu  der  Annahme 
versteigt,  Jäqüt  habe  einfach  den  Namen  u^Jüt^i,  den  ihm  seine 
Quelle    bot,    durch    den    gesuchten  Ausdruck  gö^jLJ^  ^lo  ersetzt, 
—  was,  nebenbei  bemerkt,  in  einem  trockenen  Lexikon  eine  bei- 
spiellose   Geschmacklosigkeit   wäre,    —  so    dass    also    Ibn    Fadlän 
lediglich  das  Reich  'Abd  ar  Rahmäns  III.  im  Auge  gehabt  hätte. 
Denn  die  Zerstörung  einer  Synagoge,    welche    den  Muslimen  von 
-sj^LJl     lo  vorgeworfen  wird,  widerspricht  dem  toleranten  Cha- 
rakter 'Abd  ar  Rahmäns   aufs  schärfste,    der    den    jüdischen  Arzt 
Rabbi  Chisdai  bar  Ji^haq  zu  schwierigen  diplomatischen  Sendungen 
verwandte  und  „unablässig  darnach  strebte,  den  Juden  und  Christen 


1)  Siehe  Aug.  Müller,  Der  Islam  im  Morgen-   und  Abendland 
II  517  f. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  479 

nicht  allein  die  Duldung,  auf  welche  sie  gesetzlich  Anspruch  hatten, 
unverkümmert  zu  erhalten,  sondern  auch  Anteil  an  den_  bisher 
den  bevorrechteten  Muslimen  allein  zustehenden  höheren  Amtern 
zu  gewähren"   (A.  Müller  a.  a.  0.  508  f.). 

Wir  sind  demnach  mit  unsern  bisherigen  Hilfsmitteln  ausser 
Stande,  die  fragliche  Notiz  Ibn  Fadians  befriedigend  zu  erklären. 

S.  5  Anm.  1  Z.  7  lies  „T'archan  Raz"   st.  „Tarchan  Rai". 

S.  8  Z.  26:  -liNp!:«  kann  nur  aus  iTNpblS  verdorben  sein, 
diese  Form  setzt  aber  die  persische  Aussprache  des  ijo  wie  j 
voraus:  ebenfalls  gerade  kein  Zeichen  hohen  Alters. 

Zu  S.  10  Z.  19:  Für  NDNä  ist  unzweifelhaft  mit  Harkavy 
NOMS  Käsä  zu  lesen.  Es  sind  die  ^,,^,J:S  Kasak  Mas'udi's,  die 
Kasogen  {Kasozi)  der  russischen  Chronik  gemeint,  deren  Land  von 
Konstantinos  Porphyrogennetos  de  admin.  imp.  c.  42  p.  182  Kaöaxia 
genannt  wird;  ebenso  jetzt  Westb er g,  Beiträge  zur  Klärung  etc.  308. 
Kasack  ist  noch  heute  die  ossetische  Bezeichnung  der  Tscher- 
kessen  (Klaproth,  Reise  in  den  Kaukasus  I  70.  Kaukasische 
Sprachen  S.  227);  nach  Mas'udT  II  46  ist  der  Name  abzuleiten  vom 
persischen  jiJ'  „Prahlerei,  Hochmut"  und  bedeutet  „hochmütig, 
prahlerisch"!).  Vgl.  ^^  ^ßS  pompa,  magnificentia  bei  Vullers. 
Allein  durch  jene  Namensform  hat  sich  der  Verfasser  des  Briefes 

wieder  verraten.  Mas'üdi  braucht  einmal  die  Form  ».>j3CwL5Ci^ 
neben  ^^,  indem  er  die  Identität  der  beiden  Namen  nicht 
erkannte  (Kit.  at  tanbih  \^f,  8).  Im  al  'Azlzi  des  al  Hasan  b.  Alimad 
al  Muhallabi  (Ende  des  10.  Jhs.)  findet  sich  die  Form  ^LwL^Ji 
(Abulfidä  r.v  =  II  295  f.  d.  Übs.),  aber  erst  bei  Ibn  Sa'ld  (geb.  610 

=  1214,  t  673  =  1274)  kommt  \J^1\  ohne  auslautendes  k 
vor  (ib.  I'ft'  =  321).  Dies  ist  für  den  angeblichen  jüngeren  Zeit- 
genossen Mas'üdi's  verhängnisvoll. 

Zu  S.  15  Z.  31fr.  S.  16  A.  1:  Die  merkwürdige  Erzählung 
des  Barhebraeus  über  die  Wanderung  der  Bulgaren  ist  von  de 
Muralt  zum  Jahre  587  angezogen  und  von  mir  (Chronologie 
der  alttürk.  Inschriften  S.  82  ff.  und  Historische  Glossen  zu  den  alt- 
türkischen Inschriften.  WZKM.  XII  198  ff.)  behandelt  worden.  Da 
Barhebraeus  nur  die  syrische  Chronik  des  Patriarchen  Michael 
ausgeschrieben  hat,  so  wandte  ich  mich  an  Herrn  Chabot,  der 
die  Güte  hatte,  mir  den  Originaltext  dieser  Stelle,  wie  er  sich 
im    syrischen  Michael    findet,    zur  Verfügung    zu    stellen.     Durch 

1)  Mas'üdi  kehrt  das  richtige  Verhältnis  um:  „Dieser  Name  ist 
persisch  und  bedeutet  ,Hochmut  und  Prahlerei',  weil  die  Perser,  wenn 
jemand  hochmütig  und  prahlerisch  ist,  sagen  Äjas", 


480  J-  Marquart, 

denselben  werden  allerdings  verschiedene  Einzelheiten  und  be- 
sonders die  Komposition  der  Erzählung  viel  deutlicher.  Da  das 
Stück  jedoch  in  der  nächsten  Lieferung  der  Ausgabe  Chabots 
erscheinen  wird ,  so  glaubte  ich  davon  absehen  zu  können ,  den 
ganzen  Text  hier  abzudrucken  und  habe  mich,  mit  Ausnahme  des 
Schlusses,  auf  eine  Übersetzung  beschränkt.  Um  die  Komposition 
des  Stückes  sogleich  hervortreten  zu  lassen,  habe  ich  die  beiden 
Bestandteile  desselben  äusserlich  hervorgehoben  und  den  ersten 
Teil  zur  leichteren  Vergleichung  mit  der  Quelle,  der  Kirchen- 
geschichte des  Johannes  von  Ephesos,  in  Paragraphen  eingeteilt. 
Chronique  de  Michel  le  Grand   p.  378,  5  v.  u.  ed.  Chabot: 

Hauptstück   über   die   Zeit   des   Beginnes   der  Regierung 
des  Königs  Mauriqianos,  des  zweiten  der  Griechen. 

A  [1-]     (Spalte  c.)     In    dieser   Zeit    erbaute    Mauriqianos    eine 

a  Burg  im  Lande  der  Qöfanäer,  (379  a  Z.  2)  die  Sämechart  heisst,  mit 
Maschinen,  die  griechisch  basilä  manganön  (ßaaiXsuc  oder  ßaadiKcc 
^äyyccva)  heissen,  für  welche  60  Kamele  bereit  gestellt  wurden. 

[2.]  Im  Jahre  194  i),  als  die  Romäer  die  Burg  (A)qbä  nahmen, 
verwüsteten  sie  sie. 


•     §  1  aus  Job.  Eph.  6,  35  p.  416  ed.  Cureton: 

Erzählung  35:  Über  eine  andere  Burg,  welche  derselbe 
Maurlq   erbaute  nach  dem  Lande  der  (^öfanäer  zu,    die 
Sämgchart  heisst. 
Jener   Kornes   Mauriq    trug    gleichfalls  Sorge    und    erbaute 
eine  Burg  auf  einem  hohen  und  festen  Berge,  namens  Sämechart, 
so    dass    auch   jene  Burg  Sämgchart    genannt   wurde,    und   setzte 
Rhomäer  darein  und  bestimmte  ihnen  Rationen  {avvcovag)  und  ver- 
sorgte   sie  mit  allem  —  dieses  Sämgchart  aber  ist  im  Lande  der 
Rhomäer  —  und  er  überliess  ihre  Erbauung  einem  Feldmesser  (p?x«- 
vtnog),  der  sich  ihm  ergeben  hatte  (lies  )6^fc^)o  ?)  aus  dem  Lande 
der  Perser. 

§  2  aus  Joh.  Eph.  6,  36: 

Erzählung  36 :  Über  eine  andere  Burg  namens  Aqbä,, 
die  am  Kalla/9'  im  Lande  der  Perser  ist. 
Aber  jenseits  des  Flusses  Kalla^  im  Grenzgebiete  gegenüber 
Maifarqet  ist  ein  unnahbarer  Berg,  worauf  seit  langen  Zeiten 
jenes  unfruchtbare  Volk  der  Magier  eine  Burg  zu  bauen  ge- 
dachte, wo  sie  aber  einer  Abmachung  zwischen  den  Rhomäern  und 
Persern  zufolge  auf  einige  Meilen  von  der  Grenze  nicht  bauen 
dürfen.  Die  Rhomäer  standen  ihnen  nämlich  gegenüber  und  Hessen 
sie  nicht  bauen.    Denn  sogar  oftmals  war  sie  erbaut  und  zerstört 


1)  D.  i.  894  der  Griechen  =  583  n.  Chr. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  481 

[3.]  Die  Perser  aber  schlugen  die  Komäer  und  nahmen  viele 
gefangen  und  bauten  die  Burg  wieder  auf  durch  die ,  welche  er- 
griffen wurden.  [4.]  In  dieser  Zeit,  als  ein  Bote  der  Eomäer  zum 
König  der  Perser  gesandt  wurde,  verbrannte  er  sie^)  mit  grosser 
5  Hitze  und  viele  von  den  Romäern ,  die  ergriffen  worden  waren, 
tötete  er  vor  ihm ;  und  er  entliess  ihn  mit  grosser  Schmach. 


worden.  Allein  einmal  fanden  die  Perser,  wie  wir  im  Anfang 
mitgeteilt  haben,  Gelegenheit  und  erbauten  die  Burg  und  wohnten 
darin.  Nach  Jahren  (aber)  griffen  (die  Burg)  die  Streitkräfte  der 
Rhomäer  an  und  schlössen  sie  ein.  Dies  ist  aber  ein  Stratelates, 
namens  Uta  JJo/-  Und  lange  Zeit  war  sie  eingeschlossen  und 
belagert,  bis  jene,  welche  darin  sassen ,  von  Hunger  und  Durst 
gequält  wurden,  so  dass  sie  der  Vernichtung  aus  dem  Leben  hie- 
nieden  nahe  waren.  Als  sie  darauf  die  Qualen  sahen ,  baten  sie, 
es  möge  ihnen  das  Wort  gegeben  werden ,  dass  sie  nicht  sterben, 
noch  ergriffen  und  gefangen  geführt  werden  und  ins  Land  der 
Rhomäer  hinübergehen ,  sondern  ihnen  die  Burg  übergeben  und 
aus  ihr  abziehen  sollten.  Dieses  thaten  auch  die  Obersten  und 
gaben  ihnen  das  Wort.  Und  sie  öffneten  und  kamen  sämtlich 
daraus  herab.  Als  sie  abgezogen  waren  und  Wasser  fanden  und 
tranken,  fielen  sie  hin  und  starben  plötzlich,  so  dass  nur  wenige 
von  ihnen  wegzogen  und  hingiengen. 

Der  Stratelates  aber  und  seine  Streitmacht  stieg  hinauf  und 
sie  zerstörten  die  ganze  Burg  und  Hessen  keinen  Stein  auf  dem 
andern ,  den  sie  nicht  umstürzten ,  und  warfen  sie  hinunter  vom 
Berge.  Als  auch  andere  Obersten  und  eine  Menge  des  Heeres 
sich  dorthin  versammelten,  wohnten  sie  so  daselbst  überall  in  zer- 
streuter Weise  und  wachten  vor  einander. 

Erzählung  37:  Über  den  Gesandten  der  Perser,  welcher 

zufällig   in   jener  Zeit    zu   unserem  König  der  Rhomäer 

geschickt  wurde. 

In    jener  Zeit    also ,    als  Aqbä  bezwungen  ward ,    welches  ist 

das  Jahr  894  (583) ,    ward    ein  Gesandter    der  Perser    an   unsern 

König  der  Rhomäer  geschickt   und  sie  begannen  über  Frieden  zu 

sprechen.    Und  der  Gesandte  ward  mit  Liebe  entlassen  (1.  ^^J^Jo) 

und  man  beschloss,  dass  gesandt  werde  ....  (Rest  fehlt). 

§  3  und  4  sind  in  den  Kapitelüberschriften  des  Joh.  Eph. 
S.  339  nicht  vertreten.  Die  von  den  Romäern  im  Jahre  894  = 
583  zerstörte  Burg  Aqbä  muss  aber  von  den  Persern  nicht  lange 
nachher  wieder  aufgebaut  worden  sein,  da  sie  im  Jahre  590  aber- 


^)  Widerspruch  mit  §  3.  Man  erwartet  etwa:  „entbrannte  er  gegen 
ihn  (den  Gesandten)"  (lies  O^  »1^**?). 

Marquart,  Streifzüge.  31 


482  «J-  Marquart, 

[5.]  Und  während  die  Zeit  von  20  Jahren  dauerte,  herrschte 
Bitterkeit,  Feindschaft  zwischen  den  Romäern  und  den  Persern*). 

[6.]  *ünd  es  erhob  sich  gegen  die  Romäer  ferner  ein  Gegner 
aus  dem  Volke  der  hässlichen  Barbaren  (ßaQßaQoi)  mit  geflochtenen 
Haaren,  jener,  die  Abürls  {"AßaQeig)  genannt  werden,  die  in  Be-  5 
wegung  geraten  und  ausgezogen  waren  von  den  Enden  des  Ostens^); 
fem  er  auch  das  westliche  Volk  der  Sqlawenen  {^nkavtivol) ,  und 
ferner  andere,  welche  Longobarden  heissen,  *indem  auch  jene  ^)  in 
der  Knechtschaft  *des  Chägans  (^^|d)  ,    des  Königs   der  Abärls  *) 

waren.  [7.]  Sie  zogen  hin^)  und  eroberten  zwei  Städte  von  den  lo 
Romäern  und  den  Rest  der  yMötQu  ( opy  Kon  p>)  f")  *und  sprachen 
zu  den  Leuten  des  Landes:  „Zieht  weg,  säet  und  erntet;  nur 
einen  Teil  der  Steuern  {6vvrikei.cc)  wollen  wir  euch  abnehmen"  5). 
Und  wäre  nicht  der  grosse  Graben  (cpoGöa)  gewesen,  welchen  der 
Kaiser  ausserhalb  AdröpoUös  {^sQKOvg  nokscog?)  gemacht  hatte,  i5 
so  hätten  sie  sich  auch  an  die  Reichshauptstadt  gemacht  ^). 

[8.]    Als    aber    der  Kaiser   und   seine  Streitkräfte  erschüttert 


mals  von  den  Romäern  eingenommen  wurde  (Theophyl.  Sim.  4,  2, 1. 
Euagr.  h.  e.  6,15;  vgl.  Lebe  au  -  Saint  -  Martin  10,277  und 
N.  1).  Theophylakt  I  12,  1 — 7  weiss  nur  von  einem  missglückten 
Angi'iflF  der  Romäer  auf  Aqbä  (t6  "AKßag)  im  Jahre  582.  Die  Über- 
schrift des  Kap.  39  spricht  nur  von  einem  Gesandten  der  Perser. 

§  5  entspricht  Kapitel  40  des  Johannes : 

„Über  viele  Verwüstung  der  beiden  Staatswesen  (Ttokirsiag), 
welche  gegen  einander  vielmals  ausgeübt  wurden." 

Die  Inhaltsangabe  des  Kap.  44  ist  zu  unbestimmt:  „Über 
einen  anderen  Krieg  des  Jahres  XQLrr}  (584/85)  und  den  Sieg,  der 
von  Gott  den  Rhomäern  verliehen  ward". 

§  6  =  Joh.  6,  45 :  „Über  das  hässliche  Volk  der  haarigen 
Barbaren  (ßaQßaQOL),  die  Abäris  heissen". 

§  7  =  Joh.  6,  46:  „Darüber,  dass  Abäris  auszog  und  grosse 
Städte  und  viele  Burgen  eroberte". 

§  8  =  Joh.  Eph.  6 ,  47 :  „Über  den  Schrecken  und  die 
Furcht ,  die  in  Konstantinopel  ausbrach ,  bei  welcher  auch  wir 
(zugegen  waren)". 


^)  Also  571 — 590.     Das  folgende  auch  bei  Barhebraeus. 

2)  Eh.:  „Und  in  seinem  (des  Mauriqe)  vierten  Jahre  geriet  in  Be- 
wegung und  zog  aus  von  Osten  das  greuliche  Volk  der  Abäris  mit 
geflochteueu  Haaren."  ^)  Bh.:  „und  kamen". 

*)  Bh.:  „des  Chäqäns  (_o|o),  des  Königs  der  Chazaren". 

5)  Fehlt  Bh. 

8)  Joh.  Eph.  6,  25  S.  400,  9 :    rpt^-{^mn . 

')  Das  Folgende  bis  §  9  von  Bh.  ausgelassen. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  483 

und  erschreckt  wurden  von  den  Barbaren  (ßccQßaQoi) ,  ward  eine 
Streitmacht  entsandt  und  an  die  äussere  Mauer  ^)  gelegt,  60  Meilen 
von  ....  (der  Hauptstadt)-). 

(380  c.)  Und  von  den  Klerikern  (KXrjQiKOL)  der  Kirche  hob 
5  er  aus,  als  er  gezwungen  wurde,  und  durch  jene  Gewalt  wurden 
CKQtßcoveg'^)  nach  allen  Seiten  gesandt,  um  Rekruten  (tLQcovsg)  aus- 
zuheben. Diese ,  als  sie  auszogen ,  verübten  viele  Übel ,  und  sie 
raubten  die  Söhne  der  Väter  und  setzten  sie  nach  den  Orten 
(Gegenden)*),  indem  selbst  die  .  .  .^)  der  Pferde  und  der  Stiere 
10  und  selbst  bis  zu  denen  der  Hühner  die  Menschen  überragten 
an  allen  Orten  (?). 

Als  das  Volk  der  Sklawenen  aber  wegführten  die  .  .  .^)  und 
die  heiligen  Gefässe  der  Kirchen  und  die  grossen  KißcoQta  auf 
festen  Wagen,  wie  die  der  Kirche  von  Qorinthos,  vertauschte  er 

15  das  Zelt,  schlug  und  richtete  es  auf,  unter  ihm  wohnte  er. 

[9.]  Die  Romäer  hatten  gedungen  das  Volk  der  Anten  (Anßö, 
"AvTai),  Sklavenia'')  zu  überfallen,  und  sie  hatten  es  erobert  und 
geplündert '')  und  seinen  Reichtum  herausgeführt  und  es  ver- 
brannt; ihr  Land  ist  aber  im  Westen  des  Stromes,  der  Dönabis^) 

20  heisst.  [10.]  Als  aber  die  Sklawenen  vernahmen,  dass  ihr  Land 
gefangen  genommen  worden  sei ,  wurden  sie  erbittert  wie  ein 
Löwe  gegen  die  Beute ;  sie  versammelten  sich  viele  Tausende 
stark  und  verübten  unaufhörliche  Verwüstung,  und  als  sie  nicht 
einzudringen    und    die    Reichshauptstadt    zu    erobern    vermochten, 

25  blickten    sie   gegen  die  Stadt  Anchiahs^)  und  nach  der  dortigen 

§  9  =  Job.  Eph.  6,  48 :  „Über  die  Eroberung  und  Ver- 
wüstung des  Landes  der  Sklawenen". 

§  10  =  Joh.  Eph.  6,  49:  „Über  die  Verwüstung  der  Stadt 
Anchialos  (^a\aj/)  und  über  die  dortige  Therme". 


1)  Text  l^iojt,  lies  jiojt;  vgl.  Joh.  Eph.  6,  25  S.  402,  17. 

*)  Der  Name  fehlt. 

3)  Vgl.  Theophyl.  Sim.  1,  4,  7.  Agath.  3,  14  p.  262,  31  ed.  Dindorf. 
Saint-Martin  bei  Lebeau  9,  326  n.  1.  10,  207  n.  5. 

*)  Vgl.  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Hämus-Halbinsel  I  57  = 
SBWA.  Bd.  99,  1882,  S.  491.     Die  alten  Thraker  II  78. 

^)  Die  beiden  Worte  jJCLLCD  und  ■  i"»^»*^  sind  mir  unbekannt. 

®)  Die  Pluralpunkte  sind  falsch. 

')  Bh.  schliesst  diese  Erzählung  mit  den  Worten:  „Deswegen  ver- 
übten die  Sklawenen  grosse  Verwüstung  [im  Lande  der  Romäer  und 
kehrten  um". 

8)  Die  gotische  Form ;  vgl.  Ps.  Kaisareios,  Quaestiones  c.  68.  144 
ed.  Ducaeus;  Bibliotheca  veterum  patrum  vol.  I  (Paris  1624)  p.  588.  672. 
Mülle nh off,  DA.  II  865 ff. 

9)  Für   QpOÄ*/  ist  einfach   Opo^A^j/  zu  verbessern  (Nöldeke). 

31* 


484  J-  Marquart, 

Therme  1)  —  es  waren  aber  von  der  dortigen  Streitmacht  viele 
von  ihnen  vernichtet  worden  —  und  rissen  eine  Bresche  in  die 
Mauer  und  fanden  dort  jene  Purpur(gewänder) ,  welche  Anastasia, 
die  Frau  des  Tiberios,  als  Weihegaben  geschenkt  hatte  der  dortigen 
Kirche-),  als  sie  zur  Therme  gieng.  Diese  nahm  der  Chagan  und  5 
zog  (sie)  an,  indem  er  sprach:  „Ob  der  König  der  Romäer  es 
wünscht  oder  nicht  wünscht,  siehe  das  Reich  ist  mir  gegeben, 
und  die  Vereinigung"   (Lücke)  ^). 

(381a.)    Und    es    erschreckten    ihn  Gerüchte,    dass  das  Volk 
der   Türken    (|*x>VQi)    ihn    verfolge    und    ausgezogen    seien   nach  lo 

Sirmium    {Sermin).      Als    sie    fürchteten,    sie    möchten    gefangen 
führen  seine  Dienerschaft*)  und  sein  ganzes  Gesinde,   wandten  sie 
sich,    als    sie    ihm    (dem  Chagan)    8    Centner    {KEVfrjvaQia)    Goldes 
sandten,  von  ihm  (Maurikios)  5). 
B  [11.]  In  dieser  Zeit  (zogen  aus)  drei  Brüder  aus  dem  inneren  i5 

Skythien,  indem  sie  mit  sich  führten  dreissig  tausend  Skythen, 
und  sie  kamen  einen  Marsch  von  65  Tagen  ^^  von  jenseits  des 
Gebirges  Imeon^).  Sie  kamen  aber  in  der  Winterszeit,  wegen 
des  Auffindens  von  Wasser,  und  sie  gelangten  bis  zum  Stronie 
Tanais,  der  aus  dem  See  Mäntiös  (Maiotis)  herauskommt  und  sich  in  20 
das  Pontosmeer  ergiesst.  [12.]  Als  sie  nun  an  die  Grenze  der  Romäer 
gelangt  waren,  nahm  einer  von  ihnen,  namens  Bulgarios,  zehn 
tausend  Mann  *und  trennte  sich  von  seinen  Brüdern  ^),  und  über- 

1)  Über  die  Thermen  von  Anchialos  vgl.  Jordan.  Get.  c.  20  §  108. 
109.  Prokop.  de  aedif.  III  7  p.  262,  23  ff.  Theophyl.  Simok.  I  4,  5. 
Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Hämus-Halbinsel  II  33 f. 

2)  Vermutlich  der  des  Märtyrers  Alexandres  Theophyl.  6,  5,  2. 
8)  Es  fehlt  eine  Zeile. 

^)  Ed.  N^  q\q2>  lies  j\r»r>o>  oder  jfcc\Q2Q2).  Nöldeke 
billigt  meine  Konjektur  und  schreibt  mir :  „Da  für  fc^  qS.Q2>  die 
Bedeutung  'Dienerschaft'  nahe  liegt,  so  ist  allerdings  familia  ziemlich 
sieher.  Im  Syr.  ist  bis  jetzt  nur  eine  Stelle  für  das  Wort  bekannt: 
J.\V>o^  'Diener'  dreisilbig  (bei  Isaak  Antiocb.),  Vokalisatiou  unsicher. 
Jüdisch  nicht  selten  Nib^73D  oder  Nib73D.  Also  hier  wohl  |A.QiCX2> 
(nicht  j^^Q^a^;  diese  Aramaisierung  wäre  sehr  auffallend).  Aus- 
lautendes J  wird  leicht  mit  l  verwechselt,  namentlich  in  nestorianischer 
Schrift,  die  hier  freilich  nicht  vorliegt." 

6)  Das  Folgende  bei  Bh.  *^)  Bh.:  „zwei  Monaten". 

')  Text  j^Qi  >^XX>/  lies  jio^  ^^*2d/  =  'Jfiai'ov  oqovs;  vgl.  Agath. 
V  11  p.  365,  1—6:  oi  Ovvvoi  xh  yivog  t6  [dv  ■nalatbv  KaraiKOvvriig 
Maimridog  Xiavrig  rä  TtQog  äitrili6ixriv  avB^ov,^  v.al  i]6av  rov  TavaCdog 
notafiov  ccQKTiKmtiQOi,  Kad'ÜTtSQ  kkI  xcc  aXla  ßdgßciQa  f&vri  bitoGa  ivtog 
'Ifiaiov  ÖQOvg  ccvu  xi]v  'Aaiav  ixvy%avov  iÖQV^ih'cc. 

8)  Fehlt  Barh. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  485 

schritt  den  Tanais  (Täniös)  *zum  Strome  Dönabis  i),  der  ebenfalls 
in  das  Pontosmeer  mündet,  und  sandte  an  Maurlqe,  er  möge  ihm 
Land  geben ,  um  dort  zu  wohnen  und  ein  Bundesgenosse  der 
Romäer  zu  sein.  Er  gab  ihm  Ober-  und  Unter -Moesien  *und 
5  Dakien,  feste  Orte,  die  das  Volk  der  Awaren  (Abäris)  verwüstet 
hatte  seit  den  Tagen  des  Anastas  ^),  und  sie  siedelten  sich  dort  an 
und  wurden  ein  Bollwerk  für  die  Romäer.  Jene  Skythen  wurden 
von  den  Romäern  Bulgaren  genannt. 

.  \X[co  '^  l'^ti^xi^  .  ^JJJj  JiLJJ  oL/  P/  JjW  x^l  X!?  'C^^ 

10  .  )«O)tY>jj0    ^o^N-j?  [Fol.  191  vo.]  .  JoO)  ^X25  ^ioo'A  0))^'*2D? 

^o)i-VQÄ\j  JuVak^;^i2>o  j-v>^CL2so  .  (^  ^;jb  1-Vq^j  |^ili  -o) 

o6)  Jil/  "^  j-v^cu  I^A  «^Njtjj  l^o  .  ooo)  |u^xr>-t^  ^>.3 

.v^i^  joo)  jvo^io?  j-^'  o6)  J-J?  J-^Qjt  \i>\ .  p%o  oo^iofc^jt/ 

(Fin  du  chapitre)  )d^  .  «fc<2>ljo   JJO)   j^X  ^AO 

15  [13.]  Jene  beiden  andern  Brüder  aber  kamen  ins  Land  Alan,  das 

BarsöMä  heisst,  ^dessen  Städte  von  den  Römern  erbaut  worden 
waren 2),  *welche  Qäspiä  sind,  welche  man  Thor  der  Töräje  nennt; 
die  Bulgaren  und  Puguren,  ihre  Bewohner,  waren  einmal  Christen; 
da    aber    ein    fremdes  Volk    über  jene  Gegend  die  Herrschaft  ge- 

20  Wonnen  hat,  wurden  sie  Chazaren  genannt  nach  dem  Namen  jenes 
ältesten  Bruders,  der  Chazarig  genannt  wurde.  Und  es  ward  stark 
dieses  Volk  und  breitete  sich  aus  ^).'' 

Nach  diesem  vollständigeren  Texte  kann  es  nicht  mehr  zweifel- 
haft sein,  dass  dieses  Kapitel  aus  zwei  Teilen  ganz  verschiedenen 
Ursprungs  besteht.  Der  erste  Teil  ist  in  der  That  ein  kurzer  Aus- 
zug aus  dem  Schlüsse  der  Kirchengeschichte  des  Johannes  von  Ephesos, 
wie  N  ö  1  d  e  k  e  schon  nach  dem  Texte  des  Gregor  Barhebraeus 
vermutet  hatte,  und  zerfällt  wieder  in  zwei  ungleichmässige  Ab- 
schnitte, von  denen  der  erste  (a),  soweit  es  sich  noch  kontrollieren 
lässt,  den  Kapiteln  6,  35.  36.  40  des  Johannes  entspricht,  während 
der  zweite  (b)  genau  mit  den  Überschriften  der  Kapitel  45 — 49 
übereinstimmt.  Diese  sämtlichen  Kapitel  sind  bei  Johannes  als 
Nachträge  zu  betrachten,   und  da  die  erste  von  Michael  erwähnte 


^)  Barh. :  „und  schlug  sein  Lager  auf  zwischen  den  beiden  Strömen 
Tanais  und  Dönabis*. 

2)  Fehlt  Barh. 

^)  Bh. :  ,oder  zu  den  Städten  von  Qaspiä  (so  Bedjan;  Bruns  und 
Kirsch  Qapadöqia),  welche  die  Bulgaren  und  Pangüren  (|<Vq^^_l3) 
,Thor  der  Türken'  (j^joVol)  nennen,  welche  ehemals  Christen  waren 
und  jetzt  Chazaren  genannt  werden  nach  dem  Namen  ihres  ältesten 
Bruders". 


486  '^-  Marquart, 

Begebenheit,  die  Erbauung  von  Sämgchart'),  nach  der  Ei'zählung 
des  Johannes  6,  35  durch  Maurikios  als  Comes  geschah  und  gleich 
der  im  vorhergehenden  Kapitel  (6,  34  p.  415)  erwähnten  Einnahme 
der  Burgen  Füm  CAcpov^av)  und  Kelimar  {XXooficcQcov)  ins  Jahr  578, 
also  ans  Ende  der  Regierung  Justins  II.  gehört-),  so  ist  ohne 
weiteres  klar,  dass  der  Epitomator  ganz  mechanisch  und  mit 
äusserst  geringem  Verständnis  gearbeitet  hat,  indem  er  jenen  ganzen 
Abschnitt  des  Johannes  unbesehen  in  die  Regierung  des  Maurikios 
versetzte.  Für  §§  3 — 4  finde  ich  keine  sichere  Entsprechung  in 
den  Kapitelüberschriften  des  Johannes,  auch  steht  §  4,  wenn  hier 
nicht  ein  Textfehler  vorliegt,  zu  §  3  in  Widerspruch.  Dagegen 
entspricht  §  5  wohl  Kap.  40  des  Johannes.  Dann  erhebt  sich 
aber  die  Frage,  ob  die  Angabe  der  20  jährigen  Dauer  des  Krieges 
(571 — 590)  ebenfalls  aus  Johannes  stammt  oder  eigene  Zuthat 
des  Epitomators  ist.  Doch  ist  Letzteres  das  Wahrscheinliche.  Die 
Frage,  ob  Michael  selbst  den  Auszug  angefertigt  oder  schon  so 
zurecht  gemacht  vorgefunden  hat,  wird  sich  durch  Vergleichung 
derjenigen  Partien,  in  welchen  Johannes  für  ihn  Hauptquelle  ist, 
mit  Sicherheit  beantworten  lassen.  Chabot  entscheidet  sich  in 
bejahendem  Sinne. 

Schwierigkeiten  besonderer  Art  bereitet  allerdings  §  10,  welcher 
augenscheinlich  dem  Schlusskapitel  des  Johannes  „über  die  Ver- 
wüstung der  Stadt  Anchialos  und  über  die  dortige  Therme"  ent- 
spricht, sofern  nicht  von  vornherein  feststeht,  welche  von  den  beiden 
geschichtlich  bezeugten  Verwüstungen  von  Anchialos  durch  die 
Awaren  und  Slowenen  unter  Maurikios  hier  gemeint  ist.  Die 
frappante  Übereinstimmung  des  Schlusses  der  Erzählung  mit 
Theophjl.  Sim.  6,  5,  13  &.  scheint  allerdings  stark  für  die  spätere 
Einnahme  dieser  Stadt  zu  sprechen,  welche  im  Jahre  592  statt- 
fand. Der  Kaiser  Hess  damals  dem  Chagan,  welcher  bereits  den 
romäischen  General  Priskos  in  Tui'ullon  (Curlu)  belagerte,  einen 
für  diesen  bestimmten  Brief  in  die  Hände  spielen,  der  folgenden 
Wortlaut  hatte:  17  t&v  aXttrjQioav  ßaqßccqav  iyxsiQfjöig  &qvXov  t6 
naqanuv  ov%  ivETtolrjGs  ry  rjfi&v  evaeßeia'  xovvavxiov  (lev  ovv  nai 
inL^iXeGxiqovg  nqog  xriv  xovxtov  anaXuuv  ansiqyaQaxo.  %ca  xovxo 
ytv(oa%Exco  1]  67]  ivöo'^6x7]g,  ort  anuiGioag  (lex  ala%vvr]g  neu  TtoXXovg 
ä7toßccX6(isvog    e'^ei  6  Xaydvog    aTtoxcoQtjGat    sig    xrjv    vnto    Pa^aitov 


1)  Georg.  Cyprius  944  v.ä6XQ0v  2^a{io%äQtav^  vgl.  dazu  Nöldeke, 
ZDMG.  XXXIII.  144.  Der  Ort  ist  benannt  nach  dem  komm  agenischen 
König  SäiLog  (arm.  *Sam  =  aw.  sjama,  ap.  '^pijäma ,  vgl.  Savars  == 
aw.  Sjmoarsan-),  dem  Vater  des  Mithradates  I.  Kallinikos  (Inschrift 
von  Gerger  Z.  7  bei  Humann  und  Puchstein,  Reisen  in  Kleinasien 
und  Nordsyrien  S.  356.  Inschriften  von  Nimrüd-dagh ,  Nordsockel  der 
Ostterrasse  Nr.  13,  eb.  S.  287.  Th.  Rein  ach,  La  dynastie  de  Comma- 
g^ne,  Revue  des  ^tudes  grecques  t.  III,  1890,_p.  362  ss.)  und  Gründer 
von  UaiioGata,  syr.  Semlmt  =  ap.  *pijama-SijatiS  , Freude  des  pijama". 

2)  Vgl.  Lebeau-Saint-Martin  10,  149  ss. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  487 

avzä  acptEQCo&stßav  %(aqav.  öiu  rovro  a(ia  reo  evrvxsßräro)  Gx^urä 
TiaQrBQTjöEi  1]  ci]  ivöo'^onjg  iv  TovqovXXcö  rrj  noXet  k<xI  öo^et 
TtEQiQQSfxßeiv  tovg  iTtiKaraQccrovg  ^AßccQOvg.  inifiilja^EV  yccQ  diu 
&ccXcc667}g  nXoicc  %ca  ötQaröv,  Tvu  aviX&coßiv  eig  rag  cp a ^  iXiag 
uvx&v  Kai  TCccG  a  g  alyjiaXcorevöcoaiv,  Kai  ivTev9sv  avay- 
xaG'9'j5  \xExa  alGyyvrig  v.al  (leyaXTjg  ^i](iiag  6  imKaraQarog  tcov  ^Aßd- 
Qcov  Tjyovfievog  slg  rrjv  iavrov  yf^v  v7C06x^ii\)aL  ano  xfig  %a^  "^(^t^ff 
iioXLXELag. 

Die  angewandte  Kriegslist  ist  allerdings  hier  wie  dort  die- 
selbe ;  denn  die  Gerüchte,  dass  die  mit  den  Romäern  verbündeten 
Türken  sich  anschickten,  ins  Gebiet  der  Awaren  einzufallen,  sind 
von  den  Romäern  offenbar  absichtlich  ausgestreut  worden.  Allein 
bei  näherem  Zusehen  erkennt  man  doch,  dass  nicht  bloss  die 
angeblich  gegen  das  Land  der  Awaren  geplante  Unternehmung, 
welche  den  Abzug  der  letzteren  bewirkte,  sondern  auch  die  mili- 
tärische Situation  in  den  beiden  zeitgenössischen  Berichten  eine  ganz 
verschiedene  ist  (vgl.  Lebeau-Saint-Martin  10,  351 — 359). 
Man  wird  sich  daher  für  die  frühere  Verwüstung  von  Anchialos 
im  Jahre  583  entscheiden  müssen.  Vgl.  Theophyl.  Sim.  I  4 — 6. 
Theophan.  p.  252,  81  bis  253,  14  und  dazu  Lebeau-Saint- 
Martin  10,  206  ff.'  Die  politische  Lage  in  der  angeführten  Er- 
zählung Theophylakts  stimmt  insofern  mit  der  bei  Michael  überein, 
als  in  beiden  Texten  der  Chagan  von  Anchialos  aus  seine  prahler- 
ischen Drohungen  gegen  die  Romäer  schleudert  (Theophyl.  1,  4,  8). 
Die  Abweichungen  zwischen  Theophylakt  und  Michael  in  der  Er- 
zählung des  Friedensschlusses  erklären  sich  wohl  in  der  Weise, 
dass  letzterer  ein  vorläufiges  Abkommen ,  das  den  Abzug  der 
Awaren  zur  Folge  hatte,  ersterer  dagegen  den  endgiltigen  Friedens- 
schluss  berichtet.  Die  Kapitel  45 — 49  des  Johannes  bilden  dann 
einen  Nachtrag  zu  dem  Berichte  über  den  grossen  Einfall  der 
Sklawenen  (6,  25  p.  402  f.),  der  im  dritten  Jahre  des  Tiberios  (581) 
begann  und  vier  Jahre ,  „bis  heute"  d.  h.  bis  zum  Jahre  895 
(584  n.  Chr.)  dauerte  und  auf  welchem  die  Feinde  wie  bei  Michael 
§  8  bis  zur  äusseren  Mauer  gelangten,  und  erzählen  einzelne 
Episoden  aus  demselben.  Für  diese  Auffassung  spricht  ja  auch, 
dass  der  Verfasser  nach  Kap.  47  die  in  der  Hauptstadt  aus- 
gebrochene Panik  als  Augenzeuge  mitmachte,  Johannes  aber  im 
Jahre  592  kaum  mehr  am  Leben  war');  vor  allem  aber  erklärt 
sich  nur  unter  obiger  Voraussetzung  die  Bemerkung,  die  Sklawenen 
hätten  u.a.  die  Kirche  von  Korint  h  geplündert.  Denn  Johannes 
berichtet  in  der  That,  die  Sklawenen  hätten  während  jener  vier- 
jährigen Heerzüge  ganz  Hellas  (Ellädä),  die  Distrikte  von  Thessalo- 
nike  und  ganz  Thrakien  durchrannt  (6,  25  p.  402,  7 — 9),  und 
dasselbe    bestätigen    die  Miracula    St.   Demetrii    (Acta    Sanctorum 


^)  Siehe  J.  P.  N.  Land,  Joannes  Bischof  von  Ephesos,  der  erste 
syrische  Kirchenhistoriker.     1856. 


488  J.  Marquart, 

8.  Oct.  p.  162 E;  vgl.  H.  Geizer,  Die  Genesis  der  byzantinischen 
Themenverfassung  S.  45).  Dass  die  Eomäer  in  ihrer  Not  die  Anten 
zu  einem  Einfalle  ins  Land  der  Sklawenen  reizten,  passt  voll- 
kommen zur  damaligen  verzweifelten  Lage,  da  das  romäische  Heer 
in  Asien  gegen  die  Perser  stand  und  die  Halbinsel  daher  beinahe 
wehrlos  war.  Sicherlich  war  die  Drohung  mit  dem  Anmarsch  der 
Türken  bei  den  Awaren  im  Jahre  583,  also  nur  7  Jahre  nach 
der  Gesandtschaft  des  Valentinus  (575/6),  auch  noch  wirksamer 
als  im  Jahre   592. 

Einen  völlig  anderen  Charakter  als  das  aus  Johannes  exzerpierte 
Stück  trägt  der  zweite  Teil  (B)  der  Erzählung  Michaels.  In  diesem 
ist  die  Geschichte  förmlich  auf  den  Kopf  gestellt,  indem  fälschlich 
die  Awaren  statt  der  Bulgaren  (und  Sklawenen)  als  dasjenige 
Volk  gelten,  welches  seit  der  Regierung  des  Anastasios  die  Bal- 
kanhalbinsel verheerte  und  gegen  dessen  Einfälle  dieser  Kaiser 
die  nach  ihm  benannte  Mauer  erbaute  ^) ,  ja  die  Bulgaren  sollen 
geradezu  als  foederati  von  Maurikios  in  den  von  den  Awaren 
verwüsteten  Provinzen  angesiedelt  und  gegen  diese  als  Bollwerk 
benutzt  worden  sein.  Dass  davon  keine  Rede  sein  kann,  ist 
selbstverständlich.  Dass  die  Bulgaren  zu  dem  Zugfe  des  Chao-ans 
gegen  Thessalonich  im  Jahre  583  aufgeboten  wurden,  zeigen  die 
Miracula  St.  Demetrii  (oben  S.  244  A.  1).  Im  Jahre  597  finden 
wir  allerdings  Bulgaren  auf  dem  südlichen  Donauufer,  wie  es 
scheint  östlich  von  Novae,  allein  diese  stehen  unter  der  Oberhoheit 
des  Chagans  (Theophyl.  7,  4,  1 — 7).  Freilich  giengen  die  beiden 
dacischen  Provinzen  nach  dem  Tode  des  Maurikios  verloren  2),  allein 
an  eine  rechtliche  Abtretung  durch  die  römische  Regierung  ist 
nicht  zu  denken.  Im  Jahre  598  erschien  abermals  eine  Horde 
(ein  tümän,  10  000  Mann)  von  Tarniach  und  Kotzagiren,  die  vor 
der  Übermacht  der  Türken  flohen,  in  Europa  und  verstärkte  das 
Heer  des  Chagans  (Theophyl.  7,  8,  16—17). 

Nach  alledem  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein ,  dass  diese  Ge- 
schichte erst  nach  dem  Jahre  678  entstanden  ist,  da  sie  die 
Niederlassung  der  Bulgaren  in  den  Donauprovinzen  nach  einem  sehr 
beliebten  Rezept  durch  einen  förmlichen  alten  Rechtstitel  legitimieren 
will.  Sie  ist  also  nicht  mehr  wert  als  die  anderen  Legenden  über 
die  Wanderung  der  Bulgaren.  Chabot  glaubt,  dass  sie  aus  der  echten 
Chronik  des  Dionysios  von  Telmahre  stamme.  Hat  man  aber  den 
wahren  Charakter  der  Erzählung  erkannt,  so  wird  man  aus  ihr 
auch  keine  genauen  Angaben  über  die  Zeit  der  Einwanderung  der 
Bulgaren  ins  Land  der  Alanen  herauslesen  wollen.  Soviel  steht 
fest,    dass    sie  in  demselben    schon    längst  vor  der  Regierung  des 

1)  Vgl.  MüUenhoff,  DA.  II  379  flf. 

^)  Noch  im  Frieden  des  Jahres  600  ward  die  Donau  als  Grenze 
zwischen  dem  Romäerreiche  und  den  Awaren  festgesetzt;  Theophyl. 
Sim.  7,  15,  14.  6  ,  V  J 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  489 

Maurikios  angesiedelt  waren.  Es  ist  jedoch  unverkennbar,  dass 
unser  Text  auf  die  Erzählung  von  der  durch  den  Bischof  Qardü9t 
von  Arrän  vor  523  begonnenen  Mission  unter  den  Hunnen  Bezug 
nimmt,  die  den  Schluss  der  anonymen,  fälschlich  als  Kirchen- 
geschichte des  Zacharias  Rhetor  bekannten  historischen  Kompilation 
bildet^).  Die  romäischen  Gefangenen,  zu  welchen  QardO^t  und 
seine  Gefährten  sich  zuerst  begaben,  waren  zu  den  Hunnen  innen- 
wärts  von  den  Pforten  verkauft  worden,  dort  wohnten  aber  gerade 
„die  Bui'gäre  mit  eigener  Sprache,  ein  heidnisches  und  barbarisches 
Volk,  welches  Städte  hat,  und  die  Alanen,  welche  fünf  Städte 
haben"  2). 

Die  häufig  so  doi-nenvolle  Frage ,  welcher  von  den  beiden 
wichtigsten  Kaukasuspässen  jeweils  mit  dem  Namen  „Kaspische 
Thore"  gemeint  sei,  lässt  sich  diesmal  glücklicherweise  mit  grosser 
Zuversicht  beantworten.  Die  Wahi'scheinlichkeit  spricht  zunächst 
dafür,  dass  der  albanische  Bischof  und  seine  Gehilfen,  wie  auch 
später  der  Chorbischof  Israel  nördlich  von  den  eigentlichen 
kaspischen  Thoren  d.  i.  von  Darband  missioniert  haben  werden. 
Diese  Auffassung  wird  nun  durch  die  Erzählung  Michaels  voll- 
kommen bestätigt.  Denn  der  Ausdruck  „Thor  der  Töräje'*  kann 
nur  eine  durchs  Griechische  hindurchgegangene  Wiedergabe  des 
gewöhnlichen  armenischen  Namens  der  eigentlichen  kaspischen 
Thore  sein:  arm.  äutu^uiL  iCnnuMj  oder  l^uMiniuifü  iCnniuiy  bei 
Prokop.  de  hello  Goth.  4,  3  p.  469, 15  T^ovq.  Der  griechische  Autor 
war  ein  Purist,  der  das  barbarische  rf  verschmähte,  wie  Theophylakt^) 
und  wahrscheinlich  auch  Priskos.  Die  Angabe,  die  Städte  des  Landes 
Barsäha,  „welche  Qäspi'ä  sind,  das  ist  die,  welche  man  Thor  der 
Töräje  nennt",  seien  von  den  Romäern  erbaut  worden,  ist  natürlich 
ungenaue  Verallgemeinerung  und  nur  auf  das  kaspische  Thor  zu 
beziehen ,  lässt  sich  aber  für  Darband  ebensogut  rechtfertigen 
wie  für  das  westliche  oder  Alanenthor,  das  schon  unter  Nero  von 
den  Römern  befestigt  worden  war*).  Hatten  ja  doch  die  Romäer 
für  den  Wiederaufbau  und  die  Instandhaltung  der  Festung  Cor 
mindestens  unter  Markianos  und  Justinian  I.  (Theophyl.  Sim.  3,  9, 11) 
den  Persern  Subsidien  gezahlt  ^).  Damit  ergibt  sich  die  Lage  des 
Landes  Barsäliä  von  selbst:  es  muss  sich  im  Süden  bis  Darband, 
im  Norden  mindestens  bis  zu  den  Ebenen  am  Sulak  und  Terek 
erstreckt  haben.  In  der  That  waren  auch  diese  in  alter  Zeit  von 
Alanen  bewohnt,  mit  denen  sich  aber  mindestens  seit  dem  vierten 
Jahrhundert  n.  Chr.  hunnische  Scharen  in  den  Besitz  jener  teilten. 


1)  Übs.   von  K.  Ahrens   und  G.  Krüger  S.  254f.;   s.  o.  S.  302. 

2)  Eb.  S.  253,  13—15.     Land,  Anecdota  Syr.  III  337,  8—10. 

^)  Mit  Unrecht  hat  de  Boor  das    TovqovXXov   und    rivxav   des 
Vaticanus  6,  5,   10.  14.  7,  3,  6  in  T^ovqovXIöv  und  rivr^av   geändert. 
*)  S.  Eransahr  S.  95.  100  A.  1. 
B)  Eransahr  S.  105. 


490  J-  Marquart, 

Damit   stimmen    die   Angaben    des  Ps.^ Moses  Chorenac'i,    der    die 
Barsilt    unzweifelhaft    nördlich    von   Cor  wohnen   lässt    und  aus- 
drücklich   von    einer  Vermischung  derselben  mit  einem  alten  ala- 
nischen Geschlechte,  den  „Östlichen"  {Arvehank') '),  spricht  (11  58 
S.  135/6.  65  S.  145.  85  S.  168),  aufs  beste  überein,   wofern  man 
nur    von    den  absichtlichen  Anachronismen  absieht  2).     Jetzt  klärt 
sich  ferner  das  bisher  rätselhaft  gebliebene  K^Lv^i  auf,  wo  Chosrau 
Anösarwän   eine  Zusammenkunft  mit  dem  Chagan  der  Türken  (d.  h. 
der  Westtürken)    hatte    (Bai.   Ilo,   14).     Der    Zusammenhang    setzt 
voraus,  dass  es  nördlich  von  Darband  lag.    Aber  auch  „das  innere 
Binnenland  von  Berzylia  in  Sarmatia  I",  von  wo  das  grosse  Volk 
der  Chazaren    nach    der    bulgarischen  Wandersage  bei  Theophanes 
und    Nikephoros    ausgezogen    sein    soll-*^),    ist    von    Barsäliä    nicht 
verschieden.    Denn  das  Gebiet  am  Unterlaufe  des  Sulak  und  Terek 
mit    den  Städten  Balangar   und  Samandar   war    in    der  That  eine 
der  ältesten  Eroberungen   und  einer  der  Hauptsitze  der  Chazaren. 
Nach  Mas'üdi  soll  Samandar  (Muxüg  II  7)  oder  Balangar  (Tanbih 
ir,  16)    ihre   ältere  Hauptstadt   gewesen  sein.     Mit  derselben  geo- 
graphischen Ungenauigkeit    wie    an    unserer    Stelle    wird   der  Sitz 
der  Chazaren    auch  im  Leben  des  Slawenapostels  Konstantin  nach 
den    kaspischen  Thoren  d.  i.    nach  Darband  verlegt"*).     Der  näm- 
lichen Verbindung    des    Landes  Barsäliä    oder  Berzylia    bezw.    des 
Stammes  BaQGr]lt,    nach    welchem    dasselbe  benannt  ist,  mit    den 
Chazaren  begegnen  wir  endlich  wieder  bei  Ps.  Moses  Chorenac'i^). 
Dass    aber    nicht    bloss    die  Barsük\   die  BaQGrilx  des  Theo- 
phylakt    (7,  8,  3),    sondern    auch    die  Bulgaren   nördlich  von  Cor 
oder  Darband    wohnten,    wie    die  Erzählung  Michaels  voraussetzt, 
wird    durch    Tabarl's    Angabe    (I  aIö,  1.  16.    aII,  4    vgl.  1..,  2) 
bewiesen,    Chosrau  I   Anösarwän   habe    die  Mauer  von  Cor  {^yo) 


1)  Sie  werden  mit  den  Araneanl'  (den  Leuten  von  Afan)  gepaart 
Seb.  139.  Die  Erinnerung  an  die  Einfälle  der  ßarsilk'  bewahrte  der 
Hügel  Barstaberd  im  Lande  Uti  (Albanien) ,  in  der  Nähe  des  Berges 
Ar at'iv :  Uchtanes  I  68  S.  96  =  267  trad.  Brosset. 

2)  S.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  91  ff. 

3)  Theophan.  Chronogr.  p.  358,  7—9  ed.  de  B cor:  ...  ^^|j}X'^£ 
t6  iiiya  s'&vog  rwv  Xa^ccQcov  cctio  tov  ivSoxiQOv  ßüd^ovg  BsQ^diag  t^s 
ngärrig  Hagiiariag  xat  iötcnoGs  ndcrig  rfjg  TtsQazi-nfig  yi]?  fif'xpt  ^'/S 
novriyii]g  ^ccldaarig.  Nikephor.  iar.  avvr.  p.  34  ed.  de  ßoor:  .  .  .  ro 
tüv  Xa^äQav  (pvXov  &nb  rov  ivöotigov  r^g  BiQvUag  (1.  BfpfuAias^  Isyo- 
fi^vrjs  %mQag  tag  Ttli]6iov  r&v  ZaQiiut&v  my.r\\Livov  nXsiatrig  aSiiag  iv- 
revQ'sv  initQsxov.  Der  Herausgeber  vermutet  für  die  letzten  Worte: 
nliiazrig  aöniag  <iTti%a§6[Ltvov>  ivrsv&sv  inkQtxav.  Unter  Sarmatia  I 
ist  oben  die  asiatische  Sarmatia  des  Ptolemaios  (V  8)  zu  verstehen. 

4)  Die  Legende  vom  hl.  Cyrillus  c.  9.  Denkschr.  der  Kais.  Akad. 
d.  Wiss.  XIX  S.  236;  s.  o.  S.  14. 

6)  2,  65  S.  145.  Geographie  p.  26,  2  ed.  S  oukry.  S.  meine 
Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  89.  92. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  491 

gegen  die  Einfälle  der  Chazaren  -ü ,  Bulyar  yfJlj  (so  1. ; 
p.  1..,  2  ..L>j),  B alangar  j^\jXi  und  Alanen  anlegen  lassen 
und  sich  durch  dieses  Bollwerk  stark  genug  gefühlt,  das  Ansinnen 
des  Chagans  »-^:£=^i.^  Sügibü  (so  lies  =  Sir-Jabgu),  welcher  als 
Oberherr  der  Chazaren,  Bulgar  und  Balangar  die  Bezahlung  der 
diesen  Stämmen  bisher  gewährten  Jahrgelder  forderte,  zurück- 
zuweisen. Die  nordkaukasischen  Bulgaren  (^..L:>-^i)  werden,  wie 
es  scheint,  noch  erwähnt  in  der  Völkertafel  Ja'qübi's  (Hist.  I 
r.t*',  8).  Sie  stehen  hier  an  der  Spitze  der  zehn  Söhne  des  Tho- 
garma  (Lo^cb,  lies  Ls^Li")-  Die  übrigen  sind:  ^.aJI  Delum, 
_^^J1  (oben  S.  280  A.  1),    ^LJL.LJ!   Tälis,   ^X.>  Gelän,   ^X^ 

Gelän  bei  Darband,  ^^.,^1  Alanen,  ^^ü  Chazaren,  *.>;ib5^Ji  Bido, 
..^/i.'^t   Armenier,  also  lauter  Völker  des  östlichen  Kaukasus. 

Wer  das  fremde  Volk  war,  das  sich  der  Gegend  Barsäliä 
bemächtigte,  wird  im  Texte  nicht  gesagt,  und  da  die  Chazaren, 
welche  derselben  nachmals  ihren  Namen  gaben,  von  dem  ältesten  der 
drei  Brüder  abgeleitet  werden,  wobei  wahrscheinlich  eine  Vermengung 
der  Chazaren  mit  den  'Aüdr^tQoi,  des  Priskos  (schon  bei  Zacharias 
Rhetor  •,  rr>  «^  Chasar,  oben  S.  356  A.  1)  stattgefunden  hat,  so 
scheinen  sie  von  jenem  fremden  Volke  unterschieden  werden  zu 
sollen.  Die  ganze  hier  vorliegende  Unklarheit  läuft  aber  auf  den 
für  die  Westländer  schwer  fassbaren  Unterschied  zwischen  (West) 
türken  und  Chazaren  hinaus,  welch  letztere  eine  jenen  ursprüng- 
lich unterworfene  Horde  bildeten.  Die  Fügüren  \Jio,^^Q2>  bezw. 
Pangüren  J  -*>>-*  *=»  und  Bulgaren  stehen  aber  in  unserem  Texte 
geradeso  gemeinsam  den  Chazaren  und  Alanen  gegenüber  wie  in 
den  oben  angeführten  Stellen  Tabari's  die  Bulgar  und  Balangar, 
so  dass  man  sich  der  Vermutung  nicht  erwehren  kann,  es  möchte 
letzterer  Name  (also  J  .Vp>  t\o>)  in  dem  unsicher  überlieferten 
Stammnamen  Michaels  stecken. 

Auf  die  nachmalige  nördliche  Verbreitung  der  Baga^kt  (arab. 
^5-o-j)  und  Bulgaren  sowie  auf  das  wirkliche  Verhältnis  des 
augenscheinlich  umfassenderen  Volksnamens  Bulgar,  Burgar  zu 
den  wechselnden  Hordennamen  Balangar,  Samandar  etc.  kann  hier 
nicht  eingegangen  werden. 

Zu  S.  16  A.  5.  Saif  lässt  freilich  den  'Abd  ar  Rahmän  b. 
Rabi'a  al  Bähül,  den  Bruder  des  Salmän,  schon  unter  'Omar  einen 
Raubzug  gegen  Balangar  unternehmen  und  bei  dieser  Gelegenheit 
dessen  Reiterei  bis  nach  al  Baida,  200  Fars.  von  Balangar,  ge- 
langen Tab.  I  niv,  14  ff.  Letzteres  ist  indessen,  abgesehen  von 
der  gefälschten  Chronologie  —  der  Zug  gegen  Balangar  fand  erst 


492  J-  Marquart, 

unter  '0'9män  a.  32  H.  statt  —  ohne  Zweifel  nur  eine  unhistorische 
Vorwegnahme  der  Erfolge  des  Marwän  (S.  18  A.  2.) 

Zu  S.  16  Z.  22  f.  S.  20  Z.  3 :  Die  richtige  Lesart  ist  ^.jljJi^ 
Chaidän^  das  mit  dem  C'ungars  der  Geographie  des  Ps.  Moses 
Chorenac'i  nichts  zu  thun  hat.  Es  ist  der  Vorort  der  Kaitaken 
(  vLäas)  ,  das  heutige  Magälis  in  der  Nähe  von  Derbend  gemeint ; 
s.  S.  285.    Von  diesem  Orte  ist  das  bei  Ibn  Chord.  tl'f ,  6  genannte 

Dorf  ..tix^  Chaizän^  wo  Moses  den  Knaben  tötete  (Z.  24),  gänzlich 
zu  trennen.  Hierüber,  sowie  über  Waragan,  Balangar,  ..|^  s-Lj 
das  iN'iJ'm  des  Briefes  des  Chazarenkönigs  und  das  Gebirge  "inom 
des  Jehuda  Hallewi  handle  ich  ausführlich  in  meiner  Historischen 
Ethnologie  des  Daghestan.  Hier  nur  soviel,  dass  die  Hunnen- 
stadt Waragan  und  -;S\b  zu  trennen  sind,  dagegen  wahrschein- 
lich in  dem  vor  Smendr  (Hs.  Msendr)  erwähnten  C'ungars  des 
Ps.  Moses  Chor,  (oben  S.  58)  eine  Verstümmelung  von  Balangar 
steckt,     etwa     ^auün^mpW     aus     ^*\iiL^a.iun     *BIungar     oder 

^'\ni^a.ujn  *Plungar\  vgl.  ^^Ua.q[ipjufnu  C'ngUbalos  bei  dem- 
selben Geographen   S.  44,  22,    für   ']^tf.^fLui^u  Lngibalos^  arab. 

o  - 

(j^jJLjCJ  Langibälös  bezw.  ^^^'iJikl]  Ibn  Chord.  11,  2,  ^J*,yl\^  ^J 
(so  1.)  Relation  des  Voyages  ed.  Reinaud  p.  1 ,  8.  Iv ,  8 — 9,  und  um- 
gekehrt \\uMnfwJufui£tuUy  \\tunfiJiuUtul£i  \  lu^tfu/u/Utu^  aUS  ß"*- 
nftJufitLuA  (s.  mein  Eransahr  S.  9  ann.  ö). 

Zu  S.  18  Z.  29:  s.  aber  S.  390. 

Zu  S.  20  Z.  28—31:  vgl.  einstweilen  mein  Eransahr  S.  316. 

Zu  S.  26  Z.    17—19:  s.  S.  337  und  A.  1. 

Zu  S.  28  Z.  17 — 19:  Die  hier  vertretene  Ansicht  lässt  sich 
selbst  durch  die  Fassung  der  Erzählung  beim  Fortsetzer  des  Theo- 
phanes  (HI  28  p.  122,  16  ff.  ed.  Bonn.)  stützen.  Hier  heisst  es 
bloss :  %uxa  de  rbv  avrbv  naiQOV  o  re  yayävoq  Xa^aQLCcg  wxl  o  TIe% 
TtQog  rbv  avxo%qaxoqa  Oeocpilov  ercEfiTtov  TtQsaßevrdg ,  rb  KdßXQOV 
OTCEQ  ovxv)  SaQKel  Kaxovoiid^exai  avxotg  KXiö&rjvai,  it,aixov^Evoi, 
OTtSQ  SQ^irjvsvexai  fxev  Aevnbv  OLKfj^a,  eGxi,  öe  %ai  viaxci  xbv  Täva'Cv 
noxa^ov,  og  xovg  xe  Uccx^iv  av,  ix  ag  ivx  sv&av  acci  avxovg 
öietQyei  xovg  Xu^uQOvg  sKSi&ev,  e'v&cc  xal  Xa^aQCOv  xa- 
'^Eüxat  ncc&i^ovxcci  xQiccxoßiot.  kccxcc  ^qovov  ivaklaGöofievot,  d.  h.  zur 
Zeit  des  Verfassers  sassen  westlich  vom  Don  bereits  die 
Peßenegen ,  welche  damals  durch  die  Festung  Sarkel  im  Zaum 
gehalten  wurden.  Wer  dagegen  die  Feinde  waren,  welche  zur  Zeit 
des  Theophilos  das  Chazarenreich  im  Westen  bedrohten,  wird  im 
ganzen  Bericht  mit  keiner  Silbe  angedeutet. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  493 

Zu  S.  29  Z.  4—10 :  s.  aber  S.  390. 

S.  29  A.  2  Z.  17 — 19  streiche  die  Worte:  „Auf  eine  wenig 
spätere  Zeit  .  .  .  auf  der  Höhe  seiner  Macht  steht".  S.  unten 
S.  470  f. 

S.  30  Z.  4  statt  ,an  den  Einfall  der  Magyaren  ins  Gebiet  der 
Bulgaren"  lies  „an  den  Zug  der  Magyaren  nach  der  unteren  Donau". 
S.  30  Z.  9/10  statt  „auf  den  Hilferuf  der  vom  Bulgarenkan 
aufs  linke  Donauufer  verpflanzten  Slawen"  lies  „vom  Bulgaren- 
fürsten Malamer  gegen  die  einst  im  Jahre  813  vom  Bulgarenkan 
Krum  aus  Adrianopel  und  dessen  Umgebung  weggeschleppten  und 
aufs  linke  Donauufer  verpflanzten  Romäer,  welche  die  Rückkehr 
in  ihre  Heimat  versuchten  und  ihm  eine  Niederlage  beigebracht 
hatten,  zu  Hilfe  gerufen". 

Anm.  2  lies:  „Leon  Gramm.  231,  13 — 25.  Georg.  Mon.  ed. 
Bonn.  p.  818,  16  ff.  ed.  de  Muralt  p.  724,  7  ff." 

Der  Irrtum  geht  auf  Geza  Kuun,  Relat.  Hungarorum  I  131 
zurück,  welcher  wiederum  hauptsächlich  durch  die  falsche  Lesart 
Ol  6e  fii]  6vv'r]d-ivreg  nsgäCai  Bovlyaqiav  (statt  BovXyccQOi)  in 
den  früheren  Ausgaben  des  Georgios  Monachos  (ed.  Bonn.  p.  818, 15) 
zu  seiner  falschen  Auffassung  verleitet  wurde.  Gleichfalls  ungenau 
ist  die  Darstellung  bei  Ed.  de  Muralt,  Essai  de  Chronographie 
byz.  I  417/18,  und  Lebeau  -  Saint -Martin,  Hist.  du  Bas- 
Empire  13,  182  SS.  Die  Erzählung  des  Georgios  Monachos  ist  aller- 
dings schlecht  und  mehrfach  undeutlich.  Sie  beginnt  mit  der  Angabe, 
dass  der  nachmalige  Kaiser  Basileios  der  Makedonier  unter  der  Regie- 
rung des  Kaisers  Michael  Rangabe  in  Makedonien  in  der  Gegend  von 
Adrianopel  geboren  sei.  Als  der  Bulgarenkan  Krum  nach  dem  Regie- 
rungsantritt Leons  des  Armeniers  Adrianopel  eingenommen  hatte 
(813),  schleppte  er  10  000  Männer  ohne  die  Weiber  und  Kinder 
weg  und  siedelte  sie  jenseits  der  Donau  an^).  Unter  der  Regie- 
rung des  Kaisers  Theophilos  (829 — 842)  war  nun  Kordylis  Strate- 
lat  in  Makedonien,  der  einen  sehr  tüchtigen  Sohn  hatte  namens 
Baqöaq  {Wardan)-)^  den  er  veranlasste,  anstatt  seiner  die  jenseits 
der  Donau   befindlichen   Makedonen    zu    leiten  3).     Er    selbst    aber 

1)  Georg.  Mon.  p.  817,  23  ed.  Bonn,  nigav  rov  Javovßiov,  womit 
Symeon  mag.  p.  615,21  ed.  Bonn,  übereinstimmt:  ilg  BovXyaQiav  iKsi&iv 
Tov  "laxQov  Ttota^ov]  dagegen  Georg.  Mon.  p.  724  ed.  de  M uralt  und 
Leon  Gramm,  p.  231,  13  ii^XQ'-  ^^'^  Javovßiov,  aber  weiterhin  MaxEdovoav 
räv  ovxow  itiqav  rov  itoxa^ov  Jccvovßiov.  Vgl.  Theoph.  Chronogr. 
p.  503,  5—25  ed.  de  Boor.  Theophan.  contin.  V  4  p.  216,  12—218,  2. 
Symeon  mag.  p.  612,  3—615,  21.  Georg.  Mon.  p.  765,  12—14.  Leon 
Gramm,  p.  207,  7.  de  Muralt,  Essai  de  chronogr.  byz.  1402.  Jire- 
cek,  Gesch.  der  Bulgaren  146. 

2)  Dem  Namen   nach  ein  Armenier,  wie  die  Eltern  des  Basileios. 
ä)    ov    v.axiliTtsv    ccvr'  avxov    Üq^^lv    rav    MayiiSovcov    x&v    övxav 

niQuv  rov  noxaiiov  Jccvovßiov.     Georg.  Monach.  p.  724  ed.  de  Mural t 
=  p.  818,3/4  ed.  Bonn.  So  wird  das  sonderbare  v-axilntsv  aufzufassen  sein. 


494  •^-  Marquart, 

be<yab  sich  zum  Kaiser  Theophilos  und  trug  ihm  einen  Plan  vor, 
um  die  Gefangenen  zu  befreien.  Der  Kaiser  gieng  freudig  darauf 
ein  und  gab  ihm  Schiffe  mit,  um  dieselben  aufzunehmen  und  nach 
der  Hauptstadt  zurückzubringen.  Damals  war  Malamir,  ein  Enkel 
des  Krum,  Fürst  von  Bulgarien '). 

Die  Deportierten  fassten  nun  den  Plan,  mit  Weib  und  Kind 
nach  der  Romania  auszureissen ,  und  als  der  Bulgare  Michael 
gegen  Thessalonich  ausgezogen  war,  begannen  sie  mit  ihrer  Habe 
überzusetzen.  Auf  diese  Nachricht  setzte  der  Comes  über  die 
Donau,  um  sie  zu  bekämpfen.  So  zum  äussersten  gebracht  lieferten 
die  „Makedonen"  unter  Führung  des  Tzantzis  und  Kordylis  dem 
Feinde  ein  siegreiches  Treffen,  in  welchem  sie  viele  töteten  und 
auch  etliche  gefangen  nahmen.  Da  die  Bulgaren  nun  nicht  durch- 
zudringen vermochten,  retteten  sie  sich  zu  den  Ungarn-)  und 
klärten  sie  über  den  Sachverhalt  auf.  Eben  waren  die  kaiser- 
lichen Schiffe  eingetroffen,  um  die  Gefangenen  aufzunehmen,  als 
gleichzeitig  Hunnen  in  unermesslicher  Anzahl  erschienen.  Die 
Griechen  rüsteten  sich  nun  trotz  des  Schreckens,  der  sie  befallen, 
zum  Gefecht.  Die  Türken  waren  bereit,  sie  gegen  Überlassung 
ihrer  ganzen  Habe  abziehen  zu  lassen,  wovon  die  Griechen  jedoch 
nichts  wissen  wollten.  So  standen  sie  drei  Tage  lang  dem  Feinde 
zum  Kampfe  gerüstet  gegenüber;  am  vierten  endlich  begannen 
sie  ihre  Schiffe  zu  besteigen,  worauf  die  Türken  alsbald  den 
Kampf  eröffneten,  der  von  der  fünften  Stunde  bis  zum  Abend 
währte  und  mit  dem  Siege  der  „Makedonen"  endigte.  Diese  ver- 
folgten den  Feind,  sobald  sie  aber  am  folgenden  Tag  den  Abzug 
bewerkstelligen  wollten,  erschienen  die  Türken  abermals  zum 
Kampfe,  wui'den  indessen,  dank  der  Tapferkeit  der  „Makedonen", 
abgewehrt.  So  konnten  sich  diese  in  Ruhe  einschiffen  und  er- 
reichten glücklich  die  Hauptstadt,  wo  sie  vom  Kaiser  Theophilos 
ehrenvoll  aufgenommen  wurden  und  dann  in  ihre  Heimat  Make- 
donien zurückkehrten.  Basileios ,  der  unter  den  Gefangenen  war, 
zählte  damals  25  Jahre.  Da  er  noch  unter  Michael  Rangabe 
(811 — 813)  geboren  war,  so  muss  die  Rückkehr  um  835  erfolgt  sein. 

Die  deportierten  „Makedonen"  hatten  also  der  Erzählung 
zufolge  um  dieselbe  Zeit,  als  Kordylis  sie  zu  Schiffe  nach  Kon- 
stantinopel zurückzubringen  gedachte,  den  Plan  gefasst,  sich  nach 

^)  Bei  Georgios  Monachos  und  Leon  Grammatikos  wird  er  BaUi^sQ 
{Wladimir)  genannt  und  mit  dem  Vater  (richtig  Bruder)  des  Zaren 
Symeon  verwechselt.  Die  richtige  Form  Malomir  hat  Theophylaktos, 
Bischof  von  Ochrida.  Auf  seinen  in  griechischer  Sprache  verfassten 
Inschriften  nennt  sich  der  Fürst  selbst  MalainqQ.  Siehe  CIG.  IV  8691 
Z.  11.  Arcbäol.  -  epigraphische  Mittheilungen  aus  Osterreich- Ungarn 
XIX  239  Nr.  4.  242  Nr.  8  Z.  5. 

-)  Georg.  Monach.  ed.  de  Muralt  p.  725  und  Leon.  Gramm, 
p.  459,  9  ed  Combefis  (Paris  1655,  fol.):  Oi  Sh  ^11)  dvvr]d'£vT£g  Tttgäacci 
BovlyaQoi,  (ed.  Bonn.  BovlyaQiav) ,  TtQoa£QQvi]aav  (Leon  7ttQiiiQQvr\aav) 
roig  OvYYQOis- 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  495 

dem  Thema  Makedonia  durchzuschlagen,  und  gedachten  zur  Aus- 
führung desselben  die  günstige  Gelegenheit  zu  benutzen ,  als  der 
Bulgare  Michael  mit  dem  Gros  des  bulgarischen  Heeres  gegen 
Thessalonich  gezogen  war.  Wer  dieser  Michael  war,  wird  uns 
nicht  mitgeteilt,  obwohl  es  doch  zum  mindesten  sehr  auffällig  ist, 
bereits  unter  dem  Fürsten  Malamir  einen  Bulgaren  mit  christ- 
lichem Namen  als  Heerführer  zu  finden.  Der  Erzähler  hält  ihn 
offenbar  für  eine  ganz  bekannte  Persönlichkeit,  da  er  es  nicht  für 
nötig  findet,  uns  über  ihn  näheren  Aufschluss  zu  geben,  und  man 
wird  daher  annehmen  müssen ,  dass  er  niemand  anders  im  Auge 
hatte  als  den  späteren  Kan  Bogoris ,  den  er  proleptisch  mit 
seinem  christlichen  Namen  Michael  nennt. 

Sobald  der  Comes  aber  von  der  Absicht  der  ^Makedonen" 
erfuhr,  setzte  er  über  die  Donau  und  lieferte  ihnen  ein  Treffen. 
Dieser  Comes  ist  völlig  rätselhaft.  Dass  er  als  Führer  der  Bul- 
garen zu  denken  ist,  ergibt  der  Zusammenhang,  und  Geza  Kuun, 
der  p.  131  Anm.  die  Stelle  des  Georgios  Monachos  nach  der  Bonner 
Ausgabe  in  extenso  abdruckt,  fügt  denn  auch  lu  6  »coftr/g  er- 
läutei-nd  hinzu:  principis  Bulgariae.  Allein  selbst  wenn  bei  den 
Bulgaren  die  Würde  der  comitts  bestanden  hätte,  wovon  mir  aber 
nichts  bekannt  ist,  so  hätte  sich  der  Erzähler  unmöglich  so  aus- 
drücken können ,  wenn  er  nicht  missverstanden  werden  wollte. 
Das  bulgarische  Hauptheer  war  unter  Führung  des  Prinzen  Bogoris 
(Michael)  gegen  Thessalonich  gezogen,  konnte  sich  also  dem  Ab- 
züge der  Deportierten  nicht  entgegenstellen.  Wo  blieb  aber  der 
Kan  Malamir?  Offenbar  ist  es  dieser,  welcher  mit  den  Truppen, 
die  er  gerade  zur  Hand  hatte ,  von  seiner  Residenz  Preslaw  aus 
den  abziehenden  Griechen  entgegenrückte.  v.ö\xr[q  muss  also  eine 
Verderbnis  für  Kavvrjg  sein.  Auf  einer  Inschrift  führt  er  selbst 
den  Titel  Kdveg  vßvyr]   MalafiiJQ^). 

Nachdem  die  Griechen  den  Angriff  der  Bulgaren  siegreich 
abgeschlagen  hatten,  wandten  sich  diese  um  Hilfe  an  die  Ungarn, 
die  demnach  damals  nicht  weit  von  den  Donaumündungen  gehaust 
haben  müssen.  Doch  gelang  es  den  Griechen  schliesslich,  ihren 
Abzug  zu  Schiffe  zu  bewerkstelligen. 

Zu  S.  31  Z.  18ff.  S.  176  Z.  3—9:  Darüber,  dass  sachlich 
die  .Jvjo  des  Gurdezi  den  ^J^».L3  des  Ihn  Rusta,  Muhammad-i 
'Aufi  und  Sukru  'lläh  b.  Sihäb,  den  .^^y\  des  Bekrl  entsprechen, 
die  c:;!^  /)  GurdezT's  und  ^^y"  des  Verfassers  der  *JL>-(  J,^> 
(Anonymus  Tumanskij's)  aber  den  .cJ,  j^r^  j  "j^j'^  >  i^i 
^i5i^»l  des  Ibn  Rusta,  'AufT,  Sukru  'lläh  b.  Sihäb,  Muhammad  al 
Kätib    und  Bekrl,    kann  kein  Zweifel  bestehen.     Ich  glaube  aber 


1)  Archäol.-epigraph.  Mittheilungen  aus  Österreich-Ungarn  XIX  239 
Nr.  4.     Vgl.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  40  A.  1. 


496  J-  Marquart, 

jetzt,  dass  in  der  gemeinsamen  Vorlage  Gurdezi's  und  des  Ver- 
fassers der  ^JLäJI  O.  Js.5>  die  Namen  der  beiden  Völker  verwechselt 
worden  sind ,  so  dass  also  die  .Axi ,  obwohl  der  Beschreibung 
nach  mit  den  Alanen  identisch,  thatsächlich  den  Namen  der  Ap'- 
chazen  erhalten  haben.      v>.Jo  ist  demnach  zunächst  aus  .iC-J  Lab- 

gaz  =  icJ  Lauyaz  verdorben,  das  für  lij^i  steht,  indem  der 
Artikel  mit  dem  Namen  zusammengewachsen  ist;  andere  Beispiele 
dafür  oben  S.  347.  Umgekehrt  ^,^Oj.».>Ü^l  oben  S.  240,  ^.,^>JUo^*^S 
S.  3481,  Js.a3C«^I  u.  a.,  wo  das  anlautende  l  des  Fremdwortes 
fälschlich  als  Artikel  aufgefasst  ist.  Eine  dem  arabischen  -i^ 
entsprechende  Form  finden  wir  möglicherweise  auch  bei  Thomas 
Arcruni.  Dieser  nennt  einmal  (III  13  S.  198  =  159  trad.  Brosset) 
das  Land  der  Wz/f'^tuaD  Äp'hazk,  an  einer  früheren  Stelle  aber 
(III  10  S.  175  =  144  trad.  Brosset)  erwähnt  er  nebst  den 
bekannten  Canark'  die  U^t-zi-^u/i^^  Aurhazk'  als  ein  von  Grigoris, 
dem  Sohne  des  Wrt'anes  bekehrtes  Volk.  Der  Zusammenhang 
weist  jedoch  darauf  hin,  dass  wir  dieses  Volk  vielmehr  im  öst- 
lichen Kaukasus  zu  suchen  haben.  o5oyi  aber  ist  einfach  eine 
Verderbnis    aus    yl^^'  =  y«'^^»-b. 

Zu  S.  34  A.  1 :  Vgl.  aber  S.  472. 

Zu  S.  38  Z.  24 :  Der  Bruder  dieses  Georg  führt  den  Tin- 
armenischen  Namen  Arves  W^pni-h-u .  Beide  sind  Christen  und 
werden  hingerichtet  Job.  Kath.  S.  236.  Moses  Kaiankatvac'i  er- 
wähnt sie  ebenfalls,  bezeichnet  sie  aber  als  Heerführer  der  Iberer: 
,In  dieser  Zeit  wird  auch  der  Grossfürst  von  Waspurakan  Apu 
Mrwan  getötet  von  seinen  eignen  Truppen  (893) ').  In  jenem 
Jahre  gieng  hin,  gelangte  der  Araber  zum  zweiten  Mal  ins  Land 
Armenien,  und  auf  seinen  Befehl  zog  der  Eunuche-)  vom  Hofe 
von  Partav  herauf,  um  nach  Armenien  zu  gehen.  Der  Mann  war 
anmassend  und  gottlos:  wo  der  Tritt  seiner  Füsse  hinkam,  ver- 
wüstete und  zerstörte  er  die  Kirchen  Gottes  und  das  Zeichen 
Christi,  wo  er  es  auch  sah,  vernichtete  er  zu  Staub.  Als  er  ins 
Land  Armenien  gelangt  war,  ergriff  der  König  Smbat  sofort  die 
Flucht,  und  jener  nahm  die  Festungen  und  die  Königin  samt  den 
Prinzessinnen  und  seinen  Söhnen ,  und  die  Wohnorte  und  den 
Schmuck  der  heiligen  Gefässe  und  die  Kreuze  mit  vielen  Schätzen 
führte    er    weg    in  Gefanorenschaft.     Im    selben  Jahre   traten  ihm, 


1)  Vgl.  Thomas  Arcruni  3,  24  p.  192/93  trad.  Brosset. 

2)  WaQlf,  bei  Thomas  Arcruni  8,  26  p.  195  Joseph. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  497 

als  er  einen  Raubzvig  nach  Iberien  machte,  zwei  tapfere  Heerführer 
der  Iberer  gegenüber,  der  Fürst  Georg  und  sein  Bruder  Areves,  aber 
beide  wurden  von  ihm  grausam  hingerichtet"  (Mos.  Kai.  3,  21  Bd.  IT 
G4/65   ed.  Sahnazarean). 

Besonders    merkwürdig    ist    eine    dritte    von    Intiiean    über- 
sehene   Stelle    (Jerusalem     1867    S.    162),    wo    es    heisst:     \ji- 

il.tr n  lunful^  a\\uilriftuiifünu  y  npni-tP  Itl.  \\nü  ufünii^uhMl^jiU 
^UMi    np    '^    'uuMfuihiL.nj     ln-fuJk    W^'^k'y      \S^'-"C'tlrß     "^1^ 

uhim-uHäl^ttU  „Und  von  da  aufbrechend  nach  dem  Gau  Uti, 
nimmt  er  (der  General  Bu/a)  im  Dorfe  Tus  gefangen  den  Step'annos, 
den  sie  auch  Kon  nannten,  nach  dessen  Vorfahr  Sevuk  das  Volk 
Sevordik'  benannt  wurde".  Vgl.  Stephan  Asoiik  11  2  p.  135  trad. 
Dulaurier.  Dieser  Step'annos  führte  also  noch  einen  Doppelnamen. 
Die  von  Johannes  Katholikos  an  jener  Stelle  erzählten  Ereignisse 
fallen  ins  Jahr  302  der  armenischen  Ära  =  853/54  n.  Chr.  Wir 
lernen  also  aus  ihm,  dass  die  Sevordik'  schon  um  die  Mitte  des 
9.  Jahrhunderts  christianisiert  waren.  Ein  anderer  8evordi  namens 
Salomon  hatte  schon  vorher  das  Martyrium  erlitten  (Thomas 
Arcruni  III  11  S.  187  ed.  Patkanean).  Allerdings  erwiesen  sie 
sich  noch  im  Jahre  910  dem  König  Smbat  als  sehr  unzuverlässige 
Bundesgenossen  gegen  die  Muslime.  —  S.  235  gebraucht  Johannes 
für  „Ahnherr"  das  Wort  <^uii-  (Grossvater,  avus),  welches  auch 
„Vogel"  (avis)  bedeutet.  Nach  Simon  de  Keza  II  1,  19  stammte 
Arpads  Vater  Almus  „de  genere  Turul"  ;  so  hiess  aber  nach  den 
ungarischen  Chroniken  auch  das  Banner  Attila's  und  der  Ungarn. 
turul  =  türk.  turgaul  bedeutete  in  altmagyarischer  Sprache  einen 
kleinen  schwarzen  Jagdfalken,  und  dieser  Vogel  war  nach  den 
ungarischen  Chroniken  das  Banner  Attila's  und  der  Ungarn.  Man 
könnte  daher  daran  denken,  der  Verfasser  habe  hier  ein  Wortspiel 
beabsichtigt  und  auf  diese  Sage  angespielt  Vgl.  Vämbery,  Ur- 
sprung der  Magyaren  274.     Geza  Kuun,  Relat.  Hungar.  I  180  s. 

S.   39  A.   3  ist  zu  streichen. 

S.  42  Z.  22  lies  Nedaus  st.  Nedao.  Der  Text  lautet  nach 
Mommsens  Ausgabe  p.  125,  15:  bellumque  committitur  in  Pannonia 
iuxta  flumen  ,  cui  nomen  est  Nedao.  Der  Nominativ  lautete  also 
wohl  Nedaus.  Wietersheim-Dahn,  Gesch.  der  Völker- 
wanderung II  271  f  denkt  an  die  Neitra. 

Zu  S.  45  Z.  36 — 38:  Diese  Angabe  ist  irrig  und  beruht  auf 
Schlegel,  Die  chinesische  Inschrift  des  uigurischen  Denkmals 
von  Kara  Balgassun  S.  1.  Die  Uiguren  werden  zuerst  unter  dem 
Namen  Kau-kü  in  der  Geschichte  des  Nordens  unter  der  nörd- 
lichen Wei-Dynastie  (386 — 558)  erwähnt.  Ihre  Vorfahren  bildeten 
12  Geschlechter.     Vgl.  Eadloff,    Das  Kudatku    bilik   des  Jusuf 

Marquart,  Streifzüge.  <i^ 


498  J-  Marquart, 

Chass  -  Hadschib  aus  Bälasagun.  Teil  I.  Text  in  Transskription. 
St.  Petersburg  1891.  Einleitung  S.  LXI— LXIII  nach  P.  Hya- 
kintli  Bitschurin.  Erst  im  T'ang-su  werden  15  Stämme  der 
Hui-ho  aufgezählt,  deren  erster  Juan-ke  (Schlegels  Ungir)  heisst. 
„Die  Dynastie  Hui-ho  hiess  auch  U-ho  und  LF-hu  und  zur  Zeit  der 
Sui-Dynastie  Wei-ho.  Der  Geschlechtsname  der  Hui-ho  hiess  Jo- 
lo-ho«.  Bitschurin  bei  Radioff  a.a.O.  S.  LXHI  b.  Vgl. 
Bretschneider,  Mediaeval  researches  from  eastern  Asiatic  sources  I, 
London  1888,  p.  238. 

Zu  S.  47  Z.  2flF.  19 — 21:  Aus  einer  Kombination  der  armenischen 
und  chinesischen  Nachrichten  ergibt  sich  jetzt,  dass  die  Chazaren  in 
den  Jahren  627 — 630  noch  zum  Reiche  der  Westtürken  gehörten,  und 
dass  ZiEßf]k,  der  zweite  nach  dem  Chagan ,  bezw.  Gebu-Chahl'an^ 
der  mit  Herakleios  ein  Bündnis  abschliesst ,  mit  T^ong  Jabyu 
Chagan^  dem  Chagan  der  Westtürken  (619 — 630)  ^)  identisch  ist. 

Zu  S.  55  A.  2  Z.  5/6 :  Die  Thali  des  Plinius  sind  ein  sarma- 
tischer  Stamm  und  von  den  Divali  gänzlich  zu  trennen.  Näheres 
anderswo. 

Zu  S.  56  Z.  32  ff,:  Siehe  zu  S.  15  Z.  33  ff. 

Zu  S.  58  Z.  8  und  A.  2  s.  zu  S.  16  Z.  22  f. 

Zu  S.  59  Z.  32ff. :  Tarsia  hat  sicher  mit  Taräz  nichts  zu  thun, 
sondern  hängt  irgendwie  mit  den  in  Hochasien  weit  verbreiteten 
Nestorianern  (pers.  Lav.j,  pahl.  tarsäk)  zusammen.  Der  taoistische 
Mönch  C'ang  C'un  traf  im  Jahre  1221  in  der  Stadt  Lun-t'ai  west- 
lich von  Bie-sz  -7)ia  (Bisbalyq ,  Peh-t'ing) ,  also  im  üigurenreich 
das  Oberhaupt  der  Tie-sie  (Tarsä,  Nestorianer),  und  der  Armenier 
Haithon  (Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts)  wendet  in  seiner 
Beschreibung  der  östlichen  Königreiche  die  Bezeichnung  Tarse 
auf  das  Reich  der  Jogur  (Uiguren)  an.  Johannes  de  Piano  Car- 
pini  (1246)  bezeichnet  die  Uiguren  {Huiu7'i)  als  Nestorianer,  wo- 
gegen Wilhelm  de  Rubruck  die  Jugures  für  Götzendiener  erklärt, 
aber  hervorhebt,  dass  es  in  all  ihren  Städten  auch  Nestorianer 
und  Muslime  gebe.  Vgl.  Bretschneider,  Mediaeval  researches 
from  Eastern  Asiatic  sources  I  QQ  und  n.  160,  261 — 263.  Nesto- 
rianer sind  nachgewiesen  in  Pispek  und  Tokmak  im  Reiche  des 
Gu^i,  in  Almalik  (Ili  balyq),  Jai'kand  und  Gam  balyq  (westlich 
von  Bisbalyq).  Vgl.  B  o  n  i  n ,  Journ.  as.  mais-juin  1900  p.  584 — 592. 
Nach  B  0  n  i  n  bildeten  Guci  (Tokmak) ,  Gambalyq  und  Jarkand 
Suffraganbistümer,  die  am  Ende  des  13.  und  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts vom  Metropolitan  von  Käs;'ar  abhängig  waren.  Ferner 
gab    es    Nestorianer    in    Kan-ööu    und    Ning-hia    in    Tangut,    und 


^)  Über  das   Todesjahr   des   T'ong   Jabyu   Chagan  vgl.  vorläufig 
E.  Chavannes,  Journ.  as.  nov.-dec.  1901  p.  554  s. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  499 

nach  Marco  Polo  in  Sa-ööu,  Suh-6öu  und  Si-ning-fu.  Vermutlich 
ist  aber  mit  Tarsia  bei  den  ungarischen  Chronisten  speziell  das 
Reich  des  sagenhaften  Presbyters  Johannes  gemeint.  Unter  diesem 
Fürsten  hätten  wir  nach  Bart  hold  eigentlich  den  nestoi'ianischen 
Chan  der  Keraiten  zu  verstehen,  der  aber  mit  dem  Gurchän  der 
Qytai  Je-lüh  Ta-sih,  dem  Besieger  des  Selgukensultans  Sangar 
zusammengeworfen  wäre^).  An  Tarsia  schliesst  sich  dann  östlich 
das  Land  der  Mongolen  an.  Mit  regnum  /or-ianorum  ist  dagegen 
das  Uigurenreich  von  Bisbalyq  (Turfan  und  Urumtsi)  gemeint. 
Damit  wird  es  aber  zugleich  wahrscheinlich,  dass  auch  der  Fluss 
Togora  oder  Thogata  (Wiener  Bilderchronik)  viel  weiter  im  Osten 
gesucht  werden  muss,  in  welchem  Falle  die  zweite  Lesart  den 
Vorzug  verdient.  Es  ist  dann  nämlich  kaum  ein  anderer  als  der 
L'tisch  gemeint,  der  nach  Paul  Hünfalvy's  Zeugnis  noch 
heute  von  den  anwohnenden  Wogulen  und  Ostjaken  Tagat,  Tangat, 
Taut  genannt  wird  ^) ,  wie  man  auch  die  Landschaft  Yrcania, 
nach  der  sich  der  Fluss  vor  seiner  Mündung  ins  Nordmeer  wendet, 
erklären  möge.  Rubruck  erwähnt  eine  Landschaft  Organum 
westlich  von  den  üiguren,  womit  Almalik  am  Ui  gemeint  ist, 
indem  jener  Name,  wie  Henry  Yule  gezeigt  hat,  auf  einer  Ver- 
wechslung des  Landes  mit  der  Fürstin  Organa,  der  in  Almalik 
residierenden  Witwe  Hulagus  beruht.  Vgl.  Bretschneider 
1.  1.  I  114  n.  285.  Am  wahrscheinlichsten  ist  aber  mit  Yrcania 
das  Land  Jugra  gemeint,  so  dass  man  auch  nicht  zu  der  oben 
(S.  339  und  A.  6)  nachgewiesenen  Vermischung  des  Irtisch  mit 
dem  ins  hyrkanische  Meer  mündenden  Jajyk  seine  Zuflucht  zu 
nehmen  braucht. 

Zu  S.  66  A.  2  erster  Absatz:  siehe  jetzt  S.  241—243. 

Zum  zweiten  Absatz  Z.  6  ff.  schreibt  mir  Prof.  Konstantin 
Jireßek:  „Der  Zusammenhang  zwischen  ^qayyo%coQiov,  Francavilla 
mit  den  Franken  des  karolingischen  Zeitalters  wird  fraglich. 
J.  Jung,  Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XIX  (1898)  388-389 
verweist  auf  Chron.  Tolosanum  über  die  Emigration  der  Mailänder 
nach  der  Katastrophe  von  Mailand  1162,  die  nach  Ungarn  zogen 
und  dort  „in  comitatu  Colocensium"  eine  villa  Francavilla  mit 
einer  St.  Ambrosiuskirche  gründeten". 

Zu  S.  70  Z.  17  f.  schreibt  mir  Prof.  Jireöek:  „Baron  Rosen 
in  der  Ausgabe  des  Jahjä  von  Antiochia  (Zapiski  der  Petersburger 
Akad.  44,  Beil.  1,  St.  Petersburg  1883)  S.  108—109  verlegt 
diesen  Krieg  nach  Asien,  in  die  Kaukasusländer,  gegen  Chwolson, 
Ibn  Dasta  49,  der  ihn  nach  Europa  versetzte.  Gherghel, 
Revista  pentru  istorie  1893  (cf.  Bv^avv.  xqoviku  =  Viz.  Vremennik 


1)  Zur  Geschichte  des  Christentums  in  Mittel-Asien  bis  zur  mon- 
golischen Eroberung,  übs.  von  R.  Stube,  Tübingen  und  Freiburg. 
1901  S.  55—57. 

2)  G^za  Kuuu,  Relat.  Hungarorum  cum  gent.  Orient.  II  121.  131. 

32* 


5QQ  J.  Marquart, 

II  299)  sucht  Walandar  in  der  Landschaft  von  Cherson.  8  Tage- 
reisen von  Konstantinopel  könnten  schon  auf  ^eßelxog  passen.  — 
Steckt  in  Walandar  nicht  vielleicht  ein  bulgarischer  (ur- 
bulgarischer, nicht  slawischer)  Name?  Wir  wissen  jetzt,  dass 
Anchialos  bulgarisch  Tutchon  hiess ,  aus  der  altslawischen  Über- 
setzung der  Chronik  des  Symeon  des  Logotheten,  Vizantijskij 
Vremennik  11  114,  Thochun  neben  „Nezembur"  (Mesembria)  in 
einer  ungarischen  Urkunde  1367.  Es  konnte  Jsßelrog  ja  auch 
einen  solchen  Namen  haben". 

Diese  Auffassung  ist  gewiss  die  natürlichste,  zumal  der  Name 
entschieden  ein  hunnisch -türkisches  Gepräge  trägt.  Vgl.  die  Stamm- 
namen OvvvoyovvSovQOi  BovXyaQOi  Theoph.  Nikephor.  p.  24 ,  10 ; 
ZaßevösQ  Theophyl.  Sim.  7,  8,  17;  ^O^X^,  Stadt  der  Chazaren  auf 
der  Westseite  des  Kaspischen  Meeres,  arm.  Wu^^q-n-  lies  \]«^'i#^fi- 
Smendr  aus  *Sumundur  Ps.  Mos.  Chor.  Geogr.  p.  27, 16  ed.  Soukry, 
ursprünglich  Name  eines  Chazarenstammes  Bai.  IIa,  18  (unter 
'O-^män);  vgl.  die  IJaficcvdQEtg  in  der  Liste  der  Völker  Gog  und 
Mawog  in  der  Version  B  des  Alexanderromans  III  29  p.  142  b 
ed.  Müller;  \ouMii^n.nL.nß  Chailendurk^  Name  der  nordkau- 
kasischen Hunnen  bei  Eiise  wardapet;  ^OJ^J^\  ^^^=^  (v.  1.  ^lXaj^Ü) 
in  der  Nähe  von  Balangar  Ibn  al  A^Ir  V  a^  a.  104  (sehr  un- 
sicher). Auch  ysfvJb  Balangar  ist  ursprünglich  der  Name  einer 
Hunnenhorde  (s.  o.  S.  16).  Sollte  Walandar  vielleicht  gar  den 
Namen  der  Unugundur -Bulgaren  bewahrt  haben?  Vgl.  die  Formen 
\\„l^njti.n  ^m-qjiuMft  Wlmdur  BulkciT  bei  Ps.  Mos.  Chor.  II  6 
S.  75,  OMiontor  Blkar  Ps.  Mos.  Geogr.  S.  25  ed.  Soukry 
(oben  S.  57).     [Doch  siehe  auch  unten.] 

Zu  S.  74  Z.  35  ff. :  Der  Zweck  dieses  Aufsatzes  ist,  wie  man 
sieht,  für  die  Kritik  des  fraglichen  Berichtes  zunächst  einen  festen 
Orientierungspunkt  zu  gewinnen  und  vor  allem  das  Ziel,  die 
chinesische  ^Hauptstadt  Sandäbil  festzulegen.  Im  einzelnen  haben 
mich  aber  meine  Untersuchungen  inzwischen  natürlich  über  diesen 
Anlauf  hinausgeführt,  und  so  sind  mehrere  der  im  folgenden  vor- 
getragenen Kombinationen  durch  eine  inzwischen  angestellte  ein- 
gehende Untersuchung  über  den  Ursprung  der  Boyrachane  nicht 
unwesentlich  ergänzt  und  modifiziert  worden.  Um  dieser  nicht 
vorzugreifen,    seien    hier  nur    folgende  Verbesserungen  angemerkt. 

S.  77  Z.  2 4  lies:   „Im  10.  Jahrhundert  führte  diesen  Namen 

ein  Ort  eine  halbe  Stunde  von  Taräz  (Talas)  Moq.  Uf,  16.  Der 
Stamm  selbst  sass  damals  nach  GurdezI  östlich  von  Nawekat  auf 
der  Nord-  und  Südseite  des  Isikköl",  statt  „Der  gleichnamige 
Vorort  war  eine  Stadt  in  geringer  Entfernung  von  Taraz  (Talas) 
Moq.  Uf,  16." 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  501 

S.  77  Z.  10  lies:  „Später  residierte  derselbe  in  der  Stadt 
Baläsayün  am  Cui"   statt    „Es  war  die  Stadt  Balä,sayün  am  Cui''. 

Zu  S.  77  Z.  14 — 17:  Satoq  (so  1.)  Boyräcliän  war  der  erste 
der  Boj'rachane,  welcher  den  Islam  annahm  und  denselben  mit 
Gewalt  in  seinem  Gebiete  einführte. 

S.  78  Z.  17  ff.:  Mit  Tübät  ist  hier  das  Gebiet  von  Chotan 
gemeint. 

S.  79  Z.  10  lies   „vielleicht"   statt   „unzweifelhaft". 

Zu  S.  80  Z.  2—3 :  s.  S.  339  und  A.  6. 

Zu  S.  80  Z.  17:  Die  Angaben  der  Zeit,  welche  der  Reisende 
zur  Durchquerung  der  einzelnen  Stämme  gebraucht  haben  soll* 
haben  nicht  den  mindesten  Wert,  und  es  ist  daher  jedweder  daher 
entnommene  Schluss  auf  die  Lage  der  Wohnsitze  der  Toyuzyuz 
unerlaubt. 

S.  80  Z.  27—32  streiche  die  Worte  „Wir  können"  bis 
„zu  gross". 

S.  81 :  Die  Sätze  Z.  18—20  und  Z.  22—26  sind  zu  streichen. 

S.  81  Z.  28 — 29  streiche  die  Worte  „deren  Residenzstadt 
nach  IdrlsT  II  411    .jL».c.  war". 

S.  82  letzte  Zeile  bis  83  Z.  1  ist  missverständlich.  Lies:  „da 
sich ,  wie  schon  von  Schlözer  bemerkt ,  in  den  nördlichen 
Ländern  nur  Moschus  von  schlechtei'er  Qualität  findet". 

S.  83  Z.  26  ist  hinter  „selbstverständlich  kann  er"  aus- 
gefallen   „wenn    er  überhaupt  die  Reise   gemacht  hat". 

Zu  S.  85  Z.  31  fl. :  [Über  die  Lage  von  Jü-mön  kwun  in  den 
verschiedenen  Perioden  der  chinesischen  Geschichte  und  der  an 
demselben  angelegten  Befestigungen  s.  E.  Chavannes,  Dix  in- 
scriptions  chinoises  de  l'Asie  centrale  d'aprfes  les  estampages  de 
M.  Ch.  R.  Bonin  p.  67  n  2.  Extrait  des  Mem.  presentes  par 
divers  savants  a  l'Acad.  des  Inscr.  et  Belles-Lettres  P®  Ser.  t.  XI, 
IP  partie.  Paris  1902.]  Zur  Zeit  Hüan-6uangs  lag  die  Nephritpforte 
nach  dessen  Lebensbeschreibung  nördlich  von  Kwa-6öu  (in  der 
Gegend  von  Sa-^öu):  „A  cinquante  li  d'ici,  en  marchant  vers  le 
nord,  on  rencontre  la  riviöre  Hou-lou  dont  le  cours  inferieur  est 
large  et  le  cours  superieur  trös  -  resserre.  Ses  flots  tournoient 
constamment  et  roulent  avec  une  teile  impetuosite  qu'on  ne  peut 
la  passer  en  bateau.  C'est  prös  de  la  partie  la  plus  large  qu'on 
a  etabli  la  barrifere  Yu-men-kouan,  par  laquelle  on  est  oblige  de 
passer ,  et  qui  est  la  clef  des  frontiferes  de  l'ouest.  Au  nord- 
ouest ,  en  dehors  de  cette  barrifere ,  il  y  a  cinq  tours  ä  signaux 
oü  demeurent  leurs  gardiens  ch  arges  d'observer.  Elles  sont 
eloignees  l'une  de  l'autre  de  cent  li  (dix  lieues).    Dans  l'intervalle 


502  J-  Marquart, 

qui  les  separe ,  il  n'y  a  ni  eau  ni  herbages.  En  dehors  de  ces 
cinq  tours  s'etendent  le  desert  de  Mo-kia-yen  et  les  frontiferes 
du  royaume  d^I-''gou'^.  Hoei-li,  Vie  et  voyages  de  Hlouen-thsang 
trad.  Stan.  Julien  p.  17.  Vgl.  die  Beschreibung  der  Reise  ibid. 
p.  18 — 30.  Ähnliche  Wachttürme  hat  Bon  in  jüngst  in  der  Wüste 
westlich  von  Sa-^öu  aufgefunden.  Siehe  seinen  Reisebericht 
(Voyage  de  Pekin  au  Turkestan  russe)  in  La  Greographie.  Bull, 
de  la  Soc.  de  Geographie,  Paris  1901,  III  Nr.  3  p.  172—173. 

S.  90  Z.  19 — 22:  Ich  glaube  jetzt,  dass  in  ^3}-^  einfach  der 
Name  der  bürgerlichen  Stadt  von  Cang-'an  steckt,  welche  in 
der  syrisch-nestorianischen  Inschrift  von  Si-ngan-fu  Sarag  heisst, 
im  Gegensatz  zu  der  kaiserlich  en  Stadt  Chumdän.     Wir  haben 

dann  mit  geringer  Änderung  \^  X^  =  ZlrjQtvirj  zu  lesen.  Jene  beiden 
Stadtteile  sind  wahrscheinlich  auch  mit  Theophylakts  Tavyaar  und 
Xovfiaödv  gemeint.     S.  mein  Eränsahr  S.  317. 

S.  90  Z.  26  lies  „10  X  10  Pars."  statt  ,10  Par.  im  Geviert". 

S.  90  A.  5  Z.  4  lies  ,12  X  12  Pars."  statt  „12  Par.  im 
Geviert " . 

Zu  S.  91  Z.  7:  Die  Dinäwar-Sekte  glaube  ich  jetzt  schon  bei 
Hüan-^uang  angedeutet  zu  finden.  In  der  Beschreibung  Persiens 
heisst  es  bei  diesem  (Mem.  II  179):  „II  y  a  un  gi-and  nombre  de 
temples  des  dieux;  Ti'-na-p'o  est  le  dieu  qu'adorent  les  heretiques " . 
Die  Ketzer  (Zindiqe)  sind  die  Manichäer,  also  wird  Ti-na-p'o  jeden- 
falls mit  Dinäwar  zusammenhängen. 

S.  91   Z.  14    lies    „in    eine    Festung"    statt    „in    die   Festung 

S.  93  Z.  5  V.  u.  lies   „aufgehellt"   st.   „aufgestellt". 

S.  112  Z.  1 — 3  lies:  Die  Angabe  des  Mas'üdl  II  i ,  dass  die 
Frauen  der  im  Chazareni-eiche  wohnenden  Slawen  und  Russen 
lebendig  mit  ihren  verstorbenen  Männern  verbrannt  werden, 
ist  auf  die  Russen  zu  beschränken,  unterliegt  aber  auch  in  dieser 
Form  begründetem  Zweifel.  Wie  nämlich  der  Augenzeuge  Ibn 
Fadlän  ausdrücklich  versichert,  wurden  bei  der  Bestattung  eines 
vornehmen  Russen  die  Mädchen,  welche  sich  bereit  erklärten  ihi*em 
verstorbenen  Herrn  ins  Jenseits  zu  folgen,  vor  der  feierlichen  Ver- 
brennung geschlachtet.  Die  Quelle  des  Ibn  Rusta  |f1,  22 — ifv,  3 
und  Gurdezi  (S.  101,  9 — 12)  erzählt  dagegen  von  einer  anderen 
Bestattungsweise ,  bei  welcher  die  Frau  mit  ihrem  verstorbenen 
Manne  in  einem  gemauerten  Grabgewölbe  lebendig  eingemauert 
wurde.  Es  scheint  daher,  dass  Mas'üdl  diese  beiden  Bestattungs- 
weisen der  Russen  vermengt  hat. 

S.  121   A.  1   Z.  14  lies  avri^e'krixovq  statt  a.ry]^i£Xy]xovg. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  503 

Zu  S.  143  A.  1  Z.  9:  jj^^jo!  ist  in  jj«.xJCi^!  princeps,  byz. 

TtQiyKiip  zu  verbessern,  wovon  TtgiyKiTtärov  Konstantin.  Poii^hyrog. 
de  administr.  imp.  c.  27  p.  118,  11.  120,  24. 

S.  152  Z.  14  lies   ,11  15"   statt   „III  18". 

Zu  S.  155  Z.  5 — 9:  Die  schwarzen  Bulgaren  werden  in  der 
russischen  Chronik  noch  im  Vertrage  von  944  erwähnt  (c.  27  p.  39 
trad.  Leger).  Der  auf  sie  bezügliche  Artikel  lautet:  , Quant  aux 
Bulgares  noirs  qui  viennent  ravager  la  Khersonfese,  nous  invitons 
le  prince  de  Russie  ä  ne  pas  leur  permettre  de  faire  tort  ä  cette 
contree."  Daraus  ergibt  sich,  dass  der  Ausdruck  i]  fxavQr}  Xeyofievr} 
BovXyaqui  bei  Konstantin  dem  Purpurgebornen  (de  administr.  imp. 
c.  12  p.  81,  3.  42  p.  180,  12)  kein  bloss  geographischer  Begriff  ist 
und  Mas'üdT  und  Chisdai  sehr  wohl  von  den  Schwarz  -  Bulgaren 
Kunde  haben  konnten.  Eine  andere  Frage  ist  freilich,  ob 
Mas'üdi  bei  seinen     i  j    an  der  Maiotis  und  gar  (der  angebliche) 

Chisdai  bei  seinen  'iNabn  wirklich  an  die  Schwarz-Bulgaren  gedacht 
haben.  Allein  diese  Bulgaren  wohnten  nicht  im  Kubangebiet, 
wie  Westberg  (Die  Fragmente  des  Toparcha  Goticus  aus  dem 
10.  Jahrh.  S.  99—108.  Mem.  de  l'Acad.  de  St.  Petersbourg  VHP  Ser. 
Tome  V  Nr.  2.  St.  Petersburg  1901)  richtig  nachweist,  sondern  im 
Steppengebiet  vom  Don  bis  etwa  zum  Dnjepr.  Damit  lässt  sich 
die  Ausdrucksweise  des  Konstantin  Porphyrog.  de  administr.  imp. 
c.  42  p.  180,  10 — 18  sehr  gut  vereinigen :  n^hq  xo  aq^zwov  avrfjg 
(rrig  MaicortÖog)  fiEQOg  6  JdvanQig  TCora^og,  i'i,  ov  Kai  ot  Pag 
diiQlovxca  itqög  re  xrjv  ixavQy]v  BovXyaqiav  %ul  Xa^aQiav  Kai  EvQiav. 
Die  nächstliegende  Auffassung  dieser  Stelle  ist  doch  die,  dass 
Schwarzbulgarien  zwischen  dem  Dnjepr  und  dem  Chazarenlande 
lag.  Es  deckt  sich  also  teilweise  mit  dem  alten  Gebiete  der 
KovrovqyovQOL  oder  KöxQayoi  westlich  vom  Tanais  (Theophan. 
p.  357,  21 — 23.  Nikephoros  ißx.  övvx.  p.  33.  Prokop.  de  hello 
Goth.  IV  5  p.  475,  19  bis  476,  12.  478,  10  ff.),  während  die  TtccXatu 
BovXyciQLu  oder  Grossbulgarien  des  Theophanes  und  Nikephoros 
(auch  bei  Ps.  Mos.  Chor.  Geogr.  ed.  Soukry  p.  25,  22)  den  Sitzen 
der  Uturguren  östlich  von  der  Maiotis  entspricht.  Dazu  stimmt 
sehr  hübsch ,  dass  in  der  Völkerliste  der  sogenannten  Kirchen- 
geschichte des  Zacharias  Rhetor  (oben  S.  356  A.  1)  Burgar  und 
Kurturgur  ebenso  zusammenstehen,  wie  bei  Prokopios  OvxovqyovQOL 
und  KovxovqyovQOL^    so    dass    sich    also    die  Gleichungen    ergeben: 

Burgar  =   Ovxovqyovqoi  =  Bulp'ark'   =  Alt-    oder    Gross- 
bulgarien, 

Kurturgur  ==  KovxovQyovQOi  ^=  Schwarzbulgarien. 
Von  erstem  weiss  aber  die  Stammsage  bei  Theophanes  und  Nike- 
phoros   nichts    mehr,    sondern  betrachtet  auch  die  Bewohner  Alt- 
bulgariens als  Kuturguren  (KoxQayoi).     Sie  steht  indessen  mehrfach 


504  J-  Marquart, 

mit  sieb,  selbst  im  Widerspruch:  so  nimmt  sie  irrtümlich  an,  dass 
noch  unter  Kobrat,  dem  Zeitgenossen  des  Kaisers  Herakleios,  den 
sie  als  Herrn  der  Kotragen  bezeichnet,  der  Herrschaftssitz  in  jenem 
Altbulgarien  am  Kuban  gewesen  sei,  und  doch  heisst  es  dann,  dass 
erst  Kotragos,  der  zweite  Sohn  des  Kobrat,  den  Tanais  überschritten 
und  westlich  von  diesem  Strome  die  zweite  der  fünf  Abteilungen 
der  Bulgaren  d.  h.  eben  die  KotQayoc  begründet  habe,  während 
doch  schon  Prokopios  lange  vor  Kobrat  die  Trennung  der  Hunnen 
in  Kuturguren  und  Uturguren  kennt. 

Allein  nach  der  Rückkehr  der  Kuturguren  aus  dem  Romäer- 
reiche  im  Herbste  558  zerfleischten  sich  die  beiden  Bruderstämme 
durch  fortwährende  Raubzüge,  bis  sie  sich  gegenseitig  fast  auf- 
gerieben hatten,  so  dass  sie,  wie  Agathias  am  Schlüsse  seiner 
Geschichte  sagt ,  sogar  ihren  angestammten  Beinamen  verloren. 
„Denn  in  einen  solchen  Grad  des  Unglücks  gerieten  diese  hun- 
nischen Völker,  dass  sie,  wenn  allenfalls  auch  ein  Teil  von  ihnen 
übrig  geblieben  ist,  zerstreut  andern  dienen  und  den  Namen  jener 
eingetauscht  haben.  Allein  die  vollständige  Zerstörung  und  Ver- 
nichtung dieser  beiden  Stämme  trug  sich  später  zu"  (Agath.  V  25 
p.  392,  2 — 15  ed.  Dindoi-f).  Agathias  spielt  hier  auf  die  bald 
nachher  erfolgte  Unterwerfung  der  Uturguren  und  Kuturguren 
durch  die  Pseudawaren  und  die  nicht  viel  spätere  Überwältigung 
der  Uturguren  durch  die  Türken  an.  Schon  in  den  Kämpfen 
der  Awaren  gegen  die  Anten,  welche  zwischen  558  und  562 
fallen  müssen,  finden  wir  den  Kuturgurenhäuptling  (6  Kor^ayriyog 
inetvog  d.  i.  wahrscheinlich  Zabergan)  als  Vasallen  des  Awaren- 
chagans  (Menander  Prot.  fr.  6),  und  im  Jahre  568  lässt  dieser 
als  jetziger  Souverän  der  Kutriguren  und  Utiguren  vom  Kaiser 
Justin  n.  die  Jahrgelder  fordern,  welche  Justinian  diesen  beiden 
Völkern  zu  zahlen  pflegte  (Men.  Prot.  fr.  28  p.  63,  2—4.  20—23). 
Freilich  kommt  der  Name  der  Kuturguren  dann  nochmals  im 
J.  598  vor.  Damals  erschien  eine  10  000  Mann  starke  Horde  von 
Kuturguren  (KoT^ay^iQOi),  Tarniach  und  Zabender- Hunnen,  vor  den 
Türken  fliehend,  in  Europa  und  trat  in  die  Dienste  des  Awaren- 
chagans  (Theophyl.  Sim.  7,  8,  16).  Aber  die  Uturguren  {OvxC- 
yovQOi)  waren  im  Jahre  576,  ebenso  wie  die  ihnen  benachbarten 
Alanen,  den  Türken  d.  i.  den  Westtürken  unterworfen,  wie  sieh 
zur  Genüge  daraus  ergibt,  dass  diese  noch  im  nämlichen  Jahre 
Bosporos  belagern  und  erobern  (Men.  Prot.  fr.  43  p.  89,  27  ff",  fr.  45). 
Der  General  Anagai,  welcher  schon  vorher  mit  einer  türkischen 
Streitmacht  daselbst  lagerte,  war  also  in  der  That  Fürst  der 
Utiguren  (og  tviqdxet.  xov  cpvXov  rCov  Ovxiyovqoiv  Men.  Prot.  fr.  43 
p.  85,  17)  und  nicht  etwa  der  zwischen  Wolga  und  Kuma  (Kcocpfjv) 
wohnenden  OvyovQOt,  welche  schon  im  Jahre  569  70  dem  Türken- 
chagan  Silzibul  {iSir  Jabgu,  Zxsiißiö-yjxyav)  gehorchten  (Men. 
Prot.  fr.  21  p.  55,  1  ff.,  vgl.  oben  S.  32  A.  1).  Der  Bericht  über 
die  Unterwerfung   der  Utiguren  hat  sich  nicht  erhalten,    dagegen 


Osteuropäische  und  ostasiatisehe  Streifzüge.  505 

erfahren  wir,  dass  die  nördlich  von  den  Utiguren  sitzenden  cpvla 
Tcöv  OvviyovQCov  d.  h.  die  Unuguren  (Magyaren)  gleich  den  Alanen 
erst  in  der  Zwischenzeit  nach  einem  ernsten  Waftengang  den 
Türken  erlegen  waren;  fi-.  43  p.  87,  30  ff.  [berichtigter  Te'xt  in: 
Excerpta  de  legationibus  ed.  C.  de  Boor,  Berlin  1903,  p.  206, 
14 — 19:  iacc&Qrjöcae,  n  öelkaiot,  xu  'AXavinu  'd&vt],  tri  ye  (irjv  y.ccl 
XU  cpvlu  xüv  OvviyovQcov,  Ol  ye  inl  noXv  d'aQQcdeoi  xe  xivsg 
ovTsg  neu  xy  oixeta  nlavvoi  övvä^et  avrexu^avro  (xev  reo  cc'/.uxa- 
f.ici'/^^^xa  xcbv  TovQZCov,  ov%  aitcovavxo  öe  xav  ikTttdav.  xavxr]  xoi 
'Kai  VTtccxovovaiv  i)^tv,  ymI  iv  (loiQa  Ka&s6trlKa6t  öovXov. 

Von  dieser  Zeit  an  ist  in  der  That  der  Name  der  Uturguren 
bezw.  Bulgaren  an  der  Ostseite  der  Maiotis  verschollen ,  ja  schon 
Jordanes  Get.  c.  5  §  36 — 37  berücksichtigt  die  Uturguren  nicht 
mehr,  und  Ps.  Mos.  Chor.  Geogr.  S.  25  (ob.  S.  57)  nur  aus  älterer 
Quelle.  Eine  dritte  GrujDpe  von  Bulgaren  haben  wir  oben  kennen 
gelernt,  die  Burcjäre  des  sog.  Zacharias  Rhetor,  welche  innen - 
wärts  von  den  Pforten  d.  h.  nördlich  von  Darband  gewohnt  haben 
müssen,  aber  mit  Sicherheit  nicht  über  das  zweite  Drittel  des 
6.  Jahrhunderts  hinab  verfolgt  werden  können:  sie  waren  von  den 
Chazaren  unterworfen  worden  und  hatten  ihren  Volksnamen  ver- 
loren. Man  wird  sich  daher  ernstlich  fragen  müssen,  ob  nicht  auch 
I:iajan  {Baiavoq)  oder  Bäg-Bajan  (Baxßcaäv  Theoph.  p.  357,  19. 
358,  9  lies  Bayßaiccv),  der  angebliche  älteste  Sohn  Kobrats,  der  in 
Altbulgarien  zurückgeblieben  und  nachher  von  den  Chazaren  unter- 
worfen worden  war,  eher  ans  Ende  des  6.  Jahrhunderts  als,  wie 
die  Legende  bei  Theophanes  und  NikejDhoros  will,  in  die  Zeit 
Konstantins  IV.  (668 — 685)  gehört.  Auch  die  vom  vierten  Sohne 
des  Kobrat  abgeleitete  Bulgarenhorde  in  Pannonien  war  ja  that- 
sächlich  bereits  im  Jahre  568  daselbst  angesiedelt  (Men.  Prot, 
fr.  27  bei  Müller,  FHG.  IV  233).  Jedenfalls  lässt  schon  der 
Geograph  von  Ravenna  das  Reich  Chazaria  bis  zum  Cuphis  reichen. 

Dagegen  kann  ich  die  übrigen  Anstösse,  die  Westberg  im 
Berichte  des  Theophanes  (und  Nikephoros)  findet,  nicht  für  be- 
gründet halten,  selbst  wenn  dieser  die  NeKQÖTtvlu  d.  i.  das  Tote  Meer 
westlich  von  Perekop  mit  der  Strasse  von  Jeni-Kale,  die  nach 
Ansicht  der  Alten  öfters  zufror  (o.  S.  341),  zusammengeworfen  hat. 
Jedenfalls  folgt  daraus  noch  keine  Verwechslung  des  Kovcpi-g  (Kuban) 
mit  dem  Kovcpig  Konstantins  (de  administr.  imp.  c.  42  p.  179,  15). 
Es  ist  hier  für  6  Kovcpig  %al  6  Boyov  gewiss  zu  lesen  6  Kovcpig 
6  'Aal  Boyov,  m.  a.  W.  Kovcpig,  c.  38  p.  171,  10  Kovßov  ist  ein 
anderer  Name  des  Boyov  (Bug),  und  verhält  sich  zu  "JOitavig,  wie 
hunnisch  War,  peßenegisch  Bagov^  '•  BoQv6d'£V7]g. 

Schwierigkeit  macht  allein  die  nähere  Bestimmung  des  Ver- 
hältnisses zwischen  den  Kuturguren  (KoxQayoi)  und  den  Unugmidur- 
Bulgaren  des  Asparuch  (Isperich) ,  die  sich  von  jenen  abgezweigt 
haben  sollen.  Thatsache  ist,  dass  die  Raubzüge  ins  Romäerreich 
während    der    beiden    ersten    Drittel    des    sechsten    Jahrhunderts 


506  J-  Marquart, 

zumeist  von  den  Kuturguren  ausgegangen  sind,  die  daher  bei 
Jordanes  schlechtweg  als  Bulgares  auftreten  i),  deren  Name  aber 
mit  dem  Ende  des  Jahrhunderts  verschwindet,  wofür  um  635  der 
Name  Unugundur  -  Bulgaren  auftritt.  Vermutlich  war  ^ÖQyuvag, 
der  Vetter  des  Unugundurfürsten  Kobrat  (Nikephor.  lGx.  Ovvr. 
p.  24,  9),  Häuptling  der  Kuturguren.  Die  Sage  wusste  aber  das 
ehemalige  Unterthanenverhältnis  der  Unugundur-Horde  gegenüber 
den  Kutuguren  nicht  anders  zum  Ausdruck  zu  bringen  als  da- 
durch, dass  sie  Asparuch  zum  jüngeren  Bruder  des  Kotrag  machte. 

Zu  S.  161  A.  1:  Ibn  Rusta  sagt  von  den  Chazaren  (if.,  4/5): 
Kä^  jLi"    ^   üli'LiL^J!   C>5i*"   r^-5    ^    Gurdezi   95,   3/4:    ^.,L^jt^ 

und  von  den  Burdas  ((f.,  19 — 20):  K^yLiL^J!;,  XjCJLj  ^c  .^^^xj^ 
=  GurdezT  96,  22 :  .^LjIxJLj  , .,1.^j5  «AU^Lj  u>.äÄL5C^  nJUw  \^$'^ 
.  LaJ'U^...     Da  nvm  auch  Konstantinos  Porphyrog.  de  admin.  imp. 

c.  37  p.  164,  8  flF.  berichtet,  dass  die  Pecenegen  von  den  Ghuzen 
im  Bunde  mit  den  Chazaren  aus  ihren  alten  Sitzen  am  Jajyq  ver- 
trieben wurden,  womit  Mas'üdi,  Kitäb  at  tanbih  IaI,  1 — 2  überein- 
stimmt (s.  0.  S.  63  und  A.  3),    so    hat  Gurdezi  95,  10  gegenüber 

BekrT  (42,  17)  das  Richtige  bewahrt  =   ..^^ijj   x^i' IJL:f\.i!   j^.oi*J 

Dieselbe  Phrase  gebraucht  Ibn  Rusta  Ifl,  18  (vgl.  GurdezT 
97,  22/23)  von  den  Bulgär  mit  Beziehung  auf  die  Burdas. 

S.  162  Z.  26  lies  „100  X  100  Pars."  statt  „100  Pars,  im 
Geviert". 

Zu  S.  162  Z.  32/33:  Ker£  heisst  altrussisch  Korceiv,  das  nach 
Westberg,  Die  Fragmente  des  Toparcha  Goticus  aus  dem 
10.  Jahrhundert  S.  92  (Mem.  de  l'Academie  de  St.  Petersbourg 
VllJe  Ser.  t.  V  Nr.  2,  1901)  zum  letztenmal  auf  einer  Inschrift 
von  1068  vorkommt.  Westberg  führt  noch  eine  griechische 
Form  KoQL^og  an,  ohne  indessen  anzugeben,  wo  dieselbe  vorkommt, 
sowie  eine  persische  -S  Karz  in  der  noch  unedierten,  von 
Tumanskij  entdeckten  persischen  Geographie  (Beiträge  zur 
Klärung  orientalischer  Quellen  über  Osteuropa  S.  214.  804). 
Beide  sind  indessen  für  mich  unkontrollierbar. 

In    einer    brieflichen    Mitteilung    vom   22.  Nov.    1901    a.   St. 


1)  Jordan.  Get.  c.  5  §  37 :  ultra  quos  (Acatziros)  distendunt  supra 
mare  Ponticum  Bulgarum  sedes,  quos  notissimos  peccatorum 
nostrorum   mala    fecerunt. 


Osteuropäische  uud  ostasiatische  Streifzüge.  507 

bemerkt  er:  „ßruun  in  seinem  Werke  ^epHOMOpLe,  Teil  II, 
1880,  S.  311/12  sagt,  dass  Wassiljewskij  auf  das  Kloster  ttjv 
KvQL^ov,  befindlich  im  taurischen  Chazarien  aufmerkam  gemacht 
habe.  Dieses  Kloster  werde  zu  Ende  des  XIV.  Jahrh.  in  den  Acta 
Patriarchat.  Constant.  II,  249.  258  erwähnt.  Dies  KvQitog  werde 
als  die  griechische  Namensform  für  Kertsch  in  Anspruch  genommen. 
—  Bei  Abulfeda  kommt  die  Form  Krs  vor"  [iji^XJl  p.  \"\",  nt  des 
Textes  =  I  40.  321  der  Übers.].  In  einer  früheren  Mitteilung 
vom  15.  April  1900  verwies  er  auf  [Harkavy],  Kussische  Revue 
herausg.  von  C.  Röttger,7I.Band,  St.  Petersburg,  S.  94:  . .  „Kertsch, 
Kopgeßt,  ^eroxtov  tov  Koql^ov,  wie  ein  Kloster  bei  Kertsch  heisst, 
nach  Hrn.  Kuniks  Mittheilung  auszusprechen".  Ferner  Kuniks 
unveröffentlicht  gebliebene  deutsche  Excurse  zu  al  Bekri  S.  177: 
„Die  heutige  Benennung  des  alten  Panticapaeum  hat,  wenn  ich 
mich  nicht  irre,  zuerst  Tomaschek  abgeleitet  von  dem  Namen  des 
(isToxiov  tov  KoQitov.  Kaiser  Constantin  und  andere  Byzantiner 
nennen  die  Stadt  gewöhnlich  nur  BoGTtoQog" .  Tomasch eks 
Schrift  über  die  Goten  in  Taurien  ist  mir  leider  nicht  zugänglich. 

Zu  S.  163  Z.  23:  TstQc^irca  kann,  wie  Tomaschek  aus- 
führt (Anz.  f.  deutsches  Altertum  23,  1897,  126),  nur  vom  gr.  te- 
TQa'^og   , vierfach"    abgeleitet  werden. 

Zu  S.  169  Z.  5  ff.:  Wachust,  Description  geographique  de  la 
Georgie  trad.  par  M.  Brosset  p.  427/29  sagt  über  Owset'i:  „La 
contree  ä  l'O.  de  l'Aragwi,  ou  Lomec,  aujourd'hui  Terg,  qui  sort 
du  Khewi,  dans  l'Interieur  du  Caucase  est  le  Dwaleth.  .  .  .  Sous 
le  roi  Pharnawaz,  le  Dzourdzouc  et  le  Dwaleth  tomb&rent  aux  mains 
de  ce  prince,  et  les  autres  vallees  resterent  aux  rois  des  Osses. 
.  .  .  Le  Dwaleth  lui-meme  est  divise  en  vallees  qui  s'appellent: 
vallee  de  Casra,  Zramaga,  Jghele,  Nara,  Zrogo,  Zakha;  Celles  qui 
restferent  aux  rois  osses  s'appellent  Tchim,  Thagaour,  Kourthaoul, 
Walagir,  Phaikhom,  Digor  et  Basian,  noms  tires  de  certains  bourgs, 
ou  plutöt  des  Osses  qui  y  sont  entres,  lesquels,  aprös  l'expedition 
de  Tchingiz,  furent  ruines  et  ravages  par  Bato-Qaen.  Mais  les 
Osses,  refugies  dans  les  montagnes,  donnferent  leurs  noms  aux 
vallees,  ainsi  que  le  prouvent  ceux  des  familles.  Gar  les  plus 
distingues  sont  les  Osses,  dont  les  familles  sont :  Badelidze,  Tcher- 
kesidze,  Thagaour,  Sidamo  et  Dchakhilidze.  Aprfes  le  ravage  de 
rOwseth  et  la  fuite  des  Osses  dans  le  Caucase,  l'Owseth  fut 
appele  Tcherkez  et  Qabarda,  et  ceux  qui  penetrerent  dans  le 
Caucase  le  nommferent  Owseth".  Später  p.  437  berichtet  er  dann 
über  ihre  gesellschaftliche  Gliederung:  „Tis  connaissent  la  noblesse. 
Les  plus  distingues  chez  eux  sont  les  Osses,  qui  se  divisent  en 
familles,  dont  les  premieres  sont:  les  Sidamon ,  les  Dchakhilidze, 
les  Thagaours,  les  Kourthaouls,  les  Badelidze,  les  Tcherkesidze, 
les  Basians.  .  .  .  Les  Dwals  sont  les  moins  nobles  des  Osses". 
Badelize  und  Cerkezize    heissen  die  beiden  Thäler,    in  welche  die 


508  J-  Marquart, 

Landschaft  Digox-  zerfällt ,  die  sich  vom  Kaukasus  von  Raga  bis 
Cerkez  erstreckt  (p.  451),  es  kann  aber  nicht  zweifelhaft  sein,  dass 
jene  beiden  Namen  ursprünglich  fremde  (Serkessische)  Fürsten- 
familien  bezeichnen ,  die  in  jene  Thäler  eingedrungen  waren  und 
die  dortigen  Osseten  unterworfen  hatten ,  und  demnach  ver- 
hältnismässig jungen  Ursprungs  sind.  Ein  Gleiches  gilt  von 
den  Sidamon,  von  denen  Wachust  p.  441  sagt:  „au  confiuent 
de  la  riviere  de  Kist,  au  pied  d'une  haute  montagne  ä  l'O.  de 
l'Ai-agwi,  est  Tchim,  grand  bourg  avec  des  tours,  habite  par  des 
Osses  Sidamons,  dont  les  chefs  actuels  professent  le  mahometisme 
parce^qu'ils  vont  ä  Tcherkez,  mais  sans  savoir  de  quoi  il  s'agit". 
Die  Gachüize  w^ill  Brosset  (Hist.  de  la  Georgie  I  158  n.  3)  in 
der  Familie  C'arconize-Oarchilan  wiedererkennen,  die  in  der  In- 
schrift der  Kirche  von  Nuzala  im  Dorfe  Nara  im  ossetischen  Thaie 
Kasara  erwähnt  wird.  Diese  Inschrift  enthält  Aufschlüsse  über 
die  Familie  des  Bagat'ar,  welches  die  der  C'ar^onize  -  Garchilan 
war,  und  über  seine  acht  Brüder.  Im  Unterschiede  von  den  an- 
geführten Namen,  die  eigentlich  nur  herrschenden  Familien  zu- 
kommen, werden  T'agauri,  K'urt'-aul  und  Basiani  auch  als  Land- 
schaftsnamen gebraucht. 

S.  172  Z.  3   V.  u.  lies    „Panzer"   st.   „Helm". 

Zu  S.  174/75  A.  4  Z.  3/4:  Die  richtige  Lesart  ist  ^.^'^\.  Der 
hier  gemeinte  Ort  heisst  bei  Bai.  üv,  1  ^j.  Weiteres  darüber 
in  meiner  historischen  Ethnologie  des  Daghestan. 

Zu  S.  176  Z.  3—9:  s.  zu  S.  31  Z.  18  ff. 

Zu  S.  187  A.  2:  Die  Stelle  findet  sich  bei  Uchtanes  II  18 
vol.  II  35  der  Ausgabe  von  Waiarsapat  und  in  der  (fehlerhaften) 
Übersetzung  Brossets  p.  296/97;  vgl.  eb.  p.  219—223. 

S.  188  Z.  13  streiche  die  Worte  „immer  noch"  und  vgl. 
S.  410—412.  421 — 422.  Es  ist  zu  betonen,  dass  Tifiis  die  von 
unserem  Bericht  vorausgesetzte  Bedeutung  nur  unter  dem  Usur- 
pator und  Statthalter  Ishäq  b.  Ismä'il  besass ,  aber  weder  vorher 
noch  später  nach  seiner  Zerstörung  durch  Buya.  Seine  hohe  Blüte 
als  Handelsstadt  und  seineu  Luxus  in  jener  Glanzperiode  schildert 
Thoma  Arcruni  III  9  p.  173  =  141  trad.  Brosset.  Vorher_  war 
immer  Bard^a'a  (Partav)  die  Hauptstadt  der  vier  Provinzen  Adar- 
baigän,  Armenien,  Albanien  und  Iberien  gewesen. 

Zu  S.  189  Z.  20.  198  Z.  20.  200  Z.  16  ff.  471  Z.  5/4  v.  u.: 
Es  muss  übrigens  daran  erinnert  werden,  dass  auch  die  —  gra- 
phisch freilich  ferner  liegende  —  Möglichkeit  vorliegt,  dass  die 
Schreibungen  ^^ajI»,  .i>.^Jt3  bezw.  v^xäjI^  Entstellungen  aus 
ajIo  *Dünabr  =  JdvaTtQig  sein  könnten,  in  welchem  Falle  sich 
die  Vermutung  von  selbst  aufdrängen  würde,  dass  Mas'üdi's  ^jJJS 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  509 

(S.  145)  gkichfalls  auf  _^JjJl  zurückgehen  und  Kyjew  bezeichnen 
werde.  Vgl.  das  altnordische  Danparstadir  in  der  Heryararsaga 
S  269,  12.  348,  20  und  Atlakvida  Str.  5  (E.  Heinzel,  Über  die 
Hervararsaga.  SBWA.  Bd.  114,  1887,  S.  456.  463.  471.  473  ff.). 
—  Am  besten  gefällt  mir  aber  jetzt  eine  andere  Vermutung,^  an 
die  ich  schon  früher  gedacht  hatte,  und  die  sachlich  und  graphisch 
entschieden  die  natürlichste  Lösung  bietet,  dass  nämlich  darin  der 
von  Konstantin  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  9  p.  75,  1  bezeugte, 
noch  nicht  sicher  erklärte  Beiname  von  Kyjew  stecke.  Bugge, 
Arkiv  f.  nord.  fil.  2,  170  f.  erklärt  Za^L^cadg  durch  an.  Sandvad 
, Sandfurt",  Heinzel  dagegen  (a.  a.  0.  S.  479  f.)  denkt  lieber  an 
den  hl.  Sambatius,  oder  an  altslawisch  sqhota,  russ.  subhota  „Sams- 
tag". Wie  dem  auch  sei,  ein  arabisches  viiX'J';  *'^«»^^«^  kann 
sehr  wohl  den  fremden  Namen  wiedergeben,  welchen  der  Byzan- 
tiner durch  Sa^paxccq  umschrieb.  Zu  gunsten  der  letzteren  Deutung 
Hesse  sich  noch  als  Analogie  anführen,  dass  IdrTsi  den  Namen 
der  böhmischen  Hauptstadt  nicht  kennt,  sondern  für  dieselbe  durch- 
weg die  rätselhafte  Bezeichnung  »Xm*.a^  ä.L«Lo,  '»Xä^^^  KLiioa 
(H  371.  375.  381)  anwendet  (vgl.  J.  Lelewel,  La  geographie 
du  Moyen-Age  HI  95  f.  156). 

Die  an  der  Grenze  des  slawischen  Gebietes  gelegene  Stadt 
,.:i^l.  *Zänhat  wird  weder  bei  Ibn  Rusta  noch  bei  GurdezT  als 
Mittelpunkt  eines  Reiches  bezeichnet,  und  in  der  That  konnte 
sich  der  Schilderung  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  zufolge  in  Kyjew 
im  Lande  der  Poljane  wegen  der  fortwährenden  Einfälle  der 
Magyaren  kein  Reich  bilden,  wie  denn  auch  die  russische  Chronik 
keinerlei  Erinnerung  an  ein  ehemaliges  Slawenreich  in  Kyjew  be- 
wahrt hat;  später  aber  wurden  die  Poljane  den  Chazaren  zins- 
pflichtig. Das  Gebiet  des  von  Ja'qübi  zum  Jahre  240  H.  = 
854/55  n.  Chr.  erwähnten  Slawenherrschers  ist  dagegen  wahr- 
scheinlich im  Lande  der  Chorwaten  mit  der  Hauptstadt  Krakau 
zu  denken  und  mit  dem  Reiche  des  Grosszupans  SwetopHk-B 
identisch,  während  Kyjew  damals  —  vor  dei-  Ankunft  der  Russen- 
fürsten Askold  und  Dir  im  Jahre  862  —  bereits  den  Chazaren 
tributpflichtig  war. 

S.  190  Z.  23  lies    ,im  Jahre  907"    statt   „im  Jahre   917". 

Zu  S.  192  Z.  19ff. :    Da   jedoch   der  Nachdi-uck  darauf  liegt, 

dass  nach  BekrT  die  ^jC^^^!  und  tjv-Jüü^il  das  Slawische  als  eine 
fremde  Sprache  sprechen,  wie  Pe^enegen,  Russen  und  Chazaren, 
und  dies  die  hervorragendsten  Stämme  des  Nordens  sind, 
so  liegt  es  noch  näher,  mit  Westberg  (briefliche  Mitteilung 
vom  2°8.  Mai  1900  und  22.  Nov.  1901  a.  St.)  in  ^jJ.^)^\  eine 
Verschreibung  für  ^^^.iijdii!  bezw.  ^A3^i  at  TüdisUn  = 
Theotisd  (bezw.  italienisch   Tedeschi)   „Deutsche"   zu  sehen,   wie 


510  '^-  Marquart, 

bei  QazwinT  II  f t.  (aus  al  'UdrI),  wo  K.xLii.LJi  wahrscheinlich  die 
Deutschen  bezeichnet,  wie  schon  Gr.  Jacob  (Ein  arabischer  Be- 
richterstatter aus  dem  10.  Jahrhundert  über  Fulda,  Schleswig,  Soest, 
Paderborn  und  andere  deutsche  Städte.  2.  Ausgabe  1891  S.  14) 
vermutet  hat,  und  von  Westberg  (Beiträge  zur  Klärung  orien- 
talischer Quellen  über  Osteuropa  S.  65  =  303)  nach  dessen  An- 
deutungen in  '»^i^J^Ll]  verbessert  worden  ist.  In  seiner  Schrift 
Ibrählm's-Ibn-Ja'kübs  Reisebericht  über  die  Slawenlande  S.  102. 
160.  163)  hatte  er  die  (j\.5CÄ.Iai!  mit  den  Aturezani  des  sog. 
baierischen  Geographen  und  den  Turbsi  der  Legende  des  Konstantin 
zusammengebracht.  Obige  Auffassung  empfiehlt  sich  besonders 
aus  sachlichen  Rücksichten,  da  Bekrl  ja  von  politisch  hervorragenden 

Völkern  spricht.  Dann  können  aber  die  yvJliü^l  in  der  That  nur 
die  Ungarn  sein,  die  zwischen  Deutschen  und  PeSenegen  richtig 
in   der  Mitte  stehen. 

Stammt  jene  Notiz,  wie  es  doch  den  Anschein  hat,  gleichfalls 
aus  dem  Reiseberichte  des  Ibrähim  b.  Ja'qüb,  so  ist  es  freilich 
auffällig,  dass  dann  die  Magyaren  unter  doppeltem  Namen  vor- 
kommen :  als  ti^Lj^l  (S.  35,  1.  3)  =  Tovqkoi  und  als  ^^Ji^J^S 
=  Üngri.  Doch  glaubt  Westberg  (Ibrählm's-Ibn-Ja'kübs  Reise- 
bericht S.  39)  eine  Parallele  dazu  aus  dem  Berichte  selbst  bei- 
brinsren  zu  können,  indem  er  unter  den  ,.,Ls_xi  S.  34,  1   die  Nor- 

mannen  (sonst  ..U.^1,  in  der  russischen  Chronik  HoyptMane, 
OypaiaHe)  versteht.  Da  nun  die  im  Westen  an  das  Land  des 
Näqwin  grenzenden   ..Loy«  doch  nur  Dänen,  also  Westskandinavier 

sein  könnten,  die  bei  den  westeuropäischen  Chronisten  speziell 
Nordmanni  hiessen,  andererseits  mit  den  Rös,  welche  gegen  die 
Prüs  von  Westen  her  zu  Schiffe  Überfälle  machten  (S.  37,  5),  die 
Dänen  gemeint  sein  müssten,  die  sich  nach  Saxo  Grammaticus 
um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  in  Samland  festsetzten  (Zeuss, 
Die  Deutschen  und  die  Nachbarstämme  S.  547) ,  so  wäre  in  der 
That  die  Gleichung  gegeben: 

Uya    (spanisch-arabisch   ^j.xiUj^^i  S.  348  f.)  =  Normanni 

=  Dani 

■  wjj!  =  Nordmanni  =  ..X^^^  =  Dani. 

Ibrähim  b.  Ja'qüb  hätte  also,  wie  schon  früher  Mas'üdi  und 
Liudprand  (vgl.  S.  349),  unter  dem  Namen  Bös  die  dänischen  und 
die  schwedischen  Wikinge  zusammengefasst ,  jene  aber  als  Volk 
noch  speziell  unter  dem  Namen  ^.^Uyi  gekannt.  Dagegen  spricht 
der  Umstand,  dass  Ibrahim  Otto  den  Grossen  als  König  der 
Römer    bezeichnet  (S.   37,9),    natürlich    nicht  dagegen,    dass  er 


Osteuropäische  und  ostasiatische  StreifzUge.  511 

die  Deutschen  mit  ihrem  neuen  unterscheidenden  Volksnamen 
genannt  hat,  vielmehr  lässt  sich  der  angezogene  Artikel  Qazwlnl's 
bezw.  al  'UM's,  der  „das  Innere  von  Rum"  überschrieben  ist, 
sogar  zu  Gunsten  jener  Ansicht  anführen.  Man  wird  dann  aber 
weiter  gehen  und  die  Frage  aufwerfen  müssen,  ob  nicht  auch  der 
genannte  sowie  andere  auf  Deutschland  bezügliche  Artikel  Qaz- 
wini's,  in  denen  al  'UM  zitiert  wird,  über  at  Tartüsi  auf  Ibra- 
him b.  Ja'qub  zurückgehe.  Vgl.  de  Goeje  bei  Westberg, 
Ibrahim  Ibn  Ja'kub  S.  156  (Nachtrag  zu  S.  94). 

S.  197  Z.  29:  Auch  der  von  M.  Gaster  übersetzte  jüdische 
Alexanderroman  (An  old  hebrew  romance  of  Alexander.  JRAS. 
1897  p.  544)  denkt  sich  den  Sabbatfluss,  welcher  die  zehn  Stämme 
umgibt,  in  Afrika.  „The  king  then  (von  N'a-'-i73N  oder  NU5-'-|7ainN) 
journeyed  on  with  all  his  army  to  the  land  of  Lapos  (^lob)  or 
Lakis  i^^'Db),  which  was  füll  of  pools  of  oily  water.  They  were 
only  able  to  pass  through  the  land  by  means  of  ships.  The  king 
therefore  ordered  300  ships  to  be  made,  in  which  he  crossed  the 
water,  but  a  very  streng  wind  blew  up,  and  cast  the  king  and 
his  army,  together  with  his  ships,  on  the  other  side  of  the  land 
of  Lapos,  which  brought  them  beyond  the  land  of  the  rivers  of 
Kus  ('vUid),  which  is  near  the  Ten  Tribes.  The  king  then  came 
to  the  river  which  surrounds  the  land  of  the  Tribes,  but  was 
not  able  to  approach  them,  because  huge  stones  were  being  thrown 
up  by  the  river  during  all  the  week-days  until  Sabbath  eve"  etc. 

Es  wird  nicht  zu  kühn  sein,  in  UJicb  eine  Verderbnis  aus 
■(inbs  Falös  zu  vermuten,  worin  jedermann  sofort  den  Namen  der 
abessinischen  Juden  {Falasa)  erkennt. 

Zu  S.  202  Z.  32— S.  203  Z.  1 :  s.  aber  S.  390. 

Zu  S.  203  Z.  6—8:  s.  S.  352  A.  1. 

S.  203  Z.  23  lies   „die  Wolga"   st.   „den  Don". 

S.  205   Z.  22  lies   „rassemblent"   st.    „ressemblent". 

S.  205  Z.  30  lies   „il  se  jette"   st.   „ils  se  jette". 

S.  206  Z.  15  lies   „Reisebericht"   st.   „Reisericht". 

S.  206  Z.  29  lies   „geraten"   st.    „geraden". 

S.  219  Z.  17   lies  „Trabanten"  st.  „Pagen".    Es  ist  die  etaiQsicc. 

Zu  S.  221  A.  Z.  16ff. :  Die  von  al  Harawi  erwähnte  Säule 
ist  nach  G.  Jacob,  Ein  arabischer  Berichterstatter  aus  dem 
10.  Jahrh.  über  Schleswig,  Fulda  u.  s.  w.  =  Studien  in  arabischen 
Geographen,  Heft  1.  3.  Aufl.,  Berlin  1896  (zitiert  von  Kara- 
bac°ek,  WZKM.,  XII  366)  identisch  mit  der  noch  auf  dem  At- 
meidan  erhaltenen  Säule  des  Konstantinos  Porphyrogennetos.  Das 
Wort  a  U/«  ist  hier  nicht  durch  „Leuchtturm",  sondern  durch 


5]^  2  *^-  Marquart, 

,  S  ä  u  1  e "  zu  tibersetzen  (K  a  r  a  b  a  c  e  k).  Über  das  von  al  Harawl 
berichtete  Phänomen  vgl.  Karabacek  S.  369. 

S.  241   Z.  19  lies    „nordwärts"    st.    „südwärts". 

Zu  S.  270  Z.  30—32  s.  S.  390. 

S.  272  Z.  2  lies  Uj.>^^  und  in  der  Übers.  S.  274  Z.  34/35 
„gesteinigt"  st.  „bemitleidet"  (IMitteilung  Nöldeke's).  „L^s-ys 
passte  nicht  für  die  jüdische  Auffassung.  Die  bösen  Juden  leug- 
neten also  gar  die  Kreuzigung;  der  Bösewicht  soll  durch  die  ganze 
Gemeinde  gesteinigt  worden  sein.  Vielleicht  sjDielt  der  Tod  des 
Stephanos  da  mit  hinein". 

S.  273  Z.  19  lies  ö^xi>!  st.  o^X:^l. 

Zu  S.  274  Z.  3    und  S.  276  Z.  26—29    bemerkt  Nöldeke: 
„tXxc  ist  richtig:    „wer  aber  nach  eurer  Ansicht  zu  den  Aposteln 
gehört,  ist  in  der  Schätzung  Christi  besser  als  Lukas"  u.  s.  w. 
Zu  S.  301  Z.  30—31  s.  S.  390. 
S.  311  Z.  3  V.  u.  lies   ^Näqwm"   st.   „Nakon". 
Zu  S.  327  Z.  27  ff.:    Zu    gunsten    dieser  Vermutung    spricht 
ausser  der  arabischen  Schreibung  ^yÜ  d.  i.  ^^.^jjl-J  Näqioin  auch 
die  urkundliche  Namensform  Naquin  in  den  Ortsnamen  Naquins- 
torpe,  Naquinesdorp  (Kunik,  Izvestija  al  Bekri  103).     Vgl.  dazu 
die  Schreibung  Hancimn  =  Hakon  Annales  regni  Francorum  a.  811 
p.  134  ed.  Kurze. 

S.  353  Z.  36  füge  ein:  In  der  That  ist  Bös  als  slawische 
Bezeichnung  der  Skandinavier  bezeugt  durch  Ibrahim  b.  Ja'qub 
bei  Bekri  S.  37,  5  (oben  S.  510). 

S.  362  A.  3  lies:  „Ebenso  Müllenhoff,  DA.  II  61  f.  69. 
Beovulf  19.  —  Mucb,  Deutsche  Stammsitze  und  R.  Löwe"  u.  s.  w. 
S.  368  A.  Z.  27/28  lies  „Wendenkämpfer"  st.  „ein  Wenden- 
heer besitzend";  vgl.  Ferd.  Wrede,  Über  die  Sprache  der  Ost- 
goten in  Italien  S.  102.  Quellen  und  Forschungen  zur  Sprache 
und  Culturgeschichte  der  germanischen  Völker,  Heft  68.  Strass- 
burg  1891. 

Zu  S.  380  Z.  nf[.:  Mit  Rücksicht  auf  die  Verse  112—114 
des  Widsld: 

Hedcan  sohte  ic  and  Beadecan     and  Herelingas, 
Emercan  sohte  ic  and  Fridlan     and  Eastgotan, 
frodne  and  godne     fasder  Unwenes, 
wo  die  Herelingas  mit  Eastgota ,  dem  Vater  des  Unwen  d.  i.  mit 
Ostrogotha,    dem  Vater    des    Hunvil    (nach  Müllenhofi"  für  Unvin 
=  wulfilanisch  *Umoens,    ahd.    Unwän)    in    der   Stammtafel    der 
Araaler  (Jordan.  Get.  c.  14  §  79)  in  engere  Verbindung  gebracht 
zu  werden  scheinen,  empfiehlt  sich  noch   mehr  die  Annahme,  dass 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  513 

die  Harlangen  ihre  Stelle  ursprünglich  in  Heldenliedern  auf  die 
grossen  Wikingerzüge  um  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  gehabt 
haben  werden,  an  welchen  die  Heruler  einen  hervorragenden  An- 
teil genommen  haben.  Sie  wären  dann  erst  verhältnismässig  spät 
vom  Kreise  des  Ermanarik  angezogen  worden. 

Zu  S.  361,  27 — 29.  386  Z.  3ff. :  Eine  solche  Nachricht 
existiert  allerdings:  es  ist  nämlich  sehr  wohl  möglich,  dass  im 
5.  und  6.  Jahrhundert  bereits  Schweden  des  Pelzhandels  wegen 
bis  zur  Wolga  und  Kama  gelangten  und  dort  selbst  die  kostbaren 
blauschwarzen  Zobelpelze  einhandelten,  die  von  ihnen  dann  ihren 
Wecr  durch  verschiedene  andere  Völker  zu  den  Römern  nahmen. 
VgL  Jordan.  Get.  c.  3  §  21 :  hi  (Suehans)  quoque  sunt,  qui  in 
usibus  Eomanorum  sappberinas  pelles  commercio  interveniente 
per  alias  innumeras  gentes  transmittunt ,  famosi  pellium  decora 
nigridine.  Dann  könnten  sie  auch,  wie  die  späteren  Rös,  die  Wolga 
hinab  und  über  den  Wolok  in  den  Don  und  in  die  Maiotis  ge- 
kommen sein,  so  dass  die  Hrös  des  Anonymus  schon  so  gut  Schweden 
wären  wie  die  'Pwg  des  9.  Jahrhunderts.  Doch  ist  auch  möglich, 
dass  durch  die  Worte  commercio  interveniente  i^er  alias  innumeras 
gentes  bei  Cassiodorius  der  Zwischenhandel  durch  die  verschiedenen 
Völker  vom  Ural  bis  zur  baltischen  Küste  angedeutet  war,  ver- 
mittelst dessen  der  Zobel  bis  zu  den  Schweden  kam.  Vgl.  auch 
Tb.  V.  Grienberger,  Die  nordischen  Völker  bei  Jordanes.  ZDA.  46, 
1902^  S.  145  f. 

Es  ist  wohl  kein  Zufall,  dass  das  Abbrechen  der  Nachrichten 
über  die  Hrös  zeitlich  zusammenfällt  mit  der  Ausdehnung  des 
Reiches  der  Westtürken  bis  zur  Krim  (oben  S.  504):  das  straffe 
Regiment  der  Türken  und  ihrer  Nachfolger,  der  Chazaren,  das  an 
die  Stelle  der  verschiedenen,  sich  gegenseitig  befehdenden  Hunnen - 
horden  getreten  war,  dürfte  den  Hrös  die  Lust  zur  Wiederkehr 
verleidet  haben. 

Übrigens  hätte  noch  Erwähnung  verdient,  dass  sich  in  dem 
von  Haupt  herausgegebenen,  wahrscheinlich  noch  im  siebenten 
Jahrhundert  entstandenen  Liber  monstrorum  c.  2  (M.  Haupt,  Opus- 
cula  vol.  II  p.  223)  ein  sehr  merkwürdiger  wörtlicher  Anklang  an 
die  Schilderung  der  Hrös  beim  Anonymus  findet.  Es  heisst  da- 
selbst von  Hugilaicus,  dem  rex  Getarum  d.  i.  der  Geaten :  Et  fiunt 
monstra  mirae  magnitudinis ,  ut  rex  Hugilaicus,  qui  imperavit 
Getis  et  a  Francis  occisus  est,  quem  equus  a  duodecimo 
aetatis  anno  portare  non  potuit.  cuius  ossa  in  Rheni  flu- 
minis  insula,  ubi  in  Oceanum  prorumpit,  reservata  sunt  et  de 
longinco  venientibus  pro  miraeulo  ostenduntur  —  ganz  wie  der 
Anonymus  die  Hrös  als  Männer  mit  langen  Gliedern  schildert, 
welche  Pferde  nicht  tragen  können,  da  sie  (grosse)  Glieder  haben. 

S.  395  A.  1  Z.  3.  402  A.  Z.  38  und  S.  449  Z.  6  v.  u.  lies 
685  st.  681/82. 

qq 
Marquart,  Streifzüge.  "" 


5]^4  J-  Marquart, 

S.  402  A.  Z.  23  lies  669—678  st.  677—687. 

S.  441  Z.  8  lies  662/63  st.  667. 

Zu  S.  443  Z.  15ff. :  Die  hier  voiiiegeuden  Widersprüche  er- 
klären sich  daraus,  dass  die  Armenier  den  Zug,  welchen  Aipiiut'ver, 
der  Fürst  der  Hunnen  von  Waraö'an,  unmittelbar  vor  dem  Jahre 
62  H.  =  681/82  n.  Chr.  (vgl.  Mos.  Kai.  II  39  S.  368)  nach  Al- 
banien unternahm,  um  die  Ermordung  des  Fürsten  Gevanser,  seines 
Eidams,  zu  rächen  (Mos.  Kai.  11  36  S.  361  f.),  mit  dem  grossen 
Chazare nein  fall,  bei  welchem  die  Fürsten  von  Armenien  und 
Iberien  fielen,  zusammenwarfen.  Allein  im  Jahre  681/82  war 
Grigor  Mamikonean ,  der  Fürst  von  Armenien,  noch  am  Leben, 
wie  der  Brief  des  Fürsten  der  Hunnen  an  den  Oberbischof  Ar- 
meniens Sahak  (679 — 702)  und  die  Antwort  des  letzteren  (Mos. 
Kai.  II  44  S.  397;  45  S.  399)  beweisen.  Der  Einfall  der  Cha- 
zaren,  bei  welchem  er  fiel,  kann  also  erst  später  stattgefunden 
haben.  Das  richtige  Datum,  nämlich  das  siebente  (Stephan  Asoiik : 
das  fünfte,  A-  für  l^)  Jahr  des  Katholikos  Sahak  =  685  gibt 
Joh.  Kath.  S.  53,  und  so  rechnet  auch  die  ^irjyTjötg,  indem  sie 
dem  Grigor  24  Jahre  (vom  zweiten  Jahre  des  Mu'äwija  =  662/63 
ab)  gibt.  Die  Liste  der  drei  Statthalter  ist  also  folgendermaassen 
aufzufassen : 

Grigor  Mamikonean  24  J.     662/63 — 685 
Asot  Bagratuni  3  J.  686—688 

Nerseh  Kamsarakan  3.  J.       689—691 
Smbat  Bagratuni  692. 

tevond  (S.  34.  35)  gibt  an,  im  zweiten  Jahre  des  Abdl-Melik' 
sei  ein  Bürgerkrieg  unter  den  Tatikk'  ausgebrochen,  der  drei  Jahre 
gedauert  habe.  Während  dieser  Zeit  hätten  die  Armenier,  Iberer 
und  Albanier  die  Tributzahlung  eingestellt.  „Und  im  vierten  Jahre 
wurden  Herr  über  unser  Land  Armenien  das  nördliche  Volk,  welche 
Chazirk'  heissen,  und  töteten  im  Kampfe  den  Fürsten  Grigor  und 
die  meisten  von  den  Notabein,  und  die  Fürsten  von  Iberien  und 
Albanien;  und  sie  selbst,  den  Raubzug  ausdehnend  über  unser 
Land  Armenien,  nahmen  die  meisten  Gaue  und  Flecken,  und  sie 
nahmen  die  Gefangenen  und  zogen  ab  in  ihr  Land".  Da  'Abd  al 
Malik  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Marwän  b.  al  Hakam  am  Neu- 
mond des  Ramadan  65  =  11.  April  685  die  Regierung  antrat,  so 
hätte  also  der  Bürgerkrieg  von  686—688  gedauert  und  der  Ein- 
fall der  Chazaren  wäre  ins  Jahr  689  zu  setzen.  Allein  nach  dem 
Falle  des  Muchtär  (14.  Ramadan  67  =  3.  April  687)  waren  die 
Bürgerkriege  noch  keineswegs  zu  Ende.  Allerdings  ernannte  Mu9'ab, 
der  Bruder  des  'Abdallah  b.  az  Zubair,  damals  den  al  Muhallab 
b.  Abu  gufra  zum  Statthalter  von  al  Mau^il,  al  Gazira,  Armenien 
und  A(Jarbaigän  (Tab.  II  vö.,  16—17),  aber  erst  nach  dem  Unter- 
gang des  Mu9'ab  (Herbst  691)  ward  'Abd  al  Malik  Herr  des  Iräq. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  515 

Es  ist  also  ohne  weiteres  klar ,  dass  die  Chronologie  des  Levond 
hier  unbrauchbar  und  der  Tod  des  Fürsten  Grigor  und  der  Ein- 
fall der  Chazaren  in  den  Beginn,  nicht  ans  Ende  der  Bürger- 
kriege zu  setzen  sind.  Auch  das  ist  unrichtig ,  dass  bei  jenem 
Chazareneinfall  auch  der  Fürst  von  Albanien  gefallen  sei ,  ein 
Fehler,  den   Stephan  Asoiik  richtig  vermieden  hat. 

Weitere    Bemerkungen    über   Bulgaren    und 
Magyaren. 

Zu  S.  69  Z.  4  ff.  162  Z.  27  f:  Die  Vermengung  der  Magyaren 
mit  den  Baschkiren  findet  sich  schon  in  dem  alten  Berichte  des 
rijn  Rusta,    GurdezI   und    Bekri.      Ersterer   beginnt    nämlich    den 

Artikel  über  die  Magyaren  mit  den  Worten :   üxi'LjL^i!  S^  ^J^.J» 

Ä,jji:f\i!   0^^>.£>   q/1   iA>  v3^1   KjjL^CL.J!   q/s   J.^1   o"^j   ^^j_»   d.  h. 

„zwischen  dem  Lande  der  Pecenegen  und  dem  Lande  der  bulga- 
rischen Jsgil  ist  das  erste  der  Gebiete  der  Magyaren".  Nachlässiger, 
aber   was  die  Namen  betrifft,    ebenso  schreibt  Bekri   S.  45,  3 — 4 : 

^A   J.JC^1    O^j   (j>j»   KAyÜLr^^ii   J^J   ^J^.J   1*.^^   xjji.^i\    O^Ij  jS'Ö 

Kj.LJvJuJt  „Bericht  über  das  Land  der  Magyaren:  Sie  (wohnen) 
zwischen  dem  Lande  der  Pecenegen  und  dem  Lande  der  bulgarischen 
Isgil".     Dagegen    sagt    GurdezI  (Barthold  S.  98,  5):    ci*.j"%   .mLa/o 

„zwischen  dem  Gebiete  von  Bulgär  und  dem  Gebiete  Isgil,  das 
ebenfalls  zu  Bulgär  gehört,  ist  das  Gebiet  (oder  „die  Grenze") 
der  Magyaren".  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Ibn 
Rusta  hier  den  ursprünglichen  Text  bewahrt  hat.  Isgil  ^}Jt^\ 
hiess  nach  unserem  Gewährsmann  der  zweite  der  drei  Stämme  der 
Wolga-Bulgaren^),  vergegenwärtigt  man  sich  aber  die  von  ihm 
vorausgesetzte  Lage  der  Wohnsitze  der  Pecenegen ,  so  muss  ein 
Blick  auf  die  Karte  jedermann  davon  überzeugen,  dass  das  zwischen 
den  Pecenegen  in  den  uralo-kaspischen  Steppen  und  den  Isgil - 
Bulgaren  an  der  Kama  gelegene  erste  Gebiet  der  Magyaren  sich 
genau  mit  dem  Lande  der  Baschkiren  deckt.  Muslim  b.  Abu 
Muslim  muss  somit  als  der  Vater  der  Theorie  von  Magna  Hungaria 
im  Baschkirenlande  gelten,  die  im  13.  und  noch  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  die  Gemüter  in  Halbasien  in  Wallung  brachte. 
Besser  vmterrichtet  zeigt  sich  schon  der  Verfasser  der  [Jrsprungs- 
legende  der  Chirchlz  (bei  GurdezI  S.  85,  18  ff.),  nach  welchem  die 


1)  Ibn  Rusta  \f\ ,  91 ;  GurdezI  S.  97,  16.  Nach  Ibn  Fadhän  waren 
dem  Könige  der  Bulgaren  vier  Fürsten  unterthan;  s.  Frähn,  Die 
ältesten  arabischen  Nachrichten  über  die  Wolga -Bulgharen  S.  42. 

33* 


516  J.  Marquart, 

Oy:^Ui-j  Basgirt  eine  Kolonie  von  vornehmen  Chazaren  sein  sollten, 
die  sich  mit  2000  Reitern^)  zwischen  Chazaren  und  Kaimäk  nieder- 
gelassen hätten.  Für  die  Bestimmung  der  Sitze  der  wirklichen 
Magyaren  zur  Zeit  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  kommt  somit  obige 
Stelle  gänzlich  in  Wegfall,  am  allerwenigsten  aber  darf  sie  dazu 
verleiten,  mit  Westberg  (Beiträge  zur  Klärung  etc.  S.  5f.  = 
215  f.)  die  doi't  vorkommenden  bulgarischen  J^iCwl  Isgü  von  den 
kurz  vorher  erwähnten  Jjt^l  Isgil  zu  trennen  und  gar  nach 
Chwolson's  Vorgange-)  mit  den  Siebenbürger  Szeklern  zu 
identifizieren.  Dagegen  gewinnen  wir  durch  die  richtige  Inter- 
pretation jenes  einleitenden  Satzes  wieder  einen  wichtigen  Einblick 
in  die  Komposition  der  durch  die  Nachlässigkeit  unserer  Auszüge, 
durch  Auslassungen  und  Interpolationen  vielfach  so  schwer  ver- 
ständlichen Berichte  des  Muslim  b.  Abu  Muslim. 

Beschreibung  der  Wohnsitze  der  Magyaren  anlangt, 
so  ist  bei  GurdezT  zuerst  nur  von  einem  Flusse  die  Rede ,  an 
welchem  die  Magyaren  hausten.  Der  Text  ist  zwar  in  der  Oxforder 
Hs.  lückenhaft,  doch  lässt  sich  demselben  mit  geringer  Mühe  auf- 
helfen. Ibn  Rusta  berichtet  Ifr,  11 — 15:  „Ihr  Land  ist  ausgedehnt, 
und  eine  Grenze  desselben  stösst  ans  Romäermeer,  und  es  münden 
in  jenes  Meer  zwei  Ströme ,  von  denen  der  eine  grösser  ist  als 
der  Gaihün  (Oxus).  Ihre  Wohnsitze  befinden  sich  zwischen  diesen 
beiden  Strömen.  Zur  Winterszeit  nun  geht  jeder  von  ihnen  der 
einem  der  beiden  Ströme  näher  ist,  auf  jenen  Strom  zu  und  bleibt 
dort  jenen  Winter,  indem  sie  in  ihm  Fische  fangen,  und  ihr  Ver- 
bleib daselbst  im  Winter  ist  ihnen  zuträglicher*.  Dagegen  beginnt 
GurdezT  98,8—9  mit  den  Worten:  „Ihr  Gebiet  ist  100x100 
Fars.  (gross),  und  ihr  Gebiet  reicht  ans  Meer  der  Romäer,  j!   j^^ 

lX;«:?!  Lj.J  .^j  .,^>==- J»^.".  Für  diesen  unverständlichen  Relativ- 
satz ist  zu  lesen:»  Lj  o  .^  ji  .,y^^=>-  O5.  \\  <i^jXSjji  '^^j>  ^^ 
j^äM  ,in  welches  Meer  ein  Fluss  grösser  als  der  Fluss  Gaihün 
mündet",  worauf  der  Text  fortfährt:  „Sie  sitzen  zwischen  diesem 
Flusse,  und  kommt  der  Winter,  so  kommen  alle,  welche  vom 
Strome  (6aihün)  weiter  entfernt  gewesen  sind,  in  die  Nähe  des 
Stromes  (Öaihün)  zurück  und  verweilen  den  Winter  da,  und  fangen 
Fische  und  erwerben  damit  ihren  Lebensunterhalt".  Die  ganze 
Stilisierung  beweist,  dass  die  beiden  Abweichungen  von  der  durch 
Ibn  Rusta  vertretenen  Textform  beabsichtigt  sind.  Erst  später, 
eingesprengt  zwischen  die  Notiz  über  die  .vA;J,  finden  wir  die 
Namen  von  zwei  Strömen:    .Diese  beiden  Ströme  (Öaihün)  nennt 


1)  Dieselbe  Stärke  des  Volkes  findet  sich  bei  Ist.  r^ö.  4—5. 

2)  Izvestija  0  Chazarach  etc.  S.  69,  angeführt  von  Geza  Kuun, 
Relat.  Hungarorum  etc.  I  85**»*.  129**. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  517 

man  den  einen  Itil,  den  anderen  Lj^O  Dübä" ,  und  dass  dieselben 
mindestens  schon  bei  Gaihänl  gestanden  haben,  beweist  öukru'lläh 
b.  Sihäb  (bei  Hammer,  Sur  les  origines  russes  p.  108,  9)  bezw. 
dessen  Vorlage  Muhammad-i  'Aufl,  der  sonst  am  nächsten  zu  Ibn 
Rusta  stimmt  (vgl.  die  S.  173  A.  3  angeführte  Stelle  mit  Ibn 
Eusta  in,  7—9). 

Wenn  es  dagegen  in  dem  in  Tumanskij's  Besitz  befindlichen 
Werke  JLxJ!  O^J«.^»,  das  dieselbe  Vorlage  benutzt  hat  wie  Gurdezi, 
von  den  ol^yi  (Gurdezi  obyi)  wirklich  heisst,  dass  sie  am  Ufer 
des  Schwarzen  Meeres  in  der  Nachbarschaft  von  Inner -Bulyär 
und  der  chazariscben[?]  Peöenegen  wohnen  (Westberg,  Beiträge 
zur  Klärung  etc.  S.  215  =  5),  so  würde  dies  erweisen,  dass  der 
ganze  Abschnitt  über  die  ^a;j  und  otoyi  bezw.  ol^yo  eine  dem 
Berichte  des  Muslim  b.  Abu  Muslim  fremde  Interpolation  ist. 
Die  inneren  Bulyär,  welche  Christen  sind,  sind  nämlich  keine 
anderen  als  die  Donau-Bulgaren.  Balchl-Istachri  sagt  in  seiner 
Einleitung  S.  v,  8 — 12:  »Was  die  Breite  der  Erde  von  ihrem 
äussersten  Ende  an  der  Grenze  des  Nordens  bis  zu  ihrem  äussersten 
Ende  an  der  Grenze  des  Südens  betrifft,  so  geht  man  aus  vom  Ge- 
stade des  Weltmeeres,  bis  man  zum  Lande  Gog  und  Magog  kommt ; 
dann  geht  man  vorbei  hinter  den  Slawen  und  durchschneidet  das 
Land  der  inneren  Bulyär  und  der  Slawen  •)  und  dringt  ein  durchs 
Land  der  Romäer  nach  Syrien,  bis  man  herauskommt  durch  Syrien, 
das  Land  Ägypten  und  Nubien  .  .  .  Soviel  ich  aber  weiss  von 
der  Ausdehnung  dieser  Linie,  so  sind  von  der  Gegend  von  Gog 
nach  der  Gegend  von  Bulgär  und  dem  Lande  der  Slawen  ^)  gegen 
40  Tagereisen,  und  vom  Lande  der  Slawen  durch  das  Land  der 
Romäer  nach  Syrien  gegen  60  Tagereisen,  und  von  Syrien  nach 
Ägypten  30  Tagereisen"  u.  s.  w.  Über  die  Lage  von  Inner-Bulyär 
kann  nach  diesem  Texte  kein  Zweifel  obwalten,  und  wenn  Bulyär 
(Inner-Bulyär)  und  (jüaqäliba  hier  gepaart  erscheinen,  so  weist  dies 
darauf  hin,  dass  beide  Namen  bereits  Wechselbegriffe  für  das  Reich 
der  Donau-Bulgaren  geworden  waren  2).  Immerhin  erkennt  man 
schon  hieraus,  dass  Balchi  -  Istachri  -  Ibn  Hauqal  nur  sehr  un- 
bestimmte Vorstellungen  von  diesem  Lande  besassen. 

Damit  halte  man  folgende  Itinerare  zusammen,  die  Istachri 
am  Ende  des  Kapitels  über  das  Chazarenmeer  gibt  (S.  fCv,  6 — 9 
=  Ibn  Hauq.  f/w,  4 — 8):  „(Von  Itil  nach  Bulyär  (hat  man)  auf 
dem  Wege  der  Wüste  gegen  1  Monat,  und  zu  Wasser  gegen 
2  Monate  Berg-   und  gegen  20  Tage  Thalfahrt.)    —    Von  Bulyär 


1)  Vgl.  Mas'üdl,  Kit.  at  tanblh  \^r,   17/18:     ^\-^J   ^^3    *^'jj' 
».JüiAaJt»!. 

2)  Vgl.  Mas'üdl,  Kit.  at  tanblh  Ifl,  3:    ,Die   Buryar,    welche   eine 


Abart  der  Slawen  sind" 


518  J-  Marquart, 

zum  Anfang  des  Gebietes  der  Romäer  gegen  10  Tagereisen  j 
von  Bulyär  nach  Küjäba  (Kyjew)  gegen  20  Tagereisen;  von  den 
Peßenegen  nach  Inner  -  Basgirt  (Ungarn)  10  Tage;  von  Inner- 
Basgirt  nach  Bulyär  25  Tage".  In  dem  eingeklammerten  Satze 
ist  mit  Bulyär  die  Hauptstadt  der  Wolga  -  Bulgaren  gemeint,  in 
den  folgenden  dagegen,  obwohl  der  Verfasser  dies  durch  keine 
Silbe  andeutet,  ist  darunter  offenbar  überall  Donau- Bulgarien  zu 
verstehen.  An  einer  anderen  Stelle  wird  scheinbar  Gross-Bulgarien 
von  Inner-Bulgarien  unterschieden.  S.  i*!"),  8 — 12  sagt  er  nämlich, 
von  den  Russen  sprechend:  »Ihre  Kleidung  besteht  aus  kurzen 
Kaftans ,  die  Kleidung  der  Chazaren,  Bulyär  und  Pe^enegen  aber 
aus  vollständigen  Kaftans.  Diese  Rös  treiben  Handel  zu 
den  Chazaren,  und  treiben  Handel  zu  den  Romäern 
und  Gross-Bulyär,  und  sie  grenzen  an  die  Romäer  im 
Norden.  Sie  bilden  eine  zahlreiche  Menge ,  von  deren  Macht  be- 
richtet wii'd ,  dass  sie  den  ihrem  Lande  benachbarten  Romäern 
Tribut  auferlegt  haben.  Die  Inner-Bulyär  sind  Christen".  Es 
liegt  grammatisch  am  nächsten  das  Wörtchen  ^^  „und  sie"  in 
dem  gesperrten  Sätzchen  auf  die  Rös  zu  beziehen ,  in  welchem 
Falle  unter  den  ihrem  Lande  benachbarten  Romäern  die  romäischen 
Besitzungen  auf  der  Krim  zu  verstehen  wären.  Auch  an  den  Zug 
Olegs  gegen  Miklagard  im  Jahre  907  darf  erinnert  werden,  durch 
welchen  die  Romäer  in  der  That  zur  Bezahlung  eines  Tributs  an. 
die  Russen  gezwungen  wurden.  Dann  wäre  Gross-Bulyär  natürlich 
Bulyä.r  an  der  Kama,  und  in  diesem  Sinne  steht  der  Ausdruck  wirk- 
lich in  der  Gothaer  Epitome  (C),  wo  sich  an  Stelle  des  gesperrten 
Satzes  die  Worte  finden :  ^lic^l    .LAJLju,    .lü  ,jvj   Ia   (1.  Li. t.)   b^t^ 

,und  Ar&ä  (das  Gebiet  der  Er^a-Mordwinen)  liegt  zwischen  den 
Chazaren  und  Gross-Bulyä,r".  Dies  war  indessen  sicherlich  nicht 
die  Ansicht  al  Balchl's,  der  von  Bulyär  an  der  Kama  sagt  (Ist. 
(.,  6 — 7  =  Ibn  Hauq.  (f,  21):  „Ausser  -  Bulyär  ist  eine  kleine 
Provinz  '^),  in  welcher  es  nicht  viele  Bezirke  gibt ;  ihre  Berühmtheit 
rührt  daher ,  dass  sie  ein  Stapelplatz  ist  für  diese  Königreiche. 
Die  Rös  sind  ein  Volk  in  der  Gegend  von  Bulyär,  zwischen  diesem 
und  den  Slawen".  Es  scheint  daher,  dass  man  mit  Ibn  Hauqal 
das  Woi-t  ^3,  (bezw,  ^5^)  richtiger  auf  JacbSt  ,LiJLj  bezieht  (vgl. 
die  Anmerkung  des  Herausgebers) ,  so  dass  mit  dem  Volke ,  das 
den  Romäei'n  Tribut  auferlegte,  die  Gross  -  Bulgaren ,  d.  h.  die 
Donau-Bulgaren,  unter  dem  Caren  Symeon  gemeint  wären.  Frei- 
lich ist  der  Text  auch  dann  noch  nicht  in  Ordnung ,  da  jeder 
Araber   bei    dem  Bulyär,    nach   welchem  die  Rös  Handel  trieben, 


1)  Dies  muss  ä.ajA/o  hier  bedeuten,  wie  Muq.  IH,  1.  Die  epitome 
Lugdunensis  (L)  und  Ibn  Hauqal  haben  die  Sch-wierigkeit  gefühlt  und 
deshalb  L.g.xS  in  L.g.J  geändert. 


Osteuropäische  uud  osiasiatische  Sireifzüge.  519 

an  Bulyär  an  der  Kama  denken  niusste.    Es  wird  also  zu  schreiben 

sein:    'J.i.L^   ^^J\  J\  ^3.^0^  ^/  ^Jl  ^^yfi._  ^J.^J\  ^^^ 

^J!   j^^^J  ^jj.4.^Läx  ^9  ^läc^!    <,LiJb.>,  so  dass  der  Satz  lautet: 

,  Diese  Rös  treiben  Handel  zu  den  Chazaren,  und  treiben  Handel 
zu  den  Romäern  und  Bulyär.  —  Die  Gross -Bulgaren  aber  grenzen 
an  die  Romäer  im  Norden"  u.  s.  w.  Die  auch  so  noch  verbleibende 
Schwierigkeit,  dass  Gross-Bulyär  von  Inner-Bulyär ,  mit  dem  es 
sich  bei  dieser  Auffassung  doch  deckt,  scheinbar  unterschieden 
wird ,  muss  man  dann  freilich  als  nicht  aufgehenden  Rest  in  den 
Kauf  nehmen ;  doch  bat  dies  nichts  Bedenkliches ,  da  ja  Balchi- 
Istachrl,  wie  schon  bemerkt,  von  Donau- Bulgarien  nur  eine  sehr 
verschwommene  Vorstellung  hatte. 

An  sich  musste  es  schon  Bedenken  erregen ,  dass  sich  von 
jenem  Passus  über  die  aXj3  und  ofOy»,  welcher  dem  Verständnis 
schier  unübersteigliche  Hindernisse  in  den  Weg  legte,  in  keinem 
der  übrigen  Auszüge  von  Muslims  Bericht  (bei  Ibn  Rusta,  BekrT, 
Sukru'lläh  b.  Sihäb)  bis  jetzt  eine  Spur  entdecken  Hess.  Für  die 
Feststellung  des  Textes  GaihänI's  und  die  Rekonstruktion  des  ur- 
sprünglichen Berichtes  wird  man  daher  die  Veröifentlichung  des 
Textes  'Aufi's,  der  von  Sukru'lläh  b.  Sihäb  sehr  nachlässig  aus- 
gezogen worden  ist,  abwarten  müssen,  ein  begründetes  Urteil  über 
den  Gm-dezi  und  dem  Anonymus  Tumanskij's  eigentümlichen  Ab- 
schnitt wird  aber  erst  möglich  sein ,  wenn  Tumanskij  den  von 
ihm  eifersüchtig  bewahrten  Schatz  der  Wissenschaft  zugänglich 
gemacht  haben  wird. 

Zu  S.  71  Z.  33  ff.:  Der  Beweis,  dass  in  Mas'üdi's  Erzählung  der 
Magyaren einfall  von  934  mit  den  Ereignissen  der  J.  894 — 896  zu 
einem  Bilde  zusammengeflossen  ist,  wird  vervollständigt  durch  eine 
Erzählung  Tabarl's  (III  HöC,  14— riö^,  4)  zum  J.  288  H.  (19.  Febr. 
896 — 7.  Febr.  897),  aus  welcher  hervorgeht,  dass  auch  die  von 
Mas'üdT  berichtete  Bewaffnung  muslimischer  Kriegsgefangener  durch 
den  Kaiser  der  Romäer  in  den  Krieg  Leons  gegen  den  Bulgaren- 
fürsten Symeon  fällt.  Tabarl  erzählt  nämlich:  „In  diesem  Jahre 
traf,  wie  berichtet  wird ,  ein  Brief  aus  Tarsus  ein ,  wonach  die 
Slawen  die  Romäer  mit  einer  zahlreichen  Menge  bekriegten  und 
unter  ihnen  ein  Gemetzel  anrichteten  und  ihnen  zahlreiche  Dörfer 
verwüsteten,  bis  sie  nach  Konstantinopel  gelangten  und  die  Romäer 
zwangen  dort  Zuflucht  zu  suchen,  und  die  Romäer  die  Thore  ihrer 
Hauptstadt  verschlossen.  Hierauf  liess  der  Tyrann  der  Romäer 
dem  König  der  Slawen  sagen :  Unsere  und  eure  Religion 
ist  dieselbe,  weshalb  sollen  wir  uns  denn  gegenseitig  die  Männer 
töten  ?  Da  erwiderte  ihm  der  König  der  Slawen :  Dies  ist  das 
Reich  meiner  Väter ,  und  ich  werde  nicht  von  dir  ablassen ,  ehe 
einer    von    uns    seinen    Gegner   überwältigt    hat.      Als    nun     der 


520  J-  Marquart, 

König  dei'  Romäer  keine  Rettung  vor  dem  Herrscher  der  Slawen 
fand,  versammelte  er  die  bei  ihm  befindlichen  Muslime  und  gab 
ihnen  Waffen  und  bat  sie,  ihm  zu  helfen  gegen  die  Slawen.  Da 
taten  sie  es  und  die  Slawen  wurden  in  die  Flucht  geschlagen. 
Als  das  der  König  der  Romäer  sah ,  fürchtete  er  von  ihnen  für 
sich  selbst.  Darum  sandte  er  zu  ihnen  und  rief  sie  zurück,  nahm 
ihnen  die  Waffen  ab  und  verteilte  sie  in  die  Provinzen  aus  Be- 
sorgnis, sie  möchten  gegen  ihn  Verrat  begehen." 

Bei  den  Byzantinei'n  suchen  wii'  vergebens  eine  Spur  dieser 
Episode.  Um  aber  ihre  Darstellung  des  ersten  Krieges  gegen 
Symeon  verstehen  und  chronologisch  einreihen  zu  können,  ist  aus- 
zugehen von  der  Erzählung  der  Fuldaer  Annalen  (so  lies  oben 
S.  72  für  Annales  Sangallenses  maiores)  zum  Jahre  896  (M.  G. 
SS.  I  412):  Pacem  ergo  Graeci  cum  eodem  anno  cum  Avaris 
[qui  dicuntur  Ungari,]  facientes;  quod  eorum  [conjcives  Bulgari 
in  pravum  vertentes,  hostili  expeditione  contra  eos  insurgunt,  et 
omnem  regionem  illorum  usque  portam  Constantinopolitanam  de- 
vastando  insecuntur.  Quod  ad  ulciscendum  Graeci  astucia  sua 
naves  illorum  contra  Avaros  mittunt,  ac  eos  in  regnum  Bulgarorum 
ultra  Danubium  transponunt.  Uli  transpositi,  manu  cum  valida 
gentem  Bulgarorum  ingressi ,  maximam  partem  caedendo  neci 
tradidei'unt.  Hoc  audientes  positi  in  expeditione  Bulgari,  cum 
omni  festinatione  patriam  deliberare  ab  infesto  hoste  recurrunt, 
consertoque  ilico  proelio,  victi  sunt :  iterum  pari  tenore  recuperare 
nitentes,  secundo  caruere  victoria.  Tandem  miseri,  inscii  quam 
consolationis  causam  vel  remedii  potuissent  invenire,  currunt  omnes 
ad  vestigia  [vetuli]  illorum  regis  Michaelis ,  qui  eos  primum  ad 
christianae  religionis  veritatem  convertit,  inquirentes  quid  eis  ab 
imminenti  periculo  evadendum  consuleret.  Qui,  indicto  triduano 
ieiunio ,  penitenciam  de  inlata  christianis  iniuria,  dein 
auxilium  a  Deo  quaerendum  esse  praemonuit.  Quo  peracto,  durum 
inierunt  certamen;  pugnantibus  vero  ambabus  acerrime  partibus, 
ad  ultimum  misericordia  Dei  victoria,  quamvis  cruenta,  christia- 
nis concessa  est.  Quis  enim  gentilium  Avaroi-um  strages  tantis 
congressionibus  enumerando  possit  exponere?  cum  Bulgarorum,  ad 
quos  victoria  concessit,  numero  20  miKa  equitum  caesa  inveniuntur. 
Stipantibus  vero  isdem  in  partibus  inter  se  conflictibus,  Imperator 
Pannoniam  cum  urbe  Paludarum  tuendam  Brazlowoni ,  duci  suo, 
in  id  tempus  commendavit.  Leo  vero,  Imperator  Graecorum,  La- 
zarum  quendam  vocatum,  episcopum,  ad  Caesarem  Augustum  cum 
muneribus  transmisit;  quem  ille  apud  urbem  Radisbonam  gratanter 
suscipiens,  paucos  eum  dies  secum  retinuit,  tandem  honoribus  di- 
tatum  remisit  in  sua. 

Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  vorstehende  Erzählung  sieh 
mit  dem  arabischen  Bericht  in  keiner  Weise  vereinigen  lässt,  ob- 
wohl dieser  den  Standpunkt  des  Kaisers  Leon  getreu  wiederspiegelt 
und    somit    die    romäische  Herkunft    nicht    verleugnet.      Allein   es 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  521 

ist  kaum  zweifelhaft,  dass  die  Erzählung  des  fränkischen  Annalisten 
sich  auf  dieselben  Ereignisse  bezieht,  welche  er  schon  zum  Jahre 
895  kurz  mit  den  Worten  vermeldet  hatte :  Avari  terminos  Bulga- 
rorum  invadentes,  ab  ipsis  praeventi  sunt,  et  magna  pars  eorum 
exercitus  interfecta  est.  Das  Gerücht  von  diesen  Bewegungen 
muss  vor  dem  Juli  895  nach  Baiern  gelangt  sein,  und  es  ist  daher 
sehr  wahrscheinlich,  dass  König  Arnulf  die  genauere  Schilderung 
derselben  erst  durch  Lazarus,  den  Gesandten  des  Kaisers  Leon 
im  November  oder  Dezember  896  in  Regensburg  empfiengi). 
Merkwürdig  ist  dann  freilich,  dass  der  romäische  Bischof  die 
jüngsten  Zusammenstösse  der  Romäer  mit  den  Bulgaren,  welche 
nach  Tabari  ins  Jahr  896  gehören  müssen  und  vermutlich  die 
unmittelbare  Veranlassung  zu  der  Gesandtschaft  gegeben  haben, 
mit  keiner  Silbe  erwähnt,  aber  nicht  auffälliger  als  das  völlige 
Schweigen  der  Byzantiner  über  die  Vei-^\'endung  muslimischer 
Kriegsgefangener  gegen  Christen. 

Dagegen  deckt  sich  der  Bericht  des  Annalisten,  abgesehen 
von  der  Veranlassung  des  Krieges,  in  allem  wesentlichen  mit  den 
byzantinischen  Darstellungen  des  ersten  Krieges  Symeons  mit  den 
Romäern^).  Darnach  hatte  der  Kaiser  den  Bulgaren  nur  die  haupt- 
städtischen Gardetruppen •^)  entgegenzuwerfen:  die  Linienregimenter 
(d-iiiara)  waren  zum  üblichen  Sommerfeldzug  {ra'^eiöiov,  arab.  Qäi'fa) 
gegen  die  Sarazenen  nach  Kleinasien  ausgerückt*).  Der  erste  Zu- 
sammenstoss  fand  in  Makedonien  statt,  bei  welchem  der  Stratelat 
Prokopios  Krenites  (aus  dem  armenischen  Fürstengeschlecht  der 
Mamikonier)  selbst,  der  Armenier  Kurtikes  und  viele  andere  Offiziere 
die  Wahlstatt  bedeckten.  Chazaren  aus  der  kaiserlichen  Hetärie, 
welche  in  seine  Hände  fielen,  entliess  Symeon  den  Romäern  zum 
Schimpf  mit  abgeschnittenen  Nasen  nach  der  Hauptstadt  und  ver- 
wüstete Thrakien,  um  bald  selbst  mit  seinem  siegreichen  Heere 
vor  den  Thoren  der  Residenz  zu  erscheinen.  In  dieser  Gefahr 
sandte  der  Kaiser  den  Niketas  Skieros  mit  Kriegsschiffen  nach 
der  Donau,  um  die  Magyaren  zu  einem  Einfall  nach  Bulgarien 
zu  dingen.    Dieser  schloss  mit  ihren  Häuptern  Arpad  und  Kursan 


1)  Vgl.  E.  Dümmler,  De  Aruulfo  p.  173.  Geschichte  des  Ost- 
fränkischen Reiches  III  "^  451  A.  4. 

2)  Georg.  Monach.  cont.  de  Leone  Basilii  filio  c.  11 — 13  p.  853,  1 — 
855,  7  ed.  Bonn.  =  Leon  Gramm,  p.  266,  17— 269,  4.  Theophan.  cont. 
VI  9  p.  357,  12—359,  16,  Symeon  Mag.  p.  701,  22—702,  2.  Zonar.  VI  12, 
15_27,  vol.  III  p.  442—444  ed.  Bonn. 

3)  Georg.  Monach.  p.  853,  14—15:  ^ad-cov  ravta  6  ßaadsvg  ano- 
CTsXXtL  rbv  Kgriv^triv  atQcctriXdtriv  v.u.xa  BovXyaQav  fiero;  oitlcov  y.ul 
ccQxövTcov  TtoU&v  t  fj  ?  Tt  6  X  £  CO  ?  v.ara  Zv\iimv.  Ebenso  Leon  Gramm, 
p.  267,  8—10.  Über  die  Stärke  der  europäischen  Divisionen  vgl.  G el z e  r , 
Die  Genesis  der  byzantinischen  Themenverfassuug  S.  96  f. 

*)  Leon  Tact.  18,43  p.  287  ed.  Meursius:  v.ai  yuQ  rav  j]^STiQcav 
Swa^LSCov  Karo.  Z!aQccxT]V(bv  aaxolovinvcov. 


522  J-  Marquart, 

ein  förmliches  Bündniss  ab,  kraft  dessen  sie  sieh  zum  Kriege  gegen 
Symeon  verpflichteten  und  Geiseln  stellten,  mit  denen  Niketas  nach 
Konstantinopel  zurückkehrte.  Dieser  Schritt  hielt  sich  allerdings 
völlig  im  Rahmen  der  herkömmlichen  byzantinischen  Politik,  wie 
sich  denn  selbst  der  fromme  Herakleios  nicht  schämte,  die  christ- 
lichen Georgier  durch  die  heidnischen  Türken  hinwürgen  zu  lassen 'j 
bei  Kaiser  Leon  nahm  er  sich  jedoch  um  so  niederträchtiger  aus, 
als  er  selbst  immer  wieder  dem  Bulgaren  gegenüber  an  dessen 
christliches  Gemeinsamkeitsgefühl  appellierte ,  und  Fürst  Symeon 
konnte  den  Romäern  diese  Tücke,  die  so  namenloses  Unheil  über 
Bulgarien  brachte,  sobald  nicht  vergessen. 

Gleichzeitig  gieng  an  Nikephoros  Phokas ,  den  Obersten  der 
Palastgarde  (öofiiartKog  räv  6xoXä)v) ,  der  den  Feldzug  gegen  die 
Araber  leitete'),  der  dringende  Befehl  ab,  das  Heer  schleunigst 
über  den  Bosporos  zurückzuführen.  Alsdann  wurden  abermals 
Kriegsschiffe  unter  dem  Befehle  des  Patrikios  Eustathios,  des 
Drungarios  der  Excubitores  abgesandt,  um  die  Magyaren  über- 
zusetzen, und  zwar  waren  es  nach  Konstantin  Porphyrogennetos 
vor  allem  die  drei  Stämme  der  chazarischen  KdßaQOt  unter  Arpads 
Sohn  Liuntis,  welche  sich  den  Magyaren  angeschlossen  und  unter 
ihnen  die  führende  Rolle  gewonnen  hatten ,  die  auch  bei  diesem 
Unternehmen  die  Leitung  hatten'^).  Inzwischen  war  auch  Nike- 
phoros Phokas  mit  dem  Heere  auf  dem  Kriegsschauplatz  er- 
schienen-^),  vor  dem  Symeon  nach  Bulgarien  zurückwich.     Einen 


^)  Dies  ergibt  eine  Kombination  von  Anm.  4  S.  521  mit  den  A.  3 
angeführten  Stellen.  Dass  der  dofitWixos  rüv  g^oX&v  den  Oberbefehl 
über  die  ganze  Armee  hatte,  bezeugt  ausdrücklich  Qod.  Tot,  6f. ;  vgl. 
auch  Konstantin  Porphyrog.  de  caerim.  aulae  Byz.  I  p.  444  und 
Geizer,  Die  Genesis  der  byzantinischen  Themenverwaltung  S.  108. 

-)  Konstantin  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  39  p.  171,  15 — c.  40 
p.  172,  21.     S.  0.  S.  52  und  Anm.  4.  5. 

^)  Georg.  Mon.  p.  854,  4 — 6:  Niy.r\(p6qov  8k  nutQUiov  töv  ^cokü  xal 
«Jofie'ffTixov  ftfTCj  täv  &8iidTcov  aniaraXtv  diä  yfjs,  aal  siafjXQ'i:  fiixQi' 
BovlyÜQcov.  Leon  Gramm,  p.  267,  23—268,  2.  Theoph.  cont.  VI  9  p.  358, 
12—16.  Zonar.  XVI  12,  20—21  p.  443  ed.  Bonn.  Kaiser  Leon,  Tact. 
28,  43  p.  287  s.  erwähnt  das  Eingreifen  des  romäischen  Heeres  nicht; 
er  sagt  nur:  'TLml  Sl  Tovq-kcov  ^jxvTjff'O'rjfifv,  ovx  adoxiiiov  xpiVojXiv  xal 
OTtcog  avxol  TtccQaxdxxovtui  nai  OTtcog  avxols  ccvxntaQccxä^cca&ai  Siov  Sia- 
6aq)fjaui,  dia  (isxQitxs  Tti-igccg  &va^ccQ'6vxtCi  oxs  ov^^d^oig  avxotg  ixQ^- 
ßdiit&a  BovXyaQwv  xäg  tiQriVixdg  naQaßtßriKoxcov  anovdug  xal  xä  xfjg 
0p«xr]S  xcoQLCi  y.ax(x6Qay.6vxcov.  olg  t)  ^ikt]  im^iX&ovoa  xfjg  stg  XqiGxbv 
xbv  Qsbv  TtaQOQv.iag  xcöv  öXcov  xbv  ßaaiXicc  xä^og  ^(p&aaiv  iTtiO'iiTvca  xr]v 
XLficoQiuv.  Kai  yuQ  x&v  j][iSxiQcov  Svvd^tcov  Kuxd  ^ccQaxi]rä)v  do^oXav- 
liivtov  TovQxovg  T]  &SIU  TtQovoia  avxl  'Pu>[iaio)v  kccxu  BovXydgav  iöxga- 
xsvai:V,  7tX(ai)iov  axoXov  xfjg  fj^wv  ßaaiXtiag  uvxovg  Siantgdcavxog  xh  y.ul 
av^^axrjoavxog,  xal  xbv  xaxtog  xara  ;(pi«7rjo:t'wi'  önXta&^vxa  BovXyaQav 
Gxgaxbv  tqigI  [Ld%aig  xccxu  xgdxog  v£vi7iriy.6xag  waccvtl  Stjiiiovg  (gleich- 
sam als  Henker)  i^a.noaxtiXao<(x>  v.ux'  avxav,  i'va  ft/j  Ixorrfg  'Pcofiaiot 
XQtaxiuvol   xQiCTicivüiv  BovXydqav    ui'iiaoi   ;^paiVo/j'TO.      Darnach   würde 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  523 

Friedensantrag ,  den  ihm  der  Kaiser  jetzt  durch  den  Quästor 
Konstantinakis  machen  liess,  musste  er  angesichts  der  romäischen 
Rüstungen  zu  Lande  und  zur  See  für  eine  Falle  halten  und  be- 
antwortete ihn  dadurch,  dass  er  den  Gesandten  einsperrte.  Allein 
schon  waren  die  Magyaren  im  Begriff,  sich  auf  ihre  Beute  zu 
stürzen.  Die  Bulgai-en  vermochten  die  Übersetzung  der  gefürchteten 
Feinde  nicht  zu  hindern  i),  die  unter  ihnen  ein  furchtbares  Ge- 
metzel ani'ichteten -)  und  ganz  Bulgarien  verheerten  und  in  Ge- 
fangenschaft schleppten.  Während  Symeon  nun  dui'ch  das  romäische 
Heer  festgehalten  wurde ,  erhielt  er  die  Kunde  von  den  Ver- 
heerungen der  Magyaren ,  worauf  er  ihnen  schleunigst  entgegen- 
eilte ■^) ,  allein  in  zwei  Feldschlachten  aufs  Haupt  geschlagen  sich 
mit  knapper  Not  in  die  Festung  Drster  {JiGxqa,  Silisti-ia)  zu 
werfen  venuochte.  Die  Feinde  drangen  bis  zur  Hauptstadt  Preslaw 
(2  Stunden  sw.  von  Sumen)  vor,  und  auf  ihre  Aufforderung  sandte 


man  glauben ,  das  romäische  Heer  sei  auch  während  des  Feldzuges 
Symeons  gegen  die  Magyaren  in  Kleinasien  geblieben.  Allein  an  einer 
andern  Stelle  (c.  11 ,  26  p.  128)  erwähnt  er  selbst  die  Thätigkeit  des 
Nikephoros  im  Bulgarenkriege.  In  der  That  setzen  auch  die  Worte 
ivu  jxjj  fxovTfg  '^Pco^atoL  ^Qiariavoi  %Qi6xiav&v  BovXyccQcov  al'^aai,  %Qcci- 
voivro  die  Anwesenheit  eines  romäischen  Heeres  voraus.  Die  ge- 
schraubten Ausdrücke  des  Kaisers  besagen  also  mit  dürren  Worten, 
dass  die  christlichen  Romäer  mit  Befriedigung  zusahen ,  wie  die 
heidnischen  Wölfe  über  ihre  christlichen  Gegner  herfielen,  und  an  ihrer 
statt  das  Henkeramt  an  jenen  versahen.  Die  Angabe,  die  romäische 
Streitmacht  sei  damals  durch  den  Feldzug  gegen  die  Sarazenen  be- 
schäftigt gewesen ,  trifft  somit  allerdings  für  den  Zeitpunkt  zu ,  als 
Niketas  zu  den  Magyaren  gesandt  wurde,  aber  nicht  mehr  für  den 
kritischen  Wendepunkt  des  Krieges,  als  Eustathios  mit  seiner  Flotte 
in  der  Donau  erschien.  Wenn  daher  Kaiser  Leon  fortwährend  so  ge- 
flissentlich das  christliche  Gemeinsamkeitsgefühl  im  Munde  führte,  so 
konnte  ihm  dagegen  allerdings  Symeon  bei  seinem  verspäteten  Friedens- 
vorschlage mit  Recht  vorwerfen,  dass  er  jenes  Gefühl  durch  das  Bünd- 
nis mit  den  wilden  Heiden  ja  selbst  aufs  Gröblichste  verletzt  habe,  um 
so  mehr,  da  ja  Leon,  entgegen  seinen  eignen  scheinheiligen  Ver- 
drehungen, auch  nach  byzantinischer  Darstellung  dem  Bulgarenfürsten 
gerechten  Grund  zum  Kriege  gegeben  hatte. 

^)  Konstantin.  Porphyrog.  de  administr.  imp.  c.  50  p.  238,  16 — 
239,  12.  Kaiser  Konstantin  stellt  die  Sache  so  dar,  als  hätte  Symeon 
selbst  die  Überfahrt  zu  hindern  versucht,  was  jedoch  nach  dem  über- 
einstimmenden Zeugnis  der  Fuldaer  Jahrbücher  und  der  byzantinischen 
Chronisten  ohne  Zweifel  falsch  ist. 

■^)  Ann.  Fuld.  896:  Uli  transpositi,  manu  cum  valida  geutem 
Bulgarorum  ingressi  maximam  partem  caedendo  neci  tradiderunt.  Dies 
ist  offenbar  die  erste  der  drei  Niederlagen ,  welche  die  Magyaren  nach 
Kaiser  Leons  Tactica  den  Bulgaren  beibrachten. 

^)  Ann.  Fuld.  896:  Hoc  audientes  ^;o&?Y?  in  expeditione  Bulgari, 
cum  omni  festinatione  patriam  deliberare  ab  infesto  hoste  recurrunt. 
Georg.  Mon.  p.  874,  10 — 12:  IltQdauTttg  ovv  ol  Tovqkoi,  rov  Uviisäiv 
inl  t6  GTQCcxtv^iu  ^cox«  a.6%oXovyiivov  ^  fjx^almtBvaav  näoav  rTjf  Bovl- 
yagiav.  tuvta  ^a&äv  2vyitcov  xivBlrui  v.axu  Tovq'acüv.  Leon.  Gramm, 
p.  268,  6—9.     Theophan.  cont.  VI  9  p.  358,  20—21. 


524  J-  Marquart, 

■der  Kaiser  Leute  ab,  um  ihnen  die  bulgarischen  Gefangenen  ab- 
•zukaufen. 

Nun  Hess  sich  der  Bulgarenfürst  herbei,  durch  Vermittlung 
des  Drungarios  Eustathios  um  Frieden  zu  bitten,  worauf  der 
Kaiser  auch  eingieng.  Nikephoros  und  Eustathios  erhielten  Befehl, 
ihre  Streitkräfte  zurückzuführen,  und  Leon  Choirosphaktes  ward 
abgesandt,  um  über  die  Friedensbedingungen  zu  verhandeln.  Kaum 
sah  aber  Symeon  sein  Land  von  den  romäischen  Truppen  ge- 
räumt, als  er  beschloss,  den  günstigen  Augenblick  zu  benutzen 
und  zunächst  mit  den  Magyaren  abzurechnen,  um  dann  auch  dem 
Kaiser  gegenüber  seine  Forderungen  höher  spannen  zu  können.  Er 
liess  daher  den  Gesandten  einstweilen  gar  nicht  vor,  sondern  hielt 
ihn  in  der  Burg  Mudagra  oder  Mundraga  in  Gewahrsam  i),  und  nun 
gieng  es  in  den  schweren  Kampf  gegen  die  magyarischen  Unholde, 
zu  dem  man  sich  auf  den  Rat  des  alten  Königs  Michael  durch 
ein  dreitägiges  Fasten  vorbereitet  hatte.  Die  Heiden,  die  sich 
von  den  Romäeru  im  Stiche  gelassen  und  zumal  durch  die  Heim- 
kehr der  Flotte  den  Rückzug  über  die  Donau  abgeschnitten  sahen  -), 
fochten  mit  dem  Mute  der  Verzweiflung,  nachdem  aber  lange  auf 
beiden  Seiten  mit  grösster  Erbitterung  gestritten  worden  war, 
blieb  zuletzt  den  Christen  der  freilich  teuer  genug  erkaufte  Sieg: 
20  000  bulgarische  Reiter  bedeckten  die  Walstatt,  die  Feinde  aber 
wurden  völlig  vernichtet. 

Wenn  daher  Kaiser  Konstantin  die  Magyaren  nach  der  Ver- 
heerung Bulgariens  unbehelligt  in  ihre  Heimat  zurückkehren  lässt  ■^), 
so  ist  dies  offenbar  ein  Irrtum,  der  wohl  dadurch  veranlasst  wurde, 
dass  er  den  von  den  Chronisten  vermeldeten  Sieg  Symeons  über 
die  Magyaren  mit  dem  von  ihm  allein  erzählten  gemeinsamen 
Überfall  Symeons  und  der  Peöenegen  gegen  dieselben  zusammen- 
warf.    Nach    dem  Friedensschlüsse    mit    dem  Kaiser    soll   nämlich 


1)  Georg.  Mon.  cout.  p.  854,  22  =^  Leou  Gramm,  p.  268,  10  f.: 
Asovtcc  ovSh  Xoyov  rj^icoas  2viisä>v ,  all'  riacpaXiaato  siQ'Krf].  Ebenso 
Theopban.  cont.  VI  9  p.  379,  9  f.  Zou.  XVI,  12,  25.  In  jener  Burg 
traf  Symeon  den  Leon  bei  der  Rückkehr  vom  Zuge  gegen  die  Magyaren: 
aal  vTtoöxghpag  svqs  Äeovta  iv  rfj  MovMyQcc  (Leon  Movlddyga). 
Konstantin  Porphyrog.  de  admin.  imp.  c.  40  p.  172,  19  lässt  irrig  den 
Symeon  durch  die  Magyaren  slg  t6  näatQOv  xo  Ityöiisvov  MowSgaya 
eingeschlossen  werden. 

■2)  Aus  der  Darstellung  der  Fuldaer  Annalen  gewinnt  man  durch- 
aus den  Eindruck,  dass  die  Feinde  noch  im  Lande  weilten.  Dies  wird 
vollkommen  bestätigt  durch  die  Worte  der  byzantinischen  Chronisten 
(Georg.  Mon.  p.  855,  1—2  =  Leon  Gramm,  p.  268,  19—22.  Theopban. 
cont.  VI  9  p.  359,  10—12.  Zon.  XVI  12,  26):  i^atQocrsvGag  dh  xaru  rcbv 
TovQKcov,  ixtivwv  öx^Qw^cc  ßor]d-£iccg  ftr;  i^ovrcov  itagä  Pca- 
^aicov,  cclX'  KTfQOVo^tcog  (Leon  ccTtQOvo'^tcov)  ia&^vrav,  nav- 
rag  naziccpa^ev,  av^rjOag  rr}v  jXgyaZoi/JV^iaj'  avrov. 

ä)  Konstantin  Porphyrog.  1.  1.  c.  40  p.  172,  20:  xai  il,sXdGccvri:g 
(i^XQt  tfjg  IlQsa&Xäßov  difjX&ov  anoKXiiaavrsg  avrbv  Big  rb  xdaTQOv  rö 
Xsyoiisvov  Mow^Qocya,  xal  sig  rrjv  löiav  x^qav  vnsatQsipKv. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  525 

Symeon  mit  den  Todfeinden  der  Magyaren,  den  Peßenegen  Ver- 
handlungen angeknüpft  und  mit  ihnen  einen  Bund  zur  völligen 
Vertilgung  des  Gesindels  geschlossen  haben.  Während  sich  nun 
die  waffenfähige  Mannschaft  der  Magyaren  eben  auf  einem  Kaub- 
zuge  ausser  Landes  befunden  habe,  seien  die  Petenegen  mit  Symeon 
gegen  die  Magyaren  gezogen  und  hätten  ihre  Familien  völlig  ver- 
nichtet und  die  zum  Schutze  des  Landes  zurückgelassenen  Magyaren 
gänzlich  von  dort  vertrieben.  Als  dann  die  Magyaren  bei  ihrer 
Rückkehr  ihr  Land  dermassen  öde  und  verwüstet  gefunden,  seien 
sie  in  ihr  jetziges  Land  übergesiedelt. 

Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  diese  Unternehmung,  wie  der 
Kaiser  behauptet,  erst  nach  dem  Friedenschlusse  Symeons  mit 
den  Eomäern  stattgefunden  hat;  die  Erzählung  selbst  aber  trägt 
ganz  den  Charakter  der  Beschönigung  einer  gewaltigen  Niederlage 
der  Magyaren  durch  die  Pe^enegen,  die  von  Konstantin  öfters 
erwähnt  wird  (c.  3  p.  70,  8.  c.  8  p.  74,  2  ff.  c.  38  p.  170,  18— 
171,1),  und  ist  offenbar  magyarischen  Ursprungs.  Vermutlich 
wurde  sie  dem  Kleriker  Gabriel  erzählt,  als  derselbe  im  Auftrage 
des  Kaisers  die  Magyaren  zu  bewegen  suchte,  in  ihre  alten  Wohn- 
sitze zurückzukehren  und  die  Peßenegen  zu  vertreiben  (c.  8  p.  74, 
2—13). 

Nach  dem  Siege  über  die  Magyaren  erklärte  Symeon  dem 
Gesandten  Leon,  er  werde  nur  Frieden  schliessen  nach  Rückgabe 
sämtlicher,  also  vor  allem  der  den  Magyaren  abgekauften  Ge- 
fangenen. Der  Kaiser  gestand  die  Forderung  zu,  und  der  Bulgare 
Theodoros,  ein  Vertrauter  Symeons  gieng  mit  Leon  und  nahm 
sie  in  Empfang. 

Diese  Ereignisse  müssen  mindestens  das  Jahr  894  und  die 
erste  Hälfte  des  Jahres  895  ausgefüllt  haben.  In  der  That  wird 
von  den  Arabern  fürs  Jahr  282  H.  (2.  März  895—18.  Febr.  896) 
kein  Sommerfeldzug  erwähnt,  wohl  aber  für  281  H.  (beginnt 
13.  März  894):  „In  diesem  Jahre  betrat  Toyaö  b.  Guff  Tarsus  am 
Donnerstag  in  der  Mitte  des  Gumädä  11.^),  wie  es  heisst,  um  den 
Sommerfeldzug  im  Namen  des  Chumäröi  zu  leiten.  Er  zog  zu 
Felde  und  gelangte  nach  Turäjön  {TvQaCov)  und  eroberte  Malu- 
rija(?)''2).  Auf  deselben  s'treifzug  bezieht  sich,  wie  es  scheint, 
eine  zweite  Notiz,  welche  lautet:  ,Im  Sauwäl  desselben  Jahres 
(4.  Dez.  894 — 1.  Jan.  895)  machten  die  Muslime  einen  Raubzug 
gegen  die  Romäer,  und  es  dauerte  der  Kampf  zwischen  ihnen 
zwölf  Tage  lang.  Da  gewannen  die  Muslime  die  Oberhand  und 
machten  viele  Beute  und  kehrten  zurück"  3).  Die  Zeit  der  An- 
kunft des  Toyaö  in  Tarsus  entspricht  dem  von  Kaiser  Nikephoros 
angegebenen    gewöhnlichen    Zeitpunkt    der    Zusammenziehung    der 

1)  22.  August  894. 

2)  Tab.  III  Y\f.,  8—10. 

3)  Tab.  III  r\fr,  6—7. 


.^26  •'•  Maiquart, 

grossen  sarazenischen  Heere  ^) ,  der  Aufbruch  selbst  aber  scheint 
diesmal  besonders  spät  erfolgt  zu  sein,  wenn  der  Zusammenstoss 
erst  im  Dezember  geschah.  Jedenfalls  konnten  aber  die  romäischen 
Reiterregimenter  nicht  vor  Mitte  Januar  in  Konstantinopel  ein- 
treffen, wonach  also  der  Rückzug  des  Symeon,  der  Einfall  der 
Magyaren,  ihre  beiden  Siege  und  ihre  schliessliche  Vernichtung 
durch  Symeon  etwa  die  Zeit  von  Ende  Januar  bis  in  den  Mai  895 
ausgefüllt  hätten. 

Der  Friede  zwischen  Symeon  und  den  Romäern  war  nicht 
von  langer  Dauer.  Der  Bulgarenfürst  brachte  in  Erfahrung,  dass 
sich  noch  immer  bulgarische  Gefangene  im  Romäerreiche  befanden, 
und  beschwerte  sich  natürlich  über  unvollständige  Erfüllung  des 
Vertrages.  Diese  mochte  immerhin  ihre  Schwierigkeiten  haben, 
da  gewiss  manche  der  den  Magyaren  abgekauften  Gefangenen  als- 
bald in  Privathände  übergegangen  waren.  An  Stelle  des  alten 
Haudegen  Nikephoros  Phokas  war  mittlerweile  Leon  Katakalos 
zum  Obersten  der  Palastgarde  ernannt  worden'^),  und  nach  dem 
Tode  des  ersteren  rückte  Symeon  gegen  die  Romäer:  Ni.nr]q)ÖQOV 
6e  rov  OcoKä  TEXEvrTjöavrog,  ccq)OQiiag  i^rjrst  2vixewv  tyiv  ei'^tjvjjv 
öiaXvßixi-  67Ci^rjTCöv  yccQ  Kai  aUovg  ui%^alü)xovq  slGsqxsxcu  aara 
'Pconciioav.  Aicov  öe  6  ßaödevg  6oii£6rtKOV  r&v  ayoXGiv  TtQoßaXlerai 
Aeovra  KcaanaXov,  iv  rf]  'Pdßöa  rr}v  oim]6i,v  k'xovra,  aal  (ler  uvrov 
ccTtoozeXXei  Osodöaiov  naTqUiov  y.cä  nQ03xoߣGxi.uQi,ov.  ■aal  neqccGag 
oXa  tu  ^eixarci  v.a.1  ta  xay^axa,  Kai  yevoiisvrjg  6v^ßoXfjg  (xexcc 
Uv(ieo3v  elg  xb  BovXyagotpvyov,  iyivexo  XQonrj  örjfioöLa  kuI  ndvxeg 
KTtcoXovxo  %al  6  7iQ(oxoߣ6xi.ccQiog  &soö66i.og,  dt'  ov  6  ßaöiXehg  ov 
fisxQlcog  Tjvtd&rj  iitl  xovxov.  Georg.  Mon.  p.  855,  8 — 16  =  Leon 
Gramm,  p.  269,  4—13.  Vgl.  Theoph.  contin.  VI  10  p.  359,  17—360, 
17.  Sym.  Mag.  p.  701,  24—702,  4.  Zonar.  XVI  12,  28—29  p.  444. 
Konstantin  Porphyrog.  de  them.  I  p.  32,  20—33,  11.  Über  den 
schliesslichen  Ausgang  des  Krieges  hüllen  sich  die  byzantinischen 
Chronisten  in  beredtes  Schweigen,  es  ist  aber  auch  so  klar,  dass 
die  von  Tabarl  berichtete  Bewaffnung  der  muslimischen  Kriegs- 
gefangenen allein  in  die  oben  vorausgesetzte  Situation  nach  der 
Vernichtung  der  romäischen  Feldarmee  bei  Bulgarophygos  passt. 
Dies  wird  durch  den  Umstand  bestätigt,    dass    die  Einnahme    der 

Burg  KÖQov  (arab.  ä'i)  in  Kappadokien  durch  die  Agarener,  welche 
bei  den  Chronisten  gleich  hinter  der  Niederlage  von  Bulgarophygos 
erwähnt  wird,  nach  Tabarl  III  Hva,  15  f.  ins  Jahr  284  (7.  Februar 
897—26.  Januar  898)  fällt.  Lebeau»),  der  die  ihm  aus  Gregor 
Abu  Ifarag,  Hist.  compendiosa  dynastiarum  ed.  Pococke  (Oxoniae 
1663)  p.'i81  bekannte  Nachricht  Tabarl's  bereits  richtig  mit  der 


1)  Geizer  a.  a.  0.  107  f. 

"-)  Theophan.  cont.  VI  10  p.  359,  17—360,  8. 

3)  Hist.  du  Bas -Empire  13,  349. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  527 

Schlacht  von  Bulgarophygos  verknüpft ,  hat  mit  Unrecht  der 
Chronologie  des  ganz  unzuverlässigen  Symeon  Magistros  den  Vor- 
zug gegeben,  der  die  Einnahme  von  Koron  ins  siebente  Regierungs- 
jahr Leons  (892  93)  setzt.  Die  Unterdrückung  der  von  Tabarl 
erzählten  Episode  durch  die  byzantinischen  Chronisten  erklärt  sich 
v^'ohl  einfach  daraus,  dass  sie  dem  christusliebenden  Kaiser  keines- 
wegs zur  Ehre  gereichte. 

Nachdem  wir  jetzt  den  wirklichen  Verlauf  der  Kriege  Symeons 
gegen  Leon  festgestellt  haben,  ist  es  nicht  mehr  schwer  zu  er- 
kennen, dass  ein  grosser  Teil  der  von  Mas'üdi  in  seinem  Berichte 
über  die  Walandarhorden  erwähnten  Einzelheiten  in  den  Wechsel- 
fällen jener  Kriege  sein  Vorbild  hat. 

Falls  die  Sage  von  den  Kämpfen  zwischen  den  vier  Horden, 
die  durch  einen  muslimischen  Kaufmann  aus  Ardabel  veranlasst  sein 
sollen,  einen  thatsächlichen  Hintergrund  hat,  so  können  dieselben 
nur  ins  Jahr  889  fallen,  in  welchem  die  Magyaren,  wie  es  scheint, 
durch  die  Pefeenegen  aus  dem  östlichen  Teile  von  Atelkuzu  d.  h. 
dem  Dnjeprgebiet  vertrieben  wurden.  Nicht  anders  lässt  sich  die 
Nachricht  Eegino's,  in  welcher  die  in  mehreren  zeitlich  aus  einander 
liegenden  Etappen  erfolgte  Zurückdrängung  der  Magyaren  vom 
Lande  im  Osten  der  Maiotis  bis  zum  Theissgebiet  als  ein  ein- 
maliges Ereignis  zusammengefasst  ist,  auffassen:  Anno  dominicae 
incarnationis  889  gens  Hungarorum  ferocissima  et  omni  belua 
crudelior,  retro  ante  seculis  inaudita  quia  nee  nominata,  a  Scy- 
thicis  regnis  et  a  paludibus  quas  Thanais  sua  refusione  in  im- 
mensum  porrigit,  egressa  est.  ...  Ex  supradictis  igitur  locis  gens 
memorata  a  finitimis  sibi  populis ,  qui  Pecinaci  vocantur ,  a  pro- 
priis  sedibus  expulsa  est ,  eo  quod  numero  et  virtute  praestarent, 
et  genitale,  ut  praemisimus,  rus  exuberante  multitudine  non  suffi- 
ceret  ad  habitandum.  Hoi'um  itaque  violentia  effugati  ad  exqui- 
rendas,  quas  possent  incolere  terras,  sedesque  statuere,  valedicentes 
patriae  iter  arripiunt.  Vielleicht  ist  auch  die  falsche  Datierung 
des  ersten  Bulgarenkrieges  bei  Symeon  Magistros ,  der  ihn  unter 
dem  dritten  Jahre  Leons  erzählt,  durch  eine  Notiz  über  jene  Ver- 
treibung der  Magyaren  durch  die  Pefcenegen  veranlasst  worden. 
Die  Magyaren  müssen  demnach  von  889 — 895  oder  896  in  der 
heutigen  Moldau  und  Walachei  und  zwar  hauptsächlich  im  Ge- 
biete des  Prut  (Bovqcct)  und  Seret  (UaQar)  gewohnt  haben. 

In  Mas'üdi's  Angabe,  die  romäischen  Truppen  von  Walandar 
hätten  einen  Streif zug  gegen  die  Wohnsitze  der  vier  Völker  ge- 
macht ,  während  sie  von  denselben  abwesend  waren ,  und  viele 
Kinder  in  die  Gefangenschaft  weggeführt,  scheinen  zwei  verschie- 
dene Thatsachen  zusammengeflossen:  1)  der  Einfall  der  von  den 
Romäern  gedungenen  und  von  romäischen  Schiffen  übergesetzten 
Magyaren  nach  Bulgarien ,  während  das  bulgarische  Heer  gegen 
die  anrückenden  Romäer  unter  Nikephoros  Phokas  im  Felde  stand. 
Da    dieser    Einfall   nicht   bloss    in    romäischem   Literesse    erfolgte, 


528  J-  Marquart, 

sondern  auch  von  den  kaiserlichen  Truppen  unterstützt  und  über- 
dies die  Gefangenen  an  die  Romäer  verkauft  wurden,  so  erscheint 
es  immerhin  begreiflich,  wie  dieser  Überfall  geradezu  den  Romäern 
zugeschrieben  werden  konnte.  Damit  hat  sich  aber  2)  eine  Er- 
innerung an  den  von  den  verbündeten  Bulgaren  und  Pe^enegen 
gegen  die  Magyaren  ausgeführten  Überfall  vermengt. 

Dagegen  ist  der  nun  folgende  Zug  gegen  Walandar  augen- 
scheinlich, wenn  auch  mit  mehrfachen  Verschiebungen  der  That- 
sachen,  ein  Nachhall  der  Katastrophe  von  Bulgarophygos.  Unter 
den  verbündeten  Nationen  sind  die  Bulgaren  und  Pe^enegen  zu 
verstehen,  und  es  ist  ganz  glaublich,  dass  diese  Symeon  auch  auf 
seinem  Zuge  gegen  Carigrad  begleiteten,  sodass  Mas'üdl  also  im 
Kitäb  at  tanblh  U.,  7  und  Ui*',  11,  wo  er  von  den  Walandarhorden 
nur  die  ^  j  und  Pefienegen  nennt,  das  richtige  Verhältnis  bewahrt 
hätte.  Die  Bewaffnung  der  muslimischen  Kriegsgefangenen  durch 
die  Romäer  erfolgte  freilich  nicht  vor,  sondern  erst  nach  dem  Tage 
von  Bulgarophygos,  und  noch  mehr  aufgebauscht  ist  das,  was  von 
der  Aufbietung  muslimischer  Handelsleute  durch  die  „Türken"  ge- 
fabelt wird.  Davon,  dass  Symeon  solche  in  sein  Heer  aufgenommen 
hätte,  ist  jedenfalls  keine  Rede  ^),  sonst  hätten  sich  die  Byzantiner 
sicher  nicht  entgehen  lassen  es  ihm  aufs  Kerbholz  zu  schreiben, 
könnte  man  also  nur  an  Sklavenhändler  denken ,  die  sich  bei 
einer  der  westlichen  Pecenegenhorden  aufhielten,  um  Gefangene 
und  andere  Kriegsbeute  einzuhandeln ,  und  jene  auf  dem  Kriegs- 
pfade begleiteten.  Wenn  daneben  auch  noch  von  muslimischen 
Angehörigen  der  vier  Stämme  selbst  die  Rede  ist,  so  ist  man  ver- 
sucht, im  Namen  des  Häuptlings  Fia^rj,  der  zur  Zeit  der  Ver- 
treibung der  Pe^enegen  aus  ihren  alten  Wohnsitzen  am  Jajyk 
die  Horde  Xonov  befehligte ,  welche  nach  ihm  rialiionöv  hiess 
und  nachmals  Bulgarien  zunächst  wohnte ,  das  persisch  -  arabische 
^^•Lc.  zu  vermuten.  Was  es  mit  der  Erstürmung  der  Festung 
Walandar  für  eine  Bewandtnis  hat,  lässt  sich  bei  dem  völligen 
Schweigen  der  Chronisten  über  die  Vorgänge  vor  und  nach  der 
Schlacht  von  Bulgarophygos  auch  jetzt  noch  nicht  erkennen,  so- 
viel ist  aber  nunmehr  klar,  dass  die  Walandarhorden  eigentlich 
die  Bulgaren  {J^S)  und  ihre  damaligen  Verbündeten,  die  Pe^enegen 
sind,  und  Mas'üdl  im  Grunde  genommen  nicht  mehr  über  den 
Raubzug  der  Magyaren  von  934  weiss  als  die  byzantinischen 
Chronisten.  Die  Machtstellung  des  Bulgarenreiches  unter  dem  ge- 
waltigen Caren  Symeon  und  zumal  seine  ersten  Kriege  gegen  die 
Romäer  sind  demnach  bei  Mas'üdl  keineswegs  völlig  vergessen, 
aber  infolge  des  raschen  Verfalls  unter  dem  Caren  Peter  bereits 
verblasst  und  daher  auf   die    eben    damals    das  Abendland  durch- 


1)  Im  Bulgarenreiche  dürften  sie  kaum  sehr  zahlreich  gewesen 
sein,  wenn  sie  auch  damals  so  wenig  als  zur  Zeit  der  Bekehrung  des- 
Bogoris  gänzlich  gefehlt  haben  werden. 


Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.  529 

stürmenden  Magyaren  übertragen.  Auch  heute  wieder  fehlt  ja 
dem  slawischen  Balkan  ein  Symeon ,  den  kaukasischen  Ländern 
ein  Asot  der  Grosse  mehr  denn  je. 

Zu  S.  484,  21 — 485,  6:  Diese  Tradition  kennt  auch  Genes.  IV 
p.  85,  21 — 86,  1  ed.  Bonn.:  6  6s  ccQxrjYog  Bovlyaqiuq  {olg  rb  yivog 
i^  'AßdQoav  rs  neu  XatccQCOv,  anb  BovXyaQOv  hvqlov  ovonarog,  o? 
TtaQcc  '^Pco^aicov  iv  y.axoL%r\6si  JoqvöxoXov  Kcd  ttj?  Mvöiag  ytyivr\xo) 
Inayd'ri  n^oh^Gt  Qrj(i(xtcc  i7ti.6Q0ii7}v  '^Pco^aioig  eTcaTtsdäv. 

Den  einzigen  historischen  Hintergrund  der  Erzählung  bildet 
natürlich  das  Bündnis  des  Kans  Kobrat  mit  Herakleios  gegen  die 
Awaren,  womit  in  der  That  die  staatsrechtlichen  Beziehungen  der 
Unugundur  -  Bulgaren  zum  Komäerreiche  ihren  Anfang  nahmen. 
Während  dies  Föderatenverhältnis  in  der  Erzählung  Michaels 
fälschlich  schon  in  die  Regierung  des  Maurikios  zurückgetragen 
und  durch  die  angebliche  Abtretung  der  beiden  Moesien  und 
Dakiens  noch  vergröbert  wird,  lässt  dagegen  die  von  Ps.  Moses 
Choren ac'i  (Geogr.  S.  17,  5)  benutzte  Version,  in  wesentlicher  Über- 
einstimmung mit  der  Erzählung  des  Theophanes-Nikephoros ,  die 
Bulgaren  erst  unter  Aspar-hruk,  dem  Sohne  des  Chubrat',  vor 
den  Chazaren  vom  Gebirge  der  Bulgaren  oder,  wie  er  an  anderer 
Stelle  noch  deutlicher  sagt,  vom  hippischen  Gebirge  (S.  25,  25), 
d.  i.  aus  Altbulgarien  fliehen  und  die  Awaren  vertreiben, 
hat  jedoch  darin  das  Richtige  bewahrt,  dass  sie  als  ursprüngliche 
Niederlassung  der  Donaubulgaren  nur  die  Donauinsel  Peuke  kennt 
(s.  meine  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften  S.  88  f.). 

Es  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  die  Erzählung  Michaels 
unverkennbar  auf  die  alte  Sage  von  der  Überschreitung  des  kini- 
merischen  Bosporos    durch    die  Hunnen *)    anspielt,    wenn    sie  die 

1)  Vgl.  Priskos  bei  Jordan.  Get.  24  §  124:  huius  ergo  gentis  _.  ._ . 
venatores  .  .  .  animadvertunt,  quomodo  ex  improviso  cerva  se_  illis 
optulit  ingressaque  paludem  nunc  progrediens  nunc  subsistens  index 
viae  se  tribuit.  quem  secuti  venatores  paludem  Meotidam,  quem  in- 
perviam  ut  pelagus  aestimant,  pedibus  transierunt  .  .  .  (Hunni)  mox 
ingentem  illam  paludem  transierunt  e.  q.  s.  Etwas  deutlicher  sagt 
Prokop.  de  b.  Goth.  IV  5  p.  476,  7—477,  13  von  den  Hunnen  im  Osten 
der  Maiotis  (Altbulgarien) :  oux  iTtiiiiyvi^LUvoi.  (dh)  ccv&QWTtoig,  ol&i]  t?Js 
t£  liiivrig  Kul  rfjg  ^^•Ms  inQofig  [s.  S.  530  A.  1]  ig  xk  iitl  %äxi^a  idqvvxo  • 
iTiil  oÜTS  disßaivov  noxt  xä  vSaxa  xavxa  oiSrs  Siaßaxä  dvai  vnmnxnyoy, 
TtQog  XU  svyioXwxaxcc  TtSQLtfoßot  övxsg,  xä  ^iriSh  aTtOTttiQdcaGQ-ai  ayxS>v 
Ttwnoxs,  &Xl'  aiitlhrixoL  xfjg  diaßdascog  n'avxänaGiv  tlvai  ....  TtQoCovxog 
dh  xov  j^QOVOV  cpaciv,  iiittQ  6  löyog  vyirig  i6xi,  x&v  ^ihv  Kt^i^ibQicov  [d.  i. 
der  Hunnen]    vsaviag  xivug   iv    -nwriytcicp   äiaxQißriv   i%tiv ,    ilacfov^  o£ 

ILiav  TtQog  avx&v  cpsvyovcav  ig  xd.  vSaxa  iaTCriSfjacii  xavxa avs- 

Xö^tvoi  ovv  avxUa  xd  onXa  TtavSrnisi  x£  öiaßdvxng  iyivovxo  iL£XXr\6£i 
ovS£\iiä  iv  xy  avxntigag  i]Tt£iQ(o.  Am  klarsten  drückt  sich  Agathias 
V  11  p.  365,  10—17  aus:  ysvsdlg  Sh  noXXalg  vGxtQOv  öiißriGav  ig  xr]v 
EvQmnriv,  dxs  cog  dXriQ'&g  iXdcpov  xtvog  v.axd  xovxo  Si]  xb  Q'qvXov^svov 
xd  TtQcaxa  j]y7\6a[iivrig  sixs  y.al  dXXoia  ^QriGd^svoi  xv^rj ,  xal^  xr]v 
iKQ07]v  xfjg  Xiuvrig  xi]v  ig  xbv  Ev^sivov  TIövxov  cpSQO^svriv, 
dnoQOV  xicog  SoTiovaav,  xöxs  örj  oxca  ovv  XQÖ-itcp  StaitSQaico^tivxtg  v,xX. 
Marquart,  Streifzüge.  '^'* 


530  J-  Marquart, 

Skythen  zur  Winterzeit  bis  zum  Tanais  gelangen  lässt,  „der 
aus  dem  See  Mäntiös  herauskommt  und  sich  in  das 
Pontosmeer  ergiesst".  Dieser  Ausdruck  ist  offenbar  ge- 
wählt, um  die  Übergangsstelle  zu  bezeichnen,  und  unter  der  Mün- 
dung des  Tanais  ist  daher  hier  der  Bosporos  zu  verstehen  ^) ,  der 
im  Winter  öfters  zufror.  Wir  überblicken  jetzt  die  verschiedenen 
Phasen  der  bulgarischen  Wandersage  von  Priskos  bis  zu  Michaels 
Gewährsmann  genügend,  um  zu  erkennen,  dass  man  jeden  neuen 
Wendepunkt  der  bulgarischen  Geschichte  wieder  unmittelbar 
an  jenen  für  die  Geschichte  Europas  so  verhängnisvoll  gewordenen 
Übergang  über  die  Maiotis  anknüpfte.  Es  ist  sehr  wohl  glaublich, 
dass  auch  ein  Teil  der  Magyaren,  als  sie  vor  den  Peöenegen  das 
Gebiet  im  Osten  der  Maiotis  räumten,  denselben  Weg  nahmen, 
den  einst  den  Hunnen  die  heilige  Hindin  gezeigt  hatte-).  Falls 
jene  daher  zur  Zeit  der  Entstehung  ihrer  ältesten  Chronik  noch 
eine  Erinnerung  an  ihren  einstigen  Übergang  über  den  Bosporos 
bewahrt  hatten,  wie  ihnen  sicher  eine  solche  an  ihren  jahrhunderte- 
langen Aufenthalt  im  Osten  der  Maiotis  geblieben  war,  so  konnten 
sie  von  ihrem  Standpunkte  aus  nichts  Besseres  thun,  als  Jordanes' 
Wiedergabe  der  Erzählung  des  Priskos  zu  kopieren. 


1)  Vgl.  Prokop.  d.  bell.  Goth.  IV  4  p.  474,  19—475,  1 :  Tävaiv  61 
KCcXovOLv  ol  ini^mQiOi  ncci  ti)v  i-n§oli]v  ravtr\v,  iy,  li^vris  ccQ^a^£V7]v  tf]g 
Mciimri^og  a^Qi  ig  ^ov  Ei^nivov  novtov,  rjitSQ  (sc.  Xiy.vr\)  Siriv.bi  ig 
döbv  7]^SQcbv,  mg  (paaiv,  t'iKoaiv.  ccXlä  xal  rbv  avuiiov,  og  ivQ-tvSs  nvtl, 
Tavattriv  TtQoaccyoQivovai..  Maltrets  von  der  Bonner  Textfabrik  wieder- 
holte lateinische  Übersetzung:  Tanaim  etiam  vocant  indigenae  illum 
alveum ,  qui  a  palude  Maeotide  ad  Pontum  Euxinum  pertinet ,  itinere, 
ut  aiunt ,  dierum  viginti  ist  ebenso  sinnlos ,  als  grammatisch  falsch. 
Dass  die  20  Tagereisen  im  Sinne  des  Gewähi-smannes  des  Prokopios 
die  Längenausdehnung  der  Maiotis,  unmöglich  aber  die  Länge  des  Aus- 
flusses derselben  in  den  Pontes  bezeichnen  sollen,  ist  selbstverständlich, 
aber  auch  Prokopios  wollte  7]7t£Q  auf  XL^vrig  rfjg  Maimridog,  nicht  etwa 
auf  ri]v  i^ßoXi^v  ravrrjv  bezogen  wissen;  im  entgegengesetzten  Falle 
hätte  er  geschrieben  xal  SnqKovaav  ktX.  —  Bei  Konstantin  Porphyro^. 
de  admin.  imp.  c.  42  p.  181,  3.  5  heisst  der  Ausfluss  der  Maiotis  Burlik 
oder  Wal  (6  BkX  y,al  6  BovqHx,  lies  6  Bäl  6  xal  BovqXLk). 

'^)  Die  wirkliche  Lage  von  Asߣ§ia  ist  uns  so  lange  unbekannt, 
als  wir  den  dortigen  Fluss  XiS^cig,  6  tcal  XiyyvXovg  inovo^a^öiisvog 
nicht  mit  Sicherheit  identifizieren  können.  Die  Gleichsetzuug  mit  dem 
Cinhul,  einem  der  beiden  Quellflüsse  der  Molotnia  ist  nicht  besonders 
schlagend,  und  an  sich  könnte  ebensogut  die  Jeja  in  Betracht  kommen. 


KEGISTEß. 


Namen,  die  man  im  deutschen  Eegister  nicht  findet,  suche  man  in  den 
anderen,  und  umgekehrt. 


Abas,   Bruder  des  Königs  Asot  II. 

von  Armenien  179  f.  184. 
Abärls  482,  5 ;   der  Chagan  der  A. 

482,  9.    484,  5.    485,   5.    486   s. 

A  waren. 
Abasger  174  s.  Ap'ehazen. 
'Abd   al   A'la   b.   Ahmad   b.  Jazid 

b.  üsaid  as  Sulaml  459. 
'Abd  alläh  b.  Tahir  459. 
Abdl-Aziz,   Statthalter  von  Arme- 
nien 448  f. 
'Abd  al  Kablr  b.  'Abd  al  Hamid 

454. 
Abdl-Melik'  443—447. 
Abd  al  Malik  b.  al  Galihäf  as  Su- 
laml 404  ff.  452.  457  f. 
'Abd    ar  Rahmän    III.    an    NäQir, 

Chalifa  von  Spanien  8.  135.  478. 
'Abd  ar  Rahmän,  Patrikios  von  Ar- 

ran  457. 
'Abd  ar  Rahmän  b.  Rabi'a  al  Ba- 

hill  491. 
'Abdü  bar  'Abdu  297  A. 
Abodriten  104  f.  305  ff.    Osterabtrizi 

116.  140  s.  Praedenecenti. 
Abraham,  Katholikos  397  A. 
Abu  Muse  Esaj,  Fürst  von  Albanien 

413. 
Abii  Muslim  der  Schismatiker  454 f. 
Achiulf  377A.   (aus  Athiulf  oder 

vielmehr  A(e)thiulf,  jüngere  Form 

Ediulf) ,    fälschlich    zum    Vater 

Ermanariks  gemacht. 
Achsikat  79.  81. 
Acara  174.  177  f. 
Adalbert,  Bischof  von  Prag  135. 
Adaldag,    Erzbischof   von  Bremen 

313.  315.  322  f.  328. 
Adarnase  der  Blinde  396.  414. 


Adarnase  I.  (II.),  Kuropalates  von 

Georgien  394  s.  Atrnerseh. 
Adarnase   (HI.))    Kuropalates    und 

Erist'aw  419  ff.  433. 
Adarnase,  S.  des  Wasak  Bagratuui 

415  f. 
Adiabene,  Königreich  288  ff. 
A<5'ar-Narse,  Fürst  von  Chaidän  20. 
Adrianopel  493. 
Adröpoliös  482,  15. 
al  Afsln  460. 
Agareni  =  Ungarn  69. 
Aggai  284. 

al  aksimon  {cdlah,iyb(ov)  219,  31.  235. 
Alan,  Land  485,  15. 
Alanen    12.    16.    56.    61  f.   74.    145. 

154.161.164—172.  174  A.  4.  175. 

360—365.  368.  370  ff.  381  u.  A  1. 

488  f.  491.  496.  505. 
Alanenschloss  166. 
Alaueuthor    12.    42.   56.    165.    174. 

186.  199.  489. 
Alatheus  368  f.  372  A.  375/6  A. 
Albanesen  246  A.  1. 
Aldegjuborg  201. 
Alexander  d.  Gr.  90. 
Alfons  IX.  von  Leon  477  f. 
'All  b.  al  Hai'ö'am,  Sarwänsäh  332. 
'All  b.  Hisäm  459. 
'Air  b.  al  Husain  b.  Siba'  al  Qaisl 

461. 
'All  b.  'Isä  b.  Mähän  456. 
'All  b.  Jahjk  al  Armani  460  f. 
All,  S.  des  Suab  406.  408.  410. 
Almus,  Vater  Arpads  497   s.  Eal- 

Almys,  Fürst  der  Wolga-ßulgareu 

25. 
*Alobogotur  156. 

34* 


532 


J.  Marquart, 


Alp-iiut'ver  302.  514. 

äl-täbär  115  A.  1. 

Amaler  377. 

Amazonen  356 — 361.  365. 

Ameisengold  79. 

Ammazarte  356. 

Amram  C'lik  182 

Amiil,  gegründet  von  Mazdak  94. 

Anagai  46.  504. 

A-na-kwei  46. 

Anastasia,  Frau  des  Ks.  Tiberios 

484,  4. 
Anastasios,  Ks.  485,  6.  488. 
Anastasische  Mauer  488. 
AncMalos  483,25.  486  f.  500. 
Andalus,  von  den  Turk  heimgesucht 

63. 
AnqlTjin  192.  509 f. 
Antälia  (Attaleia)  206—208. 
Anten   127.   147.  193  f.   368  A.  483. 

488.  504. 
Apacht'ark'  58. 
Apaoki  83.  88. 
Aparhajik  280. 
Apastäk  294  A. 
Ap'chazen    174-188.     421  f.     424. 

Gottesdienst   in   eigener  (oder  in 

iberischer?)  Sprache  190 f. 
Apollonios  von  Tyana    222,  2.  11. 

236. 
Ap'simeros  444. 
Aqbä  480  flf. 
Afaneank'  490  A.  1. 
Arche ,   Landungsort   in   Armenien 

286—289. 
Arcrunier  in  Waspurakan  452. 
Arces  463. 
Arc'il  II.   394  ff.   402  A.    414—416. 

420. 
Ardabel  11.  61.  72. 
Ardoz,  Landschaft  im  Quellgebiet 

des  Terek  171. 
Areves,  Arves,  Sevordi  427.  496. 
Argvel,  Argavet'k',  Argvet'  171. 
Argwet',  Margwet'  in  Imeret'i  171. 
Arimphaei  56. 
Armenier  342. 
Armnaj,  Fluss  170. 
Arpadis  35.  52.  521. 
Arrän  457.  461. 
Arsija  332. 
Artanugi  (Adranutzi)  176.  183.  407  f. 

410  f.  421.  424.  427. 
Artavet  11  s.  Ardabel. 
Ar'&'ä  (Ersa-Mordwinen)  517. 
Arveleank',  Afaveleank'  („die  Öst- 
lichen"), Geschlecht  in  Arran  171. 

490. 


Äs  164.  167.  172. 

Asad  b.  Jazid  b.  Mazjad  456. 

Äsfridr  309. 

Askold  34.  509. 

Asparuch  505,  Aspar-hruk  529. 

Aspet  429.  436. 

'Asqaläu  208,  2. 

A-sih-na  46  f. 

Asot,  S.  des  Wasak,  Patrikios  von 
Armenien  414. 

Asot  der  Tapfere  oder  msaker  402— 
405.  416.  451. 

Asot  I.  der  Grosse,  Fürst  der  Fürsten 
und  Kg.  von  Armenien  177.  424  f. 

Asot  II.  der  Eiserne,  Kg.  von  Arme- 
nien 177-183;  Sahansah  182. 

Asot,  Kg.  von  Dvin  180. 

AsotL  Kuropalates  .397.  401.  403  f. 
405—409.  416.  421  f. 

Asot  II.  Kuropalates  177. 

Asot  Patrikios  gen.  Kiskasis  176. 
184. 

Asot  Gnt'uni  180. 

Astigor  170. 

Asusan,  Arsusa  397  f.  A. 

Atelkuzu  35.  52.  467.„527. 

Ätil  57,  At'l  58.  154;  Atil,  Itil,  Etui 
=  Don  30.  32.  59.  161;  Etel  = 
Dnjestr  30  A.  4. 

Atrnerseh  (I.) ,  Fürst  von  Iberien 
398  A.  433. 

Atrnerseh  I.  (II.),  Kuropalates  394. 
402  A.  430.  433. 

Atrnerseh  II.  (III.  bezw.  IV.),  Ku- 
ropalates und  Kg.  von  Iberien 
177—181.  183  f.  392. 

Atrnerseh  (IV.  bezw.  V.),  Kuropa- 
lates, S.  des  Bag(a)rat  176  A.  2. 
177.  427. 

Atrnerseh,  Herr  von  Chac'en  457  d. 

Attila  42. 

Attorozi  189. 

Aturezani  510. 

Awareu  (eigentliche)  43. 

Awaren  (falsche),  Obri  43.  146 f. 
194.  243  ff.  486  ff.  504.  529;  Nieder- 
gang ihrer  Macht  125 f.;  Gottes- 
dienst in  eigener  Sprache?  190 f. 

Avares  =  Ungarn  520  f. 

AwTdä  296  A.  4. 

al  Bab    wa'l   abwäb   454  f.  461    s. 

Darband. 
Bäbak,  Baban  94.  452  f.  458  f.  460  e. 
Bahr  275,  41.  278. 
Bagqläbic  101.  104  f.  305.  316. 
Bacn  75.  78. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       533 


Badelize  507. 

Bagar,  S.  des  Msliin  451. 

Bagarat,   S.   des  Asot  Kuropalates 

408.  411  f.  414  f.  422.  425. 
Bagarat  (III.)  Magistros  177. 
baya,  altiran.  =  König  168. 
Bagyard   61.   63.   65.   70.   152.   335 

A.  4. 
Bagna  (Pacnk)  61.  68.  67  f.  78.  152. 

335  A.  4;  s.  auch  Pecenegen. 
Bagnäk  (Pacnäk)  61—65.  67  f.  76. 

78.  152.  335  A.  4. 
Baiberd  437. 

al  Baidä'   1.  12.   17.   18  und  A.  2. 
•  491.  ■ 

al  Bailaqan  (P'aitakaran)  455.  457. 
Bajan  (Bäg-Bajan)  504  f. 
Bäkuh  332. 
Balamber  367  A.  2. 
Balangar  12.  16  ff.  490  f. 
BaVanrot  11. 
Baläsarün  77.  477.  501. 
Balätis   66  A.  2.   240,  2.  19.    241. 

243.  251  f. 
al  Bandaqls  240,  4.  23.  259. 
Baqat'ar,    ossetischer  Riese    167 f.; 

mt'awar  von  Owset'i  168. 
Bar(Ja'a  5.  36 ff.  454.  457  f.  461.  508. 
Barsäliä  15.  56.  485,  16.  489.  491. 
Barsatia  69. 
Barsetk'  (Basilk')  57.  59.  154.  490 

und  A.  1. 
Bartlnija  (Brittania)  269. 
Bascardia,  Bascart  69. 
Baschkiren  69.  515. 
Basgirt  68.     Inner-Basgirt  518. 
Basijüs  s.  Basileios  I. 
basTlä  manganön  480  A.  3. 
Basileios  I. ,  Ks.  (Basijüs)   29  A.  2. 

66  A.  2.  207.  239,3.  240,15.  242  f. 

249  f.  268.  493. 
Bathscheba'  392.  430. 
Batu-chan  169.  507. 
Baumkult  bei  Sugdaia  15. 
Beg  der  Chazaren  4. 
Belar  154. 172  s.  Bulgaren,  schwarze. 
Belaweza  1.  3.  474. 
Belgrad  116. 

Belochrowaten  s.  Chromaten. 
Benno     (Bernhard),     Herzog     von 

Sachsen  319. 
Berbern,   Einfälle  gegen  Rom  261, 

10—12. 
Berki-i  463. 
Berzylia  490, 
Be-O'  Qarda  289. 
Bezmer  147. 
Billing  320. 


Billug  318—321. 
Bis  balyq  498  f. 
Blauäugigkeit   unter    Hunnen    und 

U-sun  360  und  A.  1. 
Bloudheit  der  Amazonen  360;    der 

Kirghizen  eb.  A.  1. 
Bogoris  23.  70.  118.  242.  495. 
Böhmen  108;  s.  auch  Cechen. 
Bojki  111. 
Boleslawl.  von  Böhmen  109.  131  f. 

134.  136.  138  f.  142. 
Boleslaw  II.  138  f. 
Boleslaw  IH.  138  f. 
Boleslaw   der  Kühne,   Herzog  von 

Polen  136.  139.  148.  320  f. 
Boliliut  320  f. 
Boren  141. 
Bofiwoj  124.  128  f. 
Boso,  Kg.  von  Burgund  207.  269. 
Bosporos,  kimmerischer ,  Gefrieren 

desselben  341 ;  Mündung  des  Ta- 

nais  (30.  161  f.)  530. 
Bosporos,  Stadt  162.  164.  504. 
Branicewoll6;Branicewci  115.140; 

Bränicäbln  139—142. 
Brazlawo  118  f. 
Brennaburg  103  f. 
Bugat  157. 
Buya  24.   36.   175.  188.  200.  411  ff. 

422  ff.  451.  464.  508. 
Bulan  11. 
Bulchk'  57.  154. 
Bulcu,  Karchan  120. 
Bulgaren,  Bulgarien. 

1)  Kaukasische  Bulgaren  nörd- 
lich von  Darband  15 f.  56.  490 f.; 
Burgäre489.  505;  Burgän  y-j^ji 
491;  Bulgar^:fOb  16.  356  A.  1. 
491 ;  Bekehrung  56.  485,  18. 

2)  Alt-Bulgarien  503 ;  Bulgaren 
am  Kuban  57.  59.  154  f.  172; 
OvtovQyovQoi,  Burgar,  Bulyark' 
503. 

3)  Schwarze  Bulgaren  502  f. ; 
KovtovQyovQOL ,  Kurturgur ,  Ko- 
zQayoi  503—506;  Belar  154.  172 
(oder  =  Nr.  2?);  BuryarV  (154). 
503. 

4)  Donau  -  Bulgaren  15.  70  ff". 
116  f.  121.  156.  200  A.  2.  485,8. 
488.  494.  519—530;  Unugundur- 
Bulgaren  126.  147.  194.  505.  529; 
Burgän  ^.,L>^J  29.  204—206.  342; 
Bulyar206.  222,32.  223,3);  Bur- 
yar  334.  342.  528;    QJ^Läb  107; 


534 


J.  Marquart, 


Inner-Bulyär  517  ff.;  Gross-Bul- 
yär?  518  f.;  Caqäliba  (517).  519. 
Bekeliruug  23;  Haartracht  43. 

5)  Pannonische   Bulgaren   244 
A.  1.  245. 

6)  Wolga -Bulgaren    25.    151. 

336.  475—477 ;  Bulgär  ^bCb  25 ; 

Bulyär  2.  82.  152.  155.  161.  201. 

341.  474f.;    Buryar  68.  151.  159. 

333.    336;     Ausser -Bulyär    518; 

Gross-Bulyär  518;   Annahme  des 

Islams  25.  337. 
Bulgarophygos  526.  528. 
Burdas,  Burtäs  82,  2.  161.  333.  336. 
Burgän  =  Burgund  68.    150.   207. 

269;  s.  auch  Bulgaren. 
Buryar  63  f.  =  Magyaren   68.   70. 

115.    120.    149.  159.  341;    an  der 

Maiotis,   =  Magyaren  151 — 155; 

s.  auch  Bulgaren. 
Burtäsfluss  336. 

Candeloro,  Scandeloro  209. 

Cetae  55. 

Chacanus,  Kg.  der  Rhos  202. 

Chachet  (Kachet'i)  12.  199. 

Chaidän  16.  20.  284  f.  492. 

Chalac  79. 

Chälid  b.  JazTd  b.  Mazjad  a.s  Sai- 
bänl  408  —  411.  419.  459  —  462. 
Chalil,  S.  des  Izid  407  f.  462. 

Chamllch  18.  24.  203  f.  270.  351 
A.  1.  352.  475.^ 

Chäqän,  Kg.  von  Cin  in  Sandäbil  87. 

Chargäh  75. 

Charluch  63.  76  A.  1.  81  f.  92. 

Chat'irlit'ber  114. 

Chazar,  Stadt  3. 

Chazarän  3.  201.  204.  474  f. 

Chazaren  Ifi'.  160.  164.  173.  199  f. 
202.  271,  4.  273,  3.  8.  274,  13. 
275,  35.  41.  278.  282.  284.  330— 
341.  351  f.  402  A.  412f.  416f.  422. 
443.  455.  474—476.  485,20.  490  f. 
503 ff.  509.  513 f.;  Chazirk'  57. 
59.  154;  Name  41  A.  2;  Ursprüng- 
liche Religion  15.  419;  christ- 
licher Gottesdienst  in  eigener 
Sprache  190 ff.;  Bekehrung  des 
Fürsten  zum  Islam  unter  Marwän 
b.  Muhammad  12;  zum  Judentum 
unter  Harun  ar  Rasld  5.  95 ;  zum 
Islam  im  J.  965  u.  Chr.  3  f.  — 
Chazaren  Juden  270;  bei  Eldad 
had-Dänl  198. 
Chazarenmeer  =  Maiotis  335. 
Chazarig  485,  21. 


Chazr  (Chaze)  patgos  219.  462. 

Cheburk'  170  f. 

Chelandia  35. 

Cherson  14. 

Chilät,  Chlat'  459.  463. 

Chinesische  Mauer  85  f. 

Chirchiz  80.  82. 

Chizzini  140. 

Chnuba,  Chuob  308  f. 

Choch  168. 

Chochilaicus  388,  s.  Hugilaicus. 

Chosrau  I.  Anösarwän  490. 

Chotan  83. 

Chrowaten  110.  129;  Weiss-Chro- 
waten  (Belochrowaten)  119  f.  129 
—139.  471.  509.  —  Illyrische 
Chrowaten  139.  141.  244  A.  1. 
245—250. 

Chumdcän  89  f.  502. 

Chumrin  20.  454. 

Chuzaima  b.  Chäzim  at  Tamlml  6. 
402  A.  418—421.  423.  453.  456. 

Chwärizm  59;  Chwärizmier  4. 

Cnuto  308. 

Coitae  55  A.  3. 

Corosmina  gens  59. 

Corsitae  55  A.  3. 

Canark'  37  f.  187  f.  200.  409  f.  413. 
418f.  422.  423  A.  4.  424.  456.  459— 
462.  496;  =  Kachet'i  411. 

Qaqäliba  =  Donau  -  Bulgaren  s. 
Bulgaren. 

C'ang-'an  89.  502. 

Caqyr,  Fürst  der  Uiguren  von  Kan- 

cöu  89. 
C'arconize-Garchilan  508. 
C'dar  Bolkar  57. 
Cechen   103.   110.   122  ff.  129.  143; 

Wohnsitze  124. 
Celeken  2  A.  1. 
Cerkessen  145.  164.  175. 
Cerkezize  507. 

Cerwenische  Städte  148.  196. 
Cestibor,  Herzog  der  Sorben  108. 
Öikil  76  f.  500. 

Cimislaw,  Fürst  der  Sorben  107. 
Cln  =  Toyuzyuz  89. 
Cinängkat  80.  91. 
C'ing-tu-fu  86. 
C'olaj  (Darband)  444. 
C'ungars  17.  58.  492. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       535 


Dakien  485,  5. 
Dalemincier  108.  113.  115. 
Dalmatien  243.  245—251. 
Danastius,  Danastrus  189. 
Dünen  303.  306-310.  317.  322.  324, 

327.  388.  510. 
Danparstadir  509. 
Darband  12.  454.  489  f. 
där-i-säg  76  A.  1. 
David  Magistros  176  A.  2. 
Davit'  I.  Kuropahites  425  f. 
Delum  274,  13.   275,  40.    278.    282 

284. 
Dencia,  Dentu  moger  10. 
Develtos  70. 
Digor,  Dik'or  171.  507. 
Dlnäwarl's,    Sekte    der    Manichäer 

91.  931f.  502. 
ad  Dir  101,  1.   145.  508. 
Distrls  254  f. 
Divali  55  A.  2.  498. 
Don,  Tanais  31  A.  1.  82.  162.  170. 

484,  20.  485,  1.  530;  der  Slawen- 

fluss    198;    als  Arm    der  Wolga 

gedacht  (30).  153.  (161).  351  A.  1; 

mit  dem  Terek  vermengt  153  A.  3; 

nicht   der  Sabbatfluss   des  Eldad 

had-Dänl  197  f. 
Dönabis  483,  19.    485,  1;    Dunaba 

115  (got.  Jovvaßig). 
Dorylaion  210. 
Dragomir  129.  131. 
Dubll  (Dviu)  462. 
Duc'i  Bulkar  57. 
Dudlebier   103.    123.   125  ff;    D.   in 

Böhmen   129;    Düläba  103.   142; 

Dudleipa  in  Unterpannonien  125 ; 

Dulebi   in    Wolhynien    125.    146. 

190.  193.  467. 
Dula,   Fürst   der  Alanen   145.  155. 

172. 
Dulebi  s.  Dudlebier. 
Dursac,  Magyarenhäuptling  157. 
J\i  Nvi'äs  93. 

Eastgota  512. 

Ecgbert,   Kg.  der  Westsachsen  29. 

270. 
Ekbatana  in  Adiabene  291  A. 
Elias,  Metropolit  von  Marw  304. 
Ellak  42. 

Epagerritae  170  A.  8. 
Erac,  Fluss  367  A. 
Ermanarik  363.  365—369  A.  373— 

376  A.  378  ff. 
Etel,  Etui  s.  Atil. 
Eudoses  364. 


Eustathios,  Drungarios  der  Excubi- 

tores  522.  524. 
Ezit,   S.  des  Usad  450,   s.  Jazid  b. 

Usaid  as  Sulaml. 

al   Fadl   b.    Jahjä   al   Barmakl  5. 

416  f.  454. 
Faryäna  476. 

Farsang,  romäischer  215,2.  228  f. 
Francavilla  66  A.  2.  499. 
Francia  269. 
Franken,  den  Einfällen  der  „Turk" 

ausgesetzt  63. 
Frauenreich  79. 

Friedrich,  Sohn  Ermanariks  379. 
Fum  (AcpoviLcov)  486. 

Gabafu  bagink'  279  A.  2. 
Galäliqa    (Gallegos),    Galizien    63. 

68.  159.  475. 
Ganzak  im  Gau  Arsakasen  462. 

Gauzak  Sahastan  11. 

Gardman,  Gardaban  408.  410 f.  413. 

al  Garräh  b.  'Abdallah  al  Hakami 
11.  17  f.  20. 

Gauten  (Geaten)  385  f.  388.  513. 

Gelen  280—284. 

Georg,  nahapet  der  Sevordik'  38. 
427.  496. 

Georgien  s.  Iberien. 

Georgios  (II.)  Magistros,  Fürst  von 
Ap'chazieu  177.  179.  184f. 

Gero,  Markgraf  104.  106.  324. 

Gesimundus  367  A.  2.  375/6  A. 

Giorgi  I.  Aghcep'eli,  Kg.  von  Ap'- 
chazieu 177.  425. 

Glomaci  113,  s.  Dalemincier. 

Gnissi  55  und  A.  2. 

Gnüpa  309  f.  322.  324.  326. 

Gog  und  Magog  85  f.  89  f.  281  f. 
284.  355.  357  A.  4. 

*Golthethiudos  378  A.  3. 

Goriwei  124,  s.  Bofiwoj. 

Gorm  307  f.  310. 

Gostun  147. 

Gotland  343. 

Grado  256. 

Greutungen  369  ff.  A.  373— 375  A. 

Grigor  Arcruni  177. 

Grigor  mamasachlis  397  A.  1.  432. 

Grigor  Mamikonean,  Fürst  von  Ar- 
menien 402  A.  441.  443.  514. 

Grigoris,  S.  des  Wrt'anes  496. 

Gross-Preslaw  70.  523. 

Guälani,  Guarani  345. 

Gudurynus  306  f. 

Guduscani  141.  192. 


536 


J.  Marquart, 


Gugark'  395.  409. 

Gurgän  ^^  Georgien  418  A.  6.  456. 

al  Gurgänlja  3.  60.  339;  Gurgäng 
60.  77.  160. 

Gurgen,  Fürst  der  Fürsten  des  Lan- 
des Gamirk'  182. 

Gurgen,  Fürst  der  Iberer,  Herr  von 
Artanugi  178—184. 

Gurgen  (II )  Magistros  176.  Erist'aw 
der  Erist'awe  179.  184  f.  Herr 
von  Qwel  und  Acara  427. 

Gurz,  Gurzän  (Georgien)  175  f.  186. 
456.  459  f. 

Gwaram  Kuropalates  393.  395  f. 
398  A.  415.  433. 

Gwaram  mamp'ali,  Bruder  des  Ba- 
garat  Kuropalates  425  f. 

Gylas,  magyarischer  Würdenträger 
120  f. 

Puz  32.   63.  77.   80.  82  f.  160.  330. 

^  335.  337—341.  505. 

Gachilize  507. 

Gahap  403  flf".  452. 
gatagow,  gätakgö|?  17. 

Gawachet'i  178.  187.  393.  395.  407  f. 
Gebu  Chak'an  394  A.  2.  401  A.  498. 
Gevanser,  Fürst  von  Albanien  514. 
Öibghu  394.  430. 

Guanser,  Fürst  von  Iberien  416  flf. 
421  f. 

Haartracht  der  Magyaren  43. 
Hali  55  A.  2. 

Hamazasp,  Kuropalates  441.  443. 
Hamburg  312  ff.  319. 
Handelswege  der  Juden  350  ff. ;  der 

Rös  163.  202  f.  350  ff. 
Hannan  297  A.  298  A.  2. 
Harald  Blaatand  303.  306.  310.  315. 

325. 
al  HarbTja  458. 
Har'ölaunk'  17. 
Harlungen  379  f.  512  f. 
Har'ö'ama  b.  A'jan  457. 
Härün  Boyrächän  77. 
Härün  ar  Rasid  3.  5  f. 
al  Hasan  b.  *All  al  BädylsT  460. 
al   Hasan   b.  Qahtaba   at  Tä'i   37. 

451. 
Hätim  b.  Har-^'ama  b.  A'jan  458. 
Haul  460  b.  464. 
Heinrich  I.,  deutscher  König  103^ 

107.  113.  115.  131.  142.  148.  310. 

322  f.  .326  f. 
Helena,  Königin  von  Adiabene  288 

—295. 


Helenopolis  212.  214. 

Herakleios,   Ks.    393  f.  402  A.   430. 

498.  503.  529. 
Herelingas  512. 
Heruler361ff.  378—382.  385—388; 

Bestattungsgebräuche  383  A.  2. 
Heveldi  103  f.  324. 
Hi  83. 

Hodica  318  f.  321. 
Hölmgardr  201. 
Horiti  130,  s.  Chorwaten. 
Hrös  356  ff.  365.  382—386.  513. 
Hugilaicus  (Hygeläc),  Chochilaicus 

388.  513. 
Huiuri  498,  s.  Uiguren. 
Hungari  69,  s.  Magyaren. 
Hungaria  Magna  60.  69.  515. 
Hunimundus  367  f.  A.  373  6  A. 
Hunnen  s.  Magyaren. 
Hunnen,  kaukasische  58.  301  f.  409; 

H.  von  Warac'an  513;  H.  in  Pan- 

nonien  370  A.  372  f.  A. 
Hunnisches  Schrifttum  191  A.  1. 
Hunor  69.  145.  154.  172. 
Hunuguri  s.  Onogoria. 

Iberien  177—188.  391—436. 

Ihn  ad  DiranI  188. 

Idrisiden  261,  1.  268. 

Igor,  russischer  Grossfürst  71. 

Ikläja  (Aquileja)  254. 

Imeon  484,  18. 

Inder  274,  13.  275,  34.  39.  278.  284. 

Irtisch,  schwarzer  und  weisser,  mit 

Jajyk  und  Emba  vermengt   79  f. 

339  und  A.  6. 
'Isa   b.  Muhammad  b.  Abu  Chälid 

al  Muhäribl  458. 
Isgil-Bulgaren  162.  515  f. 
Ishaq    b.    Ismä'll    b.    Su'aib    410  f. 

421—424.  460—462.  508;  Sahak, 

S.  des  Ismail  408.  411. 
Ishäq  b.  Kundäg  18. 
Ishäq  b.  Sulaimdn  457. 
Ismä'll  b.  äu'aib  410.  456. 
Ispandijäd    b.   Bistäsp    b.  Lohräsp 

166. 
Israel,   Chorbischof,   Bekehrer  der 

Hunnen  302.  489. 
Tsä(5  (Äl-sad)  24.  26. 
Itil  (Stadt)  Iff.   15.    18.   331.  474f. 
Izates,  Kg.  von  Adiabene  288  ff. 

Jahjä    b.    al    Hakam    al    Bekrl    al 

fazrü  349. 
Jahja  al  HarasT  455. 
Jahjä  b.  Sa'Id  der  Morgenstern  456. 


Register  zu  Osteuropäische  uud  ostasiatische  StreifzUge.        537 


Jahja  b.  Zaid  b.  'Ali  b.  al  Husain 
h.  'All,  seine  Familie  77. 

Jangykeut  80.  339  uud  A.  6. 

Jasen  If.  164. 

Jazid  b.  al  Häri^  93. 

Jazid  b.  Hi^n ,  Klient  der  Banü 
Muhärib  460  f. 

Jazid  b.  Mazjad  b.  Zaida  as  Sai- 
bänl  454—456. 

Jazid  b.  Usaid  as  Sulaml  5.  86  f. 
114.  166  A.  5.  417.  450. 

Je-la-li,  Chagan  der  Uiguren  von 
Kan-cou  88. 

Je-lu-ke  88. 

Je-lüh  Ta-sih  499. 

Jogur  498,  s.  Uiguren. 

Jobannes  Kurkuas  183. 

regnum  lorianorum  59  f.  499,  s.  Ui- 
guren. 

Juden,  in  Adiabene  288  fF.;  in  Ar- 
menien 284  ff. ;  in  Assyrien  287  f. 
298;  im  bosporanischen  Reiche 
301 ;  in  Hyrkanien  282 ;  im  Kau- 
kasus (Bergjuden)  285;  in  Pha- 
naguria  163;  aus  dem  Romäer- 
reiche  ausgewiesen  6. 

Jüdische  Kaufleute  24. 

Jugra,  Jugrien  10.  54  f  60.  69.  499. 

Jugures  498,  s.  Uiguren. 

Jü-küeh-lü  43.  45  f  80. 

Jü-mön  kwan  85.  501. 

Justinian  II.  442  f. 

Jüsuf  b.  Abu  's  Säg  178  ff.  463. 

Käbulsäh  476. 

Kachet'i  178.  184  f  394.  396.  406  ff. 

411  f.  417  f.  420. 
Kaimäk  63.  79—83.  338.  339  A.  6. 
Kaj-Os,  ältester  Sohn  des  Kgs.  Ka- 

wät,  mit  dem  Titel  Padaswargar- 

säh  94. 
Kalla«-  480. 

Kanal  der  Chazaren  351  A.  1. 
Kan-cou    86.    90;    Hauptstadt    der 

östlichen  Uiguren  88.  498;  Götzen- 
tempel daselbst  87. 
Käös,  Kg.  von  Usrüsana  476. 
Kara  Balgassun  80. 
Karch  155.  162.  164.  341.  467. 
Karkundäg,  Titel  des  Alanenkönigs 

165.  168. 
K'art'li  177  ff. 
Kasogen  If.  479. 
Kaspia  s.  Qäspiä. 
Kaspische   Tore   14.    56.   168.  174. 

489. 
Ka.sak  145.  161.  175. 


Kaszebi,  Kaschuben  140. 

Katisk'  279  A.  2.  280. 

Kau-cang  80.  89  f. 

Kawät  I.,  Perserkönig  94. 

Kellmar  486. 

Keraiten  499. 

Kerc  162.  506. 

Kia-jü-kwan  86.  90. 

Kisäl  458.  460. 

K'itan  82.  88  f 

Kitros  238.  251. 

Kiuron,  Katholikos  von  Iberien  397 

—400  A. 
Klarget'  393-396.   407—409.   415. 

421. 
Kobrat  126. 194f.  244  A.  1.  503.  505. 

529. 
Kocel  117.  119. 
Konstantin ,    Slawenapostel    13  f. 

21  f.  33. 

Konstantino2iel  206  ft". 

Würdenträger : 
natgi-nioi    215,15.    219,19;    die 

zwölf  vornehmsten   tt.   219,  22. 

234. 
ar  ruhum  (Silentiarius)  219,  27. 
Fremdengarde  (itaigsia): 
Chazaren  216,  7.    219,  17.    226  f. 

521. 
^aQyävoi  227. 
[laylä^iov,  ^ccynXdßiov,  nayXccßltai, 

226. 
Neger  216,  2.  227. 
Türken  216,  14.  219,  17.  227. 

Ceremoniell: 
chulbäq  (Cymbel)  218,  38. 
Tafelmusik,  kaiserliche  233. 
al  ui-qanä  (Orgel)  218,  22.  233. 

Feste: 
axKovßizcc     am     Weihnachtsfest 

218,6.  228  f. 
Palmsonntag  217, 11  und  A.  8.  228. 

Topographie: 
Brücke  auf  dem  Forum  222,  19  f. 

237. 
al  budrün   (Hippodrom)   215,  14. 

19.  29.  220  A.  3.  225. 
Forum  222,  20.  237. 
Gefängnisse  216,  8—11.  226. 
'AyaQr]vol  rov  Ttgaircogiov  229  f. 
Grab    des  Konstantin  220  A.  3. 

236. 
Grab    des    Ostiljanus    (Justinian) 

220,  38.  235f. 
Hospital  220  A.  8.  2.36. 
Insel  (Galata)  215,  10.  224. 


538 


J.  Marquart, 


Kaiserpalast  215,  12.  16.  17. 
27.31.  217,21.  220,28;  Ring- 
mauer desselben  215,  31.  32. 

i&'  ax'KovßiTu  228 f. 

Goldener  Tisch  218,  3.  5.  232. 

Hippodrom-Thor  215,  34.  218,43. 
225. 

mankabä-Thor  215,  35.  216,  4. 
225  f. 

See-Thor  215,  35.  216,  11.  225. 
228 

Thor  des  Kaisers  222,  10.  14. 

Kirche  n: 

Grosse  Kirche  (Hagia  Sophia) 
219,1.4.  220,28;  Horologion 
derselben  221,  1—222,  2.  236. 

Kaiserliche  K.  216, 19.  217, 16.  24. 
218,  4.  227. 

K.  in  der  Mitte  der  Stadt  215,  12. 

H.  Stephanos  in  Daphne  228. 

Klöster: 
Marienkloster  223,  13. 

Kl.  !M-w  223,  13. 


Kl.  y'w.«s 


223,  13. 


Kl.  ^l^y  223,  12. 
Kl.  ^jA  223,  9. 
Kl.  ^y^  223,  12. 

Reliquien: 
Tintenfass  des  Pilatus  220,  5. 
Tische  des  Salomo,  David,  Qorah 

und  Konstantin  218,  8—13. 
Denkmäler: 
Säule  des  Justinian  (Avyovarsvg) 

220,  35flF.  235. 
Säule   der   Konstantinos  Porphy- 

rogennetos  511. 
Schlangensäule  222,  14  fF.  236. 
Schwingende  Säule  220  A.  1. 
Schatzhaus,  kaiserliches  217,  25. 

228. 
Thermen  der  TtazQiyiioi.  222,  36. 

Thore: 

Goldenes   T.   215,  6.  19.    222,  18. 
225. 

T.  von  Plycäs  215,  11.  224. 

Wasserleitung  222,  31.  223,  7.  237. 
Koprik'  279. 
Korcew  506. 
Kordylis  493  f. 

K'orepiskopos  der  Canark*  406.  409. 
Korinth,    Kirche    von,    geplündert 

von  den  Slawen  483,  14.  487. 


Koron  526. 

Kostantine,  Kg.  von  Mingrelien  177. 
179.  182.  184. 

Kotzagiren  488  s.  Bulgaren. 

Krakau  131.  136—139.  145.  471  f. 
509;   Gebiet  142. 

Krenites  Prokopios  521. 

Kreuz  Christi,  in  der  Sage  der  hoch- 
asiatischen Nestorianer  76. 

Krimgoten,  Gottesdienst  in  eigener 
Sprache?  190  f. 

Kroaten  s.  Chrowaten,  illyrische. 

Krum  30.  493. 

Kuban  31  f. 

Kuber,  Bulgare  245  A.  1. 

Kubrat  s.  Kobrat. 

Kucewo,  Kucajewo  141. 

Kuma  32  A.  1. 

Kup'i  Bulyar  57. 

K'urt'-aul  508. 

Kurtigin,  Chagan  der  Toyuzyuz  91. 

Kurturgur  503,  s.  Bulgaren. 

K'ut'etk'  170  f. 

K'ut'k'  171. 

Kwirike  (L),  Chorbischof  von  Ka- 
chet'i  178  f. 

Kwirike  IL  184. 

Kyjew  34.  145.  189.  198.  200.  509. 

Ladoga  201. 

Lakz  (Lezgier)  13. 

Langobarden,  Longobardeu  66.  143 

A.  1.  240,  28.  259.  482,  8. 
Lazisches  Reich  174. 
Lebedia  32.  74.  155. 
Lebedias  35. 
Leket'i  418. 

Leon  VI.  d.  Philosoph,  Kaiser  519  flP. 
Leon  Choirosphaktes  524. 
Leukai  211  f. 

Levente,  Liuntis  52  f.  522. 
Liutizen  105.  315  f.  318  f. 
Ljudewit,  Fürst  der  Slowenen  140  f. 
Lordomani,  Lormanes  349. 
Lou-lan  84. 
Lovrana  253  f. 
Lucaner  123. 

Ludwig  II.,  Kg.  von  Italien  248  ft". 
Lupato  214. 

Ma^daqiteu,  Mazdakiten  93. 
Mäc^äj  b.  Japhet  101. 
Majgdaland  130. 
Magier  (drei  Könige)  277  f.  281. 
Magier    =    Mazdajasnier    274,  12. 

275,  26.  30.  277. 
Magog  281. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.        539 


Magus  =  Normannen  386;  in  Spa- 
nien 151.  348. 

Magyaren  14.  28.  30—74.  121  142 
—145.  151.  188.  192.  194.  341. 
466  f.  4G9.  471.  509  f.  515  fF. 
520  —  528.  530-,  Magyar  68; 
Hungari  69;  Ungarn  131 — 136. 
138.  494  f.  497.  510;  Ungarii 
69;  Ungri  33.  69.  192;  Hunnen 
494;  s  auch  Avares,  Bagyard, 
Buryar,  Sevordik',  Türken,  Ugri 
cernii ,  OvyyQOi,  Ovvvoi,  HaßuQ- 
roL   aacpaloi,  SsßoQtLot,  Tovqkoi, 


CJ  „i?^A*0  , 


CJ.->UC^J 


b->, 


—  Sitze  nach  Gaihänl  161  f., 
vgl.  515  —  517;  an  der  Maiotis 
155  f.  172;  Raubzüge  in  West- 
europa 65;  nach  Italien  156  ff. ; 
nach  dem  Romäerreich  und  Spa- 
nien 159 ;  in  Tarsus  159.  — 
Kriegsgebräuche  u.  Taktik  64  ff. ; 
Weiberraub  und  Wollust  38.  72. 
A.  3.  144.  154. 

Magyarisch  48  ff. 

Mägak  101. 

Mahmet  (Muhammad  b.  Marwan) 
444  f.  447—449. 

Mähren,  Morawa  108.  115  ff.  122. 

1)  Nieder  -  Mähren  (Nizujaja 
Morawa)  mit  der  Hauptstadt  Bel- 
grad, McoQaßia,  Merehani,  bul- 
garisch, von  Mas'üdi  mit  2)  ver- 
mengt 115  f. 

2)  Die  beiden  Ober -Mähren 
(wysnii  Morawe),  eigentlich  Be- 
zeichnung des  Bistumssprengeis 
des  Methodios,  MoQaßos  rfjs  TIcc- 
voviug  vita  Clementis  c.  3 ,  be- 
stehend aus  dem  eigentlichen 
Ober  -  Mähren ,  Marharii ,  dem 
Reiche  des  Swetopl'bk,  und  dem 
Fürstentum  des  Mährers  Priwina 
und  seines  Sohnes  Kocel  in  Pan- 
nonien  am  Plattensee. 

3)  /;  iihyäXr]  MoQußia  i]  ccßä- 
nriorog,  angeblich  das  alte  Reich 
Swetopliks ,  südlich  vom  Lande 
der'  Magyaren,  in  Wirklichkeit 
=  Savia,  dem  Fürstentum  des 
Brazlawo  zwischen  Sau  und  Drau, 
nebst  Pannonien   am  Plattensee, 


dessen  Schutz  dem  Brazlawo  im 
Jahre  896   gleichfalls  übertragen 
worden  war  118  f. 
Maiotis,   Lage  nach  Mas'üdi  161  f. 
Malamer,  Bulgareukan  493  ff. 
mamp'ali  186. 

al  Ma'mün  3.  6.  23.  457—460.  475f. 
al   Mancür   (Abu  Ga'far  'Abdallah 

„der  Pfennigfuchser")  450f. 
Mangalia  59. 
Maugcür  461. 
Mauiehäer  in  Kan-cou  88  f. ;  in  Kau- 

c'ang  90 f.;  in  Sandäbil  87f. 
Manichaismus,   Charakteristik  des- 
selben 92.  94  f. 
Mannäer  287 

Mäntiös  (Maiotis)  484,  20. 
maqtürlja  264. 
Marduc'ajik'  441. 
mare  aquilonis  59. 
Margoil  171  s.  Argwet'. 
Marko,  Bischof  von  Oldenburg  323. 

326. 
Marqus-Kloster  in   Saluqija  237,  6. 
Marwan  b.  Muhammad  12.  17  f.  199. 

449  f. 
Masgid  Jl  'IQarnain  175.  186. 
Maslama  b.  'Abd  al  Malik  18    20. 

166    186. 
Maurikios,  Ks  245.  393.  397—400  A. 
529;  Maurlq,  Mauriqianos  480 — 
486. 
Mazdakismus  94. 
Mc'chet'  187. 
Meer  der  Rös  =  Pontos  333  ff. ;  = 

Ostsee  152. 
Meissen  115. 
Mescerjakeu  69. 

Michael,  Bulgare  =  Bogoris  494  f, 
Michael  Wysewyc,  Fürst  der  Zach- 

lumer  110.  156. 
Micisla,    Abodritenfürst    306.    310. 

316. 
Milcane  115. 

Mingrelien  (Egr)  177  ff.  182  f. 
Misaco,  Miseco,  Herzog  von  Polen 

133    320  f. 
Missizla  3li.   316.   322;    Sohn    des 

Billug  318  f.  321. 
Mistizlavus,  Abodritenfürst  105. 31 5f. 
Mistui    (Mistuwoi) ,    Abodritenfürst 
105.  306.  311.  314f.  317;  Mistav 
312;    Mistiwi  305;   Mistiwoi  316. 
Mizzidrog  312.  315. 
al  mizän  264. 
Mläwa  115  f.  140. 
Moesien  485,  4. 
Mogor  68.  145.  154.  172. 


540 


J.  Marquart, 


Mobmed,   S.  des  Chalil  408.  411  f., 

s.  Mubammad  b.  Cbnlid  b.  Jazld. 
Mo-kia-yen  502. 
Mokk'  464. 

Moräwa  115  s.  Mäbren. 
Mosaburg  am  Plattensee  (Zalavär) 

117.  121. 
Moses,   Biscbof  von  C'urtav  398 — 

400  A. 
Moses,  Fürst  von  Uti  180. 
Mrvan  (Mubammad  b.  Marwan)  449. 
Mt'iul  406.  "409.  412  f.  422. 
Mudagra  (Mundraga)  524  u.  A.  1. 
Muggia  255. 

Mubammad  al  Amin  456. 
Mubammad  b.  Abmad  al  Azdl,  Sar- 

wänsäh   188. 
Muhammad  b.  'Attäb  409  f.  459  f. 
Mubammad  b.  Chälid  b.  Jazld  411. 

414.  462. 
Mubammad  b.  Cbälid  Bucbarachu- 

^äb  461. 
Mubammad  b.  Humaid  at  TusT  459. 
Mubammad  b.  Isbäq  350  Ä.  1. 
Mubammad   b.    Sulaimän    al    Azdl 

as  Samarqandi  460.  462. 
Mubammad  b.  'Ubaidallab  al  War- 

#änT  461. 
Munaggim  as  Sulaml  5. 
Müsä  al  Hädl  420.  453. 
al  Musannat  342. 
Muse!  Mamikonean  37. 
al  Mu'taQim  460. 
Muzok,  Mazuk  146. 
Mystiwoi  312.  315.  318,  s.  Mistui. 

Naccon  311.  325.  327;  Näqwin  512. 
Nacbcavan,  Nacbigevan  446 — 448. 

454  a.    460  ff. ;    Landungsort    der 

Arche?  291  A. 
NaQr   b.  Abmad  as  Sämänl  74.  89. 
Naevazae  55  A.  3. 
Nairjösai'iha  297  f. 
Nämgln  98,  1.   105.  115  f.  142.  144. 

=  Deutsche. 
Näqwin  s.  Naccon. 
Narentaner  207.  242.  248  ff.  252. 
Narse  457,  s.  Nerseh-i  Philippean. 
Narse,  Kg.  der  A'ö'öräje  296. 
Nawekat  500. 
Nedaus  42. 
Nemec  105. 
Nephrit  79. 

Nephritpforte  87  s.  Jü-mön  kwan. 
Nerse,  Erist'aw  von  K'art'li  419  f. 
Nerseh ,    Fürst  von   Iberien  402  A. 

433. 


Nerseh     Kamsarakan,     Fürst     von 

Armenien  443. 
Nerseh-i  P'ilippean  457  d. 
Nestorianer  in  Hochasien  498;  unter 

den  Türken  304. 
Nikaia  211  ff. 

Nikephoros  Pbokas  522.  524.  527. 
Niketas  Skieros  521. 
Nikop's  57. 
Niqja  208,  7/8.  212._ 
Nizäriten  in  Armenien  454.  456. 
Nordmeer  60. 
Normannen    in    Spanien    348.    475, 

s.  Magüs. 
Novae  488. 
an  Nu'män  93. 

Ober-Barschän  77  f.  80  f. 

O^toträna  101. 

Oda  I.  und  II.  320  f. 

Odothaeus  373  A. 

Olehontor  Blkar  57.  500. 

Oldenburg    in    Wagrien    811.    313. 

315.  322  ff.  325—328. 
Oleg,  russischer  Grossfürst  34.  131. 
_190.  194. 

Omed  b.  Asawahist  295  A. 
Onogoria  44;  Onoguren ,  Hunuguri 

42—44.  51. 
Organum  499. 
Otto   d.  Gr.    139.    148.   313.   322  ff. 

326.  328. 
Owsi,  Owset'i  164.  168.  506  f. 

Padaswärgarsäh  94  s.  Kaj-Os. 

Pablawl  294  A. 

palhawlk  den  293  und  A.  1. 

P'ang-tigin  88. 

Pangher,  Silbergruben  in  — ,  149. 

Pangkat  (Bisbalyq)  91. 

Pannonien   116  ff.  122.  369— 373  A. 

Papa  260,  2. 

Paräb  338  f. 

Pascatir  69. 

Pavia  240,  24.  259. 

Päzand  294 A. 

Pecenegen  5.  27  ff.  33  f.  48.  65  ff. 
71  f.  74.  76—78.  161.  191—194. 
338  ff.  342.  466.  472.  505.  509  f. 
518.  524  f.  527  f.;  Religion  72; 
Abfall  zum  Islam  72  f.;  Sitze 
nach  Gaihänl  160  f. ;  aus  dem 
Uralgebiet  verdrängt  73  A.  3; 
erstmalige  Vertreibung  der  Ma- 
gyaren 35  f. 

Pein  84. 

Pelzhandel  der  Hunuguren  43 ;  der 
Rös  203.  350;  der  Schweden  513. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.        541 


Petronas  27. 

Phanagoreer  15.  56,  s.  POguren. 

PilatuSjTypus  des  gerechten  Richters 

220,  8.  235. 
Pirna  84. 

Pirän-Gusnasp  431. 
Pirano  254. 
pitiachsi  168. 
P'ojt'  (Phasis)  448. 
Polen  111  f.  195. 

Poljane  am  Dnjepr  34. 195.  200.  509. 
Praedenecenti   116.    140,    s.  Brani- 

dewo. 
Prag  78;  Fürstentum  129.  142.  145; 

Bistum  135  ff. 
Presbyter  Johannes  499. 
Priwina  117.  119. 
Prokop ,     griechischer     Heerführer 

440  f. 
Prüs  510. 
Przemysl  138.  196. 
Pseudawaren  s.  Awaren  (falsche). 
Psovane  137  f.  196. 
Psow  123  f.  137. 
Pügüren  (Pangüren)  15.  56.  485, 18. 

491. 

al  Qäim  bi'  amri  'lläh  475. 

Qaisiten  (Kaisikk')  in  Armenien  460. 

Qal'at  al  Kiläb  454  f. 

Qaraqoram  81. 

Qardü^t  489. 

Qäspiä,"  Stadt  15.  56.  485,  17.  489. 

Qorais  92. 

Quaden  373 A. 

Qulaib  84.  86. 

Qusan  283  und  A.  2. 

Qutron  237,  9. 

Qwel  176.  178  f.  184. 

Qypcaq  29.  160. 

Qyrgyzen  83.  90.  95. 

Qytai  82  f. 

Rabl'a  454.  459.  461. 
Radagais  371  A. 
Radimici  113.  128.  199. 
Razt'archan  5  A.  1.  114.  355. 
Rhinoceroshörner  als  Schmuck  87, 
Rogastadzans  378  und  A.  4. 
Roh  451. 
Rom  260—269. 

Campidoglio,  Campo  d'oglio  266. 

Eherner  Staar  260,  10—17.  265  f. 

Grosse   Kirche  260,  7—10.  28— 
261,  7. 

Gruft  der  Apostelfürsten  260,  18 
—27. 


5.  Giovanni  in  Laterano  264  f. 
St.  Peter  263  f.  266  f. 

Tiber,   mit  Kupferplatten  belegt 
260,  4.  5.  262. 
Romäermeer  ^  Mittelmeer   208,  4 ; 

=  Schwarzes  Meer  161  f.  203.  351. 
Romanos  (Lekapenos)  6.  62.  70. 
R.  s  2  ff.  34  A.  1.   149.  152.   188  f. 

467.  472.  474.  518;  =  Normannen 

(Dänen)  386.  510. 
Rosomoni  .365  ff.  382  f. 
rotundum  mare  60  f. 
Rua,  Ruga,  Rugila  372  f.  A. 
Rugier  137  A.  1. 
Ruizi  137  A.  1. 
Ruotsi,  Rötsi  353. 
Rurik  201.  203. 
Russen  163.  192  f.  200  ff.  340  ff.  383 

— 391 ;  Bestattungsgebräuche  384 

A.  2. 
Ruzzia  provincia  137  A.  2. 

Saba  93. 

Sabbatfluss  197  f.  511. 

Sabene  376 A. 

Sahiren  42.  46.     Savirk'  58. 

Sadagarii  44. 

Sahak  Aspet  437. 

Sahak  Bagratuni  437. 

Sahak,  Fürst  von  Siunik  180  f. 

Sahak,  Herr  von  Siunik'  (ein  älterer), 
Vater  des  Atrnerseh  von  Chac'en 
(s.  d.)  457  d. 

Sahak  (III.),  Patriarch  von  Arme- 
nien 445.  450. 

Sahl-i  Smbatean,  Herr  von  Sak'e 
457  d;  Sahl  b.  Sunbät,  Herr  von 
Arnm  460  f. 

Sa'ld  b.  Salm  b.  Qutaiba  al  Bähili 

6.  455  f. 

as  Sakan  b.  Musa  al  Bailaqanl  455. 

Salamas  463. 

Salard,  Magyarenhäuptling  157. 

Sallam  der  Dolmetscher  86.  89  f. 

Salman  b.  Rabi'a  al  Bahill  36. 

Salmucy,  Vater  Arpads  35  A.  3. 

Salüqija  237,  3.  66  A.  2.  238. 

Salvatio  Romae  265. 

Samandar  If.  12.  17  f.  21.  174  A.  4. 

474.  490  f.;  Smendr  58.  500. 
Samo  127  f. 
Samür  13. 
Sandabil  85.  87.  90.  500;    Sitz  des 

Chaqans  88  f. 
Sandvad  509. 
Sangarios  210  f. 
Sangläch  87. 
Sanqara  208,  9.  210.  212. 


542 


J.  Marquart, 


Sap'atia  429. 

Saphrax  368— 372  A.  375/6  A. 

Saraguren  42. 

Sarazenen    —    PlünderungszUge    in 

Dalmatien  und  in  Italien  248  ff. ; 

in  Italien  267  ff. 
as  Sarlr  175. 

Sarkel   1  ff.    28.  195.  197.  474.  492. 
Sarus  365  f.;  ein  Gote  371  f. 
Saryysär  1.  3. 
Abd  al  KarTm  Satoq  Qarächän  77. 

501. 
Savirk'  s.  Sahiren. 
Sawäda  b.  'Abd  al  Hamid  al  Gahhäfl 

458  f. 
Schleswig,  Bistum  823.  325 f.;  Mark 

326  f. 
Schwarze  Insel  im  At'l  154. 
Schweden  513. 
Scizi  55  A.  2. 
Sederich  311  f.  322.  324  f. 
Sedericus  325. 
See  von  Gurgäng  60.  63, 
Senek'erim  a^  Qanäri  (Chorbischof 

von  Kachet'iV)  188. 
Sennaq  bar  'Awl^;l,  S.  bar  'Absadar 

296  A.  4. 
Serben,    süddanubische    108  f.    156. 

244   A.  1.    245;    Südserbeu    242. 

248 ff.;  weisse  Serben  109  f. 
Serrei  55  A.  2. 
Set'  Harasi  (Sa'Id  b.  'Amr  al  HarasI) 

450. 
Sev,  Sevuk,  Stammvater  der  Sevor- 

dik'  38.  497. 
Sevadaj   452  f.    464,    s.   Sawäda   b. 

'Abd  al  Hamid  al  Gahhäfl. 
Sevordik'   36  f.   45.   428.' 496  f.,    s. 

Magyaren.  S.  auch  Areves,  Georg, 

Solomon,  Step'annos. 
Sewerane  111.  113.  189. 
Sidamo  507. 

Sigerich  309.  324,  s.  Sigtrygg. 
Sigtrygg,  Sohn  Gnüpa's  309  f.  322. 

324  f.  327. 
Sijäh  köh  2. 
Silbergrube    im    Lande    der    Char- 

luch  82. 
Silzibul  504. 
Sindafu  86. 
Sinus  31  A.  1. 
Sirmium  484,  11. 
Slawen    188  f.    192.   198  ff.   468;  _= 

Donau-Bulgaren  519  vgl.  517;  im 

Chazarenlande    12.    111;    Slawen 

aus  dem  Chazarenlande  von  Mar- 

wän  in  Chachet  angesiedelt  199; 

S.  an  der  syrischen  Militärgrenze 


angesiedelt  199;  Slawenreich  a. 
854/5  in  Krakau  200.  509;  Be 
Stattungsgebräuche  113. 

Slaweneinfall  im  J.  581  243  f. 

Slawenfluss  198  f.  203;  die  Wolga 
351  A.  1.  ^ 

Slawenmeer  351  A.  1. 

Slawobor,  Graf  von  Psow  123  f. 

Slowenen,  pannonische  116  ff.  119. 
122. 

Smbat  Abu  '1  'Abbäs  Bagratuni, 
Sparapet  412—414.  425.  451.  460. 
464  f. 

Smbat  Bagratuni,  Chosrow-snumn, 
Marzpau  von  Hyrkanien  397 — 
400  A. 

Smbat  I.  der  Märtyrer  (890—913), 
Kg.  von  Armenien  177  f. 

Smbat,  S.  des  David  Mamp'ali  177. 

Smendr  s.  Samandar. 

Smolensk  197. 

Sogdak,  Land  der  Hiung-nu  18. 

Soyd  476. 

Sofomon  Sevordi  413  A.  1. 

Sorben  106—108.  110  f. 

Spalato  243.  250 f.;  vgl.  Prosper 
Tiro  Epit.  Chron.  nr.  999  (Chron. 
min.  1  448  ed.  Mommsen)  und 
Hieron.  Chron.  a.  Abr.  2332  cod.  F : 
Diocletianushaud  procul  aSalonis 
in  villa  sua  Spalato  (übrige  codd. 
des  Hier.:  in  villae  suae  palatio) 
moritur.  Geogr.  Rav.  IV 16  p.  209, 
8  ed.  Pinder  u.  Parthey:  spalation 
A,  spalathion  B,  Spalathron  ed. ; 
V  14  p.  380,  9  spalatium  A,  spa- 
latum  B,  Spalatrum  ed. ;  Spala- 
thon  Guido  c.  115  p.  542,  11  (an 
allen  drei  Stellen  neben  Saloua). 

Spandiat  428  f.,  s.  auch  IspandijäeJ 
b.  Bistäsp. 

Sper  424  f.  437.  452. 

Spitignew,  Böhmenfiirst  124.  128. 
13S 

Sqlaweneu  482,  7.  483,  12.  17.  20. 
486  ff. 

Srem  (Sirmium)  66  A.  2. 

Step'annos  gen.  Kon,  Häuptling  der 
Sevordik'  497. 

Step'annos  I. ,  mt'awar  von  Geor- 
gien 393  f.  401  A.  433. 

Step'annos  von  Siunik'  449. 

Stinkendes  Land  81. 

Stodorani  103  f.  129  A.  3. 

Stoinef  311  f.  327. 

Suavi  373  A.;  =  Quaden  (oder  = 
Markomannen-Bajuvarier?)  876A. 

Sübang  468.  470. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       54B 


Sugdaia  15;  Sugder  190. 

Suh-cöu  86  ff.  90.  498. 

Sunilda  365  f.  380  ff. 

Süreu  296  A.  4. 

Surpe  130. 

Suwär  474. 

Swetophk,  Herzog  der  Mähren  108. 

l'l8f.  129.  131.  470. 
Swet  malik  (Swetoplik),  Grosszupan 

der  Slawen  (Chorwateu)  468.  509. 
Swetoslaw,   russischer  Grossfürst  1. 

4'74  f. 
Symeon,  Bulgarencar  69.  156.  242. 

519—528. 

Sabib   b.   Jazid  b.  Nu'aim   as  Sai- 

bäni  443. 
as  Säbirän  13. 
Sa-cöu  86.  88.  90.  498. 
Sahröq  bar  Narse  298  A.  5. 
§äh  Ruch  86. 
Sämechart  480.  486. 
Samkör  24.  36.  38.  412  f. 
äamsulde,  Samswilde  180  f.  183. 
Sarag  502. 
Sarwän  456. 
Sat'  401  A. 

Tabaristän  94. 
Tachtäch  75  f. 

taga-te,  Tegei,  Taga-uri  169  f.  507  f. 
Tagorae  170  A.  8. 
Tähir   b.    Muhammad    a<}    Qan'anI 
■  457  f. 

Tajk'  446.  452. 
Tailasän,  Tälis  275,41.  278  f. 
t'akoir  170  s.  Taga-te. 
Tanais  s.  Don. 
T'angri-chan  15. 
Tangut  88. 
Taraun  405.  415.  439.  452  f.  463. 

465  nr.  23. 
Taräz  59.  77.  79.  498.  500. 
tarniach  488.  504. 
Tarsia  59.  498  f. 
Tarvisium  257. 
Tedeschi  509. 
Thali  55  A.  2.  498. 
Thanatia  10. 
Theoderich,    Markgraf   314.   317  f 

320  ff. 
Theodoros  Rstuni  440  f.  449. 
Theophilos,   Ks.  27.   54.  164.  202 

421.  493  f. 


Thessalonich  241.  495.;  Belagerung 
durch  die  Slawen  und  Awaren 
unter  Maurikios  244  f.  488;  Pest 
in  Thessalonich  245 ;  Plünderung 
a.  904  238.  252. 
Thewdose,  Kg.  von  Ap'ehazet'  406. 

411.  422. 
Thogata  499. 

Thogarma,     Stammvater    der    ost- 
kaukasischen Völker  491. 
Thor  der  Töräje  485,  17.  489. 
Thor   der  Türken   15.  56,   s.  Thor 

der  Töräje. 
Thorismcd  373  A.  376/7  A. 
Thule  151. 
Tieh-sieh  498. 

Tiflis    167.    172.    175  f.    185.    187  f. 
394.  398  f.  A.  405  ff  417  f.  419  f. 
422—424.  456.  460  f.  508;   durch 
die  Chazaren  zerstört  417  f. 
Timavo  258. 
Timocaner  116.  141. 
Ti-na-p'o  502. 
Tindari  55. 

Tiroc',  Bagratunier  437. 
Titel,  Titul  66  A.  2.  241. 
Tiwerci  189  f.  192  ff. 
Tmutorokan  163.  341. 
Togora  59  f.  499,  s.  Thogata. 
Toyac  b.  Guff  525. 
Toyuzyuz  s.  Uigxiren. 
T'ong  Jabgu  Chagan  394  A.  2.  498. 
Tonjukuk  27  A.  3. 
Triest  255.  258. 
Tritri,  Triti  (Tatra)  136.  138. 
Tübät  78  f.  501. 
Tugumir  104.  324. 
Tuh-küch  (Türk)  46. 
Tunglo,  Fürst  der  Sorben  107. 
Turäiön  525. 

türk,  Türken  15.  46.  57  f.  275,  35. 
284.  304.  484,  10.  487  f. ;  in  San- 
däbil  88 ;  T'urk'k'  57. 154;  Türken 
=  Magyaien  30.  65.  100,6.  142. 
144.  192.  494.  510. 
T'urk'astank'  58. 
Turla  190. 
Turbsi    —    Gottesdienst   in    eigner 

Sprache  190  f.  510. 
Turul,   Geschlecht  des  Almus  497. 
Tutchon  500. 
Tyrcae,  Turcae  55  f.  69. 
©amal  ad  Dulafi  150.  158. 

'Ubaid  allnh  b.  al  Mahdl  454  a. 
Udisch  49  f. 
Uglici  189  f.  192  ff. 


544 


J.  Marquart, 


ügri  14.  34.  45.  69;  ügri  belli  39; 
Ugri  cernii  39.  56.  69;  Berg  der 
Ugri  bei  Kyjew  34.  56. 

Ugrische  Sprachgruppe  48  ff. 

Uguren  42. 

Uiguren  497  f.;  Toyuzyuz  80  f.  89. 
91_95;  To-/uz  Oyuz  90;  bei  Ibn 
Chordädbih  390;  Sturz  ihres  Rei- 
ches 92.  95;  Huiuri,  Jogur,  Ju- 
gures  498,  loriani  499;  östliche 
U.  88. 

Ula,  Stratelates  481. 

Uldin  371  f.  A. 

Umago  254  f. 

Ungarn  s.  Magyaren. 

Unlizi  189.  192. 

Unugundur-Bulgaren  s.  Bulgaren. 

Unverbrennbares  Holz  76. 

Unwän,  Erzbischof  von  Bremen  313. 
316  f.  325. 

Abu  Jazid  Usaid  b.  Zäfir  as-Sulaml 
12.  199.  ^  j 

Usrüsana  476. 

Uti  180  ff.;  Utier  39. 

Uturguren  (Utiguren)  508  f.,  s.  auch 
Bulgaren. 

Vadamerca  368  A. 
Vandalarius  368  A.  374, 5  A. 
vaeringi,  va?rinsrjar  346, 
Venetien  247  f^  252  f. 
Vinitharius  367—370.  374, 5  A. 
Vithimiris  368/9  A.  374  A.  376  A. 
Volagases  I.  292  f. 
Vultuulf  374  A.  376  A. 

Wag,  Provinz  Ungarns  137. 

Wago  (Wego\  Bischof  von  Olden- 
burg 311.  315.  318.  321  f. 

Wagrier  312  f.  315  f.  323.  325.  827. 

Walaudar  61  ff.   65.  69.  499  f. 

al  Walandarija  63  f.  527  f. 

Walinjanä  101.  146.  148. 

Wandalen  368  A. 

War  190. 

Warac'an,  Waragan  16.  58.  492. 

Waräger  343. 

Wararat  11. 

Waraz-Trdat  i  Step'annosean  457  d. 

Wardan,  S.  des  Kordylis  493. 

Warham,  Fürst  von  Persisch-Iberien 
399—401  A.  433. 

Warsän,  Warsan  20. 

War^än  454.  461. 

Waruch  =  Dnjepr  33.  190. 

Wasak  Gnt'uni  180  f. 

Wasak,  Herr  von  Siunik'  453. 


Wasak,  Stammvater  der  iberischen 

Bagratiden  414  f. 
W^aspurakan   188.  445  ff.  449.  452. 

463  f. 
Wasserweg  152.  155.  385;    auf  der 

Wolga  352  A.  1 ;  durch  die  Säulen 

des  Herakles  nach  Rom  348.  475. 
al  Wä^iq  461  f.  475. 
Wenceslaw,    Herzog    von    Böhmen 

103.  125.  131  f.  142. 
Werbulchu  121. 
West.  10. 

Westtürken  491.  498.  504.  512. 
Wifra  Nawäza  55  A.  3. 
W^iro-parhak  43. 
Wislane  129.  131. 
Wjatici  113.  128.  199. 
Wlachen  148  ;  in  Serbien  und  Istrien 

245  f.;  in  Thessalien  246  A.  1. 
Wladimir,  Fürst  der  Bulgaren  118. 
Wladimir,  Grossfürst  von  Russland 

139.  148. 
Wiendur  Butkar  500. 
Wolin  (Julinum)   148. 
Wolynjane  146  f. 
W^ön-na-sa  18. 

Yrcania  59.  499. 

Zabender  504. 

Zacblumien  128.  250;  Herkunft  des 

Fürstenhauses  von  der  Weichsel 

110.  156. 
Zagoria  70. 
Zand  293  A.  1. 
Zarädust  275,  31. 
Zehn  Stämme  282.  288. 
Zerivani  111.  148. 
Zigae  55. 

ZindTqe  s.  Manichäer. 
Zorard  158. 
Zuraiq  b.  'All  b.  Q'adaqa  al  Azdi 

459. .. 
Zutt,  Übersetzung  von  I^Kv&ai  186 

Zuan-zuan  43. 


'Aßöayäarig  296  A.  4. 
'Aßdüai  356  A.  1. 

/^•'"'"  209-    ,    ,      ,  ,  ,no 

Adgcivaar]    o  agriag  ^ayiargog  4^ö. 

'Al:iu  168. 

AxccT^iQOi  40  ff.  51.  491. 


Register  zvi  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       545 


'AniXßäQT  463. 

'Anoaeßatcig  464. 

'AgyntTtaloL  56. 

'Aaalot  172. 

*'A6Tt£TLavoi  437. 

aGTtQOV  dcTfiriov  1. 

'Axcoj^icc  168. 

'At^Xkov^ov  33.  58. 

Baiovvfitcci  243. 

jBaia()a'9'os  11. 

Bapayyot  343  f. 

BäQi?  286. 

*Eci:pafia<)Oi;örjs  401  A.  433. 

BaQGr]lr  490  f. 

Biliyit,f]'^ai  243. 

BsQßiävoi.  107  s.  JsQßiävoi. 

BsQtvrai  243. 

£oixt  109  f. 

BoQv6d'ivrig  190. 

1^  naXuia  BovXyuQta  503. 

BovQar  527. 

Eovc)f(3owJrjs,  Vater  Michaels,  des 

Fürsten  der  Zachlumer  110. 
BQOcvir^oßa  140. 

Aa^rj  528. 
FLa^i%07t6v  528. 
roQyivr\g  432. 

PoVTjTJJtüi   141. 

ri5ea  188  f. 

^aig  9. 

JdvaTtQig  190.  508. 

^dvaatQLg  190. 

z^f^firog  70.  500. 

*z/feßiai'Ot  107.  111.  188. 

JsgßXsvlvoi  107.  188  A.  5. 

^SGTLVLXOV    109. 

Jooyovßlrai  243. 
jdQOvyovßlxai  111. 
EvdovGiavoi,  EvSovda,  *EMvaia 
363  ff. 

Jaxavos  35. 

Zafi-avapjos  432. 

Zi^(37jX  498  s.  T'ong  Jabgu  Chagan. 

Zi^ot  55. 

'Jra^rjs  168. 

'lti[Läqoi  356  A.  1. 

'Iv^xat  55  f.  69. 

Kß^apot  52.  66,  522. 

KaXa^rivri  288. 

■nävsg,  %ävr\g  495. 

xaÄVtxdv  209  A.  1. 

Kaaaxia  2.  479. 

KsAayaffTTjg  147. 

KsQtl^tCCL   56. 

KiTpo?  66  A.  2. 
Kovccipoi  55  A.  2. 

Marquart,  Streifzüge. 


KopaxTjciov  209. 
fisröxt^ov  tov  KoQi^ov  507. 

JCoTßayos  45. 

KovgLdaxog  42. 

Xovpx^vios,  Magistros  176. 

Kovgadvrig,  Kovaävrjg  52  A.  5.  521. 

KovrovQyovQOL ,  KoTQiyovQOL,  Ko- 
T^ayr]Qoi,  KoTQuyoL  44  f.  503  ff. 
s.  Bulgaren. 

Kovcpig  =  Kuban  32.  505;  =  Bug 
505. 

KQißrjTccLTivol,  KQißit^ui  107.  111. 

KwqpTjj'  =  Kuma  32  A.  1. 

Äiv^ivivoi,  AcV^avfivoi  107. 

Mayuagia  59. 

MaXäyiva.  212. 

Muvxti%dQx  (Manckert)  463. 

Msyign  66.  68. 

Mi^äiiriQog,  Fürst  der  Anten  147. 

Mi:Qiiöhag,  Amazonenfluss  170. 

Mivvdg  286. 

MoQußicc  7}  iisyälTi  119  s.  Mähren. 

MovkqL  43. 

Movfftoxtog  146  s.  Mazuk. 

Näßcc^og,  Näßa^oi  55  A.  3. 

Naßiavoi  55  A.  4. 

JVayt^og  210. 

JVfxpojrvAa  505. 

NUoipig  (Nlkcc^iv)  57. 

NovvoL  359  A. 

'Öyy^og  189. 

'Ovriy^aiog  42. 

'Ovöyovpot  44.  356  A.  1 ;  Ovviyov- 
Qoi  505  s.  auch  Onogoria. 

'Ogyav&g  505. 

Ovyyyoi  30.  44  f.  54.  69. 

OvyäQOL,  OvyovQoi  43.  45.  504. 

Ov%Qov%  hl  A.  3. 

OvXrivoi  107.  189.  192. 

Ovvvoi  =  Magyaren  54. 

OvvvovyovvdovQOi,  57  A.  4  s.  Bul- 
garen. 

Ovpyot  39  A.  6. 

OvxiyovQoi  s.  Bulgaren. 

üsQccvLog  431. 

JTi;;i(^t  211  A.  2.  213  f. 

Tä  378  A.  4. 

'PovOLOL  352  =  'Pmg. 

'PwftKvot  in  Dalmatien  245. 

'Pc&S  353  ff. 

'Pcög  =  Wolga  378  A.4;  y^j^Jf  ^ 
Ihn  Hauq.  fvl ,  16. 

EaßäQTOi  a6(faXoi  36.  39.  69. 
ZäyyuQog  211  A.  2.  214. 
35 


546 


J.  Marquart, 


^ayovdätoi  243. 

2]atitxK(i.tai  196. 

2JaiJiävSQBig  500. 

2:a(ißccTdg  197  f.  509. 

2cc(iog  486  A.  1. 

xäöTQOv  UafioxtiQtcov  486  A.  1. 

EuqäyovQoi  356  A.  1. 

UccQat  527. 

*2:eßiQ0i  (Sewer)  111.  189. 

*Ssß6QTi,0L  39.  69. 

I^eQßioi  189  s.  Eißiqoi. 

UsQßXia  109. 

2]y.6loTOi  378  A.  3. 

aitoQoi  108. 

2Jre(ißiG-xo:Yo^v  504. 

TaX\iäxtoi  41  A.  1. 

TÖ  TayiätaQia  16  A.  1.  163.  336. 

Tavydat  502. 

TsTpa^rrat  163.  507. 

nov(»  489. 

Tirfalos  66  A.  2. 

TovmGovQsg  (lies  Tovv-Govgsg)  44. 

TovQKicc  (Ungarn)  109. 

Toüpjcot  =  Chazaren  47;  =  Magya- 
ren 30.  36.  46—48.  52—54.  64  f. 
69.  144.  227;  =  Türken  46. 

TgovXXog,  pecenegisch  =  Turla, 
TvQccg  190. 

TvQayixai  190. 

Tvqag  190. 

TvqöyiuGXQOv  176  f. 

^avayÖQtia  163  f. 

^Qayyo'ji^wQiov  66  A.  2.  499. 

Xä^aQsig  57. 

Xs'pr  (Her)  463. 

Xtyyvlovg  32.  530  A.  2. 

Xolidxcci  79.  356  A.  1. 

Xov^ccöccv  502. 

\kwl"-ll'  P»"»-^^,  lllfFZ-'L"^  P'"'-4l 

114. 

Ü."/ZF"'"-  463. 

y^««!//!./!!/!      11. 

U.^/'4«"'5y'  496. 

Pu/i^-ni^^    462. 
q.uip^^utui    76    A.  1. 

^^^„^V/  57. 

|l/n«-    P«ni-£-^  S.    W,'[pi"-'lf'    ^'ni-t-12 
^luqn    t^utinq.nu    462  I. 
Yaujqjf"    463. 

\außji/^'if.nL.iig  57  A.  5.  500. 


lj»»j/y  57  A.  4. 
^u,.^  460  b. 

uiuiifiuli    TÜnfiujj    489. 

UAr^«^^^^  36.  38  f.  69. 

U  uf/ru/i/i/Zr  .    u  u//rtf/0uf7y    lo. 

il^^it«,^  =  •\J,(,^  418  A.  6. 

"^Z  356  A.  1. 
Vs^/  354.  356  A.  1. 
^Q^o/  356  A.  1. 
bJ^fc^/  356  A.  1. 
jQ*OD-t^|.^  356  A.  1. 
^^^  174. 
♦♦»V»?  356  A.  1. 
3poiO)  356. 
3^013  356  A.  1. 
VsOt'QO  356  A.  1. 
VXTLD  356  A.  1.  491. 
^©^©♦♦O  483  A.  5. 
"^QJ  357  A. 
JJOII»  483  A.  7. 
io^OV-QD  356  A.  1. 

I-Vq^qS  (pa^\\o>'^)  491. 

I^QiOS*  484  A.  4. 

Oisp^':^«  193. 

b-'-i-iN  11. 

NDNia  10  s.  NDXD. 

D^bnan  =  Chorwaten  134  f. 

y^y^'^  9  A.  1. 

D^N^i:t^nn  (so  !)  10. 

■jn^sn  134. 


^^^D^^  492. 
■1N\Ü^1  19.  492. 
«D40*  479. 
•\»\)'\^^  11. 

Vnswo  163. 

■;i^Un3D,  Fluss  197 
nin  10. 


A.4  s.  ^l^.^L 
^,L^.:^!*  508. 
^j^ji\*  502. 
lx>5  208  f. 

^j«^j1  143  A.  1  s.  g^/Xi^L 
^^UO;^il  348  f. 
,:^l  4. 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       547 

3L^!  174  A.  4. 

^jS^i*  100,  3. 

•i^ß  269. 

U.»*ULXJit  s.  Lä.w*JiJsjj5l . 

iJLo  y5ojs!  66  A.  2. 

Lä^wöJ^ji!*  Praedenec-enti  140. 

iuJLä!  (iQls)  195. 

u^m*  114. 

Jj.\  114. 
(jJLo^i  256 ff. 
^^OjA^i^l  240,7. 
^LSI  347. 
iÜ,^^|  253. 
Kj^Cj!*  176. 

wjj^!  173.  176.  495  s.  i^fyC^I . 
y^Ufl^^  254  f. 
y^  10. 

^^!  31.  164.  495  s.  u-i. 
^Job  (jOU*)  214. 
^tj,y?.b  20.  492. 
^t^b  81. 

iüoyLilLj ,  JyiuiLj  s.  Magyaren. 
jx*J|  273,8.  278  f.  280  A.  1.  491. 
.Jl  477. 


^p\  510. 

^j^Lxi^^^^!  174  A.  4. 

^3;!,    Residenz    des    Chaqans    der 

Toyuzyuz  91. 
jjj*  164.  167. 
\\  339  A.  6. 


^j^l  164  s.  (jJ. 
yGL>LkAfl!  254-256.  258. 
njI^xLaöI,  i>.il/Ia>ö!*  97,7.  103  f. 
■»S^jo\  256  ff. 
^y>Ut  41. 


^L>y>^.60. 
^bL«-^l3  ^.  60. 


35* 


548 

^^i^.  9. 
^  508. 

l^L?|^j  99,1.  107.  140;  s.  Braui- 

cewo. 
^LbWjj  77  A.  4. 
XaUjJ!  490. 
-^yoji  491. 
aJj5}^*  (61.  63.   66.)   67  f.  100,5. 

143  vgl.  Magyaren. 


Ä.J»|.J,  io|jJ  254. 

iUJySjj ,   iC.vJy«^  ,   (^^^jJ   195  ff. 

s.  iLwJj/i;. 
(WM»-%vo  s.  Basileios  I. 
OyJfUio  69.  516. 
oJLÄJ  s.  Magyaren. 
-jLx:  ,  Titel  des  Alanenkönigs  165. 

167. 
JjtJl  76  ff. 
^ULi>  !yiJ  77. 
_b^l  ^j  J:?!yij  468. 
_:fOb*  s.  Bulgaren,  kaukasische. 
JjLL  114. 

^^j.UJUif  107  s.  Bulgaren. 
,^*  84  A.  4. 
^j  16  s.ypJb. 
^J:iiÜJ  («4^^!)  195. 
^^  84  vgl.  ^_^4.J. 


J.  Marquart, 

üJb^  254  f. 

(J«3J*J    256    S.    ^^t£LKiJi . 

iUjjJ  142. 
o^J*  84. 

L^fttr'*  (cf'^V'  ^.>^»  256  ff. 
«.AxJ,  Hauptstadt  der  Toyuzyuz  81. 

^j*uXl  31  A.  1  vgl.  ^^J . 

^j^Äxj  66  A.  2. 

^^'  352  A.  1 ;  s.  auch  Don. 

^j_5ÖLs-  17. 

^\j^,  ''^■'■^ß-  1'^^  ^-  Iberien. 
v-jj^y^j  ^^^jr*  468.  471  s.  ^\»,j=>. 

(JA^81. 

^jvJL1>  98,  7.  107.  141. 
jft-P-  77. 

iüjLLs-  (iujLx^)  195. 
,!uX.>L>  s.  Chaidän. 


»^Ai>  188  f.  469.  472. 


O 


:±j^  491. 


xaJU;^!  ^^^=>  199  A.  2. 
tl^iJl  ^Aa>  211-214. 


U^' 


'X  92. 


U-3;   C3^^  202. 


j-^Lp» 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.      549 


^Ulii*  83. 

^LäÜ  82. 

y5oJs.i>  76  A.  1.  232  s.  ^siL>. 

o5jy>  471;   ^J^S\^J=>  98,  6.  107. 

115.  129. 
yiiS\y>jS>  81. 
U\JLm>.3>  s.  (jnJLmX:>, 
g.JLLil82. 

A.^\ss>  29.  160;  ^Uxäi>  29. 
i^^alÜ  5.  41  A.  2. 
gsiJLi*  231  f.. 

(jaJLii  bei  den  Pecenegen  73. 
J^jjj>  204  A.  1.  492. 
^;^LJ|  ^b  4.  477. 
ci^^!j*  189.  194.  198.  200.  471 


^»Jt  =  deutsches  Reich  142  f. 
^ii^^\f  509.  (113. 145. 189.194.198. 

200  A.  1.  466  f.). 
iulj  (^slj)  195  f. 
■».^jfif  197. 

j^msC.Lm    1. 

äIvj^LJ!,  eüO^^LyAÜI   36.   69; 

vgl.  Magyaren. 
y^^^>u^  86. 
^j^  138.  195  f. 

j.xrfOL«  491. 
^LäJU-  20. 
j^.g^t  ((ji|^X*.A«)  (ji«jX*-w  203  A.l. 

336.  351  A.  1. 
byCL*.  211  A.  2.  214. 


y^UcJO  165.  167. 

üjO  30.  32.  161.  517  s.  \^jf. 

*lj|J>5jJl  491. 
XjV  97,  9.  103.  144. 
iLJlJ^yi  24.  350.  352. 
^Ls.^  (j-mI^   355   A.  1    vgl.   Raz 

t'archan. 
jAaj  .  98,  3. 

^^\  ^b>  ^  ^^j  451. 


*5^ 


342. 


»jL^  138. 

195  f. 

•il^U-U^Jt  37  A.  3. 

y>Ui  86. 

y^yi*  502. 

^3j^  90  s.  u^j-Ä. 
,jJi^\  11. 
y^l  ».^.-^Uj  302.  423  und  A.  1. 

cj^Laö*  (c:;^^^^)  98. 7. 107. 115. 

122.  144. 
^JoAJo  254  f. 
^;;OCÄJdJi*,  iüJCÄv^^'*  192. 509. 


s.  ^^^cXiait. 


550 

■}jo  59. 

^mjUL  31  A.  1.  115. 

172.  495. 
.,UJLLJ5  273, 8.  278. 280  A.  1.  491. 


J.  Marquart, 

(JwLj  j^y^aä  81. 

vL:f\Ä]j  29  vgl.  jj,Lc!Xfti». 
KäJUä,  iÜLiUä  256—258. 

vLäaS  492. 
,Xü>  491. 


O 


s.U^f 


..,Uic  451. 


^^t  165. 

L^Uil,  Ü^^UJt  209. 
^3jil^^457e. 
^^UU,  See  79. 
iüly:  98,  2.  105  f. 

^jLoy:  82. 

oby  81. 

IjyLi  256  ff. 

^^!*  142.  144. 

^Lc^äi!  (^UjaJ!?)  186  A.  3. 

^LkJivO  262. 

■jüiAÄs  150. 

y^Xji  214. 

^j^^j^LüJt  ^^j  i^U  74.  89. 

j^ly  39.  41  A.  2. 

J^U  195. 

iCiaJji  79. 


S       lj5>«Wj    . 


y«y:5'  66  A.  2. 
,^J|/,  j«.jO|/  256.  258. 
„^^1  38.  185. 
j/,  ^^\  506. 

Lw^^t  s.  \S>J^ . 

.SJ^  2,  479;  ^V^UbCJl,  L.*^JÜ^ 
479;   xliC^-bül  175.  479. 

/^a:>|JuL5',  ^CssS  168  A.  4. 

»lU^  168. 

'^^S ,  See  im  Lande  der  Toyuz- 
yuz  81. 

by*  32.  161.  164.  517. 

iJUo^jCJl  342  s.  iüU3^l. 

y>L«^  32  A.  I. 

^ytAj  u^Uxi'  339  A.  5. 

iuUö^i  330.  342.  348  f.  352. 

>y   (>y,   »>/>  /)  173.  176. 

347.  495  f. 
y>Ut  32  A.  1. 


Register  zu  Osteuropäische 

y5^>Lo  97,  4.  100, 10.  146  f. 

iLJyi^l!  59.  68;  =  Baskiren  515. 

^^93. 

j^  93. 

8JuJs.i5.  ioujdJ  80.  339. 

JlaoS^  'xXj\Xa  =  jO   [j^^j  166. 

oloy,  o5j,y    172.   176.   495  f. 
517.  519. 

^Loy.  509. 

obj^a-c  227. 

^>c66A.2s.^>5. 

(joi^  165.  167. 

y-.U5  ^Uw  84.  86  f. 

^LU  98,3.  113.  115  s.  u^Uit. 

^5iÄ^  =  Haltestation  239. 

^^x^\*  i^^i^^)  175.  186. 

^JLcyi  254  f. 

^yü  (^>*)  311.  512. 
e5vu*.i  (uWi*)  210. 
Lj^uai  81. 


und  ostasiatische  Streifzüge.       551 

^JOÜ  (/aJ*?)  31.  164.  495  f.  517. 

519. 
ysMJ\  ^  17.  19. 

^-;WA^O  j^   195.   197. 

,-*.j..^J!  ^  197. 

jy5^;  143  A.  I5   s.  auch  «O^^J. 

^j^  352  A.  1  s.  ^^J . 
^UU._^!  17. 
^Aj^\   O^sJ  186  A.  3. 
JJ^\  69  vgl.  Magyaren. 
^LiL^  Vy^  84  A.  7. 
^Läi!  i^Ol^  85  ff. 

145.    189.    194.    198.    200   A.  1 
466  f.  508  s.  ci^i;. 
j^U)  gsil^  98,  1.  103. 


0^^  20. 


»^^,  »;^^ 


8.c^  10.  60. 


QUELLEN-  UND  STELLENVEEZEICHNIS. 

Nur  die  im  Wortlaut  oder  in  Übersetzung  angeführten  und  erörterten 
Stellen  sind  aufgenommen. 


'AbdaUäh  b.  'Amr  b.  al 
'AqI 

Abü'lfidä,  Geogr.  ed.  Rei- 
naud  p.  r.i^,  7  =  II  1, 
287 

Abu  Hamid  Muhammad 
b.  'Abd  ar  Rahlm  al 
Mäzinl  al  Andalusi  al 
Parnätl,  Tuhfat  al  albäb 
wa-nuchbat  al  a'gäb 

Adam.  Bremensis  Gesta 
Hammaburg.  eccl.  pont. 
I  59 

I  61 
n  24 

n  40—43 

II  46 
n  47 
II  58 
Schol.  28 

30 
31.  32 


265  f. 


165 


10.  476 


826  A.  2 
310  A.  4 
310  f. 
312  f. 

316  A.  1 

317  A.  2 
325  A.  2 
316 

317 
314 


AddaUehi-e  289  A.  3.  291  A.  3 
296  A.  4.  298  A.  5 
Agath.  V  11  p.  365,  1—6 

ed.  Dindorf         484  A.  7 

V  11  p.  367^  10—17  529  A.  1 
Akten     des    Sarbel    und 

Barsamjä  296  A.  4 

Alexandergeschichte    des 

Wahb     b.     Munabbih, 

ZA.  8,  308  Z.  11  186  A.  3 

Alexanderlegende,  syrische        357 
Alexanderroman  (Ps.  Kal- 

listhenes) ,     armenisch , 

Kap.  194  =  II  19  p.  76 

ed.  Müller  279  A.  1 


Aiexanderroman,  jüdisch., 
übers,  von    M.   Gaster, 
„  JRAS.  1897,  544  511 

Alfreds  Germania  130 

'All  b.  Abu  Bakr  al  Harawl 

bei  Jäq.  IV  11,  16  ff.      220  A.  3 
Ammian  31,  3,  1  381  A.  1 

31,  3,  3  368  A. 

Annal.  Altah.  a.  973  326  A.  1 

Annal.  Augienses  a.  931; 

M.  G.  SS.  I  69         307.  322.  324 
Annal.  Fuld.  pars  II  auct. 
Ruodolfo   a.  845   p.  35 
ed.  Kurze  124  A.  1 

Annal.  Fuld.  contin.  Ratis- 
bon.  a.  892  p.  121  118  A.  5 

a.  895  p.  126  124  A.  5 

a.  896,  M.  G.  SS. 
I  412  f.  520 

contin.  Altah. 

a.  900  p.  134  128  A.  2 

Annal.    regni   Francorum 

a.  818  p.  149  ed.  Kurze     116  A.  3 
a.  821  p. 155  248  A.  1 

a.  822  p. 159  1  117  a    1 

a.  824  p.  165  /  ii^  A.  1 

Apostellehre,  syrische,  bei 
Cureton,  Ancient  Syriac 
documents  p.  34,  26 — 
35,  2  284 

Baläduri  iH,  12  24  f. 

t'.r,  11—16  24.  36  f. 

fr.,  1—5  476 

fn,  7-11  476 

Bal'amT  trad.  par  Zoten- 


berg IV  289 


199 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       553 


Barhebraeus     (Gregor 

Abü'l  farag)  479 

Bekrl  6—8.  13.  22.  25—29 

K  u  n  i  k  und  Rosen, 
Izvestija  al-Bekri; 
St. -Petersburg  1878 
S.  40,  HfiF.  112  f. 

43,  4-14  72  f. 

43,  22—44,  13  7  f. 

45, 3—4  515 

45, 6  31 

45,  8-11  173 

45,  19  204 

Berossos  289  A.  4 

Beruni  bei  Jäq.  I  i^f ,  21        10 
Biographie  d.  Bar-dai§än 

bei  Mar  Michael  298  A.  5 

Bonifat.  ep.  59  bei  Jaffö, 

Bibl.  m  172  Ulf. 

Anastasius  bibliothecarius, 
Brief   an    den   Bischof 
Gauderich  von  Velletri     14 
Brief    des    (angeblichen) 
Chazarenkönigs  Joseph 
an  R.  Chisdai  8—13.  19  f. 

193  A.  1 
Buch     der    Gesetze    der 

Länder  296  A.  4 

bei  Cureton,  Spicil.  Syr. 
14,  26-15,  10  282  f. 

20,3-12  283  f. 

al  BuhturI  18 

Bulgarische  Fürstenliste     147 
Cassiodor.  Var.  VIII  9,  8    374  A. 
XI  1,  19  375  A. 

R.  Chisdai,  Brief  an  den 

Chazarenkönig  Joseph  8.  24 

134.  154  f. 
Christ.  Druthmar,  Expos, 
in  Matth.  24,  14  23 

37.  56  282  A.  1 

Chronik,  Georgische  177  ff. 

186  A.  3.  391  ff. 
Chronik,  Russische 

c.  8.  9  125 

c.  10  113 

c.  14  385  A.  1 

c.  15  201  f. 

c.  19  34 

c.  27  502  f. 

c.  32  1 

Chronik,  Ungarische,    145. 154. 172 

s.  auch  Simon  de  Keza 
Claudianus  371  A.  374  A. 

Dimasql  4.  6 

Dlnkart  293  A.  1 

Dionysios  von  Telmahre    488 


Edessenische    Bischofs 

liste,  apokryphe 
Eldad  had-Dänl 
Elise  wardapet  S.  101 

S.  203 
Ennodius    de    vita    beati 


298  A.  5 
197  f. 
283  A.  2 
279  f. 

383  A.  2 


277 

8  ff. 
157 


271—276 


Antoni  §  12—14 
Evangelium  infant.  arab 

bei  Tischendorf,  Evan 

gelia  apocrypha  p.l71 
Firkowitsch,  Abraham 
Flodoard  a.  924 
al  Gähic,  oI^Lä^  v-pLü' 

Ji>Ls^i!  ^_^;'cod. 

Mus.  Br.  Or.  3135    toi. 

140v— 142' 

Cod.  Mus.  Br.  Or.  3138 

fol  209  f.  91  f. 

Risäla,  Bibl.  Maük  Tahir 
in  Damaskus  Cod.  125    92  f. 
Gaihänl  7  f.  25.  28  f.  73.  80. 

91.  112.  188  ff.  206. 
Genesios    lib.   III    p.  67, 
13—19  ed.  Bonn.  463 

üb.  IV  p.  85, 21— 

86,  1  529 

Geogr.  Rav.  IV  2  p.  170, 
18—171,  5  ed.  Pinder 
und  Parthey  44 

Georg.Monach.p.724,7ff. 
ed.  de  Muralt 
p.  853, 14— 15  ed.  Bonn. 
854,4-6       „      , 
854,10-12    ,      „ 
855, 1 — <s       71      ,1 
855, 8—16     „ 
GurdezI         18.  24  f 
91.  94.  144  f.  161  A.  4.  164.  495  f. 
in  Bartholds  Reisebericht;  Mem. 
de    l'Acad.    de    St.  Petersbourg 
Vllle  Ser.  1. 1,4  (1897) 


493-495 

521  A.  3 

522  A.  3 

523  A.  3 

524  A.  2 
526 

f.  79  f.  86. 


339  A.  6 
90  f. 
515 
516 

30  f.  516 
172  f. 
466/67 
466 
112  f. 
468—469 
26.  29 
66  A.  2.  206  ff. 
Helmold,  Chronica  Slavorum 
18  306 

I  12  326 

I  13-15  318 


S.  83 
90,  10  ff. 
98,5 
98,  8—9 
98,  10  ff. 
98,  16—21 

98,  23—99,  1 

99,  8—11 
99,  13  ff. 

99,  23—100,  7 
Härün  b.  Jahja 


554 


J.  Marquart, 


Hincmar  von  Rheims 

ifr,  16-ift^,  1 

466  f. 

M.  G.  SS.  I  50 

33 

Hoei-li,   Vie  et  voyages 

tfr,  1 

28 

de  Hiouen-thsang  trad. 

\fr,  7—10 

466 

par  Stan.  Julien  p. 

17 

501  f. 

Hüan-cuang 

84 

Ifr,  13  ff. 

112  f. 

Ibn    al    A'9'ir,    Chronica 

\ff,  9— ifo,  9 

468  f. 

I  rft^,  4 

64 

If  1 ,  22  ff. 

384  A.  2 

vm  (.1,  6 

158 

Ifv,  19  ff. 

20 

VIII  ftA,  7 

4 

ifA,   10  ff 

165 

Ibn  Chordädbih       18 

.  24 f.  29.  79;  1 

Ibn  Sa'ld   bei   Abü'lfidä. 

Abfassungszeit  390. 

p.  r.,  12 

80 

Geogr.  p.  Hv 
Ibrahim  b.  Ja'qüb 

29 

263 
107.  131 

t^t,  4 

81 

142.  144  f. 

472  f.  509 

n,  9 

83 

bei  Bekn  39,  5  ff. 

192 

Idrisl                 79.  195 

—197.  237  ff. 

lei^,  9-töö,  6 

202  f.  350 

251—258 

Ibn  Fadlän 

25.  82.  111 

trad.  par  Jaubert 

Ol 

bei  Jäq.  II  ff. 

4 

I  491 

II  342.  343 

81 
82 

Ibn  al  Faqlh,  Bibl.  ( 

jreogr.  V 

II  377 

66  A.2 

rv(,  1—4 

163. 

203  A.  1 

Istachrl  v,  8 — 12 

517 

Hv,  17— riA,  3 

270 

!.,  6-7 

518 

bei  Jäq.  II  aIa,  4 — 

AvS", 

3    261  ff. 

t.,8 

63  A.3 

bei  Jäq.  II  av.  ,  22— 

-Avt 

7    264 

W,2  ß 

38 

Ibn  Hauqal   If ,  21— 

23 

474 

m,  4 

339  A.  6 

rf,  20-rö,  7 

208/9 

rn,  8-12 

518 

rc,  7-11 

188 

rrv,  6-9 

517 

U^,  9  ff. 

1 

Ja'qübl,  Hist. 

408    411 

fAl,     11 

2 

II  öto,  15— öil,  11 

453—456 

nr,ii-rr,5(= 

Istachrl)     339 

öll,  1-11 

418  f.  508 

Ibn  al  Muqaffa' 

166 

öU,  1-7 

456  f. 

Ibn  Rusta 

18.  20  24  f. 

ölC — ölv 

457-460 

S.  Aö,  15 

162 

ovi,  18  ff 

460  f. 

tli,  1-10 

208.  210 

ÖAV,    19  ff. 

461  f. 

tii,  10-irv,  7 

215—223,  14 

öIa,  paen. 

200 

trv,  7-13 

237 

oIa,  16— öll,  2 

414 

trv,  13-irA,  10 

239  f. 

Kitäbal  buld.  \^(>f, 

13- 

-15       386 

t^A,    3 

66  A.  2 

Jehuda  hal-Lewi,  al  Cha 

- 

irA,  lo-tr,  7 

260  f. 

zarl 

11.  19  f. 

tf.,  16  f. 

Johannes  von  Ephesos 

[15 

82 

46.  56   s.    Michael 

der 

Ifr,  6-7 

515 

Grosse];  3,25.  6,24 
6,25 

43  A.4 
244  A.  1 

tf^  11-15 

516 

6,  35—47 

480—482 

Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       555 


bei  Barhebraeus  p.  95,  6  ff. 

ed.  Bruns  u.  Kirsch  147  A.  1 
=  Michael   der  Grosse, 
Chron.    ed.    Chabot 

p.  378,  5  V.  u.— 381  a  480—484 

Johannes  Katholikos    38.  177—183 

S.  49  ed.  Emin  449 

53     ,       ,  449  f. 

61     „       „  453 

74     ,       ,  454  a 
Ausg.  Jerusalem  1867 

S.  162  497 

Jordanes  Get.  c.  3  §  21  513 

c.  3  §  23  362 

c.  5  §  37  40  A.  8 

c.  23  §  116  378 

§  117.  118  362.  364 

§  119  367 

c.  24  §  124  529  A.  1 

§  129  365 

c.  27  §  140  369  A. 

c.  31  §  161  368  A. 

c.  33  §  173—175  376  A. 

c.  48  §  246.  248  367  A.  2 

§  250  376  A. 

c.  50  §  261  362 

c.  58  §  298  377  A. 

Joseph  ben  Gorion  193.  262 
Kedrenos  II 328  ed.  Bonn.   121  A.  1 

Kitäb  al  baikär  166 

Kodinos  224 

Konstantin  Porphyrog.  392  f. 

398f.u.ö. 
de  administr.  imp.  c.  9 

p.  79, 13  ff.  111.  385  A.l 

c.  13  p.  81,  8  ff.  119.  133 

C.29  p.  128,12-17  248  A.  3 

p.  130, 23  249  A.  3 

c.  30  p.  143, 20  133 

p.  144,  7  ff.  132.  133 
C.31  p.  147,21.  151,  21  ff.      133  f. 

c.  32  p.  152  109 

c.  33  p.  160, 18  ff.  110 

c.  37  p.  167,  5  ff.  191  A.  2 

c.  38  p.  169, 11  36  A.  2 

p.  171, 7  ff.  33  A.  3 

c.  39  p.  171, 21  ff.  53  A.  2 

c.  40  p.  172, 13  ff.  52  A.  5 

p. 172, 20  524  A.  3 

p.  172,  22  ff.  71  f. 

p. 173, 12  33  A.  3 

p.  173, 19  ff.  119 

p.  174, 8  ff.  133 

c.  42  p.  177, 11—14  241 

p.  177, 14  ff.  119 

p.  181, 10  ff.  57  A.  3 

p.  182  365  A.  1 

c.  45  p.  198,  5—14  429  A.  2 


c.  46  p.  207, 15  ff'.  428 

de   caerim.  aulae  Byz. 

II    p.  5,  13-6,  18. 

6,  23—7,  9  234 

p.  9,  6—10  234  f. 

I  70  p.  344, 19  ff.  225 

II  15  p.  585,  9—15  233 
II  16  p.  576,  2—6  227 
II  48  p.  688  167 
II  52  p.  742,  6—744, 15  229  f. 

p.  767,  4— 768, 19  230 
Korner,  Hermann  306.  310 

Kosmas  von  Prag  123  f. 

I  33  138 
Lazar  P'arpec'i,  Venedig 

1892,  S.  417  f.  279 

Leben  des  Märtyrers  Abo  419 

Leben  des  Slawenapostels  Kon- 
stantin, hg.  von  Dümmler  u. 
Miklosich  13  f.  21.  33.  73 

c.  8  14 

c.  8  S.  235  389  A.  4 

c.  11  21 

c.  16  190 

Leben     des     Konstantin, 
kürzeres  21  f. 

Leben  des  Methodios  13  f.   21 

ed.  Miklosich  c.  11  131  A.  1 

Legende  des  Oyuz  Chagan  352  A.  1 

Legende  vom  hl.  Wenzel, 

altslowenische  123.  129.  132 

Leo  von  Ostia  344  f. 

Leon  Tact.  28,  43  p.  287 

s.  ed.  Meursius  522  A.  3 

Levond   ed.   Sahnazarean 
Kap.  4  S.  31—34  440  f. 

S.  39—40  444 

S.  41.  49.  52       444  f. 
S.  43—49  445—447 

Kap.  6  S.  54-59  447-449 

Liber  monstrorum  c.  2  ed. 
M.  Haupt  (Opusc.  vol. 

II  223)  513 
Liudprandi    antapodosis 

III  2  157  A.  3 

V  19  159 

VI  8  229.  232 
Marcellinus  comes  Chron. 

a.  427;  Chron.  min.  II  76  370  A. 
Marco  Polo  86 

Martyrium  des  hl.  Eusta- 

thios  von  Mc'chet'a         397  A.  1 
Mas'üdl         5  —  8.   13.   18.  23,  27. 

73  f.  80.  144.  185.  265.  519.  527  f. 

Hauptquelle  Bekri's  73. 

Murüg  ad  dahab  I  212    339 
I  213  339  A.  6 


556 


J.  Marquart, 


I  261  f. 
I  273  f. 

I  364  f. 

II  7 
II  9 
n  14 

n  15  f. 

II  15—18 
II  18—24 
n  42  f. 
II  45  f. 
II  58 
II  58—64 
II  60 
II  64,  6 
II  65 
II  74 
II  75 
II  221 

II  260  f. 

III  76—78 
Kitäb  at  tanblh 


63 


385  A.  4 

334  f. 
151  f.  386 

152  f. 

111 

836 
68 

149—151 

830—334 

165 

161 

150  A.  1 
61—63 

150  A.  1 

150  A.  2 
175.  422  f. 

176 


37 

92 

162 

143 


A.  3 


A.  1 


ir,  6-9 


79  A.  1.  339  A.  6. 


115, 


1v,  11  ff. 

il,  13 

if,  2—5 

If.,  2-4 

If.,  4-9 

If.,  14-tf!,  5 

Ia.,  7  ff. 

\^\",  11 

11.,  25  ff. 
[Mas'üdl],  Kitäb  al'agaib 
Maurikios  Strateg.  XI  5 
Mchit'ar  von  Ani 
Michael  d.  Grosse,  Chron. 
ed.  Chabotp.378,5v.u. 
—381a 
Miraeula  St.  Demetrii 
(Acta  SS.  8.  Oct.) 
§  169  p.  167 
§  171  p.  168 
(Abu  Dulaf)  Mis'ar  b. 

al  Muhalhil 
Mos.  Chor.  II  24  S.  99    \ 
II  63  S.  142  / 

Geogr.  ed.  Soukry 

p.  25,  20—24 
26,  6—21 

26,  24—29 

27,  14—20 
44,  27.  45,  15 


162  A.  3 
294  A. 
293  A. 
211  A.  2 
214 
342 

63 

64.  70 

28  f. 
204  f. 
113.  473 
430 

480—485 

487  f. 

244  A.  2 

245  A.  1 

74  ff. 
429 

57 
153 
169 

58 

76  A.  1 


Moses  Kalankatvac'i 
III  16,Bd.  II  43—44 

ed.  Sahnazarean 
III  16  Bd.  II  44 
III  19  Bd.  n  54 
III  20  Bd.  II  58 
III  21  Bd.  II  64  f. 
Muhammad-i  'Auft 
Muhammad  b.  Ishäq 
Muhammad  al  Kätib 

MuqaddasT  Cvf ,  16 


43  A.  4 

444 
448 
453 
462 
496  f. 
173  A.  3 
203  A.  1 
173 

77 

n\,  1  8 

Muqaddasi  (al  Mutahhar  b.  Tähir 
al  Maqdisl  in  Bost,  der  Verfasser 
des  fälschlich  dem  Abu  Zaid 
Ahmad  b.  Sahl  al  Balchl  zu- 
geschriebenen tiAxIt  V— jUi^s 
gOjLÄÜj)  201 

Muslim   b.   Abu  Muslim 
al  Garml       20.  24—28.  144.  167 
194.  203.  354.  466 
471.  515.  517 
bei  Ihn  Chordadbih 

t.i,  15—17  =  81         237 

Narratio  de  rebus  Armeniae  bei 
Combefis,  Historia  Monotheleta- 
rum.  (Graeco-lat.  patrum  biblio- 
thecae  novum  auctarium  t.  II) 
p.  271—292  441  c.  443 

Nestor  204  f.  s.  Chronik,  Russische. 

Nikephoros  iet.  cvvt.  p.34 
ed.  de  Boor  490  A.  3 

Nikolaos    von    Damaskos 
bei  Jos.  ccQx-  1  §  95       286  A.  2 

Gros.  III  7  282 

Pacat.  paneg.  c.  11  p.281, 

5—10  ed.  Bährens  370  A. 

c.  32  p.  300,  8—15  370  A. 

(Anonymi)  Periplus  Ponti 

Euxini  c.  42   §  21—22 

(FHG.  V  1,  181—182)     363 
Photii  epist.  4  p.  178  ed. 

Baletta  202.  391  A.  1 

Plin.  h.  n.  6,  19  55 

Priskos  40 

Prokop.de  hello  Pers.  2, 25 

p.  266,  4—10  ed.  Bonn.    362 

de   hello  Goth.  II  14 
p.  199,  16  383  A.  2 

p.  200,  13—19  385  A.  1 


II  15  p.  205,  6—16    \ 

p.  208,  15—16  r 

III  14  p.  335,  8—15 

p.  336,  2—4 


363 

472  f. 

108 


Register  zu  Osteuropäische  und  ostasiatische  Streifzüge.       557 


IV  4  p.  474,  8—11  364 

p.  474, 19—475, 1  530  A.  1 

IV  5  p.  476,  7—477, 18  529  A.  1 
Prudentius    von    Troyes 

(Ann.  Bertin.)  a.  839  202.  354 
Ptol.  5,8  p.  347,  25 ff.  ed. 

Wilberg  153  A.  3 

6,  14  p.  425,  28  154  A.  1 

Qazwini  U  t^.  87 

I  f.^^  i_6  217  A.  3 

I  f.v,  6 ff.  220  A.  3 

I  f.v,  19—23  222  A.  1 

Qodama  fir,  5  80.  90 

Regino  a.  889         40  A,  2.  43  A.  3 

527 
Risälat  al  intisäb  475 

Saxo  Gramm.  I  412  367 

I  413  380  A.  2 

Schatzhöhle  278.  281 

Sebeos  437  ff. 

S.  151  f.  441  f. 

Simon  de  Keza,  Gesta  Hungarorum 

I  1,  6  bei  M.  Florianus,  Historiae 
Hungaricae  fontes  domestici 

II  55  154 

II  56  59 

Sokrates  h.  e.  7,  43  373  A. 

Stephan  AsoHk  38.  404  A.  1 

II  2  p.  133  trad.  Dulaur.        451 
II  6  p.  171       ,  ,  421  f. 

Stiftungsurkunde  des  Prager 

Bistums  136 

Svein  Estridsson  bei  Adam.  Brem. 

I  50  309 

II  24  311.  316.  322 
Sapuh  Bagratuni  402  f.  414.  452 
Sukru'Uäh  b.  Sihäb    bei    Hammer, 

Sur  les   origines    russes    107,  15 
=  47  173  A.  3 

Tabarl  U  !o.1,  15  186 

TU  Hol*,  14— r!öt^,4    519 f. 

at  Tartüsl  510 

The'odoret  h.  e.  5,  37  373  A. 

Theophanes  von  Mitylene 

bei  Strab.  la,  2, 2  p.  493  153  A.  3 
Theoph.  Chronogr.  p.  356, 

20  ff.  ed.  de  Boor  153  A.  3 


492 
3    463 

421  A. 

422  A. 
90 

486 
127  A. 
308  A. 
314  A. 
105  A. 
314  A. 
321 
315 
112 


425  A.  1 

38 
397-400  A. 

187 
511 
388  A.  4 


p.  357  163  A.  4 

p.  358,  7—9  490  A.  3 

p.  366,  25—29  443 

p.  372,  13—18  448 

Theophanes  contin. 
III  28  p.  122,  16  ff. 

III  31  p.  126,  23—128 

p.  137,  13—16 

IV  39  p.  203,  2-7 
Theophyl.  Sim. 

6,  5,  13  ff. 
8,  5,  13 
Thietmar  I  9 
III  17  (10) 
III  18  (11) 
III  19 
IX  (VIII)  1 
IX  5  (VIII  4) 
IX  (VIII)  3 
Thomas  Arcruni  III  13 
S,  194  ed.  Patkanean 
m  33 
Uchtanes  von  Edessa 
II  18  vol.  II  35 
al  'üdrl 

Venantius  Fortunatus 
Vita  cum  Translatione 

S.  Clementis  ^  14.  21 

Wachust,  Descript.  geogr. 
de  la  Georgie  trad.  par 
Brosset  p.  427/29  506/7 

al   Walld   b.  Muslim    ad 

Dimasql  261 

Wardan  wardapet,  Welt- 
geschichte 392.  401.  403 
414  f.  425  f.  430 
S.  78,  27—79,  1  464 
S.  79,  1—13                  452 
Widsid                    379.  380  A.  1.  5 
Widukind  I  35  129  A.  1 
1  36  105  A.  1 

I  40  308 

II  21  104  A.  3 
II  50                            311 

Wilhelm  de  Rubruck 

(Ruysbroek)  498  f. 

[Zach.  Rhetorj  Kirchen- 
geschichte 261.  355  f.  489 
S.  253,  10—12  174 
S.  253,  32—36  356  f. 
Zos.  4,  34,  1—4                    369  A. 
5,  22                             371  A. 


In  demselben  Verlage  erschien: 

Die  Chronologie 
der  alttürkischen  Inschriften 

von 

Dr.  J.  Marquart. 

80.     VII  u.  112  S.    Geh.  M.  4.—. 

Vergleiche:  Göttingische  Gelehrte  Anzeigen  1899  No.  5.  —  Jahresberichte  der 
Geachichtswissenschaften.  —  Byzantinische  Zeitschrift  Bd.  VIII  Heft  25.  —  Eevue 
critique  1899  No.  4.  —  Museum  1899  No.  6/7. 

Chronologische  Untersuchungen 

von 

Dr.  J.  Marquart. 

(Separatabdruck  aus  dem  VII.  Suppl.-Bd.  des  Philologus.) 
Gr.  80.    86  S.    M.  3.—. 

Vergleiche:  Berl.  phil.  "Wochenschrift  1900  No.  35.  —  Orientalische  Literatur- 
zeitung 1900  No.  4  u.  5.  —  Book  Circular  New  Series  No.  7.  —  Neue  Phil.  Rund- 
schau 1900  No.  7. 

Fundamente 
israelitischer  und  jüdischer  Greschichte 

von 

Dr.  J.  Marquart. 

8«.    VIII  u.  75  S.    Geh.  M.  3.—. 

Vergleiche:  Deutsche  Literaturzeitung  1S98  No.  3.  —  Theol.  Rundschau  I,  2. 
—  Göttingische  Gelehrte  Anzeigen  1897  No.  8. 

Untersuchungen  zur  Oeschichte 
von  Eran 

von 

Dr.  J.  Marquart. 

(Separatabdruck   aus   dem   54.   und   55.    Bande   des   Philologus.) 
Heft  1.    80.    VI.  u.  72  S.     Geh.  M.  1.80. 

Vergleiche:  Berliner  philologische  Wochenschrift  1897  No.  38.  —  Luzac's 
Oriental  List. 

Heft  II  befindet  sich  in  Vorbereitung. 


In  demselben  Verlage  erschien: 


IBN  AL-QIFji'S 

TA'RIH  AL-HUKAMÄ 


AUF  GRUND  DER  VORARBEITEN  AUG.  MÜLLER'S 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

Prof.  Dr.  JULIUS  LIPPERT, 

LEHRER  AM  SEMINAR  FÜR  ORIENTALISCHE  SPRACHEN  IN  BERLIN. 


MIT    UNTERSTÜTZUNG    DER    KGL.    AKADEMIE    DER    WISSEN- 
SCHAFTEN ZU  BERLIN. 


Preis  36  Mk. 

In  diesem  schon  seit  langem  viel  benutzten  und  excerpierten 
Werke  giebt  der  Verfasser,  der  gelehrte  WezTr  Ibn  al-QiftI  (f  646 
d.  H.),  die  Lebensbeschreibungen  von  circa  400  arabischen  Gelehrten, 
und  zwar  Philosophen  wie  Ärzten,  Mathematikern,  Astronomen  und 
Schöngeistern,  in  alphabetischer  Oi'dnung  nebst  genauem  Verzeichnis 
ihrer  literarischen  Tätigkeit.  Ob  dieser  bio-bibliographischen  Ge- 
staltung tritt  das  Werk  zu  den  beiden  schon  publizierten  Werken 
dieser  Gattung,  dem  Fihrist  und  der  Ärztegeschichte  des  Ibn  Abi 
Usaibi'a ,  als  willkommene  Ergänzung  und  auch  Abschluss  hinzu. 
Abgesehen  von  seinem  reichen  Material  an  wertvollen  Nachrichten 
und  kulturhistorisch  interessanten  Details  beruht  die  Wichtigkeit 
des  Buches  auch  darauf,  dass  es  eine  wahre  Fundgnibe  für  die 
Geschichte  der  griechischen  Literatur  auf  arabischem  Boden  ist 
und  nicht  wenige  Nachrichten  enthält,  die  im  Griechischen  selbst 
verloren  gegangen  sind.  Erinnert  sei  in  dieser  Hinsicht  nur  daran, 
dass  z.  B.  der  Katalog  der  aristotelischen  Schriften  von  Ptolemäus 
aus  diesem  Werke  in  die  akademische  Ausgabe  des  Aristoteles 
aufarenommen  worden  ist. 


In  demselben  Verlage  erscheinen  die 

Beiträge 
zur  alten  Geschichte 

herausgegeben  von 

C.  F.  Lehmann  und  E.  Kornemann. 


Die  Beiträge  znr  alten  Oeschiclite  erscheinen  8  mal  jährlich  als  Zeitschrift. 

Preis  M.  20.—  für  den  Band. 


Inhalt  des  I.  Bandes. 

Beloch,  J.,  Zur  Geschichte  des  pyrrhischen  Krieges.  Die  Schlacht  bei  Kos.  Die 
attischen  Archonten  im  m.  Jahrhundert.  —  Ginzel,  F.  K.,  Die  astronomischen  Kennt- 
nisse der  Babylonier  und  ihre  kulturhistorische  Bedeutung.  I.  Der  gestirnte  Himmel  bei 
den  Babyloniem  und  der  babylonische  Ursprung  der  Mondstationen.  (Mit  einer  Karte.) 
n.  Sonnen-  und  Mondlauf  und  Gang  der  Gestirne  nach  babylonischer  Kenntnis  und 
deren  Einfluss  auf  die  griechische  Astronomie.  III.  Der  mutmassliche  Entwicklungs- 
gang der  babylonischen  Astronomie.  —  Hiller  Ton  Gaertringen ,  F. ,  Die  Götterkulte 
von  Thera.  —  Holzapfel,  L. ,  Die  drei  ältesten  römischen  Tribus.  —  Kornemann,  E., 
Zur  Geschichte  der  antiken  Herrscherkulte.  Die  Zahl  der  gallischen  civitates  in  der 
römischen  Kaiserzeit.  —  Lehmann,  C.  F.,  Die  historische  Semiramis  tind  Herodot.  Über 
die  Beziehungen  zwischen  Zeit-  und  Raummessung  im  babylonischen  Sexagesimalsystem. 
—  Meyer ,  P.  M. ,  Zum  Ursprung  des  Colonats.  —  Mfinzer ,  F. ,  Die  Entstehung  der 
Historien  des  Tacitus.  —  Präsek,  J.  Y.,  Die  ersten  Jahre  Dareios'  des  Hystaspiden  und 
der  altpersische  Kalender.  —  Bappaport,  B.,  Hat  Zosimus  I.  o.  1 — 46  die  Chronik  des 
Dexippus  benutzt?  —  Begling,  K. ,  Zur  historischen  Geographie  des  mesopotamischen 
Parallelogramms.  (Mit  einer  Karte.)  —  Rostowzew,  M.,  Der  Ursprung  des  Colonats.  — 
Seeck)  0.,  Decemprhnat  und  Dekaprotie. 

Mitteilungen  und  Nachrichten. 

Darin  u.  A. :  Lehmann ,  C.  F. ,  Zur  Entstehung  des  Sexagesimalsystems  und  des 
sexagesimalen  babylonischen  Längenmaasses.  —  Meyer,  P.  M.,  Praefecti  Aegypti  unter 
Commodus. 


Inhalt  des  II.  Bandes. 

Beloch,  J.,  Das  Eeich  der  Antigoniden  in  Griechenland  Die  delphische  Amphik- 
tionie  im  dritten  Jahrhundert.  —  Bury,  J.  B.,  The  Epicene  Oracle  concerning  Argoa 
and  Miletus.  —  Cagnat,  Bene,  Les  limites  de  l'Afrique  Proconsulaire  et  de  la  Byzacfeue. 
Mit  einer  Karte.  —  De  Sanctis,  Gaetano,  Mastama.  —  Herzog,  R.,  XpTjTtxog  Trdif/xog. 
—  Hirschfeld,  Otto,  Der  Grundbesitz  der  römischen  Kaiser  in  den  ersten  drei  Jahr- 
hunderten. I/il.  —  Hülsen,  Ch. ,  Neue  Inschriften  vom  Forum  Bomanum.  Mit  6  Ab- 
bildungen im  Text  und  einem  Plan.  —  Jacoby,  F.,  Die  attische  Königsliste  I.  —  Jullian, 
Camille,  De  la  nßoessite  d'un  Corpus  topographique  du  monde  ancien.  —  Kornemann,  F., 
Zum  Monumentum  Ancyranum.  —  Lehmann ,  C.  F. ,  Menander  und  Josephos  über  Sal- 
manassar  IV.  I/II.  —  Montzka,  H.,  Die  Quellen  zu  den  assyrisch-babylonischen  Nach- 
richten in  Eusebios'  Chronik.  —  RostOTTZCTT ,  M. ,  Komische  Besatzungen  in  der  Krim 
und  das  Kastell  Charax.  Mit  fünf  Abbildungen  im  Text.  —  Schulten,  A. ,  Italische 
Namen  und  Stämme.  I/II.  Mit  einer  Karte.  —  Shebelew,  S.,  Zur  Geschichte  von 
Lemnos.  —  Strzygoivski ,  Josef,  Orient  oder  Rom.  Stichprobe:  Die  Porphyrgruppen 
von  S.  Marco  in  Venedig.  Mit  neun  Abbildungen  im  Text.  —  Toutain,  J.,  Observations 
suT  quelques  formes  religieuses  de  loyalisme,  particuli^res  ä  la  Gaule  et  k  la  Germanie 
romaine. 

Mitteilungen  und  Nachrichten. 

Darin  u.  A. ;  Beloch,  J.,  Zur  Chronologie  des  chremonideischen  Krieges.  —  Hiller 
Ton  Gaertringen ,  F. ,  Aus  Thera.  —  Jacoby ,  F. ,  Die  attischen  Archonten  der  Jahre 
265;4-7263|2.  —  Lehmann,  C.  F.,  Pythagoräer,  Inder  und  Babylonier.  Zur  Geschichte 
und  Überlieferung  des  ionischen  Aufstandes.  Gobryas  und  Belsazar  bei  Xenophon. 
Pausanias'  des  Spartaners  Todesjahr.  Zur  Atthis.  Ptolemaios  II.  und  Rom.  Zum  baby- 
lonischen Rechtswesen.  —  Meyer,  P.  M.,  Neue  Inschriften  und  Papyrus  zur  Geschichte 
und  Chronologie  der  Ptolemaeer. 

Druck  von  G.  Kxeyaing  in  Leipzig. 


Karkwart,  Josef 

Osteuropäische  und 
ostasiatische  streif züge