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Osteuropäische
und ostasiatische Streifzüge
Ethnologische und
historisch-topographische Studien zur Geschichte
des 9. und 10. Jahrhunderts
(ca. 840-940)
J. Marquart
Mit Unterstützung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Leipzig
Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher
1903.
903257. M?>5
Herrn
Professor Dr. M. J. de Goeje
und
Herrn Geheimen Regiemngsrat
Professor Dr. Eduard Sachau
in Verehrung und Dankbarkeit
der Verfasser.
VORWORT.
Die Zeit von ca. 840 — 940 bildet eine der wichtigsten Über-
gangsperioden der Weltgeschichte. In diesen rund hundert Jahren
ist der ethnologische Körper Europas und Asiens im wesentlichen
teils vollendet, teils vorbereitet worden, welcher nach einem Jahr-
tausend endlich die Fesseln des beispiellos zähen Wahngebildes
des einen christlichen ßömerreiches in Ost und West endgiltig
gesprengt hat und das Gerüst einer neuen Staatenordnung ent-
weder schon geworden ist, oder wenigstens an dem Abbruch der
auf dynastischer oder religiöser Grundlage erwachsenen Staaten-
gebilde mit mehr oder weniger Erfolg arbeitet, indem er diese
dazu verurteilt, sich dem erwachten Selbstbewusstsein der Völker
entsprechend umzugestalten oder der Ohnmacht und allmählichen
Auflösung anheimzufallen. Jedenfalls zwingt heutzutage der
nationale Gedanke die Politik, welche das nackte Recht der Waffen
und des Besitzes immer noch als einen rechtmässigen Besitztitel
anerkennt und die Kraft der Völker vielfach damit vergeudet,
sich der Auflösung von unter längst versunkenen Anschauungen
und Verhältnissen geschlossenen oder erzwungenen Verträgen ent-
gegenzustemmen , ernstlich mit ihm Rechnung zu halten und das
Recht der physischen Eroberung wenigstens durch das der volk-
lichen und kulturellen zu ergänzen.
Der chemische Prozess, welcher durch die erste Völker-
wanderung eingeleitet war, nahte sich seinem Ende. Die Ver-
welschung der Langobarden und gallischen Franken war nicht
mehr aufzuhalten, wenn überhaupt jemand auf den Gedanken ge-
kommen wäre , dem Rad in die Speichen zu fallen. Diese Ab-
klärung hatte aber das Gute, dass sich jetzt allmählich auch eine
deutsche Nation bildete und teilweise durch den Gegensatz gegen
die nun verwelschten Franken auch der staatliche Zusammenhang
VI Vorwort.
mit diesen, die das Reich einst gegründet hatten, gelöst wurde.
Nicht zum wenigsten ist dies freilich ermöglicht worden durch
Karls Vernichtungskrieg gegen die Sachsen. Die in diesem be-
gangenen Grausamkeiten und Gewaltthätigkeiten sind gewiss um
so verabscheuungswürdiger , als sie im Namen der Religion der
Bruderliebe stattfanden. Allein ohne die Verpflanzungen der
Sachsen, die natürlich in erster Linie den politisch massgebenden
Teil der Bevölkerung, die eigentlichen Sachsen inguaeonischen
Stammes trafen, die als fremde Erobererrasse gleich den Rös in
Russland oder den Franken in Gallien im Lande zerstreut waren
und besonders in Nordalbingien sassen, wären die Sachsen heute
Dänen und uns nicht minder feindselig gesinnt als Dänen oder
Angelsachsen. Die Verpflanzungen der Sachsen erscheinen unter
diesem Gesichtspunkte gewissermassen als eine politische Not-
wendigkeit, eine Massregel, durch welche die den Deutschen näher-
stehende bodensässige Masse der Bevölkerung wieder ausgelöst
und ihre Assimiliening mit den übrigen Stämmen ermöglicht und
befördert wurde. Durch die Ablösung eines eigenen ostfränkischen
Königreichs wurde immerhin der Verwischung deutscher Eigen-
art durch welsches Wesen, die bei der anerkannten Schwäche des
germanischen Stammesbewusstseins bei längerem Fortbestehen des
einheitlichen Frankenreiches, das seinen natürlichen Schwerpunkt
in den romanischen Ländern hatte , unvermeidlich gewesen wäre,
oder gar einer welschen Kolonisation in den rechtsrheinischen
Gauen rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben.
Auf der südöstlichen Halbinsel herrschte zwar noch immer
der Kaiser der Romäer, allein der weitaus grösste Raum derselben
war von Slawen besetzt. Während Justinian, ebenso eitel wie
Trajan, alles daran setzte um die Grossmachtstellung des Reiches
zu behaupten, traf er dasselbe in Wahrheit durch seine Religions-
politik ins Mark. Die Quittung für die Behandlung der syrischen
und ägyptischen Monophysiten zahlten freilich erst die Araber,
allein während er seine Heei-führer aussandte, um in langjährigen
Kriegen die verhassten gotischen und wandalischen Arianer zu
vertilgen, musste er ruhig zusehen, wie Bulgaren und Slawen
Jahr für Jahr Thrakien verheerten und die Bevölkerung ausrotteten.
Die Goten giengen daran zu Gninde, dass sie zu rücksichtsvoll
gegen die anspruchsvollen Provinzialen waren und zu wenig volk-
liches Selbstgefühl besassen. Die gewöhnliche Behauptung, das
Vorwort. VU
Volkstum der in den römischen Provinzen angesiedelten Germanen
habe dem der ihnen an Zahl und Kultur weit überlegenen Eomanen
erliegen müssen, lässt sich durch den Hinweis auf die Araber
leicht widerlegen: im Vergleich zu diesen waren die Germanen
des 4. — 6. Jahrhunderts ohne Frage hoch gebildet. Die Slawen
aber waren zu ihrem Glücke noch Heiden und kannten keinerlei
Rücksicht. So wurden denn die christlichen Goten durch Bulgaren,
Slawen und Awaren gerächt, und die heutigen Neohellenen \ind
Rumänen können sich bei jenem gepriesenen Kaiser dafür be-
danken, dass ihnen der grösste Teil der Halbinsel für immer ver-
loren ist.
Allein die Slowenen besassen noch weit weniger selbständige
politische und militärische Begabimg als die Goten. Auf die
Dauer hätten sie daher der Unterwerfung und Entvolklichung
durch die Romäer nicht entgehen können. Da erschienen aber
zur rechten Zeit die hunnisch - türkischen Bulgaren, bei denen
militärisch-politische Befähigung ein altes Rassenerbteil war, um
sie vor jener Gefahr zu retten. Als Untertanen der Bulgaren
gewöhnten sich die Slowenen an ein monarchisches Staatswesen,
das allein imstande war, den Romäern die Spitze zu bieten, und
da sie gegenüber ihren bulgarischen Herren weitaus in der Über-
zahl waren, so waren sie zugleich vor dem Verluste ihrer Eigenart
sicher. Die Bulgaren blieben noch zwei Jahrhunderte nach ihrer
Ansiedlung ein von den slawischen Untertanen scharf unter-
schiedenes türkisches Reitervolk, das aber in der uns beschäftigen-
den Periode rasch in den Slawen aufgieng. So wurden also die
türkischen Bulgaren die Retter und Vorkämpfer des Slawentums
der Balkanhalbinsel gegen die Romäer, wie es ihre Nachkommen
heute wieder cremen die Türken und Neugriechen sind, und oft-
mals haben sie das Romäerreich an den Rand des Verderbens
gebracht. Dass es ihnen trotz aller Anstrengungen schliesslich
doch nicht gelungen ist, die beiden vielumstrittenen Bollwerke
Carigrad und Solun zu erstürmen , ist im Interesse der Kultur
wohl zu begrüssen, da der Bulgarenstaat noch keineswegs die
Stetigkeit und Durchbildung des romäischen besass und vor allem
über keine Flotte verfügte und daher dem Vordringen des Islams
kaum so langen und hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt
hätte wie das Romäerreich. Von nicht zu unterschätzender Be-
deutung war es, dass gerade in dem Augenblick, als die Aktions-
VIII Vorwort.
kraft des letztern wieder in die Höhe gieng, die Widerstands-
fähigkeit des bulgaro -slawischen Volkstums durch die Einführung
der slawischen Kirchensprache und die Schaffung einer un-
abhängigen Hierarchie wesentlich gestärkt wurde.
Im Osten nahm das armenische Volkstum einen grossen Auf-
schwung infolge der Gründung eines nationalen Königreichs durch
Asot den Grossen, und zwar als reichsunmittelbarer Vasallenstaat
des Chalifats, eine Stellung die freilich Asots Nachfolger nicht
zu behaupten vermochten. Diese Schöpfung erfolgte in einem
sehr kritischen Zeitpunkt, als das ai-abische Element sich in
stärkeren Massen im Lande einzudrängen und einzunisten be-
gonnen hatte und die Armenier selbst bereits nicht selten arabische
Namen führten. Auch hier hat eine kurze Glanzperiode natio-
nales Selbstbewusstsein und christliche Widerstandskraft mächtig
gehoben, die dem vielgeprüften Volke trotz aller furchtbaren
Schicksalsschläge den Bestand seiner volklichen Eigenart bewahrt
haben.
Mit der inneren Festigung der neuen Nationen begannen
sich alsbald auch Interessensphären vorzubereiten , die den wei-
teren Gang der Geschichte gewissermassen vorzeichneten: diese
sollte zeigen, wie jene mit dem ihnen anvertrauten Pfunde zu
wuchern verstehen würden. Die Deutschen, denen durch ihre
inzwischen verwelschten Brüder zu ihrem Glücke die Möglichkeit
genommen war, dem dämonischen Zuge nach dem Süden und
Westen zu folgen , begannen ihr altes , von ihnen und ihren
Brüdern verlassenes Haus, in dem sich seit der Begründung des
Frankenreiches allmählich die nachrückenden Slawen eingenistet
hatten , wieder in Besitz zu nehmen und in Stand zu setzen.
Leider musste hiefür die Verbreitung des Christentums den Vor-
wand liefei-n. So kamen zunächst Sorben und Abodriten, bald
auch die Stämme der Liutizen in den Bann der deutschen Macht-
sphäre, deren Schwergewicht, unterstützt durch die Lässigkeit
der Polen, später auch ein lechischer Stamm, die Pommern,
sich nicht zu entziehen vermochte. In unserer Periode wurde
also die Verdeutschung der grossen polabischen Gruppe der West-
slawen eingeleitet, die erst in unserer Zeit ihren Abschluss findet.
Es muss dabei hervorgehoben werden, dass dies Ergebnis vor allem
dadurch erreicht worden ist, dass diese Stämme nicht in monarchi-
scher Geschlossenheit den Deutschen gegenübertraten, insbesondere
Vorwort. IX
aber durch die beispiellose Treue, mit der die Liutizen an ihrem
alten Götterglauben festhielten. Dadurch giengen sie des Schutzes
der Kirche, des einzigen der in den folgenden Zeiten gegenüber
der Unterdrückung durch den bevorrechteten Ritterstand wirksam
war, verlustig und wurden mit deren Billigung und Aufmunterung
zur Rechtlosigkeit herabgedrückt. Eine eigenartige Stellung nahm
dagegen Mähren ein. Seit den Tagen Ludwigs des Frommen be-
trachteten die ostfränkischen Könige die Fürsten der Mährer als
ihre Vasallen, und von Baiern aus ward in diesem Lande zuerst
das Christentum verbreitet. Wiederholt versuchten die Mährer-
fürsten die fränkische Oberhoheit abzuschütteln, und zumal Rastis-
law und sein Neffe Swetoplxk verfolgten dies Ziel mit grosser
Zähigkeit. Diesem Zwecke sollte auch die Berufung der beiden
Brüder Konstantin und Methodios aus Byzanz dienen, und mit
der Einführung des slawischen Gottesdienstes schien in der That
Mähren der Brennpunkt eines neuen Einfluss- und Kulturkreises
werden zu sollen. Dabei bleibt indessen die Politik sowohl der
beiden Fürsten als der beiden Glaubensboten in mancher Hinsicht
unbegreiflich und rätselhaft. Man fragt sich, warum Konstantin,
der doch ein Freund des Photios war und über die politischen
Bestrebungen Rastislaws ohne Zweifel unterrichtet war, sich nicht
alsbald bemühte, diesen zum Anschlusss an den Patriarchen von
Neurom und zur Ausweisung der lateinischen Geistlichen zu be-
wegen, um deren gehässigen Anfeindungen ein für allemal ein
Ende zu machen, statt sich an den Bischof von Rom zu wenden und
damit dessen Ansprüche auf die Zugehörigkeit Mährens zu seinem
Patriarchatssprengel ausdrücklich anzuerkennen. Begreiflicher ist
die Zurückhaltung des Methodios, zu dessen Sprengel ja auch
das ganz von Baiern abhängige Fürstentum des Kocel am Platten-
see gehörte und der daher viel mehr Rücksicht auf den ostfrän-
kischen König zu nehmen hatte. Ganz und gar unverständlich ist
dagegen die Haltung des SwgtopHk, der selbst nach der Rück-
kehr Bulgariens von der römischen zur griechischen Kirche weder
in kirchlicher Beziehung dem Beispiele des Fürsten Bogoris folgte
noch auch die Bundesgenossenschaft der Bulgaren und Griechen
gegen seine fränkischen Gegner zu gewinnen suchte, ja sogar
schliesslich die slawische Liturgie unterdrückte, die Schüler des
Methodios vertrieb und die Leitung der mährischen Kirche Me-
thodios' Gegner, dem Alamannen Wiching übergab! Damit war
X Vorwort.
denn das Lebenswerk des Konstantin und Methodios zerstört und
die Abhängigkeit der mährisch - pannoniscben Kirche von der
fränkisch - römischen besiegelt. Bei der damaligen innigen Ver-
schlingung geistlicher und weltlicher Interessen konnte es aber
nicht ausbleiben, dass die Franken, d. h. vor allem die Baiern,
nun mehr denn je Gelegenheit fanden, sich in die inneren Ver-
hältnisse Mährens einzumischen. So hat Swgtopl'Lk trotz seiner
vielen und glücklichen Kriege durch seine unselige Kirchenpolitik
die von ihm und Rastislaw angestrebte Unabhängigkeit Mährens
selbst vernichtet und seinen Söhnen die erbitterte Feindschaft der
Baiern hinterlassen, während bereits der Steppenwind heranbrauste,
der die aufblühende Kultur jählings hinwegfegen sollte.
Viel besser ergieng es den Cechen und Polen. Jene hatten
gerade in dem kritischen Augenblick, als sie zum ersten Mal zu
ernstlicher Unterwerfung unter das ostfränkische Reich gezwungen
wurden, soeben den entscheidenden Schritt von der Zersplitterung
unter eine Anzahl von Gaufürsten zum Einheitsstaat und vom
Heidentum zum Christentum vollzogen und sich zunächst der
baierischen Kirche willig untergeordnet. So wurde Böhmen als
christliches Staatswesen anerkannt und in seinen Einrichtungen
beschützt, und die Perioden seiner Unabhängigkeit während der
Ungarnnot trugen nur dazu bei, seine Stellung zu befestigen und
ihm auch, als es unter Boleslaw I. abermals und für immer die
Lehnshoheit des Reiches anerkennen musste, seine Selbständigkeit
zu sichern. Es ist also nicht allein die Unfähigkeit des baierischen
Stammes zu germanisieren, welche die Eigenart der Cechen ge-
rettet hat. Bei den Polen aber fiel die Herstellung der staat-
lichen Einheit mit dem Eintritt in den christlichen Staatenverband
und der freiwilligen Anerkennung der Lehnshoheit des Reiches
zusammen, ihre Abhängigkeit war daher von Anfang an eine
sehr lose.
Auch auf der Balkanhalbinsel bereiteten sich solche Einfluss-
kreise vor. Trotz aller Anstrengungen war es dem Caren Symeon
nicht gelungen, sämtliche Slawen der Halbinsel unter seinem
Szepter zu vereinen und zumal die Slowenen von Hellas und dem
Peloponnes aus der drohenden Isolierung zu befreien. Auch die
Eroberungen des Caren Samuel und später die des Serbencaren
Stephan Dusan vermochten die Romaisierung der Slawen der
griechischen Halbinsel nicht aufzuhalten. Auf der andern Seite
Vorwort. XI
waren aber auch weder die furchtbaren Greuelthaten des Bulgaren -
Schlächters Basileios noch die glänzenden Eroberungen des Serben-
caren Stephan Dusan, noch selbst die Schi-ecken des fünfhundert-
jährigen Türkenjoches imstande, den nationalen Besitzstand auf
die Dauer wesentlich zu verändern und das Bulgarentum zurück-
zudrängen.
So waren die meisten politischen Faktoren wenigstens durch
volkliche Abklärung hinlänglich vorbereitet und gefestigt, als eine
zweite Völkerwelle von Osten heranbrauste , während schon seit
hundei't Jahren Raubmörderbanden aus dem Norden fast unablässig
die blühenden Gaue von Westeuropa heimsuchten und verheerten.
Wenn sich aber die westlichen Normannen ausschliesslich als
Totengräber der Kultur in die Geschichte einführten, haben die
östlichen Wikinger, die von Anfang an als streitbare Sklaven-
jäger und Handelsleute auftraten, alsbald eine hohe Kulturmission
angetreten, indem sie unter den östlichen Slawen einen kraftvollen
Staat und damit ein starkes Bollwerk schufen gegen die Steppen-
völker. Thörichte Verblendung ist es, wenn es noch russische
Forscher gibt, die nicht anerkennen wollen, welch grosse Wohl-
that die schwedischen Rös den zerspKtterten , friedfertigen, de-
mokratisch gegliederten Slawenstämmen dadurch erwiesen haben,
dass sie sie in einer festen staatlichen Organisation vereinigten,
welche sie sich nicht selbst zu geben vermochten und ohne die
sie den raschen, an militärische Zucht gewöhnten und streit-
baren Nomaden gegenüber wehrlos waren. Noch einen andern
Staat im Osten konnte die christliche Welt als einen Vorposten
der Gesittung gegen nomadische Roheit betrachten, das Reich
der halbzivilisierten Chazaren^), einen Überrest des einst mäch-
tigen westtürkischen Reiches, das vermöge seiner alttürkischen
Heeresverfassung den Nomaden ein ebenbürtiger Gegner war, bis
es durch die Einrichtung eines aus fi-emden Söldnern, vorzugs-
weise Muslimen zusammengesetzten stehenden Heeres seine Aktions -
freiheit lähmte und seinen eignen Bestand aufs Spiel setzte.
Es ist aber immerhin ein gutes Zeugnis für die Festigkeit des
Chazarenstaates, dass er es vermocht hat, die Magyaren zu bändigen
und die Horden der Peöenegen im Schach zu halten. Freilich
^) Sie waren wenigstens im 10. Jahrhundert (sämtlich?) zum Acker-
bau übergegangen ; s. u. S. XLII A. 3.
XII Vorwort.
den Übergang der letzteren nach Europa zu verhindern war er
ausserstande. Die Magyaren , von den Pe^enegen geschlagen und
aus ihren Sitzen vei'trieben, waren ängstlich darauf bedacht, soweit
als möglich von den gefürchteten Türken wegzuziehen. In Europa
war sich niemand der herannahenden Gefahr bewusst. Als Kaiser
Leon der Weise die Magyaren gegen die Bulgaren zu Hilfe rief,
ahnte er sicherlich nicht, dass er durch diesen Schritt Geister
gerufen hatte, die die Balkanhalbinsel Jahrhunderte hindurch nicht
mehr los werden sollte. Der streitbare und unverzagte Bulgaren-
fürst Symeon zeigte sich der Lage gewachsen; er knüpfte
Friedensunterhandlungen mit dem Kaiser an und zahlte nun
den von ihrer Heimat abgeschnittenen Magyaren die Verwüstung
seines Landes und die Niederlagen, die sie ihm beigebracht,
blutig heim. Dann überfiel er im Bunde mit den Pe^enegen ihre
Familien und rottete sie aus. So sahen sich die Magyaren aber-
mals gezwungen, weiter gen Westen zu wandern, und schlugen
in dem durch den Karpatengürtel geschützten Theisslande, das sie
bereits ausgekundschaftet hatten, ihren bleibenden Sitz auf. Jene
Katastrophe hatte bei ihnen einen so unauslöschlichen Eindruck
hinterlassen, dass sie zu Lebzeiten Symeons keinen Einfall nach
der Balkanhalbinsel und Bulgarien mehr wagten. Dieses hatte
aber jetzt in den Pecenegen noch weit gefährlichere und furcht-
barere Nachbarn erhalten , und jede weiterblickende Staatsleitung
in Byzanz hätte erkennen müssen, dass diese Gefahr mittelbar
auch das Romäerreich bedrohte , und ein starkes Bulgarien eine
Schutzwehr für Konstantinopel bedeute. Seitdem die Bulgaren
zum Christentum bekehrt waren und Bogoris mit dem Kaiser ein
Bündnis geschlossen hatte, war ein mit Byzanz verbündetes un-
abhängiges und mächtiges Bulgarien ein Lebensinteresse fürs
RomäeiTeich. Für eine solche Auffassung zeigten jedoch die
byzantinischen Staatsmänner seit Leon dem Weisen zumeist ge-
ringes Verständnis, und als das Ziel ihres Ehrgeizes, die Ver-
nichtung der bulgarischen Selbständigkeit erreicht war , war zu-
gleich den verheerenden Einfällen der Pecenegen und später der
Kumanen ins Romäerreich das Thor geöflnet.
Die zweite christliche Vormacht, das geteilte, aber ideeU
noch eine Einheit bildende Frankenreich , besass ebenfalls einen
Vorposten gegen die rohen Barbaren in den Mährern. Allein von
der Erkenntnis, dass sie mit diesen zusammen die christliche
Vorwort. XIII
Kultur des Abendlandes zu schirmen hatten gegen die ungezügelte
Wildheit der Nomaden, zeigt sich bei den Ostfranken keine Spur,
vielmehr untergruben sie, von dem einzigen Bestreben beseelt, die
völlige Unterwerfung der Mährer zu erzwingen , mutwillig selbst
den Wall, der die heranwogende Flut noch aufhielt. Die jämmer-
liche Schwäche und Hilflosigkeit aber, welche das ostfränkische
Reich gleich den andern Frankenreichen in der Abwehr der
fürchterlich hausenden Magyaren bewies, tritt um so handgreiflicher
hei-vor, wenn man damit die unerschrockene Haltung des Bulgaren -
fürsten Symeon sowie den Verlauf ihrer wenigen Züge nach dem
Romäerreiche zusammenhält. Lehrreich für den Wechsel der
Zeiten und die richtige Beurteilung der politischen Begabung der
einzelnen deutschen Stämme ist auch ein Vergleich des Einfalls
der Magyaren mit dem der Awaren, Diese unternahmen gleich
bei ihrem ersten Auftreten diesseits der Karpaten auch zwei Raub-
züge nach dem Frankenreiche, allein König Sigibert trat ihnen in
Thüringen unverzagt gegenüber, und obwohl sie Sieger blieben,
flösste ihnen doch die wohlgeordnete Heeresmacht und der ent-
schlossene Widerstand, auf welche sie hier stiessen, solche Achtung
ein, dass sie das Frankenreich mit Einfällen fortan nicht zu be-
helligen wagten. Das Ziel ihrer Raubzüge bildete vielmehr das
Romäerreich, wie die Frankenreiche der Tummelplatz der Magyaren
wurden , bis die kraftvolle sächsische Dynastie die halbhundert-
jährige Schmach zum Teil auswischte. Doch auch hier fällt ein
Vergleich zwischen der Beendigung der Awaren- und Magyaren-
plage sehr zu Ungunsten des deutschen Reiches aus ; denn während
der grosse Karl ganze Arbeit machte, ist Otto der Grosse auf
halbem Wege stehen geblieben.
In religionsgeschichtlicher Beziehung ist unsere Periode nicht
minder wichtig als in ethnologischer und politischer. Vermochte
man den Barbaren nicht durch die Waffen beizukommen, so suchte
man sie durch die friedliche Botschaft des Gekreuzigten zu zähmen.
In diesem Sinne wurde von den Zeitgenossen die Bekehrung der
Bulgaren avifgefasst, welche zu dem höchst interessanten Streite
zwischen den Patriarchen von Alt- und Neurom über die kirch-
liche Oberleitung des neubekehrten Landes Veranlassung gab, der
später zur Gründung eines eigenen bulgarischen Patriarchates
führte. Wie die Bulgaren die Geissei der Romäer, so waren die
Normannen die Würgengel des Westens. Es gab jedoch manchen
XIV * Vorwort.
nordischen Fürsten, der sich der neuen Lehre gewogen zeigte und
ihre Verkündigung in seinem Gebiete gestattete und unter seinen
Schutz nahm. Öfters nahmen auch Wikingerhäuptlinge selbst das
Christenwasser an, was sie aber gewöhnlich nicht im mindesten
hinderte, bei der nächsten Gelegenheit ihre Gelübde zu brechen,
um aufs neue auf ihren gewohnten Wikingei'fahrten Mord und
Verheerung in die christlichen Länder zu tragen. Ähnliches mag
auch unter den östlichen Normannen vorgekommen sein. Ibn
ChordäJbih erzählt uns, die Kaufleute der Kös, welche Baydäd
besuchten, hätten sich dort für Christen ausgegeben und als solche
die Kopfsteuer bezahlt. Es ist daher wohl glaublich, dass nach
dem Scheitern des grossen Zuges gegen Konstantinopel im Jahre
865 einzelne vornehme Russen die Taufe annahmen und die
Fürsten Askold und Dir die Verkündigung des Evangeliums in
Kyjew gestatteten. Dei'artige vorübergehende Erfolge wurden
aber von den Zeitgenossen leicht überschätzt und masslos über-
trieben^). So war es auch mit der Bekehrung der Chazaren. Es
wäre für das Romäerreich ohne Zweifel von grossem Werte ge-
wesen, das befreundete und durch eine gewisse Literessengemein-
schaft mit ihm verbundene Chazareni'eich auch durch die Ge-
meinsamkeit des Glaubens an sich zu ketten und in ihm einen
zuverlässigen Bundesgenossen gegen die heidnischen Nomaden wie
gegen das islamische Reich zu gewinnen. Hier stritten indessen
mit dem christlichen auch jüdische und muslimische Einflüsse,
und so hatte die Sendung des späteren Slawenapostels Konstantin
nur teilweisen und vorübergehenden Erfolg. Der Chagan, ver-
mutlich dem halbnomadischen Charakter seines Staates Rechnung
tragend und bestrebt, seine Unabhängigkeit sowohl vom christ-
lichen Romäerkaiser wie vom Gebieter der Gläubigen zu wahren,
trat schliesslich mit seinem Gefolge zum Judentum über, während
die grosse Masse seiner Untertanen zunächst im Heidentum ver-
harrte 2). Im übrigen erhielten alle Religionen vollkommene
Duldung, so dass im 10. Jahrhundert Muslime, Christen und
Heiden den jüdischen Adel an Zahl übertrafen. Zuletzt soll auch
dieser von den muslimischen Haustruppen gezwungen worden sein,
^) So sind die Behauptungen des Photios (unten S. 391) und der
Späteren aufzufassen. Vgl. auch Gregor Krek, Einleitung in die
slawische Literaturgeschichte 2 451—466, bes. 455 S.
^ Vgl. Ibn Rusta \n, 12—14.
Vorwort. XV
den Islam anzunehmen. Dieser machte im Jahre 922 eine wich-
tige Eroberung durch die Bekehrung der ackerbautreibenden
Wolga -Bulgaren mit der Handelsstadt Bulyär. Unter den Nomaden
besass er von Anfang an grössere Werbekraft als die Lehre der
Bruderliebe, und es scheint in der That, dass es imter den
Peöenegen schon am Ende des 9. Jahrhunderts Muslime gab.
Mas'üdl erzählt, im Jahre 312 H. (924/25) sei eine Schar von
Buryar (Magyaren) in Venetien zu den auf einem Seeraubzug
nach den adriatischen Gestaden gelangten Arabern von Tarsus
gekommen, um ihnen ihre Hilfe anzubieten, imd einige von ihnen
seien mit nach Tarsus gegangen. Mas'üdl hat allerdings die
Magyaren mit den Wolga - Bulgaren vermengt, und so haben
sich in seinem Kopfe Nachrichten über diese beiden Völker zu
der phantastischen Vorstellung von einem grossen muslimischen
Bulgarenreiche verdichtet, dessen Macht bis nach Konstantinopel,
ja selbst bis nach Spanien reichen sollte. Es ist indessen sehr
wohl möglich, dass man zu seiner Zeit in muslimischen Kreisen
die Gewinnung der Peßenegen und Magyaren für den Islam in
allem Ernste erhoffte. Welch glänzende Aussichten für einen
neuen Siegeslauf desselben, wenn diese beiden wilden und streit-
baren Nomadenvölker den Glaubenskrieg nach dem Romäer-
und den Frankenreichen trugen! Vereinzelte Bekehrungen von
Magyarenhäuptlingen zum Christentum waren sehr oberflächlich
und wirkungslos: erst das deutsche Schwert hat hier dem Kreuz
den Weg bereitet.
Zur Aufhellung der im Vorstehenden skizziei-teu Verhältnisse
möchten diese Studien beitragen.
Eine sachkundige zeitgenössische Berichterstattung über die
politisch- ethnologischen Verhältnisse der in Aussicht genommenen
Periode dürfen vsdr nicht erwarten. Seit dem Ende des 6. Jahr-
hunderts war der historische Faden im Osten wie im Westen der christ-
lichen Welt abgerissen, und die magere Chronistik, die an die Stelle
der Geschichtschreibung getreten war, kann diesen Mangel in keiner
Weise ersetzen. Wenn wir feste Regierungsgrundsätze und eine
zielbewusste , von den Launen des jeweiligen Trägers der Krone
und den Wechselfällen des Glückes unabhängige PoUtik bei den
Franken und in noch weit höherem Grade bei den Nachfolgern
Karls d. Gr. in Deutschland bis auf die Erhebung der sächsischen
Dynastie durchgängig vermissen, so darf es uns nicht Wunder
XVI Vorwort.
nehmen, wenn die fränkisch-römischen Nachrichten über die Be-
ziehungen zu auswäi-tigen und zumal unzivilisierten Völkern nie-
mals den Charakter des Zufälligen verleugnen und die durchweg
treistlichen Berichterstatter gar keinen Versuch machen, über Ziele
und Wege der Politik und den inneren Zusammenhang der Be-
gebenheiten zu einiger Klarheit zu gelangen. Man hat darum bei
ihrer Lektüre dasselbe unsichere Gefühl, das den gemeinen Soldaten
bei jedem grösseren Manöver beherrscht: gebannt an die eigene
Truppe, hat er von dem räderartigen Eingreifen der derselben
zugewiesenen Bewegungen in die Gesamtheit der Operationen, von
denen die meisten ihm, zumal in durchschnittenem Gelände, un-
sichtbar bleiben, keinen Begriff. In dieser Hinsicht sind die
romäischen Chroniken, dank der auf Neu-Rom übergegangenen
anderthalb tausendjährigen Tradition des römischen Staates, ohne
Zweifel den fränkisch -römischen überlegen, obschon sie ihnen an
Dürftigkeit des Inhalts nicht nachstehen. Der klarste Beweis
hiefür ist ihre Unkenntnis der Geschichte Armeniens, das doch als
einziges christliches Felseneiland im islamischen Ozean für die
romäische Politik von der grössten Wichtigkeit war. Einer er-
freulichen Erscheinung begegnen wir erst um die Mitte des
10. Jahrhunderts, zu einer Zeit freilich, als die Macht der Romäer
bereits wieder nach allen Seiten im Aufsteigen begriffen war.
Die Werke des Kaisers Konstantinos Porphyrogennetos
berühren vor allem darum wohlthuend, weil sie die auswärtigen
Völker und Staaten nicht vom Standpunkte der eignen Unfehlbar-
keit, wie man es von Franken und Muslimen gewohnt ist, sondern
mehr in chinesischer Weise , nach den Gesichtspunkten des poli-
tischen Nutzens oder Schadens, den sie dem eignen Reiche bringen
können, behandeln und daher insbesondere ihre militärische Stärke
und staatsrechtliche Stellung sowie ihre geographische Lage sorg-
fältige Berücksichtigung erfahren. Dem Bedürfnis, sich Rechen-
schaft über die eigne Stärke und Organisation zu geben, ent-
springt dann auch die Beschreibung und Territorialgeschichte des
Reiches. Dieser politischen Richtung des Kaisers vei-danken wir,
was uns hier besonders interessiert, die Schilderung der damaligen
ethnologisch - politischen Verhältnisse der nördlichen Barbarenwelt
von Ungarn bis zum Ural. Allein diese Nachrichten, so wichtig
sie auch sind, sind doch erst nach Abschluss der ersten Episode
der zweiten Völkerwanderung, der Ansiedlung der Magyaren in
Vorwort. XVII
Ungarn, geschrieben und setzen somit bereits wieder einen ge-
wordenen Zustand voraus; es kann daher bei den historischen Rück-
blicken in Anbetracht des flüssigen Charakters der mündlichen
Überlieferung, auf welche sie sich stützen, an mannigfachen Irr-
tümern nicht fehlen. Als einen solchen haben wir Konstantins Be-
stimmung von Gross-Mähren als des angeblichen Reiches Swgtopltks
erkannt (S. 119), ein weiteres Beispiel liefert seine Geschichte
der Chrowaten. Hier berichtet er, nachdem die Romanen von den
Awaren aus Dalmatien verdrängt worden, hätten die Chrowaten
beim Kaiser Herakleios Zuflucht gesucht und auf sein Geheiss die
Awaren überwältigt und aus jenen Gegenden vertrieben, die sie
dann selbst eingenommen hätten. Ihr damaliger Fürst sei der
Vater des Porga gewesen. Hierauf habe Herakleios aus Rom
Priester kommen lassen und aus ihnen eine förmliche Hierarchie mit
einem Erzbischof an der Spitze errichtet und die Chrowaten taufen
lassen. „Damals hatten diese Chrowaten zum Fürsten den Porga*.
Diese Darstellung scheint durch eine Art Nachtrag vollkommen
bestätigt zu werden , der erklären soll , weshalb die Chrowaten
keinen Krieg ausser Landes führen wollten: jener Papst, welcher
ihnen unter Herakleios' Regierung Glaubensboten gesandt, hatte
sie auf den hl. Petrus in Pflicht genommen, dass sie niemals in
ein fremdes Land ziehen und es bekriegen , sondern mit allen
Frieden halten wollten; dafür erhielten sie vom Papste die Ver-
sicherung: a)g £t riveg äXXoi id'vmol -naxa f^g x&v ccvt&v X^aßä-
r(ov xcoQag inEkd'coötv nal TtoXs^ov ineveyKcoötv, l'vcc 6 xäv Xqg)-
ßccTCov Qsog TtQoöTtoXe^st Kai Ttqol'Gxaxai , Kai vixag avxoig
nixQog 6 xov XqiGxov fi a d' rj r t} g nQO^svst^). Dieser
Satz gibt allerdings den Stil der päpstlichen Kanzlei, die zumal
im Zeitalter Pippins und Karls d. Gr. mit dem Alleinbesitz des
siegverleihenden Fetisches St. Petrus so gerne prahlte und bald
dessen gute Dienste — natürlich gegen entsprechendes Entgelt —
anbot , bald mit seiner Rache drohte , so getreu wieder , dass er
unmöglich ganz erfanden sein kann. Damit ist freilich noch nicht
gesagt, dass auch die Zeitangabe der Bekehrung richtig ist.
In der That lesen wir in dem Kapitel über das Thema Del-
matia, dass die Chrowaten eine Zeit lang den Franken unterworfen
^) Konstantin Porphyrog. de administr. imp. c. 31 p. 148, 14-
149, 22.
XVIII Vorwort.
waren, durch deren empörende Grausamkeiten aber zum Aufstand
getrieben wurden und ihre Beamten erschlugen. Als die Franken
mit einem grossen Heere anrückten, entspann sich ein hartnäckiger
Krieg, in welchem die Chrowaten erst nach 7 Jahren die Ober-
hand gewannen, worauf sie sämtliche Franken samt ihrem Fürsten
Kotzilis erschlugen. «Von da an blieben sie selbstherrlich und
unabhängig und erbaten sich die hl. Taufe vom Bischof von Rom ;
es wurden nun Bischöfe abgesandt und sie tauften sie unter ihrem
Fürsten Porinos" ^). Die dieser Erzählung zu Grunde liegenden
Begebenheiten sind uns glücklicherweise durch die fränkischen
Annalen bekannt: der fränkische Fürst Kor^lhg ist kein anderer
als der Markgraf Cadolah von Friaul, über dessen Bedrückungen
Nikephoros, der Gesandte des Kaisers Leon des Ai'meniers, a. 817
im Namen der dalmatischen Romanen und Slawen vor Ludwig
dem Frommen in Achen Beschwerde führte, der Fürst ÜÖQivog
aber, unter welchem die befreiten Chrowaten die Taufe empfangen
haben sollen, ist identisch mit Borna, dem Herzog von Dalmatien
und Liburnien d. h. dem Grosszupan von Chrowatien, der in den
Jahren 818 — 820 erwähnt wird und im Jahre 821 starb (S. 140 f.).
Es ist daher deutlich genug, dass auch JJoQyd, unter welchen in
der Geschichte von Chrowatien die Bekehrung dieses Volkes ge-
setzt wird, von Borna nicht verschieden und nur fälschlich zum
Zeitgenossen des zwei Jahrhunderte früher regierenden Herakleios
gemacht worden ist. Damit folgt von selbst, dass auch Porga's
Vater zu Unrecht mit der Niederlassung der Chrowaten in Dal-
matien in Verbindung gebracht worden ist und die Vertreibung
der Awaren rmd die Befreiung der Chrowaten von ihrem Joche,
die unter ihm stattgefunden haben soll, nicht lange vor die Zeit
des Borna fällt, m. a. W. eine Folge der Awarenkriege Karls des
Grossen ist. Wahrscheinlich hängt die Begründung der langobar-
disch-fränkischen Oberhoheit über die Chrowaten mit dem Awaren-
krieg von 788 und der Besetzung von Istrien (vor 791) zusammen.
wenn der langobardische Heerbann 791 (über Istrien) nach Uli/-
ricum und von da nach Pannonien vordiüngen konnte '^). Dass
die Vertreibung bezw. Unterwerfung der Awaren in Dalmatien
durch die Chrowaten in der That in die angedeutete Epoche ge-
1) De admin. imp. c. 30 p. 144, 16—145, 6.
2) Brief Karls au Fastrada, Ep. Card. VI JaflFe IV 350. 352.
Inhalt. XIX
hört, geht schon daraus hervor, dass es nach der Versicherung
des Kaisers Konstantin noch zu seiner Zeit Reste der Awaren in
Chrowatien gab , die sich von der slawischen Bevölkerung scharf
unterschieden^). Sie sassen wahrscheinlich in den drei Zupen
KQißaöa (Krbawa), Aix^a (Lika) und rbvT^tjxa (Gacko), die unter
einem gemeinsamen Fürsten standen, der den awarischen Titel
hajan, slawisch bojan (ßosdvog, ßodvog^), jetzt in der magyarisch-
lateinischen Staatssprache banus) führte und dem Grosszupan unter-
worfen war. Wie selbständig aber dieses Fürstentum dem Gross-
zupan gegenüberstand, ersehen wir aus den fränkischen Annalen,
wo dasselbe unter dem Namen der Guduscani auftritt. Borna
wird zuerst (im J. 818) als dux Guduscanorum bezeichnet, das
richtige Verhältnis tritt aber unter dem Jahre 819 zu Tage, wo
es heisst, dass Borna, der dux Dalmatiae, in der Schlacht gegen
den Slawenfüi'sten Ljudewit von den Guduskanern im Stiche ge-
lassen wurde und sie von neuem unterwerfen musste (Ann. regni
Francorum a. 818. 819). Dass die Awaren in Chrowatien, wären
sie schon unter Herakleios den Slawen unterworfen worden, ihre
Sonderstellung bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts behauptet
haben sollten, ist an sich schon gegen alle Wahrscheinlichkeit; es
wird vielmehr anzunehmen sein, dass die politische Ordnung, die
der kaiserliche Schriftsteller in Chrowatien voraussetzt, vor allem
die Beschränkung der Awaren auf jene drei Zupen und ihre Unter-
ordnung unter den Grosszupan, von Karl d. Gr. eingeführt worden
ist, und zwar einer Andeutung der Annales Mettenses zufolge ver-
mutlich im Jahre 803. Nimmt man dazu die Ansiedlung der
Awaren des Kapkans Theodor zwischen Camuntum und Sabaria
(805), sowie die Notiz des Suidas über die Beteiligung des Bul-
garenkans Krum an der Teilung der awarischen Beute, so erkennt
man, dass die Reste des Volkes in Reservationen eingepfercht
worden sind. Dies System that vollständig seine Schuldigkeit,
und es erweckt daher um so grössere Beschämung und Bedauern,
dass diese Lehre der Geschichte zum Schaden der Deutschen wie
der Slawen nach der Schlacht auf dem Lechfelde ungenützt blieb.
Es mag sein , dass während der Krisis , welche das Awarenreich
nach der vergeblichen Belagerung von Konstantinopel im Jahre
^) De administr. imp. c. 30 p. 144, 6—7.
2) ib. p. 145, 9; c. 31 p. 151, 15. Vgl. Schafarik U 278 A. 2.
b*
XX Inhalt.
626 erschütterte, auch die Chrowaten und Serben zeitweilig das
awarische Joch abschüttelten, allein nach der Niederwerfung der
Empörung der pannonischen Bulgaren und zumal nach der Auf-
lösuno- des Reiches Samo's erholten sich die Awaren wieder ziemlich,
und aller Wahrscheinlichkeit nach mussten auch die Chrowaten
und wohl auch die Serben wieder in das alte Unterthänigkeits-
verhältnis zurückkehren. Die Geschichte erscheint auch hier ge-
fälscht durch die byzantinische Legende des 10. Jahrhunderts,
welche den frommen Herakleios als Archegeten und Ktistes ver-
ehrte und sich besonders darin gefiel, die Regelung der staats-
rechtlichen Verhältnisse auswärtiger Staaten, die seit dem 9. und
zumal seit dem 10. Jahrhundert Vasallen von Byzanz waren, auf
Akte jenes Kaisers zurückzuführen i).
Die Arbeiten des Kaisers Konstantin, so verdienstlich sie auch
sind, können uns somit zeitgenössische Berichte aus dem 9. Jahr-
hundert nicht ersetzen ; dass es an solchen in der That nicht ganz
gefehlt haben kann, beweist das Bruchstück über den Untergang
des Awarenreiches bei Suidas s. v. BovkyaQOi. Den Werken des
Kaisers reihen sich die kriegswissenschaftlichen Schriften an, deren
Hauptwert natürlich in den geschichtlichen Beispielen liegt, zumal
in solchen , wo sie zeitgenössische Begebenheiten schildern. Sie
bedürfen indessen einer neuen Gesamtausgabe, in welcher das gegen-
seitige Abhängigkeitsverhältnis übersichtlich dargestellt ist.
Die fehlenden Reisebeschreibungen könnten uns einigermassen
die Lebensbeschreibungen von Glaubensboten ersetzen, insofern sie
auf zeitgenössische Berichte zurückgehen, wenn sie für unsere
Periode nicht so überaus spärlich wären; so ausgezeichnete Quellen-
werke wie das Leben des hl. Severinus von seinem Schüler Eugippius
sind vollends weisse Raben. Es ist jedoch dringend zu wünschen,
dass die hierhergehörigen Schriften, mögen sie nun in griechischer,
slawischer, armenischer, georgischer oder lateinischer Sprache ge-
schrieben oder erhalten sein, aufs neue herausgegeben und in einer
^) Es ist immerhin bemerkenswert, dass in der Erinnerung der
Chrowaten und Serben die erste Erschütterung der Awarenmacht unter
Herakleios mit ihrem endgiltigen Untergang zu einer einzigen Episode
zusammengeflossen erscheint, ganz wie in der russischen Tradition, wo
derselbe unmittelbar an die Vergewaltigung der Dudleby angeschlossen
wird, obwohl der Chronist vom Reiche Samos, welcher wenigstens die
Westslawen vom awarischen Joche befreite, keine Kunde hat.
Vorwort. XXI
besonderen Sammlung vereinigt werden. Dahin rechne ich vor
allem die Wunder des hl. Demetiios , die Schrift de conversione
Bagoariorum et Carantanorum , die Lebensbeschi-eibungen der
Slawenapostel Konstantin und Methodios, des hl. Klemens, des hl.
Wenceslaw , des hl. Georg von Amastris , des hl. Stephan von
Sugdaia, des hl. Abo.
Die Völkerkunde von Osteuropa hat aber ausser dem Mangel
griechischer Geschichtswerke aus dem 9. Jahrhundert den Verlust
von drei Hauptwerken zu beklagen, des Dexippos, Priskos
und Menander Protektor, die uns gestatten würden, die Völker-
verschiebungen vom 3. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts hin-
reichend zu übersehen und uns von den im ganzen stabil gebliebenen
Verhältnissen von der Mitte des 6. bezw. vom 7. bis um die Mitte
des 9. Jahrhunderts eine ziemlich zutreffende Vorstellung zu bilden.
Überdies hat die Gleichgiltigkeit späterer Geschlechter einem der
wichtigsten armenischen Geschichtswerke den Untergang bereitet,
dem des Sapuh Bagratüni, das die 100 Jahre von 790 — 890
behandelte und uns wenigstens über die in den Kaukasusländern
während jener inhaltreichen Periode eingetretenen Veränderungen
Aufschluss geben würde. Auszüge aus den obengenannten Werken
sind ims hauptsächlich in den Bruchstücken der staatswissenschaft-
lichen Chrestomathie des Kaisers Konstantin Porphyrogennetos er-
halten , für welche übrigens erst jetzt durch die im Erscheinen
begriffene Gesamtausgabe^) zum erstenmale die nötige kritische
Grandlage gelegt werden soll. Wie wenig dieselben jedoch im
stände sind uns für jenen Verlust einigermassen zu entschädigen,
möge ein Beispiel veranschaulichen.
Jordanes sagt in seiner Beschreibung von Skythien , die er
in die Geschichte der Goten einflicht, um ihre ehemaligen Sitze
in Skythien zu verdeutlichen : ad litus autem Oceani, ubi tribus
faucibus fluenta Vistulae fluminis ebibuntur, Vidivarii resident,
ex diversis nationibus adgregati; post quos ripam Oceani item
Aesti tenent, pacatum hominum genus omnino. quibus in austrum
adsidet gens Acatzirorum fortissima, frugum ignara, quae pe-
coribus et venationibus victitat. ultra quos distendunt supra mare
^) Excerpta historica iussu imp. Constantini Porphyrogeniti confecta
edd. U. Ph. Boissevain, C. de Boor, Th. Büttner- Wobst; vol. I: Excerpta
de legationibus ed. C. de Boor. Berolini 1903.
XXII Vorwort.
Ponticum Bulgarum sedes, quos notissimos peccatorum nostrorum
mala fecei'unt. hinc iam Hunni quasi fortissimorum gentium
fecundissimus cespes bifariam populorum rabiem pullularunt. nam
alii Altziagiri^), alii Saviri nuncupantur, qui tamen sedes
habent divisas: iuxta Chersonem Altziagiri 2), quo Asiae bona avidus
mercator importat, qui aestate campos pervagant effusas sedes,
prout armentorum invitaverint pabula, hieme supra mare Ponticum
se referentes. Hunuguri autem hinc sunt noti, quia ab ipsis
pellium murinarum venit commercium. Gothos^) tantorum vi-
rorum formidavit audacia. quorum*) mansione prima in Scytbiae
solo i\ixta paludem Meotidem, secundo in Mysiam Thraciamque
et Daciam, tertio supra mare Ponticum rursus in Scythia legimus
habitasse (Jordan. Get. c. 5 § 36—38). Die Äesti an der sam-
ländischen Bernsteinküste waren dem Cassiodorius, dessen gotische
Geschichte Jordanes flüchtig ausgezogen hat, sehr wohl bekannt,
da er im Namen des Königs Theoderik einen Brief an sie redigiert
hat (Cassiodor. Var. V 2 p. 143—144 ed. Mommsen). Nimmt
man ihn also beim "Worte, so würden die südlich von den Aesti
sitzenden Äcatziri genau ins Gebiet der späteren Drewljane kommen,
dessen Lage man sich durch die der Stadt Korosten in Wolhynien
(Schafarik, Slawische Altertümer II 123 — 125) veranschau-
lichen kann. Dazu würde stimmen, dass der Name Dreivljane
(Waldleute) sich seiner Bedeutung nach mit Äcatziri förmlich
deckt, sowie dass sich jenseits d. h. östlich oder südöstlich von
diesen die Sitze der Bulgaren ausdehnen sollen, unter denen wir
die westlich vom Don bis etwa zum Bug schweifenden Kuturguren
zu verstehen haben. Allein die Drewljane waren ein slawisches
Volk, wogegen die Äcatziri nach Charakter und Lebensweise oflen-
bar als 'eine besondere, von Aisten wie von Hunno-Bulgaren und
Slawen verschiedene Nation bezeichnet werden sollen. Hätte Jor-
danes bezw. Cassiodorius sie für Slawen gehalten, so hätte er sie
1) So HPVLAXY; altziagri Z, **aulziagri 0, aulziagri B.
2) So HY; ultziagiri P V, ultiziagiri X, ultiziagriZ, uultziagri L,
autziagiri A, aulgiagiri 0, aulziagri B.
^) Hss. und Ausgaben quos.
■*) Man liest am einfachsten quos in. Behält man die überlieferte
Lesart bei, so muss man mansione xyrima als vulgären Akkusativ ohne
m auffassen und dazu dem Sinne nach ein Prädikat fuisse und vor
secundo ein Subjekt quosque ergänzen.
Vorwort. XXIII
unter den Gruppen der Venethamm natio § 34 — 35 aufgeführt.
Überdies ist das, was sich sonst über die Wohnsitze der Akatziren
ermitteln lässt, mit dem Lande der Drewljane schwerlich vereinbar.
Der einzige Quellenschriftsteller, welcher unseres Wissens von
den Akatziren gesprochen hat, ist Priskos. Ob die Erwähnung
des Volkes in einem Verzeichnis nordkaukasischer Völker aus
dem Jahre 555 (unten S. 356 A. 1) aus einer historischen Quelle
des 6. Jahrhunderts stammt, wofür die Namensform Kas{i)r zu
sprechen scheint, oder lediglich auf Priskos zurückgeht, ist nicht
mit Sicherheit auszumachen. Wenn es nun in einem der Auszüge
des Priskos, in welchem die damals in Mittelasien erfolgten Völker-
bewegungen kurz berührt werden, heisst, die Saraguren, Ugoren
und Onoguren seien von den Sabiren aus ihren alten Wohnsitzen
vertrieben worden, worauf die Saraguren auf der Suche nach einer
neuen Heimat auf die Akatziren gestossen seien und sie nach zahl-
reichen Kämpfen niedergeworfen und (um 463) mit den Oströmern
freundliche Beziehungen angeknüpft hätten (fr. 30 bei Dindorf, Hist.
Gr. min. I 341), so führt dies zunächst allgemein auf Gegenden dies-
seits des Ural und zwar, wenn man die Angabe des Jordanes hinzu-
nimmt, auf das Land der Mordwinen als Heimat der Akatziren, sofern
wir uns die damals neugewonnenen Sitze der Sabiren wahrscheinlich
im späteren Reiche Sibir zu denken haben i). Aus der weiteren
Angabe, die Saraguren seien, nachdem sie die Akatziren und andere
Völker angegriffen, gegen die Perser gezogen und (durch den Pass von
Darband an der damals schlecht verteidigten Festung luroj-parhak
vorbei in Albanien und von da) in Persien und Armenien ein-
gebrochen 2) , darf man vielleicht schliessen , dass die Akatziren
damals von den Saraguren zur Heeresfolge gezwungen wurden.
Da nun diese dürftigen Andeutungen gestatten, ihre Sitze'wenigstens
teilweise denen der Magyaren in der ersten Hälfte des 9. Jahr-
hunderts gleichzusetzen und Charakter und Lebensweise der Akat-
ziren mit den Sitten der Magyaren übereinstimmen, so habe ich
unten angenommen, die Akatziren seien (mit den Onoguren) als
die Vorväter der Magyaren zu betrachten. Gegen diese Ansicht
^) Wann die Sabiren nach Südwesten in die nordkaukasischen
Ebenen vorgedrungen sind, ist unbekannt, doch geschah dies wahr-
scheinlich vor 515.
2) fr. 37 ib. p. 346. Siehe mein Eransahr nach der Geographie
des Ps. Moses Chorenac'i S. 98—101.
XXIV Vorwort.
spricht jedoch der Umstand, dass kein Anzeichen dafür vorhanden
ist, dass die Akatziren, wie dies doch von den Magyaren sicher steht,
von Osten her in das zur Zeit Attila's von ihnen inne gehabte
Gebiet eingewandert wären: im Gegenteil ist es wahrscheinlich,
dass sie von den Hunnen weiter nach Osten gedrängt wurden.
Die Gesandtschaft des Kaisers Thedosios II. (fr. 28 p. 298, 30 ff.)
erreichte sie jedenfalls von Cherson oder von Bosporos aus. Er-
wägt man alle in Betracht kommenden Umstände, so kommt
man zu dem Schlüsse, dass die ^Akcct^lqol in der Hauptsache den
Mordwa der russischen Chronik, den y/-lo.j Burd-äs oder y/^Lby
Burt-äs der Araber entsprechen, die als Mordens schon in der
Geschichte des Greutimgenkönigs Ermanarik vorkommen, aber
im 4. und 5. Jahrhundert ohne Zweifel noch lange nicht so weit
nach Osten geschoben waren als im 9. und 10. Jahrhundert, sondern
den Sitzen der herodotischen avSQoqxiyoi am mittleren Dnjepr, als
deren Nachkommen sie zu gelten haben, noch viel näher wohnten.
Es ist indessen zu beachten, dass Priskos von zahlreichen Stämmen
und Geschlechtern (cpvla Kai yivri) des Akatzirenvolkes (to töi'
UKazLQcov e&vog p. 298, 26. 299, 2. 14—16. 306, 11) spricht, die
je unter besonderen Häuptlingen standen. Bedenkt man daher,
dass ^A%dr^iQOi = alttürk. aqaa-äri „ Waldleute " eine hunnisch-
türkische Bezeichnung von allgemeinem Charakter ist, so wird es
wahrscheinlich, dass mit diesem Namen mehrere nahe verwandte
Finnenstämme zusammengefasst sind , die einst in unmittelbarem
Zusammenhang mit den Esten, Liven und Kuren gestanden haben
müssen, im 11. Jahrhundert aber bis zur Oka und Wolga zurück-
gedrängt waren. Zu diesen gehörten ausser den Mordwa be-
sonders die Merja und Muroma *). Bei dieser Auffassung recht-
fertigt es 'sich, wenn Priskos die Akatziren zu den Völkern des
pontischen Skythien rechnet (p. 310, 30: ta>v ^AKariQOv Kai ra>v
Xoinäv i&v&v x&v v£(io^iv(üv T'^v tcqoq xov TIovxov 2lY,v%LKr\v),
aber auch Jordanes' Ansatz wird nun verständlich, falls wir unter
Aesti das ganze preussisch -lettische Volk verstehen und die süd-
liche Richtung als üngenauigkeit für Südost nehmen. Er sagt ja
ausdrücklich (§ 34 — 35), dass von den beiden Zweigen der Slawen,
1) Vgl. hierzu Tomaschek, Kritik der ältesen Nachrichten über
den skythischen Norden II 7—18, besonders S. 13. SB WA. Bd. 117
Nr. 1, 1888.
Vorwort. XXV
welche die Griechen zu seiner Zeit unterschieden, der östliche, die
Anten, sich vom Dnjestr bis zum Dnjepr erstreckte i) , und dass
er hier auf einem für seine Zeit veralteten Standpunkte steht,
beweist der wohlunterrichtete Prokopios , der den Anten bereits
eine viel grössere Ausdehnung gegen Osten und Norden gibt: er
lässt sie vom Don an nordwäx-ts reichen -). Während daher Jordanes
die westliche Gruppe, die Sklawenen, sehr gut aus eigener An-
schauung kannte , muss er bezw. Cassiodorius die Umschreibung
-der Wohnsitze der Anten einer älteren Quelle entnommen haben,
wahrscheinlich dem Ablabius. Dieser hat ja die Anten auch schon
in die Geschichte des Unterganges des Ostgotenreiches (c. 48
§ 247) eingeführt, wo seine gotische Quelle ohne Zweifel nur von
Wenden (Winipös) gesprochen hatte. Die grosse Ausbreitung
der Anten über das ganze Gebiet zwischen Dnjepr und Don und
Oka und nordwärts bis Nowgorod und die Zui'ückdrängung der
sogenannten Wolgafinnen gehört demnach dem Jahrhundert von
ca. 450 — 550 an.
Zur Zeit des Priskos hatten die Onoguren, deren alte Heimat
von den Sahiren besetzt worden war, das spätere Land der Mordwa
zu beiden Seiten der mittleren Wolga eingenommen ; ihr Gebiet
gilt daher bei Jordanes als die Heimat der Marder- und Zobel-
felle, wie nachmals das der Burtäs. Prokopios berücksichtigt sie
nicht, dagegen berichtet Menander Protektor, nachdem Valentinus
den im Lande der Alanen weilenden Awaren Geschenke des alten
Kaisers Justinian überbracht hatte, mit dem Auftrage sich gegen die
Widersacher der Romäer zu waflfnen, hätten sie zuerst die Uniguren,
darauf die Zalen, ein hunnisches Volk, niedergeworfen, die Sahiren
aber vernichtet (a. 558) ^). Schon vor 576 waren die alanischen
^) Antes vero, qui sunt eorum (Venetharum) fortissimi, qua Pon-
ticum mare curvatur, a Danastro extenduntur usque ad Danaprum,
quae flumiua multis mansionibus ab invicem absunt.
2) Prokop. de hello Goth. IV 4 p. 474, 15—16: Kai avtwv (der
Uturguren östlich von der Maiotis bis zum Tanais) v.aO'vnsQQ'Bv ig
ßoQQäv av£[Lov i'&vri rci 'Avt&v u^sxqu lÖQvvtai.
^) Excerpta de legationibus p. 443, 8 ed. de Boor = Menandri
Prot. fr. 5 p. 5, 16 — 21 : tov dh BaXsvrivov iKetßt ccq)iiio^tvov nal tcc
SwQa naQaa^o^ävov Kai oaa i6rj[Lr\vsv 6 ßaadsvg i^ai,7t6vrog, ngürov
^hv i^S7toXs^md"r]Gav OvviyovQOig, slta ZdXoig , Ovvviv.m cpiXa- y.cii
IJaßi]QOvg dh ^ad'slXov.
XXVI Vorwort.
Völker sowie die Stämme der Uniguren, welche gar kühn und auf
die eigne Macht vertrauend dem unbezwinglichen Volke der Türken
Widerstand geleistet hatten , von diesen unterworfen worden ^).
Diese beiden Notizen lassen darauf schliessen, dass die Uniguren
damals, von den aus dem Westen kommenden Mordwa verdrängt,
bereits weiter nach Süden ins Dongebiet vorgerückt waren, wo
sie der Geograph von Eavenna im 7. Jahrhundert verzeichnet.
Bis zum 9. Jahrhundert hatten sie dann auch mit oder gegen den
Willen der Chazaren das alte Land der üturguren zwischen Don
Kuban besetzt, und hier kennt sie ein Araber in der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts unter ihrem eigentlichen Volksnamen Magyar.
Diese wie die Uniguren der patria Onogoria erscheinen der Natur
des Landes entsprechend als Fischer und ihre Identität kann tat-
sächlich nicht bezweifelt werden.
Wenn aber auch Cassiodorius demnach im wesentlichen die
Darstellung des Priskos und Ablabius wiedergegeben hat, so hat
sie doch Jordanes nicht verstanden und durch eigene Zutaten ver-
dorben. Vor allem unterscheidet er von den Bulgaren die Hunnen
und bemerkt nicht, dass das eine der beiden aufgeführten Hunnen-
völker thatsächlich mit jenen identisch ist. Die Ältziagiri bezw.
Ultziagii'i ^ welche in der Nähe von Cherson wohnen und im
Sommer ausgedehnte Ebenen durchschweifen, um sich im Winter
über den Pontos zurückzuziehen , sind nämlich keine anderen als
die Kuturguren (Kurturgur), bei Agathias Koxqiyovqoi^ bei Menander
Protektor KoxQccyrjQOt oder Kot^iyovQoi'^), bei Theoph. Sim. 7, 8, 16
Kox^ayrjQOi, und VLTZLÄ.GIRI — so (mit geringfügigen Varianten)
die meisten Hss. an zweiter Stelle — ist lediglich ein alter
Schreibfehler für LVTZIAGIRI aus Cutziagiri^). Die Hunuguri
(L unigui'i) aber scheint Jordanes mit den bei ihm fehlenden
OvriyovQOc vermengt zu haben. Die Sitze der Goten denkt er
1) Exe. de legat. p. 206, 14—19 = Men. Prot. fr. 43 p. 87, SO-
SS, 4 (unten S. 505).
2) Exe. de legat. p. 170, 17 KozQiayrJQoi. codd.; 170, 22. 171,2 xo-
rgayilQovg- 196, 4 ■novrQiyoQOi codd.; 196, 19 ■aovtQayovQOi's codd.;
196, 30 KOXQäyriQOi codd.; 443, 18 6 KoxQäyriQog ixtivog-^ 458, 27 Kotqi-
yovQ(av.
'^) Vgl. fluvius qui nominatur Lutta Geogr. Ray. IV 4 p. 175, 10
= Guthalus Plin. h. n. 4 § 100. Das Richtige schon bei Zeuss, Die
Deutschen 715.
Vorwort. XXVII
sich in der Nähe der Maeotis , also etwa da, wo zu seiner Zeit
die Krimgoten wohnten.
Wie zufällig die uns gebliebenen westländischen Nachrichten
über Osteuropa und wie schwierig häufig ihre richtige Deutung
ist, dürfte hiernach klar genug geworden sein. In diese Lücke
treten nun die Araber ein. Einzelne Nachrichten über Nord-
völker findet man schon in alten arabischen Bearbeitungen des
Alexanderromans, noch älter sind aber die wissenschaftlichen Ver-
suche der Araber über Völkerkunde, die sich, wie die ethnologi-
schen Einleitungen der romäischen und der von diesen abhängigen
slawischen und armenischen Chroniken, an den ÖLafisQiafibg tfig
yrjg anschliessen und daher zunächst nichts weiter als genealogische
Listen von Völkemamen sind. Schon von dem Genealogen Dayfal
(t 65 H. = 684/85) werden derartige Angaben überliefert, die
beweisen, dass man sehr frühzeitig begann, auch die seit den
grossen Eroberungen in den Gesichtskreis der Araber getretenen
fremden Völker in das von der Bibel und der mythischen Geschichte
Irans gelieferte Schema einzuzwängen. Die umfassendste Tätigkeit
auf diesem Gebiete entfaltete Hisäm b. Muhammad genannt Ibn
al Kalbi (f um 820). Von den Erzeugnissen dieser Litteratur-
gattung hat sich direkt nichts erhalten, doch ist Vieles daraus in
die späteren Chroniken und geographischen Werke übergegangen.
Besonders günstig für die Fortschritte der Erd- und Völker-
kunde war das Zeitalter des Chalifen al Ma'mün (813 — 833 n. Chr.),
der sich lebhaft für die Wissenschaften interessierte und unter
dem der Gesichtskreis der Araber weiter reichte denn je.
al Ma'mün knüpfte Verbindungen an mit verschiedenen Barbaren-
fürsten, und die Muslime kamen damals auf ihren Handelsreisen
bis zu den Kirghizen. Die Grundlage der geographischen Arbeiten
bildeten die Übersetzungen des Almagest und der Geographie des
Ptolemaios, die der Chalifa anfertigen liess, und nach dem Vor-
bilde dieser Werke wurde das reiche Material, das damals zusammen-
gekommen sein muss, in Listen der geographischen Länge und
Breite der Hauptorte und in Klimentafeln verarbeitet und — be-
graben. Die damals herrschende mathematische Richtung hat daher
den Originalberichten dasselbe Schicksal bereitet wie einst das
geographische Werk des Ptolemaios.
Eine andere Richtung schlug 'Amr b. Bahr al Gähic
(t 868/69) ein, welcher den Merkwürdigkeiten der Länder und
XXVIII Vorwort.
ihrer Bewohner, der Natur- und Kulturgeschichte sein Augenmerk
zuwandte. Der Verlust seines , Buches der Hauptstädte und der
Wunder der Länder" ist umsomehr zu bedauern, als darin, nach
gelegentlichen Anführungen und dem Charakter seiner sonstigen
Schriften zu schliessen, besonders auch das Folklore einen grossen
Raum eingenommen haben muss. Von der Vielseitigkeit des
Gähie mögen die Bruchstücke, welche ich unten durch die
Liebenswürdigkeit meines unglücklichen Freundes van V loten
mitteilen konnte, eine kleine Probe geben. Um nur eines hervor-
zuheben, so ist Gähic der einzige bis jetzt bekannte Araber,
welcher vom Untergange des grossen Uigurenreiches ausdrückliche
Kunde gibt.
Für denjenigen, der die Arbeitsweise der arabischen Geo-
graphen und Historiker kennt, ist es selbstverständlich, das manche
der unter al Ma'mün und seinen nächsten Nachfolgern gesammelten
Nachrichten in spätere Werke übergegangen sind, allein sie sind
hier in der Regel mit solchen aus späteren Epochen unterschiedslos
verbunden und so ihres Hauptwertes, der genauen zeitlichen
Fixierung, beraubt. Eine wichtige Ausnahme bildet ein Bericht
über die Nordländer, der im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts
verfasst sein muss und seit Herodot die erste einigermassen zu-
sammenhängende , auf gleichzeitigen Erkundigungen beruhende
Beschreibung der pontischen und nordkaukasischen Länder bietet.
Derselbe ist zwar leider auch nicht im Original erhalten , aber
wenigstens als Ganzes in spätere geographische und historische
Werke aufgenommen worden. Er ist zuerst bekannt geworden
aus der im Jahre 1456 verfassten Chronik ^.LäJ! '^^^ t<^^-
mut der Chroniken" des Persers Sukru'lläh b. Sihäb, aus
welcher Jos. v. Hammer in seiner Schrift Sur les origines russes,
St. Petersbui-g 1827 p. 105—109 = 44—48 Auszüge veröffent-
lichte. Die wahre Bedeutung des Berichtes konnte jedoch damals
noch nicht erkannt werden, da er hier mit einer Reihe von
Artikeln über die Türkenvölker verknüpft war und Sukru'lläh,
wie sich jetzt herausteilt, lediglich Muhammad-i 'Aufl's v«i-^
oLUJl ^J*, oLbC^ „Sammlung der Geschichten und Schimmer
der Überlieferungen" (XHI. Jahrh.) sehr nachlässig ausgezogen hat.
Im Jahre 1849 gab sodann Defremery Auszüge aus dem „Buche
der Königreiche und Routen" des Spaniers Abu 'Ubaid 'Abdallah
Vorwort. XXIX
b. 'Abd al 'Aziz al Bekri (f 1094) heraus, die jenen Bericht in
reinerer und vollständigerer Gestalt enthielten^) und von Baron
Rosen in den Izvestija al-Bekri wieder abgedruckt worden sind^).
Zu seinem Rechte kam der ganze Bericht aber erst, als eine
wesentlich vollständigere Fassung desselben in einer Handschrift
des British Museum (Add. 23 378) entdeckt wurde, welche einen
Teil des „Buches der kostbaren Edelsteine" »..«^^ftÄJl v^^l LjUi'
von Abu 'All Ahmad b. 'Omar Ihn Rusta enthält. Diese Version
ist von Daniel Chwolson fast vollständig mit russischer Über-
setzung und Kommentar herausgegeben worden unter dem Titel :
Izvestija o Cbozarachi. , Burtasacht , Bolgarach-L , MaäLJarachi»,
SlavjanachT> i Russachi Ihn Dasta. Sanktpeterburgi> 1869. Man
findet den Text jetzt im VII. Bande von de Goeje's Bibliotheca
Geogr. arabicorum, Lugduni Batavorum 1892 p. (H — tfA.
Denselben Bericht, verbunden mit einem andern über die
Türkenvölker, fand dann Sachau in der zwischen 1050 und 1052
verfassten Chronik ( LAi>^! ..yj;) des Persers Abu Sa'Td 'Abd al
Haij b. ad Dahhäk b. Mahmud Gurdezi, deren einzige bekannte
Handschrift die Bodleiana zu Oxford bewahrt (Cod. Ouseley 240),
und da er den Wert desselben alsbald erkannte, fertigte er eine
Abschrift an , die er später dem Grafen Geza Kuun überliess.
Dieser gab den mit Ihn Rusta und Bekrl parallelen Abschnitt
mit ungarischer Einleitung und Übersetzung heraus in : Keleti
Kütfök. Különnyomat "a Magyar honfoglaläs kutföi"-böl. Buda-
pest 1898 , S. 5 — 60 , und Hess daneben den Text Ihn Rusta's
nach de Goeje's Ausgabe abdrucken. Da jedoch die Oxforder
Handschrift sehr schlecht geschrieben ist und der Herausgeber sich
nicht die Mühe nahm, die Abschrift nochmals mit dem Original
vergleichen zu lassen, so ist diese Ausgabe ziemlich mittelmässig
ausgefallen.
Dagegen hatte W. Barthold schon 1897 den ganzen ethno-
logischen Abschnitt Gurdezi's (einschliesslich der Artikel über die
Türkenstämme) mit russischer Übersetzung herausgegeben in seinem
^) Fragments de g^ographes et historiens arabes et persans in-
edits, relatifs aux anciens peuples du Caucase et de la Russie möridio-
nale. Journ. as. IVe Ser. 1. 13, 1849, p. 460—477.
-) A. Kunik und Baron W. Rosen, Izvestija al-Bekri i dru-
gichi avtorovi o Rusi i Slavjanachi. Teil 1. St. Petersburg 1878,
S. 42—46.
XXX Vorwort.
Bericht über eine Reise in Mittelasien zu wissenschaftlichem
Zwecke 1893 — 1894" (russ.); Mem. de l'Academie des sciences de
St.-Petersbourg VHP Ser. vol. I Nr. 4, St. - Petersbourg 1897,
g 80 — 126. Diese, was die Textbehandlung anlangt i), sehr sorg-
fältige und verdienstliche Arbeit scheint Kuun nicht bekannt ge-
wesen zu sein-).
Mit Gurdezi zeigt eine im Jahre 372 H. (982/83 n. Chr.)
verfasste persische Geographie mit dem Titel ^llx}] o^lXs», von
welcher Tumanskij eine Handschrift in Buchara aufgestöbert
hat, sowohl in dem uns beschäftigenden Abschnitt (s. S. 517) wie
in dem über die Türken 3) die auffälligste Verwandtschaft, die
nur durch eine beiden gemeinsame Vorlage erklärt werden kann.
Leider ist aber dieser wichtige Text meines Wissens immer noch
nicht veröffentlicht. Tumanskij 's Bericht über denselben in den
Zapiski der orientalischen Abteilung der Kaiserl. Russ. Archäo-
logischen Gesellschaft Bd. X, St. Petersburg 1897, 121—137, ist
mir nicht zugänglich.
Endlich ist noch M u h a m m a d - i ' A u f i ' s „ Anekdotensamm -
lung" (oLjÜC^ ;«^L>) 2^ erwähnen, welche unseren Bericht eben-
falls enthält, freilich mit späteren Zusätzen (so über die angeb-
liche Bekehrung Wladimirs des Heiligen zum Islam*)), sonst aber
in einer Fassung, die Ibn Rusta noch näher steht als Bekri. Auch
dieser Bericht ist leider noch nicht im Zusammenhange ver-
öffentlicht.
Kein einziger von den bis jetzt bekannten Auszügen ist un-
mittelbar aus dem Originalbericht abgeleitet, sondern sie gehen
1) Die Übersetzung ist mir leider unzugänglich.
2) Auch in seinem Artikel , Gurdezi a Törökökröl" (Keleti Szemle
IV, 1903, S. 17—40), der mir zufällig in die Hände kommt, kann ich
keine Bekanntschaft mit Bartholds Arbeit entdecken. — Ich hatte zu-
erst durch die Güte meines Freundes W. Bang Kuun's Keleti Kütfök
erhalten und war erst später auf Bartholds Ausgabe aufmerksam ge-
worden. Daraus erklärt sich die Nameusform Gurdezi (Keleti Kutfök
p. 12) , während Barthold auf Grund einer Glosse in einer Handschrift
'Utbi's Gardlzi schreibt (S. 78 A. 2).
3) S. Bart hold a. a. 0. S. 79 und die Anmerkungen zum Texte.
■*) Fr. Westberg, Die Fragmente des Toparcha Goticus. M^m.
de i'Acad. de St. Pötersbourg T. V Nr. 2, 1901, S. 120f. nach Barthold,
Zapiski der orient. Abteilung der Kais. Russ. Archäol. Ges. Bd. IX,
Ausgabe I— IV, S. 262—267.
Vorwort. XXXI
Sämtlich auf ein geographisches Werk zurück, das nicht vor der
Bekehrung der Wolga-ßulgaren zum Islam im Jahre 922 verfasst
sein kann und in welchem der alte Bericht spätere Interpolationen
erfahren hatte. Dies war höchstwahrscheinlich das „Buch der
Routen und Königreiche* des Abu 'Abdallah Muhammad b. Ahmad
al GaihänT, der als WezTr der Samaniden (seit 301 H. =
913/14) das Material zu seinem umfangreichen Werke sammelte.
Ich bilde mir natürlich nicht ein , alle Fragen , die sich an den
Bericht knüpfen , bereits gelöst zu haben , was vor der Ver-
öffentlichung der Texte 'Aufl's und des Anonymus Tumanskij's
ja auch unmöglich ist; ich darf mich aber wenigstens der Hoff-
nung hingeben , dass meine Mühe um die Aufhellung desselben
nicht ganz umsonst gewesen ist. Der Bearbeiter hat, wie gesagt,
im allgemeinen den Bericht unberührt gelassen und, abgesehen
von etwaigen Streichungen, nur einzelne Interpolationen eingefügt.
Allein bei der Spärlichkeit topographischer und geschichtlicher
Einzelheiten ist es besonders schwierig, jene richtig auszuscheiden,
und gerade dies macht in Verbindung mit der in arabischer
Schrift so leichten Entstellung von unbekannten Namen die Deu-
tung der Berichte teilweise so imsicher und mühsam. Dies gilt
besonders von dem Artikel über die Magyaren : hier weisen
Gurdezi und der Verfasser der ^JLjtJ! Oj,Js.5> einen längeren Ein-
schub auf, der nicht bloss bei den anderen Zeugen fehlt, sondern
(wenigstens in der bis jetzt allein genau bekannten Passung
Gurdezi's) geradezu unverständlich ist und daher auch bei GaihänT
noch gefehlt haben wird. Wir können darnach das Verhältnis
der verschiedenen Auszüge vorläufig durch folgenden Stammbaum
veranschaulichen :
A
B (GaihänT)
Ibn Kusta X BekrT C
I .
Muhammad-i ^LxJl c>^J<s^ GurdezT
'AufT
Der ursprüngliche Bericht ist geschrieben, als Ishäq b. Ismä'Tl
Herr von Georgien (ca. 833 — 853) und unter al Wä^iq (842 —
847) vorübergehend sogar anerkannter Statthalter von Armenien
war, und von Ai-menien bezw. vom Chazarenreiche aus müssen
XXXII Vorwort.
auch die meisten Erkundigungen eingezogen sein; nur die Nach-
richten über die Peöenegen sind zumeist von Chwärizm, die
über die Burgän (Donau - Bulgaren) und vielleicht auch einiges
über die Slawen von Konstantinopel aus erkundet. Die Schreib-
weise der Namen ist sehr genau (z. B. Ä.xi'ÜLÄAJt = Päcänäg
mit Imäla) und mehr persisch als arabisch (z. B. jSh für ^LiL,
y*b,j für y*Lb,J, i^Jj*^ fi"*^' ^j^-^J etc.). Nichts deutet darauf
hin, dass der Verfasser die von ihm beschriebenen Völker selbst
besucht hätte, dagegen ist für die Herkunft des Hauptteils seiner
Nachrichten die Mitteilung von Wichtigkeit, dass al Wä'&iq den
Astronomen Muhammad b. Müsä al ChuwärizmT, den Verfasser
des ^jo^\ *.*-. „Systems der Erde", zum Tarchän, dem König der
Chazaren gesandt habe*). Dieser mag die Gelegenheit benutzt
haben, um beim Chazarenfiirsten Erkundigungen über die um-
liegenden Völker einzuziehen, allein die Abfassung des uns vor-
liegenden Berichtes dürfen wir ihm nicht zuschreiben ; dieser weist
vielmehr deutlich auf ein Werk zurück , das der politischen Geo-
graphie und daher auch der Völkerkunde gewidmet war. Eine
derart umfassende Forscherthätigkeit in so früher Zeit war natür-
lich nicht alltäglich, und da ist es gewiss mehr als Zufall, dass
wir von einem Schriftsteller ausdrücklich Kunde haben, welcher
gerade unter al Wä'9'iq lebte und auSser der Geschichte und
Organisation des Romäerreiches auch die benachbarten Barbaren-
reiche, die Burgän (Donau - Bulgaren) , Awaren, Buryar (Wolga-
Bulgaren? oder Magyaren?), Slawen, Chazaren u. a. behandelt
hatte 1). Es ist dies Muslim b. Abu Muslim al Garml (S. 28 f.),
den wir daher mit grösster Wahrscheinlichkeit für den Verfasser
unseres Berichtes halten dürfen. Da Ihn ChordäfJbih die Werke
des al Garml kannte, so ist es nicht unmöglich, dass bereits er
in seinem ethnologischen Werke ^j«jäJ! ^L*^j! »?■?■■*-> oLä^3
JsjLaJ!^ „Sammlung der Genealogien der Perser und der ver-
pflanzten Völker", das die Urgeschichte und Verteilung der Völker
in der Weise des 6i,afiSQi6(i6g rrjg yij? behandelt zu haben scheint,
1) Muqaddasi Hr, 11.
1) Mas'üdl, Kitäb at tanblh II., 25. Unten ist gezeigt, dass
Mas'üdi unter Buryar sowohl die Wolga - Bulgaren als die Magyaren
versteht.
Vorwort. XXXIII
jenen Bericht aufgenommen hatte und Gaihäni ihn hier wie auch
sonst so häufig ausschrieb.
Wenn ich hier das von unserem Bericht gezeichnete Bild
der Völkerkarte von Osteuropa , wie es sich nach meinen Unter-
suchungen schliesslich darstellt, in seinen wichtigsten Umnssen
kurz zusammenfassen darf, so wohnten zwischen dem Aralsee und
dem Jajyk die Pec^enegen, zwischen diesen und den Isgil (wahr-
scheinlich an der Kama), einem der drei Stämme der Wolga-
Bulgaren, lag ,das erste der Gebiete der Magyaren". Damit ist
entweder das Land der Baskiren gemeint, welche später von den
Arabern mit den Magyaren vermengt worden sind, oder die
Mescera, ein finnischer Stamm, der ehemals unter den Mordwa
lebte und sich noch jetzt in turkisierten Resten unter den Baskiren
im südlichen Ural findet. Südlich von den Bulgaren und zwar
(wenigstens im 10. Jahrhundert) zu beiden Seiten der mittleren
Wolga 1) Sassen die Burdas, welche unter der Botmässigkeit des
Chagans der Chazaren standen und die Bulgaren wie die Peße-
negen mit Überfällen heimsuchten. In loser Abhängigkeit von
den Chazaren standen die Magyaren, die hauptsächlich zwischen
Don und Kuban wohnten und unter den Slawen, die ja schon
seit dem 6. Jahrhundert bis zum Don reichten, Menschenjagden
veranstalteten, deren Beute sie in einem romäischen Hafen Karch
(wahrscheinlich Taman) verkauften. Mit ihren Nachbarn im Kau-
kasus , den Tül-äs oder As , einem alanischen Stamm , scheinen
sie in Frieden gelebt zu haben. Im Beginne des Gebietes der
^) Mit Sicherheit denkt sich Mas'üdi die Burtäs östlich von der
Wolga, und zwar nicht bloss in den Goldwäschereien 11 14, wo er
über den Burtäsfluss spricht (unten S. 336), sondern noch deutlicher im
Kitäb at tanbih IC, 16, wo es heisst: »Der Chazarenfluss, der an der
Stadt Itil vorbeifliesst. In ihn mündet der Burtäsfluss; die Burtäs sind
eine mächtige Nation von Türken zwischen dem Lande Chwärizm und
dem Königreich der Chazaren, jedoch mit den Chazaren verbunden".
Dagegen setzt Istachri CCv, 4 voraus, dass die Burtäs (hauptsächlich)
westlich von der Wolga sassen : , Von Itil bis zum Anfang des Gebietes
von Burtäs 20 Tagereisen; vom Beginn von Burtäs zu seinem Ende
gegen 15 Tage; von Burtäs zu den Pecenegen gegen 10 Tagereisen;
von Itil zu den Pecenegen eine Reise von einem Monat". Konstantin
Porphyrogennetos und die russische Chronik kennen nur die westliche
Abteilung. Diese Abweichungen erklären sich durch den verschiedenen
Standpunkt der Berichterstatter.
XXXIV Vorwort.
Slawen lag eine Stadt, deren Name verdorben überliefert und
wahrscheinlich .,i>.xil; Zänbat = Sa^ßaxäg d. i. Kyjew zu lesen
ist. Diese Stadt hatte damals jedenfalls viel unter den Einfällen
der Magyaren zu leiden. Der Verfasser kennt keine Sondernamen
slawischer Stämme, sondern spricht nur von Slawen schlechthin.
Sie stehen unter einem Fürsten Swet malik (Swetoplxk), der den
Titel „Fürst der Fürsten" führt und in der Stadt Chorwät d. h,
in Krakau, der Hauptstadt des Chorwatenlandes i'esidiert. Die
Eos bilden einen Kriegerstaat auf einer Insel in einem See, d. h.
wahrscheinlich in Alt-Ladoga oder Nowgorod.
Ihn Eusta verdanken wir auch die Kunde von dem Eeise-
bericht des Hämn b. Jalijä, der hier zum ersten mal den Nicht-
arabisten zugänglich gemacht wird.
Äusserst schmerzlich ist der Verlust des den Norden behan-
delnden Abschnittes des „Buches der Länder" von Ahmad b. Abu
Ja'qüb b. Ga'far b. Wahb b. Wädih al Kätib al 'AbbäsT genannt
al Ja'qübl (geschrieben 278 H. = 891/92). Der Verfasser,
ein Schi'it, hatte lange Zeit in Armenien gelebt, wo er bei ver-
schiedenen Fürsten und Statthaltern Sekretär war, und zeigt sich
in seinem Greschichtswerke über die Geschichte dieses Landes
ausgezeichnet unterrichtet. Wenn irgend einer war er in der
Lage , über die Völker des Kaukasus und der nordkaukasischen
Länder zuverlässige Nachrichten einzuziehen. Man darf vermuten,
dass manches davon von Mas'üdi entlehnt worden ist.
Eine einzigai-tige Stellung in der arabischen, historischen
Litteratur nimmt Mas'üdi ein. Eine eingehende Schilderung seiner
Vorzüge und Fehler liegt natürlich ausserhalb des Eahmens dieses
Vorworts, und wir müssen uns daher auf einige Bemei'kungen be-
schränken. Zunächst ist man überrascht über die Allgemeinheit
seiner wissenschaftlichen Interessen und seine Unbefangenheit in
nationalen und religiösen Fragen , die ihn über den Durchschnitt
der arabischen Chronisten und Geographen weit hinausheben. Einen
Begriff von seiner Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit vermag schon
das Verzeichnis seiner Schriften zu geben. Die Bekehrungs-
geschichte der Chazaren oder die Streitfrage über den Zusammen-
hang des Kaspischen und Schwarzen Meeres interessiert ihn nicht
minder als die iranische Heldensage oder die Falknerei, und es ist
erstaunlich, was Mas'üdi alles zusammengelesen und erkundet hat.
Leider lässt aber die Verarbeitung dieses reichen Materials
Vorwort. XXXV
sehr viel zu wünschen übrig. Mas'üdi kann sich nicht dazu
zwingen, scharf und streng logisch zu denken und sich auszudrücken,
dafür schreibt er viel zu hastig. Man darf daher seine Worte
nicht auf die Goldwage legen. Er kommt vom Hundertsten ins
Tausendste, und wie sein Stil mit seiner Unbestimmtheit eine-
schlagende Verwandtschaft mit dem heutigen Zeitungsjargon zeigt,
so kann Mas'üdi selbst seinem ganzen Wesen nach als Vorläufer
des modernen Reporter- und Weltbummlertums gelten. An strengem
wissenschaftlichem Ernste kann er sich daher mit dem grossen
BerünT, diesem Leuchtturm arabisch-iranischer Wissenschaft, oder
auch nur mit seinem Vorgänger Ja'qübl nicht entfernt messen.
Seine geographischen Vorstellungen sind nichts weniger als klar,
und so kann es nicht wunder nehmen, dass er bei der grossen Hast,
mit der er arbeitet, nicht immer im Stande war, verschiedene Nach-
richten über unbekannte Völker richtig auseinanderzuhalten und
zu kombinieren. Dies ist für uns um so empfindlicher, als er bei
seinen ethnologischen Nachrichten in der Regel seine Quellen nicht
nennt. Dabei ist er noch der in arabischer Schrift besonders ge-
fährlichen Versuchung verfallen, gleichgeschriebene Namen ohne
weiteres auch sachlich gleichzusetzen, und hat es so z. B. fertig
gebracht, die Wolga-Bulgaren mit den Magyaren zu identifizieren
und Streifzüge bis nach Spanien ausführen zu lassen, ja, man kann
geradezu beobachten, wie Gelesenes und Gehörtes aus verschie-
denen Zeiten sich in seinem Kopfe zu einer förmlichen Legenden-
bildung verdichtete, wie wir dies bei der Analyse des Berichtes
über die Eroberung von Walandar gezeigt haben. Dazu kommt
noch, dass seine beiden uns allein erhaltenen Werke, die „Gold-
wäschereien und Edelsteinminen " (geschrieben 943) und das „Buch
der Erinnerung und Revision" (geschrieben 955), selbst wieder
nur Zusammenfassungen früherer ausführlicherer Werke sind und
daher oft bei den für uns interessantesten Dingen einfach auf
jene verweisen. Auf der anderen Seite muss betont werden, dass
Mas'üdi an den Fortschritten der Länder- und Völkerkunde seiner
Zeit den lebhaftesten Anteil nimmt und stets bemüht ist, die
neuesten Nachrichten über entfernte Barbarenländer aufzutreiben.
Sehr vieles würden wir ohne ihn überhaupt nicht wissen.
Mehr als drei Bände der Pariser Ausgabe der Goldwäschereien
sind der Urgeschichte, der Länder- und Völkerkunde gewidmet, es
leuchtet aber von selbst ein, dass dieser Schatz erst dann wirklich
c*
XXXVI Vorwort.
crehoben werden kann, wenn der Text auf ebenso sicherer hand-
schriftlicher Grundlage hergestellt ist, wie das Kitäb attanbih durch
de Goeje's musterhafte Ausgabe. Eine Übersetzung hätte überdies
soweit möglich die verschiedenen Quellen auszuscheiden und das
Verständnis des Textes zu fördern. Dass die Pariser Ausgabe
diesen Forderungen weder im Text noch in der Übersetzung genügt,
wird niemand bestreiten; haben ja doch die Herausgeber nicht
einmal den Namen ihrer eigenen Hauptstadt erkannt und daraus
Baiern gemacht. Es war daher meine Absicht, die Notwendigkeit
einer neuen Ausgabe der Goldwäschereien darzuthun, und als Vor-
arbeit für eine solche möchten diese Studien betrachtet sein.
Der Abschnitt über die Slawen hat mich bis nach Deutsch-
land geführt und mich veranlasst, die Geschichte und Genealogie der
Abodritenfttrsten im 10. und 11. Jahrhundert festzustellen. Der-
selbe regt aber auch sonst zu verschiedenen Fragen an, die bisher
ungelöst sind. Mas'üdi behauptet, die Walinjänä , einer der
edelsten Slawenstämme, hätten vormals unter ihrem König Mägak
eine Vorherrschaft über die anderen Slawenstämme ausgeübt.
Ich habe unten gezeigt, dass Walinjänä d. i. Wolynjane die jüngere
Bezeichnung der Dudleby war, die nach ihren Wohnsitzen am
wolhynischen Bug auch Buzane hiessen ^). Wahrscheinlich hatten
aber die Dudleby in älterer Zeit weiter südöstlich am podolischen
Buc^ cresessen. Nur unter dieser Voraussetzung werden Mas'üdi's
und Nestors Angaben völlig verständlich. Der König Mägak ist
dann kein anderer als Mt^d^yiQog, welcher zur Zeit des Einbruchs
der Awaren (zwischen 558 und 562) den meisten Eintiuss unter
den Anten besass und sich dem Häuptling der bulgarischen
Kuturwuren gefürchtet gemacht hatte, auf deren Betreiben aber
von den Awaren völkerrechtswidrig ermordet wurde. Es ist ge-
wiss kein zufälliges Zusammentreffen, dass dieser Slawenfürst und
sein Bruder Ktlayci6XY]g als Gostun und Bezmer auch in die bul-
aarische Fürstenliste Aufnahme gefunden haben. Wir müssen uns das
Machtgebiet dieser Anten zwischen Dnjestr und Dnjepr nördlich
von den Kuturguren, mit dem Mittelpunkt am (podolischen) Bug
denken. Wie furchtbar die Awaren unter den ihres Führers be-
raubten Anten gehaust haben mögen, lässt sich nach dem Verluste
der ausführlichen Berichte des Menandros nur ahnen, so viel ist
J) Vgl. Nestor c. 7—9.
Vorwort. XXXVII
aber klar, dass die Dudleby damals als der Hauptstamm der Anten
galten und daher den Verheerungen und Gewalttätigkeiten der
uigurischen Unholde in erster Linie ausgesetzt waren, wovon ja
auch die russische Chronik noch eine Erinnerung bewahrt hat.
Die Erzählung der letzteren von der Vergewaltigung der Dudleby
durch die Awaren ist am wahrscheinlichsten auf die Zeit der von
Menander Protektor angedeuteten Raubzüge gegen die Anten vor
ihrer Niederlassung in Ungarn zu beziehen, woi-aus sich gleichfalls
ergibt, dass sie Dudleby damals noch am podolischen Bug gewohnt
haben müssen. Aber freilich wird damals ihre Auswanderung be-
gonnen haben, wennschon wir nicht wissen, wann und unter welchen
Umständen die später in Böhmen und in Unter-Pannonien bezeugten
oder vorausgesetzten Bruchteile dieses Volkes in diese Länder ein-
gewandert sind. Wenn der Chagan im J. 591 sogar die Häuptlinge
der am Ende des westlichen Ozeans wohnenden Slawen d. h. wahr-
scheinlich der Abodriten auffordern lässt, ihm eine Streitmacht zu
senden ^) so ist es selbstverständlich, dass er die in seinem näheren
Machtbereich siedelnden Slawen in grösstem Umfange aufbot und
ihrem Zuge nach dem Süden Vorschub leistete, wie dies ja
auch die Ansiedelung der jQoyovßixai, ZayovMxai, B£X£yet,^xcii,
Baiovvfixai und Beq^rixai in Makedonien , Epeiros und Thessalien
deutlich zeigt (S. 243 f.). Man sieht, für das Verständnis der
ältesten slawischen Kolonisation ist eine sorgfältige Sammlung
aller die Geschichte der Awai'en betreffenden Thatsachen un-
erlässliche Vorbedingung. Auf keinen Fall darf aber aus der Über-
einstimmung böhmischer Ortsnamen mit polnischen gefolgert
werden, die Dudleby hätten dem lechischen Zweige der Slawen
angehört -).
Jordanes bezeugt, dass vor der Wanderung der Awaren von
den beiden Zweigen des Wendenvolkes, welche er nach griechischem
Vorgang unterscheidet, die Sklawenen vom lacus Mursianus bei
Cibalae unterhalb Mursa (Esseg) ostwärts bis zum Dnjestr und nord-
wärts bis zur Weichsel reichten (Get. 5 § 35). Von diesen Sklawenen
^) Theophyl. Simok. 6, 2, 10—16. Bei dem Ausdruck itnbg rw
TEQiLUTL rov SwiKov 'SIk8(xvov denkt man freilich zunächst an unsere
Nordsee , allein an dieser haben niemals Slawen gesessen. Es kann
daher nur die Ostsee gemeint sein, die im Gegensatz zum Pontos und
dem Archipel allerdings als westlicher Ozean aufgefasst werden konnte.
2) Darnach S. 127 A. 3 und 129 Z. 3—4 zu ändern.
XXXVIII Vorwort.
sind nicht bloss die bulgarischen Slowenen, die von Dakien aus
Moesien besetzten, sondern ebenso gTit die oben genannten Stämme,
die von Pannonien her in Makedonien, Epeiros and Hellas ein-
drano-en und in diesen Landschaften sitzen blieben, sowie die
Karantanen ausgegangen. Als letzte Ansiedler kamen die Serben
und Chrowaten auf die Balkanhalbinsel. Bei diesen weist schon
ihr Name , der nichts als die regelrechte slawische Umformung
des germanischen Namens des Karpatengebirges {Hardapa nach
Th. Braun) ist, auf Herkunft aus den Karpatenländern, wozu die
Tradition bei Konstantin Porphyrogennetos im allgemeinen stimmt.
Dagegen hat dieser über die ursprüngliche Heimat der Serben
sehr unklare Vorstellungen; jedenfalls sind für die nähere Be-
stimmung derselben seine Angaben über das Land Weissserbien
unbrauchbar, höchstens könnte man einen Anhalt dafür in der
Nachricht über die Herkunft des Fürstengeschlechtes der Zachlumer
finden: ort 7; yBVBci xov av^vndxov xat narQinlov MixariX tov
vtov rov Bovosßovr^r] toi) ciQXOvrog räv ZayXov^av riXd'tv aitb
T(üv y.iaoiKOVvxfOV aßaTiZLazav elg xov noxa^bv BiaXag, xov btcovo-
fia^Ofievov Jn^iKrj, '/.al aarioev elg xov noxa^ibv xbv inovofia^öfievov
Zaxlov^ui^), falls unter den aßccTCxiöxot , wie der Zusammenhang
nahe legt, die c/ßanxißxoi Ss^ßloi ot kol uGTtqoi STtovoj^a^ofAevoi. ge-
meint sind. Dann fällt aber das Ursprungsland der Serben inner-
halb des nachmaligen Gebietes der Weisschrowaten , und es ist
um so aussichtsloser, hier noch Spuren des Serbennamens zu
finden, als derselbe ja nach dem Zeugnis des Prokopios ehemals
die gemeinsame Bezeichnung der Slawen (wenigstens der Ost-
und Südslawen) gewesen war und daher in den meisten Gegenden
frühzeitig speziellen Staramnamen hatte weichen müssen ''). In
1) De administr. imp. c. 33 p. 160, 18—22.
*) Schafarik, Slawische Altertümer II 102 f. glaubt, dass noch
im zehnten Jahrhundert ein Stamm den Namen Serben geführt habe,
der nach ihm am (wolhynischen) Bug sass, wo die russische Chronik
die Buzane kennt, und noch Krek, Einleitung in die slawische Literatur-
geschichte ^ (1887) S. 330 spricht einfach von den „Buzanen am Bug,
vordem Serben geheissen". • Diese Ansicht stützt sich lediglich auf eine
Stelle des Konstantinos Porphyrogennetos, der von den Kos sagt : rjviyicc
6 NofnpQios \ii]v tlail%'ri, ev&tcog oi uvxiav aQ%ovx£g i^iQXOVtai ftsro:
ndvTcov Twv 'P&g anb xbv Klccßov , xal ciTtfQ^ovrai tlg tu TCoXvSta a
Xiytxai Tvqa, ijyovv fi's xug ÜHXaßiviag x&v rt BnQßiävcov xai tmv
jQOvyovßiTäv xal Kgtßit^üiv xai xüv I^sgßiav ^cd Xontäv I^xXaßwv,
Vorwort. XXXIX
Übereinstimmung mit Jordanes zwingt uns also die Richtung der
Wanderung der Chrowaten und Serben zu der Annahme, dass das
Land an der oberen Weichsel im 6. Jahrhundert von Sklawenen
d. h. von Südslawen besetzt war. Wenn sich dann später der Name
Chrowaten wieder in derselben Gegend findet, so folgt daraus
keineswegs, dass die damalige Bevölkerung mit der nach Süden
abgezogenen desselben Stammes war, da jene Bezeichnung, weil
topischen Ursprungs , an der Gegend haftete und daher ganz von
onivtg BiGi Ttuv.Tiibrui xwv Pwg. 6i ölov dk tov '/^ti^wvog ixtlas ölcc-
ZQS(p6^svoi, TiäXtv ccTtb iirivbg 'ÄTtgilXlov öialvo^svov tov Ttccyovg tov
Juvänqsag Ttoraaov KatSQ^ortui TtQog tov Kiußov (de administr.
imp. c. 79, 13—20). Schafarik a. a. 0. II 133 wollte täv TsßsQjSiä-
vav für täv tu BiQßiävcov lesen und unter diesem Volke die Tiiccrci
am Dnjestr verstehen, diese Auffassung wird indessen durch den Sinn
der ganzen Stelle entschieden widerlegt; denn wenn die Rös im April
beim Schmelzen des Eises wieder nach Kyjew hinabfuhren, so folgt
von selbst, dass die Landschaften, nach welchen sie sich beim Beginne
des Winters zu begeben pflegten, oberhalb von Kyjew lagen. Damit
fallen die Tiwerci und die vermeintlichen Serben am Bug von selbst
fort. Dagegen stimmt alles aufs beste, wenn man jene Namen auf die
Drewljane (BtQßiccvoi für JsQßiävoi, c. 87 p. 166, 11 Jsqßlsvivoi),
Drogowici (zwischen Pripet und Dwina) , Kriivici (mit der Hauptstadt
Smolensk) und Sewer {^'2!eßiQ0i., südlich von den Kriwicen zwischen
Desna und Sem mit den Städten Ljubec und Cernigow) bezieht: all
diese Stämme waren von Kyjew aus auf dem Wasserweg des Dnjeprs
und seiner Nebenflüsse zu erreichen. Die Verderbnis von ^XißiQoi in
üfgßioL ist nicht auffällig; wir treff"en einen ganz analogen Schreib-
fehler bei Konstantin im Namen I^SQßötioi für ZsßÖQtioi (unten S. 39).
Wenn Mas'üdi von den Serben sagt: „Dieser Stamm der Slawen und
andere erstrecken sich nach Osten und sind fern von Westen" (S. 102)
wobei er an die im Chazarenreiche wohnenden Slawen zu denken
scheint , so ist dieser Ausdruck viel zu allgemein , als dass sich daraus
etwas Greifbares entnehmen Hesse. Die Brauchbarkeit seiner Angabe
wird dadurch nicht erhöht, dass er an einer früheren Stelle (II 9), auf
welche er hier verweist, Verschiedenes durcheinander gemengt hat
(S. 502). Auf die Descriptio civitatum et regionum ad sepentrionalem
plagam Danubii (sog. baierischer Geograph) darf man sich aber über-
haupt nicht berufen, so lange das Mittelstück (von Phesnuzi bis Zeri-
vani bezw. Lucolane) jeder systematischen Erklärung spottet und noch
nicht einmal sicher ist, in welcher Richtung man zu suchen hat. Vgl.
einerseits Zeuss, Die Deutscheu S. 601. 615 f. und weiter ausgeführt
Lelewel, La geographie du Moyen-Age III 82 — 34. 42 — 45, andrer-
seits Schafarik a. a. 0. II 54. 136—145.
XL Vorwort.
selbst wieder auf neue Ansiedler übertragen wurde. So erklärt
sich ungezwungen , dass die späteren Weiss-Chrowaten lechischen
Stammes waren , ohne dass man eine spätere Polonisieining der-
selben anzunehmen brauchte, eine Hypothese die, so\iel ich sehe,
in den bekannten Thatsachen keinerlei Stütze findet. Die Chro waten
in Böhmen werden von Haus aus lechische Geschlechter gewesen
sein , die im Laufe der Zeit ßechisiert worden sind. Nach dem
Abzug der Sklawenen (Serben und Chrowaten) waren also von
Norden lechische Geschlechter in deren verlassene Sitze eingerückt.
Daraus ergibt sich, dass die südliche Ausbreitung der Lechen erst
verhältnismässig spät begonnen hat, und ähnliches gilt wohl auch
von den Cechen; Mähren und die Slowakei scheinen aber nicht
von Norden, sondern erst von Nordwesten (Böhmen) her besiedelt
worden zu sein, und zwar ist es wahrscheinlich, dass die Slowaken
erst nachdem Serben und Chrowaten das Weichselland geräumt
hatten, an der Wag und am Bodrog erschienen sind^).
So entsprechen also die Sklawenen genau den späteren Süd-
slawen , wie die Anten reinlich in den Ostslawen (Russen) auf-
gehen, wogegen die grosse Gruppe der Westslawen dem Gesichts-
kreise der Griechen entrückt war und daher von ihnen nicht be-
sonders berücksichtigt wurde, Nur Jordanes scheint eine Kunde
von derselben zu verraten , wenn er von den Venethi schreibt
(Get. 23 § 119): nam hi ... ab una stirpe exorti, ti-ia nunc
nomina edidei-unt , id est Venethi , Antes , Sclaveni : qui quam vis
nunc , ita facientibus peccatis nostris , ubique deseviunt , tarnen
tunc omnes Hermanarici imperiis servierunt. Allein Venethi ist
*) Anders E. Du mm 1er, Geschichte de.s Ostfränkischen Reiches
II ■^ 184 f., der sich zu der Annahme gezwungen sieht, dass die slawische
Kirchensprache (das Altslowenische) nicht etwa von den griechischen
Glaubensboten aus ihrer makedonischen Heimat mitgebracht , sondern
erst unter den an Deutschland angrenzenden Slawen und zwar unter
den Mährern ausgebildet worden sei, wo die beiden Brüder Konstantin
und Methodios zuerst ihre Thätigkeit entfalteten. Er glaubt daher
schliessen zu müssen, die Mährer hätten damals noch Altslowenisch ge-
s'prochen und seien erst seit der Besetzung Mährens durch die Böhmen
(etwa 915) allmählich cechisiert worden. Diese Ansicht scheitert jedoch,
vom historischen Standpunkte aus betrachtet, daran, dass die ebenfalls
zum cechischen Zweige gehörigen Slowaken schon seit dem Jahre
099; 1000 politisch von den Öechen getrennt sind und seit 1025 unter
dem Joche der Magj^aren schmachten.
Vorwort. XLI
nur der germanische Name für SyXavrivoi = Slowene, und die
Westslawen, welche damals geräuschlos die weiten Ödlande Ger-
manlens zwischen Weichsel, Oder und Elbe besetzten, machten
sich um jene Zeit weder dem Römerreiche noch, soviel wir sehen
können, den in Deutschland verbliebenen Germanenstämmen be-
merkbar. Sie sind ohne Zweifel gemeint mit den ÜKlaßrivöv
k'^vi], welche die Heruler auf ihrer Wanderung von der Donau
zu den Warnen an der Ostsee im Jahre 512 zu passieren hatten
(Prokop. de hello Goth. II 15 p. 205, 11—12).
Mas'üdr ist von Späteren sehr viel ausgeschrieben worden,
häufig ohne ihn zu nennen.
Das grosse Interesse, welches die islamische Welt im 10. Jahr-
hundert der beschreibenden Länder- und Völkerkunde entgegen-
brachte, gab jedoch auch Veranlassung zu schwindelhaften Erzeug-
nissen. Schon der Bei'icht des Dolmetschers Salläm über seine
Reise zur Mauer von Gog und Magog, der gleichzeitig ist mit
dem oben charakterisierten Bei'icht über die Nordländer, erschien
den Späteren in sehr zweifelhaftem Lichte, und das letzte Wort
ist über denselben immer noch nicht gesprochen. Später rief der
Beifall, welchen die Werke Mas'üdl's und der Reisebericht des
Ihn Fadlän fanden, den erdichteten Reisebericht des Abu Dulaf
Mis'ar b. al Muhalhil und das „Buch der Wunder" hervor, von
denen jedoch letzteres hauptsächlich für die Ki-itik Idlsl's in Be-
tracht kommt, während ersterer sich auf Mittel- und Ostasien be-
zieht und deshalb besser bei anderer Gelegenheit zur Sprache
kommen soll. Selbstverständlich blieben auch die Juden, die Ur-
heber der Apokryphen und Pseudepigraphen, hierin nicht zurück
und zumal die brennende Frage nach dem Verbleib der zehn
Stämme gab Anlass zu mancherlei Machwerken, wie dem Roman
des Eldad had-Dänl, die jedoch, wie alle Apokryphen, an topo-
graphischen Einzelheiten äusserst dürftig sind. Dahin gehört auch
der angebliche Brief des Chazarenkönigs Joseph an Rabbi Chisdai.
Derselbe bedarf freilich ebenso wie der Brief des letztern noch
einer sorgfältigen Einzeluntersuchung, um jedoch über seinen Cha-
rakter ins Reine zu kommen , genügt es , sich die Beschreibung
der drei Hauptstädte der Chazaren vor Augen zu führen:
„Ferner thue ich dir kund, dass ich an diesem Strome wohne
durch die Hilfe des Allmächtigen, und in der Mitte meines Reiches
XLII Vorwort.
drei Hauptstädte (nil-^nW) besitze i). In der ersten wohnt die
Königin mit ihren Mädchen und Eunuchen -) , ihre Länge und
Breite (ist) 50 X 50 Farsah mit ihren Weideplätzen und zu ihr ge-
hörigen Dörfern^), und ihre Einwohner sind Israeliten, Ismaeliten
1) Der alte Bericht bei Ibn Rusta IH, 14 sagt: ^Ihre Hauptstadt
ist Säriysar, und dabei ist eine andere Stadt namens Habu balyy oder
Chabu balyy." Ebenso kennen Ibn Fadlän bei Jäq. II fn — fi^v und
Istachrl f \*. , 2 — S nur zwei Teile der Stadt Itil : „Itil besteht aus zwei
Teilen : ein Teil liegt auf der Westseite dieses Stromes, der Itil heisst,
und dies ist der grössere, der andere Teil auf der Ostseite des-
selben; der König wohnt in der westlichen." Mas'üdl II 7 — 8 sagt:
„Itil, das der König der Chazaren gegenwärtig bewohnt, besteht aus
drei Teilen, die ein grosser Strom teilt . . . Diese Stadt besteht aus
zwei Seiten, indem sich in der Mitte dieses Stromes eine Insel befindet,
auf welcher der Regierungssitz ist. Das Schloss des Königs ist am
Ende dieser Insel, und sie besitzt eine Schiffbrücke nach einer der
beiden Seiten."
^) Vgl. dagegen über das Haremsleben des Chagans Ibn Fadlän
bei Jäq. II f t^l ; „Das Herkommen des Königs der Chazaren ist, dass
er 25 Frauen hat, wovon jede die Tochter eines der Könige ist, die
ihm gegenüber sind, indem er sie mit oder gegen ihren Willen nimmt.
Und Beischläferinnen besitzt er für sein Lager 60, lauter ausgezeichnete
Schönheiten, und jede einzelne von den Prinzessinnen und Beischläferinnen
ist in einem ihr gehörigen besonderen Palast, einer mit Teakholz be-
deckten Qubba, und rings um jede Qubba ist ein grosses Zelt. Jede
einzelne von ihnen hat einen Eunuchen, der sie den Blicken entzieht.
Wünscht (der König) nun eine von ihnen zu beschlafen, so schickt er
zu dem Eunuchen, der sie bewacht, und er bringt sie schneller als in
einem Augenblick, um sie auf sein Lager zu legen, und es wartet der
Eunuche an der Thüre der Qubba des Königs. Wenn dieser sie nun
beschlafen hat, fasst er sie bei der Hand und entfernt sich und verlässt
sie hernach keinen einzigen Augenblick."
3) Vgl. Ibn Fadlän 1. 1. II f t*'v/f I^a = Ist. m , 10—12 (Ibn Hauq.
PaI, 1 — 4): „Diese Stadt hat keine Dörfer, jedoch sind ihre Saat-
felder ausgebreitet, indem sie im Sommer gegen 20 Fars. (weit) auf
die Saatfelder ausziehen und säen und es zusammenbringen, wenn es
reif geworden ist, teils zum Strome, teils in die Ebene, und es auf Wagen
und auf dem Strome transportieren." GurdezT (bei Barthold a. a. 0.
S. 96, 16 — 17) sagt zwar auch am Ende des Berichtes über die Chazaren:
„Im Gebiete der Chazaren gibt es viele Felder und Gärten , und der
Wohlstand ward reichlich; es gibt viel Honig und man bringt schönes
Wachs von da" (vgl. S. XLIV A. 2). Dieser Satz findet sich indessen
weder bei Ibn Rusta noch bei Bekrl und ist wohl zu den dieser Be-
arbeitung eigenen Interpolationen zu rechnen. Ibn Rusta bemerkt in
Vorwort. XLIII
und Christen , und andere Nationen aus anderen Zungen wohnen
darin 1). Was die zweite Hauptstadt anlangt, so ist mit ihren
Weideplätzen ihre Länge und Breite 8X8 Fars.-), und die dritte
Hauptstadt bewohne ich mit meinen Fürsten und meinen Knechten
und all meinen Dienern, die mir nahe sind-^); sie ist klein —
ihre Länge und Breite 3X3 Fars. — und zwischen den Mauern
zieht dahin und läuft der Strom. Wir aber wohnen in der Haupt-
stadt den ganzen Winter; im Monat Nisan aber ziehen wir aus
in die Landschaft*) und gehen ein jeder auf sein Feld und zu
seinem Garten und zu seiner Arbeit ^). Ferner besitzt jede Familie
ÜbereiustimmuHg mit GurdezI: „Die Bevölkerung hält sich im Winter
in diesen beiden Städten auf, sobald aber der Frühling kommt, ziehen
sie aus in die Ebene und bleiben fortwährend darin bis zum Heran-
nahen des Winters." Aus diesen Worten lässt sich nicht entnehmen,
ob die Chazaren damals noch Viehzüchter oder bereits Ackerbauer waren.
1) Vgl. Ibn Fadlän 1. 1. 11 ft^A = Ist. m, 16 — m , 1: Jn der
östlichen Hälfte der Hauptstadt der Chazaren ist die Masse der Kauf-
leute und der Muslime und der Waren." Ist. ft., 12 — 13: „Die Chazaren
bestehen aus Muslimen , Christen und Juden , und es gibt unter ihnen
auch Götzendiener; die wenigst zahlreiche Partei sind die Juden, und
die zahlreichsten von ihnen sind die Muslime und Christen, jedoch der
König und seine Vertrauten sind Juden."
-) Vgl. dagegen Ist. i'r., 4 = Ibn Fadlän 1. 1. fi^v: „Die Aus-
dehnung dieses Teiles (des westlichen, s. S. XLII A. 1) beträgt in der
Länge gegen 1 Fars., und es umringt ihn eine Mauer; jedoch ist es
zerstreut gebaut, und ihre Gebäude sind mit Filz gedeckte Holzzelte
mit Ausnahme von wenigen, die aus Lehm gebaut sind."
^) Der einzige, der berichtet, dass das Schloss des Königs auf
einer Insel im Strome lag, ist Mas'üdl (s. S. XLII A. 1). Dagegen
sagen Ibn Fadlän und Istachrl TC , 8 — 9 = Ibn Hauq. Tva, 13—14
nur: „Das Schloss des Königs ist fern vom Ufer des Stromes, und sein
Schloss besteht aus Backstein ; niemand ausser ihm besitzt ein Back-
steingebäude, und der König erlaubt niemanden, mit Backstein zu
bauen"; und S. m, 1—2 (= Ibn Hauqal ^aI, 15—16, fehlt bei Jäqüt)
bemerkt Istachrl: „Die Westhälfte (der Chazarenhauptstadt) gehört
ungemischt dem König, seinem stehenden Heere und den reinen Chazaren."
Auch aus Mas'ödl geht übrigens hervor, dass jene Insel zur Weststadt
gerechnet wurde. Über den Hofstaat des Königs vgl. Istachri S'i^, 11 — 12
= Ibn Fadlän 1. 1. f!*'v: „Ihr König ist Jude; es heisst, dass er an
Gesinde gegen 4000 Mann besitzt."
**) n2■'^72n 5N kann hier nur in seiner ursprünglichen Bedeutung
„Landschaft", eigentlich Gerichtsbezirk, genommen werden.
^) Siehe S. XLII A. 3.
XLIV Vorwort.
den Grundbesitz ihrer Väter, weshalb sie aufbrechen und in ihrem
Gebiete lagern mit Freude und Liedern: nicht hört man die Stimme
eines Drängers und nicht ist ein Versucher noch ein schlimmes
Becrearnis. Ich aber und meine Fürsten und Diener brechen auf
und gehen eine Strecke von 20 Fars.^), bis wir zum grossen
Strom gelangen, der Warsän heisst, und von da wenden wir uns,
bis wir zum Ende der Landschaft (n*">1"3r!) kommen. Dies ist
die Ausdehnung unseres Landes und die Stätte unserer Ruhe.
Das Land ist nicht sehr beregnet, aber es gibt darin viele
Ströme mit grossen Fischen in Menge 2), und es gibt darin für
uns viele Quellen, und das Land ist fruchtbar und fett an
Feldern , Weinbergen , Gärten und Baumgärten , alle bewässert
von den Flüssen. Und wir besitzen alle Fruchtbäume in Menge
gar sehr^).
Ferner thue ich kund die Grenze meines Landes: nach der
Seite des Ostens eine Strecke von 20 Fars. bis zum Meere von
Gurgän, und zur Seite des Südens eine Strecke von 30 Fars.,
und nach der Seite des Westens eine Strecke von 40 Fars. — •
ich aber wohne in der Mitte der Insel^), meine Felder, Wein-
berge, Gärten und Baumgärten sind mitten auf der Lisel — und
nach der Seite des Nordens eine Strecke von 30 Fars., Flüsse,
viele Quellen, und mit Hilfe Gottes wohne ich in Sicherheit."
Bei einem Vergleich dieser Darstellung mit den Angaben der
arabischen Geographen kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein,
1) Siehe S. XLII A. 3.
2) Vgl. Ist. rn, 12—14 = Ibn Hauq. CaI, 4—6: Jhre haupt-
sächlichsten Nahrungsmittel sind Reis und Fische; der Honig und das
Wachs dagegen , das von ihnen ausgeführt wird , wird erst zu ihnen
eingeführt aus der Gegend der Rös und Bulyär."
«) Vgl. Ist. l'rr, 12 — rrS*', 2: ,Die Chazaren besitzen eine Stadt
namens Samandar, zwischen Itil und Bäb al Abwäb, die viele Gärten
besitzt; es heisst, dass sie gegen 4000 (Ibn Hauqal 40 000) umfasst bis
zur Grenze von Sarlr. Ihre hauptsächlichsten Früchte sind Trauben.
Es gibt hier eine Menge von Muslimen, die dort Moscheen haben. Ihre
Gebäude bestehen aus Holzstücken, die (mit Rohr) durchflochten sind,
und ihre Dächer sind konvex. Ihr König gehört zu den Juden und ist
ein Verwandter des Königs der Chazaren. Sie sind zwei Fars. von
der Grenze von Sarlr entfernt. Zwischen ihnen und dem Herrn des
Thrones besteht Friede." Vgl. Muqadd. Hi, 12—15.
*) Siehe S. XLII A. 1.
Vorwort. XLV
auf welcher Seite die Ursprünglichkeit und auf welcher die Ab-
hängigkeit liegt. Wer es angesichts der ersteren fertig bringt,
an eine besondere Residenzstadt der Chatun zu glauben und in
obiger Schilderung das echte Werk eines Chagans anzuerkennen,
der mag seines Glaubens leben. Dazu nehme man noch die An-
zahl der dem Chagan tributpflichtigen Völkerschaften, im ganzen
9_(_x+15 + 13-|-y, also über 37. Viel bescheidener ist noch
Eldad had-Däni, welcher nur von 25 den Chazaren tributpflichtigen
Königreichen weiss (unten S. 198), in bemerkenswerter Über-
einstimmung mit Ibn Fadlän (S. XLII A. 2). Li der Deutung der
Einzelheiten des angeblichen Briefes können wir irren, die Grund-
lage seiner Erklärung muss aber die Erkenntnis bilden, dass er
ein apokryphes Schriftstück ist.
Die nachfolgenden Untersuchungen sind zu verschiedenen Zeiten
entstanden und sollten ursprünglich nur ein Parergon sein. Die
siebente Abhandlung (S. 160 fi'.) wurde erst hinzugefügt, als die
vorhergehenden bereits teilweise gedruckt waren. So erklärt sich
auch der für das jetzige Buch eigentlich nicht mehr passende
Titel. Der Hauptteil (bis S. 204) nebst Exkurs II und der
ersten Fassung von Exkurs IV war schon 1899 in die Druckerei
c^ecrancren. Die Bearbeitung des Reiseberichts des Härün b. Jahjä
wurde aber durch die Entwirrung der historischen Topographie
und Ethnologie des Daghestan, die mich vom Januar bis März 1900
in Anspruch nahm, zunächst in den Hintergrund gedrängt und
konnte samt den übrigen Exkursen erst später in Leiden vollendet
werden. Auch sonst hat das Buch unter der Ungunst der Ver-
hältnisse zu leiden gehabt. Manche Quellen und einschlägige
Schriften wurden mir erst später und zum Teil erst während des
Druckes zugänglich, deren Berücksichtigung zu zahlreichen Um-
brechungen und Verzögerungen des Satzes führte, welche den
Druck sehr verteuerten und die Opferwilligkeit des Herrn Ver-
legers auf eine harte Probe stellten. Ein geplanter Exkurs „zur
Kritik der ungarischen Chronik" konnte leider nicht ausgearbeitet
werden, da ich mir hier in Leiden Florianus' kritische Ausgabe
der ungarischen Chroniken (Historiae Hungaricae fontes domestici)
nicht verschaffen konnte, was ich um so mehr bedauere, als mir
dieser Exkurs Gelegenheit gegeben hätte, mich mit Hirth's Hypo-
these über den Stammbaum Attila's bei Johannes von Thuröcz
auseinanderzusetzen. Wäre mir der S. 480 fl\ mitgeteilte Text
XLVI Vorwort.
Michaels des Grossen früher bekannt geworden, so wäre mir viele
Mühe erspart geblieben und die Anordnung des Buches eine ein-
fachere geworden. Schmerzlich habe ich es empfunden, dass mir
Jäqüt häufig nicht zur Verfügung stand. Ich dai-f vielleicht noch
darauf hinweisen, dass der Leser die Lösung mancher in diesem
Buche noch verbliebenen Schwierigkeiten in drei anderen Arbeiten
finden wird, welche Fragen der Ethnologie des Kaukasus, von
Osteuropa und Mittelasien behandeln, falls mir die Verhältnisse
deren Vollendung gestatten.
Zum Schlüsse erübrigt mir noch die angenehme Pflicht, allen
denen zu danken, welche mich bei dieser Arbeit, sei es durch
Übersendung von Separatabdrücken oder durch wissenschaftliche
Mitteilungen unterstützt oder ihre Vollendung ermöglicht haben;
vor allen Herrn Professor Dr. M. J. de Goeje in Leiden, welcher
die Güte hatte fast vom ganzen Buche die Korrekturbogen durch-
zusehen und mir manch wertvolle Bemerkung und Verbesserung
mitteilte, ferner meinem verstorbenen Freunde Dr. Gerlof van
Vloten und Herrn Dr. Paul Brönnle in London; sodann
Herrn Geheimen Eegierungsrat Professor Dr. Eduard Sachau
in Berlin, sowie der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin,
welche auf seine Veranlassung in hochherziger Weise einen Bei-
trag zu den Druckkosten gewährte, und nicht zuletzt dem Ver-
leger, Herrn Verlagsbuchhändler Theodor Weicher in Leipzig.
Leiden, 14. August 1903.
J. Marquart.
INHALT.
1. Belaweza = Itil 1—5. 474-477
2. Die Bekehrung der Chazaren zum Judentum . . 5—27
Mas'üdi und Dimasql 5 f. Der Bericht ßekri's 7 f. Der Brief
des Chazarenfürsten Joseph 8—12. Verhältnis der Erzählung BekrI's
und des Briefes Josephs zum altslawischen Leben des Slawenapostels
Konstantin 13—18. 21—23. Der Brief Josephs und Jehuda Hallewi's
al Chazarl 19—21. Christianus Druthmar 23. Ansiedlung von Cha-
zaren in Samkör durch Boyä 24. Die Religion der Chazaren nach
der Quelle des Ihn Rusta, Bekri und GurdezI (Gaihäni). Alter
dieses Berichts 24 — 27.
8. Die ältesten Berichte über die Magyaren .... 27—60
Muslim b. Abu Muslim al Garml als Urquelle der Berichte des
Ibu Rusta, Bekri und GurdezI 28—80. Die Magyaren und ihre
Nachbarvölker nach GurdezI 28—33. 492—496. Verdrängung der
Magyaren aus Lebedia und Niederlassung in Atelkuzu. Arpadis zum
Fürsten gewählt 33—35. Die Sevordik' in Armenien 36—40. 496 f.
'ÄKocr^iQOt 40—43. XXI— XXIV. ünuguren 43-45. XXIII. XXV—
XXVI. Ursprung der byzantinischen Bezeichnung der Magyaren
als TovQKOi. Die Magyaren keine Türken, sondern Ugrier 46 — 56.
Herodots 'Ivqkki, die Turcae, Tyrcae des Mela und Plinius 55 f.
Die T'urk'k' des Ps. Moses Chorenac'i 57—59. Die Scythia des
Simon de Keza 59—60. 498—499.
4. Der Raubzug der Magyaren gegen Konstantinopel
im Jahre 934 bei Mas'üdl 60—74
Mas'udi's Berichte über den Einfall der vier Walandar-Horden
61 — 64. Datum und Identifikation des Raubzuges gegen Walandar 64.
Die vier Walandar-Horden Magyaren und Pecenegen 65 — 68.
Mas'üdl's -c.-: (II 15 f.) == Magyaren 68. 70. Die verschiedenen
Namen der Magyaren bei Romäern, Armeniern, Arabern und Abend-
ländern 68 f. Die Festung Walandar 69—71. 499 f. Die angebliche
Veranlassung des Einfalls. Analyse der Erzählung Mas'üdl's 71 — 74.
519—529.
XLVIII Inhalt.
5. Das Itinerar des Mis'ar b. al Muhalhil nach der
chinesischen Hauptstadt 74 — 95
Das Itinerar geographisch unmöglich 75—83. Ls^it (^-^?^0 i°
der Nähe von China kombiniert mit Mas'üdT's ^^^^. (Pecenegen) 77 f.
Benutzung schriftlicher Quellen 83 f. Die Lage der chinesischen
Hauptstadt Sandäbil 84—88. Sie entspricht Kancou, der Haupt-
stadt der östlichen üiguren 88—90. Weitere Zeugnisse für die Be-
ziehungen der Toyuzyuz (Uiguren) zu den Manichäern 90—95.
6. Mas'udi's Bericht über die Slawen 95—160
Text und Übersetzung S. 96—103. Erster Abschnitt 103—141.
xß^C> = Dudlebier, M\y^L^\ = Stodorani 103—105. xÜ^e, der
König der {j)::^^^ (Deutschen) 105—106. ij^^y^ = Sorben 106—
108, die weissen Serben des Konstantin Porphyrogennetos 109—111.
Ihre Witwenverbrennung 111—113. qjLa/« = Dalemincier 113—115.
»^5y« = Mähren 115—122. i] ^sydXri Mogaßia nach Konst. Porphyro-
gennetos 119—120. [j^^'^ = Cechen und Dudlebier. Der Ur-
sprung des böhmischen Staates 122—129. ^jJS\^j=> = Chrowaten.
Lage und politische Entwicklung bis zur Unterwerfung durch
Boleslaw I. von Böhmen 129—131. Weiss - Chrowatien das Reich
Boleslaws I. 131—135. Analyse der Stiftungsurkunde des Prager
Bistums 135—139. ^jol..^'ly = Branicewci, ^J^.iLco> = Guduscani
140—141. Zweiter Abschnitt 142—146. ^^ftii = Prag (Böhmen)
142—144. ü5.Äi! = TovQxoL (Magyaren) 144 f. jJtXJ! = Krakau
oder Kyjew 145 f. Die Zeit des Urkönigs Mägak. Walinjänä,
Wolynjane, Buzane, Duleby und Anten. Mägak = MiJafiTjpos =
Bezmer 146 flP. Analyse des Berichts über die Buryar (Murüg II
15—18) 149—160. Vermengung von Wolga -Bulgaren, Magyaren
(und Schwarz -Bulgaren?) 151 ff. vgl. 503. Die Ausdehnung der
magyarischen Raubzüge 156 — 159.
7. Analyse der Berichte des Graihänl über die
Nordländer 160—206
Die Sitze der Magyaren und ihrer Nachbarvölker 160 ff.
(^iJ^ = Äsen (Osseten) 164-172. ol^ya = ji.^^ = Ap'chazen
172—176. 495 f. vgl. 517—519. Staatsrechtliche Stellung und Ver-
hältnis zu den Arabern und Gurz (Georgiern) im 9. und 10. Jahr-
hundert 175—188. Gaihänl's Bericht älter als der Zug des Boyä 188.
Das Land der Slawen und die Grenzstadt ^.^ajU,, u>.aäjU, 188-200.
508 f. Der Don der Slawenfluss, aber kein slawisches Reich am
Don 198 f. Alteste Erwähnung eines Slawenreiches 200, identisch
mit Krakau 510. Die Insel der Rös. Ihr Chäqän. Zusammensetzung
des Berichtes und Alter des Grundstocks 200—204. Die heidnischen
Burgäu (Donau-Bulgaren) 204 — 206.
luhall. XLIX
8. Der Reisebericht des Härün b. Jahjk 206 — 270
Person und Zeit des Verfassers 206 f. Übersetzung und Kom-
mentar 208 — 270. a) Herstellung des Itinerars von 'Asqalän nach
Konstantinopel 208—214. b) Beschreibung von Koustantinopel.
Auszug des Kaisers nach der grossen Kirche, die für das gewöhn-
liche Volk bestimmt ist 215 — 237. c) Herstellung des Itinerars von
Konstantinopel nach Rom 237 — 259. d) Beschreibung Roms 260 — 269.
e) Beschreibung des Weges von Rom nach Britannien 269—270.
Exkurs I. Zur Bekehrungsgeschichte der Chazaren > . 270 — 305
Abhandlung des al GrüuQ über Jesu Sprechen in der Wiege.
Text und Übersetzung 271 — 276. Kommentar. Zeit und Wege der
Verbreitung des Judentums und Christentums zu den Nordvölkern:
Gelän, Armenien, Kaukasien, Krim, Chazaren und Türken 276—305.
Das Judentum in Adiabene 288 — 300.
Exkurs II. Der Stammbaum der Abodritenfürsten im
10. Jahrhundert 305—329
Der Mistiwi des grösseren Söndervissinger Runensteins 305 f.
Hermann Korners Micisla und Gudurynus 306—307. 310. Widukinds
Dänenkönig Chnuba und die beiden Runensteine von Vedelspang
308—310. Korner und Adam von Bremen 310—314. Thietmars
Mistui (Mistuwoi) und Mistizlavus 314—316. Svein Estridssons Liste
der christlichen Slawenkönige 316. 322. Die Legenden im Schol. 30
zu Adam und bei Helmold I 13—16. Der angebliche Obotritenfürst
Billug entspricht dem historischen Boliljut, Pristaw von Branden-
burg 317—322. Gmipa und Sederich (Sigtryggr), Könige der Dänen
von Südjütland und der Abodriten. Die Gründung der Bistümer
Oldenburg in Wagrieu und Schleswig 322—328. Die Fürsten der
Abodriten und Wagrier 326. Die Mark Schleswig 326 f. Die Dynastie
Naccon's skandinavisch? 327. 512. Tafel der Fürsten von Jütland,
der Abodriten und Wagrier 329.
Exkurs III. Mas'üdl's Bericht über die Russen .... 330—353
Übersetzung 330-334. Analyse. Widerlegung des angeblichen
Zusammenhanges des Fontos und der Maiotis mit dem Chazaren-
meer 334 f. Der Verlauf des Russenzuges. Die Wolga - Bulgaren
335 ff. Die Wohnsitze der Fuzen. Vermengung von Tuzen und
Magyaren 337—341. Der russische Stamm xiLcö^JÜ! 342—353.
Anhang: Der Ursprung des Namens Rös . . . 353 — 391
Ruotsi etc., finnische Bezeichnung Schwedens, von den Slawen
als Rusi entlehnt 353. Verhältnis dieser Form zum byzantinischen
'Pmg, arabisch ar Rüs 353 ff. Die Hrös in der Völkertafel des sog.
Zacharias Rhetor ein wirkliches Volk 355—361, wahrscheinlich
Nord -Germanen, vermutlich Heruler 361—365. Die Hrös und die
Rosomoni der gotischen Heldensage, Heruler und Harlungen 365—383.
L Iiilialt.
Analyse der Erzählung des Jordanes vom Untergange des ostgotischen
Reicües 367 — 377 Anm. Heruler und Rös 388 S. Die Hrös nordische
Wikinge (Gauten)? 385 f., vgl. 513. Die Heruler als VorLäufer der
Normannen in Spanien 886 — 889. Zeugnisse für das Auftreten der
Küssen am Pontos in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts 389 — 391.
Exkurs IV. Der Ursprung der iberischen Bagratiden . . 391 — 486
Die Legende von ihrer davidischen Abstammung bei Konstantin
Porphyrogennetos 392. Weitere Ausgestaltung in der georgischen
Chronik 398 ff. Angebliche erstmalige Ankunft und Thronbesteigung
der Bagratiden in Iberien 393 f. Zweite Version über die Ein-
wanderung der Bagratiden 394 — 397. Genealogie der iberischen und
Geschichte der armenischen Bagratiden im ersten Drittel des 9. Jahr-
hunderts nach Wardan (aus Sapuh Bagratuni) 397 — 406. Geschichte
der iberischen Bagratiden bis auf Bugha nach der Chronik, kon-
trolliert durch Ja'qübl 406 — 414. Verhältnis der Genealogien Wardans
und der Chronik. Später Ursprung des davidischen Stammbaumes.
Wahrer Zeitpunkt der Ankunft der Bagratiden in Iberien. Auf-
lösung des georgischen Königreichs. Das Leben des heiligen Abo
414 — 421. Asot Kuropalates 421. Die bagratidischen Kuropalaten
und Ishäq b. Ismä'il 421 — 424. Die iberischen Bagratiden und die
Fürsten von Ap'chazien und Armenien 424—427. Erbfolge und Ver-
wandtschaft der Kuropalaten im 10. Jahrhundert 427 f. Analyse
der Ursprungslegende bei Konstantin Porphyi'ogennetos. Spandiat
428 — 430. Tafel der Fürsten von Iberien vom Anfange des 6. bis zum
Anfang des 9. Jahrhunderts 431—433. Stammtafel der iberischen
Bagratiden bis zum Ende des 10. Jahrhunderts 434—435.
Anhang: Übersicht der Bagratiden bis ins 6. Jahrhundert
436 f. Stammtafel der (armenischen) Bagratiden vom Ende des 6.
bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts 438 f. Anmerkungen dazu 438—
465; vgl. 514.
Exkurs V. GaihänI's Bericht über die Slawen .... 466—473
Analyse 466—470. V-jI^-s^, die Hauptstadt des Grossfürsten
yxLo ^^j^^yM (Swetopl'fck) :^ c^l^.i», die Hauptstadt der Chorwaten
d. i. Krakau 470 ff. Befestigungen , Bewaffnung und Kampfweise
der Slawen 472 f.
Zusätze und Berichtigungen 474—515
Weitere Bemerkungen über Bulgaren und Magyaren . . . 515-530
Register 531—557
I. Belaweza = Itil.
In der WZKM. XII 194 habe ich nachgewiesen, dass der
einheimische türkische Name der Chazarenhauptstadt am Westufer
der Wolga, die bei den späteren arabischen Geographen nach
dem Strome schlechtweg Itil heisst, ^iai^L^ Sar9/y-sär „die gelbe
Stadt" war, was dem tlA^xJ! al Baida „die Weisse" der älteren
arabischen Historiker entspricht ^). Dadurch fällt auch einiges
Licht auf die russisch-chazarische Geschichte. Die russische Chronik
erzählt, wie der junge Swjatoslaw, zum Manne herangewachsen,
gegen die Wjatitschen an der Oka und Wolga zog und sie fragte:
Wem bezahlt ihr Tribut? Sie erwiderten: den Kozaren. Im
Jahre 6473 (965 n. Chr.) zog Swjatoslaw dann gegen die Kozaren.
„Als diese Kozaren dies erfahren hatten, zogen sie gegen ihn mit
ihrem Kagan, welcher ihr Fürst ist, er stiess mit ihnen zusammen
und schlug sie und nahm ihre Stadt Belaweza, und besiegte die
Jasen und Kasogen und kehrte nach Kiew zurück". Im folgenden
Jahre (966) besiegte der Grossfürst die Wjatitschen und legte
ihnen einen Tribut auf. Ins Jahr 967 wird sodann der erste Zug
des Swjatoslaw gegen die Donaubulgaren gesetzt^).
Die Chazarenstadt Belatveza, die in der Chronik nicht weiter
erwähnt wird, pflegt man allgemein mit der durch den Griechen
Petronas unter Kaiser Theophilos erbauten Festung Sarkel am
Don gleichzusetzen, deren Namen Konstantinos Porphyrogennetos
durch aangov boniTiov erklärt-^). Die einzige sachliche Parallele
bilden bis jetzt die Angaben des Ibn Hauqal. Dieser erzählt
S. I^A^', 9 ff . ed. de Goeje: „Die Chazaren besitzen auch eine Stadt
namens Samandar, die zwischen Itil imd Bäb al abwäb (Darband)
liegt. Es gab dort viele Gärten; wie man sagt, umfassten sie
gegen 40 000 Weinstöcke. Ich fragte darüber in Gurgän im
1) Inwieweit saryy in türkischen Dialekten auch geradezu „weiss"
bedeuten kann, werden uns die berufenen Turkologen sagen. Ich habe
hier nachzutragen, dass die richtige Etymologie von ^xi^i^LA« bereits
von H. Vämbery, Der Ursprung der Magyaren Leipzig 1882, S. 84, ge-
— . o ^
geben worden ist. — i^Lüa^Jt KäjuXÜ wird auch bei Bekrl 22, 4 genannt.
2) Chronique dite de Nestor trad. par L. Leger, c. XXXII, p. 6L
=*) Vgl. Fr ahn, Ibn abi Ja'qüb el Nedim S. 21, 26; Dorn,
Caspia 119 und Kunik bei Dorn eb. 302, 304 Anm. 2.
Marquart, Streifzüge. 1
2 J. Marquart,
Jahre 358 einen, der vor kurzem dort gewesen war. Dieser sagte:
Wenn es dort einen Weinstock oder Garten gibt, so ist seine Frucht
ein Almosen für die Armen [d. h. nach de Goeje: es gibt keine
Weinlese , da alle Weinstöcke abgeschnitten sind] , es hätte denn
Gott dort Blätter an einem Stumpf ausschlagen lassen, womit er
sagen wollte, dass all das mit der Stadt untergegangen sei. Diese
besass meistens Trauben und Weinstöcke. Es wohnten dort Muslime
und andere, jene hatten dort Moscheen und die Christen Kirchen
und die Juden Synagogen. Da überfielen die Ros dies alles und
vernichteten alles , was am Strome Itil allen Geschöpfen Gottes
gehörte , den Chazaren , Bulgaren und Burtäs , und bemächtigten
sich desselben. Nun flüchteten sich die Einwohner von Itil nach
der Insel von Bäb al abwäb ') und verschanzten sich dort und
einige von ihnen halten sich auf der Insel tiyäh höh auf und
sind in Furcht".
S. CaI, 11 sagt er noch: „In unserer Zeit ist den Bulgaren,
Burtäs (Mordwinen) und Chazaren nicht einmal ein Rest mehr
übriggeblieben, und zwar weil die Russen über sie alle herfielen
und ihnen all jene Wohnsitze entrissen, die ihnen selbst dann
zufielen. Die welche ihren Händen entrannen, sind zerstreut in
den in ihrem Bereich liegenden Gebieten , weil sie daran hängen,
in der Nachbarschaft ihres Landes zu sein und in der Hoff-
nung, dass jene mit ihnen einen Vertrag schliessen würden und
sie unter ihrer Botmässigkeit zurückkehren könnten". Die Ver-
wüstung von Bulgär erwähnt er auch S. CaI, 12 als im Jahre 858
(24. Novbr. 968—12. Novbr. 969) geschehen.
Man hat nun angenommen, dass beide Berichte sich auf ver-
schiedene Ereignisse beziehen. Allein dabei wäre es doch merk-
würdig, dass die russische Chronik zwar die Einnahme der Festung
Sarkel verzeichnet, dagegen der weit wichtigeren Eroberung der
Hauptstädte Itil mid Samandar mit keinem Worte gedacht hätte.
Dass auch der von Ihn Hauqal berichtete Zug sich ebensoweit süd-
lich erstreckte wie derjenige, welchen die Chronik verzeichnet und
auf welchem auch die Jasen (Alanen oder Osseten) und Kasogen
(arab. ^^^ gr. KctGa^ia in der nordwestlichen Ecke des
Kaukasus) besiegt wurden, zeigt die Einnahme der Stadt Samandar
*) Diese Insel lag nach S. fvv , 8 gegenüber der Kurmünduiig.
Sie war gross und es gab auf ihr Röhrichte, Wälder und Wasser.
Man führte von da Färberkrapp aus, und (!s begaben sich dahin aus
den Distrikten von Bar^a'a Leute die den Krapp suchten, und man
brachte dahin die Pferde aus den Gegenden von Bar<5"a'a und andern
benachbarten Orten und Hess sie frei weiden, damit sie fett wurden.
Welche der zahlreichen Inseln von Baku bis Lenkoran gemeint ist,
weiss ich nicht zu sagen. Die Insel des Sijäh köh ist die Insel Celeken
am Eingang der Bai von Krasnowodsk. Vgl. G. Hoff mann, Auszüge
aus syr. Akten pers. Märtyrer S. 280. Es gab auf ihr gleichfalls Quellen,
Flüsse, Wälder, Röhrichte und wilde Pferde.
Osteuropäisclic und ostasiatische Streifzüge. 3
(jetzt Tarchu). Da aber die Chronik meldet, dass Swjatoslaw zur
Oka und Wolga zog und dort die Wjatici traf, so deckt sich
auch die nördliche Ausdehnung seiner Wikingsfahrt mit derjenigen
des von Ihn Hauqal erwähnten Russenzuges, wenn auch die Ver-
wüstung von Bulgär in der Chronik nicht speziell erwähnt wird.
Es handelt sich also offenbar in beiden Nachrichten um den-
selben Wikingerzug, und die Stadt Belaweza („weisser Turm"
oder „weisses Zelt") ist identisch mit Itil, türkisch Sarygsär
„die weisse (gelbe) Stadt". Das heutige Astrachan hätte also
mindestens denselben Anspruch auf den alten Namen Belaweza,
wie Dorpat auf Jurjew. Selbstverständlich hat man bei der
chronologischen Einreihung dieses Ereignisses von der Angabe des
Zeitgenossen Ibn Hauqal auszugehen. In der russischen Chronik
ist es um einige Jahre zu früh datiert. Die Entstehung dieser
chronologischen Verwirrung ist leicht erklärlich. Der Zug gegen
die Wolgavölker ist vor die beiden Unternehmungen gegen die
Donau - Bulgaren und Byzantiner (August 968 und 969 bis Juni
972) '), gesetzt, und der erste Zug gegen die Bulgaren wird schon
ins Jahr 965 verlegt, wie denn überhaupt die russische Über-
lieferung über diese beiden Feldzüge sehr verworren ist.
MuqaddasT, ein jüngerer Zeitgenosse des Ibn Hauqal (schrieb
375 H. = 985/86) kennt gleichfalls den Fall von Itil.^ Er er-
zählt darüber S. ni , 1: „Ich habe gehört, dass al Ma'mün sie
(die Chazaren) von GurgänTja aus bekriegte und deren'-) König, und
ihn zur Annahme des Islams aufforderte. Dann habe ich gehört,
dass ein Heer von Romäern, welche Rös heissen, sie bekriegte
und ihr Land in Besitz nahm". MuqaddasT scheint von der
Hauptstadt der Chazaren keine rechte Vorstellung gehabt und
nicht gewusst zu haben, dass dieselbe sich zu beiden Seiten des
Stromes Itil ausbreitete und die westliche Hälfte Itil, die östliche
Chazarän genannt wurde. So erscheint bei ihm Ckazar als be-
sondere Stadt, „die an einem anderen Fluss liegt in der Richtung
der weiten Fluren-^) auf einer Seite. Sie ist geräumiger und an-
genehmer zu bewohnen als die vorher erwähnten. Die Einwohner
waren von da nach dem Meeresufer ausgewandert, sind aber
gegenwärtig wieder dahin zurückgekehrt und haben den Islam
angenommen, nachdem sie vorher Juden gewesen waren".
Jener Feldzug des Ma'mün gegen die Chazaren fand ver-
mutlich nach Emins Tode (25. Sept. 813) statt, nach welchem
Ma'mün noch bis 203 H. (818/19 n. Chr.) in Chorasan blieb, oder
noch zu Lebzeiten des Harun ar Rasid, als er schon (seit 183 H.
'■) de Mural t, Essai de Chronographie byzantine I 545, 547 ff. ;
Kedrenos p. 372, 12, 16. 388, 14; Leo V 2, 3 etc.
^) Lies *..gXLa» statt ^wXJU», .
^) ^— jL^Ü , Gesamtbezeichnung für Armenien, Arrän und Ä(iar-
baigän; s. S. Tvt*^ (de Goeje).
1*
4 J. Marquart,
= 799 n. Chr.) nominell die Oberhoheit in Chorasan hatte.
Näheres über die Annahme des Islams durch die Chazaren er-
fahren wir durch Ibn al Ai^'Tr.
Noch im Jahre 310 H. (922 n. Chr.) Hess der Fürst der
Chazaren, wie uns Ibn Fadlän versichert, auf die Kunde, dass die
Muslime die Synagoge in ^jjLxJl .^0 ^) zerstört hätten, den Turm
der Hauptmoschee in Itil zerstören und die Gebetsausrufer töten,
indem er beifügte : Wenn er nicht fürchtete , dass dann keine
Synagoge in den Ländern des Islams unzerstört bleiben würde,
so würde er auch die Moschee niederreissen lassen-).
Wenige Jahre vor der Katastrophe von Itil, im Jahre 354 H.
(965 n. Chr.) war das Land der Chazaren von einem türkischen
Stamme angegriffen worden. Die Chazaren forderten nun die
Chwärizmier zur Hilfe auf, allein diese verweigerten jede Unter-
stützung, wenn die Chazaren nicht den Islam annähmen. Nun
bekehrten sich diese zum Islam mit Ausnahme ihres Fürsten,
worauf die Chwärizmier für sie fochten und die Türken von ihnen
abwehrten. Hierauf nahm auch ihr Fürst (d. i. der Beg) den
Islam an-^). DimasqT, der diese Stelle des Ibn al Ai^'Ir wieder-
gibt, nennt als Datum fälschlich das Jahr 254 H. (867/68 n.Chr.)*),
wodurch es den Historikern bisher unmöglich war, das Ereignis
chronologisch richtig einzureihen und im Zusammenhang mit den
gleichzeitigen geschichtlichen Verhältnissen zu begreifen. Unter
den hier genannten Chwärizmiern (*• Li> J^Pt) haben wir nicht
etwa die Einwohner von Chwärizm zu verstehen, sondern die
grösstenteils aus muhammedanischen Söldnern aus Chwärizm be-
stehende Leibwache des Begs der Chazaren, die 12 000 Mann stark
war und den Namen Äj^-w.'^t al Arslja oder ä.a.«^.^J( al Lärislja
führte. 7000 davon dienten als gepanzerte Bogenschützen zu
Pferde, während andere mit Lanzen bewaffnet und nach allgemein
muslimischer Weise ausgerüstet waren ^). Die Weigerung der
Chwärizmier, gegen die eingebrochenen Türken zu fechten, erklärt
*) Wörtlich: „WohDsitz der Kamille". Welche Stadt unter diesem
poetischen Namen gemeint ist, weiss ich nicht |s. Nachtrag].
-) Ibn Fadlän bei Jäqüt II ff,. Vgl. Fr ahn, Veteres memoriae
Chazarorum ex Ibn-Foszlano, Ibn-Haukale, Schems-ed-dino Damasceno.
M(5m. de l'Acad. de St. Pdtersbourg t. VIII p. 589, 594. — Fr ahn
übersetzt das Wort '».mm.X.S^ hier falsch durch ecclesia (Christiana), wo-
durch die Pointe der Erzählung verloren geht. Der Zusammenhang
wie ein Vergleich mit Ibn Hauqal CaC, 14 zeigt aber, dass unter 'sJ^^j^Xf
hier eine Synagoge zu verstehen ist, im Gegensatz zu Käj^j Kirche.
3) Ibn al Amr ed. Tornberg VIII f\^, 7.
'') DimasqT, Kosmographie trad. par Mehren p. 380. Vgl. Frähn,
Möm. de l'Acad. de St. P(5tersbourg t. VIII, 1822, 597.
5) Ibn Fadlän bei Jäqüt II f^v, 13 ff; Istachrl t^t^!, 1 ff.; Mas'fldT,
Murüg aWahab II 10 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 5
sich, wenn letztere bereits Muslime waren. Denn jene hatten
sich unter anderem das Recht ausbedungen, neutral bleiben zu
dürfen, so oft der Beg der Chazaren gegen Muslime Krieg führe.
In der That gab es unter den den Chazaren im Westen benach-
barten PeSenegen bereits zahlreiche Muslime (s. u.). Dieses Er-
eignis wirft aber ein grelles Schlaglicht auf die innere Schwäche
des Chazarenreiches , dessen kriegerische Kraft längst erloschen
war und das sich nur mehr mit Hilfe fremder, andersgläubiger
Söldnerscharen mühselig gegen die Angriffe der umliegenden
Barbaren zu halten vermochte. Dieser Zustand macht es begreif-
lich, wie das einst so mächtige Reich wenige Jahre nach jener
Begebenheit den nordgermanischen Recken zur leichten Beute
werden konnte.
2. Die Bekehrung der Chazaren zum Judentum.
Das Ende der grossen Raubzüge der Chazaren, durch welche sie
sich so lange Zeit hindurch den Völkern im Süden des Kaukasus,
den Iberern, Armeniern, Persern und später den Arabern furcht-
bar gemacht hatten, fällt beinahe zusammen mit der Annahme
des Judentums durch den Chagan und die politisch massgebende
Klasse der Bevölkerung, die reinen oder eigentlichen Chazaren
((jJl'ü), deren Zahl infolge der fortwährenden Kriegszüge stark
zusammengeschmolzen sein muss. Nach Mas'üdi II 8 fand dieses
bedeutsame Ereignis zur Zeit des Härün ar RasTd (786 — 809)
statt. In dessen Regierungszeit fällt aber auch der letzte grosse
Raubzug der Chazaren in die südkaukasischen Länder. Ein
halbes Jahrhundert hindurch, seit der Vermählung einer chaza-
rischen Prinzessin mit dem arabischen Statthalter von Armenien
Jazid b. Usaid unter al Man^ür (s. u.) hatte thatsächlich Friede
zwischen dem Chagan und dem Chalifenreiche geherrscht. Jetzt
sollte im Jahre 182 H. (798/99) eine Tochter des Chagans der
Chazaren mit dem Barmakiden al Fadl b. Jahjä vermählt werden,
starb aber unterwegs in BarJa'a (Partav) in Albanien. Die Tar-
chane, die sie begleiteten, brachten bei ihrer Rückkehr dem Chagan
den Verdacht bei, dass sie vergiftet worden sei ^). Darauf er-
') Die nämliche Geschichte erzählt der Armenier tevond bei
Brosset, Hist. de la Gdorgie I p. 257/58 Not. von dem Statthalter
JazId. b. Usaid. Die Prinzessin, welche diesem durch ein grosses Ge-
folge von Dienerinnen und Sklavinnen zugeführt worden war, starb
bald darauf, worauf der Chagan, der argwöhnte, dass sie keines natür-
lichen Todes gestorben sei, eine grosse Truppenmacht versammelte und
sie unter dem Tarchan Rai in die Provinzen des JazId einfallen Hess.
Auch Belä^. CL, 3 gibt an, dass jene Prinzessin im Wochenbett ge-
storben sei, nachdem sie dem Jazid einen Knaben geboren hatte. Es
ist deshalb mehr als wahrscheinlich, dass die Motivierung des Zuges
unter Härün ar Rasld jener älteren Geschichte entlehnt ist.
Q J. Marquart,
folgte im Jahre 183 H. (11. Febr. 799 bis 30. Jan. 800) ein
oTosser Einfall der Chazaren durch "das Thor von Darband nach
Armenien, bei welchem sie gegen 100 000 Gefangene weggeschleppt
haben sollen ')■ Nach anderer Version wären sie von einem Sohne
des vom Statthalter Sa'id b. Salm hingerichteten Munaggim as
Sulaml aufgereizt worden. Sie blieben 70 Tage in Armenien und
wurden endlich von dem neuernannten Statthalter Jazid b. Mazjad
im Verein mit Chuzaima b. Chäzim vertrieben-).
Mas'üdl hatte, wie er in der Muriig II 9 bemerkt, die Ge-
schichte der Bekehrung der Chazaren bereits in früheren Werken
ausführlich erzählt. Ausser ihm erwähnt dieselbe auch Dimasqi.
Dieser berichtet von den Chazaren =5): ,Sie bestehen aus zwei
Klassen: aus Kriegern, die Muslime sind und Juden, die Unter-
thanen sind. Früher kannten sie wie die Türken keine Religion,
aber nachdem, wie Ibn al At9-ir von ihnen berichtet, der
Herrscher von Konstantinopel zur Zeit des Härün ar Hasld die
in seinem Reiche wohnenden Juden auswies, begaben sie sich
ins Land der Chazaren und fanden verständige und einfältige
Leute. Denen boten sie ihre Religion an und sie fanden sie
trefflicher als die, welcher sie anhingen, und fügten sich ihr.
Nach einiger Zeit überzog sie ein Heer aus Chorasan mit Krieg
und bemächtigte sich ihres Landes und nahm es in Besitz, und
sie wurden deren Unterthanen^ Ich habe diese Erzählung bei
Ibn al Ai^-Tr vergebens gesucht. Allein bei genauem Zusehen
erkennt man, dass sie nichts anderes ist als eine sehr nachlässige
und durch Missverständnisse entstellte Wiedergabe der Angaben
Mas'üdis II 8 — 9. Dieser sagt nichts davon, dass die Juden zur
Zeit des Härün ar Rasld aus dem Romäerreich ausgewiesen worden
seien, sondern bemerkt, dass beim (jüdischen) Chagan der Chazaren
zahlreiche Juden aus den Hauptstädten der Muslime sowohl wie
aus dem Romäerlande Aufnahme gefunden hätten, weil zu seiner
Zeit der Kaiser Romanos die Juden gewaltsam zur Annahnae des
Christentums zwingen wollte. Das nämliche Missverständnis der
Worte des Mas'üdi findet sich aber auch bei Bekri S. 30, 4 ff.,
der eingestandenermassen den Mas'üdT ausschreibt. Die angebliche
Occupation des Chazarenlandes durch Truppen aus Chorasan er-
innert auch im Wortlaut an die oben mitgeteilte Nachricht des
MuqaddasT über einen Kriegszug des al Ma'mün gegen die Chazaren
und die Eroberung des Landes durch die Russen, und macht ganz
den Eindruck einer Vermischung dieser beiden Ereignisse. Dimasqis
1) Ibn al Gauzi giebt dagegen die Stärke des Chazar enheer es
auf mehr als 100 000 Mann an.
^) Tab. III Ifv, 10; IfA, 3-14.
3) Trad. par Mehren p. 880; vgl. Frähn, Vetercs memoriac
Chasarorum ex Ibn-Foszlaiio, Ibn-Haukale et Schems-ed-dino Damasceno.
Hörn, de l'Acad. de St. Pdtersbourg t. VIII (1822) p. 597 5.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 7
Bericht geht wenigstens materiell auf Mas'ödT zurück, seine un-
mittelbare Quelle ist vorläufig unbekannt.
Auf Mas'üdi geht dagegen vermutlich die Erzählung bei
Bekrl S. 44, 1 ff. zurück, obwohl dieser seine Quelle nicht aus-
drücklich nennt'. Der erste Teil seines Berichtes über die Chazaren
43, 15 — 23 stammt aus Gaihäni-), dazwischen, sowie am Schluss
finden sich einige Sätzchen aus IstachrT (S. 43, 18 — 20 = Ist. t*!*.,
1—3; 43, 21/22 = Ist. rr., 9/10; 43, 22—44, 1 = Ist. Cl^., Uff.;
44, 1 = Ist. t^t^., 8; 44, 13 = Ist. Y\'l', 2; 44, 14 = fri, 6). Daran
schliesst sich die Erzählung der Bekehrung der Chazaren: „(Die
Hauptmasse der Chazaren sind Muslime und Christen, und es gibt
neben ihnen auch Götzendiener, die am wenigsten zahlreiche Partei
unter ihnen bilden aber die Juden 3). Ihr König bekennt sich zum
Judentum, und seine Residenz befindet sich in einem Schloss fern
[oder: in einiger Entfernung] vom Strome.)*) Die Ursache der Be-
kehrung des Königs der Chazaren, der vorher Heide (Feueranbeter)
gewesen war, zum Judentum, war folgende. Er hatte das Christen-
tum angenommen. Da erkannte er die Verderbtheit seines Bekennt-
nisses und begann über das, was ihn daran mit Kummer erfüllte,
mit einem seiner Marzbane zu sprechen. Dieser sagte zu ihm:
0 König, die Besitzer von Offenbarungsschriften bilden drei Ab-
teilungen. Entbiete sie nun und frage sie aus über ihre Sache,
und folge dem von ihnen, der im Besitze der Wahrheit ist. Da
sandte er zu den Christen um einen Bischof. Es befand sich
aber bei ihm ein in der Dialektik gewandter Jude, der disputierte
mit demselben. Er fragte ihn: Was sagst du über Moses, den Sohn
des 'Amram, und die ihm geoffenbarte Thora? Jener erwiderte
ihm: Moses ist ein Prophet und die Thora ist Wahrheit. Da
sagte der Jude zum König: Er hat bereits die Wahrheit meines
Bekenntnisses zugestanden. Frag ihn nun nach dem, woran er
glaubt. Da fragte ihn der König, und er erwiderte: Ich sage,
dass der Messias Jesus der Sohn der Maria ist, er ist das Wort,
und dass er im Namen Gottes die Geheimnisse bekannt gemacht hat.
Da sagte der Jude zum König der Chazaren: Er bekennt eine
Predigt die ich nicht kenne, während er doch zugesteht, was ich
vorbrincre. Der Bischof war aber nicht stark in der Beweis-
^) Dieses vermutet schon Defremery, Journ. as. IV^ Ser. t. XIII
(1849), p. 470 n. 1.
2) Vgl. Ibn Rusta IH, 5— if., 3; GurdezT bei Bart hold, Otictt,
0 noisÄKi BT. CpeaHK)K) Aairo bt. 1892—1897. Memoires de l'Acad. de
St. Petersbourg Vllle Ser. t. I, 4 (1897) S. 95, 18—96, 2.
») So nach der Lesart des IstachrT und Ibn Fadlän bei Jaq. II
frv, 9; vgl. Defremery, Fragments de geographes et historiens
arabes et persans, Journ. as. 1849, 1, 469 n. 3.
*) IstachrT fl'., 8: ,Das Schloss des Königs ist fern vom Ufer des
Stromes\ Nach Mas'ndT befand es sich auf einer Insel des Stromes,
die durch eine Schiffbrücke mit den beiden Ufern verbunden war.
g J. Marquart,
führuiig. Nun entbot er den Muslimen, die zu ihm einen gelehrten,
verständigen Mann sandten, der sich auf die Disputation verstand.
Da dang der Jude gegen ihn einen, der ihn unterwegs vergiftete,
so dass er starb. Der Jude aber wusste den König für seine
Religion zu gewinnen, sodass er das Judentum annahm".
Wie anderwärts so haben meiner Ansicht nach auch in
dem Bericht über die Chazaren Gaihäni und Mas'üdl die Haupt-
quellen des Bekrl gebildet. Ohne weiteres fällt die grosse Ähnlich-
keit der obigen Erzählung mit der Bekehrungsgeschichte der
Chazaren im Briefe des Chazarenfürsten Joseph an den Rabbi
Chisdai auf. Letzterer war Arzt und Minister am Hofe des
Chalifen Abd ar Rahmän an Nä9ir (912 — 961) in Cordova, also
ein Zeitgenosse des Mas'üdl.
Er hatte durch Kaufleute aus Chorasan -jt^DN-in von der
Existenz eines jüdischen Königs im fernen Chazarenreich gehört,
und sandte nun einen Brief an den BeheiTScher desselben, um von
diesem selbst Auskunft über die inneren Verhältnisse seines Reiches
zu erhalten. Dieser Brief gelangte jedoch nicht an seine Adresse ;
erst ein zweites Schreiben, in welchem er die Zustände im Reiche
des "Abd ar Rahmän beschreibt und vom Fürsten der Chazaren Auf-
schluss wünscht über Lage und Umfang seines Reiches, seine Städte,
Heerwesen, Regierung, über die Herkunft der Dynastie u. s. w.,
gelangte in die Hände des Fürsten. Als Antwort auf dieses
Schreiben gibt sich der überlieferte Brief des Fürsten Joseph aus.
Die Erzählung des Briefes weicht hauptsächlich darin von
der des Bekri ab , dass sie auch den iDNpbN (lies ■'itspbN --•=
-Ä>LäiI) der Ismaeliten in der Disputation auftreten lässt. Die
Vergiftungsgeschichte bei Bekri kann in der That eine tendenziöse
Erfindung sein, um den Vertreter des Islams nicht unterliegen
lassen zu müssen bezw. die Erklärung zu umgehen, weshalb der
Chagan nicht dem Islam den Vorzug gab. Doch ist auch eine
andere Erklärung denkbar. Sonst aber ist der Brief an historischen
Andeutungen so farblos und macht so wenig den Eindruck der
Unmittelbarkeit, dass es sehr schwer fällt, in ihm wirklich ein
echtes Dokument eines Chazarenfürsten zu erkennen. Wie sehr ein
Vergleich mit den lebensvollen Schilderungen der neugefundenen
Inschriften der Türken- und Uigurenchane , deren Völker doch
ebenso litteraturlos waren Avie die Chazaren, zu Ungunsten des
saft- und kraftlosen Briefes des angeblichen Chazarenfürsten aus-
fällt, braucht nicht näher ausgefülirt zu werden. Allerdings ent-
hält die von Abraham. Fi rkowitsch im J. 1870 angeblich
aus Ägypten mitgebrachte Handschrift des Briefes, wie es scheint,
etwas mehr geographisches u.nd historisches , Detail. Die von
Harkavy') in Aussieht gestellte Ausgabe dieses vollständigeren
1) Altjudische Denkmäler aus der Krim S. 284 zu S. 140 Anm. 2.
Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg VIL Ser. t. XXIV Nr. 1 (1877).
Osteuropäische, und ostasiatische Streifzüge. 9
Textes ist jedoch meines Wissens bisher nicht erschienen, und
auch dessen Übersetzung in der Russischen Revue VI, 1875,
Heft 1 S. 69 ff. ist mir unzugänglich; aber nach dem was Paulus
(früher Selig) Cassel, Der chazarische Königsbrief aus dem
10. Jahrhundert. Berlin 1876, daraus anführt, kann ich mit diesem
nur den Schluss ziehen, dass diese Entdeckung Firkowitschs ganz
auf der Höhe seiner übrigen Fälschungen steht. Vermutlich ist auch
Harkavy, der in der eben angeführten Abhandlung den Fälscher
so gründlich entlarvt hat, inzwischen zu derselben Überzeugung
gelangt und hat deshalb auf die Herausgabe des Textes verzichtet.
Auf die Frage nach der Echtheit des Briefes selbst auch
in der bisher bekannten Fassung kann ich mich hier nicht
näher einlassen^). Dieselbe ist übrigens schon von Fr ahn und
neuerdings von Kunik^) bestritten worden. Verhängnisvoll für
dieselbe ist der Name des „grossen Stromes riTT^"'^), welcher die
Nordgrenze des Gebietes der Chazaren bildet. Nur der Exegese
eines rabbinisch geschulten Theologen war es möglich, in diesen
Namen den Jaik (z/at|, ^cii^i Ural) hineinzuinterpretieren. Ich
glaube aber nicht fehlzugehen mit der Vermutung, dass hier
lediglich eine durch die doppelte Bedeutung der Wörter ;s:
bezw. Lj.O veranlasste falsche Übersetzung des arabisch-persischen
^^j*) j^. bez. 1:25^3^3 tLj^o „Warägermeer" vorliegt. Bekanntlich
bezeichnen jene beiden Ausdrücke nicht bloss „Meer" , sondern
auch „grosser Strom" (z. B. Nil, Euphrat), und in der That findet
dieses Miss Verständnis sich öfters in persischen Übersetzungen
arabischer Geographen. Buxtorf war daher von einem richtigen
Instinkte geleitet, wenn er die Worte STT" l73U5a bnn^rt "imn ^y
durch usque ad mare Jusag wiedergab. Für ^.^ Warang las
der Verfasser irrtümlich ^•^. Eine Kenntnis vom Warägermeer
1) Ich benutze den Text des Briefes bei Buxtorf in der Prae-
fatio zur Ausgabe der hebräischen Übersetzung von Jehuda Hailewis
Werk al Chazarl, Basel 1660, da Selig Cassels Magyarische Alter-
tümer auf der hiesigen .Bibliothek nicht vorhanden sind. Übrigens ist
Buxtorfs lateinische Übersetzung für denjenigen, welchem das hebrä-
ische Original nicht zugänglich ist, nützlicher, weil objektiver, als die
Cassels in der oben angeführten Broschüre. Der moderne Anwalt
des Briefes unterscheidet sich in Bezug auf historische und philologische
Kenntnisse keineswegs vorteilhaft von dem Verfasser. Aus dem Meer
von ■jN^'na (= ^'^_f^ Gurgäii, Hyrkanien) d. i. dem Kaspischen Meere
ein Meer von Georgien (^^ß)J^) zu machen, ist doch selbst einem
Theologen unerlaubt. In den nahezu 30 Jahren seit dem Erscheinen
seiner Magyarischen Altertümer hätte der Verfasser doch Zeit gehabt,
sich auf der Karte davon zu überzeugen, dass Georgien nicht bis zum
Kaspischen Meere reicht und nie soweit gereicht hat.
2) Bullet, de FAcad. de St. Petersbourg, t. VII, 1864. p. 367.
3) So der Text bei Buxtorf, nicht pTV, wie Cassel S. 79 N. v
angibt; Harkavy liest T5T.
10 J- Marquart,
(1^3,5 j-^, ) i'ussisch loarjazslwe more) d. i. der Ostsee findet
sich aber auf arabisch-persischer Seite zuerst bei Berüni (geboren
973, t 1038 n. Chr.)i). In einer aus seinem Canon Masudicus
entlehnten Klimentafel bei Jäq. I Tf, 21 werden die y^j\ Isü
d. i. die Wes^ , <^2\.^ und ä.jj Jära (Jugrier) neben einander
genannt. Ich glaube daher , dass in den a"iN"ia"'lriM , bis zu deren
Grenze die Unterthanen des Chazarenfürsten die Steppe durch-
ziehen, in der That die » ».j des Berüni bezw. die ».ijj der
späteren Araber zu erkennen sind ^). Daraus ergibt sich aber,
dass der Brief des angeblichen Chazarenfürsten nicht vor der
ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts verfasst sein kann. Noch ver-
räterischer ist das Land n:n •^), welches als Südgrenze des Chazaren-
landes erscheint. Der Text lautet :
fii i5> n:m t<DNn y-ix -^^'^iv bDi ti^^nn D-'Sin om iNinx b«
07: ■'b D'^:m: ob:: ü^-öin 'n ^bn72 n-^rü^'oop
d. h. „Nach Süden hin sind 15 zahlreiche und mächtige Nationen
bis nach Bäb al abwäb, die in den Bergen wohnen, und die
Einwohner des Landes Bäsä und Tanaf^) bis zum Meer von
Konstantinopel, einen Weg von zwei Monaten : sie alle geben mir
Tribut". Tanat ist hier unverkennbar die Landschaft am untern
Don, welche in den italienischen Karten Thanatia^ bei den unga-
rischen Chronisten Dencia^ beim sog. Belae regis notarius Derdu
moger d. i. Dont'ö Magyar ,die Magyaren am untern Don" ge-
nannt wird ^). Dieser Name ist aber sicherlich nicht vor den
Niederlassungen der Genuesen an der Maeotis und den Missions-
reisen ungarischer Predigermönche nach Hochasien, also nicht vor
dem 13. Jahrhundert, aufgekommen. Die Vermutung liegt daher
nahe, dass der Verfasser des Briefes seine geographischen Kennt-
nisse etwa aus dem Tuhfat al albäb wa-nuchbat al a'gäb des
Spaniers Abu Hamid Muhammad b. "Abd ar Rahim al MäzinI aus
Granada (f 565 H. = 1169 n. Chr.) entlehnte, das nach dem
Jahre 557 H. = 1162 n. Chr. verfasst ist, und dieselben durch
zeitgenössische Nachrichten ergänzte. Die von Firkowitsch
„entdeckte" Handschrift weiss die Namen sämtlicher dem Chagan
tributären Völker aufzuzählen. Ich zweifle aber nicht daran, dass
es Harkavy ein Leichtes sein wird, mit Hilfe von Firkowitschs
Papieren die Quelle jedes einzelnen Namens nachzuweisen.
^) Vgl. Wilh. Thomsen, Der Ursprung des russ. Staates S. 118.
2) Vgl. Wilh. Tomaschek, Kritik der ältesten Nachriehtcin
über den skythischen Norden II 44; SB WA. Bd. 117, 1888, Nr. I.
^) So Biixtorf, nicht niin, wie Cassel angibt.
^) Harkavy liest Kasa (NDND) und Takat (nnn).
^) Vgl. Geza Kuun, Relationum Hungarorum cum gent. oriental.
bist, antiquiss. I 136, 206.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 11
Nach meiner Ansicht ist also der Brief des angeblichen
Chazarenfürsten nicht älter, sondern jünger als Jehuda Hallewis
Werk al Chazarl, dessen Abfassung ins Jahr 1140 n. Chr. fällt, und
ist eben durch die Andeutungen dieses Werkes veranlasst worden.
Der Brief lässt die Bekehrung der Chazaren unmittelbar nach
einem grossen Raubzug in die Länder ^Nb-n^ ^) und b-^Tlt? er-
folgen. Auf dem Raubzug des Jahres 112 H. (730/31 n. Chr.),
bei welchem sie ein Heer unter al Garräh b. 'Abdallah al Hakami
völlig aufrieben, gelangten sie in der That bis Ardabel und er-
oberten es 2). Die Verderbnis von Ardabel J^ajO^I (armen. Artavet)
zu Ardll JvjJ» \ ist leichter in arabischer als in hebräischer Schrift
begreiflich und setzt arabische Quellen voraus. Der andere Ort
-(Nb'm ist gewiss nicht ^.,:^i y Dar-i Alan, wofür man übrigens
arabisches .ß.l\ ^Lj erwarten würde; vgl. nNin^bx äNn im Briefe
Chisdais wie in der Antwort des Chagans. Vielleicht darf man
an den Gau \}^nuAn-nuj Aran-rot der armenischen Provinz Uti
oder Balan-rot in P'aitakaran erinnern. Diese Provinz wurde
damals gleichfalls von den Chazaren durchzogen. Viel besser
würde allerdings ^Nnbi passen, d. i. ^.yij , die Ebene des Flusses
Wararat BaXagä&og, in welcher Ganzak-Sahastan (j^^JOi <^ie
zweite Hauptstadt von ÄJarbaigän, lag'^). Diese Stadt bildete
nach dem Armenier Levond die Grenze des Chazareneinfalles von
730 gegen Südosten.
Ich halte es daher sehr wohl für möglich, dass dem Ver-
fasser der Chazareinfall des Jahres 730 vorschwebte, der ihm aus
arabischen Quellen bekannt sein mochte. Jehuda Hallewi setzt
die Bekehrung des Chazarenkönigs „nach den Geschichtsbüchern"
etwa 400 Jahre vor seine Zeit, also um 740 n. Chr."), d. h. eben
in die Zeit des erwähnten Chazareneinfalles. Wenn der Verfasser
des Briefes von der Bekehrung bis auf den Fürsten Joseph um
950 mehr als neun Generationen rechnet — der erste Fürst der
Genealogie, Obadja, ist erst „einer von den Enkeln" des Bulan —
so lässt sich dies zur Not damit vereinigen, wenn er etwa vier
Generationen auf ein Jahrhundert, also die Generation zu 25 Jahren
rechnete. Von echter historischer Tradition kann dabei freilich
keine Rede sein, und auf alle Fälle ist die lange Reihe jüdischer
Ahnen, welche der angebliche Brief des Königs Joseph diesem
1) So der Text bei Buxtorf; Cassel liest l.sb'm.
2) Tab. II iör., 15 ff. vgl. Belä^". M, 9-, Ja'qüb! II t^vo, wo für
J.AJO jp zu lesen ist J.ajOJ y^; tevoud bei Brosset, Hist. de la
Gdorgie I 257 Not.
3) Mas'üdl, Murug 2, 131, 235. 4, 74. Vgl. G. Hoffmann, Aus-
züge aus syr. Akten pers. Märtyrer 248, 251 und N. 1992.
*) Jehuda Hallewi, Das Buch al Chazarl übersetzt von Hartwig
Hirschfeld S. 1.
-^2 J- Marquart,
vorangehen lässt, völlig erdichtet. Es sind 12 jüdische Namen,
welche 9 Generationen darstellen, bis auf Obadja, „welcher das
Gesetz befestigte", dieser ist aber, wie bemerkt, erst einer von den
Enkeln des Chagans Bulan, der zuerst das Judentum angenommen
hatte. Es scheint vielmehr, dass dem Verfasser eine Angabe in
arabischen Quellen den Anstoss zu seiner Kombination gegeben
hat. Paulus Cassel^) führt aus d'Ohsson, Les peuples du
Caucase p. 65 folgende Erzählung arabischer Schriftsteller an:
„Mervan fit en 119 (737), ä la tete de cent milles hommes, une
nouvelle Invasion dans le pays des Khazares. II passa par les
villes de Balandjar et de Semender et s'avan^.a jusque Baizza
[j^LiaAjn residence du Khacan, qui avait pris la fuite. II surprit
son armee, forte de quarante mille hommes et la mit en deroute.
Alors le Khacan lui demanda la paix. Mervan ne voulut la lui
accorder qu'ä condition, qu'il embrasserait l'islamisme. Le Khacan
et ses generaux vinrent au quartier de Mervan et professerent la
foi maliometaine , conversion qui fut celebree par des grands
festins". Da d'Ohssons Werk hier nicht vorhanden ist, so weiss
ich nicht, auf welche arabischen Schriftsteller er sich beruft. Ibn
al A^ir V i1. sagt bloss: „Im Jahre 119 H. machte Mai-wän b.
Muhammad einen Kriegszug nach Armenien. Er di'ang ins Land
der Alanen ein und zog darin umher, schliesslich zog er von dort
weg ins Land der Chazaren, passierte Balangar und Samandar und
gelangte bis nach al Baida [Sary/sär, das spätere Itil], wo der
Chäqän residiert, der vor ihm floh". Ausführlicher ist BeläJorl
r.v, 19 ff. über den Feldzug des Marwän. Darnach drang er in
der Nähe des Alanenthores in das Land der Chazaren ein und
befahl dem Abu Jazid Usaid b. Zäfir as Sulaml mit den Königen
der Gebirgsstämme aus der Gegend von Darband weiter vorzudringen,
während er selbst Slawen, die sich im Chazarenlande befanden,
überfiel, und 20 000 Familien gefangen wegführte und in Chachet
ansiedelte. Als nun der Fürst {^hr) der Chazaren hörte, mit
welch gewaltiger trefl'lich ausgerüsteter Streitmacht Marwän in
sein Land eingebrochen sei, ward er mit Schrecken erfüllt. Als
Marwän sich ihm näherte, liess er ihm durch einen Gesandten die
Alternative stellen, entweder den Islam anzunehmen oder Krieg zu
gewärtigen. Der Fürst entschloss sich zur Annahme des Islams, legte
öffentlich das Bekenntnis ab und söhnte sich mit Marwän aus unter
der Bedingung, dass er ihn in seinem Reiche belasse. Marwän
nahm dann eine Anzahl von Chazaren mit 2), die er zwischen dem
^) P. Gas sei, Der chazarische Köuigsbrief S. 60. Anm.
") .-.^ ^y» , äii^ awJLÄ ..^,yi .Lvj. Das xjw steht hier pleonastisch.
Diesen Sprachgebrauch von ^ belegt de Goeje, wie er mir freund-
lichst mitteilte, im Glossar zu Tabari durch zahlreiche Beispiele.
Osteuropäische und ostasiatischc Streifzüge. 13
Samür und as Säbirän in der Ebene des Landes der Lakz (Lezghier)
ansiedelte.
Der Verfasser des Briefes setzt also die Bekehrung der Cha-
zaren zum Judentum um dieselbe Zeit, in welcher nach den
arabischen Historikern der Fürst der Chazaren zur Annahme des
Islams gezwungen wurde. Dass hier eine bestimmte Beziehung
vorliegt, ist unverkennbar. Nur konnte der Jude als Hintergrund
nicht den für die Chazaren unglücklichen Zug des Marwän brauchen,
sondern wählte den siegreichen Einfall der Chazaren im J. 112 H.
Darnach wird man auch kein Bedenken tragen, eine Abhängigkeit
des Verfassers des Briefes von der bei Bekri erhaltenen Bekehrungs-
geschichte anzunehmen, mag dieselbe nun von Mas'üdi herrühren
öder von einem andern. So gut wie der Spanier Bekii (f 487 H.
= 1094 n. Chr.) konnte auch ein spanischer Jude von derselben
Kenntnis erhalten.
Es ist hier noch die Ähnlichkeit der Bekehrungsgeschichte
bei Bekri und in dem angeblichen Briefe des Chagans mit der
Erzählung vom Auftreten des Slawenapostels Konstantin (Kyrillos)
unter den Chazaren in der altslawischen Vita des Konstantin *) zu
erörtern. Diese Vita ist nach Dum ml er-) von einem Slawen
verfasst, und zwar von einem wohlunterrichteten Zeitgenossen,
vielleicht von einem Schüler des Apostels selbst, während Vor o -
noff=^), dem sich auch Jagic^) im wesentlichen anschliesst, wahr-
scheinlich zu machen sucht, dass die Vitae des Konstantin und
Methodios von einem Bulgaren in griechischer Sprache nicht vor
dem zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts geschrieben worden seien.
Friedrich^) setzt die Abfassung der Vita Constantini in ihrer
ursprünglichen Gestalt ziemlich spät, in die Zeit vor Papst Ale-
xander II. (1061—1072). Sie ist nach ihm jünger als die Vita
Methodii. Der Verfasser beruft sich zweimal auf schriftliche
Quellen : einen in acht Abschnitte geteilten Bericht des Methodios
über die Disputation Konstantins gegen die Juden im Chazaren-
land (c. 10), der sonst völlig unbekannt ist, und eine Erzählung
von der Auffindung der Reliquien des hl. Klemens (c. 8). Eine
solche Schrift ist uns noch erhalten in der sogenannten chersonischen
oder slawischen Legende der Inventio reliquiarum s. Clementis
1) Herausgegeben mit lat. Übersetzung von Ernst Dümmler
und Franz Miklosich, Die Legende vom hl. Cyrillus. Denkschriften
der kais. Akad. d. Wiss. XIX, 1870, 203 fl".
-) Denkschriften d. kais. Akad. d. Wissenschaften XIX 207.
5) Cyrill und Methodius. Die hauptsächlichsten Quellen zur Ge-
schichte des hl. Methodius 1876/77.
*) Archiv f. slav. Philol. IV 97 ff.
6) Ein Brief des Anastasius bibliothecarius an den Bischof Gau-
dericus von Velletri über die Abfassung der ,Vita cum translatione s.
Clementis Papae". Sitzungsber. der bair. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Cl.
1892, S. 428 ff, 436.
■tA J. Marquart,
des grossen Menologium'), und aus einem neugefundenen Briefe des
Anastasius bibliothecarius an den Bischof Gauderich von Velletri,
der zwischen 875 und 879 geschrieben ist-), wissen wir jetzt,
das jene Schrift von Konstantin selbst verfasst, aber anonym her-
aus^ecreben worden war 3). Allein der Verfasser oder Überarbeiter
der Vita des Konstantin kann nicht aus der Inventio reliquiarum
S. Clementis geschöpft haben, denn davon dass Konstantin die
Reliquien suchte, den Bischof von Cherson , seinen Klerus und
sein Volk zum Suchen bewog, fand, er in derselben, wie der Brief
des Anastasius zeigt, nichts. Er muss vielmehr die Vita cum
Translatione S. Clementis des Bischofs Gauderich benutzt haben*),
zu welcher Anastasius das Material lieferte und die uns in über-
arbeiteter Gestalt, wenn auch fragmentarisch, erhalten und von
Hen sehen in den Acta Sanctorum Bollandiana März II p. 19 ss.
herausgegeben ist. Wahrscheinlich kannte er diese bereits in über-
arbeiteter Gestalt. Denn er teilt mit der Translatio auch den
Fehler, dass er die Auffindung der Reliquien des hl. Clemens vor
der Reise des Konstantin zu den Chazaren erfolgt sein lässt. ^
Trotzdem muss aber gerade der Bericht über die Missions -
reise des Konstantin zu den Chazaren (c. 8 — 11) auf alte Quellen
zurückgehen. Angaben wie die, dass Konstantin auf dem Wege
von Cherson zu den Chazaren von den Magyaren ( ügri) überfallen
wurde, die nach Art der Wölfe heulen (c. 8), müssen auf gleich-
zeitige Erinnerungen zurückgehen, da man späterhin von den alten
Sitzen der Magyaren im Norden der Maeotis nichts mehr wissen
konnte 5). Nach der Vita bemühten sich die im Chazarenlande
zahlreichen Juden und Muslime um die Wette, den Chagan zu
ihrer Religion herüberzuziehen , worauf dieser eine Gesandtschaft
an den Kaiser nach Konstantinopel schickte und liier um Zu-
sendung eines gelehrten Mannes bitten liess, der jene widerlegen
und ihn selbst im rechten Glauben unterweisen könnte c. 8:
Venerunt vero Kozarorum legati ad imperatorem dicentes : a prin-
cipio unum deum agnoscimus, omnium rerum dominum, et eum,
ad orientem conversi, veneramur, quamquam ceterum mores im-
mundos habemus. Hebraei vero nobis suadent, ut fidem et opera
eorum accipiamus, ab alia vero parte Saraceiii pacem et munera
multa offerentes nos ad suam fidem soUicitant dicentes: nostra
fides praestantior est fide omnium gentium etc. Der Kaiser will-
fahrte der Bitte des Chagans und betraute den Konstantin mit
jener Aufgabe, worauf derselbe über Cherson zu Schiffe zu den
Chazaren nach der Maeotis und zu den kaspischen Thoren im
Kaukasusgebirge reiste (c. 9 S. 236).
1) Friedrich a. a. 0. 395.
-) Friedrich a. a. 0. 401.
■') a. a. 0. 403 f., 425 f.
*) Friedrich S. 430 f.
&) Dümmler, Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss. XIX 210.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 15
Aus dem Wortlaut der Vita ist zu schliessen, dass die Clia-
zaren damals noch nicht zum Judentum übergetreten waren,
sondern noch an ihren heidnischen Gebräuchen festhielten. Unter
dem einen Gott, den sie, gegen Osten gewandt, verehren, ist der
T'engri-chan gemeint, den die Hunnen wie die Türk als Haupt-
gottheit verehrten!), über letztere sagt die Geschichte der Wei-
Tataren: „Le Khan habite constamment sur le mont Tou-kin chan
[Ütükän-jys]. Sa tente s'ouvre du cöte de l'orient, par respect
pour le cöte du ciel oü le läve le soleil. Chaque annee, on con-
duit les nobles au caveau de leurs ancetres pour y sacrifier. De
plus, dans la deuxi^me decade du cinquifeme mois. on rassemble
d'autres hommes pourqu'ils aillent adorer l'esprit du ciel sur la
meme montagne et lui offrir un sacrifice"-). In den alttürkischen
Inschriften ist es der Himmel, welcher das Schicksal der Menschen
bestimmt und auf den alles Glück und Missgeschick zurückgeführt
wird. Ebenso wird in den Inschriften der heidnischen Bulgaren
das alttürkische tängrt schlechtweg durch ßsog (monotheistisch)
wiedergegeben. Es braucht also nichts specifisch Jüdisches darin
zu lieg°en, wenn der Chagan beim Mahle sagt : bibamus in nomine
dei unius, creatoris omnium rerum , wogegen Konstantin seinen
Glauben an die Dreifaltigkeit betont (c. 9). Der Baumkult
aber, gegen welchen Konstantin in der Gegend von Sugdaia auf
der Krim eifert (c. 12), ist ursprünglich bei den Völkern des
Kaukasus, insbesondere den Tscherkessen und Abchazen heimisch,
von denen er sich auch zu den benachbarten Alanen, sowie zu
den Hunnen des Kaukasus verbreitet hat^).
Nach der Darstellung der Vita hätten wir uns die damalige
Residenz des Chagans nicht in Itil {Särijyiär) an der Wolga-
mündung, sondern im Kaukasus, in der Nähe der Alanen zu denken.
Man erinnert sich, dass schon in der aus der Kirchengeschichte
des Johannes von Ephesos stammenden Erzählung des Barhebraeus
über die Wanderung der Bulgaren das Land der Alanen, d. i.
Barsalia, oder die Stadt Kaspia*), welche die Bulgaren und
Phanagoreer „Thor der Türken" nennen, als die Heimat der
1) Vgl. Moses K'alankatvac'i bei M a n a n d i a n , Beiträge zur alba-
nischen Geschichte S. 31; Brosset, Eist, de la Georgie. Additions
et eclaircissements p. 484.
2) Journ. as. 1864, 1, 335. Vgl. das T'ang-su eb. 1864, 2, 201:
„Quand (le khan) dtait assis, il se tournait constamment vers rorient\
3) Moses K'alankatvac'i bei Manandi an a. a. O. S. 31 ; Brosset,
Eist, de la Georgie. Additions et eclaircissements p. 484 Diesen Baum-
kultus finden wir auch in der Stadt ^j^^j im östlichen Kaukakus,
Ihn Rusta \f\ , 4 flf. Vgl. über den Baumkult bei den Tscherkessen
R. Löwe, Die Reste der Germanen am Schwarzen Meere S. 57 if.
nach C. Eahn.
*) So j-0)fv>f> liest Bedjan nach gütiger Mitteilung Nöldekes
für das unsinnige |*J30*2l-D Kappadokia bei Bruns und Kirsch,
jß J. Marquart,
Chazaren bezeichnet wird^). Es liegt daher nahe, an \\ujpuj^^
Warac (m oder i\ujpuM^ufu Waragan, die Hauptstadt der Hunnen
im Kaukasus, bezw. die Chazarenfestung y^xXi Balangar nördlich
von Darband zu denken, wo sich nach Mas'üdi ehemals die Residenz
des Chagans befunden haben solP).
Der Name Balangar wird zuerst unter Chosrau Anösarwän
(531 — 578) genannt, und zwar als der eines Stammes, welcher
im Verein mit den Chazaren (.;Ü), Bulgaren (j^^, Verlesung
von pahl. ^^)U Burgar) und Alanen in Armenien Einfälle machte^).
Ganz ebenso wird j^J„fw noch unter 'Oi^-män als Name eines
chazarischen Stammes genannt*), während es späterhin nur noch
als Name einer Stadt bekannt ist. Als Hauptfestung der Chazaren
erscheint Balangar in der Eroberungsgeschichte schon im Jahre
32 H. unter 'Oj^män^), dann wieder in den Jahren 104*^), 105^),
112^), 113'') und 119 B..^^). An ihrer Stelle wird dagegen in der
Geschichte der Bekehrung der Hunnen zum Christentum durch den
albanischen Bischof Israel i. J. 62 H. (681/82) Waraa'an als Haupt-
stadt der Hunnen genannt ^^). Dass die Araber von letzterer Stadt
gar nichts wissen sollten, ist undenkbar, und daraus ergiebt sich
mit Notwendigkeit die Identität von Balangar und Wara^'an. Die
Wiedergabe des fremden c durch arab. „ (sonst ^j^ oder (ji) kommt
^' 0 3
gerade in kaukasischen Gebieten auch sonst vor , z. B. JiOs.Xj>-
^) Vgl. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 83 f. ;
Historische Glossen zu den alttürkischen Inschriften. WZKM. XII 198 f.
Es war voreilig von mir, das j^Vo^wiS des Textes in |...Vq^O) ver-
bessern zu wollen. Tn/urtTaQxa (Tmutorokan, j. Taman), das auch noch
später unter dem alten Namen (t>nvay6Qei.a, fpavayovqia vorkommt (s.u.),
lag in unmittelbarer Nähe der Kuban-Bulgaren.
2) Mas'üdi, Kitäb at tanblh If, 16; vgl. WZKM. XII 195; Chrono-
logie der alttürk. Inschr. 87.
3) Tab. I aIo, 1. 16. aH, 4 vgl. aIa, 15. 1.., 2; Nöldekc, Gesch.
der Perser und Araber S. 157, 159, vgl. 166. S. meine Chronologie
der alttürk. Inschriften S. 96; Historische Glossen zu den alttürk. In-
schriften WZKM. XII 169 N. 8.
") Bei. iiv, 18.
^) Bei. r.f ; Tab. I I^aaI, Ö-Mf, 11.
«) Tab. II Ifoi^, 2; Ibn al A5-Tr V 83—85; Ja'qübT, Eist. TI t"vö.
') Tab. II ifir, 4; Ihn al A^Ir V 94.
") Tab. II !ori, 3; Ibn al A.^ir V 118.
») Tab. II iol., 8 ff.; Ibn al A^Ir V 129.
1») Ibn al A^Tr V 160.
") Moses K'alankatvac'i bei Man an di au, Beiträge z. albanischen
Geschichte S. 31; Brosset, llist. de la G<5orgie. Additions et (iclair-
cissemeuts j). 484.
Osteuropiiisehe und ostasiatische Streifzüge. 17
Gundär^ arm. Qm^q-tupg Ö'undarh'^), d^^.^J' , arm. Arces
(Bei. 'li*", ult. '''1^, 4), i^)''-»-^r=-jr'^' = arm. Harclatmlc^); vgl. auch
Nj^öL:^ GäÖöi (in ^^j^iL:^ ^^♦.^j , io^oL>^^^) = arm. (jatagow,
phl. gätakgöß „Fürsprecher" in der Eroberungsgeschichte. Die
richtige armenische Form ist, wie ich glaube, in der abgekürzten
Recension der Geographie des Ps. Moses Chor, erhalten: il«i«_«#^«Ä
Wai-acan mit «- = Warraoan^), was iür *Warnacan stehen
kann. Die arabische Form ^ili setzt zunächst eine Pahlawiform
^© \j Warancan{r) bezw. Warnacan{r) voraus. Die Aussprache
Balangar findet sich nur in dem Ausdruck iü^b Kj^,.^. für
eine aus jener Gegend stammende Art Jagdfalken, den v. Kremer,
Beiträge zur arabischen Lexikographie S. 15 aus den Ai9-är al
owwal fi tartib adduwal. Kairo 1295 H., S. 141, 1 (verfasst
a. 708 H.) belegt. Allein ich glaube, dass hier eine auf falscher
Analogie beruhende Rückbildung vorliegt , indem man nach ge-
wöhnlicher Weise das „ als Vertreter eines neupers. ^ auffasste.
Für die Lage der Stadt ergibt sich aus den arabischen Nachrichten
nur , dass sie nördlich von Darband an einem Fluss , dem ^j
:>uJlJ!, gelegen haben muss; dasselbe folgt auch für Waraiyan
aus dem Itinerar des Bischofs Israel zu den Hunnen. Aus Tab. II
Iflt», 4 und Ibn al Ai^-Tr V 160 lässt sich ferner entnehmen, dass
Balangar östlich vom Gebiete der Alanen und westlich von
Samandar zu suchen ist. Marwän b. Muhammad dringt im Jahre
119 H. ins Land der Alanen ein, durchzieht es und wendet sich
dann nach dem Lande der Chazaren. Nachdem er Balangar und
Samandar passiert hat, gelangt er nach al Baida", der Residenz des
Chagans*). Dagegen sind die Beschreibungen des Feldzuges des
al Garräh b. 'Abdallah gegen die Chazaren im Jahre 104 H. bei
Ja qübi li t**fö und Ibn al A«9-]r V 84, auf welchem auch Balangar
erobert wurde ^), im einzelnen viel zu ungenau und weichen zu
sehr in den geographischen Namen und der Reihenfolge der Be-
gebenheiten ab, als dass sich daraus ein klares Bild vom Verlaufe
des Feldzuges gewinnen Hesse. Hirth vermutet, dass Waracan
im alten Gebiete der Alanen oder Aorsen zu suchen sei, das bei
1) Vgl. WZKM. XII 171 Anm. 11.
2) Belä^. YS", 8; Moses Chor. Geogr. ed. Soukry p. 33.
'•") Mos. Chor. Werke, Venedig 1865 S. 605, 5. Saint- Martin,
Memoires sur l'Armenie II 356.
*) Tab. II nS^c, 13 ff. verlegt diesen Zug ins Jahr 120 H. , gibt
aber gar kein Detail.
^) Belri^t\ ('.1 , 3 ff. erwähnt die Eroberung von Balangar nicht,
wohl aber Tabarl.
Marquart, Streifzüge. "
j^g J. Marquart,
den Chinesen auch Wön-na-scha (= *War-na-6a) genannt und
als Land dei- Hiung-nu unter dem Namen Sogdak geschildert
werde. Ist die Gleichsetzung von Samandar, dessen Entfernung
von Itil auf acht Tagereisen angegeben wird, mit Tarki (Tarchu)
östlich von Temii'chan-Schura richtig, so muss Balangar an einem
der Quellflüsse des Koi-su (Sulak) gelegen haben.
Die Stadt wird, soviel ich sehe, zuletzt in einem im Jahre
269 H. (882/83 n. Chr.) entstandenen Preisgedichte des Dichters
al BuliturI auf Ishäq b. Kundäg, einen Offizier chazarischer Ab-
kunft in Diensten des Chalifen al Mu'tamid erwähnt'), scheint
aber seitdem keine Rolle mehr gespielt zu haben. Es ist sehr
fraglich, ob Balangar damals wirklich noch bekannt war oder ob
der Dichter den Namen nicht lediglich aus den Gedichten der
Eroberungszeit kannte. Sonst wird der Ort, soviel ich sehe, zum
letzten Mal beim Feldzug des Marwän b. Muhammad gegen die
Chazaren im Jahre 119 H. (737/38) erwähnt, scheint aber damals
seine Wichtigkeit als Festung bereits verloren zu haben-). In
den Kämpfen des Maslama b. 'Abd al Malik im Jahre ^113 H.
(731/32 n. Chr) werden auch die Berge von Balangar ge-
nannt =^), ob aber die Stadt damals noch existiert hat, geht aus
der Stelle nicht hervor. Im Jahre 104 H. hatte nämlich al Garräh
b. 'Abdallah al Hakami die Stadt und die Burgen in ihrer Nähe
erobert und einen Teil der Bevölkerung teils im Flusse ertränkt,
teils gefangen genommen, worauf die Mehrzahl auswanderte*).
Damals müsste also die von Mas'üdl berichtete Verlegung der
Residenz nach Itil (tUsAJl) stattgefunden haben, das als solche
bei Ibn al A^ir a. 111 H. (729/30 n. Chr.) und 119 (737 n. Chr.)
erscheint.
Ibn Chordä^bih (schrieb um 846/47) kennt bereits Chatnlich
(die Oststadt von Itil) als Hauptstadt der Chazaren &) und al BuhturI
selbst nennt unter den Städten der Chazaren al Baidä' (nach
anderer Lesart Chamlich) vor Balangar*^). Aus Ibn Rusta und
GurdezT wissen wir aber, dass die aus Holzhäusern bestehende
Doppelstadt Säry^'sär - Qapubaly/ den Chazaren nur als Winter-
lager (Qyslaq) diente, während sie beim Beginn des Frühlings in
1) Ibn Chord. Iff, 13; al BuUturi, Diwän I Vff-, Jäq. I vr., 14.
vir, uit. II fvi, 7. , o,, -
2) Ibn al A.^ir V 160: ^l-*:2^il ,^i! ^_^^\^ j<JJ^^», j^-^J j*^
liL:> L^xS .,»Xj' ^^ül d.i. „(Marwäu) passierte Balangar und
Samandar und gelangte nach al-Baidä', wo der Chäqän residiert".
») Tab. II lol., 11.
*) Tab. II Iför, 2 a. 104; vgl. if'll', 4 a. 105. lo^!, 3 a. 112.
'') Ibn Chord. Iff, 8. 12. lof, 12. !öo, 5.
♦>) S. die Anm. 1 angeführten Stellen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 19
die Ebene hinauszogen '). Vielleicht befand sich also das Sommer-
lager (Jailaq) der Chazaren bei Balangar (Waraöan).
Man könnte versucht sein, dafür auch eine Bestätigung ni
dem angeblichen Briefe des Chagans finden zu wollen, wo es
heisst:' „Wir wohnen in der Stadt (Itil) den ganzen Winter; im
Monat Nisan aber ziehen wir heraus aus der Stadt und geht jeder
auf sein Feld zu seinem Garten und zu seiner Arbeit. Jedes Ge-
schlecht besitzt sein Erbgut, weshalb sie aufbrechen und in dessen
Gebiet lagern in Freude und Jubel. Man hört da keine Stimme
eines Drängers; kein \yidersacher und kein schlimmes Begegnis
ist da und ich und meine Fürsten und Knechte brechen auf und
gehen 20 Parasangen weit, bis wir den grossen Strom erreichen,
der Warsän iNT^m heisst. Von da ziehen wir herum, bis wir
zum Ende der Landschaft gelangen" 2). Dass Familiengüter, Äcker
und Gärten bei einem Nomadenvolke sonderbar berühren, darauf
näher einzugehen ist hier nicht der Ort. Unter dem hier ge-
nannten Flusse Warsän könnte natürlich nicht, wie Gas sei
(S. 104) meint, der Araxes (Erasx) , sondern höchstens der Fluss
von Wara£ an d. i. ,^iXA\ j.i (Belä^. M^, 2) gemeint sein. AUein
dabei wäre es sehr auffällig, dass wir hier einer armenischen und
nicht, wie zu erwarten, der arabischen Namensform begegnen
würden. Nun spielen aber in der Bekehrungsgeschichte des Chazaren-
königs bei Jehuda Hallewi „die Berge von Warsän"'^) eine
Rolle. Der Chazarenfürst offenbart seinem Wezier den gehabten
Traum, wie auch die Wiederholung des Traumes:
U.^>ui:..e5 ^^j*, <3W^ S ^^^*^' ^' ^-^^ Lf'^-^^ "^^^ V*^:^ O^-
J, LjoL/^ ^-ä>;5^ j-^t--^ ^^^ »j^^' i3W-^ ty^^ ^ß}^i> ^^-^^ ^tt*-=--
^5 O^aJ! ^^A ^J5 L^AJ c:a.>..^j ^^^=> ,^^5 'ij^i\ ^<6>^ ^}^^
„dass er das gottgefällige Thun in den Bergen von Warsän suchen
solle. Sie wanderten nun beide, der König und sein Wezier, zu
dem wüsten Gebirge am Meere und gelangten nachts zu jener
Höhle, in welcher die Juden jeden Sabbat zu feiern pflegten. Sie
offenbarten sich ihnen, traten in ihren Glauben ein, Hessen sich
in dieser Höhle beschneiden und kehrten in ihr Land zurück, be-
gierig, das jüdische Gesetz kennen zu lernen"*).
1) Ihn Eusta iH, 15 ff.; GurdezT bei Barthold, a. a. 0. S. 95 _ult.
Vgl. schon Ps. Mos. Chor. Geogr. ed. Soukry, S. 26, 16 = 36 der Übs.
2) Nach dem Texte Buxtorfs. Vgl. P. Cassel, Der chazarische
Königsbrief S. 80.
3) Die einzige Hs. des arabischen Textes liest "i^lD^i, die Münchner
Hs, der hebräischen Übersetzung "|ND"n .
•») Jehuda Hallewi, Das Buch al Chazarl hg. von Hartwig
Hirschfeld S. 68 = 50 der Übersetzung.
2*
20 J- Marquart,
Es ist hier offenbar eine Örtlichkeit im östlichen Kaukasus
wemeint wo die Juden zahlreich waren. Der Hauptsitz der
ü >
Juden im Kaukasus war nun !l\ä:>, eine Stadt, die 12 Tagereisen
(Stationen) vom Schloss des Herrschers von Sarlr entfernt war
und ein eigenes Fürstentum unter chazarischer Oberhoheit bildete,
von welchem die Einwohner von Bäb al abwäb viel zu leiden
hatten (Ihn Rasta Ifv, 19 ff.; Mas. II 7, 39). In der alten Quelle
des Ibn Rasta (Muslim b. Abu Muslim) führt der Fürst noch
den rein persischen Namen At)'ar-Narse. Derselbe beteiligte sich
in gleicher Weise am Gottesdienst der drei Hauptreligionen: am
Freitag betete er mit den Muslimen , am Sabbat mit den Juden
und am Sonntag mit den Christen; „so oft nun jemand zu
ihm kommt, behauptet er: jede Partei von diesen Religionen
fordert zu ihrer Religion auf und behauptet, dass die Wahrheit
in ihrem Besitze sei, während es ausser ihrer Religion nur Ii-rtum
gebe. Deshalb hänge ich allen an, bis ich die Wahrheit der
Religionen erreiche". Zu Mas'udis Zeit war dagegen die Dynastie
muslimisch und beanspruchte arabische Abstammung von Qahtän.
Der Fürst führte den Titel ^^Lä^JLv. (Mas. II 39). al Garräh b.
'Abdallah al Hakami hatte im Jahre 104 H. hierher die Ein-
wohner von Chumrin Qjj*i> verpflanzt (Bei. I'.l, 7). Maslama b.
'Abd al Malik schloss mit den Einwohnern von Gundfir eine
Kapitulation ab und Hess ihre Festung schleifen (BeläJ. r.v, 3
a. 113 H.). Die Araber lokalisierten hier die Tötung des Knaben
durch Moses (Sur. 18, 73), bei dem Dorfe (^.ji^y^W dagegen suchte
man den Felsen, bei welchem Moses Unterkunft gesucht hatte
(Sur. 18, 62): ,der Fels ist der Fels von Sarwän, das Meer das
von Gelän, das Dorf das Dorf Bägarwän". Vermutlich haben
bereits die Juden Ereignisse der biblischen Geschichte bezw. der
rabbinischen Sage hier lokalisiert, und sind die Araber nur in
ihre Fusstapfen getreten.
Ich glaube daher, dass wir auch die Berge von Warsän am
Meere und die dortige Höhle , von welchen Hallewi spricht und
an die sich wohl gleichfalls geheimnisvolle Sagen knüpften, bei
Bägarwän und Gundär zu suchen haben. Unverkennbar hängt al)er
mit diesem Gebirge, welches in der Bekehrungsgeschichte eine be-
deutsame Rolle spielt, der , grosse Strom Warsän" im Briefe
des angeblichen Chazarenfürsten zusammen, m. a. W. , wir haben
hier für bn:>!n 'i'n^'b „zum grossen Strome" einfach zu lesen 'inb
bn:ir! „zum grossen Gebirge". Mit der Stadt ^.J^j^ Ward an
(Wardanakert in P'aitakaran), wie Hirschfeld^) meint, hat das
>) Ibn "Chord. \rf, 3 ff.; Ibu al Faq. J'av, 14 f.
*) Das Buch al ChazarT, deutsche Übersetzung S. XXV Anm. 1.
Osteuropäische und ostasiatischc Streifzüge. 21
Gebirge Warsän nichts zu thun, da jene Stadt ja in einer Ebene
liegt, die nach ihr benannt ist.
Denkbar wäre dagegen, dass der Verfasser der Vita an Sa-
mandar (jetzt Tarchu) gedacht hätte, wo wenigstens im 10. Jahr-
hundert ein eigener Fürst residierte, der mit dem Fürsten der
Chazaren verwandt war und gleich diesem sich zum Judentum
bekannte, vermutlich ein Tudun des Chagans^). Nach al Azhari
wäre Samandar sogar ursprünglich Kesidenzstadt der Chazaren ge-
wesen ').
Am Hofe des Chagans angelangt, überwand Konstantin in
einer Disputation siegreich seine jüdischen und sarazenischen
Gegner und bewirkte dadurch, dass 200 Personen sich taufen
Hessen, reicientes abominationes paganorum et matrimonia üle-
güima. Sie waren also keine Juden, sondern noch Heiden. Der
Chagan bot dem Apostel reiche Geschenke an, die dieser aber
ausschlug, indem er sich nur 200 griechische Gefangene ausbat.
Darauf sandte der Chagan folgenden Brief an den Kaiser: misisti
nobis, domine, virum, qui nos edocuit, fidem chiistianorum verbo
et re sanctam esse . et persuasum habentes, hanc esse fidem veram,
praecepimus, ut baptizarentur volentes, sperantes , etiam nos id
consecuturos esse . nos omnes socii et amici imperio tuo sumus et
parati ad serviendum tibi, ubicunque volueris (c. 11). Mit der.
Vita stimmt der Bericht des Überarbeiters der Translatio (c. 1
und c. 6) über die Reise zu den Chazaren ganz überein, nur ist
er viel kürzer und ungenauer. Beide gehen aber unzweifelhaft
auf eine gemeinsame Quelle zurück. Viel kürzer ist der Bericht
der Vita Methodii c. 4. Während die Vita und die Translatio
als Gegner des Konstantin Juden und Saracenen nennen, hat er
es in der Vita Methodii nur mit Juden zu thun: ibi enim (bei
den Chazaren) Judaei fidem christianam vehementer increpitabant.
Es ist in der That möglich, dass die Saracenen in den beiden
andern Berichten spätere Zuthat sind. Über den Erfolg heisst es
nur: Methodius precibus, philosophus vero oratione eos vicit, et
ambo pudore eos affecerunt.
Von der Taufe des Chagans selbst ist in der Vita nicht die
Rede, sie wird vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen. Dagegen
heisst es in einer kurzen Vita des Konstantin , die einen Auszug
aus der grösseren Legende in kirchenslawischer Sprache enthält:
^Es wurden (dann) geschickt Gesandte von Zacharias, dem Fürst-
Gaggan an Michael den Zaren, um einen Mann zu holen, welcher
diese (die Chazaren) zum orthodoxen Glauben führen könnte, da
sie noch nicht Christen wären .... Konstantin der Schrift-
1) Ist. flT, 15; Ibn Hauq. ^a^ 19.
2) Bei Jäqüt s. v. .o\.Ä.fw (Fr ahn 1. 1. 616 s.). Vgl, Mas'üdl,
Murüg II 7.
22 J- Marquart,
gelehrte unterrichtete alles Volk und den Gaggan im orthodoxen
Glauben und taufte den Gaggan und 200 (seiner) Genossen" ^).
K u n i k erkennt an , dass die kürzere Vita in dem Bericht
über die Chazarenmission von der grösseren Legende abhängig sei,
meint aber, dass dem Eedaktor entweder die letztere in einer
uns nicht bekannten Abfassung oder noch eine andere Quelle vor-
gelegen habe. Wäre dies zutreffend, so würde durch den Namen
Zacharias, welchen die kürzere Vita dem Chagan giebt, bewiesen,
dass dieser schon vor der Ankunft des Konstantin sich zum Juden -
tume bekannte. Gegen die Echtheit jener Zusätze der kürzeren
Vita erheben sich jedoch schwere Bedenken. Zunächst lässt sich
kein Grund denken, weshalb die längere Vita die Taufe des
Chagans, wenn sie wirklich stattgefunden hätte, nicht etwa über-
gangen , sondern als bevorstehend hingestellt hätte , während es
umgekehrt leicht begreiflich ist, wie ein Späterer in ungenauer
und übertreibender Weise auch den Chagan selbst getauft werden
Hess-). Bei diesem Verhältnis der beiden Texte wird man auch
Bedenken tragen, den Namen des Chagans für echt zu halten, da
nicht einzusehen ist, weshalb ihn die längere Vita hartnäckig ver-
schwiegen hätte. Ich sehe daher in dem Namen Zacharias eine
Interpolation, welche spätere Vei'hältnisse in die alte Zeit zurück-
trägt •^).
Die Missionsreise des Konstantin fällt zwischen 851 und
863 n. Chr. Wäre nun nicht die Angabe des Mas'üdl, so würde
wohl jedermann aus der Erzählung der Vita den Schluss gezogen
haben, dass der Übertritt der Chazaren zum Judentum erst nach
jener Missionsreise des Konstantin stattgefunden haben kann, wenn
auch damals schon die Juden einen gi'ossen Einfluss im Chazaren-
reiche ausübten und der Chagan mit jüdischen Vorstellimgen
einigermassen verti'aut war. Dies wird aber gewissermassen auch
von BekrT vorausgesetzt, der ausdrücklich angibt, dass der damals
noch heidnische Fürst der Chazaren zuerst das Christentum an-
genommen hatte, ehe er zum Judentum übertrat. Eine Kombina-
tion der Angabe Bekris und der Vita führt also zu dem Schlüsse,
dass der Chagan der Chazaren zuerst zwischen 851 und 863 von
Konstantin infolge einer Disputation, in welcher er die jüdischen
(und muslimischen?) Theologen besiegt hatte, für das Christentum
1) S. A. Klinik, Bulletin de l'Acad. de St. Petersbourg VIT,
1864, p. 398/99.
2) Paulus Cassel, Der chazarische Königsbrief aus dem 10. Jahr-
hundert S. 66 will auch auf den Ausdruck hnez-gagan in der kürzeren
Vita Gewicht legen und darunter nicht den Gross- Chagan , sondern
den Chagan-beg verstehen. Diese Auffassung scheitert jedoch an der
längeren Vita.
^) Nach Konstantin Jirecck, Das christliche Element in der
topographischen Nomenclatur der Balkanländer S. 88 (SBWA. Bd. 136,
1897, Nr. XI) ist jene Obdormitio des hl. Cyrillus spät und von Hilfer-
ding, Kunik und Bilbasov überschätzt worden,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 23
gewonnen worden war, ohne aber zunächst selbst die Taufe an-
zunehmen. Bald darauf aber unterlag er den fortwährenden Ein-
flüssen der Juden und trat offiziell zum Judentum über. Ob dies
infolge einer abermaligen Disputation geschah , in welcher der
wenig schlagfertige Bischof, welchen er sich von den Christen er-
beten hatte, seinen jüdischen Gegnern unterlegen war, wie BekrT
(und ähnlich der angebliche Brief des Chagans) angibt, oder ob diese
Disputation nur ein Nachhall und eine Umbildung der des Kon-
stantin ist'), wird sich vorläufig nicht feststellen lassen. Dass bei
Bekrl von einem christlichen Bischof die Rede ist, würde nicht
gegen diese Vermutung sprechen. Es ist nämlich bemerkenswert,
dass Konstantin in späteren Quellen auch den Bischof stitel er-
hält ^). Mas'üdis Datum für den Übertritt des Chagans zum Juden-
tum muss darnach falsch sein. Wie dieser Irrtum entstanden
ist, wird sich nicht mit Sicherheit ermitteln lassen, so lange kein
grösseres Bruchstück seines ausführlichen Berichtes oder einer
Parallelerzählung ans Licht kommt. Immerhin wird es kein Zufall
sein, dass seine Angabe sich mit der oben S. 3 mitgeteilten Notiz
des Muqaddasl zeitlich sehr nahe berührt, dass al Ma'mün, der
Sohn des Härün ar Rasid, den König der Chazaren zur Annahme
des Islams aufgefordert habe.
Das so gewonnene Ergebnis erfährt von anderer Seite eine
hübsche Bestätigung. Die älteste zeitgenössische Erwähnung des
Übertritts der Chazaren zum Judentum findet sich meines Wissens
im Matthaeuskommentar des Christianus Druthmar. Dieser be-
merkt zu Matth. 24, 14''): Nescimus iam gentem sub caelo in qua
Christiani non habeantur. Nam et in Gog et Magog, quae sunt
gentes Hunorum, quae ab eis Gazari vocantur, iam una gens quae
fortior erat ex his quas Alexander conduxerat, circumcisa est, et
omnem Judaismum observat. Bulgarii quoque , qui et ipsi ex
ipsis gentibus sunt, cottidie baptisantur. Über die Lebenszeit des
Verfassers hat auch die Histoire litteraire de la France V 86
nichts weiter feststellen können , als dass er um die Mitte des
9. Jahrhunderts geschrieben hat*), wobei gerade die obige Angabe
über die Bekehrung der Bulgaren als Argument benutzt wird.
Die Taufe des Bulgarenchans Bogoris fällt wahrscheinlich ins
Jahr 864, in welchem er Ludwig den Deutschen von seinem Ent-
schluss, Christ zu werden, in Kenntnis setzte. Schon vorher hatten
nämlich viele Bulgaren das Christentum angenommen^), und nach
^) So schon Schafarik, Pamätky dfevniho pisemnictvi Jiho-
slovanuv. Prag 1851 angeführt bei Kunik a. a. 0. 399/400 Anm. 7.
2) Friedrich, Sitzungsber. d. bair. Akad. Phil. -bist. Kl. 1892,
S. 410 ff.
^) Maxima bibliotheca veterum patrum Lugdun. XV (1677) p. 158.
*) Vgl. Wetzer und Weite, Kirchenlexikon 3. Aufl. Bd. III,
2087—2090.
^) Mansi XV, 457 : quia vero dicis quod christianissimus rex speret,
24 J- Marqiiart,
Empfang der Taufe zwang Bogoris dieselbe auch allen seinen noch
heidnischen Unterthanen auf. DerMatthaeuskonimentar desDruthmar
wird also etwa im Jahre 864 oder kurz vorher geschrieben sein.
Dann gehört aber gewiss auch die Annahme der Beschneidung
durch die Haupthorde der Chazaren (quae foi'tior erat) der aller-
jüngsten Vergangenheit an, und kann sehr wohl in der Zeit seit
der Rückkehr des Konstantin von seiner Missionsreise unter ihnen
erfolgt sein.
Für diese Ansicht lässt sich auch eine Stelle des Belä^orl
(S'.S^, 15) anführen, welcher berichtet, dass der Türke Bo/ä, der
Klient des Chalifen al Mu'tagim billäh, als Statthalter von Armenien,
Äclarbaigän und Simsät die Stadt Samkör im Jahre 240 H. (854/55
n. Chr.) wieder bevölkerte und daselbst Chazaren ansiedelte , die
wegen ihrer Hinneigung zum Islam zu ihm gekommen waren,
um sich in seinen Schutz zu begeben. Dieses merkwürdige Er-
eignis würde sich ohne Frage am leichtesten erklären, wenn eben
damals von selten der chazarischen Regierung ein Druck auf ihre
Unterthanen ausgeübt wurde zu gunsten der Bekehrung sei es
zum Christentum oder zum Judentum. Gar keine Schlüsse will
ich dagegen aus der Angabe des R. Chisdai ziehen , dass er erst
durch chorasanische Kaufleute und später durch Gesandte aus
Konstantinopel, die nach Cordova an den Hof des Chalifen ge-
kommen seien, von der Existenz eines jüdischen Königs im Cha-
zarenlande gehört habe. Denn dies muss unter allen Umständen
als eine selbst für einen spanischen Juden, geschweige für den
Minister des Gebieters der Gläubigen strafbare Unwissenheit be-
zeichnet werden, um so mehr, da bereits Ibn Chordä^bih 100 Jahre
früher berichtet, dass die weitgereisten „wegkundigen" (K>.iiJ^Sityi)
jüdischen Kaufleute aus Spanien u. a. auch regelmässig auf dem
Landwege durch die Länder der Slawen bis nach Chamlich , der
Hauptstadt der Chazaren kamen (Ibn Chord. ioö, 4 ff.).
Ein früheres Datum für die Annahme des Judentums durch die
Chazaren wäre freilich anzunehmen, wenn der ganze Bericht über
die Chazaren, von dem wir Reflexe bei Ibn Rusta, Bekrl und GurdezI
besitzen, aus einer Schrift des Muslim b. Abu Muslim al Garmi (s. u.
S. 28 f.) stammen würde. Denn es heisst hier ausdrücklich : ^^>jj^^
i^UlixJt» d. h. „ihr oberster Fürst bekennt sich zur Religion der
Juden, und ebenso der lsä§ {Äj-sad = Äl-sad) und die Offiziere
quod ipse rex Vulgarorum ad fidem velit converti et iam multi ex
ipsis christiani facti sint elc. Vgl. E. Dümmler, Gesch. des ostfränk.
Reiches II 628. . .
1) So Gurdczl bei Bart hold a. a. O. S. Ü5, 20; Ibn Rusta L^jI,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 25
und Grrossen die wie er gesonnen sind''^). Doch ist jene Annahme,
wie ich glaube , nicht unbedingt notwendig. Die unmittelbare
Quelle des Ibn Rusta, Gnrdezi und Bekri in den Berichten über die
Chazaren, Magyaren, Burtäs , Wolga-Bulgaren, Pe^enegen, Eussen,
Slawen und Burgän (Donau-Bulgaren) ist, wie wir jetzt mit Be-
stimmtheit sagen können , das Kitäb al-Masälik wa'1-Mamälik des
Gailiäm^ welches dieser als Wezier des Samaniden Na^r b. Ahmad
(seit 301 H. = 913/14 n. Chr.) unter Zugrundelegung des gleich-
namigen älteren Werkes des Ibn Chordä(5bih verfasste-). Dies
ergibt sich unzweideutig aus dem allen drei Autoren gemeinsamen
Berichte über die Wolga-Bulgaren, welcher bereits weiss, dass der
Fürst der Bulgaren und die meisten seiner Unterthanen sich zum
Islam bekennen und es in ihren Wohnorten Moscheen und Schreib-
schulen , sowie Gebetsausrufer und Imäme gibt , ja sogar den
Namen dieses Fürsten, ^i\ Almys kennt '^). Wir kennen die Zeit
der Bekehrung der Bulgaren nicht ganz genau, wir wissen nur
dass sie unter der Regierung des Chalifen al Muqtadir statt-
gefunden hatte*). Sie kann aber nicht lange vor das Jahr 309 H.
fallen, da der Fürst Almys in diesem Jahre, offenbar bald nach
seiner Bekehrung, eine Gesandtschaft an den Chalifen sandte,
welche um Männer bitten sollte, um ihn in der Religion zu unter-
richten und die heiligen Gebräuche des Islams zu lehren, ihm
eine Moschee zu erbauen und eine Kanzel zu er-
richten. Bei der Gesandtschaft, die der Chalifa darauf abordnete
und die über Gurgäng in Chwärizm und Itil nach Bul;'är reiste,
befand sich bekanntlich Ahmad b. Fadlän, der einen Bericht über
die Erlebnisse der Gesandtschaft verfasste. Dieselbe brach am
11. gafar 309 (21. Juni 921 n. Chr.) von Bagdad auf und langte
am 12. Muharram 310 (11. Mai 922) in Bul^är an. Sie traf
bei den Bulgaren bereits Gebetsausrufer, aber eine ausgebildete
Organisation mit Moscheen, Schreibschulen und Imämen, wie sie
der Bericht des Ibn Rusta und GurdezI voraussetzt, besass der
Islam nach dem Bericht Ibn Fadians vor Ankunft der Gesandt-
schaft des Chalifen unter den Bulgaren offenbar noch nicht.
Daraus ergibt sich, dass der dem Ibn Rusta, GurdezI und
1) Ibn Rusta in, 12 ; GurdezI a. a. 0. S. 95, 22.
2) Vgl. de Goeje, Bibl. Geogr. Arab. V p. XI.
•■») Ibn Rusta \f\, 9—10. 16. ifr. 1; GurdezI bei Barthold a.a.O.
S. 97, 13. 20—21; Bekrl bei Kunik und Rosen, H^Ricria aji-BeKpa
H ÄpyrHx-b aBTOpoBi 0 PycH h CjiaBaHaxt S. 45, 1—2. Bei Bekri ist der
Name zu .äaÜ , bei GurdezI zu ,.»X«1 entstellt.
*) Jaq. s. V. ^Lib. Vgl. Fr ahn, Die ältesten arabischen Nach-
richten über die Wolga-Bulgaren, Mem. de TAcad. de St. Petersbourg
VI. Ser. t. I (1832), 526 ff. 565. Mas'üdls Angabe (11 16j, dass die Be-
kehrung nach dem Jahre 310 H. infolge eines Traumes erfolgt sei, hat
natürlich keinen Wert.
26 J- Marquart,
Bekri zu Grunde liegende Bericht über die Wolga-Bulgaren erst
nach der Rückkehr jener Gesandtschaft von Bul/är, also nach
310 H, (922 n. Chr.) geschrieben sein kann. Bekri nennt nun
in der Beschreibung des Oxuslaufes S. 25, 16 ff. , die sich ganz
ebenso auch bei Ibn Rusta 91, 13 ff. wiederfindet, ausdi-ücklich
den al Gaihänl als Quelle, und dasselbe dürfen wir nach dem Ge-
sagten auch für die Berichte über die Wolga - Bulgaren , sowie
über die übrigen Nordvölker annehmen. Gurdezi, der unzweifel-
haft aus derselben Quelle schöpft wie Bekri und Ibn Rusta und mit
letzterem fast wörtlich übereinstimmt, nennt S. 103 unter seinen
Quellen an erster Stelle das Werk des Gaihänl. Daraus ergibt
sich, dass alle drei Schriftsteller in den ihnen gemeinsamen Kapiteln
über die Nordvölker das Werk des Gaihäni ausgeschrieben haben *),
welches nach dem Jahre 310 H. (922/23 n. Chr.) verfasst sein
muss. Der Anwalt des nabatäischen und des karäischen Herodot
(Ibn Wahsija und Firkowitsch) hat es aber trotzdem fertig ge-
bracht, aus den Nachrichten Ibn Rustas über die Wolga-Bulgaren
zu schliessen, dass dieser vor dem Jahre 301 H. (913/14 n. Chr.)
geschrieben habe-).
Gaihäni hat nun in sein Werk unzweifelhaft sehr alte Be-
richte aufgenommen, dieselben aber vielfach mit jüngeren Bestand-
teilen verbunden, ohne dies irgendwie äusserlich kenntlich zu
machen. Zu diesen jüngeren Elementen gehört namentlich auch
der Reisebericht des Härün b. Jahjä, der als Kriegsgefangener
nach Konstantinopel kam und von dem die Beschreibung von
Konstantinopel und des Weges von da nach Rom herrührt'^).
Weiteres über ihn später. Der Bericht über die Chazaren enthält
nun unstreitig sehr altertümliche Züge : so die türkischen Namen
der beiden Hauptstädte, den Titel des Majordomus öL/iXj( , vor
allem aber die Nachrichten über das Heerwesen und die nomadische
Lebensweise der Chazaren. Daneben aber finden sich doch einzelne
Angaben, die auf jüngeren Ui'sprung zu weisen scheinen. Ich
^) Dass Gaihänl die gemeinsame Quelle des Ibn Rusta, Bekri und
Gurdezi ist, hat auch Geza Kuun, Keleti Kütfök S. 8 ff . erkannt,
aber auf Grund ganz anderer Erwägungen. Herr Prof. v. Lenhossek
hatte die Güte, mir die Einleitung vorzuübersetzen. S. 10 führt der
Verf. aus, die Bemerkung, dass einer der beiden Flüsse im Magyaren-
lande grösser sei als der Gaihün (Oxus) , weise auf Gaihäni , der die
Gewohnheit hatte, alle Flüsse mit denen seiner eigenen Heimat zu ver-
jlleichen. Besonders aber spreche für Gaihäni die charakteristische
Form der Darstellung, die auf Erdmessung und physikalische Geographie
l)esonderc Rücksicht nahm, während bei den andern Geographen ethno-
graphische und historische Gesichtspunkte im Vordergrunde standen.
Nach Kuun hätte Gaihäni sein Werk wahrscheinlich noch vor 907
geschrieben. Er steht hier unter dem Banne der sonderbaren Beweis-
führung C h w 0 1 s 0 n s.
2) Angeführt bei de Goeje, Bibl. Geogr. VIT, p. VI.
3) Ibn Rusta iil , 2 in, 4. 6. 23. in, 24. T., 1.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 27
will kein Gewicht darauf legen, dass der Bericht als Feinde der
Chazaren nur die Peöenegen kennt i), während der Berieht über
die Magyaren noch eine Spur davon bewahrt hat, dass in der
ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts noch die Magyaren das Chazaren -
reich bedrängten-). Dagegen scheint mir die Angabe, dass es in
den beiden Hauptstädten zahlreiche Muslime mit Moscheen und
Schreibschulen, Imämen und Gebetsausruf em gebe, auf eine spätere
Zeit zu weisen.
Sollte es sich aber dennoch herausstellen , dass der Bericht
einheitlich ist und aus der Feder des Muslim b. Abu Muslim
stammt, so hätten wir Mas'üdis Datum für die Annahme des Juden-
tums als korrekt anzuerkennen. In der Erzählung Bekrls hätte
sich dann zwar eine richtige Erinnerung an die zeitweilige An-
nahme des Christentums durch den Chazarenfürsten infolge der
Mission des Konstantin erhalten , allein dieselbe wäre fälschlich
vor den Übertritt zum Judentum gesetzt, was bei der ephemeren
Dauer jener Bekehrung leicht begreiflich wäre. Ist dagegen unsere
obige Annahme richtig, so haben die chazarischen Füi-sten nur
etwa ein Jahrhundert lang der jüdischen Religion gehuldigt.
Schon vor der förmlichen Annahme des Judentums scheint
der kriegerische Geist unter den Chazaren geschwunden zu sein.
Wenn wir Mas'ödls Datum für jenes Ereignis annehmen dürften,
so wären wir geradezu berechtigt, diese Abnahme des kriegerischen
Sinnes mit der Annahme der neuen Religion in ursächlichen Zu-
sammenhang zu bringen. Jedenfalls hat dieselbe aber diese Ent-
wicklung beschleunigt, und an den Chazaren haben sich die Be-
fürchtungen bestätigt, welche räuberische Nomadenvölker jederzeit
von friedfertigen Religionen hegten^).
3. Die ältesten Berichte über die Magyaren.
Schon ums Jahr 833 baten der Chagan und der Beg*)
(Wezier) der Chazaren den Kaiser Theophilos (829 — 842), ihnen
gegen die Einfälle der Nomaden eine Festung zu erbauen, worauf
dieser den Spatharokandidatos Petronas absendet, welcher den
1) Ibn Rusta \f,, 5; GurdezI a. a. 0. S. 96, 4.
") Ibn Rusta iff, 1 flf.
^) So z. B. das Hunnenheer des Sanesan, Fürsten der Mask'ut'k'
bei Faustos von Byz. 3, 6. Aus denselben Gründen ist der Türke
Tonjukuk ein Gegner des Buddhismus, Journ. asiat. 1864, 2, 460 s.
Deguignes I 579.
*) Konstantin Porphyrog. de admin. imp. c 42, p. 178, 2 ist zu
lesen: 5 ydp x«yävos xai 6 nix Xa^agias füi' 6 xai nix X., wie das
folgende Prädikat im Plural zeigt. Konstantin hat also so gut wie die
Araber zwischen dem Chagan und seinem Majordomus zu unterscheiden
gewusst.
28 J- Marquart,
Chazaren die Backsteiiifestung Sarkel am Don erbaut i). Hierauf
bezieht sich eine Stelle im Bericht des Ibn Rusta über die
Magyaren S. Ift*', 1 ed. de Goeje: ^^Xü'S Uxs ^jü ^^,! ^^üü^,
*.$>l3^J Ä.4.i>Uil d. h. „Es heisst, dass die Chazaren einstmals sich
selbst mit einem Graben umgeben hatten aus Besorgnis vor den
Magyaren und andern ihrem Lande benachbarten Völkern". In
dieser Notiz ist allerdings nur von einem Graben die Rede, während
Konstantinos Porphyrogennetos von einer Backsteinfestung Sarkel
am Don spricht. Ich glaube aber trotzdem, dass beide Berichte
auf dasselbe Ereignis zu beziehen sind und sich gegenseitig er-
gänzen. Es wird sich um ein ganzes Befestigungssystem handeln,
von welchem der Byzantiner nur das wichtigste Stück, die Festung
Sarkel hervorhebt. Aus Ibn Rusta erfahren wir noch, dass diese
Befestigungen in erster Linie gegen die Einfälle der Magyaren
gerichtet waren, die sich damals also besonders lästig gemacht
haben müssen 2). Gegen die PeSenegen kann Sarkel nicht ursprüng-
lich angelegt worden sein, da diese damals noch östlich von der
Wolga Sassen. Dies spricht sehr für die Vermutung Harkavys^),
dass die Hauptquelle einer Reihe von Nachrichten über das by-
zantinische Reich und die osteuropäischen Länder bei den älteren
arabischen Geographen, wie Ibn Chordä^bih, Ibn al Faqih u. a.
eine Schrift des Muslim b. Abu Muslim al Garmi gewesen sei.
Dies gilt vor allem von den Berichten über die Chazaren, Magyaren,
Peßenegen, Burdas, Wolga - Bulgaren , Slawen, Russen, Burgän
(Donau -Bulgaren) bei Ibn Rusta, Bekri und Gurdezi, die, wie wir
gesehen haben, zunächst aus Gaihänl schöpfen. Über jenen sonst
fast unbekannten Schriftsteller berichtet Mas'üdi, Kitäb attanbih
II., 25: „Er hatte in den Grenzfestungen (,jjü) seinen Wohnsitz
und kannte die Romäer und ihr Land. Er hat Schriften verfasst
über die Geschichte der Romäer, über ihre Könige und Würden-
träger, ihr Land, seine Strassen und Wege, die Zeiten des Einfalls
in dasselbe, die Kriegszüge gegen dasselbe und die benachbarten
Königreiche, die Burgän (Donau-Bulgaren), Avaren, Bur/ar (Kuban-
1) Muralt, Essai de Chronographie byzantine I 415 setzt das
Ereignis ins Jahr 833, Graf Geza Kuun, Kelationum Hungarorum
cum gentibus orientalibus liistoria aiitiquissima I 86 ins Jahr 835.
2) Vämbf5ry, Ursprung der Magyaren S. 125, der den Bericht
auf die spätem Sitze der Magyaren in Panuonien bezieht, versteigt
sich zu der grotesken Annahme, dass „hier unter Khazarcn nur die vor
der Einwanderung der Magyaren in Pannonicn ansässigen Khazarcn
verstanden werden" !
'') Skazanija musulmanskicht pisatelej, St. Petersburg 1870,8.29-34,
181, 286, citiert bei Harkavy, Sur un passage des Prairics d'or con-
cernant Thistoire ancicnne des Slaves in den Arbeiten des Petersburger
Orientalistenkongresses 1876, Bd. II 338 s.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 29
Bulgaren?), Slawen, Chazaren u. a." Er befand sich unter den
Kriegsgefangenen von Zibatra (Sozopetra) , die im Jahre 231 H.
(845/46) losgekauft wurden. Ibn Chordä^bih hat seine Schriften
bereits benutzt (ed. de Goeje i.o, 5), leider wissen wir aber nicht
mit Sicherheit, ob dieses Citat sich schon in der ersten Ausgabe
des Werkes Ibn ChordaJbihs (um 232 H. = 846/47 n. Chr.) oder
erst in der spätem nicht vor 272 H. vollendeten ») fand. Doch
ist ersteres wahrscheinlich, da es sich auch in der Handschrift B
findet, welche nach de Goeje eine nach der ersten Ausgabe an-
gefertigte Abkürzung des Werkes darstellt. Dann muss Muslim
schon zur Zeit jenes Loskaufs als Schriftsteller bekannt gewesen
sein. Ein besonders eklatantes Beispiel für das Alter dieser Haupt-
quelle für die Ethnographie des Nordens ist die Bemerkung bei
Ibn Eusta ir., 11, dass Britannien von 7 Königen beherrscht
werde-). Bekanntlich war aber die angelsächsische Heptarchie
schon durch den westsächsischen König Ecgbert beseitigt und
England seit dem Jahre 827 geeinigt worden. Auch die Be-
schreibung der Sitze der Pec^enegen bei BekrT und Gurdezi '^) weist
auf die Zeit vor 839 zurück. Beachte auch die Namensform
^LfVä^, genauer bei Ibn Chord. \^], 9 und al Baihaqi (bei Abul-
fedä, Geogr. I f.1 , 7 = II 1, 293) •L.^äi> für späteres ^L^äs
Qypcaq. Insbesondere spricht für jene Hypothese auch der Um-
stand, dass sich bei Bekrl neben den aus Gaihäni (Härün b. Jahjä)
und Ibrahim b. Jaqüb entnommenen Nachrichten über die christ-
lichen Bulgaren noch ein Bericht über die heidnischen Burgän
(Donau-Bulgaren) findet, die mit Romäern, Slawen, Chazaren und
1) de Goeje, Bibl. Geogr. Arab. VI, p. XX.
^) Diese Bemerkung kann natürlich nicht von Harun b. Jahja
stammen. Offenbar hat dieser dieselbe mit der Beschreibung des Weges
von Rom nach Britannien aus einem älteren Werke übernommen. Für
die eigene Zeit des Härün ergibt sich aus der Notiz, dass die makedo-
nischen Slaven unter dem König (j-yvwJ d. i. dem Kaiser Basüeios I.
867—886 das Christentum angenommen hatten (S. il*v, 15), als terminus
a quo das Jahr 867. [Vgl. de Goeje bei Westberg, Ibrählm's-
Ibn-Jä'küb's Reisebericht über die Slawenlande S. 127. 156. Mem. de
l'Acad. de St.-Petersbourg Vllle Sör. t. III ur. 4, 1898. Korrekturzusatz.]
Dieselbe Angabe hat auch Bekrl übernommen (Kunik und Rosen,
Izvestija al-Bekri S. 38, 4), der sie der abweichenden des Juden Ibrahim
b. Ja'qüb gegenüberstellt. Dagegen ist die Angabe, dass die eigentüm-
liche Ceremonie, welche der Papst jährlich am Gründonnerstag im
Grabe des Apostelfürsten vornehmen soll, bereits seit 900 Jahren geübt
werde (ifi, 4), auf jeden Fall um 100 Jahre zu hoch gegriffen. Vom
traditionellen Todesjahr der Apostelfürsten, 67 n. Chr., führen uns
800 Jahre gerade bis 867 n. Chr. Auf eine wenig spätere Zeit weist
der Bericht über die Slaven, nach welchem Swatopluk (870 — 894) noch
auf der Höhe seiner Macht steht.
") Kunik und Rosen, HsBicxifl aj-BcKpH S. 42, 17; Gurdezi
bei Göza Kuun, Keleti Kütfok S. 14 f.
30 J- Marquart,
Türken üS^JcJI im Kriege liegen'). Unter diesen Türken können nur
die Magyaren unter ihrem gewöhnlichen byzantinischen Namen
TovQ'/.oi gemeint sein. Höchstwahrscheinlich denkt der Verfasser
dabei an den Einfall der Magyaren ins Gebiet der Bulgaren im
Jahre 839 oder 840 (s. unten).
Der Erfolg jener Grenzbefestigung zeigte sich ebenso rasch
wie einst bei der grossen chinesischen Mauer; die nunmehr vom
Gebiete der Chazaren abgesperrten Nomaden suchten in der Ferne
Beute und schon im Jahre 839 oder 840 erscheint auf den Hilferuf
der vom Bulgarenkan Krum aufs linke Donauufer verpflanzten
makedonischen Slawen eine unzählbare Menge von Magyaren (in
den Quellen abwechselnd Ovyyooi, Tovqxov und Ovvvoi- genannt)
an der Donau-).
Als so den Magyaren die Macht, dem Chazarenreiche zu
schaden, genommen war, entwickelte sich bald zwischen den beiden
Völkern ein gutes Einvernehmen , und die Magyaren gerieten in
eine Art Abhängigkeit vom Chagan. Die alte Quelle des Gaihäni
(s. 0.) lässt sie zwischen zwei Flüssen wohnen , deren Fischreich-
tum ihre Hauptnahrungsquelle bildete und von denen der eine
grösser als der Oxus sein soll. Ibn Rusta teilt die Namen der
beiden Flüsse nicht mit, bei GurdezT dagegen werden sie J^j"!
liil und Lj»l> genannt, bei Sukru'lläh b. Sihäb .y^'J] und Ls^ ^).
Das nächstliegende wäre, an die Wolga (Itil) und den Don*)
zu denken, also Li^J zu emendieren. Allein die Wolga wird
durch Ibn Rustas ausdrückliche Angabe ausgeschlossen , dass
beide Flüsse ins Romäermeer d. h. ins Schwarze Meer münden^).
») Bekrl S. 45, 19 ff.
2) Theoph. Cont. V 5—9; Leo Diac. 231, 13—234, 48; Georg.
Monach. ed. Bonn. 530. de Muralt verlegt dies Ereignis ins Jahr 837,
s. aber Geza Kuun 1. 1. I 132.
^) ^j.!«jd! x^^i, verfasst a. 862 H. = 1556, bei Hammer,
Sur les origines russes p. 108, 9 = 47 d. Übs. Muhammad al Kätib,
der in seinem ;^j.\y^\ ,t/eL> (verfasst 982 H. = 1574) den Sukru'Uäh
kompiliert, schreibt Lls^ ; eb. 124, 1 = 65.
*) An die Donau (bei Mas'üdT, Tanbih 1v, 14 ^>.iO, Ut^, 16 ^i^^)
darf hier nicht gedacht werden, da der Bericht durchaus auf die alten
Sitze der Magyaren im Dongebiet weist, wenn man nicht etwa eine
spätere Interpolation im ursprünglichen Berichte annehmen will. In
diesem Falle böte sich zur Erklärung dar, dass in der Chronik von
Dubnica der Name Etel den Dnjestr bezeichnet (Geza Kuun 1. 1. I 189).
Unter den beiden Flüssen hätte man dann den Dnjestr und die Donau
zu verstehen , welche die Grenzen des Magyarengebietes in Atelkuzu
angeben würden.
'^) Ibn Rusta ifP, 12; GurdezI bei Bartbold S. 98, 10 sagt:
(AXM Lj.O .\ -J ..y^:>- O». :i iS statt ;;J! ^O »S .
Osteuropäische und ostasiatische Streifzügo. 31
Den Don kennen die Araber überdies sonst unter seinem grie-
chischen Namen Tanais i). Dazu kommt, dass die Sitze der
Magyaren gegen Osten sicherlich nicht bis zur Wolga reichten.
Die Beschreibung der beiden Flüsse bei GurdezT ist sehr unklar
und wimmelt, wie der ganze Bericht über die Magyaren, von
Übersetzungsfehlern. „An jenem-) Strom (Gaihün), der zur Linken
von ihnen auf der Seite der Slawen ist, sind Leute von den
Romäern, sämtlich Christen, die man ^^xi Nandar nennt. Sie
sind zahlreicher als die Magyaren, aber schwächer . . . Wenn die
Magyaren am Ufer des Flusses sind, sehen sie diese Nandari's.
Oberhalb der Nandari's am Ufer des Flusses ist ein grosses Ge-
birge, und an der Seite dieses Gebirges kommt Wasser heraus".
Noch unbestimmter drückt sich Bekri über die Sitze dieses Nach-
barvolkes der Magyaren aus. Er sagt: „Eine Grenze des Magyaren-
landes erreicht das Land der Romäer, und am Ende ihres Gebietes
in der Nähe der Steppe ist ein Gebirge, das ein Volk bewohnt,
namens ^J^z\ , welche Pferde und Viehherden und Saatfelder be-
sitzen"^). Es ist also dasselbe Volk gemeint, welches Ibn Rusta
iri, 10 (vv^j-b nennt*) und ans äusserste Ende des Kaukasus setzt.
Soviel ist klar, dass nicht an das nordöstliche, sondern das nord-
westliche Ende des Kaukasus gedacht ist. Man ist daher ver-
sucht, in dem Flusse, welcher die Magyaren und y*^^ (j«-^-^)
trennt, den Kuban zu sehen. Freilich passt dazu die Angabe
GurdezTs nicht, dass jener Fluss an der Seite der Slawen sei.
Der grössere der beiden Flüsse, welcher rechts von den Magyaren
ist, läuft durch Saqläb und von da kommt er in die Wohnsitze
der Chazaren.
Wenn GurdezT Recht hat, den Fluss, welcher links von den
Magyaren ist, in die Nähe des Kaukasus zu verlegen, so muss der
1) Z. B. y*oyu Ibn Chord. !of , 12; g*^Lb Ibn Rusta aö, 17;
fj^lxh Mas'üdT, Tanblh 1v, 12 vgl. Murüg I 204, 260. Plinius h. n.
6, 20 gibt als dessen einheimische skythische Form Sinus an. Diese,
sowie das griechische Tävnig, weisen auf einen palatalen Anlaut, also
wohl auf ursprüngliches Öinwat zurück, was im Awestä die mythische
Bezeichnung des Regenbogens (Öinwat-Brücke) ist. In ähnlicher Weise
ist die Raiiha ('Pä, Wolga) zum mythischen Strome geworden. — Die
heutige Bezeichnung Don ist alanischen Ursprungs und geht auf das
Appellativ don, clonä , Wasser" zurück, hat also mit dem alten Namen
Tavate nichts zu thun.
2) Hs. ^^^> ^i^ lies e)^^^ Jj^.
^) Kunik und Rosen, Izvestija al Bekri S. 45, 6.
'») Ebenso Sukru'lläh bei Hammer 1. 1. p. 107, 15 = 47, Muham-
mad al Kätib eb. 123, 7 = 64.
32 J- Marquarf,
andere Fluss, welcher rechts von ihnen ist und zuerst durch das
Slawenland fliesst, auf der Westseite des Magyarengebietes ge-
sucht werden. Unter letzterem kann daher nur der Don gemeint
sein. Der Berichterstatter hat sein Gesicht also der Maeotis zu-
gewandt und geht von Ost nach West. Unsere eben ausgesprochene
Vermutung , dass unter dem Fluss links von den Magyaren der
Kuban zu verstehen sei, wird somit zur Notwendigkeit, d. h. wir
haben für Lj»J> zu lesen Lj.J' Kühä (bei Mos. Chor. Geogr. ed.
Soukry p. 25, 23 Kup% Theophan. p. 356, 27. 357, 9. 434, 11
und Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 42 p. 179, 15
Kovcfig, NikejDhor. cöt. övvt. p. 33, 15 Kwcpig Acc. Kuxfiva)^).
Nun findet sich aber bei älteren ungarischen Chronisten wie
Simon de Keza die Angabe, dass der Don bei den Ungarn
Etui heisse-). Dieser Sprachgebrauch kann sich nicht erst nach
der Einwanderung der Magyaren in Pannonien gebildet haben,
sondern muss von denselben aus ihrer alten Heimat mitgebracht
worden sein. Derjenige der beiden Flüsse des alten Magyaren-
landes, der grösser als der Gaihün ist, wäre demnach der Etui
d. i. der Don. Konstantinos Porphyrogennetos nennt das Land,
in welchem die Magyaren damals wohnten, yisßeÖia, das vom
Flusse Xidfxäg oder XiyyvXovg durchströmt wurde ■^). Unter
diesem Flusse ist nach Jerney nicht der Ingul zu verstehen,
sondern die heutige MoloSnaja, welche durch den Zusammenfluss
der beiden Quellflüsse Cinhul und Takmak gebildet wird^). Noch
heute werde die von denselben durchströmte Gegend Lepedika
genannt. Die Magyaren nahmen fortan als treue Bundesgenossen
an allen Kriegen der Chazaren teil, bis sie durch die Petenegen,
die ihrerseits durch einen kombinierten Angriff der Ghuzen und
Chazaren aus ihrem alten Lande zwischen Ätil und Jaik verdrängt
wurden, weiter nach Westen geschoben wurden. Sie Hessen sich
1) Es wäre sehr verführerisch, wegen der vielberufenen Stadt
jii-Ls^i Kummä^ar „Mägar an der Kuma" (Abü'lfid;!, Geogr. I l*.!, 8
= II, 1, 283), ,=>-Vi\ bei Ihn Batütä II 375—379. 382, deren Ruinen
man au der Vereinigung der Kuma mit der Byruma wiedergefuudeu
hat, hier an die Kuma zu denken, welche schon im Gesandtscbafts-
bericht des Zemarchos a. .568 unter dem Namen Kwcpriv (acc. Kcocprivit)
erscheint (Menander Prot. fr. 21 bei Dindorf, Hist. Gr. min. II 55, 2).
Allein abgesehen davon , dass der Zusammenhang jener Ruinen mit
den Magyaren zum mindesten sehr zweifelhaft ist (vgl. Klaproth,
Reise in den Kaukasus I 402 ff. ; Vämbery, Ursprung der Magyaren
S. 184 ff.), bleibt die Kuma schon aus demselben Grunde wie die Wolga
(S. 30) ausgeschlossen.
2) Vgl. Geza Kuun, Relat. Hungarorum cum gentibus orientalibus
hist. antiquissima I 39 ss.
3) De administr. imp. c. 38 p. 168, 8.
^) Angeführt bei G<5za Kuun, Relat. Huugar. cum gent. orieutal.
hist. antiquissima I 118 s.
Osteuropilisclie und ostasiatische Streifzüge. 33
jetzt in der Steppe zwischen Dnjepr und Sereth nieder, welche
später von den Pe^enegen durchstreift wurde. Dieses Gebiet er-
hielt den Namen 'JteX-xovCov d. i. etwa asaonorafxia oder pers.
!3^ .U/s , Zwischenstromland" ^), weil es von 5 Flüssen durch-
strömt wurde: dem Waruch (Dnjepr, hunnisch War)"), Kubu
(Bug), TruUos (Dnjestr, türkisch Turla) , Brutos (Pruth) und
^igsTog (Sereth)'^).
Der genaue Zeitpunkt der Verdrängung der Magyaren aus
dem Dongebiet und ihrer Festsetzung westlich vom Dnjepr ist
nicht überliefert. Der Slawenapostel Konstantin traf sie der alt-
slawischen Vita c. 8 zufolge noch zwischen 851 und 863 in ihren
alten Sitzen*). Einen wichtigen Fingerzeig gibt uns die Zweit-
älteste genau datierbare Nachricht über das Auftreten der Magyaren
im Westen. Zum Jahre 862 bemerkt Hinkmar von Rheims: sed
et hostes antea illis populis inexperti, qui Ungri vocantur, regnum
eiusdem (Ludwigs des Deutschen) populantur 5). Wir werden wohl
nicht fehl gehen mit der Annahme, dass es eine Nachwirkung des
eben erlittenen Stosses der am Don erschienenen Pe(ienegen war,
vor dem die Magyaren sich über den Dnjepr zurückgezogen hatten,
wenn wir jetzt nach mehr als 20 jähriger Pause die Magyaren
wieder ins Donaugebiet, ja bis nach Deutschland ihre Streifzüge
ausdehnen sehen, nachdem ihnen der Osten durch die neuauf-
getretene Macht der Pecenegen versperrt war. Also nicht drei,
sondern etwa 20 .Jahre hatte die Zugehörigkeit der Magyaren
zum Chazarenreich gedauert''). I^ diese Zeit passt auch allein
^) Vgl. Zeuss, Die Deutschen und die Naehbarstämme 751 f.;
Kuun 1. 1. I 189: Secunda compositi pars „terram intermediam'
denotat, cf. Szamos-köz, Mura-köze, Räba-köze.
2) Der hunnische und pecenegische Name sind wohl nichts als
eine Abkürzung des alten iranisch - skythischen Namens BoQva&evrje
d. i. *ioaru-stäna.
^) Konstantin. Porphyrog._de admin. imp. c. 38, p. 171, 7: "Ott
6 rcöv riaT^tvaicncdv lönos ii' (o im rors xnipcö Kniioxi]oav ui Tovqhoi,
xn^sTmi jtrtT« TT/V sTTMvvjUinv TMi' kxtlüs ovrcor TiorafiMv' ot ob nora-
uoi eioiv ovTOi' noraude tiqcöios o xaAovfievos Bnoovx, norauog Sev-
xeoos o y.füovfisvog Kovßov , noTUfioi iQixoi b icalovintvos TqovHos,
TtOTdftös rsrnoTot o yrt^nvusroi; Bi)OVToe, Ttoxa/ibs Tia'faixOs 6 xalovfievos
HsQKXOi. C. 40, p. 173, 12: ö ^e ronoe iv o> n^öisQov ol Tovqxoi vniJQXov,
hvount.srai. xaja trjv sncovvfiiav tov sxtlas Si.e^yofj.st'ov jcoranov 'Ersl
y.ai KovCo'', e*- (o Uprima ol Tlnrt.i.i'ftiü.rnt. ymoixovatr. In dieser Stelle
stecken zwei Fehler. Anstatt des Singulars tov s-xsToe Sieqxou^'-ov ■^o-
rniiov ist der Plural zu lesen: rcov bx. Sisovoii-'ix'^i' TTmautoi. Der
Singular ist eine Verschlimmbesserung eines Kopisten, der in Exf^-
Kov^ov die beiden Namen des Flusses sah, nach welchem die Landschaft
benannt sein sollte. Er fasste also Knr>i:ov als andern Namen für 'Eiel
und seizte zwischen beide ein xni = oder.
*) Über die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht s. o. S. 14.
^) Mon. Germ. Scr. I 50. Vgl. Ann. Alamann. a. 863: Gens Hunorum
christiauitatis nomen aggressa est (Mon. Germ. Scr. I G6).
^) Diese drei Jahre erinnern stark an die zwei Jahre, welche die
russische Chronik c. 15 zwischen der Berufung der drei russischen
Marquart, Streifzüge. g
34 J- Marquart,
dei- Zug der ügri gegen Kiew, welchen die russische Chronik,
freilich ohne einen Fürsten zu nennen, zwischen 888 und 898 setzt:
Les Ougres passferent auprfes de Kiev , prös de la montagne qui
s'appelle encore aujourd'hui la montagne des Ougres. Arrives au
bord du Dnieper, ils y etablirent leurs tentes; car ils etaient
nomades, comme sont encore aujourd'hui les Polovtses. Ils venaient
de rOrient; ils franchirent de grandes montagnes qu'on a appelees
montagnes des Ougres et se mirent ä combattre avec les Ylokhs
et les Slaves qui vivaient dans ces contrees etc. Die Chronik
verbindet dieses Ereignis unmittelbar mit der Festsetzung der
Ungarn in Pannonien und ihrem Auftreten auf der Balkanhalb-
insel, wofür ihr allein chronologische Daten zur Verfügung standen,
da sie nicht weiss, dass den Magyaren einfallen nach Pannonien
von 889 — 896 bereits 30 Jahre früher ein bis nach Deutschland
sich erstreckender Raubzug vorausgegangen war. Dass das Er-
scheinen der ügri vor Kiew in die Zeit vor der Festsetzung der
Russen unter Askold und Dir in der Hauptstadt der Poljane (nach
der traditionellen Chronologie im Jahre 862 n. Chr.) fallen muss,
zeigt der ganze Tenor der Erzählung ; es ergibt sich aber indirekt
auch aus den Angaben c. XVIII, dass Oleg bei seinem Angriff
auf Kiew bis zum Berg der ügri vorrückte, sowie dass Askold
und Dir auf dem Berge bestattet wurden, „der noch heute der
Berg' der ügri heisst". Darnach führte der Berg jenen Namen,
den er beim Einfall der Magyaren erhalten hatte, bereits beim
Zuge Olegs und beim Tode der beiden Russenfürsten (nach der
Chronik 880—881)1).
Die Verdrängung der Magyaren über den Dnjepr und die
Festsetzung der PeSenegen im Dongebiet war in erster Linie ein
schwerer Schlag für die Machtstellung des Chazarenreiches. Bei
dieser Auffassung wird es verständlich, dass den Russenfürsten
Askold und Dir die Festsetzung in Kiew so leicht wurde, und
dass sie es wagen konnten, den Tribut, den die Poljane bisher
den Chazaren gezahlt hatten, zu verweigern-). Doch der Chagan
war nicht gewillt, auf sein früheres Machtgebiet westlich vom
Don ohne Kampf zu verzichten. Er gedachte seine bisherigen
Bundesgenossen, die Magyaren, gegen die PeSenegen auszuspielen,
und mit ihrer Hilfe die gefürchteten neuen Herren des Dongebiets
wieder zu vertreiben. So lange die Magyaren unmittelbare Nach-
Brüder und dem Tode der beiden jüngeren, Sineus und Trnwor, ver-
fliessen lässt.
1) GurdezT bei Barthold 8.98,3 v. u. sagt allerdings, dass die
Magyaren die Slawen und Rös bekriegen. Doch ist in der Parallel-
stelle bei Ibn Rusta Ifl", 18 nur von den Slawen die Rede, so dass die
Vermutung sehr nahe liegt, dass die Mos nicht von GaihänT stammen,
sondern lediglich ein Zusatz des Gurdezi sind.
-^) Dies ist doch aus Nestor c. XV Ende zu schliessen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 35
barn der Chazai'en gewesen waren, lag es in deren Interesse, die
politische Zersplitterung jener in eine Anzahl von Stämmen unter
eigenen Häuptlingen zu begünstigen. Seitdem die Magyaren aber
vom Gebiet der Chazaren durch die Pecenegen getrennt waren,
konnten sie dem Chagan nicht mehr gefährlich werden , dagegen
war es jetzt für diesen von Wichtigkeit, die militärische Kraft
der Magyaren durch eine straffere Organisation zusammen zu fassen
und für den Angriff gegen den gemeinsamen Feind um so wirk-
samer zu machen. So Hess denn der Chagan kurze Zeit nach
der Festsetzung der Magyaren in Atelkuzu^) den Magyaren ent-
bieten, ihren ersten Wojewoden Lebedias zu einer Zusammenkunft
nach Chelandia (jetzt KalanSa obex-halb Perekop) zu schicken^), und
als dieser erschien, bot er ihm an, ihn zum Fürsten der Magyaren
unter seiner Oberhoheit zu erheben. Lebedias lehnte zwar ab, aber
auf seinen Vorschlag wurde von den Magyaren unter Grenehmigung
des Chagans der junge Arpady, des Salmucy'^) Sohn nach chazarischer
Sitte auf den Schild erhoben und zum Fürsten und ^daavog ge-
wählt*). Dies muss bald nach dem J. 862 geschehen sein. Die
Wahl des Ortes der Zusammenkunft an der Ostgrenze von Atelkuzu,
nicht weit vom Meere entfernt zeigt, dass damals der Landweg
vom Gebiet der Chazaren zu den Magyaren durch die Pecenegen
gesperrt war. Allein jene Massregel hatte nicht den von den
Chazaren gewünschten Erfolg. Die Pecenegen wurden immer
mächtiger, und Ende der achtziger Jahre muss ihr Druck immer
stärker geworden sein. So wandten sich denn seit dem Jahre 889
ihre Raubzüge wieder dem Donaugebiete zu, und bald mussten
sie auch aus Atelkuzu vor den übermächtigen Pecenegen weichen.
Schon Konstantinos Porphyrogennetos hat diese zweimalige
Verdrängung der Magyaren durch die Pecenegen durcheinander-
geworfen. Im wesentlichen richtig ist das Verhältnis aufgefasst
^) Konstantin. Porphyrog. de administr. imp. c. 38 p. 169, 11 ff.
'■^) oXiyov Se iqövov SiaSQauövTOS o xaydvos ixsTvos dc/cov Xa^n-
gias Tols TovQtiois Bfirjvvas xov nQOS avrov anonTalfjvni <^ sts ^ Xs-
XdvSta %6v TiQcJärov nvrwv ßofßot^ov. Bandurius hat bemerkt, dass
XsXävSia hier nicht als Appellativ für eine Art von Transportschiffen
(vgl. Kunik bei Dorn, Caspia 222 f.), sondern als Name einer Stadt
aufzufassen ist. Vgl. Geza Kuun 1. 1. 208. Lebedias nahm offenbar
eine ähnliche Stellung tmter den Magyaren ein , wie Kuridach unter
den Akatziren (unten S. 42).
^) Diese Form ist durch das dreimalige Vorkommen gesichert. Au
den beiden ersten Stellen (p. 170, 4. 6.) könnte zwar das anlautende ^,
da das vorhergehende Wort auf o auslautet, als Dittographie aufgefasst
werden, allein dies ist durch die dritte Stelle (170, 11 i^nsQ 2nluovxt,r^
ausgeschlossen. Die in späteren imgarischen Chroniken vorkommende
Form Almus ist aus ^aliini'rtris Salmuhy lautgesetzlich entstanden, wie
Geza Kuun 1. 1. I 22. '209 richtig bemerkt.
^) Arpady war damals noch sehr jung, da neben ihm sein Vater
Salmucy noch in Vorschlag kommen konnte.
3g J. Marquart,
von E. Dümmler, Geschichte des Ostfränk. Reiches II 439
Anm. 81).
Andere Scharen der Magyaren waren schon nahezu 100 Jahre
vor ihrem ersten Auftreten im Westen über den Kaukasus ge-
drungen und unter dem Namen ^aßaQTiOL äöcfakoi in Armenien
und Albanien erschienen. Konstantinos Porphyrogennetos berichtet,
dass ein Teil der Magyaren {TovQXOi) nach der durch die Pe6e-
negen erlittenen Niederlage ostwärts nach der Gegend Persiens
übergesiedelt sei und entsprechend der alten Benennung des
Volkes noch zu seiner Zeit ^aßägroi ccGtfccXoi genannt werde -).
H. Vambery3) bemerkt mit Recht, dass hier unter Persien
nicht das eigentliche Iran, sondern vielmehr dessen Dependenzen
zu verstehen seien, ,zu denen man nicht nur während der
Sassanidenherrschaft , sondern auch während der ersten Jahr-
hunderte des Khalifats den Kaukasus und die nördlichen Uferlande
des Kaspisees rechnete ^ Wie Jos. Thüry erkannt hat, sind
diese Saßägroi äörpaXoi identisch mit den \\L.npq.liß Sevordih'
, schwarze Söhne" der armenischen Chronisten, den iüjKj^L^Jl *)
asSäwardya, iijvyi^U^iS «5 >S'^aM?ar%a der Araber, al Baläc^uri
erwähnt ihr Auftreten mit folgenden Worten: „Eine Anzahl von
Einwohnern von BarJa'a (Partav) hat mir erzählt: Samkör war
eine alte Stadt. Da sandte Salmän b. Rabi'a al Bähili jemand
ab, der es eroberte, und es blieb ununterbrochen bewohnt und
blühend, bis es die Säwardl's zerstörten. Es sind das Leute die
sich zusammenrotteten zu der Zeit, als JazTd b. üsaid aus Armenien
abzog. Da ward ihre (der Stadt) Lage hart und ihre Schicksals-
schläge mehrten sich. Darauf bevölkerte es wieder Bo;'ä, der
Klient des al Mu'ta^im billäh, im J. 240 (854/55 n. Chr.), als
Statthalter von Armenien, A^arbaigän und SimSät und besiedelte
1) Doch setzt er S. 488 noch irrtümlich die Wahl des Herzogs
Arpady in die Zeit ihres Aufenthaltes im Lande der Chazaren.
*) De admin. imp. C. 38 p. 169, 11: xal rö /uiv ef fie^os ngos äva-
TO/Lr/v SIS TO T^g UeoaiSoi ixt^ot xarwxrjoev, ot xni fxejcgi rov vvv xatu
triv rcüv TovQ^iwv äoxniav kncjvvuiav unlovvrai ^aßäoTOi aafaloi.
Vgl. p. 168, 11. '
^) Der Ursprung der Magyaren S. 133.
■*) So al Balä^urT mit genauer Transskription des armenischen
WLn[>q.l>^ Sevordik' {ä mit Imäla gesprochen == arm. e). Die Spätem
schreiben dafür 'i.jj>. ^[^^!i\; indem sie etymologisierend für das arme-
nische seav, das beim Fortrücken des Tones zu sev werden rausste,
das entsprechende persische sijäw , »U*^ einsetzen. Die Identität der
2'aßänroc äo'i >Uoi des Konstantinos Porphyrogennetos mit den Sevordik'
der armenischen Chronisten hat Jos. Thury erkannt {Szdzadok 31,
1897, S. 317—327. 391—403, mir nur bekannt aus dem Resumd von
Wilh. Pecz, BZ. VIT, 1898, S. 201—202).
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 37
es mit Leuten von den Chazaren, die zu ihm gekommen waren
und ihn aus Verlangen nach dem Islam um Schutz baten".
Jazid b. Usaid as Sulami war nach al Balä()url von al Man9ür
bei seinem Regierungsantritt (754) zum Statthalter von Armenien
ernannt worden und eroberte das Alanenthor, wohin er eine Be-
satzung legte, und demütigte die Canark', bis sie Tribut zahlten.
Auf Befehl des Chalifen heiratete er sodann eine Tochter des
Chazarenfürsten ^). Nach Tabari III a1, 1 wurde Jazid bereits im
Jahre 134 H. (29. Juli 751 bis 16. Juli 752) zum Statthalter
von Armenien ernannt und wird als solcher im Jahre 135 er-
wähnt (a^, 10). Er wurde dann abgesetzt und an seine Stelle
trat al Hasan b. Qahtaba vom Stamme Taiji', worauf die Armenier
unter Musei einen Aufstandsversuch machten. Nach Ibn al A?9-ir
V f"o1, 4 wäre al Hasan b. Qahtaba bereits im Jahre 137 H.
(26. Juni 754 bis 14. Juni 755) Stellvertreter des Chalifen in
Armenien gewesen, wovon Tabari III ir, 17 ff. freilich nichts weiss.
Dagegen war er dies wahrscheinlich wenigstens im Jahre 140 H.
(757/58 n. Chr.), in welchem er nach einigen einen Sommerfeldzug
in die Gegend des Gaihän (Pyramos) gemacht haben soll-).
Wir düi-fen also immerhin als beglaubigt ansehen, dass die
Sevordik' bereits zwischen 750 und 760 in Armenien erschienen
sind, also 100 Jahre früher als Konstantinos Porphyrog. angibt,
der ihre Auswanderung ins persische Gebiet mit dem unglück-
lichen Kriege gegen die PeSenegen in Verbindung bringt, infolge-
dessen die Magyaren aus Lebedia über den Dnjepr westwärts ge-
drängt wurden (um 862).
Die Sijäwardi's wohnten nach Mas'üdl II 75 am Kur, östlich
von Tiflis und westlich von BarJa'a. Er beschreibt sie als „eine
Spezies der Armenier, tapfer und mächtig, nach dem was uns von
ihren Thaten erzählt worden. Nach ihnen sind die sogenannten
Sijäwardl-Streitäxte benannt, welche die Sisagäner und andere von
den persischen Truppen führen"-^). Istachri weiss wenig Rühm-
1) Bai. f.1, ult. Diese Nachricht wird bestätigt vom Armenier
tevond bei Brosset, Hist. de la Georgie I 257/58 not. Nach diesem
war es eine Chatun, eine Tochter des Chagans selbst.
2) Tab. III \ro, 11. Ibn al A,^Tr V TvP, \"^^,
3) Ausgabe Kairo p. aI) xjp^^U.w.J! O^j ^ {jS.^\ ^) L5Lr^-.5
' ^:>Lc^l iA>Li>- .-»/i rt yf>i-^ iL«.:^>.A^LA.<A*.J) 1^1.4-xx.w.j
Für ä^.:?Uv«UavJ1 hat die Pariser Ausgabe i«l:S^jL;^i! . Allein
38 J- Marquart,
liches von ihnen zu berichten. Er sagt nach der erweiterten
Rezension ß (cod. C, L und F) S. \f, 2 ed. de Goeje: ^^^
ijöaäJLäJI^, oLjwkäiU, d. h. „Hinter Bar<3a'a und Samkör ist eine Gat-
tung der Armenier, ßijcvi-ardija genannt, Leute der Verderbnis
und der Gewaltthat und des Eäuberhandwerks". Darnach er-
scheinen die östlichen Magyaren als ein ähnliches Raubgesindel
und zeigten dieselben unliebenswürdigen Eigenschaften wie ihre
europäischen Brüder.
Dimasqi (trad. par Mehren p. 378) rechnet die Sijäwardija
gleich den ebenfalls unarmenischen üj .U^aJi (Canark') und „ S
(Georgiern) zu den Armeniern. Nach d'Ohsson bewohnten die
Sijäwardija das Thal des Borßalo, eines Zuflusses des Kur^).
Thomas Arcruni III 33 nennt sie \S^"pi-l'-ß t^tutj.tupnL. ^Sevordik''
der Hagar^ und stellt sie damit als räuberische Nomaden den
eigentlichen Kindern der Hagar, den Ismaeliten gleich: „Quand
le grand deuil (für Gurgen , den Bruder des Königs Gagik , nach
923 n. Chr.) fut termine, le roi mit fin dans le pays aux agitations
de la guerre , causees par les Persans et par les noirs enfants
d'Hagar, vivant du cöte des montagnes"-). Inöißean, Stora-
grut'iun hin Hajastaneaic' S. 335 führt eine SteUe aus Johannes
Katholikos an, in welcher sie als Bewohner des Gaues Uti be-
zeichnet werden , und an einer anderen Stelle nennt Johannes
einen nahapet (Häuptling) der Sevordik', namens Georg, und
leitet ihren Namen von ihrem Ahnherrn Sev ab^). Bei Stephan
Asoiik wird ihr Name \^lriuLiipr^^^ Seavordik^ geschrieben , in
der Geographie des Wardan Wujunfir^liß Savordili. ^). Nach
Brosset hatten sie den Süden der Provinz Gugark' und die an-
grenzenden Landschaften , wie Arcax , Uti und die benachbarten
die Sajäbiga (über welche zu vergleichen de Goeje, De Sajabidja. Feest-
biindel ter gelegenheid van ziju tachtigsten geboortedaag aan P. J. Veth
S. 10—12) haben hier nichts zu thun. Vgl. dagegen Beb llf, 16 und
Anm. f. Ibn al Faq. Caa, 16. fü, 12.
1) Les peuples du Caucase p. 170, angeführt von Mehren (mir
nicht zugänglich).
2) Brosset, Collection d'historiens armeniens, St. P^tersbourg
1874, I 232. — Auch die Ungarn werden von den abendländischen
Chronisten häufig Agareni genannt.
^) Johannes Katholikos, Jerusalem 1867, S. 235. 275; trad. par
J. Saint-Martin, Paris 1841, p. 175. 210 [s. Nachträge].
•*) Ich entnehme die Citate I n c i c e a n , da mir die Werke der
beiden Historiker nicht zu Gebote stehen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 39
Gaue inne '). Vielleicht sind sie später in den Utiern aufgegangen,
die wahrscheinlich zur albanischen Nation (armenisch W/l2'-"^.ß
Alvank^) gehörten und deren geringe Reste in wenigen Dörfern
in Transkaukasien und einigen kleinen Ortschaften am Kaspischen
Meere noch heute eine Sprache reden , welche zur südöstlichen
oder kürinischen Gruppe der kaukasischen Bergsprachen gehört-).
Die Nachricht des Konstantinos Porphyrogennetos über die
^aßuQTOi docfaXoi stammt, wie die Namensform zeigt, aus arabisch-
persischen Quellen. Denn ^aßaoxoi (gesprochen Savardi)^) stellt
sich gegenüber armen. Sevordild' genau zu arab. iuO.^Ljyw.Jl . In
dem Werke De caerimoniis aulae Byzantinae II 48 p. 687, 13/14
ed. Bonn, gebraucht der kaiserliche Schriftsteller dagegen die
armenische Namensform ^eßögvLOi = Sevordih\ welche er formell
richtig durch Mavga TiaLÖia übersetzt. Wir erfahren hier von
ihm , dass diese Nation unter drei Häuptlingen {uQ^ovrec; , arme-
nisch ^üiw'yujttfk-urß) stand*). Ich sehe aber in dem -ordik^ des
armenischen tSevordik' „schwarze Söhne" nur volksetymologische
Umbildung eines barbarischen Volksnamens. Man erinnert sich
unwillkürlich, dass die russische Chronik die Magyaren TJgri
cernii „schwarze Ungri" nennt im Unterschied von den JJgri
helü „Weiss - Ungern" d. i. den Chazaren. Diese „schwarzen
Ungern" sind aber, wie man längst erkannt hat, zu kom-
binieren mit den ■z>- La Qarä Chazar „Schwarz-Chazaren" des
Istachri^). Das armenische Sev-ordiM erklärt sich somit als
armenische Volksetymologie für *Sev-orgtk^ „schwarze Orgi^
(Ugrier) , wobei die erschlossene Grundform *Orgi gegenüber
dem slawischen Ugri {*Ugri) die bekannte alanische bezw. osse-
tische Konsonantenversetzung zeigt*'). Wir haben demnach in den
1) 1. 1. p. 232 n. 2.
-) Vgl. von Erckert, Der Kaukasus u^nd seine Völker. Wien
1888, S. 247. Die Sprachen des kaukasischen Stammes. Wien 1895,
11 S. 67. 385. 388.
ä) Die Tenuis weist hier wie in andern Transskriptionen fremder
Namen bei Koustantinos wohl weniger auf westarmenische Aussprache
hin, sondern dient nur zur Bezeichnung der reinen Media im Unterschied
von den neugriechischen Spiranten fJ, y. ö. Vgl. z. B. ntx bäg p. 178, 2;
rie^xQi = Berkri p. 191, 14. 192, 9. 196, 5; nayxodrios Bagrat 189, 12 etc.;
L4noynvefi 184, 3 ^= *iLc »j! ; 'A:ioaa.Ttti p. 191, 18. 192, 16 = lAx*« j.j1 *
.4noasßuzas 193, 9 = äjL-w »j1 ; 'Anoael/xris = A.m yi\ 194, 8. 196, 1 usw.
*) El? TOVS y äoxOVXUS XCÖV ^EOßOTlOJf (1. ^eßOQlicJv) TCOV
Isyofitvatv Mnv^a naiSia. Vgl. Brosset 1. I. p. 617.
5) Ist. rT, 11. Ihn Hauq. r^^T, 6. Ibn Fadlän bei Jäq. II fl^A.
") Phantasiereicbe Leute werden natürlich der Versuchung nicht
widerstehen können, hier auch die zu den Sarmaten gerechneten Ovgyoi
bei Strab. S 3, 17 p. 306 heranzuziehen (siehe z. B. Geza Kuuu, Relat.
40 J. Marquart,
Sevordik^ oder ^aßccgroc äöcpaAot einen östlichen Zweig dei-
ügri aernü zu erblicken^) und die Behauptung des Kaisers, dass
jene den alten Namen der Magyaren (Tovgxof) bewahrt hätten,
besteht zu Recht. Nun wird sich auch der bisher so rätsel-
hafte Beiname äocpaXoi, den die ^aßägroi beständig führen, be-
friedigend erklären lassen. Da die Form ^aßdgroi aus arabisch-
persischer Quelle stammt, so ist dies auch für das Wort äocpaloi
zu vermuten: es kann kaum etwas anderes sein als arab. J^ä*«!
„unterhalb", so dass also die armenischen Sevordz'Jc' als „untere
Schwär z-Ungern" bezeichnet wurden im Unterschied von dem
nach Atelkuzu und später nach Pannonien ausgewanderten Zweige.
Da nun die Magyaren bereits in verhältnissmässig so früher
Zeit unter dem Namen Sevordi/c'' in Armenien auftreten, so wird
man sich fragen müssen, ob sie sich nicht schon in einem früheren
Zeitpunkt im Norden des Kaukasus nachweisen lassen. Erwägt man,
dass die Magyaren bei ihrem Auftreten in ihrer jetzigen Heimat als
ein echtfinnisches Fischer- und Jägervolk geschildert werden 2), so
denkt man zunächst an die gens Aca tzir orum fortissima,
frugum ignara, quae pecoribus et venationibus
victitat. Cassiodor lässt sie freilich südlich von den Aisten
(Litauern und Preussen) wohnen, und setzt jenseits von ihnen die
Bulgaren am Pontos, — die am Kuban sassen — von denen er
wiederum die Hunnen unterscheidet ^j. Allein aus Priskos fr. 8
geht deutlich hervor, dass die 'Axcct^iqoc gleichfalls in der Nähe
des Pontos sassen *), wenn auch wahrscheinlich mehr nördlich nach
Hungarorum cum gent. Orient, bist, antiquiss. 1 21. 89. 91*). Allein
die Worte Strabons lauten: /? de viieuKtif(.tiy// naou xoü /.txd-svrog ue-
T«|v BoQvodii'uv^ xai 'laiQOV Ttfjcörri fiBf ioriv tj icuv FeTuiv korjfiia,
enena oi TvQeyirai, fied"^ ove ol 'lä^vyes ^aofiätni xnl oi Baoilsiot
leyäusvoi ynl Ov^yot, lo /tiei' Tikiov rofidSse, oliyoi. Se xai yecoQyins
sTti/ieliovfievoi,' rovrovs faai -Aal ixnQO. tov ' Iotqov oi^celr, sf' exäjtQa
noXXdyie.
1) Auf den Zusammenhang zwischen den Sev-ordik' und den Ugri
cernii der russischen Chronik hat, wie mir Graf G ^ z a K u u n mitteilt,
bereits Thüry aufmerksam gemacht.
2) Regino ad a. 889: Et primo quidem Pannoniorum et Avarum
solitudines pererrantes, venatu ac piscatione victum cottidianum quae-
ritant. Vgl. Z e u s s , Die Deutschen und die Nachbarstämme 746 f.,
wo auch eine interessante Stelle des Anonymus regis Belae notarius
c. 7 angeführt wird.
3) Jordan. Get. c. 5 § 37 ed. Mommsen: Quibus (Aistis) in
Austrum adsidet gens Acatz'irorum . . . Ultra quos distenduntur supra
mare Ponticum Bulgarum sedes, quos notissimos peccatorum uostrorum
mala fecerunt. Hinc iam Hunni quasi fortissimorum gentium fecun-
dissimus cespes bifariam populorum rabiem pullularunt . nam aUa
Altziagiri, alii Saviri nuncupantur, qui tarnen sedes habent divisas:
iuxta Chersonem Altziagiri, quo Asiac bona avidus mercator importat,
qui aestate campos pervagant effusas sedes, prout armentorum invita-
vcriüt pabula, hieme supra mare Ponticum se referentes.
") Müller, FHG. IV p. 89 a: der älteste dor Söhne Attilas von
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 4X
der Waldregion zu. Der Name 'AxarigoL oder '^xcer^igoi ') ist
unzweifelhaft türkisch, wie schon Hammer, Gesch. der goldenen
Horde S. 16 erkannt hat: alttürkisch *aqac-äri, oghuzisch , c :>Lt!
ayac-äri bedeutet „ Waldleute '''^). Dies war offenbar die hunnische
Bezeichnung des Volkes, welche für ein Jägervolk ja sehr treffend
war, die einheimische Namensform ist uns vorläufig unbekannt.
Die 'AxuT^iQOL standen zur Zeit Attilas unter einer grossen An-
seiner Gemahlin Kreka r/^x^ twi' I4xnriocov ynl rdiv Xomtüv eO'rföv
V e fi o fi tv cor z i, v ?r /> <) s t o 7' Tl ü vt o i' ^ y v d' i y. r/ 1>,
1) Priskos kann sehr wohl l^ynnpot geschrieben haben, was spätere
Abschreiber und Excerptoren in das der barbarischen Aussprache näher
kommende '^y.äTL,i(>oi geändert haben mögen. Vgl. Xo/.iniai Men. Prot,
fr. 20. 21 ^ türk. Qalac, TaKfxat Konst. Porphyrog. de admin. imp.
c. 37 p. 165, 3 = 'l\xAfo.iQoi de caerim. p. 579. 664. 667 d. i. türk. Talmai
(vgl. C. Neumann, Byz. Zs. III, 1894, 374 ff.).
-) Vgl. Houtsma, Ein türkisch-arabisches Glossar S. \^,, 2. 49.
Nach einer türkischen Genealogie bei KasTd-eddin (citiert bei Göza
Kuun, Relat. Hungar. cum gent. Orient, bist, antiquiss. II 133****
mir nicht zugänglich) war Ayacäri der Name einer der sieben Türken-
horden (die andern Oyuz, Qypcaq, Chalag, Qarlyq, Qanqli, Uigur).
Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten über den skyth. Nordcni
II 13 sieht in Aydtt^iooi eine hunnische Bezeichnung der in die Wald-
region zusammengedrängten Finnenstämme. — Andere haben in 'Axd-
t^iQoi eine ältere Namensform von Xäc,a()oi (arm. \a"'qj'{'^ Chasirlc')
gesehen, wie schon der Anonymus Ravennas p. 168, 14. Allein dies wäre
nur unter der Voraussetzung denkbar, dass . •c> bezw. (Plur.) ..I -3» die
persische Namensform gewesen wäre — wie Mas'üdT, Tanblh aF^, 16 in
der That behauptet (s. WZKM. XII, 193) — die dann von dem Volke
selbst recipiert worden sein müsste. Denn dass die Form . ;3> thatsächlich
bei den Chazareu selbst gebräuchlich war, zeigt der Titel ...LäL^ ,-:>•
Ibn Rusta \f"\ , 10, bei Istachri M'f, 4 ^ li* tj^^'-^ (1^° Fadlän bei Jäq.
II frA jAx>>.i! (mL^L-5* „Gross-Chagan"), den der Gross-Chagan führte,
sowie der Ausdruck . ;i> L'i Ist. I^fl', 11 und Ibn Fadlän bei Jäq. II, f\"A
(aus gemeinsamer Quelle) für einen Teil der Chazaren. .Nur im Neu-
persischen wäre der Abfall des anlautenden a, sowie der Übergang von
intervokalischem c über z in z erklärbar, sodass Aqac-äri zu *Xazar,
Xazar werden konnte.
Henry H. Howorth, The Khazars, were they Ugrians or Turks?
(Travaux du Ille Congrös des Orientalistes tenu k St. Pdtersbourg
II, 1879, p. 135. 142) will nicht an die Etymologie von 'AxäT^ifjoi =
Ayac-äri glauben und setzt jenes vielmehr = . Li> v ! , dem Gegensatz
zu obigem Qara Chazar. Allein dies ist sachlich ganz verkehrt, denn
die ^AUT^ifjoi entsprechen vielmehr den „Schwarz-Chazaren" oder ügri
cernii, den Unterthanen ugrischen Stammes im Gegensatz zu den
, eigentlichen" (^j^iü) oder , weissen Chazaren", der wenig zahlreichen
Herrenrasse.
42 J- Marquart,
zahl von Stammeshäuptlingen, von denen der älteste gewisse Ehren-
rechte hatte , also ganz wie uns Konstantin noch die Ungarn des
9. Jahrhunderts vor der Wahl des Fürsten Arpad schildert. Kaiser
Theodosios suchte sie nun durch Geschenke von der Bundes-
genossenschaft mit Attila abwendig zu machen und zu einem
Bündnis mit den Römern zu bewegen. Allein sein Gesandter
verletzte hierbei die Etikette und der älteste Häuptling Kov^iSa^og
fühlte sich zurückgesetzt, weil er nicht zuerst beschenkt worden
war und rief den Attila gegen die übrigen Häuptlinge zu Hilfe.
Dieser sandte denn auch unverzüglich eine grosse Streitmacht,
welche jene Häuptlinge teils aus dem Wege räumte, teils zur
Unterwerfung zwang. Dem Schicksal , das Attila dem Kuridach
zugedacht hatte , entging dieser nur , indem er List gegen List
setzte, und behielt so die Herrschaft über seinen Stamm, während
die übrigen Stämme der Akatziren sämtlich unter die unmittelbare
Herrschaft des Attila fielen. Dieser bestimmt darauf seinen ältesten
Sohn Ellak zum Fürsten der Akatziren und lässt ihn durch Hünigis
COv7]yj'j(7iog) in sein Herrschaftsgebiet einführen (a. 448) i). Bei
dieser Gelegenheit werden dieselben schlechtweg als S^xv&ixov
^&vog bezeichnet, und alle Wahrscheinlichkeit spricht zunächst
dagegen, dass sie ein hunnisches Volk gewesen wären.
Nachdem Ellak in der Schlacht am Flusse Nedad in Pannonien
in heldenmütigem Ringen dem Schwerte der Gepiden erlegen war
und das grosse Hunnenreich sich aufgelöst hatte ^), werden auch
die Akatziren freier aufgeatmet haben. Aber ums Jahr 463
wurden sie von den Saraguren, welche gleich den Uguren und
Onoguren von den Sahiren aus ihren alten Wohnsitzen vertrieben
worden waren und sich eine neue Heimat suchten , angegriffen
und nach langen und hartnäckigen Kämpfen niedergeworfen.
Wenn sie jetzt als Hunnen (Axcctlqol Ovvvoi) bezeichnet werden,
so erklärt sich dies wohl zur Genüge daraus , dass sie ein be-
sonderes hunnisches Chanat gebildet hatten 3). Gegen 466 hatten
die Saraguren die Akatiren und andere Völker angegriffen und
wahrscheinlich zur Heeresfolge gezwungen*); darauf zogen sie
gegen die Perser und gelangten zuerst zu den Kaspischen Thoren
(hier Darband), welche sie jedoch durch eine persische Besatzung
bewacht fanden , worauf sie einen andern Weg einschlugen , auf
welchem sie nach Iberien (also durch das Alanenthor mit der
1) Prise, fr. 8 bei Müller IV 82 b. 83 a; vgl. 89 a. Jordanis
Get. c. 50. Der Name 'OvTiyrjuiog ist gotisch , so gut wie 'A^vsyioxioe,
'Ogviyiaxkog = Arngisl Prisc. fr. 38, Job. Ant. fr. 206 (C. Müller,
FHG. IV 617), was ich nur wegen Vämböry, Ursprung der Magyaren
S. 46 f. bemerke.
2) Jordan. Get. 50.
*) Prisc. fr. 30 p. 104 b: . . . uianeo xnl ol ^aQtiyovQOi elad'evrse
xara Ü,riTTiasv yi/s nijds lols IdxntiQOii Ovvvoig eyevovro, xal /Urions nobt
ixsivovg ■jTolXag miaxrjanfievoi zö re (pvlov ytairjycaviaftvTO ytk.
*) Prisc. fr. .37; Müller p. 107 b.
Osteuropäische uud ostasiatische Streifzüge. 43
Festung Wtro-parhak) uud weiterhin nach Armenien gelangten.
Wie früher den Hunnen, müssen also die Akatziren jetzt den Sara-
guren Heeresfolge leisten, und schon damals haben sie den Weg
über den Kaukasus kennen gelernt, welchen sie drei Jahrhunderte
später zum Schrecken Armeniens abermals beschreiten sollten.
Dainit verschwindet der Name der Akatziren. Dass es un-
philologisch ist, denselben mit dem Namen der Chazaren (arm.
Chazii'Jv) in Verbindung zu bringen , haben wir bereits gesehen.
Den gleichen Anspruch, für „Ugrier" zu gelten, können aber
neben den Akatziren auch die Unuguren erheben. Hunuguri
autem hinc sunt noti , quia ab ipsis pellium murinar um
venit commercium: quos tantorum virorum formidavit au-
dacia sagt von ihnen Jordanes Get. c. 5 § 37. Sie waren also
Pelzhändler und in ihren älteren Sitzen wohl auch Pelzjäger,
wie die Jü-kiüe-lü, die zu den Movxgi (Mekrit?) geflohenen
Überreste der echten Avaren oder Zuan-zuan, die östlich von den
Hia-ka (Hat-kat) d. i. den Qyryyzen des Jenissei sassen , also
etwa in der Baikalregion ^).
Freilich stimmt die Haartracht der Ungarn , die den Kopf
bis auf drei mächtige Zöpfe kahl schoren -), wie auch die Bulgaren
vor ihrer Festsetzung auf dem rechten Donauufer •^), nicht zu der-
jenigen der Jü-kiüe-lü : ces gens ont la tete couverte de longs
cheveux; leurs chefs gardent entiöre leur chevelure et l'enferment
dans un sac violet. Diese stimmt vielmehr überein mit derjenigen
der sogenannten Pseudavaren. sowie der Türk und Chazaren*). Die
Unuguren treten gleich den Saraguren und Uguren {OvQwyOL 1.
OvycoQOi) zum erstenmal um 463 im Norden des Kaukasus auf,
als sie infolge der durch die Eroberungen der Avaren ('Aßagsig)
oder Zuan - zuan hervorgerufenen Völkerbewegungen von den
Sahiren aus ihren alten Wohnsitzen vertrieben worden waren und
1) Theophyl. Sym. 7, 7, 7. 12. Vgl. WZKM. XU, 189. Ed. Cha-
vannes, Voyageurs chinois chez les Khitan et les Joutchen. le partie
p. 30. Extrait du Journ. as. , mai — ^juin 1897. Jü-kiü-lü war nach
chinesischen Angaben der einheimische Name der sog. Zuan-zuan oder
Zui-zui. Vgl. Deguignes, Gesch. der Hunnen und Türken I 457;
Parker, A thousand years of the Tartars.
") Eegino a. 889: Capillum usque ad cutem ferro caedunt. Vgl.
Jos. und Hermenegild Jirecek, Entstehen christlicher Reiche im
Gebiete des heutigen österreichischen Kaiserstaates von 500 — 1000.
Wien 1865, S. 217; Dümmler, Gesch. des ostfränkischen Reiches
II 448. N. 37. Vämbery, Ursprung der Magyaren 286 f.
^) S. die bulgarische Fürstenliste bei Göza Kuun, Relat. Hungar.
cum Oriente historia antiquissima II 11.
*) Vgl. Johannes y. Ephesos 3 , 25 : die fluchwürdigen Völker-
schaften der Slawen und derjenigen mit geflochtenen Haaren, welche
"AßapEis genannt werden (nach Barhebr. Chron. Syr. p. 95). 6, 24:
das greuliche Volk der Avaren, das nach seinen Haaren AßnQeis heisst.
Von den Türk sagt das Sui-su: ils laissent leurs cheveux ^pars (Journ.
as. 1864, 1, 351), und das Wei-su: les Tou-kioue laissent flotter leurs
^^ J. Marquart,
nun Gesandte zu den Oströmern schickten i). Sie blieben nun
an der Maiotis ßitzen, wo ihr Land patria Onogoria noch der
Geograph von Eavenna kennt. Agathias bezeichnet sie als Hunnen,
worauf aber wohl kein grosses Gewicht zu legen sein dürfte.
Nach ihnen soll die 'FesiuugVvoyovgig im Lande der Lazen be-
nannt sein 2). Der Ravennas führt, angeblich aus Libanios, noch
als interessante Einzelheit an, dass ihr Gebiet multitudinem
piscium ex vicinantibus locis habere, sed ut bar-
barus mos est, insulse eos perfruere. Als Fischervolk
schildert die Magyaren bekanntlich auch der Anonymus bei Ihn
Rusta^). Theophylakt 7, 8, 13 weiss sogar von einer ehemals
von den Unuguren besiedelten Stadt Baxcc^, die durch ein Erd-
beben zerstört worden sei.
Der Name 'Ovoyovgoi, Hunuguri, Ovwovyovgoi kann frei-
lich mit dem spätem Namen der Magyaren , OvyyQOi , Ugri etc.
nichts zu thun haben, sondern gehört offenbar zu hunnischen
Namen wie Bütug-ures (var. hurtugures) Jordanis Get. c. 53 § 272,
BiTTOQsg Agath. 2, 13 bei Dindorf, Hist. Gr. min. II 201, 6,
OvTiy-ovQOi und Kovrgiy-ovgoi bei Prokop und Agathias, Ko-
rt,ayy]goL bei Theophyl.'Sim. 7, 8, 16 (vgl. Korgäyi^yog 1. Ko-
Tgdyr]gog bei Menander Prot. fr. 6 bei C. Müller, FHG. IV
204), ^agay-ovgoi Priskos fr. 30 bei Dindorf, Hist. Gr. min.
I 341, 2. 14. fr. 37, Tovoo^ovgeg Prisk. fr. 1 bei Dindorf,
I 276, 7 = TunCarsos Jordan. Get. c. 24 § 126 , also wohl zu
lesen TovoF-ovgsg. Ob damit Namen wie Sadag-arü Jordan.
Get. c. 50 § 265, Altziag-iri Jordan. Get. § 37, 'Elfiiyy-eigog
ein Hunne Agath. 3, 21 p. 275, 8 (vgl. 'EX^iV-^ovg ein Hunne
Agath. 4, 15 p. 314, 31), Bard-ores (var. hard-ares) Jordan. Get.
c. 53 § 272 etwas zu thuu haben, ist mir zweifelhaft. In letzteren
erkennt man ohne weiteres als zweites Element türk. äri „Leute"
(vgl. oben Ayac-äri). Den Namen Sadag-arü erklärt Vämbery*)
durch türkisches sadag „Köcher", also „Köcherleute". Hier ist
demnach der erste Teil des Kompositums ein Appellativum. Nach
anderer Richtung scheint dagegen für die Namen auf -ovgov bezw.
-yovgoi die Stammsage der Bulgaren bei Theophanes p. 356, 18 ff.
und Nikephoros cot. avvr. p. 33, 13 ff. zu weisen, nach welcher
cheveux (ib. p. 331). Vgl. dazu die Charakteristik, welche Moses
K'alankatvac'i (bei Manandian, Beiträge zur albanischen Geschichte
41) von den Chazaren gibt: „die hässliche Menge mit frechen, breiten
Gesichtern, ohne Wimpern, mit herabhängenden langen Haaren den
Weibern gleich".
1) Prise, fr. 30 bei Müller, IV 104.
2) Agath. 3, 5 bei Dindorf, Hist. Gr. min. U 243, 18. Moses
K'alankatvac'i II 1 kennt einen Hunnen Honagur schon zur Zeit
ääpürs II. Manandian, Beiträge zur alban. Geschichte S. 34.
3) ed. de Goeje IfC, 12 ff.; GuidezT bei Barthold S. 98, 11.
*) Ursprung der Magyaren S. 47.
OsteuropiÜHche und ostasiati-atische Streifzüge. 45
die KoTQayot (so hier für KovTQiyoVQOi) die Horde des Korgayog
bilden. Bei Prokopios de hello Gotth. 4, 5 p. 476, 1 werden die
Kutriguren und Utiguren auf zwei Brüder, OvrovyovQ und
KovTQiyovQ, also ebenfalls auf Personennamen zurückgeführt, und
in der That scheint das Verhältnis von Korgayog zum Stamm-
namen KoVTQiy-ovQOi kaum eine andere Deutung zuzulassen. Für
diese Auffassung spricht vor allem auch das Verhältnis zwischen
TJltzindur (Verwandter Attila's) Jordan. Get. c. 50 § 266 und den
Ultzinzures Jordan. Get. c. 53 § 272, OvXtI^ovqoi bei Agath. 5, 11
p. 365, 9. 22. Freilich ist die Ableitung der Stammnamen von
Personennamen, wie sie der genealogischen Volkssage eigentümlich
ist, auf andern Gebieten der Völkerkunde mit Recht verpönt,
allein hier wird sie durch zahlreiche Analogien bei den türkischen
Völkern geschützt. So wurde den Namen sämtlicher Peßenegen-
horden je der Name eines früheren Häuptlings vorgesetzt, z. B.
PForo - Tolmaö , Jazy - ChoTpon. In späterer Zeit nennen sich zahl-
reiche Ttirkenhorden einfach nach ihrem Führer, z. B. die Nogai-
Tataren, Özbegen u. a., und bekanntlich werden noch beute die
Osmanen nach ihrem Fürsten Osman genannt. Ich halte es daher
für möglich, dass die Stammnamen jener Bildung von Namen von
Häuptlingen abgeleitet sind, und demnach auch die Unuguren,
wie die Akatziren , einen hunnisch - türkischen Namen führen.
Vämbery erkennt in den Namen KovTQiyovgoi, OvTiyovgoL etc.
das türkische Adjektivsuffix -gur.
Sind aber auch die Namen 'Aaa.tt,iooi und ' Ovoyovgoi un-
zweifelhaft türkisch, so bin ich nichtsdestoweniger der Ansicht,
dass wir in denselben zwei ugrische Völker zu erblicken haben,
welche später zum Teil den Kaukasus überstiegen und sich als
Sevordik in Armenien niederliessen , zum grössern Teil aber das
spätere Magyarenvolk bildeten.
Ebensowenig hat der Name der Ovyovgoi oder üvyäJgoL an
der Wolga mit dem Namen ügri , Ovyygoc etc. zu thun. Ich
habe sie früher für eine Abzweigung der Uiguren erklärt ^),
aber wie ich jetzt glaube, mit Unrecht. Der Name Ui;'ur ( Ui-gä)
scheint zuerst unter der Sui-Dynastie (581 — 618) vorzukommen.
Diese Ui^^ur sind zweifellos identisch mit den Ungii' (nach
Schlegels Transskription) oder 0-gu (O^uz), dem vornehmsten
der 15 Stämme der Kau-^e zur Zeit der Wei-Dynastie (227—264)2).
Aber erst seit der Sui-Dynastie scheint der Name des vornehmsten
Stammes auch auf die verbündeten Stämme übertragen worden
zu sein. In den Oiiywgot, Ovyovgoi des Priskos (fr. 30) und
Menandros (fr. 5, 21, 43) sehe ich jetzt vielmehr eine Abzweigung
der Jü-kiüe-lü, wie der einheimische Name der echten Avaren
1) Chrouologie der alttürk. Inschr. 81. WZKM. XII, 193.
-) Vgl. G. Schlegel, Die chines. Inschrift auf dem uigur. Denk-
mal in Kara-Balgassun S. 1 ff.
46 J- Miiifliuirt,
oder Zuan-zuan lautete (s. o. S. 43 Anm. 1). Dafür spricht auch
der Name des Fürsten der Uguren, Anagai^), der sich mit dem
Namen eines der letzten Chagane der Zuan-zuan A-na-kwei
(t 552) deckt.
Der Name Tovq'Aol , welchen die Magyaren regelmässig bei
den Byzantinern führen , ist meines Erachtens noch nicht be-
friedigend erklärt worden. [Die romäischen Historiker des 6. und
7. Jahrhunderts bezeichnen mit diesem Namen ganz korrekt die
Tu-hiue der chinesischen Annalen , die Türk der neugefundenen
Inschriften der Mongolei. Dieser Name ist zunächst ein poli-
tischer terminus und umfasst eine Anzahl von Stämmen o^'U-
zischer Abstammung vom Orchon bis Jaxartes, welche unter
Führung der Familie Asihna das alttürkische Reich gebildet
hatten und bald in ein östliches und westliches Türkenreich zer-
fielen. Diese streng ethnische Bedeutung hat der Name Tu-kiue
bei den Chinesen immer behalten und wird daher nie auf die
Hoei-Jie (üiguren), Qarluq oder gar Qyrp'yzen ausgedehnt.
Die Perser dagegen, und ihrem Beispiele folgend die Araber,
haben dann den Namen Tüyh nicht bloss auf die dem alttürkischen
Reiche unterworfenen, den eigentlichen Türk in Sitte und Sprache
verwandten Völker, wie Ghuz, Türgäs, Ciqil, Qarluq, To/uz-Ojoiz,
Qyryjz, Xalaß u. s. w. übertragen, sondern auch auf andere noma-
dische Nord Völker, mochten sie nun sprachlich mit den eigentlichen
Türk verwandt sein, wie die Wolga-Bul/aren, Baskiren {Bäsyird),
Qypcaq, Pe^enegen, oder ganz verschiedener Rasse angehören, wie
die Burtäs, Qytai und Tübät. Ja sogar die Barbarenvölker, welche
sich vor dem Auftreten der Türk in Centralasien und im Kaukasus -
gebiet abgelöst haben, werden in anachronistischer Weise kurzweg
flTurk" genannt. Doch wird der Name Turk in ethnographischem
Sinne bei den ältesten und genauesten Schriftstellern auf solche
Völker beschränkt , die in der That ein und dieselbe , nur dia-
lektisch verschiedene , Sprache redeten , welche wir nach dem
Hauptvolk „türkisch" nennen-).
Aus den Gesandtschaftsberichten des Zemarchos und Valen-
tinus sehen wir nun, dass die Türk ihr Machtgebiet um 568 im
Westen bis über die Wolga und im Jahre 576 bis an die Maiotis
ausgedehnt hatten. Unter der Oberhoheit der Türk entstand hier
nach dem Untergang der Sahiren (558) das Reich der Chazaren,
welche sich schon unter Chosrau I. Anösarwän (531 — 578) den
Persern fui'chtbar machten. Dass die Chazaren, welche in gleich-
zeitigen Ui-kunden zuerst ■ in der Kirchengeschichte des Johannes
von Ephesos a. 585/86 genannt werden, auch in der Folge in
1) Vgl. WZKM. XII, 193 N. 6.
2) Vgl. Ihn Chord. ri , 7 f. Ja'qiibT, Kitäb al buld. Mo , 5 ff. Ibn
al Faq. m, 3 ff. Jäqfit I aH, 1 ff. Mas'iidl, Kitäb at tanbih ^T ^ 15.
Murüg I 288.
Osteuropäische uud ostasiatische Streifzüge. 47
Abhängigkeit von den Türk blieben, geht aus einer Erzählung
des Armeniers Sebeos aus dem Jahre 627 unzweideutig hervor ^).
So erklärt sich, dass die Chazaren von den Byzantinern, als diese
zuerst ihre Bekanntschaft machten, ot TovQXOt, ix T^g iaiag
genannt wurden. Der Name Tovgxoi wechselt in der Erzählung
des Theophanes über die Unterstützung, welche Kaiser Herakleios
im J. 627 vom Chagan erhielt, mit Xä^aQSig ^). und ebenso noch
100 Jahre sjDäter-^). Das Land TovQxia, gegen welches Maslama
im J. 731 (A. M. 6223) zieht, ist offenbar das Land der Chazaren*),
und diese sind, wenigstens in erster Linie, auch unter den TovQXOi
zu verstehen, welche in den Jahren 6255 und 6256 (763 und
765 n. Chr.) durch die Kaspischen Thore (Darial) in Armenien
und Iberien einfielen^).
Von dieser Zeit an verschwindet bei den Byzantinern die
Bezeichnung der Chazaren als Tovgxoi. Und doch gehörte sicher
wenigstens die herrschende Klasse der Bevölkerung im Chazaren-
reiche der türkischen Rasse an und sprach einen türkischen
Dialekt, wie denn auch die militärische und politische Organisation
völlig türkisch (im engeren Sinne) war. Ja vielleicht dürfen wir
sogar aus Sebeos entnehmen , dass die Dynastie geradezu vom
Herrschergeschlecht der Türk, den Asihna, abstammte.
Man hat nun die merkwürdige Thatsache , dass von den
byzantinischen Chronisten seit dem zweiten Drittel des 9. Jahr-
hunderts mit dem Namen Tolgxoi die Magyaren bezeichnet werden,
durch die Annahme zu erklären gesucht, dass die Dynastie der-
selben eine türkische gewesen sei. Noch weiter geht Vämbery''),
der geradezu behauptet, dass die Magyaren von Haus aus ein
türkisches (im weitern Sinne, d. h. altaisches) Volk seien, welches
in seinen Ursitzen im südlichen Ural, auf der Grenze des altaischen
und finno-ugrischen Volkstums, sehr frühzeitig eine Anzahl ugro-
finnischer Elemente in seine Sprache aufgenommen, aber in seinem
Wesen , in Sitten und Lebensgewohnheiten den echttürkischen
Charakter bewahrt habe. Diese Ansicht ist bereits in die neueste
Geschichte der Ungarn von C s u d a y ^) übergegangen, und es steht
^) S. meine historischen Glossen zu den alttürkischen Inschriften.
WZKM. XIL 191 f.
-) Theophan. Chronogr. p. 315, 15: xal iv xavTrj (t^ ^a^ixfj) Sta-
tfoißojv Tovs TovQxovs SK rf,s ecJns, ovg Xäl^aQeis övouä^ovoiv, eis avfi-
fiaxiav iiQoaexaXiaaTO. p. 316, 8: nns Se 6 labs rcöv Tovgxmv et? yfjv
neaövres nprjveie y.r/.. Vgl. Nikephor. tar. avvr. p. 15, 21 ff. p. 21, 29.
3) p. 407, 6. 11 (A. M. 6220 und 6221 = 728 und 729 n. Chr., nach
den Arabern aber 112 und 113 H. = 730/81 und 731/32 n. Chr.).
*) p. 409, 27.
") p. 433, 26. 435, 20. de Muralt, Essai de Chronographie byz.
I 361 s.
®) Der Ursprung der Magyaren. Leipzig 1882.
') Eugen Csuday, Die Geschichte der Ungarn. 2. Aufl. übs.
von M. Darvai. Berlin 1899. Bd. 1, S. 1—47.
48 J. Marqnart,
zu befürchten, dass dieselbe bald auch ihren Weg in die populären
Hand- und Schulbücher finden wird. Es ist daher für den un-
befangenen Historiker an der Zeit, dieser Hypothese gegenüber
Stellung zu nehmen. Gegen dieselbe ist indessen , soweit der
byzantinische Name der Magyaren, Toioxoi, in Betracht kommt,
sofort zu erwidern, dass die Byzantiner dann mit viel grösserem
Rechte die Chazaren und Pecenegen, ja auch die Bulgaren hätten
als Türken bezeichnen müssen. Gerade für die Pecenegen aber,
deren reintürkische Abstammung — das Wort türkisch in sprach-
lich-ethnographischem Sinne gefasst — ausser allem Zweifel steht,
und die den Byzantinern nicht sehr viel später als die Magyaren
bekannt geworden sein können, findet sich bei jenen die Bezeich-
nung TovQXot nicht, und für die Chazaren hört sie mit dem
letzten Drittel des 8. Jahrhunderts auf. Eine solch vage Be-
zeichnung für ein so eigenartiges und den Byzantinern wohl-
bekanntes Volk wie die Magyaren widerspricht aber auch völlig
den Gepflogenheiten der älteren byzantinischen Chronisten. Wenn
irgendwo, so erwartet man hier den Eigennamen der Nation,
nicht eine allgemeine Bezeichnung (wie etwa Semiten für Juden,
Franken für Dänen, Romanen für Spanier, Slawen für Deutsche).
Was nun die sprachliche Seite anbelangt, so wird das Ma-
g_yarische bekanntlich gegenwäi'tig allgemein, hauptsächlich mit
Rücksicht auf die Lautverhältnisse und die Flexion, zu den
iinnisch-ugi'ischen Sprachen gestellt und gelten als seine nächsten
Verwandten das Wogulische und Ostjakische , also speziell die
ugrische Gruppe des genannten Sprachstammes. Der Wortschatz
zeigt, wie man längst bemerkt hat, eine Unmenge türkischer
Lehnwörter, die nur teilweise erst in osmanischer Zeit, meist aber
weit früher, und zwar zu verschiedenen Epochen und sicherlich
auc 1 in verschiedenen Gegenden in die Sprache aufgenommen
wurden. V ä m b e r y sucht aber zu zeigen , dass auch in der
Phonetik, sowie in der Flexion und Wortbildung die Überein-
stimmungen des Magyarischen mit dem Altaischen oft viel grössere
seien , als die mit den finnisch-ugrischen Sprachen ; insbesondere
teilt das Magyarische mit dem Türkischen im Gegensatz zum
Ugro-Finnischen das Gesetz der Vokalharmonie und die entschiedene
Abneigiang gegen mehrkonsonantigen Anlaut. Was aber den Wort-
schatz anlangt, so legt er Gewicht darauf, dass das Magyarische
mit dem Türkischen nicht bloss eine Menge fertiger Wörter
gegenüber dem Finnisch-ugrischen geraein hat, sondern auch viele
Wurzeln, vind zwar auch Verbalwurzeln des Magyarischen nur im
Türkischen, nicht aber im Finnisch-ugrischen Analogien haben.
Er behauptet schliesslich S. 223: „abgesehen von solchen Stamm-
wörtern, die einen speziell finnisch-ugrischen Lautcharakter ver-
raten, d. h. die mit h, v, l, n und r anlauten, stehen beinahe
zwei Drittel des magyarischen Wortschatzes mit dem
Türkischen in engerer Verbindung, können nur mittels
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 49
desselben analysiert und erklärt werden; und beweisen
demnach auf unverkennbare Art die grössere Verwandt-
schaft des magyarischen "Wortschatzes mit dem des
Turko-tatarischen als mit jenem des Finnisch-ugri-
schen*. Diese Übereinstimmungen des magyarischen mit dem
tüi'kischen Wortschatz erstrecken sich, wie Vämbery eingehend
nachzuweisen sucht, bis auf die niedersten Begriflfsphären und die
primitivsten Kulturverhältnisse.
Allein die einfacheren und ältere Bildungszustände bezeichnen-
den Wörter des Magyarischen sind im allgemeinen ugrischen Ur-
sprungs, wenn sich daneben aus demselben Begriffskreise auch
Wörter türkischen Ursprungs finden. Ebenso ist der grösste Teil
der Zeit- und Verhältniswörter ugrisch , wogegen die Wörter für
die Jahreszeiten, Naturerscheinungen und das Familienleben sowohl
der einen wie der andern Sprachengruppe entnommen sind. Das
auffällige Zusammentreffen des Magyarischen mit den ugrischen
Sprachen in den sieben Gnindzahlen, sowie in der bestimmten und
unbestimmten Konjugation wagt auch Vambery nicht zu leugnen.
Die Wörter für Viehzucht, Ackerbau und Kriegswesen sind aller-
dings schon überwiegend türkischen Ursprungs, und noch weit
mehr die Bezeichnungen für Wohnung, Kleidung und die Aus-
drücke des geistigen Lebens. Massgebend für die Frage nach der
Verwandtschaft einer Sprache ist aber in erster Linie die Formen-
lehre als das Knochengerüst der Sprache, sodann die Zahlwörter
und Verwandtschaftsnamen als der älteste und festeste Bestand des
Wortschatzes. Wie vorsichtig man in der Vei-wendung gewisser,
für diesen oder jenen bekannten Sprachstamm charakteristischer
Lautverhältnisse für die Klassifikation isolierter oder andersartiger
Sprachen sein muss, mögen einige Beispiele veranschaulichen.
Was z. B. die dem Magyarischen mit dem Türkischen gemeinsame
Verpönung des mehrkonsonantigen Anlauts betrifft, so ist bekannt,
dass dieselbe auch das Neupersische (vorwiegend unter arabischem
Einfluss) angenommen hat, obgleich das Alt- und noch das Mittel-
iranische gleich sämtlichen übrigen indogermanischen Sprachen an
mehrkonsonantig anlautenden Wörtern Überfluss hatte. Die für
das Tüi-kische so charakteristische Vokalharmonie ist auch im
Udischen durchgeführt, einer zur südöstlichen oder kürinischen
Gruppe der kaukasischen Bergsprachen gehörigen Sprache, welche
schon seit sehr alter Zeit der Einwirkung türkischer Dialekte aus-
gesetzt war: im 4. Jahrhundert wird uns im nördlichen Albanien
das Hunnenreich des Arsakiden Sanesan genannt, im 5. Jahr-
hundert hören wir von einem Hunnenfürstentum in Baiasakan i),
im Jahre 575 wurden hunnische Sahiren südlich vom Kyros an-
gesiedelt 2) und im 8. Jahrhundert endlich drangen die magyarischen
1) Faustos Byz. 3, 6. 7. EKse wardapet S. 104.
2) Siehe WZKM. XII, 193.
Marquart, Streifzüge.
FjQ .7. Marquart,
Sevordik' in Uti ein. Auch Konsonantenhäufungen, wie man sie
in andern kaukasischen Sprachen trifft, sind dem Udischen fremd ^).
Endlich hat das Udische, abgesehen von den tiefgreifenden Ein-
flüssen des Türkischen in lexikalischer Hinsicht, dem letzteren
eine Reihe Wortbildungssuffixe entlehnt. Das Armenische dagegen
sowie das im übrigen völlig iranische Ossetische haben sich unter
dem Einfluss ihrer Umgebung sogar, was das Lautsystem betrifft,
völlig in ein kaukasisches Gewand gehüllt.
Man wird sich unwillkürlich des ganz ähnlichen Streites über
die Stellung des Armenischen erinnern, welches man, hauptsächlich
auf Grund der Menge iranischer Lehnwörter, die man als solche
nicht erkannte, lange Zeit für eine iranische Sprache erklärte.
Auch beim Armenischen beruht seine jetzige Klassifikation vor-
wiegend auf der Flexion und den nach Ausscheidung der Lehn-
wörter auf Grund einer verhältnismässig beschränkten Anzahl
etymologisch durchsichtiger Wörter festgestellten Lautgesetzen,
während der Wortschatz zum allergrössten Teil, abgesehen von
den ungemein zahlreichen Lehnwörtern, etymologisch noch unerklärt
ist. Das Lautsystem selbst aber ist, wie bemerkt, geradezu kau-
kasisch und stimmt mit dem iberischen fast völlig überein. Auch
hier aber hat das dem Jahrhunderte dauernden Einfluss einer
Kultursprache unterliegende Idiom sich nicht auf die Entlehnung
fertiger Wörter beschränkt, sondern auch Verbalwurzeln und leben-
dige Bildungssuffixe aus dem Iranischen herübergenommen. Wie
aber die Unterscheidung der verschiedenen Schichten iranischer
Lehnwörter im Armenischen zur Entdeckung und genaueren Datie-
rung wichtiger Lautgesetze der Sprache geführt hat, so verspricht
eine genaue Sonderung der verschiedenen Schichten türkischer
Lehnwörter im Magyarischen auch wichtige Aufschlüsse für die
Lautgeschichte dieser Sprache. Übrigens sieht auch Vämbery
das Magyarische keineswegs geradezu für ein, wenn auch ver-
dorbenes, türkisches Idiom an, wie etwa das Cuwasische, sondern
erklärt es für eine Mischsprache im eminenten Sinne, die erst
nach mehrfachen, durchgreifenden Wandlungen ihre heutige Ge-
stalt erhalten habe. Da aber mindestens seit den Zeiten Attilas
wohl wiederholte Einwirkungen türkischer Völker auf die Sprache
der Magyaren stattgefunden haben müssen, von einem direkten
Einflüsse des Ugrischen aber nicht mehr die Rede sein kann, so
ist klar, dass das Magyarische mit seinen ugrischen und türki-
schen Bestandteilen nach Vambery's Auffassung schon im
5. Jahrhundert eine ähnliche Mischsprache gewesen sein müsste
wie heute. Ein Volk aber, welches eine solche Mischsprache
redete, die für sämtliche Türken schon im 9. Jahrhundert völlig
unverständlich sein musste , hätte sicherlich kein vernünftiger
Mensch schlechtweg „Türken" genannt. Wir überlassen daher
1) R. von Erckert, Die Sprachen des kaukas. Stammes S. 385.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 51
den Streit daräber, ob das Magyarische mehr ugrischen oder tür-
kischen Charakter trage, getrost den Finnologen. Freilich wird
eine endgültige Lösung nur von einem Manne zu erwarten sein,
der mit dem weiten Blick und dem historischen Sinn die peinliche
Genauigkeit und Genialität eines Thomsen in sich vereinigt.
Auch die von Vambery so oft mit Emphase in den Vorder-
grund gestellte Behauptung, dass Nationalcharakter, Lebensweise,
kriegerische Tüchtigkeit und staatenbildende Kraft die Magyaren
entschieden den Türken zuweise und von den Finno - Ugriern
trenne, ist, was die Hauptsache, nämlich die Lebensweise anlangt,
irrig und beraht im übrigen auf einem Mangel an Genauigkeit in
der Verwertung der überlieferten historischen Angaben. Es ist
nicht meine Absicht, auf diese Frage hier näher einzugehen, wozu
mir übrigens auch der Raum mangeln würde. Ich will nur daran
erinnern, dass nicht bloss Ibn Kusta's bezw. Gaihäni's Quelle die
Magyaren in ihren alten Sitzen zwischen Don und Kuban als ein
echtfinnisches Fischervolk beschreibt, und auch Regino von
den Ungarn bei ihrem ersten Auftreten in Pannonien im J. 889
berichtet, dass sie in den Ebenen an der Donau Jagd und Fisch-
fang betrieben, sondern schon der Anonymus von Ravenna von
den Hunuguren, die Jordanes als Pelzhändler gekannt hatte, genau
in den von Ibn Rusta angegebenen Sitzen der Magyaren aus-
drücklich meldet, dass sie von den in ihrem Gebiete ungemein
zahlreichen Fischen lebten i). Die 'Jxdz^iQOi dagegen, welche
wir neben den Hunuguren für die Vorväter der Magyaren an-
sehen, lebten von Jagd und Viehzucht. Da nun Jagd und Fisch-
fang als Hauptnahrungszweige gerade für die finnisch-ugrischen
Stämme charakteristisch, dagegen als solche den türkischen Völkern,
welche von jeher wandernde Viehzüchter waren, fremd sind, so
ist unabweisbar, dass jene Beschäftigung ein uraltes Erbstück der
Magyaren aus ihrer ugrischen Heimat bildet, und dass sie erst
unter dem Einfluss der ihnen benachbarten Hunnen daneben auch
zur Lebensweise viehzüchtender Nomaden übergegangen sind '^). Es
ist nun gewiss charakteristisch, dass sowohl das magyarische Wort
für Fisch 3) (hal, mordwinisch kal, finnisch kala) wie das für Netz
(hdlö, ostjakisch kolyi), wogulisch kuluiS) ugrischen Ursprungs
sind, während die Ausdrücke für Falle oder Schlinge (magyarisch
tör, türkisch tor und tür = Netz zum Fangen der Vögel und
Fische), sowie für den Lazzo, magyarisch hurok, türkisch kuruk,
mit welchem das auf der Steppe umherirrende Vieh eingefangen
und gezähmt wurde, auf türkischen Ursprung weisen. Eine Anzahl
1) S. o. S. 39. 43.
2) Ebenso haben die wogulischen Stämme an der Tawda und
Tura unter türkischem Einfluss Ackerbau und Viehzucht kennen ge-
lernt. Siehe Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten über den
skyth. Norden II 34.
3) Vämbery a. a. 0. 275. 298.
4*
52 J- Marquart,
von ugrisclien Ausdrücken, welche sich auf Jagd und Fischfang
beziehen , hat Tomaschek zusammengestellt *). Über den dem
finnisch - ugrischen Charakter fremden kriegerischen Geist der
Magyaren werden wir alsbald zu sprechen haben.
Ist demnach weder die Sprache noch die Lebensweise der
Magyaren im Stande, die Bezeichnung derselben als Tovgxoi bei
den Byzantinern zu rechtfertigen oder auch nur begreiflich zu
machen , so scheint auf den ersten Blick die andere Hypothese
mehr für sich zu haben, wonach jene Benennung ihren Grund
darin haben soll, dass das Fürstengeschlecht derselben türkischer
Abstammung gewesen sei. Die eigentlichen Magyaren bestanden
aus sieben Stämmen , zu welchen dann noch die sogenannten
Kaßagoi kamen, welche, wie uns Kaiser Konstantin der Purpur-
geborene versichert, chazarischer Abstammung waren und nach
einem verunglückten Aufstau dsversuch gegen die chazarische Re-
gierung-) sich zu den Magyaren im nachmaligen Pe^enegenlande
(Atelkuzu) geflüchtet und mit diesen ein Waffenbündnis geschlossen
hatten. Sie bestanden eigentlich aus drei Stämmen, hatten aber
im Unterschiede von den eigentlichen Magyaren, von welchen
jeder Stamm seinen eigenen Häuptling hatte , ein gemeinsames
Oberhaupt, eine Einrichtung, die noch zur Zeit des kaiserlichen
Schriftstellers bestand^). Wegen ihrer grösseren militärischen
Tüchtigkeit fiel ihnen naturgemäss die Führung bei ihren gemein-
samen Raubzügen zu und nahmen sie unter den nunmehrigen
acht Stämmen den ei'sten Rang ein*). Ich zweifle nicht daran,
dass der unter den Auspicien des Chazarenchagans zum Herzog
der Nation gewählte Arpady und sein Vater Salmuöy eben dem
Stamme der Kabaren angehörten. Dafür spricht noch besonders,
dass wir als Häuptling derselben einen Sohn Arpady's treffen. In
dem Kriege gegen den Bulgarencar Symeon, den die Magyaren
im Verein mit den Kabaren als Bundesgenossen Kaiser Leons des
Weisen im Jahre 895 unternahmen, erscheinen die Küßagoi, als
das treibende und handelnde Element. Ihr Oberhaupt war damals
Arpads Sohn Aiovvng (Acc. AiovvtiVa)^)^ ein Name, welchem
1) A. a. 0. II 45 f.
2) KaßaQoi ist nach Vjimb^ry a. a. 0. S. 145 Anm. 1 ein tür-
kisches Wort mit der Bedeutung „Revolutionär, Empörer".
3) Konstantin. Porphyrog. de adm. imp. c. 39 p. 172, 5 flP. c. 40 p. 174, 19.
*) Konstantin. Porphyrog. de adm. imp. c. 39 p. 172, 3: Sia Se to
sie rovi nolefiove iaxvQoisqove aal ävS^eiOTegov? Seixvvad'ai i(Sv oxtco
ysvscöv ytti TignsSripystv rov noXeuvv ngoexgi&Tjaav TtpfSrni ysvsm'.
^) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 40 p. 172, 13 ff.: Kai
ovTcoe allTjioie owafd'svies fiSTÖ. rcov Tovqkcov oi KdßuQOi sie ttjv
nart,ivaxircöv xnrcoxrjoav yfjv , fisra Si invra . . . tov ^Iv/newv nole-
fujaavres xara xfjnrog avrbv rJTxrjaav , xnl ä^BXdaavres fiexQ'^ '^VS Hoe-
a^Xäßov SifjX&ov änoxXsianvTSS avrdv eis ro xäaxQOv ro Xeyöfievov
MovvSqäya, xal eie t^v iSiav ^'^OQav vTiEorgErpaV rcp oi tote xniQw
rov ytiovvtivn rov viov tov yiQnaSrj ei^ov a.gxovTn xrX. Subjekt sind
hier überall die Kaßagoi, und daraus ergibt sich, dass Aiovvcn als
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 53
wir in der Form Levente im 11. Jahrhundert wieder begegnen^).
Die Kabaren bewahrten nicht nur ihre chazarische Sprache, son-
dern drängten sie auch den Magyaren {TovQXoC) selbst auf, sodass
das Chazarische die gemeinsame politische und militärische Sprache
war; daneben behielten übrigens die in der Überzahl befind-
lichen Magyaren ihr eigenes Idiom bei^). Das Chazarische, die
Sprache der Kabaren, war aber sicher ein türkischer Dialekt^^), und
es ist daher begreiflich, wenn die überwiegende Mehrzahl sämt-
licher in byzantinischen und einheimischen Chroniken, besonders bei
Konstantinos Porphyrogennetos und dem famosen Notar des Königs
B61a, überlieferten magyarischen Personen- und Würdenamen, sowie
Glossen des 9. und 10. Jahrhunderts wirklich, wie Vämbery*)
behauptet, rein türkisch sind, ja selbst noch die in Urkunden des
14. und 15. Jahrhunderts vorkommenden Personennamen häufig
einen rein türkischen Sprachcharakter tragen. Es ist selbst-
verständlich, dass die Sprache der Kabaren auf die der eigentlichen
Magyaren einen grossen Einfluss ausgeübt und das Magyarische
auch während dieser Periode eine Menge türkischer Wörter auf-
genommen haben muss. Allein die Sprache der Kabaren ver-
schwand im Laufe der Zeit ebenso wie die der späterhin in Ungarn
angesiedelten Peßenegen und Kumanen. Indessen der Einfluss des
Türkischen auf das Magyarische ist viel älter, und da wir gesehen
haben, dass die Magyaren in der That — wie die ungarischen
Chroniken behaupten — schon zum Reiche Attila's gehörten und
am Pontos in der Nachbarschaft hunnisch - bulgarischer Stämme
Sassen, so können wir denselben mindestens bis ins 5. Jahrhundert
hinauf verfolgen. Wahrscheinlich ging aber dieser hunnischen
Einwirkung noch eine ältere Periode türkischen Einflusses auf
Sprache und Sitten der Magyaren in deren ürsitzen im südlichen
Häuptling der Kdßa^oi, nicht als Herzog der Magyaren zu denken ist.
Georgios Monachos nennt die Häupter der Magyaren, mit welchen der
byzantinische Gesandte Niketas Skieros jenen Raubzug gegen die
Bulgaren verabredete, Agnäöris und Kovaävrjs (ed. Bonn. p. 854, 1. ed.
de Muralt p. 772. 16). Hier steht 'AquölStis, wie Geza Kuun 1. 1.
II 38 glaubt, vielleicht irrtümlich für den weniger bekannten Namen
seines Sohnes.
1) Vgl. G^za Kuun, Relat. Hungar. cum Oriente hist. antiq. II 5.
*) Die Worte des Kaisers lauten (de admin. imp. c. 39 p. 171,
21 ff.): .... xat KäßaQoi iivss divo/Liäoü'rjoav. od'tv xai tj^V tcüv
Xat,äQ(av ylcÖaaav avroTg rols TovQOiOit iSiSa^av, xai fii^Qt lov vvv
rrjv aviTjv Siälexrov ejcovaiv e^ovoi ^s xai xrjv tcüv Tovqxcov eregav
yXcöaaav. Als Subjekt von xai fiixQi an sind offenbar die Tovqkoc zu
denken. Im folgenden sind freilich wieder die KaßnQoi Subjekt, ohne
dass dies besonders hervorgehoben wäre, und die Ausdrucksweise des
Kaisers bleibt daher auf jeden Fall ungenau.
2) Vgl. vor allem Mas'üdi, Kitäb attanblh Ar, 15 ff., der zu den
türkischen Völkern ausser Charluch, Ghuz, Kaimäk und Toyuzyuz
auch die Chazaren rechnet und bemerkt: ,sie haben eine Sprache und
bilden ^in Reich" (bezieht sich auf das ehemalige alttürkische Reich).
*) S. 135 ff. 165 ff.
54 J- Marquari,
Jugrien (in der Nähe des Isim und in der Baraba) voraus. Auf
jeden Fall darf man den kriegerisclien Geist der Magyaren keines-
wegs erst von der Einwirkung der Kabaren ableiten, vielmehr sind
sie zum mindesten schon durch die Hunnen ihrer früheren fried-
fertigen Lebensweise als ugrische Fischer und Jäger entfremdet
und auf den Kriegspfad gedrängt worden, wenngleich sie noch im
9. Jahrhundert die kriegerische Überlegenheit der numerisch viel
schwächeren chazarischen KdßdQOi unumwunden anerkennen und
sich ihrer Führung willig unterordnen.
Das Geschlecht der magyarischen Herzöge aus dem Hause
des Arpady war nach den obigen Ausführungen in der That ein
chazarisches, d. h. nach unserer heutigen ethnographischen Termino-
logie nicht ugrischer, sondern türkischer Abstammung. Will man
aber in dieser Thatsache den Grund zu der byzantinischen Be-
nennung der Magyaren als Tovq^ol erblicken, so muss man not-
gedrungen einen Zusammenhang mit der identischen Bezeichnung
der Chazaren annehmen. Dem steht indessen entgegen, dass sich
der Name TovQXOi für die Chazaren zum letztenmal , soviel ich
sehe, im Jahre 765 n. Chr. findet, während die Magyaren unter
diesem Namen zum erstenmal im Jahre 839 oder 840 vorkommen.
Diese Bezeichnung könnte aber nach obiger Voraussetzung erst
nach der Vereinigung der Kabaren mit den eigentlichen Magyaren
und der Wahl Arpady's zum Herzog, also erst nach dem Jahre
862 aufgekommen sein. Allein in dem oben erwähnten Berichte
über den Zug der Magyaren nach der Donau zur Zeit des Kaisers
Theophilos bei Georgios Monachos und Leon Grammatikos werden
jene abwechselnd bald Ovyygoi, bald Ovvvoi und Tovgxoi genannt,
und man müsste annehmen, dass die Einführung des Namens Tovgxoi
hier späterer Überarbeitung zur Last falle. Dazu kommt, dass noch
Konstantinos Porphyrogennetos die eigentlichen Magyaren unter
dem Namen TovQXOc von den chazarischen Küßagoc streng unter-
scheidet und beide als zwei ethnographisch verschiedene Völker-
individuen einander gegenüberstellt. Daraus folgt, dass der Name
TovQXOi für die Magyaren schon vor ihrer Vereinigung mit den
chazarischen KdßaQoi und vor der Wahl des Chazaren Arpady
zum Herzog in Gebrauch war, und mit der früheren identischen
Benennung der Chazaren nichts zu thun haben kann. Mit den
eigentlichen Türk, deren Reich schon 100 Jahre vor dem erst-
maligen Aufti-eten der Tovqxol gestürzt worden war, können
die Magyaren vollends in keinerlei Beziehung gesetzt werden.
Nachdem sich somit alle bisherigen Versuche, den byzanti-
nischen Namen der Magyaren zu erklären, als unbefriedigend und
irreführend herausgestellt haben, halte ich es für methodischer, einen
andern Weg einzuschlagen, um der Wahrheit näher zu konuuen.]')
') D<;r zwischen [ ] gesetzte Abschnitt von S. 4r) an ist nachträg-
licher Zusatz.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 55
Her. d 22 kennt im nördlichen Asien ein Jägervolk der
^JvQxai, welche man mit dem Lande Jugra der russischen Chronik
in Verbindung bringt und für die Vorväter der Magyaren hält^).
Gegenüber der Form Jugra, welche noch heute bei den Permiern
im Gebrauche ist , zeigt nun Herodots 'IvQxai eine Konsonanten-
versetzung , die Tomaschek, wie ich glaube mit Recht , auf
Rechnung pontisch-iranischer (skythischer) Vermittlung setzt. Das-
selbe Volk wird nun von Plin. 6, 19 Tyrcae und von Mela I, § 116
Turcae genannt, und wir haben zunächst kein Recht, diese Form
lediglich als einen Schreibfehler für lyrcae zu betrachten. Über
die Sitze dieses Volkes lassen sich aus dem Kontext des Plinius
keine sicheren Schlüsse ableiten. Seine Worte lauten: A Cimmerio
accolunt Maeotici, Hali, Sernis, Serrei, Scizi, Gnissi ^). dein Tanain
amnem gemino ore influentem incolunt Sarmatae , Medorum (ut
ferunt) suboles, et ipsi in multa genera divisi: primi Sauromatae
Gynaecocratumenoe Amazonum conubia ; dein Naevazae , Coitae,
Cizici'^), Messeniani, Cotobacchi, Cetae, Zigae, Tindari, Thussegetae,
Tyrcae usque ad solitudines saltuosis convallibus
asperas, ultra quas Arimphaei qui ad Ripaeos pertinent montes.
All diese Völker werden also zu den Sarmaten (im weiteren Sinne)
gerechnet. Von denselben sind nun die Zigae und Tindari be-
kannt: jene entsprechen den Zi'/oc*), diese den /iavöccgioi
Strab. la 2, 11, p. 495 an der Maiotis, in den Cetae stecken wohl
^) Vgl. z.B. Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten über
den skyth. Norden II 43 ff. SBWA. Bd. 117, 1 (1888). K. E. v. Baer
und Geza Kuun, Relat. Hungarorum cum gentibus orientalibus bist,
antiquissima I 187 halten die ' Iv^xat dagegen für Türken.
^) R'^ gneapsa d. i. wohl genapsae = Kovaxpoi {Kövaxpos näna
findet sich als Personenname bei Latyschev, Inscript. graecae orae
septentrionalis Ponti Euxini II 100), Kovaxjjrjvoi Ptol. 5, 8 p. 349, 9.
Damit wird die KavoStifjas %ui^a Ptol. 6, 14 p. 426, 30 (lies Kova\i)i\(ia\'i)
identisch sein. In Hali sind wohl die bei Plin. 6, 16 genannten Thali
zu erkennen, die mit den Divali der Tabula, den OuaXoi des Ptol. 5, 8
p. 349, 18, Valli Plin. 6, 30 d. i. den kaukasischen DvaW (Mos. Chor.
Geogr. p. 26, 30 ed. Soukry) in der Landschaft Z)«ü«^e«Ä« (K 1 a p r o t h ,
Reise in den Kaukasus II 383. 578 f. Kaukas. Sprachen S. 177; vgl.
Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten u. s. w. 11 40) identisch
sein dürften. In Sernis (1. SERVII) sehe ich die 2aQßoi Ptol. 5, 8
p. 349, 16, Serrei sind wohl sicher die Serri Cephalotomi (hinter den
Cercetae genannt) Plin. 6, 16. Scizi ist kaum etwas anderes als Schreib-
fehler für Zici = Zixoi.
^) F cizi, R zici. Letzteres ist gewiss das Richtige == Zi^oi. Für
Naevazae ist wohl Navazae zu lesen. Vgl. den Wifra Nawäza jt. 5, 61.
23, 4, von welchem es heisst, dass er die weitufrige Ranha (d. i. die
Wolga, 'Pn) erreichte. Jt. 24, 2 steht dafür pud-rö näiwäzö = „der
Sohn des Nawäza". Diesen Volksnamen erkenne ich in dem Personen-
namen NdßaC,o£ auf einer Inschrift aus Tanais Lat. II 447. Vielleicht
ist auch bei Strab. la 5, 8 p. 506 für NaßmNoi zu lesen NäßaZoi. —
Für Coitae ist zu lesen Co\r^itae\ vgl. Mela 1, 13: Moschi corsitae, eine
Verstümmelung für Cercetae.
4) Ptol. 5, 8 p. 349, 8 Ziyxoi.
56 J. Marquart,
sicher die KsQxitai Strab. p. 492, 496, 497; Ptol. 5, 8, p. 349, 24.
Allein es wäre tollkühn, nun auch die Thyssageten und Tyrcae in
die Nähe der Maiotis rücken zu wollen und anzunehmen, dass
bereits in so früher Zeit finnisch-ugrische Jägervölker bis zum
Kaukasus vorgerückt seien. Vielmehr zeigt der ausführlichere
Text der Mela, dass die letzte Quelle für alle drei Namen Herodot
ist. Immerhin kann aber die Quelle des Mela und Plinius die
Namensform Tyrcae so gut wie Arimphaei statt AQyinTtaioi oder
' AQyifXTiaioi ^) aus einer jüngeren griechischen Quelle geschöpft
haben, welche Herodots Nachrichten überarbeitete, und ich nehme
daher keinen Anstand, dieselbe als echt zu betrachten. Dann
haben wir aber die merkwürdige Thatsache vor uns, dass Mela
und Plinius und dann wieder die Byzantiner vom
9. Jahrhundert ab ein und dasselbe Volk in ganz ver-
schiedenen Wohnsitzen und ohne jede litterarische Ab-
hängigkeit mit demselben Namen benennen, der sich
von Herodots Namensform 'IvQxai nur durch das an-
lautende t unterscheidet. Bei beiden Namensgruppen treffen
wir aber die charakteristische Konsonantenversetzung, die eine
Eigentümlichkeit der pontisch-iranischen Dialekte war. Ich glaube
deshalb, dass auch die Formen Turcae, Tyrcae, Tovqxol skythischen
Dialekten angehören, und die Byzantiner diese Bezeichnung der
Magyaren von den Alanen entlehnt haben. Das anlautende t
muss somit ein Präfix sein, das wohl irgend einer kaukasischen
(oder finnisch-ugrischen?) Sprache entstammt. Mit den Türken
hat sonach jene Bezeichnung der Magyaren nichts zu thun.
Das älteste Beispiel für diesen Gebrauch des Namens Tovgxoi
in der romäischen Litteratur erkenne ich in der Erzählung des Bar-
hebraeus über die Wanderung der Bulgaren, die aus der Kirchen-
geschichte des Johannes von Ephesos (schrieb 585/86) stammt.
Die Bulgaren und Chazaren werden hier von drei Brüdern ab-
geleitet, von denen einer Bulgaris hiess. ,Die beiden andern
Brüder aber kamen ins Land der Alanen d. i. Barsälia, oder zur
Stadt Kaspia, welche die Bulgaren und Phanagoreer 'Thor der
Türken' nennen, welche ehemals Christen waren und jetzt Chazaren
genannt werden nach dem Namen ihres ältesten Bruders" 2). Ich
halte es für ausgeschlossen, dass der Name ,Thor der Türken"
für das Kaspische oder Alanenthor etwas mit den eigentlichen
Türk zu thun hat, auch glaube ich nicht, dass hier bereits, wie
später bei den Arabern und Byzantinern, Turk eine Bezeichnung
der Chazaren ist. Vielmehr ist jener Name auf die Tovqxov =
Magyaren zu beziehen. Ebenso ist der altrussische Name des
Kaukasus, ,Berg der Ugri", von den Ugri cernü abzuleiten.
•) Diese werden durch eine etymologische Spielerei mit den Kipaei
montes zusammengebracht.
^} S. 0. S. I5t". und meiuc Chronologie der alttürk. laschrifteu S. 85,
^ Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 57
Eine weitere SiDur dieser Benennung der Magyaren glaube
ich in der Beschreibung des asiatischen Sarmatiens in der Geo-
graphie des Ps. Moses Chorenac'i ed. Soukry p. 25 zu finden,
wo es heisst ^) : «/» (\ln.UJßu ^tun^^ lupäuii^l^ ah-in JJt
^ut-t-ß/L.nu uAni^jy nn Jlri^ül^ fi*t ^"uihnpidfu Itl. 9/i^
.ßiiJ* J uui^^JiuImU jnpnL.tr ^utijujnfi^ '\j^l^nihu t f) //
pum <fftL.ufiunj trü ujqn. ^nL.pßUJ^ Iru. ^ni^jrpiuptuq ) PUUl
uhinL-utiäa a^lruinqn. ^n^qlriu^ \\nLjhfi ^nciquip f ^\nL.tJi
^nL.£fytup f [\n^nismnp ^^tup trlpi y ^rLtup ^niLiup d. h.
„dieses (das Gebirge Koga^) entsendet einen Fluss, namens
Psyehros, welcher die Grenze bildet zwischen Bosporos {P'os-
p'oronn) und dem Gebiete Zik'un {Zi^wv) , in welchem das
Städtchen Nikop's {Nixoiptg) ist-^). Nördlich davon sind das
Volk (lies : die Völker) der T'urk'k' und Bulyark', die nach den
Namen der dortigen Flüsse benannt sind: Kup't Bulyar (am
Koicfig oder Kuban), Duo'i Bulkar*)^ Olxontor ßlkar^) der Ein-
wanderer, (J'dar Bolkar^. Hier können mit den T'urk'k' nicht
die Chazaren gemeint sein, da diese nachher S. 26, 16 im Verein
mit den ^ncjjpi^ By2xk' besonders gei^nnt und den Basilk'
bezw. Barselk'' gegenüber gestellt werden. Wenn es an dieser
Stelle unmittelbar vorher heisst, dass die T'urk'k' den 70 -armigen
(d. i. die Wolga) den Strom At'l nennen, so brauchen auch hier
unter diesem Volk keineswegs die Chazaren verstanden zu werden,
sondern der Name kann sich ebensogut auf die eigentlichen Türk
oder auf die Magyaren beziehen. Dass das türkische Wort Atü
auch in die Sprache der Magyaren übergegangen war, zeigt der
^) Vgl. zum Folgenden Chronologie der alttürk. Inschriften S. 88 f.
^) Hs. qt B""^ , Soukry jf^ti»
*) Der Verfasser hat hier den fvxQos des Ptolemaios, welcher
unter 66» 40' L. 47*> 30' Br. mündet (p. 346, 22), mit dem Ovxqovx d. i.
dem südlichsten Mündungsarm des Kuban kombiniert. Vgl. Konstantin.
Porphyrog. de adm. imp. c. 42 p. 181, lOff. : dnö to l'u/xäiaqxü^ eoxi,
noxa/iöi anb fiikicov irf i] xal x', /.eyofitvos Ovxqov x^ o S laxa» q it,a) v
TTJv Zixiav xal r o Ta fiär a q x^' (t'^o Se zov Ovx^ovx f^t'^ot rov
NixöxpEcos noTttfiov , iv q> xal xÜotqov iariv bfxaivvfiov tco norajuw,
k'ari.v fj ;^ß/ßa t^s Zixias xtA. Für Tafidrao-/a (Tmutorokan, Taman)
nennt Moses das gegenüberliegende Bosporos.
*) Es wird sich fragen, ob mit Rücksicht auf S. 16, 22 T»*"-^'
nicht in M"'-i_t zu verbessern ist. Hier nennt der Verfasser nämlich
einen Fluss ^n^sj Koo^oj in Sarmatien.
^) Die Namensform {[qjutfuuinfi ^i^utp scheint ein Kompromiss
zwischen den ü'vvvovyowSov^oi der bulgarischen Wandersage und den
\^"ULn}"t"'-C-^ zu sein, welche EHse im 5. Jahrhundert nördlich vom
Kaukasus kennt.
gg J. Marquart,
Ausdruck 'AreXnovCov^) , die Türk aber herrschten im 6. Jahr-
hundert in der That bis zur Wolga.
Dem widerspricht auch nicht das Ende der Beschreibung
Sarmatiens S. 27, 14 ff., wo wir Folgendes lesen:
„Nördlich davon (von der Stadt Pahak Coraj oder Darband)
ist das Königreich der Hunnen in der Nähe des Meeres. Und
im Westen desselben am Kaukasus Waragan, die Stadt jener
Hunnen, und C'undars und Smendr-). Gegen Osten wohnen die
Savirk' bis zu diesem At'l-Flusse^), der die Grenze bildet zwischen
dem asiatischen Sarmatien und den Ländern Skythien. Dies sind
die Nordländer, d. i. T'urk'astank' ^ und ihr König der Chak'an^
und die Chat'un, ihre Königin, die Frau des Chak'ans". Die Gleich-
setzung Skythiens mit 13."/"'A'P"'/!^ (bezw. Ü»"/A''""'/^) Ap(^^-
t'ark d. i. den Nordländern, die wiederum mit ^ni^pßiuumufuß
T'urk'astank' für identisch erklärt werden , findet sich schon
S. 12, 5, sowie in der Beschreibung Skythiens S. 42, 15 (= 56
der Übs.) und beruht auf Sebeos, welcher „den grossen Chak'an"
d. i. den Chagan der Westtürken als König der Nordländer
tunntuj linqJufußit '^ftt-uftunj bezeichnet*). Ps. Moses versteht
unter T'urk'astank' ebenso wie Sebeos das Reich der eigentlichen
Türken, das im 6. Jahrhundert in der That im Westen bis zur
Wolga reichte. Dass aber die oben mitgeteilten Nachrichten des
Ps. Moses grossenteils auf eine Quelle aus dem 6. Jahrhundert
zurückgehen, zeigt schon die Erwähnung der Savirk', welche seit
dem Jahre 558 n. Chr. im Norden des Kaukasus verschwinden.
Die abgekürzte Recension der Geographie des Ps. Moses hat die
Stelle missverstanden und den Ausdruck T'urk'astank^ fälschlich
auf die Chazaren bezogen, obwohl der Verfasser in der Beschreibung
Skythiens klar ausspricht, dass Skythien oder T'urk'astank' im
Westen durch Sarmatien bezw. den Fluss At'l begrenzt werde.
So ist denn hier der ursprüngliche Text folgendermassen zurecht-
gemacht^): 1^ [J^uJ^iui^npU <l[,i.u(,unj k \iut^uflh, np l^ mkft
\otuapiuq^ L- rj-^nj'ü P^iuii-mJ^fi 1^ ^ntußni^iht y np l^ ')
L[fu \aixipufüujj ^[t ^^ujpuqujg ') luijjf^l-it d. h. „und der König
1) Vgl. auch oben S. 32 f.
2) Soukry 2"«-^'^«'/'" ^^ IT"/:'''?^"-. lies ^n^'i.q.u.p,, t^. y»/^%^n.
Siehe WZKM. XII 171 Anm. 1. 195 Anm. 2.
») ed. j ^ußi_t t^*" » lies j W^Lt t'^'"'
*) Sebeos ed. Pathan e au S. 66, 2. 68, 2 v.u. Vgl. WZKM. XII
191 f Nach ersterer Stelle kommt der Wehrot aus T'urk'astan.
^) Moses Chorenae'i, Werke, Venedig 1865, S. 605, 6 ft". J. Saint-
Martin, Memoires historiques et geographiques sur l'Armeme II 356.
•*) om. Ven.
') Veu. I'u^u^wj*
Osteuropäische und ost asiatische Streifzüge. 59
des Nordens ist der Chak'an, d. i. der Herr der Chazirh\ und die
Königin ist die Chat'un , d. i. die Frau des Chak'ans , aus dem
Volke der Barsilk'" .
Da es sich somit nicht beweisen lässt, dass der Verfasser
unter den T'urk'k' die Chazirk' verstanden wissen will, so halte
ich mich berechtigt, in den nördlich von Nikopsis neben den
Bul^'ark' (Kuban - Bulgaren) genannten T'urk'k' die Kj,i:>^il des
Ibn Rusta, die Onoguren des Ravennaten d. h. die Magyaren zu
erkennen.
Endlich möchte ich diese Namensform auch in dem Namen eines
Flusses ei'blieken, der in der Beschreibung der vermeintlichen ür-
sitze der Magyaren bei den ungarischen Chronisten eine grosse Rolle
spielt. Dieselbe lautet bei Simon de Keza I 1,6^): Scitica enim regio
in Europa situm habet, extenditur enim versus orientem, ab uno
vero latere ponto aquilonali, ab alio montibus Rifeis includitur, a
zona tonida distans. de Oriente quidem Asie iungitur. Oriuntur
eciam in eodem duo magna flumina, uni nomen Etui, ät alterius
Togora. gentes siquidem in eo regno procreate ocia amplectuntur,
vanitatibus dedite , nature dedignantis artibus (1. actibus) venereis
intendentes rapinas cupiunt, generaliter plus nigre colore, quam albe.
Scitico quoque regno de Oriente iungitur regnum lorianorum, et
post hec Tarsi'a, et tandem Mangalia, ubi Europa terminatur. ex
plaga vero estivali subsolana, gens iacet Corosmina, Ethiopia eciam,
que India minor dicitur , ac post hoc inter meridiem et cursum
Don fluvii desertum existit immeabile. fiuvius siquidem Don in
Scicia oritur, qui ab Hungaris Etui nominatur, sed ut montes
Rifeos transit diffluendo, Don est appellatus, qui tandem in planum
effluens , currit terram Alanorum , postea vero cadit in rotundum
mare ternis ramusculis. Togora autem fluvius discurrit de Scicia
exiendo per desertas silvas, paludes ac montes niveos, ubi nunquam
sol lucet propter nebulas , tandem intrat , in Yrcamam vergens,
in mare aquüonis.
Die auf der Ostseite Skythiens liegenden Landschaften Tarsia
und Corosmina sind von V a m b e r y und Geza ^Kuun durch
•AJo Taräz oder Talas an einem Nebenflusse des Cui und durch
Ghwärizm erklärt worden ^) ; Mangalia soll mit dem in der ra^ig
Tiüv TiuTQiaQ'/^ixitJv ■d'Qovwv des Neilos Doxopatres aus dem Jahre
1143 genannten Mayicagia identisch sein 3), was Bruun für den
tatarischen Namen Kiews hält. Da aber nach unserem Text Mangalia
an der Ostseite von Skythien liegen soll, so vermutet Kuun, dass
^) Endlicher, Rer. Hungar. monum. Arpadiana p. 87 s. Hist.
Hungaricae fontes domestici II 56, ed. M. Florianus. Chron. pict.
Vindob. c. 2 (ib. II 105).
2) Vämbery a. a. O. S. 161 f. 175 f.; Geza Kuun, Relat. Hungar.
I 33 SS.
^) In Parthey 's Ausgabe von Hierokles' Synekdemos p. 270, 29.
gQ J. Marquart,
die spätere Tradition ursprüngliches Mongolia, „ubi Asia termi-
natur", durch das bekanntere Mangalia, „ubi Europa terminatur",
ersetzt habe. Den Ausdruck regnum lorianorum erklärt der-
selbe wohl richtig aus einer Vermischung des Landes Jugra der
russischen Chronik, ö.jj oder s^i^ der arabischen Geographen
mit , L> > Gurgän, Gurgän „Hyrkanien" oder wohl richtiger mit
iJib*!^^ al Ourgänija, persisch ^\j^ß Gurgäng , der Haupt-
stadt von Chwärizm^). Das rotundum mare, in welches der Don
in drei Armen fällt, ist die Maiotis; in dem mare aquilonis da-
gegen, in welches der Fluss Togora nach Hyrkanien, d. i. Gurgän
oder wahrscheinlicher Gurgäng, der Hauptstadt von Chwärizm ein-
lenkend, mündet, haben wir wahrscheinlich eine Vermengung des
Kaspischen Meeres, arabisch ,^^^_f>- ysr. «Meer von Gurgän" oder
.i;Cv-j>L> j<^. „Meer von Tabaristän", mit dem Aralsee, arabisch
».IiL>^^ öj*^^ »See von GurgänTja oder Gurgäng" zu erblicken.
Mit dem Ausdruck „Nordmeer" war wohl eigentlich der den
Arabern sehr wenig bekannte Aralsee gemeint-). Die Entstehung
dieser Benennung ist wohl im Iraq oder in Syrien zu suchen und
die Ungarn werden mit derselben durch Vermittlung muslimischer
Kaufleute bekannt geworden sein. Kuun erinnert mit Recht an
die muslimischen Kaufleute aus Ungarn, mit welchen Jäqöt um
1220 n. Chr. in Haleb zusammentraf.
Ich stimme Vämbery darin vollkommen bei, dass unter dem
Flusse Togora^) nur der Jajyk oder Ural gemeint sein kann,
welcher in der That ins „Meer von Gurgän" mündet und in dessen
Nähe die Magna Hungaria der ungarischen Chronisten zu suchen
ist. Der Name Togora aber zeigt dasselbe Präfix, wie der oben
erörterte byzantinische Name der Magyaren, und hängt mit dem
Namen des Landes Jugra und dem slawischen und westeuropäischen
Namen der Magyaren OvyyQOi, Ungri, Ugri zusammen.
3. Der Raubzug der Magyaren gegen Konstantinopel
im Jahre 934 bei Mas'üdl.
Soviel ich sehe, ist eine Erzählung desMas'üdT, Murügll 58 — 64,
die sich auf einen Einfall der Magyaren und anderer Barbaren
ins byzantinische Reich bezieht, wobei diese bis vor die Mauern
der Hauptstadt kamen, bisher von den Byzantinisten noch gar
1) 1. 1. p. 32 s.
2) Bei Faustos Byz. 3, 6 S. 14 wird das Kaspische Meer als „das
grosse nördliche Meer" bezeichnet.
*) Dies scheiut die besser beglaubigte Lesart. In der Wiener Bilder-
chronik lautet der Name Thogata. Siehe Gdza Kuun 1. 1. I 32.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 61
nicht beachtet und auch von anderer Seite noch sehr ungenügend
aufgehellt worden. Er lautet:
„In der Nähe der Chazaren und Alanen, zwischen diesen
und dem Westen wohnen vier türkische Völker ^) , die auf einen
gemeinsamen Stammvater zurückgehen, teils Nomaden, teils fest-
ansässig, unzugänglich und von gewaltiger Tapferkeit. Jedes von
diesen Völkern hat seinen König, die Ausdehnung jedes von diesen
Königreichen beträgt mehrere Tagereisen. Einige von ihnen reichen
bis zum Pontos. Ihre Kaubzüge erstrecken sich bis zum Lande
von Rom und den in der Nähe von Andalus gelegenen Gebieten.
Sie haben die Oberhand über die übrigen dort wohnenden Völker.
Zwischen ihnen und dem Fürsten der Chazaren besteht ein Waffen-
stillstand, und ebenso mit dem Herrscher der Alanen. Ihre Wohn-
sitze berühren das Land der Chazaren. Der erste Stamm von 59
ihnen heisst Bagnh ^:>^ "), dann kommt ein zweites Volk namens
ßagyard OJe.^\i ^), dann ein drittes Volk namens Bagnäk, welches
das tapferste dieser Völker ist; in seiner Nähe ist ein anderes
Volk namens Nükarda ■iJ>Jy*). Ihre Könige sind Nomaden.
Sie hatten Kriege mit den Romäern nach oder im Jahre
320 H, (932 n. Chr.). Die Romäer besassen an der Grenze ihres
Landes in der Nähe der genannten vier Völkerschaften eine ge-
waltige griechische Stadt , namens Walandar lXaJj, ^) , die eine
zahlreiche Bevölkerung und schwierigen Zugang hatte, zwischen
dem Gebirge und dem Meere. Ihre Einwohner konnten daher die
genannten Völker abwehren und diese Türken hatten keinen Zu-
gang zum Lande der Romäer, weil die Berge und das Meer und
die Einwohner dieser Stadt sie abwehrten. Es entstanden nun
Kämpfe zwischen diesen Stämmen infolge einer Uneinigkeit, die
wegen eines muslimischen Mannes, eines Kaufmannes aus Ardabel,
zwischen ihnen ausgebrochen war. Derselbe hatte sich bei einem
von ihnen niedergelassen und Leute vom andern Stamm hatten ihn
^) Ich verdanke der stets hilfsbereiten Liebenswürdigkeit Prof.
de Goeje's die Varianten der Namen in den Leidener Handschriften
547a (= LI) und 282 (= L^). Prof. Seybold hatte die Güte, mir die
Ausgabe von Kairo 1303 H. zu leihen.
2) B i^L^, LI La:S^, L« ^x^sVaj, Kairo I S, av, 13 ^>:^., Par.
^J^. ; I 262 : L^ ^:$\j<^ , L^ ^:?\/.j , Kairo I S. öS , 13 lässt die
Namen aus.
») JJ OjX:S\j , L2 OyuS^Aj , Kairo Oyt> ; I 262 : L^ 0^:^aj ,
L2 Ax:<\aj.
*) LI »^j^, L2 »oy^.i, Kairo »O^JI.
^) L^ .<AÄi» , L- , -i-AtvIii ) Kairo j^-N^J» •
62 J- Marquart,
geschädigt. Da brach Streit aus und die romäischen Truppen von
Walandar machten einen Streif zug gegen ihre Wohnsitze, während
60 sie von denselben abwesend waren , und führten viele Kinder in
die Gefangenschaft fort und trieben die Viehherden weg. Dies
wurde ihnen hinterbracht, als sie durch ihren Krieg beschäftigt
waren. Da verständigten sie sich und verziehen sich gegenseitig
alles Blut, das zwischen ihnen geflossen war, und das Volk stürzte
sich insgesamt auf die Stadt Walandar. Sie zogen gegen dieselbe
mit gegen 60 000 Reitern, und zwar ohne ausserordentliche An-
strengung und Aufgebot ihrerseits. In diesem Falle wären sie
gegen 100 000 Reiter gewesen. Als nun die Nachricht von ihnen zu
Armanös (Romanos Lekapenos), dem gegenwärtig — im J. 332 H.
(943/44 n. Chr.) — regierenden König der Romäer gelangte, sandte
er gegen sie 12 000 Reiter, die zum Christentum bekehrt worden
waren, mit Lanzen bewaffnet in arabischer Weise ^), und gesellte
ihnen 50 000 Romäer bei. Sie erreichten die Stadt Walandar in
8 Tagen, schlugen hinter derselben ihr Lager auf und lagerten
beim Feinde, nachdem die Türken bereits eine grosse Menge von
Gl der Besatzung von Walandar getötet hatten. Aber ihre Besatzung
hielt dank der Festigkeit ihrer Mauer Stand, bis diese Verstärkung
zu ihnen kam. Als die vier Könige die Gewissheit hatten, wie
viele bekehrte Christen und Romäer angekommen waren, sandten
sie in ihre Länder und boten die muslimischen Kauf leute auf, die
bei ihnen waren und ihr Land besuchten aus den Ländern der
Chazaren , al Bäb (Darband), der Alanen und anderer , sowie die-
jenigen unter diesen vier Stämmen, welche bereits den Islam an-
genommen hatten, aber sich mit ihnen nur bei einem Krieg gegen
die Ungläubigen zu vereinigen pflegen. Als nun die Feinde in
Schlachtordnung standen und die zum Christentum Übergetretenen
im Vordertreffen der Romäer vorrückten, zogen gegen sie die
Kaufleute, welche auf Seite der Türken waren, und forderten sie
auf, die Religion des Islams anzunehmen unter dem Versprechen,
sie , falls sie sich dem Schutz der Türken ergeben würden , aus
ihrem Land in das Gebiet des Islams zu bringen. Als sie das
zurückwiesen , nahmen die beiden Parteien alsbald gegeneinander
Aufstellung, und die übergetretenen Christen und Romäer blieben
gegen die Türken im Vorteil, weil sie an Zahl doppelt so stark
waren als die Türken. Sie verbrachten die Nacht in ihren Stel-
lungen, und die vier Könige der Türken berieten zusammen. Da
62 sagte zu ihnen der König der Petenegen: Bekleidet mich für
morgen früh mit dem Oberbefehl! Sie gewähren ihm das". Dank
seinen strategischen Massnahmen erleiden die Griechen dann eine
63 vernichtende Niederlage, gegen 60 000 Romäer und bekehrte Christen
(also fast die ganze Armee) bedeckten die Wahlstatt, so dass ihre
^) Es handelt sich um muslimische Kriegsgefangene, die mit mehr
oder weniger Zwang zum Christentum bekehrt worden waren. Also
byzantinische Janitscharen !
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 63
aufgetürmten Leichen als Leiter dienten um die Stadtmauer zu
ersteigen (wie beim Malakoffturm) , und so die Stadt erobert
wurde. „Das Schwert wütete in ihr mehrere Ta»e , und ihre
übrig gebliebenen Einwohner wurden in Gefangenschaft weggeführt.
Nach drei Tagen zogen die Türken von ihr ab, um Konstantinopel
zu erreichen. Da zogen sie mitten durch die Kulturen , Wiesen
und Landgüter , indem sie die Einwohner teils töteten , teils ge-
fangen nahmen und wegführten, bis sie vor der Mauer von Kon-
stantinopel Halt machten. Sie lagerten davor gegen 40 Tage,
indem sie die erbeuteten Frauen und Kinder gegen Stoffe und
Gewänder aus Brokat und Seide austauschten. Die Männer aber
hatten sie sämtlich über die Klinge springen lassen , ohne einen
einzigen von ihnen zu verschonen , ja manchmal töten sie auch
die Frauen und Kinder. Und sie sandten ihre Raubscharen in
jenen Gegenden nach allen Richtungen zur Plünderung aus. Ihre
Raubzüge hatten bereits das Land der Slawen und Roms erreicht,
hierauf erstreckten sich dieselben in unserer Zeit fast bis zu
den Grenzen von Andalus , der Franken und Galäliqa (Gallegos).
So erstrecken sich denn die Raubzüge der genannten Türken bis
zum Gebiet von Konstantinopel und der genannten Königreiche
bis zu diesem Zeitpunkt".
An einer früheren Stelle (I 262) nennt Mas'üdi den Pontos
das Meer der Bul^^ar (Donau-Bulgaren) , Russen , Pa^nä t^^pj
Pacnäk und Bag^'ard (Magyaren). Diese Vorstellung stammt aus
einer Zeit, als die Magyaren noch in Atelkuzu sassen. Im Kitäb
at tanbih ed. de Goeje S. ja. , 7 ff. kommt er wiederum auf jenes
Ereignis zu sprechen und sagt: „Die Buryar und nomadische Türken-
horden, welche Walandar-Leute {al Walandarya) heissen nach einer
Stadt namens Walandar in den äussersten Grenzgebieten der Romäer
gegen Osten, nämlich die Pacnäk i^Vx^i , Pacnh c^^i ^), Bagyard
und Nüharda »oJ'^^) haben die meisten dieser fünf ßävda er-
obei-t, und zwar nach dem Jahre 320, und haben dort ihre
Zelte aufgeschlagen und den Weg von Konstantinopel nach Rom
versperrt — es ist eine Strecke von gegen 40 Tagen — und die
meisten der dortigen Kultm-en verwüstet, und ihre Raubzüge
haben Konstantinopel erreicht, so dass gegenwärtig niemand in
Konstantinopel nach Rom gelangen kann ausser zur See . . . Wir
haben im „Buche der Gattungen der Wissenschaften und der Er-
eignisse in vergangenen Zeiten" die Ursache der Auswanderung
dieser vier Türkenvölker aus dem Osten und die Kriege und
Raubzüge erzählt, die zwischen ihnen und den Ghuz , Charluch
und Kaimäk am See von Gurgäng (Aralsee) stattfanden" ^).
1) Cod. L ^^^^^, ed. ^:fVj.
^) P v^j^yi, ed. »O-xi^ = Langobarden.
^) Die Verdrängung der Pecenegen erwähnt auch Istachri |. , 8
54 J- Marquart,
S. Ur, 11 spricht er dann nochmals von den „romäischen
Grenzfestungen , welche die Buryar und die türkischen PaSnäk
und die übrigen Wal andar- Leute zu unserer Zeit erobert haben".
In den Murüg lässt Mas'üdi diesen Einfall „nach oder in
dem Jahre 320" stattfinden, in seinem spätesten Werke dagegen
sagt er bestimmt „nach dem Jahre 320". Ibn al Ai9'ir, welcher
dem Mas'üdT folgend jenen Raubzug ebenfalls kurz erzählt, gibt
als Datum genauer das Jahr 322 (21. Dez. 933 bis 9. Dez. 934)
an ^). Dadurch ist ohne weiteres klar , dass den thatsächlichen
Hintergrund jener Erzählung der Einfall der Magyaren ins Romäer-
reich im Jahre 934 bildet, auf welchem dieselben xaTaÖQaf.wvTsg
ui/Qi Tijg TioXeoog iX^fiaavro näöav ©Qaxaav ipvx'tjv^). Dies
wird durch die Behandlung der Kriegsgefangenen aufs beste be-
stätigt: es war Gebrauch bei den Magyaren, die männlichen Ge-
fangenen, die einem Jägervolk sehr lästig fallen mussten, kaltblütig
abzuschlachten. „War der Gegner geworfen und in die Flucht
geschlagen, Hessen sie von dessen Verfolgung nicht eher ab, als
bis der letzte Mann erbarmungslos niedergemacht war; erst dann
kehrten sie zu ihrer Beute zurück. Es herrschte unter ihnen der
Glaube , dass alle Krieger , die auf Erden durch ihr Schwert ge-
lallen, im Himmel ihnen als Sklaven dienen müssten, daher kam
es, dass sie fast nie Männer zu Gefangenen machten und sich
durch keine Regung des Mitleids zu deren Erhaltung ain Leben
bestimmen Hessen" ^). Bei der Auslösung der Gefangenen im
Jahre 934 machte sich der Patrikios und Protovestiarios Theo-
phanes sehr verdient, fujdevog cfeißd^svog X(^V!^^^og ngog Ti]v
XüJv alyjiaXtüTcov avccQQVöiV. Welch gewaltigen Schrecken vor
den TovQXOi dieser Einfall bei den Zeitgenossen hinterliess, zeigt
(= Ibn Hauq. ^ö, 1), aber ohne Zeitangabe. Vgl. Konstantin. Por-
phyrogennet. de admin. imp. c. 37 p. 164, 8 ff., der aber die Verdrängung
der Pecenegen aus dem Uralgebiet durch die Ghuzen, welche wiederum
die Vertreibung der Magyaren aus dem Dongebiet durch die Pecenegen
im Gefolge hatte, mit der endgiltigen Verdrängung der Magyaren aus
Atelkuzu (um 895) zeitlich zusammengeworfen hat. In Wahrheit hat
die Niederlage der Pecenegen durch die Ghuzen schon um 860 statt-
gefunden.
^) ed. Tornberg I fft^, 4. Die Pacnk erscheinen hier in der
Schreibung ^_^.5^>.Jl .
3) Georg. Mon. ed. de Muralt p. 840. Vgl. Leo p. 322, 17. Theo-
phan. cont. IX 37 etc. Nestor c. 26 a. 6442.
") Jos. und Hermen egild Jirecek, Entstehen christlicher
Reiche im Gebiete des heutigen österreichischen Kaiserstaats vom
J. 500 bis 1000. Wien 1865 S. 222. Vgl. z. B. Ann_. Sangall. maiores
a. 894: Nam homines et vetulas matronas penitus occidendo, iuvenculas
tantum ut iumenta pro libidine exercenda secum trahentcs. Benedict!
chronic, c. 29 (M. G. Script. III 714): Ungarorum gens .... multos
populo(s) simul cum femine et quiequid manum capere poterat asporta-
verunt. Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches II 449.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 65
uns recht drastisch die Erzählung des Mas'üdi. u5yJ! am Ende
derselben sind speziell die Magyaren. Mas'üdT folgt also hier dem
byzantinischen Sprachgebrauch (TovQXOi) , wie übrigens auch
III, 64 (s. u.). Schon 924 waren die Ungarn nach der Verbren-
nung von Pavia über die Alpenpässe in das burgundische Reich
und von da bis nach Guyenne gelangt. Im Jahre 937 kamen sie
über Schwaben nach Frankreich und Aquitanien i), 941 oder 942
und 947 nach Italien, 943 tind 948 ins Romäerreich, 951 durch
Italien nach Südfrankreich.
Auch die Taktik der vier Völker in der Schlacht von Walandar
stimmt mit der magyarischen genau überein. Am Morgen
des Schlachttages verteilte der Fürst der Pecenegen, der den Ober-
befehl hatte, auf seine beiden Flanken eine beträchtliche Anzahl
von Schwadronen in der Stärke von je 1000 Mann. Als nun die
beiden Armeen sich in Schlachtordnung gegenüberstanden, brachen
zuerst die Schwadronen des rechten Flügels gegen das feindliche
Zentrum los und überschütteten dieses mit einem Hagel von
Pfeilen, worauf sie sich auf den linken Flügel zurückzogen. Das-
selbe Manöver wurde dann auch von den Schwadronen des linken
Flügels ausgeführt, worauf sie sich auf den rechten Flügel zurück-
zogen. Durch diese fortwährenden Angriffe wurden die Romäer
so lange belästigt, bis Unruhe in ihre Reihen kam, während der
Kern des Feindes sich bisher am Kampfe gar nicht beteiligt hatte.
Als die Romäer nun einen Vorstoss gegen den Feind machten,
stoben die leichten Schwadronen wie Spreu auseinander, aber als-
bald wurden die Romäer von einem Hagel von Pfeilen über-
schüttet und gerieten ins Wanken.
Die Magyaren „vermieden soviel sie konnten das Handgemenge
und suchten den Kampf aus der Ferne zu führen. Darum lieferten
sie selten regelmässige Schlachten und noch weniger gaben sie
sich mit der Belagerung fester Plätze ab. Flüchtete sich der
Feind in einen solchen, so lauerten sie in Verstecken auf eine
günstige Gelegenheit seiner habhaft zu werden oder schnitten
ihm jede Zufuhr von Lebensmitteln ab Vor der Schlacht
war ihr Heer in kleine Haufen zu etwa 1000 Köpfen geteilt, die
in unbedeutenden Entfernungen von einander standen. Ausserdem
soi'gten sie immer für eine Reserve, aus der sie den kämpfenden
Scharen frische Streiter zuführten, oder dem Feinde Hinterhalte
legten" ^).
Schwierigkeiten in der Erzählung des Mas'üdi bereiten aber
zunächst die vier Völker, von denen nur die ldL>^>^ (Peßenegen)
mit ihren 8 Horden Ärtim, Cur, Jyla, Kulpej, Charowoj, TalmaS,
Chopon und Copon, sowie die 0,i:p.j Bagyard (Magyaren) mit
1) Vgl. E. Dümmler, Kaiser Otto der Grosse, 1876, S. 58 £
2) Jos. u. Hermenegild Jirecek a. a. 0. S. 220. Dümmler,
Gesch. des ostfränk. Reiches a. a. 0. 447.
Marquart, Streifzüge. "
gß J. Marquart,
ihren 7 Stämmen Neki {Ni}cri), Magyar (MeyiQV), Kurtyg-ermati),
Tarjan, Jenach (revdx) , Kary und Kasy , wozu als erster noch
die chazarischen KccßaQOi kommen, anderweitig bekannt sind.
Wenn man die 'iö/y in öJy5y ändert und für Langobarden
erklärt wie de Goeje in seiner Ausgabe des Kitäb attanblh
thut, so vergrössert sich nur die Schwierigkeit. Denn was haben
die Langobarden mit den Peienegen und Magyaren zu thun^),
1) Vgl. die huuno-bulgarischeu KovtQly-ovQoi?
-) Man wird geneigt sein, zu gunsten irgendwelcher Beziehungen
zwischen Magyaren und Langobarden sich auf Ibn Rusta IfA, 3 zu
berufen, wo die Stadt ^j^fr^^ als ^jJVj..jCi^i iLoJuo (so de Goeje
für das ^jJ^jCi^i der Hs.) , Stadt der Langobarden^ bezeichnet wird.
de Goeje vermutet darunter mit Recht das TitÜiog des Kinnamos,
mag Titul, Titil, Tetel, an der Einmündung der Theiss in die Donau.
Vgl. Tomaschek, Zur Kunde der Hämushalbinsel IL Die Handelswege
im 12. Jh. nach Idrlsi. SBWA. 113, 1886, S. 294. ^j^I^^J , richtig
iw^aIj^Lj, wäre also eine Umstellung für jj^aJÜij. Ibn Rusta sagt
von dieser Stadt: „Es ist eine grosse Stadt, die sechs Meilen im Ge-
viert hat. Sie ist reich an Gütern. Es gibt daselbst Ölbäume und
Obstarten, und sie hat zwei laufende Flüsse , die dort zusammeufliessen.
Es ist die Stadt der Langobarden, die sich in ihren Ebenen nieder-
gelassen haben in einer Entfernung von 20 Schritt (?); sie leben nach
Art der Kurden, indem sie in den Ebenen in Zelten wohnen". Von
dieser Stadt hat man einen Monat durchs Land der Slawen zu reisen,
die unter dem König (j^j-^J d. i. dem Kaiser Basileios ij*^i^J das
Christentum angenommen haben, bis man zu einer grossen Stadt am
Meeresufer, drei manzil westlich von iöji^ (Saloniki) gelangt. Sie be-
sitzt Märkte und hat ringsum viele Flüsse und wird von Kanälen be-
wässert. Sie ist mit einer doppelten Mauer und mit einem Graben be-
wehrt, de Goeje hat richtig erkannt, dass die Stadt KtTpog, das alte
Pydna, gemeint sein muss, bei IdrisT u^y^'- Vgl. Tomaschek a. a. 0.
S. 351 f. Dieser Name steckt in ^.^J^/> (für ^.^Jai oder JLjo-'i) S. !rv, 13,
das am Rande nachgetragen war und von da an falscher Stelle in den
Text geraten ist. Im Texte des Ihn Rusta Ifv, 12 ist nämlich hinter
s:.^^ offenbar eine Lücke, die so zu ergänzen ist: ^\ ^^i^^ J-^
Jai LfJ S^ij iÜ-jA/s. Kitros heisst auf den italienischen Seekarten
Quitori cum portu Quitori, für Kitro, fränkisch Cytre.
Die Beschreibung der Lebensweise der Einwohner von ^j^^b'^'J
bei Ibn Rusta stimmt aufs genaueste überein mit derjenigen der Be-
wohner von KUj ^J\ Francavilla bei Idrisi II 377: „Ses habitants
boivent de l'eau de puits et de foutaines, jouissent d'abondantes
ressources, mais, pour la plupart, m^nent une vie nomade".
Der Ort Francavilla in den Berichten der Kreuzfahrer, ^QuyyoxotQiov
der Byzantiner, lag südlich vom Höhenzuge der Fruzskaja gora. Die
Franken unter Karl dem Grossen hatten dies Gebiet, das sich zwischen
dem antiken „inong Alma" und der „civitas Sirmimn" erstreckte den
Bulgaren abgewonnen. Ifrankbila wird bei Idrisl p. 378 ausdrücklich
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 67
ausser dass sie gleich den Deutschen von den Eintällen der letzteren
heimgesucht wurden ? Und vollends mit dem Magyareneinfall des
Jahres 934, der doch den Kern der ganzen Erzählung bildet, stehen
sie in gar keinem Zusammenhange — ganz abgesehen davon, dass
es selbst für einen Araber ein recht starkes Stück wäre, die
Langobarden für „Türken" zu erklären. Es hat sich mir nun
schon früher öfters die Vermutung aufgedrängt, ,J^:>^. oder ^c^i ,
U.>u Facnh möchte nur eine Nebenform für uiU^ Peöenegen
sein. Fasst man einmal diese Möglichkeit ins Auge, so ist es
nicht mehr allzu schwer, auch über ri^jSy ins Reine zu kommen.
Andere Nomadenvölker als Magyaren und Pe^enegen gab es da-
mals im untern Donaugebiete nicht, es muss also in »O^^J
eine Nebenform des Magyarennamens stecken, mit
andern Worten : so/ji bezw. »O^ (so die Kairiner Ausgabe und
cod. P Tanbih \^., 10) ist eine leicht erklärliche Verderbnis für
'^Ss% oder genauer »oyT-^ Bazgarda. Hierfür werden wir später-
hin noch eine Bestätigung von anderer Seite her erhalten i).
aJ '■^•■Li und l.L>^o sind in der That die lautgesetzlich zu erwarten-
den neupersischen Formen für älteres O^xr^j und l^L.^?o.
In der persischen Übersetzung des Istachri S. 1. , 9 wird der Name
der Peöenegen xX^j d. i. »J.^^ geschrieben. In Ihn Sabibs
^.,3;^! «y-wj ^.,yÄii fJ^, wo jene vier Völker gleichfalls (m
letzter Linie aus Mas'üdl) aufgeführt werden, findet sich für '■i^J'y
die Variante Ov3y> yi\ -) d. i. »Oy>^ aus BO^^jj ±!azgaraa.
von ^J>.yLifJJ unterschieden und von Tomaschek mit Sirmium, slaw.
Srhn, dem heutigen Dmitrovica gleichgesetzt. Konstantin Jirecek,
Das christliche Element in der topographichen Nomenclatur der Balkan-
länder S. 94 (SB WA. Bd. 136, 1897 Nr. XI) spricht sich gegen die
Identität von Francavilla und Sirmium aus; Ortvay, Geographia
ecclesiastica Hungariae I 349—350 (citiert bei Jirecek S. 98) identifi-
ziert Francavilla mit Nagyolasz, jetzt Mandjelos. Trotzdem glaube ich,
dass ehemals auch Titüiog diesen fränkischen Kolonisten gehört und
einst den Vorort ihres Gebietes gebildet hat. Ich vermute deshalb,
dass ^..f*jJ^5o^! bei Ibn Rusta auf einer Verwechselung mit den
Franken seitens des Gewährsmannes Härfm b. Jabja beruht.
1) Geza Kuun, Relat. Hungar. cum gent. oriental. bist, anti-
quissima I 75 sieht sich zu dem Ausweg gezwungen, in »->jJ^
ein türkisches Appellativ für , Krieger" zu erblicken, welches Mas'üdl
fälschlich als Eigennamen eines türkischen Stammes aufgefasst hätte.
[Nach Vämb^ry, Ursprung der Magyaren S. 416 N. 3 ist jS'y Nölcer
ein vom Mongolischen stammendes Wort in der Bedeutung „Soldat,
Krieger".]
") Beruh. Dorn, Bullet, de l'Acad. imp. de St. Petersbourg
5»
ßo J. Marquart,
Darnach müssen also die verschiedenen Namensfonnen aus
zwei verschiedenen Quellen stammen, von denen die eine von
^->L^j und OjL>u, die andere von LL^j und »jj'^ij redete, und
wir haben es lediglich mit Pecenegen und Magyaren zu thun.
Dafür spricht auch Istachri iTö, 6 (= Ibn Hauq. rAö, 7), welcher
die Magyaren (oy>v.v-j) und Peöenegen nebeneinander stellt und
als Türken bezeichnet, wohl ebenfalls mit Rücksicht auf den Zug
des Jahres 934.
Mit der Annahme einer solchen Konfusion treten wir der Ehre
des Weltbummlers Mas'üdi gewiss nicht zu nahe. Eine noch viel
greulichere Verwirrung hat er sich II 15 f. geleistet, wo er Wolga-
Bulgaren und Magyaren zu einem Ragout verarbeitet, wie man
es im Alexanderroman nicht geschmackvoller finden könnte (siehe
unten). Auch hier muss der Grund der Verwirrung ein ähnlicher
wewesen sein. Die Einfälle ins Land von Konstantinopel, welche der
ö
Verfasser von dem muslimischen König der Wolga -Bulgaren ( ji^ji)
berichtet, Hessen sich zur Not auf die Donau-Bulgaren beziehen;
aber die Ausdehnung ihrer Raubzüge bis nach den Ländern von
Rom, Andalus und den Gebieten von Burgund (^.^L?-yj), der Gal-
legos (».Äj^L.^) und Franken zeigt, dass nicht die Bulgaren, sondern
die Magyaren gemeint sind. Zu demselben Resultat führt auch
die Angabe, dass vom König der Bur^ar bis nach Konstantinopel
ein Weg von zwei Monaten sei. Dies passt nicht auf die Haupt-
stadt der Bulgaren Preslaw, wohl aber auf das Land der Magyaren i).
Mas'üdi muss also eine schriftliche Quelle vor sich gehabt haben,
in welcher von ^ j die Rede war, was aber in persischer Weise
^■••j *Bazyar = arabisch 'iLiji.:^ zu lesen war.
Sämmtliche Namensformen, unter welchen die Ungarn auf-
treten, lassen sich somit auf zwei Grundformen zurückführen:
I. Der Stammname Magyar, bei Konstantin dem Purpur-
gebornen Meyigt], mit dem sich das Volk selbst bezeichnet und
der als nationaler Name den Arabern schon in der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts bekannt geworden ist: in den ungarischen
Chroniken Mogor, arab. \'jjk^i\ (Muslim b. Abu Muslim); y^j
d. i.y.^ (Mas'üdi); »o^j für nöß-^ (Mas'üdi); ^j:^^^^ (Istachri
t. XVI, 1871, S. 23. ^_c^:po findet sich dort zu ^^l^'S, OjX.>U zu Oj.i-\j
verstümmelt. Anm. 42 führt Dorn aus d'Ohsson, Les peuples du
Caucase p. 117 (vgl. 245) die Varianten j^^^^J, ^^^F^ und ^J^-^ an
und verweist noch auf Kasem beg, Derbend-Nameh, St. Petersb.
1851, S. 197 Anm. 16 und Klaproth, Description du Caucase im
Magasin asiat. T. I No. II S. 293.
') Vgl. Härün b. Jal.ijk bei Ibn Rusta Ifv f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 69
fVo, 5 ff. Ibn Hanq. rr, 16. I^ao, 6 f.), o^i^i^j (DorH, Auszüge
aus muhammedan. Schriftstellern. Bullet, de l'Acad. de St.-Peters-
bourg t. 16, 23. 18, 303. 19, 294 ff.), iCjJyLiiL? Jäqüt I f11.
Letztere drei Formen sind dem Namen der Baschkiren (oylcoLil
Ibn Fadlän bei Jäq. I fV) angeglichen, die als „innere Baschkiren"
Aj>!jJt o..^^j von den Magyaren unterschieden werden (IstachrT
ft'^, 9 = Ibn Hauq. I'av, 7). Von arabischem Sprachgebrauch,
welcher die Magyaren und Baschkiren mit demselben Namen be-
zeichnet, geht die Benennung der vermeintlichen Urheimat der Ma-
gyaren bei den Reisenden des 13. Jahrhunderts und den ungarischen
Chi-onisten aus: terra Bascart^ id est magna Hungaria (Joannes
de Piano Carpini) , Pascatir (Wilhelm de Rubruquis), Bascardia
(Wiener Bilderchronik), Barsatia (Simon de Keza). Vgl. Vämbery,
Ursprung der Magyaren S. 117 ff. 162 f.; Tomaschek, Kritik der
ältesten Nachrichten über den skyth. Norden II 42. Daraus, dass
dieser Name den Ungarn durch arabische Vermittlung bekannt ge-
worden ist, erklären sich auch die mannigfachen Verstümmelungen
desselben. Mit den Mescerjaken, einem finnischen Volke, das ehe-
mals unter den Mordwa lebte und jetzt völlig turkisiert in ge-
ringen Resten unter den Baschkiren wohnt (Vämbery, Ursprung
der Magyaren S. 447 f.), hängt der Name der Magyaren wohl
nicht zusammen.
IL Der Volksname Jugra^ bei den Permiem noch heute die
Benennung sämtlicher ugrischer Stämme.
a) OvyyQOi, üngri, Ungarn, Hungari (in der Genealogie
Hunor, der Bruder des Mogor), bei Jäqüt I f 11 (nach mündlicher
Erzählung muslimischer Ungarn) jLx^l\; Agarem' bei westeuro-
päischen Chronisten; altslawisch *Ugri, Ugri,
b) mit Umstellung des r 'Ivgxai Her. ^ 22 ;
c) mit Umstellung des r und vorgesetztem t: Tyrcae (Plin.),
Turcae (Mela); Tovgxov bei den Byzantinern;
d) mit volksetymologischer Umdeutung armen. X^^t-nftfiß
Sev-ardik', arab. iüJV,»L*.il , -lUJj^U^^ , gr. ^eßÖQTioi = Mavga
TTCdöia für *Sev-orgiV = russ. Ugri cernü, ^aßaQTOi aacpaloi.
In grosse Verlegenheit geraten wir bei dem Versuch einer
Identifizierung der von Griechen bewohnten romäischen Grenz-
festung Walandar. Dieses Sperrfort lag 8 Tagmärsche von der
Hauptstadt entfernt, zwischen dem Gebirge und dem Meere, also
an der Nordostgrenze des Reiches und beherrschte die Strasse
von der untern Donau nach Konstantinopel. Unter dem ge-
waltigen Garen Symeon lief die bulgarisch-romäische Grenze süd-
lich von Mesembria auf Adrianopel zu ; ob unter seinem schwachen
Nachfolger Peter (927—968), der bald nach seinem Regieiiings-
antritt mit den Byzantinern Frieden schloss, gine Grenzberichtigung
70 J- Marquart,
zu o-unsten der letzteren stattfand, ist mir nicht bekannt^). Da
Mas'üdi ausdrücklich berichtet, dass der Kaiser Romanos der Stadt
Walandar ein Entsatzheer schickte, so ist unter allen Umständen
daran festzuhalten , dass dieselbe auf romäischem Gebiete lag.
Dadurch ist Bruuns Gleichsetzung-) mit Gross - Preslaw (beim
heutigen Eski Stambul) von selbst hinfällig. Auch Warna ist als
bulgarisch ausgeschlossen. Überlegt man sich die ganze Sachlage,
so kann kein anderer Ort in Betracht kommen als die wichtige
Grenzfestung Develtos, bei den Byzantinern /Je^ekrög, /lovElxoq etc.
geschrieben, deren Trümmer bei Jakyzly am Westende der süd-
lichsten der drei Lagunen von Burgas gefunden wurden^). Im
Jahre 864 oder 865 wurde dem Bulgarenkan Bogoris von den
Romäern Zagoria zwischen dem Eisernen Thor und Develtos ab-
getreten (Theophan. Cont. IV, 15)*).
IdrTsT rechnet von Konstantinopel nach Anchialos am Öst-
lichen Ende der Bucht von Burgas 130 Meilen = 43 Parasangen
oder 6 Tagreisen zu 7 Par. Ich glaube daher, dass in v^^Jj der
Name Dveltos vermehrt um ein Appellativ steckt: etwa -Jv^^^Jj
„Festung {D)welt'^'} Dies wüi'de abermals auf eine persische
Quelle hinweisen (oben S. 67).
Der Durchzug durch das bulgarische Gebiet scheint den
Barbaren sehr leicht geworden zu sein: offenbar wagte der un-
kriegerische Gar gar nicht, ihnen entgegenzutreten, und war froh,
als sie aus seinem Gebiete weitergezogen waren. Nach den späteren
Angaben Mas'üdTs im Kitäb attanbTh könnte es sogar scheinen,
dass die Bulgaren { ^J) gezwungen wurden, sich den Walandar-
horden anzuschliessen. Aber wie so oft trifft es auch hier zu,
dass der Schein trügt. S. U^, 11 nennt er von den Walandar-
Horden nur die Bur/ar und Paönäk mit Namen, sodass diese
geradeso gepaart erscheinen wie die Basgirt und Paönäk bei
Istachrl. Die ^_j stammen daher vielmehr aus einer dritten Quelle
über jenen Magyareneinfall, welche er auch Murüg II, 16 be-
nutzt hat. Diese wusste wahrscheinlich nur von einem einfallenden
Barbarenvolke, und unter den J;j waren hier nicht die Donau-
Bulgaren zu verstehen , sondern der Name sollte ^-ij Bazyar
= Magyaren gelesen werden. Da Mas'üdi aber seine Identität
mit den O Jt:^ nicht erkannte , so hat er ihn als fünften den
1) S. Max Büdinger, Österreich. Geschichte bis zum Ausgange
des IB. Jahrhunderts I. Lpz. 1858, S. 373 f. Konstantin Porphyrog.
de them. II p. 47, 9 rechnet Develtos zur inaq^ia Ai^i^övzov.
-) Angeführt von Göza Kuun a. a. 0. II 41.
^) Arch. epigraph. Mitth. aus Österreich-Ungarn X 167. Jire6ek,
Das christliche Elenient in der topographischen Nomenclatur der Balkan-
länder S. 79 f. Vgl. Tomaschek a. a. O. S. 306.
*) de M uralt, Essai de Chronographie byz. I 427/28. Jirecek,
Gesch. der Bulgaren 153 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 71
vier übrigen angereiht. An der Einnahme einer byzantinischen
Grenzfestung im Jahre 934 werden wir aber festhalten müssen.
Die Feinde müssten sich demnach im unteren Donaugebiet ver-
einigt haben. Freilich lag Walandar nur auf der Route der
Peöenegen nach Konstantinopel, während der Weg der Magyaren
über das heutige Serbien und Sofia nach Thrakien führte. Sodann
ist es mindestens sehr auffällig, dass die Byzantiner gar nichts von
einer Beteiligung der Pe^enegen am Zuge von 934 oder von einem
selbstständigen Raubzug der Peßenegen ins byzantinische Gebiet
um diese Zeit wissen, obwohl ihnen Mas'üdl gerade die Haupt-
rolle zuweist. Sollte dieser bei seiner Darstellung durch den
Plünderungszug beeinflusst worden sein , welchen die Peßenegen
im Jahre 941, also zwei Jahre vor der Abfasssung der „ Gold-
wäschereien", auf Anstiften des russischen Fürsten Igor während
seiner Expedition gegen Konstantinopel nach Bulgarien unternahmen,
das damals mit den Romäern im Bunde war ? ') An und für sich
kann es allerdings nicht als unwahrscheinlich bezeichnet werden,
dass sich den Magyaren bei jenem Raubzuge im grossen Stile
auch Peöenegenhorden angeschlossen hatten , so grossen Respekt
sie auch vor diesen gehabt haben sollen.
Ganz anders verhält es sich dagegen mit der angeblichen
Veranlassung zu jenem Einfall. Dass eine byzantinische Besatzung
quer durch das bulgarische Gebiet hindurch einen Streifzug nach
dem nördlichen Donauufer , nach der Walachei oder Bessarabien
gemacht hätte, wo damals die Pe^enegen sassen, ist ganz undenk-
bar. Sie müsste höchstens zu Schiffe nach den Donaumündungen
gefahren sein. Aber dann würden wir doch wohl etwas von dieser
denkwürdigen Expedition bei den Byzantinern lesen. Und selbst
die Richtigkeit jener Behauptung zugegeben, so müsste der Rache-
zug von den PeSenegen ausgegangen sein , was den Angaben der
Byzantiner widerspricht, welche die Teilnahme der letztern gar
nicht erwähnen.
Allein die Erzählung des Mas'üdi zeigt in mehreren Punkten
eine frappante Ähnlichkeit mit einem Ereignis, welches Konstantin
Porphyrogennetos erzählt, aber in die Zeit vor dem Abzug der
Magyaren nach Pannonien verlegt. Nach Mas'üdi hätte die Gar-
nison von Walandar einen Krieg , der zwischen den genannten
vier Stämmen ausgebrochen war und infolgedessen diese von ihren
Wohnsitzen abwesend waren, benützt, um ihre Familien gefangen
zu nehmen und üire Herden wegzutreiben.
Bei Konstantin lesen wir nun de administr. imp. c. 40
p. 172, 22: /xera öi zo näktv rov ^vfieiov fiiToc xov ßaGi-
^) Konst. Jirecek, Geschichte der Bulgaren S. 173. Schon
Büdinger, Österreichische Geschichte bis zum Ausgange des 13. Jahr-
hunderts Bd. I, 1858, S. 374 findet „die beinahe völlige Teilnahmlosig-
keit der Petschenegen" bei den bulgarisch-byzantinischen Verwickelungen
iu der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts rätselhaft.
72 J« Marquart,
Keug Twv'PcofiaioüV £iQt]V£veG&cci, xai Xccßslv äSsiav, Öienk^Apaio
TiQoq Tovg (173) Uar^ivaxircig , xai fier avrcöv (*)/no(poji>y6s
Tov xaTa7iolsfii]oai xal äcpavißai rovg TovQXovg' xai 6t s oi
TovQXOi TiQog ta^eidiov ciTiiiX&ov^), oi IlaT^tvaxiTai /nera tov
^vfisiov ii]Xüov xaTCi töjv Tovqxwv, xai Tag avxwv cpafxtUag
navTelcög i^7](fccvtOav, xai rovg sig cpvXa^iv Trjg %MQag avTwv
ToiiQXOvg änexslos xaxivxäxwg änediio^av. ol de Tovgxoi
v7ioOTQi\pavTEg, xai Tijv ^oogav avTwv ovTug svQovTsg l-gri^ov
xai xaTi](faviGuevi]v, xareoxi'jvwGav üg ri]V yiiv üg tjv xai
O7']fisgov xaxoixovai, . . . oi öt Tovqxol nagä tuv JUaT^tva-
XLTMV öiio^ßkvTBg }jX&ov Xai xaTiGxrjviüOav üg Tt)v yijv dg
TjV VVV OIXOVGIV.
Das war die Rache des Garen dafür, dass die Magyaren die
Romäer gegen die Bulgaren unterstützt und diese in grosse Be-
drängnis gebracht hatten. Der thatsächliche Hintergrund dieser
Erzählung tällt nach den Annales Sangallenses maiores ins Jahr
896. "Wie aber ein Vergleich mit diesen zeigt, ist die Version
des Konstantin sagenhaft zugespitzt -) , und dass dasselbe Motiv
in der Erzählung des Mas'üdT verwandt ist, ist unverkennbar").
Ja die Greschichte vom Ausbruch der Streitigkeiten zwischen den
vier (richtig zwei) Stämmen , so sagenhaft und unwahrscheinlich
sie an sich auch ist, weist deutlich in dieselbe Zeit zurück. Die
Veranlassung dazu soll die Misshandlung eines muslimischen Kauf-
manns aus Ardabel, der sich bei dem einen Volke (d. h. den
Pe^enegen) niedergelassen hatte, durch die andere Nation (d. h. die
Magyaren) gegeben haben. Unter den Peßenegen gab es bereits
viele Muslime, wie der Bericht von der Schlacht von Walandar
ja zeigt. Das Verhältnis zwischen den muslimischen und den
noch heidnischen Peöenegen, wie es sich aus Mas'udis Erzählung
ergibt, wird aufs beste illustriert durch eine anonym überlieferte
Nachricht , die sich bei Bekri S. 43, 4*) findet , und die ich für
wichtig genug halte um sie in Übersetzung herzusetzen: „Eine
Anzahl voa Muslimen, die in Konstantinopel gefangen gewesen
waren, hat erzählt, dass die Peßenegen (ehemals) der Religion der
Magier (Feueranbeter) anhingen. Da geriet nach dem Jahre
400 H. ein Gefangener von den Muslimen zu ihnen, ein gelehrter
^) Nach Eugen Csuday, Gesch. der Ungarn. 2. Aufl. übs. von
M. Darvai Bd. I S. 64 Anm. 1 ist damit der von den Ungarn im
Bunde mit dem deutschen König Arnulf gegen Swatopluk geführte
langwierige Krieg gemeint.
-) Unrichtig ist das Verhältnis aufgefasst von Geza Kuun 1. 1.
^) Ich halte es für möglich, dass die mindestens gewaltig über-
triebene Geschichte von der vollständigen Aufhebung der zurück-
gelassenen Familien der Magyaren durch die Peienegcn nur zu dem
Zwecke erfunden ist, um zu erklären, weshalb die Magyaren auf ihren
Kaubzügen überall die Frauen und Mädchen herdenweis zur Befriedigung
ihrer Wollust wegschleppten.
'; Defrcmery, Journ. as. 1849, 1, 461/62. 467/68.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 73
Theologe, der einer ihrer Horden den Islam anbot. Sie nahmen
nun den Islam an und ihre Gesinnungen wurden tadellos, und
es verbreitete sich die Mission des Islams unter ihnen. Das
nahmen ihnen die übrigen übel, die den Islam nicht an-
genommen hatten, und es kam schliesslich zum Krieg zwischen
ihnen. Gott verlieh aber den Muslimen den Sieg über sie. Sie
waren etwa 12 000, während die Ungläubigen mehr als doppelt
so stark waren, allein sie töteten diese, und der Rest nahm
den Islam an, so dass sie heute sämtlich Muslime sind, und es
bei ihnen Gelehrte, Theologen und Koranleser gibt. Sie nennen
heute diejenigen, welche der Herrscher von Konstantinopel oder
ein anderer zu Sklaven gemacht hat und die als solche zu ihnen
geraten, die Echten (^LÜ) und lassen ihnen die Wahl, ob sie
bei ihnen bleiben wollen, in welchem Falle sie dieselben behandeln
wie ihresgleichen 1) und sie bei ihnen nach Belieben heiraten
können — oder ob sie sie an einen sichern Ort geleiten sollen".
Die Bekehrung der Pegenegen wird hier allerdings viel später
gesetzt als Mas'üdi voraussetzt, allein die Erzählung erinnert selbst
im Wortlaut, namentlich am Schlüsse, stark an Mas'üdl und ich
bin daher überzeugt, dass das Datum 400 H. auf einem Text-
fehler beruht und in 300 zu verbessern ist. Umgekehrt ist bei
Dimasqi das von Ibn al A?9ir angegebene Datum der Bekehrung
der Chazaren zum Islam 354 H. zu 254 (867/68 n. Chr.) ge-
worden. Da nun in diesen Kapiteln Mas'üdi neben Gaihäni überall
die Hauptquelle BekrTs bildet, so nehme ich keinen Anstand, auch
die vorstehende Erzählung auf ihn als Quelle zurückzuführen.
Ebenso wird ja auch die Geschichte von der Bekehrung der Cha-
zaren zum Judentum unter Härün ar Rasld bei BekrT S. 44, 1 ff.
auf Mas'üdl zumckgehen (s. o. S. 7).
Wir dürfen also als bezeugt annehmen, dass bald nach dem
Jahre 300 H. (912/13 n. Chr.) der Islam unter den Pe^enegen
eine erfolgreiche Propaganda machte, x Wahrscheinlich gewann
derselbe aber schon weit früher bei ihnen Eingang. Nicht bloss
bei den Chazaren gab es, wie die Vita des Konstantin zeigt, um
die Mitte des 9. Jahrhunderts zahlreiche Muslime, sogar bei den
Donau-Bulgaren drangen ums Jahr 864 durch muslimische Kauf-
leute muhammedanische Schriften ein 2). Um die Mitte des 10. Jahr-
hunderts gab es auch im Magyarenlande muslimische Kaufleute,
die von da bis nach Prag kamen ^).
Ich halte es daher für durchaus wahrscheinlich, dass in der
zweiten Hälfte_ des 9. Jahrhunderts muslimische Kauf leute von
Chorasan und A^arbaigän aus bereits auch zu den Pe^enegen ge-
langten, seitdem diese die Wolga und den Don überschritten und
J) Nach der Eandlesart s^*.??. für »^>oij beiDefr^mery S. 462.
2) Responsa Nicolai papae c. 14—16. Mansi XV 432.
ä) Ibräblm b. Ja'qnb bei Bekrl S. 35, 3.
r^^ J. Marquart,
sich bis zum Dnjepr ausgedehnt hatten. Nach dem Einbruch der
Magyaren in Pannonien fehlt für jene Geschichte des Mas'üdi
jeder reale Boden, während sie zur Zeit des Nebeneinanderwohnens
beider Völker in der Steppe wenigstens denkbar wäre. In der
That wissen wir auch gar nichts von Kämpfen zwischen Magyaren
und Peöenegen in der fraglichen Zeit (934), vielmehr versichert
Konstantin wiederholt, dass jene nach der Niederlage des Jahres
896 selbst auf die Aufforderung des griechischen Kaisers hin sich
nie wieder in einen Kampf mit jenem schrecklichen Feinde ein-
lassen wollten').
Auch als Sage hat also die Geschichte nur einen Sinn in den
alten Sitzen der Magyaren in Lebedia oder Atelkuzu. Dies wird
bestätigt durch die Angabe, dass die genannten Völker mit dem
Fürsten der Chazaren und mit dem Herrscher der Alanen in
einem Friedensverhältnis stünden. Dies kann sich nur auf die
Mao-yaren vor ihrer Vertreibung aus Lebedia durch die Peöe-
negen, nicht aber auf die letzteren beziehen. Gegen diese unter-
nahmen die Chazaren nach Ibn Rusta !f., 5 jedes Jahr einen Kriegs-
zug, mit den Magyaren standen sie dagegen, wie uns Konstantin
versichert, in einem engen Bundesverhältnis ^). In Lebedia aber
waren die Magyaren auch Nachbarn der Alanen.
Bei Mas'üdi sind demnach verblasste Erinnerungen an die
früheren Wohnsitze der Magyaren in der Nähe der Chazaren und
Alanen sowie ihre jahrelangen Kämpfe mit den Pecenegen und
endliche Vertreibung durch diese aus dem südrussischen Steppen-
gebiet mit dem mehr als ein Menschenalter späteren Einfall der
Magyaren ins Romäerreich im Jahre 934, bei welchem sich, wie
es scheint, auch Pe^enegenhorden beteiligten und eine romäische
Grenzfestung Walandar erobert und verwüstet wurde, verbunden
und durch Herstellung eines ätiologischen Zusammenhanges ver-
schmolzen worden. Eigentümlich ist nur, dass der Fürst (Beg) der
Pec^enegen in der Schlacht von Walandar den Oberbefehl erhält.
Hier scheint wirklich der gewaltige Respekt der Magyaren vor
den Peöenegen nachzuwirken.
4. Das Itinerar des Mis'ar b. al Muhalhil nach der
chinesischen Hauptstadt.
Jetzt ist das Urteil über das merkwürdige Itinerar des Abu
Dulaf Mis'ar b. al Muhalhil bereits gesprochen, das die Ethno-
graphen so lange genarrt hat. Der Verfasser will mit Gesandten
des Samaniden Na9r b. Ahmad gereist sein, welche den Auftrag
hatten, eine Gesandtschaft des chinesischen Königs ^^aj^^! ^^j (jOti
^) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 3. 8 p. 74, 2. c. 13
p. 81, 13. c. 38 p. 170, 24. Vgl, Dum ml er, Gesch. des ostfränkischeu
Reiches II 444. Büdinger, Östorreich. Gesch. I 376.
-) de administr. imp. c. 38 p. 168, 15 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 75
QälTn b. as Sachlr^) an den chinesischen Hof zurückzubegleiten.
Diese Gesandtschaft sollte eine Verschwägerung zwischen dem
König von Cin und dem Samaniden zustande bringen und für ihren
Herrn um eine Tochter des Emirs werben. Dieser wollte jedoch
nicht darauf eingehen, und so wünschten sie, dass einer von seinen
Söhnen die Tochter des Königs von China heiraten sollte. Hierin
willigte der Emir ein und schickte Gesandte mit ihnen. So er-
hielt Abu Dulaf Gelegenheit, nicht bloss das Land der Chinesen,
sondern auch die Stämme der Türken gründlich kennen zu lernen.
Jeder der es versucht, auf der Karte das Itinerar des Reisen-
den zu verfolgen, wird alsbald mit steigendem Kopfschütteln die
sonderbaren Kreuz- und Querzüge betrachten, die uns bald nach
Tibet und an die Grenze von China, bald nach dem Stromgebiet
des Cui und Tibet, bald wieder nach dem Irtischgebiet oder dem
Tarimbecken führen-). Die Gesandtschaft brach etwa im Jahre
331 H. (941 n. Chr.) von Buchara auf. Nachdem man die islami-
schen Städte von Transoxiana verlassen, kam man zuerst zu einem
Stamm mit einer Stadt namens Chm-gäh »li^ü d. i. persisch
„Zelt" ^) , dessen Gebiet in einem Monat durchzogen wird , dann
zur Stadt Tachtäch • LLj^iLJl , deren Gebiet man in 20 Tagen
dui-chquert. Die Einwohner zahlen nach Chargäh Tribut, weil
diese dem Islam näher und demselben beigetreten sind, und
verbünden sich meistens mit ihnen zur Bekriegung der Heiden,
welche in geringer Entfernung von ihnen sind, gehorchen aber
dem König von Cin. Von hier gelangt man zum Stamme
Bagä L^Ji *). »Wir lebten bei ihnen von Hirse, Kichererbsen
und Linsen und reisten durch ihr Gebiet einen Monat sicher und
1) So nach Jäq. III ff^, 2; v. 1. ^^Lä, ^Jb.
^) Der Reisebericht findet sich in Jäqüts geographischem Wörter-
buch (III f f ö , 12 ff.) unter dem Artikel ^^J^^l , sowie in der dritten Aus-
gabe des ersten Teiles von Qazwinis Kosmographie (oLiJl.i^ii v.^^jL^)j
die nur in der Gothaer Handschrift Nr. 231 erbalten ist. Hier ist der
Bericht aber nur bis zur Ankunft in der chinesischen Hauptstadt wieder-
gegeben. Wüstenfeld hat diesen Abschnitt in seiner Ausgabe des
QazwInI nicht abgedruckt (vgl. die Vorrede zu Band I S. XI), doch
hat er eine deutsche Übersetzung desselben in der Zeitschrift für ver-
gleichende Erdkunde Bd. II (1842) S. 205—218 veröffentlicht. Durch
Kombination des QazwIni und JäqOt hat dann Kurt v. Schlözer
den Text des Reiseberichts mit lateinischer Übersetzung veröffentlicht
unter dem Titel: Abu Dolef Misaris ben Mohalhel de itinere Asiatico
commentarius. Diss. Berlin 1845. Stücke aus dem Reisebericht über
die einzelnen von Abu Dulaf berührten Völkerschaften finden sich
auch im zweiten Teil der Kosmographie QazwTnI's , bes. S. t*"i. , 14 ff.
^) Nach v. Schlözer Jarkand, unter Berufung auf Marco
Polo's Karkan, beim Jesuiten B. Goes Hiarchan. Bei Henry
Yule, The Book of Ser Marco Polo I 195 heisst diese Stadt aber Yarcan.
•*) Jäqüt codd. co L:fVxJ(, die Ausgabe und Qazwini L^uJt .
76 J- Marquart,
friedlich. Sie sind Polytheisten und zahlen den Tachtäch Tribut.
Sie werfen sich vor ihrem Fürsten nieder. Die Rinder ehren sie
hoch, und es gibt bei ihnen keine, und sie halten keine aus Hoch-
schätzung für sie. Das Land ist reich an Feigen, Trauben und
schwarzem Mispel , und es gibt daselbst eine Holzart , die das
Feuer nicht verzehrt ^). Aus diesem Holze machen sie Götzen-
bilder. Durchreisende Christen pflegen dies Holz fort zu nehmen,
und behaupten , dass es von dem Balken stamme , an welchem
Jesus gekreuzigt wurde 2). Hierauf kamen wir zu einem Stamme,
namens Bagnäk (Peöenegen), mit langen Barten und Schnurrbärten,
rohen Barbaren, die einander gegenseitig überfallen. Sie essen
nur Hirse. Ihre Frauen begatten sie auf offener Strasse. Wir
reisten durch ihr Gebiet 12 3) Tage lang, und es wurde uns er-
zählt, dass ihr Land nach Norden und den Slawenländem zu un-
geheuer sei. Sie zahlen niemanden Tribut".
Weiterhm gelangt man zum Stamme JsjCs* Oikil, die keinen
König haben und ganz von den Turkstämmen abhängig sind. Ihr
Land wird in 40 Tagen durchzogen , dann das Land der „\ juS\
^) Dieses Holz kam auch bei den Charluch sehr häufig vor, die
damit ihre Häuser erbauten (Schlözer p. 13). Es ist damit wohl
kaum das „unzerstörbare" Holz t.«!/»^^«"« (so lies für ^M'f»/»^^//»") darisat
gemeint, welches nach der Geographie des Ps. Moses Chor. ed. Soukry
p. 44, 27. 45, 15 im indischen Lande Hak'er sowie auf Taprobaue
wächst, wo auch der Ingwer (snhrvet) vorkam. Denn unter jenem Holz
ist so gut wie sicher das Teakholz zu verstehen, nach Ibn Chord. 1v, 6
ein Produkt von Kamkam (Konkan), das in Indien zum Schiffsbau
verwandt wird. Dies war aber den Arabern wohlbekannt unter dem
Namen —Lw , einem Lehnwort aus dem indischen säha^ das zwar auch
im Persischen gebräuchlich, aber zweifellos ein Mu'arrab aus echt-
persischem Sakj mg ist, weshalb ich in dariSat einen Fehler vermute.
Es wird zunächst neuarmenische Schreibung sein für qr'"rtl^t, und
dieses ist Schreibfehler für q-uipli^uif. dariSag = pers. ^Lii .io där-
i-Säg . Als sehr hart und dauerhaft galt bei den Persern die Birke
(ß^LS.s>j , deren Holz bei Indern, Chinesen und andern zu Bogen ver-
arbeitet wurde, während die Rinde, ; ».j genannt, bei den alten Persern
als Schreibmaterial gedient haben soll. Vgl. die Erzählung des Abu
Ma'sar bei Hamza tiv, 14 ff. 5 Abu Nu'aim, Geschichte von Ispahan
(Cod. Leid.), Fihr. Cf., 5 ff. sowie BerQni, p. ff., 10—12. Dozy,
Supplement deutet es als ^Weisspappel", und ebenso de Goeje, Gloss.
Geogr. s. v. -^Ji und ^^^^s>. S. aber Fr ahn, Ibn Foszlaus und
anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit S. 131/132.
G. J a c 0 b , Welche Handelsartikel bezogen die Araber aus den nordisch-
baltischen Ländern? 2. Aufl. S. 61 f.
-) Wir haben hier also die Anschauung, dass das Kreuzesholz
wunderbarer Weise wieder ausgeschlagen habe.
^) Jäqüt cod. c „18".
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 77
Bayräc in einem Monat, worauf man nach Tübät kommt. Die
Cikil sind auch aus andern Quellen bekannt i). Der gleichnamige
Vorort war eine Stadt in geringer Entfernung von Taraz (Talas)
Moq. fvf , 16. Es ist vermutlich derselbe Stamm, der bei Ihn
Chord. 1^1, 8 Jl'^ (lies Jä.^) geschrieben und zwischen den
Ghuzen und Pe^enegen aufgeführt wird 2). Die Bayräc (Boyräc?)
sind vielleicht das Volk des ^.,L!Jli> lyb Boyrä Chagan (wön
lieh: Kamelhengst) ■^) , dessen Residenz nach Moq. rf 1 , 3 und
Qodäma M, 4 sechs Tagreisen von Ober-Nüsagän (Barsxän)*) lag.
Es war die Stadt Baläsa/ün am Cui^). Die ältere Geschichte
dieser Dynastie ist noch in Dunkel gehüllt. Als Ahnherr der-
selben nennt Ibn Chaldün einen 'Abd al karim Sabak Farchan
.,1^*5 (lies .,l3-\^Äj?), den ürgrossvater des im Jahre 993 ge-
storbenen Härün Bo/rächän. Abd al karim muss im Anfang des
10. Jahrhunderts gelebt haben, und da er bereits einen musli-
mischen Namen trägt, so muss die Dynastie bereits damals sich
zum Islam bekannt haben. Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts
griifen die Bo;/ra-Chagane auch in die Geschicke des Samaniden-
reiches ein. Die Ba^^räS waren nach Abu Dulaf Muslime und
standen unter Fürsten, die sich alidischer Abstammung (aus der
Familie des im Jahre 125 H. in Gözgän getöteten Jahjä b. Zaid
b. 'All b. al Husain b. 'Ali)") rühmten. Sie besassen ein ver-
goldetes Koranexemplar, das bei ihnen grosse Verehrung genoss,
und betrachteten 'All als den Gott der Araber. In früherer Zeit
Sassen die Ba,yvä^ vermutlich weiter im Osten. Über die spätere
Geschichte der Bo;/rä-Chagane s. Henry H. Howorth, The
Northern frontagers of China. IX. JRAS. 1898 p. 467 flf.
Aus der Bemerkung, dass das Land der Peöenegen sich
Segen Norden bis zu den Slawen erstrecke, ist unzweideutig,
dass hier die Peöenegen bereits in ihren späteren Sitzen m der
südi'ussischen Steppe im alten Magyarenlande gedacht sind. Denn
erst hier wurden sie südliche Nachbarn der Slawen. Nach der
Quelle des Ibn Rusta \n, 8 und Bekri S. 43, 15, welche die
Pe^enegen noch in ihren alten Sitzen am Jajyk kennt, betrug
die Entfernung zwischen dem Lande derselben und dem der Cha-
zaren 10 Tage, von Gurgäng in Chwärizm bis zum Zeltlager der
») Vgl. GurdezI bei Barthold S. 103, 4.
*) Vgl. de Goeje, Bibl. geogr. VI p. f*"! , Anm. h.
") Vämjb^ry, Ursprung der Magyaren 167.
*) Über dieses vgl. Tomas chek, WZKM. III 106 ff. Die Form
.^,^^M^^ wird durch die Etymologie .,L:> {J^J-^. bei GurdezI als sehr
alt bezeugt (bei Bart hold, Otceti S. 89).
<*) Ibn al A^lr IX, 11, 1.
6) Tab. II ivv.— Wvf .
78 J. Marquart,
Peßenegen brauchte man 17 Tage, das Gebiet der Pe^enegen aber
umfasste 30 Tagreisen nach Länge und Breite i). Es ist also
völlig , unzulässig , hier mit v. Schlözer a. a. 0. S. 34 hoch-
asiatisöhe, in der alten Heimat zurückgebliebene Pe&negen finden
zu wollen. Denn offenbar hängt auch der vor den Peßenegen
genannte Name '„^U-Jl bezw. L^^Jl mit Mas'üdis , ^sjAj bezw. L;->u
Pacna zusammen, das, wie wir gesehen, nur eine Nebenform von
üiU^po ist. Da aber Abu Dulaf von seinen Bacä eine Menge
von Einzelheiten zu berichten weiss, die auf die Pe^enegen nicht •
im mindesten passen, und jenes Volk nach seiner Schilderung
offenbar in der Nähe von China zu suchen ist, so ist er augen-
scheinlich durch die Ähnlichkeit des Namens L>Vj mit Mas'üdis
A.:f\.j (U.5\j) veranlasst worden, beide zu identifizieren und nun
auch eine Beschreibung der mit letztern zusammengenannten
^L>L^ anzuschliessen. Dazu stimmt, dass er auch fast gar nichts
von diesen zu berichten weiss-).
Das Gebiet der Tühät wird in 40 Tagen durchwandert.
Welches Gebiet der Verfasser speziell hier im Auge hat, ist nicht
leicht zu sagen. Einen gewissen Anhaltspunkt gewährt die An-
gabe, dass es in demselben eine grosse aus Rohr erbaute Stadt
gab mit einem aus gefirnissten Rindshäuten hergestellten Tempel,
der Götzenbilder aus Hörnern von Moschusochsen enthielt. Man
könnte versucht sein, dies auf die Gegend am Lop-See zu be-
ziehen; doch werden wir sehen, dass diese bereits durch einen
andern Namen vertreten ist. Die Einwohner zahlen dem alidischen
Fürsten der Ba;/rä6 Tribut. Man findet bei ihnen Muslime, Juden,
Christen (Nestorianer) , Zoroastrier und Inder. Letztere Angabe
dürfte wohl gegen das eigentliche Tübät (Bod-yul) sprechen, da
nicht anzunehmen ist, dass jemals Juden, Christen und Feuer-
anbeter bis dorthin vorgedrungen sind. Auch das Vorkommen
von Trauben und Obstsorten weist auf kultiviertere Gegenden hin.
1) Bekrl S. 42, 7. Gurdezi bei Barthold S. 95, 7—8.
2) Die früheren Erklärungen, die Dorn, Bull, de l'Acad. de
St. Petersbourg t. XVI, 23 Anm. 42 auflihrt, sind damit hoffentlich
abgethan. „Nach Wüstenfeld, Zs. für vergleichende Erdkunde 1842,
II S. 209 ist der Name el-Naga vielleicht mit den von Abü'l Ghazi
genannten Nagos \yi^ einerlei; nach Chwolson, Izvestija o Chaza-
raxi S. 104, a) wäre g.A:>\i Nogaier zu lesen. Aber die Nogaier werden
(cli:»J geschrieben und können sprachlich nicht mit den ^J^^'^ zu-
sammengestellt werden". Er verweist dann noch auf Fr ahn, Opusc.
post. msc. 2, XLVIII, S. 27. 28 und 2,LIV, S. 65— 67. 75— 76; Charmoy,
Relation de Ma(;oudi p. 322 findet die Nogaier in den i^Uxi'. Bulletin
t. XIX, 300 führt Dorn an, dass Grigorjeff, Obi Arabskomi pyte-
sestvennike X veka, Abu Dolefe etc. Journ. des Minist, der Volks-
aufklärung Th. 163, 1872, S. 25—26 Jaga lesen möchte, was ein kleiner
Staat im östlichen Pamir 1000 Jahre vor Abu Dulaf war.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 79
Von Tübät werden wir ganz unvermittelt sofort zu den
Kaimäk d^L*^/ entführt, die nach Mas'üdi am weissen und
schwarzen Irtisch ihr Winterlager haben ^). Auch GurdezT^) lässt
das Gebiet der Kaimäk beim Irtisch beginnen. Dasselbe lag hoch
im Norden und von Taräz bis zur Ordu des Fürsten der Kaimäk
hatte man nach Ibn Chordä^ih einen Weg von 81 Tagen durch
die Steppe zurückzulegen"^). Nach Idrlsi dagegen begann das Ge-
biet der Kaimäk schon 25 Tagreisen nordöstlich von Achsikat,
der Hauptstadt von Far^'äna, bei der Stadt "ijJaiyJ am Ufer des
grossen Sees ..LiLc d. i. unzweifelhaft des Balchasch - Sees. Von
Taräz aus zog man durch die Steppe der Chalaß (Xolidrai des
Zemarchos) und erreichte den ersten Ort der Kaimäk in 33 Tagen*).
Verschiedene Züge in der Beschreibung des Landes der
Kaimäk bei Abu Dulaf sind offenbar fälschlich auf sie übertragen
und vielmehr auf Tübät zu beziehen. Der Regenstein (Nephrit)
„wird bekanntlich seit Alters südlich von Khuttan aus anstehen-
dem Felsgestein gebrochen (H. v. Schlagintweit, Hochasien IV 161 f.)
und die Flüsse von Khuttan, Yarqand, Kiria und CarSan führen
Nephrit im Gerolle" ^). Wenn auch einige Bäche der Baikalregion,
wie Belaja, Kitoi und Bystraja (Irkut) in ihrem Gerolle ebenfalls
Nephrit enthalten, so beweist dies nichts für das Irtischgebiet.
Die Goldminen in ebenem Lande , wo man das Gold durch ein-
faches Schürfen findet, sowie die Diamanten, welche die Flüsse
zu Tage fördern, sind nicht im Irtischgebiet zu suchen, sondern
auf die Sandwüsten des rauhen Tibet, des sog. „ Frauenreiches "
der Chinesen zu beziehen, woher schon im Altertum das Ameisen-
gold kam 6). Die Trauben, deren Beeren zur einen Hälfte weiss,
zur andern schwarz sind, sowie das Vorkommen des Rohres
und seine Vei-wendung als Schreibmaterial nach indischem Vor-
bild weisen auf ein Gebiet wie Chotan oder Käschgar. Auch die
Angabe, dass die Kaimäk keinen König hätten, stimmt weder zu
Ibn ChordäJbih noch zu IdrTsi, welcher die Macht und den
Regierungsapparat des Chagans der Kaimäk ausführlich schildert
(II 222 s.).
^) So werden seine Worte Tanbih 1f , 8 aufzufassen sein:
\^>MiA^ iV'^'^ (u^^^^ U^^^y J^^ öyJ^\ ^^'■^J ^) ^^i^^i
tjSyÜt ^^A KjiiJt^ iclyU-OCJt. Der Ausdruck 01*^0^ ist dann auf
die Ghuzen zu beziehen. Vgl. Murüg I 213.
2) Vgl. Barthold, OiHeTi S. 83 f.
") Ibn Chord.>A, 7. H, 7. Qod. M, 6.
*) IdrTsT trad. par Jaubert II 214 ss. 218 ss.
^"i Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten über den sky-
thischen Norden I 42 = SB WA. Bd. 116, 1888, 756.
8) Tomaschek a.a.O. S. 38 ff.
80 J. Marquart,
Von den Kaimäk kommt man nach 35 Tagen zu den Ghuzen.
Diese haben nach Mas'üdl ihr Sommerlager am weissen und
schwarzen Irtisch^), aber ihre Hauptsitze waren um den Aralsee,
wo sich auch ihre Hauptstadt öuX-jlXI^ K.ÄjAil (Jengikent) befand-).
Die Gesandtschaft hätte sich also von den Kaimäk wieder süd-
westwärts wenden müssen ! Dies eine Beispiel würde genügen, um
zu zeigen, dass wir es hier mit keinem wirklichen Itinerar zu
thun haben, sondern lediglich mit einer Aufzählung von Völker-
schaften, die in das Gewand eines Itinerars gekleidet ist.
Das Gebiet der Ghuzen wird in einem Monat durchzogen,
worauf man zu den To;'uz7uz kommt, weiterhin nach 20 Tagen
zu den Chirchiz (Qyr/yz). Die Toj'uz^'uz (Uiguren) werden
ganz richtig als ein Reitervolk beschrieben, das unter einem
mächtigen König steht. Aus der dürftigen Beschreibung Abu
Dulafs wäre nicht zu ersehen, ob er sich die Sitze derselben in
Kau-6ang (.1^^, beim heutigen Turfan) oder noch am Orchon
denkt. Allein wenn die 20 Tage, während deren ihr Gebiet
durchzogen wird, die Dauer des Weges von den Toyuzynz zu den
ChirchTz angeben sollen, so ist die erstere Alternative ohne weiteres
ausgeschlossen. Denn nach Gurdezi, der hier wahrscheinlich aus
Gaihänl schöpft, betrug der Weg von vj>.J^:pjLÄx=?- , der östlichsten
Stadt der Tojoizj'uz bis zur Ordu des Chagans der Kirghizen über
2^/2 Monate 3). Diese hatten, wie wir auch aus GurdezT entnehmen
können, immer, auch nach der Eroberung der ehemaligen üiguren-
hauptstadt Kara Balgassun am Orchon im Jahre 840 ihre alten
Sitze am obern Jenissei, westlich von den Jü-kiüe-lü, dem Reste
der sogen. Zuan-zuan beibehalten*). Wir können demnach die
To/uz/uz des Abu Dulaf nur am Orchon suchen. Hier kennt sie
noch Ibn Chordä^bih t^. , 12; denn die Entfernung von 3 Monaten 5),
welche zwischen Ober-Nüsagän (Bars-chän) und der Ordu des
Chagans der Toj'uz/uz liegen soll, wäre für die Strecke vom
obern Cui bis Turfan viel zu gross. Qodäma nr, 5 hat offenbar
die spätere Hauptstadt Kau-ßang im Auge, wenn er die Entfernung
zwischen Ober-Nüsagän und der Hauptstadt der To;'Uz;'uz auf
45 Tage angibt. Dass aber Abu Dulaf hier von Ibn Chordä^bih
abhängig ist, dafür haben wir einen direkten Beweis. Denn die
Worte ^A yoä ^\s^\ .\s^ '>-^f.=> (^er König der Toymynz) i.J
^) S. 0. S. 77 Anm. 1.
^) Mas'üdT, MurQs 1 212. TdrisT II 208. 339. 342. Vgl. Ibn Rusta
ir, 12.
") Bei Barthold a. a. 0. 86.
*) Ed. Chavannes, Voyageurs chinois chez les Khitan et los
Joutchen. le part. p. 41. Extrait du Journ. as., mai — ^juin 1897.
"*) Idrisi I 491 hat zwei Monate.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 81
ü^\ji '».M^£> ^/« ly j^.,LavoI ajU «.^j .^J'Ö (S. 12, 1/2) sind
wörtlich aus Ihn Chord. Ti , 4 entlehnt.
Die Hauptstadt der To^'uz^uz , in welcher der Chagan resi-
diert, heisst bei IdrTsi I 491 «.>.äj. Es war eine sehr grosse
Stadt, welche 12 eiserne Thore hatte und mit starken Mauern
umgeben war. Sie lag an einem Flusse der gegen Osten strömte.
Die Entfernung von Ober-Bars'chän über .,Li>Lj und ^.JLfD.^^- (nach
Tomaschek^) das heutige Aqsu) betrug 26 Tagreisen. Da-
neben gibt IdrIsT aber an , dass die Residenz des Chagans der
Tojoiz^'uz von Ober-Barschän zwei Monate entfernt sei. Dies ist
nichts als eine Verschlimmbesserung der Nachricht des Ibn Chor-
däJbih. Er hat hier offenbar die Angaben verschiedener Quellen
unvermittelt nebeneinandergestellt. An einer späteren Stelle (I 501)
nennt er als Hauptstadt der Toyxiz/nz c>.^Li>;i>; es war dies
eine gewerbreiche Stadt, die nur eine schwache Tagreise von der
Residenz des Chagrans entfernt war. Von ^-/^i"S,3»;i> rechnet man
4 Tagreisen nach der Stadt 1»_5^>C2J , die am Ufer des grossen
Sees cij-l^y erbaut war. Dieser Bericht stammt offenbar aus einer
andern und zwar altern Quelle , welche die To;'uz/uz noch in
ihren Sitzen am Orchon kannte. Auf diese geht auch die An-
schauung zurück, dass das Land der To/uz^uz in der Nähe des
Ostmeers gelegen sei (I 491). Ich wage daher die Vermutung,
dass in ^.^/^.S'].^-^ die alte Stadt Qaraqoram steckt, deren Ruinen
das heutige Qara Balgassun darstellt. Wir hätten dann v,:>.5'!_5>!.r>
Gharächorä-hat zu lesen, wobei das iranische ^^^^i^, wie so häufig,
an den türkischen Namen angehängt ist.
Von den Chirchlz führt uns Abu Dulaf nach einmonatlicher
Wanderung zu den Ckarluch, deren Residenzstadt nach IdrTsi II 411
.J.^ war. Das Itinerar, in welchem diese Stadt erscheint, be-
darf noch der Aufklärung, jedenfalls ist aber nach demselben das
Land der Charluch östlich vom stinkenden Lande d. i. wohl der
Hungersteppe zu suchen^). Einem anderen Itinerar zufolge war
das Lager des Chagans der Charluch 9 Tagereisen von Achsikat,
der Hauptstadt von Fargäna entfernt. Das Land der Charluch
war durch eine gefährliche Wüste von dem der Kaimäk getrennt ''),
offenbar das Wüstengebiet im Süden des Balchasch-Sees. Ihr
Winterlager hatten die Charluch bei ,ji,b ic^'i^), das nach
^) Kritik der ältesten Nachrichten über den skyth. Norden I 24.
^) Vgl. de Goeje, De muur van Gog en Magog 24 f. = Vers-
lagen en Mededeelingen der K. Akad. van W etenschappen, Afd. Letter-
kunde, 3de Reeks, Deel V (1888) S. 110.
8) Idrisi II 214. 217.
*) Ibn Chord. Ta ,10.
Marquart, Streifsüge. g
g2 J. Marquart,
Tomaschek, WZKM. III, 106 ff. beim heutigen Aulie-ata zu
suchen ist.
Die Silbergrube, welche Abu Dulaf bei den Charluch er-
wähnt, erinnert an das Silberbergwerk bei ..jLo^ im Gebiete der
Ghuzen IdrTsi II 342, und was er von der Unsittlichkeit der
Charluch und der Zügellosigkeit ihrer Weiber erzählt, hat sein
Gegenstück teils in der von Idrisi (II 343) bezeugten Ausschweifung
der Ghuz, teils in den seit alters bei tibetischen Stämmen
herrschenden Formen der Gastfreundschaft. Die ^OlLÜ Ghutluch
d. i. die „glücklichen" sind das gerade Gegenstück der Charluch.
Sie sind die tapfersten von allen Türkenstämmen und plündern
alle umliegenden Völker aus. Sie gehen zwar auch mit ihren
Schwestern die Ehe ein , aber ihre Frauen heiraten nur einmal.
Es gibt bei ihnen keine Scheidung; wer bei ihnen Ehebruch
treibt, wird samt der Ehebrecherin verbrannt — also ganz ähnlich
wie bei den Wolga-Bulgaren^). Es herrscht bei ihnen die Blutrache.
Ihr König muss im Cölibat leben ; wenn er denselben bricht, wird
er getötet.
Die Chirchiz sind verständige Leute und bilden einen wohl-
geordneten Staat mit einem König an der Spitze, der bei ihnen
Gehorsam und Verehrung geniesst. Sie benutzen das Rohr als
Schreibmatei-ial. Ihre Banner sind grün. Jährlich halten sie drei
Festversammlungen ab. Am befremdlichsten ist aber, was der
Verfasser über die .^LläÜ Ghitajän zu sagen weiss, wenn unter
diesen, wie auch v. S c h 1 ö z e r annimmt, die K'itan der Chinesen,
d. i. die Qytai oder Qytan der alttürkischen Inschriften zu ver-
stehen sind 2). Sie besitzen keinen Fürsten, sondern je 10 von ihnen
wenden sich an einen verständigen und einsichtigen Greis, dem sie
das Schiedsrichteramt übertragen. Diese Angabe erinnert sehr an
das, was Ihn Rusta if., 16 f. von den Burdas (Mordwinen) berichtet.
Dabei ist aber ihre Verwaltung sehr geordnet, auch schliessen
sie ihre Ehen in geordneter Weise. Sie üben weder Gewalt noch
Nachstellung gegen die, welche zu ihnen kommen. Sie haben einen
Tempel, den sie fleissig besuchen, sowohl beim Neumond als beim
Vollmond. Gegen die Gleichsetzung der ..Lxä:> mit den Qytai
spricht aber vor allem das Vorkommen von ausgezeichnetem Moschus
in ihrem Lande, da dieser, wie schon Schlözer bemerkt, sich
1) Ihn Fadlän bei Fr ahn, Die ältesten arabischen Nachrichten
über die Wolga'-Bulgharen. Mem. de l'acad. de St. Petersburg VJe Ser.
t. I (1832) p. 564, 8. 576.
'-) Im cod. Goth. 231 des QazwInI j^.jIa^» , in den codd. o r des
Jäqüt ..L.,iÜJ> oder .ijuCi^s» (nach Schlözer p. 37 n. 42). Der
Herausgeber des Jäqüt gibt keine Varianten des Namens au.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 83
in den nördlichen Ländern nicht findet. H. Yulei) will dagegen
in den ..Lydi die Einwohner von Chotan erkennen, so dass zu
lesen wäre ..\js^ Chutanän, also einfach der persische Plural,
wie z. B. in ..bb:i> Ghutalän neben Jji Chutal. Dies würde
in der That viel besser in den Zusammenhang des folgenden
Itinerars passen. Allein es ist schwer einzusehen, warum Abu
Dulaf dann nicht die gewöhnliche Form dieses bei den Arabern
so bekannten Namens gebraucht hätte. Man müsste geradezu an-
nehmen, dass er absichtlich durch die Wahl dieser ungewöhnlichen
Form es seinen Lesern unmöglich machen wollte, in diesem Orte
das bekannte Chotan wiederzuerkennen. Auch wäre es immerhin
sehr auffällig, dass dieser Name von den Abschreibern so sehr
entstellt werden konnte.
Wie dem auch sei, jedenfalls weiss der Verfasser noch nichts
von dem grossen Qytaireiche, welches Apaoki begründet hatte,
indem er bereits in den ersten Jahren des 10. Jahrhunderts die
Hl (Tataby) besiegte und seinem Staate einverleibte, und im
Jahre 924 auch den Qyr/yzen die alte Uigurenhauptstadt Kara-
Balgassun am Orchon, welche diese seit dem Jahre 840 inne hatten,
entriss 2). Abu Dulaf kann demnach seine Angaben über Kirgizen
(und Qytai) nur aus einer älteren schriftlichen Quelle entnommen
haben. Li der That bemerken wir, dass die Worte 12, 6 ^J^Äcj
J^Jli ^^ {j^=>j=>) aus Ibn Chord. n , 9 (bezw. einer beiden ge-
meinsamen Quelle) stammen, wo wir jetzt nur noch lesen jj.^y->»)
li^^vw.^ L^j, . Die Form des Itinerars , welche Abu Dulaf seiner
Schrift gibt, darf uns nicht täuschen: selbstverständlich kann er
nur einen Teil der Völkerschaften, durch die er gezogen sein will,
wirklich berührt haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er
nur entweder den Nordweg über Talas, Toqmaq am Issykköl vor-
bei nach dem Tarym-Becken und Qarasahr oder den Südweg über
Jarkand, Chotan, Car^an und den Lop -See eingeschlagen haben.
Sowohl die Ghuzen und Kaimäk, wie vor allem die Qyr/yz und
Qytai blieben dabei weit im Norden und Osten liegen, und er konnte
deshalb über sie nur mündliche oder schriftliche Kunde einziehen.
Schon aus dem Bisherigen erbellt, dass die Berichte des Abu
Dulaf, ehe sie verwertet werden können, erst auf ihre Quellen
zurückgeführt werden müssen, dass aber aus der Beihenfolge, m
welcher die Völker bei ihm stehen, noch keineswegs auf geogra-
phische Nachbarschaft geschlossen werden darf. Henry Yule
hat also gewissermassen Recht, wenn er sagt: ,0n the whole the
1) Cathav and the way thither I p. CLXXXIX n. 3. 545 n. 2.
2) Vgl. Ed. Chavannnes, Voyageurs chinois chez les JChitan
et les Joutschen. I^ partie p. 6.
6*
84 J. Marquart,
Impression gathered is, that the author's work (like that of some
more modern travellers) contained genuine matter in an arrange-
ment that was not genuine"^).
Es ist für diesmal nicht meine Absicht, den ganzen Reise-
bericht zu analysieren. Dagegen halte ich es für notwendig, als
Ausgangspunkt für künftige Untersuchungen das Ziel der Reise,
die Lage der chinesischen Hauptstadt J.j1J^A>w nach Möglichkeit
festzustellen. Hinter den Chitajän wird das Land ^j genannt,
welches viele Palmen, Gemüse und Weintrauben, sowie ausgezeich-
neten Indigo erzeugte. Es besass eine ausgedehnte Stadt, in
welcher es Muslime , Juden , Christen , Magier und Götzendiener
gab. H. Y u 1 e '^) identifiziert dieses Land mit Marco Polo's Pein ^),
welches unzweifelhaft der Stadt Pirna des Hüan-^uang, 330 li
östlich von Chotan entspricht*). Yule sucht Pima in der Nähe
von Kiria, Tomaschek^) beim heutigen Cirä. Das Gebiet von
^Aj wird in 40 Tagen durchzogen , worauf man nach v_^>.XÄJi
kommt, wo es viele Palmen gibt. Es leben dort jemenische Be-
duinen , die vom Heere des Tubba' zurückgeblieben waren , als
dieser einen Kriegszug gegen China unternahm. Sie sprechen die
urarabische Sprache und schreiben mit himjarischen Buchstaben.
Sie haben eine geordnete Regierung mit regelmässiger Erbfolge,
und ihr König gibt dem König von China Geschenke. Sie be-
reiten ein Getränk aus Datteln.
Die bekannte etymologische Spielerei, welche den Namen
^^>^j■ von einem südarabischen Tubba' herleitet, der dort eine Ab-
teijung seiner Krieger angesiedelt habe •') , ist hier also auf ein
bestimmtes Gebiet lokalisiert. Es kann wohl kaum eine andere
Gegend gemeint sein als die um den Lop-See, dessen Anwohner
bei den Chinesen Löu-lan oder (seit 80 n. Chi*.) Sen-sen heissen.
Die zweite Silbe des Namens Qulaib (Qallb) mag mit Lop zu-
sammenhängen'). Nach einmonatlicher Durchquerung dieses Landes
kommt man zur „Station der Pforte" (v-jLJ! [»Lü^): einem Ort
im Sande, wo die Grenzwachen des Königs , d. i. des Königs von
1) Yule, Cathay and the way thither I p. CXCIll.
') Cathay and the way thither I p. CXC n. 1.
») Henry Yule, The book of Ser Marco Polo I 197 ff.
*) j..g.j kann ein alter Schreibfehler für -♦J 5ma sein (de Goe je).
*) Kritik der ältesten Nachrichten über den skyth. Norden I 26.
8) Z. B. Ibn al Faq. rp, 12. Mas'üdT, Murüg I 360. Vgl. III 154.
Gurdezi (bei Bart hold a. a. O. S. 87) leitet den Namen Tübät noch
genauer von einem Tubba' der Himjar, namens vi>^jLi , ab.
') An die Möglichkeit, dass in (>^A^Xä Köl-Lop für Lop-Köl stecke,
kau« ich nicht glauben. Ob der (mIjI-=> ^J^ ^^^ ^^n Chord. f., 9
herangezogen werden darf, weiss ich nicht.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 85
ein, stationiert waren und von wo aus für die türkischen Horden
und andere Reisende , welche nach China wollen , die Erlaubnis
nachgesucht werden muss". Wir reisten darin drei Tage unter der
Gastfreundschaft des Königs, indem für uns bei jedem Parasang
die Pferde gewechselt wurden. Dann kamen wir zum Thale der
Station Jusi\ (jrJ!. , von wo aus für uns die Erlaubnis zum
Passieren nachgesucht wurde, und wir gingen den Gesandten
voraus. Da erhielten wir die Erlaubnis, nachdem wir in diesem
Thale — es ist das angenehmste und schönste auf Gottes Erd-
boden — drei Tage als Gäste des Königs verweilt hatten. Dann
setzten wir über das Thal und reisten einen vollen Tag und
näherten vms der Stadt SandäMl , der Haupt- und Residenzstadt
von ein. Wir übernachteten eine Tagereise vor dieser Stadt,
dann marschierten wir vom frühen Morgen an den ganzen Tag,
bis wir sie gegen Sonnenuntergang erreichten. Es ist eine ge-
waltige Stadt, die eine Tagereise (im Umfang) hat^). Sie hat
60 Heerstrassen, von denen jede zur Residenz führt. Dann zogen
wir zu einem ihrer Thore , und fanden die Höhe ihrer Mauer
90 Ellen und die Breite (Dicke) 90 Ellen. Am Beginn der Mauer
ist ein gewaltiger Fluss, der sich in 60 Arme teilt", welche die
Einwohner der Stadt und ihre Gärten mit Wasser versorgen.
,Sie haben einen mächtigen Tempel, der, wie es heisst, grösser
sein soll als der Tempel von Jerusalem. Es befinden sich darin
Bilder, Gemälde und Götzenstatuen und ein mächtiges Buddha-
bild. Sie haben eine mächtige Regierung und feste Ordnungen.
Sie schlachten nicht und essen absolut kein Fleisch, und wer von
ihnen irgend ein Tier tötet, wird selbst getötet. Es ist gleich-
zeitig die Residenzstadt der Inder wie der Türken"-).
Es ist zunächst ohne weiteres klar, dass unter der „Pforte",
auf welche in diesem Berichte angespielt wird, nur die berühmte
Nephritpassage {Jü-mön) verstanden werden kann, welche seit
alter Zeit das Thor Cliinas gegen Westen bildete. Hier beginnt
die grosse Mauer, durch Jahrhunderte das Bollwerk des Reiches
der Mitte gegen die Barbaren der Steppe, welches, wie de Goeje
gezeigt, den Anlass gegeben hat zur Ausbildung der Sage von
der Mauer, durch welche Alexander d. Gr. die Völker Gog
1) Jäq. III foi, 6/7: j^j '■iy.^A ^sj^ ».^.xlic xXjJ^ ^^ .
Qazwinl II T. , 7 : ^j öyj.v*x> \J>Ja!) 'iL4^hsi iÜJvXx ^gj .
2) So nach dem Texte des Jäqüt III fo., 22— f oi , 18. Vgl. die
Übersetzung Wüstenfelds in der Zeitschrift für vergleichende Erd-
kunde Bd. II, S. 216 (Magdeburg 1842), welche viel klarer ist alsdie
V. Schlözers. Bei QazwTni fehlt hier die Beschreibung von Sandabil,
sie findet sich aber im zweiten Teil (O^L>.J! ^Lil ) p. (*'. , 7 ff. ed.
Wüstenfeld.
gg J. Marquart,
und Magog einschloss. Schon 100 Jahre vor Abu Dulaf war
diese Mauer von dem Araber Salläm besucht worden^). Unter
dem Orte *Ui^ lF'^'^ ' ^° ^^^ Reisenden drei Tage auf den
Passierschein warten müssen, ist wahrscheinlich die Festung und
Zollbarriöre Kia-jü-kwan unweit der Stadt Su-ö6u zu ver-
stehen , die in dem Reisebericht der Gesandtschaft des Schah
Ruch (1419 — 1422 n. Chr.) Qaraul „Grenzwacht" heisst. Hier
wurde auch die genannte Gesandtschaft angehalten und es wurden
zuerst die Namen der Mitglieder sorgtältig notiert, ehe sie die
Erlaubnis zur Weiterreise erhielt. Auch die Angaben Abu Dulafs
über die glänzende Gastfreundschaft des Königs, welche die Ge-
sandtschaft des Samaniden vom Beginne der chinesischen Grenze
an genoss, wird durch jenen Bericht der Gesandtschaft des Schah
Ruch aufs beste bestätigt und erläutert 2). Speziell von Su-66u
an wurden die Gesandten des Schah bei jedem Posthaus (/am)
von der Regierung mit allen Bedürfnissen aufs reichlichste ver-
sehen, und brachte man ihnen 450 mit Schabraken wohlversehene
Pferde und Esel zum Gebrauch der Reisenden, neben 50 bis
60 Gefährten. Su-Wu heisst bei Marco Polo Succiur, bei Gur-
dezT=^) yj^^:<:^^ Suchcü , bei RasTd eddin Sukcü*). Von hier
rechnet Gurdezi drei Tagereisen bis zur Stadt y^^\.c> Chämcü
d. i. Kan-c6u, der heutigen Hauptstadt der Provinz Kan-su, wäh-
rend die Gesandtschaft, mit welcher Abu Dulaf reiste, zwei starke
Tagereisen von ^Läii cS'-^b ^^^ ^^^ Hauptstadt Sandäbil brauchte.
Tomaschek^) identifiziert letztere mit C'ing-tu-fu'm der Provinz
Sze-6uan, dem Sindafu des Marco Polo Buch II c. 44. 59''),
allein dies ist nach dem Zusammenhang des Itinerars vollkommen
unmöglich. In Wahrheit muss Sandäbil mit Kan-6öu identisch
sein, wofür wir gleich noch weitere Beweise bringen werden. Das
Itinerar des Abu Dulaf erklärt sich bei unserer Auffassung hin-
reichend befriedigend. Von w^-aIäÜ (am Lop-See) bis oL.il (•üw,
das im Sande liegt, rechnet er einen Monat. Ebenso gibt Marco
Polo I c. 40 die Entfernung vom Lopsee durch die Wüste nach
der Stadt Sa-66u (wörtlich „ Sanddistrikt" , bei Marco Polo Saciu,
bei Gurdezi ^:^Lä) am Ostende der Wüste auf 30 Tage an. Von
hier rechnen Marco Polo und Gurdezi gleichmässig 10 Kamel -
Tagereisen nach Su-^öu. Der Weg führte nach dem Venezianer
durch ein Gebiet fast ohne jede menschliche Wohnung. Nach
1) S. de Goeje, De muur van Gog en Magog S. 10 ff..
2) Vgl. Henry Yule, Cathay p. CGI ff.
3) Barthold a. a. O. S. 92.
*) Vgl. H. Yule, Marco Polo I 219 f. Tomasch ek, Kritik der
ältesten Nachrichten über den skyth. Norden I 29.
») a. a. 0. S. 30.
«) Yule, Marco Polo II 29 ff. 109 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 87
Gurdezi kam man von Sa-26u in drei Tagereisen nach Sangläck
(pers. „Steinort"), und dann in sieben Tagen nach Su-^6u. Da
Abu Dulaf seinen Ort v«jL.J| |,Läx noch in die Sandgegend verlegt
und die Entfernung desselben von ^Uil «^oU, (Su-cöu) auf nur
drei Tagereisen angibt, so scheint er den Ort Sa-ö6u und den
Beginn der Nephritpforte zusammengeworfen zu haben.
Der grosse Tempel von Sandäbil, von welchem Abu Dulaf
spricht, ist offenbar der 500 Ellen im Geviert messende Götzen-
tempel von Kan-^öu, welchen der Reisebericht der Gesandtschaft
des Schah Euch erwähnt. Das mächtige Buddhabild ^aIsc l\j
des Abu Dulaf ist das 50 Schritt messende liegende Buddhabild,
welches sich in der Mitte des Tempels befand. Hinter diesem
Bild und daräber sah man andere Idole von der Höhe einer Elle (?),
neben Figuren von Bachschis (buddhistischen Mönchen) in Lebens-
grösse, gegenüber der Mauer waren ebenfalls andere Figuren von
vollkommener Ausführung ^).
Noch mehr spricht aber für die Identität von Sandäbil mit
Kan-5öu die Beschreibung jener Stadt bei QazwTnT II r. ed.
Wüsten feld (vgl. Schlözer S. 38). Es heisst hier nach der
Beschreibung der 60 Kanäle, welche die Stadt mit Wasser ver-
sorgen : „ .... Es gibt in ihr Saatfelder , Gemüse \ind Obst-
sorten und mehrere Arten von Wohlgerüchen, wie Gewürznelken
und Zimmt, und es gibt dort mehrere Arten von Edelsteinen, wie
Rubinen u. dgl., und sehr viel Gold. Die Einwohner sind schön
von Gesicht, von kleinem Wuchs und haben grosse Köpfe. Sie
kleiden sich in Seide und schmücken sich mit Elfenbein und
Rhinoceroshörnern^). Ihre Thore bestehen aus Ebenholz. Es gibt
unter ihnen Götzendiener, Manichäer und Magier, und sie
bekennen sich zur Lehre von der Seelenwanderung. Von da
stammt der C h ä q ä n , der König von Cin , der als gerecht und
guter Regent gepriesen wii'd. Er besitzt eine goldene Kette, deren
eines Ende ausserhalb des Palastes ist, während sich das andere
beim Audienzsaal des Königs befindet, damit sie der, welcher Un-
recht erlitten hat, in Bewegung setze und der König es erfahre.
Es ist eine Gepflogenheit desselben, bei jeder Zusammenkunft auf
einem Elefanten zu reiten und sich so dem Volke zu zeigen ; wer
nun Unrecht erlitten hat, zieht ein rotes Gewand an, und sobald das
Auge des Königs auf ihn fällt, lässt er ihn herbeirufen und fragt
ihn nach seiner Beschwerde. Jeder der unter seinen Unterthanen
geboren wird oder stirbt, wird in das Register des Königs ein-
getragen, damit ihm keiner verborgen bleibe. Die Einwohner
^) Quatrem^re, Notices et extraits XIV, 1 p. 387 ff. Yule,
Cathay p. CCIII. Vgl. auch Marco Polo I 221. 223.
*) So de Goeje, der mir bemerkt: „es muss -wohl das Nashorn
des Rhinoceros gemeint sein, das in Gold gefasst als ein kostbares
Amulett getragen wird".
gg J. Marquart,
betreiben feine Kunstfertigkeiten.^) ... Sie verehren Götzenbilder
und schlachten keine Tiere; wer es thut , dem verübeln sie es.
Sie haben ein gutes Benehmen (im Verkehr) der Unterthanen mit
den Königen und der Kinder mit den Eltern. Das Kind setzt
sich nicht in Gegenwart des Vaters, und geht nur hinter ihm,
und isst nicht mit ihm".
Die hier geschilderten Sitten sind im allgemeinen die chine-
sischen. Der Staatselephant weist auf indisch - buddhistische Ein-
flüsse. Was uns aber vor allem interessiert, ist das Vorkommen
von Manichäern in Sandäbil. Diese waren im Jahre 843 nach
der Vernichtung des Uigurenreiches am Orchon durch die Qyrghyzen
in China verfolgt und ihre Tempel unterdrückt worden. Zwar
werden im Jahre 920 noch Manichäer in der Unterstatthalter-
schaft Ceng-£6u (in der Provinz Ho-nan) erwähnt, welche hier
einen Aufstand erregten und einen gewissen Mu-i zum Himmels -
söhn erklärten 2). Allein es gab nur ein Territorium, wo die
Manichäer damals volle Freiheit genossen, und das war eben
Kan-6öu. Diese Stadt, zu Marco Polo's Zeit die Hauptstadt des
Reiches Tangut (chin. Si-Hia), welches im J. 1004 gegründet und
im J. 1226 von Öingiz-chan annektiert worden war, bildete im
9. und 10. Jahrhundert die Hauptstadt der östlichen Uiguren.
Ums Jahr 844 hatte sich Long-tegin, der Führer einiger Horden
der Hoei-he unter dem Titel Pi-kia-hoai-kien-k'an zum Chagan
in Kan-2öu und §a-66u ausrufen lassen=^), und in Kan-£6u befand
sich der Uiguren- Chagan, als der Gründer des K'itanreiches Apaoki
im Jahre 924 seinen Zug nach dem Norden unternahm, der ihn
bis nach Kara - Balgassun führen sollte^). Sonst scheinen die
Chinesen nicht viel von diesen Uiguren von Kan-ßöu zu berichten.
Im Jahre 1010 wird ein Chagan der Hoei-he von Kan-($öu namens
Je-la-li erwähnt, welcher von den K'itan geschlagen wurde, die
ihm Su-6öu abnahmen. Im Jahre 1011 war Je-lu-ke Fürst der
Hoei-he in Kan-Wu. Bei einem neuen Einfall in Kan-ööu im
J. 1025 wurden die K'itan von den Hoei-he geschlagen, in der
Folge aber entrissen die Fürsten von Tangut (Si-Hia) den Hoei-he
Su-cöu, Kan-6öu und Sa-Wu.
Dies Wenige genügt aber immerhin, um zu erkennen, dass
Kan-6öu im 10. Jahrhundert der Mittelpunkt des Staates der öst-
lichen Uiguren war, der sich nach Westen mindestens bis Sa-^öu
erstreckte und also die westlichen Grenzdistrikte des eigentlichen
China umfasste. Damit stimmt denn auch der Ausdruck des Abu
Dulaf, dass Sandäbil die Residenz der Inder und Türken sei,
1) Hier folgt der oben wiedergegebene Satz über den Tempel.
") G. Deveria, Musulmans et Manicheens chinois. Journ. as.
1897, 2, 479.
s) Deguignes, Gesch. der Hunnen II 29. Ergänzungsband 282.
*) Ed. Chavannes, Voyageurs chinois chez los Khitan et les
Joutchen, I« part. p. 30 n. 3. (Extrait du Journ. as., mais— juin 1897.)
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. gg
und von da der Chäqän stamme. Mit den Indern sind offenbar
die Buddhisten gameint, die Türken dagegen sind die Manichäer.
Wie in Kau-^ang, der Hauptstadt der westlichen Uiguren, über-
wog auch in Kan-6öu der Buddhismus, daneben aber wurden von
den Chaganen der Uiguren entsprechend ihrer traditionellen Politik
die Manichäer sowie die Zoroastrier beschützt, deren Glaube be-
reits seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. in der Provinz Kan-su ein-
geführt war ').
Das Zeremoniell und der Staatsapparat am Hote dieser
Uigurenchagane war chinesisch. Unter dem „König von Cin"
^.5:ui.i! ^i ijj^i ^^^' ^^^^ Gesandtschaft an dfen Samaniden
Na^r b. Ahmad geschickt hat, haben wir also nicht einen Fürsten
aus einer der kurzlebigen Dynastien nach dem Sturze der T'ang-
üynastie zu sehen, sondern den Chagan der Uiguren von Kan-^öu.
Auch in dem von mir übersetzten Abriss der Geschichte der
Manichäer im Fihrist S. Ti^v, 23 wird der Beschützer der Manichäer
V
„König von Cln" genannt, worunter der Verfasser mit Recht den
Herrscher der To/uz;/uz (hier der Uiguren von Kau-^ang) versteht-).
Im Namen ^^;xJ)\ wird also türkisches Caqyr stecken, und
ebenso wird sich auch (jüLs Qalyn aus dem Türkischen erklären
lassen. Zu finden bleibt nur noch der Ursprung des Namens
Jo!Js.>L»*, für Kan-^öu. Meine Bemühungen, etwas von den Herren
Sinologen darüber zu erfahren, waren leider vergeblich; an der
sachlichen Identität aber scheint mir kein Zweifel bestehen zu
können'^). Es darf hierbei daran erinnert werden, dass auch der
Name Chumdän, unter welchem unzweifelhaft die alte Hauptstadt
Cang-'an (Si-ngan-fu) im Westen bekannt war, bis heute noch
nicht befriedigend erklärt ist. Neumann sieht darin eine Ver-
derbnis von Kong-tien „Palast" oder „Hof, welche Erklärung aber
Y u 1 e , wie mir scheint mit Recht, ablehnt (Cathay I p. LI n. 3).
Jetzt wird uns auch der Zweck der Gesandschaft klar. Der
Fürst von Kan-ööu fühlte sich infolge der stetig wachsenden
Macht der K'itan bedroht und suchte bei dem mächtigen Samaniden,
dessen Ruhm das Gerücht bereits bis nach dem fernen Osten ge-
tragen hatte, Rückhalt und Bündnis. Deshalb fragt er auch den
Abu Dulaf eingehend nach den Verhältnissen der islamischen
Länder. Die Gesandtschaft des „Königs von Cin" an den Sama-
niden Na9r verdankte also im Grunde ihren Ursprung ebensogut
der neuen, grossen Bewegung unter den Völkern Gog und Magog,
wie vor einem Jahrhundert die Gesandtschaft des Salläm. Denn
1) Deveria 1. 1. 466. 480.
2) S. WZKM. XII. 161 ff.
*) de Goeje denkt an eine Verwechslung von Kan-cou mit
C'ing-tu-fu (Sindafu) durch Abu Dulaf. Dann müsste letztere Stadt
als Ausgangspunkt der Rückreise betrachtet werden, die ich hier aber
nicht behandle.
QQ J. Marquärt,
es ist klar, dass die Veranlassung zu dem Traume des Chalifen
al Wäi9^iq, dass die von Alexander d. Gr. gegen die Völker Gog
und Magog errichtete Mauer geöifnet worden sei, wodurch der
Chalife bestimmt wurde, im Jahre 842 eine Gesandtschaft zur
Untersuchung des Zustandes der Mauer abzusenden i) , gewisse
wenn auch noch so unbestimmte Gerüchte über die Umwälzungen
gebildet haben müssen, welche durch die Erhebung der Qyrghyzen
und die Vernichtung des Reiches der Tojoiz Oyuz am Orchon im
J. 840 in Hochasien herbeigeführt worden waren.
In verschiedenen Quellen wird Alexander die Gründung der
Stadt Ha-c6u zugeschrieben, der ersten chinesischen Stadt die
man erreicht, nachdem man die Wüste passiert hat 2). Qodäma
spricht von zwei Städten, die Alexander im Lande ^yi in China
gegründet habe^): die eine, namens Chumdän, weist er dem
König von Cin zur Residenz an, in die andere, namens ,3^, soll
derselbe eine Besatzung legen. Chumdän, das auch Theophylakt
als eine Gründung Alexanders kennt, ist, wie^ man schon längst
erkannt hat, identisch mit der alten Residenz Cang-'an, d. i. dem
heutigen Si-ngan-fu*). ^ dagegen ist nichts anderes als Cöl
„Sand", d. i. die türkische Übersetzung von Sa-c6u „ Sandbezirk %
wenn man nicht eine Verschreibung für ^^j^ Sük = Sük-cu
(Su-^6u) annehmen will.
Die beiden Festungen, welche sich nach dem Berichte des
Salläm in der Nähe des Thores befinden (Ibn Chord. Hl, 13 fi".),
bezeichnen wohl die Festung Kia-jü-kwan, dagegen ist die grosse
Festung in der Nähe dieses Ortes, welche 10 Par. im Geviert
umfasst, unverkennbar die Stadt Kan-Söu oder Sandäbil, deren
Durchmesser (LP^Lj) nach Abu Dulaf eine Tagereise betrug. Der
Ausdruck ist bei Abu Dulaf wohl absichtlich unbestimmt und
zweideutig gehalten, bei Salläm aber liegt offenbar ein Miss-
verständnis vor, indem ihm 10 Par. als Umfang der Stadt an-
gegeben wurden und er dies fälschlich auf den Durchmesser der
Stadt bezog, die er sich als Viereck dachte. So erhielt er den
ungeheuren Flächenraum von 100 Par. für die Stadt^).
Es sei mir gestattet, hier zu den Zeugnissen für den Mani-
chaismus der Uiguren von Kau-6ang (WZKM. XII 179 f.) noch das
1) S. de Goeje, De muur van Gog en Magog S. 23.
2) de Goeje a. a. 0. 14.
3) Qod. rlf, 19. 20. , , ^ o 0^4.
*) de Goeje a. a. 0. S. 14. Tomaschek a. a. O. b. 6Q t.
H. Yule, Cathay I p. LI n. 3 XCIIT. , . . ^ w
5) Es wird aber auch zu erwägen sein, welches einheimische Weg-
mass der Araber hier durch Farsach wiedergibt. Ein ähnlicher Fall
findet sich bei Ibn Rusta ili, 11/12, wo Harun b. Jahja den Umfang
von Konstantinopel auf 12 Par. im Geviert angibt, aber bemerkt, dass
der römische Parasang nur = Vjo Meilen sei. 100 li wäre eine Tagereise.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 91
des GurdezT^) hinzuzufügen, der wahrscheinlich aus Gaihäni schöpft.
In alter Zeit herrschte über die Toj'uzp'uz ein Chäqän, der einen
Bruder hatte namens Kürtägln (jv5.j^j/ -). Des letztern Mutter
stammte aus China. Der Chäqän strebte nun seinem Bruder nach
dem Leben und verwundete ihn an der Kehle, worauf er ihn für
tot auf den Friedhof warf. Doch die Amme des Kürtägm rettete
diesen zu den Manichäern und übergab ihn den DTnäwarl's^), die
ihn verpflegten und seine Wunden heilten. Darauf kam Kürtägln
nach Izü j-i, der Residenz des Chagans und lebte hier einige
Zeit verborgen. Schliesslich gelang es, den Chagan zu versöhnen,
der ihn zum Emir von PangTcat ernannte. Als er aber hörte, dass
der Chagan zur Jagd ausziehe, sammelte er eine Truppe und zog
gegen ihn und überwand das Heer des Chagans in einem Treffen.
Dieser floh nun in die Festung {jS^s-i allein die Besatzung
wurde zuletzt durch Hunger bezwungen und erhielt Amnestie, der
Chagan wurde erdrosselt und Kürtägln ergrifi' die Chaganwürde.
Der Chäqän der To/uzyuz huldigt der (maniehäischen) Sekte des
Dinäwar, doch gibt es in seinem Reiche neben Dualisten auch
Christen und Samanäer (Buddhisten) ... In der Stadt Clnäng-hat
(an der Ostgrenze des Gebietes der To^'uz^uz) umziehen jeden Tag
3_400 Mann von den Dinäwarl's das Thor des Statthalters und
rezitieren mit lauter Stimme die Blätter des MänT, kommen vor den
Statthalter und machen ihre Aufwartung und kehren wieder zurück.
Ein merkwürdiges Zeugnis für die Beziehungen der To/uz/uz
zu den Manichäern ist in zwei Stellen des Gähic (f 255 H. =
868/69 n. Chr ) enthalten, deren Kenntnis ich der Liebenswürdig-
keit van Vloten's verdanke. In der einen, die sich im Cod.
Mus. Brit. Or. 3138, einem Sammelband von Werken des Gähic
findet, sagt der Verfasser fol. 209 flf., nachdem er über den Verfall
der Griechen gehandelt:
1) Bei Barthold a. a. 0. 90, 10 ff. 91, 4 f. 92,6.
2) Wahrscheinlich alttürkisch Kül-tägin ; vgl. ^y^jy^ (al-Madaini)
= alttürkisch Kül-cur.
3) Vgl. Fihrist I rrf. II 171. Flügel, Mani 318.
*) cod. io.^;Ü.
^) cod. ci*-«iÄJ.
92 J- Marquart,
d. h. „Und ähnlich diesem wai'd der Zustand der türkischen
Toyuzyuz, nachdem sie (früher) deren Helden und Vorkämpfer
und die Anführer der Charluch gewesen waren , obwohl diese an
Zahl mehr als doppelt so stark waren als sie. Denn nur weil sie
sich zum Zindiqismus (Manichaismus) bekannten — die Religion
des Manichaismus ist aber in Bezug auf die Enthaltsamkeit und
Friedfertigkeit noch schlimmer als die christliche Religion —
nahm jene Tapferkeit ab und schwand jene Kühnheit. Die Qorais
aber unter sämtlichen Arabern bekannten sich zur Religion der
un erschütterlichen Tapferkeit " .
Der Verfasser blickt also unverkennbar auf den im Jahre
840 n. Chr. erfolgten Untergang des grossen Uigurenreiches am
Orchon, dem auch die Charluch unterthan gewesen waren, zurück
und sieht die Ursache von dessen Niedergang in dem schädlichen
Einfluss der friedfertigen Religion Mani's. Die Qorais dagegen, die
eigentlichen Träger des muslimischen Staates, behielten auch nach
der Annahme des Islams ihre alte Tapferkeit und ihren Adelsstolz.
In Muzdalifa bei Mekka stellten sie sich am Tage des grossen
Pilgerfestes hin und riefen: Wir sind die Unerschütterlichen
{,^j^i.;<\l\ , plur. von ^j^4,s>-\) , und der Prophet selbst sagte zu
den An^är mit Stolz: Ich bin ein Unerschütterlicher (ahmas)^).
Dem kriegerischen Sinne der Qorais verdankte es der Islam nach
Gähic's Meinung, dass er von einem ähnlichen Verfalle wie
die christlichen Romäer und die manichäischen To;'UZ/uz ver-
schont blieb.
Die zweite Stelle findet sich in einer Risäla, die in einer
Damascener Handschrift (Malik Tahir 125) enthalten ist, und
lautet folgendermassen -) :
U^]y i^ '^yih ^j^5 ^J ^j^:j_5 ^4xX1\ jJ^X'S ^^ ^y:=>:>
&j^^ J"^ rj->-A ^^_y> VV"^' 0,La3 Ot^ji^i Laa« töJL/i vi>..«,^:>Vi^
lXsj xj^^'J Jas Ä.x! Ji _^^i ^t^^ J^-^' J- /*"g-'^j»J' i^-^ ic"*^*^'^
^^4- ^-^ f-h j^l-^' J^^j^'3 ^l-^-S'^ U^LÜ J. ^1 X.j^^! ^ß J^^
».j,_»LäjlXJ!_5 Ä.ASiAAa4.il l-H^j >-^^3 '0 '>Äj LäaaUS ^^^* KäJl^wJ!
1) Mas'udi, Murüg II 221.
^) Die in der Handschrift fehlenden Punkte sind von van Vloten
beigefügt worden. ,
"') So vermutet deGoejc; van Vloten schlug vor tÄ.^ o>^Ai2i5.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 93
d. h. „Erkläre mir doch , weshalb an Nu'män und Jazid b,
al Härij?" das Christentum und z/ü Nu' äs das Judentum an-
genommen haben, und die Könige von Saba Magier (Zoroastrier)
geworden sind? Und weshalb die Araber sich in muhill'^
(Feinde, die man töten darf)^), muhrim's (solche, deren Blut man
nicht vergiessen daif ) ^) und ahmasl 's (solche , die sich ahmas
nennen) '') geteilt haben , abgesehen von ihrer Spaltung in Bezug
auf Religionen? Und weshalb man niemals eine materialistische
Religionsgesellschaft erlebt hat, da wir ja erkannt haben, dass
es unmöglich ist, dass ein Materialist als Prophet auftritt? Und
warum hat sich kein König als Materialist bekannt ? Und warum
haben wir die Lehre des Materialismus nur bei besondern, un-
gewöhnlichen und seltenen Leuten gefunden ? Und weshalb haben
alle Anhänger von Religionen ein Königreich und Könige gehabt
mit Ausnahme der ZindTqe (Manichäer) , und weshalb haben
sämtliche vergangene Religionsgesellschaften sie getötet? Und
warum machen wir diesen Schluss, nachdem wir doch die Ma^da-
qiten^), Dinäwari's und iLoywzyViZ gesehen haben? Wenn du
nun erwiderst : weil diejenigen, bei denen der Krieg kein Religions-
gesetz und die Tapferkeit nicht Naturanlage ist, geplündert und
zu Sklaven gemacht werden, so sagen wir^): wie kommt es dann,
dass die Romäer es zu verhindern wissen , dass sie zu Sklaven
gemacht und geplündert werden, obwohl der Krieg bei ihnen kein
Religionsgesetz bildet?"
Diese etwas dunkle Stelle wird durch die erste in erwünschter
Weise aufgestellt. Gähic sucht in dieser Risäla einen etwas be-
schränkten, aber eingebildeten Mann durch Vorlegung einer Menge
von nagudo'E.a und anoQi]fiata in Verlegenheit zu bringen und
sich über ihn lustig zu machen. Er behauptet, dass die Manichäer
im Gegensatz zu sämtlichen andern Religionen niemals einen
Die Konstruktion von ^*üä mit ^^ judicii ist ganz allgemein, wie
xj /*^>" (de Goeje). Die Hs. hat etwa IAaa >.Aa5 *.]»,.
*) cod. jJjC.
'^) Von de Goeje ergänzt.
*) So de Goeje, unter Verweisung auf ZDMG. 46, 2n.
*) Vgl. Mas'üdl, Murüg II 22 L
^) Zur Schreibung Ä-^SiA/a-LI für KxäO;!! vgl. ^^15^X^x11 für
^ISOjIi Muq. f.. , 13.
94 J- Marquart,
eignen Staat gebildet hätten, sondern von den Anhängern der
übrigen Religionen blutig verfolgt wurden, obgleich er weiss, dass
die Mazdakiten den König Kawät (488—495/96 und 498—531)
und dessen ältesten Sohn Kaj'-Os, den Prinzstatthalter des Elburz-
gebietes (Padaswärgar-säh)^) , für ihre Lehre gewonnen hatten,
die Dinäwarl's aber, die hauptsächlich in Transoxiana verbreitet
waren (Fihrist T^f, 11), bei den Toynzyni Eingang gefunden
hatten und, wenigstens in späterer Zeit, der Chagan selbst sich
zu ihrer Sekte bekannte , wie wir aus GurdezT erfahren. Der
Mazdakismus wird besonders in Tabaristän, der Provinz des von
den Mazdakiten erzogenen Prinzen Kaj'-Os, geblüht haben, und in
dem Verzeichnis der Provinzialhauptstädte von Iran § 60 findet
sich die Notiz , dass die Hauptstadt Ämul von dem todesvollen
Zandik, d. i. Mazdak gegründet worden sei^). Allein noch vor
seinem Tode liess der König Kawä(5 die Anhänger des Mazdak
ausrotten und in ihren Untergang wurde auch der Prinz Kaj-Ös
verwickelt^). In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts be-
herrschten Mazdaks Lehren noch weite Kreise Irans , besonders
von al Gibäl und Ä^'arbaigän *) , und unter der Führung des
Bäbak trotzten ihre Anhänger ein Menschenalter den Heeren der
Chalifen. Allein von einem wirklichen mazdakitischen Staate kann
man auch hier nicht reden, und nach dem Untergange Bäbaks ward
die Bewegung blutig erstickt. Die Lehre des Lichtes hatte aller-
dings seit ihrer erstmaligen Einführung nach dem Jahre 762 n. Chr.
grossen Einfluss und zahlreiche Anhänger bei den To/uz Oym
gewonnen, allein die gleichzeitigen chinesischen Nachrichten zeigen,
dass keineswegs das ganze Volk dem Manichaismus huldigte und
der Chagan selbst kein Manichäer war^), wenn er auch die Mani-
chäer sehr hochschätzte und sich ihres Rates und ihrer Dienste
in politischen Fragen bediente. Wenn aber auch der Chagan
selbst später zur Lehre des Lichtes übertrat, wie die arabischen
Berichte behaupten, so musste die asketische Richtung der neuen
Religion, wie Gähic annimmt, unbedingt die Wii'kung haben, dass
die alte kriegerische Tüchtigkeit des Volkes, auf welcher das Reich
*) Theophan. Chronogr. I 167, 27 ff. ed. de Beer nennt ihn
^&ci6ovccQaccv, Prokop. Fers. p. 50, 15. 109, 15 ff. 193, 17 Ka6oi]s'i in der
Geschiebte Tabaristans des Muhammad b. al Hasan b. Isfandijär heisst
er {jny^^ mit dem Titel »LÄi -:>-.!»-ii(Äs (so 1.).
^) Liste göographique des villes de l'Iran. Par E. B lochet.
Recueil de travaux relatifs a la philologie et k rarcheologie ^gyptiennes
et assyriennes t. XVI, 1895, p. 170.
^) Vgl. Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber 141 ff.
154. 455 ff.
") Mas'odl, Kitäb at tanblh Pör, 10 ff. Fihrist rff, 18 ff".
^) Vgl. G. D^vöria, Musulmans et Manichöens chinois. Jouru. as.
1897, 2, 475 s.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 95
beruhte, verloren ging. Wenn also die Dinäwari's auch bei den
Toyuzyuz thatsächlich einen König und ein Reich besessen haben,
so hat ihre Religion eben dieses einst so mächtige Reich zu
Grunde gerichtet und sich somit als unfähig erwiesen, einen Staat
zu gründen und vor allem zu behaupten i). Bei den Romäem ist
der Krieg zvi^ar auch kein Religionsgesetz, wie beim Islam, allein
ihre Religion verbietet nicht jedes Blutvergiessen und hat ihre
Verteidigungskraft nicht gelähmt, wie dies bei der Lehre des
Lichtes der Fall ist. Diesen Erfolg hat ja in der That die Lehre
Buddhas bei den Mongolen gehabt, indem sie die im Blute waten-
den Welteroberer zu grübelnden Asketen gemacht hat. Gähic
blickt also auch an der zweiten Stelle bereits auf die Vernichtung
der Macht der Uiguren, der Beschützer der Manichäer, durch die
kriegerischen Qyr;^yz im Jahre 840 n. Chr. und die sich daran an-
schliessende Verfolgung der Manichäer im chinesischen Reiche zurück.
Es fällt auf, dass in der Aufzählung der Fürsten, die vom
Heidentum zu Offenbarungsreligionen übergegangen sind, die
Chagane der Chazaren fehlen. Sollte hier mehr als blosser Zufall
obwalten und Gähic hier indirekt bezeugen, dass ihm die Bekehrung
der Chazaren zum Judentum noch nicht bekannt war?
6. Mas'üdis Bericht über die Slawen.
Eine ebensolche crux wie Mas'üdls Erzählung über den Ein-
fall der Walandarhorden bildet sein Bericht über die Slawen im
34. Kapitel seiner Goldwäschereien und Edelsteinminen. Die
Pariser Ausgabe, in welcher sich der Bericht Band HI S. 61 — 65
findet, ist hier sehr unzulänglich, und dieses Kapitel verdient gleich
den übrigen ethnographischen Kapiteln, welche die vier ersten
Bände der Pariser Ausgabe füllen, dringend eine neue Ausgabe
unter Heranziehung sämtlicher bekannten Handschriften. Dieser
Bericht ist aber schon in den Jahren 1832 und 1833 zugleich mit
andern arabischen und persischen Nachrichten über die Slawen von
Charmoy herausgegeben und mit einer französischen Übersetzung
und Erläuterungen versehen worden unter dem Titel: Relation de
Mas'oudy et d'autres auteurs musulmans sur les anciens Slaves.
Mem. de l'acad. imper. de St. Petersbourg VP ser. t. II, 1834,
p. 297—408. Der Text findet sich auf S. 308—311; diese ver-
dienstliche Arbeit ist den Pariser Herausgebern wohl bekannt ge-
wesen, aber leider von ihnen zu wenig berücksichtigt worden ^). Ich
bemerke jedoch, dass ich bereits avif Grund der Pariser Ausgabe zu
1) Diese Interpretation des Satzes ^! \JSj Ik^'i ^*, verdanke
ich van Vloten. '-'
2) Dieselbe scheint Lelewel, welcher sich gleichfalls mit
Mas'üdT'g Bericht über die Slawen beschäftigt hat (G(5ographie du
Moyen-Age t. III. Bruxelles 1852, p. 47—52), unbekannt gebliebeu
zu sein.
96 • J- Marquart,
den unten dargelegten Resultaten gelangt war, ehe ich Charmoy's
Arbeit gesehen hatte. Abr. Harkavy hat sich dann aufs neue
mit Mas'üdl's sowie andern muslimischen Nachrichten über die
Slawen beschäftigt in seiner Schrift Skazanija musulmanskichi)
pisatelej. St. Petersburg 1870, die mir leider unzugänglich ist.
Ausser der Pariser Ausgabe habe ich die von Kairo a. H. 1303
benutzt, die mir Prof. S e y b o 1 d freundlichst geliehen hat. Hier
findet sich der Bericht Bd. I S. tvo; der Text dieser Ausgabe ist
kein einfacher Abdruck der Pariser, sondern geht bei wichtigeren
Varianten mit der Leidener Hs. gegen die Pariser Ausgabe. Der
stets bereiten Liebenswürdigkeit Dr. van Vlotens verdanke ich
eine Kollation der Namen in der Leidener Hs. Nr. 282. Mas'üdis
Bericht ist von Bekri (Kunik und Rosen S. 33, 6 — 42, 12),
sowie von Jäqüt IH f.o, 13 ff. benutzt worden. Jäqüt's Text
berührt sich am nächsten mit dem des cod. Italinsky A, welcher
auf ein Exemplar zurückgehen muss, das bei der Vollendung des
ganzen Werkes im J. 336 H. einer Revision unterzogen wurde,
nachdem die früheren Bände schon im J. 332 ausgegeben waren.
Ich bediene mich folgender Abkürzungen:
A = cod. Italinsky A bei C h a r m o y.
B = cod. Italinsky B bei „
C = cod. Italinsky C bei „
L = cod. Leid. 282.
K = Ausgabe von Kairo 1303.
P = Ma(;oudi, Les Prairies d'or. Texte et traduction par
C. Barbier de Meynai-d et Pavet de Courteille.
J = Jäqüt.
Be = BekrT.
Ch = Charmoy.
L^LL>1 (»)j^-i5 '■•g^^ J-^^^3 L.g.Äj'L^/ii^ xJLftxaJl jS^O
62 *) JlxiJl U^ ^;^ ^^A '^)KjI^aJ! ^\ ^^ yJ:^=> dy \ tÄ^»
>) Charmoy richtig j^bU; Be p. 33, 6 ^.,ljLo, B I^Lc, L ^jl» ,
A ob, K^b, CP^b.
'^) AC ^>y.
3) L Kjfy , A Kjy I . ■
*) Das Folgende bis iüiJ'L:> S. 97 Z. 4 bei Jäq ITI f.o , 13—15.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 97
i")^>U t^Aj j^^a^ ^,Lr_5 ^UJ! ^u>.A^ ^ UjAs ^f:i '^U' ^Li'
5 ^«^AäÜ S u--^ ^'J^^ ^^.-i o'-^^ 'OljL^^i e5^->^.-^ ü--^ ^-^5
nJI ^jU ^^)ß\^ ^Lxä^i^ ;^-s >^U( ^^^i K-JU^i! LrL-^5 yL^
') So richtig Ch mit v. 1. (^j^Lj, ^j^^'? > ^j^W , J J=j^^^ ,
P (^J»J-Lj mit V. 1. Jj^Aj , L ^aAj , K I^Aj , Be ^L*^ii ^j^ .
2) C Js-^ÄJ, Be J^AÄÄj (1. J^iiJ"), J y^ für 1^1/^ ^j!,
A LxX^ .
3) A y^ii! , J oyti! j . — Das Folgende bei Bekrl S. 40, 9 ff.
5) Be S. 40, 12 ^l\^ ^j.£ , J om.
**) A &j . j.LiAa.>U! i. e. Ä.j.j.Li>a<ü! .
^) J om.
8) A ^LLaäÜ .
») L ^^)*^Ä>. Das Folgende fehlt in A (und Jäqüt) bis S. 99 Z. 2
10) L y5^jL.i , K J^>L« , C J.>U ^ Be Li>U .
") Conj.; P Ch LiLl J^ , L LjLJ^, Be 1)1^*,.
12) om. L.
13) Conj. ; B P K ÄJl^>.L/ot , C ^Jt^IiAöS , L M\jh,a\, , Ch wl^>iiA^l ,
Be wLxAai! .
11) So K; Ch ^o^lÜAaj, C ^":iÄAaj , L c^ft^as, B ^j jS^^aJ ^
P ^^äao .
1») So Ch L; P B K Be xJ^^O .
Marctuart , Streifzüge. 7
93 J- Marqiiart,
5)^*.^ww.:!^ Ä.JLä>aii (J'.LJ.:^! ^:^^! L/^^ lÄ-S^^ *)\Jtji ^^^^:i
xi ,3Läj ''^)j*/.ä.-> ^ ^)j:^'^Jj L^'^" f?"^^^'' ^)qJ'-'*^ 1?^'-^" L/^"?"3
L^j'j 3j-i^j (1~^*-J ^^)v^H'' *^-^LÄA2.Ji uXac 0^-*-=" ^°)i'^^^ '')u^iy*'
^^i L^Jl ,3l>Lääj ^'Oä-A-'» ^^'« ^^jjx'S»)* L^>j^ ^^)y:5^j oL^ö»,^^
0
o } >
w J
1) om. B C P K.
^) Ch »»^-o ^ol, , B ^L , C vJs^AO ,ijo(. , L s^l.,0 ^ot» ,
K o^x3 ^1^, p ^^Lc ^^3.
'') C K oix^Lj, L u->^U.
^) So Ch; C '»^\js^, K wly:, L ^JL£J P KiljC.
^) So Be ; die übrigen u^M* .
^) C ^jLa/s^ L (^L*.*, K O'-'"''' ■^^ ^™"
') So P Tt^^J; 5 Ch y^^j , t) .>jx^ . (?) , L fW^>*-Jj , K «i^xj. .
^) Die folgenden Worte bis jj/^Ä^ in C K ausgelassen.
") So Ch; B P {J^'-ij^, L u^-iy, Be ^^Jj*«.
iO)Py>5.
") L y^^.
12) Ch AxxJ .
13) So P; B uXb^^t ff^Hj^J;-, C xX^ ^^ ^^J^^, K '>!/> ^^ ^'SJü^ ^
L Ch KX,Xi i*«?jÄj» , om. Be.
1*) ona. B; für n^\y) K ».tyc^ Be »jt;-».
15) So Ch; B uiiU>, L (j*»!^, K -jil^y?-, P oUi!^^^,
Be
LTbj^-
16) Conj.; L (jv-olj>j Ch P Be ^J^l^ ^ K ^a^oLa:?.
1') Conj. ; Ch P (j\jL.Ci.i> j C (j\.jL^5»- , L y*LA«j>! ^ Be (jvj'oixo,
K jjoLs». — P hat von L^l Z.5 an folgende Anordnung des Textes:
Osteuropäisclie und ostasiatische Streifzüge. 99
\j^ Q^ olJIa« Uxs UxAä lAi^ ^Ä^! ^3L*sl Joi^ ^L*s5 |^i_5 '^)^j!_50
5 J^ j-.^\^ ''*)g^'^^' ')J-t^ ^/^ I -^^^* ^)^V'^ er ^5> V^^^^' 64
"^'*) .,j_l-ciÄ/o ^,^9.>;i._5 X.>.JLÄAaJl ^xi ij/^Ä.^ (Ä-J'^j ..LaäJLj ^ijw.äjt
^) om. K Be: Ch ^^*JL:p.it^, L (j^Ls^IAj.
2) om. C.
•"*) Hier tritt A wieder ein. Das Folgende (bis AÄ.^J| t5L*55 Z. 4)
auch bei Jäq. III f .ö 15 ff.
*) A J ^y^\ (A ^J ) *.J ^^Lfij y^Ä:> (A ^x^s^^Ls ) |!|l*:fiw.i:L ;
5) C;^j, K ^xi, 3 ^Xa.
ö) So A und J; ChP3, CK om.
') ACK JBe ^S^J.
8) Ch K ^yö.
») P J..^ Ü/ö to!; Ch J.x> für J^xi (v. 1. J.xi).
10) Ch P K gj:äJ! .
") So C K; Ch ^^ü ^i^ ^^ ^ L ^y:]!^ . P om.
12) BP oiip>.
13) Für das Vorhergehende von ^|^ Z. 5 an hat Jäq. III f.o, 17:
^^^ j^if u>.x*o jj^ o^ ^^ .
1^) P ^jLJc^s , A Be 40, 16 ^ j.iL/Ä;Cj .
15) P Öj^Lj, A om.
i«)P^^J^.3.
1') K Be Vj*^'. — Das Folgende bei Jäq. Z. 17 ff
100 J- Marquart,
->A£. ,n.xav1^ (jii»^:>-^J »t:^^ y^*^^ iCjuw.!» ,.)'A/) *>J»* ^)tH'-^''' ij5U^
IÄ%* ^y;J! exi^ ii)xJLÄAaJ! ^;_j.U ^j.* ^Ul iÄP ^>j ^'i ^L^^..«
Lwb ^^55 A^!^ !oA£ ^-^j^'i ^^^'^jj^ ».JLÄAaii ^..v^l ^^)u^^
^JrÄJ! ij5^U! ^^£ .Lxi>*bi! L>LxAs l\s» ^^^^^ ^-j^'^i. i(.A«LÄ>l »^a^j
') A ^jAJI ^ L ^^^ Aii .
■2) om. ABC. Die Worte ^.xii' — ui'^A:>-3 fehlen iu P K. J hat
bloss 8 .xÜ' JL+c aJ» .
3) A ^>CJU j J ^;;)CU .
*) J KjCUil suX^ .
^j Conj.: AL ^^sjtJ!, BCK ^J^!, J ^,äJt, Ch P ^siU^l .
6) So J; A ^J^«^, Ch K ^^ J^^ , P >^U.
') P äjAij (jii».-!^^^ Ä,*Av'^ jL^c» ,
«) A J oi^L^;^ . — Dieser Satz auch bei Bekrl 42, 11—12.
») So AL; P ^,äJ!,, Ch K Be ^J^L.
10) Conj.; L »J^5^Ji3, B C ^/^-i'^, A O^xij^il^, Ch P J>j>.5^J!^,
K Ojj.aJU j Be öySyS\* j J om.
") om. L; APK ».JLftxaii oIj q^.
>-^) So C P K ; Ch IÄ% , A xJLii;^! ^a ^Ut lÄJ^. .
1») B C P \^y£> .
") Das Folgende im Auszug bei Bekrl S. 33, 9—12.
1=^) C K J<>U , L ^.ȟ .
1«) C K om.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzügo. 101
U>^^ Q^ J.^:> J.£ U^j! lXS L^ji'ö J^_^Lj ^y>^i ^^i'y^ ^-j^ Liy^ö
Bericht über die Slawen, ihre Wohnsitze , die Geschichte
ihrer Könige und die Trennung ihrer Zweige.
al Mas'üdi erzählt: Die Slawen gehören zu den Nachkommen
des Mä(5äj b. Japheth b. Nüh , und auf ihn gehen die übrigen
Nationen der Slawen zurück, und in ihm treffen sie in ihren Stamm-
bäumen zusammen. Dies ist die Version vieler kenntnisreichen
Leute, welche sich um diesen Gegenstand bemüht haben. Ihre
Wohnsitze sind im Norden und sie erstrecken sich bis zum Westen.
Sie bilden verschiedene Zweige, die sich gegenseitig bekriegen.
Sie haben Könige, von denen die einen dem Christentum huldigen,
und zwar dem jakobitischen 5) Bekenntnis, während andere keine
Offenbarungsschrift besitzen und keinem Religionsgesetz gehorchen,
sondern Heiden sind, die nichts von Religionssatzungen wissen.
Diese bilden mehrere Nationen. Unter diesen gibt es nun eine,
bei welcher vor alters im Anfange der Zeit die Herrschaft stand,
Ihr König wurde Mägak genannt. Diese Nation heisst Walinjänä.
und dieser Nation pflegten vor alters die übiigen Slawenstämme
zu folgen, weil unter ihnen die Herrschaft war und ihre übrigen
Könige ihr gehorchten.
Auf dieses Slawenvolk folgen die Ortofräna , deren König
in gegenwärtiger Zeit Barqläbic heisst: dann die Dxdäba^ deren
^) L Ij^-zaL^Jj j vulgO ÜLäaJ^ .
2) Ch ^jö ^*j; ^a5 ^jJ.5 C, ^^^Ki i ^J-Vi B, ^-i ^C<i P.
A hat für das Vorhergehende von xaJLä-ciJ!. S. 100 Z.8 an ^.^'^ «A-Sj
K.*,^=^ *.Ji oLääj^ f^^y^A %^^. ü5>.Jl'« l^l^l XÄA« j.% vii^ä^i! \ö>.9 J.>.i
L\5»L/fl A-^-^"* ü5<.l.<* i3«^-^ VwÄi.Iaj (j5*-N.j! ^e^S \^m\ ^^ lA'i^ j*..^Lä.:s-!
.(1. ^^'«'»-■^J) (-^^y^^ ^^} l*^ (1- uX^l.'«)
») Ch c>.Jji^j5, A o^js^j», L Vj-=^^'
^) So CK; B ^^:^ilc, Ch N-.ic, P (^>)^ i**-^ .
^) cod. A: „nestorianischen".
102 J- Marquart,
König gegenwärtig Wänic-gläf (Wen^eslaw) heisst; dann die
Nämcin (Nemec) , deren König Tiräfna heisst. Diese Nation
ist die tapferste und reisigste der Slawen. Dann die Manäbin (?),
deren König Ratimir (?) heisst.
Dann ein Volk namens Surhin (Serben), ein Volk das bei den
Slawen gefürchtet ist aus Ursachen , deren Aufzählung zu lang
wäre, und wegen Eigenschaften, deren Auseinandersetzung zu viel
würde , sowie weil sie jeder Religion, der sie sich fügen würden,
bar sind. Dann die Moräwa (Mähren), die Chorwätin (Chorwaten),
die (fächln (Cechen) , die Guisänm (Guduskaner) , Bränicäbln
(Brani^ewci). Was die Namen einiger Könige dieser Völker be-
trifft, die wir genannt haben, so sind es feste Benennungen ihrer
Könige. Die bereits genannten Serben verbrennen sich selbst,
wenn ihnen der König oder Häuptling stirbt, sowie dessen Pferde.
Sie befolgen dabei Gebräuche, ähnlich denen der Inder. Wir haben
diese Dinge an einer früheren Stelle dieses Buches gestreift, wo
wir vom Kaukasus und den Chazaren gesprochen haben , sowie
davon , dass es im Lande der Chazaren neben den Chazaren noch
Slawen und Russen gebe, und dass sie sich verbrennen^). Dieser
Stamm der Slawen und andere erstrecken sich nach Osten und
sind fem vom Westen.
Das erste der Slawenreiche-) ist das Reich von ad Dir^
das ausgedehnte Städte, zahlreiche Kulturen, umfangreiche Heere
und zahlreiche Kriegsrüstung besitzt. Die muslimischen Kauf-
leute suchen seine Residenz auf mit verschiedenen Arten von
Waren. Diesem Slawenreich ^) ist zunächst das Reich von
al Firay (Prag), das eine Goldmine, Städte, zahlreiche Kulturen,
umfangreiche Truppen und eine zahlreiche Heeresmacht besitzt.
*Es bekriegt die Romäer-^), Franken, Bazkarda (Magyaren) und
andere Völker, und der Krieg wird zwischen ihnen mit wechseln-
dem Glück geführt. Diesem Slawenreich-) liegt zunächst das
Reich der Tu7-k. Diese Nation ist die schönste an Gestalt , die
zahlreichste und tapferste der Slawen.
Die Slawen bestehen aus vielen Nationen und ausgebreiteten
Abarten, deren Beschreibung und Klassifikation vorliegendes Buch
nicht zu Ende führen will. Die Geschichte von dem König,
welchem ihre Könige in alter Zeit sich iugten , d. i. von Mägalc,
dem König der Walinjänä , haben wir schon vorausgeschickt.
Dieses Volk ist einer von den Slawenstämmen reinsten Blutes, der
unter ihren Nationen hoch geehrt war und sich auf alte Verdienste
1) MurOg II 9.
-) Wörtlich: „ Slawenkönige ". Allein der Vielschreiber Mas'udi
hat keine Zeit, sich um die Logik zu kümmern. So schreibt er II 7
sogar: ^^ü ^^^ -^^-^ ^ x\.z>\ö Kx^! bÄ?^ .
^) cod. A und Jäqüt: „und Waren der Romäer".
Osteuropüiscbe und ostasiatische Streifziige. 103
unter ihnen berufen konnte ^). Hierauf trat Uneinigkeit unter ihren
Nationen ein, ihre Organisation hörte auf und ihre Nationen
schlössen sich (einzeln) zusammen ; jede Nation machte einen König
über sich, nach der Anzahl ihrer Könige die wir erwähnt haben,
aus Ursachen deren Erzählung zu lang wäre. Wir haben einzelne
Kapitel ihrer Auseinandersetzung und vieles Ausführliche davon
zu Ende geführt in unseren beiden Werken , Zeitgeschichte' und
,Das Vorzüglichste (al ausat)'."
Einen festen Punkt bildet in diesem Berichte zunächst die
Angabe, dass der König der ^j^^o Didäba zur Zeit des Verfassers
ö^^^iU d. i. Wenceslaw hiess. Unter diesem kann nur der
böhmische Herzog Wenceslaw I., der Sohn und Nachfolger des
Wratislaw, gemeint sein, welcher ca. 926 — 935 regierte. Wahr-
scheinlich im Jahre 929 rückte König Heinrich I. mit ganzer
Macht gegen seine Hauptstadt Prag und zwang ihn zur Tribut-
zahlung 2). In den Düläba erkennen wir den altböhmischen Stamm
der Dudlehier^ der frühzeitig verschollen ist-^) und über welchen
später eingehender gehandelt werden soll. Einstweilen können wir
Mas'üdi die wertvolle Angabe entnehmen, dass die Gründung des
böhmischen Staates nicht von den Cechen, sondern von dem Stamme
der Dudleber ausgegangen ist.
Die „ Goldwäschereien " sind im Jahre 332 H. (943/44) ge-
schrieben. Wenn also Mas'üdi den im Jahre 935 ermordeten
Wenceslaw als den zu seiner Zeit regierenden König der Dudleber
bezeichnet, so sieht man, dass er nicht immer die neuesten Nach-
richten aus diesen Gegenden hatte. Wir werden also wohl auch
den „gegenwäi'tig regierenden" König der \':^.jS2.*o\ noch in die
Regierung des Königs Heinrich verlegen dürfen. Überschauen wir
nun die slawischen Völkerschaften , gegen welche dieser Krieg
führte und die demnach als die mächtigsten galten, so kann eigent-
lich der Sache und dem Namen nach nur ein Volk in Betracht
kommen. Etwa im J. 928 überzog Heinrich die Slawen, welche
Hevelder genannt werden , mit Krieg und nahm nach zahlreichen
Kämpfen mitten im Winter ihre Stadt Brennaburg (Brandenburg)
ein*). Heveldi ,die Havelleute" ist aber nur die deutsche Be-
zeichnung der IStodorani, welche in der heutigen Mark Brandenburg
sassen. Dies wird ausdrücklich bezeugt von Thietmar IV 29 (20):
Stoderania quae Hevellun dicitur. Ebenso die Quedlinburger Annalen
a. 997. Vgl. Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstärame 651.
o -
^) Über^jiA; = j.^i „altes Verdienst" vgl. Gloss. Tab. (de Goeje).
'^) Vgl. G. Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reiches m'ntör
König Heinrich I. Neue Bearbeitung 1863 S. 128—29. s)i« //
») P. J. Scliafarik, Slawische Altertümer II 445. i i V) C
^) Widukind I 35. Vgl. Waitz a. a. 0. 125 ff.,.i liriurij/jT ?.äHb
j|^Q4. J. Marquart,
Schafai-ik a. a. 0. II 582 f. Ich bin deshalb überzeugt, dass wir
bei Mas'üdl i(.iS_xi2/^i Ocßoträna zu lesen und unter denselben die
Stodorani zu verstehen haben. Schon Charmoy (p. 391) hat,
wie ich seither gesehen , an die Möglichkeit dieser Gleichsetzung
wedacht, sie aber dann mit Unrecht zu gunsten der Identifikation
mit den Abodriten (er will deshalb jivji.LjS lesen) zurückgestellt.
In der gewaltigen Schlacht bei der Stadt Luncini am 4. Sept. 929^)
haben ohne Zweifel auch die Stodorani in dem grossen slawischen
Heere gegen die Sachsen mitgefochten. Leider hat uns Widukind
den Namen des Fürsten der Heveller , welcher von Heinrich um
928 zur Unterwerfung gezwungen wurde, nicht mitgeteilt. Eine
vollständige Einverleibung der Heveller in das Reich Heinrichs hat
aber trotz seiner Siege nicht stattgefunden , sowenig als bei den
übritren besiegten slawischen Völkerschaften. Vielmehr behielten
dieselben regelmässig ihre eigenen Fürsten , wenn sie auch dem
Könige Tribut zahlen mussten. Markgraf Gero lud nachmals dreissig
derselben zu einem Gelage ein und liess sie hinterlistig ermorden^).
Unter denselben müssen auch mehrere Fürsten der Stodoraner
oder Heveller gewesen sein, nur ein einziger von denselben war
späterhin noch übrig. Ausserdem lebte aber noch der Oheim des-
selben , Tugumir , der sich seit der Zeit des Königs Heinrich am
sächsischen Hofe aufhielt. Er galt bei den Sachsen als der recht-
mässige Thronfolger im Fürstentum der Stodoraner, und liess sich
von jenen bewegen , ihnen das Gebiet in die Hände zu spielen.
Er kam nach Brennaburg und wurde wirklich vom Volke als
Fürst anerkannt, worauf er seinen Neffen hinterlistig ermordete
und die Stadt samt der ganzen Landschaft dem König über-
lieferte (um 940)=»).
Ich halte daher ^oIäaaj für den Fürsten der Stodoraner oder
Heveller, welchen Heinrich besiegte, und vermute, dass jener Tu-
gumir sein ältester, zur Thronfolge berechtigter Sohn war, welchen
er als Geisel stellen musste*). Welcher slawische Name in der
1) Waitz a. a. 0. 129 fi.
2) Widukind II c. 20. Vgl. Köpke-Dümmler, Kaiser Otto d. Gr.
S. 85.
3) Widukind II c. 21 : Fnit autem quidam Slavus a rege Hcinrico
relictus, qui iure gentis paterna successione dominus esset eorum qui
dicuntur Heveldi, dictus Tugumir. Hie pecunia multa captus et maiori
promissione persuasus, professus est se prodere regionem. Undc quasi
occulte elapsus, venit in urbem quae dicitur Brennaburg, a populoque
agnitus et ut dominus susceptus, in brevi quae promisit inplevit. Naui
nepotem suum, qui exomnibus principibus gentis supererat,
ad se invitans, dolo captüm interfecit, urbemque cum omni rcgione
ditioni regiae tradidit. Vgl. Köpke-Dümmler, Kaiser Otto der Grosse
S. 103 und Anm. 1. L. Giesebrecht, Wendische Geschichten I 144.
Waitz a. a. 0. 183.
*) Giesebrecht erklärt die Worte a rege II inrico relictus so,
dass Tugumir nach der Schlacht von Luncini in Gefangenschaft geraten.
Osteuropäische uud ostasiatiscbe Streifzüge. 105
arabischen Transskription ^sj^s/aj bezw. .^^o^fj^i steckt —
u^ und v.i können sowohl -p als w wiedergeben — mögen die
Slawisten ausmachen. Aber sowohl unser Barqlälic wie der
christianisierte Tugumir haben Anspruch darauf, einen Platz in der
Berliner Siegesallee zu erhalten.
Auf jeden Fall beruht es aber auf einer groben Verwechslung,
wenn Charmoy angibt, dass „Widukind I p. 12" einen slawischen
Fürsten MisJaus erwähne, der im Jahre 931 König der Abodriten
gewesen sei und unter dessen Führung die slawische Nation im
Aufstand gegen König Heinrich die Umgebung der Stadt Hamburg
geplündert habe. Widukind erwähnt um 929 n. Chr. unter andern
tributpflichtigen slawischen Völkerschaften auch die Jpcdrüi^
ohne aber deren Fürst namhaft zu machen^). Die Verbrennung
von Haniburg dagegen wird von Thietmar HI 18 erzählt: sie
geschah durch den Abodritenfürsten (senior) Mistui^ aber erst im
Jahre 983-). Einen Abodritenfürsten Mistklavus kennt Thiet-
mar IX (Vni) 5 erst unter König Heinrich H. im Jahre 1018;
er wurde von den feindlichen Liutizen angegritfen, denen es dann
gelang, den dem Christentum feindlichen Teil der Bevölkerung
zum Anschluss an die nationale Sache zu bewegen. So blieb dem
Mistislaw nichts übrig als die angestammte Herrschaft im Stich
zu lassen"). [S. weiter den Excurs.]
Unter den mn^Lj (Nemec) sind hier die Deutschen im all-
gemeinen , nicht etwa bloss ein bestimmter Stamm , zu verstehen.
Dies ergibt sich schon aus der hohen Vorstellung von ihrer
militärischen Macht, die nur auf das deutsche Königtum seit
Heinrich I. bezogen werden kann. Um so merkwürdiger ist es,
dass es fast unmöglich scheint, ihren König zu identifizieren.
Während man in dem xj«.^ des Ibrahim b. Ja'qüb auf den ersten"
Blick Otto erkennt, hat xi!^ bezw. Ni\;c mit keinem der in
Betracht kommenden Königsnamen Ähnlichkeit. Wollte man auch
darauf Gewicht legen , dass bei diesem König der Beisatz „in
aber vom König am Leben gelassen worden sei, während die übrigen
Gefangenen getötet wurden. Vgl. Köpke, Widukind von Corvey
S. 148. 149. K ö p k e - D ü m m 1 e r , Kaiser Otto der Grosse S. 103 Anm. 1 .
^) Widukind, Rerum Saxonicarum libri T .36: Cumque vicinae
gentes a rege Heinrico factae essent tributariae, Apodriti, Wilti, Hevelli,
Dalamanci, Boemi, Redarii, et pax esset, Redarii defecerunt a fide, et
congregata multitudine, inpetum feceruntinurbemquaedicitur Wallislevu.
Vgl. Georg Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König
Heinrich I. 3. Aufl. 1885 S. 127. 142.
-) Thietmari Chronicon III 18 (11) ed. Kurze, Hannover 1889:
Mistui , Abdritorum dus , Homanburg , ubi sedes episcopalis quondam
fuit, incendit atque vastavit.
^) Vgl. Siegfried Hirsch, Jahrbücher des Deutschen Reichs
unter Heinrich II. Bd. III. Herausgegeben und vollendet von Harry
Bresslau S. 93 f.
106 J Marquart,
gegenwärtiger Zeit" fehlt, und in ^ily: Heinrichs Vorgänger
Konrad I. von Franken (912 — 919) vermuten'), so scheitert dies
doch sowohl an der Form wie an den vorausgesetzten politischen
Verhältnissen. Denn für Conradus, Chuonrät^ würde man etwa
8J»\1?> Giurräda oder «j»! i, nicht aber )^'1\J^ erwarten. Überdies
war die Regierung Konrads keineswegs dazu angetan, den Slawen
eine solche Achtung vor der deutschen Macht einzuflössen. Wenig
ansprechend ist auch der Vorschlag, hier Mas'üdi's Behauptung,
dass die von ihm aufgezählten slawischen Königsnamen feststehende
Titel seien, die ja schon bei den eigentlich slawischen Namen keine
Bestätigung findet, heranzuziehen und m\J:. yräba zu lesen, also
darin das Amt der Grafen (gravio) wiederfinden zu wollen 2).
Aus i.Sij,$> Herrika (Heinricus) kann der Name auch nicht ent-
stellt sein. Da wir nun unten sehen werden, dass Mas'üdT neben
älteren Nachrichten aus verschiedenen Zeiten auch solche alier-
neuesten Datums aus der Eegierungszeit Ottos I. verarbeitet hat,
so drängt sich immer wieder die Vermutung auf, dass in Ki\^
die gefürchtete Slawengeissel, der Markgraf Gero (gen. altsächs. -ow,
-ew, ahd. -ew, -w? : acc. alts. -ow, -an'^), ahd. -on [frank.], -un, später
-on, -en [oberdeutsch]) stecken möge, der im Jahre 937 nach dem
Tode des Grafen Sigifrid vom jungen König mit der gesamten
Grenzwehr gegen die Wenden beauftragt wurde*). Freilich ver-
hehle ich mir die lautlichen und sachlichen Bedenken, die gegen
eine solche Annahme sprechen, keineswegs. Doch würde gerade
jene hinterlistige Ermordung der slawischen Häuptlinge im J. 939 5),
die ohne Zweifel einen gewaltigen Eindmck bei den Slawen zvirück-
liess, es begreiflich machen, wenn die Slawen damals vor Gero
solchen Eespekt bekommen hätten, dass sie ihn geradezu als den
König der verhassten Nemci betrachteten^).
Unter den heidnischen yo.-«., welche beim Tode eines
Königs oder Häuptlings sich selbst sowie die Leibrosse desselben
verbrennen, haben wir die in zahlreiche Stämme zerfallenden
Sorben zu verstehen, welche vom Bober über die Elbe bis zur
1) Charinoy p. 392.
2) So Charmoy. — Als solche Grafen in den Grenzgebietou gegen
die Slawen, aber noch nicht als eigentliche Markgrafen, treten unter
König Heinrich I. besonders hervor Thietmar, der, wie es scheint, die
Grafschaft im Nordthuringogau hatte, ferner Si?;ifrid, der über mehrere
Grenzgaue gebot und seinen Sitz wahrscheinlich zu Merseburfr hatte,
und Bernhard im Lande der Redarier. Vgl. Waitz a. a. o. 103 ff. 131
und Excurs Iß S. 240 ff.
3) Vgl W. Schlüter, Untersuchungen zur Geschichte der alt-
sächsischen Sprache L Dorpat 1892, S. 12 ff. 29 ff.
•") K ö p k e - D ü m m 1 e r , Kaiser Otto d. Gr. S. 69 f.
'>) Au Gero denkt auch de Goeje.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 107
Saale und zum Fichtelgebirge sassen und deren Reste in der
Lausitz jetzt unaufhaltsam der Germanisierung verfallen. Der
Name hat die Form eines slawischen Ethnikon im Singular:
Srb-m. Dasselbe gilt von den Namen y\-^Li Nemc-in, ^j^l\^^
Chrhvat-im, (^i>L/o *Cech-in, y%.iLxi.:> Ouccan-m {Quduscani\
^J^\.^\.i *Branicew-in (für Branicevc-in). Wir finden die gleiche
Erscheinung auch bei Ibrahim b. Ja'qüb und Konstantinos Por-
phyrogennetos. Jener nennt die Bulgaren ^j UJLJi Bulgar-tm^),
die Tiwerci ,J^.3C^ LJl = *Turc-tm"), bei diesem begegnen uns
die Foi-men Ovkr-ivot d. i. *Ulc-im (pl. Uglici, üli'i), Je^ßlevlvot
d. i. *I)revljan-im neben BsQßiccvoi lies JeQßidvoi = *Drevjane,
Asv^svLvoi, A£v^avi]voi d. i. *L^can-{m^ *Lucan-im fpl. LucaneY)^
KQi,ßy]xaiy]voi d. i. '"^Kriwic-im neben KQLßu^at = Kriivici^).
Unter König Heinrich I. treten die Sorben allerdings nicht
mehr hervor. Wir erfahren nur aus schwäbischen Annalen, dass
der siegreiche Kampf des Königs gegen die Ungarn im Jahre 933 in
Syrhia stattfand^). Dagegen hatten die Franken im 9. Jahrhundert
auch nach der Einrichtung der Sorbenmark durch Karl d. Gr.
häufig gegen sie zu kämpfen. Im J. 816 brachten die Sachsen
und Ostfranken die Sorben zum Gehorsam zurück'^'). Im Jahre 822
erschienen auf dem Reichstage zu Frankfurt auch Gesandte der
Sorben , ebenso fand sich auf dem Reichstage zu Ingelheim 826
Tunglo, der Fürst der Sorben, ein. Mit der zunehmenden Schwäche
des Reiches unter Ludwig dem Frommen erhoben sich aber auch
wieder die Slawen , und im Jahre 839 wurde ein fränkisch-
thüringisches Heer gegen die Sorben geschickt, welches im Gau
Kolodizi an der Elster und Mulde elf feste Plätze, darunter die
Hauptstadt Kesigesburg einnahm, wobei der Fürst Cimislaw selbst
fiel. Sein Nachfolger musste den Eid der Treue leisten und Geiseln
stellen^), doch haben die Sorben ohne Zweifel die Wirren des
Bürgerkrieges zwischen Ludwig und seinen Söhnen dazu benutzt,
um ihre Unabhängigkeit wieder zu gewinnen. Um ihren räube-
rischen Einfällen ins fränkische Gebiet zu steuern, drang Ludwig
der Deutsche im J. 851 durch Thüringen in ihr Gebiet ein und
1) Bekri S. 33, 13. 37, 14. 38, 1. 6. 13.
2) Bekri S. 39, 6.
*) Vgl.über diese Seh afarik, Sliiw. Altertümer II 113. Lelewel,
Geographie du Mojen-Age III 171.
M Konstantin. Porphyrog. de admiu. imp, c. 37 p. 166, 10. c. 9
p. 79, i6. 75, 2.
6) Chron. Suev. M. G. SS. XIII 67 u. a. Vgl. Waitz a. a. O. 151
N. 6.155 und N. 2.
^) Ann. regni Francorum ed. Fr. Kurze. Hannover 1895. p. 143.
') Annal. Bertin. ann. 8.39. M. G. SS. 1 435-436. Vgl.Dümmler,
Gesch. des Ostfränk. Reiches I 255.
X08 J- Marquart,
zwang sie durch Vernichtung der Ernte zur Unterwerfung'). Im
Jahre 856 leisten ihm die Fürsten der Sorben auf seinem Zuge
gegen die Dalemincier und Böhmen Heeresfolge^). Im Jahre 858
erschlugen die Sorben ihren fränkisch gesinnten Herzog Cestibor
und machten Miene, das fränkische Joch abzuschütteln-^). Im
Jahre 859 wurden die von den Böhmen unterstützten Sorben
durch ein fränkisches Heer unter Ludwig dem Jüngeren abermals
zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit gezwungen*). Ein
abermaliger Aufstand im Jahre 874 wurde rasch unterdrückt.
Mehrfach stehen diese Erhebungen der Sorben in Verbindung mit
solchen der kriegerischen Mähren. Ein Einfall , welchen ein Teil
der Sorben in Verbindung mit den Daleminciern , Böhmen und
mehreren andern Stämmen im Jahre 880 in das Gebiet der treu-
gebliebenen Slawen an der Saale unternommen hatte, wurde von
dem Markgrafen Poppe blutig zurückgeschlagen 5). Zum letztenmal
finden wir die Sorben als selbstständiges Volk im Jahre 897
erwähnt: in Salz erschienen in diesem Jahre Gesandte derselben
vor dem Kaiser Arnulf, um ihm zu huldigen*^). Ob die Sorben
in der Zwischenzeit dem Reiche treu geblieben waren oder gleich
den Böhmen sich dem mächtigen Mährenherzog Swentopluk unter-
worfen hatten, lässt sich nicht erkennen. Nach dieser Darlegung
glaube ich, dass Mas'üdi seine Kunde über die Sorben nicht einer
gleichzeitigen, sondern einer älteren schriftlichen Quelle verdankt,
die sich auf die Verhältnisse der beiden ersten Drittel des
9. Jahrhunderts bezog.
Die ganz hervorragende Stellung, welche die Serben unter
den Slawenstämmen in Mas'üdT's Bericht einnehmen, legt den Ge-
danken nahe, ob nicht vielleicht seinem Berichterstatter der Name
der Serben noch in seiner Bedeutung als ursprünglicher Gesamt-
bezeichnung vorgeschwebt habe wie er bei Prokop b. Gotth. III 14
p. 336 unzweifelhaft erscheint: Kai iirjv nal ovoi^a ZnXccßrjvoLg
TE KcaV'Avraig *£v t6 avevia'&Ev ijv. anoQOvg yaQ tö TtaXcci-bv afxcpoTS-
Qovg hdlow, öre örj önogccöriv . olfica, dieöKrjvrjfievov ttjv xagav
oLKOvöi. öTtoQOi ist , wie schon Dobrowsky gesehen hat , nur
eine der griechischen Volksetymologie zuliebe vorgenommene Um-
stellung von srbP).
An die süddanubischen Serben ist nicht zu denken, selbst
wenn man annehmen wollte, dass Mas'üdi seine Nachrichten über
die Serben aus einem aus der ersten Hälfte des 9. Jh. stammenden
Bericht kopiert habe. Denn diese Serben, die sich im Laufe des
1) Ruodolfi ann. Fuld. a. 851. ed. Frid. Kurze p. 41.
-) Dümraler a. a. 0.397.
3~i Ruodolfi ann. Fuld. a. 858 ed. Kurze p. 51.
■i) Dum ml er a. a. 0. 716 f.
5) Ann. Fuld. a. 880 ed. Kurze p. 95.
6) Ann. Fuld. a. 897 p. 131. Vgl. Dümmler a. a. 0. IT 457.
') Schaf arikl 93 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 109
6. Jahrhunderts südlich von der Donau festgesetzt haben und
gleich den Unugundur-Bulgaren vom Kaiser Herakleios gegen die
Awaren aufgehetzt wurden und mit ihm in Bündnis traten ^), wurden
zum Teil erst im Jahre 877 durch Missionäre, die der Kaiser
Basileios zu ihnen schickte, bekehrt-), nach Konstantin wären sie
sogar teilweise schon durch Herakleios bekehrt worden und seit
dieser Zeit unter romäischer Oberherrschaft gestanden-^). Auch
würde die Geschichte dieser südlichen Serben in keiner Weise die
Worte Mas'üdls rechtfertigen, dass sie bei den übrigen Slawen
gefürchtet waren. Erst allmählich hat der Name SiqßXla, der ur-
sprünglich auf einen kleinen Gau an der Drina mit der Hauptstadt
Desnica oder Desnik {AeGtiviKov) beschränkt war, eine grössere Aus-
dehnung gewonnen*) und die Namen der andern kleineren Stämme,
der ZufXoviioi, TsQßovviäruL, KavaXixui, ^lOnkTjriavol und A^evtavoi
verdrängt. Eine ii'gendwie hervorragende politische Rolle haben
diese Serben aber bis zum 11. Jh. nicht gespielt, sondern sind
bald unter der Oberherrschaft der Byzantiner, bald der Bulgaren
gestanden.
pDagegen sind Mas'üdls Serben identisch mit den „weissen"
oder ungetauften Serben des Konstantinos Porphyrogennetos , aus
deren Lande angeblich die süddanubischen Serben gekommen sein
sollen. Über die Sitze jener hat der Kaiser freilich keine klare
Vorstellung. Er drückt sich de admin. imp. c. 32 p. 152 darüber
folgendermassen aus : 'löreov uxi ot Ziqßloi ano rdv aßaTtriörmv
HiQßXav Tcüv %ul ccöTtQcov ETCOvofia^oiJiEvcov nardyovvai, tcov xTjg
TovQnLccg insL&ev natoiKOvvTcov sig xov tzuq ccvxolg BoCki xönov
eTCovoficc^o^evov , iv oig TtXrjGid^ai nal tj Oqayyiu , o^OLOjg nai tj
fxeycckrj Xqaßaxia i] dßänxLGxog tj aal uöTtQfi TtQOGccyoQevo^ivrj.
Auch c. 31 p. 148, 3. 151, 23 bezeichnet er die ungetauften Serben
als Nachbarn von Gross- oder Weiss-Chrobatien. Die Weissen
Serben sollen also nach Konstantin jenseits von TovQKta (Ungarn)
in einer Gegend wohnen , die slawisch Bo'cKt hiess und wo sie
einerseits mit Oqayyiu (dem Ostfrankenreich) , andrerseits mit
Weiss-Chrobatien grenzten. Fr. Westberg ^) hat sehr schön
nachgewiesen, dass „Weiss-Chrobatien" bei Konstantin der offizielle
Name des Reiches des Böhmenherzogs Boleslaw I. (935 — 967) ist.
Ein Blick auf die Karte genügt nun, um zu zeigen, dass in der That
1) Dies ist der historische Hintergrund der Erzählung des Kon-
stantin. Porphyrogennetos de admin. imp. c. 30. 32. Vgl. V. Jagic,
Archiv für slaw. Philologie XVII, 58. V. Oblak, eb. XVIII 232.
-) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 29 p. 129, 1 IF. Leon
Tact. 80. 100. 102. Vgl. E. Dümmler, Über die älteste Geschichte
der Slawen in Dalmatien. SBWA. Bd. XX, 1856, S. 404 f.
3) de admin imp. c. 32 p. 153, 15 ff. 159, 15 ff.
*) Vgl. V. Jagic, Arch. f. slaw. Phil. XVII, 61 f.
•'') Ibrählm's Ibn Ja'küb's Reisebericht über die Slawenlande aus
dem Jahre 965. S. 97—100.
wo J. Marquart,
das Land der Sorben zwischen Böhmen und Sachsen-Thüringen in
der Mitte liegt. Freilich ist dem Kaiser eine arge Verwechslung
passiert, wenn er die Serben im Lande Bol'xt wohnen lässt. Denn
in diesem als slawisch bezeichneten Namen kann nur eine slawische
Übersetzung des deutschen Boihaevmm, Behetm stecken, also
Bota%L TOTtog = Bojske seil, vlast (Heimat) oder pole, das war
aber nach Konstantins Terminologie vielmehr das Land der Weiss -
Chrobaten. Dass jener Name späterhin im Cechischen nicht mehr
gebräuchlich ist, kann natürlich nicht beweisen, dass er vor der
Einigung des Landes unter dem Stamme der Cechen nicht üblich
war. V. Jagic kommt daher der Wahrheit verhältnismässig am
nächsten, wenn er schreibt: „Konstantin lässt Grossserbien in
Boiki (d. h. Böhmen) gelegen sein, während in Böhmen, nach der
ältesten Geschichte dieses Landes, chorvatische Stämme i), dagegen
erst jenseits Böhmens Serben wohnten. Alles das beweist nur,
dass Konstantin etwas von den Chorvaten im Norden und von
den in ihrer Nachbarschaft ansässigen Serben gewusst hat und
verführt durch die Namensgleichheit, diese nördlichen Chorvaten
und Serben, die aber aus ihrer Heimat nicht auswanderten, für
die eigentlichen Vorfahren der zu seiner Zeit schon stark empor-
gekommenen Kroaten und Serben des Südens gehalten hat" ^).
Die Herleitung der süddanubischen Serben und Kroaten aus
nördlicheren Ländern gleichen Namens beruht also nicht auf Über-
lieferung, sondern ist lediglich eine etymologische Spielerei. Anders
verhält es sich dagegen mit der Angabe, dass die Dynastie der
südserbischen Zachlumer aus dem Weichselgebiet stamme: oxi
7} yevsa xov avd'VTtccrov Kai naxqiKLOV Mt.'](^arik Toi5 vlov tov
Bovösßovr^f) TOV uqyovxog x&v Zaxkovficov ijXd-sv anb xö)v naxot-
Kovvxcov äßaTtxiörcov eig xov Ttoxa^ov BCßXag , xbv iTCOvofia^oixsvov
Jit^Ikt}, Kai ämjöev elg xov norajjibv xbv iTtovofia^öfisvov Za%loviia''^).
Diese Nachricht kann sehr wohl richtig sein; so gut lechische
WjatiSi und ßadimiSi durch die Slowenenstämme Russlands hindurch
über den Dnjepr und bis zur Oka vordrangen, ebensowohl konnte
auch eine slawische Gefolgschaft von der oberen Weichsel durch
Pannonien nach dem Süden der Donau ziehen und unter den
dortigen Slawen eine Herrschaft begründen. Der Name BovöEßovr^rjg
ist nach Kunik sogar genau = polnisch Wyszewycz. Allein diese
positive Nachricht ist von der Frage, wo wir Konstantins „Weiss-
Serbien" zu suchen haben, völlig zu trennen. Nur dadurch, dass
Schafarik beide Angaben zu kombinieren suchte, ist er darauf
verfallen, Weiss-Serbien sich vom Bug durch Grosspolen, Schlesien
und die Lausitz bis zur Elbe erstrecken zu lassen*). Allerdings
Siehe hierüber unten.
•') Archiv für slaw. Phil. XVII, 1895, S. 7L
3j De admin. irap. c. 33 p. 160, 18 ff. Vgl. Lelewel, Göogr. du
Moyen-Age III 41.
*) Slawische Altertümer II 244 f. 389.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. Hl
ist es ihm bei dieser etwas allzu vagen Bestimmung selbst nicht
wohl , und er sucht auf anderem Wege einen genaueren Anhalt
über die Gegend zu gewinnen, von der die Südserben ausgewandert
sein sollen. BÖlki ist ihm die Heimat der heutigen kleinrussischen
Bojker (ruthenisch Uojki] Sing, ßojok), „die im östlichen Galizien
von den Dniesterquellen in gebirgigen und ebenen Gegenden am
genannten Flusse hin bis zum Prut, in den Bezirken Sambor und
Stryj, in den niederen Teilen von Stanislawow und Kolomyj, hier
und da auch in Cortkow und ehemals vielleicht noch weiter nord-
wärts wohnten"^), und dementsprechend lässt er die Chorvaten
und Serben aus dem östlichen Galizien und Wladimir, dem späteren
ßotrussland, auswandei'n. Allein es gibt hier, trotz seiner gegen-
teiligen Behauptung-), durchaus keine Spuren von Serben. Denn
die Zerivani des sog. bairischen Geographen haben, wie schon die
Namensform zeigt, mit den Serben nichts zu thun und sind anders
zu erklären. Bei Konstantin Porphyrog. de admin. imp. c. 79, 17
aber, wo 2,kq^ioi neben KQtßk^oL (Kriwici), ^Qovyovßtrai (Dregowiti)
und BsQßiccvot (lies JsQßidvot, Urewlj'ane) als den Russen tribut-
pflichtige Slawenstämme aufgeführt sind , liegt sicher eine Ver-
schreibung vor und sind unter den Siqßtoi, wie man längst gesehen
hat, die Jbewer, Sewerane zu verstehen. Es ist deshalb zu bedauern,
dass sich auch Westberg a. a. 0. 98 f. Schafarik angeschlossen
hat. Späterhin geht er dann von Schafariks Auffassung wieder
ab und setzt nicht bloss die Weiss-Serben Konstantins, sondern
auch die r^jjvw Mas'üdl's nach dem eigentlichen Polen (mit der
Hauptstadt Gnesen), dem spätem Reiche Misaco's^).]
Die Angabe, dass die Serben beim Tode eines Königs oder
Häuptlings sich selbst verbrennen , ist , wie der Verweis auf die
Beschreibung der Bestattungsgebräuche der Russen imd Slawen
im Chazarenreiche (Murüg II 9 , aus Ihn Fadlän's Reisebericht)
zeigt, auf die Frauen der Toten zu beschränken. Die Bemerkung,
welche Mas'üdl hieran anknüpft: „Dieser Zweig der Slawen und
andere erstrecken sich nach Osten und sind fern vom Westen"
bezieht sich auf die Slawen im Chazarenlande und hat mit den
Serben nichts zu thun. Die deutschen Quellen sind über jenen
Punkt sehr schweigsam. Giesebrecht, Wendische Geschichten
I 40, weiss dafür nur eine Stelle aus einem Briefe des Bonifatius
anzuführen, die sich wahrscheinlich auf die Sorben bezieht: Et
Winedi, quod est foedissimum et deterrimum genus hominum,
tarn magno zelo matrimonii amorem mutuum servant, ut mulier,
viro proprio mortuo, vivere recuset, et laudabilis mulier inter illas
esse iudicetur, quae propria manu sibi mortem intuHt, ut in una
1) II 243. — Ähnlich Lelewel, Geogr. du xMoyen-Age III 39.
2) n 101—104. I 96.
3) S. 131 f.
112 J- Marquart,
strue pariter ardeat cum viro suo^). Nach dieser Stelle ist auch
die Angabe des Mas'ödl zu korrigieren, dass die Frauen der Slawen
lebendig mit ihren verstorbenen Männern verbrannt werden.
Thietmar IX (VIII) 3 erzählt die Wittwenverbrennung von den
heidnischen Polen: In tempore patris sui ■•^) cum is iam gentilis
esset, unaquaeque mulier post viri exequias sui igne cremati decollata
subsequitur. Et si qua meretrix inveniebatur, in genitali suo, turpi
et poena miserabili, circumcidebatur idque, si sie dici licet, pre-
putium in foribus suspenditur, ut intrantis oculus in hoc otfendens
in futuris rebus eo magis sollicitus esset et prudens. Diese An-
gaben werden bestätigt durch den Bericht des Gaihäni bei Ibn Rusta,
ßekrl und Gurdezi'^). „Wenn einer von ihnen stirbt, verbrennen
sie ihn, und ihre Frauen schneiden sich, wenn ihnen jemand
stirbt, mit dem Messer in Hände und Gesicht*), und wenn jener
Tote verbrannt ist, begeben sie sich am andern Morgen zu ihm,
nehmen die Asche von jenem Orte, legen sie in eine Urne
und stellen sie auf einem Hügel auf. Am Jahrestage des Todes
nehmen sie an die 20 Krüge Honig, bald weniger bald mehr, und
begeben sich damit zu jenem Hügel, und es versammelt sich die
Familie des Toten und sie essen und trinken dort, dann kehren
sie wieder zurück. Hat aber der Tote drei Frauen gehabt , und
behauptet eine von ihnen , dass sie ihn liebe , so nimmt sie in
Gegenwart ihres Toten zwei Balken und richtet sie auf dem
Boden auf. Dann legt sie einen anderen Balken quer auf die
beiden und hängt an die Mitte desselben einen Strick, dessen eines
Ende um ihren Hals geschlungen ist, während sie auf einem
Stuhle steht. Sobald sie dies gethan hat, wird der Stuhl unter
ihr weggezogen und sie bleibt aufgehängt, bis sie erstickt ist und
stirbt ^). Sobald sie tot ist, wird sie ins Feuer geworfen und ver-
brannt Sie sind bei der Verbrennung des Toten in Fest-
stimmung, da sie behaupten, dass sie sich freuen, weil sein Herr
ihm Barmherzigkeit erwiesen habe^).
Ihre Frauen huren nicht, wenn sie verheiratet sind. Aber
wenn eine Jungfrau einen Mann liebt, begibt sie sich zu ihm
und befriedigt bei ihm ihr Gelüste. Wenn ihr Gatte sie heiratet,
und sie noch Jungfrau findet, sagt er zu ihr: Wenn an dir
etwas Gutes wäre, hätten die Männer dich begehrt, und du hättest
1) Bonifat. ep. 59 (Jaffe, Biblioth. III172). Vgl. Schafarik
II 515 N. 2.
'■') D. i. des Miseco, des Vaters des Boleslaw, ca. 962—992.
3) Ibn Rusta ed. de Goeje p. if !^, 13 ff. BekrT bei Kunik und
Rosen, Izvestija al Bekri S. 40, 17 ff. Gurdezi bei Bart hold a. a. O.
99, 13 ff.
^) Gurdezi macht daraus : „wenu ihre Frauen sterben, zerschneiden
sie jeuer Frau Hand und Gesicht mit dem Messer".
'') Also ein regelrechter Galgen.
") Das Folgende nur bei Bekri und Gurdezi.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 113
dir selbst einen ausgewählt, der dir die Jungfrauschaft genommen
hätte 1), und entlässt sie und will nichts mehr von ihr wissen".
Diese Schilderung bezieht sich auf die östlichen Slawen,
deren Sitze 10 Tagereisen vom Gebiet der Peöenegen bezw. der
Magyaren entfernt sind und deren Hauptstadt Ihn Rusta ^^j.^\,^
Gurdezi c>.^^Jl-> l^ezw. i,L>y.Äj5, nennt. Damit stimmt aufs beste
überein, was die nassische Chronik c. 10 von den heidnischen
Radimißi und Wjatiöi, die sich von den Lechen (Polen) ab-
gezweigt hatten, also zu den Westslawen gehörten, und den
Sewerane erzählt: quand Tun d'entre eux mourait, ils celebraient
une fete (trizna) autour du cadavre, puis ils faisaient un grand
bücher, posaient le mort sur le bücher, y mettaient le feu;
ensuite ils rassemblaient les os, les mettaient dans un petit
vase et pla9aient ce vase sur une colonne au bord de la route.
Nach der Versicherung des Chronisten herrschte dieser Gebrauch
bei den Wjatiti noch zu seiner Zeit. Schon Maurikios weiss
von den Frauen der Slawen: 6a)(pQOvovai Se nccl Q^rjUa avr&v
vTtEQ naöav (pvßiv kv&qcotiov, oocrre xcc TiolXa ccmäv rrjv t&v iSL(OV
avÖQ&v xeXsvrriv i'öiov ijyetö'&at d-dvarov, Kccl aTtonviytiv eavta
sKovaicog, ovi Tjyovueva j^wrjv ttjv iv x^]Qsia öiaycoyrjv'-), und das-
selbe wiederholt Leon der Friedfertige in seinen TauxiKa 105.
Der Stamm ,..jL>L« muss nach seiner Stellung zwischen den
Nämiin (Deutschen) und den Sorben gleichfalls in Deutschland
gesucht werden. Bei dem Versuche, denselben zu identifizieren,
werden wir gleichfalls am besten von den politischen Verhältnissen
unter König Heinrich I. ausgehen. Nun berichtet Widukind I 35,
unmittelbar nach der Unterwerfung der Heveller, einen Kriegszug
des Königs gegen die Dalemincier ^ deren Stadt Gana erobert
und deren Einwohner nach barbarischem Kriegsrecht teils getötet,
teils in die Sklaverei weggeführt wurden. Daleminci ist nach
dem Zeugnisse Thietmars nur die deutsche Verballhornung des
einheimischen slawischen Namens Glomaci^) d. i. wohl Ghmaci,
der sich im Namen der Stadt Lommatsch bis heute erhalten hat.
Heinrich hatte schon bei Lebzeiten seines Vaters gegen die Dale-
mincier gekämpft, welche darauf die Ungarn zu Hilfe riefen*). Ich
wage deshalb die Vermutung, dass qjLä/s bezw. ^jL/o eine Korruption
1) Gurdezi, dem dies zu stark war, macht daraus: „wenn er sie
noch Jungfrau findet , so macht er sie zur Frau , wenn sie es aber
nicht ist, so verkauft er sie und sagt: wenn du etwas nutz wärest,
hättest du dich selbst behütet. Und wenn ein Weib dem Ehemanne
die Ehe bricht, töten sie dieselbe und nehmen ihre Entschuldigung
nicht an".
2) Mauric. Strateg. XI, 5.
*) Thietmar I c. 2 : provintiam , quam nos Teutonice Daleminci
vocamus, Sclavi autem Glomaci appellant. Vgl. Waitz a. a. 0. 127
SchafarikII603f.
*) Widukind I c. 17. Thietmar I c. 2, Waitz a. a. 0. 15.
Marcjuart, Streifzüge, O
i-^^^ J. Marquart,
ist für ijoUl Almäc = (O)hmaci, indem das anlautende ^^1 als
vermeintlicher Artikel von den Schreibern fälschlich weggelassen
wurde, um die Concinnität mit den übrigen Namen herzustellen.
[Einen ganz ähnlichen Fall haben wir in Jäqüt's Wiedergabe des
Reiseberichts Ibn Fadlän's zu den Wolga-Bulgaren. Hier lautet
der offizielle Titel des Bulgarenfürsten I vfr, 11 : ^j ^)J^i^
xJLä;.^i( ^i^fi ^\j^ ^^^U; als derselbe bereits den Islam an-
genommen hatte, Hess er sich anfänglich in der Chutba noch mit
derselben Formel erwähnen: iib ij5^Lo j\y^^ (j5^Ui ^a£>^ ^^\
(S. vCf , 19/20). Die unverzeihliche, durch die Autorität Frähn's
gedeckte Konjektur Senkowski's, jl^b = dalmatisch vladavac
zu lesen, hat es wohl verschuldet, dass die russischen Armenisten
das Richtige nicht längst gesehen haben. Die ursprüngliche Form
des Titels ist uns nämlich erhalten im Namen des Hunnenfürsten von
WaraS'an im Kaukasus, welchen der albanische Bischof Israel im
J. 681/82 zum Christentum bekehrte. Dies war mir sofort klar, als
mir jüngst in Bonn die russische Übersetzung des Moses Kaiankajtvaci'
in die Hände fiel. Hier wird der Name des Fürsten zweimal (II, 36
p. 185. II, 41 p. 198) Ajl(|)mTBepi. bezw. Ajlü[)HJiyTBepi geschrieben,
das erstemal mit der Bemerkung, dass E min 's Ausgabe AxnEOrH-
Tßepa lese. An drei weiteren Stellen lautet der Name einfach
lUtver. Seither ist es mir auch gelungen, die Ausgabe des
armenischen Textes von §ahnazarean zu erwerben, wo der
Name folgende Formen aufweist : II 36 p. 361 W/H^/f-qt ^'"-^L
AlbiuU- T'cel, c. 41 p. 380 W^qi^^iq».. (d»«i-4^ Aibilu- T'vel, p. 390,
c. 42 p. 394, c. 43 p. 396 li^i-^fd'«*-^/^ Ilu-T'vel Daraus
ergibt sich als ursprüngliche Form \SiiP^i^i-ßni-t-p Albüut'ver
oder richtiger W/jjh^l"if^'-IP'"*-^[' Alp^ -Uutver d. i. türkisch Alp-
Al-ätbär „der tapfere Äl-ätbär" , was ofienbar nicht Eigenname,
sondern Titel ist. Ferner kann ich denselben jetzt auch belegen aus
der mir inzwischen ebenfalls zugegangenen Geschichte des Levond ed.
äahnazarean S. 163: der Chak'an der Chazaren schickt ein grosses
Heer unter einem Heerführer ^az-^^orcÄaw aus der Horde des Ghathr-
lit'ber ('^ i^qJ^ \*^fP^tültJ^^^ü^j) g^D^^ ^^^ Länder des Statt-
halters von Armenien Jazid b. Usaid. Wie bei Moses Kaiankajtyac'i
das einfache llutver ohne das Beiwort alp „tapfer" mit Albmlitver
wechselt, so ist auch hier lit^ber nichts anderes als äl-ätbär. Hier-
nach kann es nicht zweifelhaft sein, dass Jäqüt's j^^ eine Ver-
^) So cod. c, wie Ihn llusta*, in ^/ixllj ed. (j***li.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 115
stümmlung von ursprünglichem ^lj.LiJl Alp-üätvär ist, indem
das anlautende j! als vermeintlicher arabischer Artikel von den
Abschreibern gestrichen wurde ^).J
Charmoy's Vermutung, der in ^L^;^ die Misni oder
Meissner sucht und i^Ui/s lesen möchte, ist geographisch völlig
zutreffend , aber historisch nicht zu begründen. Denn die Stadt
Meissen (Misni) wurde erst nach der Zerstörung von Gana von
König Heinrich als Zwingburg im Lande der Dalemincier angelegt,
um die Eroberung zu sichern und als Stützpunkt zu weiteren
Unternehmungen zu dienen-). Von den Daleminciern ist in der
Folge kaum mehr die Rede.
Ausser den Gloma^i könnte man nur noch an die Milcane
(Milzeni) in der Oberlausitz denken, welche von Meissen aus unter-
worfen wurden (um 932)^). Doch wäre eine Verderbnis aus
^-oLäLc zu .-yi^J^ zu stark, um wahrscheinlich zu sein.
Die B^lys Moräwa (Mähren), ;jö1^y> Chorwaten und ^=>l*^
Cechen bilden eine geschlossene Gru})pe. Wie weit sich Mas'udi
die Wohnsitze der Mähren ausgedehnt dachte, lässt sich auch aus
einer Erwähnung im Kitäb at tanblh nicht leicht erkennen. Er
handelt S. 11 f. vom Pontos und sagt S. 1v, 11 ff: „Unter den
mächtigen berühmten Strömen , die in dieses Meer münden , ist
der grosse Strom, welcher Tanais ^j^jLxL genannt wird, der
im Norden entspringt und an dem sich viele Wohnsitze der
Slawen und anderer tief in den Norden eindringender Nationen be-
finden ; ausserdem andere grosse Ströme, wie der Strom Dunaba * j
und Mläwa^) — so heisst er ebenfalls auf slawisch — und das
ist ein gewaltiger Strom, der gegen drei Meilen breit ist. Er
ist mehrere Tagereisen hinter Konstantinopel; an ihm sind die
Wohnsitze der slawischen Nämgln und Moräwa, und jetzt haben
sich in denselben auch viele Buryar J^y^ niedergelassen, nachdem
sie Christen geworden sind" '').
^) Vgl. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 42 Anm.
Die Entscheidung darüber , ob dieses ü-utver = al-ätvär , lit'ber = äl-
ätbär mit dem alttürkischen äl-täbär zusammenhängt, überlasse ich den
Turkologen.
2) Thietmar I e. 9. Vgl. Giesebrecht, Wend. Gesch. I 136.
Waitz a. a. 0. 134.
3) Thietmar I c. 9. Vgl. Waitz a. a. O. 147 N. 6. Schaf arik
II 598 ff.
*) So L , P d.Äj . ; slawisch Dunawo, Duvaj.
») So L, P »3^J.
8*
\\Q J. Marquart,
Diese Stelle ist nicht ohne weiteres verständlich. Unter dem
Flusse 8»X« Mläwa, der mit der Donau gleichgesetzt wird, ist
wohl der serbische Fluss dieses Namens zu verstehen, an dessen
Einmündung in die Donau die alte Stadt Branicewo lag, nach der
die Braniöewci ihren Namen haben '). Wahrscheinlich ist aber
die Mläwa mit der weiter westlich mündenden, viel bedeutenderen
Morawa zusammengeworfen. Wie der Irrtum Mas'üdl's, der Mläwa
nur für einen andern Namen der Donau hält, entstanden ist, lässt
sich nicht erkennen. Bezüglich der Angabe über die an der Donau
wohnenden Völker ist zu beachten, dass nicht einfach gesagt wird,
die Buryar hätten an der Donau gesessen , sondern dass sie sich
zum Teil in den Wohnsitzen der Deutschen und Mähren an der
Donau niedergelassen haben (L^Jw). Es fragt sich also vor allem,
welches Volk Mas'üdi mit dem Namen J;.j im Auge gehabt hat.
Das Nächstliegende ist jedenfalls, an die Bulgaren zu denken.
Wir finden in der That das Gebiet an der serbischen Morawa
mindestens seit dem gewaltigen Krum im Besitze der Bulgaren,
und in Belgrad residiert im Jahre 885 ein bulgarischer Beamter^).
Allein daraus wären die Worte Mas'udi's nicht zu erklären. Wir
müssen uns also nach andern Anhaltspunkten umsehen.
Im Jahre 818 erschienen bei Ludwig dem Frommen in
Heristal Gesandte der Abodriten , d. i. der Oster - abtrizi oder
Praedenecenti um Branicewo , sowie der Timoöaner am Timok,
welche die bulgarische Herrschaft mit der fränkischen ver-
tauschen wollten'^). Im folgenden Jahre wurde Ljudewit, der
Herrscher der pannonischen Slowenen zwischen Sau und Drau,
durch die Härte des Markgrafen Kadolah von Friaul und
Kärnten zum Abfall bewogen, und das Frankenreich hatte von
819 — 822 einen gefährlichen Krieg gegen ihn zu führen, wobei
die Timoöaner auf seine Seite übertraten. Allein im J. 822
wurde er zur Flucht nach Serbien genötigt. Im selben Jahi-e
erschienen vor Kaiser Ludwig in Frankfurt neben andern Gesandten
auch solche der Ostabodriten oder Praedenecenti (Brani^ewci) am
rechten Ufer der Donau, um sich unter die Oberhoheit des
Frankenreiches zu stellen, und im Jahre 824 erneuerten dieselben
durch eine zweite Gesandtschaft in Aachen ihre Bitte , sie gegen
1) Vgl. Schafarik II 209.
2) Vita S. Clementis c. XVI. Migue, PG. t. CXXVI p. r22L
^) Annales regni Francorum a. 818 ed. Frid. Kurze p. 149: Erant
ibi et aliarum natiouum legati, Abodritorum videlicet ac Boruae, ducis
Guduscanorum , et Timocianonun , qui nupor a Bulgarorum societate
desciverant et ad nostros fines se contulerant. Vgl. Dümmler, Über
die älteste Gesch. der. Slawen in Dalmatien. SBWA. Bd. XX, 1856,
S. 388f. Büdinger, Österreich. Gesch. I 176. Dümmler, Gesch. des
Ostfräuk. Reichea I 37 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 117
die Feindseligkeiten der Bulgaren in Schutz zu nehmen^). Dadurch
gerieten die Franken aber in Verwicklungen mit den Bulgaren,
und im J. 824 schickte der Kan Omortag eine Gesandtschaft an
Kaiser Ludwig , um ihn zu bewegen , die beiden slawischen
Stämme wieder aus seiner Hoheit zu entlassen. Da er aber auf
seine wiederholten Botschaften keine genügenden Antworten erhielt,
so segelte im J. 827 ein bulgarisches Heer auf Schiffen die Drau
aufwärts, besetzte Pannonien und setzte über die dortigen Slawen
bulgarische Oberhäupter. Der Markgraf Balderich, Kadolah's
Nachfolger, ward nun im Februar 828 abgesetzt und der Krieg
gegen die Bulgaren dem jungen König Ludwig von Baiern über-
tragen. Doch ist uns über den Ausgang desselben gar nichts
Näheres bekannt. Soviel ist sicher, dass die Franken auf die
Oberhoheit über jene beiden Stämme wieder verzichten mussten.
Wahrscheinlich behaupteten die Bulgaren auch eine Zeit lang die
Oberherrschaft über das Gebiet zwischen Sau und Drau, wo uns im
J. 838 ein den Franken feindlicher Fürst Ratimar becfegnet.
Im Jahre 845 erschien auch eine Gesandtschaft der Bulgaren
bei Ludwig dem Deutschen in Paderborn^), woraus wohl geschlossen
werden darf, dass damals die Grenzstreitigkeiten an der Drau
beigelegt waren. Doch wissen wir nicht, unter wessen Oberhoheit
das Gebiet zwischen Sau und Drau schliesslich verblieb. Im
J. 853 aber brachen die Bulgaren im Verein mit den pannonischen
Slawen auf Anstiften Karls des Kahlen in die deutschen Marken
ein, wurden jedoch von Ludwig dem Deutschen vollständig besiegt.
Im J. 864 endlich kam es in Tulln an der Donau zu einem
förmlichen Friedensvertrag zwischen Ludwig und dem Bulgaren-
fürsten Bogoris , der bis zum Ende des Jahrhunderts in Geltung
blieb. Damals scheint das untere Pannonien zwischen Sau und
Drau ans ostfränkische Reich zurückgegeben worden zu sein , da
es wenigstens 20 Jahre später die fränkische Oberhoheit anerkennt^).
Unter-Pannonien, nördlich von der Drau, war dagegen im Besitze
Priwina's (848—861) und seines Sohnes Kocel (861—874), die
als Lehnsträger des ostfränkischen Reiches in Mosaburg am
Plattensee herrschten*). Nach Kocel's Tode wurde sein Fürstentum
1) Annales regni Francorum a. 822. 824 ed. Kurze p. 159. 165:
Caeterum legatos Abodritorum qui vulgo Praedenecenti vocantur et con-
termini Bulgaris Daciam Danubio adiacentem incolunt, qui et ipsi
adventare nuntiabantur, ilico venire permisit. Qui cum de Bulgarorum
iniqua infestatione quererentur et contra eos auxilium sibi ferri depos-
cerent, domum Ire atque iterum ad tempus Bulgarorum legatis constitutum
redire iussi sunt. Die Branicewci sassen also im aurelianischen Dacien
südlich von der Donau. Büdinger, Österr. Gesch. S. 178 lässt sie irrig
auf dem linken Donauufer, von der Mündung der Drau bis zu der
des Timok wohnen. Vgl. aber Rösler, Roman. Stud. 202 N, 1.
^) Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches I 273,
») Dümmler a. a. 0.1528.
4) Eb. S. 617.
j^jg J. Marquart,
eingezogen und wahrscheinlich Ludwig's Sohne Karlmann, der die
südöstlichen Marken verwaltete, unterstellt i). Als dieser nach
Ludwig's des Deutschen Tod 876 Baiern mit seinen Marken als
Königreich erhielt, übertrug er die Verwaltung der Marken
Kärnten und Pannonien seinem unehelichen Sohne Arnulf-).
Im Sommer 883 ward Pannonien vom Mährenherzog Swentopluk
„nach Art eines Wolfes" verheert; im folgenden Jahre wiederholte
derselbe seinen Einfall mit noch grösserer Heeresmacht und hauste
noch fürchterlicher als das vorige mal : die Unfreien, die das Land
bebauten, wurden samt ihren Familien grossenteils erschlagen, die
Grundherren teils gefangen weggeschleppt, teils getötet oder grau-
sam verstümmelt^). König Karl der Dicke begnügte sich damit,
in einer persönlichen Zusammenkunft mit Swentopluk am Tulnflusse
diesen den Lehnseid erneuern zu lassen und ihm ausserdem die eid-
liche Versicherung abzunehmen, bei seinen Lebzeiten nicht wieder
feindlich in sein Reich einzudringen. Von einer Sühne für die
unerhörte Verwüstung der deutschen Marken war keine Rede.
Zu gleicher Zeit erschien auch Brazlawo , der Herzog des Landes
zwischen Drau und Sau, um dem Kaiser zu huldigen.
Man hat die Vermutung aufgestellt, dass Karl bei dieser
Gelegenheit Pannonien bis zur Drau als fränkisches Lehen an
Swentopluk abgetreten habe, und Dümmler*) hat dieselbe durch
Verweisung auf Konstantinos Porphyi-ogennetos zu stützen gesucht,
welcher , wie wir sehen werden , unter MoQaßia ij (leydXr] , dem
Reiche Swentopluk's , in der That ein Gebiet südlich der Donau
versteht. Allein in seiner Geschichte des Ostfränkischen Reiches
n 228 N. 85 hat er jene Hypothese selbst wieder zurückgezogen.
Den Herzog Brazlawo finden wir fernerhin als treuen Bundes-
genossen des Königs Arnulf gegen Swentopluk. Im Jahre 892
schickte Arnulf eine Gesandtschaft an den Bulgarenfürsten Wladimir,
den Nachfolger des Boris-Michael, um das Bündnis zu erneuern,
welches sein Grossvater Ludwig einst mit Boris abgeschlossen
hatte. Die Gesandten mussten wegen der Unsicherheit Pannoniens
ihren Weg zu Schiffe 5) auf der Odra, Kulpa und Sau durch das
• r 1) Diimmler a. a. O. I 820. Büdinger, Östc^rreichische Ge-
schichte I 188 glaubt, dass Swentopluk schon damals Unterpannonien
bis zur Drau mit Ausschluss des Gaues Dudleipa besetzt habe, ,wenn
auch die völlige Vereinigung dieser Landschaften mit Mähren erst
etwa zehn Jahre später gtattgefunden haben mag".
*) Dumm 1er a. a. 0. 1] 65.
") Dum ml er a. a. 0. IJ 227 f.
*) Über die südöstlichen Marken des fränkischen Reiches unter
den Karolingern. Archiv für Kunde Österreich. Geschichts(iue]len
X (18531, 48 f. Vgl. Büdinger, Österreich. Gesch. 202. R Osler,
Roman. Studien 1871 S. 211.
*) Ann. Fuld. contin. Ratisbon. a. 892 ed. F. Kurze p. 121:
Missi autem propter iiisidias Zwentibaldi ducis terrestre iter non valentes
Osteuropäische und ostasiatische Streifssüge. 119
Reich Brazlawo's nehmen und wurden von Wladimir ehrenvoll
aufgenommen 1). Im Jahre 896 übertrug der König den Schutz
Pannoniens mit der Moosburg gegen den drohenden Angriff der
Ungarn dem Herzog Brazlawo, allein im Jahre 900 ist von diesem
nicht mehr die Rede, es scheint, dass sich Pannonien damals schon
fast völlig in der Gewalt der Ungarn befand^).
Nach den gleichzeitigen Quellen ist also Swentopluk niemals
im ungestörten und unbestrittenen Besitze von Pannonien gewesen.
Ganz anders freilich Konstantinos Porphyrogennetos ^). Bei diesem
lesen wir de admin. imp. c. 13 p. 81, 8 ff . : "Ort xoig TovQKOig tcc
roiavTa E'^'vr/ naqa%Hvxai .... n^hg xo ^eßrifißQivov ^£Qog rj fisydlrj
MoQaßla rjxoi i) %(aQa xov ScpsvSoTtXoKOV, r^xig Kcd TtavxeX&g rjcpavia&rj
TtaQCi xäv xoiovxav Tovqkcov Kai Ttaq avxäv KcasGxid'r}. c. 40
p. 173, 19 ff.: nai ndhv xaxä xrjv xov Ttoxafiov inÖQOfii^v iöxi xo
ZsQjjiWv huvo xo liyoiiBvov, aito xi]g BsXsYQaöag oöbv f'^ov rjfiSQ&v
ovo , KCil uTcb xcov heiße i) ^eyccXrj MoQccßla i^ aßdnxtGxog, iqv xal
e'^i]Xsitpciv Ol TovQKOi, ij? ijQxe xb nQoxeQOv 6 S^pevdoTtlÖKog. c. 42
p. 177, 14ft'. : Von Thessalonike bis zur Donau, wo die Festung
Belgrad liegt, sind 8 [sie !] Tagereisen. Kai Tiavoinovßi fiev oi Tovqkoi
TiEQad-ev xov /lavovßeiog itoxa^ov eig xrjv Tf;g Moqaßiag yfjv, aXkcc
nal ev&Ev fjießov xov /lavovßeag v,al xov Edßa Tcoxafiov.
Zunächst ist festzustellen, dass die letztere Stelle den übrigen
widerspricht. Nach S. 173, 21 beginnt Gross-Mähren bei Sirmium,
es kann daher kein Zweifel sein, dass wir es in Unter-Pannonien
zu suchen haben. S. 177,15 dagegen wird Mähren mit dem
eigentlichen Magyarenland, dem Lande nördlich von der Donau,
das bei der Trajansbrücke begann (S. 173, 16), also mit dem
Gebiete der Theiss gleichgesetzt; die Magyaren bewohnten
aber ausserdem auch den Winkel zwischen Sau und Donau westlich
von Belgrad. Es ist klar, dass hier im Texte Konstantin's ein
Fehler stecken muss und wir zu lesen haben: Kai xaxoiKOvGi, (lev
Ol TovQKOi TteQccd'ev xov Javovßeag itoxa^ov, äXXa %ai evd'ev eig
xr\v xfigMoQaßiag y^v ^eßov xov Javovßecog Kai xov Edßa
Ttoxafiov. Diese Vorstellung, dass Swentopluk's Reich in Unter-
pannonien gelegen habe , beruht offenbar auf einer Verwechslung
des Mähren reiches mit dem Fürstentum Priwina's und Kocel's am
Plattensee, wo die slawische Liturgie zuerst eine Stätte gefunden
hatte, ein Irrtum, der dadurch befördert wurde, dass der slawische
Gottesdienst von Kocel's Reich nach Mähren verpflanzt wurde
und dieses so als der geistige Erbe jenes Staates erscheint. Die
Bezeichnung Grossmährens als aßdnxiaxog soll wohl andeuten, dass
habere de regno Brazlavonis per fluvium Odagra ad Gulpam, dein per
fluenta Savi fluminis navigio in Bulgaria perducti.
1) Dümmler II353f.
2) Ann. Fuld. contin. Ratisbon. a. 896 ed. F. Kurze p. 130.
Dümmler 11450.508.
ä) [Vgl. auch Westberg a. a. 0. 99.J
]^20 J- Marquart,
dieses Gebiet seit der Eroberung und Verödung durch die Magyaren
wieder der Barbarei und dem Heidentum anheimgefallen war.
Auf Grund dieser historischen Verhältnisse könnte man
einigermassen begreifen, wie Mas'üdT zu jener merkwürdigen An-
gabe gekommen ist. Sie würde sich eigentlich auf das Gebiet
zwischen Sau und Drau beziehen, das in der That eine Zeit lang,
aber freilich vor der Bekehrung der Bulgaren, unter bulgarischer
Oberhoheit gestanden hatte , dann aber bis zur Besetzung durch
die Magyaren ein Lehnsfürstentum des ostfränkischen Reiches
bildete. Als Nachfolger der Deutschen in der Herrschaft über
dieses Gebiet hätte sich Mas'üdT die Mähren gedacht, indem er
der byzantinischen Vorstellung vom süddanubischen Grossmähren
gefolgt wäre.
Allein es muss anerkannt werden, dass auch diese Erklärung
den Woi-ten Mas'üdT's nicht gerecht wird. Dieser sagt ausdrücklich,
dass sich viele Buryar jetzt nach Annahme des Christen-
tums in den Sitzen der Deutschen und Mähren an der Donau
niedergelassen haben. Es erhebt sich daher die Frage, ob wir
hier unter ,i.j! wirklich die Donau-Bulgaren zu verstehen haben,
oder nicht vielmehr die J::j Bazyar (Magyaren), wie oben S. 68. 70.
In der That gewinnen wir nur bei dieser Auffassung ein klares
Verständnis der Stelle, ohne dass wir genötigt wären, den Worten
Mas'üdl's Gewalt anzuthun. Schon frühzeitig machte man von
Byzanz aus den Versuch, das greuliche Volk zum sanften Joche
Christi zu führen und sich so gegen seine Raubzüge zu sichern.
Wahrscheinlich zwischen dem zweiten und dritten Einfall der
Magyaren ins Romäerreich, also zwischen 943 und 948 ^), erschien
Bulßu , welcher die Karchanwürde , das dritthöchste Amt im
Magyarenstaate bekleidete , in Konstantinopel und erklärte sich
bereit, das Christentum anzunehmen. Er wurde von Seiner christus-
liebenden Majestät Kaiser Konstantin dem Purpurgebornen höchst-
eigenhändig aus der Taufe gehoben und erhielt die Würde eines
Patrikios d. h. den Excellenzrang. Freilich war er ein schlechter
Christ und die Lehre der Bruderliebe hinderte ihn keineswegs, bei
der nächsten Gelegenheit seine Magyaren wieder gegen die neuen
Glaubensgenossen zu führen, bis er im Jahre 955 nach der Schlacht
auf dem Lechfelde das verdiente Ende am Galgen fand. Bald
nach Bul^u hatte auch der Gylas, der zweite Würdenträger im
Magyarenstaat, in Konstantinopel die Taufe empfangen und den
Excellenzrang erhalten, und bei diesem erwies sich die Wirkung
der neuen Lehre nachhaltiger. Er nahm einen wegen seiner
Frömmigkeit hochangesehenen Mönch Hierotheos mit sich , der
vom Patriarchen Theophylaktos (933 — 956) zum Bischöfe geweiht
wurde und im Gebiete des Gylas viele Heiden taufte und christ-
S. Krug, Byzantinische Chronologie S. 263.
Osteuropäische und ostasiatischo Streifzüge. 121
liehe Anschauungen verbreitete i). Dieses Gebiet des Gylas ist
sicherlich nicht in Siebenbürgen zu suchen, wie die ungarische
Chronik wegen der spätem Stadt Gyvia (Alba Julia, Stuhlweissen-
burg) annimmt 2). Viel besser würde das Land des sechsten bezw.
(nach Simon de Keza) siebenten capitaneus Werbulchu passen, der
sich in Zala fZalavär) am Plattensee, der Moosburg des Priwina
und Kocel, niedergelassen haben solP).
Über die Donau-Bulgaren weiss Mas'üdT nirgendwo etwas zu
berichten, wie sie denn auch den zweiten Akt ihrer politischen
Rolle zu seiner Zeit bereits ausgespielt hatten; dagegen zeigt, er
in den Goldwäschereien sowohl wie noch in seinem letzten Werke,
dem Buche der Erinnerung und Revision ein ungewöhnliches
Interesse für die Thaten der Magyaren, jener Völkergeissel , die
nun schon über ein halbes Jahrhundert das christliche Abend-
land in Schrecken setzte. Wenn wir nun beobachten, mit
welcher Emsigkeit er alle Nachrichten über dieses Volk, deren er
habhaft werden kann, zusammenträgt, ohne freilich im Stande zu
sein sie zu verarbeiten, so werden wir uns kaum wundem, wenn
er zur Zeit der Abfassung seines letzten Werkes (344 H. =
1) Kedren. IT p. 328 ed. Bonn.: Ov Siilmov Sl v.a\ ol Tovgycoi
dßßoXäg f/'? trjv 'PcoLiaicov Ttoioi^isvoi Kai ravxr\v Sriovvrs?, [dxQig ov
BovloaovSrjg 6 tovtcov &Qxriybs ri]v täv iQiGXLav&v Ttiativ ccaita^saO'ai.
vitoyiQt&slg y.aT£ilrirpst rr]v KavGtavxivov Kai ßairTiaO-Hg virb Tovßaai-
Uag ävaSixstai Kcovatavtivov . tfi r&v Ttargiytiav a^ia riLiriQ'slg^ v.ai
nXsiorcov xQ-rniäxav vTtccQ^ag kvqloq, sh' avQ'ig ohaSs v-jtoaTQfil^ag.
fist' ov Ttolv Sh Kai Fvläg. ag^av wv Kai avtbg räv Tovgy.cov, niGsiaiv
Big rr]v ßaaiXiSa Kai ßanri^srai, x&v i'ecov c^ioj&slg Kai avtbg svsQys-
ai&v Kai tiiiwv. avbläßsro dh ^l£9' savrov Kai ttva ^ovaxbv hgo-
&fov rowofiK, So^av svXaßBiag Bxovra, iniaKonov TovgKiag
Ttaga rov'0^o(pvläKtov x£iQ0X0vr\Q' ivta, og iKÜes y^voiisvog
TtoUovg anb rfig ßaQßagiKrjg Ttlävr\g eig rbv ygiGxiaviGiibv InavriyayBV.
all' 6 n'hv Fvl&g iviasivs xfj Ttißxn, iirjx' avtbg ecpoSöv ttoxb naxu
'Pcanalcov -rrsTtOLrjKwg arjXB xovg äliGKopiivovg Xgißxiavovg &xriu.8lr]xovg
i&v, aW i^covovusvog Kai iitiatlsiag a^t&v Kai iXsvQ'sg&v. BovXoaovSrjg
Sh xug Ttgbg &tbv avvQ'riKag rjd-exriKag TtoXXÜKig avv ituvxl xm i^vsi Kaxu
'PapLaicov ili]XaGs. xb S' avxb xovxo Kai Kaxu ^gäyycov itorfiaai^ Siavor\-
Q'sig Kai aXovc avuGKoXoniGd-T] imb 'Icodvvov xov' ßaOiXfcog avx&v. Vgl.
Büdinger, Österreich. Gesch. .390 ff. Dümmler, Kaiser Otto der
Grosse 2fil f. 495. Über die Würden des Kagx&g und yvXäg s. Kon-
stantin. Porphyrog. de administr. imp. c. 40 p. 174, 17 — 21. 175, 12 — 17.
GaihanT bei Ihn Rusta (fr, 9—10. Gurdezi S. 98, 7/8 {A:>-)-
2) Mag. Simon de Keza, Gesta Hungarorum Hb. II c. 1, 19 bei
Florianus. Hist. Hungaricae fontes dompstici vol. II p. 72. Chron.
pictum Vindobonense c. XV ih. p. 126. Chron. Dubnicense c. 32 ib.
III 30. S. aber Büdinger, Österreich. Gesch. 391 Anm. 5. Rösler,
Romanische Stud. 201.
3) Simon de Keza, Gesta Hungar. lib. II c. 1, 19 bei Florianus,
1. 1. vol. IT p. 73: Septimi quidem exercitus dux Werbulchu dux est
dictus. Hie in Zala circa lacum Bolotum descendisse perhibetur.
Chron. Vindob. pict. c. XVHI ib. p. 127. Chron. Dubnic. § 35 ib.
vol. in 31.
;[22 J- Marquart.
955 n. Chi".) bereits von jenen unter grossem Pomp erfolgten Be-
kehningen zweier der höchsten magyarischen Würdenträger ver-
nommen hatte, an welche man am Bosporus ohne Zweifel grosse
Hoffnungen knüpfte. Die Magyaren haben aber thatsächlich um-
fangreiche Gebiete besetzt, welche ehemals den Franken und den
Mähren gehört hatten : ganz Pannonien und die Slowakei von der
Wag bis zum Bodrog haben sie dauernd festgehalten , die alte
Ostmark ist ihnen erst nach der Niederlage auf dem Lechfelde
wieder entrissen worden. Dass Mas'üdl der Meinung ist, die
Magyaren hätten sich erst ganz neuerdings in diesen Gebieten
angesiedelt , ist ein verzeihlicher Irrtum , da es ihm nach seinen
bisherigen Nachrichten über ihre Raubzüge, die sich über u.n-
geheure Flächen erstreckten , unmöglich gewesen war , sich ein
festbegrenztes Gebiet als deren Wohnsitze vorzustellen.
Da das Mährerreich zu Mas'üdT's Zeiten längst von der Karte
verschwunden war, so konnte er selbstverständlich aus zeit-
genössischen Quellen so wenig etwas Genaues über dessen ehe-
maligen umfang ermitteln als Seine schriftstellernde Majestät.
Es ist daher sehr wohl möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die
Moräwa in den Goldwäschereien auf Nachrichten zurückgehen,
die aus der Zeit vor dem Untergange des mährischen Reiches
ums Jahr 906 stammen. An die Mähren und die pannonischen
Slowenen Kocels dachte Mas'üdi's Gewährsmann wohl neben den
Bulgaren in erster Linie bei den christlichen Slawenfürsten jako-
bitischer oder gar nestorianischer Konfession. Sie werden damit
als Ketzer gebrandmarkt, und wie heftig die deutsche Geistlichkeit
die Rechtgläubigkeit der Slawenapostel zu verdächtigen suchte,
besonders wegen der ihnen so verhassten slawischen Liturgie, ist
bekannt genug ').
Die wJ^.JolAO haben mit den Sachsen nichts zu thun — diese
sind ja schon in den (jyS^Li begriffen, überdies würde man ihren
Namen im Arabischen genauer ausdrücken; vgl. IbrähTm b. Ja'qüb's
^., ^Äiv*v d. i. ..».^jC^ Bekrl S. 33, 15, sowie den Namen
des türkischen Stammes ^^ä^^). Es ist vielmehr ^jxi>L>o Qächin
zu lesen, und darin haben wir natürlich die Cechen zu erkennen.
Der Name (^ächin hat, wie schon früher bemerkt wurde, die Form
eines slawischen Ethnikons im Singular: Cech-in. Heute nennen
sich die Cechen: Cechowe in der Mehrzahl, Cech in der Einzahl,
ihr Land Cecliy, ceskd zeme'^). Schafarik*) glaubt, dass dieser
1) Vgl. Dümmler a. a. 0. I 624 ff. 699—703. 814—820. TT 192-
198. 255—259.
■-) G. Jacob, Welche Handelsartikel bezogen die Araber des
Mittelalters aus den nordisch-baltischen Ländern? 2. Aufl. 1891 S. 22. 82.
^) Schafarik, Slawische Altertümer, deutsch von Mos ig von
Ähroiifeld, II 411. *) II 438.
Osteuropäische und ostasiatische Strpifzügc. 123
Name ursprünglich „bloss einem Hauptstamme zukam, tlt;r durch
seine Volkszahl und seine Tapferkeit alle anderen Stämme
(Böhmens) übertraf und ihren Namen verdunkelte". Die Namen
einer Anzahl anderer Stämme sind uns besonders durch die von
Heinrich IV. am 29. April 1086 zu Mainz ausgestellte Urkunde
für das Prager Bistum bekannt. Es sind dies die S e d 1 i c a n e r
(Zedlica) im heutigen Ellenbogner und Pilsner Kreis, die Lußaner
(Liiusena ^ sonst Laiczane) im Saatzer Land, Dasena (Tetschen),
die Lutomerici im Kreis Leitmeritz, die Zupa PsoW; deren
Gebiet mit dem Melniker Land gleichgesetzt wird ^). Unter diesen
bildeten die Lu^aner, wie sich aus Kosmas von Prag noch er-
kennen lässt , einst ein eigenes Fürstentum , das in fünf Gaue
zerfiel , ebenso tritt uns der Herr von Psow Slawobor , der Vater
der hl. Ludmila, als ziemlich selbstständiger dux (Zupan) entgegen.
Allein all diese Namen haben lediglich geographische und politische,
nicht aber ethnographische Bedeutung und können sehr wohl
Unterstämme der Cechen bezeichnen.
Anders verhält es sich dagegen mit den Dudlebiern, und
es ist daher eine Frage von besonderer Wichtigkeit, das Verhältnis
derselben zu den Cechen näher zu bestimmen. Es scheint, dass
letztere von Anfang an den zahlreichsten Stamm in Böhmen
bildeten , wie denn auch die böhmischen Slawen ihr Land selbst,
so weit wir es verfolgen können, nie anders als Cechy benannten.
Dieser Name findet sich zuerst in der altslowenischen Legende
vom hl. Wenzel , die auch ihr neuester Kritiker, W. V o n d r ä k ,
bald nach dem Tode Wenzels (935), etwa 940 — 950 verfasst sein
lässt ^). Freilich stammt die älteste Handschrift der Legende erst
aus dem Ende des 15. Jhs. , und in dem altslowenischen Kanon
auf den Wenzelstag, der sich in einer aus dem Ende des 11. Jhs.
stammenden Handschrift altrussischer Menaeen erhalten hat, heisst
es VT, zemli voemhsch (in terra bohemica) für das ceshshy der
Legende '^). Die russische Chronik kennt keinen andern Namen
für die böhmischen Slawen ; schon in der Aufzählung der slawischen
Völker c. 3 werden Öe*^' neben Morawa genannt, und zum Jahre 898
heisst es (c. 19), dass die Ugri nach ihrer Festsetzung in Ungarn
bald auch die Morawa und Cesi bekriegten *). Bei den spätem
Byzantinern, so bei Kinnamos a. 1147, werden sie T^i%oi genannt ^).
Den Deutschen blieb dieser Name unbekannt, sie reden nur von
Winidi oder Boemi, Beemi.
^) Cosmae Pragensis Chronica Boemorum II 37 bei Pertz, M. G.
SS. IX 91 f. Vgl. Schafarik II44.5ff.
"-) W. Vondräk, Zur Würdigung der altsloweniscben Wenzels-
legende und der Legende vom hl. Prokop. SBWA. Bd. 127 . 1892,
XIII S. 24. 27. .30. Vgl. Schafarik II 439.
ä) Eb. S. 28.
*) Chrouique de Nestor trad. par. L. Leger p. 4. 19.
5) Kinnamos ed. Bonn. p. 84, 11. 218, 8. 222, 10. 12. 223, 9. 242, 17.
J24 J- Marquart,
„Die frühesten Sitze der eigentlich sogenannten Czechen,
sagt Schafarik, erstreckten sich nach Kosmas und anderer
Überlieferung zwischen der Elbe und Moldau, wo der Berg Rzip,
das Schloss Krakow (bei dem Dorfe Krakowec), das Dorf Ste-
betschna, die Schlösser und Städte Libuschin, Wyschehrad, Prag,
Lewihradec, Tetin, Djewin, Krziwoklat, das Turskogefilde u. s. w.
erwähnt werden. Noch in der ältesten Legende von der hl.
Lidmila und in anderen gleichzeitigen Quellen werden unter den
Bohemi bloss die Bewohner des Prager Fürstentums, unter den
Sclavi die Bewohner der übrigen Kreise Böhmens verstanden" ^).
Inwieweit diese Ansetzung der ältesten Wohnsitze der eigentlichen
Cechen den Andeutungen der spärlichen historischen Quellen ent-
spricht, wird erst noch zu untersuchen sein. Soviel steht fest,
dass die Cechen noch im 9. Jh. unter einer ganzen Anzahl von
Häuptlingen (duces , Zupane) standen. Am 13. Januar 845 er-
schienen 14 derselben am Hofe Ludwigs des Deutschen zu
Regensburg und Hessen sich taufen-), und noch im J. 872 standen
an der Spitze des böhmischen Heeres, welches sich den Franken
unter dem Erzbischof Liudbrecht von Mainz entgegenstellte, fünf
Herzöge : Swentislaw, Witislaw, Heriman, Spytimir und Mojslaw %^
wozu in der ersten Rezension der Fuldaer Annalen noch Goriwei
d. i. wohl Boriwoj gefügt wird^). Selbst im Jahre 895, als die
Cechen die mährische Oberhoheit abschüttelten und in Regensburg
dem König Arnulf den Lehnseid leisteten, ist noch von einer
Vielheit böhmischer duces (Zupane) die Rede, obwohl bereits zwei,
Spitignew und der schon im J. 872 genannte Witizla , als die
bedeutendsten besonders hervorgehoben werden^). Aber schon
Spitignew's Vater Boriwoj, der um Prag ansässig war, muss es
gelungen sein, vermutlich mit Hilfe seines Schwiegervaters
Slawobor, des Grafen von Psow''^, sich eine bedeutendere Macht
zu gränden. Seinem Sohne Spitignew scheint es dann geglückt
zu sein, die politische Einheit des Landes zu begründen und dadurch
die übrigen kleinen Häuptlinge und Fürsten zum Adel des Landes
herabzudrücken. Er war zugleich der erste seines Geschlechtes,
*) Schafarik II 443.
2) Ann. Fuld. pars IT auct. Ruodolfo a. 845 ed. Frid. Kurze
p. 35 : Hludowicus 14 ex ducibtis Boemanorum cum hominibus suis
christianam religionem desiderantes suscepit, et in octavis theophaniae
baptizari iussit. Vgl. Dümmler, Gesch. des Ostfränk. Reiches I 273.
Palacky, Gesch. Böhmens I 110.
^) Zuentislan, Witislan, Heriman, Spoitimar, Moyslan.
*) Ann. Fuld. pars III a. 872 ed. Kurze p. 76. Vgl. Dümmler
a. a. Ö. 777. Palacky I 133.
») Ann. Fuld. contin. Ratisbon. a. 895 ed. Kurze p. 126: Ibi
de Sclavania omnes duces Boemauiorum — quorum primores orant
Spitignewo, Witizla, ad regem venientes et honorifice recepti etc. Vgl.
Dümmler a. a. O. II 410 f. und Anm. 58..
ö) Cosmas Prag. I 15. Büdinger, Osterreichische Gesch. 1305 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 125
welcher die Taufe annahm und die Verbreitung des Christentums
in seinem Lande beförderte '). Über die Regierung seines Bruders
und Nachfolgers Wratislaw wissen wir nichts Näheres ; dessen
Sohn Wenßeslaw aber nennt der Zeitgenosse Mas'üdi noch „König
der Düläba (Dudlebi)".
Dieser Stamm wird weder bei den gleichzeitigen deutschen,
noch bei den späteren böhmischen Chronisten je genannt,
nur in den Namen einiger Dörfer hat sich eine Erinnerung an
ihn erhalten. Eine Stadt Dudlebi, das jetzige Dorf Daudleby im
Budweiser Kreise, wird von Kosmas I 27 im Jahre 981, sowie
später in Urkunden erwähnt; nach ihr war der Daudleber Ki'eis
benannt, der noch im J. 1461 vorkommt. Zwei andere Ortschaften
Daudlebe finden sich im Saatzer Kreis und eine weitere Daudlewice
im Pilsener Kreise -). Daraus , dass jener Stamm so bald völlig
verschollen ist, darf wohl geschlossen werden, dass er nur wenig
zahlreich war. Aber dass von ihm die Einigung Böhmens ausgieng,
werden wir Mas'üdi glauben müssen. Dass wir es hier mit einem
besonderen Stamm , nicht mit einem blossen Gaunamen zu thun
haben, dafür spricht schon der Umstand, dass der Name etymologisch
noch unerklärt ist , sowie die Thatsache , dass er sich auch in
Galizien und in Pannonien findet. Die i'ussische Chronik berichtet
uns: „Diese Obri (die Awaren) unterwarfen sich im Kampfe gegen
die Slawen die Duleber und thaten ihren Weibern Gewalt an.
Wenn einer der Obri irgendwohin zu fahren hatte , so Hess er
weder Pferd noch Stier anspannen , sondern Hess drei oder vier
oder fünf Weiber anschirren an sein Fuhrwerk und Hess sich von
ihnen fahren. Also quälten sie die Duleber. Die Obri waren in
der That hohen Wuchses und stolzen Sinnes ; aber Gott vernichtete
sie bis auf den letzten Mann. Und bis auf den heutigen Tagr
hat sich das Sprichwort in Russland erhalten: Sie sind unter-
gegangen wie die Obri, ohne Nachkommenschaft noch Erbe". Die
Wohnsitze der Dulebi waren am Bug, „wo jetzt die Wolynjane
sind"-^). Sie stellten noch im J. 907 Oleg ein Kontingent zu
seinem Zug gegen Konstantinopel ■*) , später werden sie in der
Chronik nicht mehr erwähnt , doch kennt sie noch der spätere
D^ligosz in Luck in Wolhynien^). Einen Gau Dudleipa finden
wir unter dem Slawenfürsten Pribina (848 — 861) in Unterpannonien ;
^) Gumpold , Vita St. Venceslai c. 2. Die Angabe des Kosmas
I 10. 14, dass schon Bofiwoj sich habe taufen lassen und zwar durch
Methodios, den Bischof von Mähren, leidet an verschiedenen Wider-
sprüchen und ist höchst wahrscheinlich unhistorisch. Vgl. Vondräk,
Zur Würdigung der altsloven. Wenzelslegende S. 3 ff.
2) SchafarikII445.
*) Chronique dite de Nestor trad. par L. Leger c. VIIL IX
p. 8. 9. Vgl. Schaf arik II 59ff. 122f. Büdinger a. a. O. 67.
') Eb. c. XXI p. 22.
•'^) Dlugosz, Eist. Polon. I 49,
126 J- Marquart,
derselbe bildete nach Kocels Tode (874) eine besondere, Kärnten
benachbarte Gaugrafschaft, in welcher wahrscheinlich Pettau lag ^).
[W e s t b e r g -) glaubt , dass die Nachricht der russischen
Chronik über die Vergewaltigung der Dulebi durch die Awaren
sich eigentlich auf die böhmischen Dudlebi beziehe , die er
mit den Cechen identifiziert, da Fredegar c. 48 ganz dasselbe von
den Wenden erzählt , unter welchen in erster Linie die Cechen
zu verstehen wären.
Man hätte also anzunehmen, dass der Chronist dies fälschlich
auf die russischen Dulebi übertragen hätte. Seine Begrüiidung
ist indessen nicht stichhaltig. Die Schilderung der Misshandlungen,
welche nach Nestor die Dulebi, und nach Fredegar die Wenden
zu erdulden hatten , traf mehr oder weniger auf alle von den
Awaren unterworfenen Slawenstämme zu. um aber die Duleber
am Bug zu beherrschen, brauchten die Awaren keineswegs nördlich
von den Karpaten zu wohnen. Die Hauptfrage ist, wann und
von wo aus die Dulebi von diesen unterworfen wurden, und
hier hat schon Schafarik richtiger gesehen. Er glaubt , dass
die Awaren entweder durch die Eng^msse von Boza und Rothen-
thurm in Siebenbürgen oder durch die karpatischen Pässe bei
Dukla in Oberungarn einbrachen , und ihnen bereits damals die
Duleber erlagen. Schafarik hat ferner erkannt, dass die
Worte der Chronik vom plötzlichen Untergang der Awaren darauf
hindeuten, dass dieselben von einer Pest hinweggeraflft wurden-').
In der That wissen wir , dass, als der Chagan hn Jahre 597 mit
einem ungeheui-en Heere Thessalonich belagerte, in seinem Heere
eine Pest ausbrach, die auch in der Umgebung von Thessalonich,
wie in dieser Stadt selbst furchtbar wütete*), und ihn (600) zu
einem Friedensschlüsse zwang , durch welchen die untere Donau
als Grenze beider Reiche festgesetzt wurde ^). Es ist freilich
nicht richtig, wenn die Sage schon von diesem Ereignis an den
Untergang der Awaren datiert. Erst mit der vergeblichen Be-
lagerung Konstantinopels im Jahre 626 beginnt der Niedergang
der awarischen Macht: um 635 warf Kubrat, der Kan der Unu-
gundur-Bulgaren in Bessarabien, das Joch des Chagans ab und
trat in Bündnis mit Kaiser Herakleios , und um dieselbe Zeit
werden auch die Slawen in Dakien ihre Freiheit wieder erlangt
haben. Gleichzeitig erhoben sich auch die westlichen Slawen,
namentlich in Böhmen, gegen die awarische Gewaltherrschaft und
^) Convers. Carantan. c. 13. Urkunde Arnulfs vom J. 889 bei
Kleimayrn, Juvavia. Anhang 116 Vgl. Dümmler, Gesch. des
Ostfränk. Reiches I 618. 820. Schafarik a. a. O. II 499.
2) A. a. O. S. 132.
") II 59 ff.
') Miracula St. Demetrii auet. loanno Thessalonic. archiepisc. § 31.
Acta SS. Oct. t. IV p. 115.
5) Theophyl. Simoc. VII 15, 14.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 127
gründeten unter Samo ein mächtiges Reich. Allein schon im
Jahre 602 sehen wir, dass die Anten mit den Romäern im Bunde
sind , worauf der Chagan den Heerführer Apsich aussendet , um
sie zu vernichten. Ob ihm die Ausführung seiner Absicht gelungen
ist, erfahren wir nicht; man darf es indessen füglich bezweifeln.
Denn zur selben Zeit fielen mehrere Scharen der Awaren ab und
giengen zu den Romäern über, und aus Bestürzung hierüber Hess
der Chagan kein Mittel unversucht, die Überläufer wieder zurück-
zurufen ^). Vielleicht haben sich die Duleber bereits um diese
Zeit vom awarischen Joche freigemacht ; sollte dies aber auch
erst später der Fall gewesen sein, so ist es doch leicht begreiflich,
dass die Sage den Untergang des schrecklichen Volkes bereits mit
jener Pest, in der man ein Gottesgericht sah, verknüpfte.]
Schafarik hat bereits vermutet, dass die Ausbreitung der
Dudlebier nach Böhmen und Pannonien mit der Awarenherrschaft
zusammenhängen möge -). Dies ist auch mir sehr wahrscheinlich,
und es ist wohl möglich , dass die Dudlebier in ünterpannonien
von den Awaren dahin verpflanzt worden sind , um diesen als
Grenzwehi- gegen das langobardische Reich zu dienen. Da die
Awaren selbst Nomaden blieben, so hatten sie ein Interesse daran,
dass die von ihnen in Besitz genommenen Landschaften wieder
von einer ackerbautreibenden Bevölkerung besiedelt wui'den , die
ihnen bei ihren Kriegszügen als Pussvolk dienen musste. Die
Awaren haben also die Niederlassung slawischer Stämme in
ihrem Gebiete nicht bloss begünstigt, sondern scheinen vielfach
sogar Stämme aus nördlicheren Gegenden gewaltsam ins Donau-
gebiet verpflanzt zu haben. Vielleicht sind so auch die Dudlebier
im südlichen Böhmen angesiedelt worden, um gegen das Franken-
reich und die nördlichen Slawen als Grenzhut zu dienen "). Doch
ist ebensogut denkbar , dass die Auswanderung der Dulebi nach
^) Theophyl. Sim. 8, 5, 13: kxuq rag ^Paiiaicov icpodovs o Xaydvog
fitfia&riKäg xbv 'Aipl^ (ifra OTQatOTtidcov i'gintintiiv, OTtag t6 rmv "Ävxwv
ötoXiöHLiv t&vog, 0 6v(ip,u^ov 'PcoiiuiOLg irvy^uviv 6v. tovrcov 6i]
yiyvo^ivcüv , anoatarovat, xtbv 'Aßägcov Ttli]&r] rivcc uvxo\Loltiv xt xü
avxoxQdxoQL TiaxriTtiiyovxo. xagäxxtxat ovv inl xa> ocKOva^axt, 6 Xayävog,
■Koi 7ii:QLdii]g ytyovatg nolvg fjv ccvxLßoXäv -nul aocpiaxtvav ns&odovg
Ttolläg avTL^ixaaxfiaai. xi]v anoaxriaaaav ävvawiv. Daraus Theophanes
Chronogr. p. 284, 18 ff.
-) n348: „Nicht unwahrscheinlich ist es, dass die von Nestor
geschilderte Grausamkeit der Awaren gegen die Duljebier letztere zur
Auswanderung nötigte". Vgl. II 62.
3) VgL Büdinger, Österreich. Gesch. 71. Lelewel, Geogr.
du Moyen-Äge III 37 f. glaubt, dass die Dulebi nach Böhmen aus-
gewandert seien, um dem Drucke der Awaren zu entfliehen. Allein
in diesem Falle wären sie diesen ja erst recht in den Rachen gelaufen.
Sehr gut weist er dagegen zur Bestätigung der lechischen Abkunft
der Dulebi hin auf die zahlreichen Übereinstimmungen von Ortsnamen
im Osten der Moldau mit solchen Polens, besonders des oberen
Weichselgebiets.
]^28 J- Marquart,
Böhmen erst nach der Aufrichtung des Reiches Samo's und der
Schwächung der Awarenmacht erfolgt ist. In diese Zeit wird
man auch die Auswanderung der lechischen Radimiöi und Wjati6i
nach dem fernen Osten setzen dürfen, wie überhaupt im 7. und
8. Jakrhundert eine lebhafte Bewegung unter den lechischen
Völkern des Weichselgebiets stattgefunden haben muss. Weniger
wahrscheinlich scheint es, dass die Einwanderung der Dudlebi
nach Böhmen erst eine Folge der Vernichtung der Awarenmacht
durch Karl d. Gr. (796) war. In noch spätere Zeit, etwa in die
Mitte des 9. Jahrhunderts, scheint dagegen die Auswanderung
einer Gefolgschaft aus dem obern Weichselgebiete nach dem
Lande der Serben zu gehören, wo sie das Fürstentum Zach-
lumien gründeten. Die Dudlebier in Böhmen werden ursprünglich
einen Gau, eine Zupa gebildet haben, deren Mittelpunkt wir
am wahrscheinlichsten um die spätere Stadt Dudlebi, also
im Süden des Landes zu suchen haben. Im letzten Drittel des
10. Jahrhunderts gehörte dieselbe zum Fürstentum (ducatus)
Slawniks, des Vaters des hl. Adalbert^). In den Kämpfen gegen
die Baiern in der Ostmark erstarkte allmählich die Macht der
Zupane, so dass vielleicht schon Boriwoj , jedenfalls aber sein
Sohn Spitignew sich im Mittelpunkt des Landes, auf dem Wysehrad
bei Prag festsetzen konnte. Der Ursprung des böhmischen Staates
scheint also ein ganz ähnlicher gewesen zu sein wie der des
polnischen, welcher, wie man aus Ibrahim b. Ja'qüb schliessen muss,
aus einer Gefolgschaft hervorgegangen ist und uns plötzlich fertig
entgegentritt. Wähi-end der Einfälle der Magyaren nach West-
europa muss Spitignevsr seine Stellung weiter befestigt haben, zum
Teil durch Anlehnung an die neuen Herren der Steppe, mit denen
vereint die Böhmen im Jahre 915 durch Schwaben nach Thüringen
und Sachsen einbrachen-). Um diese Zeit mögen die Böhmen
einen Teil des alten Mähren erobert haben.
Prao- muss wohl schon vor dieser Zeit als Mittelpunkt des
Landes gegolten haben, aber welcher von den fünf Fürsten, die
uns im J. 872 genannt werden, hier geboten hat, lässt sich nicht
mehr mit Sicherheit ausmachen. Vielleicht war es der zuerst
angeführte Swentisla; denn während der unmittelbar nach ihm
stehende Witisla im J. 895 in derselben Stellung wiederum vor-
kommt, erscheint jetzt an erster Stelle Boliwoj's Sohn Spitignew.
1) Kosmas I 27.
'^) Adam. Bremens, gesta Hammaburg. eccles. pontif. 1 54. Chronicou
breve Bremeuse (Pertz, SS. VII 891). Vgl. Erust Dümmler, De
Bohemiae couditione Carolis imperautibus p. 16. Gesch. des Ostträukischen
Reichs II 593. Unrichtig lässt Büdinger, Osterreich. Gesch. S. 303,
304 die (Rechen schon im J. 900 sich mit den Ungarn gegen Mähren
verbinden. In den Fuldaer Anualen (Ann. Fuld. contin. Altah. a. 900
p. 134 ed. Kurze) heisst es vielmehr: ßaiowarii per Boemanuiam ipsis
secuui asbumptis reguum Marahavoruin . . . inruperunt.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 129
V
In der Zwischenzeit rauss also Boriwoj in den Besitz der Zupa
Prag gekommen sein. Als Hauptstadt Böhmens wird Prag zuerst
im Jahre 929 genannt i), die Dudlebier aber, die' vermutlich
lechischer Abstamniung waren, sind ohne Zweifel bald m den
weit zahlreicheren Cechen aufgegangen.
Eine der schwierigsten Fragen ist die über die Ausbreitung
der nördlichen Ohorwaien. Soviel ist klar, dass Mas'üdT unter
seinen (j^jU.i> ein von den Cechen politisch unabhängiges Volk
versteht. Dasselbe ergibt sich aus der altslowenischen Wenzellegende,
wo es nach der Ermordung des Heiligen heisst: „Seine Mutter
aber , den • Tod fürchtend , floh zu den Chorwaten ; denn • • -^ •
(Lücke) Boleslaw aber schickte nach ihr und erreichte sie nicht" -).
Wenn Dragomir bei den Chorwaten Zuflucht vor den Verfolgungen
ihres Sohn'es zu finden hoffen durfte, so können dieselben den
Herzögen von Böhmen noch nicht gehorcht haben. Vielleicht
stammte Dragomir selbst aus dem alten Fürstengeschlecht der
Chorwaten, und ist in der angedeuteten Lücke eine diesbezügliche
Angabe ausgefallen =^). So würde sich auch erklären, dass sie in
der genannten Legende von Anfang an als Christin erscheint. Aus
dem altslawischen Leben des Methodios scheint sich nämlich zu
ergeben, dass der mächtige Fürst der Wislane von Swentopluk
gefangen genommen und zur Annahme der Taufe gezwungen
worden war*). Es ist daher unberechtigt, wenn Schafarik
n 443 ff. die Chorwaten ins Riesengebirge, also noch nach Böhmen
versetzt, wofür er ausser den Namen dreier Dörfer Charwatice im
Leitmeritzer , Rakonitzer und Bunzlauer Kreise nur die Urkunde
Heinrichs IV. vom Jahre 1086 für das Prager Bistum anzuführen
weiss, in welcher im Norden Böhmens zwei Gaue Ghrovati et
altera Chrovati (vor den Slasane) aufgeführt werden. Allein die
dortige Grenzbeschreibung ist, wie wir sehen werden, von ihm
1) Widukind I 35: Post haec Pragam adiit cum omni exercitu,
Boemiorum urbem.
2) W. Wattenbach, Die slawische Liturgie in Böhmen und
die altrussische Legende vom hl. Wenzel. Abhandl. der histor.-philoso-
phischeu Ges. in Breslau I (1858) S. 238. Bü ding er, Zur Kritik
altböhmischer Geschichte. Zeitschr. f. die Österreich. Gymnasien 1857
S. 522.
3) Nach Kosmas I 15 stammte Dragomir freilich de durissima
geute Luticensi, ex provincia nomine Stodor, also aus dem heidnischen
Fürstengeschlecht der Stodorane. Allein dies hängt mit der spätem
Legende zusammen, welche Dragomir als eine herrschsüchtige und
grausame Heidin schildert und ihr die Hauptschuld an der Ermordung
Wenzels zuschreibt, in unversöhnlichem Widerspruch mit der alt-
slowenischen Legende, weshalb sie Kosmas selbst et ipsam saxis durio-
rem ad credendum nennt. Waitz, Jahrbücher des deutschen Reichs
unter König Heinrich I. S. 126 hat die Nachricht daher mit Recht
beanstandet.
^) Vita Methodü c. IX ed. Fr, Miklosich. Viudob. 1870 p. 19.
Marquart, Streifzüge. v
130 «J- Marquart,
nicht richtig aufgefasst worden. Palack^i) hat aber nicht
Unrecht, wenn er sagt: „Dieses Chorwatien , mit der uralten
Hauptstadt Krakau, ausgebreitet an der obern Oder und Weichsel,
auch Gross- und Weiss-Chrowatien genannt, ist freilich der dunkelste
Punkt der Geschichte und Geographie jener Zeiten. Weder über
dessen Ursprung noch auch über die Namen seiner Fürsten sind
glaubwürdige Angaben vorhanden".
Der russischen Chronik sind die Chrwaty wohl bekannt. Sie
liefern gleich den Dulebi, Tiwerci u. a. Stämmen dem Grossfürsten
Oleg im J. 907 ein Kontingent zu seinem Zuge gegen Kon-
stantinopel. In der Aufzählung der Slawenvölker c. III werden
neben Serben und Chorutane auch die Weiss-Chorwaten {Chrcaty
belij) genannt, worunter hier die süddanubischen Chorwaten zu
verstehen sind , aber ohne Zweifel nur auf Grund einer miss-
verstandenen griechischen Quelle-). Im Jahre 993 unternahm
der Grossfürst Wladimir einen Kriegszug gegen die Chor waten •^),
um dieselbe Zeit aber erwähnen polnische und deutsche Chronisten
einen Krieg zwischen Wladimir und Boleslaw I. von Polen (992 fi".)
ohne Angabe des Grundes. Offenbar handelte es sich um das
Gebiet der Chorwaten , und in der That schreibt Vincentius
Kadiubek dem Boleslaw die Unterwerfung der Chorwaten aus-
drücklich zu*).
Auf der andern Seite nennt die dem König Alfred zu-
geschriebene angelsächsische Übersetzung des Orosius östlich von
den Daleminciern die Horiti d. i. Chorwaten. Seine Worte
lauten: „Östlich vom Mährerlande ist das Weichselland (Visleland),
und östlich von da Datia , welches fräher Goten waren. Nord-
östlich von Mähi-en {he nordan eastan Maroaro, lies be ncn-dan
V es tan) wohnen die Daleminzier (Dalamensan) , und östlich von
den Daleminziern die Horiti, und nördlich von den Daleminziern
die Sorben (Surpe) , und westlich von da die Syssele. Nördlich
von Horiti ist Msegdaland, und nördlich von Msegdaland ist
Sarmatien (Sermende) bis zu den rhipäischen Bergen (beorgas
Riffln)". Aus dieser Beschreibung ergibt sich, dass die Sitze der
Chorwaten etwa in Schlesien und Kleinpolen zu suchen sind. Bei
Msegdaland denkt Schafarikn672 N. 14 an eine Verwechslung
mit den Mazowiern, [Westberg a. a. 0. 141 dagegen an das am
Bug mit dem Narew bis zum Njemen gelegene Gebiet der
litauischen Jatwingen].
Mit Hilfe des Reiseberichts des spanischen Juden Ibrählm b.
Ja'qüb vom Jahre 965 können wir jetzt die politische Entwicklung
') Gesch. vou Böhmen I 228.
2) Chronique dite de Nestor trad. par L. Leger c. 111 p. 4.
c. XXI p. 22.
3) c. XLV p. 101.
*) Kadlubek 11 ep. 13. Hunnos seu Ungaros, Croatios et Mardos,
gentem validam, suo mancipavit hnperio. Vgl. Schaf ari k 11 104ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 131
des Chorwatenlandes in ihren Hauptzügen einigermassen verfolgen.
Die Zeit der Ruhe nach dem Frieden zu Forchheim (874) hatte
Swentopluk sicher dazu benutzt, um seine Macht nach allen Seiten
auszudehnen. Unter andern kämpfte er gegen den mächtigen
Fürsten der heidnischen Slawen an der Weichsel , führte ihn als
Gefangenen in sein Reich weg und zwang ihn zur Annahme
der Taufei). Vermutlich führte derselbe in seinem Lande gleich-
falls die slawische Liturgie ein. Nach dem Tode Swentopluk's (894)
rächten sich die Weichselslawen, die Kosmas nach dem Sprach-
gebrauche seiner Zeit Polen (Polonienses) nennt, durch Verheerungs-
züge nach Mähren-), aber bald darauf gelang es dem russischen
Grossfürsten Oleg, die Chorwaten an der Weichsel oder wenigstens
einen Teil derselben zu unterwerfen und zur Heeresfolge zu
zwingen. Im Jahre 929 musste der Böhmenherzog Wenßeslaw
dem deutschen Könige Heinrich I. huldigen, doch kaum war dieser
gestorben, als Wenöeslaws Mörder und Nachfolger Boleslaw L
(28. Sept. 935) die deutsche Oberhoheit abschüttelte und die
gegen ihn anrückenden deutschen Heere vernichtete (936). Die
vierzehn Jahre, während deren er dann siegreich seine ünab-
hängkeit behauptete, muss er dazu benutzt haben, seine Herrschaft
weit über die Grenzen Böhmens hinaus auszudehnen und vor
allem das wichtige K r a k a u mit seinem Gebiete , also das Land
der Chorwaten zu erwerben, in dessen Besitz wir ihn im Jahre 965
finden. Wenn unsere Vermutung, dass seine Mutter Dragomir aus dem
chorwatischen Fürstenhause stammte, zutrifft, hatte er wohl Erb-
ansprüche auf dieses Land. Ibrähim b. Ja'qüb nennt ihn König von
Praga, Boema und Krakau •') und gibt an, dass die Länge seines Landes,
von der Stadt Prag bis zur Stadt Krakau, drei Wochen betrage, und
dasselbe der Länge nach dem Lande der Türken d. i. der Magyaren
benachbart sei*). Schon Palacky, Gesch. von Böhmen I (1844)
S. 221. 226 ff. hat aus einer Urkunde, auf die noch zurück-
zukommen sein wird, den Schluss gezogen, dass bereits der erste
Boleslaw Eroberungen in Chrowatien gemacht habe.
[Diesen Umfang des böhmischen Reiches setzt nun auch der
1) Vita Methodii c. 11 ed. Miklosich: princeps paganus, valde
potens, in terra Vistulanorum sedens, christianos irridebat et vexabat.
misit vero (Methodius) ad eum, dicens: salutare tibi est baptizari, tili,
ultro in tua terra, ne captivus per vim ad baptisma adigaris iu terra
aliena et mei recorderis. quod etiam factum est. Vgl. Dumm 1er,
Gesch. des Ostfränk. Reiches II 3.39.
2) Cosmas Prag. I 14 bei Pertz, SS. IX 44.
^) Kunik und Rosen, Izvestija al-Bekri S. 32, 13: ^^a3_.^^
'tpl\ y^\/*i ^■*-:iy^^ »-c-Li tj^i/o. [So, ji'lji' ist natürlich mit de Goej e
und Rosen zu lesen, trotz Westberg's verzweifelten Versuchen,
das \j^jL der Hs. zu verteidigen. S. 12. 96 f. 100—102.]
*) Eb. S. 34, 12 ff
132 J- Marquart,
Zeitgenosse Konstantinos Porphyrogennetos voraus. Wie nämlicli
Westberg S. 97ff. nachgewiesen hat, ist unter seinem Weiss-
Chrowatien nichts anderes zu verstehen als das Reich Boleslaws I.
Entscheidend hiefür sind die Angaben de admin. imp. c. 30
p. 144, 7ff. : Ol 6h loLTtol XQvoßmoi e^eivav TtQog (pQayyiav , %al
Xiyovxat a^ricog BekoxQaßttroL i'jyovv aanqoi X^coßdroi., l'iovtEg xov
i'öiov aQiovxa' vitÖKEivrai Sl "Sita reo ^tyuXa Q^iyl fpQayylag zTjg
%ccl Sa'E,iag, ymI ußdnttGTOt tvyjiävovöi,, Gvintevd-EQlag fiExd xovg
TovQKOvg %al ayünag E'jipvxtg. Unter diesem Otto d. Gr. lehns-
pflichtigen Fürsten kann nur Boleshi-w I. verstanden werden , der
im Jahi'e 950 endlich vom König unterworfen wurde ^). Da
Konstantin sein Werk de administrando imperio in den Jahren
949- — 952 verfasst hat, so konnte er sehr wohl bereits von diesem
Ereignis der jüngsten Vergangenheit Kunde erhalten haben. Die
Behauptung, dass die Chrowaten noch ungetauft seien, ist wohl auf
die eigentlichen Chrowaten zu beschränken, obwohl auch bei diesen
Ansätze des Christentums vorhanden gewesen sein müssen -) ; doch
ist der Kaiser zu dieser Vorstellung wohl auch durch eine dunkle
Kunde über die Ermordung des frommen WenSeslaw durch seinen
Bruder, den regierenden Fürsten, geführt worden, wie denn diese
That allgemein als ein Akt heidnischer Reaktion aufgefasst wurde
und auch Kosmas sich mit Abscheu von den Thaten des saevus
Bolezlavus abwendet. Es ist zu beachten , dass der byzantinische
Hof , welcher mit allen möglichen Kleinfürsten , z. B. in den
Kaukasusländern, mit den Häuptlingen der Magyaren und Pe^enegen,
aber auch mit dem Herzog von Baiern in diplomatischer Korre-
spondenz stand ^) , gerade mit Böhmen um diese Zeit keine
Beziehungen unterhielt. Sehr wichtig ist Konstantins Bemerkung,
dass die Chrowaten (d. h. deren Fürst) sich mit den Magyaren
verschwägern und mit ihnen Freundschaft halten. Darnach dürfen
wir wohl annehmen , dass eine böhmische Fürstentochter einem
hervorragenden magyarischen Häuptling, wohl einem der Söhne
oder Enkel Arpads gegeben worden war. Vielleicht dürfen wir
hier die Notiz der altslowenischen Wenzellegende anziehen: „Da
begann Wenzeslaw sein Volk zu regieren. Er hatte aber vier
Schwestern , und sie gaben sie weg in verschiedene Fürstentümer
und statteten sie aus" *). Dann wäre es schon Wenzel gewesen,
der eine Schwester an einen ungarischen Fürsten verheiratet und
sich dadurch den Rücken zu decken verstanden hätte. Jedenfalls
sind die politischen Erfolge Boleslaws nur dadurch recht ver-
1) Köpke-Dümmler, Otto d. Gr. S. 181.
'^) Noch der hl. Adalbert soll gegen. Ende des 10. Jahrhuuderts
iu Krakau den slawischen Ritus vorgefunden habeu. S. Schaf arik
II 375. Palacky, Geschichte Böhmens I 236.
^) Konstantin. Porphyrogenn. de caerim. aulae Byz. II 48 p. 689:
hiq XOV Qfjya Bcdov()t].
*) Watteubach, Die slawische Liturgie in Böhmen a. a. O. S. 235.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 133
ständlich, dass er durch seine Freundschaft mit den Ungarn nach
anderer Richtung freie Hand erhielt. Seine Tochter Dubrawa
vermählte er mit dem Polenherzog Misaco^).
Die Lage von Chrowatien ergibt sich einigermassen aus der
Umschreibung der Grenzen der Magyaren de admin. imp. c. 13
p. 81: "Ort Toig TovQuotg ra roiavra s&vrj naqccmivxca, itQog fiev
ro SvxLV,(ox£QOV (leQog avr&v i) (DQayylcc , Tt^og ös t6 ßoQSiöreQOV
OL IIca^ivaKiTca, -/.cd TiQog xo (i.sar}^ßQt.vov (iSQog /; iisydlrj MoQaßvcz
r]XOL 7j iM^a xov SfpevöonXomv . . . ol öi XQCoßuxoi TtQog xa OQiq
xotg TovoKotg itaQccKeivxca. Diese Bestimmung wird nach einer
Seite ergänzt durch die Angaben c. 40 p. 174, 8 ff: iihjaid^ovat
öe tofg TovQKOtg TtQog ^ev xb ävaxoXiKov fisQog ol BovkyaQOL, iv cp
■Acd dLaxcoQLlsL avxovg 6 "laxQog 6 nal JavovßLog leya^isvog noxa^og,
TCQog ÖS xb ßoQELOv OL IIca^LVCiXLxai , TfQbg ös xb övxlkmxsqov ol
0QccyyoL, TtQbg ös xb (isöyjfißQLvbv ol Xqmßaxoi. An letzterer
Stelle spricht er nur von den südlichen Chrowaten, deren Wohn-
sitze im allgemeinen richtig angegeben werden; nur sollte es
statt „gegen Süden" genauer heissen „gegen Südwesten". Über
die Lage von Gross-Mähren ist schon oben das Nötige gesagt
worden. Dagegen sehen wir mit Befremden, dass sich Konstantin
die Pe^enegen und Bulgaren nördlich und Östlich anstatt östlich
und südöstlich von den Magyaren denkt. Beseitigt man diesen
Fehler, so folgt mit Notwendigkeit, dass die Weiss -Chrowaten in
der Eichtung des Karpatengürtels nördlich (und nordwestlich) von
Ungarn zu suchen sind. Die Grenze gegen Westen ergibt sich
aus nachfolgenden Angaben, c. 30 p. 143,20: oi ös XQaßdroL
KcacoKOVv xrjvLzavxci i'iiSL&EV BayLßaQsiag, IWa siölv agxiag ol
BsloxQcoßdxoL. 144, 7: ol ös Ioltzol XqaßdxoL siiSLvav Ttqbg
Oqayyiav, v,aL Isyovxca dqxiiog BsXoiQioßdxoL ijyovu daitqoL XqaßäxoL
%xX. c. 31 p. 147 , 21 : oxl ol XQcoßuxoi ol stg xd Jsl^axiag vvv
KaxoLKOvvxsg ^sqt] ditb xäv dßaTtXLötcov XQCoßdxoyv xcd xüv (1. xäv
XKt) dßnQCOv iitovo^a'^o^isvcüv KcadyovxaL, ol'xLveg TovQKUcg ^sv
SKSL^sv Oqayylag ös nkrjöLOV KaxoLxovöL, y,al övvoqovöl Zy,ldßoLg
xoig dßanxLöxoLg ZsQßkoig. Nach diesen Stellen würde man das
Land der Belochrowaten jenseits d. h. westlich von Ungarn, in
der Nähe des ostfränkischen Reiches und zwar jenseits d. h. östlich
von Baiern suchen, so dass es sich speziell mit Böhmen decken
müsste. Auf dieselbe Vorstellung führt, wie wir oben gesehen
haben, die Beschreibung der Sitze der weissen Serben c. 32
p. 152, 10 ff. Dagegen ergibt sich aus c. 31 p. 151, 21 ff. eine
viel weitere Ausdehnung von Chrowatien gegen Osten: 'Oxl ri
^sydXvj XQtoßaxia yml \ (1. i] oiaX) äöngr} £7rovojtia^ofi£V?j dßdTtxLötog
xvyidvst fis%QL xrjg 6i]fiSQ0v , Ka&d^g Kcd ol TtXiiaidtiovxsg avxriv
1) Widukind III 69 nennt den Misaco gener Boleslaws I, und nach
Thietmar IV 55 (35) war Dubrawa die Schwester des Fürsten Csenioris)
Boleslaw, d. i. Boleslaws IL [Vgl. Westberg a. a. 0. S. 102 f.]
134 J- Marquart,
SsQßXot. ckiyureQOV naßalXuQtKbv e^ßdllovöiv, ofioicog Kcd 7t£^t.Kbv
naqa xr]v ßcmTiöfievtiv Xgcüßarücv üg avve'ieöreQOv TtQcctöevofievoi
■jiuQDi re täv ^gayycov ymI TovQY.av nai nur^ivanirav. . . . aitb
yciQ räv ekelCe (lixQi tj}^ d'aXdßörjg 66ög botlv ijiieqüv X'. i] Se
■d-ülaOGa Eig rjv öia rav ij^EQäv X' KaxEQyovxaL, iazlv 7j XEyo^iv}]
EnoTEivri.
Aus dieser Stelle ersieht man, dass Chrowatien im Südosten
den Einfällen der PeSenegen (im Gebiet des Dnjestr imd Pruth), im
Westen den Angriffen der Franken ausgesetzt war, und daraus folgt,
dass Chrowatien nicht bloss Böhmen (und Mähren) , sondern auch
Kleinpolen und das dazwischenliegende Schlesien umfasst haben muss.
Als das Hauptgebiet ist aber unzweifelhaft Böhmen gedacht. Dieser
Thatbestand erklärt sich befriedigend nur so, dass der Name
Chrowatien bei Konstantinos Porphyrogennetos , obwohl er ihn
seinen ethnographischen Theorien über die Herkunft der süd-
danubischen Serben und Chrowaten dienstbar macht, ein rein
politischer terminus ist, mit andern Worten, dass es seit
der Eroberung von Weiss-Chrowatien an der Weichsel
eine Zeit lang der offizielle Name des böhmischen
Reiches gewesen ist. Daraus ergibt sich aber schon die grosse
Wichtigkeit, welche Boleslaw der neuen Erwerbung zugeschrieben
haben muss. Ein jedermann geläufiges Analogen bietet die Be-
zeichnung des grössten deutschen Bundesstaates. Vor dem Namen
der neuen Provinz, in welcher der Kurfürst von Brandenburg
zuerst den Königstitel erwarb, musste der des alten Stammlandes
in den Hintergnxnd treten.
Einen weitern Beleg für diese Bezeichnung des böhmischen
Reiches hat Westberg S. 134 ff. in dem Briefe des Rabbi
Chisdai an den Chazarenfürsten entdeckt. Dass man es bei dem
Titel □"'binsri ']b73 mit einer , allerdings falschen. Übersetzung von
Chvhvaty zu thun habe , war schon früher erkannt worden ').
Es ist aber das Verdienst Westberg's, nachgewiesen zu haben,
dass unter diesem Chorwatenkönig der Herzog Boleslaw I. von
Böhmen zu verstehen ist. Ausschlaggebend ist hiefür die Stelle
bei H a r k a V 3^ , Zkazanija evi-ejskich'B pisatele j o Chazaracht i
Chazarskomi, carstve. St. Petersburg 1874 S. 106: „Als ich noch
bei mir übei'legte , siehe da kamen Gesandte des Königs der
Gebalim , und mit ihnen zwei Israeliten , namens Mär Sa'ül und
Mär Joseph. Als diese meine Verlegenheit hörten , trösteten sie
mich und sagten zu mir : gib uns deine Briefe und wir werden
sie dem König der Gebalim überreichen , und wegen deines
Ruhmes wird er dein Schreiben den Israeliten zuschicken, die im
Lande der Ungarn (j-^-;:;:::) wohnen, und ebenso werden sie ihn
zu den Rös und von da zu den Bulgär schicken, bis dein Schreiben
deinem Wunsche gemäss an seinen Bestimmuncrsort gelangen wird".
^) Vgl. z. B. Paulus Cassel, Der chazarischc Königsbrief S. 63.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 135
Dass der Böhmeuherzog eine Gesandtschaft an den Hof des
Chalifen ^Abd arRahmän III. von Cordova schickte , ist keines-
wegs unglaublich , besonders bemerkenswert ist aber das gute
Verhältnis des Chorwatenfürsten zu den Ungarn , welches in dem
Briefe , in Übereinstimmung mit der oben erwähnten Angabe
Konstantins, vorausgesetzt wird.
Nachdem sich so aus Ibrahim b. Ja'qüb und Koustantinos
Porphyrogennetos der Umfang des böhmischen Reiches um 950
ergeben hat , ] wird die Urkunde , durch welche Heini'ich IV. am
29. April 1086 zu Mainz die Stiftungsurkunde des Prager Bistums
erneuert hat, erst recht verständlich. Diese Stiftungsurkunde
war nach Kosmas von Prag für den Bischof Adalbert ausgestellt
und der ^angeführten Urkunde Heinrichs zufolge vom Papst
Benedikt und Kaiser Otto I. bestätigt worden. Sie bestimmte,
dass dem Bischof von Prag sowohl Böhmen wie Mähren unterstellt
sein sollte^). Allein gegen ihre Echtheit sprechen eine ganze
Reihe von Gründen^). Die Gründung des Bistums Prag fand
erst unter Otto II. und Papst Benedikt VII. (974—983) im
Jahr 975 oder 976 statt. Allein neben dem Bischof von Pi-ag
finden wir in einer Urkunde des Erzbischofs Willigis von Mainz
vom 28. April 976 noch einen besondern Bischof von Mähren als
Suffragan von Mainz ^). Bezüglich des Zeitpunktes der Erhebung
Adalberts zum Bischof widerspricht sich Kosmas selbst, da er I 24
die Weihe des ersten Bischofs Thietmar schon ins Jahr 967 und
dessen Tod auf den 2. Jan. 969 setzt und angibt, dass ihm
Adalbert noch im nämlichen Jahre gefolgt sei , dann aber c. 26
nach der Vita S. Adalberti c. 8 anführt , dass Adalbert auf dem
Reichstage zu Verona von Kaiser Otto II. bestätigt und vom Bischof
Willigis geweiht worden sei (983)*). Nach Lelewel wurde
die Fälschung veranlasst durch die Translation der Gebeine des
hl. Adalbert von Gnesen nach Prag im Jahre 1038 , und muss
bald nach diesem Ereignis entstanden sein ^).
Wenn aber auch die Heinrich IV. im Jahre 1086 vorgezeigte
Stiftungsurkunde zweifellos eine Fälschung ist, die den Zweck
^) Cosmae Prag. Chronica Boemorum II 37 bei Pertz, SS. IX
p. 91 ff.
2) Vgl. Dümmler, Piligrim von Passau 1854 S. 174. Lelewel,
Narody na ziemiach Slav. S. 711 , citiert bei Dudik, Mährens Ge-
schichte I 314 f.
3) Vgl. Köpke-Dümmler, Otto d. Gr. S. 503 Anm. 2. Wilh.
Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit I^ 847.
*) Wollte man die Echtheit der Urkunde dennoch verteidigen,
so müsste man annehmen, dass sie vom Herzog Boleslaw II. für Adalbert
ausgestellt und von Otto II. zu Verona im J. 983 und zur selben Zeit
auch von Benedikt VII. bestätigt worden wäre. Aber wie wollte man
erklären, dass man Heinrich IV. gegenüber die Urkunde für eine solche
Ottos I. ausgeben konnte ?
^) Lelewel, Geographie du Moyen-Age III 149.
;[36 J- Marquart
hatte, die Ansprüche der Bischöfe von Prag auf Mähren und
Krakau zur Geltung zu bringen , welche durch die frühere
Missionsthätigkeit der böhmischen Geistlichkeit in jenen Gebieten
beoründet waren, und demnach für die alten Grenzen des Prager
Bistums wertlos ist, so verdient sie doch Beachtung als eine
nicht zu unterschätzende Quelle für die Kenntnis der politischen
Grenzen des böhmischen Reiches in der zweiten Hälfte des
10. Jhs. Diese sind es in der That, welche von der Urkunde
vorausgesetzt wei'den. Allerdings ist die Komposition dieser
Grenzbeschreibung keineswegs frei von Anstössen. Da das ganze
Reich Boleslaws I. später vom Polenherzog Boleslaw dem Kühnen
erobert und die ausserhalb Böhmens gelegenen Teile desselben
von diesem dauernd behauptet wurden, so ist von vornherein die
Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass der Fälscher seine Kunde
einer Aufzählung der von jenem Fürsten den Böhmen entrissenen
Provinzen verdankte. Diese Vermutung wird durch den Text
der Grenzbeschreibung in der Tat bestätigt. Zuerst werden die
Grenzgaue im Westen und Nordwesten des eigentlichen Böhmen
angegeben. Dann heisst es: Deinde ab aquilonali hü sunt termini :
Psovane, Ghrowati et altera Chrowati, Slasane (Schlesien am
Zobtenberg), Trebowane^), Bobrane (am Bober), Dedosane (zwischen
Oder und Bober)-) usque ad mediam silvam , qua Milcianorum
occurrunt termini. Inde ad orientem hos fluvios habet terminos:
Bug scilicet et Ztir"') cum Cracova civitate provinciaque cui Vag
■nomen est, cum Omnibus regionibus ad praedictam urbem perti-
nentibus , quae Cracova est. Inde Ungarorum limitibus additis
usque ad montes, quibus nomen est Tritri (Tatra), dilatata procedit.
Deinde in ea parte , quae meridiem respicit , addita regione
Moravia usque ad fluvium cui nomen est Wag, et ad mediam
silvam cui nomen est Moure *), et eiusdem montis, eadem parrochia
tendit, qua Bavaria liminatur.
Wahrscheinlich wollte der Verfasser der Urkunde mit den
Stämmen bezw. Landschaften , welche er an der Nordgrenze auf-
zählt, die auswärtigen Besitzungen Böhmens an der Oder be-
zeichnen , welche ihm nach dem Einfalle Bretislaws in Polen im
J. 1038 und dessen Kriegen mit dem deutschen König Heinrich III.
(1039 — 1041) geblieben waren ^). Allein man macht alsbald die
überraschende Beobachtung, dass die Aufzählung, soweit die
^) Schafarik II 598 sucht ihre Sitze iu der Niederlausitz, in
der Gegend der Stadt Tretaula, Triebel.
■') Schafarik IT 406.
ä) Nicht der Styr, welcher iu den Frypct mündet, sondern der
Stryj, ein Nebenfluss des Dnjestr.
*) Damit kann unmöglich das Matragebirge gemeint sein. Es
handelt sich ja um die Südwestgrenze des böhmischen Gebiets gegen
Bayern, während die Südosigrenzc durch die Wag gebildet wird.
5) Vgl. Lelewel 1. 1. p. 150.
Osteuropäischo und ostasiatische Streifzüge. 137
Namen klar sind, der Oder entlang vonSü dost nach Nordwest
fortschreitet. Ebenso beginnt die Beschreibung der Ostgrenze
ganz im äussersten Osten, ohne sich im geringsten an das zuletzt
aufgeführte Gebiet der Nordgrenze anzuschliessen. Daraus ergibt
sich mit Bestimmtheit, dass in der ursprünglichen Quelle die
Grenzbeschreibung mit dem Osten begann und sich dann nach
Nordwesten fortsetzte. Dann müssen aber auch die Landschaften
Psovane und die beiden Chrowati mindestens an der obern Oder
und Weichsel bis in die Nähe von Krakau , und zum Teil noch
östlicher, gesucht werden; die Psovane haben also mit der von
Kosmas I 18 erwähnten Burg Psov in Böhmen nichts zu thun.
Andrerseits ist die Provinz Wag^), die sich südlich bis Gran und
Agria (Egör) erstreckte , neben Krakau unter die Gebiete der
Ostgrenze anstatt unter die der Südgrenze gestellt , weil sie von
Boleslaw dem Kühnen zwischen 999 u.nd 1000 den Cechen end-
giltig entrissen wurde und zuerst eine Provinz Polens bildete,
dann nach Boleslaws Tode (1025) von König Stephan dem Heiligen
von Ungarn besetzt wurde.
Es ist nun nicht mehr allzuschwer zu erkennen , dass die
^) Lelewel 1. 1. p. 151 setzt dieses Gebiet mit der Rnzsia
provincia gleich, nach welcher Miseco, der Nachfolger Boleslaws des
Kühnen, seinen Bruder Otto vertrieb (Wiponis vita Chuonradi impera-
toris c. 9, 29 ed. Pertz; Script, rer. German. p. 46. 60). Schon
Röpell, Gesch. Polens I 165 Anm. 3 suchte jene Provinz Euzzia
in Ungarn und Hess den Otto , welchen er mit dem von einer un-
garischen Prinzessin gebornen Besprim (Thietmar IV 58) gleichsetzte,
obwohl Thietmar beide genau auseinanderhält, bei König Stephan dem
Heiligen Zuflucht suchen. Des letztern Sohn Emerich führt in den
Hildesheimer Annalen a. 1031 (bei Pertz , SS. IH 98) den Titel dtix
Ruizorum. Vgl. bereits Palacky I 269 N. 77. An Röpell schliesst
sich auch Schiemann, Russland, Polen und Livland bis ins 17. Jahr-
hundert Bd. I 405 N. 2 an. Harry Bresslau, Jahrbücher des
Deutschen Reiches unter Konrad II. Bd. I 101 N. 1 führt zu gunsten
jener Ansicht insbesondere auch Adam von Bremen II 51 an, wo die
Söhne Eadmunds von England ,in Ruzziam exilio dampnati" sind,
während wir sie in Ungarn antreffen, und verweist auf Lap p enberg.
Engl. Gesch. I 463. Freeman, History of the Norman Conquest I 455.
Nach Lelewel hätte jene Provinz ihren Namen von Überresten der
Regier, welche sich hier noch erhalten hätten (baierische Zollverordnung
um 904 in Leges Portorii ed. Merkel, Leg. t. III 480). Giesebrecht,
Deutsche Kaiserzeit 11^ 259, versteht unter Ruzzia dagegen Russland
und lässt Otto zum Grossfürsten Jaroslaw von Kiew fliehen, der nach
der russischen Chronik im J. 1031 mit seinem Bruder Mstislaw gegen
die Lechen zog und ihnen die cerwenischen Städte wieder entriss.
Jaroslaw siedelte die Gefangenen am Rosflusse an und begann dort
Städte zu erbauen (Chronique dite de Nestor c. LIII p. 127 trad. par
Leger). Die Chronologie der Chronik ist hier unzuverlässig, da sie
auch den Tod Boleslaws erst ins Jahr 1030 setzt, und wahrscheinlich
hat auch jener Zug Jaroslaws gegen die Lechen mehrere Jahre früher
stattgefunden. Gegen die Deutung von Ruzzia als Russland spricht
aber hauptsächlich die Bezeichnung provincia, welche Wipo an der
ersten Stelle gebraucht.
138 J- Marquart,
jetzt bei der Nordgrenze aufgeführten Landschaften in der Quelle
unter die zu Krakau gehörigen Gebiete gestellt waren und vom
Verfasser der Urkunde ungeschickt von denselben getrennt worden
sind. Als ursprünglichen Text erhalten wir demnach etwa: Ad
orientem hos fluvios habet terminos: Bug scilicet et Ztir cum
Cracova civitate , cum omnibus regionibus ad praedictam urbem
pertinentibus : Psovane, Ghrowati et altera Chrowati, Slasane. . . .
Inde (a Cracova) in ea parte, quae meridiem respicit, Ungarorum
limitibus provinciaque cui Vag nomen est additis usque ad montes,
quibus nomen est Tritri, dilatata procedit. Deinde addita regione
Moravia usque ad fluvium cui nomen est Wag, et ad mediam
silvam cui nomen est Moure
Nach dieser Wiederherstellung ergibt sich, dass die Psovane
in den äussersten Osten des Gebiets von Krakau , in die Nähe
des Bug und Stryj zu setzen sind. Ich glaube nicht fehlzugehen
mit der Annahme, dass diese Landschaft mit der Provinz »Ijj-v-
Sübära bei Idrisl II 381 identisch ist, deren Hauptstadt ^^^.^
d. i., wie wir sehen werden, Przemysl genannt wird. » Ij^ wäre
also ein Schreibfehler für Kibj-Xi, Lelewel^) erblickt in
Sübära den Namen des Kreises Sninhor , was aber schon lautlich
schlecht passt. An die Psovane schliesst sich, sei es nördlich
oder westlich, die östliche Abteilung der Chrowati und west-
lich von diesen folgen die Chrowati mit der Hauptstadt Krakau.
Die Südostgrenze umfasste nicht allein Mähren, sondern auch
die ganze Slowakei in Ungarn, zwischen der Donau und den
Karpaten, östlich bis zum Matragebirge hin. Die Erwerbung
des letztern Gebijetes wird z. T. noch von Spitignew geschehen
sein, indem die Cechen sich mit den Ungarn verbanden und sich
mit ihnen in die mährische Beute teilten, wobei ihnen der west-
liche Teil des eigentlichen Mähren zufiel. Der grössere Teil
dieser Eroberungen im Karpatengebiet wird aber erst durch
Boleslaw erfolgt sein, und zwar mit Genehmigung der Ungarn,
mit denen er in Bündnis stand.
In einer Ansprache an seinen Sohn Boleslaw III. , welche
Kosmas dem sterbenden Boleslaw II. in den Mund legt , nimmt
dieser allerdings die Erwerbung von Krakau als sein Verdienst
in Anspruch : Talibus enim ne(iuam artibus (durch Münzfälschung)
et per legum insolentiam coangustabunt huius regni terminos, quos
ego dilatavi usque ad montes, qui sunt ultra Krakov nomine
Triti (Tatra), per Dei gratiam et populi oppulentiam 2). Allein
offenbar hat Kosmas dies lediglich aus der genannten Urkunde
erschlossen, wie sich aus dem folgenden Kaiiitel ergibt: Hie
gloriorissimus dux secundus Boleslaus, vere et hodie haud
^) Geogr. du Moyen-Age III 166.
2) Cosmae Prag. Chron. 1 33 bei Pertz , SS. IX 55.
Osteuropäische und ostasiatisehe Slreifzüge. 139
plangendus satis , cuius memoria in benedictione est , in quantum
ampliando dilataverit ferro sui terminos ducatus , apostolica
testatur auctoritas in privilegio eiusdem Pratensis
episcopatus. Dass der wilde Boleslaw, der Mörder des hl.
Wenzeslaw , auch etwas Gutes geschaffen habe, konnte man nicht
zugeben , und so wurden seine Thaten ohne weiteres auf seinen
frommen Sohn übertragen.. Nachdem der Herzog Boleslaw I. im
Jahre 950 von Otto d. Gr. zur Unterwerfung und zur Heeresfolge
gezwungen worden war, sah er sich wohl genötigt, seine Ver-
bindungen mit den Ungarn zn lösen. Jedenfalls führte er im
J. 955 sein Kontingent zum deutschen Heere, und nach der Ent-
scheidungsschlacht auf dem Lechfelde wurde der ungarische
Anführer Lehel von ihm in einem besondern Treffen überwunden
und gefangen genommen ^). Auch in der Schlacht an der Raxa
gegen die Abodriten focht ein böhmisches Hilfskorps auf Seite
der Deutschen. Boleslaw wird den Sieg über die Magyaren auf
dem Lechfelde nicht ungenützt haben verstreichen lassen, und
vielleicht fällt in diese Zeit die Eroberung des mährischen Gebietes
bis zur Wag.
Boleslaw ü. wusste das Reich seines Vaters in vollem Umfange
zu behaupten. Mit seinem Nachbar, dem mächtigen Grossfürsten
von Kiew, scheinen gute Beziehungen unterhalten worden zu sein :
Wladimir hatte schon vor seiner Taufe (988) zwei ^echische
Frauen geheiratet^). Allerdings erzählt die russische Chronik
von einem Kriegszuge des Grossfürsten Wladimir gegen die Chor-
waten im J. 993'^). Allein unter Boleslaw HL sank Böhmen rasch
von seiner Höhe herab, und kaum war der alte Boleslaw gestorben
(999), so rückte der unternehmende Polenherzog Boleslaw Chrabry
ins Chorwatenland ein und belagerte dessen Hauptstadt Krakau,
deren Besatzung vom böhmischen Boleslaw aus Geiz ohne Unter-
stützung gelassen , endlich der Übei-macht erlag. Krakau wurde
von nun an der Hauptsitz der polnischen Macht, der Fall dieser
Stadt zog aber auch den Verlust nicht bloss aller im Norden der
Karpaten gelegenen Städte und Besitzungen nach sich, sondern
auch den von ganz Mähren und der Slowakei. Damit war das
Chorwatenreich Boleslaws I. aufgelöst, ja im Jahre 1003 gelang
es dem Polenherzog sogar, auch die Herrschaft über Böhmen zu
erlangen und durch l^/g Jahre blieb Prag seine Residenz*^).
Wenn wir nun auch Mas'üdls Chorwätin unzweifelhaft mit
den Belochorwaten an der Weichsel gleichzusetzen haben , so
scheint es doch, dass er selbst sie mit den illyrischen Chrowaten
zusammenareworfen hat. Jedenfalls führen uns die gleich nach
1) Köpke-Dümmler, Otto d. Gr. 256. 261.
2) Nestor, c. XXXVIII p. 64/65 trad. par Leger.
^) Nestor, c. XLV p. 101 trad. par Leger.
*) Palacky, Gesch. von Böhmen 1248 ff. Hirsch, Jahrbücher
des Deutscheu Reichs unter Heinrich II. Bd. I 231 f. 251 ff. 316 ff.
140 J- Marquart,
ihnen genannten yvjL^ly sicher an die untere Donau. In diesem
Stamm haben wir nämlich offenbar die Branicewci zu erkennen,
eine Völkerschaft, die von der alten serbischen Stadt Branicewo
ihren Namen hatte, welche auf beiden Seiten der Mlawa an ihrer
Einmündung in die Donau lag, da wo sich heutzutage die Ruinen
Brani^ewac und Kostolac befinden i). Schon Charmoy p. 385
hat an diese Gleichung gedacht, dieselbe aber mit Unrecht zu
gunsten anderer Hypothesen preisgegeben. In der Geschichte treten
die Branicewci zuerst beim Aufstande des Slowenenfürsten Ljudewit
in den Jahren 822 und 824 auf, und zwar unter der Namensform
Praedenecenti. Einhard bezeugt ausdrücklich, dass sie mit ihrem
eigentlichen Stammnamen Abodriti hiessen , beim sog. baierischen
Geographen werden sie Osterabtrezi genannt-). Im Verlaufe des
Krieges der Franken gegen Ljudewit schüttelten sie die bulgarische
Herrschaft ab. Im Jahre 822 erschien eine Gesandtschaft der-
selben bei Ludwig dem Frommen in Frankfurt, um diesem zu
huldigen. Späterhin mussten sie aber ohne Zweifel die bulgarische
Oberhoheit wieder anerkennen"^); doch werden sie in den deutschen
Annalen fürder nicht mehr erwähnt. IdrTsT schreibt den Namen
der Stadt LäAv^jL\iy5 (so 1.) = BQavLt^oßa, in einem andern Itinerar
(w.J».i i\ offenbar nach einer fränkischen Form*). Seit der Ver-
nichtung des bulgarischen Reiches durch die Romäer im Jahre 1018
geriet auch das Gebiet von Branißewo unter byzantinische
Herrschaft und wird seitdem als , Herzogtum" bezeichnet. Wahr-
scheinlich geht der Name der Branicähm gleich den Nachrichten
Mas'udi's über die Sorben und Moräwa, wenn auch nicht unmittel-
bar, auf eine Quelle des 9. Jahrhunderts zui-ück.
Dann wird es aber schon von vornherein höchst unwahr-
scheinlich, dass uns die zwischen (fächln und Branicäbin genannten
yvjLxi,i> CJiusänln (auch yvjL^.i>, yviLA:>- u. a,. ist möglich)
plötzlich weit nach Norden entführen und wir in ihnen die
Kaschuben an der baltischen Küste, im eigenen Dialekt Kaszebi^),
zu erkennen haben sollten. Auch an die Chizzini oder Kyzini,
die von der Recknitz bis zur Warnow wohnten") und als deren
slawischen Namen Schafarik II 579 Chyzane oder Kysone
vermutet, ist nicht zu denken. Wir werden besser thun, wenn
wir methodisch vorgehen und uns zunächst im Süden umsehen,
und da bietet sich ungesucht eine Völkerschaft, die vollkommen
1) Vgl. Zeil SS, Die Deutschen und ihre Nachbarstämmc 614 f.
Schafarik TT 208 f.
") Annal. regni Francorum a. 824. 8. o. ö. 117 N. 1.
3) S. 0. S. 117.
*) IdrTsi trad. par Jaubert II 377. 378. 382—385. Vgl. Toma-
sch ek, Zur K;unde der Häiniishalbinsel TT. SBWA. 113,1886,
S. 298. 370 f.
>■') Schafarik TT 408 f.
•*) Vgl. Wigger, Mecklenburgische Annalen S. 117.
Osteuropäische und ostasiatische Streifziige. 141
in den Zusamineuhang passt, die Guduscani. Im Jahre S 18
erschienen vor Kaiser Ludwig dem Frommen in Heristal legati
Abodritorum ac Bornae ducis Guduscanorum et Timocianorum,
qui nuper a Bulgarorum societate desciverant et ad nostros fines
se contulerant. Wie bereits Zeuss und Dum ml er bemerkt
haben, ist hinter Guduscanorum zu interpungieren, und der Genitiv
Timocianorum nicht von ducis, sondern von legati abhängig zu
denken. Boren war dux Dalmaciae oder dux Dalmaciae
atque Liburniae, d. h. Hei'zog der dalmatischen Chrowaten
und hatte die Guduskaner erst jüngst unterworfen ^j. In dem
Kriege gegen den abgefallenen Ljudewit leistete er den Franken
kräftigen Beistand, ward aber im Jahre 819 in einer Schlacht
an der Kulpa von den Guduskanern im Stiche gelassen und erlitt
eine Niederlage. Doch gelang es ihm noch im selben Jahre die
Guduskaner wieder zu unterwerfen'^).
Die Guduskaner waren also noch kurz vor 818 eine selbst-
stündige Völkerschaft. Schafarik II 210 setzte diesen Stamm
nach Kucewo oder Kucajewo^ wie das Ländchen am Kuöajgebirge,
südlich von Brani^ewo hiess , während Zeuss ihn mit Gottschee
in Verbindung bringen wollte-^). Dumm 1er-*) dagegen denkt an
die chorwatische Zupa Povr ^t^kcc bei Konstantin. Porphyrog. de
admin. imp. c. 30 p. 145 , 10 , die mit Litza und Kribasa unter
einem Bane stand, „also vielleicht damals dem Grosszupan noch
nicht gehorchte". Gutzika ist nach Schafarik II 296 das
beutige Gefilde Gacko mit den Flüssen Gacka und Gastica, die
sich bei der Stadt Oto^ka vereinigen. Wie auch diese ver
schiedenen .Namensformen, welche ein Ethnikon Gucicane voraus-
setzen lassen, mit Einhards Guduscani lautlich zu vereinigen sein
mögen : dass mit Mas'üdis (j%.iL^x3> derselbe Stamm gemeint ist,
wird man mindestens als sehr wahrscheinlich anerkennen müssen ^),
und ich lese daher (jN.iL/ii^ Gussänln d. i. ^Gtucbcanim für *Guci-
canim. Der Name hat , wie früher bemerkt wurde , die Form
eines slawischen Ethnikons im Singular. Dieser Stamm bildet mit
•) Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme 614 (mir
gegenwärtig nicht zugänglich). Ernst Dümmler, Über die älteste
Geschichte der Slawen in Dalmatien. SBWA. XX, 1856, S. 388 N. 3.
2) Aunales regni Francorum a. 819, ed. Kurze p. 151.
2) Die Deutscheu und die Nachbarstämme 590.
■*) Dümmler, Über die südöstlichen Marken des fränkischen
Reiches unter den Karolingern. Archiv für Kunde Österreich. Geschichts-
Quellen Bd. X, 1853, S. 25 N. 5 Ders., Über die älteste Geschiebe
der Slawen in Dalmatien. SBWA. Bd. XX S. 388 N. 3. 375.
5) Wie ich nachträglich sehe, hat schon Lelewel, Geogr. du
Moyen-Age III 48 die Identität der ^^iL^Xi> mit den Guduscani
Einhards erkannt. Vgl. auch p. 103 s.
][42 J- Marquart,
den Branißäbln eine geschlossene Gruppe, die auf eine Quelle aus
der ersten Hälfte des 9. Jhs. zurückweist.
Einen besondern, von dem vorhergehenden abweichenden
Charakter trägt der folgende Abschnitt. Als terminus post quem
für die Quelle desselben ergibt sich zunächst die Festsetzung der
Magyaren (y5y:Ji) in der Theissebene.
Da von den drei aufgeführten Gebieten die Identifikation
des ersten die meisten Schwierigkeiten bietet, so versparen wir
dasselbe bis zuletzt und beginnen mit dem zweiten Fürstentum.
Der Name desselben ist unzweifelhaft t.s.j\ al-Firay herzustellen,
und darin kann nur der Name der böhmischen Hauptstadt Prag
gesucht werden, lat. Praga, bei Ibrähim b. Ja'qüb ^cl.5, aber in dem
in altrussischen Menaeen erhaltenen altslowenischen Kanon auf den
Wenzelstag prag^ ^). Als Name eines Gebiets erscheint Prag auch
bei Ibrähim b. Ja'qüb neben »^j^ und Krakau. Dieses Fürsten-
tum tritt uns bereits als ein bedeutendes Staatswesen mit
blühendem Ackerbau und ansehnlicher Militärmacht entgegen.
Die überlieferte Lesart der Handschriften ^^i! „Franken" ist
natürlich widersinnig, da es ja unmittelbar darauf von dem
Fürsten dieses Staates heisst, dass er die Franken bekriege ; ebenso
unbefriedigend ist die auch von der Pariser Ausgabe in den Text
gesetzte Konjektur Charmoy's (p. 393), ^\y^\ al-Awänc, was
eine Abkürzung von Wenceslaw sein soll. Unter den Franken ist
hier natürlich das ostfränkische Reich zu verstehen, welchem wir
bereits im ersten Teile des Berichtes unter der slawischen Be-
zeichnung Mv^s^Li begegnet sind. Dass die böhmischen Fürsten
auch nach ihrer Unterw^erfung im J. 895 öfters mit den Deutscheu
im Kriege lagen, dürfte man annehmen, auch wenn es nicht
bezeugt wäre, dass sie im J. 915 mit den Ungarn vereinigt in
Sachsen einbrachen und König Heinrich I. im Jahre 929 den
Herzog Wenceslaw mit Waffengewalt zur Unterwerfung zwingen
musste. Allein die hohe Vorstellung , welche der Verfasser von
der Macht dieses Staates zeigt, passt nicht zu den Verhältnissen
unter Spitignew und seinen beiden Nachfolgern Wratislaw und
Wenceslaw , wohl aber auf die Regierung Boleslaws I. , welcher
alsbald nach dem Tode Heinrichs I. die deutsche Oberhoheit ab-
schüttelte, die gegen ihn ausgesandten deutschen Truppen schlug
und vierzehn Jahre lang seine Unabhängigkeit siegreich behauptete.
Dieser Bericht ist also offenbar jünger als die Nachricht von
Wenceslaw, dem König der Döläba.
Dass der König von Prag auch gegen die Romäer Krieg
führen soll, spricht nicht gegen obige Erklärung; denn ^^J\ ist
1) W. Vondrak, Zur Würdigung der altsloweuischen Wenzels-
legende S. 28. SßWA. Bd. 127, 1892, Nr. XIII.
Osteuropüisclae und ostasiatisehe Streifzüge. 143
bei Mas'üdl wie bei den spauisch-ai-abischeu Historikern ein sehr weiter
Begritf, der auch die christlichen Völker Westeuropas umfasste und
hier das Reich Ottos I. bezeichnet. Das römische Kaisertum deutscher
Nation war zwar seit Arnulfs Tode (899) noch nicht wieder erneuert
worden , aber die Erinnerung an dasselbe war nicht erloschen
und wurde unter Otto d. Gr. neu belebt. Dagegen wäre es
ein ganz unerklärlicher Irrtum, wenn Mas'üdi's Gewährsmann mit
dem dritten der vom König von Firay bekriegten Völker wirklich,
wie man seit Charmoy angenommen hat, die Langobarden
(j.xllÄJi an-Nükubard) d. i. das Königreich Italien gemeint
hätte, mit dem doch die Fürsten von Böhmen weder damals noch
später in kriegerische Verwicklungen kommen konnten. Wenn
auch dem arabischen Vielschreiber selbst nach unsern bisherigen
Erfahrungen eine derartige Verwirrung sehr wohl zuzutrauen wäre,
so können wir eine solche unmöglich für seine Quelle zugeben.
Es scheinen deshalb auch bereits Charmoy Bedenken gegen
jene Gleichung aufgestiegen zu sein, weshalb er nach Fr ahn 's
Vorgang^) zweifelnd an Nowgorod (!) dachte. Allein die Hand-
schriften weisen auf ao J».xji an-Nükarda als ursprüngliche Lesart,
worin wir bereits früher (S. 67) eine alte Verderbnis von
öJ-Ti^Ji al-Bazkarda bezw. neup. »0_i -i: Bazgm'da, einer Variante
des Magyarennamens erkannt haben. Wie vorzüglich dies in den
Zusammenhang passt, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.
Seitdem die Cechen nach dem Untergange des mährischen Reiches
um 906 die unmittelbaren Nachbarn der Magyaren geworden
waren, hatten ohne Zweifel auch sie gleich den übrig-en umliegenden
^) Fr ahn, Ibn-Foszlan's und anderer Araber Berichte über die
Russen älterer Zeit S. 46f. Fr ahn teilt hier die Nachricht über die
vier Walandar-Horden (oben S. 61 ff.) nach Ibn al Ward! mit und ver-
knüpft damit eine Notiz üeguignes' über die Nukard (Notices et
Extraits I p. 27 not.) aus Mas'udl's Goldwäschereien. Es handelt sich
hier um die Beschreibung der Langobarden (J.>.5»^!) im 36. Kapitel
(t. m 76 — 78 der Pariser Ausgabe), die aber von Deguignes sehr
fehlerhaft wiedergegeben ist. Aus dem Titel der lombardischen Fürsten
y**..^iJ>! ((j^ivAJt dux^ macht er den Namen der Hauptstadt, aus der
Bemerkung ^^UjL> J,^ ^xläc y^ \^JL^,» ,und ein mächtiger Fluss
durchströmt sie (die Residenzstadt), und sie besteht aus zwei Seiten' (d. h.
sie liegt zu beiden Seiten des Flusses) liest er den Namen des Flusses
Dgiainan (^L;~jL:5-) heraus. Der Text Mas'ödi's stand Frähu noch
nicht zur Verfügung.
Mas'udi lässt die Langobarden gleich den Franken , Slawen,
Spaniern u. a. von Japheth abstammen (III 66). Ob er sie in der
That mit den bOJi^Ü d. i. den Magyaren zusammengeworfen und so die
Lesart 8 0J».>ül selbst veranlasst hat, lässt sich, soviel ich sehe, nicht
mit Sicherheit erkennen, ich halte es indessen sehr wohl für möglich.
]^44 J- Marquart,
Völkern unter deren Einfällen zu leiden, wenn auch die gleich-
zeitige Geschichte, wde Palacky^) mit Recht bemerkt, ihre Züge
nach oder über Böhmen nicht angemerkt hat. Dass sie einmal
(im J. 915) als Bundesgenossen der Magyaren bei einem Einfall in
Sachsen genannt werden und später Boleslaw I. mit ihren Fürsten
in freundschaftlichem Verhältnis stand, kann dagegen nichts be-
weisen.
Wir können jetzt bereits konstantieren, dass der Bericht des
Mas'udi über die Slawen nicht einheitlich, sondern aus ver-
schiedenen Quellen zusammengesetzt ist. Die Deutschen erscheinen
unter dem slawischen Namen yv-:s?Li und dem altern Namen
Franken, byz. ^Qccyyoi, der böhmische ^ Staat ist sogar dreimal
vertreten : als sS^^j (Dudlebi), ^J^.i>LAD (Cechen) und ^^sl\ (Prag).
Dies wird noch weiter bestätigt durch die Bemerkungen über
das letzte Slawenvolk, die s^y^\ Turk. Unter diesem sind unzweifel-
haft , wie bereits L e 1 e w e 1 -) gesehen hat , die Tovqkoi der
Byzantiner d. h. die Magyaren gemeint. Unter demselben Namen
kennt sie schon der Bericht des Gaihänl über die Burgän (Donau-
Bulgaren) =^) , sowie später der Jude Ibrahim b. Ja'qüb*). Wie
dieser bezeichnet auch Mas'üdi die Turk als Nachbarn von
Böhmen, das mährische Reich war also bereits vernichtet und
Böhmen eine Monarchie. Sehr merkwürdig ist die Bezeichnung
der Magyaren als des schönsten Slawenstammes, die sich auch
bei GurdezT d. i. Gaihäni findet °), wogegen die gleichzeitigen
westeuropäischen Chronisten nicht müde werden, die Hässlichkeit
und Abscheulichkeit des Steppenvolkes in den abschi'eckendsten
Farben zu schildern'*). Es ist undenkbar, dass der Weiberraub,
den die magyarischen Horden unter den von ihren Raubzügen
betrofienen westeuropäischen Kultuniationen im umfangreichsten
Massstabe betrieben, schon nach kaum zwei Generationen eine
solche Umbildung des körperlichen Habitus zu Stande gebracht
haben sollte, dass der finnisch-ugrische Typus ganz zurücktrat.
Da sich aber der Bericht des Gui'dezi d. i. des Gaihänl über die
Magyaren dm-chweg auf deren alte Sitze im untern Dongebiet
und an der Maiotis bezieht und derselbe wahrscheinlich aus
Muslim b. Abu Muslim (um 845) stammt, so gilt seine Be-
schreibung der Magyaren bereits für die Zeit vor der Auswanderung
derselben nach Atelkuzu (um 860) und nach Pannonien (890).
Dann erklärt sich aber die von GurdezI und Mas'üdi überein -
1) Geschichte Böhmens I 216.
•-) Geogr. du Moyen-Age 111 49. Vgl. Kuuik und Roseu,
Izvestija al-Bekrl Ö. 109 f.
^) Bekrl 0.45,20; s. o. S. 30.
•*) Bekrl S. 35, 1. 3.
^) Bei Barthold S. 98, 2. v. u. Kuuu a. a. 0. S. 36, 6/7.
«) Vgl. Dümmler, Gesch. des ostfränk. Kelches 11448.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 145
stimmend hervorgehobene Schönheit der Magyaren hinlänglich durch
die jahrhundertelange Vermischung mit den benachbarten iranischen
Alanen sowie mit den Cerkessen (Kasak). Den Weiberraub haben
die Magyaren nicht erst seit ihrer Niederlassung im Theissgebiet,
sondern schon in ihrer alten Heimat am untern Don im grossen
Stile betrieben. Eine Erinnerung an diese ehemalige Beimischung
alanischen Blutes hat ja noch die ungarische Volkssage bewahrt,
wenn sie die Ungarn von zwei Töchtern des Alanenfürsten Dula
abstammen lässt, welche die Brüder Hunor und Mogor, die
Stammväter der Magyaren , in der Nähe der Maiotis geraubt
hatten 1). Auch in ihren religiösen Vorstellungen müssen die
Magyaren einst von einem iranischen Volke beeinflusst worden
sein 2). Auf alte Beziehungen der Ungarn zu den Cerkessen weist
aber die auffallende Sympathie hin, welche diese für die Ungarn
haben. Erckert sagt darüber, ohne an den Bericht Ibn Rusta's
zu denken: „Sie wurzelt in der Überzeugung einer Stammes-
gemeinschaft oder fräheren Nachbarschaft" ^).
Die Schilderung des ersten Füi-stentums ^jlXÜ ad-D'ir, dessen
Hauptstadt augenscheinlich ein bedeutender Handelsplatz war
und von muslimischen Kaufleuten aufgesucht wui-de, erinnert
ohne weiteres an die Beschreibung von Prag oder Krakau bei
Ibrä.hTm b. Ja'qüb*). Offenbar ist ad-Dir das erste, dem Mas'üdi
bezw. seinem Gewährsmann bekannte slawische Reich von Osten
an gerechnet , und es können daher , soviel ich sehe , nur zwei
Staaten in Betracht kommen: Krakau oder Kiew. Wenn wir
sicher wüssten, ob Krakau d. h. das Land der Belochrowaten
bis zur Eroberung durch Boleslaw I. von Böhmen noch seine
eigenen Fürsten gehabt hat, so würde ich unbedenklich für diese
Gleichsetzung eintreten, wofür ja auch die Nachbarschaft des
Fürstentums Prag und der Magyaren laut genug spricht, obwohl
ich den Namen _jjJ! noch nicht erklären kann. Doch wäre auch
möglich, dass es sachlich mit der im Berichte des Ibn Eusta und
GurdezT über die Slawen (nach GaihänT) genannten Stadt w^-ol^
bezw. si>Myj|o zusammenfällt, welche im Beginne des Gebietes
^) Simon de Keza, Gesta Hungarorum IlbeiFlorianus, Historiae
Hungar. fontes domestici. Scriptores vol. 11 p. 55/56. Chronicon pict.
Vindob. c. II ib. p. 104/5.
2) Vgl. Vämb^ry, Der Ursprung der Magyaren S. 344ff. , ein
Werk, das freilich mit grosser Vorsicht zu benutzen ist, da der Ver-
fasser z. B. S. 359 ganz naiv das, was Theophylakt von den Türk
berichtet, ohne weiteres auf die Magyaren überträgt, worin ihm
natürlich Eugen Csuday, Gesch. der Ungarn, sowie Geza Kuun,
Relat. Hungarorum cum Oriente hist. antiquiss. 1 23 getreulich gefolgt sind.
*) R. V. Erckert, Die Völker des Kaukasus S. 103.
*) Kunik und Rosen, Izvestija al-Bekri S. 85, Iff.
Marquart, Streifzüge. -^^
^^Q J. Marquart,
der Slawen iCjLiLöit 3^^ JJi»! ^ liegt i) und von der unten
weiter die Eede sein wird.
Was den König der Walinjänä i^:>.\^ Mägak (oder ^^^\^
Mächak) betrifft, der ehemals alle Slawenstämme unter seiner
Herrschaft vereinigt haben soll, so erkenne ich an, dass Harkavy
von dem richtigen Gefühle geleitet gewesen ist, dass das Ende
seiner Herrschaft mit dem Aufkommen der Awarenmacht in Zu-
sammenhang stehen muss. Allein wenn er in Mägak den vom
romäischen General Priskos im Jahre 593 bei einem nächtlichen
Überfall am Flusse Paspirios nördlich von der Donau gefangen
genommenen Slawenfürsten {qi]'^ Movacamog^) erkennen will-'),
so kann ich ihm nicht beistimmen. Schon die Namensformen
entsprechen sich sehr wenig: Movöoomog wird von den Slawisten
durch slaw. Muzok erklärt. Noch weniger aber passt die Sach-
lage: Die Slawen, um welche es sich hier handelt, sassen in
Dakien; unter dem Flusse Paspirios vermutet Schafarik den
heutigen Buzlu, einen südlichen Nebenfluss des Seret. Die
politischen Verhältnisse dieser Slawen sind nicht ganz klar. Sie
stehen mit den Romäem in Feindschaft und führen mit ihnen
auf eigene Faust Krieg, waren also nicht unmittelbare Unter-
thanen des Awarenchagans. Doch beanspruchte dieser die Ober-
hoheit über ihr Land*). Wenn sie aber auch eine gev/isse
Unabhängigkeit bewahrten, so haben sie doch keine grössere
politische Macht besessen, die sich auch über andere Stämme
erstreckt hätte.
Mägak war nach Mas'üdl König der üL-oLJj Walinjänä (so
lese ich für LiUJ»)> worin ich mit Charmoy und Schafarik^)
nur die Wolynjane, Welynjane erblicken kann. Diese hatten
ihren Namen von der ehemaligen Stadt Wolyn zwischen Wladimir
und Lemberg, Ihr älterer Name war Buzane „Anwohner des
Buc" ^). Aus der russischen Chronik erfahren wir aber, dass am
Bug, „da wo jetzt die Wolynjane sind", ursprünglich die Duleby
sassen, ein altes slawisches Volk, welches einst von den Awaren
unterworfen und geknechtet worden war'). Über den Zeitpunkt
1) Ihn Rusta Ifi^, 8. GurdezT bei Bart hold a.a.O. S. 99,1
c>.>jÄi(3, nach Geza Kuuu, Keleti Kütfök S. 36, 12, der eine Ab-
schrift S ach au 's benutzt, ci*.>^*J5o.
2) Theophyl. Sim. 6, 9. Vgl. de Mural t, Essay de Chronographie
byzant. I 254. Schafarik II 157.
3) Travaux de la Ille session du Congr^s international des
orientalistes. St. Pt^tersbourg 1876 t. II p. 335 ss.
*) Theophyl. Sim. VI 6. 11.
5) Charmoy p. 381. Schafarik II 121.
8) Nestor c. 7 p. 8 trad. par L. Lege r.
') Nestor c. 9. 8.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 147
der Unterjochung der Dulebi hat schon Schaf arik (II 60)
richtig vermutet, dass dieselbe zur Zeit des Einfalls der Awaren
in Ungarn (563) erfolgt sei. Meine Ansicht geht nun dahin, dass
Mas'üdi's Quelle mit ihrem slawischen Urvolk ÜLvÜj die Duleby
am Bug unter ihrem neuen Namen Wolynjane meint. Das Ende
der ehemaligen Vorherrschaft dieses Stammes über die andern
slawischen Stämme würde dann mit ihrer Unterjochung durch die
Awaren (Obri) zusammenfallen.
Nun gibt es in der That ein slawisches Volk, welches den
Awaren anfänglich mannhaften Widerstand entgegensetzte, und
nach dessen Bewältigung diesen erst der Weg nach Ungarn völlig
offen stand: die Anten. Ich habe jüngst wahrscheinlich zu
machen gesucht, dass dieselben auf Veranlassung Justinians ihre
früheren Sitze zwischen Dnjestr und Dnjepr aufgaben und sich
als Bundesgenossen der Römer im alten Dakien ansiedelten. Auch
späterhin finden wir sie als treue Bundesgenossen der Römer
gegen die Awaren und die mit diesen verbündeten Slowenen i).
Unter den Häuptlingen der Anten ragte damals am meisten
Me^ä^riQog , der Sohn des 'löaQiti'Og und Bruder des KeXaydarrjg
hervor, von welchem sein grimmigster Feind, der Kutriguren-
häuptling sagt: ovTog 6 ccvriQ fisylörfjv zGoti 7tSQißsßkr}tai 6vva(ii,v
iv "Avrccig, olog re TticpvKS %axa x&v oncoGovv avxa TtoXsfiLCOv
ccvxirdrreöd'cci^). Nachdem die Awaren diesen Fürsten, als er
als Gesandter seines Volkes zu ihnen gekommen war, völkerrechts-
widrig ermordet hatten, ergossen sich die Raubscharen der wilden
Horden erst recht über das Gebiet des unglücklichen Volkes. _
Ich habe gezeigt, dass auch die bulgarische Fürstenliste
eine Erinnerung an diese Ereignisse bewahrt hat, und die
hervorragende Stellung des Me^d^riQog und seines Bruders Ksla-
ydöxtig und ihre Herrschaft über die dortigen Unugundur-
Bulgaren dadurch anerkennt, dass sie dieselben als Oostun'^) und
Bezmer in die Reihe der bulgarischen Fürsten einstellt. Ich
glaube nun, dass der Antenfürst Mezamer auch Mas'üdi's
Slawenkönig ^.^^Ia zu Grunde liegt, und die Sitze der Anten
sich vor ihrer Unterjochung durch die Awaren vom Dnjestr und
Seret bis zum Bug erstreckten, wenn die Anten nicht vielmehr
später aus dem Gebiete des Dnjestr nach dem Bug zurückgedrängt
wurden. Dann wäre Mägak nur ein Hypokoristikon zu Mezamer,
gebildet wie Leszek, Leszko, Misaco zu Mistislaw etc.*).
^) S. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 78 f. 82.
Johannes von Ephesos bei Gregor Barhebraeus ed. Bruns und Kirsch
S. 95, 6 ff. Theophyl. Sim. 8, 5, 13.
2) Menander Prot. fr. 6.
3) Ein Hypokoristikon, gebildet wie Rad-un, Bog-un, Jar-un. Vgl.
Kunik, IzvSstija al-Bekri S. 102.
*) Vgl. Kunik, Izvestija al-Bekri S. 97.
10*
J48 J- Marquart,
Auf die gleiche Vorstellung, dass das Gebiet des Bug der
gemeinsame Herd des Slawentums sei, führt auch die Notiz beim
sog. baierischen Geographen : Zeriuani , quod tantum est regnum,
ut ex eo cunctae gentes Sclauorum exorte sint et originem, sicut
affirmant , ducant. Man hat diese Zerivani fälschlich für Weiss-
sei'ben erklärt, wogegen aber schon die Schreibung Einspruch
erhebt. Gemeint ist vielmehr das Land der ^erwenischen
Städte, das als strittiges Grenzgebiet in der älteren polnisch-
russischen Geschichte eine grosse Rolle spielt. Es ist benannt
nach der Stadt Cerwen (wörtlich: rot), nach Leger dem heutigen
Dorfe Czerwonogrod im Kreise Czartkow in Galizien. Im Jahre 981
zog der Grossfürst Wladimir gegen die Lechen und entriss ihnen
die Städte Premysl, Crbwen und andere, , welche noch heute
Russland unterworfen sind"; im J. 1018 gewann Boleslaw Chrabry
die Städte des Landes Cerwensk zurück, nach seinem Tode zogen
aber Jaroslaw von Kiew und Mistislaw von Tmutorokan mit
grossem Heere gegen die Lechen und eroberten die .Städte des
Landes Cerwensk. Nach der russischen Chronik waren also diese
Städte ursprünglich lechisch d. i. chorwatisch. Welche politische
Stellung sie während der böhmischen Herrschaft über das
Chorwatenland einnahmen, lässt sich nicht erkennen, aber dass
hier seit alters die Grenze des russischen und lechischen Volkstums
gewesen ist, darauf deutet in der That Vieles hin.
Sehr unglücklich ist H a r k a v y ' s Einfall , in ÜLaäJ^ die
Wlachen in der Moldau und Walachei suchen zu wollen-^). Weit
ansprechender wäre es , an die Bewohner der Insel Wolin,
Julinum oder Winetha zu denken*).
Der Bericht des Mas'üdl kann sich an Bedeutung mit dem
auf Autopsie beruhenden des Reisenden Ibrähim b. Ja'qüb freilich
nicht messen , zumal er , wie wir gesehen , eine Kompilation aus
verschiedenen, zeitlich z. T. auseinanderliegenden Quellen darstellt.
Immerhin bildet er aber bei dem Mangel sonstiger gleichzeitiger
Quellen einen schätzenswerten Beitrag zu unserer Kenntnis der
politischen Verhältnisse in den slawischen Ländern an der Ost-
grenze des deutschen Reiches unter König Heinrich I. und in der
ersten Zeit Otto's I. , der um so höher anzuschlagen ist , als er
1) Vgl. Schafarik II 371 N. 4. Chronique dite de Nestor trad.
par Leger p. 378.
2) Nestor c. XXXVIII p. 66. L p. 12L LXXX p. 127.
^) Sur un passage des Prairies d'or de Ma^oudi concernant
rhistoire ancienne des Slaves. Travaux de la Ille session du CoDgr^s
international des Orientalistes. II p. 341.
*) Charmoy p. 381. Vgl. de Goeje, Een belangrijk arabisch
bericht over de slawische volken omstreeks 965 n. Chr. Verslagen
en mededeelingen der K. Akad. van Wetenschappen.. Afdeel. Letter-
kunde. 2<Je reeks. IX, 2 Amsterdam 1880 S. 191. — Über die Woliner
Schafarik II 575flf.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge, 149
von einem Zeitgenossen herrührt und die Verhältnisse von einem
unabhängigen Standpunkte aus darstellt.
[Unsere Analyse des Berichts Mas'üdi's über die Slawen
wäre indessen unvollständig , wenn wir nicht auch zugleich seine
Schilderang der Buryar II 15 — 18 einer kritischen Untersuchung
unterziehen würden. Dieselbe lautet in Übersetzung folgender-
massen :
A „Am Oberlaufe des Chazarenflusses ist ein Ausfluss (von
Gewässern), der mit einer Bucht des Pontosmeeres in Ver-
bindung steht, d. i. dem Meere der Rös; niemand ausser ihnen
befährt es. Sie wohnen an einer seiner Küsten, und es
ist ein mächtiges Volk, das keinem König gehorcht, noch einem
Religionsgesetz. *Die Rös haben in ihrem Lande ein Silberbergwerk,
ähnlich dem Silberbergwerk von Panghlr im Lande Choräsän^).
Es gibt unter ihnen Kaufleute , die den König der Buryar
besuchen und die Stadt der Buryar, [die am Gestade der Maiotis
liegt]. Ich denke aber, dass sie im 7. Klima wohnen. Sie sind
ein türkisches Volk. Es gehen ununterbrochen Karawanen von
ihnen nach Chwärizm in Choräsän und von Chwärizm zu ihnen.
Jedoch geht dies durch andere nomadische Türkenstämme, so dass
die Karawanen von ihnen (durch eine Eskorte) beschützt werden
müssen. Der zu unserer Zeit, d. i. im Jahre 322 (943/44)
regierende König der Buryar ist ein Muslim, der in den Tagen
des al Muqtadir billäh nach dem Jahre 310 (922/23) den Islam
angenommen hat wegen eines Traumes, den er hatte. Ein Sohn
von ihm hat die Pilgerfahrt gemacht und ist nach Baydäd gelangt
und al Muqtadir hat ihm eine Fahne , ein schwarzes Galakleid
und Geld mitgegeben^). Sie haben eine Hauptmoschee.
B Dieser König macht Raubzüge gegen das Gebiet von
^) Dieser Satz ist im vorliegenden Text an falsche Stelle geraten.
Über die Silberminen von Panghlr vgl. Ist. ^a. ^ 4 — 5. t*AA , 7 — 9. Ibn
Hauq. rCv , 14. t^fl , 12—14. ("t^v, 2—3. Moq. t^t^ , 9-10. t^H , 8.
2) So die alte Leidener Hs. 537 a p. 163: sLJ .lAÄüi! &.xa ^^*,
;^J!. Die Verleihung eines solchen Staatskleides in den Farben der
'Abbasiden an fremde Fürsten hatte eine ähnliche Bedeutung wie bei
uns die Verleihung von Orden oder noch besser die Ernennung aus-
wärtiger Souveräne oder Prinzen zu Chefs von Regimentern aus Anlass
ihres Besuchs an fremden Fürstenhöfen (deGoeje). Natürlich schloss
die arabische Höflichkeitsform zugleich die Anerkennung einer, wenn
auch oft nur formellen , Lehnsabhängigkeit des so Geehrten vom
Chalifat in sich. — Die Pariser Ausgabe liest .(AÄä^JU für .lXXäI!
und übersetzt demgemäss: Un de ses fils a fait le pelerinage, et . . .
il a offert au khalife un etendard etc., offenbar ganz sinnwidrig.
]^50 '^* Marquart,
Konstantinopel mit gegen 50 000 Reitern und darüber^), und
lässt seine Raubscharen sieb rings um dasselbe zerstreuen nach
dem Gebiete von Rom , Andalus , dem Lande Burgän (Burgund),
der Gallegos und Franken 2). Von ihm bis nach K. P. hat man
nahezu zwei Monate ununterbrochen durch kultivierte Gegenden
und Wüsten zu reisen. Als die Muslime vom Gebiete von Tarsus
in der syrischen Militärgrenze aus unter dem Befehl des Emirs
der Grenzfestungen, des Eunuchen ©amal mit dem Beinamen ad
Dulaft auf syrischen und ba9rischen Schiffen, die er bei sich hatte ^),
im J. 312 einen Raubzug machten und den Eingang des Kanals
von K. P. und den Eingang eines andern Kanals des Romäermeeres,
der keinen Ausgang hat*), passiert hatten und zum Lande KjiAäs
(Venedig, BEveticc) gelangt waren, kam zu ihnen ^) zu Lande eine
Schar von Buryar, um ihnen zu helfen, und erzählte ihnen, dass
ihr König in der Nähe sei. Dies führt darauf, was wir aus-
geführt haben, dass die Streifscharen der Buryar das Romäermeer
erreichen. Einige Männer von ihnen hatten die Schiffe von
Tarsus bestiegen, die sie ins Land von Tarsus brachten. Die
Buryar sind ein mächtiges Volk, unzugänglich, von gewaltiger
Tapferkeit, denen die benachbarten Völker unterworfen sind^')-
1) Vgl. II 60, 4: y^^Ls U>.1\ {j^^ er y^' i5 ^^^^ (^jLmö
2) Text: |j*J^^!3 '»^»ij ^^^ ^j^^ ^ir'y^ oljLiil q-Äj^
iJi '>.^S^\») ä.äJ^.^3, (4-=r'j^ Ü^j3 • ^*°2 ähnlich S. 64 , 6 von den
Walandar-HoräeTi: ^pLli- c^J^^aJ'! lAS ^LjiAJ! \j^I'S ^^ ol^LiJl [j-i^Äj
^W KäJ^II^ ii^y^^ ^^^1 jjJti
^) Text: ^Jl ^^^Jlj (_^x/iUiJ| v^L;^ CT* *^^ r)^^ Cr3i*
Hier steckt auf jeden Fall ein Fehler. Man hat entweder zu lesen
^Jl ^\S Uj oder v-^lyo (3.
4) Das adriatische Meer.
5) Text: ^LjI^, lies ^LjI.
*) Text: oLäÄJ y^UJl BiAjuX-ä K*xa/o x^aIoc »-*! j^j^^»)
gJ! f^-^l er ?j3^ er r^-^'. Vgl. il bS-. ^^ . . . ^y ^J ^\
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 151
Ein Reiter von ihnen [von denen die mit jenem König den Islam
angenommen haben] besteht 100 und 200 Reiter der Ungläubigen.
Die Einwohner von K. P. erwehren sich ihrer gegenwärtig nur
durch ihre Mauer, und ebenso erwehren sich ihrer alle, welche
in jenem Himmelsstrich wohnen, nur durch Burgen und Mauern. ||
A Die Nacht ist im Lande der Buryar in einem Teil des Jahres
äusserst kurz. Es gibt Leute unter ihnen die behaupten, dass
man bei ihnen nicht mit dem Garkochen des Kochtopfes fertig
werde , ehe der Morgen kommt. [Wir haben in unsern frühern
Schriften die Ursache dieser Erscheinung aus der sphärischen
Beschaffenheit (der Erde) erklärt, und auch, warum in der
Polargegend die Nacht sechs Monate ohne Unterbrechung dauert,
ohne einen Tag dazwischen, und der Tag sechs Monate ohne
Unterbrechung , ohne eine Nacht dazwischen. Die Astronomen
erklären in ihren Tafeln die Ursache dieser Erscheinung aus der
sphärischen Beschaffenheit.] "
Ich habe in der Übersetzung die eigenen Zusätze des Mas'üdi
in eckige Klammern gesetzt, so dass die Komposition des Berichtes
ohne weiteres klar wird. Er gibt zuerst eine Erzählung über die
Wolga-Bulgaren (jC-j) ihren Handel und ihre Bekehrung
zum Islam wieder, schiebt dann aber zwischen dieselbe eine
^ o -
Schilderung der Magyaren f ^'ij) ein.
Der Anfang dieses Berichtes wird einigermaassen verständlich,
wenn man weiss, dass Mas'üdi derjenigen Ansicht folgt, welche
den Pontos und die Maiotis als ein Meer rechnete'). Die Maiotis
liegt nach ihm an der Nordgrenze der bewohnten Welt, und zum
Teil sogar noch unter dem Nordpol. In ihrer Nähe liegt die
Stadt Thule (&,aJ».j^ hinter der es kein bewohntes Land mehr
gibt^). Mas'üdi scheint nun einen Zusammenhang der Maiotis
mit dem nördlichen Ozean angenommen zu haben. Anders wird
seine Äusserung I 364 f. kaum verstanden werden können. Er
spricht hier von den Magüs (Normannen) , welche vor dem
Jahre 300 an den spanischen Küsten erschienen waren •^), und
iLyOj, O^aJ ^^♦.g.jLLc. ^)sM3.X^^ . . , \\iiyJU (j*Lj»| K,xÄv« ^»löj -Alaff»"^
1) Groldwäschereien I 273. Vgl. Kitäb at tanbih 1v , 6.
2) Kitäb-attanbih 1a, Iff.
s) Vgl. Ja'qübl, Geogr. t^öf, 13 ff. a. 229 H. Fr ahn, Bulletin
scientif. de l'Acad. de St. Petersbourg t. IV, 1838, p. 131 ss. bes. 137 s.
Dozy, Recherches sur Thistoire et la litteratiire de l'Espagne pendant
le Moyen-Äge H^ (1860) p. 275—300.
]^52 J- Marquart,
verzeichnet die Meinung der Spanier, dass diese Feinde alle
200 Jahre bei ihnen erschienen und dass sie ihr Land durch
einen Meeresarm erreichten, der aus dem Ozean herkomme und
nicht mit dem Kanal zu verwechseln sei, an welchem die ehernen
Leuchttürme ständen (d. i. der Strasse von Gibraltar) i). „Ich
glaube aber" , fährt er fort — „doch Gott weiss es am besten
— dass dieser Meeresarm mit der Maiotis und dem Pontos in
Verbindung steht , und dass jenes Volk die Rös sind , die wir
an einer früheren Stelle dieses Buches erwähnt haben , da niemand
diese Meere, welche mit dem Ozean in Verbindung stehen, durch-
quert ausser ihnen*. Westberg S. 133 hat scharfsinnig
erkannt, dass der Nachricht von jenem Meeresarm eine dunkle
Kunde von der Ostsee zu Grunde liegen müsse, und auch unter
dem „Meer der Eos" III 18 , an dessen einer Küste dieses Volk
wohnte, kein anderes Meer als die Ostsee verstanden werden
könne. Mas'üdi hatte also eine Kunde von den Hauptsitzen der
Normannen in Skandinavien, war jedoch nicht im stände, dieselbe
mit seinen anderweitigen Nachrichten über das Auftreten der
Rös auf dem Schwarzen und Kaspischen Meere zusammenzureimen.
So sehen wir, dass er anderwärts das Meer der Buryar, Rös,
Pa^na , Pagnäk und Bagyard mit dem Pontos gleichsetzt (I 262).
Der Ausdruck J.-w«a/i, eigentlich Ausfluss, Mündung eines
oder mehrerer Flüsse, ist auf den ersten Anblick nicht ganz
leicht zu erklären; er wird jedoch verständlich, sobald man sich
vergegenwärtigt, dass die Quelle des Berichtes erklären will, wie
die Rös nach der Stadt Bulyär an der Kama gelangten. Zu Grunde
liegt eine dunkle Kunde von dem wolok zwischen dem Ilmensee
und den Wolgaquellen, dem schmalen und niedrigen Landrücken
der Waldaüöhe, über welchen die Kähne aus dem einen in den
andern Fluss geschleppt wurden 2). Diese Kentnis ist nun in die
Vorstellung gekleidet, dass es im Quellgebiet der Wolga eine
Stelle gebe , wo mehrere Gewässer aus verschiedenen Richtungen
sich sammeln (der Ilmensee), die dann (durch den Wolchow, den
Ladoga-See und die Newa) mit der Ostsee in Verbindung stehen ^5).
Mas'udT selbst hat freilich seine Quelle nicht verstanden, wie sein
Zusatz beweist, dass die Stadt der Buryar an der Maiotis liege.
Diese Angabe hängt allerdings mit seiner Anschauung von der
Erstreckung der Maiotis bis in den hohen Norden zusammen, ist
aber daraus allein nicht zu erklären. II 7 sagt er: „Die Stadt
1) Vgl. über dieselbe Kitäb at tanblh 11 , 1 if. Goldwäschereien
I 257—259. Dozy 1. 1. 327 ss. LXXXIX ss.
2) S. u. S. 155.
') Vgl. übrigens auch die kuriose Beschreibung des Oxus- und
Gangeslaufes bei Julius Honorius, Cosmographia c. 7. 8 (Alex. Riese,
Geogr. lat. min. p. 27 s.).
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 153
Itil besteht aus drei Teilen, welche ein grosser Strom teilt, der
aus den obersten Türkenländern herabkommt und von dem sich
ein Arm nach dem Lande der Buryar zu abzweigt und in die
Maiotis mündet".
Die Vorstellung, dass ein Arm der Wolga in die Maiotis
münde, geht in letzter Linie auf eine falsche Lesart bei Ptole-
maios zurück, welche schon Ps. Moses Chorenac'i in seiner Be-
schreibung des Laufs der Wolga (ed. Soukry S. 26) ganz
ähnlich aufgefasst hat. Ich will diese ganz hersetzen: „Und nachher
sind auf der Ostseite des keraunischen Gebirges angesiedelt die
Amazonen, kriegerische Frauen, bis zum Flusse, welcher Ra^)
(Pu) heisst, welcher doppelt (in zwei Armen) entspringt im Norden
des unbekannten Landes; und sie vereinigen sich, und in die
Nähe der hippischen Berge gelangt, entsendet (der vereinigte
Strom) einen Arm zum Flusse Tanais 2), welcher in den Maiotissee
hinabströmt •^). Der andere aber kehrt nach Osten zurück bis
gegenüber den keraunischen Bergen. Nachher kommen zwei
andere Flüsse von der östlichen Seite, aus dem Gebirge des
1) So lies für Ira.
2) Text: t S"'^'^^" t^'""J^ lies ^ S* t^'"'
3) Ptol. 5, 8 p. 347, 25ff. ed. Wilberg und GrashofF:
"E(?Tt d^ xai kxiqa xov 'P& itoray-ov iitL6TQ0(pT] (vulgo ixßoli]),
■nlri6iätov6a rrj rov TavdiSog jtoTaftoi), ns V '^«'«»S i^h^i ^oiQug
ÖS vt-
vnhQ rjv ßvfißccXXovai ävo nora^ol Qwvtsg &nb rmv'TTteQßoQsicov oQeav
Kai 7} fi-ev Tjys av^ßoXfjg &£6ig iTt^xsi (loipag o& vr\ 4'
cd 8^ Ttriyal rov ^ihv övriHwregov avrcbv iTti^ovei iio'iQag o |a
xov Sh ccvaxoXiKcoxiQOv /, |a.
Die östlichen Quellen des Rha werden auch 6, 14 p. 426, 27 erwähnt.
Aus der Lesart der Vulgata i^ßolrj für iTticxQocpri erklärt sich die
Auffassung des armenischen Geographen.
Die pseudo-ptolemäische Annahme, dass ein Arm der Wolga in
die Maiotis münde, liegt auch der von einer Karte abgelesenen
Schilderung des alten Bulgarenlandes bei Theophanes Chronogr. p. 356,
20 ff. zu Grunde: iv 8^ xolg aQv.xwoig TtsgariKoig iiigsGi xov Evßsivov
Tfövxov, iv X7} Uyoyiivr) MaimxiSi li[iv7i, dg r)v eiadyexaL noraiibg \iiyi6zog
ccTto xov oi-nsavov Kax'acpsQÖiisvog Sia xfjg xäv UaQiiccx&v yrjg,^ Xsyoimvog
"AxeX , iig ov dcäy^xai 6 Isya^isvog Tuvaig noxccjibg kuI avxbg cnto x&y
'IßriQicov TtvXäv i^£p;(d(xfvos xwv iv xolg KuvKaeioig oqbgiv, ccnb 8h xf]g
^li^scog xov Täva'C v.al xov "AxsX (ävco&sv xfjg TtQoXi%!&d6r\g Maicoxi8og
XiiLvr\g 6ii^o[Livov xov "AxiX) iQXSxai 6 Xsyöyavog Kovtpig Ttoxa^iog , kcci
cnto8i8si dg xb xiXog xfig IIovxiv.fig Q'aXäaayig TtXriaiov x&v Nhv.QoniqXav
dg xb aKQCoiLu xb Xsyö^svov Kqlov Tlgöamnov kxX. Den Tanais hess
schon der Namensvetter des Byzantiners, Theophanes von Mitylene,
auf dem Kaukasus entspringen; vgl. Strab. la 2, 2 p. 493: oi jihv vni-
Xaßov xkg nr\yag i^siv uvxbv iv xolg KavxuaioLg ogset-, itoXvv 8 iv^xQ'ivxa
int xccg aQv.xovg ilx ävaGXQiipavxa i-ußäXXmv slg xrjv MaiätXLV xovxoig
8h 6iio8o^£l Kul 08O(pccvj]g 6 MLXvXr]valog. Es liegt hier offenbar eine
Vermischung des Don mit dem Terek vor.
154 J- Marquart,
Nordens, das Rimika {'PvfifjLiKcc oQrj) heisst^), und bilden jenen
70 armigen-), den die T'urk'k' den Strom At'l nennen. In dessen
Mitte ist eine Insel, auf welche der Stamm der BasiW sich begibt
und sich vor dem mächtigen Volke der Chazirk'' und Buichk''
befestigt, — welche, nachdem sie gegen Ost und West geweidet
haben, dahin ins Winterlager (qyslaq) gekommen sind — und
die sie „schwarze Insel" nennen-^). Denn wegen der Menge
des Volkes der Basilk' , der dorthin gekommenen Menschen
und Tiere , scheint sie schwarz. Diese nennt Ptiomeos Insel
G'P'av*). Und die Arme des Flusses At'l, nachdem sie die
Insel passiert haben , vereinigen sich abermals und gelangen ins
Kaspische Meer, indem sie Sarmatia und das Land Skythia
trennen."
Am nächsten läge es, in den Buryar an der Maiotis die
Bulgaren am Kuban zu sehen. Diese werden allerdings noch
von Rabbi Chisdai in seinem Briefe an den Chazarenfürsten an
der Maiotis wohnend gedacht^). Auch die ungarische Chronik
hat eine Erinnerung daran bewahrt, dass die Bulgaren gleich den
Alanen an der Maiotis einst die Nachbarn der Magyaren gewesen
waren. Nachdem sie erzählt hat, wie die beiden Brüder Hunor
und Mogor, die Söhne des Jagdriesen Nemroth, sich an der
Maiotis wegen des Reichtums der dortigen Gegend an Wild und
Fischen niedergelassen hatten , fährt sie fort : Paludes autem
Meotidas adeuntes annis V immobiliter permanserunt. Anno
ergo VI exeuntes in deserto loco sine maribus in tabernaculis
permanentes uxores ac pueros filiorum Belar^) casu repererunt,
quos cum rebus eorum in paludes Meotidas cursu celeri deduxerunt ').
Ich glaube nicht, das diese Stelle lediglich aus einer Kombination
von Jordanis Get. c. 4 § 29, 5 § 36—37 und c. 24 § 122—128 ent-
standen ist; wenigstens der Name der Bulgaren (Belar) als ehemaliger
^) Ptol. 6, 14 p. 425, 28 sagt nur: xkI ra 'Pvfi^iKc:, . . . &q>' wv
Qsovaiv 0 TS 'Pv^iiog %a.l aXXoi riveg, oi idv sig rbv ^P& notaybov ixßäX-
iovTsg, ol dh cv^ßäXlovrsg rm /iaCtii TTOTßjxra.
=*) Vgl. meine Chronologie der alttürk. Inschriften S. 89 Anm. 2
und die russische Chronik, übs. von L. Leger c. IV p. 5.
2) Also türkisch Qara Ataq. Es ist die Insel gemeint, welche durch
die Wolga und die bei Zarizyn von ihr sich abzweigende Achtuba ge-
bildet wird.
*) Soukry übersetzt Ile de Corbeaux, indem er die Text-
lesart %n-tuL. stillschweigend in U,^«-«"'- emendiert. Allein eine Insel
Kögai, an der Rhamündung finde ich bei Ptolemaios nicht.
ß) S. 0. S. 134.
<*) Chron. Vindob. pict. Bereka , Chron. Dubn. Berela. Beide
fügen hinzu: cum festum tube colerent, et coreas ducerent, ad sonitum
simphonie.
') Simon de Keza, Gesta Hungarorum I 1 bei Florianus, Hist.
Hungaricae fontes domestici II 55. Chronicon Vindob. pictum c. II
bei Florianus 1. 1. II 104/5. Chron, Dubnicense c. 2 bei Florianus
1. 1. III 6.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 155
Nachbarn der Magyaren, so wie der des Alanenfürsten Dula (oben
S. 145) muss der magyarischen Volkssage entstammen. Allem dieses
Zeugnis führt uns für die Fortexistenz der Bulgaren am Kuban nicht
weiter herab als bis zur Auswanderung der Magyaren aus Lebedia
(um 860). Da jene Bulgaren aber späterhin völlig verschollen,
d. h. in den Chazaren aufgegangen sind, so wird man mit Recht
Bedenken tragen, Chisdais Zeugnis als ein vollwichtiges zeit-
genössisches für die Mitte des 10. Jhs. gelten zu lassen. Der
Name wird ihm wohl nur aus der Literatur bekannt gewesen sein.
Um so weniger wird man geneigt sein, bei Mas'udI eine
ganz alleinstehende Kunde von jenem Volke, das seine selbst-
ständige politische Bedeutung schon seit dem Ende des 7. Jhs.
verloren hatte, vorauszusetzen. Ich glaube vielmehr, dass seine
^ j an der Maiotis auf die Magyaren J^--^^ zu beziehen sind und
aus einer altern QueUe stammen, welche dieselben noch in ihren
alten Sitzen vor ihrer Auswanderung nach Atelkuzu kannte.
Dafür spricht meines Erachtens besonders der Salto mortale
unseres Weltbummlers, die Handelsstadt Bulyär (an der Kama)
an die Maiotis zu versetzen. Dies vermag ich nur so zu erklären,
dass seine Quelle von der Hafenstadt -^ an der Maiotis sprach,
in welcher die J^---i die erbeuteten Kriegsgefangenen verkauften i),
was Mas'üdi dann höchst unglücklich mit der Handelsstadt der
.t j an der obem Wolga kombinierte. Weiterhin hat er dann
die auf einer falschen Lesart bei Ptolemaios beruhende Vor-
stellung von einem in die Maiotis mündenden Arm der Wolga
verquickt mit Nachrichten über den grossen Wasserweg von der
Ostsee durch die Newa, den Ladogasee und den Wolchow zum
Ilmensee, aus diesem in die Msta, und von dieser über den
Wolok in die Twerca^), die bei Twer in die Wolga mündet,
und von da auf der Wolga hinab nach Bulyär. Mehr als bei
irgend einem andern Schriftsteller ist es also, wie man sieht, bei
Mas'üdi nötig, seine Berichte bis ins einzelste in ihre Bestandteile
zu zerlegen, ehe man daran gehen kann, sie erklären und für die
Geschichte und Ethnographie verwerten zu wollen.
Abgesehen von seinem eignen Zusatz über die Lage der
Hauptstadt der Buryar bezieht sich nun der ganze übrige, von
mir mit A bezeichnete Bericht auf die Wolga-Bulgaren und
berührt sich sehr nahe mit dem Reisebericht Ihn Fadlän's, der
von Erahn herausgegeben und erläutert worden ist^). Diesem
1) Ihn Rusta "ift , 8 f.
2) Heute verbindet ein Kanal die Msta mit der Twerca. Vgl.
Klaproth, Reise in den Kaukasus I 93.
3) Fr ahn, Die ältesten arabischen Nachrichten über die Wolga-
Bulgaren aus Ihn Foszlans Reiseberichte. Mem, de l'Acad. de St. Pöters-
bourg VIe Sör. 1. 1, 1832, p. 527-577.
j^5ß J. Marquart,
ist auch das Beispiel entlehnt, durch welches die Kürze der
nordischen Sommernächte veranschaulicht werden soll ^).
Der mit B bezeichnete Bericht dagegen, welcher ganz
mechanisch zwischen den vorigen eingeschoben worden ist, handelt
nicht etwa von den Donau-Bulgaren, wie man zunächst meinen
könnte, sondern von den Magyaren {y^}i). Allerdings haben
die Bulgaren unter dem gewaltigen Garen Symeon (893 — 927),
dem neuen Krum, wiederholt die romäische Hauptstadt selbst
aufs äusserste bedrängt, und das Reich an den Rand des Abgrunds
gebracht. Gerade im Jahre 923 hatte Symeon den Krieg durch
die Belagerung von Konstantinopel erneuert, und um sich eine
Flotte zu verschaffen, unterhandelte er mit Fadlün, dem fati-
midischen Chalifen von Qairuwän , wegen eines Bündnisses, das
nur dadurch vereitelt wurde, dass die Griechen die arabischen
Gesandten auf dem Meere gefangen nahmen. Im Jahre 924
ward Adrianopel durch Hunger zur Ergebung gezwungen, und
am 9. September musste Kaiser Romanos Lekapenos, der Schwieger-
vater und Mitregent Konstantins VH., sich zu einer persönlichen Zu-
sammenkunft mit Symeon vor den Toren der Hauptstadt bequemen,
um ihn zum Frieden zu bewegen 2). Symeon beherrschte die
albanesische Küste von Korfu bis an den Drim mit Ausnahme einiger
byzantinisch gebliebenen Seeplätze; der Fürst der südserbischen
Zachlumer, Michael WysewyS (912—926), stand mit ihm in Bündnis,
und mit dessen Unterstützung wurde der Grosszupan der Serben,
Peter, der abermals mit den Byzantinern in Verhandlungen getreten
war, beseitigt, und an dessen Stelle ein neuer Fürst erhoben, der
die bulgarische Oberhoheit anerkennen musste (917). Als dieser
Selbständigkeitsgelüste zeigte und auch der 923 von Symeon
gegen ihn aufgestellte Prätendent Zacharias sofort als treuer
Bundesgenosse der Romäer auftrat und die gegen um gesandten
bulgarischen Heerführer schlug, ward Symeon bei der Wieder-
unterwerfung der Serben mit den Chrowaten in einen Krieg
verwickelt, der kurz vor seinem Tode mit einer völligen Niederlage
der Bulgaren unter ihrem Heerführer Alohogotur (Alp bagatur
,der tapfere Held") endigte (927). Allein nach Venedig sind
die Bulgaren sicher nie gekommen.
Dagegen verheerten in den Jahren 921 und 924 die Magyaren
wiederum Italien. Als sie im J. 921 vor Verona erschienen,
giengen die Grossen der Lombardei eben mit der Absicht um, den
verhassten König Berengar zu vertreiben und Rudolf von Burgund
1) Ibn Fadlän bei Fr ahn a. a. 0. 560, 10. 572. Jäqut ist mir
nichtjzugänglich.
'-) Konst. Jirecek, Gesch. der Bulgaren 168f. Büdinger,
Österreich. Gesch. 372. de Muralt, Essai de Chronographie byz.
I 502. Büdinger a. a. 0. N. 2 sucht das Datum dieses Friedens-
schlusses auf Donnerstag den 9. November 926 festzustellen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 157
ins Land zu rufen. Berengar, der mit den Ungarnfürsten Dursac
und Bugat schon von früher her in freundschaftlichem Verhältnis
stand, Hess diesen nun alsbald entbieten : ut si se amarent, super
inimicos suos iri-uerent. Hi vero , ut erant necis avidi , bellandi
cupidi, a Berengario mox preduce accepto, per ignotas vias a tergo
hos usque adveniunt tantaque illos tunc celeritate confodiunt, ut
nee induendi quidem smnendive arma spatium habere quirent.
Captis igitur cesisque multis, Odelricus palatii comes, qui se
non viriliter defenderat , occiditur , Adelbertus autem marchio et
Gislebertus vivi capiuntur^). Aus Oberitalien streiften sie durch
die ganze Halbinsel und erschienen im Februar 922 in Apulien ^).
Im Jahre 924 erschienen sie auf den Hilferuf des von den
Lombarden bedrohten Berengar unter ihrem Führer Salard aber-
mals in Italien und verbrannten am 12. März die reiche Haupt-
stadt Pavia. Ausführlich erzählt diesen Raubzug Flodoard a. 924
(M. G. SS. in 373): Hungari ductu regis Berengarii, quem Lango-
bardi reppulebant , Italiam depopulantur ; Papiam quoque , urbem
populosissimam atque opulentissimam , igne succendunt, ubi opes
periere innumerabiles ; aecclesiae 44 succensae, urbis ipsius episcopus
cum episcopo Vercellensi, qui secum erat, igne fumoque necatur;
atque ex illa pene innumerabili multitudine ducenti tantum
superfuisse memorantur, qui ex reliquiis urbis incensae, quas
inter cineres legerant, argenti modios octo dederunt Hungaris,
vitam murosque civitatis vacuae redimentes. His expletis, Hungari
per abrupta transeuntes Alpium iuga, veniunt in Galliam. Rodulfus,
Cisalpinae rex Galliae, et Hugo Viennensis Hungaros inter an-
gustias collium Alpinorum claudunt; unde inopinato loco per
devia montis evadentes, Gothiam impetunt; quos insequentes
praedicti duces , sternunt ex eis quos reperire poterant. Interea
Berengarius, Italiae rex, a suis interimitur ^). In der That wurde
Berengar am 7. April 924, also kaum einen Monat nach der Ver-
brennung von Pavia, ermordet. Etwa zwei Jahre später plünderten
^) Liudprandi antapod. II 61 — 63.
2) Chron. S. Benedicti M. G. SS. III 206 : Quarto die staute mense
Februario adventus Ungrorum in Apuliam indictione 10. Ann. Benevent,
a. 922 : Ungarii Italiam intraverunt iam secundo. Flodoard ann. 922
(M. G. SS. III 370) : et Hungari , actione praedicti Berengarii , multis
captis oppidis, Italiam depopulantur. Darauf bezieht sich wohl auch
Lupus Protospatharius a. 920 (M. G. SS. V 53) : introierunt Hungari,
id est Hunni, in Italiam mense Februarii. Das Ereignis ist hier, wie
häufig bei diesem Chronisten, unter ein falsches Jahr gestellt. — Vgl.
R. Rösler, Romanische Studien 174.
^) Vgl. Liudprandi antapod. III 2: Rege Berengario defuncto
atque absente Rodulfo , Hungariorum rabies Salardo preduce totam
per Italiam dilatatur, adeo ut muros Papiensis civitatis vallo circum-
darent, ac defixis per girum tentoriis, exeundi aditum civibus prohiberent.
Qui cum his viribus non resistere possent, peccatis promerentibus , nee
munere mulcent. . . . c. 6: Exusta denique Papia, factaque totam per
Italiam uon modica preda, Hungarii ad propria revertuntur.
158 J- Marquart,
sie das Gebiet von Rom, im J. 937 gelangten sie bis Capua
und Benevent 1). Eine Erinnerung an jenen Raubzug in Italien
unter Salard hat sich sogar noch in der ungarischen Chronik
erhalten, nur dass derselbe hier in die Zeit Attilas projiziert
und mit den Raubzügen nach Unteritalien verbunden ist: Interea
rex Atyla ad Apuliam exercitum suum destinavit, constituens ipsi
exercitui capitaneum Zorard ^) ex tribu Zoard oriundum , qui
quidem Apuliam, Terram laboris et Calabriam usque Regionam
civitatem et Catonam, quam sapiens Cato fundasse dicitur spoliavit,
et cum summa preda revertitur ■^).
Der von Mas'üdl erwähnte Korsarenzug des Emirs ©amal
von Tarsus ins adriatische Meer wird auch von Ibn al A'9'Tr
VIII i.t, 6 kurz berichtet, aber ohne genauere Bezeichnung des
Zieles: ^J-.^ ^\^ ^\ ^*^\ q-. ^äü ^^\ ^s Lai^j! J^ i^cj
v^^Äi! Q^3 (j*L (wäÜ (_5^L^ *.Aiil ^y**) (j*ij o"^! *.-oL*i uj1^Jv.J1
'1-xÄJ L^x,vj ioiaftiU
d. h. „ 0amal unternahm ebenfalls einen Raubzug zur See , und
erbeutete an Gefangenen 1000 Köpfe und an Pferden 8000 Stück
und an Schafen 200 000 Stück, und sehr viel Gold und Silber".
Hier wird die Expedition jedoch nicht ins Jahr 312 (9. April 924
bis 28. März 925), sondern ins Jahr 311 (21. April 923 bis
8. April 924) gesetzt, und es scheint in der That, dass Mas'üdi's
Chronologie hier unrichtig ist. Im ^ü'l qa'da des Jahres 312
(beginnt 29. Jan. 925) befand sich 0amal bei der Pilgerkarawane,
welche von dem Karmaten Abu Tähir auf dem Wege nach
Mekka angegriffen und nach Küfa zurückgetrieben wurde, worauf
dieser Küfa selbst einnahm*). Mas'üdl verlegt dies aber fälschlich
in den ^ul qa'da 313 (18. Jan.— 16. Febr. 926 5). Im Ragab 313
(beginnt 22. September 925), als die zehnte Auswechslung der
Kriegsgefangenen in Lämis stattfand, war ©amal noch nicht wieder
auf seinem Posten**), wohin er erst 314 (19. März 926 — 7. März 927)
1) Bened. ehren, c. 29 (M. G. SS. III 209). Leonis chron. M. Gas.
c. 55 (SS. VII 55).
*) Simon de Keza und Chron. Dubn.: Zoard.
^) Chron. pict. Vindob. c. IX bei Florianus, Hist. Hungar.
fontes domestici II p. 117. Simonis de Keza Gesta Hungarorum
I 4, 13 bei Florianus 1. 1. II 68. Chron. Dubnic. c. 17 bei Florianus
I. I. III 20.
*) 'Arib, Tabarl continuatus ed. de Goeje tTf", 21. Ibn al
A&iT VIII tif j 15. Vgl. Aug. Müller, Der Islam im Morgen- und
Abendlande I 604.
^) Mas'üdl, Kitäb at tanblh CaI, 1—9.
«) Mas'üdl, Kitäb at tanbih IT, 13.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 159
aus Bagdad zurückkehrte^). Nehmen wir also Ihn al A'9'Ir's
Chronologie an, so konnte 0amal sehr wohl Ende des Jahres 923
oder Anfang 924 eine magyarische Abteilung in Venetien an-
treffen, und ihre Angabe, dass ihr König in der Nähe sei, bestätigt
sich vollkommen. Dass diese Magyaren den Arabern ihre Dienste
gegen den gemeinsamen Feind anboten und der Emir eine Anzahl
derselben mit nach Tarsus nahm, ist ebenfalls ganz glaublich. Auf
deren Aussagen gehen offenbar die Nachrichten über die Entfer-
nung ihres Gebietes von Konstantinopel, sowie über ihre unbezwing-
liche Tapferkeit zurück. Ob diese Magyaren sich etwa selbst für
Muslime ausgaben — was bei ihrem religiösen Indifferentismus
(oben S. 120 f.) nicht besonders auffällig wäre — und daraus
Mas'üdi's Irrtum teilweise zu erklären ist oder ob er auf eigne
Faust diese als Freunde der Muslime auftretenden ^i^^j mit den
zwei Jahre zuvor zum Islam bekehrten Wolgabulgaren kombiniert
hat, ist nicht mit Sicherheit festzustellen, aber auch ohne Belang.
Auf die Einfälle der Magyaren durch Bulgarien, dessen Macht
nach Symeons Tod (927) rasch von seiner Höhe herabgesunken
war, ins byzantinische Reich in den Jahren 934 und 943 blickt
der Bericht offenbar bereits zurück, allein noch weniger als bei
der Erzählung über die Einnahme von Walandar ist es uns hier
möglich, zu erkennen, welche Haltung Symeons Nachfolger Peter
den Magyaren gegenüber eingenommen hat 2).
Die auch in der Erzählung über die Walandarhorden wieder-
kehrende Angabe, dass sich die Raubzüge der Magyaren bis zum
Lande der Gallegos und nach Spanien erstrecken, beruht wohl
neben dem oben erörterten Zuge des Jahres 924 hauptsächlich
auf einem von Liudprand, Antapodosis V 19 berichteten Ereignis,
auf das mich Graf Geza Kuun aufmerksam gemacht hat: Hoc
in tempore rex Hugo datis decem nummorum modus pacem cum
Hungariis fecit , quos ab Italia acceptis obsidibus expulit, atque
in Hispaniam dato eis preduce direxit. Quod vero ad Hispaniam
et ad civitatem ipsam in qua rex vester moratur, Cordobam, non
venerunt, haec causa fuit, quoniam triduo per inaquosam et siti
vastam regionem transierunt; putantes itaque equos seseque siti
perituros, preduce sibi ab Hugone concesso morte tenus verberato,
celeriori quam abirent impetu revertuntur. Diese Erzählung
gehört nach dem Zusammenhang etwa ins Jahr 943. Der von
Lupus protospatharius a. 940 erwähnte Zug 3) ist wohl damit
identisch, aber wie häufig bei ihm in ein falsches Jahr gesetzt^).
Ohne Zweifel hat Mas'üdl die Kunde von diesem Zuge aus
1) Ihn al A'^Ir VIII W , 6.
2) Vgl. z. B. Büdinger, Österreich. Gesch. 390 f.
») M. G. SS. V 53 : intraverunt Hungari in Italiam mense Aprilis.
*) Vgl. Köpke-Dümmler, Otto der Grosse S. 130 und Anm. 4.
160 J. Marquart,
spanisch-arabischer Quelle geschöpft. Herr Graf Geza Kuun
hatte die Güte mir noch folgendes mitzuteilen: ,Am Hofe Abd
er-Rahmäns und in seiner Leibgarde befanden sich, nach arabischen
Quellen, auch einige tausend Magyaren. S. Karl Szabö,-
A magyar vezerek Kora (Pest 1860) S. 219—220. Vielleicht
ist Magister Thadeus Ungarus im XII. Jahrhundert in Toledo
Abkömmling eines dieser ungarischen Leibwächter, der die
arabische Übersetzung der (leydXr] ßvvxa'^ig von Gl. Ptolemaeus
im Jahre 1175 revidierte, wie wir es aus dem „codice lauren-
ziano-gadiano XLV. del pluteo LXXXIX superiore " in der Florentiner
„Laurentiana* Bibliothek ersehen können , in welchem wir auf
der letzten Seite folgendes lesen : „Finit liber ptolomei pheludensis
qui graece megaziti. arabice almagesti. latine vocatur vigil
cvira magist ri thadei ungari anno domini millesimo
C'LXXV°. Toleti consumatis (sie!), unus autem arabum quingen-
tessimo (sie !) LXX°. mensis octavi XL die translatus a magistro
girardo cremonensi de ai'abieo in latinum." S. meine Abhandlung:
Adalekole a Keleti nyelnek , irodalmak es utazasok törtenetehez
„Beiträge zur Geschichte der orientalischen Sprachen, Litteraturen
und Reisen" , erschienen im I. Heft des XXVH. Jahrgangs der
theologischen Zeitschrift „Kereszteny Unguetö" („Der christliche
Sämann"), 1892."]
7. Analyse der Berichte des Gaihäni über die Nordländer.
Ahnlich dem Berichte des Mas'üdi enthält auch Gaihäm's
Bericht über die PeSenegen, Chazaren, Magyaren, Slawen etc. bei
Ibn Rusta, Bekrl und Gurdezi Elemente aus Quellen, die zwei
verschiedenen Zeiten angehören. Den Grundstock bildet ein
Bericht aus der ersten Hälfte des 9. Jhs. , welcher die Sitze der
Peßenegen noch zwischen den QypSaq ( 'L^.?») im Norden, den
Chazaren im Südwesten, den Ghuzen im Osten und den Slawen
im Westen kennt i). Das Zeltlager der Pe6enegen erreichte man
am 17. Tage, nachdem man Gurgäng, die Hauptstadt von
Chwärizm verlassen hatte '^), vom Lande der Pe^enegen hatte man
10 Tage bis zu dem der Chazaren 3).
1) Bekrl S. 42, 17/18. GurdezT bei Barthold S. 95, 9.
*) [Friedrich Westberg in seiner mir soeben durch die Güte
des Verfassers zugehenden Abhandhmg: „Beiträge zur Klärung orienta-
lischer Quellen über Osteuropa" S. 2 (Bullet, de l'Acad. imper. de
St. Petersbourg Ve Ser. t. XI Nr. 4 und 5 p. 309) ist ein arges Versehen
passiert , indem er Gurgäng, arab. iyJL>.4^ , türk. Ürgäng , die wohl-
bekannte Hauptstadt Chwärizms und wichtige Handelsmetropole im
Mittelalter, mit der Provinz Gurgän, .L>^:> (Hyrkanien) verwechselt.]
s) Ibu Rusta m, 5. Bekrl S. 43,15. Gurdezi bei Barthold
S. 95, 18.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 161
Die PeSenegen werden wie die Bulgär von den Burdas
(Mordwinen) bekriegt^). Sie hatten daher wahrscheinlich damals
die Wolga und den Don noch nicht überschritten, sondern sassen
noch zwischen dem Aralsee und dem Jajyk.
Die Sitze der Magyaren waren damals noch zwischen den
beiden Flüssen b^O (lies L^ Kuba) und J>.jS ^ die ins Romäer-
meer münden-). Mit letzterem Namen bezeichnen die Araber in
der Regel das Mittelmeer, hier ist aber ohne Zweifel das Schwarze
Meer mit der Maiotis gemeint, für welches die Araber sonst den
griechischen Namen Pontes (j^Läj gebrauchen. Mas'üdT fand
den Namen ^^ J| y^. in älteren geographischen Schriften noch in
letzterem Sinne angewandt. Er sagt nämlich in den Gold-
wäschereien II 45 — 46: „In der Nähe des Königreichs der
Alanen ist ein Volk namens Kasak, die zwischen dem Kaukasus-
gebirge und dem Romäemieer wohnen Diese erwehren
sich der Alanen nur durch Schlösser, die sie am Gestade des
Meeres besitzen. Man streitet sich aber über das Meer an
welchem sie wohnen; die einen nämlich sind der Ansicht, dass es
das Romäermeer sei, und die andern, dass es das, Pontosmeer sei.
Jedoch zur See stehen sie mit den Ländern von Trapezunt in
Beziehungen." Pontos und Maiotis bilden nach Mas'üdi nur ein
Meer'^). Unter jenen beiden Flüssen sind daher, wie wir
früher gesehen haben , wahrscheinlich der Don^ der hier unter
seinem magyarischen Namen Etui erscheint, und der Kuban zu
1) Ihn Rusta \f. , 20. GurdezT a. a. 0. S. 96, 22. Dagegen beruht
Gurdezi's Angabe: (die A^\äs>, jt.^ jjS> und UJ^ä/*) ^ji ».!$ ^j!^
cXää5' ai3jJ^ lXÄa^s n*ijC- \j ^Laj'Lä^.^ (lies l\./.j5 yj*^) lX-oI^^xj
L\;-%jftj3 (Barthold, Otceti, S. 95, 10. Kuun, Keleti Kütfök 15, 3 ff.)
wahrscheinlich auf Missverständnis der arabischen Vorlage. BekrI(Defre-
mery, Journ. as. 1849, 1, 461. Kunik und Rosen S. 43, 1) hat dafür
in demselben Zusammenhange: KAyLiL^VAJ! ^y^ L^xx+> ^^1 ölXPj
jt^^jj,kj^. de Goeje will für ^^3,0 und ^*,j^kj lesen ^j^oL^g-j
und ^j ,.^JCxj. Wahrscheinlich hat aber Gaihäni geschrieben
*^ ..^yKkj*i iü.i'LiL^AJ! ,.)»,j*J »sie ehren die Peßenegen und unter-
nehmen mit ihnen Raubzüge*. Daraus erklären sich sowohl die Lesarten
Bekri's als die falsche Übersetzung Gurdezi's, welcher ..»^^ij las und
j^^i ..^.xij für *..g.>^JlE ..»ij/witj nahm.
^) Gurdezi bei Barthold S. 98, 14. Kuun a. a. 0. S. 84, 5.
3) Murug II 272. Kitäb at tanblh 1v , 6.
Marcmart, Streifziige. 11
\Q2 J- Marquart
verstellen. Auch Ibn Rusta und Mas'üdi lassen den Tanais in
den Pontos münden. Jener schreibt: „In das Pontosnieer mündet
der Fluss, welcher Tanais heisst und aus der Gegend des Nordens
kommt, aus dem See, welcher Maiotis heisst i). Dieser ist ein
grosses Meer, obwohl er See genannt wird, dessen Länge von
West nach Ost 300 Meilen und dessen Breite 100 Meilen beträgt 2).«
Mas'üdi aber drückt sich folgendermassen aus: „In den Pontos
mündet der gewaltige Strom, der Tanais (^^^^jUL) heisst. Dieser
Strom entspringt im Norden , und an ihm wohnen viele von den
Kindern des Jafeth b. Nöh. Er kommt aus einem mächtigen
See im Norden aus Quellen und Bergen; die Länge seines
Laufes beträgt gegen 300 Par. durch fortlaufende angebaute
Länder der Kinder Jafeths , dann durchschneidet er die Maiotis,
wie Leute behaupten, die am meisten in dieser Species bewandert
sind, bis er in das Pontosmeer mündet. Es ist dies ein ge-
waltiger Strom, in welchem es verschiedene Arten von Steinen,
Kräutern \mä Droguen gibt , und eine Anzahl der früheren
Philosophen haben ihn erwähnt. Es gibt Leute, die das Maiotis-
meer See nennen, und seine Länge auf 300 Meilen und seine
Breite auf 100 Meilen ansetzen" ^). Die Bezeichnung ,Romäer-
meer' für das Schwarze Meer erklärt sich vollkommen aus den
politischen Verhältnissen um 840 n. Chr., als die Macht
der Chazaren im Sinken begriffen war und die Romäer ihre
Oberhoheit auf der Krim wieder energischer geltend zu machen
begannen.
Das Gebiet der Magyaren betrug 100 Pars, im Geviert und
reichte von der Grenze der PeSenegen (im 0.) und der Isgil-
Bulgaren (im N.) bis zum Kaukasus und bis zum Romäermeer
in der Nähe eines Hafens des Romäerlandes, namens • y' Karch.
Unter dieser Stadt kann nicht das heutige Kerc verstanden
werden, wie Geza Kuun, Relat. Hungar. 1185 meint, sowohl
wegen der Schreibung • S als auch deshalb , weil der Name
Ker2 erst seit der Tatarenokkupation aufkommt. Das alte
Pantikapaion oder Bosporos würde auch darum nicht passen, weil
die Magyaren, um dahin zu gelangen, zu Schiffe über die Maiotis
hätten setzen müssen, wozu sie sicherlich nicht in der Lage
^) Auch die bulgarische Stammsage des Johannes von Ephesos
bei Gregor Barhobraeus (p. 95 ed. Bruns mid Kirsch, p. 91 ed.
B e d j a n) lässt den Tanais aus der Maiotis entspringen uud in den
Poutos münden.
2) Ihn Rusta aö , 15.
«) Murüg II 260 f. Vgl. TanbTh 1v, 11 ff. „Zu den grossen
berühmten Strömen die in dieses Meer (den I'ontos) münden, gehört
der gewaltige Strom Tanais, der im Norden entspringt und an welchem
viele von den Wohnsitzen der Slawen und anderer tief nach Norden ein-
dringenden Völker sind".
Osteviropäische und ostasiatische Streifzüge. 163
waren. Es passt kein anderer Ort als das heutige Taman , bei
Konstantin. Porphyrogenn. de admin. imp. c. 42 p. 101 , 7 t6
Ta^jLDcxaQia , sonst ra MdxQaia , auf italienischen Karten Matrica
neben Matercha, altruss. Tmutoroham. Vgl. über diese Stadt
Harkavy, Altjüdische Denkmäler aus der Krim. Mem. de l'Acad.
de St. Petersbourg VIT« Ser. t. XXIV (1877) Nr. 1 S. 158. Rieh.
Löwe, Die Reste der Germanen am Schwarzen Meer S. 33 ff.
Eine andere arabische Wiedergabe dieses Namens erblicke
ich in o^^J! (1. ^^<*^) J;.yL^ , der Judenstadt Samkars
bei Ibn al Faq. ^vt , 1. Die Russen kommen (auf dem Dnjepr)
aus den äussersten Slawenländern ins Romäermeer , wo der
Herrscher der Romäer ihnen den Zehnten abnimmt, dann kommen
sie zur See nach Oj,.^Ji J^S..*.^ , worauf sie ins Slawenland
zurückkehren, de G o e j e hat mit Recht vermutet , dass dieser
Ort auf der Halbinsel Taman gelegen war, und Harkavy
bringt damit das y-ir;7:D in Firkowitsch's Handschrift des Briefes
des Chazarenkönigs zusammen und zieht bereits die Möglichkeit
in Erwägung, dass dies eine Korruptel von TKfxdraQxcc sein könnte ^).
Dies trifft in der That zu. Die Brücke zwischen den ver-
schiedenen Namensformen schlägt der Name der TstQcc'^crai (bei
Prokopios) , welche Wasiljewskij mit grosser Wahrschein-
lichkeit nach der Halbinsel Tmutorokan (Taman) versetzt hat-).
Der Name Tex^a^-ixai gienge dann von einer barbarischen Namens-
form *Tmtrachs aus, welche dem ^J;JJ^^^ Smkars des Ibn al
Faqih sehr nahe steht, und * Tmlrachs^ Srnkars, y ^:d72D, Tmutorokan,
Tci^äxaQia, xd Mdxqaiu, • S etc. wäi'en nur verschiedene Ver-
suche, den vermutlich schwer auszusprechenden Namen wieder-
zugeben bezw. abzukürzen. Löwe vermutet, dass ^*Tmutralc
oder *Tmutrakan ursprünglich die Benennung der Stadt Taman
bei den Sindern, den vielleicht den KsQKexat. (Tscherkessen) ver-
wandten Urbewohnern der Halbinsel gewesen" sei. Die griechische
Pflanzstadt OavayoQSia, in deren Nähe sich das spätere TaixccxaQxa,
das heutige Taman erhoben hat , wurde nach Prokopios ^) im
6. Jahrhundert durch die Hunnen und Goten zerstört. Allerdings
erwähnt Theophanes (um 817 n. Chr.) in einer Schilderung
des alten Bulgarenlandes am Kuban, die er in die Erzählung von
der Wanderung der Bulgaren einflicht, auch die Stadt Phanaguria
und die dortigen Juden ^;. Allein dieser Passus findet sich bei
1) A. a. 0. S. 284. Nachtrag zu S. 140 Anm. 2 und S. 158.
2) Rieh. Löwe a. a. 0. S. 33ff.
3) De belle Gotico V 5.
*) Theophan. ed. de Boor p. 357 A. M. 6170: Kai sig (ihv tcc itQog
&vc(ToXi-jv ^iSQTi rfjg TtQOUBiiifvrig ^tftvijg ini ^avayovQiav yia) tov? iv.stes
oiKOuvrocg ' Eß^uioüg na^dv-Bivtai f'd'vri nXslßra.
]^ß4 J- Marquart,
Nikephoros 1) , der die Geschichte von der Bulgarenwanderung
derselben Quelle entlehnt hat wie Theophanes, nicht, muss also
aus einer andern und zwar jüngeren Quelle stammen, die im
wesentlichen die Zustände der eignen Zeit des Verfassers (etwa
in der zweiten Hälfte des 8. Jhs.) darstellte. Im Jahre 704 wird
■ Phanagoria abermals genannt. Die Stadt war damals ebenso wie
das gegenüberliegende Bosporos in der Gewalt der Chazaren-).
Allein die Annahme, dass damals das alte Phanagoreia sich aus
seinen Trümmern wieder erhoben hatte, wird durch nichts em-
pfohlen, es ist vielmehr weit wahrscheinlicher, dass wir es hier
lediglich mit einem archaistischen Sprachgebrauch zu thun haben
und die Byzantiner mitunter fortfuhren, den alten Namen O a'a-
yoQEm auch auf das neuerstandene Ta^äxaqia zu übertragen.
Dann haben wir es formell bezeugt, dass mindestens seit der
zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Juden die Hauptbevölkerung
in Tamatarcha (Phanagoreia) bildeten, gerade wie ein Jahrhundert
später in ^jiJs.^.^. Der Bericht des Gaihäni, der sich auf die
erste Hälfte des 9. Jahrhunderts bezieht, kennt -J' wieder als
romäische Stadt. Um diese Zeit war die Macht der Chazaren sehr
gesunken, so dass sie den Kaiser Theophilos darum angiengen, ihnen
eine Festung am Don gegen die feindlichen Steppenvölker zu erbauen.
Am nördlichen oder nordwestlichen Ende des Kaukasus, durch
den Fluss U.5' Kuba d. i. den Kuban von den Magyaren ge-
trennt , wohnten die y*^^ (Bekri ,^ . Gurdezi jXi.'^) , welche
nach Gurdezi sämtlich Christen waren. Die kurze Beschreibung,
welche Gurdezi und Bekri von diesem Volke geben, haben wir
bereits oben S. 31 mitgeteilt. Aus derselben geht hervor, dass
wir es mit einem reisigen Volke zu thun haben, welches haupt-
sächlich der Viehzucht oblag. Dadurch wird bereits wahrscheinlich,
dass nicht an die Cerkessen zu denken ist, welche sich von jeher
mit Ackerbau beschäftigten und noch von Mas'üdT II 45 als
„Magier" d. h. Heiden bezeichnet werden. Dann bleiben aber
eigentlich nur noch die Alanen übrig, und es ist nicht mehr allzu
schwer zu erkennen, dass der Name als zweites Element den
Volksnamen ^T enthält , mit welchem die Alanen seit der Mon-
golenzeit bezeichnet werden, und der identisch ist mit der
altrussischen Benennung Jasi und der georgischen Owst , woraus
der Landesname Owsethi gebildet ist. Noch im 14. Jh. fand
Ibn Batütä Reste der Ä^en {o^\) in Sarai =^), welche damals
^) Nikephor. iot. avvr. ed. de Boor p. 33, 12 ff.
*■) Nikephor. icr. avvr. p. 40 , 28 (^avaywQr}). Theoph. Chronogr.
I 373, 3. 9. 15 A. M. 6196.
3) Voyages d'Ibn Batouta II 448.
Osteuropcäische und ostasiatisclie Streifzüge. 165
Muslime waren , in früheren Zeiten aber hatten sie das ganze
nordkaukasische Steppengebiet vom Tanais bis zur Wolga inne *).
Abulfedä r.r", 7 (=111,287) unterscheidet die Äs von den
Alanen und bezeichnet sie, wohl wegen ihrer nomadischen Lebens-
weise, fälschlich als Türken-): „In der Nachbarschaft der Alanen
( .,^IjijU wohnt ein türkisches Volk, die Äs, von ihrer Lebensweise
rmd Religion". Offenbar sind unter den Äs hier speziell die
in der Steppe zurückgebliebenen Alanen zu verstehen , im Unter-
schiede von denen im Kaukasus.
Ibn ßusta If a , 10 ff. beschreibt in dem Kapitel über die
Alanen nur die letzteren, sein Bericht scheint mir aber wichtig
genug, um ihn herzusetzen : ,,Man verlässt das Königreich as Sarir
nach links und reist durch Berge und Wiesen drei Tage lang;
dann gelangt man zum Reiche der Alanen. Der König der Alanen
ist persönlich Christ, die Masse seiner Unterthanen aber sind Un-
gläubige, welche Götzenbilder anbeten. Dann reist man 10 Tage
lang zwischen Flüssen und Wäldern, bis man zu einer Festung
kommt, welche Alanenthor heisst. Sie liegt auf dem Gipfel eines
Berges, während unter dem Berge ein Weg dahin führt und
ringsum ragende Berge sind. Die Mauer dieser Festung bewachen
jeden Tag 1000 Mann von seinen Unterthanen, die dazu bestellt
werden , bei Tag und Nacht. Die Alanen bestehen aus vier
Stämmen. Der vornehmste derselben, dem auch der König angehört
heisst ^j^L.MA,i>L3 Docks- äs. Der König der Alanen führt den
Titel ^jLxj Bayäjar , der jedem zukommt der über sie herrscht."
Mit dieser Beschreibung ist die bei Mas'üdT 11 42 f. zu ver-
gleichen: „In der Nachbarschaft des Königreichs as Sarlr ist das
Königreich der Alanen. Der König desselben führt den Titel
Karkundäg , der all ihren Königen gemeinsam ist , wie Fllänsäh
allen Königen von Sarir gemeinsam ist. Die Residenz der Alanen
hftisst fjjxxA^) MayaQ , d. h. Religiosität. Er besitzt Schlösser
und Orte der Erlustigung ausser dieser Stadt, in welche er zum
Aufenthalt übersiedelt. Zwischen ihm und dem Herrscher von
as Sarir besteht gegenwärtig eine Verschwägung, indem jeder von
1) Einiges über die Geschichte der Alanen findet man bei Toma-
schek, Kritik der ältesten Nachrichten über den skythischen Norden
II 36 ff. SBWA. 117, 1, 1888. Wsewolod Miller, Ossetische Studien
Heft III (russ.) ist mir leider nicht zugänglich.
^) Sukru'lläh b. Sihäb bei Hammer, Sur les origines russes
107, 15 = 47 bezeichnet die (j^'^J^ ebenfalls als Türken.
^) Die Leidener Hs. 537 a (L), deren Lesarten ich der Liebens-
würdigkeit Herrn Prof. de Goeje's verdanke, hat ^o-x/« wie die
Ausgabe.
Ißß J. Marquart,
beiden die Schwester des andern geheiratet hat. (43) Die Könige
der Alanen hatten nach dem Aufkommen des Islams und während
der "^abbäsidischen Dynastie sich zum Glauben der christlichen
Religion bekannt, nachdem sie vorher Heiden gewesen waren.
Nach dem Jahre 320 (13. Januar — 31. Dezember 932) nun sind
sie von dem Christenthum , das sie bekannten, wieder abgefallen
und haben die Bischöfe und Priester, die bei ihnen waren und
die der König der Romäer zu ihnen gesandt hatte , vertrieben.
Zwischen dem Königreich der Alanen und dem Kaukasus ist eine
Festung und eine Brücke über einen gewaltigen Fluss. Diese
Festruig heisst Alanenschloss , und ist erbaut von einem König
der alten Perser in grauer Vorzeit, namens Ispandijä(J b. Bistäsp
b. Lohräsp '). Er setzte in diese Festung Männer, um die Alanen zu-
verhindern, zum Kaukasus zu gelangen, und es gibt für sie keinen
Weg als über diese Brücke unterhalb dieser Festung. Diese liegt
auf einem massiven Felsen, so dass es keine Möglichkeit gibt, sie
zu erobern und zu ihr zu gelangen als mit Erlaubnis ihrer Be-
satzung-). Diese Festung, die auf diesem Felsen erbaut ist, hat
eine Quelle mit süssem Wasser, die in ihrer Mitte aus dem
höchsten Teil dieses Felsens hervorsprudelt, (44) und diese Festung
ist eine der wegen ihrer Unnahbarkeit am meisten gepriesenen
Festungen der Welt. Die Perser haben sie in ihren Gedichten
erwähnt, sowie das, was bei ihrer Gründung seitens des Ispandijäd
b. BiStäsp^) sich zutrug. Ispandijäd hatte auch viele Kriege
im Osten mit verschiedenen Nationen zu führen ; er ist es,
der in die entferntesten Länder der Türken zog und die
eherne Stadt ( ä>aJi *.ÄjiA/« , pers. :0 (j^Jj,) zerstörte^), die
einen hervorragenden Platz in Bezug auf Unnahbarkeit einnahm, da
man ihr nicht beikommen konnte, und welche bei den Persern sprich-
wörtlich geworden ist. Die Thaten des Ispandijäd und das was wir
beschrieben haben, sind erzählt in dem Buche, das unter dem
Namen Kitäb al-haikär *) (pers. *Paikär-nä7na „Kriegsbuch")
bekannt ist und das Ibn al Muqaffa' in die arabische Zunge über-
tragen hat. Maslama b. 'Abd al Malik b. Marwän hatte , als er
in diese Gegend gelangt war und die Einwohner überwältigt hatte,
in dieser Festung Leute von den Arabern angesiedelt ^) , die bis
^) L (das erstemal f sJuvL^ q.^) \Jun\j.,>^j q.j oLjiAäa/ä! , ed.
2) Über die Ruinen der Festun«:^ Dariela s. Klaproth, Reise in
den Kaukasus I 671 ff. Brosset, Hist. de la Georgie I 154 N. 2.
*) Vgl. meine Beiträge zur Geschichte und Sage von Eran.
ZDMG. 49, 639 und N. 4. Sebeos ed. Patkanean S. 30.
*) So ist zu lesen. Vgl. ZDMG. 49, 639 N. 2.
^) Nach Bai. H., 1 gcechah dies vielmehr durch Jazid b. Usaid
asSulami unter al Man(jür.
Osteuropüische und ostasiatische Stroifzüge. 167
zu diesem Zeitpunkt diesen Platz bewachen. Häufig wird ihnen
der Proviant zu Lande von der Grenzfestung Tiflis aus zugeführt
— von Tiflis bis zu dieser Festung (45) sind fünf starke ') Tagereisen.
Wenn nur ein einziger Mann in ciieser Festung wäre , so würde
er die übrigen Könige der Ungläubigen verhindern , diesen Ort
zu passieren , weil sie (gleichsam) in der Luft hängt und die
Strasse und die Brücke und das Thal beherrscht. Der Herrscher
der Alanen kann 30 000 Reiter auf die Beine bringen , und er
ist unnahbar und von gewaltiger Tapferkeit , und besitzt eine
Regierung , die durch Fürsten ausgeübt wird. Was sein Reich
anlangt, so sind dessen Wohnungen derart ununterbrochen zu-
sammenhängend , dass, wenn (an einem Oi*te desselben) die Hähne
krähen , sie einander im übrigen Teil seines Reiches antworten,
weil seine Wohnungen sich verschlingen und an einander anstossen."
Neben den Abweichungen dieser beiden Berichte sind vor
allem ihre Übereinstimmungen nicht zu übersehen. Sollte der
Name der Hauptstadt der Alanen bei Mas'üdl, ,ja.i/» etwa mit
dem ihres Hauptstammes ,jA,Lw.i>0 bei Ibn Rusta zusammenhängen'?
Jedenfalls glaube ich , dass wir auch hier ,j^! als allgemeinen
Volksnamen abzutrennen haben, so dass der spezielle Stammname
^j^:^J> lautete. Damit ist aber die Existenz des Namens (j*! schon
zur Zeit des Muslim b. Abu Muslim , d. h. in der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts bewiesen , und Bekri's |^jl d. i. ^^\ für
i)m^Ad darf nicht mehr als eine Korruption , sondern als eine
berechtigte Korrektur aufgefasst werden, welche den unbekannten
Stamnmamen durch den bekannteren Volksnamen ersetzte. Was
die Religion der Alanen anlangt, so wurde ihr Herrscher jeden-
falls noch um die Mitte des 10. Jahrhunderts in Byzanz als
Christ angesehen , wie aus der im diplomatischen Verkehre mit
ihm gebrauchten Formel hervorgeht: iv ovo^cat xov itaxqog Kai
xov vlov Kai rov ayiov Tivevfiarog , xov evbg Kai (lövov aXrj&ivov
0EOV i]f.iäv. Kcovßxavxtvog Kai Pco^avog, ntöxot iv avxw xä &eä
ßaGiXsig Pcoiialcov , TtQog 6 detva xov i^ovGiaöxriv AXaviag Kai
Ttvsv^axiKov Tj^äv XEKVOV-). Spuren dieses ehemaligen Christen-
tums sind noch in neuerer Zeit bei den Osseten gefunden worden,
als die Russen seit dem Jahre 1752 begannen, die Mission unter
diesem Volke zu organisieren-^).
Der Titel ^Lxj erinnert an den ossetischen Riesen Baqaüar,
der nach der georgischen Chronik vom iberischen König Wacht'ang
') Lies mit L .L 5 für das .Lfti' der Pariser Ausgabe , welches
hier übersetzt wird: ,cette distance est occupr'e par les intid^les"!
2) Konstantin. Porphyrogenn. de caerim. aulae Byz. II 48 p. 688.
3) Klaproth, Reise in den Kaukasus I 359 f. II 607. 58L
IQQ J. Marquart,
Guro-aslan (richtig Gurgasar) im Zweikampf erlegt wird. Ein anderer
Baqat^ar, mVairar von Oset'i, wird unter dem Kuropalates Adarnasell
(881 — 923) erwähnt'). Ich glaube nicht, dass wir es hier lediglich
in anachronistischer Weise mit dem mongolischen Titel bayatur
„Held" zu thun haben, mit welchem die alanischen Häuptlinge seit
der Mongolenzeit bezeichnet werden. Jedenfalls steckt aber in Ibn
Rusta's A.x.i das altiranische , auch ins Slawische übergangene
Wort für „Gott", ap. baya^ das in einigen Dialekten auch
den König bezeichnete ^). Dagegen hängt Mas'üdl's ^! JOL^-i^
vielleicht mit dem Titel des magyarischen Oberhäuptlings »tX^i^
zusammen ^) , der auch bei den Chazaren existiert zu haben
scheint*). Im Anfang des 8. Jahrhunderts begegnet uns ein
Herrscher der Alanen mit dem Titel 'Ird^Tjg d. i. vitaxa, eig.
ni,ria^r}g. georgisch pifiachh', patiaschi] arm. bdeaSch , Markgraf ^).
Leider hat uns Ibn Rusta die Namen der drei übrigen
Stämme der Alanen nicht mitgeteilt. [In der sogenannten Kirchen-
geschichte des Zacharias Rhetor werden den Alanen fünf Städte
zugeschrieben ^').]
Tomaschek'') behauptet, die Alanen hätten ihr Berggebiet
südlich vom Kasbek ^A%toxia, nördlich davon ^A^ia genannt. Er
unterlässt leider in seiner bekannten Manier uns mitzuteilen, wo
der Name ^Afiayia vorkommt, so dass man nicht weiss, worauf
sich jene Behauptung stützt. ^Ai,m ist die Gegend, in welcher
die Kaspischen Thore (Dariela) sind, und hatte mehrere Häupt-
linge ^). Es kann kaum zweifelhaft sein, dass der Name mit _ dem
Volksnamen Äs zusammenhängt, also gewissermassen eine Über-
setzung des iberischen Owset'i ist. ^A%Gi%ici ist dagegen offenbar
abgeleitet von CJioch, wie die Osseten die ganze Reihe der Berge
vom Kasbek bis zum Kasarai nennen 9).
1) Brosset, Eist, de la Göorgie 1 157 ss. 274.
*) S. meine Untersuchungen zur Geschichte von Eran Heft II 6 N. 2.
3) Ibu Rusta ifl', 8. GurdezT bei Barthold S. 98, 6. Bekrl
S. 45, 4.
*) Wenn letzteres aus dem Namen des Vaters des Chazaren Ishaq
b. Kundäg oder / ix^I^Ä^' (zuerst a. 259 H. Tab. III Iaw , 10 = Ibn
al A'9'Tr VII IvaI geschlossen werden darf, wie Vämb^ry, Der Ur-
sprung der Magyaren S. 84 will.
5) Theoph. Chronogr. ed. de Boor p. 392, 27 A. M. 6209 = 717.
— Vgl. Hübschmann, Arm. Gr. I 119 f.
*') [Die sog. Kirchengeschicbte des Zacharias Rhetor, in deutscher
Übs. hg. von K. Ahrens und G. Krüger (1899) S. 253, 15.1
') Kritik der ältesten Nachrichten über den skyth. Norden II 40.
RBWA. 117, 1, 1888.
**) Konstantin. Porph. de caerim. aulae Byz. II 48 p. 688: fi?
tovg aQ^ovrag 'A^iag, iv m tiaiv al KaOTtstai nvXai.
9) K. Koch, Reise durch Russland nach dem kaukasischen
Isthmus II 89.
Osieuropäiscbe und ostasiatische Streifzüge. 169
Nach den Angaben der Georgier wurden die Osseten erst
von den Mongolen unter Batu-chan aus den Ebenen der jetzigen
Kabarda vertrieben und genötigt, sich in die Gebirge des centralen
Kaukasus zurückzuziehen , wo sie sich in den Felsenthälern an-
bauten , die sie nach ihren vornehmsten Familien benannten :
Basiani , Badillat'e , Cerkesate , Tagata , K'urtat , Sidamoni und
Cachilate *). Die meisten dieser Namen sind offenbar neuern Ur-
sprungs und entstammen zum Teil ^erkessischen Familien, welche
die Osseten im Gebirge ihrer Botmässigkeit unterwarfen. Dies
gilt vor allem von den Badillat'e und Cerkesate ^). Wie weit es
Wsewolod Miller im dritten Hefte seiner ossetischen Studien
gelungen ist, die ältere ethnographische Gliederung der Osseten
klarzustellen, ist mir unbekannt, da mir jene Schrift leider un-
zugänglich ist. Jedenfalls aber sind die Taga-te (eine Pluralform),
bei den Cerkessen Tegei, georgisch Taga-ur^ genannt, ein alter
Stamm, welcher am linken Ufer des oberen Terek und besonders
an dessen Nebenflüssen Kizil-don und Gnal-don wohnt, während
die K'urtaten in den Schluchten des Sau-don und Fiag hausen.
Über die Verbreitung und die Namen der alanischen Stämme in
den nordkaukasischen Steppen vor der Invasion der Mongolen
können wir dagegen den späten georgischen Nachrichten nichts
Sicheres entnehmen.
Auch die Geographie des Ps. Moses Chorenac'i bex-ücksichtigt
nur die Alanen im Kaukasus. Es heisst hier in der Beschreibung
Sarmatiens S. 26, 24 ff. ed. Soukry-^:
\jL. trU (w \^iupifuiuipnj ^lui/iunlrtui ujiuujjl^Uy ul^utrtui
fi ifinjiß J'^l^ ky* 'itiufv uii£^ W^fu/üiuq'^) W^yui/innn
n/r nutn ^tunuäcnj )* "^lUi/iufLüiuL %nqtu ^o-tLnunn ') t-L.
1) Klaproth a. a. 0. II 581. Wakhoucht, Description geo-
graphique de la Georgie trad. par Brosset ist mir hier nicht zugänglich.
[S. Nachträge!]
-) Klaproth a. a. 0. I 687 II 345.
'') Ich bediene mich folgender Abkürzungen:
S = Text der Geographie nach der Ausgabe Soukry's;
M = Text der Geographie bei S a i n t - M a r t i n , Memoires
sur TArmenie II.
V = Text der Geographie in der Ausgabe der Werke des
Moses, Venedig 1865, S. 604.
B = vorkürzte Recension des Textes.
*) S Ü.'Z"'-'"^'«'^ ; aber der Gen. von l],»^««-««^ lautet ü,-2n<-.«^7y
— V lJ./j"V» zwei alte Hss. Hi7r/i_«#'i;^, «benso M.
5) Om. B.
«) V •p%"V'4.', aber drei alte Hss. \a/rpnL.p^ bezw. la^//"«^*
170 '^- ^^arquart,
ui->luiun'^h \\ujuljuguttü ilrniulMnlM* nL.uuin ^nun u^frutü
d. h. „Es werden zu Sarmatien gerechnet wie folgt, angefangen
von Westen nach Osten : zuerst ein Volk der Alanen , Ahtf'gor,
das gegen Süden ist. Gleichen Wohnsitz mit ihnen haben die
Chcbwk^ K^ut^eth\ Argvel und Margoü. Auch die Takoir sind
Alanen nach Di'k^or , im Lande Ardoz der Berge des Kaukasus,
von wo der Fluss Armnaj '') entspringt und durch den Norden
fliessend, durch weite Ebenen, in den At'l mündet".
Von diesen Völkerschaften sind die 2 ^akoir bekannt : es sind
die Tagauri der Georgier , die sich selbst Tagate nennen ^) ; der
Fluss Arvinaj ist der Terek, georgisch Lomek'is-mdinare , in
seinem Oberlauf bis dahin, wo er die kaukasischen Gebirge verlässt
und in die Ebene der Kabarda tritt, auch Aragwi genannt).
Derselbe scheint aber hier mit der Kuma zusammen geworfen zu
sein. Umgekehrt ist bei gewissen Geschichtschreibern der Mi&qi-
Sannä der Amazonenfluss MEq^oöaq, welcher dem Armnaj des
Ps. Moses d. i. dem Terek entsiiricht, mit dem Kuban zusammen-
gefallen. Er stürzt aus den Bergen herab und soll dann durch
das Gebiet der Amazonen und Siraken und die ganze dazwischen-
liegende Steppe fliessen und in die Maiotis münden ^^). Theophanes
von Mitylene vermischt den Terek gar mit dem Tanais^^).
1) B -po^T^^-Cf!, die älteste Hs. '^-"•Lt^"i/.pt eine Hs. *}"'-Rth^'
^) B \\j"t""-^'".ef eine Hp. U./'T^"'^^'^ für U,^^f/«-tß^«
2) S IT-r^^L, V \y-"Ct"l-e, M U*'"/'^^/^-
ö) Gm. B.
8) Ebenso Gesch. 2 , 52 S.130 vgl. 2, 53 S. 131, 19. B \}j"t"'Lß'
') S. 27, 4 \}.l"^ 1^"' , Fluss Arm".
«) Für phantasieroiche Leute, die geneigt sein sollten, die Tagauri
iier Georgier bereits in den Tagorae bei Flin. 6 . 22 wiederfinden zu
wollen, will ich jedoch bemerken, dass dieser Name wahrscheinlich
aus PayÖQai verlesen ist, was nur eine andere Namensform sein dürfte
für Epagerritae Plin. 6, 16, nayvQixai Ptol. 3,8 p. 201, 14, 'AyoQTtai
Ptol. 5, 8 p. 349, 10, d. i. upa + x. Vgl. 'TitäyivQiq Trorafzo? Her. 4, 47. 55.
ö) Klaproth I 627. 11 70.
") Strab. la 5 , 2 p. 504. Weiteres hierüber in einer Schrift über
die historische Ethnographie des Daghestan. In MsQiio-öag steckt das
OBsetisch-alanisclie dän, don „Wasser".
") Strab. la. 2, 2 p. 493. S. o. S. 153 Anm. 3.
der
Osteuiopäische und ostasiatische Streifziige. 171
DiUor ist die Landschaft der Digoren am Oberlauf des Uruch
oder Iref^). Wahrscheinlich haben wir unter dem Stamm
Astigor eben die Digoren zu erkennen. Die Landschaft Ardoz
im Quellgebiet des Terek wird von Ps. Moses mit dem Gau
Arfaz in der armenischen Provinz Waspurakan kombiniert, wo
der König Artases (hier = Tiridates I., der Brader Volagases' L)
eine Kolonie gefangener Alanen angesiedelt und wo sich das
Grab des Apostels und Märtyrers Thadde befunden haben soll-).
Die vier übrigen Namen vei-raten gleich dem Namen T'akoir deutlich
iberischen Ursprung und weisen auf eine georgische Quelle. Ärgvel
oder ArgavcW hat Ps. Moses in seiner Geschichte 2,58 mit.
dem armenischen Geschlechte \\n-nL.lrqlrufhß Arveicank' oder
Wp-tuLlrqlru^iß Äraveieank\ die er für ein unter König Artases
eingew-andertes alanisches Geschlecht ausgibt, in Beziehung gebracht ■^),
aber augenscheinlich mit Unrecht und nur auf Grund des schein-
baren Namenanklangs.
Argvel (bezw. Argavet'k') oder Margoil ist nämlich offenbar
nichts anderes als Argivef oder Afargwct', ein Kreis von Imeret'i,
der aus dem Gebiete der Calapuri , der oberen Kwirila , der
Dsirula und der Cerimela, sowie aus der rechten Seite der untern
Kwirila bis zu ihrer Mündung in den Rioni besteht. Der Haupt-
ort war die Festung Sarapani*). In der Beschreibung Iberiens
S. 28, 15 erwähnt unser Geograph denn auch die Berge von
Argvet' iW.f^'-irP^"^ ijff^f'^f) nördlich vom Kur , gegenüber
dem Gau T'ar. Daraus ergibt sich bereits die Wahrscheinlich-
keit, dass auch Chehurk'' und Kufetk' im Süden des Kaukasus
zu suchen sind. Letzteres ist daher vielleicht identisch mit dem
Lande der ifWÄ;' (mit georgischer Endung -ef^i), welche unser
Geograph S. 25, 26 zwischen Garsk'' (Kasak, Cerkessen) und
Svank^ d. i. den Swanen aufführt 5). Chebiirk' bezeichnet dann
vielleicht den imeret'ischen Kreis Raga , benannt nach dem
Dorf Chebi (mit der georgischen Ableitungsendung -uri), bei
welchem der Rioni eine südöstliche Richtung einschlägt f'). Alle
vier oder richtiger drei Gaue sind demnach in Imeret'i , südlich
und südwestlich von den Digoren zu suchen und haben mit den
») Klaproth a. a. 0. II S. VI.
'-) Ps. Mos. Chor. 2, 34 S. 111. 52 S. 130/31.
') S. meine Schrift „Eränsahr nach der Geographie des Ps. Moses
Chorenac'i" S. 5. Abh. der K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist.
Kl. N. F. Bd. III 2.
*) Vgl. Brosset, Hist. de la Georgie I 41 und N. 8. Klaproth ,
Reise in den Kaukasus II 39 f. K. Koch, Reise durch Russland nach
dem kaukasischen Isthmus. II 161 f.
*) 'Fr. Westberg in der S. 160 Anm. 2 zitierten Abhandlung
S. 71 = 309 sieht in don K'ut'k' die Goten von Anapa.]
«) Klaproth II 33.
172 ♦^- Marquart,
Alanen nichts zu thun. Über ihre Sitze hatte Moses offenbar
ganz falsche Vorstellungen.
Wenn wii- aber auch bei den in erster Linie in Betracht
kommenden Quellen vergeblich Aufschluss über die ( -."^'»Jj des
GaihänT suchen, so hat sich dafür eine Erinnerung an diese ehe-
maligen Nachbarn der Magyaren in der ungarischen Volkssage
erhalten. Als die Briider Hunor und Mogor, die Stammväter
der Magyaren, bei einem Raubzug in der Nähe der Maiotis die
Frauen und Kinder der Bulgaren (Belar) am Kuban raubten,
befanden sich unter diesen auch zwei Töchter des Alanenfürsten
Dula , von denen die eine die Frau des Hunor , die andere die
des Mogor wurde. So wurden dieselben die Stammmütter des
ganzen Magyarenvolkes ^). Es ist mir nicht zweifelhaft, dass der
Alanenfürst D%da nur die Personifikation eines Stammes ist, dass
wir also hier einen Alanenstamm Dula bezeugt haben, in dessen
Nähe einstmals die Magyaren gewohnt hatten. Vielleicht gelingt
es mit der Zeit, denselben auch sonst noch nachzuweisen-). Mit
den türkischen T'olcis haben also GaihänT's Tül-äs nicht das
mindeste zu thun^). Da wir aber den Namen As gerade für die
Alanen der Steppe jetzt wenigstens für die erste Hälfte des 9. Jhs.
n. Chr. bezeugt haben , so wird man nicht mehr ohne weiteres
jeden Zusammenhang desselben mit den 'Aaaioi des Ptol. V 8
p. 348, 24 ablehnen dürfen.
„Hinter jenem Gebirge (dem Kaukasus) ist ein christliches
Volk, obyo Mardät genannt*), das 10 Tagereisen von den Nandar
entfernt ist. Sie sind ein zahlreiches Volk. Ihre Kleidung gleicht
der der Araber in Turban, Hemd und Helm. Sie besitzen Saat-
felder, Anbau und Weinstöcke, da ihr Wasser auf der Oberfläche
der Erde läuft und sie keine Röhren (Kärez) besitzen. Wie man
^) Accidit autem principis Dule Alanorum duas filias inter illos
pueros comprehendi. quarum unam Hunor et aliam Mogor sibi sumpsit
in uxorem. Ex quibus mulieribus omnes Huni sive Hungari originem
assumpsere. Simon de Keza, Gesta Hungarorum I 1, 3 bei Florianus,
Hist. Hungar. fontes domestici II 55 s. Chron. Vindob. pict. c. II
ib. 11 105. Chron. Dubn. c. 2 ib. III 6.
2) Auf die Duli gens in der Kosmographie des Julius Honorius
§26 (bei Alexander Riese, Geograph! Latini minores p. 40, 8),
zwischen Gothi gens und Gippedi gens aufgeführt, wird man freilich
verzichten müssen, da unter jenem Volk wohl nur mit Mülle nhoff,
DA. III 221 die in der Karte des Castorius Segm. IV , 3/4 genannten
Vanduli verstanden werden können.
3) Wie Bart hold, Die historische Bedeutung der alttürkischen
Inschriften S. 9 und ich in meiner Chronologie der alttürkischen In-
schriften S. 96 fälschlich angenommen hatten.
4) rin einer von Tumanskij entdeckten, aber noch uncdierten
persischen Geographie ot^yi. Siehe Westberg in der oben citierten
Abhandlung S. 5 = 215].
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 173
sagt, ist ihre Zahl grösser als die der Romäer'), und sie bilden
ein Volk für sich. Ihr meister Handel findet mit den Arabern
statt' ^). ßeki'T sagt über dies Volk bloss: ^Unterhalb von diesem
Gebirge am Ufer des Meeres ist ein Volk, das NJji,! heisst,
die Christen und den Ländern des Islams benachbart sind, welche
den Ländern von Tiflis zugeteilt werden. Es ist der Anfang des
Gebietes von Armenien. Dieses Gebirge dehnt sich aus, bis es
ins Land von Bäb al abwäb kommt und das Land der Chazaren
ei-reicht" ^).
Bei Ihn Rusta iH , 9 wird der Name jenes Volkes ^^
geschrieben, bei 'Aufi^^c^^ bei Sukru'lläh b. Sihäb Vji-S, woraus
Muhammad al Kätib gar -c. macht. Aus der Beschreibung ihrer Sitze
bei Bekrl und GurdezT geht hervor, dass wir sie in der südwestlichen
Ecke des Kaukasus am Schwarzen Meere, 10 Tagereisen südlich von
den Tül-äs, zu suchen haben. Ich war also ebenso auf dem Holzwege,
wenn ich in ihnen die Kuban-Bulgaren wiederfinden wollte^), wie
Vämbery, der die Lesung kj^^I vorschlug und in ihnen die
christlichen Krimgoten sehen wollte ^). Ganz unsinnig ist natürlich
Chwolson's Vorschlag, ^cJ' zu lesen und dies für eine Neben-
form von iJiS^y=> Qyi'yyzen zu nehmen*^). Es kann vielmehr kaum
1) Lies ^^jl\ ?
2) GurdezI bei Bart hold a. a. O.
3) Bekrl S. 45,8— IL Sukru'lläh b. §ihäb, ^J;|yJi '»-^i^ l^ei
Hammer, Sur les origines russes 107, 15 = 47 hat den Bericht sehr
zusammengezogen: ji^ (jiajjCj J^Hj-^ ^^.»M.^xj'lij jj^^ tD*-*-^. *>J^y*3
y^y ^y i^ o*^^^ (J o^^ j^3 "^jß '^^^^ S'J^ 4r^ ^"
Ihn schreibt Muhammad al Kätib, ^Jiy.i\ ^A=^ einfach aus; ähnlich
bei 'Aufl (Barthold, Die historische Bedeutung der alttürkischen
Inschriften S. 9 Anm. 5): _.J^ o-*«! {J=hij^3 Jri)-^ L?*^"^* ^J^ '^^•
^J^ß »y ^j1» ^y \j ^>hj^ j^y=> ^^y^ !_^ ^y ^ xi'
4) Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 96.
^) Der Ursprung der Magyaren S. 120*.
ö) Angeführt bei Vämbery a. a. 0. S. 72.
174 J- Marquart,
ein anderes Volk gemeint sein als die Ap'chazen'^)^ arm. U,'/'/''«'^
Ap''chaz^ gr. ^Aßaßyol, welche sich in Ap''silh (AipiXon) und Ap'-
chazk'' teilen. [Als fünftes der christlichen Völker des Kaukasus
wird in der sog. Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor nach
Arrän und Sisagän aufgeführt ,das Land Bazgön .a^)^ i^it
(eigener) Sprache, das sich anschliesst und bis zu den Thoren
von Kaspion und zum Meere reicht" ^). Hier ist ohne Zweifel das
Land der Abasger (gen. ^Aßaöymv) gemeint, und unter den , Pforten
von Kaspion" vQ*2iOCL01 JA-VL (im Original stand jedenfalls ecog
KaöTtLcov nvX&v) ist entsprechend dem griechischen Sprachgebrauch
das Alanenthor (Dariela) zu verstehen. Der Beisatz „und zum
Meere" sollte die westliche Ausdehnung des Volkes bezeichnen.
Die im Text folgende Bemerkung: j^öo) bk*:^J w^O) «diese sind
(im) Hunnenlande " bezieht sich natürlich nicht auf „die Pforten des
Kaspischen Meeres" [so!], wie es der Übersetzer aufgefasst hat,
sondern bildet die Überschrift zu dem folgenden Teil der Völkerliste.
Schon an dieser Stelle ist aber der Name Abasger nicht auf das Volk
der eigentlichen Ap'chazen beschränkt, sondern bezeichnet das
lazische Reich (arm. Egr = Mingrelien), zu welchem auch die
Svanen, Apsilen und Abasger gehörten, wie Geizer richtig bemerkt
hat'^). Derselbe vermutet sehr ansprechend, dass bereits damals
die Ap'chazen das führende Volk in jenem Königreich geworden
waren.] Bei den Arabern werden sie, abgesehen von einer
kurzen Erwähnung in der Eroberungsgeschichte zur Zeit 0-9'-
mäns ^ j , zuerst , soviel ich sehe , von Mas'üdi genannt , der
1) [Dies hat auch Westberg a. a. 0. 215 = 5 erkannt].
-) Land, Anecdota Syr. III 337,. 7. Die sog. Kirchengeschichte
des Zacharias Rhetor in deutscher Übs. hg. von K. Ahrens und
G. Krüger S. 253, 10 = 12.
^) In der citierten Übs. des Zacharias Rhetor S. 382.
^) Bai. liv, 18 heisst es, dass der romäische Patrikios ^jn^il^JutJ
d. i. Maurianos, der Patrikios des Thema tüv 'AQiisviäxcov , Ver-
stärkungen an .sich gezogen hatte von den Alanen, oLi^5 und den
chazarischen Samandar ( .Jy.Ä<wj oL^i^, ^jy^^^ i}^^ oluX-x! *^Jt c>-««*i^|^
■ii ryt). Es ist allerdings höchst wahrscheinlich, dass unter diesen
oL:5?t (so die Hss.) die \\.=^\ d. h. die Ap'chazen zu verstehen sind.
— Das Fürstentum ■X^!^^ mit gleichnamiger Hauptstadt, welches
bei Istachri, Ihn Hauqal und Muqaddasi genannt wird (Ist. (av^ 3
= Ihn Hauq. ^ff, 15. ilt, 5 = I. H. ^ö. , 9. !ir, 10 = I. H-
föl , 16. Moq. öt , 9. t^vf , 8. t^vl , 12. I^aI , 18), ist im östlichen Kau-
kasus zu suchen; der Hauptort lag zwei Tagereisen von Sarwän und
Osteuropäisclie und ostasiatische Streifzüge. 175
sich folgendermassen über sie äussert: „Eine Nation ist in der
Nähe des Landes der Alanen, die Abchäzen ( ■^\.j^y!\) genannt, die
der christlichen Religion ergeben sind und zu unserer Zeit
einen König haben. Der König der Alanen hat die Oberhand
über sie. Sie erstrecken sich bis zum Kaukasus (-s^äJi J»a:>).
Dem Königreich der Abchäzen benachbart ist das Reich der Gurz
(iLjASt Georgier)!). Es ist eine mächtige Nation, die der
christlichen Religion ergeben ist und Gurzän ^\,y>- beisst^).
Sie besitzt gegenwärtig einen König, der ^ixxLJi •^) at Tanbayl
heisst. Die Residenz dieses Königs ist ein Ort namens Masgid
A'i 'IQarnain (Tempel Alexanders). Die Abchäzen und die Gurz ^)
pflegten dem Kommandanten der Grenzfestung Tiflls die Grund-
steuer zu bezahlen, seit der Eroberung von Tiflis und dessen
Besiedlung durch die Muslime bis zur Zeit des al Mutawakkil" 5).
Darauf ei^ähnt er den Zug des Buya (240 H.) gegen Tiflis und die
durch denselben hervorgerufene Unabhängigkeitsbewegung unter den
Völkern des Kaukasus, infolge deren diese ihre bisherige Abhängig-
keit vom arabischen Statthalter in Tiflis abschüttelten und sich selbst-
ständig machten. Im Kitäb at tanbih (öv^ 8 erwähnt er unter den
barbarischen Reichen die Alanen, Chazaren , Sarlr, Abchäzen,
Gurzän (Georgier) und Armenier, und \^f^ 8 führt er unter den
Nationen, welche Bäb al abwäb benachbart und in der Nähe des
Kaukasus wohnen, die Alanen, Sarlr, Chazaren, Gurzän, Abchäzen,
ganäri's (Canark') und Kasak (Kasogi, Tscherkessen) auf, von denen
er fälschlich die Käsak (üIjC^LjC! , eine andere Namensform für
Kasak) unterscheidet.
12 Fars. von der Brücke über den Samür, auf der Heerstrasse von
Barda'a (Partav) nach Darband. Es hat daher mit den Abchäzen
selbstverständlich nichts zu thun, überdies ist die richtige Lesung des
Namens unsicher. Allerdings nennt auch Ibn Chord. tft*'^ 11 ein jL^J
zwischen ^l^S' {BaUd. Y.Y, 13. ^'v^ 17. Brosset, Hist. de la Georgie
I 245) und .Uo^! KxJli (Gardman in Uti, später zu Albanien ge-
rechnet). Allein die Handschriften führen eher auf ^^.^L^.^LJij ^-^^-^.^
Laitan, über welches Dorn, Kaukasischer Kalender 1856 S. 40
handeln soll.
1) So richtig Jäqüt II öa ; L xj^ lü , ed. '^-Aj^^'
2) So richtig Jäqüt; ed. ^^^jj^.
^) So J:lq.; ed. und L -XA^tiii.
*') So Jaq. ; ed. &.j . ji-^.
6) Mas'üdl, Muriig II 65, ausgeschrieben von Jäqüt II öa.
1^76 J- Marquart,
Was Mas'üdl hier von den Abchazen, insbesondere von ihrer
ehemaligen Zugehörigkeit zur arabischen Provinz Tiflis erzählt,
stimmt genau zu Bekrl's Angaben über die \i».t.'. Was die ver-
schiedenen Namensformen bei Ibn Rusta , BekrT , GurdezT etc.
betrifft, so steht Bekrl der ursprünglichen Form verhältnismässig
am nächsten ; wir haben bei ihm einfach iCjiCjl Äuyaz-lia zu
lesen. Ihm zunächst steht Ibn Rusta's ij d. i. ;c.^| Av/yaz.
Gurdezi's olOj/i ist zunächst aus ,..L5^j entstanden (vgl. oben
b^O aus \^yi) und dies steht für •Li'^l *'Avgäz.
Eine wichtige Angabe über die Ausdehnung des Gebiets der
Abchazen im zweiten Drittel des 10. Jhs. findet sich in Mas'üdl's
Beschreibung des Laufes des Kur (MurQg 11 74). Er lässt hier
den Kur aus dem Lande Gurzän , dem Fürstentum des Gurgen
jjv.> ->. entspringen und dann das Land Abchäz passieren, bis er
zur Grenzfestung Tiflis kommt ')• Unter diesem Gurgen ist kein
anderer zu verstehen als der Magistros KovQv,ivioq, welcher seinem
Schwiegervater Asot Patrikios mit dem Beinamen Kiskasis, einem
Sohne des Bagrat Bagratuni, die Festung Artanugi (Adranutzi)
in Tao entriss und ihm zur Entschädigung T-y^oxaGr^ov (Qwelis
1) Text: 'iSi4.A q-, ^)j==- ^^ er »'^t' (^ jj^-^') ^^' J^ ^'^
^:> (L J>:S\i\) jL^^J S±j.i (L a^^yo^) »y^ (L y^) ^=^j=^
^) Für die Zeitbestimmung haben wir folgende Anhaltspunkte.
Als der Kaiser Romanos Lekapenos (920 — 944) den Patrikios Konstaus
nach Iberien sandte, um dem Gurgen die Abzeichen der Magisterwürde
zu verleihen, war der Kuropalates Atrnerseh (IV.), der Sohn des Bagrat,
eben gestorben (nach der georgischen Chronik unrichtig im J. 945).
Gurgen ist bereits mit seinem Schwiegervater zerfallen , aber dieser
ist noch im Besitz seiner Festung Artanugi und steht im Begriff, die-
selbe den Romäern auszuliefern (p. 208, 21 ff. 209, 8 ff. 210, Uff. 211, 10 ff.).
Doch wird diese Absicht durch den einmütigen Protest der iberischen
Bagratiden vereitelt. Erst nach diesem Zeitpunkt kann sich also
Gurgen der Festung bemächtigt haben , indem er zunächst versuchte,
seinen Schwiegervater durch die Abtretung seiner ererbten Besitzungen
Qwel und Agara in der Nähe der römischen Grenze zufrieden zu stellen.
Zur Zeit der Mission des Konstans war auch David Magistros, der
Bruder des neuen Kuropalates Aschot, noch am Leben, der bei der
Abfassung der Schrift de administrando imperio (952) bereits verstorben
war, wie das Prädikat (Aaxaptog p. 209, 18 voraussetzt. Dieser David
Magistros ist identisch mit Dawit' , dem Sohne des Königs und Kuro-
palates Adarnase II in der Chronik, welche aber dessen Tod schon
ins Jahr 937 verlegt. Allein die Chronologie der Chronik ist hier
ganz unzuverlässig, wie sie auch den Tod des Kuropalates Atrnerseli
(IV) erst ins Jahr 945 verlegt und diesen mit Atrnerseh II (r. III)
zusammenwirft.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 177
c'iche)') und das Thal Agara überliess. Nach dem Tode des
Kuropalaten Atrnerseh (IV.) ■•^), des ältesten Sohnes des Bagrat,
verlieh ihm der Kaiser Romanos Lekapenos (920 — 944) die
Würde eines Magistros. Nach seinem Tode teilten sich Asot der
Kuropalat und sein Bruder Bagrat, die Söhne des Atrnerseh, sowie
Georgios Magistros , der Herrscher von Ap'chazien , in seine Be-
sitzungen, wobei Artanugi dem Vetter des Atrnerseh, Smbat, dem
Sohne des David Mamp'ali zufiel (vor 952)"^).
Ap'chazien erstreckte sich damals weit über die Grenzen des
eigentlichen Ap'chazenlandes am Schwarzen Meere hinaus. Schon
der König Giorgi I. Aghcep'eli von Ap'chazien (845 — 877 ^ nach
WachuSt) nahm K'art'li ein und Hess einen erist'aw in Cicha.
Bereits im Jahre 858 griffen die Ap'chazen auch in die Ver-
hältnisse Armeniens ein. In diesem Jahre kehrte Grigor, der
Bruder des vom türkischen General Buya nach Samarra deportierten
Fürsten Asot Arcruni von Waspurakan, aus dem Lande der
Ap'chazen zurück und drang, unterstützt von diesen und aus-
erlesenen iberischen Truppen, in Waspurakan ein, um seinen
Verwandten Gurgen Arcruni zu bekriegen und das Reich seines
Bruders zurückzuerobern. Allein seine Hilfsvölker verliessen ihn bald
und kehrten in ihre Länder zurück, worauf er sich zu einem Vergleich
mit Gurgen entschliessen musste *). Diese Erzählung scheint die An-
gabe der georgischen Chronik vollkommen zu bestätigen, dass sich
K'art'li damals in der Gewalt der Ap'chazen befand. Darauf machte
aber Asot Bagratuni, der Begründer des Bagratidenreiches, K'art'li
den Ap'chazen streitig, und sowohl die Fürsten von Iberien als
die von Albanien wui'den Lehnsträger der armenischen Krone 5).
Allein bald nach Asots Tode (890) sank die Macht Armeniens unter
seinem jämmerlichen Sohne Smbat (890 — 913) jäh von ihrer Höhe
herab. Zwar blieb der Kuropalat Atrnerseh sein treuester Vasall,
allein Smbat war so blind, ihm den Königstitel zu verleihen (899)
und dadui-ch die Selbständigkeitsgelüste der übrigen Lehnsfürsten zu
nähren. Im Jahre 904 zog Kostantine, der König von Mingrelien —
unter diesem Namen ist das auch Mingrelien umfassende ap'chazische
Reich zu verstehen — und Schwiegersohn des Königs Atrnerseh ''),
1) Über die Identität von Qwel oder Qwelis-c-iche mit dem Tvqo-
KccatQov Konstantins vgl. Brosset, Hist. de la Georgie. Additions et
eclaircissements p. 148 n. 3. t, • i
2) S. den Exkurs über die Genealogie der iberischen Bagratiden.
ä) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 46 p. 206/7. Im
Anfange des Kapitels p. 206,3 ist natürlich mit Brosset, Additions
et eclaircissements p. 148 n. 2 zu lesen Jaßlö 6 xcct iidintalig.
*) Thomas Arcruni 3, 13 bei Brosset, Collection d'histonens
armen. I 159. t^ , t i_
5) Hist. de la Georgie trad.parBrosset 1269 s. Daghba schean,
Gründung des Bagratidenreiches durch Aschot Bagratuni. Berlm 1893,
8) Joh. katholikos, Ausg. von Jerusalem 1867, S. 253, 1. 254, 17/18;
12
MaK^uart, Streifzüge. ■*■"
178 J- Marquart,
gegen Smbat, um die Ansprüche dei" Ap'chazen auf die Ober-
herrschaft über Iberien wieder zur Geltung zu bringen, unter-
warf K'art'li und Gugark' und nahm die Festung Üp'lis-c'iche.
Bei einer Zusammenkunft wurde er jedoch auf Befehl des Königs
von Iberien verräterisch gefangen genommen und nach Ani , der
Residenz des Smbat, abgeführt, bald darauf aber von Smbat wieder
in Freiheit gesetzt und in sein Erbreich zurückgeführt. Fortan
bewahrte er seinem Oberherrn Smbat Treue und Gehorsam. Auf
seine Eroberungen musste er natürlich verzichten ^). Als der
Emir JOsuf b. Abu 's Säg in Armenien einbrach und es aufs
schrecklichste verheerte, wagte ihm Smbat nicht Stand zu halten,
sondern floh nach den Bergen von Ap'chazet'i. Auch K'art'li
und Kachet'i waren den Verwüstungen des Sagiden schutzlos
preisgegeben. Der Chorbischof Kwirike von Kachet'i schloss mit
dem Emir eine Kapitulation, aber K'art'li, Samc'che und Gawachet'i
wurden verwüstet, die Festung Qwel, welche Gurgen, dem Erist'aw
der Erist'awe gehörte , belagert und zur Ergebung gezwungen -).
Smbats Nachfolger Aschot IL der Eiserne (914 — 928) wurde
von Atrnerseh, dem Könige von Iberien zum König von Armenien
gekrönt (915) und fortan finden wir den König von Iberien als
treuen Bundesgenossen Armeniens. Neben ihm erscheint von
Anfang an Gurgen als der vertrauteste Anhänger Aschots. So-
bald dieser die Provinzen Bagravand, Schirak, Gugark' und
Taschir von den Arabern gesäubert hatte, begab er sich ,zu
seinem am meisten geliebten Fürsten Gurgen" , um mit ihm
über die öffentliche Lage zu beraten"'). Späterhin wird Gurgen
als Fürst der Iberer bezeichnet ^). Es ist mir völlig rätselhaft,
wie B r 0 s s e t ihn zum König von Ap'chazien und Mingrelien
stempeln konnte ^) , wodurch er sich das Verständnis der inneren
Geschichte Iberiens in dieser Zeit vollständig verbaut hat. Gurgen
wird zum erstenmal beim Regierungsantritt des Königs Smbat (890)
genannt. In dem Konflikte, welcher damals zwischen Smbat und
seinem Oheim Abas ausgebrochen war, suchte der Patriarch Georg
zu vermitteln, worauf Abas sich zum Frieden bereit erklärte,
trad. par Saint-Martin, Paris 1841, p. 190. 191. Diese Übersetzung
war von Saint-Martin in unfertigem Zustande hinterlassen worden,
und es war daher eine beispiellose Pietätlosigkeit gegen den verdienten
Gelehrten , die Herausgabe seiner Arbeit einem Manne anzuvertrauen,
der vom Armenischen keine Ahnung hatte. Das Register ist denn
auch noch schlechter als die Übersetzung selbst.
^) Brosset, Hist. de la Göorgie I 274. Additions et öclair-
cissements „p. 164 nach Johannes KathoUkos S. 252 — 255 = p. 189 ss,
der franz. Übs.
2) Hist. de la G(5orgie I 275 s.
3) Joh. Kath. S. 307; trad. par Saint-Martin, p. 239.
') Joh. Kath. S. 376 = 303. 379 = 307. 384 = 312. 395 = 321.
^) BeiLebeau-Saiut-Martin, Hist. du Bas-Empire t. 13, 1832,
p. 484 ss. Hist. de la Gi'orgie. Additions et ^claircissements. St. Päters-
bourg 1851 p. 165 ss.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 179
wenn ihm Atmerseh, der Grossfürst von Iberien, die beiden
Festungen herausgebe, die er seinem Schwager (^h-n-tunJß) Gurgen
entrissen habe, und ihm seinen Sohn Davit' als Geisel stelle^).
Nachdem die Griechen, Mingi-elier, Gugarier und Utier, sowie
die am Fusse des Kaukasus wohnenden Völker eine Zeit lang
ihre eigenen Gebiete verwüstet hatten, um den Arabern möglichst
Abbruch zu thun , wodurch auch Armenien stark in Mitleiden-
schaft gezogen wurde-), und die Unbotmässigkeit und die
Selbständigkeitsgelüste der armenischen Lehnsfürsten dem Sägiden
Jusuf die Vergewaltigung Armeniens erleichterten, bemühte sich
der Patriarch Nikolaos von Konstantinopel, eine allgemeine Allianz
zwischen sämtlichen christlichen Fürsten Armeniens und Albaniens,
dem Kuropalates von Iberien, dem Fürsten der Ap'chaz und
den Romäern gegen den schrecklichen Jusuf zu stände zu
bringen"') (918). Der Katholikos Johannes wusste dann den
König von Iberien zu bewegen, dass er sich bereit erklärte,
Versöhnung und ein einmütiges Bündnis zu schliessen mit allen,
mit den Fürsten und mit den Herren des Landes Armenien und
Iberien. Es scheint also, dass er vorher mit mehreren derselben
sich im Kriegszustand befand. Um diese Zeit wurde Kostantine,
der König der Ap'chaz, von Kwirike, dem Choi'bischof von
Kachet'i, herbei gerufen. Beide vereinigten sich in Heret'i und
belagerten gemeinsam Wegin; schon waren sie im Begriffe den
Ort einzunehmen, als der Patrikios Atrnerseh erschien und mit
ihnen in Unterhandlungen eintrat. Gegen Abtretung einiger
Plätze verstanden sich die Verbündeten in der That zum Abzug.
Bald darauf starb aber der König Kostantine (920 nach Wachust),
und Ap'chazet'i wurde einige Zeit lang der Schauplatz von Thron -
Streitigkeiten, bis Bagrat , der jüngere Sohn des verstorbenen
Königs, der von seinem Schwiegervater Gurgen Bagratuni, dem
Erist'aw der Erist'awe und Herrn von Qwel kräftig unterstützt
wurde, starb und Giorgi Alleinherrscher in Ap'chazet'i wurde*).
Im Jahre 921 begab sich der König Aschot persönlich an den
kaiserlichen Hof nach Konstantinopel, um das Bündnis abzu-
schliessen. Unterdessen gieng sein Bruder Abas nach Iberien,
wo er die Tochter des Fürsten Gurgen heii'atete ^).
1) Job. Kath. S. 183 = 131.
J) Joh. Kath. S. 321 = 253. Die Erzählung ist fast unverständlich,
die Übersetzung Saint-Martin's völlig falsch.
3) Joh. Kath. S. 335 tf = 265 ss.
*) Rist, de la Georgie I 277 s.
'") Brosset, Additions et öclaircissements p. 166/67 und n. 1 nach
Öamcean II 782. Dieser scheint hier im wesentlichen Stephan
AsoHk und Wardan gefolgt zu sein, die mir nicht zur Verfügung stehen.
Übrigens wird auch bei Job. Kath. 8.379=307 der Iscban der Iberer
Gurgen als Schwiegervater des Abas bezeichnet.
12*
180 . J- Marquart,
Nach seiner Rückkehr aus Griechenland hatte Aschot gegen
die Brüder Wasak und Aschot aus dem Geschlechte Gnt'uni zu
kämpfen, welche von seinem Vater Smbat mit der Bewachung
der Festung Schamschulde in Gugark' betraut worden waren
und jetzt den Gehorsam verweigerten. Nachdem er über diese
einen glänzenden Sieg bei Sakuret' erfochten , begab er sich mit
seiriem Bruder Abas mit grosser Beute um die Gegenden des
Landes Iberien herum zu ihrem meistgeliebten Fürsten Gurgen ^).
Als Aschot nach zweijährigem Kampfe gegen seinen Vetter, den
König Aschot von Dwin, trotz der muslimischen Reiter, die ihm
der Ostikan Jusuf ztf Hilfe geschickt, bei Dwin eine Niederlage
erlitten hatte , wandte er sich um Hilfe an den Grossfürsten der
Iberer Gurgen , der ihm zahlreiche Truppen lieferte , mit denen
er vor Waiarsapat erschien, um seine Schlappe auszuwetzen.
Doch kam es dazu nicht, da der Katholikos Johannes einen
flauen Frieden vermittelte ^).
Nachdem der König einen neuen Aufstand des Moses,
Fürsten von üti, niedergeworfen und diesen geblendet hatte,
, berief er zu sich nach der Provinz Schirak seinen Bruder Abas,
den er zum Fürsten der Fürsten gemacht hatte, und den Fürsten
der Iberer Gurgen , dessen Schwiegervater" '^). Doch von nun
an hörte das gute Einvernehmen des Königs mit seinen beiden
treuesten Stützen auf, und diese machten einen Anschlag auf
sein Leben. Der König wurde indes noch rechtzeitig davon be-
nachrichtigt und floh von seiner Residenz Erazgavork' nacli Uti
(922). Ein Konflikt, welcher zwischen ihm und seinem Schwieger-
vater , dem Fürsten Sahak von Siunik' , ausbrach , wurde durch
einen Vergleich beigelegt, und nachdem Aschot alsdann seinen
Vetter bei Dwin geschlagen hatte , „brach er auf ins Land der
Wirk' , vereinigte sich dort mit dem König der Wirk' Atrnerseh,
und diese beiden in den Krieg ziehend gegen den Ischan Gurgen
suchten jeder ihre Rache, die sie ihm hinterlistig, böswillig be-
reiteten , ruchlose Schrecken und länderverheerende Verwüstung".
Obwohl aber Aschot's gleichnamiger Vetter, sowie sein Bruder
Abas sich mit Gurgen vereinigten , vermochten die Verbündeten
sich nicht im ofl'enen Felde zu halten, und befestigten sich in
den Thälern, Höhlen und dichtbewaldeten Bergschluchten, wo sie
schliesslich in solche Bedrängnis kamen , dass sie bereits im
Begriffe standen sich zu unterwerfen und den Frieden zu erkaufen
durch das Versprechen, für die von ihnen verübte Zerstörung
1) Joh. Kath. S. 371 = 298.
2) Joh. Kath. S. 876 = 303.
«) Joh. Kath. S. 879/80 (=306/7.): 'd^'u-jr i^p '3j-"' • • • ^^
ihb""''''^ Aj""ä %"--i-t'^'^ ^.ap..Ji. iu'bhp, S. 381 = 308 nennt er
Gurgen ungenau den Schwiegervater des Königs statt seines Bruders.
*) Joh. Kath. S. 385/86 = 312.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 181
doppelten Schadenersatz zu leisten, als die Nachricht kam, dass
des Königs Schwiegervater Sahak in die Provinz Uti eingebrochen
sei und darin allgemein plündere , und besonders die Festungen
des Gaues Zorap'or ausraube. Auf diese Botschaft riet Atrnerseh
dem König Aschot, die endgiltige Unterwerfung seines Schwester-
sohnes Gurgen, an welcher er selbst jedenfalls am meisten
interessiert war, auf einen gelegeneren Zeitpunkt zu verschieben
und sich unverzüglich gegen die gefährliche Erhebung seines
Schwiegervaters zu wenden. Aschot liess das Heer bei Atrnerseh
zurück und nahm nur 300 auserlesene Männer mit sich. Die
von Sahak besetzte Festung Kajean in Zorap'or gewann er zurück,
und trotz seiner geringen Streitmacht zersprengte er die feindliche
Übermacht vollständig und nahm den Fürsten Sahak und dessen
Sohn Grigor selbst gefangen. Um ihnen ein für allemal die
Möglichkeit zu neuen Aufständen zu nehmen, liess er beide
blenden. Auch die Festung Gardman im Gau Gardmana-zor fiel
in seine Gewalt.
Bald darauf trat auch der Krieg gegen Gurgen in ein neues
Stadium. Wasak Gnt'uni*),^ welcher sich nach der Niederlage bei
Sakuret' in die Festung Samsulde geworfen hatte, war vom
König offenbar, weil er ihm hier nicht beikommen konnte, gegen
die äussere Anerkennung seiner Oberhoheit im Besitze jener
Festung bestätigt worden'-). Jetzt wurde sein Abfall offenbar,
und er bot Gurgen, dem Fürsten der Iberer, an, ihm die
wichtige Festung auszuliefern, wofern er ihm eine andere Festung
in seinem eigenen Gebiete geben würde. Gurgen verpflichtete
sich dazu schriftlich, worauf sich Wasak zu ihm begab. Als
aber Gurgen vor der Festung erschien und die Übergabe
verlangte, weigerte sich die Besatzung, den Platz zu übergeben,
ehe Wasak nicht wieder in ihrer Mitte wäre, und als der
Fürst sich nun anschickte, die Übergabe mit Gewalt zu erzwingen,
1) Er wird bei dieser Gelegenheit als •p<«^i«'V"" K'ananit be-
zeichnet, was dem Herausgeber der Saint-Martin'schen Übersetzung,
F. Lajard, Gelegenheit zu der geistreichen Erklärung bietet (p. 380),
K'ananit sei ,une qualification analogue ä celle de Khan'!
Auch ein anderer Gnt'unier, Hasan, der Kommandant der Festung
Kars (Karuc'), erhält jenes Epitheton (Joh. Kath. 8.225 = 166). Ein
Blick auf Ps. Mos. Chor, hätte genügt, um Herrn Lajard eines
bessern zu belehren. Moses leitet das Geschlecht der Gnt'unier nach
seinem etymologisierenden System, offenbar lediglich auf Grund eines
entfernten Nameusanklanges , von den durch Josua aus Palästina ver-
triebenen Kana'anäern ab: ,,Von diesen (Kana'anäern) ist auch einer
unser geehrtester K'ananidas, in Armenien. Und zuverlässig unter-
suchend haben wir gefunden , dass die Abstammung des Geschlechtes
der Gnt'unik', der Männer des Kampfes, von ihm war. Dies beweisen
auch die Sitten der Männer des Geschlechtes, dass es k'ananäisch ist"
Mos. Chor. I 19 S. 42. Vgl. H 4 S. 72. 7 S. 76. Johannes Kath. hat
aber bekanntlich den Ps. Moses eifrig ausgeschlachtet.
2) Joh. Kath. S. 371 = 297. 395 = 321.
^g2 J. Marquart,
wandte sich die Besatzung um Hilfe an Asot, der jetzt den Titel
Hahansah führte. Als dieser mit einem Heere erschien, wurde
Gurgen zum Abzüge gezwungen; doch auch dem Asot wollte die
Besatzung den Platz nicht übergeben, so dass er zur Belagerung
schritt. Inzwischen aber wusste Gurgen die Besatzung durch
feierlichen Eid zu überzeugen, dass er ihnen den Wasak zui^ück-
weben würde , worauf er von ihnen eingeladen wurde , ein Heer
zu senden, damit sie diesem die Festung übergäben. Gurgen
sandte nun 300 wohlgerüstete Krieger ab , allein kaum waren
dieselben in die Festung eingelassen, so witterten die Verteidiger
wiederum Verrat , gaben die untere Festung preis und setzten
sich in der oberen Burg fest, von wo aus sie einen heftigen
Kampf gegen die Abteilung des Gurgen eröffneten, um sie wieder
hinaus zu drängen. Diese wurde nun auch von Asot angegriifen
und zuletzt öffnete ihm die Besatzung der Burg die Thore , wo-
rauf die Truppe des Gurgen gefangen genommen und verstümmelt
wurde. Diese Massregel verbreitete solchen Schi-ecken, dass alle
Nordvölker sich unter die Faust des Königs beugten.
Hierauf unterwarf der König durch Milde auch die Provinz
Uti, und ein feierlicher Friedensschluss beendete den Kriegszustand
mit seinem Vetter, dem König von Dwin. Darauf kehrte der
Sahansah nach seiner geliebten Provinz Uti zurück. Auf dem
Wege dahin aber kamen ihm Klagen aus jener Mark entgegen.
Amram genannt Ohk (Öchschen) , welchen er als Hramanatar
über die Verwaltung dieser Provinz gesetzt, hatte Verbindungen
mit Gurgen angeknüpft, welcher Fürst der Fürsten des Landes
Oamir¥ (Kappadokien) ') war, und erklärte sich bereit, „unter
das Joch seiner nicht angestammten Knechtschaft zn kommen".
Seine Angehörigen hatte er in der Festung Tavus'^) geborgen.
Als nun Asot ins Land der Utier gelangt war und sah, dass alle
Machthaber sich von ihm zurückgezogen und ihm den Rücken
srewandt hatten und seitdem keiner ihm als Helfer gefunden
wurde ausser einigen gewöhnlichen Leuten , so erkannte er die
ganze Gefährlichkeit der Lage und gieng ausser Landes zum
König der Mingrelier, im festen Vertrauen auf den alten
Freundschaftsvertrag •^). Hier fand er ehrenvolle Aufnahme und
kräftige Unterstützung: der König von Mingrelien übergab ihm
ein grosses Heer von wohlausgerüsteten , in Eisen gehüllten
Kriegern auf windschnellen erzgepanzerten Rossen, und mit diesem
hoffte er in Bälde seine Macht wieder zu vereinigen und seine
Feinde niederzustrecken. Allein jener Amram, C'lik geheissen,
und mit ihm noch andere abtrünnige Briganten , hatten zu ihrer
Hilfe von allen Seiten her ein zahlreiches Heer versammelt und
') S a i 11 1 - M a r t i n p. 826 : G ougarg.
^) Ed. TaurPs.
») Nämlich den, welchen Kostandin bei seiner Freilassung mit
Smbat geschlossen hatte.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 183
lagerten in Höhlen zurückgezogen und befestigt zwischen dichten
Fichtenbäumen am Gestade des Flusses Kur'). Wie dieser
Aufstand endete , erzählt Johannes Katholikos nicht. Bis zum
Tode des Königs Asot II (928) werden die Iberer und Mingrelier
oder Ap'chazen in der armenischen Geschichte nicht mehr genannt.
Zur Zeit jenes Aufstandes bestand also das freundschaftliche
Verhältnis des Königs von Mingrelien zu Armenien fort. Leider
lässt sich den Angaben des Johannes Katholikos gar nichts
näheres über die damalige Ausdehnung des mingrelischen Reiches
entnehmen. Unter dem hier auftretenden Gurgen kann nicht der
früher genannte Fürst von Iberien gemeint sein ; wenn die Lesart
ji^pJtuu fi^ufittuß ^utJfiuMß uj^iup<^[i ,Fürst der Fürsten
des Landes Kappadokien' richtig ist, so könnte nur Johannes
KnrJcuas (arm. Gurgen), der romäische General des Ostens in
Betracht kommen, der seit dem Jahre 923 in Armenien operierte-).
Sonst Hesse sich an Gurgen II., den Erist'aw der Erist'awe und
Schwiegersohn des Aschot Kiskasi (s. u.) denken.
Aus den angeführten Thatsachen ergibt sich aber die Stellung
des Gurgen , des Fürsten der Iberer , neben dem Kuropalates
und König Atrnerseh mit völliger Deutlichkeit. Iberien war
um diese Zeit, wie schon der gelehrte Prinz Wachust erkannt hat •^),
auf Samc'che oder Zemo-K'art'li (Ober-K'art'li) , Tao, Gawachet'i
und T'rialet'i beschränkt. Samswilde , Gardaban , Somchet'i oder
Georgisch- Armenien (Gugark') waren in den Händen der Armenier,
in Tiflis Sassen die Araber, Imeret'i, Mingrelien und Guria ge-
hörten zum Reiche der Ap'chazen. Nach der ganzen Sachlage
kann Gurgen nur der Nebenlinie der iberischen Fürsten angehört
haben , welche B r o s s e t als die Bagratiden von Tao bezeichnet,
und hier brauchen wir in der That nicht lange zu suchen: es
ist Gurgen I. , ein Sohn Bagrats, des Herrn von Artanug, der
von seinem Vater diese wichtige Festung erbte. Nach Konstantinos
Porphyrogennetos war hier der Haupthandelsplatz für den Verkehr
zwischen Trapezunt , Iberien , Ap'chazien , ganz Armenien und
Syrien , und der Kaiser bezeichnet sie geradezu als den Schlüssel
zu Iberien, Ap'chazien und Meschien. Das Gebiet der Festung
selbst , "Aq^7]v genannt . war sehr fruchtbar *). Es wäre in der
That , wie B r o s s e t richtig bemerkt ^) , höchst auffällig , wenn
der Fürst dieses Gebietes, dessen Sitz dem Aschots IL so nahe lag,
den Verwicklungen seiner Regierung völlig teilnahmlos gegenüber
gestanden hätte. Die Erkenntnis der Thatsache aber, dass er
1) Job. Kath. 8.399-403 = 324—328.
^) de Muralt, Essai de Chronographie byz. I 50L 505.
") Brosset, Additions und ^claircissements p. 152.
*) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 46 p. 206, 9ff. 207, 23 fF.
*) Additions et eclaircissements p. 171.
-j^g^ J. Marquart,
wirklich in den Wechselfällen der Geschichte jenes Fürsten
eine sehr bedeutende Rolle gespielt, hat Brosset sich selbst
dadurch verschlossen, dass er sich unbegreiflicherweise einredete,
Gurgen, der Ischan der Iberer, sei identisch mit dem König Giorgi
von Ap'chazien.
Nach dem Tode Gurgens gieng Artanug in den Besitz seines
Bruders Aschot mit dem Beinamen Kiskasi über. Konstantin
Porphyrogennetos lässt den Gurgen kinderlos sterben, dies ist
jedoch nicht ganz genau, da er, wie wir gesehen, eine Tochter
hatte, welche er mit Abas, dem Bruder des armenischen Königs
Aschot IL, vermählte.
Der Kuropalates Atrnerseh starb nach der georgischen
Chronik im Jahre 923 , worauf Giorgi II. , der König von Ap'-
chazet'i (920 — 955), der älteste Sohn des Kostantine und von
mütterlicher Seite ein Enkel des Atrnerseh, K'art'li seinem
ältesten Sohne Kostantine gab. Dieser regierte drei Jahre als
König von K'art'li (923—926), worauf er Unabhängigkeitsgelüste
zeigte und sogar nach der Krone von Ap'chazet'i strebte. Als
aber Giorgi mit den Königen von Tao und dem Chorbischof
P'adla von Kachet'i gegen ihn zog und ihn in der Festung
Up'lis-c'iche belagerte, geriet er nach tapferer Verteidigung durch
Hinterlist in die Hände seines Vaters, der ihn blenden und ent-
mannen Hess. Der König ernannte nun seinen Sohn Leon zum
Erist'aw von K'art'li, das demnach jetzt zu einer Provinz des ap'-
ehazischen Reiches gemacht wurde. In den Streit, welcher zwischen
dem Patrikios Aschot Kiskasi und seinem Eidam Gurgen IL
Magistros, dem Hei-m von Qwelis-c'iche und Agara und Erist'aw
der Erist'awe^), um den Besitz von Artanugi ausbrach, wurde
auch Georgios Magistros, der Herrscher von Ap'chazet'i, als
Schwager des Aschot verwickelt. Aschot zog jedoch vor Gurgen
den kürzeren und sah sich genötigt, beim Herrscher von Ap'-
chazien Zuflucht zu suchen. Als Gurgen ohne männliche Erben
starb, teilten sich die Bagratiden von Tao und Georgios Magistros,
der Herrscher von Ap'chazien, in seine Besitzungen. Damals war
dieser ohne Zweifel bereits Herr von K'art'li.
Nach der georgischen Chronik , die freilich auf streng
chronologische Anordnung keinen Anspruch macht, scheint es,
dass Giorgi bald nach der Niederwerfung der Empörung seines
Sohnes Konstantine einen Aufstand der Grossen von Kachet'i unter
Führung des Chorbischofs Kwirike (929-976), des Nachfolgers
des P'adla, mit Gewalt unterdrücken musste. Alle Festungen
von Kachet'i wurden genommen bis auf drei, worauf der König
nach Ap'chazet'i zurückkehrte. Allein die Grossen von K'art'li
verbanden sich mit denen von Kachet'i und veranlassten den
1) Konstantin. Porphyrog. de adniin. imp. c. 46 p. '206, 15—17.
Leben des hl. Gobron bei Brosset, Eist, de la Georgie I 276 n. 3.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 185
Kwirike , von neuem die Fahne des Aufruhrs zu erheben. Im
nächsten Frühjahr liess der König abermals seine Truppen unter
Führung seines Sohnes Leon in Kachet'i einrücken, doch während
der Expedition erhielt dieser die Nachricht vom Tode seines
Vaters (955), worauf er sich mit dem Chorbischof verglich, um
von seinem Erbreich Ap'chazet'i Besitz zu ergreifen. Er ver-
mählte dann seine Tochter mit dem Sohne des Chorbischofs, nach
deren Tode aber wurde das Verhältnis zu Kwirike abermals
gespannt und der König musste einen neuen Zug zur Unterwerfung
von Kachet'i unternehmen. Nach seinem Tode (nach 964)')
folgte ihm sein Bruder Demetre und wurde Herr von K'art'li.
Dieser hatte gegen einen Aufstand zu kämpfen, welchen sein
Bruder Thewdose von Samc'che aus unternahm, um die Herrschaft
über K'art'li an sich zu reissen. Thewdose wurde besiegt und
erhielt freien Abzug, als er aber seine Umtriebe fortsetzte und
sich bald darauf zum Chorbischof Kwirike nach Kachet'i begab,
forderte und erhielt der König seine Auslieferung und liess ihn
nach einiger Zeit blenden. Nach dem Aussterben des Königs-
hauses von Ap'chazien bestiegen die iberischen Bagratiden den
Thron von Ap'chazet'i und K'art'li-).
Dass in der Chronik vielfach Ereignisse, die zeitlich eine
Reihe von Jahren auseinanderliegen, zusammengezogen werden,
ist unverkennbar, da mir indessen anderweitige zeitgenössische
Quellen, namentlich von armenischer Seite, hier nicht zu Gebote
stehen, so sehe ich mich vorläufig ausser stände, die Vereinigung
von K'art'li mit dem Reiche der Ap'chazen zeitlich genauer zu
fixieren. Allein dass Mas'üdi in seiner Beschreibung des Laufes
der Kur diesen Zustand voraussetzt und somit dazu beiträgt, die
Angaben der Chronik zu bestätigen, ist jetzt ohne weiteres klar.
Gurgen , der Erist'aw der Erist'awe und Herr von Artanug , und
Giorgi n., der König von Ap'chazet'i und Herr von K'art'li, waren
offenbar damals die mächtigsten Fürsten in Ibenen. Da auch die
iberischen Bagratiden, als sie nach dem Aussterben des ap'chazischen
Königsgeschlechtes den Thron von Ap'chazet'i und K'art'li be-
stiegen, fortfuhi-en, gleich ihren Vorfahren im Norden zu residieren
und sich „Könige von K'art'li und Ap'chazet'i" zu nennen, so wurde
ihr ganzes Reich als Ap'chazet'i bezeichnet und es ist daher ganz
korrekt, wenn Jäqüt I aoa, 9 die christlichen Gurg „ aJI im
Jahre 515 H. (1121/22) aus den Tiflis benachbarten Bergen
von Abchäz hervorbrechen und nach glücklichen Gefechten wecren
die Stadthalter der Selguken zuletzt Tiflis erobern lässt^).
1) Brosset, Hist. de la Georgie I 290 n. 4.
'^) Hist. de la Göorgie I 280. 285—294.
^) Vgl. Brosset, Bulletin scientifique de l'Acad. de St. Peters-
bourg t. V (1839) p. 41. 45.
]^86 J. Marquart,
Der Titel, welchen der Fürst der Gurzän nach Mas'udT führt,
ixxIoJt oder ^jtxxLJl ist bisher unerklärt') und müsste es
nach der überlieferten Lesart wohl auch bleiben. Ich glaube
aber, dass wir ^3u.xX\ al-manbayl zu lesen haben, und darin er-
kennt man ohne weiteres die mittelarmenische Ausprache (mamyl-ayi
^= 'mamp''aU JtuJ7^ujq[i) des iberischen Titels mamp''aU (iccfiTtahg,
welchen gerade in der fraglichen Epoche eine ganze Reihe der
iberischen Bagratiden geführt haben -). Die Lage der Residenz dieser
Fürsten, Masgid ^T'l Qarnain vermag ich leider nicht genauer zu be-
stimmen. Sie wird, so viel ich sehe, nur noch in einem Bruchstücke
Ja'qübT's (Bibl. Geogr. VII r"1f ^ 9) , sowie in einer Stelle bei
Tabari II !o.1 15 erwähnt. Es heisst hier: „Im Jahre 110 H.
(16. April 728 — 4. April 729) fand ein Raubzug des Maslama b. 'Abd
al Malik gegen die Türk statt. Er zog gegen sie in der Richtung
auf das Alanenthor, bis er auf den Chäqän mit seinen Scharen
stiess. Nachdem sie mit einander nahezu einen Monat gekämpft
hatten, ereilte sie ein gewaltiger Regen. Da schlug Gott den
Chäqän in die Flucht und er kehrte um. Maslama trat darauf den
Rückweg über Masgid <^i'l Qarnain an." Hieraus darf man wohl
schliessen, dass der ,Tempel Alexanders' im Thale des Aragwi
gelegen war^). Ich kann mich der sich immer wieder auf-
1) Denn die „heureuse decouverte" Frähns (bei Brosset 1. 1.
p. 41) , dass der Personename Smbat [arab. -bUi^] darin stecke,
verdient nicht einmal die Ehre einer Erwähnung.
2) Hist. de la Georgie p. 267 ss. Vgl. Brosset ib. p. 272 n. 8.
Additions p. 148 n. 2.
3) In der von Li dz bar ski herausgegebenen Alexandergeschichte
des Wahb b. Munabbih habe ich den Namen nicht gefunden. Dagegen
wird dort (ZA. 8, 308 Z. 11) das ,Land von Armazi'^^^i (jOj\ genannt,
das auch in der Urkunde des Habib b. Maslama für die Georgier
(Saif bei Tab. I Hvf, 9. Hvö, 7. Jäq. I aöa, 11. Bai. V.S, 16; vgl.
Brosset, Bxillet. scientifique de l'Acad. de St. Petersbourg t. V, 1839, 40)
vorkommt. Von Samarkand, wo er die eingedrungenen fremden Stämtne
der Zutt und Kurden (Übersetzung von HKv&ai und Maaaayhca) unter-
worfen hatte, zieht Alexander nach dem Land von Hormizd (so cod. A; B
.^y>, vom Herausgeber mit Unrecht in .yo .verbessert'), wo er die
fremden Stämme der 3y> , ^-^y' ""<! Dclum (=^ Kadovaioi) vorfand,
sämtlich Nachkommen des Japheth. Nachdem er von diesen die
Widerspenstigen getötet und die, welche sich unterwerfen, begnadigt
hat, zieht er weiter nach Herat. Offenbar ist für jjJ>- nicht
•.j^ al Gurz (die Georgier) , sondern ^jü (die Chazaren) zu lesen , da
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 187
drängenden Vernuitung nicht erwehren, dass mit jenem Namen
die oberhalb von Tiflis an der Einmündung des Aragwi in den
Kur gelegene alte Hauptstadt des Landes Mc'chet gemeint ist,
welche nach der Gründung der neuen Hauptstadt Tiflis durch
Wacht'ang Gurgasar ihre alte Bedeutung als religiöser Mittel-
punkt des Landes bewahrt hatte. Nachdem Tiflis der Hauptsitz
und das Bollwerk der Ungläubigen geworden, war es ganz
natürlich , dass die Blicke der christlichen Bevölkerung sich
wiederum auf die alte Hauptstadt richteten, wo das Wahrzeichen
des Landes, das von der hl. Nune errichtete wunderbare Kreuz
stand. Nach der glücklichen Erhebung der Armenier und Georgier
unter den Bagratiden war den Muslimen thatsächlich nur das
Gebiet in der unmittelbaren Umgebung von Tiflis geblieben.
Freilich kann dann diese Nachricht Mas'üdi's nicht aus derselben
Zeit und aus der gleichen Quelle stammen, wie seine Beschreibung
des Kurlaufes, sondern muss sich auf eine etwas frühere Zeit
beziehen, als die Ap'chazen noch nicht die Herren von K'art'li
geworden waren.
Die neue Machtstellung des ap'chazischen Staates hat auch
ihren Ausdruck gefunden in der auf Ps. Moses Chorenac'i fussenden
Darstellung des Ursprungs der Georgier bei dem Armenier
Ucht'anes (10. Jh.). Die Georgier sollten darnach von iberischen
Gefangenen abstammen, die Nabuchodonosor deportiert und auf
dem rechten Ufer des Pontos angesiedelt hatte i). „Quand donc
il les eut installes sur le bord du Pont, leur race se propagea,
se multiplia, se repandit de divers cötes, au bord de la mer,
atteignit jusqu'ä la frontiöre de l'Armenie et de l'Aghovanie, et
forma une nation considerable , sous le nom di'Aphkhaz. Quant
aux noms particuliers des provinces environnantes, ils sont innom-
brables. II y en a encore d'autres, aux environs de Tiflis, qu'on
appelle Tsanark, Dchavakhk et Threghk. S'etant donc propages
et multiplies, ils formerent diverses tribus , et le pays qu avant
eux on nommait Veria s'appelle maintenant Vratsik, i. e. Georgiens" ^).
Auch dem Ibn Hauqal ist die Macht des Königs der Abchäz
wohl bekannt. Zu den mächtigsten Königen der Grenzländer
(des Kaukasus) zu seiner Zeit rechnet er, nächst dem Sarwänsäh
es sich um fremde Völker handelt, die sich im Lande festgesetzt hatten.
Für .,Lc;äit» vermute ich ^.,LijJ(^ , d. h. die Kuban-Bulgaren. Die
georgische Chronik (Eist, de la Georgie p. 33) macht daraus „Turks
primitifs et Qiphtchaqs".
1) Ps. Mos. Chor. II 8 S. 78 nach Megasthenes bei Euseb.
Chron. I p. 41/42 ed. Schöne = I 58 ed. Avker.
") Vgl. Brosset, Hist. de la Göorgie. Additions et eclaircissements
p. 110. Leider ist mir weder der Text des Ucht'anes noch Br osset's
Übersetzung (Deux historiens armeniens, St. Pötersbourg 1871) bisher
erreichbar gewesen.
2^gg J. Marquart,
Muhammad b. Ahmad al Azdi, den König der Abchäz. „Ihm
gehört ein Reich, das sich bis zu einem Teil der Berge und
Distrikte des Kaukasus erstreckt und unter dem Namen al
Abchäz-säh bekannt ist^). Ihm untersteht der ^anciri (Fürst
der Canark'), der Sene¥erim heisst und Christ ist, wie Ibn ad
Dirani (Derenik) , der Fürst über az-Zawazän, Wän und Wastän
(d. i. der Fürst von Waspurakan aus dem Hause Arcruni)" '^).
Von all diesen tiefgreifenden Veränderungen, welche sich in
der politischen Stellung der Kaukasusländer und namentlich auch
der Ap'chazen und Georgier zum Chalifenreiche seit den Tagen
des al Mutawakkil und der Gründung des armenischen Bagratiden-
reiches vollzogen hatten, weiss aber der Verfasser unseres Reise-
berichtes noch nichts. Für ihn ist Tiflis immer noch die
politische und kommerzielle Hauptstadt des arabischen Trans-
kaukasien und das Bollwerk der muslimischen Herrschaft in den
Kaukasusländern, und wenn in vmseren Auszügen auch nicht
ausdrücklich erwähnt wird, dass die Avyaz dem Statthalter von
Tiflis unterstanden, so dürfen wir dies doch als die Meinung des
Verfassers annehmen. Aus alledem ergibt sich mit Notwendigkeit,
dass der Bericht mindestens vor dem Zuge Buya's des Älteren
nach den Kaukasusländern (240 H.) geschrieben sein ibuss , von
welchem Zeitpunkte ab die Araber selbst den Niedergang der
Macht des Chalifats in Transkaukasien datieren.
Kehren wir nun zum Berichte des GaihänT zurück! An die
Beschreibung der Magyaren schliesst sich naturgemäss die der
Slawen. Das Gebiet derselben beginnt nach ihm 10 Tagereisen
von den Magyaren 2). Die Slawen werden noch vollständig als
Heiden geschildert. Am Schlüsse der Beschreibung der Slawen
findet sich die Bemerkung: „Falls ihr König einen Räuber
in seinem Reiche ergreift, lässt er ihn hängen oder versetzt
ihn nach » j.:;- Glra ^ dem äussersten Bezirk seiner Länder"*),
de Goeje vermutet, dass darunter das Fvqa des Konstantinos
Porphyrogennetos zu verstehen sei. Dieser berichtet nämlich,
dass bei Beginn des November die Fürsten der Rös i'^eQXOvrai
fiEXCi TtKvroiv rcov 'P&g ano t6 Klaßov , Kai ani^iovrca £ig xa
Ttolvöia a. Uyixai FvQa, i]yovv st? Tfi;g EYlaßtviag xo)v xi JeQßidvcov
(Drhdjane)^) Y.cd x&v jQovyovßixmv (Dngowici) Y.a\ Kgißn^üv
1) Ibn Hauqal hat also den (persischen) Titel des Königs fälscli-
licb als Landesnamen aufgefasst.
») Ibn Hauq. ^ö. , 7—11.
3) So GurdezT bei Barlhold S. 99, 1. Ibn Rusta (fr, 7 hat
dagegen für die Magyaren die später in deren Sitze eingerückten
Pecenegen eingesetzt.
1) Ibn Rusta Ifö, 8.
5) So ist zu lesen für BsQßiävav. c. 37 p. 166, 11 kommen sie
unter der Form JsQßUvivoi vor.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 189
(Kriwict) v,ai xCov Eeqßiav (1. ^sßsQicov , Sewerh)^) Kai Xoi-
TTcöv H^Xocßbiv , oi'rivig eIgi -jiaKTiärai r&v Päg. Dort verweilen
sie den ganzen Winter, um erst im April beim Schmelzen des
Eises auf dem Dnjepr wieder nach Kijew hinabzufahren-). Die
Gleichsetzung dieses Fv^a mit Ibn Rusta's 5-<^:s- scheint mir in
der That sehr einleuchtend , denn offenbar sind auch unter rvQcc
Grenzdistrikte zu verstehen. Dann wird es aber bereits
sehr wahrscheinlich, dass mit der slawischen Stadt l-^aj!^ (bezw.
^.i>s.AÄi!^ oder vi;/j:Ailo) nur Kijew, die Hauptstadt der slawischen
Poljane gemeint sein kann , welche zur Zeit der Entstehung des
Berichtes noch nicht im Besitze der Russen war. Mit dieser Auf-
fassung stimmt auch die Angabe , dass das Gebiet der Slawen
10 Tagereisen von dem der Magyaren entfernt sei, die ja damals
noch in der Steppe zwischen Don und Wolga schweiften'^). An
Kijew dachte schon H a r k a v y.
Freilich scheint der Name der Hauptstadt zunächst nach
einer anderen Richtung zu weisen. Denn dass derselbe nicht
aus äjuj-S' verstümmelt sein kann , ist unbestreitbar. Vielmehr
vei-mute ich , dass die Stadt nach einem Flusse benannt ist , und
zwar führen die Schriftzüge auf i,4:/./*>.i|o Dänast als vorauszu-
setzende Gi'undform. Damit kämen wir also in das Land am
Dnjestr , das Gebiet der Tiwerci , der Anwohner des TvQag, und
der Uglici^ bei Konstantin. Porphyrog. de administr. imp. c. 37
p. 166, 10 OvXtCvoi (oben S. 107), der Bewohner des sogenannten
qgh ("OyyAoj), des Winkels zwischen dem Dnjestr, der Donau und
dem Pontos^). Diese beiden Völker kennt auch der sog. baierische
Geograph (gegen Ende des 9. Jahrhunderts): Unlizi, populus multus,
ciuitates CCCXVin. Neriuani (Narewjane, am Narew) habent ciui-
tates LXXVIII. Attorozi habent CXLVIII, populus ferocissimus ^),
Der Name JI,H4cTpi) Dnesh'^ ist so wenig slawisch wie Jl,H'tnp'&,
JI,'i)Hilip'b i)nepr%. Die älteste Form lautet Danastius und findet
sich zuerst bei Ammianus Marcellinus 31, 3, 3. 5. Ihr entspricht ge-
nau Muslim b. Abu Muslim's vorauszusetzendes Dänast. Aber schon
bei Jordanis (Get. c. 5 § 30. 35) begegnet dafür Danastrus, eine
*) So schon Karamzin; Schafarik's Widerspruch gegen diese
Verbesserung (Slawische Altertümer II 102) ist vergeblich.
2) de admin. imp. c. 9 p. 79, 13 ff.
^) Für die Zeit, als die Pecenegen in Atelkuzu sassen, passte dies
nicht mehr. Denn das Land der Pecenegen bezw. deren Horde
Charowoj war vom Gebiete der Rus nur einen Tagemarsch entfernt.
Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 37 p. 166, 14.
*) Konst. Jirecekj Gesch. der Bulgaren S. 129.
^) Schafarik, Slawische Altertümer II 130—135.673.
190 J- Marquart,
offenbar der Analogie mit Danaper zuliebe gebildete Form , und
ebenso lieisst der Fluss /iavaaxqiq bei Konstantin. Porphyrog. de
administr. imp. c. 8 p. 73, 8. c. 42 p. 179, 13. 23. Die Namen
Dana-stius und Dana-per^ /iävanqig (zuerst in dem nicht vor dem
5. Jahrhundert verfassten Periplus Ponti Euxini e. 58) ^) sind offenbar
sarmatisch-iranischen Ursprungs ; daneben müssen sich aber die alten
skythischen (ebenfalls iranischen) Benennungen TvQag und Boqv-
ö&Evtjg {*waru-stäna) noch ziemlich lange im Gebrauche erhalten
haben, da von ihnen die türkischen Formen Turla^) (pe^enegisch
TQOvklog) und War (bei den Hunnen, Jordan. Get. c. 52 § 269),
Waruch (bei den Pecenegen Konstantin Porphyrogenn. de admin.
imp. c. 38 p. 171, 10)^) gebildet sind. Wie die ehemaligen
skythischen Anwohner des Dnjestr, die Tv^aye-xui d. i. *Turaga-ta
(von *Tura-ga mit der skythisch- alanischen Pluralendung *-ta,
-t^a, -t'ä) oder (mit griechischem Suffix) TvQLtai, sind auch die
spätem slawischen Ansiedler nach dem Flusse Tiwerd genannt
worden. Die russische Chronik c. IX nennt nach den Dulebi am
Bug die Uglici und Tiwerci ^ die am Dnestr sassen und an die
Donau grenzten : „et ils etaient fort nombreux, car ils s'etendaient
jusqu'ä la mer, et leurs villes subsistent encore aujourd'hui.
Les Grecs appelaient ce pays la Grande Scythie*)". Sie wurden
von Oleg bekriegt (angeblich 885) und auf seinem Zuge gegen
Konstantinopel im Jahre 917 mussten ihm ausser andern Völkern
auch die Chrowaten , Dulebi und Tiwerci Heeresfolge leisten.
Zum letzten Mal werden die Tiwerci im Heere Igors im Jahre 944
erwähnt ^).
Im altslawischen Leben des Apostels Konstantin c. 16 er-
widert der Apostel den Lateinei'n, die immer wieder die Simpelei
von den drei privilegierten Spi'achen wiederkäuen : nonne aerem
omnes aequaliter spiramus ? quomodo igitur vos non pudet tres
tantum linguas statuere , reliquos populos et stirpes caecos et
surdos esse iubentes? .... nos vero multas gentes novimus
literas scientes et deum laudantes, sua quaeque lingua. constat
autem has gentes esse Armenos, Persas, Abasgos, Iberos, Sugdos,
Gotthos, Avares (Obri)^ Tyrsos (Typ^CH), Kozaros, Arabes, Aegyptios,
Syros, aliasque multas'')- Die Armenier, Ap'chazen, Iberer, Sugder
(d. i. die Alanen von Sugdaia auf der Krim) und Krimgoten waren
1) C. Müller, Geogr. Gr. min. I 417.425.
2) Schafarik, Slawische Altertümer I 505.
^) Tomaschek, Kritik der ältesten Nachrichten über den skyth.
Norden II 20.
■*) Richtig 17 fitxpa Hxv&ia, Scythia minor.
^) Chronique dite de Nestor trad. par L. Leger c. XIX p. 18.
c. XXT p. 22. c. XXVII p. 35.
") Die Legende vom hl. Cyrillus hg. von Ernst Dümmler und
Franz Miklosich. Deukschr. d. Kais. Akad. d. Wiss. Phil-hist. Cl.
Bd. XIX, 1870, S. 227 = 244,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge, 191
in der That Christen, und in Persien gab es immer noch zahl-
reiche Nestorianer. Unter den Awaren hatte seit ihrer Unter-
werfung durch Karl d. Gr. das Christentum Eingang gefunden;
wie es in dieser Beziehung mit den Chazaren stand, wissen wir
freilich nicht näher. Von einer eigenen Schrift und einem
Gottesdienst in nationaler Sprache bei Ap'chazen, Sugdern und
Krimgoten ist uns freilich sonst nichts bekannt ^) , und bei den
Awaren kann davon zweifellos keine Rede sein. Wie es sich
aber damit auch verhalten mag: soviel ist klar, dass die zwischen
Awaren und Chazaren stehenden Tursi geographisch genau den
Tiwerci der Chronik entsprechen. Die Namensform weist auf
Übersetzung aus dem Griechischen hin: Tvq6oi = slaw. *Turci.
Der Verfasser der Vita setzt voraus, dass auch bei diesem Volke
das Christentum um die Mitte des 9. Jbs. bereits zahlreiche Be-
kenner zählte , und nach dem , was die Chronik von ihren alten
Städten zu berichten weiss, ist dies durchaus nicht unglaublich.
Da die Tiwerci und Ugli^i sich einst bis zum Meere ei'streckten,
so sind die Romäer ohne Zweifel zur See mit ihnen in manigfachem
Verkehr gestanden , in dessen Gefolge sich manche Elemente
romäischer Kultur bei ihnen verbreitet haben mögen und auch
Glaubensboten zu den Mündungen der Donau und des Dnjestr
vorgedrungen sein werden. Noch Konstantin Porphyrogennetos
(952 n. Chr.) kennt im Gebiete der Pe^enegen westlich vom
Dnjepr, gegen Bulgarien zu, also im alten Lande der Tiwerci
und Uglißi sechs Ruinenstädte , die er nach ihren pe^enegischen
Benennungen aufführt und unter deren Gebäuden man, wie er
sagt, noch Spuren von Kirchen und aus Stein gehauene Kreuze
finde. Daraus schlössen einige auf ehemalige römische Ansiedlungen
in diesen Gegenden 2),
^) Da Konstantin selbst auf der Krim gewesen ist, so konnte er
dort allerdings Nachrichten über die religiösen und sprachlichen Ver-
hältnisse des Landes einziehen. Allein wenn auch die Krimgoten ihre
Sprache noch über ein Jahrtausend nach der Annahme de^hristentums
bewahrt haben, so wissen wir in religiöser Beziehung doch von ihnen
nur, dass sie griechische Katholiken waren und ihre Bischöfe von Kp(>l
erhielten. Dasselbe gilt von Sugdaia. Der Verfasser der Vita könnte
seine Angaben aber auch aus älteren litterarischen Quellen geschöpft
haben, [und unter diesem Gesichtspunkte ist eine Nachricht von grösstem
Interesse, welche sich in der sog. Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor
(in deutscher Übs. hg. von K. Ahrens und G. Krüger S. 254,
1 — 255 , 37) findet. Darnach gieng der Bischof Qardü^t von Arrän um
507 oder 508 mit drei Priestern und vier andern Männern ins Land
der Hunnen, predigte den dortigen römischen Gefangenen, bekehrte
auch einige von den Hunnen und gab dort Schriften in hunnischer
Sprache heraus. Es wäre sehr wohl denkbar, dass der Verfasser oder
seine Quelle diese Hunnen als Chazaren aufgefasst hätte.]
^) Konstantin. Porphyrog. de admin. imp. c. 37 p. 167, 5fF. :
lareov ori sv&8v rov ^ocvccTtQscog nota^ov TtQog rb ccnoßlinov ^igog ti)v
BovXyagiav big tu 7tbQd[iara rov avxov norafiov sialv iQri\i6y.aatQa-
HaatQOv TtQ&rov tb dvoficca&hv TtUQa x&v Uur^LvauLTäv "Aon^ov Siä rb
192 J- Marquart,
Wenn ich recht sehe, gedenkt auch noch der Jude IbrähTm
b. Ja'qüb , ein Zeitgenosse des Kaisers Konstantin , im Jahre 965
in einer sehr merkwürdigen Stelle seines Reiseberichts der beiden
in Rede stehenden Stämme. Es heisst nämlich bei ihm S. 39, 5 ff.:
JoLxS ^^Xa ^^j ^loi)iXs>'^ &.jw>.iÄAaJLj ^^j.^JL51äj \Jtj.^ lj^L•^^ J^r*-3
d. h. „die hervorragendsten Stämme des Nordens sprechen slawisch,
weil sie mit ihnen (den Slawen) gemischt sind. Unter diesen sind
zu nennen die Turiskln, die Änqlijin, die Pe^enegen, die Russen
und Chazaren." Von einer Vermischung mit den Slawen kann
man wohl bei den Russen in der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts reden, bei den Chazaren und vollends bei den Peßenegen
kann dagegen von einem solchen Verhältnis keine Rede sein. Der
Ausdruck \j Jal'jis>\ ist also hier im Sinne von ,in Verkehr stehen mit
jemanden' zu nehmen. Westberg, a. a. 0. S. 162 kommt dem Sinn
der Stelle nahe, wenn er annimmt, dass jene Stämme „ausser ihrem
eigenen Idiom, sich der slawischen Sprache als Hauptverkehrs-
sprache bedienten". Von einer eigentlichen Zweisprachigkeit
kann man indessen nur bei den Russen sprechen. Unter den
^J^.Ai.Äi! sind gewiss nicht die Magyaren (Üngri, OvyyQOi, alt-
slawisch Ogri) zu verstehen , wie K u n i k und ihm folgend
Westberg glauben^), da ja Ibrahim dieselben unter dem
Namen tib! j'bSt kennt (S. 35, 1. 3). Ich bin vielmehr überzeugt,
dass wir in ihnen die OvXxLvol des Konstantinos Porphyrogennetos,
die TJnlizi des baierischen Geographen , d. i. die Uglici^ zu
erkennen haben. IbrähTm hat den Namen in Prag gehört, wo
man damals also noch die nasale Aussjoi'ache bewahrt hatte.
Es ist zu beachten, dass im Suffix IbrähTm mit Konstantin über-
einstimmt: "beide gehen wohl auf die Singular form '*Ulbcim,
*Uglbcim zurück (oben S. 107). In (j\.jC^Jd kann dann nur eine
Nebenform des Namens Tiwerci stecken, und zwar die Singular-
form *Turc-im>. Die Art der Transskription erinnert ganz
an das Gvduscani = *Ousbcane der fränkischen Annalen (oben
tovg Xi&ovg avTov cpaivEG&ai KaraXtvKOvg, Käargov äsvTSQOV rb Tovyycitai
Tun-kat i.ü*.^i«.j) , xacrpov xq'ixov xo KQav.va-näxai , kixgxqov rhccgxov
x6 HaX^atiocxat-, xäGXQOv ni^nxov xb ^a^iaxcixai, v,ci6xqov i'xxov Ftaiov-
V.CLXUI (Jaji/q-katf). iv avxois S^ tote xoav TtaXaioxäaxQcov xxiciiccGiv
tvQiaxovtai. xßl txxXriGiav yvcoQiG^axä xtva kccI Gtavgol Xa^tvrol eig
Xi^ovg TtOQivovg- oQ^hv Hui xivig TtuQccdoGiv i'xovGiv, äg Pw^aToi noxt
xug ■Kuxoiv.iug hl^ov ^xiiGb. Über ,die Lage dieser Ruiuenstädte vgl.
Lelewel, Geographie du Moyeu-Age III 172.
1) Izvestija al Bekri S. 107. Westberg a. a. ü. S. 37.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 193
S. 141). Die auffällige Erscheinung, dass Ibrähim die Uglici
und Tiwerci mit den Pecenegen und Russen auf gleiche Stufe
stellt und für nichtslawische Völker hält, die nur infolge
häufigen Verkehrs mit den Slawen sich der slawischen Sprache
bedienen , beruht offenbar auf einem Missverständnis seitens des
Reisenden. Zu seiner Zeit stand das Land der UgliSi und ein
grosser Teil des ehemaligen Gebiets der Tiwerci unter der harten
Knechtschaft der Peöenegen. Während alle andern östlichen
Slawenstämme damals sich einer gewissen politischen Selbständigkeit
erfreuten: die Slawen Thrakiens unter der Vorherrschaft der
damals bereits völlig slawisierten, ursprünglich türkischen Bulgaren,
die Stämme des weiten Russlands unter der Obmacht der
schwedischen Rös , waren die Tiwerci und UgliSi seit der zu-
nehmenden Übermacht der schrecklichen Peßenegen zu völliger
Bedeutungslosigkeit herabgesunken ; ihr Land verödete infolge der
verheerenden Raubzüge der gefürchteten Steppensöhne , sie selbst
verschwinden fortan aus der Geschichte. So wird es einigermassen
begreiflich, wie Ibrähim dazu kam, den Tiwerci und Uglici, den
Unterthanen der Peßenegen , ebensogut einen nichtslawischen Ur-
sprung zuzuschreiben wie ihren türkischen Herren.
Vielleicht darf man die ügliH auch in dem Stamme Di:p"'bt<
(v. 1. Dl3pbN) erkennen , welchen Joseph ben Gorion in seiner
Völkertafel unter den Söhnen Togarmas zwischen Chazaren,
Pe^enegen ('];"'ü:s) und Bulgaren aufführt. Als ursprüngliche
Lesart hätte man dann etwa öl2"'bpN Uqlinüs = OvyXivovg
herzustellen ^).
Welchem Zweige der slawischen Völkerfamilie die Uglici
und Tiwerci angehörten, ist aus der russischen Chronik nicht zu
ersehen. Da wir aber wissen , dass im 6. Jahrhundert gerade
in den später von jenen beiden Völkern eingenommenen Sitzen
die Anten wohnten, deren Name seit dem Anfange des T.Jahr-
hunderts verschwindet ^), so werden wir in den Uglici und Tiwerci
Stämme der Anten zu erkennen haben , zu denen auch noch die
nordwestlich von ihnen wohnenden Dulebi gehörten. Vor den
^) Oder D1j"'P^N *OvXrivovg für OvXrLvovg? — Dagegen wird
man Bedenken tragen, den Namen des zweiten der Söhne Togarma's
im Briefe des Chazarenfürsten Joseph , UJlTTi , mit den Tiwerci zu-
sammenzubringen, sobald man erkannt hat, dass fast sämtliche übrigen
Namen aus Theophylaktos Simokatta 7, 7, 13 ff. entlehnt sind: "IT'SN
für "liaiN 'OymQ, -[^lü für Tni« "AßaQOi 7,8,2, yHlü für ^15:N Ovv-
vovyovQOi 7, 8, 3, bT'3 für b^T^la Baga-^Xv , N^P für TaQviäx 7, 8, 16,
1T3 für KortayriQoi, "n:T für "n:<n>T Zaßsvöig 7, 8,17, "Sbn =
BovXyuQoi 7,4,1 etc., ^''INO = üaßiQOL 7,8,3. Ich wage daher die
Vermutung, dass in OTTi eine Verstümmlung von Tuvyäax (lü^ir)
7, 6, lOff. steckt.
2) Theophyl. Sim. 8, 5, 13.
Marquart, Streifzüge. 13
]^94 J- Marquart,
Spezialnamen ist später der allgemeine Volksname in Vergessenheit
geraten. Die Anten finden wir. im Gegensatz zu den westlich
von ihnen sitzenden Slowenen, stets als Bundesgenossen der Römer
und Feinde der Awaren. Der Chagan fasste deshalb den Entschluss,
sie zu vernichten und sandte mit diesem Auftrage im J. 602 den
General Apsich ab , allein durch eine Diversion des romäischen
Generals Petros und besonders durch zahlreiche Desertionen in seinem
Heere vermochte er wahrscheinlich seine Absicht nicht völlig
auszuführen (oben S. 127). Über das Verhältnis der Anten zu den
Unugundur-Bulgaren, die in ihrem Lande nomadisierten, aber die
Oberhoheit des Chagans anerkannten, ist nichts Näheres bekannt.
Nachdem aber der Chan Kubrat um 635 auf römische Seite über-
getreten war und dem Chagan den Gehorsam aufgesagt und besonders
seitdem sein Sohn Asparuch die Bulgaren im J. 679 auf dem
südlichen Donauufer angesiedelt hatte , kamen wieder ruhigere
Zeiten für die Anten, in denen sie sich von den früheren ver-
lustreichen Kriegen mit den Awaren erholen konnten. Wahr-
scheinlich haben sie sich erst seit dieser Zeit bis zu den Mündungen
der Donau und des Dnjestr ausgebreitet. Für die Zeit um 840,
in welche der Bericht des Muslim b. Abu Muslim fällt, wird
also die Schilderung Nestors von dem blühenden Zustande des
Landes der Uglißi und Tiwerci vollkommen zutreffen. Dies wurde
freilich anders , seitdem die Magyaren sich in dem Steppengebiet
zwischen Dnjepr und Seret festgesetzt hatten (um 860) und ihre
Raubzüge weit und breit in die umliegenden Slawenländer aus-
dehnten, und vollends als nach Vertreibung der Magyaren die
schrecklichen PeSenegen die Herrschaft in der Steppe antraten
(um 895) und unter den Hufen ihrer Rosse alles, was sich noch an
Kultur vorfand, niedertraten. Im Jahre 885 waren beide Stämme
von Oleg bekriegt worden , allein von den Ugli^i , die den Ein-
fällen der Pe^enegen am meisten ausgesetzt waren , ist fürder
nicht mehr die Rede, während die Tiwerci in den Jahren 917
und 944 als den Russen heerespflichtig genannt werden. Ohne
Zweifel haben sie ihre Besitzungen am untern Dnjestr an die
PeSenegen verloren und sahen sich genötigt, sich vor deren
Raubzügen nach dem Oberlaufe dieses Flusses zurückzuziehen.
Es wäre nun sehr naheliegend, in der im Beginn des
Slawenlandes gelegenen Stadt ^.^^..il^ (\,i>./*..i!j) bei Gaihänl d. i.
Muslim b. Abu Muslim die Hauptstadt der Tiwerci am Dnjestr
zu erkennen. Dagegen scheint mir indessen zu sprechen , dass
diese Slawen noch vollständig als Heiden (Feueranbeter) ge-
schildert wei'den^), während wir bei den Tiwerci bereits eine
gewisse Kenntnis des Christentums voraussetzen müssen. Auch
wäre es gewiss auffällig , wenn der Verfasser von der Stadt der
1) Ibn Rusta \ff 4.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 195
Poljanen am Dnjepr nicht gehört hätte , die jedenfalls schon tun
840 eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Ich glaube daher, dass
wir im Namen der Stadt eine Verwechslung des Dnjepr mit dem
Dnjestr anzunehmen haben. [Wenn wir Harkavy glauben
wollten 1), dass die von IdrTsi 11 389. 390. 433 genannte russische
Stadt t-^r^ am c;.^am.>.jo .p identisch mit der Chazarenfestung
Sarkel am Don sei, so könnten wir hieraus ein noch viel auf-
fälligeres Analogon, eine Verwechslung des Don mit dem Dnjestr
ableiten. Allein jene Gleichung, die offenbar nur um des Namens-
anklanges willen aufgestellt ist, steht auf schwachen Füssen. Die
genaue Lage von Sarkel ist noch nicht bekannt, aber aller
Wahrscheinlichkeit nach haben wir es an der Donmündung zu
suchen, Ji».^ dagegen lag am Fluss vi>»-<**.Ai J , „dans la partie
septentrionale du cours de ce fleuve qui coule vers l'orient jus-
qu'ä Zana iüS; (p. 389 üäh), durant 12 journees de distance",
4 Tagereisen südlich von ^.Ji^^ »ville situee prfes des sources
du Dniest vi^wwjoo". Ehe man im Stande ist, diese Stadt zu
identifizieren, ist es notwendig das Itinerar, in welchem sie vor-
kommt, zu analysieren.
p. 395 ist der >-^a^ajO unzweifelhaft der Dnjestr: von
Warna nach Erimokastro sind 25 Meilen , von da zur Donau
3 Meilen, von dieser nach &>.aÜI (lies iLkiä Kilia) eine Tagfahrt,
von da bis zur Mündung des Danest eine Meile. Dieses sehr
fehlerhafte Itinerar ist von Tomaschek erläutert worden ^).
Sarmall wird VI 3 p. 375, 4 p. 389 zu Polen gerechnet,
gleichwie JJJLä (Krakau), äjjLc?- (1. '»^\l^ Gnesen), ^.j^Üü oder
«.jUiLo, K»)\^j^i »^^j*J ^^^ j^i^-^. ^^^ Krakau nach iCjjLL=>j
einer blühenden Stadt, gegen Osten 3) sind 100 (80) Meilen, von
da nach ^^ÄJ:^ oder io^Liüi 60 Meilen, von da nach -^y^ ,
einer Stadt der Provinz »^bj-w, 100 Meilen (p. 381. 389). Von
Sarmall nach 'ü\- sind 12 Tage, von da nach (^«-/«.j 180 Meilen,
^) Abr. Harkavy, Skazanija evrejskicht pisatelej o Chazarachi
i chazarskomi carstve. St. Petersburg 1874 S. 124 N. 1.
2) Zur Kunde der Hämus-Halbinsel II. Die Handelswege im
12. Jahrhundert nach den Erkundigungen des Arabers Idrisl. SBWA.
Bd. 113, 1886, S. 307—309.
^) Dies ist natürlich falsch. Es muss heissen: von Krakau nach
Gnesen [gegen Norden] ( cij^) 100 Meilen, von Gnesen nach
Äj^^LflÄj gegen Osten 60 Meilen.
13*
196 J- Marquart,
von da nach ^aj*>.aJLc. (Hali^) 200 Meilen. Die beiden letztern
Städte gehören zu Russland p. 389/90.
Weiterhin rechnet Idrisl aber , im Widerspruch mit seinen
frühern Angaben, ausser Ä.AJyjjj (= (^gj^r?) i^nd i«:A.w.AJLc, auch
Sarmali und KiU (= K'i!;) zu Russland. SarmalT liegt am Dnjestr,
im nöi'dlichen Teile seines Flussgebiets; dieser fliesst gegen Osten
bis zur Stadt iül; , die Länge seines Laufes , die der Entfernung
zwischen SarmalT und Zäna (Zäqa) gleichkommt, beträgt 12 Tage-
reisen. Von Zäna bis J,y«,J sind 9 Tagereisen, von da nach
Kaas-^aJU. 200 Meilen (p. 390). SarmalT heisst auf griechisch ^j»_b,
und ist ebenso wie ^^ Ji^ von Russland abhängig (VII 4 p. 483).
Aus diesen Angaben ergibt sich unzweideutig, dass _JL/«-«
im obern Stromgebiete des Dnjestr gelegen haben muss, also in
den Distrikten, die seit den ältesten Zeiten historischer Erinnerung
zwischen lechischen und russischen Slawen streitig gewesen sind.
Zu diesen gehörte aber ausser den sog. cerwenischen Städten vor
allen die Stadt Premysh, polnisch FrzemysI, welche ursprünglich
den Lechen gehörig, diesen von Wladimir im J. 981 entrissen
wurde (s. o. S. 148). In der That kann in J^y^ nichts anderes
stecken als eine Verstümmelung von Ji/>.AJ Pereviyzli. Przemysl
liegt allerdings nicht unmittelbar am Dnjestr, aber nur einige
Stunden nördlich von ihm am Flusse San. Zu demselben Er-
gebnis war, wie ich nachträglich sehe, schon Lelewel gelangt^).
Die Provinz » ^^^ in welchei' Sarmall lag , ist nach ihm der
Distrikt Sambor , in welchem der Dnjestr eine östliche Richtung
einschlägt, die Stadt Kil; , die an der Mündung dieses Flusses
zu suchen ist, erkläi-t er einleuchtend durch EaKa-Kccxai, eine der
verlassenen Städte im Gebiete der Peöenegen diesseits des Dnjepr,
welche Konstantin Porphyrogennetos aufzählt'-). Der Name
Ecmanäxai ist gleich denen der übrigen bei Konstantin genannten
Ruinenstädte zusammengesetzt mit dem ostiranischen , von den
Türken frühzeitig übernommenen i^i^J^ Kat „vicus" (eig. „Haus").
s.bkÄW habe ich oben (S. 138), wie ich hoffe einleuchtender, mit
den Psovane der gefälschten Stiftungsui-kunde des Prager Bistums
zusammengebracht. Dagegen vermag ich aus «.jI^Läj! oder äj^ä-o ^)
^) La Geographie du Moyen-Äge III p. 166.
2) De admin. imp. c. 37 p. 167, 11.
3) Im Auszug des Idrlsi, Rom 1592 S. (302), 22 XJ^iÄ>.i.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 197
mit dem besten Willen nicht Ploch (a. 1155 Plozica) herauszulesen.
Auch die Entfernungen jener Stadt von Gnesen und Sarmali
(Przemysl), 60 und 100 Meilen würden schlecht dazu stimmen.
(Besser würden Lowecz oder Lodz passen , falls sie so alt sind.)
Dagegen halte ich Lelewel's Gleichsetzung von Kaj^^, 'i.j^yAji,
(jyyi, c'^yy^', ^"^ Dnjepr mit SmoJensk (p. 169 s.) für richtig.
Der Name ist einfach verstümmelt aus Ä-Moyu Zumuransa.
Die Stadt ^L«^ am o-^^-ajO y^ hat also mit Sarkel am
Don nicht das mindeste zu thun , und ebensowenig kann bei
Idrisi von einer Verwechslung des Dnjestr mit dem Don die
Rede sein. Noch unglücklicher ist Westberg's Idee, der für
^i>..*.xij -ii die Lesart vj.>.>.awJ1 ^i in der Oxforder Hs. des
L^^"i\ ■^IVm^ ^'wXi' dessen Verfasser den Idrisl benutzt hat,
adoptiert und dies mit dem von Konstantin Porphyrogennetos
bezeugten anderen Namen von Kiew, öa^ßaxäq'^), sowie mit dem
Flusse ■jT'ün^O kombiniert, hinter welchem nach den Erzählungen des
Eldad had-Dänl (Ende des 9. Jhs.) die 10 Stämme wohnen sollten 2).
Mit diesem Flusse Sambation sei kein anderer gemeint als der
Don, und da Kiew nicht am Don, sondern am Dnjepr liegt, so
wäre hier eine auf jüdisch- chazarische Einflüsse zurückgehende
Übertragung jener Bezeichnung vom Don auf den Dnjepr an-
zunehmen.
Nur schade, dass dieses Gebäude bei näherem Zusehen als-
bald zusammenstürzt. Der Fluss Sambation, welcher sechs Tage
in der Woche Steine und Sand führt und am Sabbat ruht-^),
umschliesst nach Eldad die Leviten, die ,Söhne Moses', welche
auf wunderbare Weise von der Nähe Babylons in die Nachbar-
schaft der vier Stämme (Dan, Naftali , Gad und Ascher) nach
Afrika gekommen waren, und ist daher in Afrika zu suchen*),
Seinen Namen hatte er nach Eldad von dem eingewanderten
Stamme: „Ferner der Stamm des Moses, unseres gerechten
Meisters, des Dieners Gottes, welcher der ,Stamm Flüchtig'
(o^3"| t:2Tö) heisst, weil er vor Götzendienst floh; und der Bach,
^) de admin. imp. c. 9 p. 75, 1.
2) F. Westberg, Ibrählm's-Ibn-Ja'qnb's Reisebericht über die
Slawenlande S. 134.
ä) Über den Sabbatfluss im Alexanderroman (C 2 , 30) und seinen
Ausläufern vgl. Nöldeke, Beiträge zur Gesch. des Alexanderromans
S. 48 und N. 3. Denkschr. der Kais. Akad. d. Wiss. Bd. 38 Nr. 5, 1890.
Lidzbarski, Zu den arabischen Alexandergeschichten. ZA. 8, 273
und N. 2.
*) D. H. Müller, Die Recensionen und Versionen des Eldad
had-Däni. (Denkschriften der Kais. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Cl.
Bd. 41 Nr. 1, 1892) , § 8» S. 62/63. § S^^ S. 66/67. § 9c S. 66/67-68/69.
198 J- Marquart,
der sie umringt, heisst DiD-'üi;!), und die Exulanten nennen ihn
Sambation" 1). Der Fluss, an welchem der Stamm Dan (nach
jüdischer Aussprache Don) vorbeizog, um nach Abessinien zu
gelangen, heisst bei Eldad Pischon, woraus erst in dem
apokryphen Schreiben des Priesters Johannes § 22 , in welchem
der Roman des Eldad benutzt ist, Ydonus wird^). Die übrigen
sechs Stämme blieben nach Eldad in Asien zurück, und zwar
befinden sich „der Stamm Simeon und die andere Hälfte des
Stammes Menasse im Lande der Chazaren, sechs Monate von
Jerusalem entfernt. Sie sind unerforschlich und zahllos, und
sie empfangen Tribut von 25 Königreichen, und einige von
den Ismaeliten lassen ihnen Tribut" ^). Eine Beziehung des
Sabbatflusses zum Don oder gar zum Dnjepr lässt sich dem-
nach aus Eldads Erzählungen nicht herstellen. Was übrigens
den zweiten Namen Kijews, Za^ßaxag, anlangt, so sieht Thomsen
darin die russische (skandinavische) Bezeichnung der Stadt, die
er aus altnordischem tiandbakhi ,Sandbank' oder Sandbakka-dss
(Zafißarag) ,Sandbank-Höhe' erklärt*).]
Aber auch ohne eine solche Bestätigung dürfen wir an der
Identität von ^i^^Ji^ ^^^ Kijew am Dnjepr festhalten. In der
älteren Zeit gilt allerdings der Don bei den Arabern als Fluss
der Slawen, und erscheint als solcher noch bei Ibn Chord. IöI, 12.
Dieser Sprachgebrauch geht aber auf historische Verhältnisse des
1) § 8a, wo ZU lesen ist: "^y p^nitn n"3> irn"! 11W2 üntü lli'T
atr^by lamow bn;m .n^r mmy^a 03U3 did-' un;a it^tü N-npsi '-
2) D. H. Müller a.a.O. S. 7.
3) §15 S.76/77— 77/78 ist zu lesen: ^'n-ö:!^ Ül^lJ ^im •\iyo^ ÜST23T
ipn VN iy nm "□■^-onn u:'ii U5ip72n n-'n?^ -pin^* ''d-'-itd ynsa
«n"^bN3>7aT2ji ni£p72i* rwDbn u^iiny-) niüTsn^a D72 *inpi nm* -ied73 ■[■'Ni
.D72 crib ly^E"»
a) JD nmn^.
b) So J; D nnnr), H D^^^i^n, BG ü^-i^-d; P d^^i^n
„der Awaren".
c) om. P D.
d) So DP; GB J ^npibi.
e) P a^bNy72;ü^ TJ^ nitpi, DJW a^bi<y72Ti5^r:» lit^ai; h
Dn^inai ünno ^3D7a nü borj 073 ünb ü-^yrnD ö^bNy72UJ^r;i,
B 072 ü^y'niD n'^bN3>72U3'^ri72 nitpv
*) Wilh. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates S. 72.
Lelewel, La g^ographie du Moyen-Age III 170 erklärt den Namen
aus slaw. sov'viet: „le coucours de la multitude sov'viet, donnait le
nom aux places oü eile s'assemblait pour trafiquer en samvata, sovieta".
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 199
7. und 8. Jahrhunderts zurück. Bei seinem grossen Zuge ins
Chazarenland im Jahre 117 H. hatte Marwän b. Muhammad seine
Armee geteilt: mit der Ostarmee Hess er den Usaid b. Zäfir as
SulamT, begleitet von den kaukasischen Bergfürsten, von Darband aus
am Kaspischen Meere entlang vorgehen, während er selbst den Weg
durch das Alanenthor nahm. Darauf überfiel er Slawen, die sich
im Lande der Chazaren befanden , nahm 20 000 Familien der-
selben gefangen und wies ihnen Wohnsitze in Chachet (Kachet'i)
an. Als sie darauf ihren Emir töteten und die Flucht ergriffen,
holte er sie ein und tötete sie ^). An andern Stellen erfahren
wir aber , dass Marwän Slawen an der syrischen Militärgrenze
als Miliz ansiedelte ^). Bal'ami , der dieselbe Quelle wie BalärJuri
vor sich hatte , sie aber mit andern Berichten zu verarbeiten
suchte, schreibt: „Merwän se rendit maitre de toute la montagne;
puis il laissa le pays des Khazars derriöre lui , et fit halte pres
de la riviere des Esclavons. II tomba sur plusieurs campements
d'infidfeles, qu'il pilla; il tua les hommes et detruisit vingt mille
de leurs demeures" '^). Dies kann im Sinne der Quelle nur be-
deuten , dass Marwän , nachdem er die nordkaukasische Steppe
erreicht hatte , zunächst das Land der Chazaren rechts liegen
Hess und quer durch die Steppe an den Don marschierte, wo er
auf die Slawen stiess , die wir uns wohl im Solde des Chagans
stehend zu denken haben. Erst vom Don aus hätte er sich dann
ostwärts nach der Wolga gewandt und mit der Ostarmee ver-
einigt, um Saryysär, die Oz'du des Chagans anzugreifen*). Man
darf bei jenen Slawen wohl an die lechischen Radimiöi und
Wjati^i erinnern, die sich nach der russischen Chronik quer durch
die Slawenstämme Russlands hindurch geschoben hatten und von
denen die WjatiSi nach Osten bis zur Oka und zum Don vor-
drangen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Wanderung
mit den durch die Awaren veranlassten Völkerverschiebungen in
1) Bai. r.A, 1.
^) Bai. tö., 3. ni, 7. — Schon früher hatten die Romäer kriegs-
gefangene Slawen aus der Balkanhalbinsel an der kilikisch - syrischen
Grenze angesiedelt. Daher finden wir im J. 97/98 H. in der Nähe der
kilikischen Pforten eine Slawenveste (&..J.J Lä^aJ f r\*^^^ oder *.Äj^^
Ä.*iLÄAiJ5) Kitäb al 'ujün bei de Goeje, Fragm. bist. Arab. I 1*0, .8.
Ja'qübi n Töl, 9. H., ult. Tab. II li^lv, 10. T^o, 15. III v.l, 11 a. 190.
Ihn Chord. W, , 7. Über die Lage dieser Festung vgl. Ramsay,
Historical Geography of Asia Minor p. 351. Brooks, Journal of
Hellenic studies 1898 p. 194 n. 6. 1899 p. 32.
'') Tabari trad. par Zotenberg IV 289.
*) Bal'ami hat den Bericht durch seine ungeschickte Verarbeitung
der Quellen in ein vgxsqov TtQotnQov verwandelt.
200 J- Marquart,
Verbindung bringt. Von einem slawischen Staate am Don
ist indessen in den Quellen nie die Rede^).
Die älteste datierbare Erwähnung eines Slawenstaates finde
ich in einem Berichte über den Zug Buya's des Älteren gegen
Armenien (240 H.) bei Ja'qübi, Hist. II öIa, paen. Darnach
wurde Buya von den Canark' (im Gebirge nördlich von Tiflis)
angegriifen und in die Flucht geschlagen. Hierauf verfolgte er
diejenigen , welchen er fräher Pardon gegeben hatte , und ver-
haftete sie , allein eine Anzahl derselben entkamen und wandten
sich an den Herrscher der Romäer, den Herrscher der Chazaren
und den Herrscher der Slawen und versammelten sich in
grosser Menge. Hier wird also ein wirkliches slawisches Staats-
wesen mit einem Oberhaupte an der Spitze vorausgesetzt, dessen
Mittelpunkt wir uns der historischen Situation entsprechend nur
irgendwo im Umkreise des Schwarzen Meeres, am wahrschein-
lichsten aber in Kijew zu denken haben-). Es kann nicht wohl
zweifelhaft sein, dass dieser Slawenherrscher, dessen Staat west-
lich vom Chazarenreiche gelegen haben muss, über dasselbe Land
geboten hat, dessen Hauptort vi>^..w*.i5j nach Gaihäni im Beginne
des Gebietes der Slawen gelegen war. GaihänI's Bericht würde
uns also in die Zeit vor der Festsetzung der Russen in Kijew
führen, ja noch vor die Unterwerfung der Poljane durch die
Chazaren ■^).
Dies wird nun vollauf bestätigt durch den Bericht über die Rös.
In diesem heisst es: „Die Russen wohnen auf einer Insel, die rings von
einem See umgeben ist. Diese Insel hat drei Tagereisen im Umfang
und ist voller Wälder und Moräste. Sie ist von der Pest heim-
gesucht und so sumpfig, dass die Erde schwankt, wenn man den
Fuss auf den Boden setzt. Sie haben einen Fürsten, der den Titel
Ghäqän Rös führt. *Jene Insel dient ihnen als Burg gegen die,
welche ihnen etwas anhaben wollen. Ihre Gesamtzahl schätzt man
auf 100 000 Seelen^). Sie bekriegen die Slawen, indem sie die
1) [Schon aus diesem Grunde ist Westberg's Annahme (Beiträge
S. 3), der in der Stadt ^^jJ\^) bezw. ».i^-^Äit^ (bei dem Anonymus
Tumanskij's ci^>j-oU) die Wjatici (Wetici) der russischen Chronik
sieht, unmöglich, abgesehen davon, dass schon die Transskriptions-
gesetze sich einer solchen Gleichung widersetzen.]
2) Es scheint mir sehr unwahrscheinlich, dass unter diesen Slawen
etwa die slawisierten Donau-Bulgaren zu verstehen seien, wie Tab. III
^ö^, 14. riör, 1. 2 a. 283 H., da diese doch den von Buya ver-
gewaltigten Armeniern nichts helfen konnten, wohl aber die Slawen
von Kijew, wenn sie in Gemeinschaft mit den Chazaren einen Einfall
nach Armenien unternahmen.
3) Nest. c. 12. 14.
■*) Dieser Satz findet sich nur bei GurdczT und Jäqüt.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 201
Schiffe besteigen, bis sie zu ihnen herauskommen und sie gefangen
nehmen und nach Chazarän ^) und Bulgär bringen und sie an
diese verkaufen" u. s. w.-). Dieser Bericht war schon längst
bekannt aus einem Auszuge bei Jäqüt, den dieser aus MuqaddasI
entlehnte-^). Merkwürdig ist hier vor allem die Angabe, dass die
Russen auf einer Insel in einem See wohnten. Ras müssen
nahm an, es sei hier eine von den Inseln oder Halbinseln der
Ostsee gemeint, stellte aber daneben die Möglichkeit, dass die
alte berühmte Handelsstadt Ladoga (jetzt Alt-Ladoga am Wolchow,
unweit der Mündung dieses Flusses in den Ladoga- See, alt-
nordisch Äldegjubwg) zu verstehen sei*). Fr ahn in seinem
Kommentar zu Jäqüts Artikel über die Rös glaubte den Namen
der Insel in dem Worte ä.aj. zu finden, das er nicht als Adjektiv
„von der Pest heimgesucht" aufgefasst wissen wollte, sondern für
eine Verschreibung aus üajJ = Dania hielt 5). Allein letzteres
würde schon sachlich nicht passen, denn man würde eher etwa
Gotland erwarten. Ich glaube in der That, dass nur Ladoga
oder Nowgorod gemeint sein kann. Letztere Stadt hiess skandi-
navisch Hölmgarör ^ wahrscheinlich weil sie auf einer Insel lag,
wo der Wolchow aus dem Ilmensee heraustritt *^^'). Nach der
russischen Chronik „vereinigten sich drei Brüder mit ihren
Familien und führten mit sich alle Russen; sie giengen zuerst
zu den Slawen, erbauten die Stadt Ladoga, und der älteste,
Rurik, Hess sich nieder in Ladoga, der zweite Sineus am Belo-
ozero , und der dritte Truwor in Isborsk. Von diesen Warägern
wurden die Nowgoroder Russen genannt, und heute gehören die
Nowgoroder zum warägischen Stamme , und sie waren früher
Slawen. Nach Verlauf von zwei Jahren starben Sineus und sein
Bruder Truwor und Rurik bemächtigte sich des ganzen Landes;
er drang vor bis zum Urnen, befestigte eine kleine Stadt am
1) So Gurdezi. Die Hs. des Ibu Rusta hat ^^jZ> ^ wofür mit
Recht ..l.ii> hergestellt ist.
2) Ihn Rusta ifö. Gurdezi bei Barthold a. a. 0. S. 100—101.
MuqaddasI bei Jäqüt s. v. (j^^x.
3) Es kann hier nur der bekannte Geograph (schrieb 378 H.)
gemeint sein, die Stelle findet sich aber in de G o e j e ' s Ausgabe nicht.
t a. 507 H. ist nicht zu denken.
*) Athene et Maanedsskift udg. af C. Molbeck B. II p. 306,
angeführt bei Fr ahn, Ibn Foszlan's vmd anderer Araber Berichte
über die Russen älterer Zeit. St. Petersburg 1828 S. 47 f.
5) Frähn a. a. 0. S. 48fi.
^) Vgl. Wilh. Thomsen, Die Gründung des russ. Staates S. 84.
202 J- Marquart,
Wolchow und nannte sie Nowogorod ; er Hess sich dort als Fürst
nieder , und verteilte unter seine Gefährten die Länder und die
Städte , indem er dem einen Polock gab , einem andern Rostow,
einem dritten Belo-ozero" ').
Zu dieser frühen Zeit stimmt es auch, dass der Fürst der
Russen den Titel ,v«». .,LiLi> erhält, der offenbar auf chazarische
Vermittlung hinweist. Derselbe Titel wird ihm auch beigelegt
in der ältesten zeitgenössischen Nachricht , in welcher die Russen
erwähnt werden, in dem Berichte des Bischofs Prudentius von
Troyes über die Gesandtschaft des griechischen Kaisers Theophilos
an Kaiser Ludwig den Frommen. Bei dieser Gesandtschaft,
welche am 18. Mai 839 vom Kaiser in Ingelheim empfangen
woirde , befanden sich auch Leute vom Volke Rhos , welche , wie
sie versicherten, von ihrem König, Chacanus mit Namen, zu
ihm in freundschaftlicher Absicht gesandt worden waren und für
welche der griechische Kaiser jetzt um sicheres Geleite durch
das Reich des Kaisers bat 2). Vermutlich haben die Russen zuerst
den Chazaren in Qapubalyy gegenüber ihren Füi'sten als Chagan
bezeichnet, um ihn so dem Chazaren- Chagan als ebenbürtig gegen-
überzustellen , und bei den engen Beziehungen , die damals
zwischen dem Goldenen Hörn und der Weissen Stadt bestanden,
wurde jene Bezeichnung durch die Chazaren auch in Byzanz
eingebürgert.
Es ist unzweifelhaft, dass diese Rhos durch das heutige
Russland, veiTQutlich auf dem Dnjepr, nach Konstantinopel ge-
kommen waren. Dass die 'P&g schon lange vor dem Angi'iff
auf Konstantinopel im Jahre 865 den Byzantinern bekannt waren,
geht auch aus einer Stelle in einem Rundschreiben des Patriarchen
Photios an die orientalischen Bischöfe aus dem Jahre 866 hervor,
worin er sie t6 naqu nolloig nollccaiq d'Qvllovfievov (e'&vog)
Kai Big cojnoTTjT« xcd ^laicpoviav nüvxag öevreQOvg rarxofxsvov nennt ^).
Gleichfalls auf die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts bezieht sich,
wie de Goeje mit Recht betont hat*), der Bericht des Ibn
Chordäöbih über die Handelszüge der russischen Kauf leute ^). Da
derselbe sich auch in der Handschrift B findet, so ist mit dem
Herausgeber anzunehmen , dass er bereits in der ersten Ausgabe
1) Chronique de Nestor trad. par L. Leger c. XV p. 15. Vgl.
Thomsen a. a. 0. 12 f.
2) Annales Bertiniani a 839. Mon. Germ. Scr. I 434. Thomsen
a. a. O. 42 ff.
3) Photii epistolae ed. Richard Montacutius (Londini 1651) p. 58,
angeführt bei Thomsen a. a. 0. S. 22 N. 1.
*) Bibl. Geogr. Arab. VI p. XX. Actes du Vllle Congres des
Orientalistes tenu en 1889 a Stockholm. Sect. I, 1 (1891) p. 39 s.
5) ed. de Goeje p. tof, 9ff. = p. 115 s. der französischen Über-
setzung,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 203
des Werkes (um 232 H. = 846/47 n. Chr.) enthalten war. Nach
diesem Bericht brachten die Rös aus den entferntesten Gegenden
des Slawenlandes Biber- und Schwarzfuchsfelle, sowie Schwerter
nach dem Romäermeer, wo der Herrscher der Romäer den Zehnten
von ihren Waren erhob '). Sie fuhren auch wohl den Tanais, den
Slawenfluss hinab bis zu der Stelle, wo er sich der Wolga bis
auf 8 Stunden nähert, zogen ihre Kähne dann ans Land und
schleppten sie bis zur Wolga, auf der sie dann bis zur Mündung
hinabfuhren. Hier mussten sie bei der Stadt Chamlich, der
Osthälfte der Chazarenordu , in welcher sich die Bazare der
fremden Kaufleute befanden, dem Chazarenherrscher den Zehnten
entrichten. Dann fuhren sie weiter ins Meer von Gurgän und
landeten, wo es ihnen beliebte. Manchmal brachten sie ihre
Waren auch auf Kamelen von Gurgän über Raj nach Bagdad,
wo sie sich für Christen ausgaben und die slawischen Sklaven
ihnen als Dolmetscher dienten.
Diese Stelle im Verein mit der Nachricht des Prudentius
über das Erscheinen der Abgesandten des Chacanus der Rhos
in Konstantinopel und in Deutschland und den oben erörterten
Angaben des Gaihäni ergibt mit voller Sicherheit, dass die Rös
schon ums Jahr 839 als Kaufleute sowohl in Byzanz wie im
Orient ganz bekannt waren. Bereits damals befuhren sie sowohl
den Don wie den Dnjepr, ja auch das Kaspische Meer. Unter
ihrem Chagan, der uns durch zwei gleichzeitige Quellen, Prudentius
und den Gewährsmann des Gaihäni bezeugt wird, haben wir
sicherlich Rurik zu verstehen, der um 840 also bereits Jahre
lang als Fürst in Ladoga gesessen haben muss. Wir werden
daher in der That keinen Anstand nehmen, jene Nachrichten des
Gaihäni (und vielleicht auch die des Ibn ChordäcJbih) über die
Rös auf den oben genannten Muslim b. Abu Muslim als Quelle
zurückzuführen, der seinerseits wieder aus byzantinischen Quellen
geschöpft hat. So sind die auf Muslim zurückgehenden Nach-
richten und die des Prudentius im wesentlichen gleichzeitig und
gehen auf dieselbe Quelle, mündliche Mitteilungen der Byzantiner,
zurück.
Kann es demnach keinem Zweifel unterliegen, dass Gaihäni's
Bericht über die Russen einen sehr alten Kern enthält, so finden
sich daneben doch auch Spuren jüngerer Zeit. So erscheint die
Osthälfte der Chazarenordu, wo sich die Bazare der muslimischen
und russischen Kaufleute befanden 2), nicht mehr unter ihrem
^) Ibn al Faqih, der diese Stelle durch Vermittlung eines andern
Gewährsmannes, des Muhammad b. Ishaq, kennt, fügt noch hinzu:
„Dann kommen sie zur See nach der Judenstadt Samküs ^JÜ^♦A«
(oder (ji-j>C.*-w Samkars) und kehren darauf ins Slawenland zurück ^
S. 0. S. 163.
2) Mas. II 9. Ist. rri, 16. Ibn Hauq. rA( , 15.
204 J- Marquart,
alten Namen Chamlich ^ wie noch bei Ibn Chordädbili und Ibn
al Faqlh, sondern bei-eits unter dem spätem ^| -i-, wie bei Ibn
HauqaP). Schon Thomsen hat ferner auf offenbare Wider-
sprüche in dem Bericht hingewiesen — so heisst es das einemal,
dass die Russen keine Saatfelder, keinen Grundbesitz und keine
Dörfer besitzen, während kurz darauf versichert wird, dass sie
viele Städte haben-) — und daraus den Schluss gezogen, dass
der Bericht aus mindestens zwei Quellen zusammengesetzt ist,
von denen die erste aus der Zeit vor der endgiltigen Nieder-
lassung der Russen in Kijew datiert^). Auch hier ist also der
ursprüngliche Bericht des Muslim durch Zusätze aus andern
Quellen oder durch eigene Bemerkungen des Verfassers (Gaihänl)
erweitert.
Eine eigentümliche Beobachtung machen wir bei den Donau-
Bulgaren. Gaihänl hat hier den Bericht des Muslim über die
noch heidnischen Burgän , wie ich oben bereits andeutete , un-
verändert herübergenommen*). Merkwürdig sind hier besonders
die Bestattungsgebräuche, die sich an die hunnischen anschliessen :
„wenn jemand stirbt, so legen sie ihn in eine tiefe Gruft, ujid
lassen mit ihm seine Frau und seine Sklaven hinabsteigen und
die bleiben dort bis sie tot sind. Es gibt auch solche unter
ihnen, welche mit dem Toten verbrannt werden". Es waren also
bei den Donau-Bulgaren zwei verschiedene Bestattungsarten im
Gebrauch, die von Muslim eingehender beschrieben waren, wie
sich aus dem fälschlich Mas'üdi zugeschriebenen Kitäb al'agäib
entnehmen lässt. In diesem Werke findet sich nämlich eine viel
ausführlichere Wiedergabe jenes Berichts, der mir interessant ge-
nug scheint um hier mitgeteilt zu werden 5).
„*Les Bordjän. Ils sont descendants de Younän, fils de
^) Ibn Hauq. S'va, 8. ^'ai, 14. Bei Ibn al Faq. i'aa , 9 ist dagegen
für das .Jj5> der Hss. zu lesen ..l;^^»^ wie ein Vergleich mit Ibn
Chord. \r\", 12 zeigt.
2) Ibn Rusta !fö, 15. 18. !f1, 1.
3) Thomsen a. a. 0. S. 28.
*) Bekrl S. 45, 19. Ibn Rusta hat diesen Bericht weggelassen.
^) L'abrege des Merveilles, o3uvre attribuö a Magoudi, trad. par
Carra de Vaux. Diese Stelle ist, wie ich nachträglich sehe, schon
von A. V. Kremer, SBWA. Bd. IV, 1850, S. 210 nach einer in
Haleb befindlichen Hs. mitgeteilt worden, welche nach dem Titel
die ..LoJi .l*.:^\ Masüdi's enthalten soll, aber nach der Inhaltsangabe
augenscheinlich das obengenaunte pseudo-mas'üdische woL.>\*i! oLÄi
darstellt. Kremer's Mitteilung ist benutzt bei Konstantin Jos.
Jirecek, Geschichte der Bulgaren S. 131—133, der noch auf eine
Arbeit von A. Kotljarewskij , 0 norpeöaJiLHHXi. ooHiaaxt «au-
HecKHX'B CjaB-aHi. Moskau 1868 verweist.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 205
Japhet. Leuv royaume est important et vaste. Ils combattent
les Roumis, les Slaves, les Khazärs, les Turcs; leurs ennemis les
plus redoutables sont les Roumis. De Constantinople au pays
des Bordjän il y a quinze jours de marche ; leur royaume a une
etendue de vingt jours sur trente^).
Chaque place forte 2) , chez les Bordjän , est entouree d'une
haie que longe et que surmonte une sorte de reseau en bois, ce
qui constitue une defense analogue ä celle d'une muraille elevee
derriere un fosse. *Les Bordjäns sont de la religion des Mages^),
et ils n'ont point de livres. Les chevaux dont ils se sei'vent
dans les combats sont toujours en liberte dans les prairies , *et
personne ne doit les monter en dehors du temps de la guerre^).
S'ils decouvrent qu'un homme a monte un de ces animaux en
dehors de ce temps, ils le tuent. Lorsqu'ils se disposent ä com-
battre, ils se forment en lignes, ils placent les archers devant et,
derriere, ils entassent leurs femmes et leurs enfants. Les Bordjän
ne connaissent ni deniers ni dirhems ; toutes leur transactions,
ainsi que les contrats de mariage, se fönt au moyen de bceufs et
de moutons. *Lorsque la paix est conclue entre eux et les
Roumis , ils envoient aux Roumis de jeunes esclaves des deux
sexes, slaves ou d'une race analogue S). Lorsqu'un homme puissant
meurt parmi eux, ils ressemblent les domestiques du defunt et
les gens de sa suite, et, aprfes leur avoir fait des recommandations,
ils les brülent avec le mort*"); ils disent: „Nous les brülons en
ce monde, mais ils ne brüleront pas en l'autre". *0u bien ils
creusent un grand caveau oü ils descendent le mort; ils y fönt
entrer avec lui sa femme et les gens de sa suite , et ils les y
laissent jusqu'ä ce qu'ils soient morts^). II est d'usage chez eux
que, lorsqu'un esclave a commis une faute dont son maitre veut
le chätier, ils se jette de lui-meme par terre devant son maitre
qui le frappe autant qu'il lui convient; et si l'esclave se relöve
avant d'en avoir re^u la permission, il est passible de mort. Ils
ont aussi pour coutume de donner de plus fortes parts d'heritage
aux filles qu'aux gar^ons".
Mit der oben an zweiter Stelle erzählten Bestattungsart
stimmt auffällig die der heidnischen Russen^), bei welchen gleich-
falls die Lieblingsfrau dem Toten lebendig ins Grab folgen
') Ebenso Bekrl.
2) ,Le mot rendu par place forte est ^..♦.c''.
3) Bekrl S. 45, 19/20: &.x.wjJ^II ^_JU ^^5.
■') Bekrl S. 46, 1: ,Sie besteigen die Pferde nur bei Kriegen".
") Ebenso Bekri 46, 1/2.
6) Vgl. Bekrl 46, 4.
') Ebenso Bekri 46, 1—4.
8) Ibn Rusta Ifl, 22ff. Gurdedi bei Barthold a. a. 0. S. 101, 9ff.
206 J- Marquart,
musste, was ein unnordischer Zug zu sein scheint i). Im übrigen
ist auch an die mit den Leichenfeierlichkeiten beim Tode Attila's '^)
aufs nächste verwandten Gebräuche bei der Beisetzung eines
Chagans der Chazaren zu erinnern , wie sie uns Ibn Fadlän
schildert-^). Die Verbrennung stimmt dagegen zu der Bestattungs-
weise der alten Türken, bei welchen gleichfalls die Leibrosse
und Gebrauchsgegenstände des Toten mit der Leiche verbrannt
und wohl auch Kriegsgefangene demselben zur Bedienung nach-
geschickt wurden'').
8. Der Reisebericht des Harun b. Jaiijä.
Neben diesem Bericht über die Burgän bot nun Gaihänl,
aber offenbar an einer anderen Stelle seines Werkes, auch Nach-
richten über die JiL, deren Identität mit den Burgän der älteren
Quellen er indessen nicht erkannt zu haben scheint. Dieselben
finden sich in dem ßeisericht eines gewissen Härün b. Jahjä, der
als Kriegsgefangener von Askalon über Antälia (Attaleia) nach
Konstantinopel gebracht worden war (Ibn ßusta Ii1, 2) und von da
zu Lande über Saloniki und einige andere Städte nach Rom ge-
langte (vgl. IM, 24). Dieser Reisebericht, den Gaihäni grossenteils
wörtlich seinem Werke einverleibt hat, enthält vor allem eine
ausführliche Beschreibung von Konstantinopel und Rom und der
Merkwürdigkeiten dieser beiden Hauptstädte des Christentums.
Die Itinerare sind leider sehr summarisch — so werden z. B.
zwischen Saloniki und Rom nur drei Orte namhaft gemacht —
und die durchzogenen Gebiete werden nur ganz allgemein, ohne
jegliche charakteristische Einzelheiten beschrieben. Dazu kommt,
dass der Text augenscheinlich mehrfach gelitten hat, und un-
glücklicherweise gerade an einigen topographisch wichtigen Stellen
in Unordnung gei-aden ist. Trotzdem glaube ich aber wenigstens
auf den Dank der mittelalterlichen Historiker rechnen zu dürfen,
wenn ich ihnen den ganzen Reisebericht in Übersetziing zugänglich
mache.
Über die Persönlichkeit des Berichterstatters Harun b. Jahjä
ist es mir leider nicht gelungen, aus anderen Quellen etwas Näheres
in Erfahrung zu bringen. Wie lange er als Gefangener in Kon-
stantinopel weilte und auf welche Weise er nach Rom gekommen
1) Thomsen a. a. 0. 52 N. 2.
2) Priskos bei Jordanis Get. c. 49 § 256—258.
3) j,q. II frA— fn.
*) Cöu-su bei E. H. Parker, The early Turks. China Review
vol. XXIV Nr. III p. 122. Peh-si ib. Nr. IV p. 166. Sui-su ib. p. 171.
Menander Prot. fr. 43 bei Dindorf, Hist. Gr. miu. II 89, 4—20.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 207
ist, erfahren wir nicht; doch ist dies wohl die Schuld des Aus-
zugs. Sowohl die syrische Heimat wie das für einen Muslim doch
ungewöhnliche Interesse des Reisenden an Christentum und christ-
lichen Kirchen und Gebräuchen könnten auf die Vermutung führen,
dass derselbe ein Christ gewesen und nachdem er als solcher er-
kannt worden, vor der allgemeinen Auswechslung der Gefangenen,
die zu Lamos an der romäisch - arabischen Grenze stattzufinden
pflegte, auf freien Fuss gesetzt worden sei. Wenigstens tritt durch
den ganzen Bericht nirgendwo ein ausgesprochen muslimischer
Standpunkt des Verfassers hervor. Dagegen besitzen wir für den
Zeitpunkt, wann die Reise ausgeführt worden ist, wenigstens einen
sicheren terminus post quem. S. it*'., 9 spricht der Verfasser
nämlich von einem König von Burgän d. i. Burgund, unter welchem
nur Boso von Vienne, der Herzog von Provence, gemeint sein
kann, der am 15. Oktober 879 zum König von Burgund gewählt
und einige Tage später gekrönt worden war^).
Dazu stimmen denn auch einige andere Anspielungen. So
werden auf S. ifi, 4 seit dem Tode der Apostelfürsten Petrus und
Paulus in runder Summe 900 Jahre gerechnet, was aber, wie
früher gezeigt worden ist, eine Verschreibung sein muss für 800 -).
Diese Angabe würde uns demnach etwa ins Jahr 867 führen. Die
Slawen , welche sich auf Veranlassung des Königs («».awj zum
Christentum bekehren (S. !Pv, 15), können nur die bis dahin noch
ungetauften Südserben, besonders die Narentaner sein, denen Kaiser
Basileios der Makedonier im Jahre 877 christliche Geistliche
sandte, um ihnen die Taufe zu spenden. Wir können somit als
Zeitpunkt der Reise und wahrscheinlich auch der Abfassung des
Reiseberichts die Jahre zwischen 880 und 890 annehmen.
Ganz besonders fällt die starke, dui'ch den ganzen Bericht
sich hindurchziehende Vorliebe des Verfassers für Talismane und
Wundergeschichten auf, wodurch der Bericht an streng wissenschaft-
lichem Werte sehr verliert. Freilich hatte er darin schon ältere
Vorgänger, und damit erhebt sich die Frage, inwieweit er Selbst -
gesehenes und Selbsterkundetes berichtet oder von schriftlichen
Quellen abhängig ist. Letzteres ist, wie sich zeigen wird, wenigstens
teilweise der Fall bei der Beschreibung der Langobarden und
Roms, sowie Britanniens. Eine Benutzung unseres Berichtes habe
ich ausser bei Ibn Rusta nur noch bei QazwTni in den Artikeln
Rom und Konstantinopel feststellen können, der denselben aber
sicher gleichfalls nur aus zweiter oder dritter Hand, und zwar
wahrscheinlich durch Vermittlung eines encyklopädischen geo-
graphischen Werkes, kennt.
') E. Dümmler, Gesch. des Ostfränkischen Reiches II 123— 128.
2) Oben S. 29 A. 2.
208 J- Marquart,
(119) Beschreibung von Konstantinopel und was
dai'in ist und Beschreibung des Reiches des
Königs der R o in ä e r.
„Es erzählt Härün b. Jahjä, dass er gefangen genommen und zur
See auf Schiffen von 'Asqalän nach Konstantinopel gebracht worden
sei. Sie fuhren zuerst drei Tage, bis sie eine Stadt erreichten
die Antälia heisst. Es ist dies eine Stadt am Gestade des Romäer-
meers. Darauf wurden sie von da auf Postpferde gesetzt (und 5
i-itten) eine Strecke von drei Tagereisen über Berge, Thäler und
Saatfelder, (Lücke) mit ihnen zu einer Stadt, die iixÄJ
Niqja heisst, einer grossen menschenreichen Stadt . , . (Lücke) bis
sie nach drei Tagen zu einer Stadt gelangten namens Sanqara. Es
ist dies eine kleine Stadt in einer kahlen Ebene. (Der Bericht- 10
erstatter) fährt selbst fort: Dann zogen wir zu Fuss weiter und
marschierten durch die Ebene, wobei wir zur Rechten und Linken
Dörfer der Romäer hatten, bis wir zum Meere gelangten im Ver-
lauf von zwei Tagen. Dann schifften wir uns ein und fuhren
einen Tag lang, bis wir die Stadt Konstantinopel erreichten". 15
&.*iLIx3l hat de Goeje mit Recht hergestellt für das «oJ'LLiJ!
der Hs. Denn es ist unzweifelhaft Attaleia (arab. Antälija) ge-
meint i), die Hauptstadt des '^i^a räv KißvQQaicoxwv , aus dem
sich hauptsächlich die romäischen Flotten rekrutierten-). Es ist
also ganz in der Ordnung, dass die zu einem Plünderungszug ins
muslimische Gebiet ausfahrenden Korsaren aus Attaleia auslaufen
und dahin ihre Beute in Sicherheit bringen. Hier begann der
Überlandweg, über welchen wir einige ergänzende Nachrichten
bei Ibn Hauqal finden. „Dieser Distrikt (al Lämis am Lamos-
fiusse östlich von Seleukeia in Isaurien-^), wo die Auswechslung
der Kriegsgefangenen zwischen Romäern und Arabern stattzufinden
pflegte) schliesst sich an das Gebiet von Lo-i Agjä, dem Haupt-
erzeugungsort des Storax an, der aus diesem Rustäq und dieser
Gegend in die ganze Welt zu Lande und zur See verführt wird.
Das Meer erstreckt sich bis Antälia — beide Orte liegen 4 Tag-
fahrten bei ausgezeichneter Brise auseinander, und ebensoviel zu
Lande. Antälia ist eine unnahbare Festung, und ein gewaltiger
Bezirk (öLä*«;) ist mit der Festung Antälia verbunden. Der König
1) S. über diese Stadt W. Tomaschek, Zur historischen Topo-
graphie von Kleinasien im Mittelalter 52—54. SBWA. Bd. 124, 1891,
Nr. 8.
2) S. hierüber H. Geizer, Die Genesis der byzantinischen Themen-
verfassung S. 30—35. 80. Abb. der philos.-hist. Cl. der Sachs. Ges.
der Wiss. Bd. XVIII Nr. V. 1899.
3) S. Tomaschek a. a. 0. 64. 66. Ramsay, The historical
geography of Asia Minor p. 350. 456.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 209
hat nicht das Recht, von demselben Kaminsteuer') oder Schätzung
zu erheben, sei es von Gross oder Klein, noch besitzt ein anderer
eine Gerechtsame in irgendeiner Hinsicht. Es befinden sich dort
ein Postmeister und Kuriere mit Maultieren und Pferden zu Land
und Kuriere zu Schiff zur Beförderung von Habseligkeiten, Brief-
beuteln und Briefen. Von dem erwähnten Lj>! ■^9J^ ^^^ man,
wenn man in die hohe See sticht, 4 Tagfahrten nach dem Lande
Ägypten. Von Antälia nach Konstantinopel braucht man 8 Tage
zu Lande auf Postpferden und zur See bei günstigem Winde
15 Tage. Das zwischen beiden liegende Land ist kultiviert, be-
völkert und bewohnt, indem eine vielbegangene Strasse von den
Bezirken und dem Rustäq von Antälia — es ist dies ein an
Früchten und Korn reicher Rustaq — ununterbrochen bis zum
Land von Konstantinopel führt" -).
Durch diese Beschreibung Ibn Hauqals gewinnen wir vor
allem die Sicherheit , dass die Gesamtsumme der Distanzen bei
Ibn Rusta richtig überliefert ist. Wenn man von L^:^i , das wir
zwischen Lamos und Attaleia zu suchen haben , in vier Tagen,
d. h. in viermal 24 Stunden , in direkter Fahrt nach Ägypten
segelte , so konnte auch ein Schnellsegler , wie die Korsaren alle
waren , bei günstiger Brise in drei Tagen von Askalon nach
Attaleia gelangen. L^i identifiziert de Goeje mit dem heutigen
Alaja, sowie mit dem ^Ayia des Konstantin Porphyrogennetos nsqi
Tcöv Q't^iacov I p. 38, 13. Allein letztere Stadt lag im Binnen-
lande und zwar viel weiter westlich, noch in Karlen^). Alaja
L^xi! oder genauer K-o^ljüi al 'Alaija aber erhielt seinen jetzigen
Namen nach Abü'l fidä I^'aI, 2 = H 2, 135 erst vom Selgukensultan
*Alä addm ar RümT Kai-Qobäd; der ältere Name war Xo^ajcr/Gtov,
auf den italienischen Seekarten Candeloro oder Scandeloro^). Auch
die Entfernung (60 miglia) ist für vier Tagfahrten viel zu kurz.
Vielleicht leitet uns aber die Station Draganto, welche die Seekarten
hinter Stalimura (Avz^ovqlov auf dem gleichnamigen Vorgebirge)
haben, auf das Richtige. Östlich von Anemurion „liegen auf einer
^) Die richtige Erklärung von ,. )!-=>'-> gibt de Goeje zu Ibn al
Faqih !fv, 10 ann. l. Es ist die Übersetzung des byzantinischen xKTrvtxdv
(Theoph. Chronogr. ed. de Boor p. 487, 1) oder -nawiKÖv, womit die
Steuer bezeichnet wird, die von jedem Kamin {v.äTtvr\) erhoben wurde,
wie in Holland. S. Ducange s. v. Ibn Chord. Hl, 5/6 = 84. Schlum-
berger, L'epopee byzantin p. 183 und die von de Goeje zu Ibn al
Faqih angeführten Stellen.
2) Ibn Hauqal irf, 20— it^o, 7.
") Vgl. Tomaschek a. a. 0. 42.
*) S. Tomaschek a. a. 0. 56.
Marquart, Streifzüge 14
210 J- Marquart,
Anhöhe die Ruinen von Ndyiöog; . . . Ihn Khordädbeh [l!v, 16]
nennt unter den Küstenorten westlich von Tarsus und Selewqia
Nabik (i5^AxJ ,eine Veste auf einem Berge' ; es wird Nagid uX.*jp
zu lesen sein^). Hauptausfuhrhafen für dragante (astragalus traga-
canthus), ein Produkt der pisidischen Oropeda (im Markt von BaQig
oder Isbarta, Sparta einiger italienischer Portolane), war allerdings
Satalia (vgl. Pegolotti p. 376 draganti ciofe chitirra in Setalia di
Turchia) ; aber auch die Ketis und Kelenderis lieferten dieses
Gummi in Menge-)". Wir werden demnach unter 'iJu.^ , das
Ibn Hauqal als charakteristisches Haupterzeugnis dieser Gegend
anführt, Tragakanthgummi zu verstehen haben; in Lx>( aber sehe
ich eine ungenaue Wiedergabe von Nagidos.
In dem Itinerar von Antälija nach Konstantinopel ist der
Text des Ibn ßusta augenscheinlich zweimal gestört. Die Zeilen
ni, 4—9 (oben S. 208, 5—14) lauten in der Hs.:
■:üO_5^l3 i3L-*">- i3 X?} '»S^'S. 'ij*.>*^ "^riy:^^ (C^ ^i^ \y^4-:>- ^'S
»Ji**« L^i i^Läj X.xjiA/1 Ji j»Lj1 Ki^ lAxJ l^-g-'^^ i?'^^' J^ U*
_S=uii Jl L>!-^.pjl 15'^^ fl}^ L5j^ '-^j-^:^5 L.ü:ä4.J5 j^1^:^\^5 ^3 5
Hier fehlen zwischen r, yl\^ und *.aj Zeile 2, wenn die
überlieferte Anordnung des Textes richtig ist, mindestens einige
Worte aber auch zwischen ^ii' und ^ä=> Z. 3 ist eine Lücke
zu statuieren, in der die Weiterreise von üxäj berichtet war.
Dazu kommen aber noch sachliche Anstösse. De Goeje ver-
.• ^ o ^
verbessert das äJi^-w der Hs. einleuchtend in »Jl;.« und möchte
darunter Dorylaion verstehen, das nach dem Sangarios benannt
wäre. Allein Dorylaion lag nicht am Sangarios, sondern an einem
Nebenflusse desselben, dem Tembrogios , wie Ibn ChordäcJbih i.t^
23 — n., 1 ganz gut weiss. Dazu kommt, dass es jedenfalls ein
Ding der Unmöglichkeit wäre , von Dorylaion in zwei Tagen zu
^) Einfacher und der neugriechischen Aussprache gemäss ist die
Verbesserung lXaaj Naj'iS.
-) Tomaschek a. a. 0. 60.
Osteurop<äische und ostasiatische Streifzüge. 211
Fuss das Meer zu erreichen — Ihn Chordädbih l.f, 1 — 5 rechnet
108 Meilen von Dorylaion nach i-\yje^\ ^^^=>, clas angeblich noch
24 Meilen vom Bosporus entfernt gewesen sein soll^).
Dagegen würde Leukai (jetzt Lefke) am Öangarios, etwas
unterhalb der Vereinigung des Flusses von Wezir-chän mit dem
Sakaria, fast allen Anforderungen genügen-). Die von Härün b.
Jahjä beschriebene Route hätte dann über Kotyaion geführt und
wäre von da an der noch heute begangenen Strasse über In-önü,
Köplü, Bilegik, WezIr-chän gefolgt. Sie müsste also mit der von
Ramsay auf der Index Map p. 23 verzeichneten byzantinischen
Strasse von Attaleia über Kotyaion nach Nikaia zusammenfallen.
Auf dieser gab es aber bis Kotyaion keine grössere Stadt, aus-
genommen vielleicht Apameia Kibotos, das indessen damals längst
seine ehemalige Bedeutung verloren hatte •^). Dadurch wird die
Wahrscheinlichkeit verstärkt, dass die Worte (3'-äj \XjO<a ^1\ ^
.^ ^Li L^j K.».Ali£ K>ulX^ ^^3 xxäi LjJ Z. 2 an falsche Stelle
geraten sind rmd ursprünglich hinter L>LA.g.:ol Z. 5 standen, so dass
also mit der grossen Stadt K-^si keine andere als Nikaia gemeint
wäre. Dann erhalten wir folgenden Text von Z. 4 — 9 :
1) Dies geht noch deutlicher aus der Angabe bei Ibn Chord. i.1,
2122 = 82 hervor, dass Dorylaion insgesamt vier Tage von Kon-
stantinopel liege. Es handelt sich hier um Tagesritte. Vgl. H. Geizer,
Die Genesis der byzantinischen Themenverfasssung S. 112.
2) Bei Konstantin. Porphyrogenn. de caerim. aulae Byz. II 52
p. 720, 7 wird der i,svoS6%og ZayyÜQOv mit dem i£vo86%os HvX&v xmA
dem iBvodöxog Nmoaridtias auf eine Linie gestellt. Allein an dieses
ZdyyaQog kann bei Härün nicht gedacht werden, da es offenbar iden-
tisch ist mit dem Seeplatz Sangaros in Bithynien, der nach Sozomenos
h. e. 7, 18 nicht weit von Helenopolis lag (vgl. Wesseling zu Hierokles
Synekdemos p. 446 ed. Bonn). Diesen Ort kennt auch Mas'udi, Kitab
at tanbih if., 2—4: „Der dritte Übergangsort (von der kleinasiatischen
Küste nach Byzanz) heisst ä^Ä*« Sangara. Er ist vom Übergangsort
al Afqätl (AsvKccrrig, j. Jelkyn-kaja am Eingang des Golfes von Niko-
medeia;' s. Tomaschek a. a. 0. I 5) gegen 30 Meilen entfernt. Die
Breite dieses Überganges beträgt 12 Meilen. Dieser Ubergangsort liegt
in der Nähe der Stadt Nikaia^ Tomaschek a. a. 0. S. 10 bevor-
zugt nach Sokrates h. e. 5, 21 (iv 'AyyccQcp- i^noQiov dh tovto iv
BiQ^wia , nlr\aiov rfjg 'EXsvovTtoXsag %si[i£vov) die Form "Ayyagog und
sucht den Ort „etwa an Stelle von Engüre", zwischen Jalowa und
Boz-burun. Dazu stimmt aber nicht, dass HiUat, welches Tomaschek
an der Bucht von Gengeli sw. von Kios sucht, nach Mas'udi nur
8 Meilen von Sankara lag. Auch ist bei Sozomenos zweimal ZdyyaQog
{dg Uäyyagov, iv UayyccQo) überliefert. Dieses wird also im Golf von
Kios gesucht werden müssen.
^) Ramsay, Historical Geography of Asia Minor 74 f.
14*
212 "^- Marquart,
L^ i^Uj &.äjlX.^ Jl [»Li Ki^ lXxj [j-p^^ Lf^^^ .... pj^j-^'^
LÄ>viÄJl i?-^-^ '^^j^'^ L5'^ '■- ^■■V*^^ LxXä^j^ Ply^UaJ! ^j, L^^^^
c
d. h. : „Darauf wuräeu sie von da auf Postpferde gesetzt (und
ritten) eine Strecke von drei Tagereisen über Berge, Thäler und
Saatfelder .... bis sie nach (weiteren) drei Tagen zu einer Stadt
kamen namens Sanqara. Es ist dies eine kleine Stadt in einer
kahlen Ebene. Der Berichterstatter fährt selbst fort : Dann zogen
wir zu Fuss weiter und marschierten durch die Ebene, wobei wir
zur Rechten und zur Linken Dörfer der Romäer hatten, bis VN'ir
mit ihnen zu einer Stadt gelangten, die Niqja heisst, einer grossen
menschenreichen Stadt, dann von hier zum Meere im Verlauf von
zwei Tagen. Dann schifften wir uns ein" u. s. w. Der Marsch
von Sanqara (Leukai) über Nikaia zum Meere dauerte demnach
zwei Tage. Der nächste Hafen am Golf von Astakos, direkt
nördlich von Nikaia , war Prainetos oder Pronektos , 28 m. p. =^
21 arabische Meilen von Nikaia entfernt (T. F.), nach Tomaschek
a. a. 0. S. 9 bei der Reede von Qara Mursal; der gewöhnliche
Landungsplatz war aber das weiter westlich bei Hersek gelegene
Helenopolis^). Hier wurden die Gefangenen also nach Konstanti-
nopel eingeschifi't , das man in einer Tagfahrt = 100 Meilen
erreichte.
An und für sich läge es näher, Sanqara mit MaXccyiva gleich-
zusetzen, wo sich die grossen Depots der kaiserlichen Postpferde
befanden 2). So würde sich sehr einfach erklären, weshalb die
Gefangenen jetzt die Fostpferde verlassen und zu Fuss gehen
mussten: diese wären hier zu anderweitiger Verfügung in die
Marställe eingestellt worden. In der That sucht Ramsay 1. 1.
p. 206 jenen in der byzantinischen Kriegsgeschichte oft genannten
Ort in der Nähe von Leukai. allein diese Annahme lässt sich mit
dem Itinerare bei Ihn ChordäJbih \,Y, 1 ff. und insbesondere mit
der Lage von Hi(^n al Tabrä' unmöglich vereinigen. Denn sonst
müsste letztere Route über Nikaia führen. J a u b e r t , Geographie
d'Edrisi II 307 und Tomaschek a. a. 0. I 11. 90 setzen Mala-
gina dagegen in die Umgegend des heutigen Ine-giöl an einem
zum Giökge-su abfliessenden Bache. Die von Tomaschek in
Aussicht gestellte Begründung dieser Auffassung ist meines Wissens
1) Ramsay 1. 1. p. 76. 184. 186 f. 201.
2) Konstantin. Porphyrogenn. de caerim. I app. p. 459. 476. 486.
Vgl. W. Ramsay, The historical geography of Asia Minor p. 203 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 213
"bis jetzt nicht erschienen, dieselbe stimmt aber sehr gut mit dem
erwähnten Itinerar bei Ibn Chordädbih überein. Dieser rechnet
von Malagina zunächst 5 Meilen bis zu den kaiserlichen Marställen,
von da 30 Meilen nach i.\y^x.l\ q>ä=>) das noch 24 Meilen vom
Bosporus entfernt sein soll.
Name und Lage dieses Ortes erfordern eine eingehendere Er-
örterung. IdrTsi II 302 schreibt t^xJI iÜjL\/o und Jaubert
identifiziert es mit 'Egißcokog „das breitschollige", 10 m. p. südlich
von Nikomedeia, wie es scheint nur auf Grund eines sehr entfernten
Namensanklanges'); denn \y.3t.j\ hat im Arabischen keine Bedeutung.
Diese Gleichung scheint zwar durch die Lesart pL.vii! ry^^ n*^^s
Erdschloss" bei Ibn Chord. cod. A gestützt zu werden, allein
damit lässt sich die Angabe in keiner Weise vereinigen, dass
Nikaia gegenüber, oder wie Idrisi noch genauer sagt, östlich
von al Tabrä' liege. Diese Bestimmung ist nur verständlich, wenn
Hi9,n al Tabra am Golf von Kios lag. Unter dieser Voraussetzung
erklärt sich auch die von Idrisi angegebene Entfernung von
100 Meilen d. i. einer Tagfahrt zwischen Damäla (z/ajitaAtg bei
Skutari) und al 'Abrä. Überdies müssen bei Ibn ChordäcJbih wie
bei IdrTsi Verwirrungen stattgefunden haben. Nach dem vor-
liegenden Texte des ersteren wäre die Entfernung von Nikaia
nach Konstantinopel 30 Meilen, was aber unmöglich die Mei-
nung des Verfassers dieser Itinerare gewesen sein kann; be-
trägt doch schon die Distanz zwischen Nikaia und Pronektos
28 m. p. = 21 arabische Meilen (s. o.). Der Schluss drängt sich
so von selbst auf, dass die Worte ^^/i .jj-iJ^ l--^k^^^ bei Ibn
Chord. Uf, 7 an falscher Stelle eingeschoben sind und eigentlich
hinter s^\ ^kl\ Z. 6 gehören, sodass also jene 30 Meilen in Wirklich-
keit die Entfernung zwischen Nikaia und al Jabra bezeichnen.
Dann erklären sich auch die unmöglichen Angaben Idrlsl's, dass
Nikaia 3 Meilen von der Stadt al 'Abrä und ebensoviel vom Meere
entfernt sei: 3 ist einfach ein Fehler für 30. Die Länge des
Sees von Nikaia beträgt ja allein 12 Meilen. Die Entstehung
der ebenfalls unmöglichen Entfernung von al Pabrä' bis zum
Bosporus bei Ibn Chordä(5bih wird aber verständlich durch die
oben mitgeteilte Angabe Idrlsl's, der von al 'Abrä bis Damalis
100 Meilen oder eine Tagfahrt rechnet. Der Verfasser des Itinerars
hatte die Entfei'nung von al -Tabrä' bis zum Bosporus auf eine
Tagfahrt zur See geschätzt, ein Benutzer desselben fasste dies
aber irrtümlich als eine Landtagereise auf und rechnete diese in
Meilen um (24 Meilen = 8 Fars.). Für al Pabra passt dann
in jeder Hinsicht am besten die Lage des alten Tlvlai^ des ge-
'') 1. 1. n. 2: ^Eribolum. La meme ville est indiquöe sous le nom
ä'Eriboea sur la carte de Ptolemee" [5, 1 p. 313, 22 ed. Wilberg].
2][4 '^^ Marquart,
wohnlichen Landungsplatzes der romäischen Kaiser. Mas'üdT kennt
(wbL-^5 Ilvlag als vierten Übergangsplatz von Kleinasien nach der
Hauptstadt. Er widmet diesem Orte einige Bemerkungen, die für die
genauere Bestimmung seiner noch umstrittenen Lage von "Wichtig-
keit sind und daher hier Platz finden mögen: „Pylas liegt gegen
8 Meilen vom Übergangsplatz Sankara. Die Breite dieses Über-
gangs von der syrischen nach jener Seite d. h. dem band (= ^i^cc)
Thrakia beträgt gegen 40 Meilen. Von diesem Übergang werden
die Kriegsgefangenen der Romäer, wenn sie dieselben auszu-
wechseln beabsichtigen, nach al Lämis übergeführt, weil es ein
langwieriger Übergang ist, durch welchen sie die Gefangenen
schrecken" 1). Pylai lag demnach 8 Meilen von Sankara {SdyyccQog),
das in die Nähe von Helenopolis gesetzt wird. Tomaschek sucht
es an der Bucht von Gengeli und glaubt, dass sich der alte Name
in dem weiter im Binnenland in der Nähe des Nilüfer-6ai gelegenen
Fllah-där erhalten habe'-). Einen weiteren Anhaltspunkt für
die Lage von Pylai ergibt der fünfte, von Pylai gegen 20 Meilen
entfernte Übergangsort Mas'udi's, in den Hss. I^iAjLj bezw. l^JuL
geschrieben, wenn de Goeje's unter Berufung auf Tomaschek
a. a. 0. S. 12 f. geäusserte Vermutung richtig ist, dass ^oLJ Lo-
pädö zu lesen und damit eine Küstenstation an der Mündung des
RhjTidakos gemeint sei, die auch auf den italienischen Seekarten
als Lupato erscheint und so benannt war, weil man hier nach
AoTtccStov (Ulubäd) einfuhr.
Die Gleichsetzung von tl^xiil ^^:^ mit Pylai dürfte hier-
nach genügend gerechtfertigt sein, fraglich bleibt aber, ob
darin ein griechischer Name steckt, da die Araber vielfach be-
merkenswerten Örtlichkeiten arabische Namen beizulegen pflegten.
Sollte jenes aber wirklich der Fall sein, so wäre wohl i^äJl
al Firä zu schreiben. Dieser Vermutung stehen am nächsten
die Lesarten der Hs. B des Ibn Chordädbih: [Jo]|^i (es folgt
J±s) und rläil. Sonst Hesse sich höchstens noch an Ki'os
selbst denken, also l^äii QijO, was aber weniger Wahrscheinlich-
keit für sich hat. Auf alle Fälle war aber die von Ibn Chordädbih
beschriebene Route von der des Harun b. Jahjä verschieden.
1) Mas'üdT, Kitäb at tanblh !f., 4—9.
2) A. a. 0. S. 10/11. Anders Eamsay 187. 207.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 215
(Beschreibung von Konstantin opel.)
„*Konstantinopel ist eine gewaltige Stadt ^), 12 X 12 Fars.
gross. Ihr Farsang beträgt, wie er berichtet, 1 V2 Meilen. Im Osten
wird sie vom Meer umringt, und westlich von ihr ist eine Ebene,
durch welche man nach Rom reist. Sie wird von einer Burg
5 überragt. Das Thor, durch welches man nach Rom reist, ist von
Gold, und wird das goldene Thor genannt. An dem Thore be-
finden sich Bilder: fünf stellen Elefanten vor, und eines stellt
einen stehenden Mann vor, wie er den Zügel jener Elefanten er-
griffen hat. *Neben ihm sind Leute von seinen Dienern-). Die
10 Stadt hat in der Nähe der Insel ein eisernes Thor, welches Thor
von Piyäs heisst, ein(em) Ort(e), wohin der Kaiser lustwandelt. In
der Nähe der (120) Kirche in der Mitte der Stadt ist das TtaXdriov
d. h. *das Schloss des Kaisers =^), und daneben ein Ort, der al buörün
(Hippodrom) heisst und einer Rennbahn gleicht, in welchem sich
15 vor ihm die TtaxQMioi versammeln , so dass der Kaiser von seinem
Schloss in der Mitte der Stadt auf sie herabschauen kann. Im
Schloss sind in Erz gegossene Bildsäulen dargestellt, die Pferde,
Menschen, wilde Tiere, Löwen u. a. vorstellen. Auf der westlichen
Seite der Rennbahn, in der Nähe des goldenen Thores, befinden
20 sich zwei Thore, zu denen man acht von den Pferden hineintreibt.
Es stehen dort zwei goldene Wagen, deren jeder mit vier von
den Pferden bespannt wird. Auf jeden Wagen steigen zwei
Männer, die in golddurchwirkte Gewänder gekleidet sind, und
lassen ihn fahren mit aller ihm zu Gebote stehenden Schnellig-
25 keit, so dass er durch jene Thore herauskommt und um jene
Bildsäulen dreimal herumfährt. Welcher von ihnen nun seinem
Partner zuvorkommt, dem wird von der kaiserlichen Residenz
eine goldene Halskette zugeworfen und ein Pfund Gold. Alle
in Konstantinopel Anwesenden besuchen jene Rennbahn und über-
30 zeugen sich.
*üm das kaiserliche Schloss ist eine einzige Mauer, die das
ganze Schloss umschliesst, mit einem Umkreis von einem Farsang,
und mit einer ihrer Seiten im Westen ans Meer reicht. Sie hat
drei eiserne Thore*): das eine heisst Hippodrom-Thor, das andere
35 wawZ^aöä-Thor, das dritte See -Thor. In das Hippodrom - Thor
tritt man ein durch einen 100 Schritt langen und 50 Schritt
breiten Korridor mit Ruhebetten zu beiden Seiten, die mit Brokat-
1) QazwInT II f.1, 6.
2) In der Hs. an falsche Stelle geraten.
3) Vgl. Qazwinl II f.t, 6.
*) Qazwini II f.t, 6/7: , Daselbst ist das Schloss des Königs, das
eine Mauer von einem Farsang im Umkreis umringt, die 300 eiserne
Thore hat«.
216 J- Marquart,
kissen, Steppdecken und Polstern belegt sind und auf welchen
zum Christentum bekehrte Neger leute ruhen, die mü Gold
verkleidete Schilde sowie Lanzen führen, an welchen sich Gold
befindet. Was das Mankabä-Thor betrifft, so tritt man in einen
200 Schritt langen und 50 Schritt breiten, mit Marmor ge- 5
pflasterten Korridor, zu dessen beiden Seiten Ruhebetten auf-
geschlagen sind , auf welchen Chazarenleute mit Bogen in
den Händen sitzen. In dem Korridor befinden sich vier Gefäng-
nisse 1) : eines davon für die Muslime , eines für die Leute von
Tarsus, eines fürs (121) gemeine Volk und eines für den Befehls- lO
haber der Garden. In das See -Thor tritt man durch einen
300 Schritt langen und 50 Schritt breiten, mit roten Backsteinen
gepflasterten Korridor ein. In demselben befinden sich rechts und
links Ruhebetten mit geschmückten Kissen, auf welchen Türken-
1 e u t e mit Bogen und Schilden liegen. Man schreitet dann weiter 15
durch den Korridor , bis man auf einen 300 Schritt messenden
Vorraum gelangt. Dann kommt man zu dem Vorhang , der an
dem zur Residenz führenden Thore aufgespannt ist. Links beim
Eintritt befindet sich *die kaiserliche Kirche, die zehn Thore be-
sitzt, worunter vier goldene und sechs silberne-). Im Aller- 20
heiligsten, an welchem der Kaiser seinen Platz einnimmt, befindet
sich ein mit Perlen und Rubinen ausgelegter Platz von 4X4 Ellen,
*und ebenso ist sein Polster, auf welches er sich aufstützt, mit
Perlen und Rubinen ausgelegt. An der Thüre des Altares stehen
vier aus einem Stück ausgehauene Marmorsäulen ^). *Der Hoch- 25
altar, auf welchem der Priester Gottesdienst hält, ist sechs Spannen*)
lang und sechs Spannen breit. Er besteht aus einem Stück mit
Perlen und Rubinen ausgelegten Khmferholzes (Aloe), an welchem
der kaiserliche Hofkaplan seinen Platz hat. Die übrigen Hallen
(Schiffe) der Kirche sind sämtlich aus Gold und Silber hergestellte 30
Säulenschiffe (azag)*). Diese Kii'che hat vier Höfe, deren jeder
200 Schritt in der Länge und 100 Schritt in der Breite misst.
Im östlichen Hof befindet sich ein aus Marmor gehauenes,
10 X 10 Ellen messendes Becken. Dieses Becken ist auf der
Spitze einer Marmorsäule aufgestellt, deren Höhe vom Boden an 35
vier Ellen beträgt. Über ihm wölbt sich eine bleierne Kuppel,
deren obersten Teil eine silberne Kuppel bildet. *Diese Kuppel
^) Es. (ji^:=^ , Truppen".
^) QazwTnT a. a. 0.: ,In demselben (im kaiserlichen Schloss) be-
findet sich die kaiserliche Kirche, deren Kuppel aus Gold ist und die
10 Thore besitzt, sechs goldene und vier silberne". Das Folgende fast
wörtlich bei QazwfnI.
^) Fehlt bei QazwTnT.
^) QazwTnT: „und der Ort, an welchem der Priester steht, ist aus
einem sechs Spannen grossen Stück Khm^rholzes. Sämtliche Mauern
der Kirche sind Gold und Silber". Das Folgende ist ausgelassen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 217
trägt zwölf Säulen, jede vier Ellen hoch. Die erste dieser Säulen
trägt auf ihrer Spitze das Bild eines Falken, die zweite das
eines Lammes, die dritte das eines Stieres, die vierte das eines
Hahnes, die fünfte das eines Löwen, die sechste das einer Löwin,
5 die siebente das eines Wolfes, die achte das eines Rebhuhns, die
neunte das eines Pfaues, die zehnte das eines Pferdes, die elfte
(122) das eines Elefanten, die zwölfte das eines Königs i).
*In der Nähe dieser Kuppel befindet sich in diesem Hof in
einer Entfernung von 200 Schritt eine Cisterne, von welcher das
10 Wasser zu jenen Bildsäulen auf den Spitzen der Säulen geleitet
worden ist. Jedesmal an ihrem Feste wird nun jene Cisterne mit
10 000 Krügen Weins und 1000 Krügen weissen Honigs gefüllt,
wobei auf diesen Trank Hyacinthen, Gewürznelken und Zimmt
im Betrag einer Kamellast aufgelegt und er so angenehm gemacht
15 wird. Dann wird jene Cisterne bedeckt, indem nichts davon
sichtbar ist"-). Wenn nun der Kaiser herausgeht und die Kirche
betritt, fällt sein Auge auf jene Bilder und jenen Trank, der
ihren Mündern und Ohren entsprudelt und sich in dem Becken
sammelt, bis es sich füllt. Da schöpft jeder von seinem Gefolge,
20 der mit ihm zum Feste ausgezogen ist, ein jeder einen Trunk ■^).
Hat man den Vorhang erhoben und betritt die Residenz,
so ist es ein mächtiger, 400 X 400 Schritt messender, mit
grünem Marmor gepflasterter Hof, die Wände mit Mosaik und
Farben von Golddruck bemalt; rechts beim Eintritt in die Resi-
25 denz ist das kaiserliche Schatzhaus, und im Innern das Bild eines
stehenden Pferdes, auf welchem ein Reiter sitzt, dessen Augen
aus zwei roten Rubinen hergestellt sind. Zur Linken beim Ein
tritt ist ein 200 Schritt langer und 50 Schritt breiter Empfangs-
1) QazwTnl: „Davor sind zwölf Säulen, jede vier Ellen (hoch), und
auf der Spitze einer jeden Säule ist eine Bildsäule, entweder einen
Menschen oder einen König, ein Pferd, einen Löwen, einen Pfau, Ele-
fanten oder Kamel (J*.*.^ für J^5>) darstellend".
2) Cod. -iu xXa yN.Äi''!j!t, lies t .i; ».x.* (j^*J ^; "^g^- S- ^'^^' ^■
3) Qazw. f.v, 1-6: Jn der Nähe davon ist eine Cisterne. Wenn
man nun das Wasser in dieselbe leitet, füllt sie sich, indem das Wasser
zu jenen Bildsäulen hinaufsteigt, die auf den Spitzen der Säulen stehen.
Jedesmal an diesem Feste nun, dem Palmsonntag, werden in die
Cisterne Becken ausgeschüttet (vor .^^..^xaii ^i, muss, wie mir de
Goeje bemerkt, ein Verbum wie p jäj" ausgefallen sein), die vorher
gefüllt sind, eines mit Öl, eines mit Wein, eines mit Honig, eines
mit Rosenwasser, eines mit Essig, und angenehm gemacht durch
Moschus und Gewürznelken, und ein Becken mit klarem Wasser. Die
Cisterne wird bedeckt, so dass sie niemand sehen kann, und das Wasser,
der Syrup und die flüssigen Parfüms kommen aus den Mündern jener
Statuen und der Kaiser und sein Gefolge und alle die mit ihm zum
Feste ausgezogen sind, nehmen davon". Das Folgende fehlt bei Qazwun.
218 J- Marquart,
saal, und in dem Emi^fangssaal steht ein Speisetiscli aus Chüing
und ein elfenbeinerner Tisch, und im vordem Teil des Empfangs-
saales steht ein goldener Tisch. Sobald nun das Fest zu Ende
ist und der Kaiser die Kirche verlassen hat, kommt er in diesen
Empfangssaal und setzt sich vorne hin an den goldenen Tisch. 5
Es ist dies das Weihnachtsfest. Man lässt nun die Gefangenen
der Muslime bringen und setzt sie an jene Tische. Man bringt
dann zum Kaiser, sowie er sich vorne hinsetzt, vier goldene Tische,
deren jeder auf einem Wagen geführt wird — es heisst, dass einer
dieser Tische, ausgelegt mit Perlen und Rubinen, dem Salomo, lO
Davids Sohne gehört hatte, der zweite, gleichsfalls ausgelegt, dem
David, (123) der dritte war der Tisch des Qärün (Qorah) und
der vierte der Tisch des Kaisers Konstantin — und stellt sie vor
ihn hin, ohne dass jedoch auf ihnen gegessen wird; man lässt
sie vielmehr stehen, so lange der Kaiser an seinem Tische bleibt. 15
Sobald er aufsteht, werden sie aufgehoben. Dann bringt man
die Muslime, wobei auf jenen Tischen eine Menge Sachen von
Kaltem und Warmem stehen. Hierauf ruft der Herold des Kaisers
aus und sagt: „Beim Leben des Hauptes des Kaisers, es ist unter
diesen Speisen nichts Schweinernes", und er bringt jene Speisen 20
zu ihnen • in goldenen und silbernen Schüsseln. Dann wird ein
Ding gebracht, al-urqanä (tc oqyava^ Orgel) genannt; es ist dies
ein aus einem viereckigen Holz hergestelltes Ding nach Art einer
Ölpresse, und jene Presse wird mit solidem Leder bedeckt; dann
werden darein 60 kupferne (messingene) Röhren eingesetzt, deren 25
Spitzen bis zu ihren Hälften nach oben (Lücke). Jene
Röhren sind über dem Leder mit Gold bedeckt, so dass nur wenig
davon erkennbar ist, insofern ihre Masse einander nahe kommen,
indem eine immer länger ist als die andere; an der Seite dieses
viereckigen Dinges befindet sich ein Loch, in welches ein Blase- 30
balg eingesetzt wird, gleich dem Blasebalg der Schmiede. Und
es werden drei Kreuze gebracht und zwei davon werden an seine
beiden Enden gelegt, und eins in die Mitte. Dann bi-ingt man
zwei Männer, die in jenen Blasebalg hineinblasen, und es erhebt
sich der Meister und spielt auf jenen Röhren, und jede Röhre 35
singt durch ihre Lage nach Massgabe des Tones, der auf ihr ge-
spielt wird, zum Lobe des Kaisers, wobei sämtliche Leute an den
Tischen sitzen. Es treten 20 Mann mit chulbäq's, in den Händen
ein — chulbäq ist eine Cymbel — auf denen sie spielen, so
lange jene essen, und in dieser Weise speisen sie zwölf Tage. Am 40
letzten dieser Tage wird jeder von den muslimischen Gefangenen
mit zwei Dinaren und drei Dirhams beschenkt, dann erhebt sich
der Kaiser und geht durch das Hippodromthor hinaus.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 219
Auszug des Kaisers nach der grossen Kirche, die
für das gewöhnliche Yolk bestimmt ist.
Er befiehlt, dass für ihn auf seinem Wege vom Thore des
Schlosses bis zur Kirche, die für das gewöhnliche Volk bestimmt
5 ist, in der Mitte der Stadt Rohrmatten ausgebreitet werden und
auf dieselben wohlriechende Pflanzen und Kräuter gestreut und
die Mauer rechts (124) und links von seinem Durchgang mit
Brokat geziert werde. Dann ziehen vor ihm 10 000 Greise aus,
in roten Brokat gekleidet, die Haare lang herabwallend bis auf
10 die Schultern, ohne Burnusse (Kapuzen). Dann kommen hinter
ihnen 10 000 Jünglinge, in weissen Brokat gekleidet, sämtlich zu
Fuss gehend. Dann kommen 10 000 Knaben in grünem Brokat;
dann kommen 10 000 Diener in himmelblauem Brokat, die mit
Gold verkleidete Beile tragen. Dann kommen nach ihnen 5000
15 der trefflichsten Eunuchen, in chorasanischer weisser Halbseide,
mit goldenen Kreuzen in den Händen. Dann kommen hinter ihnen
10 000 Türken- und Chazaren-Pagen in gestreiften Brust-
panzem, mit Lanzen und Schilden in den Händen, die sämtlich
mit Gold überzogen sind. Dann kommen 100 narqUioL von den
20 Grossen in Gewändern von koloriertem Brokat, goldene Rauch-
fässer in den Händen , indem sie mit Khmferholz räuchern ; dann
kommen zwölf der vornehmsten natqUioi in golddurchwirkten Ge-
wändern, von denen jeder einzelne eine goldene Gerte in der Hand
trägt; dann kommen 100 Pagen in purpurverbrämten, mit Perlen
25 ausgelegten Gewändern, die eine goldene Lade tragen, in welcher
sich das Andachtsgewand des Kaisers befindet. Dann kommt vor
ihm ein Mann, ar ruhüm (?) genannt, welcher die Leute schweigen
heisst und ruft: Schweigt! Dann kommt ein Greis, der ein
Becken und eine Kanne aus Gold in der Hand hält, beide mit
30 Perlen und Rubinen ausgelegt. Dann naht der Kaiser in den
Gewändern der al-akslmön — es sind dies seidene, mit Edel-
steinen durchwirkte Gewänder — eine Krone auf dem Haupte
und zwei Halbstiefel (an den Füssen), von denen der eine schwarz,
der andere rot ist. Hinter ihm kommt der Minister. Der Kaiser
35 hält in der Hand eine goldene Büchse mit Staub, wobei er zu
Fusse geht. So oft er zwei Schritte gegangen ist, ruft der Minister
in ihrer Sprache: ^i^vriGOs ^avarov'^) d.h. „gedenket des Todes".
Sobald er ihm nun das gesagt (125) hat, bleibt der Kaiser stehen,
öfihet die Büchse, blickt auf den Staub, küsst ihn und weint. In
40 dieser Weise zieht er "weiter, bis er zum Thor der Kirche kommt.
Da bietet der Mann das Becken und die Kanne an und der Kaiser
^) In dem verdorbenen \J^^ c>Jy>j q-* der Es. steckt die
Formel iti^vriaQ-s (rov) &avccrov, wie der Herausgeber erkannt hat.
Lies IjJaLo LjixJL/« -a fis^v'qaQ's ^avärov.
220 J- Marquart,
wäscht sich die Hand und sagt zu seinem Minister: „Wahrlich,
ich bin unschuldig an dem Blute sämtlicher Menschen i); möge
mich Gott nicht fragen nach ihrem Blute, da ich es auf deinen
Nacken gelegt habe"-). Uiid er bekleidet mit seinen Gewändern,
die er an hat, seinen Minister, nimmt das Tintenfass des Pilatus 5
— das ist das Tintenfass des Mannes, welcher sich für unschuldig "
erklärte am Blute Christi — legt es auf den Nacken des Ministers
und sagt zu ihm: „Richte nach Gerechtigkeit, wie Pilatus nach
Gerechtigkeit richtete", und er führt ihn herum auf den öfient-
lichen Plätzen um Konstantinopel, und sie rufen ihm zu: „richte i»
nach Gerechtigkeit, wie der Kaiser dich mit der Regierung des
Volkes investiert hat".
Dann befiehlt der Kaiser die muslimischen Gefangenen in die
Kirche hereinzuführen; sowie sie nun jenen Glanz und den Kaiser
erblicken, rufen sie dreimal: Gott verlängere das Leben des i&
Kaisers viele Jahre; dann lässt mau sie mit Ehrenkleidern be-
kleiden.
Hinter ihm werden drei flinke, mit goldenen, mit Perlen und
Rubinen ausgelegten Sätteln und brokatenen, gleichfalls mit der-
gleichen ausgelegten Pferdedecken bedeckte Handpferde getrieben, 2a
die er nicht besteigt; dann bringt man sie in die Kirche, wo für sie
ein Zügel aufgehängt ist. Sie sagen: wenn das Pferd den Zügel
in sein Maul nimmt, erlangen wir den Sieg über die Länder des
Islams. Das Pferd kommt nun und riecht den Zügel und weicht
zurück, ohne bis zu dem Zügel vorgegangen zu sein. Man sagt, 25'
dass diese Pferde von einem Pferde abstammen , welches dem
Awastät (Julianus Apostata) gehört hatte. Dann kehrt der Kaiser
aus der Kirche in sein Schloss zurück.
*Zehn Schritt westlich von der Kirche ist eine 100 Ellen
hohe Säule; sie ist zusammengesetzt, Säule auf Säule, indem die 30
Säule mit silbernen Ketten verkettet ist. Auf der Spitze der
Säule ist ein 4X4 Ellen grosser viereckiger Marmortisch, auf
diesem ein aus Marmor gearbeitetes Grab, in welchem Ostüjänus
(Justinianus) ruht, der Erbauer dieser Kirche, und auf dem Grabe
ist das eherne Standbild eines Pferdes, und auf dem Pferde das 3&
Bild des Justinianus, eine goldene, mit Perlen und Rubinen aus-
gelegte Krone auf dem Haupte — man erzählt, dass es die Krone
dieses Kaisers sei — während seine rechte Hand sich erhebt, als
wollte er die Leute nach Konstantinopel nifen-^j.
1) Vgl. Matth. 27, 24.
2) Vgl. Lev. 16.
■■') QazwInT II f.v, 6: „In der Nähe der Kirche ist eine 300 Ellen
hohe und zehn Ellen dicke Säule. Auf der Säule ist das Grab des
Kaisers Konstantin, der die Kirche erbaute, und über dem Grabe das
eherne Standbild eines Pferdes, und auf dem Pferde eine den Kon-
stantin darstellende Figur, mit einer mit Edelsteinen ausgelegten Krone
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 221
*Am westlichen Thore der Kirche ist ein Vorsaal, (126) in
welchem 24 kleine Thüren sind, jede eine Spanne im Geviert,
gearbeitet für die Stunden der Nacht und des Tages. So oft
nun eine Stunde zu Ende ist, öffnet sich eine der Thüren von
auf dem Haupte, die, wie man erzählt, die Krone dieses Kaisers war.
Die Füsse des Pferdes sind mit Blei am Stein befestigt, mit Ausnahme
des rechten Vorderfusses , der frei in der Luft schreitet. Die rechte
Hand der Figur ragt in die Luft, als wollte sie die Leute nach Kon-
stantinopel rufen, während die linke Hand eine Kugel hält. Diese
Säule ist im Meere aus einer Entfernung von mehreren Tagereisen
dem Seefahrer sichtbar. Die Aussagen der Leute darüber widersprechen
sich aber ; die einen sagen , in der Hand der Figur sei ein Talisman,
der den Feind von der Stadt abwehre, während die andern behaupten,
auf der Kugel, die sie in der Hand halte, sei geschrieben : Ich habe die
Welt in Besitz genommen, bis sie so in meiner Hand war — d. h. wie
diese Kugel — und ich ging aus ihr weg mit ausgestreckter Hand so.
Doch Grott weiss es am besten".
QazwTnT hat hier den Bericht des Härün b. Jalijä mit den
Nachrichten des 'All b. Abu Bakr al Harawi (f 600 oder 611 H.) bei
Jäqüt vermengt. Vgl. Jäq. IV 11, 16ff. : „Es erzählt al Harawi: Zu
den wunderbaren Leuchttürmen gehört der Leuchtturm von Konstanti-
nopel , weil es ein mit Blei , Eisen und bucrum befestigter Turm ist.
Er steht auf dem Hippodrom. Wenn die Winde gegen ihn wehen,
bewirken sie, dass er nach Ost, West, Süd und Nord von seiner ur-
sprünglichen Basis weicht, und die Leute bringen Topfscherben und
Nüsse in die Bresche des Gebäudes und mahlen sie [= Qazwlni II
f.v, 16—18].
An diesem Orte ist ein kupferner Leuchtturm , und ein Stück ist
umgestürzt, ohne dass man jedoch in denselben eintreten kann.
Und ein Leuchtturm ist in der Nähe des Hospitals, der vollständig
mit Kupfer verkleidet ist. Auf ihm ist das Grab des Konstantin, und
auf seinem Grabe das eherne Bild eines Pferdes, und auf dem Pferde
sein Reiterstandbild. Die Füsse des Pferdes sind mit Blei am Steine
befestigt, mit Ausnahme des rechten Vorderfusses, der frei in die Luft
schreitet, als hätte es ihn erhoben, um zu winken, während Konstantin
auf seinem Rücken sitzt, die rechte Hand mit geöffneter Handfläche
hoch in der Luft, wobei er nach den Ländern des Islams zeigt, wo-
gegen er in der linken Hand eine Kugel hält. Dieser Leuchtturm ist
aus einer Entfernung von mehreren Tagereisen dem Seefahrer sichtbar.
Die Aussagen der Leute über ihn widersprechen sich aber; die einen
sagen, in seiner Hand sei ein Talisman, der den Feind abwehre auf
die Stadt loszugehen, während andere vielmehr sagen, auf der Kugel
stehe geschrieben: Ich habe die Welt in Besitz genommen, bis sie in
meiner Hand blieb gleich dieser Kuget. Dann gieng ich so aus ihr
weg, ohne etwas zu besitzen".
Prof. de Goeje hält es für möglich, dass in dem sonst nicht
> Cj 3
vorkommenden j»-«!*]! eine dialektische Aussprache des persischen
*^M,\ v_jyw5 j L-Jy.« ^Blsi" stecke. Dann wäre oben zu übersetzen:
„mit Zinn, Eisen und Blei".
222 J- Marquart,
selbst, und wenn sie sich schliesst, schliesst sie sich (ebenfalls)
von selbst. Man erzählt, dass Apollonios dies gemacht habe^).
Er erzählt, dass ihre Pferde abgerichtet seien, indem sie
nicht von ihrer Stelle fliehen und man keine Leute braucht, um
sie festzuhalten, wenn die Offiziere absteigen, und sie nicht wiehern 5
und keinen Lärm erregen ; man braucht bloss zu ihnen zu sagen :
stal so bleiben sie stehen, bis ihr Eeiter vom Kaiser heraus-
kommt. Er fährt fort: Da frug ich einige Leute nach der Ur-
sache davon; da führten sie mich zu drei ehernen, Pferde dar-
stellenden Bildsäulen, die am Thore des Kaisers aufgestellt sind lO
und die der Weise Apollonios als Talisman gegen die Pferde ge-
macht hatte, damit sie nicht wiehern und gegen einander Tumult
anstiften sollten^).
Am Thore des Kaisers sind ebenfalls vier aus Erz gefertigte
Schlangen, die sich in den Schwanz beissen, als Talisman gegen 15
die Schlangen, damit sie nicht schaden sollen, indem der Knabe
auf eine Schlange losgeht und sie ergreift und sie ihm nicht schadet.
In dem in der Nähe der goldenen Pforte gelegenen Teile der
Stadt befindet sich das Gewölbe einer Brücke, das sich mitten
auf dem Forum der Stadt wölbt, an welcher sich zwei Statuen 20
befinden, von denen eine mit den Fingern zeigt, als ob sie sagen
wollte : komm her ! und die andere mit der Hand zeigt , als ob
sie sagen wollte : halt nur eine Weile aus ! Es sind zwei Talismane.
Die Gefangenen werden gebracht und zwischen diese beiden Statuen
gestellt, indem man für sie Tröstung erwartet, während ein Bote 25
.weggeht, um dem Kaiser dies zu melden. Wenn sie nun bei der
Eückkehr des Boten noch dastehen, führt man sie ins Gefängnis
weg; trifft sie der Bote aber an, nachdem sie die beiden Statuen
passiert haben, so werden sie getötet, und kein einziger von ihnen
wird am Leben gelassen. ^^
Konstantinopel hat eine Wasserleitung, indem das Wasser bis
dahin aus einem Lande geleitet wird, das Bulyar heisst. Dieser
Kanal läuft bis dahin aus einer Entfernung von 20 Tagen und
wird, sobald er die Stadt betritt, in drei Teile verteilt : ein Drittel
fliesst zur kaiserlichen Residenz, ein zweites Drittel zu den Ge- 35
fängnissen der Muslime, und ein Drittel zu den Warmbädern der
ij Qazwini II f.v, 19—23: Jn derselben ist eine Stundenuhr, an
welcher zwölf Thüren , jede mit einem eine Spanne hohen Thürflügel,
angebracht sind nach der Anzahl der Stunden. So oft eine der Nachts-
oder Tagesstunden vorüber ist, öffnet sich eine Thüre und es kommt
daraus eine Figur hervor, die fortwährend stehen bleibt, bis die Stunde
zu Ende ist. Sobald die Stunde abgelaufen ist, tritt jene Figur in den
Zugang der Thüre ein und es öffnet sich ein anderes Thor und es tritt
aus demselben eine andere Figur hervor nach diesem Beispiel. Die
Romäer sagen, dass es ein Werk des Weisen Apollonios sei\
2) Qazwini 1. 1. Z. 23—25.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 223
ncaqi'MOt und der übrigen Einwohner der Stadt. Sie trinken nun
das Wasser, welches zwischen süss und salzig die Mitte hält.
Die Leute von Bulyar bekriegen die Romäer und die Romäer
bekriegen sie. — Es erzählt HärQn, dass rings um Konstantinopel
5 Mönchklöster seien. Am Thore (127) von Konstantinopel ist ein
Kloster namens ! J^L« - Kloster , in welchem 500 Mönche wohnen.
Jener Fluss, welcher in die Stadt eintritt und in drei Teile geteilt
wird, läuft mitten durch dasselbe. Einen Farsang nördlich von
der Stadt befindet sich ein Kloster namens g*^/*' ^^ welchem
10 1000 Mönche sind. Vier Farsang östlich von Konstantinopel ist
ein Ort, an welchem vier Klöster sind, in denen 12 000 Mönche
leben: das eine ^J*/.iyJ, das zweite oLm^j, das dritte ^^Uy, das
vierte Marienkloster.
Westlich von der Stadt sind zwei Klöster mit 6000 Mönchen."
Um eine einigermassen befriedigende Erläuterung dieser Be-
schreibung von Konstantinopel zu liefern und besonders die wich-
tige Quellenfrage mit Sicherheit zur Entscheidung zu bringen,
wäre mehr Zeit und eine ganz andere Belesenheit in byzantinischer
Litteratur erforderlich, als sie mir zu Gebote steht. Da mir über-
dies die wichtigsten neueren Werke über die Topographie von
Konstantinopel, vor allem Unger's und Richter's Quellen der
byzantinischen Kunstgeschichte hier nicht zugänglich sind, so muss
ich mich auf einige Bemerkungen beschränken und die eingehende
Analyse des Berichts dem künftigen Erklärer des Ceremonien-
buches des Konstantin Porphyrogennetos und den Bearbeitern der
Topographie von Konstantinopel überlassen.
Härün's Beschreibung von Konstantinopel beschränkt sich im
wesentlichen auf die kaiserliche Stadt, über die der Ge-
fangene nicht hinauskam. Die Klöster, die er aufzählt, kennt er
wohl nur aus mündlicher Erzählung, gesehen hat er sie nicht.
215, 1 — 2. Hier liegt sicher ein Missverständnis seitens des
Verfassers vor. Wenn der romäische Farsang l'/2 Meilen betrug,
so sind 12 Farsang = 18 Meilen. So gross war in der That
der Umfang Konstantinopels nach Phrantzes III 8 , allein Laonikos
Chalkokond. p. 388 gibt denselben auf nur 111 Stadien (ca. 20^/2
km) an, und nach Gyllius^) erreicht er nicht 13 Meilen. Ober-
hummer-) schätzt ihn auf 18—^19 km. Allein ich glaube nicht,
dass die Angabe des Härün etwa in der Weise zustande gekommmen
ist, dass er zwei Nachrichten, die eine auf 12, die andere auf
18 (römische) Meilen lautend, vor sich hatte, vielmehr wird in
^) P. Gyllius, De Constantinopoleos topographia IIb. 1 c. 4 p. 35
ed. Elzevir. Lugd. Bat. 1632.
2) E. Oberhummer, Constantinopolis S. 4a, 35. SA. aus Pauly-
Wissowas RE. Bd. IV.
224 J- Marquart,
der Urquelle von 12 arabischen Meilen äie Rede gewesen
sein. Wollte man Härün beim Worte nehmen , so müsste man
eine grössere römische Meile annehmen, die sich zur gewöhnlichen
verhalten hätte wie 1 : l^/g. Von einer solchen ist mir indessen
nichts bekannt, dagegen entspricht die arabische Meile = 1^/3
römischen Meilen wenn auch nicht genau, so doch beinahe dem
romäischen Farsang Haruns. Dies setzt aber voraus , dass seine
Angabe über den Umfang von Konstantinopel bereits eine längere
litterarische Geschichte hatte, wie wir dies bei seiner Angabe über
den Umfang von Rom noch direkt beweisen können. Damit ist
also der Nachweis erbracht, dass HärSu auch bei der Beschreibung
von Konstantinopel schriftliche Quellen benutzt hat.
215, 7 — 9. Über die Statuen am Goldenen Thore sagt Kodinos
tieqI ayaX^cctcov , ßrrjXmv kccI ^scc^iarcov Ti]g KTtöXecog p. 47, 14 —
48, 6 ed. Bonn. : A[ 6s 6rriXai tc5v ilscpdvrcov ri^g ^(^Dffijg jro^njg
Tjnaötv in rov 7mov rov "ÄQsag ano A&r^vdbv, naQa &so6o6iOV rov
fitKQOV , rov v.xiGxoQog roö) ^EQßaiov xsi^ovg ^iiQ!- t&v BkaiSQV&v
a[ dh lomcd arrilai cd lörafiEvcci eig Trjv iqvösluv i]KuGl nccQa
BiyXiOV a.Griv.QTijxov Kai a6xQov6(.iov, fiexa xrjg yvvaiKtiag xijg naxs-
^ovGrjg xbv ßxkcpuvov eig xvrcov xrjg noXscog. ävco&sv ös vial yMXCO-
&ev slöl Kccl XoiTta ^lkqcc '^occvcc, axtva örj^aiovGi. rotg itsnEiQa^ivoig
a%Qißij TtoXXrjv yvS)6iv. Vgl. S. Strzygowski, Arch. Jahrb. 1893,
1 — 39, angeführt bei Eugen Oberhummer, Constantinopolis
9 a, 30—39.
215, 10 — 11. Hier ist zunächst das „ Quellenthor " (Porta
Puteae , porta al pozo , gr. wahrscheinlich nöqxa sig Ilijyccg) am
Goldenen Hörn gemeint, das heutige Gub 'Ali Kapusy, welches
sich nach dem gerade gegenüber auf dem nördlichen Ufer des
Goldenen Hornes gelegenen Vorort Üpigae {\ Tlriyäg)^ dem heu-
tigen Vorort Qäsini Pasa öffnete^). Bei Dionysios von Byzanz
erscheint dieser Ort unter dem Namen KQrjvideg. In byzantinischer
Zeit war in der Nähe von Urjyai die Richtstätte. „A l'epoque
byzantine, la colline qui surmonte le vallon servait aux executions
capitales ; c'est lä que pendant la revolte de Nica , le pröfet fit
executer trois factieux : deux des supplicies tombferent des potences,
et les moines du couvent voisin de Saint-Conon les sauvferent" -).
Mit der von Härün genannten Insel muss also die Halbinsel ge-
meint sein , auf welcher Galata liegt. Übrigens beweist die bei-
läufige Art und Weise, mit welcher diese Insel erwähnt und als
bekannt vorausgesetzt wird, dass der Text der Beschreibung hier
verkürzt sein muss. Ob der Vorort TlriyaL in der That ein be-
kannter kaiserlicher Ausflugsort war, ist mir nicht bekannt; viel-
leicht ist aber mit der Möglichkeit einer Verwechslung des Quellen-
1) Mordtmann, Esquisse topographique de Constantinople. Lille
1892. § 71. Oberhummer a. a. 0. S. 10a, 10-14.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 225
thores mit dem Thore von Selymbria, an der Landseite der theo-
dosianischen Mauer, auch Jti3^tj tijg nrjyrjg genannt, zu rechnen,
welches zu der 1/2 km westlich davon gelegenen ^(ood6%og mi]yri
und dem Palaste Uriyriq führte ^).
215, 11/12. Unter dieser Kirche ist wohl die Hagia Sophia
zu verstehen.
215, 19 ff. Der Hippodrom ist so weit vom Goldenen Thore
entfernt, dass die Worte >_;.5'ÄJ1 ob ^^L U/i keinen andern
Zweck haben können, als den der Orientierung. Man würde also
w>^L\Ji oLj ^ „nach dem goldenen Thore zu" erwarten. In
dem ganzen weitläufigen Abschnitte des Ceremonienbuches Kon-
stantins, der den Feierlichkeiten im Hippodrom gewidmet ist
(I 68 p. 303 — I 73 p. 367), findet sich keine Beschreibung des
eigentlichen Wettrennens. Vgl. aber wenigstens p. 336 mQi öi-
ßsQöLOv, sowie c. 70, 4 p. 344, 19 ff.: Kai eW ovvcog xtXiixav xo
TtQ&xov ßat'ov, Kai ka^ßdvovöiv 01 viKTjxal tjvioxol xcc e'na&Xa
avxäv ÖLTtluaiag, %ccl l^ alxrjoecog xov fxsQOvg dlöoxai xcc drjfioGta,
KCil Xaßovxsg avxcc loößa'hai, avayovGiv ccvxcc (liaov xov [mtiKov
SV rä ccQfiaxovQLCO xäv vtKTjxmv rjvioxcov. %cci xele&ivxav xS)v ß
ßatcov, TtQÜxxovötv Ol xov loyiov xcc naxa avvtj&stav anavxa, aXXd-
lavzeg 81 ot rjvCoxoi xrig vinrjg xd dtjftoata, Kaxiqypvxai in 6%'^(iaaLV
BK xäv 9vQa)v, -Aal 'H.axeX&övxig 01 xov viKr^auvxog ^iqovg dr\^6xcct,
aiQOVöt ddcpvag i% xov Xoyiov , %a.i 8iypvxac rot;? '^vi.6%ovg ini-
dicpQiOvg e'finQOG&Ev xov avxov difjuoi;, %ccl öd'^ccvxeg (ie%QI' tov dvxi-
Kafiitxov, dvEQ%ovxai iv xcö Gxdficcxf dvsqyp^ivoiv 6s avx&v, öiöoxai
vsvfia xotg aQ%ov6i xäv xayfidxcov , %al naxsX&ovxsg l'öxavxcct sv
xoig Ka^nxriQGi %cd sv xotg TtQOSiQrifisvoig Xotnoig xoTtotg xov svQt-
Ttov , s'vQ'cc at Gxoißul xäv Xa^dvcov %cci xav nXccKOVvxcov slöiv.
iXd'övxsg 6s Ol tjvcoxoi fisxd xäv 6'rj^oxS)v xov (iSQOvg iv xü 6xd-
^ccxt, i'öxavxccc instös sni6l(pQioi,, Kai dnxoXoyovöt ^sx^ svcprjixiag ot
xov iisQOvg Tc5 ßaatXsi, v.a.1 (isxd tr/v avixTtXrJQaöiv xijg svcprjfitag
dnoöxsXXsi avxoig xoig vinrixaig rivtoxoig 6 ßa6dsvg öxscpdvovg 6id
xov diixovaQLOv %al xov 6svxsqov, xal aaxsXd'ovxsg 6xs(pov6i, xovg
Tjvioxovg, %al dvsQXOvxai ndXiv sv reo Ka&t6(iaxi. %xX.
215, 33 ff. Das Seethor ist ohne Zweifel die Eisenpforte {6i6rjQ&
noQxcc) am Marmarameer, jetzt Catlady Kapu in der Nähe des
Palastes Justinians und der Kirche der Heiligen Sergios und
Bakchos^). Ein Hippodromthor finde ich bei Mordtmann
nicht verzeichnet. Durch dasselbe kehrte der Kaiser am Weih-
nachtsfeste aus dem Triklinium der neunzehn Akkubita in den
Palast zurück 218, 13. Für das LjClil der Hs. liest de Goeje
1) Oberhummer S. 9a, 45—50. Vgl. Mordtmann 1.1. § 21.
2) Mordtmann § 95. Oberhummer S. 10a, 60—62.
Marquart, Streifzüge. ■'"
226 J- Marquart,
LäXäI! = f^ fJiccyyava das Zeughaus^). Über die Lage desselben
vgl. Mordtmann S. 78 — 90 und den dortigen Plan; über seine
Gründung Kodin. itSQt Ktrjfidrcov p. 74, 15 — 18 ed. Bonn. Allein
das Charakteristische des Thores al Mankabä ist, dass sich da-
selbst Gefängnisse und insbesondere auch das der muslimischen
Kriegsgefangenen befanden, während die eigentliche Bestimmung
des Gebäudes, wenn man darunter das Zeughaus Mangana zu ver-
stehen hätte, bei Härün mit keiner Silbe angedeutet wäre. Nun
wissen wir aber, dass das Hauptgefängnis, wo auch die sarazenischen
Gefangenen verwahrt wurden, das Praetorium war, das wir nach
dem Ceremonienbuch östlich vom Forum Constantini zu suchen
haben. Vgl. Reiske's Noten zum Ceremonienbuch p. 698. 727
ed. Bonn, und die daselbst angeführten Stellen. Oberhummer
S. 17 b, 45 — 49. Mordtmann § 110 und Konstantin. Porphyro-
genn. de caerim. II 15 p. 592, 9. 20 p. 615, 11. 52 p. 767, 16.
Daneben wurden sie auch in der Chalke und in den Numera
untergebracht (Theophan. Contin. p. 175, 19—20. 430, 15—16
ed. Bonn. Reiske p. 36), die mit dem Zeuxippos den Anfang
des grossen Kaiserpalastes nach dem Augusteion zu bildeten-).
Von einer Verwendung der Mangana als Gefängnis ist dagegen
nicht die Rede. Da nun die Chazaren, welche am Mankabä-Thore
die Wache hatten, zu der aus fremden Söldnern bestehenden
kaiserlichen Garde {haiqda) gehörten, welcher die Bewachung des
Palastes anvertraut war, so scheint es mir am wahrscheinlichsten,
dass wir jene Gefängnisse in den Numera zu suchen haben.
Es muss daher in LjCaII etwas anderes stecken, und zwar
glaube ich, dass wir darin den Namen der kaiserlichen Hartschiere,
t6 ^aylaßiov , (laynlaßtov , ol [xccylaßhai. erkennen dürfen. Vgl.
Reiske l. 1. p. 53 — 55. Bei der grossen Prozession nach der
Sophienkirche erwartete das Manglabion und die srcuQsicc (die aus
fremden Söldnern bestehende Garde) mit dem Logotheten , dem
xavtKXeiog, dem TtQioTOccörjKQijtig und dem Protonotarios die Maje-
stäten im Sigma oder Trikonchon ^). Wir hätten also mit leichter
Änderung LaJüClI! zu lesen.
Es fällt auf, dass das Gefängnis der Muslime von dem der
Leute von Tarsus unterschieden wird. Das Gefängnis des Befehls-
habers der Leibwachen ist wohl mehr als Arrestlokal für vor-
läufige Verhaftungen denn als eigentliches Gefängnis zu betrachten.
^) S. Reiske zu Konstantin. Porphyrog. de caerim. II 52 p. 714, 7
<ed. Bonn. vol. II 837/38).
2) Mordtmann § 115.
3) Konstantin. Porphyrog. de caerim. I 1 p. 7, 18—21. Über das
Sigma oder Trikonchon Reiske 1. 1. p. 53. 711. Oberhummer
S. 15 a, 7—8.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 227
Die Chazaren bildeten mit den Türken die kleine (fiMQa) Hetärie ^).
Unter i^l j'l haben wir hier sicher eigentliche Türken aus Trans-
oxiana, nicht etwa nach byzantinischem Sprachgebrauche Magyaren
zu verstehen. Ich glaube , dass sie identisch sind mit den bei
Konstantin. Porphyrogenn. de caerim. 11 p. 576, 8. 44 p. 661, 1.
49 p. 693, 3. 52 p. 749, 13 neben den Chazaren genannten ^or^-
yccvot, den Leuten aus Far;'äna (KÄÜ-äJi), die auch am Hofe von
Ba/däd vor dem Aufkommen der aus Türkensklaven bestehenden
Leibwache eine sehr bedeutende Rolle spielten-). Die Bewaffnung
der Farganen und Chazaren bestand nach Konstantin aus Schwert
und Schild (nccvrcov cpoQOVvrmv Gnad'iu nal ßaüra^ovrcov aKOvrccQia).
Dagegen sind bei Konstantin unter den Tovqxoi, die einmal neben
den OciQyccvot und Chazaren als Söldner vorkommen, sicher
Magyaren gemeint-^). Neger finden sich bei Konstantin nicht er-
wähnt; dagegen erscheinen bei ihm an deren Stelle makedonische
Slawen, die in der grossen Hetärie standen und gleich den Negern
des Härön goldene Schilde führten: Kai fiEza rovg (laylaßkag
evd'vg eörrjGav ot vtjg ^sydXrjg ircaQsiag MaKsdovsg anh i6o3(poQLO)v,
q)0Q0vvx£g Gna&La ^(oGrMta nal ccQyvQU (isra nal X(oql(ov diaiQvGcav
v-al aQyvQav, ßaßrd^ovteg nai 6%ovrdQi,a %Qv6ä %al xcckKOXQVOcc kccI
acdrjQä Kai iiovoTtekvKcc %al T^iKOVQta*).
216, 1. Die cjüjyüi.« entsprechen wohl den TtiXarcc ksvtov-
ükEivcc de caerim. p. 487, 5, d. i. nach Reiske 1. 1. 571 Matrazen.
216 , 15 — 18. Für das Verständnis des Folgenden wäre es
von grundlegender Wichtigkeit zu wissen , ob dieser Passus an
seiner richtigen Stelle steht oder nicht etwa hinter Z. 11 gehört.
Dies wird freilich erst möglich sein, wenn es gelingen wird, die
kaiserliche Kirche S. 216, 18/19 auf Grund der Beschreibung Härün's
mit Sicherheit zu identifizieren. Da uns aber Harun selbst sagt,
dass sich das Gefängnis der Muslime am Mankabä - Thor befand
und er doch wohl von da aus (gelegentlich der ccKKOvßkoi) und
nicht etwa von der Eisenpforte her den Palast betreten haben
wird, so wird man von vornherein mehr zu der zweiten Möglich-
^) Theophan. contin. p. 358, 5. Georg. Monach. p. 853, 18 ed. Bonn,
de caerim. II 15 p. 576, 8: (isro; xat räv ^ocgyävav xal Xa^czQcov^ vgl.
44 p. 661, 1. 52 p. 749, 13. 772, 17. Vgl. E. Kunik, Über die Hetärie
der Farganen und Chasaren im Anhange zu Krugs Forschungen II
(1848) 770—782. Ders., bei Dorn, Caspia 36.
2) Vgl. Keiske 1. 1. p. 55—57. 674—675. Über die &.>U:|^i! und
Chazaren in Baydäd s. Ja'qübi, Geogr. I^oa, 22. Hf, 12. 15. 19. ht*', 1.
Vgl. Tab. III irio, 1 (a. 222) u. ö.
3) de caerim. II 44 p. 661, 4 vgl. II 52 p. 772, 17 : ol i&vcKol zfjg
sraLQsiag, olov Tovqkol, Xa^d^Big xat loiitoL.
4) de caerim. II 16 p. 576, 2—6; vgl. II 44 p. 660, 19.
15*
228 J- Marquart,
keit neigen. Der Vorhang am Eesidenzthor wird auch 217, 21
erwähnt.
216, 18/19. Hätte der Berichterstatter vom Seetor her den
Palast betreten, wie man nach dem überlieferten Texte anzunehmen
hätte , so könnte diese Kirche nur die unter Justinian I. erbaute
Kirche der Heiligen Sergios und Bakchos sein, die jetzige Moschee
Küöük Aja Sofia ^). Eine Beschreibung derselben habe ich leider
nicht gefunden.
217, 11. Nach Qazwini's Auszug (H f.v, 2) fand diese Ceremonie
am Palmsonntag ((^LstAv^il *»j) statt. Die Palmsonntagsprozession
wird bei Konstantin, de caerim. I 32 p. 171, 10 — 177, 2 be-
schrieben, allein es findet sich da von dem was Härün erzählt,
keine Spur, auch wird die Kirche der Heiligen Sergios und Bakchos
bei derselben gar nicht erwähnt, wohl aber die des Erzmärtyrers
Stephanos in Daphne-) (s. den Plan bei Mordtmann). Dagegen
spielt das ayiov (pQeaQ in der Liturgie des Charsamstags eine
Rolle •^). Der Kaiser gelangt dahin 6iu Trjg (it%Qag TtvXrjg tijg
XaXnijg Tov %vrov*) und wird dort vom Patriarchen empfangen.
Dieser Brunnen gehört aber zur Hagia Sophia und galt als Asyl,
sonst seheint jedoch nichts Merkwürdiges von ihm erzählt worden
zu sein. Wenn HärGn aber vom Gefängnis aus in den Palast
kam, so denkt man bei der kaiserlichen Kirche in erster Linie
an die des Erzmärtyrers Stephanos in Daphne. S. Reiske 1. 1.
p. 49/50. Theophan. chronogr. 87, 4. 299, 10. 300, 14. 444, 24.
Dort fand die Krönung des Herakleios statt und wurde die Ver-
mählung Leons IV. und der Irene gefeiert. Zuvor müsste man
freilich die genauere Lage der Numera kennen. Denn nach
Mordtmanns Plan hatte man auf dem gewöhnlichen Weg zum
Palast vom Augusteion her den hl. Stephanos zur Rechten.
217,25. Für die Verwaltung des kaiserlichen Privatvermögens
war das 'idixov bestimmt, während als öflientliches Schatzhaus das
revmov diente. Oberhummer S. 17b, 56 — 60, wo aber über
die Lage nichts zu finden ist.
217, 27 ff. Von jetzt an befinden wir uns wieder auf festem
Boden. Der hier beschriebene Empfangssaal ist nämlich unzwei-
deutig das berühmte Triklinium der ösnccewia ccKKOvßtra, so be-
nannt nach den neunzehn Tafeln, die darin aufgestellt waren und an
welchen die Würdenträger des Reichs und die fremden Gesandten
1) Mordtmann § 94. 96. 98.
2) Vgl. Reiske 1.1. p. 50.
3) de caerim. I 35 p. 181, 22. 182, 1. 2. 183, 2. 184, 18. 21/22. Vgl.
I 1 p. 18, 9. 20. 19, 2/3 und Reiske 1. 1. p. 115.
*) Vgl. I 1 p. 19,7 — 9: Kccl Ttäliv ylvstai äsvtSQa Soxrj fig ri}v
t^a rov ii^vrov rijg xoiJ-^fjS '^ov i-nsies (poQViiiov KafiaQav tig xt]v giöt]-
Q&v TtvXriv.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 229
an den höchsten kirchlichen Feiertagen vom Kaiser bewirtet
wurden 1). Hier ist das Gastmahl am Weihnachtsfeste gemeint,
das zwölf Tage, von Weihnachten bis Epiphanie (to: cpära), dauerte 2)
und vom Ceremonienmeister Philotheos (a. 899) ausführlich beschrie-
ben worden ist =5). Vgl. Liudprandi antapodosis VI 8 (Scriptores rer.
Germanicamm. Liudprandi opera recogn. E. Dum ml er. Hannover
1890 p. 121): Est domus iuxta yppodromum, aquilonem versus,
mirae altitudinis seu pulchritudinis , quae decanneacubita vocatur,
quod nomen non ab re sed ex apparentibus causis sortita est ; deca
enim grece, latine X, ennea IX, cubita autem a cubando inclinata
vel curvata possumus dicere. Hoc autem ideo, quoniam quidem X
et IX mensae in ea quae secundum camem est domini nostri
Jesu Christi nativitate apponuntur. In quibus Imperator pariter
et convivae non sedendo, ut caeteris diebus, sed recumbendo
epulantur; quibus in diebus non argenteis, sed aureis tantum
vasis ministratur.
Philotheos fühi-t unter den zahlreichen Kategorien von Be-
amten, Würdenträgern etc., die am ersten Tage der grossen
Gasterei des Weihnachtsfestes beigezogen wurden, auch die 'Aya-
Qrjvol xov TiQaircoQiov auf (p. 743, 1). Die Beschreibung lautet:
iv 6e rotg ixaxEQCOv rCov ^iSQobv ccKOvßkoig Set viiäg Kakstv sv
xavxri xfi XafinQu Kai TtSQißo-rjxa) i]fiBQCc xrjv v%o %a^näyiov Gvy%lr\xov
Tt&öav, olov aöj^KQiIxag, y^aQXOvXaQiovg xäv ^sydkcov aeKQSXCOV, ßaßi-
XiKOvg voxciQLOvg x&v Xey%'ivx(ov 6skqexcov , oiov htö xe öna&aQO-
KccvöiSaxcov %<xl KaxcoxiQCO VTtaxcuv, ÖLCvTiaxav, KOfirjxav xäv öyoX&v,
CdeVXiaQlcOVj TIQOXLKXOQCOV, SVXV'lOCpOQGiV, ÖKrjTtXQOCpOQOJV^ Cc'^LCOllCiXlKäV
xav Siaq)6QCOV x(xyficcxcov xov a^td-fibv Q'6,r]\ ^AyaQr\vovg xov %qcci-
xcoQiov KÖ', xäv BovXyccQCOV (piXav av&QOoitovg iß', Kai nivrjxag
aösXcpovg xov aQtd-fxbv iß'' 7tQ0Ki66EVELv de avxovg oxLp\8ov ovxvig-
xovg ^ev 6vy%h]xi%ovg naxcc rag oheiag avxäv a^lag %al rag rmv
6q)(piKLcov avrav SiacpoQag ötaGxeXXoiievog k'v&ev ncmetd'ev Tovg ^£
''AyaQyjvovg xaxevavxt ttj? oifiEog xcöv ßaßdeiov enl Tr^g eKxrjg nai
ißödfirig XQUTte^rig- xovg 6e BovXyaQOv avd'QcoTtovg inl xrjg evaxrig
XQaice^'rjg xfjg avxijg neQioöoV Tovg de Ttevrjxag %al avxovg TtQoa-
iiaXeiOd-ai, inl xijg &' XQamtrjg xi^g evcovvfiov d'iöecog, ev t] naga-
GxaGig xov ÖQOvyyaQLOV xvyjävEf EiGayEiv Ö£ Sei anavxag ^Exa xr}v
äq)i^Lv x&v 7tQCOxo%X7Jxcov (plXo3v xijg ßaadiKrjg x^aTtE^r^g ovTwg"
rovg fiEV cc'^ico^axL'KOvg anavxag fXExa xcöv oIkeicov ccXXa'^ifiaxayv,
XXafivScov XE %al %a(inayicov, öxr/rjöbv %axa xd^iv xov avxov aE,ia)-
fjLaxog Kai ocpcpiKLOv " xovg 8e 'Ayagy^vovg XevKOcpoQOvg a^cbvovg vno-
SeÖEfiivovg, örjXovoxt, ngonoQEvonivov avxotg xov KaXißavxog ccqxi-
kXlvov Kai övvavEQXOfihov ecp haxeqov xav (leQ&v öia xijg
1) Vgl. Konstantin, de caerim. I 1 p. 20, 13. 60 p. 275, 18 und
Reiske 1.1. p. 124. 293. 868.
2) de caerim. I 1 p. 19, 10 vgl. PhUotheos ib. U 52 p. 757, 10/11.
3) Konstantin. Porphyrog. de caerim. II 52 p. 741, 9—759, 2.
230 «J- Marquart,
ojtLß&iov 'd'ißecog r&v avr&v uKOvßitav xai 6ia rov ifiTtQOö&LO'v
xöitov i^aQL&^ovvTog ecp SKaGta aKovßha ScoÖExdöa ■jtqoGmitav
liiccv Kcci ftr) GvyjicoQOVvrög xivu avanXrj'd'iivca f^ixQt tilg ix.cpavtJGECog
räv TtaQeörcorcov ßaGiliKäv ßovKaXt(ov. (isza de rrjv nccvxcov avccnkrj-
6iv ÖEi nQOOiietv xo fiovömov (isXog, aal 'r]vi%a xo i'öiov aiirjiV^^''
(p&ey(ia, i^aviGxaG&ai unavxag elg svq)r)(JLtccv xav öeGTtox&v kccI
xag iavxcöv ansKÖiSvGKeGd'ai. ^^aiivöag. ccXXa ixrjv xat oGccmg ccv
xb (lOvGiKov aTtTjiijGrjj Kai oGaztg ccv '^vfieXiKov xi TiQog xsQtpiv ek-
xEkEGd^rj TiQäyfia, aal tjvlkcc xi ßqcoGL^ov in xfjg ßaGtXmrjg XQcc7tE^t]g
Sicc xov xEQTtvov naGXQTjGLOV^) TiQog xovg 6ciixv(ji6vag i'E,a'jtoGxaX7J-
GExaL. Ev 8e xfj xovxcov i^6öo3 ÖEt nqoGE%Eiv xolg Qcofiat'^ovGi ßov-
KaXiotg nccl Gvv xrj avxcöv incpcovi^GEi, 7tQ0GE%Etv xo Gyr^ia xov kXeivov
nccGXQrjGtov^), kccI ccv&ig i^aviGx&v itavxug xovg nEKXi^fiivovg yXavi-
SocpoQOvg öia xijg OTtiG^lov ^EGsag xäv aKovßixav , aal tnavayELv
avxovg ek xcSv kccxco TtQog xi]v ävco TtQOGcoTHiirjv e^oÖov xijg avxrjg
itEQioöov. %al £1-9'' ovxcog j-iexk xtjv xovxcov xeXeIcüv vnEiövGLV y,uI
avxovg xrjg ßaGLXtKrjg XQaTtE^rjg öaixv(jL6vag i'^dysiv, örjXovoxi tiqo-
TtOQEvoixEvov avxotg xov kXeivov %aGxqr]GLOV xijg ßaGiXiTiijg xijxiag
xQaTtE^7}g (de caerim. II 52 p. 742, 16 — 744, 15). Unter den
^AyaQy]vol xov TCgaixcoQLOV sind die im Praetorium in Gewahrsam
befindlichen muslimischen Gefangenen zu verstehen , wie sich aus
der Beschreibung der KXrjxcoQia xov itaGya ergibt, wo sie voll-
ständiger ^AyaQTjvol ÖEGfiiOL et, xov fisydXov TCQaixaQiov (p. 767, 16)
genannt werden und ebenso wie hier unmittelbar neben den
BovXyaQOi (piXoi, ihren Platz haben. Es wird nicht überflüssig
erscheinen, auch die Beschreibung dieser zweiten Festlichkeit, bei
welcher muslimische Gefangene zugezogen wurden (767, 4 — 768,
19), hier folgen zu lassen: Eni 8e xfjg TtQOXEifiivrjg Iv tc5 TtEQißXiitxco
1QVGEC0 xqikXCvco 'jiQvGTjg XQaTiE^fjg, iv w xal xb TtEQigjavhg Kxijfia xov
IQVGov nEvxanvqyiov ig xii^rjv nQOExid-f], öet ijfiäg EvxQETti^ELV Eig
GvvEGxlaGiv TCO ßaGtXEi (piXovg i% x&v nQoXEyd'Evxav fiayiGxQOiv,
dv&VTtdxcov , TCaxQiKLCov, GxQaxr\y&v bcpcpiKiaXiav^ Gekqexcküv, anb
xijg xaE,Ea)g xov GxqaxiaxiKov nal naxcoxEQCO, aGrjKQrjxcov xe o^ov y.al
xoftijTwv Twv G^oXäv %al GKQißavav, Gvv xäv ovo in BovXyccQOiv
(piXav, xbv aQi&(jibv X' ' iv öe xaig TtEQiE'E,ijg xEGGaqGi xäv Ka^a^äv
xQani^aig dnb xijg xaE,EOig xav ßaGiXiKwv viavdiSäxwv, ßEGxijXOQCOV
XE Kai GiXsvxiaQicov, ö^aKova^lcov , GKrjTCXQOcpoQav, Gri^eiocpÖQOiv koI
GEvaxoQwv xbv ccQL&(ibv X^' ' ^AyaQrjvovg ÖEG^iovg ek xov jxEydXov
TtQaixcoQLOV xbv ccQL&iibv irj', %al ix xäv BovXyaQtov cpiXcov dv&QCo-
novg iri ' EiGayEiv öe avxovg Kai nqoGXL%i^ELV nqb xijg EiGoSov avxööv,
xovg fiEV ETtl xijg %QVGijg ßaGiXixijg XQaTti^rjg nEQLCpavElg daixv^iövag
^Exd xüv oIkeCcov dXXa^t,fidx(ov Kai yXavididiv , TtQOGKaXEiG&ai Öe
xovg dnb xtov BovXyaQcov cpiXovg dnb xijg xäi,E(og xäv GxQax7]yäv
iv Tc5 ÖEvxEQO) fitvGo) im xijg evcovv(iov 'd'EGEag xijg XQanE^rjg nqbg
xb aQiQ^fiELG&ai avxovg Ttsfinxovg, ^ Kai snxovg cptXovg, Gzip^eiv öe
^) Über diese Würde s. Keiske 1. 1. p. 870.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 231
aiiavxag k'v&sv KccKEL&ev Kccta rrjv ccq(i6^ov6ccv rfjg rd^ecog indöro)
So^av. ccno öe rrjg ördßscog rmv Xeid'ivxcov xovrviv 6xli[^£lv av&ig
e'v&sv KCiKSid'sv xovg cmb xrjg xd^sojg xcöv navöiöccxiav Kai kccxcoxsqo)
TtQog x6 Ka&sß&rivcit, inl xav Ev.axiQ(ov ovo TtQOKQixcov XQane^av.
iTtl de xatg KccxcoxEQaig rgans^ccig ösl ■7tQ06xi,%i'C,eiv, inl ftev xr\g i^
evcovvfiov d'Eöecog xovg i'^ ^AyaQWV ösß^iovg, inl öe xijg sxeQag
xQans^Tjg xovg xcov (plXav BovXyccQwv av&Qconovg ndvxag. elGccyeiv
6e ccvxovg unavxag nal i^dysiv ovxcog ' xovg (iev anb xijg 6vyKkiqxov
ndvxag nal xav rayfidxcov fxexa xäv olxsloav aXXa^rj^cov, xovg ös
AyaQf^vovg XevKocpoQOvg, d^avovg %ccl vnoöeöeixevovg, xovg de BovX-
yaQ(ov avd'Qoonovg fiexa xcöv olnelcov ccvxcöv Girjfidrav. Set de
nQOGeieiv xrjv iKq)a>vi}6iv %al dnri%'ri6LV xöSv (lOvöcKäv oQydvcov, xal
rjuiKCi xo aöofievov aörj fiiXog , aviGx&v dnavxag elg evcpTq^iav xcöv
Seönoxcov %al av&ig xag savxcäv iKÖiövö'Keöd'ac. ^Xa^ivSag, '/,al ^lexcc
xrjg a<ptE,ecog xov (iCvGov xcöv öovXklcov ndXiv xavxag avakci(ißdvetv
TtQog x6 fiex avxcöv ianoQeveGd'ai, iv rtj ccvxav i^oSa. Diese Oster-
gasterei fand also im Chrysotriklinion statt , wo sich der goldene
Tisch ^) und das nevxanvQyiov, ein anderes Schaustück ^), befanden.
218, 1. Nach 218, 6/7 hat man anzunehmen, dass an diesen
beiden Tischen die muslimischen Gefangenen ihren Platz erhielten.
Nach Philotheos p. 743, 7 (oben S. 229) wurde ihnen der sechste
und siebente Tisch naxevavxi xrjg oipecog xiöv ßaGikecov, den Bul-
garen der neunte derselben Reihe (d. h. der rechten Seite) an-
gewiesen. Die übrigen achtzehn Tische werden mit Ausnahme
des kaiserlichen von Harun nicht berücksichtigt. Über den Platz
des letzteren s. R. eiske p. 871. Beim österlichen Gelage er-
hielten die agarenischen Gefangenen und die Bulgaren ihren Platz
an den beiden untersten der vier an die goldene Tafel sich an-
schliessenden Tische, diese rechts, die Muslime links (p. 767,
12—768, 9).
^j1s> cküing (so vokalisiert die Hs.) ist eine in den
Ländern am Südrande des Kaspischen Meeres wachsende sehr
harte Holzart, die vorzugsweise zu Schüsseln, Bechern u. s. w.,
aber auch zu Speisetischen (pers. .,!»-5>) verwendet wurde. Die-
selbe ist jedoch botanisch noch nicht bestimmt. Vgl. Fr ahn,
Ibn Foszlans und anderer Araber Berichte über die Russen älterer
Zeit 107—109. 252/53; Dozy, Supplement I 400; de Goeje,
Gloss. Geogr. 229; G. Jacob, ZDMG. 43, 374—375; Ders.,
Welche Handelsartikel bezogen die Araber des Mittelalters aus
den nordisch -baltischen Ländern? 2. Aufl., S. 60 f. Fr ahn denkt
1) de caerim. 11 52 p. 769, 18. 770, 12. 771, 2— 4. 19/20. 772, 18.
I 9 p. 70, 12. II 15 p. 580, 7—8. Vgl. Reiske p. 170 s. 889.
2) de caerim. I 9 p. 70, 15. II 15 p. 580, 7. Vgl. Reiske 1. 1.
p. 171. 683—685.
232 J- Marquart,
an die Birke, die bei den Mordwinen kileng oder küing heisst,
persisch y5i.ijy.:> chadang, arabisiert ^iÄi> (eb. 131 f.), Baron
V. Tiesenhausen dagegen glaubt, dass chüing der Ahorn sei,
für welche Ansicht G. Jacob noch die slawischen Ausdrücke für
Ahorn : russ. Hen, poln. klon^ Sech, klen anführt (Welche Handels-
artikel etc. S. 61).
218, 3. Die i^vGt] tQccTtE^a wird von Philotheos bei der
Beschreibung des Festes der i&' ccnnovßira zu Weihnachten nicht
erwähnt. Dieser goldene (oder mit goldenen Platten verkleidete?)
Tisch spielte dagegen eine Rolle bei den %h]xuiqia xov na(5%a und
stand, wie wir oben sahen, nicht im Triklinium der 19 Akkubita,
sondern im Chrysotriklinion. Es scheint also bei Härün eine Ver-
wechlung vorzuliegen.
Die kaiserliche Tafel stand in den 19 Akkubita von den
übrigen 18 Tischen gesondert (daher ccitoKOTirif) auf einer Estrade,
zu welcher drei Stufen hinaufführten. Siehe de caerim. p. 742, 18/14
und Reiske p. 168—169. 870—871.
218,3 — 4. Die Weihnachtsprozession ist beschrieben de caerim.
I 23 p. 128—136, 22.
218, 7 ff. Vgl. Liudprandi antapodosis VI 8: Post cibum
autem aureis vasis tribus sunt poma delata; quae ob inmensum
pondus non hominum manibus, sed purpura tectis vehiculis sunt
allata. Apponuntur autem duo hoc in mensam modo. Per fora-
mina laquearis tres sunt funes pellibus deauratis tecti cum anulis
depositi aureis,, qui ansis quae in scutulis prominent positi, adiu-
vantibus inferius quattuor aut eo amplius hominibus per vertibile
quod supra laqueum est ergalium in mensam subvehuntur ; eodem-
que modo deponuntur. Die Pei'sonen , welche diese mächtigen
Schüsseln mit Hilfe von Maschinen auf die kaiserliche Tafel hoben,
Messen iyyiarccQioi oder iyyiöxtccQiot 1 9 p. 70, 20. 61 p. 277, 22.
Vgl. Reiske p. 171. Es bestehen aber zwischen der Erzählung
Haruns und derjenigen Liudprands gewichtige Unterschiede : dieser
spricht nur von drei schweren goldenen Dessertschüsseln, während
bei Härün von vier kostbaren goldenen Tischen und vom Be-
ginn des eigentlichen Mahles die Rede ist. Niemand durfte
sich niederlegen, ehe die kaiserlichen Spielleute ihre Weisen be-
gonnen hatten: aal fii] övyxcoQovvrog (tov aQriKlLvov) riva avauXi-
&rjvaL (lEXQi rrig iKg)covr}6scog rav TtaQEßrcorav ßaödiKcöv ßovKccXicov.
^lEta öh T^v Ttuvtcov avanlLGiv Sst Ttqo6i%Hv xb (iovOlkov fislog,
aal TjvCKa x6 i'8iov a7t7]%i]6si cp&Eyfia, i^avlöxccö&ai änavxag elg
ev(pr}(iiav xav öeGnoxüv Koi xag iavx&v aneKÖtdvöKSG&ai, %lafivöccg'
a.XXcc (irjv Kai oöaKig av xb fiovGiKbv ccnrjX'r^Grj , %al oödüi-g av
Q^v^tliKÖv XI Tt^og xsQiptv imeksad-fj n^äy^a, xat i]vi%a xi ßqwai^ov
ix XYig ßaöthmjg XQa7ti^r]g öiu xov xiQTtvov Ka6XQr}6lov Tt^bg xovg
öaixvfjiovag i'^ccitoöxaXijaexui ix 743, 21 — 744, 6 und Reiske
p. 170. 870.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 233
218, 22. Die Orgel wird ausdrücklich erwähnt bei dem
Feste, welches der Kaiser nach Ablauf des zwölftägigen Gelages
den Würdenträgern im Triklinium Justinians gab i), sowie bei dem
Mahle im Chrysotriklinion am ersten Tage der KXrjxcoQicc rov itÜGia
(p. 768, 13—16, oben S. 231), während bei den 19 Akkubita
nur die kaiserlichen Saitenspieler {^aGiliY.o\ ßovndhoi) genannt
werden. Näheres über die kaiserliche Tafelmusik erfahren wir
gelegentlich eines am 31. Mai 946 zu Ehren der muslimischen
Gesandten aus Tarsos, die über die Auswechslung der Gefangenen
verhandeln sollten, im grossen Triklinium der Magnaura gegebenen
Festmahles: r&v 6e cpiXav ZaQaKrjvcbv 6vvE6Ti(0(ievcov rotg^ Siönoxaiq^
eetriauv ot '^dkxai anoötollxai (aus der Apostelkirche) tOaQ'ev xov
ßriXov aig t^v nafiaQav xriv itgog xbv ßaadiKov notx&va'^ ot 8e
a.yio60(plxav (aus der Hagia Sophia) eßxrjöav k'ßcod'Ev xoy ßrjlov iv
xrj Kcc^ccQa xy nQog xb Ttdvd-eov, Si oXov xov kXtjxcoqlov aöovxsg
ßaadUio:' fiovov elg xdg eiaodovg x5)v ^ivöäv TjQSiiovvxeg ölcc xb
xa 'oQyava ccUetv (II 15 p. 585, 9—15). Vgl. Reiske p. 677.
693/94. 869/70.
Nach Lilie ncron im Grundriss für germ. Phil. II 2, 316
kannte man die Orgeln mit Blasebälgen seit dem Beginne des
7. Jahrhunderts. Nach der Tradition soll Karl der Grosse die
erste Orgel aus Byzanz erhalten haben (Monachus S. Galli 11 7),
aber schon der ^Angelsachse Aldhelm (f 719) spricht von Orgeln.
Vgl. Knappert, Revue de l'hist. des religions t. XXXIV, 1896,
154 und N. 1.
218, 38 — 40. Dies sind offenbar die bei Konstantin genannten
ipdlxat oder ßovKccXiot; vgl. Reiske p. 118. Es ist also nicht
ganz richtig, wenn Reiske p. 869 behauptet: „Quum aversarentur
novi Graeci, ut rem impiam et probrosam, instrumentalem musi-
cam, et tarn ex ecclesia, quam epulis suis eiicerent, vocales musici
cantabant per epulas a principio ad finem usque, pausam tantum-
modo interponentes ad singula illata fercula, quo tempore Organa
pulsabantur; vid. p. 338. B. fine [= p. 585, 12—15 ed. Bonn.].
Huic rei deligebantur potissimum psaltae (iidem cum vocalibus)
ex aede S. Sophiae, 'AytoöocpLXcci , et ex aede Apostolorum, 'Ano-
axoXixav dicti. . . . Canebant autem hi vocales ßaGdLKia, cantica
in laudes principis, de quibus v. dicta ad p. 333. D 7 [= p. 577, 10
ed. Bonn.]".
218, 40 — 42. Eine Beschenkung der Gefangenen wird von
Philotheos weder zu Weihnachten noch zu Ostern erwähnt, dagegen
vom Fortsetzer des Theophanes p. 430, 17—18 am Karfreitag und
1) p. 758, 7 — 11: ■»ioil 6sL TtQO(ii%uv töi rov oQjävov cp!d-iy\iari,^v.al
TivUa trjv a%ri%r]Giv xov ifO'oyyov navar] , i^ccviOtav aTtavtag f tg svqpr]-
(iiav r&v dscnot&v, xoct avQ-i<s iKti&sä&aL tag kavx&v xlcciLvdag [li^Qi
ttJs acpi^scog xov \iiv6ov räv SovXkicov.
234 J- Marquart,
von Konstantin bei den zu Ehren der muslimischen Gesandten aus
Tarsos im J. 946 gegebenen Hoffesten (II 15 p. 592, 9. 11—13).
219, 1 e. Vgl. Konstantin, de caerim. I 1 p. 5, 13—6, 18:
"Oöa Ssi TtaQacpvlarxEiv, tcqokevGov ytvo^ivov sv ry (leyalrj inKXTjßla:,
i']XOL xcch,Lg Kai anoXov'&ia täv evörjiicov nal mQicpav&v nqoikEVöEGiv,
iv (xig ol ßaöiXstg ccTtLaötv iv rrj fieydXr} eKKlrjöia.
77^6 fitag TjiiSQag xrjg oi'ag ovv ivLöxafisvtjg TtEQicpavsaxdxrjg
ioQxijg ElöSQiovrai ot TfQaiitoßixot iv tü5 %Qv6ä XQtKXivio), xrjg Ka&ri-
jXEQivijg ÖTjXovori iGxaiisvrjg TtQOsXEvGECog , nai V7to(it(ivrjGKOV6i, xovg
ÖEönoxag tieqI xrig EOQxijg , Elxa keXevovGiv ro'UTorg ot ÖEöTtoxat
aysG&ai inl xrjv ccvqiov tiqokevöov rjxot nqoEXEvGiv. oi 8e Ei,EQ%6-
fisvoi OQi^ovöi, Ttäßiv Tofg xov KOvßov%XECov , b^oiwg nal xm v,axE-
Ttccvco Kai Tc5 SoiiEöxUcö xwv ßaöiXtKcbv, 6vv xovxoig öh nai. xotg
Svßl 6rj(iccQ%oig' aTtoaxiXXovßi, 6e Kai fiavödxa rrö xe öofiEöxiKa xäv
voviiEQav Kai reo Kofirjxi xcov xeixecov , Kai anXag eltceiv , naGaig
xaig xaS,E6i Kai itäGi xoig öEKQExoig Kaxa(irivvov6t tzeqI xijg xotavxrjg
TtQOEXsvöEODg, Iva EKdöxr} xd'^ig Kai EKaöxov öekqexov Kaxd ttjv iSiav
xaE,tv Kai Kaxcc xbv iöiov xov üekqexov xonov xd avxotg ccQfio^ovxa
TCQOEVXQETtiöaßi,. Kai (jLrjv Kai TW v7tdQ%(a XTJg noXEag yvcoQi^ovßi xov
EVXQETCLöai Kai dnoKad-äQai, xrjv ßaöLXiKrjv eE,oÖov, iv rj (liXXovGtv
Ol ÖEönoxai TtQOEX&Etv, Kai ndßag xdg iKEtöE Ei6q)eQ0v6ag XECocpoQOvg
oöovg , iv alg (liXXovöi öiEQ%Ea&ai ot ÖE67t6xai, ötd xov itv'E^ivov
TtQiö^axog Kai xrjg iK möCov Kai ödcpvrjg (XVQQivrjg xe Kai öevÖqo-
Xißdvov xavxr\v KaxaKOöfiEtv Kai dXXoig , oöa 6 tote q)EQEi. KaiQog,
EVCoÖEßi XE Kai TtOLKlXoig dvxtEÖl.
219, 8 ff. Zu der folgenden Prozession habe ich keine ent-
sprechende Parallele im Ceremonienbuche gefunden.
219, 22. Dies sind die eigentlichen itaxqiKLOi, von denen sechs
in Konstantinopel residierten, sechs in den Provinzen; vgl. Ibn
Chord. 1.0, 2—3 = 76 der Übers.; Muslim b. Abu Muslim al
Garmi bei Ibn Chord. ^.1, 1— 6 = 80/81 der Übers. Geiz er,
Die Genesis der byzantinischen Themenverfassung S. 98 f.
219, 27. „Byzantini eum Silentiarium appellunt (vid. e. g.
Reiske ad Constant. Porphyr. De Cerem. p. 11 (ed. Bonn.)." de
Goeje. Was in *5.>J! steckt, ist mir unbekannt.
219, 31. Vgl. de caerim. p. 6, 23—7, 9: Kai eW o^vxag
ELßEQXOvxai ot ßEGxrjxoQEg , Kai ai'QOvGi, xrjv ficoßaiKrjv ^dßSov dno
xov EVKxr}Qiov xov dyiov &eo6coqov xov ovxog iv tö ^j^-ucTOT^ixAiVa),
Kai ot xcjv dXXa'^ificov xov KOvßovKXEiOV , fiExd Kai xäv xrj xa'^Ei,
avrav öiaixaQLoav , ai'QOvGi x6 xaßXiov, iv w ccTtoKEixat r) ßaßtXECog
iß&rjg , Kai xd KOQVLKXia, aitEQ xd ßaciXEia Evöod'EV TtEQicpEQOvöi
axififiaxa, . . . Kai i^ fiEV xüv dXXa^tficov xd'^ig q)EQEi xr}v ßaßlXEtov
GxoXiqv , Kai dnoxid'rjöi.v iv tco OKxaycava KOvßovKXEia tw bvxi ev
Tc5 naXaxia xrjg /ddg)vr}g , r^yovv nQO xov vaov xov ayiov %qg)xo-
(idQxvQog SxEcpdvov. p. 9, 6 — 10: i^iövxEg 8e ot ÖEOTtoxat ev tw
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 235
mraycovco KOvßovKXelM , kqÜ^bl q)(ovrj (isydXy 6 TtQantÖGixoq , X^ytov
" ßsßrrjroQEg" . xai örj siöSQXOVtat ot ßsöTrjroQsg Kai nsQnt&iccöi, rolg
dsGTtOTcag Tag rovrcov XafXTCQag ilav 18 ag , %al svd'icog i'E,iQ%ovraL
oi 8s Ttqainööizoi öracpovöiv rovg öeöTtotag , örjXovort, rov Kovßov-
nXelov TtavTog itaQißxa^ivov KaKuGs , öre xavxa xeXovvxat kxX. —
ccXXa^ifia oder ccXXa'^L^axcc sind Galakleider, oi x&v ccXXa^inoav oder
ot BTtl x&v aXXa'E,iii(av (p. 137, 4) „sunt rainistri, qui mutatorias
vestes Imperatori pon-igebant, quo sensu ai aXXayal, xa aXXayfiaxa,
apud scriptores, quorum locos Du Gange utroque Glossario collegit"
(Job. Heinr. Leich bei Reiske p. 43).
219, 33/34. Vgl. Ibn Chord. Ul, 11—12 = 81: „Nur allein
der Kaiser bat das Recht, Purpur und rote Halbstiefel zu tragen.
Wer sich das anmasst, wird getötet. Nur der erklärte Thron-
folger trägt einen roten und einen schwarzen Halbstiefel". Darnach
hätte also Härün den Caesar für den Kaiser selbst gehalten. Über
die VTtoörjuaxci Qovßsa des kaiserlichen Ornats vgl. Reiske zu
Konstantin, de caerim. I 96 p. 434, 14.
219, 34 ff. Diese Beschreibung passt nur auf eine Ascher-
mittwochsprozession.
220, 5 ff . Von einer solchen Reliquie scheint sonst nichts
bekannt; doch könnte sie in der gottbehüteten Kaiserstadt, wo
man auch den Stab Mosis und den Thron Salomons besass, nicht
weiter auffallen.
220, 8/9. Die hier begegnende Auffassung des Pilatus als des
Vorbildes eines gerechten Richters ist wohl das Seltsamste in dem
ganzen Berichte. Pilatus erscheint allerdings als Heiliger in der
äthiopischen Alexioslegende (Nöldeke, ZDMG. 53,257 Anm. 2)
und wird als solcher in der äthiopischen Kirche zugleich mit
seiner Frau Prokla verehrt. Doch nennt selbst der hl. Ephraim
(bei Lamy 1, 667. 677) Pilatus „den Gerechten", da er ja seine
Hände in Unschuld wasche, während die gottlosen Juden die
ganze Sünde auf sich nehmen. Vgl. Nestle, ZDMG. 53, 540.
220, 25 — 27. Dass diese die ungläubigen Agarener ver-
tretenden Pferde von einem Pferde des gottverfluchten Apostaten
abstammen sollen, ist ein billiger orthodoxer Witz.
220, 35 ff. Dies ist die Säule mit der Reiterstatue Justi-
nians I. (6 ^aXnovg %l(ov 6 fieyag — o Xeyofisvog Avyovßxevg), die
auf dem Augusteion stand, „non longe a Sophiae angulo ad
occasum vergente". Die bei Mordtmann p. 65 mitgeteilte
Zeichnung des Standbildes aus dem 14. Jahrhundert stimmt mit
Haruns Beschreibung, besonders in der Fassung Qazwinl's, trefflich
überein. Vgl. Mordtmann § 116. 117. Oberhummer S. 13b,
1 — 11. 18 a, 28 — 30. Um so befremdlicher ist die Behauptung,
dass sich auf der Spitze der Säule das Grabmal Justinians, und
236 •'• Marquart,
erst auf diesem sein Reiterstandbild befinde. Dies kann in Kon-
stantinopel selbst unmöglich erzählt worden sein, da man dort
sehr gut wusste, dass Justinian in dem nach ihm benannten i)q&ov
in der Apostelkirche ruhte ^). Eine derartige Verknüpfung des
Reiterstandbilds und des Grabmals Justinians kann vielmehr nur
fem von der romäischen Hauptstadt vorgenommen worden sein
und setzt eine litterarische Geschichte voraus. Wir werden also
hier abermals auf eine schriftliche Quelle Haruns gewiesen. Die
ursprüngliche Höhe der Säule Justinians ist mir nicht bekannt,
es wird sich aber fragen, ob dieselbe nicht mit der von Konstantin
aus dem Apollontempel in Rom nach Neurom übergeführten und
auf dem Forum Constantini aufgestellten Porphyrsäule (ö noQ-
(pvQOvg nai TtSQißXsmog xiav) vermengt ist, der jetzt sog. „ver-
brannten Säule", türk. Gemberli Tas, welche von einem den Kaiser
als Apollon - Helios darstellenden Standbild gekrönt war und ur-
sprünglich mit Fussgestell und Standbild 176', jetzt noch 40 m
hoch ist-). Dies würde besser zu den 100 Ellen Haruns stimmen,
al Harawi gibt im wesentlichen dieselbe Beschreibung von
der Säule Justinians wie Härün b. Jahjä, schreibt sie aber fälschlich
Konstantin d. Gr. zu und verlegt sie in die Nähe des Hospitals.
Ist darunter etwa das Xenodocheion des Sampson (Mo r dt mann
§ 112. 117) gemeint?
221, 1 ff. Das a)QoX6yiov rijg ccytag üocpiag wird erwähnt bei
Konstantin, de caerim. I 1 p. 14, 12. Über Uhren bei Byzantinern
und Arabern im Mittelalter handelt Reiske p. 559 — 562, weiss
aber kein dem unsern ähnliches Beispiel anzuführen.
222, 2. 11. Über Talismane, die Apollonios von Tyana in
Byzanz gemacht haben sollte , vgl. das Fragment von den sieben
Türmen und Apollonios von Tyana bei P r e g e r , Script, orig.
Constantinop. fasc. I p. 10; Hesychios Illustrios, Uäxqiu Kriokscog
§ 24 — 25 ed. Preger (1. 1. p. 10/11); Kodin. nsgl aytxXfiaxcov,
6rr}X5)v nal ^eaficircov trjg Knolecog ed. Bonn. p. 55, 1 — 2: ofioitog
Kai inl Ttdßrjg rijg nolecog xa aydliiara iatoixetcoöaTO AnoXXtovtog
6 TvavEvg und Lambeck z. St.; ib. p. 69, 7 — 11. TteQi UTiöfidc-
z(ov Trjg KnokEcog p. 124, 7.
222, 14 ff. Dies ist die eherne Schlangensäule im Hippodrom,
welche ursprünglich einen goldenen Dreifuss trug und nach der
Schlacht von Plataiai von den Hellenen als Weihgeschenk nach
Delphoi gestiftet worden war. S. Oberhummer S. 17 a. 59 — 63.
17 b, 5—11.
^) Konstantin, de caerim. II 42 p. 644, 2 — 5 und dazu Lei eh bei
Reiske p. 766. Anonym. ti^qI räv rdcpcav rcöv ßaail^av räv övtcov iv
TW vaö] rcöv dyicov ccitoatölcov in Bekkers Ausgabe des Kodinos {TläxQia
KmvGtavxLVOvnöXsag) p. 205, 10 — 12.
2) Oberhummer S. 13b, 20— 32.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge, 237
222, 18 ff. Diese Brücke muss an der nach dem Goldenen
Thore führenden Via triumphalis gesucht werden (s. den Plan bei
Oberhummer). Welches der verschiedenen Fora aber hier
gemeint ist, ist schwer zu sagen. Am meisten Wahrscheinlich-
keit darf wohl das Forum Theodosii oder Tauri mit der 140 Fuss
hohen Säule des Theodosios beanspruchen, welche ursprünglich
das Standbild dieses Kaisers trug, das im J. 506 durch ein solches
des Anastasios ersetzt wurde.
222, 28—30. Vgl. Muslim b. Abu Muslim al Garmi bei Ihn
Chord. 5.1, 15—17 = 81: , Diese Leute (die 400 Gardisten des
Hippodrom) ziehen das Schwert gegen die Söhne Ismaels und
halten sich berechtigt (sie) zu töten. Manchmal massakrieren sie
sogar die Kriegsgefangenen mit Beilen und Steinen , und werfen
sie in den furnus, d. i. den Ofen".
222, 31 ff. Es ist wohl die von Hadrian angelegte und von
Justinian I. im J. 528 wiederhergestellte Wasserleitung, die noch
heute als Aquädukt Justinians bekannt ist und „durch ein an den
Praef. praet. Kyros (439 — 441) gerichtetes Gesetz für den Ge-
brauch des Palastes, der öffentlichen Bäder und Brunnenhäuser
vorbehalten wurde". Oberhummer S. 18a, 21 — 32. Im übrigen
ist hier die legendäre Übertreibung am stärksten zum Ausdruck
gekommen.
223, 4 ff. Über diese Klöster habe ich nichts gefunden.
(Itinerar von Konstantinopel nach Rom.)
„Von Konstantinopel kommt man durch eine kahle Ebene
mit Saatfeldern und Dörfern 12 Tagereisen , bis man zu einer
Stadt gelangt, die Salüqija (Saloniki) heisst. Es ist eine grosse
bedeutende Stadt ; im Osten der Stadt ist das Gebirge und westlich
von ihr das Meer. Sie hat vier Flüsse (Kanäle?), die sie be- 5
wässern, und es befindet sich in . ihr ein Kloster, Marqus (Markos)
genannt, mit 12 000 Mönchen. Von hier reist man an der Meeres-
küste entlang drei Stationen durch eine Ebene, in der es keinerlei
Anbau gibt, <bis man zu einer Stadt kommt namens Qutrony.
Es ist eine grosse Stadt, in welcher es Märkte und ringsum zahl- 10
reiche Flüsse (Kanäle?) gibt; es bewässern sie Kanäle^). Um sie
sind zwei Mauern und ein Graben, der die Stadt umgibt".
Wir haben hier ohne Zweifel die Küstenstrasse von Kon-
stantinopel nach Saloniki vor uns. Einen Teil derselben beschreibt
Idrisi: er rechnet von der Hauptstadt bis Kibslla (Kv^jeXa,
3
^) In der Hs. folgt noch der Name ..JaA; s. den Kommentar.
238 ''• Marquart,
j. Ipsala) in der Nähe der Marica über Rio, 'Nä.&üra, Salambrla,
Heraqlla, Rodosto, Bäna^'ös und Rüsiö nach Tomascheks Kor-
rekturen 192 oder richtiger (ohne den Umweg über BänaJös)
172 Meilen^) = sieben gewöhnliche Tagereisen zu 24 Meilen oder
fast sechs starke Tagereisen zu 30 Meilen-). Ferner bemisst er
die Strecke von Salonik über RanJlna und Jü^a«-?»! XQvaonoXtg
nach . w/.L»JCA«.i>! XQtörovnoXig (alt NeccTioXig), dem heutigen Ka-
wala, und bis zum Flusse ^X^^Jla MciVQ07t6rc((A.og d. i. der Mesta
auf 87 Meilen = 8-/3 gewöhnliche oder drei starke Tagereisen'^).
In der Tab. Peut. werden von ^AKovrißfia östlich von Neapolis bis
Dyme am rechten Ufer des Hebros gegenüber Kypsela 109 m. p.
= 3^/2 Tagereisen zu 32 m. p. oder 24 arabischen Meilen gezählt.
Härün b. Jahjä ist offenbar auch hier auf dem kürzesten Wege
gereist, so dass die Entfernungsangabe stimmt.
Die Schreibung iUi JL* für @e6aaXovUri, fränkisch Salonicia etc.,
findet sich auch bei Mas'üdi, Murüg II 318, wo ein Zug Leons,
des Sklaven des Zuräfa, gegen Salüqija erwähnt wird, den Mas'üdi
im Kitäb attanblh !a., 5/6 ins Jahr 290 H. (4. Dezember 902 —
22. November 903) setzt und gegen KjCu JL*. gerichtet sein lässt.
Es ist die schreckliche Katastrophe von 904 gemeint, bei welcher
der Renegat Leon aus Tripolis an der Spitze einer imposanten
Flotte Thessalonich erstürmte und ausplünderte und die Bevölke-
rung in die Gefangenschaft schleppte*). Die Lage der Stadt
wird von Härün richtig geschildert, ein Rätsel bilden aber die
vier Flüsse oder Kanäle, welche die Stadt bewässern sollen. Die
Monographie Tafel's, De Thessalonica eiusque agro (Berlin 1839)
ist mir nicht zugänglich.
Mit der drei manzil von Salüqija entfernten Stadt ist wahr-
scheinlich KixQog gemeint, wie schon de Goeje vermutet hatte.
Der Text ist zwar beschädigt, doch können hinter p ^ .L*.xJi ^y%
p. if'v, 12 kaum mehi' als die Worte . . . &.>LjJ^ ^J( ,g^^^ iS-^
ausgefallen sein. Der Name war wohl in der Vorlage unserer
Handschrift an den Rand geschrieben, ist aber vom Abschreiber
1) Idnsi trad. par Jaubert II 292. 298. Vgl. Tomaschek,
Zur Kunde der Hämushalbinsel II. Die Handelswege im 12. Jahrhundert
nach den Erkundigungen des Arabers IdrlsT. SBWA. Bd. 113, 1886,
S. 330—335. Bei Idrisl II 292 heisst es irrtümlich, KibsTla liege
12 Meilen von Rodosto. Das Richtige ist wahrscheinlich 62 (50 + 12),
sofern die direkte Entfernung von Rodosto nach Rusio ebenfalls auf
50 Meilen angeschlagen wurde, wie die von Bäna<Jös nach Rusio (nach
Tomascheks Verbesserung; Idr. II 297 hat 30 Meilen).
-) Vgl. über die Masse Idrisi's Tomaschek a. a. 0. 287 f.
3) IdrlsI II 296—297. Vgl. Tomaschek a. a. 0. S. 357—360.
*) Lebe au, Histoire du Bas -Empire. Nouv. ed. 1832 t. XIII,
360—874.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 239
an unrechter Stelle (hinter Lp| Z. 13) in den Text aufgenommen
und in ., Ja/> verdorben worden. IdrisT 11 296 gibt die Ent-
fernung von Kitros nach Salonik auf dem geradesten Wege auf
20 oder nach Tomaschek's Verbesserung i) auf 30 Meilen an.
Damit lassen sich die drei manzü des Ibn Rusta sehr wohl ver-
einigen, da ich jetzt nachgewiesen habe, dass das als Wegemass
sehr selten vorkommende j-JL/i nicht eine Tagereise, sondern eine
Haltestation zu 4 Fars. = 12 arabischen Meilen bezeichnet,
und zwar findet sich der Ausdruck nur für gewisse Gebiete, die
in der altern Chalifenzeit nicht unmittelbar mit dem Reiche ver-
einigt waren '^). In Iran und dem grössten Teil des Chalifenreiches
lagen die Poststationen, gewöhnlich K^ genannt, nur zwei Farsang
auseinander. Drei manzil ergeben also 12 Fars. = 36 Meilen
oder 1^/2 Tagereisen. Idrisl nennt Kitros in Übereinstimmung
mit Harun eine ansehnliche, befestigte, handeltreibende und wohl-
bevölkerte Stadt. Rätselhaft sind aber die zahlreichen Flüsse,
welche sich nach Härfln rings um die Stadt befinden sollen. Ver-
mutlich liegt hier ein Gedächtnisfehler auf selten des Bericht-
erstatters vor, indem sich in seiner Erinnerung die zahlreichen
Flüsse von Niedermakedonien , welche er auf dem Wege von
Saloniki nach Kitros passierte (Echeidoros, Axios, Ludias und
Haliakmon der Alten), mit der Endstation selbst verknüpften.
Der folgende Abschnitt hat am meisten gelitten , indem sich
darin nicht bloss einige Lücken finden , sondern auch ein ganzer
Passus an falsche Stelle geraten ist. Doch ist es mir nach vieler
Mühe gelungen, den ursprünglichen Verlauf des Textes, wie ich
hoffe, im wesentlichen wiederherzustellen. Ich begnüge mich da-
mit, meine Herstellung und Übersetzung folgen zu lassen, da der
überlieferte Text jedem Arabisten in de Goeje's Ausgabe leicht
zugänglich ist.
Ibn Rusta JCv, 13 — irA, 10.
1) A. a. 0. S. 351.
^) S. mein Eränsahr nach der Geographie des Ps. Moses Chore-
j'i S. 188. 257. 288. 296 A. 1.
^) Hs. {jMyM*.i,
240 J- Marquart,
•liAÄ* ^^L^^ ^•**^» *-JjäJ1 8l\^ q^ „j^^»^ . . . .^) II jj^wA^j^b
Cf K^- ^'*'^' qj5A^ ^^ ^ji ^^^ y^i eLxJ^ sly^ ^ ^^y
^5 j*-*A^ÄS &,xJ!i-»a>üS r^H^ i ?^ -^♦•^3 -?uLft/o 0»„S^U-< i_x/ix3» 10
.LÄ4.J3 ^iAäc ^^/i ^^'Ji^ f^^^ '^J^'^ ^Jri qJj-**»^ j^'-'^^Ai |*^jla/«^
,Von da reist man ab und zieht durch waldige Röhrichte
inmitten der Slawen, die Holzhäuser besitzen, in denen sie wohnen.
Sie sind Christen, die auf Veranlassung des Königs Basijüs*) das 15
Christentum annahmen ; daher bekennen sie sich heute zur christ-
lichen Religion. Man reist unter ihnen ungefähr einen Monat
durch ihre Gehölze , (128) bis man zu einer Stadt kommt die
Baläüs heisst. || .... *Man verlässt dieses Dorf und zieht
mitten durch sie einen Monat lang durch Röhrichte und Wälder; 20
manchmal begegnen auch Hügel, auf welchen allerlei Ansiede-
lungen von ihnen sind, bis man zu einem Dorfe gelangt, das
al Bandaqis heisst^). <. . . . Man verlässt diese Stadt und reist
gegen Westen, bis man zur Stadt Pavia KxjLJI kommt.> *Es ist
das eine grosse Stadt , deren Länge sechs Meilen beträgt mit 25
gleicher Breite. Sie ist reich an Früchten und besitzt Ölbäume
und Obstsorten. Sie hat zwei laufende Flüsse , welche bei ihr
fliessen. Es ist die Hauptstadt der Langobarden^ die sich in
^) In der Es. keine Lücke angedeutet.
^) In der Hs. keine Lücke angedeutet. Das Folgende bis j»LAi>-
Z. 8 steht in der Hs. hinter ^y^^h^ Z. 2.
3) So de Goeje; Hs. ^;jOj.x3Cj^t.
•») Hs. Basüs.
^) In der Hs. an falsche Stelle geraten.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 241
ihren Ebenen niedergelassen haben in einer Entfernung von zwanzig
Schritt. Sie leben nach Art der Kurden, indem sie mit ihren
Zelten in die Ebene hinabsteigen ^). Sie wohnen in einer kahlen
Ebene, und haben keine Dörfer und Städte. Ihre Häuser sind
nur aus Holzbrettern gebaut. Sie bekennen sich zum Christen- 5
tum. Man reist unter ihnen etwa 20 Tage, indem man bei ihnen
absteigt und sich bei ihnen verproviantiert, bis man die Stadt
Mom erreicht".
Aus der falschen Abwechslung von Stadt und Dorf in der
Übersetzxmg ergibt sich, dass die Textverschiebung nicht erst der
Vorlage unserer Handschrift zur Last fällt, sondern viel älter ist
und wahrscheinlich schon von Ibn Rusta vorgefunden wurde. Die
Richtung der Route ergibt sich im allgemeinen daraus, dass sie
von Saloniki zunächst der Seeküste folgte, also nach Süd-
westen ausbog. Damit ist zugleich de Goeje's Vermutung,
der ich mich früher-) selbst angeschlossen habe, dass unter der
Stadt y-w*!?^ das heutige Tt'tel an der Einmündung der Theiss
in die Donau zu verstehen sei, ausgeschlossen. Denn in diesem
Falle hätte der Weg mindestens von Saloniki an südwärts
führen müssen und das wichtige Belgrad, wo aber damals ein
bulgarischer Tarkan gebot, nicht umgehen können.
Im 10. Jahrhundert, als der mit Riesenschritten von seiner
Höhe herabsinkende Bulgarenstaat in sehr enge Beziehungen zum
Romäerreiche trat, kam die direkte Strasse von Saloniki nach
Belgrad wieder in Aufnahme und soll nach Konstantin Porphyro-
gennetos nur acht gewöhnliche Tagereisen in Anspruch genomnaen
haben 3), was freilich mindestens um die Hälfte zu wenig ist.
Die heutige Eisenbahnlinie von Belgrad über Nis, Vranja, Ristovac,
Üsküb nach Saloniki beträgt 714 km d. i. 15^2 starke Tage-
märsche zu 46 km = 30 mil oder 19 gewöhnliche zu 371/2 km
= 24 mil nach Idrisl. Es wird also bei Konstantin 66bg
rjfiSQ&v L7\ zu schreiben sein. Der Weg von Kitros nach BalätTs
soll aber nach Härün etwa einen Monat gedauert haben, also
abermals ein Beweis, dass wir diese Stadt in ganz anderer Richtung
zu suchen haben und die Karawane einen grossen Umweg ge-
macht haben muss. Zugleich beweist die oben hervorgehobene
Ausbiegung von Saloniki nach Südwesten klar, dass auch die von
Idrisi II 289 f. beschriebene Strasse von Durazzo über ^iy:j
Petreia, Ochrida, -Lö^j BomtXLg (Bitol), Ostrowo, *jLOj.j Wodena
nach Saloniki*), die alte via Egnatia, für Haruns Route nicht in
1) In der Es. hinter Baläüs S. 240 Z. 19 geraten.
2) Oben S. 66 A. 2.
3) Konstantin. Porphyrog. de administr, imp. c. 42 p. 177, 11—14.
*) S. Tomaschek a. a. 0. S. 353—357.
Marquart, Streifzüge.
16
242 J- Marquart,
Betracht kommen kami, da jene bereits von Saloniki nach Nord-
westen abbog.
Damit wird es zugleicli sehr unwahrscheinlich, dass die Slawen,
die in Holzhäusern wohnten und auf Veranlassung des Königs
, «*,>«ao das Christentum angenommen hatten i), die makedonischen
sein sollten, zumal diese grösstenteils schon längst dem Heiden-
tume entsagt hatten 2). Zu demselben Resultate führt die Be-
obachtung, dass man zur Zeit des Härün b. Jahja, entsprechend
den damaligen politischen Verhältnissen, offenbar ängstlich bemüht
war, soviel als möglich auf romäischem Gebiete zu bleiben. Ich
kann zwar keine ausdrückliche Angabe über die Südwestgrenze
des Bulgarenreiches unter dem Chane Bogoris (bis 888) linden,
allein wenn die Kirche von Ochrida wirklich eine der sieben von
Bogoris gegründeten Kirchen war, so muss das ganze von slawi-
schen Stämmen bewohnte Binnenland von Epeiros und Makedonien
mit Einschluss des heutigen Albanien schon damals den Ikilgaren
gehorcht haben, obwohl uns eine solche Ausdehnung des Bulgaren -
reiches erst für die Regierung seines Sohnes Symeon (893 — 927)
ausdrücklich bezeugt ist, und die dortigen Slawen müssen dann
jedenfalls spätestens von Bogoris gleich den Bulgaren in den
Jahren 864—867=0 vollends zur Annahme der Taufe gezwungen
worden sein. Es bleibt somit nur die Annahme übrig, dass der
Weg Haruns zum grössten Teil an der adriatischen Küste entlang
geführt hat, und dass mit jenen christianisierten Slawen die bis
dahin noch ungetauften Südserben, besonders die Narentaner, ge-
meint sind, welchen Kaiser Basileios I. im Jahre 877, als sich
der Chorwatenfürst Sedeslaw samt den Häuptlingen der Narentaner,
Zachlumer und der übrigen Südserben der kaiserlichen Ober-
hoheit unterwarf, griechische Geistliche sandte, um ihnen die
Taufe zu spenden*). Daraus ergibt sich von selbst, dass unter
dem König ^J^y^i nicht der 13ulgarenchan Bogoris (bei Konstantin.
Porphyrog. de admin. imp. c. 31 p. 150, 21 ff. Mtxc<i]X 6 BoQcöatjg,
aber c. 32 p. 154, 15 ff. Mixar]X o BoQiatig) zu verstehen ist 5),
») Ebenso Bekrl S. 38, 4 aus gleicher Quelle.
2) Jiref ek, Geschichte der Bulgaren 153.
») Über das Datum s. Ferd. Dümmler, Gesch. des Ostfräuk.
Reiches I 628—633.
*) Theophan. Cout. V 54 p. 291: IsQslg tvQ'^ag ^istcc Ha)ßc(6iXi^ov
av&Qwnov öhv avTOig (sc. legatis Sclavorum) f^antaTnXsv. Konstantin.
Porphyrog. de admin. imp. c. 29 p. 129. 1—19. Vgl. Dümmler, Über
die älteste Geschichte der Slawen in Dalmatien. SBWA. Bd. 20, 1S56,
S. 405 und N. 4. de Muralt, Essai de Chronographie byz. I 452
6) So Kuuik, Izvestija al Bekri. St. Petersburg 1878, S. 82 f.
und ihm folgend de Goeje, Een belangrijk arabisch boricht over de
slavische volken omstreeks 965 n. Chr. Verslagen en mededeehngen der
K. Akad. van Wetenschappeu. Afd. Letterkuude. 2de reoks, 9do deel,
2«ie stuk, 1880, S. 207. Bibl. Geogr. Arab. VII, 1892, p. Ifv k.
Osteuropäische und ostasiatische Streitzüge. 243
sondern der Kaiser Basileios 1. der ÄFakedonier (8G7 — 886), wie
de Goeje schon 1878 in Baron Rosons Ausgabe des Bekrl
S. 38 N. 3 vermutet hatte und jüngst begründet hat (s. o. S. 29
Anni. 2). Die Änderung des bei Ihn Rusta und Bekri über-
lieferten (_w»-mo in fjMy^iM*j scheint mir indessen zu gewaltsam,
und ich glaube vielmehr, dass wir ^j*».aaw.j liasijus zu lesen und
darin eine mouillierte Aussprache von Bc:aiksiog zu erkennen haben.
Auch hier beobachten wir wieder das perspektivische Gesetz,
dass die entfernteren Gegenstände vor dem geistigen Auge des
Berichterstatters zusammeniliessen und er daher irrtümlich die
einmonatliche Dauer der Reise von Kitros bis Balätls mit dem
letzten Volke , zu dem er vor der Endstation gelangte , den neu-
bekehrten Slawen , verknüpfte. Es kann nunmehr kaum noch
einem Zweifel unterliegen , wo wir die Stadt ^y,.j.Luii zu suchen
haben: die historischen und geographischen Verhilltnisse zwingen
gleichmiissig zu dem Schlüsse , dass damit keine andere als die
bedeutendste Stadt in Dalmatien , Spalato , byz. ^Aanäkad-oq , ge-
meint sein kann. Spalato heisst auf italienischen S(>ekui'ten auch
Spalatro und schon beim Geographen von Ravonna Spalathron. Die
Stadt war der Sitz des Erzbischofs von Dalmatien und Kroation.
Nach der Zerstörung Salona's durch die Chorwaten setzte sich ein
Teil der alten Einwolmer in dem 3 — 4 Milien entfernten, schwer
zugänglichen Palaste Diokletians fest , und aus diesem Palatium
entwickelte sich die Stadt Spalato. Doch kennt schon die Karte
des Castorius Segm. VI 3 einen Ort Spalato neben Salona. Vgl.
Konrad IMiller, Mappae Mundi VI 17. Nach Konstantin
Porphyrogennetos soll der Name „kleiner Palast" bedeuten').
Der vorauszusetzenden Grundform ohne vorgeschlagenes s steht
also Haruns Baläfts noch verhältnismässig am nächsten, während
die Formen Spalato. ^AGirälad'og etc. wohl auf ein vulgärlateinisches
ex palatio zurückzuführen sind.
Die ziemlich verwickelten politischen und nationalen Ver-
hältnisse in Dalmatien und Kroatien werden wohl am ehesten
verständlich durch eine geschichtliche tHjersiclit. Durcli die ver-
heerenden Züge der Goten, Ikilgaren und namentlich der Awaren
und der in ihrem Gefolge auftretenden Slawen waren die roma-
nisierten Bewohner der Provinzen Dalmatia, Moesia superior und
Dardania stark dezimiert worden. Bei dem grossen Einfall im
Jahre 581 , auf welchem die slawischen Völkerschaften der /i(to-
yovßirai (Dragowitii), Zoiyovödrai, B^kEye^iitKi (W(^legostiii), Baiov-
vijrai (Wojnici) und Bffi^ijTai (Blrzaci) -) den grössten Teil der
Präfektur Illyrikum: Epeiros , ganz Achaia, Thessalien und die
») De admin. imp. c. 20 p. 125, 16 ff. 137, 15 tV.
^) Vgl. Coustantin Jos. Jireöek, Ge.scliichte der Iliiliraren
119-121.
16*
244 J- Marquart,
umliegenden Inseln sowie die Kykladen bis nach Asien hinüber
überschwemmten und verwüsteten und sogar die Stadt Thessalonich
bestürmten , um sich schliesslich in Makedonien , Epeiros (die
Wojniöi) und Thessalien (die BeXeyE^i}rcci um Velestino) endgiltig
niederzulassen, verödeten zahlreiche Städte und Provinzen, indem
die Einwohner, soweit sie nicht dem Schwerte zum Opfer fielen,
teils in die Gefangenschaft geschleppt wurden, teils in der Haupt-
stadt Thessalonich eine Zuflucht suchten^). So drängten sich hier
die Flüchtlinge aus den Donauländern, aus Pannonien, Dacien,
Dardanien \md den übrigen Provinzen und Städten zusammen-).
^) Miracula S. Demetrü S. 158—169. Acta Sanctorum 8. Oct.
p. 162— 167. Vgl. dazu Schafarik II 206 und besonders H. Geizer,
Die Genesis der byzantinischen Themenverfassung S. 42 — 50. Abb. der
phil.-hist. Cl. der Sachs. Ges. der Wissensch. Bd. XVIII Nr. V. Dieser
Slaweneinfall wird gewöhnlich ins Jahr 676 gesetzt. Geiz er dagegen
(a. a. S. 49) identifiziert ihn mit dem von Johannes von Ephesos VI 25
beschriebenen und ins dritte Jahr des Tiberius (581) verlegten Einfall,
der sich gleichfalls bis in die Umgebung von Thessalonicn erstreckte.
Dazu stimmt, dass jenen Slawenstämmen die Verwüstung der Provinzen
der Präfektur Illyrikum: Pannonia I und II, Dacia ripensis und medi-
terranea, Dardania, Mysia, Praevalis und Rhodope zugeschrieben wird
(Miracula S. Demetrü ^ 195 p. 179 vgl. § 158 p. 162), woraus sich er-
gibt, dass jene vor diesem Einfall noch in Pannonien gesessen haben
müssen. Ebenso verträgt sich sehr gut mit jener Zeitbestimmung, dass
zu dem zwei Jahre später stattfindenden Zuge des Awarenchagans
auch Bulgaren aufgeboten werden (1. 1. § 170 p. 167. § 171 p. 168.
§ 195 p. 179). Mit diesen können nur die pannonischen Bulgaren ge-
meint sein, die aber um 630 infolge einer aufrührerischen Bewegung
Pannonien verlassen mussten (s. meine Chronologie der alttürkischen
Inschriften S. 85 f.). In die Zeit nach jenem misslungenen Aufstand
der Bulgaren passt nun., auch die Erhebung des Kuber (§ 196 — 207
p. 180 — 184), den die Überschrift des Kapitels als Bulgaren be-
zeichnet. Um 676 aber konnte ohne Zweifel von einer romäischen
Herrschaft in Pannonien und Dacien längst keine Rede mehr sein, da
Geizer S. 40 f. zeigt, dass die beiden Dacien schon unter Maurikios
von den römischen Garnisonen verlassen waren. Auf der andern Seite
spricht es gegen alle Wahrscheinlichkeit, dass der Chagan der Awaren
noch im Jahre 678, nachdem seine Macht längst durch die Bündnisse
des Herakleios mit Kubrat, dem Chan der Unugundur- Bulgaren, und
mit den Serben und Chrobaten (oben S. 109) geschwächt worden war,
auf die Vorstellungen einiger Slawenstämme einen grossen Zug gegen
Thessalonich veranstaltet haben sollte. Freilich ist anzuerkennen, dass
der Sammler des zweiten Teils der Wunder des hl. Demetrios die
beiden Einfälle des Slawenfürsten Xdr^cov und des Chagans ausdrücklich
unter die Regierung des Bischofs Johannes von Thessalonich setzt
(§§ 158 p. 162. 168 p. 166. 171. 173 p. 168), unter welchem er augen-
scheinlich den Erzbischof von Thessalonich versteht, der noch die Be-
schlüsse der sechsten allgemeinen Synode von Konstantinopel 681 unter-
zeichnet. Hier liegt also eine Schwierigkeit vor, die Geiz er nicht
berührt hat.
2)^ Miracula St. Demetrü § 169 (Acta SS. 8. Oct. p. 167):
. . . (JioTt rag vn avtrjv Ttäaag nöXsig xal iTtaQ%iag i^ avrcöv ao/xjjrorg
ysvia&ai, ravr-r\v Sh ^ovrjv, Ka&ag ii'grircci, iiLybicco avrcav VTtaQ^SLV, ycal
avxr\v VTtodb^sa&at nävtag rovg 6c7tO(pvyovg x&v iy. rov davovßiov fisgwv
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 245
Es scheint dass damals bereits die Städte Naissus (Nis) und Sardica
(Sredec , Sophia) der Belagerungskunst der Slawen oder Awaren
erlegen waren '). Zwei Jahre später unternahm der Awaren-
chagan selbst auf den Ruf der genannten Slawenstämme einen
neuen Zug gegen Tliessalonich, zu welchem sämtliche dem Chagan
botmässigen Völker, besonders die Slawen und Bulgaren, auf-
geboten wurden. Die auf demselben erbeuteten Gefangenen wur-
den in Pannonien angesiedelt und erlangten erst zwei Menschenalter
später ihre Freiheit wieder^). Unter Kaiser Maurikios entsandte
der A Warenfürst im Jahre 597 abermals ein grosses aus Slawen
und andern Völkern zusammengesetztes Heer gegen Thessalonich,
das soeben noch von einer furchtbaren Pest heimgesucht worden
war. Doch wurde die Belagerung schon nach sieben Tagen
plötzlich aufgehoben, da die Pest im Lager ausgebrochen war^).
Unter diesen Verheerungen hatten aber nicht bloss die unmittel-
bar auf der Heerstrasse nach Thessalonich und Konstantinopel
liegenden Provinzen zu leiden, sondern ebensogut auch die Land-
schaften üalmatia und Praevalis, so dass die noch übriggebliebenen
Romanen , als die nachmals unter den Namen Serben und Chro-
waten zusammengefassten Slawenstämme sich in diesen Ländern
festsetzten, entweder ausgerottet oder zu Hörigen herabgedrückt
wurden, soweit sie nicht hinter den festen Mauern der Küsten-
städte Zuflucht gefunden hatten. Nur diese letztern vermochten
die Slawen nicht zu bewältigen, und hier bewahrte daher die
romanische Bevölkerung ihre Selbstständigkeit in loser Abhängig-
keit von der romäischen Herrschaft, während wir erst weit später
wieder von den Wlachen der serbischen Rasa und Istriens hören.
Ob diese Romani der dalmatischen Küstenstädte ('Pcofiävoi bei
Konstantin. Porphyrogenn. de admin. imp. c. 29 p. 125, 19. 126, 7.
14. 17. 23. 127, 8. 16. 20. 24. 128, 2. 6. c. 31 p. 148, 9. 11. 14.
c. 32 p. 153, 14. c. 33 p. 160, 3/4. c. 35 p. 162, 8) zu der Zeit,
als sie durch die Awaren einfalle und die Einwanderung der Serben
und Chrowaten von den übrigen Romanen oder Wlachen der
Halbinsel getrennt wurden, noch diejenige Form der lateinischen
Vulgärsprache redeten, aus der das Rumänische hervorgegangen ist,
und erst infolge der venezianischen Herrschaft italianisiert worden
sind, ist bis jetzt nicht festgestellt, wenn auch von vornherein
üavoviccg ts xat z/axiag Kai /ia^davlag, ^ul rcov Xontcbv inaQ%iwv T£
xat Ttölsav, v.al iv avr^ insQsiSsa&cci. Ahnlich 8 195 p. 179. Vgl.
§§ 158. 159 p. 162.
^) Eb. § 171 p. 168: . . . stsgoi Sh x&v uno NaCaaov v.al EagSiv-fig
VTtUQXovtcov, äg nst^av rfjg avt&v rsL^oiia^iag siXTicpotsg (isra Q'Q'qvcov
aXsyov, ort iKEi&sv (pvyovrsg iv&avra ^'xofifv (isd"' v^äv ccTtolh&ai, ■ ^icc
yuQ rovxcov XLO'ov ßoXi] xb x£l%og v.ax£äi,SL.
*) Eb. §§ 170—185 p. 167—171. 194—207 p. 179—184.
8) Miracula S. Demetrii § 116 p. 145. § 145 p. 155. §§ 30—40
p. 114—118.
246 J- Marquart,
wahrscheinlich 1). Gibt es doch noch heute sogar auf der Insel
Veglia Rumänen ^).
Über die Geschichte des Küstenlandes bis zum Untergänge
des Awarenreiches ist fast nichts bekannt. Erst mit diesem weit-
tragenden, Ereignis tritt es wieder aus dem Dunkel hervor.
Schon vor dem Jahre 791, vermutlich nach dem Peldzuge
gegen die Awaren im J. 788, hatten die Franken das zum ost-
römischen Reiche gehörige Istrien erobert, dass mit Pippins König-
reich Italien vereinigt wurde, aber seinen eigenen Herzog behielt,
der unter die Oberaufsicht des Markgrafen von Friaul gestellt
wurde ^). Im Jahre 799 fiel der Markgraf Erich von Friaul durch
einen Hinterhalt, den ihm die kroatischen Bewohner der unter
oströmischer Hoheit stehenden Seestadt Tharsatica (Tersatto) un-
weit Fiume in Liburnien gelegt hatten*). Im Jahre 803 er-
schienen vor Kaiser Karl in Regensburg ausser den Awaren auch
Gesandte verschiedener südslawischer Stämme, um dem Kaiser ihre
Huldigung darzubi-ingen, so dass dieser jetzt eine Neuordnung der
^) In dieselbe Zeit ist auch die Abzweigung der Wlachen des
Pindos und Thessaliens zu setzen, die ja unzweifelhaft aus nördlicheren
Gegenden gekommen sein müssen. Und zwar findet sich dafür, soviel ich
sehe, kein anderer Anhaltspunkt in der Geschichte als jene grosse Flucht
der Provinzialen nach dem Süden, besonders nach Thessalonike , im
Jahre 581. Vgl. auch Tomaschek, Zur Kunde der Hämushalbinsell.
SBWA. Bd. 99, 1881, S. 486—498. Die alten Thraker 1 25. 79 f SBWA.
Bd. 128, 1893, Nr. IV. Es ist gewiss mehr als Zufall, dass uns aus der-
selben Zeit (a. 587) auch der erste Satz in wlachischer Sprache, das
berühmte roqva, toQva (Theophyl. Simok. TI 15, 9 ed. de Boor) bezw.
TOQva, TOQva, (pQccTSQ (Thcophanes p. 258, 16 ed. de Boor) überliefert
ist. Derselbe Slawensturm muss auch die heutigen Albanesen in die
wilden Randgebirge des Westens zurückgedrängt haben. Denn nach-
dem man endlich den sprachlichen Thatsacheu Rechnung getragen
und zugestanden hat, dass die Albanesen nicht die Nachkommen
der alten Illyrier sein können, sondern ihre Sprache sie dem thra-
kisch - phrygischen Zweige zuweist (vgl. Herman Hirt, die sprach-
liche Stellung des Illyrischen. Festschrift für H. Kiepert. Berlin 1898,
S. 181 — 188, bes. S. 184), ist der Schluss unausweichlich, dass ihre Vor-
väter aus östlicheren Landschaften eingewandert sein müssen. Sie be-
fanden sich beim Einbruch der Slawen bereits in einem fortgeschrittenen
Stadium der Romanisierung , ähnlich wie die Britannier beim Einfall
der Angeln und Sachsen. Dies wird man bei der Feststellung des noch
unaufgeklärten Verhältnisses zwischen Albanesen und Wlachen (vgl.
Jirecek, Gesch. der Bulgaren 114 f. M. Gaster und Gust. Meyer
in Gröbers Grundriss für roman. Philologie I 406—410. 805) im Auge
zu behalten haben.
2) Karl Lechner, Petermanns Mitteil. 1883 S. 294 fi'. Miklo-
sich's Abhandlung ,Uber die Wanderungen der Rumänen" (Denkschr.
der k. Akad. d. Wiss. Bd. XXX, 1879) war mir leider unzugänglich.
3) Dümmler, Über die älteste Gesch. der Slawen in Dalmatien
S. 388. Abel-Simson, Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter
Karl d. Gr. I^ 642. II 20—21. 337.
^) Abel-Simson a. a. 0. II 194 fi".
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 247
Verhältnisse in diesen Gebieten vornehmen konnte. Wahrscheinlich
waren unter jenen slawischen Stämmen auch die Kroaten, die
vermutlich damals , wie D ü m m 1 e r annimmt , unter die Ober-
aufsicht der Markgrafen von Friaul gestellt wurden, unter der wir
sie später finden^), und mit denen sie bei der Teilung des frän-
kischen Reiches an das Königreich Italien übergingen ^).
Bald nach Weihnachten des Jahres 805 trafen am kaiser-
lichen Hoflager in Diedenhofen auch die beiden Dogen von
Venedig, die Brüder Obelierius und Beatus, sowie Paulus, der
Herzog von Zara iind Donatus, der Bischof dieser Stadt, als Ge-
sandte der romanischen Dalmatiner ein, um die Unterwerfung von
Venetien und Dalmatien anzukündigen. Der Kaiser traf sofort
eine Verordnung über die Herzöge und Bevölkerungen beider Ge-
biete, die, wie früher schon Istrien, dem italienischen Königi'eiche
Pippins zugeteilt wurden^).
Im folgenden Jahre erschien freilich eine griechische Flotte
unter dem Patrikios Niketas, um Dalmatien wiederzuerobern, und
blockierte auch die venetianische Küste. Er wusste den Dogen
Obelierius durch Verleihung der Würde eines Spatharios zu ge-
winnen und Hess sich von den Venetianern Geiseln stellen , die
er mit sich nach Konstantinopel nahm , nachdem er mit König
Pippin einen Waffenstillstand geschlossen hatte (807). Erst im
Jahre 810 gelang es diesem, Venetien wieder zu unterwerfen und
die Dogen zur Huldigung zu zwingen, während seine Flotte, welche
die gleichfalls wieder abgefallene Küste Dalmatiens verwüsten
sollte , beim Herannahen eines byzantinischen Geschwaders unter
Paulos, dem Statthalter von Kephallenia, sich schleunigst zurück-
ziehen musste*). Allein nach dem vorzeitigen Tode des tapferen
Königs Pippin war der hochbetagte Kaiser mehr als je darauf
erpicht, zu einer Verständigung mit dem Romäerreiche zu ge-
langen, und so schloss er mit dem Gesandten des Kaisers Nike-
phoros, dem Spathar Arsaphios ein vorläufiges Abkommen, worin
er gegen die heissersehnte Anerkennung des Basileustitels das
eben von Pippin wiedergewonnene Venetien nebst den anderen
Seestädten an der Nordküste des adriatischen Meeres in Liburnien
und Dalmatien dem Ostreiche schmachvoll preisgab. Auf dieser
Grundlage wurde dann im Jahre 812 der endgiltige Friede ge-
schlossen 5).
^) Annales regni Francorum a. 817 ed. Kurze p. 145: quia
Cadolah, ad quem illorum (Dalmatinorum) confinium cura pertinebat,
non aderat.
2) Dümmler a. a. 0. 385. Abel-Simson a. a. O. II 297 f.
^) Annal. regni Francorum a. 806 p. 120/21. Dümmler a. a. 0.
385 f. Abel-Simson S. 333 f.
") Abel-Simson a.a.O. II 357 ff. 377 f. 394 ff. 415-422.
») Abel-Simson a. a. 0. 441— 445. 459— 464. 480— 483. Dümmler
a. a. 0. 386 f.
248 J- Marquart,
Die Kroaten dagegen blieben auch fernerhin unter fränkischer
Oberhoheit. Nach dem Tode des Herzogs Borna im J. 821 folgte
ihm sein Neffe Wladislaw (Ladasclavus) unter Zustimmung seines
Lehnsherrn , des Kaisers Ludwig , und dessen zweiter Nachfolger
Tirpimir datiert eine Urkunde nach der Regierang des Kaisers
Lothar in Italien ^). Noch im Jahre 870 schickten die Südserben
und Kroaten bei der Belagerung von Bari auf Geheiss des Kaisers
Ludwig IL ihre Kontingente, erkannten also noch die Oberhoheit
des Königs von Italien an^).
Weit weniger klar sind für die Zeit nach dem Friedens-
schlüsse Karls mit dem Romäerreiche die Verhältnisse der roma-
nischen Küstenstädte in Dalmatien. In der ersten Hälfte des
9. Jahrhunderts machten sich die Slawen an der Narenta als
kühne Seeräuber den romanischen Dalmatiern und Venetianem
gefürchtet. Noch weit gefährlichere Feinde wurden aber bald die
arabischen Seeräuber von Qairuwän. Im Jahre 840 übei-fielen
diese zuerst das obere Dalmatien und versuchten dann sogar Ragusa
zu nehmen, das sie 15 Monate belagerten. Beim Herannahen
einer griechischen Flotte zogen sie ab, nahmen aber dann 841
auf der gegenüberliegenden apulischen Küste das feste Bari. Von
hier aus trugen sie ihre Raubzüge und Verheerungen überallhin
im Umkreis der Küsten der Adria, begünstigt durch die schlaffe
Regierung Michaels HI. , unter welcher die Anwohner des adria-
tischen Meeres vollständig sich selbst überlassen vrurden und auf
alle ihre Bitten ohne Unterstützung gegen die Feinde blieben.
So wurden denn die Bewohner der dalmatischen Küstenstädte
unabhängig, indem sie, wie Konstantin Porphyrogennetos sagt,
weder der romäischen noch irgend einer andern Oberherrschaft
unterworfen waren ^). Die Versuche der Venetianer, den Saracenen
zur See zu begegnen, fielen unglücklich aus. Im Chron. Siculum
wird eine zweimalige Einnahme Ragusas durch die sizilischen
1) Ann. regni Francorum a. 821 p. 155 : Interea Borna dux Dal-
matiae atque Liburniae defunctus est, et petente populo atque impe-
ratore consentiente nepos illius nomine Ladasclavus successor ei con-
stitutus est. Farlati, lUyricum sacrum III 51 f. Vgl. Dümmler a. a. 0.
388—393, der diese Urkunde ins Jahr 852 setzt.
2) Brief Ludwigs II. an Kaiser Basileios im Chron. Salernit. c. 107
(M. G. SS. HI 525—526): non enim congrue gestum est, ut eisdera
Sclavenis nostris cum navibus suis apud Barim in procincta communis
utilitatis consistentibus et nihil adversi sibi aliunde imminere putan-
tibus, tarn impie domi sua quaeque diriperentur. Vgl. Dümmler
a. a. 0. 401. Gesch. des Ostfränk. Reichs I 706.
^) de admin. imp. c. 29 p. 128, 12—17: rjjs öh räv 'Pojiiaiav ßaai-
Xtlag äiä rr]v räv Tore XQarovvTcov vco&Qoriqta kuI acpilsiuv sig xb
{ir^div naqüitav ^ixqov önlv ivaTtov£vov6r\g, v.al [läXiGTU dh inl MtjaiqX
rov ^1 'Aiiogiov rov ZQavXov, ol xa. X7]g ^sX^iariag ■x.äaxQa olxoiivxsg
ysyovaaiv avxov.icpaXoi , (a^ts xm ßaaiXsi 'Pcoiiaicov (iTjr« ^xigm
•Zivi vTtoxs'uLsvoi. Ebenso p. 129, 19 — 23.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 249
Sarazenen, 848 und 867, erwähnt i). Der Kaiser Ludwig IL, der
im Jahre 848 die Araber aus Benvent vertrieb, und der Mark-
graf Eberhard von Friaul, unter dessen Obhut Istrien und Dal-
matien standen, suchten allerdings dem Unwesen nach Kräften zu
steuern 2). Ob die dalmatischen Städte sich etwa in dieser Zeit,
von Byzanz verlassen, unter den Schutz des Königs von Italien
gestellt haben, wissen wir nicht. Die Behauptung Konstantins,
dass dieselben in der gedachten Zeit weder der romäischen, noch
irgend einer andern Oberhoheit unterworfen waren , würde dieser
Vermutung nicht ernstlich im Wege stehen, da er auch über
die politische Stellung der umliegenden Slawenstämme falsch
unterrichtet ist. Für eine solche Annahme könnte aber sprechen,
dass gleich den Chrowaten und Südserben auch die romanischen
Küstenstädte im Jahre 870 ihre Kontigente zum Belagerungs-
heere des Kaisers Ludwig IL vor Bari sandten. Konstantin Por-
phyrogennetos stellt es freilich so dar, als ob dies auf Befehl
des romäischen Kaisers Basileios geschehen wäre und jene Gebiete
sämtlich schon damals die romäische Oberhoheit anerkannt hätten ^).
Dies ist indessen , wie D ü m m 1 e r mit Recht annimmt *) , sicher
falsch, und dann scheint die Vermutung nicht zu gewagt, dass
auch die dalmatischen Städte damals dem König von Italien heeres-
pflichtig waren. Andernfalls muss man wohl annehmen, dass die-
selben aus eigenen Stücken ihre Schiffe gegen den gemeinsamen
Feind nach Bari sandten, dass aber Konstantin irrtümlich die
späteren Souveränetäts Verhältnisse schon in diese Zeit zurück-
getragen hat.
Erst mit Basileios dem Makedonier bestieg wieder ein Kaiser
den Thron, der die romäische Herrschaft im adriatischen Meere
von neuem nachdrücklich zur Geltung brachte. Im Jahre 870
schickte er dem Kaiser Ludwig IL die versprochene Hilfsflotte
unter dem Patrikios Georg nach Bari , zugleich sandte er aber
eine zweite Flotte unter dem Patrikios Niketas Ooryphas zur
Sicherung des adriatischen Meeres gegen den Seeraub aus, welche
unter dem Vorwande, die Narentaner für die kurz zuvor erfolgte
Ausplünderung der päpstlichen Gesandten, die von der Synode
von Konstantinopel (869 — 870) heimkehrten, zu züchtigen, in dem
Gebiete der Südserben viele Ortschaften zerstörte und die Be-
1) Muratori, SS. rer. Italicarum I^ col. 245.
2) Dümmler, Über die älteste Geschiebte der Slawen in Dal-
matien S. 394-40L
*) de admin. imp. c. 29 p. 130, 23: Kai hcod'EVTsg xä itaqu tov
ßaßiXiag anoßralivri atQatä, ßfta toi Xgcüßärcp, rü IJeQßXa Kai TjayXov^co
Kol TBQßovviätaLg Kai Kavalsiraig Kai 'Paovßioig, ^n-ra navxav t&v
ccTio xfig /isXyuariag Käexqav {ovxoi yccQ itävxhg ßaciXiKfi KsXsvast Ttagf]-
cav), Kai Tfsgaedvxcov iv AoyovßaQdia iKä%'r\6av xb KaGxgov BaQSoig kuI
inoQ&rioav avxo.
*) A. a. 0. S. 404 N. 3.
250 «J- Marquart,
wohner als Gefangene wegschleppte , während die waffenfähige
Mannschaft im Heere Ludwigs vor Bari lag. Die Klagen, welche
Kaiser Ludwig über diese Übergriffe führte , hatten keinen Er-
folg]^). Inzwischen nahmen die Räubereien der Sarazenen sowie
der Narentaner und Kroaten ihren Fortgang. Im Jahre 877 aber
gieng der neue Grosszupan der Kroaten Sedeslaw selbst nach
Konstantinopel und Hess sich vom Kaiser Basileios die Herzogs-
würde bestätigen. Zugleich mit ihm erklärten , wie wir sahen,
auch die Häuptlinge der Narentaner, Zachlumer und der übrigen
Südserben, sowie die romanischen Städte ihre Unterwerfung. Das
Thema Delmatia wurde einem Strategen unterstellt, der seinen
Sitz in Diadora (Zara) hatte-). Doch beruhte die byzantinische
Herrschaft, namentlich bei den Serben und Kroaten, in der Regel
auf dem guten Willen des jeweiligen Grosszupans. Ganz un-
genügend sind wir über die politischen Verhältnisse Dalmatiens
in den beiden letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts unter-
richtet. In der Hist. Salonitana des Archidiaconus Thomas von
Spalato (t 1268) heisst es c. XIII: Marinus archiepiscopus fuit
(sc. Salonae) tempore Caroli regis et Branimiri ducis Sclavoniae.
Spalato war vielleicht noch im 7. Jahrhundert an Stelle des zer-
störten Salona zum Sitze des Erzbischofs und zur Metropole für
Dalmatien und Kroatien erhoben worden-^). Dümmler ist nun
geneigt, jene Notiz auf eine Urkunde zurückzuführen und aus der
Erwähnung Karls des Dicken zu schliessen, dass der Grosszupan
Branimir (seit 879) denselben dem Namen nach noch als seinen
Oberherren anerkannte*). Dies ist sehr wohl möglich, da sich
Branimir, der Mörder und Nachfolger Sedeslaws, auch in kirch-
licher Beziehung von Neu-Rom lossagte und dem Papste an-
schloss^), und es daher nur folgerichtig war, wenn er auch die
politische Oberherrschaft der Romäer wieder abschüttelte und mit
der doch nur schattenhaften Lehnshoheit des Königs von Italien
vertauschte. Auf keinen Fall darf man aber aus jener späten
Notiz schliessen, dass der König von Italien im letzten Viertel
des 9. Jahrhunderts auch noch in Spalato Hoheitsrechte ausgeübt
habe. Denn in direktem Gegensatz zu den Chrowaten hielten die
Bischöfe der dalmatischen Städte an der Verbindung mit dem
Patriarchat von Konstantinopel fest, und der Metropolit Marinus
von Spalato Hess sich sogar von dem Patriarchen Walbert von
Aquileja, einem Anhänger des Photios weihen 5).
1) Dümmler a. a. O. 401/2. Gesch. d. Ostfränk. Reiches I 706 ff.
2) Annal. regni Francorum a. 821 p. 155. Vgl. Dümmler, Gesch.
der Slawen in Dalmatien S. 371 und N. 3. 405 N. 1.
^) Dümmler a. a. 0. 380.
*) A. a. 0. S. 410 N. 1.
») S. Dümmler, Gesch. des Ostfränk. Reiches ^ III 191 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifziige. 251
Aus vorstehender Darstellung der politischen Entwicklung
Dalmatiens ergibt sich ohne weiteres, dass Palätls (Spalato) von
Härün b. Jahjä unmöglich als „Hauptstadt der Langobarden" —
das bedeutet ^^jjyJo^l iüoj^/i — bezeichnet worden sein kann,
wie es nach dem überlieferten Texte den Anschein hat, selbst
wenn die dalmatischen Städte im 9. Jahrhundert einige Jahrzehnte
lang die Oberhoheit des Königs von Italien anerkannt haben
sollten. Dazu kommt, dass wir bei Spalato die beiden Flüsse,
welche bei der langobardischen Hauptstadt vorbeifliessen sollen,
vergeblich suchen würden und überhaupt die Beschreibung des
Landes und der Lebensweise der Langobarden auf Spalato natür-
lich ganz und gar nicht passt. Damit rechtfertigt sich die von
mir vorgenommene Textherstellung von selbst.
Bei dem Versuche, den Verlauf der Route Haruns von Kitros
bis Spalato genauer festzustellen, steht uns glücklicherweise eine
Beschreibung des Küstenweges von Aquileja bis zum Golf von
Arta und eines Inlandweges von Avlona zum Golf von Volo bei
Idrisi zu Gebote, die von Tomaschek treflQich erläutert worden
sindi). In der That stimmt die einmonatliche Dauer der Reise
Haruns von Kitros bis BalätTs sehr gut mit Idrisi's Itinerar von
Spalato über Antivari, Durazzo, Avlona, Kastoria, Larissa, Dimi-
triada nach Kitros, wie es von Tomaschek hergestellt worden
ist: Asbälatö 25 Meilen (Mukrö 35 Meilen) y.*^^ äi'&aj'nö
30 Meilen u^ji, Rayü9 oder Kao^^ Rayü^a 20 Meilen ^JoMi
Qätarö oder ^ oL'i Qädarö (Cattaro) 70 Meilen 2) Antibärö 10
(Text 70) Meilen ».;.a>^J Dulügina (Dulcigno), dessen Bevölke-
rung Lädiqi's .,^äj^-^) sind, 80 Meilen ,-^y Duräst (Durazzo),
den Franken gehörig, 100, oder mit allen Küstenwindungen
1) IdrlsT trad. par Jaubert II 248 N. 1. 266 ff. L'Italia descritta
nel "Libro del Re Ruggero" compilato da Edrisi. Testo arabo pubbli-
cato con versione e note da M. Amari e C. Schiaparelli; Roma 1883
p. ^1^ 5_v., 12. AA, 2— ii, 9 = 83—84. 106—109 der Übs. Vgl. IdrIsT
trad. par Jaubert II 286 ff. 291 f. 296. Tomaschek a. a. 0. 839— 852-
2) Text: 30.
^) Tomaschek verbessert ^^j.ajÖ^ (so!) Lateiner = Wlachen,
allein in diesem Fälle wäre es auffällig, dass sich diese Bezeichnung
nur hier und bei keiner der andern dalmatinischen Städte findet. Das
Ethnikon hängt wohl mit dem Stadtnamen (Dulcinium, byz. 'EXxvviov,
ArKiviov, alt OvXmviov, Ulcinium, Olcinium) zusammen, also vielleicht
252 '^' Marquart,
125 Meilen 1) Lablöna (Ablöna) 2 Tagereisen 2) jLyi.ol 'ASqiu-
vovTtoUq, jQvivovTtohg 3 (Text 2) Tage Qastörla 3 Tage xiLLs^ .Lb
(xÄ^^^Ll^ = iCäxxj^^Lb, rcc 'PoßiviKa?) 1 Tag, Lärisa 2 starke
Tagereisen Armirön (Halmyros) 30 Meilen Dimitrijäna^) 110
Meilen Ablätamöna 20 (Text 120) Meilen Kitros, zusammen
530 bezw. 555 Meilen = 22 Tagereisen zu 24 Meilen +11 Tage-
reisen, im ganzen also 33 Tagereisen. Natürlich hat aber Härün
den bedeutenden Umweg von Platamona nördlich von der Mündung
des Flusses von Liqostomi (AvKoarofitov) d. i. des Salamvrias über
Demetrias und Halmyros am Golf von Volo nach Larissa nicht ge-
macht, sondern ist direkt von Platamona durch das Thal von Tempe
an Lykostomion vorbei nach der Hauptstadt Thessaliens gereist.
Für diese Strecke können wir einen Tagemarsch in Anschlag bringen
und erhalten somit insgesamt 390 (415) Meilen = 16 (17) Tage +
10 Tage, im ganzen also 26 (27) Tagereisen. Dass im 9. und
10. Jahrhundert die gewöhnliche Route von Italien nach Konstanti-
nopel durch das seit dem J. 783 wieder zurückeroberte Thessalien
und den Tempepass nach Thessalonich führte, zeigt auch die Legende
von den italienischen Pilgern, die im Jahre 904, als die Sarazenen
gerade Thessalonich verwüstet hatten, nach der Kaiserstadt zogen *).
Doch wäre von Larissa an auch eine südlicher verlaufende Route
durch das Thal des Salamvrias nach Trikkala und Kalabaka und
von da über den Zygospass nach Metsovo und weiter nach Janina
und Dryinupolis denkbar. Leider vermissen wir bei Härün jeg-
liche Bemerkung über die Wlachen des Pindos und Makedoniens ^).
Von den Räubereien der Narentaner, welche früher so gefürchtet
waren ''), weiss er nichts mehr, man erhält vielmehr den Eindruck,
dass die Eingebornen des ganzen Küstenlandes bis nach Venedig
loyale Unterthanen des Romäerreiches geworden waren.
Hinter ^«^xId^j ist der Text nicht bloss gestört, sondern es
muss ausserdem eine Lücke angenommen werden, in welcher
1) IdrisT, Italia 1f, 2/3 = 76 der Übers. = II 120 Jaubert.
2, Idrisl II 29L
3) IdrTsi II 296.
*) Miracula S. Demetrii § 222—226. Acta SS. 8. Oct. p. 192—194.
B) Die ältesten bis jetzt bekannten Mitteilungen über dieselben
verdankt man dem byzantinischen Strategiker Kekaumenos, dessen
Schrift von W. Wassilje wskij unter dem Titel Sowety i razskazy
wizantijskago bojarina XI. weka herausgegeben und erläutert worden
ist, leider an einem für mich unerreichbaren Orte (Journ. des Minist,
für Volksaufklärung 1881, Bd. 215 S. 242—299, Bd. 216 S. 102—171.
316—357). Vgl. Tomaschek, Zur Kuude der Hämus-Halbinsel I.
SB WA. 99, 1862, S. 492—498. K. Krumbacher, Gesch. der byz.
Literatur^ 269 § 118.
6) S. Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches^ I 192.
II 258. 266. III 25.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 253
Näheres über die Stadt berichtet war. Die Beschreibung des
Weges durch das dalmatische und istrische Küstenland nach
Venedig trägt ebenfalls wenig individuelle Züge und die Dauer des-
selben erscheint auf alle Fälle übertrieben. Idrisi, Italia aa, 5 —
a1, 14 = 106—108 der Übs. (= II 266 f. Jaubert) hat von
Spalato nach iü.^,^!-'^) d. i. Lovrana am Golf von Quarnero folgen-
des Itinerar-):
Spalato 12 Meilen y*,. ^L Taryüris oder ^ ^Ji Taryuri
TQuyovqiov 6 Meilen t^yy^^^*, (^^^^ L5j^i'j RäwyürT) oder
o
j Li: J Lauyärö (Trau vecchia?) 15 (Text 50) Meilen >ÜL*v^)
Sebenico 20 Meilen äIdLcO (lies 'iJiD\J^':> Diograd für Biograd,
Alba marittima, t6 BeXoyqaSov) 30 Meilen ».ÖL=^ Zara (12 Meilen)
'i^Ji oder ^jaJ^ (p. aI**, 5 = 100 ^j^ijJ) Nona 20 Meilen ..I^Lao
(p. aI^, 5 jIiAao) 30 Meilen \j^J Arnas*) 15 Meilen üJLiiAa/i
Ma9qala^) 20 Meilen »,ÄAaJlxLAv..ä Castellum Jasca^) 15 Meilen
'sJ.>o (p. 288 Jaubert iüL*v, p. Ar^, 4 = II 261 Jaubert Ka-wI
für XA.w) Segna, Zengg 30 Meilen B.bJ (p- 288 Jaubert LbJ)
Lopara 16 Meilen (cJü Buccaxi 10 Meilen iLi.^^l Lovrana, zu-
sammen also 251 Meilen. Lovrana war die letzte zur Mark
Aquileja gehörige Stadt.
Die Fortsetzung des Itinerars von Lovrana an der Küste
Istriens entlang bis DistrTs (Capo d'Istria ?) findet sich nur in der
0 p. Ar, 4 = 99 d. Übs. = II 261 Jaubert Ki^^O.
2) Vgl. dazu Tomascbek a. a. 0. 340—343. Lelewel, Geogr.
du Moyen-Äge III 109 — 112, und die Anmerkungen der italienischen
Übersetzer.
3) Lies ^^LLw; p. Ar, 5 = 100 d. Übs. = II 261 Jaubert
*) p. aP, 4 A j«o.?, lies (JM.J.'. Die italienischen Übersetzer
vermuten darin das heutige Arbe auf der gleichnamigen Insel, nach
Tomaschek entspricht es dem heutigen Rabac.
^) Die italienischen Übersetzer (p. 99 N. 3) denken an [Castrum]
Musculum, jetzt Castel Muschio auf der Insel Veglia; Tomaschek
sucht es nördlich von Carlopago.
®) Entspricht nach Tomaschek dem heutigen Starigrad.
254 J- Marquart,
Hs, A und der verkürzten Bearbeitung an der richtigen Stelle i).
Dasselbe lautet, soweit es verständlich ist^): iü.»^! Lovrana 14
(Text 4) Meilen iüyit^i Flämöna (Fianona) 6 Meilen My^J\
Albona 40 Meilen iUAJ^Öyi Medolino 6 (Text 16) Meilen kJo
Pola 12 Meilen ».Äij. Rovigno 15 Meilen ^^' j Parengio oder
^y^j^ Parenzo 12 Meilen '!LiyXlcu=>- Civitanuova, zusammen 105
Meilen. Von hier ab beginnen aber grosse Schwierigkeiten.
„Von da an (d. h. von der Stadt jjGL^LLoO ändert der Golf
(von Venedig) seine Richtung nach Osten , und dahin biegen hier
die Länder von Ikläja (Aquileja) aus. Zu den binnenländischen
Städten Aquilejas gehören : Ki^ j Biröna, auch iü \ _j Biräna ge-
schrieben, xJLjjj Bübala und y*, Ja^LL Tämatars. Biröna ist eine
grosse Stadt, eine schwache Tagereise von Tämatars. Desgleichen:
von der Stadt Tämatars nach Bübala 9 Meilen — es ist dies
eine grosse bevölkerte Stadt — von da nach ii.Ju.i! Anmala, auch
XJl.^'! Angila geschrieben , dessen Einwohner Franken sind , drei
Meilen, von da nach Qandila der Franken drei Meilen und von da
nach dem bereits erwähnten Biröna, auch Biräna geschrieben,
zwei Meilen. All diese sind die binnenländischen Städte Aquilejas.
Zu den Küstenstädten desselben gehört aber |«>,j JC^^o Distris; es
liegt 23 Meilen von Tämatars, der Hauptstadt_von Aquileja, und
von da zur Stadt Jiye Müylö , auch ^cLx^! Umäyö geschrieben,
sind 9 Meilen. Desgleichen sind von der binnenländischen Stadt
Biräna nach der Stadt Umäyö 18 Meilen. Ihre Einwohner sind
Franken, und sie liegt an der Küste. Von da zur Stadt 'i.iyh^:>.
Civitanuova, der Neustadt der Franken, 8 Meilen".
Es ist zunächst unzweifelhaft, dass mit iüj.J oder &jtj
nur Pirano gemeint sein kann , obwohl es von IdrTsi ständig
als binnenländische Stadt bezeichnet wird. So erhalten wir
wenigstens noch von Cittanuova bis Pirano ein fortlaufendes
Itinerar: Cittanuova 8 Meilen Umago 18 Meilen (der Küste ent-
lang über Punta di Salvore) Pirano. Eine noch grössere Be-
deutung als Ausgangspunkt der Routen kommt aber der Stadt
ijnJaA\Jo Tämatars (cod. A immer (jA,»i3/)Lb) zu, die geradezu
(p. 11, 13) als Hauptstadt von Aquileja bezeichnet wii'd. Von hier
^) In B ist es an anderer Stelle nachgeholt, was Jaubert ent-
gangen ist. Dies berechtigte ihn aber noch nicht zu dem unglaub-
lichen Verfahren , einfach die im Jahre 1619 erschienene lateinische
Übersersetzung des Auszugs abzudrucken (p. 248 N. 1).
2) IdrisT, Italia p. V, 10— v., 9 = 81—84 d. Ühs.; Sil, 14— llf , ult.
= 135—136 der Übs.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 255
nach Pirano rechnete man eine schwache Tagereise oder — wahr-
scheinlich nach einer andern Quelle — genauer 17 Meilen. In
der ersten Station hinter Tämatars, iJLjjj ^), haben die italienischen
Übersetzer gut das heutige Buglia oder Buje erkannt, es ist also
wohl kJLj4J Büjüa zu lesen. fjnJoAh selbst setzen sie dem heu-
tigen Mattarada gleich, einem zur Bezirkshauptmannschaft Parenzo,
Bezirksgericht Buje gehörigen Dorfe von 684 Einwohnern ^). Wie
dieser Ort zu der Ehre kommt, als Hauptstadt von Aquileja be-
zeichnet zu werden, ist freilich unerfindlich. Die Vermutung liegt
allerdings nahe, dass die Worte iJ^Xji iou<A/fl ^S>»^ (p. 11, 13)
ursprünglich zu jj^jJCa^O gehörten. Ausserdem müsste man aber
annehmen, dass der Name in der lateinisch geschriebenen Vorlage
Idrisi's Mattaras statt Mattaratas geschrieben und von Idrlsi falsch
gelesen worden wäre. Jedenfalls ist der Ort aber südlich von
Buje zu suchen. Die Stadt iJL^ii oder xJL^" wollen dieselben mit
Isola zwischen Pirano und Capo d'Istria gleichsetzen, was aber
zu den Distanzen nicht stimmt. Ich glaube vielmehr, dass üX^it
in kJiäj5 = Angelo zu verbessern und der Ort an dem heutigen
Weg von Buje nach Pirano zu suchen ist. Erst die folgende
Station ^jvl^y^l KLlX-ü (Candela de' Franchi?) lag dann an
der ßada di Pirano. Das 23 Meilen von Tämatars entfernte
Distris (auf der Karte ^j^yl^) bezeichnet nach LeleweP) und
den Übersetzern Idrisi's Capo d'Istria^ das alte Justinopolis ; es
ist jedoch fraglich, ob jener Name im 12. Jahrhundert schon ge-
bräuchlich war, und Distrts wäre auf alle Fälle eine sehr sonder-
bare Wiedergabe von Capo d'Istria. Es liegt mindestens ebenso
nahe, an eine Verstümmelung von Trieste, Tergeste zu denken,
wofür insbesondere auch die Schreibung auf der Karte {^^A^a
aus (j^jaL Tiras?) sprechen könnte. Jedenfalls kann das neun
Meilen davon gelegene ^^.a oder '»IcyA Müyla (A ^Lci^) nur
Muggia darstellen und ist von Idrisi fälschlich mit »JL«^! gleich-
gesetzt worden. Vieleicht lag ihm noch eine Route von Tämatars
nach Umago vor, die er irrig mit jener von Distris nach Müylö
zusammenwarf.
Nun folgt ein mit dem vorigen nicht verbundenes Itinerar
von »XjL^Lk/^l über Venedig bezw. Padua — Ravenna nach Ancona,
das in der Hs. B in doppelter Form vorliegt, das zweitemal mit
nicht unwichtigen Varianten.
^) A und C immer tXij^.
2) Ritter, Geogr.-statistisches Lexikon. 7. Aufl. 1883. Bd. III 85.
^) La Geographie du Moyen-Äge III 111.
256
J. Marquart,
(Idrisl, Italia 1a, 10—11, 5
= 81—82 der Übs.)
,Von KäJUs Qumälqa (Co-
miaclum, Comacchio) nach 1^ JLs ^)
Fännarö sind 44 Meilen. Dies ist
die Residenzstadt der Venezianer,
wo ihr König wohnt, der über
Truppen und eine Flotte verfügt.
Diese Stadt ist von allen Seiten
vom Meere umringt. Von da
nach KLjis! (A x^J^), einer
grossen, sehr bevölkerten Stadt,
sind 23 Meilen. Sie besitzt zahl-
reiche Kriegsfahrzeuge, und sie
hat Dörfer und Saatfelder und
einen kleinen Fluss, der ihnen ihr
Trinkwasser liefert. Von &.lj_bl
>
nach der Stadt ^j^^^-) sind 18
Meilen; es ist eine grosse be-
völkerte Stadt mit Handelsver-
kehr, einem Rechnungshof und
Steuereinnahmen. Sie besitzen
zahlreiche Schiffe, in denen man
Fahrten macht.
Von da nach ^J^.C)\S Grädis
(Gradus, Grado) sind 38 Meilen.
Es ist eine grosse Stadt mit zahl-
reicher Bevölkerung und reich-
lichem Zusammenströmen von
Menschen. Sie besitzen zahl-
reiche Fahrzeuge, die kommen
und gehen. Von Grädis nach
»jCiL>LL/^! iQtägänkö sind fünf
Meilen. Es ist eine blühende
Stadt von grossem Umfang, be-
völkert von Truppen, Fabrikanten,
(Idrlsi, Italia III', 11—18
= p. 136 der Übs.
„Von KiiUs Qumälya (Co-
macchio) nach jj^^ixi^AJl sind 18
Meilen. Von da nach ä^öb Pa-
dova, einer Stadt in welcher einer
von den Königen der Venezianer
residiert, 25 Meilen. Es ist eine
bedeutende Stadt, die Schiffe be-
sitzt, und sie ist der Sitz einer
Schiffswerft. Von da zur Stadt
AÄAj J" Tarti^i sind 30 Meilen.
Es ist eine schöne Stadt, die eine
Flotte und verdienstvolle Männer
besitzt.
Von da nach der Stadt
g^jOl/ Grädis sind 20 Meilen.
Sie sind Venezianer. Es ist eine
sehr bevölkerte Stadt mit Fahr-
zeugen und Kriegsrüstung. Von
da nachyoL:>LL.w Stägänkö sind
fünf Meilen. Es ist eine grosse
bevölkerte Stadt an einem be-
deutenden Fluss, der dahin aus
Bergen kommt, die mit dem
Gebirge ^y>. c>>.Ä/> Mont Güi-'^)
zusammenhängen. Sie ist die
1) A t^^Ls, C l^yLs, G3yL5.
*) A ij^y-> , C ij^Aj , G [j^ji .
3) Lies ,y?. o^x/> Mont Gür. Der Name mons Jura ist bei
Idrisi auf die Alpen übertragen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 257
ß
(Idrlsi, Italia 1a, 10—11, 5 (IdrisT, Italia 11^, U— 18
= 81—82 der Übs.) = P- 136 der Übs.
hervoiragenden Leuten , Kauf- letzte der Städte der Venezianer
leuten und Handwerkern ; sie ist und liegt am Ende des Golfes",
wohlbefestigt an einem bedeuten-
den Fluss, der bis dahin aus ge-
ringer Entfernung fliesst, aber
doch bedeutend ist. Aus ihm
beziehen sie ihr Trinkwasser.
Diese Stadt liegt am äussersten
Ende des Golfes der Venezianer
und am Ende des Landes der
Venezianer, und ist der Seehafen
der Länder von Aquileja. Da-
selbst befindet sich eine Flotte,
die zu kriegerischen Zügen aus-
gesandt wird".
In der zweiten Fassung dieses Itinerars fällt zunächst auf,
dass Padua völlig mit Venedig zusammengeworfen ist. Dazu
kommt, dass die Summe der Entfernungen von Comacchio nach
Padua (18 + 25 = 43 Meilen) und nach f^yLs (44 Meilen),
worin die italienischen Übersetzer richtig eine Form des Namens
Venedig (lies S^uXjLs = *Veneto ?) erkannt haben, sich deckt. Bei
näherem Zusehen kann es sodann keinem Zweifel unterliegen, dass
die beiden Stationen ^jaij^ bezw. ^>ijyj oder ^^ (a) und
,^Aj Ji iß) trotz der verschiedenen Distanzen einander ent-
sprechen. Die Form von ß steht augenscheinlich der ursprüng-
lichen am nächsten: die verschiedenen Varianten führen sämtlich
auf ^AÄAjy TarblQl bezw. TarMg Tarvisium, Treviso. Dann
lässt sich aber auch unschwer die Ursache der eingerissenen Ver-
wirrung erkennen. Idrisi hatte zwei parallele, von Comacchio
ausgehende Itinerare vor sich, von denen das eine nach Venedig,
das andere nach Padua und weiter über Treviso nach Grado
führte. Die im gegenwärtigen Text von a hinter t^yLs stehende
Station -^Ljo] entspricht ^Jui^i (^jyci!?), der Zwischenstation
zwischen Comacchio und Padua in ß , mit den Verschiebungen der
Stationen haben aber auch solche der Zahlen stattgefunden. Die
Frage ist bloss noch, ob die Route von Venedig nach Grado gleich-
falls über Treviso führte, oder ob die Strecke Venedig— Treviso
nur als Seitenroute gedacht ist, in welchem Falle die 38 Meilen
bis Grado in a direkt von Venedig aus zu rechnen wären. Letzteres
scheint mir indessen unwahrscheinlich, so dass also die beiden
Fassungen folgendermassen herzustellen sind:
17
Mar quart, Streifzüge.
ogg J. Marquart,
a
'»sl\^i Comiaclum »ÄiL+ä
KJüjL! 18 Meilen g^^/J' 1^
I3J0L5 Venedig (26) Meilen ä^ob Padua 25
43 Meilen
Von xiiJL*ä bis l^JüLs 44 Meilen
oAjy Treviso. . 23 Meilen
ywOiy Gradus . . 38 „ j^M-jOty' Grado . . 30
^jo^j'i Treviso. . 23 Meilen ^Aa-oy Treviso. . 20
Von Comacchio bis Von Comacchio bis
Grado 105 Meilen Grado 93 Meilen
Von Venedig bis Von Padua bis
Grado 61 „ Grado 50
In dem wichtigen und woblbefestigten Seehafen I^tägänkö an
der Grenze des venezianischen Gebietes erkennt Lelewel den
Flecken Staranzano bei Monfalcone, und in dem bedeutenden Flusse
von kurzem Laufe den Timavo , der sich vorher als Reka bei
St. Canzian in den Grotten des Karst verliert und nach etwa
30 km langem unterirdischem Laufe bei St. Giovanni unter einem
Felsen hervorbricht, um sich 1/2 Stunde weiter unten in das Meer zu
ergiessen i). Letztere Vermutung ist in der That sehr einleuchtend,
zumal die Küste hier wirklich, wie Idrisl angibt, die Richtung
ändert und nach (Süd)osten umbiegt. Dagegen kann die Gleichung
jXib>LLiAo! oder ».3CiL>LL^ = Staranzano weder sachlich noch
sprachlich befriedigen, und man wird sich fragen müssen, ob in
jenem Namen nicht vielmehr eine kroatische, halb italianisierte
Form (*Santo Gianco = Sveti Janko) für San Giovanni steckt.
Die Entfernung von Grado (5 Meilen) ist dann freilich zu kurz
und in 15 Meilen zu verbessern, was mit der wirklichen Distanz
zwischen Grado und San Giovanni (25 km in der Luftlinie)
übereinstimmt. Die italienischen Übersetzer sehen in I^tägänko
Triest, wobei aber weder der Name noch der in der Nähe der
Stadt entspringende Fluss und die veränderte Küstenrichtung eine
Erklärung finden. Immerhin wird man zu erwägen haben, ob die
Schilderung, welche Idrisl von Igtägänkö gibt, wirklich auf diesen
Ort ziitrifft und nicht vielmehr auf Triest zu beziehen ist, also
eine ähnliche Verwechselung wie bei Padua.
Idrisi's Itinerare ergeben somit 251 + 105 + 31 = 382 Meilen
von Spalato längs der Küste bis Pirano und 61 Meilen von Venedig
bis Grado, im ganzen also 433 + x Meilen oder 18^2 + ^ Tage-
1) Vgl. darüber Virchow, Verh. der Berl. Anthropol. Ges. 1897,
226 f. (mit Skizze).
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 259
reisen zu 24 Meilen von Spalato bis Venedig, wobei x die aus
IdrTsi nicht ergänzbare Strecke von Pirano über Capo d'Istria,
Muggia, Triest, Nabresina nach Grado bezeichnet, für welche noch
etwa zwei Tage in Anschlag zu bringen sind. Häiüns Angabe
erscheint demnach fast um ein volles Drittel zu hoch.
Bei der Bemerkung, dass man auf diesem Wege Röhrichte
und Wälder zu durchziehen habe, hat ihm wiederum wohl haupt-
sächlich der letzte Abschnitt, die venezianische Tiefebene vor-
geschwebt. (W./.5J^aJ5 könnte nur einen Dativ BsvezLKOig Veneticis
wiedergeben, was aber gegen alle Analogie ist; wahrscheinlich ist
vielmehr ^^a^JOLaJI = tc5v Bsver Ikcov zu lesen, vsde schon der
Herausgeber vorgeschlagen hat. Dahinter ist eine Lücke, in welcher
ausser der vermissten Beschreibung von Venedig die Fortsetzung
des Itinerars nach der langobardischen Haupts+adt, dem glänzen-
den Pavia gestanden haben muss , und auf dieses passt Haruns
Beschreibung ganz vortrefflich. Die beiden Flüsse in der Nähe
der Stadt sind der Ticino und der Po. Härün weiss, dass die
Langobarden nicht die Ureinwohner des Landes, sondern von
jenseits der Berge in die Tiefebene des Po herabgestiegen sind.
Freilich die Schilderung derselben als eines halbnomadischen, auf
primitiver Kulturstufe zurückgebliebenen Volkes nach Art der
Kurden wird man für das ausgehende 9. Jahrhundert unmöglich
als zutreffend gelten lassen können, sie wird sich vielmehr auf
einen um drei Jahrhunderte zurückliegenden Zustand beziehen und
kann vom Berichterstatter nur aus mündlicher oder schriftlicher
Quelle, die er offenbar missverstanden hat, geschöpft sein, nicht
aber auf eigener Beobachtung beruhen. Die Bemerkung , die
Langobarden hätten sich in ihren Ebenen niedergelassen in einer
Entfernung von 20 Schritt, ist unverständlich. Da wir aber be-
reits auf Spuren älterer, wahrscheinlich schriftlicher Quellen Haruns
gestossen sind und noch weiterhin solchen begegnen werden, so
wage ich die Vermutung, dass hier ein altes, wohl durch einen
christlichen Syrer begangenes Missverständnis einer lateinisch ge-
schriebenen Quelle vorliegt, welche aussagte, dass die Langobarden
sich in einer Ausdehnung von 2 0 Grad (gradus) in ihren Ebenen
angesiedelt hatten. Diese gäbe den Flächenraum des von den
Langobarden besetzten Gebietes an und wäre als Produkt der
Breite (5'') und der Länge (4°) aufzufassen. Genauer wäre zu
sagen , dass die grösste Breite des regnum Italiae unter den
Karolingern von Secusia (Susa 7°) bis Istrien (14°), roh gerechnet,
7° betrug, während für die Länge von Trient (46°) bis zur
Südgrenze des ducatus Spoletanus (42°) 4°, unter den langobar-
dischen Königen dagegen mit Einschluss des ducatus Beneventanus
(bis zum 40°) 6° in Anschlag zu bringen sind. Angesichts dieser Ver-
stösse erscheint es zweifelhaft, ob Härön wirklich selbst in Pavia ge-
wesen oder nicht vielmehr direkt von Venedig nach Rom gereist ist.
17-
260 '^' Marquart,
(Beschreibung Roms.)
„Rom ist eine Stadt, deren Regierung ein Fürst leitet, der
Papa {al-bäb) genannt wird. Sie ist 40 X 40 Meilen gross. Zu
ihr läuft ein Fluss vom Westen der Stadt, und durchschneidet
ihre Strassen. Der Grund des Flussbettes ist mit Kupfer belegt,
seine beiden Wände sind ebenfalls mit Kupfer ausgebaut, und 5
über ihn^) sind ehei-ne Brücken geschlagen.
In der Mitte der Stadt ist die grosse Kirche. Sie ist zwei
Farsang lang und an ihr sind 360 Thore. In der Mitte der Kirche
steht ein 100 Ellen hoher Turm, der auf seiner Spitze eine aus
Blei hergestellte Kuppel trägt. Auf der Spitze der Kuppel ist das lO
eherne Bild eines Staars angebracht. In der Jahreszeit, da die
Oliven reifen, kommt der Wind und dringt in den Staar ein und
pfeift, woi'auf sich die Staare jener Stadt versammeln, ein jeder
mit einer Olive im Schnabel, die sie auf jenen Turm werfen.
Jene Oliven werden dann genommen und gepresst und das Öl 15
herausgewonnen, und das reicht ihnen für die Lampen der Kirche
bis zum folgenden Jahr zur selben Zeit.
In der Kirche befindet sich die aus Gold gearbeitete Gruft
zweier von den Aposteln, von denen der eine im östlichen, der
andere im westlichen Teil der Kirche liegt; der Herr des einen 20
(129) Grabes heisst Simon Kephas, der des anderen Paulus (Bälös).
Jedes Jahr am Osterfest der Christen — es ist das ein Donners-
tag ^) — kommt der Fürst, öffnet die Thüre der Gruft, steigt in
dieselbe hinab mit einem Rasiermesser, und rasiert dem Simon
Kopf und Bart und beschneidet ihm die Nägel, worauf er herauf- 25
steigt und jedem Einwohner seines Fürstentums ein Haar verteilt.
Dies ist ihre jährliche Gepflogenheit seit 900 Jahren.
Die Mauern dieser Kirche sind sämtlich mit Gold bedeckt,
und die westlichen Thore aus chinesischer Bronze und die inneren
Thüren, die an ihrer Gebetskirche sind, sind sämtlich mit Gold 30
bedeckt, und der Ort, auf welchem die Priester sitzen, ist ganz
mit Gold bedeckt. In jeder Ecke dieser Kirche steht ein Turm,
und auf jedem Turm ist eine aus Silber hergestellte Kuppel, auf
welcher man die Glocken läutet. In ihr sind 1000 goldene Ven-
tilatoren, ein jeder eine Elle im Geviert, mit Perlen und Rubinen 35
ausgelegt. Sie hat goldene Handgriffe und 600 goldene Kreuze,
deren jedes in der Mitte eine Perle hat und 1000 Mi'&qäl wiegt.
Sie besitzt 12 Kreuze nach der Anzahl der Apostel, an deren jedem
100 Minen Gold sind, und 72 Kreuze nach der Zahl der Apostel-
jünger, an deren jedem 500 Mi'&qäl Gold sind. Es befinden sich 40
in ihr 1200 goldene Kelche, in welche der Wein zum Opfer
^) Lies xaJLc statt L.g-ijA.c.
") Gründonnerstag.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 261
gethan wird, sämtlich ausgelegt mit Edelsteinen. Der Raum des
Hochaltars ist 24 Ellen lang und 12 Ellen breit gemacht.
Man zählt in ihr an Diakonen und Presbytern 3200 Seelen,
sämtlich in Gewändern von weissem Brokat, wovon der Preis
5 eines jeden 100—150 Dinare beträgt, sowie in mit Gold und
Perlen durchwirkten Überwürfen (DaLmatiken). An Tempeldienern,
die das Anzünden der Kandelaber besorgen, hat sie 600.
Westlich von dieser Stadt ist das Grosse Meer, und rings
um die Stadt sind die Gärten und Ölbäume. Gegen ihre Ein-
10 wohner unternehmen die Berbern von Andalus und Tähert aus
zur See Raubzüge, vom Lande des IdrTs b. Idris und von Ober-
Tähert.
Die Einwohner von Rom, Hoch und Nieder, rasieren ihre
sämtlichen Barthaare, ohne ein einziges Haar davon an ihrem Kinn
15 stehen zu lassen, und rasieren auch die Mitte ihres Schädels i).^ Ich
frug sie nun nach der Ursache, weshalb sie ihre Barte rasieren,
(130) und sagte zu ihnen: Der Schmuck der Männer liegt doch
in den Barten ; was ist nun eure Absicht bei dem was ihr da an
euch macht? Da sagten sie: Jeder der seinen Bart nicht rasiert,
20 ist kein echter Christ, und zwar deshalb, weil Simon Kephas und
die Apostel zu uns gekommen sind ohne Stab noch Ranzen 2); sie
waren vielmehr arm und schwach, während wir damals Fürsten
waren in Brokat gekleidet und auf goldenen Sesseln sitzend, in-
dem sie uns zur Religion des Christentums aufforderten. Wir
25 nahmen es aber nicht an, ergriffen und folterten sie und rasierten
ihnen Köpfe und Barte. Als uns nun die Wahrheit ihrer Predigt
offenbar wurde, begannen wir unsere Barte zu rasieren als Sühne
für das Verbrechen, das wir durch Rasieren ihrer Barte be-
gangen hatten".
Dass Rom 40 Meilen im Umfang habe, wird auch von Ibn
al Faqih im Namen des al Walid b. Muslim ad Dimasqi (f 194
oder 195 H.) erzählt 3). Diese Angabe findet sich schon in einer
Beschreibung Roms in der sog. Kirchengeschichte des Zacharias
Rhetor*). In einer altern Beschreibung Roms, auf welche die
Nachrichten mehrerer arabischer Geographen über Rom grössten-
teils zurückgehen und die sich am vollständigsten bei Ibn al Faqih
wiedergegeben findet, wo sie auf einen Mönch — nach den Namens-
1) Diese Anekdote hat auch Qazwini II i^'i'i , 25—29 übernommen.
2) Matth. 10, 10. (Mark. 6, 8. Luk. 10, 4).
3) Bei Jäq. II aIa, 9. Qazwini II Mv, 8.
*) Vgl. Ign. Guidi, II teste siriaco della descrizione di Roma
nella storia attributa a Zaccaria Retore. Bulletino della Commissione
archeologica di Roma fasc. IV, 1884, p. 223, 6. 225. 234. 1891 p. 61 S,
Diese Beschreibung ist auch von Michael dem Grossen aufgenommen
worden •, vgl. Chronique de Michel le Syrien ed. et trad. par J. B. Chabot
p. 49 = 81/82.
262 J- Marquart,
formen Mär Petros und Mär Paulos^) zu schliessen kann es sich
nur um einen Syrer handeln — zurückgeführt wird, der sich ein
Jahr lang daselbst aufgehalten hatte 2), wird der Umfang der Stadt
gar auf 28 X 23 Meilen berechnet 3). Bei Ibn Chordädbih und
Ibn Rusta, welche im wesentlichen denselben Text, nui* stark ver-
kürzt, wiedergeben , heisst es , dass die Länge (der Durchmesser)
der Stadt vom Ost- zum Westthore 28 Meilen betrage*); dagegen
beläuft sich nach Zacharias Ehetor die Ausdehnung des Innern
der Stadt von Ost nach West und von Nord nach Süd auf je
12 m. p. ^). Idrisi, der im übrigen mit Ibn Chordäöbih überein-
stimmt, gibt den Umfang der Stadt auf nur neun Meilen an^),
dagegen führt Abü'lfidä, Geogr. p. Hv = II 1 p. 310 aus Idrisi
an, dass die Mauern Roms 24 Meilen im Umfang hätten.
Die Behauptung, dass der Tiber mit Kupferplatten gej^flastert
bezw. überbrückt gewesen sei , stammt gleichfalls aus der er-
wähnten Beschreibung Roms und ist von da in eine ganze Anzahl
arabischer Schriftsteller übergegangen. Bei Ihn al Faqih u. a.
finden wir aber noch zwei verschiedene Versionen tmverbunden
neben einander, die uns die Entwicklung der Sage einigermassen
zu verfolgen gestatten. In der ersten xmd augenscheinlich altern
Version ist nur von einer Überdeckung des Plusses die Rede.
„Zwischen den beiden Ringmauern, heisst es bei Ibn al Faqlh,
läuft ein Fluss *namens i^Ua^L-^ö '') , mit süssem Wasser, der in
der ganzen Stadt henamläuft und in ihre Häuser eintritt, gedeckt
mit Erzplatten von je 46 Ellen Länge®). *Die Anzahl der
1) Jäq. II Ali, 11. Qazw. 11 Hv, 28.
") Nach dem vollständigen Texte des Ibn al Faqih bei Jäq. II
^1^, 4 — AvC, 3. QazwTni ed. Wüstenfeld II Hv, 15— Hl, IO5 in
der verkürzten Bearbeitung Bibl. Geogr. Arab. V p. ifl, 21 — h\, 1
ed. de Goeje. — Die italienischen Übersetzer IdrTsi's verweisen
(p. 88 N. 1) bezüglich der arabischen Beschreibungen Roms auf eine
Arbeit von Ign. Guidi, La descrizione di Roma nei geografi arabi
im Archivio della Societa romana di storia patria vol. I 173 — 218, die
mir leider nicht zugänglich war, sowie auf Arturio Graf, Roma
nella memoria e nelle imaginazioni del medio evo. Torino 1882. vol. I
147 — 150, wo sich aber nur ein allzu kurzes Resume der Abhandlung
Guidi's findet.
») Jäq. II aIa, 16—17. Bibl. Geogr. Arab. V tfl, 21— lo., 2.
*) Ibn Chord. Iir, 18— llf, 1. Ibn Rusta tr., 18—19.
*) Vgl. Ign. Guidi 1. 1. p. 284, der noch auf de Rossi, Piante
icnografiche e prospettiche di Roma p. 68 f. verweist.
«) Idrisi, Italia vt^, 6 = 87 der Übs. = II 251 Jaubert.
') So Ibn Rusta; Ibn Chord. cod. A jjmJLLxIxwJj ; Ibn al Faq.
cod. B fjt»yi\Ja/f]ajM^ , I (j^»JLLiÄli.vwJs , S fj^y^ili^lzM^ .
^) QazwInI II f"1v, 17 if.: „dessen Wasser in der ganzen Stadt
herumläuft; es ist süsses Wasser, das um ihre Häuser herumläuft und
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 263
Platten beträgt 240 000, eine jede aus Kupfer, und das Lot des
Flusses 93 Ellen bei einer Breite von 43 Ellen i). So oft nun
ein Feind Absichten gegen sie hat oder ein Unglück sie befällt,
werden jene Platten weggehoben, so dass zwischen den beiden
Mauern ein Graben-) entsteht, dem man nicht beikommen kann" 3).
de Goeje hält den Namen des Flusses für verschrieben aus
^^:^Ja.v.^ Fistllätus und erklärt dies durch lat. fistulatus „mit
„Röhren versehen*. Allein diese Erklärung passt sachlich nicht,
da es sich um Kupfei-platten, nicht um Eöhren einer Kloake oder
Wasserleitung handelt. Ausserdem kennt jene Beschreibung aber
noch einen Kanal, der von Ost nach West*) den Arkaden des
Grossen Marktes entlang lief, mit dem Meere in Verbindung stand
und für Handelsschiffe zugänglich war. Derselbe war mit Messing
ausgelegt, damit, wie Idrisi sagt, kein Schiff dort Anker werfen
könnet). Nach Ihn Sa'Id war Eom an den beiden Ufern des
Kupferflusses {Ji^S jS) erbaut, der auf dem Grunde und an
den Rändern mit Kupfer bedeckt war, um die Erdbeben zu ver-
hindern 6). Auch Joseph ben Gorion erzählt, dass die Römer aus
Furcht vor den Angriffen der Chaldäer den Tiber auf eine Länge
von 18 Meilen mit Kupferplatten pflastera Hessen '), und ein spa-
nischer Dichter berichtet, dass Virgil den Tiber mit Kupferplatten
belegte»). Bei Ihn Rusta sind aber diese beiden Versionen, von
denen die zweite nur eine Vergröberung der ersten ist und des-
halb den Sieg davon trug, bereits verbunden.
Haruns Beschreibung der Peterskirche weicht von denen des
Ihn al Faqih und Ibn Chordädbih völlig ab. Bei jenem betragen
die Masse derselben: 1000 Ellen Länge, 500 Ellen Breite, 200 Ellen
in sie eintritt. Über den Fluss führt eine Brücke aus Erzplatten, von
denen jede 46 Ellen misst^ Die Anzahl der Platten ist ausgelassen.
1) Ibn Eusta: „Die Anzahl der daran befindlichen Platten beträgt
42 000, und die Tiefe des Flusses 92 Ellen bei einer Breite von 46 Ellen".
Anstatt 240 000, wie man bei Jsqüt liest, hat der Auszug des Ibn al
Faqih gar 140 Millionen.
2) Jäqüt und QazwTni: „ein Strom" {y^)-
3) Jäq. II aIa, 23— All, 4. Qazwini II Hv, 17-21. Bibl. Geogr. V
io., 5—10. Vgl. Ibn Chord. l!f, 3—5. Ibn Rusta \r,, 21— ri, 3.
Idrisi 1. 1.
*) Ibn Rusta hat richtiger: von West nach Ost.
5) Ibn al Faqih bei Jäq. D a11, 7—10. Qazwini II Hv, 24—27.
Ibn Chord. t!f , 9—12 = 87 der Übs. Ibn Rusta n, 6—10. Idrisi,
ItaUa vr, 13— vf, 1 = 87 der Übs. = II 251 Jaubert.
6) Abü'lfidä, Geogr. p. Hv des Textes, II 1 p. 310 und N. 3 d. Übs.
') A. Graf 1 1. I 147 N. 85. Vgl. die arabische Übersetzung bei
J. Wellhausen, Der arabische Josippus S. 7. Abb. der Gott. Ges. d.
Wiss. N. F. Bd. I Nr. 4, 1897.
8) A. Graf 1.1. U 571.
2QA J. Marquart,
Höhe; bei Ibn Chordädbih bezw. 300, 200 und 80 Ellen ^). Da-
gegen gibt Ibn al Faqib die Grösse der „Völker- oder Sions-
kirche" neben dem Königsschloss auf 1 D Farsang an. „Der Altar,
auf welchem das Messopfer gefeiert wird, ist aus grünem Smaragd;
er ist 20 Ellen lang und 10-) Ellen breit und wird von 20"^)
goldenen, je drei Ellen hohen Statuen getragen, deren Augen
durch rote Rubinen gebildet werden"*). Gemeint ist die Basilika
im Lateran, „die Schatzkammer der Reliquien, das Abbild Jeru-
salems, das römische Zion, Haupt- und Mutterkirche der Christen-
heit, dem Heiland selbst geweiht, und durch die Erinnerung an
Constantin ausgezeichnet" 5). Dass Harun eigentlich diese Kirche
meint und die Peterskirche mit der Lateranbasilika verwechselt
hat, kann in der That nicht bezweifelt werden und geht schon
daraus hervor, dass er sie in die Mitte der Stadt verlegt. Auch
die Grösse des Hochaltars stimmt mit der bei Ibn al Faqih überein.
Von S. Giovanni nebst dem zugehörigen Palaste gibt Ibn al Faqih ^)
eine zweite Beschreibung unter dem Namen der „königlichen Kirche".
In dieser wird der Reichtum der Kirche noch viel übertriebener
dargestellt als bei Härün. „In der Stadt ist die Kirche des Königs,
wo seine Schätze sind, unter welchen sich die goldenen und sil-
bernen Gefässe befinden die für den Altar bestimmt sind, und
worunter 10 000 goldene Krüge sind, die al mizän heissen, und
10 000 goldene Speisetische, 10 000 Kelche, 10 000 goldene Venti-
latoren und 700 Leuchter, die um den Altar in Thätigkeit gesetzt
werden, sämtlich aus Gold ; daselbst sind 30 000 goldene Kreuze, die
am Palmsonntag herausgebracht werden, und unzählige eiserne^und
kupferne, gravierte und vergoldete Kreuze, und 20 000 maqtürljas'^).
Daselbst befinden sich 1000 goldene Rauchfässer, mit denen sie
vor dem Sakrament herschreiten, und 10 000 Gold- und Silber-
Handschriften. Die Kirche allein besitzt 7000 Bäder, abgesehen
von den andern Instituten". Rings um die Kirche liefen zwei
steinerne Mauern mit einer Länge von einem Farsang und einer
Höhe von je 120 Ellen (Jäq. II avI, 15—16).
1) Ibn al Faq. bei Jäq. II aII, 12. Qazw. II Hv, 29/30. Ibn
Chord. Itö, 4—5 A (B und C 200 Ellen Höhe). IdrTsi stimmt mit
Ibn Chordädbih überein, nur hat er die Höhe auf 100 Ellen aufgerundet.
2) Ibn Chord.: 6.
3) Ibn Chord.: 12.
*) Ibn al Faq. bei Jäq. II av., 3—5. QazwTni II Ha, 12. Bei
Ibn Chord. Ho, 8—9 ist die Länge dieser Kirche auf eine Meile er-
mässigt.
5) Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im MA. III 270.
6) Bei Jäq. II AV., 22— AvI, 7. QazwInT II Ha, 22—1^11, 1.
') In Kj.^Lü* muss der lateinische oder griechische Name eines
Kirchengeräts stecken.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 265
Die Fabel von dem wunderbaren Staar hat auch Ibn al Faqih,
wie sie sich selbstverständlich auch Mas'üdi nicht hat entgehen
lassen *). Bei Ibn al Faqih erscheint sie aber in doppelter Fassung :
nach der einen war es ein goldener Staar, der auf einer 50 Ellen
hohen , aus einem Stück gegossenen ehernen Säule stand, auf der
Brust einen Talisman eingraviert zeigte und im Schnabel und jeder
seiner Klauen eine Olive hielt, nach der andern stand der Staar auf
einem ehernen Baume und trug eine Olive im Schnabel. Die letztere
Version stammt aus einer dem 'Abdallah b. 'Amr b. al 'Ä^i'^) zu-
geschriebenen Aufzählung der vier Weltwunder, die sich vollständig
bei Ibn Chord. \\ö, 17 — i(1, 11 = 88 der Übs., Ibn Rusta va, 15—
vi, 5 und Ibn al Faq. vt*, 8 — 19 mitgeteilt findet^), die erste da-
gegen gehört, wie es scheint, zu der erwähnten, von einem in Rom
gewesenen Mönche herrührenden Beschreibung Roms. Hier erscheint
die Geschichte eng verknüpft mit der schon im 8. Jahrhundert
nachweisbaren Sage von der Salvatio Romae , die hier in dem
„Palatium, der Residenz des Königs" lokalisiert ist*). Ibn al Faqih
bezw. seine Quelle denkt sich diesen , Palast" allerdings in engster
Verbindung mit der „Kirche des Königs", d. h. der Lateranbasilika,
von welcher er unmittelbar vorher gesprochen hat. Er kann daher
nur das Patriarchium , die Residenz des Papstes im Lateran , im
Auge gehabt haben ^). Vor der Kirche war ein 5X5 Meilen
messender Platz , der campus Lateranensis , in dessen Mitte die
eherne Säule mit dem Staar stand. Allein die ältere Sage, wie sie
sich schon beim hl. Kosmas von Jerusalem im 8. Jahrhundert^)
und in der dem Beda zugeschriebenen Schrift De Septem miraculis
mundi findet^), verlegte die Salvatio Romae auf das Kapitol, das
im Mittelalter als eines der sieben Weltwunder, als Mittelpunkt
der Welt und als Sitz der Konsuln und Senatoren aralt, und ohne
1) Jäq. II AvS, 18— Avi, 9. Qazwlni II '^11, 1—16. Ibn Chaldün,
Prolögom^nes trad. M. G. de Slane. Notices et extraits des manuscrits
t. XIX, 1 (1862), p. 75.
2) Die Angaben über sein Todesjahr schwanken zwischen 63, 65,
68 und 73 H.
") Diese Aufzählung war in fast alle Werke übergegangen, die
sich mit nccgäöo^cc befassten, wie Ibn al Faqih ausdrücklich bezeugt
(Jcäq. II Avf, 3—4. Qazw. II Hl, 10—12): „Diese Geschichte (von dem
Staar) ist sehr berühmt; selten habe ich ein Buch gesehen, in welchem
die Wunder der Länder erzählt waren, das sie nicht berichtet hätte".
Darauf folgt dann die Version des Abdallah b. 'Amr.
*) Jäq. II Av5, 11—15. Qazw. II Ha, 27— Hl, 1. Die Angabe
der Ortlichkeit ist bei QazwTnl ausgelassen.
^) Vgl. A. Graf, Roma nella memoria e nelle imaginazioni del
medio evo. I 195.
^) Im Kommentar zum 101. Gedicht des Gregor von Nazianz bei
Mai, Spicilegium Romanum II 2, 221. Graf 1. 1. 189 N. 12.
') Graf 1. 1. p. 189 s. 112 N. 10. Gregorovius, Geschichte der
Stadt Rom im Mittelalter III 551 A 1.
266 J. Marquart,
Zweifel hat dasselbe die Veranlassung zur Ausbildung der Sage
gegeben*). Unter dem „Palatium" haben wir also im Sinne der
ursprünglichen Sage das Kapitol zu verstehen. Allein auch die
Geschichte vom ehernen Staar mit der Olive im Schnabel gehört
ursprünglich auf das Kapitol. In der ersten Version Ibn al
Faqih's erscheint sie freilich mit dem Lateran verknüpft, und bei
Härün b. Jahjä ist sie vollends auf die spätere päpstliche Residenz
St. Peter übertragen'^). Allein in der älteren Fassung des Abdallah
b. 'Amr b. al 'Äcji findet sich von dieser Lokalisierung noch keine
Spur, die Geschichte wird vielmehr ganz allgemein ins ,Land
Rom" verlegt, die Anekdote selbst aber lässt sich nur verstehen
als ein von einem Cicerone zur Erklärung der volkstümlichen
Form Campidoglio, Campo d'oglio'^) „Ölfeld" herausgesponnenes
Märchen. Dass dasselbe sich in der That ursprünglich ans Kapitol
knüpfte, lässt sich auch daraus entnehmen, dass es sich zuerst in
einer Aufzählung der Weltwunder findet. Zu diesen wird aber
im Mittelalter regelmässig das Kapitol gerechnet*).
Aus dieser Erörterung geht hervor, dass ein Teil der sagen-
haften Nachrichten Haruns über Rom aus mündlichen oder schrift-
lichen Erzählungen stammen muss, die ihm in Palaestina zu-
gekommen waren und unmöglich an Ort und Stelle von ihm selbst
erkundet sein können. Den gröbsten Aberglauben verraten aber die
Anekdoten, die er selbst in Rom gehört haben will. Dies stimmt
völlig zu der Zeit, in welcher Harun die Hauptstadt der abend-
ländischen Christenheit besuchte. Von der Unwissenheit, der tiefen
Finsternis und Unkultur und dem düsteren Aberglauben, welche in
Rom in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts herrschten und
gegen Ende desselben in erschreckendem Masse zunahmen, kann
man sich nur schwer einen Begriff machen 5). Doch wird dies
niemanden sonderlich befremden, der bedenkt, dass wir uns hier
am Sitze des scheusslichsten Volkes und der widerlichsten Religion
des Altertums befinden , wo einst etruskische Eingeweideschau
Hand in Hand mit der virtuosesten Heuchelei, welche die Ge-
schichte gesehen, ihre Orgien gefeiert hatte. Die sich selbst über-
lassenen Römer waren nur wieder in ihre alten Instinkte zurück-
gefallen.
Dass aber diese tonsurierten haruspices den andern Völkern
und zumal dem deutschen Michel gegenüber mit Erfolg den an-
massenden Anspruch durchsetzen konnten, die allein wahren Chiisten
zu sein, wird für letztere ewig ein Armutszeugnis bleiben, ist aber
1) Graf 1. 1. p. 182—206. Gregorovius a. a. 0. 550 f
2) Der Turm am St. Peter wurde von Leo III. hergestellt. Gre-
gorovius a. a. 0. 29.
^) Letztere Form bei Armannino Giudice. Graf 1. 1. p. 186 N. 5.
*) Gregorovius, Gesch. der Stadt Rom im M.A. III 551 A. 1.
Graf 1.1. I 111 s.
°) Vgl. Gregorovius a. a. O. III 154—164. 525—537.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 267
geeignet , uns manche befremdlichen Erscheinungen unserer Zeit
verständlicher zu machen. Die Peterskirche , schon damals die
glänzendste im christlichen Abendlande ^), hatte sich augenschein-
lich von der Plünderung durch die Sarazenen im August 846"-^)
längst wieder erholt; bereits Leo IV. (847 — 855) hatte die ge-
raubten Kleinodien aus dem Kirchenschatze wieder hergestellt'^),
nicht zum wenigsten trug aber zum Reichtum der Kirche der
grosse Zudrang nordischer Pilger zu den Gräbern der Apostel-
fürsten bei, die natürlich nicht mit leeren Händen kommen durften.
Dass aber die allzeit hungrige römische Klerisei mit dem „Statt-
halter Christi" an der Spitze damals ihr Geschäft schon ebensogut
verstand als heutzutage, beweist der schwunghafte Reliquienhandel,
welchen sie mit den leichtgläubigen Barbaren jenseits der Alpen
unterhielt*). Aber auch die fränkischen Könige, die sich dui'ch
alle Erfahrungen ungewitzigt wie die Fliegen zur Lampe immer
wieder zur verderbenbringenden römischen Kaiserkrone herzu-
drängten, mussten dem hl. Petrus selbst das wenig beneidenswerte
Recht, seinen Nachfolger gegen Sarazenen und , schlechte Christen"
zu beschirmen, gar teuer bezahlen. Speziell von Karl dem Kahlen
wird berichtet , mit welch verschwenderischer Freigebigkeit er
„aus den Schätzen, die er teils in seinem Reiche aufgehäuft, teils
aus dem kaiserlichen Nachlasse sich unterwegs angeeignet, Ge-
schenke an den hl. Petrus und seinen Nachfolger, an den römischen
Adel und die Geistlichkeit spendete , so dass die Sage ging , er
habe die Kaiserkrone um Gold gekauft"^).
^) Bernardi itinerarium c. 20 p. 97 ed. Tobler: b. Petri principis
apostolorum est ecclesia, ubi ipse requiescit, cui in magnitudine non est
similis ecclesia in universa terra, quae continet etiam ornamenta diversa.
2) Vgl. Dümmler a. a. O.2 I 303 — 307. Gregorovius III
97—107.
^) Gregorovius S. 118 f.
*) Vgl. Dümmler^ III 5 ff. Gregorovius III 79—89. Ich
kann es mir nicht versagen, hierzu die charakteristischen Äusserungen
von F. X. Kraus in der Beilage zur AUgem. Zeitung vom 2. August
1901 Nr. 175 S. 2 anzuführen:
„Den Italienern geht die nebelhafte Vorstellung nicht aus dem
Kopfe , als ob in dem heutigen Land und Volk der Halbinsel noch
etwas von dem antiken Rom fortlebe, und auch der Gioberti von 1851
ist noch ganz erfüllt von Erinnerungen an die päpstliche Weltherrschaft,
wie denn heute noch in Rom jeder Römer, mag er sein
Geschäft als Orefice in der Villa Condotti oder als vio-
letter Schreiber in der Datarie betreiben, fest davon
überzeugt ist: die übrige Christenheit sei nur dazu da,
um ihr Geld nach Rom zu bringen. Es ist nicht wahr-
scheinlich, dass diese Art von christlichem Cäsarianismus
diesseits der Alpen von der kalten und herzlosen Welt
der Germanen jemals so recht schmackhaft gefunden
werde ".
5) Dümmler a. a. 0.^ 11,398.
268 J. Marquart,
Dass die sonderbare Ceremonie, welche der Papst alljährlich
am Gründonnerstag am Leichnam des Petrus vornehmen soll, seit
900 Jahren geübt werde, kann Härün unmöglich gesagt haben.
Will man nicht zugeben, dass 900 ein Fehler für 800 sei (oben
S. 29 Anm. 2) , so wird man sich zu der Annahme bequemen
müssen, dass Ibn Rusta das von Härün angegebene Datum auf
seine Zeit gestellt und in 900 verändert hat.
Die Dynastie der Idrisiden war von Idris b. 'Abdallah b.
Hasan b. Hasan b. 'Ali b. Abu Tälib gegründet worden, einem den
'abbäsidischen Henkern entflohenen Aliden, der sich im J. 172 H.
(788) in WalTli (Volubilis) bei Fäs unter den Berbern festgesetzt
hatte und im Jahre 177 H. (793) ermordet wurde, sie wird aber
gewöhnlich nach seinem Sohne Idris b. Idi'Ts benannt, der im
Jahre 192 (808) Fäs gründete und bis 213 (828) regierte. Tähert
war seit 144 H. (761) der Sitz der Banü Rustam. Schon unter
Idris b. Idris begannen die Pii'aterien der Idrisiden und der spa-
nischen Sarazenen gegen Sardinien und Sizilien und seit 190 (806)
auch gegen Korsika. Im Jahre 197 (812/13) plünderten sie
nicht bloss Korsika, sondern sogar Nizza und Civitavecchia und
die kleinen Inseln bis Ischia. Von dem Angriffe auf Rom und
der Plünderung der Peterskirche im Jahre 846 ist schon die Rede
crewesen. Auch nach der Wiedereroberung von Bari durch Kaiser
Ludwig II. (871) hörten die Raubzüge der Muslime in Unter-
italien keineswegs auf, vielmehr begannen dieselben nach der Auf-
hebung der Belagei'ung von Tarent auch für Rom erst recht furcht-
bar zu werden, und während der ganzen Regierung Johannes VIII.
(872 — 882) kamen die Hilferufe des Nachfolgers Petri wider die
Bedrängnisse der Kirche durch die Heiden nicht zum Schweigen'^).
Im Jahre 876 begannen die Sarazenen plündernd die Campagna
rings um Rom zu durchstreifen, indem sie „wie Heuschrecken"
den Erdboden bedeckten und verwüsteten. Im Anfange des Jahres
877 „haben sie nach dem Berichte des Papstes schon den Teverone
überschritten und streifen bis in die Sabina und bis vor die Mauern
Roms. Sie schonen weder Kirche noch Altar, weder Priester noch
Nonne; verödet stehen rings die Städte und Dörfer, und alles
Volk, welches dem Schwerte oder der Gefangenschaft entronnen,
strömt in Rom zusammen, um dort den bittersten Mangel zu
leiden". Im folgenden Jahre musste sich der stolze Papst, von
allen Seiten im Stiche gelassen, sogar dazu erniedrigen, den Un-
gläubigen einen jährlichen Tribut von 25 000 Goldsolidi zu zahlen.
Darauf knüpfte Johann Verbindungen mit dem romäischen Kaiser
Basileios an, und in der That sandte ihm dieser (880) Schiffe zur
Verteidigung des Gebietes des hl. Petrus, welche die Sarazenen
von Neapel in einem Seetreffen vollständig besiegten. Im Jahre
882 wurden sie endlich von ihrem bisherigen Bundesgenossen,
1) Dümmler a. a. 0. II 399 f. III 23 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 269
dem Bischof Athanasius von Neapel, im Bunde mit dem Herzoge
Waimar von Salemo und den Kapuanern aus der Umgegend von
Neapel vertrieben, allein nur um sich jetzt auf einer Anhöhe am
Garigliano festzusetzen, wo sie eine -wohlbefestigte Burg anlegten,
von der aus sie dank der Uneinigkeit der christlichen Fürsten
über 30 Jahre lang der Schrecken des ganzen unteren und mittleren
Italiens blieben. Zwar erstürmte Herzog Wido von Spoleto im
Jahre 885 ihre Festung und trieb sie in die Wälder zurück, alleiu
dies war nur ein vorübei-gehender Erfolg, und erst dem Mark-
grafen Alberich von Spoleto gelang es im Jahre 916, nachdem er
sie in mehreren Treffen aus ihren Niederlassungen zu Ciciliano,
Narni und Orta in der Sabina vertrieben, im Bunde mit dem
Papste Johann X., dem Fürsten Landolf von Benevent und Kapua,
dem Herzog Waimar von Salerno und einem romäischen Hilfs-
korps unter dem Patrikios Nikolaus Picingli sie nach heissem
Kampfe in ihrem Raubnest einzuschliessen und dies nach drei-
monatlicher Belagerung zu nehmen^).
„Von dieser Stadt schifft man sich ein und reist drei Monate,
bis man ins Land des Königs von Burgän (Burgund) gelangt.
Von da reist man durch Gebirge und Pässe einen Monat, bis man
ins Land Francia (jC^yl) kommt. Von hier reist man vier Monate,
bis man zur Hauptstadt von Bartlnija (Brittania) kommt; es ist
dies eine grosse Stadt am Gestade des Westmeers, und es üben
über sie sieben Könige die Herrschaft aus. Am Thore ihrer
Hauptstadt ist eine Bildsäule; wenn der Fremde sie zu betreten
wünscht, schläft er ein und vermag sie nicht zu betreten, bis die
Einwohner der Stadt ihn ergreifen und sich um seinen Zweck
und seine Absicht bei der Betretung der Stadt erkundigen. Sie
sind Christenleute, und sie sind die letzten des Römerlandes,
und hinter ihnen gibt es kein bewohntes Land".
Über Rom ist der Berichterstatter nicht hinausgekommen,
seine weiteren Angaben beruhen vielmehr augenscheinlich nur auf
Hörensagen, wie schon die unverhältnismässigen Entfernungen be-
weisen. Der Name .,L>.j Burgän, der in der älteren Litteratur
die heidnischen Donau-Bulgaren bezeichnet, findet sich bei Mas'üdT
häufig für Burgund gebraucht, und zwar für das Königreich
Burgundia Cisjurana oder Arelate. Boso , der Schwager Karls
des Kahlen, der im Jahre 870 zum Grafen von Vienne, im Jahre
876 zum Herzog von Langobardien erhoben worden war-), Hess
sich am 15. Oktober 879 zum König von Burgund wählen und
wurde einige Tage später gekrönt-'). Nach seinem Tode (887)
1) Eb. III 29. 40. 72. 77. 172—175. 182. 188 f. 251. 603 f.
2) Dümmler, Gesch. des Ostränk. Reiches ^ II 311. 403.
3) Dümmler, Gesch. des Ostfränk. Reiches 2 UI 122—128.
27 0 '^- Marquart,
welang es seiner Gemahlin Irmingard zunächst nicht, die An-
erkennung ihres unmündigen Sohnes Ludwig durchzusetzen; erst
im Jahi-e 890 ward derselbe gekrönt, am 12. Oktober 900 ge-
gewann er auch zu Pavia die eiserne und im Februar 901 die
Kaiserkrone, ward aber im Jahre 905 zu Verona vom König
Berengar überrumpelt und geblendet. Leider lässt sich nicht er-
kennen, wer zur Zeit Härüns im Westfrankenreiche gebot. Viel-
leicht darf man aber vermuten, dass damals Karl der Dicke die
drei Kronen der Ostfranken , Langobarden und Westfranken auf
kurze Zeit nochmals vereinigt hatte (885 — 888). Die Bemerkung,
dass Britannien von sieben Königen regiert werde, kann nur aus
einer älteren schriftlichen Quelle geschöpft sein, da die angel-
sächsische Heptarchie schon im J. 827 durch den westsächsischen
König Ecgbert beseitigt worden war. Aus derselben Quelle werden
dann auch die oben hervorgehobenen auffälligen Nachrichten über
die Langobarden stammen.
Exkurs I.
Zur Bekehrungsgeschichte der Chazaren (S. 5 — 27).
Für den genauen Zeitpunkt der Bekehrung der Chazaren zum
Judentum wäre eine Notiz bei Ibn al Faqlh von Wichtigkeit, wenn
ihre Quelle sich mit Sicherheit feststellen Hesse: „Ausserhalb des
Thores (Darband) ist der König von Sür und der Lakz, der König
der Alanen, der König von ..^xs- Greläni), ^gj. König von al Masqat,
der Herr des Thrones , und die Stadt Samandar. Von Gurgän
nach Chamllch-) der Chazaren hat man bei günstigem Winde
acht Tage. Die Chazaren sind alle Juden, und zwar
haben sie erst seit kurzem das Judentum angenommen"^).
Das Nämliche liest man auch bei Ibn ChordätJbih, aber in anderer
Eeihenfolge und ohne den uns hier interessierenden Schlusssatz*),
und zwar nur in cod. A, der nach den Ausführungen des Heraus-
gebers auf die zweite, nicht vor 272 H. (885/86) erschienene
Ausgabe des Werkes zui-ückgeht. Wir dürfen also in jener Be-
merkung über die Chazaren wohl einen Zusatz des Gaihäni er-
blicken.
^) Nicht das bekannte Gelän am Südufer des Kaspischen Meeres,
sondern das sonst ,.i^xi genannte Ländchen an der grossen kauka-
sischen Mauer, gewöhnlich in ,.»t^AS verdorben. Näheres darüber so-
wie über die folgenden Namen in meiner Historischeu Ethnograi^hie
des Daghestan.
^) So lies mit Ibn Chord. ; die Hss. ^sAs>.
8) Ibn al Faq. flv, 17— Ma, 3.
*) Ibn Chord. \Yf, 14/15. 9—11.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 271
Mein Freund Dr. van Vloten hatte die Güte mich auf
eine merkwürdige Stelle des Gähic aufmerksam zu machen, die
geeignet ist auf die eigentümlich schwankende religiöse Stellung
der Chazaren in den beiden ersten Dritteln des 9. Jahrhunderts
etwas Licht zu werfen. Seiner Gefälligkeit verdanke ich eine Ab-
schrift der fraglichen Stelle, die auf seine Bitte Herr Dr. Paul
Brönnle in London für mich anfertigte. Beiden Herren fühle ich
mich gedrungen auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus-
zusprechen.
Or. 3135, fol. 140^—142^: ±xs>l^ ^yai oljU^ ^lüS^
i)^Ls J^l ^ ^^xc ^^ ^5 ^L^ ULs »J^ J^s [fol. 140 b]
^>J1^ jj^^ L\>L^i! ^J^^3 u^^-ti ^^<^^-> ^4^j*J ^ ^_yt^^
5 J^j^\ j f^i^ C^^1^3 (*^jl.^t O^^ ^^^L^A ^\y>- j 6y^ii
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^ , '=^ v';l ^ ^xiJb^ ^Ä:^L^'! Jcs ^! ^*j;>l;^ L.g.bLäJ! [fol. 141 a]
is^^u>Jü 'L^l OL^,Li> cU*«'bi! cij^ Lö=^S>Lb ^^A«.=> ^iJ l5Lj-^»^5
pUs»Lj *.5Ü ^ftj Oj-^aJ t ci*.JL^ j-J (j-)! l5j"*^-5 l5j*"^^ Ä.AXAV (ji;.ÄftIl
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1) Hs. ^\. 2) Addidi.
'') So vermutet de Goeje; Hs. »LÜjÜj.
*) Hs. sUxJi. <*) Hs. L^ji-.
«) Hs. ^^c^j. ')Hs.^^A>^3.
8) Hs. ^^iX^.5r..
272 J- Marquart,
^^Lf' (AÜj^ L«^j>y) ^yis^»^ Läa^L« ^)LäjjJ r)^3 V-^ "^^|t^3 ciAJ»
„ .3> xJl^ xjL^! iji5>-SÄ5'^ ^j5«.>.^ u^5>Lo_5 ti5»-fw i^La'*^ ij5üo J^xä
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s^^*äJLj *)»i-X»g-Ji io! ^*> (j^^-^ *.ÄxiLil J^aj lX*äI! [fol. 141b]
y5^cX.J -ÄJ^Li ^^Läs K^Lil slX^^i ».A^==- Ä-Jij^ ÄJLaJl ^s^aJI -^As
^i:>-j j^^Sj» ^jlj' UÜ3 Jas Läax ^)i^. ^' ^J^ >^^ i-^ j4^*v! 10
Lg-Jl J^i>uX.5 14-^^3 ;^y^J* (5^ '^'-^ ^^ j-^ Ksytl! *J^^' J«äxj!
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tj^j^If .^>JL^=y_5 ^U:^^l3 ^LaJ/^! ''^)^Jli^» '')l^j^ ^')J^^5
15
^) Hs. cjL^^Jj, 2^ Konj. de Goeje's; Hs. (jis-O^.
3) Hs. UaJ.
*) So vermutet de Goeje; Hs. »lX..^!,
«y
s) Hs. uUj^Ls.
^) Hs. ,<t4.Ä:Sf;. Die VIII. Form findet sich nicht in den Wbb.
') Hs. ^^.. ^) Hs.^LcbS.
8) Hs. ^♦i \ö\. 10) Hs. U;X^.
") Vgl. Sür. 19, 30. 1-) Hs. ^^y> .
13) Konjektur van Vloten's; Hs. »Xit^i .
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 273
I^^A^ÄJ ^^,t ^^».^i (-^^^ '^j^^ ($"^^'^3 äiAs»!^, x^^äj -^».«.axJ Jjj
>_äA5'3 ^XJyJ Ut^ ^jli^\ ^5 f^iÄijü"_5 ^^ [fol. 142a] ^^j^'±^:^\
5 ^^j.1 -AÄ^l oyiJl ^_5'^'^' >^-^^ i^jÄJt^ ^j'^i LXvi^Jl OjÄJ _,^i
O - ü- .. o _
^x ^^A/! jjl-^J y^^äi! ii^ÄJ_;5 ^-yC i*-^'*-H'^ I^M ^^ f*^P^ ^^l5-r*-3i
^» ^.jLa^w-ü! bi^ Jalii! ^«.^^Xc n"*>^ ^ &.xj,^l ^-^5^31 u*^^^
bvXy !^J^Ix;Cj J ^^x J^sl lyir [fol. 142 b] ^1 yii ^li J
er* _;Xäj L«_5 j*.^ ^*5lÄUi^ ^«^ Lü^ x:^ ^U J^o ^»^5^^
1) Hs. Kj_^^b. 2) Hs. |^>L*.:.
«) Hs. »JA.«. *) Hs. ^_^Jf_5.
5) Hs. ^„.^j;xJJ^-S^ . 6) Hs. ,*^cjJ .
'') Hs. _:^^!j. «) Hs. x;^>.
9) Hs. oLoJV .
Marquart, Streifzüge. 18
274 •^- Marquart,
,.^/l jt^i> 1^^^;^"=^ ('Y-* *Jv^.».£ v^ 0"'3 ^TiV'^:^ -^^hW Ij25^J^ J»'^^
öi^Lj», Ä.äj-^M p^i-^-^li »i^-^W ^Xis-^Lb ^5 ^A^il ^)a>^ u^'^y
Ausgewählte Kapitel des al GälÜQ. 5
Ein Kapitel daraus.
Was ihre Streitfrage bezüglich des Sprechens Jesu in der
Wiege anlangt, so bestätigen es die Christen, trotz ihres Strebens,
seine Sache zu stärken, nicht. (Sie sagen): „Wir haben es
berichtet und überliefert nach unglaubwürdigen Autoritäten, und 10
dies ist ein Anzeichen, dass Jesus nicht in der Wiege gesprochen
hat. Die Juden wissen nichts" davon und ebensowenig die Magier,
und ebensowenig die Inder, Chazaren und Delum". Wir
erwidern nun in Beantwortung ihrer Streitfrage : trotzdem sie
das Sprechen des neugebornen Christus in der Wiege verwerfen, 15
wird ihnen gesagt: „Als ihr die Streitfrage formuliert und sie
verbrämt und ihre Worte redigiert habt, meintet ihr Glück ge-
habt und euer Höchstes geleistet zu haben. Aber wahrlich, wenn
auch ihre Oberfläche schön ist und ihr Äusseres das Ohr besticht,
so ist sie doch hässlich bei näherer Untersuchung und schlecht 20
bei der Blosslegung.
Wahrlich wenn die Juden euch die Auferweckimg der vier
Toten zugestehen würden, welche ihr behauptet, und die Auf-
richtung des Lahmen , welche ihr in Anspruch nehmet , und die
Speisung der grossen Menge mit wenigen Semmeln, und das Ge- 25
ronnenmachen des Wassers und das Wandeln auf dem Wasser, dann
aber das Sprechen in der Wiege von all seinen Wundern und seiner
Beglaubigug verwerfen würden, so hättet ihr ein Recht hierüber zu
sprechen und es stünde euch (sogar) frei, zu schmähen. Allein sie
leugnen dies alles, indem sie bald lachen, bald in Zorn ausbrechen 30
und sagen, dass er Zaubersprüchen und Beschwörungen ergeben ge-
wesen sei. Besessene geheilt und Heilkunde betrieben habe, und Listen
und der Übung von Betrug und dem Lesen von Büchern ergeben ge-
wesen sei. Er sei mild und schweigsam gewesen und getötet und be-
mitleidet worden, nachdem er vorher ein Fischer und einer der mit 35
Fischernetzen umgeht, gewesen war, wie auch seine Gefährten. Er
sei aufgetreten infolge einer vorherigen Abmachung, die sie mit ihm
getroffen hatten, und sei kein ehelicher Sohn gewesen, habe aber am
schönsten von ihnen reden können und sei der mildeste in Bezug
^) Konjektur de Goeje's; Hs. c^ax:.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 275
auf die religiöse Richtung gewesen. Es gibt Leute die behaupten,
er sei der Sohn Josephs des Zimmermanns gewesen und habe sich
mit jenem Lahmen schon Jahre vor seiner Heilung verständigt
gehabt , so dass er , als er ihn mit Lähmung ^) behaftet sah und
5 seinen Platz unter den Gelähmten erkannte, mit einer Anzahl von
Leuten an ihm vorbeigegangen sei, als ob er gar nicht zu ihm
wolle. Da klagte ihm derselbe seine Lahmheit und den Mangel
an Hilfe und den Druck seiner Not. Da sagte (Jesus) : Reiche mir
deine Hand ! Da reichte er ihm die Hand und (Jesus) zog ihn und
10 richtete ihn auf. Er pflegte nun wegen des langen Sitzens zu
hinken, bis er nachher so blieb. Dagegen habe (Jesus) niemals einen
Toten auferweckt; er hatte bloss einen Mann namens Lä'äzar
(Lazarus) behandelt, da er einen Tag und eine Nacht in Ohnmacht
lag. Die Mutter desselben war aber von schwachem Verstand und
15 geringer Einsicht. Als (Jesus) nun bei ihr vorbeikam, wie sie schrie
und weinte, trat er zu ihr ein, um sie zu beruhigen und zu trösten.
Er fühlte ihm (dem Lazarus) nun den Puls und bemerkte an ihm
ein Lebenszeichen. Da behandelte er ihn, bis er ihn aufrichtete.
Infolge ihrer geringen Einsieht nun zweifelte sie nicht, dass (ihr
20 Sohn) bereits gestorben gewesen sei, und aus Entzücken darüber
dass er wieder lebte , rühmte sie ihm (Jesus) das nach und er-
zählte es. Wie könnt ihr nun Leute zu Zeugen anrufen, die so
über euren Meister sprechen, insofei-n sie sagen : Wie ist es möglich,
dass ein neugebornes Kind in der Wiege spricht, und Freunde
25 und Feinde es nicht wissen sollten ?
Wenn aber auch die Magier von Jesus ein einziges Zeichen
und das geringste Wunder zugeben würden, so hättet ihr ein
Recht, euch uns gegenüber mit ihnen zu brüsten und ihre Ab-
leugnung zum Beistand anzurufen. Da es sich aber mit der Be-
30 kanntschaft Jesu in seiner ganzen Gleschichte bei den Magiern
gerade so verhält wie mit der Bekanntschaft Zarä^ust's in seiner
ganzen Geschichte bei den Christen: was bringen sie dann jene
als Ausrede herbei und klammern sich an ihre Ableugnung?
Was aber eure Frage anlangt: „Warum wissen aber die Inder,
35 Chazaren und Türken jenes nicht?" — : wann haben die Inder
(selbst) von Moses ein einziges Wunder mehr zugegeben als von
Jesus? Und wann haben sie ein Zeichen von einem Propheten
anerkannt, oder einen Zug aus dem Leben eines solchen über-
liefert, sodass sie die Inder zum Zeugnis über das Sprechen Jesu
40 in der Wiege anrufen? Und wann waren die Türk, Delum,
Chazaren, Babr und Tailasän bei einer derartigen Sache er-
wähnt, indem man sie in dieser Ai't als Beweismittel anführte?
Wenn sie uns nun von sich aus fragen und sagen: „Wie
sollten wir jenes (wenn es wahr wäre) nicht wissen, und wie
^) Das muss äiAxäJ! (oder äLXxäll?) hier bedeuten, wie auch d(
Goeje annimmt.
18*
276 J- Marquart,
sollte uns davon durchaus von niemandem etwas zu Ohren ge-
kommen sein?" — so antworten wir ihnen, nachdem wir uns um
ihre Übertreibung, die Unziemlichkeit ihrer Worte und die Er-
dichtung ihrer Zeugen nicht weiter gekümmert, und unsere Ant-
wort ist , dass sie ihre Eeligion lediglich nach vier Personen 5
empfangen haben , wovon zwei nach ihrer Behauptung aus den
Aposteln : Johannes (Johanna) und Matthaeus (Mattä) , und zwei
aus den Jüngern : Markus und Lukas. Bei diesen vier ist man
aber nicht sicher vor Fehlern noch Vergesslichkeit , noch vorsätz-
licher Lüge oder gegenseitiger Vereinbarung über die Begfeben- 10
heiten, noch dass sie zur Übereinstimmung gekommen sind be-
züglich der Teile der geistlichen HeiTSchaft , so dass jeder von
ihnen seinem Kollegen seinen Anteil überwies , welchen er sich
ausbedungen hatte. Wenn sie nun sagen, dass dieselben zu vor-
trefflich gewesen seien, als dass sie vorsätzlich eine Lüge be- 15
gangen und von zu gutem Gedächtnis, als dass sie etwas vergessen
und zu ängstlich besorgt , als dass sie bezüglich der Religion
Gottes ein Versehen begangen und durch Nachlässigkeit eine
Satzung verloren haben sollten, so sagen wir: die Abweichung ihrer
Überlieferungen im Evangelium, der Widerstreit der Bedeutungen 20
ihrer Schriften und ihre Abweichung bezüglich der Person des
Messias samt der Abweichung ihrer Satzungen sind ein Hinweis
darauf, dass unsere Behauptung über sie richtig ist und ihr sie
unbeachtet lasst. Von einem Manne wie Lukas wird aber niemand
leugnen, dass er Lüge reden könne, da er nicht zu den Aposteln 25
gehörte und noch wenige Tage vorher Jude gewesen war; welcher
von den Aposteln ist aber eurer Meinung nach besser als Lukas,
der Diener des Messias in ausdrücklich zuerkannter Reinheit, er-
habenem Charakter und Unbescholtenheit ?"
Die Legende, dass Jesus in der Wiege gesprochen habe, findet
sich im Qorän. Als Maria von den Juden wegen ihres Kindes ge-
schmäht wurde, , zeigte sie auf ihn. Sie frugen : Wie sollten wir
mit einem sprechen, der noch ein Kind in der Wiege ist? Er (Jesus)
sprach : Ich bin der Diener Gottes , der mir das Buch geschenkt
und mich zum Propheten gemacht hat"^). Li einer andern Süra
spricht Gott zu Jesus : „ 0 Jesus , Sohn der Maria , erinnere dich
an meine Güte gegen dich und deine Gebärerin , da ich dich ge-
stärkt habe durch den heiligen Geist, mit den Leuten zu sprechen
in der Wiege und in gereiftem Alter" ^). Die Muslime hatten
also die Pflicht, diese Sage als gottgeoffenbarte Wahrheit zu ver-
teidigen, während gelehrte Christen sie wegen ungenügender Be-
glaubigung verwarfen, da sie nur von apokryphen, nicht aber von
den kanonischen Evangelien berichtet werde. Sie findet sich im
1) Sür. 19, 30—31.
2) Sür. 5, 109; vgl. 3, 41.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 277
arabischen Evangelium infantiae, übei'setzt bei Tischendorf, Evan-
gelia apocrypha p. 171: Invenimus in libro losephi pontificis,
qui vixit tempore Christi, dieunt autem nonnulli eum esse Caia^iham.
Dixit ille lesum locutum esse et quidem cum in eunnis iaceret,
dixisseque matri Mariae Ego sum Tesus filius Dei, 6 koyog, quem
peperisti quemadmodum adnuntiavit tibi angelus Gabriel; misitque
me pater meus ad salutem mundi. Ihre Ablehnung rechtfertigten
die Christen überdies durch die Bemerkung, dass auch weder die
Juden, noch die Magier, noch die Inder, Chazaren und Delum etwas
von der Sache wüssten. Diese Religionen bezw. Völker wurden
demnach als Träger einer selbstständigen, von der christlichen
unabhängigen Tradition über das Leben Jesu vorgestellt.
al Gähic wendet sich nun zunächst gegen diesen accessorischen
Beweis und bestreitet den Christen prinzipiell das Recht, die ge-
nannten Völker, sei es in positivem oder negativem Sinne, in der-
artigen Fragen zu Zeugen anzurufen. Dann erst kehrt er sich
gegen den Hauptbeweis und leugnet die Berechtigung des argu-
mentum a silentio, indem er das Schweigen der vier Evangelisten
über den fraglichen Punkt durch den Hinweis auf ihre Wider-
sprüche als bedeutungslos hinzustellen sucht und auf diese ge-
stützt den orthodoxen Begriff von der Inspiration und Unfehlbar-
keit der hl. Schrift selbst angreift.
Die Argumentation gegenüber den Juden ist vollkommen
klar. Man sollte allerdings erwarten, dass die Juden als Zeit-
genossen und Widersacher Jesu Erzählungen über seine Thaten
und sein Leben auf ihre Nachkommen vererbt hätten. Allein
diese wollen nichts von den in den Evangelien erzählten Wundern
Jesu wissen, und es ist daher ganz unlogich, wenn die Christen
im vorliegenden Falle das Schweigen der Juden als Beweis gegen
die Thatsächlichkeit eines in den Evangelien nicht erzählten
Wanders anführen.
Dagegen kann Gähic nicht begreifen, wie die Christen dazu
kommen, sich auf die Magier d. h. die Mazdajasnier zu berufen,
da in deren Religionsurkunden so wenig etwas über Jesus zu
finden ist, als in den Evangelien über Zoroaster. Aus seiner Dar-
stellung geht nicht hervor, ob und wie die Christen etwa das
Hereinziehen derselben in die Streitfrage zu rechtfertigen suchten,
und da ihre Religion, ganz anders als die jüdische, zum Christentum
in keinerlei genetischem Verhältnisse steht, so müssen wir uns um-
somehr fragen, wodurch die Christen veranlasst wurden, über ein
angebliches Wunder ihres Meisters deren Zeugnis anzurufen. Die
Antwort wird uns, glaub ich, in diesem Falle auch nicht allzu
schwer fallen. Die Christen stellten sich in dieser Frage, wie wir
sahen, den Muslimen gegenüber formell auf den Standpunkt des
Schriftbeweises. Die einzigen NichtJuden nun, welche in der
Kindheitsgeschichte des ersten und dritten Evangeliums vorkommen,
sind die fiayoi anb avurok&v, welche von fernher dem Stern ge-
278 J- Marquart,
folgt waren, um dem neugebornen König der Juden ihre Anbetung
darzubringen Matth. 2, 1 — 12. Es war nun das Nächstliegende,
die Heimat dieser Magier in Persien zu suchen ^), und damit hängt
es zusammen, dass man schon sehr früh von christlicher Seite
gewisse Elemente der mazdajasnischen Religion zu apologetischen
Zwecken usurpierte, so besonders die Prophezeiung von der wunder-
baren Geburt des Saosjant, die man auf Christus deutete. Man
darf aber voraussetzen , dass den frommen Magiern das Sprechen
des neugebornen Jesus hätte bekannt werden müssen, und dass
sie bei ihrer Rückkehr nicht unterlassen hätten, ihren Landsleuten
dieses Wunder mitzuteilen. Diese Magier aber stellte man sich
frühzeitig als orientalische Könige vor, von denen mindestens einer
aus Persien war. Die Schatzhöhle kennt drei Könige , die dem
neuen Könige von Juda ihre Huldigung darbrachten. Ihre Namen
sind , wie ich an anderer Stelle gezeigt habe , wahrscheinlich
folgendermassen herzustellen: „Hormizdfarr d. i. Mazdai, der König
von Persien, der den Titel König der Könige führte und in Ä(Jor-
wäigän unten residierte, Zarädus, der König von Saba, und Farr-
icindäö^ der König von Schebä, das im Osten liegt". Unter Schebä
ist hier aber nicht Südarabien zu verstehen , sondern Indien-),
und damit besitzen wir zugleich die Erklärung für die Nennung
der Inder unter den Zeugen gegen jenes Wunder, die dem Gähi?
Schwierigkeiten machte. Wir brauchen unsere Zuflucht also noch
nicht zu dem Zweig des Traditionsbeweises zu nehmen , der sich
auf die Übereinstimmung der altchristlichen Sekten stützt, obwohl
sich ein gewichtiges Zeugnis für die frühzeitige Verbreitung des
Christentums in Indien beibringen liesse ■^) — ganz abgesehen von
den Thomas-christen auf Malabar.
Dagegen erscheint es allerdings rätselhaft, wie den Chazaren
und Delum, welchen nachher noch die Türken beigesellt werden,
eine alte , in die Zeit der Apostel zurückgehende Überlieferung
über das Leben Jesu zugeschrieben werden konnte, al Gäbic fügt
zu jenen Völkern dann von sich aus noch die aaÜ al Babr und
.^LwJulaJl at Tailasän, von welchen die Christen nichts gesagt
hatten , indem er diese verhöhnt und sagen will : so gut wie
die Chazaren und Delum könnt ihr auch noch die vnlden Babr
und Tailasän anführen. Diese beiden Völker werden immer
zusammen genannt. .,L.*«.JlxIiJ| gibt eine persische Pluralform
Tähsän wieder*) und bezeichnet die heutige Provinz Tälis am
südwestlichen Ufer des Kaspischen Meeres. Der Name dieses
Landes findet sich zuerst, soviel ich sehe, in der Form T''alis in
^) Vgl. zum Folgenden meine Untersuchungen zur Geschichte von
Eran II 1—19.
2) A. a. 0. S. 3 f.
3) S. Elise wardapet Kap. III p. 101 unten S. 283 A. 2.
*) Vgl. al A9ma'I bei Jäqflt III övi, 19.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 279
der armenischen Übersetzung des Alexanderromans Kap. 194^)
(= II 19 p. 76 ed. C. Müller). Die richtige Aussprache von
-xxJi ist unsicher; ich kann den Namen aus nichtarabischen Quellen
nicht belegen, nur bei tazar P'arpec'i wird einmal ein Marzpan
der Koprik'' genannt, deren geographische Lage mit der von
al Babr ungefähr übereinkommen würde: \;l. ij[uiqjluiqtul^fw
i\yinntntutniul£uAl^ ujti3tn. lun-triui Iru ft X^nufpnruiq ütuna
liiufut-üy trc a oniSbrLU Xltuujpuia nn quiiU uilrnuMi-plM IfttUy
a.iuin ^luuufiil^n iiu^fiiUMn'^^^ ^luina h afrintracrpü \jnutu^
1""^/ „und sofort aus Atrpatakan eine Truppe nehmend und vom
Marzpan der Koprik'' ^ und die Truppe der Katisk\ die um jene
Orte waren , zog er (Atr - Wsnasp , der Marzpan von Armenien)
hin, gelangte ins Land Armenien zum Ufer des Araxes"-). Bei
Eiise wardapet Kap. VI S. 203 heisst es vom Befehlshaber der
') In der Rückübersetzung R. Raabe's, 'IßroQia 'Äkt^ävSQov
p. 61: 'ÄTtriyyiX&T} Sh avxä,oti Ttscptvywg si'j] inl rag Kaemayiccg nvlag
nXriaiov ty Qalidi (T'alis) %coQa slg rilävriv ^coqIov. Der armenische
Text ist mir leider nicht zugänglich.
") Lazar P'arpec'i, Gesch. Armeniens. 3. Ausg. Venedig 1892,
S. 417/18 = V. Langlois, Collection des historiens de l'Armenie II
328 b. Der Herausgeber bemerkt zu den Namen Kojn-ik' und Katisk^:
„Beides sind Distrikte östlich von Atrpatakan am Gestade des Kaspi-
schen Meeres". Er ist also gleich Langlois 1. 1. II 221 n. 1 noch der
irrigen Meinung, dass die Katük' mit den Kadovaioi der Alten identisch
seien. Sie waren aber vielmehr ein später zu den Hephthaliten ge-
rechnetes Volk wahrscheinlich hunnischer Abstammung, das seinen
Hauptsitz in Herät hatte, von welchem jedoch grössere Abteilungen
schon vor 440 ins persische Reich gelangt waren , die von den Sasa-
niden in Militärkolonien an der Westgrenze sowie wahrscheinlich in
den gegen die räuberischen Delum errichteten Festungen (Bai. f^H , 3 ff.
Ibn al Faq. fvl, 17 ff. Qodäma ft!, 8 ff.) angesiedelt wurden. Vgl.
Elise wardapet, Venedig 1864, S. 203 = V. Langlois, Coli, des
histor. de l'Armdnie II 221 a. Lazar P'arpec'i S. 235. 417. 430 f. 447
= Langlois 1.1. II 297b. 328b. 331a. 334a. Ps. Josua Styl. §§22.
24. 57. Zacharias Rhetor übs. von K. Ahrens und G. Krüger S. 165,28.
169,19. 172,15.22. 365. Nöldeke, ZDMG. 33, 1879, 157—163 und
mein Eransahr S. 61. 77 und A. 2. Die Koprik^ werden sonst nicht
mehr erwähnt. Hübschmann, Arm. Gramm. I 34 A. 4 hält sie für
identisch mit den Kordik' in der Provinz Korcaik'. In der Geographie
des Ps. Moses Chorenac'i S. 12, 24 ed. Soukry wird das Hccßcäoi- ßa^iol
des Ptol. 6, 2 p. 390, 5 (zunächst aus FaßatoL und dies aus Bccyaloi. ver-
dorben) durch f\,ußp^utn-ni^ punf-lfit^ wiedergegeben, wozu Soukry in
einer Anmerkung zu seiner französischen Übersetzung p. 13 bemerkt:
„Les Gabaroubaghin dont le pays s'etend jusqu'au fleuve de Cambyse,
sont les peuples de Gabarou pres de Pai'dagaran, province de TArmenie".
Woher diese Gabaru stammen, ist mir unbekannt, vielleicht hat aber
Soukry die Koprik' des Lazar im Auge, da er auch Axe K^aduSh des
Ps. Moses d. i. die KaSovaioi des Ptol. mit den Katisk' der armenischen
Historiker gleichsetzt. S. mein Eransahr S. 153.
280 J. Marquart,
pei-sischen Streitmacht in Armenien: 1^"^ ij^itfur^ qtuuiujp^
h-LJM ujJlrüujpj q^uififii ^uifiji ijujujinifiä Jiunnkl^ 'A J^
H^C '^"fjfl'lhp » c-i_ <ypujJuJi£ tt^iutiinL.ftnuhjfi gniuin pUn-
tu^i/k linqipJul^ tfürj^lfu [it-pnj mtutnpiuuui l^lrj^ t^rLn^l^lT
t^ß"3 quiupujquip[fu ^Aber die A2Jarhajik-TYVi]}]}Q und die der
Katisk\ Hunnen und Gelen^ sowie sämtliche anderen auserlesenen
Leute des Heeres versammelte er an einen Ort, und gab den Be-
fehl, auf dem rechten Flügel seines Heeres bereit zu sein gegen
den Heerführer der Armenier". Der nur hier vorkommende Name
aparh-ajik ist ebenfalls noch unerklärt, scheint aber gleichfalls
auf den Südwestrand des Kaspischen Meeres zu weisen. Nach
der Reihenfolge, in welcher al Babr aufgezählt wird, muss es
zwischen Tälis und Gelän gesucht werden i).
^) Der Name findet sich, soviel mir bekannt, in folgenden Auf-
zählungen :
Dlnaw. l.v, 13: ^.^M^Lhj\^ ^■^■^^t5 C)^^ (Bahräm-Cöbin-Roman).
Bai. rrv, 14 = Ibn al Faq. ^aC, 4 (l j^,j^\^) = Jäq. I Ivf , 2 (ed.^;j^j,
cot^xäJI,, bry^l\^) = Tab. I Ta-ö, 14: ^^L^ILJ!^ ^aJ!, ^L*^.
Bai. S^iA, 11: ^Lw.JLLJ!3 ^xJ5 l^i^ . . . ^ijJJ! ^3,
Bai. 1-t^r, 7 = Ibn al Faq. I^Ar, 1 (I y.J\^): J.mJ^\^ _^\^ ^^A>.
Bai. W, 10: ^,L^JLLJ!^ ^xJ(3 ^.,Liy_5 Jl^:^.
Ibn Chord. ov, 10: ^jlXJS^ ' ^[.^U^^\^ 'j-i->-!'i 'a-^j^ = ^^^ ^^
Faq. r.i, 5: ..LvJUkJ!^ r^^Jt^ ^-LuXi!» ^j^:.'i,
Ibn Chord. W, 6: ^.Jll\»> jj^*, ^Lw-.JLkS!» y^l\ ,
Ja'qübT, Eist. I l^.r, 10 (cod. ^X;J|) = Mas. I 287 (ed.^>.xil, v. l.^Jl):
Qod. no, 4 (s. p.).
Qod. nt, 8 (s. p.): ^L,*JuIii!3 ^J!^ e,X-^>3 A^^-i' ^y^.
Ibn al Faq. r.l', 2: ^,Lv.rji>3 (*.JljJ^Ji_5 ^.^LäJLLiJ!^ ^LaJLaUI^ ^xJl jLs
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 281
Das Einfachste wäre nun die Vermutung, dass auch diese
Völker mit den Magiern in Verbindung gesetzt worden seien.
Die Späteren geben allerdings eine viel längere Liste von zwölf
Magiern ') , allein ich bin nicht im stände, eine Verbindung eines
oder mehrerer von ihnen mit jenen Nordvölkern nachzuweisen.
Die Schatzhöhle erzählt, wie zwölf Könige zu Melchisedek kamen,
ihm Jerusalem erbauten und ihn daselbst zum Könige machten.
Unter diesen befinden sich^Tar'el, König der Geläje (nach der
Pesit'9'ä Gen. 14, 1. 9), luid Sirsön oder Slsrön, König von Bela' 2),
welch letzterer wenigstens indirekt (als Vater des . jcoA,JO\jt/ )
in das Verzeichnis der zwölf Magier Aufnahme fand-^). Ausser
diesen zwölf kam noch Magog, der hier merkwürdigerweise als
König des Südens statt des Nordens bezeichnet wird*), zu Melchi-
sedek und brachte ihm Geschenke ^). Magog ist aber seit Josephos
der Vertreter der Skythen ß) , und in der syrisch - christlichen
Alexanderlegende werden die Völker Gog und Magog mit den
Hunnen d. i. den Sahiren, und in späteren Weiterbildungen der
as Sam'änl, l-jL*o^I >w>Lä5^ bei Barthold, TypRectaHi bi 3noxy
MOHrojbCKaro naniecTBia I. Tbkcth. St. Petersburg 1898, S. 55:
Ist. U., h cod. C: (1. j>.JU) ^it^ ^^Ju^J^^ ^Lx^; cod. L: ^iS
^^iy^^ ^^^^ G- y^^^i) rj^^'3 ^.)U.Ul:Jl3 (*J^^'^ (Add. Bibl.
Geogr. IV 401).
Vgl. Nöldeke, Gesch. der Perser und Araber 481 A. 1.
1) Schon Jakob von Edessa (f 708) kennt 12 Magier.
2) Die Schatzhöhle hg. von C. Bezold S. lo., 8 = 36 der Übs.
^) S. meine Unters, zur Geschichte von Eran II 16 f.
*) Auch in der alten arabischen Relation des Voyages (ed. Reinaud
p. 1% f") ist das Land Gog und Magog (hier jji^L/s^ ;j.i geschrieben)
in der Südsee gedacht.
°) Die Schatzhöhle S. loT, 1. In der arabischen Übersetzung ist
der Name in ^W>Lo bezw. . «JLä-* d. i. eJ'Ljb« verdorben.
«) Jos. ägi- I 6, 1 § 123. Jordan. Get. c. 4 § 29 ed. Mommsen.
Vgl. auch das Buch der Jubiläen 9, 8 (übs. von Enno Littmann
bei Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testa-
ments II, 1900, S. 57): „Und im Norden kamen für Magog heraus die
ganzen inneren Gebiete des Nordens, bis man sich dem Meere Meat
[Maiotis] nähert".
282 J- Marquart,
Sage mit den Chazaren gleichgesetzt^). Da der Priesterkönig
Melchisedek als das eigentliche Vorbild des Messias im alten
Bunde gilt, so ist es sehr wohl möglich, dass das Verzeichnis
jener zwölf Könige das Vorbild zu der Liste der zwölf Magier
gegeben hat. Es scheint nun, dass hier die verschollenen zehn
Stämme hereinspielen, welche ja so gut wie die Juden Söhne
Abrahams und Erben der Verheissung waren und gewiss ebenso
sehnlich auf deren Erfüllung harrten wie die frommen Kinder
Israels. Dieselben wurden aber eigentümlicherweise auch mit den
Völkern Gog und Magog zusammengebracht. So sagt Orosius
III 7 von den durch Artaxerxes III. Ochos nach Hyrkanien de-
portierten Juden: Quos ibi usque in hodiernum diem amplissimis
generis sui incrementis consistere atque exinde quandoque erupturos
esse opinio est -). Eine direkte Verknüpfung der zwölf Magier
mit den Delum und Chazaren ist jedoch zur Zeit nicht möglich,
und es muss daher die Frage aufgeworfen werden , ob sich viel-
leicht in der Religionsgeschichte dieser Völker Züge auffinden lassen,
die dazu Veranlassung geben konnten , bei ihnen eine gewisse
Kenntnis des Christentums bezw. der Lebengeschichte Jesu voraus-
zusetzen.
Was nun die Delum anlangt, so muss ich sofort gestehen,
dass mir keine einzige positive Angabe über die religiöse Ent-
wicklung dieses wilden Bergvolkes vor ihrer Bekehrung zum
Islam bekannt ist. Man darf vermuten , dass in der spätem
Sasanidenzeit der mazdajasnische Glaube mehr oder weniger bei
ihnen durchgedrungen ist^). Anders würde sich die Sache stellen,
wenn man annehmen dürfte , dass die Delum hier ungenau für
ihre Nachbarn, die im Tief lande am Kaspischen Meere wohnenden
Gelen, stünden. Eine solche Verwechslung hätte nichts Auffallen-
des, da beide Völker gewöhnlich zusammen genannt werden. Für
die Gelen ist aber das Vorhandensein von Christen schon in dem
aus der Schule des Bardai^än (f 222) stammenden altsyrischen
„Buch der Gesetze der Länder" vorausgesetzt. Hier lesen wir
folgende Schilderung der Gelen*).
, Gesetze der Gelen. Im Lande der Gelen säen und ernten
die Frauen, bauen und thun alle Obliegenheiten der Arbeiter,
1) Vgl. Nöldeke, Beiträge zur Gesch. des Alexanderromans 27 ff.
Christian, expos. in Matth. c. 37 (bei Migne, Patrol. lat. CVI, 1405):
et de Alexandre rege legimus, quod ad conclusiouem gentium Goc et
Magoc , quae Gazares nunc vocantur , gentes quondam Hunorum . . .
petierit. ib. c. 56: Nam et in Gog et Magog, quae sunt gentes Hu-
norum, quae ab eis Gazari vocantur etc.
-) Vgl. A. Krause, Beiträge zur Alexander-Geschichte. Hermes
25 (1890)_ S. 62 f.
^) Über die politische Geschichte der Delum und Gelen unter
den Sasaniden s. mein Eransahr 126 f. 124 f.
*) Cure ton, Spicil. Syr. ^, 26— O)-., 10 = 19/20 der Übs.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 283
kleiden sich nicht in farbige Gewänder, ziehen keine Schuhe an
noch gebrauchen sie wohlriechende Salben, noch tadelt sie jemand,
wenn sie mit Fremden Ehebruch treiben, oder wenn sie Umgang
haben mit ihren Haussklaven. Aber die Männer der Gelen sind
gekleidet in farbige Gewänder, schmücken sich mit Gold und
Edelsteinen und salben sich mit wohlriechenden Salben, aber
nicht etwa aus Verweichlichung benehmen sie sich so, sondern
wegen eines ihnen gegebenen Gesetzes, und alle Männer sind Jagd-
liebhaber und Kriegführer. Aber wir können nicht sagen, dass
für alle Frauen der Gelen Venus in den Steinbock oder den
Wassermann, einen Ort des Unglücks gesetzt sei, noch dürfen wir
für alle Gelen sagen, dass Mars und Venus in den Widder gesetzt
seien, wo, wie geschrieben ist, tapfere und (zugleich) weichliche^)
Männer geboren werden".
Zum Beweise, dass für die eigentümlichen Sitten dieses und
anderer Völker nicht die Konstellation verantwortlich zu machen
sei, wird dann angeführt, dass die christlichen Mitglieder derselben
jene Gebräuche nicht befolgen, sondern überall nach demselben
Gesetze leben. „Weder heiraten die Brüder in Gallien Männer,
noch heiraten jene in Par'ö'av zwei Frauen, noch beschneiden sich
die in Judaea, noch treiben unsere Schwestern im Lande der
Gelen und der Qusan^) Ehebruch mit Fremden, noch heiraten
die in Persien ihre Töchter, noch fliehen die in Medien vor ihren
Toten oder begraben sie lebendig oder geben sie den Hunden
1) Lies JotO)V>.
2) Aus dieser Stelle erfahren wir also zugleich die wichtige That-
sache, dass es auch schon unter den Qusan in Baktrien, von denen der
Verfasser S. OJ-, 10—19. 23—24 = 21 der Übs. handelt, Christen gab.
Für das 4. Jahrhundert haben wir dafür ein Zeugnis bei EKse wardapet,
Venedig 1864, S. 101 = Langlois, Collection des histor. de l'Armenie
II 202 b, der den Mogpet sagen lässt: Jch hatte auch von unsern
Ahnen gehört, dass in den Tagen des Königs der Könige Sapuh, als
diese ihre Lehre zu wachsen und sich zu verbreiten und das ganze
Land Persien zu erfüllen und sogar darüber hinaus nach dem Osten zu
gelangen begann, die aber welche Lehrer unserer Satzungen waren,
den König antrieben, dass in keiner Weise das Gesetz des Magiertums
aus jenem Lande (Armenien) aufgehoben würde, er den strengen Befehl
gab , dass jenem Christentum ein Ende gemacht werde. Aber in dem
Masse als er es verhindern wollte , wuchsen sie mehr und mehr an
und verbreiteten sich, und gelangten bis ins Land der K'uMnk', und von
da breitete es sich aus nach der Südgegend^ bis nach Indien". Dies
bezieht sich auf die Christenverfolgung unter Säpür II. (309 — 379). Für
das 6. Jahrhundert bezeugt Kosmas Indikopleustes (um 547 — 49), dass
es auch bei den Baktrern , Hunnen , Persern und den übrigen Indern,
den Persarmeniern, Medern, Elamitern und in dem ganzen Lande Per-
sien Kirchen ohne Zahl gab (Topographia Christiana III p. 179). Der
Priester und Chorbischof Mär Izadböze«^ von Qumdän , der Errichter
der berühmten nestorianischen Inschrift von Si-ngan-fu (781), war der
Sohn eines Priesters von Balch.
284 J- Marquart,
zum Frass" u. s. w.^). Ein christliches (nestorianisches) Bistum
finden wir jedoch in Gelän erst im Jahre 553 bezeugt"-).
Für unsere Frage ist aber eine Stelle in der syrischen
Lehre der Apostel bei Cure ton, Ancient Syriac documents
p_ ^^ 26 — of^, 2 = 34 von grosser Wichtigkeit, wo zu den
Völkern, welche das Christentum durch Aggai, den Schüler des
Apostels Addai erhielten, auch die Gelen gerechnet werden: „Es
empfing die Hand des Priestertums der Apostel Persien, alle
Assyrer, Aramäer-^), Meder und die Gegenden rings um Babylon,
die Hüzäje (Chüzistän) und Gelen bis zu den Grenzen der Inder,
und bis zum Lande Gog und Magog, und wiederum alle Gegen-
den von allen Seiten, von Aggai, dem Seiden wirker, dem Schüler
des Apostels Addai". Hier haben wir also geradezu die von dem
Texte des Gähic geforderte Vorstellung bezeugt, dass die Ver-
breitung des Christentums zu den Gelen und bis zu den Indern
und dem Lande Gog und Magog schon in apostolische Zeit hinauf-
reiche. Denn Addai der Apostel , einer der 72 Jünger , war ja
von Judas Thomas nach Edessa gesandt worden (Doctrine of Addai
p. Qj^ 6 — 9 =:= 5). Damit wäre das Auftreten der Delum (= Gelen)
und Chazaren und Türken = Gog und Magog in unserem Texte
erklärt.
Vielleicht ist eine andere Thatsache geeignet, das frühzeitige
Vordringen des Christentums nach Gelän verständlicher zu machen.
Geiz er hat gezeigt, dass das Judentum einen grossen Ein-
fluss auf die Organisation der armenischen Kirche ausgeübt hat,
und wir wissen, dass noch in der zweiten Hälfte des 4. Jahr-
hunderts die Bevölkerung der wichtigsten armenischen Städte
Artasat, Waiarsapat, Ervandasat, Zarehavan , Zarisat, Wan und
Nach^avan grossenteils aus Juden bestand. König Säpür IL Hess
sie mit den übrigen Einwohnern dieser Städte nach Persien weg-
führen*). Später spielen die Juden in der armenischen Geschichte
keine Rolle mehr. Nach Ps. Moses Chor. 3, 35 sollen allerdings
die von Artasat und Waiarsapat unter Trdat das Christentum
angenommen haben und Geiz er bezweifelt daher, dass es sich
wirklich um Juden im ethnischen Sinne gehandelt habe und neigt
zu der Ansicht, dass ein Teil des armenischen Volkes sich jüdi-
scher Abkunft als einer Art Adelstitels gerühmt habe. Dass ein
1) Cureton, Spicil. Syr. sD, 8—12 = 32—33 der Übs.
-) S. mein Eränsahr nach der Geographie des Ps. Moses Chore-
nac'i 124 f.
3) Da bereits Urhäi mit seiner ganzen Umgebung, ^uba (JNisibis)
und 'Arab (Be^ 'Arabäje = Arvastan), der ganze Norden und der
Süden sowie Mesopotamien, also lauter aramäische Gebiete als v-on
Addai selbst missioniert aufgeführt sind, so erwartet man eher , Ar-
menier", wie auch Cureton übersetzt, statt „Aramäer".
*) Faust. Byz. 4, 55. Vgl. H. Geiz er, Die Anfänge der arme-
nischen Kirche. Berichte d. K. Sachs. Ges. d. Wiss. 1895, S. 136 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 285
ziemlicher Teil dieser Juden aus Proselyten bestanden habe, halte
auch ich für wahrscheinlich, allein auf eine von Ps. Moses allein
überlieferte Nachricht Schlüsse zu bauen, ist nach allen bisher
gemachten Erfahrungen höchst bedenklich. Aber auch nach dem
eigentlichen Kaukasus hatte sich das Judentum verbreitet. Im
9. Jahrhundei-t erzählt Muslim b. Abu Muslim vom König der
Stadt ..liAAi> Ghaidän (dem heutigen Magälis , dem Vorort des
Gebiets der Kaitaken in der Nähe von Darband i)), dass er es mit
drei Religionen zugleich hielt: am Freitag besuchte er den Gottes-
dienst der Muslime, am Samstag den der Juden und am Sonntag
den der Christen. Noch heute „leben in Magälis viele sogenannte
Bergjuden , die sich mit den Eingebornen nicht vermischt , aber
Sprache und Sitte der unmittelbaren Nachbarn angenommen haben,
in einer gesonderten Gruppe zusammen"-). Diese Bergjuden, im
ganzen etwa 30 000, trifft man ausserdem noch sonst im östlichen
Kaukasus zerstreut. „Überall leben sie in gesonderten Gruppen
zusammen in bestimmten Teilen der Ortschaften". Aber auch
abgesehen von diesen eigentlichen kaukasischen Juden trifft man
im Kaukasus (mit Ausnahme des nordwestlichen Teiles bei den
Cerkessen und Osseten) auffallend häufig den jüdischen Typus,
besonders im Daghestan und zumal unter den Cecenzen. „Ahnliches,
wenn auch nicht so typisch ausgesprochen, gilt für die Grusier
im weiteren Sinne des Wortes, und zwar dort vielfach für die
höheren Schichten des Volkes"-^). Freilich wird man diese Er-
scheinung nur zum geringen Teil auf Mischung mit jüdischen
Einwanderern zurückführen dürfen, es handelt sich vielmehr um
einen allerdings stark an den jüdischen erinnei-nden Typus, der
uns schon auf den chettitischen Denkmälern entgegentritt.
Eine jüdische Diaspora ist uns ferner in Medien und Parthien
durch die Apostelgeschichte (2, 9) bezeugt, und für Medien wird
eine solche schon durch das Buch Tobit vorausgesetzt*). Von
armenischen Juden erwähnt die Apostelgeschichte nichts , daraus
folgt aber noch nicht, dass ihre Verbreitung nach diesem Lande
erst in nachchristliche Zeit fällt 5). Nach Babelon wurden die
Juden in Armenien wie die in Kleinasien von den ersten Seleu-
kiden hier angesiedelt, welche ihre neugegründeten Kolonien da-
durch zu bevölkern pflegten , dass sie einen Teil der Einwohner
^) Näheres hierüber in meiner Historischen Ethnologie des Da-
ghestan.
-) R. V. Erckert, Der Kaukasus und seine Völker 191.
3) S. V. Erckert a. a. 0. 298—303. 138. 191. 202. 208. 210. 239.
242 f. 247. 278. 281.
*) Von den rätselhaften hyrkanischen Juden sehe ich hier ab.
Vgl. mein Eransahr S. 143.
^) Faustos von Byzanz 4, 55 lässt sie durch den König Tigran
d. i. Tigranes d. Gr. aus Palästina weggeführt werden.
286 J- Marquart,
einer andern, gewöhnlich weit entfernten Gegend gutwillig oder
mit Gewalt dahin verpflanzten. „Durch dieses System wurden un-
zählige jüdische Familien aus Judaea, Babylonien und Mesopotamien
nach Syrien, Armenien und in verschiedene Gegenden Kleinasiens
verbannt. Um die Kolonisten an ihre neue Stadt zu fesseln und
andere anzuziehen, gewährte man ihnen Steuererlässe und ausser-
gewöhnliche Privilegien" i). Babelon betrachtet dies als wohl-
bekannte Thatsachen. Freilich ist mir kein derartiges Zeugnis
betrefi's der armenischen Judenkolonien bekannt, da sich die-
selben aber durchweg in den auf einander folgenden Hauptstädten
der Seleukidenzeit : Ervandasat, Artasat und dem im zweiten Jahr-
hundert n. Chr. an dessen Stelle getretenen Waiarsapat; Wan,
Zarisat und Zarehavan (nicht aber in Armavir , der Hauptstadt
von Ostarmenien in der ältei'en Achaimenidenzeit) befinden, so ist
ein solcher Ursprung derselben durchaus wahrscheinlich , da man
naturgemäss in erster Linie die Mittelpunkte der Landschaften
durch Kolonien zu vergrössern und zu sichern suchte. Eine Spur
dieser armenischen Juden aus vorchristlicher Zeit erkennen wir
in der durch Nikolaos von Damaskos bezeugten Lokalisierung der
Landung der Arche auf dem grossen Berge BaQig in Armenien
oberhalb der noch nicht identifizierten Landschaft Mivvdg'^).
Welcher Berg unter dem Buqlq zu verstehen ist, ist freilich nicht
leicht zu sagen. Vielleicht hängt derselbe mit dem sonst nicht
weiter bekannten Heiligtum der BccQig oder ^AßäQtg zusammen, wel-
ches an der Strasse lag, die am Berge Abos (wahrscheinlich dem
Palandökän Dagh) vorbei ins Araxestal und von da südwärts nach
Ekbatana führte^). Übrigens ist der Anklang an das griechisch-
ägyptische ßäQtg „Kahn, Schiff" (z. B. Diod. 1, 92. Plut. de Is. et
Os. 18) wohl kaum zufällig. Man wird aber voraussetzen dürfen,
dass der Archenberg Baris in der Nähe einer oder mehrerer der
wichtigsten jüdischen Kolonien in Armenien lag, welche daselbst
die biblische Flutsage lokalisierten, und dies würde allerdings
für den Masis sprechen*). So lange aber die Landschaft Mtvvccg
nicht einleuchtend identifiziert ist, ist hierin keine Sicherheit zu
erlangen. Warum Naber die Konjektur von Vossius wieder
1) E. Babelon, La tradition phrygienne du d^luge. Revue de
l'hist. des religions. t. XXIII, 1891, p. 177.
^) Jos. &QX- 1 § 95 : "Egtiv vithQ xrjv Mivvccda [liya OQog kcczcc rr\v
'ÄQfiiVLav Bägig liyöfisvov, stg o TtoXXovg av^Kpvydvtag inl rov xara-
^Xvofiov Xoyog i%ti nsQiaad'fivai Kai xiva inl XÜQvayiog 6xovfi8vov im
ri]v &XQmQSio:v öxtlXai xat to: Xsiipavu räv ^vXcov inl TtoXv aco&fjvai
yivoLTO d' av ovrog, ovrtva xai Mcüv6f]g ccviyQatptv 6 'lovdaicov vofio&efqg.
=>) Strab. la 14, 14 p. 531: 6 "Äßog iyyvg ißn Tf]g oSov Ti]g dg
Exßäruva qpspovffrjg nagä tbv Tf/g 'AßägiSog (so codd. Dl; C ßdqidog)
vswv. Vgl. W. Fabricius, Theophanes von Mitylene S. 116 flF.
*) Dagegen haben die von Fr. Murad, Ararat und Masis S. 47 ff.
angeführten Gründe keine Bedeutung.
Osteuropäische und ostasiatische ötreifzüge. 287
aufnimmt und Mikvag schreibt , ist mir unklar. Mit den alten,
spätestens seit dem Anfange des 6. Jahrh. v. Chr. verschollenen
Mannäern südwestlich vom ürmiasee ') (hebr. ^3?: Mannt Jer. 51,27,
masoretisch Minnl) hat Mivvug sicherlich nichts zu thun: schon
die lautliche Übereinstimmung der beiden Namen ist so gering
wie möglich. Eher ist an die nördlich vom Wan-See gelegene
Landschaft von Melazgerd ^ altarmenisch Manaz-kert, Manavaz-
kert zu denken. Diese Stadt verdankt ihre Gründung dem alten
Chalderkönig Mennos ^ dessen Namen sie in iranisierter Form
erhalten hat ^). Der alte, von Menuas abgeleitete Name der Stadt
war natürlich unverständlich geworden und wurde daher an den
iranischen, im adiabenischen Königshause üblichen und von hier
aus wahrscheinlich in nachchristlicher Zeit zunächst bei den
Fürsenhäusern in der Umgebung des Wan-Sees in Aufnahme ge-
kommenen Namen Manawaz^ gr. Movo^a^og d. h. ap. *Manu-bäzu
„mit einem Arm wie Manu ausgestattet" (wie TeiQ^ßa^og = Tlri-
bäzu „mit einem Arm wie der Gott Tiri ausgestattet") angelehnt.
Die Landschaft bildete eine erbliche Satrapie unter dem mana-
vazischen Hause, das aber unter dem König Chosrow IL Kotak
im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts n. Chr. in eine Fehde mit
dem Haupte des Geschlechtes der Ordunik' in Basean verwickelt
und vom armenischen Kronfeldherrn Wa£'e, dem Geschlechtshaupt
der Mamikonier ausgerottet wurde, worauf Stadt und Gau Mana-
vazakert dem Bischöfe Aibianos als Kirchendomäne überwiesen
wurde •^'). Ist aber Miwccg die Landschaft der alten Menuas-Stadt,
so wäre der Baris mit dem Niphates, arm. Npat^ dem heutigen
Ala Dagh , oder mit dem Sipan Dagh , der sich südöstlich von
Melazgerd erhebt, gleichzusetzen.
Neben einer gewaltsamen Ansiedlung der Juden in Armenien
durch die Seleukiden wird man aber, wenigstens für die spätere
Zeit, auch eine friedliche Propaganda annehmen müssen, die
einen gemeinsamen Ausstrahlungsmittelpunkt voraussetzt , der
aus geographischen und historischen Gründen nur Assyrien ge-
wesen sein kann^). In der That setzt das Buch Tobit in
Assyrien eine einflussreiche und wohlhabende Judenschaft voraus,
welche mit der Diaspora in Ekbatana und Ragai in enger Ge-
schäftsverbindung stand. Dasselbe gilt für die Achiakargeschichte,
welche ebenfalls in Assyrien , am Hofe des Königs Senacherib
spielt. Beide Schriften knüpfen natürlich an die Wegfühi-ung
1) Vgl. über dieselben zuletzt M. Streck, Armenien, Kurdistan
und Westpersien nach den Keilinschriften. ZA. XIV 134 — 148.
2) Vgl. mein Eransahr S. 162. W. Belck, Verhandl. der Berl.
Anthropol. Ges. 1892 S. 477. 1898 S. 577.
3) Faust. Byz. 3, 4.
■*) Die Juden von Ekbatana und Ragai können allerdings von
Babylon ausgegangen sein, nicht aber die von Armenien.
288 J- Marquart,
der zehn Stämme 2 Kön. 17, 6. 18, 11 an, allein ich halte es für
unmöglich, dass der Schauplatz der Legenden lediglich aus den
Angaben dieser Stellen herausgesponnen ist, sie haben vielmehr
nur einen Sinn , wenn die Verfasser an reale Verhältnisse ihrer
Zeit anknüpften. Um so wichtiger wäre es daher, über Ort und
Zeit der Entstehung dieser Schriften Genaueres als bisher festzu-
stellen. Halevy nimmt an, dass beide in der zweiten Hafte des
2. Jahrhunderts v. Chr. entstanden seien und von einem Ver-
fasser herrühren, der ein gebildeter Jude aus Palästina war und
hebräisch schrieb^).
In der Apostelgeschichte ist von assyrischen Juden nicht be-
sonders die Rede; dasselbe ist aber streng genommen auch mit
den babylonischen der Fall, und da letztere unmöglich über-
gegangen sein können, so sind beide wohl in den ot %aroi%ovvreg
TTJv MeßOTtorafiiav begriffen. Der Hauptsitz der mesopotamischen
Juden war das feste Nisibis in Mygdonien, das nachmals vom
Grosskönig Artabanos II. dem König Izates von Adiabene ge-
schenkt wurde-). Wenn ich mich nicht sehr täusche, so haben
wir es in Assyrien mit einer wahrscheinlich im Laufe der
Seleukidenherrschaft stattgefundenen Wiedergewinnung und Assi-
milierung entfremdeter Stammesgenossen zu thun, die natürlich
von der gut organisierten und gesetzeseifrigen babylonischen Juden-
schaft ausgegangen sein muss. Eine derartige nationale und reli-
giöse Rückeroberung der ,Zehn Stämme", von denen ein Teil in
Chalach d. i. KaXaxrjvrj nördlich von Adiabene angesiedelt worden
war 3), wäre aber durchaus nicht wunderbarer als die in dieselbe
Zeit fallende Judaisierung ihrer dem Judentum gleichfalls Jahr-
hunderte lang entfremdeten, in Galiläa zurückgebliebenen Stammes-
genossen, über welche ja auch jede Überlieferung fehlt ^). Die
Juden in Be Tannüre bei DürT in der Landschaft Berwer haben
also nicht so ganz Unrecht, wenn sie sich für einen Überrest
der Zehn Stämme halten 5).
Um das Jahr 40 n. Chr. trat der König Izates von Adiabene,
der Sohn des Geschwisterpaares Monobazos und Helena, zum Juden-
tum über. Die Legende erzählte darüber Folgendes. Izates, der
zweite Sohn des Monobazos von der Helena, war seinem Vater
schon vor der Geburt im Traume als der durch die göttliche Vor-
sehung bestimmte Thronfolger bezeichnet worden, der einer glück-
1) S. Hal(5vy, Tobie et Akhiakar. Revue s^mit. 8, 1900, p. 23— 77,
bes. 47 SS.
2) Über die Juden in Mesopotamien, Syrien und Babylonien s.
auch Schürer, Gesch. des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi
III 3, 5—8.
3) S. mein Eransahr S. 159.
*) Vgl. Wellhausen, Israelitische u. jüdische Geschichte 162 f.
'^) M. Landauer, Beil. zur AUgem. Zeitung.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 289
liehen Weihe teilhaftig werden solle ^). Sein Vater gab ihm daher
den bedeutungsvollen Namen Izat {aw. Jazata „der Ized") und
behandelte ihn als seinen ausgesprochenen Liebling, wodurch er
sich freilich den Neid seiner Halbbrüder zuzog. Um ihn vor
diesem zu schützen, sandte ihn daher Monobazos nach Spasinu
Charax an den Hof des Königs Abennerigos -) , der dem Jüngling
seine Tochter üvfiaxm (jriÄQCD „Erholung") vermählte. Hier
wurde er, durch einen jüdischen Kaufmann Ananias, der im könig-
lichen Harem Zutritt hatte und die Frauen des Königs in der
jüdischen Gottesverehrung unterwies, für das Judentum gewonnen,
und als er von seinem betagten Vater zurückgerufen wurde, be-
gleitete ihn Ananias 3). Er erhielt darauf die Landschaft Kd^Sav
(Be^ Qardü, Corduene, das heutige Bohtän), die er bis zum Tode
seines Vaters verwaltete. Die Bemerkung des Josephos, dass man
hier die Überreste der Arche Noahs zeigte, scheint übrigens darauf
hinzuweisen, dass es in dieser Gegend Juden gab, welche den
Bei-g der Arche hier lokalisierten*).
1) Jos. aQX- 20, 2, 1 § 18: (pavfjg Tivog sSoi,tv anovst-v . . . &iiOv
ngovoia xcxl ccqxVS 'Tv%bv xat tilovg ivTrjjovg rsv|ojxtvov.
2) D. i. 'Abd-Nerig. W-»VJ syr. = Nergal (der Planet Mars).
3) Dieser Ananias ist^as Vorbild des 'Avaviag 6 raßtXXccQiog,
welcher nach der altern Addailegende (den sog. Acta Edessena) bei
Euseb. b. e. 1, 13 den Briefwechsel zwischen Abgar Ukkama und
Jesus vermittelte. In der uns vorliegenden syrischen Addailegende ist
daraus ein Sekretär (j'^CO^ = tccßovXaQiog) Hannän geworden.
*) Jos. a^%. 20, 2, 3 § 24 — 25. Die Hss. haben v.agQ&v, -naiQwv und
xaqmv, aber schon Bo'chart, Phaleg I 3 col. 19 hat erkannt, dass
hier Qardü gemeint sein müsse, und es ist deshalb unbegreiflich, wie
die neuesten Herausgeber des Josephos, Niese und Naber, es übers
Herz bringen konnten, das unsinnige KaQQübv ohne jede Bemerkung im
Texte stehen zu lassen. Vgl. Nöldeke, Kardu und Kurden. Fest-
schrift für Kiepert. Fr. Murad, Ararat und Masis. Heidejberg 1901,
S. 27. Die Lokalisierung des Berges der Arche in Qardu, die sich
auch in den Targumen findet, stammt ohne Zweifel ursprünglich aus
babylonischer Tradition. Denn 1) hätten die Juden von UTifc« Gen. 8, 4
aus unmöglich auf dieselbe kommen können, da dieser Name seit dem
Untergange des Reiches Urartu mit der Hauptstadt Wan-Tosp auf ein
engeres und viel weiter nordöstlich gelegenes Gebiet beschränkt wurde,
dessen Umfang sich im wesentlichen (schon bei Herodot) mit der Provinz
Airarat der klassischen armenischen Litteratur d. i. der Araxesebene
deckte; 2) wird jene Lokalisierung zuerst durch Berossos bezeugt:
Euseb. Chron. I 23/24 ed. Schöne,
Jos. ciQx. a 3, 6 § 93 nach - ' - - ■ -
Berossos :
Xiyitat Sk xal rov nXoiov iv r fj
'Agfisvia Ttgbg t& ögn r&v Koq-
övciicov hl fif'pos "^^ iivcii, ■kccI xo-
^i^siv rivccg xfjg KGcpäXxov acpai-
QOVVTUg • J^QWVtOCL Öh ^äXlGTK OL
ävd'Qconoi Tft» xoftt^ojxf'vca TtQog rovg
ccnoTQoniacfiovg-^vgi.c. Apion. 1 , 130.
Marquart, Streifzüge.
Synk. p. 55, 16 — 56, 3 nach Alexander
Polyhistor :
roü dh TtXoiov rovrov nataiiXid'iv-
rog iv r y 'Ag^ievia hi iisQog rt
iv ToTg KoQÖvocicov ögsat, rfjg 'Aq-
^isviccg Siaiiiviiv , xai Tij'as anb
rov nXoiov xo/xijiiv ano^vovrag
a6(faXxov , ii^QOiaö-ai 61 avrfjv (sehr.
ccvTjj) TiQog Tovg ScTtoTQomciOfiovg.
19
290 •^- Marquart,
Nach dem Tode des Monobazos ward auf Betreiben der Helena
Izates von den Grossen und Satrapen als sein Nachfolger an-
erkannt. Um sich gegen seine ihm feindseligen Halbbrüder und
Vorher heisst es bei Eusebios p. 22, 40 = 23, 2— 3:_£i7t£ Tf (eine
d
Allerdings hat auch Josephos den Berossos nicht selbst ein-
gesehen, wie er glauben machen möchte, sondern kennt ihn nur durch
Vermittlung des Alexander Polyhistor. Dies wird schon durch die bei-
nahe wörtliche Übereinstimmung der beiden Citate nahegelegt (vgl.
A. V. Gutschmid, Kl. Sehr. IV 492), besonders aber durch die in
beiden wiederkehrende Vorstellung, dass das Kordyaiergebirge zu
Armenien gehöre. Im Jahre 401 v. Chr. waren die KaQÖovxoi vom
Satrapen von Armenien unabhängig, und es ist nicht wahrscheinlich,
dass dies unter den spätem Achaimeniden oder unter Alexander und
den Diadochen anders geworden sein sollte. Erst Tigranes d. Gr. zwang
den König von Gordyene, die Oberhoheit des Königs von Grossarmenien
anzuerkennen (zwischen 90 und 83 v. Chr.), und Hess ihn, als er ihn
auf hochverräterischen Verbindungen mit Appius Clodius , dem Ge-
sandten des Lukullus ertappte, im Winter 71/70 hinrichten (s. mein
Eränsahr 173. 175). Wir haben demnach hier eine der Interpolationen
des Textes des Berossos aus dem Alten Testamente vor uns, wie sie
dem Polyhistor geläufig sind. Er erklärte das HiTnN von Gen. 8, 4
nach den LXX zu Jes. 37, 38 durch Armenien und schob dies in den
Text des Berossos ein. Dies ergibt sich mit voller Deutlichkeit aus
dem aufdringlichen Kai on ottov sialv 17 x'^9^ 'Ag^eviag iaxiv.
Von Alexander Polyhistor ist dann auch Abydenos abhängig,
welcher nur Armenien als Landungsort der Arche kennt: I^iGiQ-Qog öh
ravxa inirtlia nonqGag, tv&icag in' 'AQ^svlrig aviitlas, -nal nagavtixK
liiv KUtiXd^ßavs xa iv. xov &£0v . . . . 'Slg dh rf^fft xQixrjaiv^ svxvpsv,
ci.niv.axo yuQ öi] nrilov KatccnXuot xovg xagcovg, Q'ioi iiiv i^ &v&Qwncov
cccpavi^ovaiv , xb dh nloiov iv 'AQjisvirj ntqianxa ^vXcov aU^KpägfiaKa
xolGiv inix^Qi-oLOiv naQsi%i:Xo. Euseb. nQon. svayy. 9, 12 vgl. Synk.
70, 2—15. Euseb. Chron. 1 48—51 ed. Avker = I 31—34 ed. Schöne.
Babylonische Tradition war es also, dass die Reste der Arche
noch im Kordyaiergebirge zu sehen seien. Auf den keilin schriftlichen
Bericht, welcher den Berg Nigir als Landungspunkt des Schiffes des
Cit-napiStim nennt, brauchen wir dabei hier nicht näher einzugehen.
Diese Sage wurde vermutlich durch ausgewanderte babylonische Juden
in dies Land selbst getragen, wo sie vorher schwerlich bekannt war.
Josephos ccQx- 1, 3, 6 § 92 erwähnt noch eine andere Tradition
über den Landungsort der Arche: dcnoßax'qQiov hbvxoi xov xönov
xovxov 'ÄQ^ivioL KaXov6iv iv.el yuQ avaacoQ'hLCTig xfjg XdQvaxog iti vyv
oi inixöiQiOL tu Xsiipavcc ini8siv.vvovGi. Unter 'AQ{iivioi sind hier gewiss
armenische Juden zu verstehen; vgl. Apg. 2, 9.:. TIccq&oi xai Mijdoi
y.al Äilu^ixai etc. Ob aber das a.noßaxriQiov in Übereinstimmung mit
der gesamten älteren Tradition in Kordueno, wo nachmals das Dorf
&einänön als Landungsort der Arche galt (zuerst in der Schatzhöhle
S.°102, 17 = 24; vgl. Nöldeke a. a. 0. G. Hoffmann, Auszüge
174 f.), oder im eigentlichen Armenien zu suchen ist, wofür die Er-
zählung des Nikolaos von Damaskos (oben S. 286 f.) sprechen könnte,
lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Vgl. auch H. Hüb seh -
manu, Armeniaca. Strassburger Festschrift zur XLVI. Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner S. 79 gegen Murad a. a. O.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 291
übrigen Verwandten zu sichern, sandte er sie samt ihren Kindern
teils an den Hof des Kaisers Tiberius ^) nach Rom, teils zu seinem
Lehnsherrn, dem Partherkönig Artabanos. Es traf sich nun, dass
inzwischen auch Helena durch einen andern Juden für die jüdische
Religion gewonnen worden war und ganz nach jüdischen Sitten
lebte-). Als Izates hiervon Kunde erhielt, wollte er sofort voll-
ständig zum Judentum übertreten und die Beschneidung annehmen,
doch gelang es seiner Mutter, die ihm die Gefahren vor Augen
stellte, welchen er sich und seine Herrschaft dadurch aussetzen
würde, ihn von diesem Schritte zurückzuhalten 3) , so dass er sich
61 ff. Allein auch wenn man es in der Nähe der jüdischen Kolonien im
Araxesthale sucht und an Nackcavan denkt, kann ccnoßatriQLOv unmög-
lich als eine Übersetzung dieses Namens gelten, wie Hübschmann
a. a. O. S. 73 ff. gegen Murad mit Recht betont. Denkbar wäre, dass
die dortigen Juden durch den Namen Nachc-avan „Flecken des Nachuc
(bezw. Nachic)" an ihren Sintflutpatriarchen Noh erinnert wurden. Auf
alle Fälle müsste man dann aber bei Josephos bezw. seiner Quelle ein
Missverständniss annehmen. Auch wäre es höchst auffällig, dass diese
Tradition zur Zeit der Bekehrung Armeniens zum Christentum in diesem
Lande gänzlich erloschen gewesen wäre.
Qardü (Kordyene), das nach der Erzählung des Josephos im Be-
sitze des Königs von Adiabene erscheint, soll nach Appian. Mithr. 105
nebst Sophene von Pompeius dem Jüngern Tigranes zugedacht und
darauf dem Ariobarzanes I. von Kappadokien (95—62) verliehen wor-
den sein. Phradates III. von Parthien besetzte das Land als eines der
ihm von Pompeius zugestandenen Gebiete, allein dieser schickte im
J. 64 seinen Legaten Afranius mit Heeresmacht dahin, welcher die
Parther aus Korduene vertrieb und bis nach Ekbatana in Adiabene
verfolgte (Plut. Pomp. 36. Kass. Dion 37, 5. Gros. VI, 4, 8; vgl. Gut-
schmid, Gesch. Irans 84. Th. Rein ach, Mithridate Eupator 382
N. 1. 393). Orosius denkt fälschlich an die medische Hauptstadt, es ist
aber Ekbatana in Adiabene (Ammian. Marcellin. 23, 6, 22) nait einer
berühmten Naphthaquelle gemeint; vgl. Plut. Alex. 35: ro xaciia tov
TtvQog iv 'Exßarcivois. Gurt. 5, 1, 16 : ad Mennin urbem pervenit. Caverna
ibi est, ex qua fons ingentem bituminis vim effundit. Strab. t? 1, 4
p. 737 : 7] tov vd(pQ'oc nr\yr\. Dies ist wahrscheinlich die Naphthaquelle
bei Bäbä Gurgur IVj— 2 Stunden nördlich von Kerkuk (G. Hoffmann,
Auszüge 273). Wahrscheinlich wurde Korduene später von Augustus
dem König Artaxares von Adiabene, der bei ihm Zuflucht suchte (Res
gestae divi Augusti^ 6, 2 = 17, 2 p. 135 ed. Mommsen), verliehen.
1) Jos. UQX. X 2, 4 § 37 nennt den Kaiser Claudius (41—54), allein
bei dessen Regierungsantritt war Artabanos bereits gestorben.
■) Diese Nachricht scheint mir ebenfalls darauf hinzuweisen, dass
es auch in Adiabene schon Juden gab. Denn es ist doch die nächst-
liegende Vermutung, dass dieser Jude aus Adiabene selbst stamnite.
Einen weitern Anhaltspunkt für eine derartige Annahme erblicke ich
in § 49, wo es nach der Beschneidung des Izates heisst: 'EXiv^ 8 i]
tov ßaadicog fiTjrr]?, oQwaa xa ^ihv v.ark xr]v ßaadsiav £iQr]V£v6^£va,
rbv 6' vlbv uvTfjg iiccKägiov kuI nagu 7t&6i ^r\larov y.al xolg aXXo-
£&v£Gi ÖLu XT]v iv. %sov TtQovoiav. Die bcsondcre Hervorhebung der
aXXosQ-vng scheint mir als selbstverständlichen Gegensatz 'lovSaloi
3) Diese Besorgnis vor den Gefahren, welche dem Königre im Falle
seines Übertritts zum Judentum von seinen Unterthanen — d. h. vom
19*
292 «^^ Marquart,
auf Anraten des Ananias einstweilen mit der Stellung eines 6eß6-
^evog xov ^iov begnügte. Allein später Hess er sich durch die
Vorstellungen eines gesetzeseifrigen Juden Eleazar, der aus Galiläa
gekommen war, doch bewegen, die Beschneidung anzunehmen. Als
nun die befürchteten Unruhen ausblieben und ihr Sohn sich nach
wie vor der Liebe und Anhänglichkeit all seiner Unterthanen, auch
der heidnischen, erfreute, unternahm Helena eine Wallfahrt nach
Jerusalem , wo sie zur Zeit der Hungersnot, die unter den Statt-
haltern Cuspius Fadus und Tiberius Alexander (44 — 48) daselbst
wütete ^) , eintraf. Der König sandte selbst fünf seiner Söhne
nach Jerusalem, um sie dort in der hebräischen Sprache und
rabbinischen Bildung unterweisen zu lassen-).
Zur Zeit des Königs der Könige Volagases I. verliessen auch
Izates' Bruder Monobazos und seine Verwandten den alten Mazda-
glauben und traten zum Judentum über. Als dieser Schritt aber
ruchbar wurde, verbarg der iranische Adel des Landes seinen Groll
nicht länger. Zuerst veranlassten die Megistanen den Araber-
scheich Abias^) (in Be'9''Arabäje oder Arvastan, südlich von Nisibis*))
zu einem Kriegszug gegen Izates, indem sie ihm versprachen, beim
ersten Zusammenstoss zu ihm überzugehen, und als dieses Unter-
nehmen an der Umsicht des Izates scheiterte, wandten sie sich an
dessen Lehnsherrn Volagases mit der Aufforderung, ihnen einen
andern Fürsten parthischen Geschlechts zu geben, da ihr König
die väterlichen Satzungen abgeschafft habe und ein Anhänger
fremder Sitten geworden sei. Daraufhin beschloss der König der
Könige den Izates nötigenfalls mit Gewalt abzusetzen. Diese Dar-
stellung ist vollkommen glaubwürdig, da sie trefflich zu dem
stimmt, was wir sonst über die religiöse Haltung des Volagases
wissen. Allem nach war er ein eifriger Mazdajasnier^), der nicht
iranischen Adel , wie sich aus dem weitern Verlauf der Erzählung er-
gibt — droben würden (§§ 39. 47. 49 vgl. 76. 79), spiegelt „sich noch
sehr deutlich in der Addaüegende wieder : „ So giengen auch Ostliche in
der Gestalt von Kaufleuten ins Gebiet der Kömer hinüber, um die
Zeichen zu sehen welche Addai vollbrachte; und jene von ihnen, welche
Schüler wurden, empfiengen von ihm (so Cureton) die Vollmacht des
Priestertums , und lehrten in ihrem eignen Lande der Assyrer ihre
Volksgenossen und bauten dort heimlich Bethäuser aus Furcht vor den
Feueranbetern und Wasserverehrern " (The Doctrine of Addai ed.
Phillips p. ^\, 2—9 = 35 der Übs. Leroubna, La lettre d'Abgar
bei Langlois, CoUection des histor. armen, I 328b).
1) Jos. iiQx- 20, 71.
2) Jos. ccQx- 20, 49—53. 100-101. Vgl. E. Schürer, Gesch. des
jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi I^ (1890) 474 A. 8.
^) Arab. ^jI, oder jüdisch ti^^aN?
4) S. mein Eränsahr S. 25. 162 f.'
^) Vgl. über die religiöse Haltung Volagases I. und seines Bruders
Tiridates Tac. ann. 15, 24. Plin. h. n. 30, 2 § 16—17. Kass. Dion 63, 4.
Darmesteter, Le Zend-Avesta III p. XXIII s.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 293
bloss eine neue Sammlung und Redaktion des Awesta, sondern auch
einen Kommentar (Zand) zu demselben in Palhawik d. h. in der
durch Artabanos II. aufgekommenen atropatenischen Sprache, das
palhawik den, veranlasste^). Izates, der wusste was ihm bevorstand,
1) Dlnkart IV 24 bei E. W. West, Pahlavi Texts IV 413:
,Valkhas, descendant of Askän, in (each) district, just as he had
come forth, ordered the careful preservation , (and) making of memo-
randa for the royal city (shatrö shahag), ofthe Avesta (and) Zand
as it has purely come uuto (them, and) also of whatever Instruction
(ämükö-c), due to it, had remained written about, as well as deliver-
able by the tongue through a high-priest, in a scattered state in the
country of Iran , owing to the ravages and devastation of Alexander
and the cavalry and infantry of the Arümans".
Nach der Annahme der Parsen war das Zand so gut wie das
Awesta schon von Ahuramazdä selbst dem Zara'O'ustra geoffenbart
worden. Vgl. Dlnkart IV 23 (West, Pahlavi Texts IV 413). VIII, 1, 3
(P. T. IV 3). VII 8, 22. 36 (P. T. V 99. 102) und besonders IX 82, 20
(P. T. IV 258), ein Citat aus der Pahlawi- Übersetzung des neunten,
Hwaetumaiti genannten Fargard des Warstmänsar Nask, wo Ahuramazdä
zu Zara^ustra spricht: „they (also) think scornfully_ (of ) thy cere-
monial, and think scornfuUy (of) the obeisances {niyayisno) and (of)
both those blessings from me, the Avesta and Zand, which I,
who am the most propitious of spirits, spoke forth to thee". V3,4
(P. T. V 127): „The formation of custom, and the indications which
(have) come to manifestation and (will) arrive at various periods ; and the
proclamation of these, too, by Gämäsp, from the teaching of Zaratüst,
is what he wrote, together with the Avesta and Zand, upon oxhides,
and it was written (with) gold, and kept in the royal treasury^
Dln-i wigirkard 1, 23 (P. T. IV 447). Sad-dar 81, 90 (P. T. III 346) sagt
Ahuramazdä zu Zara^ö'ustra: „I have taught (it) to thee in the Avesta,
in a language that no one in the world considers piain (and) easy ; a n d
I have told thee its Interpretation (zand) in a language
that is more current among mankiud, and thou likewise
hast more eloquence {fagli) therein^ Vgl. dazu Mas'udi,
Mm-üg II 124—126. Kitäb at tanbih iC, 2—5, wo es nach de Goeje's
Herstellung des in beiden Hss. verdorbenen Textes heisst:
(P +x*^jj) *.5>iAÄ£ ^j.J'^ lXjJI »L*-w L5>yi LCw^j'^U ct*"Ä^Sjij i}"*^j
v.u^->^3 *«-*->_;J (om. codd.) f^ c>.^0ijj* ^J^^ ^j*^^ V^ f^^
d. i. „Zara'O'ustra verfasste auch einen Kommentar zum Awesta, den
er Zand nannte, der in ihren Augen (ebenfalls) das dem Zara-ö'ustra
geoffenbarte Wort Gottes ist; darauf übersetzte es (das Zand) Zara-
-ö-ustra aus der Pahlawi- in die persische Sprache. Hierauf verfertigte
Zara'O'ustra einen Kommentar zum Zand, den er Päzand nannte".
Nimmt man diese Herstellung an, so ist das Wort *.4.>y vor
O i! »^i' in der Pariser Hs. als Randglosse eines Lesers zu betrachten,
welcher wusste, dass das Zand die Übersetzung der hl. Schrift war.
294 J- Marquart,
rüstete sich zum Widerstand, ehe es aber zum Kampfe kam, ward
Volagases durch die Nachricht, dass die Daher und Saken (von
Nach diesem Texte hätte also Zara'O'ustra das Zand ursprünglich
in Pahlawi verfasst (vgl. das Sad dar),., dasselbe dann aber selbst ins
Persische übersetzt. Diese persische Übersetzung des Zand ist aber
nach Mas'Qdi verschieden vom Fäzand, d. h. der Umschrift der so-
genannten PahlawTübersetzung des Awesta in Awesta- oder arabische
Schrift (vgl. Darmesteter, Le Zendavesta I p. XL n.), welche von
Mas'üdi gleichfalls schon auf ZaraO'ustra zurückgeführt wird. Auch
in einem von S alemann (Mel. Asiat. IX 497) mitgeteilten Auszuge
aus dem im Jahre 748 H. verfassten xx^^ i*-^^^ jj-*^ ^^^^ ^^^
Zara-öiistra die Abfassung des „Zand und Päzand" zugeschrieben. Diese
Angaben werden verständlich, sobald man unter Pahlawi hier die aus
Atropatene stammende Schriftsprache der Part her zeit, das fälschlich
sogenannte Chaldaeo- Pahlawi, unter Kj^^LäJl aber die Sprache und
Schrift von Pars versteht, die unter den Sasaniden zur allgemeinen Reichs-
sprache geworden war und richtig als Mittelpersisch zu bezeichnen
ist. Das Pahlawi-Zand ist dann der unter Volagases I. entstandene Kom-
mentar zum Awesta in atropatenischer Sprache, das Pars! -Zand
die unter den Sasaniden hergestellte Redaktion desselben in mittel-
persischer Sprache. Die Sprache des Pazand dagegen, welche bereits
eine jüngere Lautgestalt zeigt, aber doch mit dem klassischen Neu-
persisch noch keineswegs identisch ist, bezeichnet Mas'üdi S. li, 13
(trad. Carra de Vaux, Le livre de Pavertissement et de la revision
p. 132) als Neupersisch (iL^UJl sÄ^). Er sagt hier: „Man kennt heut-
zutage niemanden der jene Sprache [in welcher das Awesta geschrieben
ist] verstünde. Es sind nur einige von den Nasks für sie in das heutige
Persisch übertragen worden, die sich in ihren Händen befinden und
die sie bei ihren Gebeten rezitieren, wie das Istad {Stot-ja&t, Jasna
28—54, 14—17, 22—27, 56; P ^LÄ.i:^ L ^U^^t, Murüg II 125 oU^l),
CitraU (Ci-Öradät) , ßayän-jaSt (jt. 1, 5—19-, Hss. ci^-sM^jb, o^a-J-iL
lies ci*.-Ci4j^*^) » HäSöcht und andere Nasks". Vgl. Darmesteter,
Le Zendavesta III p. XVI s. und Carra de Vaux, 1. 1. p. 132 n. 3.
Auch bei Elise wardapet (Venedig 1864, p. 253 = Langlois,
Collection des histor. arm^n. II 230 a) werden zwei persische Religions-
bücher Palhavik und Parshaden „das parthische und das persische
Religionsbuch " genannt (vgl. Hübschmann, Arm. Gr. I 168), worunter
meiner Ansicht nach nur der parthische und der persische Kommentar
zum Awesta verstanden werden können. S. mein Eränsahr 123 A. 5.
Ursprünglich verstand mau aber unter dem Apastah wahrscheinlich
nur den Stöt-jaSt, dessen wichtigsten Teil die in einem altertümlichen
Dialekte und in metrischer Form abgefassten fünf Gathas (Jasna 28—54)
bildeten, während die sechs übrigen gathischen Nasks, vor allem der
Warst-mänsar und Bak, Erklärungen und Erweiterungen zu den Gathas,
also das Zand, darstellten. Bei den beiden andern Hauptabteilungen
des sasanidischen Awesta, dem Gesetz und dem Hadama^ra, lasst sich
das gegenseitige Verhältnis der einzelnen zu denselben gehörigen Nasks
nicht mehr näher erkennen. Leider ist keines der Citate aus den ver-
lornen Nasks, in welchen Awesta und Zand als gleichmassig von
Ahuramazda geoffenbart erwähnt werden, im ursprünglichen Wortlaut
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 295
Sagistän) mit grosser Heeresmacht in Pai-thyene eingefallen seien,
zum Abzug bewogen. Nicht lange darnach starb Izates nach
24 jähriger Regierung i) im Alter von 55 Jahren. Seine Mutter
Helena, die auf die Kunde von seinem Tode nach Adiabene zurück-
gekehrt war, überlebte ihn nicht lange. Ihr ältester Sohn Mono-
bazos IL, der nun den Thron erbte, sandte ihre und seines Bruders
Überreste nach Jerasalem und Hess sie in den von ihr erbauten
erhalten. Doch würde sich unter obiger Annahme leichter erklären,
wie die Begriffe Apastäk und Zand bezw. deren awestische Äquivalente
ihre Bedeutung allmählig änderten und der erstere schliesslich die ganze,
aus 21 Nasks bestehende hl. Schrift umfasste, während die Bezeichnung
Zand auf die durch das Aussterben der Awestasprache nötig gewordenen
Paraphrasen des Awesta in jüngeren Dialekten (Chwarizmisch, Sogdisch,
Baktrisch - Tocharisch , Atropatenisch - Parthisch , Persisch, Sagzl u. a.)
übertragen wurde. _ .
Man darf annehmen, dass Mas'üdi's Nachrichten in letzter Lmie
auf das Dinkart zurückgehen, wer aber sein unmittelbarer Gewährs-
mann war, ist unbekannt. Man könnte an den damaligen Obermobad
Ömeä h. Asawahiät denken, der auch von Hamza IspahänT (Jäq. I
f n , 2 u>«-s«.Pj-ü! ^J ^y^ ; Tv , 7 ^^J [Hss. uXjj» 1. ^Ave^] O^^^
vi>s.Ü«p5.A^l) und an Nadlm, dem Verfasser des Fihrist (Ä^il oL«! If, 19.
!!*•, 13) zu Rate gezogen worden ist; allein dann würde man erwarten, dass
er dessen Namen richtig oLo^! oder Cs^^ schreiben würde, statt der
Verlesung der PahlawTzeichen in öUi^ (l.f , 12). Allerdings begeht er
dasselbe Versehen bei der Wiedergabe des Namens des Grossvaters seines
Vorgängers, des im J. 32-5 H^(936/37) von ar Rädi in BagdäcJ hingerichteten
Isfandijär b. Ätfarbä^ b. Ümed", den er Ä-m-Ü schreibt. Der Vater
dieses Isfandijär. ein Zeitgenosse des gegen Ende des 9. Jahrhunderts
lebenden Oberpriesters Zäd^pram von Sirakän in Kermän, war der letzte
Redaktor des Dinkart. Vgl. Darmesteter bei de Goeje, Bibl. Geogr.
Arab. VIII l.f ann. t.
1) Jos. aqi. 20, 92. Die Zahl 24 spielt allerdings an dieser Stelle
eine etwas mythische Rolle, da dem Izates auch je 24 Söhne und
24 Töchter zugeschrieben werden. — Der Einfall der Daher und Saken
in Parthyene hängt wohl mit dem Abfall der Hyrkanier (a. 58) zu-
sammen, die unter den Nachkommen Gotarzes' II. aus dem Hause des
Gew ein eigenes Reich zu bilden suchten, das wahrscheinlich auch
Karmanien umfasste (Tac. ann. 13, 37. 14, 21. 15, 1. 2, vgl. 6, 36. 43.
11, 8 und mein Eränsahr S. 72. Beiträge zur Geschichte und Sage von
Erän ZDMG. 49, 641). Von jeher aber hatten die Hyrkanier sich der
Hilfe der benachbarten dahischen Nomaden bedient (vgl. Tac. ann. 2, 3.
11, 8. Jos. ä^i- 18, 100). Im Jahre 61 finden wir bereits Monobazos IL als
König von Adiabene (Tac. ann. 15, 1). Wir können also die Regierung
des Izates von ca. 34—58 n. Chr. setzen. Mit dieser Berechnung stimmt
die Angabe des Rabbi Juda (Nazir III 6 bei Schür er, Gesch. des
jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu III» 120 A. 58) überein, dass die
Königin Helena nur vierzehn Jahre Naziräerin war, wenn man an-
nehmen darf, dass die Zeit ihres Naziräats mit ihrem Aufenthalte in
Jerusalem zusammenfiel. Dieser ist von 44 — 58 zu setzen.
296 J- Marquart,
Pyramiden beisetzen^). Josephos beabsichtigte, die Beziehungen
dieser Fürsten zu Jerusalem sowie die Lebensgeschichte des
Monobazos besonders zu behandeln-), allein dieser Plan ist leider
nicht zur Ausführung gekommen. Doch erfahren wir beiläufig,
dass im jüdischen Kriege zwei Verwandte des Königs Monobazos,
Monobazos und Kenedaios, vermutlich Söhne des Izates, auf jüdi-
scher Seite fochten-^).
Die Bekehrung des Izates muss frühzeitig in einer aramäischen
Legende verherrlicht worden sein, in welcher derselbe als Narse,
König der A'ö'öräje, vorgestellt wurde*), d. h. an die Stelle des
1) Jos. &QX. 20, 53. 96.
2) Jos. ccQx- 20, 53. 96.
s) Jos. 7t6L 'lovS. 2, 520.
4) The Doctrine of Addai ed. Philipps p. 37,9. 18 =- 35 der
Übs, — Mehrere der wichtigsten Persönlichkeiten, welche die Addai-
legende am Hofe Abgars auftreten lässt, sind unzweideutig bekannten
historischen Gestalten entlehnt, welche in der Grescbichte der Parther-
könige Artabanos II., Gotarzes II. und Vardanes, also in der ersten
Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr., eine bedeutende Rolle spielten.
Es sind dies vor allem j^^Cl!^ V^ .pt po Sennaq bar 'AtvTSä S. 40,
23 = 39, der mit %a^\ ^ .rMor» Sennaq bar 'Abmdar (cod. Cureton
vt«Jt «^\ ^Abd Saddai, in der armenischen Übersetzung U.ft-"'^^/»
AbdaSar), dem Vater des königlichen Schreibers Leböbnä S. 53 , 1 = 50
identisch ist, und sein Vater. Die beiden hier für den Vater des Sennaq
bezeugten Namensformen hat ein Späterer S. 18, 4== 17 in zwei verschiedene
Personen, Vater und Sohn, gespalten: ^f^y t^^^? OlV^ J*-»Ct\. 'Awldä
breh de-'Abdnehad (arm. Abdecke), allein die richtige Form ist »JLws^^ZiA.
'AbdageS oder ■^^^.^~^\ 'AbdacheS = Abdagaeses. Der Name )^.«CL^,
unter welchem die fragliche Person gewöhnlich vorkommt (S. 18, 16
= 17/18. 33, 12 = 31 und, aus der Addailehre entlehnt, auch in den
Akten des Sarbel und Barsamjä bei Cure ton, Ancieut Syriac documents
p. 45, 17 =45; 64, 5 = 63), weist auf den^Einfluss des Buches der Ge-
setze der Länder, aus welchem auch Semesgram (S. 17, 10 = 16.
33, 2 = 31) stammt (vgl. Cureton, Spicil. syr. 1—13 = 1—15). In
der Addailegende aber sind keine geringeren gemeint, als der Surena
Abdagaeses, 'AßSaytxarjg (Tac. ann. 6, 36. 37. 43. 44. Jos. kqx- 18, 333 f.)
und sein Sohn Sinnaces (^Tac, ann. 6, 31. 32. 36. 37) , die Häupter des
nächst den Arsakiden mächtigsten parthischen Adelshauses, die in der
älteren Fassung der Legende an den Hof des Narse versetzt waren.
Freilich erscheinen diese beiden in der Geschichte als Häupter einer
dem König der Könige Artabanos feindlichen Partei, während dieser
bei Izates-Narse von Adiabene Zuflucht findet .Jos. &qx- 20, 54 — 68).
Die Verknüpfung des Hauses Suren mit Adiabene wird verständlich,
wenn man bedenkt, dass dasselbe in Mesopotamien (vgl. Sinnaka bei
Karrai, den Ort der Niederlage des Crassus Strab. ig 1, 23 p. 747. Plut.
Crass. 29) und sogar in BeQ- Qardü (vgl. den Ort Bä Suren G. Hoff-
mann, Auszüge 210. 214) begütert war und wahrscheinlich mehrere
Generationen hindurch die erbliche Statthalterschaft in Mesopotamien
inne hatte (vgl. Unters, zur Gesch. von Eran II 81), also dem Reiche
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 297
Appellati vums Izat war der Eigenname des Izeds Nairjösanha ge-
treten. Dieser ist eigentlich eine Hypostase des Feuers und erhält
zweimal (Jasna 17, 11 und Siröza für den Tag Adar) den Bei-
namen chsaß-rdm nafdbrdm (acc), was Darmesteter^) durch
„divinite qui reside dans le nombril des rois" paraphrasiert. Im
Grossen Bundahisn heisst es von ihm: „A propos du germe des
Keanides , il est dit que c'est lui qui le fait grandir , ainsi qu'il
des Izates, der von Artabanos II. auch das wichtige Nisibis erhalten
hatte, unmittelbar benachbart war.
Mit Sicherheit entspricht sodann O^O^ V^ 0«^X 'Abdü bar
'Abdü (so S. 5, 14 = 6. 7, 11 = 8 und 17, 24 = 17) oder einfach 'Abdü
(S. 17, 10 = 17 und 33, 2 = 31 ; S. 18, 16 = 17 und daraus in den
Akten des Sarbel bei Cure ton 1. 1. p. 45, 16 ist der Name in QZrJ^
und in den Akten des Barsamjä eb. 64, 5 = 63 weiter in Q^J verdorben),
, einer von den Fürsten, welche knieend vor Abgar sassen", dem proxi-
mus huic (Sinnaci) Abdus ademptae viriUtatis Tac. ann. 6, 31. 32 (vgl.
schon Nestle, Theol. Literaturzeitung 1876^8.644), also einem nahen
Verwandten des Sinnakes. Unter Meherda& (S. 33, 3 = 31), dem
Vater der Salma-^ (17, 9 = 16), ist vielleicht Mi.&Qt.Mt7}g , der Eidam
des Artabanos (Jos. kqx- 18, 353—366) zu verstehen, der in Babylonien
begütert war. Nach Parthien gehören ferner iooS Paqör 17, 16 = 16
und ^oVQQa. Hesrön 18, 16 = 18 = aw. Haosrawa, armen. C'hosroiv,
gr. 'OaQÖris, sowie der Priester JQ^'^^Ä '^^ jo;^ Peröz bar Patr'iq
40, 22 = 39, S. 34, 4 = 32 in zwei Personen OCUJO jOV*3 Peröz
und Danqü zerlegt. Das Richtige ist wohl Peröz bar jQj*^ Farnaq-^
vgl. Parraces Tac. ann. 12, 14.
Auch Bar-halbä ,Sohn des Hundes" (17, 11 = 16. 18, 15 = 17.
33, 12 = 31. 40, 22 = 39 und daraus in den Akten des Sarbel und
Barsamjä bei Cure ton 1.1. p. 45, 17 = 45; 64, 5 = 63) verrät mazdajasni-
schen Charakter und ist vielleicht Übersetzung eines iranischen Namens
(etwa *Sunpät = armen. Smbat). Darauf weist auch der Name des
Vaters ; nach cod. Cureton und der armenischen Übersetzung ist S. 40, 22
zu lesen wJ.) V^ |"^\'^ ;^, und dass ww^) hier aus ^\^ oder ^)/ Izat
verdorben ist, hat Nestle a. a. 0. schon vor Jahren vermutet. Letzterer
Name steckt auch 17, 11 in dem unmittelbar vor Bar-Kalbä stehenden ^)/,
wofür wohl Jj)/ zu lesen ist. Endlich kann auch der scheinbar gut
aramäische Name |i.^Q.Z^ „Nebo hat geschaffen" 18,16.52,22(8.33,3
in w^QZ)/ verdorben) sehr wohl die Übersetzung des wohlbekannten
parthischen Tiridates, *Tlridäta „von Tir geschaffen" sein, zumal der
Träger dieses Namens aus einem parthischen Adelshause stammt (vgl.
meine Unters, zur Gresch. von Eran II 80 A. 3. 81 und A. 2). Dazu
kommt endlich Hannan == 'Avaviag Jos. aQx. 20, 34. 40. 47. All das ist
in Adiabene sehr wohl verständlich, während für Urhäi, obwohl es
ebenfalls zur parthischen Klientel gehörte, eine entsprechende Über-
lieferung (abgesehen von Tac. ann. 12, 12. 14) fehlt. Man wird
daher auch in dem Juden |-OQ^ ;^ Y^^ ^- 5' ^l/l^ = 6 eine Be-
zugnahme auf das Buch Tobit erblicken dürfen.
1) Le Zendavesta I 147. II 300.
298 J- Marquart,
est dit : ,Ce germe des Keanides, de la race des dieux, est appele
Neiyösang (et fait) ragrandissement du monde', c*est-ä-dire que
c'est par son recours que se fait Tagrandisseinent et le gouverne-
ment du monde par les Keanides et les heros''i). Er behütet den
Samen des Gajümart^), des ZaraO'ustra '^) und des Eri6*) und
sorgt für die Fortpflanzung des reinen Stammes. Zugleich ist er
der Bote des Ahuramazda.
Wir dürfen annehmen, dass die werbende Kraft des assyri-
schen Judentums im Partherreiche und Armenien durch die Be-
kehrung des adiabenischen Königshauses erheblich gesteigert wurde
und dasselbe auch in jenen Ländern diu'ch Bekehrungen von
Heiden dem Christentum den Boden vorbereitete. Es konnte aber
nicht fehlen, dass das von jüdischen Fürsten regierte Adiabene
bald auch von christlichen Glaubensboten aufgesucht wurde, und
wenn wir auch keine positiven Nachrichten darüber besitzen, so
lassen sich doch gewisse Thatsachen der ältesten syrischen Kirchen-
geschichte nur unter dem Gesichtspunkte befriedigend verstehen,
dass die Wiege der aramäischen Kirche in Assyrien bezw. in
Adiabene stand ^). Der Streit darüber, ob das älteste syrische
1) Ib. II 319.
2) Bundah. XV 1. P. T. I 52/53.
3) Bundah. XXXII 8—9, P. T. I 144.
*) Dinkart VII, 1, 29. P. T. V 11.
^) An dieser Auffassung kann uns natürlich die von Mar Michael
aufbewahrte Biographie des Bardai^än mit der damit zusammenhängen-
den langen Liste von Bischöfen Edessas von Addai bis auf die Zeit des
Bardaicän (Chronique de Michel le Syrien ^d. par J.-B. Chabot p. 109 a,
42— lila, 25 = 183 a— 185 a. 105 c, 17 ff. = 175 b. 110 a, 27— 37 = 184b)
nicht irre machen. Nach jener Biographie war im J. 500 Sei. = 188 89
u. Chr., als Bardaicän nach Orhai kam, Vstäsp Bischof dieser Stadt.
Von einem solchen Bischöfe ist aber sonst nicht das mindeste bekannt.
Die Biographie erwähnt die von Addai in Edessa erbaute Kirche, setzt
also die edessenische Addailehre bereits voraus. Der König von Persien,
unter welchem Bardai^äns Eltern nach Orhai flohen, heisst Sahroq bar
Narse. Sein fünfzehntes Jahr wird dem Jahre 475 der Griechen =
163/64 n. Chr. gleichgesetzt, es ist also Peröz d. i. Volagases III.
(148—191) gemeint. Der wahre Charakter jener Legende ergibt sich
aber mit voller Deutlichkeit aus den angeblichen Namen der Eltern
des BardaiQän, wie G. Hoff mann (Auszüge aus syr. Akten persischer
Märtyrer S. 137 A. 1162) schon vor mehr als 20 Jahren erkannt hat:
)OV'kJUwJ d. h. „omen (augurium) meum sublime est" passt nicht übel
für die Mutter des Verfassers oder geistigen Urhebers des „Buches der
Gesetze der Länder", und in j:o|*.QJ, nach Hoffmann ein Fehler für
1»/ wJO» „mein Fisch ist (seine) Mutter", ist die Beziehung auf Mabbog
und seine Göttin Atargatis nicht zu verkennen.
Charakteristisch für jene Bischofsliste ist, dass sie gerade mit
'Aqqai, dem Nachfolger des Ustäsp, welcher den Bardai^an anathema-
tisiert haben soll, abbricht: Mar Michael macht nicht den geringsten
i
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 299
Evangelium das , Evangelium der Gemischten" d. h. Tatians Dia-
tessaron oder das , Evangelium der Getrennten" d. h. die jüngst
in einem Palimpsest auf dem Sinai wiederaufgefundene Über-
setzung der kanonischen Evangelien war, ist zwar noch nicht ent-
schieden ; auch ist es nicht sicher, ob das Diatessaron ursprünglich
syrisch oder griechisch abgefasst war^). Soviel aber wissen wir,
dass der Verfasser dieses Werkes aus Assyrien stammte und
nach seinem Weggang aus Rom (172/73 n. Chr.) wieder in seine
Heimat zurückkehrte. Daraus ergibt sich aber der Schluss , dass
das Diatessaron zuerst in Assyrien verbreitet wurde und erst später
nach Edessa kam. Noch merkwürdiger ist jedoch die Form, in
welcher die Syrer in ältester Zeit das Alte Testament oder wenig-
stens einzelne Bücher desselben benützten. Es ist eine bekannte, bis-
her indessen unerklärte Thatsache, dass die Übersetzungen mehrerer
alttestamentlicher Bücher in der Peslt'9'ä, namentlich des Penta-
teuchs, sowie der Chronik, nicht viel weiter sind als aramäische
Targume^). Diese Erscheinung wäre sehr befremdlich, wenn die
älteste aramäische Kirche auf heidnischem Boden (in Urhai) er-
wachsen wäre, erklärt sich aber sehr einfach, wenn dieselbe unter
einer grossenteils jüdischen bezw. judaisierten Bevölkerung ent-
stand, die sogar einst von einer jüdischen Dynastie regiert worden
war 3). Die adiabenischen Juden fuhren natürlich auch nach ihrem
Versuch, sie mit der aus der edessenischen Chronik undPs. Dionysios
von Tel-Mahre bekannten Reihe der Bischöfe von Urhai, welche er
von S. 120 = 203 an wiedergibt, zu verknüpfen. Es ist aber nicht
schwer zu erkennen, wie dieselbe zu Stande gekommen ist. Die Namen
Addai, Aggai, Palut und 'Abselämä stammen aus der Addailehre
(S. 85, 6 = 33; 47, 19 =45; 52, 1. 11^=49. 50), aus welcher sie auch in
die Akten des Barsamjä und des Sarbel (Cure ton, Ancient Syriac
documents p. 43, 21 = 43; 61^ 21 = 61; 72, 2 = 71) ^übergegangen sind.
Barsamjä, Tlrdät und Salula sind den Akten des Sarbel (eb. 42, 18 =
42; Barsamjä noch 41, 18 = 41; 44, 12 = 43; 45, 1 = 44; 63, 16/17 =
63 u. ö.) entnommen, wie Gurja den Akten des Gurja und Semona. Es
ist demnach klar, dass die drei aufeinanderfolgenden Bischöfe wJj-./ (für
J^p/ Izat'i)^ UStäsp (Wistäsp) und 'Aqqai in gleicher Weise die eigene
Erfindung des Verfassers jener Biographie Bardai^ans sind.
Dass übrigens die Martyrien des Sarbel und^ Barsamjä aus der-
selben Fabrik stammen wie die des Gurjä und Semönä, hat jüngst
Nöldeke gezeigt (Über einige Edessenische Märtyrerakten. Strass-
burger Festschrift zur XL VI. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner, 1901, S. 13—22).
1) Harnack, Gesch. der altchristlichen Litteratur II 1, 284 — 289
hält die griechische Abfassung für wahrscheinlich.
2) Von einer kritischen Ausgabe der Pesit^O'ä ist noch keine Rede,
aber auch mit Untersuchungen über einzelne Bücher derselben sieht es
noch sehr traurig aus.
3) Der letzte bekannte König von Adiabene ist MrißagadTtrig , der
von Trajan besiegt wurde, worauf dieser das Land in eine römische
Provinz Assyrien verwandelte (a. 116). Ob die alte Dynastie nach der
300 '^- Marquart,
Übertritt zum Christentum fort, ihre aramäischen Targume zum
A. T. zu gebrauchen. In Adiabene aber erklären sich Wiedergaben
wie Qardü Gen. 8, 4. Jes. 37, 38 für Ü^IN , Oeläje für ÖT«3
Gen. 14, 1 völlig befriedigend ^). Wir dürfen somit annehmen, dass
Addai in Wirklichkeit der Apostel des Ostens (Arvastan, Adiabene,
Be'9' Garme u. s. w.) war, und eine wenn auch getrübte Erinnerung
daran hat sich bei syrischen Kirchenhistorikern in der That noch
erhalten -).
Nach der Christianisierung von Adiabene wurde die die Be-
kehrung des Königs Izates zum Judentum verherrlichende Legende
selbstverständlich in christlichem Sinne umgearbeitet ; erst weit
später — allem Anschein nach kaum vor der zweiten Hälfte des
dritten Jahrhunderts — wurde die ganze Legende von den
Edessenern usurpiert, indem man an die Stelle des Königs Narse-
Izates seinen Zeitgenossen Abgar V. Ukkämä von Edessa setzte-^).
Rückgabe der Provinz unter Hadrian wiederhergestellt wurde, wissen
wir nicht. Dinawarl fo, 12 behauptet allerdings, dass ArdasTr auch
gegen den König von Mau^il gezogen sei und ihn getötet habe und
aus Tab. I a1., 12 und Hamza fv erfahren wir, dass er die Stadt
Hazza im Gebiete von al Maugil unter dem Namen Büd^-ArdasTr neu-
gegründet habe. Dies stimmt zum Charakter der übrigen Städtegrün-
dungen ArdasTrs , die durchweg in bis dahin unabhängigen Gebieten
liegen, und spricht dafür, dass das Gebiet von Mau^il d. i. Adiabene
in der That bis auf Ardasir ein eigenes Reich gebildet hatte. Diese
Ansicht wird auch dadurch unterstützt, dass noch Ardasir II. (379 — 383)
als Prinz , König" d. i. Prinzstatthalter von Hedaijab war. Vgl.
Nöldeke, Gesch. der Perser und Araber 20 A. 4.°70 A. 1.
Dies spricht noch mehr für meine Hypothese , dass das mächtige
christliche Adelshaus Jazden in Be'9' Garme, welches in der Sasaniden-
zeit eine bedeutende Rolle spielte, von den alten Königen von Adiabene
abstammte. Vgl. mein Eräusahr S. 22.
^) Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass derartige Erschei-
nungen auch in den Kreisen des Bardaicän sehr wohl verständlich
wären. Vgl. die geographischen Kenntnisse des Buches der Gesetze
der Länder, sowie die Namen jj^A ]S->2i (nach Nöldeke bei R. A.
Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten I 293 für BeO' Geläje),
das grosse Gazah (Gangak in Atropatene) , BeO' QuSän, MaiSän und
Sarhüg in dem gnostischeu Hymnus der syrischen Thomasakteu und
besonders die Rolle, welche der König der Könige und die Könige und
Fürsten von Parthien in demselben spielen. Lipsius a. a. 0. 292 ff.
2) Vgl. A. V. Gutschmid, Untersuchungen über die Geschichte
der Könige von Osroene S. 15 f. Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg,
Vlle Ser. t. XXXV, 1, 1887.
^) Dieses Ergebnis, zu welchem ich schon seit Jahren gelangt
war, kommt überein mit. den Darlegungen von H. Gomp erz (Archäol.-
epigr. Mitteilungen aus Österreich-Ungarn 19, 154—157), dass es höchst
wahrscheinlich niemals christliche Könige in Edessa gegeben hat. Da-
mit entfällt aber der historische Hintergrund, der nach bisheriger An-
nahme zur selbstständigen Ausbildung der Abgarsage in Edessa Ver-
anlassung gegeben haben soll, völlig.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 301
Von Assyi-ien aus kann aber das Christentum leicht den Weg
nach den angrenzenden Landschaften Armeniens und bis nach
Gelän gefunden haben. Ein armenischer Bischof ist uns zuerst
in einem Briefe des Bischofs Dionysios von Alexandreia (248 — 265)
bei Euseb. h. e. VI 46, 2 bezeugt, und Geizer sucht aus seinem
charakteristischen Namen MsQOV^dvrjg (arm. Merhuzan, Meruzan)
wahrscheinlich zu machen, dass sein Sprengel in Waspurakan, dem
Herrschaftsgebiete des Adelsgeschlechtes der Arcninier, lag.^)
Zu den Chazaren konnte eine gewisse , wenn auch noch so
allgemeine Kenntnis des Judentums und Christentums auf doppeltem
Wege gelangen: vom Kaukasus und von der Krim her. Jüdische
Gemeinden, um welche sich zahlreiche Vereine von Proselyten
{Gsßö^Evot &e6v vijjiötov) scharten, sind uns für die zum bospo-
ranischen Reiche gehörigen Städte Pantikapaion (Kertsch) , Gor-
gippia (jetzt Anapa am nordwestlichen Ende des Kaukasus) und
Tanais inschriftlich schon vom 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. be-
zeugt-). Die dortigen Juden waren natürlich Hellenisten. Im
8. Jahrhundert erscheint Phanaguria oder TccfidxaQxa (jetzt Taman)
als Hauptsitz der Juden s). Diese Stadt befand sich im Jahre 704
gleich dem gegenüberliegenden Bosporos in der Gewalt der
Chazaren, und selbst Cherson musste damals einen chazarischen
Tudun aufnehmen. Im 9. Jahrhundert wird Phanagoria schlecht-
weg als ,Samkars der Juden" bezeichnet. Um die Mitte des 9. Jahr-
hunderts gab es in Cherson nicht bloss Juden, sondern auch
Samaritaner *) , und zwar waren die damaligen Juden der Krim,
wie die Lebensbeschreibung des Slawenapostels Konstantin be-
weist, bereits Rabbaniten ^). Dui'ch die grosse Entwickelung des
Handelsvei-kehrs gelangten aber jüdische Kaufleute aus aller Welt,
selbst aus Spanien, bis nach ChamlTch, der Hauptstadt der Cha-
zaren, wie Ibn Chordädbih schon in der ersten um 232 H. (846/47)
veranstalteten Ausgabe seines Werkes bei-ichtet (s. o. S. 24). Über
die Juden im Daghestan haben wir bereits gesprochen.
Von Bemühungen und Erfolgen des Christentums unter den
Hunnen sind mir folgende Beispiele bekannt. Im Jahre 528 hatte
sich der Utigurenfürst Grod in Konstantinopel taufen lassen; er
Hess die silbernen und bronzenen Götzen einschmelzen, wurde aber
1) H. Geiz er, Die Anfänge der armenischen Kirche. Berichte
der Sachs. Ges. d. Wiss. 1895, S. 171 f.
2) Vgl. E. Schürer, Die Juden im bosporanischen Reiche und
die Genossenschaften der asßö^svoL Q'sov vipiarov ebendaselbst. SBBA.
1897, S. 200—225.
3) Theophan. Chronogr. p. 357 ed. de Beer; s. o. S. 163 A. 4.
*) Vita Constantini c. 8 ed. Dümmler und Miklosich.
6) Ob die von Albert Harkavy, Altjüdische Denkmäler aus
der Krim 1876 S. 232 in Aussicht gestellte Abhandlimg über die Ge-
schichte der rabbinischen und karäischen Juden in der Krim und in
Süd-Kussland erschienen, ist mir nicht bekannt.
302 '^- Marquart,
von seinen Unterthanen getötet, die seinen Bruder Muager auf
den Schild erhoben i). Schon längere Zeit vorher aber war von
Albanien aus ein Bischof Qardügt mit sieben Gefährten ins Land
der Hunnen gekommen, unter welchen wahrscheinlich die Sahiren
zu verstehen sind, um den dort befindlichen römischen Gefangenen
die Tröstungen der Religion zu spenden. Sie machten dabei auch
einige Fortschritte unter den Heiden und gaben sogar Schriften
in hunnischer Sprache heraus. Diese Ereignisse fallen vor 523,
in welchem Jahre Probos, der Neffe des Anastasios, zu jenen
Hunnen kam, um sie zu einem Einfall in Iberien gegen die Perser
zu dingen 2). Im Jahre 619 erschien abermals ein Hunnenfürst
mit grossem Gefolge in der Kaiserstadt, um sich taufen zu lassen,
und ward vom Kaiser persönlich aus der Taufe gehoben und mit
königlichen Geschenken und der Patrikioswürde in seine Heimat
entlassen '^). Der Fürst dieser Hunnen, in deren Land sich Hera-
kleios im Jahre 625 vor den persischen Heerführern Sahrwaräz
und Sähen zurückziehen musste (Theophan. p. 310, 19), ist der
Ahnherr der nachmals so mächtigen „Herren des Thrones" (..^^Us
jj^iO d. h. der Könige der A waren im nördlichen Daghestan*).
Aber auch diese Bekehi'ung war nicht nachhaltig, und so sandten
die Albanier im Jahre 682 den Bischof Israel von Mec-Koimank'
an den Hof des Hunnenfürsten Alii-üut'ver (oben S. 114) von
Wara^'an (nördlich von Darband), um das Volk für das süsse
Joch Christi zu gewinnen und dadurch von seinen räuberischen
Gewohnheiten, unter welchen die christlichen Völker Südkaukasiens
soviel zu leiden hatten, abzubringen. Israel hatte in der That
grossen Erfolg: er gewann den Fürsten und sein Heer für die
christliche Lehre, zerstörte die Heiligtümer des Spandiat und der
Götzen und hieb die von den Hunnen verehrten heiligen Bäume
um. Die wiederstrebenden Götzenpriester wurden hingerichtet
oder verbrannt. Doch wurde dem Verlangen des Ilut'ver, den
Israel zum Bischöfe des Hunnenlandes einzusetzen , seitens der
Katholikoi und Fürsten von Armenien und Albanien nicht vnll-
fahrt, sondern bestimmt, dass derselbe sein bisherigen Bistum be-
halten und abwechselnd bald in diesem, bald in dem neubekehrten
Sprengel wirken solle ^).
1) Malal. Chronogr. p. 431, 16—21. 432, 5-18 ed. Bonn. Theophan.
p. 175, 24-176, 11 ed. de Boor.
2) Die sog. Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor übersetzt von
K.Ahrens und G.Krüger S. 254 f. Vgl. Geiz er eb. 383. Lebeau-
Saint-Martin, Hist. du Bas-Empire 8,40s.
») Nikephor. Chronogr. p. 12, 20—28 cd. de Boor.
*) Näheres hierüber in meiner Hist. Ethnologie des Daghestan.
^) Moses Kah II 39—45 (vol. I 368—401 ed. Sahnazarean).
Vgl. Manandian, Beitr. zur albanischen Geschichte S. 30f. Brosset,
Hist. de la Georgie I. Additions et ^claircissements p. 484 s.
Osteuropäische und ostasiatische StreifzUge. 303
Eine interessante Parallele zu der schwankenden religiösen
Stellung der Chazaren vom 8. bis ins 10. Jahrhundert, die uns
eine Vorstellung davon zu erwecken vermag, wie sich bei den-
selben heidnische, christliche, jüdische und muslimische Vor-
stellungen gekreuzt und vermengt haben mögen, liefert uns die
Bekehrungsgeschichte Dänemarks unter König Harald. Ich er-
laube mir die diesbezügliche, auf Widukind III 65 beruhende
Darstellung Dümmlers ganz herzusetzen:
„Das Christenthum machte in diesem Reiche, in welchem es
schon seit so langer . Zeit verbreitet wurde , ohne doch völlig
durchdringen zu können, eben damals einen grossen Fortschritt
zur Herrschaft. Bei einem Gastmahle, an welchem der König
Harald theilnahm — nach einigen geschah dies zu Ripen, nach
andern zu Schleswig — entstand ein Streit über die Verehrung
der Götter, wie er so recht einer Zeit des schwankenden Über-
gangs entsprach, indem die Dänen behaupteten, Christus sei zwar
ein Gott, doch gäbe es grössere Götter als ihn, die sich den
Sterblichen durch noch gewaltigere Wunder und Zeichen kund
thäten. Dagegen erhob sich ein Geistlicher, mit Namen Poppo
oder Poppa, und bekannte, es sei nur Ein wahrer Gott, der Vater
mit dem Sohne und heiligen Geiste, die Götzenbilder aber seien
böse Geister, nicht Götter. Der König fragte ihn darauf, ob er
diesen Glauben an sich selbst beweisen wolle. Jener erklärte sich
ungesäumt bereit, Harald aber liess ihn bis zum andern Morgen
bewachen. Am nächsten Tage wurde ein Eisen in Handschuh-
form von grossem Gewichte im Feuer rothglühend gemacht und
Poppo aufgefordert, zum Erweise der Wahrheit seiner Worte es
zu tragen. Er ergriff es ohne Zögern, trug es eine Strecke, so-
weit der König bestimmte, und zeigte allen Anwesenden seine
vom Feuer unversehrte Hand. Das scheinbare Wunder, welches
noch lange in der Überlieferung fortlebte und weiter dahin aus-
gesponnen wurde, dass Poppo ein anderes Mal ein Kleid von
Wachstuch ohne Schaden an seinem Leibe habe verbrennen lassen
in Gegenwart des Königs Erichs des Siegreichen von Schweden,
der damals zugleich über Dänemark herrschte, machte als Zeugnis
für die christliche Lehre einen tiefen Eindruck: Harald selbst
empfing mit seiner Gemahlin Gunhild die Taufe und befall aUen
seinen ünterthanen , die Götzenbilder abzuschaffen. Ein grosser
Theil des Volkes folgte, zum Theil gezwungen, seinem Beispiele,
und die christliche Geistlichkeit gelangte erst jetzt zu rechtem
Wirken und Ansehen. Jener Poppo, der die Feuerprobe bestanden,
wurde zum Bischöfe, vielleicht von Arhus, geweiht" i).
Was das Alter der Bekanntschaft der Türken mit dem
Christentum anlangt, die gleich den Chazaren als Zeugen gegen
das Sprechen Jesu in der Wiege angeführt werden, so könnten
1) Köpke-Dümmler, Kaiser Otto der Grosse S. 390 f.
3Q^ J. Marquart,
wir uns darauf zurückziehen, dass bis nach der Mitte des 8. Jahr-
hunderts die Chazaren bei Byzantinern wie bei Arabern gewöhn-
lich mit dem Namen Türken bezeichnet werden (oben S. 47),
so dass also die beiden Ausdrücke bei Gähio sachlich identisch
wären. Allein die oben S. 283 f. angeführte Stelle der Apostel-
lehre rät doch, an die eigentlichen Türken oder wenigstens an
nichtiranische Völker im Nordosten von Iran zu denken, welche
die Araber als Türken bezeichneten. Hier ist nun daran zu
erinnern, dass die Perser auf die nichtiranischen Völker, welche
nach einander das Zweistromland beherrschten, wie die Jueh-ti,
Kusan, Chioniten, Hephthaliten und Türken, den epischen Namen
Türan übertrugen, welchen die Araber ihrerseits, den politischen
Verhältnissen der letzten Sasaniden- und der Chalifenzeit ent-
sprechend, durch Turk wiedergaben i). In der That haben wir
schon oben gesehen, dass das Buch der Gesetze der Länder voraus-
setzt, dass das Christentum sich bereits um 200 n. Chr. bis zu
den Qusan in Balch verbreitet hatte. Ein Zeugnis für eine er-
neute Ausbreitung des Christentums nach dem Lande der K'usank'
im 4. Jahrhundert haben wir sodann aus Eiise wardapet an-
geführt -).
Der Ausgangspunkt für die Mission unter den eigentlichen
Türken war naturgemäss Samarkand. Aus den widersprechenden
Angaben lässt sich indessen bis jetzt nicht ausmachen, wann das
dortige Bistum gegründet wurde ^). Der Hauptsitz der Propaganda
in Chorasan sowohl wie jenseits der Grenzen des iranischen Reiches
war aber Marw, wo wir schon im Jahre 334 einen christlichen
Bischof finden. Allein erst nach dem Untergange des Sasaniden-
i-eiches scheint die Bekehrungsthätigkeit der Nestorianer unter den
Türken lebhafter geworden zu sein. Sie folgten hier überall den
Spuren der Manichäer, deren Hauptsitz im Osten seit alters
Samarkand war*) und die bereits im Jahre 621, vielleicht aber
schon seit den Jahren 500 — 516 einen Tempel in der chinesischen
Hauptstadt Cang-'an besassen^) und deren Religion seit 762 offiziell
im üigurenreiche eingeführt wurde 6). Von dem Metropoliten Elias
von Marw, demselben, welcher den ermordeten König Jazdgerd V.
königlich bestattete (Tab. I Caa^, 4), wird berichtet, wie er selbst
^) S. mein Eransahr S. 156.
2) Oben S. 283 und A. 2.
ä) [Vgl. W. Barthold, Zur Geschichte des Christentums in Mittel-
asien S. 22.]
^) S. meine Historischen Glossen zu den alttürkischen Inschriften
WZKM. XII 157 ff.
6) D^veria, Journ. as. IXe Ser. t. X, 1897, p. 464 s. 481.
«) G. Schlegel, Die chinesische Inschrift auf dem uigurischen
Denkmal von Kara Balgassun Sp. VII 69-pX 71 S. 43—69.
(
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 305
unter den Türken Bekehrungsreisen machte '). Aber schon vor-
her war durch den Mönch 0-lo-pen im Jahre 636 in der chine-
sischen Hauptstadt Gang -'an selbst eine nestorianische Gemeinde
gegründet worden '^).
Exkurs II.
Der Stammbaum der Abodritenfürsten im
10. Jahrhundert (S. 105).
Während des Druckes ging mir durch die Güte des Herrn
Akademikers Salemann die verdienstliche Schrift von Friedrich
Westberg zu: Ibrähim's-Ibn-Ja'kübs Reisebericht über die Slawen-
lande aus dem Jahre 965. Memoires de l'Acad. de St.-Peters-
bourg 1898. VIH^ Serie. Classe historico-philoiogique. Vol. HI
No. 4. St.-Petersbourg 1898. Bei dem Versuche, die Genealogie
der Abodritenfürsten festzustellen (S. 113 ff.), wobei er sich be-
sonders der so schwierigen Angaben Adams von Bremen annimmt,
kommt der Verfasser auch auf Mas'üdi's .^sj^^aj zu sprechen.
Er schreibt S. 113: „Missizla des Adam ist wahrscheinlich
Kroner's [so!] Micissla [so!] a. 932 (Wigger, Meklenb. Annal.
p. 137) und Mas'üdi's B(i)skläig oder richtiger M(i)skläig, M(i)st-
läig (eine graphisch vollberechtigte Konjektur) , Mistislaw nach
Charmoy, zur Zeit Wenzels und Heinrichs I., jedenfalls aus der
ersten Hälfte des X. Jahrh. Erwähnen möchte ich hier noch
des Mistivi auf dem Söndervissing'schen Stein (Wigger ibid.)
a. 930 nach Eafn. Da auf diesem Stein von der um diese Zeit
vei'stoi'benen Tochter des Mistivi die Eede ist, so muss Mistivi
noch weiter zurückreichen und ist vielleicht der Vater von Missizla
des Adam, Micissla des Korner und Mistläig des Mas'üdi".
Um gleich mit dem letzten Punkte zu beginnen, so ist nach
Wimmers Urteil „der grössere Söndervissinger Stein ohne Zweifel
von Harald Blauzahns Gemahlin Tofa zur Erinnerung an ihre
Mutter errichtet und gehört dem Ende des 10. Jahr-
hunderts an''3)_ Die Inschrift lautet nach Wimmers Um-
schrift und Übersetzung: Tofa let gerwa {garwa) kumbl, Misti-
wi's dottir , 0ft möbur sina, Haralds hins göda Gorms sunaR
huna d. h. „Tofa, Mistiwis Tochter, Haralds des Guten Gorms-
sohns Weib, Hess das Denkmal machen nach ihrer Mutter"^).
^; Nöldeke, Die von Guidi herausgegebene syrische Chronik
S. 39 f. Vgl. mein Eränsahr S. 76.
*) S. Fr. Hirth, China and the Roman Orient 285 f.
^) Von mir gesperrt.
■*) Wimmer, Die Runenschrift. Deutsche Bearbeitung 1887
S. 244. Vgl. P. 6. Thors en, De danske Runemindesmaerker II 2.
Kopenhagen 1880, S. 75 fiF.
Marquart, Streifzüge. 20
306 J- Marquart,
Tofa ist also die Tochter des uns aus Widukind und Thietmar
bekannten Abodritenfürsten Misiui oder Mistuwoi] der zum ersten-
mal um 966 erwähnt wird^). Um dieselbe Zeit (etwa 965) hatte
der Dänenkönig Harald Blätand die Taufe angenommen-).
Einen Obotritenfürsten Micisla nennt allerdings Hermann
Korner, ein Schriftsteller des 15. Jahrhunderts, in seiner Chronik
zum Jahre 932. Doch würde schon die kurze Charakteristik,
welche Wigger^) von ihm entwirft, geeignet sein, von vorn-
herein das grösste Misstrauen gegen dessen Angaben zu erwecken.
„Seine Gewährsmänner sind noch nicht in jedem Falle nach-
gewiesen; dies ist um so schwerer, da er nicht nur bisweilen
einen falschen nennt, sondern seine Quellen auch auf die aller-
willkürlichste Art auslegt und mit Zusätzen erweitert, besonders
nach Belieben chronologisch bestimmt". Sehen wir uns nun, mit
dieser Warnung versehen, die fragliche Stelle an*):
Tertio decimo anno Henrici , qui est Domini 932 , Henricus
rex Ohotritos cum Micisla^), rege eorum , et Nordmannos
cum Guduryno^ rege eorum, secundum Hehnoldum ad fidem
catholicam armis , muneribus et exhortationibus salutaribus con-
vertit. Antequam autem hoc efficere posset, collecto magno
exercitu eos ingenti hello contrivit.
Wigger hebt mit Recht hervor, dass sich bei Helmold
hiervon nichts findet. Es heisst bei diesem nur (I 8): Apud
Danos eo tempore (regnante Conrado) Worm regnavit, crudelis-
simus, inquam, vermis et cristianis non mediocriter infestus. Ille
cristianitatem, que in Dania fuit, prorsus demoliri molitus, sacer-
dotes a finibus suis depulit, plurimos etiam per tormenta necavit.
At vero Henricus rex, successor Conradi, . . . deinde cum exercitu
Daniam ingressus, Worm regem primo impetu adeo perterruit, ut
imperata se facere mandaret et pacem supplex deposceret. . . .
Videns igitur sanctissimus archiepiscopus Unni , qui Reinwardo
successit in cathedram, misericordia Domini nostri et virtute
regis Henrici Danorum Sclavorumque pertinaciam esse edomitam
ostiumque fidei in gentibus apertum esse, omnem sue diocesis
1) Widukind III 68. Thietmar II 14 (9). Die Zeit lässt sich nicht
genau bestimmen. Die in diesem Kapitel Widukinds erzählten Ereig-
nisse fallen vor den Tod Wichmanns 21. September 967, also spätestens
in die erste Hälfte des Jahres 967. Vgl. Köpke-Dümmler, Kaiser
Otto der Grosse. Leipzig 1876, S. 433 f. Westberg a. a. 0. S. 75 ff.
2) Widukind III 65, Thietmar II 14. Vgl. Köpke-Dümmler
a. a. 0. 389 ff.
^) Mecklenburg. Annalen bis zum J. 1066. Schwerin 1860, S. 96.
*) Wigger a. a. 0. 26 a. 931. Leibniz, SS. Brunsv. II 544.
Eccard, Corpus historicum medii aevi II 525. Eccards Ausgabe
ist nach Wiggers Bemerkung (S. 96 A. 6) in den Namen wenigstens
sehr inkorrekt.
*) So ed. Leibn. ; ed. Eccard. Merüla.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 307
latitudmem elegit per se ipsum circuire. Multis igitur religiosis
comitatus, pervenit ad Danos, ubi tunc crudelissimus Worm
regnavit. Et illum quidem pro ingenita flectere ne-
quivit sevitia, filium autem Haroldum convertit, et fidelem
Cristo perfecit, ita ut cristianitatem quam pater eius semper odio
habuit, ipse servari publice permiserit, quamvis ipsemet baptismi
sacramentum nondum perceperit.
Helmold berichtet also das genaue Gegenteil von dem was
K 0 r n e r erzählt : nicht den König Worm, wohl aber dessen Sohn
Harold soll es Unni gelungen sein, noch unter der Regierung des
Königs Heinrich für das Christentum zu gewinnen, ohne dass
dieser jedoch schon die Taufe annahm. Helmold schreibt übrigens
nur den Adam von Bremen (Gesta Hammaburgensis ecclesiae
pontificum I 57 — 61) aus. In Kap. 9 erzählt er dann Harolds
Unterwerfung durch Otto d. Gr. und seine förmliche Taufe
(= Adam II 3). Wir vdssen jetzt wenigstens, wie Korner zu
seinem Normannenkönig Gudurynus gekommen ist. Offenbar steht
dies zunächst für Gudurinus , was wiederum ein Fehler ist für
Gudurmus, und dies ist altn. Godormr , Guporm, die ältere
Form für Gormr^), wofür Adam Wrm sagt.
Allein es ist klar, dass Korner noch andere Quellen gehabt
haben muss, denen er die Hauptsache, die Bekehrung der Könige
der Obotriten und Normannen, entlehnt hat. Die Annalen von
Reichenau berichten zum Jahre 931 : Heinricus rex regem (so die
Hs.) Abodritorum et Nordmannorum effecit christianos, et pro-
fectus est in Galliam-). Schon hier ist aber darauf aufmerksam
zu machen, dass die Fassung dieser Notiz gi-ammatisch inkorrekt
ist. Dieselbe ist dann vom Fortsetzer des Regino , Herimannus
Augiensis und Marianus mehr oder weniger wörtlich übernommen
worden^) und durch diese vermittelt in eine grosse Zahl späterer
Annalen und Chroniken übergegangen. Spätere Quellen, so schon
die Hersfelder und weiter ausgeführt die Quedlinburger Annalen*),
haben daraus einen Kriegszug gegen die Abodriten erschlossen.
') Gormr, altdan. Görmmr aus *God-wormR (vgl. got. waurms):
Noreen, Gesch. der nordischen Sprachen § 85, 9 c in Pauls Grundriss
der germ. Phil. I^ 576. Ders., Arkiv för nordisk Filol. VI 315.
-) Annales Augienses. M. G. Scriptores I 69.
") Sie lautet beim Fortsetzer des Regino: Heinricus rex regem
Abodritorum et regem Danorum efficit christianos (M. G. SS. I 617). Im
wesentlichen ebenso Herim. Augiens. 931 (M. G. SS. VII 113): H. r.
reges Abodritarum et N. christianos fieri effecit, ipseque Gallias petiit.
Am nächsten hält sich Marianus an den Wortlaut der Quelle (M. G.
SS. VII 554) : H. r. regem Obtritorum et N. eff. christianos. Dagegen
Ekkehard 932 (M. G. SS. VIII , 29, 184) : H. r. regem Abodritorum et
N. christianum fecit.
*) M. G. SS. III 54. V 54.
20»
3()g J. Marquart,
Allein Widukind erwähnt die Unterwerfung der Abodriten und
anderer Slawenstämme schon zum Jahre 929 1).
Die Unterwerfung der Dänen berichten die Corveier Annalen
zum Jahre 934. Widukind I 40 erzählt dieselbe folgendermassen :
cum autem omnes in circuitu nationes subiecisset, Danos qui
navali latrocinio Fresones incursabant, cum exercitu adiit vicitque
et tributarios faciens, regem eorum nomine Chnubam ^) baptismum
percipere fecit. Widukind weiss also nur von einem getauften
Fürsten, den er als König der Dänen bezeichnet. Dadurch ge-
winnt die merkwürdige Fassung der obigen Notiz der Reichenauer
Annalen, die, wie schon bemerkt, in vorliegender Form gram-
matisch inkorrekt ist, erhöhte Bedeutung. Der Ausdruck regem
Abodritorum et Nordmannorum setzt voraus, dass nur von einem
König die Rede ist, den wir uns gleichzeitig als Herrscher irgend-
welcher Nordleute sowie der Abodriten zu denken hätten. Dem
widerspricht aber der Prädikatsplural christianOS. Die Ausschreiber
der Reichenauer Annalen haben denn auch den Anstoss auf die
eine oder andere Weise zu beseitigen gesucht, am merkwürdigsten
aber Ekkehard, der den Singular regem nicht zu ändern wagte
und dafür lieber christianum korrigierte.
Bereits Thietmar wusste mit Widukinds Chnuba nichts an-
zufangen und setzte dafür den bekannteren Namen Onuto^). Die
Neueren wollten in diesem Fürsten einen Sohn Gorms sehen, der
nach nordischen Quellen eine Herrschaft südlich der Eider, auf
erobertem deutschem Boden gehabt haben soll"*). Allein nach
Storm ist dieser Knut gar keine sichere historische Persönlich-
keit 5). In der That zeigt sich hier die Vortrefflichkeit Widu-
kinds wiederum im glänzendsten Lichte.
Jener Chnuba war schon seit einem Jahrhundert durch einen
Runenstein, den im Jahre 1797 entdeckten sog. ersten Vedelspang-
Stein bekannt. Im Jahre 1887 wurde sodann beim Schlosse
Gottorp abermals ein Stein mit einer Runeninschrift ganz ahn
liehen Inhalts entdeckt, den Ludwig W immer als „zweiten
Vedelspang- Stein" bezeichnet hat. Beide Inschriften sind von ihm
herausgegeben und zum erstenmal in ihrer historischen Bedeutung
1) Widukind, Rer. Saxon. I 36. Vgl. Wigger, Mecklenburgische
Annalen S. 26. G. Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter
König Heinrich I. 3. Aufl., 1885, S. 142 und Anm. 4.
2) V. 1. cJionpam, cnubam, nubam, bei Sigebertus Gemblacensis
chiupa für chnupa.
3) Thietmar I 9 : Insuper Northmannos et Danos armis sibi ob-
temperantes fecit et ab errore pristino revocatos, cum rege eorum Cnu-
tone hos Christi iugum portare edocuit.
*) Vgl. G. Waitz a. a. 0. 161 f.
») Angeführt bei Waitz a. a. 0. S. 162 Anm. 1.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 309
voll gewürdigt worden^). Sie lauten nach seiner Umschrift und
Übersetzung ^) :
I. Asfridr gcerdi kumbl päun ceft Sigtryggw, sun sinn , d
we Gnüpu d. h. „Asfrid machte dieses Denkmal nach Sigtrygg,
ihrem Sohn, bei Gnupa's geweihter Grabstätte".
IL We- Asfridr gcerdi kumbl Jiaiisi, döttir Obinkdrs ^ ceft
Sigtrygg honung^ sun sinn auh Gnupu d. h. „Wi-Asfrid machte
dieses Denkmal, Odinkars Tochter, nach König Sigtrygg, ihrem
und Gnupa's Sohn".
Zur Erläuterung dieser Inschriften verweist W i m m e r auf
zwei Angaben des Dänenkönigs Svein Estridsson bei Adam von
Bremen. Die erste lautet (Adami Brem. Gesta Hammaburgensis
ecclesiae I 50) : Audi vi autem ex ore veracissimi regis Danorum
Suein, cum nobis stipulantibus numeraret atavos suos, Post cladem,
inquit, Nortmannicam [a. 891] Heiligonem regnasse comperi, virum
populis amabilem propter iusticiam et sanctitatem süam. Successit
illi Olaph, qui veniens a Sueonia, regnum optinuit Danicum vi et
armis, habuitque filios multos, ex quibus Chnob et Gurd regnum
optinuerunt post obitum patris. Damit ist I 54 zu verbinden:
Aliqua vero recitavit nobis clarissimus rex Danorum ita rogantibus :
„Post Olaph", inquit, ,Sueonum principem, qui regnavit in Dania
cum filiis suis , ponitur in locum eius Sigerich. Cumque parvo
tempore regnasset, eum Hardegon , filius Suein , veniens a Nort-
mannia, privavit regno**. Tanti'^) autem reges, immo tyranni
Danorum, utrum simul aliqui regnaverint, an alter post alterum
brevi tempore vixerit, incertum est.
Mit diesem Bericht stimmt nun aufs beste der schwedische
Charakter der Runen wie des Dialekts der ersten Inschrift: in
dieser betont Asfrid die schwedische Herkunft ihres Gemahls
Gnüpa, in der zweiten dagegen ihre eigene Abstammung avis dem
dänischen Königsgeschlechte der Odinkär's*). Durch seine Mutter
gehört also auch Sigtrygg dem alten dänischen Königsgeschlechte
an und erwirbt damit legitime Ansprüche auf die Herrschaft
über Dänemark.
Der wirkliche Verlauf der Begebenheiten ist darnach, wie
Wimmer ausführt, etwa folgendermassen zu rekonstruieren^).
^) Ludv. F. A. Wimmer, S0nderjyllands historiske Runemindes-
magrker. Festskrift fra Kj0benhavns Universitet i anledning af deres
majestaeter KoDg Christian IXs og drogning Louises guldbryllup.
Kj0benhavn 1892.
'-) A. a. O. S. 27.
8) = tot.
*) Vgl. Adam v. Bremen II 34. Wimmer a. a. 0. S. 32.
^) Vgl. dazu die Ausführungen bei G. Waitz a. a. 0. S. 159 ff.
und Exkurs 23 und 24 S. 273—281.
310 J- Marquart,
Im Anfange des 10. Jahrhunderts landet eine Flotte schwedischer
Wikinger unter ein?m Häuptling Olaf an der Küste Schleswigs
und bemächtigt sich dieses Ortes. Von hier breitet Olaf seine
Macht weiter in Südjütland aus, und vermählt seinen Sohn Gnüpa
mit Asfrid , der Tochter des mächtigen Odinkar. Nach seinem
Tode folgt ihm Gnüpa, welcher sich bereits Übergriffe gegen seine
südlichen Nachbarn, die Friesen, gestattet. Da erfolgt König
Heinrichs I. Zug gegen die Dänen im Jahre 934 , bei welchem
Gnüpa zur Zahlung eines Tributs und zur Annahme der Taufe
gezwungen wird. In der Saga Olaf Tryggvasons c. 63 heisst es,
dass König Gorm mit seinem Heer ins Reich Dänemark zog, das
Reidgotaland hiess, aber jetzt Jütland genannt wird, und den dort
herrschenden Gnüpa besiegte '^). Nach Gnüpa's Tode hielten sich
Asfrid und ihr Sohn Sigtrygg, Adams Sigerich^ noch Jahre lang,
bis es um 950 Harald Blatand gelang, den Sigtrygg zu ver-
nichten, welchen seine Mutter überlebte. So war Harald Herrscher
von ganz Dänemark, und um 965 Hess auch dieser sich taufen-).
Aus obigen Darlegungen ergibt sich ohne weiteres, dass die
Erzählung des dänischen Bischofs bei Adam von Bremen, welche
den von Heinrich I. besiegten Dänenkönig Gorm (Wrm) nennt,
später zurechtgemacht ist. als man von der einst in Schleswig
herrschenden schwedischen Dynastie Gnüpa's nichts mehr wusste.
Dagegen kann die Nachricht, dass Gorms Sohn Harald schon zur
Zeit Heinrichs I. von dem am 17. September 936 auf seiner
Missionsreise zu Birka in Schweden (Björkö am Mälarsee) ver-
storbenen hamburgischen Erzbischof ünni ^) soweit für das Christen-
tum gewonnen worden sei, dass er die Predigt und öffentliche Aus-
übung desselben gestattete , sehr wohl bestehen bleiben. Adams
Bericht scheint anzudeuten , dass Haralds Herrschaft sich damals
im wesentlichen auf die dänischen Inseln beschränkte*).
Nach diesen Erfahrungen werden wir der Echtheit des im
J. 932 von Heinrich I. zum Christentum bekehrten Abodriten-
königs Micisla bei Korn er ein erhöhtes Misstrauen entgegen-
bringen. Es lässt sich auch unschwer feststellen , woher er den-
selben bezogen hat. Freilich aus Helmold kann er nicht stammen,
wohl aber aus dessen Quelle Adam von Bremen , bei dem wir
n 24 Folgendes lesen : In Aldinburg ordinavit archiepiscopus
(Adaidagus) primo , ut diximus , Egwardum vel Evargum , deinde
1) Wimmer a. a. 0. S. 29.
2) Widukind III 65. Ruotger, Vita Brunonis c. 40. Vgl. Köpke-
Dümmler, Kaiser Otto d. Gr. S. 389 ff.
3) Vgl. Köpke-Dümmler a. a. 0. S. 67 Anna. 1.
'') Adam I 61 : Ordinatis itaque in regno Danorum per singulas
ecclesias sacerdotibus , sanctus Del multitudinem credentium commen-
dasse fertur Haroldo. Cuius etiam fultus adiutorio et legato, omnes
Danorum insulas penetravit, evangelizans verbum Del gentilibus
et fideles, quos invenit illic captivatos, in Christo confortans.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 311
Wegonem, postea Eziconem, quorum tempore Sclavi permanserunt
christiani. Ita etiam Hammaburg in pace fuit. Ecclesiae in
Sclavania ubique ei'ectae sunt; monasteria etiam virorum ac mu-
lienim Deo servientium constructa sunt plurima. Testis est rex
Danorum, qui hodieque superest, Suein; cum recitaret Sclavaniam
in duodeviginti pagos dispertitam esse , affirmavit nobis , absque
tribus ad christianam fidem omnes fuisse conversos, adiciens etiam :
Principes eins temporis, Missizla, Naccon et Sederich. Sub quibus,
inquit, pax continua fuit, Sclavi sub tributo servierunt.
Zunächst ist klarzustellen, dass der erste Teil dieses Berichtes
offenbar nicht auf die mündlichen Mitteilungen des Königs Svein
zurückgeht , sondern auf schriftlichen Aufzeichnungen der Ham-
burger Metropolitankirche über die Weihe der Suffraganbischöfe
von Oldenburg in Wagrien beruht. Die Erzählung des Königs
Svein beginnt erst nach affirmavit nobis , die Formel testis est
rex Danorum dient also hier nicht zur Einführung seiner Quelle,
sondern einer dieselbe bestätigenden unabhängigen Erzählung und
ist zu übersetzen: „dies bestätigt der Dänenkönig, der uns ver-
sicherte" u. s. w.
Waren also die dem Christentum freundlichen Slavpenfürsten
Missizla, Nakkon und Sederich Zeitgenossen der Bischöfe Egwardus,
Wego (Wago) und Eziko, wie man nach dem Zusammenhange zu-
nächst annehmen muss , so vpürde jedermann , wenn er nur auf
diese Stelle angewiesen wäre, folgern, dass Missizla der Vorgänger
des Nakkon gewesen sei , und es liegt dann nahe , denselben mit
dem nach den Ausschreiben der Reichenauer Annalen im J. 931
zum Christentum bekehrten Abodritenkönig zu identifizieren.
Diesen Schluss haben in der That Westberg und vor ihm schon
Korn er gezogen, jedoch, wie sich bei genauerem Zusehen ergeben
wird, mit Unrecht.
Der Fürst I^accon ist der Zeit nach bekannt. Er begegnet
ims , zugleich mit seinem Bruder , bei Widukind III 50 zum
Jahre 955. Es heisst hier: Uli (Wichman und Ecberht) cum se
sentirent duci resistere non posse, sociaverunt sibi duos subregulos
barbarorum, Saxonibus iam olim infestos, Naconem et fratrem
eins. Später nennt er auch den Namen des Bruders, Stomef =
slaw. Stotgnew, der in der Schlacht an der Raxa 16. Oktober
955 den Untergang fand^). Nakon wird dann nur noch im Reise-
berichte des Juden Ibrahim b. Ja'qüb über die Slawenlande er-
wähnt, der, wie Westberg nachweist, aus dem Jahre 965 n. Chr.
stammt, und zwar erscheint Nakon (Hs. .yiÜ, von Kunik emen-
diert in ..ysLi) bier als König im äussersten Westen, d. h. , wie
die Beschreibung seines Gebietes zeigt, im Abodritenlande. Nakon
^) Widukind III 53 — 55. Annal. Sangall. maiores 955 {Ztoignav).
Thietmar II 12(6) ed. Kurze (Stoinnegui, Stoingneus). Vgl. Köpke-
Dümmler a. a. 0. 250. 264 ff.
312 J- Marquart,
muss aber noch im J. 965 oder spätestens im Laufe des Jahres
966 gestorben sein, da uns im Jahre 966 oder Anfang 967 be-
reits Selibur und Mistav als Fürsten der Wagrier und Abodi'iten
begegnen 1). Adams Hederich möchte Westberg (S. 115) für den
obengenannten Stoignew halten, da Doppelnamen nicht selten bei
Slawenfürsten vorkämen. Allein seine hierher gehörieren Aus-
führungen sind meiner Ansicht nach grösstenteils verfehlt.
Es gilt zunächst, Adams Berichte über den Abfall der Slawen
vom Christentum zu analysieren. Ausser der obigen Notiz über
die Dauer des Christentums bei den Slawen kommt die ausführ-
liche Erzählung über den Abfall derselben II 40 — 43 in Betracht.
Dieselbe beginnt folgendermassen : Post mortem eius (Kaiser
Otto's in., 24. Jan. 1002) regnum in contentione remansit. Tunc
vero et Sclavi a christianis iudicibus plus iusto compressi, ex-
cusso tandem iugo servitutis, libertatem suam armis defendere
coacti sunt. Principes Winulorum Mystiwoi et Mizzidrog, quorum
ductu sedicio inflammata est. His ducibus Sclavi rebellantes, totam
primo Nortalbingiam ferro et igne depopulati sunt. * Deinde reli-
quam peragrantes Sclavoniam , omnes ecclesias incenderunt et ad
solum diruerunt. Sacerdotes autem et reliquos ecclesiarum mi-
nistros variis suppliciis enecantes, nullum christianitatis vestigium
trans Albiam reliquerunt. * Apud Hammaburg eo tempore ac
deinceps multi ex clero et civibus in captivitatem abducti sunt,
plures etiam interfecti propter odium christianitatis. Hierauf gibt
er eine Erzählung des Dänenkönigs Svein über die grausame Nieder-
metzelung von 60 Priestern in Aldenburg wieder, unter denen
sich auch ein Verwandter des Königs, namens Oddar (altn. Ottar
= ags. Ohihei-e) befand.
Aus anderen Quellen können wir die auf den Tod des Kaisers
Otto III. folgende contentio auf das Jahr 1002 beschränken, das
folgende tunc würde man daher ohne Rücksicht auf andere Quellen
ebenfalls auf dieses Jahr zu beziehen und den Ausbruch des Slawen -
abfalles also etwa ins Jahr 1002 zu setzen haben. Damit würde
sich die chronologische Bestimmung cap. 42 vereinigen lassen:
Omnes igitur Sclavi, qui inter Albiam et Oddoram habitant, per
annos 70 et amplius christianitatem coluerunt , omni tempore
Ottonum, talique modo se absciderunt a corpore Christi et ecclesiae,
cui antea coniuncti fuerant, wenn man den Beginn des Christen-
tums bei den Slawen von der Christianisierung des Abodriten-
füi'sten im J. 931 an datiert. Denn von diesem Jahre an führen
uns 70 Jahre in der That bis 1001, und da König Heinrich I.
bereits fünf bezw. nach der richtigen Chronologie (934) nur zwei
Jahre nach jenem Ereignis, am 2. Juli 936 starb, so wäre auch
der Ausdruck omni tempore Ottonum vollkommen berechtigt.
1) Widukind III 68. Vgl. Köpke-Dümmler a. a. 0. 433 f.
Westberg a. a. 0. 75 ff. Wigger, Mecklenburg. Annalen S. 137.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 313
Freilich stünde diese Eechnung mit den eigenen Angaben Adams
im Widerspruch, der die Christianisierung der Slawenländer erst
unter Otto d. Gr., und zwar nach dessen angeblichen Siegen über
die Dänen und der Unterwerfung der Slawenvölker, hauptsächlich
durch die Bemühungen des Hamburger Erzbischofs Adaldag und
die Gründung des diesem unterstellten Bistums Aldenburg (Olden-
burg in Wagrien) erfolgt sein lässt ^). Allein dies spi*icht keines-
wegs dagegen, dass jene von Adam übernommene chronologische
Bestimmung in der That so gemeint war. Eine andere Frage ist
freilich, ob sie richtig ist. Schon Usinger^) hat nachgewiesen,
dass Adam eine ganze Reihe chronologischer Bestimmungen für
jenen Abfall gibt, die z. T. sehr stark von einander abweichen.
C. 43 heisst es : Haec facta sunt ultimo tempore senioris Libentii,
sub duce Bernardo, filio Bennonis, qui populum Sclavonim graviter
afflixit. Eodemque tempore contentio Ferdensis episcopi Bernarii
de Ramsolan coram papa Sergio tei'minata est. Der Erzbischof
Libentius I. starb am 4. Januar 1013, Herzog Benno am 9. Februar
1011, Papst Sergius IV. regierte 1009 — 1012. Darnach müsste
der Ausbruch des Aufstandes in die Jahre 1011/12 fallen. Auf
dieselbe Zeit führt Kap. 47, wo Adam die Wiederherstellung von
Hamburg, seiner Kirche und seines Kapitels post cladem Sclavo-
nicam durch den Erzbischof ünwän erzählt und im Anschluss
daran die Weihe des Benno zum Bischof von Oldenburg berichtet.
Diese muss aber noch im Laufe des Jahres 1013 erfolgt sein;
jedenfalls war Benno (Bernard) am 4. Juli 1014 bereits in sein
Bistum eingesetzt '^).
Freilich ist gerade hier Adams chronologischer Irrtum mit
Händen zu greifen. Die Wiederherstellung Hamburgs fand erst
nach dem Aufstande des Herzogs Bernhard gegen Heinrich H. im
Jahre 1020 statt, also keineswegs im Anfang der Regierang
Unwän's , wie man nach jener Stelle Adams annehmen sollte.
Sodann ist weder im Jahre 1002 noch in den Jahren 1011 — 13
aus andern Quellen etwas von einem so allgemeinen Aufstand und
Abfall der Slawen vom Christentum bekannt; vor allem weiss
der Zeitgenosse Thietmar nichts davon, und dieser hätte doch
sicheiiich nicht darüber geschwiegen.
üsinger hat nun mit Sicherheit nachgewiesen, dass in der
Erzählung Adams zwei zeitlich weit auseinanderliegende Ereignisse
verschmolzen sind. Der erste Teil der Erzählung bezieht sich
auf den grossen Slawenaufstand des Jahres 983, der nach Thietmar
^) Adami Gesta Hammaburgensis eccles. pontif. II 5 ff. Vgl.
Schol. 83.
^ Über Adam II, 40—43. Exkurs VI, b bei Siegfried Hirsch,
Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II. Bd. I. 1862.
S. 478—486.
3) Thietmar VIII 3 (VII 4).
]^]^4 J- Marquart,
ni 17 (10) am 29. Juni ausbrach. Die Veranlassung desselben
erzählt Thietmar im wesentlichen übereinstimmend mit Adam:
Gentes, quae suscepta christianitate regibus et imperatoribus tri-
butarie serviebant, superbia Thiedrici ducis aggravatae presump-
cione unanimi arma commoverant. Hierauf beziehen sich auch
die Schollen 30 — 32 bei Adam von Bremen. Schol. 31 lautet:
Theodericus erat marchio Sclavorum , cuius ignavia coegit eos
fieri desertores; Schol. 32: Theodericus marchio, depulsus ab honore
et ab omni hereditate sua, prebendarius apud Magdeburg vitam
finivit mala morte , ut dignus fuit '). Der Markgraf Theoderich
starb nach den Quedlinburger Annalen und dem Necrologium
Fuldense bereits im Jahre 985.
Zuerst wurde von den Aufständischen Havelberg , dann
Brandenburg und das Kloster Kalbe zerstört. Hierauf heisst es:
Mistui, Abdritorum dux, Hömanburg, ubi sedes episcopalis
quondam fuit, incendit atque vastavit. Es wird dann noch von
einer Schlacht der Deutschen gegen jene östlichen Slawen be-
richtet, in welcher diese besiegt werden. Dieser Mistui oder,
wie sein Name weiterhin genauer geschrieben wird, Mistuwoi,
war aber Christ — er hatte damals einen Kaplan Avico, welcher
Thietmar späterhin dieses Ereignis schilderte — und wenn auch
in den Bistümern Havelberg und Brandenburg der Aufstand mit
einer heidnischen Reaktion verbunden war^), so weist doch nichts
darauf hin, dass auch Mistuwoi damals zum Heidentum abgefallen
war^). Thietmar hatte am Rande seines Autographon noch eine
Bemerkung über diesen Mistuwoi, vermutlich sein späteres Schicksal
betreifend, beigefügt, die aber von einem Interpolator (von Kurze
als N bezeichnet) wahrscheinlich zur Zeit Heinrichs V. ausradiert
1) Daraus der Annalista Saxo a. 983 (M. G. SS. VIII 630) : Post
hec pro destructione ecclesiarum in Brandeburg et Havelberga Teo-
dericus dux et marchio, qui partium illarum defensor extabat, digni-
tatem suam perdidit.
2) Thietmar III 17 (10): Clerus ibidem (zu Brandenburg) capitur,
et Dodilo, eiusdem sedis antistes [II.], qui a suis strangulatus tres annos
iacuit tunc sepultus, e tumulo eruitur et, integro adhuc eius corpore
ac sacerdotali apparatu, ab avaris canibus predatur et iterum temere
reponitur; omnis aecclesie thesaurus distrahitur et sanguis multorum
miserabiliter eifunditur. Vice Christi et piscatoris eiusdem venerabilis
Petri varia demoniacae heresis cultura deinceps veneratur
et flebibis haec mutacio non solum a gentilibus, verum etiam a chri-
stianis extoUitur.
III 19: Desolatis tunc omnibus preda et incendio urbibus ac
villis usque ad aquam, quae Tongera vocatur, convenerunt e Sclavis
peditum ac equitum plus quam XXX legiones, quae sine aliqua lesione
residua quaeque suorum auxilio deorum [tunc] devastare non
dubitarent. . . . Derelicti sunt, qui prius Deum spernere presumpserunt
idolaque manufacta et prorsus inania creatori suo stulti
preposuerunt.
3) Vgl. Usinger a. a. 0. 483. 485.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 315
und durch folgende Anekdote ersetzt ist: Post haec Mystuwoi in
amentiam versus in vinculis tenetur; et aqua benedieta inmersus:
„Sanctus", inquid, „me Laurentius incendit!" et antequam liberaretur,
miserabiliter obiit. Auf diese späte Legende, welche den Mistuwoi
offenbar mit der Verbrennung des Laurentiusklosters zu Kalbe in
Verbindung bringt — wovon Thietmar jedoch nichts weiss — und
durch den Patron des Merseburger Bistums für diese Unthat ganz im
Stile der Heiligenlegenden bestraft werden lässt, ist natürlich gar
kein Wert zu legen. Doch setzt auch sie voraus, dass Mistuwoi,
trotz seines angeblichen Wahnsinns, als Christ gestorben sei^). In
einem späteren Zusatz III 24 (14) erwähnt Thietmar diesen Slawen-
aufstand nochmals nach den Quedlinburger Annalen.
Mistuwoi erschien dann im folgenden Jahre auf dem Hoftage
des Herzogs Heinrich in Quedlinburg (Thietmar IV 2), Seine
Tochter Tofa wurde, wie wir gesehen haben, die Gemahlin des
dänischen Königs Harald Blätand. Er ist offenbar identisch mit
Adams Mystiüooi\ der neben ihm genannte Mizzidrog mag der
gleichzeitige Fürst der Wagrier, der im Jahre 967 vom Sachsen-
herzog Hermann eingesetzte Sohn und Nachfolger des Selibur
(Widukind III 68. Thietmar II 14 (9)) sein. Auf diese Zeit führt
auch die erste Berechnung der Periode des ungestörten Bestandes
des Christentums im Slawenlande , welche auf Grund von Auf-
zeichnungen der Kathedrale von Bremen durch die vom Erzbischof
Adaldag (f 988) geweihten Bischöfe Egwardus oder Evargus, Wego
und Eziko von Oldenburg umschrieben wird (Adam II 24). Durch
den Satz: „Ita etiam Hammaburg in pace fuit" wird deutlich als
Endpunkt dieser Periode die Zerstörung Hamburgs vorausgesetzt.
Der zweite , von mir zwischen Sternchen gesetzte Teil von
Adams Bericht über den Abfall der Slawen dagegen, wornach
die kirchlichen Einrichtungen in Nordalbingien damals zerstört,
die Geistlichen, besonders in und um Aldenburg, zu Tode ge-
martert wurden, gehört in eine viel spätere Zeit und ist auf die
im Jahre 1018 ausgebrochene allgemeine Reaktion gegen das
Christentum zu beziehen , die von den von jeher heidnischen
Liutizen ausging. Diese griffen zunächst den Abodritenfürsten
Mistislav an unter dem Vorwande , dass er sie im vorjährigen
Feldzuge gegen die Polen, den sie als Verbündete des Kaisers mit-
gemacht hatten, nicht unterstützt hätte. Der Zeitgenosse Thietmar
IX 5 (VIII 4) berichtet darüber: In illo tempore Liutici in malo
semper unanimes Mistizlavum seniorem sibi in priori anno ad ex-
pedicionem imperatoriam nil auxiliantem turmatim petunt pluri-
mamque regni suimet partem devastantes uxorem suam et nurum
ac semet ipsum intra Zuarinae civitatis municionem cum militibus
electis colligere cogunt. Deindeque malesuasa suimet calliditate
per indigenas Christo seniorique proprio rebelies a paterna here-
^) So hat die Glosse auch der Annal. Saxo a. 983 aufgefasst.
316 J- Marquart,
ditate vix evadere hunc compellunt. Haec abominabilis presumptio
fit mense Februario. . . . Tunc omnes aecclesiae ad honorem et
famulatum Christi in his partibus erectae incendiis et destruccio-
nibus aliis cecidei'e, cultus[que] idolorum Deo prepositus erigitur
et mens populi istius , qui Abotriti et Wari vocantur, ut cor
Faraonis ad haec induratur. Libertatem sibi more Liuticio nota
fraude vendicabant, sed cervicem suam suavi iugo Christi excussam
oneroso diabolicae dominacionis ponderi sua sponte subdiderant,
meliori prius patre ac nobiliori domino in omnibus usi.
Aus dieser Erzählung Thietmars geht also hervor, dass Mistislav
noch Christ war und gerade wegen seines Christentums
von den Liutizen angegriffen und vertrieben wurde. Erst jetzt
wurde der heidnische Kultus im Lande der Abodriten und Wagrier
wiederhergestellt. Mit Thietmar stimmt das Schob 28 bei Adam:
Mistiwoi cum nollet christianitatem deserere, depulsus a pati'ia
confugit ad Bardos, ibique consenuit fidelis, nur dass hier die
beiden Namen Mistislav und Mistiwoi verwechselt sind. Einen
Missizla nennt aber auch der Dänenkönig Svein bei Adam II 24
unter den Slawenfürsten, während deren Regierungszeit die Slawen
friedlich ihren Tribut entrichteten und das Christentum sich un-
gehindert ausbreiten konnte, freilich an erster Stelle, vor Naccon.
Allein es kann keinem Zweifel unterliegen , dass dieser Missizla
mit Thietmars Mistizlavus identisch und die Reihenfolge einfach
umzukehren ist. Mistuwoi, der in der Reihe fehlt, ist mit Missizla
zusammengeworfen, wie auch im Schob 28 bei Adam von Bremen.
Ich bedaure deshalb , Westbergs Gebäude zerstören und seinen
Versuch, den ^J^LiuaJ Mas'üdi's mit Korn er s Micisla und Sveins
Missizla zu kombinieren und durch diesen sowie den Mistiwi des
Söndervissing'schen Runensteines den Stammbaum der mecklen-
burgischen Herzöge nach aufwärts zu verlängern , als missglückt
ablehnen zu müssen.
Der Abfall der Slawen im Jahre 1018 war nach Adam durch
die Habsucht und Härte des Herzogs Bernhard von Sachsen hervor-
gerufen worden ^). Damals war Bernhard (Benno) , ehemaliger
Domherr von Magdeburg, Bischof von Oldenbm-g-), der im Jahre
1013 vom Erzbischof Unwän von Bremen (1013 — 1029) geweiht
worden war und im Jahre 1023 starb ■^). Er machte zwar mehr-
fache Versuche, mit Hilfe des Kaisers wieder in den Besitz der
Güter und Einkünfte zu gelangen, welche Otto der Grosse für
den Unterhalt des Bistums bestimmt hatte, besonders im Jahre
1) Adami Gesta Hammaburg. eccles. pontif. II 46 : Bernardus enim
dux, tarn avitae bumilitatis quam paternae religionis oblitus, primo
quidem per avaritiam gentem Winulorum crudeliter opprimens, ad
necessitatem paganismi coegit.
2) Thietmar IX 6 (VIII 4). VII 14 (VI 46).
3) Thietmar VIII 3 (VII 4). Adam II 47. Annal. Quedlinburg.
a. 1023.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 317
1021, jedoch vergebens. Seit 1018 hielt er sich meist in Hildes-
heim auf, und ebenso seine nächsten Nachfolger^).
Der Erabischof Unwän von Bremen konnte erst nach der
Beilegung des Aufstandes des Herzogs Bernhard gegen den Kaiser
daran gehen, Hamburg wiederherzustellen und das dortige Kapitel
wieder einzurichten, während es gleichzeitig dem Herzoge gelang,
die Slawen wieder zur Zahlung des schuldigen Tributs zu zwingen
und die nordalbingischen Sachsen vor ihren Einfällen zu sichern"-).
Wenn wir es nun versuchen, die Legenden im Scholion 30
zu Adam von Bremen und bei Helmold I 13 — 16 zu analysieren,
so gilt es vor allem , die oben festgestellten Thatsachen fest im
Auge zu behalten. Am einfachsten ist die Erzählung, die sich im
Schol. 30 und weiter ausgeführt bei Helmold I 16 findet. Das
Scholion lautet : Sermo est ducem Sclavanicum petisse pro filio suo
neptem ducis Bernardi eumque promisisse. Tunc princeps Winu-
lorum misit filium suum cum duce in Ytaliam cum mille militibus,
qui fere omnes ibi sunt interfecti. Cumque filiu.s ducis Sclavanici
pollieitam mulierem expeteret, Theodericus marchio intercepit con-
silium , consanguineam ducis proclamans non dandam esse cani ■').
Diese Angabe würde uns in die Zeit des Zuges Kaiser Ottos II.
nach Italien im J. 982 führen , an dem jedoch Herzog Bernhard
nicht teilnahm. Thietmar teilt uns in einem späteren Zu-
satz HI 24 (14) mit, dass er zu dem Reichstag in Verona im J. 983
aufgebrochen war , aber halbwegs wieder umkehren musste , weil
eine seiner Städte, die der Kaiser zum Schutze gegen die Dänen
mit einer Besatzung verstärkt hatte , von diesen genommen und
nach Niedermetzelung der Verteidiger verbrannt worden sei. Dieser
Vorstoss der Dänen erfolgte offenbar im Einvernehmen mit dem
Abodritenfürsten Mistuwoi, welcher um dieselbe Zeit gegen Hamburg
zog und die Stadt vex-brannte. Auf alle Fälle könnte also das in
Italien (wohl in der unglücklichen Schlacht am ionischen Meere
am 13. Juli 982) aufgeriebene slawische Kontingent nicht mit
^) Hirsch-Bresslau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter
Heinrich IL Bd. III, 94 ff. 186 ff. Usinger eb. Bd. I, Exkurs VI b
S. 485.
'^) Adam. Brem. II 47: Mox quoque favente Unwano, Sclavos tri-
buto subiciens, pacem reddidit Nordalbiugis et matri Hammaburg. Ad
cuius restaurationem venerabilis metropolitanus asseritur post cladem
Sclavonicana civitatem et ecclesiam fecisse novam , simul ex singulis
congregationibus suis, quae virorum essent, tres eligens fratres, ita ut
duodecim fierent , qui in Hammaburg canonica degerent conversatione,
vel qui populum converterent ab errore ydolatriae. Daran schliesst
sich unmittelbar die Weihe des Bischofs Benno von Aldenburg, die
doch schon 1013 oder Anfangs 1014 stattgefunden hatte. Vgl. c. 58. 68.
Hirsch-Bresslau a. a. O. III 186 und N. 2.
^) So liest Helmold I 16, der die Stelle ausschreibt, für das bei
Adam überlieferte eam. Vgl. Usinger bei Hirsch, Jahrbücher des
Deutschen Reichs unter Heinrich IT., Bd. I 476 N. 1.
318 J- Marquart,
dem Herzog Bernhard ausgezogen, sondern höchstens von diesem
dem Kaiser zur Verstärkung nachgesandt worden sein. Als der
Sohn des Slawenfürsten nach der Rückkehr aus Italien die ver-
sprochene Nichte des Herzogs verlangt, hintertreibt der Markgraf
Theoderich die Heirat, indem er den Barbaren einer deutschen
Füstentochter für unwürdig erklärt. Helmold hat die Erzählung
des Scholion zum Teil verschlechtert, indem er den Slawenfürsten,
den er mit Adams Mystiwoi (II 40) identifiziert, für sich selbst
um die Nichte des Herzogs freien lässt. Dann soll der Herzog
nach jener Abweisung sich wieder anders besonnen und jenem
entboten haben, er möge die ersehnte Braut heimführen, worauf
jedoch der ergrimmte Slawe die Antwort erteilte : Oportet quidem
generosam magni principis neptem prestantissimo viro copulari,
non vero cani dari. Magna gratia nobis pro servitio refertur, ut
iam canes, non homines iudicemur. Si igitur canis Valens fuerit,
magnos morsus dabit. Hierauf begibt er sich nach Rethra im Lande
der Liutizen, ruft alle gegen Osten wohnenden Slawen zusammen
und trägt ihnen die ihm widerfahrene Beschimpfung vor. Hier
muss er nun freilich hören , dass ihm ganz recht geschehen sei,
da er seine Stammgenossen verachtet und die treulose und hab-
gierige Sachsenbrut aufgezüchtet habe. Hierauf schwört er ihnen,
dass er die Sachsen jetzt verlassen wolle und erlangt nun ihren
Beistand.
Die Sage nimmt an, dass der Aufstand Mistiwois im Jahre 983
im Einverständnis mit der gleichzeitigen Erhebung der Liutizen
stattgefunden habe.
Einen ganz andern Charakter trägt die sagenhafte Erzählung
bei Helmold I 13 — 15, deren Inhalt kurz folgender ist.
Der Bischof Wago von Oldenburg hatte eine schöne Schwester,
die er dem Obotritenfürsten Bülug nach inständigem Bitten zur
Ehe gab. Dieser Ehe entspross eine Tochter Hodica, welche ihr
Onkel in einem Nonnenkloster erziehen liess und dann in noch
unmündigem Alter zur Äbtissin des Nonnenklosters zu Mecklenburg
machte. Darüber war ihr Bruder Missizla ungehalten, odio, licet
occulto , concitatus Christiane religionis , timens etiam , ne hoc
exemplo peregrinus mos illis in partibus inolesceret. Patrem autem
frequenter coarguit, quasi qui mente alienatus supervacuas diligeret
adinventiones , nee timeret patriis derogare legibus , prius quidem
ducens uxorem Teutonicam'), deinde filiam suam monastice clau-
sure contradens. Durch solche Vorstellungen wusste er den Vater
allmählich umzustimmen. Es wird dann erzählt, wie Billug in
Gemeinschaft mit seinem Sohne Missizla sich zunächst verschiedene
Übergriffe in die bischöflichen Besitzungen zu Schulden kommen
liess, _ und auf die Vorstellungen des Bischofs die Schuld auf Räuber
1) Missizla stammte also nach der Sage oflfenbar aus einer
früheren Ehe.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 319
schob, die von den Rani und Wilzi einzubrechen pflegten. Zu-
letzt verstiess er auch die Schwester des Bischofs, und dies war
die Hauptveranlassung zu Feindseligkeiten. Da Otto II. und III.
durch die italienischen Kriege beschäftigt waren, so benutzten die
Slawen die Gunst der Umstände , nicht bloss dem göttlichen Ge-
setze , sondern auch dem kaiserlichen Machtgebot sich allmählich
zu entziehen. Solus Saxonie dux Benno aliquam dominationis
umbram, licet tenuem, pretendere videbatur, cuius respectu Scla-
vorum Impetus retardati sunt, ne aut fidei cristiane renunciarent
aut arma corriperent. Ja der Obotritenfürst Missizlaus wagte es
gar, seine Schwester Hodica dem Nonnenkloster zu Mecklenburg
zu entreissen und einem gewissen Boleslaw zur Ehe zu geben;
die übrigen Nonnen verheiratete er teils mit seinen Kriegern, teils
schickte er sie ins Land der Wilzen oder Rani, und so ward jenes
Kloster verödet.
Man wird kaum auf Widerspruch stossen mit der Annahme,
dass letzteres Ereignis, die eigentliche Pointe der ganzen Er-
zählung , nur in die Zeit der Wiederherstellung des heidnischen
Kultus im Jahre 1018 passe, die von den Liutizen (Wilzen) aus-
gegangen war; dazu würde stimmen, dass ein Teil der Jungfrauen
des Klosters ins Land der Wilzen oder Rani (auf Rügen) geschickt
wird. Was aber diese Erzählung von der des Thietmar vor allem
unterscheidet, ist der charakteristische Zug, dass die ganze Schuld
an jenen Ereignissen dem damaligen Fürsten der Abodriten Missizla
in die Schuhe geschoben wird, der geradezu als der Repräsentant
der nationalen Christen- und deutschfeindlichen Strömung erscheint,
während wir aus Thietmar wissen, dass dieselbe thatsächlich von
den Liutizen ausgieng und Missizlav im Gegenteil selbst von der-
selben hinweggeschwemmt wurde.
Wenn im Jahre 1018 in der That die Vorsteherin des Frauen -
klosters zu Mecklenburg von einem Boleslaw zur Ehe gezwungen
wurde, so war dieselbe sicherlich keine Nichte des Bischofs Wago;
denn nach der Erzählung Helmolds wäre sie schon als Kind von
ihrem Onkel zur Äbtissin jenes Klosters gemacht worden, müsste
also im Jahre 1018 mindestens 42 Jahre gezählt haben ^). Der
Name des Slawenfürsten Billug bleibt nach wie vor rätselhaft.
Die Vermutung, dass damit der Slawenfürst Mistui gemeint sei,
welcher im Jahre 983 Hamburg verbrannte, liegt ja recht nahe.
Wigger erinnert an die auch sonst vorkommenden Doppelnamen
bei Slawen 2). Allein die Annahme, dass Mistui jenen Namen bei
seiner Taufe zu Ehren des Herzogs Hermann von Sachsen er-
halten habe^), ist an und für sich schon sehr prekär, da die An-
gabe, letzterer sei der Sohn eines Grafen Billing, sich zuerst in
1) Vgl. auch Ludw. Giesebrecht, Wend. Gesch. I 272.
-) Meckenburg- Annalen S. 137.
») Westberg a. a. O. S. 117.
320 J- Marquart,
dem um 1230 enstaildenen Chronicon St. Michaelis Lüneburg,
findet. Ein Graf Billing ist allerdings aus Urkunden Ottos I.
wohlbekannt , allein derselbe war ein thüringischer Dynast und
nichts deutet darauf hin, dass er Hermanns Vater war; die Billinger
waren ein altes fränkisches Geschlecht , während Hermanns Ge-
schlecht unzweifelhaft ein altsächsisches war^). Da es sich somit
nicht nachweisen lässt, dass Hermann selbst oder sein Geschlecht
den Namen Billunger geführt habe , so ist für die Erklärung des
Namens des Slawenfürsten Billug hiervon gänzlich abzusehen.
In der That ist die Entstehung der Legende Helmolds auch
viel komplizierter als man gedacht hat. Die historische Grund-
lage derselben finden wir bei Thietmar IV 55(35)— 58. IX (VIII)
1. 2. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Dubrawa (977), einer
Schwester des Böhmenherzogs Boleslaw II. (967 — 999), die ihm
einen Sohn Boleslaw geboren hatte, heiratete der Polenherzog
Miseco eine Nonne aus dem zum Bistum Halberstadt gehörigen
Kloster Calva (Kalbe an der Milde), namens Oda, die Tochter des
Markgrafen Thiedrich. Diese gebar ihm drei Söhne Miseco,
Swentopolk und wahrscheinlich Wladiwoi. Nach dem Tode des
Miseco (992) riss Boleslaw die Herrschaft an sich und vertrieb
seine Stiefmutter und seine Stiefbrüder. Da Thietmar V 18 (10)
und 36 (22) den Markgrafen Gunzelin^) von Meissen (1002—1009)
Boleslaws Bruder nennt •^), so vermutet Kurze*), dass vielleicht
Boleslaws Stiefmutter Oda die Mutter Gunzelins war. Dann müsste
diese vor ihrer Ehe mit Misaco bereits mit dem im Jahre 976
abgesetzten Markgrafen Guntherius von Meissen (965 — 976) ver-
mählt gewesen sein. Dazu stimmt sehr gut, dass eine Enkelin des
letztern, eine Tochter des Markgrafen Ekkihard I. (985—1002)
und Schwester des Markgrafen Hermann (1010—1032) und Ekki-
hard IL (1032—1046), welche im L 1018 mit Boleslaw vermählt
wurde ^) , ebenfalls Oda hiess.
Eine andere Tochter des Markgrafen Thiedrich, ebenfalls eine
Nonne, namens Mahthild, heiratete um 999 einen Slawen Pribislaw.
Über ihre weitern Schicksale berichtet Thietmar IV 64 (42):
[Quae post] a Brenneburgiensis iniusto provisore civitatis BoUUuto
capta in tantum constricta est, ut neque dominicam nativitatem nee
^) Vgl. den Exkurs III bei Köpke-Dümmler, Kaiser Otto
d. Gr. S. 570—576.
^) Sekundäres Hypokoristikon zu dem von Günther abgeleiteten
Kurznamen Gunzo, wie Ezzelln von Ezzo.
^) Ebenso nennt Gunzelin V 36 den Polenherzog „frater", und der
König Heinrich II, beklagt sich VI 54 (36): (Guncelinum) maiorem
apud Bolizlavum fratrem gratiam hactenus habere, quam [ei]
deceret aut sibi placere deberet. Vgl. Hirsch, Jahrb. des Deutscheu
Reichs unter Heinrich IL, Bd. I 228 N. 7.
^) In seiner Ausgabe Thietmar's z. St.
f>) Thietmar IX (VHI) 1.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 321
aliam sollempnitatein vel ieiunio congruenti prevenire vel festivis
celebrare gaudiis potuisset. Ubi quendam puerum gerniit, quem
lugubriter educavit , posteaque tantae solutionem miseriae [et
abbaciam in Magadaburg] iiidigna percepit. Cuius vii' [antea] a
confratribus geminis Ugione ac Ufficone V. Kai. lanuarii occubuit.
Huius frater , Liudulfus nomine , deposito clericatu arma sumens
ultricia multum nocuit nostris , ca]Dtus autem a cesare iterum
restitutus est gradui pristino.
Hieraus ergibt sich folgender Stammbaum:
Thiedricus, Markgraf
Mahtbild, Nonne. O da, Gem. 1) Guntherius, Markgr. Misaco von Polen, f 992
Gem. Prebizlavus. von Meissen 965—976, t 982. Gem. 1) Dubrawa,t977.
T'^; ■ 2) Misaco von Polen, t 992, 2) Oda.
Sohn. i ^' . ,
1) Ekkihardus I., Gimzelin, 1) Boleslaw I., 2) Miseco.
Markgraf Markgraf 992—1025. Suentopulcus.
985—1002. 1002 — 1009. Gem. 4) Oda. Wlodeweius.
Liutgerda. Oda.
Herimannus 1010—1032. '
Ekkihardus II. 1032—1046.
Guntherius.
Man sieht jetzt unschwer, dass diese etwas komplizierten
Familienverhältnisse die Grundlage der Erzählung Helmolds bilden.
Die Schwester des Bischofs Wago und ihre Tochter Hodica ent-
sprechen der altern und jüngeren Oda^ von denen die erstere
überdies mit ihrer Schwester Mahthild vermengt ist. Denn der
Obotritenfürst Billug ^ der Gemahl der Schwester des Bischofs,
entpuppt sich jetzt als jener BoUljut, Pristaw von Brandenburg,
welcher Mahthild raubte und gefangen hielt. Der Name der Nichte
des Bischofs, Hodica (mit unorganischem h), ist aber lediglich ein
regelrechtes Hypokoristikon von Oda^ und der Bolizlaus quidam,
dem sie vermählt wird , ist niemand anders als der Polenfürst
Boleslaw. Das Jahr seiner Vermählung mit der jüngeren Oda fällt
allerdings mit dem des grossen Slawenabfalles (1018) zusammen.
Die Übertragung der Geschichte von Polen und Brandenburg
nach Mecklenburg wurde jedenfalls begünstigt durch die Überein-
stimmung der Namen Misaco (Hypokoristikon von Mstislaw) und
Missizla (Mstislaw). Wenn Hodica bei Helmold zur Nonne ge-
macht wird und daher mcestisszmo coniugio mit Boleslaw ver-
heiratet wird, so beruht dies natürlich auf Verwechslung mit der
älteren Oda. Von der Heirat der Jüngern sagt Thietmar IX
(VIH) 1 : nupsit duci predicto post LXX^"^ absque canonica
auctoritate , quae vivebat hactenus sine matronali consuetudine
(d. h. im jungfräulichen Stand), admodum digna tanto foedere ^).
^) Vgl. Hirsch-Bresslau, Jahrbücher des Deutschen Reichs
unter Heinrich II., Bd. III 82 N. 1.
Marquart, Streifzüge. 21
322 J- Marquart,
Man wird daher anerkennen müssen, dass die Sage bei Helmold
in ihren Hauptzügen lediglich eine Übertragung dieser Familien-
geschichte nach Mecklenburg ist. Indem dieselbe mit den grossen
Slawenaufständen von 983 und 1018 in aitiologischen Zusammen-
hang gebracht wurde, waren natürlich einige Modifikationen un-
vermeidlich. Dahin gehört vor allem, dass das Frauenkloster des
hl. Laurentius in Kalbe in der Altmark durch das von Mecklen-
burg ersetzt wurde. Ob etwa der Bischof Wego (bei Helmold
Wago) mit dem Markgrafen der Nordmark Thiedrich in verwandt-
schaftlichen Beziehungen stand , so dass dadurch die Übertragung
begünstigt worden wäre, ist mir unbekannt. Irgend einen Wert
für die Geschichte des Christentums bei den Abodriten kann aber
die Erzählung nicht beanspruchen.
Wir haben bereits oben ausgesprochen, dass die Reihenfolge
der drei Slawenfürsten des Königs Svein, sub quibus pax contmua
fuit, lim zukehren und Missizla an den Schluss zu stellen ist.
Daraus folgt aber, dass dann Sederich an den Anfang gehört.
Der Name sieht nicht slawisch aus, sondern eher nordisch, und
schon Lappenberg dachte an den Namen Sigtryggr^). Erinnern
wir uns nun an die merkwürdige Fassung der Notiz in den Annalen
von Keichenau zum J. 931 : Heinricus rex regem Abodritorum et
Nordmannorum effecit christianOS, wo nur von einem König die
Rede zu sein scheint, so kommen wir auf den Gedanken, dass in
der ursprünglichen Aufzeichnung auch der Prädikatsakkusativ im
Singular stand, also christianum. Wir haben oben gesehen, dass
auch Widukind, der den Ereignissen am nächsten stehende Zeuge,
nur von einem durch König Heinrich I. zur Annahme der Taufe
gezwungenen Fürsten weiss, den er als König der Dänen be-
zeichnet. Kombiniert man beide Nachrichten, so hätten wir es
mit einem nordischen König zu thun, der seine Herrschaft auch
über die Abodriten ausgedehnt hatte. Dies ist nun bei dem von
Heinrich I. im J. 934 besiegten Gnüpa und seinem Sohne Sigtrygg,
die beide in Schleswig residierten und über Südjütland heiTSchten,
sehr wohl möglich. In diesem Lichte betrachtet wird aber auch
die Geschichte der Gründung des Bistums Oldenburg bei Helmold,
Chron. Slavorum I 11. 12 verständlich. Adam von Bremen II 14
erzählt die Stiftung jenes Bistums, genau genommen, nicht, sondern
nennt nur im Anschluss an die Gründung des Erzbistums Magde-
burg mit seinen fünf Suffraganbistümern, die im J. 968 erfolgte,
Aldinburg als sechstes Bistum des Slawenlandes, das Kaiser Otto
der Grosse der grösseren Nähe wegen dem Erzbischof von Ham-
burg-Bremen unterstellt habe. Als ersten Bischof, der vom Erz-
bischof Adaldag geweiht worden sei, nennt er den Euraccus oder
1) In der Ausgabe Adams, M. G. SS. IX: Princeps Slayicus huius
nominis alibi non oecurrit. Nomen ipsum vix Slavicum videtur, sed
potius Nordmannicum, vulgo Sithric dictum.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 323
Egwardus. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Stiftung nicht
vor 968 stattgefunden habe , wozu stimmen würde , dass in der
Urkunde Ottos für die Hamburger Suffragane vom 26. Juni 965
Aldenburg noch nicht genannt wird^).
Auch Hehnold geht davon aus, dass Aldenburg von Otto
dem Grossen gestiftet sei , und zwar nach der Unterwerfung des
ganzen Slawenlandes. Allein er nennt als ersten Bischof Marko
und gibt an , dass ihm auch Schleswig unterstellt war : Huic
urbi precellentissimus cesar pontificem dederat venei'abilem virum
Marconem, subdens ei omnem Obotritorum provinciam usque ad
Penem fluvium et urbem Dimine ; preterea civitatem opinatissimam
Sleswich, que alio nomine Heidibo dicitur, eiusdem eure delegavit.
Eo enim tempore Sleswich cum provincia adiacente, que scilicet
a lacu Slya ad Egdoram fluvium protenditur, Romano imperio
subiacebat. Erst nach dem Tode Marko's soll Schleswig einen
besondern Bischof erhalten haben. Der nächste Bischof von Alden-
burg ist dann Ecwardus , welcher die Weihe von Adaldag von
Hamburg empfängt. Kaiser Otto hatte ursprünglich beschlossen,
dieses Bistum gleich den übrigen slawischen der neugegründeten
Metropole Magdeburg zu unterstellen , soll aber dann den Vor-
stellungen des Erzbischofs Adaldag von Hamburg, der die alten
Rechte seiner Kirche auf dieses Gebiet betonte, nachgegeben
haben (I 11).
Ein Bischof von Schleswig erscheint zuerst neben denen von
Ripen und Aarhus auf der Synode von Ingelheim 948, wozu Adams
Angabe (II 4) stimmt, der die Gründung der drei dänischen Bis-
tümer ins zwölfte Jahr Adaldags setzt; die Gründung der slawi-
schen Bistümer Havelberg und Brandenburg setzen die Stiftungs-
urkunden auf den 9. Mai 946 und 1. Oktober 948. Die des
ersten Bistums ist jedoch nicht im Original erhalten und ver-
dächtig-). Die Stiftung des Bistums Oldenburg müsste also noch
beträchtlich früher fallen, wenn Helmold mit seiner Behauptung
Recht hat, dass das Bistum Schleswig sich erst aus jenem ab-
gezweigt habe. Es ist ja auch an und für sich schwer verständlich,
weshalb als Sitz des für die Wagrier und Abodriten bestimmten
Bistums gerade Oldenburg gewählt wurde , das gar nicht im Ge-
biete des Hauptvolkes der Abodriten, sondern in dem der Wagrier
lag. Dies alles erklärt sich ganz natürlich, wenn die Stiftung
unter einem Fürsten erfolgte , der nicht bloss Schleswig besass,
sondern auch über die Wagrier und Abodriten gebot. Denn dann
lag Oldenburg in der That in der Mitte seines Herrschaftsbereichs.
Dies traf aber zu unter dem von Heinrich I. im J. 934 unter-
^) Köpke-Dümmler, Kaiser Otto d. Gr. S. 505 N. 2. Lappen-
berg, Über die Bischöfe der Hamburger Diözese. Pertz' Archiv IX
388 f. Wigger, Mecklenburg. Annalen 133 f.
2) Köpke-Dümmler a. a. 0. 166 ff.
21*
g24 J- Marqviart,
worfenen südjütländischen Fürsten Gnüpa und seinem Sohne Sig-
trygg, falls unsere Vermutung richtig ist, dass in den Reiche -
nauer Annalen a. 931 ursprünglich gestanden hat: Heinricus rex
regem Abodritorum et Nordmannorum effecit christianum. Das
Datum in den Annalen von Reichenau ist ja auf jeden Fall un-
genau , da die Unterwerfung des Wikingerfürsten erst 934 statt-
fand. Im Jahre 939 ei'hoben sich die Abodriten wieder gegen
die deutsche Herrschaft und vernichteten ein sächsisches Heer
samt dem Führer Haika. Es ist dabei sehr bedeutsam, dass neben
den Slawen d. i. den Abodriten auch die Dänen wieder als Feinde
genannt werden, welche das sächsische Gebiet im Norden bedrohten.
Offenbar ist auch hier das Vorgehen der Dänen d. h. des Gnüpa
oder Sigtrygg und der Abodriten als ein gemeinsames aufzufassen.
Gleichzeitig war infolge der Blutthat des Markgrafen Gero, welcher
an dreissig slawische Häuptlinge bei einem Gelage hinterlistig
hatte ermorden lassen, auch bei den östlicheren Slawen ein all-
gemeiner Aufstand ausgebrochen, und obwohl der König mehr-
mals selbst Streifzüge gegen sie unternahm und ihnen manche
Verluste beibrachte, vermochte er das Volk doch nicht völlig zu
unterwerfen. Da wurde ihm um 940 durch den zum Christentum
übergetretenen Prätendenten Tugumir aus dem Stamme der He-
veller oder Stodoranen die wichtige Festung Brandenburg in die
Hände gespielt, was zunächst die Unterwerfung der Heveller zur
Folge hatte. Dieser Erfolg machte aber einen solchen Eindruck,
dass sich sämtliche Stämme bis zur Oder wieder zur Tributzahlung
verstanden '). Um diese Zeit sind wohl auch die Abodriten wieder
unterworfen worden, und es hat durchaus nichts Unwahrschein-
liches, dass Otto dieser Unterwürfigkeit alsbald durch die Be-
kehrung des Volkes und Stiftung eines Bistums für das gesamte
Herrschaftsgebiet des süddänischen Fürsten, welchem damals die
Abodriten gehorchten, Dauer zu verleihen suchte. Adams an
dritter Stelle genannter Slawenfürst Sederich ist also wohl der-
jenige Herrscher, unter welchem das Bistum Aldenburg gegründet
wurde, und höchst wahrscheinlich identisch mit Gnüpa's^ Sohn
Sigtrygg, dem I 54 unter den Dänenherrschern genannten Sigerich.
Es wäre sogar denkbar, dass die falsche Angabe der gemeinsamen
Quelle Thietmars^) und der Magdeburger Annalen ä), der Chronik
Tagino's, nach welcher die Stiftung der Bistümer Brandenburg
und Havelberg bereits im J. 939 bezw. 30 Jahre vor Magdeburg
erfolgt sein soll, nur auf einer Verwechslung mit dem dritten
slawischen Bistum Oldenburg beruhte und eigentlich auf dieses zu
beziehen wäre. Dann wäre Oldenburg ursprünglich als SuflFragan-
1) Widukind 11 20. 21 ; oben S. 104.
2) Thietmar III 17 (10).
3) M. G. SS. XVI 143.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 325
"bistum der Erzdiözese Mainz gegründet worden i). Auf jeden
Fall stimmen aber die Angaben des Königs Svein über die Dauer
des Christentums bei den Slawen mit Helmolds Erzählung über
die Stiftung ihres Bistums aufs beste überein. Denn auch der
zweite der Fürsten, unter welchen nach ihm das Christentum un-
gehinderte Ausbreitung genoss , Naccon, ist sicher noch vor der
Zuweisung des Bistums Oldenburg zum Metropolitansprengel von
Bremen-Hamburg gestorben, und das gleiche gilt natürlich erst
recht von Sederich.
Einen zweiten Slawenfürsten namens Sedericus nennt Adam
II 58 zu der Zeit, als der Erzbischof Unwän von Bremen im
Verein mit dem Herzog Bernhard das zerstörte Hamburg wieder-
herstellte und die Slawenmission von neuem organisierte, und zu
diesem Zwecke auch mit dem König Knut von Dänemark in
freundschaftliche Beziehungen trat (nach 1021)-). Dieser Sedericus
oder Sigtrygg mag ein Fürst der Wagrier sein, der mit ihm ge-
nannte Üto wird später (II 64) als Sohn des Mistiwoi und schlechter
Christ bezeichnet, war also ohne Zweifel Fürst der Abodriten.
Bei Saxo Grammaticus, der ihn im Gegenteil als höchst eifrigen
Christen bezeichnet, führt er den slawischen Namen Pribignew.
Sein Sohn ist der bekannte Apostat Gottschalk 3). An Stelle des
Sedericus erscheinen bei Adam II 64 neben Uto als Fürsten der
Winuli Gneus et Anatrog, beide als Heiden bezeichnet. Ersteres
ist offenbar nur- der zweite Teil eines slawischen Namens wie
Stoignew, Pribignew etc. Beide werden dann abermals II 69 in
Gemeinschaft mit einem dritten Fürsten Ratibor zur Zeit des Erz-
bischofs Bescelin (1035—1045) als diesem wie dem Sachsenherzog
dienstbar bezeichnet. Ratibor war, wie wir später (H 75) erfahren,
Christ und wurde von den Dänen ermordet. Wahrscheinlich haben
wir auch ihn als Fürsten der Abodriten, die beiden andern, Gneus
und Anatrog, als Fürsten der Wagrier zu betrachten.
Dass nach Haralds Siege über Sigtrygg und der Eroberung
Schleswigs für dieses ein eigenes Bistum errichtet wurde , lässt
sich jetzt sehr gut verstehen. Denn die staatliche Verbindung
1) Vgl. auch Westberg a. a. 0. S. 78.
2) Adam. Brem. II 58: Eo tempore cum esset pax firma inter
Sclavos et Transalbianos, Unwanus archiepiscopus metropolem Hamma-
burg renovavit, clerumque dispersum colligens, magnam ibidem tarn
civium quam fratrum adunavit multitudinem. Itaque cum duce Bernardo
frequenter inhabitans locum, saepe dimidium annum vixit in Hamma-
burg, gloriosissimum regem Chnut invitans ad colloquium, Sclavorumque
satrapas Utonem et Sedericum. Vgl. Hirsch-Bresslau, Jahrbücher
des Deutschen Reichs unter Kaiser Heinrich II. Leipzig 1875. Bd. III
186 N. 2.
3) Saxo Gramm, p. 523 ed. Müller: Guthscalcus Sclavicus . , .
is a Pribignevo patre christiani cultus amantissimo deficientemque
a religione Sclaviam nequicquam revocare conante. Vgl. Wigger,
Mecklenburg. Annal. 66. 68.
326 J- Marquart,
Oldenburgs und des Abodritenlandes mit Schleswig muss damit
gleichzeitig aufgehört haben. So würde also die erste Periode
des Bistums Aldenburg, während welcher dasselbe ausser Mecklen-
burg und Wagi'ien auch Schleswig umfasste , etwa in die Jahre
939 — 948 fallen, und wir würden zugleich einen bestimmten
terminus ante quem für das Ende der schwedischen Dynastie in
Schleswig erhalten. Natürlich stammt Helmolds Angabe , dass
Schleswig erst nach dem Tode des oldenburgischen Bischofs Marko
einen eigenen Bischof erhalten habe, nicht aus wirklicher Über-
lieferung , sondern beruht lediglich auf eigener Kombination
Helmolds. Man darf vermuten , dass sich der schon früher fest-
gesetzte Zins, welchen die Gesandten Haralds im J. 973 Otto dem
Grossen überbrachten , eben auf das ehemalige Gebiet Sigtrygg's
bezog , welches schon von Heinrich I. tributpflichtig gemacht
worden war^). In Haralds Zeit verlegt Saxo Gramm. XI p. 481
ed. Müller auch die Errichtung bezw. Erneuerung des Danewii'ke,
die sonst schon Gorms Gemahlin Thyra zugeschrieben wird; mit
Recht, denn sie ist erst denkbar nach der Eroberung Schleswigs.
Adams Bericht über die Errichtung einer deutschen Mark
und die Ansiedlung sächsischer Kolonisten bei Schleswig durch
Heinrich I. ist so unbestimmt, dass man nicht mit Sicherheit er-
kennt, ob er Schleswig als Sitz des Markgrafen bezeichnen will-).
Viel besser entspricht den vorauszusetzenden Verhältnissen die
Schilderung Helmolds, Chron. Slavorum I 12: Eo enim tempore
(unter Otto d. Gr.) Sleswich cum provincia adiacente, que scilicet
a lacu Slya ad Egdoram fluvium protenditur , Romano imperio
subiacebat , habens terram spaciosam et frugibus fertilem , sed
maxime desertam, eo quod inter oceanum et Balthicum mare sita
crebris insidiarum iacturis attereretur. Postquam autem miseri-
cordia Dei et virtute Magni Ottonis matura pax omnia possedit,
ceperunt habitari deserta Wagrice et Sleswicensis provincie , nee
ullus iam angulus relictus fuerat, qui non esset conspicuus urbibus
et vicis, plerisque etiam monasteriis. Wir erhalten also folgendes
Bild. Das Land zwischen Eider und Schlei, wie auch das östlich
benachbarte Wagrien, hatten in der zweiten Hälfte des 9. und im
ersten Drittel des 10. Jahi'hunderts sehr viel von den Raubzügen
der Wikinger zu leiden , so dass das Land gänzlich verödete.
Nachdem der in Schleswig sitzende schwedische Wikingerfürst
Gniipa, der ausser Südjütland auch Wagrien und das Abodriten-
^) Ann. Altah. 973 : etiam legati ducis Haroldi , quem putabant
resistere imperatori, omnia sua deditioni Otonis subiiciunt cum Statute
vectigali. Vgl. Köpke-Dümmler a. a. 0. 505 und Anm. 1. Waitz,
Jahrbücher des Deutscheu Reichs unter König Heinrich I. S. 161.
2) Adam. Brem. I 59: Sic Heinricus victor apud Sliaswich, quae
nixnc Heidiba dicitur, regni terminos ponens, ibi et marchionem statuit
et Saxonum coloniam habitare praecepit. Vgl. dazu Waitz a. a. 0.
161 f. und den Exkurs 24 eb. S. 277 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 327
land beherrschte, von Heinrich I. zur Annahme des Christentums
und zur Anerkennung der Oberhoheit des deutschen Reiches ge-
zwungen worden war , suchte er die menschenleeren Gaue wieder
zu bevölkern und zog als Lehnsträger der deutschen Krone säch-
sische Kolonisten ins Land. Sein Sohn Sigtrjgg wird diese Politik
fortgesetzt haben, namentlich seitdem es Otto im Laufe der Jahre
939 und 940 gelungen wai-, die Reichsgi'enzen gegen die Slawen und
Dänen völlig zu befrieden. Helmolds Ausdruck, dass Schleswig
mit dem angrenzenden Land zwischen Schlei und Eider unter der
Oberhoheit des römischen Reiches stand, ist zwar ungenau —
diese Verhältnisse fallen vor Otto's Kaiserkrönung — aber für die
Zeit Gnüpas und seines Sohnes im wesentlichen richtig.
Nachdem der Herrlichkeit Sigtryggs in Schleswig durch
Harald ein Ende gemacht war und Schleswig seinen eigenen
Bischof erhalten hatte , blieben die Wagrier und Abodiiten und
das Bistum Aldenburg, natürlich unter deutscher Oberhoheit, sich
selbst überlassen. Wir finden denn auch hier bald wieder ein-
heimische Dynasten, Nakkon und seinen Bruder Stoignew, an deren
Christentum wir trotz ihrer Beteiligung am Aufstande Wichmans
und Ecberhts nicht zu zweifeln brauchen. Man wird indessen die
Frage aufwerfen dürfen, ob dies wirklich Fürsten von altslawischer
Abstammung waren. Den Namen Naccon scheint Kunik aller-
dings als ein echtslawisches Hypokoristikon auf -un aufzufassen,
wie Bog-un, Rad-un, Jar-un (und Oost-un oben S. 147)^). Allein
während es bei diesen ein Leichtes ist, die Vollnamen, von denen
sie gebildet sind, nachzuweisen, dürfte es für Naccon sehr schwer
halten, einen solchen aufzutreiben. Näher liegt es daher, wie mir
seheint , an skandinavischen Ursprung desselben zu denken , und
da bietet sich von selbst das altisländische Hd-ko7i7\ mittelschwe-
disch Ha-kun dar^). In der russischen Chronik erscheint dieser
auf schwedischen Runeninschriften sehr häufige Name als Äkum
(a. 944) und Jakum (a. 1024)''^). Da die Slawen kein h besitzen,
so erscheint eine Slawisierung von Hdkon in Ndkon sehr wohl
möglich. In diesem Falle wären Nakkon und Stoignew als Vettern
Sigerichs und Söhne Gurds , des Bruders Gnüpa's , zu betrachten,
die sich nach dem Falle Schleswigs in Wagrien und dem Abodriten-
lande behauptet hätten. Gurd hätte dann wohl schon unter der
Oberhoheit seines Bruders diese Landschaften verwaltet.
In Wagrien dagegen , wo die Residenz des Bischofs lag,
scheint das Christentum sehr geringe Fortschritte gemacht zu
haben oder wieder zurückgedrängt worden zu sein; denn beim
Aufstande des Wagrierfürsten Selibur im J. 966 oder 967 findet
man nach Einnahme seines Hauptortes das eherne Bild einer
1) Izvestija al Bekri S. 102.
2) E. Kunik bei Dorn, Caspia 402.
^) W. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates S. 140.
328 J- Marquart,
Gottheit , welche man mit Saturn verglich '). Dieser Aufstand
mag Otto die Veranlassung gegeben haben, an eine Neuordnung
des Bistums zu denken. Als er dann im J. 968 für die Slawen
das Erzbistum Magdeburg gründete, gedachte er demselben zuerst
auch Oldenburg zu unterstellen, Hess sich dann aber durch die
Vorstellungen des Erzbischofs Adaldag von Bremen -Hamburg be-
stimmen, davon abzustehen und Aldenburg jetzt gleich den schon
von Anfang an Bremen unterstellten nordischen Bistümern der
Metropole Hamburg-Bremen zu überweisen.
Dass Helmold allein von der Gründung des Bistums Alden-
burg zu berichten weiss, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit
seiner Erzählung. Es muss im Gegenteil hervorgehoben werden,
dass die politischen Verhältnisse , welche dieselbe voraussetzt und
die auch von Helmold, wenn auch begreiflicherweise entstellt, an-
gedeutet werden, vor allem die Verbindung von Wagrien mit
Schleswig, später unmöglich hätten erfunden werden können. Man
wird also anerkennen müssen , dass sich eine freilich entstellte
Tradition darüber, vor allem über den Namen des ersten Bischofs,
erhalten hatte , die Helmold noch zugänglich war. Dass Adam
davon nichts weiss, ist nicht so auffällig als es auf den ersten
Blick scheinen mag. Schriftliche Aufzeichnungen hierüber gab es,
wenigstens in Bremen , nicht , und so interessieren ihn die Ge-
schicke dieses Bistums erst von dem Zeitpunkte ab , da es dem
Metropolitansprengel seiner Kirche zugeteilt wurde. Die nächsten
Nachfolger Markos weiss auch Helmold nicht anzugeben, was bei
der losen Verbindung, in welcher diese Gebiete damals mit Deutsch-
land standen, nicht Wunder nehmen darf. Erst mit dem Bischof
Euraccus oder Egwardus (otfenbar ein nordischer Name), der die
Reihe der von Bremen aus ordinierten Bischöfe von Aldenburg
eröffnet, stehen wir wieder auf festem Boden.
Als Resultat unserer Untersuchung ergibt sich somit, dass
die Abodriten und Wagrier mindestens bis zum Untergange Sige-
richs (Sigtryggs) , wahrscheinlich aber bis auf die Brüder Naccon
und Stoignew von Fürsten schwedischer Abkunft beherrscht wur-
den , die sich von einem Wikingerfüi-sten Olaf ableiteten. Ob
auch die zweite mit Mistav (Mstiwoj) und Selibur beginnende
Fürstenreihe mit der ersten genealogisch zusammenhängt, ist nicht
auszumachen.
Wir erhalten demnach folgende Tabelle der Abodriten- und
Wagrierfürsten vom ersten Viertel des 10. bis zum ersten Viertel
des 11. Jahrhunderts:
1) Widukind III 68.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
329
1) Olaph aus Schweden, erobert
Jütland und Schleswig')
2) Gni'ipa (Chnuba, Chnob)^),
König der Normannen und
Abodriten*), a. 934
3) Sigtryggr (Sigerich,
Sederich)') f um 950.
Gurds)
(Jarl der Abo-
driten ?)
V
6ainkär2)
Asfrid«),
Gem. Gnüpa
4) Naccon (Naqur),
a. 955. 9658)
= Häkon?
Gormd.Alte.
HaraM Blä-
tand, K. von
Dänemark.
5) Mstiwoj (Mistav, Mistui,
Mistuwoi, Mystiwoi), Fürst
der Abodriten, a. 966/67.
983. 98410).
T6fai2)
6) Mstislaw
(Mistizlavus,
Missizla),
vertrieben
10181»).
7)Uto(Pribi-
gnew), Fürst
d. Abodriten,
nach 10211*).
Guthscalcus.
8) Ratibor (Fürst der
Abodriten?), ermordet
von den Dänen i^).
Stoignew (Fürst
der Wagrier?),
t 955»).
Selibur, Fürst
der Wagrier,
a. 966/67").
I ?
Mizzidrogi^) (Fürst
der Wagrier,
a. 983?)
Sedericus (Sig-
trygg, Fürst der
Wagrier?), nach
1021 16).
TGneus 1 1') (Fürsten d.
\Anatrog/i') Wagrier?)
1) Svein Estridsson bei Adam. Brem. T 50.
2) Zweiter Vedelspangstein.
2) Erster und zweiter Vedelspangstein. Widukind I 40. Svein
Estridsson bei Adam. Brem. I 50. Olafesaga Tryggvasonar c. 63.
*) Ann. Aug. a. 931.
^) Svein Estridsson bei Adam. Brem. I 50.
6) Vedelspanger Steine.
') Svein Estridsson bei Adam. Brem. I 54. II 24. Vedelspanger
Steine.
*) Widukind III 50. Svein Estridsson bei Adam. Brem. II 24.
Ibrahim b. Ja'qüb.
9) Widukind III 50. 53—55. Annal. Sangall. maiores a. 955.
Thietmar II 12 (6).
10) Widukind III 68. Thietmar ni 17 (10). IV 2. Adam. Brem.
II 40.
11) Widukind III 68.
1^) Grösserer Söndervissinger Stein.
1^) Thietmar IX 5 (VIII 4). Svein Estridsson bei Adam. Brem.
II 24. Schol. 28 zu Adam. Brem. (Mistiwoi).
") Adam. Brem. II 58. 64. Saxo Gramm. X p. 523 ed. Müller.
1^*) Adam. Brem. U 40 vgl. Widukind III 68. Thietmar II 14 (9).
16) Adam. Brem. II 58.
1') Adam. Brem. II 64. 69.
1«) Adam. Brem. II 69. 75.
330 J- Marquart,
Exkurs III.
Masüdi's Bericht über die Riissen (zu S. 149 flf.)-
Um falschen Auffassungen und Schlussfolgerungen, wie sie
Nichtarabisten bei Benutzung der bisherigen Übersetzungen not-
wendig passieren müssen i), in Zukunft vorzubeugen, halte ich es
für angezeigt, den Abschnitt Mas'üdi's über die Russen (Murüg
aö dahab II 18 — 24) hier nochmals in Übersetzung vorzulegen 2).
Er schliesst sich unmittelbar an den S. 149 — 151 übersetzten
Bericht über die ^j an, welcher mit einigen Bemerkungen über
die Rös beginnt. Die Nachrichten über die in der Hauptstadt
der Chazaren ansässigen Russen (TL 9. 11 — 12) sind schon früher
besprochen worden. Mit L bezeichne ich die gute Leidener
Hs. 537 a, mit P die Pariser Ausgabe.
„Die Russen bestehen aus zahlreichen Nationen, die ver-
schiedene Abarten bilden; [darunter ist eine Nation, die xjIcöJlJI
LüSyäna^) heissen*), welche Handel treiben nach den Ländern von
Andalus und RSmija (Rom) , Konstantinopel und der Chazaren].
Nach dem Jahre 300 (912/13) waren gegen 500 Fahrzeuge 5
herabgefahren, jedes mit 100 Seelen bemannt; da fuhren sie
in den Kanal des Pontos ein, der mit dem Strome ^) der Chazaren
in Verbindung steht. Dort sind Männer des Königs der Chazaren
mit mächtigen Hilfsmitteln stationiert , um alle abzuhalten ^) , die
aus jenem Meere (dem Pontos) kommen, und die von jener Seite 10
der Steppe '^) kommen , * die sich fortsetzt vom Chazarenflusse
bis zum Kanal des Pontos**), [und zwar weil nomadische Puz-
Türken nach jener Steppe ziehen und dort überwintern. Manchmal
gefriert nun dieses Wasser, * dessen Verzweigungen vom Meere
der Chazaren mit dem Pontosmeere in Verbindung stehen 0), so dass 15
1) So noch jüngst Fr. Westberg, Beiträge zur Klärung orien-
talischer Quellen über Osteuropa S. 225 — 228.
'^) Vgl. dazu die Übs. von Frähn, Ibn Foszlans und anderer
Araber Berichte über die Russen älterer Zeit S. 242 — 247.
3) P XiUöjiJl, L ÜAclö^l.
*) P fügt hinzu: ,sie sind die zahlreichsten".
') Vgl, Grioss, Geogr. s. V. y.
«) Diese Worte waren im Archetypus an den Rand geschrieben
und sind an falscher Stelle in den Text geraten.
8) P: (J^LaJ j:^ J^Xj jj^ jÄ ^A ÄA«^ (^vXÜ, lies
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 331
es^) die Puzen mit ihren Reiterscharen überschreiten. Es ist das
ein mächtiges Gewässer, und es versinkt nicht unter ihnen, weil es
so hart wie Stein geworden ist, und sie setzen über nach dem
Lande der Chazaren. Manchmal zieht nun der Fürst (Bäg) der
5 Chazaren gegen sie aus, wenn die dort stationierten Männer zu
schwach sind sie zurückzuweisen, und verhindert sie am Über-
gang über jenes Eis und verteidigt sein Reich. Tm Sommer aber
haben die Türken keine Möglichkeit, es zu überschreiten].
Nachdem nun die Schiffe der Rös (herab) gekommen waren
10 zu den am Eingange des Kanals postierten Männern der Chazaren,
unterhandelten sie mit dem Fürsten der Chazaren darüber, dass
sie sein Land passieren, auf seinem Strome herabfahren und ins
Meer der Chazaren einlaufen dürften-), welches das Meer von
Gurgän, Tabaristän und anderer Barbaren ist, wie wir bemerkt
15 haben, unter der Bedingung, dass sie ihm die Hälfte von dem
geben wollten, was sie von dort von den an jenem Meere wohnen-
den Völkern erbeuten würden. Nachdem er es ihnen gewährt,
liefen sie in den Kanal ein und erreichten die Mündung des
Stromes und fuhren jenen Wasserarm aufwärts, bis sie zum Strome
20 der Chazaren gelangten, auf ihm zur Stadt Itil hinabfuhren —
es ist aber ein gewaltiger Strom 3) — - diese passierten und zur
Mündung des Stromes und zu seinem Ausfluss ins chazarische
Meer gelangten. Vom Ausflusse des Stromes bis zur Stadt Itil
ist es aber*) ein gewaltiger Strom mit reichlichem Wasser. Nun
25 zerstreuten sich die Fahrzeuge der Rös auf diesem Meere, und
ihre Streifscharen entfernten sich nach Gel, Delum, dem Lande
Tabaristän, Äbaskün — das ist die Küste von Gurgän 5) — nach dem
Lande der Naphthaquelle, und nach dem Lande Adarbaigän zu, und
zwar deshalb, weil die Stadt 6) Ardabel in Adarbaigän von diesem
30 Meere nur etwa drei Tage entfernt ist. Da vergossen die Rös
das Blut, nahmen weg die Frauen und Kinder, plünderten die
>nJ 5 JsjiaÄj . . . s^xst^ L?^-^ ^ • ^^^ ^**^ ^*^ gleichfalls im Archetypus
am Rande nachgetragen und ist von einem Abschreiber an falscher
Stelle in den Text eingetragen worden.
1) L j^aJIc , sc. i^L*.J \ ; P Lg^Jlc , was auf lu.xXi zu beziehen wäre.
3) om. P.
■*) P und Lj^^, lies j^.
5) So L; ebenso Kitäb at tanb. 1., 8. Ivl, 9—10. P ,an der
Küste von Gurgän".
«) So L; P „das Land".
332 "J- Marquart,
Habe und liesseu die Scharen zu Überfällen sich zerstreuen, und
sengten und brannten.
Nun schrieen die Völker rund um dieses Meer auf, weil sie
von alters her^) von keinem Feinde wussten , der sie auf ihm
übei"fallen hätte , und auf ihm bloss Kauffahrer und Fischerboote 5
zu verkehren pflegten. Sie hatten darauf Kämpfe mit den Gel
und Delum sowie mit einem Offiziere des Ihn Abu 'sSäg und ge-
langten bis zum Gestade der Naphthagrube im Königreiche Sarwän,
die unter dem Namen Bäkuh bekannt ist. Bei ihrem Rückzuge
von den Küsten des Meeres pflegten die Rös sich nun auf Inseln 10
zuräckzuziehen , die in der Nähe der Naphthagrube und einige
Meilen von ihr entfernt sind. Der damalige König von Sarwän
war 'Ali b. al Hai-O'am. Da rüsteten sich die Leute, bestiegen
Barken und Handelsschiffe und fuhren nach jenen Inseln. Allein
die Rös wandten sich gegen sie und es wurden von den Muslimen 15
Tausende getötet und ertränkt, und die Rös blieben viele Monate
auf diesem Meere, in der Weise wie wir es beschrieben haben, *
indem niemand von den diesem Meere Benachbarten ihnen etwas
anhaben konnte 2), obwohl die Leute sich gegen sie msteten und
vor ihnen auf der Hut waren, weil es ein Meer ist, * dessen um- 20
wohnende Nationen sehr blühend sind-^).
Als sie nun geplündert hatten * und ihr Treiben satt ge-
worden waren*), fuhren sie nach der Einfahrt und Mündung des
Chazarenflusses und unterhandelten mit dem Fürsten der Chazaren,
und brachten zu ihm die Schätze und Beute , so wie er es mit 25
ihnen ausbedungen hatte ; der Fürst der Chazaren besitzt aber
keine Schiffe und seine Mannschaften sind nicht daran ge-
wöhnt. Andernfalls ei*wüchse den Muslimen von seiner Seite ein
gewaltiger Verlust. Die Arstj'a^) und die in ihrem Lande wohnen-
den Muslime bemerkten nun ihre (der Rös) Lage und sagten zum 30
Fürsten der Chazaren: „Gib uns freie Hand gegen diese Feinde,
denn sie haben Überfälle gemacht gegen die Länder unserer
muslimischen Biiider und ihr Blut vergossen und Frauen und
Kinder gefangen weggeführt". Er vermochte sie nicht zu hindern,
und so entbot er den Rös und that ihnen kund, dass die Muslime 35
1) Lies jji.'oyi c^.^ ^^^.
2) Nach L: ^„*j^\ j^<^\ '^ j5^ o*^ '^^^ »^-^ '^'
*) P i>-ö ^^ U [j-*^^; L ^xs ^5'Lw.i \y^^.
^) Die grösstenteils aus Muslimen bestehende Garde des Chazaren-
begs ; Mas. II 10—12.
Osteuropäisclie und ostasiatische Streifzüge. 333
beschlossen hätten, sie zu bekämpfen. Die Muslime versammelten
sich und zogen aus, um sie zu verfolgen, indem sie den Strom
herabfuhren. Als sie einander nun in Sicht bekamen, verliessen die
Rös ihre Fahrzeuge * und stellten sich den Muslimen gegenüber
5 in Schlachtordnung auf. Auf Seite der Muslime befand sich eine
Menge der in der Stadt Itil wohnenden Christen, so dass die
Muslime gegen 15 000 Mann stark waren, mit Pferden und Rüstung
wohl versehen 1). Der Kampf zwischen ihnen dauerte drei Tage,
und Gott verlieh den Muslimen den Sieg über sie. Da raffte sie
10 das Schwert weg, und die einen wurden getötet, die andern er-
tränkt. * Diejenigen nun, welche die Muslime am Ufer des Chazaren-
flusses töteten , waren , soweit durch Zählung ermittelt werden
konnte, gegen 30 000 Mann 2), und es entkamen von ihnen gegen
5000 Mann. Sie fuhren zu Schiffe nach jener Seite (des Flusses)
15 in der Nähe des Landes der Burtäs, Hessen dann ihre Fahrzeuge
im Stich und hielten sich an das Festland, wo die einen von ihnen
von den Burtäs getötet wurden, während andere ins Land der
Buryar [der Muslime] ^) gerieten , welche sie töteten. Die Rös
aber haben seit jenem Jahre das was wir erzählt haben, nicht
20 wiederholt.
Es bemerkt al Mas'üdT: Wir haben diese Geschichte nur
erzählt, um das Gerede derjenigen abzuweisen, welche behaupten,
das Chazarenmeer hänge mit dem Maiotismeer und dem Kanal von
Konstantinopel zusammen vermittelst der Maiotis und des Pontes.
25 Wenn dem aber so wäre, so wären die Rös durch dasselbe (den
Pontes) abgezogen, da jenes ihr Meer ist, wie wir erwähnt
haben ; und es besteht darüber keine Meinungsverschiedenheit zwi-
schen den erwähnten Völkern, die diesem Meere benachbart sind,
dass das Meer der Perser keinen Kanal hat, der mit irgend einem
30 andern Meere in Verbindung stünde, weil es ein kleines Meer ist,
das man gründlich kennt. Was wir aber von den Fahrzeugen der
Rös erzählt haben *), ist in jenen Ländern bei den übrigen Nationen
i^^La^J! ^ (j.iLi> ^♦Ji^il ^ e)^^=*-5 ^^*^l5 4>^^^ ^^^
2) Im Text an falsche Stelle verschoben.
*) Lies '^\,A J, Üy'o Lc_5 st. >_^^|y« ^y^ .
334 J- Marquart,
verbreitet, und das Jahr ist bekannt: es war nach 300, aber das
Datum ist mir entfallen. Vielleicht aber wollen die welche er-
zählen, das Chazarenmeer stehe mit dem Kanal von Konstantinopel
in Verbindung, sagen, dass das Chazarenmeer identisch sei mit
der Maiotis und dem Pontos, welch letzterer identisch 5
ist mit dem Meere der Bur/ar (Bazyar?) und Rös.
Aber Gott weiss am besten wie es sich damit verhält."
Das geographische Problem, um dessentwillen uns Mas'üdi
die Geschichte jenes vielerörterten Russenzuges mitteilt, hat ihn
schon im 14. Kapitel seines Werkes beschäftigt. Er bemerkt hier
(I 273 f.)'): „Es haben manche Leute irrigerweise behauptet,
das chazarische Meer stehe mit dem Maiotismeere in Verbindung.
Allein ich habe unter den Kaufleuten die das Land der Chazaren
betreten haben, oder denen die auf der Maiotis und dem Pontos
ins Land der Rös und Buryar gesegelt waren, keinen gesehen
der behauptet hätte, dass mit dem Chazarenmeere eines von diesen
Meeren oder eines von ihren Gewässern oder ihren Buchten zu-
sammenhänge, ausser dem Chazarenfluss. Wir werden dies ver-
melden , wenn wir den Berg Qabq (Kaukasus) , die Stadt al Bäb
wa'l Abwäb und das Königreich der Chazaren behandeln, und wie
die Rös nach 300 mit den Schilfen in das Chazarenmeer ein-
gelaufen sind. Ich habe gesehen, wie die meisten von den Alteren
und Späteren, die sich an die Beschreibung der Meere gemacht
haben, in ihren Schriften angeben, dass der Kanal von Konstanti-
nopel, der von der Maiotis ausgeht, mit dem Meere der Chazaren
in Verbindung stehe ; ich weiss indessen nicht , wie dies möglich
sein soll, noch woher sie zu dieser Behauptung kommen, ob auf
dem Wege der eigenen Wahrnehmung oder der Beweisführung
oder der Analogie , oder ob sie vermutet haben , * dass die Rös
und die welche ihnen benachbart sind, an diesem Meere, d. i. dem
chazarischen, wohnen -). Ich bin selbst auf demselben von Abaskun
— das ist die Küste von Gurgän — nach dem Lande Tabaristän
und andern gefahren, und ich habe keinen von denen mit welchen
ich persönlich Bekanntschaft machte, weder Kaufleute mit nie-
drigstem Verständis noch andere, wie Schiifsherren , darnach zu
fragen unterlassen: alle erzählten mir, dass es keinen Weg zu
') Der Text bedarf mehrfach der Verbesserung. Leider hat die
Leidener Hs. 537 a hier eine grosse Lücke.
was bedeuten soll: „(Peut-etre aussi ont-ils confondu) les Russes et les
populations riveraines de la mer Mayotis avec les Khazars". Allein mit
j^^\ \ö^ kann nur das Chazarenmeer gemeint sein, um welches sich
der Streit dreht. Lies also (^ ij-=^ j-^ .
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 335
demselben gebe als vom Chazarenfluss ^) her, von wo die Schilfe
der Rös darein eindrangen. Und Leute von der Bevölkerung
von Ädarbaigän, Arrän, al Bailaqän (P'aitakaran) und aus dem
Lande von Barda'a und andern, und von den Delum und den Ein-
wohnern von Gel-) und Tabai'istän zogen zum Kampfe gegen sie,
weil sie in vergangener Zeit nicht beobachtet hatten, dass sich
ihnen ein Feind auf demselben zeige , und man jenes früher seit
Menschengedenken nicht erfahren hatte. Was wir aber erwähnt
haben, ist in den genannten Hauptstädten, Völkern und Ländern
bekannt, ohne dass sie es bestreiten, weil es unter ihnen verbreitet
ist. Jenes geschah in den Tagen des Ibn Abu 'sSäg".
Worauf es Mas'üdi hier also ankommt, ist die Widerlegung
der Behauptung, dass Pontos und Maiotis , die für ihn nur ein
Meer sind (Murüg I 272. Kitäb at tanblh %, 6), mit dem Chazaren-
meer d. i. dem Kaspischen Meere zusammenhängen. Der Pontos
ist für ihn das Meer der Russen-^) oder der Buryar, Rös, PaSanä,
PaSanäk und Bagyard*). Mit dieser den Verhältnissen seiner Zeit
entsprechenden Anschauung vermengen sich bei ihm aber Vor-
stellungen aus einer 100 Jahre früheren Periode, welche die Rös noch
als ein hoch im Norden an den Küsten eines unbekannten Meeres
(der Ostsee) hausendes Volk kannten (MurQg II 15. I 364 f.;
s. 0. S. 151 f). Daneben finden wir später bei ihm die Angabe,
dass das Maiotismeer zu seiner Zeit Chazarenmeer heisse^).
Der Zug der Russen ist vollkommen verständlich, nur muss
man dabei von den Tuzen, die Mas'üdi hineingebracht hat, voll-
kommen absehen. Die Russen sind den Dnjepr herabgefahren und
ins Schwarze Meer (das „ Russenmeer ") eingelaufen, haben dann
die Krim umsegelt und wollen nun in die Strasse von Kertsch
einlaufen, wo sie aber eine starke Besatzung des Chazarenfürsten
3) II 24. I 364. Ebenso die russische Chronik c. 4 trad. par
L. Leger p. 5.
*) Murüg I 261/62: ,Auf Grund der Aussage jener Astronomen,
die astronomische Tafeln verfasst haben, und anderer früherer Gelehrter
ist es notwendig, dass das Meer der Buryar, Rös, Pacana, Pacanak und
Bagyard — letzteres sind drei türkische Völker — dasselbe ist wie das
Pontosmeer. Der Bericht über diese Völker, den Zusammenhang ihrer
Wohnsitze und welche von ihnen auf diesen Meeren fahren und welche
nicht, wird im künftigen Teile dieses Buches erscheinen, so Gott will,
je nachdem wir ihre Erwähnung für gerechtfertigt halten; Gott aber
weiss all das am besten, und es gibt keine Kraft ausser bei Gott dem
Erhabenen und Mächtigen*.
Kitäb at tanblh 11, 18: „Das vierte Meer ist das Pontosmeer, d.i.
das Meer der Buryar und der Rös und anderer Völker*.
5) Kitäb at tanblh IS^a, 16. IM, 5. \f., 16.
336 J- Marquart,
an der Weiterfahrt hindert. Dieser wichtige Posten kann nur in
Taman , dem alten TaficcrccQici oder Tmutorokan gesucht werden,
wie auch Westberg a. a. 0. S. 227 f. anerkennt. Denn nachdem
die Russen vom Chazarenfürsten die Erlaubnis zur Weiterfahrt
erhalten haben , fahren sie in den Kanal d. h. die Strasse von
Jeni-Kale ein und gelangen (durch die Maiotis) zur Mündung des
Stromes d. i. des Don. Diesen fahren sie dann hinauf bis zum
Wolok, über den sie ihre Kähne zum Chazarenstrom (der Wolga)
schleppen , worauf sie auf diesem an Itil vorbei hinabfahren bis
zur Mündung. Über Tmutorokan habe ich oben (S. 162 — 164)
gesprochen , wobei ich zu zeigen suchte , dass mit dieser Stadt
auch das Karch des Ibn Rusta sowie die Judenstadt (ji^^^w (lies
(jii.5l.fw Samkars) des Ibn al Faqih identisch sei.
Der von Mas'üdi geschilderte Wikingerzug der Russen auf
dem Kaspischen Meere, der wahrscheinlich ins Jahr 301 H. =
913 oder 914 gehört^), war übrigens, wie wir aus des Muhammad
b. al Hasan b. Isfandijär Geschichte von Tabaristän erfahren,
keineswegs der einzige, der um diese Zeit stattfand. Siehe Dorn,
Caspia 2—20.
Die Behauptung Mas'üdi's, dass der Fürst der Chazaren keine
Schiffe besitze und seine Leute nicht daran gewöhnt seien, wider-
spricht seiner eigenen Angabe (II 14), dass „die Chazaren Barken
besitzen, mit denen man einen Fluss oberhalb der Hauptstadt
befährt, der von ihren obersten Gebieten her in ihren Strom
mündet , namens Burtäs. An ihm wohnen ansässige türkische
Völker , die zur Gesamtheit des Chazarenreiches gehören , deren
Wohnsitze die Verbindung bilden zwischen dem Reiche der Cha-
zaren und der Bur/ar, indem dieser Fluss aus der Richtung der
Bmyar kommt und die Schiffe von den Burj'ar und Chazaren auf
ihm verkehren-)". Um diesen Widerspruch auszugleichen, müsste
man annehmen , dass diese Barken nicht von den Chazaren selbst
benutzt wurden, sondern nur von den in ihrem Reiche ansässigen
und handeltreibenden fremden Kaufleuten.
Die Stärke der Rös schätzt Mas'üdi II 18 offenbar zu hoch,
wie die Verlustliste S. 23 zeigt, die nur ca. 35 000 statt 50 000
ergibt. Dies erklärt sich daraus, dass er die Bemannung eines
Wikingerbootes auf 100 Mann anschlägt, während sie nach einer
späteren Quelle (Thietmar von Merseburg) nur etwa 80 Mann
betrugt). Das ergäbe also ca. 40 000 Mann.
Nach Mas'üdi's Erzählung würde man glauben, dass die Wolga-
Bulgaren sich bereits damals (913 oder 914) zum Islam bekannt
1) Vgl. Dorn, Caspia 9 ff. Cahlr addln r.r, 16.
^) Damit muss wohl die Samara gemeint sein, die in der That
mitten durch das alte Burtäs floss und noch heute die nördlichen und
südUchen Sporaden der Moksa-Mordwinen von einander trennt.
'') Dozy, Recherches sur Thistoire de l'Espagne 11^ (1881) 288.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 337
hätten. Bei einem ernsten und gewissenhaften Historiker vom
Schlage Balä(Juri's wäre ein solcher Schluss auch gerechtfertigt,
allein Ihn Fadlän berichtet uns ausdrücklich , dass die Bulgaren
mit ihrem Fürsten erst im Jahre 310 (922) offiziell zum Islam
übertraten, wenn sie auch schon einige Zeit vorher für denselben
gewonnen waren i) , und Mas'üdi selbst hat kurz vorher (II 16),
Ibn Fadians Reisebericht folgend, das gleiche erzählt. Es wäre
immerhin denkbar, das hier ein gedankenloser Anachronismus vor-
läge , indem der vielschreibende Weltbummler sich die Bulgaren
schon nicht mehr anders denn als Muslime denken konnte, wahr-
scheinlicher ist mir aber, dass das Wort (jv.4.X.w>.il hinter o^j Jt
J;^J1 II, 23, 9 gar nicht Mas'üdi zur Last fällt, sondern lediglich
eine alte, in den Text geratene Randglosse ist, welche durch die im
überlieferten Texte darauf folgende Verlustangabe hervorgerufen
wurde '^). Die Muslime, deren Schwert gegen 30 000 Russen am
Ufer des Chazarenflusses zum Opfer gefallen sein sollen, sind
natürlich die im Chazarenreiche ansässigen, von denen vorher die
Rede war. Die Schlacht fand auf dem rechten (westlichen) Ufer
der Wolga statt und erst als ihre Niederlage entschieden war,
suchten die Russen zu Schiffe auf das östliche Ufer zu entkommen.
Sonst bietet aber Mas'üdi's Bericht über den Russenzug, abgesehen
von seinem Schweigen über ihre früheren Unternehmungen auf dem
Kaspischen Meere, keine historischen oder geographischen Anstösse.
Um so rätselhafter sind dagegen seine Bemerkungen über die
Fuzen, welche ebenfalls durch jene Besatzung am Einfall ins Ge-
biet der Chazaren gehindert worden sein sollen. Unter „jener Seite
der Steppe, die sich fortsetzt vom Chazarenfluss bis zum Kanal des
Pontos" und wo die JTuzen ihr Winterlager aufgeschlagen haben
sollen , müsste man dem Zusammenhange nach das Steppengebiet
zwischen der Wolga bezw. dem Don und dem Kuban verstehen^),
und das Winterlager der J^uzen hätte man sich demzufolge am
Kuban zu denken. Allein dies widerspräche nicht bloss unsern
^) Auf die Angabe der von QazwTni nach Abu Hamid al AndalusI
citierten Chronik von Bulyär, nach welcher der Islani. schon früher bei
den Bulgaren eingeführt worden wäre (s. Frähn, Über drei Münzen
der Wolga- Bulgharen S. 16 f. SA. aus den Mem. de l'Academie de
St.-Petersburg VIe Ser. t. 1), oder die noch bestimmteren tatarischen
Berichte , welche die Bekehrung der Bulgaren schon ins Jahr 12 H.
setzen (Frähn, De numor. Bulgharicorum f. antiquissimo p. 75 — 86),
ist natürlich nichts zu geben.
2) Auf diese Stelle stützt sich wohl die sonderbare Beweisführung
Chwolson's, der aus den Nachrichten Ibn Rusta's über die Bulgär
schliesst, dass dieser vor 301 H. geschrieben habe (Xbo jibcohi,, HsBi-
CTifl 0 Xosapaxi, Bypxacaxi, Bojirapaxi, MaÄtapaxi, CjiaBjiHaxT, h Pyc-
caxt HÖHi-^acxa S. 91 ff., angeführt von de Groeje, Bibl. Geogr. Arab.
VII p. VI).
^) Da die Russen von Westen kamen, so können nur Länder östlich
vom Azowschen Meere und vom Don gemeint sein.
Marqtiart , Streifzüge. "^
338 J- Marquart,
sonstigen Nachrichten über die Sitze der Puzen in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhunderts durchaus, sondern wäre auch mit der
Angabe des Textes , dass die Puzen von ihrem Winterlager aus
öfters über den gefrornen Chazarenfluss nach dem Lande der
Chazaren übersetzten , auf keine Weise in Einklang zu bringen,
selbst wenn man annehmen wollte , dass Mas'üdl irrtümlich den
Kuban als einen Arm der Wolga aufgefasst habe. Völlig un-
vereinbar mit den Worten Mas'üdi's ist aber die Auffassung
Westbergs (S. 225 — 227), welcher die gegen die Puzen ge-
richtete Garnison an der Mündung des Dons sucht und mit der
Festung Sarkel gleichsetzt, und demnach die Sitze der Puzen auf
das rechte Ufer des Dons verlegt.
Aus Konstantinos Porphyrogennetos ist über die Wohnsitze
der Puzen nichts Bestimmtes zu lernen. Er bemerkt de administr,
imp. c. 9 p. 79 , 29 : "Ort ot Ov^ot dvvavtai xoig IIax'C,ivaY,ixciig
TtoksfiBLv, und c. 10 p. 80 : "Ort, oi Ov^ot, övvavrai noXefietv vovg
Xci^aQOvg , d) g avtoig nXrj a ta ^ovr eg' ofiolcog nccl 6 i^ovöto-
XQdzaQ ^AXaviccg %xX. c. 37 p. 166, 3 erfahren wir, dass die vier
Peöenegenhorden Kovuqx^i-x'C,ovq , Evqov-KakTtii] {ZaQV-v,ov\ni7] ?),
Boqo-x<xl[iax und BovXa-xi,o[(5]Tt6v jenseits (östlich) des Dnjepr wohn-
ten, nqog xa avaxoXtKioteQCi nal ßoQStoxsQa (.ieq^] ivaTtoßkinovxcc, TtQog
re Ov^iccv aal Xa^aqiav ymI ^AXaviav y.ccl xrjv XsQGcöva k(xI xa
XoLTta %li^uxa. Das Pecenegengebiet war vom Puzen- und Chazaren-
lande 5, von Alania 6, von Moqdia 10 Tagereisen entfernt (p. 166,
11 — 14). Daraus darf aber noch nicht geschlossen werden, dass
die Puzen bereits innerhalb des Gebietes der Chazaren, also west-
lich von der Wolga sassen, vielmehr sagt uns Konstantin, dass
sie, nachdem sie im Bunde mit den Chazaren die PeSenegen
aus ihrem alten Gebiete am Atil und am Jajyk vertrieben,
deren Sitze eingenommen hatten i). Diese Angaben werden durch
die Nachrichten der arabischen Geographen der Samanidenzeit er-
gänzt, nach denen sich die Wohnsitze der Puz zwischen den Cha-
zaren, Kaimäk, dem Lande der Charluch und Bul/är und den
Grenzen der islamischen Welt von Gurgän bis Päräb und IspeSäb
erstreckten (Ist. i, 18). Sie wohnten also nördlich von Gurgän
(Ist. f!f, 2. l'vt^, 6), westlich von Choräsän (Ist. foi"", 6), westlich
und nördlich von Chwärizm (Ist. H., 18. hl, 2) und (nord)westlich
von Transoxiana (eb. TaI, 16). Nach Mas'üdl wohnten sie am
^) De administr. imp. c. 37 p. 164, 8 — 15: 'laxiov ort nar^ivciKirai
xb an aQpis sig töv nota^ihv 'Ari]X rljv avrcbv tl%ov xaroixjjfftv, ofioicog
öh v,al sig xbv Ttoru\ibv Tii)%, f%ovttg rovg xs Ma^aQOvg (1. Xa^agovg)
avvoQovvxag nal xovg iTtovofia^o^tvovg OuJ- ^QO itüv dl itsvxriv.ovxa oi
Ityöyibvoi Ov^ [lixa. xüv Xa^ägcov ü^ovo'^oavxtg xat aoX^iiov GVfißa-
X6vx8g TfQog xovg Uax^ivav.ixag vnEQia^^vaav, ^ul aitb xfjg idiag ywqag
avxovg i^tdia^av, xai yiaxta^ov avxiiv iit^Qt xi]g ori^iQOV oi Xiyo^ivoi
Ov^oi. Vgl. oben S. 63.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 339
Chazarenmeer (Kitäb at tanblh 1., 12 vgl. Ist. hU, 1). Ihre Haupt-
sitze waren um den Aralsee (Ist. S^.!** 16). „An diesem liegt eine
Stadt der Türken namens ,Neustadt' (bAjAII KÄjtAl!)^), in wel-
cher es Muslime gibt. Die zahlreichsten unter den Türken an
diesem Orte sind die Puzen , sowohl Nomaden als sesshafte ;
dieser Zweig der Türken besteht aus drei Abteilungen : den
unteren , oberen und mittleren. Sie sind die tapfersten 2) und
kleinsten unter den Türken und besitzen die kleinsten Augen" •^).
Ahnlich Istachrl: „Wenn (der Fluss von Cä6 d. i. der Jaxartes)
die Grenze von ^'abrän (jetzt Saurän) passiert hat, läuft er
durch eine Steppe , wobei zu seinen beiden Seiten die Fuz-
Türken sind, und erstreckt sich bis einen Farsang von Jangykent
(.ÜjAÜ iüJiii)*), dann fällt er zwei Tagereisen von Jangykent
in den See von Chwärizm. Es ist ein Strom , der bei seiner
Mündung zwei Drittel der Grösse des Gaihün hat. Auf ihm wird
Korn nach Jangykent gebracht, wenn sie in Frieden oder in Waffen-
stillstand leben. In Jangykent gibt es Muslime, trotzdem es der
Königssitz der Puzen ist und daselbst im Winter der König der
-Tuzen residiei't. In seiner Nähe sind Gand und Chwära , wo es
Muslime gibt, aber die Puzen herrschen. Der bedeutendste dieser
drei Orte ist Jangykent, 10 Tagereisen von Chwärizm und 20 Tage-
reisen von Päräb*^). Der Hauptmarkt der Puzen war al Gurgänija
(Gurgäng), die zweite Hauptstadt von Chwärizm (Ist. ni, 7). Nach
einer andern Stelle Mas'üdl's wohnten sie am schwarzen und
weissen Irtisch, die von ihm aber mit dem Jajyk (Ural) und der
Emba zusammengeworfen sind. Offenbar meint er hier letztere bei-
den Flüsse, an denen ehemals auch die Peöenegen gesessen hatten •').
-) Ebenso Bekri 28, 1 ; türkisch c^-^i^ c-*'^.-^ Abu'l fidä , Geogr.
ed. Reinaud p. 1f, 1. 3. fAA^Al. II 2, 216. Vgl. de Goeje, Das alte
Bett des Oxus S. 113.
2) Vgl. Mas. I 288.
3) Mas'üdl, Murüg I 212.
*) Ebenso Ibn Rusta ir, 12; Abü'l fidä sAjJ^II VjäJL
^) Istachrl nach L (epitome Lugduueusis) , den persischen Über-
setzungen E und 0, Jäq. 11 f.ö, 4 — 5 und Ibn Hauqal, Bibl. Geogr.
11 n\', 11— l^-it^, 5. IV 458.
**) Mas'üdl sagt in der Beschreibung der Flüsse (Murüg I 213):
„Wir haben weder den schwarzen noch den weissen Irtisch erwähnt, an
welchem das Reich der ij-*^J ü^L^-^i' Kaimäk Buiyür liegt, eines
Zweiges der Türken jenseits des Flusses von Balch d. i. des Gaihün.
An diesen beiden Flüssen wohnen die türkischen Fflz (lies K.Ji «Jtil);
von diesen beiden Flüssen gibt es Berichte, wir haben jedoch über das
Mass ihrer Erstreckuug über die Erde keine Kenntnis erlangt, so dass
wir es berichten könnten". Im Kitäb at tanblh T, 6 — 9 rechnet er
22*
340 J- Marquart,
Hiernach kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir
die Sitze der Fuzen zu Mas'üdi's Zeit östlich von der Wolga zu
suchen haben. Wenn sie also die Pe^enegen bekriegen wollten,
so mussten sie erst diesen Strom, sei es mit oder gegen den Willen
der Chazaren, überschreiten. Wollte man also Westbergs Ansicht
im übrigen zustimmen, so müsste man in der uns beschäftigenden
Stelle des Mas'üdi eine Verwechselung der jTuzen mit den Pe^eneg-en
zu den ins Chazarenmeer mündenden grossen Strömen „den schwarzen
und den weissen Irtlsch, zwei mächtige Ströme, von denen jeder den
Tigris und Euphrat übertrifft. Ihre Mündungen liegen gegen 10 Tage
auseinander. An ihnen befindet sich das Winter- und Sommerlager der
Kaimäk- und ruz-Türken " . Vgl. oben S. 79 Anm. 1.
Nach der altern Stelle in den Goldwäschereien lag das Reich der
Kaimäk , in Übereinstimmung mit GurdezT , am weissen oder eigent-
lichen Irtisch. Unter den beiden Flüssen, an welchen die Puzen wohnten
und die man dem Kitäb at tanblh zufolge als Mündungen des L'tisch
auffasste , hat man dagegen offenbar den Jajyk und die Emba zu ver-
stehen , die ins Kaspische Meer münden. Man gab dem Irtisch also
einen westlichen Lauf und nahm augenscheinlich eine Verbindung zwi-
schen Jajyk und Tobol an, den man als südwestliche Fortsetzung statt
als Nebenfluss des Irtisch betrachtete. Ein ähnlicher Irrtum findet
sich in Gurdezi's Beschreibung des Weges zu den Kaimäk (ßarthold,
Oxieri, S. 83), wo es heisst: „Von Päräb läuft (der Weg) nach Dih-i
nau (Jangykent) , und von Dih-i nau läuft er zu den Kaimäk. Ein
Fluss begegnet, jenen Fluss überschreitet er, gerät zwischen Sand-
flächen, welche die Türken ^♦Sj..i^l (lies ^ijJ^i üjük-qum „Hügel-
sand" ?) nennen. Von da gelangt er zu einem Flusse, den man •) vä^
(Sogiig; nennt ; überschreitest du ihn, so kommt eine Salzregion, und von
da gelangt er zu einem Berge, den man . ^-^Lj .^iiAÄ5^ (Barthold
umschreibt Kendir-tagy „Hanfberg") nennt. (Der Weg) läuft immer
durch diese Flussebene und geht zwischen Grün und Gras und Bäumen
dahin, bis er dahin gelangt, wo die Quelle dieses Flusses ist, und das
ist ein grosser Berg. Dann geht er über den Berg auf einem schmalen
Pfad, und vom Kendäwar tagy geht er hinab nach dem Fluss Asus
i)<,ww( ; dies ist ein Weg, wo fünf Tage kein Sonnenstrahl auf den
Menschen fällt wegen des Schattens der Bäume, bis er zu jenem
Strome {.. y^\.:>-) gelangt, den man Asus nennt. Sein Wasser war
schwarz. Von der Grenze des Ostens kommt er fortwährend, bis er
zum Meere von Tabaristän (lies ..Lä-w^aIj ^^LJ^c^.J) gelangt. Vom
Flusse Asus läuft (der Weg) bis zum Flusse Irtisch , welcher den Be-
ginn des Gebietes der Kaimäk bildet". Unter dem Strome .ji*.m\ kann
offenbar nur der Ischim gemeint sein, dem hier also gleichfalls ein
südwestlicher Lauf zum Kaspischen Meere zugeschrieben wird.
Istachrl ffT, 4 = Ibn Hauq. ^aI, 17 lässt den Itil in der Nähe
der ChircbTz entspringen und dann zwischen den Kaimäk und Fxxz
dahinfliessen und die Grenze zwischen diesen Stämmen bilden. „Dann
entfernt er sich westwärts hinter Bulyär und kehrt wiederum nach
Osten zurück, bis er an den Rös vorbeikommt, dann Bub/är passiert,
dann Burtäs, bis er ins Chazarenmeer fällt". Augenscheinlich gilt der
Irtisch dem Istachrl als ein Quellfluss der Wolga.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 341
annehmen. Allein der Text selbst weist auf eine andere, mit den
wirklichen Verhältnissen besser stimmende Lösung. „Dieses Wasser,
dessen Verzweigungen vom Meere der Chazaren an mit dem Pontos-
meere in Verbindung stehen, so dass die Tuzen es mit ihren Reiter-
scharen überschreiten", ist zunächst die Wolga, Von dieser
heben ja auch Abu Hamid al AndalusT und Bäkuwi hervor, dass
sie in ihrem Unterlaufe im Winter zufriere i). Westbergs
Unterscheidung des chazarischen Postens gegen die Tuzen von der
Besatzung am Kanal des Pontos (in Tmutorokan) ist demnach
ganz richtig, nur ist jener nicht an den Ausfluss des Don, sondern
an die untere Wolga zu setzen.
Damit ist freilich noch nicht erklärt, wie die seltsam ver-
worrene Vorstellung Mas'üdi's zu Stande gekommen ist. Das Ge-
biet auf „jener Seite der Steppe, die sich fortsetzt vom Chazarenfluss
bis zum Kanäle des Pontos" (S. 330, 10 — 12) und wo wir uns nach
Mas'üdi die Tuzen zu denken hätten, war ehemals das Land der
Magyaren, die in Karch d.i. Tmutorokan ihren Hauptmarkt hatten.
Dass Mas'üdi von diesen früheren Verhältnissen Kunde erhalten hatte,
haben wir oben (S. 149. 152 — 155) gezeigt. Er hatte von einer
Stadt der c-ij Baiyar d. i. der Magyaren an der Maiotis gehört,
die er aber in unglaublicher Verwirrung mit der Handelsstadt Bul/är
an der oberen Wolga zusammenwarf. Seine Nachrichten über die
Maiotis gehen z. T. auf antike Quellen zurück, und so ist es sehr
wohl möglich, dass er auch vom Zufrieren des kimmerischen
Bosporos gehört hatte, von dem schon Herodot und Strabon be-
richtet hatten. Über den zugefrornen Bosporos zogen nach Herodot
schon die diesseits des „Grabens" d. i. des Faulen Meeres wohnen-
den Skythen gegen die Sinder auf der Halbinsel Taman-); auf
demselben Wege waren offenbar auch die Hunnen vom östlichen
Ufer der Maiotis nach Skythien gelangt^), und es ist wohl denk-
bar , dass ähnliches auch von den Magyaren erzählt wurde. Der
Slawenapostel Konstantin traf sie irgendwo östlich von Cherson
(oben S. 14). Es ist aber Mas'üdi sehr wohl zuzutrauen, dass er
eine ältere Nachricht, die erzählte, wie die ehemals auf der Ost-
seite der Maiotis wohnenden, zu seiner Zeit aber hier längst ver-
schollenen Magyaren (,i-ij) über den gefrornen Bosporos nach der
Krim übersetzten, mit einer neuern Kmide, dass die Puz im Winter
manchmal über das Eis der AVolga ins Chazarenreich einbrachen,
zusammengeworfen hat.
1) Dorn, Melanges as. VI 704 ff., citiert von Westberg S. 289 f.
*) Her. 4, 28. Vgl. meine Untersuchungen zur Geschichte von
Eran II 94 f. Rieh. Löwe, Die Überreste der Germanen am Schwarzen
Meer S. 28.
8) Vgl. die Stammsage bei Jordan. Get. c. 24 § 123/24. Prokop.
de hello Gotth. IV 5 p. 476, 20—477, 12 (aus Priskos).
342 J- Marquart,
Der Name des Russenstammes, den Mas'üdT in den Gold-
wäscliereien xiLcö JJ ] cd Lüdyäna nennt, wird im Kitäb at tanblh
\f\ , 1 Ä-iiyo^Ji aJ Küdkäna geschrieben. Die für die Geschichte
der Warangen wichtige Stelle lautet: „Der sechste Übergang (von
Kleinasien nach Konstantinopel) heisst ,uX.ji Abydos. Dies ist die
Mündung des Kanals der sich ins ägyptische und syrische Meer
ergiesst und vom Maiotismeer, welches Chazarenmeer genannt wird,
seinen Anfang nimmt. Seine Breite beträgt beim Beginn gegen
10 Meilen. Hier (d. h. beim Beginne des Kanals) ist eine Stadt
der Romäer namens aZ il/wsan??ä^ („Wellenbrecher")^), welche die
Schiffe der Küdkäna und anderer Russenstämme, die durch jenes
Meer herabfahren, abwehrt. Die Romäer nennen sie La*«^^ Rüsi'ä
(QovaLOi) d. h. ,die Roten'. Viele von ihnen sind übrigens in
gegenwärtiger Zeit bereits dem Reiche der Romäer beigetreten 2),
wie auch die Armenier und Buryar, die ein Zweig der Slawen
sind, imd die türkischen Peöenegen, so dass sie mit ihnen viele
ihrer in der Nähe der syrischen Militärgrenze gelegenen Festungen
belegten und sie gegen die Burgän und andere ihnen fremd gegen-
überstehende und ihr Reich umgebende Nationen verwandten" 3).
In diesem Berichte ist bemerkenswert, dass die Bulgaren (Burj'ar)
bereits als slawisches Volk bezeichnet werden , wie bei IbrähTm
b. Ja'qüb, sowie dass die byzantinische Namensform ^Povöiot für
das gewöhnliche 'Pcog, die als Adjektiv „rot" bedeutet und sich
erstmals bei Konstantinos Porphyrogennetos im Jahre 949 findet
und dann ausdrücklich von Liudprand bezeugt ist*), bereits dem
Araber Mas'üdi im Jahre 955 bekannt war. Dass auch die
Bulgaren um diese Zeit beim Romäerkaiser Dienste nahmen, ist
bei den engen Beziehungen , die zwischen dem Garen Peter
(927 — 968) und seinem Schwiegervater herrschten, sehr begreif-
lich. Die Rös sind als Mietstruppen besonders zur See in der
Periode von 902 — 968 häufig bezeugt S). Willkommen ist aber
das Zeugnis betreffs der Peöenegen.
Hält man sich an die oben angeführte Stelle des Kitäb at
tanblh, so hat man unter den &.jLcö^JÜl bezw. ^üLS^lJ^Ü un-
streitig Russen zu verstehen, welche vom Schwarzen Meere her
1) Vgl. Ibn Chord. \.f, 8 und de Goejes Anmerkung zur Übs.
p. 75. Tomas chek. Zur historischeu Topographie von Kleinasien im
Mittelalter S. 3.
2) Nämlich als Söldner in der kaiserlichen Garde.
3) Mas'üdi, Kitäb at tanblh if., 14— Ifl, 5. Vgl. die Übs. von
Carra de Vaux, Le livre de l'avertissement. Paris 1896, p. 194.
^) E. Kunik bei Dorn, Caspia 223. 395.
6) E. Kunik in Dorns Caspia 36. Rambaud, L'Empire Grec
p. 387—390, citiert bei W. Thomsen, Der Ursprung des russischen
Staates S. 24.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 343
schon zweimal die romäische Hauptstadt bedroht hatten. Da nun
diese ohne Zweifel ursprünglich aus dem östlichen Skandinavien
stammten, so denkt de Goeje bei jenem Namen, wenn auch
zögernd , an die Insel Gotland und schlägt die Lesung ^j^J>jX! i
vor. Allein das ^ nach o wird durch die Schreibung mit t in
den älteren Goldwäschereien gesichert. Sodann heissen die Ein-
wohner von Gotland (isländisch) oder Gütland (so in der Gutasaga
und im Gutalag) altgutnisch Guti (mit kurzem u), gen. pl. Gutna^
in den altrussischen Chroniken und Urkunden FoTLi , das zu-
gehörige Adjektiv gutnishr *). Endlich findet sich unter den vielen
rassischen Personennamen nordischen Ursprungs, die uns in den
Chroniken und Verträgen aus der ältesten russischen Geschichte
erhalten sind, „keiner von den zahlreichen Namen, die aus-
schliesslich auf der Insel Gottland gebräuchlich sind, obwohl man
erwarten könnte , dass diese Insel seit alten Zeiten eine Brücke
zwischen Schweden und Russland gewesen wäre" ^). Dieselben
weisen vielmehr sehr bestimmt auf Schweden und zwar speziell
auf die Landschaften üpland, Södennannland und Östergötland
als Heimat ihrer Träger hin. Eine nennswerte Beteiligung der
Insel Gotland an der Auswanderung nach Russland zur Wikinger-
zeit erscheint demnach ausgeschlossen, obwohl dieselbe nach Aus-
weis der Münzfunde seit dem 10. Jahrhundert der Mittelpunkt
des Handels zwischen Skandinavien und dem muslimischen Osten
gewesen zu sein scheint.
Wir haben also nur mit -gäna als zweitem Element des uns
beschäftigenden Namens zu rechnen. Der einzige Name aber,
welcher, von den TavqoGKvd'ai der Byzantiner abgesehen, im Osten
mit dem der Rös konkurriert, ist der der BccQayyoi, altrussisch
Warjag% {*Wmyg7>), pl. Warjazi.
In der russischen Chronik erscheint der Name der Waräger
schon in der Erzählung über den Ursprung des russischen Staates,
wo es unter dem Jahre 6367 (859) heisst: „Les Varfegues d'outre-
mer se firent payer tribut par les Tchoudes et les Slaves, par
les Meriens , les Ves et les Krivitches" ^). Unter den Truppen,
mit denen Oleg in den Jahren 880/881 Smolensk eroberte und
gegen Kyjew zog , werden an erster Stelle die Waräger genannt,
und dass diesen schon damals der Weg nach dem Romäerreiche
keineswegs unbekannt war, beweisen die Worte, mit denen Olegs
Abgesandte den Dir und Askold täuschen: „Nous sommes des
etrangers , nous allons en Grece de la part des princes Oleg et
Igor"*). An der Sj^itze der zahlreichen Hilfsvölker, welche Oleg
^) E. Kunik in Dorns Caspia 244 Anm. Noreen, Grundriss f.
germ. Phil. I 495.
^) W. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates S. 77.
^) Chronique dite de Nestor eh. 14 trad. par L. Leger p. 14.
*) Nestor Kap. 18 p. 17.
344 J- Marquart,
im Jahre 907 gegen Konstantinopel führte, stehen wiederum die
Waräger (eb. Kap. 21), und als Igor sich zu seinem zweiten
Zuge gegen das Romäerreich rüstete, sandte er zu den Warägern
jenseits des Meeres, um sie gegen die Griechen aufzurufen. Diese
folgten dem Rufe und werden abermals als das erste der vom
Grossfürsten aufgebotenen Völker aufgeführt; neben ihnen stehen
aber diesmal die Russen, die also ausdrücklieh von ihnen unter-
schieden werden i). Während wir unter letzteren die schon längst
in Kyjew angesiedelten und damals beinahe slawisierten Nordleute
zu verstehen haben, sind die Waräger fremde Söldner, die immer
aufs neue von jenseits des Meeres d. h. vor allem aus Schweden
nach Russland strömten.
In der byzantinischen Literatur begegnen uns die BaQayyot
als fremdes Söldnerkorps zuerst unter dem J. 1034, verschiedene
Anzeichen weisen jedoch darauf hin, dass dieses Korps schon
mindestens ein halbes Jahrhundert früher bestand. Die russische
Chronik erzählt unter dem J. 980, dass Wladimir, nachdem er
mit Hilfe der Waräger seinen Bruder Jaropolk beseitigt und sich
Kyjews bemächtigt hatte, den grössten Teil der ihm unbequem
werdenden warägischen Söldner nach Konstantinopel abgeschoben
habe. „Et il envoya devant eux des ambassadeurs ä l'empereur
disant: Voici que les Varfegues vont chez toi; ne les garde pas
dans la ville ; car ils feront du mal comme ils en ont fait ici;
mais disperse-les de divers cötes et n'en laisse pas un seul revenir
par ici" 2). Es wird nicht überflüssig sein gleich hier zu be-
merken, dass die Romäer genau so schon zu Mas'üdi's Zeit mit
den bei ihnen in Sold getretenen Russen verfuhren. In den nor-
dischen Sagas finden wir schon vor 950 zwei Beispiele von
Griechenlandsfahrern: Thorkel Thjöstarsson , der im Dienste des
byzantinischen Kaisers stand, und Eyvind Bjarnason, der als Kauf-
mann nach Miklagard kam. Noch viel früher als die Norweger
müssen natürlich die Schweden, die mit ihren in Kyjew an-
sässigen Landsleuten in steter Verbindung blieben, nach Byzanz
gekommen sein-^).
Man könnte also erwarten, dass der Name der Warangen
auch in Byzanz viel früher bekannt gewesen wäre, als er uns in
der Literatur entgegentritt. E. Kunik glaubt in der That bei Leo
von Ostia einen Beweis dafür entdeckt zu haben, dass bereits zur
Zeit Ottos des Grossen jene Bezeichnung für eine kaiserliche Truppe
gebräuchlich gewesen sei*). In seiner nach 1098 abgefassten
Chronik des Klosters Monte Cassino macht derselbe bei Gelegen-
1) Nestor Kap. 26. 27 p. 34. 35.
2) Nestor Kap. 38 p. 64.
3) Vgl. E. Kunik bei Dorn, Caspia S. 35. W. Thomseu, Der
Ursprung des russischen Staates lll ff.
*) Kunik in Doms Caspia 376—379. 406—409.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 345
heit des Aufstandes der Apulier gegen die griechische Herrschaft
im Jahre 1009 die Bemerkung: „Cum superbiam insolentiamque
Grecorum, qui non multo ante, a tempore scilicet primi Ottönis
Apuliam sibi Calabriamque , sociatis in auxilium suum Danis,
Russis et Gualanis , vendicaverant , Äpuli ferre non possent , . . . .
cum Melo et Datto rebellant". Für Gudlani gebraucht Leo unter
dem Jahre 1041, wo er den lateinischen Chronisten Amatus aus-
schreibt, die Form Guarani^ die sich auch in einer auf das Jahr
1022 zu beziehenden Notiz über Kaiser Heinrich II. findet, die
in eine Schrift des Petrus diaconus Casinensis (MG. SS. 3 , 219)
eingeschaltet worden ist. Gualani und Guarani sind romanische
Umgestaltungen von Bdqayyoi'^). Kunik bezieht jene Zwischen-
bemerkung Leo's auf den Abfall Kalabriens und Apuliens sowie
der Fürsten von Capua, Benevent und Salerno von den Byzantinern,
der von 934 bis 940 gedauert zu haben scheint, und da Leo
sehr sorgfältig gearbeitet und auch eine Anzahl für uns ver-
lorner Quellen benutzt hat, so nimmt Kunik unbedenklich an,
dass er die Namen jener Hilfsvölker der Byzantiner schon in einer
altern Quelle vorgefunden habe. Dabei wäre jedoch sicher an
keine zeitgenössische Aufzeichnung zu denken: gegen eine solche
spricht schon die sehr unbestimmte Datierung. Allerdings spricht
der Kaiser Konstantinos Porphyrogennetos , wo er die 934 und
935 von Konstantinopel aus anfangs zur Unterdrückung des Auf-
standes nach Unteritalien abgesandten Truppen aufzählt, nur von
7 Schiffen und 415 Mann der Rös'^), doch würde dies gegen jene
Annahme nicht allzuschwer ins Gewicht fallen. Dagegen scheint
freilich die Zusammenstellung Russi et Gualani dem byzantini-
schen Sprachgebrauch der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts zu entsprechen, wie sich aus einigen Urkunden ergibt, in
denen wir ^P&g BocQccyyoi bezw. 'PcoGoi BaQavvoi verbunden finden ^),
während Dani neben Nortmanni die gewöhnliche westeuropäische
Bezeichnung der nordischen Wikinger ist. Jene Namen werden
also bestenfalls der Quelle angehören, welcher Leo den Bericht
über den Aufstand von 1009 entnommen hat, noch wahrschein-
licher bleibt aber, dass er bei der Einfügung der fraglichen Notiz
jenem byzantinischen Sprachgebrauche gefolgt ist.
Auf das Zeugnis Leo's für das Bekanntsein des Warangen-
namens in Byzanz um 935 und das gleichzeitige Bestehen einer
so benannten fremden Soldtruppe wird man somit verzichten
müssen. Wollte man trotzdem Mas'üdfs iüLco^JLi! bezw. Nil^öji^i!
mit den Bdqayyoi und Warjazi verknüpfen, so wäre dies nur
1) Schon Reiske zu Konstantin. Porphyrog. de caerim. II 150
= 475 hatte die Gleichheit von Gualani und Warangen erkannt.
-) De caerim. II 44 p. 660 ed. Bonn.
3) Kunik a. a. 0. S. 378 f. Thomsen a. a. 0. 121.
346 J- Marquart,
möglich unter Zulassung mehrerer kühner und schwer erweis-
barer Hypothesen.
Kunik hat zuerst das dem byz. BdQayyoi, altruss. Warjazi
entsprechende westnordische Wort vcermgi , pl. vceringjar vom
altnord. Plural vdrar , Gelübde, verpfändete Treue" abgeleitet und
mit dem ags. tvcergenga und dem vcaregang der langobardischen
Gesetze , dem wargengus der Lex Francorum Chamavorum zu-
sammengestellt. Sowohl vceringi wie die verwandten angelsächsi-
schen, langobardischen und fränkischen Ausdrücke bezeichnen einen
Fremden , der sich in den Schutz des Königs begibt und um ein
Gelübde der Sicherheit (tvärä) nachsucht. Auf Grund dieses
Schutzgelübdes gemessen die vceringjar wie die waregangi eine
bevorzugte Stellung ') und ist ihr Wergeid z. B. nach der Lex
Chamavorum dreimal so hoch als das eines gewöhnlichen Freien-).
Während aber sowohl Kunik wie Thomsen das nordische
voeringr oder vceringi zwar als ein mit waregang ^ wcergenga ver
wandtes Wort, aber als eine selbstständige Bildung auf -ingi auf-
fassten , hat man seither erkannt , dass das nordische Wort mit
den genannten Ausdrücken auch formell geradezu identisch ist.
Des Ausfall des 5 in vckrenge findet sich ebenso in forenge =
ags. foregenga „Vorsteher"^). Schwierigkeit macht es aber, das
Alter desselben festzustellen. Der im Vertrage von 912 vor-
kommende Personenname Ruar == altisl. Hröarr neben Hrödgeirr^
ags. Hröägdr zeigt ihn bereits, ja in dem hahaisla = an. Hdisl
des Steines von Möjebro in Schweden ist er schon urnordisch*).
Es ist daher mindestens fraglich , ob das nordische vcerenge im
9. Jahrhundert im Altschwedischen noch *wärgang oder ^ivärgenge
lautete. In diesem Falle müsste man überdies erwarten, dass die
Slawen diese ältere und nicht die jüngere Form mit Ausfall des
g entlehnt hätten.
Wenden wir uns nun zu dem uns beschäftigenden Namen
bei Mas'üdl, so fragt sich zunächst, welche der beiden überlieferten
Formen desselben vorzuziehen ist. Allerdings besitzen wir leider
noch keine kritische Ausgabe der Goldwäschereien , allein da die
Pariser Herausgeber gar keine Variante zu dem Namen angeben,
so wird das anlautende l wohl als handschriftliche Überlieferung
zu gelten und wird man, da die Goldwäschereien das ältere Werk
1) Kunik a.a.O. 248— 253. 371— 375.421. Thomsen a. a. 0. 125 ff.
2) Kunik a. a. 0. S. 249. Über die bevorrechtete Stelhuig der
Waräger in der russischen Pravda s. Heinzel, Über die Hervararsaga.
SBWA. 114, 1887, 502 ff.
^) N Green in Pauls Grundriss für german. Phil. I'^ S. 577.
*) Noreen, Altisläud. u. altnorwegische Gramm. § 216, 2 S. 87.
Vielleicht zeugt für den Ausfall des 5 auch schon der Name des Bru-
ders Ruriks Sineus = an. Signiutr (Signjötr), obwohl die schwedischen
Runensteine noch Sihniutr , Sikniot, Sihniutr schreiben, und die Ver-
bindung gn in Mogz7iedh = an. Ragnheiör, Jiagneidr erhalten ist.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 347
sind, von der Form ä.jLc.oJLJ1 auszugehen haben, aus welcher
das iuLy Ö^J \ des zwölf Jahre späteren Kitäb at tanblh leicht ver-
derbt werden konnte. Will man aber XJL&JJlJ! mit dem voraus-
gesetzten schwedischen *wä7-gang zusammenbringen, so ist die not-
wendige Voraussetzung, dass Mas'üdi den Namen nicht aus münd-
licher Kunde, sondern aus schriftlicher Quelle geschöpft hat. Es
ist nun bekannt, dass im Arabischen bei fremden Namen, die mit
Hamza beginnen, das l des Artikels leicht mit dem Namen selbst
verschmilzt, wobei dann der Artikel vielfach nochmals gesetzt
wird, z. B. pL^liJ! J.x> für j.LS'^l J>.a^ „das schwarze Gebirge"
Ist. öl, 3 u. ö, (aus syr. ükkäma) und die häufige Schreibung
..|-^J Lträn, ..L-JÜl al Llrän, in Hss. Mas'üdi's sogar ..!jj^ statt
.^Mi für ..LjI, .M^d^i ^- i- Eran^ Äran (s. mein Eransahr S. 119),
sowie J;J Ibn Rusta lt*'i, 9, t-S Muhammad -i 'Aufl, i^iyc.^\
Izvestija al Bekri S. 45, 8 für .'^^"j,] al-Avyaz (ob. S. 172—176).
Ein anderes Beispiel haben wir bei Mas'üdi II 10 — 12 im Namen
der Garde des Chazarenbegs, wo die Hss. zwischen ay.-«..! ä.a,w._j.!
x-ye.bi , 'iL^^^Sii und KxAv.^Jl schwanken. So könnte auch KiLcO^Jl
zunächst aus iüLiö^^i und dies aus iCiLc.»^! verdorben sein.
Was den Anlaut au statt wa betrifft , so hätten wir dafür aber-
mals eine Analogie bei Mas'üdi selbst, der den Namen der be-
kannten Landschaft Wachän am oberen Oxus, die sicher nie anders
geheissen hat, da ihr Name unzweifelhaft von dem sie durch-
strömenden Wach-ab (jetzt Päng) abgeleitet ist, sowohl in den
Goldwäschereien I 213 wie im Kitäb at tanblh I 1f, 10 .^Irs-^l
Auchän schreibt. Die beiden Fälle sind indessen, wie zuzugeben ist,
nicht ganz gleichartig, da das vorauszusetzende altschwed. *wärgang
ein langes ä hat ; doch Hesse sich zur Not denken, dass iüLiJ JÜl
über &.i'Li; .^'^l aus KiLc .LJ I *a^ Wäryäna entstanden wäre , was
der Grundform ^wärgang immerhin näher stünde. Wie wenig
aber gerade bei Mas'üdi derartige Fehler zu den Unmöglichkeiten
gehören, zeigt ein anderer Fall, wo er den Namen des bekannten
Feuers y^/ix^ .01 ASar gusnasp in ^j> .ö! verballhornt, eine
Verstümmelung die freilich schon in der Hs. A des Ibn Chord.
If,, 1 und bei Ibn al Faq. CaI^, 3 vorkommt und auch in die neu-
persischen Wörterbücher übergegangen ist, und dazu sogar eine
Etymologie erfindet '). Eine völlige Übereinstimmung der Namens-
1) Kitäb at tanbih lö, 13.
348 'J- Marquart,
form Mas'üdT's mit der vorausgesetzten Grundform lässt sich aber
auch so nicht erzielen und es bliebe unerklärt, weshalb die Silbe
-awo, -enge durch -äna und nicht durch K^-j KKi_ wieder-
gegeben wäre , wie z. B. im Namen der Franken. Man müsste
endlich annehmen, dass die Notiz über die KiliOj.i.J^ zu denjenigen
Elementen des Berichtes über die Russen gehöre, die aus einer
älteren Quelle stammen, welche die Rös noch als ein an der Ost-
see hausendes Volk kannte und gleich der russischen Chronik
eine gewisse Kunde davon hatte, dass sie eigentlich wärgenge
hiessen.
Diese ganze Beweisführung wird indessen andere ebensowenig
befriedigen wie mich selbst, und wenn wir somit gestehen müssen
dass wir uns in eine Sackgasse verrannt haben, so bleibt nichts
anderes übrig, als wieder zum Eingang zurückzukehren. Sehen
wir uns also nochmals den Beginn des Berichtes der Goldwäsche-
reien genauer an, so fällt uns auf, dass Masüdi von den al Lud-
2'äna hervorhebt, dass sie Handel treiben nach den Ländern von
Andalus, Rürntja, Konstantinopel und der Chazaren. Er stellt
also Spanien und Rom voran. Nun zeigt allerdings die russische
Chronik (Kap. 4), dass man in Russland wusste , dass es vom
Warägermeere aus einen Seeweg (durch die Säulen des Herakles)
nach Rom, von da nach Konstantinopel und von da in den Pontos
und zur Dnjeprmündung gab, ja wenn man der Chronik glauben
wollte, wäre dieser wie die andern von ihr aufgeführten Wasser-
wege schon vor der Pestsetzung der Russen in Kyjew bekannt
gewesen. Allein die Russen d. h. die Ostskandinavier (Schweden)
sind als Kaufleute wohl ins Chazarenland und nach Konstantinopel,
nicht aber, soviel bekannt, nach den beiden südeuropäischen Halb-
inseln gelangt, und so scheint die nächstliegende Auffassung der
Stelle die zu sein , dass Mas'üdi die Rös mit den dänischen Nor-
mannen, welche Spanien und 859 oder 860 sogar Italien i) mit ihren
Raubzügen heimsuchten und die von den spanischen Arabern
y/,^^ genannt wurden, gleichsetzte. Die Gleichung der Magüs
mit den Rös stellt er in der That I, 364 f. auf, freilich nur als
eigene Vermutung. Da aber der Name Rös den spanischen Arabern
unbekannt war, so würde man mit zwingender Notwendigkeit zu
der Annahme gedrängt, dass in iüUL>^ii eine spanisch-arabische
Bezeichnung der dänischen Normannen stecken müsse. In den
spanisch - arabischen Quellen werden dieselben allerdings meist
ij^y^ genannt, was einfach Heiden bedeutet, allein später begegnet
dafür auch der Ausdruck ^.,^Uo^^l al Ordomämjün „Nord-
mannen", zuerst in dem Berichte des Ihn A^ärl über den Dänen-
^) Steenstrup, Normannerne II 298 — 301.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 349
einfall von 971 n. Chr.^). Die lateinische Chronik von Albelda
(C. 59. 60) nennt sie schon bei ihrem ersten Wikingerzug im
J. 844 Lordomani. Im Chronicon Lusitanum unter dem J. 1016
heissen sie Lormanes , und in einer Urkunde Alfonso's V. vom
29. Oktober 1024 Leodemani"). Die Annahme, dass diese Be-
zeichnung auch den spanischen Muslimen schon zu Mas'üdis Zeit
bekannt war, hat nichts Unwahrscheinliches, und es scheint daher
äusserst naheliegend, in iüLcoJLJi eine Verschreibung für iüLoO JlJl
bezw. &.jL*0.^! zu sehen. Zur Stütze dieser Ansicht könnte man
sich noch darauf berufen , dass Mas'udl's jüngerer Zeitgenosse
Liudprand Nordmanni als westeuropäische Bezeichnung des Volkes
angibt , das die Griechen ßüsii nennen ^) , genau so wie Mas'üdi
im Kitäb at tanbih bemerkt, dass die ü^iL/OjJÜ! und andere
Russenstämme bei den Romäern Rüsiä d. i. die Roten hiessen.
Dieser scheinbar so einfachen Lösung steht aber entgegen,
dass nach Mas'üdi die ioLc.L>JLi! als Kaufleute nach Spanien
und Italien kamen, während die arabischen sowohl wie die lateinischen
Geschichtsquellen Spaniens die Magus bezw. Normannen {Lordo-
m.ani) nur als Seeräuber kennen und von einem friedlichen Ver-
kehre derselben mit Spanien nichts wissen. Es haben sich aller-
dings Nachrichten über eine Gesandtschaft erhalten , welche der
Emir Abd arRahmän II. nach dem Zuge des Jahres 844 an den
König der Normannen sandte ; der Führer derselben war Jahjä b.
al Hakam al Bekrl al Pazäl. Allein wir erfahren daraus gar nichts
über die Beziehungen , welche sich etwa zwischen den beiden
Fürsten entwickelten*). Nichts deutet auch darauf hin , dass die
Normannen etwa in derselben Weise wie einst in den friesischen
Häfen und an den fränkischen Gestaden ^) zuerst als Kauf leute
an der Küste Spaniens erschienen waren, ehe sie daselbst plötzlich
als beute- und blutgierige Seeräuber auftraten.
So müssen wir also die Kombination der iCJLcöJLJl mit den
nach Spanien gekommenen Normannen aufgeben und bei den
russischen Kaufleuten stehen bleiben. Die Antwort aber auf die
Frage, wie Mas'üdi dazu kommt, dieselben bis nach Spanien und
^) Dozy, Recherches sur l'histoire et la litterature de l'Espaerne
2) Dozy 1. 1. p. 300 n. 2. 302. 338.
^) Liudprandi antapodosis V 15 p. 107 ed. Dümmler in den
Script, rer. German. : Gens quaedam est sub aquilonis parte constituta,
quam a qualitate corporis Greci vocant Povaios Riisios, nos vero a
positione loci nominamus Nordmannos.
*) Dozy 1.1. p. 267.
^) Vgl. Dümraler, Gesch. des ostfränk. Reiches I^ 195.
350 J- Marquart,
Italien Handel treiben zu lassen, gibt ein Blick auf Ibn Chordä^-
bihs Übersicht der jüdischen und russischen Handelswege S. lof",
9 — i^ö^ 6 = 115 — 116^). Ibn Chorda Jbih beschreibt zuerst, wie die
jüdischen Kaufleute (aus Spanien) die ganze Welt von West nach
Ost und von Ost nach West durchreisen. Sie heissen darum
xljliljJl (Ibn al Faq. ■^li\J^S>\J\ , B KaJSlX^J! ) d. i. pers. räh-dän
„die wegkundigen ". Sie gehen im Frankenlande in See und
begeben sich nach al Faramä in Ägypten, von wo sie ihre Waren
mit Kamelen nach al Qulzum (Klysma) schaffen, und schiffen sich
hier auf dem Koten Meere ein, worauf sie bis nach Sind, Hind und
China gelangen. Auf dem Eückwege begeben sie sich teils nach
Konstantinopel, teils nach der Residenz des Frankenkönigs, um ihre
Waren abzusetzen. Eine andere Route führt von Antiochia über
Land zum Euphrat und dann den Strom hinab nach Ba;'dä(J und
weiter auf dem Tigris nach Obolla, wo die Seereise nach 'Oman,
Sind, Hind und China beginnt. Dann folgen die Routen der
russischen Kauf leute '^) : sie kommen mit ihren Pelzwaren und
1) Ibn al FaqTh l^v., 7 ff. gibt die Lobrede eines Theologen
Muhammad b. Ishäq auf Raj wieder, in welche auch (fv., 10— Cvt, 5)
eine unvollständige Fassung dieser Itinerare aufgenommen ist, um die
Bedeutung jener Stadt als Stapelplatz ins Licht zu setzen. Muhammad
b. Ishäq hält sich zwar im allgemeinen eng an den . Wortlaut Ibn
Chordädbih's, hat aber auch selbstständige sachliche Änderungen an-
gebracht.
Leider vermag ich die Lebenszeit dieses Gelehrten nicht näher zu
ermitteln. Eine andere Stelle des Ibn al FaqTh (l'^v, 16 = Jäq. IV
Vf , 10), nach welcher ^Lt^\y!i\ äj4.5> ^J ^Läi! Jcxc und i^m^^
— -^ ^j! ,..j häufig bei ihm verkehrten und Disputationen hielten,
lehrt uns , dass er in Hama^än wohnte , wie auch al Husain b. Abu
Sarb. Sonst habe ich über diese beiden Personen gleichfalls nichts
ausfindig machen können; auch die in der Disputation angeführten
Gewährsmänner \^X^i\ ^.j xlit O^j^c- W, 5; ^^,!ÖL-Ui q..j v^^^
^i\j^4.j^l\ (Dichter) m, 10. tr., 5; J,Li ^i ^4~^\ (Dichter) r^!, 10.
Jäq, IV 986. 989; ^io j.jS (Dichter) fi^'f, 7 = Jäq. II 11, 4 ff . er-
geben keine näheren Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung. Aus dem
Umstände jedoch, dass jene Itinerare bei Muhammad b. Ishäq nicht
Selbstzweck sind, sondern lediglich der Verherrlichung von Raj dienen,
darf man schliessen, dass sie über eine Mittelquelle aus Ibn Chord;l(Jbih
geflossen sind.
-) Muhammad b. Ishäq nennt sie Kauf leute der Slawen und
braucht den Namen Russen überhaupt nicht. Dieses erklärt sich viel-
leicht aus der Angabe Ibn Chordädbih's, dass sie sich in Baydadf^ sla-
wischer Eunuchen als Dolmetscher bedienten und sich auch wohl für
Christen ausgaben. So konnten sie obflächlichen Beobachtern selbst
als Slawen gelten.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 351
Schwertern bald aus den entferntesten Gegenden von ^aqlaba ins
Romäermeer (das Schwarze Meer), worauf der König der Romäer
den Zehnten von ihnen erhebt'); bald fahren sie auf dem
^
1) Bei Ibn al Faqih Tvl, 1—4 lautet der folgende Passus so:
öy^l\ (oder iJ^j^^S) ij^ "^ <vv ^l\ y^l] ^5 ^^L^, ^^
kJLäaiJI ^ xi ^Uü ^jvi! ^J! tuX^ S J^^-^'b^ j^^ l5^'
d. h. , Darauf kommen sie zur See nach Samküs (Samkars) der
Juden, dann ziehen sie ab zu den Slawen, darauf gehen sie aus
vom Meere (Ibu Chordädbih: reisen sie auf dem Tanais, dem Strome)
der Slawen, bis sie zum Kanal (Ibn Chord. : nach Cha7nrich , der
Hauptstadt) der Chazaren kommen, wo der Herrscher der Chazaren
den Zehnten von ihnen erhebt, dann gelangen sie ins chorasanische
Meer auf jenem Flusse, welcher der Slawenfluss heisst". Hier haben
wir augenscheinlich wieder den bei Muqaddasi so häufigen Fall,
dass bei der Herüberuahme aus älteren Quellen verschiedene an-
einander gereihte Itinerare als ein zusammenhängendes aufgefasst
worden sind. Statt ^3iÄi>Lj ^ muss es, wie de Groeje bemerkt,
jedenfalls ..^LXi>Lj ^\ heissen. Dass die Lesarten ÜAiLä/ail y^. und
.1^ ^^*)>^ keine blossen Schreibfehler, sondern beabsichtigte sach-
Hche Abweichungen von Ibn Chordädbih sind, beweist die Stilisierung
des Satzes {^ ..3,l\^>Lj, nicht ^Ji-c). Es beginnt somit hier eine neue
Route, die ihren Ausgangspunkt vom Slawenmeer nimmt, womit nur die
Ostsee gemeint sein kann. Die Zollstation hat man sich an dem Kanal
der Chazaren d. h. an dem Kanal des Pontes (der Strasse von Jeni-Kale)
zu denken, an welchem sich nach Mas'üdl eine Besatzung des Chazaren-
begs befand, um die aus dem Pontos kommenden fremden Schiffe zu
kontrollieren (oben S. 330, 6—12. 331, 9 ff. 335 f.). Auch nach diesem
Itinerar müssten die Russen also den Dnjepr herabgefahren und ins
Schwarze Meer eingelaufen sein, durch welches sie nach Umsegelung
der Krim zur Strasse von Kerc gelangten. Die Fahrt durchs Azowsche
Meer und den Don aufwärts bis zum Wolok ist nicht besonders er-
wähnt. Nach diesem Texte ist also unter dem Slawenfluss die Wolga
zu verstehen. Dies erklärt sich aber daraus, dass hier augenscheinlich
Don und Wolga als zwei Arme desselben Stromes aufgefasst sind,
wie bei Mas'Qdl (oben S. 153). Mit Rücksicht auf Ihn Chordä(Jbih
versetzt de Goeje die Worte Ä.JLÄAaJ! . . . . j^äJ! !Jv.^ j. hinter
Ä.>.JLÄAaJ! ^.. Es ist sodann die Frage, ob die russischen Kaufleute
im Sinne des ursprünglichen Itinerars erst auf dem Rückwege von
Byzanz, also auf dem Schwarzen Meere, nach Samkars kamen, oder
ob hier nicht vielmehr eine neue Route beginnt, die gleichfalls den
Wasserweg des Dnjepr voraussetzt, so dass sie also von der Mündung
des Dnjepr durch den Pontos nach Samkars gesegelt wären. In diesem
352 J- Marquart,
Tanais^), dem Slawenstrom und passieren ChamlTch, die Haupt-
stadt der Chazaren , wo deren Herrscher von ihnen den Zehnten
erhebt. Hierauf gelangen sie ins Meer von Gurgän , wo sie bald
da bald dort landen. Bisweilen schaffen sie ihre Waren auch auf
Kamelen von Gurgän über Eaj nach Ba;'dä(3".
Nach AufzähluBg der Seehandelswege folgen die Landrouten:
1) Von Spanien oder dem Frankenlande nach Süs al aq9ä,
Tanga (Tanger), Ifriqija (Qairawän) nach der Hauptstadt Ägyptens
und von da über Ramla nach Damaskus, al Kufa, Ba;'dä(3", al Ba^ra,
dann durch Chüzistän, Pars, Kermän, Sind und Hind nach China.
2) , Manchmal nehmen sie auch die Route hinter (d. h.
nördlich von) Rom durchs Land der Slawen und dann nach
Chamllch, der Hauptstadt der Chazaren, dann über das Meer von
Gurgän und dann nach Balch und Transoxiana, dann zur Ordu
der Toyuzynz, dann nach China."
Es ist selbstverständlich, dass diese beiden grossen Landwege
nur den jüdischen Kaufleuten aus Spanien und Süd- Frankreich
zugeschrieben werden, wie auch de G o e j e in einer kurzen Note
zu seiner Übersetzung angedeutet hat. Allein Mas'üdi hat die
zweite Route offenbar auf die russischen Kaufleute bezogen,
weil von denselben schon vorher gesagt war, dass sie die Chazaren-
hauptstadt Chamllch besuchten und das Meer von Gurgän befuhren.
Dabei ist ihm aber überdies, wie es scheint, das Missgeschick
passiert, dass er jenen Beinamen der jüdischen Handelsleute
fälschlich auf die russischen bezog. Sein KiLc.i3».JLit, das er später
noch weiter in xi\S3yis^\ verschlimmbessert hat, entpuppt sich
somit , wenn ich mich nicht täusche , als eine Verderbnis aus
KaÜiA^ J! -), die ganze Bemerkung über diesen angeblichen Russen-
Falle wäre statt ., »^a.:S?. ^i gleichfalls ^.^j£.j.^, *,] und iu der Über-
setzung beide Mal „oder" statt der gesperrten „darauf" zu lesen.
^) Die Hss. haben y^^J und rv*^.» , woraus de Goeje ^J««^AJ
hergestellt hat. Vielleicht ist aber einfach (jn-j zu lesen, wie der Don
in der Legende des Oyuz Chan bei Abü'l Fäzi heisst (Radi off, Das
Kudatku bilik. I. Text in Transskription S. XXXIII— XXXIV). In
der uigurischen Legende des Oyuz Chagan (eb. S. XI — XIII) wird nur
der Adil mürän d. h. die Wolga und der Tarang mürän im Lande der
dem Orus bek Untertanen Saklap erwähnt.
Der Slawenfluss ist zunächst der Do7i (s. oben S. 198 f.) ; da in-
dessen ein Wasserweg auf diesem Strome nicht bekannt ist, so hat man
wohl anzunehmen , dass der Don hier mit der Wolga verwechselt ist ;
vgl. S. 351 Anm. 1. Über den Wasserweg auf der Wolga von Russland
nach Bulyär und zu den Chwalisi vgl. die russische Chronik Kap. IV.
2) An altnord. lid „Gefolge, Kriegerschar " (Thomsen a. a. 0.
111 A. 1) kann nicht gedacht werden, noch unwahrscheinlicher ist eine
Zusammensetzung mit liud, an. li'/di- „Volk". Entferntere Möglichkeiten
(z. B. altnord. hrödr „Ruhm") unterdrücke ich, da nur im 9./10. Jahr-
hundert wirklich gebräuchliche Namen in Betracht kommen können.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 353
stamm ist aber einer seiner unglückseligen eigenen Zusätze , wie
sie oben S. 151 fF. charakterisiert sind, der mit dem Bericht über
den Eussenzug von 913/14 nichts zu thun hat.
Der Ursprung des Namens 'Pco? ist bekanntlich gleichfalls
immer noch nicht befriedigend erklärt*). Als feststehend darf
gelten, dass weder die Russen noch irgend ein anderer skandina-
vischer Stamm sich selbst so genannt haben, sondern dieser Name
ihnen von fremden Völkern beigelegt wurde. Der einzige Name
nun, welcher mit dem der Russen eine auffallende Ähnlichkeit zeigt,
ist die noch heute gebräuchliche Bezeichnung Schwedens bei den
Ostseefinnen : finnisch Muotsi, Ethnikon Muotsalamen, estnisch Rots,
Mötslane, wotisch Rötsi, Rötsalaine, liwisch Riiotsi^ Riiotsli.
Diesen Namen wollte man früher von Roslagen ableiten, dem
Namen der Küste der schwedischen Landschaft üpland , die dem
finnischen Busen gerade gegenüberliegt, da derselbe jedoch erst
in neuerer Zeit auftritt, so hat man davon abgesehen. Thomsen
geht dagegen von den Ausdrücken Roßer , Ropin aus , womit in
älteren Zeiten die Seedistrikte von Upland und Östergötland be-
zeichnet wurden, welche im Mittelalter in Kriegszeiten Schiffe zu
stellen verpflichtet waren. Die Bewohner dieser Gegenden hiessen
Rods-karlar oder Rods-mcen. Da roßer, an. rödr eigentlich ein
Verbalnomen mit der Bedeutung „Ruderung, Schiffahrt" ist, so lässt
es sich wohl denken , dass sich die Bewohner jener Seegegenden
nach ihrer Beschäftigung selbst als rops-Jcarlar oder rops-menn
„ Ruderleute " bezeichneten. Dieses Wort wie das Abstraktum
rojyer wurde in Schweden selbst allmählich zum Eigennamen, und so
ist es begreiflich genug, dass die Finnen denselben als Volksnamen
auffassten und als solchen herübernahmen. Den Einwand, dass
dann die Finnen nur den ersten Teil des Kompositums entlehnt
und ihr Ruotsi, Rötsi von einem Genitiv abgeleitet hätten, weiss
Thomsen durch den Hinweis auf analoge Fälle in finnischen
Lehnwörtern aus andern Sprachen zu entkräften.
Diese Erklärung des finnischen Namens für Schweden ist
gewiss sehr einleuchtend. Das finnische Ruotsi, Rötsi soll nun
in slawischem Munde zu Riish geworden und von den Slawen zu
den Byzantinern und Arabern gekommen sein. Hier erheben sich
aber mehrere sehr ernste Schwierigkeiten. "Wenn man auch darauf
kein weiteres Gewicht legen will , dass man als Wiedergabe von
Ruotsi im Slawischen eigentlich eher Ruch als Rush erwartet
hätte, so lässt sich aus dem Slawischen in keiner Weise die älteste
historisch bezeugte Form des Russennamens, das ^Pcög der Byzantiner
und das (w^Ji cirRüs (persisch wohl Rös gesprochen) der Araber
1) Vgl. darüber E. Kunik bei Dorn, Caspia 37 ff. 253—256,
394 A. 9. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates S. 94 — 106.
Marquart, Streifzüge, ^"
354 J- Marquart,
erklären. Die byzantinische Form ist durch Pradentius schon
fürs Jahr 839 bezeugt, die arabische um dieselbe Zeit dui'ch den
Bericht des Muslim b. Abu Muslim. Beiden Formen ist die
Länge des Vokals gemeinsam, für die byzantinische ist ausserdem
charakteristisch , dass sie in älterer Zeit stets unflektiert und im
Plural gebraucht wird. Aus dem slawischen Rusi, das stets als
Kollektivum im Singular flektiert wird, lässt sich daher das byz.
'Pcog nicht ableiten. Thomsen S. 103f. neigt deshalb zu der
Annahme, dass der slawische Name den Romäern durch Vermittlung
eines türkischen Stammes, wahrscheinlich der Chazaren, zugekommen
sei : daraus würde sich der indeklinable Gebrauch des Namens ot
Pcbg und möglicherweise auch das co desselben erklären.
Es ist allerdings zuzugeben, dass die byzantinischen Schrift-
steller häufig die Namen hunnisch-türkischer Horden unflektiert ge-
brauchen, z. B. oi Xeyo^svot XeQ%Lg Menand. Prot. fr. 20 p. 52, 30
Dindorf, ol ZaßevöeQ, ol Ovaq %cd Xovvvi, ol 'Oycop, ot TavyccGx,
bei Theophyl. Sim. Auch ein Wechsel zwischen o, co und ov in der
Wiedergabe hunnisch-türkischer Namen ist mehrfach bezeugt; z. B.
^OvoyovQoi Prisk. Agath., Onoguria Geogr. Rav. neben Ovvvovyovqoi.
Theophyl. Sim., Hunuguri Jordanes^); Ovvvoyovvöovqoi BovlyaQOi
Theoph., Ovvoyovvöovqoi Nikeph. p. 24, 10, ^Ovoyovvdovqoi. Konst.
Porphyrog. de them. IIp. 45'^); OvyovQoi Menandr. Prot. fr. 21
p. 55 Dindorf, OviyovQOi ib. fr. 5 p. 5 Dindorf, OvQCoyoi Prisk. fr.
30 lies OvyäQoi, '^/ Üg(u)r Land, Anecd. Syr. III, 837,12 8);
OvciQ Kai Xovvvi Theophyl. Sim. , Ovaq^avixai, Menandr. Prot. fr.
43 p. 86, 87 Dind.; 'A6Kr]lxov ^^y Theophan. p. 239, 20, Scultor
Corippus in Justinum 3, 390"*); ^SliiovQxay , ''Ofxov^xdy , ^0(xoQxdy,
^Sl^oQxccy auf Inschriften JireSek, Gesch. der Bulgaren S. 148
A. 11, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich-Ungarn XVII 177
Nr. 71, 72, XIX, 238 Nr. 3. Allein in diesen Beispielen bemerken
wir überall ein Schwanken der Lautwiedergabe auf Seite der
Griechen , während im Namen ot 'P&g die Schreibung eine ganz
feste ist. Dass aber die Griechen und Araber den Namen von
einem türkischen Volke erhalten hätten, ist schon durch seinen
Anlaut so gut wie ausgeschlossen, da bekanntlich in den türkischen
Sprachen kein Wort mit r oder l beginnen darf, wie denn auch
die türkischen Formen des Namens sämtlich einen vorgeschlagenen
Vokal zeigen: tatai'isch ürus , kirghizisch Orus^), öuwaschisch
^) S. meine Chronologie der alttürk. Inschr. S. 83 A. 4.
8) Eb. S. 74 A. 1.
') Eb. S. 81 A. 4. 7. Historische Glossen zu den alttürkischen In-
schriften. WZKM. XII 193. 197.
*) WZKM. XII 197.
^) Ebenso in der uigurischeu Legende des Oghuz Cha^an bei
Radioff, Das Kudatku bilik. I. Text in Transskriptiou S. XI.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 355
Wyrys, mongolisch Oros^ magyarisch Orosz'^). Man darf dagegen
nicht den chazarischen Eigennamen {['luJ- [€t^tup[uu/iM Raz t'archan
bei tevond S. 163 anführen, da derselbe Erraz-t'arclian zu
sprechen ist-). Dagegen lässt es sich wohl denken, dass die
christlichen Romäer die Russen bei ihrem ersten Auftreten als
eine neue Auflage der vom Norden kommenden Weltzerstörer
Gog und Magog betrachteten und in ihnen die ^Pag , welche bei
Ezech. 38, 2 f. 39, 1 im Gefolge des Gog erscheinen , zu erkennen
glaubten^). Hat man doch auch in Ba^^däd um dieselbe Zeit
das Hervorbrechen der Völker Gog und Magog befürchtet, wes-
halb der Challfa al Wä'9'iq sogar einen Gesandten nach Mittel-
asien schickte, um sich nach dem Zustande der gegen sie er-
richteten Mauer zu erkundigen. Eine derartige Kombination könnte
also sehr wohl auf die Schreibung des Namens eingewirkt haben
— doch würde dies nur für die Byzantiner gelten , nicht auch
für die Araber.
Die These , dass der Name Russen die slawische Wiedergabe
der finnischen Bezeichnung Schwedens sei, die durch Vermittlung
eines andern ^ vielleicht hunnisch-türkischen Volkes in der Form
^Prög zu den Romäern (und Arabern) gekommen wäre , lässt sich
somit bis jetzt nicht erweisen. Noch immer sind es die Ufer des
Pontos und der Maiotis, wo uns derselbe zuerst in der beglaubigten
Geschichte entgegentritt. Versuchen wir also auf anderem Wege
dem Rätsel des Ursprunges dieses Namens näher zu kommen.
Sollten wir dabei auf Anzeichen stossen, dass derselbe schon geraume
Zeit vor Rurik in der Nähe der romäischen Besitzungen auf der
Krim bekannt war, so werden wir trotzdem noch keineswegs mit
dem nun dahingegangenen Vorkämpfer der Normannisten glauben,
dass dann die altrussische Chronik „unter den zahlreichen Fälschungen
des Mittelalters eine der ersten Stellen einnehmen würde und die
Normannisten dann gründlich beschämt und zerknirscht nicht nur
die Verteidigung Nestors aufgeben, sondern auch Asche auf ihr
Haupt streuen müssten , um den von ihnen angerichteten Unfug
abzubüssen. " ^)
Vielleicht darf man hier eine Notiz anziehen , die sich in
der fälschlich als „Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor" be-
zeichneten historischen Kompilation eines Syrers findet. Sie steht
1) Thomsen a. a. 0. S. 104 A. 1.
2) Ja'qübl, der diesen Heerführer ^.}j>-Jo y«!^ nennt (Hist. II
f f 1 , 16) , war bekanntlich lange in Armenien und benutzt wohl eine
armenische Quelle.
^) Übrigens hat Hugo Winckler gezeigt, dass 'i2)N*l in diesen
Stellen gar kein Volksname, sondern Titel des Gog ist und „Fürst"
bedeutet, was durch N''U3D glossiert ist.
*) E. Kunik in Dorns Caspia 391.
23*
35g J. Marquart,
am Ende eines im Jahre 555 geschriebenen Verzeichnisses süd-
und nordkaukasischer Völker. Hier werden nach dreizehn grössten-
teils aus Priskos, Prokopios und dem Gesandtschaftsberichte
des Zemarchos (570) bekannten hunnischen Völkern i) einige
fabelhafte Völker aufgeführt, die Anunazarte oder Däumlinge 2),
Hundsmenschen und Amazonen. Letztere werden in gewohnter
Weise beschrieben als Weiber mit je einer Brust, die für sich
alleine wohnen und mit Waffen und Pferden Krieg führen, Sie
haben alljährlich einen Monat lang Umgang mit einem ihrem Lande
benachbarten Volke und kehren dann in ihr Land zurück. „Jenes
Volk, das ihnen benachbart ist, sind die ^PO^O) Hrös , Männer
mit langen Gliedern, die keine Waffen haben und welche Pferde
1) Dieselben heissen:
^CU-JO/ Ün{u)gür, ein Volk von Zeltbewohnern — 'Ovoyovqoi Prisk.
fr 30 etc • s. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften
S.' 83 A. 4 und oben S. 43 ff. 354.
V o/ Üg(u)r — O^Qcoyoi, (1. Ovy&QOi) Prisk. fr. 30 bei C. Müller,
^^ FHG IV 104, OvyovQOL Menandr. Prot. fr. 21 ib. p. 229 b , Ovi-
yovQOi ib. fr. 5 p. 203. S. meine Chronologie der alttürk. Inschr.
81 A. 4. 7; Historische Glossen zu den alttürk. Inschr. WZKM.
XII 193 und oben S. 43 f. 354.
'^.a> Sab(i)r HaßiQOL — Prisk. fr. 30, Men. Prot. fr. 5 ib. IV 203 etc.
• ^Q^ Burgar — ar. ,.>U.j bezw. ^^^Oo, wahrscheinlich verschrieben
ausyfOu Bulgar; Tab. I aIo, 1. 16. a11, 4; s. o. S. 16.
♦ <> <rt o Kurt{u)rg{u)r — KovxovQyovQoi Prokop.
;^/ Abar — "Aßagsig Prisk.fr. 30 p. 104, die echten Awaren; s. o.
S. 43 und A. 1.
'^m^^ Kas{i)r — 'AKär^iQOi Priskos, s. oben S. 40—45.
♦♦»V*J Dirmar — 'Ixiilüqoi Prisk. fr. 1. FEG. IV 71. Jordan. Get. 24
'§ 126.
^Q^'JO^.QD Sarurgür — EaQccyovQOi Prisk. fr. 30, 37.
ja,,a>VssJ^ Bägarsiq 1. . oN.tyi^ Bärselq — Theophyl. Sim. 5, 8, 3
BuQOiqXt.
^\r>^ Chülas — Xoliäzai Men. Prot. fr. 20. 21, FHG. IV 228 b,
229 a, 14. 25; s. mein Eränsahr nach der Geographie des Ps. Moses
Xorenac'i 253.
^t^' ^ ^ \ ^ivav 'E(p&aUt<üv Theoph. Sim. 7,7, 8; Ovvvoi
hJ^h^/ Ephthal'dh j oi 'E(f&ulltai Prokop.
*) Es ist lesen : JLV) (N)»/ d. h. „Elle und Spanne lang" ; vgl.
G. Hoffmann bei Ahrens und Krüger, Die sogenannte Kirchen-
geschichte des Zacharias Rhetor S. 382.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 357
nicht tragen können, da sie (grosse) Glieder haben i)." Die
Däumlinge und Hundsmenschen werden auch in der nach Nöldeke
im Jahre 514 oder 515 geschriebenen syrischen Alexanderlegende
genannt, wozu hier noch die jxaiD (Manichäer?) kommen-). Doch
kann diese Legende nicht die Quelle unseres Verzeichnisses gebildet
haben , da die Amazonen in derselben nicht als besonderes Volk
erscheinen, sondern als Frauen der Hunnen, und ihre Beschreibung
daher von der bei Zacharias Rhetor abweicht ^) ; beiden muss viel-
mehr eine ältere gemeinsame Quelle zu Grunde liegen*).
1) Land, Anecd. Syr. III 337, 21—23: ^O^ «ZilULj 6o) JJDAO
Die sog. Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor übersetzt von
K. Ahrens und G. Krüger S. 253, 32—36.
2) Syrische Alexanderlegende bei Bu dge , The History of Alexander
the Great p. 265, 2 v. u. = 152 d. Übs. Die Däumlinge heissen hier
l.V^/ )i»-J5 statt JLV|2d/ fck*::^; s. Th. Nöldeke, Beiträge z. Gesch.
des Alexanderromans S. 28. Denkschr. der Wiener Akademie d. Wiss.
Bd. 38 Nr. V. 1890. Die Hundsmenschen und Däumlinge (Jli^io/ für
jLVpD/) werden auch bei Salomon von Ba^ra, Book of the Bee p. 128
ed. Budge genannt.
3) Budge 1. 1. p. 263, 12—16 = 151 d. Übs.
*) Dies folgt schon aus dem gegenseitigen Verhältnis der Verzeich-
nisse der Völker Gog und Magog in der syrisch -christlichen Legende,
im Texte C des Alexanderromans, bei Salomon von Ba^ra, The Book
of the Bee p. 128, angeführt bei Budge, The History of Alexander the
Great p. 150 n. 3 und bei Pseudo - Methodios nach der lateinischen
(vgl. über dieselbe Gutschmid, Kl. Sehr. V 500 — 505) und der von
Stephannos von Siunik' im Anfang des 8. Jahrhunderts angefertigten
armenischen Übersetzung (bei Stephannos Orbelean, Hist. de la Siounie
trad. par Brosset I 93).
I II III IV V
„ , Ps. Methodios „ •m-qh,„j Ps. CaU. III
Syrische Legende. ^„„"^n?^ bei Stephannos ^^s- ■»le''"''!- 26 0 p. 139 a
von iJagra. Orbelean. ^^^- ed. Müller.
a) Die Könige der Hunnen p. 263, 5 — 9 = 150.
Gög Gög Gog Gog rw&
Magög Magog Magog Magog») Maymd'
^Qj ^QJ Anig Anog 'Avovyoi
Gig Agig Ageg 'Eyslg
T^yV^jl Te'amrön Askenaz Ak'iaz Athenal 'E^svä^
sO\io\^L Tijämrön Denäphär Dip'or Cephar Jicpäg
a) Darauf folgen noch Mosach et Thubal.
35g J. Marquart,
Wegen der Gesellschaft, in welcher die Hrös auftreten, wird
man zunächst geneigt sein sie in das Reich der Fabel zu verweisen.
I II III IV V
„ , Ps. Metbodioa -p„ M»tv,n,i ^^- ^^^^- ^^
S..i«c.e Legende. ^T^T,^^, '^l^^^^ "- Z'^^^^:
»Aä )is*:i -BeO- Gamli Paqtäje P'orinac'ik' Pothimhei ^anvaloi
♦^-N\nO>. Japhö'bar [We]lötäje Alrenac'ik Lybii
JDIVÄQJL Sümardaq Humnäje Honk' Cunei
|ä.^qDQ\^.,^ Glösiqä
•,o>ar>\ 'AqSaphar
O. N. on Salgaddö
■ f7)\or>^i Nlsliq
\>^2>'^^ Amraphel
]\0\ß Qä'özä
b) Von Alexander durchzogene Landschaften p. 261 , 7—9. 11
= 149.
QpQ,».,^j^jiol Türangiös
\^yJ2> ü^-3 Parzäje Pharziac'ik' Pharilei ^aQilaioi
"^'^«JOL N*^ Daqläje Deklimac'ik'a)
\U2)0^1 )i<-0 Thaubeläje T'et'alk' Ceblei
J.'*») Üs-Zi Darmetäje Zarmeta- Lamar- ZccQ^avrio:-
^ c'ik' chiani voi
lJ^^\ ^opi Kaukebäje Kak'onac'ik' Chachamii
c) Völker jenseits der Hunnen p. 265 paen. = 152.
tl*t»/ jL'Sio/ Armazard Amathartae
(lies ]IV).:d/
Däumlinge)
Hundsmenschen Hundsmenschen Agrimardi XaXövioi
JJXX»
Garmidö' Garmadac'ik' Alan '^yp/fiapdo/.
Menschen- Menschen- Anufagi 'Avovtpäyoi
fresser fresser qui dicuntur
Thräqäje T'arp'ac'ik' Cinocephali QuQpaioi
a) Darauf folgen die Sarmaten.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 359
Von einer solchen Anschauung geht offenbar der deutsche Über-
setzer aus, wenn er in Hrös eine einfache Umschreibung von
I II III IV V
Syrische Salomon Ps. Methodios Ps. Methodios Ps. CaU. III 26C
Legende. von Ba<;ra. bei Steph. Orbelean. lat. p. 139a ed. Muller.
Alänäje Alanen Caribalia)etThasbii "Aluvtg
PlsTlön 1 P'asklinkac'ik' Philosonici ^LGolovixaloi
Denqäje / Argneac'ik' Arcenei
Salträje Satareac'ik' Paltarei ZalraQioi
Ein Blick auf diese drei Verzeichnisse genügt, um die Abhängig-
keit der Version C des griechischen Alexanderromans von der _ uns
durch Salomon von BaQra aufbewahrten syrischen Liste zu beweisen.
In 'E^Bvccx hatte schon A. Krause (Beiträge zur Alexandergeschichte.
Hermes 25, 1890 S.63) den t:d^UN Asienaz Gen. 10, 3 erkannt, sowie in
JicpäQ den rs^'n, 1 Chron. 1, 6 npi-l. Bei Salomon ist V^LJ in ;2LJJ
verschrieben. Noch viel greifbarer ist aber die Abhängigkeit von der
syrischen Quelle bei den Xulövioi , die auf missverstandenes .jü;^ ,^^0
zurückgehen, bei den 'AvovqidyoL, die sich dem syrischen Original zu-
folge als Verstümmelung von uvd[Q]o(pccyoi. oder civ[&QO}7t]o(po:yoi ent-
puppen, den GaQBaioi für ©agKuloi und den ö^feoXoj^-txKfot = Pisilon
d. i. 'A^ilcov (arm. AiySilh' in Ap'chazet'i) und Denqaje (?). Ps. Methodios
hat die letztern nochmals als Arcenei = |*iOV/. Durch ihn wird es
klar, dass jJ^QO bei Salomon verdorben ist aus ^JQOQD = Kavy.(ov£g
in dem Völkerverzeichnis des Alexanderromans I 2 C Val. 'Avovyoi
geht auf v^J für ^QJ Nül zurück (so auch Ps. Ephraim bei Lamy
3 195, 17), dieses aber wahrscheinlich auf die Novvoi in dem Ver-
zeichnis der Version B III 29 p. 143a ed. Müller. Die Form Novyoi
findet sich einmal für Ovvvol bei Konstantin. Porphyrog. de caerim.
II 52 p. 740,2: ol dh anb x&v Novvcov, ijroL BovlyaQcav, tl6SQ%o^svoL
(piloi xtX. Die Formen FmO- und MayöaO- beruhen auf der von Am-
brosius (de fide 2, 16, 138) vertretenen, von Hieronymus bekämpften,
aber von Cassiodorius wieder aufgenommenen Gleichsetzung der Goten
mit den Völkern Gog und Magog. Vgl. Hieronymus quaest. hebr.,
opp. ed. Mart. 2, 515, citiert bei Müllenhof f, DA. III 268 A:_ Scio
quemdam Gog et Magog tarn de praesenti loco quam de Jezechiel ad
Gotthorum nuper in terra nostra bacchantium historiam retulisse; quod
utrum verum sit, proelii ipsius fine monstratur. et certe Gotthos omnes
retro eruditi magis Getas quam Gog et Magog appellare consueverunt.
Jordan. Get. c. 4 § 29 und die von Mommseu z. St. beigebrachten
Stellen des Isidorus.
Dass aber auch noch andere Namen der Liste aus einer
Völkertafel stammen, zeigen die Thaubeläje = blin , LXX ©oßsl
Gen. 10, 2, die gewiss ursprünglicher sind als das ^«OO^J ^-O
der syrischen Legende. Damit wird es wahrscheinlich , dass die
l^^pV) , wie nach Be-S' Zamrat und ZccQ^avxLavoi zu verbessern ist,
den ZavQo^aTui entsp.echen, die nach der Völkertafel des Liber
generationis von Riphath abstammen (Müllenhoff, DA. III 271.
Chronica minora ed. Mommsen I 96. M. G. Auct. antiquiss. IX). )x^ä2>
a) Für ©ccQßaloi.
360 J- Marquart,
"ÜQCosg vermutet ; allein dies hätte der Syrer sicher durch JvJIU^
wiedergegeben. Sodann muss uns gerade jene Alexanderlegende
zur Vorsicht mahnen. Alexander erhält auf seine Frage nach
dem Aussehen, der Kleidung und den Sprachen der Hunnen zur
Autwort: „Es gibt unter ihnen solche mit blauen Augen und
ihre Weiber haben je eine Brust" u. s. w. Hier haben wir zum
mindesten einen Nachklang der älteren Vorstellung von den
Amazonen, welche sich dieselben in enger Verbindung mit einem
blonden und blauäugigen Volke , dem iranischen Nomadenvolke
der 2avQ0jA.drai, yvvaiKOKQatovuevoi dachte '). Noch Dinawari be-
schreibt die Amazonen als ein Volk von roter Farbe mit rötlichem
Haar, bei dem Männer und Frauen getrennt, und nur drei Tage
im Jahre zusammen leben'-). Vor dem Auftreten der Hunnen
waren es aber die Alanen, die Nachfolget'' der Sarmaten in den
bei Salomon ist ein Fehler für Jv) r>o> ^die Nachkommen des LilE"
Gen. 10, 6, wie die Übeinstimmuug der übrigen Texte zeigt. Dann
wird der lateinische Methodios auch mit Lybii das Richtige bewahrt
haben; es ist vermutlich zu lesen J---^r>\ oO)J |JLQ^; vgl. Jos. agx-
1, 132. Die |-.Jv2> sind die ^tQ^^atoi, die \\o'j die Nachkommen des
^nxXd oder Jtxlda Gen. 10, 27. Die sonderbare Erscheinung, dass bei
dieser Auffassung Söhne des Cham und Joqtan unter die Nordvölker
geraten sind, wird einigermassen verständlich durch die Textgeschichte
des öia^cQLOiibg rfjg yi)g. In der Völkertafel der Osterchronik heisst es:
'OdoQQU, i^ ov 'ÄQQiavol xal 4>fpt^«roj, von ^sv.lü werden in den ver-
schiedenen Texten des dia^£Qi6yi,6g die KtSQOvaol abgeleitet; vgl. Chron.
min. I 105 ed. Mommsen. A. v. Gutscbmid, Kl. Sehr. V 253 ff.
^) Von blauäugigen Elementen unter den Hunnen ist meines
Wissens nichts bekannt. Man wird sich dafür nicht auf die Beschrei-
bung des Äussern des türkischen Chagans Sze-kin Muh-kan bei den
chinesischen Historikern berufen wollen, von dem es heisst: „His face
was over a foot broad , with a very rudchj tint , and his eyes were of
greenish bue" (Cöu-su, übersetzt von E. H. Parker, China Review
vol. XXIV Nr. III, 1900 p. 121b. Peh-ii ib. Nr. IV p. 165 a); noch
weniger auf die Bemerkung des Scholiasten Jen Si-ku (f 645) zum Be-
richte des Ts'ien Han-su Kap. 96^ p. 1 über die U-sun: „die U-sun
sind in ihrer äussern Erscheinung von den übrigen Barbaren der west-
lichen Gebiete sehr verschieden; die heutigen blauäugigen, rotbärtigen,
affenartigen Tataren, gehören von Haus aus zu dieser Rasse". Vgl.
darüber Fr. Hirth, Über Wolga-Hunnen undHiung-nu. Sitzungsberichte
der bayer. Akad. d. Wiss. 1899, Bd. II Heft II S. 276 f.
Mit diesen Worten will der Scholiast wahrscheinlich einen ethno-
logischen Zusammenhang der U-sun mit den blonden Kirghizen sta-
tuieren. Diese lässt der Verfasser der von GurdezT benutzten Ursprungs-
legende der Türken und Slawen (wahrscheinlich Ihn Chordädbih) aus
dem Westen kommen und leitet sie ihrer Blondheit wegen von den
Slawen ab; vgl. Gurdezi bei Barthold, OxHeTt S. 85 — 86- Raverty,
The Tabaqät-i NücjirT p. 871 n. Die Blondheit der Kirghizen hat wohl
auch Veranlassung dazu gegeben, dass man später bei ihnen die Ama-
zonen suchte; vgl. Idrlsi I 501.
•-) Dlnaw. n, 14—18 übersetzt bei Nöldeke a. a. 0. S. 41.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 361
politischen und nordkaukasischen Steppen, welche durch ihre Ein-
fälle den Schrecken der südkaukasischen Länder bildeten und als
Vertreter der wilden Völker Gog und Magog galten i) , welche
Alexander durch ein eisernes Thor, die kaspischen Pforten oder
die Klause von Darband, absperrte-). Schon Kleitarchos hatte
aber die Amazonen in die Nähe der kaspischen Thore verlegt und
so musste sich ihre Verbindung mit den blonden Alanen später
von selbst ergeben'^). Vielleicht darf man aber noch weiter gehen
und in jener Behauptung der Alexanderlegende, dass es unter den
Hunnen auch blauäugige gebe, eine Anspielung auf thatsächliche
zeitgenössische Verhältnisse, m. a, W. auf eine Mischung der Hunnen
mit blonden und blauäugigen (alanischen oder germanischen)
Elementen erblicken.
Um so mehr werden wir in den mit den Amazonen in Ver-
bindung gebrachten Hi'ös des Anonymus ein wirkliches Volk zu
erkennen haben , das noch im 5. oder 6. Jahrhundert im Norden
des Kaukasus eine Rolle spielte, zumal der Name sonst bis ins
9. Jahrhundert nicht wieder vorkommt und also schwerlich erfun-
den sein kann. Die Hervorhebung ihrer langen Glieder lässt auf ein
germanisches Volk schliessen; die riesenhafte Körpergrösse und
die Eigentümlichkeit, dass sie — im Gegensatze zu Alanen und
hunnisch-türkischen Völkern — nicht beritten waren, ist auch den
östlichen und westlichen Berichterstattern an den spätem Rös
bezw. Normannen aufgefallen *). Dass in der That hier schwedische
Normannen gemeint seien, ist keineswegs von vornherein aus-
geschlossen, da auch die Dänen schon vierzig Jahre früher ihren
ersten Wikingerzug unternahmen (s. u.) ; doch kenne ich keine
Nachricht, die zu gunsten eines so frühen Auftretens der schwe-
dischen Wikinger an der Maiotis angeführt werden könnte. Von
den ehemals im Norden des Schwarzen Meeres ansässigen Germanen
würden dagegen in erster Linie die Heruler in Betracht kommen,
vorausgesetzt dass sich nachweisen Hesse, dass dieselben noch im
5. und 6. Jahrhundert dort wohnten. Die Behauptung des Syrers,
dass die Hrös keine Waffen hatten, ist natürlich Übertreibung und
auf den Mangel an Schutzwaffen zu beziehen, Hesse sich aber
am besten unter der Voraussetzung begreifen, dass unter dem
1) Vgl. die Schatzhöhle S. Iff, 14— iM, 1 = 30 d. Übs.: ,Und
der Same Japheths umfasste siebenunddreissig Völker und Reiche:
Gamer, Javan, Madai, Thobel, Mesek und Thiras, und alle Reiche der
Alanen, diese alle sind Söhne Japheths*.
2) S. mein Eransahr S. 315.
3) Vgl. Ammian. Marcell. 31, 2, 16. 21.
*) Vgl. Ihn Fadlän bei Jäqilt s. v. i^*,y> \. F r ä h n , Ibn Foszlans
und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit. St. Peters-
burg 1823 S. 4, 2. Ibn Rusta Ifl, 16-17. F. Dümmler, Gesch. des
ostfränkischen Reiches I"^ 194 ff. und die dort angeführten Zeugnisse.
362 •^- Marquart,
rätselhaften Volke die Heruler zu verstehen seien. Von deren
Bewaffnung berichtet Prokopios de bell. Pers. 2, 25 : aq)vXa%roi.
SK rov BTcl nXüGxov i^d%ovxo. ovxs yccQ KQavog ovre ^c^Qa^a ovre
aXXo XL cpvXa%xi]Qiov "EqovXoi l'^ovötv, oxi [li] aöTitöa Kcd XQißcoviov
c.ÖqÖv, 0 dl] du^toaiisvoi ig xbv ayäva Kad-laxavxca ' öovXot ^ivxot,
"EqovXoi. xat ciöTiLÖog %coQlg ig ^dpiv %(Oqov6iv , ineiSav 8e ävÖQeg
iv TtoXifiio aya&ol yivcovxai, ovxo3 öi] aaniöag avxoig icpiäGiv ol öe-
ßnorai TtQoßdXXsß&at. iv xatg 'E,viißoXaLg. Vgl. Paul. Diac. hist. Langob.
I 20. Jordanes aber stellt die leichte Bewaffnung und Fechtart der
Heruler ausdrücklieh der gotischen und alanischen gegenüber:
Get. c. 23 § 117. 118: Eluri . . gens quantum velox, eo amplius
superbissima. nuTla siqmdem erat tunc gens^ quae non levem
arinaturatn in acte sua ex ipsis eligeret. sed quamvis velo -
citas eorum ab aliis crebro bellantibus evagaret, Gothorimi tarnen
stabilitate suhiacuit et tarditati. c. 50 § 261 : nam ibi admirandum
reor fuisse speciaculum , übt cernere erat contis pugnantem Go-
thum, ense furentem Gepi'da, in vulnere suo Rugum tela fran-
gentem, Suavum pede, Hunnum sagitta praesumere^ Alanum
gravi, Herulum levi armatur a aciem strui. Frühzeitig
waren die Heruler wegen ihrer Gewandtheit als Söldner gesucht ^).
Leider geht aus diesen Stellen nicht hervor, ob sie zu Pferde
oder zu Fuss kämpften. Über ihre Körpergrösse lässt sich aber,
wie ich glaube, wenigstens ein indirektes Zeugnis aus Jordanes
Get. c. 3 § 23 ableiten: Suetidi, cogniti in hac gente reliquis
corpore eminentiores : quamvis et Dani, ex eorum stirpe progressi,
Herulos propriis sedibus expulerunt, qui inter omnes Scandiae
nationes nomen sibi ob nimia proceritate aflectant praecipuum.
sunt quamquam et horum positura Granu, Augandzi, Eunixi, Taetel,
Kugi, Arochi, Ranii. quibus non ante multos annos Roduulf rex
fuit, qui contempto proprio regno ad Theodorici Gothorum regis
gremio convolavit et, ut desiderabat, invenit. hae itaque gentes,
Germanis corpore et animo grandiores , pugnabant beluina
saevitia-). Wenn die Heruler einst die nachmaligen Sitze der
Dänen eingenommen hatten, so werden sie sich wohl auch in
Bezug auf den Wuchs enger an die Scandiae nationes d. h. die
wegen ihrer Körpergrösse zu den eigentlichen Germanen in Gegen-
satz gestellten Nordgermanen angeschlossen haben. [Ich treffe
also hier mit Gustaf Kossinna überein, der die Heruler als
Urbewohner der dänischen Inseln durchaus zu den Nordgermanen
rechnet =^).] Dass sie ehemals nicht bloss auf den dänischen
Inseln, sondern auch auf dem skandinavischen Festlande in der
1) Vgl. Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme 478.
2) über die Interpretation dieser Stelle vgl. A. v. Gutschmid,
Kl. Sehr. V 305—307.
3) [Indogerm. Forschungen 7, 276 ff.] — Müllenhoff , Beovulf und
R. Löwe, Die Reste der Germanen am Schwarzen Meere 1896 halten
die Heruler dagegen für Ingvaeonen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 363
Nähe der Gauten gewohnt hatten , darf man wohl aus dem Be-
richte des Prokopios de hello Gotth. 2, 15 p. 205 über die Rück-
wanderung einer Abteilung der Heruler schliessen , welche nach
der Niederlage ihres Volkes durch die Langobarden im J. 512
es verschmähten, unter römische Hoheit zu treten i): i]vi,Ka"Eqov-
loi AayyoßciQÖ&v ijGGy^d'ivrBg t-jj f^«Zj/ ^'^ ri&&v t&v TtaxQLCOv
eßrrjGav, ol ^\v avx&v, coötieq (iol e\i7TQ06d'Ev 6EÖiriy'i]rat, ünrjGavro
ig Tcc iv^RXvQtoLg xcoqCu, ot Öe örj akkot"l6TQOV norafibv öucßalvEiv
ovödfiTj Eyvcoßav , aAA,' ig avrdg tcov rag E6%axiag xfig ohov^Evr\g
lÖQVßavxo. ovxco yovv noXkäv iv, xov ßaßdEtov ai'fiocxog 7}yovfiEvcov
GcpiGLV i]^EL'^)av ^Ev xci Zv.Xccßr]v(bv E&vt] i(pE^iig anavxa, EQTjfiov ÖE
%c6qccv öiaßavxEg ev&evÖe 7tokXi]v ig xovg OvaQvovg Kcdovfilvovg
ixcoQTjßav, ftE-ö-' ovg 6r} Kai Jav&v xä E'&vr] 7taQEÖQa(xov, ov ßia^o-
fxivcov 6q)cig xav xfiÖE ßaQßccQcov. iv&ivÖE xe ig ojKEavov ag}iK6-
(lEvot ivavxiXlovxo, QovXy xe TiQoöxovxsg xij vi]6G) ccvxov e'i^Eivav. . . .
{&ovXtxcov) E'&vog ^ev TtoXvdv&QConov ol Favxoi eIöi, naq ovg ör}
^EqovXcov xoxe OL inyjXvxai idqvGavxo.
Was nun die Hauptfrage betrifft, ob sich nachweisen lässt,
dass ein Teil der Heruler noch in der von uns postulierten Zeit
d. h. im fünften und sechsten Jahrhundert an der Maiotis gesessen
hat, so muss sofort bekannt werden, dass ihr Name hier nach dem
Jahre 375 völlig verschwindet. Durch Ermanarik um die Mitte
des vierten Jahrhunderts unterworfen, gerieten sie ohne Zweilei
beim Untergange des Ostgotenreiches unter die Obmacht der Hunnen.
Die grosse Masse der Heruler muss dann später gleich den Ost-
goten durch die Hunnenstürme nach Westen fortgerissen worden
sein; ob sie aber mit den Herulern an der Donau zusammen-
hängen 2), welche die Weltkarte des Julius Honorius schon am
Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts dort kennt ^) , ist
noch nicht aufgeklärt.
E. Löwe glaubt indessen eine Spur der Heruler, wenn auch
unter anderem Namen, noch in dem um 480 von einem Unbe-
kannten verfassten Periplus des Schwarzen Meeres entdeckt zu
haben*). In diesem heisst es Kap. XLII § 21—22 bei C. Müller,
FHG. V 1, 181 — 182: 'Ano Se 'Ieqov Xi^ivog i]xoi NIkc^lv Elg
^ivÖLKriv (tJtoi St,v8i%ov Xi^iva, vvv 8e XEy6{iEvov EvöovGlav) Gxddioi
a/,' ^iXta jLt'. ^Anb ovv SlvSlv.ov Xifiivog Ecog TJdyQag Xtfihog Ttqariv
aKOVv k'&vr} ot XEyofiEvot Keqkexul i]xol Toqixca , vvv ÖE oIkovGlv
EvSovGuivol XEyö^Evoi, xfj Fox'd't'/.fi Kccl TavQLKrj y^qa^Evoi yXcorxy.
Diese Eudusianer, die nach dem Anonymus an der kaukasischen
Küste zwischen Pagrai (j. Gelengik) und Sindike (j. Anapa) sassen, das
^) Ebenso F. Dahn, Urgeschichte der germanischen und romani-
schen Völker I 565. R. Löwe a. a. 0. S. 30 f.
2) Vgl. Löwe a. a. 0. 211. Müllenhoff, DA. III 221. 312.
Matthaei, ZDA. 43, 313.
^) Geogr. lat. min. p. 40 ed. Rieso.
*) A. a. 0. 19—22. 29—35.
364 J- Marquart,
nach ihnen Evöovöta hiess, und zwei Sprachen, Gotisch und Taurisch
d.h. Alanisch 1) sprachen, müssen sich aber, wie sich aus Proko-
pios de bell. Goth. IV 4 p. 474 ergibt, viel weiter erstreckt
haben als man nach dem Periplus vermuten würde, und zwar der
Ostküste der Maiotis entlang bis zur Mündung des Tanais-).
Prokopios sagt nämlich: 'Ttisq 6e Zayidccg Ovvvlku ed'vrj noXka
l'ÖQVvrai. t6 d ivrevd-ev EvXvßla ftfv r] icoQa mvofiaörai, ßug-
ßaQOt ds avTf]g hv&QmTtoi rd rs TKXQaXia aal rrjv fieGoystov s'^ovöi,
fiiXQt ig trjv MaiärLV KaXovfjLevriv Xlfxvrjv nal noTafibv Tdvaiv.
Ohne Zweifel ist hier ETJTZIA zu lesen, wie schon Wasil-
jewskij vermutet hat. Dieses Volk betrachtet Löwe als einen
Zweig der Eudoses, die Tacitus Germ. 40 hinter den Aviones, Anglii
und Varini nennt und die also in Nordschleswig und Jütland sassen,
und hält diese wie die Eudusianoi für Gauvölker der Heruler.
Seine Darlegung hat in der That grosse Wahrscheinlichkeit für
sich, mindestens was die germanische Nationalität der Eudusianer
und ihre Herkunft aus Jütland angeht. Dass ihre Sprache als
gotisch bezeichnet wird, ist eine üngenauigkeit , die aber nicht
weiter auffallen kann , da die gotische Sprache der den Romäern
bekannteste und am weitesten verbreitete unter den germanischen
Dialekten war , auch wenn man L ö w e 's Ansicht nicht beizu-
pflichten vermag, dass auch die Tetraxiten auf der Halbinsel Taman
und selbst die Krimgoten keine eigentlichen Goten, sondern Heruler
gewesen seien. Die alanische Sprache werden die Eudusianer von
den alanischen Tanaitai an der Mündung des Tanais erlernt haben,
von wo aus sie in ihre Sitze an der kaukasischen Küste vor-
gedrungen sein müssen. An die Maiotis versetzen die Quellen
aber auch die Sitze der Heruler. Jordanes sagt c. 23 § 117:
nam jDraedicta gens (Herulorum). Ablavio istorico referente, iuxta
Meotida palude inhabitans in locis stagnantibus , quas Greci ele
vocant , Eluri nominati sunt ; diese Etymologie geht aber schon
auf den Historiker Dexippos zurück^), und so bezeichnet Synkellos
p. 717 die Barbaren, welche unter Gallien Byzanz und Kyzikos
angriffen und sich darauf nach dem eigentlichen Griechenland
wandten , wo sie Athen , Korinth , Sparta und Argos plünderten
und niederbrannten , als Heruler , die durch die Maiotis in den
Pontos herabgesegelt waren ■*). Tomaschek bemerkt , dass sich
^) So Wasiljewskij , Journal des Minist, für Volksauf klärung.
Januar 1878 S. 103 ff., citiert bei Löwe S. 20, nach demselben Periplus
§ 51 (Geogr. Gr. min. I 415): vvv dh Xiysxai ©todoaicc rjj 'AXavixjj i'jrot
rfj TavQi^f] diaXsxtcp 'Agdüßda [r. 'Aßdagda], tovreariv BTtrd&sog.
^) Vgl. Tomaschek, Anzeiger für deutsches Altertum XXIII,
1897, 125.
'') Etymol. magnum p. 333 ed. Gaisford: &ti6 tav iKsTas iXcöv
'ElovQOL y.i-KX7\vxai. ^t^imtog iv Scads-Kaxca 'ji^Qoviy.äv.
*) Vgl. Löwe a. a. 0. S. 4 f. Zeiiss, Die Deutschen S. 476 f.
Mommsen, R. G. V 220—226.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 365
die Eudysia des Prokopios mit den Sitzen der bulgarischen
OvxiyovQOi völlig deckte. Ausser mit diesen ihren Oberherren
müssen die Eudusianer aber auch mit den Alanen in regen Be-
ziehungen gestanden sein, wie man schon aus ihi-em Gebrauche
der alanischen neben ihrer eignen , gotischen" Sprache vermuten
darf, und wenn in späterer Zeit die binnenländischen Alanen selbst
Einfälle in das Gebiet der Ziehen oder Cerkessen unternahmen,
wobei sich diese auf die Inseln an den Mündungen des Kuban
zurückzogen 1), so müssen sie durch das Land der Eudusianer
gekommen sein. Dies spricht aber zu Gunsten der Gleichsetzung
der Eudusianer mit den Hrös des syrischen Anonymus. Ausserdem
wohnten jene ja auch ganz in der Nähe der traditionellen Wohnsitze
der Amazonen-).
Der auf den ersten Blick so fremd anmutende Name Urös
erinnert sofort an den der Eosomoni, eines der von Ermanarik
unterworfenen Völker, das in der Erzählung des Jordanes Get.
c. 24 § 129 aufs engste mit seinem Untergange verflochten ist:
nam Hermanaricus , rex Gothorum, licet, ut superius retulimus,
multarum gentium extiteret triumphator, de Hunnorum tamen
adventu dum cogitat , Rosomonorum ^) gens infida , quae tune
inter alias illi famulatum exhibebat, tali eum nanciscitur occa-
sione decipere. dum enim quandam mulierem Sunilda nomine
ex gente memorata pro mariti fraudulento discessu rex furore
commotus equis ferocibus inligatam incitatisque cursibus per di-
versa divelli praecipisset, fratres eius Sarus et Ammius, germanae
obitum vindicantes, Hermanarici latus ferro petierunt; quo vulnere
saucius egram vitam corporis inbecillitate contraxit. quam adversam
eius valetudinem captans Balamber rex Hunnorum in Ostrogotharum
parte movit procinctum, a quorum societate iam Vesegothae quadam
inter se intentione seiuncti habebantur. Inter haec Hermanaricus
tam vulneris dolore quam etiam Hunnonim incursionibus non
^) Konstantin. Porphyrog. de administr. imp. c. 42 p. 182: i] öh
t))g Zl^iocs Ttagäliog i%tL vr\Gia, zb fif'yo; vTqßiov v.ixl xä XQia vrjaia-
ivSoQ'BV dh xovxcüv tlal v.ul sxsqu vr]aia xu iTtivor\%ivxa v.a\ naqu xcöv
Tjifßiv v.xiO%ivxa, x6 xs TovQyavi]Q% nal x6 T^aQßaydvL xal sxsqov vrjGLOV,
y.uL ilg xov xov Ttoxa^iov Xi[iivu s'xsqov vrjGLOv, aal slg xäg Utsliag
sxnQOV, iv Od iv xutg xäv 'Alavcov iitiSgo^aig ol 7jI%o\ Kaxacptvyovßi.
Vgl. Mas'ndT, Murüg II 46—47. Tomaschek a. a. 0. S. 126. West-
berg, Die Fragmente des Toparcha Goticus aus dem 10. Jahrhundert
S. 104—105. Mäm. de PAcad. de St. - P^tersbourg Vllle Sör. t. V
Nr. 2. 1901.
2) Vgl. z. B. Plin. 6, 35 : Ultra eos (Arimphaeos) plane iam Scythae,
Cimmerii, Cissianti, Georgi et Amazonum gens. Haec usque ad Caspium
et Hyrcanium mare.
Melal, 19 8 116: primi Maeotidae Gynaecocratumenoe regna
Amazonum, fecundos pabulo at alia steriles nudosque campos tenent.
Ammian. Marcellin. 31, 2, 16: parte alia prope Amazonum sedes
Halani sunt orienti adclines, diffusi per populosas gentes et amplas.
^) V rosomanorum, L rosomorum, Z rosimanorum.
366 J. Marquart,
ferens grandevus et plenus dierum centesimo decimo anno vitae
suae defunctus est. cuius mortis occasio dedit Hunnis praevalere
in Gothis illis, quos dixeramus orientali plaga sedere et Ostrogothas
nuncupari.
Die Episode von der Verwundung oder Verstümmelung
Ermanariks durch ein Brüderpaar aus Rache für die grausame
Hinrichtung ihrer Schwester hat bekanntlich auch die germanische
Heldensage bewahrt. Das älteste Zeugnis hierfür findet sich in
dem vor 994 geschriebenen älteren Teil der Quedlinburger Annalen
(MG. SS. III 31) und in den um die Mitte des 11. Jahrhunderts
verfassten Würzburger Annalen (MG. SS. VI 23) , die beide nach
E. Schröder 's Ausführungen ^) aus einer gemeinsamen Quelle,
nämlich einer interpolierten Handschrift von Bedas Weltchronik
geschöpft haben. Dasselbe lautet: Ermanricus rex Gothorum a
fratribus Hemido et Serila et Adaccaro, quorum patrem interfecerat,
amputatis manibus et pedibus turpiter, uti dignus erat, occisus est.
In dieser Version, die aus angelsächsischer Quelle stammt, ist also
die Schwester durch den Vater der Brüder ersetzt, dessen Tod
gerächt wird. Überdies ist zu dem altüberlieferten Brüderpaare
Sarus und Ammius (Serila und Hemidus) noch ein dritter Bruder
Adaccar , d. i. der Skirenfürst Odoakar , hinzugetreten , der
als Gegner des Ostgotenkönigs Theoderik bekannt war. Allein
Sunilda ist noch festgehalten in der norwegisch-isländischen Sage
und bei Saxo, wo sie Svanhildr heisst, wenn sie auch hier bereits
als Ermanariks Gattin aufgefasst wird und das Motiv zu ihrer
Hinrichtung ein persönliches, der Ehebruch mit einem Sohne
Ermanariks aus früherer Ehe ist. Zu ihren Brüdern Sorle und
Hamder {^Sarwüa und *Hainapius) , die Söhne des Jönakr
(Verstümmelung aus ags. *Eadaccar^ ahd. Ötachar, Odoacar?)-)
heissen, kommt hier ein dritter Erpr^ der aber an der Ermordung
Ermanariks nicht wirklich Teil nimmt.
Bei dieser Zähigkeit, mit welcher die Sage die Namen der
mit dem Untergange Ermanariks verknüpften Personen festgehalten
hat , muss es um so mehr auffallen , dass sich von dem Namen
des Volkes, dem dieselben angehörten, nach Jordanes keine Spur
mehr findet. Daraus darf man wohl den Schluss ziehen, dass
Rosomoni nicht ein eigentlicher Volksname , sondern ein epischer
Beiname war, und damit erhalten wir das Recht, unter den
historischen Völkern, die in der Geschichte Ermanariks hervor-
treten, Umschau zu halten und uns zu fragen, ob sich nicht vielleicht
^) Die Heldensage in den Jahrbüchern von Quedlinburg. Zeitschr.
f. deutsches Altertum 41, 1896, 24—32.
2) [Nach Bugge sind die Helgi- und die Volsungenlieder
der altern Edda von norwegischen Dichtern in Brittanien verfasst;
Helgedigtene i den asldre Edda, deres hjem og forbindelser. Kj0bu-
havn 1896. PBB. XII, 1897, 115—134.]
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 367
hinter einem derselben die Rosomoni verstecken könnten. HeinzeP)
hat nun die Vermutung aufgestellt, dass mit ihnen ein slawisches
Volk gemeint sei, und beruft sich auf eine Nachricht bei Saxo
1, 412, nach welcher Jarmericus die Führer aufrührerischer Slawen
von Pferden zerreissen Hess. Durch seine Grausamkeiten, zu
welchen ihn sein böser Berater Bicco anstachelt, hatte sich Jarmericus
den allgemeinen Hass zugezogen. Adversum quem etiam Sclavorum
tumultus exoritur. Cuius sopiendi gratia duces eoi'um captos, tra-
iectis fune tibiis, equis in diversa raptantibus praebuit lacerandos.
In hunc modum consumpti principes corporum suorum distractu
pertinacis animi poenas dederunt. Quae res Sclavorum in suo
statu aequali ac solida subjectione continuit. Ermanarik hatte
allerdings nach dem Zeugnisse des Jordanes Get. c. 23 § 119 auch
die Slawen sämtlich seiner Herrschaft unterworfen, von einem
Aufstande derselben wird indessen nichts berichtet. Der Erzählung
Saxo's liegt wahrscheinlich eine von Jordanes Get. 48 § 247 be-
richtete und in die kurze Regierung des Vinitharius, des Grossneffen
und Nachfolgers Ermanariks verlegte Begebenheit zu Grunde : qui
avi Vultulfi virtute imitatus, quamvis Hermanarici felicitate inferior,
tarnen aegre ferens Hunnorum imperio subiacere , paululum se
subtrahens ab illis suaque dum nititur ostendere virtute, in Antorum
fines movit procinctum, eosque dum adgreditur prima congressione
superatus, deinde fortiter egit regemque eorum Boz nomine cum
filiis suis et LXX primatibus in exemplum terroris adfixit, ut
dediticiis metum cadavera pendentium geminarent. Der hier be-
richtete Sieg des Vinitharius über die Anten hat in seiner kurzen,
von Kämpfen gegen die Alanen und Hunnen ausgefüllten Regie-
rung thatsächlich keinen Platz und gehört wahrscheinlich in die
letzte Zeit des Ermanarik"-). An und für sich stünde somit der
3) Über die Hervararsaga. SBWA. 114, 1887, S. 516.
1) Der wirkliche Verlauf der Begebenheiten beim Untergange des
ostgotischen Reiches ist schon bei Jordanes mehrfach verschoben. Nach
seiner Darstellung wären die Ostgoten alsbald nach dem_ Tode Erma-
nariks von den Hunnen unterworfen worden und zunächst in ihren alten
Wohnsitzen geblieben: Quos (Ostrogothas) constat morte Hermanarici
regis sui, decessione a Vesegothis divisos, Hunnorum su bditos
dicioni, in eadem patria remorasse, Vinithario tarnen Amalo
principatus sui insignia retinente (Jordan. Get. c. 48 § 246). Daran
schliesst sich die obige Erzählung von dem Siege des Vinitharius über
die Anten, worauf es heisst (§ 248): Sed dum tali libertate vix anni
spatio imperasset, non est passus Balamber rex Hunnorum, sed _ad-
scito ad se Gesimundo, Hunnimundi magni filio, qui iuramenti sui et
fidei memor cum ampla parte Gothorum Hunnorum imperio
subiacebat, renovatoque cum eo foedere super Vinitharium duxit exer-
citum; diuque certati prirao et secundo certamine Vinitharius vincit.
nee valet aliquis commemorare, quanta strage de Hunnorum Vene-
tharius fecit exercitu. tertio vero proelio subreptionis auxilio ad
fluvium nomine Erac [zwischen Dnjepr und Dnjestr], dum utrique ad
368 J- Marquart,
Vermutung Heinzeis nichts im Wege. Wenn die Slawenhäupt-
linge bei Saxo nicht aufgeknüpft, sondern von Pferden zerrissen
se venissent, Balamber sagitta missa caput Venetharii saucians inter-
emit, neptemque eius Vadamercam sibi in eoniugio copulans iam
omnem in pace Gothorum populum subactum possedit,
ita tarnen, ut genti Gothorum semperum proprius regulus, quamvis
Hunnorum consilio, imperaret. Et mox defuncto Venethario rexit eos
Hunimiindus, filius quondam regis potentissimi Hermanarici, acer in
hello totoque corpore pulchritudine pollens, qui post haec contra Sua-
vorum gente feliciter dimicavit. Ammian 31, 3, 3 dagegen berichtet
kurz: cuius (Ermenrichi) post obitum rex Vithimiris creatus restitit
aliquantisper Haianis, Hunnis aliis fretus, quos mercede sociaverat
partibus suis, verum post multas, quas pertulit clades, animam effudit
in proelio, vi superatus armorum. cuius parvi filii Viderichi nomine
curam susceptam Alatheus tuebatur et Saphrax, duces exerciti et firmi-
tate pectorum noti, qui cum tempore arto praeventi abiecissent fiduciam
repugnandi, cautius discedentes ad amnem Danastium pervenerunt, inter
Histrum et Borysthenem per camporum ampla spatia diffluentem.
Nach Ammian setzten die Ostgoten also nach Ermanariks Tode
ihren Widerstand fort, und zwar waren es die mit den Hunnen ver-
bündeten Alanen, gegen welche Ermanariks Nachfolger nach zahl-
reichen unglücklichen Gefechten zuletzt im Kampfe blieb. Von einem
Kriege desselben gegen die Anten ist hier keine Rede und ein solcher
auch durch die politische Lage nach Ermanariks Tode, wie sie sich
aus Ammiaus Bericht ergibt, geradezu ausgeschlossen : sowohl Ammian
als Jordanes heben die kurze , kaum einjährige Regierung des Nach-
folgers Ermanariks (Vithimiris bezw. Vinitharius) hervor. Allein der
Name Vinitharius bei Jordanes, Winitarius bei Cassiodor. Var. XI
1, 19 p. 330 ed. Mommsen, got. *Winipaharjis „ein Wendenheer be-
sitzend", setzt in der That einen Sieg dieses Fürsten über Wenden
(Anten) voraus , der daher wahrscheinlich in die Regierung des bereits
bejahrten Ermanarik fällt, wie auch der Name seines Sohnes Vanda-
larius, got. * Wandalaharjis einen solchen über die Wandalen anzeigt,
der vor 406 und wahrscheinlich schon vor 401 stattgefunden haben
muss, in welchem Jahre wir die Wandalen in Raetien finden (Chaudian.
de hello Pollentino ed. Birt v. 414 — 415). Dass die Wandalen durch
die Ostgoten aus Pannonien verdrängt worden waren, deutet auch
Jordan. Get.c. 31 §161 an: nam Vandali vel Alani, quos superius diximus
permissu principum Romanorum utramque Pannoniam resedere, nee ibi
sibi metu Gothorum arbitrantes tutum fore, si reverterentur, ad Gallias
transierunt. Vinitharius und Vandalarius werden demnach ursprüng-
lich nicht Eigennamen, sondern Beinamen sein, sodass gegen ihre Gleich-
setzung mit Ammians Vithimiris und Viderichus nichts einzuwenden ist.
Nach Jordanes war Vinitharius der Grossneflfe des Ermanarik, und aus
Ammians Worten darf man schliessen, dass Vithimiris weder der Sohn
noch der Enkel seines Vorgängers war. Zu Gunsten jener Gleichung
fällt aber noch stark in die Wagschale, dass ein Sohn des Vandalarius,
also ein Enkel des Vinitharius- Küi/imwVzis, wieder Vidimir heisst.
Der Erzählung des Jordanes zufolge , die aber bereits sagenhaft
zusammengezogen ist, indem sie die Alanen ausschaltet und alles auf
die Hunnen überträgt, und als Volkssage an verschiedenen Anachronismen
leidet, hätte sich nach dem Tode des Vinitharius das ganze Volk der
Ostgoten dem Hunnenkönig Balamber alsbald freiwillig unterworfen,
der den Frieden durch die Vermählung mit einer Enkelin (oder Nichte)
des gefallenen Königs besiegelt habe, und einen Häuptling aus der Linie
des Ermanarik erhalten. Dies ist nach dem Zeitgenossen Ammian
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 369
werden, so ist diese ungewöhnliche Hinrichtungsart ofiFenbar
aus der Svanhildsage eingedrungen. Aber gegen die slawische
bekanntlich unrichtig; es kann sich vielmehr nur um eine Partei unter
den Ostgoten oder Greutungen handeln, welche den Enkel Ermanariks
auf den Schild erhoben und sich den Hunnen unterworfen hatte, wie
Jordanes kurz vorher selbst andeutet (§ 248 : qui . . . cum ampla parte
Gothorum Hunnorum imperio subiacebat), während sich der der älteren
Linie des Königshauses ergebene Hauptteil des Volkes unter Führung
des Alatheus und Saphrax nach dem Dnjestr zurückzog und im J. 376
den unter Fritigern stehenden christlichen Terwingen (Westgoten),
welche vom Kaiser Valens die Erlaubnis zur Niederlassung in Thrakien
erhalten hatten, über die Donau folgte (Ammian. Marcellin. 31, 5).
Nach dem Untergange des Valens in der Schlacht von Adrianopel 378
zogen Alatheus und Saphrax während der Krankheit des Theodosius
im Jahre 380 mit den Ihrigen nach Panuonien, während Fritigern
Epeiros und Achaia verheerte. Jordan. Get. 27 § 140: sed Thepdosio
principe pene tunc usque ad disperationem egrotanti datur iterum
Gothis audacia divisoque exercitu Fritigernus ad Thessaliam praedan-
dam, Epiros et Achaiam digressus est, Alatheus vero et Safrac cum
residuis copiis Pannoniam petieruut. quod cum Gratianus Imperator,
qui tunc a Roma in Gallis ob incursione Vandalorum [richtig Alaman-
norum] recesserat, conperisset, quia Theodosio fatali desperatione suc-
cumbente Gothi malus saevirent, mox ad eos collecto venit exercitu,
nee tamen fretus in armis, sed gratia eos muneribusque victurus,
pacemque, victualia illis concedens, cum ipsis inito foedere fecit.
Zos. 4, 34: QsoSoeiov toivvv övtog iv rovroig, rganavog 6 ßaatlsvg
iKTtE^nsi tote y-oi-ta xo 'lUvQiäv y.li^a argaricotiMotg räy^aGi axQatriybv
BtraUccvov, ccvSqu TttTiovr\y.6aL xolg TtQciy^aai. v.ar ovöhv ixQTihaL dvva-
yutvov. Tovtov öh ijyovfiivov dvo iioiqul t&v vTthg xbv "Pfjvov FsQ^iavi-
K&v iO-vav [Verwechslung mit den Alamaunen], r) ^ihv j]ys\L6vi ^QixiyiQV(f>
XQCoiLSVT], rj öh vTtö 'AXlo&sov xat 2JdcpQaoioc xsxccyn£vr], xoig KtlxiTiotg
£&V£aiv iitiY,£l{LSv ai v.axi6xr\6av dg äväyy.r\v xbv ßccaLliu FQaxiavbv iv-
Sovvai acpioLV, aTfohnovaaig xcc Jv Kslrolg, diä xov "laxQOV Tlaioviav
aal xr]P ävco Mvaiav yiaxccXaßsiv fjv yaQ ccvxä löyog xe ■nal^aTtovSr] xicog
ccTtallay?]VUL xfjg 6vvi:%ovg xovxcov i(p6öov. dianUvaavxbg ovv iitl xovroig
xbv"l6rQ0V, Siuvoov[ihvoi xs Siu TIcaoviag i%l xr]v "HnEiQOV ^dtaßfjvai,,
TtSQaiaO'fjvaL 6h xbv 'A%tl&ov v-ot xalg 'E%lr\viv.cilg itöUaLV STti'd-Eö&ca,
rQoq)ug TtOQiaaG&aL arj&riaav tvqÖxsqov , 'AQ'avccQi%6v<xt> navxbg^ xov
ßaGiUiov x&v I^iiv&cüv aqxovxa yivovg iv-itoSav TConqGaG&at, Ttgbg xb
(ir]6ivci yiaxa. vatxov xbv xcolvaovxcc xi]v ccvxav iTtixsLQTqaiv f'xntv. ^ sjtt'9'E-
fifO'Ot xoLvvv avxä) avv ovötvl novca xüv xöncov iv olg 7\v ccTtaviaxriaav^
6 6h ag Quoöbciov i'ÖQa^Ev ccQxico'g kTtaklayivxa voaov xbv ßiov avxöj
xaxaGxriGäarig sig a^cpißolov v.xl.
Aus der Darstellung des Zosimos ergibt sich demnach, dass
Gratian sich in dem Friedensschluss mit den Goten dazu verstehen
musste , diesen Pannonien und Obermoesien einzuräumen , wenn der
Schriftsteller auch den Frieden selbst fälschlich vor die Verheerung
von Epeiros und Achaia durch die Barbaren setzt. Die Greutungen
des Alatheus und Saphrax erhielten also Sitze neben den Wandalen,
die schon unter Konstantin d. Gr. in Pannonien angesiedelt worden
waren (Jordan. Get. 22 § 115).
Dass die Ostgoten hier sofort unter die Obmacht der Hunnen
geraten wären, ist gegen alle Wahrscheinlichkeit, wenn sie auch von
ihren Streifzügen nicht verschont geblieben sein werden. Die Ver-
mählung eines Hunnenkönigs mit einer ne^^^is des Vinitharius-Vithimiris
kann aber natürlich erst weit später stattgefunden haben, da dieser bei
24
Marquart, Streifzuge. ''^
370 «J- Marquart,
Nationalität der Rosomoni spricht schon der Umstand, dass,
während Boz sich deutlich als slawisch verrät, die Namen
seinem Tode nur einen unmündigen Sohn hinterliess. Es ist daher auch
keineswegs notwendig, neptis hier als Nichte aufzufassen, wie bei
Cassiodor. Var. IV 1, 1 p. 114, 3 ed. Mommsen, wo es Schwesters-
tochter bedeutet (vgl. neptes Var. V 43, 1 p. 170, 6 und nejws = Bruders-
sohn eb. I 88, 1 p. 35, 28) , da auch eine Nichte des Vinitharius bei
seinem Tode gewis noch nicht mannbar war. Der betreffende Hunnen-
könig kann demnach nicht Balamber gewesen sein, sondern nur einer
der nächsten Vorgänger Attilas. Derartige Anachronismen sind in der
Volkssage nichts Auffälliges und zumal der deutschen Heldensage ganz
geläufig. Diese Auffassung scheint auch durch die Lesart uualada-
marcam in den Hss. 0 B an die Hand gegeben zu werden, die nur
la a
aus einer Korrektur VVadamercam d. i. Walamarcam erklärt werden
kann, wornach die Enkelin des Vinitharius also zu seinem Enkel
Valamer in Beziehung gesetzt würde, gleichviel ob diese Verbesserung
nun berechtigt ist oder nicht. Von diesem Zweige der Ostgoten hören
wir nichts mehr bis zur Zeit Attilas.
Mit der Auffassung der gotischen Volkssage bei Jordanes kommt
allerdings nahe überein die auch von Jordanes Get. 32 § 166 über-
nommene Notiz des Marcellinus comes Ind. X Hierii et Ardaburis
(a. 427) : Pannoniae , quae per quinquaginta annos ab Hunnis retine-
bantur, a Romanis receptae sunt (Chron. minora II 76 ed. Mommsen;
M. Gr. Auct. antiquiss. t. XI). Darnach fiele die Besetzung von Pannonien
durch die Hunnen schon ins Jahr 378, also nach der Schlacht von Adria-
nopel. Allein dies ist ist eine allzu schematische Grcschichtsbetrachtung.
Pannonien war allerdings im Jahre 379 an die Barbaren verloren ge-
gangen, nachdem es schon im vorigen Jahre gleich den andern Donau-
provinzen von ihnen ausgeraubt worden war; vgl. Pacat. pauegyr. c. 11:
Nescis me tibi tuisque decrescere? Quidquid atterit Grothus, quidquid
rapit Hunnus, quidquid aufert Alanus, id olim desiderabit Arcadius.
Perdidi infortunata Pannonias; lugeo funus lUyrici; specto
excidium Galliarum. Nach dem Friedensschluss Theodosius' I. mit den
Goten folgten die in Pannonien ansässigen Goten, Alanen und Hunnen
dem römischen Aufgebot, erkannten also die Oberhoheit des römischen
Reiches an; Pacat. panegyr. c. 32: o res digna memoratu! Ibat sub
ducibus vexillisque Romanis hostis aliquando Romanus, et signa, contra
quae steterat, sequebatur, urbesque Pannoniae, quas inimica dudum
populatione vacuaverat, miles impleverat. Gothus ille et Hunnus et
Alanus respondebat ad nomen, et alternabat excubias et notari in-
frequens verebatur. Aber noch um die Wende des 4. und 5. Jahr-
hunderts klagt Hieronymus ep. 60 c. 16 (opera t. I 344 ed. Vallarsi):
Viginti et eo amplius anni sunt, quod inter Constantinopolim et Alpes
lulias quotidie Romanus sanguis etfunditur. Scythiam Thraciam Mace-
doniam Dardaniam Daciam Thessaliam Achaiam Epiros Dalmatiam
cunctasque Pannonias Gothus Sarmata Quadus Alanus, Hunni Wandali
Marcomanni vastant trahunt rapiunt.
Wenn es aber auch schon seit jener Zeit Hunnen in Pannonien
gab, so haben wir doch keinen Grund zu der Annahme, dass die Hunnen,
deren Hauptlager noch mindestens zwei Jahrzehnte lang irgendwo in
dem Gebiete zwischen Dnjepr und Karpaten stand , bereits damals die
Herrschaft über Pannonien ausgeübt hätten. Prosper und Hydatius
wissen nichts von einer Besetzung Pannoniens durch die Hunnen im
Jahre 378. Vgl. auch Wietersheim-Dahn, Gesch. der Völker-
wanderung II 2 208. 382.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 371
Sunilda, Sarus und Ammius unzweifelhaft germanisch sind : Sarus
(got. *Sarws, dim. Sarwila , ags. Serila, an. SorJe) heisst auch
Dagegen Hessen sich zwischen 378 und 401 auch Alanen neben
den Wandalen als foederati des römischen Reiches in der Theissebene
nieder. Noch im Jahre 391 machten sie im Verein mit den Visi
(Terwingen oder „Westgoten"), Bastarnen, Hunnen und Sarmaten Ein-
fälle nach Thrakien; vgl. Claudian. in Rufinum I 310 ss.:
Mixtis descendit Sarmata Dacis
Et qui cornipedes in pocula vulnerat audax
Massagetes caesamque bibens Maeotin Alanus
Membraque qui ferro gaudet pinxisse Gelonus,
Rufino collecta manus.
De consulatu Stilichonis I 94 ss. :
Quis enim Visos in plaustra feroces
Reppulit aut saeva Promoti caede tumentes
Basternas una potuit delere ruina? ....
Non te terrisonus Stridor venientis Alani
Nee vaga Chunorum feritas, non falce Gelonus,
Non arcu pepulere Getae, non Sarmata conto.
Auch im Jahre 395 werden sie noch als Feinde erwähnt; in
Rufinum IT 270—271:
lam parat insidias, qui nos aut turpibus Hunnis
Aut impacatis famulos praebebit Alanis.
Dagegen waren die Alanen im Anfange des Jahres 398 gleich
ihren Verwandten , den Sarmaten , in den Kriegsdienst des Westreiches
getreten; Claudian. panegyr. de IV consulatu Honorii 484-487:
Obviam quid mirum vinci, cum barbarus ultro
lam cupiat servire tibi? Tua Sarmata discors
Sacramenta petit, proiecta pelle Gelonus
Militat, in Latios ritus transistis Alani.
Wir treffen sie als fremde Hilfstruppen im Heere Stilicho's in den
Jahren 402 und 403; de hello Pollentino 580—585:
Simul externis praecepta ferebat
Auxiliis. Ibat patiens dicionis Alanus,
Qua nostrae iussere tubae, mortemque petebat
Pro Latio; docuit gentis praeclarus Alanae,
Qui natura breves animis ingentibus artus
Finxerat inmanique oculos infecerat ira.
Panegyr. de VI consulatu Honorii 224. Wir werden uns den
pragmatischen Zusammenhang am besten so vorzustellen haben , dass
sie samt den Wandalen im Jahre 400 oder 401 von den heidnischen
Goten des Radagais, die erst damals, wie es scheint, von Dakien her
in die Theissebene einbrachen, verdrängt worden und in Raetien und
Norikum eingefallen waren. Vgl. Th. Birt, M. G. Auct. antiquiss.
t. X p. XLVIII— XLIX.
Um diese Zeit macht sich bei den Hunnen ein strafferes Anziehen
der Zügel bemerkbar, und es ist kein Zufall, dass uns jetzt, abgesehen
von der gotischen Volkssage bei Jordanes, zum erstenmale der Name
eines Hunnenfürsten genannt wird.
Als der Gotenführer Gaina nach seiner durch Fravitta am Helles-
pont erlittenen Niederlage mit dem Reste seiner Truppen an die Donau
zog und über den Strom setzte, um in die alten Wohnsitze seines
Volkes zurückzukehren (400), OvXSrig dh 6 rr}v Ovvvmv k'xcov y.ar' ixd-
vovg Tovg j^govovg rjyt^oviav,. ovv. äacpulhg r^yriGÜ^iSvog slvai ßagßaQO)
atQdronsöov olv-slov i^ovri 6vy%coQfiaai itiqav rov "latQOv rr}v oiKriaiv
24*
372 J- Marquart,
ein Gotenfürst Oros. 7, 37, 12. Marcellinus comes a. 406, Chron.
min. II 69. Jordan. Rom. 41, 20 ed. Mommsen. Olympiodor
s'^Biv, &na Sh Kcci rw 'Pco^cäcov ol6[i£vog ßaOiXsl 'j(^aQiSL6%aL rovtov aito-
Sl(oko3V, sig [Lcc^riv avrü v,uta6xfivai TtagsCKSvä^ito Kai avvayuyav ttjv
Svva^i-v avTsrärtato. Kai Tatvrig öh ovrs TtQog 'Pco^aiovg iitavsXQ'aiv
iti övväiiBvog o^rs aXXcog rrjv äitsiXoviihVTqv fcpodov SicccpvyBiv, önXiGag
Tovg ovv ccvrä) rolg Ovvvoig ccmqvzu. Gv^nXaKivTcov öh x&v atgccroTttSav
ovx ciTta^ ccXXä kuI TtoXXämg c:XXriXoig, avrsaj^s ^hv si'g rivug (iccy^ccg f]
rccivov iiegig, intl öi noXXol xs i^ avtäv fitscov, avrjQs&r] kuI uvxbg
raiVT]g, KCiQXiQcög kuI ysvvaicog aycoviaä^svog. xov noXi^ov xfj Taivov
TbXsvxfi TtBQag Xaßovxog, OiXdrig 6 x&v O^vvcov rjyov^avog xr]v tovxov
KscpaXijv 'AQKadio} x& ßaatXtl niiiipag Scagsiöv r]^tovxo Kai inl xovxotg
anovdäg Tcgbg 'PcoiKxiovg ixi&txo (Zos. 5, 22). Dieser Hunnenfürst Uldin,
wie ihn Orosius (7, 37, 12) nennt, wird auch den Radagais mit seinen
Scharen zur Auswanderung nach der Theissebene gezwungen haben';
auf Kämpfe der Goten mit Alanen und Hunnen in dieser Zeit weisen
die Andeutungen des Gros. 7, 37, 3 : taceo de ipsorum inter se barba-
rorum crebris dilacerationibus , cum se invicem Gothorum cunei duo,
deinde Alani atque Hunni variis caedibus populabantur. Allein auch
hier Hessen die Hunnen den gehetzten Goten — wahrscheinlich Ost-
goten — keine Ruhe, und so brach Radagais im Jahre 404 an der
Spitze von 200 000 Mann nach Italien auf. Doch sie vermochten den
schrecklichen Feinden nicht zu entrinnen; selbst über die Alpen folgte
ihnen Uldin mit seinen Hunnen als Bundesgenosse der Römer, mit
dem sich der dem Alarich feindliche Westgotenführer Sarus ver-
einigte; das Heer des Radagais, das in drei Haufen unter drei ver-
schiedenen Führern geteilt war (Chron. Gall. a. CCCCLII nr. 50. 52
bei Mommsen, Chron. min. I 652), wurde von ihnen bei Faesulae
eingeschlossen und im Jahre 405 zur Übergabe gezwungen (Gros. 7,
37, 4 — 16 und nach ihm Marcellinus comes Chron. a. 406, Chron. min.
II 68/69. Jordan. Romana § 321 p. 41, 18—21 ed. Mommsen; Prosper
Tiro nr. 1228 a. 405, Chron. min. I 464; Additam. ad Prosp. Havn.
a. 405 ib. I 299; Isidori Hist. Goth., ib. II 272. Olympiodor. fr. 9 bei
Dindorf , Hist. Gr. min. I 452; Zos. 5, 26, 3—5). Prosper und Cassiodor
lassen den Radagais irrtümlich schon im Jahre 400 gemeinsam mit
Alarich in Italien einfallen (Chron. min. I 464. II 154), wovon der Zeit-
genosse Claudianus jedoch nichts weiss.
Von diesem Zeitpunkte ab dürfen wir also die Obmacht der
Hunnen in Pannonien rechnen, und damals werden sich ihnen auch
die Scharen des Alatheus und Saphrax unterworfen haben. Uldin
(OvX&ig 6 Tjyov^hvog x&v TTspi xbv "Iötqov ßaQßccQcov) überschritt im
Jahre 408 an der Spitze eines zahlreichen Heeres die Donau und machte
Raubzüge nach Thrakien, ward jedoch, als er den Rückzug über die
Donau antrat, von den Römern angegriffen und verlor einen grossen
Teil seines Heeres und seine ganze Nachhut, welche von den Skiren
gebildet wurde (Sozom. 9, 5). Nach dieser Niederlage ist von Uldin
nicht weiter die Rede. Erst unter dem Fürsten Ena oder Ruga, dem
Oheim Attila\s, hören wir wieder von grösseren Unternehmungen der
Hunnen. Im Jahre 422 verwüsteten sie Thrakien (Marcellin. comes
Ind. V. Honorii XIII et Theodosii X; Chron. min. II 75), und im J. 425
zogen 60000 Hunnen unter Führung des Aetius, der früher bei ihnen
als Geisel geweilt hatte, dem Tyrannen Johannes zu Hilfe; sie kamen
jedoch erst drei Tage nach der Hinrichtung des Usurpators an und
Hessen sich nach einem blutigen Kampfe mit dem römischen Reiter-
führer Aspar von Aetius, der seinen Frieden mit der Kaiserin Placidia
machte , zur Umkehr bewegen (Sokrat. h. e. 7, 23. Prosp. Tiro nr. 1288.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 373
Chron. min. I 470). Im nächsten Jahre (426) aber unternahmen sie unter
ihrem Fürsten Ruga einen grossen Raubzug nach Thrakien und zogen
gegen die Kaiserstadt; der Himmel stritt jedoch für die Eomäer, und
Ruga (^Povyug, Theodoret 'Potlag) selbst soll vom Blitze erschlagen
worden sein. Da auch die Pest in ihren Reihen wütete, so sahen sich
die Hunnen genötigt, wieder über die Donau zurückgehen. So die
sagenhaften Berichte der Kirchenhistoriker Sokrates und Theodoret.
Sokrates h. e. 7,4.3: ^tru yaQ ri]v tov tvQcivvov (Johannes) avaigsaiv ol
ßägßdQOL ovg iaulvos Ttgbg ßorj&i:iav y,ata. 'Pcoiiaicov iiiälsGtv stoißOi
rjßccv v.arurgi%siv xu "^Pconaicov ■nqa.yy.ata. ravra 6 ßaaiXsvg Ttvd'O^evog
cvt">]&cog Ti]v Ttegl tovtcov q^QOvridu insTQüipi: tä &iö} • tvj^cäg rs G^oXd-
aug, ovK nlg {la-nQuv ihjjVVGSv u i^rixsi Xaßtiv. ola yuQ di] y.a.1 iysvnto
ToTg ßaQßccQOcg, nulbv iTtay.ovaai. d'vrjay.n fihv avrwv 6 iitocQxog cp
bvo{ia i]v 'Povyag ßXri&Hg yiSQavvä. Xoip.ög rs iitLlaßö^svog t6 rclslatov
rmv Vit avroi ccv&Qmncov öiscpd'BiQS. aal ov rovto ^övov E^r]Qy.86£v,
aXlci yccQ v.al tivq j| ovqcivov y.utsX^'ov noXXovg rmv vnoXsicp&tvrcov
äväXcoGEV • V.UI rovto eig dsog (isyiatov rovg ßaQßdgovg Kariarr]asv, ov
rocovtov oxi TtQog 89'vog ysvvalov tb '^Pco^aiav onXu avaigsiv iroX^riOav,
ccXX' ort, TtXiov vTtb ta^vgov Q'nov ßor]9'oviisvovg iq}8VQiaxov.
Theodoret h. e. 5, 37 p. 243 Vales. : kccI yäg r]vUcc 'Potlag HxvQ'cbv
rav vo^ccScov rjyovfisvog, xov xt "laxgov disßr] (isxa GXQccxi&g ort ^ciXiaxa
TtXeiaxi^g, -kuI xtjv ©paxTjv iöjjov -aal iXrj'C^sxo, nul r-qv ßaßiXida noXiv
TtoXioQ%r\6siv xs Kul uvxoßosl aiQt]68LV xat avdaxaxov ijTtiiXrj 7ioir\G£LV,
Gv.rftxoTg avco&cV 6 ^sbg iiul 7tQT\6xfiQ6i ßaXüv v.al avxbv v.axicpXti,s, y.ul
xr]v cxQccriäv KaxaväXaCBv ciTta^. Die Nachricht vom Untergange Ruga'ß
war freilich nur ein falsches Gerücht, da derselbe, wie wir aus galli-
schen Chroniken wissen, erst im J. 434 starb. Chron. Gall. a. CCCCLII
nr. 116 a. 434 (Chron. min. I 660): Rugila rex Chunorum, cum quo pax
firmata, moritur, cui Bleda succedit. Chron. Grall. a. DXI nr. .589 a. 434
(ib. I 661): Defuncto Ruga Attila rex. Vgl. Chron. Gall. a. CCCCLII
ur. 112 a. 433 (ib. I 658); Chron. Gall. a. DXI nr. 587 (ib. I 659).
Nach jenem verhängnisvollen Zuge Ruga's nach Thrakien hätten die
Römer also nach Marcellinus den Hunnen Pannonien wieder entrissen.
Wietersheim-Dahn, Gesch. der Völkerwanderung II 382 glaubt,
dass etwa ein hunnisches (oder den Hunnen unterworfenes germanisches)
Volk in das südliche Pannonien an der Save vorgedrungen war und
die Räumung durch Aetius, etwa auf Grund des im Jahre 424 ge-
schlossenen Vertrages, bewirkt worden sei. Priskos setzt in der That
ausser Zweifel, dass erst im Jahre 433 wieder ein Teil von Pannonien
an der Save den Hunnen abgetreten wurde, die Gesamtprovinz also
vorher römisch und zwar weströmisch gewesen sein muss.
Aus all dem ergibt sich, dass die von Ermanarik abstammende
Linie des ostgotischen Königshauses, welcher Hunimund und Thorismöd
angehörten, nur über einen Teil der Greutungen oder Ostgoten unter
hunnischer Oberhoheit geherrscht haben kann, worüber freilich ander-
weitige Nachrichten gleichfalls fehlen. Unter den Suavi, gegen die Huni-
mund glücklich gekämpft haben soll, sind die Donausueben d. h. die
früheren Quaden zu verstehen, die im J. 406 im Gefolge der Wandalen
und Alanen über den Rhein gingen und mit ihnen 409 nach Spanien zogen;
ob deshalb aber anzunehmen ist, dass sich auch Hunimund mit seinem
Volke bereits in Pannonien niedergelassen hatte, bleibt zweifelhaft.
Über die in Dakien (unter hunnischer Oberherrschaft) zurückgebliebenen
Greutungen {Gruthungi) erfahren wir, dass sie im Jahre 386 unter
ihrem König Odothaeus (Odothei regis Claudian. de IV consulatu Honorii
632) versuchten, mit Weib und Kind ins römische Gebiet einzudringen,
aber vom General Promotus in einer Seeschlacht bei der Donauinsel
Peuke aufgerieben wurden (Claudian. de quarto consulatu Honorii
623—637. Zos. 4, 35, 1. 38—39. Hydatii contin. chron. Hieronym. nr. 12.
374 J. Marquart,
Chron. min. II 15. Consularia Constantinopol. a. 386 ib. I 244). Im
Jahre 399 finden wir Greutungen und Ostgoten als Kolonen in Phrygien
angesiedelt, Claudian. in Entropium II 153 — 154:
Ostrogothis colitur mixtisque Gruthungis
Phryx ager
die von Gaina zum Aufstande gereizt wurden und unter dem comes
Triggwagild (Tarbigilus in Eutrop. II 176), der in Nakoleia residierte,
Phrygien und andere Landschaften von Kleinasien verheerten. Sie
wurden dann im nächsten Jahre in den Untergang des Gaina verwickelt.
Vgl. Birt, M. G. Auct. antiquiss. t. X p. XXXV— XXXVI. Lebeau-
St. Martin, Eist, du Bas-Empire 5, 175—181. 199—212. Birt's Ver-
mutung, sie seien im Gefolge der Hunnen im Jahre 395 durch den
Kaukasus nach Kleinasien gelangt, ist jedoch sehr unwahrscheinlich,
da es die weissen Hunnen oder Chioniten waren, welche in jenem
Jahre durch die Kaspischen Thore nach Transkaukasien einbrachen
und bis nach Mesopotamien vordrangen. S. mein Eransahr S. 55 A. 8. 96.
Das Verständnis des gegenseitigen Verhältnisses der älteren und
jüngeren Linie des ostgotischen Königshauses in Geschichte und Sage
während der dunklen Zeit vom Tode Ermanariks bis auf Theoderik
hat zur Voraussetzung eine richtige Auffassung des Stammbaumes der
Amaler. Der Stammbaum der älteren, auf Vultuulf zurückgehenden
Linie wird durch die Angabe Ammians (31, 3,3. 4, 12) als richtig er-
wiesen, dass Vithericus-Vandalarius beim Tode seines Vaters Vithimiris-
Vinitharius (etwa 375) noch ein kleiner Knabe war (parvi filii).
Vithimiris wird also damals nicht viel über dreissig Jahre alt gewesen
sein. Wenn daher Vandalarius Get. § 252 als fratrivelis Hermanarici
bezeichnet wird, so muss dies hier „Urgrossneffe" bedeuten. Des
Vandalarius Enkel Theoderik war im Jahre 454 oder 455 geboren
(vgl. Wietersheim-Dahn, Geschichte der Völkerwanderung II 322.
Dahn, Die Könige der Germanen II 63), sein Vater Thiudemer muss
daher bei seiner Geburt etwa ein Fünfziger gewesen sein. Weder er noch
sein älterer Bruder Valamer hatten bis dahin männliche Nachkommen,
und daraus erklärt sich, dass Valamer seinen Neffen, der nicht einmal
ehelich geboren, sondern der Sohn einer Konkubine war, adoptierte.
Es fehlt somit kein Glied zwischen Vandalarius -Vithericus und den
drei Brüdern Valamer, Thiudemer und Vidimir.
Dagegen ist die Genealogie der von Ermanarik abstammenden
Linie nach Jordanes' Darstellung widersinnig. Ermanarik soll im
höchsten Greisenalter, 110 Jahre alt, an einer Wunde gestorben sein
(c. 24 § 130), und doch soll ihm nach der ephemeren Regierung des
Vinitharius sein Sohn Hunimund in voller Jugendblüte (toto corpore
pulchritudine pollens Get. c. 48 § 250) gefolgt sein. Freilich ist es
historisch ganz unmöglich , dass Ermanarik ein so patriarchalisches
Alter erreicht haben sollte — er kam erst einige Zeit (post temporis
aliquod) nach dem Tode Geberichs, der im Jahre 332 noch herrschte,
zur Regierung (Jordan. Get. 23 § 116; vgl. Wietersheim-Dahn,
Gesch. der Völkerwanderung II 3) — und da der Ausdruck grandevus
et pleiius dierum dem alten Testament entlehnt ist (vgl. Gen. 35, 29.
lob 42, 16), so ist nicht schwer zu erkennen, dass Cassiodorius das
Lebensalter Josuas und Josephs (Jos. 24, 29. Gen. 50, 22. 25) auf den
grossen Gotenkönig übertragen hat. Aus Ammians Darstellung 31, 8, 1. 2
wird niemand den Eindruck gewinnen, dass Ermanarik beim Einbruch
der Hunnen ein dem Grabe zuwankender Greis war: er mag etwa ein
rüstiger Siebziger gewesen sein. Dass aber Huniinund bei seinem Tode
in der That noch sehr jung war, geht auch aus dem Lobe hervor, das
ihm Cassiodor in dem Verzeichnis der kchiiglichen Ahnen der Amala-
swintha spendet: enituit enim . . . Unimundus forma. (Cassiodors Variae
XI, 1, 19 ed. Mommsen; M. G. Auct. antiquiss. XII p. 330).
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 375
Die oben angeführte Stelle des Jordanes Get. c. 48 § 248 (s. S. 367
erster Absatz der Anm.), in welcher davon die Rede ist, dass ein Teil
der Ostgoten unter einem gewissen Gesimund, der ganz ungehörig als
Sohn des erst weiterhin genannten Hunimund bezeichnet wird, welcher
noch unpassender den Beinamen Magnus erhält, den Hunnen unterworfen
gewesen sei und diesen gegen Vinitharius Heeresfolge geleistet habe, ist
durch flüchtigen Auszug entstellt und wird erst verständlich durch eine
Stelle in Cassiodors Variae (VUI 9, 8 p. 239, 3 ff. ed. Mommseu) , wo
der König Athalarik dem Patricius Tuluin den Gesimund als Spiegel
vorhält: Extat gentis Gothicae huius probitatis exemplum. Gensi-
mundus ille toto orbe cantabilis, solum armis filius factus, tanta
se Hamalis devotione coniunxit ut heredibus eorum curiosum ex-
hibuerit famulatum. quamvis ipse peteretur ad regnum,
impendebat aliis meritum suum et moderatissimus om-
nium quod ipsi conferri poterat, ille parvulis exhibebat.
atque ideo eum nostrorum fama concelebrat: vivit semper relationibus,
qui quandoque moritura contempsit. sie quamdiu nomeu superest
Gothorum, fertur eins cunctorum adtestatione praeconium. unde fas
est de te meliora credere, quem nostri constat generis affinitate gaudere.
Obwohl Cassiodor hier wie in der eben erwähnten Aufzählung der
Könige aus dem Geschlechte der Amaler den Namen Ermanariks, der
in der Volkssage bereits zum Typus des grausamen Tyrannen geworden
war (Müll enh off, ZDA. 12, 254), geflissentlich verschweigt, so kann
über den Sinn dieser Stelle doch kein Zweifel obwalten. Darnach
haben wir uns den Sachverhalt so vorzustellen, dass der alte Ermanarik,
nachdem seine Söhne vor ihm gestorben waren, den nicht der Anaaler-
sippe angehörigen Gesimund durch die Waff'en adoptierte, und diesem
nach dem Tode des Königs die Krone angeboten wurde, welche er
jedoch zu gunsten des noch im Kindesalter stehenden {parvulis) Erben
desselben ausschlug, als dessen Vormund er sich betrachtete. Dies
Verhältnis muss Cassiodorius auch in seiner gotischen Geschichte in
dem von Jordanes sinnlos ausgezogenen Satze adscito ad se Gesimundo,
Hunnimundi Magni filio zum Ausdruck gebracht haben : offenbar hatte
er den Gesimund als Adoptivsohn des grossen Ermanarik (vgl. § 250:
quondam regis potentissimi Hermanarici) und Bruder des unmün-
digen Hunimund bezeichnet. Da aber in der gotischen Sage bei
Jordanes die historische Rolle des Alatheus und Saphrax, der Beschützer
des unmündigen Vithericus - Vandalarius , und ihre Flucht vor den
Hunnen vergessen ist (§ 249—250), so ist es wahrscheinlich, dass in
derselben Gesimund zugleich als Vormund des Vandalarius vorgestellt
war. So erklärt sich der Plural {heredibus, parvulis) befriedigend und
man braucht nicht mit Müll enh off seine Zuflucht zu der Annahme
zu nehmen, dass mit jenen unmündigen Erben die drei Söhne des
Vandalarius gemeint seien, der ja der gotischen Sage zufolge gar nicht
König gewesen war. Nach der Darstellung des Jordanes muss Gesi-
mimd schon unter der kurzen Regierung des Vithimiris das Erbrecht
seines Schützlings Hunimund zur Geltung gebracht und sich den Hun-
nen unterworfen haben; Hunimund war aber damals jenem Briefe des
Athalarik zufolge noch ein Kind und kann daher nur ein Enkel des
Ermanarik gewesen sein. Den Namen seines Vaters kennen wir also
aus historischen Quellen nicht. Über die lateinische Schreibung Gensi-
mundus für Gesimundus s. E. Schröder im Index zu Mommsen's
Ausgabe der Variae.
Es scheint aber bisher nicht beachtet zu sein, dass auch Himi-
mund „unter der Mund der Hunnen lebend" gleichwie Vinitharius^ und
Vandalarius nicht wirklicher Eigenname, sondern nur ein die politische
Stellung seines Trägers charakterisierender Beiname ist und wir so-
mit den wahren Namen dieses Greutungenfürsten noch nicht kennen —
376 J- Marquart,
man müsste denn annehmen, derselbe sei erst nach dem Tode Ermanariks
geboren, was indessen äusserst unwahrscheinlich ist. Wir haben dem-
nach beim Tode Ermanariks zwei Parteien unter den Ostgoten zu unter-
scheiden : die eine unter Führung des Alatheus und Saphrax war der
älteren , von Vultuulf abstammenden Linie des Königshauses ergeben
und erhob Vultuulfs Enkel Vithimiris und nach dessen Untergang
seinen unmündigen Sohn Vithirik zum König, während die andere
Gesimund, den Adoptivsohn Ermanariks auf den Schild erheben wollte,
aber auf sein Anraten dem unmündigen Enkel des Königs als Fürsten
huldigte und sich den Hunnen unterwarf. Hunimund kann also erst
gegen 400 das Fürstentum über die Ostgoten persönlich angetreten haben,
woraus sich Ammians Schweigen über ihn befriedigend erklärt. Dies
steht mit seinem Siege über die Suavi (oben S. 373) im Einklang. Da
Grcsimund nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Athalarik bezw.
Cassiodorius von den Goten in Heldenliedern verherrlicht wurde, so
darf man erwarten , noch Spuren von ihm in der deutschen Helden-
sage aufzufinden. Vgl. Heinzel, Über die ostgotische Heldensage
S. 66 f. Übrigens scheint auch Saj^hrax von der Heldensage nicht
völlig vergessen zu sein; da diese jedoch für seinen Gegner Gesimund
Partei ergriff und diesen als getreuen Eckart feierte, so wurde ihr
Saphrax zum ungetreuen Sabene, ahd. Savulo, ags. Seafola (Hypo-
koristikon zu Safrac) Widsid 115, dem Widersacher Wolfdietrichs und
der Berhtunge, dem bösen Ratgeber seines Vaters und seiner Brüder,
der die ünechtheit seiner Abkunft behauptet. Ahnlich wurde ja auch
der Gotenheld Vidigoja (Jordan. Get. c. 5 § 43. 34 § 178) zum Verräter
Wittig, ags. Wudga. Vgl. Müllenhoff, ZDA. 30, 239. Heinzel,
Über die ostgotische Heldensage S- 58 f. [Anders über Sabene S. Bugge,
The home of the Eddie poems with especial reference to the Helgi-lays
transl. by W. H. Schofield, London 1899 p. 177, der aber richtig als das
historische Vorbild Wolfdietrichs den Ostgoten Theoderik erkannt hat.]
Dass auf Ermanarik nicht seine Söhne und Neffen, sondern sein
Grossneffe und Enkel folgen , erklärt sich bei seinem Alter sehr ein-
fach. Der Sage genügte diese natürliche Ursache jener Thatsache
jedoch nicht, und so wurde der grosse König zum grausamen Tyrannen
gestempelt, der gegen sein eigenes Geschlecht gewütet habe.
Hunimunds Sohn und Nachfolger Thorismüd (thursenmutig) wird
von Jordanes richtig als Vetter {consubrinus) des Vandalarius bezeichnet
(c. 48 § 251. 252), stand aber dem Alter nach eine Generation höher.
Er trat die Herrschaft gleichfalls in der Blüte der Jugend an , starb
aber schon im zweiten Jahre seines Fürstentums nach einem Siege
über die Gepiden durch einen Sturz vom Pferde; Jord. Get. c. 48 § 250:
eoque (Hunimundo) defuncto successit Thorismüd filius eins flore iuven-
tutis ornatus, qui secuudo principatus sui anno contra Gepidas movit
exercitum magnaque de illis potitus victoria casu equi dicitur inter-
emptus. Dies Ereignis gehört nach dem Zusammenhang der Erzählung
des Jordanes aus Ende der Regierung des Westgotenkönigs Walja
(415 — 419), was zur wirklichen Chronologie, wie sie sich aus der be-
richtigten Generatiousrechnung ergibt, sehr gut stimmt. Er sagt näm-
lich Get. c. 33 § 173 — 175: Vallia si quidem, rex Gothorum . . . sibique
adversa post longum valetudiue superveniente rebus humanis excessit,
eo videlicet tempore, quo Beremud, Thorismundo patre progenitus, de
quo in catalogo Amalorum familiae superius diximus, cum filio
Vitiricho ab Ostrogothis, qui adhuc in Scythiae terras Hunnorum
oppressionibus subiacebant, ad Vesegotharum regnum raigravit ... et
illi iam post mortem Valliae Theoderidum ei dederant successorem.
ad quem veniens Beremud animi pondere qua valebat eximio generis
sui amplitudine commoda taciturnitate suppressit , sciens regnantibus
semper regali stirpe genitos esse suspectus, passus est ergo ignorari,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
377
ne faceret ordinata confundi. susceptusque cum filio suo a
rege Theodorido honorifice nimis etc.
Freilich geht aus dieser Stelle selbst unzweideutig hervor, dass
Beremöd kein Sohn des in jugendlichem Alter gestorbenen Thorismöd
gewesen sein kann, wie Jordaues bezw. Cassiodorius es darstellen, wenn
er bei seiner Auswanderung nicht bloss bereits selbst erwachsen war,
sondern auch schon einen Sohn hatte. An einer späteren Stelle zeigt
sich übrigens ein Schwanken bezüglich der Vorfahren des Vitirichus
(Gret. c. 58 § 298) : comperit (Theodoricus) Eutharicum Veterici filium
Beretmodi et Thorismodi nepotem, Amalorum de stirpe descendentem,
in Spania degi. Beremöd kann daher, wenn man dem Stammbaum
des Eutharik irgendwelchen Wert zuerkennen will, höchstens ein Bruder
oder Oheim des Thorismöd (oder etwa ein Sohn des G-esimund?) ge-
wesen sein. Dass Thorismöd ohne Nachkommen gestorben war, scheint
auch das ihm in dem Ahnenspiegel bei Cassiodor. Var. XI 1, 19 p. 330
gespendete Lob vorauszusetzen : enituit . . . Thorismuth castitate. Nach
Thorismods Tode soll ein 40 jähriges Interregnum gefolgt sein, das bis
zum Antritt Valamers dauerte; Get. 48 § 251: quo defuncto sie eum
luxerunt Ostrogothae, ut quadraginta per annos in eins locum rex alius
non succederet, quatenus et illius memoriae semperum haberent in ore
et tempus accederet, quo Valamer habitum repararet virilem, qui erat
ex consubrino eius genitus Vandalario; quia filius eins, ut superius
diximus, Beremud iam contempta Ostrogotharum gente propter Hun-
norum dominio ad partes Hesperias Vesegotharum fugisset gente
secutus, de quo et ortus est Vetericus. Darin darf man aber natürlich
keine genaue historische Zahl erblicken, sondern nur eine runde Periode,
bei deren Umschreibung der Verfasser mangels genauerer Nachrichten
sich abermals durch alttestamentliche Erinnerungen beeinflusst zeigt
(gegen Gutschmid, Kl. Sehr. V 310 f.).
Wann die beiden Gruppen der Ostgoten sich wieder vereinigten,
lässt sich bis jetzt nicht feststellen.
Ich fasse den Stammbaum von Athal abwärts abweichend von
Mommsen und lese § 79 nach Anleitung von L: Athal genuit Achiulf
et Oduulf (Z/ odulf ) : Achiulf autem genuit Ansila, et Oduulf {L odulf,
cett. ediulf) (genuit) Vultuulf et Hermenerig. Der Stammbaum der
Amaler von Athal bis auf Theoderik ist darnach folgendermassen zu
rekonstruieren :
Athal,
Achiulf.
Ansila.
Oduulf.
Vultuulf.
1) Hermenerig „magiius"
t um 373.
Valaravans.
2) Vithimiris, gen.
Vinitharius t 375,
besiegt die Anten.
3) Vithericus, gen.
Vandalarius, geb.
um 365/70, besiegt
die Wandalen.
(Sohn.)
4) N. genannt Hunimund,
geb. um 365/70, be-
siegt die Suavi.
I
5) Thorismöd, f um
418, besiegt die
Gepiden.
Gesimundus,
durch die Waffen
adoptiert.
I ?
Beremöd.
I
Vetericus.
Vad(l)amerca,
Gem. ein
Hunnenkönig
(Uldin?).
6) Valamer. Thiudemer.
Theoderik,
geb. 454.
Vidimir.
I
Vidimir.
378 J- Marquart,
bei C. Müller, FHG. IV 58. Zos. 5, 30, 3 etc.; s. Mommsen's
Index zu Jordanes^).
Dasjenige Volk aber, dessen Überwältigung den grössten
Ruhm Ermanariks ausmachte und sein Reich augenscheinlich be-
gründet-) und das den hartnäckigsten Widerstand entgegengesetzt
hatte, aber auch am schonungslosesten von ihm behandelt worden
war, waren die Heruler. Nachdem Jordanes Get. 23 § 116 die von
dem Gotenkönig bezwungenen nordischen Völker aufgezählt hat'^),
worunter die Merens {Merja}^ Mordens (Mordwa) und Rogastadzans
d. i. die Anwohner des Wolgastrandes*) erkennbar sind, fährt er
^) Sollte es reiner Zufall sein, dass die Namen Alarik und Sarus,
denen wir zuerst im Königshause der Heruler und Rosomonen be-
gegnen, bald nach Ermanariks Tode bei den Westgoten auftreten?
^) Jordanes lässt die Unterwerfung der Heruler ganz ungereimt
erst auf die der Nordvölker folgen; vgl. Wietersheim-Dahn,
Gesch. der Völkerwanderung II 2.
') Einen Versuch, die augenscheinlich sehr verderbten Namen
derselben herzustellen, hat Th. v. Grienberger, Ermanariks Völker
(Zs. f. deutsches Altertum 39, 154 — 184) unternommen. Ich will dazu
nur bemerken, dass eine echtgotische Form IScythathiudos = „Skythen-
völker" ein Unding ist, da der Name I^y.v&ai lediglich der gelehrten
historischen Tradition angehört und bei den Völkern im Norden des
Pontos niemals bekannt war. Dürfte man annehmen, dass der ein-
heimische Name der pontischen Skythen, UxoXo-tol , noch in so später
Zeit bekannt und im Gebrauche war, so würde ich vorschlagen, Golthe-
thiudos zu lesen, wozu dann scytha übergeschriebene Interlinearglosse
wäre, also „die Skolotenvölker". 2Jx6lo-roL ist eine skythische Plural-
form mit dem im Ossetischen gebräuchlichen Pluralsuffix -t'a, -t'ä, der
Stamm ist also UkoXo-, wie auch der Name Scolo-intus Justin. 2, 4, 1
zeigt. Daneben muss aber auch eine Form ohne anlautendes s bestanden
haben, wie der Name des ersten Königs der Skoloten, Kold-^ais be-
weist (Her. 4. 5. 7), und dieser würde Gol-the sehr nahe stehen. Da
auch der Name eines andern skythischen Stammes, der Spalaei oder
Ualoi noch in der gotischen Stammsage bei Jordan. Get. c. 4 § 28 vor-
kommt, so ist die Möglichkeit in der That nicht von der Hand zu
weisen , dass der alte Skolotenname sich noch bis in die Gotenzeit
hinübergerettet hatte.
*) Rogastadzans ist die gotische Übersetzung von 'Poßoaxoi, eines
von Ptol. 6, 14 p. 426, 28 Wilberg an den östlichen Rhaquellen ver-
zeichneten Volkes, bei Orosius I, 2, 2 Mhobasci, das mit den unter den
Rhipaeen sitzenden Bogova-noi Ptol. 3, 5 p. 201, 15 identisch ist. 'Pößo-
6X01, Rhobasci ist vom finnischen Namen der Wolga abgeleitet, der
noch heute bei den Mordwinen Raw, Rau , in bestimmter Form Raws
lautet und wahrscheinlich dem 'Pwg des Agathemeros zu Grunde liegt.
Derselbe ist wohl dem skythisch- iranischen *Raha, bei Ptol. 'Pä (nur
Gen. und Acc), aw. Rahha, ved. Rasa entlehnt. Neben letzterem
Namen kannten die iranischen Skythen für die Wolga noch die Be-
zeichnung "OccQog (Her. 4, 123. 124) d. i. *ivaru- „der breite" (vgl.
BoQv-6%'iv'r\g, hunnisch War), wovon der Volksname BoQOvGy,oi ab-
feleitet ist. Vgl. Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstäuime
80**. Müllenhoff, DA. III 98. Tomaschek, Kritik der älte-
sten Nachrichten über den skythischen Norden II 20. SBWA. 117,
1888, Nr. I. Für die Gleichung 'Pu = Ranha haben sich ausgesprochen
P. de Lagarde, Ges. Abh. 262 (1866). Beiträge zur baktrischen Lexiko-
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 379
fort: sed cum tantorum servitio clarus haberetur, non passus est
nisi et gentem Herulorum, quibus praeerat Halaricus, magna ex
parte trucidatam reliquam suae subegeret dicioni. nam praedieta
gens . . . quantum velox, eo amplius superbissima . . . sed quamvis
velocitas eorum ab aliis crebro bellantibus evagaret, GothoiTim
tarnen stabilitate subiacuit et tarditati, fecitque causa fortunae, ut
et ipsi inter reliquas gentes Getarum regi Hermanarico servirent.
Die Heruler hatten somit Ursache genug, auf Rache gegen
ihren Oberherrn , der ihnen so schlimm mitgespielt hatte , zu
sinnen. In der That müssen Heruler einst in der Ermenrich-
sage eine Rolle gespielt haben. Der Heldenkatalog des Wldsld
(Handschrift aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts) nennt die
Herelingas Emerca und Fridla unter dem Gefolge des Eormenric
(v. 112. 113), und die Quedlinburger und Würzburger Jahr-
bücher wissen des weitern nach angelsächsischer Sage zu be-
richten, dass Ermenrich seine beiden Vettern Embrica und Fritla
hängen Hess : Eo tempore Ermanricus super omnes Gothos regnavit,
astutior omnibus in dolo, largior in dono ; qui post mortem
Friderici filii sui unici, sua perpetratam voluntate^), patrueles
suos Embricam et Fritlam patibulo suspendit. Theodoricum similiter
patruelem suum instimulante Odoacro patruele suo de Verona
pulsum apud Attilam exulare coegit'-). Nach der deutschen
graphie 62 (1868). Ernst Kuhn, Zs. f. vgl. Sprachforsch. 28, 1885,
214. Albr. Weber, Über alt-iran. Sternnamen. SBBA. 1888, S. 9 A. 1.
Rogastadzans vertritt wohl ein gotisches '^Rauwastadjans-^ vgl. die
Schreibung leuva für leuga Jordan. Get. 38 § 192 (p. 108, 6. 7 ed.
Mommsen).
Von dem mordwinischen Namen der Wolga, bei Agathemeros
'Pws, will neuerdings Th. J. Knauer sogar den Namen der Russen
ableiten (Th. J. Knauer, 0 npoHCKOiEÄeHiH hmchh Hapo^a Pyct.
Moskau 1901, angezeigt im Globus Bd. 80 Nr. 15 S. 245. 1901).
1) Diese Worte pflegt man im Hinblick auf die nordische Sage,
nach welcher Ermanarik seinen Sohn wegen Ehebruchs mit seiner
Frau Svanhild hängen lässt , und die Thidrekssaga c. 278 allgemein^ so
zu verstehen, als ob hier von einer Hinrichtung seines Sohnes Friedrich
durch Ermanarik die Rede sei. Allein natürlicher ist es doch, das
Pronomen sua auf Friedrich zu beziehen, so dass also Ermanarik nach
dieser älteren Fassung seinen einzigen Sohn durch Selbstmord verloren
hätte. In diesem Falle hätten wir auch die Erklärung dafür, dass
die Sage schon in ihrer ältesten Gestalt bei Jordanes Ermanariks
Selbstmord fallen gelassen hatte: er wäre zunächst auf seinen kurz-
lebigen Nachfolger Withimer übertragen worden, welchen die Sage im
übrigen gänzlich vergessen hat und begreiflicherweise zu Ermanariks
Sohne machte. Vgl. Ammian. Marcellin. 31, 3, 3 (oben S. 367 A.). In
Ermanariks Sohne Friedrich erkennt man den Rugierkönig Friedrich,
welchen Odoakar aus Italien vertrieb (Heinzel, Über die ostgotische
Heldensage S. 5. SBWA. Bd. 119, 1889 Nr. 3. Matthaei, Rüdiger
und die Harlungensage. ZDA. 43, 326). Möglich, dass dieser mit
Withimer verschmolz.
^) Ann. Quedl. bei Pertz, MG. III 31, 11—15. Ann. Wircib.
Eb. VI 23, 43—46. Schröder, ZDA. 41, 1897, 27.
380 J- Marquart,
Sage ist Sibiche^) der böse Dämon Ermanariks, unter dessen Einfluss
dieser seinen Sohn Friedrich wegsendet , wobei derselbe nach der
Thidrekssaga umkommt , und seine Neffen , die Harlungen , ihres
Schatzes wegen hängen lässt. Saxo I 413 erzählt von den sororü
Ermanariks, welche Ansprüche auf das Reich erheben und gegen
ihren Oheim die Waffen ergreifen , aber besiegt und auf Bikkos
Eat gefangen und erdrosselt werden"). Die eigentlich nordische
Überlieferung weiss dagegen von der Harlungensage nichts^).
Dass der Name ags. H&relingas , ahd. Herilunga^ mhd.
Harlunge die Heruler bezeichnet, hat G. Matthaei erwiesen*).
Nach seinen Ausführungen ist es auch wahrscheinlich, dass die Ver-
bindung der harlungischen Brüder mit der im Breisgau lokalisierten
Schatzsage und dem dortigen Dioskurenmythos nicht ursprünglich
ist , sondern sich erst nach dem Untergange des Ostgotenreiches
vollzogen hat^). Hiernach besteht kein Grund zu bezweifeln, dass
die Harlungen in der That historische Personen und zwar An-
gehörige des Königsgeschlechts der Heruler waren. Fraglich kann
nur sein , ob auch ihr Schicksal als historisch im strengen Sinne
zu betrachten ist, oder ob ihr Untergang etwa in die dunkle
Periode nach Ermanariks Tode fiel und erst nachträglich dem
inzwischen zum Typus des grausamen Tyrannen gewordenen
Ermanarik aufs Kerbholz geschrieben worden ist. Letzteres ist
mir das Wahrscheinlichere. So würde sich auch erklären, dass
Jordanes von ihnen noch nichts weiss.
Dagegen werden wir als diejenigen Vertreter des herulischen
Königsgeschlechts, welche in der That dem Ermanarik feindselig
gegenübertraten , Sunilda und ihre Sippe zu betrachten haben,
obwohl dieselben in der Sage nicht mehr ausdi-ücklich als Harlungen
bezeichnet werden. Der ungenannte Mann der Sunilda wäre dann
^) In dieser Figur scheinen zwei Personen der älteren Heldensage
verschmolzen, die im Widsid v. 115 Secca und Becca (in der Edda
Bikki, bei Saxo Biccö) heissen:
Seccan söjite ic and Beccan Seafolan and peodric.
Dagegen hat Sifeca Widsid v. 116 mit Sibeche nichts zu thun; vgl.
Binz, Zeugnisse zur germanischen Sage in England. PBB. XX, 1895,
u\j i r.
-) I 413 ed. P. E. Müller: qui ex sorore Jarmerici apud Germaniam
orti educatique fuerant, avito nomine freti, in avunculum arma susci-
piunt aeque sibi regnum atque ei debere certantes. quorum munitiones
rex apud Germaniam machinis demolitus .... incruentam ad cives
victoriam reportavit rursum Bicconis instinctu Germaniam petens
captis hello sororiis laqueo spiritum eripere non dubitavit. optimates
quoque convivii simulatione contractos eodem exemplo consumendos
curavit.
^) Vgl. R. Heinzel, Über die ostgothische Heldensage S. 4 f.
G. Matthaei, Rüdiger und die Harlungensage. ZDA, 43, 1899, 326.
*) A. a. 0. S. 313—321.
'') A. a. 0. S. 322—332.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 381
der Nachfolger des von Ermanarik unterworfenen Herulerkönigs
Alarik, der sich — nach der Darstellung der Sage — durch
seinen verräterischen Abfall in dem Augenblick, als die Ostgoten
den Angriff der Hunnen erwarteten, für die einst durch Ermanarik
erlittene Niederlage seines Volkes rächen wollte i). Der Abfall
dieses kriegsgewohnten Volkes in einem so kritischen Zeitpunkt
musste natürlich den Ernst der Lage noch verschärfen. Übrigens
braucht die Auffassung der Sage, welche für die Ostgoten Partei
ergreift und in dem Fernbleiben des rosomonischen Heerbanns
vom allgemeinen Aufgebote eine Felonie erblickt, keineswegs dem
historischen Sachverhalt zu entsprechen. Da die Heruler an der
Maiotis und zwar, wie wir gesehen, auch am östlichen Gestade
derselben sassen, so waren sie nächst den Alanen in erster Linie
den Angriffen der Hunnen ausgesetzt. Wenn sie daher, nachdem
die Alanen bereits dem Ansturm der letztern erlegen waren
(Ammian. Marcellin. 31, 2, 12. 3, 1. Jordan. Get. 24 § 126), von
den Ostgoten vielleicht ungenügend unterstützt der ihnen in ihrer
Isolierung drohenden Vernichtung durch rechtzeitige Unterwerfung
unter die furchtbaren Steppensöhne anstatt nach dem Willen
Ermanariks durch Rückzug nach Westen und Vereinigung mit
der ostgotischen Hauptmacht zu entgehen suchten, so handelten
sie ganz nach der so oft beklagten Charaktereigentümlichkeit der
Germanen , bei welchen das Gefühl der Zusammengehörigkeit be-
kanntlich von jeher besonders schwach entwickelt war.
Die Art und Weise, wie die Brüder Sarus und Ammius an
Ermanarik für die Hinrichtung ihrer Schwester Rache nehmen,
kann nicht als histonsch betrachtet werden, da sie dem Berichte
des Zeitgenossen Ammian widerspricht, nach welchem Ermanarik aus
Furcht vor der nahenden Katastrophe seines Reiches durch Selbst-
mord endet. Die Sage, wie sie uns von dem ältesten Gewährsmann
Jordanes überliefert wird, gibt sich überdies schon dadurch als un-
ursprünglich zu erkennen, dass sie an Überfüllung durch Häufung
der Motive leidet. Obwohl Ermanarik mit seinen 110 Jahren die
gewöhnliche Lebensgrenze bereits weit überschritten hat, genügt
diese natürliche Todesursache dem Erzähler noch nicht, sondern er
braucht nicht weniger als zwei weitere : das schleichende Siechtum
infolge der von den beiden Brüdern erhaltenen Wunde, und den
1) Heinzel, Über die ostgothische Heldensage S. 2 sieht in den
Worten des Ammian 31, 3, 1: igitur Hmii pervasis Halanorum regio-
nibus , quos Greuthungis confines Tauaitas consuetudo nominavit,
interfectisque multis et spoliatis, reliquos sibi concordandi fide pacta
iunxerunt, eisque adiuti, confidentius Ermenrichi late patentes et uberes
pagos repentino impetu perruperunt etc. eine Parallele zum Abfall der
ßosomoni bei Jordanes. Allein dort ist die Rede von der erst durch
mehrfache Raubzüge der Hunnen errungenen vertragsmässigen Unter-
werfung der Alanen, wodurch diese, wie auch 3, 3 vorausgesetzt wird,
den Hunnen gegenüber zur Heeresfolge verpflichtet wurden. Die Unter-
werfung der Alanen berichtet auch Jordanes 24 § 126.
382 J- Marquart,
Gram über die Einfälle der Hunnen , denen der sieche König
nicht wehren konnte — das Selbstmordmotiv ist hier fallen gelassen.
Die Erzählung ist also nicht einheitlich, sondern mit Berück-
sichtigung verschiedener Versionen kontaminiert. Übrigens macht
die Verstümmelung an Händen und Füssen , wie sie in den
Quedlinburger und Würzbürger Annalen sowie in der nordischen
Sage erscheint, einen ursprünglicheren Eindruck als die Seiten-
wunde bei Jordanes. Vielleicht ist die Sage nur durch Ver-
gröberung eines bildlich gemeinten Ausdrucks entstanden. Das
ihr zu Grunde liegende Heldenlied wird erzählt haben, die beiden
Brüder hätten den einst so mächtigen Gotenkönig im Augen-
blicke dringender Gefahr, als die Hunnen bereits im Anzüge waren,
seiner Arme beraubt — indem sie ihm nämlich mit ihren Mannen
die Heeresfolge weigerten und derart die Thatkraft des Helden
lähmten. Die nämliche Ausdrucksweise finden wir auch bei den
Chinesen. Nachdem die Hiung-nu durch den jungen Kwen-mi
der U-sun eine Niederlage erlitten haben, gibt der chinesische
General Cang-kien den Rat: „Profitons du moment pour engager
les Ou - sun , ä force de presens et de helles etofies , ä venir
habiter plus ä Test l'ancien pays de Hoen-Si'e, et ä faire avec
les Han une alliance dtroite. S'ils acceptent , le bras droit
des Hiong-nu est coupe: cela fait les Ta-hia et les autres
peuples de l'ouest peuvent se laisser attirer eux-memes* etc.^).
Bei dieser Auffassung ist es auch gerechtfertigt, dass Jordanes
für den Untergang Ermanai'iks den Trug des ganzen Roso-
monenvolkes verantwortlich macht (Rosomonorum gens infida . . .
tali eum nanciscitur occasione decipere). Als man den bildlichen
Ausdruck nicht mehr verstand und wörtlich auffasste , glaubte
man der Symmetrie halber die Verstümmelung der Hände durch
die der Füsse ergänzen zu müssen. Eine Stütze der oben ent-
wickelten Ansicht, dass die Rosomonen Heruler waren, darf man
endlich auch darin erblicken , dass die Quedlinburger und Würz-
burger Annalen den beiden Brüdern Hemidus und Serila noch
den Adaccar beigesellen : die Heruler bildeten ja die Hauptstütze
Odoakars.
Als Resultat der obigen Darlegungen ergibt sich somit min-
destens die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl mit den Rosomom der
gotischen Heldensage als mit den Hrös des syrischen Anonymus
die Heruler gemeint sind, womit von selbst folgt, dass Hrös eine
Kurzform des Vollnamens Rosomoni darstellt. Eine befriedigende
Etymologie des letztern ist noch nicht gefunden. Bugge wollte
ihn 2) als got. *Rusmunans erklären, zu *imsma, ahd. rosamo
„ rubor , aerugo , lentigo ", Th. v. Grienberger dagegen denkt
^) Schi-ki Kap. 123 übs. von Brosset, Nouv. journ. as. II, 1828,
p. 430.
2) Arkiv f. nord. filologi I 1—20.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 383
an ein gut. Hrusamans zu ahd. roso, rosa swmf. „crusta, glacies,
Treibeis im Flusse" Graff II 544, lit. hruszh „Hagel", also etwa
, Eismänner" (ZDA. 39, 1895, S. 159 A. 1). Vielleicht kommt
aber auch got. raus „Rohr" in Betracht, etwa mit Beziehung
auf die Sümpfe an der Maiotis. Die abgekürzte Form Rös ('Prag,
in syrischer Umschrift Hrös) mass sich nun in der Umgebung
der Maiotis noch Jahrhunderte hindui'ch gehalten haben und wurde
im Anfang des neunten Jahrhunderts, als die ersten schwedischen
Wikingerscharen vom Norden her teils als Kauf leute , teils als
kühne Seeräuber im Schwarzen Meere und in der Maiotis er-
schienen, auf die neuen Ankömmlinge übertragen, die in vielen
Beziehungen eine so auffällige Übereinstimmung mit den alten
Herulern zeigten. Gleich diesen stammten sie aus Skandinavien
und waren von riesigem Wüchse, aber dabei ungemein behend;
die Dänen rühmt schon der Anonymus von Ravenna 4, 13 als
„super omnes nationes velocissimi homines". Wie später die
schwedischen Russen hatten sich aber schon nach der Mitte des
dritten Jahrhunderts die Heruler an der Küste des Pontos und
des ägäischen Meeres als kühne Seeräuber furchtbar gemacht i).
An die Nordgermanen erinnert auch das unbändige Gebahren jener
Herulerscharen, welche nach der durch die Langobarden erlittenen
Niederlage im J. 512, bei welcher ihr König Rodulf ^ der Mark-
graf Rüedeger der Heldensage, im Kampfe geblieben war, in
romäische Dienste getreten waren und sich in den Kriegen gegen
die Wandalen, Ostgoten und die fränkisch-alamannischen Scharen
des Butilin als die tapfersten und kühnsten Soldaten auszeichneten,
aber den Romäern selbst viel zu schaffen machten.
Jeder Zweifel daran, dass die schwedischen Wikinge bei
ihrem ersten Auftreten am Pontos und an der Maiotis durch ihr
ganzes Wesen ihre Zeitgenossen an die alten Heruler erinnert, ja
dass diese in der That zu den späteren Rös und Warägern in
einem sehr nahen Verwandtschaftsverhältnis gestanden haben,
scheint aber schwinden zu müssen, wenn man das was Prokopios
über die Sitten und Bestattungsgebräuche der Heruler zu erzählen
weiss, zumal den charakteristischen Zug, dass die Frau dem Manne
in den Tod folgen und sich an seinem Grabmale erhängen musste ^),
^) Vgl. Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme 476 — 78.
Mommsen, RG. V 220 ff.
2) Frokop. de hello Gotth. II 14 p. 199, 16 ed. Bonn. : vtiIq "Iotqov
Ttotccfibv ix TCalaiov ätiovv tioIvv nvu voiii^ovr^s ^t&v o^ilov, ovg St]
■Kai av^QmTtcov ^vaiaig iXciay.£a&ui ooiov avtoig iööiisi slvai ■ vo[iOLg öh
Tiollotg ov xarä tuvxa rotg alXoig a.v&QWTtoig ixQ&vro. ovrs yaQ
yriQ äcv-ovaiv o^ts voaova lv avroTg ßiot sv s iv i^f]v, all s-
■nsidäv rig ccvrwv t) yr\Qa 7] vöaca cclcör], i-jtdvayv.2g ol syi-
VETO tovg ^vyysvslg aithia&ai ort xäiiGxu i^ cc v 0' q m 7t cor
avxbv atpavitsi'V. ol 8k ^vlu Ttollä ig ybiya xi vipog ^vvv^-
cavxsg, ncc^-iaavxig xs xbv avd'QcoTtov iv xy xüv ^vXcov
384 J- Marquart,
den Thomsen^) sonst aus dem Norden nicht zu belegen weiss,
mit der berühmten, 400 Jahre jüngeren Schilderung der Kos bei
Ibn Fadlän zusammenhält 2). Es ist dabei wohl zu. beachten, dass
VTtsg ßoXj], T(bv xiva 'EgovXcov, &Xl6r qiov ^evroL, avv |^qp^-
dico 7CCCQ avrbv S'Jts ^nov. ^vyyevf] yccg avxä) xbv (povia
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slvai Kai xotg xov ccvögbg ^vyysvsoi nQ06y.EV.Q0VV.ivai.
xoiovxoig {ihv i^gävxo "EqovXoi xb naXaibv vö^oig. Von den Menschen-
opfern der Franken, Heruler und Sachsen (d. h. der eigentlichen ing-
vaeonischen Sachsen, welche Gallien verheerten) spricht auch Ennodius,
de vita beati Antoni (CCXL) § 12—14 ed. Vogel (M. G. Auct. anti-
quiss. t. VII, 186 — 187): sed iam peccatorum consummatio Pannoniis
minabatur excidium, iam succisa radice substantiae regionis illius status
in pronum deflexerat. per incursus enim variarum gentium cotidiana
gladiorum seges messem nobilitatis absciderat et fecundas humani
germinis terras ira populante desolabat. iam Franci Heruli Saxones
multiplices crudelitatum species beluarum more peragebant; quae
nationum diversitas superstitionis mancipata culturis deos suos humana
credebant caede mulceri nee unquam propitia se habere numina, nisi
cum ea aequalium cruore placassent. cessare confidebant iram caeli-
colum innocentis effusione sanguinis, qui ut in gratiam redirent cum
superis suis, propinquorum consueverant mortes ofFerre. quoscumque
tarnen religioni titulus declarabat officii, hos quasi sereniores hostias
immolabant, aestimantes quod piorum iugulis divinitatis cessaret in-
dignatio et fieret materia gratiae locus offensae. Man glaubt eine
Schilderung des Treibens der nordischen Wikinge vor sich zu haben.
Über die Religion der Rös sagt Ibn Rusta: ,Sie haben Medizin-
männner aus sich, die über ihr Reich die Herrschaft ausüben gleich
Göttern von ihnen, indem sie ihnen (so de Goeje; Hs. »Ji^y>[S) be-
fehlen, die Gunst ihres Schöpfers zu gewinnen durch beliebige Dinge,
als Frauen, Männer und Pferde; haben die Medizinmänner eine Ent-
scheidung gefällt, so müssen sie ihrem Befehle unbedingt nachkominen.
Der Medizinmann nimmt nun den Menschen oder das Tier, legt ihm
eine Schlinge um den Hals und hängt das Opfer an einem Holze auf,
bis es ausatmet, und sagt dann, dies sei ein Opfer für Gott".
^) Der Ursprung des russischen Staates 52 A. 2.
2) Ibn Fadlän bei Jäq. II A^f , 21— Af., 11. Frähn, Ibn Foszlan's
und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit S. 4 — 23,
besonders S. 11 — 21.
Ibn Rusta (f1, 22 ff.: „Stirbt ein Angesehener von ihnen, so
graben sie ihm ein Grab gleich einem geräumigen Hause, in das sie
ihn hineinlegen, und mit ihm legen sie hinein seine Leibgewänder und
sein goldenes Armband, das er zu tragen pflegte, und viele Speise und
Krüge mit Getränk, sowie auch Geld. Sie legen auch mit ihm noch
lebend ins Grab seine Lieblingsfrau, und es wird hinter ihr die Thüre
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 385
Prokopios ausdrücklich hervorhebt, die Heruler hätten sich durch
ihre Sitten von den übrigen Menschen, also auch von den „goti-
schen" Völkern, unterschieden. Auch darin stimmen die Heruler
mit den Rös überein, dass sie, abweichend von andern Barbaren-
(d. h. Germanen-) Völkern, die unterworfenen Stämme zur Tribut-
zahlung zwangen ^).
Soviel lässt sich etwa zu gunsten der Identität der Hrös des
Anonymus mit den Herulern anführen. Allein die Möglichkeit
darf nicht von der Hand gewiesen werden, dass wir es bei jenen
Hrös in der That bereits mit wirklichen nordischen Wikingen
(Gauten oder Schweden) zu thun haben, die auf dem grossen
Wasserweg der Wolga als Sklaven- und Pelzhändler bis zur Maiotis
gelangt waren. Auf solche rätselhafte Leute, wie die nach-
maligen Rös und Waräger, von denen man nicht wusste von
wannen sie kamen noch wohin sie giengen, und die als Gefolg-
schaften von jungen Männern aus Skandinavien auf Gewinn und
Abenteuer auszogen und später meist wieder heimkehrten, würde
auch vorzüglich der sagenhafte Zug passen, dass man sie mit den
fabelhaften Amazonen in Verbindung brachte. Solche Abenteurer
waren natürlich auf fremde Frauen angewiesen. Dagegen würde
jene Anekdote bei einem wirklichen Volke befremden, das mit
Weib und Kind nach der Maiotis ausgewandert war, wie die Goten,
Wandalen etc. Da wir wissen, dass die Heruler mit der alten
skandinavischen Heimat fortwährend in Verbindung blieben und
ein Teil von ihnen nach 512 dahin zurückwanderte und sich
neben den Gauten niederliess , so brauchen wir uns nicht zu
wundern, wenn man in Schweden über die Verhältnisse in Süd-
russland gut Bescheid wusste und sogar den Wasserweg der
Wol^a kannte. Gerade die Erzählungen der zurückkehrenden
des Grabes verrammelt, so dass sie darin stirbt\ Vgl. o. S. 205—206
und W. Thomsen, Der Ursprung des russischen Staates S. 26 — 36.
52 A. 2.
1) Prokop. de hello Gotthico II 14 p. 200, 13—19: TtQoCovtog dh
XQOvov dvvä^si XE y.al Ttolvav&Qcoitia twv TtSQioUcov ßccQßägcov ccTtävtcov
TiaQ-VTtSQteQOi ysysvri^ivoi, inLovrss ts, cog t6 sUdg, ixäatovg ivUcav Kdl
ßici^ö^evoi ilr]itovTO Kai ri:Xavr&vt£g AoyyißccQSag xs XQiGxiavovg övxag
^al all' axxa s&vt} vnrjKOU ocpiaiv ig iitaywyr]v q)6Q0V Ttsnoirivxai , ovk
sl&iöiiivov xb Ttgäy^a xovxo xolg i^Eivr] ßaQß(XQOig, vnb dh if>ilo%Q7Hiaxiag
v.al ala^ovtiag ivxav&a 'qyy.svoi. Über die Rös sagt die russische
Chronik c. 14 (p. 14 trad. Leger): ,Les Var^gues d'outre-mer se firent
payer tribut par les Tchoudes et les Slaves , par les Meriens, les Ves
et les Krivitches\ Konstantin. Porphyrogenn. de administr. imp. c. 9
p. 79, 13 ff. (vgl. p. 75, 2) bezeichnet die slawischen Stämme der
Drewijane {JsQßidvoi), Drtgowici {jQOvyovßlxai) , Kriwici {KQLßirtai),
Sewen, (üiQßLoi) u. a. als TtaKTiaxcci x&v 'Pcbg (oben S. 188 f.). Über
die Gewinnsucht der Russen vgl. Ibn Chord. löf , 9—16 = 115/116.
Ihn Rusta ifö, 14 ff. Ibn Fadlän bei Jäq. II aS^ö, 23— aH, 16. Fr ahn
S. 8—11.
OK
Marquart, Streifzüge. ^^
ggg J. Marquart,
Heruler von den Wundern der südlichen Länder mögen in Gaut-
land und Schweden die Lust zu Abenteuern geweckt haben.
Es wäre eine vorwitzige Frage, warum die Kös von der Mitte
des 6. bis ins erste Drittel des 9. Jahrhunderts für uns gänzlich
verschollen sind ; doch würde diese Erscheinung weniger befremd-
lich, wenn wir unter den Hrös des Anonymus näherhin Gauten
aus Östergötland verstehen dürften. Waren doch auch die Wikinge,
welche um 515 einen Seezug nach Gallien unternahmen und von
den fränkischen Chronisten als Dänen bezeichnet werden, dem Beo-
wulf zufolge in Wirklichkeit Geaten oder Gauten (s. u.). Bald nach
diesem Ereignis aber muss die Macht der ehemals seegewaltigen
Gauten von den Schweden gebrochen und ihr Königtum vernichtet
worden sein. Vgl. Müll enh off, Beovulf S. 18 — 23. Daraus
würde sich also erklären, warum wir weder im westlichen noch
im südöstlichen Europa bis zum Ende des 8. bezw. bis zum An-
fange des 9. Jahrhunderts etwas von neuen Unternehmungen der
Nordleute hören.
Dass aber die Heruler als die Vorläufer der späteren Normannen
bezw. Rös angesehen wurden, darauf scheint auch anderes hinzu-
deuten. Wenigstens vermag ich nur unter diesem Gesichtspunkte
die schon oben S. 151 f. angezogene Angabe Mas'üdT's (I 364f.)
zu verstehen: „Vor dem Jahre 300 sind Schiffe mit Tausenden
von Menschen nach Spanien übers Meer gesegelt und haben an
deren Küsten Überfälle gemacht. Die Einwohner von Spanien
behaupteten, sie seien eine Nation der Magier, welche sich
ihnen auf diesem Meere alle 200 Jahre zeige, und
sie gelangen in ihr Land durch einen Kanal, der sich aus dem
Meere Okeanos erstrecke, aber nicht durch den Kanal, an wel-
chem die ehernen Leuchttürme stehen (die Säulen des Herakles).
Ich aber meine — doch Gott weiss es am besten — dass dieser
Kanal mit dem Maiotis- und Pontosmeere in Verbindung steht,
und dass dieses Volk die Eos sind, die wir früher erwähnt haben,
da niemand anders diese Meere, welche mit dem Okeanosmeere
in Verbindung stehen, zu befahren pflegte."
Der Raubzug der Magüs nach Spanien, auf welchen Mas'üdl
hier anspielt, ist wahrscheinlich der Normanneneinfall von 229 H.
(844 n. Chr.), welchen Ja'qübi in seiner im Jahre 278 (891) ver-
fassten Geographie ^of, 13 — 15 kurz erwähnt und welcher von
späteren arabischen Schriftsteilem ausführlich geschildert wird^).
Während aber letztere für die fremden Eindringlinge ausschliesslich
den Namen Magüs gebrauchen, sagt Ja'qübi: „In die Stadt Isbilia
(Sevilla) sind die Magüs eingedrungen, welche Bös genannt werden,
im J. 229, und haben Gefangene weggeschleppt, geraubt, gebrannt
und gemordet." Man hat sich darüber gewundert, auf welche
1) Siehe Dozy, Recherches sur l'histoire de l'Espagne IX*»
S. 252—267.
Osteuropäische und ost asiatische Streifzüge. 387
Weise Ja'qübl zu der Überzeugung von der Identität der im
Jahre 844 in Spanien auftretenden dänischen Wikinger mit den
zwanzig Jahre sj^äter vor Konstantinopel erscheinenden Rös gelangt
sein möge, da doch die nach Spanien gekommenen Magüs sich
weder selbst Rös genannt hätten noch von den muslimischen
Spaniern so bezeichnet worden seien. Allein Ja'qübi's Angabe
wird weniger rätselhaft, wenn man sich erinnert, dass die Normannen
im Jahre 859 sogar durch die Strasse von Gibraltar ins Mittelmeer
eingelaufen waren und die Inseln Majorka, Formentera und Minorka
geplündert hatten, worauf sie das Frankenreich heimsuchten und
in der Provence überwinterten. Scharen von ihnen gelangten
selbst nach Italien, wo sie Pisa und andere benachbarte Orte
verwüsteten 1), ja nach der Angabe des Ibn al Qütija-) wären sie
damals sogar ins Land der Romäer und nach Alexandrien
gekommen. Von diesem Zuge wird Ja'qübi in Ägypten Kunde
erhalten haben, und es lag daher nahe, diese rätselhaften Piraten
mit dem um dieselbe Zeit im Osten Schrecken verbreitenden
Seevolke der Rös zu kombinieren.
Dagegen muss die von Mas'üdl mitgeteilte merkwürdige Be-
hauptung der Spanier, dass jene Magüs sich ihnen alle 200 Jahre
auf diesem Meere zeigten , auf einer wenn auch noch so dunklen
Kunde von früheren Einfällen ähnlicher Art beruhen , die man
sich am natürlichsten durch ältere lateinische Chroniken vermittelt
denken wird. Gehen wir (von 844) zweimal 200 Jahi-e zurück,
so finden wir in der That solche Seezüge eines nordischen Volkes
an der spanischen Küste für die Mitte des 5. Jahrhunderts aus-
drücklich bezeugt, und zwar sind es diesmal die in ihrer alten
Heimat an der Ostsee zurückgebliebenen Heruler, die uns als
Seeräuber entgegentreten: de Erulorum gente Septem navibus in
Lucensi litore aliquanti advecti, viri ferme CCCC expediti super-
ventu multitudinis congregatae duobus tantum ex suo numero
effugantur occisis : qui ad sedes proprias redeuntes, Cantabriorum
et VarduUiarum loca maritima crudelissime depraedati sunt. Hydatii
Chron. Nr. 171 a. Marciani IV (456?), bei Mommsen, Chronica
minora II 28. MG. Auct. antiquiss. t. XI. Eruli maritima con-
ventus Lucensis loca nonnulla crudelissime invadunt ad Baeticam
pertendentes. Hydatius Nr. 194 a. Maioriani III (459). Chron.
min. II 31. Zum letztenmal erwähnt die Streifzüge der Ostsee-
Heruler im Westen Sidonius Apollinaris (epist. VIII 9 § 5 v. 31 — 33)
unter der Regierung des Westgotenkönigs Eurich (466 — 485):
Hie glaucis Herulus genis vagatur,
Imos Oceani colens recessus,
Algoso proj^e concolor profundo ^).
1) Siehe Dozy, Recherches IP 279— 286. Steenstrup, Norman-
nerne IT. Vikingetogene mod vest i det 9<ie aarhundrede S. 295 — 301.
2) Dozy 1. c. p. 262.
^) Zeuss, Die Deutschen 478 f.
25*
388 J. Marquart,
Dagegen haben wir keinen Anhaltspunkt für die Annahme,
dass bereits die Heruler, welche gegen Ende des 3. Jahrhunderts
mit den Chaibones zusammen in Gallien einbrachen i) , bis nach
Spanien gekommen waren.
Die Nachfolger der Heruler in Jütland und auf den Inseln
der Ostsee waren die Dänen, auf dem skandinavischen Festlande
die Gauten und später die Schweden. Soll sich also die Hypothese,
dass dem von den Spaniern behaupteten Auftreten der Magüs
in 200jährigen Perioden eine wirkliche Kunde zu Grunde liege,
bewahrheiten, so müssten wir erwarten, um die Mitte des 7. Jahr-
hunderts von einem abermaligen Seezuge eines nordischen Volkes
nach der Westküste Spaniens zu lesen. Die Nordleute haben aller-
dings schon zwischen 512 und 520 unter einem Seekönig Chochi-
laicus^) die gallische Küste und von da aus den Hattuariergau
heimgesucht, wurden aber von Theudebert, dem Sohne des Franken-
königs Theuderik besiegt und zurückgetrieben, wobei ihr Anführer
selbst fiel •^). Gregor von Tours und der Verfasser des Liber histo-
riae Francorum bezeichnen die Feinde als Dänen, allein das angel-
sächsische Epos Beowulf, welches jenes Seezuges viermal gedenkt,
nennt sie Qeatas d. h. Gauten, und diese Angabe verdient ohne
Zweifel den Vorzug. Diese Niederlage der Geaten scheint aber
auch den Dänen für Jahrhunderte die Lust zur Nachahmung jener
Seezüge benommen zu haben, wenn man aus dem gänzlichen
Schweifen der für die hier in Betracht kommende Zeit freilich
äusserst mageren fränkischen Chronistik soviel schliessen darf. Nur
Venantius Fortunatus spricht um 580 von Siegen der Franken
über die Dänen, Juten und Sachsen*), jedoch nur in allgemeinen
Ausdrücken. Auch in den von Mommsen im zweiten Bande
seiner Chronica minora herausgegebenen Quellen der spanischen
1) Mamertini Panegyr. Maximiane Aug. dictus (a. 289) c. 5.
Panegyr. genethl. Maximiane Aug. dict. (a. 291) c. 7. Vgl. Zeuss
a. a. 0. 477 f.
2) Se im Liber historiae Francorum c. 19 ed. Krusch; M. G.
Script, rer. Merovingicarum II 274; bei Greger von Tours III 3 ed.
Krusch (M. G. Script, rer. Mereving. t. I p. 110) ChlochUaicus, im
Beowulf Hygelcic.
3) Gregor. Türen, hist. Francorum 3, 3 ed. Krusch. Liber hist.
Francorum c. 19 ed. Krusch. Vgl. Müllenhoff, Beovulf S. 18 f.
*) Venant. Fertunat. VII 7, 49—50:
quae tibi sit virtus cum prosperitate superna,
Saxonis et Daui gens cito victa probat.
IX, 1, 71 ff. :
ne ruat armatus per Gallica rura rebellis,
nomine victoris hie es et ampla tegis:
quem Geta, Vasco tremunt, Danus, Eutbio, Saxo, Britannus,
cum patre ques acie te domitasse patet._
terror [es] extremis Fresonibus atque Suebis,
qui neque bella parant, sed tua frena rogant.
Osteuropcäische und ostasiatiscbe Streifzüge. 389
Geschichte dieser Zeit (besonders Isidors GotoBgeschichte und deren
Fortsetzungen) habe ich nichts über einen derartigen Einfall ge-
funden. Erst unter Karl d. Gr, erscheinen die dänischen See-
räuber wieder an der gallischen Küste i). Dies könnte freilich
auffällig erscheinen, wenn man bedenkt, dass norwegische Wikinger
aus Hördaland schon zwischen 590 und 644 nach den Shetlands-
inseln gekommen waren und Iren spätestens um 630 daselbst mit
ihnen Bekanntschaft machten, ja dass sie wahrscheinlich schon im
Jahre 617 die der Küste von Donegal vorgelagerte Insel Toracli
(Tory Island) verwüsteten 2). Allein auch dieser erste Wikinger-
zug der Norweger nach den irischen Gewässern scheint wie der
des Chochilaicus einen Ausgang genommen zu haben, der zu einer
Wiederholung nicht eben ermutigen konnte : in der That fällt ihr
erster Einfall in irisches Gebiet erst ins Jahr 795.
Auf Grund unserer bisherigen Resultate lassen sich jetzt
mehrere Zeugnisse für das Auftreten der Russen am Pontos in
der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die man sich bisher weg-
zudeuten bemühte , mit Leichtigkeit erklären. W. W a s i 1 -
jewskij's PyccKO-BHsaHTificKifi HSCJl^ÄOBamii (Russisch - byzan-
tinische Forschungen Heft 2, St. Petersburg 1893) kenne ich
leider nur aus der Anzeige von V. Jagic im Archiv für sla-
wische Philologie Bd. 16 (1894), 215—224. Aber die wichtigsten,
im Gegensatze zu Kunik gewonnenen Resultate dieses Forschers,
dass die Vita des hl. Georg von Amastris von der Encyclika des
Photios unabhängig und vor 842 entstanden sei, und die ältesten
Bestandteile der verhältnismässig spät kompilierten altrussischen
Vita des hl. Stephan von Sugdaia aus der ersten Hälfte oder gar
den ersten drei Dezennien des 9. Jahrhunderts stammen und das
hier von den Russen Erzählte auf keinen Fall in die Zeiten des
hl. Wladimir im 10. Jahrhundert verlegt werden dürfe 3), stimmen
mit unsern eignen Ergebnissen aufs beste überein.
Wenn freilich in der altslowenischen Lebensbeschi-eibung des
Slawenapostels Konstantin von einer mit rosischen (poCBCK'B)
Buchstaben geschriebenen, das Evangelium und den Psalter ent-
haltenden, Handschrift die Rede ist, welche Konstantin in Cherson
gefunden und mit Hilfe eines jener Sprache kundigen Mannes
entziffert habe *) , so kann es keinem Zweifel unterliegen , dass es
1) Annales qui dicuntur Einhardi a. 800 ed. Frid. Kurze p. 111.
Vita Karoli c. 17.
2) H. Zimmer Über die frühesten Berührungen der Iren mit
den Nordgermanen. 'SBBA. 1891, 299—304. 308—317.
3) Vgl. E. Kunik bei Dorn, Caspia 389/90 Anm. 7.
*) Die Legende vom hl. Cyrillus c. 8 hg. von Ernst Dümmler
und Franz Miklosich (Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss. zu Wien.
Phü.-hist. Cl. Bd. XIX, 1870, S. 235): invento vero ibi_ evangelio et
psalterio rossicis litteris scripto reperit etiam hominem lingua illa lo-
quentem, et cum eo locutus vim sermonis accepit, cum sua lingua
390 J- Marquart,
sich hier um eine krimgotische Handschrift handeln und die
rosische und gotische Sprache seitens der Südslawen vei-wechselt
sein müssen 1). Doch würde sich die im jetzigen Texte der
Legende vorliegende Verwechslung leichter erklären, wenn es etwa
ursprünglich hiess , Konstantin habe in Cherson aus einem krim-
gotischen Lektionar Gotisch gelernt und sei darauf im Stande
gewesen, sich mit einem Manne in rosischer Sprache zu unter-
halten. Der gegenwärtige Text wäre demnach eine Überarbeitung,
welche die Erfindung der slawischen Schrift durchaus in den
Mittelpunkt stellt und naturgemäss das Wunder zu vergröbern
strebte. Zu dem von der Legende geforderten Glauben, dass die
Kenntnis der gotischen Schrift auf der Krim zu Konstantins Zeit
ausgestorben gewesen sei und dieser die fragliche Handschrift
selbstständig habe entziffern müssen, wird man sich so wie so
nur schwer entschliessen können.
Femer darf unter den Zeugen für das Auftreten der Ros be-
reits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhundex-ts Ibn ChordäcJbih fortan
nicht mehr angeführt werden. Denn de Goeje's Hypothese, der
ich mich früher selbst angeschlossen habe, Ibn Chordä(Jbih habe zwei
Ausgaben seines geographischen Werkes veranstaltet : die eine gegen
232 H. (846/47 n. Chr.), von welcher uns in der Hs. B ein Auszug
vorliege, die andere nicht vor 272 H. (885/86 n. Chr.), scheitert an
den auch in B enthaltenen Nachrichten über die Toyuz Oyuz
(Uiguren) p. !oö, 6. l*'., 12 — 1^1, 4 und zumal an dem Verhältnis
der letzteren Stelle zum Reiseberichte des Tamim b. Bahr al
Muttauwa'I bei Jäq. I ^f.. Wie an anderer Stelle näher dar-
gelegt werden soll, zeigt eine eingehende Analyse dieses Berichtes,
von welchem Ibn Chordä^bih abhängig ist, dass unter der Haupt-
stadt der ToyvLz Oyuz hier unzweifelhaft bereits Kau-c'ang (beim
heutigen Turfan) zu verstehen ist, welche Stadt aber erst im
Jahre 866 von den Uiguren von Peh-t'ing den Tibetanern ent-
rissen und der Mittelpunkt eines neuen Uigurenreiches geworden
ist. Wie mit den Nachrichten über die [Jiguren verhält es sich
aber auch mit dem ebenfalls in B und A enthaltenen Berichte
über die Rös S. tof, 9 — 16. Man hat also nur mit einer, nicht
vor 272 H. vollendeten Ausgabe des Kitäb al masälik wa 'l
mamälik zu rechnen. Dies betrifft jedoch, wie gesagt, nur die
Chronologie, nicht aber den Kern des Berichtes Ibn Chordä^bihs,
und Westberg hätte sich daher den vergeblichen Ansturm auf
die Rös des Ibn Chordädbih (a. a. 0. S. 280 — 288) ersparen können.
Müssen wir somit auch auf das Zeugnis Ibn Chordädbih's,
in dessen Werke Notizen vereinigt sind, die sich auf sehr
conferens, et discrevit litteras vocales et consonantes, et deum precaus
mox coepit legere et loqui, et multi eum admirati sunt, deum laudantes.
^) Vgl. Much, Anz. f. idg. Sprach- und Altertumskunde IX. Heft,
1898, S. 209.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 391
verschiedene Zeiten beziehen, für chronologische Zwecke verzichten,
so bleiben doch die des Prudentius und des Gewährsmannes
GaihänT's unangetastet. Auch die Angabe des Gurdezi, dass die
Magyaren gegen die Slawen und Rös Überfälle und Sklaven-
jagden ausführten, kann, wie sich unten ergeben wird, sehr wohl
aus dem Urtext der Quelle Gaihäni's stammen. Waren aber die
Rös schon im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts auf der Krim be-
kannt und gefürchtet, so wäre es ganz in der Ordnung, wenn der
Apostel Konstantin in Cherson auch ihre Sprache erlernte hätte, in
der Hoffnung, später das schreckliche Volk dem Christentume zu-
führen und damit unschädlich machen zu können. Letzteres geschah
in der That nach ihrem Angriffe auf Konstantinopel im Jahre 865,
wenn man der Behauptung des Patriarchen Photios in seinem
Ende 866 an die orientalischen Bischöfe erlassenen Rundschreiben
glauben darf: „Dieselben Leute haben jetzt ihr heidnisches und
ungöttliches Wesen gelassen, haben sich zum Christentum bekehrt
und einen Bischof empfangen" ^).
Exkurs IV.
Der Ursprung der iberischen Bagratiden
(zu S. 177 ff.).
Die Russen haben mit dem Antritt der Regierung von
Georgien, dessen 100 jähriges Jubiläum sie demnächst feiern,
auch die Ehrenpflicht übernommen, die Geschichte dieses heroischen
Volkes soweit möglich aufzuhellen. Zeitgenössische Chroniken,
wie die Armenier, besitzen nun die Geoi'gier leider nicht. So
sehr es daher anerkannt werden muss, dass die kaiserliche
Akademie zu St. Petersburg die grosse Kompilation, die unter
dem Namen der georgischen Chronik bekannt ist, in vollem Um-
fang herausgeben und übersetzen Hess, so harrt doch die noch
weit wichtigere Aufgabe, die Materialien, welche den georgischen
Gelehrten des 12. Jahrhunderts bei der Zusammenstellung der
Chronik als Grundlage gedient haben, aus den georgischen
Klöstern wieder ans Licht zu ziehen, immer noch ihrer Lösung.
Dies gilt vor allem für die vormongolische Periode. Auch eine
Sammlung der römischen, byzantinischen, armenischen und ara-
bischen Nachrichten über Iberien , welche die Grundlage für
eine erfolgreiche Kritik und Analyse der Chronik, namentlich
^) Photii ep. 4 p. 178 ed. Baletta (Londin. 1864) : all' o^lcos vvv
v.al ovtoi TTjv räv XQianavcöv v.aO'aQuv %al aiiißdrjlov Q'Qriay.siav xfig
^EXlr\VL%T]g ■aal aO'iov So^r^g, iv f] xatEixovro TtQOtSQOv, ävtriklä^uvro,
iv vTtr]%6üiv savtovg Kai TtQO^svcov tä^Si, ävtl rf/? itQO ^iixqov xaO'' fj^Lmv
Xsrikaeiag Kai tov ^sydlov To^ftTjfiaro?, ccyanriräg iyKaraarrjaavrsg. Vgl.
W. Thomseii, Der Ursprung des russischen Staates 22.
392 J- Marquart,
für die älteren Zeiten , bilden muss , fehlt meines Wissens noch
immer. Es gibt aber glücklicherweise zwei Epochen, für welche
uns auswärtige zeitgenössische Quellen eine Kontrolle ermöglichen
und wo daher das Messer angesetzt werden kann , um die Nähte
des künstlichen Gewebes wieder aufzutrennen. Die eine dieser
Epochen ist das Aufkommen der Bagratiden in Tao und Iberien,
wofür uns ausser der einheimischen Chronik und den Angaben
Wardans (13. Jahrh.) der Bericht des Kaisers Konstantinos Por-
phyi'Ogennetos (952) zu Gebote steht, der aus offiziellen Quellen
schöpfte und den Ereignissen zeitlich noch sehr nahe stand.
Werfen wir nun einen Blick auf die von B r o s s e t (Hist.
de la Georgie. Additions et eclaircissements p. 153 — 155 und
161) nach diesen Quellen entworfenen Stammtafeln, so fällt vor
allem auf, dass bei Wardan wie in der Chronik die vom ältesten
Gewährsmann, Konstantin, bezeugte Ableitung der iberischen Bagra-
tiden von einem Sohne des Königs David und der Bathscheba',
wenigstens in der bei Konstantin vorliegenden Form , aufgegeben
ist. Die Georgier haben demnach in der Zmschenzeit ihre Ge-
schmacksverirrung eingesehen und auch die chronologische Un-
geheuerlichkeit, welche der alte Stammbaum enthielt, empfunden.
Bagrat, der Grossvater des von Kaiser Leon dem Weisen (886 —
912) mit der Kuropalateswürde beschenkten Atrnerseh (III.),
sollte ja ein Sohn Davids , des Bastards der Bathscheba ge-
wesen sein ! Eine weitere Abweichung ist darin zu erkennen,
dass der Vater des Atrnerseh (III.) nicht, wie bei Konstantin,
A s c h 0 1 heisst , sondern D a w i t '. Dagegen wird hier die
Genealogie nach oben über Bagrat hinaus durch einen Aschot
verlängert, einen Zeitgenossen des armenischen Bagratiden Aschot
des Tapferen , dessen Frau aus Georgien stammte und der vom
Chalifen mit Georgien belehnt wurde und sich das ganze Land
unterwarf, worauf er vom Kaiser Leon V. den Titel eines Kuro-
palates erhalten haben soll. Seine Bemühungen , die Hilfe des
Kaisers zu erlangen , blieben jedoch erfolglos , da dieser damals
durch die Verschwörung Michaels des Stammlers beschäftigt war^).
Von jetzt an gehen die Genealogien Wardans und der Chronik
auseinander und während die des ersteren die iberischen Bagratiden
nach aufwärts auf die armenischen zurückführt, ist die Chronik
bemüht, die Genealogie ganz nach dem Rezepte der Angaben der
noch unausgebildeten Tradition, wie sie bei Konstantin vorliegt,
weiter auszugestalten.
Nach Konstantin waren seit der Ankunft der Brüder David
und Spandiat in Iberien bis zu seiner Zeit (952) 400 oder 500
Jahre vergangen-). Dieselben oder die Nachkommen Davids —
^) Brosset, Additions et eclaircissements p. 160 s.
2) De admin. imp. c. 45 p. 199, 8 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 393
Spandiat starb kinderlos — schlössen sich später dem Kaiser
Herakleios auf seinem Feldzuge gegen Persien an und unter-
warfen durch die Furcht der Perser vor Herakleios viele Städte
und Landschaften derselben. Die iberischen Bagratiden rühmten
sich ferner nach Konstantin, durch ihre Abstammung vom König
David auch mit der Gottesmutter, die ja ebenfalls aus dem Ge-
schlechte Davids war, verwandt zu sein (p. 197, 19 ff.). Diese
Andeutungen sind bei den Bearbeitern der Chronik nicht auf un-
fruchtbaren Boden gefallen. Der unmittelbare Stammvater der
Bagratiden ist nicht ein Bastard des König David, sondern ein Jude
Solomon, welcher in der 28. Generation von Kleopa, dem Bruder
des Nährvaters Joseph abstammte. Seine sieben Söhne kamen in
die Provinz Eklec' (Ekeieac') zur Königin Kak'ael, von der sie
eigenhändig getauft wurden. Drei von ihnen traten in Familien-
verbindungen mit den Königen von Armenien, während die vier
übrigen, darunter Guram oder G war am, sich nach Georgien
wandten. Um diese Zeit war der König Bakur HL (557 — 570 nach
W a c h u s t) mit Hinterlassung von unmündigen Kindern gestorben.
K'asre Ambarwez , welcher von seinem Yater, dem Perserkönig
ürmizd, mit der Verwaltung von Ran (AitSji) und Mowakan betraut
worden war und seinen Sitz in Bardav {Partav) hatte, trat darauf
in Unterhandlungen mit den Erist'awen von Georgien, welche sich
für unabhängig (vom König von Georgien) erklärten und ihm
Tribut zahlten, während die Söhne des Bakur sich nui' im ge-
birgigen Teile von Kachet' hielten und die des Mirdat, des Sohnes
Wachtangs, die Herren von Klarget' und Gawachet', sich in den
Felsen von Klarget' verschanzten. Als aber die Türken einen
Einfall nach Persien machten und auch die Griechen die Perser
aus Mesopotamien vertrieben und in Persien eindrangen, sah sich
K'asre Ambarwez veranlasst, Georgien und Rom (d. h. das Romäer-
reich) zu verlassen, um seinem Vater zu helfen. Nun baten die
Georgier den griechischen Kaiser um einen König für ihr Land,
und dieser gab ihnen den Gwaram, einen Schwestersohn Mirdat's,
der damals in Klarget' und Gawachet' gebot, und verlieh ihm den
Titel Kuropalates. Li seine Zeit fällt der Aufstand des Bahram
Cubin. NachdemK'asre denselben mit Hilfe des Kaisers Maurikios
glücklich niedergeworfen, erkannte er Georgien als unabhängig an
und Gwaram regierte fortan unter der Oberhoheit der Griechen i).
Wachust setzt seine Regierung in die Jahre 575 — 600, sodass
also seine Ankunft in Georgien in der That etwa 400 Jahre vor
Konstantin Porphyrogennetos fiele. Sein Sohn Step'anos I. , ein
Zeitgenosse des Phokas und Herakleios (600 — 619), nannte sich
nicht König, sondern nur Mt'awar der Erist'awe. Als K'asre, um
für die Ermordung des Maurikios Rache zu nehmen, gegen Phokas
1) Hist. de la Georgie p. 214 ss.
394 «^* Marquart,
zo«?, verliess Step'anos die Griechen und schlag sich auf die Seite
des K'asre. Er residierte in Tiflis und gebot über ganz Georgien
unter der Oberhoheit der Perser. Als Herakleios mit Hilfe der
Westtürken Tiflis belagerte, verteidigte Step'anos die Stadt tapfer,
wm^de aber in einem Gefechte getötet, worauf der Kaiser die
Stadt eroberte 1). Dieser übergab hierauf Tiflis einem Sohne des
Königs Bakur III., der Erist'aw in Kachet' war, namens Adarnase,
und ernannte ihn zum Mt'awar von K'art'li. Nachdem er ihm
noch einen Erist'aw Gibghu zurückgelassen hatte, um die Citadelle
Kala zu belagern, zog er selbst gegen Bagdad. Gibghu nahm in
wenigen Tagen die Citadelle 2) , und die Griechen gewannen die
Gebiete von Georgien, Sper, den Rand von Klarget' und das
Meeresufer zurück. Die Söhne des Step'anos blieben in den Felsen
von Klarget*, während Adarnase das übrige Georgien inne hatte,
ohne jedoch den Königstitel zu führen. Die Erist'awe vererbten
ihre Territorien auf ihre Söhne, wenn sie auch seine Oberhoheit
anerkannten ^).
Wir haben aber in der Chronik noch eine zweite Version
über die Einwanderung der Bagratiden nach Iberien. Step'anos II.,
der Sohn und Nachfolger Adarnase's I. (639 — 663 nach Wachust),
residierte ebenfalls in Tiflis, sah sich aber genötigt, mit seinem
älteren Sohne Mir vor den Arabern nach Egris zu fliehen,
wohin ihm sein jüngerer Sohn ArS'il bald nachfolgte, nachdem
er zuvor den königlichen Schatz an verschiedenen Stellen ver-
graben und die Kirchenschätze in der grossen Kuppel der Sions-
kirche in Mc'chet' versteckt hatte. Step'anos starb in Egris.
Während die Brüder Mir und Arß'il nun in Egris weilten, er-
schien in Georgien der agarenische Emir Murwan-Qru*), der die
Landschaften von Griechenland und Armenien bis zum Meere
mit einem Heere gleich Legionen von Heuschrecken und Mücken
1) S. unten S. 401 Anm.
2) Diese Erzählung geht in letzter Linie auf Mos. Kalankatvac'i II
10—12. 14 S. 232—254. 259—266 bezw. dessen Quelle zurück. Schon
Brosset (Hist. de la Georgie p. 228 n. 1. 226 n. 3. 5. 225 n. 4) hat er-
kannt, dass dieser Gibghu dem Gebu-Chak'an des Moses Kalankatvac'i,
dem Zitßrjl des Theophanes entspricht. Es ist der damalige Chagan
der Westtürken T'07ig Jabgu Chagan. Die Einnahme von Tiflis durch
&ebu Chak'an und seinen Sohn, den Sat' , erzählt Moses Kai. 11 14
S. 262—264. Die Citadelle Kala (ar. K*ii) bei Tiflis ist wohl die von
atabischen Geographen erwähnte Festung J.-^JoV.i^ gegenüber Tiflis.
3) Hist. de la Georgie p. 223—229. Chronique arm(5n. Additions
et eclaircissements p. 46 — 47. [Armenischer Text, hg. zu Venedig 1884
unter dem Titel GuanSer, ^utJiun-ouw «^//y.««//»«-/?/«-^/ Tjpwj (Compen-
diosa historia Iberiae), S. 96 f.]
*) In dieser Figur sind Muhammad b. Marwän, der Henker von
Nachcavan, und sein Sohn Marwän b. Muhammad, der spätere Chalifa,
zusammengefallen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 395
verheerte, den ganzen Kaukasus durchzog und sich der beiden
Thore von Dariela und Derbend bemächtigte. Als er nach Zer-
störung aller Städte und Einnahme zahlreicher Festungen Geor-
giens und verheerenden Zügen durch Samc'che , Argwet' , Egris,
Mingrelien und Ap'chazien vor der Festung Anakop' erschien und
diese belagerte, erlitt er durch die Brüder Mir und Ar^'il, die
sich bei seinem Anzüge von Egris nach Ap'chazet'i zurückgezogen
und beim kaiserlichen Erist'aw Leon Zuflucht gefunden hatten,
eine Niederlage^), die ihn aber nicht hinderte, auf seinem Rück-
zuge über Pityüs, Guria und Sper sich der Städte und Festungen
des Küstenlandes zu bemächtigen. Nachdem Mir an einer Wunde
gestorben war, folgte ihm Arß'il (668 — 718 nach Wachust), welcher
für sich selbst Egris, Swanet', T'awkwer, Argwet' und Guria be-
hielt und in C'iche-Gog und K'ut'at'is residierte, während er
Klarget'i und das mittlere Mt'iulet'i , dem Wunsche seines ver-
storbenen Bruders gemäss, seinen Nichten überliess. Von diesen
verheiratete er die erste mit dem Sohne oder Enkel des väter-
lichen Oheims des Gwaram Kuropalates, dem Herrn von Klarget'i
und Gawachet'i; die zweite mit dem von P'eroz abstammenden
peteachs^ der Mt'awar von T'rialet'i, Tasir und Aboc' (arm. Asoc')
war; die dritte mit Nerse Nersian, einem der Grossen des Königs
Wachtang; die vierte mit Adarnase Adarnasian, welcher mit dem
Vorhergehenden Herr des Oberen Landes oder von K'art'li war; die
fünfte mit Warazman, dem er das Land von Kotman bis K'urdis-
Chew gab und der vom persischen Erist'aw von Barda (Partav),
dem Vater der Mutter des Königs Wachtang abstammte ^) ; die
sechste dem Guanser Guanserian, einem Nachkommen des Königs
Mirian durch die Linie des Rew. Diesem gab er Guar, Cherk, ganz
Mt'iulet' und das Thal Manglis bis nach Tiflis. Dem kaiserlichen
Erist'aw Leon von Ap'chazet'i gab er seine Nichte Guranducht
und die Krone , die der griechische Kaiser dem Könige Mirian
geschenkt hatte. Ar^il „setzte sich fest in Egris bis nach Sorapan,
stellte alle Städte und Festungen wieder her und erbaute eine
Citadelle an der Grenze von Guria und Griechenland. So ver-
gieng ein Dutzend von Jahren. Georgien begann sich wieder zu
erholen, aber Mc'chet' lag in Ruinen. Als der König Arö'il, von
1) Mchit'ar von Airiwank' verlegt dies Ereignis ins J. 681 n. Chr.
Brosset 1. 1. p. 242 n. 2. Dann müsste aber Mir, der eine der beiden
Brüder, mit dem im Jahre 681/82 gegen die Chazaren gefallenen
Fürsten von Iberien identisch sein, dessen Namen wir jedoch aus zwei
armenischen Quellen erschliessen können (unten S. 402 A.). Die Flucht
der iberischen Fürsten könnte vielmehr frühestens zusammenhängen mit
der Flucht der armenischen Notabein nach Egr infolge der Katastrophe
von Nachcavan im Jahre 705 (Levond S. 58). S. u.
") Dieser gehörte sicher dem Hause der Aranmhik an, die sich
später von Bahram Cöbln ableiteten.
396 J- Marquart,
Eo-ris kommend, in der ehemaligen Festung Chidar Halt gemacht
hatte, kam zu ihm ein Mt'awar, ein Nachkomme des Propheten
David, namens Adarnase, ein Bruderssohn Adarnase's des Blinden,
dessen Vater, mit den Bagratiden verwandt, von den Griechen
ein Erist'awat in den Gegenden von Somchet'i (Armenien) erhalten
hatte, aber während der Raubzüge des Qru bei den Nachkommen
des Gwaram Kuropalates in Klarget'i Zuflucht gefunden hatte,
wo er geblieben war. Dieser Adarnase richtete an den König
ArS'il folgende Bitte : ,Wenn du willst, so mache mich zu deinem
Vasall und gib mir ein Lehen'. Der König bewilligte ihm
Solawer und Artan^). Darnach gieng Arß'il nach Kachet'i, das
er unter alle Leute seines Hofes verteilte , indem er ihnen das
Aznaurat übertrug. Er erbaute die Kirche von Sa^mor und
heiratete die Tochter des Gwaram Kuropalates, der von den
Söhnen Wachtangs und seiner griechischen Gemahlin abstammte.
. . . Indessen die Sarazenen waren mächtig im Lande Ran (Arrän),
und hatten Gazir (das Land der Chazaren) und Armenien erobert,
und Maslama führte Krieg mit den Griechen. Die Bruderssöhne
Adarnase's des Blinden, die ihrem väterlichen Oheim ^die Augen
ausgebrannt hatten, kamen aus Taron ins Land Sakik' (Sak'e?), wo
sich diese drei Brüder mit Zustimmung des Königs Ari'il fest-
setzten, weil die ganze Gegend des Kaukasus in der Umgebung
von Ran (Arrän) ohne Herren war. Heret'i und Kachet'i behielten
kaum einige Einwohner, die sich in die Wälder und Gehölze ge-
rettet hatten: die drei Brüder nahmen daher das Land bis nach
Gulgula in Besitz" -).
Es ist nicht dieses Ortes , auf die Einzelheiten dieser Dar-
stellung einzugehen. Worauf es uns hier ankommt, ist die Fest-
stellung der Thatsache, dass diese Version von der bagratidischen
und davidischen Abstammung des Kuropalates Gwaram noch nichts
weiss. Der Nachweis der sekundären Entstehung der Tradition
1) In Samc'che; vgl. Brosset p. 249 n. 5. Artan heisst in der
Geographie des Ps. Mos. Chor. 28, 7. 35, 6 ed. Soukry Artahan, arab.
^\.j(hj bezw. ^^-IJ^ Baläd. K.^, 1.
2) Hist. de la Georgie I 232—250. Die armenische Übersetzung
(Additions et öclaircissements p. 49; armenischer Text S. 100—101) hat
dafür bloss: „Jedoch an der Wunde starb Mihr, und ward bestattet in
Mc'chet'a. Das Land hatte zwölf Jahre Ruhe.
In jenen Tagen kam ein gewisser Fürst aus dem Hause des Pro-
pheten David, Adrnas genannt, zu Arc'il. Dieser war nach Armenien
gekommen, und mit seinen Kindern von den Heiden (Muslimen) ge-
fangen genommen und von da entronnen, erbat er von jenem (Ar6'il)
einen Wohnort. Er gab ihm Risa, Slver und Atone. Es kamen auch
aus Tarin ([, g,«^^//,, was wenigstens im Armenischen nicht Taraun
sein kann) drei Brüder, und siedelten sich auf Befehl des Arc'il bis
Galgat an. Die Frau des Arc'il war eine Tochter des Gorom Kiura-
paVat, aus den Nachkommen des Königs Wacht'ang".
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 397
von der erstmaligen Thronbesteigung der Bagratunier in Iberien
entscheidet zugleich über ihren historischen Wert '). [Anders und
viel günstiger steht es dagegen , wie sich jetzt herausstellt , mit
der Genealogie der iberischen Bagratiden vom KuroiDalates Atr-
nerseh (III.) bis zum Kuropalates Aschot aufwärts. Er^tspräche
^) [Nach dem Martyrium des hl. Eustathios von Mc'chet'a war im
zehnten Jahre des Chosrau Arwand Gusnasp persischer Marzpan von
Iberien; neben ihm war Grigor Hausvater {inamasachUs) von Iberien
und ArSuSa pitiachs von Iberien d. h. von Gugark'. Drei Jahre später
wurde Wezan Buzmil {Burzmihr) Marzpan. Wie Harnack nach-
weist, fällt das Martyrium in die Regierung des Chosrau Anösarwän,
dessen zehntes Jahr dem Jahre 540/41 entspricht. Siehe Dscha-
wachoff, Das Martyrium des hl. Eustatios von Mzchetha. SBBA. 1901
S. 880 ff. Brosset, Hist. de la Georgie I 226 n. 1.] Beim Ausbruche
des Aufstandes der Armenier im J. 571 war FoQy^vris (Gurgen) Fürst
der Iberer, Theophanes Byz. bei Dindorf, Hist. Gr. min. I 448. Wir
kennen sodann drei Fürsten , die in ihrem Namen Münzen in PahlawT
und georgischer Sprache mit den^Typen Hormizds IV. (579 — 590) prägen
Hessen: Gurgen, Wachtang und Guanser (Brosset, Deux histor. armen,
p. XI. 249 n. 1).
Von Wichtigkeit sind die Dokumente, welche Uchtanes von Edessa
(Ende des 10. Jhs.) in seiner Geschichte der Entstehung des Schismas
zwischen der armenischen und iberischen Kirche mitteilt. Um dieselben
jedoch ohne Bedenken für die Geschichte verwerten zu können, wäre
erst eine Spezialuntersuchung derselben und insbesondere ihrer Chrono-
logie erforderlich. Hier möge soviel genügen , dass Smbat Bagratuni,
der ehemalige Marzpan von Hyrkanien, nach Sebeos 68 im 28. Jahre
des Chosrow d. i. nach seiner Rechnung im Jahre 616/17 starb. Der
Katholikos Abraham, der im 21. Jahre des Chosrow d. i. 609/10 starb
(Seb. 78), wurde nach Sebeos 64 im 18. Jahre des Chosrow unter Lei-
tung des Smbat Bagratuni zum Nachfolger des verstorbenen Katholikos
Moses gewählt. Hier muss aber, wie ich anderswo zeigen werde, das
8. statt des 18. Jahres Chosrows gelesen werden, so dass die Wahl also
im Jahre 596/97 d. h. wahrscheinlich im Frühling 597 stattfand. Bei
Uchtanes findet sich merkwürdigerweise ein noch viel gröberer Fehler,
der sich sogar viermal (II 1. 30. 32. 35) wiederholt, indem die Wahl ins
17. Jahr des Chosrow, als Maurikios Kaiser der Römer war,
verlegt wird. Damit wird natürlich auch die Angabe hinfällig, dass
Abraham 23 Jahre den Stuhl innegehabt habe (Uchtanes II 1 vol. II 8
des Textes, Walarsapat 1871; Brosset, Deux histor. armen, p. 278.
St. Petersbourg 1871. Etienne A^ogh'ig, Hist. universelle trad. par
E. Dulaurier p. 118). Das Richtige wäre vielmehr 13 (597—609/10).
Nach dem Tode des Moses trat eine dreijährige Sedisvakanz ein, wäh-
rend welcher Wrt'anes K'ert'ol als Verweser den Stuhl des hl. Grigor
verwaltete (Uchtanes II 8. 35. 38, p. 23. 61/62. 67 des Textes, 289. 313.
316 Brosset), also von 594—596.
Eines der von Uchtanes mitgeteilten Schriftstücke nun, das noch
vor der Weihe des Katholikos Abraham abgefasst ist, trägt die Adresse :
„Dem Freunde der Heiligen Kiuron , Katholikos von Iberien, und den
andern Bischöfen, euren Amtsgenossen, und den Fürsten eures Landes
Atrnerseh und allen euren Vornehmen, von Smbat, dem Marzpan von
Wrkan, und Krieger der Herren und daStkarin, und vom ranganführen-
den Lehrer Armeniens (d. i. Wrt'anes K'ert'ol), und den übrigen Freien"
(Uchtanes II 55 S. 93 = p. 832 Brosset). In der Antwort auf dieses
ggg J. Marquart,
dem relativen Alter der uns vorliegenden Quellen zugleich eine
entsprechende Entstehungszeit der von jihnen gebotenen Berichte,
so wäre die Darstellung des Kaisers Konstantin auch materiell als
Schreiben (II 56 p. 95 = 333) werden hinter Kiuron und seinen SuflFra-
ganen ,die Fürsten Atrnerseh und AmSan, sowie alle Vornehmen unseres
Landes Iberien" genannt.
In der Antwort auf einen Brief des Bischofs Moses von C'urtav in
Gugark', die einige Zeit nach der Weihe des Katholikos Abraham ge-
schrieben ist (II 59 S. 101/2 = 337), erwähnt Smbat als jenem feind-
selig den Atrnerseh, Wahan und (deren) Brüder; dagegen bittet Moses in
seinem zweiten Briefe an den Katholikatsverweser Wrt'anes K'ert'ol
(II 20 S. 40 = 300), dieser möge seinetwegen einen Brief schreiben lassen
„an den sogenannten Katholikos (Kiuron), und an Nerseh und Wahan
und Bzrmeh'^, welchem Verlangen dieser auch nachgibt (II 22 S. 42
= 301). Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Nerseh hier
dem später neben Wahan erscheinenden Atrnerseh entspricht; ganz
ebenso findet sich der Name des Kuropalates Atrnerseh II. bei Wardan
abgekürzt (B rosset, Additions et eclaircissements ä l'histoire de la
Georo-ie p. 161/62). Eine Mehrheit von iberischen Fürsten wird im
ganzen zweiten Buche des Uchtanes, in den Ausführungen des letztern
so gut wie in den Urkunden vorausgesetzt (z. B. § 1 p. 279. § 8. 10.
11. 19. 28. 24. 53). Einmal erwähnt Kiuron in einem Schreiben an
den Katholikos Abraham „die Könige, Fürsten und Einwohner unseres
Landes" (II 52 S. 89 = 330). Die Residenz war Tiflis (II 7 p. 19 = 287).
Der erste dieser Fürsten war offenbar Atrnerseh, allein seine Brüder
Wahan und Bzrmeh {Burzmihr oder Biizurgmihr) hatten gleichfalls
Teil an der Regierung. AsuSan ist wohl der gleichzeitige hdeasch von
Gugark', dessen Residenz, wie wir durch Uchtanes II 18 p. 34 = 296 er-
fahren, die Stadt C'urtav war. Asusaj hiess schon der bdeasch von Gugark'
im 5. Jahrhundert (s. mein Eransahr S. 169) [sowie ein anderer um 540
laut dem Martyrium des hl. Eustathios]. Die politischen Verhältnisse in
Iberien waren also gegen Ende des 6. Jahrhunderts noch ganz ähnlich,
wie sie uns fürs 4. und 5. Jahrhundert die Lebensbeschreibung Petrus
des Iberers kennen lehrt. Für einen Kuropalates Gwaram ist um jene
Zeit, wie man sieht, kein Raum; er konkurriert sachlich mit Atrnerseh,
dem Zeitgenossen des Kaisers Maurikios, bei Uchtanes.
Iberien mit der Hauptstadt Tiflis gehörte damals zum Romäer-
reiche, wie sich aus den Worten des Katholikos Abraham ergibt, der
an Kiuron schreibt (II 44 S. 75 = 321): „Denn es ist etwas, was sich
uns nicht glaubwürdig gezeigt hat: weshalb unter einem fremden
Königtum mit den Untertanen des Königs der Könige Freundschafts-
bündnis machen und die Einheimischen verbannen?" Diese Vorwürfe
beziehen sich auf das Verhalten des Kiuron gegenüber dem Nestorianer
K'is aus Chuzastan und dem Bischof Moses von C'urtav. Das fremde
Königtum, unter welchem die Iberer stehen, ist natürlich das der
Römer. Was Kiuron darauf erwidert (II 45 S. 77 = 322), ist lediglich
Phrase: „Aber was jenes anbelangt, was wegen des Glaubens, der
Synode (von Chalkedon) und des Briefes (des Leon) geschrieben war,
und wiederum ,mit den fremden Unterthanen des Königs der Könige
übereinzustimmen und die Einheimischen hinauszuwerfen', so standen
unsere und eure Väter unter der Herrschaft des Königs der Könige
und hatten den Glauben von Jerusalem, und ihr und wir ebenso. Der
König der Könige ist Herr des Landes der Römer und Arier, und es
ist nicht so, wie ihr geschrieben habt, dass es getrennte Königreiche
sind. Gott möge den König glorreich machen, denn er hat mich glor-
reich gemacht". Der Satz: „der König der Könige ist Herr des Landes
Osteuropcäische und ostasiatische Streifzüge. 399
die älteste zu betrachten, woraus sich die successive Erweiterung
des Stammbaumes über Bagrat I. hinaus von selbst ergäbe. Man
müsste dann annehmen, dass des letzteren Vater nach Konstantin,
der Römer und der Arier" ist natürlich nur ein überschwenglicher Aus-
druck für das enge Friedens- und Freundschaftsverhältnis, das zwischen
dem Perser- und Romäerreiche seit der Thronbesteigung Chosrau's II.
bestand und das darin seinen Ausdruck fand, dass Maurikios dem
Chosrau auf sein Ersuchen selbst Truppen gegen den Usurpator Wstam
schickte (Seb. 57, 18. 48). Das Kompliment für den König, das sich
am Schlüsse findet, darf nicht auffallen; auch in der Erwiderung eines
Briefes des Smbat sagt Kiuron (II 56 S. 96 = 334): .Wegen dieses
huldvollen Befehles, indem er dir, o Herr, Gelegenheit gab zu diesem
Werke, möge Gott den König der Könige unsterblich machen"; der-
selbe Brief aber schliesst mit den Worten: .Gehabt euch wohl im Herrn!
Aber Gott erhalte am Leben den Kaiser (^lj«y„^), denn er hat unser
Land am Leben erhalten". Wegen dieser Ausdrücke wirft Uchtanes
II 57 dem Kiuron vor, er habe zwischen Römern und Persern hin-
und hergeschwankt: .Er wandte sich nach jener Seite der Römer,
indem er verherrlichte und zu Gefallen redete dem Kaiser Maurik, und
brüstete sich mit ihm indem er sagte : ,Wir, sagte er, haben den Glauben
des Kaisers empfangen und halten ihn, . . . und Gott erhalte den Kaiser
am Leben. Aber darauf begünstigt er unsere Seite der Perser. Denn
auch ihr Land hat geschwankt nach der Seite der Perser und der
Römer, und er hegte den Verdacht vom König der Könige , ,er möchte
vielleicht eine Untersuchung meiner Handlungen veranstalten infolge
der Anstachelung Smbats, des Marzpans von Wrkan' In solcher
Unsicherheit .rühmte er sich auf jener (der Römer) Seite, weil er deren
Glauben angenommeu hatte, und auf unserer Seite fürchtete er, dass
vom König eine Glaubensuntersuchung stattfinden werde auf Antrieb
der Freien Armeniens, und sagte: ,Gott mache glorreich den König'.
. . . Und derart zu den Menschen Zuflucht nehmend, rühmte er sich,
und mit schmeichlerischen Worten und Gebeten betete er für das Leben
des Kaisers und erflehte den Ruhm des Königs (von Persien) mit eitlen
Gedanken". (Die Übersetzung Brossets p. 835 ist hier sehr ungenau
und irreführend). Diese zweideutige Haltung des Kiuron wird dadurch
begreiflich, dass wenigstens ein Teil Iberiens immer noch den Persern
gehörte und er daher wegen der unter persischer Herrschaft stehenden
Bezirke seines Katholikatssprengels auf den König der Könige Rück-
sicht zu nehmen hatte. Die einzige Nachricht, die wir hierüber be-
sitzen, ist die Angabe des Sebeos (S. 45), Chosrau habe nach seiner
Wiedereinsetzung dem Maurikios auch den grössten Teil von Iberien
bis zur Stadt Tp'chis überlassen, und zwar muss Tiflis, wie sich aus
den von Uchtanes mitgeteilten Urkunden ergibt, noch zum römischen
Teil gehört haben.
Der iberische Katholikos Kiuron beschuldigt den Bischof Moses von
C'urtav in seiner Antwort an Smbat (II 56 S. 96 = 334), er sei .wegen
seiner schlechten Handlungen heimlich des Nachts (aus Tiflis) entwichen
und als Aufständischer zu Wahram weggegangen, und sei derart weg-
gegangen um Bosheit zu üben ; denn wenig fehlte und er hätte auch unsere
Stadt den Ariern in die Hände gespielt und unserem Lande grossen
Schaden herbeigeführt" (lies L. if.lrn. ij^wquß^u uiiüin,-i_ tmujp ]]^tiM^,
i. ut^fiiuipi,ltu jyhr ifuuiu £,uiunc.ßu/bkp für h. ^phitig lu^Juatp^ltu CtC.
des Textes). Moses weist aber jene Beschuldigung mit den Worten
zurück, dass er nach seinem Besuche beim Katholikos Kiuron keineswegs
400 J- Marquart,
David, der Bastard der Bathscheba', und Aschot , der Vater des
Kuropalates Atrnerseb (III.), in der jüngeren Gestalt des Stamm-
baums die Plätze getauscht und man auf diese Weise den
bei dunkler Nacht, sondern am hellen Tage abgereist sei und sich ins
Kloster Surb Johannes (am Aragac) begeben habe. ,Und ich bin nicht
zu Warham gegangen, und jene vermögen das nicht zu beweisen. Allein
ich mache auch zum Zeugen (? luttj-nt^iTu/b) euren Herrn War r am. Er
hatte an mich geschrieben : ,Ein grosser Herzenskummer ist mir eure
Entfernung von der heiligen Kirche, aber wann ihr weggehen solltet,
müsstet ihr den Weg zu uns nehmen. Denn auch ein grosser Teil der
Kirche liegt hier, womit es auch möglich wäre, euch aufzunehmen'.
Diesen Brief hat der Herr Katholikos gesehen, und ich werde ihn dir,
0 Herr, zeigen. Ich habe ihm erwidert und sage : , Weshalb gienge ich
dann weg, wenn ich zu dir gienge? Denn euer Glaube und der ihrige
ist einer' (II 58 S. 100 =^ 336). Aus dieser Erwiderung des Moses ist
ersichtlich, dass Wahram bezw. Warham ein Fürst war, der zwar eben-
falls dem Chalcedonense anhieng, aber dem Moses seinen Schutz anbot, —
freilich, wie es scheint, aus eigennützigen Absichten, da sein Bistum
zum grossen Teil auf seinem Gebiete lag. Wenn aber Moses durch den
Übergang zu ihm den Iraniern das damals zum Romäerreiche gehörige
Tiflis in die Hände spielen konnte, so haben wir Wahram am wahr-
scheinlichsten als Fürsten des den Fersern verbliebenen Teiles von
Iberien östlich und südöstlich von Tiflis zu betrachten. Es liegt daher
am nächsten , in ihm den bdeaSch von Gugark' zu sehen und ihn mit
dem früher genannten ASuSan zu identifizieren, so dass also Asusan ein
gemeinsamer Name (Familienname oder Titel) der bdeaschk' gewesen
wäre. Diese Kombination wird auch durch die unten mitgeteilte Notiz
des Theophanes empfohlen. Da aber Moses der Hausbischof der Pforte
des bdeaSch war und wie dieser in C'urtav residiete (Uchtanes II 11
p. 25 = 290 vgl. II 14 p. 28 = 292), so wäre es immerhin auffällig, dass
Kiuron dann nicht deutlicher angedeutet hätte, dass Moses (angeblich)
zu seinem Landesherrn , dem bdeaSch geflüchtet , also einfach in seine
Residenz zurückgekehrt war.
Die Bemühungen des Kaisers Maurikios, das Chalcedonense ein-
zuführen , begannen natürlich gleichzeitig im römischen Armenien
(Seb. Kap. 9 S. 52/53) und Iberien, und Uchtanes hat gewiss Recht
wenn er bemerkt, dass Kiuron im Einverständnis und auf Befehl des
Kaisers handelte, und es auch nichts genützt hätte, wenn Smbat den
König (von Persien) von jenen Vorgängen unterrichtet hätte (II 5 S. 17
= 286). Erst auf der Synode, welche Chosrau Aparwez nach der Ein-
nahme von Jerusalem und Alexandria (nach Seb. 82 im 25. Jahre des
Chosrow = 618/14) am königlichen Hofe unter Leitung des Smbat
Bagratuni und des königlichen Oberarztes versammelte und welcher
auch der gefangene Patriarch Zacharias von Jerusalem anwohnte, er-
langte der Monophysitismus im persischen Reiche die staatliche Appro-
bation (Seb. 121 — 123), nachdem gerade der Patriarch von Jerusalem,
also der Kirche auf deren Glauben sich die Iberer mit Vorliebe be-
riefen, sich gegen die Synode von Chalkedon erklärt hatte.
Nachdem Chosrau IL sich zum Rächer des ermordeten Kaisers
Maurikios aufgeworfen und seine Heerführer die Romäer in Armenien
wiederholt geschlagen und zuletzt im 18. Jahre des Chosrow = 606/7
(Seb. 77) selbst aus Karin (Erzerum) verdrängt hatten, muss auch das
römische Iberien mit der Hauptstadt Tiflis den Persern wieder in die
Hände gefallen sein. Als Herakleios auf seinem zweiten persischen
Feldzuge aus Atrpatakan zurückkehrte und in den Gegenden von
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 401
Kuropalates Aschot gewonnen hätte. Allein Wardans Notiz über
letzteren und seine Genealogie tritt ganz unveriänglich auf, so
dass an eine absichtliche Fälschung nicht wohl zu denken ist.
Albanien, Iberien und Armenien überwintern wollte (624), schrieb er
an die Fürsten und Vorsteher dieser Länder, sie sollten ihm freiwillig
entgegenkommen, ihn aufnehmen und ihn samt seinen Truppen während
des Winters bedienen: wo nicht, so würden sie vor ihm wie Heiden
gerechnet werden, und die Festungen derselben würden genommen und
die Grenzen ihrer Länder von seinen Truppen besetzt werden. Doch
scheint diese Aufforderung nicht einmal bei den Albaniern grösseren
Eindruck gemacht zu haben; vgl. Moses Kai. 2, 10 S.237 ed. Sahnazarean.
Manandian, Beiträge zur albanischen Geschichte S. 38 f. Immerhin
finden wir im folgenden Jahre ausser Lazen und Ap'chazen auch Iberer
als Bundesgenossen in seinem Heere (Theophan. p. 309, 14 — 15). Als
aber Herakleios und Gebu Chak'an, der Herrscher der Chazaren bezw.
der Westtürken, die iberische Hauptstadt Tiflis belagerten, hielten die
Einwohner standhaft zu den Persern. Vgl. Moses Kai. II 11 S. 211.
Manandian a. a. O. S. 42—44. Wie wir aus dem Berichte des Moses
Kalankatvac'i über die Erstürmung der Festung durch Gebu Chak'an
und seinen Sohn, den Sat' , ersehen, führte den Befehl daselbst ein
persischer Marzpan, neben welchem ein einheimischer Fürst stand. ,Sie
führten auch (nach dem Sturm) die beiden Fürsten herbei, den einen
den Oberkommandanten des Grenzhüteramtes der Perser, und den
andern aus ihren angestammten Einwohnern, aus dem Geschlechte der
Einwohner des Landes Iberien, die beiden festhaltend. Als diese ge-
fangen vor den König (Gebu Chak'an) geführt wurden, befahl er ihnen
die Augen auszustechen dafür, dass sie sein Bild blind gemalt hatten,
um ihn zu verhöhnen. Und mit qualvollen Martern peinigten sie sie
zu Tode, allein sie zogen ihnen auch die Haut ab von ihren Gliedern;
und pressend, reckend, sie mit Heu ausstopfend, hiengen sie sie auf
oberhalb der Mauer" (Mos. Kai. II 14 S. 263—264). Leider werden uns
die Namen dieser beiden Fürsten nicht mitgeteilt, allein wenn auf die
Angaben der Chronik irgendwelcher Verlass ist, so kann mit dem vom
Chazarenherrscher hingerichteten Fürsten von Iberien nur Step'anos I.
(oben S. 394) gemeint sein. Als Kawät II. mit Herakleios Frieden
schloss und die zwischen Chosrow und Maurikios festgesetzte Grenze
wiederhergestellt wurde (Seb. 101), kam auch Iberien wieder in die
Hände der Romäer. In einer Inschrift in schönen Chucuribuchstaben
über den Fenstern der Ostseite der Hl. Kreuzkirche von Mc'chet'a
empfehlen sich Step'anos, Patrikios von K'art'li, Adarnase hypatos und
Demetre verschiedenen Heiligen und Erzengeln. B rosset (Hist. de
la Georgie I 232 n. 1) glaubt, dass mit diesen Personen Step'anos II.
und sein Vater Adarnase I. (richtig IL), sowie Demetre, der Bruder
Step'anos I. (Hist. de la Georgie p. 224) und Erbauer der Kirche des
anbetungswürdigen Kreuzes gemeint seien.
In der Schlacht gegen Rähzäd (627) nahm Herakleios den Fürsten
des persischen Iberien BuQaa^ov6r]g gefangen (Theoph. p. 319, 19:
ixQar'^&ri dh ^äv BccQßccnovorig , 6 äg^cov t&v 'Ißiqqcov r&v vnb TliQGag
Kovdslg Sh ^liiivrirat, roiovrov noXs^ov ysyovötog ^istcc^v Il£Q6&v> nal
'Pa^iaicov). Ich glaube keinem Widerspruche zu begegnen, wenn ich
die Vermutung aufstelle, dass Bagcafiovarig aus ^BaQccn<a>aov6rig =
Warham- ASusaj verschrieben sei und wir hier einen bdeasch von
Gugark' vor uns haben. Die Versuchung liegt dann nahe genug,
ihn mit dem obengenannten Wahram gleichzusetzen. Ein zweiter
Marquart, Streifzüge. ^6
402 J- Marquart,
Sie hängt nämlich innerlich zusammen mit seinen Nachrichten
über Aschot den Tapferen von Armenien, die unzweifelhaft aus
dem Geschichtswerke des Sapuh Bagratuni stammen , und lässt
Atrnerseh wird durch Moses des Utiers Geschichte von Albanien be-
zeugt. Nach der Einnahme von Ktesiphon (645) hatte sich Guanser,
der Sparapet von Albanien , gegen die Perser erhoben , die er im
Gebiete von Perozapat und im Gau Kapican (K'ambecan) nördlich
vom Kur schlug, worauf er an den Grenzen von Iberien Halt machte.
,Und dort gieng der sehr geehrte Mann Atrnerseh, der Fürst des
Landes, welcher eine dreifache ngcotod^QOvia vom Königtum der
Romäer besass, zu ihm, und persönlich brannte er seine Wunden,
den Sieg seiner grossen Tapferkeit als Freude rechnend". Guanser
erhielt hierauf auch iberische Hilfstruppen (Moses Kai. II 19 ed.
Sahnazarean I 295. Vgl. Brosset, Hist. de la Georgie I 231 n. 7.
Additions p. 476.) Der Ausdruck A^^^t«/(r i^uj^Irp^jnLjS^^L.'b besagt
offenbar, dass der Fürst von Iberien vom Kaiser drei Würden erhalten
hatte, worunter wohl in erster Linie die des Kuropalates stand. Auch
hier hat die Chronik augenscheinlich die beiden Atrnerseh zusammen-
geworfen. Wachust's Berechnung der Regierungszeit des Adarnase I.
(619 — 639) kann natürlich neben der Angabe des Moses von üti nicht
bestehen. Rechnet man den Beginn seiner Regierung vom wahren
Datum der Belagerung von Tiflis durch Kaiser Herakleios (627) ab, so
würden die ihm zugeschriebenen 20 Jahre bis zum J. 646/47 herab-
führen. Einen weiteren Fürsten von Iberien lernen wir durch Johannes
Katholikos kennen: „In den Tagen des Patriarchen Israel von Armenien
(677 — 687) vertrieb einen gewissen [Kuin.tupujj Barabaj, Heerführer des
Heeres der Araber in Armenien , und reibt ihn auf mit Gemetzel , mit
Vergeltung Nerseh, der Fürst von Iberien, nachdem er ihn. in die Flucht
fetrieben" (Job. Kath., Jerusalem 1867 S. 118 = 81 der Übs.). Dieser
..'ürst Nerseh wird auch bezeugt durch die Vorrede zur armenischen
Übersetzung der Kirchengeschichte des Sokrates : „18 Jahre bevor
Philon jene Schrift , die Kirchengeschichte des Sokrates übersetzte
(a. 696), hatte Abas Grigor, der Übersetzer von Zorojp'or, unter unserem
Nerseh glorreichen Angedenkens, dem Fürsten der Iberer, dem Eidam
der Kamsarakank' , die vorliegende Schrift der Lebensgeschichte des
hl. Silvestros,.. des Bischofs von Rom übersetzt, und sie lag in den
Acten". Die Übersetzung der Vita Silvestri fand 18 Jahre vor 696, also
678 statt. Vgl. Gregor Chalathiantz, y^mlul^u ^anpl/buijni, "unpiu^
ajtfh lunp.pL.phlrnh i/utuph ^^ItliiuiLUMiniulfuilt ni-unt-ifijußupnnL.p-pi-hp (Jvri-
tische Untersuchungen der neuesten Art der Quellen des Moses Chore-
nac'i). Venedig 1898 S. 5 f. Im Jahre 681/82 fiel Grigor Mamikonean,
der Fürst von Armenien, samt den Fürsten von Iberien und Albanien
im Kampfe gegen die Chaza.en (Levond 35. Etienne A^ogh'ik, Hist.
universelle trad. Dulaurier I 128). Hundert Jahre später Hess der
Chalifa Müsa b. al Mahdl (3. Aug. 785—15. Sept. 786) den Fürsten von
Iberien grausam hinrichten (Levond 200; vgl. Brosset, Hist. de la
Georgie I 253 n. 2). Dieser ist wahrscheinlich^ identisch mit König
Ar6'il dem Märtyrer, der unter dem Statthalter Oicum, auch Asim ge-
nannt, den Martertod erlitt. Denn unter diesem Statthalter ist nach
Anleitung des armenischen Auszugs^S. 130 = Additions et öclaircisse-
ments p. 50, wo ,er das eine Mal Ciönaüm, Sohn des Mahadi heisst,
das andere Mal „Cicnam, der auch Asim genannt wurde", wohl niemand
anders zu verstehen als Chuzaima b. Chäzim, der unter Müsk b. al Mahdl
Statthalter von Armenien wurde und bei Levond 195. 200 Chazm heisst.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
403
sich keineswegs einfach herausschälen. Damit wird aber für
die Aschot Kuropalates betreffenden Nachrichten gleicher Ur-
sprung wahrscheinlich , womit von selbst folgen würde , dass
die Erfindung des erlauchten davidischen Stammbaums erst nach
Sapuh Bagratuni, also nicht vor dem Ende des 9. Jahrhunderts
erfolgt oder diesem mindestens noch nicht bekannt war. Die
oben angedeutete Manipulation wäre also umgekehrt von dem
Urheber des davidischen Stammbaumes ausgeführt worden , und
zwar hätte ihm Dawit', der Vater des Kuropalates Atmerseh, den
Ausgangspunkt zu derselben geliefert. Das Verhältnis zwischen den
Genealogien Wardans und der Chronik einerseits und Konstantins
andrerseits wäre somit folgendes :
Wardan und Georgische Chronik.
Konstantin Porphyrogennetos.
Wasak ^)
David mit Batscheba'
1
Atmerseh
1
Aschot Kuropalatesv
David Spandiat
Bagarat ^ — ^\
Bagarat
Dawit' -—-'''''^
^\ Aschot
Atmerseh (III.) Kuropalates. 'ASgavaarj 6 y.ovQOitaXä.T7ig.
Diese Auffassung wird nun durch eine Analyse des Berichtes
Wardans vollkommen bestätigt, welche ergibt, dass derselbe in
der That auf eine vorzügliche Quelle zurückgeht, die mit den
besten arabischen Quellen übereinstimmt. Wardan erzählt folgender-
massen ^) :
„Aber die Hinterbliebenen der in der grossen Schlacht^) Ge-
fallenen waren folgende: zwei Söhne Smbats, des Sohnes Asots,
namens Asot und Sapuh, und ein Bruder des Samuel (Mamikonean)
namens Sapuh, aber von Musei (Mamikonean) zwei Söhne und vier
Töchter, der Erstgeborne Sapuh mit Namen. Diese gelangten
(fielen) ins Land Waspurakan. Sie beide tötete Mehruzan Arcruni,
als ob durch die Schuld ihres Vaters das grosse Leid geschehen
sei. Eine von ihren Schwestern gab sich selbst einem gewissen
Ismaeliten Gahap zur Ehe, indem sie ihn zum Rückhalt machte.
Aber Smbats Söhne Asot und Sapuh teilten gleichmässig ihre
Erbgüter, und da Gahap einen Teil von Arsarunik' geraubt hatte
^) Nicht in der Chronik.
2) Wardan wardapet, Geschichtssamnalung. Venedig 1862
S. 76—78. Vgl. Brosset, Hist. de la Georgie p. 260 n. 1. Additions
et ^claircissements p. 159 — 161.
3) Von Bagrevand, im Monat Hrotic' 772. Vgl. Daghbaschean,
Gründung des Bagratidenreiches 63.
26*
^Q^ J. Marquart,
und durch die Hand seiner Frau sich der ganzen Pi'ovinz zu be-
mächtigen gedachte, so nahmen dieselbe Asot und Sapuh an
sich^), und hinaufziehend nach den Gegenden von Sirak, schlugen
sie die dortigen ismaelitischen Truppen und nahmen in Besitz
Sirak und Asoc'k' und den Gau Tajk'. Nachdem der tapfere Asot
in dieser "Weise mit Glück ausgezogen war, gründet er Kamach '■^)
und siedelt dort sein Gesinde an. Er selbst glich seinem Vor-
fahren Smbat, dem Sohne des Biurat, dem Fürsten von Smbatavan
d. i. Beberd im Gaue Sper^). Denn da ihn eines Tages die Feinde
umringten, während er im Gebete lag, liess er sich, als er es sah,
nicht stören im Sprechen mit Gott bis zur Vollendung und zog
darauf gegen sie, hieb den Anführer entzwei, der Liparon Abdla
hiess, und schlug gegen fünfhundert Mann. Als an diesen das Ge-
schlecht der Gnunier appellierte, sie zu retten vor den Ismaeliten,
kam er mit 1000 Mann in den Gau Aiiowit, vereinigte mit sich
das ganze Geschlecht mit ihren Habseligkeiten und führt sie weg,
siedelt sie an in Tajk'.
Da in jener Zeit die Ismaeliten untereinander in Aufruhr
waren, atmete unser Land Armenien auf, und begannen unsere
Fürsten sich jeder an seinem Orte zu befestigen. Der ismaelitische
Fürst gab Asot, dem Sohne des Atrnerseh, des Sohnes des Wasak,
des Sohnes Asots, des Fürsten Armeniens, das Land Iberien. Dieser
kommend macht es sich unterthan, und der Kaiser sendet ihm die
Ehre der Kuropalatie. Aber Gahap, von seinem Fürsten abfallend,
o-eht, setzt sich mit Gewalt fest in Dvin mit seinem Sohne Abdla.
Als dies der Kuropalat Asot sah, sandte er zum Kaiser Levon, ihm
zu helfen, dieser aber war (dazu) nicht in der Lage.
Denn als ein gewisser Michael ihn zu töten versucht hatte,
und ihm das Werk nicht geglückt war, sondern der Kaiser es
erfahren hatte, wollte er (der Kaiser) diesen töten, ward aber von
der Kaiserin angefleht (zu warten), bis der Tag des Osterfestes*)
vorüber wäre, weshalb er in Fesseln gelegt wurde. Der Gefängnis-
wächter war aber ein Genosse Michaels, der die manklavikk''
(ixccyyXccßttai) bestach, welches die Kammerherrn und Vertrauten des
Königs sind. Diese stürzten sich unvermutet mit den Schwertern
auf den Kaiser in der Kirche zur Zeit der Messe, und er, ge-
zwungen an den Altar zu fliehen, schlug mit der Faust um sich,
sie aber töteten ihn erbarmungslos gleich einem wilden Tiere am
Platze, und Michael ward Kaiser. Er begab sich auf die Suche
des grossen Heerführers Manuel Mamikonean, dieser aber kam ihm
1) Vgl. Stephan AsoHk' IT 2 p. 134 trad. Dulaurie,r: „Asot ge-
nannt msaker kaufte für Geld von der Familie der Kamsarakank' den
Gau Arsarunik' und verlegte dahin seinen Fürstensitz von Kogowit".
2) In Tajk'.
3) Ps. Mos. Chor. II 37.
'•) Vielmehr das Weihnachtsfest.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 405
zuvoi- und gelangt mit 190 Mann nach Kamachi), und von da zum
ismaelitischen Fürsten Mamun, der seinen Bruder Mahmet getötet
und sich selbst zum Herrn der Araber gemacht hatte. Dieser
ehrte jener sehr, verteilte ihm als Sold jenes Tages 1306 Pfund
Silber, und im übrigen Tag um Tag Geschenke ohne Mass und
Gewicht.
Allein der Kuropalat Asot machte sich zum Herrn von Kiargk'
bis nach Tp'chis (Tiflis) samt der Gebirgsgegend. Sowie jedoch das
Haus des Gahap, das sich in Dvin befestigt hatte, mit 5000 Mann
nach Taraun, ins Fürstentum Asots des Sohnes Smbats
wegziehen wollte, zog jener Kluge und Tapfere voll Vertrauen mit
200 Reitern und 300 Fussgängern ihnen entgegen, nicht abwartend
die Versammlung seiner Truppen, und hieb von ihnen 3000 nieder,
und in ihr Lager gelangt nahm er all ihre Reichtümer, und sie
kehrten in Frohlocken zurück, Christum preisend. Sein Bruder
Sapuh aber machte einen Einfall in die Gegenden von Dvin und
kehrte, nachdem er viele Beute gemacht, zurück. Das Heer aus
der Stadt setzte ihm nach, und die Städter, sich auf Abdlmelik'
stürzend, töteten diesen und schlössen das Stadtthor. Als aber die
Truppen zurückkehrten und das Geschehene erfuhren, wurden sie
vernichtet und ausgerottet."
Die Zeit des ersten Auftretens des Tsmaeliten Gahap wird
in obigem Berichte nicht näher bestimmt, dagegen wird die Er-
nennung Asots, des Sohnes des Atrnerseh, ^zum Fürsten von Iberien
dui-ch den Chalifa und die Auflehnung Gahaps in Dvin deutlich
in die Zeit des Bürgerkrieges zwischen al Amin und al Ma'mün
(195 — 198 H. = 810/11 — 813/14) bezw. in die erste Periode des
Chalifates al Ma'müns ^bis zu dessen Einzug in Bagdad (a. 204 H.
= 819/20) gesetzt. Gahap selbst wird von den Arabern, soviel
ich sehe, nicht erwähnt, wohl aber sein Sohn. Die Mechitharisten
haben richtig bemerkt, dass der am Schlüsse der Erzählung vor-
kommende Abdlmelik^ identisch ist^ mit dem weiter oben Abdla
^= 'Abdu'lläh genannten Sohne des Gahap. Als al Ma'mün aber im
Jahre 198 (813/14) den al Hasan b. Sahl nach dem 'Iräq sandte,
hatten sich, wie Ja'qübl berichtet, in Armenien 'Abd al Malik
b. al Gahhäf as SulamT und Muhammad b. 'Attäb der Gewalt
bemächtigt-). Ersterer hatte sich gegen Tähir b. Muhammad a^
^an'äni, den neuernannten Statthalter al Ma'müns über Armenien,
empört, nachdem derselbe sich kaum im Lande befestigt hatte,
während gleichzeitig ein Teil 3) der (arabischen) Bevölkerung von
Bailaqän (P'aitakaran) sich erhob und den Tähir in seiner Haupt-
1) Am Euphrat, das alte Ani.
2) Ja'qübl, Eist. II öf., 11.
3) Die LA. der Hs. ^,LäUJ1 JJ=1 ^ "^hi (H^- ^j^^~^^) ist
richtig.
406 J- Marquart,
Stadt Barda'a einschloss ; 'Abd al Malik erhielt aber trotzdem von
Tähirs Nachfolger Sulairaän b. Ahmad b. Sulaimän al HäsimI
Amnestie ^). Die Verurteilung Michaels des Stammlers und die
Ermordung Leons des Armeniers (813 — 820) fällt ins Jahr 820.
Der Untergang des 'Abd al Malik b. al Gahhäf wird von Ja'qübi
nicht erwähnt, es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass der-
selbe in die zweite, baghdadische Periode der Regierung al Ma'müns
(819/20 — 833) fällt. In dieselbe Zeit gehört auch die Festsetzung
des Kuropalaten Asot in Kiargk'.
In eine etwas spätere Periode führen uns die Nachrichten
der georgischen Chronik über Aschot Kuropalates. Dieselben
werden durch folgende Notiz eingeleitet:
„Dieser Asot Kuropalates übte die Gewalt aus im Lande
Barda, residierte in der Stadt dieses Namens, sowie in Tiflis, und
besass die Gebiete in der Umgebung der letzteren Stadt. In der
That übertrug zur selben Zeit, als Maslama nach Griechenland kam
und daraus besiegt und mit Schande bedeckt abzog [717 — 718]
der Kaiser die Kuropalaten würde dem Asot, der mächtig wurde
während die Sarazenen schwach wurden : es blieb nur mehr in
Tiflis Ali, der Sohn des Suab. Grigol war mt'awar in Kachet'.
Asot hatte zwei Söhne, Adarnase und Bagrat"-).
Hier sind zunächst mehrere grobe Verstösse zu berichtigen.
Natürlich hat Asot nicht über das Gebiet von Barda (Partav,
Arrän) geherrscht und_ weder in dieser Stadt, dem Sitze des
arabischen Emirs von Ädai'baigän, Armenien, Albanien und Geor-
gien, noch in Tiflis, das damals und noch lange nachher eine
arabische Festung war, residiert. Sein wirkliches Herrschaftsgebiet
gibt Wardan an. Ferner ist es selbstverständlich, dass die für
seine Ernennung zum Kuropalates angegebene Zeitbestimmung
auf einer Vei-wechslung Leons V. des Armeniers (813 — 820) mit
Leon in. dem Isaurier (717 — 741) beruht. Endlich ist Ali, der
Sohn des Suab, als gleichzeitiger sarazenischer Machthaber in Tiflis
einfach aus dem Schlüsse der folgenden ausführlichen Erzählung
bezogen.
Diese lautet:
„In jenen Zeiten, im folgenden Jahre, als Asot einen Zug
gemacht hatte, lieh ihm T'ewdos, der König der Ap'chaz, sein
Eidam und Sohn des zweiten Leon, Beistand. Grigol zog aus
Kachet' aus , indem er die Mt'iul, Canar und den Emir von Tiflis
als Helfer hatte. In einer am K'san gelieferten Schlacht ward
der mt'awar von Kachet' von Asot besiegt, der sich all dessen
bemächtigte, was er in K'art'li besass, so dass er Herr des Landes
von Klarget bis zum K'san wurde.
') Ja'qabi II o1!^, 3—7.
^) Brosset, Hist. de la G^orgie p. 260.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 407
Hernach begann Chalil, der Sohn des Izid, der aus Arabien
gekommen war und sich Somchet'i's, K'art'li's und Heret'i's be-
mächtigt hatte, Krieg zu führen gegen Asot Kuropalates, der,
ausser Stande, Widerstand zu leisten, nach Griechenland zu flüchtete,
indem er seine Mutter, seine Frau und seine beiden unmündigen
Söhne mitführte: der ältere Adarnase und der jüngere Bagrat.
Ein dritter namens Guaram ward ihm in Artanug geboren. Sein
Gefolge bestand aus einer kleinen ^Anzahl Dienern mit ihren Frauen
und Kindern. Beim Gebirge von Gawachet' , am Ufer des grossen
Sees von P'arawan angelangt, stiegen sie ab beim See, um von
ihren Strapazen auszuriihen, assen und schliefen einen Augenblick
ein. Während ihres Schlummers erreichte sie eine gewaltige Schar
Sarazenen; allein von Gott beschützt trug Asot Kuropalates mit
seinem kleinen Gefolge über sie den Sieg davon und richtete unter
den Feinden ein bedeutendes Blutbad an. Von da zog er ab und
gieng in das Thal Sawset', das damals nur eine kleine Anzahl
Dörfer enthielt, weil es zur Zeit der persischen Herrschaft ver-
wüstet worden war, als Qru aus Bagdad alle Festungen zerstörte
und gleichermassen das ganze Land durchzog und die Berge Ghado.
Nach ihm hatte eine epidemische Dysenterie vollends Sawset' und
Klarget' derart verödet, dass nur mehr da und dort eine kleine
Anzahl Einwohner übrig blieben. Die schwachen Trümmer dieser
Bevölkerung nahmen mit Freude und Liebe Asot Kuropalates auf,
der sich an diesem Orte niederliess. Gott gab ihm den Sieg und
befestigte seine Macht in Sawset' und Klarget'. Er kaufte einige
Dörfer mit eigenem Gelde, richtete die Ruinen einiger auf und
liess mehrere andere in seinen Besitzungen erbauen. Durch Gottes
Gnade wurde seine Gewalt von den griechischen Kaisern anerkannt.
Nachdem er inmitten der Wälder einen Felsen gefunden, wo
Wachtang Gurgasal die Citadelle Artanug gegründet hatte, die
während des Zuges des Baghadaders Qru zerstört worden war,
stellte er diesen Ort wieder her, den er von neuem zur Festung
machte, und baute eine Stadt vor und am Fusse ihrer Wälle. Er
gründete daselbst gleichfalls eine Kirche der Apostel Petrus und
Paulus, wo er seine Grabstätte herrichtete, und nahm seinen Sitz
in der Feste. Nachdem er hernach das Land bis zu den Thoren
von Barda wiedererlangt hatte, gab ihm Gott oftmals den Sieg
und machte ihn seinen Feinden furchtbar.
Eines Tages, als er Artanug verlassen hatte, um Truppen zu
sammeln und die Sarazenen anzugreifen, kam er an einen gewissen
Ort und sandte seine Leute aus, um Soldaten zusammenzuziehen.
Ehe seine Befehle ausgeführt waren, stürzten sich die Sarazenen
unvermutet auf ihn und zwangen ihn zur Flucht. Er gieng weg
und betrat das Thal Nigal, wo er seine Truppe zu verstärken
suchte, und die, welche er beauftragt hatte, wollten wieder zu ihm
stossen, aber in der Absicht, ihn zu töten. Asot, der vor ihrer
Ankunft ihre Absichten nicht ahnte, erriet sie, sobald sie an seine
408 J- Marquart,
Thüre gekommen waren. Er hatte nur eine Handvoll Leute bei
sich, ungenügend um Widerstand zu leisten; er flüchtete sich in
eine Kirche, wo er beim Altar, der mit seinem Blute besudelt
wurde, mit Schwerthieben getötet wurde; denn er ward geopfert
wie ein Schaf, auf den Stufen des Heiligtums selbst, wo die
Spuren seines Blutes, das dort vergossen wurde, noch heute sicht-
bar sind. Als die Leute des Kuropalates, die in Dolis-Qana waren,
die Kunde vernommen hatten, dass ihr Herr umgekommen . sei
durch die Hand der Söhne Orozmoroz, zogen sie ab aus Dolis-Qana
und machten sich auf die Verfolgung der Mörder; sie holten sie
ein auf ihrem Rückzug am Coroch und hieben sie bis auf den
letzten erbarmungslos nieder. Hierauf hoben sie die Leiche Asot's
auf und trugen sie in sein Grabmal in der Apostelkirche der
Citadelle Artanug. Dieser Asot Kuropalates wurde getötet (durch
die Mingrelier) im Weltjahr 6334, im 46. Jahre des 13. Cyklus,
den 29. Januar^). (Er hinterliess drei Söhne: Adarnase, der älteste;
Bagrat, der zweite, welche beiden ihm gefolgt waren, als er nach
Sawset' und Klarget zog; Guram der jüngste, geboren nach seiner
Ankunft in Artanug.)
Nach Asots Tode bemächtigten sich die Sarazenen aller aus-
wärtigen Besitzungen seiner unmündigen Söhne und herrschten
in Georgien; als die letzteren aber gross geworden waren, gab
ihnen Gott alle Besitzungen ihres Vaters zurück. In 'der That
wurden die drei Brüder, die Stöhne Asots, in der Festung Artanug
aufgezogen; alle Thäler von Sawset', Klarget', Nigal zahlten den
Sarazenen Tribut, und Ali, der Sohn des Suab, war Emir von
Tiflis, wo ihn Chalil eingesetzt hatte.
In jener Zeit verstanden sich die Gardabanier dazu, zum
Chorbischof den Daß'i, den Sohn des Joane K'wabulis-ze zu er-
nennen; nach ihm führte Samuel Donaur denselben Titel. Indessen
da der Araber Chalil von neuem zurückgekehrt war, lieferten
ihm die Gardabanier eine Schlacht bei Gawaz und schlugen ihn
mit grossen Verlusten in die Flucht. Sahak, der Sohn des Ismail,
war damals Emir von Tiflis. Chalil kehrte zum drittenmal zurück
und ward getötet in Gawachet'. Als sein Sohn Mohmed nach
K'art'li gekommen war, vereinigte sich mit ihm Bagrat, der Sohn
des Asot Kuropalates, K'art'li ward ihm gegeben und Gott Hess
seine Regierung gedeihen"-).
Glücklicherweise sind wir durch das Geschichtswerk des
Ja'qübi noch in der Lage, die Hauptzüge dieser Erzählung zu
kontrollieren. ^Ja'qübi bestätigt vor allem, dass Chälid b. Jazid
b. Mazjad as Saibäni in der That dreimal als Statthalter nach
Armenien kam. Die Lage bei seinem erstmaligen Eintreffen war
folgende. Nach dem Untergange des Statthalters Muhammad b.
1) 826 n. Chr.
■^) Brosset, Eist, de la Georgie p. 261— 265.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 409
Humaid at Tüsi, der im Jahre 214 (829) im Kampfe gegen Bäbak
geblieben war, hatte der Chalifa al Ma'mün zunächst die Statthalter-
schaft von al Gibäl, Armenien und Adarbaigän dem 'Abd alläh
b. Tähir übertragen, und als dieser nach dem Tode seines Bruders
Talha die Generalstatthalterschaft von Chorasan antrat, den 'All
b. Hisäm als Statthalter von Adarbaigän mit dem Kriege gegen
Bäbak betraut, während 'Abd al A'lä b. Ahmad b. Jazid b. Usaid
as SulamT Statthalter von Armenien wurde. Dieser zog nach seiner
Ankunft gegen Muhammad b. 'Attäb, der sich Georgiens bemächtigt
und dem sich auch die Canark' angeschlossen hatten, ward jedoch
von dem Usurpator geschlagen. Dieser Muhammad b. 'Attäb ist
unter dem Emir von Tiflis zu verstehen, welcher mit Grigol,
dem mt'awar von Kachet' im Bunde steht. Grigols Hilfsvölker
sind die Mt'iul und Canar, von denen letztere in den ara-
bischen und armenischen Berichten allein hervortreten. Ja'qübi's
Angabe, die Canark' hätten sich dem Muhammad b. 'Attäb an-
geschlossen, stimmt also völlig zur Chronik. Man darf aber noch
weiter gehen, wenn man beobachtet, dass bei Johannes Katholikos
und andern Schriftstellern des 10. Jahrhunderts die Canark' mit
ihrem Chorbischof dieselbe politische Rolle spielen, wie in der
Chronik die Chorbischöfe von Kachet'i. Es kommen hier vor allem
drei Stellen des Johannes Katholikos in Betracht. S. 203 der Aus-
gabe von Jerusalem = S. 89 der Moskauer Ausgabe = 147 der Übs.
Saint-Martins: ,Und in dieser Weise ausbreitend vermehrte
er (der König Smbat) den Pfad seiner Herrschaft gegen Nord-
westen bis Karnoj K'aiak' (Erzerum), und indem er noch über
Kfergk' hinaus (Gebiete) abkratzte bis zum Gestade des grossen
Meeres, und bis zu den Grenzen der Egerac'ik' (Mingrelien), und
bis zum Pusse des Gebirges Kowkas, die Gugarac'ik' und die Canark'
bis zum Thor der Alanen, indem er sogar an sich nahm die Festung
ihrer Thorwache; und von da nach der Südseite, um den Fluss
Kur bis zur Stadt Tp'chis, und den Gau Uti bis zur Stadt
Hunarakert, und bis nach Tus und Samk'or." S. 376 = 163
= 804: „Hierauf kam der grosse K'orepiskopos, welcher
den Teil von Gugark' in der Nähe des Alanenthores beherrschte,
gelangte mit grossem Heere zur Unterstützung des Königs (Asot II.
gegen Moses von Uti)." 379 = 164 = 306: „Unvermutet lief,
gieng weg Mowses (von Uti) aus den Gegenden von Sisakan, nahm
sich vor zu gehen zum grossen K'orepiskopos der Canark'." Das
Verhältnis zwischen Kachet'i und den Canark' ist also ein ähnliches
wie das zwischen Uti und den Sevordik'. Unten werden wir einen
Fall kennen lernen, wo in der Chronik die Mt'iul die Stelle der
Canark' der arabischen und armenischen Berichte einnehmen.
Asot Kuropalates hatte der Chronik zufolge seine Macht auf
Kosten des von den Canark' und dem Emir von Tiflis unter-
stützten mt'awar von Kachet'i erweitert. Als jedoch Chälid b. Jazid
b. Mazjad, der von al Ma'mün an Stelle des unfähigen 'Abd al
^^Q J. Marquart,
A'lä b. Ahmad zum Statthalter von Armenien ernannt worden war,
im Lande festen Fuss gefasst hatte, forderte er den Muhammad
b. 'Attäb vor sich und gewährte ihm Amnestie; als aber auch
dessen Bundesgenossen, die Canark' ihre Huldigung anboten, nahm
Chälid, von Muhammad b. 'Attäb gegen sie aufgehetzt, dieselbe
nicht an, sondern rückte gegen sie aus und griff sie in Georgien
an, schlug sie und nahm ihre Viehherden; hierauf forderte er sie
zum Friedensschluss auf und traf mit ihnen ein Abkommen auf
Lieferung von 3000 Stuten und 20 000 Schafen i). Die Bekriegung
Asots durch Chälid b. Jazid ist hier nicht erwähnt, es kann aber
keinem Zweifel unterliegen, dass dieselbe in die angegebene Zeit
fallen muss. Dann gehört auch die Festsetzung Asots in Artanugi
noch unter al Ma'mün (813 — 833), aber in die letzten Jahre seiner
Regierung, womit sich die Unrichtigkeit des von der Chronik an-
gegebenen Todesjahres Asots von selbst ergibt. Dagegen ist der
von Chälid in Tiflis eingesetzte Emir Ali, der Sohn des Suab,
bis jetzt nicht unterzubringen.^ Dem Namen nach müsste er ein
Oheim des Ishäq b. Ismä'il b. Su'aib sein, dessen Vater Ismä'il b.
Su'aib, ein in Georgien ansässiger Klient des Marwän b. Muhammad
b. Marwän, sich schon beim Regierungsantritte al Amins zusammen
mit Jahjä b. Sa'id dem „Morgenstern" Armeniens bemächtigt hatte-).
Allein schon unter al Hasan b. 'All al Bädylsi mit dem Beinamen
al Mamüni, dem zweiten Nachfolger des Chälid ^b. Jazid (noch
unter al Ma'mün), begegnet uns Ishäq b. Ismä'il b. Su'aib at Tiflisl
als Herr von Gurzän. Der genannte Statthalter schickte ihm von
Dvin aus einen Brief mit der Aufforderung, die Gelder abzuliefern,
und rückte auf die Weigerung Ismä'Ils gegen Tiflis, worauf dieser
durch die Bezahlung einer Geldsumme seinen Abzug erkaufte^).
Als Muhammad b. Chälid Buchara- cho^äh, der von al AfsTn unter
al Mu'ta9im (833 — 842) mit der Verwaltung Armeniens betraut
worden war, die Canark' bekriegte und nach Tiflis kam, suchte
sich Ishäq b. Ismä'il gut mit ihm zu stellen. Dessen Nachfolger
'All b. al Husain b. Sibä' al Qaisi erwies sich als ein Schwächling,
worauf al Mu'tagim den Chälid b. Jazid abermals nach Armenien
sandte. Die Furcht vor ihm war aber von früher her in Armenien
so gross, dass jeder Fürst sich vor ihm verschanzte und sie auf
die Empörung hinarbeiteten. Auf diese Nachricht sah sich der
Chalifa veranlasst, Chälid abzurufen und den 'Ali b. al Husain zu
belassen. In diese zweite Statthalterschaft Chälids gehört seine
Niederlage bei Gawaz durch die Gardabanier. Zum drittenmale
kam er mit ausgedehnten Vollmachten und grossem Heere ins Land
unter al Wä'ö'iq (842 — 847). Sein Anzug verbreitete Schreoken
1) Ja'qübl, Eist. II öIo, 14— ö11, 8.
2) Ja'qübl, Eist. II oIa, 1—4.
3) Ja'qübl, Eist. :II oll, 18— olv, 2.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 411
unter den kleinen Tyrannen, so dass die meisten sich beeilten,
ihn ihrer Loyalität zu versichern. Er aber wollte nur von ihnen
selbst ihre Huldigungsgeschenke entgegennehmen. Auch den Ishäq
b. Tsmä'll forderte er auf, sich bei ihm einzufinden, und rückte,
als er es nicht that, gegen ihn aus ; schon war dieser im Begriff,
ihm persönlich die Huldigung zu leisten, als Chälid erkrankte
und nach einigen Tagen starb. Er ward in einem Sarge nach
Dvin gebracht und dort bestattet ^). Nach seinem Tode geriet
Armenien in grössere Verwirrung denn je, weshalb al Wä'9'iq Chälids
Sohn Muhammad an Stelle seines Vaters zum Statthalter ernannte.
Nachdem dieser die desertierten Truppen (aus den Eabl'a) und
Klienten seines Vaters wieder zusammengebracht hatte, bekriegte
er die Canark' und den Ishäq, bis er ihn vertrieb und sie in die
Flucht schlug"^). Mit den letzten Worten stimmt die Chronik in
der Hauptsache in bemerkenswerter Weise überein. „Dieser Bagrat
und seine Brüder, sagt sie, besassen alle Güter ihres Vaters von
Arianug an und gehorchten den Sarazenen. Nachdem Mohmed
nach K'art'li gekommen war und Bagrat sich mit ihm vereinigt
hatte, rückte der Emir von Tiflis Sahak mit einem Heere ins
Feld und begab sich nach ßech-^). Indessen Mohmed und Bagrat
nahmen Üp'lis-O'iche'*), und die Kachen kamen mit den Garda-
baniern Sahak zu Hilfe. Man schlug sich in Rech. Nach einem
erbitterten Kampfe trennten sie sich, indem weder die einen noch
die andern Sieger gewesen waren. Mohmed brach auf und zog ab
nach Barda". Auch hier nennt die Chronik wieder an Stelle der
Canark' Ja'qübis die Kachen als Bundesgenossen des aufständischen
Emirs.
Es ist sehr glaublich, dass wie die Chronik behauptet, Bagrat,
der Sohn des Asot Kuropalates, mit dem neuernannten Statthalter
des Chalifa gemeinsame Sache machte gegen Ishäq, den Herrn
von Tiflis und die mit diesem verbündeten Canark'. Er suchte
demnach gegenüber dem mächtigen arabischen Usurpator sein
Heil im engen Anschlüsse an das Chalifat. Dieselbe Politik be-
folgte er auch dem Türken Bugha gegenüber. Nachdem dieser
Sahak, den Emir von Tiflis getötet und die Stadt zerstört hatte,
rückte T'ewdos, der König von Ap'chazet', gegen ihn ins Feld^),
^) Vgl. Stephan AsoHk II 2 p. 134 trad. Dulaurier: „Zu seiner
(des Fürsten Smbat Aplabas) Zeit, im Jahre 290 (841/42 n. Chr.), zog
Chalet' Ibn Jezid, der Emir von Armenien, mit beträchtlichen Streit-
kräften nach Georgien; er starb in öavachk', im Dorfe Chozabir".
•^) Ja'qübi 11 öaa, 1—13.
^) Am Flusse Rechula westlich vom K'sani; Wachust, Descriptiou
geogr. de la Georgie p. 243.
*) Am nördlichen Ufer des Kur, zwischen den Flüssen Didi Liachwi
und K'sani.
*) Offenbar als Bundesgenosse oder Vasall des Sahak; s. u.
^■^2 J- Marquart,
um ihm Widerstand zu leisten, worauf er den General Zirak und
den Kuropalates Bagrat gegen ihn sandte. Diese schlugen ihn
mit grossem Verluste und zwangen ihn zur Flucht über Dwalet';
bei ihrer Eückkehr wurden sie« jedoch in Guaris-Gwerd von den
Gardabaniern angegriffen und erlitten eine gewaltige Schlappe.
„Sobald Bugha diese Botschaft erhalten hatte, zog er nach Car-
talet'^), lagerte dort und erhob aus Oset' 300 Geiseln; er hatte
die Absicht in Oset' einzudringen bis nach C'chawot. Allein
Abulbas-), der Erist'aw von Armenien, und Guaram mamp'al, der
Bruder des Kuropalates Bagrat, Hessen den Mt'iul sagen, ihn
nicht dorthin eindringen zu lassen. Diese waren damit sehr zu-
frieden und opferten ihre Geiseln. Gott half ihnen, es fiel Schnee.
Die Mt'iul versperrten dem Feinde den Weg; Gott verlieh ihnen
den Sieg, eine grosse Zahl Sarazenen ei'lagen und von ihren
Pferden kamen viele um. Mit Rücksicht auf die Menge der
Soldaten, die sich auf 120 000 Mann belief, war der Verlust in-
dessen wenig fühlbar.
Nachdem Bugha den Rückzug angetreten hatte, begab er sich
ins Winterlager nach Barda, nahm einen gewissen Priestersohn
gefangen, der mt'awar geworden war, und vernichtete Gardaban.
Er öffnete das Thor von Derbend und Hess durch dasselbe 300
chazarische Familien kommen, die er in Samk'or einsetzte; durch
das von Dariela führte er ebenfalls 3000 3) osische Familien weg
und siedelte sie in Dmanis an. Seine Absicht war, im folgenden
Sommer in Oset' einzudringen, allein da der Emir al mumenin
erfahren hatte, dass er mit den Chazaren , seinen Landsleuten im
Einverständnis sei, sandte er ihm den Befehl, K'art'li dem Mohmed,
dem Sohne des ChaHl zu lassen. Bugha zog also ab, indem er
als Emir den Mohmed zurückliess, der alsdann abgesetzt und
durch Ise, den Sohn des Sich ersetzt wurde, der auch der FamiHe
desselben Mohmed angehörte. Gabriel Donaur, der Bruder des
Samuel Donaur, war Chorbischof ''^).
Hier haben wir eine im wesentlichen richtige Beschreil)ung
des Zuges Bugha's gegen Tiflis und seines Rückzuges. Die schimpf-
liche Niederlage, die er sich bei den Mt'iul holt, durch deren Ge-
biet er in Oset' eindringen wollte, entspricht dem unglücklichen
Zuge gegen die Canark', von welchem die arabischen und arme-
nischen Historiker sprechen und den uns Thomas Arcruni (HI 10)
ausführHch schildert. Davon, dass Bugha Geiseln von den Mt'iul
1) An einem westlichen Nebenflusse des Aragwi; Wachust,
Description de la G^orgie p. 221.
2) Smbat Aplabas.
3) Im armenischen Auszug JOO Ösen"; Additions et eclaircisse-
ments p. 52. Armenischer Text (Ö^uanser, Hamaföt patmut'iun Wrac'.
Venedig 1884) S. 106.
*) Eist, de la G(?orgie p. 266—268.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 413
bezw. Canark' in seiner Gewalt hatte, finden wir in andern Quellen
nichts; thatsächlich befindet sich die Chronik hier auch mit sich
selbst im Widerspruch, indem sie zuerst angibt, er habe jene
Geiseln aus Oset' erhoben i). Auch darüber schweigen die arme-
nischen und arabischen Berichte, dass Abulbas d. i. der Bagratide
Smbat Abü'l 'Abbäs, der Sparapet von Armenien, die Mtiul zu
ihrem Widerstände aufgereizt habe. Der von Bugha gefangen ge-
nommene Priestersohn, welcher mt'awar geworden war, ist Abu
Muse Esaj, genannt der Priestersohn, der Fürst von Albanien,
welcher durch den Sieg der Canark' zum Widerstand ermutigt
über die Armee des Bugha einen glänzenden Sieg davongetragen
und derselben etwa ein Jahr lang Stand gehalten und im ganzen
28 glückliche Treffen geliefert hatte, dann aber auf einen Amnestie-
briel" des Chalifa hin sich ergab 2). Ktriß , der Fürst von Gard-
mank' (georg. Gardaban) , war schon auf dem Rückzuge Bugha s
aus dem Lande der Canark' in seine Festung eingeschlossen und
gefangen genommen worden ä). Die Nachricht, dass Bugha in
Samk'or Chazaren angesiedelt habe, wird bestätigt durch eine ge-
legentliche Notiz bei Balädurl S^r, 15—16. Merkwürdig ist nur
die von der Chronik angegebene Ursache der Abberufung Bugha's:
er sei in den Verdacht gekommen, mit den Chazaren im Ein-
verständnis zu stehen. Das Richtige findet man dagegen bei Ja'qübT,
dessen kurze Beschreibung des Rückzuges Bugha's aus Georgien
übrigens trefi'lich zu der Chronik stimmt: „Bugha rückte aus
gegen die Canark' und bekriegte sie; da durchbrachen sie seine
Reihen und schlugen ihn in die Flucht, worauf er geschlagen ab-
zog. Er verfolgte nun die welchen er Amnestie gewährt hatte
und ergriff sie, und eine Anzahl von ihnen flohen und korrespon-
dierten mit dem Herrscher der Romäer, dem Herrscher der
Chazaren und dem Herrscher der Slawen, und versammelten sich
in grosser Masse. Er berichtete dies an al Mutawakkil, der für
1) Auf jenem Zuge wurden die Märtyrer Solomon, genannt der
SevorcU (Magyare), und Kachaj aus dem Oberlande {•Ih^pt''' "'^A'"'/'-
^flrglfi,) ergriffen, die am Hofe des Chalifa die Krone des Martyriums
erlangten (Thomas Arcruni III 11 S. 187. 188). Der zweite ist identisch
mit dem hl. Konstantine, einem reichen Georgier aus Kachet', mt'awar
des Oberlandes oder von K'art'li im Norden des Kur, der im Jahre
853 in Bagdad hingerichtet wurde. Vgl. Brosset, Eist, de la Georgie
p. 268 n. 2.
2) Thomas Arcruni III 10 S. 177. 180. Vgl. Mos. Kai. 3, 19 (vol.
II 55 ed. Sahnazarean). Joh. Kath., Jerus. 1843 S. 91. Stephan AsoHk
II 2 p. 185 trad. Dulaurier. Bei Tabari III ifti, 9—10 heisst er
'Isa b. Jnsuf , der Schwestersohn des Stephanos, wie bei Moses Kai.
Schwestersohn des Step'annos genannt Apl-Asad. Bei ihm hatte sich
'Abdallah, der Bruder des Bäbak, im Jahre 223 H. (838) verborgen
gehalten. Tab. III tf^t^, 19. I^Cf , 2. (CrA, 2. 4-6. i^^r, 2.
3 Joh. Kath., Moskau 1853 S. 91. Tab. III iftl, 8—9.
414 J- Marquart,
das Land den Muhammad b. Chälid b. Jazid b. Mazjad as Saibäni
berief. Nachdem dieser eingetroffen war, beruhigten sich die Un-
inihigen (Unruhestifter) und er erneuerte ihnen die Amnestie" ^).
Die Chronik hat somit die kritische Prüfung hier sehr gut
bestanden und muss für die Geschichte der muslimischen Herr-
schaft in Georgien vom Ende der Regierung al Ma'müns ab treff-
liche Quellen zur Hand gehabt haben. Allein die Vermutung, die
Redaktoren derselben möchten arabische und armenische Chroniken
benutzt und mit einheimischen Überlieferungen kombiniert haben,
widerrät sich bei näherer Überlegung von selbst. Wir dürfen daher
annehmen, dass die Reihenfolge der ersten bagratidischen Fürsten
Georgiens und die ihnen angewiesene Zeit in der That auf guter
Überlieferung beruht, obwohl sie von den arabischen und den uns
erhaltenen armenischen Quellen , von Wardan abgesehen , völlig
ignoriert werden. Allein das Schweigen der letzteren erklärt, sich
daraus, dass sie die Periode vor den Zügen des Abu Sa'id Muhammad
b. Jüsuf al Marwazi (849) und seines Sohnes Jüsuf (851 — 852) fast
völlig übergehen und selbst die Regierung Asots I. nur summarisch
behandeln , indem sie auf die eingehende Darstellung des Sapuh
Bagratuni verweisen, und sich überhaupt streng auf Armenien
beschränken und die Verhältnisse Iberiens nur selten streifen. Bei
ihnen wie bei den Arabern finden wir Listen der von Bugha nach
Samarra deportierten Notabein, unter denen Bagrat von Artanugi
aber augenscheinlich nicht war. Dieser wird jedoch auch durch
Wardan bezeugt, nach welchem eine Tochter des sparapet Smbat
mit Bagarat, dem Sohne des Kuropalates Asot vermählt war^).
Wir vermögen jetzt auch einigermassen zu erkennen , was
der Erzählung von der Ankunft des Davidssprossen Adarnase beim
König ArS'il (oben S. 396) zu Grunde liegt. Sein Vater ist mit
den Bagratiden verwandt und er selbst wird als Bruderssohn
Adarnase's des Blinden bezeichnet. Mit letzterem kann nur
Asot, der Sohn Wasaks, der Fürst und Patrikios von Armenien
(732 — 748) gemeint sein, der im Jahre 748 von Grigor Mami-
konean überfallen und aus Rache für die Hinrichtung seines
Bruders David geblendet wurde und 13 Jahre später starb ^).
Adarnase ist hier also nur Verlegenheitsname. Dieser Asot ist
nach Wardan der Ahnherr der armenischen und iberischen Bagra-
tiden*). Sein zweiter Sohn Wasak, nach Wardan der Vater
unseres Atrnerseh, wird zwar beim Aufstande von 771/72. erwähnt,
und zwar als Inhaber einer eigenen Truppenmacht ^), ist aber nicht
unter den Gefallenen von Bagrevand. Aus dem Zusammenhange
1) Ja'qfibi II öIa, 16— öil, 2.
*) Wardan wardapet S. 79.
") S. u. Vgl. Daghbaschean a. a. 0. S. 54 f.
*) Wardan S. 75. 81.
B) tevond S. 178.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 415
bei tevond scheint sich zu ergeben, dass er in der Nähe von
Ar^es und Waspurakan, also vielleicht in Taraun seinen Sitz hatte.
Die Erzählung der Chronik von der Ankunft Adarnase's , des
Bruderssohnes Adarnase's des Blinden alias Asots, beim König
Ar^'il läuft also im Grunde genommen auf dasselbe hinaus wie
die Genealogie Wardans, der den Atrnerseh zu einem Enkel des
Patrikios Asot macht; nur sind bei diesem auch die iberischen
Bagratiden direkte Nachkommen Asots, während die Chronik sie
von einer sonst unbekannten Seitenlinie ableitet. Zu gunsten der
Angabe Wardans spricht aber das Generationsverhältnis: Bagarat,
der Enkel des Atrnerseh, heiratet eine Tochter des sparapet
Smbat Aplabas, also eine Enkelin des Asot msaker , des Vetters
Atrnerseh's ^).
Hier ist also der späte Ursprung des davidischen Stamm-
baumes noch mit Händen zu greifen. Aber auch die weitere An-
gabe der Chronik, der Vater Adarnase's, der von den Griechen
ein Erist'awat in den Gegenden von Somchet' erhalten hatte, habe
sich vor den Verwüstungen des Qru zu den Nachkommen des
Gwaram Kuropalates nach Klarget' geflüchtet, scheint nur eine
Variante zu der legitimistisch gefärbten Nachricht zu sein, Adar-
nase habe sich zum König ArSil begeben und sei von ihm mit
Solawer und Artahan belehnt worden. In Wirklichkeit hatte
Arc^'il, der jahrelang als Flüchtling auf griechischem Boden in
Ap'chazet'i weilte, dort nichts zu sagen. Wasak mag sich in der
That vor der Verfolgung, die der Schlacht von Bagrevand folgte,
in die Gebirge von Klarget' geflüchtet haben ; aber er selbst, nicht
erst sein Sohn wird dann auch, sei es von den Griechen sei es
— wenn dieser Geschichte irgend etwas Thatsächliches zu Grunde
liegt — vom König Arß'il mit Solawer und Artahan belehnt
worden sein. Letzterer soll durch einen arabischen Heerführer
das Martyrium erlitten haben. Man mag im übrigen von der
Geschichtlichkeit dieses Königs halten was man will, so kann es
') Das Verwandtschaftsverhältnis ist nach Wardan folgendes:
Asot, Patrikios, f 760.
Smbat, t 772. Wasak.
vi I
Asot msaker. Atrnerseh.
Smbat Aplabas, f 855. Asot Kuropalates.
Asot, Fürst Tochter. Bagarat.
der Fürsten, -^
t 890.
Smbat. David I.
Asot Erkat'. Atrnerseh.
416 J- Marquart,
doch kaum zweifelhaft sein, dass hier der Fürst von Iberien ge-
meint ist, der auf Befehl des Chalifen Müsä (785/86) zu Tode ge-
martert wurde i). Da nun auch A§ot msaker, der Sohn des sparapet
Smbat und Vetter des Atrnerseh, bis zum Jahre 788 noch nicht
in der Geschichte auftritt, so wird Atrnerseh bei Lebzeiten des
Königs Arö'il noch keine Rolle gespielt haben. Es ist jetzt selbst-
verständlich, dass die drei Brüder, die von Taron gekommen sein
und sich mit Einwilligung des Königs ArS'il in Sakik' nieder-
gelassen haben sollen, keine Bagratiden sein können, sondern nur
Mamikonier, falls die im armenischen Auszug fehlende Bemerkung,
welche sie zu Bruderssöhnen Adarnase's des Blinden d. h. Asots
macht, die ihrem väterlichen Oheim die Augen ausgebrannt hätten,
irgendwelchen Wert hat. Latawr, die bagratidische Frau Guansers,
des Sohnes und Nachfolgers ArS'il's^), wird keine Tochter, sondern
eine Schwester des Adarnase gewesen sein. Von diesem behauptet
die Chronik: „Da jedoch, während er (Guanser) noch lebte, das
Drittel von Klarget' , Sawset , A^ara , Nigal , Asis - P'or , Artan,
Unter -Tao und der von Vater auf Sohn von den Nachkommen
Wachtangs innegehabten Festungen dem Bagratiden Adarnase zu-
gefallen war, kam dieser nach Klarget', wo er starb. [Sein Vater
Nerse, der Sohn des Antipatrikios Waraz-Bakur; der Vater des
Waraz-Bakur, namens Guaram Kuropalates, der Sohn des ersten
Step'anos und Bruder des Demetre : all diese Fürsten waren ge-
storben. P'ilipe und Step'anos, die Brüder des Adarnase, waren
ebenfalls gestorben.] Nach dem Tode des Adarnase erhob Gott
zu den Ehren des Thrones Asot Kuropalates, den Sohn dieses
Fürsten und Bruder des Erist'aw Gurgen". Die eingeklammerten
Worte, die in einer Hs. fehlen, verraten sich nach dem Gesagten
deutlich als spätes Machwerk, bestimmt, den Anschluss an die an-
geblichen älteren ibei'ischen (oben S. 393) Bagratiden zu gewinnen.
Falls der Einfall der Chazaren nach Georgien, bei welchem
der mt'awar Guanser und seine Schwester Susan gefangen ge-
nommen und Tiflis erobert und zerstört wurde, mit dem von den
Arabern berichteten Einfall im Jahre 183 H. (799/800) zusammen-
fällt, so hätten wir wenigstens einen festen chronologischen An-
haltspunkt für die Regierung des Guanser. Zu Gunsten jener
Ansicht spricht in der That die sagenhafte Begrändung der beiden
Einfälle. Nach Tabari sollte im Jahre 182 H. eine Tochter des
Chaqans der Chazaren dem al Fadl b. Jahjä als Braut zugeführt
werden, starb aber unterwegs in Bar(5a'a, worauf die sie be-
gleitenden Tarchane zu ihrem Vater zurückkehrten und ihm er-
zählten, sie sei vergiftet worden. Diese Geschichte ist in der
That nur die Kopie einer älteren Begebenheit, die sich unter dem
^) S. 0. S. 402 A.
•) Hist. de la G^orgie p. 258—259.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 417
Statthalter Jazld b. Usaid as Sulaml zugetragen hatte und gut
beglaubigt ist i). Ihre Übertragung auf den Barmakiden al Fadl
b. Jalijä, der damals gar nicht mehr Statthalter von Armenien
war (s. u.), würde sich aber um so leichter begreifen, wenn das
Gerücht auch den zu seiner Zeit stattgefundenen Chazareneinbruch
einer ähnlichen Ursache zuschrieb wie jenen früheren. Nun erzählt
die georgische Chronik, der König-Cbakan der Chazaren habe, als
er von der Schönheit der jüngsten Schwester Guansers, namens
Susan, Kunde erhalten, einen Gesandten an Guanser geschickt,
um sie zur Frau zu verlangen, mit dem Versprechen, ihn gegen
die Sarazenen zu verteidigen. Als der Gesandte des Chakans seinen
Auftrag ausgerichtet hatte, verständigte Guanser vor allem seinen
Bruder Joane imd ihre Mutter, die ablehnten und ihm sagen
Hessen: ,Wenn unsere Lage verzweifelt sein wird, wird es für
uns besser sein, nach Griechenland zu gehen und uns^ an Christen
zu wenden, als unser Kind beflecken zu lassen'. Susan selbst
beschimpfte den König der Chazaren. Drei Jahre später sandte
der Chakan seinen Heerführer Bluß'an -) , der über Leket' in
Kachet' eindrang und die Burg belagerte, wo sich Guanser
und seine Schwester Susan befanden. Er nahm sie in wenigen
Tagen, nahm die Fürsten gefangen, erstürmte Tiflis und eroberte
K'art'li und das ganze Land. Als er über Dariela abzog, sagte
Susan eines Tages zu ihrem Bruder: ,Es ist besser für mich, zu
sterben, damit der Herr mich unter die heiligen Frauen aufzu-
nehmen würdige, als von den Heiden besudelt zu werden', und
den Stein ihres Ringes entfernend, unter welchem sich ein tötliches
Gift befand, sog sie es ein und starb auf der Stelle. Bluö'an zog ab,
den Guanser zum Chakan wegführend, und erzählte letzterem den
Tod der Prinzessin Susan. Erzürnt darüber, dass er ihm ihren Leich-
nam nicht gebracht hatte, den er sehen wollte, befahl der Chakan,
den Blug'an zu verhaften, ihm einen Strick um den Hals zu legen
und beide Enden ebensoviel Reitern zu geben, welche, ein jeder von
seiner Seite ziehend, ihm unbarmherzig den Kopf abrissen =^) " .
Die Elemente der Erzählung sind hier dieselben wie bei Ta-
barT; nur ist in der Chronik umgekehrt der Chagan der Chazaren
der Heiratskandidat, und vergiftet die Prinzessin sich selbst, um
ihm nicht in die Hände zu fallen. Die Geschichte selbst, obwohl
sagenhaft, ist an sich wohl möglich. Allerdings erfolgt der Einfall
nach TabarT und Ja'qübl*) durch Bäb al alwäb (Darband), wo-
^) S. 0. S. 5 A. 1. Der Name des Heerführers Raz-t'archan , wenn
auch nicht die Veranlassung jenes Einfalls, findet sich auch bei Ja'qObi
um, 16 (^L^^^u^l^).
2) Im armenischen Auszug ßulgan.
3) Eist, de la Georgie p. 256—258.
*) Tab. m IfA, 3. Ja'qilbT II öIa.
Marquart, Streifzüge. ^'
418 ♦^- Marquart,
gegen die Chronik des Chagans Heerführer BluS'an durch Leket'i
nach Kachet'i einbrechen lässt. Auch gedenken Tabari und Ja'qübl
der Einnahme und Verwüstung von Tiflis nicht. Doch hebt ersterer
hervor, dass die Verheerungen der Chazaren die Schutzgenossen
d. h. die Christen so gut betrafen wie die Muslime , während
Ja'qübT erwähnt , der Chagan (oder sein Heerführer) ^) sei bis zur
Kurbrücke vorgedrungen und habe das Land verbrannt und sogar
Frauen und Kinder hingeschlachtet. Das Land der i5Ci (= Lek-
et'i) umfasste aber nach arabischen Angaben auch den Küsten-
strich am kaspischen Meere zwischen dem Samür und Säbirän -).
Nach siebenjähriger Gefangenschaft ward Guanser vom Chakan
in sein Fürstentum entlassen. „Von da an nahm die Herrlichkeit
der grossen chosroidischen Könige (von Georgien) ständig ab. Fürs
erste wuchs die Macht der Sarazenen, und verheerten diese durch
ihre häufigen Züge das ganze Land; zweitens sah man, da die Zahl
der mt'awars im Lande Georgien sich vermehrt hatte, überall nur
innere Kriege und Zwistigkeiten. Wenn sich unter den Söhnen
Wachtangs einer des Königstitels würdig zeigte, vernichteten ihn
die Sarazenen; denn die Agarsöhne hatten Tiflis genommen und
es zu ihrer Höhle gemacht; sie erhoben vom Lande den Charag:
endlich erlaubte Gott der Menge unserer Sünden wegen, dass sie
äusserst mächtig wurden ^) ....
Nach Verfluss mehrerer Jahre kam ein agarenischer Emir, der
K'art'li, Armenien und Heret' verwaltete und Chosro hiess. Dieser
stellte Tiflis wieder her, das die Chazaren zerstört hatten*)".
Sieben Jahre nach^dem Chazareneinfall von 799/800 würden
uns für die Eückkehr Guansers ins Jahr 805/6 5) führen. In diese
Zeit würde allerdings teilweise passen, was die Chronik von der
zunehmenden Macht der Sarazenen in Georgien zu erzählen weiss.
Der zweite Statthalter Armeniens nach jenem Chazareneinfall war
Chuzaima b. Chäzim at-TamImi, der schon unter Müsä al Hädi
in Armenien und Georgien ein Schreckensregiment geführt hatte.
Dieser Hess die Erbfürsten und Prinzen ergreifen und ihnen die
Köpfe vor die Füsse legen, und verfuhr mit ihnen aufs schlimmste.
Hierauf empörten sich Georgien ^J) und die Canark'; das erste gegen
sie ausgesandte Heer wurde von ihnen aufgerieben, Sa'ld b. al
Hai'ö'am b. Su'ba b. Cahir at-Tamimi bekämpfte aber mit einer
1) Der Text hat hier eine Lücke.
3) Vgl. Bai. r.A, 7.
'') Es folgt die Notiz über die Vermählung Guansers mit der
Tochter des Adarnase.
*) Hist. de la Georgie p. 258—259.
"*) Nach der Chronik kehrte er im 7. Jahre zurück.
6) .!:=>_> Gurgän, sonst , .\^3 rr* Gurzän, aber auch bei Uchtanes
II 52 S. 89 = 330 einmal {{j.li.u'b Wrkan (B rosset sinnwidrig ,Hyr-
canie*); vgl. das 'Tpxat-r] des Joannes Lydos (Eransahr S. 115).
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 419
neuen gewaltigen Streitmacht die Einwohner von Georgien und
die Canark', bis er sie zur Auswanderung aus dem Lande
zwang, und kehrte nach Tiflis zurück. Chuzaima b. Chäzim blieb
weniger als ein Jahr in Armenien, seine Nachfolger aber waren
sämtlich schwach. Dem Sulaimän b. Jazid b. al A^amm al 'Amin
wäre das Land beinahe entrissen worden, und gegen den ans einer
Stelle ernannten al 'Abbäs b. Zufar al Hiläll lehnten sich die
Canark' auf, denen er nicht gewachsen war, worauf Muhammad
b. Zuhair b. al Musaijab ad Dabbi Statthalter wurde ')•
Welcher Statthalter mit dem agarenischen Emir Chosro
gemeint ist, der Tiflis wieder herstellte, lässt sich einstweilen
nicht erkennen; doch spricht die Wahrscheinlichkeit für Chuzaima
b. Chäzim. Der Name erinnert an den Statthalter Chazr patgos
bei Moses Kai. III 20 , mit welchem wahrscheinlich Chälid b.
Jazid b. Mazjad as Saibänl gemeint ist (s. u.).
Die Angabe, dass die Anzahl der mt'awars und die der Teil-
fürsten in Georgien zugenommen habe und daher Bürgerkriege
an der Tagesordnung gewesen seien, scheint durch die Lebens-
beschreibung des Märtyrers Abo bestätigt zu werden, die über-
haupt nach den kurzen Andeutungen Brosset's zu schliessen
wichtige Aufschlüsse zu liefern verspricht und dringend eine ein-
gehende Bearbeitung verlangt, wie sie Dschawachoff und
Harnack dem Martyrium des hl. Eustathios von Mc'chet' haben
angedeihen lassen. In dieser Legende wird erzählt, wie der Erist'aw
von K'art'li Nerse, der Sohn des Kuropalates und Erist'aw Adarnase,
beim Chalifa Abdala (al ManQür), der in dem von ihm erbauten
Baghdad residierte, angeklagt und von ihm gefangen gesetzt wurde ;
als dem Abdala (f 14. Sept. 775) sein Sohn Mahdi folgte, ward
Nerse nach dreijähriger Gefangenschaft in Freiheit gesetzt und als
Erist'aw nach K'art'li zurückgesandt. Ihn begleitete als Diener
der hl. Abo, der von arabischen Eltern in Baghdad geboren war
und damals 18 Jahre zählte. In Georgien ward er Christ, und
als Nerse abermals beim Chalifa in Ungnade fiel und vor den
Verfolgungen der Sarazenen durch das Thor Darialan nach Oset'
floh, schloss sich ihm Abo an. Nerse begab sich zum König der
wilden bluttrinkenden Chazaren, die nur einen Gott - Schöpfer
kennen-) und sonst keine Religion haben; doch „gibt es
im Lande des Nordens viele Städte, wo man ohne Furcht
den Glauben Christi bekennt". Vom König der Chazaren,
der ihn als Schutzflehenden aufnahm, wendet er sich bald darauf
nach Ap'chazet', einem ganz christlichen Lande, das den Griechen
gehorchte und dessen mt'awar ihn günstig aufnahm. Nach der
Flucht des Nerse hatte der Chalifa Mahdi inzwischen Step'anos,
1) Jaqübi II oli, 1— 11.
*) Bemerke die Übereinstimmung mit der Vita Konstantins (oben
S. 15): bibamus in nomine dei unius, creatoris omnium rerum.
27 :^
^20 '^- Marquart,
den Sohn des Gurgen-Erist'aw vmd der Schwester des Nerse, zum
mt'awar von K'art'li gemacht, worauf Nerse den Chalifa um die
Erlaubnis bitten Hess, in seine Heimat zurückkehren zu dürfen.
Als er abreiste, begleitete ihn Abo trotz der Abmahnungen des
mt'awars von Ap'chazet' nach Tiflis, wo er nach drei Jahren er-
griffen und vor den Richter von Tiflis geführt wurde, der ihn
jedoch auf die Bitten des Erist'aws Stepbanos wieder freiliess.
Als aber ein neuer Richter -Emir kam, Hess er den hl. Abo
vorführen und von neuem in Ketten schlagen — Dienstag den
27. Dezember — und 10 Tage später am Feste der Epiphanie,
Freitag den 6. Januar, hinrichten. Das Martyrium soll statt-
gefunden haben im 10. Jahre des Kaisers Konstantin, des Sohnes
des Leon, unter dem Chalifen der Sarazenen Mose, dem Sohne des
Mahdi, unter dem KathoHkos Samuel von K'art'li, unter dem
Erist'awat des Stephanos, Sohnes des Gurgen i). Da das 10. Jahr
des Kaisers Konstantin (VI, 789/90) und das Chalifat des Müsä
al Hädl (3. Aug. 785 bis 15. Sept. 786) einander gegenseitig aus-
schliessen, so kann nur entweder das eine oder das andere Datum
in Betracht kommen ; die beiden weiteren Synchronismen — Jahr
890 seit der Passion und Auferstehung und Weltjahr 6084 —
haben dagegen keinen Wert.
Diese Erzählung kennt also für die ganze Zeit von etwa 773
bis 785 (oder 789) nur zwei Erist'awe von K'art'li als Vasallen
der in Tiflis herrschenden Araber: Nerse, den Sohn des Kuropalates
und Erist'aw Adarnase und seinen Neffen Step'anos, den Sohn des
Gurgen-Erist'aw, während vom Fürsten Arii'il mit keiner Silbe die
Rede ist. Allerdings wimmelt die Geschichte des letzteren von
den gröbsten Verstössen und Anachronismen und es wird vor der
Beschaffung älteren historischen und hagiographischen Materials
nicht gelingen, dieselbe völlig zu entwirren; soviel ist aber doch
deutHch, dass den historischen Hintergrund des Martyriums des
Arö'il die qualvolle Hinrichtung des Fürsten der Iberer durch
den Chalifen Musä bilden muss, von welcher Levond berichtet.
Will man nun Ar5'il nicht geradezu dem Erist'aw Nerse gleich-
setzen, der allerdings ebenso wie jener in Ap'chazet'i Zuflucht
gesucht hat, von dessen Martyrium aber nichts bekannt ist, so
o-ibt uns, wenn ich recht sehe, vielleicht die Chronik selbst die
Lösung dieses scheinbar unbegreifHchen Rätsels an die Hand,^ indem
sie erzählt, Arß'il habe sich zunächst in Egris bis nach Sorapan
d. h. in Imeret'i festgesetzt und in C'iche-Gog und K'ut'at'is
residiert, um sich später nach Kachet' zu begeben, wo er
mehrere Festungen angelegt habe. Erst als sich der sarazenische
Heerführer Cicum (Chuzaima b. Chäzim) nach der Verwüstung
von K'art'H anschickte, nach Kachet' einzudringen, um es voll-
ständig zu entvölkern, und die Könige und mt'awars ihm nicht
1) Brosset, Additions et eclaircissements p. 132—136.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 421
widerstehen konnten, entschloss sich Arß'il, sich selbst dem
Cicum zu stellen , um ihn um Frieden für das Land zu
bitten i). Er war demnach bloss nomineller Fürst von Iberien
und hatte in Imeret'i und später in Kacheti' (bei den Canark')
noch einen Schatten von Herrschaft gerettet. Dass er in der That
nichts als ein Schattenkönig war, gesteht übrigens die Chronik
selbst ein; nur lässt sie ihn das Aufkommen der Teilfürsten, die
sie zu Männern seiner Nichten macht, selbst legitimieren und das
Land unter sie verteilen. Unter denselben sind auch „Nerse Ner-
sian, einer der Grossen des Königs Wachtang, und Adarnase
Adarnasian, der mit dem Vorhergehenden Herr des Oberen Landes
oder von K'art'li war" -) ; diese beiden Personen entsprechen wahr-
scheinlich dem Kuropalates und Erist'aw Adarnase und seinem
Sohne, dem Erist'aw Nerse im Leben des hl. Abo. In welchem
Verhältnisse aber der Kuropalates und Erist'aw Adarnase zu seinem
Zeitgenossen Ar^'il stand, lässt sich bis jetzt nicht ausmachen.
Treffen obige Ausführungen das ^Richtige, so ist Asot Kuro-
palates in der That nicht lange nach Guanser vom Chalifa al Amin
mit Georgien belehnt worden und hat später vom Kaiser Leon die
Würde eines Kuropalates erhalten, wenn wir auch die näheren
Umstände des Erlöschens der alten Dynastie nicht kennen. Eine
wenn auch vielfach lückenhafte Vorstellung von der wirklichen
Machtstellung der ersten bagratidischen Kuropalaten, deren Mittel-
punkt immer Klarget und Artanugi blieb, vermögen wir aber nur
zu gewinnen, wenn wir uns darüber klar sind, welche Rolle der
thatsächliche Herr von Georgien, Ishäq b. Ismä'Il, über zwei Jahr-
zehnte lang in der Geschichte der Kaukasusländer gespielt hat.
Wir finden darüber eine interessante, wohl aus Sapuh Bagra-
tuni stammende Notiz bei Stephan Asoiik II 6 p. 171 trad. Du-
laurier: „Cependant Theophile se rendit dans la Chaldee Pontique
(Khagh'dik) passant sur le continent, par un point [so !] ; il fit pri-
sonniers quantite d' Armeniens avec leur familles. Ayant confere le
consulat c'est-ä-dire le patriciat proconsulaire ä Aschod fils de
Schabouh, il le laissa dans le district de Sber. Aprös avoir per9U
un tribut des habitants de Theodosiopolis, il s'en retourna. Les
Horomitians ayant penetre dans [le district de] Vanand, au village
de Gadjgak'ar, furent tailles en pifeces par Sahag, fils d'Ismael".
Dieser Feldzug des Theophilos (829 — 842) hängt wohl zusammen
mit der unglücklichen Expedition nach dem Lande der Abasger
(Ap'chazen), über welche allein der Fortsetzer des Theophanes,
und zwar ohne alle näheren Einzelheiten berichtet^). Nach der
1) Hist. de la Georgie 248—249. 253.
2) Hist. de la Georgie p. 248 ; s. o. S. 395.
3) Theophan. contin. p. 137, 16 — 18 ed. Bonn.: y.al av&ig iv 'Aßa-
ayia ort &i:6cpoßog xai 6 xfig Otoämgag ccötltpbg Bagdag ccnoeralivtsg
y-srä ar^ariäg laxvQ&g iSvßtvxriGccv, öliycov ccyav iy.nO'sv vitoatQiipdvtoiv.
Vgl. Lebeau-Saint-Martin, Hist. du Bas-Empire 13,97 s.
422 J- Marquart,
georgischen Chronik hatte sich Leon IT., der Erist'aw von Ap'-
chazien und Sohn einer Tochter des Königs der Chazaren, mit Hilfe
der letzteren von den geschwächten Griechen losgesagt, sich in
Ap'chazien und Egris bis zum Berge Lieh unabhängig gemacht
und gegen Ende der Regierung des iberischen Fürsten Guanser
den Titel „König der Ap'chaz" angenommen. Sein Sohn und
Nachfolger T'ewdos, der Eidam des Asot Kuropalates, unterstützte
diesen im Kampfe gegen eine Koalition Grigols, des mt'awars von
Kachet', der Mt'iul und Canark' und des Emirs von Tiflis (s. o.
S. 406) 1), allein nach dem Falle Sahaks, des Emirs von Tiflis (853),
sehen wir T'ewdos, den König von Ap'chazet', gegen Bugha ziehen,
welcher gegen ihn den General Zirak und den Kuropalates Bagrat,
den Sohn des Asot, aussendet'-). Der „König" von Ap'chazien
hatte also inzwischen seine Parteistellung gewechselt und, sei es
freiwillig oder gezwungen, die Oberhoheit des mächtigen Emirs
von Tiflis Ishäq b. Ismä'il anerkannt. Dabei wird bei ihm gewiss
die Hofi"nung eine Rolle gespielt haben , an diesem einen Rück-
halt gegen die Romäer zu gewinnen , falls dieselben versuchen
sollten, ihre Hoheitsrechte in Ap'chazien mit Waffengewalt wieder
zur Geltung zu bringen, und dass er sich darin in der That nicht
getäuscht hatte, zeigt eine Kombination der Notizen des Stephan
Asoiik und des Fortsetzers des Theophanes deutlich. Im Anfange
der Regierung Michaels III., des Sohnes des Theophilos (842 — 867)
unternahmen die Romäer abermals einen Zug gegen Ap'chazien
unter Führung des Theoktistos, der aber einen ebenso unglücklichen
Verlauf nahm wie der erste ^). Diese Nachrichten bestätigen also
Mas'üdl's Angabe, dass die Ap'chazen gleich den Gurz (Georgiern)
bis auf al Mutawakkil dem arabischen Kommandanten von Tiflis
steuerpflichtig waren *), wenigstens für die Zeit des Ishäq b. Ismä'il,
welcher zwei Jahrzehnte lang (ca. 830 — 853) als fast unabhängiger
Herrscher in Tiflis gebot ^). Die angeführte Erzählung des Stephan
Asoiik zeigt übrigens am deutlichsten , wie weit sich die Macht
Ishäq's selbst bis ins eigentliche Armenien hinein erstreckte, und
erweist die Genauigkeit der Schilderung Mas'üdi's , der von ihm
sagt: „Es war daselbst (in Tiflis) ein Mann namens Ishäq b.
Ismä'il, der durch die zu ihm haltenden Muslime die Oberhand
1) Hist. de la Gdorgie I 259. 261.
2) Hist. de la Gdorgie p. 266.
^) Theophan. contin. IV 39 p. 203, 2 — 7: xat yaQ r\liay,&v nots
^v-lsiipsav ovo yi-ysvrniivcov, Karcc t&v 'Aßaay&v ovrog (Öfdxrtffros) tcqo-
xpi'9'tig GrQatriybg d'no^Tjviag cc7ti]X(xv6£ Svatvj^&g' oi jihv yaQ vavaylco
■JtEQiituGÖvtsg tisqI ri]v kavt&v ^(orjv idvatv^riaav , oi 6h kuI rijg i,r]Q&g
iTiißävxhg talg iKslvcov Svcrv^icug 6vv£yioivmvr]Gav. yial ovrog ^Iv ovtwg
ccittoXsxo d axQaxog. Vgl. Lebeau- Saint-Martin 13, 168 — 169.
*) Mas'üdl, Mürug II 65. S. o. S. 174.
") S. 410.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 423
hatte über die umliegenden Völker, welche sich seiner Botmässig-
keit fügten und zur Zahlung der Kopfsteuer an ihn verstanden.
Seiner Herrschaft unterstanden die dortigen Völker, bis al Muta-
wakkil den Boyä sandte, der vor der Grenzfestung Tiflis Halt
machte und vor ihr lagerte, sie bekämpfend, bis er sie im Sturm
eroberte und den Ishäq tötete , weil er sich der Gegend mit Ge-
walt bemächtigt hatte i). Es gab von ihm Geschichten, deren
Wiedergabe zu lang würde, die aber unter der Bevölkerung dieses
Landstriches xmä andern, welche sich mit der Geschichte dieser
Welt beschäftigen, berühmt sind. Ich glaube aber, er war ein
Mann von Qurais, von den Banü ümaija, oder ein zu ihrem
Anhang gehöriger Klient-). Seit jener Zeit ist nun der Eespekt
vor den Muslimen aus der Grenzfestung Tiflis gebrochen bis auf
diesen Augenblick, so dass die ihnen benachbarten Königreiche
sich geweigert haben , ihnen botmässig zu sein , und die meisten
der Landgüter von Tiflis weggenommen haben, und der Verkehr
von den Ländern des Islams nach der Festung Tiflis durch diese
ungläubigen Völker geht, da sie jene Grenzfestung umringen;
allein ihre Einwohner besitzen noch Kraft und gewaltige Tapfer-
keit, obwohl die erwähnten Königreiche sie umringen". Unter
al Wä-Oiq (842 — 847) wurde Ishäq sogar vom Chalifa als Herr
von Armenien anerkannt^). Er hatte eine Tochter des christ-
lichen „Herrn des Thrones" (yj-^v^J! ^.^^Las) d. i. des Königs der
Awaren im nördlichen Daghestan*) zur Frau und Krieger aus dem
beherzten Bergvolke der Chojt' (x-'.ij».il) , die den Statthalter
Jüsuf b. Abi Sa'rd Muhammad al Marwazi erschlagen hatten, und
andere in Sold genommen 5).
So lange aber Ishäq b. Ismä'Tl in Tiflis herrschte, hatten die
Bagratiden im eigentlichen Iberien nichts zu sagen und war an
die Gründung eines neuen Fürstentums daselbst nicht zu denken.
Die Blutgerichte, mit denen Chuzaima b. Chäzim unter ar Rasid
gegen die Teilfürsten ' (&.i .LLaxJO und Prinzen Armeniens gewütet
hatte, werden in erster Linie auch die iberischen Notabein be-
troffen haben, wie sich daraus ergibt, dass gerade Georgien und
1) Vgl. Bäl. ni , 5—6.
2) So Tab. III (flf , 7.
3) Ibn Chord. IT, 8.
*) In dieser Stelle könnte man eine Bestätigung der Angabe des
Eutychios II 230 sehen, dass der „Herr des Thrones" der Fürst der
Canark' gewesen sei; vgl. oben S. 411 und Ibn Chord. IT, 9, wo das
Gebiet des Herrn des Thrones zwischen Tiflis und dem Lande des
Königs der Alanen gedacht ist. Andere Stellen, vor allem der Bericht
des Ibn Rusta Ifv sprechen aber dagegen.
*) Tab. III tfn, 5—6.
424 J. Marquart,
die Canark' dadurch zum Aufstand getrieben wurden. Später ist
aber in den arabischen Quellen von Teilfürsten in Georgien nicht
mehr die Rede, und was etwa von ihnen noch im Lande geblieben
war, wagte sicherlich unter dem strammen Regimente Ishäqs nicht
zu mucksen.
In den langen, von Johannes Katholikos und Thomas Arcruni
mitgeteilten Listen armenischer und albanischer Grossen, welche
Boyä in den Jahren 852 — 855 nach Samarra führen Hess, findet
sich kein einziger Fürst von Iberien; es waren vielmehr immer
nur die Canark' am Kaukasus nördlich von Tiflis, welche den
Arabern das Leben sauer machten i). Erst nach dem Falle des
Ishäq (853) und dem Abzüge Boyä's aus Armenien, als sich der
Chalifa infolge des Wiederausbruchs des Krieges mit dem Romäer-
reiche genötigt sah seine Truppen aus Armenien zurückzuziehen,
vermochte auch dieses wieder aufzuatmen.
In Iberien abei- suchte zunächst der Fürst von Ap'chazien
festen Fuss zu fassen, unterstützt von einem Teile der iberischen
Fürsten bagratidischer Abkunft (s. u.). Auch bei Thomas Arcruni
ist einige Jahre später, nachdem Asot der Grosse im Jahre 862
zum Fürsten der Füi^sten ernannt worden war, wieder von Fürsten
Iberiens die Rede: „Allein da Asot, der Fürst der Fürsten, mit
der Oberleitung unseres Landes Armenien betraut worden war,
machte er sich daran die Fürsten von Armenien, Iberien und
Albanien zu unterwerfen, was auch geschah"-). Bis dahin aber
w^aren die iberischen Bagratiden einfache Gaufürsten in Artanugi,
die bald unter romäischer, bald arabischer Hoheit standen und
als Vasallen der Chalifen die nämliche Politik beobachteten wie
ihre Vettern in Armenien: gegenüber den arabischen Usurpatoren
in Tiflis ihr Heil im engen Anschluss an den Chalifen im fernen
Baghdad zu suchen.
Neben den Bagratiden von Artanugi in Tao gab es noch eine
andere Linie in Sper , dem alten Stammsitze des^ Geschlechtes ^).
Wir haben oben gesehen, wie Asot, der Sohn des Sapuh und Nefle
des Asot msaker vom Kaiser Theophilos auf seinem Zuge nach
Chaitik' als Fürst im Gaue Sper zurückgelassen worden war*).
Noch während des Zuges Boyä's finden wir dann im Gaue Sper
^) Vgl. Thomas Arcruni III 10 p. 143 ss. trad. Brosset. Ja'qubi,
Hist. II ffv, 7. 10. 13. oll, 8. 5. 9. olo, 4 v. u. o^^, 5. oaa, 12. oIa, paen.
Brosset, Coli, d'hist. arm^n. T Appendice p. 609 — 613. Daghba-
schean, Gründung des Bagratidenreiches S. 31 f.
2) Thomas Arcruni III 14 S. 206 ed. Patkanean = 165 trad.
Brosset; vgl. Daghbaschean a.a.O. 43.
3) Faust. Byz. 5, 44 S. 263.
*) Der an sich nahe liegende Gedanke, den Ursprung der iberi-
schen Bagratiden in diesem Ereignis zu suchen und Asot, den Sohn
des Sapuh, mit Asot, dem Vater des Grossfürsten Atrnerseh von Iberien
Osteuropäische und ostasiatische StreifzUge. 425
ein Fürstlein namens Gaiabar aus dem bagratunischen Hause, das
den Griechen die Festung Aramaneak entrissen hatte und zu
welchem Gurgen Arcruni aus Waspurakan floh ').
Den genealogischen Knäuel der vielen Nebenlinien der Chronik
nach dem Kuropalates Bagarat zu entwirren sind wir bislang ausser
Stande. Wohl aber vermögen wir mit Hilfe Wardans wenigstens
einige der gröbsten Irrtümer in demselben aufzudecken und zu
berichtigen. Guaram, der jüngere Bruder des Bagarat Kuro-
palates, wird als Bruder Asots, des Sohnes Smbats und Königs
von Armenien bezeichnet 2). Da weiterhin der König von Armenien
der Bruder seiner Frau genannt wird, so kann der Sinn dieser
Worte nur sein, dass er ein Schwager (beau-frere) Asots, des
Fürsten der Fürsten und späteren Königs von Armenien gewesen
sei. Das war aber nach Wardan vielmehr sein älterer Brixder
Bagarat Kuropalates. Guaram soll Ga wachet', T'rialet', Tasir,
Aboc' (arm. Asoc'k') und Artahan besessen und gegen die Sara-
zenen Krieg geführt haben. „Bald war er im Vorteil, bald im
Nachteil. Nun teilte Guaram seine Gebiete unter seine Brüder
Adarnase und Bagrat und gab Aboc' dem König von Armenien,
dem Bruder seiner Frau". In dem Kampfe, der zwischen Asot,
dem Fürsten der Fürsten, und Giorgi I. Aghcep'el, dem König
von Ap'chazien, um den Besitz von Georgien ausbrach und dessen
Geschichte für uns leider verloren ist, teilten sich die iberischen
Prinzen in zwei Parteien: Nasra, der Sohn des Guaram mamp'al
und Vetter des Dawit' Kuropalates, und Gurgen-^) standen auf
Seite der Ap'chazen , während Dawit' und Liparit die Armenier
unterstützten. „In jener Zeit wurde Guaram Mönch". Liparit
bemächtigte sich T'rialet'i's und erbaute die Citadelle Klde-Karni,
und Dawit', der Sohn des Bagrat Kuropalates, ward Herrscher.
Nach Wardan S. 85 breitete der grosse Asot als Fürst der Fürsten
nach Konstantin gleichzusetzen, ist aber von vornherein abzuweisen.
Da jener Asot der Vater des Geschichtschreibers Sapuh Bagratuni ist,
so wäre es, selbst wenn man von Wardans Angaben völlig absehen
dürfte, kaum begreiflich, dass eine so wichtige Thatsache, wie die
Gründung des nachmaligen Königreichs Iberien durch den Vater des
Geschichtschreibers, völlig in Vergessenheit geraten wäre.
1) Thomas Arcruni III 13 S. 194 ed. Patkanean = p. 155—156
trad. BrOSSet: \jl. trifL. [ippd- liminiupLujj \^ni.[uiaj qu/hju w'l'jl'ß (['"t
2) B rosset, Hist. de la Göorgie p. 269. So ist die Stelle auf-
zufassen, denn Smbat Aplabas war ja nicht König, nur sparapet von
Armenien.
3) Wahrscheinlich der nachmalige Gurgen Kuropalates.
426 "'• Marquart,
seine Herrschaft über Iberien und Albanien aus und unterwarf
die Kaukasusstämme, und nichts fehlte ihm als die Krone. Die
Pai-teistellung Dawit's entspricht vollkommen der späteren Haltung
seines Sohnes Atrnerseh. Ohne Zweifel wurde er daher von Asot
als sein Vasall zum Fürsten von Georgien eingesetzt. In der
That berichtet Wardan S. 86: „Aber der König Asot setzt zum
Fürsten von Iberien ein seinen Schwestersohn (d. h. Davit', den
Sohn des Bagarat) und vollendet selbst in Christo im Alter von
71 Jahi'en". Die Frage ist nur, ob Wardan im Eechte ist, die
Bestallung Da\nt's nach der Krönung Asots (885) zu setzen. „In
jener Zeit tötete Nasra, der Sohn des Guaram mamp'al, durch
Verrat den Kuropalates Dawit', den Sohn des Bagarat und
seinen väterlichen Oheim, im Jahre 881 — 101. Dieser
hinterliess einen Sohn Adarnase, der nach seinem Vater König
wurde ''^). Nach Wardan S. 82 wurde aber Dawit', der Sohn des
Bagarat, von seinem Vatersbruder Goram ermordet ^) , so dass es
scheint, dass Nasra bezw. (p. 272) Nasr in Wirklichkeit nur ein
anderer Name (arab. Aoi?) des Guaram mamp'al ist. Jedenfalls
erweist sich jetzt die Angabe, dass dieser seine Besitzungen unter
seine Brüder verteilt habe und Mönch geworden sei, als Erfindung.
Nach der Ermordung des Dawit' Kuropalates vereinigten sich
jedoch die Armenier, Liparit und die Geoi-gier sowie Asot, der
Bruder des Dawit', gegen Nasr, lieferten ihm eine Schlacht, trieben
ihn in die Flucht und entrissen ihm seine Festungen. Nasr floh
nach Griechenland zum Kaiser, wo er lange blieb. Am Hofe von
Konstantinopel befand sich damals auch Bagrat, der Sohn Demetre's,
des Königs der Ap'chaz, der sich vor seinen Verwandten hatte
flüchten müssen. Nachdem es diesem mit Unterstützung einer
griechischen Streitmacht geglückt war, sich Ap'chaziens zu be-
mächtigen und den König Adarnase, den Sohn des Joane, zu
beseitigen, rief er den Nasr aus Griechenland zurück und gab
ihm ein Heer, mit dem er nach Samc'che eindrang, wo er sich
der drei von Guaram erbauten Festungen Ozrche, Guarisc'iche
und Lomsiant'a bemächtigte. Mit einem unzählbaren Heere zog
Nasr dann gegen Adarnase, den König von K'art'li, allein dieser,
unterstützt von Gurgen Kuropalates und dessen Söhnen sowie den
Armeniern, schlug den Nasr und die mit ihm verbündeten Ap'chaz,
Baqat'ar, den Mt'awar von Oset'i und den Erist'aw der Ap'chaz.
Nasr wurde gefangen genommen und im Thale von Samc'che ge-
tötet (888). Mit ihm starb diese Linie aus, da sein Bruder Asot
schon im Jahre 869 gestorben war (p. 274). Unmittelbar darauf
lesen wir, dass auch Gurgen Kuropalates noch vor seinem Tode
1) Hist. de la Georgie 270. 271.
2) Eiüe Handschrift der Chronik (p. 282) findet es nötig hervor-
zuheben, dass die Ermordung Dawit's durch seinen Vetter Nasra aller-
dings zu Lebzeiten Guaram's, aber ohne dessen Mitschuld erfolgt sei.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 427
sich mit Adarnase und Bagrat von Artanugi, dem Sohne des Sumbat
Mamp'al überwarf, weil er sein Besitztum in Kalmach in Tao ver-
liess, um in Sawset' und Artan zu leben, und ihnen beim Dorfe
Mglinaw im Thale von Artanug ein Treffen lieferte , in welchem
er geschlagen wurde und in Gefangenschaft geriet, wo er an den
Folgen der erhaltenen Wunde starb.
Wann Atrnerseh III. gestorben ist, wissen wir nicht. Die
Chronik lässt ihm zunächst seinen Sohn Dawit' in der Würde des
Kuropalates folgen , der im Jahre 937 starb '). Aus Konstantin
Porphyrogennetos müssen wir aber schliessen , dass darauf jene
Würde auf Atrnerseh (IV.), einen Sohn des Bagrat Magistros
und Bruder Gurgens I., des Fürsten der Iberer und Herrn von
Artanug aus einer Nebenlinie übergegangen ist, in dessen Hause
sie sich dann vererbt hat. Die Chronik hat aber die beiden
Kuropalaten Atrnerseh zusammengeworfen und macht die uns aus
Konstantin bekannten vier Söhne des Atrnerseh IV. zu Söhnen des
Atrnerseh III. Daneben hat sie allerdings Atrnerseh IV. als Sohn
des Bagrat Mamp'ali bewahrt, aber nicht als Kuropalates'-). Seine
vier Söhne werden ihm genommen und er muss deshalb Mönch
geworden sein. Sein vierter Sohn entspricht dem König Sumbat
Kuropalates, dem Bruder des Königs Dawit' und Sohne des Königs
Adarnase, der im Jahre 959 starb •^).
Gurgen IL, der Fürst der Iberer und Herr von Qwel und
Aöara, welcher seinem Schwiegervater Asot Kiskasi später die
Festung Artanugi entreisst, ist identisch mit Gurgen, dem Erist'aw
der Erist'awe, welcher nach dem Leben des Märtyi-ers Gobron die
Festung Qwel besass*). Bagrat, der jüngere Bruder des Königs
Giorgi von Ap'chazet'i , soll sein Schwiegersohn , Ischanik von
Heret'i der Sohn seiner Schwester Dinar gewesen sein 5). Konstantin
p. 209, 25 nennt ihn lE,döeX(pog (Vetter) der Söhne des Kuropalates
Atrnerseh IV., womit er wohl nur als Sprössling einer Seitenlinie
bezeichnet werden soll, und in der That wird er in der Chronik
von einer solchen abgeleitet. Daneben aber hat eine andere Auf-
fassung Aufnahme gefunden, welche diesen Gurgen für einen nach-
geboi-nen Sohn des Gurgen I. erklärte, der doch nach Konstantin
kinderlos verstorben war.
Dagegen haben der Fürst Georg und sein Bruder Äreves,
„zwei tapfere Heerführer der Iberer", welche nach Moses Kaian-
katvac'i im Anfange der Regierung Smbats des Märtyrers dem
Heerführer des Jüsuf b. Abu 's Säg entgegentraten , als er einen
Raubzug nach Iberien machte, aber von ihm grausam hingerichtet
1) Brosset, Hist. de la Göorgie 28L
2) Hist. de la Georgie I 272.
3) Hist. de la Georgie 281. 280.
*) Brosset p. 276 n. 3. Siehe oben S. 184.
ö) 1. 1. 278. 279.
428 J- Marquart,
wurden ^), mit den iberischen Bagratiden nichts zu thun, sondern
waren Fürsten der Sevoi^dik' (Magyaren) von Uti 2), wie wir aus
Joh. Katholikos (Jerusalem 1867 S. 235 f.) ersehen (s. Nachträge).
Die Stelle des Konstantin Porphyrogennetos de admin. imp.
c. 46 p. 207, 15 ff. über die Verwandtschaft der iberischen Bagra-
tiden-Linien, an welcher Bros set, Additions p. 149 Anstoss ge-
nommen hat, wird verständlich, sobald man erkennt, dass David,
der Sohn des Smbat, um eine ganze Generation jünger ist als
sein Bruder Bagrat, und von einer andern Mutter stammt als
dieser. Darnach wären also die Mütter von Oheim und Neffe
Cousinen gewesen, d. h. Bagrat, der Vater des Adarnarse, hätte die
Cousine seiner Stiefmutter geheiratet, was nicht undenkbar ist.
Der im folgenden genannte 'AÖQavaar] 6 aQtioig ^dyiGTQOg , der
Sohn des Bagrat Magistros, dessen Schwester Smbat der Sohn des
Dawit' zur Frau hat, ist keineswegs identisch mit dem Kuropalates
Adarnarse, dem Vater „des gegenwärtigen Kuropalates" Aschot, wie
Brosset glaubt. Denn der Magistros Adarnarse ist, wie der Aus-
druck 6 ciQZLfog fxüyiörQog ja schon besagt, zur Zeit der Abfassung
des Werkes (952) noch am Leben und ein Seitenverwandter
(ccveipiog) des Kuropalates Aschot (de admin. imp. c. 45 p. 203, 16),
während der Kuropalates Adarnarse zu der Zeit, als der Kaiser
Romanos Lekapenos (920 — 944) dem Gurgen IL die Abzeichen
der Magistroswürde überbringen Hess, bereits gestorben war.
Bagrat Magistros, der Vater des Adarnarse Magistros, kämpft mit
dem Protospatharios Johannes (Kurkuas) im Jahre 934 gegen
Theodosiupolis (Karin) 3) und erhält von ihm das eroberte Mastat,
das er aber den Muslimen von Karin wieder ausliefert (p. 204,
17 ff.). Unter diesem Bagrat Magistros kann niemand anders ge-
meint sein als der Bruder des Kuropalates Aschot, der nach der
Chronik König von K'art'li und Kuropalat war und im J. 945
starb und in der That einen Sohn Adarnase hatte, welcher nach
seinen Oheimen Kuropalat wurde und von seinen Söhnen ins
Kloster gesteckt im Jahre 961 starb*). Wenn also Konstantin
den Magistros Adarnarse als aveipiog des regierenden Kuro-
palaten (Aschot) bezeichnet, so steht dieser Ausdruck hier für
„Neffe".
Spandiat, der kinderlos verstorbene Bruder des David, der
nur bei Konstantin vorkommt, erscheint zunächst rätselhaft; allein
die Bemerkung, dass er am ganzen Körper unverwundbar war mit
Ausnahme des Herzens, das er darum in den Kriegen mit einer
1) Mos. KaK 3, 21 Bd. II 64/65 ed. Sabnazarean (S. 270 ed.
Emin).
2) Vgl. oben S. 38 f.
^) de M uralt, Essai de Chronographie byz. I 509.
*) Hist. de la Georgie I 280. 284.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 429
Schutzwehr zu beschirmen pflegte, beweist unzweideutig, dass
kein anderer gemeint ist als der gefeierte iranische Sagenheld
Spandijät, der Sohn des Kai Wistäsp, dem man die Erbauung
des Alanenschlosses zuschrieb^). Aber die Georgier haben ihn zu
dem Ihrigen gemacht und erzählten daher, er habe gegen die
Perser gekämpft, sie besiegt und sich ihnen furchtbar gemacht-).
Im östlichen Kaukasus wurde der Riese Aspandiat gar als^ Gott
verehrt und von den dortigen Hunnen mit ihrem Vangri-chan
gleichgesetzt ^). Wenn aber die georgischen Bagratiden soweit
gegangen sind, den Erbauer des Alanenschlosses in ihren Stamm-
baum aufzunehmen, so lässt sich dies nur daraus begreifen, dass
sie den Spuren des Ps. Moses Chorenac'i gefolgt sind*). Dieser
behauptet II 63 S. 142, bei den Bagratiden seien ursprünglich
jüdische Namen wie ßagadia^ iSap^atia^ Wazaria u. a. gebräuch-
lich gewesen, und erwähnt II 24 S. 99 in der That zwei angebliche
Bagratiden namens Sap'atiaj und Azariaj , die Söhne des Enanos,
die vom König Arsam gezwungen werden , das Judentum ab-
zuschwören. Da nach dem von Ps. Moses selbst gelieferten Schlüssel
Bagadia Judaisierung von Bagarat, Wazaria (oder Azaria) von
Waraz ^) , Sambat von Smhat ist , so kann es kaum zweifelhaft
sein, dass nach seinem System Sap^atia ^= Sacpaxiaq, 1-i^X2Z-^ für
Aspet, den im Bagratidenhause erblichen Titel stehen soll *^) ; allein
man konnte darin allerdings ebensogut Spandiat finden, und da
durch Ps. Moses die jüdische Abkunft der Bagratiden feststand,
so stiess man bei einigem Suchen in der Bibel leicht auf Eacpaxiag,
Davids Sohn von der Abital (2 Sam. 3, 4. 1 Chron. 3, 3)^). Auf den
König David führte überdies der bei den iberischen Bagratiden
gebräuchliche Name Dawit'. War man aber einmal so weit, so
1) S. 0. S. 166. Vgl. Ibn al Faq. H., 2.
') Konstantin. Porphyrog. de admiu. imp. c. 45 p. 198, 5—14: ocirts
ÜTtavöiätris ^v iv. Q^bov Xußcov %äQi6yL,a, ans avxol cpccay-ovai , rov (iTj iv
Ttoli^Lcp aTttna^ai avtov ^icpog atg olov Sr]not£ iiilog rov am^atog avtov
av£v tfjg KocgSiag, rjv xaJ. dicc xtvog TtsgicxsTtäaiiarog iv tolg noXi^oig
TtSQLicpQOVQSi. öiä tovTO Kai iTttoovvto rovtov JCKt idsdisLaocv ol niQOai ■
6 dh rkviv-fimv avtovg y.a.1 avräv xar^xparrjcTf, %al rovg avyytvstg ivamasv
"IßrjQCig slg Ta? dvGKoXLug rag vvv Tca^' avräv -nQarov iiiv ag
(Dariela!), i^ av xar' oXiyov iTtXaTvv^7]6av xat r\v^avQ"ri6av xai ft's
[Liya iO'vog iyivovro.
■^) Mos. KaV. 2, 40 vol. I 372. 378. 41 S. 382. 383. 384. 388.
^) In der georgischen Chronik p. 31 ist der berühmte Riese Span-
diat Ruali (,.yJ (JV35) noch richtig König von Persien.
^) Waraz-Tiroc' und Waraz -Sahak sind bei den Bagratiden ge-
bräuchliche Namen.
6) In der armenischen Urgeschichte des sog. Marabas (Sebeos
S. 6, 12 ed. Patkanean) \\^uu^ult^ Aspat, der Sohn des Biuram (Biurat?).
') Vgl. A. Carriere, La legende d'Abgar dans l'Histoire d' Arminia
de Moi'se de Khoren. Centenaire de l'Ecole des langues orientales,
Vivantes, Paris 1895 p. 385.
4.30 J- Marquart,
ei'schien doch die Abstammung von Bathscheba', also die Ver-
wandtschaft mit Salomo, noch vornehmer. Auf diese Weise wird
also der altiranische Held Spandijät zu einem Sohne Davids und
zugleich zum Bruder des Ahnherrn der iberischen Bagratiden ge-
worden sein. Erst durch die epochemachenden Entdeckungen des
Ps. Moses wurden also die Iberer zu eigenen Erfindungen an-
gespornt und entdeckten, seinen Andeutungen folgend, ihren Ur-
sprung im Hause Davids. Die weitere Behauptung aber: elQ^
ovro3 rov ßaödicog 'HqcckXeIov %axa. UeQaiöog iKßrQccrevaavrog
'ilucj&riGav Kai 6vvaraE,Ldsv6ccv avrä, v.a\ iKrozE vnita'^ccv tq cpößo)
'HQanisiov rov ßaadscog 'Pco^aCcov fiäXlov rjTtEQ ry ecivxav iöivC
v,a.l dvvaiisi Tcolsig Kai %(aqag havag xCov IIsqG&v ana'E, yccQ toi)
ßaödecog 'HgankeCov tovg TleQßag tQOTtcoöajxivov aal elg xo ^rjy.ht
slvai xrjv rovxcav a.Q%r]v TtaQaöxrjöavxog , evdkcoxoi aal sv%ELQCOxot
ov ftovov xotg "IßrjQöiv akla %al xoig I^aQaKrjvoig ^) ot TlsqGai
yeyovaßt (p. 198, 14 — 22), die sich bei Konstantin auf das Volk
der Iberer bezieht, knüpft nur insoweit an thatsächliche Ver-
hältnisse an, als wenigstens zeitweilig auch Iberer als Bundes-
genossen im Heere des Kaisers fochten-) und nach der Chronik
Adarnase, der von ihm ernannte mt'awar von K'art'li, den Gibghu
(Jabgu Chagan) bei der Belagerung von Tiflis unterstützte, während
der rechtmässige Fürst von Iberien bis zu seinem Falle treu an
der Seite der Perser aushielt (oben S. 394. 401 A.). Der nächste,
welcher nach Konstantin Porphyrogennetos die davidische Ab-
stammung der (iberischen) Bagratiden kennt, dieselbe aber auch
auf die armenischen überträgt, ist der Chronist Mchit'ar von Ani
(12. Jh.), der jedoch bereits die georgische Chronik benutzt hat 3).
Ob dieser auch noch Spandiat als Bruder des Ahnherrn der
Bagratiden kannte, lässt sich nicht erkennen; in der uns er-
haltenen Fassung der Chronik ist er aber gestrichen. Wardan,
der den Mchit'ar sonst öfters benutzt, hat dadurch einen guten
Takt bewiesen , dass er seine Ursprungsgeschichte der Bagratiden
ignoriert*).
Es wird zur Deutlichkeit beitragen, wenn ich dem nach obigen
Ermittelungen hergestellten Stammbaum der iberischen Bagratiden
fürs 9. und die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts eine Übersicht
der mehr oder weniger historisch beglaubigten Fürsten Iberiens
vom 6. bis Anfang des 9. Jahrhunderts vorausschicke.
1) Vgl. Hist. de la G^orgie p. 234.
2) Vgl. auch Mas'udi, Kitäb at tanblh Ioa, 6 ff.
'') Mchit'ar von Ani, Bruchstücke seiner Geschichte S. 30 ed.
Patkanean (hinter der Ausgabe des Sebeos).
*) Dies ergibt sich aus einer Vergleichung der Stelle S. 91—92
mit S. 81—82 mit voller Sicherheit.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
431
Fürsten von Iberien vom Anfang des 6. bis zum
Anfang des 9. Jahrhunde i'ts.
Fürsten von Iberien.
1. rovQyivrjg, König von
Iberien, geht im J. 523
nach Konstantinopel ^).
UsQccvLog,
römischer
Offizier in
Italien u.
Armenien,
t 544 3).
1,
üaKOVQwg ^).
Bruder.
CPa^ag*).
Bdeaschk' von
Gugark'.
Marzpane.
Pirän - Gusnasp
(GrTgör) -).
1) Gurgen, von Kawä<J in seinem Glauben bedroht, begibt sich
in den Schutz des Kaisers Justin I. ; von den Römern ungenügend unter-
stützt, zieht er sich samt dem ganzen Adel, seiner Frau, seinen Kindern
und Brüdern vor Kawä^ nach Lazika zurück. Hierauf begeben sich
die Iberer nach Byzanz Prokop. Pers. I 12 p. 56, 22—58, 14; vgl. II 28
p. 282, 17.
^) Plrän- Gusnasp aus dem Hauee Mihrän, Marzpän von Gurzän
und Arrän, wird Christ unter dem Namen Grigör und abgesetzt im
Jahre 30 des QawäcJ = 517/18, nach drei Jahren (520/21) restituiert;
später von den Romäern gefangen, kehrt er beim Friedensschluss im
Jahre 3 des Chosrau (533/34) nach Persien zurück und wird zum sallitä
in seinem früheren Gebiet ernannt, dann auf Betreiben der Magier ab-
gesetzt. Hingerichtet im Jahre 10 des Chosrau (540/41). G. Hoff-
mann, Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer 78 — 86.
^) Beim Friedensschluss im Jahre 533 : totg tu "Ißr\Q6iv iäiSouro iv
yvwiiTj slvcct t) fi8V£LV ocvtov iv Bv^avtia» t) ig ßcp&v TtatqiSa iitaviivai.
■fjGav dh Tcolloi %ixl ol ^ivovtss tat inaviovreg ig rcc nccrQi.a ijQ'ri Prokop.
de b. Pers. I 22 p. 113, 21.
Peranios, ähester Sohn (oder Bruder?) des Königs Gurgen: f^v
Tf yvvalv.cc v.a.1 tovg nalSag ^vv totg ccSsXcpotg iTtayo^isvog, o)v öt] Ue-
Qclviog 6 TtQsaßvtSQog 7]v Prokop. Pers. I 12 p. 58, 8 — 9. Usqäviog 8h
ii, 'IßrjQiug Tjys ay^töTo: MrjSav, Y^vo^isvog ^hv rüv iii ßocöiliag 'Iß-^QCov,
avr6(ioXog dh TtQOtSQOv ig TcoiLaLovg v,axu £%9'og xo r&v JlsqeöiV rjtiav
de b. Goth. I 5 p. 26, 12. Er ficht als römischer Offizier in den Jahren
537 und 538 gegen die Ostgoten in Italien (de b. Goth. I 5 p. 26, 12.
II 1 p. 146, 11; 19 p. 221, 10) und 543 und 544 in Armenien (de b. Pers.
II 24 p. 262, 4; 25 p. 267, 13; 26 p. 270, 18. 272, 11; 27 p. 279, 17) und
kommt im j. 544 durch einen Unfall auf der Jagd um c. 28 p. 280, 16.
Er ist ohne Zweifel benannt zu Ehren des Marzpans Plrän- Gusnasp.
*) Römischer Offizier in Italien a. 542 de b. Goth. III 6 p. 302, 18 ;
7 p. 305, 13. 16.
^) Dient als römischer Offizier in Italien a. 547 und 552 Prokop.
de b. Goth. III 27 p. 391, 14. IV 26 p. 597, 6. 12; 34 p. 633, 17. 634,
3. 6. 9. 11. Vgl. Lebeau-Saint-Martin 9, 162. 243.
432
J. Marquart,
Fürsten von Iberien.
3. Grigor mamasachlis
um 540 ■^).
4. roQYevrjg II.'
(Gui-gen)
a. 572?=^).
Wachtang -)
Guanser -)
Bdeaschk' von
Gugark'.
Arsusaj -).
Marzpane.
Arwand Gusnasp
a. 540/412).
Wezan Buzmil (Burz-
mihr) a. 543/44 %
unter
- Hormizd IV.
579—589.
1) Nach Prokop. Pers. II 28 p. 282, 16— 283, 2 zum Jahre 550
hatten die Perser nach der Flucht des Königs Gurgen den Iberern das
Recht entzogen, einen eigenen König zu wählen : inkiSr] yciQ ol rovrcov
ärj Xoyi^mraroL rav ßaQßccQoiv {tüv 'Iß'^Qcov) ö^ov rovQyivm reo ßaaiXel
ig änoataaLv uSov .... ovx£ ßaailia acpiai xataaTi^ata&aL %b iv&tvds
i,vv£%mQOvv niQGai ovte avToyvojiiovovvrsg IIsQaöiv xatriy.ooi Ißr\QEg
rjaav, all' vTtoipicc tt Kai ccTtiatioc ig cclXrjXovg noXXf] d'xovro. fvdriXoi xs
Ißr]Q£g rjGav Sv6ccva6%brovvxig rt ißy^VQOxaru xal vncoxiQiovvxeg ov TioXXm
VGX8Q0V, i]v xivög noxs xaLQOv Xaßsö&ai övvaxol tltv. Dies stimmt zu
den Akten des hl. Eustathios von Mc'chetha, die in Tiflis neben dem per-
sischen Marzpan nur einen mamasachlis kennen, und lässt sich auch mit
dem sog. Zacharias Rhetor (Ahrens-K rüger S. 253, 3—5) vereinigen,
nach welchem Gurzän einen christlichen, dem König von Persien unter-
thänigen Häuptling hat. Dagegen erwähnt Malalas p. 429, 15 beim
Regierungsantritt Justinians als gleichzeitigen König von Iberien
Za^avalög, und Theophanes p. 216, 6—14 berichtet unter dem Wj. 6027
= 535, also bald nach dem Friedensschlüsse mit Chosrau: Tovxcp xä
ixsi 6 xcöv 'IßT]Qa>v ßaöiXsvg Za^iavaQ^bg &vf|X^^l•v iv KojvaxavxivovnoXsi
TtQog xbv avGsßiGxaxov ßaaiXfa 'lovaxiviavov ^nxu r]]g yvvuLV.bg %al xäv
avyxXrixi-K&v avxov, TtaQuxaXäv avxbv xov tlvui avxbv avu^axov Pco-
licciav Kai q)iXov yvTqaiov. 6 dh ßaatXivg ti]v xoiavxr\v TtQoaiqtGLV ano-
ds^ä^tvog TtoXXä avxbv iepiXoxniricaxo v,al xovg avxov avyuXrjxiKOvg. . .^ .
nal aTtiXv6£v avxovg iv sig-^vr] f^s xrjv ISiav ßaaiXiiav. Wäre nicht die
Angabe des Malalas, so möchte man Zamanarzos für einen Bruder des
Königs Gurgen halten und annehmen, er sei nach dem Friedensschlüsse
nach Iberien zurückgekehrt und von den Persern zum Ethnarchen
(mamasachlis) eingesetzt worden.
2) S. o. S. 397 A. 1.
8) Theoph. Byz. bei Phot. bibl. cod. 64. Nach Seb. 26 fällt der
Ausbruch des Aufstandes der Armenier (und Georgier) ins 41. Jahr des
Chosrau (2. Juli 571 bis 30. Juni 572). Genauer gibt Stephan AsoHk II 2
p. 116 an, der bdeasch Wardan Mamikonean habe den Marzpan Suren
ermordet im Jahre 41 des Chosrow = Justianos (Justin II.) 7, am
22. des Monats Areg, an einem Samstag im Februar, also 572. Vgl.
Dulaurier, Recherches sur la chrono!, armän. p. 206. Das 7. Jahr
Justins II. nennt auch Theophyl. Sim. 3, 9, 4. 9. Allein die auf-
ständische Bewegung muss schon etwas früher begonnen haben ; vgl.
loannis abbatis monasterii Biclarensis chronica ed. Mommsen, Chron.
minora II 211; M. G. Auct. antiquiss. t. XI zum 1. und 5. Jahre des
JustinusII. Euagrios h. e. 5, 7. Gregor von Tours 4, 39. Saint-Martin
bei Lebeau 10, 79 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
433
Fürsten von Iberien.
5. Atrnerseh I.
Wahan
Bzrmeh
594-
598
6. Step'anos I., Patrikios
von K'art'li, bis 628 3).
Adarnase, Hypatos'*).
Demetre*).
7. Atrnerseh IL, Kuropa-
lates a. 627. 645/46;
von Herakleios ein-
gesetzt^).
8. Nerseh, EidamderKam
sarakank', a. 678, fällt
gegen die Chazaren
681/82 5).
Bdeaschk' von
Gugark'.
Warham, Fürst von
Persisch - Iberien
= Asusan '■^).
Fürst von Persisch-
Iberien a. 627*).
Marzpane.
Adarnase (III.), Kuropalates
und Erist'aw von K'art'li*^).
, _ -^ _ : — ,
Nerse, Tochter, G-em.
Erist'aw Gurgen-Erist'aw.
um 772«). I
Step'anos,
Erist'aw von
K'art'li um
885/86 p).
l ^
(Guaram
Kuropalates) '').
Tochter'^), Gern".
(Ar^'il IL)
t 786«).
Guanser, um 800 ^).
In der folgenden Stammtafel der iberischen Bagratiden sind
die der Chronik entnommenen Angaben kursiv gedruckt.
1) S. 0. S. 398 A.
2) S. o. S. 398—400 A.
8) S. o. S. 395. 401 A. Ich identifiziere die drei Personen der In-
schrift lieber mit Step'anos I., seinem Bruder Demetre und seinem
Nachfolger Adarnase II.
*) S. 0. S. 401 A.
&) s. o. S. 402 A. — Die Zeit des mt'awars Stephanos II. lässt sich
bis jetzt nicht mit Sicherheit bestimmen. Vermutlich war er Zeit-
genosse Justiuians II. und des Muhammad b. Marwän.
6) S. o. S. 419-420.
') S. o. S. 396. Darnach würde also Guaram Kuropalates von
Klarget'i etwa zu einem Zeitgenossen des Adarnase (III.) Kuropalates.
8) S. 0. S. 402 A. 415 f.
9) S. o. S. 416 ff.
Marquart, Streifzüge. ^°
434
J. Marquart,
Asot, Patrikios von
{^Adarnase der
Wasak.
Atrnerseh.
1) Asot Kuropalates.
{Adarnase.)
[ASot Kekela,
f 867.]
Gurgen Mamp'ali^)
[Kuropalat in Tao]
{f 891).
[ Gurgen.]
[Sumbat
von
Artanug.]
Aschot
Kuch
{f 918).
[Dawif,
Erist^aw
d. Erist'awe,
f 908.]'')
Gurgen Magistros,
ErisPaw der Eri-
st'awe , Herr von
Qwel und Ac'ara,
entreisst seinem
Schwiegervater
Artanugi. f 941 '■).
Gem. Tochter des
Asot Kiskasi.
Vj Gem. Bagrat,
Sohn des Konstan-
tine I. , Königs von
Ap'chazien.
Adarnase,
Erist'aw der
Erist'awe
(f 896).
Dinar,
Gem. N.
a) Bagrat II., Herr von Artanugi.
Gem. eine Schwester des Atrnerseh
Kuropalates (f 909).
iSchanik,
Fürst von
Heret'i.
6) Adar- Gurgen, Ischan der
narse (IV.), Iberer a. 890, Herr
Kuropalates, von Artanugi. Gem.
t vor 944 Schwester des Abas,
{945). d. Bruders d. Königs
Aschot I. von
Armenien ^).
[Gurgen V, Gem. Abas^
f 968.] Brud. d. Königs
Asot n. von
Armenien').
7) Asot II.
Kuropalates
vor 94410)
{f 954).
David d. Grosse,
Magistros,
t vor 952").
Bagrat III.,
Magistros
(f 945)'^).
[Sumbat 13)
f 958.]
Adarnarse Magistros,
Gem. N., Schwester
des Sumbat, Sohnes
des David (f 961)^^).
9) B a g r a t Regwen
(Dawif) f 994.
V, Gem.
Sumbat, S.
des David.
10) Gurgen, König V. Iberien
{König der Könige f 992). Gem.
Guranducht, T. des Königs
Giorgi II. von Ap'cJiazien,
t 10081«).
11) Bagrat, König d. Ap'chaz,
Erbe d. David Kuropalates
von Tao, König von
K'art'li.
Sumbat,
t 992.
Adarnase Kuropalates
f 983.
Dawit' der Grosse,
Kuropalates,
t 1001.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge.
435
Armenien, f 761.
Blinde).
Lataicr, Gem. GuanSer.
Sumbat Mamp'ali von Artanugi
(f 889). G-em. a) N. b) eine
Nichte des Asot und Cousine
der Mutter des Adarnase
Kuropalates.
b) Jußlö 6
if 943).
Asot I. Kiskasi, Patri-
kios , erbt Artanugi.
Gem. N., Schwester d.
Herrschers Giorgi von
Ap'chazien (f 939).
V, Gem. Gurgen IT.,
Herr von Qwel
und Acara.
Sumbat, erhält nach
Gurgens II. Tod Ar-
tanug und wird Eri-
st'aw der Erist'awe
(f 988).
Gem. Schwester
des Adarnarse
Magistros ^^).
V, Gem.
Adarnarse
Magistros.
DawitK
Bagrat
f 988.
Gurgen.
I
Demet/re.
Sumbat.
Bagrat.
2) Bagarat I.,
Kuropalates
{f876). Gem.
T. des Smbat
sparapet.
Guaram
mamp'ali
(f 882).
V, Gem.
T'ewdos I.,
König von
Ap'chazet'i,
[Nasra
f 888.]
[ASot
f 869.
3) Dawit' I.
Kuropalates
(f 881).
(Adar-
nase
f 885.)
(Asot
f 874.)
V, Gem. Sumbat
der Grosse.
I
Dawit' Mamp'ali^).
V, Gem.
Bagrat I.,
König von
Ap'chazet'i.
I
Kostantine I.
(906—920).
4) Adarnase//. (III.) (Atrnerseh), V, Gem.
Grossfürst von Iberien a. 890^), Bagrat 11.
Kuropalates unt. Leon d. Weisen, 1
a. 899 König v. Iberien (t 923). Gurgen I.^).
5) Dawit' II.3).
V, Gem. Kostan-
tine, König der
Egerac'ik' *).
Giorgi. Bagrat, Gem.
T. des Gurgen (II.),
Erist'aws der
Erist'awe.
V, Gem.
Asot Kiskasi.
^) Gurgen I. heisst der Schwestersohn des Königs Atrnerseh Joh.
Kath. S. 313/14 = 387. Die Mutter des Kiiropalates Adarnarse (IV.)
und des David Mamp'ali sind Cousinen Konstantin de admin. imp.
p. 207, 16 ff.
2) Joh. Kath. S. 182 = 130.
3) Joh Kath. S. 183 = 131. Er ist der König-Kuropalat Dawit'
der Chronik p. 291, der im Jahre 937 starb.
*) Joh. Kath. S. 252. 255.
Fortsetzung der Anmerkungen nächste Seite.
28*
436 J- Marquart,
s) Sein Enkel Grureen, Eristaw der Erist'awe, wird i^äSsXcpog der
Söhne des Kuropalates Adarnarse (IV.) genannt Konstantin p. 209, 25.
®) Über die Genealogie dieses Dawit' ist die Chronik im unklaren,
indem sie ihn bald als Sohn des Erist'aws der Erist'awe Adarnase, bald
als Sohn des Bagrat Mamp'ali bezeichnet. Letzteres ist sicher falsch,
da Bagrat nach Konstantin nur drei Söhne hatte.
') Konst. p. 208, 11. 209, 3. 210, 7. 12/13. 213, 8/9. Nach den Zahlen
Wachust's wäre er vor dem Kuropalates Adarnarse (IV.) gestorben,
dies ist aber nach Konstantin ohne Zweifel falsch.
8) Job. Kath. S. 183 = 131. Konst. p. 206, 9 f.
ö) Job. Kath. S. 379 = 307 (381 = 308).
10) Konst. p. 207, 4. 17. 209, 18. 212, 4. 23 ff. 213, 10. 20.
11) Konst. p. 209, 18. 210, 9. 211, 12. 212, 4. 213, 6. 9.
12) Konst. p. 204, 17/18. 24. 207, 5/6. 20.
i*') Konst. p. 210, 4: ol ricaagsg aöslrpol, i]yovv rov 'ASgccvccah rov
KOVQOTtccldtov ol Tf aiS 8g ; vgl. p. 209, 24.
1*) Konst. p. 207, 20/21. 203, 16.
15) Konst. p. 207, 8 ff. 19 ff.
1«) Hist. de la Georgie p. 287. 292. 295; dagegen p. 285 heisst
Bagrat III. Sohn einer Schwester des Demetre und T'ewdos, der Enkel
Giorgios II. [Ganz anders Mchit'ar von Ani bei Wardan S. 92 , der
diesen Gurgen mit dem dritten Sohne des armenischen Königs Asot III.
olormac (f 976) identifiziert. Davon weiss jedoch der Zeitgenosse Stephan
AsoHk noch nichts , der Gurgen , den Bruder des armenischen Königs
Smbat II. Tiezerakal (III 30 S. 256), und Gurgen, den Sohn des Königs
Bagarat von Iberien (III 28 S. 252. 38 S. 267. 41 S. 270) und Vater des
Königs (Smbat und) Bagarat von Ap'chazien (III 28 S. 252. 43 S. 276)
deutlich von einander scheidet.]
Zum besseren Verständnis des Vorhergehenden und zur Er-
läuterung der hervorragenden Rolle, welche die Bagratiden von
der letzten Zeit der persischen Herrschaft bis zur Wiederherstellung
des Königtums in der armenischen Geschichte gespielt haben,
habe ich es für nützlich gehalten, eine Übersicht ihrer älteren
Geschichte in der Form einer kritisch berichtigten Stammtafel
mit den wichtigsten Belegen hier anzufügen, die auch der
byzantinischen Geschichte zu Gute kommen dürfte. Ich hoffe,
dass mir dabei nichts Wichtiges entgangen sein wird.
Vor dem Ende des sechsten Jahrhunderts ist von den Bagra-
tiden in der armenischen Geschichte auffallend wenig die Rede.
Die einzigen Vertreter dieses Geschlechtes, die meines Wissens
bis dahin genannt werden, sind folgende:
„Der kronebindende Fürst des Fürstentums des Aspettums"
wird bei Agathangelos S. 596 unter den Fürsten genannt, die den
hl. Grigor zur Weihe nach Kaisareia begleiten. Ebenso ist der
kronesetzende Aspei auf der Reise des Königs Trdat zum Kaiser
unter den Grossen seines Gefolges Agath. 650. Beidemal rangiert
er unmittelbar nach „dem Fürsten des Hauses Angi, dem Fürsten
des Fürstentums des Mardpettums" ; s. mein Eransahr S. 165 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 437
Bagrat Bagratuni, einer der fünf Wafifengefährten des sparapet
Waß'e in der Schlacht gegen Sanesan , den König der Mazk'it'k',
unter König Chosrow IL Faust. Byz. 3, 7 S. 17.
Ein Bagarat (derselbe?), „Grossfürst des Aspettums", wird
unter den Fürsten genannt, die den Katholikos Nerses zur Weihe
nach Kaisareia begleiten (Faust. 4, 4 S. 72). Er rangiert hier wie
bei Agathangelos unmittelbar hinter dem Hajr^ dem Grossfürsten
des Mardpettums.
,Die Tochter des bagratunischen Äspefs aus dem Gaue Sper,
welche von Anfang an die kronesetzenden Fürsten gewesen waren
des Königtums des arschakunischen Geschlechts", wird vom spa-
rapet Manuel Mamikonean mit dem unmündigen Waiarsak , dem
jüngeren Sohne des Königs Pap, vermählt Faust. 5, 44 S. 263/64
(382 n. Chr.).
Da Bagarat wohl nur den Namen des Geschlechtes wieder-
holt, so sind streng genommen alle diese Fürsten anonym. Da
nun Faustos den Namen des zuletzt erwähnten Aspet nicht an-
zugeben weiss, der Mann aber doch nicht namenlos durch die
Geschichte wandeln durfte, so tauft ihn Ps. Moses nach dem
spätem Marzpan dieses Namens Sahak (III 41 S. 231. 43 S. 234)
und macht ihn zum Heerführer Chosrows HI., des Königs von
Persisch-Armenien III 44 — 46. 51.
Ttroc\ Fürst der Bagratunier Eiise S. 160 vgl. 127. tazar
P'arpec'i S. 217.
Sahah Aspet, der Herr der Bagratunier, erhält von den auf-
ständischen Armeniern und dem Heerführer Armeniens Wahan,
dem Herrn der Mamikonier und sparapet von Armenien, im
Jahre 481 die Marzpanwürde Lazar S. 418. 421. 432. 434. 444.
446—448. 463, und fällt im Jahre 482 i^azar 468. 489.
Ausserdem werden die Bagratunier, wie ich glaube, noch im
Jahre 539 genannt. Denn das grosse und zahlreiche Geschlecht
der ''AönsxLavoi (so ist zu lesen statt 'ÄTtetiavoi) , welches sich
zuerst bereit erklärt, sich dem römischen Heerführer Sittas an-
zuschliessen (xa/ ot xo täv ''Atzet iccvav [1. AßiXcrtavmv] %alov[iEvcov
vEvog, (liya rs ov %al noXva.vQ'qoiTtov , TCQOßxfOQEiv rjd'eXe Prokop.
Pers. II 3 p. 160, 7—9), dann aber durch unglückliche Zwischen-
fälle auf die Seite der den Römern feindlichen Partei getrieben
wird, lässt sich nur auf das Fürstentum des Aspettums («/mu^A-^
uini^P^lru/ü ft^ufüni-P^lti^) d. i. auf das Erbfürstentum der
Bagratunier in Sper beziehen. Dass der Gau Sper mit der bagra-
tunischen Stammburg Baiberd unter Justinian den Römern gehörte,
geht ja aus Prokop de aedif. III 4 p. 253, 15 ganz unzweideutig
hervor.
Für die Geschichte des 6. Jahrhunderts besitzen wir gar keine
armenischen Quellen. Erst mit dem Geschichtswerke des Sebeos, das
mit der Absetzung Hormizds IV. und der Thronbesteigung Chos-
rows II. einsetzt, wird es wieder Licht,
438
J. Marquart,
Stammtafel der Bagratiden vom Ende des
Manuel.
I
Smbat I. Bagratuni, Chosrow-snumn,
Marzpan von Wrkan, f 616/17 1).
Manuel Magistros,
hingerichtet").
I
Tochter
(Arschakunierin)^).
Waraz-Tiroc' I., Gavitean-Chosrow,
Aspet, Marzpan von Armenien*).
Smbat IT., Aspet, Drungarios,
Befehlshaber in Thrakien^).
Waraz-Tiroc' lt., getötet von
den Griechen**) vor 698.
Smbat (IV.) (^ccßßdriog),
Patrikios und (zwischen
698 u. 705) Kuropalates,
t 726/27 8).
Asot (III.)»).
Söhne 8).
Smbat, sparapet von Armenien,
t 77211).
Asot (VI.) genannt k'ag
oder msaker'^^),
806/7—825/26.
Davit' 1') Bagarat, Fürst
von Tarauni*)^
gefangen 851.
Sahaki»).
MuseH').
Hiip'sime, Gem. X,
Fürst von
Waspurakan ^O).
Smbat,
sparapet -1),
826/27—855.
Asot 23). Dawit'24). N.
Asot
t 874.
Gurgen
t 860.
Grigor
t 859.
Asot*»). Musel^»).
SahakäO).
Sapuh-"). Smbat 2«). Abas^»).
1) Smbat Bagratuni, führt dem Kaiser (Maurikios) 1000 für
Thrakien bestimmte Reiter zu Seb. 53; an der Spitze einer Ver-
schwörung a. 590 Theophyl. Sim. 3, 8, 6 (UvfißdtLog). Seb. 54, vgl.
Lebeau-St. Martin 10, 284f.; früher Adoptivsohn des Kaisers, wird
zur Verbannung nach Afrika verurteilt Seb. 55; beim König Chosrow,
wird Marzpan von Wrkan Seb. 59 — 62; unterwirft Taparastan Seb. 63,
wird an den Hof gerufen im 8. Jahre des Chosrow (596/97), geht nach
Armenien Seb. 64; er ist acht Jahre Marzpan von Wrkan.
Er wird an den Hof gerufen und erhält den Titel Chosrow-Snumn,
wird gegen die K'usan gesandt und besiegt sie, aber sein Heer wird
durch die Türken zersprengt (a. 615/16) Seb. 64—66. Smbat sammelt
ein neues Heer, besiegt den hep't'alischen König der K'usank' und
durchzieht ganz Tocharistan; an den Hof gerufen Seb. 66 — 68. Er ist
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 439
VI. bis zur Mitte des IX. Jahrhunderts.
Asot (I.), Aspet.
I
Pap a. 594/952).
Bruder,
Waraz-Sahak?^)
Smbat (III.) Bagratuni, Herr von Dariunk',
Fürst von Armenien?^)
I?
Asot (II.) patrik, Fürst von Armenien
4 Jahre 683—686').
Smbat (V.), Fürst von Waspurakan,
t 705 8).
9
Wasak. Bagarat.
Asot (IV.), Fürst und Patrikios von Isahak, Fürst von
Armenien, 17 Jahre 732—7489), Armenien i").
t 761. 1
Wasak 12). Asot (V.)"). Sahak^*).
Sapuh^^). Atrnerseh. Bagarat, sparapet^*).
I Asot Kuropalates.
Asot (Vn.), erhält vom Kaiser |
Theophilos das prokonsulare Bagarat.
Patriciat'^2) und bleibt im |
Gaue Sper. Dawit'.
Sapuh, Galabar,
Geschichtsschreiber ^1). Kleinfürst in Sper.
der dritte Satrap im Palaste des Königtums. Präsidiert der Synode
von Ktesiphon a. 615 Seb. 121. 123. Stephan AsoHk' 112 p. 124 trad.
Dulaurier. f im 28. Jahre des Chosrow (616/17) Seb. 68 und wird in
Dariunk' im Gaue Gog-owit bestattet.
2) Seb. 56.
'') ^Mundschenk des Königs Chosrow (a. 596) Seb. 63, erhält den
Titel Gaväean- Chosrow ßlßj 11 Seb. 67/8. Von Kavat II. zum Marzpan
von Armenien ernannt Seb. 97, ist er unbotmässig gegen Choroch-
Ormizd, den Fürsten von Atrpatakan und dessen Sohn ßostom,
sowie gegen Mzez Guuni Seb. 101/2, flieht mit seinen Söhnen vor dem
Darik'pet, Rostoms Bruder, nach Taraun und darauf zum Kaiser nach
Konstantinopel, verschwört sich gegen Herakleios a. 635 und wird
440 J- Marquart,
nach Afrika verbannt Seb. 102. Herakleios lässt seinen Sobn vor
seinem Tode schwören, den Aspet zurückzuführen und in den alten
Rang einzusetzen Seb. 108 (a. 641); dies geschieht durch Konstantin,
den Neffen des Herakleios, auf Bitten des T'eodoros Rstuni Seb. 114.
Er wird in den früheren Rang eingesetzt a. 645/46, flieht nach Tajk'
Seb. 115, wird zum Kuropalat und Fürsten von Armenien ernannt,
stirbt aber noch bevor er die Bestallung erhält und wird ebenfalls in
Dariunk' bestattet Seb. 116.
*) Seb. 98: Der Katholikos K'ristap'or „erregte viel Unruhe und
warf Zwiespalt zwischen den Aspet (Waraztiroc') und seinen Bruder
durch Verleumdung". Dieser Bruder ist aber nicht gleichzusetzen mit
Smbat Aspet, dem Sohne des grossen Smbat Chosrow-sumn und Eidam
des Manuel Magistros Seb. 136, der richtig als Enkel des Smbat Chosrow-
snumn zu bezeichnen wäre; s. Nr. 6. Vielleicht ist er aber identisch
mit Waraz-Sahak, dem Vater des Smbat Bagratuni Seb. 117; s. Nr. 5.
^) Als die Ismaeliten im Jahre 643 die Festung Arcap'k' be-
lagerten, sandten die Belagerten um Hilfe zu Smbat Bagratuni, dem
Sohne des Waraz Sahak in Dariunk' Seb. 117. Dieser Smbat war viel-
leicht ein Neffe des Waraz-Tiroc'. „Im ersten Jahre seiner Herrschaft
und im 25. Jahre des Kaisers Kostandin, des Enkels des Herakl,
begann Truppen zu sammeln gegen unser Land Armenien der Fürst
der Araber (Muavia). Kund ward dem König Kostandin das Wort.
Er befahl dem Heerführer, der in den Gegenden der Kilikier war,
ihnen entgegenzuziehen. Er setzte auch ab den Fürsten Theodoros
vom Fürstentum wegen des Truges, den er gegen den Heerführer
Pfokop verübt hatte, und anstatt seiner setzte er einen gewissen Smbat
aus der Familie der Bagratunier ein und entsandte ihn mit seinem
Heerführer. Er schrieb auch an Theodoros Rstuni, der früher Fürst
fewesen war, wie folgt: ,Zieh mit uns zum Kampfe mit den Truppen
ie unter deiner Hand sind.' Jener wollte aber nicht hinziehen. Er
schreibt wiederum zum zweitenmal: ,Wenn du nicht mit uns ausziehst
gegen die Raubscharen, so werden wir bei unserer Rückkehr von da
dein Haus aus unserer Familie ausrotten.' Dieser, erschreckt von den
Drohungen, rüstete seinen Sohn Ward, mit dem Fürsten Smbat zu
gehen. Er befahl ihm aber, an den Freunden Trug zu üben und sich
mit den Feinden zu verständigen. Als dieser zum Heerführer der
Griechen gezogen war, zogen sie weg nach den Gegenden Syriens und
überschritten die Schiffbrücke (ffvyfta) des Euphrat. Als nun der Sohn
des Theodoros sich beim Heerführer vorgestellt hatte, trachtete er sich
selbst zum Wächter der Schiffbrücke bestellen zu lassen. Und dieser
befahl ihm, den Kopf der Schiffbrücke zu bewachen.
Und als sie mit einander im Kampfe stritten und von beiden
Seiten Schläge fielen, verstärkte sich das Heer der Araber wiederum
und sie schlugen das Korps der Griechen in die Flucht am Tage des
grossen Sabbats vor Ostern. Als der Sohn des Theodoros den ismaeli-
tischen Sieg sah, ermannte er sich und setzte über jenseits des Flusses
und durchhieb, kappte die Taue der Brücke, damit die Flüchtlinge
nicht entkämen. Und diese, die Truppen der Griechen in die Mitte
nehmend, sprengten einige in den Fluss, und einige entkamen flüchtig
ins Land der Griechen. Deshalb verzweifelte das Herz des Königs der
Griechen, denn er erkannte, dass der Niedergang seines Fürstentums
vom Herrn sei, und zog nicht nochmals gegen die Ismaeliten.
Aber der ismaelitische Fürst schreibt einen Brief ins Land Ar-
menien: ,Wenn ihr mir nicht steuert und nicht unter das Joch meiner
Knechtschaft fallet, werde ich alle mit dem Schwerte vertilgen'. Da
versammelten sich gemeinsam der Oberpriester Armeniens Nerses, der
Erbauer (der Kirche) des hl. Grigor, und die Fürsten und Notabein
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 441
unseres Landes, nahmen auf sich, der Tyrannei der Ismaeliten zu dienen.
Als von diesen Geiseln gefordert wurden, gaben sie zwei von den
Notabein Armeniens, den Grigor aus dem mamikonischen Hause und
den Smbat aus dem bagratunischen Hause, und sie führten sie
weg zum Fürsten der Araber Muavia, entschieden über unser Land
Armenien, sie sollten ihnen 500 Dahekan Steuern in einem Jahre
zahlen und furchtlos in ihren Wohnsitzen bleiben.
Aber im zweiten Jahre des Fürstentums (667) ruft Muavia den
Grigor und den Smbat, welche Geiseln waren an der königlichen
Pforte. Und er gab dem Grigor die Würde unseres Fürstentums
Armenien, und entlässt diesen mit vieler Auszeichnung in unser Land
Armenien. Und es wurde viel Friede in den Tagen seines Fürsten-
tums". Levond Kap. 4 S. 31 — 34.
Daraus Stephan AsoHk' II 5 p. 153 trad. Dulaurier.
Die vorstehende Erzählung leidet an verschiedenen Anachronismen.
Schon der Svnchronismus Jahr 1 des Mu'awija = Jahr 25 des Kostandin
(Konstans II.) stimmt nicht: ersteres fällt mit dem Jahre 41 H. (6. Mai
661 bis 24. April 662) zusammen, während das 25. Jahr des Konstans
dem Jahre 666 entspricht. Die Niederlage des griechischen Generals
Prokop bei Marduc'ajik' , an welcher die Griechen dem Verrate des
Theodoros Rstuni die Schuld zuschrieben , fand im elften Jahre des
Konstans (651/52) statta), und darauf nahm ihm der Kaiser im zwölften
Jahre (652/3) alle Ehren und Würden (Seb. 139). Aus Sebeos 150 wissen
wir, dass Theodoros Rstuni nach der Eroberung von Georgien und
Karnoj-k'al-ak' (Theodosiupolis) durch Habib b. Maslama (nach Theo-
phanes p. 345, 11 if. A. M. 6145 = 653) .samt seinen Familiengenossen mit
ihnen (den Arabern) fortzog. Sie führten sie hinab nach Syrien. Dort starb
Theodoros, der Herr der Rstunier, und sein Leichnam ward in seinen Gau
gebracht und begraben im Grabe seiner Väter. Das Fürstentum unseres
Landes Armenien erhielt Hamazasp, der Herr derMamikonier, der Sohn des
Davit', ein in jeder Hinsicht trefflicher Mann". Soll also die Angabe
des Levond richtig sein, dass die Schlacht beim Zeugma, in welcher
Ward, der Sohn des Theodoros Kstuni Verrat übte, zu Lebzeiten des
Theodoros stattgefunden habe, so muss sie bald nach seiner Absetzung
geschlagen worden sein. Aber damals hatte der Kaiser, als er im
Jahre 652 selbst nach Armenien zog, um das Land wieder zurück-
zuerobern, Muse! den Herrn der Mamikonier zum Befehlshaber der
armenischen Reiterei ernannt (Seb. 140), während Theodoros und sein
Schwiegersohn Hamazasp, der Herr der Mamikonier, mit den Arabern
verbündet waren. Von Smbat Bagratuni ist dabei keine Rede. Auch
die Geiseln, worunter Grigor, der Bruder des Hamazasp, waren schon
vor 'O^mäns Tode (656) in den Händen Mu'äwijas. Jn jenem Jahre t>)
tielen die Armenier von der Knechtschaft der Ismaeliten ab und unter-
warfen sich wieder der Knechtschaft des Königs der Griechen. Der
König Kostandin machte den Herrn der Mamikonier Hamazasp zum
Kuropalates und schenkte ihm silberne Sessel und das Fürstentum des
Landes Armenien c), und den andern Fürsten Ehrenstellen, und den
a) Seb. 138. Das Datum t.. ^ 'i.Jl,% u,Jl, am Anfang der Seite
bezieht sich auf den Beginn des Berichtes, das 11. Jahr des Konstans.
Levond S. 25 setzt diese Schlacht ins „Jahr_22 des Abu Bak'r und
Ot'man und Amr" d. i. 653/54, wogegen Sebeos 139 das zwölfte Jahr
des Konstans dem 20. der ismaelitischen Herrschaft gleichsetzt.
t>) Nach Stephan AsoHk' II 2 p. 127 trad. Dulaurier im Jahre 104
der armenischen Ära (655 56).
c) 6 'AiLcc^cc«j>7trig 6 KovQOitäXatog hr] 6' in der Liste der arme-
nischen Statthalter in der aus dem Ende des 7. Jahrhunderts stammen
442 J- Marquart,
Truppen Schätze. Als nun der ismaelitische König sah, dass die
Armenier aus ihrer Knechtschaft ausgetreten waren, liess er sämtliche
Greisein, welche sie aus dem Lande weggeführt hatten, gegen 1775
Seelen, insgesamt über die Klinge springen. Die wenigen übrig ge-
bliebenen, etwa 22 an der Zahl, welche zufällig nicht am Orte waren,
entrannen allein.
Allein Musel der Herr der Mamikonier hatte, weil viera) Söhne
von ihm als Geiseln bei den Ismaeliten waren, deshalb nicht gewagt,
von ihrer Knechtschaft abzufallen, sondern diesen und noch andere von
den Fürsten samt ihren Frauen forderten sie zu sich nach Syrien. Des-
halb waren (die Armenier), den Tod für besser haltend als das Leben,
von ihrer Knechtschaft abgefallen und hatten sich in eiligem Hin- und
Hergehen der Knechtschaft des Königs der Griechen unterworfen, im
Einverständnis mit den Fürsten und Truppen Albaniens und den Fürsten
des Landes Siuuik' samt ihrem Lande. Die, welche sich früher der
atrpatakanischen Reichsschatzung unterworfen hatten t>), bis das Reich
der Perser weggenommen worden war und der Ismaelit die Herrschaft
angetreten hatte, diese hatten sich wieder gefügt und mit den Armeniern
verbündet. Und sie hatten den Musel und auch die anderen von den
Fürsten, welche mit ihm waren, gefangen genommen. Die übrigen
Fürsten nun, welche sie gefangen genommen hatten, befahl der Kaiser
frei zu lassen, nur den Musel liess er zu sich kommen". Seb. 151 — 152.
Nach Sebeos und Levond hat man kein Recht, jenen Smbat mit
dem Sohne des Waraz-Tiroc' gleichzusetzen, über dessen fernere Schick-
sale wir keine Kunde besitzen.
6) Smbat, der Liebling des Kammerherrn des Herakleios Seb. 102,
wird anad'aQoyiavdidätos a. 645/46 Seb. 114; wird in den Rang seines
Vaters eingesetzt, erhält den Fürstenrang der angestammten Haus-
herrnschaft der Aspetwürde und wird zum Drungar der Truppen ernannt
und mit einer Arschakunierin vermählt Seb. 116. Smbat Aspet, der
Sohn (richtig Enkel) des grossen Smbat Chosrow Sumn, war Eidam des
Manuel Magistros und Fürst des Heeres der Fürsten der Thraker, machte
sich aber, als er dem kaiserlichen Befehle nachkam, den der Teilnahme
an einer Verschwörung beschuldigten Manuel Magistros zu verhaften,
bei den Truppen verhasst, die ihn beschuldigen, er habe das Heer zur
Empörung aufzuwiegeln versucht, um ihn so zu verderben. Der Kaiser
sprach ihn aber frei Seb. 136. — Nach Saint-Martin bei Lebeau,
Hist. du Bas-Empire 11, 349, der ihn Smbat Kuropalates nennt, soll er
mit dem Patriarchen Nerses und dem Heerführer Theodoros Rstuni zu-
sammen die Synode von Dvin im J. 648 berufen haben. Davon steht
jedoch bei Sebeos 119—120 nichts. Saint-Martin lässt ihn um 654
sterben (eb. 353). ^
') Nach dem Tode des Fürsten Grigor tritt das Fürstentum Asot
patrik an, ein hervorragender und ansehnlicher Mann unter den Notabein
Armeniens, aus der Familie der Bagratunier. Er erbaute die Kirche
von Dariunk' in seinem Ostan. Unter ihm sandte Justinianos II. in
seinem zweiten Regierungsjahre [687/88] c) ein zahlreiches Heer nach
Armenien (A. M. 6178 Theophan. p. 863, 27—31). Asot fiel im vierten
den Narratio de rebus Armeniae bei Combefis, Historia Monothele-
tarum. Graeco-lat. patrum bibliothecae novum auctarium t. II, Paris
1648, p. 292.
a) Nach einer in den Text gedrungenen Randglosse waren nur
drei Söhne des MuseV, der vierte war ein Bruder des Hamazasp. Letzterer
ist Grigor, der nachmalige Fürst von Armenien.
b) S. mein Eransahr S. 122.
c) Stephan AsoHk' II 2 p. 129 gibt das dritte Jahr Justiniaus.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 443
Jahre seiner Herrschaft im Kampfe gegen eine arabische Raubschar,
welche die Flecken der Meder in Chram, Gul-aj und Chosakunik' über-
fallen und ausgeraubt hatte, und wurde in seinem Grabmal in Dariunk'
in Gog-owit beigesetzt Levond 37 — 39.
Die Narratio de rebus Armeniae nennt als Nachfolger des
'A(icc^cc<G>Tfrig ^ KovQonälarog:
FQTiyoQLog 6 aänXcpbg avtov s'tri xd'.
<!<4>ffwTT]5 IIa%Qttrovvr)g f'rTj y'.
6 NiQai^rig Kaiiipagaiiuv ftrj y .
Erst der Chronist Samuel von Aui (12. Jahrh.) nennt den Asot patrik
„Sohn des Biurat" (bei Brosset, Coli, d'hist. arm^n. II 409) , nicht
aber Stephan AsoHk oder Johannes Kath., welch letzterer den Asot
völlig übergeht. Saint-Martins wohl aus C'arac'ean stammende Be-
hauptungen bei Lebeau 12, 5 n. 1 sind also völlig unwahr.
Der Chazareneinfall, bei welchem Grigor gefallen war, fand nach
Stephan Asolik' II 2 p. 128 im Jahre 130 der armenischen Ära = 681/82
statt. Daneben hat er jedoch eine abweichende Angabe, nach welcher
im Jahre 184 = 685/86 die Nordvölker d. h. die Chazaren Armenien,
Georgien und Albanien ihrem Joche unterwarfen, wobei der Fürst von
Armenien und der von Georgien im Kampfe fielen. Dementsprechend
lässt er den Asot Bagratuni im Jahre 185 = 686/87 Fürst von Armenien
werden. An einer andern Stelle (116 p. 170) verlegt er den Chazaren-
einfall ins erste Jahr des Justinian = 686/87.
**) Stephan AsoHk' II 2 p. 130 trad. Dulaurier: „Nerseh [Kamsa-
rakan. der von Justinian auf seinem zweiten Zuge nach Armenien
Theoph. p. 364, 4—5 A. M. 6179 = 687, im Anfang seines vierten Re-
gierungsjahres zum Fürsten von Armenien ernannt worden sein soll]
erhielt zum Nachfolger im Jahre 140 [691/921 den Smhat Bagratuni
Biuratean, der Armenien 20 Jahre regierte". Ebenso erscheint in der
Narratio als Nachfolger des Nerseh Kamsarakan: 6 UaKQaxovvhg
^v^näxiog.
Theophan. Chronogr. p. 366, 25—29 A. M. 6185:
Tovxcp rä STEL I^aßßdtLog (z. Uv^ißdriog), 6 jraTpixtog 'Aq^LEviag, [la-
&6iv rrjv r&v 'Pcoivc>:icov rirrav rrjv 'Aq^sviuv nccQ^ScoxE rotg "Aga^iv, kccI
vnsxäyri avxolg iiccl 17 saa Ilagaig, rj Isyo^Evr} Xcogccadv, xccl cpvsxcci,
iyistas TtUQÜßovlog 6v6\iaxi Uccßtvog, nai TfoXlovg rav 'Agäßcov ccTtsxxsive
KUL avrbv xov Xaydvov rcuQ oXiyov xsXsiag TtoxufiOTtvLKXov inoiii.
Im zweiten Teile dieser Notiz steckt eine verworrene Kunde von
dem Charigitenhäuptling Sab'ih b. Jazid b. Nu'aim as-SaibänT und
seinem Untergang im Dugail im Jahre 77 H. (9. April 696 bis 28. März
697) a). In dieselbe Zeit gehört vielleicht auch der Abfall des Patrikios
Smbat zu den Arabern. Das Weltjahr 6185 wäre allerdings 693 n. Chr.
allein die Chronologie des Theophanes ist hier wie so oft wieder in
Unordnung. Nach ihm gab dem Kaiser Justinian II. den Anlass zum
Friedensbruche die Einführung einer eigenen Münzprägung durch 'Abd
al Malik, die er ins Wj. 6188 = 691 setzt, während sie nach den Arabern
im Jahre 76 H. (21. April 695 bis 8. April 696) erfolgte (Tab. II IH u. a.).
Bei Nikephoros icx. ffvvr.p. 36, 25 ff. findet sich jene Motivierung des
Friedensbruches nicht. Nach Theophanes ist der Abfall des Smbat
eine unmittelbare Folge der Niederlage der Romäer bei Sebastopolis
in Kilikien, welche die Feindseligkeiten eröffnete und von Theophanes
a) Vgl. Wellhausen, Die religiös-politischen Oppositionsparteien
im alten Islam S. 46 u. A. 3. Abh. der Gott. Ges. d. Wiss. N. F
Bd. V Nr. 2.
444 J- Marquart,
ins Jahr 6184 = 692 gesetzt wird. Allein für das spätere Datum scheint
folgende Notiz zu sprechen.
„Nach jenem -was wir erzählt haben (d. h. nach dem Tode des
Asot patrik), sandte abermals ein Heer der König der Griechen, welchen
sie Ap'simeros nannten, welcher an Stelle des Kaisers Justianos war,
und befahl Smbat, den Sohn des Waraz-Tiroc' zu ergreifen, als wenn
er rächen wollte die, welche derselbe verstümmelt hatte von den Truppen
der Griechen wegen des Todes seines Vaters Waraz-Tiroc', welchen die
Römer getötet hatten a). Und angekommen kämpften sie mit ihm in
der sumpfigen Ebene von Pajik, und viele Schläge geschahen den
Truppen Armeniens, da sie zu wenige waren. Es fielen auch vom Heere
der Griechen zahlreiche. Als Smbat sah, dass sie den Truppen der
Griechen nicht Stand zu halten vermochten, ward er flüchtig und gieng
mit knapper Not weg mit wenigen Männern, und die Truppen der
Griechen kehrten zurück in ihr Land" tevond 39—40. Tiberius II.
Apsimar wurde im Jahre 698 erhoben, der Abfall des Smbat kann also
nicht lange vorher stattgefunden haben, was auf das Jahr 696/97 passt.
Dafür spricht auch die kurze Notiz bei Mos. KaV. III 16 (Bd. II
43—44 ed. Sahnazarean) : ,Im Jahre 146 der armenischen Zeitrechnung
(697/98) kam Mahmet der zweite (Muhammad b. Marwän, Bai. S'.ö,
15—19. Ja'qübi, Hist. II nf, 18— l^^o, 4) nach Armenien, und durchs
Land Albanien eilend gelangt er nach C'olaj (Darband). Allein die
Armenier abfallend schlössen den Araber ein in Dwin , und 2000 von
den Arabern töteten sie, ein zahlreiches Heer von den Ilomäern herbei-
führend. In diesem Jahre war das Ende der Söhne des hl. Grigor^).
Und Mahmet kehrte zurück von C'olaj. Er bleibt, belagert Sevan, die
im See angelegte Burg, drei Jahre c), und nachher nimmt er sie und
lässt über die Klinge springen welche er darin findet". Vgl. Job.
Kath. 53. 54.
Levond S. 40 lässt allerdings den bluttrinkenden und vom Teufel
besessenen Mahmet nach dem 16. Jahre des Abdl-Melik' als Heerführer
nach Armenien kommen, allein dies steht mit seiner eignen Darstellung
im Widerspruch. Nachdem er nämlich Mahmets Thaten in Armenien
im allgemeinen geschildert, fährt er fort (S 41): „Und nach zwei Jahren
zum Gipfel der Ruchlosigkeit gelangt, spie er das todbringende Gift,
spann gegen den Konvent des hl. Grigor den Tod". Auf die Erzäh-
lung der an den Mönchen dieses Klosters begangenen Unthat^) folgen
dann die unten mitgeteilten Ereignisse nach Mahmets Abzug aus Ar-
menien, worauf es heisst (S. 49): „Und es geschah nach diesem, als der
ismaelitische Fürst Abdl-Melik' die Vernichtung seiner Truppen ver-
nahm, ruft er zu .sich den Mahmet, den Heerführer seines Heeres, und
befiehlt ihm mit sich zu nehmen eine Menge Truppen und gegen unser
Land Armenien zu ziehen mit Schwert und Gefangennahme. Dieser
rüstete unverzüglich die Truppen, und hochfahrend drohte er auszu-
führen die Befehle ihres Fürsten, Als die Notabein unseres Landes
Armenien von der Raubschar vernahmen, welche verstärkt anrücken
sollte, rüsteten sie den Katholikos Armeniens Sahak und einige von
den Bischöfen unseres Landes mit ihm aus, dem ismaelitischen Heere
a) Waraz-Tiroc' muss sich also als Geisel in den Händen der
Romäer befunden haben und von ihnen zur Strafe für den Abfall des
Smbat getötet worden sein.
^) D. h. des Klosters des hl. Grigor; s. unten Levond.
c) Nach Joh. Kath. S. 53 zwei Jahre.
d) Vgl. Stephan AsoHk II 4 p. 154—155.
Osteuropäische uud ostasiatische Streifzüge. 445
entgegenzugehen und mit seinem Heerführer in Worten des Friedens
zu reden und sich unter das Joch ihrer Knechtschaft zu unterwerfen".
Die Abordnung gelaugte nach Harrän, dem Sitze des Statthalters von
al Gazira, allein ehe noch Mahmet daselbst eintraf, starb der Katholikos.
Er hinterliess einen Brief an den Emir, und als Mahmet sich zu seiner
Leiche führen Hess, geschah ein Wunder 2-)^ wodurch Mahmet bewogen
wurde, die Bitte des verstorbenen Katholikos zu erfüllen. (S. 52:) „Aber
die welche mit dem Katholikos Sahak gekommen waren aus unserem
Lande Armenien , nahmen den Leichnam des seligen Patriarchen und
führten ihn über zur Ruhe , ihn in einen Sarg legend, glorreich. Und
sie selbst nahmen vom ismaelitischen Heeführer ein Eideswort ver-
mittelst einer Urkunde , und kehrten zurück in unser Land Armenien.
Und als die Einwohner unseres Landes das Wort des Eides sahen und
des Versprechens der Urkunde, fassten sie Zutrauen zu demselben und
dienten fürder den Ismaeliten in Sklavenknechtschaft.
Aber der Heerführer Mahmet zog zum zweitenmal herauf in unser
Land Armenien mit schwerem Heere im achtzehnten Jahre des Fürsten
Abdl-Melik', .. und die drei (übrigen) Jahre blieb er Ruhe haltend.
Nichts von Übeln kam in Erinnerung wegen der Begebenheiten die sich
zugetragen hatte(n) mit dem Heere der Araber im Flecken Wardana-
kert, sondern fest wahrte er den Eid der Schrift den er gegeben hatte,
und bloss unter seinem Auge überwachte er die Notabein Armeniens".
Levond (S. 34) gibt dem Abd al Malik 21 Jahre, wie z. T. auch
die Araber. Da sein Vater Marwän b. al Hakam am Neumond des
Ramadan 65 und er selbst in der Mitte des Sauwäl 86 (705) starb, so
entspricht sein 18. Jahr ungefähr dem Jahre 702, sein 16. dem Jahre
700. Da aber Mahmet das erstemal nach Levond mindestens zwei Jahre
in Armenien wütete, so folgt schon daraus, dass in der Jahreszahl 16
bei Levond ein Fehler stecken muss; vollends ausgeschlossen ist aber,
dass auch noch die folgenden Ereignisse nach seinem Abzug in dem
Zeitraum nach dem 16. bis zum 18. Jahre des Abdl-Melik' Platz finden
könnten. Ich vermute daher in tlU^nuiuu/b einen Fehler für hplr^^
,nuiuufu = 13, womit die Übereinstimmung zwischen Levond und Mos.
Kah hergestellt wäre, da das 13. Jahr des Abd al Malik ziemlich genau
dem Jahre 697 entspricht.
„Aber als Mahmet, von dem wir berichtet haben, alle diese
Schlechtigkeiten ausgeführt, zog er alsbald mit vieler Beute weg nach
Asorestan. Aber die Bewohner unseres Landes blieben zurück wie vom
Feuer rauchende Lava, und wie ein zermalmter Garbenhaufen, den die
Schweine zertreten haben. Und als der Heerführer Mahmet nach Syrien
abzog, Hess er in unserem Lande Armenien einen Befehlshaber an seiner
Statt aus den Ismaeliten ti). Dieser ging mit dem schlimmen Plane um, das
die Truppe der Adligen (azatagund) bildende Geschlecht aus unserem
Lande Armenien wegzuführen samt deren Reitern. Und plötzlich ward
seine Arglist dem Smbat offenbar, der aus dem Geschlechte der Bagra-
tunier war, und den andern Notabein und deren Reitern. Sobald er
daher den Anschlag merkte, berief er zu sich seine Verwandten des aus
der Truppe der Adligen bestehenden Lagers: den Smbat, den Sohn
des Fürsten Asot, und den Ward, den Sohn des Fürsten Theodoros,
und seinen Bruder Asot, und andere Notabein, und er dachte eine List
zu finden , wodurch sie das Mittel finden würden , ihre Personen in
Sicherheit zu bringen. Man beschloss wegzugehen zum König der
Griechen. Und dort sich teilend, trennten sich (von ihnen) einige von
den Notabein der Provinz Waspurakan. Aber jene nahmen sich vor
a) Vgl. Joh. Kath. S. 54—55. Stephan AsoHk II 2 p. 130—131.
i>) Nach Joh. Kath. 54 und Wardan S. 71, 11 hiess er Abdllah.
446 J- Marquart,
und zogen ab aus den Gegenden von Waspurakan aus der ebenen
Mark, welche sie Arestahotmn nennen". Sie befragten einen dort
wohnenden heiligen Einsiedler über das Unternehmen, der ihnen aber
nichts Bestimmtes zu raten wagte.
,Sie aber zogen weg dem Ufer des Flusses Erasch entlang, über-
schritten die Grenze von Ulajea) und gelangten zum grossen Flecken
Akori. Aber die ismaelitischen Truppen, welche in der Stadt Nachi-
gevan waren, stürmten hinter ihnen her und trennten sich nicht von
ihren Fersen. Denn sie waren mehr denn 8000, und sie wollten sie
lebendig verschlingen. Als dem Heere der Armenier über die Raub-
schar Kunde ward, welche sich erhoben hatte und gegen sie zog,
ermannten sie sich und überschritten den Erasch und lagerten im
Flecken Wardanakert. . . . Aber nachdem das Heer der Armenier die
Strassen des Fleckens befestigt hatte, bestellten sie Wächter darüber
bis zum Anbruch des Morgens, sie selbst aber verbrachten die ganze
Nacht im Gebete, feierten beim Morgengrauen die hl. Messe und
kommunizierten und nahmen etwas Speise zu sich wegen der Stärkung
des Fleisches. Und alsbald sich erhebend stellten sie sich in Schlacht-
ordnung, und der Kampf entspann sich. Da traf die Hilfe des gross-
mächtigen Gottes der Truppe der Armenier ein: obwohl sie weniger
waren als 2000, schlugen sie doch die meisten und Hessen sie über
die Klinge springen. Denn es waren die Tage der eisig wehenden
Kälte. Und indem der rauhe Wind noch mehr anwuchs, hinderte er
die ismaelitischen Truppen an ihrer Heldenkraft. Denn sie hatten die
ganze Nacht (wachend) verbracht wegen des Schnees, und beim Tages-
frauen fielen sie in die Gewalt des Schwertes. Die aber, welche dem
chwerte entflohen, fielen in den Fluss Erasch. Er war nämlich gefroren
infolge der Kälte des Windes. Sobald nun aufs Eis stiegen die Menge
der Truppe, wurden sofort dem Abgrund des geborstenen Eises über-
geben die, welche vor dem Schwerte gerettet waren. Und auf diese
Weise ertränkt endigten sie das Leben [vgl. Joh. Kath. S. 54, 19 — 25].
Von diesen wandten sich wenige zur Flucht, etwa 300 Mann, und
suchten Zuflucht bei der Fürstin Öusan [der Frau des Smbat?]. Diese
verfolgte Smbat, der Sohn des Asotb), mit seinen Truppen, und wollte
die Flüchtlinge über die Klinge springen lassen. Diesen gieng entgegen
die Fürstin Susan, und mit vielen Bitten und Geschenken befreite sie
diese nackt und bloss und zu Fuss gehend und dem Tod nahe, deren
Wunden sie nahm und verband und heilte und mit Kleidern bekleidete.
Sie gab (ihnen) auch Reittiere ihrer Herden, und sandte sie zum ismae-
litischen Fürsten Abdl-Melik', weshalb sie auch von ihm viel Dank-
beweis (Gnade) empfing und er ihr die grössten Ehren(zeichen) sandte.
Aber nachdem das Heer der Armenier sich von der Beute der
Feinde angefüllt hatte, sandten sie an den König der Griechen die
frohe Botschaft ihres Sieges. Sie Hessen ihm Geschenke wegführen
aus der Beute der Feinde, die auserlesensten der Renner der arabischen
Rosse, und die Nasen der Leichen der Gefallenen schnitten sie ab und
sandten sie damit. Als der Kaiser diese Gabe empfieng, brachte er
dem Schöpfer grossartigen Dank dar, und Gnade dem Smbat und den
Notabein mit ihm und ihren Truppen. Er verlieh ihm (das Recht) die
Ehre der Kuropal aten würde zu tragen nach der Weise der Könige.
Als er die Ehre vom Kaiser empfangen hatte, nahm er seine Truppen
und gieng hin ins Land Tajk', zog ein in die Festung, welche man
=>■) Vgl. Grigor Chalathiantz, ApMaHCKifi anoci. Moskau 1896
S. 190.
b) Dieser machte die Flucht zum griechischen Kaiser nicht mit,
sondern blieb im Lande.
Osteuropäische uud ostasiatische Streifzüge. 447
T'uchark' nennt, und war vor den Söhnen Ismaels auf der Hut [daraus
Wardan S. 71, 15-21. 24-26].
Um diese Zeit zog wiederum eine andere Raubschar gegen das
Heer, das in den Gegenden der Provinz Waspurakan (stand), und an-
gekommen erschienen sie im Gau Estunik' im Dorfe, das man Gukank'
nennt. Dort bekamen sie einander in Sicht. Sowie sie sahen, dass sie
wenige waren , stürzten sie kraftvoll auf sie und alsbald erbarmte sich
die Barmherzigkeit Gottes und auch diesmal traf sie ein zur Unter-
stützung. Sie Hessen sämtliche über die Klinge springen, nur 280 Mann,
die sich zur Flucht wandten, gerieten in die Kirche. Als (die Christen)
sie nicht zu erobern vermochten, gedachten sie das Heiligtum in Brand
zu stecken. Jedoch Smbat, der Fürst der Gegend Waspurakan a),
welcher der Sohn des Fürsten Asot war, Hess es nicht zu, und nicht
gestattete er, jene Missethat auszuführen". Die Ismaeliten machen dann
einen Ausfall und werden sämtlich niedergehauen, tevond 43—49.
Aus dieser Darstellung ergibt sich von selbst, dass es ganz falsch
ist, wenn Geiz er (Georgius Cyprius p. LIV n. 1) im Anschlüsse an
Saint-Martin, Mem. sur l'Armdnie 1416 und Hist. du Bas-Empire
12, 31 Smbat im Jahre 695 Statthalter von Armenien werden und vom
Kaiser Leontios die Kuropalateswürde erhalten lässt. Saint-Martius
DarsteUung der Geschichte dieser Zeit (bei Lebe au 12, 27 ss.) ist chro-
nologisch völlig verkehrt, und zumal seine Behauptungen über Smbats
Beziehungen zum Heerführer Leontios sind durch keine Quelle, am
wenigsten durch AsoHk (p. 29 n. 4) zu rechtfertigen.
Jm ersten Jahre seiner Regierung (86 H. = 705) gedachte WHt'
aus dem Lande Armenien das Geschlecht der Notabein mit ihren Reitern
aufzubieten wegen des Hasses, den sie hegten gegen den Kiurapalat
Smbat. Denn er sagte: fortwährend werden sie dieser unserer Herr-
schaft ein Splitter und Fallstrick sein. Während sie nun diese Bosheit
ausheckten in ihren Herzen, da schrieb plötzlich Smbat, von welchem
wir (früher) gesprochen haben, an den König der Griechen und erbat
ein Heer von ihm zur Unterstützung. Der Kaiser biUigte und führte
das Gesuch aus. Er übergab viele Truppen einem Heerführer und
sandte sie ihm zur Unterstützung. Als Smbat sich mit dem Heerführer
der Griechen vereinigt hatte, kamen sie und gelangten in den Gau
Wanand in das Dor^ das sie Draspet nennen. Dort schlugen sie ihr
Lager auf. Als das Mahmet hörte, der Befehlshaber des ismaelitischen
Heeres, versammelte er seine Truppen und zog mit grosser Rüstung
ihnen entgegen zum Schlachtkampf. Auf dem Schlachtfelde angekommen
ordneten sie Truppe gegen Truppe und Stirn gegen Stirn, und es ent-
spann sich die Schlacht. Da kam plötzlich der Grimm vom Herrn über
sie; es erschlaffte das Herz der Männer der Griechen, zur Flucht sich
wendend retteten sie sich in ihr festes Lager. Die Feinde aber sich
ermannend Hessen die meisten über die Klinge springen — die Zahl der
GefaUenen gibt man auf mehr als 50000 das Schwert ziehender Männer
an — die wenigen Übriggebliebenen vertrieb er aus unserem Lande und
die Truppen seines Lagers versammelnd kehrte er in die Stadt Dvin
zurück. Als dies der ismaelitische Fürst sah, dass Führer des Heeres
der Griechen die Notabein Armeniens geworden waren, befahl er aber-
mals jenen Plan des Truges dem Mahmet auszuführen.
Als Mahmet den ruchlosen Befehl erhalten hatte, befahl er einem
gewissen Kasm ( Qäsini), welcher sein Befehlshaber (Jiramanatar) in den
Gegenden der Stadt Nachcuan war, zu sich zu rufen die Notabein von
Armenien mit ihren Reitern unter dem Vorwande, eine königliche
Musterung zu halten und Sold (poya) zu empfangen und wieder zurück-
a) S. o. S. 446 Anm. b.
448 '^- Marquart,
zukehren". Als die Notabelu dem Befehle arglos Folge leisteten, wurden
sie in zwei Haufen geteilt, und teils in die Kirche von Nacheavan, teils
in die Kirche von Chram eingesperrt und samt den Gotteshäusern ver-
brannt. ,Da wurden ergriifen Smbat, der Sohn des Asot aus dem
bagratunischen Geschlechte , und Grigor und Koriun aus dem Ge-
schlechte der Arcrunier, und Waraz-Sapuh und sein Bruder aus dem
Geschlechte der Amatunier, und viele andere von den Notabein Armeniens,
welche ich nicht einen nach dem andern aufzuzählen beabsichtige. Diese
alle aus dem Leben wegnehmend machten sie vinser Land verwaist von
den Notabeln". Diese Katastrophe fand nach Stephan AsoHk' II 4 p. 156
trad. Dulaurier im Jahre 153 der armenischen Ära = 704/5 statt, nach
Theophanes p. 372, 13—18 im Weltjahr 6195 = 703.^ Dieser erzählt sie
mit folgenden Worten : Tovro) ra> I'tsl iataaiaaav oi äQ^avtng 'ÄQiitviag
■y.ara räv ZlaQaytrivcöv xal rovg iv 'Aq^svik SccQaiirivovg a-jtSKrtivccv ' nccl
av&ig TtQOg 'AipifiaQOv Tti^itovai -aal 'Pcofiaiovg tig rrjv avrüv ^mgav
cpsQovoiv (bezieht sich auf die Schlacht in Wauand).. ö dh Movd^sd
iTtioxQaxivaag xkt' ccvtojv TtoXXovg -ursivti, xai ri]v (ihv 'Aq^sviuv UccQa-
%7]V0ig VTtorccßßsi, rovg dh ybtyiGxavag räv 'AQ^mviav acoQSvaag iv xoTtm
kvl ^cooKavarovg inoir]6tv. Vgl. Mos. KaV. III 16 Bd. II 44 ed. Sahna-
zarean: „Und von da (von Sevan) hinübergehend nach Armenien
schlug er (Mahmet) das römische Heer (spaj) und das armenische. Und
die welche er nicht zu ergreifen vermochte, düpierend mit gewaltigem
Eide, versammelte er durch Hinterlist und Trug bei sich alle Häupter
der Armenier, und sie nach der Stadt Nachigevan wegführend, sperrte
er 800 Mann in die Kirchen und verbrannte sie lebendig, und 400 Mann
verbrannte er in Chram gleichfalls. Ihre niedrigen Leute aber Hess er
mit dem Schwerte niederhauen". S. auch Joh. Kath. S. 55 — 58.
Ja'qübi, Hist. II t^ff , 19 bis ^ö, 4 und Balädurl Y,ö, 14-19 ver-
legen den Schauplatz der Unthat in die Provinz Chilät, wo 150 Jahre
später (Winter 851/52) der neuernannte Statthalter Jusuf, der Sohn des
Abu Sa'id (armen. Apu-Set') Muhammad b. Jiisuf, von den ergrimmten
Gebirgsbewohnern von Chojt' in der Kuppel der Kirche erschlagen
wurde. Vgl. Stephannos Orbelian, Hist. de la Siounie trad. par
Brosset I 83 n. 2.
,Da in jener Zeit unser Land Armenien vom Geschlechte der
Notabeln leer geworden war, wurden sie verlassen wie Schafe unter
den Wölfen. Die Feinde, mit Übeln aller Art losstürmend, hielten
die Bewohner unseres Landes Armenien in furtlosen Qualen der Ge-
fahr. Diese, erschöpft von den unablässigen Bedrängnissen, erhoben
die Seufzer und das Klagegeschrei zum Himmel. Aber Smbat der
Kiurapalat und die Notabeln, die mit ihm (waren), giengen weg und
zogen ab aus unserem Laude, und hinübergehend verlangten sie vom
König der Griechen eine Stadt als Wohnsitz und Ställe für ihr Vieh.
Er gab ihnen die Stadt, welche mit Namen F'ojt' [Poti, Phasis] ge-
nannt wird, in den Gegenden des Landes Egr [Kolchis]. Sie wohnten
in derselben sechs Jahre.
Aber als Mahmet all diese Übel ausgeführt, erhob sich eine
Anklage unseres Landes Armenien und gelangte zu den Augen des
ismaelitischen Fürsten, der Wlit' hiess, und sofort sendet er einen Brief
und ruft diesen zu sich, und an seiner statt entsendet er einen gewissen
Abdl-Aziz, der taub war, aber klug, voll weltlicher Schlauheit, ein
Fabulant und Sprichwörterschmied. Als er sich in der Regierung be-
festigt hatte, schrieb er einen Brief an die Notabeln Armeniens und
überredete sie, zurückzukehren in unser eigenes Land, und gab ihnen
eine eidliche Urkunde nach Massgabe ihrer Sitte. Sobald sie in sein
Gelöbnis Vertrauen setzten, nahmen sie die Stadt wo sie angesiedelt
waren, und die Schätze der Kirche als Beute raubend, kehrten sie
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 449
nach Armenien zurück, sich trennend vom Kaiser der Griechen. Als
der Kaiser es hörte, ward er erbittert über die geschehene Misseithat;
er rief die Vorsteher der Kirchen, den Metropoliten und die Erzbischöfe
und befahl ihnen, den Fluch in ein Buch zu schreiben und befahl (ihn)
bei der Feier des Osterfestes zu lesen über die Verüber der Missethat.
Denn an jenem Feste hatten sie das Werk der Gottlosigkeit begangen.
An jenem Feste verordneten sie Jahr für Jahr jenen Fluch zu lesen
bis auf diesen Tag. Dieser ward aber auch Herr über sie und ward
die Ursache ihres Untergangs", tevond Kap. 6 S. 54 — 59.
Die Rückkehr des Smbat nach Armenien fand somit im Jahre 710
oder 711 (91 oder 92 H.) statt, je nachdem man das sechste Jahr seines
Aufenthaltes in P'ojt' als voll oder nur angetreten zu betrachten hat.
Zum zweiten Datum stimmt, dass nach Moses Katankajtvac'i III 16
(II 43 ed. Sahnazarean) Abdl-Aziz im Jahre 160 der armenischen Ära
= 711/12 nach Albanien kam. Nach Moses KaK a. a. 0... starb Smbat,
der Fürst von Armenien, im Jahre 175 der armenischen Ära = 726/27
n. Chr. Mit dem Diphysiten Smbat, dem Aspet Armeniens, hatte der
junge Stephannos von Siunik' eine Disputation , nach Stephannos
Orbelean zur Zeit des Kaisers Leon (des Isauriers 717 — 741). Vgl. Mos.
KaK III 17 (II 47 ed. Sahnazarean). Stephannos Orbelean, Hist. de la
Siounie trad. par ßrosset I 82. Diese Disputation fand vermutlich auf
der Synode von Manazkert statt, welche der Katholikos Johannes der
Philosoph (718 — 728) unter der Statthalterschaft des Smbat gegen die
diphysitischen Chalkedonier abhielt Stephan AsoHk II 42 p. 131 — 132.
Seine Söhne beneiden Asot, den Sohn des Wasak um das Patri-
ciat, das ihm Marwän b. Muhammad a. 732 übertragen hatte, und
intriguieren gegen ihn , werden aber samt den Mamikoniern Grigor
und David von Marwän nach Jemen verbannt Levond 143. Nach der
Ermordung Wallds II. (744) gelingt es ihnen nach Waspurakan zu
entkommen , doch nachdem Marwän II. das Chalifat errungen hatte
(745), Hess er sie durch seinen Statthalter Ishäq b. Muslim unschädlich
machen.
Hieraus ergibt sich also, dass man Smbat den Kuropalates, den
Sohn des Waraz-Tiroc', und Smbat, den Fürsten von Waspurakan und
Sohn des Fürsten Asot patrik, scharf auseinander zu halten hat. Letz-
terer fand bei der Katastrophe von Nachcavan 705 seinen Untergang.
Der Beiname ßmratean, welchen der erstere bei Stephan AsoHk erhält,
ist noch unerklärt. Die Behauptung, dass Smbat Biuratean ein Bruder
des Asot patrik gewesen sei (Saint-Martin bei Lebeau, Hist. du Bas
Empire XII 5, und B rosset, Additions et eclaircissements a l'Histoire
de la G^orgie p. 157, der dazu Wardan p. 57 zitiert), beruht offenbar
nur auf Samuel von Ani (oben S. 443 Z. 10 — 11) und ist nach der Er-
zählung Levonds äusserst imwahrscheinlich.
Johannes Katholikos hat sich die Lösung dieser Schwierigkeiten
sehr leicht gemacht. Er erzählt S. 49 der Ausgabe Emins (Moskau 1853)
nach dem Tode des Waraz-Tiroc': „Darauf ersucht (der Patriarch)
Nerses seinen Sohn Smbat in den Rang des Vaters einzusetzen und
bittet auch Theodoros, den Herrn von Rstunik' im Heerführeramte zu
bestätigen. Nachdem in dieser Weise die Nachfolge geregelt war,
blieb auf eine Zeit lang unser Land sicher vor den bösen Raubscharen
Hagars". Vgl. Seb. 116. Nach dem Tode des Fürsten Grigor Mami-
konean (681/82) berichtet er sodann (S. 53): „Nach diesem übernimmt
unser Fürstentum Armenien Smbat Bagratuni, der Sohn des Smbat.
Da bekriegte ein gewisser Mrvan [Muhammad b. Marwän] aus dem
ismaelitischen Geschlechte, als Statthalter nach Armenien gesandt,
sämtliche Festungen Armeniens. . . . Nach Mahmet [Muhammad b. Mar-
wän] ward ein anderer Statthalter nach Armenien gesandt, Abdllali mit
Marquart, Streifzüge. 29
450 J- Marquart,
Namen, ein verworfener unverschämter, zügelloser und höchst bösartiger
Mann. Dieser hielt die Heuchelei wie Viperngift in sich beherbergt
und folterte die Fürsten und die Edlen unseres Landes Armenien im
Gefängnisse, und nahm als Beute die Habseligkeiten und Besitztümer
vieler. Hierauf Hess er auch den grossen [Katholikosl Sahak in Ketten
legen und nach Damaskos wegführen [vgl. Stephan AsoHk' II 2 p. 130
trad. Dulaurier], mit ihm auch den Fürsten Armeniens Smbat, den Sohn
des Smbat".
Damit ist allerdings das Legitimitätsprinzip aufs einfachste ge-
wahrt: Smbat der Kuropalates ist der Sohn des Smbat, der Enkel des
Waraz-Tiroc', der Urenkel des Smbat Chosrow-snumn. Nur schade,
dass dieser Stammbaum an Levond scheitert. [Die Darstellung Wardans
S. 70 — 73 ist lediglich eine magere Kompilation aus Johannes Kath.
p. 62—58 und Stephan AsoHk II Kap. 2 p. 128—133 und Kap. 4
p. 152 — 156 , welch letzteres Kapitel selbst wieder ein Auszug aus
Levond ist, und besitzt daher gar keinen selbständigen Wert.]
^) Als Marwän b. Muhammad, von Hesm (Hisäm) an Stelle des
Set' Harasi (Sa'id b. 'Amr al HarasT) zum Statthalter von Armenien
ernannt, in Dvin eintraf (114 H. = 732 n. Chr.), , stellten sich ihm die
Notabein Armeniens vor, und er redet mit ihnen in Worten des Friedens.
Er ruft zu sich den Asot, den Sohn des Wasak aus dem Hause der
Bagratunier, und gab ihm das Fürstentum des Patriciats über unser
Land Armenien auf Befehl des Hesm, und ehrte ihn mit vieler Ehre"
Levond 143 ff. Unter dem Chalifate Marwäns II. (745—750) wurde
Asot von dem Mamikonier Grigor, der nach der Ermordung Walld's II.
(744) aus Jemen zurückgekehrt war, aus Rache geblendet. „Aber als
Asot das Fürstentum 17 Jahre mit glorreicherer Ehre inne gehabt hatte
als die früheren, welche höher (war) als (die) sämtlicher Fürsten vor
ihm, verfiel er der verräterischen Arglist, und nachdem er hernach noch
dreizehn Jahre gelebt hatte, starb er in glücklichem Greisenalter und
ward beigesetzt in einem prachtvollen Sarge in seiner Ruhestätte im
Dorfe Dariunk'". Levond S. 151— 156. Vgl. Daghbaschean, Grün-
dung des Bagratidenreiches durch Aschot Bagratuni. Berlin 1893 S. 52 ff.
Asot regierte also von 732 bis 748 und starb im Jahre 761.
Stephan AsoHk' 114 p. 161, der jedoch lediglich Levond ausschreibt,
lässt den Asot nur 15 Jahre regieren und nach seiner Blendung noch
14 Jahre leben. Auch im zweiten Kapitel p. 133 gibt er ihm 15 Regie-
rungsjahre.
10) Als 'Abd alläh „der Pfennigfuchser" (^AiU,tX3! j.j! , arm.
^u.j[, >i-u/i,.f-l^) , der Bruder des Chalifen 'Abd alläh (Abu 'l'Abbäs as
Saffäh 750—754) und spätere Chalifa Abu Ga'far al Man^ür, aus Ar-
menien abzog, „Hess er als Befehlshaber des Richteramtes und der Steuer-
einziehung über unser Land Armenien den Ezit, den Sohn des Usad (so
lies!) zurück. Und Ezit setzte über unser Land als Fürsten aus den
Notabein Armeniens ein den Isahak, den Sohn des Bagarat aus jenem
Hause des Fürsten Asot, welcher der Sohn seines Vatersbruders war",
Levond 160. .. m i. -
Diese Angabe befindet sich in Übereinstimmung mit Tabari, wo-
nach Jazid b. Usaid as SulamT schon unter dem Chalifate des as Saffah,
nicht erst unter dem seines Bruders al Man^ür, Statthalter von Armenien
wurde (Tab. III, aI , 1 a. 134 H. = 751/52; ^f , 10 a. 138 ^ 752/53;
s. o. S. 37). Nach Ja'qübT, Hist. TI f\". , 5 ff. ernannte Abu 'l'Abbäs
seinen Bruder Abu Ga'far zum Statthalter von al Gazira, al Mau9il,
der Militärgrenze, von Armenien und Adarbaigan. Darauf zog dieser
nach ar Raqqa und steckte ar Räfiqa am Ufer des Euphrats ab und
Hess es durch Adham b. Muhriz abmessen. „Da ernannte er den al
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 451
Hasan b. Qalitaba at Tä'T zum Statthalter von al GazTra, und den Jazid
h. Usaid as SulamT zum Statthalter von Armenien; hierauf setzte er
ihn ab und ernannte zum Statthalter von Armenien den al Hasan b.
Qahtaba. Dieser blieb es während der Regierung des Abu 'l'Abbas".
Nach dem Regierungsantritte des al Man^ür wäre dann JazTd b. Usaid
abermals Statthalter von Armenien geworden (ffl, 9). Der Fürst Sahak
und der Patriarch Ter Trdat aus dem Hause der Notabein des Gaues
Wanand (741 — 764) beklagten sich oftmals bei JazTd über die Härte des
Steuerdruckes , aber umsonst. Die Klagen , die sich gegen JazTd er-
hoben, gelangten endlich an 'Abdallah, der ihn unter Drohungen zu sich
rief und statt seiner den Bagar, den Sohn des Mslim entsandte, der aber
kein volles Jahr blieb (tevond 167). Bakkär b. Muslim al 'Uqaili ward
im Jahre 153 H. (770) Statthalter von Armenien, Tab. III r'vl , 16.
[Aus dieser Darlegung ergibt sich das Unrichtige und Künstliche
der Angabe AsoHks (II 2 p. 133 = p. 105, 1 der Ausgabe von Malcha-
seanc', St. Petersburg 1885) von selbst: „Und nach ihm (Asot)..(war Fürst
von Armenien) dessen Sohn Smbat 22 Jahre". Die Übersetzung
Dulaurier's ist hier sinnlos falsch].
11) Zieht mit Mahmet, einem Offiziere des Statthalters al Hasan
b. Qahtaba, nach Iberien gegen die aufständischen Armenier unter dem
Mamikouier Artavazd tevond 170; schliesst sieh nach dem Siege des
Musel über Apu Ncip bei Bagavan den Aufständischen an, fällt in der
Schlacht von Bagrevand 772 Levond 173. 183. Vgl. Daghbaschean
S. 58 — 63. Über sein angebliches Fürstentum s. Nr. 10 Ende.
12) Levond 178; s. o. S. 414 f.
13) tevond 174. 178.
1*) Sitz- und Kriegsgefährte des Smbat, fällt in der Schlacht von
Bagrevand tevond 183.
15) Er stirbt auf dem Feldzuge des Statthalters Ot'man gegen
Darband, am Ende der Regierung des Muhammad al Mahdi (786).
Unter jenem Statthalter ist f*-Jj.^ rvJ ö,L.*.c ^yi il^iü (Bai. H., 14)
zu verstehen; er wird durch i2oÄ (^xLg.11 j*--''^^^ rri r'*>) B^^- ^''j 14/15)
ersetzt. Levond 194 — 195. Während Roh hinzog, ward Mahmet (al
MahdT) ermordet.
1®) In dem Geschichtswerke des Levond, das mit dem Antritt des
Katholikos Step'annos (789/90) abschliesst, wird nach dem Tode des
sparapet Bagarat (786) kein Bagratide mehr erwähnt. Nach Stephan
AsoHk' II 2 p. 134 trad. Dulaurier regierte nach Smbat, dem Sohne
des Asot (Nr. 11), sein Sohn Asot mit dem Beinamen msaker (Fleisch-
esser) 20 Jahre als Fürst von Armenien, welchem sein Sohn Smbat mit
dem Beinamen Aplabas folgte, der die Macht 30 Jahre lang inne hatte.
Dass aber Asot msaker Smbat nicht unmittelbar gefolgt sein kann,
ergibt sich schon aus Levond. Sein Sohn Smbat der Bekenner war in
seiner Jugend unter Harun ar RasTd als Geisel in Samarra .festgehalten
worden und kehrte erst im Jahre 275 der armenischen Ära (826/27)
nach Armenien zurück. Da er im Jahre 855 von Bogha dem Altereu nach
Samarra deportiert wurde, so ist klar, dass seine dreissig Jahre von seiner
Rückkehr nach Armenien an (826 — 855) gerechnet sind. Die Regierung
seines Vaters Asot msaker fiele somit von 806/7 — 825/26. Demnach ist
anzunehmen , dass Smbat der Bekenner gleich beim Regierungsantritt
seines Vaters an den Hof des Härün ar Rasld (786—809) als Geisel
gesandt worden war.
29*
452 J- Marquart,
Füi- die Kenntnis der politischen Entwicklung der Kaukasusländer
unter Härfin ar RasTd und seinen Söhnen, zumal während des zwanzig-
jährigen Aufstandes des Persers Bäbak, und damit auch für das Ver-
ständnis der neuen Machtstellung der Bagratiden im 9. Jahrhundert
und der Vorgeschichte der Gründung des bagratidischen Königreichs
wäre das Geschichtswerk des Sapuh Bagratuni von unschätzbarem
Werte. Umfasste doch jene Periode eine reichbewegte Geschichte, da
überall die armenischen Teilfürsten sowie unbotmässige Araberhäuptlinge
ihr Haupt erhoben. Leider scheint aber jenes Werk endgiltig verloren,
so dass wir fast ausschliesslich auf die kurzen Auszüge in Wardans
Weltgeschichte (13. Jh.) angewiesen sind. Ein ähnlicher Unstern hat
es gefügt, dass auch der Armenien behandelnde Abschnitt von Ja'qübi's
Geographie, von dem wir insbesondere Aufschlüsse über die ethno-
logische Zusammensetzung der Bevölkerung der Kaukasusländer er-
warten dürften, für uns verloren ist. Unter diesen Umständen gewinnt
die einzige zusammenhängende Geschichte Armeniens unter Harun vind
seinen Söhnen in Ja'qübi's Geschichtswerk erhöhte Bedeutung, zumal
der Verfasser selbst Jahre lang in Armenien gelebt und einer Anzahl
von Fürsten und Statthaltern des Landes als Sekretär gedient hatte
(Tbn al Faq. H., 19flf.).
Die Notiz des Stephan AsoHk' über die Verlegung der Residenz
von Dariunk' im Gaue Kogowit am Masis, an der Grenze der Provinz
Waspurakan , nach dem Gau Arsarunik' durch Asot msaker ist schon
oben (S. 404 A. 1) angeführt worden. Es scheint jedoch, als ob die-
selbe nicht ganz freiwillig geschehen sei. Während nämlich bis zur
Katastrophe von Nachcavan (705) eine Linie der Bagratiden das
Fürstentum von Waspurakan inne hatte, sehen wir schon unter ■ al
Man^ür als die thatsächlichen Herren von Waspurakan die dort erb-
ansässigen Arcrunier auftreten (Levond 162. 176. 178), und sobald wir
gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts wieder eingehendere Nach-
richten erhalten, ist von einem Einfluss der Bagratiden in Waspurakan
nichts mehr zu spüren, während die Arcrunier die anerkannten Landes-
herren sind. Mit der zunehmenden Macht der Arcrunier in Waspurakan
wird es also zusammenhängen , dass die Bagratunier hier das Feld ge-
räumt haben.
Den Grund zu seiner Macht legte Asot durch die Bekämpfung
des Ismaeliten Gahap und seines Sohnes Abdlmelih',^äer von den Ein-
wohnern von Dvin getötet wurde, während sein Heer Sapuh, den Bruder
Asots, verfolgte, der einen Raubzug ins Gebiet von Dvin gemacht
hatte (oben S. 405). Aus dem diesbezüglichen Berichte Wardans er-
fahren wir ganz beiläufig, dass Tarmm der Herrschaft Asots unterstand,
ohne dass uns jedoch gesagt würde, wann und auf welche Weise er in
den Besitz dieser von alters her mamikonischen Provinz gelangt war.
Doch flieht schon Waraz-Tiroc' Gavitean-Chosrow, der Sohn des Smbat
Chosrow-snumn, mit seinen Söhnen vor dem Darik'pet nach Taraun
Seb. 102 (s. Nr. 3 S. 439). Der Gau S2)er in der Provinz Tajk' war das
alte Stammland der Bagratunier, aber noch in der ersten Hälfte des
7. Jahrhunderts wird ganz allgemein l'ajk' als Zufluchtsort des Aspet
Waraz-Tiroc' bezeichnet Seb. 115, und hieher zieht sich nachmals auch
Smbat Kuropalates vor den Arabern zurück (s. S. 446/7). Dazu gewann
dann Asot msaker noch Sirak und Asoc'k'.
Über das Ende seiner Regierung und die Anfänge seines Sohnes
Smbat berichtet Wardan S. 79, 1—13: .Aber als ein gewisser Sevadaj
aus dem Hause des Gahap mit 4000 (Mann) mit Asot und mit seinem
Bruder Sapuh kriegte, starb Sapuh in der Schlacht. Und nach zwei
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 453
Jahren starb Asot in seinem Hause und es nahm das Fürstentum
sein Sohn Smbat und trug Sorge für die zurückgebliebenen Waisen, die
Söhne des Sapuh, sie ansiedelnd in Ani») in Sicherheit. Nachdem er
mit Sevada Frieden gemacht, empfängt er von ihm die väterliche Würde
des Asj)arapetamtes, und sich vermählend mit der Schwester des Davit',
zeugt er zwei Söhne: Asot und Sapuh, deren Schwester zur Ehe ge-
geben ward dem Bagarat, dem Sohne des Asot Kiurapalat. Und Davit',
der Bruder des Smbat, gründet die Festung K\xz\^) Nach dem oben
Ausgeführten ist der Tod Asots ins Jahr 825/26 und folglich der seines
Bruders Sapuh ins Jahr 823/24 zu setzen. Der Friedensschluss Smbats
mit Sevadaj ward durch ein Ehebündnis besiegelt, wie wir durch
Johannes Kath. (S. 64) erfahren: .aber ein gewisser Sevadaj mit Namen
aus persischem Geschlechte, welcher zur Frau genommen hatte die
Aruseak aus dem begratunischen Hause und durch ihre Hand einen
beträchtlichen Teil unseres Landes beherrschte, dessen er sich mit Ge-
walt bemächtigt hatte, ziemlich in der Weise eines Allods^
Johannes Kath. lässt den Sevadaj d. i. Sawada b. 'Abd al Hamid
al Gabhrvf! (s. unten S. 458) irrig ,aus persischem Geschlechte"
{[. <\\..,p..l.li a,n^Jk) stammen, wofür Stephannos Orbelean (Hist. de la
Siounie I p. 101 trad. Brosset) /- \^u.j..lrp,uli,u'i. ...nC^Jk liest. Dies wird
aber kaum mit Brosset in l|«,,«//-«4"/% „aus qaisitischem Geschlechte"
verbessert werden dürfen, sondern lediglich als schlechte Konjektur zu
betrachten sein. Sevadaj wird zuerst beim Geschichtschreiber Albaniens
unter dem Jahre 270 arm. = 821 n. Chr. erwähnt: Jn jenem Jahre
machte einen Überfall Sevadaj der länderverheerende Tacik, welcher
als Avai-anSaji (Vorbote der Zerstörung) mit Namen bekannt war, ins
Gebiet Armeniens, und ausplündernd sämtliche Provinzen, kehrt er
nach Siunik' zurück und befestigt sich im Burgort des Fleckens Salat,
welcher im Gau Clukk' liegt. Der Herr Wasak, der Herr von Siunik',
den Baban (Bäbak) von Persien herbeiführend schlug sie und trieb sie
in die Flucht." Mos. Kat. III 19 Bd. II 54 ed. Sahnazarean. Vgl.
über diese Persönlichkeit auch Brosset Coli, d'hist. armen. I p. XIII.
Daghbascheau Gründung des Bagratidenreiches S. 3 A. 1.
Auf die politischen Verhältnisse, unter denen Asot msaker sein
neues Fürstentum schuf, fällt erwünschtes Licht durch die Darstellung
Ja'qübl's, Hist. II ö(ö, 15 bis öil, 11, wenngleich dieselbe, vom ara-
bischen Standpunkte aus geschrieben, zu unserem Bedauern die Ent-
wicklung der armenischen Teilfürsten nur in allgemeinen Ausdrücken
schildert und uns ihre Namen verschweigt. Sie lautet:
Armenien hatte sich nach dem Hinscheiden des al Mahd! empört
und blieb fortwährend im Aufruhr unter der Regierung des Musa.
Nachdem nun ar Rasld den Chuzaima b. Chazim at TamimT c) zum
Statthalter von Armenien ernannt hatte, blieb er daselbst ein Jahr
und zwei Monate und hielt die Ordnung aufrecht, das Land war in
Blüte, und die Einwohner benahmen sich loyal. Hierauf ernannte
ar Rasld den Jüsuf b. Räsid as Sulamid) an Stelle des Chuzaima b.
a) Die nachmalige Residenz der ßagratiden in Sirak.
^) In Taraun.
c) Vgl. Bai. n., 15. Nach Levond 195 ernannte Muse (al Hädl) an
Stelle des Roh (Rauh b. Hätim al Muhallabi Bai. H., 14; oben Nr. 15) den
Chazm zum Statthalter von Armenien, womit nur |.jL3- ^J »-^Jj^
gemeint sein kann.
d) Nicht bei Bai. und Tab.
454 J- Marquart,
Chäzim. Dieser verpflanzte ins Land eine Menge von Nizäriten, während
in Armenien die Jemener vorwogen, so dass die Nizäriten unter der Regie-
rung des Jüsuf zahlreich wurden. Darauf ernannte (ar Rasld) den JazTd
b. Mazjad b. Zäida as Saibänia), der von allen G-egenden RabT'a dahin
verpflanzte, so dass sie heute dort überwiegen, und das Land aufs pünkt-
lichste in Ordnung hielt, so dass keiner sich darin zu rühren wagte.
Hierauf ernannte er den 'Abd al Kablr b. 'Abd al Hamid von den Nach-
kommen des Zaid b. al Chattäb al 'AdawTb), dessen Wohnort Harräu
war. Der zog dahin mit einer Anzahl Leuten von Dijär Mudar, blieb
aber nur vier Monate, bis er entlassen wurde, (ar Rasid) ernannte nun
den al Fadl b. Jabja b. Chälid al Barmaki <=), der persönlich dahin zog.
Nach seiner Ankunft wandte er sich nach der Gegend von al Bäb wa"l
abwäb und bekriegte die Festung Chamrin , deren Einwohner ihn je-
doch schlugen, worauf er abzog, ohne sich noch um etwas zu kümmern,
bis er nach dem 'Iräq kam, und den 'Omar b. Aijub al Kinänld) zum
Stellvertreter über das Land zurückliess. Nachdem al Fadl nun nach
dem 'Iräq gelangt war, entsandte er den Abu '9 Qabbähd) über die
Grundsteuer und den Sa'Td b. Muhammad al Harränl al Lahbid) über
das Kriegswesen Armeniens. Da erhoben sich die Einwohner von Bar^a'a
gegen Abu '9 Qabbäh und töteten ihn, Armenien wurde abtrünnig
und es trat daselbst auf Abu Muslim der Schismatiker d). Nun über-
trug al Fadl dem Chälid b. Jazid b. Usaid as SulamT d) die Verwaltung
Armeniens und sandte zu ihm den 'Abd al Malik b. Chalifa al Harasld)
mit 5000 Mann. Als sie auf Abu Muslim den Schismatiker beiWar-ä-än (lies
..Li. •.: statt .l.i»,.j) stiessen, schlug sie Abu Muslim, zog ab nach Qal' at
al Kiläb (Hundefestung) e) und nahm es. ar Rasld aber ernannte zum
Statthalter über Armenien den al 'Abbäs b. Garlr b. JazTd b. Garlr
b. 'Abdallah von Bagllad). Nachdem dieser nach Barda'a gelaugt war,
erhoben sich gegen ihn die Bailaqänier (Leute von P'aitakaran), worauf
er sich vor ihnen in der Vorstadt von Barda'a verschanzte und den
a) Bai. n., 15. Levond S.200: b^/.«. nOh np^^, Xy^^kt ^ies IftH/')-
Tab. III 1.V, 5 berichtet nur die Absetzung des Jazid b. Mazjad a. 172
= 788/89. Nach Levond waren Ezit, der Sohn des Mzead, Äbdalk'bir
('Abd al Kabir b. 'Abd al Hamid) und Suleiman (fehlt in den arabischen
Quellen) Statthalter von Armenien im Namen des OwbedLa ('Ubaidu'Uäh
b. al Mahdl), welcher von seinem Bruder Harun ar Rasld zum General-
statthalter von Atrpatakan und Armenien samt Iberien und Albanien
ernannt worden war. Nach Suleiman kam auch Owbedia selbst in die
Stadt Partav und setzte den Suleiman als Fürsten von Armenien ein.
Nach Tab. III l.v, 5 ernannte ar Rasld den 'Ubaid alläh b. al Mahdl
im Jahre 172 zum Statthalter von Armenien als Nachfolger des Jazid
b. Mazjad; vgl. BaL H., 15, Bei Ja'qübi ist er ausgelassen. Joh.Kath. 61
erzählt unbestimmt nach dem Antritte des Katholikos Jowab (790) :
„Um diese Zeit war ein gewisser Ezit als ostikan vom amirapet nach
Armenien gesandt. Als dieser nach der Stadt Nachgavan gelangte,
sandte er Statthalter und Aufseher nach den verschiedenen Gauen".
b) Levond 200 XS^pq^'^L-epln'-
c) Bai. n., 16. Tab. III ^ir, 16—17 a. 176 H. (27. April 792 bis
16. April 793).
d) Nicht bei Bai. und Tab.
e) In Sisagän oder Siunik': Bai. tlo, 9 (= Ibn al Faq. Caa, 12).
r.i, 17.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 455
Ma'dän al Him^T») mit 6000 Mann gegen den Schismatiker Abu Muslim
sandte. Beide stiessen zusammen und es fand zwischen ihnen eine
Schlacht statt, in welcher Ma'dän al Him^T fiel. Da zog Abu Muslim
der Schismatiker gegen DubTl (Dvinj und belagerte es vier Monate;
dann zog er ab und rückte nach al Bailaqän, wo er sich niederliess,
und die Macht Armeniens erstarkte, ar RasTd aber entsandte den Jalija
al HarasI mit 12 000 und den JazTd b. Mazjad as Saibänl mit 10000
Mann und befahl dem JazTd b. Mazjad, auf Armenien loszugehen, und
dem al HarasI, über Adarbaigän zu ziehen, wo sich Muhalhil at Ta-
mlmi a) der Gewalt bemächtigt hatte. Da traf ihn al HarasI, bekämpfte
und schlug ihn und brachte das Land wieder in Ordnung; hierauf zog
er nach Armenien, um sich mit Jazid b. Mazjad zur Bekriegung des
Abu Muslim as Säri zu vereinigen, und traf im Lande ein, nachdem
dieser gestorben war und nach ihm as Sakan b. Müsä al Bailaqani »),
ein Klient (Lücke) aufgetreten war, dessen Wohnsitz al Bailaqän war.
Als derselbe nun die Ankunft des Jahja al HarasI erfuhr, sandte er
gegen ihn den al Challl b. as Sakan mit seinen besten Reitern; als
dieser mit al HarasI zusammenstiess, nahm ihn al HarasI gefangen
und rückte nach al Bailaqän. Auf diese Nachricht zog as Sakan flüchtig
weg und begab sich nach Qal'at al Kiläb, während die Einwohner von
al Bailaqän sich zu al HarasI begaben, ihn um Verzeihung baten
und in die Stadt einliessen. Da gewährte er ihren Einwohnern Ver-
zeihung und schleifte ihre Befestigung; as Sakan aber begab sich mit
8000 Mann zu Jazid b. Mazjad, um von ihm Verzeihung zu erbitten,
und dieser Hess ihn zu ar Rasld bringen. Als das Land aber ruhig ge-
worden war, ernannte ar Rasld den Müsa b. 'Isä al Häsimia); dieser
blieb ein Jahr in Armenien, als der Aufstand desselben sich wieder-
holte und seine Distrikte in Verwirrung gerieten. Er meldete dies dem
ar Rasld, der darauf sagte : Ich glaube, al HarasI ist allein der richtige
Mann dafür! Er setzte also den Mflsä b. 'Isa ab und entsandte den
al HarasI a) als Statthalter darüber. Dieser Hess sie über die Klinge
springen, bis die Ordnung hergestellt war. Hierauf ernannte ar Rasld
den Ahmad b. Jazid b. Usaid as Sulamia). Nach seiner Ankunft er-
hoben sich gegen ihn die im Lande befindlichen Chorasanier, die mit
und vor al HarasI angekommen waren, bekämpften ihn und verschworen
sich gegen ihn und sagten : du erhältst keinen Gehorsam und Unter-
würfigkeit. Da ernannte ar Rasld den Sa'ld b. Salm b. Qutaiba al
Bähilli^). Als dieser im Lande eintraf, vertrugen sich die Leute einige
Monate lang; hierauf behandelte er die Erbfürsten verächtlich. Da
wurden die Leute von al Bäb wa'l abwäb widerspenstig gegen ihn und
erhoben sich gegen seinen Statthalter. Sa'ld b. Salm hatte nämlich
den an Nagmc) b. Häsim, der Kommandant von al Bäb wa'l abwäb
gewesen war, getötet, worauf sich dessen Sohn Haijfln(?) b. an Nagm
erhob, Sa'ids Statthalter über al Bäb wa'l abwäb tötete, sein Haupt zum
Aufstand entblösste und an den Chäqän, den König der Chazaren schrieb.
Da rückte der König der Chazaren aus zu ihm mit einer gewaltigen Menge,
a) Nicht bei Bai. und Tab.
t) Bai. n., 16 hinter al Fadl b. Jahja. Dazu stimmt Tab. HI
Ifo, 14, nach welchem Sa'ld b. Salm bei der Absetzung des al Fadl
b. Jahja im Jahre 180 H. (15. März 796 bis 3. März 797) die Statthalter-
schaft von Mesopotamien antrat, wozu auch Armenien gehörte. Er wird
als Statthalter von Armenien ausdrücklich erwähnt im Jahre 182 H.
(798/99) Tab. HI Ifv, 11.
c) Tab. III IfA, 10 , 'A^^] *^.
456 J- Marquart,
überfiel die Muslime, tötete und führte in Gefangenschaft eine gewaltige
Menge und zog Aveiter, bis er zur Brücke des Kur kam, und nahm eine
Menge Muslime gefangen und tötete Menschen, verbrannte das Land
und tötete Frauen und Kinder a). Auf die Nachricht davon sandte
ar Rasld den Nahhät(?) und befahl ihm, den Sa'ld b. Salm zu verhaften
und den Leuten auszusetzen. Als er nun im Lande anlangte, wollte ihm
Sa'ld Geld geben und an Nahhät neigte dazu, das Geld anzunehmen.
Als das ar Rasld erfuhr, entsandte er den Na§r b. Hablb al Muhallabii»)
als Statthalter über das Land; doch dauerte es nur kurze Zeit, bis er
ihn absetzte und den 'All b. 'Isa b. Mähnn ^) ernannte. Als er ankam,
war sein Betragen schlecht, und es erhoben sich gegen ihn die Ein-
wohner von Sarwän und das Land geriet in Verwirrung. Da ernannte
ar Rasld den Jazid b. Mazjad as SaibSnIo) und schickte den 'All nach
Chorasan zurück d), und für Jazld b. Mazjad wurden Armenien und Ä(3'ar-
baigän vereinigte). Nach seiner Ankunft vertrugen sich die Leute und
er stellte die Ordnung im Lande her, söhnte die Nizäriten und Jemener
miteinander aus und schrieb an die Fürstensöhne und Erbfürsten,
indem er ihre Hoffnungen aufheiterte. So kam das Land wieder ins
Gleichgewicht. Hierauf ernannte ar Rasld den Chuzaima b. Chäzim
at Tamiml, der die Erbfürsten und Fürstensöhne ergriflF, ihnen die
Köpfe abschlagen liess und mit ihnen aufs schlimmste verfuhr f). Da
ward GurgänS) und die Canark' aufrührerisch, und als er nun ein
Heer zu ihnen vordringen liess, machten sie es nieder. Da sandte er
gegen sie den Sa'ld b. al Hai'S'am b. Su'ba b. Cahir at Tamlml^) mit
einem gewaltigen Heere, der die Einwohner von Gurgäng) und die
Canark' bekriegte, bis er sie zur Auswanderung aus dem Lande zwang,
und nach Tiflis zurückkehrte. Chuzaima b. Chäzim blieb weniger als ein
Jahr, dann setzte (ar Rasld) ihn ab und ernannte den Sulaimän b. Jazld b.
al A^amm al 'Amirll'), der ein schwacher nachlässiger Greis war. Er war
schwach, so dass ihm kein Ding erlaubt galt, bis ihm das Land beinahe
entrissen worden wäre, ar Rasld aber ernannte den al 'Abbäs b. Zufar
al Hiläli'j); da empörten sich gegen ihn die Canark' und er bekämpfte
sie, war aber gegen sie zu schwach. Da sandte ar Rasld den Muhammad
b. Zuhair b. al Musaijab ad Dabbl^), der der letzte der Statthalter
ar Rasids über Armenien war.
n örA, 1-7:
Muhammad al Amin ernannte den Asad b. Jazld b. Mazjad t)) zum
Statthalter von Armenien. Dieser traf daselbst ein, nachdem sich Jahjk
b. Sa'ld mit dem Beinamen der Morgenstern und Ismä'll b. Su'aib^»),
ein Klient des Marwän b. Muhammad b. Marwän, die in der Gegend
von Gurzän waren, einer Gegend des Landes bemächtigt hatten. Da
legte er ihnen eine Falle, so dass er sie ergriff, worauf er ihnen Wohl-
a) a. 183 = 799/800; vgl. Tab. III IfA, 7—14.
!>) Nicht bei Bai. und Tab.
c) Bai. n., 16. Tab. III IfA, 13, f a. 185 H. = 801 n. Chr.
Tab. III 1ö., 16.
d) Tab. III Ifl, 2.
e) Vgl. Tab. III IfA, 6.
f) Vgl. Bai. H., 17. Joh. Kath. 63 (unter dem Katholikos Joseph,
795 — 806): „In seinen Tagen unterjochte ein gewisser ostikan Chuzima,
nach der Stadt Dwin gekommen, die für sich Gebliebenen".
B) S. 0. S. 418 A. 6.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 457
thaten erwies und sie laufen Hess, und er war von gutem Betragen
und freigebig. Hierauf setzte ihn Muhammad ab und übertrug Arme-
nien dem Ishäq b. Sulaimän al Häsimia), der seinen Sohn al Fadli^)
als seinen Stellvertreter dahin sandte, al Fadl war daselbst ununter-
brochen während der Regierung des Abgesetzten (d. h. al Amins)."
Ziemlich ausführlich ist die Geschichte Armeniens unter al Ma'mun
(II öir— ö%).
Nachdem dieser das Chalifat angetreten hatte, übertrug er die
Verwaltung von Armenien und AtJ'arbaigän dem Tähir b. Muhamniad
a^ Can'änia); nach anderer Angabe entsandte ihn Har'9'ama b. A'jau
von HamafJän aus, als er sich nach dem 'Iräq wandte (a. 196 H.= 811/12).
Derselbe zog nach War'S'än (Ward anakert) in der Provinz Ädarbaigan
und verhandelte mit den Offizieren und den Spitzen der armenischen
Miliz und sie huldigten dem al Ma'mün. Allein Ishäq b. Sulaimän,
der im Namen des Abgesetzten (al Amin) Statthalter über das Land
war und mit welchem 'Omar, al Hazüno), Narse^) und 'Abd ar Rahmaud),
der Patrikios von Arrän, sowie eine Anzahl anderer Erbfürsten (batariqa)
hielten, rückte auf Bard^a'a los, um dessen Bevölkerung niederzuwerfen,
weil sie seinen Sohn vertrieben hatten. Da sandte Tahir, der Statt-
halter des al Ma'mun, gegen sie den Zuhair b. Sinän atTamImia) mit
einer gewaltigen Menge. Sie stiessen zusammen und stritten den ganzen
Tag, dann flohen Isliaq b. Sulaimän und seine Gefährten und sein Sohn
Ga'far b. Ishäq b. Sulaimän a) ward gefangen genommen und mit anderen
Gefangenen' an al Ma'miln gesandt. Es dauerte aber nur einige Tage^
bis 'Abd al Malik h. al Gakhäf as Sulaml sich gegen Tahir aQ Qan'ani
empörte, während sich Leutee) von der Bevölkerung von al Bailaqan
(P'aitakaran) erhoben und den Tähir in der Hauptstadt BarrJ'a'a be-
lagerten, wo er eine Anzahl Monate belagert blieb. Auf die Nachricht
a) Nicht bei Bai. und Tab.
b) Tab. III 1ö., 16 a. 185 = 801/2 (als Nachfolger seines Vaters).
c) Unbekannt. Ist ,.,5j-^ *,j*-^ als ein Name zu lesen?
d) Dies ist sicher NerseJi-i P'üipjjean, welcher im Jahre 270 arm.
= 821/22 seinen Verwandten Waraz-Trdat i Step'annosean, den letzten
Fürsten von Albanien aus dem Hause Mihrakan, und dessen unmündigen
Sohn Step'annos ermordete. Waraz-Trdat oder sein Vater Step'annos
entspricht also dem Patrikios 'Abd ar Rahmän von Arran. Nach seinem
Tode vererbten sich die Ansprüche seines Hauses auf Atrnerseh, den
Herrn von Chac'en (vgl. Tab. III IfSI, 15. Thomas Arcruni 3, 11 p. 153
Brosset), der seine Tochter Spram heiratete. Dieser war ein Sohn des
Sahak (so lies nach Tab. III tfll, 15 statt Sahl), des Herrn von Siunik',
der aus Tohak war und sich des Gaues Gelam mit Gewalt bemächtigt
hatte. Siehe Mos. Kah 8, 19 S. 54. 21 S. 68/69, wo nach Step'annos der
Name seines Sohnes Waraz-Trdat ausgefallen ist. Sahak, der Fürst
von Siunik', wird erwähnt von Joh. Kath. S. 64. 65. Vgl. Steph. Or-
belean, Hist. de la Siounie trad. Brosset I 101. II 25. Daghbaschean
a. a. 0. S. 8. Wenn Sahl-i Smbatean (arab. -bL^-x-w ^^J ö^'^) bei Mos.
Kai. III 19 (II 54) schon im Jahre 270 arm.= 821/22 den Titel ^«-'"^^."'^M
EiranSahik = sL.^i^i erhält, so ist dies, falls damit nicht lediglich die
Abkunft aus dem alten Fürstenhause der Aronsahih angedeutet werden
soll, ungenau, da sich Sahl, wie wir unten aus Ja'qübl erfahren, erst
unter al Mu'ta^im^der Provinz Arrän bemächtigte. Ursprünglich war
er nur Herr von Sak'e Thom. Arcruni III 11 p. 153.
e) S. 0. S. 405 A. 3.
458 J- Marquart,
davon ercamite al Ma'mün den Sulaimän b. Ahmad al Häsimia) zum
Statthalter. Der langte an bei der Stadt, während Tähir belagert war,
entsetzte ihn, schickte ihn heim und gewährte dem 'Äbd al Malik Straf-
losigkeit, und die Ordnung im Lande war hergestellt. Hierauf ernannte
(al Ma'mün) den Hätim b. Har-O-ama b A'jan») zum Statthalter von
Armenien. Da kam er im Lande an, nachdem zwischen den Mu'tazila
und der Gemeinde Parteiung ausgebrochen war, so dass sie einander
töteten , bis sie sich beinahe gegenseitig vernichtet hätten , worauf sie
miteinander Frieden geschlossen hatten. Hätim b. Har-ö'ama blieb nur
wenige Tage im Lande, bis er die Nachricht vom Tode seines Vaters
Har-ö'ama und den Umständen, unter denen er starb, erhielt^). Da zog
er weg aus Bar(5^a'a und Hess sich schliesslich in Kisäl nieder, wo er
eine Burg baute, auf die Empörung hinarbeitete und mit den Erb-
fürsten und den Spitzen des armenischen Volkes, sowie
mit Bäbak und den Churramiten korrespondierte und die
Macht der Muslime bei ihnen als schwach hinstellte. Da rührten sich
Bäbak und die Churramiten und Bäbak ergriff die Gewalt in der Provinz
A^arbaigän. Als al Ma'mün die Nachricht erhielt, übertrug er dem Jalija
b. Mu'äeJ b. Muslim, einem Klienten der Banfl z/uhl, die Verwaltung von
Armenien (Lücke). Da that er dies und Jalijä b. Mu'ä(5^ schlug mehrere
Schlachten, ohne ihn in einer derselben zu besiegen c). al Ma'mün
hatte aber dem Offizier und Kämpen 'Isa b. Muhammad b. Abu Chälid,
der sich unter der Regierung des Abgesetzten ausgezeichnet hatte, be-
fohlen (ihm mit den al Harblja^) Hilfe zu bringen). Als er nun den
Wandel des Jahja nicht billigte, übertrug er dem 'Isk die Verwaltung
von Armenien und A^arbaigän und befahl ihm, sie (die HarLlja) aus
seinen Mitteln auszurüsten und zu besolden. 'Isa b. Muhammad rüstete
sie aus seinen Mitteln aus — es waren diejenigen, deren Bezirk in der
Stadt des Heils war — und rückte aus, und es blieb kein einziger von
der Harbija - Legion in Baydäd zurück, welche sich am Bürgerkriege
beteiligt hatten e). Als er nun im Lande eintraf, kamen zu ihm
Muhammad b. ar Rauwäd al Azdl und sämtliche Häuptlinge jenes
Landes und stellten sich zur Verfügung zur Bekriegung Bäbaks. Als
er aber durch einen Engpass zog, traf ihn in demselben Bäbak und
schlug ihn f), worauf 'Isa den Rücken wandte und abzog, ohne irgendwo
anzuhalten. Da rief ihm einer der Tapfern der Harbija zu: Wohin, o
Abu Müsa? worauf er erwiderte: Wir haben bei der Bekämpfung dieser
Leute kein Glück; wir werden nur_ gefürchtet bei der Bekämpfung
der Muslime. Er zog sich daher aus ÄtJarbaigän nach Armenien zurück,
nachdem Sawäda b. 'Abel al Hamul al Gahhäfis) den Gehorsam auf-
gesagt hatte. Da bot ihm 'Isa an, ihn zum Statthalter von Armenien
zu machen; als jener aber darauf bestand, ihn zu bekriegen, bekämpfte
er ihn und schlug ihn nach (grosser) Anstrengung, und Armenien wurde
dem Isa b. Muhammad wieder loyal.
a) Nicht bei Bai. und Tab.
b) a. 201 H. = 29. Juli 816 bis 18. Juli 817; vgl. Tab. III 111, 15
bis IIa, 9. Ja'qubl II of 1 , 12—19.
c) a. 204 H. (819/20): Tab. III I.H, 8. irrr, 3.
d) Tab. III !^rA, 12. IIa, 10 ff.
e) Gemeint ist der Aufstand der Harbija gegen al Hasan b. Sahl
und die sich daran anschliessenden Wirren, Ja'qübl II öfl, 20 bis of a, 18.
Tab. III IIa, 10 ff.
f) a. 205 H. (820/21). Tab. III l.ff , 6—7. f.fo, 4. irrr, 3.
s) S. 0. S. 453.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 459
Die Macht des Bäbak in al BaSd aber wurde gewaltig. Als al
Ma'mün nun den Zuraiq b. 'All b. ^adaqa al Azdl zum Statthalter er-
nannte, der aber nichts that»), ernannte er den Ihn Humaid at Tflslt>).
Als nun Zuraiq die Nachricht seiner Entlassung erfuhr, empörte er sich
und zeigte offene Auflehnung, und als Muhammad b. Humaid im Lande
erschien, bekämpfte ihn Zuraiq. Als aber Muhammad seine Gefährten
tötete, bat er um Verzeihung: jener gewährte sie und Hess ihn zu al
Ma'müB bringen. Muhammad b. Humaid blieb, bis er das Land von
denen gesäubert hatte, deren Gegend er fürchtete. Als er nun zur
Bekriegung des Bäbak freie Hand hatte, rüstete er zum Kriege gegen
ihn und rückte gegen ihn. Er führte nun einen harten Kampf gegen
ihn, wobei ihm fortwährend der Sieg blieb. Als er dann aber an einen
engen Ort mit rauhem Boden gelangte, gieng Ibn Humaid und eine
Schar mit ihm zu Fuss, worauf sich die Leute des Bäbak auf sie
stürzten und Muhammad und eine Anzahl von den Spitzen seiner Ge-
fährten fielen und das Heer floh, während das Kommando des Heeres
Mahdl b. A^ram, ein Verwandter des Ibn Humaid, übernahm. Dies
geschah im Jahre 214 (829 n. Chr.)c).
Nach dem Falle des Muhammad b. Humaid ernannte al Ma'mün
den 'Abd alläh b. Tähir und verlieh ihm die Bestallung über die Kreise
von al Gibäl, Armenien und Adarbaigän , und schrieb an die Eichter
und Steuereinnehmer, sich nach seinem Befehle zu richten. Da rückte
'Abd alläh aus und schlug sein Quartier auf in Dinawar, und schrieb an
Mahd! b. AQram, Muhammad b. Jüsuf und 'Abd ar Rahmän b. Hablb,
die Offiziere, welche bei Muhammad b. Humaid gewesen waren, auf
ihren Posten zu bleiben.
Talha b. Tähir starb in Chorasandj; da ernannte al Ma'mün an-,
seiner Stelle den 'Abd alläh und sandte ihm seine Bestallung durch
Ishäq b. Ibrähim und den Oberrichter Jahja b. Ak'ö'ame). 'Abd alläh
zog daher in diesem Jahre nach Chorasan durch, während al Ma'muu
mit Adarbaigän und der Bekriegung des Bäbak den 'All b. Hisäm
betraute f), den 'Abd al A'la b. Ahmad b. Jazid b. Usaid as Sulaml
aber mit Armeniens). Dieser kam im Lande an, nachdem sich Mu-
hammad b. 'Attäb zum Herrn von Gurzän (Georgien) gemacht und
die ^anärlja (Canark') ihm angeschlossen hatten. Er bekriegte ihn
daher, allein Ibn 'Attäb schlug ihn, da er kein Geschick und keine
Kenntnis vom Kriege besass. Nun ernannte al Ma'mün den Chälid
b. Jazid b. Mazjadli). Der Hess die von seinem Stamme, welche im
'Iräq im Gefängnis waren, frei und rückte nach Mesopotamien aus, wo
sich ihm eine gewaltige Menge von Rabl'a anschloss, worauf erjns
Land gelangte. Als er nun in Chilät eintraf, kam zu ihm Sawada
b. 'Aid al Hamid al Gahhäfi, und er gewährte ihm Verzeihung.
a) v-ÄJ.ij v_53j*I! "i£ Q.J ».sA^s Tab. III t.vr, 3 a. 209 H. =
824/25. irrt^, 3.
b) a. 212 H. = 827/28. Tab. III 1.11, 3.
c) Tab. III ü.t, 9. Moses Kalankatvac'i III 19 (II 55), der ihn
Tavusi nennt, gibt das Jahr 278 arm. Ära = 829/30 an.
d) Nach Tab. III t.11, 19 a. 213 H.
e) Vgl. Tab. ni ll.r, 3-5.
f) Tab. III It.r, 8.
g) Nicht bei Tabarl.
ii) Bai. rn, 1.
460 J- Marquart,
Hierauf gelangte er nach Nachcavau , wo sich Jazid b. Hi^n , ein
Klient der Banu Muliärib, der Gewalt bemächtigt hatte. Da Üoh Jazld
b. Hi^n vor ihm und kam nach Kisäl und blieb dort. Er entbot dem
Muhammad b. 'Attäb und er kam zu ihm unter Zusicherung freien
Geleits, indem er Gehorsam zur Schau trug, worauf ihm Chälid
Straflosigkeit gewährte. Hierauf sagten die Cauark' : Wir sind dir gehor-
sam. Muhammad b. 'Attäb sagte aber zu ihm: Sie sind mir nicht
botmässig. Da rückte Chälid gegen sie aus, griff sie an in Gurzän
und schlug sie, und nahm ihre Herden. Hierauf forderte er zum Frieden
auf und schloss mit ihnen Frieden unter der Bedingung, dass sie
3000 Stuten und 20000 Schafe zu liefern hatten. Es dauerte aber
nicht lange, bis sie (Lücke). Mit ihnen erhoben sich die Qaislten^) und
schürten Aufruhr gegen Chälid '^). Unter den Feinden befand sich 'All
b. Jalijä al Armani; da nahm ihn Chälid samt einer Menge anderer
gefangen und sandte sie an al Ma'mün, der sie in die Umgebung des
Abu Ishäq al Mu'ta^im versetzte und ihm zuwies, und ihnen eine Pension
aussetzte. Hierauf ernannte al Ma'mfin den 'Abd alläh b. Mu9äd al
Asadic) an Stelle des Chälid und Hess den Chälid zu sich kommen.
Dieser fürchtete daher, er möchte bei ihm angeschwärzt sein. Als er
nun eintraf, wies er ihn seinem Bruder al Mu'ta^im zu. Als 'Abd alläh
b. Mu9.äd al Asadi im Lande angekommen war, blieb er nur kurze
Zeit, bis er starb und seinen Sohn 'All zum Stellvertreter ernannte.
Da geriet das Land in Verwirrung, al Ma'mfin ernannte darauf den
al Hasan b. 'All al Bädylsl, bekannt unter dem Namen al Ma'münld).
Dieser kam an, als das Land in Verwirrung war, bekämpfte die
Leute der Festung ..yxajLxJ und eroberte sie und zog sich nach Dubll
(Dvin) zurück, wo er blieb, worauf er dem Ishäq b. Ismä^ll h. Su^aib
at Tifllsl entbot, die Schätze abzuliefern. Ishäq jedoch hielt ihn hin
und wies seine Gesandten zurück. Da rückte jener aus nach Tiflis.
Als er nun in seine Nähe gelangte, kam er zu ihm heraus und gab ihm
Geld, worauf er von ihm abzog".
Unter der Regierung al Mu'tacims (834 — 842) lesen wir H övi ,
18 ff.: „al Afsln hatte, als er in Ad'arbaigän anlangte, die Verwaltung
Armeniens dem Muhammad b. Sulaimän al Azdl as Samarkandlc)
übertragen. Dieser kam daselbst an , nachdem Sahl b. Sunbät e) sich
a) Dies sind die Kaisiklc^, von denen Brosset mehrfach (besonders
Collection d'hist. armen. I p. XII ss.), aber nicht sehr glücklich ge-
handelt hat. Sie hatten im 9. Jahrhundert ihren Sitz in Apahunik'
mit der Hauptstadt Manazkert. Vgl. Thomas Arcruni III 19 trad.
Brosset [= p. 218 ed. Patkanean, St. Petersburg 1887]. 20 p. 179 [= 224.
225J. III 28 p. 199—200 [= 245—247]. 31 p. 222 |= IV 2 p. 276].
t>) Dies ist wohl der Aufstand des Sevadaj und des mit ihm ver-
bündeten grossen sparapet Smbat gegen den sonst nicht unterzu-
bringenden ostikan iiiii^i_Haul, von dem Johannes Kath. p. 64 erzählt.
Vgl. Daghbaschean a. a. 0. S. 8 f. In ^«/«.^ würde dann iu,^
= Cludid stecken.
c) Nicht bei Tab. und Bai.
<i) Vgl. Bai. nt, 8 — 6. Nach BaläJurT wurde er von al Mu'tacjim
ernannt.
e) Welcher den Bäbak gefangen und an al Afsln ausgeliefert hatte
Ja'qübl II övi, 8— 9. Tab. III irrS^, 1. 5, 14. 17. iS'S'f , 1. 3. 5. 9. 11. 18.
trro.l. 6ff. ifi"1,3. 9. 14/15. irrA,2. !r'^r,2. Dmaw. f..,8. 10. Vgl.
S. 457 A. d.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 461
in Arr.än empört und zum Herrn des Landes gemacht hatte. Als er
nun in sein Land eingedrungen war, überfiel ihn Sahl des Nachts und
schlug ihna). Es erhob sich auch Muhammad b. 'Ubaid alläh al
War'ö'änib) in War'9'rin (Wardanakert); da sandte al Afsln gegen ihn
den Mangcür, um ihn zu bekriegen, und 'All b. Jahjk al Armani sprach
wegen seiner Angelegenheit, worauf ihm al Mu'ta(;im Verzeihung ge-
währte und 'All b. Jahjk ihn (an den Hof) brachte c). Hierauf ernannte
al Ai^ln den Muliammad b. Chrdid Buchärä-chof^äh <J) zum Statthalter von
Armenien. Nachdem er nun angekommen war, bekriegte er die Canark'
und zog nach Tiflis, worauf Ishäq b. Ismä'll gegen ihn bieder handelte
und ihn besuchte. Darauf ernannte (al Afsln) zum Statthalter von
Armenien den 'All b. al Husain b. Siba' al Qaisi e), den die Einwohner
des Landes für schwach hielten, so dass er wegen seiner Schwäche und
Verächtlichkeit ,die Waise' genannt wurde. Nun übertrug al Mu'taQim
dem Chrdid b. Jazidf) Armenien und einen Bezirk von Dijär Rabl'a.
Als nun das Gerücht davon nach Armenien gelangte, befestigte sich
jeder Häuptling darin und ihre Furcht vor ihm ward heftig, und sie
arbeiteten auf die Rebellion hin. Als Man^ür b. 'Isä as Subai'i, der
Postmeister von Armenien, dies an al Mu'taQim berichtete, berief er
den Chälid zurück und befahl den 'Air b. al Husain zu belassen.
Es dauerte inde.ssen nur einige Tage, bis das Heer gegen ihn Aufruhr
erregte in Barda'a und sie von ihm ihre Löhnung forderten. Da sagte
er: ,Ich habe nichts, sondern die Gelder besitzen die Einwohner des
Landes', und stellte Forderungen an die Einwohner des Landes, die die-
selben aber verweigerten und sich in ihren Burgen befestigten, worauf
sie einander Botschaften sandten, sich vereinigten und ihn in Bard'a'a
belagerten. Da sandte al Mu'ta^im den Hamdöi b. 'Ali b. al Fädle)
ins Land ; als er nach Nachcavan gelangte , kam Jazid b. Hi^n unter
freiem Geleit zu ihm heraus (Lücke). Er wagte sie aber nicht anzu-
greifen aus Furcht, sie möchten ihn bewältigen."
Über die Zustände Armeniens unter al Wä-S-iq (842—847) heisst
es II öAv, 19 fi^.: ^.Armenien empörte sich und es rührten sich daselbst
Leute von den Arabern und den Erbfürsten {al batäriqa) und Usur-
patoren, und es bemächtigten sich die Fürsten der Berge und von al
Bäb wa 'labwäb der ihnen benachbarten Gebiete, und die Sache der
Regierung wurde schwach. Da ernannte al Wä'9'iq den Chälid b. Jazid
b. Mazjade) zum Statthalter und befahl ihm durchzudringen, und überwies
ihm einige von den Kreisen von Dijär Rabl'a. Da setzte er sich mit einem
gewaltigen Heere in Marsch. Als nun die Usurpatoren in jenem Lande
das Gerücht davon vernahmen, fürchteten sie ihn und die meisten von
ihnen schrieben, sie seien fortwährend loyal gewesen, und sandten Ge-
schenke; er aber erwiderte: ich nehme nur das Geschenk desjenigen
a) Vgl. Bai. rii, 6—8.
b) Tab. ni r.\, 3 (a. 224 = 838/39) ^^j'y>S ^\ 0.j^
c) Tab. III It^.r, 13 a. 225 = 839/40: .Ankunft des al War-Ö-änl
bei al Mu'ta^im im Muharram unter Begnadigung".
ii) Als Offizier des Afsln im Kriege gegen Bäbak genannt Dinaw.
Ha, 19. Tab. III Itiv, 5. irr, 13. 17. \X.f, 1. 2. 4. (r.v, 13. iM, 1.
3. 5. iCio, 18/19.
e) Nicht bei Tab. und Bai.
f) Vgl. Stephan Asoük' II 2 p. 134 trad. Dulaurier (oben S. 411
A. 1), wo aber der Zug des Chälid b. Jazid nach Georgien und sein
Tod fälschlich ins Jahr 290 armen. = 841/42 gesetzt wird.
AQo J. Marquart,
an, der (persönlich) zu mir kommt. Dies vermehrte noch ihre Angst.
Er 'schrieb ferner an Ishäq b. Ismä'll und befahl ihm, sich bei ihm ein-
zufinden, und als er es nicht that, rückte er gegen ihn aus ; Ishäq war
schon im Begriff, (den Tribut) eigenhändig zu übergeben, als Chalid
krank wurde und nach einigen Tagen starb a). Er wurde in einem
Sarge nach Dubll (Dvin) gebracht und dort bestattet; seine Leute
trennten sich, und das Land sank in seine abscheulichste Lage zurück.
Nun ernannte al Wä-O'iq den Muhammad b. Chalid i>) an seines Vaters
Stelle. Dieser berichtete den Abzug der Gefährten seines Vaters und
bat, sie zu ihm zurückzusenden. Da sandte er den Ahmad b. Bistamt»)
nach NaQlbln; der prügelte (die Deserteure), sperrte sie ein und verbrannte
die Häuser. Da sammelten sich bei Muhammad die Gefährten und
Klienten seines Vaters, worauf er die Canark' und den Ishaq bekriegte,
bis er ihn vertrieb und sie schlug; und er hielt fortwährend das Land
in Ordnung".
Nach Moses Kai. III 20 (Bd. II 58 ed. Sahnazarean = S. 265 ed.
Emin) „kam nach drei Jahren (nach dem Tode Mamuns) ein gewisser
amiraj Badoli (Var. Bardoti, Bardot) auf Befehl des Fürsten der Araber,
der Amir-Mumin genannt wird, gelangte nach Nachigevan". Dieser Hess
einen Knaben Johan ergreifen und um des Glaubens willen zu Tode
martern. Drei Jahre nach dem Tode al Ma'müns (833) würden uns ins
Jahr 886 = 221 H. führen, das letzte vor der Einnahme von Babaks
Eesidenz al Badd ; mit dem Emir Badoli kann somit der Zeitfolge nach
nur der von al AfsTn ernannte Statthalter Muhammad b. Sulaiman al
AzdTi as Samarqandl gemeint sein, und p«,^«,^^, das sich durch seine
Endung als arabische Nisba erweist, wird daher als Verstümmelung
aus W.irtl' zu betrachten sein. Das anlautende p ist wohl vom Rande
hereingekommen und war dort als Variante zu t^/.^ u^Jhi^ angemerkt.
„Nach Verfluss von noch zwei Jahren kam Chazr iwtgos , ein wüten-
der und erbarmungsloser Mann, und im selben (Jahre) ward er er-
mordet. Aber dessen Sohn kam, nahm unser Land mit Schwert und
Gefangennahme, und viele Kirchen steckte er in Brand mit Feuer
und verbrannte er, und zog ab nach Baldat. Und von da wiederum
kommend mit königlichem Befehl und Schatz gründete er die Stadt
Ganzak im Gaue Arsakasen". Mit diesem rätselhaften CAasr patgos
(Emin CJiaze j^'atgos) und seinem Sohne können nur Chalid b. Jazid b.
Mazjad, der Henker Armeniens, und sein Sohn Muhammad gemeint
sein, welcher ihm nach seinem Tode in der Statthalterschaft folgte.
Die Angabe, dass Chazr ermordet worden sei, stimmt zur georgischen
Chronik, nach welcher Chalil , der Sohn des Izid, bei seinem dritten
Zuge nach Armenien getötet wurde (oben S. 408). Es kann sich dem-
nach nur um die dritte Statthalterschaft Chalids unter al Wa^iq handeln,
und ich vermute daher, dass die Jahreszahl 2 (p) verschrieben ist für
8 (Q), wenn man nicht vorzieht, eine Vermengung der beiden Statt-
halterschaften unter al Mu'tagim und al Wä^iq anzunehmen. Dann
fällt die von Moses Kai. berichtete Statthalterschaft ins Jahr 844 oder
845 (836 + 8). Was den Namen ]u""2^ oder \au.q^ angeht, so darf
darin kaum eine Verschreibung für ju/n^y. Chaid = Chalid gesucht
werden , da dieser Name in demselben Kapitel weiter unten (II 60 =
267 der Ausgabe Emius) richtig \an^p bezw. ]u«/-.^/^ ChaW geschrieben
wird; es wird vielmehr ein Schimpfname sein = arm. ^««^ „abituato
al vizio", wie sich ja Levond auch den Namen Clmzaima b. Chäzim als
a) Vgl. oben S. 408. 411 und A. 1.
1») Nicht bei Tab. und Bai.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 463
\aiuqJ' Chazm , Krieg" mundgerecht macht (S. 195: «^ /«^^«/^Ar«. ^m«#
.u'Un^u.Vu {.all l„.uqJ'u.pu,p L,- ij.<f «^«.^tc). Vgl. obcn S. 402 A. und
die georgischen Benennungen Öicum und Chosro S. 419. 420, beide
wahrscheinlich für Chuzaima b. Chazim.
Von dem Bagratiden Asot K'ag, seinem Bruder Sapuh und seinen
Söhnen Bagarat und Smbat ist auffälliger Weise hier nirgends die Rede.
1') Wardan S. 78 erwähnt als Brüder des Smbat Aplabas: Davit',
Sahak, Muse! und Bagarat. Davit' gründet die Festung Auz. Smbat
heiratet die Schwester des Davit', also, wie es scheint, seine eigene
Halbschwester (S. 79).
"*) Bagarat aus dem bagratunischen Geschlechte, Fürst von Taraun
Thoma Arcruni 11 5 — 7 trad. Brosset, Collection d'hist. armen. 196—104.
III 7 p. 135. Bagarat Bagratuni, Befehlshaber und Fürst der Fürsten
Armeniens {~,ntuJuiituiuitup lu [t^^uufu fi^fnu/buiju Z^ujjnj) um 841 Job.
Kath. S. 65. Vgl. Daghbaschean a. a. 0. S. 9 nach C'amc'ean,
Gesch. Armeniens II 430. -b^l q.j -bijÄJ Baqrät b. Asöt mit dem
Titel Ki/LuJi v-ÄJ^I^J Tab. III If.A, 13 a. 237 H. = 851/52. (f.l, 4.
Fragm. bist. Arab. ofl, 5 v. u. Vgl. Bai. Uo, 9: -b^l ^^i -^5^äj
_b^3> \JLiJai. nS, 11. Ja'qObT II öIa, 5. Theophan. contin. III 31
p. 126, 23 — 127, 3 ed. Bonn.: Aaßövrog yovv ccvtov "Aiisga rbv xriviv.avxa
öiiitovta ti]v MsXirrivrjv y.al Tovqkovs coffit jjdjadag dexa, lisrci Traffjj?
T?}g i^ 'ÄQiiiviav axQutiüg v.ai rov aq^ovrog rcbv aQ^övrcov, xata
rbv ^at,y\\L6va TtQOOißaltv (unter Theophilos; s. Lebeau-Saint-Martin,
Hist. du Bas-Empire 13, 138 s.); Genesios lib. III p. 67, 13—19 ed. Bonn.:
Tov öh i'diov vlbv 6 a^£QOV^vl}i Ttgos^msfiips yiatcc xb Ttpög ccvaroXi]v
6VV rois ccvccrolixcordrois x&v avÖQixwv Tovqkcov, xal avtoTg ysitviä-
lovaiv , üxQi %iliäSav i\ ^sxu Ttdarig xfjg f'| 'Aq^isvlcov axQuxicig, xov xt
BiG7tccQuy.avLxov (des Fürsten von Waspurakan), Kai avxov xov aQ%ovxog
x&v aQx6vxü3V, Kai "A^tQ xrjviKavxa xi]v MBlLxr]vr]v Siiitovrog, ol v.axa
xbv Jak,ni(bva (so) 6vvri%Q'r]6av axQaxoTCsäsvadusvot,.
Asots ältester Sohn Bagarat, der Fürst der Fürsten, besass auch
Chlat' (Bai. Iao, 9). Über die Machtstellung der Araber in Armenien
unter Asot dem Grossen, dem Fürsten der Fürsten (862 — 890), und
seinen Nachfolgern unterrichtet uns Konstantin Porphyrogennetos de
administr. imp. c. 44. Darnach standen die drei Städte Berkri, Chlat'
und Arces (xcc XQia xavra v,a6XQa, x6 xt JJtQXQi %ul xb Xa^tar xai xb
"A-Qöbg) vor der Regierung Asots, des Fürsten der Fürsten, unter der
Herrschaft von Persien d. h. des Chalifats. Der Fürst der Fürsten be-
sass auch die drei Städte Berkri, Chlat' und Arces, sowie Dvin (Ti.ßrj),
Her (XiQx) und Salamas, verlieh aber die drei erstgenannten dem
'ArtsXßaQX (v. 1. 'Anbl-x.dQx) zu Lehen, der ursprünglich nur Manazkert
{Mavx^LKiiQx) besass und dem Fürsten der Fürsten unterworfen war.
Dies ist der Kaisik Aplbar ^unp.um- d. i. .aJI lAxc, der Tyrann von
Apahunik', der in Manazkert residierte Thomas Arcruni II 19. 20 S. 210
—220. 224—225 ed. Patkanean = p. 175—176. 179—180 trad. Brosset.
Vgl. Daghbaschean a. a. 0. S. 47 — 51. Nachdem Asots Sohn und
Nachfolger Smbat, der Fürst der Fürsten, vom Emir Jüsuf b. Abu
's Säg (TtaQoc xov 'Aitoaäxa xov c:\iriQa UsgaLdog de administr. imp.
c. 44 p. 192, 16 vgl. 191, 18. 193, 19—20) hingerichtet worden war
464 '^- Marquart,
(913), machte sich Abu Sawäda ('ATtoasßatus, arm. U,"/««- Wlri.,uq.u^, mit
westarmenischer Aussprache), der Enkel des Aplbar zum unabhängigen
Herrn von Manazkert, Chlat', Berkri und Arces, und unterwarf sich
mit seinen beiden Brüdern Abu'l Aswad und Abu Salm dem Kaiser.
Der weitere Verlauf interessiert uns hier nicht mehr.
Brosset, CoUection d'hist. arm^n. I. Introd. p. XIV hat aus
seiner Quelle wieder einmal einen Gallimathias gemacht, indem er aus
den Worten des Kaisers ttqo tov 'Aacoriov tov aQxovrog räv ag^ovrcov,
rov TtaTQog tov ^viißariov tov KQXOVTog Tötv aQ^övrojv, ov cc7tiKS(puXi6sv
6 aiirjQcis UiQaidos 6 'AitoGÜTag, og -aal inoirias dvo viovg, tov Tb 'Äßw-
Tiov TOV iht' ainhv ysvö^svov aQ'jiovTa t&v ägxövTcov y.ai 'ÄTiaßdxiov
TOV fj-fro; TavTCi iidyiOTgov Ti^r]&evTa (p. 191, 16 — 21 vgl. 192, 6 — 7.
25 — 192, 3) den Asot msaker, seinen Sohn Smbat den Bekenner (f 856)
und Enkel Asot den Grossen herauslas , von denen doch die beiden
ersten den Titel „Fürst der Fürsten" gar nicht geführt haben und der
zweite gar nicht hingerichtet worden, sondern im Gefängnisse ge-
storben ist.
19) Thoraas Arcruni II 6 p. 117 = 104; vgl. Nr. 21.
20) Thomas Arcruni III 4 p. 143. 5 p. 151. 15 p. 208.
21) Smbat, genannt Aplabas, Sohn des Asot msaker, kommt unter
HärOn ar Rasld als Geisel an den Hof von Samarra, wird im Jahre
275 arm. = 826/27 freigelassen Stephan AsoHk II 2 p. 134 trad. Du-
laurier. Der grosse sparapet Smbat verbindet sich mit Sevadaj
gegen den ostikan Haul Job. Kath. S. 64 (oben S. 460 A. b). Aus einer
apokryphen Quelle stammt die Notiz Wardans, S. 78, 27—79, 1: „Nach
diesem stirbt Asot im Bette und es nimmt sein Fürstentum sein Sohn
Smbat ein Jahr. Und darauf kämpfend mit 4000, wird er mit 500 Mann
gekrönt in Christo von den Ismaeliten. Seine Brüder Davit', Sahak,
Musei- und Bagarat nahmen ihre Mutter und giengen weg nach Np'rkert
zum amiraj Chalaf, mit Liebe vom ihm aufgenommen". Die falsche
Meinung, Smbat sei im Kampfe gegen Haul gefallen, hat Wardan auch
S. 80, 9—10.
Smbat Bagratuni, der Regent von Mokk' ([y^^ujj /.»^/r^»,^, nicht
llliiiu'i,), kommt mit Bugha vor Nkan zusammen Thomas Arcruni III 2
p. 110. 117 trad. Brosset [= 127. 137. 138 ed. Patkanean]. y^.«.«
n(, Ir.^ \\u(iiupuju (so 1.), Sparapet von Armenien III 9 p. 141 [= 173
ed. Patkanean]. Es ist auffällig, dass er von Thomas Arcruni bei seiner
erstmaligen Erwähnung nicht als .sjxiraj^et , sondern als Regent von
Mokk' vorgestellt wird, während ihm Job. Kath. immer den Titel
sparapet oder „der grosse sparapet" gibt. Allein jene befremdliche
Thatsache erklärt sich daraus, dass Smbat an jeuer Stelle eben in
seiner Eigenschaft als Herr des Waspurakan benachbarten Mokk',
nicht als sparapet handelt. An seiner Identität mit dem sparapet darf
deshalb mit nichten gezweifelt werden. Vgl. Daghbaschean a. a. O.
S. 26 A. 1. Vielleicht hat er den Schutz von Mokk' erst nach der
Gefangennahme seines älteren Bruders Bagarat (851) übernommen, zu
dessen Fürstentum die Provinz eigentlich gehört haben wird, und sollte
die Besitznahme zunächst nur provisorisch sein. Er vererbte die Herr-
schaft über Mokk' dann auf seine jüngeren Söhne. Siehe Nr. 26, 27, 28.
^\^M^;^\ ")^-i;yS u-LI*^5 ^j1 Tab. III \f\ö, 1 a. 238 =
iyi! ^ Jolxx^ i^^\^ ^^-i^y! uv-L1*J5 jj! Tab. III ifn, 13.
a) So Ibn al A^Ir; 0 hier ^'-^j^y^, 'f'^ 13 ^'-^y, C ^'^^y^ .
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 465
Das Beiwort r^jU-^i ist am ehesten als Übersetzung des arme-
nischen ubuini-i, sepnh aufzufassen, was man am besten durch „Erb-
prinz" wiedergeben kann. Nach der Gefangennahme Bagarats und
seiner Söhne war Smbat in der That das Haupt des bagratunischeu
Hauses und hatte die nächsten Ansprüche auf die Fürstenwürde. Es
ist aber unhistorisch, wenn er bei den armenischen Chronisten des
10. Jahrhunderts als Nachfolger seines Vaters Asot msaker gilt. Dies war
vielmehr sein Bruder Bagarat, der Fürst der Fürsten, während er
selbst nur sparapet und nach der Gefangennahme seines Bruders Präten-
dent war : also genau dieselbe Verschiebung in legitimistischem Sinne,
die wir bei Stephan AsoHk zu gunsten Smbats , des Sohnes des Asot
patrik (Nr. 11) kennen gelernt haben. Die jüngere Linie hatte eben
durch die politische Entwicklung seit dem Zuge Bogha's die ältere in
Taraun derart in den Schatten gestellt, dass man sich ganz von selbst
daran gewöhnte, jene als die Hauptlinie zu betrachten und dies Ver-
hältnis auch in die vorangehende Periode übertrug.
••^2) S. 0. S. 421.
2^) Asot und Dawit', die Söhne des Bagarat, von Bugha gefangen
genommen Joh. Kath. S. 67, Wardan S. 80; die drei Söhne des Baga-
rat in Taraun verhaftet Steph. AsoHk II 2 p. 135 trad. Dulaurier.
Asot Korapatat , Fürst von Armenien Thomas Arcruni III 19 S. 218
= 175.
2') Davit', Bruder des Kuropalates Thomas III 20 S. 220 = 176.
'^5) Asot, Sohn des Sparapet Thomas Arcruni III 9 p. 173 = 141.
11 S. 191 = 153: jAsot, der Sohn des Sparapet, und Muse! und Smbat
der Bruder des Asot".
26) Musel, Sohn des Sparapet (Smbat) Thomas III 10 S. 182 =
148; 11 S. 191 = 153 (s. Nr. 25); 17 S. 213 = 170: ,Sahak, der Sohn
des Fürsten der Fürsten (Asot), und Smbat und Sapuh und Musel, die
Regenten von Mokk'" ([fn^u^j (.^^Irjnq^); 19 S. 218 = 175: Asot
Korapatat, der Fürst von Armenien, Musel, der Fürst von Mokk',
äapuh, der Bruder des Fürsten der Fürsten. 20 S. 224 =179: Gurgen
und Muse! Bagratuni.
Musel-, der Regent (l'i^f^jnqj von Mokk', ein Mann ausgezeichnet
und von hohem Rang Thomas III 20 S. 221 = 177.
2') Regent von Mokk' Thomas III 17 S. 213 = 170 (s. Nr. 26);
Bruder des Fürsten der Fürsten (Asot) Thomas III 19 S. 218 = 175.
Asot und Sapuh, die zwei Söhne des Smbat Wardan S. 79.
28) Thomas III 11 S. 191 = 153 (s. Nr. 25); III, 17 S. 218 = 170:
, Smbat und Sapuh und Musel-, die Regenten von Mokk'".
2**) Abas, Sparapet von Armenien, Bruder des Fürsten der Fürsten
Thomas III 20 S. 222 = 177.
30) Thomas Arcruni 3, 17 S. 213 = 170.
^^) Dies ist vielleicht Sapuh, der Sohn des Asot, welcher den
arabischen Statthalter Ahmad b. Chälid auf einem Maultier nach Syrien
eskortierte Thomas III 20 S. 222 = 178.
Marquart, Streifzüge. 30
466 J. Marquart,
Exkurs V.
Gaihäni's Bericht über die Slawen (zu S. 188 f.).
Da Gaihäni's Beiücht über die Slawen oben zu kurz ge-
kommen ist, so scheint es mir unerlässlich hier nochmals aus-
führlicher auf denselben zurückzukommen. Freilich sind die
topographischen und historischen Anhaltspunkte hi diesem Ab-
schnitte gerade am dürftigsten, was gewiss damit zusammenhängt,
dass die Gegend, in welcher die Nachrichten über die Slawen ein-
gezogen wurden, vom Lande derselben weit ablag. Denn ohne
Zweifel hat Muslim b. Abu Muslim das Slawenland nicht selbst
besucht, sondern berichtet über dasselbe nur nach mündlichen
Erkundigungen, die wohl derselben Quelle entstammten wie seine
Nachrichten über die Magyaren.
Doch lassen sich auch hier einzelne Spuren einer späteren
Üherarbeitung erkennen. Der Anfang lautet bei Ibn Rusta und
GurdezT fast wörtlich übereinstimmend:
GurdezT bei Keza Kuun S. 38.
Ibu Rusta irr, 7—10. Barthold S. 99, 8—11.
Zwischen dem Lande der Zwischen den PeSenegen und
Pe^enegen und dem Lande der Slawen (Saqläb) ist ein 10 tägiger
Slawen ist ein Weg von 10 Tagen. Weg. Dieser Weg ist weglos,
Die Slawen haben im Beginne doch dieser Weg geht über
ihres Gebietes eine Stadt Quellen und viele Bäume. Der
namens <^,/^\*, (s. o. S. 189), zu Bezirk der Slawen ist ein weites
der man durch Steppen und un- Gebiet und voller Bäume , und
betretene Landschaften, Wasser- sie wohnen meist zwischen Bäu-
quellen und dicht verwachsene men. Sie haben keine Reben
Wälder reist, bis man in ihr und keine Saatfelder.
Land kommt. Das Land der
Slawen ist ein ebenes und wald-
reiches Land. Sie wohnen in
denselben und besitzen keine
Reben noch Saaten.
Der gesperrt gedruckte Satz, welcher bei Gurdezi hier fehlt,
steht bei ihm in dem Bericht über die Magyaren, wo über deren
Verhältnis zu den Slawen die Rede ist:
GurdezT bei Geza Kuun S. 36,2 — 6.
Ibn Rusta iff, 16— tfi^, 1. 10—12. Barthold S. 98, 23—99, 1.
1. Sie haben die Oberhand 1. Sie (die Magyaren) üben
über sämtliche in ihrer Nähe sämtlich die Oberhand über die
wohnenden Slawen, und legen Slawen, und befehlen den be-
ihnen harte Lasten auf, und sie nachbarten Slawen Leistungen,
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 467
. Gurdezi bei Geza Kuun S, 36, 2 — 6.
Ibn Rusta tfC, 16— Ifi^, 1. 10—12. Barthold S. 98, 23-99, 1.
sind in ihrer Gewalt wie Ge- und halten sie wie ihre Ge-
fangene, fangenen.
2. Die Magyaren sind Feuer- 2. Die Magyaren verehren
anbeter. Sie machen Überfälle das Feuer. Sie bekriegen die
gegen die Slawen und ziehen Slawen und Rös und führen von
mit den Gefangenen der Küste da Gefangene weg, bringen sie
entlang, bis sie sie nach einem zu den Romäern und verkaufen
Hafen des Romäerlandes bringen, sie . . .
der Karch heisst. 3. Fortwährend ziehen sie zur
Bekriegung der Slawen. Von
den Magyaren zu den (^a-
qläb sind 10 Tagereisen. In
den (Grenzgebieten)^) der Slawen
ist eine Stadt, die man ^i>yJot5 -)
nennt".
Hier ist also die ui'sprüngliche Aussage Muslims bewahrt:
nicht von dem Gebiete der Pe^enegen, sondern von dem der Ma-
gyaren war das Land der Slawen 10 Tagereisen entfernt, Gaihäni
hatte aber im Berichte über die Slawen, den Verhältnissen seiner
Zeit Rechnung tragend, an Stelle der Magyaren die Peöenegen
eingesetzt. Der erste Satz erinnert auffällig an Nestors Schilderung
der Vergewaltigung der Dulebi durch die Awaren (oben S. 125 f.)
und nimmt sich auch äusserlich wie ein späteres Einschiebsel aus,
da er vom Hauptbeiicht § 2 getrennt ist und mit diesem im
Widerspiniche steht. Setzt er ja doch, im Gegensatz zu § 2, voraus,
dass die Magyaren sieh in einem von Slawen bewohnten Lande zu
Herren gemacht haben , oder m. a. W. , dass sie sich bereits in
Atelkuzu oder gar in Pannonien festgesetzt hatten. Der Haupt-
bericht dagegen denkt sich die Slawen als unabhängiges Volk,
das aber von dem wilden Steppenvolk mit fortwährenden Raub-
zügen heimgesucht wui'de.
Die bei Ihn Rusta, GurdezT und Bekri völlig übereinstimmende
Schilderung der Wohnsitze, der Lebensweise, Bestattungsgebräuche
und geschlechtlichen Verhältnisse der Slawen bietet keinerlei Hand-
habe zu genaueren chronologischen Bestimmungen. Versuchen
wir also, ob wir vielleicht eine solche in der Beschreibung ihrer
Regierungsform zu entdecken vermöcren.
1) Hs. iUcb (?).
2) In einer von Tumanskij entdeckten, noch uuedierten persischen
Geographie \ii*,jJ>j\^ (Zapiski der orientalischen Abteilung der Kais.
Riiss. Archäolog. Gesellsch. Bd. X, St. Petersburg 1897 S. 121—137, citiert
bei Fr. Westberg, Beiträge zur Klärung orientalischer Quellen über
Osteuropa. S. 21.3).
30*
468 J- Marquart,
Barthold S. 99, 23 — 100, 7.
Ibn Rusta iff, 9-5ro, 9. GurdezT beiGezaKuun S.41,4— 43,7.
(Die Slawen) haben nur wenig Sie haben wenig Pferde. Ihre
Packpferde, und Reitpferde gibt Kleidung ist ein Hemd und sie
es nur bei berühmten Männern, besitzen Stiefel. Ihr Schuh ist
Ihi-e Waffen sind Wurfspeere, nach der Form des tabarista-
Schilde und Lanzen ; andere be- nischen Stiefels , welchen die
sitzen sie nicht. Frauen von Tabaristän haben.
Ihr Lebensunterhalt ist nicht
sehr kostspielig. Ihre Waffen,
mit denen sie Krieg führen, sind
Wurfspeer, Schild und Lanze.
Ihr Fürst wird gekrönt; ihm Ihr Fürst setzt eine Krone
gehorchen sie und nach seinem auf und alle sind ihm gehorsam
Worte handeln sie. Sein Wohn- und unterwürfig,
sitz liegt in der Mitte des Slawen-
landes.
Den berühmtesten und ge- Ihren grössten Fürsten nen-
feiertsten von ihnen , welcher nen sie 8wet malik ^) , und Sü-
den Titel „Fürst der Fürsten" pang^) nennen sie seinen Stell-
führt, nennen sie 8wet mah'Jc^).
Er ist mächtiger als der *Sü-
dang, und der Sübang '^) ist sein
Stellvertreter. Dieser König be-
sitzt Stuten, deren Milch, welche
er milkt, seine einzige Nahrung
bildet. Er besitzt ausgezeichnete,
feste und kostbare Panzer. Die
Stadt welche er bewohnt, heisst
Grwäb ol3y>, und sie haben Vertreter. Die Residenzstadt nen-
dort einen Markt drei Tage im neu sie o^^y^ Oaräwat. Jeden
Monat, an welchem sie mit ein- Monat ist drei Tage in jener
einander Geschäfte schliessen und Stadt Markttag, wo sie alle Güter
verkaufen. suchen und verkaufen.
In ihrem iiande ist die Kälte Sie besitzen eine Methode
1) Hs. ij5^Lo u>vy*- — Mugmal at tawärich bei Barthold,
TypKecTaHi Bt snoKy MOHrojiBcaaro HainecTBia I p. ^. , 15 c^J^. Sukru'lläh
b. Sihäb bei Hammer, Sur les origines russes p. 108 = 48 vi>>.J^,
Muhammad al Kätib p. 124 = 65 c>^.a^Jj-vw, Häggl Chalfa, Ölhän-numä
eb. p. 130 = 71 ^Läj^.
-) So Chwolson; Hs, ^nj^^, A^yhn,
3) Hs. f^.y**)\ Mugmal at tawärich ^j*«i, Sukru'lläh b. Sihäb
^Oj.^, Muhammad al Katib ^.y^, Häggl Chalfa ^y^-
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 469
Barthold S. 99, 23—100, 7.
Ihn Kusta ]ff, 9— !fo, 9. GurdezI belGezaKuun S. 41,4—43,7.
allgemein und heftig , weshalb des Festungsbaues : alle Personen
man unter der Erde eine Art kommen etwas zu thun, und
Erdloch gräbt und dann ein machen eine Festung, da die M a -
Holzdach dazu macht wie das gyaren jederzeit Einfälle gegen
einer Kirche und dann Erde sie unternehmen und gegen sie
darauf wirft, worauf der Mann Überfälle machen i). Kommen
mit seiner Familie darin ein- also die Magyaren , so begeben
zieht und Brennholz und einige sich die Slawen in jene Festun-
Steine bringt. Hierauf steckt gen, welche sie errichtet haben,
er es in Brand, bis es rot glüht, und ihr hauptsächlichster Auf-
Sobald es (das Holz) dann ab- enthalt sind im Winter die Bur-
gebrannt ist, sprengt er Wasser gen und Festungen, und im
darauf, sodass sich der Rauch Sommer im Walde,
dadurch verbreitet und das Haus
warm wird. Nun werfen sie ihre
Kleider ab und bleiben fortwäh-
rend in jenem Hause bis zur
Frühlingszeit -).
Ihr König treibt jedes Jahr von
ihnen Abgaben ein. Hat jemand
unter ihnen eine Tochter, so nimmt
(der König) von ihren Kleidern
einmal im^ Jahre ein Staatskleid,
und hat er einen Sohn, so nimmt
er von dessen Kleidern ein ande-
res Mal im Jahr ein Staatskleid.
Hat er aber weder Sohn noch Toch- •
ter, so nimmt (der König) von den
Kleidern seiner Frau oder seiner Sie haben viele Gefangene
Sklaven ein Staatskleid. Falls (Sklaven). Wenn sie einen Dieb
er einen Räuber in seinem Reiche ergreifen , nehmen sie all sein
ergreift, lässt er ihn hängen oder Besitztum und schicken ihn nach-
versetzt ihn nach s^a:^- Gira, dem her an die Grenze des Gebietes
äussersten Bezirk seiner Länder, und peinigen ihn dort.
Die unvermittelte Art und Weise, mit welcher zuerst der
Fürst der Slawen, der in der Mitte des Slawenlandes seinen Sitz
1) Arab. /»-.g-J^ r)*)jii'ri»i (^i-*rJi '^S^- GurdezT bei Bart hold
S. 98, 25. Ihn Rusta tff , 18.
2) Bekri's Schilderung der Kälte in den Slawenländern und der
Bäder der Slawen (S. 41, 8 — 42, 11, übersetzt von de Goeje, Een be-
langrijk arabisch bericht over de slawische volken omstreeks 965 n. Chr.
Verslagen eu Mededeelingen der kon. Akad. von Wetenschappen. Afd.
Letterkunde. II<ie Reeks, 9, 1. Amsterdam 1880 S. 213 f.) stammt nicht
aus GaihänT, sondern wahrscheinlich aus Ibrähim b. Ja'qüb.
470 J- Marquart,
hat, eingeführt wird, ohne dass sein Name oder Titel erwähnt
würde , iind dann ohne weiteres von einem andern , mit Namen
und Titel vorgestellten Fürsten die Rede ist, welcher zu einem
dritten in Gegensatz gestellt wird, hat mit Recht Bedenken er-
regt. Chwolson^) und de Goeje suchten daher hinter -jJu
„er wird gekrönt" eine Vei'schreibung des weitei-hin vorkommen-
den Titels a^y*> Sübang = slaw. zupanec. Diese Vermutung
ist indessen durch den Text Gurdezi's nicht bestätigt worden, und
wir wissen daher nicht, wer unter diesem in der Mitte des Slawen-
landes residierenden Fürsten gemeint ist. Da er als Fürst der
Slawen schlechtweg (^_g.A«-(^j .j) bezeichnet wird, so haben wir hier
augenscheinlich eine vom Hauptbericht abweichende und diesen
unterbrechende, übrigens sehr unbestimmt gehaltene Version vor
uns, die sich demnach wiederum als spätei-er Einschub zu er-
kennen gibt. Dass aber i^Lo c>H^ dem ursprünglichen Berichte
angehört, dafür sprechen folgende Gründe. Z. 10 heisst es: ^^
J^yjät ^J\ JOLc '^\ *.jUJ! qjXj, Z. 14 aber wird von
y5Uu c>«Jvwv5 der Z. 12 in wörtlichem Anklänge an obigen Satz
als ^kA L_fi;j*It jj/iÄIl eingeführt wird, berichtet : y>JLl! liX.^»
LjLo. Der Königstitel aber, den er hier führt, begegnet uns
wieder S. Ifo, 5. Darnach dürfen wir den übrigen Teil des Be-
richtes als einheitlich betrachten.
In y5^L« ci^v* ^^^ Chwolson mit Recht, wie ich glaube,
den slawischen Namen Swetophk erkannt. Dass sich der Araber
den fremden Namen mundgerecht machte, so gut wie die Deutschen
mit ihrem Zueiiteboldus neben Zwentebolchus und einer Menge
von Vei'unstaltungen -) , und beim zweiten Teil an das arabische
^J5sL« dachte, werden wir ihm nicht verdenken. Dagegen ist West-
bergs Vermutung, dass c>j»*« hier, dem ihm gegenüber gestellten
^sÄJ^Aw entsprechend, nicht als Eigenname, sondern als Titel auf-
zufassen sei = slaw. swet^ wozu ^J5UL<l arabische Glosse wäre^^),
aus sprachlichen Gründen zurückzuweisen. Bei dem Namen
Swgtopltk denkt man natürlich zuerst an den bekanntesten Träger
dieses Namens, den Mährenherzog Swentopluk I. (870 — 894),
^) Daniel Chwolson, Izwestija o Chazarachi, Burtasachi>,
Madjarachi, Slawjanachi i Russachi Ibni-Dasta. St.-Petersburg 1869
S. 138 f., citiert bei de Goeje, Bibl. Geogr. Arab. VIT iff, ann. d.
2) Eine Auswahl davon findet man bei Moritz Müller, Die
Kanzlei Zwentibolds, Königs von Lothringen. Diss. Bonn 1892 S. 26 f.
^) Briefliche Mitteilung.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 471
Diese von Chwolson aufgestellte Ansicht lässt sich indessen
nicht mehr halten, nachdem wir die Einheitlichkeit und damit
das Alter des Hauptberichtes erkannt haben. Die von Muslims Swe-
topl'bk beherrschten Slawen haben wir uns nicht in Pannonien
oder Mähren, sondern jenseits der Karpaten im Bereiche der alten
Sitze der Magyaren zu denken. Die vorausgesetzten historischen
und politischen Verhältnisse sind also ganz ähnlich denjenigen,
welche zur Zeit der Einwanderung der Awaren in den nord- und
ostkarpatischen Ländern herrschten, solange diesen die Anten in
mannhaftem Widerstände den Weg über die Karpaten versperrten
(oben S. 147). Erinnern wir uns nun, dass schon im Jahre 839
oder 840, also gerade zu der Zeit, in welche die Abfassung
unseres Berichtes fällt, magyarische Scharen in unzählbarer Menge
an der unteren Donau erschienen, so werden wir uns des Ein-
drucks nicht erwehren können, dass damals die ganze Steppe von
der Donau bis zum Don von den Magyaren beherrscht wurde und
erst im Gebiete des obern Dnjestr und der oberen Weichsel von
einem unabhängigen slawischen Reiche die Rede sein konnte.
Einen Anhaltspunkt aber, wo wir das Reich dieses Sw§toplxk zu
suchen haben, gibt uns vielleicht der Name seiner Hauptstadt.
Diesen schreibt Ibn Rusta oljy^, Gurdezi o^ilys-, die von
Tumanskij entdeckte persische Geographie^) ol0y3-. Als ur-
sprüngliche Form ergibt sich aus diesen Varianten ungezwungen
oL3- Chorwät^ und damit erhalten wir zwar nicht den Namen
einer Stadt, wohl aber den eines wohlbekannten Volkes, der
weissen Chor waten im Gebiete der oberen Weichsel und
des Dnjestr, deren uralte Hauptstadt Krakau ehemals der Sitz
eines altberühmten Reiches gewesen sein muss. Hier haben wir
also jenes Chorwatenreich für die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts
ausdrücklich bezeugt, dessen ehemalige Existenz auf Grund der
späteren polnischen und ßechischen Sagen notwendig vorausgesetzt
werden musste, für welche aber bisher nur äusserst dürftige rmd un-
bestimmte Zeugnisse aus älterer Zeit beigebracht werden konnten
(s. 0. S. 129 — 139). Da Muslim b. Abu Muslim das Slawenland
ohne Zweifel nicht selbst besucht hat, so ist es nicht verwunderlich,
dass er den Namen des Reiches für den der Hauptstadt genommen
hat. Dasselbe gilt für die slawische Stadt i_*»-^jU| , wenn wir deren
Namen oben richtig als c>»-**oto (oJJIo) hergestellt haben.
Unter der Hauptstadt \^\^j>- bezw. o^^p» ist also Krakau,
die alte Königsstadt der Chorwaten zu verstehen. Aus der An-
gabe, dass daselbst jeden Monat eine dreitägige Messe gehalten
1) Angeführt bei Westberg a. a. 0. S. 217.
472 J- Marquart,
wurde, darf man wohl schliessen, dass sie ein bedeutender Handels-
platz war. Dasselbe war noch in der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts der Fall, wie aus des IbrähTm b. Ja'qüb Bemerkung
hervorgeht, dass von der Stadt Krakau (}yS'\j^ Cracova) Bussen
und Slawen ihre Waren nach Prag brachten, das damals eine
grosse Handelsstadt war^). Hauptsächlich waren es Sklaven und
Pelzwaren, die über Krakau nach Prag kamen. Aus unserem
Bericht erfahren wir des ferneren , dass sich die Raubzüge der
Magyaren bis in die Weichselländer erstreckten, ehe sie die Länder
im Westen der Karpaten zu ihrem Tummelplatze machten. Es
ist deshalb an und für sich auch nichts dagegen einzuwenden,
dass GurdezI die Sklavenjagden der Magyaren ausser gegen die
Slawen auch gegen die Rös gerichtet sein lässt, da ja das Auf-
treten derselben in Südrussland für die angegebene Zeit durch
das Zeugnis des Prudentius bewiesen ist und die unberittenen
Rös ausserhalb ihrer Boote den magyarischen Reiterscharen ebenso
wehrlos gegenüberstanden wie nachmals den Peöenegen und daher
beim Passieren der Stromschnellen des Dnjepr von ihrer Seite
derselben Gefahr ausgesetzt waren, die sie später seitens der
Pei^enegen so sehr fürchteten und welcher der Grossfürst Swja-
toslaw erlag. Von dem Grenzbezirk »yj>, den wir uns wohl
an der von Russen und Magyaren häufig beunruhigten Ostgrenze
zu denken haben, war schon oben (S. 188) die Rede.
Die Festungen der Slawen, grad (russ. gorod) genannt, waren
mit Graben und hölzerner Mauer umzogene feste Orte-), die durch
umgebendes Sumpfland geschützt waren. Die Anlage derselben
beschreibt Ibrahim b. Ja'qüb % Schon Maurikios spricht von
oxvQaficcra und 6%vqcot£qoi xonoi der Slawen, und von ihm er-
fahren wir auch den Grund, weshalb diese sich im Winter aus
den Wäldern in die Burgen zurückzogen: %q^] 81 raq xar avxSiv
syXeiQrjOetg ev xatiiSQtoig }iäXlov aaiQotg yivsad-ca, ox av x&v öiv-
ÖQCOv Yviivov(iEvcov lav&dvEiv evKoXag ov övvavxai, aXXu kuI T^g
%i6vog xcc lyvri x&v cpsvyovxoav 8L£l£y%ov6Y]g , xai xfig cpa^iliag
ccvxcov xaTtiLvfig ovGrig ola yvfjiv&g , Xomov 81 %a.l t« viQvti*) oi
Tcoxafiol £v8iccßaxoi, yivovxai% Sie fühlten sich also im Winter
in den kalilen Wäldern nicht mehr sicher genug. Über ihre
Wohnungen sagt Prokopios: ohovßi 8e iv KccXvßaig ohxqatg
8i£6nrjvr}(i£voi. TCoXXa jxhv an aXXi^Xcov , cc(i£tßovx£g 8£ w? xcc %oXXcc
xbv xr^g £votKrj6£(og EnccGxoi %5)qov'^). Ausführlicher ist Maurikios:
1) Izvestija al Bekri S. 35, 2. de Goeje a. a. 0. S. 196. 198.
2) Siehe F. J. Schafarik, Slawische Altertümer II 675.
3) Izvestija al Bekri S. 34, 6—10. de Goeje a. a. O. S. 194.
■*) Ausgabe kqovul.
&) Mauricii Strategicou XI 5 ed. Scheffer. Upsala 1664, citiert
bei Schafarik a. a. 0. S. 663 f.
6) De belle Goth. III 14 vol. II 335, 8—10 ed. Bonn.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 473
^Ev vXaLg Öe nal Ttorcc(ioig nal riX^aöt Kai Xi(ivai,g övößdroi-g
OMOvvza, Kcd TtoXvGxiösig^) rag i'^oöovg räv olmiaecov noiov^iva,
6ta tag ag stKog ßv^ßaivovGag avxolg TteQiöraöeig. Ta avaynata
tav TtQaYfjidxcov avx&v ev aTtOKQVcpcp '/^(ovvvovGiv, ovöev nsQixxov
iv cpavsQco KSKX7]fiivo3V, Kai ßlov ^avxa XrjßXQiKOV cpiXovGiv ev xoig
öaGsGt Kai axsvotg Kai KQy](ivco6e6i xonoig rag Kaxä r&v eiO'q&v
avxäv iyxsiQTiöEtg EQyd^ea&ai kxX. Über Bewaffnung und Kampf-
weise der Slawen lesen wir bei Prokopios: 'Eg (idxriv öe Kad-i-
Grd[ievoL Tte^-rj iiev inl xovg TtoXe^lovg oi noXXol l'aGiv dönidia Kai
aKÖvxia ev %eQ6lv e%ovxeg , Q'mqaKa 8e ovSa^i] ivöiövöKOvrai , Ttvfg
6e ovöe ;(tTc5va ovde xqiß(hviov e%ovGLv, dXXa fiovag rag d.vaE,vqi8ag
ivaQ(.io6d(ievoi jit£;^^t ig t« aiöota, ovrco Sr] ig '^v^ßoXijv rotg ivav-
xioig Kad'iGravrai '^). Genauere Einzelheiten finden wir wieder bei
Maurikios : ^OnXl^ovrat öe aKOvxioig ^iKQotg övgIv eKaGrog dvrjQ,
xiveg öe avr&v Kai GKovxaqioig yevvaioig fiiv, övGfiexaKOfitGxoig öe'
KeiQrjvxai öe Kai xo^oig '^vXCvoig Kai Gayhaig fitKQatg Ke%Qr}(ievat,g
xo^iKÜ (paQ^aKfov, o%eq iGxlv iveqyextKov, el fii] nofiaxi xrjg -O'r^^iax^g
TtQOKaxaXrjcp&fj •^) 6 xiXQCoGKOfievog naq avxov, i) exeQOig ßoiq^ri^aGiv
iyvcoGjxivotg xotg iTttGxrjfiaGiv iaxq&v , r] Ttaq ev%^v TteQirfirjd'Tjvat
xi]v TtXrjyriv slg rb ^r\ Karaveiirj'&rjvaL avxb Kai ro XoiTtov rov Gco-
^axog. "AvaQ%a öe Kai fiiGaXXrjXa ovxa ovöe xd'^tv yivcoGKOvGiv,
ovöe Kard xrjv GvGxdÖTjv ^dp]v iTtixrjöevovGi, ixd')(^eGd'ai , ovöe iv
yvfivotg Kai ofiaXotg xoTCoig cpaiveGQ'aL. Ei öe Kai Gvfißfj avrovg
KaxaxoX}ifjGai iv to5 Kaiqü rijg Gv^ßoXrjg, Kqd^ovxeg a^ia öXiyov iTil
rb TtQoGo) KivovGi, Kai el (xev ivömGovGt rrj qocovrj avr&v ot dvri-
raGGoiievoi, irceQXOvrai GcpoÖQwg ' el öe ^rjye , rrjv avrrjv XQeTtovxai,
fiij GTtevöovxeg x^iqI a.%07teiQaGQ'i\vaL rijg rav i'/pQcov avräv övvd-
fiecog • nqoGrqeypvGL öe raig vXaig, TtoXXriv iKei&ev ßoi^&eiav e%ovreg,
wg yivdiGKOvreg ccQfioöltog iv rotg Grevoo^aGt fid^eG^ai mX. Die Ver-
hältnisse hatten sich demnach in den drei Jahrhunderten seit
Justinian I. nur wenig geändert. Noch immer kämpft die Masse
des Volkes zu Fuss und bildet der Schild ihre einzige Schutz-
waffe, während Rosse und Panzer nur bei mächtigeren Fürsten
(Grosszupanen) getroffen werden , welche damit wohl ihre engere
Gefolgschaft , die Druzina ausrüsteten , wie uns dies Ibrahim b.
Ja'qüb im J. 965 für Mieszko von Polen bezeugt*).
^) Ed. Ttolvo^edelg.
2) Prokop. de belle Goth. ITI 14 p. 335, 10—15.
^) Ed. TtQOtiutaXvqiQ'fj.
•») Izvestija al Bekri 36, 8—11. de Goeje a. a. O. S. 201.
474 J- Marquart,
Zusätze und Berichtigungen.
Zu S. 2 Z. 27 flf. Hier ist die wichtige Stelle Ibn Hauqal
S. if, 21 — 23 übersehen: ^3^.4.c| L^ j-^A-^ «jA*^ ä-ovA/i vLib^,
d. h. „Bulyär war berühmt, weil es der Stapelplatz für diese
(vorher aufgezählten) Königreiche war. Da plünderten es die Rös
gänzlich aus sowie Chazarän , Itil und Samandar im Jahre 358
(24. Nov. 958 — 12. Nov. 969), und zogen unverzüglich ins Land
der Romäer und al Andalus". Mit Rücksicht auf diese Aussage
ist die Auffassung Westbergs, Beiträge zur Klärung orienta-
lischer Quellen über Osteuropa S. 230 ff. vorzuziehen , nach
welchem die hier genannten Russen keine Unterthanen Swjatoslaws,
sondern normannische, über die Ostsee gekommene Wikinge waren,
welche die Wolga herabfuhren und nach Verwüstung der an
derselben liegenden Städte Bulyär und Itil ins Kaspische Meer
einliefen und Samandar (jetzt Tarchu) plünderten, worauf sie
wieder bis zum Wolok zurückgefahren sein und ihre Kähne in
den Don gebracht haben müssen. Von da gelangten sie auf dem
gewöhnlichen Wege den Don herab ins Azowsche und Schwarze
Meer. Diese Annahme empfiehlt sich auch deshalb, weil in Ibn
Hauqals Bericht weder von der Festung Sarkel am Don noch
von dem chazarischen Fort an der Strasse von KerS , das noch
beim Russenzuge des Jahres 913/14 seine Schuldigkeit that, die
Rede ist, die doch beide, wären sie noch in den Händen der
Chazaren gewesen, der Durchfahrt der Russen ernstliche Schwierig-
keiten hätten in den Weg legen können. Man hat also an der
Identität des der Chronik zufolge von Swjatoslaw im J. 965 er-
oberten Belaweza mit ^uqueX an der Donmündung festzuhalten.
Vgl. Westberg a. a. 0. S. 226 f.
Der Schaden, den die Rös in Bulyär angerichtet hatten, kann
übrigens nicht so bedeutend gewesen sein. Besitzen wir doch
aus dem Jahre 366 (976/77) Münzen in arabischer Sprache und
Schrift, die in der Hauptstadt Bulyär und in der Stadt Suwär
im Namen des Fürsten Mu'min b. Ahmad geprägt sind^) und also
die fortdauernde Blüte dieses Handelsstaates bezeugen. Auch von
1) Siehe Fr ahn. Drei Münzen der Wolga -Bulgharen aus dem
X. Jahrhundert S. 3—10. SA. aus den Mem. de l'Acad. de St.-P6ters-
bourg VIe S^r. t. I. 1830.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 475
Chazarän (ChamlTch) sagt Ibn Hauqal t*A^, 14 — 15: „Das Zusammen-
strömen des Handels der Rös , das nach Chazarän erfolgte , ist
noch ununterbrochen in diesem Zustand*. Als Handelsplatz hat
das alte ChamlTch also seine Bedeutung behalten.
Dagegen kann ich nicht ohne weiteres anerkennen , dass mit
den Schlussworten Ibn Hauqals einfach angedeutet werden solle,
die Rös hätten , mit Beute beladen , ihren Rückweg durch das
Schwarze Meer , den Bosporus , das Mittelmeer , die Strasse
von Gibraltar und den Atlantischen Ozean genommen. Freilich
bezeugt ja die russische Chronik, dass man in Russland wusste,
dass es auch einen Wasserweg vom Warägermeere aus nach Rom
und von da zur See nach Konstantinopel, von da zum Pontosmeer
gab (Kap. 4). Allein es ist doch gewiss ein merkwürdiges Zu-
sammentreffen, dass um dieselbe Zeit, als die Russen nach glück-
lich ausgeführtem Raubzug ihre Rückkehr von der Wolga und
dem Pontos durch das Mittelmeer und (durch die Strasse von
Gibraltar) an Spanien vorbei bewerkstelligt haben sollen, dänische
Normannen an der Küste Galiziens ungestört (seit 968) plünderten
und im März 970 sogar auf Santiago de Compostella anrückten,
das ihnen nach einem Sieg über den Bischot Sisenand wahr-
scheinlich in die Hände fiel, worauf sie ganz Galizien plünderten
und verheerten. Im Jahre 971 erlitten sie allerdings eine Schlappe
durch Rudesind, den Nachfolger Sisenands, und eine entscheidende
Niederlage durch den Grafen Gonsalve Sanchez, worauf sie Galizien
verliessen , jedoch nur , um sich nach dem muslimischen Spanien
zu wenden^). Gleichzeitig unternahm aber auch der russische
Grossfürst Swjatoslaw seinen Zug gegen das Romäerreich, zu
welchem er wohl schon seit 969 gerüstet hatte, und es wäre
wiinderbar, wenn er jene Wikinge , die eben von einem glück-
lichen Zuge gegen die Chazaren zurückkehi'ten, nicht für sein be-
vorstehendes Unternehmen in Sold genommen hätte. Ich halte es
daher für wahrscheinlich, dass Ibn Hauqal den Zug Swjatoslaws
gegen die Romäer und die Plünderungsfahrten der dänischen
Normannen in Spanien mit der Nachricht von den Russen, welche
Bulyär und Itil geplündert hatten, verknüpft hat.
Zu S. 3 Z. 23 — 25 : Eine Spur dieser Nachricht, freilich auf
die Wolga-Bulgaren übertragen , findet sich auch in der Risälat
al-intisäb (bei Frähn, Drei Münzen der Wolga-Bulgharen aus dem
X. .Jahrh. n. Chr. Mem. de l'Acad. de St.-Petersbourg VI^ Ser. t. I
p. 186, N. 19). Es heisst hier: „Das Land der Bul/är ist das Land
der muslimischen Türken. Sie sind gläubig geworden unter der 'Abba-
sidendynastie, unter dem Chalifate des al Ma'mün und des al Wäi^-iq
bi 'lläh (227 — 232 H.), und wiederum nahmen unter dem Chalifate
des al Qäim bi 'amri 'lläh (1031—1075 n. Chr.) 30 000 Zelte den
1) Dozy, Eecherches sur l'hist. et la littdrature de l'Espagne 11^
294—299.
476 '^- Marquart,
Islam an". Dürften wir annehmen, dass der ursi^rüngliclie Bericlit,
abgesehen von der Übertragung auf die Bulgaren , mit einiger
Treue hier wiedergegeben ist, so hätten wir den von Muqaddasi
erwähnten Zug Ma'müns gegen die Chazaren , bei welchem er
deren König zur Annahme des Islams aufforderte, mit Sicherheit
in die Zeit seiner Alleinherrschaft (seit 813 n. Chr.) zu setzen.
Dafür spricht auch folgende Angabe des BaläJuri (ft"., 1 — 5):
„Als al Mam'ün, der Gebieter der Gläubigen, das Chalifat an-
getreten hatte, Hess er die Truppen Raubzüge machen gegen
Soyd und Usrüsana und die Einwohner von Faryäna, die sich
gegen ihn erhoben hatten, und bedrängte sie durch Kriege und
Einfälle während seines Aufenthaltes in Choräsän wie auch nach-
her. Aber ausserdem dass er seine Reiterscharen gegen sie ent-
sandte, pflegte er mit ihnen zu korrespondieren und sie zur An-
nahme des Islams und zur ünterwerfang aufzufordern und sie
dazu anzureizen". Speziell vom Käbulsäh erfahren wir ausdrück-
lich, dass al Ma'mün damals ein Heer gegen ihn sandte und ihn
zur Huldigung und zur Annahme des Islams zwang (Bai. f\"., 5 — 6.
f^f, 12 — 14 vgl. Tab. III a\ö, 6). Nach seinem Einzug in Baydäd
(a. 204 H.) hatte er einen Aufstand des Königs Käös von Usrüsana zu
bekämpfen. Nach der Niederwerfung desselben (207 H. = 822/23) i)
„pflegte al Ma'mün seine Statthalter in Chorasan anzuweisen, die
Einwohner von Transoxiana, welche nicht im Verhältnis der ünter-
thänigkeit und des Islams standen, zu bekriegen und seine Agenten
auszusenden, welche denjenigen unter den Einwohnern und Prinzen
jener Gegenden, welche Neigung zeigten sich in die Musterrolle
aufnehmen zu lassen und Sold wünschten, eine Pension bestimmten.
Er suchte sie durch Wertschätzung zu gewinnen. Wenn sie nun
an seinen Hof kamen, zeichnete er sie aus und erhöhte ihre Be-
schenkungen und ihren Sold" (Bai. f^^l, 7 — 11). Hiernach ist es
also sehr wohl möglich, dass jener Eeldzug gegen die Chazaren
erst nach der Unterwerfung von Usrüsana (822/23) stattfand.
Freilich kann derselbe dann nicht mehr als Rachezug für den
grossen Einfall der Chazaren nach Armenien vom Jahre 799/800
aufgefasst werden. Dass auch al Wä-^iq mit der Bekehrung der
Bulgaren (richtig: Chazaren) in Beziehung gesetzt wird, beruht
auf dem Bericht über die Gesandtschaftsreise des Salläm, dem-
zufolge die Chazaren damals in freundschaftlichen Beziehungen
zum Chalifen standen-).
Stammt die Anekdote etwa aus des Spaniers Abu Hamid
Tuhfat al albäb wa-nuchbat al a'gäb, welches der Verfasser der
Risäla auch sonst citiert? (vgl. Fr ahn a. a. 0. 181 N. 12).
Dagegen geht die Angabe über die Bekehning von 30 000 Zelten
1) Tab. III Uli, 1—2.
^) Ibn Chord. lir, 11 ff.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 477
von Bulgaren unter dem Chalifen al Qäim wahrscheinlich auf einen
Bericht über die Wallfahrt einer Karawane von 50 Bulgaren zurück,
die unter Führung eines ihrer Häuptlinge im Jahre 433 H.
(1041/42 n. Chr.) auf dem Wege nach Mekka in Bagdad eintrafen
und unter anderm erzählten , dass ihr Land das entfernteste der
Türkenländer sei , und dass sie etwa 50 000 Zelte stark seien.
Urspi-ünglich Heiden, hätten sie insgesamt den Islam angenommen
und folgten der Lehre des Abu Hanifa. Vgl. Fr ahn. Bullet,
scientitique de l'Acad. de St.-Petersbourg t. IV, 1838, S. 379 ff.
Auch Dimasqi, welcher, wie Fr ahn a. a. 0. gezeigt hat, von
derselben Wallfahrt redet, ist der Ansicht, dass die Bekehrung
der Bulgaren erst kurze Zeit vor derselben stattgefunden habe.
Fr ahn, Die ältesten arab. Nachrichten über die Wolga-Bulgharen.
Mem. de l'Acad. de St.-Petersbourg VP Ser. t. I, 1832, S. 579 ff".
Übrigens ist auch die Nachricht des Ibn al A'^'ir (IX !^öö — t^öl) zu
beachten, im ^afar 435 (9. Sept.— 8. Okt. 1043) hätten 10 000
Zelte von Türken den Islam angenommen, die im Sommer in der
Nähe des Landes der Bulgaren , im Winter um Baläsayün (bei
Tokmak) nomadisierten.
Zu S. 4 Z. 6: Herr Prof. de Goeje glaubt, dass unter
diesem rätselhaften Ausdruck Spanien zu verstehen sei: ^^jLaÜ
soll nämlich, wie schon Rein au d (Geographie d'Abou'lfeda II 1,
240 n. 4) vermutet hatte, dem spanisch-arabischen «.aaÜ al Bahüg
d. i. spanisch baboso entsprechen, einem Spottnamen welchen ara-
bische Quellen dem König Alfons IX. von Leon (1188 — 1230) bei-
legen, der, wie Ibn Chaldun berichtet, dem Muhammad an Nä(?ir
seine Hilfe versprochen vmd dann durch seinen Verrat die Nieder-
lage von al 'Iqäb oder las Navas de Tolosa (16. Juli 1212) ver-
schuldet haben soll (vgl. 'Abd al Wähid al Marrekoshi, The history
of the Almohades ed. D ozy p. 235. Abü'lfidä, Geographie p. 111 =
II 1, 240 d. Übs. Ibn Khaldoun, Histoire des Berbäres trad. par
M. G. de Slane II 226. Geschichte der christlichen Könige
Spaniens bei Dozy, Recherches sur l'histoire et la litteratüre de
TEspagne pendant le moyen-age I», 1881, p. XVHI, 7 ff. 106/7
und N. 3. Schirrmacher, Gesch. von Spanien IV 282 f. 314 f.).
Jäqüt (t 626 H. = 1229 n. Chr.) hätte also die Halbinsel nach
seinem Zeitgenossen, dem König von Leon, als „Wohnsitz des
Baboso" bezeichnet und diesen Ausdruck, wie Reinaud annimmt,
in den Text des Ibn Fadlän eingeschoben. Allein dieser Annahme
stehen ernste Schwierigkeiten entgegen , die nicht verschwiegen
werden dürfen. Schon die Übereinstimmung zwischen den beiden
Formen ^J^LJl und j.xxJ5 ist keineswegs sehr überzeugend.
Sodann ist die Angabe, dass der König von Leon durch seinen
Treubruch die Niederlage von las Navas verschuldet habe, völli»
478 '^' Marquart,
unbegründet (s. Sohirrmacher a. a. 0. 314 f.), die Araber aber
wussten wohl, dass der mäcbtigste der damaligen christlichen
Fürsten Alfons VIII. von Castilien (1158 — 1214) war, der Namens-
vetter und Lehnsherr des Königs von Leon, der Besiegte von
Alarcos und der Sieger von las Navas (vgl. Ibn Chaldün bei
Dozy, Eecherches I-'' 106/108). Man müsste also erwarten, dass
Jäqüt das Land vielmehr nach diesem benannt hätte, und eine
Verwechslung der beiden gleichnamigen Könige annehmen.
Noch schwerer wiegen aber folgende Bedenken. Ibn Fadlän
behauptet, die fragliche Synagoge sei von Muslimen zerstört
worden. Lag dieselbe nun in dem nachmaligen Gebiete des Baboso
d. h. in Leon, so muss man annehmen, dass jene Zerstörung auf
einem Kriegszuge des Chalifen 'Abd ar Rahmän III. an Nä9ir
(912 — 961) gegen Ordono IL von Leon stattfand. Im Jahre 918
sandte der Challfa seinen Hägib Badr an der Spitze eines be-
trächtlichen Heeres gegen die Christen, die bei Mutonia zweimal
geschlagen wurden , und im Jahre 920 , zwei Jahre vor jenem
Vergeltungsakte des Chazarenfürsten gegen die Muslime in Itil,
zog er persönlich gegen die Leonesen, nahm die Festungen Oxoma
(Osma) und San Estevan am obern Duero, sowie das benachbarte
Clunia und brachte den Truppen Ordono's eine entscheidende
Niederlage im Thale la Junquera beii). Allein das in diesem
Feldzuge betroffene Gebiet hat mit dem Lande des Baboso nichts
zu thun und man müsste wiederum eine Verwechslung Alfons IX.
von Leon mit Alfons VIII. von Castilien annehmen. Überdies
dürfte es in jenen Festungen auch keine bedeutenderen Synagogen
gegeben haben. Es geht auch kaum an, an den Teil des ehemals
muslimischen Spaniens zu denken, der seit der Wiedergewinnung
Toledos dmxh Alfons VI. (1085) zu Castilien gehörte und
Alfons VIII. gehorchte, da Toledo sich erst im Jahre 932 'Abd
ar Rahmän ergeben müsste, nachdem es volle 80 Jahre seine
Unabhängigkeit vom Emirat von Cordova behauptet hatte. Noch
crrösser wird die Verlegenheit, wenn man sich zu der Annahme
versteigt, Jäqüt habe einfach den Namen u^Jüt^i, den ihm seine
Quelle bot, durch den gesuchten Ausdruck gö^jLJ^ ^lo ersetzt,
— was, nebenbei bemerkt, in einem trockenen Lexikon eine bei-
spiellose Geschmacklosigkeit wäre, — so dass also Ibn Fadlän
lediglich das Reich 'Abd ar Rahmäns III. im Auge gehabt hätte.
Denn die Zerstörung einer Synagoge, welche den Muslimen von
-sj^LJl lo vorgeworfen wird, widerspricht dem toleranten Cha-
rakter 'Abd ar Rahmäns aufs schärfste, der den jüdischen Arzt
Rabbi Chisdai bar Ji^haq zu schwierigen diplomatischen Sendungen
verwandte und „unablässig darnach strebte, den Juden und Christen
1) Siehe Aug. Müller, Der Islam im Morgen- und Abendland
II 517 f.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 479
nicht allein die Duldung, auf welche sie gesetzlich Anspruch hatten,
unverkümmert zu erhalten, sondern auch Anteil an den_ bisher
den bevorrechteten Muslimen allein zustehenden höheren Amtern
zu gewähren" (A. Müller a. a. 0. 508 f.).
Wir sind demnach mit unsern bisherigen Hilfsmitteln ausser
Stande, die fragliche Notiz Ibn Fadians befriedigend zu erklären.
S. 5 Anm. 1 Z. 7 lies „T'archan Raz" st. „Tarchan Rai".
S. 8 Z. 26: -liNp!:« kann nur aus iTNpblS verdorben sein,
diese Form setzt aber die persische Aussprache des ijo wie j
voraus: ebenfalls gerade kein Zeichen hohen Alters.
Zu S. 10 Z. 19: Für NDNä ist unzweifelhaft mit Harkavy
NOMS Käsä zu lesen. Es sind die ^,,^,J:S Kasak Mas'udi's, die
Kasogen {Kasozi) der russischen Chronik gemeint, deren Land von
Konstantinos Porphyrogennetos de admin. imp. c. 42 p. 182 Kaöaxia
genannt wird; ebenso jetzt Westb er g, Beiträge zur Klärung etc. 308.
Kasack ist noch heute die ossetische Bezeichnung der Tscher-
kessen (Klaproth, Reise in den Kaukasus I 70. Kaukasische
Sprachen S. 227); nach Mas'udT II 46 ist der Name abzuleiten vom
persischen jiJ' „Prahlerei, Hochmut" und bedeutet „hochmütig,
prahlerisch"!). Vgl. ^^ ^ßS pompa, magnificentia bei Vullers.
Allein durch jene Namensform hat sich der Verfasser des Briefes
wieder verraten. Mas'üdi braucht einmal die Form ».>j3CwL5Ci^
neben ^^, indem er die Identität der beiden Namen nicht
erkannte (Kit. at tanbih \^f, 8). Im al 'Azlzi des al Hasan b. Alimad
al Muhallabi (Ende des 10. Jhs.) findet sich die Form ^LwL^Ji
(Abulfidä r.v = II 295 f. d. Übs.), aber erst bei Ibn Sa'ld (geb. 610
= 1214, t 673 = 1274) kommt \J^1\ ohne auslautendes k
vor (ib. I'ft' = 321). Dies ist für den angeblichen jüngeren Zeit-
genossen Mas'üdi's verhängnisvoll.
Zu S. 15 Z. 31fr. S. 16 A. 1: Die merkwürdige Erzählung
des Barhebraeus über die Wanderung der Bulgaren ist von de
Muralt zum Jahre 587 angezogen und von mir (Chronologie
der alttürk. Inschriften S. 82 ff. und Historische Glossen zu den alt-
türkischen Inschriften. WZKM. XII 198 ff.) behandelt worden. Da
Barhebraeus nur die syrische Chronik des Patriarchen Michael
ausgeschrieben hat, so wandte ich mich an Herrn Chabot, der
die Güte hatte, mir den Originaltext dieser Stelle, wie er sich
im syrischen Michael findet, zur Verfügung zu stellen. Durch
1) Mas'üdi kehrt das richtige Verhältnis um: „Dieser Name ist
persisch und bedeutet ,Hochmut und Prahlerei', weil die Perser, wenn
jemand hochmütig und prahlerisch ist, sagen Äjas",
480 J- Marquart,
denselben werden allerdings verschiedene Einzelheiten und be-
sonders die Komposition der Erzählung viel deutlicher. Da das
Stück jedoch in der nächsten Lieferung der Ausgabe Chabots
erscheinen wird , so glaubte ich davon absehen zu können , den
ganzen Text hier abzudrucken und habe mich, mit Ausnahme des
Schlusses, auf eine Übersetzung beschränkt. Um die Komposition
des Stückes sogleich hervortreten zu lassen, habe ich die beiden
Bestandteile desselben äusserlich hervorgehoben und den ersten
Teil zur leichteren Vergleichung mit der Quelle, der Kirchen-
geschichte des Johannes von Ephesos, in Paragraphen eingeteilt.
Chronique de Michel le Grand p. 378, 5 v. u. ed. Chabot:
Hauptstück über die Zeit des Beginnes der Regierung
des Königs Mauriqianos, des zweiten der Griechen.
A [1-] (Spalte c.) In dieser Zeit erbaute Mauriqianos eine
a Burg im Lande der Qöfanäer, (379 a Z. 2) die Sämechart heisst, mit
Maschinen, die griechisch basilä manganön (ßaaiXsuc oder ßaadiKcc
^äyyccva) heissen, für welche 60 Kamele bereit gestellt wurden.
[2.] Im Jahre 194 i), als die Romäer die Burg (A)qbä nahmen,
verwüsteten sie sie.
• § 1 aus Job. Eph. 6, 35 p. 416 ed. Cureton:
Erzählung 35: Über eine andere Burg, welche derselbe
Maurlq erbaute nach dem Lande der (^öfanäer zu, die
Sämgchart heisst.
Jener Kornes Mauriq trug gleichfalls Sorge und erbaute
eine Burg auf einem hohen und festen Berge, namens Sämechart,
so dass auch jene Burg Sämgchart genannt wurde, und setzte
Rhomäer darein und bestimmte ihnen Rationen {avvcovag) und ver-
sorgte sie mit allem — dieses Sämgchart aber ist im Lande der
Rhomäer — und er überliess ihre Erbauung einem Feldmesser (p?x«-
vtnog), der sich ihm ergeben hatte (lies )6^fc^)o ?) aus dem Lande
der Perser.
§ 2 aus Joh. Eph. 6, 36:
Erzählung 36 : Über eine andere Burg namens Aqbä,,
die am Kalla/9' im Lande der Perser ist.
Aber jenseits des Flusses Kalla^ im Grenzgebiete gegenüber
Maifarqet ist ein unnahbarer Berg, worauf seit langen Zeiten
jenes unfruchtbare Volk der Magier eine Burg zu bauen ge-
dachte, wo sie aber einer Abmachung zwischen den Rhomäern und
Persern zufolge auf einige Meilen von der Grenze nicht bauen
dürfen. Die Rhomäer standen ihnen nämlich gegenüber und Hessen
sie nicht bauen. Denn sogar oftmals war sie erbaut und zerstört
1) D. i. 894 der Griechen = 583 n. Chr.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 481
[3.] Die Perser aber schlugen die Komäer und nahmen viele
gefangen und bauten die Burg wieder auf durch die , welche er-
griffen wurden. [4.] In dieser Zeit, als ein Bote der Eomäer zum
König der Perser gesandt wurde, verbrannte er sie^) mit grosser
5 Hitze und viele von den Romäern , die ergriffen worden waren,
tötete er vor ihm ; und er entliess ihn mit grosser Schmach.
worden. Allein einmal fanden die Perser, wie wir im Anfang
mitgeteilt haben, Gelegenheit und erbauten die Burg und wohnten
darin. Nach Jahren (aber) griffen (die Burg) die Streitkräfte der
Rhomäer an und schlössen sie ein. Dies ist aber ein Stratelates,
namens Uta JJo/- Und lange Zeit war sie eingeschlossen und
belagert, bis jene, welche darin sassen , von Hunger und Durst
gequält wurden, so dass sie der Vernichtung aus dem Leben hie-
nieden nahe waren. Als sie darauf die Qualen sahen , baten sie,
es möge ihnen das Wort gegeben werden , dass sie nicht sterben,
noch ergriffen und gefangen geführt werden und ins Land der
Rhomäer hinübergehen , sondern ihnen die Burg übergeben und
aus ihr abziehen sollten. Dieses thaten auch die Obersten und
gaben ihnen das Wort. Und sie öffneten und kamen sämtlich
daraus herab. Als sie abgezogen waren und Wasser fanden und
tranken, fielen sie hin und starben plötzlich, so dass nur wenige
von ihnen wegzogen und hingiengen.
Der Stratelates aber und seine Streitmacht stieg hinauf und
sie zerstörten die ganze Burg und Hessen keinen Stein auf dem
andern , den sie nicht umstürzten , und warfen sie hinunter vom
Berge. Als auch andere Obersten und eine Menge des Heeres
sich dorthin versammelten, wohnten sie so daselbst überall in zer-
streuter Weise und wachten vor einander.
Erzählung 37: Über den Gesandten der Perser, welcher
zufällig in jener Zeit zu unserem König der Rhomäer
geschickt wurde.
In jener Zeit also , als Aqbä bezwungen ward , welches ist
das Jahr 894 (583) , ward ein Gesandter der Perser an unsern
König der Rhomäer geschickt und sie begannen über Frieden zu
sprechen. Und der Gesandte ward mit Liebe entlassen (1. ^^J^Jo)
und man beschloss, dass gesandt werde .... (Rest fehlt).
§ 3 und 4 sind in den Kapitelüberschriften des Joh. Eph.
S. 339 nicht vertreten. Die von den Romäern im Jahre 894 =
583 zerstörte Burg Aqbä muss aber von den Persern nicht lange
nachher wieder aufgebaut worden sein, da sie im Jahre 590 aber-
^) Widerspruch mit § 3. Man erwartet etwa: „entbrannte er gegen
ihn (den Gesandten)" (lies O^ »1^**?).
Marquart, Streifzüge. 31
482 «J- Marquart,
[5.] Und während die Zeit von 20 Jahren dauerte, herrschte
Bitterkeit, Feindschaft zwischen den Romäern und den Persern*).
[6.] *ünd es erhob sich gegen die Romäer ferner ein Gegner
aus dem Volke der hässlichen Barbaren (ßaQßaQoi) mit geflochtenen
Haaren, jener, die Abürls {"AßaQeig) genannt werden, die in Be- 5
wegung geraten und ausgezogen waren von den Enden des Ostens^);
fem er auch das westliche Volk der Sqlawenen {^nkavtivol) , und
ferner andere, welche Longobarden heissen, *indem auch jene ^) in
der Knechtschaft *des Chägans (^^|d) , des Königs der Abärls *)
waren. [7.] Sie zogen hin^) und eroberten zwei Städte von den lo
Romäern und den Rest der yMötQu ( opy Kon p>) f") *und sprachen
zu den Leuten des Landes: „Zieht weg, säet und erntet; nur
einen Teil der Steuern {6vvrikei.cc) wollen wir euch abnehmen" 5).
Und wäre nicht der grosse Graben (cpoGöa) gewesen, welchen der
Kaiser ausserhalb AdröpoUös {^sQKOvg nokscog?) gemacht hatte, i5
so hätten sie sich auch an die Reichshauptstadt gemacht ^).
[8.] Als aber der Kaiser und seine Streitkräfte erschüttert
mals von den Romäern eingenommen wurde (Theophyl. Sim. 4, 2, 1.
Euagr. h. e. 6,15; vgl. Lebe au - Saint - Martin 10,277 und
N. 1). Theophylakt I 12, 1 — 7 weiss nur von einem missglückten
Angi'iflF der Romäer auf Aqbä (t6 "AKßag) im Jahre 582. Die Über-
schrift des Kap. 39 spricht nur von einem Gesandten der Perser.
§ 5 entspricht Kapitel 40 des Johannes :
„Über viele Verwüstung der beiden Staatswesen (Ttokirsiag),
welche gegen einander vielmals ausgeübt wurden."
Die Inhaltsangabe des Kap. 44 ist zu unbestimmt: „Über
einen anderen Krieg des Jahres XQLrr} (584/85) und den Sieg, der
von Gott den Rhomäern verliehen ward".
§ 6 = Joh. 6, 45 : „Über das hässliche Volk der haarigen
Barbaren (ßaQßaQOL), die Abäris heissen".
§ 7 = Joh. 6, 46: „Darüber, dass Abäris auszog und grosse
Städte und viele Burgen eroberte".
§ 8 = Joh. Eph. 6 , 47 : „Über den Schrecken und die
Furcht , die in Konstantinopel ausbrach , bei welcher auch wir
(zugegen waren)".
^) Also 571 — 590. Das folgende auch bei Barhebraeus.
2) Eh.: „Und in seinem (des Mauriqe) vierten Jahre geriet in Be-
wegung und zog aus von Osten das greuliche Volk der Abäris mit
geflochteueu Haaren." ^) Bh.: „und kamen".
*) Bh.: „des Chäqäns (_o|o), des Königs der Chazaren".
5) Fehlt Bh.
8) Joh. Eph. 6, 25 S. 400, 9 : rpt^-{^mn .
') Das Folgende bis § 9 von Bh. ausgelassen.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 483
und erschreckt wurden von den Barbaren (ßccQßaQoi) , ward eine
Streitmacht entsandt und an die äussere Mauer ^) gelegt, 60 Meilen
von .... (der Hauptstadt)-).
(380 c.) Und von den Klerikern (KXrjQiKOL) der Kirche hob
5 er aus, als er gezwungen wurde, und durch jene Gewalt wurden
CKQtßcoveg'^) nach allen Seiten gesandt, um Rekruten (tLQcovsg) aus-
zuheben. Diese , als sie auszogen , verübten viele Übel , und sie
raubten die Söhne der Väter und setzten sie nach den Orten
(Gegenden)*), indem selbst die . . .^) der Pferde und der Stiere
10 und selbst bis zu denen der Hühner die Menschen überragten
an allen Orten (?).
Als das Volk der Sklawenen aber wegführten die . . .^) und
die heiligen Gefässe der Kirchen und die grossen KißcoQta auf
festen Wagen, wie die der Kirche von Qorinthos, vertauschte er
15 das Zelt, schlug und richtete es auf, unter ihm wohnte er.
[9.] Die Romäer hatten gedungen das Volk der Anten (Anßö,
"AvTai), Sklavenia'') zu überfallen, und sie hatten es erobert und
geplündert '') und seinen Reichtum herausgeführt und es ver-
brannt; ihr Land ist aber im Westen des Stromes, der Dönabis^)
20 heisst. [10.] Als aber die Sklawenen vernahmen, dass ihr Land
gefangen genommen worden sei , wurden sie erbittert wie ein
Löwe gegen die Beute ; sie versammelten sich viele Tausende
stark und verübten unaufhörliche Verwüstung, und als sie nicht
einzudringen und die Reichshauptstadt zu erobern vermochten,
25 blickten sie gegen die Stadt Anchiahs^) und nach der dortigen
§ 9 = Job. Eph. 6, 48 : „Über die Eroberung und Ver-
wüstung des Landes der Sklawenen".
§ 10 = Joh. Eph. 6, 49: „Über die Verwüstung der Stadt
Anchialos (^a\aj/) und über die dortige Therme".
1) Text l^iojt, lies jiojt; vgl. Joh. Eph. 6, 25 S. 402, 17.
*) Der Name fehlt.
3) Vgl. Theophyl. Sim. 1, 4, 7. Agath. 3, 14 p. 262, 31 ed. Dindorf.
Saint-Martin bei Lebeau 9, 326 n. 1. 10, 207 n. 5.
*) Vgl. Tomaschek, Zur Kunde der Hämus-Halbinsel I 57 =
SBWA. Bd. 99, 1882, S. 491. Die alten Thraker II 78.
^) Die beiden Worte jJCLLCD und ■ i"»^»*^ sind mir unbekannt.
®) Die Pluralpunkte sind falsch.
') Bh. schliesst diese Erzählung mit den Worten: „Deswegen ver-
übten die Sklawenen grosse Verwüstung [im Lande der Romäer und
kehrten um".
8) Die gotische Form ; vgl. Ps. Kaisareios, Quaestiones c. 68. 144
ed. Ducaeus; Bibliotheca veterum patrum vol. I (Paris 1624) p. 588. 672.
Mülle nh off, DA. II 865 ff.
9) Für QpOÄ*/ ist einfach Opo^A^j/ zu verbessern (Nöldeke).
31*
484 J- Marquart,
Therme 1) — es waren aber von der dortigen Streitmacht viele
von ihnen vernichtet worden — und rissen eine Bresche in die
Mauer und fanden dort jene Purpur(gewänder) , welche Anastasia,
die Frau des Tiberios, als Weihegaben geschenkt hatte der dortigen
Kirche-), als sie zur Therme gieng. Diese nahm der Chagan und 5
zog (sie) an, indem er sprach: „Ob der König der Romäer es
wünscht oder nicht wünscht, siehe das Reich ist mir gegeben,
und die Vereinigung" (Lücke) ^).
(381a.) Und es erschreckten ihn Gerüchte, dass das Volk
der Türken (|*x>VQi) ihn verfolge und ausgezogen seien nach lo
Sirmium {Sermin). Als sie fürchteten, sie möchten gefangen
führen seine Dienerschaft*) und sein ganzes Gesinde, wandten sie
sich, als sie ihm (dem Chagan) 8 Centner {KEVfrjvaQia) Goldes
sandten, von ihm (Maurikios) 5).
B [11.] In dieser Zeit (zogen aus) drei Brüder aus dem inneren i5
Skythien, indem sie mit sich führten dreissig tausend Skythen,
und sie kamen einen Marsch von 65 Tagen ^^ von jenseits des
Gebirges Imeon^). Sie kamen aber in der Winterszeit, wegen
des Auffindens von Wasser, und sie gelangten bis zum Stronie
Tanais, der aus dem See Mäntiös (Maiotis) herauskommt und sich in 20
das Pontosmeer ergiesst. [12.] Als sie nun an die Grenze der Romäer
gelangt waren, nahm einer von ihnen, namens Bulgarios, zehn
tausend Mann *und trennte sich von seinen Brüdern ^), und über-
1) Über die Thermen von Anchialos vgl. Jordan. Get. c. 20 § 108.
109. Prokop. de aedif. III 7 p. 262, 23 ff. Theophyl. Simok. I 4, 5.
Tomaschek, Zur Kunde der Hämus-Halbinsel II 33 f.
2) Vermutlich der des Märtyrers Alexandres Theophyl. 6, 5, 2.
8) Es fehlt eine Zeile.
^) Ed. N^ q\q2> lies j\r»r>o> oder jfcc\Q2Q2). Nöldeke
billigt meine Konjektur und schreibt mir : „Da für fc^ qS.Q2> die
Bedeutung 'Dienerschaft' nahe liegt, so ist allerdings familia ziemlich
sieher. Im Syr. ist bis jetzt nur eine Stelle für das Wort bekannt:
J.\V>o^ 'Diener' dreisilbig (bei Isaak Antiocb.), Vokalisatiou unsicher.
Jüdisch nicht selten Nib^73D oder Nib73D. Also hier wohl |A.QiCX2>
(nicht j^^Q^a^; diese Aramaisierung wäre sehr auffallend). Aus-
lautendes J wird leicht mit l verwechselt, namentlich in nestorianischer
Schrift, die hier freilich nicht vorliegt."
6) Das Folgende bei Bh. *^) Bh.: „zwei Monaten".
') Text j^Qi >^XX>/ lies jio^ ^^*2d/ = 'Jfiai'ov oqovs; vgl. Agath.
V 11 p. 365, 1—6: oi Ovvvoi xh yivog t6 [dv ■nalatbv KaraiKOvvriig
Maimridog Xiavrig rä TtQog äitrili6ixriv avB^ov,^ v.al i]6av rov TavaCdog
notafiov ccQKTiKmtiQOi, Kad'ÜTtSQ kkI xcc aXla ßdgßciQa f&vri bitoGa ivtog
'Ifiaiov ÖQOvg ccvu xi]v 'Aaiav ixvy%avov iÖQV^ih'cc.
8) Fehlt Barh.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 485
schritt den Tanais (Täniös) *zum Strome Dönabis i), der ebenfalls
in das Pontosmeer mündet, und sandte an Maurlqe, er möge ihm
Land geben , um dort zu wohnen und ein Bundesgenosse der
Romäer zu sein. Er gab ihm Ober- und Unter -Moesien *und
5 Dakien, feste Orte, die das Volk der Awaren (Abäris) verwüstet
hatte seit den Tagen des Anastas ^), und sie siedelten sich dort an
und wurden ein Bollwerk für die Romäer. Jene Skythen wurden
von den Romäern Bulgaren genannt.
. \X[co '^ l'^ti^xi^ . ^JJJj JiLJJ oL/ P/ JjW x^l X!? 'C^^
10 . )«O)tY>jj0 ^o^N-j? [Fol. 191 vo.] . JoO) ^X25 ^ioo'A 0))^'*2D?
^o)i-VQÄ\j JuVak^;^i2>o j-v>^CL2so . (^ ^;jb 1-Vq^j |^ili -o)
o6) Jil/ "^ j-v^cu I^A «^Njtjj l^o . ooo) |u^xr>-t^ ^>.3
.v^i^ joo) jvo^io? j-^' o6) J-J? J-^Qjt \i>\ . p%o oo^iofc^jt/
(Fin du chapitre) )d^ . «fc<2>ljo JJO) j^X ^AO
15 [13.] Jene beiden andern Brüder aber kamen ins Land Alan, das
BarsöMä heisst, ^dessen Städte von den Römern erbaut worden
waren 2), *welche Qäspiä sind, welche man Thor der Töräje nennt;
die Bulgaren und Puguren, ihre Bewohner, waren einmal Christen;
da aber ein fremdes Volk über jene Gegend die Herrschaft ge-
20 Wonnen hat, wurden sie Chazaren genannt nach dem Namen jenes
ältesten Bruders, der Chazarig genannt wurde. Und es ward stark
dieses Volk und breitete sich aus ^).''
Nach diesem vollständigeren Texte kann es nicht mehr zweifel-
haft sein, dass dieses Kapitel aus zwei Teilen ganz verschiedenen
Ursprungs besteht. Der erste Teil ist in der That ein kurzer Aus-
zug aus dem Schlüsse der Kirchengeschichte des Johannes von Ephesos,
wie N ö 1 d e k e schon nach dem Texte des Gregor Barhebraeus
vermutet hatte, und zerfällt wieder in zwei ungleichmässige Ab-
schnitte, von denen der erste (a), soweit es sich noch kontrollieren
lässt, den Kapiteln 6, 35. 36. 40 des Johannes entspricht, während
der zweite (b) genau mit den Überschriften der Kapitel 45 — 49
übereinstimmt. Diese sämtlichen Kapitel sind bei Johannes als
Nachträge zu betrachten, und da die erste von Michael erwähnte
^) Barh. : „und schlug sein Lager auf zwischen den beiden Strömen
Tanais und Dönabis*.
2) Fehlt Barh.
^) Bh. : ,oder zu den Städten von Qaspiä (so Bedjan; Bruns und
Kirsch Qapadöqia), welche die Bulgaren und Pangüren (|<Vq^^_l3)
,Thor der Türken' (j^joVol) nennen, welche ehemals Christen waren
und jetzt Chazaren genannt werden nach dem Namen ihres ältesten
Bruders".
486 '^- Marquart,
Begebenheit, die Erbauung von Sämgchart'), nach der Ei'zählung
des Johannes 6, 35 durch Maurikios als Comes geschah und gleich
der im vorhergehenden Kapitel (6, 34 p. 415) erwähnten Einnahme
der Burgen Füm CAcpov^av) und Kelimar {XXooficcQcov) ins Jahr 578,
also ans Ende der Regierung Justins II. gehört-), so ist ohne
weiteres klar, dass der Epitomator ganz mechanisch und mit
äusserst geringem Verständnis gearbeitet hat, indem er jenen ganzen
Abschnitt des Johannes unbesehen in die Regierung des Maurikios
versetzte. Für §§ 3 — 4 finde ich keine sichere Entsprechung in
den Kapitelüberschriften des Johannes, auch steht § 4, wenn hier
nicht ein Textfehler vorliegt, zu § 3 in Widerspruch. Dagegen
entspricht § 5 wohl Kap. 40 des Johannes. Dann erhebt sich
aber die Frage, ob die Angabe der 20 jährigen Dauer des Krieges
(571 — 590) ebenfalls aus Johannes stammt oder eigene Zuthat
des Epitomators ist. Doch ist Letzteres das Wahrscheinliche. Die
Frage, ob Michael selbst den Auszug angefertigt oder schon so
zurecht gemacht vorgefunden hat, wird sich durch Vergleichung
derjenigen Partien, in welchen Johannes für ihn Hauptquelle ist,
mit Sicherheit beantworten lassen. Chabot entscheidet sich in
bejahendem Sinne.
Schwierigkeiten besonderer Art bereitet allerdings § 10, welcher
augenscheinlich dem Schlusskapitel des Johannes „über die Ver-
wüstung der Stadt Anchialos und über die dortige Therme" ent-
spricht, sofern nicht von vornherein feststeht, welche von den beiden
geschichtlich bezeugten Verwüstungen von Anchialos durch die
Awaren und Slowenen unter Maurikios hier gemeint ist. Die
frappante Übereinstimmung des Schlusses der Erzählung mit
Theophjl. Sim. 6, 5, 13 &. scheint allerdings stark für die spätere
Einnahme dieser Stadt zu sprechen, welche im Jahre 592 statt-
fand. Der Kaiser Hess damals dem Chagan, welcher bereits den
romäischen General Priskos in Tui'ullon (Curlu) belagerte, einen
für diesen bestimmten Brief in die Hände spielen, der folgenden
Wortlaut hatte: 17 t&v aXttrjQioav ßaqßccqav iyxsiQfjöig &qvXov t6
naqanuv ov% ivETtolrjGs ry rjfi&v evaeßeia' xovvavxiov (lev ovv nai
inL^iXeGxiqovg nqog xriv xovxtov anaXuuv ansiqyaQaxo. %ca xovxo
ytv(oa%Exco 1] 67] ivöo'^6x7]g, ort anuiGioag (lex ala%vvr]g neu TtoXXovg
ä7toßccX6(isvog e'^ei 6 Xaydvog aTtoxcoQtjGat sig xrjv vnto Pa^aitov
1) Georg. Cyprius 944 v.ä6XQ0v 2^a{io%äQtav^ vgl. dazu Nöldeke,
ZDMG. XXXIII. 144. Der Ort ist benannt nach dem komm agenischen
König SäiLog (arm. *Sam = aw. sjama, ap. '^pijäma , vgl. Savars ==
aw. Sjmoarsan-), dem Vater des Mithradates I. Kallinikos (Inschrift
von Gerger Z. 7 bei Humann und Puchstein, Reisen in Kleinasien
und Nordsyrien S. 356. Inschriften von Nimrüd-dagh , Nordsockel der
Ostterrasse Nr. 13, eb. S. 287. Th. Rein ach, La dynastie de Comma-
g^ne, Revue des ^tudes grecques t. III, 1890,_p. 362 ss.) und Gründer
von UaiioGata, syr. Semlmt = ap. *pijama-SijatiS , Freude des pijama".
2) Vgl. Lebeau-Saint-Martin 10, 149 ss.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 487
avzä acptEQCo&stßav %(aqav. öiu rovro a(ia reo evrvxsßräro) Gx^urä
TiaQrBQTjöEi 1] ci] ivöo'^onjg iv TovqovXXcö rrj noXet k<xI öo^et
TtEQiQQSfxßeiv tovg iTtiKaraQccrovg ^AßccQOvg. inifiilja^EV yccQ diu
&ccXcc667}g nXoicc %ca ötQaröv, Tvu aviX&coßiv eig rag cp a ^ iXiag
uvx&v Kai TCccG a g alyjiaXcorevöcoaiv, Kai ivTev9sv avay-
xaG'9'j5 \xExa alGyyvrig v.al (leyaXTjg ^i](iiag 6 imKaraQarog tcov ^Aßd-
Qcov Tjyovfievog slg rrjv iavrov yf^v v7C06x^ii\)aL ano xfig %a^ "^(^t^ff
iioXLXELag.
Die angewandte Kriegslist ist allerdings hier wie dort die-
selbe ; denn die Gerüchte, dass die mit den Romäern verbündeten
Türken sich anschickten, ins Gebiet der Awaren einzufallen, sind
von den Romäern offenbar absichtlich ausgestreut worden. Allein
bei näherem Zusehen erkennt man doch, dass nicht bloss die
angeblich gegen das Land der Awaren geplante Unternehmung,
welche den Abzug der letzteren bewirkte, sondern auch die mili-
tärische Situation in den beiden zeitgenössischen Berichten eine ganz
verschiedene ist (vgl. Lebeau-Saint-Martin 10, 351 — 359).
Man wird sich daher für die frühere Verwüstung von Anchialos
im Jahre 583 entscheiden müssen. Vgl. Theophyl. Sim. I 4 — 6.
Theophan. p. 252, 81 bis 253, 14 und dazu Lebeau-Saint-
Martin 10, 206 ff.' Die politische Lage in der angeführten Er-
zählung Theophylakts stimmt insofern mit der bei Michael überein,
als in beiden Texten der Chagan von Anchialos aus seine prahler-
ischen Drohungen gegen die Romäer schleudert (Theophyl. 1, 4, 8).
Die Abweichungen zwischen Theophylakt und Michael in der Er-
zählung des Friedensschlusses erklären sich wohl in der Weise,
dass letzterer ein vorläufiges Abkommen , das den Abzug der
Awaren zur Folge hatte, ersterer dagegen den endgiltigen Friedens-
schluss berichtet. Die Kapitel 45 — 49 des Johannes bilden dann
einen Nachtrag zu dem Berichte über den grossen Einfall der
Sklawenen (6, 25 p. 402 f.), der im dritten Jahre des Tiberios (581)
begann und vier Jahre , „bis heute" d. h. bis zum Jahre 895
(584 n. Chr.) dauerte und auf welchem die Feinde wie bei Michael
§ 8 bis zur äusseren Mauer gelangten, und erzählen einzelne
Episoden aus demselben. Für diese Auffassung spricht ja auch,
dass der Verfasser nach Kap. 47 die in der Hauptstadt aus-
gebrochene Panik als Augenzeuge mitmachte, Johannes aber im
Jahre 592 kaum mehr am Leben war'); vor allem aber erklärt
sich nur unter obiger Voraussetzung die Bemerkung, die Sklawenen
hätten u.a. die Kirche von Korint h geplündert. Denn Johannes
berichtet in der That, die Sklawenen hätten während jener vier-
jährigen Heerzüge ganz Hellas (Ellädä), die Distrikte von Thessalo-
nike und ganz Thrakien durchrannt (6, 25 p. 402, 7 — 9), und
dasselbe bestätigen die Miracula St. Demetrii (Acta Sanctorum
^) Siehe J. P. N. Land, Joannes Bischof von Ephesos, der erste
syrische Kirchenhistoriker. 1856.
488 J. Marquart,
8. Oct. p. 162 E; vgl. H. Geizer, Die Genesis der byzantinischen
Themenverfassung S. 45). Dass die Eomäer in ihrer Not die Anten
zu einem Einfalle ins Land der Sklawenen reizten, passt voll-
kommen zur damaligen verzweifelten Lage, da das romäische Heer
in Asien gegen die Perser stand und die Halbinsel daher beinahe
wehrlos war. Sicherlich war die Drohung mit dem Anmarsch der
Türken bei den Awaren im Jahre 583, also nur 7 Jahre nach
der Gesandtschaft des Valentinus (575/6), auch noch wirksamer
als im Jahre 592.
Einen völlig anderen Charakter als das aus Johannes exzerpierte
Stück trägt der zweite Teil (B) der Erzählung Michaels. In diesem
ist die Geschichte förmlich auf den Kopf gestellt, indem fälschlich
die Awaren statt der Bulgaren (und Sklawenen) als dasjenige
Volk gelten, welches seit der Regierung des Anastasios die Bal-
kanhalbinsel verheerte und gegen dessen Einfälle dieser Kaiser
die nach ihm benannte Mauer erbaute ^) , ja die Bulgaren sollen
geradezu als foederati von Maurikios in den von den Awaren
verwüsteten Provinzen angesiedelt und gegen diese als Bollwerk
benutzt worden sein. Dass davon keine Rede sein kann, ist
selbstverständlich. Dass die Bulgaren zu dem Zugfe des Chao-ans
gegen Thessalonich im Jahre 583 aufgeboten wurden, zeigen die
Miracula St. Demetrii (oben S. 244 A. 1). Im Jahre 597 finden
wir allerdings Bulgaren auf dem südlichen Donauufer, wie es
scheint östlich von Novae, allein diese stehen unter der Oberhoheit
des Chagans (Theophyl. 7, 4, 1 — 7). Freilich giengen die beiden
dacischen Provinzen nach dem Tode des Maurikios verloren 2), allein
an eine rechtliche Abtretung durch die römische Regierung ist
nicht zu denken. Im Jahre 598 erschien abermals eine Horde
(ein tümän, 10 000 Mann) von Tarniach und Kotzagiren, die vor
der Übermacht der Türken flohen, in Europa und verstärkte das
Heer des Chagans (Theophyl. 7, 8, 16—17).
Nach alledem kann es nicht zweifelhaft sein , dass diese Ge-
schichte erst nach dem Jahre 678 entstanden ist, da sie die
Niederlassung der Bulgaren in den Donauprovinzen nach einem sehr
beliebten Rezept durch einen förmlichen alten Rechtstitel legitimieren
will. Sie ist also nicht mehr wert als die anderen Legenden über
die Wanderung der Bulgaren. Chabot glaubt, dass sie aus der echten
Chronik des Dionysios von Telmahre stamme. Hat man aber den
wahren Charakter der Erzählung erkannt, so wird man aus ihr
auch keine genauen Angaben über die Zeit der Einwanderung der
Bulgaren ins Land der Alanen herauslesen wollen. Soviel steht
fest, dass sie in demselben schon längst vor der Regierung des
1) Vgl. MüUenhoff, DA. II 379 flf.
^) Noch im Frieden des Jahres 600 ward die Donau als Grenze
zwischen dem Romäerreiche und den Awaren festgesetzt; Theophyl.
Sim. 7, 15, 14. 6 , V J
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 489
Maurikios angesiedelt waren. Es ist jedoch unverkennbar, dass
unser Text auf die Erzählung von der durch den Bischof Qardü9t
von Arrän vor 523 begonnenen Mission unter den Hunnen Bezug
nimmt, die den Schluss der anonymen, fälschlich als Kirchen-
geschichte des Zacharias Rhetor bekannten historischen Kompilation
bildet^). Die romäischen Gefangenen, zu welchen QardO^t und
seine Gefährten sich zuerst begaben, waren zu den Hunnen innen-
wärts von den Pforten verkauft worden, dort wohnten aber gerade
„die Bui'gäre mit eigener Sprache, ein heidnisches und barbarisches
Volk, welches Städte hat, und die Alanen, welche fünf Städte
haben" 2).
Die häufig so doi-nenvolle Frage , welcher von den beiden
wichtigsten Kaukasuspässen jeweils mit dem Namen „Kaspische
Thore" gemeint sei, lässt sich diesmal glücklicherweise mit grosser
Zuversicht beantworten. Die Wahi'scheinlichkeit spricht zunächst
dafür, dass der albanische Bischof und seine Gehilfen, wie auch
später der Chorbischof Israel nördlich von den eigentlichen
kaspischen Thoren d. i. von Darband missioniert haben werden.
Diese Auffassung wird nun durch die Erzählung Michaels voll-
kommen bestätigt. Denn der Ausdruck „Thor der Töräje'* kann
nur eine durchs Griechische hindurchgegangene Wiedergabe des
gewöhnlichen armenischen Namens der eigentlichen kaspischen
Thore sein: arm. äutu^uiL iCnnuMj oder l^uMiniuifü iCnniuiy bei
Prokop. de hello Goth. 4, 3 p. 469, 15 T^ovq. Der griechische Autor
war ein Purist, der das barbarische rf verschmähte, wie Theophylakt^)
und wahrscheinlich auch Priskos. Die Angabe, die Städte des Landes
Barsäha, „welche Qäspi'ä sind, das ist die, welche man Thor der
Töräje nennt", seien von den Romäern erbaut worden, ist natürlich
ungenaue Verallgemeinerung und nur auf das kaspische Thor zu
beziehen , lässt sich aber für Darband ebensogut rechtfertigen
wie für das westliche oder Alanenthor, das schon unter Nero von
den Römern befestigt worden war*). Hatten ja doch die Romäer
für den Wiederaufbau und die Instandhaltung der Festung Cor
mindestens unter Markianos und Justinian I. (Theophyl. Sim. 3, 9, 11)
den Persern Subsidien gezahlt ^). Damit ergibt sich die Lage des
Landes Barsäliä von selbst: es muss sich im Süden bis Darband,
im Norden mindestens bis zu den Ebenen am Sulak und Terek
erstreckt haben. In der That waren auch diese in alter Zeit von
Alanen bewohnt, mit denen sich aber mindestens seit dem vierten
Jahrhundert n. Chr. hunnische Scharen in den Besitz jener teilten.
1) Übs. von K. Ahrens und G. Krüger S. 254f.; s. o. S. 302.
2) Eb. S. 253, 13—15. Land, Anecdota Syr. III 337, 8—10.
^) Mit Unrecht hat de Boor das TovqovXXov und rivxav des
Vaticanus 6, 5, 10. 14. 7, 3, 6 in T^ovqovXIöv und rivr^av geändert.
*) S. Eransahr S. 95. 100 A. 1.
B) Eransahr S. 105.
490 J- Marquart,
Damit stimmen die Angaben des Ps.^ Moses Chorenac'i, der die
Barsilt unzweifelhaft nördlich von Cor wohnen lässt und aus-
drücklich von einer Vermischung derselben mit einem alten ala-
nischen Geschlechte, den „Östlichen" {Arvehank') '), spricht (11 58
S. 135/6. 65 S. 145. 85 S. 168), aufs beste überein, wofern man
nur von den absichtlichen Anachronismen absieht 2). Jetzt klärt
sich ferner das bisher rätselhaft gebliebene K^Lv^i auf, wo Chosrau
Anösarwän eine Zusammenkunft mit dem Chagan der Türken (d. h.
der Westtürken) hatte (Bai. Ilo, 14). Der Zusammenhang setzt
voraus, dass es nördlich von Darband lag. Aber auch „das innere
Binnenland von Berzylia in Sarmatia I", von wo das grosse Volk
der Chazaren nach der bulgarischen Wandersage bei Theophanes
und Nikephoros ausgezogen sein soll-*^), ist von Barsäliä nicht
verschieden. Denn das Gebiet am Unterlaufe des Sulak und Terek
mit den Städten Balangar und Samandar war in der That eine
der ältesten Eroberungen und einer der Hauptsitze der Chazaren.
Nach Mas'üdi soll Samandar (Muxüg II 7) oder Balangar (Tanbih
ir, 16) ihre ältere Hauptstadt gewesen sein. Mit derselben geo-
graphischen Ungenauigkeit wie an unserer Stelle wird der Sitz
der Chazaren auch im Leben des Slawenapostels Konstantin nach
den kaspischen Thoren d. i. nach Darband verlegt"*). Der näm-
lichen Verbindung des Landes Barsäliä oder Berzylia bezw. des
Stammes BaQGr]lt, nach welchem dasselbe benannt ist, mit den
Chazaren begegnen wir endlich wieder bei Ps. Moses Chorenac'i^).
Dass aber nicht bloss die Barsük\ die BaQGrilx des Theo-
phylakt (7, 8, 3), sondern auch die Bulgaren nördlich von Cor
oder Darband wohnten, wie die Erzählung Michaels voraussetzt,
wird durch Tabarl's Angabe (I aIö, 1. 16. aII, 4 vgl. 1.., 2)
bewiesen, Chosrau I Anösarwän habe die Mauer von Cor {^yo)
1) Sie werden mit den Araneanl' (den Leuten von Afan) gepaart
Seb. 139. Die Erinnerung an die Einfälle der ßarsilk' bewahrte der
Hügel Barstaberd im Lande Uti (Albanien) , in der Nähe des Berges
Ar at'iv : Uchtanes I 68 S. 96 = 267 trad. Brosset.
2) S. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 91 ff.
3) Theophan. Chronogr. p. 358, 7—9 ed. de B cor: ... ^^|j}X'^£
t6 iiiya s'&vog rwv Xa^ccQcov cctio tov ivSoxiQOv ßüd^ovg BsQ^diag t^s
ngärrig Hagiiariag xat iötcnoGs ndcrig rfjg TtsQazi-nfig yi]? fif'xpt ^'/S
novriyii]g ^ccldaarig. Nikephor. iar. avvr. p. 34 ed. de ßoor: . . . ro
tüv Xa^äQav (pvXov &nb rov ivöotigov r^g BiQvUag (1. BfpfuAias^ Isyo-
fi^vrjs %mQag tag Ttli]6iov r&v ZaQiiut&v my.r\\Livov nXsiatrig aSiiag iv-
revQ'sv initQsxov. Der Herausgeber vermutet für die letzten Worte:
nliiazrig aöniag <iTti%a§6[Ltvov> ivrsv&sv inkQtxav. Unter Sarmatia I
ist oben die asiatische Sarmatia des Ptolemaios (V 8) zu verstehen.
4) Die Legende vom hl. Cyrillus c. 9. Denkschr. der Kais. Akad.
d. Wiss. XIX S. 236; s. o. S. 14.
6) 2, 65 S. 145. Geographie p. 26, 2 ed. S oukry. S. meine
Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 89. 92.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 491
gegen die Einfälle der Chazaren -ü , Bulyar yfJlj (so 1. ;
p. 1.., 2 ..L>j), B alangar j^\jXi und Alanen anlegen lassen
und sich durch dieses Bollwerk stark genug gefühlt, das Ansinnen
des Chagans »-^:£=^i.^ Sügibü (so lies = Sir-Jabgu), welcher als
Oberherr der Chazaren, Bulgar und Balangar die Bezahlung der
diesen Stämmen bisher gewährten Jahrgelder forderte, zurück-
zuweisen. Die nordkaukasischen Bulgaren (^..L:>-^i) werden, wie
es scheint, noch erwähnt in der Völkertafel Ja'qübi's (Hist. I
r.t*', 8). Sie stehen hier an der Spitze der zehn Söhne des Tho-
garma (Lo^cb, lies Ls^Li")- Die übrigen sind: ^.aJI Delum,
_^^J1 (oben S. 280 A. 1), ^LJL.LJ! Tälis, ^X.> Gelän, ^X^
Gelän bei Darband, ^^.,^1 Alanen, ^^ü Chazaren, *.>;ib5^Ji Bido,
..^/i.'^t Armenier, also lauter Völker des östlichen Kaukasus.
Wer das fremde Volk war, das sich der Gegend Barsäliä
bemächtigte, wird im Texte nicht gesagt, und da die Chazaren,
welche derselben nachmals ihren Namen gaben, von dem ältesten der
drei Brüder abgeleitet werden, wobei wahrscheinlich eine Vermengung
der Chazaren mit den 'Aüdr^tQoi, des Priskos (schon bei Zacharias
Rhetor •, rr> «^ Chasar, oben S. 356 A. 1) stattgefunden hat, so
scheinen sie von jenem fremden Volke unterschieden werden zu
sollen. Die ganze hier vorliegende Unklarheit läuft aber auf den
für die Westländer schwer fassbaren Unterschied zwischen (West)
türken und Chazaren hinaus, welch letztere eine jenen ursprüng-
lich unterworfene Horde bildeten. Die Fügüren \Jio,^^Q2> bezw.
Pangüren J -*>>-* *=» und Bulgaren stehen aber in unserem Texte
geradeso gemeinsam den Chazaren und Alanen gegenüber wie in
den oben angeführten Stellen Tabari's die Bulgar und Balangar,
so dass man sich der Vermutung nicht erwehren kann, es möchte
letzterer Name (also J .Vp> t\o>) in dem unsicher überlieferten
Stammnamen Michaels stecken.
Auf die nachmalige nördliche Verbreitung der Baga^kt (arab.
^5-o-j) und Bulgaren sowie auf das wirkliche Verhältnis des
augenscheinlich umfassenderen Volksnamens Bulgar, Burgar zu
den wechselnden Hordennamen Balangar, Samandar etc. kann hier
nicht eingegangen werden.
Zu S. 16 A. 5. Saif lässt freilich den 'Abd ar Rahmän b.
Rabi'a al Bähül, den Bruder des Salmän, schon unter 'Omar einen
Raubzug gegen Balangar unternehmen und bei dieser Gelegenheit
dessen Reiterei bis nach al Baida, 200 Fars. von Balangar, ge-
langen Tab. I niv, 14 ff. Letzteres ist indessen, abgesehen von
der gefälschten Chronologie — der Zug gegen Balangar fand erst
492 J- Marquart,
unter '0'9män a. 32 H. statt — ohne Zweifel nur eine unhistorische
Vorwegnahme der Erfolge des Marwän (S. 18 A. 2.)
Zu S. 16 Z. 22 f. S. 20 Z. 3 : Die richtige Lesart ist ^.jljJi^
Chaidän^ das mit dem C'ungars der Geographie des Ps. Moses
Chorenac'i nichts zu thun hat. Es ist der Vorort der Kaitaken
( vLäas) , das heutige Magälis in der Nähe von Derbend gemeint ;
s. S. 285. Von diesem Orte ist das bei Ibn Chord. tl'f , 6 genannte
Dorf ..tix^ Chaizän^ wo Moses den Knaben tötete (Z. 24), gänzlich
zu trennen. Hierüber, sowie über Waragan, Balangar, ..|^ s-Lj
das iN'iJ'm des Briefes des Chazarenkönigs und das Gebirge "inom
des Jehuda Hallewi handle ich ausführlich in meiner Historischen
Ethnologie des Daghestan. Hier nur soviel, dass die Hunnen-
stadt Waragan und -;S\b zu trennen sind, dagegen wahrschein-
lich in dem vor Smendr (Hs. Msendr) erwähnten C'ungars des
Ps. Moses Chor, (oben S. 58) eine Verstümmelung von Balangar
steckt, etwa ^auün^mpW aus ^*\iiL^a.iun *BIungar oder
^'\ni^a.ujn *Plungar\ vgl. ^^Ua.q[ipjufnu C'ngUbalos bei dem-
selben Geographen S. 44, 22, für ']^tf.^fLui^u Lngibalos^ arab.
o -
(j^jJLjCJ Langibälös bezw. ^^^'iJikl] Ibn Chord. 11, 2, ^J*,yl\^ ^J
(so 1.) Relation des Voyages ed. Reinaud p. 1 , 8. Iv , 8 — 9, und um-
gekehrt \\uMnfwJufui£tuUy \\tunfiJiuUtul£i \ lu^tfu/u/Utu^ aUS ß"*-
nftJufitLuA (s. mein Eransahr S. 9 ann. ö).
Zu S. 18 Z. 29: s. aber S. 390.
Zu S. 20 Z. 28—31: vgl. einstweilen mein Eransahr S. 316.
Zu S. 26 Z. 17—19: s. S. 337 und A. 1.
Zu S. 28 Z. 17 — 19: Die hier vertretene Ansicht lässt sich
selbst durch die Fassung der Erzählung beim Fortsetzer des Theo-
phanes (HI 28 p. 122, 16 ff. ed. Bonn.) stützen. Hier heisst es
bloss : %uxa de rbv avrbv naiQOV o re yayävoq Xa^aQLCcg wxl o TIe%
TtQog rbv avxo%qaxoqa Oeocpilov ercEfiTtov TtQsaßevrdg , rb KdßXQOV
OTCEQ ovxv) SaQKel Kaxovoiid^exai avxotg KXiö&rjvai, it,aixov^Evoi,
OTtSQ SQ^irjvsvexai fxev Aevnbv OLKfj^a, eGxi, öe %ai viaxci xbv Täva'Cv
noxa^ov, og xovg xe Uccx^iv av, ix ag ivx sv&av acci avxovg
öietQyei xovg Xu^uQOvg sKSi&ev, e'v&cc xal Xa^aQCOv xa-
'^Eüxat ncc&i^ovxcci xQiccxoßiot. kccxcc ^qovov ivaklaGöofievot, d. h. zur
Zeit des Verfassers sassen westlich vom Don bereits die
Peßenegen , welche damals durch die Festung Sarkel im Zaum
gehalten wurden. Wer dagegen die Feinde waren, welche zur Zeit
des Theophilos das Chazarenreich im Westen bedrohten, wird im
ganzen Bericht mit keiner Silbe angedeutet.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 493
Zu S. 29 Z. 4—10 : s. aber S. 390.
S. 29 A. 2 Z. 17 — 19 streiche die Worte: „Auf eine wenig
spätere Zeit . . . auf der Höhe seiner Macht steht". S. unten
S. 470 f.
S. 30 Z. 4 statt ,an den Einfall der Magyaren ins Gebiet der
Bulgaren" lies „an den Zug der Magyaren nach der unteren Donau".
S. 30 Z. 9/10 statt „auf den Hilferuf der vom Bulgarenkan
aufs linke Donauufer verpflanzten Slawen" lies „vom Bulgaren-
fürsten Malamer gegen die einst im Jahre 813 vom Bulgarenkan
Krum aus Adrianopel und dessen Umgebung weggeschleppten und
aufs linke Donauufer verpflanzten Romäer, welche die Rückkehr
in ihre Heimat versuchten und ihm eine Niederlage beigebracht
hatten, zu Hilfe gerufen".
Anm. 2 lies: „Leon Gramm. 231, 13 — 25. Georg. Mon. ed.
Bonn. p. 818, 16 ff. ed. de Muralt p. 724, 7 ff."
Der Irrtum geht auf Geza Kuun, Relat. Hungarorum I 131
zurück, welcher wiederum hauptsächlich durch die falsche Lesart
Ol 6e fii] 6vv'r]d-ivreg nsgäCai Bovlyaqiav (statt BovXyccQOi) in
den früheren Ausgaben des Georgios Monachos (ed. Bonn. p. 818, 15)
zu seiner falschen Auffassung verleitet wurde. Gleichfalls ungenau
ist die Darstellung bei Ed. de Muralt, Essai de Chronographie
byz. I 417/18, und Lebeau - Saint -Martin, Hist. du Bas-
Empire 13, 182 SS. Die Erzählung des Georgios Monachos ist aller-
dings schlecht und mehrfach undeutlich. Sie beginnt mit der Angabe,
dass der nachmalige Kaiser Basileios der Makedonier unter der Regie-
rung des Kaisers Michael Rangabe in Makedonien in der Gegend von
Adrianopel geboren sei. Als der Bulgarenkan Krum nach dem Regie-
rungsantritt Leons des Armeniers Adrianopel eingenommen hatte
(813), schleppte er 10 000 Männer ohne die Weiber und Kinder
weg und siedelte sie jenseits der Donau an^). Unter der Regie-
rung des Kaisers Theophilos (829 — 842) war nun Kordylis Strate-
lat in Makedonien, der einen sehr tüchtigen Sohn hatte namens
Baqöaq {Wardan)-)^ den er veranlasste, anstatt seiner die jenseits
der Donau befindlichen Makedonen zu leiten 3). Er selbst aber
1) Georg. Mon. p. 817, 23 ed. Bonn, nigav rov Javovßiov, womit
Symeon mag. p. 615,21 ed. Bonn, übereinstimmt: ilg BovXyaQiav iKsi&iv
Tov "laxQov Ttota^ov] dagegen Georg. Mon. p. 724 ed. de M uralt und
Leon Gramm, p. 231, 13 ii^XQ'- ^^'^ Javovßiov, aber weiterhin MaxEdovoav
räv ovxow itiqav rov itoxa^ov Jccvovßiov. Vgl. Theoph. Chronogr.
p. 503, 5—25 ed. de Boor. Theophan. contin. V 4 p. 216, 12—218, 2.
Symeon mag. p. 612, 3—615, 21. Georg. Mon. p. 765, 12—14. Leon
Gramm, p. 207, 7. de Muralt, Essai de chronogr. byz. 1402. Jire-
cek, Gesch. der Bulgaren 146.
2) Dem Namen nach ein Armenier, wie die Eltern des Basileios.
ä) ov v.axiliTtsv ccvr' avxov Üq^^lv rav MayiiSovcov x&v övxav
niQuv rov noxaiiov Jccvovßiov. Georg. Monach. p. 724 ed. de Mural t
= p. 818,3/4 ed. Bonn. So wird das sonderbare v-axilntsv aufzufassen sein.
494 •^- Marquart,
be<yab sich zum Kaiser Theophilos und trug ihm einen Plan vor,
um die Gefangenen zu befreien. Der Kaiser gieng freudig darauf
ein und gab ihm Schiffe mit, um dieselben aufzunehmen und nach
der Hauptstadt zurückzubringen. Damals war Malamir, ein Enkel
des Krum, Fürst von Bulgarien ').
Die Deportierten fassten nun den Plan, mit Weib und Kind
nach der Romania auszureissen , und als der Bulgare Michael
gegen Thessalonich ausgezogen war, begannen sie mit ihrer Habe
überzusetzen. Auf diese Nachricht setzte der Comes über die
Donau, um sie zu bekämpfen. So zum äussersten gebracht lieferten
die „Makedonen" unter Führung des Tzantzis und Kordylis dem
Feinde ein siegreiches Treffen, in welchem sie viele töteten und
auch etliche gefangen nahmen. Da die Bulgaren nun nicht durch-
zudringen vermochten, retteten sie sich zu den Ungarn-) und
klärten sie über den Sachverhalt auf. Eben waren die kaiser-
lichen Schiffe eingetroffen, um die Gefangenen aufzunehmen, als
gleichzeitig Hunnen in unermesslicher Anzahl erschienen. Die
Griechen rüsteten sich nun trotz des Schreckens, der sie befallen,
zum Gefecht. Die Türken waren bereit, sie gegen Überlassung
ihrer ganzen Habe abziehen zu lassen, wovon die Griechen jedoch
nichts wissen wollten. So standen sie drei Tage lang dem Feinde
zum Kampfe gerüstet gegenüber; am vierten endlich begannen
sie ihre Schiffe zu besteigen, worauf die Türken alsbald den
Kampf eröffneten, der von der fünften Stunde bis zum Abend
währte und mit dem Siege der „Makedonen" endigte. Diese ver-
folgten den Feind, sobald sie aber am folgenden Tag den Abzug
bewerkstelligen wollten, erschienen die Türken abermals zum
Kampfe, wui'den indessen, dank der Tapferkeit der „Makedonen",
abgewehrt. So konnten sich diese in Ruhe einschiffen und er-
reichten glücklich die Hauptstadt, wo sie vom Kaiser Theophilos
ehrenvoll aufgenommen wurden und dann in ihre Heimat Make-
donien zurückkehrten. Basileios , der unter den Gefangenen war,
zählte damals 25 Jahre. Da er noch unter Michael Rangabe
(811 — 813) geboren war, so muss die Rückkehr um 835 erfolgt sein.
Die deportierten „Makedonen" hatten also der Erzählung
zufolge um dieselbe Zeit, als Kordylis sie zu Schiffe nach Kon-
stantinopel zurückzubringen gedachte, den Plan gefasst, sich nach
^) Bei Georgios Monachos und Leon Grammatikos wird er BaUi^sQ
{Wladimir) genannt und mit dem Vater (richtig Bruder) des Zaren
Symeon verwechselt. Die richtige Form Malomir hat Theophylaktos,
Bischof von Ochrida. Auf seinen in griechischer Sprache verfassten
Inschriften nennt sich der Fürst selbst MalainqQ. Siehe CIG. IV 8691
Z. 11. Arcbäol. - epigraphische Mittheilungen aus Osterreich- Ungarn
XIX 239 Nr. 4. 242 Nr. 8 Z. 5.
-) Georg. Monach. ed. de Muralt p. 725 und Leon. Gramm,
p. 459, 9 ed Combefis (Paris 1655, fol.): Oi Sh ^11) dvvr]d'£vT£g Tttgäacci
BovlyaQoi, (ed. Bonn. BovlyaQiav) , TtQoa£QQvi]aav (Leon 7ttQiiiQQvr\aav)
roig OvYYQOis-
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 495
dem Thema Makedonia durchzuschlagen, und gedachten zur Aus-
führung desselben die günstige Gelegenheit zu benutzen , als der
Bulgare Michael mit dem Gros des bulgarischen Heeres gegen
Thessalonich gezogen war. Wer dieser Michael war, wird uns
nicht mitgeteilt, obwohl es doch zum mindesten sehr auffällig ist,
bereits unter dem Fürsten Malamir einen Bulgaren mit christ-
lichem Namen als Heerführer zu finden. Der Erzähler hält ihn
offenbar für eine ganz bekannte Persönlichkeit, da er es nicht für
nötig findet, uns über ihn näheren Aufschluss zu geben, und man
wird daher annehmen müssen , dass er niemand anders im Auge
hatte als den späteren Kan Bogoris , den er proleptisch mit
seinem christlichen Namen Michael nennt.
Sobald der Comes aber von der Absicht der ^Makedonen"
erfuhr, setzte er über die Donau und lieferte ihnen ein Treffen.
Dieser Comes ist völlig rätselhaft. Dass er als Führer der Bul-
garen zu denken ist, ergibt der Zusammenhang, und Geza Kuun,
der p. 131 Anm. die Stelle des Georgios Monachos nach der Bonner
Ausgabe in extenso abdruckt, fügt denn auch lu 6 »coftr/g er-
läutei-nd hinzu: principis Bulgariae. Allein selbst wenn bei den
Bulgaren die Würde der comitts bestanden hätte, wovon mir aber
nichts bekannt ist, so hätte sich der Erzähler unmöglich so aus-
drücken können , wenn er nicht missverstanden werden wollte.
Das bulgarische Hauptheer war unter Führung des Prinzen Bogoris
(Michael) gegen Thessalonich gezogen, konnte sich also dem Ab-
züge der Deportierten nicht entgegenstellen. Wo blieb aber der
Kan Malamir? Offenbar ist es dieser, welcher mit den Truppen,
die er gerade zur Hand hatte , von seiner Residenz Preslaw aus
den abziehenden Griechen entgegenrückte. v.ö\xr[q muss also eine
Verderbnis für Kavvrjg sein. Auf einer Inschrift führt er selbst
den Titel Kdveg vßvyr] MalafiiJQ^).
Nachdem die Griechen den Angriff der Bulgaren siegreich
abgeschlagen hatten, wandten sich diese um Hilfe an die Ungarn,
die demnach damals nicht weit von den Donaumündungen gehaust
haben müssen. Doch gelang es den Griechen schliesslich, ihren
Abzug zu Schiffe zu bewerkstelligen.
Zu S. 31 Z. 18ff. S. 176 Z. 3—9: Darüber, dass sachlich
die .Jvjo des Gurdezi den ^J^».L3 des Ihn Rusta, Muhammad-i
'Aufi und Sukru 'lläh b. Sihäb, den .^^y\ des Bekrl entsprechen,
die c:;!^ /) GurdezT's und ^^y" des Verfassers der *JL>-( J,^>
(Anonymus Tumanskij's) aber den .cJ, j^r^ j "j^j'^ > i^i
^i5i^»l des Ibn Rusta, 'AufT, Sukru 'lläh b. Sihäb, Muhammad al
Kätib und Bekrl, kann kein Zweifel bestehen. Ich glaube aber
1) Archäol.-epigraph. Mittheilungen aus Österreich-Ungarn XIX 239
Nr. 4. Vgl. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 40 A. 1.
496 J- Marquart,
jetzt, dass in der gemeinsamen Vorlage Gurdezi's und des Ver-
fassers der ^JLäJI O. Js.5> die Namen der beiden Völker verwechselt
worden sind , so dass also die .Axi , obwohl der Beschreibung
nach mit den Alanen identisch, thatsächlich den Namen der Ap'-
chazen erhalten haben. v>.Jo ist demnach zunächst aus .iC-J Lab-
gaz = icJ Lauyaz verdorben, das für lij^i steht, indem der
Artikel mit dem Namen zusammengewachsen ist; andere Beispiele
dafür oben S. 347. Umgekehrt ^,^Oj.».>Ü^l oben S. 240, ^.,^>JUo^*^S
S. 3481, Js.a3C«^I u. a., wo das anlautende l des Fremdwortes
fälschlich als Artikel aufgefasst ist. Eine dem arabischen -i^
entsprechende Form finden wir möglicherweise auch bei Thomas
Arcruni. Dieser nennt einmal (III 13 S. 198 = 159 trad. Brosset)
das Land der Wz/f'^tuaD Äp'hazk, an einer früheren Stelle aber
(III 10 S. 175 = 144 trad. Brosset) erwähnt er nebst den
bekannten Canark' die U^t-zi-^u/i^^ Aurhazk' als ein von Grigoris,
dem Sohne des Wrt'anes bekehrtes Volk. Der Zusammenhang
weist jedoch darauf hin, dass wir dieses Volk vielmehr im öst-
lichen Kaukasus zu suchen haben. o5oyi aber ist einfach eine
Verderbnis aus yl^^' = y«'^^»-b.
Zu S. 34 A. 1 : Vgl. aber S. 472.
Zu S. 38 Z. 24 : Der Bruder dieses Georg führt den Tin-
armenischen Namen Arves W^pni-h-u . Beide sind Christen und
werden hingerichtet Job. Kath. S. 236. Moses Kaiankatvac'i er-
wähnt sie ebenfalls, bezeichnet sie aber als Heerführer der Iberer:
,In dieser Zeit wird auch der Grossfürst von Waspurakan Apu
Mrwan getötet von seinen eignen Truppen (893) '). In jenem
Jahre gieng hin, gelangte der Araber zum zweiten Mal ins Land
Armenien, und auf seinen Befehl zog der Eunuche-) vom Hofe
von Partav herauf, um nach Armenien zu gehen. Der Mann war
anmassend und gottlos: wo der Tritt seiner Füsse hinkam, ver-
wüstete und zerstörte er die Kirchen Gottes und das Zeichen
Christi, wo er es auch sah, vernichtete er zu Staub. Als er ins
Land Armenien gelangt war, ergriff der König Smbat sofort die
Flucht, und jener nahm die Festungen und die Königin samt den
Prinzessinnen und seinen Söhnen , und die Wohnorte und den
Schmuck der heiligen Gefässe und die Kreuze mit vielen Schätzen
führte er weg in Gefanorenschaft. Im selben Jahre traten ihm,
1) Vgl. Thomas Arcruni 3, 24 p. 192/93 trad. Brosset.
2) WaQlf, bei Thomas Arcruni 8, 26 p. 195 Joseph.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 497
als er einen Raubzvig nach Iberien machte, zwei tapfere Heerführer
der Iberer gegenüber, der Fürst Georg und sein Bruder Areves, aber
beide wurden von ihm grausam hingerichtet" (Mos. Kai. 3, 21 Bd. IT
G4/65 ed. Sahnazarean).
Besonders merkwürdig ist eine dritte von Intiiean über-
sehene Stelle (Jerusalem 1867 S. 162), wo es heisst: \ji-
il.tr n lunful^ a\\uilriftuiifünu y npni-tP Itl. \\nü ufünii^uhMl^jiU
^UMi np '^ 'uuMfuihiL.nj ln-fuJk W^'^k'y \S^'-"C'tlrß "^1^
uhim-uHäl^ttU „Und von da aufbrechend nach dem Gau Uti,
nimmt er (der General Bu/a) im Dorfe Tus gefangen den Step'annos,
den sie auch Kon nannten, nach dessen Vorfahr Sevuk das Volk
Sevordik' benannt wurde". Vgl. Stephan Asoiik 11 2 p. 135 trad.
Dulaurier. Dieser Step'annos führte also noch einen Doppelnamen.
Die von Johannes Katholikos an jener Stelle erzählten Ereignisse
fallen ins Jahr 302 der armenischen Ära = 853/54 n. Chr. Wir
lernen also aus ihm, dass die Sevordik' schon um die Mitte des
9. Jahrhunderts christianisiert waren. Ein anderer 8evordi namens
Salomon hatte schon vorher das Martyrium erlitten (Thomas
Arcruni III 11 S. 187 ed. Patkanean). Allerdings erwiesen sie
sich noch im Jahre 910 dem König Smbat als sehr unzuverlässige
Bundesgenossen gegen die Muslime. — S. 235 gebraucht Johannes
für „Ahnherr" das Wort <^uii- (Grossvater, avus), welches auch
„Vogel" (avis) bedeutet. Nach Simon de Keza II 1, 19 stammte
Arpads Vater Almus „de genere Turul" ; so hiess aber nach den
ungarischen Chroniken auch das Banner Attila's und der Ungarn.
turul = türk. turgaul bedeutete in altmagyarischer Sprache einen
kleinen schwarzen Jagdfalken, und dieser Vogel war nach den
ungarischen Chroniken das Banner Attila's und der Ungarn. Man
könnte daher daran denken, der Verfasser habe hier ein Wortspiel
beabsichtigt und auf diese Sage angespielt Vgl. Vämbery, Ur-
sprung der Magyaren 274. Geza Kuun, Relat. Hungar. I 180 s.
S. 39 A. 3 ist zu streichen.
S. 42 Z. 22 lies Nedaus st. Nedao. Der Text lautet nach
Mommsens Ausgabe p. 125, 15: bellumque committitur in Pannonia
iuxta flumen , cui nomen est Nedao. Der Nominativ lautete also
wohl Nedaus. Wietersheim-Dahn, Gesch. der Völker-
wanderung II 271 f denkt an die Neitra.
Zu S. 45 Z. 36 — 38: Diese Angabe ist irrig und beruht auf
Schlegel, Die chinesische Inschrift des uigurischen Denkmals
von Kara Balgassun S. 1. Die Uiguren werden zuerst unter dem
Namen Kau-kü in der Geschichte des Nordens unter der nörd-
lichen Wei-Dynastie (386 — 558) erwähnt. Ihre Vorfahren bildeten
12 Geschlechter. Vgl. Eadloff, Das Kudatku bilik des Jusuf
Marquart, Streifzüge. <i^
498 J- Marquart,
Chass - Hadschib aus Bälasagun. Teil I. Text in Transskription.
St. Petersburg 1891. Einleitung S. LXI— LXIII nach P. Hya-
kintli Bitschurin. Erst im T'ang-su werden 15 Stämme der
Hui-ho aufgezählt, deren erster Juan-ke (Schlegels Ungir) heisst.
„Die Dynastie Hui-ho hiess auch U-ho und LF-hu und zur Zeit der
Sui-Dynastie Wei-ho. Der Geschlechtsname der Hui-ho hiess Jo-
lo-ho«. Bitschurin bei Radioff a.a.O. S. LXHI b. Vgl.
Bretschneider, Mediaeval researches from eastern Asiatic sources I,
London 1888, p. 238.
Zu S. 47 Z. 2flF. 19 — 21: Aus einer Kombination der armenischen
und chinesischen Nachrichten ergibt sich jetzt, dass die Chazaren in
den Jahren 627 — 630 noch zum Reiche der Westtürken gehörten, und
dass ZiEßf]k, der zweite nach dem Chagan , bezw. Gebu-Chahl'an^
der mit Herakleios ein Bündnis abschliesst , mit T^ong Jabyu
Chagan^ dem Chagan der Westtürken (619 — 630) ^) identisch ist.
Zu S. 55 A. 2 Z. 5/6 : Die Thali des Plinius sind ein sarma-
tischer Stamm und von den Divali gänzlich zu trennen. Näheres
anderswo.
Zu S. 56 Z. 32 ff,: Siehe zu S. 15 Z. 33 ff.
Zu S. 58 Z. 8 und A. 2 s. zu S. 16 Z. 22 f.
Zu S. 59 Z. 32ff. : Tarsia hat sicher mit Taräz nichts zu thun,
sondern hängt irgendwie mit den in Hochasien weit verbreiteten
Nestorianern (pers. Lav.j, pahl. tarsäk) zusammen. Der taoistische
Mönch C'ang C'un traf im Jahre 1221 in der Stadt Lun-t'ai west-
lich von Bie-sz -7)ia (Bisbalyq , Peh-t'ing) , also im üigurenreich
das Oberhaupt der Tie-sie (Tarsä, Nestorianer), und der Armenier
Haithon (Anfang des vierzehnten Jahrhunderts) wendet in seiner
Beschreibung der östlichen Königreiche die Bezeichnung Tarse
auf das Reich der Jogur (Uiguren) an. Johannes de Piano Car-
pini (1246) bezeichnet die Uiguren {Huiu7'i) als Nestorianer, wo-
gegen Wilhelm de Rubruck die Jugures für Götzendiener erklärt,
aber hervorhebt, dass es in all ihren Städten auch Nestorianer
und Muslime gebe. Vgl. Bretschneider, Mediaeval researches
from Eastern Asiatic sources I QQ und n. 160, 261 — 263. Nesto-
rianer sind nachgewiesen in Pispek und Tokmak im Reiche des
Gu^i, in Almalik (Ili balyq), Jai'kand und Gam balyq (westlich
von Bisbalyq). Vgl. B o n i n , Journ. as. mais-juin 1900 p. 584 — 592.
Nach B 0 n i n bildeten Guci (Tokmak) , Gambalyq und Jarkand
Suffraganbistümer, die am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahr-
hunderts vom Metropolitan von Käs;'ar abhängig waren. Ferner
gab es Nestorianer in Kan-ööu und Ning-hia in Tangut, und
^) Über das Todesjahr des T'ong Jabyu Chagan vgl. vorläufig
E. Chavannes, Journ. as. nov.-dec. 1901 p. 554 s.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 499
nach Marco Polo in Sa-ööu, Suh-6öu und Si-ning-fu. Vermutlich
ist aber mit Tarsia bei den ungarischen Chronisten speziell das
Reich des sagenhaften Presbyters Johannes gemeint. Unter diesem
Fürsten hätten wir nach Bart hold eigentlich den nestoi'ianischen
Chan der Keraiten zu verstehen, der aber mit dem Gurchän der
Qytai Je-lüh Ta-sih, dem Besieger des Selgukensultans Sangar
zusammengeworfen wäre^). An Tarsia schliesst sich dann östlich
das Land der Mongolen an. Mit regnum /or-ianorum ist dagegen
das Uigurenreich von Bisbalyq (Turfan und Urumtsi) gemeint.
Damit wird es aber zugleich wahrscheinlich, dass auch der Fluss
Togora oder Thogata (Wiener Bilderchronik) viel weiter im Osten
gesucht werden muss, in welchem Falle die zweite Lesart den
Vorzug verdient. Es ist dann nämlich kaum ein anderer als der
L'tisch gemeint, der nach Paul Hünfalvy's Zeugnis noch
heute von den anwohnenden Wogulen und Ostjaken Tagat, Tangat,
Taut genannt wird ^) , wie man auch die Landschaft Yrcania,
nach der sich der Fluss vor seiner Mündung ins Nordmeer wendet,
erklären möge. Rubruck erwähnt eine Landschaft Organum
westlich von den üiguren, womit Almalik am Ui gemeint ist,
indem jener Name, wie Henry Yule gezeigt hat, auf einer Ver-
wechslung des Landes mit der Fürstin Organa, der in Almalik
residierenden Witwe Hulagus beruht. Vgl. Bretschneider
1. 1. I 114 n. 285. Am wahrscheinlichsten ist aber mit Yrcania
das Land Jugra gemeint, so dass man auch nicht zu der oben
(S. 339 und A. 6) nachgewiesenen Vermischung des Irtisch mit
dem ins hyrkanische Meer mündenden Jajyk seine Zuflucht zu
nehmen braucht.
Zu S. 66 A. 2 erster Absatz: siehe jetzt S. 241—243.
Zum zweiten Absatz Z. 6 ff. schreibt mir Prof. Konstantin
Jireßek: „Der Zusammenhang zwischen ^qayyo%coQiov, Francavilla
mit den Franken des karolingischen Zeitalters wird fraglich.
J. Jung, Mitth. des Inst. f. österr. Gesch. XIX (1898) 388-389
verweist auf Chron. Tolosanum über die Emigration der Mailänder
nach der Katastrophe von Mailand 1162, die nach Ungarn zogen
und dort „in comitatu Colocensium" eine villa Francavilla mit
einer St. Ambrosiuskirche gründeten".
Zu S. 70 Z. 17 f. schreibt mir Prof. Jireöek: „Baron Rosen
in der Ausgabe des Jahjä von Antiochia (Zapiski der Petersburger
Akad. 44, Beil. 1, St. Petersburg 1883) S. 108—109 verlegt
diesen Krieg nach Asien, in die Kaukasusländer, gegen Chwolson,
Ibn Dasta 49, der ihn nach Europa versetzte. Gherghel,
Revista pentru istorie 1893 (cf. Bv^avv. xqoviku = Viz. Vremennik
1) Zur Geschichte des Christentums in Mittel-Asien bis zur mon-
golischen Eroberung, übs. von R. Stube, Tübingen und Freiburg.
1901 S. 55—57.
2) G^za Kuuu, Relat. Hungarorum cum gent. Orient. II 121. 131.
32*
5QQ J. Marquart,
II 299) sucht Walandar in der Landschaft von Cherson. 8 Tage-
reisen von Konstantinopel könnten schon auf ^eßelxog passen. —
Steckt in Walandar nicht vielleicht ein bulgarischer (ur-
bulgarischer, nicht slawischer) Name? Wir wissen jetzt, dass
Anchialos bulgarisch Tutchon hiess , aus der altslawischen Über-
setzung der Chronik des Symeon des Logotheten, Vizantijskij
Vremennik 11 114, Thochun neben „Nezembur" (Mesembria) in
einer ungarischen Urkunde 1367. Es konnte Jsßelrog ja auch
einen solchen Namen haben".
Diese Auffassung ist gewiss die natürlichste, zumal der Name
entschieden ein hunnisch -türkisches Gepräge trägt. Vgl. die Stamm-
namen OvvvoyovvSovQOi BovXyaQOi Theoph. Nikephor. p. 24 , 10 ;
ZaßevösQ Theophyl. Sim. 7, 8, 17; ^O^X^, Stadt der Chazaren auf
der Westseite des Kaspischen Meeres, arm. Wu^^q-n- lies \]«^'i#^fi-
Smendr aus *Sumundur Ps. Mos. Chor. Geogr. p. 27, 16 ed. Soukry,
ursprünglich Name eines Chazarenstammes Bai. IIa, 18 (unter
'O-^män); vgl. die IJaficcvdQEtg in der Liste der Völker Gog und
Mawog in der Version B des Alexanderromans III 29 p. 142 b
ed. Müller; \ouMii^n.nL.nß Chailendurk^ Name der nordkau-
kasischen Hunnen bei Eiise wardapet; ^OJ^J^\ ^^^=^ (v. 1. ^lXaj^Ü)
in der Nähe von Balangar Ibn al A^Ir V a^ a. 104 (sehr un-
sicher). Auch ysfvJb Balangar ist ursprünglich der Name einer
Hunnenhorde (s. o. S. 16). Sollte Walandar vielleicht gar den
Namen der Unugundur -Bulgaren bewahrt haben? Vgl. die Formen
\\„l^njti.n ^m-qjiuMft Wlmdur BulkciT bei Ps. Mos. Chor. II 6
S. 75, OMiontor Blkar Ps. Mos. Geogr. S. 25 ed. Soukry
(oben S. 57). [Doch siehe auch unten.]
Zu S. 74 Z. 35 ff. : Der Zweck dieses Aufsatzes ist, wie man
sieht, für die Kritik des fraglichen Berichtes zunächst einen festen
Orientierungspunkt zu gewinnen und vor allem das Ziel, die
chinesische ^Hauptstadt Sandäbil festzulegen. Im einzelnen haben
mich aber meine Untersuchungen inzwischen natürlich über diesen
Anlauf hinausgeführt, und so sind mehrere der im folgenden vor-
getragenen Kombinationen durch eine inzwischen angestellte ein-
gehende Untersuchung über den Ursprung der Boyrachane nicht
unwesentlich ergänzt und modifiziert worden. Um dieser nicht
vorzugreifen, seien hier nur folgende Verbesserungen angemerkt.
S. 77 Z. 2 4 lies: „Im 10. Jahrhundert führte diesen Namen
ein Ort eine halbe Stunde von Taräz (Talas) Moq. Uf, 16. Der
Stamm selbst sass damals nach GurdezI östlich von Nawekat auf
der Nord- und Südseite des Isikköl", statt „Der gleichnamige
Vorort war eine Stadt in geringer Entfernung von Taraz (Talas)
Moq. Uf, 16."
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 501
S. 77 Z. 10 lies: „Später residierte derselbe in der Stadt
Baläsayün am Cui" statt „Es war die Stadt Balä,sayün am Cui''.
Zu S. 77 Z. 14 — 17: Satoq (so 1.) Boyräcliän war der erste
der Boj'rachane, welcher den Islam annahm und denselben mit
Gewalt in seinem Gebiete einführte.
S. 78 Z. 17 ff.: Mit Tübät ist hier das Gebiet von Chotan
gemeint.
S. 79 Z. 10 lies „vielleicht" statt „unzweifelhaft".
Zu S. 80 Z. 2—3 : s. S. 339 und A. 6.
Zu S. 80 Z. 17: Die Angaben der Zeit, welche der Reisende
zur Durchquerung der einzelnen Stämme gebraucht haben soll*
haben nicht den mindesten Wert, und es ist daher jedweder daher
entnommene Schluss auf die Lage der Wohnsitze der Toyuzyuz
unerlaubt.
S. 80 Z. 27—32 streiche die Worte „Wir können" bis
„zu gross".
S. 81 : Die Sätze Z. 18—20 und Z. 22—26 sind zu streichen.
S. 81 Z. 28 — 29 streiche die Worte „deren Residenzstadt
nach IdrlsT II 411 .jL».c. war".
S. 82 letzte Zeile bis 83 Z. 1 ist missverständlich. Lies: „da
sich , wie schon von Schlözer bemerkt , in den nördlichen
Ländern nur Moschus von schlechtei'er Qualität findet".
S. 83 Z. 26 ist hinter „selbstverständlich kann er" aus-
gefallen „wenn er überhaupt die Reise gemacht hat".
Zu S. 85 Z. 31 fl. : [Über die Lage von Jü-mön kwun in den
verschiedenen Perioden der chinesischen Geschichte und der an
demselben angelegten Befestigungen s. E. Chavannes, Dix in-
scriptions chinoises de l'Asie centrale d'aprfes les estampages de
M. Ch. R. Bonin p. 67 n 2. Extrait des Mem. presentes par
divers savants a l'Acad. des Inscr. et Belles-Lettres P® Ser. t. XI,
IP partie. Paris 1902.] Zur Zeit Hüan-6uangs lag die Nephritpforte
nach dessen Lebensbeschreibung nördlich von Kwa-6öu (in der
Gegend von Sa-^öu): „A cinquante li d'ici, en marchant vers le
nord, on rencontre la riviöre Hou-lou dont le cours inferieur est
large et le cours superieur trös - resserre. Ses flots tournoient
constamment et roulent avec une teile impetuosite qu'on ne peut
la passer en bateau. C'est prös de la partie la plus large qu'on
a etabli la barrifere Yu-men-kouan, par laquelle on est oblige de
passer , et qui est la clef des frontiferes de l'ouest. Au nord-
ouest , en dehors de cette barrifere , il y a cinq tours ä signaux
oü demeurent leurs gardiens ch arges d'observer. Elles sont
eloignees l'une de l'autre de cent li (dix lieues). Dans l'intervalle
502 J- Marquart,
qui les separe , il n'y a ni eau ni herbages. En dehors de ces
cinq tours s'etendent le desert de Mo-kia-yen et les frontiferes
du royaume d^I-''gou'^. Hoei-li, Vie et voyages de Hlouen-thsang
trad. Stan. Julien p. 17. Vgl. die Beschreibung der Reise ibid.
p. 18 — 30. Ähnliche Wachttürme hat Bon in jüngst in der Wüste
westlich von Sa-^öu aufgefunden. Siehe seinen Reisebericht
(Voyage de Pekin au Turkestan russe) in La Greographie. Bull,
de la Soc. de Geographie, Paris 1901, III Nr. 3 p. 172—173.
S. 90 Z. 19 — 22: Ich glaube jetzt, dass in ^3}-^ einfach der
Name der bürgerlichen Stadt von Cang-'an steckt, welche in
der syrisch-nestorianischen Inschrift von Si-ngan-fu Sarag heisst,
im Gegensatz zu der kaiserlich en Stadt Chumdän. Wir haben
dann mit geringer Änderung \^ X^ = ZlrjQtvirj zu lesen. Jene beiden
Stadtteile sind wahrscheinlich auch mit Theophylakts Tavyaar und
Xovfiaödv gemeint. S. mein Eränsahr S. 317.
S. 90 Z. 26 lies „10 X 10 Pars." statt ,10 Par. im Geviert".
S. 90 A. 5 Z. 4 lies ,12 X 12 Pars." statt „12 Par. im
Geviert " .
Zu S. 91 Z. 7: Die Dinäwar-Sekte glaube ich jetzt schon bei
Hüan-^uang angedeutet zu finden. In der Beschreibung Persiens
heisst es bei diesem (Mem. II 179): „II y a un gi-and nombre de
temples des dieux; Ti'-na-p'o est le dieu qu'adorent les heretiques " .
Die Ketzer (Zindiqe) sind die Manichäer, also wird Ti-na-p'o jeden-
falls mit Dinäwar zusammenhängen.
S. 91 Z. 14 lies „in eine Festung" statt „in die Festung
S. 93 Z. 5 V. u. lies „aufgehellt" st. „aufgestellt".
S. 112 Z. 1 — 3 lies: Die Angabe des Mas'üdl II i , dass die
Frauen der im Chazareni-eiche wohnenden Slawen und Russen
lebendig mit ihren verstorbenen Männern verbrannt werden,
ist auf die Russen zu beschränken, unterliegt aber auch in dieser
Form begründetem Zweifel. Wie nämlich der Augenzeuge Ibn
Fadlän ausdrücklich versichert, wurden bei der Bestattung eines
vornehmen Russen die Mädchen, welche sich bereit erklärten ihi*em
verstorbenen Herrn ins Jenseits zu folgen, vor der feierlichen Ver-
brennung geschlachtet. Die Quelle des Ibn Rusta |f1, 22 — ifv, 3
und Gurdezi (S. 101, 9 — 12) erzählt dagegen von einer anderen
Bestattungsweise , bei welcher die Frau mit ihrem verstorbenen
Manne in einem gemauerten Grabgewölbe lebendig eingemauert
wurde. Es scheint daher, dass Mas'üdl diese beiden Bestattungs-
weisen der Russen vermengt hat.
S. 121 A. 1 Z. 14 lies avri^e'krixovq statt a.ry]^i£Xy]xovg.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 503
Zu S. 143 A. 1 Z. 9: jj^^jo! ist in jj«.xJCi^! princeps, byz.
TtQiyKiip zu verbessern, wovon TtgiyKiTtärov Konstantin. Poii^hyrog.
de administr. imp. c. 27 p. 118, 11. 120, 24.
S. 152 Z. 14 lies ,11 15" statt „III 18".
Zu S. 155 Z. 5 — 9: Die schwarzen Bulgaren werden in der
russischen Chronik noch im Vertrage von 944 erwähnt (c. 27 p. 39
trad. Leger). Der auf sie bezügliche Artikel lautet: , Quant aux
Bulgares noirs qui viennent ravager la Khersonfese, nous invitons
le prince de Russie ä ne pas leur permettre de faire tort ä cette
contree." Daraus ergibt sich, dass der Ausdruck i] fxavQr} Xeyofievr}
BovXyaqui bei Konstantin dem Purpurgebornen (de administr. imp.
c. 12 p. 81, 3. 42 p. 180, 12) kein bloss geographischer Begriff ist
und Mas'üdT und Chisdai sehr wohl von den Schwarz - Bulgaren
Kunde haben konnten. Eine andere Frage ist freilich, ob
Mas'üdi bei seinen i j an der Maiotis und gar (der angebliche)
Chisdai bei seinen 'iNabn wirklich an die Schwarz-Bulgaren gedacht
haben. Allein diese Bulgaren wohnten nicht im Kubangebiet,
wie Westberg (Die Fragmente des Toparcha Goticus aus dem
10. Jahrh. S. 99—108. Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg VHP Ser.
Tome V Nr. 2. St. Petersburg 1901) richtig nachweist, sondern im
Steppengebiet vom Don bis etwa zum Dnjepr. Damit lässt sich
die Ausdrucksweise des Konstantin Porphyrog. de administr. imp.
c. 42 p. 180, 10 — 18 sehr gut vereinigen : n^hq xo aq^zwov avrfjg
(rrig MaicortÖog) fiEQOg 6 JdvanQig TCora^og, i'i, ov Kai ot Pag
diiQlovxca itqög re xrjv ixavQy]v BovXyaqiav %ul Xa^aQiav Kai EvQiav.
Die nächstliegende Auffassung dieser Stelle ist doch die, dass
Schwarzbulgarien zwischen dem Dnjepr und dem Chazarenlande
lag. Es deckt sich also teilweise mit dem alten Gebiete der
KovrovqyovQOL oder KöxQayoi westlich vom Tanais (Theophan.
p. 357, 21 — 23. Nikephoros ißx. övvx. p. 33. Prokop. de hello
Goth. IV 5 p. 475, 19 bis 476, 12. 478, 10 ff.), während die TtccXatu
BovXyciQLu oder Grossbulgarien des Theophanes und Nikephoros
(auch bei Ps. Mos. Chor. Geogr. ed. Soukry p. 25, 22) den Sitzen
der Uturguren östlich von der Maiotis entspricht. Dazu stimmt
sehr hübsch , dass in der Völkerliste der sogenannten Kirchen-
geschichte des Zacharias Rhetor (oben S. 356 A. 1) Burgar und
Kurturgur ebenso zusammenstehen, wie bei Prokopios OvxovqyovQOL
und KovxovqyovQOL^ so dass sich also die Gleichungen ergeben:
Burgar = Ovxovqyovqoi = Bulp'ark' = Alt- oder Gross-
bulgarien,
Kurturgur == KovxovQyovQOi ^= Schwarzbulgarien.
Von erstem weiss aber die Stammsage bei Theophanes und Nike-
phoros nichts mehr, sondern betrachtet auch die Bewohner Alt-
bulgariens als Kuturguren (KoxQayoi). Sie steht indessen mehrfach
504 J- Marquart,
mit sieb, selbst im Widerspruch: so nimmt sie irrtümlich an, dass
noch unter Kobrat, dem Zeitgenossen des Kaisers Herakleios, den
sie als Herrn der Kotragen bezeichnet, der Herrschaftssitz in jenem
Altbulgarien am Kuban gewesen sei, und doch heisst es dann, dass
erst Kotragos, der zweite Sohn des Kobrat, den Tanais überschritten
und westlich von diesem Strome die zweite der fünf Abteilungen
der Bulgaren d. h. eben die KotQayoc begründet habe, während
doch schon Prokopios lange vor Kobrat die Trennung der Hunnen
in Kuturguren und Uturguren kennt.
Allein nach der Rückkehr der Kuturguren aus dem Romäer-
reiche im Herbste 558 zerfleischten sich die beiden Bruderstämme
durch fortwährende Raubzüge, bis sie sich gegenseitig fast auf-
gerieben hatten, so dass sie, wie Agathias am Schlüsse seiner
Geschichte sagt , sogar ihren angestammten Beinamen verloren.
„Denn in einen solchen Grad des Unglücks gerieten diese hun-
nischen Völker, dass sie, wenn allenfalls auch ein Teil von ihnen
übrig geblieben ist, zerstreut andern dienen und den Namen jener
eingetauscht haben. Allein die vollständige Zerstörung und Ver-
nichtung dieser beiden Stämme trug sich später zu" (Agath. V 25
p. 392, 2 — 15 ed. Dindoi-f). Agathias spielt hier auf die bald
nachher erfolgte Unterwerfung der Uturguren und Kuturguren
durch die Pseudawaren und die nicht viel spätere Überwältigung
der Uturguren durch die Türken an. Schon in den Kämpfen
der Awaren gegen die Anten, welche zwischen 558 und 562
fallen müssen, finden wir den Kuturgurenhäuptling (6 Kor^ayriyog
inetvog d. i. wahrscheinlich Zabergan) als Vasallen des Awaren-
chagans (Menander Prot. fr. 6), und im Jahre 568 lässt dieser
als jetziger Souverän der Kutriguren und Utiguren vom Kaiser
Justin n. die Jahrgelder fordern, welche Justinian diesen beiden
Völkern zu zahlen pflegte (Men. Prot. fr. 28 p. 63, 2—4. 20—23).
Freilich kommt der Name der Kuturguren dann nochmals im
J. 598 vor. Damals erschien eine 10 000 Mann starke Horde von
Kuturguren (KoT^ay^iQOi), Tarniach und Zabender- Hunnen, vor den
Türken fliehend, in Europa und trat in die Dienste des Awaren-
chagans (Theophyl. Sim. 7, 8, 16). Aber die Uturguren {OvxC-
yovQOi) waren im Jahre 576, ebenso wie die ihnen benachbarten
Alanen, den Türken d. i. den Westtürken unterworfen, wie sieh
zur Genüge daraus ergibt, dass diese noch im nämlichen Jahre
Bosporos belagern und erobern (Men. Prot. fr. 43 p. 89, 27 ff", fr. 45).
Der General Anagai, welcher schon vorher mit einer türkischen
Streitmacht daselbst lagerte, war also in der That Fürst der
Utiguren (og tviqdxet. xov cpvXov rCov Ovxiyovqoiv Men. Prot. fr. 43
p. 85, 17) und nicht etwa der zwischen Wolga und Kuma (Kcocpfjv)
wohnenden OvyovQOt, welche schon im Jahre 569 70 dem Türken-
chagan Silzibul {iSir Jabgu, Zxsiißiö-yjxyav) gehorchten (Men.
Prot. fr. 21 p. 55, 1 ff., vgl. oben S. 32 A. 1). Der Bericht über
die Unterwerfung der Utiguren hat sich nicht erhalten, dagegen
Osteuropäische und ostasiatisehe Streifzüge. 505
erfahren wir, dass die nördlich von den Utiguren sitzenden cpvla
Tcöv OvviyovQCov d. h. die Unuguren (Magyaren) gleich den Alanen
erst in der Zwischenzeit nach einem ernsten Waftengang den
Türken erlegen waren; fi-. 43 p. 87, 30 ff. [berichtigter Te'xt in:
Excerpta de legationibus ed. C. de Boor, Berlin 1903, p. 206,
14 — 19: iacc&Qrjöcae, n öelkaiot, xu 'AXavinu 'd&vt], tri ye (irjv y.ccl
XU cpvlu xüv OvviyovQcov, Ol ye inl noXv d'aQQcdeoi xe xivsg
ovTsg neu xy oixeta nlavvoi övvä^et avrexu^avro (xev reo cc'/.uxa-
f.ici'/^^^xa xcbv TovQZCov, ov% aitcovavxo öe xav ikTttdav. xavxr] xoi
'Kai VTtccxovovaiv i)^tv, ymI iv (loiQa Ka&s6trlKa6t öovXov.
Von dieser Zeit an ist in der That der Name der Uturguren
bezw. Bulgaren an der Ostseite der Maiotis verschollen , ja schon
Jordanes Get. c. 5 § 36 — 37 berücksichtigt die Uturguren nicht
mehr, und Ps. Mos. Chor. Geogr. S. 25 (ob. S. 57) nur aus älterer
Quelle. Eine dritte GrujDpe von Bulgaren haben wir oben kennen
gelernt, die Burcjäre des sog. Zacharias Rhetor, welche innen -
wärts von den Pforten d. h. nördlich von Darband gewohnt haben
müssen, aber mit Sicherheit nicht über das zweite Drittel des
6. Jahrhunderts hinab verfolgt werden können: sie waren von den
Chazaren unterworfen worden und hatten ihren Volksnamen ver-
loren. Man wird sich daher ernstlich fragen müssen, ob nicht auch
I:iajan {Baiavoq) oder Bäg-Bajan (Baxßcaäv Theoph. p. 357, 19.
358, 9 lies Bayßaiccv), der angebliche älteste Sohn Kobrats, der in
Altbulgarien zurückgeblieben und nachher von den Chazaren unter-
worfen worden war, eher ans Ende des 6. Jahrhunderts als, wie
die Legende bei Theophanes und NikejDhoros will, in die Zeit
Konstantins IV. (668 — 685) gehört. Auch die vom vierten Sohne
des Kobrat abgeleitete Bulgarenhorde in Pannonien war ja that-
sächlich bereits im Jahre 568 daselbst angesiedelt (Men. Prot,
fr. 27 bei Müller, FHG. IV 233). Jedenfalls lässt schon der
Geograph von Ravenna das Reich Chazaria bis zum Cuphis reichen.
Dagegen kann ich die übrigen Anstösse, die Westberg im
Berichte des Theophanes (und Nikephoros) findet, nicht für be-
gründet halten, selbst wenn dieser die NeKQÖTtvlu d. i. das Tote Meer
westlich von Perekop mit der Strasse von Jeni-Kale, die nach
Ansicht der Alten öfters zufror (o. S. 341), zusammengeworfen hat.
Jedenfalls folgt daraus noch keine Verwechslung des Kovcpi-g (Kuban)
mit dem Kovcpig Konstantins (de administr. imp. c. 42 p. 179, 15).
Es ist hier für 6 Kovcpig %al 6 Boyov gewiss zu lesen 6 Kovcpig
6 'Aal Boyov, m. a. W. Kovcpig, c. 38 p. 171, 10 Kovßov ist ein
anderer Name des Boyov (Bug), und verhält sich zu "JOitavig, wie
hunnisch War, peßenegisch Bagov^ '• BoQv6d'£V7]g.
Schwierigkeit macht allein die nähere Bestimmung des Ver-
hältnisses zwischen den Kuturguren (KoxQayoi) und den Unugmidur-
Bulgaren des Asparuch (Isperich) , die sich von jenen abgezweigt
haben sollen. Thatsache ist, dass die Raubzüge ins Romäerreich
während der beiden ersten Drittel des sechsten Jahrhunderts
506 J- Marquart,
zumeist von den Kuturguren ausgegangen sind, die daher bei
Jordanes schlechtweg als Bulgares auftreten i), deren Name aber
mit dem Ende des Jahrhunderts verschwindet, wofür um 635 der
Name Unugundur - Bulgaren auftritt. Vermutlich war ^ÖQyuvag,
der Vetter des Unugundurfürsten Kobrat (Nikephor. lGx. Ovvr.
p. 24, 9), Häuptling der Kuturguren. Die Sage wusste aber das
ehemalige Unterthanenverhältnis der Unugundur-Horde gegenüber
den Kutuguren nicht anders zum Ausdruck zu bringen als da-
durch, dass sie Asparuch zum jüngeren Bruder des Kotrag machte.
Zu S. 161 A. 1: Ibn Rusta sagt von den Chazaren (if., 4/5):
Kä^ jLi" ^ üli'LiL^J! C>5i*" r^-5 ^ Gurdezi 95, 3/4: ^.,L^jt^
und von den Burdas ((f., 19 — 20): K^yLiL^J!;, XjCJLj ^c .^^^xj^
= GurdezT 96, 22 : .^LjIxJLj , .,1.^j5 «AU^Lj u>.äÄL5C^ nJUw \^$'^
. LaJ'U^... Da nvm auch Konstantinos Porphyrog. de admin. imp.
c. 37 p. 164, 8 flF. berichtet, dass die Pecenegen von den Ghuzen
im Bunde mit den Chazaren aus ihren alten Sitzen am Jajyq ver-
trieben wurden, womit Mas'üdi, Kitäb at tanbih IaI, 1 — 2 überein-
stimmt (s. 0. S. 63 und A. 3), so hat Gurdezi 95, 10 gegenüber
BekrT (42, 17) das Richtige bewahrt = ..^^ijj x^i' IJL:f\.i! j^.oi*J
Dieselbe Phrase gebraucht Ibn Rusta Ifl, 18 (vgl. GurdezT
97, 22/23) von den Bulgär mit Beziehung auf die Burdas.
S. 162 Z. 26 lies „100 X 100 Pars." statt „100 Pars, im
Geviert".
Zu S. 162 Z. 32/33: Ker£ heisst altrussisch Korceiv, das nach
Westberg, Die Fragmente des Toparcha Goticus aus dem
10. Jahrhundert S. 92 (Mem. de l'Academie de St. Petersbourg
VllJe Ser. t. V Nr. 2, 1901) zum letztenmal auf einer Inschrift
von 1068 vorkommt. Westberg führt noch eine griechische
Form KoQL^og an, ohne indessen anzugeben, wo dieselbe vorkommt,
sowie eine persische -S Karz in der noch unedierten, von
Tumanskij entdeckten persischen Geographie (Beiträge zur
Klärung orientalischer Quellen über Osteuropa S. 214. 804).
Beide sind indessen für mich unkontrollierbar.
In einer brieflichen Mitteilung vom 22. Nov. 1901 a. St.
1) Jordan. Get. c. 5 § 37 : ultra quos (Acatziros) distendunt supra
mare Ponticum Bulgarum sedes, quos notissimos peccatorum
nostrorum mala fecerunt.
Osteuropäische uud ostasiatische Streifzüge. 507
bemerkt er: „ßruun in seinem Werke ^epHOMOpLe, Teil II,
1880, S. 311/12 sagt, dass Wassiljewskij auf das Kloster ttjv
KvQL^ov, befindlich im taurischen Chazarien aufmerkam gemacht
habe. Dieses Kloster werde zu Ende des XIV. Jahrh. in den Acta
Patriarchat. Constant. II, 249. 258 erwähnt. Dies KvQitog werde
als die griechische Namensform für Kertsch in Anspruch genommen.
— Bei Abulfeda kommt die Form Krs vor" [iji^XJl p. \"\", nt des
Textes = I 40. 321 der Übers.]. In einer früheren Mitteilung
vom 15. April 1900 verwies er auf [Harkavy], Kussische Revue
herausg. von C. Röttger,7I.Band, St. Petersburg, S. 94: . . „Kertsch,
Kopgeßt, ^eroxtov tov Koql^ov, wie ein Kloster bei Kertsch heisst,
nach Hrn. Kuniks Mittheilung auszusprechen". Ferner Kuniks
unveröffentlicht gebliebene deutsche Excurse zu al Bekri S. 177:
„Die heutige Benennung des alten Panticapaeum hat, wenn ich
mich nicht irre, zuerst Tomaschek abgeleitet von dem Namen des
(isToxiov tov KoQitov. Kaiser Constantin und andere Byzantiner
nennen die Stadt gewöhnlich nur BoGTtoQog" . Tomasch eks
Schrift über die Goten in Taurien ist mir leider nicht zugänglich.
Zu S. 163 Z. 23: TstQc^irca kann, wie Tomaschek aus-
führt (Anz. f. deutsches Altertum 23, 1897, 126), nur vom gr. te-
TQa'^og , vierfach" abgeleitet werden.
Zu S. 169 Z. 5 ff.: Wachust, Description geographique de la
Georgie trad. par M. Brosset p. 427/29 sagt über Owset'i: „La
contree ä l'O. de l'Aragwi, ou Lomec, aujourd'hui Terg, qui sort
du Khewi, dans l'Interieur du Caucase est le Dwaleth. . . . Sous
le roi Pharnawaz, le Dzourdzouc et le Dwaleth tomb&rent aux mains
de ce prince, et les autres vallees resterent aux rois des Osses.
. . . Le Dwaleth lui-meme est divise en vallees qui s'appellent:
vallee de Casra, Zramaga, Jghele, Nara, Zrogo, Zakha; Celles qui
restferent aux rois osses s'appellent Tchim, Thagaour, Kourthaoul,
Walagir, Phaikhom, Digor et Basian, noms tires de certains bourgs,
ou plutöt des Osses qui y sont entres, lesquels, aprös l'expedition
de Tchingiz, furent ruines et ravages par Bato-Qaen. Mais les
Osses, refugies dans les montagnes, donnferent leurs noms aux
vallees, ainsi que le prouvent ceux des familles. Gar les plus
distingues sont les Osses, dont les familles sont : Badelidze, Tcher-
kesidze, Thagaour, Sidamo et Dchakhilidze. Aprfes le ravage de
rOwseth et la fuite des Osses dans le Caucase, l'Owseth fut
appele Tcherkez et Qabarda, et ceux qui penetrerent dans le
Caucase le nommferent Owseth". Später p. 437 berichtet er dann
über ihre gesellschaftliche Gliederung: „Tis connaissent la noblesse.
Les plus distingues chez eux sont les Osses, qui se divisent en
familles, dont les premieres sont: les Sidamon , les Dchakhilidze,
les Thagaours, les Kourthaouls, les Badelidze, les Tcherkesidze,
les Basians. . . . Les Dwals sont les moins nobles des Osses".
Badelize und Cerkezize heissen die beiden Thäler, in welche die
508 J- Marquart,
Landschaft Digox- zerfällt , die sich vom Kaukasus von Raga bis
Cerkez erstreckt (p. 451), es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass
jene beiden Namen ursprünglich fremde (Serkessische) Fürsten-
familien bezeichnen , die in jene Thäler eingedrungen waren und
die dortigen Osseten unterworfen hatten , und demnach ver-
hältnismässig jungen Ursprungs sind. Ein Gleiches gilt von
den Sidamon, von denen Wachust p. 441 sagt: „au confiuent
de la riviere de Kist, au pied d'une haute montagne ä l'O. de
l'Ai-agwi, est Tchim, grand bourg avec des tours, habite par des
Osses Sidamons, dont les chefs actuels professent le mahometisme
parce^qu'ils vont ä Tcherkez, mais sans savoir de quoi il s'agit".
Die Gachüize w^ill Brosset (Hist. de la Georgie I 158 n. 3) in
der Familie C'arconize-Oarchilan wiedererkennen, die in der In-
schrift der Kirche von Nuzala im Dorfe Nara im ossetischen Thaie
Kasara erwähnt wird. Diese Inschrift enthält Aufschlüsse über
die Familie des Bagat'ar, welches die der C'ar^onize - Garchilan
war, und über seine acht Brüder. Im Unterschiede von den an-
geführten Namen, die eigentlich nur herrschenden Familien zu-
kommen, werden T'agauri, K'urt'-aul und Basiani auch als Land-
schaftsnamen gebraucht.
S. 172 Z. 3 V. u. lies „Panzer" st. „Helm".
Zu S. 174/75 A. 4 Z. 3/4: Die richtige Lesart ist ^.^'^\. Der
hier gemeinte Ort heisst bei Bai. üv, 1 ^j. Weiteres darüber
in meiner historischen Ethnologie des Daghestan.
Zu S. 176 Z. 3—9: s. zu S. 31 Z. 18 ff.
Zu S. 187 A. 2: Die Stelle findet sich bei Uchtanes II 18
vol. II 35 der Ausgabe von Waiarsapat und in der (fehlerhaften)
Übersetzung Brossets p. 296/97; vgl. eb. p. 219—223.
S. 188 Z. 13 streiche die Worte „immer noch" und vgl.
S. 410—412. 421 — 422. Es ist zu betonen, dass Tifiis die von
unserem Bericht vorausgesetzte Bedeutung nur unter dem Usur-
pator und Statthalter Ishäq b. Ismä'il besass , aber weder vorher
noch später nach seiner Zerstörung durch Buya. Seine hohe Blüte
als Handelsstadt und seineu Luxus in jener Glanzperiode schildert
Thoma Arcruni III 9 p. 173 = 141 trad. Brosset. Vorher_ war
immer Bard^a'a (Partav) die Hauptstadt der vier Provinzen Adar-
baigän, Armenien, Albanien und Iberien gewesen.
Zu S. 189 Z. 20. 198 Z. 20. 200 Z. 16 ff. 471 Z. 5/4 v. u.:
Es muss übrigens daran erinnert werden, dass auch die — gra-
phisch freilich ferner liegende — Möglichkeit vorliegt, dass die
Schreibungen ^^ajI», .i>.^Jt3 bezw. v^xäjI^ Entstellungen aus
ajIo *Dünabr = JdvaTtQig sein könnten, in welchem Falle sich
die Vermutung von selbst aufdrängen würde, dass Mas'üdi's ^jJJS
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 509
(S. 145) gkichfalls auf _^JjJl zurückgehen und Kyjew bezeichnen
werde. Vgl. das altnordische Danparstadir in der Heryararsaga
S 269, 12. 348, 20 und Atlakvida Str. 5 (E. Heinzel, Über die
Hervararsaga. SBWA. Bd. 114, 1887, S. 456. 463. 471. 473 ff.).
— Am besten gefällt mir aber jetzt eine andere Vermutung,^ an
die ich schon früher gedacht hatte, und die sachlich und graphisch
entschieden die natürlichste Lösung bietet, dass nämlich darin der
von Konstantin Porphyrog. de admin. imp. c. 9 p. 75, 1 bezeugte,
noch nicht sicher erklärte Beiname von Kyjew stecke. Bugge,
Arkiv f. nord. fil. 2, 170 f. erklärt Za^L^cadg durch an. Sandvad
, Sandfurt", Heinzel dagegen (a. a. 0. S. 479 f.) denkt lieber an
den hl. Sambatius, oder an altslawisch sqhota, russ. subhota „Sams-
tag". Wie dem auch sei, ein arabisches viiX'J'; *'^«»^^«^ kann
sehr wohl den fremden Namen wiedergeben, welchen der Byzan-
tiner durch Sa^paxccq umschrieb. Zu gunsten der letzteren Deutung
Hesse sich noch als Analogie anführen, dass IdrTsi den Namen
der böhmischen Hauptstadt nicht kennt, sondern für dieselbe durch-
weg die rätselhafte Bezeichnung »Xm*.a^ ä.L«Lo, '»Xä^^^ KLiioa
(H 371. 375. 381) anwendet (vgl. J. Lelewel, La geographie
du Moyen-Age HI 95 f. 156).
Die an der Grenze des slawischen Gebietes gelegene Stadt
,.:i^l. *Zänhat wird weder bei Ibn Rusta noch bei GurdezT als
Mittelpunkt eines Reiches bezeichnet, und in der That konnte
sich der Schilderung des Muslim b. Abu Muslim zufolge in Kyjew
im Lande der Poljane wegen der fortwährenden Einfälle der
Magyaren kein Reich bilden, wie denn auch die russische Chronik
keinerlei Erinnerung an ein ehemaliges Slawenreich in Kyjew be-
wahrt hat; später aber wurden die Poljane den Chazaren zins-
pflichtig. Das Gebiet des von Ja'qübi zum Jahre 240 H. =
854/55 n. Chr. erwähnten Slawenherrschers ist dagegen wahr-
scheinlich im Lande der Chorwaten mit der Hauptstadt Krakau
zu denken und mit dem Reiche des Grosszupans SwetopHk-B
identisch, während Kyjew damals — vor dei- Ankunft der Russen-
fürsten Askold und Dir im Jahre 862 — bereits den Chazaren
tributpflichtig war.
S. 190 Z. 23 lies ,im Jahre 907" statt „im Jahre 917".
Zu S. 192 Z. 19ff. : Da jedoch der Nachdi-uck darauf liegt,
dass nach BekrT die ^jC^^^! und tjv-Jüü^il das Slawische als eine
fremde Sprache sprechen, wie Pe^enegen, Russen und Chazaren,
und dies die hervorragendsten Stämme des Nordens sind,
so liegt es noch näher, mit Westberg (briefliche Mitteilung
vom 2°8. Mai 1900 und 22. Nov. 1901 a. St.) in ^jJ.^)^\ eine
Verschreibung für ^^^.iijdii! bezw. ^A3^i at TüdisUn =
Theotisd (bezw. italienisch Tedeschi) „Deutsche" zu sehen, wie
510 '^- Marquart,
bei QazwinT II f t. (aus al 'UdrI), wo K.xLii.LJi wahrscheinlich die
Deutschen bezeichnet, wie schon Gr. Jacob (Ein arabischer Be-
richterstatter aus dem 10. Jahrhundert über Fulda, Schleswig, Soest,
Paderborn und andere deutsche Städte. 2. Ausgabe 1891 S. 14)
vermutet hat, und von Westberg (Beiträge zur Klärung orien-
talischer Quellen über Osteuropa S. 65 = 303) nach dessen An-
deutungen in '»^i^J^Ll] verbessert worden ist. In seiner Schrift
Ibrählm's-Ibn-Ja'kübs Reisebericht über die Slawenlande S. 102.
160. 163) hatte er die (j\.5CÄ.Iai! mit den Aturezani des sog.
baierischen Geographen und den Turbsi der Legende des Konstantin
zusammengebracht. Obige Auffassung empfiehlt sich besonders
aus sachlichen Rücksichten, da Bekrl ja von politisch hervorragenden
Völkern spricht. Dann können aber die yvJliü^l in der That nur
die Ungarn sein, die zwischen Deutschen und PeSenegen richtig
in der Mitte stehen.
Stammt jene Notiz, wie es doch den Anschein hat, gleichfalls
aus dem Reiseberichte des Ibrähim b. Ja'qüb, so ist es freilich
auffällig, dass dann die Magyaren unter doppeltem Namen vor-
kommen : als ti^Lj^l (S. 35, 1. 3) = Tovqkoi und als ^^Ji^J^S
= Üngri. Doch glaubt Westberg (Ibrählm's-Ibn-Ja'kübs Reise-
bericht S. 39) eine Parallele dazu aus dem Berichte selbst bei-
brinsren zu können, indem er unter den ,.,Ls_xi S. 34, 1 die Nor-
mannen (sonst ..U.^1, in der russischen Chronik HoyptMane,
OypaiaHe) versteht. Da nun die im Westen an das Land des
Näqwin grenzenden ..Loy« doch nur Dänen, also Westskandinavier
sein könnten, die bei den westeuropäischen Chronisten speziell
Nordmanni hiessen, andererseits mit den Rös, welche gegen die
Prüs von Westen her zu Schiffe Überfälle machten (S. 37, 5), die
Dänen gemeint sein müssten, die sich nach Saxo Grammaticus
um die Mitte des 10. Jahrhunderts in Samland festsetzten (Zeuss,
Die Deutschen und die Nachbarstämme S. 547) , so wäre in der
That die Gleichung gegeben:
Uya (spanisch-arabisch ^j.xiUj^^i S. 348 f.) = Normanni
= Dani
■ wjj! = Nordmanni = ..X^^^ = Dani.
Ibrähim b. Ja'qüb hätte also, wie schon früher Mas'üdi und
Liudprand (vgl. S. 349), unter dem Namen Bös die dänischen und
die schwedischen Wikinge zusammengefasst , jene aber als Volk
noch speziell unter dem Namen ^.^Uyi gekannt. Dagegen spricht
der Umstand, dass Ibrahim Otto den Grossen als König der
Römer bezeichnet (S. 37,9), natürlich nicht dagegen, dass er
Osteuropäische und ostasiatische StreifzUge. 511
die Deutschen mit ihrem neuen unterscheidenden Volksnamen
genannt hat, vielmehr lässt sich der angezogene Artikel Qazwlnl's
bezw. al 'UM's, der „das Innere von Rum" überschrieben ist,
sogar zu Gunsten jener Ansicht anführen. Man wird dann aber
weiter gehen und die Frage aufwerfen müssen, ob nicht auch der
genannte sowie andere auf Deutschland bezügliche Artikel Qaz-
wini's, in denen al 'UM zitiert wird, über at Tartüsi auf Ibra-
him b. Ja'qub zurückgehe. Vgl. de Goeje bei Westberg,
Ibrahim Ibn Ja'kub S. 156 (Nachtrag zu S. 94).
S. 197 Z. 29: Auch der von M. Gaster übersetzte jüdische
Alexanderroman (An old hebrew romance of Alexander. JRAS.
1897 p. 544) denkt sich den Sabbatfluss, welcher die zehn Stämme
umgibt, in Afrika. „The king then (von N'a-'-i73N oder NU5-'-|7ainN)
journeyed on with all his army to the land of Lapos (^lob) or
Lakis i^^'Db), which was füll of pools of oily water. They were
only able to pass through the land by means of ships. The king
therefore ordered 300 ships to be made, in which he crossed the
water, but a very streng wind blew up, and cast the king and
his army, together with his ships, on the other side of the land
of Lapos, which brought them beyond the land of the rivers of
Kus ('vUid), which is near the Ten Tribes. The king then came
to the river which surrounds the land of the Tribes, but was
not able to approach them, because huge stones were being thrown
up by the river during all the week-days until Sabbath eve" etc.
Es wird nicht zu kühn sein, in UJicb eine Verderbnis aus
■(inbs Falös zu vermuten, worin jedermann sofort den Namen der
abessinischen Juden {Falasa) erkennt.
Zu S. 202 Z. 32— S. 203 Z. 1 : s. aber S. 390.
Zu S. 203 Z. 6—8: s. S. 352 A. 1.
S. 203 Z. 23 lies „die Wolga" st. „den Don".
S. 205 Z. 22 lies „rassemblent" st. „ressemblent".
S. 205 Z. 30 lies „il se jette" st. „ils se jette".
S. 206 Z. 15 lies „Reisebericht" st. „Reisericht".
S. 206 Z. 29 lies „geraten" st. „geraden".
S. 219 Z. 17 lies „Trabanten" st. „Pagen". Es ist die etaiQsicc.
Zu S. 221 A. Z. 16ff. : Die von al Harawi erwähnte Säule
ist nach G. Jacob, Ein arabischer Berichterstatter aus dem
10. Jahrh. über Schleswig, Fulda u. s. w. = Studien in arabischen
Geographen, Heft 1. 3. Aufl., Berlin 1896 (zitiert von Kara-
bac°ek, WZKM., XII 366) identisch mit der noch auf dem At-
meidan erhaltenen Säule des Konstantinos Porphyrogennetos. Das
Wort a U/« ist hier nicht durch „Leuchtturm", sondern durch
5]^ 2 *^- Marquart,
, S ä u 1 e " zu tibersetzen (K a r a b a c e k). Über das von al Harawl
berichtete Phänomen vgl. Karabacek S. 369.
S. 241 Z. 19 lies „nordwärts" st. „südwärts".
Zu S. 270 Z. 30—32 s. S. 390.
S. 272 Z. 2 lies Uj.>^^ und in der Übers. S. 274 Z. 34/35
„gesteinigt" st. „bemitleidet" (IMitteilung Nöldeke's). „L^s-ys
passte nicht für die jüdische Auffassung. Die bösen Juden leug-
neten also gar die Kreuzigung; der Bösewicht soll durch die ganze
Gemeinde gesteinigt worden sein. Vielleicht sjDielt der Tod des
Stephanos da mit hinein".
S. 273 Z. 19 lies ö^xi>! st. o^X:^l.
Zu S. 274 Z. 3 und S. 276 Z. 26—29 bemerkt Nöldeke:
„tXxc ist richtig: „wer aber nach eurer Ansicht zu den Aposteln
gehört, ist in der Schätzung Christi besser als Lukas" u. s. w.
Zu S. 301 Z. 30—31 s. S. 390.
S. 311 Z. 3 V. u. lies ^Näqwm" st. „Nakon".
Zu S. 327 Z. 27 ff.: Zu gunsten dieser Vermutung spricht
ausser der arabischen Schreibung ^yÜ d. i. ^^.^jjl-J Näqioin auch
die urkundliche Namensform Naquin in den Ortsnamen Naquins-
torpe, Naquinesdorp (Kunik, Izvestija al Bekri 103). Vgl. dazu
die Schreibung Hancimn = Hakon Annales regni Francorum a. 811
p. 134 ed. Kurze.
S. 353 Z. 36 füge ein: In der That ist Bös als slawische
Bezeichnung der Skandinavier bezeugt durch Ibrahim b. Ja'qub
bei Bekri S. 37, 5 (oben S. 510).
S. 362 A. 3 lies: „Ebenso Müllenhoff, DA. II 61 f. 69.
Beovulf 19. — Mucb, Deutsche Stammsitze und R. Löwe" u. s. w.
S. 368 A. Z. 27/28 lies „Wendenkämpfer" st. „ein Wenden-
heer besitzend"; vgl. Ferd. Wrede, Über die Sprache der Ost-
goten in Italien S. 102. Quellen und Forschungen zur Sprache
und Culturgeschichte der germanischen Völker, Heft 68. Strass-
burg 1891.
Zu S. 380 Z. nf[.: Mit Rücksicht auf die Verse 112—114
des Widsld:
Hedcan sohte ic and Beadecan and Herelingas,
Emercan sohte ic and Fridlan and Eastgotan,
frodne and godne fasder Unwenes,
wo die Herelingas mit Eastgota , dem Vater des Unwen d. i. mit
Ostrogotha, dem Vater des Hunvil (nach Müllenhofi" für Unvin
= wulfilanisch *Umoens, ahd. Unwän) in der Stammtafel der
Araaler (Jordan. Get. c. 14 § 79) in engere Verbindung gebracht
zu werden scheinen, empfiehlt sich noch mehr die Annahme, dass
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 513
die Harlangen ihre Stelle ursprünglich in Heldenliedern auf die
grossen Wikingerzüge um die Mitte des 3. Jahrhunderts gehabt
haben werden, an welchen die Heruler einen hervorragenden An-
teil genommen haben. Sie wären dann erst verhältnismässig spät
vom Kreise des Ermanarik angezogen worden.
Zu S. 361, 27 — 29. 386 Z. 3ff. : Eine solche Nachricht
existiert allerdings: es ist nämlich sehr wohl möglich, dass im
5. und 6. Jahrhundert bereits Schweden des Pelzhandels wegen
bis zur Wolga und Kama gelangten und dort selbst die kostbaren
blauschwarzen Zobelpelze einhandelten, die von ihnen dann ihren
Wecr durch verschiedene andere Völker zu den Römern nahmen.
VgL Jordan. Get. c. 3 § 21 : hi (Suehans) quoque sunt, qui in
usibus Eomanorum sappberinas pelles commercio interveniente
per alias innumeras gentes transmittunt , famosi pellium decora
nigridine. Dann könnten sie auch, wie die späteren Rös, die Wolga
hinab und über den Wolok in den Don und in die Maiotis ge-
kommen sein, so dass die Hrös des Anonymus schon so gut Schweden
wären wie die 'Pwg des 9. Jahrhunderts. Doch ist auch möglich,
dass durch die Worte commercio interveniente i^er alias innumeras
gentes bei Cassiodorius der Zwischenhandel durch die verschiedenen
Völker vom Ural bis zur baltischen Küste angedeutet war, ver-
mittelst dessen der Zobel bis zu den Schweden kam. Vgl. auch
Tb. V. Grienberger, Die nordischen Völker bei Jordanes. ZDA. 46,
1902^ S. 145 f.
Es ist wohl kein Zufall, dass das Abbrechen der Nachrichten
über die Hrös zeitlich zusammenfällt mit der Ausdehnung des
Reiches der Westtürken bis zur Krim (oben S. 504): das straffe
Regiment der Türken und ihrer Nachfolger, der Chazaren, das an
die Stelle der verschiedenen, sich gegenseitig befehdenden Hunnen -
horden getreten war, dürfte den Hrös die Lust zur Wiederkehr
verleidet haben.
Übrigens hätte noch Erwähnung verdient, dass sich in dem
von Haupt herausgegebenen, wahrscheinlich noch im siebenten
Jahrhundert entstandenen Liber monstrorum c. 2 (M. Haupt, Opus-
cula vol. II p. 223) ein sehr merkwürdiger wörtlicher Anklang an
die Schilderung der Hrös beim Anonymus findet. Es heisst da-
selbst von Hugilaicus, dem rex Getarum d. i. der Geaten : Et fiunt
monstra mirae magnitudinis , ut rex Hugilaicus, qui imperavit
Getis et a Francis occisus est, quem equus a duodecimo
aetatis anno portare non potuit. cuius ossa in Rheni flu-
minis insula, ubi in Oceanum prorumpit, reservata sunt et de
longinco venientibus pro miraeulo ostenduntur — ganz wie der
Anonymus die Hrös als Männer mit langen Gliedern schildert,
welche Pferde nicht tragen können, da sie (grosse) Glieder haben.
S. 395 A. 1 Z. 3. 402 A. Z. 38 und S. 449 Z. 6 v. u. lies
685 st. 681/82.
qq
Marquart, Streifzüge. ""
5]^4 J- Marquart,
S. 402 A. Z. 23 lies 669—678 st. 677—687.
S. 441 Z. 8 lies 662/63 st. 667.
Zu S. 443 Z. 15ff. : Die hier voiiiegeuden Widersprüche er-
klären sich daraus, dass die Armenier den Zug, welchen Aipiiut'ver,
der Fürst der Hunnen von Waraö'an, unmittelbar vor dem Jahre
62 H. = 681/82 n. Chr. (vgl. Mos. Kai. II 39 S. 368) nach Al-
banien unternahm, um die Ermordung des Fürsten Gevanser, seines
Eidams, zu rächen (Mos. Kai. 11 36 S. 361 f.), mit dem grossen
Chazare nein fall, bei welchem die Fürsten von Armenien und
Iberien fielen, zusammenwarfen. Allein im Jahre 681/82 war
Grigor Mamikonean , der Fürst von Armenien, noch am Leben,
wie der Brief des Fürsten der Hunnen an den Oberbischof Ar-
meniens Sahak (679 — 702) und die Antwort des letzteren (Mos.
Kai. II 44 S. 397; 45 S. 399) beweisen. Der Einfall der Cha-
zaren, bei welchem er fiel, kann also erst später stattgefunden
haben. Das richtige Datum, nämlich das siebente (Stephan Asoiik :
das fünfte, A- für l^) Jahr des Katholikos Sahak = 685 gibt
Joh. Kath. S. 53, und so rechnet auch die ^irjyTjötg, indem sie
dem Grigor 24 Jahre (vom zweiten Jahre des Mu'äwija = 662/63
ab) gibt. Die Liste der drei Statthalter ist also folgendermaassen
aufzufassen :
Grigor Mamikonean 24 J. 662/63 — 685
Asot Bagratuni 3 J. 686—688
Nerseh Kamsarakan 3. J. 689—691
Smbat Bagratuni 692.
tevond (S. 34. 35) gibt an, im zweiten Jahre des Abdl-Melik'
sei ein Bürgerkrieg unter den Tatikk' ausgebrochen, der drei Jahre
gedauert habe. Während dieser Zeit hätten die Armenier, Iberer
und Albanier die Tributzahlung eingestellt. „Und im vierten Jahre
wurden Herr über unser Land Armenien das nördliche Volk, welche
Chazirk' heissen, und töteten im Kampfe den Fürsten Grigor und
die meisten von den Notabein, und die Fürsten von Iberien und
Albanien; und sie selbst, den Raubzug ausdehnend über unser
Land Armenien, nahmen die meisten Gaue und Flecken, und sie
nahmen die Gefangenen und zogen ab in ihr Land". Da 'Abd al
Malik nach dem Tode seines Vaters Marwän b. al Hakam am Neu-
mond des Ramadan 65 = 11. April 685 die Regierung antrat, so
hätte also der Bürgerkrieg von 686—688 gedauert und der Ein-
fall der Chazaren wäre ins Jahr 689 zu setzen. Allein nach dem
Falle des Muchtär (14. Ramadan 67 = 3. April 687) waren die
Bürgerkriege noch keineswegs zu Ende. Allerdings ernannte Mu9'ab,
der Bruder des 'Abdallah b. az Zubair, damals den al Muhallab
b. Abu gufra zum Statthalter von al Mau^il, al Gazira, Armenien
und A(Jarbaigän (Tab. II vö., 16—17), aber erst nach dem Unter-
gang des Mu9'ab (Herbst 691) ward 'Abd al Malik Herr des Iräq.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 515
Es ist also ohne weiteres klar , dass die Chronologie des Levond
hier unbrauchbar und der Tod des Fürsten Grigor und der Ein-
fall der Chazaren in den Beginn, nicht ans Ende der Bürger-
kriege zu setzen sind. Auch das ist unrichtig , dass bei jenem
Chazareneinfall auch der Fürst von Albanien gefallen sei , ein
Fehler, den Stephan Asoiik richtig vermieden hat.
Weitere Bemerkungen über Bulgaren und
Magyaren.
Zu S. 69 Z. 4 ff. 162 Z. 27 f: Die Vermengung der Magyaren
mit den Baschkiren findet sich schon in dem alten Berichte des
rijn Rusta, GurdezI und Bekri. Ersterer beginnt nämlich den
Artikel über die Magyaren mit den Worten : üxi'LjL^i! S^ ^J^.J»
Ä,jji:f\i! 0^^>.£> q/1 iA> v3^1 KjjL^CL.J! q/s J.^1 o"^j ^^j_» d. h.
„zwischen dem Lande der Pecenegen und dem Lande der bulga-
rischen Jsgil ist das erste der Gebiete der Magyaren". Nachlässiger,
aber was die Namen betrifft, ebenso schreibt Bekri S. 45, 3 — 4 :
^A J.JC^1 O^j (j>j» KAyÜLr^^ii J^J ^J^.J 1*.^^ xjji.^i\ O^Ij jS'Ö
Kj.LJvJuJt „Bericht über das Land der Magyaren: Sie (wohnen)
zwischen dem Lande der Pecenegen und dem Lande der bulgarischen
Isgil". Dagegen sagt GurdezI (Barthold S. 98, 5): ci*.j"% .mLa/o
„zwischen dem Gebiete von Bulgär und dem Gebiete Isgil, das
ebenfalls zu Bulgär gehört, ist das Gebiet (oder „die Grenze")
der Magyaren". Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ibn
Rusta hier den ursprünglichen Text bewahrt hat. Isgil ^}Jt^\
hiess nach unserem Gewährsmann der zweite der drei Stämme der
Wolga-Bulgaren^), vergegenwärtigt man sich aber die von ihm
vorausgesetzte Lage der Wohnsitze der Pecenegen , so muss ein
Blick auf die Karte jedermann davon überzeugen, dass das zwischen
den Pecenegen in den uralo-kaspischen Steppen und den Isgil -
Bulgaren an der Kama gelegene erste Gebiet der Magyaren sich
genau mit dem Lande der Baschkiren deckt. Muslim b. Abu
Muslim muss somit als der Vater der Theorie von Magna Hungaria
im Baschkirenlande gelten, die im 13. und noch am Ende des
15. Jahrhunderts die Gemüter in Halbasien in Wallung brachte.
Besser vmterrichtet zeigt sich schon der Verfasser der [Jrsprungs-
legende der Chirchlz (bei GurdezI S. 85, 18 ff.), nach welchem die
1) Ibn Rusta \f\ , 91 ; GurdezI S. 97, 16. Nach Ibn Fadhän waren
dem Könige der Bulgaren vier Fürsten unterthan; s. Frähn, Die
ältesten arabischen Nachrichten über die Wolga -Bulgharen S. 42.
33*
516 J. Marquart,
Oy:^Ui-j Basgirt eine Kolonie von vornehmen Chazaren sein sollten,
die sich mit 2000 Reitern^) zwischen Chazaren und Kaimäk nieder-
gelassen hätten. Für die Bestimmung der Sitze der wirklichen
Magyaren zur Zeit des Muslim b. Abu Muslim kommt somit obige
Stelle gänzlich in Wegfall, am allerwenigsten aber darf sie dazu
verleiten, mit Westberg (Beiträge zur Klärung etc. S. 5f. =
215 f.) die doi't vorkommenden bulgarischen J^iCwl Isgü von den
kurz vorher erwähnten Jjt^l Isgil zu trennen und gar nach
Chwolson's Vorgange-) mit den Siebenbürger Szeklern zu
identifizieren. Dagegen gewinnen wir durch die richtige Inter-
pretation jenes einleitenden Satzes wieder einen wichtigen Einblick
in die Komposition der durch die Nachlässigkeit unserer Auszüge,
durch Auslassungen und Interpolationen vielfach so schwer ver-
ständlichen Berichte des Muslim b. Abu Muslim.
Beschreibung der Wohnsitze der Magyaren anlangt,
so ist bei GurdezT zuerst nur von einem Flusse die Rede , an
welchem die Magyaren hausten. Der Text ist zwar in der Oxforder
Hs. lückenhaft, doch lässt sich demselben mit geringer Mühe auf-
helfen. Ibn Rusta berichtet Ifr, 11 — 15: „Ihr Land ist ausgedehnt,
und eine Grenze desselben stösst ans Romäermeer, und es münden
in jenes Meer zwei Ströme , von denen der eine grösser ist als
der Gaihün (Oxus). Ihre Wohnsitze befinden sich zwischen diesen
beiden Strömen. Zur Winterszeit nun geht jeder von ihnen der
einem der beiden Ströme näher ist, auf jenen Strom zu und bleibt
dort jenen Winter, indem sie in ihm Fische fangen, und ihr Ver-
bleib daselbst im Winter ist ihnen zuträglicher*. Dagegen beginnt
GurdezT 98,8—9 mit den Worten: „Ihr Gebiet ist 100x100
Fars. (gross), und ihr Gebiet reicht ans Meer der Romäer, j! j^^
lX;«:?! Lj.J .^j .,^>==- J»^.". Für diesen unverständlichen Relativ-
satz ist zu lesen:» Lj o .^ ji .,y^^=>- O5. \\ <i^jXSjji '^^j> ^^
j^äM ,in welches Meer ein Fluss grösser als der Fluss Gaihün
mündet", worauf der Text fortfährt: „Sie sitzen zwischen diesem
Flusse, und kommt der Winter, so kommen alle, welche vom
Strome (6aihün) weiter entfernt gewesen sind, in die Nähe des
Stromes (Öaihün) zurück und verweilen den Winter da, und fangen
Fische und erwerben damit ihren Lebensunterhalt". Die ganze
Stilisierung beweist, dass die beiden Abweichungen von der durch
Ibn Rusta vertretenen Textform beabsichtigt sind. Erst später,
eingesprengt zwischen die Notiz über die .vA;J, finden wir die
Namen von zwei Strömen: .Diese beiden Ströme (Öaihün) nennt
1) Dieselbe Stärke des Volkes findet sich bei Ist. r^ö. 4—5.
2) Izvestija 0 Chazarach etc. S. 69, angeführt von Geza Kuun,
Relat. Hungarorum etc. I 85**»*. 129**.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 517
man den einen Itil, den anderen Lj^O Dübä" , und dass dieselben
mindestens schon bei Gaihänl gestanden haben, beweist öukru'lläh
b. Sihäb (bei Hammer, Sur les origines russes p. 108, 9) bezw.
dessen Vorlage Muhammad-i 'Aufl, der sonst am nächsten zu Ibn
Rusta stimmt (vgl. die S. 173 A. 3 angeführte Stelle mit Ibn
Eusta in, 7—9).
Wenn es dagegen in dem in Tumanskij's Besitz befindlichen
Werke JLxJ! O^J«.^», das dieselbe Vorlage benutzt hat wie Gurdezi,
von den ol^yi (Gurdezi obyi) wirklich heisst, dass sie am Ufer
des Schwarzen Meeres in der Nachbarschaft von Inner -Bulyär
und der chazariscben[?] Peöenegen wohnen (Westberg, Beiträge
zur Klärung etc. S. 215 = 5), so würde dies erweisen, dass der
ganze Abschnitt über die ^a;j und otoyi bezw. ol^yo eine dem
Berichte des Muslim b. Abu Muslim fremde Interpolation ist.
Die inneren Bulyär, welche Christen sind, sind nämlich keine
anderen als die Donau-Bulgaren. Balchl-Istachri sagt in seiner
Einleitung S. v, 8 — 12: »Was die Breite der Erde von ihrem
äussersten Ende an der Grenze des Nordens bis zu ihrem äussersten
Ende an der Grenze des Südens betrifft, so geht man aus vom Ge-
stade des Weltmeeres, bis man zum Lande Gog und Magog kommt ;
dann geht man vorbei hinter den Slawen und durchschneidet das
Land der inneren Bulyär und der Slawen •) und dringt ein durchs
Land der Romäer nach Syrien, bis man herauskommt durch Syrien,
das Land Ägypten und Nubien . . . Soviel ich aber weiss von
der Ausdehnung dieser Linie, so sind von der Gegend von Gog
nach der Gegend von Bulgär und dem Lande der Slawen ^) gegen
40 Tagereisen, und vom Lande der Slawen durch das Land der
Romäer nach Syrien gegen 60 Tagereisen, und von Syrien nach
Ägypten 30 Tagereisen" u. s. w. Über die Lage von Inner-Bulyär
kann nach diesem Texte kein Zweifel obwalten, und wenn Bulyär
(Inner-Bulyär) und (jüaqäliba hier gepaart erscheinen, so weist dies
darauf hin, dass beide Namen bereits Wechselbegriffe für das Reich
der Donau-Bulgaren geworden waren 2). Immerhin erkennt man
schon hieraus, dass Balchi - Istachri - Ibn Hauqal nur sehr un-
bestimmte Vorstellungen von diesem Lande besassen.
Damit halte man folgende Itinerare zusammen, die Istachri
am Ende des Kapitels über das Chazarenmeer gibt (S. fCv, 6 — 9
= Ibn Hauq. f/w, 4 — 8): „(Von Itil nach Bulyär (hat man) auf
dem Wege der Wüste gegen 1 Monat, und zu Wasser gegen
2 Monate Berg- und gegen 20 Tage Thalfahrt.) — Von Bulyär
1) Vgl. Mas'üdl, Kit. at tanblh \^r, 17/18: ^\-^J ^^3 *^'jj'
».JüiAaJt»!.
2) Vgl. Mas'üdl, Kit. at tanblh Ifl, 3: ,Die Buryar, welche eine
Abart der Slawen sind"
518 J- Marquart,
zum Anfang des Gebietes der Romäer gegen 10 Tagereisen j
von Bulyär nach Küjäba (Kyjew) gegen 20 Tagereisen; von den
Peßenegen nach Inner - Basgirt (Ungarn) 10 Tage; von Inner-
Basgirt nach Bulyär 25 Tage". In dem eingeklammerten Satze
ist mit Bulyär die Hauptstadt der Wolga - Bulgaren gemeint, in
den folgenden dagegen, obwohl der Verfasser dies durch keine
Silbe andeutet, ist darunter offenbar überall Donau- Bulgarien zu
verstehen. An einer anderen Stelle wird scheinbar Gross-Bulgarien
von Inner-Bulgarien unterschieden. S. i*!"), 8 — 12 sagt er nämlich,
von den Russen sprechend: »Ihre Kleidung besteht aus kurzen
Kaftans , die Kleidung der Chazaren, Bulyär und Pe^enegen aber
aus vollständigen Kaftans. Diese Rös treiben Handel zu
den Chazaren, und treiben Handel zu den Romäern
und Gross-Bulyär, und sie grenzen an die Romäer im
Norden. Sie bilden eine zahlreiche Menge , von deren Macht be-
richtet wii'd , dass sie den ihrem Lande benachbarten Romäern
Tribut auferlegt haben. Die Inner-Bulyär sind Christen". Es
liegt grammatisch am nächsten das Wörtchen ^^ „und sie" in
dem gesperrten Sätzchen auf die Rös zu beziehen , in welchem
Falle unter den ihrem Lande benachbarten Romäern die romäischen
Besitzungen auf der Krim zu verstehen wären. Auch an den Zug
Olegs gegen Miklagard im Jahre 907 darf erinnert werden, durch
welchen die Romäer in der That zur Bezahlung eines Tributs an.
die Russen gezwungen wurden. Dann wäre Gross-Bulyär natürlich
Bulyä.r an der Kama, und in diesem Sinne steht der Ausdruck wirk-
lich in der Gothaer Epitome (C), wo sich an Stelle des gesperrten
Satzes die Worte finden : ^lic^l .LAJLju, .lü ,jvj Ia (1. Li. t.) b^t^
,und Ar&ä (das Gebiet der Er^a-Mordwinen) liegt zwischen den
Chazaren und Gross-Bulyä,r". Dies war indessen sicherlich nicht
die Ansicht al Balchl's, der von Bulyär an der Kama sagt (Ist.
(., 6 — 7 = Ibn Hauq. (f, 21): „Ausser - Bulyär ist eine kleine
Provinz '^), in welcher es nicht viele Bezirke gibt ; ihre Berühmtheit
rührt daher , dass sie ein Stapelplatz ist für diese Königreiche.
Die Rös sind ein Volk in der Gegend von Bulyär, zwischen diesem
und den Slawen". Es scheint daher, dass man mit Ibn Hauqal
das Woi-t ^3, (bezw, ^5^) richtiger auf JacbSt ,LiJLj bezieht (vgl.
die Anmerkung des Herausgebers) , so dass mit dem Volke , das
den Romäei'n Tribut auferlegte, die Gross - Bulgaren , d. h. die
Donau-Bulgaren, unter dem Caren Symeon gemeint wären. Frei-
lich ist der Text auch dann noch nicht in Ordnung , da jeder
Araber bei dem Bulyär, nach welchem die Rös Handel trieben,
1) Dies muss ä.ajA/o hier bedeuten, wie Muq. IH, 1. Die epitome
Lugdunensis (L) und Ibn Hauqal haben die Sch-wierigkeit gefühlt und
deshalb L.g.xS in L.g.J geändert.
Osteuropäische uud osiasiatische Sireifzüge. 519
an Bulyär an der Kama denken niusste. Es wird also zu schreiben
sein: 'J.i.L^ ^^J\ J\ ^3.^0^ ^/ ^Jl ^^yfi._ ^J.^J\ ^^^
^J! j^^^J ^jj.4.^Läx ^9 ^läc^! <,LiJb.>, so dass der Satz lautet:
, Diese Rös treiben Handel zu den Chazaren, und treiben Handel
zu den Romäern und Bulyär. — Die Gross -Bulgaren aber grenzen
an die Romäer im Norden" u. s. w. Die auch so noch verbleibende
Schwierigkeit, dass Gross-Bulyär von Inner-Bulyär , mit dem es
sich bei dieser Auffassung doch deckt, scheinbar unterschieden
wird , muss man dann freilich als nicht aufgehenden Rest in den
Kauf nehmen ; doch bat dies nichts Bedenkliches , da ja Balchi-
Istachrl, wie schon bemerkt, von Donau- Bulgarien nur eine sehr
verschwommene Vorstellung hatte.
An sich musste es schon Bedenken erregen , dass sich von
jenem Passus über die aXj3 und ofOy», welcher dem Verständnis
schier unübersteigliche Hindernisse in den Weg legte, in keinem
der übrigen Auszüge von Muslims Bericht (bei Ibn Rusta, BekrT,
Sukru'lläh b. Sihäb) bis jetzt eine Spur entdecken Hess. Für die
Feststellung des Textes GaihänI's und die Rekonstruktion des ur-
sprünglichen Berichtes wird man daher die Veröifentlichung des
Textes 'Aufi's, der von Sukru'lläh b. Sihäb sehr nachlässig aus-
gezogen worden ist, abwarten müssen, ein begründetes Urteil über
den Gm-dezi und dem Anonymus Tumanskij's eigentümlichen Ab-
schnitt wird aber erst möglich sein , wenn Tumanskij den von
ihm eifersüchtig bewahrten Schatz der Wissenschaft zugänglich
gemacht haben wird.
Zu S. 71 Z. 33 ff.: Der Beweis, dass in Mas'üdi's Erzählung der
Magyaren einfall von 934 mit den Ereignissen der J. 894 — 896 zu
einem Bilde zusammengeflossen ist, wird vervollständigt durch eine
Erzählung Tabarl's (III HöC, 14— riö^, 4) zum J. 288 H. (19. Febr.
896 — 7. Febr. 897), aus welcher hervorgeht, dass auch die von
Mas'üdT berichtete Bewaffnung muslimischer Kriegsgefangener durch
den Kaiser der Romäer in den Krieg Leons gegen den Bulgaren-
fürsten Symeon fällt. Tabarl erzählt nämlich: „In diesem Jahre
traf, wie berichtet wird , ein Brief aus Tarsus ein , wonach die
Slawen die Romäer mit einer zahlreichen Menge bekriegten und
unter ihnen ein Gemetzel anrichteten und ihnen zahlreiche Dörfer
verwüsteten, bis sie nach Konstantinopel gelangten und die Romäer
zwangen dort Zuflucht zu suchen, und die Romäer die Thore ihrer
Hauptstadt verschlossen. Hierauf liess der Tyrann der Romäer
dem König der Slawen sagen : Unsere und eure Religion
ist dieselbe, weshalb sollen wir uns denn gegenseitig die Männer
töten ? Da erwiderte ihm der König der Slawen : Dies ist das
Reich meiner Väter , und ich werde nicht von dir ablassen , ehe
einer von uns seinen Gegner überwältigt hat. Als nun der
520 J- Marquart,
König dei' Romäer keine Rettung vor dem Herrscher der Slawen
fand, versammelte er die bei ihm befindlichen Muslime und gab
ihnen Waffen und bat sie, ihm zu helfen gegen die Slawen. Da
taten sie es und die Slawen wurden in die Flucht geschlagen.
Als das der König der Romäer sah , fürchtete er von ihnen für
sich selbst. Darum sandte er zu ihnen und rief sie zurück, nahm
ihnen die Waffen ab und verteilte sie in die Provinzen aus Be-
sorgnis, sie möchten gegen ihn Verrat begehen."
Bei den Byzantinei'n suchen wii' vergebens eine Spur dieser
Episode. Um aber ihre Darstellung des ersten Krieges gegen
Symeon verstehen und chronologisch einreihen zu können, ist aus-
zugehen von der Erzählung der Fuldaer Annalen (so lies oben
S. 72 für Annales Sangallenses maiores) zum Jahre 896 (M. G.
SS. I 412): Pacem ergo Graeci cum eodem anno cum Avaris
[qui dicuntur Ungari,] facientes; quod eorum [conjcives Bulgari
in pravum vertentes, hostili expeditione contra eos insurgunt, et
omnem regionem illorum usque portam Constantinopolitanam de-
vastando insecuntur. Quod ad ulciscendum Graeci astucia sua
naves illorum contra Avaros mittunt, ac eos in regnum Bulgarorum
ultra Danubium transponunt. Uli transpositi, manu cum valida
gentem Bulgarorum ingressi , maximam partem caedendo neci
tradidei'unt. Hoc audientes positi in expeditione Bulgari, cum
omni festinatione patriam deliberare ab infesto hoste recurrunt,
consertoque ilico proelio, victi sunt : iterum pari tenore recuperare
nitentes, secundo caruere victoria. Tandem miseri, inscii quam
consolationis causam vel remedii potuissent invenire, currunt omnes
ad vestigia [vetuli] illorum regis Michaelis , qui eos primum ad
christianae religionis veritatem convertit, inquirentes quid eis ab
imminenti periculo evadendum consuleret. Qui, indicto triduano
ieiunio , penitenciam de inlata christianis iniuria, dein
auxilium a Deo quaerendum esse praemonuit. Quo peracto, durum
inierunt certamen; pugnantibus vero ambabus acerrime partibus,
ad ultimum misericordia Dei victoria, quamvis cruenta, christia-
nis concessa est. Quis enim gentilium Avaroi-um strages tantis
congressionibus enumerando possit exponere? cum Bulgarorum, ad
quos victoria concessit, numero 20 miKa equitum caesa inveniuntur.
Stipantibus vero isdem in partibus inter se conflictibus, Imperator
Pannoniam cum urbe Paludarum tuendam Brazlowoni , duci suo,
in id tempus commendavit. Leo vero, Imperator Graecorum, La-
zarum quendam vocatum, episcopum, ad Caesarem Augustum cum
muneribus transmisit; quem ille apud urbem Radisbonam gratanter
suscipiens, paucos eum dies secum retinuit, tandem honoribus di-
tatum remisit in sua.
Es ist ohne weiteres klar, dass vorstehende Erzählung sieh
mit dem arabischen Bericht in keiner Weise vereinigen lässt, ob-
wohl dieser den Standpunkt des Kaisers Leon getreu wiederspiegelt
und somit die romäische Herkunft nicht verleugnet. Allein es
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 521
ist kaum zweifelhaft, dass die Erzählung des fränkischen Annalisten
sich auf dieselben Ereignisse bezieht, welche er schon zum Jahre
895 kurz mit den Worten vermeldet hatte : Avari terminos Bulga-
rorum invadentes, ab ipsis praeventi sunt, et magna pars eorum
exercitus interfecta est. Das Gerücht von diesen Bewegungen
muss vor dem Juli 895 nach Baiern gelangt sein, und es ist daher
sehr wahrscheinlich, dass König Arnulf die genauere Schilderung
derselben erst durch Lazarus, den Gesandten des Kaisers Leon
im November oder Dezember 896 in Regensburg empfiengi).
Merkwürdig ist dann freilich, dass der romäische Bischof die
jüngsten Zusammenstösse der Romäer mit den Bulgaren, welche
nach Tabari ins Jahr 896 gehören müssen und vermutlich die
unmittelbare Veranlassung zu der Gesandtschaft gegeben haben,
mit keiner Silbe erwähnt, aber nicht auffälliger als das völlige
Schweigen der Byzantiner über die Vei-^\'endung muslimischer
Kriegsgefangener gegen Christen.
Dagegen deckt sich der Bericht des Annalisten, abgesehen
von der Veranlassung des Krieges, in allem wesentlichen mit den
byzantinischen Darstellungen des ersten Krieges Symeons mit den
Romäern^). Darnach hatte der Kaiser den Bulgaren nur die haupt-
städtischen Gardetruppen •^) entgegenzuwerfen: die Linienregimenter
(d-iiiara) waren zum üblichen Sommerfeldzug {ra'^eiöiov, arab. Qäi'fa)
gegen die Sarazenen nach Kleinasien ausgerückt*). Der erste Zu-
sammenstoss fand in Makedonien statt, bei welchem der Stratelat
Prokopios Krenites (aus dem armenischen Fürstengeschlecht der
Mamikonier) selbst, der Armenier Kurtikes und viele andere Offiziere
die Wahlstatt bedeckten. Chazaren aus der kaiserlichen Hetärie,
welche in seine Hände fielen, entliess Symeon den Romäern zum
Schimpf mit abgeschnittenen Nasen nach der Hauptstadt und ver-
wüstete Thrakien, um bald selbst mit seinem siegreichen Heere
vor den Thoren der Residenz zu erscheinen. In dieser Gefahr
sandte der Kaiser den Niketas Skieros mit Kriegsschiffen nach
der Donau, um die Magyaren zu einem Einfall nach Bulgarien
zu dingen. Dieser schloss mit ihren Häuptern Arpad und Kursan
1) Vgl. E. Dümmler, De Aruulfo p. 173. Geschichte des Ost-
fränkischen Reiches III "^ 451 A. 4.
2) Georg. Monach. cont. de Leone Basilii filio c. 11 — 13 p. 853, 1 —
855, 7 ed. Bonn. = Leon Gramm, p. 266, 17— 269, 4. Theophan. cont.
VI 9 p. 357, 12—359, 16, Symeon Mag. p. 701, 22—702, 2. Zonar. VI 12,
15_27, vol. III p. 442—444 ed. Bonn.
3) Georg. Monach. p. 853, 14—15: ^ad-cov ravta 6 ßaadsvg ano-
CTsXXtL rbv Kgriv^triv atQcctriXdtriv v.u.xa BovXyaQav fiero; oitlcov y.ul
ccQxövTcov TtoU&v t fj ? Tt 6 X £ CO ? v.ara Zv\iimv. Ebenso Leon Gramm,
p. 267, 8—10. Über die Stärke der europäischen Divisionen vgl. G el z e r ,
Die Genesis der byzantinischen Themenverfassuug S. 96 f.
*) Leon Tact. 18,43 p. 287 ed. Meursius: v.ai yuQ rav j]^STiQcav
Swa^LSCov Karo. Z!aQccxT]V(bv aaxolovinvcov.
522 J- Marquart,
ein förmliches Bündniss ab, kraft dessen sie sieh zum Kriege gegen
Symeon verpflichteten und Geiseln stellten, mit denen Niketas nach
Konstantinopel zurückkehrte. Dieser Schritt hielt sich allerdings
völlig im Rahmen der herkömmlichen byzantinischen Politik, wie
sich denn selbst der fromme Herakleios nicht schämte, die christ-
lichen Georgier durch die heidnischen Türken hinwürgen zu lassen 'j
bei Kaiser Leon nahm er sich jedoch um so niederträchtiger aus,
als er selbst immer wieder dem Bulgaren gegenüber an dessen
christliches Gemeinsamkeitsgefühl appellierte , und Fürst Symeon
konnte den Romäern diese Tücke, die so namenloses Unheil über
Bulgarien brachte, sobald nicht vergessen.
Gleichzeitig gieng an Nikephoros Phokas , den Obersten der
Palastgarde (öofiiartKog räv 6xoXä)v) , der den Feldzug gegen die
Araber leitete'), der dringende Befehl ab, das Heer schleunigst
über den Bosporos zurückzuführen. Alsdann wurden abermals
Kriegsschiffe unter dem Befehle des Patrikios Eustathios, des
Drungarios der Excubitores abgesandt, um die Magyaren über-
zusetzen, und zwar waren es nach Konstantin Porphyrogennetos
vor allem die drei Stämme der chazarischen KdßaQOt unter Arpads
Sohn Liuntis, welche sich den Magyaren angeschlossen und unter
ihnen die führende Rolle gewonnen hatten , die auch bei diesem
Unternehmen die Leitung hatten'^). Inzwischen war auch Nike-
phoros Phokas mit dem Heere auf dem Kriegsschauplatz er-
schienen-^), vor dem Symeon nach Bulgarien zurückwich. Einen
^) Dies ergibt eine Kombination von Anm. 4 S. 521 mit den A. 3
angeführten Stellen. Dass der dofitWixos rüv g^oX&v den Oberbefehl
über die ganze Armee hatte, bezeugt ausdrücklich Qod. Tot, 6f. ; vgl.
auch Konstantin Porphyrog. de caerim. aulae Byz. I p. 444 und
Geizer, Die Genesis der byzantinischen Themenverwaltung S. 108.
-) Konstantin Porphyrog. de admin. imp. c. 39 p. 171, 15 — c. 40
p. 172, 21. S. 0. S. 52 und Anm. 4. 5.
^) Georg. Mon. p. 854, 4 — 6: Niy.r\(p6qov 8k nutQUiov töv ^cokü xal
«Jofie'ffTixov ftfTCj täv &8iidTcov aniaraXtv diä yfjs, aal siafjXQ'i: fiixQi'
BovlyÜQcov. Leon Gramm, p. 267, 23—268, 2. Theoph. cont. VI 9 p. 358,
12—16. Zonar. XVI 12, 20—21 p. 443 ed. Bonn. Kaiser Leon, Tact.
28, 43 p. 287 s. erwähnt das Eingreifen des romäischen Heeres nicht;
er sagt nur: 'TLml Sl Tovq-kcov ^jxvTjff'O'rjfifv, ovx adoxiiiov xpiVojXiv xal
OTtcog avxol TtccQaxdxxovtui nai OTtcog avxols ccvxntaQccxä^cca&ai Siov Sia-
6aq)fjaui, dia (isxQitxs Tti-igccg &va^ccQ'6vxtCi oxs ov^^d^oig avxotg ixQ^-
ßdiit&a BovXyaQwv xäg tiQriVixdg naQaßtßriKoxcov anovdug xal xä xfjg
0p«xr]S xcoQLCi y.ax(x6Qay.6vxcov. olg t) ^ikt] im^iX&ovoa xfjg stg XqiGxbv
xbv Qsbv TtaQOQv.iag xcöv öXcov xbv ßaaiXicc xä^og ^(p&aaiv iTtiO'iiTvca xr]v
XLficoQiuv. Kai yuQ x&v j][iSxiQcov Svvd^tcov Kuxd ^ccQaxi]rä)v do^oXav-
liivtov TovQxovg T] &SIU TtQovoia avxl 'Pu>[iaio)v kccxu BovXydgav iöxga-
xsvai:V, 7tX(ai)iov axoXov xfjg fj^wv ßaaiXtiag uvxovg Siantgdcavxog xh y.ul
av^^axrjoavxog, xal xbv xaxtog xara ;(pi«7rjo:t'wi' önXta&^vxa BovXyaQav
Gxgaxbv tqigI [Ld%aig xccxu xgdxog v£vi7iriy.6xag waccvtl Stjiiiovg (gleich-
sam als Henker) i^a.noaxtiXao<(x> v.ux' avxav, i'va ft/j Ixorrfg 'Pcofiaiot
XQtaxiuvol xQiCTicivüiv BovXydqav ui'iiaoi ;^paiVo/j'TO. Darnach würde
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 523
Friedensantrag , den ihm der Kaiser jetzt durch den Quästor
Konstantinakis machen liess, musste er angesichts der romäischen
Rüstungen zu Lande und zur See für eine Falle halten und be-
antwortete ihn dadurch, dass er den Gesandten einsperrte. Allein
schon waren die Magyaren im Begriff, sich auf ihre Beute zu
stürzen. Die Bulgai-en vermochten die Übersetzung der gefürchteten
Feinde nicht zu hindern i), die unter ihnen ein furchtbares Ge-
metzel ani'ichteten -) und ganz Bulgarien verheerten und in Ge-
fangenschaft schleppten. Während Symeon nun dui'ch das romäische
Heer festgehalten wurde , erhielt er die Kunde von den Ver-
heerungen der Magyaren , worauf er ihnen schleunigst entgegen-
eilte ■^) , allein in zwei Feldschlachten aufs Haupt geschlagen sich
mit knapper Not in die Festung Drster {JiGxqa, Silisti-ia) zu
werfen venuochte. Die Feinde drangen bis zur Hauptstadt Preslaw
(2 Stunden sw. von Sumen) vor, und auf ihre Aufforderung sandte
man glauben , das romäische Heer sei auch während des Feldzuges
Symeons gegen die Magyaren in Kleinasien geblieben. Allein an einer
andern Stelle (c. 11 , 26 p. 128) erwähnt er selbst die Thätigkeit des
Nikephoros im Bulgarenkriege. In der That setzen auch die Worte
ivu jxjj fxovTfg '^Pco^atoL ^Qiariavoi %Qi6xiav&v BovXyccQcov al'^aai, %Qcci-
voivro die Anwesenheit eines romäischen Heeres voraus. Die ge-
schraubten Ausdrücke des Kaisers besagen also mit dürren Worten,
dass die christlichen Romäer mit Befriedigung zusahen , wie die
heidnischen Wölfe über ihre christlichen Gegner herfielen, und an ihrer
statt das Henkeramt an jenen versahen. Die Angabe, die romäische
Streitmacht sei damals durch den Feldzug gegen die Sarazenen be-
schäftigt gewesen , trifft somit allerdings für den Zeitpunkt zu , als
Niketas zu den Magyaren gesandt wurde, aber nicht mehr für den
kritischen Wendepunkt des Krieges, als Eustathios mit seiner Flotte
in der Donau erschien. Wenn daher Kaiser Leon fortwährend so ge-
flissentlich das christliche Gemeinsamkeitsgefühl im Munde führte, so
konnte ihm dagegen allerdings Symeon bei seinem verspäteten Friedens-
vorschlage mit Recht vorwerfen, dass er jenes Gefühl durch das Bünd-
nis mit den wilden Heiden ja selbst aufs Gröblichste verletzt habe, um
so mehr, da ja Leon, entgegen seinen eignen scheinheiligen Ver-
drehungen, auch nach byzantinischer Darstellung dem Bulgarenfürsten
gerechten Grund zum Kriege gegeben hatte.
^) Konstantin. Porphyrog. de administr. imp. c. 50 p. 238, 16 —
239, 12. Kaiser Konstantin stellt die Sache so dar, als hätte Symeon
selbst die Überfahrt zu hindern versucht, was jedoch nach dem über-
einstimmenden Zeugnis der Fuldaer Jahrbücher und der byzantinischen
Chronisten ohne Zweifel falsch ist.
■^) Ann. Fuld. 896: Uli transpositi, manu cum valida geutem
Bulgarorum ingressi maximam partem caedendo neci tradiderunt. Dies
ist offenbar die erste der drei Niederlagen , welche die Magyaren nach
Kaiser Leons Tactica den Bulgaren beibrachten.
^) Ann. Fuld. 896: Hoc audientes ^;o&?Y? in expeditione Bulgari,
cum omni festinatione patriam deliberare ab infesto hoste recurrunt.
Georg. Mon. p. 874, 10 — 12: IltQdauTttg ovv ol Tovqkoi, rov Uviisäiv
inl t6 GTQCcxtv^iu ^cox« a.6%oXovyiivov ^ fjx^almtBvaav näoav rTjf Bovl-
yagiav. tuvta ^a&äv 2vyitcov xivBlrui v.axu Tovq'acüv. Leon. Gramm,
p. 268, 6—9. Theophan. cont. VI 9 p. 358, 20—21.
524 J- Marquart,
■der Kaiser Leute ab, um ihnen die bulgarischen Gefangenen ab-
•zukaufen.
Nun Hess sich der Bulgarenfürst herbei, durch Vermittlung
des Drungarios Eustathios um Frieden zu bitten, worauf der
Kaiser auch eingieng. Nikephoros und Eustathios erhielten Befehl,
ihre Streitkräfte zurückzuführen, und Leon Choirosphaktes ward
abgesandt, um über die Friedensbedingungen zu verhandeln. Kaum
sah aber Symeon sein Land von den romäischen Truppen ge-
räumt, als er beschloss, den günstigen Augenblick zu benutzen
und zunächst mit den Magyaren abzurechnen, um dann auch dem
Kaiser gegenüber seine Forderungen höher spannen zu können. Er
liess daher den Gesandten einstweilen gar nicht vor, sondern hielt
ihn in der Burg Mudagra oder Mundraga in Gewahrsam i), und nun
gieng es in den schweren Kampf gegen die magyarischen Unholde,
zu dem man sich auf den Rat des alten Königs Michael durch
ein dreitägiges Fasten vorbereitet hatte. Die Heiden, die sich
von den Romäeru im Stiche gelassen und zumal durch die Heim-
kehr der Flotte den Rückzug über die Donau abgeschnitten sahen -),
fochten mit dem Mute der Verzweiflung, nachdem aber lange auf
beiden Seiten mit grösster Erbitterung gestritten worden war,
blieb zuletzt den Christen der freilich teuer genug erkaufte Sieg:
20 000 bulgarische Reiter bedeckten die Walstatt, die Feinde aber
wurden völlig vernichtet.
Wenn daher Kaiser Konstantin die Magyaren nach der Ver-
heerung Bulgariens unbehelligt in ihre Heimat zurückkehren lässt ■^),
so ist dies offenbar ein Irrtum, der wohl dadurch veranlasst wurde,
dass er den von den Chronisten vermeldeten Sieg Symeons über
die Magyaren mit dem von ihm allein erzählten gemeinsamen
Überfall Symeons und der Peöenegen gegen dieselben zusammen-
warf. Nach dem Friedensschlüsse mit dem Kaiser soll nämlich
1) Georg. Mon. cout. p. 854, 22 =^ Leou Gramm, p. 268, 10 f.:
Asovtcc ovSh Xoyov rj^icoas 2viisä>v , all' riacpaXiaato siQ'Krf]. Ebenso
Theopban. cont. VI 9 p. 379, 9 f. Zou. XVI, 12, 25. In jener Burg
traf Symeon den Leon bei der Rückkehr vom Zuge gegen die Magyaren:
aal vTtoöxghpag svqs Äeovta iv rfj MovMyQcc (Leon Movlddyga).
Konstantin Porphyrog. de admin. imp. c. 40 p. 172, 19 lässt irrig den
Symeon durch die Magyaren slg t6 näatQOv xo Ityöiisvov MowSgaya
eingeschlossen werden.
■2) Aus der Darstellung der Fuldaer Annalen gewinnt man durch-
aus den Eindruck, dass die Feinde noch im Lande weilten. Dies wird
vollkommen bestätigt durch die Worte der byzantinischen Chronisten
(Georg. Mon. p. 855, 1—2 = Leon Gramm, p. 268, 19—22. Theopban.
cont. VI 9 p. 359, 10—12. Zon. XVI 12, 26): i^atQocrsvGag dh xaru rcbv
TovQKcov, ixtivwv öx^Qw^cc ßor]d-£iccg ftr; i^ovrcov itagä Pca-
^aicov, cclX' KTfQOVo^tcog (Leon ccTtQOvo'^tcov) ia&^vrav, nav-
rag naziccpa^ev, av^rjOag rr}v jXgyaZoi/JV^iaj' avrov.
ä) Konstantin Porphyrog. 1. 1. c. 40 p. 172, 20: xai il,sXdGccvri:g
(i^XQt tfjg IlQsa&Xäßov difjX&ov anoKXiiaavrsg avrbv Big rb xdaTQOv rö
Xsyoiisvov Mow^Qocya, xal sig rrjv löiav x^qav vnsatQsipKv.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 525
Symeon mit den Todfeinden der Magyaren, den Peßenegen Ver-
handlungen angeknüpft und mit ihnen einen Bund zur völligen
Vertilgung des Gesindels geschlossen haben. Während sich nun
die waffenfähige Mannschaft der Magyaren eben auf einem Kaub-
zuge ausser Landes befunden habe, seien die Petenegen mit Symeon
gegen die Magyaren gezogen und hätten ihre Familien völlig ver-
nichtet und die zum Schutze des Landes zurückgelassenen Magyaren
gänzlich von dort vertrieben. Als dann die Magyaren bei ihrer
Rückkehr ihr Land dermassen öde und verwüstet gefunden, seien
sie in ihr jetziges Land übergesiedelt.
Es ist sehr wohl möglich, dass diese Unternehmung, wie der
Kaiser behauptet, erst nach dem Friedenschlusse Symeons mit
den Eomäern stattgefunden hat; die Erzählung selbst aber trägt
ganz den Charakter der Beschönigung einer gewaltigen Niederlage
der Magyaren durch die Pe^enegen, die von Konstantin öfters
erwähnt wird (c. 3 p. 70, 8. c. 8 p. 74, 2 ff. c. 38 p. 170, 18—
171,1), und ist offenbar magyarischen Ursprungs. Vermutlich
wurde sie dem Kleriker Gabriel erzählt, als derselbe im Auftrage
des Kaisers die Magyaren zu bewegen suchte, in ihre alten Wohn-
sitze zurückzukehren und die Peßenegen zu vertreiben (c. 8 p. 74,
2—13).
Nach dem Siege über die Magyaren erklärte Symeon dem
Gesandten Leon, er werde nur Frieden schliessen nach Rückgabe
sämtlicher, also vor allem der den Magyaren abgekauften Ge-
fangenen. Der Kaiser gestand die Forderung zu, und der Bulgare
Theodoros, ein Vertrauter Symeons gieng mit Leon und nahm
sie in Empfang.
Diese Ereignisse müssen mindestens das Jahr 894 und die
erste Hälfte des Jahres 895 ausgefüllt haben. In der That wird
von den Arabern fürs Jahr 282 H. (2. März 895—18. Febr. 896)
kein Sommerfeldzug erwähnt, wohl aber für 281 H. (beginnt
13. März 894): „In diesem Jahre betrat Toyaö b. Guff Tarsus am
Donnerstag in der Mitte des Gumädä 11.^), wie es heisst, um den
Sommerfeldzug im Namen des Chumäröi zu leiten. Er zog zu
Felde und gelangte nach Turäjön {TvQaCov) und eroberte Malu-
rija(?)''2). Auf deselben s'treifzug bezieht sich, wie es scheint,
eine zweite Notiz, welche lautet: ,Im Sauwäl desselben Jahres
(4. Dez. 894 — 1. Jan. 895) machten die Muslime einen Raubzug
gegen die Romäer, und es dauerte der Kampf zwischen ihnen
zwölf Tage lang. Da gewannen die Muslime die Oberhand und
machten viele Beute und kehrten zurück" 3). Die Zeit der An-
kunft des Toyaö in Tarsus entspricht dem von Kaiser Nikephoros
angegebenen gewöhnlichen Zeitpunkt der Zusammenziehung der
1) 22. August 894.
2) Tab. III Y\f., 8—10.
3) Tab. III r\fr, 6—7.
.^26 •'• Maiquart,
grossen sarazenischen Heere ^) , der Aufbruch selbst aber scheint
diesmal besonders spät erfolgt zu sein, wenn der Zusammenstoss
erst im Dezember geschah. Jedenfalls konnten aber die romäischen
Reiterregimenter nicht vor Mitte Januar in Konstantinopel ein-
treffen, wonach also der Rückzug des Symeon, der Einfall der
Magyaren, ihre beiden Siege und ihre schliessliche Vernichtung
durch Symeon etwa die Zeit von Ende Januar bis in den Mai 895
ausgefüllt hätten.
Der Friede zwischen Symeon und den Romäern war nicht
von langer Dauer. Der Bulgarenfürst brachte in Erfahrung, dass
sich noch immer bulgarische Gefangene im Romäerreiche befanden,
und beschwerte sich natürlich über unvollständige Erfüllung des
Vertrages. Diese mochte immerhin ihre Schwierigkeiten haben,
da gewiss manche der den Magyaren abgekauften Gefangenen als-
bald in Privathände übergegangen waren. An Stelle des alten
Haudegen Nikephoros Phokas war mittlerweile Leon Katakalos
zum Obersten der Palastgarde ernannt worden'^), und nach dem
Tode des ersteren rückte Symeon gegen die Romäer: Ni.nr]q)ÖQOV
6e rov OcoKä TEXEvrTjöavrog, ccq)OQiiag i^rjrst 2vixewv tyiv ei'^tjvjjv
öiaXvßixi- 67Ci^rjTCöv yccQ Kai aUovg ui%^alü)xovq slGsqxsxcu aara
'Pconciioav. Aicov öe 6 ßaödevg 6oii£6rtKOV r&v ayoXGiv TtQoßaXlerai
Aeovra KcaanaXov, iv rf] 'Pdßöa rr}v oim]6i,v k'xovra, aal (ler uvrov
ccTtoozeXXei Osodöaiov naTqUiov y.cä nQ03xoߣGxi.uQi,ov. ■aal neqccGag
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Uv(ieo3v elg xb BovXyagotpvyov, iyivexo XQonrj örjfioöLa kuI ndvxeg
KTtcoXovxo %al 6 7iQ(oxoߣ6xi.ccQiog &soö66i.og, dt' ov 6 ßaöiXehg ov
fisxQlcog Tjvtd&rj iitl xovxov. Georg. Mon. p. 855, 8 — 16 = Leon
Gramm, p. 269, 4—13. Vgl. Theoph. contin. VI 10 p. 359, 17—360,
17. Sym. Mag. p. 701, 24—702, 4. Zonar. XVI 12, 28—29 p. 444.
Konstantin Porphyrog. de them. I p. 32, 20—33, 11. Über den
schliesslichen Ausgang des Krieges hüllen sich die byzantinischen
Chronisten in beredtes Schweigen, es ist aber auch so klar, dass
die von Tabarl berichtete Bewaffnung der muslimischen Kriegs-
gefangenen allein in die oben vorausgesetzte Situation nach der
Vernichtung der romäischen Feldarmee bei Bulgarophygos passt.
Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die Einnahme der
Burg KÖQov (arab. ä'i) in Kappadokien durch die Agarener, welche
bei den Chronisten gleich hinter der Niederlage von Bulgarophygos
erwähnt wird, nach Tabarl III Hva, 15 f. ins Jahr 284 (7. Februar
897—26. Januar 898) fällt. Lebeau»), der die ihm aus Gregor
Abu Ifarag, Hist. compendiosa dynastiarum ed. Pococke (Oxoniae
1663) p.'i81 bekannte Nachricht Tabarl's bereits richtig mit der
1) Geizer a. a. 0. 107 f.
"-) Theophan. cont. VI 10 p. 359, 17—360, 8.
3) Hist. du Bas -Empire 13, 349.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 527
Schlacht von Bulgarophygos verknüpft , hat mit Unrecht der
Chronologie des ganz unzuverlässigen Symeon Magistros den Vor-
zug gegeben, der die Einnahme von Koron ins siebente Regierungs-
jahr Leons (892 93) setzt. Die Unterdrückung der von Tabarl
erzählten Episode durch die byzantinischen Chronisten erklärt sich
v^'ohl einfach daraus, dass sie dem christusliebenden Kaiser keines-
wegs zur Ehre gereichte.
Nachdem wir jetzt den wirklichen Verlauf der Kriege Symeons
gegen Leon festgestellt haben, ist es nicht mehr schwer zu er-
kennen, dass ein grosser Teil der von Mas'üdi in seinem Berichte
über die Walandarhorden erwähnten Einzelheiten in den Wechsel-
fällen jener Kriege sein Vorbild hat.
Falls die Sage von den Kämpfen zwischen den vier Horden,
die durch einen muslimischen Kaufmann aus Ardabel veranlasst sein
sollen, einen thatsächlichen Hintergrund hat, so können dieselben
nur ins Jahr 889 fallen, in welchem die Magyaren, wie es scheint,
durch die Pefeenegen aus dem östlichen Teile von Atelkuzu d. h.
dem Dnjeprgebiet vertrieben wurden. Nicht anders lässt sich die
Nachricht Eegino's, in welcher die in mehreren zeitlich aus einander
liegenden Etappen erfolgte Zurückdrängung der Magyaren vom
Lande im Osten der Maiotis bis zum Theissgebiet als ein ein-
maliges Ereignis zusammengefasst ist, auffassen: Anno dominicae
incarnationis 889 gens Hungarorum ferocissima et omni belua
crudelior, retro ante seculis inaudita quia nee nominata, a Scy-
thicis regnis et a paludibus quas Thanais sua refusione in im-
mensum porrigit, egressa est. ... Ex supradictis igitur locis gens
memorata a finitimis sibi populis , qui Pecinaci vocantur , a pro-
priis sedibus expulsa est , eo quod numero et virtute praestarent,
et genitale, ut praemisimus, rus exuberante multitudine non suffi-
ceret ad habitandum. Hoi'um itaque violentia effugati ad exqui-
rendas, quas possent incolere terras, sedesque statuere, valedicentes
patriae iter arripiunt. Vielleicht ist auch die falsche Datierung
des ersten Bulgarenkrieges bei Symeon Magistros , der ihn unter
dem dritten Jahre Leons erzählt, durch eine Notiz über jene Ver-
treibung der Magyaren durch die Pefcenegen veranlasst worden.
Die Magyaren müssen demnach von 889 — 895 oder 896 in der
heutigen Moldau und Walachei und zwar hauptsächlich im Ge-
biete des Prut (Bovqcct) und Seret (UaQar) gewohnt haben.
In Mas'üdi's Angabe, die romäischen Truppen von Walandar
hätten einen Streif zug gegen die Wohnsitze der vier Völker ge-
macht , während sie von denselben abwesend waren , und viele
Kinder in die Gefangenschaft weggeführt, scheinen zwei verschie-
dene Thatsachen zusammengeflossen: 1) der Einfall der von den
Romäern gedungenen und von romäischen Schiffen übergesetzten
Magyaren nach Bulgarien , während das bulgarische Heer gegen
die anrückenden Romäer unter Nikephoros Phokas im Felde stand.
Da dieser Einfall nicht bloss in romäischem Literesse erfolgte,
528 J- Marquart,
sondern auch von den kaiserlichen Truppen unterstützt und über-
dies die Gefangenen an die Romäer verkauft wurden, so erscheint
es immerhin begreiflich, wie dieser Überfall geradezu den Romäern
zugeschrieben werden konnte. Damit hat sich aber 2) eine Er-
innerung an den von den verbündeten Bulgaren und Pe^enegen
gegen die Magyaren ausgeführten Überfall vermengt.
Dagegen ist der nun folgende Zug gegen Walandar augen-
scheinlich, wenn auch mit mehrfachen Verschiebungen der That-
sachen, ein Nachhall der Katastrophe von Bulgarophygos. Unter
den verbündeten Nationen sind die Bulgaren und Pe^enegen zu
verstehen, und es ist ganz glaublich, dass diese Symeon auch auf
seinem Zuge gegen Carigrad begleiteten, sodass Mas'üdl also im
Kitäb at tanblh U., 7 und Ui*', 11, wo er von den Walandarhorden
nur die ^ j und Pefienegen nennt, das richtige Verhältnis bewahrt
hätte. Die Bewaffnung der muslimischen Kriegsgefangenen durch
die Romäer erfolgte freilich nicht vor, sondern erst nach dem Tage
von Bulgarophygos, und noch mehr aufgebauscht ist das, was von
der Aufbietung muslimischer Handelsleute durch die „Türken" ge-
fabelt wird. Davon, dass Symeon solche in sein Heer aufgenommen
hätte, ist jedenfalls keine Rede ^), sonst hätten sich die Byzantiner
sicher nicht entgehen lassen es ihm aufs Kerbholz zu schreiben,
könnte man also nur an Sklavenhändler denken , die sich bei
einer der westlichen Pecenegenhorden aufhielten, um Gefangene
und andere Kriegsbeute einzuhandeln , und jene auf dem Kriegs-
pfade begleiteten. Wenn daneben auch noch von muslimischen
Angehörigen der vier Stämme selbst die Rede ist, so ist man ver-
sucht, im Namen des Häuptlings Fia^rj, der zur Zeit der Ver-
treibung der Pe^enegen aus ihren alten Wohnsitzen am Jajyk
die Horde Xonov befehligte , welche nach ihm rialiionöv hiess
und nachmals Bulgarien zunächst wohnte , das persisch - arabische
^^•Lc. zu vermuten. Was es mit der Erstürmung der Festung
Walandar für eine Bewandtnis hat, lässt sich bei dem völligen
Schweigen der Chronisten über die Vorgänge vor und nach der
Schlacht von Bulgarophygos auch jetzt noch nicht erkennen, so-
viel ist aber nunmehr klar, dass die Walandarhorden eigentlich
die Bulgaren {J^S) und ihre damaligen Verbündeten, die Pe^enegen
sind, und Mas'üdl im Grunde genommen nicht mehr über den
Raubzug der Magyaren von 934 weiss als die byzantinischen
Chronisten. Die Machtstellung des Bulgarenreiches unter dem ge-
waltigen Caren Symeon und zumal seine ersten Kriege gegen die
Romäer sind demnach bei Mas'üdl keineswegs völlig vergessen,
aber infolge des raschen Verfalls unter dem Caren Peter bereits
verblasst und daher auf die eben damals das Abendland durch-
1) Im Bulgarenreiche dürften sie kaum sehr zahlreich gewesen
sein, wenn sie auch damals so wenig als zur Zeit der Bekehrung des-
Bogoris gänzlich gefehlt haben werden.
Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 529
stürmenden Magyaren übertragen. Auch heute wieder fehlt ja
dem slawischen Balkan ein Symeon , den kaukasischen Ländern
ein Asot der Grosse mehr denn je.
Zu S. 484, 21 — 485, 6: Diese Tradition kennt auch Genes. IV
p. 85, 21 — 86, 1 ed. Bonn.: 6 6s ccQxrjYog Bovlyaqiuq {olg rb yivog
i^ 'AßdQoav rs neu XatccQCOv, anb BovXyaQOv hvqlov ovonarog, o?
TtaQcc '^Pco^aicov iv y.axoL%r\6si JoqvöxoXov Kcd ttj? Mvöiag ytyivr\xo)
Inayd'ri n^oh^Gt Qrj(i(xtcc i7ti.6Q0ii7}v '^Pco^aioig eTcaTtsdäv.
Den einzigen historischen Hintergrund der Erzählung bildet
natürlich das Bündnis des Kans Kobrat mit Herakleios gegen die
Awaren, womit in der That die staatsrechtlichen Beziehungen der
Unugundur - Bulgaren zum Komäerreiche ihren Anfang nahmen.
Während dies Föderatenverhältnis in der Erzählung Michaels
fälschlich schon in die Regierung des Maurikios zurückgetragen
und durch die angebliche Abtretung der beiden Moesien und
Dakiens noch vergröbert wird, lässt dagegen die von Ps. Moses
Choren ac'i (Geogr. S. 17, 5) benutzte Version, in wesentlicher Über-
einstimmung mit der Erzählung des Theophanes-Nikephoros , die
Bulgaren erst unter Aspar-hruk, dem Sohne des Chubrat', vor
den Chazaren vom Gebirge der Bulgaren oder, wie er an anderer
Stelle noch deutlicher sagt, vom hippischen Gebirge (S. 25, 25),
d. i. aus Altbulgarien fliehen und die Awaren vertreiben,
hat jedoch darin das Richtige bewahrt, dass sie als ursprüngliche
Niederlassung der Donaubulgaren nur die Donauinsel Peuke kennt
(s. meine Chronologie der alttürkischen Inschriften S. 88 f.).
Es darf nicht übersehen werden, dass die Erzählung Michaels
unverkennbar auf die alte Sage von der Überschreitung des kini-
merischen Bosporos durch die Hunnen *) anspielt, wenn sie die
1) Vgl. Priskos bei Jordan. Get. 24 § 124: huius ergo gentis _. ._ .
venatores . . . animadvertunt, quomodo ex improviso cerva se_ illis
optulit ingressaque paludem nunc progrediens nunc subsistens index
viae se tribuit. quem secuti venatores paludem Meotidam, quem in-
perviam ut pelagus aestimant, pedibus transierunt . . . (Hunni) mox
ingentem illam paludem transierunt e. q. s. Etwas deutlicher sagt
Prokop. de b. Goth. IV 5 p. 476, 7—477, 13 von den Hunnen im Osten
der Maiotis (Altbulgarien) : oux iTtiiiiyvi^LUvoi. (dh) ccv&QWTtoig, ol&i] t?Js
t£ liiivrig Kul rfjg ^^•Ms inQofig [s. S. 530 A. 1] ig xk iitl %äxi^a idqvvxo •
iTiil oÜTS disßaivov noxt xä vSaxa xavxa oiSrs Siaßaxä dvai vnmnxnyoy,
TtQog XU svyioXwxaxcc TtSQLtfoßot övxsg, xä ^iriSh aTtOTttiQdcaGQ-ai ayxS>v
Ttwnoxs, &Xl' aiitlhrixoL xfjg diaßdascog n'avxänaGiv tlvai .... TtQoCovxog
dh xov j^QOVOV cpaciv, iiittQ 6 löyog vyirig i6xi, x&v ^ihv Kt^i^ibQicov [d. i.
der Hunnen] vsaviag xivug iv -nwriytcicp äiaxQißriv i%tiv , ilacfov^ o£
ILiav TtQog avx&v cpsvyovcav ig xd. vSaxa iaTCriSfjacii xavxa avs-
Xö^tvoi ovv avxUa xd onXa TtavSrnisi x£ öiaßdvxng iyivovxo iL£XXr\6£i
ovS£\iiä iv xy avxntigag i]Tt£iQ(o. Am klarsten drückt sich Agathias
V 11 p. 365, 10—17 aus: ysvsdlg Sh noXXalg vGxtQOv öiißriGav ig xr]v
EvQmnriv, dxs cog dXriQ'&g iXdcpov xtvog v.axd xovxo Si] xb Q'qvXov^svov
xd TtQcaxa j]y7\6a[iivrig sixs y.al dXXoia ^QriGd^svoi xv^rj , xal^ xr]v
iKQ07]v xfjg Xiuvrig xi]v ig xbv Ev^sivov TIövxov cpSQO^svriv,
dnoQOV xicog SoTiovaav, xöxs örj oxca ovv XQÖ-itcp StaitSQaico^tivxtg v,xX.
Marquart, Streifzüge. '^'*
530 J- Marquart,
Skythen zur Winterzeit bis zum Tanais gelangen lässt, „der
aus dem See Mäntiös herauskommt und sich in das
Pontosmeer ergiesst". Dieser Ausdruck ist offenbar ge-
wählt, um die Übergangsstelle zu bezeichnen, und unter der Mün-
dung des Tanais ist daher hier der Bosporos zu verstehen ^) , der
im Winter öfters zufror. Wir überblicken jetzt die verschiedenen
Phasen der bulgarischen Wandersage von Priskos bis zu Michaels
Gewährsmann genügend, um zu erkennen, dass man jeden neuen
Wendepunkt der bulgarischen Geschichte wieder unmittelbar
an jenen für die Geschichte Europas so verhängnisvoll gewordenen
Übergang über die Maiotis anknüpfte. Es ist sehr wohl glaublich,
dass auch ein Teil der Magyaren, als sie vor den Peöenegen das
Gebiet im Osten der Maiotis räumten, denselben Weg nahmen,
den einst den Hunnen die heilige Hindin gezeigt hatte-). Falls
jene daher zur Zeit der Entstehung ihrer ältesten Chronik noch
eine Erinnerung an ihren einstigen Übergang über den Bosporos
bewahrt hatten, wie ihnen sicher eine solche an ihren jahrhunderte-
langen Aufenthalt im Osten der Maiotis geblieben war, so konnten
sie von ihrem Standpunkte aus nichts Besseres thun, als Jordanes'
Wiedergabe der Erzählung des Priskos zu kopieren.
1) Vgl. Prokop. d. bell. Goth. IV 4 p. 474, 19—475, 1 : Tävaiv 61
KCcXovOLv ol ini^mQiOi ncci ti)v i-n§oli]v ravtr\v, iy, li^vris ccQ^a^£V7]v tf]g
Mciimri^og a^Qi ig ^ov Ei^nivov novtov, rjitSQ (sc. Xiy.vr\) Siriv.bi ig
döbv 7]^SQcbv, mg (paaiv, t'iKoaiv. ccXlä xal rbv avuiiov, og ivQ-tvSs nvtl,
Tavattriv TtQoaccyoQivovai.. Maltrets von der Bonner Textfabrik wieder-
holte lateinische Übersetzung: Tanaim etiam vocant indigenae illum
alveum , qui a palude Maeotide ad Pontum Euxinum pertinet , itinere,
ut aiunt , dierum viginti ist ebenso sinnlos , als grammatisch falsch.
Dass die 20 Tagereisen im Sinne des Gewähi-smannes des Prokopios
die Längenausdehnung der Maiotis, unmöglich aber die Länge des Aus-
flusses derselben in den Pontes bezeichnen sollen, ist selbstverständlich,
aber auch Prokopios wollte 7]7t£Q auf XL^vrig rfjg Maimridog, nicht etwa
auf ri]v i^ßoXi^v ravrrjv bezogen wissen; im entgegengesetzten Falle
hätte er geschrieben xal SnqKovaav ktX. — Bei Konstantin Porphyro^.
de admin. imp. c. 42 p. 181, 3. 5 heisst der Ausfluss der Maiotis Burlik
oder Wal (6 BkX y,al 6 BovqHx, lies 6 Bäl 6 xal BovqXLk).
'^) Die wirkliche Lage von Asߣ§ia ist uns so lange unbekannt,
als wir den dortigen Fluss XiS^cig, 6 tcal XiyyvXovg inovo^a^öiisvog
nicht mit Sicherheit identifizieren können. Die Gleichsetzuug mit dem
Cinhul, einem der beiden Quellflüsse der Molotnia ist nicht besonders
schlagend, und an sich könnte ebensogut die Jeja in Betracht kommen.
KEGISTEß.
Namen, die man im deutschen Eegister nicht findet, suche man in den
anderen, und umgekehrt.
Abas, Bruder des Königs Asot II.
von Armenien 179 f. 184.
Abärls 482, 5 ; der Chagan der A.
482, 9. 484, 5. 485, 5. 486 s.
A waren.
Abasger 174 s. Ap'ehazen.
'Abd al A'la b. Ahmad b. Jazid
b. üsaid as Sulaml 459.
'Abd alläh b. Tahir 459.
Abdl-Aziz, Statthalter von Arme-
nien 448 f.
'Abd al Kablr b. 'Abd al Hamid
454.
Abdl-Melik' 443—447.
Abd al Malik b. al Galihäf as Su-
laml 404 ff. 452. 457 f.
'Abd ar Rahmän III. an NäQir,
Chalifa von Spanien 8. 135. 478.
'Abd ar Rahmän, Patrikios von Ar-
ran 457.
'Abd ar Rahmän b. Rabi'a al Ba-
hill 491.
'Abdü bar 'Abdu 297 A.
Abodriten 104 f. 305 ff. Osterabtrizi
116. 140 s. Praedenecenti.
Abraham, Katholikos 397 A.
Abu Muse Esaj, Fürst von Albanien
413.
Abii Muslim der Schismatiker 454 f.
Achiulf 377A. (aus Athiulf oder
vielmehr A(e)thiulf, jüngere Form
Ediulf) , fälschlich zum Vater
Ermanariks gemacht.
Achsikat 79. 81.
Acara 174. 177 f.
Adalbert, Bischof von Prag 135.
Adaldag, Erzbischof von Bremen
313. 315. 322 f. 328.
Adarnase der Blinde 396. 414.
Adarnase I. (II.), Kuropalates von
Georgien 394 s. Atrnerseh.
Adarnase (HI.)) Kuropalates und
Erist'aw 419 ff. 433.
Adarnase, S. des Wasak Bagratuui
415 f.
Adiabene, Königreich 288 ff.
A<5'ar-Narse, Fürst von Chaidän 20.
Adrianopel 493.
Adröpoliös 482, 15.
al Afsln 460.
Agareni = Ungarn 69.
Aggai 284.
al aksimon {cdlah,iyb(ov) 219, 31. 235.
Alan, Land 485, 15.
Alanen 12. 16. 56. 61 f. 74. 145.
154.161.164—172. 174 A. 4. 175.
360—365. 368. 370 ff. 381 u. A 1.
488 f. 491. 496. 505.
Alanenschloss 166.
Alaueuthor 12. 42. 56. 165. 174.
186. 199. 489.
Alatheus 368 f. 372 A. 375/6 A.
Albanesen 246 A. 1.
Aldegjuborg 201.
Alexander d. Gr. 90.
Alfons IX. von Leon 477 f.
'All b. al Hai'ö'am, Sarwänsäh 332.
'All b. Hisäm 459.
'Air b. al Husain b. Siba' al Qaisl
461.
'All b. 'Isä b. Mähän 456.
'All b. Jahjk al Armani 460 f.
All, S. des Suab 406. 408. 410.
Almus, Vater Arpads 497 s. Eal-
Almys, Fürst der Wolga-ßulgareu
25.
*Alobogotur 156.
34*
532
J. Marquart,
Alp-iiut'ver 302. 514.
äl-täbär 115 A. 1.
Amaler 377.
Amazonen 356 — 361. 365.
Ameisengold 79.
Ammazarte 356.
Amram C'lik 182
Amiil, gegründet von Mazdak 94.
Anagai 46. 504.
A-na-kwei 46.
Anastasia, Frau des Ks. Tiberios
484, 4.
Anastasios, Ks. 485, 6. 488.
Anastasische Mauer 488.
AncMalos 483,25. 486 f. 500.
Andalus, von den Turk heimgesucht
63.
AnqlTjin 192. 509 f.
Antälia (Attaleia) 206—208.
Anten 127. 147. 193 f. 368 A. 483.
488. 504.
Apacht'ark' 58.
Apaoki 83. 88.
Aparhajik 280.
Apastäk 294 A.
Ap'chazen 174-188. 421 f. 424.
Gottesdienst in eigener (oder in
iberischer?) Sprache 190 f.
Apollonios von Tyana 222, 2. 11.
236.
Ap'simeros 444.
Aqbä 480 flf.
Afaneank' 490 A. 1.
Arche , Landungsort in Armenien
286—289.
Arcrunier in Waspurakan 452.
Arces 463.
Arc'il II. 394 ff. 402 A. 414—416.
420.
Ardabel 11. 61. 72.
Ardoz, Landschaft im Quellgebiet
des Terek 171.
Areves, Arves, Sevordi 427. 496.
Argvel, Argavet'k', Argvet' 171.
Argwet', Margwet' in Imeret'i 171.
Arimphaei 56.
Armenier 342.
Armnaj, Fluss 170.
Arpadis 35. 52. 521.
Arrän 457. 461.
Arsija 332.
Artanugi (Adranutzi) 176. 183. 407 f.
410 f. 421. 424. 427.
Artavet 11 s. Ardabel.
Ar'&'ä (Ersa-Mordwinen) 517.
Arveleank', Afaveleank' („die Öst-
lichen"), Geschlecht in Arran 171.
490.
Äs 164. 167. 172.
Asad b. Jazid b. Mazjad 456.
Äsfridr 309.
Askold 34. 509.
Asparuch 505, Aspar-hruk 529.
Aspet 429. 436.
'Asqaläu 208, 2.
A-sih-na 46 f.
Asot, S. des Wasak, Patrikios von
Armenien 414.
Asot der Tapfere oder msaker 402—
405. 416. 451.
Asot I. der Grosse, Fürst der Fürsten
und Kg. von Armenien 177. 424 f.
Asot II. der Eiserne, Kg. von Arme-
nien 177-183; Sahansah 182.
Asot, Kg. von Dvin 180.
AsotL Kuropalates .397. 401. 403 f.
405—409. 416. 421 f.
Asot II. Kuropalates 177.
Asot Patrikios gen. Kiskasis 176.
184.
Asot Gnt'uni 180.
Astigor 170.
Asusan, Arsusa 397 f. A.
Atelkuzu 35. 52. 467.„527.
Ätil 57, At'l 58. 154; Atil, Itil, Etui
= Don 30. 32. 59. 161; Etel =
Dnjestr 30 A. 4.
Atrnerseh (I.) , Fürst von Iberien
398 A. 433.
Atrnerseh I. (II.), Kuropalates 394.
402 A. 430. 433.
Atrnerseh II. (III. bezw. IV.), Ku-
ropalates und Kg. von Iberien
177—181. 183 f. 392.
Atrnerseh (IV. bezw. V.), Kuropa-
lates, S. des Bag(a)rat 176 A. 2.
177. 427.
Atrnerseh, Herr von Chac'en 457 d.
Attila 42.
Attorozi 189.
Aturezani 510.
Awareu (eigentliche) 43.
Awaren (falsche), Obri 43. 146 f.
194. 243 ff. 486 ff. 504. 529; Nieder-
gang ihrer Macht 125 f.; Gottes-
dienst in eigener Sprache? 190 f.
Avares = Ungarn 520 f.
AwTdä 296 A. 4.
al Bab wa'l abwäb 454 f. 461 s.
Darband.
Bäbak, Baban 94. 452 f. 458 f. 460 e.
Bahr 275, 41. 278.
Bagqläbic 101. 104 f. 305. 316.
Bacn 75. 78.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 533
Badelize 507.
Bagar, S. des Msliin 451.
Bagarat, S. des Asot Kuropalates
408. 411 f. 414 f. 422. 425.
Bagarat (III.) Magistros 177.
baya, altiran. = König 168.
Bagyard 61. 63. 65. 70. 152. 335
A. 4.
Bagna (Pacnk) 61. 68. 67 f. 78. 152.
335 A. 4; s. auch Pecenegen.
Bagnäk (Pacnäk) 61—65. 67 f. 76.
78. 152. 335 A. 4.
Baiberd 437.
al Baidä' 1. 12. 17. 18 und A. 2.
• 491. ■
al Bailaqan (P'aitakaran) 455. 457.
Bajan (Bäg-Bajan) 504 f.
Bäkuh 332.
Balamber 367 A. 2.
Balangar 12. 16 ff. 490 f.
BaVanrot 11.
Baläsarün 77. 477. 501.
Balätis 66 A. 2. 240, 2. 19. 241.
243. 251 f.
al Bandaqls 240, 4. 23. 259.
Baqat'ar, ossetischer Riese 167 f.;
mt'awar von Owset'i 168.
Bar(Ja'a 5. 36 ff. 454. 457 f. 461. 508.
Barsäliä 15. 56. 485, 16. 489. 491.
Barsatia 69.
Barsetk' (Basilk') 57. 59. 154. 490
und A. 1.
Bartlnija (Brittania) 269.
Bascardia, Bascart 69.
Baschkiren 69. 515.
Basgirt 68. Inner-Basgirt 518.
Basijüs s. Basileios I.
basTlä manganön 480 A. 3.
Basileios I. , Ks. (Basijüs) 29 A. 2.
66 A. 2. 207. 239,3. 240,15. 242 f.
249 f. 268. 493.
Bathscheba' 392. 430.
Batu-chan 169. 507.
Baumkult bei Sugdaia 15.
Beg der Chazaren 4.
Belar 154. 172 s. Bulgaren, schwarze.
Belaweza 1. 3. 474.
Belgrad 116.
Belochrowaten s. Chromaten.
Benno (Bernhard), Herzog von
Sachsen 319.
Berbern, Einfälle gegen Rom 261,
10—12.
Berki-i 463.
Berzylia 490,
Be-O' Qarda 289.
Bezmer 147.
Billing 320.
Billug 318—321.
Bis balyq 498 f.
Blauäugigkeit unter Hunnen und
U-sun 360 und A. 1.
Bloudheit der Amazonen 360; der
Kirghizen eb. A. 1.
Bogoris 23. 70. 118. 242. 495.
Böhmen 108; s. auch Cechen.
Bojki 111.
Boleslawl. von Böhmen 109. 131 f.
134. 136. 138 f. 142.
Boleslaw II. 138 f.
Boleslaw IH. 138 f.
Boleslaw der Kühne, Herzog von
Polen 136. 139. 148. 320 f.
Boliliut 320 f.
Boren 141.
Bofiwoj 124. 128 f.
Boso, Kg. von Burgund 207. 269.
Bosporos, kimmerischer , Gefrieren
desselben 341 ; Mündung des Ta-
nais (30. 161 f.) 530.
Bosporos, Stadt 162. 164. 504.
Branicewoll6;Branicewci 115.140;
Bränicäbln 139—142.
Brazlawo 118 f.
Brennaburg 103 f.
Bugat 157.
Buya 24. 36. 175. 188. 200. 411 ff.
422 ff. 451. 464. 508.
Bulan 11.
Bulchk' 57. 154.
Bulcu, Karchan 120.
Bulgaren, Bulgarien.
1) Kaukasische Bulgaren nörd-
lich von Darband 15 f. 56. 490 f.;
Burgäre489. 505; Burgän y-j^ji
491; Bulgar^:fOb 16. 356 A. 1.
491 ; Bekehrung 56. 485, 18.
2) Alt-Bulgarien 503 ; Bulgaren
am Kuban 57. 59. 154 f. 172;
OvtovQyovQoi, Burgar, Bulyark'
503.
3) Schwarze Bulgaren 502 f. ;
KovtovQyovQOL , Kurturgur , Ko-
zQayoi 503—506; Belar 154. 172
(oder = Nr. 2?); BuryarV (154).
503.
4) Donau - Bulgaren 15. 70 ff".
116 f. 121. 156. 200 A. 2. 485,8.
488. 494. 519—530; Unugundur-
Bulgaren 126. 147. 194. 505. 529;
Burgän ^.,L>^J 29. 204—206. 342;
Bulyar206. 222,32. 223,3); Bur-
yar 334. 342. 528; QJ^Läb 107;
534
J. Marquart,
Inner-Bulyär 517 ff.; Gross-Bul-
yär? 518 f.; Caqäliba (517). 519.
Bekeliruug 23; Haartracht 43.
5) Pannonische Bulgaren 244
A. 1. 245.
6) Wolga -Bulgaren 25. 151.
336. 475—477 ; Bulgär ^bCb 25 ;
Bulyär 2. 82. 152. 155. 161. 201.
341. 474f.; Buryar 68. 151. 159.
333. 336; Ausser -Bulyär 518;
Gross-Bulyär 518; Annahme des
Islams 25. 337.
Bulgarophygos 526. 528.
Burdas, Burtäs 82, 2. 161. 333. 336.
Burgän = Burgund 68. 150. 207.
269; s. auch Bulgaren.
Buryar 63 f. = Magyaren 68. 70.
115. 120. 149. 159. 341; an der
Maiotis, = Magyaren 151 — 155;
s. auch Bulgaren.
Burtäsfluss 336.
Candeloro, Scandeloro 209.
Cetae 55.
Chacanus, Kg. der Rhos 202.
Chachet (Kachet'i) 12. 199.
Chaidän 16. 20. 284 f. 492.
Chalac 79.
Chälid b. JazTd b. Mazjad a.s Sai-
bänl 408 — 411. 419. 459 — 462.
Chalil, S. des Izid 407 f. 462.
Chamllch 18. 24. 203 f. 270. 351
A. 1. 352. 475.^
Chäqän, Kg. von Cin in Sandäbil 87.
Chargäh 75.
Charluch 63. 76 A. 1. 81 f. 92.
Chat'irlit'ber 114.
Chazar, Stadt 3.
Chazarän 3. 201. 204. 474 f.
Chazaren Ifi'. 160. 164. 173. 199 f.
202. 271, 4. 273, 3. 8. 274, 13.
275, 35. 41. 278. 282. 284. 330—
341. 351 f. 402 A. 412f. 416f. 422.
443. 455. 474—476. 485,20. 490 f.
503 ff. 509. 513 f.; Chazirk' 57.
59. 154; Name 41 A. 2; Ursprüng-
liche Religion 15. 419; christ-
licher Gottesdienst in eigener
Sprache 190 ff.; Bekehrung des
Fürsten zum Islam unter Marwän
b. Muhammad 12; zum Judentum
unter Harun ar Rasld 5. 95 ; zum
Islam im J. 965 u. Chr. 3 f. —
Chazaren Juden 270; bei Eldad
had-Dänl 198.
Chazarenmeer = Maiotis 335.
Chazarig 485, 21.
Chazr (Chaze) patgos 219. 462.
Cheburk' 170 f.
Chelandia 35.
Cherson 14.
Chilät, Chlat' 459. 463.
Chinesische Mauer 85 f.
Chirchiz 80. 82.
Chizzini 140.
Chnuba, Chuob 308 f.
Choch 168.
Chochilaicus 388, s. Hugilaicus.
Chosrau I. Anösarwän 490.
Chotan 83.
Chrowaten 110. 129; Weiss-Chro-
waten (Belochrowaten) 119 f. 129
—139. 471. 509. — Illyrische
Chrowaten 139. 141. 244 A. 1.
245—250.
Chumdcän 89 f. 502.
Chumrin 20. 454.
Chuzaima b. Chäzim at Tamlml 6.
402 A. 418—421. 423. 453. 456.
Chwärizm 59; Chwärizmier 4.
Cnuto 308.
Coitae 55 A. 3.
Corosmina gens 59.
Corsitae 55 A. 3.
Canark' 37 f. 187 f. 200. 409 f. 413.
418f. 422. 423 A. 4. 424. 456. 459—
462. 496; = Kachet'i 411.
Qaqäliba = Donau - Bulgaren s.
Bulgaren.
C'ang-'an 89. 502.
Caqyr, Fürst der Uiguren von Kan-
cöu 89.
C'arconize-Garchilan 508.
C'dar Bolkar 57.
Cechen 103. 110. 122 ff. 129. 143;
Wohnsitze 124.
Celeken 2 A. 1.
Cerkessen 145. 164. 175.
Cerkezize 507.
Cerwenische Städte 148. 196.
Cestibor, Herzog der Sorben 108.
Öikil 76 f. 500.
Cimislaw, Fürst der Sorben 107.
Cln = Toyuzyuz 89.
Cinängkat 80. 91.
C'ing-tu-fu 86.
C'olaj (Darband) 444.
C'ungars 17. 58. 492.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 535
Dakien 485, 5.
Dalemincier 108. 113. 115.
Dalmatien 243. 245—251.
Danastius, Danastrus 189.
Dünen 303. 306-310. 317. 322. 324,
327. 388. 510.
Danparstadir 509.
Darband 12. 454. 489 f.
där-i-säg 76 A. 1.
David Magistros 176 A. 2.
Davit' I. Kuropahites 425 f.
Delum 274, 13. 275, 40. 278. 282
284.
Dencia, Dentu moger 10.
Develtos 70.
Digor, Dik'or 171. 507.
Dlnäwarl's, Sekte der Manichäer
91. 931f. 502.
ad Dir 101, 1. 145. 508.
Distrls 254 f.
Divali 55 A. 2. 498.
Don, Tanais 31 A. 1. 82. 162. 170.
484, 20. 485, 1. 530; der Slawen-
fluss 198; als Arm der Wolga
gedacht (30). 153. (161). 351 A. 1;
mit dem Terek vermengt 153 A. 3;
nicht der Sabbatfluss des Eldad
had-Dänl 197 f.
Dönabis 483, 19. 485, 1; Dunaba
115 (got. Jovvaßig).
Dorylaion 210.
Dragomir 129. 131.
Dubll (Dviu) 462.
Duc'i Bulkar 57.
Dudlebier 103. 123. 125 ff; D. in
Böhmen 129; Düläba 103. 142;
Dudleipa in Unterpannonien 125 ;
Dulebi in Wolhynien 125. 146.
190. 193. 467.
Dula, Fürst der Alanen 145. 155.
172.
Dulebi s. Dudlebier.
Dursac, Magyarenhäuptling 157.
J\i Nvi'äs 93.
Eastgota 512.
Ecgbert, Kg. der Westsachsen 29.
270.
Ekbatana in Adiabene 291 A.
Elias, Metropolit von Marw 304.
Ellak 42.
Epagerritae 170 A. 8.
Erac, Fluss 367 A.
Ermanarik 363. 365—369 A. 373—
376 A. 378 ff.
Etel, Etui s. Atil.
Eudoses 364.
Eustathios, Drungarios der Excubi-
tores 522. 524.
Ezit, S. des Usad 450, s. Jazid b.
Usaid as Sulaml.
al Fadl b. Jahjä al Barmakl 5.
416 f. 454.
Faryäna 476.
Farsang, romäischer 215,2. 228 f.
Francavilla 66 A. 2. 499.
Francia 269.
Franken, den Einfällen der „Turk"
ausgesetzt 63.
Frauenreich 79.
Friedrich, Sohn Ermanariks 379.
Fum (AcpoviLcov) 486.
Gabafu bagink' 279 A. 2.
Galäliqa (Gallegos), Galizien 63.
68. 159. 475.
Ganzak im Gau Arsakasen 462.
Gauzak Sahastan 11.
Gardman, Gardaban 408. 410 f. 413.
al Garräh b. 'Abdallah al Hakami
11. 17 f. 20.
Gauten (Geaten) 385 f. 388. 513.
Gelen 280—284.
Georg, nahapet der Sevordik' 38.
427. 496.
Georgien s. Iberien.
Georgios (II.) Magistros, Fürst von
Ap'chazieu 177. 179. 184f.
Gero, Markgraf 104. 106. 324.
Gesimundus 367 A. 2. 375/6 A.
Giorgi I. Aghcep'eli, Kg. von Ap'-
chazieu 177. 425.
Glomaci 113, s. Dalemincier.
Gnissi 55 und A. 2.
Gnüpa 309 f. 322. 324. 326.
Gog und Magog 85 f. 89 f. 281 f.
284. 355. 357 A. 4.
*Golthethiudos 378 A. 3.
Goriwei 124, s. Bofiwoj.
Gorm 307 f. 310.
Gostun 147.
Gotland 343.
Grado 256.
Greutungen 369 ff. A. 373— 375 A.
Grigor Arcruni 177.
Grigor mamasachlis 397 A. 1. 432.
Grigor Mamikonean, Fürst von Ar-
menien 402 A. 441. 443. 514.
Grigoris, S. des Wrt'anes 496.
Gross-Preslaw 70. 523.
Guälani, Guarani 345.
Gudurynus 306 f.
Guduscani 141. 192.
536
J. Marquart,
Gugark' 395. 409.
Gurgän ^^ Georgien 418 A. 6. 456.
al Gurgänlja 3. 60. 339; Gurgäng
60. 77. 160.
Gurgen, Fürst der Fürsten des Lan-
des Gamirk' 182.
Gurgen, Fürst der Iberer, Herr von
Artanugi 178—184.
Gurgen (II ) Magistros 176. Erist'aw
der Erist'awe 179. 184 f. Herr
von Qwel und Acara 427.
Gurz, Gurzän (Georgien) 175 f. 186.
456. 459 f.
Gwaram Kuropalates 393. 395 f.
398 A. 415. 433.
Gwaram mamp'ali, Bruder des Ba-
garat Kuropalates 425 f.
Gylas, magyarischer Würdenträger
120 f.
Puz 32. 63. 77. 80. 82 f. 160. 330.
^ 335. 337—341. 505.
Gachilize 507.
Gahap 403 flf". 452.
gatagow, gätakgö|? 17.
Gawachet'i 178. 187. 393. 395. 407 f.
Gebu Chak'an 394 A. 2. 401 A. 498.
Gevanser, Fürst von Albanien 514.
Öibghu 394. 430.
Guanser, Fürst von Iberien 416 flf.
421 f.
Haartracht der Magyaren 43.
Hali 55 A. 2.
Hamazasp, Kuropalates 441. 443.
Hamburg 312 ff. 319.
Handelswege der Juden 350 ff. ; der
Rös 163. 202 f. 350 ff.
Hannan 297 A. 298 A. 2.
Harald Blaatand 303. 306. 310. 315.
325.
al HarbTja 458.
Har'ölaunk' 17.
Harlungen 379 f. 512 f.
Har'ö'ama b. A'jan 457.
Härün Boyrächän 77.
Härün ar Rasid 3. 5 f.
al Hasan b. *All al BädylsT 460.
al Hasan b. Qahtaba at Tä'i 37.
451.
Hätim b. Har-^'ama b. A'jan 458.
Haul 460 b. 464.
Heinrich I., deutscher König 103^
107. 113. 115. 131. 142. 148. 310.
322 f. .326 f.
Helena, Königin von Adiabene 288
—295.
Helenopolis 212. 214.
Herakleios, Ks. 393 f. 402 A. 430.
498. 503. 529.
Herelingas 512.
Heruler361ff. 378—382. 385—388;
Bestattungsgebräuche 383 A. 2.
Heveldi 103 f. 324.
Hi 83.
Hodica 318 f. 321.
Hölmgardr 201.
Horiti 130, s. Chorwaten.
Hrös 356 ff. 365. 382—386. 513.
Hugilaicus (Hygeläc), Chochilaicus
388. 513.
Huiuri 498, s. Uiguren.
Hungari 69, s. Magyaren.
Hungaria Magna 60. 69. 515.
Hunimundus 367 f. A. 373 6 A.
Hunnen s. Magyaren.
Hunnen, kaukasische 58. 301 f. 409;
H. von Warac'an 513; H. in Pan-
nonien 370 A. 372 f. A.
Hunnisches Schrifttum 191 A. 1.
Hunor 69. 145. 154. 172.
Hunuguri s. Onogoria.
Iberien 177—188. 391—436.
Ihn ad DiranI 188.
Idrisiden 261, 1. 268.
Igor, russischer Grossfürst 71.
Ikläja (Aquileja) 254.
Imeon 484, 18.
Inder 274, 13. 275, 34. 39. 278. 284.
Irtisch, schwarzer und weisser, mit
Jajyk und Emba vermengt 79 f.
339 und A. 6.
'Isa b. Muhammad b. Abu Chälid
al Muhäribl 458.
Isgil-Bulgaren 162. 515 f.
Ishaq b. Ismä'll b. Su'aib 410 f.
421—424. 460—462. 508; Sahak,
S. des Ismail 408. 411.
Ishäq b. Kundäg 18.
Ishäq b. Sulaimdn 457.
Ismä'll b. äu'aib 410. 456.
Ispandijäd b. Bistäsp b. Lohräsp
166.
Israel, Chorbischof, Bekehrer der
Hunnen 302. 489.
Tsä(5 (Äl-sad) 24. 26.
Itil (Stadt) Iff. 15. 18. 331. 474f.
Izates, Kg. von Adiabene 288 ff.
Jahjä b. al Hakam al Bekrl al
fazrü 349.
Jahja al HarasT 455.
Jahjä b. Sa'Id der Morgenstern 456.
Register zu Osteuropäische uud ostasiatische StreifzUge. 537
Jahja b. Zaid b. 'Ali b. al Husain
h. 'All, seine Familie 77.
Jangykeut 80. 339 uud A. 6.
Jasen If. 164.
Jazid b. al Häri^ 93.
Jazid b. Hi^n , Klient der Banü
Muhärib 460 f.
Jazid b. Mazjad b. Zaida as Sai-
bänl 454—456.
Jazid b. Usaid as Sulaml 5. 86 f.
114. 166 A. 5. 417. 450.
Je-la-li, Chagan der Uiguren von
Kan-cou 88.
Je-lu-ke 88.
Je-lüh Ta-sih 499.
Jogur 498, s. Uiguren.
Jobannes Kurkuas 183.
regnum lorianorum 59 f. 499, s. Ui-
guren.
Juden, in Adiabene 288 fF.; in Ar-
menien 284 ff. ; in Assyrien 287 f.
298; im bosporanischen Reiche
301 ; in Hyrkanien 282 ; im Kau-
kasus (Bergjuden) 285; in Pha-
naguria 163; aus dem Romäer-
reiche ausgewiesen 6.
Jüdische Kaufleute 24.
Jugra, Jugrien 10. 54 f 60. 69. 499.
Jugures 498, s. Uiguren.
Jü-küeh-lü 43. 45 f 80.
Jü-mön kwan 85. 501.
Justinian II. 442 f.
Jüsuf b. Abu 's Säg 178 ff. 463.
Käbulsäh 476.
Kachet'i 178. 184 f 394. 396. 406 ff.
411 f. 417 f. 420.
Kaimäk 63. 79—83. 338. 339 A. 6.
Kaj-Os, ältester Sohn des Kgs. Ka-
wät, mit dem Titel Padaswargar-
säh 94.
Kalla«- 480.
Kanal der Chazaren 351 A. 1.
Kan-cou 86. 90; Hauptstadt der
östlichen Uiguren 88. 498; Götzen-
tempel daselbst 87.
Käös, Kg. von Usrüsana 476.
Kara Balgassun 80.
Karch 155. 162. 164. 341. 467.
Karkundäg, Titel des Alanenkönigs
165. 168.
K'art'li 177 ff.
Kasogen If. 479.
Kaspia s. Qäspiä.
Kaspische Tore 14. 56. 168. 174.
489.
Ka.sak 145. 161. 175.
Kaszebi, Kaschuben 140.
Katisk' 279 A. 2. 280.
Kau-cang 80. 89 f.
Kawät I., Perserkönig 94.
Kellmar 486.
Keraiten 499.
Kerc 162. 506.
Kia-jü-kwan 86. 90.
Kisäl 458. 460.
K'itan 82. 88 f
Kitros 238. 251.
Kiuron, Katholikos von Iberien 397
—400 A.
Klarget' 393-396. 407—409. 415.
421.
Kobrat 126. 194f. 244 A. 1. 503. 505.
529.
Kocel 117. 119.
Konstantin , Slawenapostel 13 f.
21 f. 33.
Konstantino2iel 206 ft".
Würdenträger :
natgi-nioi 215,15. 219,19; die
zwölf vornehmsten tt. 219, 22.
234.
ar ruhum (Silentiarius) 219, 27.
Fremdengarde (itaigsia):
Chazaren 216, 7. 219, 17. 226 f.
521.
^aQyävoi 227.
[laylä^iov, ^ccynXdßiov, nayXccßltai,
226.
Neger 216, 2. 227.
Türken 216, 14. 219, 17. 227.
Ceremoniell:
chulbäq (Cymbel) 218, 38.
Tafelmusik, kaiserliche 233.
al ui-qanä (Orgel) 218, 22. 233.
Feste:
axKovßizcc am Weihnachtsfest
218,6. 228 f.
Palmsonntag 217, 11 und A. 8. 228.
Topographie:
Brücke auf dem Forum 222, 19 f.
237.
al budrün (Hippodrom) 215, 14.
19. 29. 220 A. 3. 225.
Forum 222, 20. 237.
Gefängnisse 216, 8—11. 226.
'AyaQr]vol rov Ttgaircogiov 229 f.
Grab des Konstantin 220 A. 3.
236.
Grab des Ostiljanus (Justinian)
220, 38. 235f.
Hospital 220 A. 8. 2.36.
Insel (Galata) 215, 10. 224.
538
J. Marquart,
Kaiserpalast 215, 12. 16. 17.
27.31. 217,21. 220,28; Ring-
mauer desselben 215, 31. 32.
i&' ax'KovßiTu 228 f.
Goldener Tisch 218, 3. 5. 232.
Hippodrom-Thor 215, 34. 218,43.
225.
mankabä-Thor 215, 35. 216, 4.
225 f.
See-Thor 215, 35. 216, 11. 225.
228
Thor des Kaisers 222, 10. 14.
Kirche n:
Grosse Kirche (Hagia Sophia)
219,1.4. 220,28; Horologion
derselben 221, 1—222, 2. 236.
Kaiserliche K. 216, 19. 217, 16. 24.
218, 4. 227.
K. in der Mitte der Stadt 215, 12.
H. Stephanos in Daphne 228.
Klöster:
Marienkloster 223, 13.
Kl. !M-w 223, 13.
Kl. y'w.«s
223, 13.
Kl. ^l^y 223, 12.
Kl. ^jA 223, 9.
Kl. ^y^ 223, 12.
Reliquien:
Tintenfass des Pilatus 220, 5.
Tische des Salomo, David, Qorah
und Konstantin 218, 8—13.
Denkmäler:
Säule des Justinian (Avyovarsvg)
220, 35flF. 235.
Säule der Konstantinos Porphy-
rogennetos 511.
Schlangensäule 222, 14 fF. 236.
Schwingende Säule 220 A. 1.
Schatzhaus, kaiserliches 217, 25.
228.
Thermen der TtazQiyiioi. 222, 36.
Thore:
Goldenes T. 215, 6. 19. 222, 18.
225.
T. von Plycäs 215, 11. 224.
Wasserleitung 222, 31. 223, 7. 237.
Koprik' 279.
Korcew 506.
Kordylis 493 f.
K'orepiskopos der Canark* 406. 409.
Korinth, Kirche von, geplündert
von den Slawen 483, 14. 487.
Koron 526.
Kostantine, Kg. von Mingrelien 177.
179. 182. 184.
Kotzagiren 488 s. Bulgaren.
Krakau 131. 136—139. 145. 471 f.
509; Gebiet 142.
Krenites Prokopios 521.
Kreuz Christi, in der Sage der hoch-
asiatischen Nestorianer 76.
Krimgoten, Gottesdienst in eigener
Sprache? 190 f.
Kroaten s. Chrowaten, illyrische.
Krum 30. 493.
Kuban 31 f.
Kuber, Bulgare 245 A. 1.
Kubrat s. Kobrat.
Kucewo, Kucajewo 141.
Kuma 32 A. 1.
Kup'i Bulyar 57.
K'urt'-aul 508.
Kurtigin, Chagan der Toyuzyuz 91.
Kurturgur 503, s. Bulgaren.
K'ut'etk' 170 f.
K'ut'k' 171.
Kwirike (L), Chorbischof von Ka-
chet'i 178 f.
Kwirike IL 184.
Kyjew 34. 145. 189. 198. 200. 509.
Ladoga 201.
Lakz (Lezgier) 13.
Langobarden, Longobardeu 66. 143
A. 1. 240, 28. 259. 482, 8.
Lazisches Reich 174.
Lebedia 32. 74. 155.
Lebedias 35.
Leket'i 418.
Leon VI. d. Philosoph, Kaiser 519 flP.
Leon Choirosphaktes 524.
Leukai 211 f.
Levente, Liuntis 52 f. 522.
Liutizen 105. 315 f. 318 f.
Ljudewit, Fürst der Slowenen 140 f.
Lordomani, Lormanes 349.
Lou-lan 84.
Lovrana 253 f.
Lucaner 123.
Ludwig II., Kg. von Italien 248 ft".
Lupato 214.
Ma^daqiteu, Mazdakiten 93.
Mäc^äj b. Japhet 101.
Majgdaland 130.
Magier (drei Könige) 277 f. 281.
Magier = Mazdajasnier 274, 12.
275, 26. 30. 277.
Magog 281.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 539
Magus = Normannen 386; in Spa-
nien 151. 348.
Magyaren 14. 28. 30—74. 121 142
—145. 151. 188. 192. 194. 341.
466 f. 4G9. 471. 509 f. 515 fF.
520 — 528. 530-, Magyar 68;
Hungari 69; Ungarn 131 — 136.
138. 494 f. 497. 510; Ungarii
69; Ungri 33. 69. 192; Hunnen
494; s auch Avares, Bagyard,
Buryar, Sevordik', Türken, Ugri
cernii , OvyyQOi, Ovvvoi, HaßuQ-
roL aacpaloi, SsßoQtLot, Tovqkoi,
CJ „i?^A*0 ,
CJ.->UC^J
b->,
— Sitze nach Gaihänl 161 f.,
vgl. 515 — 517; an der Maiotis
155 f. 172; Raubzüge in West-
europa 65; nach Italien 156 ff. ;
nach dem Romäerreich und Spa-
nien 159 ; in Tarsus 159. —
Kriegsgebräuche u. Taktik 64 ff. ;
Weiberraub und Wollust 38. 72.
A. 3. 144. 154.
Magyarisch 48 ff.
Mägak 101.
Mahmet (Muhammad b. Marwan)
444 f. 447—449.
Mähren, Morawa 108. 115 ff. 122.
1) Nieder - Mähren (Nizujaja
Morawa) mit der Hauptstadt Bel-
grad, McoQaßia, Merehani, bul-
garisch, von Mas'üdi mit 2) ver-
mengt 115 f.
2) Die beiden Ober -Mähren
(wysnii Morawe), eigentlich Be-
zeichnung des Bistumssprengeis
des Methodios, MoQaßos rfjs TIcc-
voviug vita Clementis c. 3 , be-
stehend aus dem eigentlichen
Ober - Mähren , Marharii , dem
Reiche des Swetopl'bk, und dem
Fürstentum des Mährers Priwina
und seines Sohnes Kocel in Pan-
nonien am Plattensee.
3) /; iihyäXr] MoQußia i] ccßä-
nriorog, angeblich das alte Reich
Swetopliks , südlich vom Lande
der' Magyaren, in Wirklichkeit
= Savia, dem Fürstentum des
Brazlawo zwischen Sau und Drau,
nebst Pannonien am Plattensee,
dessen Schutz dem Brazlawo im
Jahre 896 gleichfalls übertragen
worden war 118 f.
Maiotis, Lage nach Mas'üdi 161 f.
Malamer, Bulgareukan 493 ff.
mamp'ali 186.
al Ma'mün 3. 6. 23. 457—460. 475f.
al Mancür (Abu Ga'far 'Abdallah
„der Pfennigfuchser") 450f.
Mangalia 59.
Maugcür 461.
Mauiehäer in Kan-cou 88 f. ; in Kau-
c'ang 90 f.; in Sandäbil 87f.
Manichaismus, Charakteristik des-
selben 92. 94 f.
Mannäer 287
Mäntiös (Maiotis) 484, 20.
maqtürlja 264.
Marduc'ajik' 441.
mare aquilonis 59.
Margoil 171 s. Argwet'.
Marko, Bischof von Oldenburg 323.
326.
Marqus-Kloster in Saluqija 237, 6.
Marwan b. Muhammad 12. 17 f. 199.
449 f.
Masgid Jl 'IQarnain 175. 186.
Maslama b. 'Abd al Malik 18 20.
166 186.
Maurikios, Ks 245. 393. 397—400 A.
529; Maurlq, Mauriqianos 480 —
486.
Mazdakismus 94.
Mc'chet' 187.
Meer der Rös = Pontos 333 ff. ; =
Ostsee 152.
Meissen 115.
Mescerjakeu 69.
Michael, Bulgare = Bogoris 494 f,
Michael Wysewyc, Fürst der Zach-
lumer 110. 156.
Micisla, Abodritenfürst 306. 310.
316.
Milcane 115.
Mingrelien (Egr) 177 ff. 182 f.
Misaco, Miseco, Herzog von Polen
133 320 f.
Missizla 3li. 316. 322; Sohn des
Billug 318 f. 321.
Mistizlavus, Abodritenfürst 105. 31 5f.
Mistui (Mistuwoi) , Abodritenfürst
105. 306. 311. 314f. 317; Mistav
312; Mistiwi 305; Mistiwoi 316.
Mizzidrog 312. 315.
al mizän 264.
Mläwa 115 f. 140.
Moesien 485, 4.
Mogor 68. 145. 154. 172.
540
J. Marquart,
Mobmed, S. des Chalil 408. 411 f.,
s. Mubammad b. Cbnlid b. Jazld.
Mo-kia-yen 502.
Mokk' 464.
Moräwa 115 s. Mäbren.
Mosaburg am Plattensee (Zalavär)
117. 121.
Moses, Biscbof von C'urtav 398 —
400 A.
Moses, Fürst von Uti 180.
Mrvan (Mubammad b. Marwan) 449.
Mt'iul 406. "409. 412 f. 422.
Mudagra (Mundraga) 524 u. A. 1.
Muggia 255.
Mubammad al Amin 456.
Mubammad b. Abmad al Azdl, Sar-
wänsäh 188.
Muhammad b. 'Attäb 409 f. 459 f.
Mubammad b. Chälid b. Jazld 411.
414. 462.
Mubammad b. Cbälid Bucbarachu-
^äb 461.
Mubammad b. Humaid at TusT 459.
Mubammad b. Isbäq 350 Ä. 1.
Mubammad b. Sulaimän al Azdl
as Samarqandi 460. 462.
Mubammad b. 'Ubaidallab al War-
#änT 461.
Munaggim as Sulaml 5.
Müsä al Hädl 420. 453.
al Musannat 342.
Muse! Mamikonean 37.
al Mu'taQim 460.
Muzok, Mazuk 146.
Mystiwoi 312. 315. 318, s. Mistui.
Naccon 311. 325. 327; Näqwin 512.
Nacbcavan, Nacbigevan 446 — 448.
454 a. 460 ff. ; Landungsort der
Arche? 291 A.
NaQr b. Abmad as Sämänl 74. 89.
Naevazae 55 A. 3.
Nairjösai'iha 297 f.
Nämgln 98, 1. 105. 115 f. 142. 144.
= Deutsche.
Näqwin s. Naccon.
Narentaner 207. 242. 248 ff. 252.
Narse 457, s. Nerseh-i Philippean.
Narse, Kg. der A'ö'öräje 296.
Nawekat 500.
Nedaus 42.
Nemec 105.
Nephrit 79.
Nephritpforte 87 s. Jü-mön kwan.
Nerse, Erist'aw von K'art'li 419 f.
Nerseh , Fürst von Iberien 402 A.
433.
Nerseh Kamsarakan, Fürst von
Armenien 443.
Nerseh-i P'ilippean 457 d.
Nestorianer in Hochasien 498; unter
den Türken 304.
Nikaia 211 ff.
Nikephoros Pbokas 522. 524. 527.
Niketas Skieros 521.
Nikop's 57.
Niqja 208, 7/8. 212._
Nizäriten in Armenien 454. 456.
Nordmeer 60.
Normannen in Spanien 348. 475,
s. Magüs.
Novae 488.
an Nu'män 93.
Ober-Barschän 77 f. 80 f.
O^toträna 101.
Oda I. und II. 320 f.
Odothaeus 373 A.
Olehontor Blkar 57. 500.
Oldenburg in Wagrien 811. 313.
315. 322 ff. 325—328.
Oleg, russischer Grossfürst 34. 131.
_190. 194.
Omed b. Asawahist 295 A.
Onogoria 44; Onoguren , Hunuguri
42—44. 51.
Organum 499.
Otto d. Gr. 139. 148. 313. 322 ff.
326. 328.
Owsi, Owset'i 164. 168. 506 f.
Padaswärgarsäh 94 s. Kaj-Os.
Pablawl 294 A.
palhawlk den 293 und A. 1.
P'ang-tigin 88.
Pangher, Silbergruben in — , 149.
Pangkat (Bisbalyq) 91.
Pannonien 116 ff. 122. 369— 373 A.
Papa 260, 2.
Paräb 338 f.
Pascatir 69.
Pavia 240, 24. 259.
Päzand 294 A.
Pecenegen 5. 27 ff. 33 f. 48. 65 ff.
71 f. 74. 76—78. 161. 191—194.
338 ff. 342. 466. 472. 505. 509 f.
518. 524 f. 527 f.; Religion 72;
Abfall zum Islam 72 f.; Sitze
nach Gaihänl 160 f. ; aus dem
Uralgebiet verdrängt 73 A. 3;
erstmalige Vertreibung der Ma-
gyaren 35 f.
Pein 84.
Pelzhandel der Hunuguren 43 ; der
Rös 203. 350; der Schweden 513.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 541
Petronas 27.
Phanagoreer 15. 56, s. POguren.
PilatuSjTypus des gerechten Richters
220, 8. 235.
Pirna 84.
Pirän-Gusnasp 431.
Pirano 254.
pitiachsi 168.
P'ojt' (Phasis) 448.
Polen 111 f. 195.
Poljane am Dnjepr 34. 195. 200. 509.
Praedenecenti 116. 140, s. Brani-
dewo.
Prag 78; Fürstentum 129. 142. 145;
Bistum 135 ff.
Presbyter Johannes 499.
Priwina 117. 119.
Prokop , griechischer Heerführer
440 f.
Prüs 510.
Przemysl 138. 196.
Pseudawaren s. Awaren (falsche).
Psovane 137 f. 196.
Psow 123 f. 137.
Pügüren (Pangüren) 15. 56. 485, 18.
491.
al Qäim bi' amri 'lläh 475.
Qaisiten (Kaisikk') in Armenien 460.
Qal'at al Kiläb 454 f.
Qaraqoram 81.
Qardü^t 489.
Qäspiä," Stadt 15. 56. 485, 17. 489.
Qorais 92.
Quaden 373 A.
Qulaib 84. 86.
Qusan 283 und A. 2.
Qutron 237, 9.
Qwel 176. 178 f. 184.
Qypcaq 29. 160.
Qyrgyzen 83. 90. 95.
Qytai 82 f.
Rabl'a 454. 459. 461.
Radagais 371 A.
Radimici 113. 128. 199.
Razt'archan 5 A. 1. 114. 355.
Rhinoceroshörner als Schmuck 87,
Rogastadzans 378 und A. 4.
Roh 451.
Rom 260—269.
Campidoglio, Campo d'oglio 266.
Eherner Staar 260, 10—17. 265 f.
Grosse Kirche 260, 7—10. 28—
261, 7.
Gruft der Apostelfürsten 260, 18
—27.
5. Giovanni in Laterano 264 f.
St. Peter 263 f. 266 f.
Tiber, mit Kupferplatten belegt
260, 4. 5. 262.
Romäermeer ^ Mittelmeer 208, 4 ;
= Schwarzes Meer 161 f. 203. 351.
Romanos (Lekapenos) 6. 62. 70.
R. s 2 ff. 34 A. 1. 149. 152. 188 f.
467. 472. 474. 518; = Normannen
(Dänen) 386. 510.
Rosomoni .365 ff. 382 f.
rotundum mare 60 f.
Rua, Ruga, Rugila 372 f. A.
Rugier 137 A. 1.
Ruizi 137 A. 1.
Ruotsi, Rötsi 353.
Rurik 201. 203.
Russen 163. 192 f. 200 ff. 340 ff. 383
— 391 ; Bestattungsgebräuche 384
A. 2.
Ruzzia provincia 137 A. 2.
Saba 93.
Sabbatfluss 197 f. 511.
Sabene 376 A.
Sahiren 42. 46. Savirk' 58.
Sadagarii 44.
Sahak Aspet 437.
Sahak Bagratuni 437.
Sahak, Fürst von Siunik 180 f.
Sahak, Herr von Siunik' (ein älterer),
Vater des Atrnerseh von Chac'en
(s. d.) 457 d.
Sahak (III.), Patriarch von Arme-
nien 445. 450.
Sahl-i Smbatean, Herr von Sak'e
457 d; Sahl b. Sunbät, Herr von
Arnm 460 f.
Sa'ld b. Salm b. Qutaiba al Bähili
6. 455 f.
as Sakan b. Musa al Bailaqanl 455.
Salamas 463.
Salard, Magyarenhäuptling 157.
Sallam der Dolmetscher 86. 89 f.
Salman b. Rabi'a al Bahill 36.
Salmucy, Vater Arpads 35 A. 3.
Salüqija 237, 3. 66 A. 2. 238.
Salvatio Romae 265.
Samandar If. 12. 17 f. 21. 174 A. 4.
474. 490 f.; Smendr 58. 500.
Samo 127 f.
Samür 13.
Sandabil 85. 87. 90. 500; Sitz des
Chaqans 88 f.
Sandvad 509.
Sangarios 210 f.
Sangläch 87.
Sanqara 208, 9. 210. 212.
542
J. Marquart,
Sap'atia 429.
Saphrax 368— 372 A. 375/6 A.
Saraguren 42.
Sarazenen — PlünderungszUge in
Dalmatien und in Italien 248 ff. ;
in Italien 267 ff.
as Sarlr 175.
Sarkel 1 ff. 28. 195. 197. 474. 492.
Sarus 365 f.; ein Gote 371 f.
Saryysär 1. 3.
Abd al KarTm Satoq Qarächän 77.
501.
Savirk' s. Sahiren.
Sawäda b. 'Abd al Hamid al Gahhäfl
458 f.
Schleswig, Bistum 823. 325 f.; Mark
326 f.
Schwarze Insel im At'l 154.
Schweden 513.
Scizi 55 A. 2.
Sederich 311 f. 322. 324 f.
Sedericus 325.
See von Gurgäng 60. 63,
Senek'erim a^ Qanäri (Chorbischof
von Kachet'iV) 188.
Sennaq bar 'Awl^;l, S. bar 'Absadar
296 A. 4.
Serben, süddanubische 108 f. 156.
244 A. 1. 245; Südserbeu 242.
248 ff.; weisse Serben 109 f.
Serrei 55 A. 2.
Set' Harasi (Sa'Id b. 'Amr al HarasI)
450.
Sev, Sevuk, Stammvater der Sevor-
dik' 38. 497.
Sevadaj 452 f. 464, s. Sawäda b.
'Abd al Hamid al Gahhäfl.
Sevordik' 36 f. 45. 428.' 496 f., s.
Magyaren. S. auch Areves, Georg,
Solomon, Step'annos.
Sewerane 111. 113. 189.
Sidamo 507.
Sigerich 309. 324, s. Sigtrygg.
Sigtrygg, Sohn Gnüpa's 309 f. 322.
324 f. 327.
Sijäh köh 2.
Silbergrube im Lande der Char-
luch 82.
Silzibul 504.
Sindafu 86.
Sinus 31 A. 1.
Sirmium 484, 11.
Slawen 188 f. 192. 198 ff. 468; _=
Donau-Bulgaren 519 vgl. 517; im
Chazarenlande 12. 111; Slawen
aus dem Chazarenlande von Mar-
wän in Chachet angesiedelt 199;
S. an der syrischen Militärgrenze
angesiedelt 199; Slawenreich a.
854/5 in Krakau 200. 509; Be
Stattungsgebräuche 113.
Slaweneinfall im J. 581 243 f.
Slawenfluss 198 f. 203; die Wolga
351 A. 1. ^
Slawenmeer 351 A. 1.
Slawobor, Graf von Psow 123 f.
Slowenen, pannonische 116 ff. 119.
122.
Smbat Abu '1 'Abbäs Bagratuni,
Sparapet 412—414. 425. 451. 460.
464 f.
Smbat Bagratuni, Chosrow-snumn,
Marzpau von Hyrkanien 397 —
400 A.
Smbat I. der Märtyrer (890—913),
Kg. von Armenien 177 f.
Smbat, S. des David Mamp'ali 177.
Smendr s. Samandar.
Smolensk 197.
Sogdak, Land der Hiung-nu 18.
Soyd 476.
Sofomon Sevordi 413 A. 1.
Sorben 106—108. 110 f.
Spalato 243. 250 f.; vgl. Prosper
Tiro Epit. Chron. nr. 999 (Chron.
min. 1 448 ed. Mommsen) und
Hieron. Chron. a. Abr. 2332 cod. F :
Diocletianushaud procul aSalonis
in villa sua Spalato (übrige codd.
des Hier.: in villae suae palatio)
moritur. Geogr. Rav. IV 16 p. 209,
8 ed. Pinder u. Parthey: spalation
A, spalathion B, Spalathron ed. ;
V 14 p. 380, 9 spalatium A, spa-
latum B, Spalatrum ed. ; Spala-
thon Guido c. 115 p. 542, 11 (an
allen drei Stellen neben Saloua).
Spandiat 428 f., s. auch IspandijäeJ
b. Bistäsp.
Sper 424 f. 437. 452.
Spitignew, Böhmenfiirst 124. 128.
13S
Sqlaweneu 482, 7. 483, 12. 17. 20.
486 ff.
Srem (Sirmium) 66 A. 2.
Step'annos gen. Kon, Häuptling der
Sevordik' 497.
Step'annos I. , mt'awar von Geor-
gien 393 f. 401 A. 433.
Step'annos von Siunik' 449.
Stinkendes Land 81.
Stodorani 103 f. 129 A. 3.
Stoinef 311 f. 327.
Suavi 373 A.; = Quaden (oder =
Markomannen-Bajuvarier?) 876A.
Sübang 468. 470.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 54B
Sugdaia 15; Sugder 190.
Suh-cöu 86 ff. 90. 498.
Sunilda 365 f. 380 ff.
Süreu 296 A. 4.
Surpe 130.
Suwär 474.
Swetophk, Herzog der Mähren 108.
l'l8f. 129. 131. 470.
Swet malik (Swetoplik), Grosszupan
der Slawen (Chorwateu) 468. 509.
Swetoslaw, russischer Grossfürst 1.
4'74 f.
Symeon, Bulgarencar 69. 156. 242.
519—528.
Sabib b. Jazid b. Nu'aim as Sai-
bäni 443.
as Säbirän 13.
Sa-cöu 86. 88. 90. 498.
Sahröq bar Narse 298 A. 5.
§äh Ruch 86.
Sämechart 480. 486.
Samkör 24. 36. 38. 412 f.
äamsulde, Samswilde 180 f. 183.
Sarag 502.
Sarwän 456.
Sat' 401 A.
Tabaristän 94.
Tachtäch 75 f.
taga-te, Tegei, Taga-uri 169 f. 507 f.
Tagorae 170 A. 8.
Tähir b. Muhammad a<} Qan'anI
■ 457 f.
Tajk' 446. 452.
Tailasän, Tälis 275,41. 278 f.
t'akoir 170 s. Taga-te.
Tanais s. Don.
T'angri-chan 15.
Tangut 88.
Taraun 405. 415. 439. 452 f. 463.
465 nr. 23.
Taräz 59. 77. 79. 498. 500.
tarniach 488. 504.
Tarsia 59. 498 f.
Tarvisium 257.
Tedeschi 509.
Thali 55 A. 2. 498.
Thanatia 10.
Theoderich, Markgraf 314. 317 f
320 ff.
Theodoros Rstuni 440 f. 449.
Theophilos, Ks. 27. 54. 164. 202
421. 493 f.
Thessalonich 241. 495.; Belagerung
durch die Slawen und Awaren
unter Maurikios 244 f. 488; Pest
in Thessalonich 245 ; Plünderung
a. 904 238. 252.
Thewdose, Kg. von Ap'ehazet' 406.
411. 422.
Thogata 499.
Thogarma, Stammvater der ost-
kaukasischen Völker 491.
Thor der Töräje 485, 17. 489.
Thor der Türken 15. 56, s. Thor
der Töräje.
Thorismcd 373 A. 376/7 A.
Thule 151.
Tieh-sieh 498.
Tiflis 167. 172. 175 f. 185. 187 f.
394. 398 f. A. 405 ff 417 f. 419 f.
422—424. 456. 460 f. 508; durch
die Chazaren zerstört 417 f.
Timavo 258.
Timocaner 116. 141.
Ti-na-p'o 502.
Tindari 55.
Tiroc', Bagratunier 437.
Titel, Titul 66 A. 2. 241.
Tiwerci 189 f. 192 ff.
Tmutorokan 163. 341.
Togora 59 f. 499, s. Thogata.
Toyac b. Guff 525.
Toyuzyuz s. Uigxiren.
T'ong Jabgu Chagan 394 A. 2. 498.
Tonjukuk 27 A. 3.
Triest 255. 258.
Tritri, Triti (Tatra) 136. 138.
Tübät 78 f. 501.
Tugumir 104. 324.
Tuh-küch (Türk) 46.
Tunglo, Fürst der Sorben 107.
Turäiön 525.
türk, Türken 15. 46. 57 f. 275, 35.
284. 304. 484, 10. 487 f. ; in San-
däbil 88 ; T'urk'k' 57. 154; Türken
= Magyaien 30. 65. 100,6. 142.
144. 192. 494. 510.
T'urk'astank' 58.
Turla 190.
Turbsi — Gottesdienst in eigner
Sprache 190 f. 510.
Turul, Geschlecht des Almus 497.
Tutchon 500.
Tyrcae, Turcae 55 f. 69.
©amal ad Dulafi 150. 158.
'Ubaid allnh b. al Mahdl 454 a.
Udisch 49 f.
Uglici 189 f. 192 ff.
544
J. Marquart,
ügri 14. 34. 45. 69; ügri belli 39;
Ugri cernii 39. 56. 69; Berg der
Ugri bei Kyjew 34. 56.
Ugrische Sprachgruppe 48 ff.
Uguren 42.
Uiguren 497 f.; Toyuzyuz 80 f. 89.
91_95; To-/uz Oyuz 90; bei Ibn
Chordädbih 390; Sturz ihres Rei-
ches 92. 95; Huiuri, Jogur, Ju-
gures 498, loriani 499; östliche
U. 88.
Ula, Stratelates 481.
Uldin 371 f. A.
Umago 254 f.
Ungarn s. Magyaren.
Unlizi 189. 192.
Unugundur-Bulgaren s. Bulgaren.
Unverbrennbares Holz 76.
Unwän, Erzbischof von Bremen 313.
316 f. 325.
Abu Jazid Usaid b. Zäfir as-Sulaml
12. 199. ^ j
Usrüsana 476.
Uti 180 ff.; Utier 39.
Uturguren (Utiguren) 508 f., s. auch
Bulgaren.
Vadamerca 368 A.
Vandalarius 368 A. 374, 5 A.
vaeringi, va?rinsrjar 346,
Venetien 247 f^ 252 f.
Vinitharius 367—370. 374, 5 A.
Vithimiris 368/9 A. 374 A. 376 A.
Volagases I. 292 f.
Vultuulf 374 A. 376 A.
Wag, Provinz Ungarns 137.
Wago (Wego\ Bischof von Olden-
burg 311. 315. 318. 321 f.
Wagrier 312 f. 315 f. 323. 325. 827.
Walaudar 61 ff. 65. 69. 499 f.
al Walandarija 63 f. 527 f.
Walinjanä 101. 146. 148.
Wandalen 368 A.
War 190.
Warac'an, Waragan 16. 58. 492.
Waräger 343.
Wararat 11.
Waraz-Trdat i Step'annosean 457 d.
Wardan, S. des Kordylis 493.
Warham, Fürst von Persisch-Iberien
399—401 A. 433.
Warsän, Warsan 20.
War^än 454. 461.
Waruch = Dnjepr 33. 190.
Wasak Gnt'uni 180 f.
Wasak, Herr von Siunik' 453.
Wasak, Stammvater der iberischen
Bagratiden 414 f.
W^aspurakan 188. 445 ff. 449. 452.
463 f.
Wasserweg 152. 155. 385; auf der
Wolga 352 A. 1 ; durch die Säulen
des Herakles nach Rom 348. 475.
al Wä^iq 461 f. 475.
Wenceslaw, Herzog von Böhmen
103. 125. 131 f. 142.
Werbulchu 121.
West. 10.
Westtürken 491. 498. 504. 512.
Wifra Nawäza 55 A. 3.
W^iro-parhak 43.
Wislane 129. 131.
Wjatici 113. 128. 199.
Wlachen 148 ; in Serbien und Istrien
245 f.; in Thessalien 246 A. 1.
Wladimir, Fürst der Bulgaren 118.
Wladimir, Grossfürst von Russland
139. 148.
Wiendur Butkar 500.
Wolin (Julinum) 148.
Wolynjane 146 f.
W^ön-na-sa 18.
Yrcania 59. 499.
Zabender 504.
Zacblumien 128. 250; Herkunft des
Fürstenhauses von der Weichsel
110. 156.
Zagoria 70.
Zand 293 A. 1.
Zarädust 275, 31.
Zehn Stämme 282. 288.
Zerivani 111. 148.
Zigae 55.
ZindTqe s. Manichäer.
Zorard 158.
Zuraiq b. 'All b. Q'adaqa al Azdi
459. ..
Zutt, Übersetzung von I^Kv&ai 186
Zuan-zuan 43.
'Aßöayäarig 296 A. 4.
'Aßdüai 356 A. 1.
/^•'"'" 209- , , , , ,no
Adgcivaar] o agriag ^ayiargog 4^ö.
'Al:iu 168.
AxccT^iQOi 40 ff. 51. 491.
Register zvi Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 545
'AniXßäQT 463.
'Anoaeßatcig 464.
'AgyntTtaloL 56.
'Aaalot 172.
*'A6Tt£TLavoi 437.
aGTtQOV dcTfiriov 1.
'Axcoj^icc 168.
'At^Xkov^ov 33. 58.
Baiovvfitcci 243.
jBaia()a'9'os 11.
Bapayyot 343 f.
BäQi? 286.
*Eci:pafia<)Oi;örjs 401 A. 433.
BaQGr]lr 490 f.
Biliyit,f]'^ai 243.
BsQßiävoi. 107 s. JsQßiävoi.
BsQtvrai 243.
£oixt 109 f.
BoQv6d'ivrig 190.
1^ naXuia BovXyuQta 503.
BovQar 527.
Eovc)f(3owJrjs, Vater Michaels, des
Fürsten der Zachlumer 110.
BQOcvir^oßa 140.
Aa^rj 528.
FLa^i%07t6v 528.
roQyivr\g 432.
PoVTjTJJtüi 141.
ri5ea 188 f.
^aig 9.
JdvaTtQig 190. 508.
^dvaatQLg 190.
z^f^firog 70. 500.
*z/feßiai'Ot 107. 111. 188.
JsgßXsvlvoi 107. 188 A. 5.
^SGTLVLXOV 109.
Jooyovßlrai 243.
jdQOvyovßlxai 111.
EvdovGiavoi, EvSovda, *EMvaia
363 ff.
Jaxavos 35.
Zafi-avapjos 432.
Zi^(37jX 498 s. T'ong Jabgu Chagan.
Zi^ot 55.
'Jra^rjs 168.
'lti[Läqoi 356 A. 1.
'Iv^xat 55 f. 69.
Kß^apot 52. 66, 522.
KaXa^rivri 288.
■nävsg, %ävr\g 495.
xaÄVtxdv 209 A. 1.
Kaaaxia 2. 479.
KsAayaffTTjg 147.
KsQtl^tCCL 56.
KiTpo? 66 A. 2.
Kovccipoi 55 A. 2.
Marquart, Streifzüge.
KopaxTjciov 209.
fisröxt^ov tov KoQi^ov 507.
JCoTßayos 45.
KovgLdaxog 42.
Xovpx^vios, Magistros 176.
Kovgadvrig, Kovaävrjg 52 A. 5. 521.
KovrovQyovQOL , KoTQiyovQOL, Ko-
T^ayr]Qoi, KoTQuyoL 44 f. 503 ff.
s. Bulgaren.
Kovcpig = Kuban 32. 505; = Bug
505.
KQißrjTccLTivol, KQißit^ui 107. 111.
KwqpTjj' = Kuma 32 A. 1.
Äiv^ivivoi, AcV^avfivoi 107.
Mayuagia 59.
MaXäyiva. 212.
Muvxti%dQx (Manckert) 463.
Msyign 66. 68.
Mi^äiiriQog, Fürst der Anten 147.
Mi:Qiiöhag, Amazonenfluss 170.
Mivvdg 286.
MoQußicc 7} iisyälTi 119 s. Mähren.
MovkqL 43.
Movfftoxtog 146 s. Mazuk.
Näßcc^og, Näßa^oi 55 A. 3.
Naßiavoi 55 A. 4.
JVayt^og 210.
JVfxpojrvAa 505.
NUoipig (Nlkcc^iv) 57.
NovvoL 359 A.
'Öyy^og 189.
'Ovriy^aiog 42.
'Ovöyovpot 44. 356 A. 1 ; Ovviyov-
Qoi 505 s. auch Onogoria.
'Ogyav&g 505.
Ovyyyoi 30. 44 f. 54. 69.
OvyäQOL, OvyovQoi 43. 45. 504.
Ov%Qov% hl A. 3.
OvXrivoi 107. 189. 192.
Ovvvoi = Magyaren 54.
OvvvovyovvdovQOi, 57 A. 4 s. Bul-
garen.
Ovpyot 39 A. 6.
OvxiyovQoi s. Bulgaren.
üsQccvLog 431.
JTi;;i(^t 211 A. 2. 213 f.
Tä 378 A. 4.
'PovOLOL 352 = 'Pmg.
'PwftKvot in Dalmatien 245.
'Pc&S 353 ff.
'Pcög = Wolga 378 A.4; y^j^Jf ^
Ihn Hauq. fvl , 16.
EaßäQTOi a6(faXoi 36. 39. 69.
ZäyyuQog 211 A. 2. 214.
35
546
J. Marquart,
^ayovdätoi 243.
2]atitxK(i.tai 196.
2JaiJiävSQBig 500.
2:a(ißccTdg 197 f. 509.
2cc(iog 486 A. 1.
xäöTQOv UafioxtiQtcov 486 A. 1.
EuqäyovQoi 356 A. 1.
UccQat 527.
*2:eßiQ0i (Sewer) 111. 189.
*Ssß6QTi,0L 39. 69.
I^eQßioi 189 s. Eißiqoi.
UsQßXia 109.
2]y.6loTOi 378 A. 3.
aitoQoi 108.
2Jre(ißiG-xo:Yo^v 504.
TaX\iäxtoi 41 A. 1.
TÖ TayiätaQia 16 A. 1. 163. 336.
Tavydat 502.
TsTpa^rrat 163. 507.
nov(» 489.
Tirfalos 66 A. 2.
TovmGovQsg (lies Tovv-Govgsg) 44.
TovQKicc (Ungarn) 109.
Toüpjcot = Chazaren 47; = Magya-
ren 30. 36. 46—48. 52—54. 64 f.
69. 144. 227; = Türken 46.
TgovXXog, pecenegisch = Turla,
TvQccg 190.
TvQayixai 190.
Tvqag 190.
TvqöyiuGXQOv 176 f.
^avayÖQtia 163 f.
^Qayyo'ji^wQiov 66 A. 2. 499.
Xä^aQsig 57.
Xs'pr (Her) 463.
Xtyyvlovg 32. 530 A. 2.
Xolidxcci 79. 356 A. 1.
Xov^ccöccv 502.
\kwl"-ll' P»"»-^^, lllfFZ-'L"^ P'"'-4l
114.
Ü."/ZF"'"- 463.
y^««!//!./!!/! 11.
U.^/'4«"'5y' 496.
Pu/i^-ni^^ 462.
q.uip^^utui 76 A. 1.
^^^„^V/ 57.
|l/n«- P«ni-£-^ S. W,'[pi"-'lf' ^'ni-t-12
^luqn t^utinq.nu 462 I.
Yaujqjf" 463.
\außji/^'if.nL.iig 57 A. 5. 500.
lj»»j/y 57 A. 4.
^u,.^ 460 b.
uiuiifiuli TÜnfiujj 489.
UAr^«^^^^ 36. 38 f. 69.
U uf/ru/i/i/Zr . u u//rtf/0uf7y lo.
il^^it«,^ = •\J,(,^ 418 A. 6.
"^Z 356 A. 1.
Vs^/ 354. 356 A. 1.
^Q^o/ 356 A. 1.
bJ^fc^/ 356 A. 1.
jQ*OD-t^|.^ 356 A. 1.
^^^ 174.
♦♦»V»? 356 A. 1.
3poiO) 356.
3^013 356 A. 1.
VsOt'QO 356 A. 1.
VXTLD 356 A. 1. 491.
^©^©♦♦O 483 A. 5.
"^QJ 357 A.
JJOII» 483 A. 7.
io^OV-QD 356 A. 1.
I-Vq^qS (pa^\\o>'^) 491.
I^QiOS* 484 A. 4.
Oisp^':^« 193.
b-'-i-iN 11.
NDNia 10 s. NDXD.
D^bnan = Chorwaten 134 f.
y^y^'^ 9 A. 1.
D^N^i:t^nn (so !) 10.
■jn^sn 134.
^^^D^^ 492.
■1N\Ü^1 19. 492.
«D40* 479.
•\»\)'\^^ 11.
Vnswo 163.
■;i^Un3D, Fluss 197
nin 10.
A.4 s. ^l^.^L
^,L^.:^!* 508.
^j^ji\* 502.
lx>5 208 f.
^j«^j1 143 A. 1 s. g^/Xi^L
^^UO;^il 348 f.
,:^l 4.
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 547
3L^! 174 A. 4.
^jS^i* 100, 3.
•i^ß 269.
U.»*ULXJit s. Lä.w*JiJsjj5l .
iJLo y5ojs! 66 A. 2.
Lä^wöJ^ji!* Praedenec-enti 140.
iuJLä! (iQls) 195.
u^m* 114.
Jj.\ 114.
(jJLo^i 256 ff.
^^OjA^i^l 240,7.
^LSI 347.
iÜ,^^| 253.
Kj^Cj!* 176.
wjj^! 173. 176. 495 s. i^fyC^I .
y^Ufl^^ 254 f.
y^ 10.
^^! 31. 164. 495 s. u-i.
^Job (jOU*) 214.
^tj,y?.b 20. 492.
^t^b 81.
iüoyLilLj , JyiuiLj s. Magyaren.
jx*J| 273,8. 278 f. 280 A. 1. 491.
.Jl 477.
^p\ 510.
^j^Lxi^^^^! 174 A. 4.
^3;!, Residenz des Chaqans der
Toyuzyuz 91.
jjj* 164. 167.
\\ 339 A. 6.
^j^l 164 s. (jJ.
yGL>LkAfl! 254-256. 258.
njI^xLaöI, i>.il/Ia>ö!* 97,7. 103 f.
■»S^jo\ 256 ff.
^y>Ut 41.
^L>y>^.60.
^bL«-^l3 ^. 60.
35*
548
^^i^. 9.
^ 508.
l^L?|^j 99,1. 107. 140; s. Braui-
cewo.
^LbWjj 77 A. 4.
XaUjJ! 490.
-^yoji 491.
aJj5}^* (61. 63. 66.) 67 f. 100,5.
143 vgl. Magyaren.
Ä.J»|.J, io|jJ 254.
iUJySjj , iC.vJy«^ , (^^^jJ 195 ff.
s. iLwJj/i;.
(WM»-%vo s. Basileios I.
OyJfUio 69. 516.
oJLÄJ s. Magyaren.
-jLx: , Titel des Alanenkönigs 165.
167.
JjtJl 76 ff.
^ULi> !yiJ 77.
_b^l ^j J:?!yij 468.
_:fOb* s. Bulgaren, kaukasische.
JjLL 114.
^^j.UJUif 107 s. Bulgaren.
,^* 84 A. 4.
^j 16 s.ypJb.
^J:iiÜJ («4^^!) 195.
^^ 84 vgl. ^_^4.J.
J. Marquart,
üJb^ 254 f.
(J«3J*J 256 S. ^^t£LKiJi .
iUjjJ 142.
o^J* 84.
L^fttr'* (cf'^V' ^.>^» 256 ff.
«.AxJ, Hauptstadt der Toyuzyuz 81.
^j*uXl 31 A. 1 vgl. ^^J .
^j^Äxj 66 A. 2.
^^' 352 A. 1 ; s. auch Don.
^j_5ÖLs- 17.
^\j^, ''^■'■^ß- 1'^^ ^- Iberien.
v-jj^y^j ^^^jr* 468. 471 s. ^\»,j=>.
(JA^81.
^jvJL1> 98, 7. 107. 141.
jft-P- 77.
iüjLLs- (iujLx^) 195.
,!uX.>L> s. Chaidän.
»^Ai> 188 f. 469. 472.
O
:±j^ 491.
xaJU;^! ^^^=> 199 A. 2.
tl^iJl ^Aa> 211-214.
U^'
'X 92.
U-3; C3^^ 202.
j-^Lp»
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 549
^Ulii* 83.
^LäÜ 82.
y5oJs.i> 76 A. 1. 232 s. ^siL>.
o5jy> 471; ^J^S\^J=> 98, 6. 107.
115. 129.
yiiS\y>jS> 81.
U\JLm>.3> s. (jnJLmX:>,
g.JLLil82.
A.^\ss> 29. 160; ^Uxäi> 29.
i^^alÜ 5. 41 A. 2.
gsiJLi* 231 f..
(jaJLii bei den Pecenegen 73.
J^jjj> 204 A. 1. 492.
^;^LJ| ^b 4. 477.
ci^^!j* 189. 194. 198. 200. 471
^»Jt = deutsches Reich 142 f.
^ii^^\f 509. (113. 145. 189.194.198.
200 A. 1. 466 f.).
iulj (^slj) 195 f.
■».^jfif 197.
j^msC.Lm 1.
äIvj^LJ!, eüO^^LyAÜI 36. 69;
vgl. Magyaren.
y^^^>u^ 86.
^j^ 138. 195 f.
j.xrfOL« 491.
^LäJU- 20.
j^.g^t ((ji|^X*.A«) (ji«jX*-w 203 A.l.
336. 351 A. 1.
byCL*. 211 A. 2. 214.
y^UcJO 165. 167.
üjO 30. 32. 161. 517 s. \^jf.
*lj|J>5jJl 491.
XjV 97, 9. 103. 144.
iLJlJ^yi 24. 350. 352.
^Ls.^ (j-mI^ 355 A. 1 vgl. Raz
t'archan.
jAaj . 98, 3.
^^\ ^b> ^ ^^j 451.
*5^
342.
»jL^ 138.
195 f.
•il^U-U^Jt 37 A. 3.
y>Ui 86.
y^yi* 502.
^3j^ 90 s. u^j-Ä.
,jJi^\ 11.
y^l ».^.-^Uj 302. 423 und A. 1.
cj^Laö* (c:;^^^^) 98. 7. 107. 115.
122. 144.
^JoAJo 254 f.
^;;OCÄJdJi*, iüJCÄv^^'* 192. 509.
s. ^^^cXiait.
550
■}jo 59.
^mjUL 31 A. 1. 115.
172. 495.
.,UJLLJ5 273, 8. 278. 280 A. 1. 491.
J. Marquart,
(JwLj j^y^aä 81.
vL:f\Ä]j 29 vgl. jj,Lc!Xfti».
KäJUä, iÜLiUä 256—258.
vLäaS 492.
,Xü> 491.
O
s.U^f
..,Uic 451.
^^t 165.
L^Uil, Ü^^UJt 209.
^3jil^^457e.
^^UU, See 79.
iüly: 98, 2. 105 f.
^jLoy: 82.
oby 81.
IjyLi 256 ff.
^^!* 142. 144.
^Lc^äi! (^UjaJ!?) 186 A. 3.
^LkJivO 262.
■jüiAÄs 150.
y^Xji 214.
^j^^j^LüJt ^^j i^U 74. 89.
j^ly 39. 41 A. 2.
J^U 195.
iCiaJji 79.
S lj5>«Wj .
y«y:5' 66 A. 2.
,^J|/, j«.jO|/ 256. 258.
„^^1 38. 185.
j/, ^^\ 506.
Lw^^t s. \S>J^ .
.SJ^ 2, 479; ^V^UbCJl, L.*^JÜ^
479; xliC^-bül 175. 479.
/^a:>|JuL5', ^CssS 168 A. 4.
»lU^ 168.
'^^S , See im Lande der Toyuz-
yuz 81.
by* 32. 161. 164. 517.
iJUo^jCJl 342 s. iüU3^l.
y>L«^ 32 A. I.
^ytAj u^Uxi' 339 A. 5.
iuUö^i 330. 342. 348 f. 352.
>y (>y, »>/> /) 173. 176.
347. 495 f.
y>Ut 32 A. 1.
Register zu Osteuropäische
y5^>Lo 97, 4. 100, 10. 146 f.
iLJyi^l! 59. 68; = Baskiren 515.
^^93.
j^ 93.
8JuJs.i5. ioujdJ 80. 339.
JlaoS^ 'xXj\Xa = jO [j^^j 166.
oloy, o5j,y 172. 176. 495 f.
517. 519.
^Loy. 509.
obj^a-c 227.
^>c66A.2s.^>5.
(joi^ 165. 167.
y-.U5 ^Uw 84. 86 f.
^LU 98,3. 113. 115 s. u^Uit.
^5iÄ^ = Haltestation 239.
^^x^\* i^^i^^) 175. 186.
^JLcyi 254 f.
^yü (^>*) 311. 512.
e5vu*.i (uWi*) 210.
Lj^uai 81.
und ostasiatische Streifzüge. 551
^JOÜ (/aJ*?) 31. 164. 495 f. 517.
519.
ysMJ\ ^ 17. 19.
^-;WA^O j^ 195. 197.
,-*.j..^J! ^ 197.
jy5^; 143 A. I5 s. auch «O^^J.
^j^ 352 A. 1 s. ^^J .
^UU._^! 17.
^Aj^\ O^sJ 186 A. 3.
JJ^\ 69 vgl. Magyaren.
^LiL^ Vy^ 84 A. 7.
^Läi! i^Ol^ 85 ff.
145. 189. 194. 198. 200 A. 1
466 f. 508 s. ci^i;.
j^U) gsil^ 98, 1. 103.
0^^ 20.
»^^, »;^^
8.c^ 10. 60.
QUELLEN- UND STELLENVEEZEICHNIS.
Nur die im Wortlaut oder in Übersetzung angeführten und erörterten
Stellen sind aufgenommen.
'AbdaUäh b. 'Amr b. al
'AqI
Abü'lfidä, Geogr. ed. Rei-
naud p. r.i^, 7 = II 1,
287
Abu Hamid Muhammad
b. 'Abd ar Rahlm al
Mäzinl al Andalusi al
Parnätl, Tuhfat al albäb
wa-nuchbat al a'gäb
Adam. Bremensis Gesta
Hammaburg. eccl. pont.
I 59
I 61
n 24
n 40—43
II 46
n 47
II 58
Schol. 28
30
31. 32
265 f.
165
10. 476
826 A. 2
310 A. 4
310 f.
312 f.
316 A. 1
317 A. 2
325 A. 2
316
317
314
AddaUehi-e 289 A. 3. 291 A. 3
296 A. 4. 298 A. 5
Agath. V 11 p. 365, 1—6
ed. Dindorf 484 A. 7
V 11 p. 367^ 10—17 529 A. 1
Akten des Sarbel und
Barsamjä 296 A. 4
Alexandergeschichte des
Wahb b. Munabbih,
ZA. 8, 308 Z. 11 186 A. 3
Alexanderlegende, syrische 357
Alexanderroman (Ps. Kal-
listhenes) , armenisch ,
Kap. 194 = II 19 p. 76
ed. Müller 279 A. 1
Aiexanderroman, jüdisch.,
übers, von M. Gaster,
„ JRAS. 1897, 544 511
Alfreds Germania 130
'All b. Abu Bakr al Harawl
bei Jäq. IV 11, 16 ff. 220 A. 3
Ammian 31, 3, 1 381 A. 1
31, 3, 3 368 A.
Annal. Altah. a. 973 326 A. 1
Annal. Augienses a. 931;
M. G. SS. I 69 307. 322. 324
Annal. Fuld. pars II auct.
Ruodolfo a. 845 p. 35
ed. Kurze 124 A. 1
Annal. Fuld. contin. Ratis-
bon. a. 892 p. 121 118 A. 5
a. 895 p. 126 124 A. 5
a. 896, M. G. SS.
I 412 f. 520
contin. Altah.
a. 900 p. 134 128 A. 2
Annal. regni Francorum
a. 818 p. 149 ed. Kurze 116 A. 3
a. 821 p. 155 248 A. 1
a. 822 p. 159 1 117 a 1
a. 824 p. 165 / ii^ A. 1
Apostellehre, syrische, bei
Cureton, Ancient Syriac
documents p. 34, 26 —
35, 2 284
Baläduri iH, 12 24 f.
t'.r, 11—16 24. 36 f.
fr., 1—5 476
fn, 7-11 476
Bal'amT trad. par Zoten-
berg IV 289
199
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 553
Barhebraeus (Gregor
Abü'l farag) 479
Bekrl 6—8. 13. 22. 25—29
K u n i k und Rosen,
Izvestija al-Bekri;
St. -Petersburg 1878
S. 40, HfiF. 112 f.
43, 4-14 72 f.
43, 22—44, 13 7 f.
45, 3—4 515
45, 6 31
45, 8-11 173
45, 19 204
Berossos 289 A. 4
Beruni bei Jäq. I i^f , 21 10
Biographie d. Bar-dai§än
bei Mar Michael 298 A. 5
Bonifat. ep. 59 bei Jaffö,
Bibl. m 172 Ulf.
Anastasius bibliothecarius,
Brief an den Bischof
Gauderich von Velletri 14
Brief des (angeblichen)
Chazarenkönigs Joseph
an R. Chisdai 8—13. 19 f.
193 A. 1
Buch der Gesetze der
Länder 296 A. 4
bei Cureton, Spicil. Syr.
14, 26-15, 10 282 f.
20,3-12 283 f.
al BuhturI 18
Bulgarische Fürstenliste 147
Cassiodor. Var. VIII 9, 8 374 A.
XI 1, 19 375 A.
R. Chisdai, Brief an den
Chazarenkönig Joseph 8. 24
134. 154 f.
Christ. Druthmar, Expos,
in Matth. 24, 14 23
37. 56 282 A. 1
Chronik, Georgische 177 ff.
186 A. 3. 391 ff.
Chronik, Russische
c. 8. 9 125
c. 10 113
c. 14 385 A. 1
c. 15 201 f.
c. 19 34
c. 27 502 f.
c. 32 1
Chronik, Ungarische, 145. 154. 172
s. auch Simon de Keza
Claudianus 371 A. 374 A.
Dimasql 4. 6
Dlnkart 293 A. 1
Dionysios von Telmahre 488
Edessenische Bischofs
liste, apokryphe
Eldad had-Dänl
Elise wardapet S. 101
S. 203
Ennodius de vita beati
298 A. 5
197 f.
283 A. 2
279 f.
383 A. 2
277
8 ff.
157
271—276
Antoni § 12—14
Evangelium infant. arab
bei Tischendorf, Evan
gelia apocrypha p.l71
Firkowitsch, Abraham
Flodoard a. 924
al Gähic, oI^Lä^ v-pLü'
Ji>Ls^i! ^_^;'cod.
Mus. Br. Or. 3135 toi.
140v— 142'
Cod. Mus. Br. Or. 3138
fol 209 f. 91 f.
Risäla, Bibl. Maük Tahir
in Damaskus Cod. 125 92 f.
Gaihänl 7 f. 25. 28 f. 73. 80.
91. 112. 188 ff. 206.
Genesios lib. III p. 67,
13—19 ed. Bonn. 463
üb. IV p. 85, 21—
86, 1 529
Geogr. Rav. IV 2 p. 170,
18—171, 5 ed. Pinder
und Parthey 44
Georg.Monach.p.724,7ff.
ed. de Muralt
p. 853, 14— 15 ed. Bonn.
854,4-6 „ ,
854,10-12 , „
855, 1 — <s 71 ,1
855, 8—16 „
GurdezI 18. 24 f
91. 94. 144 f. 161 A. 4. 164. 495 f.
in Bartholds Reisebericht; Mem.
de l'Acad. de St. Petersbourg
Vllle Ser. 1. 1,4 (1897)
493-495
521 A. 3
522 A. 3
523 A. 3
524 A. 2
526
f. 79 f. 86.
339 A. 6
90 f.
515
516
30 f. 516
172 f.
466/67
466
112 f.
468—469
26. 29
66 A. 2. 206 ff.
Helmold, Chronica Slavorum
18 306
I 12 326
I 13-15 318
S. 83
90, 10 ff.
98,5
98, 8—9
98, 10 ff.
98, 16—21
98, 23—99, 1
99, 8—11
99, 13 ff.
99, 23—100, 7
Härün b. Jahja
554
J. Marquart,
Hincmar von Rheims
ifr, 16-ift^, 1
466 f.
M. G. SS. I 50
33
Hoei-li, Vie et voyages
tfr, 1
28
de Hiouen-thsang trad.
\fr, 7—10
466
par Stan. Julien p.
17
501 f.
Hüan-cuang
84
Ifr, 13 ff.
112 f.
Ibn al A'9'ir, Chronica
\ff, 9— ifo, 9
468 f.
I rft^, 4
64
If 1 , 22 ff.
384 A. 2
vm (.1, 6
158
Ifv, 19 ff.
20
VIII ftA, 7
4
ifA, 10 ff
165
Ibn Chordädbih 18
. 24 f. 29. 79; 1
Ibn Sa'ld bei Abü'lfidä.
Abfassungszeit 390.
p. r., 12
80
Geogr. p. Hv
Ibrahim b. Ja'qüb
29
263
107. 131
t^t, 4
81
142. 144 f.
472 f. 509
n, 9
83
bei Bekn 39, 5 ff.
192
Idrisl 79. 195
—197. 237 ff.
lei^, 9-töö, 6
202 f. 350
251—258
Ibn Fadlän
25. 82. 111
trad. par Jaubert
Ol
bei Jäq. II ff.
4
I 491
II 342. 343
81
82
Ibn al Faqlh, Bibl. (
jreogr. V
II 377
66 A.2
rv(, 1—4
163.
203 A. 1
Istachrl v, 8 — 12
517
Hv, 17— riA, 3
270
!., 6-7
518
bei Jäq. II aIa, 4 —
AvS",
3 261 ff.
t.,8
63 A.3
bei Jäq. II av. , 22—
-Avt
7 264
W,2 ß
38
Ibn Hauqal If , 21—
23
474
m, 4
339 A. 6
rf, 20-rö, 7
208/9
rn, 8-12
518
rc, 7-11
188
rrv, 6-9
517
U^, 9 ff.
1
Ja'qübl, Hist.
408 411
fAl, 11
2
II öto, 15— öil, 11
453—456
nr,ii-rr,5(=
Istachrl) 339
öll, 1-11
418 f. 508
Ibn al Muqaffa'
166
öU, 1-7
456 f.
Ibn Rusta
18. 20 24 f.
ölC — ölv
457-460
S. Aö, 15
162
ovi, 18 ff
460 f.
tli, 1-10
208. 210
ÖAV, 19 ff.
461 f.
tii, 10-irv, 7
215—223, 14
öIa, paen.
200
trv, 7-13
237
oIa, 16— öll, 2
414
trv, 13-irA, 10
239 f.
Kitäbal buld. \^(>f,
13-
-15 386
t^A, 3
66 A. 2
Jehuda hal-Lewi, al Cha
-
irA, lo-tr, 7
260 f.
zarl
11. 19 f.
tf., 16 f.
Johannes von Ephesos
[15
82
46. 56 s. Michael
der
Ifr, 6-7
515
Grosse]; 3,25. 6,24
6,25
43 A.4
244 A. 1
tf^ 11-15
516
6, 35—47
480—482
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 555
bei Barhebraeus p. 95, 6 ff.
ed. Bruns u. Kirsch 147 A. 1
= Michael der Grosse,
Chron. ed. Chabot
p. 378, 5 V. u.— 381 a 480—484
Johannes Katholikos 38. 177—183
S. 49 ed. Emin 449
53 , , 449 f.
61 „ „ 453
74 , , 454 a
Ausg. Jerusalem 1867
S. 162 497
Jordanes Get. c. 3 § 21 513
c. 3 § 23 362
c. 5 § 37 40 A. 8
c. 23 § 116 378
§ 117. 118 362. 364
§ 119 367
c. 24 § 124 529 A. 1
§ 129 365
c. 27 § 140 369 A.
c. 31 § 161 368 A.
c. 33 § 173—175 376 A.
c. 48 § 246. 248 367 A. 2
§ 250 376 A.
c. 50 § 261 362
c. 58 § 298 377 A.
Joseph ben Gorion 193. 262
Kedrenos II 328 ed. Bonn. 121 A. 1
Kitäb al baikär 166
Kodinos 224
Konstantin Porphyrog. 392 f.
398f.u.ö.
de administr. imp. c. 9
p. 79, 13 ff. 111. 385 A.l
c. 13 p. 81, 8 ff. 119. 133
C.29 p. 128,12-17 248 A. 3
p. 130, 23 249 A. 3
c. 30 p. 143, 20 133
p. 144, 7 ff. 132. 133
C.31 p. 147,21. 151, 21 ff. 133 f.
c. 32 p. 152 109
c. 33 p. 160, 18 ff. 110
c. 37 p. 167, 5 ff. 191 A. 2
c. 38 p. 169, 11 36 A. 2
p. 171, 7 ff. 33 A. 3
c. 39 p. 171, 21 ff. 53 A. 2
c. 40 p. 172, 13 ff. 52 A. 5
p. 172, 20 524 A. 3
p. 172, 22 ff. 71 f.
p. 173, 12 33 A. 3
p. 173, 19 ff. 119
p. 174, 8 ff. 133
c. 42 p. 177, 11—14 241
p. 177, 14 ff. 119
p. 181, 10 ff. 57 A. 3
p. 182 365 A. 1
c. 45 p. 198, 5—14 429 A. 2
c. 46 p. 207, 15 ff'. 428
de caerim. aulae Byz.
II p. 5, 13-6, 18.
6, 23—7, 9 234
p. 9, 6—10 234 f.
I 70 p. 344, 19 ff. 225
II 15 p. 585, 9—15 233
II 16 p. 576, 2—6 227
II 48 p. 688 167
II 52 p. 742, 6—744, 15 229 f.
p. 767, 4— 768, 19 230
Korner, Hermann 306. 310
Kosmas von Prag 123 f.
I 33 138
Lazar P'arpec'i, Venedig
1892, S. 417 f. 279
Leben des Märtyrers Abo 419
Leben des Slawenapostels Kon-
stantin, hg. von Dümmler u.
Miklosich 13 f. 21. 33. 73
c. 8 14
c. 8 S. 235 389 A. 4
c. 11 21
c. 16 190
Leben des Konstantin,
kürzeres 21 f.
Leben des Methodios 13 f. 21
ed. Miklosich c. 11 131 A. 1
Legende des Oyuz Chagan 352 A. 1
Legende vom hl. Wenzel,
altslowenische 123. 129. 132
Leo von Ostia 344 f.
Leon Tact. 28, 43 p. 287
s. ed. Meursius 522 A. 3
Levond ed. Sahnazarean
Kap. 4 S. 31—34 440 f.
S. 39—40 444
S. 41. 49. 52 444 f.
S. 43—49 445—447
Kap. 6 S. 54-59 447-449
Liber monstrorum c. 2 ed.
M. Haupt (Opusc. vol.
II 223) 513
Liudprandi antapodosis
III 2 157 A. 3
V 19 159
VI 8 229. 232
Marcellinus comes Chron.
a. 427; Chron. min. II 76 370 A.
Marco Polo 86
Martyrium des hl. Eusta-
thios von Mc'chet'a 397 A. 1
Mas'üdl 5 — 8. 13. 18. 23, 27.
73 f. 80. 144. 185. 265. 519. 527 f.
Hauptquelle Bekri's 73.
Murüg ad dahab I 212 339
I 213 339 A. 6
556
J. Marquart,
I 261 f.
I 273 f.
I 364 f.
II 7
II 9
n 14
n 15 f.
II 15—18
II 18—24
n 42 f.
II 45 f.
II 58
II 58—64
II 60
II 64, 6
II 65
II 74
II 75
II 221
II 260 f.
III 76—78
Kitäb at tanblh
63
385 A. 4
334 f.
151 f. 386
152 f.
111
836
68
149—151
830—334
165
161
150 A. 1
61—63
150 A. 1
150 A. 2
175. 422 f.
176
37
92
162
143
A. 3
A. 1
ir, 6-9
79 A. 1. 339 A. 6.
115,
1v, 11 ff.
il, 13
if, 2—5
If., 2-4
If., 4-9
If., 14-tf!, 5
Ia., 7 ff.
\^\", 11
11., 25 ff.
[Mas'üdl], Kitäb al'agaib
Maurikios Strateg. XI 5
Mchit'ar von Ani
Michael d. Grosse, Chron.
ed. Chabotp.378,5v.u.
—381a
Miraeula St. Demetrii
(Acta SS. 8. Oct.)
§ 169 p. 167
§ 171 p. 168
(Abu Dulaf) Mis'ar b.
al Muhalhil
Mos. Chor. II 24 S. 99 \
II 63 S. 142 /
Geogr. ed. Soukry
p. 25, 20—24
26, 6—21
26, 24—29
27, 14—20
44, 27. 45, 15
162 A. 3
294 A.
293 A.
211 A. 2
214
342
63
64. 70
28 f.
204 f.
113. 473
430
480—485
487 f.
244 A. 2
245 A. 1
74 ff.
429
57
153
169
58
76 A. 1
Moses Kalankatvac'i
III 16,Bd. II 43—44
ed. Sahnazarean
III 16 Bd. II 44
III 19 Bd. n 54
III 20 Bd. II 58
III 21 Bd. II 64 f.
Muhammad-i 'Auft
Muhammad b. Ishäq
Muhammad al Kätib
MuqaddasT Cvf , 16
43 A. 4
444
448
453
462
496 f.
173 A. 3
203 A. 1
173
77
n\, 1 8
Muqaddasi (al Mutahhar b. Tähir
al Maqdisl in Bost, der Verfasser
des fälschlich dem Abu Zaid
Ahmad b. Sahl al Balchl zu-
geschriebenen tiAxIt V— jUi^s
gOjLÄÜj) 201
Muslim b. Abu Muslim
al Garml 20. 24—28. 144. 167
194. 203. 354. 466
471. 515. 517
bei Ihn Chordadbih
t.i, 15—17 = 81 237
Narratio de rebus Armeniae bei
Combefis, Historia Monotheleta-
rum. (Graeco-lat. patrum biblio-
thecae novum auctarium t. II)
p. 271—292 441 c. 443
Nestor 204 f. s. Chronik, Russische.
Nikephoros iet. cvvt. p.34
ed. de Boor 490 A. 3
Nikolaos von Damaskos
bei Jos. ccQx- 1 § 95 286 A. 2
Gros. III 7 282
Pacat. paneg. c. 11 p.281,
5—10 ed. Bährens 370 A.
c. 32 p. 300, 8—15 370 A.
(Anonymi) Periplus Ponti
Euxini c. 42 § 21—22
(FHG. V 1, 181—182) 363
Photii epist. 4 p. 178 ed.
Baletta 202. 391 A. 1
Plin. h. n. 6, 19 55
Priskos 40
Prokop.de hello Pers. 2, 25
p. 266, 4—10 ed. Bonn. 362
de hello Goth. II 14
p. 199, 16 383 A. 2
p. 200, 13—19 385 A. 1
II 15 p. 205, 6—16 \
p. 208, 15—16 r
III 14 p. 335, 8—15
p. 336, 2—4
363
472 f.
108
Register zu Osteuropäische und ostasiatische Streifzüge. 557
IV 4 p. 474, 8—11 364
p. 474, 19—475, 1 530 A. 1
IV 5 p. 476, 7—477, 18 529 A. 1
Prudentius von Troyes
(Ann. Bertin.) a. 839 202. 354
Ptol. 5,8 p. 347, 25 ff. ed.
Wilberg 153 A. 3
6, 14 p. 425, 28 154 A. 1
Qazwini U t^. 87
I f.^^ i_6 217 A. 3
I f.v, 6 ff. 220 A. 3
I f.v, 19—23 222 A. 1
Qodama fir, 5 80. 90
Regino a. 889 40 A, 2. 43 A. 3
527
Risälat al intisäb 475
Saxo Gramm. I 412 367
I 413 380 A. 2
Schatzhöhle 278. 281
Sebeos 437 ff.
S. 151 f. 441 f.
Simon de Keza, Gesta Hungarorum
I 1, 6 bei M. Florianus, Historiae
Hungaricae fontes domestici
II 55 154
II 56 59
Sokrates h. e. 7, 43 373 A.
Stephan AsoHk 38. 404 A. 1
II 2 p. 133 trad. Dulaur. 451
II 6 p. 171 , , 421 f.
Stiftungsurkunde des Prager
Bistums 136
Svein Estridsson bei Adam. Brem.
I 50 309
II 24 311. 316. 322
Sapuh Bagratuni 402 f. 414. 452
Sukru'Uäh b. Sihäb bei Hammer,
Sur les origines russes 107, 15
= 47 173 A. 3
Tabarl U !o.1, 15 186
TU Hol*, 14— r!öt^,4 519 f.
at Tartüsl 510
The'odoret h. e. 5, 37 373 A.
Theophanes von Mitylene
bei Strab. la, 2, 2 p. 493 153 A. 3
Theoph. Chronogr. p. 356,
20 ff. ed. de Boor 153 A. 3
492
3 463
421 A.
422 A.
90
486
127 A.
308 A.
314 A.
105 A.
314 A.
321
315
112
425 A. 1
38
397-400 A.
187
511
388 A. 4
p. 357 163 A. 4
p. 358, 7—9 490 A. 3
p. 366, 25—29 443
p. 372, 13—18 448
Theophanes contin.
III 28 p. 122, 16 ff.
III 31 p. 126, 23—128
p. 137, 13—16
IV 39 p. 203, 2-7
Theophyl. Sim.
6, 5, 13 ff.
8, 5, 13
Thietmar I 9
III 17 (10)
III 18 (11)
III 19
IX (VIII) 1
IX 5 (VIII 4)
IX (VIII) 3
Thomas Arcruni III 13
S, 194 ed. Patkanean
m 33
Uchtanes von Edessa
II 18 vol. II 35
al 'üdrl
Venantius Fortunatus
Vita cum Translatione
S. Clementis ^ 14. 21
Wachust, Descript. geogr.
de la Georgie trad. par
Brosset p. 427/29 506/7
al Walld b. Muslim ad
Dimasql 261
Wardan wardapet, Welt-
geschichte 392. 401. 403
414 f. 425 f. 430
S. 78, 27—79, 1 464
S. 79, 1—13 452
Widsid 379. 380 A. 1. 5
Widukind I 35 129 A. 1
1 36 105 A. 1
I 40 308
II 21 104 A. 3
II 50 311
Wilhelm de Rubruck
(Ruysbroek) 498 f.
[Zach. Rhetorj Kirchen-
geschichte 261. 355 f. 489
S. 253, 10—12 174
S. 253, 32—36 356 f.
Zos. 4, 34, 1—4 369 A.
5, 22 371 A.
In demselben Verlage erschien:
Die Chronologie
der alttürkischen Inschriften
von
Dr. J. Marquart.
80. VII u. 112 S. Geh. M. 4.—.
Vergleiche: Göttingische Gelehrte Anzeigen 1899 No. 5. — Jahresberichte der
Geachichtswissenschaften. — Byzantinische Zeitschrift Bd. VIII Heft 25. — Eevue
critique 1899 No. 4. — Museum 1899 No. 6/7.
Chronologische Untersuchungen
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Dr. J. Marquart.
(Separatabdruck aus dem VII. Suppl.-Bd. des Philologus.)
Gr. 80. 86 S. M. 3.—.
Vergleiche: Berl. phil. "Wochenschrift 1900 No. 35. — Orientalische Literatur-
zeitung 1900 No. 4 u. 5. — Book Circular New Series No. 7. — Neue Phil. Rund-
schau 1900 No. 7.
Fundamente
israelitischer und jüdischer Greschichte
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Dr. J. Marquart.
8«. VIII u. 75 S. Geh. M. 3.—.
Vergleiche: Deutsche Literaturzeitung 1S98 No. 3. — Theol. Rundschau I, 2.
— Göttingische Gelehrte Anzeigen 1897 No. 8.
Untersuchungen zur Oeschichte
von Eran
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Dr. J. Marquart.
(Separatabdruck aus dem 54. und 55. Bande des Philologus.)
Heft 1. 80. VI. u. 72 S. Geh. M. 1.80.
Vergleiche: Berliner philologische Wochenschrift 1897 No. 38. — Luzac's
Oriental List.
Heft II befindet sich in Vorbereitung.
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In diesem schon seit langem viel benutzten und excerpierten
Werke giebt der Verfasser, der gelehrte WezTr Ibn al-QiftI (f 646
d. H.), die Lebensbeschreibungen von circa 400 arabischen Gelehrten,
und zwar Philosophen wie Ärzten, Mathematikern, Astronomen und
Schöngeistern, in alphabetischer Oi'dnung nebst genauem Verzeichnis
ihrer literarischen Tätigkeit. Ob dieser bio-bibliographischen Ge-
staltung tritt das Werk zu den beiden schon publizierten Werken
dieser Gattung, dem Fihrist und der Ärztegeschichte des Ibn Abi
Usaibi'a , als willkommene Ergänzung und auch Abschluss hinzu.
Abgesehen von seinem reichen Material an wertvollen Nachrichten
und kulturhistorisch interessanten Details beruht die Wichtigkeit
des Buches auch darauf, dass es eine wahre Fundgnibe für die
Geschichte der griechischen Literatur auf arabischem Boden ist
und nicht wenige Nachrichten enthält, die im Griechischen selbst
verloren gegangen sind. Erinnert sei in dieser Hinsicht nur daran,
dass z. B. der Katalog der aristotelischen Schriften von Ptolemäus
aus diesem Werke in die akademische Ausgabe des Aristoteles
aufarenommen worden ist.
In demselben Verlage erscheinen die
Beiträge
zur alten Geschichte
herausgegeben von
C. F. Lehmann und E. Kornemann.
Die Beiträge znr alten Oeschiclite erscheinen 8 mal jährlich als Zeitschrift.
Preis M. 20.— für den Band.
Inhalt des I. Bandes.
Beloch, J., Zur Geschichte des pyrrhischen Krieges. Die Schlacht bei Kos. Die
attischen Archonten im m. Jahrhundert. — Ginzel, F. K., Die astronomischen Kennt-
nisse der Babylonier und ihre kulturhistorische Bedeutung. I. Der gestirnte Himmel bei
den Babyloniem und der babylonische Ursprung der Mondstationen. (Mit einer Karte.)
n. Sonnen- und Mondlauf und Gang der Gestirne nach babylonischer Kenntnis und
deren Einfluss auf die griechische Astronomie. III. Der mutmassliche Entwicklungs-
gang der babylonischen Astronomie. — Hiller Ton Gaertringen , F. , Die Götterkulte
von Thera. — Holzapfel, L. , Die drei ältesten römischen Tribus. — Kornemann, E.,
Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte. Die Zahl der gallischen civitates in der
römischen Kaiserzeit. — Lehmann, C. F., Die historische Semiramis tind Herodot. Über
die Beziehungen zwischen Zeit- und Raummessung im babylonischen Sexagesimalsystem.
— Meyer , P. M. , Zum Ursprung des Colonats. — Mfinzer , F. , Die Entstehung der
Historien des Tacitus. — Präsek, J. Y., Die ersten Jahre Dareios' des Hystaspiden und
der altpersische Kalender. — Bappaport, B., Hat Zosimus I. o. 1 — 46 die Chronik des
Dexippus benutzt? — Begling, K. , Zur historischen Geographie des mesopotamischen
Parallelogramms. (Mit einer Karte.) — Rostowzew, M., Der Ursprung des Colonats. —
Seeck) 0., Decemprhnat und Dekaprotie.
Mitteilungen und Nachrichten.
Darin u. A. : Lehmann , C. F. , Zur Entstehung des Sexagesimalsystems und des
sexagesimalen babylonischen Längenmaasses. — Meyer, P. M., Praefecti Aegypti unter
Commodus.
Inhalt des II. Bandes.
Beloch, J., Das Eeich der Antigoniden in Griechenland Die delphische Amphik-
tionie im dritten Jahrhundert. — Bury, J. B., The Epicene Oracle concerning Argoa
and Miletus. — Cagnat, Bene, Les limites de l'Afrique Proconsulaire et de la Byzacfeue.
Mit einer Karte. — De Sanctis, Gaetano, Mastama. — Herzog, R., XpTjTtxog Trdif/xog.
— Hirschfeld, Otto, Der Grundbesitz der römischen Kaiser in den ersten drei Jahr-
hunderten. I/il. — Hülsen, Ch. , Neue Inschriften vom Forum Bomanum. Mit 6 Ab-
bildungen im Text und einem Plan. — Jacoby, F., Die attische Königsliste I. — Jullian,
Camille, De la nßoessite d'un Corpus topographique du monde ancien. — Kornemann, F.,
Zum Monumentum Ancyranum. — Lehmann , C. F. , Menander und Josephos über Sal-
manassar IV. I/II. — Montzka, H., Die Quellen zu den assyrisch-babylonischen Nach-
richten in Eusebios' Chronik. — RostOTTZCTT , M. , Komische Besatzungen in der Krim
und das Kastell Charax. Mit fünf Abbildungen im Text. — Schulten, A. , Italische
Namen und Stämme. I/II. Mit einer Karte. — Shebelew, S., Zur Geschichte von
Lemnos. — Strzygoivski , Josef, Orient oder Rom. Stichprobe: Die Porphyrgruppen
von S. Marco in Venedig. Mit neun Abbildungen im Text. — Toutain, J., Observations
suT quelques formes religieuses de loyalisme, particuli^res ä la Gaule et k la Germanie
romaine.
Mitteilungen und Nachrichten.
Darin u. A. ; Beloch, J., Zur Chronologie des chremonideischen Krieges. — Hiller
Ton Gaertringen , F. , Aus Thera. — Jacoby , F. , Die attischen Archonten der Jahre
265;4-7263|2. — Lehmann, C. F., Pythagoräer, Inder und Babylonier. Zur Geschichte
und Überlieferung des ionischen Aufstandes. Gobryas und Belsazar bei Xenophon.
Pausanias' des Spartaners Todesjahr. Zur Atthis. Ptolemaios II. und Rom. Zum baby-
lonischen Rechtswesen. — Meyer, P. M., Neue Inschriften und Papyrus zur Geschichte
und Chronologie der Ptolemaeer.
Druck von G. Kxeyaing in Leipzig.
Karkwart, Josef
Osteuropäische und
ostasiatische streif züge