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Full text of "Gesammelte Werke"

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Martin Greifs 


aefammelte CLlerke. 











Digitized by the Internet Archive 
in 2010 with funding from 
University of Toronto 


http://www.archive.org/details/p2gesammeltewerO3grei 


Martin Greifs 


Geſammelte Werke. 


Dritter Bam. 


Fra me; 


Bmeiler Teil. 


(Beintich der Tümwe, Pie Pfalz im Rhein, Konradin, Nudwig der Bayer, 
Agnes Bernauer, Bans Sachs.) 





Leipzig, 
C. F. Amelangs Verlag. 
1896. 








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Inhaltsverzeichnis. 


Prolog zu den drei Hohenftaufen-Dramen . ———— — 
Heinrich der Löwe. Vaterländiſches Schauſpiel in fünf Alten. . 5 
Die Pfalz im Rhein. Vaterländiſches Schaufpiel in fünf Akten . 115 
Konradin der letzte Hohenftaufe. Waterländifches Trauerfpiel in 


en. : 199 
Ludwig der Bayer oder Der Streit von NRübfbarf, Baterlänbifiies 

Schaufpiel in fünf Akten nebft Prolog . . . . 297 
Agnes Bernauer, der Engel von Augsburg. Baterlänbifches —— 

ſpiel in fünf Akten nebſt Prolog . . . . 397 


Hans Sachs. Vaterländiſches Schaufpiel in fühf Atten neh Krolog 
ua Over Beet 2021 200 N 475 





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Prolog 
zu den drei Hohenftaufen-Dramen. 


Soll nur des Daſeins fümmerliche Not, 
Kein groß Gejchi mehr unjer Herz bewegen 
Und würdig fein des vollen Mitgefühls, 
Das Leid, aus Schuld geboren, ung erweckt ? 
Sind wir jo Elein geworden, daß uns Mut, 
Der alles einjegt in dem Kampf der Pflicht, 
Als Thorheit, oder doch ala Wagniz gilt, 
Das jeder Klugbedachte leicht vermeidet, 
Gleich dem, der jtet3 am fejten Lande fitt, 
Sich fiher vor des Meeres Stürmen weiß 
Und den Gefahren, die ein Schiff umfjchweben ? 
Iſt's nur das Jagen nach dem Sinnenglüd, 
Dem Unbefriedigung als Frucht erwächſt, 
Und, wenn zu troſtlos ung die Ode dünkt, 
Des Alltagtreibens feelenmatt Gemälde, 
Das noch den Geift in uns beſchäft'gen fann 
Und weg uns über jeine Leere täujchen ? 
Wenn aber wir mit nichten jo verflacht 
Und ung der Sinn in Wahrheit offen blieb 
Für ein dem Großen zugewandtes Wollen, 
Wenn immer noch mit angeborner Macht 
Bedeutfamkeit im regungsvollen Handeln 
Das unbefangene Gemüt erfreut 
Und fich die alte Schauluft wieder rührt, 
Gewalt’ges Schickſal ſtaunend zu betrachten: 
Greifs Werte. III 1 


Prolog zu den Hohenftaufen-Dramen. 


Sind es die Thaten andrer Völker nur, 

Die, aufgerollt vor uns im Bild der Bühne, 
Den Blik uns über das Gemeine heben 

Und ab vom Niedern die Gedanken ziehn? 

Sit unſrer eigenen Geſchichte Wert 

Wohl minder groß und minder reich ihr Schag ? 
Wir haben einjt ala ungeteiltes Bolt 

In alter Ruhmeszeit der Welt geboten, 

Bon jugendlihem Heldendrang erfüllt, 

Die Saat, die im empfänglichen Gemüte 

Uns fruchtbar aufgegangen, auszubreiten, 

Wie dort, wo jern ein altes Reich verjanf, 

Zu gründen einer neuen Ordnung Bau 

Und Hoch zum Giebel ihn emporzuführen. 

Was gliche drum auch wohl der jtolzen Bahn, 
Die unſre Väter ruhelos bejchritten, 

Auf deren Gräbern allerwärt3 wir jtehn ? 
Was ihrem unverzagten Kriegertroß, 

Der feines Widerftandes Sturm fich beugte 
Und feine Grenze jah für fich gezogen ? 

Was dem erhabnen Richteramt auf Erden, 
Das unſre Kaiſer thronend ausgeübt, 

In deren Schutz die fernſten Länder ſtanden? 
Fürwahr, ein lockender geſtecktes Ziel 

Und zäh'res Ringen ſah die Welt nicht wieder. 
Wo wohnt ein Volk, das uns an Ruhm erreicht, 
Wo eines, das an Ruhm uns überbietet? 
Nicht Frankreich, nicht Britannien geht uns vor, 
Und ſelbſt Italien muß den Sieg uns laſſen! 
Wenn aber zur Vergangenheit zurück 

Das Auge ſchweift in ſinnender Betrachtung, 
Bei welchem Anblick weilt es länger wohl, 

Als bei den fernen, doch ſo lichten Tagen, 

Da ſich, gleich einer auferwachten Blüte, 

Die laut're Seele unſres Volks erſchloß 

Und ihre Kräfte wie mit Flügeln hob, 


Prolog zu den HohenftaufeneDramen. 


Bon hohem innerlihen Schwung erfaßt? 
Als bei den Tagen, die, der Dichtung Hold, 
Uns jelber nun in ihrem farb’gen Zauber 
Nicht anders, denn ala ein Gedicht erjcheinen, 
Das wunderjam zu unjerm Innern jpricht ? 
Als bei der liederfrohen Minne Tagen ? 
Das große Alter war’3 der Hohenjtauien, 
Bon deſſen hingeſchwund'ner Herrlichkeit 
Noch jeine Hinterlaffnen Trümmer zeugen, 
Und defjen lange jchon entjchlaf’ner Hauch 
Aus feinen ritterlichen Mären tönt, 
In denen fich jein machtvoll Leben jpiegelt: 
Die heldenhafte Zeit, da unf’re Väter 
Der angejtammte fühne Wandertrieb 
Nach jenen blühenden Gefilden 309, 
Die jo verführeriſch die Sehnſucht malte, 
Als fich verderblich ihr Beſitz erwies. 
Die Zeit des Rotbart, deſſen Herrichertraum 
An Einem Tag verblid, und Konradins, 
Der, jein begehrtes Erbe vor dem Blick, 
Das Haupt dem Beil gebeugt, das blondumlodte, 
Auf das der Mutter heiße Thräne fiel, 
Wie ihn noch lang’ daheim jein Volk betrauert. 
Und, da mit Ernjt ung jolch Verhängnis mahnt, 
So fann es fein vergeblih Trachten jein, 
Dies Alter ung im Bild zurüdzurufen 
Samt der gebietenden Gejtalten Reihe, 
Die es bewegt in jeinem tiefjten Innern 
Und nach der Kühnheit ihres Sinns gelentt, 
Einträchtig, oder auch im Widerjtreit, 
Der, fich durch die Gefchlechter fort behauptend, 
Des großen Löwen frevlen Schritt erzeugte 
Und jeinen ungeheuren Sturz bewirft. 
Wohl finden wir auf der Gejchichte Blättern 
In jedem Zug fie treulich auch gemalt; 
Uns aber jtehen fie, durch feine Schranfe 

1* 


Prolog zu den Hohenftaufen-Dramen. 


Mehr vom Gefühl, das uns bejeelt, getrennt, 
Lebendig da, in Luſt und Harm verwandt, 

Wie in der Kraft des Haſſes und der Liebe, 
Durch deren flehende Gewalt vereint 

Gejchiedne Häufer ihren Zwijt begruben. 

Dafür auch) zeugt dag Paar, von deſſen Treue 
Noch dort die finſt're Pfalz; im Rhein erzählt, 
Wo, trogend der Gefahr, den Bund fie flochten, 
Der, von den Vätern anerkannt zulekt, 

Hat Fromm verfühnt die Welfen und die Staufen. 
So jchreiten alle, Menſchen wie wir jelbit, 

Bon Leidenschaft beherrſcht und unterworfen 
Den gleichen Trieben unſrer eignen Bruft, 

Sn Leid und Freud, im wechjelvollen Lauf 

Auf der verhangnen Bahn durch Leben hin. 
Uns aber lehrt jo rührendes Gejchid, 

Das wir verfolgt mit anteilvollem Sinn, 

Den ernten Blick in unjer Inn'res richten, 
Verknüpfend alte Zeit und Gegenwart. 
Denn nimmer zieht dag Nahe leicht ung an; 
Erit, wenn die Ferne ihren Duft gewoben 

Um alle, die zu Einer Zeit gelebt, 

Und ſie gemeiner Deutlichkeit entrüct, 

Läßt fi) das Hohe don dem Niedern jcheiden, 
Und truglos tritt das Ragende hervor. 


Beinrich ver Löme, 


Schaujpiel in fünf Akten. 


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Verſonen. 


Kaiſer Friedrich Barbaroſſa. 
Beatrix, deſſen Gemahlin. 
Heinrich der Löwe, Herzog in Bayern und Sachſen. 
Mechtilde, deſſen Gemahlin. 
Benin, N deren junge Söhne. 
Konrad, Pfalzgraf bei Rhein. 
Srmengard, deſſen Gemahlin. 
Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. 
Herzog Welf V. 
Erzbiſchof Chriftian von Mainz, Reichsfanzler. 
> Philipp von Köln. 
e Wihmann von Magdeburg. 
— Der een Markgraf von Brandenburg. 
tto von Meißen, r 
Bernhard von Anhalt, | deſſen Söhne. 
Ludwig, Landaraf von Thüringen. 
Gunzelin von Schwerin, 
Adolf von Holftein-Schauenburg, | Bajallen Heinrichs 
Bernhard von Rakeburg, ” des Löwen. 
Eilbert von Wölpe 
Sordan von Blankenburg, Heinrichs Truchſeß. 
Ekbert, Bogt von Wolfenbüttel. 
Gottſchalk, Welfs Diener. 
Ein Reichsherold. 
Ein fremder Ritter. 
Ein Karthäuſer. 
Ein Kloſterbruder. 
Ein Köhler. 
Deſſen Weib. 
Ein Gebirgsjäger. 
Deſſen Weib. 
Eine Tänzerin. 
Eine zweite Tänzerin. 
Erſter Bürger. 
Zweiter „ 
Dritter „ 


Vier Söhne des Kaifers, Fürften und Äbte, Ritter und Edelfrauen, Be- 
waffnete, Diener und Volk. 





Die Handlung fpielt im erften Aft im Harzwalde, im zweiten in Bam- 

berg, im dritten auf einer Burg im Harze und im bayerifhen Hoch— 

gebirge, im vierten vor Pavia, am adriatiichen Meere und zu Lüneburg, 
im fünften endlich vor Lüneburg und in Erfurt. 


Die Zeit der Handlung ift das Jahr 1180. 





Erſter Akt. 


(Im Harze. Bor einer Köhlerhütte im tiefen Wald, bei der fi) mehrere Straßen 

freuzen, mit dem Ausblid nad dem Broden. Born eine Moosbank, gegenüber ein 

gleicher Sig bei einem Duell, rüdmwärts zur Seite der Meiler. Gottſchalk und der 
Köhler.) 


Gottſchalk. Gießt noch eins nach, der Tropfen mundet mir. 
Der Köhler. Das glaub’ ich wohl, er wärmt den Magen aus. 
Sp einen trefft Ihr nur am Broden an! 
Gottſchalk. Auf Euer Wohl und das von Eurer Sponfin! 
Nun thut auch mir Beſcheid. 
Der Köhler. Glück auf im Harze! 
„Es grüne die Tanne, es wachſe das Erz, 
Gott jchenfe uns allen ein fröhliches Herz!” 
Gottſchalk. Ein fern’ger Leibjpruch, den ich gelten Laffe. 
Doch jet muß ich nach meinen Rofjen ſchaun; 
Der Himmel hat fich wieder aufgehellt. 
Der Köhler. Traut nicht der Sonne droben allzuviel! 
Der Alte Hat die Nebelfappe auf, 
Und das bedeutet immer langen Regen. 
Gottſchalk. Wer weit gereit, frägt nach) dem Wetter nichts: 
Wir müffen noch vor Nacht in Braunjchweig fein. 
Der Köhler. Darf man wohl fragen, wer Euch dort erwartet ? 
Gottſchalk. Nennt’ ih ihn Euch, Ihr fenntet ihn gewiß. 
Der Köhler. Vertraut mir lieber doch, wer Euer Herr! 
Gottſchalk. Dies geb’ ich Euch jelbft zu erraten auf. 
Ich Heiße Gottichalf, merkt den Namen wohl, 
Er entläuft.) 


8 Heinrich der Löwe, 


Der Köhler. Wer mag der Fremdling jein, der drinnen 
ichläft ? 
Troß ſeinem Pilgrimrode halt’ ich ihn 
Für einen, der auß hohem Stand geboren, 
Menn es nicht gar jo ein Schaßgräber it, 
Wie durch den Harz fie jet zumeilen ftreichen. 
(Die Köhlerin tritt aus der Hütte.) 


Die Köhlerin. So fomm doh, Mann, und lug’ auch in die 
Köthe! 
(Sie zieht den Köhler mit fi.) 
Bei dem MWallbruder ijt es nimmer richtig, 
Der hat dir eine güldne Kette um, 
Wie fie der Herzog juft nicht jtolger trägt. 


Der Köhler. Da glaub’ ich's gern, daß dem mein Brot zu 
ſchlecht. 


(Beide verſchwinden in die Hütte; Ekbert von Wolfenbüttel tritt auf, mit einem 
Sagdfpieß in der Hand.) 


Ekbert. Die Sorge Liebt fich ſelbſt und meint’s nicht ehrlich, 
Wenn fie fi haßt. Nein, wie wenn Eitelkeit 
Ihr beigemifcht, jucht fie den Spiegel auf 
Und mißt ihr Ausjehn drinnen; ſtets zur Schau 
Kehrt fie zurüd. — Flieh nur ins Didicht, Keuler, 
Und grunze im geficherten Verſteck, 

Entronnen meinem Speer, ich folg’ dir nicht. 

(Er lehnt den Jagdſpieß an die Moosbank.) 
Bon einem tollern Biß bin ich befallen, 
Als ihn dein grimmer Zahn verjegen kann, 
Dom Biß des Argwohns und verjtörter Furcht, 
Die in die Bruft mir jchlug den grimmen Hauer 
Und der durchbohrten wühlt im Cingeweide, 
Daß nur der Tod als Arzt noch helfen kann. 
Kehr’, Eber, um und ftoß die Hellebarde, 
Die dir Natur verliehn, ing Herz dem Jäger, 
Erlöf ihn von des jchärfern Biſſes Qualen! 

(Er läßt fih auf die Moosbank nieder.) 

Wie thöricht vechnet Vorficht, falſch gefinnt! 
Ich ritt zur Jagd, anjtatt zu Hof zu reiten 
Zur Huldigung, dazu ich aufgemahnt 
Gleich allen Vögten ohne Unterfchied. 


Erſter Akt. 9 


Sch zagte, vor des Herzogs Aug’ zu treten, 
Und jo entjchloß ich mich, beim Feſt zu fehlen. 
Doch gab mir diefen Rat der Böfe ein: 
Sch wäre dort verjchwunden im Gedränge 
Und wenn er blickt, jo fonnt’ ich mich bemeijtern ; 
Sp aber wedt mein Ternjein erſt Verdacht 
Und jtellt mich mehr als jede Frage bloß, 
Die er verfänglicd an mich richten konnte. 
Der Krankheit Borwand, leicht erfannt als jolcher, 
Weckt erjt das Miktraun, jtatt es einzujchläfern. 
Sp fommt zu jpät das Einjehn mit der Reue: 
Beladner ift die Brujt mir als vorher. f 
(Er verfinft in Brüten. Aus der Hütte treten der Köhler und die Köhlerin hervor.) 
Der Köhler. Ei, ift das nicht der Vogt von Wolfenbüttel ? 
Die Köhlerin. Bei Gott! Faſſ' Dir ein Herz und red’ 
ihn an! 
Der Köhler. Gejtrenger Herr — 
Ekbert (erſchrocken auffahrend. Ha! Schergen! Keiner fomm’ mir 
an den Leib, 
(Er zieht.) 
MWenn er die Klinge nicht verjuchen will. — 
Du biſt's, der Köhler? — Pah, mir träumte nur. 
Der Köhler. Herr, mit Verlaub, am Feuer drinnen jchläft 
So einer, den ſich's anzuſchauen lohnt. 
Die Köhlerin. Ein folcher kommt nicht alle Tage her. 
Ebert. Laßt mich allein, ich juche feine Kurzweil. 
Die Köhlerin. Die güldne Kette müßt Ihr Euch betrachten. 
Der Köhler. Wie unterm Zwilch den Panzer und dag Schwert. 
Die Köhlerin. Den filberweißen Bart, den Kopf voll Narben. 
Ekbert (ver aufmertjam geworden). Sp führt mich denn zu ihm. 
Der Köhler und die Kohlerin. Doch jacht, er jchläft! 
(Ebert tritt in die Hütte.) 


Der Köhler. Weiß Gott, was unjern PVogt für Grillen 
plagen. 
Als ich ihn anrief — doch, Du hörteſt ja 
Es ſelbſt mit an, — er hielt mich gar vor Schred 
Für einen Schergen. 
Die Köhlerin. Sein Gewifjen plagt ihn; 
Die Engel wiſſen, was ihn heimlich drüdt. 


10 Heinrich der Löwe. 


Der Köhler. Ich taufcht’ den Loden nicht mit feinem Pelz. 
(Ebert fommt zurüd.) 
Die Köhlerin. Nun, Euer Gnaden, jagten wir nicht wahr? 
Der Köhler. Saht Ihr den Harniſch und die güldne Kette? 
Ebert. ch weiß, was ich gejehn. Fort an den Meiler! 
(Das Köhlerpaar entfernt fih nad dem Meiler.) 
Es ijt der alte Welf, des Herzoga Ohm! 
Ich ſtand, wie auf dem Markt der Köhler gafft, 
Bor ihm gebannt, den fern ich mit dem Kaiſer 
Am Tiberſtrom mir dachte. Er zurüd! 
Das deutet einen großen Umſchwung an 
Am Rad des Glücks. Wie, oder hätte Gier 
Shn wohl nach Heinrichs Gut dahergetrieben, 
Bon deſſen Fahıt ins heil’ge Land er wußte 
Und defjen Tod ſchon das Gerücht pofaunt ? 
Wär’ dies der Fall und wüßt' ich ihn befangen 
Sn ſolchem Wähnen, ruhig naht’ ich ihm 
Und ſchlöſſe fühn mein Schikjal an das jeine. 
(Gottſchalk kommt zurüd.) 
Doch hier wird meiner Neugier Durſt geſtillt. 
Gottſchalk. Ich wünſche Euer Edlen Weidmannsheil. 
An Wild ſcheint es im Harze nicht zu fehlen. 
Der Eber hat vor Eurem Spieß geſtutzt, 
Mich hätt' er beinah' umgerannt. 
Ekbert. So ſcheint's, 
Er ſah Dir an, daß Du ein Schwabe biſt. 
Gottſchalk. Woran, Herr Sachſe, merkt Ihr das jo ſicher? 
Ekbert. An Deinen Späßen, die nur Dir gefallen. 
Doch kurz, wem dienſt Du? 
Gottſchalk. Meines Herren Vater, 
Der meinem Vater ſchon zum Herrn gedient. 
Ekbert. Unnützer Schalk, willſt Du mein ſpotten gar? 
Du dienſt dem Herzog Welf. 
Gottſchalk. Zu dienen, Herr, 
Doch heißen beide Welf, ſo Sohn wie Vater, 
Und wer von beiden mir zum Herren dient, 
Das leſt Ihr an den Sohlen mir nicht ab. 
Ekbert (mit dem Spieß drohend). Paſſ' auf, daß ich Dir nicht das 
Dell vergerbe, 


(Herzog Welf tritt aus der Hütte,) 


Erfter Att. 11 


Gottſchalk. Flickt mir das Leder Lieber, wo es riſſig. 
zn Welf. Ekbert von Wolfenbüttel! 
Gnäd’ger Herzog! 
den Welf. Woran erkennt Ihr mich? 
Am Blide, Herr, 
— Eure hohe Abkunft mir verrät. 
Herzog Welf. Ihr ſeid der erſte, den dies fremde Kleid 
Nicht hat getäuſcht auf langer Fahrt voll Eile, 
Die ſtets in gröbern Staub mich hat gehüllt, 
So daß ich ſelten nur ſo leicht wie hier 
Ein Obdach fand. 
(Zu Gottſchalk.) 
Reich' ihnen dieſe Spende, 
Zum Dank, daß ſie ſo traut mich aufgenommen. 
(Er giebt Gottſchalk eine Goldmünze.) 
Gottſchalk Geiſeite. Schad', daß fein Wechsler hier, ſonſt gäb' 
es Abzug. 
(Er enteilt nach dem Meiler, wo die Köhlersleute wieder ſichtbar.) 
Herzog Welf. Wie kommt's, daß Ihr im Walde Hr be- 
geht 
Den Tag der Huldigung in Braunjchweigg Mauern? — 
Efbert (toten). in Umjtand ohne jed’ Gewicht bewog 
mi — 
(Beijeite.) 
Er fennt des Löwen Rüdfehr, jollt’ ich doch 
In meiner Hoffnung mich betrogen haben ? 
Herzog Welf (fi ihm nähernd). Was für ein Umstand? Beichtet 
mir getroit. 
Was trieb Euch in des Harzes wilde Gründe, 
Anjtatt mit allen Rittern an den Hof? 
Ekbert (nah einer Pauſe). Herr, nichts, das ich jo leicht befennen 
fann. 
Herzog Well. Warum doch nicht? Bedenft, daß ich ein 
5 Welfe, 
Und als der Alteſte des Stammes Haupt! 
Ekbert. Ihr lockt mir das Geheimnis aus der Bruſt, 
Das ausgeſprochen mir Verderben droht. 
Herzog Welf. Dies fürchtet nicht durch mich, im Gegenteil 
Verſichr' ich Euch im voraus jeden Schutzes. 


Geiſeite.) 


12 Heinrid) der Löwe. 


Sch wittre Ränfe, die ich nugen kann. 
(Zaut.) 
Und immer noch bedenkt Ihr Euch? 
Ekbert (die Hände auf der Bruft freuzend). D He, 
Ein groß Bergehen lajtet ſchwer auf mir, 
Das in die Luft zu jtöhnen ich verfucht, 
Da ich e8 Menjchen nicht vertrauen darf. 
Herzog Welf (ie Hand ihm auf die Schulter Iegend). Entdeckt Euch mir, 
Ihr werdet's nicht bereun! 
Ekbert. Wohlan, jo geb’ ich mich in Eure Hand 
Und alles will ich rüdhaltlos befennen. 
Herzog Welf. Ihr fördert jo am beiten Euer Wohl. 
(Beijeite.) 
Sch ahne, daß es fich um MWicht’ges Handelt. 
(Zaut.) 
Was e8 auch jet, das Ihr habt abzubitten, 
In Braunfchweig it mein Fürwort Euch gewiß, 
Und wirk' ich Euch dort nicht Verzeihung aus, 
So findet Ihr bei mir in Peiting Zuflucht. 
Doch jeht zu Pferd und fort! Es mahnt die Stunde, 
Da ihon dem Weiten nah’ die Sonne jteht. 
Wir reden mehr, wenn wir nur erjt im Bügel. 
Geht mir voran und heißt die Roſſe jchirren! 
(Ebert enteilt nad der Richtung der Straße.) 
Ein guter Zufall führte uns zujammen 
Und was er zeitigt, will ich wohl benugen: 
Ob Welf und Staufer Freundichaft fich beteuern, 
Bald wird die alte Feindjchaft fich erneuern. 


(Er eilt in gleiher Richtung ab, auch Gottſchalk ift auf einen Wink Ekberts der Straße 
zu entfhmwunden; das Köhlerpaar winkt ihnen nad.) 


Der Köhler Geiden nachrufend). Kehrt ein bei ung, jo oft es Euch 
beliebt! 
Die Köhlerin (innen nachſtarrend). Was es doch in der Welt nicht 
alles giebt! — 
Sch Hätt’ fie um mein Leben gern belaujcht, 
Was fie jo heimlich miteinander hatten. 
Der Köhler. Sei froh, daß Du es nicht zu wiſſen braudjit! 
Sie mögen um des Herzogs Hof ſcharwenzen, 


Erfter Att. 13 


Ich gehe frei um meinen Bogelherd. 

Doch weil’ einmal das neue Goldſtück her — 

Bei Gott, das haben wir ung leicht verdient! 
Die Köhlerin. Das giebt zum Winter manche Schwarte Sped. 
Der Köhler. Und auch ein Schlüdchen zum Hinuntergurgeln. 
Die Köhlerin. Doh haft Du auch jchon aufs Gepräg’ ge- 

merkt? 

Es ijt des Alten Bild, jo wie er lebt. 
Der Köhler. Wie eine Eichel gleich der andern fieht! 
Die Kohlerin. Sch gäb’ was drum, zu wiſſen, wer er ijt! 
Der Köhler. Zu Goslar werden fie ihn jchon erkennen, 

Wo wir zu Pfingiten unjern Einfauf machen ; 

Doch ſchau' Dih um, dort nahn zwei andre Mannen. 
(Gunzelin und Jordan treten auf, in einiger Entfernung von Dienern gefolgt, 
die ein zerlegbares Prunfgezelt Herbeifhaffen.) 

Die find dem Vogt ala Späher nachgejandt. 
Fort, ſonſt verjtriden wir ung noch darein! 
(Beide begeben fih in die Hütte.) 
Jordan. Da ijt die Lichtung, wo das Stelldichein 
Nach abgeblaj’ner Jagd itattfinden joll. 
Gunzelin. Der Ort ift wie gejchaffen auch dazu, 
Indem die Wege hier zufammenlaufen, 
Die durch den Harz rings nach der Tiefe führen. 
Jordan. Wenn nicht den Herzog weiter reißt fein Eifer 
Auf friiher Spur der aufgetriebnen Beute, 
Die aufzugeben nicht nach jeinem Sinn, 
©o läßt er, an der Sonne Stand gemahnt 
Durch ſein Gemahl, nicht lang mehr auf ſich warten. 
(Zu den Dienern.) 
Errichtet Hier das Zelt. Auf! jputet euch! 
Gunzelin (fi niederſetend). ch kann den Vogt nicht aus dem 
Kopf mir Ichlagen. 
Er jagt fich frank und, da er wird bejchidt, 
Sit Leer jein Nejt und er zur Jagd geritten! 
Jordan. Nie war der Herzog noch jo aufgebracht, 
Und feine Stirne ſchwillt doch leicht genug, 
Als da durch Wölpe ihm die Meldung fam. 


14 Heinrich der Löwe. 


Gunzelin. Wenn nur der Flüchtling feinen Rüdhalt hat 
An einem unfrer jchadenfrohen Nachbarn, 
Die neu aufwiegeln ſoll Albrecht der Bär! 
Sordan. Der wird fich hüten, wieder anzubinden, 
Nach jolchen Schlägen, wie er fie fich holte. 
Gunzelin. Doch leider hat der Herzog manchen Yeind 
Sm eignen Land, den er fich ſelbſt erzog 
Durch feinen Stolz und feine Gier nach Herrjchait. 
Jordan. Den möcht’ ich jehn, der ihm zu troßen wagte! 
Glaubt, jeine ftarfe Hand hält fie gebändigt 
Und, wenn fie murren, thun fie’3 insgeheim: 
Bon ſolchen Feinden droht fein Ungemitter. 
Gunzelin. Doch nur jo lang’, als fie im Glüd ung willen. 
Drum bet’ ich alle Tage auch zu Gott, 
Er möge ihm des Kaiſers Liebe wahren. 
Jordan. Da gehen unjre Wünjche nicht zufammen. 
Befiter zweier Herzogtümer fein 
Um doch zulegt nur ala Vaſall zu gelten — 
Mir jteigt das Blut zu Kopf, den?’ ich daran! 
Gunzelin. Kommt Ihr mit Euern alten Grillen wieder ? 
Der Kaijer Hat den Herzog groß gemacht, 
Doch andrerjeit3 dankt ihm auch viel der Kaifer. 
Dies wiſſen beide, und fie jtüßen jich 
Der eine auf den andern wie zwei Pfeiler, 
Die unter Ein Gewölb gegürtet find, 
Das fie zufammen tragen ungertrennlic). 
Sordan. So lang bis daß der Bogen einmal jtürzt. 
(Ein Hörnerruf wird in ber Ferne vernommen.) 
Und wollte Gott, es käme bald der Tag, 
Da fich der Herzog los macht von dem Katjer 
Um endlich feinen eignen Weg zu wandeln, 
Wie's einem alfo mächt'gen Herrn geziemt! 
Gunzelin. Bewahr' ihn Gott vor einem folchen Schritt, 
63 wär’ zu jeinem und des Reiches Unheil. 
Nein, diefe Stunde möcht’ ich nicht erleben! 
Sordan. So würdet Zhr nad) Eurem Wunſch nicht alt. 
Gunzelin. Meinthalben auch, ich bin mir alt genug. 
Ihr wißt, jo lang fih um die Kaiſerkrone 
Der Welfe und der Staufer neidvoll ftritten, 
War alle Kraft gelähmt in unjerm Volke. 


Erſter Akt. 15 


Erſt ſeit der alte Zwiſt begraben ruht, 
Erhoben wir uns neu zu alter Stärke 
Und ſtehn, erlöſt vom innern Zank und Hader, 
Beneidet da, das erſte Volk der Welt. 
Doch allen Stämmen ſchreiten vor die Sachſen, 
Den löwenmüt’gen Herzog an der Spiße. 
Er 30g aus diefem Bündnis Glüf und Heil; 
Drum muß e3 jeder loben, der ihn liebt. 
(Neues Hörnerzeihen. Heinrich der Löwe mit der Herzogin Mechtilde und 


feinen Söhnen Heinrid und Dtto tritt auf, gefolgt von einigen Rittern und 
Edelfrauen, fowie dem niederen Sagdgefolge.) 


Heinrich d. 2. Da dampft der Meiler. 
(Zu Sordan, der raſch zu ihm geeilt.) 
Laßt zur Rüfte blajen! 
Mechtilde (sum jungen Heinrich). Du hattejt Recht, mein Sohn, «8 
war jein Rauch; 
Ich hielt ihn für ein Spiel der Wolfen nur, 
Die, Nebel jpinnend, ich zu Thal gelafjen. 
(Zu Heinrich d. 2.) 
Wie liegt jo traut die Hütte in der Wildnig! 
Der Kleine Otto. Wem, Mutter, mag das Haus don Moog 
gehören ? 
Mechtilde. Den guten Leuten dort. Ruf’ fie herbei! 
(Der kleine Dtto holt die Köhlersleute.) 


(Die Hornbläjer aus dem Gefolge blajen auf einen Winf Heinrichs d. 2. die Jagd ab, 

worauf fih von allen Seiten Ritter mit Speer und Bogen einfinden; die zulest Ein— 

treffenden find Adolf von Holftein und Bernhard von Rateburg. Es be— 
ginnt zu dunfeln.) 


Wie lange wohnt Ihr jehon an diefem Ort? 
Die Köhlerin (wertegen). Ja, wer dag auf den Tag zu jagen 
wüßte. 
(Sie enteilt in die Hitte.) 
Der Köhler. Mein Lebtag bin ich hier geſeſſen, Herr, 
Wie jchon vor meinem Vater auch fein Ahn, 

Und kommt mein Stündlein, fterb’ ich wohl auch hier. 
Heinrih d. 8, Sie hängen jo an ihrem rauch’gen Meiler, 
Wie faum ein Fürſt an feiner Stammburg Mauern, 

Wenn er bedacht, jein Erbe zu vermehren. 
(Die Köhlerin fommt mit Brot und einem gefüllten Becher zurück.) 


Mechtilde. Ei fieh, wir jollen gar bewirtet werden! 


16 Heinrich der Löwe. 


Die Köhlerin. Ein wenig Honigmet und Roggenbrot; 
Im Harz gedeiht fein MWeizenforn. 

Mechtilde (den Becher ihren Söhnen reichend). Wohl wahr, 
Doch Lieb’ ich ihn als meine zweite Heimat 
Mit feinen dunklen Bergen und dem Grün 
Der lichten Wiefen, die an Gras nicht geizen, 
Wie rings der Herden Glodenton verrät: 
Sch weiß, ein wadres Völklein lebt in ihm, 
Gejtählt durch Arbeit und durch mäß’ge Freude, 
Dankbar und treu dem Boden, der es nährt. 


Der Köhler. Recht Habt Ihr, fröhlich Lebt ſich's Hier in 


Harze. 
Die Köhlerin. Spart man nur recht, jo läßt ſich's üb'ral 
haufen. 
Mechtilde. Auch Lob’ ich mir der Berge reichen Schoß, 
Die Silber und der Erze Reichtum Tpenden. 
Der Bergmann führt den Teuftel überall 
Und Karren rollen, wohlgefüllt, die Wege, 
Wo emfig jchmelzt der braune Hüttenmann. 
Rings aus den Gruben und den Zechen jteigt 
Der blaue Rauch, fich fräufelnd, um die Tannen 
Und weiter hin um jtiller Dörfer Stätte. 
Fürwahr, ein Großes ſchuf hier Menſchenhand 
In rauher Wildnis, und voran der Fürit, 
(Zu Heinrich d. 2. gewandt.) 
Der Euch beſchützt. Mein teurer Herr, Ihr jeid’g! 
Gott mit dem jchönen Harz und jeinem Schüber! 
(Sie trinft.) 


Der Köhler. „ES grüne die Tanne, e8 wachje das Erz, 
Gott ſchenke uns allen ein fröhliches Herz!“ 
Heinrich d. 2. Der Himmel mache Euren Heilswunſch wahr 
Mechtilde. Sagt an, ob Ihr wohl eine Bitte hegt! 
Die Köhlerin (ven Köhler anſtoßend). So rühr Did doch. — 
Es läg’ ung viel daran, 
Daß Ihr das Goldſtück 'mal betrachten wolltet. 
Der Köhler (das Goldſtück aus der Taſche ziehend). Für was Ihr'⸗ 
haltet — 
Mechtilde. Gern ſoll es geſchehn 
Ei, ſieh, das iſt ja Herzog Welf, Dein Ohm. 


Erſter Att. 17 


Heinrich d. 8. (die Münze raſch ergreifend). Wie fommt Ihr zu dem 
wunderlichen Gelde ? 
Der Köhler. Sa, Herr, das ging uns jelber nicht recht ein. 
Die Köhlerin. Doch haben wir e& ehrlich uns verdient. 
Heinrich d. L. Dem galt die Frage nicht. Wer war der 
Geber? 
Die Kohlerin (sum Köhler, der ftottert. So rede doch, er meint jonft 
gar, wir ſtahlen's! 
Der Köhler. Ein Fremdling that uns Heut’ die Ehre an, 
Einkehr zu halten unter unferm Dach — 
Die Kohlerin (einfauend). Der war's, der den Goldpfennig uns 
verehrte. 
Heinrich d. 2. Glih Er dem Bild darauf? 
Die Köhlerin. Herr, ganz und gar. 
Der Köhler. Nicht Brüder fünnten ähnlicher fich jehn. 
Die Köhlerin. Das wollt’ ich vor dem Schöppenstuhl be- 
ſchwören! 
Heinrich d. L. Er iſt's, wir müſſen heim nach Braunſchweig 
1 
(Zu Jordan und Gunzelin.) —— 
Das mit dem Vogte wird mir ſtets verdächt'ger. 
(Zu dem Kreis der Ritter, die ihn umſtehen.) 
Wer war e8, der ihn unterwegs betroffen, 
Bevor ih Wölpe ihm noch nachgejandt ? 
Jordan. Bernhard von Ratzeburg, der hier fich naht. 
Heinrich d. 2. ähn anfahrend). Weswegen habt Ihr nicht den 
Vogt geſtellt? 
Bernhard von Ratzeburg. Ich rief ihn an, doch ſchien er's 
nicht zu hören. 
Jordan. Die Krankheit, ſcheint's, ſchlug ſich ihm auf die 
Ohren. 
Heinrich d. L. So konntet Ihr nachſetzen ihm; doch freilich, 
Ihr ſelbſt kam't auch verſpätet auf den Hoftag, 
Wie Ihr der letzte jetzt am Sammelplatz 
(Auf Adolf von Holſtein zeigend.) 
Mit Eurem Nachbar im Holſteiner Lande; 
Doch Eure Läſſigkeit ſtammt nicht von heute, 
Ihr dankt ihr den Verluſt von Lauenburg —, 
Bernhard von Ratzeburg (mit verhaltnem Zorn). Das ich erbaut 
zum Schuß des Sachjenlandeg! 
2 


Greifs Werke. IH. 


18 Heinrich der Löwe. 


Heinrich d. 2. Wie Ihr auf Lüber Euer Recht verjcherztet, 

Weil Ihr den Grenzjchuß dort zu flau betrieben, 

Davon die Folge war der Wenden Einbruch. 
Adolf von Holſtein. Sie abzuwehren fehlte mir die Macht. 
Heinrich d. 2. Darum hält jet ein Stärferer dort Wache. 
Adolf von Holjtein und Bernhard von Ratzeburg. Wir 

hielten fie im faijerlichen Namen ! 

Heinrih d. 2. Kraft mir vom Kaifer übertragner Vollmacht, 

Bin ich begabt mit jedem feiner Rechte, 

Die ich ausübe, voll und unbejchränft, 

Wie mir's gefällt und ohne wen zu fragen. 

Bedenkt e8 wohl, Ihr ſteht vor feinem Knaben, 

(An dag Schwert fjahrend.) 

Ihr jtehet vor dem Wendenbändiger! 

Mit diefem Schwert trieb ich zu Taujenden 

Ihr Volk in den Schwerinerjee zur Taufe 

Und drang das Heil den Widerjpenjt’gen auf; 

Ich Jäte, wo Ihr anderen nur erntet. 

(Eilbert von Wölpe erſcheint, mit gezüdtem Schwert den Ebert, dem Welf folgt, 
vor fi Hertreibend. Gottſchalk wird im Hintergrund, dod nur für einen Augen— 
blid, fihtbar.) 

Gunzelin. Herr, dort bringt Wölpe den Entfloh’nen ein. 
(Bewegung.) 


Heinrich d. 2. Und Herzog Welf dazu! 


Mechtilde. In Pilgrimtracht — 
Gilbert von Wölpe. Den Flüchtling hab’ ich glücklich auf- 
getrieben. 


Heinrich d. L. Zurück mit ihm, bis ich heran ihn rufe! 
(Ekbert wird von Wölpe in das aufgejchlagne Zelt geführt.) 
Mein Oheim, Herzog Welf! 
Herzog Welf. Ich bin e3, ja. 
(Zu Medtilde.) 
Gegrüßt mit Euren Söhnen! 
Mechtilde. Dank Euch, Herr! 
Herzog Welf (su beiden. Lang’ iſt e& her, jeit wir zulegt uns 
jahn, 
Das Haar ift unterdes mir weiß geworden. 
Heinrih d. 2. Ich Hatte Dich in Welfchland fern vermutet 
Und tief im vollen Kriegsgejchäft dazu. 
Doch erft die Frage, Ohm, was macht der Kaifer? 


Erfter Akt. 19 


Herzog Welf. Am Petritag verließ ich ihn vor Nom. 
Heinrich d. 8. Entjendet, oder gar auf eigne Hand ? 
Herzog Well. Sch habe mir den Urlaub ſelbſt genonmten. 
Heinrih d. 2. Berlafien Haft Du mitten ihn im Felde 

Und jo zum Treubruch den Verrat gefügt ? 

Herzog Well. Ich konnte nicht die Greuel länger anjehn, 

Die ruchlos er am SHeiligjten beging 

Sm wilden Anfturm auf den Sitz der Kirche. 

(Gegen Mecdtilde gewendet.) 

So fam ich zum Entſchluß — und ich verließ ihn. — 
Heinrich d. 2. Und jchändeteft das Welfenhaus für immer! 
Herzog Well, Was nötigt mich, den Bann mit ihm zu teilen, 

Der als ein Staufer alle Welfen Haft? 

Doch laſſ' Dir beichten erjt von Deinem Vogte! 

Du wirft vielleicht dann milder richten mich. 

Heinrich d. 8, (verwundert). Was Hat fein Fehl mit Deiner 
That zu Schaffen ? 
(Zu Jordan.) 

Er trete vor, doch nein, ich will ihn abjeitz 

Bernehmen dort. 

(Er geht mit Herzog Welf vor das Belt, aus dem Jordan Ekbert hervorholt. Wölpe 
entfernt fih nad dem Hintergrunde.) 
Mechtilde (su Gunzelin. Könnt Ihr Euch denken, Freund, 

Was ſich Hat mit dem Vogte zugetragen ? 

Gunzelin. Vergeblich jann ich nach dem Grund der Flucht. 
Mechtilde. Wüßt' ich dem Herzog Milde einzuflößen! 
(Zu Bernhard von Rateburg und Adolf von Holftein herantretend.) 
Nehmt Euch die Buße nicht zu jehr zu Herzen; 
Der Herzog, wie Ihr ſehet, ijt erregt. 
(Sie fpridt mit beiden.) 
Ekbert. Zerknirſcht von Reue lieg’ ich da im Staube. 
Heinrich d. 8. Bon welcher Schuld ift Euch) das Herz be- 
drüdt ? 
Ekbert. Herr, ich getrau’ mich faum, fie zu befennen. 
Herzog Well, So will ich das Geheimnis ihm entloden, 
MWofern Du mir Dein fürftlih Wort verpfändeft, 
Daß Du fein Haar ihm frümmit. 
Heinrich d. 2. (ic beherrſchend). Wohl, ich gewähr’s! d 
(Beijeite.) 
Es jteigt mir eine dunkle Ahnung auf! 
9* 


20 Heinrich ver Löwe. 


Herzog Welf. Gebt Elar und bündig Antwort auf die Frage: 
Was hattet Ihr dem Kanzler zu geloben 
Zu Goslar auf der Pfalz, bevor der Kaifer 
Don dannen jchied, das Reichsheer zu verfammeln ? 
Ebert (su Herzog Welf auf den Knieen fih wendend). Ich gab das 
ichriftliche Gelöbnis ab, 
Dafern mein Herr vom heil’gen Land nicht fehre, 
Niemand zu huld’gen, ala dem Kaiſer jelbjt, 
Und Burg wie Stadt dem Reich zu übergeben. 
(Pauſe.) 
Herzog Welf (triumphierend). Nun weißt Du, was zum Flücht— 
ling ihn gemacht. 
(Aufladend.) 
Berdammft Du noch den Schritt, den ich gethan? 
(Auf einen Wint Welfs entfernt fi Ebert von der Scene.) 
Heinrich d. 8. (nachdem er einen Augenblid vor fi hingeftarrt. Bin ich 
ein Stamm, dem es an Zweigen fehlt? 
Bin ich fein hoher und belaubter Wipfel? 
Nicht Fürft vom Vater her und der vom Ahn 
Und weiter jo hinab in graue Zeiten ? 
Der arme Köhler wendet feine Hütte 
Auf ſtrohnem Sterbbett feinen Söhnen zu 
Und er beftellt jein Haus, — ich dürft” es nicht? 
(Er nimmt den Fürftenreif vom Herzogshute ab.) 
Sit diefer Reif nur eitel Tand, fein Zeichen 
Bon Gott gegebner Herrichaft und Gewähr 
Für ihren Fortbeftand? Dann weg mit ihm! 
Doch nein und nein, er ijt fein leerer Schmud, 
Den jeder als Gefchmeid’ erwerben fann 
Und weg ihn jchenfen, wenn er jatt des Schimmers: 
Den Eigner bindet der Beſitz an ihn. 
Die Macht verjährt und wird ein heil’ger Glaube, 
Und was der Kaifer ſchenkt, beſitzt der Herzog. 
(Er geht auf feinen Sohn Heinrich zu.) 
Komm her, mein Sohn, und blid’ den Bater an, 
Der forgenvoll Dich Frönt noch dor der Zeit. 
(Er jegt ihm den Goldreif in die Locken.) 
Willſt Du veriprechen mir, Dein Vatererbe 
Zu hüten einjt? 


Erfter Att. 21 


Der junge Heinrich (wen Reif mit beiden Händen umfaſſend). Ich thu's 
mit franfem Mut. 
Der fomme her, der mir es rauben will! 


Heinrich d. 2. So recht, mein Sohn! 


(Er umbaljt ihn.) 
Daran erfenn’ ich Dich. 
So wird ein echter Welfe immer denten. 
(Auf den Stirnreif deutend.) 
Schütz' ihn, und muß es fein, jelbjt vor dem Kaijer! 
(Welf und Jordan reden vergnügt miteinander. Indes Heinrich d. 2. feinen Sohn 
Heinrich bitter lächelnd betrachtet, nähert fih ihm Mechtilde. Ein furzer Trompeten 
jtoß wird gehört, Eilbert von Wölpe entfernt fih mit einigen Nittern nad der Geite 
im Hintergrund.) 


Mechtilde. Was Hat Dir jo erichüttert dag Gemüt? 
Heinrich d. 2. (mod immer brütend). Weh' dem, der mir an diejes 
Erbſtück rührt! 
(Er jest ſich den Stirnreif wieder auf.) 
Er jeh’ fih vor und reize nicht den Löwen! 
Mechtilde (su Welf, der indes auch wieder Herangefommen) Was flößtet 
Ihr ihm für Verdacht ins Herz? 
Herzog Welf (achend). Ihr glaubt wohl gar, ich Hätte ihn be- 
hext? 
Mechtilde. Entreiße, Heinrich, Dich dem finſtern Traume! 
Heinrich d. L. Mechtilde, könnt' ich ſagen, daß ich träumte, 
Ich gäbe viel darum für dieſen Troſt. 
Wie hab’ ich mich in dieſem Mann betrogen! 
(Er lat gellend.) 
Mechtilde. Blick' an den kleinen Otto, wie er bebt! 
Heinrih d. 2. Sei unbeſorgt! — Wohl ihm, er jaht es 
nicht. 
Ich bin nicht mehr der Muntre, der ich war; 
Mein reich Vertraun ward bitterlich getäufcht. 
(Er wirft fih an Mechtildens Bruft. Pauſe. Eilbert von Wölpe fommt mit den Rittern 
in die Scene gejtürzt.) 
Wölpe. Otto von Wittelsbach, der Pfalzgraf, naht, 
Des Reiches Banner vor fich aufgerollt. 
Dort jaß er ab, Euch Hier fchon zu begrüßen. 
(Dtto von Wittelsbach tritt auf im vollen Waffenſchmuck, von bayeriſchen Edlen 


gefolgt; ihm voraus wird da3 faiferlihe Banner getragen. Eine jhmetternde Fanfare 
empfängt ihn. Der Mond bejcheint die Scene.) 


2» Heinrich der Löwe. 


Heinrich d. 2. (ihm die Rechte entgegenftredend)., Mein alter Waffen- 
bruder! 
Otto von Wittelsbach. Gott zum Gruße! 
(Zu Mechtilde.) 
Ich neige mich der Herrin. 
Mechtilde Gihm die Hand bietend). Werter Pfalzgraf, 
Ihr kommt ſo unerwartet als erwünſcht. 
Otto von Wittelsbach. Nur wen'ge Tage ſind's, ſeit wir das 
Blau 
Der hohen Alpen hinter uns gelaſſen: 
Die Eile wuchs, je mehr wir Braunſchweig nahten. 
(Einen Blid auf Herzog Welf werfend.) 
Mir war’, ich müßte fliegend daher dringen. 
Und jo gewährt es, zu entled’gen mich 
Der Botjchaft, die durch mich der Kaiſer jendet. 
Heinrich d. 2. (taunend). Mir eine Botſchaft? — Gut, ver- 
fünde fie! 
Otto von Witteldbah. Bor allem hieß er mich, dem lieben 
Better 
Entbieten jeinen gnadenvollen Gruß. 
Heinrich d. 2. Zu welchem Zweck? 
Stto von Witteldbad). Bernimm, was ſich begeben ! 
Wir Hatten Rom nad langem Wipderjtand 
Bezwungen und den Petersdom bejegt, 
Indes zu gleicher Stunde Alerander 
Auf dunkler Flucht das Meergejtad gewann, — 
Als das Geſchick im Giegeslauf ung hemmte. 
Welf (Haldlaut zu Jordan). So hat fich meine Ahnung doch erfüllt ! 
Stto von Witteldbah. Im Brand der AZulifonne rückten wir 
Den nahen Grenzen der Normannen zu; 
Da plößlich ward es finjter über uns 
Und ein gewalt’ger Regen raujchte nieder. 
Doch hielt er kurz nur an, und jtrahlenreich 
Trat bald die Sonne wiederum hervor, 
Rings das Gefild’ mit wilder Glut verjengend 
Und aus der Erde lockend feuchten Dunft. 
Der Sümpfe gift'ge Nebel jtiegen auf, 
Bon deren Hauch berührt, die Leiber wanften, 
Die allem Ungemach jeither getrogt. 


Erſter Akt. 23 


Herzog Welf (wie vorhin). Das Strafgericht beginnt für ſeine 
Frevel! 
Otto von Wittelsbach. Die Peſt brach los und raffte hin die 


Scharen. 
Heinrich d. L. O Gott! 
(Mechtilde lehnt ſich an ſeine Schulter.) 
Otto von Wittelsbach. Der Tod hielt eine große Ernte ab. 
Umſonſt verfuchten wir, im eil’gen Zuge 
Die fühlen Berge wieder zu gewinnen: 
Das Sterben wuchs und raffte hin die Menge. 
Auch viele Großen und vornehme Zierden 
Verloren wir, voran Reinhold von Dajfel, 
Des Reiches Kanzler — 
(Heinrih d. L. madt eine Handbewegung der Gleichgültigfeit.) 
Kaum daß er uns tot, 
So jahen wir den Tapferjten im Heere, 
Den jungen Schwabenherzog Friedrich, jcheiden. 
Mechtilde. Gott gebe Frieden jeiner tapfern Seele! 
Stto von Wittelsbach (su Herzog Wei). Much Euer Sohn — 
Herzog Welf. Mein Sohn! 
Dtto von Wittelsbach. Kehrt heim als Leiche. 
Herzog Welf. Mein einz’ger Sohn, für den allein ich jtrebte! 
(Er bricht in den Armen Jordans zufammen.) 


Heinrich d. 2. (mad einer kurzen Pauſe). Fahrt fort! 


Otto von Wittelsbach. Sie alle aufzuführen, fehlt 
Mir Atem und Gedächtnis — 
Heinrich d. L. Doch der Kaiſer? 
Otto von Wittelsbach. Wie durch ein Wunder blieb er uns 
erhalten. 


Mechtilde. Gott ſei gelobt! 

Otto von Wittelsbach. Und ungebrochnen Muts 
Gelang es ihm, das arg geſchmolzne Heer 
Zurückzuführen durchs empörte Land 
Bis an den Fuß der ſchneebedeckten Alpen, 

Von wo er mich voraus zu Dir entſandte, 

Auf dem, ſo ſprach er, da er mich entließ 

Hierher zu Dir, all' ſeine Hoffnung ruht. — 

Du ſchweigſt erſchüttert, und Du ſenkſt das Haupt, 
Doch höre meine Botſchaft erſt zu Ende! 

Schon eilt der Teure aus Burgund zurück 


34 Heinrich der Löwe. 


Nach Franken hin, wo er das Reich demnächſt 

In Bambergs Mauern zu verjammeln denkt. 

Und dorthin auch beruft er Dich; als erjten 

Bon allen Treuen hofft er Dich zu jehn. 

Wirſt Du erjcheinen, darf ich's ihm verfünden ? 
Heinrich d. 2. (nachdem er lange mit fi) getämpft). ch fomme — 
Merhtilde (ich ihm an ven Hal werfend). Heinrich, das vergilt Dir 

Gott! 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des erfien Aktes. 


Bweiter Nkt. 


Erſte Scene, 


(In Bamberg. Bor dem auf dem Miünfterplag errichteten Kaiſerſtuhle. Seitwärts im 
Vordergrund der Münſter, ven Hellebardierer bewachen und um den fi) das fpalier- 
bildende Volk drängt. Feitliher Orgelflang erbrauft aus dem Innern der Kirche. 
Durh das mit Pfingftmaien und Blumen befränzte Portal ftrömen Ritter mit ihren 
feftlich gefleideten Frauen und Geiftliche beftändig aus und ein. Die bijchöfliche 
Pfalz daneben im Hintergrund zeigt einen mit Teppiden, Fahnen und Wappenjchildern 
behangenen Erfer; auch die ſonſt fichtbaren Häufer find geſchmückt.) 


Ein Bürger. Luft, ich erſticke ſonſt! — — 
Ein anderer Bürger. Gin Zulauf iſt's don Nittern und von 


Pfaffen, 
Wie um den Bienenkorb zur Abendzeit. 
Ein dritter Bürger. Weiß Gott, der müßt' ein gut Gedächt— 
nis han, 
Der ihre Namen all ſich merken wollt'! 
Der erſte Bürger. Streckt Euch nit ſo, auch andre ſind 


noch da. 

Der zweite Bürger. Doch einer fehlt — von Braunſchweig her, 
der Löwe. 

Der dritte Bürger, Da habt Ihr recht, wo der nur bleiben 
mag? 


Erjter Bürger. Wo? Der hat abgejagt, das wißt Ihr doch? 
Die beiden andern Bürger. Was, abgejagt? Das ijt das erjte 
Wort! 
Erfter Bürger. Wie er gehört, daß allefamt fie fommen, 
Die jeinen Löwenzorn er fühlen ließ, 
Dieweil im weljchen Land der Kaifer focht, 
Da hat er Bamberg zugefehrt den Rüden. 


26 Heinrich der Löwe. 


Der dritte Bürger. Das glaub’, wer mag, der fennt nicht 
ſolche Furcht! 
Der zweite Bürger. Bor jeiner Burg in Braunfchtweig jteht 
ein Löwe, 
Den er dort aufgejtellt mit off'nem Rachen, 
Suft, eh’ er in das heil’ge Land gefahren — 
Das heißt: traut euch heran nur, wenn ihr's wagt! 


Der dritte Bürger, Jetzt aber gilt es, jeinen Pla behaupten. 


(Sm Münfter wird das Tedeum angeftimmt, wozu das Geläute der Gloden erſchallt. 
Die Bürger drängen ſich zujammen, die SHellebardierer jchaffen Raum. Der Zug 
verläßt unter Trompetenshall das Portal der Kirche, voran das vom Biſchof von 
Bamberg getragene Kreuz. Ihm folgen Biſchöfe und Äbte mit Inful und Mitra, 
jodann der Herold des Reiches und Hinter blumenftreuenden Mädchen Dtto von 
Wittelsbach, der das Reichsbanner trägt; ihm folgt der Pfalzgraf bei Rhein, 
Konrad, mit dem Reichsſchwert, nad) diefem erjheint unter einem von Bürgern ge— 
tragenen Baldadin der Kaifer Barbarofja und die Kaiferin Beatrix, erfterer mit 
der Kaijerfrone und dem Reichsfcepter; ihnen folgen ihre vier jungen Söhne Heinrich, 
Friedrid, Konrad, Dtto, jowie die Pfalzgräfin Irmengard, diejen der Kanzler 
des Reiches, Erzbifhof Chriftian von Mainz, und dieſem Fürjten und Rats— 
herren der Neihsftädte, unter erfteren Erzbiihof Philipp von Köln, Erzbifchof 
Wihmann von Magdeburg, der Markgraf von Brandenburg, Albbrecht der Bär 
mit jeinen zwei Söhnen, Dtto von Meißen und Bernhard von Anhalt, fomwie 
Landgraf Ludwig von Thüringen und zulegt Ritter und deren Frauen, jomie 
Knappen und Edelfräulein. Die Menae bricht, da fie des Kaiſers anfichtig wird, 
in Subel aus. Der Zug bewegt fich zuerft nad der Faiferlihen Pfalz, wo die 
Kaiferin mit ihren Söhnen fi verabſchiedet und unter dem Geleite des Biſchofs von 
Bamberg und ihrer Frauen in die Pforte tritt. Die nicht eintretenden Edelleute miſchen 
fih als Zufhauer unter das Volf. Der Kaifer begiebt fih mit dem Gefolge im Zuge 
nad dem erhöhten Sig, den die Großen des Reiches, wie fie angefommen, umgeben. 
Die oben benannten Fürften bilden jedoch raſch eine eigene, etwas zur Seite jtehende 
Gruppe. Das Bolt hält fich in ehrerbietiger Entfernung, vor ihm Bewaffnete; Barba= 
rofja befteigt den Thron, alle verneigen fi) vor ihm.) 


Barbarofja. Wir danken allen Treuen für den Gruß. — 
Wer von den Ausgebliebnen ijt entjchuldigt ? 


Ghriftian von Mainz (an des Thrones Stufen. in jeder iſt es, 
nur nicht Herzog Heinrich. 
Barbarofja Geinrich von Wittelsbach andlidend). Mir find don jeinem 
Kommen unterrichtet 
(Zu allen.) 
Und da Wir ohne ihn die Reichageichäfte 
Zu ordnen nicht gewillt, wie fie auch drängen, 
Sp wollen Wir für heute Uns gedulden 


Zweiter Akt. Erfte Scene. 27 


Und Unjer Ohr nur kurzer Bitte leihn. 
Mer jolche vorzubringen, trete vor! 
Albrecht der Bär (su den Umftehenden). Macht Platz, daß ich fürs 
Recht das Wort exrhebe ! 
Ghriftian von Mainz Der Markgraf Albrecht en um 
ehör. 
Barbaroſſa. Was bringt Ihr vor, Markgraf von Branden- 
burg! 
Albrecht der Bar. ch Habe vieren Kaiſern jchon gedient 
In Krieg und Frieden, ſtets die Pflicht im Auge 
Und nicht auf Lohn bedacht, wie's andre thaten — 
Barbaroſſa. Kommt ohne Umfchweif lieber gleich zur Sache! 
Albrecht der Bär eine Roue Hervorziegend). Nun denn, aus Frei- 
fing jchrieb der Bilchof mir, 
Dtto von Babenberg, den Krankheit jernhält, 
Was ihm ein guter Nachbar zugefügt. 
Er hatte eine Brüde an der Jar, 
Zu Föhringen, die reichen Zoll ihm trug 
Vom Salz, das fie von Reichenhall gewinnen; 
Da, eines Tags, erſchien dort reijig Volk 
Und äjcherte den Markt ſamt Brüde ein. 


(Unmwillen unter ven Verjammelten.) 


Doch nicht genug an dem. Der Branditatt nahe, 
Erhebt jeitdem ich eine junge Stadt, 
Die allen Handel hat an fich genommen. 
Der Ort Heißt München, und der es gegründet, 
Sit niemand andrer, als der Herzog Heinrich 
Bon Bayern und von Sachſen — 

Barbaroſſa (das Scepter ausftredend). Haltet ein! 
Noch minder, als Wir ohne ihn verhandeln 
Das Wohl des Reichs, geftatten Wir es jemals, 
Daß jeine Widerjacher Uns bejtürmen, 
Indes er jelbjt noch fern — 


(Trompetenjtoß und Pojaunenruf aus der Ferne. Albrecht der Bär tritt zurüd. Be— 
wegung im Bolfe, die fih nach dem Throne fortpflanzt. Paufe.) 


Was drängt das Volk und lärmt dort in den Schranken ? 


Otto von Wittelsbach. Der Herzog Heinrich naht, jein Wort 
zu löſen! 


28 Heinrich der Löwe. 


Barbarofja. Wir wußten, daß Wir auf ihn zählen dürfen. 
(Der Kreis der Fürften öffnet fih, Barbarofja verläßt den Thron. Heinrich d. 2. er- 
jheint, gefolgt unter anderen von Gunzelin von Schwerin, Sordan von 
Blanfenburg, Bernhard von Rateburg und Eilbert von Wölpe, die aber 
auf Abftand fich halten und fi nachher zu einer Gruppe vereinen. Barbarofja ſchließt 
Heinrich d. 2. in die Arme, der ihm fnieend feine Huldigung darbringt.) 
Heinrich d. 2. (nos auf den Knieen). Entſchuldigt gnadenvoll mein 
ſpät Erjcheinen ; 
Doch mußt’ ich meinen alten Oheim Welf, 
Der von dem jähen Schlag fich ſchwer erholt, 
Ein Stüd dur Franfen führen, Schwaben zu, 
Der Herzogin Frau Jutta in die Arme. 
So langt’ ich erjt nach Eurem Einzug an. 
Barbarofja (ieine Hand erfaſſend. Seid unbejorgt darüber, Lieber 
Better! 
(Auf Dtto von Wittelsbach deutend.) 
Ihr waret Uns vom Freunde angejagt. 
Die Kaiferin nur dachte fich befümmert, 
Ein Unfall könne Euch begegnet jein, 
Zumal Wir ja Frau Mechtild’ mit Euch wußten. 
Heinrih d. 2. Sie eilte von dem Zelter weg zur Pfalz, 
Die ſchuldige Verehrung darzubringen. 

(Auf dem Söller der biſchöflichen Pfalz zeigt fi die Kaijerin mit der Herzogin Mech— 
tilde und der Pfalzgräfin Srmengard, umgeben von ihren Göhnen.) 
Barbaroſſa. Wir grüßen jpäter fie. Willlommen nochmals! 
(Er befteigt wieder den Thron, indes Heinrih d. 2. Dtto von WittelSbah und den 
Pfalzgrafen Konrad begrüßt, neben denen er auch verbleibt.) 

Barbaroſſa. Ruhmmwürdige VBajallen, liebe Fürjten! 
Da Wir gelobt beim Antritt Unf’rer Herrichaft 
Das Recht zur jtärken, wie auch allezeit 
Zu mehren das auf Uns gefommne Reich, 

Nach Unſrer unvergeplichen Vorfahren 
Glorreichem Beilpiel, — eingedent 

Sp ſchwerer Pflicht, in der ihr Uns bejtärkt, 

So oft Wir euch zum Rat um Uns verfammelt, 
Geſchah es, daß feit Unjrer Wahl Wir jchon 
Zum viertenmal die Alpen überjtiegen 

Und Unſre Krieggmacht gegen Rom geführt, 

Wo Roland, der fich Alexander nennt, 
Anmaßlich hatte Petri Stuhl bejeßt, 


Zweiter Alt. Erſte Scene. 39 


Mißachtend Unjern kaiſerlichen Einſpruch. 
Doch wich,er Unſerm Schwert und weiter ſchon 
Trug Uns der Sieg, — da, mitten in dev Bahn, 
Gebot ein widriges Gefchik Uns Halt, 
Und eben noch von allen gleich gefürchtet, 
Sahn Wir von Feinden plößlih Uns umdrängt. 
Auch die Kombarden, die für alle Zeit 
Gezähmt Wir hielten, warfen ab die Zügel, 
Und ihre Städte jchloffen wider Uns 
Auf fünfzig Jahre einen Freiheitsbund, 
Dem fi, zu Unſerm Schmerz, Pavia anſchloß. 
Auch Mailand, dag von Grund aus Wir zerjtört 
Und gleich gemacht dem Boden ehevor 
Zur Strafe feines frevlen Übermutes, 
Erhebt von neuem fich mit feinen Mauern 
Und bildet der Verſchwörung fühnes Haupt. 
So iſt die Lage ernjtlich wohl genug, 
Doch, wie die Wolfen fich auch dicht verjanmeln, 
Wir bliden furchtlos in den Wetterſturm, 
Auf Gott vertrauend, im Gefühl des Rechtes. 
(Beifall und Waffengetöfe.) 
Und, da Wir fiher eurer Zuftimmung, 
So fünden Wir, kraft Unjrer Herrſchermacht, 
Den Aufgejtandnen Acht und Fehde an 
Und werfen des zum Zeichen Unjern Handichuh, 
Ob einer ihn erheben wolle, Hin. 
(Pauſe.) 
Barmherzigkeit und Großmut hat ein Ende — 
Der Krieg iſt den Lombarden angeſagt. 
(Allſeitige Zuſtimmung und langandauernder Waffenlärm. Barbaroſſa ſchwingt das 


ihm von Heinrich d. L. dargebotene Reichsſchwert. Der Herold des Reiches tritt in 
den Fürſtenkreis und ſchwingt viermal nad den vier Himmelsgegenden ſeinen Stab.) 


Der Herold, Der Krieg ijt den Lombarden angejagt. 


Barbarofja (ortfahrend). Da Wir das Schwert gezeigt, jo 
wollen Wir 
E3 unverzüglich auch im Ernjt gebrauchen; 
Doch vielerlei Gejchäfte halten Uns 
Für eine Weile noch im Reich zurüd, 
Das lange Unſrer Gegenwart entbehrte. 


30 Heinrich der Löwe. 


Drum, weil Wir faum vermögen, Unjre Fahrt 
Noch vor dem Fall des Laube anzutreten, 
Gedenten Wir, mit Bollmacht ausgerüjftet, 
Vorauszuſenden einen Stellvertreter, 

Auf daß er Unjres Namens Schred verbreite 
Und Hindre der Empörung fernres Wachjen. 


(Gegen Heinrich d. 2. gewendet.) 


Mit diefem Amt betrauen Wir den Mann, 

Der Uns dazu am tauglichiten erjcheint, 

Da er in Weljchland fich wie allerwärts 

Durch Hohe TIhaten einz’gen Ruhm erwarb, 

Wie jeine unverjehrte Streitmacht ihn 

Auch jonderlich zu diefem Werk empfiehlt. 

Wir meinen den erlauchten Herzog Heinrich 

Don Sadjen und von Bayern, Unfern Better — 
(Es herrſcht gänzlihe Stille im Kreije der Fürften. Paufe.) 


Der Mangel jeden Beifall3 irrt Uns nicht. 
Als König tragen Wir fo wie die Bürde 
Auch die Verantwortung im Reich allein. 
Und jo befragen Wir, des Uns bewußt, 
Nur jenen, den Wir zu dem Amt erjehn, 
Ob er gewillt ift, Unferm Ruf zu folgen. 
Heinrich d. 8. (vortretend). Dem Rufe Eurer Stimme zu ge- 
horchen, 
Iſt mir gewohnte Pflicht, die ich mit Stolz 
Seit zwanzig Jahren raſtlos ausgeübt, 
Im Dienſt als Reichsfürſt feine Stunde ſäumig. 
So wohnt' ich allen Euren Zügen bei, 
Die Ihr als Haupt des Reiches unternahmet 
Nach Polen, Ungarn, Böheim, wie zum öftern 
Nach Welſchland, ſtets voran mit meinen Mannen. 
Nur an dem letzten Zug Italien zu 
Nahm ich nicht teil, da die Gefolgſchaft mir 
Erlaſſen war durch Eure Huld und Weisheit 
Im Angeſicht der aufgedrungnen Fehden, — 


(Bewegung unter den obengenannten ſächſiſchen Fürſten.) 


Albrecht der Bär. Wir waren angegriffen. 
Barbaroſſa (das Scepter ſchwingend). Ruh' gebiet' ich. 


Zweiter Aft. Erfte Scene. 31 


Heinrich d. 2. (mit einem verächtlichen Blick die ſächſiſchen Fürften meffend). Die 
mich in Sachſen hielten, jeit Ihr ſchiedet. 

Nun ward ich wohl der Gegner glüdlich Herr, 

Und mir gelang’s, die Lande zu behaupten, / 

Die Euer groß Vertraun mir überwies 

Als Reichslehn und mit wohlverbrieften Nechten ; 

Doch Hab’ ich zur Befürchtung friſchen Anlaß, 

Daß mein Befit aufs neue in Gefahr, 

Wenn heut auch nicht, jo doch nach meinem Tode. 
Stimmen der ſächſiſchen Fürften. Durch wen? — Das zielt 


auf uns! — Nichts als ein Vorwand — 
Albrecht der Bar. Die Unluft zu dem Reichsdienſt zu ver- 
decken. 


Barbaroſſa. Ernſtlich vermahn' ich jedermann zu ſchweigen. — 
(Zu Heinrich d. L.) 
In voller Rüſtigkeit beſorgt Ihr dies? 
Heinrich d. L. Mein ſterblich Teil ſchlag' ich, bei Gott, 
nicht an. 
Ich ſah dem Tod ins Auge mehr als einmal 
Und unbeſorgt, wie jeder andre Krieger, 
Doch damals hatt' ich keine Kinder noch. 
Pauſe.) 
Barbaroſſa. Ihr wißt in Uns auch ihren Schutzherrn leben, 
Der ſie erhalten kann in ihrem Erbe. 
Doch ſterblich iſt der Kaiſer freilich auch, 
Und, da der Folger ihm noch nicht erkürt, 
So kann er nicht das Künftige verbürgen. 
Heinrich d. L. Die fernen Tage ſtell' ich Gott anheim. 
Barbaroſſa. Wir thun das Gleiche, wünſchten Wir geſichert 
Auch Unſern Sproſſen eine ſich're Zukunft, 
Im Fall Wir bald ſchon würden abgerufen. 
Viele Stimmen unter den Großen des Reiches. Ihr ſollt ge— 
tröſtet ſein! — Wir ſchaffen Hülfe! 
Barbaroſſa (achdem er freundlich umhergeblidt). Go ſteht hr, Uns 
verglichen, da im Borteil, 
Weil euer Haus bejtellt, dag Unfre nicht. 
Heinrih d. 2. Was mich anlangt, jo jorgt’ ich väterlich, 
Doch wenn ein Stärfrer fommt und ftößt mir’ um? 
(Bewegung unter den Fürften, namentlich unter den ſächſiſchen.) 


32 Heinrich der Löwe. 


Barbaroſſa. Ein Stärfrer? Wer? Der Sinn ift mir nicht 
deutlich. 
Philipp von Köln (Halblaut zu Widmann von Magdeburg). Das ginge, 
faſſ' ich's, auf den Kaijer jelbit. 
(Tiefe Stille in der Verſammlung.) 
Barbarojja (nad einer Pauſe). Erklärt Euch unummwunden, wen 
Shr meint! — 
Mer jollte über Euch an Kräften jtehn, 
Wer diefer Stärfre fein ? 


Heinrich d. 2. Herr, den ich meine, 
Selbſt fund zu thun, verbietet mir der Drt. 
(Zumult.) 


Stimmen der ſächſiſchen Fürſten. Dies it ein Schimpf und 
nicht allein für uns. 
Barbaroſſa. Das legte Mal vermahn’ ich dort zur Ruhe! 
(Böllige Ruhe tritt nach einer Weile ein.) 
Und wagt e3 einer mit verwegnem Mut, 
Daß er den Uns ergebnen Herzog reizt, 
Grgreifen laſſen Wir ihn ala Rebellen 
Und führen ihn gefangen mit Uns fort! 
(Zu Heinrid d. 2.) 
Was Euch betrifft, erprobter Freund und Better, 
Sp hoffen Wir, in traulicher Beratung 
Den Weg zu finden, der es Euch gejtattet, 
Uns, unbejchadet Eurer Sonderpflicht, 
Den Dienft, den Wir Euch zugedacht, zu leijten. 
(Er erhebt jich.) 
Somit entlaffen Wir das Neich für Heute. 
(Der Zug begiebt fih in gleicher Drdnung, doch ftille in den Münjter zurüd, nur bie 
ſächſiſchen Fürften treten nicht ein, fondern bleiben zurüd. Heinrich d. 2. trägt ftatt 
des Pfalzgrafen Konrad das Schwert vor. Die Kaiferin verläßt mit ihrer Begleitung 
den Erfer. Das Volk verläuft fih, jobald der Kaifer entihwunden. Das Gefolge 
Heinrichs d. 2. bleibt ebenfalls zurüd.) 
Philipp von Köln. Ihr Freunde, hört! Verſtandet ihr auch 
wohl, 
Wen er als jenen Stärfern hat gemeint? 
Bernhard von Anhalt. Nun, wen al ung, die in der Nord- 
mark fißen? 
Stto von Meißen. Und Heute noch ihm truß’ge Pre 
find. 


Zweiter Aft. Erſte Scene. 33 


Ludwig von Thüringen. Denkt Ihr, auf Anhalt horſten Adler 
nur, 
Und Thüringen betrachte fich ale Sperber? 
Wichmann von Magdeburg. hr jtreitet Euch um einen leeren 
Balg: 
Auf Euch nicht, noch auf uns war es gemüngt! 
Bernhard von Anhalt. Auf wen denn jonft? Am Ende gar 
auf Euch? 
Wihmann von Magdeburg. Das Erzitiftt Magdeburg braucht 
feinen Hüter. 
Otto von Meißen. Ich Halt’ es für ein abgemachtes Spiel, 
Dadurch dem „Lieben Better“ Macht joll werden, 
Um über unfre Burgen herzufallen, 
Wenn wir zum Heerjchild erſt einmal gejtoßen. 
Albrecht der Bär. Er mag nur fommen, wenn es ihn ge- 
lüſtet! 
Vom Heerbann hat das Alter mich befreit, 
Doch ſchwand noch nicht das Mark mir aus den Knochen. 
(Die Krücke ſchwingend.) 
Mit meiner Krücke da empfang' ich ihn 
Vor Brandenburg, und reckt er ſeine Pranken, 
So pack' ich ihn mit meinen gröbern Tatzen. 
Er ſoll nicht der Askanier alt Geſchlecht 
Je bringen unter ſich, der Schwab' den Sachſen! 
(Auf ſeine Söhne zeigend.) 
Und wenn ich bald auch in der Grube bin, 
(Seine Söhne Otto von Meißen und Bernhard von Anhalt umfaſſend.) 
So werden die fortſetzen meine Sache. 
(Zur Gefolgſchaft Heinrichs d. 2.) 
Dies könnt Ihr Eurem Herrn von uns beſtellen. 
Sagt ihm, er möge ſeinen dreiſten Löwen 
Zur rechten Zeit noch in die Schmelze thun, 
Sonſt holen wir mit Kolben ihn herunter! 
Gunzelin. Auf Eiſen ſchlagen wir mit Eiſen los; 
Kommt nur heran, Ihr ſollt die Schläge ſpüren! 
(Er entfernt ſich mit den übrigen vom Gefolge des Löwen nach der Stadt.) 
Philipp von Köln. Die Diener prahlen ihrem Brotherrn 
nad. 
Süngit hat er fich bei einem Gajtgebot 
Bor König Waldemar berühmt, er herriche 


Greifs Werke. III. 


34 Heinrich der Löwe. 


Bis an den Rhein und einen Speerwurf drüber. 
Doch feine beiten Tage find herum — 
Der ihn verwöhnte, hat ihn jatt befommen. 
Otto von Meißen. Davon Hab’ ich bis heute nichts bemerft. 
Bernhard von Anhalt. Im Gegenteil, er nährt noch feinen Stolz ! 
Ludwig von Thüringen. Uns jchenkt ev nichts, ihm fieht er 
alles nach. 
Wihmann von Magdeburg. Wohl wahr, doch fünnten wir es 
anders haben. 
Bernhard von Anhalt. Ja, wenn den Sohn wir ihn erfüren 
wollten — 
Albrecht der Bar. Nichts da, wir füren feinen Staufer mehr! 
Wichmann von Magdeburg. So habt Ihr einen Welfen aus— 


erjehn ? 
Philipp von Köln. Um Euch des einz’gen Helfer zu be 
rauben 


Im Rampfe wider den, der Euch bedrängt ? 
Wihmann von Magdeburg. „Hie Welf, hie Waiblingen,“ 
bedenft es wohl! 
Dtto von Meißen. Das galt für andre Zeiten, nicht für heute. 
Philipp von Köln. Es gilt für immer und für jed’ Gejchlecht, 
Wie e8 gegolten von der Salier Zeit 
Bis zu den Tagen Lothar und der Staufer. 
Wichmann von Magdeburg. Der Nik iſt da, ein Stoß, jo 
£lafft ex wieder! 
Philipp von Köln. Und diejer Stoß, er ift bereit erfolgt. 
Die andern außer Wichmann von Magdeburg. Wie jo? — 
Woraus entnehmt Ihr das? Berichtet! 
Philipp von Köln. Merkt Ihr denn nicht? Der Stärfre, 
den der Herzog 
Zieh der Begehrlichkeit nach jeinem Land 
Und Gut, fein andrer iſt es, als der Kaiſer. 
Alle (außer Wichmann von Magdeburg). Der Kaiſer? 
Bernhard von Anhalt. Beweiſt uns das! 
Philipp von Köln. Es ſoll geichehen. 
Hört! 


Als ſich der Rotbart (nicht fünf Jahre ſind's) 
Zu Goslar aufhielt, ſtäubte das Gerücht 

Wie eine Wolke in der Wüſte auf, 

Der Löwe ſei im Morgenland verſtorben. 


Zweiter Akt. Erſte Scene. 


Wichmann von Magdeburg. Des Tags gedenk' ich wohl. 
Ludwig von Thüringen. Bis an mein Ende 
Dtto von Meißen. Wir fehrten eben von der Eberjagd 
Und jprangen einen Yadeltanz vor Freude. 
Albrecht der Bar. Sch fuhr nach Goslar, doch ich kam zu jpät: 
Der Kaiſer war ſchon wieder abgezogen. 
Philipp von Köln. Doch eh’ er jchied, was glaubt Ihr, daß 
er that? — 
Er ließ die gegenwärt’gen Vögte Heinrichs 
Berufen und zu einem Eide nöt’gen, 
Des Inhalts, dag fie nach des Herzogs Tod 
Nur ihm die Huldigung zu leijten hätten, 
Mit Ubergehung der vorhanden Erben, — 
Das Heißt ſoviel, ala: mit den Welfen fort! 
Ludwig von Thüringen. Kein Zweifel, wenn e8 wahr und 
nicht erfunden. 
Wichmann von Magdeburg (su Philipp von Köln). Des Kanzlers 
Zeugnis habt Ihr? — 
Philipp von Köln. Allerdings: 
Sein Vorfahr Hat es jterbend ihm vertraut. 
(Bemwegung.) 
Ludwig von Thüringen. Geht kann ich mir des Löwen Ernft 
erklären 
Und jeine Unluſt, in den Krieg zu ziehn. 
Otto von Meißen. Mich wundert überhaupt, daß er er— 
Ichienen. 
Bernhard von Anhalt. Bei Gott, ich Hätte mir die Fahrt er- 
lajjen ! 
Albrecht der Bar. Wer weiß, warum er feinen Grimm verbiß. 
Philipp von Köln. Es lag ihm dran, durch feine Gegenwart 
Des jungen Staufer Wahl zu Hintertreiben. 
Wichmann von Magdeburg. Nichts jonit als dies. 
Ludwig von Thüringen. Das mögt hr recht erraten, 
Jedoch, wir wollen ihm den Plan verderben! 
Otto von Meißen. Zehn Staufer eh'r, als einen Welfen 
wählen ! 
Bernhard von Anhalt. Den Löwen zu verwunden, thu’ ich alles! 
Albrecht der Bär. Ein Auge jet’ ich dran, fie zu entzwei'n! 
(Dtto von Wittelsbach tritt aus dem Münfter.) 
Topp, Hier ijt meine Hand, ich wähl’ den Staufer! 


36 Heinrich ber Löwe. 


Alle. Wir wählen Friedrichs Sohn und keinen andern! 
Otto von Wittelsbach Gerzugetreten. Hört! Herrliches bereitet 
ſich im Münſter. 
Die Fürſten Deutſchlands haben ſich verſammelt 
Zu einer Handlung, groß und folgenreich, 
Von der ſich keiner, der es redlich meint, 
Ausſchließen darf, der Eine ausgenommen, 
Den einſt der Kaiſer, eh' ihm Söhne ſproßten, 
Zum Folger uns empfohlen: Herzog Heinrich, 
Und der ſich drum der Wahl enthalten mag, 
So feſt wir auch auf ſeinen Beifall zählen. 
Kommt! Helft dazu, daß uns das Werk gelingt, 
Das unſrem Volke Heil und Segen bringt! 


(Indes alle Otto von Wittelsbach nach dem Münſter folgen, ertönt das Geläute der 
großen Glocke vom Turm herab.) 


(Der Zwiſchenvorhang fällt.) 


Zweite Scene. 


(Sn der biſchöflichen Pfalz zu Bamberg. Die Kaiſerin Beatrir, die Herzogin Mech— 
tilde, die Pfalzgräfin Srmengard und Pfalzgraf Konrad im Geſpräche mit- 
einander.) 

Beatrix (u Mechtilde. Ich wünſchte wohl, Ihr jehautet Euer 

Mühmlein; 
Gewiß gewännet Ihr auch lieb das Kind, 
(Auf Konrad und Irmengard deutend.) 
Das zu der Eltern innigem Entzücken 
Verborgen aufblüht, fern dem Lärm der Welt 
Und unbekannt mit ſeinem hohen Stande: 
Ein Kind wie jedes, das am Wege ſpielt. 
Irmengard. Das Bild, das Ihr von unſrer Tochter malt, 
Iſt ſchmeichelhaft und doch nicht übertrieben, 
Wie ich als Mutter wohl geſtehen darf. 
(Scherzend.) 
Doch ſeht, der Pfalzgraf runzelt ſeine Stirne, 
Wie immer, wenn die Seinen man ihm rühmt. 
Konrad. Ja wenn Du einſtimmſt in zu gütig Lob 
Und gar es noch mit eigner Zuthat ſchmückeſt. 
Irmengard. Ich ſoll wohl gar verkleinern unſer Kind? 


Zweiter Alt. Zweite Scene. 37 


Mechtilde. Pfalzgraf, eg thut Euch doch im Stillen wohl 
Und ganz mit Recht. Kein Fremder fommt von Stahled, 
Der nicht von Agnes, Eurer Tochter, jpricht 
Und ihrem Holden Weſen; drum entjchuldigt, 

Wenn ich einjtimme auf die bloße Kunde 
Und mit dem Blick auf ihrer Mutter Bild! 
Beatriz (su Mestilve), Doch um gerecht zu jein, auch Eure 
Söhne, 
Zumal den ältern, preijt ein laut Gerücht. 
Man jagt, daß er dem Bater völlig gleiche, 
Mit defien Namen er den Sinn geerbt. 
(Barbarofja tritt ein.) 
Wir Iprachen dieſen Morgen erjt von ihm, 
Da wir gehofft, Ihr Tührtet ihn mit Euch — 
Wohl einen Wunſch auch Hegten wir zujfammen. 
Wie, mein Gemahl, darf ich das Eiegel Löjen 
Bon unjerm Zufunftsplan? 

Barbaroſſa. Ganz unbedenklich, 

Und ihn zu offenbaren zögr' ich nicht. 

(Er ſetzt ſich.) 
Wir dachten beide uns, wie gut ſich's fügte, 
Wenn ſich der Welfen und der Hohenſtaufen 
Verwandte Häuſer enger noch verbänden, 
Als ſchon geſchehn, da ich von Mutterſeite 
Entſproſſen ſelbſt aus echtem Welfenblut, 
Und beide ſich befreundete Geſchlechter 
In mir gekreuzt erſcheinen, als ihr Reis, — 
Doch Ihr verſteht. 

Mechtilde. Wohl, ich errat' es, Herr, 
Und glücklich würd' ich auch die Stunde preiſen, 
Da ſich erfüllt, was Eure Huld erſann. 

(Betjeite.) 
Er kann unmöglich falſch gewillt uns fein! 

Barbaroſſa. Da Gott ung jelbjt nur Söhne hat verliehen, 
So richt’ ich auf des Bruders Kind den Blid. 

(Heinrich d. 2. tritt auf, neigt fih vor dem Kaifer und begrüßt die Kaiſerin durch 

einen Handfug und hierauf auch die Pfalzgräfin ehrerbietig.) 

Mechtilde. Du kommſt jujt wie gerufen, O vernimm, 
Welch unverhofftes Heil uns im Erblühn! 


38 Heinrich der Löwe. 


Irmengard (fi erhebend. Agnes, mein Kind, und Euer Erb- 
john Heinrich — 
Mechtilde. Kann's einen freundlichern Gedanken geben ? 
Nicht wahr, es wär” des Glüdes ſchönſter Strahl! 
Irmengard. Auch uns erfüllte fich ein langer Wunſch; 
Es einte unjer Segen fih dem Euren! 


(Die beiden Frauen umarmen fi.) 


Pialzgraf Konrad (cherzendd). In Deinem Eifer frägſt Du nicht 
einmal, 
Ob ich zuftimme, doch wie jollt’ ich nicht ? 
Barbarofja (su Heinrich 5.2). Mie, Lieber Better, jchweigt Ihr 
immer noch? 
Beatrix (nach einer kurzen Paufe. Habt Ihr an unſer'm Wunſch 
fein Wohlgefallen ? 
Mechtilde (öittend). Legt ihm den Ernſt nicht ala Bedenken aus! 
Heinrich d. L. Mein Sohn ijt faſt noch Kind, bis er das 
Alter, 
Das hr ihm leiht, erreicht, kann viel fich ändern. 
(Ein Ritter tritt ein und jpridt geheim mit dem Pfalzgrafen Konrad, worauf er ſich 
wieder entfernt.) 
Beatrir. Sich ändern? Stet3 unholder wird die Rede, 
Merhtilde. Ihr legt in fie mehr, ala der Herzog denft. 
Beatrir. Der Worte Sinn war freilich jehr verhüllt. 
Barbaroſſa. Begüt’ge Dich — der Vetter ijt erregt, 
Und ich vermeide drum, es jelbjt zu werden. 
(Zu Heinrid) d. £.) 
Der Euren Wohl, wie ih Euch ſchon befräftigt 
Am andren Ort, es ruht in meiner Hand. 
Heinrich d. 8, Geiſeite). Ya, leider weiß ich dies. 
Barbarojja. Doch da es wahr, 
Daß nur in ihrer Herzen Bund allein 
Gewähr liegt für das fünft’ge Glüd der Kinder, 
So thu’ ich einen Vorſchlag beiden Eltern. 
Schiet euren Sohn nah Stahled an den Rhein, 
Daß er, wie ohnedies die Sitte heijcht, 
Dort edle Zucht und Nitterart erlerne; 
Dann wird von jelbjt die Probe fich ergeben, 


Zweiter Att, Zweite Scene. 39 


Ob beider Wejen zu einander jtimmt, 
Wie wir es Hoffen — 
(Zu Heinrich d. 2.) 
Und Ihr ſelbſt doch auch? 
(Da Heinrid) d. 2. ſchweigt, fährt Barbarofja weiter fort.) 
Ihr braucht Bedenkzeit, wie ich wohl erkenne. 
Wir fommen jpäter auf den Plan zurüd! 
Beatrir. Herr Herzog, Ihr verichmäht des Kaiſers Huld; 
Gebt acht, Ihr fünnet fie Euch leicht verfcherzen ! 
Barbaroſſa. Laß Dich nicht vom Gefühl bemeiltern, Teure! 
(Zu allen.) 
Vergönnt uns hier ein traulich Ziwiegefpräch : 
Wir Hoffen zu verjtändigen uns bald 
(Die Frauen erheben ſich.) 
Und dann vereint den Imbiß einzunehmen, 
Ch’ dag Turnier beginnt. Auf Wiederjehn! 
Mechtilde (für is). Gott gebe, daß fich ihre Herzen finden! 
(Die Frauen entfernen jich.) 
Pfalzgraf Konrad (su Barbaroſſa). Die Fürften jandten eben nach 
Auruden. 
(Mit einem bedeutſamen Blide.) 
Der Stern der Hohenſtaufen ift im Steigen. 
(Er entfernt fih raſch.) 
Barbaroſſa (nad einer Pauſe). Heinrich, ich habe viel indes er— 
fahren, 
Biel mehr, als jih an Einem Tag erzählt. 
Der Rotbart ijt ergraut, das jchuf die Sorge. 
Das Schiejal war im Bund mit unfern Feinden, 
Und nicht darf ung zu hoch ein Opfer jtehn, 
Soll jich der Sieg zurück ung wieder wenden. 
Ach! oft genug vermißt' ich Deine Nähe 
Im fremden Land, und oft gedacht' i ich Deiner, 
Wie treu Du beigeſtanden mir im Felde 
Mit Rat und That, der Welſchen Zaum und Zügel. 
So blick' ich jegt auf Dich auch in der Not, 
Und ich erwarte Deine will’ge Hülfe. 
Heinrich d. 2. Gachdem er ſich gefaßt). Ob ich auch zögernd fcheine, 
glaube mir, 
Niemand empfindet Deine Sorge mehr, 
Als ich, Dein Anverwandter und DBajall, 


40 Heinrich der Löwe, 


Den Deiner Hulden Du jo voll gewürdigt, 
Dad Piliht und Wohlthat mich Dir gleich verbinden. 
Du stellteft mir zurüd mein ganzes Erbe, 
Das Du aus eigner Fülle noch vermehrteft, 
Und machteit mich zum Spiegel Deiner Macht, 
Der ausjtrahlt Deine Größe vor der Welt. 
So fühl ich mich als Schuldner Dir, wie feiner 
Im weiten Reich, doch Du begreifit wohl aud, 
Daß es mir Wunfch, ja mehr, Gebot der Ehre, 
Das zu behaupten, was ich mir erwarb 
Mit Deinem Willen und mit Deiner Hülfe. 
Barbarvjia. Wozu bedarf dies Bill’ge meinen Beifall ? 
Wann Hab ich je Dir einen Wunſch verjagt ? 
Und diejem jollt’ ich mich entgegenjeßen, 
Den Dir Natur ins ſtarke Herz gepflanzt, 
Und den gehegt der Baterliebe Sorgen? 
Nie dacht’ ich dran. So gern ich Dich erhob, 
So jehr auch war es mein Gedanke ftets, 
Daß das Errungne Dir erhalten bleibe 
Sn feinem ganzen Umfang, ungejchmälert, 
Und, jo wie Dir, dereinft auch Deinen Söhnen. 
Heinrich d. 2. (etroffen. Auch meinen Söhnen? Her, iſt 
dies Dein Ernit? 
Vergieb, in Staunen ſetzt mich ſolches Wort! 
Barbarofja (wie erſtaunt). Wie Deines mich. — Was hat Dein 
Herz befallen, 
Daß Du mir mißtrauft, der mir ſtets vertraute? 
Heinrih d. L. O Herr, ich weiß es, rajch rollt mir das 
Blut, 
Da ich ein Sprofje bin jüdländ’scher Ahnen, 
Doch Leidenschaft ift nicht, bei Gott, im Spiele! 
Nicht Schnell gefaßter Argwohn und Verdacht, 
Nicht finjtres Grübeln und Zuflüfterung, — 
Untrügliche Beweije reden mir. 
Barbaroſſa. Untrügliche Beweife! Das ijt viel! 
Erfläre Dich und ohne jeden Rüdhalt! 
Heinrich d. 2. Wohlan, ich fomme Deinem Willen nad. 
Mir wurde jüngjt durch einen Zufall fund, 
Es fei, als im gelobten Land ich war, 
Der faljche Ruf von meinem Tod ergangen — 


Zweiter Aft, Zweite Scene. 41 


Barbarojia. So war’, auch mich erreichte das Gerücht. 
Heinrih d. 2. Du meilteft damals auf der Pfalz zu Goslar? 
Barbaroſſa. Ganz recht, furz eh’ ich nach Italien 309. 
Heinih d. 2. Nun, jenen Tag, — jo wurde mir ge— 
beichtet, — 
Berief Dein Kanzler, der indes verjtarb, 
Auf Dein Gebot die jtärfjten meiner Vögte 
Und nahm von ihnen das Gelöbnig ab — 
Barbaroſſa (einfalend). Daß, wenn der Herzog, Du, mit Tod 
abginge, 
Mir Huldigung allein zu leijten jet, 
Niemandem jonjt, dies hieß ich fie verjprechen. 
Heinrih d. 2. (öchſt Betreten. So lautete Dein Machtwort 
wirklich aljo! 
Barbarojja. Nicht anders. 
(Auf ihn zugehend.) 
Was befremdet Dich daran? 
Heinrich d. 2. Herr, leben feine Söhne mir ala Erben? 
Barbarofja. Sind Deine Söhne mündig? Der Dir folgt, 
Taugt er ſchon jeßt, den Herzogsreif zu tragen, 
Vals er dur Deinen Tod an ihn gelangte? 
Sit er der Laft gewachjen diefer Würde ? 
Heinrich d. 2. Dies, Herr, jtand damals nicht zunächit in 
Trage, 
Es handelte ſich um das Erbe bloß. 
Barbaroſſa. Das ihnen ich allein im Stand zu wahren. 
Du ſelbſt haſt, eh” Du jchiedejt, dies gefühlt, 
MWie daß bejondren Schutzes fie bedürftig, 
Und fie empfohlen darum meiner Liebe, 
Mir ihre Zukunft an das Herz gelegt. 
Heinrih d. 2. Doch diejer Sinn ſprach nicht aus Deinen 
Thun. 
Barbaroſſa (ism auf die Schulter tlopfend). Mer jagt Dir, daß ich 
andre Abficht hegte? 
E3 war der einzige Beweggrund, Freund, 
Der mich erfüllt, nur Du verfanntejt ihn, 
Und jolches jchmerzt mich, Heinrich, ſchmerzt mich tief — 
(Sid vor ihn jtellend, im veränderten Tone.) 


Halt Du denn Deinen Ohm jo ganz vergefjen, 


42 Heinrid der Löwe. 


Den Herzog Welf, der einjt an Deiner Statt 

Um Bayern tritt, da Du jein Mündel warit, 

Doch in der Art, wie er Dein Recht vertrat, 

Was jag’ ich, preisgab, klar genug bewies, 

Daß ihm Dein Anſpruch nur ein Borwand war, 

Empor zu fteigen durch Dein voll Erliegen ? 

Und, wenn Du jene Zeit zurüd Dir rufeſt, 

Glaubit Du, der Dir Dein Erbe einjt mißgönnt, 

Er hätte Deinen Söhnen es behütet? 

Giebit Du Dich einem jolchen Wahne hin? 

Er jah den Stamm der Welfen nur im Zweige, 

Dem er entjproßt, doch der nun abgejtorben, 

Zum Heil für Di, wenn Du’s zu nutzen weißt. 
Heinrich d. 2. (nad kurzem Vefinnen. Wohl, ich verjteh’ den Wink 

ala Erbe Welfs. 

Barbaroſſa. Mit jeinem Mannsſtamm eilt Natur zu Ende. 

In Deiner Hand joll bald das ganze Gut, 

Das ungeheuere, vereinigt werden, 

Und Deine Herrichaft joll in Zukunft reichen 

Vom Nordjeeitrand bis zum Otrant'ſchen Buſen — 

Beweile, daß Du ihrer würdig bijt! 

Es flagen ohnedies jchon Deine Feinde, 

Daß Deine Macht zu groß; beichwicht’ge fie, 

Friedfert'gen Sinns, durch mäßigen Gebraud). 

Als Stärfrer binde jtreng Dich an das Recht, 

Damit die Klagen gegen Dich veritummen. 

Und, was ich Dir beſonders anempfehle, 

Laß ab, durch Furcht zu meijtern die Bajallen. 

Durch Güte juche fie an Dich zu feſſeln; 

Das bringt Dir mehr Gewinn als je Gewaltthat, 

Die feiner Dir vergißt, der fie erleidet. 

Bor allem aber jtehe unverbrüchlich 

Zum Haupt des Reiches, dem Du Treue jhwurft. 

Auf Deinem Anjehn, das im Reich mein Rüdhalt, 

Und das nach außen, wenn die Not e8 heiicht, 

Durch Deine Streitmacht mir zu jtatten fommt, 

Beruht das Fundament des großen Baues, 

Den wir in Eintracht miteinander jchufen, 

Und der darum, jo Gott will, dauern fol, 

Solang wir eine gleiche Sprache reden. 


Zweiter At. Zweite Scene. 43 


Heinrich d. L. So foll e8 fein! Solang das Schwert ich 
Ichwinge, 
Gehört, was ich befige, Herr, auch Dir! 
Ich ließ von falſchem Scheine mich betrügen, 
Und ich beflage, daß ich mich getäufcht, 
So nahe mir auch die Verſuchung lag. 


Barbaroſſa. Darum ich Dir den Fehl auch gern vergebe. 
Laß uns vergefjen dieje furze Jrrung, 
Die Du, ih weiß es, völlig jchon begrubſt — 


Heinrich d. 2. Sie wurde mir zur Rückkehr Deiner Gnade. 
Ich weiß mein Recht in gottesfürcht’ger Hand. 

(Er läßt fih in das Knie niever und legt jeine Hände in bie gefalteten Barbarojjas.) 
Nimm von dem Lehnsmann neu jein Unterpfand! 


Barbaroſſa (ihn an fih ziehend). Nicht nur die Hand, nein, auch 
Dein Herz ſei mein! 
Wir wollen beide treu zujammenhalten, 
So trogen wir den feindlichen Gewalten. 


Heintih d. 2. So ganz im Einklang fühl ich mich mit 
Dir 
Daß, wären unjre Herzen beide Gloden, 
Es gäbe fein gejtimmteres Geläut'. 


Barbaroſſa. Bei ihrem Klange wird die Welt Frohloden! 
(Shm die Hand reichend.) 
So groß als je ijt mein Vertraun zu Dir, 
Doch, daß auch dermaleinjt nach unjferm Tode 
Die Eintracht beider Häufer fortbeitehe, 
Laß fie uns fichern durch ein fojtbar Pfand, 
Indem wir jenen Bund der Kinder jtiften. 


Heinrich d. 2. Mit jtolger Freude geh’ ich darauf ein, 
Bor Winter jend’ ich Dir den Sohn nah Stahled. 


Barbaroſſa. Er joll die Pialzgrafichaft dereinſt beſitzen, 
Des Reiches Kleinod am jmaragdnnen Rhein, 
Zu feinem Erbe als gejondert Zehen, 
Da meinem Bruder jelbit fein Sohn mehr Lebt. 
Doch jett erkläre, daß auch Du nach Welichland 
Mit Deiner Streitmacht wirſt voraus mir ziehen, 
Und daß Du völlig Dich dazu entichieden. 


44 Heinrich ber Löwe, 


Heinrih d. 2. Es ijt mein feſter Wille und Beichluß, 
Nur muß ich vorher das Verſprechen löſen, 
Das ich dem Dänen gab, der, hart bedrängt 
Vom Volk der Slaven, meine Hülfe anrief, 
Die ich dem Könige auch zugejtanden. 


Barbarojja (nah kurzem Nachdenken). Wie lange wird fo Dein Verzug 
wohl währen? 
Heinrich d. 2. Kaum einen Monat; fommt e3 Hoch, an zwei. 
Barbarojja cernt). Zwar dünkt mir Waldemar fein fichrer 
Freund, 
So wenig Dir als mir, trotz aller Schwüre, 
Doch will ich Dich nicht hindern, den Verſpruch 
Ihm zu erfüllen, wenn die Friſt genügt. 
Heinrich d. L. Vollkommen, eher noch griff ich zu hoch. 
Barbaroſſa. So will ich mich gedulden bis zum Brach— 
mond 
Und mit dem Amt, das Dir war zugedacht, 
Indes betraun Otto von Wittelsbach. 
Doch ſieh, da kommt er ſelbſt, vor Freude ſtrahlend. 


(Otto von Wittelsbach tritt auf; aus der Ferne vernimmt man Jubelrufe und 
Poſaunenſchall, der allmählih näher fommt.) 
(Ihm Heinrich d. 2. zuführend.) 


Gedenkt Ihr noch, wie wir vor manchem Jahr 
Das Pfingitfeit zugebracht auf Eurem Schlofje 
Zu Kelheim, dag zur Donau niederblidt 
Vom hohen Strand, Euch feit uralter Zeit 
Der Ahnen Sitz? Der Augenblid war groß: 
Durch Eure Überredung war’3 geglüdt, 
Heinrich Jaſomirgott, den Herzog Hſtreichs, 
Der lange fich gejträubt vor diefem Opfer, 
Dort zum Verzicht auf Bayern zu bewegen. 
Sein Wort in Händen, tratet Ihr zum Freunde, 
Wie Ihr nun eben wieder vor ihm jtehet, 
Ihm Glück zu wünjchen, wie auch mir zugleich, 
Der für jo manchen Dienjt ihm Dank gejchuldet: 
63 war der frohſte Tag in meinem Leben! 
Otto von Wittelsbach. Wohl blieb auch mir die Stunde un- 
vergeijen. 


Zweiter Alt. Zweite Scene. 45 


Doch Heute, Herr, bin wieder ich erjehen 

Zum Boten einer jubelvollen Kunde. 
Gochrufe auf den Kaifer und jeinen Sohn werden in nächſter Nähe vernommen. Das 

Geläute aller Gloden hebt an.) 
Otto von Wittelsbach (ortfahrend). Die Fürſten Haben eben Euren 
Sohn 
Einmüt’gen Sinns erwählt zum röm'ſchen König. 
(Heinrich d. 2. fteht beftürzt da.) 

Sie alle nahn in Ehrfurcht, ihm die Krone 

Aus feines Waters Händen darzubieten. 
(Die Kaijerin erjgeint im Hintergrund des Saales mit ihren vier Söhnen, ihr 
folgt die Pfalzgräfin Irmengard und die Herzogin Mechtilde. Zu gleicher Zeit 
drängen fih jämtlide anwejenden Fürften und Großen des Reiches, an ihrer 
Spige der Pfalzgraf Konrad, der die Krone in Händen trägt, und der Kanzler 
bes Reiches, Erzbiihof Chriftian von Mainz, der die Wahlurfunde hält, von allen 

Seiten heran.) 
Ghriftian von Mainz. Empfangt des Reichs eriwogenen Be— 
} ſchluß, 
Der Eures Erſtgebornen Wahl enthält 
Und ſie beſtätigt allen Kommenden. 


(Barbarofſa nimmt die Rolle entgegen.) 


Pfalzgraf Konrad. Heil unſerm vielgeliebten Kaiſer Friedrich! 
Heil unſerm König Heinrich, ſeinem Sohn! 
Barbaroſſa (einen Sohn Heranwintend). Da iſt Er, dem ihr Heil 
habt zugerufen! 
Weil es das Reich denn freundlich Jo begehrt 
Und es erwünjcht auch, daß ein fihtbar Haupt 
Der Herrſchaft Zeichen trägt, indes Wir fern, 
So wollen Wir gejtatten Unſrem Sohne, 
Durch Unſre Hand, die Würden giebt und nimmt, 
(Er krönt den jungen Heinrich.) 
Die dargebotne Krone anzunehmen. 
Pfalzgraf Konrad. Wir bringen erſte Huldigung ihm dar 
Auf unjern Knien, im Herzen lautre Treue. 
(Er niet, Herzutretend, mit allen Fürjten und Großen nieder, nur Heinrich d. 2. bleibt 
zur Seite ftehen.) 
Barbaroſſa. Wie, Herzog Heinrich, Ihr allein jteht fern? 
Heinrih d. 2. Ein Kind fann nicht des Reiches Schüßer 
fein. 


46 Heinrich der Löwe, 


Barbarojja. Ihr Hörtet, daß die Wahl auf ihn gefallen. 
Heinrich d. 2. Doch meine Stimme geb’ ich nicht dazu. 


(Große Erregung unter ven Verſammelten. Heinrich d. £. tritt zur Herzogin Mechtilde 
und verläßt, fie, die jehr beftürzt erjcheint, an der Hand führend, nad) tiefer Berbeugung 
vor dem faiferlihen Paar den Saal.) 


Barbaroſſa (naydem er ihm nachgeblickh. Mir haben diefen Mann zu 
groß gemacht. 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des zweiten Aktes. 


Dritter Nkt. 


Erſte Greene, 


(Auf der Harzburg. Ein Saal, an dejjen Wänden Waffen und Schilde hängen. 

Sm Kamin fladert ein Feuer. Heinrid d. 2. fit in Gedanfen verjunfen, einen 

Brief in der Hand, neben ihm Mechtilde, am Spinnroden, vor dem ihr Söhnden 

Dtto fteht. Es ſtürmt draußen winterlih, und durch die Fenfter blidt man in den 
ichneebededten Harz.) 


Der Heine Otto. Warum darf ich nicht auch zum Rheine mit? 
Mechtilde. Weil Du zu £lein noch biſt zu jolcher Fahrt. 
Otto. Fit es wohl weit vom Harze big zum Rhein ? 
Mechtilde. Das will ich meinen. Mehr ala eine Woche 
Zu reiten Hätteft Du durch diden Wald; 
Da würde Dir, mein Söhnchen, bange werden. 
Otto. O nein, ich nähme meine Armbruft mit, 
Und käm' ein Wolf, jo jtredt’ ich jtrads ihn nieder. 
Mechtilde. Doch mit den Räubern, die im Walde haufen, 
Wie wollteit Du mit diejen fertig werden ? 
Otto. Mit diefen macht’ ich juft e8 wie der Vater: 
Ich finge fie mit meinen Mannen ein 
Und Hing’ fie an den Bäumen auf am Wege. 
Mechtilde. Ich ſehe wohl, Du wirjt ein ftrenger Herr — 
Doch leiſe, Kind, wir jtören ſonſt den Vater. 
Otto. Den Böjen wär’ ich bös, doch die's verdienten, 
Belohnt’ ich nach Gebühr mit güldnen Stetten. 
Mechtilde. Da würdeit Du wohl viel Gefolge finden. 
Otto. Das wollt’ ich auch und nie alleine reiten. 
Doch, Mutter, weſſen Lehnsmann ijt der Vater? 
Mechtilde. Des Kaijers Lehnsmann, 


48 Heinrich ber Löwe, 


Otto. Alſo dient er auch? 
Ich möchte keinem andern folgen müſſen. 
Mechtilde. Das möchten andre auch, doch wer befiehlt, 
Der muß auch wiederum gehorchen können. 
Otto. Wem aber in der Welt gehorcht der Kaiſer? 
Mechtilde. Nur Gott und dem Gewiſſen, ſonſten niemand. 
Otto. So möcht' am liebſten ich der Kaiſer ſein. 

Mechtilde. Das glaub' ich Dir, das wünſchten andre auch. 
(Zu Heinrich d. L., der die letzte Hin- und Herrede gehört hat und des Kleinen Haar 
ſtreichelt.) 

Der wüßte ſchon das Richtige zu wählen. 
Die Kinder reden, was im Traum wir denken. 
(Sunzelin von Schwerin mit dem jungen Heinrich tritt auf.) 
Heinrich d. L. Da find fie beide ſchon, zur Reife fertig. 
Du fiehit, ich löſe treulich ein mein Wort: 
Dor Winter trifft er no in Stahled ein. 
Merhtilde (des jungen Heinrich Hand erfafiend). Der Abſchied wird mir 
jchwerer, als ich glaubte. 
Er joll dag Chriſtfeſt nicht mehr mit ung feiern, 
Auf das ich mic) im Stillen jchon gefreut. 
Heinrich d. 2. Lab Dir's nicht alfo jtark zu Herzen gehen; 
Will's Gott, bejuchen wir ihn nächjtes Jahr 
Und feiern dort Weihnachten mit am Rheine. 
Der junge Heinrich Gu Otto). Dann Lehr’ ich Dich, den breiten 
Strom durchſchwimmen. 
Dtto (nad den Waffen an der Wand deutend). Und ich bring’ dort den 
Speer Dir mit zum Sagen. 
Merhtilde su Gunzelin). Sie ſchienen beide mir wie unzertrennlich 
Und werden nun jo frühe ſchon getrennt. 
(Die Thränen trodnend.) 
Wir find getraut an einem Donnerstag, 
Und leicht in jolchen Ehen joll e& donnern, — 
Doch ſchäm' ich mich vor Euch beinah’ der Rührung. 
Gott jet gelobt, er fährt in guter Hut, 
Da Ihr ihn leitet, treuer Gunzelin. 
Gunzelin. Das Herrchen ſoll Euch wohlbehalten bleiben; 
Sorgt nicht, daß etwas ihm befahren möge! 
Mechtilde. Schickt alsbald Nachricht, wenn Ihr angelangt. 


Dritter Akt. Erfte Scene. 49 


Gunzelin. Ihr jollt nicht warten dürfen auf den Boten. 


Der junge Heinrich (die Wutter Liebtofend). Sei, liebe Mutter, un- 
bejorgt um mic). 
Der Pialzgraf wird zum Ritter mich erziehen, 
Daß ich, zurüdgefehrt, mit Ehren führe 
Des Baterd hohen Namen. Denfe mein, 
Doch ohne Dich zu fümmern. 


Merhtilde Gihn umarmend). Gott mit Dir! 
Grüß’, lieber Heinz, Frau Srmengard don ung, 
Samt ihrer Tochter Agnes, unferm Mühmchen. 


Der junge Heinrich. Sch werd’ es wohl bejtellen, wie ſich's ziemt! 
(Zum £leinen Otto.) 


Lieb’ Brüderchen, werd’ tapfer und gejchidt, 
Dann darfjt auch Du einmal den Flamberg führen. — 
(Zun Bater gewendet und in das Knie fich niederlafjend.) 


Was ih als Sohn Euch zu verdanten habe, 
Bleibt mir im Herzen immer eingeprägt. 


Heinrich d. 2. So nimm auch Deines Vater Segen mit! 
(Ihm die Hand auflegend.) 


Du ziehjt zum erjtenmal vom Waterhaufe, 

Dein Glüd zu fuchen, in die fremde Welt, 
Denn auch der Fürjtenjohn ererbt nicht alles. 
Bedenfe dies und lerne jeden Tag 

Zu werden mehr, was Du im Grund jchon bijt: 
Die Hoffnung und der Troſt des Sachjenlandes. 
Hier ja it Deine Heimat, und Du jolljt 

Auf fie beziehen alles, was Du jchaueit. 

Vergiß nicht, wie man hier zu Lande denft, 
Und was das Anjehn Deines Landes mehrt, 
Denn diejes ſoll Dein Merkziel fein durchaus. 
Im übrigen gehorhe Deinem Herrn 

Mit treuem Sinn und acht’ auf feinen Borteil, 
Damit Du jein Bertrauen Dir erwirbſt 

Und einen jteten Freund an ihm gewinneſt. 

Er ijt des Kaiſers Bruder, und im Reich 

Gilt feine Stimme viel. Mit Freunden find 
Wir ohnedies nicht allzureich gejegnet, 

Greifs Werfe. IH, 4 


50 Heinrich der Löme. 


Und jeder Glüdsjtrahl ſchmilzt davon uns einen. 
Lebwohl! 
(Er umarmt ſeinen Sohn Heinrich, worauf dieſer nochmals zur Mutter eilt, die ihn 
lange umfangen hält.) 
Mechtilde. Zieh hin mit Gott und mach' dem Vater Ehre! 
Und noch einmal, behütet mir ihn wohl. 
Gunzelin. Ich wollte meinen Helmold eh’r verlieren, 
Als ih ihm Frümmen ließe nur ein Haar. 
(Der junge Heinrich und Gunzelin entfernen fich.) 


Merhtilde (Heinrich d. 2. Hand erfafiend). Es giebt im Glück des Leides 
auch genug! 
Heinrich d. 2. Doch manchem Leid entjprießt nicht mindres Heil. 
Die Lehre wird ihn in der Fremde nüßen. 
Wen Not aufjäugt, der lernt wohl bald verjtehn; 
Des Glüdes Schoßkind rührt am Gängelband 
Nur zag’ den Fuß und ftrauchelt, feiner ledig. 

(Er jest fi nieder an den Kamin und vertieft fi in den Brief. Mechtilde jpinnt weiter. 
Der kleine Dtto enteilt und befhaut fih, an der Wand entlanggehend, die auf- 
gehangenen Waffen.) 

Seltjame Wär’, die man aus Peiting meldet 
Bon meinem Ohm und feinen neujten Grillen! 
Nach kurzer Trauer über feinen Sohn 

Ergab er jich jo ausgelafj’ner Luft 

Daheim und ungezügeltem Vergnügen, 

Daß, wer in feinem Geiz ihn früher fannte, 
Sich über jeine offne Hand verwundert, 

Mit der er den erjparten Schaß vergeudet 

An Ritter, die von allen Seiten her 

Zujtrömen und den vormals fargen Herrn 
Nunmehr ala milden Welf in Liedern preijen. 
Auch drängt an ihn fich fahrendes Gefinde, 

Das ſeinen Siß für eine Herberg’ hält 

Und Kurzweil ihm für gutes Geld verkauft. 
Sein Schloß, das fich aus Elöfterlicher Stille 

In einen Minnehof verwandelt hat, 

Grihallt von Tanz und tollem Becherklange, 
Wie rings der Wald vom muntren Horn der Jagd, 
Auf der die Gäfte ſich vom Braus erholen, 

Um andern Tags ihn wilder zu erneu’n. 


Dri e 
Dritter Alt. Erjte Scene. 51 


So reiht ſich Luft an Luft im gleichen Taumel. 
Sa, aljo üppig geht's in Peiting zu, 
Wie mein Gewährsmann mir bedenklich jchreibt, 
Daß fih Frau Jutta, um das Argernis, 
Das ihr Buhldirnen ohne Scham bereiten, 
Nicht länger anzufehn, beurlaubt hat, 
Um in ein nahes Klojter einzutreten. 

Mechtilde. Wie, Herzog Welf, der alt im Krieg geworden, 
Selbſt mäß’gen Freuden Elöjterlich entfremdet, 
Er hätte fi) ins Gegenteil verkehrt ? 
Unglaublich ift’3, ein Schalf erfand das Märchen, 
Des allzujtrengen Mannes Ruf zu ſchmähn! 


Heinrih d. L. Wohl traut’ ich ſelbſt auch meinen Augen 

faum, 

Denn unerhört ijt jolche Sinneswandlung, 

Die hart an Wahnfinn jtreift, ja an Berüdung, 

Zumal im Alter, das die Wellen fühlt 

Des Bluts und zur Verachtung mahnt der Welt; 

Doch weicht Dein Zweifel, nenn’ ich Dir den Zeugen. 

63 ift Jordan von Blankenburg, mein Truchjeß, 

Den ich, vom Ohm um ein Darlehn bejtiirmt, 

Don Rügen aus mit Ratihlag an ihn jandte, 

Jedoch mit leerer Hand, da fern mir jteht, 

Durh Hülfe den Verſchwender noch zu jtüßen 

Sn jeiner Thorheit, mir zum Schaden nur, 

Der ich fein ausgemachter Erbe bin. 

Mechtilde. Der Schmach genug, wenn nur die Hälfte wahr! 
Wie ijt mir leid um jeine fromme Gattin, 
Die diefen Gatten, ihrer unwert, einft, 

Den andern Frau'n voraus, au Weinsberg trug, 

Damit fie ihn dem Sieger abgewinne. 

Doch hältſt Du es für ratfam, ihm auch künftig 

So rundweg jede Bitte abzufchlagen ? 

Er könnte, ob zwar jelbjt durch eigne Schuld, 

In Nöten wirklich jein und jo, bedrängt, 

Auf einen Ausweg denken fühner Art — 

Heinrih d. L. Das mag er thun; ich möchte ſchau'n den 

Mann, 

Der fih aus Gier nah Gut verleiten ließe, 
4* 


52 Heinrich der Löwe. 


In Pfand zu nehmen, was bald mir gehört, 
Und anders liehe nur ein Thor ihm Geld! 
Mechtilde. Doch wenn er fremder Hand fein Gut verichriebe ? 
Heinrich d. 2. Verſchriebe? Wem? 
Mechtilde. Ich ſetze nur den Fall. 
Der kleine Otto (zurücklaufend). Jetzt hab' ich auch des Kaiſers 
Helm geſehn! 
Mechtilde. Seltſam, er nahm das Wort mir aus dem Munde. 
Heinrich d. L. Wie abergläubiſch doch ihr Frauen ſeid! 
Er ſpricht von Kaiſer Lothar, der mit Sachſen 
Belehnte meinen Vater, ſeinen Eidam. 
Mechtilde. Ich mußte an den gegenwärt'gen denken, 
An Kaiſer Friedrich, Deinen alten Gönner, 
Doch der Dir leider nicht mehr hold wie ſonſt. 
Heinrich d. L. Was Hat mit Gunſt mein klares Recht zu 
Ichaffen ? 
Was braucht dies der Begründung durch den Kaiſer? 
Mechtilde. Doch wenn er vorgiebt Deine Macht im Reiche, 
Die er nicht weiter dürfe wachſen laſſen? 
MWenn er die Hand drauf legt in aller Namen, — 
Und auf der Fürften Beiſtand kann er zählen, 
Die lang’ ſchon gram Dir find, von Neid erfüllt, — 
Wie wollteſt Du das fern Gejcheh’ne ändern? 
Heinrich d. 2. Dies würde die Gewaltthat nur bejiegeln 
Und alles Recht erjchüttern bis zum Grunde, 
Ja jelbft den Boden feiner eignen Macht. 
Drum wird er wohl fich hüten vor dem Bruch, 
Sa dor dem Schein jogar, daß er ihn wolle; 
Auch Hat er wohl bei fühlerm Blut bedacht, 
Wie diefe Wahl mich tief verwunden mußte, 
Da fie der Ausficht bittern Hohn gejprochen, 
Die er mir vormals ſelbſt, Du weißt, erregt, 
Und überdies ift er mit Welf zerfallen, 
Den er ob feiner Flucht ingrimmig haßt. 
Doch, was am meisten in die Schale Fällt, 
St jein Bedürfnis, mit mir gut zu ftehn, 
So lang’ ihm feine Hand gebunden dort. 
Glaubft Du, er werde, Plan durch Plan verwirrend, 
Sich einen neuen Feind erjchaffen wollen ? 
Nein, liebes Herz, von ihm befahre nichts! 


Dritter Akt. Erjte Scene. 53 


Er iſt abhängiger von mir denn je, 

Wie jein erneuter Ruf an mich bewetit, 

Der bittend faſt aus Welfchland zu mir drang. 
Mechtilde. Und dem Du bis zur Stunde taub geblieben! 

Ein Mond ift um, jeit Du zurücdgefehrt 

Vom Zug, den Du mit König Waldemar 

Nah Pommern unternahmit, vom Glück begünftigt; 

Sp fällt Dein Zaudern doppelt Dir zur Laſt 

In jeinem Blick, der jtreng auf Dich gerichtet. 

Heinrich d. 2. Nun wohl, ich weiß e8, daß ich ſäumig ward, 

Doch Hab’ ich meinen guten Grund dazu. 

Berfolgt er feinen Weg für fich allein, 

So fann auch ich für mich den meinen gehen. 
Mechtilde. Erxrrat’ ich recht, jo jchriebjt Du gar ihm ab! 
Heinrich d. 2, (ihre Hand erfaſſend. In Deiner Sorge ſiehſt Du 

alles trüber. 

Ich täuſch' ihn nicht, nein, laſſ' ihn nur empfinden, 

Was ich im Ernſt vermag, drum wich ich aus 

Der erjten Ladung, auf die andre hin 

Bat ich in fühlem Ton, die Frijt zu jtreden 

Der Rüftung willen, da die Heerfahrt weit, 

Und jeiner Antwort harr’ ich noch entgegen. 

Mir Ichwand die Luft zu dienen allgemach; 

Dies aber nur zu Dir, vielleicht auch fehrt 

Der Eifer mir zurüd; die Zeiten wechjeln, 

Und auch der Ruhmluſt ward mein Ohr nicht taub. 

So jteh’ ich wartend mehr ala jäumend da, 

Und Halte ihm bereit die jtarfe Hülfe, 

Die in der Not ich ihm nicht weigern will, 

Doch die ih um Gewiſſes nur gewähre. 

Mechtilde. So laſſe Dir auch jagen, was ich denke: 

Du ſchuldeſt Hülfe ihm ala Oberherrn, 

Nicht jeinetwillen in der Not allein, 

Nein, Deines Volkes wegen auch nicht minder, 

Daher, was gegen ihn Du auch zu Elagen haft, 

Dih nit in Deinem Handeln darf bejtimmen. 
Heinrich d.2. Das weiß ich wohl und halt’ es mir gewärtig. 


(Jordan von Blanftenburg tritt ein, in einen Mantel gehüllt.) 


54 Heinrich der Löwe, 


Mechtilde. Da iſt der Truchſeß — 
Heinrich d. 2. (aufipringend). Sordan von Blankenburg, 
Wie, Schon zurüd? Kaum löſt' ich noch das Siegel 
Bon Eurem Brief. — Was fündet dieje Eile? 
Jordan von Blanfenburg. Nichts Frohes, Herr, wie ich jo- 
gleich gejtehe. 
Heinrih d. L. DBerjtarb mein Ohm, dann Habe Gott ihn 
jelig! 
Sordan von Blankenburg. Sch wollte, daß ich fünnte Amen 
lagen, — 
Doch andre Kunde bring’ ich. 
Heinrih d. 8. Meldet fie. 
Ihr wißt, mich jchrect fein Blif des jchwarzen Himmels. 
Mechtilde. Spannt nicht Jo lange unjre Ungeduld! 
Jordan von Blanfenburg. Der Herzog lebt und freut fich 
feiner Tage. 
Heinrich d. 2. So fand er alfo einen Borger doch? 
Jordan von Blankenburg. Er fand ihn, Herr, und fand ihn 
in dem Kaijer. 
Heinrich d. L. (zurückfahrend). Im Kaiſer? Nein und nein, das 
glaub’ ich nicht! 
Jordan von Blankenburg. Dann nehmt fortan für Lüge 
meinen Schwur. 
Heinrich d. L. (unter Hohnlachen). Im Kater? Wie gejchah dies 
aber doch ? 
Jordan von Blankenburg. Es ijt in einem Atemzug erzählt. 
Kaum war mein Bote aus dem Thor geritten, 
Erſchien zu Peiting noch als jpäter Gaſt 
Der Pfalzgraf Konrad. 
Heinrich d. 8. Konrad! 
Jordan von Blankenburg. Sa, derjelbe — 
Und blieb, geheim verjchlofjen mit dem Wirte, 
Den größten Teil der Nacht; in aller Frühe 
Ritt er auf gleichem Weg zurück nah Weljchland 
Mit dem Berfprechen, binnen einer Woche 
Zurücdzufommen mit des Kaifers Vollmacht. 
Heinrich d. 2. (in halbem Nachſinnen). Fürjprecher, Bürge, — aber 
Borger niemals! 
Nicht Wuch’rer, nicht Erichleicher fremder Erbichaft! 
Der Kaiſer trachtet nicht nach andrer Gut, 


Dritter Akt. Erſte Scene. 55 


Dies rifje jedes alte Band entziwei; 

Doch etwas iſt im Gang, das fühl’ ich wohl, 

Und Eile not, dem Schritt zuvorzukommen! 
(Zu Medtilde.) 

Sch mach’ mich auf und noch in diejer Stunde. 

Mechtilde. Wenn es Dein Heil verlangt, und alſo ſcheint's, 
So zieh dahin und folge Deiner Stimme! 

Heinrich d. 2. Ghre Hand erfafiend). Du ſtärkſt mich in der Pflicht; 

das wußt’ ich ja. 
Hol’ mir die Rüſtung, Mechtild’, Schwert und Schild. 
(Mechtilde und Otto treten zu den Waffen.) 
Mein Sohn muß Euch begegnet jein zu Pierd. 

Jordan von Blankenburg. Für nichts mehr hatt’ ich Augen 

in der Halt. 

Heinrich d. 2. ch jandte ihn, wie wir es abgeredet, 

Mit Gunzelin nach Stahled. 

Jordan von Blankenburg. Großer Gott, 
Sie werden ihn als Geijel dort behalten! 

Heinrich d. 2. Ein Zug, mit dem ich arglos nicht gerechnet, 
Doch wir vereiteln ihn, jeßt ihnen nad! 

Jordan von Blankenburg. Sch Hole Leicht fie ein, jeid un— 

befümmert. 
(Er eilt ab.) 

Merhtilde (die mit dem kleinen Otto, der den Schild trägt, indes wieder heranz 
getommen). Gin harter Strauß, ich fühl's, Harrt Deiner dort, 
Dog ſtehn wir überall in Gottes Hand. 

(Sie hilft ihm jih wappnen.) 
In Seiner Hut laß ich getrojt Dich ziehn. 
Heinrih d. 2. Dein Mut erhöht den meinen. Reich' das 
Schwert! 
Mechtilde. Nimm Hin und brauch’ es für die Pflicht allein! 
Heinrich d. 2. So recht, mein Sohn, den Schild reichit Du 
dazu. 
Zeh’ wohl, Mechtilde! Meint's das Schickſal gut, 
So jehn wir und, wenn neu die Blätter fallen, 
Hier auf der Harzburg wieder — auch die Kinder — 
Und plaudern über das Bejtandne froh. 
(Sid den Helm auffegend.) 
Do wenn ein andres uns bejchteden tit, 
Sp wollen wir's bejtehen, wie e8 fommt. 
(Indem er Mechtilde und jein Söhnlein an fich ſchließt, fällt der Zwifchenvorhang.) 


56 Heinrid) der Löwe, 


Zweite Greene, 


(Sm Schloß zu Peiting in Oberbayern mit dem Ausblid in die nahen Alpen. Ein 

von vielen Kerzen fejtlich erhelltes Gemach, darın, außer einem größeren Tiſche rechts und 

links Kredenztijche ftehen. Der Hintergrund, durd einen purpurnen Vorhang gebildet, 

führt in einen Saal, daher von Zeit zu Zeit Mufif erjdalt. Herzog Welf und 
Pfalzgraf Konrad vor ausgebreiteten PBergamentrollen.) 


Plalzgraf Konrad. Wenn es denn Euer ernjtgemeinter Wille, 
Dem Kaifer gegen Nießbrauch Eurer Güter 
Und den Bezug genannter Jahresrente, 
Was Euch an Landen pflichtig zu vermachen 
Als Eurem Erben einjt, — jo unterjchreibt! 
Herzog Welf. Es ijt mein Wille. Gebt das Pergament, 
Sch unterzeichne. — Stände Heinrich hier, 
Mein mufterhaft um mich bejorgter Neffe, 
Und blidt’ er über meine Schultern weg, 
Sch gäb’ was drum, jein lang Geficht zu jehn — 
Wo ſetz' ich meinen Namen Hin? 
Pialzgraf Konrad, Hierher, 
Wenn's Euch beliebt, zu Eurem Haugfigill, 
Das kaiſerliche blinkt zur rechten Hand 
Mit Friedrichs Namenzzug. 
Herzog Welf. Schon redt. 
(Ex ſchreibt.) 
Guelphus, 
Spolete dux et Marchio Tusciae, 
Princeps Sardiniae et Corsicae, 
Dominus domus comitissae Mathildis — 
Hier Habt Ihr meine volle Unterjchrift. 
Pialzgraf Konrad (indem er das Pergament zufammenrolt). Die andre 
Rolle iſt für Euch bejtimmt, 
Drum bitt’ ich nochmals um die Titel alle. 
Herzog Welf. Die Hand hat fie im Zug, jo geht’3 gejchwind. 
Da habt Ihr — 
Pfalzgraf Konrad, Der DBertrag iſt abgeſchloſſen, 
Doch mit der Klaufel, daß in Mondesfriſt 
Er gültig erft. 
(Er jest einige Beutel mit Gold auf den Tiſch.) 


Hier der bedungne Vorſchuß. 


Dritter Alt. Zweite Scene. 57 


Es fiel dem Kaijer ſchwer, ihn zu erſchwingen 
In diefer Zeit der äußerſten Bedrängnis — 
Kun aber muß ich unverweilt zurüd, 
Denn eine Schlacht jteht nahe uns bevor. 
Herzog Welf. Gott ſchenke Euren Waffen Sieg. Lebt wohl! 
(Ihn zurüdhaltend.) 
Noch eines, Pfalzgraf, um nicht irr' zu gehn: 
Wenn Herzog Heinrich ſich gleichwohl noch jtellte? 
Pfalzgraf Konrad. Es Hülf ihm nichts, da er jein Recht ver- 
wirft. 
Sch wünſch' Euch Wohljein und vergnügte Zeit. 
(Er eilt ab.) 
Herzog Welf. Jetzt haft Du Deine Erbichaft mit dem Strich 
inmitten dur, ſparſamer Rechenmeiſter! 
Nun kannſt Du Dich auf meinen Sterbtag freun 
Und mir vorher die Meilen jchon bejtellen, 
Wie gleich auch die Vigil zum Jahrestag 
In Altdorf oder Peiting, wo Du willit. 
Doch möcht’ ich, wenn Du nichts damwider halt, 
Borher noch ein paar Zährlein froh genießen 
Und leben, daß es fich zu leben lohnt. 
(Er öffnet einen der Beutel, aug dem Goldſtücke hervorrollen.) 
Fürs Futter ift gejorgt, nun, Hänfling, finge! 
(Er trällert.) 
Einmal lebt der Menjch auf Erden, 
Darum joll er luſtig jein, 
Kann er auch nicht jünger werden, 
Schmedt ihm doch das Gläschen Wein — 
Sorge, wer da jorgen mag, 
Hier ijt immer Feiertag! 
(Er trinkt.) 
(Gottſchalk tritt Hinter dem Vorhang hervor, die Mufif beginnt wieder.) 
Gottſchalk. Habt Zhr geflingelt, Herr? 
Herzog Welf. Geflingelt, ich ? 
Gottſchalk. Mir war es jo. 
(Indem er fi) dem Tiſch nähert, beijeite.) 
Jetzt merk' ich, was geflingelt. 
Ich muß nur machen, daß er um fich dreht. 
(Zaut.) 
Ihr jeid am Rüden weiß. 


58 Heinrich der Löwe. 


Herzog Welf. So jtäub’ ihn ab. 
(Er dreht fi um, Gottihalf Elopft ihm den Nüden und greift zugleich in den 
Beutel.) 


Gottihalf. Mir hat von Schafen heute nacht geträumt, 
Und das bedeutet allemal ein Glüd. 
(Er ftedt Gold zu ſich.) 
Herzog Welf. Nun, wird e3 bald? 
Gottſchalk. Auch da ein Streif und da, 
Ihr ſeid ganz ſcheckig. 


(Zugreifend.) 
Das gehört noch mir. 
(Zwei Tänzerinnen jchlüvfen hinter dem Vorhang hervor.) 
Die erite Tänzerin. Halt, Dieb! 
Die zweite Tänzerin. Der loſe Schalt betrügt 
Euch ja! 
Herzog Welf (orest fih raid um und ſchlägt ihn). Wart', Rabe! Dein 
Gelüſt' vertreib’ ich Dir, 
Du jollit jobald nicht weiß mich wieder machen. 
Die erite Tänzerin (indem fe ſtiehlh. Der Galgenvogel jtiehlt wie 
eine Eliter. 
Die zweite Tänzerin (esenio). Geht das fo fort, find bald die 
Füchschen alle. 


(Efbert von Wolfenbüttel und die übrige Tanzgeſellſchaft erjdeinen im 
Hintergrund und fihern. Die Muſik veritummt.) 


Herzog Welf. Jh muß mir noch den Büttel herbeftellen! 
He, Truchſeß Efbert! 
Ebert. Was befiehlt mein Herr? 
Herzog Welf, Schafft mir die Beutel da vom Tifche fort! 
Die beiden Tänzerinnen. Das, Alter, fönnen wir jchon ſelbſt 
bejorgen ; 
Wir brauchen nicht den ſächſiſchen VBaganten. 
(Sie nehmen wieder vom Golde.) 
Herzog Well. Ihr! Ihr! Ich klopf' Euch auf die langen 
Finger. 
Ekbert (su den Tänzerinnen). Fort! Unterſteht ſich Eine noch 
einmal, 


Die kommt mir ohn' Erbarmen in den Turm! 
(Indem er mit den Beuteln abgeht.) 


Dritter Alt. Zweite Scene. 59 


Wenn Er in Braunjchweig das fich träumen ließe, 
Er würde vor Berdruß und Galle beriten. 
Die erfte Tänzerin, Nur nicht gleich immer eg — 
äfer! 
Haſt Du nicht Luſt zu einem Schleiferchen? 
Herzog Welf (ie tneifend). Friſch zu! 
Die zweite Tänzerin (chentt ſich ei. Dein Wohlſein, goldner 
Herzensſchatz! 
Herzog Welf. Erſt wollen wir die Gurgel noch uns feuchten. 
(Er trintt. Die Tanzmufif beginnt wieder.) 
Die erfte Tänzerin. Jet aber fort, der Reigen hat begonnen! 
(Sie ſchlingt fih ihm um den Arm.) 
Herzog Welf (im Abgehen, den Beer in der Hand). Ein Mädchen fein 
im Arm, 
Kein Belz hält uns jo warn — 
(Ein langer Hornruf wird von der Zinne vernommen.) 
Die erite Tänzerin, Frau Jutta kommt! Frau Jutta fommt! 


(Ein Trompetenftoß und Gejharr von Nierdehufen im Hofe. Efbert fommt blaß und 
verftört hereingeftürzt und ſucht fih, der Sprache vor Schred beraubt, durch Gebärden 
auszudrüden. Die Mufik bricht ſchrill ab.) 


Herzog Welf. Wer fommt ung zu Beſuch? So ſprecht doch 
> endlich! 

Ekbert. Die Überraſchung, Herr, iſt namenlos! 

Herzog Welf. Ich will doch ſehn, wer uns ſo ſpät noch ſtört! 


(Indem er gegen die Thür eilt, tritt Heinrich d. L. ein in Helm und Panzer. Efbert 
entweicht durch den Vorhang, ihm nad) ziehen ſich aud) die anderen Gäſte zurüd.) 


Herzog Welf (nachdem er fi von feinem Schred erholt). Du hier ? 
Heinrih d. 2. In Peiting iſt man jehr vergnügt. 
Herzog Well. Warum auch nicht, e8 mangelt ung an nicht. 
Heinrich d. 8. Die Fiedel und Drommet’ ertönt im Haufe, 
Darin der Grabgejang noch faum verhallt 
Um Deinen Sohn. 
Herzog Welf (ent). Er ruht bis an die Uritänd’ 
Bei jeinen Vätern, deren Reih' ich ſchließe — 


(Er bläft die Kerzen aus; es tagt, und die hohen Alpen bliden durd die Feniter in 
das Gemad).) 


Ihm nach ſank auch mein Sorgen in die Gruft. 


60 Heinrich der Löwe. 


Heinrih d. 2. Starb er gleich Hin, die Welfen (eben fort, 
Und ihr Gejchlecht blüht weiter, will es Gott. 
Herzog Welf. Ihr Name Lebt, ihr Sinn ftirbt aus mit mir. 
Heinrich d. L. Mit Dir, der Du die wadern Ahnen jchändeft 
Sm hohen Alter? Doch, ich jchweige lieber. 
Herzog Welf. Nur immer zu! Entleer' Dich Deiner Galle, 
Mich fiht es wenig an. 
Heinrich d. 8. Daß Du mich Hörft, 
Die Hoffnung hab’ ich lang’ ſchon aufgegeben: 
Wer jo verjtocdt, den befjert feine Mahnung. 
Herzog Well. Du wünſcheſt in die Gruft auch mich, geſteh's. 
Heinrih d. 2. Ich wünſche Einkehr Dir ing eigne Herz. 
Herzog Welf. Ich jollte mich, jo ſcheint's, noch weidlich 
plagen 
Und Schäße häufen für Dich Undankbaren ? 
Heinrich d. L. Der Vorwurf prallt, ſtumpf wie er ift, mir ab. 
Ich hätte nichts Dir in der Not verweigert, 
Doch für die Böller, die Du finnlos mäjteit, 
Streu’ ich mein ſchwer errungnes Gut nicht hin, 
Und dem Verſchwender öffn’ ich nicht den Sädel 
Zu weitrem Praſſen, das ihm Xeib und Seele 
Zugleich verderbt, und Schande überdies 
Dem ruhmbededkten Haus der Welfen bringt. 
Für ſolchen Wahnwiß bin ich mir zu alt. 
Herzog Welf. Den Bußton könntet Du Dir baß erjparen. 
Dein Truchjeß hielt ſchon ganz die gleiche Predigt, 
Doch tauben Ohren, da Dein falſches Herz 
Aus feinen gleißneriichen Worten jprad). 
Heinrih d. L. Du glaubjt mit Hohn mich abzufert’gen wohl? 
Vergiß nicht, wer ich bin, der Welfen Haupt, 
Das Macht hat, Nachdruck jeinem Wort zu geben, 
Denn nicht allein bejucht ich Dich in Peiting. 
(Er tritt an das Feniter.) 


Herzog Well. Wie, mit Gewalt gar denkt Du mir zu drohn ? 
Verſuch's mit Deinen Mannen, fomm’ heran! 
Do legteſt Du auch alle mir ins Schloß, 


Dritter Alt. Zweite Scene. 61 


Sch fürchte Dich nicht und Dein ſächſiſch Volk! 
Mich ſchützt ein Stärkrer, ala Du jelber biit, 
Mich Ihügt der Kaijer — 


(Er hält ihm das Pergament entgegen.) 


Hier ift der Pakt, den eben wir gejchlojfen, 

Hier jteht jein Name, und da jteht der meine: 

Die Güter Welfs, fie eignen Kaifer Friedrich. 
(Während Heinrich d. 2. lieit.) 


Der Kaiſer jteht jo nahe mir wie Du, 
Da meine Schweiter Judith feine Mutter. 
Heinrich d. 2. (in das Pergament blickend. Fürwahr! — O Gott 
des Rechts, ift jolches möglich ?.. 
Herzog Well. Du bijt enterbt und mit des Kaiſers Willen. 
Drum, willit Du mit Gewalt dazwijchen fahren, 
Sp magjt Du's thun für einen Augenblid, 
Doch für die Dauer wirſt Du nichts behaupten. 
Ergreife mich und ſperr' mich in den Turm, 
Schlepp' mich, wenn Dir's beliebt, mit Dir nach Sachſen: 
Ich lache Deiner Wut und Deiner Ketten. 
(Er entfernt jih mit dem Pergament in den Saal. Der Vorhang jhlieft ſich hinter 
ihm wieder. Pauſe.) 
Heinrich d. 2. O jchnödejter Betrug, gefrönter Raub! 
O Überliftung, Schandmal eines Kaiſers, 
Der fich des Rechtes Hort und Schüßer nennt, 
Der Witwen und der Waiſen ſtarken Fittig! 
Er rafft das Gut an fich, das andrer tft, 
Das er erhalten, ſchirmen, fichern jollte. 
Und wen entreißt er das rechtmäß’ge Erbe? 
Dem Blutsverwandten, dem Bajallen, mir, 
Der für ihn hat gekämpft und fortgejtritten 
Seit zwanzig Jahren ohne Ruhetag, 
Der oft fein warmes Blut für ihn verjprigt 
Und Wunden trägt an feinem Xeib für ihn. 
(Er jegt ih. Dtto von Wittelsbach tritt, von ihm unbemerkt, herein.) 
Das ijt der Lohn für jahrelangen Dienit, 
Doch bin ih nun geheilt von meinem Wahn. 
Er mag fich einen andern Helfer juchen, 
Der ihm, wie thöricht ich ſeither gethan, 


62 Heinrih der Löwe, 


Die guten Streiter auf die Schlachtbank Führt — 
(Bitter.) 
Für feinen ſtolzen Traum von einem Weltreich. 
Ich folg’ ihm nimmer, jondern eile heim 
Und eine mich mit König Waldemar, 
Ihn, wenn er kehrt, gerüjtet zu empfangen! 
Dtto von Wittelsbach (ihm die Schulter berühren). Das thujt Du 
nicht, ich fenne Dich zu gut, 
Der Löwe ift nicht jolcher Rache fähig. 
Heinrih d. 2. Laß ab, mich feſſeln feine Bande mehr! 
Otto von Wittelsbach. Ein Mann, wie Du, hält feit an 
feiner Ehre 
Und läßt ſich nicht, wenn ihm das Herz auch blutet, 
Hinreißen in die Schmad). 
Du ftaunft, mich Hier zu jehn? Mohlan, jo höre, 
Wer mich entbot! Es jandte mich der Kaiſer 
Um Deine Hilfe aus in höchſter Not. 
(Heinrich d. 2. tritt betroffen zurück.) 
Gewachlen zur Lawine ijt der Feind, 
Denn einig jteht er da: Ein Blut, Ein Volk. 
Mas atmet, iſt erhoben wider uns. 
Kun glaube nicht, daß Barbaroſſas Geiit 
Bedenflich eine Stunde nur verlor; 
Gr war wie immerdar der Stern der Seinen 
Und Leijtete, was je ein Held vollbracht, 
Standhait faſt über menschliches Vermögen. 
Doch wandte fih dag Schidjal wider uns. 
(Heinrich d. L. lauft mit gejpannter Aufmerfjamfeit.) 
Dir mußten vor gewalt’ger Waſſersnot, 
Darin des Himmels Zorn die Fürjten jahen, 
Aufgeben Aleſſandrias Belag’rung, 
Und feitdem ijt dem Feind der Mut gekehrt: 
Mit jedem Tag vermehrt fich feine Stärke. 
So jtehn wir da, umfaßt von ihren Heeren, 
Und wir erliegen ihrer Übermacht, 
Rückſt Du nicht eilig an, den Kampf zu wenden. 
Heinrich d. &, Ich? IH? 
(Er bricht in ein Gelächter aus.) 
Die Ihorheit muteft Du mir zu? 


Dritter Alt. Zweite Scene. 63 


Bor diefem Zug wird fi) der Löwe hüten; 
Sch kehre heim, es komme, was da wolle! 
Otto von Wittelsbach (einen Arm erfafiend). Nein, ſag' ich Dir, 
Du ſtehſt zu Deinem Herrn, 
Und fühlteft Du Dich taujendmal beleidigt. 
Heinrich d. L. Ich joll ihm Treue halten, die er brach ? 
Dtto von Wittelöbah. Die Du ihn zwangit zu brechen, jage 
lieber, 
Durch Deine Hoffart, Deinen frevlen Mut! 
Glaubſt Du, daß ihn Dein Zögern nicht verdroß 
Und Argwohn jäte ins verlegte Herz ? 
Das Dir noch warm jchlug (Gott bezeugt es mir), 
Nach Deiner Weigrung, jeinen Sohn zu füren; 
Denn edelmütig iſt der hohe Held, 
Und Dir bejonders war er zugethan. 
Beherz'ge dies, wie auch, daß durch Dein Weigern 
Das deutjche Anjehn litt im Fremden Lande, 
Indes Dein Troß, der angefichts der Feinde 
Ihn um die Hälfte jeines Heers verkürzte, 
Heraufbejchworen hat die ganze Not, 
Und daß der Kaiſer drum mit Recht Dir zürnt. 
Heinrich d. 2. Das mag er thun, mich ficht es nimmer an. 
Otto von Wittelsbah. Wie, allen Deinen mwohlerworbnen 
Ruhm, 
Die Frucht von Deinem thatenreichen Leben, 
Willſt Du aufopfern Deinem jähen Zorne? 
Unfinn’ger wär’ es noch, als frevelhaft, 
Und ficherlich auch) wär es Dein Verderben! 
Heinrich d. 2%. Ich frage nichts mehr nah Gewinn und 
Glück, 
Ich frage nur, wie ich mich rächen kann 
Und heim die Tücke zahlen ſolchem Kaiſer. 
Otto von Wittelsbach. Ich kenne Dein Verdienſt ums Reich 
und ihn, 
Und eben doppelt drum bin ich bemüht, 
Den Flecken Deinem Namen fern zu halten. 
(Zeine Hand erfajjend.) 


O Heinrich, gieb Gehör dem alten Freunde! 


64 Heinrich der Löwe. 


Heinrich d. L. (fi mieverlafiend). Gedenkt Dir's noch, wie uns 
nach Friedrichs Krönung 
Die Römer hart am Tiber überfielen? 
Otto von Wittelsbach. Wohl ſteht der blut'ge Tag mir im 
Gedächtnis. 
(Er jest ſich neben ihn.) 
Heinrich d. 2. Sie jtürmten von der Engelöbrüde her 
Sanft Peter zu, wir jprengten wider jie 
Dem Papſt zum Schuß, voran uns Barbarofja. 
Da plöglich jtürzt fein Pferd, doch ich bin da 
Und hau’ mit diefem Schwert ihn aus dem Knäuel 
Und wehr' mit diefem Schwert ihm ab die Römer, — 
Gedenft Dir's noch ? 
Stto von Wittelsbach. Als wenn es gejtern war. 
Heinrich d. 2. Zerborjten war im Streite mir der Helm 
Und troff von Blut, da löjte mir der Kaijer 
Das Helmband jelbjt und wiſchte mit der Schärpe 
Das Blut vom Antlig mir und ſprach dazu: 
„Mein Better, diefe That vermerk' ich Dir!” — 
Doc ſein Verſprechen hat er fchlecht gehalten. 
(Er ſchluchzt, den Kopf in die Hände geftügt.) 
Stto von Wittelsbach. Du täufcheft Dich, jo wahr auch Dein 
Bericht! 
Zurüdgefehrt faum von der Heerfahrt damals, 
Erhob er Dich zum Herzog meines Landes, 
Dir einen lang gehegten Wunſch erfüllend. 
Und was nicht alles wog er Dir dazu 
Seit jenem Tag? Mit Gnaden überjchüttet 
Bor allen andern Fürjten hat er Dich 
Und Dich erhöht zu nie gejeh’ner Würde. 
Nun denn, bei diejer hochgehäuften Ehre, 
Bei Deiner Gattin, Deiner Kinder Heil, 
Bei allem, was Dir hoch und teuer gilt, 
Beſchwör' ich Dich, verlaß nicht Deinen Kaijer! 
Heinrich d. 2. Dat Du nicht jagen kannſt, ich jet verſtockt 
Und einjt erfahrner Wohlthat nicht gedenf, 
Will ich entgegengehn Dir einen Schritt. 
Ich läſſe Dir die Bayern, die Du führeft, 
Und ordne Dir auch von den Sachjen unter, 
Sedoch ich ſelbſt ericheine nicht vor ihm. 


Dritter Akt. Dritte Scene. 65 


Otto von Witteldbah. Da Du jo weit einmal, jo Hoff’ ih 
Dich 


Zu einem weitren Schritt noch zu bewegen, 
Und ficherlih, wenn Du vernimmijt die Kunde, 
Die ich zu melden Dir beauftragt bin, 
Du ſchwankſt nicht mehr, das Opfer darzubringen. 
So höre denn, der Kaifer hat mit mir 
Die Alpen überjtiegen, und er eilt 

(Heinrih d. 2. gerät in ftarfe Bewegung.) 
Entgegen Dir, zur Seite jein Gemahl, 
Die jtandhaft dabei blieb, ihn zu begleiten. 
Er läßt entbieten Dich nah Partenkirchen, 
Um mit Dir in dem Land, das Dir gehorcht, 
Zu pflegen Rat, nur fie und mich zum Zeugen — 
Darf ih Dein Kommen melden ihm ? 

Heinrich d. 8, (mas Heftigem Selbſttampf). Ich fomme! 
(Der Zwijhenvorhang fällt.) 


Dritte Scene. 


(Alpengegend bei PBartenfirden in Bayern; im Vordergrund eine beihneite 

Sagdhütte. Kaijer Barbarofjja und die Kaiferin Beatrir, im Mantel und 

Reiſehut, geführt von einem jungen Jäger, der einen erlegten Gemsbock auf dem 

Rüden trägt, treten auf; ihnen folgen in weiten Abftand Ritter und reifiges 
Gefolge.) 


Der Jäger. Wir find am Ziel, dort ftredt fih Parten— 
kirchen, 
Da ſteht das Haus, das ich mir ſelbſt gebaut. 
Barbaroſſa. Fürwahr ein Ort erhabner Einſamkeit! 
Wie heißt der mächt'ge Berg, der ſteil zur Tiefe 
Dort abfällt, wie ein Held, erfaßt vom Schickſal, 
Vom Gipfel jählings in die Tiefe ſtürzt? 
Der Jäger. Das iſt die Zugſpitz, Her, an ihrem Fuß 
Thut fich der Eibjee auf, ein grün Gewäſſer, 
Sn dem fich das Gejtein der Firnen piegelt. 
Die tiefe Kluft mehr links iſt's Höllenthal, 
Dort bleibt es jtarr im Sommer wie im Winter. 
Der rechts herichaut, das ijt der Warenjtein, 
Ein Hoher Herr, der gern der Höchite wär”. 
Greif3 Werfe, III. > 


66 Heinrich der Löwe. 


Barbarofja (su Beatriv). Auch jolche jtarren Häupter meſſen ſich — 
Dort der Gebirgszug heißt der Wetterftein? 


Der Jäger. Ja, mit dem Alpipiß und Dreithorſpitz 
links 
Und unter ihm der Schachen. Dort der Felsſtock, 
Den wir in Mittenwald vor uns gehabt, 
Mit ſeinem wilden Kamm, iſt der Karwendel, 


Beatrix. Was iſt das für ein Waſſer, das dort blinkt 
Im klaren Mittagsſtrahl der Winterſonne? 


Der Jäger. Es iſt die Partnach, die zur Loiſach geht, 
Und dieſe ſucht landein die Iſar auf, 
Die wir im Scharnitzpaß zuerſt geſchaut. 
Beatrix. Wie feierlich ergreifend iſt die Stille 
In dieſem abgeſchiednen, ernſten Thale, 
Die uns den Odem ſpüren läßt des Herrn! 
Ein Frevler, mein' ich, müßte hier erweichen 
Und in ſich gehn, wie hart er auch verſtockt. 
Wo machen wir wohl Halt? 
Barbaroſſa. Ich denke hier, 
Wo fremder Neugier wir entzogen ſind. 
Dem Kaiſer ſtänden übel an die Zeugen, 
Da ſeinem Lehnsmann er entgegenzieht, 
Ihn zu gemahnen an das Treugelübde. 
(Er ſetzt ſich auf einen erhöhten Moosſitz, darüber er ſeinen Mantel gebreitet, und legt 
den Reiſehut ab, welcher die Zirkelkrone verdeckte; das Gefolge hält ſich in ehr— 
erbietiger Entfernung; der Jäger begiebt ſich nach der Hütte, aus der ihm ein junges 


Weib in Gebirgstracht entgegeneilt, die verwundert die Gäſte wahrnimmt und ihn in 
die Hütte führt.) 


Beatrix (su Barbaroſſa geneigt). Verſcheuche Dir die düſteren Ge— 
danken! 
Gewiß, der Herzog wird erinnern ſich 
Der Pflicht und allen Danks, den er Dir ſchuldet. 
Barbaroſſa. Ich wünſche ſehnlich, daß Du Recht behältſt. 
Halb freu' ich mich auf unſer Wiederſehn, 
Doch halb (zu Dir geſagt) empfind' ich Reue, 
Daß ich den Schritt gethan, ſo reich an Folgen, 
Und auf die Warnung nicht der Fürſten hörte. 
Wo aber ſchwand doch unſer Führer hin? 


Dritter Alt. Dritte Ecene. 67 


Beatrir. Er ſchritt zur Hütte, Liebevoll empfangen. 
Da kommt er, um zu legen feine Gäſte. 


(Der Jäger kommt aus der Hütte mit Brot und einem Kruge; ihm folgt jein junges 
Weib, das ein Fell trägt und es für die Kaiferin ausbreitet.) 


Barbarofja. Dank, wadrer Bayer, für die treue Sorge! 
(Er nimmt das Brot und teilt es mit der Kaiferin.) 
So hält das jchlichte Volk zu jeinem Kaifer. 
Beatrir. Gott Lohn’ es Euch! Sit dies wohl Euer Weib? 
Der Jäger. Zu Gnaden, Herr. Wir fennen ung ſchon lang, 
Doch heuerten wir auf Johanni erft. 
Barbarojia. Mein Sohn, Du haft mit gutem Aug’ gewählt. 
Mög’ Dir an ihrer Seite Glüd erblühn! 
Doch laß mich auch von Deinem Quell verjuchen. 


(Der Jäger entläuft zum Quell.) 


Das junge Weib. Das Brot ijt halt gar hart. 


Beatrir. 63 mundet 
doch. 

Das junge Weib. Der Gemsbock bratet jchon am Teuer 
drinnen, 


Sonjt müßtet Ihr vorlieb mit Wurzeln nehmen. 
Beatrix. Der Herr will uns an diefem Ort erinnern, 
Daß auch wir Hochgeborne Menſchen jind. 
Barbaroſſa (nasdem er getrunten). ch will, daß fich ein Kreuzbild 
bier erhebe 
Für alle Zeit! — Du haft uns gut geführt; 
Sp magjt Du eine Gnade Dir erbitten. 
Der Jäger. Es heißt, daß Ihr im Welfchland Leute braucht — 
Wenn ich Halt bitten dürft’, mich mitzunehmen. 
(Auf die Aniee fich niederlafjend.) 
Sch jtelle meinen Mann wie jeder andre. 
Barbarofja. Doch was wird Deine Eh’genoffin jagen ? 
Der Jäger. Das weiß ich ſchon — 
Das junge Weib (pres Mannes Hand erfafend). Geh’ nur mit Deinem 
Kaiſer, 
Goit wird mir helfen, daß Du wiederkimmſt. 
(Beatrir meint.) 
5 * 


68 Heinrich der Löwe. 


Barbaroſſa Ghm die Hand reigend). Wohlan, Du jollft mit ung 
hinunterziehn 
Und mich an den Empörern rächen helfen. 
(Der Jäger thut einen langen Juchzer, der dur einen Hörnerruf in der Nähe er— 
wibert wird.) 
Beatrix. Wer meldet fich ? 
Barbaroſſa (ih erhebend). 63 ijt der Pfalzgraf Otto, 
Er bringt Entjcheidung. 
Beatrix (ausblidend). Du errietejt recht. 
Dort bindet er jein Streitroß an den Baum, 
Da jtürmt er her, mit fliegend langem Haar, 
Sein raſches Nah'n verkündet wicht'ge Kunde. 


(Barbarofja ſchreitet Otto von Wittelsba ch entgegen; beide ſchließen fi ftumm in die 
Arme, worauf ihn der Kaijer der Kaiferin entgegenführt. Der Jäger und fein Weib 
begeben ſich nad) der Hütte, vor welcher fie ein Feuer anmaden und ſich dann zurüdziehen.) 


Beatrir. O jagt, fommt Herzog Heinrich? 
Otto von Wittelsbach. Sa, er fommt. 
Im ftürm’schen Ritt folgt er mit feinen Scharen. 
Der Ehre Hoher Trieb ift ihm erwacht 
Und, überwunden, jchweigt in jeiner Bruſt 
Die frevle Rachbegier! 
Beatrir. Dank Euch, Ihr Habt 
Ihn auf den rechten Weg zurüdgeführt. 
Barbarsjja. Gott möge lohnen Euch die edle That, 
Sch bin zu arm dazu, obwohl der Kaijer. 
Otto von Wittelsbah. Er wird mit offnem Blick vor Euch 
" ericheinen, 
Doch ſchont ihn, Herr, noch ift jein Herz verwundet 
Vom heimlichen Bertrag, den Ihr geſchloſſen 
Durch Euren Bruder mit dem Herzog Welt. 
Barbaroſſa. Sein Säumen trug allein die Schuld daran: 
Sch war dem Neich und mir die Eile jchuldig. 
(Heinrid) d. 2. erjheint mit Gunzelin von Schwerin und Jordan von 
Blanfenburg.) 
Beatrir. Er naht. Wer iſt der Ritter ihm zur Seite? 


Otto von Wittelsbah. Es it Jordan von Blankenburg, jein 
Truchſeß. 


Dritter Akt. Dritte Scene. 69 


Beatrir. Die Miene diejes Manns gefällt mir nicht. 


Geinrich d. 2. begrüßt, herangefommen, in3 Knie geneigt, das Faiferlihe Paar, 
das ihm ernjt, aber huldreich dankt. Jordan und Gunzelin ziehen fih auf eine 
Weiſung Ottos von Wittelsbah Hinter einen Feljen zurüd. Das Gefolge des Kaiſers 
begiebt jich nod) mehr in den Hintergrund, die Führer des jähftihen Kriegsvoltes, 
darunter Gunzelin von Schwerin, Eilpert von Wölpe, die Grafen 
von Holitein und Nateburg, werden mit Bemwaffneten und dem jädhfiichen 
Banner auf einer nahen Anhöhe fihtbar, doch nur für einige Augenblide. Die 
Kaijerin Beatrir tritt mit Otto von Wittelsbah an das Feuer, doch beobachten fie 
mit gejpauntefter Aufmerkſamkeit das ſich entwidelnde Geſpräch. Dasjelbe thun auf 
der andern Seite Gunzelin von Schwerin und Jordan von Blankenburg.) 


Barbaroſſa. Willkommen, Better, hier in Deinem Lande! 
(Er reiht ihm die Hand.) 


Obſchon Du uns Dein Antlit haſt entzogen 
Und meinen Ruf bi3 heute überhört, 
So unternahmen wir doch, eingedenf 
Der ſchweren Herricherpflicht, — 
(Nah einer Pauje.) 


Du kennſt die Lage. 

Im Anzug ift ein Kampf auf Tod und Leben 

Und ohne Dich wär’ unjer Stand verzweifelt, 

Ein Ringen um das Grab, doch Dir zur Seite 

Hoff ich, wills Gott, den Sturm zu überjtehn 

Und zu erretten noch des Reiches Ehre, 

Die hart bedroht. 

Nun kannſt Du denken Dir, in welchen Sorgen 

Ich dort dag Heer verließ, da jede Stunde 

Der Angriff am Teſſin erfolgen fann. 

Doch was mich auch zurüchielt, der Gedante, 

Daß alles, wenn Du Hilfit, zu wenden jet, 

Er ließ den Schritt mich wagen, und ich fühle, 

Seit ih Dich jehe, Halb mich ſchon beruhigt. 

So mache denn vollfommen ung den Troft 

Und leihe Deinem jtummen Nah'n ein Wort, 

Das jagt, daß Du mit Deinem Kaijer zieheft! — 
Heinrich d. L. Herr, meine Streitmacht jteht Dir zu Gebot, 

Nur ſelbſt zu folgen, dies vermag ich nimmer. 


Barbaroſſa. Nicht jelbjt? Doch nein, ich Hab’ eg nicht ge- 
hört, 


70 Heinrich der Löwe, 


Denn ſchon ein jhüchtern Ja erflang daraus, 
Und wenn ich Dir erjt alles dargelegt, 
Sp tritt ein volles Ja Dir auf die Lippe. 
Heinrich d. 2. Beharren muß ich, Herr, bei meinem Wort. 
(Beatrir und Otto von Wittelsbad nähern fich.) 
Beatrix Gu Diio von Wittelsbach.. Er fällt in feinen alten Troß 
zurüd! 
Stto von Wittelsbach. Was Haft Du mir in meine Hand 
gelobt ? 
Zu hören erit und dann Dich zu entjcheiden. 
Heinrich d. 2. (u Otto von Wittelsbach. Auf andres Angebot 
hatt’ ich gehofft. 
Stto von Wittelsbach. Du hast ein folches gar noch nicht ver- 
nommen! 
Beatriv. Herzog, der Kaifer fam Euch mild entgegen, 
Seht zu, daß Ihr ihn nicht zum Ernſte zwingt! 
Barbarojia. Geduld! Lapt ihn erleichtern erjt die Bruſt! 
(Beatrir und Dtto von Witteldbach fehren nach dem Feuer zurüd.) 
Heintih d. L. Wie kannſt Du rüjt’gen Dienjt von mir er- 
warten 
Nach dem, was zwijchen ung fich hat geitellt — 
Seit Du mid um die Erbichaft Haft gebracht, 
Die mir nach Recht und Billigfeit gehörte 
Und meinen Kindern ebenjo wie mir? 
Nun aber, nach jo ausgejuchter Kränfung, 
Wie feinem Du fie noch vor mir geboten, 
Erwarteit Du ein voll VBertrau’n don mir, 
Als Hätt’ ich fein Gefühl für ſolche Wunden! 
Barbarofja. Du fiehit die Dinge, wie fie Dich berühren, 
Nicht aber, wie fie uns dor Augen jtehn. 
(Er jest ſich.) 
Ich berge durchaus nicht, was ich vereinbart 
Mit Herzog Well, 
Noch auch die Gründe, die dazu mich führten. 
Du bijt im Reich der mächtigjte Vajall, 
Ja als ein jolcher ſchon zu mächtig fait, 
(Heinrich d. 2. gerät in Bewegung.) 
Dieweil es nicht Herfommen tft, zu legen 
Mehr als Ein Herzogtum in Eine Hand. 
Doch was geſchehn, das joll in Kraft verbleiben, 


Dritter Akt. Dritte Ecene. 71 


Nur neues Land zu allem andern noch 
Bermag ich Dir im Reich nicht einzuräumen. 
Dies, was die Leh’n betrifft. Das Erbgut Welfs 
Erjtand ich, weil Du ſelbſt Dir's nicht erhalten, 
Denn nicht nur Einmal wies ich Welf an Dich, 
Als nächſten Erben, eh’ ich unterhandelt, 
Doch Du verjagteft ihm, was er gefordert, 
Und was er zu bedingen, war befugt. 
Heinrich d, 2. Berugt? Ich ſollte den Verſchwender fördern, 
Dies mutejt Du im vollen Ernjt mir zu? 
Barbaroſſa. Haft Du in Händen jeine Erbverjchreibung, 
Sp zeig’ fie vor! Auch ich durch meine Mutter 
Bin ihm verwandt, wenn gleich von anderm Stamme. 
Heinrich d. 2. Das giebt den Ausſchlag. Sein Beginnen, 
ſchnöd 
Und falſch, ſpricht Hohn dem menſchlichen Gefühle, 
Und der es gut heißt, handelt ungerecht! 
Barbaroſſa. Dies ſchleuderſt Du mir offen ins Geſicht? 
Du zwangſt mich zu dem Pakte, Du allein; 
Denn ſeit ich ſah, wohin Dein Trachten führt, 
Seit meinem Sohn die Krone Du mißgönnteſt, 
Seit Du die Hilfe mir ſogar verweigert — 
Auf wiederholte Mahnung mir verweigert — 
Heinrich d. L. Das that ich nicht, nur Friſt hab' ich be— 
dungen — 
Barbaroſſa. Seit Du Dich unterfingſt, mit mir zu markten 
Und Deine Macht mich ließeſt trotzig fühlen, 
Seit Du Dich gar vermeſſen, mir zu drohn, 
War ich gewitzigt, und ich ſah mich vor, 
Um nicht als der Getäuſchte dazuſtehn 
Und nicht die Waffen ſelbſt Dir noch zu ſchärfen. 
An meiner Statt Du ſchützteſt Dich nicht minder! 
Heinrich d. L. Niemals, das ſchwör' ich, hätt' ich Dich ver— 
kürzt, 
Und hätt' ich Söhne auch ſoviel wie Du! 
Barbaroſſa. Ich leugne nicht, daß ich mein Hausgut mehre, 
Um ihren Stand zu ſichern durch die Zeiten; 
Doch höher, als das Wohlergeh'n der Meinen, 
Stand mir das Heil des Reiches allezeit, 
Sowie die Herrſcherpflicht, die ich beſchworen. 


72 Heinrich der Löwe. 


Und dieje wies mir den betretnen Weg — 
Sch handelte, wie ich ala Kaiſer mußte. 
Heinrich d. L. So hältſt Du aufrecht den Vertrag mit 
elf? 
Barbarofja (fi aufriötend). Vor allem andern fordr’ ich Unter- 
mwerfung 
In meinen Willen, ohne Vorbehalt. 
Otto von Wittelsbach (Hersugetreten). Verftattet, Herr, daß ich ein 
Wort auch äußre! 
Barbaroſſa. Dünkt Dir ein Borhalt not, jo bring’ ihn vor! 
Otto von Wittelsbach. Ich deutete ihm Deine Klauſel an, 
Nach deren Ablauf der Vertrag erjt gültig. 
Nun denn, wenn Euer Lehnamann Folgichaft Leijtet, 
So laßt ihn frommen, was Ihr vorgejehn! 
Barbarofia. Wohlan! ihm zu beweifen, daß mit Milde 
Mein Ernſt ſich eint, erklär' ich mich bereit, 
Willfahrt er mir, vom Hausgut Welfs zu laſſen; 
Doch was dem Reich gehört, das wahr’ ich ihm: 
In diefem Zeile bin ich unerbittlich. 
Otto von Wittelsbah. Du hörſt, es ift der Kern, der Dir 
verbleibt. 
Barbarofja. Auch will ich für Erſatz Dir reichlich forgen. 
Machſt Du vergefjen mich, daß Du gezögert, 
So öffn’ ich Dir zum balt'ſchen Meer die Marken, 
So weit Du reichen fannjt mit Deinem Schwert 
Und führe Dir und Deinem teuren Lübed 
Den Scha der Yänder zu, die es umgürten. 
Heinrich d. 2, Erwerben müßt’ ich erſt, was Du verheißen! 
Barbaroſſa. Mein faijerlicheg Wort verbürgt es Dir. 
Heinrich d. 2, (mas einer Pauſe). Mär’ ich auch willens, darauf 
einzugehn, 
So fühl’ ich doch nicht mehr die Kraft in mir, 
Sn ſolchen ungewiifen Kampf zu ziehn. 
Barbarofja (ihn mit dem Blick meſſend). Dem mit den Dänen wichejt 
Du nit aus! 
Heinrich d. 2. Herr, wie ich jage, jteh’ ich Dir bereit 
Mit allem Gut, das ich zu eigen habe, 
Wie auch mit meinen Streitern Dir zu dienen, 
Nur nicht in eigener Perfon zugleich). 


Dritter Akt, Dritte Scene. 73 


Barbarofja (mit einem prüfenden Blicke). Nicht auch in eigener Perſon! 
Wie jo? 
Scheuſt Du am Ende den Verkehr wohl gar 
Mit dem Gebannten ? 
Heinrich d. 2, (die Hand aufs Herz legend). Dieſes jteht mir fern. 
Barbaroſſa. So zeige, daß Dir noch der Kaiſer wert, 
Und nimm des oft gejchirmten Reiche Dich an; 
Erweile Dih als Schuß des jetzt bedrängten, 
Hilf, Heinrich, Hilf mir, daß es nicht verfinke! 
Heinrich d. 2. Wie ich Dir jchon erklärt, mein Geift wie 
Körper 
Sind mir von langer Kriegsbeichiwer exrichöpft 
Und fie verweigern mir die vor'gen Dienfte, 
Gealtert vor der Zeit, wie Du mich jiehit. 
Barbaroſſa. Sprich nicht von Alter. Sieh den Kaifer an! 
Der Teuerbart ijt ihm jchon Fat verblichen 
Und jeinen Schläfen fam verfrüht das Silber. 
Doch was Du vorgeijhügt, verwirfjt Du jelbit: 
Die Stimme Deines Herzens jtraft Dich Lügen. 
Sch weiß, Du wirjt, Du fannjt nicht widerjtehn, 
Dich nicht, jo lang Dein Herz jchlägt, von mir trennen. 
(Shm auf die Schulter flopfend.) 


Wir waren, Heinrich, jchon als Kinder Freunde 
Und wollen auch im Alter Freunde bleiben. 
Heinrich d. 8, (maddem er feine Bewegung nievergefämpft). Sch könnte 
wohl entgegnen mancherlei 
Sm Hinbli auf mich ſelbſt, wie meine Kinder, 
Doch will ich mich nicht länger jträuben mehr, 
Sofern Du mir ein Eleineg Opfer bringit. 
Barbaroſſa (verwundert). Sprich Elar Dich aus! 
Heinrich d. 8. Willſt Du, daß 
ich Dir folge, 
So räume Goslar mir, die Harzitadt, ein, 
Und von der Stelle weg zieh’ ich mit Dir! 
Barbaroſſa (detreten. Dies Opfer, Herzog, fann ich Dir nicht 
bringen. 
Ich darf des Reiches Stadt hinweg nicht ſchenken: 
Mir unterfagt es die bejchiworne Pflicht. 


74 Heinrich der Löwe. 


Auch ziemte nicht der Ehre eines Kaiſers, 
Dem Dienjtmann zu erlegen einen Preis 
Für die Erfüllung jeiner Schuldigfeit. 
Heinrich d. L. Du bietejt mir das balt’sche Meer zur Grenze 
Und weigerjt mir gleichwohl jehon eine Stadt? 
Barbaroſſa (mit erhobener Stimme). Es bleibt beim Reiche, was 
zum Reich gehört. 
Heinrich d. 8. Gehören nicht die Marken auch zum Reiche ? 
Barbarojja. Doch find fie erſt durch Dich Hinzugelommen. 
Heinrich d. L. Auch Goslar bleibt beim Reich, wenn ich es 
bege. 
Barbarojia. Nenn’ e8 nicht mehr, Du fennjt ſchon meinen 
Willen. 
Heinrich d. 2. Und meinen hab’ ich Div auch fund gethan. 
Barbarojia. So willit Du Deinen Kaiſer denn verlafjen ? 
Heinrich d. 2. Du magjt Dir helfen, wie Du immer fannit. 
Sch Habe nichts in Welichland mehr zu fchaffen. 
Barbarofja (mit drohend erpobener Hand). Verblendeter, bedenke, was 
Du Iprichit! 


(Beatriv und Dtto von Wittelsbad nähern fich beiden wieder. Auch das faijerlihe 
Gefolge tritt aus dem Hintergrund heran.) 


Zum leßtenmal vermahn’ ich Dich in Güte, 
(Nah einer Pauſe in weichem Ton.) 

Gedenke, daß ich feine Bitte Dir 

Bor diejer Stunde abjchlug, jtet3 bereit, 

Zu fördern Deine Ehre vor der belt; 

Daß Deinen Feinden jtet3 ein Feind ich war, 

Der feinen Widerjacher Dir geduldet, 

Selbjt wenn den Streit Du hattejt angehoben. 

(Da Heinrich d. 2. ſchweigt.) 

Sch will Dich an den Eidſchwur nicht erinnern, 

Den Du dem Reich geleijtet als Vaſall, 

Folg' Deinem Kaijer, Deinem alten Freunde, 

Der Dich geliebt hat ftets wie feinen Bruder! 

Heinrich d. L. Wie ich Dir ſchon gejagt, vermag ich's nimmer. 


(Jordan, dem Gunzelin folgt, tritt hinter dem Felfen hervor und nähert ſich beiden.) 


Dritter Alt. Dritte Scene. ? 75 


Barbaroſſa. Heinrich, willft Du den alten Rachegeift, 
Der unjre Väter jchied, heraufbeſchwören 
Und einen Krieg im Baterland entzünden, 
Der Taujenden mit Dir Verderben bringt ? 
Du weißt, ich jtrafe jede Unbill jtrenge, 
(Auf jeine Krone zeigend.) 
Die diefer Krone irgend widerfährt, 
Drum denke an die Folgen diejes Schritteg, 
Ch” Du ihn thuſt! Bei Gott, ich Ipreche wahr, 
Du oder ich, e8 müßte einer fallen! 
Heinrich d. 2. Gerſchloſſen. Sch habe weiter nichts Dir zu er- 
erwidern. 
(Er ſchickt ſich zum Weggehen an. Seine Mannen mit dem entfalteten ſächſiſchen 
Banner werden auf der Anhöhe alle wieder ſichtbar. Otto von Wittelsbach und die 
Kaiſerin ſind auf das ſchmerzlichſte bewegt. Jordan von Blankenburg zeigt eine 
triumphierende, Gunzelin eine beſtürzte Miene.) 
Beatrix (su Otto von Wittelsbach. O ſeht, wie ev im frevlen Trotz 
beharrt! 
Otto von Wittelsbach. Laß Dich bewegen, Heinrich, bleib' bei 
ung — 
Hilf ung das alte, teure Reich erretten! 
(Heinrih d. L. macht eine abwehrende Bewegung mit der Hand.) 
Gunzelin (der ſich wie Jordan dem Herrn genähert). Herr, denkt, daß Ihr 
des Kaiſers Lehnsmann jeid ! 
Heinrich d. 2, (chweigt). 
Barbaroſſa. So mwillit Du Dich von Deinem Kaifer wenden 
Und ihn verlafjen in der höchſten Not? 
(Sich in die Kniee ftürzend.) 
Zu Deinen Füßen fleht er Dich um Hilfe! 
Heinrich d. 2. (bemüht, ihn aufzuheben. Erhebt Euch, Herr, und 
part Euch die Ernied’rung. 
Bentriv. Steh’ auf, doch bleibe Deines Falls gedenf, 
Wie Gott auch diefes Tags gedenken wird. 
(Der Kaiſer hat fi währenddem raſch erhoben.) 
Jordan von Blankenburg (ver diät zu Heinrich d. 2. getreten. Die 
Krone lag bereit3 zu Euren Füßen, 
Bald wird fie über Eurem Haupte jtehn. 
Dtto von Wittelsbach. Bald wächſt fie über ihn im Kampf 
empor! 


76 Heinrich der Löwe. 
Heintih d. 2. Hie Welt, hie Waiblingen! Gott wird’3 ent- 
ſcheiden. 
Geinrich d. L. entfernt ſich eilig, von Jordan und Gunzelin gefolgt. Sein Gefolge 
auf der Anhöhe verſchwindet ebenfalls.) 
Otto von Wittelsbach ihm nachrufend). Von heut’ an find ge- 
ſchieden unſre Wege! 
Beatrix (Barbarofja in die Arme ſich werfend. Sei guten Muts! 
(Auf das reiſige Gefolge weiſend, das ſich herandrängt.) 
Dein Volk ſteht feſt zu Dir 
In Kampf und Not! 
Die kaiſerlichen Mannen. Wir halten treu zum Kaiſer! 
Barbaroſſa. Weh' ihm, für ſeinen Treubruch ſoll er büßen! 
Wie ich vor Mailands Fall dereinſt gethan, 
So nehm' ich jetzt die Krone mir vom Haupt, 
Und bei dem Ruhm der Kaiſer, den ich erbte, 
Gelob' ich, ſie nicht wieder aufzuſetzen, 
Bis nicht im Staube liegt der Reichsverräter 
Und er gebüßt hat ſeine ſchwere Schuld. 
(Indem er fi die Krone abnimmt, entblößen alle das Haupt.) 
(Der Vorhang fällt.) 


Ende des dritten Aktes. 


Dierter Akt. 


Erſte Scene. 


(Vor den von Pinien und Cypreſſen beſchatteten Mauern von Pavia. Die Zinnen ſind 

dicht vom Volt beſetzt. Vor dem Thor, das von Bewaffneten bewacht iſt, begegnen 

fih Erzbifhof Chriftian von Mainz und Pfalzggraf Konrad, Erſterer trägt über 

dem Panzer ein hyazinthblaues Bijhofsgewand und einen goldnen Helm auf dem 
Haupte, in der Hand eine Streitart.) 


Ghrijtian von Mainz. Da jeid Jhr endlich, edler Pfalzgraf, 
wieder. 
Pjalzgraf Konrad Ghm die Hand reichend). ch Hatte ein Gejchäft 
jenjeit3 der Alpen, 
Doch jorg’ ich, aller Eile ungeachtet, 
Komm’ ich zu jpät. 
Ghriftian von Mainz. Das ijt auch mein Befürchten. 
Als Friedrich Bote mir die Meldung brachte 
Vom unerhörten Abfall Herzog Heinrichs, 
Gab ich den Angriff auf Bologna auf 
Und im Gewaltmarjch eilt’ ih nah Pavia, 
Wo ich die Kaijerin allein noch fand. 
Pfalzgraf Konrad. Ich jelbjt empfing die Nachricht hier am 
Thore. 
Doch ſeht, der Andrang auf der Zinne wächſt 
Und alle deuten hin nach Einer Richtung, 
Als ſähen ſie von dorther Streiter nahn. 


(Die Kaiſerin Beatrix, in tiefe Trauer gekleidet, tritt, umgeben von ihren Frauen, 
aus dem Stadtthor. Die Erregung auf der Zinne wächſt.) 


78 Heinrich der Löwe. 


Beatrix. Wer hat die Stadt verjegt in jolchen Taumel 
Und was gejchah, daß uns das Volk verrät 
Sein wahres Herz? O, jprecht das Unheil aus, 
Und wär’ es auch ein Leid, dag mich bewältigt! 
Pfalzgraf Konrad. Wir faifen’s nicht, ſteht's übel oder gut. 
Ghriftian von Mainz. Sch eile, fichre Kunde einzuziehn. 
Berjprengte jcheinen ſich von dort zu nahn. 
(Er enteilt dem Felde zu.) 
Beatrir. O Schwager, jäht Ihr in mein zages Herz! 
Fünf lange bange Tage harr’ ih ſchon 
Auf meines kaiſerlichen Herren Erfcheinen: 
Der Abend bricht herein, e8 kehrt der Morgen, 
Und ratlos jteh’ ich heute, jo wie gejtern. 
Pialzgraf Konrad. Ich fühl’ eg mit. Wie oft bat ich den 
Bruder, 
Sich auszujöhnen mit dem Stuhle Petri, 
Doch blieb er taub und glaubte nicht den Zeichen, 
Die zur Verwarnung ung der Himmel jandte. 
Drei Sonnen ſah man jüngft im Mittag jtehn; 
Die Erde drob erichraf bis in die Tiefen 
Und warf erbebend Burgen hin und Städte, 
Die fie mit allem Volk darin verjchlang. 
Beatrix. O hätte fie mich mit hinabgejchlungen! 
Ludwig von Thüringen (nos Hinter der Bühne. Pavia, o wie jehen 
wir Dich wieder! 
(Der Landgraf Ludwig von Thüringen, Dtto von Meißen, Bernhard von 
Anhalt, die Erzbijhöfe von Köln und Magdeburg, mit andern Fürften und 
mit Kriegsvolf vermijcht, allen voraus Chriftian von Mainz, treten auf. Das 
Volt auf der Zinne gerät in freudige Bewegung.) 
Wihmann von Magdeburg. Hier müßte Herzog Heinrichs 
Richtſtatt fein, 
Des Fürſten-Judas, der das Reich verraten! 
Bernhard von Anhalt. Die Naben müßten jeinen Zeib ver- 


ſpeiſen! 

Otto von Meißen. Aufs Rad mit ihm, der Strang iſt viel 
zu gut! 

Philipp von Köln. Das hat der Kaiſer nun von ſeiner Lang— 
mut! 


(Die Kaiſerin verhüllt ſich.) 


Vierter Akt. Erfte Scene. 79 


Chriſtian von Mainz. Still, Bruder, es durchbohrt ihr font 
das Herz! 
Pialzgraf Konrad. Ich jah den Schatten, den das Unglüc 
ward. 
Beatrir. So bin ich Witwe alfo, fein beraubt? 
Ghriftian von Mainz. DBerzweitelt nicht zu frühe jchon im 
Schmerz! 
Beatrir. Sorgt nicht um mich, nein, jtoßt in die Poſaune 
Den Wehruf um den herrlichiten der Helden 
Und richtet auf jein ewig Kriegermal! 
Ludwig von Thüringen. Schon waren wir im Anmonſch auf 
Pavia, 
(Auf Chriſtian von Mainz deutend.) 
Uns zu vereinen mit dem Erzbifchof, 
Um fo, verjtärkt durch unfern legten Rüdhalt, 
Dem jtarfen Bundesherr die Stirn zu bieten; 
Doch es gelang ung nimmermehr die Schwenfung ! 
Diht am Ticino trafen wir den Teind. 
Bon unjern Reitern mutig angefaßt, 
Mich jeine Vorhut ſpornſtreichs nach Legnano, 
Mo uns die Hauptmacht vor das Auge trat 
In ſtarker Stellung, doch vom Fluß umfangen, 
Der feinen Rüdzug fie erhoffen ließ. 
Wir drangen in den Kaijer, von dem Angriff 
Auf die zur Wehr Gezwung'nen abzujtehn, 
Doch hielt er Zaudern gegen feine Ehre 
Und er gebot die Schladht. Nunmehr verjuchten 
Auch die Zombarden enger fich zu jchließen ; 
Dann fielen wie Ein Mann fie auf die Kniee 
Und baten Gott um Sieg mit lauter Stimme; 
Alsdann erhoben fie die Kreuzesfahne 
Und gingen jelbjt ung an: Der Kampf begann. 
Wie ſich auf höchitem Kamm der jchnee’gen Alpen 
Zwei Stürme treffen, die aus Nord und Süd 
Anfahrend wachſen, da fie ſich noch mefjen, 
So beide Heere, die jih grimm umflammern. 
Nach langem Schwanfen blieben wir im Borteil 
Und einen Flügel brachten wir zum Weichen, 
Der, aufgelöft, auch bald zur Flucht fi) wandte. 
Jetzt kehrte Friedrich fich der Mitte zu. 


80 Heinrich der Löwe. 


Dort hielt, geſchart ums große Bundesbanner, 
Die Mannſchaft Mailands, zwar an Zahl gering, 
Doch durch den Eid geſtärkt, zu jterben eher, 

Als zu entfliehn, und, angejchloifen ihr, 

Das troß’ge Aufgebot von Brejcia. 

Sie zu durchbrechen jtürmten wir herzu, 

Boran der Kaijer, der in einem Zuge 

Befehligte und wie ein Krieger focht, 

Und bald jtand in der ringgentbrannten Schlacht 
Mann gegen Mann, das ganze Feld im Kampfe. 
Noch währte unentichieden das Getümmel, 

Da wurden wir des Fahnenwagens Metiter, 
Und ſchon begrüßten wir als Sieger uns, 

As Mailands todesmut’ge Jugendblüte, 

Des Schwurs gedenf, den legten Stoß verjuchte 
Und mehr und mehr die Oberhand gewann: 

Es Lichteten fich fichtbar unſre Reihen; 

Der Herzog Berthold, Euer Better, fiel 

Und jet auch ſank des Kaiſers Fahnenträger, 


(Die Kaiferin zudt zufammen.) 


Mit ihm das Banner; doch der Kaijer jelbit, 

Im Panzer und im Stahl der Rüftung glänzend, 
Stand noch voran im jtaub’gen Schlachtgewühle. 
Da drangen neue Scharen auf ihn ein, 

Sein Roß brach nieder, er entjchwand den Augen. — 


(Die Kaiferin hält ſich mühſam, von ihren Frauen geftügt, aufrecht.) 


Die Kunde ſeines Falls durchlief das Heer 
In Blißegeile, alle Ordnung wich 
Und einer riß den andern in die Ylucht. 
(Nach einer Paufe.) 
Erit am Ticino jfammelten wir uns. 
Beatrix (mahdem fie fih gefaßt). Und ward von meinem Herrn 
nichts mehr vernommen ? 
Ludwig von Thüringen, All unjer Suchen war nach ihm um— 
jonit, 
Er war verſchwunden. Erſt am vierten Tage, 
(Denn alfo lang durchitreiften wir das Feld,) 
Ward ung von Leuten, die der Gegend fundig, 
Des Rotbart3 Kreuz und Lanze zugebracht, 


Vierter Att, Erſte Scene. 81 


- Die hier ich halte, fie Euch darzureichen 

Zum Zeichen, wie das Irdiſche vergeht. 
(Er Hält die ihm dargebotenen beiden Rüſtungsſtücke der Kaijerin Hin, die fie ftumm 
erfaßt; ihre Frauen ſchluchzen ringsumher, wie auch einzelne Krieger. Auf der Zinne 
herrſcht wie unten tiefes Schweigen. Pauje. Barbarojja erjheint von der leeren 
andern Seite des Feldes mit Dtto von Wittelsbach, beide den Mantel um— 

gejhlagen, in unſcheinbarer Tracht.) 

Die Fürften, Bewafinete und Frauen. Der Kaiſer! 
Beatrix (die erft, da fie den Ruf gehört, zurüdtaumelt). Friedrich! 
Barbarofja. Teure, an mein Herz! 


(Beide eilen jih entgegen und halten jih lange jhweigend umarmt. Große Bewegung 
unter ben Anweſenden und aud unter ven auf der Zinne Verjammelten, doch bei diejen 
mehr im Sinne ſchmerzlicher Überrafhung.) 


Barbaroſſa. Herzu mein Freund, Otto von Wittelsbach! 
(Er führt den noh immer zurüditehenden Pfalzgrafen an der Hand herzu ) 
Reich’ ihm des Dankes Kuß, er war mein Retter. 
Beatrix (ihn an fi siehend). Gott Lohn’ es Euch, was Ihr an ihm 
gethan! 
Barbarojja. Doch nun lat uns dem Herrn die Kniee beugen, 
Der uns fo jchwer geprüft nach manchem Siege! 
(Ale fnieen nieder. Tiefes Schweigen herrſcht umher. Das Volk auf der Zinne lauſcht 
atemlos. Das Turmglödlein läutet. Ein Klofterbruder der Karthäufer erjcheint, 
aus dem Thor der Etadt getreten, und nähert fi langjam der Gruppe der Fürften, 
Der Klofterbruder (nahdem mit dem legten Klang fih wieder alle erhoben). 
Wo find’ ich wohl den Kaifer Friedrich? 
Otto von Wittelsbach. Hier. 
Der Kloſterbruder (einen Brief demütig überreichend). Dies ſchickt Euch 
Alexander, der in Demut 
Auf Petri Stuhl als Knecht der Knechte ſitzt. 
Barbaroſſa (achdem er gelejen. Gr bietet mir zum Frieden ſelbſt 
die Hand, 
Grwählt von den Lombarden zum Vermittler. 
(Freudige Bewegung unter den Fürften. Staunen unter dem Volf auf der Zinne, doch 
im Sinne des Schredä,) 
Wo weilt, der dies mir jchrieb ? 
(Der Klofterbruder legt die Hand an den Mund und macht eine in die Ferne weifende 
Handbemwegung,) 
Nun wohl, ich folge, 
Sobald ich Herzog Heinrich Acht verfündet 
Und Anſtalt traf, den Schuldigen zu jtrafen. 
Greifs Werke. II. 6 


83 Heinrich der Löwe. 


Die Fürften. Tod dem Verräter, Tod dem Feind des Reiches! 


(Indem fih alle, das Kaiferpaar voran, anſchicken, in die Stadt zu gehen, füllt ver 
Zwiſchenvorhang.) 


Zweite Scene. 


(Ein Kloſter mit Garten auf einer Inſel im adriatiſchen Meere, über 

deſſen Spiegel hin man eine bis nach Venedig reichende Ausſicht hat, deſſen Türme, 

ſowie der Dogenpalaſt, ſichtbar ſind. Aus der mit dem Kloſter zuſammenhängenden 

Kirche erſchallt ein Miſerere mit Orgelflang. Vor dem Eingang, dem Garten zu, erhebt 

fih ein Kruzifir. Vom Landungsplage her fommt, geführt von dem Klofterbruder, 

Barbaroffja mit Dtto von Wittelsbad, ihnen folgen Chriftian von Mainz 
und Philipp von Köln, zulegt ein paar Schiffer.) 


Barbaroſſa. Wie heißt dieg Eiland ? 
Der Klojterbruder, Belargoja, Herr. 


Barbaroſſa. Sch hörte nie noch feinen Namen nennen — 
Wie lang bejteht jchon der Konvent darauf? 
Der Klofterbruder. Mehr als vierhundert Jahre, Hört’ ich 
lagen. 
Barbaroſſa. So jah er Reiche blühen und zerfallen, 
Doch blieb er jelbit vom Wandel unberührt! 


(Ausblidend.) 
Wie jtill ruht das Aiyl, vom Meer umgürtet, 
Im Angeficht der langgezognen Küjte, 
In deren Duft Venedig fern fich hebt 
Mit feinen Türmen, die der Marfusdom 
So überragt, wie Irdiſches der Himmel. 
(Neuer Gejang.) 
Wie ladet diejer abgejchiedne Ort 
Die Seele doch zu finnender Betrachtung 
Der Unbeftändigfeit von Glüf und Macht! 
(Zum Kloſterbruder.) 
Wie viele Brüder zählt das Kloſter wohl? 
(Der Klofterbruder legt die Hand an den Mund.) 
Otto von Wittelsbach. Darüber ift ihm Schweigen auferlegt. 
Barbaroſſa. Es jtimmt zum Ernſt, der alles hier durchdringt. 
Gebet und Arbeit füllt die kurze Spanne, 
Die fie vom Grab noch trennt, das felbit fie ſchaufeln, 
Denn ihre Hoffnung ift das Himmelreich. 


Vierter Akt. Zweite Scene. 83 


Geh, Bruder, hin und meld’ mich Deinem Obern, 

Bon dem ich mehr wohl höre, ala Du weißt. 
(Der Klofterbruder entfernt fih nad dem Klojter und zieht an der Glode bei der Pforte, 
aus der nad) einer Baufe ein Karthäuſermönch hervortritt, mit dem er ich demütig 

unterhält.) 
Laßt mich allein, indes ich ihn befrage. 
(Das Gefolge entfernt fich.) 

Wie fühl ich jeltfam mir die Bruſt bewegt 

In dieſem Augenblid, der ungemein 

Ernjt werden joll durch das, was auf ihn folgt, 

Nicht jelbjt durch jeinen Inhalt und die Frucht 

Arglojen Zwiegejprächs mit einem Büßer, 

Der wunjchlog von der Welt fich abgefehrt, 

(Der Kartyäujermönd naht fi.) 

Dagegen ich mit Flügeln nach ihr jtrebe. — 

Da ift er schon. Wie mild die ernjte Miene! 

Berklärter Friede leuchtet aus den Zügen, 

Der Zeugnis ſcheint des Siegs nach) langem Kampf. 

Doch auch wie groß zugleich ijt die Gebärde, 

Sa welche Majeſtät wirft Hier bewußtlos 

Und leiht der Demut doppelt hohen Sinn! 

So naht nur, der zu herrſchen iſt gewohnt, 

Doch nein, jo naht vielmehr ein Glaubensheld, 

Der fich zum Stand der Heiligkeit erichwungen. 
Der Karthäujer, Gelobt jei Jeſu Chriit! 


Barbaroſſa. In Ewigkeit. 
Der Karthäuſer. Wen ſuchſt Du hier am gottgeweihten 
Orte? 


Barbaroſſa. Im Grunde bin ich an ihn ſelbſt gewieſen, 
Den ihren Vater nennt die Chriſtenheit; 
Doch deutet mir den Sinn, 
(den Brief ihm darreichend.) 
Ehrwürd'ger Vater, 
Da jenem Bruder Schweigen auferlegt. 
Der Karthänjer (ihm den Brief zurüdgebend). Erkennſt Du ihn als 
allgemeinen Bater, 
Der auf dem Stuhle der Apojtel fißt, 
Ob unmwert auch, doch nach dem Recht der Wahl? 
Barbaroſſa. ch thu’ es ohne Vorbehalt noch Zögern, 
Wofern aufrichtig er zum Frieden neigt. 
6* 


84 Heinrich der Löwe, 


Der Karthaujer. Wie jollte darnach nicht jein Herz auch 
dürjten ? 

Der Hirte lebt ja nur für feine Herde, 

Die er am beiten doch im Frieden lenft. 
Barbaroſſa. Wär’ dies jein Trachten, vieles jtände anders! 
Der Karthäuſer. Woraus erfennft Du, daß es nicht das 

feine? 
Barbarofja. Mir ijt es fund, da ich fein Handeln kenne. 
Der Karthäuſer. Doch kennſt Du auch den Antrieb, a ihn 

leitet? 
Barbarsjia. Es hat der Kirche gnadenreicher Stifter 

Gelehrt, jein Neich jei nicht von diefer Welt, 

Und doch befaßt fie fich mit ird’schen Dingen! 

Der Karthäuſer. Wie fünnte gänzlich fie darauf verzichten, 

Da in jo wilden Wirbeln treibt ihr Schiff? 

Barbaroſſa. Sie zu behüten, ift der Schußherr da. 

Die Macht, die eingejegt, das Schwert zu führen, 

Regiert durch Gott und ijt nicht unterthan 

Der andern Macht, jo die Gewiſſen bindet. 

Der Karthäuſer. Nicht untertdan, doch auch nicht ihr ent» 
gegen! 

In Seiner Weisheit wollte Gott es jo, 

Daß zwei Gebieter jeien diejer Welt, 

Die fich verbinden, nicht befämpfen jollen. 

Wo diefe Mächte uneins unter fich, 

Da ift die Zeit erfüllt mit Haß und Aufruhr, 

Da droht Verderbnis und Verfall der Sitten, 

Und jtatt der Liebe herrſcht die Zwietracht nur. 
Barbaroſſa. Wer fennt die Früchte nicht verfallner Zucht? 

Drum Sollten einig die Gewalten handeln, 

Statt daß die Schwerter ineinanderfahren. 

Der Karthäuſer. Auf ihrer Eintracht ruht das Heil der 
Bölker, 

Das irdiſche und ewige zugleich ; 

Nur, wenn fie ſich ergänzen gegenjeitig, 

Kann Gottes Reich Hienieden fich im Abbild 

Berwirklichen, wie es der Herr verhieß. 

Barbaroſſa. Dies iſt das Ziel, drauf hinzufteuern wäre, 

Allein im Sturm gewahrt es feiner mehr! 


Vierter Alt. Zweite Scene. 85 


Der Karthäuſer. So trachten wir zu ſchärfen unfern Blick! 
Die Not lehrt, die zunächſt ung ftehn, erkennen. 
Und jtünd’ es nicht den Chriften bejjer an, 
Statt zu zerfleifchen fich in Bruderfämpfen, 
Sich Fromm zu ſcharen um die Kreuzesfahne 
Und jenen Boden, drauf der Herr gewandelt, 
. Und den er mit jo teurem Blut erfauft, 
Zu retten aus den Händen der Ungläub’gen, 
Bor dem Erobrertritte Saladins? 
O wollte Gott erleuchten Friedrichs Seele 
Und ihn entflammen zu jo hoher That, — 
Den Dank der tieferichrodfnen Chriſtenheit, 
Die ew’ge Krone würd’ er ſich verdienen! 
Barbarojja. Dies iſt der Weg, um allen Zwijt zu löfen, 
Und wohl geziemte jolcher Wunjch dem Hirten. 
Erwedte Gott doch bald den rechten Mann, 
Den Sinn, der ihm verhärtet, zu befehren ! 
Der Karthäuſer. Wenn er's bedürftig, wird es wohl ge- 
Ichehn. 
Doch glaube mir, er hegt den Wunjch jchon jelbit. 
Nur jchwer entſchloß er fich zu bannen ihn, 
Durch deſſen Arm er hoffte Heil zu jtiften. 
Barbaroſſa. Nicht in den Bann nur that er feinen Gegner, 
Er jegnete auch jeiner Feinde Waffen. 
Der Karthäujer. Er that’, die Kirche, Chrifti Braut, zu 
ſchirmen. 
Und ließ der Kaiſer ihm nicht drohend melden: 
Vergebens würden ſeine Boten nahn, 
Es müßte denn ein Engel mit erſcheinen, 
Der ſeine Macht erweiſe? Sieh', er kam, 
Der heil'ge Petrus, der auf weißem Roſſe 
Voran den kämpfenden Lombarden zog! 
Barbaroſſa. Nicht der Lombarden Volk nur rief er auf, 
Die Griechen ſprach er an, wie die Normannen! 
Der Karthänjer. Daß ihm von Manuel ward Schuß geboten, 
Als flüchtig er von Land zu Land geirrt, 
Diez trug jih wahrhaft zu, wie offenkundig. 
Doc als der Grieche lijtig weiter ging 
Und für die Hülfe, die er bieten ließ, 


86 Heinrid) der Löwe. 


Als Preis zulegt die röm'ſche Krone anjprad), 
Die Gott dem Volk der Deutſchen zugeteilt — 
(Mit erregter Stimme.) 

Ward ihm gedankt für feine Willigfeit. 

Barbaroſſa. Ob dies auch wahr, bleibt den Beweis Ihr 
ſchuldig. 
(Im Licht der untergehenden Sonne zeigt ſich ein reich bewimpeltes Schiff, das von 
Venedig her anfährt.) 
Der Karthäuſer. Vor Abend liegt er noch in Deiner Hand. 
(Nach dem Meere deutend.) 

Sieh’ die Galeere dort, jie trägt den Dogen, 

Der zwifchen beiden die Verhandlung führte. 

Er fündet der Lombarden Friedenswunſch 

Und bringt zugleich den Antrag der Normannen, 

Neapels und Siciliens fünft’ge Erbin, 

Conſtanza, Friedrich Sohne zu vermählen ; 

(Lädelnd.) 

Die Hand im Wundmal wird auch Thomas glauben. 
Barbarofja. Er glaubt, und er begrüßt die Friedenspalme! 
Der Karthäufer (vie Arme ausftredend), Mas zögert er, zählt er 


zur Herde fich, 
Den Hirten zu erfennen, der fie leitet ? 
Barbarofja. Ich bin bereit dazu mit ganzer Seele. 
(Er fniet nieder.) 
Der Karthäuſer. Kraft meines Amts, zu binden ur zu 
löſen, 
Nehm' ich den Bann von Dir und führe Dich 
Zurück in die Gemeinſchaft unſrer Mutter. 
In dieſem Kuß beſiegl' ich ihren Frieden, 
Der bald der Welt ſoll werden offenbar. 
(Der Karthäuſer küßt Barbaroſſa.) 

Barbaroſſa. Wenn mir des reichen Gottes Gnade gönnt, 
Daß ich den Reichsfeind Herzog Heinrich ſtürze, 
Gelob' ich, eh' drei Jahre noch vergangen, 

Das Kreuz zu nehmen aus des Papſtes Hand. 

Der Karthäuſer. Du wirſt vollbringen, was Du angelobt. 

(Er ſegnet ihn mit dem Zeichen des Kreuzes und entfernt ſich an dem Kreuze vorbei, 

vor dem er das Knie gebogen, nach dem Kloſter, dabei er dem zurückeilenden Gefolge 


begegnet, das bei ſeinem Anblick auf einen Wink Chriſtians von Mainz ſich auf die 
Kniee wirft. Otto von Wittelsbach eilt voran zum Kaiſer.) 


Vierter Akt. Dritte Scene. 87 


Barbarojja (in das Meer Hinausstidend). Die Sonne ſinkt gleich einem 
Meteore — 
So geht auch mancher Herrichertraum zu Grab. 
(Den Pfalzgrafen erblidend.) 
Wo ijt der Mönch, der eben mich gejegnet ? 
Koch eh’ ich ihm gedankt, verließ er mich. — 
Wie, wach’ ich oder hab’ ich nur geträumt 
Und war jein Bild nur tröftliche Erjcheinung ? 
Dort liegen fie verehrend auf den Knieen, 
Wie Hingejtredt vom Glanze einer Blendung; 
Biſchöfe beugen fich dem jchlichten Prieiter ! 
Chriſtian von Mainz (nahdem er ſich erhoben und genaht). Der Euch 
gejegnet hat, war Alerander. 
(Aus der Klojterfiche wird ein Tedeum hörbar.) 
Barbaroſſa. Herr Gott, Dich loben wir! Es jteigt mein 
Dant 
Zugleich auch mit dem ihrigen empor: 
Mög’ ihm, der dort der Völker Schickſal lenkt, 
Gefallen, daß er uns Erhörung jchenft ! 
(Zum Gefolge gewendet.) 
Die Stunde naht, die uns den Frieden bringt 
Und uns die Rückkehr gönnt ins Vaterland. 
Bald richten wir die Heerfahrt gegen ihn, 
Der dort an unjern Untergang ſchon glaubt, 
Doch fühlen joll, was unſre Macht vermag. 
Empfinden wird fein taumelnd Haupt die Stärke, 
Die Gott der Herr in unfre Hand gelegt! 
(Indem er, von den Fürften gefolgt, nad dem Strande jchreitet und während des 
Tedeums in der Kirche, fällt ver Zwiſchenvorhang.) 


Dritte Scene. 


(Im Schloß zu Lüneburg, eine Halle. Heinrich d. L., gefolgt von Gunzelin 
von Schwerin, Jordan von Blanfenburg und anderen Vajallen, tritt auf. 
Das ſächſiſche Herzogsbanner wird vorgetragen.) 


Heinrih d. 2. Dahergetragen von der Rache Flügel 
Vom Strand der See durchs offne Heideland, 
Hat vor Demmin fich unfer Zorn entladen, 
Gleich bligendem Gewitter niederprafjelnd 
Auf Burg und Stadt, die in der Dächer Rauch 


88 Heinrich der Löwe. 


Sich jelbit aufs fünd’ge Haupt gejtreut die Ajche 
Für ihr vermeßnes Spiel mit unſrer Macht. 
So wird e3 allen gehn, die wider ung! 


(Bereinzelter Beifall unter den Bafallen.) 


Doch jed’ Erwarten übertrifft die Runde, 
Die mich beim Eintritt traf in Lüneburg: 
Albrecht der Bär, mein alter Nebenbuhler, 
Er jtarb zu Ballenjtedt vergangne Nacht. 
(Bewegung unter den Vajallen.) 
Ein großer Stein ijt aus dem Weg mir fort, 
Denn beide Söhne, wären fie daheim 
Und nicht getrennt durch viele hundert Meilen 
Vom Boden, den der alte Held erftritt, 
Sch blief fie in die Luft mit meinem Atem, 
Wie auch ihr Recht dazu! 
(Ans Schwert jchlagend.) 
Dies iſt der Stab, 
Mit dem ich künftig mein Befigtum meſſe; 
Denn alſo ſteht's mit mir und Kaiſer Friedrich: 
Entweder währt ihm die Bedrängnis weiter 
Dort in der Ferne, dann vollend’ ich hier 
Den Bau der Nacht, den ich Jhon aufgerichtet, 
Und mwerfe, die im Weg mir jtehen, nieder, 
Hernach, ihn wohlgerüjtet zu empfangen 
Am Tag der Heimkehr, — oder geht er unter, 
Der Übermacht erliegend der Lombarden, 
Dann jteht mir auf dem Haupt der Krone Zirkel, 
(Zu Sordan von Blanfenburg.) 
Wie Jhr mir prophezeit in jener Stunde. 
(Bereinzelter Beifall unter den Vaſallen) 
Gunzelin. Mit Bangen dent’ ich, Herr, daran zurüd. 
Gott gebe, daß mein Traum fich nicht erfülle, 
Der in vergangner Nacht mich Hier befallen: 
Ich ſtand beim Licht der aufgegangnen Sonne, 
Dort abendwärts, dem Zeltberg gegenüber, 
Und Feld jamt Wiefe, die den Hang bededen, 
Berbarg der Glanz des aufgeitellten Heeres, 
Bor dem, aufs Schwert gejtüßt, der Rotbart hielt, 
Mit ſcharfem Bli die Scharen vor ji) mujternd. 


Vierter Alt, Dritte Scene. 89 


Jordan von Blanfenburg. Wie jtark jedoch diefelben, das ver- 
gaßt Ihr! 
Heinrih d. 2. Kommt Friedrich je, dem Hoch entgangen, 
beim, 
So findet er gewachlen meinen Arm, 
Und heiß wohl wird mein Ningen mit ihm werden! 
Jordan von Blankenburg. Den Enfel Kaijer Xothars 
frönt der Sieg. 
Bald wird das Reich ala Netter ihn begrüßen! 
Stimmen einzelner Bajallen. Bald wird das Reich als Netter 
ihn begrüßen! 
Heinrich d. 2. Sch treite nicht nur für mein Heil allein, 
Die Freiheit aller ift’s, die ich verfechte, 
Denn Barbarofia will die Welt beherrichen, 
Und meine ijt der Kön’ge Sache drum. 
(Beifall wie vorhin. Bernhard von Rageburg und Adolf von Holitein 
treten von entgegengejester Seite auf.) 
Seht an, da kommen meine Abgejfandten 
Bon England und zugleich von Dänemark! 
(Zu Bernhard von Rageburg.) 
Was habt Ihr im Weſtminſter ausgerichtet 
Am Hofe meines königlichen Schwiegers ? 
Bernhard von Ratzeburg. Troß jeines guten Willens komm' 
— 
(Ausrufe der Enttäuſchung unter den Vaſallen.) — 
Bewegt vernahm er Euren Ruf um Hilfe 
Und er mißbilligte auch überaus 
Des Kaiſers Vorgehn, das zum Kampf Euch zwinge; 
„Doch wie,“ ſo ſprach er, „ſoll die Stirn' ich bieten 
Dem Haupt der Welt? Traun, wollt' ich auch es 
wagen, 
Ich gäb' nur meinen eigenen Vaſallen 
Das Beiſpiel zur Erhebung wider mich, 
Und fern ſei es von mir, daß ich dies thue! — 
So muß ich ſeiner Kraft ihn überlaſſen.“ 
Heinrich d. L. Wer alſo zagt, taugt nicht zum Bunds— 
genoſſen; 
Drum beſſer, daß wir ihn bei Zeit erkannt! 
(Zu Adolf von Holftein.) 
Doh König Waldemar, was jhiet er mir? 


90 Heinrich der Löwe. 


Adolf von Holſtein. Ich traf ihn vor den Mauern von 
Sulin 
Und ihm zur Seite jtand der BPommernherzog. 
Er hörte meine Botjchaft aufmerffam, 
Doch, war jchon ſeine Miene unbeweglich, 
Eh’ ich begann, jo ward fie jtarrer noch, 
Als, was mir zu entbieten, ich verfündet, 
Und feine Antwort flang jo falt als jtolz. 
Heinrich d. L. (ür fi). Ganz, wie es Friedrich mir voraus— 
gejagt! 
(Zaut.) 
Auf Dank zu rechnen iſt ein thöricht Ding; 
Doch jener dort, er jehe wohl fich vor, 
Sonit fühlt er, wer ich bin. Red’ ich die Hand, 
Sp brechen jengend ein durch alle Inſeln 
Die Wenden, die ich zähmte, in jein Reich, 
Und ihrem Raub entgeht fein Hof auf Seeland! 
Jordan von Blanfenburg. Cr hätte wohl die ea ver⸗ 
ient! 
(Adolf von Holſtein und Bernhard von Ratzeburg reden heimlich miteinander.) 
Gunzelin. Herr, thut das nicht, es würde Euch gereuen! 
Bedenkt, was Ihr gelobt vor manchem Jahr, 
Als Ihr, beraubt des väterlichen Erbes, 
(Mit einem Blick auf Jordan.) 


Nur wen’ge noch zu Euren Treuen zähltet! 
Damals, in höchſter Not, verſpracht Ihr Gott, 
Daß, wenn Ihr Eures Erbes würdet froh, 
Ihr immerdar ſein Streiter wolltet ſein. 
Drum hütet Euch, zu brechen mit Euch ſelbſt 
Und frevelnd zu verkehren Eure Bahn! 
Denkt, von dem Gipfel geht es raſch zur Tiefe. 
Heinrich d. L. Kann, der die Schleußen öffnet, nicht ſie 
ſchließen? 
Ich hoffe zu erhalten meine Schöpfung 
Und zu erfüllen, was ich Gott gelobt. 
Gunzelin. Zu warnen, nicht zu ſchmeicheln, ziemt dem Dienſt— 
mann. 
Bin ich ein Thor, ſo folgt dem Rat des Klügern! 


Vierter Alt. Dritte Scene. 91 


Heinrih d. 2. ch folge meiner Stimme in der Bruft. — 
(Eilbert von Wölpe tritt eilig auf, ihm folgen Mechtilde und beide Söhne,) 
Was hat zu Goslar Neues ſich begeben ? 
Gilbert von Wölpe. Herr, was ich mit Beftürzung nur ver— 
melde: 
Wir jchufen rüftig an der Veſte Bau, 
Die von des filberreichen Harzes Rüden 
Hindräuen jollte zur halsſtarr'gen Stadt, 
Als plöglich wir, troß ausgejtellter Wachen, 
Bon Streiterhaufen una umzingelt ſah'n, 
Und, eh’ die Burg zu ſchließen wir vermocht, 
Stand lichterloh ſchon ihr Gebälk in Flammen. 
Wir jelbjt entrannen nur zum Teil dem Schwert. 
Heinrih d. 2, Die That ijt faum den Bürgern zuzutrauen! 
Gilbert von Wölpe. Sie haben ſie verübt, entflammt zum 
Kampfe 
Durch ihren neuen Vogt, der Ekbert heißt. 
Heinrich d. L. Iſt der es, der einſt treulos ward an mir, 
Und den mein Ohm in ſeinen Dienſt genommen? 
Eilbert von Wölpe. Er und kein andrer; auch wer ihn be— 
ſtallte, 
Vernahm ich wohl, es iſt der Kaiſer ſelbſt. 
Heinrich d. L. So haben wir den Krieg. 
(Große Bewegung. Mechtilde tritt zu ihm mit ven Söhnen.) 
Merhtilde. Dies war auch mein Gedanfe alljogleich ! 
Gilbert von Wölpe. Nach allem halt’ ich dag Gerücht für 
wahr, 
Es ſei die Acht ſchon über Euch verhangen. 
Mechtilde. O Gott, laß nicht den Kelch jo bitter werden! 
Heinrich d. 2. Die Acht ift nur ein Hauch aus Friedrichs 
Munde! 
Die Wetterwolfe, die fich hat geballt, 
Auf feiner Stirne droht vorerjt fie bloß, 
Doch würde fih der Sturm auch nach mir wenden: 
Den Donnerfeil, der mich zerichmettern Toll, 
Entwind’ ich ihm und treff’ ihn jelbjt damit! 
Es gilt, den eriten Drang nur zu beitehn. 


(Mit gemäßigter Stimme.) 


92 Heinrich der Löwe. 


Sch bin bereit auf alles, was da komme, 
. Und Hoffe, auch die Meinen werden's jein. 
(Zu Jordan.) 
Sucht Waldemar in feinem Lager auf 
Und ftrebt, nach Bardewid ihn mitzubringen. 
Weicht er Euch aus und weigert er fich deſſen, 
So eilt zu Niflot in das Land der Wenden 
Und ruft ihn auf in jeines Schirmherrn Namen! 
(Zu Gunzelin.) 
Sch halte mich des alten Worts entbunden. 
Jordan von Blanfenburg. Was hr befohlen, werd’ ich flugs 
verrichten. 
(Er enteilt.) 
Heinrih d. 2. Graf von der Lippe ſichert Hadersleben 
Bor feinen Nachbarn, die ich lüſtern weiß! 
Euch, Wölpe, übergeb’ ich Lübecks Hut, 
Du doch dem Dänen ferner nicht zu traun: 
Sch werde jede Anjtalt überwachen. 
Graf Rageburg, Euch bind’ ich auf die Ceele 
Den Schuß von Lüneburg ſamt dem der Meinen: 
Sobald ich mit dem Könige verhandelt, 
Kehr' ich zurück und ordne an das Meitre. 
(Das ſächſiſche Banner erfafjend.) 
Wohlan, dag Schickſal ruft ung in das Teld. 
Sm Drang der Not erweijt ſich erſt der. Held! 
(Auf des Herzogd Wink entfernen fid) die Vajallen.) 
Mechtilde. Kam Dir von meinem Bater fein Erbieten ? 
Sch jchrieb ihm ſelbſt und legte ihm ana Herz 
In fnieender Beſchwörung Deine Lage. 
Heintih d. 2. Er Hat fich ſchon erklärt, doch ftill davon! 
Mechtilde (nachdem fie ſich gefaßt). Ich hoffte, daß er mir den Schmerz 
eripare. 
Heinrich d. 2, (fie umfangend). Gräm’ nicht Dich drüber! Alles 
wird noch gut. 
Mein Land ijt groß, und treu find, die mir dienen. 
Behaupt’ ich mich, jo wächſt mein Anhang bald, 
Und ihn auch find’ ich dann in meinem Lager. 
Borläufig bleibjt Du mit den Kindern hier. 
Sei wachſam, doch nicht nur nad außen Hin: 
Das Unglück ijt die Wiege des Verrats. 


Vierter Akt. Dritte Scene. 93 


Mechtilde. DBertrau’ auf mich, ich halt’ Div Lüneburg! 
Der junge Heinrich. Daß ich des Namens wert, will ich be- 
weifen! 
Mechtilde. Wenn Hartes Dir bevorjteht, wie ich fürchte, 
So denfe nicht daran, mir zu eriparen, 
Was Dir bejchieden iſt: wie einjt dag Glüd, 
Will ich bereit daS Unglück mit Dir teilen. 
Heinrich d. 2. (ihre Sand erfaſſend). Mechtilde, Dank für diejen 
Herzenstroſt! 
Ob ihn der Sieg, ob ihn der Ruhm verläßt, 
In Deinen Augen bleibt der Mann beſtehn. 
Verlieren kann er alles, Land und Gut, 
Nur Deine Liebe nicht. 
(Sie umſchlingend.) 
So bleibt er reich! 
Mechtilde. Ein Stern kann fallen eh'r vom Firmament, 
Als Du aus der Verehrung Höhen mir. 
Leb' wohl und kehre bald! 
Heinrich d. L. (fie alte umfafjend). Lebt wohl! Lebt wohl! 
(Zu ihr zurüdeilend.) 
Und nochmals, gieb Dich nicht dem Kummer Hin! 
Du trägſt am Herzen mir ein teures Pfand, 
Und Schlimm’res fünnte nimmer treffen mich, 
Als Dein beraubt zu werden, Dein, Mtechtilde ! 
So viel ih auch nach Gut und Macht geitrebt, 
Dein Herz, e8 wiegt mir jede Krone auf. 


(Indem er abgeht, fällt der Borhang.) 


Ende des vierfen Aktes. 


Sünfter Akt. 


Erſte Greene. 


(Vor den Mauern von Lüneburg. Ringsum Heide. Es beginnt zu dunfeln. 

Wichmann von Magdeburg, Ludwig von Thüringen, Dtto von Meißen 

und Bernhard von Anhalt ftehen in einer Gruppe beifammen; unfern davon 

hält Philipp von Köln mit einigen Landleuten, die er eben ausforjcht, Hinter 
ihm ein Hornbläjer.) 


Ludwig von Thüringen. Was jtehn twir hier und zielen mit 
den Augen 
Nach Lüneburgs getürmter Veſte Hin, 
Als wären Wurfgeſchoſſe unjre Blicke 
Und könnten Brejche ſchießen wir damit? 
Bernhard von Anhalt. Schafft nur Balliften her, das Weitre 
folgt! 
Wichmann von Magdeburg. Es wäre Wahnwiß, hier an 
Sturm zu denfen! 
Ludwig von Thüringen. Hat Euer Mut wohl mit dem Mond 
gewechjelt ? 
Wichmann von Magdeburg. Wer konnte ahnen jolchen Stand 
der Rüftung? 
Tortona, das wir gleichgemacht der Erde, 
Und Mailund felbit, dag Troja unfrer Zeit, 
Beſaß nicht jolche Türme. 
Die andern aufer Ludwig von Thüringen. Wahr, bei Gott! 
Wichmann von Magdeburg. Der Löwe hat fein Lager wohl 
verjichert; 
Er ruhte nicht, da wir in Welfchland waren. 


(Philipp von Köln tritt zu der Gruppe.) 


Fünfter Alt. Erfte Scene. 95 


Ludwig von Thüringen. So gebt uns an, wie wir die Stadt 
bezwingen! 
Bernhard von Anhalt. Durch Hunger, anders fommi man ihr 
nicht bei. 
Wihmann von Magdeburg. Da jtürben wir des Hungers wohl 
zuerit. 
Dtto von Meiken. Doch bleibt nichts übrig, wollen wir nicht 
abziehn, 
Als zu umjtellen raſch des Löwen Höhle. 
Bernhard von Anhalt Gpöttiis). Die Löwin, doch fein Löwe Liegt 
darin. 
Ludwig von Thüringen. Was nur ein Sporn für ung, den 
Streich zu wagen, 
Bevor er zum Entjaß der Veſte naht! 
Philipp von Köln. Mit dem Entjat hat es wohl gute Wege, 
Denn Hört, der Löwe, ſchnell erlahmt im Troß, 
Hat überjchritten vor'ge Nacht die Elbe 
(Bemwegung.) 
Und fich nach Stade in die Burg geworfen, 
Nachdem jein Heer ſich mutlos aufgelöft, 
Bevor e3 einen Feindesſchild erblicte. 
Mas er auch that, fein Volk an ſich zu halten, 
Es ſchmolz ihm wie ein Schneeball in der Hand. 


Bernhard von Anhalt. Und diejen Kater nennt man einen 
Löwen! 
(Gelädter.) 
Ludwig von Thüringen. Wo habt hr diefe neue Kunde 
her ? 
Philipp von Köln (auf die Sandleute veutend). Hier ſtehn die Zeugen — 
Folgt Ihr meinem Rat, 
So find wir noch vor Nacht in Lüneburg. 


Alle. Laßt ihn vernehmen! 


Philipp von Köln. Nun, ich rechne jo: 
Es ijt ein Weib, das hier uns widerjteht, 
Und wie ein Panzer, Ring an Ring gejchmiedet, 
Der einen Krieger ſchützt vor Hieb und Stich, 
Nichts nußt der Männin, die darein fich Eleidet, 
So dent ih auch, daß, troß des hohen Walles, 


96 Heinricd) der Löwe. 


Sie gern das Wort der Unterhandlung Hört, 

Und jo beruf’ ich fie denn auf die Zinne! | 
(Er giebt dem Hornbläjer ein Zeichen, der eine Fanfare bläft, die er nad) kurzer Paufe 
wiederholt. Die Herzogin Medtilde mit ihren zwei Söhnen erideint im Dunkel 

auf der Sinne.) 
Merhtilde. Anjtatt des Herzogs, der im Felde lagert, 

Steh’ ich zu hören da, was ihr begehrt. 

Philipp von Köln. Dem jcharfen Klang der jchmetternden 
Drommete 

Folgt ernite Botjchaft, macht Euch drauf bereit! 

Mechtilde. Ich bin’, wofern Ihr mich nicht kränken wollt 

Durch Höhnen auf das Unglüd meines Herrn. 

Philipp von Köln. hr jagtet beſſer, auf die Schuld des— 
ſelben! 
Mechtilde. Schmäht Ihr ſo weiter, zieh' ich mich zurück. 
Philipp von Köln. Ihr ſchätzt mit Recht die Stärke dieſer 
Mauern, 
Doch wenn des Adlers hoher Flug gelähmt, 
Was nützt unflügger Brut der ſteile Horſt? 


Mechtilde. Er nützt ihr wohl, da noch die Mutter lebt! 
Der junge Heinrich. Ihr ſchreckt uns nicht, wir ſind vom 


Welfenſtamme! 
Der kleine Otto. Ob klein auch noch, ſind wir doch keine 
Memmen! 
Bernhard von Anhalt. Was piepjt die Brut? 
Philipp von Köln. Sprecht nicht 


darein. — Hört denn! 

Der Herzog iſt entfloh'n. Beim Heil’gen Beit, 
Er 309g die Flucht entichloif'nem Kampfe vor, 
Bon ſeinem Volk verlafjen in der Not; 
Beiragt, wenn's Euch beliebt, die Leute da! 

(Er winft die Landleute heran.) 
In vor’ger Nacht fuhr er die Elbe über 
Ins Land der Holiten, dort fich zu erholen 
Bon feines Glüdes Schwindſucht. Ohne Schlacht 
Berichied fein Ruhm im Feld. Dies nehmt zur Lehre, 
Und ſucht ihn nicht an Trotz zu überbieten! 


Fünfter Akt, Erſte Scene. 97 


Mechtilde (nasdem fie Faftung gewonnen. Ob Ihr mir Wahrheit 
fündet oder nicht, 

Sch halte dieſe Veſte meinem Herrn, 

Wär's auch ihm nicht zum Wohlgefallen mehr, 

Wie einen Leuchter über jeiner Gruft, 

Und nichts von Übergabe will ich hören, 

Bis nicht verfiegt die Brunnen find hier innen 

Und aufgezehrt die leßte Rinde Brotes. 

(Medtilde verläßt mit ihren beiden Söhnen die Zinne. Pauje, während der man in 
der Ferne einen wiederholt aufzudenden Feuerjhein gewahrt. Bernhard von 
Ratzeburg erideint auf der Zinne.) 

Wihmann von Magdeburg. Da kommt, der eigentlich die 

Stadt behütet. 
Bernhard von Ratzeburg (mit gevämpfter Stimme). Gewährt mir, 
Fürſten, ein vertraut Gehör, 
Ich habe Wichtiges euch zu eröffnen; 
Doch erſt chiet dieje fremden Zeugen fort! 
(Die Landleute werden von dem Hornbläjer mweggeleitet, die Fürften nähern fich dem 
Graben.) 
Philipp von Köln. Fahrt fort, wir laufchen mit gejpanntem 
Ohr! 
Bernhard von Ratzeburg. Wenn ihr, kraft der euch über— 
tragnen Vollmacht, 
Mir das Gebiet von Lauenburg beſtätigt, 
Das Herzog Heinrich mit Gewalt mir nahm, 
So öffn' ich euch das Thor noch dieſe Stunde. 
Otto von Meißen. Sagt zu! 
Wichmann von Magdeburg und Ludwig von Thüringen. Verbürgt 


es ihm! 
Bernhard von Anhalt. Herab den Schlüſſel! 
Philipp von Köln. Was Ihr begehrt, verſprechen wir im 

Namen 


Des Kaiſers Euch. 

Bernhard von Ratzeburg. So führ' ich ſelbſt Euch ein. 
(Er verläßt die Zinne.) 
Philipp von Köln (ih die Sände reibend. Wir Haben Lüneburg 
Bernhard von Anhalt. und ohne Sturm! 
Ludwig von Thüringen. Ich Hole Mannjchaft — doch was 
giebt es dort? 

(Waffenlärm Hinter der Scene, der anwächſt; unterſchiedliche Hornzeichen werden gehört.) 

Greifs ®erfe.. LI. 


98 Heinrich der Löwe. 


Philipp von Köln. Es fommt vom Lager, Meuterei ijt los! 
Wihmanı von Magdeburg. Ein falſch Gerücht erregte das 


Getümmel! 

Dtto von Meißen. In wirrer Flucht drängt eine Schar 
heran! 

Bernhard von Anhalt. ES find von meinen Leuten auch 
darunter! 


(Er jtürzt ab. Bewaffnete brechen hervor.) 
Bewaffnete. Der Löwe naht! — Er hat uns überfallen! 


Philipp von Köln. Zum Banner! Jeder jammle jeine Leute 
Und führe fie geordnet ins Gefecht! 
(Die jähfiihen Fürften eilen mit gezüdten Schwertern ab, gefolgt von den Bewaff— 
neten; unter großem Getümmel leert fih die Bühne, auf der es mittlerweile völlig 
Naht geworden; der Waffenlärm und das Kampfgejhrei in der Ferne währt fort. 
Bernhard von Rageburg fehrt auf die Zinne zurüd.) 


Bernhard von Rabeburg (auein). Die Hölle, glaub’ ich, hat die 
Hand im Spiel 
Und will, daß doppelt ich meineidig werde; 
Doch giebt es feine Rückkehr mehr für mich. 
(Gunzelin tritt auf, mit Ludwig von Thüringen fedtend.) 
Gunzelin. Ergebt Euch, Herr, erhaltet Euch den Euren, 
Ihr jeid Thüringens Landgraf. 
Ludwig von Thüringen. Ja, der bin ich, 
Und Euch mich zu ergeben drum zu hoch! 
Gunzelin. Wir find im Krieg, da gilt der Helmjchmud nichts, 
Die Klinge alles! 
(Sie fechten weiter, der Landgraf wird entwaffnet. Bernhard von Ratzeburg verläßt 
wieder die Zinne.) 
Ludwig von Thüringen. hr beweijt’3 an mir 
Und bringt zu Ehren einen dunklen Namen. 
(Adolf von Holjtein führt Widmann von Magdeburg ala Gefangenen 
heran, Bewaffnete folgen. Der Lärm verſtummt allgemad.) 


Gunzelin. Da kommt Gejelichait für die Zeit der Haft. 


Ludwig von Thüringen (Bihmann erblickend). Ihr jeht mir's an, 
ich unterlag mit Ehren. 

Wihmann von Magdeburg. Der Übermacht erliegen bringt 
nit Schande. 


Fünfter Alt. Erjte Scene. 99 


Gunzelin (mas ver Zinn). Heda, rührt feine Seele ſich dort 
oben? 
Die Stille iſt verdächtig — Ratzeburg, 
Macht auf das Thor, Gefangne ſollen ein! 
(Die Fallbrücke geht nieder und das Thor wird von innen geöffnet.) 
Adolf von Holſtein (fürternd zu Wichmann). Beſchafft Ihr ein ge— 
hörig Löſegeld, 
So ſeid um Eure Freiheit unbeſorgt. 
(Sie reden untereinander, Bernhard von Ratzeburg tritt aus dem Thor, die 
Stadtſchlüſſel in der Hand.) 
Guuzelin. Wo ſteckt Ihr, Graf? Ihr hört den Kampf ent— 
brannt 
Und denkt nicht dran, im Rücken einzugreifen? 
Bernhard von Ratzeburg. Ich ordnete zum Ausfall meine 
Mannen. 
(Er nähert ſich Ludwig von Thüringen.) 
Gunzelin. Braucht das ſo lange? 
Bernhard von Ratzeburg. Hier im Nüden nützt' ich 
Den Unjern mehr, als mitten im Gemwühle. 
Gunzelin (su Adolf von Holftein. Wohin jo eilig mit dem Erz— 
biſchof? 
Adolf von Holſtein. Ich führe den Gefangnen in mein 
Zelt. 
Gunzelin. Doch wohl nicht, eh' der Herzog ihn erblickt? 
Adolf von Holſtein. Wer will es mir verbieten, wenn ich's 
thue? 
(Er zieht mit ſeinem Gefangenen und den Bewaffneten I 
Gunzelin. Ich in des Herzogs, unfres Lehnsheren, Namen, 
Dem alle Beute zufällt, auch die Eure. 
(Er eilt ihm nad.) 
Bernhard von Ratzeburg (su Ludwig von Thüringen. Bewahrt Ihr 
mein Berjprechen als Geheimnis, 
So fojtet Euch die Löſung nur Geduld. 
Ludwig von Thüringen (evenio). Verlaßt Euch drauf! 
Bernhard von Ratzeburg. Sobald er 
wieder abzieht, 
Liefr’ ich die Herzogin mitfamt der Stadt 
In Eure Hand; ich bin das Dienen jatt. 


100 Heinrid) der Löwe. 


Sein Sieg ijt einem Strahl nur gleich der Sonne 
Im Untergehn, dem rajch das Dunkel folgt. 

(Heinrid d. 2. tritt eilig auf, gefolgt von Gunzelin und Adolf von Hol— 
ftein, dem gefangenen Erzbiſchof und etliden Mannen. Bernhard von Rageburg 
geht ihm entgegen und reicht ihm fnieend die Stadtſchlüſſel dar.) 
Bernhard von Ratzeburg. Empfangt die Schlüfjel Eurer treuen 

Stadt! 
Heinrih d. 2. Was macht die Herzogin ? 


Bernhard von Ratzeburg. Nach jolchem Sieg 
Sit fie getrojt und harret ihrer Stunde. 


Heinrich d. 2. Sogleich begrüß’ ich ſie im Schloſſe ſelbſt — 
Es duntelt jtarf. Sind die Gefangnen dies? 
Gunzelin. Sie find es, Herr, der Biſchof und der Landgraf. 
(Fadeln werden aus der Stadt gebradt.) 
Heinrih d. 2. Ei ieh, die Treiber, die den Löwen jagten, 
Im Net gefangen, das fie ihm gejtellt! 
Sie glaubten leicht die wohlgefäll'ge Märe 
Bon meiner Flucht und hielten fampflos fich 
Für echte Sieger und Erobrer Sachſens, 
Indes wir ſchwangen das erhobne Banner! 
(Zu feinen Begleitern und Gunzelin,) 
Des Bären beide Söhne find entfommen 
Der Heide zu, wo fie der Kölner aufnahm, 
Doch morgen fegen wir die Hate fort 
Und machen ihren Vorſprung wieder wett! 
(Zu Bernhard von Rateburg.) 
Bringt fie in Haft dort in den roten Turm, 
Wo fie verbleiben, bis der Krieg zu Ende, 
Dann meldet meine Rüdfehr Frau Mechtilden! 
(Bernhard von Ratzeburg begiebt fi mit den beiden Gefangenen in die Stadt.) 


Heinrich d. 2. (su Adolf von Holftein.. Ich werde Euch den Kampf— 
preis wohl vermerken, 
Doch die Gefangnen jelbit und alle Beute 
Behielt ich mir, Ihr wißt's, von Anfang vor, 
Da unabjehbar, wie des Krieges Dauer, 
Auch die mir auferlegten Opfer find. 
Adolf von Holitein. Wie aber joll die meinen ich er- 
Ichiwingen, 


Fünfter Alt. Erſte Scene, 101 


Da mich die Grenzhut ſchon beinah’ verarmt, 
Denn nichts don allem habt Ihr mir eritattet, 
Seit mandhem Jahr mein Schuldner, jozujagen. 
Heinrich d. 2. cöitter. Des Herrn Bedrängnis macht den Diener 
keck. 
Gunzelin. Was Ihr da vorgebracht, iſt nicht die Wahrheit! 
Ich ſaß an dreißig Jahre zu Schwerin 
Und kenn' das Beutemachen an der Grenze: 
Nicht eingebüßt, gewonnen habt Ihr nur. 
Adolf von Holſtein. Ihr trügt, indes ich bloß, was wahr, 
bekenne. 
Gunzelin. Nur Selbſtſucht ſpricht aus Euch, ja mehr: Verrat. 
Herr, hütet Euch vor ihm, er ſinnt auf Abfall! 
Heinrich d. L. Graf, Euer Feilſchen laßt Ihr beſſer ſein, 
Ihr ſeid aus Pflicht mir dienſtbar, nicht um Lohn. 
Adolf von Holſtein. Wie Ihr dem Kaiſer auch, den Ihr 
verlaſſen. 
Heinrich d. L. Ihr höhnt mich gar! Fort aus den Augen 
mir! 
Gehorcht Ihr nicht, jo weiß ich Euch zu zwingen. 
Adolf von Holitein (im Abgehen, Haldlaut). Ich find’ den Ort, wo 
ih willfommmer bin! 
(Er eilt ab.) 
Gunzelin. Er darf mir nicht allein zurück ins Lager; 
Sonſt wiegelt er dort auf, die, wanfend jchon, 
Leicht auf die Stimme des Verführers hören, 
Und reizt fie durch jein Beiſpiel mit zum Abfall! 

{Er eilt ab, gefolgt von den Bewaffneten, die fi auf einen Wink Heinrichs d. X. ent- 
fernen; ebenjo ehren die Fadelträger in die Stadt zurüd. Der Mond beleuchtet die 
Scene.) 

Heinrich d. 2. (ihm nachrufend). Schickt nach mir her, wenn Ihr 

habt Hilfe nötig. 
(Allein.) 
E3 war fein voller Sieg, ich weiß es wohl! 
Der Mund Spricht anders, ala das Herz empfindet. 
Das Glück ijt übel gegen mich gelaunt. 
Daß Friedrich der Bedränger fich entled’ge, 
Die ihn umringt, und gar in folcher Eile, 
Bejorgt’ ich nicht, wie ich vor mir geitehe; . 
Denn ſpräch' ich's aus und nur durch eine Miene, 


7 


102 Heinrih der Löwe. 


Sich raubte mir den Eifer der Bereiten, 

Wie mehr noch derer, die mir ungern folgen. 

Bas er mir einwarf eben, daß ich jelbit 

Verlaſſen den, dem Treue ich gelobt, 

Und darum auch nicht darf auf Treue zählen, 

Iſt nimmer jein Gedanfe nur allein, 

Gar viele, wenn nicht alle, hegen ihn. 

So koſt' ich heute ſchon die Frucht der That! 

Beruht auf Treue jede Pflichterfüllung, 

Dann darf ich nur DBerräterei erwarten — 

Ich gab das Zeichen allen jelbjt dazu. 

Doch ſoll mich diefer Stand beirren nicht, 

Den Kampf, den ich erhoben, auszufechten, 

So unverzagt, als winfe mir der Sieg. 

Mars war der Stern, darunter ich geboren. 

Der Schild ward mir zur Wiege; auf der Bahn 

Des Kriegers jchreit’ ich vorwärts big zum Ende. 

(Sndem er die Stadt betritt, fällt ver Zwiſchenvorhang. Während der Verwandlung 

wird friegeriihe Muſik vernommen.) 


Zweite Scene. 


(Auf der Lüneburger Haide. Der Hintergrund der Landſchaft iſt durch herab— 
hängende Nebel und Wolken verſchloſſen. Es iſt Nacht mit Mondlicht. Jordan von 
Blankenburg tritt auf.) 


Jordan von Blankenburg. Wird nach der Botichaft abgeſchätzt 
der Bote, 
So muß ich einen eif’gen Willfomm fürchten 
In Lüneburg. 
(Er jest jih auf einen Feldjtein.) 
Wie fich die Saat entfaltet, 
Die mit ich streuen half, dag wird nun flar: 
Gritidt Hat Überkraft die reife Frucht 
Und brandig jtehn die aufgejchojj'nen Ahren, 
Die Hundertfältig Korn im Halm verjprachen : 
Statt reicher Ernte giebt eg arme Stoppeln. 
(Heinrid d. £. tritt auf mit Gunzelin von Schwerin und von Kriegern 
gefolgt. Jordan Hüllt ſich in den Vtantel.) 
Heinrih d. L. Der Flüchtling hat den Vorſprung wohl 
benußt, 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 108 


Wir holen ihn im Dunfel nimmer ein, 
Sp wollen wir den Morgen hier erwarten — 
Auch Euch ift Ruhe not, Freund Gunzelin. 


Gunzelin (fi die Augen reivend). Ein wenig Drang wohl hätt’ ich, 
einzuniden. 
(Für ſich.) 
Sch thu’ nur jo, als jänfen mir die Wimpern, 
Er Hat den Schlummer nötiger als ich. 


Heinrich d. 8, (worwärtstretend). Die Heide ijt betaut — ei jieh, 
der Truchjeß! 
(Sordan von Blanfenburg erhebt ji.) 
Was bringt Ihr mir von König Waldemar? 
Jordan von Blankenburg. Herr, feine Ausflucht bloß, die 
nadte Weigrung, 
So allen Schmuds der Höflichkeit entfleidet, 
Daß fie zu wiederholen ich mich jcheue. 
Doch mehr, er jeßte, jeinen Hohn zu frönen, 
Zu gleicher Zeit den Marſch auf Lübed ort, 
Um mit den Wenden, die Euch abgefallen, 
Sich zu bemächtigen der treuen Stadt. 


Heinrich d. 2. Auch diefes noch! — — 

Das Schikjal iſt verſchworen wider mich. 

Sch denke an das Wahrwort, Gunzelin, 

Das Yhr mir neulich ins Gedächtnis viefet, 

Als an die Wenden ich den Ruf bejchloß. 

Doch wie, wenn mir der Däne Lübed raubt, 

Das beſte Werkſtück meiner Fürjtenhand ? 

Erretten muß es Gott, jonjt führt ein andrer 

Dies aus mit Glüd, was ich zu büßen hätte, 

Und nimmer wohnt Vergeltung mehr auf Erden. 

(Sm Hintergrund dringt durch die Nebelwolfen der Schein von Feldfeuern.) 

Gunzelin. Herr, glaubt, jie lebt jo jicher, als die Sterne 

Dort oben leuchten über Eurem Haupt! 


Heinrich d. 2%. Was jtrahlen dort für Lichter her vom Hange, 
Der noch aus alter Zeit der Zeltberg heißt? 

Gunzelin. Es jind die Lagerfeuer Eurer Feinde, 
Die uns entfommen find aus Lüneburg. 


104 Heinrich der Löwe. 


Heinrih d. L. Ich dachte mir jo jtarf nicht ihre Zahl. 
Dorthin entfloh, der mir abtrünnig wurde, 
Doch ſoll er des Verrats nicht lang’ ſich freuen! 
(Zu Gunzelin.) 
Stellt unjre Wachen aus; jobald es tagt, 
Begeh’ ich fie: die Löſung lautet Lübeck. 
Sit dies geichehn, jo thut, was ich jetzt thue. 
(Er breitet jeinen Mantel aus und wirft den Panzer ab, ji Beihilfe verbittend, 
worauf er fi niederlegt. Gunzelin entfernt fich, nachdem er noch einen wehmütigen 
Blid auf feinen ruhenden Herrn geworfen. Auch Jordan und die übrigen Krieger 
lagern fi, getrennt von diejem, auf die Erde.) 
Heinrich d. 2. (nochmals das Haupt erhebend). Beraubt Euch nicht des 
Schlummers meinethalben ! 
(Er ſchläft ein.) 
Jordan von Blanfenburg Gals aufgeriötet), Wenn es Vergeltung 
giebt, wie er behauptet, 
So jicher als die Sterne droben leuchten, 
So jteht mir feine kleine Schuld vermerkt, 
Da ich den Hang der Herrichaft in ihm nährte 
Und jeinem Stolz geſchmeichelt mehr als alle. 
(Eilbert von ®ölpe tritt auf; es beginnt zu tagen.) 


Gilbert von Wölpe. Wo treff’ ich unjern lieben Herzog ? 


Jordan von Blankenburg (is erhebend). Hier, 
Doch jchlafend, wie Ihr jeht. 
Gilbert von Wölpe. Und wie voll Ruhe! — 


Dürft’ ich ihn ſchlummern laſſen, doch es drängt. 
Zordan von Blanfenburg. Lübeck erjtürmt? 


Gilbert von Wolpe. Noch nicht, doch 


nah’ daran. 
(Sunzelin fehrt zurüd.) 


Jordan von Blankenburg (su Sunzelin). Ein neuer Unglüdsrabe! 


Gunzelin (atstaut). Redet leijer, 
Sein Schlaf ijt leicht gejtürt. 
Gilbert von Wolpe. Läg’ e8 an mit, 


Sch weckt’ ihn nimmer, doch der Kaiſer harrt — 
Gunzelin und Jordan. Der Raifer? 
Gilbert von Wölpe. Ihr wißt nicht, daß er auf dem Zelt- 
berg lagert 
Mit allen Fürjten Euch im Angeficht? 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 105 


Sordan von Blanfenburg. Unmöglich! 
Gunzelin. Mär’ es ſchon an dent ? 
Eilbert von Wolpe. Juſt eben 
Aus jeinem Zelte komm’ des MWegs ich her, 
Dom Haupt des Reichs gewiejen an den Herzog, 
Sn deſſen Hand er legt das Schickſal Lübecks. 
Gunzelin. Das Ihr verließet mitten in der Not? 
Gilbert von Wölpe. Das ich verlafien, dort die Not zu 
enden, 
Den Stillitand nußend, den der Feind gewährt. 
Gunzelin. Wie wird ihm wehe fein auf Eure Kunde! 
Jordan von Blankenburg. Doch fann vielleicht ein Opfer mehr 
verhüten. 
- So weden wir ihn denn! 
Gunzelin. Halt ein! Wozu? 
Vergönnt ihm doch, die Sorgen zu vergejjen 
Sm Schlaf, der ihn, Ihr ſeht es, jo erquickt! 
Das neue Leid erfährt er bald genug. 
Steht auch weit jtärfre Macht uns gegenüber, 
So bringen wir doch feine größre auf, 
Und wie es fommen muß, jo wird es fommen. 
Gilbert von Wölpe. Nur allzuwahr! 
Ssordan von Blankenburg. Geſcheh' denn Euer Wille! 
Der Tag ijt nicht mehr fern, verkürzen wir 
Die kleine Stunde uns durch ein Geipräd. 
(Sie jegen fih zujammen. Das Viorgenrot beginnt zu leuchten, das Gewölke fürbt ſich 
purpurn.) 
Sa, andre Zeiten haben wir erlebt. 
Gedenkt Euch noch, wie wir vor Mailand lagen, 
Das Yriedrichd Zorn dem Boden gleichgemacht? 


Gilbert von Wölpe. Wir Sachſen jtanden angelehnt den 
Bayern, 
Genüber uns die Schwaben und Lothringer, 
Doch ſtets der ſtärkſte Anſturm ging auf ung. 
Gunzelin. Das zeigte fich in jener Nacht zumal, 
Da Friedrich in jein Zelt berief die Fürften 
Und fie beſchwor, (noch war er finderlos), 
(Er deutet auf Heinrich d. £.) 


106 Heinrich der Löwe, 


Den da im Falle feines Tods zu wählen. 
Heut’ iſt der Mann geächtet und gebannt, 
Doch damals hätt’ ihn einer läſtern jollen ! 
Heinrih d. 2. (im Schlaf). Der Kaifer! zu den Waffen, zu den 
Waffen! 
Gunzelin. Ihm träumt vom Kaifer, was nur allzuwahr! 
Heinrich d. L. (erwacht und ſpringt empor). Schon Tag! Ihr ließet 
mich zu lange ruhn. 
Die Treffen jollten ſchon geordnet jein. 
Helft mir den Panzer an den Leib zu legen! 
(Während es durch Gunzelin gejchieht.) 
Kam feine Meldung an indeilen ? 
Gunzelin (auf Wölpe deutend). Hier. 
Heinrich d. 2. Ihr da? So it auch Lübe mir verloren ? 
O Schickſal! Schickſal! Faller Waldemar! 
Die ich zur Macht erhob, verlaſſen mich 
Und ſpotten meiner! 
Eilbert von Wölpe. Herr, die Stadt hält Stand, 
Bis ſie erliegt; entrinnt ſie dann auch ſchwerlich 
Dem Untergang durch jenen Undankbaren, 
Der mit den Wenden wider Euch nun ficht. 
Heinrich d. L. (Gu Gunzelin. So haben wir den Erbfeind zu 
erdulden ! 
(Zu Wölpe.) 
Wie joll ich Lübeck vetten, jelbjt bevrängt ? 
Eilbert von Wolpe. Ihr könnt es durch ein Opfer nur allein. 
Heinrih d. L. Wie das? 
Gilbert von Wölpe. Wenn Ihr der Bürgerjchait gejtattet, 
Sich unter Wahrung ihrer Freiheitsrechte, 
Die jie Euch dankt, dem Kaifer zu ergeben. 
Heintih d. 2. Dem Kaijer? 
Wie bringt Du diefes Wort auf Deine Lippen ? 
Wärſt Du mir nicht ein Freund aus Yugendtagen, 
Du büßtejt mir für diejen bittren Hohn! 
Gilbert von Wölpe. Wenn ich nicht wüßte, daß Dein Heil e8 
fordert, 
Sch hätte nicht die Botjchaft übernommen. 


Fünfter Akt. Zweite Scene. 107 


Heinrih d. 2. Mein Heil? — Bin ich im Feld etwa befiegt? 
Noch trat mir nicht der Kaifer gegenüber 
Und maß die Kraft mit mir, noch steh’ ich aufrecht 
Und Hoffe mich, bis er bewehrt exjcheint, 
Zu ſtärken jo, daß ich ihm ebenbürtig. 
Eilbert von Wölpe. Es greift mir an das Herz, Dich zu ent- 
täuſchen, 
Doch muß es ſein. Den Du noch fern Dir wähnſt, 
Er lagert Deiner Heerſchar gegenüber. 
(Baufe. Weckruf durch Trompetengeſchmetter im kaiſerlichen Lager. Die Krieger er— 
heben ſich rings umher.) 
Heinrich d. L. So ſteht uns Heut ein harter Kampf bevor! 
Gunzelin. Doch wird dag Ende jein, daß wir erliegen. 
Eilbert von Wölpe. Das ganze Reich, gejchart jteht’s a den 
Kaiſer! 
Gunzelin. Und was Ihr ihm entgegen habt zu ſtellen, 
Sind ſchwache Trümmer nur. 
Heinrich d. L. Dies weiß ich wohl, 
Doch darf ich immer noch auf Zuzug hoffen. 
Eilbert von Wölpe. Gebt Euch nicht allzugroßer Hoffnung 
hin! 


Die Burgen und die Städte allerwärts 
Erſchließen ihre Thore, eifervoll, 
Beim bloßen Nahn des kaiſerlichen Zuges. 
Gunzelin. Ja, Herr, es ſteht ums Sachſenland verzweifelt! 
Eilbert von Wölpe. Die Schwaben nahmen Hadersleben weg, 
Und Braunſchweig iſt umzingelt von den Bayern, 
Die längit in Euch den Herzog nimmer jehn. 
Auch Herzberg, Staufenberg und Scildberg fielen, 
Wie Blankenburg — 
(Zu Jordan.) 
Die Wiege Eures Haujes — 
In einen Trümmerfchutt liegt fie verwandelt! 
(Jordan verhüllt fih ſchmerzvoll.) 
Gunzelin. Nur Lüneburg allein iſt Euch noch übrig. 
Heinrih d. 2. Das Schwert zu itreden, eh’ ich's noch ge- 
braucht, 
Und meinen alten Kriegerruhm zu jchänden 
Um gnäd’gen Spruch — ich bring's nicht über mich! 


108 Heinrich der Köme. 


Eilbert von Wölpe. Auch ung bohrt’3 in das Herz — o wär’ 
es anders! 
Gunzelin (auf die Krieger deutend). Ya, hielten alle jo zu Euch, wie 
dieſe! 
Doch ſolches Häuflein zählt nicht im Getümmel. 
Ihr ſteht verlaſſen, eh' die Schlacht beginnt. 
(Der Herold des Reiches tritt auf; ihm folgen Ludwig von Thüringen und 
Erzbiſchof Widmann von Magdeburg, von Bewaffneten umgeben.) 


Heinrih d. 8. Darin erfenn’ ich der Vergeltung Hand! — 
Mer naht? 
Gunzelin. Der kaiſerliche Herold iſt's. 
Heinrich d. L. Blieb' er auch ſtumm, erriet' ich ſeine Bot— 
ſchaft! 
(Die Gefangenen erblickend.) 
Auch Lüneburg gefallen! O Mechtilde! 
Ein Schelm war's, den ich Dir zur Hut beſtellt. — 
Was läßt der Kaiſer Friedrich mir entbieten? 
Der Herold. Zunächſt die bündige Aufforderung, 
Zur Schlacht Euch zu bereiten, wo Ihr ſteht, 
Dafern Ihr Euch nicht lieber unterwerfet. 
Heinrich d. L. Von Unterwerfung reden wir zuletzt. 
Der Herold. Die Wahl verblieb Euch nur, wie Ihr ver— 
nommen. 
Des Herrn Gebot erſchallt aus meinem Munde. 
Hier, wie Ihr ſehet, ſchickt er Euch zurück, 
Die Euch gebrochen ihr verpfändet Wort. 
Ihr mögt mit ihnen, wie Ihr wollt, verfahren. 
Desgleichen wiſſet, daß der Herzogin 
Auf ihrem Lager Pflege nicht gebricht. 
Heinrich d. L. Machdem er feine Bewegung bekämpfth. ch gebe den Ge— 
fangnen ihre Freiheit 
Zum Dank dafür, daß er die Unſchuld ſchirmt. 
Auch laſſ' ich Kaiſer Friedrich, meinen Vetter, 
Um eine kurze Unterredung bitten, 
In der ich ihm darlegen kann Verborg'nes, 
Wie mein Verlangen nach aufricht'gem Frieden. 
Der Herold. Dies zu beſtellen, bin ich außer Stand. 
Den Spruch zu mildern, wenn das Schwert Ihr ſtreckt, 


Fünfter Alt. Dritte Scene. 109 


Steht wohl in jeiner Hand, drum rät’ er Euch, 
Zu Erfurt vor dem Reiche zu ericheinen, 
Dahin er fein Geleite Euch bewilligt. 
Indem der Herold noch jpricht, öffnet jih das Morgengewölte im Hintergrund und der 
Zeltberg, darauf das Reichsheer in Schlachtordnung ſich ausbreitet, wird ſichtbar. Bor 
den Reiben ſteht in voller Waffenrüſtung Kaifer Friedrich, über den Pialzgraf Otto 
das Reihsbanner hält.)] 
Heinrich d. 2. Ich nehm’ es an, gedenk vergangner Tage. 
(Zu Wölne.) 
Tragt Lübeck auf: es jolle Huld’gen Ihm, 
Dem Gott zuwog die Stärke und den Sieg. 
(Zu den Seinen, die ihn trauernd umitehn.) 
Ich durfte Eure Treue nicht belohnen — 
Bleibt Eurem Herrn auch nach dem Fall’ getreu. 
(Sein Schwert dem Herold darreichend.) 


Das Schickſal hat es anders nicht gewollt. 


(Indem der Zwijhenvorhang fällt, ertönt ein kriegeriſcher Marid.) 


Dritte Srene. 


(Hoher Saal mit Borhalle in der Zaiferlihen Pfalz zu Erfurt. Barbarojja er- 

ſcheint unter Poſaunenſchall, erwartet von den Fürjten und Großen des Reiches, und 

beiteigt den Thron, über dem die Reichsfahne hängt, während zu beiden Seiten die 

bayeriihe und jähfishe Landesfahne gehalten werden. Pfalzgraf Konrad tritt mit 
der auf einem Purpurfifien getragenen Kaijerfrone heran.) 


Pfalzgraf Konrad. Du hait in ernſter Stunde, Herr, gelobt, 

Wir jollten eher Dein gejalbtes Haupt 

Nicht mehr im Schmud erichaun der Kaijerkrone, 

Als der jo frevelte am Reich und Dir, 

Der Macht beraubt, zu Deinen Füßen liege. 

Durch Gottes Fügung ift der Augenblid, 

Da fich Dein Wort erfüllt, herangenaht, 

Und darum gehen wir Dich an, die Krone, 

Die Dir gebührt, auch wieder aufzunehmen. 

(Er reiht dem Kaifer fnieend die Krone dar.) 
Barbaroſſa. Ich thu's, mit ſchuld'gem Dankesblick zum Himmel. 
(Er jest ſich unter Poſaunenſchall und dem Jubel der Verſammlung die Krone auf.) 
Barbaroſſa achdem wieder Stile eingetreten). Getreue und Vaſallen 
Unſres Reiches! 
Der durch die Größe feiner Macht verblendet, 


110 Heinrid der Löwe. 


In eitlem Wahn, daß er fich jelbjt genüge, 
Die jchuld’ge Treue trogig hat gebrochen, 
As Wir in Not geraten und Gefahr, 
Heinrich, genannt der Löwe, liegt gejtürzt, 
Und naht fih Uns im Schuße des Geleites, 
Das Wir in feiner Ohnmacht ihm. bewilligt. 
So fragen Wir, bevor er hier erjcheint, 
Mas Rechten: wider den Empörer jei, 
Damit Wir euren Spruch darnach vollziehn. 

Philipp von Köln. Am Namen der allhier Verſammelten 
Antwort’ ich, Herr, in Ehrfurcht nach dem Rechte: 
Der Herzog Heinrich jei der Frevel willen, 

Die er begangen wider jeinen Schirmherrn, 
Entjegt zu halten beider Herzogtümer, 

Wie aller der ihm aufgetragnen Lehen, 

Und feine Würde andern zu erteilen. 

Auch raten wir, befondrer Vorficht wegen, 
Sein Erbgut und Allod ihm abzufprechen, 
Und die verhangne Acht in Kraft zu lafjen, 
Auf daß er nicht nochmals das Reich verwirre. 
Dies iſt's, wofür einmütig alle jtimmen. 

Die Fürften und Großen des Reiches. Ginmütig alle jtimmen 

wir dafür! 

Barbarofja. Der Spruch bedünft Uns jtreng, ja allzujtrenge 
In Anbetracht, daß er e& Uns erſparte, 

Ihn durch dag Schwert im Kampfe zu bejiegen, 
Sowie im Hinblid auf jo manch Verdienſt, 
Das er um Reich und Kaiſer fich erworben 

In Zeiten der Gefahr, daheim und auswärts. 

Philipp von Köln. Herr, andre gaben auch ihr Alles Hin, 
Die nicht gepocht, wie er, auf ihren Wert. 

Die Fürften und Großen de Reiches. Cr hat betrogen Euer 

groß Vertrauen ! 

Barbaroſſa. Auch ohne jolhen Vorhalt fühlen Wir 
Die ganze Schwere jeiner frevlen Schuld ; 

Doh möchten Wir darob nicht blindem Zorne 
Gefangen geben unfer Urteil jemals, 

Am wenigiten jedoch in diejer Stunde, 

Die über einen Mann entjcheiden joll, 

Dem Großes wir troß allen Übeln danken, 
Denn, um nur Cine That Euch vorzuführen, 


Fünfter At. Dritte Scene. 111 


Die Bändigung der Wenden iſt jein Werf, 

Und nach wie vor bleibt uns davon der Segen. 
(Ein Ritter mit geſchloſſenem Viſier eriheint im Saale. Bewegung unter den Ver- 

jammelten.) 
Barbaroſſa. Wer tritt zum Widerjpruch dort in die Schranfen ? 
Der Nitter (das Vifier öffnend). Ich bin der Markgraf Dietrich 
von der Laufibß, 

Und ich exrbiete mich zum Kampf mit jeden, 

Der e8 nicht wahr will Halten auf mein Wort, 

Daß Heinrich ein Verräter ward am Reiche, 

(Wachſende Bewegung.) 
Er Hat die Wenden aufgemahnt zum Einbruch 
Ins Stift von Magdeburg und in die Laufik. 


(Den Handihuh ausmwerfend.) 
Wer es bejtreitet, mag das Pfand erheben! 
(Nah einer Pauje bricht ein Sturm der Entrüftung los. Gunzelin iſt in den Saal 
getreten.) 
Stimmen. Er ijt der Gnade unwert — 
Andre. Todes ſchuldig! 
Barbarojja. Sit einer da, der dem kann widerjprechen ? 
Gunzelin (vortretend). ch kann's und hebe darum auf den Handſchuh! 
(Er hebt den Handſchuh auf.) 
Dtto von Meißen. Sein Zeugnis trügt, er ijt des Herzogs 
Dienjtmann! 
Barbaroſſa. Gar mancher trug ein Lehn von ihm. Er rede! 
Gunzelin. Herr, wenn e8 wahr, daß in des Reiches Grenzen 
Die Wenden wieder feindlich eingebrochen, 
So war's der Herzog nicht, der fie berief! 
Stimmen. Das ijt nicht wahr! 
Andre. Er lügt! 
Andre. Er fälſcht ſein Zeugnis! 
Barbarojja. Mit Nachdruf müſſen Ruhe Wir gebieten. 
Gunzelin. Was ich behaupte, fann ich wohl beweifen. 
Wenn fi nach feinem Wink, wie ehedem, 
Die Wenden diesmal auch gerichtet hätten, 
Als ſie fich übers deutſche Land ergojien, 
Sp wäre ſein Gebiet verſchont geblieben, 
Was feiner doch behaupten kann; jo folgt, 
Dad König Waldentar fie aufgejtiftet, 
Der meinen Herrn höchſt undankbar verlaſſen. 


112 Heinrich der Löwe. 


Barbarofia. Dies fünnen wir durch Unjer Wort bejtät’gen. 
(Zu Dietrich von der Laufig.) 
Nehmt Euer Pfand zurüd! Die Wahrheit trat, 
Ob auch ihr Licht ummebelt war, hervor. 
Kehrt in die Lauſitz heim und ſeid getrojt! 
Der Herr, der den Verſtockten reuig macht, 
Hat fie beihügt, nicht Unfre Hand von Staub. 
Ihm ſei die Ehre! 
(Dietrich von der Yaufis erhebt den Handſchuh wieder und zieht ſich zurüd; Gunzelin 
entfernt fich.) 
Wir wenden zur Berhandlung Uns zurüd. 
Doch eh’ Wir dem Geächteten geitatten, 
Zu treten hier vor Unjer Angeficht 
Und zu empfangen Unſern Richterſpruch, 
Liegt Uns noch ob, die beiden Herzogtümer, 
Die er im Reich bejeilen, zu vergeben, 
Und da beichlojfen Wir, was Sachſen anlangt, 
Zu deſſen Umfang nicht jein Name ftimmt, 
Durch Teilung ein bejchränft Gebiet zu jchaffen, 
Das zu verleihen Wir Uns vorbehalten: 
Einjtweilen halten Wir den Schild darüber. 
Doch anders haben Wir verfügt mit Bayern. 
(Dtto von Wittelsbad heranwinkend.) 
Dtto von Wittelsbach, ein Wort an Euch! 
Seit langen Jahren ſchätzen Wir Euch jchon 
Als Unſrer Ehre Schild und Helmzimier, 
Wie auch als innig Uns verbundnen Freund. 
Im dichten Schlachtgewühle trugt Ihr Uns 
Des Reiches Banner Hochgemut voraus, 
Bor jenem Tage jchon des Heeres Stolz, 
Der Euren Namen grub in jedes Herz, 
Da hr erjtürmt die Weronejerklaufe, 
Ein Wagitüd, das Euch feiner nachgemacht. 
Und jo empfangt denn bier zum Lohn der Treue, 
Die Ihr jo Herrlich und jo oft bewährt, 
Zu Lehen heut das Herzogtum in Bayern, 
Das Eure Ahnen aus dem Stamm der Schyren 
Dort Hatten jchon vor grauer Zeit geführt 
Und Hoch berühmt gemacht durch ihre Thaten. 
(Otto von Wittelsbach empfängt Yensarı Moon die Fahne des Herzogtums 


Fünfter Alt. Dritte Scene. 113 


Otto von Wittelsbach (eine Rechte in die Barbarofjas legend). In Deine 
Hand gelob’ ich tete Treue. 
Ich will ein Bater meinem Lande fein, 
Auf daß es blühe und fich reich entfalte, 
Ein mächtig Glied des ein’gen deutjchen Reiche. — — 
(Er begiebt fih, beglückwünſcht von den Fürften, in den Kreis derſelben zurüd.) 
Barbarojja. Nun zu dem Spruch, den wir nach Pflicht 
verfünden ! 
Führt den Geächteten vor unſern Thron. 
(Dtto von Witteldbah und Ludwig von Thüringen verlajjen den Saal. Pauje, während 
der tiefes Schweigen herrſcht. Barbarofja blidt unverwandt nad der Thür. Hein— 


rich d. 2. tritt mit den beiden ihn Geleitenden ein, naht fih raſch, den Kreis der 
Fürften durdeilend, dem Throne und ftürzt vor Barbarofja auf die finiee.) 


Heinrich d. 2. Sch bin erlegen meiner Feinde Haß 
Und muß mich Deiner Gnade, Herr, ergeben. 
(Barbarofja fteigt die Stufen des Thrones herab und erhebt Heinrich den Löwen.) 
Barbaroſſa. Du warjt das eigne Werkzeug Deines Falles, 
Es brauchte meines Armes nicht dazu. 
Doch jei getroft! Was mit dem Recht verträglich, 
Das werd’ ich thun für Dich und für die Deinen. 
Die Acht, von Deinem Haupte nehm’ ich fie, 
Und ich erjtatte Dir zurüd Dein Erbland, 
Das ich zum Herzogtum zugleich erhebe 
An Stelle beider Dir entzogner Würden. 
Sedoch beding’ ich, daß drei Jahre Du 
Dem deutjchen Heimatboden fern Dich hältit. 
Brichſt Du den Bann, jo ift Dein Recht verwirft, 
Es jei denn, daß der Friede Dir zuerjt 
Gebrochen wird von einem Deiner Nachbarn, 
(Mit einem Blid auf die ſächſiſchen Fürften.) 
Was Dich berechtigt, alsbald heimzufehren. 
Dies iſt die Buße, die Dir auferlegt. 
Willſt Du geloben, jtreng fie zu erfüllen? 
Heinrich d. 2. (in das Anie gebeugt). Ich thu's, o Herr, bejchüße 
Du mein Recht! 
Barbaroſſa. In welches Land Du Dich begeben willſt, 
Iſt Dir anheimgejtellt; auch Dein Geleite 
Magſt Du nach Deinem Wunfche frei erwählen, 
Wie das für Dein Gemahl und Deine Kinder. 
Und nun jteh’ auf und geh’ mit Gott des Weges! 
Greifs Werke. II. 8 


114 Heinrich der Löwe. 


Heinrich d. 2. Sch jcheide trauernd von dem Baterland, 
Das ich geliebt nicht minder ala wie Du, 
Doch nicht zu meinem Heil und nicht zu feinem, 
Denn was zu ſolchem Sturze mich geführt, 
Sit mir bewußt, jo jehr wie jeine Tiefe. 
Doch Du haft Deinen Sieg erhöht durch Großmut, 
Die Dich verherrlicht, wie fie mich verdunfelt. 
Wenn darum Heute Deiner Gnade Licht, 
Wie ein Juwel aus Deiner Krone leuchtend, 
Mich ala Empfänger hier zum Bettler macht, 
Den Dank im Auge, fommen wird die Zeit, 
Da fich nicht mehr verbirgt, was ich erjtrebte; 
Und wird Dein Ruhm auch gipfeln über meinem, 
Die auf mich heute mit Verachtung jehn 
Und jchadenfroh an meinem Fall fich weiden, 
Sie werden nichts bedeuten neben mir 
Und Staub nur jein, der in die Sonne fährt, 
Der Zählung unmert, fichtbar nur durch diefe. 
Und hiermit nehm’ ich Abfchied, Herr, von Dir. 
(Nach einer tiefen Verneigung entfernt er fi langſam, trogigen Blides die Umftehen- 
den mufternd, und von dem wehmütigen Blid des Kaifer3 begleitet.) 


Barbaroſſa Gihm nachblickend). Ich jah ihn Hier, mir ahnt’3, zum 


legtenmal. 
(Nah einer Paufe.) 


Noch bleibt Uns als Gelöbnis zu erfüllen 
Die heißerjehnte Fahrt ing heil’ge Land, 
Durch die Wir Unſre thatenvolle Laufbahn 
Mit Gottes Hilfe rüjtig wollen Erönen, 
Um, wie Wir für den ird'ſchen Frieden thaten, 
So auch zu ftreiten für den himmlischen. 

(Sich erhebend.) 
Bereitet Euch, eh’ noch drei Jahre um, 
Den Donauftrom mit Uns hinabzufahren, 
Dem Kreuze nad, das Uns voran wird leuchten 
Zum Siege oder Tod, wie Gott es will. 


(Indem er aufbricht, fällt der Vorhang.) 
Ende des fünften Aktes. 


Ende. 








Die Pfalz im Rhein. 


Baterländiihes Schauspiel in fünf Akten. 


Verſonen. 


Kaiſer Heinrich VI. 
Heinrich der Löwe. 
Heinrich von Braunſchweig, deſſen Sohn. 
Konrad, Pfalzgraf bei Rhein. 
Irmengard, deſſen Gattin. 
Agnes, deſſen Tochter. 
Burkhard, Biſchof von Worms. 
Marquard von Annweiler, des Kaiſers Truchſeß. 
Maria, deſſen Tochter. 
Eilbert von Wölpe, Dienſtmannen 
Gunzelin von Schwerin, J Heinrichs des Löwen. 
Helmold, ſein Sohn. 
Ein Pilgrim. 
Urban, ein Weingärtner auf Schloß Stahleck. 
Jörg, deſſen Sohn. 
Fürſten und Große des Reiches, Ritter und Edelfrauen, Bewaffnete und 
Trabanten, Knappen und Schloßgeſinde, Winzer und ein Barfüßer. 





Drt der Handlung: im erften Akte Worms, in den zwei folgenden das 
Schloß Stahleck am Rhein und deſſen Umgegend, im vierten 
der PBfalzgrafenftein bei ws im fünften Braunfhmeig und 
oslar. 
Zeit der Handlung: Mai des Jahres 1194. 


&rfter Akt. 


(In der biſchöflichen Pfalz zu Worms, Kaijer Heinrich VI. fit, umgeben 
von dem Pfalzgrafen bei Rhein Konrad, jeinem Oheim, der Pfalzgräfin Jrmen- 
gard, deren Tochter Agnes und dem Biſchof Burkhard, ſowie von Edeldamen, 
darunter Maria von Annmweiler, und Edelherren, mit Krone und Scepter auf 
töniglihem Stuhl; neben ihm befindet fi ein leerer, für die Kaiſerin beftimmter 
Sefjel. Im Halbkreije umher ftehen Fürſten und andere Große des Reiches.) 


Kaijer Heinrich (su Biſchof Burthard). Es ruft Uns, wie Ihr jagt, 
die Pflicht nach Weljchland, 
Und längjt auch hätten Wir die Yahrt dahin 
Schon angejagt den Fürjten Unjres Reiches, 
Wär Unjre Ruhe nicht erfchüttert worden 
(Zu den Fürjten.) 

Durch falſche Rechnung und verwegnen Schluß 
Auf Unſrer Jahre Unerfahrenheit, 
Als nicht gewachjen noch der Laſt der Krone. — 
So iſt's, wie ihr das Haupt auch jchütteln möget! 
Es waren Meineid, Trug und Lift vereint, 
Die Rechte Unſrer Krone anzufallen, 
Die Wir von Kaijer Friedrich, Unſerm Bater, 
Gelobten Angedenkens überfommen, 
Im Amt jhon König, als er fern Uns jtarb. 

(Zum Bifhof Burkhard.) 
Sp waren Wir nicht müßig, nur beforgt, 
Den Schlingen auszuweichen, die gelegt 
Mir wußten Unjerm königlichen Fuß, 

(Murren unter den Füriten.) 

Und darum jchoben Wir die Heerfahrt auf 
Nach Unjrem zweiten, wohlerworbnen Reiche, 


118 Die Pfalz im Rhein. 


Wo Tankred, der der Herrichaft ſich bemächtigt, 
Siciliens Erbin, Unjer Eh’gemahl, 
Im Seejichloß zu Salern gefangen hält, 
Daher fie jeufzt nach Uns (hier ift ihr Sit) — 
Yängit thronte dort Konjtanze neben Uns, 
Wenn Uns arglijtig nicht Verrat umjpänne. 
(Große Bewegung unter den Fürften.) 
Pialzgraf Konrad. Als Dein Verwandter wag’ ich eine Bitte: 
Die Dich verleugnen, nenne, ſtrafe fie! 
Kaijer Heinrih. So trieite bald der Blod, darauf fie bluten, 
Und der lebend’ge Odem um Uns her 
Verginge, wie in jenen Wüſtenei'n, 
Wo die Natur nur noch aus Feljen jpricht — 
Einfiedler hauſt' ich in des Reiches Mitte. 
Biſchof Burkhard. Dann wollet gnädig doch bedenken, Herr, 
Was Euch ward zugewälzt, ob fälſchlich auch, 
Doch allgemein und jedes Herz ergrimmend: 
Des Lüttcher Biſchofs offenkund'ger Mord. 
Und dies Gerücht, anwachlend wie ein Strom, 
Den feines Ufers Damm in Schranken hält, 
Rief erit den jo mißlieb’gen Bund hervor. 
Kaijer Heinrich (mit durchbohrendem Blide. Dem, wie Uns fund, 
auch Ihr Habt angehört. 
Biſchof Burkhard. Den ich durch meinen Beitritt aufgelöft! 
So jeltjam dies auch £lingt, jo jicher iſt's, 
Da Euer durch mich dargelegter Abſcheu 
Bor der Euch zugeichobnen Miſſethat 
Euch in des Reiches Blicken erjt gereinigt. 
Kaiſer Heinrich. Wer trennt hier Kränfung no von 
Schmeichelei! 
Doch, mögt Ihr immer Eurer That Euch rühmen, 
Wir wiſſen, was den Bund in Wahrheit Iprengte: 
Der Glüdsfall oder Gottes Hand vielmehr, 
Die Englands König, Rihard Löwenherz, 
Der Welten Rückhalt, Uns hat überliefert, 
Und damit machtlos auch den Anhang machte. 
Pialzgraf Konrad. Wer's mit den Staufern hält, muß 
wünſchen, Herr, 
Daß ein Entrinnen ihm unmöglich werde! 


Eriter Akt. 119 


Kaijer Heinrih. Es iſt geiorgt dafür! Auf Erden Einer 
Nur weiß e8 außer Uns, wo er verweilt: 
Der Ritter, der für Uns in Haft ihn hält. 
Doch nun zum Haupt des Bundes, deſſen Seele 
Wir jhon genannt, zu Braunichweigs Herrn, dem Löwen, 
Der Uns noch troßt, doch lange nimmermehr! 
Sein Stolz gebiert, bis daß er feſtgeſchmiedet, 
Wie der Titanen Troß, im Abgrund liegt, 
Empörung immer. Auch jein letter Treubruch, 
An Uns verübt, iſt männiglich befannt. 
Al auf die Schredensfunde von dem Falle 
Jeruſalems durh Sultan Saladin 
Die Chriſten aller Länder fich erhoben, 
Schien Unjerm Bater, dem ruhmmürd’gen Kater, 
Sein Alter nicht zu Hoch, das Kreuz zu nehmen. 
Doch eh’ er aus des Reiches Grenzen jchied, 
Des Boden er nicht mehr betreten jollte, 
Berjammelte jein Auge noch einmal 
Die Fürjten alle (Uns zur Seite fich), 
Und, mit des Argwohns Blick den Löwen mefjend, 
Stellt’ er e8 ihm anheim, jelbjt mitzuziehn, 
Sonit aber nochmal auf drei weitre Jahre 
Sich als BVBerbannten eidlich zu befennen. 
Der troß’ge Lehnsmann zog das lebte vor. 
Doch faum erfuhr er, daß der Held entichwunden, 
Der ihn gebändigt und in Furcht erhielt, 
Als er, jein Handgelöbnis jchnöde brechend, 
In Holitein landete, nachdem jein Sohn, 
(Zu Pialzaraf Konrad.) 
Der Euch zum Eidam einjt war zugedacht, 
Borausgeeilt, das Banner zu entfalten, 
Zum Hohn auf den gejtabten Eid der Treue. 
Pfalzgraf Konrad. Das Waffenhandwerk jollte ich ihm Lehren! 
So hieß ich jet Lehrmeiſter jeiner Streiche. 
Irmengard. Sein Fehl, der offenbar, verliert an Schwere, 
Bedentt man, was der Sohn dem Vater jchuldet, 
Und einem jolchen großen Bater gar! 
Kaijer Heinrih. Frau Muhme, wißt Zhr nicht, wie jehr 
beleidigt 


120 Die Pfalz im Rhein. 


Wir wurden durch dies übermüt'ge Kind? 

As Uns die Nachricht von des Löwen Heimkehr 

Zugleich mit der betrübten Kunde traf 

Bon Unſres hochgelobten Vaters Tode 

Sm fernen Morgenland, lag zwijchen Uns 

Und Unſerm Stammland das Gebirg der Alpen, 

Da nach Apulien Unjer Lauf gerichtet, 

Konjtanzens väterliches Reich zu ſchau'n 

Und ihm als fünft’ger Herrſcher zu erjcheinen. 

Wir wandten Uns im Eile nach der Heimat 

Und jtanden bald vor Braunjchweigs hohen Mauern, 

Die gegen Uns mit Wut der Sohn verfocht, 

Indes der Vater Bardowief berannte, 

Im Rachedurſt für einſt erfahrnen Schimpf. 

Da lenkte plößlich ein der alte Herzog 

Und, nußend Unſre Lage, die fich damals 

Durch König Wilhelms von Sieilien Tod 

Noch mehr verwidelt, — bot er Uns durch Euch, 

(Zum Bifhof Burkhard.) Ä 

Mit dem er heimlich jtet3 Verkehr gepflogen, 

(Der Biſchof macht eine abwehrende Bewegung.) 


In Goslar jeine Unterwerfung an. 

Mir jtimmten zu, und Wir bedingten nur 

Zu Geiſeln beide Söhne mit der Ford’rung, 

Dat Uns der ältre nach Italien folge. 

Doch die Gefolgſchaft währte nicht zu lange. 

Als vor Neapel, hemmend Unſre Bahn, 

Des Tiebers Seuche Unjer Heer beftel 

Und Uns auch jelbit aufs Lager niederwarf, 

Entwich der pflichtvergeiine Waffenträger 

Und brach, in eines Spielmanns niedrer Tracht, 

Das eine Aug’ verdeckt, ala fehlt’ es ihm, 

Nach Sachen auf, wo er, begrüßt vom Anhang, 

Die faljche Mär’ von Unferm Unterliegen, 

Ya mehr, von Unjerm Tod, ins Volk ergoß, 

Indes jein Vater, ſchon zuvor gejchäftig, 

Des Sohnes Wahl nun ohne Hehl betrieb — 
(Zum Bifhof Burkhard.) 

Und dies gab jenem Bund Gejtalt und Leben. 


Erſter At. 121 


Biihof Burkhard. Dagegen, daß den Welfen wir begünjtigt, 
Erheb’ ich Einſpruch, Herr, für mich und alle. 
(Zuftimmung unter den Fürſten.) 
Wir glaubten nimmermehr an Euren Heimgang, 
Dies ſchwör' ich bei dem Kreuz auf meiner Brujt! 


(Großer Beifall unter den Fürften.) 


Kaijer Heinrih. Und Wir befräftigen bei Unfrer Krone, 
In der ein Auge jeder Edeljtein, 
Daß Wir die Mienen des DVerrats durchdringen 
Und Licht wie Schatten jehn an feinem Ort! 


Pfalzgraf Konrad. Merkwürdig bleibt es, ja verwunderlich, 
Wie gleichgeftimmt die Saiten dort und hier: 
Eh’ jich der Jüngling dort zur Flucht entichieden, 
Durchdrang ſchon hier die Luft ein gleich Gerücht. 

Kaijer Heinrih. Gin vor der Zeit entpuppter Schmetterling, 
Verſchlagen übers Meer aus üpp’ger Flur. 
O, hätt’ ich ihn ala Raupe jchon zertreten, 
Er jpielte nicht in bunten Farben mehr! 

(Zrompetenftoß. Trabanten öffn.n die Thür de3 Saale3 gegenüber dem Throne. 
Heinrid von Braunſchweig, dem Helmold von Schwerin das ſächſiſche Banner 
vorausträgt, tritt auf.) 

Kaijer Heinrich. Wer wagt fich Unjerm Herricherituhl zu 
nahn 
Aufs Gratewohl und ohne daß er erit 
Gewärtig Unires Winks? 
Heinrich von Braunjchweig. Am Banner, Herr, 
Erkennt Ihr mich, ich bin des Löwen Sohn. 
(Er läßt fih mit Helmold in das Knie nieder.) 
Kaijer Heinrih. Ja wohl, er iſt's! 
(Auffahrend.) 
Reißt jein Panier in 
Stüde, 
Das fih hochmütig bläht in jchnöden Farben, 
Da, wo der Kaijer atmet! Wer, Verräter, 
Hieß Dich betreten fühnlich diefen Saal? 
Heinrich) von Braunjchweig (nos immer auf ven Anieen). Ich komme, 
meinen Bruder loszubitten, 
Den Ihr, o Herr, in harter Haft bewahrt. 


122 Die Pfalz im Rhein. 


Kaijer Heinrih. Ja wohl, gefänglich Halten Wir den Bürgen, 
Seit Uns der andre, der Du Jelbit, entfam. 
Doch wer verriet Div treulos das Geheimnis, 
Auf deſſen Lüftung Wir den Tod gejegt? 


Heinrich von Braunfchweig. Sch jelbjt verichaffte, Herr, Ge— 
wißheit mir. 
(Bemwegung.) 

In Augsburgs Mauern, die ich jüngjt betreten 

Als Fremdling und von allen unerkannt, 

(Denn dorthin wiefen alle Spuren mich), 

Im Berlachturm, den ich umjschritten oft 

In tiefer Nacht, wenn alle Wächter jchliefen, 

Bei Dieben und bei Mördern jeufzt mein Bruder. — 

Die Luft, die feinem dient, verriet es mir, 

Indem fie jeine Seufzer zu mir trug. 

D gebt ihn frei, der, jchuldlos an dem Zwiſte, 

Für Thaten büßt, die er noch nicht begreift! 


Kaiſer Heinrich einen Ingrimm beherrigend). Auf was jtüßt weiter 
Dein Begehren fich ? 
Heinrih von Braunjchweig. Der Großmut eingedenf, Die 
Kaiſer Friedrich 
Nach meines Vaters Sturz an ihm bewährt, 
Berfieht er fih von feinem Sohn und Folger 
Der gleichen Gnade und Gerechtigkeit, 
Und, müd' des Streites, den er ſchwer gebüßt, 
Bewirbt er fich dur mich um Deine Huld, 
(Er lädt fih aufs neue auf dag Knie nieder. Agnes verbirgt mit Mühe ihre 
Thränen.) 
Bereit zum Treugelübde, wenn Du willig, 
Die dargebotne Rechte zu erfaffen. 
Kaifer Heinrich. Warum ericheint Dein Vater d — 
ſelbſt? 
Heinrich von Braunſchweig (auf den Knieen). Sein hohes Alter 
wehrt ihm, Herr, die Fahrt. 
Kaijer Heinrich. Doch Krieg zu führen ift ex ftets noch 
rüſtig! 
Heinrich von Braunſchweig. Auch ſeine Scharen hat er mir 
vertraut. 
Kaiſer Heinrich. Der uns bekämpft alſo, der biſt Du ſelbſt! 


Erſter Att. 123 


Heinrich von Braunjchweig. Der Pflicht gehorchend als fein 
Sohn und Erbe. 
Kaijer Heinrich. Der Pflicht! Wie Hohn erklingt’ aus 
ſolchem Munde! 
Heinrich von Braunjchweig (aufftedend). Daß ich der Pflicht ver- 
gaß, gedenft mir nicht. 
Kaijer Heinrich. Gedenkt Dir niht? O echter Welfenſproſſe, 
Der fein Gedächtnis für ein andres hat, 
Als was ihm nüßen oder jchaden fann! 
Doch werd’ ich Dir heimzahlen Deine Tücke. 


Heinrich von Braunfchweig. Auch feiner jolchen bin ich mir 
bewußt. 
Kaifer Heinrih. Hört, Tugend wohnt in feines Herzens 
Grund! 
Die äußre Wohlgeitalt, fie gleißt auch innen! 
Ei, haſt Du nicht den Kaiſer jchon befriegt, 
Eh’ Dir der erite Flaum am Kinn noch feimte, 
Und wider ihn vom Turm den Brand geworfen? 


Heinrich) von Braunſchweig. Ich that's zum Schuße unſrer 
alten Mauern 
An Stelle meines heimgejuchten Vaters. 
Kaifer Heinrih. Um feines Treubruchs willen heimgefucht ! 
; (Zu den Fürften.) 
Doch dies Hält er wohlweislich uns verjchtwiegen. 


Heinrich von Braunjchweig. Mein Vater jaß geduldig fern in 
England 
Und dachte nicht daran, fich aufzumachen, 
Auch dann noch nicht, ala ihm, verzehrt von Gram, 
In Braunjchweig unjre teure Mutter jtarb, 
Durch die er feinen Stuhl verwalten ließ. — 
Sp ruhte lammfromm, der der Löwe heißt, 
Als ſich die Rotte neu zujammenthat 
Und wie ein herrenloje® Gut verjchlang, 
Was von dem erjten Raub noch übrig war. 
Kaijer Heinrih. Raub? Durch des Reiches Spruch ihm ab- 
erkannt 
War all jein Lehnbeſitz, nur fein Allod 
Durh Kaiſer Friedrihs Gnade ihm erhalten! 


124 Die Pfalz im Rhein. 


Heinrich von Braunſchweig. Dies eben, jein ihm noch ver— 
bliebnes Land, 
War Ziel des Einbruchs; in Gejaid und Zechen 
Ward erjt jein Mark verpraßt, der Reſt der Habe 
Ging auf im Zwiſt, der bald die Räuber jchied, 
Doch um jo gieriger im Raub fie machte. 
Ein Greuel war's, wie fie gehauſt in Sachen! 
Den Wölfen und den Geiern blieb allein 
Auf ihrer Spur noch eine Beute übrig. 
Als dies mein Vater überm Meer vernahm, 
Hielt er, gedenk des Spruchs, der ihn ermächtigt, 
Sein Land zu jchügen, fich des Worts entbunden, 
Und feinem Volk zur Rettung fuhr er heim. 
Kaijer Heinrih. Die Wenden wie die Dänen aufzuhegen 
Zum Einbruch in das deutſche Nachbarland ! 
Heinrich von Braunjchweig. Dies wird dem Vater fälſchlich 
nachgeredet! 
Die Diebe famen, weil der Wächter fehlte. 
Kaijer Heinrich. So fucht er feinen Frevel zu verhüllen! — 
Wenn er von feinen Nachbarn ward gefränkt, 
Was hat er Klage nicht vor Uns geführt 
Und Unfern Schuß gebührlich angerufen ? 
Heinrih von Braunjchweig. Ihr wart in Welfchland Fern 
mit aller Macht, 
Und feinen Aufichub ließ die Not ihm zu. 
Kaijer Heinrich. Sind Wir nicht auch in Unſerm Recht ver- 
fürzt 
Und tragen Wir die Not nicht mit Geduld ? 
Wo ijt die Kaiferin? In Tankreds Händen, 
Der euer Helfer in der Ferne war, 
Und vor Neapel Dich im Zelt verbarg, 
Als treulog Du aus unjerm Heer entwichen ! 
Heinrich von Braunjchweig. Bei meiner Seele Heil, dies ijt 
nicht wahr! 
Kaijer Heinrih. Hört ihr, er leugnet feine flare Schuld 
Und rühmt jich feines offenen Verrates 
Als einer gottgefäll’gen That Jogar! 
(Aufipringend.) 
Wie einit Dein Vater meinen ließ im Stich 
Und vor Legnano preisgab den Lombarden, 


Erfter Akt. 125 


©o hat der Sohn, Du, an dem Sohn gehandelt: 
Sin jeiner Not verließejt Du den Kaifer 
In offnem Feld und angefichts des Feindes, 
Sa, einverjtanden jelbit fogar mit ihm, 
Und gabſt das Beijpiel, das noch heute wirft! 
Heinrich von Braunfchweig. Wer aber war's, der mich zum 
Abfall zwang, 
So jehr ih auch im Herzen widerjtrebte? 
Ihr und fein andrer, Herr, ich rede wahr! 
Kaijer Heinrih. Ha, wagit Du’s, Unfrer heiligen Perſon 
Ins Antliß gar verwegnen Schimpf zu jchleudern ? 
Heinrich von Braunjchweig. Der Vorwurf des Verrats zwingt 
mich dazu, 
Und lieber jterben, als ihn jtumm ertragen! 
(Zum Kreis der Fürften gemendet.) 
Bernehmt es alle, was mich trieb zur Flucht! 
Als unjerm königlichen Herin in Rom 
Papſt Eölejtin, verwandt mir durch die Mutter, 
Die Krönung abſchlug noch in letzter Stunde, 
Da jeine Wahl ihm nicht bewielen jchien, 
Weil meines Vaters Stimme ihm gefehlt — 
Kaiſer Heinrih. Halt ein! — 
(Sich bezwingend, halblaut.) 
Doch fange Dich nur jelbjt im 
arne. 
Heinrich von Braunſchweig. Ich übernahm es da, beſtürmt 
von euch, 
Geheim ihn durch mein Fürwort umzuſtimmen, 
Auf das Verſprechen hin, daß meinem Bruder 
Die Freiheit werden ſolle unverweilt 
Und meinem Vater die Einſetzung ſpäter 
In ſeinen alten Rang und Machtbeſitz. 
Drei Tage focht ich in der Engelsburg 
Mit Gründen, die ich jelber nicht geglaubt, 
Bis ich den Widerfpruch zum Schweigen brachte: 
Im Petersdom ward unjer Herr gejalbt. 
Doch als die Krone auf dem Haupt ihm jtund, 
Und ich ihn flehend bat, mir zu erfüllen, 
Mas er gelobt, da wies er mich zurüd 
Mit faltem Hohn und drohte mir den Tod, 


126 Die Pfalz im Rhein. 


Menn ich die Bitte wiederholen werde. 
Drauf fühlt’ ich mich entledigt meiner Pflicht 
Und insgeheim enteilt’ ich nach der Heimat. 
(Bewegung und Zeichen des Beifalld im Saale.) 
Kaijer Heinrich. Geraden Wegs dahin? Antiworte drauf! 
Halt Du Dih nicht zur Zwieſprach eingefunden 
Zu La Reolle am Ufer der Garonne 
Bei Deinem Oheim, König Richard, damals ? 
Sa oder nein ? 
Heinrich von Braunjchweig. Sch fand mich bei ihm ein. 
Kaijer Heinrih. Trabanten vor! Berjchließt die Thür des 
Saales 
(Allgemeine Bewegung. Die Bewaffneten treten ein und bejegen den Eingang.) 
Und nehmt den Hochverräter dort gefangen! 

(Die Trabanten dringen auf Heinrid von Braunſchweig ein, den Helmold, der die 
Fahne abgelegt, mit dem gezogenen Schwert zu befhüsen fih anſchickt. Biſchof Burf- 
hard tritt neben den Kaifer. Große Erregung unter den Anmejenden.) 
Agnes (die emporgefapren. Ihr Heil’gen, helft, es geht ihm an 

das Leben! 
Helmold. Wer Hand an ihn legt, Fällt durch meine Klinge! 
Heinrich von Braunſchweig (ihm in die Hand fallend). Es Hilft ung 
feine Wehr, wir find bewältigt! 
(Zu Kaifer Heinrich.) 
Soll mit dem Bruder ih das Schickſal teilen ? 
Kaifer Heinrih. Mit ihm, wie auch mit Richard Lömwenherz! 
Im Kerker mögt ihr weitre Zwieſprach halten! 
Agnes. Laßt mich zu ihm, o jeht, er unterliegt! 
Irmengard (fie aufpaltend). Kind, falle Dich, Du — Dich zu 
Grunde! 
Agnes. Ich frage nichts danach, was mir geſchieht, 
Da ihm Verderben droht. 
Pfalzgraf Konrad. Zurück mit ihr! — 
Was hat den Sinn ihr plötzlich ſo berückt? 
Irmengard. Wen müßte nicht ſein hart Geſchick bewegen! 
Biſchof Burkhard. Herr, ladet keine neue Schuld auf Euch! 
Agnes (um Kaiſer Heinrich. Wenn Blut hier fließen ſoll, nehmt 
meines bin! 
Maria. Beruh’ge Dich, Du fiehit, dort jteht jein Schüßer! 


Erſter Att. 127 


Irmengard. Sei unbeſorgt, der fromme Biſchof hilft! 
(Zum Pfalzgrafen.) 
Auch Du nimm Dich des UÜberfallnen an 
Und lafje durch Gewalt das Recht nicht beugen! 
Pfalzgraf Konrad. Beſtärkſt Du fie in ihrem Wahne noch? 
Fern ſteht e8 mir, daß ich für ihn mich mühe, 
Er Hat fich jelbjt die Rache zugezogen. 

Agnes. Schütt niemand ihn, jo ded’ ich ihn zum Schirme! 
(Sie dringt zu Heinrih von Braunfchmweig vor, die Bewaffneten ziehen ſich zurüd.) 
Heinrich von Braunjchweig. Gott jendet mir zum Retter einen 

Engel! 
Kaiſer Heinrih. Wir hoffen, Unſre Baje bleibt bei Sinnen. 
Und noch einmal, ergreift den Hochverräter! 
Agnes, Zückt her den Stahl nach mir und jtoßt mich nieder! 
Ihm thut ihr an fein Leid, jolang ich lebe 
(Sie breitet um Heinrich von Braunſchweig ſchützend ihre Arme, indem fie zugleich ih 
den Schwertgriff bededt.) 
Und meine Arme breiten fann um ihn! 
Heinrich von Braunſchweig. Welch Bild des Himmels hat 
fi mir genaht! 
Sie feſſelt mir dag Schwert und jchirmt mich jelbit. 
Biſchof Burkhard (eive ſchütend, zum Kaifer). Herr, die Gewaltthat 
laſſ' ich nicht geſchehn! 
Ihr jollt nit Schuld auf Eure Seele laden, 
So lang Ihr unter meinem Dach verweilt. 
(Zu Agnes.) 
Sei ohne Angſt um ihn; mir fommt eg zu, 
Ihm Schuß zu leihn, mein Amt iſt das des Friedens; 
Du darfjt vertraun, fein Haar wird ihm gefrümmt. 

(Agnes tritt, mit niedergejchlagenen Augen, von Srmengard und Maria von Ann— 
weiler geholt, an ihren Platz zurüd; Heinrid) von Braunſchweig blidt ihr lange und 
unbemweglid nad.) 

(Zu Kaijer Heinrid).) 

Auf mid müßt Ihr des Zornes Blide richten, 
Auf mich allein; ich war es, der dem Löwen 
Den opfermut’gen Schritt hat abgerungen, 

Den er durch feinen Sohn hier eben that, 

Für deſſen Sicherheit ich mich verbürgte. 

So tret’ ich auch für ihn, ala meinen Schüßling, 


128 Die Pfalz im Rhein. 


Hier offen, Herr, mit Leib und Leben ein; 
Beiteht Ihr auf Gewalt, jo greift nach mir! 

(Zuftimmende Bewegung unter den Fürſten und Großen bes Reiches.) 
Kaijer Heinrih. Wollt Ihr den faijerlichen Arm mir binden? 
Biſchof Burkhard. Ich thu’s zu Eurem, wie zu feinem Heile! 

Seht einen Tag ihm an, da er erjcheine 

Sn jeineg Vater Namen wie für fich 

Und ſich der Klage wider Euch eriwehre 

Im Kreis der Fürjten, denen nad) dem Brauch 

Allein es zujteht, ihm den Spruch zu fällen: 

Er wird zur Stelle jein, verlaßt Euch drauf, 

Und Euch den Zug ins Sachjenland eriparen. 

(Lebhafte Zuftimmung unter den umher Berfammelten.) 
Kaijer Heinrich (aufbrechend). So wird in Schein verwandelt 
Unſer Recht 
Und Unjer Stuhl zum Schemel jo erniedert! 
An ſolchen Fürften geht das Reich zu Grunde — 
(Indem er drohend das Scepter jhmwingt.) 

Doch werd’ ich zügeln ihren UÜbermut! 
(Er verläßt, von den Trabanten umgeben, im ftürmifhen Schritt den Saal durd die 
in die inneren Gemäder führende Thür hinter dem Throne; ihm folgen Pfalzgraf 
Konrad mit Jrmengard und der Hof, zulest, vom Biſchof Burfhard und Maria von 
Annmweiler geleitet, Agnes, die fih nur langjam entfernt und öfters zurüdblidt, Die 
Fürften und Großen des Reiches verlafjen den Saal im Hintergrund durch die nad) 
außen führende Freitreppe; nur Heinrih von Braunjhmweig und Helmold bleiben 

zurüd.) 

Helmold. Auf! Fliehen wir! Es fönnte ihn gereu’n, 

Daß er Dich wieder aus den Fängen ließ! 

Du jtehjt wie träumend da, o fomm zu Dir! 
Heinrich von Braunjchweig. Errietejt Du, wer dieſe Hehre war, 

Die ihren Arm um mich gebreitet hielt 

Zu meinem Schuß und troßend aller Wut, 

Ja jelbjt bemüht, fie auf ihr Haupt zu lenken? 

Agnes und feine andre war's, als jie, 

Die mir verlobt einjt in der Yugendzeit, 

Als noch fein Haß ung von den Jhren jchied, 

Doch der von alledem nichts fund mag jein. 
Helmold. Mit Staunen und zugleich mit Dank zu Gott 

Ward ich’S gewahr, wie treu fie Dir ergeben; 

Denn daß Dein Ruf ihr nicht befannt ſchon war, 


Erſter Akt. 129 


Noch auch, was vormals Du ihr ſchon bedeutet, 
Wie Du vermeinſt, dies glaub' ich nimmermehr. 
Heinrich von Braunſchweig. Wohl ſchien es ſo, als wär' mit 
Einem Mal 
Erinnrung ihr im Herzen aufgeſtiegen 
An jenes Pfand, dazu ſie war erſehn, 
Bevor ſie ſeinen Sinn und Wert begriffen, 
Doch deſſen Heiligkeit ſie voll nun würdigt. 
Helmold. So iſt's, ſie hält Dich wert, und eingeſchloſſen 
In ihr Gebet bleibt immerdar Dein Name. 
Heinrich von Braunſchweig. Wie ihrer in dem meinen. Glaube, 
Helmold, 
Von ihrem Blick erfüllt iſt mir die Seele, 
Und nichts mehr kann ich denken, als nur ſie! 
(Biſchof Burkhard kehrt, von beiden unbemerkt, zurück.) 
Beim erſten Laut, entflohen ihrer Lippe, 
War ich von ihrem Zauber ſchon gebannt, 
So daß ich ihre Stimme nur vernahm 
Und nichts von allem, was um mich erſcholl. 
Des Biſchofs letzte Worte hört' ich nimmer, 
Noch was der Kaiſer ihm darauf verſetzt; 
Ja ſieh, in ſolchem Traume ſtand ich da, 
Daß ich den Dank vergaß an meinen Retter. 
Biſchof Burkhard (iHm die Schulter berührend). Wie, treff' ih Euch 
noch immer an in Worms! 
Vermeßt Ihr Euch, mit der Gefahr zu ſpielen? 
Wie leicht kann Euch, indes Ihr ſäumt, der Kaiſer 
Den Hinterhalt im Abendſchatten legen, 
Gleich wie er's mit dem Biſchof that von Lüttich. 
Drum raſch zu Pferd und dann den Rhein hinüber! 
Für ein Geleite hab' ich ſchon geſorgt. 
Heinrich von Braunſchweig. Heißt mich nicht alſo ſchnell von 
dannen ſcheiden, 
Nein, gönnt es mir, zu weilen nur ſo lange, 
Bis ich der Edlen noch einmal genaht, 
Die mir verfprochen war von ihren Eltern, 
Und die ich von dem Schickſal wieder fordre! 
Biſchof Burkhard. Wollt Ihr mit Euch auch jie zu Grunde 
richten ? 
Ich mahn’ Euch ernjt, gebt dieſes Wagnis auf! 
Greif3 Werfe. III. 9 


130 Die Pfalz im Rhein. 


Helmold. Lab Dich zu Deinem Heile überreden! 
Biſchof Burkhard. Sie hätte, glaubt mir, Arge zu az 
Und jchwer zu büßen für ihr Mitgefühl, 
Das fie, zu deutlich nur, Euch fund gegeben, 
Zum Unmut defjen, der Euch Rache finnt! 
Heinrich von Braunjchweig. Doch dies gewährt Ihr mir, ehr- 
würd’ger Herr, 
Daß Ihr der Werten meinen Gruß bejtellt 
Und mich vernehmen laßt, was fie erwidert. 
Biſchof Burkhard. Bereit erfüll’ ich Euch den trauten Wunfch, 
Und alfogleih. Ihr jollt im Klojter Lorſch, 
Dem ich durch einen Schußbrief Euch empfehle, 
Was jie mir aufträgt, insgeheim erfahren. 
Auch ſorg' ih, daß Ihr Kunde dort erhaltet 
Bon dem, was Euch in Braunfchweig wird erwarten, 
Denn noch hat ſich der Kaijer nicht erklärt. 
(Ihm die Hand jchüttelnd.) 
Zieht denn mit Gott an Eures Freundes Seite 
Und grüßt daheim mir Euren werten Bater! 
Es werden wieder bejire Tage fommen 
Und enden wird die Drangjal auch für ihn. 
Nun aber geht und macht fein länger Aufſehn! 
Heinrich von Braunſchweig. So jcheid’ ich denn, To ſchwer es 
mir auch fällt, 
Mich ihres holden Anblicks zu berauben. 
Grüßt mir die Teure und verſichert ihr, 
Daß, was die Zukunft uns auch bringen mag, 
Ich ihrer nimmermehr vergeſſen werde, 
Ja, daß ſie ſtets auf mich vertrauen kann, 
Wofern ihr Herz empfindet, wie das meine, 
Und ſie entſchloſſen iſt, es zu bewähren! 
(Indem ſich Heinrich von Braunſchweig mit Helmold und Biſchof Burkhard nad ver— 
ſchiedenen Seiten entfernen, fällt der Vorhang.) 


Ende des erſten Aktes. 


weiter Akt. 


Erſte Srene. 
(Zu Worms in der biſchöflichen Pfalz. Kaiſer Heinridh und Pfalzgraf 
Konrad.) 
Kaijer Heinrih. Es fehlte wenig mehr, fie meuterten, 
Und wich ich nicht dem Sturm faltblütig aus, 
Sie hätten eher Hand an mich gelegt, 
Als nur dem Fant ein Härlein krümmen laffen! 
Aufs neue jahn wir Hinter ihre Masken, 
Zumal dem frommen Bifchof, der den Honig 
Nur auf den Lippen trägt, im Herzen Galle. 
Doch ſoll jein Spiel nicht allzulang mehr dauern! 
Pfalzgraf Konrad. Wenn Du auf Richards Bitte jtandhaft 
bleibit, 
Der ihr Bertrauter ift in allen Plänen, 
Und Dich nicht dur) das Blinfen läſſeſt irren 
Des Löſegelds, wie hoch der Antrag jteige, 
So haſt Du bald fie alle jamt und ſonders 
Gezähmt und jtumm zu Deinen Füßen liegen. 
Kaijer Heinrih. Solang der Turm nicht birjt, darin er fikt, 
Hat es mit jeiner Freiheit gute Wege, 
Die Späher werden ſich umjonjt bemühn. 
Doch nun zu einer andern Sache, Ohm! 
(Er jest jih und entfaltet einen Brief.) 
Bon Philipp August, Richards Lehensherrn, 
Der vor Rouen, der Feſte Englands, liegt, 
Das Unglüf nugend jeines tapfren Gegners, — 
Kam mit dem Glückwunſch zu der rohen Kunde 
9* 


182 Die Pfalz im Rhein, 


Bon dejjen Haft, zugleich mir jein Erbieten 
Zu einem gegenjeit’gen Waffenbündnig, — 
Und diejes zu befiegeln vor der Welt, 
Bewirbt er ſich um Deiner Tochter Hand. 


Pialzgraf Konrad (naydem er geleien. Sp groß die Ehre, die 
mir widerfährt, 
So jeßt fie mich doch in fein kleines Staunen, 
Denn, der zu werben vorgiebt, ijt vermählt. 


Kaifer Heinrih. Er war vermählt, dies fommt der Wahrheit 
näher! 
Die Ehe, die er, faum ein Jahr iſt's her, 
Mit Ingeborg, der Dänin, eingegangen, 
Ward aufgelöft auf Grund erfannter Täufchung, 
Die ein Gebrechen vorbedacht verſchwieg, 
Das ihm zur Lajt den Umgang mit ihr machte: 
Der Natshof jeines Reichs jchied beide Gatten. 
So jteht das Recht zu freien neu bei ihm, 
Bon dem Gebrauch er macht nach jeinem Wunjche. 


Pfalzgraf Konrad. Der Antrag ijt, gejteh’ ich wohl, veriodend ! 


Kaijer Heinrih. Den zweiten Thron der Erde einzunehmen 
An eines mir verbunden Königs Seite, 
Sit alles, was Dein Kind fih wünjchen fann. 


Pfalzgraf Konrad. Denkt fie, wie ich, jo ſchwankt fie feine 
Stunde! 
Kaijer Heinrih. Das ift die Trage, und ich fürchte fait, 
Daß fie der Werbung auszumweichen jucht. 


Pfalzgraf Konrad. Erfänd' ich fie, was ich nicht Hoffen will, 
So thöricht gar, dagegen fich zu jträuben, 
Ich ſäumte nicht, fie wider ihren Willen 
Zum Glück zu zwingen! 
Kaijer Heinrich. Was wir heute jahn, 
Zeigt, daß fie einen mut’gen Willen hat, 
Den es zu beugen vollen Ernjt erfordert, 
Doch den ich auch an ihr erweijen werde! 
Pfalzgraf Konrad. Niemals verriet fie vorher ein Gefühl, 
Das fich auf folche Neigung deuten ließ, 
War fie mir auch zu heimlich oft und jtille. 


Zweiter Akt. Erſte Scene. 133 


Kaifer Heinrih. Wenn ihr im Herzen folche Neigung jchlief, 
Wie ihr Betragen fajt erfennen läßt, 
So bau’ ich auf die Klugheit ihrer Mutter 
Zu allermeijt, wojern fie denft wie Du. 
Pfalzgraf Konrad. Wie jollte ſie's in ſolchem Fall nicht thun ? 
Kaiſer Heinrich. So wird ihr leicht die Überredung fallen! 
Der Stolz, den Deinem Kinde diefer Antrag, 
Wie jonit fie auch gejinnt, erweden muß, 
Entwöhnt fie ihrer Eind’schen Wünjche bald 
Und läßt fie deren Albernheit belächeln. 


Pfalzgraf Konrad. Durch Güte oder Zwang, fie wird ge- 
horchen, 
Ich gebe Dir mein fürjtlih Wort darauf. 
Doch iſt der Zweifel ung noch nicht gelöft, 
Ob zu dem Spruch der Natshof war berechtigt. — 
(Biſchof Burkhard tritt ein.) 
Kaifer Heinrich. Ei ſieh, der Bifchof fommt uns wie gerufen! 
Ihr ſollt uns Rat in einer Sache jpenden, 
Die Ihr aus Eures Amtes Übung fennt. 
Biſchof Burkhard. Herr, wenn e3 jo, dann fragt Ihr nicht 
umjonit. 
Kaijer Heinrich. War's nicht der Kirche Recht zu aller Zeit, 
Geſchloſſne Ehen wieder aufzulöfen, 
Sobald dafür ein trift’ger Grund bejtand ? 
Biſchof Burkhard. Iſt dies auch ganz in ihre Nacht gejtellt, 
Kommt doch ihr Abjcheu dem Verbote gleich ; 
Und willigt fie in jeltnen Fällen ein, 
So thut ſie's nur, wenn die gejchiednen Gatten 
(Ich meine beide und nicht einen bloß) 
Sich feinen neuen Eh’bund vorgejett. 
Kaijer Heinrih. Seit wann herrſcht diefe Strenge in der 
Milde ? 
Mein Bater war gejchiedner Ehemann, 
Als er mit meiner Mutter fich vermählte, 
Die dennoch als die Zier der Frauen galt. 
Pfalzgraf Konrad. Bon Eurem Freund, dem Ser! Br das 
Leiche, 
Dem erjt jein zweit Gemahl Nachlommen gab, 
Die Ihr doch nicht etwa verdächt’gen wollt? 


134 Die Pfalz im Rhein. 


Biſchof Burkhard. Erwieſe ich auch diefer Hinweis richtig, 
So heiligt altes Unrecht doch fein neues; 
Was aber beide Fälle unterjcheidet 
Von dem, der jujt mir in Gedanken jteht, 
Sit, daß die Trennung hier durch Zwang geichah, 
Was ich als frevelhaft durchaus verdamme. 
Kaijer Heinrich (ic niederjegend). Wart Ihr bei der Berhand- 
lung gegenwärtig, 
Daß hr jo ficher dies behaupten fönnt ? 
Biſchof Burkhard. Ich würde nie ein leer Gerücht verbreiten, 
Doch für die Wahrheit Hab’ ich einen Mund! 
Kaijer Heinrih. Des waren wir am heut’gen Tage Zeugen! 
Indes erweden wir den Zanf nicht wieder 
Und halten wir uns an den Streitfall bloß, 
Bon dem hr gleichfalls ſchon zu willen jcheinet. 
Biſchof Burkhard. Ich bin von ihm volljtändig unterrichtet. 
(Er zieht einen Brief hervor.) 
Stephan, der würd’ge Erzbijchof von Reims, 
Hat mir ausführlichen Bericht gejendet, 
Den ich Euch mitzuteilen mich genaht. 
Kaijer Heinrih. Wir denken uns den Inhalt, doch verleit! 
Biſchof Burkhard. So höret denn, was er mir wörtlich jchreibt: 
„Wir Haben eine Perle unter ung, 
Die, in den Staub getreten von den Menſchen, 
Geehrt wird von den Engeln, unwert nicht, 
Ein Schloß zu zieren, ja den Himmel jelbit: 
Sch meine unjre arme Königin, 
Die in Ciſoire in jtrenger Haft verweilt, 
An Jahren jung, doch an Verſtand gereift, 
So flug wie Sara, weije wie Rebeffa —“ 
Kaijer Heinrich (ipöttiis). So Fromm wie Anna, keuſch als wie 
Sujanna — 
Biſchof Burkhard (mas einer Pauſe weiterleend). „Ihr tägliches Ge- 
ſchäft ift ihr Gebet 
Und ihrer unjchuldvollen Hände Arbeit. 
Selbſt Ahasver, er würde feine Ejther, 
Wenn er fie jo erblidte, reuevoll 
In feine Arme ziehn und neu ihr ſchwören! 
Und dieje liebenswerte Königstochter, 


Zweiter Akt. Erſte Scene. 135 


Gefrönt und auf den Stuhl gejeßt durch mich, 

Sit alfo leidvoll und zugleich erniedert, 

Daß fie die Hand nach einer Gabe ausſtreckt 

Und dem mit Demut dankt, der fie ihr reicht. 

O diejes Königs fiejelhartes Herz, 

Wer fann e& jemals zu erweichen hoffen ? 

Und völlig erſt, jeit er bei fich beichloß, 

Sich aus Berechnung buhl’riich zu vermählen — 
Kaijer Heinrih. Nur weiter, Wort für Wort, wie's jteht im 


[ZI 


Briefe! 
Pfalzgraf Konrad. Und endlich von der Schale auf den 
Kern! 
Biſchof Burkhard. „Mit einer Jungfrau füniglichen Stam- 
a — 
Pfalzgraf Konrad. Nur zu! 
Kaiſer Heinrich. Hier haft Du die Bejtätigung. 
Biſchof Burkhard. „Mit des Pfalzgrafen Konrad Tochter, 
Ugnes, 


(Mit erhobener Stimme.) 

Auf die den Blid er warf aus Ehrbegier 

Und ird'ſchem Trachten, das fich jelbit nur fennt, 

Gefühle Heuchelnd, die ihn nie bejeelt. 

So denkt er, gleiches Spiel mit ihr zu treiben, 

Wie mit der Tochter König Waldemarz, 

Die auf den Händen er zu tragen jchien, 

Bevor ihr Bater aus der Welt gegangen, 

Und die er nun jo ausgejucht mißhandelt. 

Mit jolchem Plane trägt fich dieſer Heuchler, 

Der, iſt er gleich vom ganzen Hof durchichaut 

Sn jeiner Arglift und Bermeijenheit, 

Es dennoch hofft, durch jchlangenglatte Lift 

Und angeborne Stärfe der Beritellung, 

Ans Ziel, das er fich vorgeſteckt, zu dringen, 

Und jed Bedenken fünftlich zu zerjtreun, 

Wie jein Vorgeben zeigt, daß er gejchieden 

Von Ingeborg, was nicht doch wird geichehn, 

So lang auf Petri Stuhl ein Prieſter fißt.“ 
Kaijer Heinrich. Ihr mweisjagt weniger, als dat Ihr droht! 
Pfalzgraf Konrad. Doch Eure Drohung ift jo fe wie nichtig. 


136 Die Pfalz im Rhein. 


Biſchof Burkhard. Sie wird, was Jhr auch thut, fich doch 
erfüllen ! 
Kaijer Heinrih. Wir jind der Tugendlehren überdrüffig. 
Biſchof Burkhard. Sie zu verfünden ift mein Amt. Berzeiht! 
(Er entfernt ſich nad) einer ehrerbietigen Verbeugung; im Abgehen beifeite.) 
Mein nächjtes ift, auf Stahleck fie zu warnen. 
Kaifer Heinrich. Dies wird ihm auf die Rechnung mit ge- 
jchrieben ! 
Was ſagſt Du zu der aufgepußten Fabel? 
Pfalzgraf Konrad. Mag manches auch zur Laſt den Kläger 
allen, 
Bleibt doch der Werbung Wert mir voll beitehn, 
Zumal ich ja vor gleicher Ungebühr 
Mein Kind zu Jichern weiß auch in der Ferne. 
Kaiſer Heinrich. Die Deinen haben fich jchon fort begeben ? 
Pfalzgraf Konrad. Gleich nah der Reichsverſammlung 
Ichieden fie. 
Kaijer Heinrih. ch hätte Agnes gern als Braut begrüßt, 
So bleibt Dir die Eröffnung überlafjen. 
Pfalzgraf Konrad. Ich weihe meine Gattin ein zunädhit, 
Damit fie meine Tochter vorbereitet 
Auf die Vernehmung deilen, was im Werke, 
Und fie erfaſſen lehrt des Glüdes Hand. 
Kaijer Heinrih. Die Heirat müſſen wir mit Macht betreiben ! 
(Sid erhebend.) 
Sobald die Boten Deines fünft’gen Eidams, 
Die vom Ardennerwald ich heut erwarte, 
Hier eingetroffen und empfangen find, 
Begiebft Du Dich von Worms zurüdf nach Stahled, 
Die königliche Werbung anzujagen. 
Sch brauche Frankreichs nachbarliche Hilfe, 
Unangefochten Herr im Reich zu werden, 
Um, wenn ich Ruhe mir daheim verjchafft, 
Mich gegen der Normannen Hohn zu wenden, 
Und aus der Schmah Konjtanzen zu befrein, 
Sin die fie ohne unſre Schuld geraten: — 
Wir jtehn am Anbeginn erjt unſrer Thaten. 
(Der Zwiſchenvorhang fällt.) 


Zweiter At. Zweite Scene. 137 


Zweite Grene, 


. Auf Schloß Stahled am Rhein, in der der hochgelegenen Burg vorgebauten, 
mit Arkaden eingefaßten Steinlaube, die freien Ausblid nad dem Rhein und den 
angrenzenden Bergen gewährt. Am Ende verjelben eine in da3 Schloß führende 
Pforte; in einer Nijhe dabei ein Madonnabild und längs der bemalten Wand viele 
Blumenftöde. Irmengard und Agnes wandeln im Gejpräde einher.) 


Agnes. Könnt Ihr verſichern wirklich, liebe Mutter, 
Daß ihm fein Leid gejchah, durchaus fein Leid? 
Irmengard. Wie oft noch wiederholen joll ich Dir's? 

Und Haft Du’s nicht vom Bijchof ſelbſt vernommen, 

Daß er ihn feine Sicherheit verbürgte 

Und ihm zur Dedung ein Geleite gab? 
Agnes. Gott ſchuf ihm einen Schüßer in der Not! 

Denk’ ich daran, jo fühl’ ich mich getroft. 
Irmengard. So höre denn auch auf, Dich ſelbſt zu quälen, 

Und hänge nicht dem Bild bejtändig nach, 

Das Dir die Furcht in düftren Farben malt! 
Agnes. Wohl werd’ ich nicht die bange Sorge los! 

Mein Herz, das jeder Kunde zweifelnd laujcht, 

Stößt auch den guten Boten von fich fort 

Und glaubt der eignen Stimme mehr als ihm. 

(Sie wirft fih der Mutter an den Hals.) 

D Mutter, mir im Bujen wanft das Herz, 

Und um mich zu verfinfen droht die Welt! 

Sch weiß nicht mehr, wo Wehe liegt und Heil, 

In Ein Gefühl ijt alles aufgelöft, 

Und aus dem Tag ward völlig finjtre Nacht! 
Zrmengard. Dein Mitleid trägt befondere Gejtalt! 

Es ijt, als ſchwebte Dir zu Klar nur vor, 

Was diefer Züngling einjt für Dich bedeutet, 

Da Du vernunftlos fait ein Kind noch wareft. 
Agnes. So ijt e8 wahrlich! Als ich ihn erjchaute, 

Stieg, wie ein Traum, Erinnrung in mir auf 

An alles, was Ihr mir von ihm erzähltet 

Sp manchen Tag, jaß ih an Eurer Seite 

Und blieten wir hinunter nad) dem Rhein, 

Der dort vorübereilt mit jeinen Wellen. 
Srmengard. Und was davon blieb Dir jo eingeprägt ? 


138 Die Pfalz im Rhein. 


Agnes. Ihr rühmtet jeinen Hochgemuten Sinn, 
Der fih in manchem Zug ſchon offenbare, 
Den jeine Mutter Euch mit Stolz verraten. 
Wohl damals feimte ſchon der Held in ihm, 
Und welch ein Rittersmann iſt er geworden! 
Wie furchtlos trat er vor den Dränger Hin, 
Bon feinem Hohn verjchüchtert, feinem Drohen! 
Wie ſchlug jein Herz, als er den Bruder nannte 
Und los ihn bat aus feiner jtrengen Haft! 
Wie würdig Iprach er von des Vaters Not, 
Des Schuld er, wie er fonnte, auf fich nahm, 
Doch ohne des Berrates Schein zu dulden, 
Noch einen Makel an der eignen Ehre! 
Wie wallte ihm das Herz vor Unmut auf ' 
Bei jeder Unterjtellung niedrer Art, 
Und wie bejehämte jein Bericht den Kaifer, 
Der ihn durch Lift ſchon eingefangen glaubte! 
Und als der Häſcher Hände nach ihm fuhren, 
Stand er nicht da dem Felien gleich im Rheine, 
Der aus den Strudeln dort herüberblict ? 
Irmengard. Sein Lob, beredt genug haft Du's begründet! 
Agned. Sagt lieber, ſchwach genug, ach! allzuichwach. 
Doh wer in Worten könnt' es auch erichöpfen ? 
Irmengard. Wie ander? nun, als damals, da Du weinteft, 
Wenn ich, Halb ernit, halb nedend, Dir vertraute, 
Daß er einit fommen werde, Dich zu Holen 
Und Heimzuführen in fein fernes Braunfchweig ! 
Beritekt im Schoß mir hielteft Du das Köpfchen, 
Das Du bei jedem Worte an mich drückteit, 
Als ſähſt Du ihn und wolltejt ihm entrinnen. 
Agned. O melche Thörin, Mutter, war ich damals! 
Wenn Gott e& wollte, daß er jet mir käme, 
Mit offnen Armen flög’ ich ihm — 
Und — 
Irmengard. Nur zu Ende! 
Schlöſſ' ihn an mein Herz! 
Irmengard. Ga, wenn nicht diefer Zwiſt zwei Häuſer 
trennte, 
Die einſt Jo innig fich befreundet galten, — 


Zweiter Akt. Zweite Scene. 139 


Sp aber wär's ein Wahn, verjuchteit Du, 
Des Feindes Sohn mit Liebe zu umfangen! 
Agnes. Was kümmert mich die Feindichaft unfrer Häufer, 
Ihr Rachedurjt und unverjöhnlih Wüten? 
Wie jollt’ ich mich ergrimmen und erbittern, 
Die ich noch nicht einmal den Grund erfannte 
Des Haſſes, der ung von den Welfen trennt? 
Und ſpracht Ihr nicht mir oft von unjerm Amte, 
Zu Ichlichten das Verworrne und den Groll 
In Milde und Vergebung umzuwandeln ? 
Seht, ihn und alle feines Stamms mit ihm 
Uns wieder nah’ zu bringen, herzlich nabe, 
Dies ſchwebt mir vor, und nicht den Mann zu hafjen, 
Den mich das Innerſte zu lieben drängt. 
Er war erforen mir nach Eurem Willen, 
Er joll allein mein Herr auf Erden ſein! 
Irmengard. Doch, liebes Kind, bedachteit Du auch ſchon, 
Was Deiner fühnen Wahl im Wege jteht? 
Dein Vater, deſſen Haß ſchon tief genug, 
Hängt von des Kaijers Willen völlig ab, 
Und wie der Kaiſer denkt, halt Du erfahren. 
Es iſt vergeblih, was Du auch beginnit, 
Sie für dieg Ehebündnis zu befehren ! 
Drum juche Deines Herzens Blick zu jchließen 
Bor jenem Bild, das Dir verführend naht, 
Doch nur jo lang, als Du’s zu jchauen wünſcheſt 
Und Du e8 nicht aus Deinem Sinn verbannit; 
Wenn Du mit Ernjt ihm wehrit, zurüdzufehren, 
So iſt es fort, verweht für immer Dir! 
Agnes. O Mutter, diefen Rat, befolgt’ ich ihn, 
Er würde nicht allein in diefem Leben, 
Das faum mir blüht, mich allen Heils berauben, 
Kein, auch im fünftigen der Seligkeit, 
Denn Liebe würd’ ich ihm mit Falſchheit lohnen, 
Und das iſt Sünde, der Vergebung fehlt. 
Armengard. Doch, bilt Du ficher auch, daß er Dich liebt, 
Daß Dein Gefühl von ihm erwidert wird ? 
Agnes. ch weiß es, denn ich las in jeinem Blide, 
Den er beim Sceiden mir noch zugewandt. 


140 Die Pfalz im Rhein. 


Irmengard. Kind, jolch ein Blick betrügt zumeilen jehr. 
Menn ich auch wanfelmütig nicht ihn wähne, 
Zu leicht verblaßt nur, was uns licht erjchien! 
Agnes. So müht ich irre an der Wahrheit werden 
Des Tröftlichjiten, das mir als ficher gilt! 
Denn jandte mir nicht jeinen Gruß er zu 
Aus freien Stüden und aus ganzer Seele, 
Den ich mit taufend Grüßen ihm ermwidert ? 
Irmengard. Wenn fie nur jicher auch zu ihm gedrungen, 
Umringt von Spähern, wie ich mir ihn denfe! 
Dem Biſchof jelbjt jchon jtiegen Zweifel auf. 
Agnes. Wohl Habt Yhr recht, ich nehm’ es allzuleicht. 
D hätt’ ich die Gefahr mir vorgeftellt, 
Sn die ih unbedachtſam ihn gejtürzt, 
Nicht aljo jtänd’ ich angjtvoll da wie jeßt, 
Geheimen Vorwurf lajtend mir im Herzen! 
Denn, um das legte noch Euch zu geitehn, 
Das ich, verzeiht es mir, bisher verjchwiegen : 
Ich lud den Teuren zum Beſuch nach Stahled, 
Um mich mit ihm Euch bittend hier zu nahen, 
Indes der Vater noch beim Kaiſer weilt, 
Auf Eure Liebe, Euren Schuß vertrauen». 
Nun, Mutter, hab’ ich alles eingejtanden. 
Irmengard. Wie, folcher That erfühnt haft Du Dich wirklich ? 
Und fein Bedenken jtieg Dir auf dabei ? 
Den Wildbach ließeſt Du im Schuffe los, 
Ganz ohne Macht, ihn wieder einzufangen! 
Agnes, Nicht ängſtiget um mich Euch, liebe Mutter! 
Mas liegt an mir, bleibt Er nur unverjehrt, 
Der feine Schuld an meiner Thorheit trägt? 
Irmengard. Was aber hülfd dann Dir diefer Schritt, 
Den Du doch im Vertrauen unternahmit, 
Daß er vollkommen Dir gelingen werde; 
Denn, um nur Ein Bedenken anzuführen, 
Wie Hoffit Du, zu verbergen ihn dem Water ? 
Agnes. Wohl wahr, es bliebe fein Geheimnis ihm. 
Die kleinſte Spur, er würde fie entdeden 
Und fie verfolgen, big er habhaft jeiner: 
Sp müßte büßen Er, was ich beging! 


Zweiter Att. Zweite Scene. 141 


Kein, hehlen will ich vor dem Vater nichts, 
Vielmehr zu Füßen mich ihm flehend jtürzen 
Und ihn um Gnade angehn auf den Knieen. 
Irmengard. Doch kannſt Du glauben, daß er Dich erhört? 
Bedenfe doch, Du biit das einz’ge Kind, 
Das ihm von allen noch am Xeben blieb, 
Und das er als die Erbin jeiner Güter 
Nicht preis will geben widerwärt'gem Schidfal. 
Agnes. So zieht er vor, daß unvermählt ich bleibe ? 
Irmengard. Im Gegenteil, er finnt, Dich zu vermählen, 
Doch will er Dir den Gatten ſelbſt erjehn, 
Der würdig Deiner königlichen Abkunft. 
Agnes. So wißt Ihr einen Würdigern zu nennen ? 
Irmengard. In Deines Vaters Bli wär’ er ein Bettler, 
So hohem Fürjtenhaus er auch entjtammt. 
Agnes. Kann ihr gejunfnes Glück nicht neu fich heben ? 
Irmengard. Dies zu verhindern iſt der Unſern Trachten. 
Agned. So jeht Ihr aljo feine Hilfe rings? 
Irmengard. Kein Ausweg bleibt, eg wäre denn, ich nähme 
Den Schritt, den Du gethan, in meinen Schug. 
Agnes. Du wolltejt vor dem Vater ihn vertreten ? 
D Mutter, ift es wahr? ch fürchte fait, 
Daß Du Berzeihung um Verzicht mir bieteit. 
Nein, lieber laſſe mich den Zorn erleiden! 
Irmengard. Dies Opfer wäre feines Dankes wert! 
Ich will Dich deden mit den Mutterarmen, 
Da Deine Schuld in Liebe nur beiteht. 
Agnes (am Halje der Mutter). In welches Wonnemeer taucht mich 
dies Wort! 
Doch ſolchen Opfers, bin ich es auch wert? 
Irmengard. ch acht’ es für gering, jeit ich erfenne, 
Daß Ein Gefühl Dich ganz und gar beherricht, 
Das mir in jeiner Duelle rein erjcheint 
Und Gott wohl auch, da er in Seiner Vorficht 
Euch in der Kindheit zu einander führte. 
Agnes. O Mutter, welchen Troſt ſprichſt Du mir aus! 
Ach, wär’ des Vaters Herz jo mild wie Deines! 


142 Die Pfalz im Rhein. 


Irmengard. Er äußert fein Gemüt in andrer Art, 
Und drum jolljt Du nicht murren wider ihn. 
Agnes. Ich will ihn lieben, wenn er auch) mir zürnt. 
Irmengard. Die Hand der Mutter wird den Streich ihm 
wehren. 
Agnes. Mein, laß ihn fallen nur, jonjt trifft ev Dich! 
Ssrmengard. Wir wollen Gott anrufen, ihn zu leiten, 
Doch mit Geduld ertragen, was Er jhidt. 
Agnes. Getrojt ergeb’ ich mich in Seinen Willen, 
Und wie Ihr mahnt, vertrau’ ich Seiner Fügung. 
Irmengard. Das thue, und Du wirft die Not beitehn, 
Zugleich mit ihm, der Dir zum Schirm erforen! 
Agnes. Als Magd ihm folgend, teil’ ich jeine Wege! 
Irmengard. Wär’ meinem Wunfche Kraft verliehn, er käme, 
Und noch vor Abend träf’ er ein in Stahled. 
Agnes (auf das Madonnenbild zueilend). Du Gnadenreiche, führ' ihn 
mir heran, 
Ich weihe Dir zum Dank all meine Blumen! 
Irmengard. Wohl wäre faſt die Frijt zu furz dazu, 
Denn vorzufehren hätt’ ich manches noch. 
Agned. So willſt Du aljo ihn herbei mir ziehn? 
Irmengard. Ich finne nach, das Mittel zu erjchaffen. 
(Nach einer Pauſe.) 
Da kommt ein Einfall mir, — fo könnt' es gehen! 
Der Biſchof Burkhard that in Worms mir fund, 
Er habe jeinen Schüßling insgeheim 
Dem Guardian im SKlojter Lorſch empfohlen — 
Agnes (einfallendd. Das Gleiche Hat er mir auch offenbart. 
Irmengard. Das jenem heimmwärts auf dem MWege liegt. 
Agnes (in die Hände Hatjgend). So willen wir, wohin : Bote 
muß! 
Irmengard. Sch bin noch nicht zu Ende, Ungeduld! 
Nun iſt zu Mittag heut von dort herüber 
Der Jüngſte unſres Gärtners eingetroffen — 
Agnes. Den Berg herauf fehritt er an mir vorbei. 
Irmengard. Gr brachte dorther junge Reben mit, 
Auf die der Alte lange jchon fich Freut. 


Zweiter At. Zweite Scene. 


Agnes. Sch weiß es wohl, er jprach mir oft davon. 
Srmengard. In nächiter Woche fehrt er zur Abter. 
Agnes. In nächſter exit! 
Irmengard. Laß mich zu Ende kommen. 
Ich ſorge, daß er mit der Sonne morgen 
Und wohl beritten auf den Weg ſich macht. 
Agnes. Mit welchem Auftrag? Sagt dies Eine noch! 
Irmengard. Ein Brief, den ich ihm zu beſtellen gebe, 
Soll den Empfänger zum Beſuche laden 
In aller Heimlichkeit auf unſer Schloß 
Und ihn dabei zu höchſter Eile mahnen. 
Agnes. Wie prächtig iſt Dein Plan doch, liebe Mutter! 
Irmengard. Daß Du ihn rühmeſt, dacht' ich mir zuvor. 
Doch ihn zur Stunde gleich ins Werk zu ſetzen, 
Säum' ich nicht länger. 
(Sie entfernt ſich durch die Pforte ins Schloß.) 
Agnes (ihr nachrufend). Gott vergelt’ es Dir! 
(Allein; es dunfelt.) 
Ich ſoll ihn jchauen, joll ans Herz ihn drüden, 
Soll ihm gejtehen dürfen meine Liebe! 
O, der Gedanke ijt jchon Seligfeit, 
Und, ihn ermeſſend in der ganzen Fülle, 
‚Steigt ſolche Wonne mir im Herzen auf, 
Daß ich dafür nicht Worte finden fann, 
Ihm eine Schwinge ahnungsvoll zu Leihen, 
Und, was ich fühle, jubelnd zu befennen. 
Ihr Vögel, fliegt entgegen meinem Heinrich 
Und ruft ihm zu, daß ich ihn hier erwarte, 
Das Herz nach ihm voll Sehnjucht und Verlangen, 
Und jeden Augenblid, den er verjäumt, 
Berloren Halte und verraufcht für immer! 
Doch, wenn er auf dem Weg jchon weiter 309, 
Da Eile ihm ja durch die Pflicht geboten, 
Und er ſchon fern auf fremder Straße wandert 
Der Heimat zu, die meinem Ruf verjchlofjen: 
Was nugt dann aller Drang, ihn einzuholen ? 
Vergeblich jtarrt der Bote in die Leere 
Und jucht des Fernen Spur, er frägt umfonit, 
Die ihm begegnen — fort iſt mir der Teure, 
Und mein Erharren bleibt ihm unbefannt: — 


144 Die Pfalz im Rhein. 


Sch werde ihn im Leben nimmer jehn! 
O, wenn es jo geichieht, wie ich befürchte, 
Weil ich jaumjelig fort ihn ziehen ließ, 
Anitatt ihm fund zu thun, was ich empfinde — 
Mit meinem Heil für immer ijt’S vorbei, 
Nichts hat die Welt umher zu bieten mir, 
Als, was fie mir nicht weigern fann, ein Grab, 
Und diejes werd’ ich juchen, wo ich’3 finde! 
(Heinrid von Braunjhmweig, in Pilgertradt, erjteigt, plötzlich jihtbar geworden, 
die zum Schloß emporführenden Stufen und nähert fih, von ihr ungejehen.) 
Ich weiß ja, wo der Rhein am tiefjten tit. 
Heinrich von Braunjchweig. Agnes! 
Agnes. Mein Heinrich! Bift Du's 
wirklich, Du? 
(Sie liegen fih in den Armen und halten fi) ſchweigend lange Zeit umfaßt.) 
Heinrich von Braunjchweig, Sch wußte, daß Du mein ge- 
denkeſt auch, 
Und konnte fait das Dunkel nicht erwarten. 
Agnes. Sei unbejorgt, der Vater weilt in Worms, 
Und ung gewogen iſt die teure Mutter. 
Heinrich von Braunſchweig. Glückſel'ge Stunde, wollteft nie 
Du jchwinden! 
(Irmengard tritt durch die Pforte unbemerft wieder ein.) 
Agnes. O denk nicht an den Abfchied, teurer Mann! 
Heinrich von Braunjchweig. Sch bleibe Dein im Leben immerdar, 
Und wo ich bin, ſollſt Du auch mit mir weilen! 
Agnes. Umſchlungen Halt’ ich Di) am Herzen ewig 
Und feine Macht der Welt joll Dich mir rauben! 
Irmengard. Da hat es eines Boten nicht bedurft. 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des zweiten Aktes. 


Dritter Akt. 


(Unter dem Schloſſe zu Stahled, das ben nahen Gipfel bevedt. Rings meite 

Ausfiht nad dem Rheine und ins Gebirge, jowiejaud) auf das Städtchen Bada= 

rad in der Tiefe, dahin ein Weg hinunterführt, Born zur Seite ftehen zwei große 

alte Nußbäume mit einer Ruhebanf, und zwiſchen diejen, doch mehr zuridgelegen, 

erblict man eine Kapelle. Urban, der alte Weingärtner, und jein Sohn Jörg find 
im Rebengelände beſchäftigt.) 


Urban. Sind Deine Stecklinge jchon in der Erde? 
Du weißt, wie leicht fie an der Sonne dörren. 
Jörg. Sch grub fie ein, jo tief die Wurzeln reichen; 
Sollt jehn, was das Euch für ein Tränklein giebt! 
Urban. Wird fih mit unjerm doch nicht meſſen wollen! 
Wie heißt der Spruch, den jeder Zecher fennt ? 
„gu Hochheim am Maine, 
Zu Würzburg am Steine, 
Zu Bacharach am Rheine 
Soll’n fein die beiten Weine.” 
Und dabei bleibt’s, trog Eurem Kloſterſegen. 
Jörg. Die Trauben lot der Winzer jelbjt hervor, 
Die in den angejchnitt'nen Augen jchlafen, 
Und wenn er jo die Menge mehren Hilft, 
So kann er auch veredeln ihre Güte. 
Urban. Als ich in Weljchland mit dem Rotbart war, 
Lang eh’ Du einen Rebſtock noch gejchaut, 
Sa, eh’ ich Deine jel’ge Mutter fannte, 
Sah ich dort Streden meilenlangen Landes, 
Wo um die Ulmen und die Mandelbäume 
Greifs Werke. II. 10 


146 Die Pfalz im Rhein. 


Die Reben ranken, um und um behangen 

Mit Trauben, groß wie eine Kürbisfrucht — 

Doch daß ihr Saft mir jonderlich gemundet, 

Das könnt’ ich nicht beim Heil’gen Urban ſchwören. 

(Er trinkt aus dem Kruge. Irmengard wird zwifchen Rebſtöcken fidhtbar.) 
Jörg. Bekomm's Euch wohl! 
Urban. Gi jieh, Frau Irmengard! 

Was mag fie wollen in jo früher Stunde? 

Jörg. Mir jchwant e3 ſchon, ih muß zurüd nach Lorch. 
Urban. Das ijt vorbei, feit fie den Gajt befommen. 
Jörg. Den Pilgrim, oder wer es fonjt jein mag — 
Urban. Daß Du mir Deine Zunge fein behüteft 

Und nicht davon mir plauderft, hörſt Du wohl! | 
Irmengard (vie Herangefommen). Gott jegne Euch den Trunf! 
Urban. Die Kehl' wird trocken, 

Wenn man im Weinberg mit dem Karſt hantiert 

(Indem er eine Rebe beſchneidet.) 

Und in das harte Holz des Rebſtocks ſchneidet. 
Irmengard. Mann, dauert Euch der junge Weinſtock nicht? 
Urban. Die Thräne darf der Rebe nicht erſpart ſein, 

Da ſonſt ſie in zu üpp'gen Schuß gerät. 

Es iſt auch uns jung beſſer nicht ergangen. 

Irmengard. Doch andern möchten wir's dafür erlaſſen. 
Urban. Was hilft der wilden Rebe doch die Freiheit, 

Die ſie in unfruchtbarem Trieb verſchwendet? 

Ich wär ein ſchlechter Gärtner, ließ’ ich's zu, 

Daß fie erjticdt in ihrer eignen Fülle! 

Irmengard. Wohl wahr. Herz und Verjtand find oft fich 
Feinde. 

Doch jetzt ein Wort mit Eurem Sohn — 
Urban. Merk' auf! 
Irmengard. Ein Rittersmann hat in der Stadt genächtigt 

In fremder Tracht, Herr Helmold von Schwerin — 

Verſtandeſt Du? 


Jörg. Herr Helmold von Schwerin. 
Irmengard. Erkund' ihn raſch und bring' ihn auf das 
| Schloß. 


Urban. Geh', ſpute Dich! 
Jörg. Ihr ſollt nicht lange warten. 
(Er läuft den Berg hinab.) 


Dritter Akt. 147 


Irmengard. Es thut mir leid, daß ich jo bald den Sohn 
Euch wieder nehme, doch vor Abend noch 
Muß er mir einen Gaft nach Lorſch geleiten. 
Was ſchaut Ihr mich mit jolchen Augen an? 
Urban. Mir fuhr juft ein Gedanke durch den Kopf. 
Ssrmengard. Und welcher wohl? 
Urban. Ein ſtark Geleit' thät’ not, 
Da fih der Herr in Feindesland befindet. 
Irmengard. Wie meint Ihr das? 
Urban (erlegen). Nun, weil er doch ein 
MWelfe. 
Irmengard. Das denkt Ihr Euch. 
Urban. Ihr wißt am beiten jelbjt, 
Daß er des Löwen erjtgeborner Sohn, 
Der einjt verlobt war unferm jungen Fräulein. 
Irmengard (im betretenen Tone), An welchem Merkmal wollt Ihr 
das erkennen? 
Urban. Wer jeinen Vater jah jo oft wie ich, 
Der weiß, aus welchem Ei der Vogel jchlüpfte. 
Irmengard (fi beſorgt umblidend). Nichts weiter mehr; er weilt 
nur flüchtig hier 
Und trachtet heimmwärts auf dem nächjten Wege. 
Urban. Mein Sohn wird ihn darauf verläffig führen, 
Ihr findet ung den ganzen Tag im Wingert. 
Irmengard. Sch werd’ euch, wenn es Zeit, zu mir bejcheiden. 
(Urban entfernt fih auf einem der Pfade bergein.) 
Irmengard (aein. Er warnte mich, nichts ahnend, doch mit 
Recht, 
Und traf mich um fo tiefer in das Herz! 
SH habe dem Gebot der Mutterliebe 
Allein gehorcht, nicht auch dem Rat der Klugheit, 
Was ſchwer fich rächen kann. So hart ſie's trifft, 
Sch darf fie länger nicht vereinigt laſſen; 
Zu beider Heil geſchieht's, daß ich fie trenne. 
Ihr Lebensbund it völlig ja gejtiftet, 
Vielmehr, er war es jchon, da ich der Zug 
Der Herzen uns in Worms verraten hatte; 
Und nur noch das Gejtändnis trat Hinzu. 
Der Pfänder braucht ja jolche Liebe nicht, 
Die auf dem Grund verwandter Herzen wurzelt. 
10* 


148 Die Pfalz im Rhein. 


Nicht die Erfüllung gegenwärt’ger Schwüre, 
Ihr fünftig Schickſal jteht mir zu bedenken, 
Wie die Gefahr, die aus vorjchneller Runde 
Erwachſen kann, ja ficherlich erwächit. 
Denn fehrte früher, ala er vor ſich nahm, 
Der Pfalzgraf heim, um beide wär's geſchehn! 
Aufbraujfend wild, wenn er in Zorn gerät, 
Selbſt einer Frevelthat Halt’ ich ihn Tähig. 
(Agnes und Heinrih von Braunfhweig nahen mit Maria von Annmweiler 
auf eben bemjelben Wege, darauf Irmengard gefommen.) 
Doch wenn wir das Geheimnis jorglich hüten 
Und, ohne nachzulafjen, fort im Eifer 
Zuſammenwirken, jacht und allgemach 
Die grollenden Gemüter umzujtimmen, 
Dann fann fich, ſchenkt dag Glüd ung feine Gunft, 
Erfüllen, was wir ernjt uns vorgeſetzt, 
Und aufgehn die geheim gejtreute Saat 
Des Friedens und der endlichen Verföhnung. 
(Indem fie die Nahenden erblidt,) 
Doch jtill, da nahn fie, Hand in Hand verichlungen, 
Und ſorglos, wie wenn alles heiter lächle 
Sp um fie her, als dort der blaue Himmel, 
In dem auch nicht das kleinſte Wölkchen jchwebt. 
Für einen Augenblick belaufch’ ich fie. 
(Sie tritt hinter den einen der Bäume.) 
Agnes. Wie Herrlich ftrahlt die Welt dem Aug’ der Liebe! 
Aus jeder Blume, mein’ ich, winkt Dein Bild, 
Aus jeder Welle dringt Dein Bli herauf, 
Und Deine Seele jchwimmt in allen Räumen! 
Heinrich von Braunjchweig. Ganz, wie Dir jelbit, jcheint alles 
mir verwandelt. 
Sin jedem Strauch, den Hold der Mai geſchmückt, 
Erſchau' ich Dich, in jeder tau’gen Blüte, 
Sa, aus dem Epheu jelbjt lacht mir Dein Gruß, 
Der dunkel dort jih um Dein Fenſter ranft. 
Agnes. Hörjt Du das Böglein zwitjchern da vom Baume ? 
Es ift ein Zeidlein, das auf Futter wartet, 
Das ich ihm jtreuen joll, wie alle Tage. 
(Indem fie gegen den Baum hineilt, erblidt fie die Mutter, die lächelnd hervortritt.) 


Wie, liebe Mutter, jeid Ihr auch ſchon wach ? 


Dritter Akt. 149 


Irmengard (ihr iherzhait mit dem Finger drohend). Glaubſt Du, ich ließe 
aus den Bliden Dich? 
Maria (cherzendd. ch Hatte wohl bemerkt, wie Du behütet; 
Das macht, weil ich mit andern Augen ehe. 
Agnes (linemd). Mär’ Ritter Helmold hier, Du ſprächſt nicht jo. 
Maria. Das haft Du gut mir, wahrlich, heimgegeben! 
Heinrich von Braunſchweig. Darf ich es ihm verraten? 
Maria, Fragt mich nicht 
Und Handelt friichweg, wie e8 Eure Art! 
Agnes (eine Roje aus dem Straufe, den fie trägt, nehmend). Nehmt ‚ liebe 
Mutter; jeht, fie tauen noch 
Und geben unjern Dank jo befjer fund. 


(Der Mutter am Haljfe.) 
Noch Lieber Hab’ ich Euch als jchon bisher! 
Irmengard (auf Heinrich von Braunſchweig zeigend). Dort gieb die Küſſe 
bin! 
Agnes. Ihr Vorrat reicht 


Für alle. 
(Zu Maria; fie füfjend.) 
Auch für Dich iſt einer übrig. 
Irmengard. Sch dachte unſern Pilgrim mehr ermüdet 
Don feiner Fahrt, die er uns treu berichtet. 
Heinrich von Braunjchweig. Dank Eurer Pflege bin ich friſch 
erwacht. 
Agnes. Denf Dir, als wir ihn an der Stelle ſuchten, 
Mo ih am Abend ihn zuerjt begrüßt, 
Da jtand er dort, in Händen diejen Strauß, 
Und jah wie träumend nieder nach dem Rheine. 
Maria. Doch mit dem Träumen war e8 da vorbei! 
Irmengard. Das mußt’ ich wohl, dab Ihr fein Gieben- 
Ichläfer. 
Heinrich von Braunſchweig. Bon mancher Jagd im Harz bin 
ich's gewohnt, 
Früh mit dem Vogelſchall mich zu erheben. 
Agnes (ich an den Arm Heinrichs Hängend). Da pafjen wir wohl beide 
gut zuſammen; 


150 Die Pfalz im Rhein. 


Auch ich durchitreife früh das Feld amt Liebjten, 

Wenn fich die Lerche jchwingt ins Himmelszelt 

Mit ihrem erjten Lied und droben trillert. 

Doch Haft Du Luft, durchwandeln wir den Weinberg — 

Der Blick zum Rhein muß üb’rall Dir gefallen. 

Nicht wahr, ich darf ihn führen, liebe Mutter? 
Irmengard. Ein Weilchen laß ich Dir den Gaſt allein, 

(Nach der Kapelle zeigend.) 

Bis uns die Glocke dort zur Meſſe ruft. 

Agnes (Heinrich mit fi fortziehend. Dann ſiehſt Du auch den Schmud, 
den ich gejtidt. 

Es ijt ein trautes Kirchlein, glaub’ eg mir! 

(Agnes und Heinrich entfernen jih in den Weinberg; Varia ift im Begriff, zu folgen.) 


Irmengard (ür ſich. Sie ahnen nicht den Abgrund der Gefahr, 


An dem fie wandeln. — Hör’, Maria, 
Ich brauche Deinen Beiltand — 
Maria. Mir zur Freude. 


Was es auch gelten mag, tragt mir es auf! 
Irmengard. Sch harre des Gefährten Heinrichs hier, 

Den er in Bacharach zurüdgelafien, 

Und der von Worms her Dir noch wohl befannt. 
Maria. Gott weiß e3, daß ich jeiner nicht vergaß! 
Irmengard. Eil' ihm entgegen und erſuch' ihn dringend, 

Zum Aufbruch unfern werten Gajt zu mahnen; 

Mir jagt im Herzen eine bange Stimme, 

Daß er nicht länger hier mehr ficher ift. 

Maria. Ich will ihm Eure Warnung flugs beitellen! 
(Sie will enteilen.) 
Irmengard. So jteig’ ich mit Dir bis zur Linde nieder, 

Dort, wie von ungefähr, erwart’ ich euch. 

(Beide entfernen fih dem Thale zu. Heinrich von Braunfhmweig und Agnes fommen 
luftwandelnd zurüd.) 
Heinrich von Braunjchweig. Ja, herrlich ift die Pfalz, Dein 
Heimatland 

Mit ihrer Reben lachendem Gelände, 

Die rings umfränzen das bebaute Thal, 

Durch das im Silberlauf der Rhein fich windet 

Vorbei an jchattenreicher Berge Fuß, 


Dritter Akt. 151 


Bon deren waldumrauſchten Felſenkronen 
Ihn stolze Burgen nah’ und fern begrüßen. 


Agnes. Soll ih mit Namen alle nennen Dir? 


Heinrich von Braunjchweig. Wie Heißt das Schloß dort mit 
dem runden Turm? 
Agnes. Es iſt der Fürjtenberg, und ihm zunächit 
Mit feinen Zinnen liegt der Hohened; 
Dann folgt der Sooned und die Falkenburg, 
Nach ihr im Duft der Terne winkt der Rheinſtein 
Bom jonn’gen Rheingau her, der dort beginnt. 


Heinrich von Braunfchweig.e Doch welches Städtchen blickt jo 
ſchmuck dort her 
Auf unſerm Ufer? 


Agnes. Lorch mit jeinem Schloß, 
Bon dem fich bis nah Bingen jhauen läßt, 
Wo ſich im Rhein der Mäujeturm erhebt, 
Davon die Märe Du gewiß vernommen. 


Heinrich; von Braunjchweig. Hat nicht ein Biſchof dort den 
Tod gefunden 
Für jchwere Schuld ? 
(Sie jegen fih auf die Ruhebanf.) 
Agnes. Der böſe Hatto war's. 
Er ſperrte, da die Mainzer Hunger litten, 
In jeinem Geiz die vollen Scheunen zu, 
Und ließ, um Brot bejtürmt, fie niederbrennen. 
Da ſchickte Gott die Mäufe über ihn, 
Die ihn zuleßt, als er, zu retten jich 
Bor ihrem Andrang, nach dem Turm geflüchtet, 
Dort, nachgeſchwommen, überwältigten 
Und aljolang benagten, bis er tot. 


Heinrich von Braunjchweig. Die Strafe Gottes traf ihn wohl- 
verdient! 
Agnes. Und wie gefällt Dir unſer Bacharach? 
Heinrich von Braunjchweig. Gar traulich ruht es uns zu 
Füßen da 
Mit jeinen Mauern, vom Gebüjch veritedt, 
Darüber jchügend feine Türme ragen. 


152 Die Pfalz im Rhein. 


Agnes. Dort vor dem Thor liegt das Barfüßer-Kloſter, 
Bon dem aus unjer Kirchlein wird beforgt. 
Doch ſiehſt Du dort den Fels der Flut entjteigen ? 

Es ijt der Alterftein; taucht er auf, 
Dann fteht ein gutes Weinjahr zu erwarten. 


Heinrich von Braunjchweig. So dürfen heuer wir ein jolches 
hoffen. 
Agnes. Bei Tiich kredenz' ich Dir ein firnes Tränflein. 


Heinrich von Braunjchweig. Du ließeſt mich auch gejtern ſchon 
nicht dürſten. 
Doch wo liegt Caub? 


Agnes. Dort hinter jenem Berge — 
Die Stadt iſt auch dem Vater unterthänig. 
Vor ihr im breiten Strom ſteht ein Gebäu 
Mit vielen Türmen, das gar finſter droht, 
Die Pfalz im Rhein genannt, ein ſchlimmer Kerker, 
Vor dem mir grauſt, ſo oft vorbei ich fahre. 

(Sich an ihn ſchmiegend.) 

O Heinrich, wenn auch wir dort ſchmachten müßten! 
Mir ſchaudert's, denk' ich an ein ſolches Schickſal. 


Heinrich von Braunſchweig éGhre Hand erfaſſend). Laß Dich von 
Sorgen nicht befallen, Agnes ! 
Gott wird es beſſer fügen, ala Du fürchteit. 
(Man hört in der Ferne einen dumpfen Donner.) 


Agnes. Hat’s nicht gedonnert eben? 


Heinrich von Braunjchweig. Doch ganz ferne. 
Der Himmel über uns jtrahlt wolfenlos. 


Agnes. Ich weiß nicht, was mir für ein Bangen fommt, 
So oft ich an des Vaters Rückkehr denke, 
Der nicht mehr lange fern, wie es mir ahnt. 
Sonſt freut’ ich mich, ihn wieder zu begrüßen, 
Wenn er von einer Fahrt zurüd uns fam; 
Nun ſchnürt e8 mir die Bruft, denk' ich daran, 
Und jtell’ ich mir fein jtrenges Antlit vor. 
(Sie fährt empor.) 
Wohin ich jchaue, ſcheint fein Auge mich 
Bis in das Herz durchbohrend anzubliden. 


Dritter At. 153 


Heinrich von Braunjchweig (ie zu fih niederziehend). O bilde Dir 
nicht ſolche Schreden ein! 
Bedenfe, wenn auch er mir bös gefinnt, 
Wie zugethan dafür mir Deine Mutter, 
Die unfre Liebe billigt und nicht ruht, 
Bis fie des Vater? Sinn auch umgejtimmt. 
Agnes. Ob ſie's auch Hofft, nie wird es ihr gelingen! 
Ich kenne feinen jtarren Sinn zu gut, 
Wie auch den Groll, den gegen Dich er hegt, 
Seit Du im Feld dem Kaiſer Troß geboten — 
Er haßt Dich weiter, was wir auch beginnen! 
Heinrich von Braunjchweig. Selbit ein verhärtet Herz kann 
Gott erweichen. 
Agnes. Schmolz auch durch feine Macht jchon manches Hin, 
Das jeine läßt ich durch fein Wunder rühren. 
Biel eher noch bau’ ich auf Deinen Vater, 
Ob zwar er, und mit Recht, auf uns erbittert: 
Du gleicht ihm ja, und dies jchon ijt mir. Troft. 
Heinrich von Braunjchweig. Wenn auch er jelbit ſich zur Ver- 
ſöhnung neigte, 
Mas Gott nur weiß, jein Fürwort bliebe machtlos. 
Du jahjt es ja, wie taub fie feinen Boten 
Auf jede noch jo bill’ge Bitte jind. 
Doch auch in ihm regt ſtets die neue Kränkung 
Den ganzen Sturm der Seele wieder auf; 
So würde ſelbſt Dein Flehen ihn nicht rühren. 
Agnes. Wenn ich auch feine Nachjicht nicht verdiene, 
Sp rät mir doch mein Herz an, ihn zu lieben. 
Schon gejtern ſchloß ich ins Gebet ihn ein 
Zu Nacht und heute beim Erwachen wieder. 
Heinrich von Braunjchweig (ie umfafiend). Daß Du ihn jo verehrit, 
bewegt mich tief. 
Agned. Und glaubjt Du wohl, daß ih im Traum ihn ſah? 
Beim Licht der Sonne! Sit nicht lang fein Bart 
Und weiß wie Schnee? 
Heinrich von Braunſchweig. Von Kummer früh gebleicht. 
Agnes. Doch funkelt Hell fein Aug’ wie eitel Feuer? 
Heinrich von Braunſchweig (in vewegtem Tone). Nicht mehr jo klar, 
feit ihm Erblinden dreht. 


154 Die Pfalz im Rhein. 
Agnes (trauris). Hätt' ich's geahnt, ich frug Dich nicht da- 
nach! 


Zu Füßen lag gejtredt jein frommer Löwe, 
Der, jagt man, aus dem Morgenland ihm folgte 
Und alle nun beſchämt durch jeinen Dan. 
Heinrich von Braunjchweig. Nicht alle, doch die allermeijten wohl. 
Agnes. Er ja, dag Haupt gejenft in tiefem Sinnen, 
Und jtarrte in ein altes Pergament, 
Das er entfaltet hielt in jeiner Hand. 
Heinrich von Braunjchweig. Sonit las er jo, nun laujcht er 
dem Bericht. 
Ya, ganze Nächte bringt er Horchend zu, 
Vom Schlaf gemieden, und erquidt jein Herz 
An rühmlichen Geichichten alter Zeit, 
Die Vorbild waren feinen eignen Thaten. 
Agnes. Wer find fie aber, die jo treu ihm blieben ? 
Heinrih von Braunſchweig. Zwei jeiner Mannen leuchten 
allen vor, 
Davon der eine Helmolds Vater it, 
Der treue Gunzelin. 
Agnes. Gott lohn' e8 ihm 
In diefem Leben noch! — Doch wer bewahrt, 
Indes Du fern, ihm Burg und Stadt? 
Heinrih von Braunjchweig. Er jelbit, 
Die Furcht vielmehr, die feinem Namen beiwohnt, - 
Denn lange zog er ſchon nicht mehr das Schwert. 
Das legte Mal geihah’e, als er, erzürnt, 
Gejichworne Rache nahm an Bardomiel, 
Das ihn vormals verhöhnt in feinem Unglüd, 
Und jein verdientes Schickſal nun erfuhr. 
Bertilgt Liegt die einjt mächt’ge Stadt am Boden, 
Vom Dom nur blieb das Thor, das eingemeißelt 
Die Inſchrift trägt: „Das ijt des Löwen Spur!" — 
Bon dort ab hielt er ruhig fich zu Braunjchweig. 
Agnes. Ein fühner Kriegsfürft, nun jo mild im Alter! 
Dürft’ ich ihm doch an Deiner Seite nahn 
Und ihm erheitern helfen jeine Trübjal! 
Ich wollt’ ihm eine rechte Tochter jein 
Und jo ihn pflegen, daß fich Deine Mutter 
Sm Himmel freuen Tollte jelbit darob. 


Dritter Akt. 15 5 


Heinrich von Braunjchweig. Erſt müßteſt Du dem jtärfiten 
Band entjagen, 
Eh’ ſich erfüllen fönnte, was Du wünſcheſt. 
Agnes. Sprich deutlich ! 
Heinrich von Braunjchweig. Laſſen müßteſt Du die Staufer, 
Um ganz Dih an die Welfen hinzugeben. 
Agnes. Wir wollten doch verfühnen unsre Lieben ! 
Heinrich von Braunſchweig (is erhebend). Gewahrſt Du nicht, daß 
fie ein Abgrund trennt? 
Die Deinen haben die Gewalt und üben 
Sie ohne jede Schonung wider uns, 
Sp zwingt uns denn die Not, daß wir uns wehren 
Als Angegriffne, die von Schmach bedroht. 
Seufzt mir der Bruder nicht in Kerfermauern, 
Wie, um ihn trauernd, jeufzt der alte Vater? 
Und diefem, droht ihm nicht in nächſter Zeit 
Vertreibung von dem väterlichen Boden, 
Der ihm von weiter Herrichaft übrig blieb, 
Aus jeinem Erbland, drin die Ahnen jchlummern ? 
Kannſt Du erwarten, daß er jelbjt ſich wegwirft 
Und jeinen alten Heldennamen jchändet ? 
Kein, wenn Dir jeine Ehre lieb wie mir, 
So darfſt Du ihm anfinnen nicht dies Opfer! 
Agnes. Wohl Haft Du Grund, die Hoffnung mir zu rauben. 
O plößlich jeh’ ich alles trüb um mich: 
Die Heiterkeit des Morgens ijt dahin, 
Trotz aller Blumen blüht der Mai nicht mehr! 
Heinrich von Braunſchweig. DVerzage nicht, jo ſchwer auch 
unſre Lage! 
Agnes. Woher dann aber ſollte Rettung kommen? 
Heinrich von Braunſchweig. Nur einzig aus uns ſelbſt. 


Agnes. Aus uns und wie? 
Heinrich von Braunſchweig. Entfliehen müſſen wir vereint von 
hier. 


Agnes. Auch ohne daß die Mutter darum wüßte, 
Die uns ſo klug bisher und treu beraten? 
Heinrich von Braunſchweig. Im Gegenteil, wir müſſen ihren 
Beiſtand, 
Und wenn es ſein muß, auf den Knien, erflehn. 


156 Die Pfalz im Rhein. 


Agnes. Doch wird fie eingehn auf die fühne Bitte? 
Heinrih von Braunjchweig. So müſſen wir fie mächt’ger ſtets 
bejtürmen 
Und ohne Nachlaß, bis fie endlich nachgiebt 
Und uns die Wege jelbjt zur Flucht bereitet. 
Agnes (feine beiden Hände erfafiend). Da Du e3 rätjt, bin ich bereit 
dazu. 
Sobald zurüd fie fehrt, geſteh' ich's ihr. 
(Jörg fommt in Eile den Berg herauf, von weitem jchon winfend.) 
Heinrich von Braunfchweig. Dort kommt ein Bote, der nad) 
uns gejchiet! 
Agnes. Er ijt es, der in Lorſch Dich holen jollte. 
Heinrich von Braunſchweig. So fünnen wir ihm wohl ver- 


traun? 
Agnes. Durchaus! 
Jörg (der inzwiſchen heraufgekommen). Es naht Beſuch von Worms! 
Agnes (entiest). Der Vater, wehe! 


(Der Strauß entfällt ihrer Hand.) 
Verbirg Dich Tchnell, ſonſt iſt's um Dich gethan! 
lieh’ in das Kirchlein! — Eile! Heinrich! Eile! 
Heinrich) von Braunjchweig. Sieh doch ihn lächeln über Deine 
Sorge! 
Jörg. Hr braucht nicht zu erichreden, edles Fräulein. 
Es ijt ein frommer Herr — der Wormfer Bilchof, 
Den ih von Lorſch her fenne. 
Heinrich von Braunjchweig. Hörit Du wohl? 
Gott Ichiet ihn uns, o juche Dich zu fallen! 
Agnes. Ich bin verwirrt vor Schred zugleich und Freude. 
Der Atem ftoct, jo ſchlägt das Herz in mir. 
Heinrich von Braunſchweig. Mein Schützer iſt's und auch zu— 
gleich der Deine! 
Doch will ich mich anfänglich vor ihm bergen, 
Erſt wenn es an der Zeit, tret' ich hervor. 
(Er tritt hinter einen der Bäume. Agnes bewegt ſich einige Schritte vorwärts, die 
Hände auf der Bruſt gekreuzt, und erwartet den Biſchof, der, von Irmengard 
geleitet, mühjam die nod) übrigen Stufen des Weinberges erfteigt. Jörg entfernt ſich 
nad dem Schloſſe.) 
Biſchof Burkhard. Gottlob, wir jtehen endlich auf der Höhe! 
Da iſt fie ja! Sie hat uns jchon erblidt. 
Irmengard. Sch bringe Dir da einen werten Galt. 


Dritter Akt. 157 


Biſchof Burkhard. Kein Gajt, es ift nur flüchtiger Bejuch. 
(Agnes bei der Hand fajjend.) 
Sei jtarfen Muts, mein Kind, und laß die Nöte 
Entflammter Scham nicht mit der Bläſſe mwechjeln, 
Die im Gefolge jafjungslojer Furcht, 
Nein, jtell’ Dir vor, daß ich erjchtenen nur 
Zu Deinem Troſt, flingt hart auch, was ich fünde! 
Agnes. Troß bangem Zagen bin ich doch gefaßt. 
Irmengard. Den! Dir, der König Frankreich wirbt um 
Dich! 
(Heinrich) von Braunfchweig tritt, Doch unvermerft, Hinter dem Baume nn 
Biſchof Burkhard (ächelnd). Da iſt die Botjchaft mir vorweg 
genommen. 
Agnes. Wie, ohne daß er Witwer? — O der Unhold! 
Biſchof Burkhard. Argliſt umgeht die Schranken des Ver— 
botes 
Und jchafft ſich Recht durch Spott auf jeinen Namen! 
Irmengard. Das ijt der Lauf der lajtervollen Welt! 
Biſchof Burkhard. Auf nicht'gen Vorwand Hin erwachter 
Sfrupel, 
Und, wie mir don verläfj’ger Hand berichtet, 
Nach Ichändlicher Verleumdung ihrer Ehre, 
Die mafellos, wie erjter Winterjchnee, — 
Auf ſolchem Wege jchlangenzüng’ger Falichheit 
Erzwang er jeines Reiches Einverjtändnig 
Zur Scheidung von der mitgefrönten Gattin, 
Die er ind Elend weg vom Throne ſtieß, 
AN ihren Bitten taub, blind allen TIhränen. 
Irmengard. Und die Berjtoßne joll mein Kind erjegen, 
Damit e3 jelbjt das gleiche Los erfahre? 
Agnes. O welch ein Schelm! Sch habe oft gehört, 
Wie diefer König ohne Grund bejchimpfte 
Die tugendreichite Gattin Ingeborg, 
Und in die Hölle ihn darum gewünscht. 
Er joll nicht wagen, feinen frevlen Blick 
Nach mir zu richten aus dem Pfuhl der Sünde! 
Biſchof Burkhard. Doch Euer Vater, jo wie auch der Kaiſer, 
Sind günjtig jeinem gleißnerifchen Antrag, 
Wie ich zu meinem Leid befennen muß. 
Irmengard. Daß die Verruchtheit ſtets doch Helfer findet! 


158 Die Pfalz im Rhein. 


Agnes. Sie jollen auch vereint mich nicht erſchüttern! 
Denn iſt's auch wahr, daß ih Gehorfam jchulde 
Dem Bater wie dem Kaijer gleichermweife, 

So weiß ich, was der Seele Heil betrifft, 

Bon diefer Shuld’gen Pflicht doch ausgenommen, 

Und, wie ich fühle, gilt es hier dies Heil. 

Doch, Mutter, laß mich offen es befennen, 
(Heinrih von Braunihweig mit dem Blick ſuchend.) 


Ich habe jchon gewählt. 


(Helmold, von Maria geleitet und mit ihr im lebhaften Gejpräde, fommt auf der 
Berghöhe an. Der Gärtner Urban begiebt ſich mit feinem Sohne Jörg, der ein 
Mefnergewand üibergeworfen trägt, nad) der Kapelle, auf die, einen Nebenpfad empor, 
ein Mönch gleichfalls zufchreitet.) 
Dort fteht der Mann, 
Dem ich mein Herz geichenft für immerdar, 
Und feine Macht ſoll je mich von ihm trennen! 
(Indem fie Heinrichs Hand erfaßt.) 
Don Jugend an war ich ihm ſchon beitimmt, 
Und feines andern Weib drum will ich heißen. 
Heinrich von Braunjchweig. Und ich nicht eines andern Weibes 
Mann. 
Biſchof Burkhard. Daß Er hier weile, hatte mir geahnt. 
Doch kommt der Mutter zu, daß ſie entſcheide, 
Und doppelt, wo das Ja des Vaters fehlt. 
Irmengard. Ich will nicht, daß mein Kind unglücklich werde 
Um eines pflichtvergeßnen Frevlers willen 
Und ihre Neigung opfre ſchnöder Liſt. 
Drum, ohne jed' Bedenken, ſtimm' ich ein, 
Daß ſie beharre bei ſo edler Wahl 
Und dem Erkornen ihres Herzens folge. 
Vor dieſen Zeugen geb' ich ſie zuſammen 
(Agnes und Heinrich von Braunſchweig knieen nieder.) 
Als eh'lich Paar, zu Leid und Freud vereint. 
Der Himmel ſegne eure Jugendliebe, 
Wie ich es thue, und er ſchütze euch 
In Trübſal und Gefahr, die euch erwartet! 
Dem Vater ſteh' ich Rechenſchaft für alles: 
Ich habe, was ſich hier vollzieht, gebilligt. 
Biſchof Burkhard (Hinzutretend).. Ich ſage Amen zu der Mutter 
Sprud). 


Dritter Att. 159 


Der Herr des Schickſals ebne euren Prad, 
Und will er euch das Bittre nicht eriparen, 
Sp gieß’ er feine Kraft in eure Seelen, 
Auf daß ihr jeine Schickung wohl bejtehet! 
(Ihnen die Hände auflegend.) 
Seid wie zwei Stämme, die der Sturm zu beugen 
Allein in ihren Kronen nur vermag, 
Doch nicht in ihren Wurzeln je zu trennen. 
(Zu Agnes.) 
Du trage mit Geduld entbrannten Haß 
Und halte an der Hoffnung, Deinem Anker! 
(Zu Heinrid.) 
Du zeige Dich als echter Heldenſproß 
Und wachje unterm Ungemach empor! 
(Zu beiden.) 
Bereint denft an die Möglichkeit der Trennung, 
Getrennt an eure Bundes ew’ge Dauer, 
Und, was auch fommen mag, vertraut auf Ihn, 
Der über Euch als treuer Vater waltet! 
Wollt ihr geloben das ? 
Heinrih mit Agnes. Mit Herz und Hand! 
(E3 läutet in der Kapelle.) 
Biſchof Burkhard, Es ruft zur Kirche, treten wir hinein. 
Wenn wir des Himmels Beiltand angerufen, 
So jchließ’ ich vor dem Altar Euren Bund, 
Indes das heil'ge Opfer wird verrichtet. 
Dann mögt getrojt ihr von einander jcheiden, 
Gewärtig dejien, was die Zukunft bringt. 
(Sie begeben fih im Zuge nad der Kapelle, in der das Glödlein ertönt. Das Burg- 
gejinde und die im Weinberg beihäftigten Winzer fommen gleihfalls zur 
Morgenandadt von allen Seiten heran. Innen erihallen Drgelflänge, worauf nad) 


einiger Zeit tiefe Stille eintritt. Pfalzgraf Konrad tritt auf, gefolgt von Rittern 
und Knappen.) 


Konrad (sum Gefolge). Begebt euch nach dem Schloß voraus, ich 
T 1} 
(Das Gefolge zieht an ihm vorüber und bergan.) Tolge ’ 
Beklommen fühl ich mich fo jonderbar, 
Als läg' ein Ungemwitter in der Luft, 
Und feine Wolfe jteht doch rings am — 
Es ſträubt das Herz ſich ordentlich davor, 


160 Die Pfalz im Rhein, 


Dort in den Thorweg einzugehn, aus Furcht, 

Der Mauern Enge werde mich erdrüden. 

Wo find die Meinen? War mir’s doch beim Aufftieg, 

Sch hörte ihre Stimmen! Sieh, am Boden 

Ein loſer Strauß von Rojen, faum gepflückt! 

Agnes muß dagewejen fein, doch Freilich, 

Es rief die Glode jchon zur Morgenfeier, 

Und niemals fehlt jie jelbjt; auch Irmengard 

Hat ficher fih zum Opfer eingefunden. 

So überraſch' ich fie, und ha, mit welchen Rufe: 

Die Mutter als beneidetjte der Frauen, 

Die Tochter ala geehrtejte der Töchter, 

Als Königin von Frankreich, traun, ein Wort! 

(Man Hört die Orgel leije ertönen.) 

Doch große Freude jtimmt zulegt zum Ernit, 

Drum will ich nicht der Andacht mich entziehn 

Und ein Gelübde thun, daß fich erfülle 

Das mir jo nah’ gerüdte Vaterglüd 

Zu ſtolzem Ruhm und Ausblik noch im Alter. 

Sacht denn hinein, die Thür jteht halb ſchon offen. 
(Er jchreitet aus und bleibt plöglich ftehen.) 

as fommt mich an? Gebannt ſtockt mir der Fuß 

Und hält mich ab, die Schwelle zu betreten. 

Horch, war das Agnes Stimme nicht? Sie war's, 

Ein Wort vernahm ich wie aus ihrem Munde, 

Doch nein, e8 war wohl Täuſchung, Sinnentrug: 

Des Priejters Stimme jchallte nur heraus — 

Sein Lilpeln hielt ich für ihr leis Gebet. 

Stet3 dichter jo ummebelt mich das Blendwerf 

Und jegt mir zum Gefangnen die Vernunft. 

Doc mach’ ich jeiner Gaufelei ein Ende! 

(Indem er zur Kapelle von neuem jchreiten will, tritt Srmengard daraus hervor.) 


Irmengard. Wer weilt hier außen wohl? 


(Konrad erblidend.) 
Ha, Du ſchon hier? 
Konrad. Ich komme, ſcheint's, zu früh für Dein Geheimnis! 
Mas geht Hier vor? — VBerheimliche mir nichts! 
Irmengard. Gemahl, nun gilt e8, hohen Sinn zu wahren! 
(Für ſich.) 
Herr, ſteh' mir bei, daß ich jein Herz bewege! 


Dritter Akt. 161 


(Zaut.) 

Ein Falke fam geflogen übers Feld 

Zu Nacht mit braunem Haupt und weißer Kehle. 

Die Klauen find ihm jcharf und gut gefrümmt, 

Sein Schnabel ijt geformt zu mächt'gem Fange; 

Man ſieht es ihm wohl an, daß ihn der Vater 

Auf einem Hohen Horjte auferzog; 

Der Falke (einen edlern jaht Ihr nie), 

Sch Habe ihn gehalten und gefangen. 
(Da fie fih zurüdwendet, öffnet fih die Thür der Kapelle; Heinrich und Agnes treten 
hervor mit verjhlungenen Händen. Konrad taumelt zurüd. Das getraute Paar be= 
wegt fih vorwärts, gefolgt von Helmold und Maria; ihnen jhließen fid die übrigen 
Beſucher der Kapelle an, darunter Urban, die zu beiden Seiten ausweichen, aber in 

einiger Entfernung jtille ftehen und jo einen weiten Halbfreis bilden.) 

Konrad. Iſt's möglih! Darf ich meinen Sinnen traun? 

Wie, oder jteigt ein hölliſch Blendwerf auf, 

Das mir Vernunft und jede Faffung raubt ? 


Irmengard. Kein Trugbild iſt's, es ijt des Löwen Sohn. 


Konrad (ein Säwert ziegend). Dem Walken will ich jeine Fänge 
fappen ! 
Agnes (Geinrich umſchlingend. Erbarmen, Vater! 


Konrad. Ehrvergeſſne Tochter, 
An Deiner Seite fallen muß der Buhle! 
(Er ftürmt von neuem auf Heinrich ein, der das Schwert zieht, wie auch Helmold.) 
Heinrich von Braunſchweig. Ihr bietet mir den Schimpf nicht 
noch einmal! 
Agnes (iHn abhaltend). Verſchone mir den Bater! 


Helmold. Rache fordert's! 


(Maria von Annweiler fällt ihm in die Hand.) 


Agnes (su des Vaters Füßen. Sei gnädig, Vater, ftrafe mich 


allein ! 

Konrad. Sie find doch nicht — ha, ſprich das Wort nicht 
aus! 

Irmengard. Sie find vermählt — Dein Einfpruch fommt 
zu jpät. 


Wirſt Du, was Gott vereint, zu trennen wagen? 


(Biihof Burkhard tritt, mit der Stola angethan und von dem Barfüßer und Jörg 
gefolgt, aus der Kapelle. Gleichzeitig fommen die Ritter und Knappen, die auf der 
Höhe die Gefährdung ihres Herrn beobachtet, von derſelben herabgeftürmt.) 

Greifs Werke. III. 11 


162 Die Pfalz im Rhein. 


Konrad. Glaubſt Du mich, Falfche, einzuihüchtern wohl 
Durch Arglift, die den Frevel fe bemäntelt? 
Agnes. Iſt Liebe Frevel? Bater, ſchenk uns Gnade! 
Konrad. Gieb feine Mühe Dir, mich zu berüden! 
Zurüf mit Dir! 
(Er jchleudert fie von fi.) 
Irmengard. Du forderſt Gott heraus, 
Der Fluch wie Segen wahr macht! 
Konrad (auf fie eindringend). KRupplerin, 
Sch forge, daß Du Deinen Lohn erhältit! 
Biſchof Burkhard (vaswiisentretend). In meine Brujt den Stahl, 
ſoll Blut hier fließen! 
Sch war es, der als Priejter ſie getraut, 
Um Eurer jchnöden Wahl zuvorzufommen. 
(Zu Heinrich von Braunjhweig und Helmold.) 
Die Waffen weg! Ihr ungebührlich Blinfen 
Bedroht die Bande, die noch faum gefnüpft. 
(Beide jteden die Schwerter ein.) 
Hört alle mich, und Ihr zumal als Vater! 
Sie find vermählt und find vor Gott ein Paar 
Für ihre Lebenszeit. 
Konrad. Die furz fann währen! 
Bifchof Burkhard. Wie Ihr die Gattin einjt Habt frei er- 
foren, 
So that er's Eurer Tochter gegenüber, 
Und fie befolgte nur der Mutter Beifpiel. 
Den Eltern fteht an dem erblühten Kinde 
Kein Zwang mehr zu, doc Eure Abjicht war 
Darauf gerichtet — Gott hat fie vereitelt! 
Konrad. So legt e8 Ihr aus, anders aber ich; 
Ein gegen jeine Pflicht verblendet Kind 
Darf mit Gewalt zurück der Vater führen. 
So ijt’3 Gebot; gejchieden wird ihr Bund, 
Vielmehr er ift von Anfang an nicht gültig, 
Da Ihr des Prieſters Recht habt überjchritten. 
Biſchof Burkhard. Ich üb' es lang genug, um es zu fennen! 
Armengard. Berblendet glaubjt Du andre, und Du biſt's! 
Konrad. Gelüſtet Dich's, Dich nochmals einzumengen ? 
Du wagteſt Ränfe wider mich zu jchmieden, 
Und jo verftoß’ ich Dich jamt Deiner Tochter! 


Dritter Akt. 163 


Armengard (mit Büro). Was Du mir anthun magjt, werd’ ich 
ertragen. 
(Zu Heinrih von Braunſchweig und Agnes.) 
Auch Euch) wird fehlen nicht die Kraft dazu! 
Konrad (su den Reifigen). Ergreift und bindet fie, die Ungeratne! 


Heinrich von Braunjchweig (mosmals ziehend). ES wage feiner jich 
an meine Gattin! 
Biſchof Burkhard (Hr aufpattend). Und noch einmal ermahn’ ich 
Euch zum Trieden. 
Berwandelt Euer Recht nicht ſelbſt in Unrecht! 
Nur die Geduld’gen krönt zulett der Sieg. 


Agnes. Auch ich beſchwöre Dich, jtell’3 Gott anheim! 
(Heinrihs Hand erfafjend.) 
Erſchwere mir die bittre Trennung nicht, 
Die nun einmal bejchlojfen, wie Du jiehit. 
Erfülle mir die innigliche Bitte! 
Willſt Du’s geloben mir? 
Heinrich von Braunjchweig. Da Dir Gefahr 
Aus meinem Widerjtand erwüchje hier, 
Und e8 Dein Wille jo, laſſ' ich ſie zu, 
(Er jtedt fein Schwert ein.) 


Doch ſchwör' ich Dir, daß fie nicht lange währt! 


Konrad (su den Reiſigen). Führt fie aufs Schiff hinab zur Pialz 
im Rhein! 
Maria. Und mich vergeht auch nicht! 
(Zu Helmold, ihn die Hand reichend.) 
Wir müfjen fcheiden. 
Ich will mit ihr erdulden, was jte trifft. 


Helmold. Gott gebe, daß wir bald ung wiederjehen ! 


Agnes (indem fie gebunden wird, zu Heinrich von Braunſchweigh. Getrojt, wo 
Du auch weiljt, ich bin bei Dir! 
Heinrich von Braunſchweig. Wie ich bei Dir. Gleichwie ein 
Heil’genbild 
In Nacht und Finjternis wirft Du mir jtrahlen! 
Agnes (indem fie abgeführt wird). Leb' wohl und denfe meiner in 
der Ferne! 
als 


164 Die Pfalz im Rhein. 


Biſchof Burkhard (su Agnes). Du wirst im Kerfer nicht verlaſſen 
fein! 
Die Engel Gottes werden Dich umfchirmen. 
(Heinrih von Braunfhmweig grüßt Agnes ſtumm nad, die nod öfters, bis fie ent= 
ſchwindet, zurüdblidt.) 

Irmengard. Mein Kind, welch Leid ift über Dich gefommen! 
(Zu Konrad) Für diefe That läßt Gott Dich büßen ſchwer. 
(Sie entfernt fich nach der Kapelle.) 

Konrad. Und nun zu ihm, der mir mein Kind verführt! 
Ergreift ihn und entwaffnet den Verwegnen! 

Helmold (Haldlaut). Erhalte Dich zu ihrer Rettung, Freund! 

Heinrich von Braunſchweig. Mich zu verteidigen will ich ver- 


zichten, 
Doch meine Klinge überliefr' ich nicht. 
Biſchof Burkhard (sum Pfalzgrafen). Gebt acht, daß Ihr nicht 
Eure Würde jchändet 
Noch mehr, als ſchon in Eurem Zorn gejchah, 
Und daß Ihr Gottes Arm heraus nicht fordert! 
Konrad (mach einer Pauſe). Nicht ich Hab’ ihn herausgefordert — 
Diefer, 
Und richten mag der Höchjte zwijchen uns. 
Doch daß es nicht jo jcheine vor der Welt, 
Als ob der jchamentblößte Eindringling 
Befleckt die Ehre meiner Tochter habe, 
Und er im Grab nicht noch mein Haus beichimpfe, 
Entlaſſ' ich ihn als ſchmählichen Verbrecher, 
Den Frevel im Gewillen, frei des Wegs. 
Läßt er ſich aber Einmal noch erbliden 
Hier oder in den Grenzen meines Landes, 
So ijt’3 geboten jedem, der ihn trifft, 
Ihn zu ergreifen, lebend oder tot. 
Heinrich von Braunſchweig. Es giebt auf Erden einen Talis— 
man, 
An dem die Stärke felbjt des Stahls zerbricht, 
Wie Glas zerjplitternd: Treue heißt der Demant — 
Ihr werdet feine Tugend fennen lernen. 
(Er entfernt fih mit Helmold gleihfall3 dem Thale zu.) 
Konrad (sum Biſchof). Ihr jollt in Worms mir weiter Rede jtehn. 
Biſchof Burkhard. Ach fürchte Gottes heilige Gerichte 
Und nicht die Euren, welche frevle find. 


Dritter Att. 165 


Konrad. Der Kaijer wird Euch lehren, wer zu fürchten! 
Biihof Burkhard. Er wird jo wenig beugen mich ala Ihr. 

Und wenn ich der Gewalt auch unterliege, 

Doch bleibt der Bund beitehn, den ich gejchlofjen. 
Konrad. Ich weiß ein fichres Mittel, ihn zu löſen, 

Und fommt die Nacht, jo wird die That vollführt. 
Biſchof Burkhard. ES wäre Dir zur Schmach, wenn fte ge- 

länge, 

Und hingeopfert einem Wüſtling würde 

Um jchnöden Ehrgeiz Euer holdes Kind; 

Drum weiſt al3 Eidam nicht den Mann zurüd, 

Durch den Euch kann erblühen fünftig Glüc! 

Bedenkt, ein Bündnis mit des Fremden Macht 

Hat niemals noch den Deutichen Heil gebracht! 

Geht in Euch, Konrad, jet, da es noch Zeit, 

Dann iſt's zu jpät, warn ihr die That bereut. 


(Während der Biſchof fih entfernt und Konrad in fih verfunfen dajteht, fällt der 
Vorhang.) 


Ende_des dritten Aktes. 


Vierter Akt. 


Erſte Greene. 


(Auf vem Werder des Pfalzgrafenfteins bei Caub. CS ift tiefe Nacht, die 
ab und zu von Bligen erhellt wird. Die Wogen des Rheines gehen hoch, und bisweilen 
ift aud ein Winditoß zu vernehmen. Agnes und Maria.) 


Maria. Ein Sturm zieht auf, die Nacht wird jchaurig dunkel, 
Wir thäten bejjer, in den Turm zu fehren! 
Agned. Bor jeiner Enge bangt mir; an das Lager 
Auf hartem Stroh wollt’ ich mich leicht gewöhnen. 
Was taugte mir ein Pfühl auch ohne Schlummer ? 
Maria. Wohl, fein Gemach iſt's für ein Fürjtenfind, 
Doch wird es heut’ Dir nicht an Schlaf gebrechen, 
Und dann gewiß erjcheint er Dir im Traume. 
Agnes. Was Hilft es mir, im Schlaf ihn zu umfafjen, 
Wenn ich, erwacht, beraubt mich jeiner weiß? 
Biel lieber wachend Herz’ ich meinen Gram 
Und unterhalte mich mit meinen Jammer. 
Maria. Die Hoffnung giebt ein Lächeln zu den Thränen. 
Schon daß er lebt, iſt mehr Dir ala ein Troſt. 
Agnes. Was bürgt mir aber dafür, daß er lebt, 
Daß nicht mein Bater ihm Hat nachgejegt 
Mit feinen Rittern und ihn unterwegs 
Im Kampf bewältigt? Wehe, wenn es jo, 
Und er in jeinem Blute liegt entjeelt 
(Ferner Donner.) 


Als Opfer jeiner ſelbſtvergeßnen Liebe! 


Vierter Akt. Erfte Scene. 167 


Maria. Dein Innres malte Dir dies Schredensbild, 
Das ih nicht ohne Schaudern mit betrachte. 
Du weißt ja, wie mir teuer neben ihm 
Sein ungertrennlicher Gefährte Helmold, 
Der wert mir ward, jo furz ich ihn auch fenne. 
Agnes. Heut’ nacht entfuhr im Schlummer Dir fein Name 
Und, wach in meinem Xeide, mußt’ ich lächeln. 
Doch, da Du Heinrich nanntejt bald darauf, 
So küßt' ih Dich: mir war, es müßte liegen 
In jeinem Namen jchon ein Teil von ihm. 
Maria. So nimm auch teil an meiner Zuverficht! 
(Gemitter.) 
Doch horch, es donnert. Schaurig hoch und hohl 
Zieht Hin der Rhein. Die beiden Ufer ſchwanden 
Mit dem Gebirge und dem Städtchen dort 
Im dichten Nebel. Nur die Blite zeigen 
Noch, wo fie liegen. Auf, zur Pfalz hinein! 
Es iſt die höchite Zeit, daß wir uns bergen. 
Agnes (im umtehren). Wenn ich ihn wiederum erbliden dürfte 
Und an das Herz ihn ziehen, mir genaht, 
Wie er beim Abjchied mir zum Troſt verheißen, 
Sch wollte jpotten allem Ungemach! 
(Der Sturm wächſt.) 
Maria. Dort fommt ein Boot gerade auf uns zu, 
Siehit Du's nicht auch ? 
Agnes. Fürwahr, mit jchwanfem Bord! 
Wer naht uns wohl in folcher Wetternacht ? 
Maria. Jetzt fann ich auch dag Ruder unterjcheiden: 
Zwei fahren über. Beide jtehn im Schiffe, 
Der Wellen wilden Andrang auszuhalten. 
Agnes. Gott jchüge fie, und wär’ es ſelbſt der Henter, 
Den mir der Bater Ichidt! 
Maria, Hei, welche Brandung ! 
Wie eine Nußſchal' tanzt das Schiff darauf. 
Doc jet erfenn’ ich fie. Traun, Helmold naht 
Und Dein Gemahl! 
Agnes. Mein Heinrich, ja, er iſt's! 
Er eilt heran, jein Wort mir einzuldfen. 


168 Die Pfalz im Rhein. 


O führ' ihn, Himmel, durch den Schwall der Wogen 
(Das Schiff wird auf den Mogen fichtbar.) 
Und rette gnädig ihn vom Untergang ! 


Maria. Gewaltig ift die Kraft, mit der fie ringen, 
Zu bändigen dag wilde Element, 
Das jo empört ich niemals noch gewahrt 
Bor dieſem Tag. 
Agnes (mit aufgehobenen Händen. Laß ihn am Riff nicht fcheitern, 
Nicht jtranden nah’ am Ziel! 
(Sie winft mit ihrem Tuch hinaus.) 
Maria. Jetzt gilt's die Probe! 
Agnes. Ihr harten Felfen, werdet weich wie Binfen 
Und finft zu Euren Wurzeln in die Tiefe, 
Daß fie die legte, höchſte Not bejtehn! 
(Das Schiff ſtößt an.) 
Maria. Sie haben Boden. 


Agnes. Gott hat uns erhört! 
Auf meinen Knieen dank’ ich ihm dafür. 
(Sie finft in die Kniee.) 
Maria. Wir müfjen unſres Herzens Jubel dämpfen, 
Daß er nicht übertönt des Windes Stinme 
Und unſren Ungeſtüm verrät den MWächtern ! 
(Heinrih und Helmold jpringen an das Land.) 
Heinrich von Braunjchweig. Das iſt die Pfalz, wir jtehn vor 
ihren Mauern. 
(Sie befeftigen da3 Schiff.) 


Seht müſſen wir bereit auf alles jein! 
Helmold. Die Hüter denken jich, des Stromes Breite 
Sei Schuß genug. Doch jieh, wer winkt uns dort? 
Gehn Abgeſchiedne um, die hier geſeufzt? 
Heinrich von Braunſchweig. Du irrt, zwei lebende Geftalten 
ſind's, 
Sie, die wir ſuchen! 
Agnes (ihm die Arme entgegenſtreckend). Heinrich ! 
(Sie eilt die Stufen hinunter.) 
Heinrich von Braunjchweig. Mein Gemahl! 


(Sie liegen fih in den Armen. Helmold und Maria begrüßen ji ebenfall3 auf das 
innigfte. Das Gemitter läßt vorübergehend nad.) 


Vierter Akt. Erfte Scene. 169 


Agnes (nach einer Pauie). ch hätte taujend Worte Dir zu jagen 
Zum jubelnden Empfang, geliebter Oatte, 
Doch bring’ ich faum ein einziges hervor! 
Heinrich von Braunſchweig. Mir geht es ebenjo; der Sturm 
der Freude 
Macht ſprachlos mir das übervolle Herz. 
Agnes, Du Haft erfüllt Dein fühnliches Verſprechen 
Und alles, auch Dein Leben, eingejegt! 
Heinrich) von Braunſchweig. Was fonnte mir's noch gelten 
ohne Dich? 
Sch that nur, was ich mußte. Keinen Dank! 
Agnes (ihn von neuem umarmend). Warſt Du mir teuer jchon, Feit 
diejer Stunde 
Sit meine Liebe zu Dir grenzenlos! 
Heinrich von Braunjchweig. Erſt, wenn ich aus den Banden 
Dich erlöft, 
Darfit Du, daß ich es wett gemacht, beteuern. 
(Der Sturm mwädjt wieder an.) 
Drum fein Befinnen länger! Fort im Sturme, 
Der das Geräufch der Ruder übertäubt 
Und uns in jeinem Wolfenmantel birgt! 
Doch willft Du's wagen auch in ſolchem Aufruhr ? 
Agnes. Ich wag’ es, baue drauf! 
Maria. Und ich nicht minder! 
Heinrih von Braunjchweig (Maria die Hand reichend). Kein Opfer 
iſt jo groß, daß es euch Tchredt. 
Helmold. Das Unglück Hat zu Schweitern fie gemacht. 
Agnes. So wollen wir auch miteinander fliehn. 
Maria. Doch wird die Lajt zu ſchwer, jo bleib’ ich Lieber. 
Heinrih von Braunjchweig. Das Schiff Hat jtarfe Planken. 


Agnes. Folgen mußt Du! 

Helmold (fie Heranziegend). Du meinft wohl, ohne Dich kehrt’ ich 
urüd? 

Heinrich von Braunſchweig. Es ijt beichlofien, fort denn ohne 
Aufſchub! 


(Alle eilen nach dem Schiff.) 


Wir wenden nur das Boot noch um, dann los! 
(Der Sturm hält an. Man ſieht ein anderes Boot durch die Nacht.) 


170 Die Pfalz im Rhein. 


Helmold. Dort jchießt ein Schiff daher, wie eine Möwe 
Den Schaum der Wellen jtreift im bangen Flug. 
Heinrich von Braunſchweig. Es fommt von Bacharach. Wen 
mag es bringen? 
Agnes. Bon Baharah! Wenn e8 der Vater wäre! 
Maria. Der ijt nah Worm3 zurüd, woher er faın. 
(Sie treten wieder auf das erhöhte Ufer.) 
Heinrich von Braunſchweig. Wohl jcheint es uns vorbei nach 
Kaub zu jteuern. 
Helmold. Wenn es nur in den Strudel nicht gerät! 
Heinrich von Braunfchweig. Das fürcht’ ich auch, doch rudern 
fie mit Macht. 
(Das Schiff fommt heran.) 
Helmold. Sie jtoßen aufs Gejtein, wenn Gott nicht Hilft! 
Heinrich von Braunjchweig. Jetzt jcheint mir faft, fie fteuern 
auf uns zu. 
Helmold. Es ijt die Brandung, die fie abgelenkt. 
Heinrich von Braunſchweig. Noch einen ſolchen Prall, und 
Gnade ihnen! 
Helmold. Der Wind treibt fie gerade nach dem Riff! 
Heinrih von Braunſchweig. Daß wir nicht Helfen können, 


jammert mid! 
(Blig und Donneridlag.) 


Helmold. Es ijt um fie geihehn, das Schiff jchlägt um! 
Agnes. O welch ein Anblid, ſolche Menjchennot! 
(Das Schiff ift im Untergehen.) 

Helmold. Dort ſchwimmt ein Mann, die andern janfen 
unter! 

Heinrich von Braunſchweig. So müſſen wir daran, ihn zu 

erretten ! 
Helmold. Es ijt zu jpät dazu! 
Heinrich von Braunjchweig. Dies wird fich zeigen! 
(Er wirft den Mantel ab.) 

Agnes. Heinrich! Was thuſt Du? Opfre nicht Dein Leben! 

Helmold. Es Hilft nichts mehr, der Rhein verichlang dag 
Schiff! 


(Heinrich ſpringt in den Rhein.) 


Agnes. Er it verloren. Weh’, laßt mich ihm nad! 


Vierter Att. Zweite Scene. 171 


Maria (fie aufhaltend). Werfuche Gott nicht! — Ha, dort taucht 
er auf! 
Mit ſtarken Armen ſchwimmt er durch die Flut. 
Helmold (in das Schiff eilend). ch reiche ihm das Ruder. — Faſſe, 


Heinrich, 
Und halte Dich mit Leibesfräften dran! 
Agnes iu Marie). Was ſiehſt Du? Mir ——— der 
ick. 
Maria. Er hat den Halt erfaßt und hinter ſich 
Zieht den Geretteten er mit empor. 
Agnes. Der Himmel jei gepriefen für jein Wunder! 
Maria. Sie heben beide jeinen jtarren Leib 
Und tragen ihn bewußtlos an das Land. 


(Beide eilen dahin. Pfalzgraf Konrad wird bemußtlos von den beiden Sünglingen 
dahergetragen.) 


Agnes. Zum zweitenmal gerettet halt’ ich Dich! 
Heinrih von Braunſchweig. Mit Liebe durft' ich ihm den 
Haß belohnen. 
Agnes (fi niederbeugend, während ein Blitz das Antlig des Bemwußtlofen erhellt). 
Allgüt’ger Gott und Herr, es ijt mein Vater! 


(Berwandlung.) 


Zweite Scene. 


(Enge3, niederes Turmgemadh im Pfalzgrafenftein, das von oben durdy 
eine Ampel erhellt wird und nichts als ein Strohlager enthält, darauf Pfalzgraf 
Konrad ſchlafend liegt. Aanes und Maria find um den Scdlafenden befhäftigt; 

legtere geht ab und zu.) j 


Agned. Er jchläft mit jedem Atemzuge leichter. 
Die Wangen, drauf Schon Totenbläfje lag, 
Beginnen, fich, wenn auch erjt leis, zu röten, 

(Seine Hand erfajjend.) 
Und in die Adern fehrt das Blut zurüd. 
So dürfen wir wohl ohne Sorgen fein. 

Maria. Er wird erjtaunen, wenn er auferwacht, 
Sich hier zu finden in der Pfalz im Rhein, 
Im gleichen Raume, wo fein Kind gejchmachtet, 
Und liegend auf dem gleichen Bündel Stroh. 


172 Die Pfalz im Rhein. 


Agnes. Wohl wird es ihn verwundern, ſieht er ſich 
Am gleichen Ort mit mir. 
Maria. Um fich die Mauern, 
Darin fein Kind er graufam hält gefangen. 
Agnes. Mein Herr und Vater ift er, dies bedenke, 
Ich darf ihm nichts anrechnen allzuhoch. 
Maria. Dein Herr nicht mehr — 
Agnes, Mein Vater immer noch, 
Und wenn er mir verzeihen wollte gütig, 
In allem Elend würd’ ich glüdlich fein. 
Doch fürcht' ich, [o8 im Zorne wird er jahren, 
Viel ftrenger als zuvor, erfährt er alles, 
Und fühlt er ſich durch unjer neues Wagnis 
Sn ſeinem Daterjtolz noch mehr verlegt. 
Drum lag ich Heinrich an, er möge fliehn 
Mit Helmold und allein zurück mich laſſen, 
Da ich zur Pflege nötig bin dem Bater. 
Sit Ichärfre Strafe auch mir zugedacht, 
Und fam er, fie geheim mir anzufünden, 
Es mag jo fein, ich bin gefaßt darauf, 
Wenn meinem Gatten nur fein Leid gejchieht. 
Maria. Du Haft e8 in der Hand, dies zu verhüten: 
Vertraue meiner Pflege hier ihn an 
Und führe Deine Flucht entjchlofjen aus! 
Agned. O nimmermehr. Daß Du ihn treulich wartet, 
Dran zweifl' ich nicht, ich fenne Dich zu gut; 
Doh was mir obliegt, kann nur ich erfüllen, 
Und überdies biſt Du die minder Schuld’ge, 
Die nit an meiner Stelle büßen joll. 
Sch aber bleibe, was da fommen möge! 
(Heinrid von Braunfhweig tritt, ſich unter der niederen Thür büdend, herein.) 
Heinrich von Braunſchweig (Hatstaut)., Ein neues Schiff naht ſich 
von Bacharach 
Sn großer Haft mit ausgejpannten Segeln! 
Marie. Wen mag e3 bringen ? 
(Sie verläßt da3 Turmgemay.) 
Agnes (auf den Schlafenden deutend). Wenn's die Mutter wäre, 
Die ihm in aller Heimlichkeit gefolgt 
Und in den Sturm geriet? 


Vierter Akt. Zweite Scene. 178 


Heinrich von Braunjchweig. Befürchte nichts! 
Das Wetter ift vorüber, und die Sonne 
Beicheint in reiner Pracht die Rebenhöhen ; 
Ein Heitrer Morgen lacht zum Rhein hernieder, 
Der ruhig fließt, befänftigt ganz und gar. 
Agnes (ihm die Hand reihend). O möchte jo der Vater auch er— 
wachen 
Und Dir eripart fein feines Zorns Getitter, 
Obzwar er kaum mehr weiß, wer ihn gerettet! 
Heinrich von Braunjchweig. In ſolcher Not kennt nur der 
Menſch den Menjchen. 
Daß es Dein Bater, ahnt’ ich ſelbſt auch nicht. 
(Maria kehrt zurüd, ihr folgt Helmold.) 
Maria. Ich bringe Kunde, die euch wird gefallen: 
Soeben ijt die Pfalzgräfin gelandet. 
Agnes. Die Mutter! 
(Mit einem Blid zu Heinrich.) 
Alſo täufcht’ ich doch mich nicht. 
Maria. Wie fie mir nach dem eriten Gruß vertraut, 
Trieb fie Bejorgnis um Dein Leben her, 
Das Dir Ihon abgejprochen war durch ihn. 
Heinrich von Braunschweig. Der Himmel jandte ihm den Sturm 
entgegen 
Und Hat fo jelbjt die Frevelthat verhütet! 
Agnes. Laß feine Strenge ihm vergeſſen jein, 
Er jelbjt litt jchwer genug — 
(Indem fie enteilen will, gerät fie Irmengard in die Arme.) 
D teure Mutter, 
Sieh Hin und jei getroft, der Vater [ebt! 
Irmengard (fie umfangen haltend). ch bin es, da ich Dich noch 
lebend finde! 
Mein Kind, mein armes Kind, hier hauſeſt Du? 
Gebückt betrat ich nur Dein Wohngemach, 
Das fich die ärmſte Magd nicht ließe bieten, 
Und hier auch) lagit Du! 
Agnes (ftürternd). Leiſer, liebe Mutter! 
Er ſchläft jo gut, wir dürfen ihn nicht weden. 
Irmengard (adhem fie Heinrich und Helmold begrüßt). Ich gönn' ihm 
wohl den Schlaf und die Erholung 


174 Die Pfalz im Rhein. 


Dom graujen Schiffbruch und der Schredensnacht, 
Die aber gnadenreich für ihn geweſen, 
Da fie vor größrer Schuld ihn hat bewahrt. 
Könnt’ ich mit ihrer Donnerjtimme reden, 
Ich rief” es ihm ins Ohr, wie er gejündigt! 
Konrad (im Schlaf). Herbei! Herbeil Sch Hab’ mein Kind 
ermordet! 
Agnes (über ven Schlafenden gebeugt). Er ruft im Traum! 
Irmengard. Plagt das 
Gewiſſen ihn, 
So thut es wohl daran, und ſeiner Seele, 
Die in Gefahr ſteht, kommt die Qual zugut. 
Doch laſſe lieber mich mit ihm allein, 
Damit er nicht, wenn ihm Beſinnung kehrt, 
Doch ohne Klarheit des Bewußtſeins noch, 
An ſeinem Kind ſich unbedacht vergreife! 
Agnes. Sch harre draußen, Deines Rufs gewärtig. 

(Sie verläßt mit Maria das Turmgemach, nachdem fi) zuvor ſchon Heinrih und 
Helmold hinausbegeben. PBauje, während der Jrmengard ihren Mann jchmerzlich 
betrachtet.) 

Konrad (im Schlaf). Die Segel ein! Das Schiff jchlägt um! 

Wir finken! 
(Er erwadt.) 
Wo bin ih? 
Irmengard (ich zu ihm beugend). Hier auf Stahleck, Deinem 
Schloſſe. 
(Beifeite.) 
Erſt allgemach erhell’ ich ihm die Lage 
Und halte jo ihm jähen Schreden fern — 
Konrad (fie anftarrend). Du, die ich doch von mir gejtoßen! Ach ! 
Irmengard. Waz jeufzeit Du jo tief? 
Konrad (ihre Hand erfafiend). Was rief Dich Her? 
Srmengard. Dein nächtlich Eilen zum Pfalzgrafenitein. 
Konrad. So bin ich alfo auch in Stahle nicht? 
Irmengard. Bergieb, ich täuſchte Did, doch nur aus 
Schonung. 
O blick' umher! Sit dort es aljo jchaurig, 
Wie hier in diefem Kerker? 
Konrad (umblidend). Kerfer, ja. 
(Agnes erſcheint in der halbgeöffneten Thür.) 


Vierter At. Zweite Scene. 175 


Srmengard. In dieſen jchieteft Du Dein einzig Kind! 

Konrad. Mein Blie jucht fie umjonft; wie, oder follte, 
Was ich im Zorn befahl, vollzogen jein ? 

Ich hatte nicht das Zeichen noch erteilt, 
Nein, wahrlich nicht! Zum Schwur heb’ ich die Hand! 

Srmengard. Der Himmel war es, der die That verhütet 
Und Dich bewahrte vor noch größrer Schuld. 

Willſt Du jie graufam in der Haft belafjen ? 

Konrad. Sie bleibt darin und meinem Blide fern! 
Sie gab ſich einem Ehrvergeßnen Hin 
Als dem gejhwornen Feinde unſres Haufes. 

Sie fann und dar; mein Kind nicht fürder heißen. 

Irmengard (eifeit). ch muß ihm an das Herz auf andern 

Wege. 
(Laut.) 
Doch läſſeſt Du wohl eine Frage zu. 
Wie konnteſt Du in dieſer ſtürm'ſchen Nacht, 
Da haushoch ging der Rhein, als hätte Wut 
Ihn über Dich erfaßt, — ſo ſicher ſteuern, 
Daß Du an dies umſtürmte Riff gelangt, 
Zum Inſelrand der ſchaudervollen Veſte? 

Konrad. O welch ein jäh' Erinnern weckſt Du mir, 
Das jchlief im Hirne! — Schiffbruch, graujer Schiffbruch ! 
Das Boot jchlug um, ich über Bord zur Tiefe — 
Die Sinne jehwanden mir, ich war jchon tot. 

Wer mic) vom Grab errettet, weiß ich nicht. 

Irmengard. So will ich ihn Dir zeigen. 

(Sie tritt an die Thür und ruft hinaus.) 
Der ericheine, 
Der Pialzgraf Konrad aus dem Strudel riß! 
(Heinrid tritt, von Agnes geführt, herein.) 
Sieh Hin, den Netter Deines Lebens jieh! 

Konrad. Wie? Er, dem fihern Tod ich grimmig ſchwur 
Im tiefen Haß, dem ich jed’ Leid gewünfcht, 

Das zu erfinnen fähig ift das Herz ! 

Derjelde ward Wohlthäter mir und Freund 
Und rettete mein jchuldbedecdtes Leben! 
Wohl, ich erkenne Gottes Fügung an 

Und beuge mich dem Arm, der mich getroffen. 
Komm an mein Herz, Du Hochgemuter Held! 


176 Die Pfalz im Rhein. 


Heinrich von Braunſchweig Gögernd). Ich that nur meine Schul— 
digkeit, nicht mehr. 
Konrad. Du thatejt, was der droben Dir befahl, 
Der Gnade mir bewahrt, troß meiner Frevel, 
Die mir nun gänzlich klar. Doch wußteſt Du, 
Wer mit mir war an Bord, Du hätteſt nimmer, 
Bei Gott, Dich angefchiet, mich zu erretten! 


Heinrich von Braunſchweig. Da irrt Ihr Euch, Gott weiß, 
ich rede wahr! 
Srmengard. Wen führteft Du mit Dir? Doch till, ich 
ahne — 
Konrad. Es iſt der Henker und jein Knecht gewelen. 
Irmengard. O grimmer Mann! 
Heinrich von Braunjchweig. Daß fie ertrinfen mußten, 
Stand in des Höchiten Rat, und es geichah. 
Konrad. Doch dies erhöht noch meine Schuld an Euch, 
Daß Ihr in mir den Menjchen nur betrachtet. 
(Shm die Hand reichend.) 
Ihr ſollt mein Sohn fein, ja, Ihr ſollt es fein, 
Sch finde feinen würd’gern doch auf Erden. 
Agnes, mein Kind! 
(Sie umfajjend.) 
Nicht weinen, doch ja weinen, 
Ich thu’ es jelbit. Aus Wonne Halb und Wehe 
Gemifcht find alle Thränen, auch die meinen! 
Ich that Dir unrecht, als ich Deine Wahl verdammt, 
Verzeihe mir! 
Agnes (ihm die Hand küfſend). Vergebt mir jelbjt auch, Vater. 
%ch Hätte nichts vor Euch verbergen ſollen! 
Konrad Kite auf die Stirn küffend). Als tugendliches Kind erfenn’ 
ih Dich! 
Dem Schöpfer Danf, daß Er e& mir erhalten! 
(Zu Srmengard.) 
Und Du, fannit Du vergeben Deinem Gatten? 
Irmengard (ihm beide Hände reihend). Kannſt Du nur wähnen, daß 
ich es nicht fünne? 
Kenn’ ich doch Dein Gemüt ſchon manches Jahr 
Und auch in feinen guten Eigenschaften. 


Vierter At. Zweite Scene. 177 


Konrad (erisüttert. DO, Du beſchämſt mich tief! 
Irmengard (in Thränen). That ih Dir 
twehe ? 

Hör’ auf, zu finnen, alles ward ja gut. 


Konrad. Kann ich verrichten ein verdienjtlich Werk, 
So mahne mich dazu! 


Irmengard. Wohlan, es bietet 
Sich, ohne daß Du ſuchſt, Gelegenheit. 
(Sie winkt zur Thüre. Maria und Helmold treten mit verſchlungenen Händen ein. 
Heinrih und Agnes ftehen ebenfo da.) 
Sie haben mit geitritten, mit gelitten. 


Konrad. Und jollen darum auch mit glücklich werden ! 
Sp wie des Regenbogens Widerjchein 
Zunächſt dem farbenlichten miterglängt, 
So jpiegle fih ihr Glück auch ineinander. 
Gegrüßt, Herr Sache, ja, jo Toll es ſein! 
(Zu Helmold.) 
Ich werde Euch belehnen in der Pfalz. 
(Beide Paare fnieen nieder.) 
Gott jegne beide Paare für und für! 
Eng’ iſt's wohl hier und faum zu weilen Raum, 
Biel weniger zum Schaffen und Bewohnen, 
Und doch will ich, ein ewiges Gedächtnis 
Zu ſtiften an den ſchickſalsvollen Ort, 
Der Eurem Lebensbund zum Zeugen ward, 
Wie insbejondre auch an den Bejuch, 
(Lächelnd.) 
Den Ihr der jungen Gattin abgeſtattet, — 
(Sid aufrichtend.) 
Ich will, daß künftig jede Pfalzgräfin 
An dieſem Ort, der meinem Hauſe teuer 
Für immerdar, einkehren ſoll getroſt, 
Um ihre ſchwere Stunde zu erwarten. 
Erröte niemand über dies Vermächtnis 
Und nehmt für Ernſt, was halb wie Scherz nur klingt! 
Irmengard. Mit Stolz erfüllen werden ſpäte Enkel 
Dir dieſen Auftrag, doch für unſre Kinder 
Bleibt manches noch zu ſchlichten in der Welt. 
Greifs Werke. II. 12 


178 Die Pfalz im Rhein. 


Konrad. Bor allem joll der Kaifer Kunde haben 

Dom jähen Wandel, der fich Hier vollzog; 

Sch ſelbſt will in ihn dringen, wie ich kann. 

Bleibt ihm fein Herz verjtodt und ungerührt, 

So jag’ ich mich von ihm für immer los: 

Der Großmut bar, wär er fein Staufer mehr! 
Irmengard. Du weißt, er zählt der Treuen wen’ge nur, 

Und wird ſich vorjehn, Dich von ich zu jtoßen. 
Konrad. Auf diefe Rüdficht rechn' ich bei ihm wenig, 

Doch, was uns auch durch ihn befahren möge, 

Vor allem gilt es, Eures Vaters Sträuben 

Zu überwinden und in Gunft zu wandeln; 

Dies aber müfjen raſch ins Werk wir feßen, 

Da ſchon der Krieg beichloifen gegen ihn. 

So jend’ ich fie voraus, ihn umzuſtimmen 

Durch findlich Flehn. Gott lenfe ihm jein Herz, 

Wie er’3 an mir jo gnadenvoll gethan! 

Wir wollen alles auf der Fahrt bereden, 

Doch erjt vergönnt mir noch ein furzes Ruhn. 

Das Maß der Freude, dag der Mtenjch erträgt, 

Sit minder groß al3 das der Traurigkeit: 

Wir find nicht für vollkommnes Glüd erjchaffen, 

So überjtarf auch unfer Drang darnadı. 

Doch Schlaf, der unterbricht des Lebens Wellen 

Und ihrer Eile nimmt die Heftigfeit, 

Sit Balfam, den uns hohe Mächte jenden. 

Laßt mich allein! 

(Alle, außer ihm, entfernen ſich.) 
Nicht brauch’ ich mehr zu rufen: 

Schlaf fomme, Schlaf! Er jtellt von jelbft fich ein, 

Seit das Gewiſſen ruhig, und er löſt 

Die müden Glieder mit wohlthät’ger Hand, 

Daß jed’ Gefühl des Ungemachs verfchwindet 

Und lichte Bilder um die Seele gaufeln, 

Die ſich zurüd nach ihrem Urſprung jehnt. 

Wie leicht das Herz! — Was jprach der Fromme Biihof ? 

„Geht, Konrad, in Euch jeßt, da es noch Zeit; 

Dann iſt's zu ſpät, wann Ihr die That bereut.“ 

Noch nicht zu ſpät und feine Reue drum! 

Als Eidam wies ich nicht den Mann zurüd, 


Bierter Alt. Zweite Scene. 179 


Sn dem erblühen joll mir künftig Glüd. 

Sch gab mein Kind ihm ohne Vorbehalt 

Und jegnete mit Inbrunſt ihren Bund, 

Durch den fich mein Gejchlecht erhalten joll 

Bis Hin zu unabjehbar fernen Tagen. — 

Dort dämmern fie herauf in goldner Helle — — 

(Er ſchläft ein, ſanfte Muſik ertönt.) 

(Der Hintergrund öffnet fih, und man fieht das gleide Turmgemad der Pfalzim 
Rhein, als verfleinertes Bild, darinnen Agnes figend, ihr neugeborenes Kind im 
Schoß, zu dem nebenan jtehenden Heinrich ſich herabneigend.) 

Konrad (im Schlaf). Sacht auf das roſt'ge Schloß! — Da jigt 

fie lächelnd, 

Ihr Kind im Schoß, der Vater jtolz daneben — 

Nur jtill! — Ein Mägdlein, ſagſt Du, iſt's? Auch gut. 

Wie heißen wir's? — So wie die Mutter? Recht! 

Nun heim nach Stahle wieder! — — 

(Das Traumbild verſchwindet, die Mufif tönt leife fort; er ſpricht im Schlaf nad 
einer Pauſe weiter.) 

Der alte Urban ijt nun auch jchon tot. — 

Den Baum da hat er noch mit Jörg gepflanzt, 

Am Tag, da uns jung Agnes ward geboren. 

Längjt giebt er Früchte jchon. Weiß wohl, Du Hoffteit 

Im jtillen auf den Enkel lange noch. — 

Wem wird nach ihnen einjt dies Land gehören? — — 
(Die Mufif ertönt aufs neue jtärfer. Aus Wolfen entfaltet ji im Hintergrunde das 
Bild von Schloß Stahled am Rhein und aus der Ferne darunter das der Pfalz 
im Rhein, zugleich die Gejtalten von Konrads Enkelin, Agnes, und von Otto von 

Wittelsbachs Entel, Dtto, vie in voller Jugenpdfrijche erfcheinen, enthaltend.) 

Wer iſt das junge, neuvermählte Paar ? 

Glüdjelig nahen fie fich, Hand in Hand. 

Sie ijt eö, Agnes, unjer Enfelfind, 

Der Mutter Bild nach Antliß und Gejtalt, 

Und er auch trägt mir wohlbefannte Züge: 

Der Enkel Otto3 iſt's von Wittelsbad. 

Wie fromm, den Sprößling Defjen zu erwählen, 

Auf den in Glück und Not wir konnten zählen ! 

Vom Haupt erglänzt ihr einer Krone Schein, 

Stammmutter wird fie jo von Kön'gen jein. 

(Das Traumbild verfhmwindet, die Mufif verftummt. Irmengard betritt leiſe das 
Gemach; Konrad erwadt.) 
12* 


180 Die Pfalz im Rhein. 


Konrad. O Grmengard, ein Traum hat mir weisſagt! 
(Ihre Hand erfajjend.) 
Dem Himmel Dank, der uns dies Kind gegeben, 
In dem wir blühend jollen weiterleben 
Und fort auch wirfen in die jernfte Zeit, 
Durch Ihn, der jegnend Glüf und Ruhm verleiht. 


Ende des vierten Aktes. 


Sünfter Nkt. 


Erſte Scene. 


(Sm Schloß Dankwarderode zu Braunſchweig ein Saal, durch deſſen 

Fenſter man den gegenüberliegenden Blaſiusdom gewahrt. Heinrich der Löwe, den 

Gunzelin von Schwerin und Eilbert von Wölpe umgeben, ſitzt in einem 
Stuhl, vor ſich einen Tiſch, auf dem eine Chronik aufgeſchlagen liegt.) 


Heinrich d. L. Mein Sohn kehrt lange nicht von feiner Fahrt, 
Und, daß er feinen Boten mir gejandt, 
Der jein Verzögern aufhellt, nimmt mich wunder! 
Gunzelin. Herr, jein Berjprechen löſt er ficher ein: 
Wie ich ihn fenne, trifft ihn feine Schuld. 
Wölpe. Wir wijjen, wie er an dem Bruder hängt, 
Und was daran ihm lag, ihn [o8zubitten. 
Heinrich d. 2. Sch fürchte, daß er fich umſonſt erhob, 
Sa, daß der Schritt, zu dem ich ihn ermächtigt, 
Nur jtarrer macht den unnachgieb’gen Gegner: 
Statt Eines Sohns entreißt er beide mir. 
Gunzelin. Noch jteht es jo nicht, Herr, daß er zu fragen 
Nah Euch nichts Hätte, wie er wohl fich wünjcht. 
Die Macht, die Euch verblieb, er jpürte fie 
Sp gut als Eure übermüt’gen Nachbarn, 
Die wir fopfüber aus dem Felde jchlugen. 
Auch fehlt Ihr ihm den Wenden gegenüber, 
Die Ihr allein vermocht im Zaum zu halten. 
Sie jpotten jedem Zügel andrer Hand: 
Aus Unterworfnen wurden fie Bedränger. 


182 Die Pfalz im Rhein. 


Wölpe. Glaubt, auch die Welchen denfen noch zurüd 
An Den, der fie bewältigt mehr als einmal 
Und vor den deutichen Waffen Schred fie lehrte, 
Wogegen Euch die Sachſen ſchmerzlich miſſen, 
Die einit ein Volk in ſich gewiſſermaßen, 
Nun unter ihrem jchlaffen Herzog Bernhard 
Ohnmächtig dajtehn als ein Spott der Welt, 
Und fich zurück nad) Eurer Herrſchaft jehnen. 
Gunzelin. So ijt’3, Ihr fehlt dem Reiche allenthalben 
Und fehlt ihm mehr mit jedem neuen Tag. 
Ihr wißt, daß ich die Wahrheit nie Euch Hehlte, 
Doch jekt, da mir fein Lob mehr frommen fann, 
Sag’ ich es frei heraus, was hr bedeutet. 
(Auf die Chronif deutend.) 
Bon Euch auch wird man lejen jpät einmal. 


Heinrich d. 2. Wenn Licht den Schatten hebt, jo Hoff’ ich wohl 


Gerechtigkeit einjt dort im Grab zu finden, 
(Nah dem Dome deutend.) 
Wo meine treffliche Mechtilde jchläft, 
An deren Seite bald ich ruhen werde. 
Mein Tagewerf, ich fühl's, naht jeinem Ende, 
Und meiner Thaten leßte ift vollbracht. 
Gunzelin. hr hängt, o Herr, zu trübem Sinnen nad, 
Biel rüſt'ger ſeid Ihr noch, ala Ihr Euch haltet! 
Wolpe. Ich wollte feinem Eurer Feinde raten, 
Daß er in Eurem Land fich blicken ließe! 
Heinrih d. 2. Dem jungen Kaifer trau’ ich’3 dennoch zu, 
Und feinen Anſturm werd’ ich faum bejtehen. 
Der Blick erlojeh, womit ich im Gewühle 
So mander Schlacht befeuert unſre Reihen. 
Es leiht mir Euer Wunfch nur, was mir fehlt. 
Doch dies jteht Feit, ob wir des Nachruhms wert, 
Es zeigt fich erjt, wenn wir dahingejchieden. 
Wohl dem, der noch im Grab Lobredner findet, 
Wenn er nicht nügen mehr, noch jchaden kann, 
Sa, der entſchwunden erſt uns teuer wird. 
Wie mir e8 nun mit Kaifer Friedrich geht, 
Den ich, erbittert gegen ihn mit Fug, 
So jehr gehaßt, als ich ihn einjt geliebt, 
Und deſſen Heimgang ich nun tief betraure. 


Fünfter Akt. Erfte Scene. 183 


[35H Hielt Zwieiprache heut mit einem Pilgrim, 
Der, aus dem heil’gen Land zurücdgefehrt, 
Dort Zeuge war von jeinem jähen Ende, 
Das er mir, wie er es gejchaut, erzählt, 
Bor Rührung jtodend oft, doch urteilt jelbit! 
(Zu Gunzelin.) 
Er harrt hier nebenan, wo ich dem Müden 
Ließ Nahrung reichen. Holt ihn uns herbei! 
(Gunzelin öffnet eine Seitentgür und läßt den Pilgrim eintreten.) 


Habt Ihr Euch, Freund, erholt vom Ungemach 
Der Reife, jo berichtet noch einmal 
Des großen Helden Untergang und Ende! 


Der Pilgrim (nachdem er den Stab und Muſchelhut niedergelegt). Das Kreuz⸗ 
heer hatte nach mühſel'gem Zug 

Durchs wüſte Steppenland der Turkomanen, 
Die, ihre Tücke büßend nach Gebühr, 
Dem Schwert erlegen trotz der Übermacht, 
Den Weg erziwungen nach Armenien hin, 
Und, vom Gebirg’ herab zur Ebne jteigend, 
Stand ihm das erjte Kreuz vor Augen jchon, 
Da ließ es ſich (Seleucia im Rüden), 
Nach angejtrengtem Marſch durchs Telögebiet, 
Zur Zagesrajt im Thal des Saleph nieder, 
Und alles übergab fich müd' der Ruhe. 
Auch Barbarojja lag in feinem Zelt, 
Und, da die Sonne Heiß am Himmel brannte, 
Gelüſtete ihn angefichts der Wellen, 
Im fühlen Schoß der Flut ein Bad zu nehmen, 
Und, taub der Warnung, jprang er in die Tiefe. 
Schon ſchwamm er, aufgetaucht, mit fräft’gem Arm 
Das reißende Gewäſſer vor fich teilend, 
Sm Fluß, der ihm aus Bart und Lode troff, 
Als plöglih ihm die Leibeskräfte jchwanden, 
Und, wie von unfihtbarer Hand erfaßt, 
Der Held, dem mancher Bli bejorgt jchon folgte, 
Zu finfen anfing und im Strom verihwand. 
Dom Wehgeichrei, das wie aus einem Munde 
Am Ufer jegt erſcholl, herbeigerufen, 
Erichienen jcharenweile Mann und Führer 


184 Die Pfalz im Rhein. 


Und warfen fich fopfüber in die Flut, 
Zu Hilfe ihrem allgeliebten Herrn. 
Doch war e3 jichtbarlich zu ſpät dazu — 
Die Strömung hatte ihn hinabgezogen ! 
Nach langem Suchen erjt gelang es uns, 
Der tück'ſchen Flut den Leichnam zu entreißen, 
Die Seele Barbarojjas war entflohn, 
Und in den Frieden war er eingegangen.] 
(Die eingeflammerten Stellen fönnen bei alleiniger Aufführung der Pfalz im Rhein 
ungejproden bleiben.) 
(Heinrih d. 2. figt bewegt und in Gedanfen vertieft da. Pauje, während ver 
Helmold eintritt.) 
Wölpe (su Gunzelin). Dort naht fich Euer Sohn. 
Gunzelin. Fürwahr, er iſt's! 
(Helmold umarmend.) 
[Helmold, Du kommſt zu ſehr gelegner Friſt, 
Um aufzuheitern unſers Herrn Gemüt. 
Soeben hörten wir die Schreckenskunde 
Von Kaiſer Rotbarts vielbeweintem Scheiden. 
Helmold. Am Rhein vernahm ich ſie nicht einmal nur, 
Und feucht erglänzte ſtets der Hörer Blick. 
Gunzelin (Gum Pilgrin). Der Herzog wird Euch nach Gebühr 
bejchenfen, 
Bevor Ihr weiter zieht in andres Land. 


Der Pilgrim. Der reiche Gott vergelt’ Euch Eure Milde. 
(Gunzelin reiht dem Pilgrim die Hand und führt ihn bis an das Nebenzimmer zurüd.)] 
Wolpe. Sagt an, wo ließet Ihr den jungen Herrn? 
Helmold. Seid unbejorgt, es klärt fich alles auf 
Und, wie ich Hoffe, nicht zu Eurem Unmut. 
Doch meldet, Bater, unjerm Herrn mich an 
Und bittet ihn, daß er Gehör mir fchenfe! 
Gunzelin (su Seinrich dv. 2). Herr, eben ift mein Sohn zurüd- 
gefehrt 
Mit freudenreicher Kunde von dem Euren. 
Heinrich) d. L. (Helmold die Hand reihend). Willkommen, wackrer 
Sproß des wadren Vaters! 
jedoch, wo bleibt mein Sohn? Was hält ihn ab, 
In jeineg Vater? Arm zurücdzueilen ? 


Fünfter Alt. Erſte Ecene, 185 


Helmod. Da er allein nicht reift vom Rheine her, 
Sp mußt’ er zügeln jeines Renners Schritte 
Und fie des Zelters Paßgang anbequemen. 
Heinrich d. 2. (su Gunzelin und Wölpe). Der Sinn der Rede blieb 
mir underjtändlid. 
Gunzelin (setreten.. Auch mir. Gieb offen fund, was ſich be- 
geben! 
Helmold Geinrich d. 2. einen Brief darreihend). Aus dieſem Brief wird 
alles, Herr, Euch Elar. 
Heinrich d. 8. (ven Brief Wolpe darreigend) Nehmt Hin und leiht 
mir Euren Blid dazu! 
Helmold. Das Siegel fündet den Entjender an. 
Gunzelin (betroffen). Es trägt den Mar, der Staufer jtolzes 
Wappen! 
Wölpe. Und ringsum läuft der Name: Pialzgraf Konrad. 
Heinrih d. 2. Was hat wohl diefer Mann mir mitzuteilen ? 
Längjt zwijchen uns zerrifien ijt das Band. 
(Zu MWölpe.) 
Dog leit, was neu jein Übermut mir anfinnt! 
Wölpe (tie). „Dem alten Freund entbiet’ ich meinen Gruß!" 
Heinrich d. 2. Der alte Freund, doch der’s ſchon lang nicht 
mehr! 
Wölpe (Leit weiter). „Vernimm und glaube, was ich Dir bes 
fenne!“ 
Heinrich d. 2. An feinem Hafle hab’ ich nie gezweifelt. 
Wölpe (lieft weiter). „Noch gejtern hatt’ ich Dir den Tod ge- 
wünscht 
Und Untergang, ſowie auch Deinen Söhnen —“ 
Leinrich d. L. Dies zu verſichern braucht es kein Beteuern! 
Wölpe (ieſt weiter). „Und heute ſchäm' ich mich der — 
Wie wenn ich toller Wut, die mich befiel 
Nach gift'gem Biß, geneſen durch ein Wunder. 
(Geinrich d. L. horcht auf mit einem Ausdruck der Verwunderung.) 
Sa, ſolche Wandlung, Freund, ging in mir vor 
Durch eine Fügung, die ich himmliſch nenne, 
Denn Gottes Finger jelbjt erblick' ich drin, 
(Das Staunen Heinrihs d. L. wächſt.) 
Daß, hätt’ ich Dich jo nah’ wie Deinen Sohn, 
Ich an das Herz Dich jchlöffe, feſt wie ihn, 
Und, ſtießeſt Du zurück mich ungehalten, 


186 Die Pfalz im Rhein. 


Ich ſuchte Dich doch zu umarmen wieder, 
Gedenk der alten Zeit, da ich und Friedrich 
Dich anders nicht als einen Bruder liebten. 
(Heinrich d. 2. bevedt die Augen.) 
Deswegen jei nicht aufgebracht darüber, 
Daß ich mich folcher Traulichkeit erfühne 
Nach allem, was Dir Bittres widerfuhr. 
Denn fiehe, auch Dein Sohn, von gleichem Namen 
Und Sinn mit Dir, — dies iſt jein höchites Lob, — 
Kennt meine Abficht, mich Dir auszuſöhnen, 
(Heinrich d. 2. richtet fih verwundert empor.) 
Und freut fich drob. Ich gab ihm meine Tochter, 
Zum Danf, daß er daS Leben mir gerettet 
Durch eine That, die jtaunend Du wirlt hören, 
Zum Eh’gemahl; nun jegne Du den Bund, 
Wofern Du, was Mechtilde, Deine Teure, 
Beredet einjt mit meiner Irmengard, 
Und was wir Väter dazumal beſchloſſen, 
Noch jetzt vollzogen wünjchejt, wie dereinit. 
Doch wenn Du taub bleibjt meinem Wort, jo wilfe, 
Daß beide ſich Ichon auf den Weg gemacht, 
Dich durch vereinte Bitte zu bejtürmen, 
Und daß im Geift ich auch bei ihnen bin, 
Wenn fie Dir nahn —“ 
Heinrich d. 2. (überwältigt). Wo find fie, meine Kinder? Wührt 
fie ber! 
Helmod. O Herr, jo nah’, daß fie ein Wink fann rufen. 
(Er eilt zur Thüre; Heinrih von Braunjhmweig und Agnes erjdeinen auf der 
Schwelle, gefolgt von Maria, die Helmold herbeiholt und zu feinem Vater führt. 
Heinrich d. 2., von Gunzelin und Wölpe geftügt, bemüht fich, den Seinigen entgegen 
zugehen, die raſch auf ihn zueilen.) 


Gunzelin. Da nahen beide. 


Heinrih von Braunſchweig (auf feinen Vater zuftürzend). Water, 
teurer Bater! 
Heinrih d. 2. Willlommen hier in Braunjchweig ! 
(Den vor ihm Knieenden die Hand auflegend.) 
Sa, fo ſei's! 
Die Mutter, die von oben niederblidt, 
Eint mit des Vaters Segen dort den ihren, 
Wie fie durch ihr Gebet dies Heil jchon wirkte. 


Fünfter At. Erfte Scene. 187 


Traun, unfern Haß, ihn ſchmolz fein irdifch Teuer — 
Er ift dahin, mit diefem Kuß bezeug’ ich's! 
(Er küßt Agnes auf die Stirne.) 
Wie ſchön fie ift und züchtiglich zugleich, 
Ganz ihrer Mutter Bild in jungen Jahren! 
(Er erhebt fie und ſchließt fie in die Arme.) 
Wie dank ich Gott für diefen Tag des Glücks! 
Agnes (ihm die Hand küffend). Erlaubt Ihr, nenn’ ih Euch in Ehr- 
furcht Bater. 
Heinrich d. 2, (ie tiebtoiend). So innig als Du fannit und 
immerbdar. 
(Heinrih von Braunſchweig die Hand reichend.) 
Ich bill’ge Deines Herzens Wahl vollfommen 
Und nehme fie ala meine Tochter auf. 
Sei unjres Stammes künft'ge Mutter, Agnes, 
Und gieb ihm Sprofjen, daß er lang’ ergrüne, 
MWenn auch ein Aſt ihm frantt. 
Heinrich von Braunjchweig. Dies zielt auf mich! 
Doch nur als Bote war ich läffig, Vater, 
Nicht in der Sorge, die dem Bruder galt. 
Agned. Bezeugen fann ich jolches ihm durchaus, 
Er ließ nichts unverfucht, ihn zu erretten! 
Heinrich d. 2. (ihre Hand an feine Bruft ziehen). Mein Vorwurf lag 
in meinem Wort für ihn! 
Agnes. Auch meine Mutter, die Euch Gruß entbietet, 
Beteuerte durch Thränen ihm jein Lob, 
Das alle teilten, die in Worms verjammelt. — 
Des Kaiſers Herz allein blieb ungerühtrt. 
Heinrich d. 2. Das hatt’ ich ihm jchon Hier vorhergejagt! 
Heinrich von Braunjchweig. Er fieht in uns Abtrünnige nur 
noch, 
Nicht jolche, die im Kampfe um ihr Recht 
Verzweifelt mit den Waffen mwiderjtehn, 
Bereit, für ihn fortan fie zu gebrauchen, 
Sobald er nur das ihre anerfennt. 
So wird er nimmer ruhn, bis wir erniedert, 
Wenn ihn der Pialzgraf, den ala Ohm er achtet, 
Und deijen Rat ihm jtetS Hat viel gegolten, 
Nicht noch zulegt von feinem Wahn befehrt. 


188 Die Pfalz; im Rhein. 


Heinrih d. 2. Das Hoffe nicht, fein Haß ijt unverföhnlich, 
Er bricht uns noch einmal als Feind ins Land; 
Doh was wir auch durch ihn erfahren mögen, 
(Zu Agnes.) 
Du jolljt nicht Leiden unter dieſem Kriege. 
Wo Frau Mechtilde ſaß, jei auch Dein Dtt, 
So lang’ wir hier noch in der Heimat wohnen. 
(Er erhebt fie zum Sige neben fi.) 
Agnes. Nicht, Herr, — ich bin des Abſtands mir bewußt 
Von ihr, der Hehren, deren Frauentugend 
Die Mutter mir ala höchſtes Vorbild rühmte, 
Dem nachzuftreben fie mir oft empfahl. 
Heinrich d. 2. Und wie fich zeigt, Haft Du dies auch gethan. 
O lebte fie noch, Dich Hier zu erblicken! 
Agned, Dies wünſcht' auch ich von ganzem Herzen, Vater. 
Doch darf ih Euch mit einer Bitte nahn ? 
Heinrih d. 2. Mit jeder, die ich Dir erfüllen fann. 
Agnes (auf Maria und Helmold zeigend). So bitt' ih, gebt an jo 
glückſel'gem Tage 
Auch dieje dort zujammen als ein Paar: 
Sie lieben fich jo Herzlich, als wir uns. 
Heinrich d. 2. Mit Freuden, wenn der Water einverjtanden. 
Gunzelin. Das bin ich, Herr, wie ich mit Stolz befenne. 
Mein Sohn ijt glücklich nachgefolgt dem Euren, 
Er wählte jo, wie ſich's für ihn geziemt. 
(Er vereinigt beider Hände.) 
Agnes. Ich eine, Vater, unjern Dank dem ihren, 
Und da Ihr Euch jo gütig ſchon eriwiejen, 
Erkühn' ich mich zu einer legten Bitte. 
Heinrih d. 2. Sie ift Dir, undernommen, jchon erfüllt. 
Agues. Mein Vater trug mir auf, Euch zu vermögen, 
Daß Ihr mit ihm Euch vor dem Kaijer jtellet 
Und ihn als Schiedsherrn anruft noch einmal. 
Heinrich d. 2. Das Opfer wär’ zu hart, drum bitt’ ich ihn, 
E3 meinen weißen Haaren zu erjparen! 
Heinrich von Braunfchweig. Wenn Ihr es Euch vermöchtet 
abzuringen, 
Er bürgt dafür, daß ziemlich der Empfang. 
Agnes. Er jchwur, dem Kaifer eher abzujagen, 
Als daß er je von Euch fich wieder Fehrte! 


Fünfter At. Zmeite Scene. 189 


Heinrih d. 28. Berjchärfen wird den Zwiſt nur mein Er— 
ſcheinen, 
Ihr legt ein viel zu groß Gewicht mir bei. 
Agnes. Im Gegenteil! ch wage zu behaupten: 
Da Euer Anblid Ehrfurcht ſchon erweckt 
Und herzliches DVertrau’n dei jedermann, 
So wird ihn fiher Eure Nähe löfen, 
Als hätt’ er nie bejtanden je zuvor. 
O Bater, laßt Euch zu dem Schritt bewegen — 
Der Dank auch Eures Volks lohnt Euch die Großmut! 
(Sie finft mit erhobenen Händen, ihn anblidend, zu jeinen Füßen nieder.) 
Heinrich dv. 8. (fie emporziehend und ihr freundlich in das Antlitz blidend). 
Kein Kummer foll dies Engelsbild mir trüben ! 
So frommer Bitte widerjteh’ ich nicht. 
(Sie liebfojend.) 
Wohlan, wir wollen auf den Weg uns machen! 
O jeht, wie fie ihr Lächeln Hold verflärt! 


(Der Zwiſchenvorhang fällt.) 


Zweite Scene. 


(Halle in der Pfalz zu Goslar mit dem aufgerichteten Kaiſerthron. Kaiſer 
Heinrid und Marquard von Annweiler.) 


Kaijer Heinrich. Gejteht, wie das Gerücht ausfam davon, 
Dat König Richard eingeferfert figt 
Im Schloß zu Trifels, dem Ihr Hüter ſeid! 


Marquard. Auf wunderfamem Wege, Herr, geſchah's. 
Ihr werdet jtaunen ob der fühnen Mtäre, 
Doch iſt fie wahr, wie ich beſchwören fann. 
Kaiſer Heinrih. Nun denn, laßt hören! 
(Er jest fich nieder.) 
Marquard. Mancher Fehl ver- 
dunfelt, 
Ihr wißt es, Richards königliche Seele, 
Vor allem unerfättliche Begier 
Nach Ruhm und Ehre, die ihn graufam macht 
Und fühllos gegen jeden Ntebenbuhler. 


Kaijer Heinrih. Ihr tragt das Allbefannte breit nur vor. 


190 Die Pfalz im Rhein. 


Marquard. DVergönnt, daß ich den Eingang kurz vollende! — 
Doch deſto mehr entflammt ihn Edelmut 
Und Eifer für die Seinen, die ihm willig 
Ihr Hab und Gut, ja jelbjt ihr Leben opfern. 
Kaijer Heinrih. Zur Sache endlich, die Ihr jo umgeht! 
Marquard. Sch bin dort, Herr, wo fich das Rätſel löſt. — 
An Freundichaft Hat es nie gefehlt dem König 
In feiner Heimat, die ihn tief beklagt — 
Kaijer Heinrih. Das Löfegeld beweiſt's, das ſie mir boten. 
Doh nun zum Ziele, das fich noch verhüllt! 
Marquard. Ein Minjtrel, der den Namen Blondel führt 
Und jeinem Herrn bejonders treu ergeben, 
Durchzog jeit manchem Monde ſchon das Reich, 
Den Ort, wo hr ihn haltet, zu erfunden. 
So oft er einer Burg anfichtig ward, 
Bon der ihm möglich galt, daß fie ihn berge, 
Schlich an den Wall er mit der Laute fich 
Und jtimmte an ein Lied, von dem er wußte, 
Daß es der König oft und gern gejungen. 
Sp hatte manchen Turm er jchon ummwandert, 
Da führte ihn fein Weg heran dem Trifels, 
Und nun begann er hier auch jeine Probe. 
Doch kaum, daß im Gejang er abgejekt, 
Als er auch Richards Stimme ſchon vernahm, 
Der bei der Stelle einfiel, die verflungen. 
So ward e3 fund, wo König Richard weilt. 
Kaijer Heinrich. Ein Märchen, wahr für jeden, der es glaubt, 
Doch unter deren Zahl ich nicht gehöre. 
Sp treuer Freunde fann fein Fürſt fih rühmen! 
Der Eifer hinkt, wo nicht der Lohn ſchon blinkt, 
Um mein Gemahl fuhr noch fein Sänger aus, 
Und viele hajchten ſchon nach unferm Golde! 
Ich bin ganz anderm Spiele auf der Spur. 
Der Bilhof Burkhard, der den Bund mißbilligt 
Der Tochter meines Ohms mit König Philipp, 
Und der, folang’ dag Reih in Worms getagt, 
Der Welfen jtets ſich annahm, wie Ihr jahet, 
Er war, ala wir ung aufgemacht nach) Speyer, 
Wie zu Gehör mir fam, geeilt nach Stahled, 


Fünfter Akt. Zweite Scene. 191 


Zu warnen meine Baſe vor der Werbung: 
Und jo vermut’ ich, um nicht mehr zu jagen, 
Daß Eure Tochter dort geplaudert hat. 
Marquard. Das heißt wohl auch, daß ich e& ihr verriet? 
Doch heb’ ich Hier die Rechte auf zum Schwur, 
Daß ich mit nichten mein Gelöbnis brach, 
Daß niemand außer mir den König kannte! 
Kaijer Heinrich (nachdem er nachgedacht). Ich hörte, daß der Bifchof 
eingetroffen 
In gleicher Stunde fajt mit ung in Goslar. 
Marquard. So ijt es, Herr. 
Kaifer Heinrich (ich erhebend). Beſcheidet ihn vor mich! 
(Marquard enteilt.) 
Kaijer Heinrich (auein. Wie man Verrätern zahlt, dag lernt’ 
ich wohl! 
Sch will an diefem Ränkeſchmied mich rächen, 
Doch erſt mich zähmen, bis es Zeit dazu. ° 
Des Alter Ehrfurcht, die jein Haupt umgiebt, 
Verleiht mehr Anjehn ihm als irgend einem, 
Und da ich ihn dazu al3 mutig fenne, 
So fönnte leicht durch ihn die Heirat jcheitern, 
Die mich den Kapetingern näher bringt, 
Und die ich um fo eifriger betreibe, 
Als ich dem Drängen Englands auf die Dauer 
Nach Löjung Richards doch nicht Stand fann halten. 
So will ich thun, ala wär” mein Sinn gewandelt 
Genüber Frankreich und ala dankt’ ich ihm, 
Daß mir die Einfiht fam. Doc jtill, er naht. 
(Bifhof Burkhard tritt auf, der Kaijer jegt fich wieder.) 


Biſchof Burkhard. Ihr Habt mich her entboten durch den 


Truchſeß. 

Kaiſer Heinrich (mit verftelter Miene). Ich Treue mich, in Goslar 
Euch zu jehn. 

Biſchof Burkhard. Herr, ich erichien aus ganz bejondrem 
Grunde, 


Wie ich Verlangen trage, darzulegen, 

Kaijer Heinrih. Die Angelegenheit, die Ihr im Sinne, 
Sit ſchon erledigt, und nach) Eurem Rat; 
Ich werde Franfreih nicht den Willen thun. 


192 Die Pfalz im Rhein. 


Biſchof Burkhard (veifeite. So hätt’ ein Licht von oben ihn 
erleuchtet! 
(2aut.) 
Dann darf ich Hoffen, daß Euch meine Kunde, 
Wie unmwillfommen fie auch flingen mag, 
Nicht jolchen Ingrimm und Verdruß erregt, 
Als ich im andern Fall befürchten müßte, 
Sa, daß Ihr jelbit ſogar das Heil ermefjet, 
Das fie für Euch, wie für das Reich enthält. 
Kailer Heinrih. Nehmt den Gedanken ihre Hülle weg 
Und redet flar! 
Biſchof Burkhard. Ich thu’ nach Eurem Wunſch! 
So wißt denn, Eure Baje iſt vermählt. 
(Der Kaiſer führt empor.) 
Kaiſer Heinrich. Vermählt? und ohne mein Befragen! Wem? 
Biſchof Burkhard. Ihm, ihrem einjtigen Verlobten, Heinrich, 
Des Löwen Sohn. 
Kaijer Heinrich. Ein Donner jchlägt mich nieder! 
Wer jprengte dies Gerücht vorſätzlich aus 
Und wagt es, zu verlegen freventlich 
Durch jolhen Unglimpf Unjre Majejtät ? 
Biſchof Burkhard. ch brauche nicht das Zeugnis eines 
andern, 
Denn ich als Prieſter ſelbſt vermählte jte. 
(Der Kaifer jteht erftarrt.) 
Die Ehe iſt vor Gottes Aug’ geichlofjen 
Und unauflöslih drum durch Menjchenhand ! 
Kaifer Heinrih. ES wird fich zeigen, ob es jo beitellt, 
Und ob ein Eingriff in mein Herricherrecht 
Dem Biſchof zufteht, der mir Treue ſchuldet! 
Biſchof Burkhard. Und die ich mit Bewußtſein niemals brach: 
Verräter war ich nie, jeitdem ich atme! 
Kaifer Heinrih. Verruchter Gaufler, willft Du gar mich 
höhnen, 
Indem Du Deiner That Dich noch berühmeſt, 
Die unerhört iſt, wie Dein Ubermut? 
Biſchof Burkhard (würdevolh. Was ich gethan, ser) in jolcher 
Abſicht, 
Die weder Euch, noch Eurem Anſehn ſchadet. 
Durch reine Neigung waren beider Herzen, 


Fünfter Alt. Zweite Ecene. 198 


Die vom Geſchick dazu erjehn, vereint. 
Und da ich dies erfannte, trat ich Hin 
Und legte auch die Hände ineinander, 
Zu fnüpfen den vorherbejtimmten Bund 
Nach unfrer Heil’gen Kirche Brauch und Vorſchrift. 
Und jo gemahn’ ich Euch denn an die Lehre, 
Die, ala Gebot des Herrn uns überliefert, 
Für jeden und daher für Euch auch gilt: 
Was Gott vereinigt, jol der Mensch nicht jcheiden ! 
Kaijer Heinrih. Ihr predigt trefflich, hochehrwürd'ger Herr, 
Doc ſeh' ich diefen Bund als nichtig an, 
Da erjt der Eltern einverjtandner Wille 
Nah meiner Billigung ihm Kraft verleiht, 
Und daran wird e8 lange Zeit noch Fehlen! 
Biſchof Burkhard. Auch Euer Wille, wenn er jtandhaft bleibt, 
Löſt nicht die Bande, die unlösbar find. 
Kaijer Heinrih. Verräter, ja, jo nenn’ ich Dich mit Fug, 
Der Du Anſtifter warſt vom ganzen Zwilt; 
Wie, glaubjt Du, daß ih Deinem Zwang mich beuge? 
Doch jollit Du mir für dieſes Wagnis büßen 
Und nimmermehr mit heilen Augen jchaun 
Das lodre Paar, das in den Bann ich jende. 


(Das Schwert aufftoßend.) 


ZTrabanten vor! 
(Bemwaffnete dringen ein.) 


Legt Hand an diefen Mann, 
Der hier voll gleißnerifcher Demut jteht 
Und will den Heiligen ala revler jpielen ! 
Sein Kleid ſchützt ihn jo wenig als fein Alter. 
(Die Trabanten umringen den Bifchof.) 
Fort in den tiefjten Kerfer mit dem Schalfen! 
Bielleicht befinnt er fich nach feiner Blendung 
In finitrer Einſamkeit auf jeine Schul. 
Biſchof Burkhard (indem er ergriffen wird). Ihr fünnt mich töten, 
doch zum Widerruf 
Kommt es, jo wahr ich Chriſti Diener, nie! 
Euch aber möge Gottes Zorn verfchonen, 
Den Ihr gelenkt auf Euer jhuldig Haupt! 
Kaifer Heinrih. Hinweg mit ihm — der Richtipruch folgt 
ihm nad! 
(Zrompetenftoß. Ein Knappe öffnet die Thür, Pfalzgraf Konrad tritt auf.) 
Greifs Werfe. II. 13 


194 Die Pfalz im Rhein. 


Mein Ohm, Ihr fommt, den Biſchof anzuflagen ? 
Hier jteht, der Euer Haußrecht hat verhöhnt. 
Zieht Euer Schwert und jtoßt den Falichen nieder! 
Ich Heilige den Mord als gute That. 
Biſchof Burkhard (sum Pfalzgrafen Konrad). Schon einmal bot ich 
Euch die Brujt zum Stoße. 
Wollt Ihr mein Blut, ich bin bereit dazu. 
Kaiſer Heinrih. Ihr weigert Euh? So malt’ ich ſelbſt der 
Race! 
(Er fährt an da3 Schwert.) 
Konrad (im in die Hand fallend). Halt’ ein! Beflef’ nicht Die 
gejalbte Rechte 
Und mach’ fie nicht des Amts der Gnade unwert 
Durch eine Schuld, die fie entehrt für immer! 
Kaijer Heinrih. So überliefr' ich ihn in Deine Haft, 
Auf daß Du ihn vorführjt dem Kreis der Fürften. 
Konrad. Auf welche Klage Hin? 
Kaijer Heinrich (eritaunt). Nun, auf die Deine. 
Konrad. Das muß fich zeigen erſt, ob ich hier Kläger, 
Und ob ein jolcher überhaupt fich findet. 
Biſchof Burkhard. Nun ftaun’ ich jelbjt, ein Wunder jcheint 
geichehen! 
Kaijer Heinrich. Was ging mit Dir für eine Wandlung vor ? 
Konrad. Vernimm den Hergang, der Dir noch verborgen! 
(Sum Biſchof.) 
Und Zhr auch, ſchenkt mir freundliches Gehör! 
Kaifer Heinrih. Nun wohl, bereite Dich zu Deiner Kunde! 
(Er jest fih, die Trabanten verlaſſen ven Saal.) 
Konrad. Was Du vernommen durch den Mund des Bilchofs, 
Wie ih aus Deinem Zorn erkannt, ijt wahr: 
Mein Kind ijt mit des Löwen Sohn vermählt 
Durch dieſes Priejter® Hand, der vor Dir jteht. 
- Der Bund ijt feierlich und ernjt gejchloffen 
(Der Biſchof gerät in Vermwunderung.) 
Und auch der Eltern Segen ruht auf ihm. 
(Der Kaijer fährt auf, der Bifchof hebt, von Dank bewegt, die Hände empor.) 
Wieſo dies fam, will ich Dir jeßt erzählen. 
Ih fam, nachdem Du mich in Worms beurlaubt, 
Zu Stahleck jujt nach ihrer Trauung an, 


Fünfter At. Zweite Scene. 195 


Die fühnlich mein Gemahl ins Werk gejett: 
Glaubt, größer war der Zorn noch feines Vaters, 
Als es der meine war bei jolchem Anblid, 
Der mir erjtarren machte jajt mein Blut. 
Den Eingedrungnen jagt’ ich grimm von dannen, 
Schied mich von meinem Weib, das mich getäufcht, 
Mein Kind verbannt’ ich für die Lebenszeit 
Aus meinen Angejicht und jegte fie 
Auf einen Turm, im Rhein gelegen, Feit. 
Doc dejjen nicht genug, beichloß ich, ſie 
Die Nacht darauf durch Henfers Hand zu töten, 
Um jo die Schande los zu fein für immer. 
Da überfiel mich auf der Fahrt nach Kaub 
Ein jchredensvoller Sturm in Stromes Mitte, 
Der, als ich eben dran, am Riff zu landen, 
Mein Schiff verichlang und mich jamt der Bemannung. 
Sch war bereit3 begraben von den Wellen, 
Und das Bewußtſein hatte mich verlaflen, 
Als mir der Retter fam, von Gott gejendet, 

(Der Kaijer horcht auf.) 
Und mich mit jtarfer Hand dem Tod entriß. 

(Der Kaifer ſtützt erfhüttert fein Kinn auf und Hört regungslos zu, der Biſchof faltet 
die Hände.) 
Mer glaubt Ihr aber, daß mein Retter war? 
Kein andrer, ala des Löwen mut’ger Sohn, 
Der, die ihm Anvermählte zu befreien, 
In gleicher Wetternaht herangenaht. 
Doch nun erjpar’ mir des Berichtes Ende, 
Das Dir zu geben mir die Faſſung fehlt: 
Mein Auferwachen, Starren und Erjtaunen; 
Die Reue, die ich in der Brujt empfand; 
Die Thränen, die ich mit der Gattin weinte, 
Die fich durch eine Fügung eingefunden; 
Mein Danfen und Umarmen, meinen Jubel. 
Dies alles, was mein Herz empfand, verichweig’ ich 
Und jage nur, daß ich das Paar gejegnet 
So innig, wie noch nie ein Vater that. 
Kaijer Heinrich (nah einer Pauſe). Ich ftelle mir wohl Deine Lage 
vor 
Und gebe zu, daß ihm Dein Dank gebührte, 
13* 


196 Die Pfalz im Rhein. 


Der Di vom unfehlbaren Tod errettet; 

Gern hätt’ ich auch ihm jeden Preis gegönnt, 
Nur diefen nicht, und wenn Du e3 erwägit, 

Sp räumft Du mir auch ein, daß Du im Grund 
Nur einer jähen Wallung nachgegeben — 


Konrad. Die ich jedoch nachher auch nicht bereute; 

%a, jo jehr freu’ ich mich der Sinneswandlung, 

Die dies Erlebnis hat in mir bewirkt, 

Daß eine Schikung ich darin erfenne, 

Für die ich meinem Schöpfer dankbar bin, 

Daher es auch mein fejter Wille ift, 

Was ich mit klaren Sinnen anerkannt 

Und völlig vorbehaltlos gutgeheißen, 

Auch zu behaupten gegen jedermann, 

Des Reiches Oberherrn nicht ausgenommen. 

Willft Du demnach, wie jeither, fernerhin 

Auf meinen jtetS bereiten Beiltand rechnen, 

Ob Du im Reich anweſend oder fern, 

Und über mich uneingefchränft verfügen, 

Sp juche zu gebieten Deinem Groll 

Und lafje beiden auch zum Pfand des Friedens 

Die Sonne Deiner Huld und Gnade leuchten! 

Kaiſer Heinrich (mas einer Pauſe ver Überlegung. Nun denn, ich will 
Dir zum Beweis des Wertes, 

Den ich auf Deine jtete Freundjchaft lege, 

Erfüllen Dein Begehr und ohne Zögern. 

Wo ift das Paar? ch will e8 vor mir jehn! 
(Poſaunenſchall. Bon den Fürften und Großen de3 Reiches und deren Frauen 
geleitet, erjheinen, von Jrmengard geführt, Agnes und Heinrid von Braun= 
ſchweig, denen in einigem Abjtand Helmold und Marta, jowie Narquard von 
Annmweiler folgen. Der Kaifer verläßt den Thron und tritt dem Paare entgegen, 


das fih vor ihm in die Aniee beugt. Irmengard tritt zum Pfalzgrafen und dem Biſchof, 
den fie lebhaft begrüßt.) 


Kaiſer Heinrich (Agnes die Hand reigend). Ich billige die Wahl, die 
Du getroffen. 
(Zu Heinrih von Braunjchmeig.) 

Ihr habt fie Euch durch Heldenmut errungen, 

Die jeder rühmenswerte Borzug ſchmückt: — 

Pfalzgraf bei Rhein fei fünftig Euer Name! 
(Indem er Helmold und Maria, ſowie Marauard von Annweiler heranmwintt, auf 

Helmold deutend.) 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 197 


Und diejer hier joll Euer Truchjeß werden. 
(Zu Heinrih von Braunſchweig.) 
Doch wo befindet Euer Vater ſich? 
Heinrih von Braunjchweig. Er fam mit uns nach Goslar. 
Kaijer Heinrich (sum Pfalzgrafen Konrad). Führt ihn her, 
Daß die Verfühnung wir zugleich befiegeln! 
(Der Pfalzgraf ab.) 
Kun jehlt nur noch die Kaiferin im Harze. 
Marquard. Herr, die Erhörung Eures Wunjches naht! 
Soeben traf die Nachricht ein aus Welfchland 
Bon Tanfreds Tod und, wie der Schluß ergiebt, 
Bon Frau Konſtanzens unverhoffter Freiheit! 
Alle. Die Kaijerin Konjtanze lebe Hoch! 
Kaijer Heinrih. Mit Gottes Hilfe führen wir fie heim — 
(Zu Heinrid von Braunſchweig.) 
Ihr werdet uns doch auf der Fahrt begleiten ? 
Heinrich von Braunjchweig. Als Bürge an der Stelle meines 
Bruders, 
Den ich Euch bitte, gnädig loszugeben. 
Agnes. Nehmt feine Bitte, Herr, gewogen auf. 
Auch er wird Euch die ſchuld'ge Pflicht erfüllen. 
Kaiſer Heinrih. Wohl denn, ich nehme jolche Bürgſchaft an. 
(Zu Srmengard.) 
Er Hatte jeinen Blondel an dem Bruder. 
Irmengard (dedeutungsvou). Er nicht allein, auch Stahled könnte 
reden. 
(Fanfaren. Der Kreis der Fürſten öffnet ſich. Heinrid d. 2. tritt an der Hand des 
Pfalzgrafen in denjelben und vor den Kaijer; ihm folgen Gunzelin und Wölpe.) . 
Kaiſer Heinrich (ihm entgegentretend und ſeine Kniebeugung verhindernd). 
Der Sohn iſt Euch zurückgegeben, Herzog. 
Ich laſſe, ſeines Bruders Ruf erhörend, 
Den er in Worms für ihn ſo kühn erhob, 
Befehl ergehn, die Feſſeln ihm zu löſen. 
(Indem er dem Löwen die Hand reicht.) 
Wir wollen fürder Freunde ſein und bleiben. 
Auch Eure Rechte werd' ich treulich ſchirmen. 
Heinrich d. L. So denn gelob' ich künftighin Gehorſam. 
Mein Sohn ſoll nach Sicilien Euch begleiten, 
Der Löwe ſelbſt iſt ſchon zu alt dazu. 


198 Die Pfalz im Rhein. 


Kaifer Heinrih. In feinem Sohne wird er fich verjüngen 
Und als jein Erbe Würdiges vollbringen. 
(Zu Biihof Burkhard.) 
An Euch iſt die Gefahr vorbeigeeilt 
Und Eure Zuverficht hat fich bewährt. 
Nun jegnet fie fürs Leben noch einmal, 
Daß ich auch Zeuge ihres Bundes jei. 
Biſchof Burkhard (Heinrich und Agnes jegnend). Ein Sturm hat 
Euren Lebensmai bedrängt, 
Doch nur ald Prüfung, die der Herr verhängt, 
Und die er Euch zum Gegen ließ gedeihn, 
Um Euren Bund zu hohem Heil zu weihn. 
(Unter Trompetenjhall und den alljeitigen Hodrufen auf da3 junge Paar fällt der 
Vorhang.) 


Ende des fünften Aktes. 


Ende. 


Konravin 


der 


[e&te Sobenflaufe. 


Trauerjpiel in fünf Alten. 


Verſonen. 


Konradin von Schwaben. 
Friedrich von Oſterreich. 
Eliſabeth, Konradins Mutter. 
Meinhard von Görz, deſſen Stiefvater. 
Ludwig der Strenge, Herzog von Bayern. 
a 
onrad Capece, ec ıys 
Guido Novelle,  Shibellinen. 
Erard Donoratico, 
Maftino della Scala, Podeſtaͤ von Verona. 


Kroff von Flüglingen, J | 
Hermann von Sürnheim, f vom Gefolge Konradins. 


Sach, h des letteren Tochter und Nichte. 
Enrico von Kaftilien. 
Konrad von Antiochien. 
Karl von Anjou. 
Sacob Frangipani. 
Violante, deſſen Tochter. 
Zend ven Genfer, | yom Befage Amjeus— 
Alard von Balery. 
Robert von Bari, Kanzler de3 Gerichtshofes von Neapel. 
Kaponio, ein Legat. 
Sufluff, ein Sarazene. 
Ein Herold. 
Zwei Schiffer. 
Ein Geiftlicher, ein Kerfermeifter, Ritter und Knappen, Bolf, Spiel- 
leute, kriegeriſches Gefolge und Schiffer. 





Drt der Handlung: im eriten Akte Arbon am Bodenjee, im zweiten 
ein Gefilde vor Verona, im dritten zu Rom, im vierten bei Tagliacozzo 
und Aftura, im fünften zu Neapel. 


Die Zeit der Handlung: das Jahr 1268. 


Erſter Akt. 


(Eine Halle in der Burg zu Arbon am Bodenjee mit freier Ausficht auf den— 
felben; eine Terrafje führt an das angrenzende Ufer. Rechts und links im Vorder— 
grund Tifhe und Sefjel. Konradin und Friedrich treten auf.) 


Konradin. Wie joll ich, Friedrich, alles danken Dir, 
Was Du jeit unjrer Kindheit mir erzeigt 
Al Freund, dem Freunde brüderlich gefinnt? 
Doch wie Du auch erprobt ſchon lang mir wareſt 
Sn Deiner Treue, Deinem Edeljinn, 
Was Du in diefen Tagen mir erwiefen, 
Steigt über jed’ annehmbar Opfer fait. 
Du, der fich jelbjt des Erbes weiß beraubt 
Durch einen jchnöden Nachbarn Deines Landes, 
Und dem die Hilfe not, jo gut als mir, 
Du nimmst Dich meiner Sache Jelbjtlos an 
Und Du vergifjeft Deine Not um meine. — 
O ſchüttle nicht dag Haupt, denn alſo iſt's! 
Du heiſcheſt Einlaß in die Burgen rings, 
Die Du den Staufern noch ergeben weißt, 
Wie dort auch, wo der Abfall Ichon begonnen, 
Und rufſt den Söhnen Schwabens zu: Erwacht 
Und Helft zu feinem Rechte Konradin! 
Und wenn ich dann, von Dir bejchieden, komme, 
Durch Dich bei den Bekehrten eingeführt, 
Ernt’ ich die Früchte, die Du ausgefät. 
Dies alles, VBielgetreuer, ijt Dein Werf. 
Friedrich. Mit gleichem Fug fann ich's das Deine nennen, 
Denn Dein Entſchluß, mit ihrem Aufgebot 
Das Dir entrigne Erbland zu erobern, 


209% Konradin. 


Hat fie allein gewonnen, nicht mein Wort. 

Und was Du jagit von meiner eignen Lage, 

So bin ich ein Beraubter zwar wie Du, 

O KRonradin, im übrigen jedoch 

Vergleich’ ich nicht mein Schiefal mit dem Deinen. 

Du bijt der König, ich doch nur ein Fürſt, 

Du bift mein Herr, ich Dein Bafall und Ritter, 

Doch freilich, daß ich's bin, das ijt mein Stolz. 

Geſtatte drum, daß ich auch fernerhin 

An Deine Hoffnung meine knüpfen darf 

Und, Deinen Sieg betreibend, mir auch diene! 
Konradin. Wie rührſt Du mir das Herz durch Dein Beteuern! 

Wohlan denn, wie Du willſt, ſo ſoll es ſein! 

Gefährten waren wir von Kindheit auf, 

Die wir erwuchſen unter Einem Dache 

In meines Oheims Hut, der uns erzog 

Wie Brüder, ohne äußern Unterſchied; 

Drum, wie wir uns am gleichen Spiel erfreut, 

So wollen wir's auch jetzt im Leben halten, 

Dem ich ſeit kurzem mündig angehöre. 

Gelingt es mir, mit dieſer Treuen Hilfe 

Und Deinem Beiſtand, mannhaft einzulöſen 

Das freudige Verſprechen, das ich gab 

Den Männern, die an mich Italien ſandte, 

Gerüſtet als ihr Retter zu erſcheinen 

Und zu gewinnen dort mein fernes Erbreich, 

So ſteh' ich Dir mit aller Macht bereit, 

Dich ſelbſt auch des Bedrängers zu entled'gen 

Und einzuſetzen in Dein volles Erbe. 
Friedrich. Wenn erſt Dir zu der Krone von Sicilien 

Die deutſche noch hinzugewachſen iſt, 

Und Du im Vollbeſitz der Vätermacht, 

Dann liegt bei Dir es, auch für mich zu ſorgen. 

Bis dahin denke nur an Dich zunächſt 

Und wie Du Deiner Pflicht Genüge thuſt. 
Konradin. Für mich bedacht, bin ich es auch für Dich, 

Vielmehr für Deine Ehre, wie die meine, 

Denn höher ſteht ſie uns, als jed' Gebot — 

So wollen wir gemeinſam auch ihr dienen 

Und alles teilen, was das Schickſal bringt, 


Erfter Akt. 203 


Gefahr und Kampf nicht minder ala den Sieg, 
Und, wenn es uns bejchieden jo, den Tod. 
(Indem fie fih umjhlungen halten, treten Barbara und Hildegard, von beiden 
unbemerft, auf.) 
Hildegard. Da jtehn jte, denen wir zur Kurzweil taugen, 
Wann fie fich nicht vergnügen anderswo. — 
Grüß’ Gott, ihr edeln Herrn, wohl ausgejchlafen ? 
Barbara. Yhr rittet jpät zu Nacht in Arbon ein! 
Konradin (igre beiden Hände erfaſſend). Hat Dih der SHufichlag, 


Bärbehen, aufgewedt ? 
Barbara. m tiefjten Schlaf hätt’ ich Euch fommen hören! 


Hildegard. O jagt, wenn Ihr es ung vertrauen dürft, 
Wozu Ihr ruhlos unjern See umitreift 
Bis zu den Bergen Appenzelle, zum Säntis, 
Und drüben bis ins ſchwäb'ſche Land hinein! 
Berhält ſich's jo, wie es der Vater deutet, 
Der freilich jelbjt es auch vor uns verbarg, 
Wohin er jorgenvoll von Haus geritten ? 


Friedrich. Was hat der Biedre von uns ausgejagt? 


Barbara. Er gab nur an, jo oft wir ihn befrugen, 
Daß Ihr beflifien wäret, einzufammeln, 
Was fih im Schwang erhielt von alten Liedern 
In unjern Gaun, die des Gejanges Wiege. 


Hildegard. Das ſei's, was euch umher jo ruhlos treibe. 


Barbara. Ob Euer Wandern nur den Sängern galt, 
Nicht auch den Schönen, deren Huld ihr danket, 
Daß Euch jo minnigliche Lieder ſproſſen, 

Wie wir fie oft aus Eurem Mund gehört ? 
Doch freilich, wenn ich wieder recht bedenke, 
Wie Ihr die Stunden oft damit verbringt, 
Hinauszuftarren in die offne Flut 

Und ernjten Sinnes vor Euch hinzuträumen, 
Sp möcht’ ich fajt mich des Berdachtes ſchämen 
Und eher wähnen, daß ein Leid Euch drüdt. 

Konradin. Ein Leid bedrücdt mich wohl, und es erwacht, 
So oft in Arbon ich, zurückgekehrt, 

Des Seees weiten Spiegel vor mir jehe. 


204 Konradin. 


Komm’ her und lafje Dir dies Leid erklären! 
(Er führt Barbara einige Schritte gegen bie Terrajje Hin.) 
Dort war e8, in der hochgetürmten Stadt, 
Dem treuen Konjtanz, wo im Kreis der Yürften, 
Sin jeiner Kaifermacht der Rotbart thronte, 
Als ihn fußfällig Lodis Bürger baten, 
Bon Mailands Tyrannei fie zu erretten, 
Was er vollbracht auch, ſeines Schwurs gedentf. 
Wo find die Ritter, die ihm zahllos folgten ? 
Und dort auch war’, wo ihm nach ſchwerem Ringen 
Die Friedensboten der lombard’schen Städte 
Die goldnen Schlüffel legten vor den Stuhl. 
Wo find die Tage hin, die dies gefchaut ? 
Dort aber rückwärts, wo die Firne leuchten, 
Dort war e8, wo durchs offne Alpenthor 
Sein Enfel Friedrich, den Palermo dedt, 
Mit wenigen Getreuen nur erjchien, 
Die deutjche Krone in Beſitz zu nehmen, 
Die ihm der gier’ge Otto weggeraubt. 
Aus all den Thälern und von all den Höhn 
Kam das bewehrte Volk einhergeitiegen, 
Ihn jubelnd zu geleiten in jein Neich. 
Wann werden wieder jolche Zeiten kommen ? 
Do freilich, dort auch war's im Felſenſchloß, 
Daran der junge Rhein vorüberjtürmt, 
Wo Tanfredg Sohn, Irenens junger Gatte, 
Geblendet durch die Rache eines Staufen, 
Die langen Jahre eingekerkert jeufzte 
Und in Verzweiflung ausſtieß manchen Fluch, 
Der, wie ich fürchte, fi an mir erfüllt, 
Wenn der Barmherzige nicht Gnade übt. 
Friedrich (ver Hinzugetreten.. Wohin doch irren die Gedanken Dir? 
Hildegard (u Friedrich. Der Ton der Stimme drang mir pi das 
Herz! 
Barbara. O Gott, mir wird e8 hell mit Einem Male} 
Ihr jeid fein andrer ſonſt als Konradin, 
(Sn3 Knie jinfend.) 
Der unjer Herr und König. 
Konradin (fie erhebend). Sa, ich bin’s, 
Ich bin der Hohenjtaufe Konradin, 


Erfter Akt. 205 


Der nad dem Recht Hier Herzog jollte fein 

Und unter einer Königskrone gehn, 

Anftatt daß er, vor feinem Volk verborgen, 

Geächtet und ala Flüchtling hier verweilt 

Sin Deines vielbeforgten Vater? Schuß, 

Zugleich mit feinem Freund, dem KHochgelinnten, 

Der, Legter feines Stamms, wie ich des meinen, 

Sein Schickſal mutvoll an das meine fnüpft. 

Hildegard (Hatblaut zu Barbara). Der Herzog Friedrich iſt's von 
| Oſterreich. 

Konradin. Doch ſoll die Schmach nicht allzulang' mehr 
währen 

Und, die mich bargen, ſollen Heil erfahren. 

(Barbaras Hand erfaſſend.) 

Schau mir ins Auge — 

Barbara. Herr, ich wag' es nimmer, 

Seit ich den Gaſt erkannt, der uns begnadet. 

Konradin (ie an fi ziehend). Sei mir jo traut und zugethan, wie 
ſonſt! 

Es haben Könige zu ſich erhoben, 

Die an Geburt nicht gleichgekommen Dir. 

Erinnre Dich dereinſt an dieſes Wort! 

(Ritter Hermann von Hürnheim iſt während der letzten Rede aufgetreten.) 
Hildegard. Da kommt mein Ohm — Dein Vater, Barbara! 
Hermann von Hürnheim. Mein Kind, Du wirſſt den Blick 

zu hoch empor 

Und biſt doch zu entjagen nicht gejchaffen, 

Sp wirft Du doppelt Deine Hoffahrt büßen! 

Entſchuldigt, Herr, doch warnt’ ich fie bedacht. 
Konradin. Dies thut nicht not. Sie weiß e&, wer ich bin, 

Und daß ich ihre Tugend nicht bedrohe. 

(Zu Barbara.) 

Dieg nimm von mir ala Pfand an meiner Huld. 

(Sr nimmt fid) eine Kette vom Hals, die er ihr anhängt; zu Hermann von Hürnheim, 
während die Mädchen fich entfernen.) 

Und nun berichtet ung, was Ihr bewirktet! 

Habt Ihr Piandnehmer für das Gut gefunden, 

Das dranzufegen ich genötigt bin, 

Um Mittel aufzubringen für die Heerfahrt, 

Die ich nach Pflicht gelobt, zu unternehmen ? 


206 Konrabdin. 


Hermann von Hürnheim, Ich fand fie, Herr, und gab nach 
Euren Auftrag 
Um Bares hin, wenn auch mit ſchwerem Herzen, 
Was Ihr an Burgen, Fleden und Gehöften 
Noch eigen nennt von Eurem Erbbeſitze 
In Eurem angejtamnıten Herzogtum — 
Ein Maultier trug das Gold mit leichter Mühe. 


(Mehrere Bergamentrollen hervorziehend.) 
Hier find die Briefe, die das Recht Euch wahren, 
Wenn hr fie auszulöſen jeid imjtande, 
Was Gott Euch lafje bald beichieden jein! 


(Er übergiebt Konradin die Rollen, der ſie raſch iiberfliegt.) 


Konradin. Auf Seinen Beijtand wollen wir vertraun! 
Nutznießer war ich längſt nicht mehr davon 
Und nur dem Namen nach Bejiter noch. 
Doch ſchmerzt e3 trogdem, fich davon zu trennen. — 
Der Rechberg und der Stuifen auch darunter, 
Des Staufen Nachbar; doch was ijt’3 mit dieſem? 


Hermann von Hürnheim. Auch ihn, Herr, wie ich jollte, aus- 
zuliefern 
In fremde Hand, bracht’ ich nicht über mich. 


Konradin (su Friedrich. Du weißt, ich habe jelbjt mich ſchwer 
entſchloſſen. 
Hermann von Hürnheim. Der Schenk von Limburg hatte 
drauf geboten, 
Doch ſchlug ich eg ihm ab, von Scham bewältigt. 
Ich diente Eurem Ahn, dem andern Friedrich, 
Wie Eurem Bater, der zu früh uns jchied, 
Und werde Euch als jeinem Sohne dienen, 
So lang’ es noch in meinen Kräften jteht. 
Do ſolche Dienjte müßt Ihr mir erlafjen! 


Konradin. hr jolltet ja nur mein Vollſtrecker fein. 


Hermann von Hürnheim, Bedenkt, es ift die Stammburg 
Eures Haufes, 
Die Wiege und der Wohnfig Eurer Väter, 
Bon dem hr den erlauchten Namen traget 
Und der Euch nimmer darf verloren gehn, 


Erjter Akt. 207 


Soll Eure Kraft im deutſchen Land bejtehn. 
(Bauje. Hornruf vom Turme.) 
Ich muß zur Spähe eilen, Herr, verzeiht! 
(Er enteilt über die Terrafje.) 
Friedrich. Vernahmſt Du wohl den Hornruf von der Zinne? 
Konradin. Sein Wort traf tiefer mich, als Du Dir dentit. 


(Er wirft fih nahdenflid in einen Eejjel, Barbara und Hildegard eilen herein.) 
Hildegard. Es nahen fich zu Schiff ung Fremde Gäjte! 
Barbara, Der Tracht nach jcheinen Welfche mir darunter. 


Friedrich (Konravin auf die Schulter tlopfend). Haſt Du denn nicht ge- 
hört? Bejuh aus Welfchland! 
(Zu den Mädchen.) 
Gr jchweigt, gedanfenvoll in ſich verjunfen ; 
So will ich jelbjt erfunden, wer uns naht. 
(Er eilt über die Terrafje ab, die Mädchen folgen bis zur Baluftrade.) 
Hildegard. Da find fie jchon, mit Macht herangerudert, 
Der Möwe gleich, die vor dem Sturme flieht! 


Barbara. Begrüßt vom Bater, der Herzugeeilt, 
Doch mehr VBerwunderung ala Freude zeigt, 
Als ſäh' er angelangt unliebe Gäjte. 
Hildegard. Schon kehrt er wieder mit bejtürzter Miene, 
(Hermann von Hürnheim tritt auf.) 
Hermann von Hürnheim. Herr, eben famen auf bemanntem 
Schiffe, 
Dem um die Wette jchnell ein zweites folgt, 
Aus Eurem Erdreich Abgeſandte an 
Mit wicht’ger Vollmacht, wie fie fühn behaupten, 
Und bitten dringlic um ein rajch Gehör. 
Seid Ihr bereit, nach Wunfch fie zu empfangen ? 
Konradin. Führt ohne jeden Auffchub fie herbei! 


Hermann von Hürnheim (im Abgehen für ih). Das fehlte noch zu 
allen andern Nöten! 
Der Staufen fällt au bald in andre Hand. 


Konradin. Mich wundert’3 doch, daß fie uns aufgefunden, 
Da unjern Aufenthalt der Ohm nur fennt. 


208 Konradin. 


Friedrich. Ich ahnt’ es gleich; der Späherblid ift jcharf, 
Doch wen mag wohl das andre Schiff uns bringen? — 
Da find fie ſchon, den fünft’gen Herrn zu grüßen. 

(Die Gejandten Staliens, Galvano Lancia, Konrad Gapece und Guido 

Novello, treten ein und lafjen fih auf die Aniee nieder. Friedrich Holt unterbejjen 

aus dem Nebengemad) einen Hermelinmantel und hängt denjelben Konravin um die 

Sdulter.) 
Konradin. Willtommen, Boten meines Königreichs, 
Bon dem hr mir erjehnte Kunde bringet — 
Galvano Lancia. Des Himmels Segen auf Dein teures 
Haupt, 
Auf dem Italiens ganzer Trojt beruht, 
Des jchwer geprüften, das erniedrigt jeufzt! 
Doh Du wirſt ihm erneun das goldne Alter 
Und ihm zurüd im Siegsgeipanne führen 
Die Göttinnen des Glücks und lichten Ruhmes. 
Drum ſchick' ich heißen Dank dafür zum Himmel, 
Daß er noch einmal Dich mich ſchauen ließ 
In Deiner Jugendkraft und Hoffnungsblüte, 
Bevor mir meine legte Stunde Jchlägt. 
Heil unjerm Retter, König Konradin! 
Gapece und Novelle. Heil unjerm Retter, König Konradin! 
Konradin (nahdem er ihnen einen Wink erteilt, ſich zu erheben). Noch that 
ich nichts, dieg Lob mir zu verdienen, 
Doch, wenn der Herr mir jeine Hilfe leiht, 
Gedenk' ich mein Verſprechen zu erfüllen. 

Gapece. Wenn Du das jchwere Unheil, Herr, gewahrteft, 
Das diefer Bluthund Anjou angerichtet 
In Deinem Bolf, dem er die Freiheit raubte, 

Und das er nun aufs äußerjte mißhandelt, 

Herr, wenn Du das gejamte Leiden jähelt, 

An dem Dein unvergleichlih Erbland krankt, 

Das Gott vor allen Ländern hat gejegnet 

Durch feinen Himmel, feine Fruchtbarkeit, 

Durch jeiner Städte Glanz und Porte Schimmer — 

Du ſäumteſt nicht mehr, dahin aufzubrechen ! 
Lancia und Novelle. Das Maß der Leiden ift im Überfließen! 
Konradin (ic su Capece neigend). Wo wurdet hr, in welcher 

Schlacht verwundet ? 


Erjter Att. . 209 


Gapece. Zu Benevent gefangen an dem Tag, 

Der Manfred gab den Tod, war dies mein Los, 

Daß mir der Arm verjtümmelt ward zur Buße. 
Konradin. Und jolcher Unthat zeigt ein Fürft fich Fähig ! 
Capece. Bor ihm, der jeder edlen Regung bar, 

Beiteht nur Eine Schuld: jein Gegner fein. 

Dies Eine ſchon genügt, Dich zu verderben. 

Sriedrih. Und was erit würde unjer Schiefal werden, 

Wenn wir ihm beide in die Hände fielen ? 

Novello. Berürchte jolches nicht, ziehit Du dahin! 

Nicht nur find jene zur Empörung reif, 

Die des Bedrüders Fuß im Naden jpüren, 

Toskana auch, dag mich dahergejandt, 

Die Marken, Piſa, ebenjo PBavia, 

Wie viele andre Städte, rufen Dich, 

Vom gleichen Joch bedroht, wie ihre Brüder. 

GEntfalteit Du das wohlbefannte Banner, 

So jtrömen Dir von allerwärts in Waffen 

Der fampfbereiten Ghibellinen zu, 

Und alle auch wetteifern gleicherweije, 

Mit ihren Schäßen dienjtbar Dir zu fein — 

Drum zögre nicht, da Dir die Sterne günftig! 

Lancia und Gapece, Herr, zögre nicht, es fleht Dein Bolt 
Dih an! 
Konradin. Ich werde fommen und jo bald, ala möglich. 

(Ein Hornftoß vom Turm wird vernommen. Friedrich eilt an die Baluftrade.) 

Wer naht fih uns in diefem Augenblid? 

Sriedrih. Das Boot, das ſchon in Sicht war, ift gelandet. - 

Doch denkt Du faum, wer zum Bejuch ung kommt! 
Konradin. O welche Ahnung jteigt mir plöglich auf 

Und macht das Herz mir in der Bruft erbeben! 

Sie ift es, ja, die oft ich hergejehnt, 

Die Mutter hat mich endlich aufgefunden! 

(Elifabeth, von Ludwig von Bayern und Meinhard von Görz begleitet, 
tritt mit Gefolge auf und eilt auf Konradin zu, den fie in ftürmifcher Umarmung 
begrüßt.) 

Eliſabeth. Mein Sohn, mein Konradin, mein teurer Sohn! 

Sp halt’ ich wieder Dich in meinen Armen. 

Gott hat mein unabläffig Flehn erhört, 

Greifs Werke. II. 14 


310 Konradin. 


Er hat die Mühen meiner Fahrt gelohnt. 
Sch drücde Dich ans Herz, mein Schmerzensfohn: 
Dem Himmel Dank für unſer Wiederjehn! 
Konradin (can ihrer Brut). O Mutter, auch mein Innres jubelt 
auf 
Und preift den Himmel, der Dich mir gejendet. 
Längſt Hatte Dich mein Herz herbeigefehnt, 
Da ich jo vieles zu vertraun Dir habe. 
Eliſabeth. Auch ich empfand Verlangen oft nah Dir 
Und überflog im Geiit die Alpen oft. 
Doch willft Du wiſſen, wer die Spur mir wies? 
Dein Oheim war's, den wir zu Gaſt gehabt 
Auf Schloß Tirol, wo er den Streit gejchlichtet, 
Der zwiſchen Mteinhard und dem Bruder jchwebte. 
Sieh hier, mein Sohn, er, wie mein Gatte auch, 
Verlangen, ihren Gruß Dir darzubringen. 
Und Dich auch, Friedrich, muß ana Herz ich Ichließen ! 
(Sie umarmt Friedvrih und Spricht mit ihm.) 
Konradin (su Ludwig gewendet). Mas ich zur Mutter ſprach, das 
gilt auch Dir, 
Der Du mir Schüßer jederzeit geweſen! 
Ludwig der Strenge (ihm die Reste bietend). Es macht mich froh, 
daB Du dies anerfennit. 
Konradin (su Meindard von Görz). Obgleich mir faum befannt, 
beißt Ihr mir Vater. 
Meinhard von Gorz An mir Liegt nicht die Schuld, daß wir 
ung fremd. 
(Konradin wendet ſich wieder zur Mutter.) 
Elifabeth (ic umslidenn). Mas ſeh' ich? Welſchlands Boten, 
deren Bahn 
Wir fliegend folgten, fanden Einlaß jchon 
Und haben ihren Gruß Dir dargebracht? 
Doch will ich Hoffen, daß nicht mehr geſchah, 
Und ich zu ſpät nicht Arbons Burg betreten! 
Berhüte Gott, daß fie Dich überredet! 
Wie, oder hätten fie es doch gethan? 
Konradin. Und wenn e8 aljo wäre, liebe Mutter? 
Glijabeth. Du darfit nicht ziehn, um feinen Preis der Welt! 
Mein Sohn, mein Sohn, mit Ernſt vermahn’ ich Dich: 
Laß Dich von ihrem Lodruf nicht bethören, 


Erfter Akt. 21 i 


So ladend und verheißungspoll er klingt; 
Zu feinem Wagnis laſſe Dich verführen! 


Konradin. Und wenn ein ganzes Volk nach mir verlangt, 
Auch dann noch rätſt Du mir, zu widerjtehen ? 


Eliſabeth. ch zweifle nicht, daß Dir verfichert wurde, 
Es mwünjchten alle Dich zu ihrem König, 
Wie Du ja auch der echte Erbe biit, 
(Zu den Gefanbdten.) 
Doch könnt ihr ihm auch gutjtehn für die Folgen, 
Im Fall das Kriegsglüd wider ihn fich wendet ? 
Vermögt ihr diejes oder wünſcht ihr wohl, 
Daß er fich auf der Ahnen Gräber opfre 
Als Letzter feines herrlichen Gejchlechts ? 


Capece. Was jollte ung ein jolches Opfer frommen ? 


Lancia und Novelle. Auf jeinem Heil beruht zugleich das 
unjre! 

Eliſabeth. Da euch dies voll bewußt, jo bitt’ ich euch, 

Die ihr jo einſichtsvoll als tapfer jeid, 

Berleitet meinen Sohn zu feinem Wagnis, 

Und treibt den Adler, da er kaum befiedert, 

Zu frühe nicht zu jteilem Flug empor! — 

Ihr trüget mit die Schuld an jeinem Sturze. — 


Ludwig der Strenge. Ich teile dies Bedenken Deiner Mutter. 
Und zudem auch halt’ ich die Pflicht Dir vor, 
Die Du am deutjchen Volke zu erfüllen. 
Ziehſt Du, Dein Erbrecht dort zu wahren, aus, 
So mußt Du Dich dafür entziehn dem Keiche, 
Das Dich befümmern jollte doch zunächſt, 
Da wir zwei Kön’ge wohl dem Namen nach, 
Doch feinen in der Wirklichkeit befien, 
Und wenn der eine auch zum Scheine maltet, 
Dein Recht bleibt unverjehrt. Auch weißt Du wohl, 
Daß ich beharrlich Für Dich eingeftanden, 
- Und, Hätte nicht Dein wacher Feind in Rom 
Die Dich erfüren, mit dem Bann bedroht, 
Du Hättejt jchon den Stuhl in Aachen inne, 
Wie dort Dein Freund auch ſchon in Hſt'reich ſäße 
Anjtatt des räuberiſchen Ottofar. 
14* 


2312 Konradin. 


Eliſabeth (Friedrich heranwinkend). Du hörſt, auch Deine Zukunft 
ſteht in Frage. 

O rede ihm ins Herz, das zu bewegen 

Du als ſein Freund am ſicherſten vermagſt! 

Friedrich. Verzeiht, doch ihn zu warnen taug' ich nicht, 

Der ich Teilnehmer ſeiner Pläne bin 

Und meine Hoffnung auf die ſeine gründe. 

Konradin (ihm die Hand reichend, in die Friedrich einihlägt). Wir haben 
gegenfeitig ung gelobt, 

Daß feiner fi) vom andern trennen wolle, 

Und unſer Schickſal Gott anheimgeitellt. 

Glifabeth. Wie? Glaubjt Du, Gott durch Deinen Troß zu 
zwingen, 

Daß er Dein tollfühn Wagen frönen joll? 

O Konradin, wie iſt Dein Aug’ verblendet! 

Es ſieht nicht die Gefahren, die Dir drohn. 

Konradin. Du jtellft mir die Gefahren ſtets nur vor, 

Doch nicht das Ziel auch, das dem Sieger winft. 
Glijabeih. Gefahren find Dir ficher, nicht der Sieg! 
Konradin. Die Hohenjtaufen jtrebten all ihm nach! 
Eliſabeth. Und alle faft auch fanden dort ihr Grab. 
Konradin. Wenn Gott e8 will, jo opfr’ ich gern mein Leben. 
Die Gejandten. Und unjer Zeben opfern gern wir Dir! 
Konradin (su den Gejandten. Der Tag ijt nahe, der die Probe 

bringt! 
Glifabeth. Doch Hoff’ ich nicht, bevor Du Deiner Mutter 

Und nächiten Anverwandten Rat gehört! 

Ludwig der Strenge. Du haſt dies vormals mir und oft 
beteuert 

Und biſt gebunden durch dies ältre Wort. 

Nichts hat an Deiner Lage fich geändert: 

Ein Abenteuer bleibt Dein Unternehmen, 

Das feinen dauernden Erfolg veripricht. 

Du gehit zu Grund und reißejt unbedacht 

Die treuen Freunde mit in Dein Verderben! 

Meinhard von Görz. Spart Euch den guten Rat und jede 
Warnung! 

Er folgt nur feinem Sinn und feinem Gtolge; 

Gin Thor, jtrebt blind er feinem Willen nad). 

Ich habe ſattſam dies an ihm erfannt 


Erſter At. 213 


Und längjt ſchon den Verſuch auch aufgegeben, 
Zu leiten ihn durch Worte der Erfahrung. 
Konradin. Sch Höre immer von Erfahrung reden, 
Als könnten andre jolches mir verleihn, 
Was fie doch auch dem Leben nur entnommen. 
Wohlan, auch ich will reifen durchs Gejchid 
Und mich entfalten oder untergehn! 
Der Jugend Mut befeuert mir die Brujt 
Und heißt mich mit dem dunklen Schiefal ringen, 
Ob ich den Sieg ihm nicht entwinden fann. 
Ludwig der Strenge. Verblendeter, Du rühmejt Dich ver- 
meſſen 
Sogar noch Deiner Unerfahrenheit! 
Das Sichre opferſt Du dem Ungewiſſen 
Und giebſt damit auch Deine Zukunft preis! 
Konradin. Es treibt mich, einzuſtehen für mein Recht, 
Und alles andre kann mich nicht bekümmern! 
Die Geſandten. Ein königliches Wort, dem wir vertrauen! 
Ludwig der Strenge. Doch das die Deinen hier mit Sam 
erfüllt. 
Konradin. Wenn fie der Seele Flug mir hemmen wollen, 
Dann reiß’ ich mich von allen Banden [08 
Und jtelle mich allein nur auf mich felbjt! 
Meinhard von Görz. So jpricht ein Jüngling mit ergrauten 
4; Kriegern 
Sm Übermut, und jpottet ihrer Jahre! 
Elifabetd. Genug! Wohin joll diejer Streit noch Führen ? 
Nicht richte länger jolche herbe Worte 
An meinen Sohn, den Du begriffen nie 
Und mir durch Deine Härte haft entfremdet! 
Nein, niemand joll vermitteln weiter hier; 
Der Mutter fommt es zu, den Streit zu jchlichten, 
Und daß e3 mir gelinge, bitt’ ich Gott. 
(Zu den Anmeienden.) 
Gönnt mir, allein mit meinem Sohn zu reden! 
(Ale entfernen ſich bis auf Elifabeth und Konradin.) ° 
Eliſabeth. Wir jind allein, geliebter Konradin, 
Kein Zeuge, der uns jtört, ijt gegenwärtig. 
Bejänftige Dein tieferregt Gemüt 


21 4 Konradin. 


Und laß der Mutter Stimme zu Dir dringen! 
Hör’ denn mich an! 
Konradin. So ſprich! Ich will verfuchen, 
Mit meinem Herzen ganz Dich zu derjtehn. 
Eliſabeth. Wenn Du das thuft, jo Fällt e8 mir nicht jchwer, 
Daß ich Dich überrede, abzulafjen 
Don Deinem jo unjeligen Entjchluffe. 
Das Zutraun fehrt Dir zu der Mutter wieder, 
Und froher darf fie in die Zukunft bliden! 
(Mit feierlihen Tone.) 
Zieh’ nicht nach Welfchland aus, mein Konradin, 
Nur blinder Ehrgeiz lot Dich in die Yerne; 
Ob Du dort gleich der wahre Erbe biit, 
So iſt doch Deine Zeit noch nicht gefommen. 
Miktraue ihnen, die Dein Ohr umjchmeicheln, 
Und folge nicht zu lockender Verheißung, 
Wie es Dein Vater that, der jterbend noch 
Den Tag verflucht, der ihn nach Süden führte. 
Glaub’, wenig ift zu bau’n auf weljchen Sinn! 
Konradin. Auf Welfchland nicht allein verlaſſ' ich mich, 
Da deutiche Treue mir zur Seite fteht — 
Glifabetd. Die Dir im Vaterland nicht minder frommt, 
Und diefem Dich zu weihn ift Deine Pflicht, 
Die um fo lauter zu Dir Iprechen ſoll, 
Da fih Dein Volt in Höchiter Not befindet, 
Das, herrſcherlos, vom innern Streit verzehrt, 
Sich jeiner Nachbarn nicht erwehren Fann. 
Drum, ftatt der fremden Erde zuzueilen, 
Beharre in der deutjchen Heimat lieber, 
Auf daß Du ihr, die Deine Väter einjt 
Zur höchiten Macht erhob, in der Bedrängnis 
Zum Retter und Erhalter werden fannit, 
Der das ihm aufgetragne Werk vollführt! 
Konradin. Weil Deutjchland, wie Du ſagſt, an Zwietracht 
leidet, 
Bin ich ohnmächtig, ja, ſein ärmſter Sohn. 
Mir fehlt das Nächſte, und was ich ererbte, 
Vermag ich offen zu behaupten nicht. 
Ein Flüchtling leb' ich unter meinem Volke, 


Erfter Akt. 315 


Selbſt nicht befennen darf ich, wer ich bin; 

Doch Hab’ ich erjt die Krone dort errungen, 

So kehr' ich heim ins alte, teure Keich, 

Es herzujtellen in der vor'gen Größe 

Und unjerm Haus es dauernd zu verknüpfen! 
Eliſabeth. Wenn Du zur Krone, fämpfend, dort gelangit, 

Dann mag der Hoffnung Traum fih Dir erfüllen; 

Doch was verbürgt Dir jet jchon Deinen Sieg 

Dem wohlerfahrnen Feinde gegenüber ? 

D dent an Enzio, Deinen tapfeın Ohm, 

Der feine Jugend in Gefangenichait 

Seit mehr denn zwanzig Jahren ſchon begrub! 

Den? auch an Manfred, Deines Reichs Berwalter, 

Das er zuleßt ſelbſt in Befi genommen: 

Wie raſch brach feine Herrlichkeit zujammen ! 
Konradin. Zur Strafe für die Falſchheit gegen mich! 
Eliſabeth. Sei dies auch jo, doch ſtritt er als ein Held 

Und unterlag des rüft’gen Anjou Waffen, 

Obſchon er jelbjt ein Welfcher von Geburt 

Und Sprache, während Du ein Deutſcher bift. 
Konradin., Wer jagt Dir, daß ich dort ein Fremder bin, 

Wo meine Väter föniglich gethront, 

Und ihr erhabnes Walten fichtbar blieb ? 

Dazu gab ich den Boten ſchon mein Wort 

Und fühle mich als Mann und Fürit verpflichtet. 
Elijabeth. Ein jolches Wort, das Dir ward abgerungen 

Durch UÜberliftung, fann Dich binden nicht, 

Zumal, da Du eS Dir entloden Ließeft, 

Bevor Du Deiner Nächiten Rat gehört! 

Wenn Du audh mündig bijt und Dir gehörit, 

Sp unterjtehjt Du meiner Obhut doch, 

Da ich den fönigliden Namen führte 

Und Deinem Bater an der Ceite jaß, 

Wie jein Gefchlecht durch unjern Ehebund 

Denn auch den legten Sprößling, Dich, erhielt. 

Drum mach’ ich meine Mutterrechte geltend 

Und jage: ich verbiete Dir den Kampf! 

Konradin. Das fannit Du nicht, jo weit geht nicht Dein 


Recht! 
(Nah einer Pauſe gefaßter, aber mit Bitterfeit.) 


216 Konradin. 


O Mutter, wärejft Du verbunden noch 
So innig unjferm Haufe, ala Zuvor, 
Du ſäh'ſt nicht an als thörichtes Beginnen, 
Mas ihm vor allem Heil und Ruhm verjpricht! 
Doch ach, Ihon längst nicht mehr in Deinem Herzen 
Behaupte ich, Dein Sohn, die erjte Stelle. 
Elijabeth (in Schmerz ausbrechend). An meiner Mutterliebe kannſt 
Du zweifeln ? 
O Unñndankbarer, muß ich's Dir enthüllen, 
Mas in mir follte tief begraben ruhn? 
So wiſſe denn, was ich um Dich gelitten! 
Konradin. Gebiete Deinen Thränen, liebe Mutter, 
So bitter war es nicht von mir gemeint! 
Elijabeth. ch weiß es wohl, der Schein jpricht gegen mich, 
Auf Deinen Vorwurf war ich längjt gefaßt. 
Doch Höre mich und bald wirft Du erfennen, 
Daß ich halb unfrei nur gehandelt Habe, 
Als ich zur zweiten Ehe mich entjchloß, 
Und dann wird auch der Schatten wieder ſchwinden, 
Der fi) auf Dein Vertrauen hat gelegt. 
(Sie jest fi, ihr gegenüber nimmt Konradin Pla.) 
Als ſich Dein Bater nach den Alpen wandte, 
Dom tückiſchen Berhängnis angetrieben, 
Lagſt Du noch ungeboren mir im Schoße, 
Und meine Thränen um des Gatten Tod 
Benegten Deine Wiege. Dieje jtand 
Im Schloß zu Landshut, tief in meiner Heimat, 
Die ich wohl nimmer auch verlaffen Hätte, 
Wenn e8 das Schiejal anders nicht gewollt. 
Dein Ohm war mit Maria von Brabant 
Seit furzem erjt vermählt und liebte fie 
Als tugendhaftes Weib, wie ſie's verdiente, 
Bis ein Verruchter durch Verleumdung ihn 
Das Gift der Eiferfucht ins Herz geflößt. 
Da, eines Tags, im Schloß zu Donauwörth, 
Sahn wir anjprengen mit verhängtem Zügel 
Den Herzog, quer durchs Teld, und faum am Thor, 
So fam er auch ſchon in die Burg gerannt, 
Wo ihm fein züchtig Weib an meiner Seite 
Mit fitt’gem Gruß, wie fonit, entgegentrat. 


Eriter Att. 217 


Da riß fie in die Kniee der Berjtörte 
Und hieß fie beten, während jchon der Henker 
Das Schwert bereit in jeinen Händen hielt. 
Wohl warf ich dem Ergrimmten mich zu Füßen, 
Und ich bejchwor ihn bei dem SHeiligiten, 
Zu richten nicht, bevor die Schuld erwiefen. 
Doh war mein Flehn umſonſt, es fiel der Streich, 
Und auf der Erde lag ihr ſchuldlos Haupt. 
Da, als ich laut in Klagen ausgebrochen, 
Da wandte gegen mich jich jeine Wut. 
In Naht und Sturm ward ich hinausgejtoßen. 
Entjegen in der Bruft und banges Grauen, 
So jtand ih mit Dir einfam da und ratlos, 
Mohin ich meine Schritte lenken jolle, 
Denn überall umringte uns Gefahr. 
War e3 den Feinden doch jebt leicht geworden, 
Dir, den des Oheims Macht bisher gejchirmt, 
Mit Lift und mit Gewalt auch nachzujtellen, 
Ja Dich zu töten jelbjt in meinem Arm. 
Da bot fid mir in unſrer höchſten Not, 
Ntachden ich lang’ mit Dir umbergeirrt, 
Ein Ort der Zuflucht dar; ich zog nach Görz, 
Und um Dir einen Schüßer zu gewinnen, 
Nahm ich die dargebotne Werbung an 
Und wurde Meinhards freudenlojes Weib. 
(In Thränen.) 
Sagit Du noch jeßt, e& fehle Dir die Mutter? 
Konradin (beweghh. O Mutter, das haſt Du für mich gethan! 
Wie fann ich Dir vergelten joviel Liebe ? 
(Er fällt vor ihr auf die Kniee, bededt ihre Hand mit Küfjen und umarmt fie ſtürmiſch.) 
Weshalb jedoch verbargit Du mir die alles 
Bis auf den Heut’gen Tag, und wie auch fam’s, 
Daß meine Jugend ich beim Ohm verbrachte, 
Nachdem er beide uns doch ausgejtoßen ? 
Eliſabeth (ich erhebend). Nie jollteft Du durch meinen Mund er- 
fahren, 
Was Dir ein Mißtraun gegen ihn erweden 
Und Deine Achtung vor ihm mindern konnte, 
Denn jchwer gebüßt hat Yudwig jein VBergehn. 
Das dunkle Lodenhaar hat Gram und Reue 


218 Konradin. 


Ihm bleich gemacht in einer einz’gen Nacht 
Und Furchen in das Antlitz ihm gezogen; 
Der Toten Unjchuld war ana Licht gekommen. 
Die Reue meines Bruders aber wuchs 
Und, der gefürchtet einſt durch jeinen Jähzorn 
Am Hofe wie bei jeinen Unterthanen, 
Wirkt nun gejegnet, als ein milder Fürft, 
As welchen Du ihn ſelbſt ja auch erfannt. 
Hat er Dich doch, von mir ihm neu vertraut, 
Im eignen Land wie feinen Sohn erzogen 
Und Dich des deutichen Fürjten Pflicht gelehrt, 
Die Du im weiten Reich einjt üben jollit. 
Ob fie Dir eingeprägt, kannſt Du nun zeigen; 
O Konradin, Hör’ auf der Mutter Stimme! 
(Shn an fich ziehend.) 
Wie Du nur Eine Mutter Dein fannjt nennen, 
Die ih Dir bin, geliebter Schmerzenzjohn, 
So giebt es für Dich Eine Heimat nur, 
Die feſt Du halten mußt mit aller Kraft: 
Es bleibt Dir feine Wahl, wie Du auch denfit, 
AS ganz ihr oder gar nicht zu gehören. 
Konradin (mit Entigtofiengeit). Ihr will ich angehören, jo wie Dir. 
Ein Deutjcher will ich unter Deutjchen jein, 
Du zeigteft mir den rechten Weg dazu. 
Komm, Mutter, fomm, in Deiner Gegenwart 
Entlaſſ' ich ohne Zögern die Gejandten. 
Elifabeth (ion umarmend). O Konradin, mein Stolz und meine 
Freude! 
So ſiegten endlich Deiner Mutter Thränen. 
Belohnt ſind reichlich alle meine Sorgen, 
Die ich um Dich ſeit Deiner Kindheit trug, 
Und wieder eine Luſt iſt mir das Leben. 
Vor Wonne bebt, erhoben, mir die Bruſt, 
Und jubelnd möcht' ich es der Welt verkünden, 
Daß ich durch Dich die froh'ſte Mutter bin! 
(Beide eilen ſtürmiſch ab. Nach einer Pauſe treten Barbara und Hildegard, lang— 
fam mwandelnd, im Gejprädh auf.) 
Barbara. Nur einmal möcht’ ich mit dem Blick umfangen 
Die Mutter Konradins. Er mahnte wohl, 


Erfter Alt. 919 


Der Zukunft zu vertrauen, doch ich weiß, 
Mein Los iſt liebend tot zu jein der Liebe. 
Hildegard. Bedenke, jtatt mit Künft'gem Dich zu quälen, 
Daß er Dir hold iſt in der Gegenwart! 
Barbara. Das weiß ich wohl, doch wag’ ich's nimmermehr, 
Da ich fein Fürftenfind, ihn zu gewinnen. 
Hildegard. Sein Ebenbild, das er dir umgehangen, 
Zum Pfande feiner Huld, wie er beteuert, 
Giebt Dir Gewähr, daß er Dich nicht vergißt. 
Barbara. ch ahne, daß es bald zum Abſchied kommt, 
Und wenn ich ihn zum legtenmal umfjchlungen, 
Sp wird mir jein, al bräche an die Nacht, 
Den lichten Tag für immer zu verjcheuchen. 
Hildegard. Du jtellit zu traurig Dir die Zukunft dor. 
Daß er ſich Dir erklärt, bleibt ihm gedenf, 
Und jeine Liebe wird ihm nie erfalten. 
Das Weitre aber jtelle Gott anheim! 
Barbara. Daß er zurück ung fehrt, jei mein Gebet, 
Das für fein Wohl, nicht für das meine fleht. 
(Beide entfernen ſich langſam, wie fie gefommen; nad einer furzen Paufe tritt von 
der andern Seite Hermann von Hürnheim mit rafhen Schritt auf.) 


Hermann von Hürnheim (das Schwert aufſtoßend). Wär’ ich die 
Glocke im Konjtanzer Dom, 
Ich finge, traun, von jelbit zu läuten an 
Bor lauter Jubel, daß es jo gekommen! 
Herr Gott im Himmel, Das haft Du gethan! 
Wie fuhr fein Nein in die bejtürzte Sippe! 
Auf ihren Knien, mit aufgehobnen Händen, 
Beftürmten fie den abgewandten Herrn. 
Doch er blieb ſtandhaft beim gejprochnen Nein, 
Und er entließ fie auch zur Heimat jchon. 
Das Mutterherz hat feinen Troß befiegt. 
Set muß ich Umſchau nah den Mädchen halten. 
Ein Feſtmahl gilt’s, ein ledres zu bereiten 
Und jelbjt werd’ ich dazu den Bratjpieß drehn. 
Traun, man erlebt noch immer feine Wunder! 


Er entfernt fih rafh, von der anderen Seite treten Konradin und Friedrid im 
Geſpräch auf.) 


320 Konradiün. 


Friedrich. Nicht will und fann ich tadeln, Konradin, 
Daß Du der Mutter Ratjchlag angenommen. 
Weit beſſer ijt es, vorher abzujtehn, 
Als umzufehren mitten auf der Fahrt. 
Konradin. Zur Umkehr ließ’ ich nie mich überreden, 
Hier bliebe machtlo3 jelbjt der Mutter Wort. 
Gejang der Schiffer Winter ver Bühne vom See her). 
Was iſt's, wer fann mir's jagen, 
Mit König Konradin ? 
Man jieht ihn Waffen tragen, 
Doch liebt er mehr, zu jagen, 
Als in den Streit zu ziehn. 
Konradin. Was geht hier vor? Ha, will man mich verhöhnen ? 
(Friedrich eilt auf die Terrafje.) 
So fingt man alſo ſchon von Konradin 
Und treibt mit jeiner Fürjtenehre Spott! 
Doch welcher Hohn wird erjt die Luft durchdringen, 
Wenn ſein Entſchluß, zu bleiben, fich verbreitet, 
Koh vom Gerücht verſtärkt und ausgejchmücdt! 
Sch jtehe da, vor aller Welt entehrt, 
Mortbrühig und zugleich großſprecheriſch, 
Und muß im deutichen Volke jchnell verlieren 
Den legten Anhang, den ich noch befite. 
Gejang der Schiffer (mie vorher). 
Er iſt von hohem Stamme, 
Doch niedrig jeine Bahn. 
Daß Gott fein Herz entflamme! 
Er gleicht, fein Leu, dem Lamme, 
Des klagen wir ihn an. 
Konradin. O Schmach, dies überjteigt das andre noch! 
Sie werfen mir die hohe Abfunft vor 
Und machen mich zum Schwächling meines Haujeg — 
Nein, das ertrag’ ich nicht! Was auch da komme, 
Gefaßt ijt mein Entſchluß. Der Mutter Thränen 
Erweichen mich nicht mehr, da Ehre ruft, 
Die mehr denn alles ſonſt dem Manne gilt. 
(Er eilt auf die Terrafje.) 
Halt! Halt! Stoßt nicht vom Lande allzufchnell, 
Hört mich zuvor! Kein Lamm ift Konradin, 


Erſter Akt. 221 


Er iſt ein Leu und wird es auch beweijen! 
Tragt hin in Euer Bolf die fichre Kunde, 
Daß er und bald zu Hülfe ihm erjcheint! 
Hier ift das Pfand, das feinen Schwur verbürgt! 


(Er entledigt fih jeines Hermelinmantels, den er die Baluftrade hinabgleiten läßt.) 


Nicht wieder dedt der Mantel dieſe Schultern, 

Als bis ich einzog auf dem Kapitol! 
Die Gejandten (Hinter der Scene). Heil unferm Retter, König 

, Konradin;! 

Konradin. Bevor die Alpen noch der Schnee bededt, 

Bin ich mit meinen Treuen in Berona, 

Um, jamt den Scharen, die Stalien fendet, 

Mein Erbland zu entreißen den Bedränger 

Im offnen Kampf, der Ehre eingedenf, 

Zu kriegeriſchem Schadhipiel ihn entbietend: 

Dies laſſ' ich meinem treuen Volk verkünden. 
(Elijabeth, von Herzog Ludwig dem Strengen und Meinhard von Görz 


gefolgt, fowie von Hermann von Hürnheim, ftürzt aus dem Nebengemach 
hervor.) 


Glijabeth. Halt ein, mein Sohn! Willit Du Dein Wort ver- 
leugnen, 
Das Du doch eben erjt der Mutter gabjt ? 
D muß ich doch das Schredliche erleben ! 
Was haft Du übereilt gethan ? 


Konradin. O Mutter, 
Die Ehre muß dem Fürjten über alles, 
Selbjt über jene Fromme Liebe gehn, 
Die jeder gute Sohn der Mutter jchuldet. 
Berzeihe, doch ich darf nicht anders handeln — 
Verpfändet ijt mein Wort; e3 einzulöfen, 
Zieht nach Stalien Hin mich mein Geſchick! 
Eliſabeth. O Konradin, Hör’ auf der Mutter Stimme! 
Gedente Deines Worts, das Du ihr gabit, 
Und opfre Deutfchland nicht um Welſchlands willen! 
Unfel’ger Ehrgeiz iſt's, der Dich verführt! 
O düſter fteigt die Ahnung in mir auf, 
Daß diejer Krieg verhängnispoll wird enden, 
Auch Dich verzehrend mit des Raubtiers Wut. — 


222 Konrabin. 


Der Mutter liebend Flehn, erweicht Dich's nicht ? — 
Willſt Du, kannſt Du den legten Troſt mir rauben ? 
Tauchſt Du in Jammer mir das arme Herz? — 

O Konradin, mein unglüdjel’ger Sohn! 


(Sie bricht, von Schmerz überwältigt, zufammen; Herzog Ludwig nimmt fie in feine 
Arme auf.) 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des erften Aktes. 


Zweiter Akt. 


Erfte Greene, 


(Sm Lager Konradins vor Verona. Das Innere von defjen Zelt. Darin befinden fich 
Konradin, Friedrid, Ludwig der Strenge, Meinhard von Meran und 
Görz, Marſchalk Kroff von Flüglingen, Hermann von Hürnheim und 
andere deutjhe Ritter. Anmwefend jind ferner die früheren Gejandten der Ghibellinen, 
Galvano Lancia und defien beide Enfel, Konrad Capece und Guido No— 
vello, fowie andere Ghibellinen, darunter Donoratico von Pija. Vor Kon— 
radin fnieen der Bodefta von Verona, Maftino della Scale, mit mehreren 
Ratsherren der Stadt.) 


Maſtino della Scale. Der Wünjche Höchjter Hat fich uns er- 
füllt: 


Den wir in unjern Nöten oft erfleht 

Als Retter und Erlöfer unſres Volkes, 

Du gottgejfandter König zogjt heran, 

Uns zu beglüden duch Dein hehr Erſcheinen. 

Auch Dein Verona, das Dich lang’ entbehrt, 

Kommt Palmen jchwingend Dir entgegen, Herr, 

Und bringt durch uns mit jeinem Danfe Dir 

Als Gaben Myrrhen, Gold und Weihrauch dar. 
Die Natöherren. Heil König Konradin, Italiens Stolz! 
Konradin. Ich nehm’ fie an in Demut gegen Gott, 

Als dargebracht zum Zeugnis für mein Recht. 
Donoratico von Pija. Auch mir vergönne, Herr, Dich zu. be- 
grüßen 

Im Namen diejer treuen Ghibellinen, 

Die auf die Kunde hin, daß Du im Anzug, 

Aus allen Marken wehrhaft angelangt. 


294 Konradin. 


Konradin. ch weiß jo treuen Eifer wohl zu ſchätzen 
Nach jeinem ganzen Wert. Willfommen alle! 
Wenn Gott der Herr mir zu dem Gieg verhilft, 
So joll er allen hier zu jtatten kommen! 
Die Ghibellinen. Heil König Konradin, Italiens Hoffnung! 
Galvano Lancia. Auch meine Enkel, deren Kraft noch ſchwach, 
Doch denen um jo mehr das Herz erglüht, 
Verlangen, an dem Zuge teilzunehmen. 
Konradin. Sie arten ihren tapfern Vätern nad). 
(Den Sünglingen die Rechte bietend.) 
Was aber bringt ihr uns, willfommne Freunde, 
Für Kunde aus den beiden Königreichen ? 


Konrad Gapece. Die bejte, Herr, die Du Dir wünſchen fannit. 
Die Meldung Deines Nahns hat fich verbreitet 
Durh ganz Apulien Hin, das Deiner harrt. 
Konradin. Doch wie teilt fich der König zu den Dingen? 
Konrad Gapece. Sein Wüten, das jeitdem noch zugenommen, 
Beweiſt, daß er des Abfalls ſich verfieht; 
Doch mahnten wir, zu früh nicht loszubrechen: 
So glüht der Brand, im jtillen fortgenähtrt. 
Galvano Lancia. Nur in Luceria die Sarazenen 
Bezähmten nicht mehr ihre Ungeduld 
Und pflanzten jubelnd Deine Fahnen auf. 
Konradin. Ihr Beiſpiel möge bald Nachfolge finden! 
Konrad Capece. Auch in Sicilien, das ſich freier regt, 
Erhoben fich der Städte manche jchon 
Und riefen offen Dich zum König aus. 
Bald wird Herüber von der Meeresiwoge, 
Der Windsbraut gleich, der Sturm des Aufruhrs wehn 
Und gnadlos die Bedrüder niederfegen. 
Konradin. Erfülle jich, was Ihr vorher gejagt! 
Und um ein Haupt zu geben der Bewegung, 
Entjend’ ich Euch dahin, hiedurch beglaubigt. 
(Er übergiebt ihm eine Rolle, die er hervorgezogen; zu Novello.) 
Was aber that Toskana unterdefjen ? 
Guido Novelle. Auch dort ward rajtlos, Herr, jeitdem gewirkt. 
Es jammelt fi in Prato und den Burgen 
Ein ftattlich Heer, das ich nach Piſa führe, 
Wo fich der Ghibellinen Macht vereinigt. 


Zweiter Alt. Erfte Scene. 225 


Donoratico von Pia. Dort in der Meerezftadt, die Dir er- 
geben, 
Iſt alles zum Empfange jchon gerüjtet. 
Auch liegen Schiffe, friegerifch bemannt, 
Am Strande von Savona, ausgejendet, 
Um Dich beihügt in unſern Port zu führen 
Und Deines Winfs gewärtig dort zu jein. 


(Er breitet mehrere Beutel mit Gold vor Konradin aus). 


Hier aber nimm, o Herr, was Deine Treuen 
In Pifa Dir durch mich zu Füßen legen. 
Konradin. Entbietet allen für dag Opfer Dan! 
(Zu Maftino della Scale.) 


Doch von Verona Hofften wir ein Gleichee. 
Maſtino della Scale. Erſchöpft durch die Bedrückung Ezzelins, 
Der auf Tyrannenart uns hat beherricht 
Und ärger wie ein Nero jelbit gehauft, 
Vermögen wir uns jelbit faum zu erhalten, 
Und jo entjchuldigt, Herr, die leere Hand! 
Konradin, Ich kann entbinden euch nicht eurer Pflicht, 
Und weitrer Mahnung wird es nicht bedürfen. 
(Maftino della Scale entfernt fih nad einer Verbeugung mit den Ratsherren aus dem 
Zelte.) 
Konradin (su den deutſchen Rittern). Wir ftehen auf dem Boden nun 
der Erde, 
Auf der die Väter ſchon jo Hart geftritten, 
Und wo auch unfer jchwere Kämpfe warten. 
Nichts Hinter ung iſt zu verlieren mehr, 

Doch vorwärts jteht uns alles zu gewinnen. 
Die deutjchen Ritter. Auf und voran mit König Konradin! 
(Die deutfhen Ritter verlafjfen das Zelt.) 

Konradin (su den GHibelinen). Wir werden das Vernommne wohl 
erwägen, 
Indeſſen fürzt euch nicht die Zeit der Ruhe! 
(Die Angeredeten entfernen ſich aus dem Zelte, in dem nur Konradin, Friedrich, Lud= 
wig ber Strenge, Meinhard von Görz und Hermann von Hürnheim zurücbleiben.) 
Nun, lieber Ohm, jteht Dein Entſchluß noch feit, 
Uns zu verlafjen hier? 
Ludwig der Strenge. Sch ftrebe heim 
Aus Gründen, die Du kennſt. Bom Bann bedroht 
Greif3 Werke. II. 15 


2236 Konradin. 


Gleich allen, die mit Dir dies Land betraten, 
Meich’ ich dem Unheil aus, dag unausbleiblich 
Im andern Fall und nicht für mich allein, 
Da Dttofar, umhüllend fein Gelüfte 
Mit frommem Schein, von Böhmen her mir droht. 
So fann ih Dir auch nicht von meinen Mannen, 
So leid mir's thut, die Eleinfte Schar vertraun. 
Konradin,. Ich weiß es, Dein Bedauern fommt von Herzen 
Und leicht nicht ſcheideſt Du, mich Hier verlafjend. 
Mit Rat und That Haft Du mich unterjtüßt 
Bis diefen Tag, obgleich mein Unternehmen 
Nicht Deinen Beifall hat, — doch jolcher Förd'rung 
(Zu Meinhard von Görz.) 
Kann ich von Eurer Seite mich nicht rühmen. 
Meinhard von Görz. Ein tollfühn Spiel verlodt — Einſatz 
nicht! 
Konradin. Was zogt Ihr mit, wenn Euch der — 
klar? 


Meinhard von Görz (in Zorn ausbrechend). Mas ich Dir vorgeſtreckt, 
vergiſſeſt Du! 
Konradin. Und Ihr, was ich an Gütern Euch verpfändet! 
Meinhard von Görz. Wer hat, als ich, den Sold für Dich 
beſtritten? 
Konradin. Des Heeres Murren, habt Ihr's nie gehört? 
Friedrich. Und derer Flüche nicht, die uns verließen? 
Meinhard von Görz. An lockre Rotten wend' ich PT 
el 
Konradin. hr bliebt es mir, nicht ihnen fchuldig bloß! 
Meinhard von Görz. Auf Thorenftreiche je’ ich feinen 


Preis! 
Friedrich (das Schwert zückend). Dies Wort bezahlt Ihr ung! 
Ludwig der Strenge Gazwiſchentretend). Bemeijtre Dich 


Und lafje Dih vom Zorn nicht übermannen! 
Die Reue peinigt, wie ich ſelbſt erfuhr. 
Konradin. Hör’ auf den Ohm! Als Gatte meiner Mutter 
Sit er gefhügt in ihres Sohnes Zelt. 
Meinhard von Görz (ih entfernend). Such’ einen andern Sädel- 
meijter Dir! 


Zweiter Alt. Erſte Scene. 227 


Konradin (ipm nachrufend). Ihr wolltet Nuten ziehn aus meiner 
Lage, 
Bon Anbeginn war dies nur Euer Ziel! 5 
(Zu Hermann von Hürnheim.) 
Habt acht, daß er gejchieden von den Meinen 
Die legte Nacht verbringt in unſerm Lager. 
Hermann von Hürnheim «ih entfernen). Ich weil’ ihm ſchon 
den Plaß, der ihm gebührt. 
Ludwig der Strenge (ihn aufpaltend). Beruft den Marſchalk, 
Euren alten Landsmann! 
(Sie ſprechen noch einiges miteinander, worauf Hermann von Hürnheim das Zelt 
verläßt.) 
Konradin. Nicht gegen mich nur hat er Falich gehandelt ; 
Mit Dttofar, dem Räuber Deines Gutes, 
Stund er von je in heimlichem Berfehr. 
Friedrich. Wir ſahn's ihm nach um Deiner Mutter willen. 
(Ludwig der Strenge tritt wieder herzu.) 
Konradin. Als ich zu Hohenſchwangau von ihr fchied, 
Schlug ich ihr vor, ala Witwe König Konrad 
Sich unjerm Zug nah Welſchland anzufchließen 
Und mir zu folgen in mein Königreich. 
Ihm hätt’ ich feine Wege jchon gewieſen; 
Doch hab’ ich ſonſt auch noch an fie gedacht. 
(Zu Friedrich.) 
Hol’ mir das Tejtament dort aus der Lade! 
(Friedrich bringt dag verfiegelte Teftament.) 
Auch Euer, Ohm, vergaß ich nicht darin. 
Ludwig der Strenge. Geliebter Neffe, Sohn jagt’ ich wohl 
beſſer, 
Noch ſteht's in Deinem Willen, umzukehren, 
Womit Du nicht verzichteſt auf Dein Recht, 
Dem ich das Wort ſprach, da Du noch geſtammelt; 
Und läſſeſt Du für jetzt vom Plan' nur ab, 
So bin ich, wenn der Tag erſcheint, zu handeln, 
Der erſte, der Dir an die Seite tritt. 
Drum mahn' ich Dich, als der Dir Nächſte hier, 
Erhalte Dir und uns Dein koſtbar Leben 
Und gieb Gehör der Bitte Deiner Mutter — 
Durch meine Stimme ſpricht zugleich die ihre. 
15* 


228 Konradin. 


Konradin, Schwer fällt es mir aufs Herz, Dich zu be- 
trüben 
Und Di im Unmut von ung ziehn zu lafjen, 
Da wir fo bald uns wohl nicht wiederjehn, 
Sa jelbjt vielleicht in diefem Leben nimmer. 
Doch mein Entſchluß ſteht ohne Wanken feſt! 
Ich habe meine Ehre dran geſetzt 
Und muß, was ich begonnen, auch vollführen. 
Sag' dies der Mutter, heiße ſie getroſt ſein: 
Ich bleibe ihr getreu bis in den Tod, 
Und wo er mir auch naht, mein letzt Gedenken 
Iſt der Erinnerung an ſie geweiht. 
(Er nimmt das Teſtament aus Friedrichs Hand.) 
Hier findeſt Du, was ſie von mir empfängt, 
Im Fall ich dieſe Welt vor ihr verlaſſe. 
Du löſeſt ein, was ich verpfänden mußte, 
Mit dem Bedingnis, daß es Dir gehört, 
Und ſorgſt für alle, die daheim mir teuer 
Und die ich namhaft Dir darin gemacht; 
Auch Barbara und Hildegard bedacht' ich. 
Dies iſt es, Ohm, was ich von Dir erbitte. 
Ludwig der Strenge. Und das ich treulich auch erfüllen 
werde, 
(Beide geben ſich die Hände.) 
Wenn eintritt je, was Gott verhüten möge! 
(Er nimmt das Teſtament zu ſich; der Marſchalk Kroff von Flüglingen tritt ein.) 
Liegt Kraft im Wunſch, ſo geht es ſtets Dir gut. 
(Auf den Marſchalk deutend.) 
Es folgen Dir noch andre Kriegserfahrne, 
Auf deren Rat Du Dich verlaſſen kannſt, 
Und einer dieſer Würd'gen ſteht vor Dir. 
Er hat genoſſen Deiner Väter Zutraun 
Und mehr als einmal ſeinen Blick bewährt. 
Drum Handle nie, bevor Du ihn vernommen! 
Konradin (dem Marſchalk die Hand reigend). Er joll Berater fein mir 
immerdar 
Und fernerhin noch mehr, da Ihr mir fehlt. 
Kroff von Flüglingen. Ich werde thun, was ich vermag, o 
Herr, 
Mir Dein Bertraun auch Fünftig zu verdienen, 


Zweiter At. Erſte Scene. 329 


Und wenn ich ſtarr erjcheine manches Mal, 
Sp mögeſt Du's beimejjen meinem Eifer, 
Nur feiner Überhebung, die mir fremd. 
Ludwig der Strenge. Doch nun genug, ich jcheide noch vor 
Tag, 
Um Aufſehn zu vermeiden. Zieh’ mit Gott 
Und fehre bald mit Deinem Friedrich heim, 
Den ich jo ungern miſſe, als Dich Jelbit. 
(Indem er Friedrihs Hand ergreift.) 
Rann ih im Vaterland Dir nicht bejtellen ? 
Friedrich. Wohl an die Mutter jchrieb’ ich gern, fie härmt 
Sih ab um mich in eines Kloſters Mauern. 
Ludwig der Strenge. Wenn Du den Boten noch abfert’gen 
kannſt 
An mich vor Tag, ſo ſteh' ich Dir bereit. 
Lebt beide wohl denn! 
(Er reicht beiden die Hände.) 
Konradin. Grüß' die Mutter mir 
Und bitte ſie in meinem Namen nochmals, 
Daß ſie den Kummer, den ich ihr bereitet, 
Vergeben möge mir in ihrem Herzen. 
Ludwig der Strenge. Ich werde Deinen Auftrag ihr be— 
ſtellen. 


(Zu beiden.) 
Laßt uns vernehmen bald erwünjchte Kunde! 
(Ihnen die Hände reichend.) 
Kehrt wohlbehalten beide uns zurüd! 
(Er entfernt fih, Hermann von Hürnheim tritt wieder auf.) 
Kroff von Flüglingen (im Abgehen). Er ging. O könnt’ ich ihn 
zurüf uns halten! 
Sein Abſchied iſt ung nicht erſpart geblieben. 
Konradin. Mir ijt’s, als jah ich ihn zum leßtenmal! 
Friedrich. Was Hilft der Rückblick, wenn wir vorwärts 
fchreiten ? 
Bedenken liegen Hinter ung! 
Konradin. So ſei's! 
(Beide faſſen ſich mit den Händen.) 
Hermann von Hürnheim (in bittenden Ton ausbrechend). Herr, folgt 
dem Ohm, er meint es gut mit Euch. 
Laßt Euch nicht fangen in dem Garn der Welſchen! 


230 Konradin. 


Konradin, Ihr mahnt umfonft, die Ehre bindet ung! 
Hriedrih. Dies macht ung unabhängig dom Gejchie. 
Konradin. Wo feine Wahl befteht, Hat Raum die That. 
Doch Hermann, gut, daß ich daran noch denfe! 
(Zu Friedrich.) 
Reich” mir der Beutel einen mit dem Gold, 
Das Pija uns zum Krieg hat beigejteuert. 
Hier nehmt, es iſt Erſatz für manches Opfer. 
Hermann von Hürnheim (ven Beutel von ſich weifend). Herr, wollt 
Ihr Euren alten Dienjtmann fränfen ? 
Sch Ichämte mich, ein ſolcher Gauch zu fein! — 
Doch wird es Zeit, daß ich die Wachen muijtre. 
(Hermann von Hürnheim verläßt das Zelt.) 


Konradin. ch hätte mir den Tadel jparen fünnen. 

O hätt’ ich jolcher Ritter eine Schar, 

Ich wäre aller niedern Sorgen ledig! 

Man jagt, daß Karl, als er mit feinen Franken 

Aus der Provence nach Italien fam, 

An allem auch gedarbt. Das kann ung tröjten. 

Friedrich. Wenn uns nur Rom einmal gefichert wäre, 

Es ſchwände bald die Not; doch Hör! ich Schritte. 
(Salvano Lancia, Konrad von Antiochien zur Redten, tritt ein, alle übrigen 
Ghibellinen folgen mit Fadeln.) 

Galvano Lancia. Iſt's ung erlaubt, jo jpät noch einzutreten ? 

Wohl ijt der Ankömmling des Vorzugs wert, 

Den wir nach feinem Wunſch zu Dir geleiten. — 

Für wen wohl hältſt Du ihn, o Herr und König? 
Konradin. Wie jollt’ ich ihn ala Fremdling gleich erkennen? 
Galvano Lancia. Kein Fremdling, Herr, es ijt Dein eigner 

Better, 

Der, wie Du jelbft, von Kaifer Friedrich jtammt, 

Was als Taufzeuge ich beität’gen fann. 

Konradin. Konrad von Antiochien ? 


Galvano Lancia. Wie Du ſagſt. — 
Konrad von Antiohien. Und, bei dem Blut des heiligen 
Gennaro! 


Als Dein Gejchwifterfind Dir nah’ verwandt, 
Daher ich Hergeeilt, Dich zu begrüßen. 
Konradin. Wo aber hielteft Du zuvor Dich auf? 


Zweiter Alt. Erſte Scene. 331 


Konrad von Antiohien, In Lucca, das jo manchen Flüchtling 
birgt. 
Konradin. So bijt Du Karla anfichtig nie geworden ? 
Konrad von Antiohien. Gott hat aus feinen Händen mich) 
befreit. 
Konradin. Kannſt Du ein Bild entwerfen mir don ihm? 
Konrad von Antiochien. Er iſt von großer, fräftiger Geitalt 

Und föniglicher Haltung, wenn er jchreitet, 

Ein Antlitz, deſſen Züge jtreng und herb, 

Und das, olivenfarben, jtimmt zum Blide, 

Der, finjter und durchdringend, Furcht erregt. 

Auch Hat ihn niemand lachen noch gejehn. 

Der Geijt in ihm jedoch ijt rajtlos thätig, 

Und er beflagt deshalb, daß durch den Schlaf 

Dem Menjchen viele Zeit verloren gehe. 

Den Lujtbarkeiten ift er abgeneigt, 

Sa jelbjt die Jagd, die jonjt der Kriegsmann liebt 

Mit ihrem halben Ernſt, verſchmäht er völlig. 

Sein Sinn iſt nur auf Einen Zweck gerichtet, 

Auf den, zu herrjchen. Andres lockt ihn nicht. — 

Man jagt, er trägt den Panzer auf der Bruft, 

Auch wenn er ruht, und wenn ins Bad er jteigt, 

So fomme nicht jein Schwert ihm aus den Augen. 
Konradin, Er jcheint ſonach in jteter Furcht zu leben? 
Konrad von Antiohien. Der Furchtſamkeit möcht’ ich ihn nicht 

bejchuld’gen, 

Doch wachſam ijt er wie der Höllenhund ! 

Konradin. Dies ijt der rechte Name, ja, bei Gott! 
Konrad von Antiochien. Es iſt jein Herz jedweder Großmut 
bar. 

Weh' dem, der je in jeine Hände fällt! 

Konradin. Ein Glüd, daß Du entkamſt, doch morgen mehr! 
(Er küßt Konrad von Antiohien auf die Stirne.) 
Konrad von Antiochien. Nun fühl ich mich, o Herr, Dir erſt 
verwandt, 

Seit Du mein echtes Blut haft anerkannt. 

Konradin, Dich Deiner Abkunft würdig zu erweijen, 

Kommt bald Gelegenheit. Doch ihr jeid müde. 

(Er entläßt die Eingetretenen aus dem Zelte wieder.) 


Es meldet ſich der Schlaf. 


233 Konradin. 


Friedrich. Ich wehr' ihn ab. 

Konradin. Der Brief an Deine Mutter — 

Friedrich. Willſt Du nicht 
Auch an die Deine ſchreiben? 

Konradin. Gern wohl thät' ich's, 


Doch was ſie tröſtet, hab' ich nicht zu melden. 
(Er beginnt ſich zu entkleiden. Friedrich begiebt ſich zu einem Feldtiſch, vor dem er 
ſich niederſetzt und eine Lampe entzündet.) 
Was aber ſagſt Du von dem welſchen Vetter? 
Daß er mein Blutsverwandter, wußt' ich längſt, 
Und doch wie fremd fommt mir fein Wejen vor; 
Vergleich’ ich ihn dem nächſten deutjchen Krieger, 
Muß diejer wie ein Bruder mir erjcheinen. 
So wird es inne mir im Herzensgrund, 
Wie nah’ die Söhne eine Volks fich ſtehn! 
(Nachdem er nachgedacht.) 
Auch Manfred war von mir ein jolcher Vetter 
Und daß er mir die Krone nicht vergönnt 
In jeinem Heimatland, begreif’ ich num 
Und zürn’ ihm weniger als wie zuvor — 
Er war ein Welfcher, da ich Deutjcher bin. 
(Er wendet fich zum Lager.) 
Doch will ich ftill nun fein, Dich nicht zu ftören, 
Bergiß nicht, ihr zu melden meinen Gruß! 
Friedrich (während er jhreist). Wie könnt ich nur, da Dein Ge- 
ſchick das meine, 
Konradin. Der Schlummer liegt mir bleiern auf den 
Mimpern — 
Begieb Dich nicht zu jpät auch jelbjt zur Ruhe! — — 
Doch laſſe Dir von Anjous Bild nicht träumen. 
(Er entſchläft. Pauſe.) 
Friedrich (su Konradin Hindticend). Wie gönn' ich ihm den feſten, 
tiefen Schlaf. — 
Konradin (nach einer Weile im Traum). Erſtiegen iſt der Turm — 
ih bin bei ihr. — 
Da ift ihr Schlafgemadh. — Sieh an die Blumen! 
Der Strauß ift’3, den ich ihr beim Abſchied jchenkte. 
Der Leidensmutter hat fie ihn geweiht — 


Zweiter Alt. Zweite Scene, 233 


Da kommt fie jelbjt mit jtillem Schritt heran, 
Im Blide Zähren — 
O Mutter, Härme Dich nicht allzufehr! 
Friedrich (ich gegen das Lager Konradins wendend). Es träumt von jeiner 
fernen Mutter ihm. 
Konradin (weiter träumend). Seht lächelt fie und net dabei die 
Roſen — 
Sie hebt fie auf und drüdt fie an die Lippen — 
Seht neigt fie ich zu Ihm am Kreuzesſtamme, 
Die beiden Hände ringend ausgejtredt, 
Mit Schluchzen in die Kniee hingeſunken: 
O Mutter, inniglich geliebte Mutter, 
Berzeihe mir und bleibe mein gedenf, 
Laß mich durch Dein Gebet die Ruhe finden! 
(Er ſchläft lautlos weiter.) 
Friedrich (zu Konradin, der im Schlaf unruhig geworden, getreten. Was tft 
Dir, Konradin? Er jehlummert tief, 
Und jtiller Friede nahm die Sorge Hin. 
Schlaf’ weiter, Freund, vergiß, was Dich bedrängt, 
Und was das Schidjal über Dich verhängt! 


(Indem er an jeinen Pla zurückkehrt, fällt der Zwiſchenvorhang.) 


(Berwandlung.) 


Zweite Greene. 


(Sm Lager Konradins vor Verona, vor defjen Zelt. Tiefe Naht, Maftino bella 
Scale und Frangipani nahen im Gejpräde.) 


Frangipani. So wißt Ihr nun, daß mich fein Nr ent⸗ 
endet. 
Er muß des Nebenbuhlers ſich entled'gen 
Gleichviel auf welchem Weg, doch Ihr verſteht. 
Maſtino della Scale. Und dies nicht nur, ich Be jein Vers 
angen; 
Doch reden leifer wir, da dort jein Zelt. * 
Frangipani. Geläng' es uns, ein Gift ihm darzureichen, 
Es würde uns ein blut'ger Krieg erſpart. 
Maſtino della Scale. Wenn Ihr die That vollführt, ich bin's 
zufrieden; 
Wir ſind uns ſelbſt genug in unſern Städten 


234 Konradin. 


Und brauchen keinen fremden Oberherrn, 
Der uns das Mark aus unſern Knochen ſaugt. 
Frangipani. Ort und Gelegenheit wird bald ſich bieten. 
Enrico von Gaitilien, Roms Senator, 
Sit auf dem Weg hierher zu Konradin, 
Ihm feine Bundeshülfe anzubieten 
Und einzuladen ihn zum Zug nad) Rom, 
Der ohnedies in jeinem Plan muß liegen. 
Dort, mitten in den Freuden eine Mahles, 
Das wir ihm geben auf dem Kapitol, 
Wird ihm durch meine Hand ein Trunf gereicht, 
Der uns befreien joll von ihm für immer! 
Maſtino della Scale, Was aber jucht ihr in jo weiter Ferne ? 
Srangipani. Wir rechneten mit Euch als Haupt Veronas, 
Damit, im Fall der Anjchlag ung mißlingt, 
Sich eine fichre Zuflucht uns eröffne. 
Maitino della Scale. Ich Tail’ es wohl, verlaßt Euch ganz 
auf mic. 
(Sie ſchlagen ein.) 
Doch war Enrico vormals Anjous Freund! 
Frangipani. Er war's, jo lang’ e8 ihm Gewinn veriprad. 
Majtino della Ecale. Es jcheint demnach, daß er den — 
liebt? 
Frangipani. Sein Leben iſt ein einzig Abenteuer, 
Das ich Euch hier in kurzem Auszug gebe. 
Nachdem er an Alphonſos Hof getollt 
Als Ritter und zugleich als Troubadour, 
. Entwich er vor dem Bruder aus Caſtilien 
Und fuhr zum Bey von Tunis, dem er diente, 
Bis ihn der Krieg, der in Apulien losbrach, 
Dorthin auch lockte. Hier verband er ſich 
Mit Karl von Anjou in dem Krieg mit Manfred, 
Worauf er, jeines Goldes jehr erleichtert, 
Nah Rom, aus dem der Papit entflohn, fich wandte. 
Auf feinen Ruhm gejtügt und hohen Namen, 
Verſtand er dort die Wahl auf fich zu lenken, 
Wo er jeitdem gefürchtet wie ein Bligjtrahl. 
Und da er fich für Konradin erklärte, 
So jtehn die Ghibellinen obenan. 
Maſtino della Scale. Doch für wie lange? 


weiter At. Zweite Scene. 235 


Frangipani. Alſo denk' auch ich. 
Wer ihn zum Freund gewinnt, braucht nicht zu jubeln, 
Denn nur ein Spiel iſt ihm der Lauf der Welt, 
Darin er liſtig zu gewinnen trachtet. 
Doch ſeh' ich recht, ſo naht er dort ſchon ſelbſt. 
Maſtino della Scale. Der tolle Aufputz zeigt des Mannes 
Sinn! 
Für ſich.) 
Den ſuch' ich uns als Bürgen zu gewinnen. 
(Enrico von Caſtilien in phantaſtiſcher, halb chriſtlicher, halb mauriſcher Tracht 
tritt auf; es beginnt zu tagen.) 
Enrico qür ſich. Täuſch' ich mich nicht, To iſt es Frangipani, 
Den von dem Henkerſtrick, um mich verdient, 
Befreit hat der beredte Blick der Tochter — 
Eaut. Was führt Euch bis zur Etſch her von dem Tiber? 
Srangipani. Der Eifer, Eurem wahren Wohl zu dienen. 
Als des erwählten deutjchen Königs Bruder, 
Den Konradin als ſolchen tötlih haßt, 
Seid auf der Hut für Euer Leben hier! 
Enrico. Sch und mein Bruder find gefchiedne Herzen, 

Und jeltfam, daß Ihr dies nicht längjt gewußt! 
Srangipani. Wenn dem aljo, entbehrt Jhr hier mich leicht. 
(Er will fih entfernen.) 

Enrico (ihn zurückhaltend). Bleibt, wo Ihr ſeid! So jteht Ihr mir 
zur Hand, 
Wenn einen Boten ich vonnöten habe. 
(Zur Seite.) 
Ich lafje nimmer aus den Augen ihn! 
(Zu Maſtino della Ecale.) 
Ihr ſeid Veronas Obrer ? 
Maſtino della Scale. Ja, der bin ich, 
Und Eurer Ankunft war ich hier gewärtig. 
Enrico. So habt Ihr ein Anliegen wohl an mich? 
Maſtino della Scale. Da Ihr an Gütern reich geſegnet ſeid 
Und Euch die Schätze Roms dazu gehören, 
Sp würdet Ihr der Schußgeijt unfrer Stadt 
Für alle Zeit, wenn Ihr gutſtehen mwolltet 
Für das, was Konradin ihr auferlegt, 
Doch das wir zu erſchwingen nicht imjtande. 


236 Konradin. 


Enrico. Iſt dies das Einz’ge nur, was Ihr begehrt? 
Da jeht mir an doch dieſe Ghibellinen! 
Sie mwälzten ihre Pflicht auf andre gern 
Und möchten doch mit ihren Opfern prunten. 
Daß Euch die Peitilenz mitfammen Hole, 
Ihr aller Flüche werte Lügenmäuler, 
Ihr Teufel, die ihr Engelamienen heuchelt, 
Ihr Pillendreher, deren Latwerg Gift! 
(Da3 Zelt im Hintergrund öffnet fih, und Konradin tritt, von Friedrich gefolgt, 
ohne Helm und Rüftung, doh den Mantel umgejchlagen, hervor. Hermann von 
Hürnheim erſcheint faft gleichzeitig von der Seite. Gleich darauf erihallt ber Wed- 
ruf der Hörner im Lager; von allen Seiten jammeln fich allmählid deutſche Ritter 
und Ghibellinen.) 
Wer fih auf Eurem Rüden halten will, 
Braucht lange Sporen zum Gebiß von Stahl, 
Mit jeinen Schenkeln richtet er nichts aus! 
Konradin. Was giebt es hier für Lärm in unferm Lager? 
Enrico. DBerzeiht, o Herr, erwedt’ ich Euch vom Schlummer, 
Doch lief die Galle traun mir übers Herz! 
Konradin. Wer jeid Ihr, daß Ihr ſolche Sprache führt? — 
Enrico (fh auf das Knie niederlajjend). Enrico don Gaftilien, Roms 
Senator, 
Der auf den Knieen Dir zu Huld’gen naht. 
Konradin. Der Ruf von Deinen Thaten drang zu mir 
Lang’, eh’ ich noch betreten dieſes Land. 
Doch biſt Du nicht mehr Karla von Anjou Freund ? 
Enrico. Beim Herzen Gottes, nein! Er oder ich, 
Der eine würgt den andern von uns beiden! 
(E3 tagt.) 
Konradin. Was aber hat Eu) von ihm abgewandt? 
Enrico, Mit Einem Wort ift e8 herausgefagt: 
Er kirrte mich und ließ hernach mich fahren. 
Doh Du, der gar ein Reich verlor an ihn, 
Wirſt mir Befriedigung der Rache gönnen 
Und Rom gewähren Deines Anblid3 Troft. 
Konradin (Friedrich zur Seite nehmend). Soll ich ihm ſchenken gleich 
mein voll Bertraun? 
Friedrich. Sein offnes Weſen ſcheint mir's zu verdienen. 


Zweiter Aft. Zweite Scene. 237 


Konradin (wieder hervorgetreten. MWohlan, ich nehme Dein Er- 
bieten an. 
(Er bietet Enrico die Rechte dar, in bie diefer mit Begier einjchlägt.) 
Konradin (su Friedrich. Much dieſer ftile Wunfch ward ung 
erfüllt. 
(Sndem er Maftino della Scale erblidt.) 
Hat ſich Verona jeiner Pflicht erinnert ? 
Maitino della Scale, Drei Tage Friſt, font find wir's nicht 
imjtande! 
Enrico. Herr, nicht drei Stunden dürft Ihr Zeit gewähren, 
Und iſt's Euch recht, nehm’ ich es in die Hand. 
Konradin. Nach Eurem Wunjch betrau’ ich Euch damit. 
Enrico. Ich möchte einmal dieſe Gleißner lehren, 
Was man ala Ghibelline jchuldig ift! 
Konradin. Seid jtreng mit Maß! Mer ift der andre 
Römer? 
Enrico (su Frangipani mit Ironie. Stellt jelbit Euch vor, Ihr 
fennt Euch ja am beiten! 
Srangipani. Sch heiße Frangipani, Hoher Herr, 
Und glaube nicht, daß Euch mein Name fremd, 
Noch auch mißfällig Klingt. 
Konradin. Dies wahrlich nicht! 
(Er reiht ihm die Hand.) 
Hat Euch mein Ahn, der Kaifer Friedrich, nicht 
Belehnt in der Romagna an der Küjte? 
Srangipani. Das Schloß Aitura Hat er mir verehrt 
Für unjres Haufe längit bewährte Treue. 
Konradin. Die Ihr nun auch an mir zu üben denkt? 
Frangipani. So iſt's, dies bleibt mein jehnlichites Begehren ! 
Enrico Geiſeite). Was einer hier jehr zu bezweifeln wagt. 
Konradin. hr werdet, es zu ftillen, Anlaß finden. 
Enrico Geifeit). Doch werd’ ich dieſe Stillung ſcharf be- 
wachen. 
Konradin. Wir find vollzählig, nur das Banner fehlt. 
(Zu Hermann von Hürnheim.) 
Schafft e& herbei, wir wappnen ung inde2. 
(Konradin und Friedrich fehren in ihr Zelt zurüd. Einige Ritter entfernen fi auf 
Hermann von Hürnheims Wink ins Lager.) 
Guido Novello. Iſt's wahr, daß fich der Bayerfürjt geweigert, 
Den Bannftrahl jcheuend, weiter mit zu ziehn ? 


238 Konradin. 


Kroff von Flüglingen. Er jchied zu jeinem Höchlichen Be— 
dauern, 
Durch eine ſchlimme Kunde heimgerufen. 


(Bemwegung.) 
Doch fand fich, 
(Auf Enrico deutend.) 


wie wir jahn, Erjaß bereits. 
Enrico. ch Hoffe mehr al3 nur Erjaß zu bieten. 
(Beifeite.) 

So lang’ der Bund mir taugt, doch länger nicht! 
(Konradin und Friedrich treten wieder gewappnet aus dem Zelt hervor. Die 
Sonne ift im Aufgang begriffen. Das Banner wird von den entjandten Rittern 

berangebradt und von Friedrich erfaßt.) 
Konradin. Die Sonne mahnt zum Aufbruch und. Wohlan! 

MWie wir die Alpen glüdlich überjtiegen, 

Sp werden wir die Ebne auch davor, 

Troß ihrer Ströme rajchem Lauf, durcheilen, 

Selbit wenn ein Feind fi) ung entgegenitellt, 

Und bald das Meer gewinnen, wo zur Fahrt 

Tach Piſa uns bereit die Schiffe liegen. 

Bon dort weg ziehen wir verjtärft nach) Rom, 

Um auf dem Kapitol, 

(Zu Enrico.) 
an Eurer Seite, 
Die Römer, unſre Freunde, zu begrüßen. 
Dann aber wird 
(Zu Kroff von Flüglingen gewendet.) 
ein Kriegsrat es entjcheiden, 

Auf welchem Weg, zu Waſſer oder Land, 

Dez Neiches Grenze wir erreichen follen, 

Das mit dem Schwert ich mir erfämpfen will, 

Sofern der Herr mir dort den Sieg bejchieden. 

(Er faßt das Banner.) 

Auf! auf! Ihr unverzagten Schwabenritter! 

Die Nitter. Auf und voran mit König Konradin! 
(Der Schall einer Tuba wird vernommen.) 

Was künden dieſe düftren Trauerflänge? 

(Baufe. Alles wendet fih den Anfommenden entgegen. Ein päpitliher Legat, vor 


dem die Tubabläjer jhreiten und dem ein Kirdenbanner vorangetragen wird, 
ericheint, von zwei Mönchen gefolgt.) 


weiter Alt. Zweite Scene, 239 


Der Legat Gu Konradin). Im Namen deifen, der auf Petri 
Stuhl 
Gewalt hat über Lebende und Tote, 
Heiß’ ich zurüd Dich weichen von der Schwelle 
Des Landes, das Du unbefugt betreten, 
Dem Bannjtrahl troßend, der auf Dich gezüdt. 
Und jo verfünd’ ich jedem, der Dir folgt, 
Wie jeder Stadt, die Dir Aufnahme gönnt, 
Im voraus Ihon die Ahndung jtrengjter Art. 
Berwünjcht ijt das Geſchlecht der Hohenſtaufen 
In jeinen Gliedern, deren letztes Du! 
So lang’ die Erde Samen trägt und Frucht, 
Der Sturm die Luft bewegt und Sterne leuchten, 
So lange bleib’ in Kraft dies Anathem! 
Konradin (das Banner aufs neue erfafiend). Dein Drohn, ich fürcht' 
es nicht, mir jteht zur Seite, 
Wie Dir auch fund, das offenbare Recht, 
Tür das ich fiegen oder fterben werde! 
Dies melde dem, der mich begünjtigt hat, 
Solange Manfred noch zu fürchten war, 
Und erjt mich fallen Tieß, feit diefer ſank. 
Doch da er auf den Bannjtrahl fich beruft, 
Der gegen meine Väter ward gejchwungen, 
So Halt’ ich ihm der Kirche Segen vor, 
Den fie zu andrer Zeit auf uns gehäuft, 
Und der nicht dadurch ſchwand, daß er vergejjen. 
Drum noch inmal, ich troße Deinem Drohn! 
Auf! auf! Ihr unverzagten Schwabenritter! 
Das Recht ijt klar und darum Gott mit ung! 
Die Ritter und Ghibellinen. Auf und voran für König Kon⸗ 
radin! 


(Indem der Legat mit Gefolge ſich langſam entfernt und alle auf Konradins Seite 
unter Hörnerſchall die Waffen ſchwingen, fällt der Vorhana.) 


Ende des zweiten Aftes. 


Dritter Akt. 


(Zu Rom auf den Stufen zum Kapitol, das befränzt und bemwimpelt iſt und 

mit dem Plage davor den Hintergrund bildet. In der Nifche einer anftoßenden Kirche 

ein Madonnenbild. Frangipani naht mit feiner Tochter Violante. Aus der 
Ferne hört man Jubel beim Einzug Konradins.) 


Frangipani. Hier fannjt Du alles ruhig Dir bejchaun, 
Menn Du nicht vorziehit, lieber umzufehren, 
Ch’ das Gedränge noch es Dir verwehrt. 
Violante. Wie, Bater! meinjt Du, daß ich meinem Vorſatz, 
Der von Ajtura mich hierher geführt 
An Deine Seite, untreu fünne werden ? 
Kennſt Du mich als jo ſchwank und wandelbar ? 
Glaub’ mir, es glüht der Wunjch, ihn zu erbliden, 
In mir nicht ſtärker, al3 mein Haß auf ihn! 
Frangipani. Doh ſolch ein Blick, den wir dem Feinde 
ſchenken, 
Trägt faſt das Anſehn einer Huldigung! 
Violante. Wer ſo es auslegt, kennt mein Herz nur ſchlecht! 
An ſeinem Schickſal bloß will ich mich weiden, 
Das ihn als Schuld'gen ins Verderben reißt. 
Denn daß er dieſem nicht entrinnen wird, 
Iſt Dir ſo wenig zweifelhaft, als mir. 
So will ich ihn, den Tod im Aug', erſpähn 
Inmitten ſeines prahlenden Triumphs. 
Frangipani. Du urteilſt, eh’ Du ihn noch ſelbſt erblickt, 
Dem Bild nach, das Du Dir von ihm entworfen, 
Und dem Dein Haß unholde Züge leiht. 


Dritter Akt. 241 


Violante. Ich jtelle mir ihn vor, jo wie er lebt, 
Im kleinſten Zug der wohlbefannten Bildung, 
Die jedes Eingebornen Stolz beleidigt. 
Srangipani. Doch jeine Jugend und fein offnes Weſen 
Sind wohl geeignet, für ihn einzunehnten, 
Zumal ein Trauenherz, wie es das Deine. 
Biolante. Du jagtejt oft, daß ich gejchaffen wäre 
Nach meinem Innern mehr zum Mann als Weibe, 
Und daß Du recht Haft, fühl’ ich an mir ſelbſt, 
Seit diefer Fremdling unjer Land bedrängt. 
Wohl, läg’s an mir, den Tod ihm zu bereiten, 
Den jeine Väter, jeit ihr Zoch ung drückt, 
Die Edeljten Italiens jterben ließen, 
Ich ſchauderte nicht vor der That zurüd! 
Frangipani (idre Hand erfafien). So wiſſe denn, daß fie be- 
Ichlofjen iſt! 
Ich berge Dir nicht länger unfern Plan, 
Da ich jo racheglühend Dich erichaue. 
Violante. Ha, Bater, wie erregit Du mir das Herz! 
Nie wird in unjerm Volk der Dank erlöſchen 
Für dieſe That, die nicht nur ung, die atmen, 
Nein, auch den Künftigen zu jtatten fommt — 
Doch jteht e8 jo, was rüftet Anjou noch? 
Frangipani. Bevor er gejtern aus PViterbo jchied, 
Um an die Spiße feines Heer's zu treten, 
Beſprachen wir ung noch einmal hierüber. 
Doch da Galabrien jchon abgefallen, 
Und ihm der Krieg im eignen Lande droht, 
So hielt er jeine Vorkehr für geboten. 
Violante. An feiner Stelle hätt’ ich nicht erjpart 
Ihm die Begegnung im Gefild der Schlacht 
Und blutige Vergeltung jelbit genommen! 
Frangipani. Daß Karl der Mann dazu, hat er bewährt, 
Doch hier gilt’S zu vernichten feinen Feind, 
Nicht ihn zu Schlagen bloß. 
Biolante, Wahr jprichit Du da! 
Srangipani. Nichts Ichafft ihm Ruhe ala des Gegner? Tod, 
Sa jelbjt noch als Gefangner müßt’ ex jterben. 
Dies Hat mir Karl, wie andern, oft beteuert — 
Er darf ihm lebend nimmermehr entrinnen! 
Greif3 Werke, III. 16 


242 Konradin. 


Violante. Das bleibt das Ziel! 
Frangipani (ein Fläſchchen Hervorziehend). Hier iſt das fichre Mittel, 
Das Anjous Wunjch befriedigt wie den Deinen. 
Wenn Du zum Gaftmahl hörſt die Glode rufen, 
So iſt die Stunde da, die Tod ihm bringt! 
Violante. Wie Hofft ihr aber euch zu fichern alle 
Bor dem Gaftilier, feinem jchlauen Freunde? 
Frangipani. Da beide aus dem nämlichen Pokal 
Einander nah) dem Brauch zutrinfen werden, 
So ift der Weg, den beide gehn, der gleiche, 
Und nippt auch jeder einen Tropfen nur! 
Violante. Hinweg mit ihm, der Died um mich nur jchonte, 
Und mir dabei hat liftig nachgeftellt! — 
Doh wenn er Kenntnis von dem Anſchlag Hätte 
Und fich bereitete, zuborzufommen ? 
Frangipani. Wir haben ung durch einen Schwur verbunden 
Und fichre Rache träfe den Berräter, 
Dich aber eint das gleiche Blut mit mir. — 
Violante, Und überdies der gleiche Haß dazu. 
Doch, wenn auch der Verdacht Enricos fchläft, 
So fann er leicht im Herzen ihm erwachen. 
Frangipani. Sei darob unbefümmert. Nimmermehr 
Befährt er einen Anfchlag gegen fich, 
Da er fih uns für unentbehrlich Hält, 
Weil er nicht ahnt, daß wir ihn längſt durchichauten. 
Und was das Leben Konradins betrifft, 
So iſt ihm dies an fich zu wenig teuer, 
Als daß fein Blick bejorgt darüber wachte. 
Er ſchirmt ihn nur, weil ex fich jelbjt jo nüßt, 
Wie auch der Schlächter jeine Herde jchüßt. 
(Der Jubel wird näher gehört.) 
Violante (ihn zurückhaltend). Doch wenn des Schüßlings Tod den 
Schützer warnte 
Und ihm den Becher zöge von den Lippen ? 
Frangipani. Es ijt ein Gift, das ficher wirkt, nn lang- 
am, 
So daß ſie unjern Jubel noch vernehmen 
Mit wachen Ohr, wenn ſchon ihr Auge bricht 
Und fie des Herzens letter Schlag erwartet. 


Dritter Akt. 243 


Violante. Doch ich geftehe, heldenmüt’ger wär's, 
Ihr ſetztet ein das Leben für Euch jelbit 
Und Euer Bolt allein! 
Frangipani, Es trägt ein Fluß 
Bon jeinem Urjprung her die äußre Farbe, 
Doch reinigt ihn jein Lauf von ſelbſt davon: 
Wir find an Anjou nicht für jtet3 gefettet. 
Biolante. Dies ijt das Wort, das ich vernehmen wollte. 
Wohlan, vollbring’ es zu Italiens Heil! 
(Die Berfhmworenen ziehen einzeln und paarmweije, ohne zu grüßen, an beiden vor= 
über und fteigen zum Kapitol empor, vor dejjen Eingang ſie jtehen bleiben.) 


Wohl Haben uns beſchenkt die Hohenjtaufen 
Mit reichem Gut, doch nahmen fie es andern, 
Und wenn Du nicht erfauft Dich weißt von Anjou, 
Halt Du Di Deiner Wandlung nicht zu jchämen! 
Reich’ ihm den Kelch. Glüd auf zu Deinem Werke! — 
Doch was hat Dir entjremdet jo die Freunde, 
Daß fie Dir jeden Morgengruß verjagen, 
Ya, ihres Hauptes Niden jelbjt jogar ? 
Trangipani. Der Schwur verbietet mir, drauf zu eriwidern, 
Doch ahnſt Du wohl — 
Violante. Sieh hin, ſie harren Deiner! 
Glück auf! Ich bete, daß Dein Werk gelingt. 
Frangipani. Wenn Du mich wieder ſiehſt, find frei wir alle. 
(Er ſteigt zum Kapitol empor, in das er ſich mit den Verſchworenen begiebt.) 


Violante. Wird ſich erfüllen auch, auf was er hofft, 
Und nichts entgegentreten der Vollbringung, 
Das ihm Gefahr, ja Untergang bereitet? 
Doch freilich ward es oftmals ſchon bemerkt, 
Daß, wenn ſich Ungemeines ſoll vollziehn 
Nach dem verborg'nen Ratſchluß unſres Schickſals, 
Die Menſchen blind ſogar fürs Nächſte werden 
Und arglos in das Netz wie Fiſche gehn. 
So mög' es auch in dieſem Falle kommen! 
Wenn ein Gebet, vor ſolcher That verrichtet, 
Die ſchwere Luft hindurch zum Himmel dringt, 
So ſeid beſtürmt, ihr Engel alle droben: 
Schirmt mir den Vater, handelt er ja doch 
Nicht für ſich ſelbſt, nein, für ſein ganzes Volk, 

16* 


244 Konradin. 


Das er befreien will vom Unterdrüder! 

Gerecht nur iſt's, wenn der fein Ziel verfehlt, 

Der fih allein erhöhen will und frönen. 

Mag er denn jcheitern, der, des Meer unfundig, 

Sich in den Wogenjchwall hinaus begab, 

Vom Wind des launenhaften Glück's erhoffend, 

Daß er ihn treibe in den fichern Port! 

Mas andern er bejtimmt, mag jelbjt ihn treffen! — 
(Der Jubel jhmwillt an.) 


ie fie jein Ohr mit Jubelflang erfüllen, 

Statt ihm zu fluchen, was er mehr verdient! 

Doch falſch ijt diefes Freudentaumel® Sturm, 

Der raſch umſchlägt, jo jäh er fich erhoben. 

Er freilich wird die Wandlung nicht erleben ; 

Es giebt noch Männer hier im Volk der Römer 

Und ihrer einen darf ich Vater nennen. 

Drum fieh Dich vor, der faum Du Jüngling noch, 

Daß Du nicht Deinen Heldentraum bereuejt! 
(Noh während ihres Selbſtgeſpräches drängt das feſtlich gekleidete Volk heran, die 
Männer ſchwingen Palmen und Ölzmweige, die Frauen und Mädchen tragen 
Blumenförbe, aus denen fie Blumen dem Einziehenden zumwerfen. Trabanten er— 
öffnen den Zug, diejen folgt der Adel Roms mit feinen Bannern, fodann folgen bie 
Abgeordneten der Stadt, vanad die Ghibellinen, darunter die jhon befannten. 
Shnen folgt der Stadthauptmann Guido von Montefeltro, dem das rotgoldene 
Stadtbanner vorangetragen wird. Hierauf ein Kämmerer, der Münzen unter das 
Bolt ftreut, die diejes gierig aufrafft, ohne den Jubel zu unterbreden. Endlich erfcheint 
unter einem Baldadin Konradin, Enrico von Eaftilien zur Linfen. Hinter 
ihnen jhreiten Friedrih von Vfterreih und Konrad von Antiodien, und 
hinter diefen die deutſchen Edlen und Ritter, darunter der Marſchalk Kroffvon 
Flüglingen und der Nitter Hermann von Hürnheim, fowie deren Knappen. 
Unter unaufbhörlihen Heildrufen und den Klängen verjhiedener Injtrumente, ſowie 
unter Begleitung zum Tamburinfhall tanzender Schönen, naht der Zug. Biolante 
läßt ihn inmitten anderer Römerinnen, die in fortwährender Erregung find, in 

ernfter Haltung an fi heranfommen.) 


Stimmen im Bolfe. Heil, König Konradin, Stalien Retter ! 
Heil unjerm benedeiten Herrn und König! 
Heil Roms Beihüter, König Konradin! 

Konradin (su Konrad von Antiodien. Welch Herricherbildnig tragen 

diefe Münzen ? 

Weiſ't eine mir! 

(Konrad von Antiodien hebt eine der außgeworfenen Münzen auf, die er ihm darreicht.) 

Ein Löwe und drei Lilien. 


Dritter Akt. 245 


Konrad von Antiochien. Das ijt des Anjou Wappen. 
Konradin (ie Münze betrachtend). Sa, bei 
Gott, 

Hier jteht jein Name! Roma thront darunter, 

Die eine Kugel hält, des Glücks Symbol. 

Roll’ zu, Du biſt eg ja gewohnt, zu rollen! 
Konrad von Antiohien. Doch ew’gen Ruhm bedeutet ihre 

Palme! 

Konradin. Wohl manch Geihie Hat fie ſchon überlebt 

Und auch das unfre wird fie überdauern. 

(Er wendet die Münze.) 

Da iſt er jelbit ala König mit der Krone, 

So kalt in jeinen Mienen ala das Erz, 

Darauf er ausgeprägt. 

(Zu Enrico.) 
Es jcheint beinahe, 

Daß fie zu Ehren ihm gejchlagen find 

In diejer Stadt! 
Enrico, Doch lang’ vor meiner Zeit! 
Konradin. Ihr irrt Euch, wie die Jahreszahl beweijt! 

(Er reicht Enrico die Hand.) 
Das Mal der Unbejtändigfeit trägt fie allein, 
Sch weiß, Ihr werdet wandellos verharren. 
(Biolante erblidend.) 


Warum jo traurig, ſchöne Römerin ? 
Laßt mich das Leid erfahren, dag Euch drüdt, 
Ob e3 zu jtillen liegt in meiner Macht. 
Biolante Getroffen. Wie kann Euch, Herr, befümmern mein 
Geichid, 
Da ih Euch völlig fremd? 
Konradin. Doch wert der Huld. — 
Ich wünjchte in der That Euch beizujtehn, 
Wenn anders Gott nicht das Verhängnis, jandte. 
Seufzt Ihr nach jemand, der Euch ward entrifjen 
Durch allgujtrengen Spruch, wie Euch bedünkt, 
Und den mein Fürwort Euch erhalten fann, 
So nennt ihn mir — 
(Zu Enrico gewendet.) 


Wir bitten nicht umfonft. 


246 Konradin. 


Violante (mit der Hand abwehrend und mit einem Blid auf Enrico). Herr, 
weder drängt e& mich zu jolcher Klage, 
Noch würd’ ih auch, wenn Hülfe mir gebräche, 
Zu Deinen Füßen um Errettung flehn. 
Konradin. Dann jteht mir feine weitre Frage zu. 
Wenn fonjt Ihr eine Gnade Euch erbittet, 
So ift fie Euch im voraus ſchon gewährt. 
Violante. Herr, wißt Ihr denn, daß ich auch ihrer würdig ? 
Konradin, In Eurem Blie liegt mir die ſichre Bürgichaft. 
Violante. Doch ward er für verderblich oft gehalten. 
Konradin. Ich möchte Heil ihn bringend eher nennen. 
Enrico (Geiſeite). Sie fennt den Teufel, der in ihr verpuppt! 
Violante (verwirrt). In Eurem Mund wird höher jedes Lob! 
Konradin. Doch nur, wenn es der Wahrheit voll entjpricht. 
Biolante. Daß hr nicht jchmeichelt bloß, ift jchwer zu fafjen. 
(Betjeite.) 
Hinreißend find’ ich jeiner Rede Zauber! 
Konradin. Zu jchmeicheln wäre hier ein müßig Spiel. 
Violante. Auf Euch Fällt jedes fühne Lob zurüd. 
Konradin. Es koſtet Mühe, jchöne Römerin, 
Euch die beijchwingte Rede zu erwidern — 
Vielleicht kommt noch dazu Gelegenheit. 
Laßt mich indeſſen Euch empfohlen fein ! 
(Nachdem er eine Blume erhoben.) 
Nehmt diefe Roſe ala des Preiſes Zeugnis, 
Das wir der Schönheit jehulden, die vereint 
Mit edlem Sinn und Geilt. 
Violante (ich tief verneigend). Herr, Dank der Huld! 
(Eid die Roſe an die Bruft ftedend.) 
Auch welk noch werd’ ich fie mit Stolz bewahren. 
(Der Zug mit Konradin jest fich wieder aufwärts nad dem Kapitol in Bewegung; 
das Volk drängt nad. Enrico tritt mit dem Stadthauptmann Guido von Mon— 
tefeltro, den er zu fich heranwinkt, zur Seite und jpricht heimlich mit ihm. Violante 
bleibt von all ven Zufhauern allein zurüd.) 
Enrico. Ihr habt verjtanden mich, jeid auf der Hut! 
Zu trau’n iſt feinem, auch nicht Frangipani, 
Den ich ins Aug’ beionders werde fafjen 
Mit allen denen, die im Zug gefehlt! 


(Guido von Montefeltro eilt vem Zuge nad), Enrico ordnet fi ihm wieder ein.) 


Dritter Aft. 247 


Biolante. War das ein Traum? Was ging hier mit mir vor? 

Iſt's Wahrheit oder hat mich Trug geblendet ? 

Ich bin entwaffnet und zu meiner Schmad). 

Wie anders fand ich ihn, als ich ihn dachte! 

Statt eines Fanten, den der Purpur bläht, 

Trat mir ein Jüngling Ihüchtern faſt entgegen, 

Boll Kraft zugleich und Milde, tugendrein, 

Vom Scheitel bis zur Sohle Hin ein Ritter, 

Nein, mehr als dies, das DBorbild aller jolchen! 

Und erit, da er erwählten Gruß mir bot 

Und ihm die Rede von den Lippen floß, 

Bon jeinem Hoheitvollen Blic begleitet, 

D welch erforner Held jtand da vor mir! 

Und diejen Hinzumorden jollt’ ich helfen! 

Denn, fann ich nicht verhüten, was mir fund, 

Sp nehm’ ich ſelbſt an ihrem Anjchlag teil 

Und wälze mit auf mich die Lajt der Schuld. 

Doch darf ich ihn entreißen dem Verhängnis, 

Das einbricht über ihn mit fichrer Macht ? 

Dermag ich, o ihr Heil’gen, zu vereiteln, 

Daß, wenn zur Warnung ich den Ruf erhebe, 

Ans Licht fommt die Berichwörung, und mein Vater 

Erkannt wird als ihr fluchenswertes Haupt? 

Und was erwartet ihn dafür ala Strafe? 

Was anders, ala die Folter und der Tod! 

Weh' mir, ich darf nicht handeln, wie ich will, 

Und muß anheim es jtellen Gottes Ratichluß. 

Doch wenn mich Gott zur Hülfe auserjehn, 

Und er durch mich im legten Augenblid 

Ihm Rettung vom DVBerderben wollte bringen! 

Oft find ja jeine Wege wunderbar: 

Ein Wink von oben iſt's. Sa, ich will Helfen! 

Ich dringe durch die Menge hin zum Vater 

Und trachte, daß ich dämpfe jeinen Haß. 

Auf, raſch ans Werk, dag Gott mir eingegeben ! 

Die Frift iſt kurz, nur Eile rettet hier. 
(Sie ftürmt angfterfüllt die Stufen empor und will zum Kapitol, wird aber von der fi 
ftauenden Menge nicht durdhgelaffen und geht zur Seite ab. Konradin ift indes 
auf dem Pla vor dem Kapitol mit den Begleitern angefommen, vom Volk und Ghi- 
bellinen umjubelt, unter die fih aud Frangipani und die übrigen Verjchworenen ge= 


mengt haben. Enrico erfaßt das ihm vom Stadthauptmann dargebotene Stadtbanner 
und tritt damit vor Konradin.) 


248 Konradin. 


Enrico. Quiriten, hört, was ich Frohlodend künde! 
Mir hatten feit den Tagen der Cäjaren, 
Die Roms gewalt’ge Macht in fich verkörpert, 
Nie aufgehört, für wahr und recht zu Halten, 
Daß Rom der Mittelpunkt der ganzen Erde, 
Und daß von hier ausgehn der Krone Strahlen, 
Die, durch den großen Karl ruhmvoll erneuert, 
Seit alter im Beſitz der Könige, 
So ſich das edle Volk der Deutjchen fürt. 
Ihr wißt e8 auch, daß über hundert Jahre 
Die Hohe Würde fich behauptet hat 
Im gottgefäll’gen Haus der Hohenjtaufen, 
Des letter, echter Erbe vor ung jteht. 
Das Boll. Heil König Konradin, dem Hohenjtaufen ! 
Enrico. Nun ward e8 Brauch zwar, daß der Kirche Haupt 
Den Schmud erteilt, und dies bejtimmte fie, 
Das Recht der Wahl zulegt auch anzufprechen, 
Da3 und nur zufommt, niemals aber ihr — 
Stimmen im Bolfe. So iſt eg! — Uns allein fteht zu Die 
Wahl! 


Enrico. So fam es zu dem Streit, der wirrſalvoll 
Nicht nur das Volk der Deutjchen Hat gejpalten, 
Nein, der auch unter uns den Zwiſt genährt 
Und den verworfenſten der Kronenräuber, 
Den blut’gen Anjou, Hat herbeigelodt — 
Stimmen im Volle. Tod dem Erobrer, nieder mit dem Franken! 
Enrico. So halt’ ich es für unſrer Pflichten erſte, 
Dem Enkel Kaiſer Friedrichs zu verleihn, 
Was ihm gebührt nach unbejtrittnem Recht. 
Und darum ruf ich ihn in Eurem Namen 
Hier auf dem Kapitol, der Burg der Römer, 
Zum Imperator und Augujtus aus, 
Wobei ich feierlich den Bund befiegle, 
Den wir mit ihm für immerdar bejchließen. 
(Er reicht Konradin unter dem Jubelfturm des Volkes und der Ghibellinen die Rechte 
dar.) 
Stimmen im Bolfe. Es lebe Konradin, der Imperator! — 
Wir halten ihm den Bund für alle Zeit — 
Heil Konradin, dem Cäſar und Auguftug! 


Dritter Akt. 249 


Enrico, Nun nimm, o Herr, auch noch den Wunfch entgegen, 

Daß Du den Unterjocher Deines Erbreichs 

Bald zücht’gen mögeſt, wie er e& verdient, 

Und jtürzen die franzöfichen Lilien, 

Um einzunehmen Dein benachbart Reich, 

Den ſchönſten Garten diejer ird'ſchen Welt. 

Die Krone, mit der Hülfe Deiner Römer 

Errungen, ſchmücke Di) noch lange Zeit, 

Wie einjt nach Dir Dein blühendes Gejchlecht! 

Lang’ lebe Konradin, Siciliens König! 
Das Volk unddieGhibellinen. Lang’ lebe Konradin, Sicilieng König! 
Konradin. Ich bin bewegt vom jubelnden Empfange, 

Den ihr mir alle hier in Rom bereitet, 

Das ich von fern mit Ehrfurcht ſchon begrüßte, 

Als es vor ung mit feinen hohen Türmen 

Behelmt aufitieg inmitten der Campagna. 

Und jo, umfloffen von der Vorzeit Schauer, 

Begannen auch die Berge mir zu reden, 

Die, aus des Südens jonn’gen Fernen winkend, 

Den Thaten meiner Väter zugejchaut 

Und Derer, die vor ihnen dort geboten. 

Der großen Kaifer hoheitvolle Reihen 

Erſchienen mir in ihrer Heldenfraft 

Und riefen mir prophet’sche Worte zu, 

Die ſich erfüllen mögen, will es Gott! 
(Galvano Lancia und Guido Novello begeben ſich in das Kapitol, aus dem fie den Her— 
melinmantel Konradins hervorholen. Frangipani tritt zu Enrico, mit dem er ſpricht.) 

Gelingt es mir mit Eurer Hülfe, Römer, 

Mas ih nah ihrem Beijpiel unternehme, 

So würdig zu vollbringen, als ich wünſche, 

Und jernerhin zur ſicilian'ſchen Krone 

Die römische rechtmäßig zu erwerben, 

So joll ein Titus Euch in mir erftehn 

Und jeine Friedenszeit Euch wiederfehren 

Mit allem Glüd, das Hier auf Erden möglich! 
Das Boll und die Ghibellinen, Heil König Konradin, dem 

Friedensbringer! 

Galvano Lancia. Wir nahen Dir, o Herr, um Deinen Mantel, 

Den Du als Unterpfand uns anvertraut, 

Wie damals wir gelobt, Dir zu erſtatten. 


250 Konradin. 


Guido Novell. Wir zeigten ihn umher in allen Städten, 
Wo er verehrt ward, wie ein Heiligtum. 

Galvano Lancia. Benetzt mit Freudenzähren ift jein Saum, 
Und zahllos haben Küffe ihn bedeckt, 
Auch die der Römer fehlen nicht darunter. 


Konradin (ven Mantel umhängend). Ich nehme das gelöſte — 
zurück. 

Gott ſchenke uns auch fernerhin Gelingen! 

(Die Ghibellinen umgeben Konradin und küſſen den Saum ſeines Mantels.) 
Enrico. Noch eine Bitte ſoll an Euch gelangen. 
Frangipani (nad ſtummer Verbeugung). Der Adel Roms und der 

benachbart wohnt, 
Läd' Euch durch mich zu einem Gaftmahl ein, 
Um Euch in feiner Mitte Hier zu feiern. 
Konradin. Mit Dank nehm’ ich die Huldigung entgegen, 
Die mir befliſſ'ne Treue zugedacht, 
Doch vorher wollen wir noch Kriegsrat halten, 
(Mit einem Blid auf den Marſchalk Aroff von Flüglingen.) 
Damit mein Heer, das vor der Stadt gelagert, 
Der Führer allzulange nicht entbehre. 
Dann stehen wir bereit den edlen Wirten. 
Enrico. Sobald wir uns verjtändigt, auf Dein Zeichen, 
Wird uns der Glode Schall zum Feit verfammeln. 
(Sie begeben fih alle in das Kapitol, das Volk drängt gegen das Thor, BA fehrt 
in den Vordergrund zurüd.) 
Biolante. Vergeblich, was ich that, hindurch zu kommen ! 
So jteh’ ich wieder angjtvofl da und ringe 
Die Hände gegen Himmel. 
(Sie fällt auf ihre Kniee.) 
D Madonna, 
Wenn Du mich mütterlich erhören wollteſt 
Und gnadenreih den Sinn der Männer ivenden, 
Die Hier zum Mord des Edeljten verjammelt, 
Zumal, wenn Du erweichen wollteit ihn, 
Der mit dem Gift ihm nachitellt, meinen Vater, 
Und jeiner Seele diefe Schuld erjparen: 
SH weihte Deinem Dienjte mich für immer! 
Doch nein, dies fann ich nimmer Dir geloben, 
Da ich ihn lieb gewann, jeit ich ihn jah. 


Dritter Akt, 951 


So ſchenk' mir aus Barmherzigkeit Gehör 

Und laſſe mir am Leben Konradin! 

(€3 läutet auf dem Kapitol.) 

Die Glode tönt! Wie dringt mir durch dag Mark 

Ihr eh’rner Schall und wedt mir eif’ge Schauer! 

Hilf, Gott, e8 ift der Totenglode Klang, 

Die König Konradin geläutet wird! 

Sie ruft den Holden Jüngling in das Grab, 

Mo ihm das jchöne blaue Aug’ wird ſchwinden, 

Ihm modern wird das lange goldne Haar 

Und jeine herrliche Gejtalt verfallen! 

Weh' mir, denn alles wußt' ich ſchon vorher, 

Doch jtatt zu hemmen, hab’ ich angetrieben. 

So bin im Grund ich jeine Mörderin, 

Mein Bater iſt mein Werkzeug nur. Weh’ mir! 

Doch nein, noch bleibt das Außerſte mir übrig — 

Sch öffne, rufend, Bahn mir durch die Menge 

Und dringe durch das offne Thor der Burg. 

Ih will und muß zu Konradin gelangen! 

Die Kindespflicht je’ ich der Liebe nach 

Und fefile ihn durch Dankbarkeit für immer. 

(Indem fie von neuem die Stufen emporfteigt, ruft fie mit angeitrengter Stimme.) 

D Römer, hört auf mein verzweifelt Flehn 

Und gebt mir Raum! Ich muß ins Kapitof, 

Das Leben Konradins ſchwebt in Gefahr! 

Stimmen im Bolle. Hört Ihr! — Ihm droht Gefahr! — 
Laßt fie hindurch! 
Violante (ich durch das Volt drängend). Helft mir, ihr liebt ja alle 
Konradin! 
Das Volk. Heil Konradin, Verderben ſeinen Feinden! 
(Großes Getümmel, währenddem Violante bis an das Kapitol gelangt, aus welch em 
Enrico hervortritt, ven Befehlshaberſtab in der Hand.) 
Enrico. Was giebt es Hier? Was hat euch jo erregt, 

Daß ihr des hohen Gaftes fünnt vergeſſen 

Und unjer Feſt durch jolch Getümmel ftören ? 

Gebt Antwort mir vor allem! Ruh’ gebiet’ ich! 
Stimmen im Volke. Die frage dort, fie offenbart es Dir! 
Enrico (beifeite. Die Tochter Frangipanis! Ha, ich ahne — 

(Zaut.) 

Kommt näher nur! Was habt Jhr zu enthüllen ? 


252 Konradin. 


Biolante. Dem König droht Gefahr aus nächjter Nähe, 
Doch, eh’ ich rede, jagt, daß er noch Lebt! 
Enrico, Er Lebt, durch meinen fichern Blik bewahrt. 
Bivlante. Er lebt! Er lebt! Aufatmen kann ich wieder! 
Doch Ihr verfichert mich, daß es auch wahr? 
(Konradin, Friedrich an der Seite, tritt aus dem Kapitol, gefolgt von den Ghi— 
bellinen und deutſchen Rittern; fie alle in großer Erregung.) 


Enrico. Da naht er jelbit — — 
Violante. Hilf, Himmel, daß er meinem Worte glaubt! 
(Konradin zu Füßen ftürzend.) 
Herr, hütet Euch, Ihr jeid umringt von Teinden, 
Die Anjou gegen Euch entboten hat. 
Enthaltet Euch des Trankes bei dem Mahle 
Und befjer noch, enteilet diefem Ort! 
Konradin. Seid hr nicht jene jchöne Römerin, 
Der eben erſt den Gruß ich dargeboten ? 
Violante. Nennt mich nicht ſchön, unjelig nennt mich lieber! 
D Herr, noch eben war ich jtolz und herb, 
Jetzt Tieg’ ich in Verzweiflung Euch zu Füßen! 
Konradin (fie erhebend). Fakt Euch ein Herz zu mir — — 
alles! 
Violante. O ſchwer fällt ein Geſtändnis meinem Herzen, 
Doch bin ich's ſchuldig Eurem heil'gen Haupte. 
Nun aber, da gerettet Ihr Euch ſeht, 
So laſſet Heil ausgehen auch von Euch 
Und Eure Gnade den Verführten leuchten! 
Mein Vater ſteht im Bund mit den Verſchwornen! 
Erbarmen meinem Vater! Habt Erbarmen! 
(Sie wirft ſich zu ſeinen Füßen nieder.) 
Konradin. Ich kenne weder Euch, noch Euren Vater. 
Enrico. Herr, Frangipani iſt's, der mich auch täuſchte. 
Das Boll. Tod Frangipani! Tod dem Erzverräter! 
Biolante. In Wahrheit, ja, ich bin des Mannes Tochter, 
Den fie verfluchen! 
Das Volk. Frangipanis Tochter ! 
(VBerwunderte Bewegung.) 
Konradin. Erſt jüngjt hat er mir Treue noch beteuert, 
Bon ihm am wenigiten hätt’ ich's gedacht! 
(Zu Friedrid.) 
Du ſiehſt, auf allen Wegen drohn ung Yeinde! 


Dritter Aft. 253 


Enrico. Bon Anbeginn war er mir jchon verdächtig 
Und ihrer Warnung hat e3 nicht bedurft. 
Violante (su Konradin. War er Euch vorher jchon einmal ge- 
naht, 
So hatte dies geheim er mir gehalten, 
Stand ich auch innerlich auf feiner Seite. 
Sein Haß ließ blind ihn fein für alles andre, 
Wie mich auch jelbjt; nun wird er jehend werden, 
Wie ich es bin, befiegt durch Eure Güte; 
Ihr werdet einen Freund an ihm gewinnen, 
Wie Euch fein treurer in Italien dient! 
Konradin. ch rechne nicht auf feine Dankbarkeit; 
Doch, wenn Ihr mir dafür wollt Bürge jtehn, 
Daß er Vergebung nicht mit Undank lohnt 
Und mir nicht nachjtellt mehr ein andermal, 
So will ich ihm verzeihn, was er verbrochen. 
Violante. ch nehme dies Verſprechen, Herr, auf mich; 
Ihr jollt nicht Eure Großmut je bereun 
Die Euch) der Himmel möge reich vergelten! 
Enrico. Bedenkt die Folgen, Herr, zu großer Nachficht ! 
Wenn ihn, dann müßt ihr alle mitbefrein. 
So laßt hr denn die Nattern wieder los, 
Die wir mit Müh’ vor Eurem Fuß gefangen! 
Konradin. Ich muß mein fönigliches Wort erfüllen, 
Und halte darum, was ich ihr verjprach. 
Enrico. Doch fürzt dies Euer Anſehn, wie dag meine! 
Konradin. Wenn ich erfülle, was die Ehre fordert? 
Enrico. Wenn Zhr die Schandthat Lajjet ungerächt. 
Konradin. Ich kann nicht wider mein Verſprechen handeln ; 
Drum jorgt, daß er in Freiheit wird geſetzt! 
(Enrico begiebt fih in daS Kapitol zurück.) 
Biolante. So darf ich meinen Vater mit mir nehmen ? 
Konradin. Es jei gejtattet Euch, wie ich erklärt. 
Violante. Bald jollt Ihr ihn, o Herr, verwandelt finden! 
Wenn jemand umzujtimmen ihn vermag, 
So bin ich’3, feine Tochter, und ich thu's. 
(Sie eilt in das Kapitol; das Volk entfernt fich ſcharenweiſe der Stadt zu. Konradin 
begiebt fi mit dem ganzen Gefolge über die Stufen in den Vordergrund.) 
Konradin. O Friedrich, wo ift Wahrheit, wo ift Trug? 
Friedrich. Schwer ift zu jcheiden beides unter Fremden! 


254 Konradın. 


Konradin. Dies fühl auch ich mit jedem Tage mehr. 
(Zu Hermann von Hürnheim.) 
That ich nach Eurer Meinung nicht das Rechte ? 
Hermann von Hürnheim, Dies weiß nur Der dort, Der die 
Herzen prüft! 
Konradin (u Kroff von Flüglingen). Und wie betrachtet Ihr die 
Lage, Marſchalk? 
Kroff von Flüglingen. Sehr ernjt, und foviel jcheint mir 
ausgemacht, 
Daß wir den Kriegsplan gänzlich ändern müſſen, 
Da jonjt zu fürchten, daß ihn Karl erfährt 
Durch einen derer, die Ihr losgegeben. 
Konradin. Durch Eile fommen dem Verrat wir vor! 
Kroff von Zlüglingen. In jedem Fall ift Mißtraun ung ge- 


boten, 
Und wie e& meine Pflicht, jo rat’ ih Euch. 
Donvratico von Pija. Wollt Ihr den Weg zur See nicht 
lieber wählen 
Und unſrer Flotte Euch dazu bedienen, 
Der wir den Lauf zum Tiber dann bejtimmen ? 
Enrico (ver inzwiſchen zurüdgetehrt ift. Dazu verweigr' ich meine 
Mitwirkung. 
Sch weiß, daß Piſa jeinen Vorteil ſucht 
In diefem Krieg allein, jonjt weiter nichts. 
Eh’ ich daher mich überreden Laife, 
Tret’ ich vom Bunde lieber ganz zurüd: 
Ich will nicht nach der Pfeife jener tanzen. 
Kroff von Flüglingen. Da haben wir die Frucht jchon dieſer 
Freundſchaft! 
(Violante tritt wieder von der Seite her auf.) 
Enrico (su Konradin). Für welchen Weg entſcheidet Ihr = 
Herr? 
Konradin. Es fordert, jo bedünft mich's, unjre Ehre, 
Entjchlofjen loszurücken auf den Feind 
Und ohne Aufſchub ung mit ihm zu meffen. 
Sriedrih. In dieſer Abficht faßten wir den Plan. 
Konradin. An dem ich drum auch Feitzuhalten denke. 
Kroff von Flüglingen. So weil’ ich die Verantwortung von 
mir! 


Dritter Aft. 255 


Konradin. Wie jchon gejagt, ijt Eile wohl ein Mittel, 
Dem möglichen Verrat zudorzufonmen, 
Und da wir Abftand von dem Mahle nahmen, 
So jegen wir den March noch Heute fort. 
Hermann von Hürnheim. Da iſt die Römerin jchon wiederum ! 
Violante (su Enrico, der zu ihr bingetreten). Geftattet, insgeheim mich 
ihm zu nahn! 
Enrico, Wollt Ihr, o Herr, ihr dies Geſuch erfüllen? 
(Konradin giebt ein Zeichen, auf das hin alle zurüdtreten. Violante nähert ſich ihm 
und fällt ihm zu Füßen; was fie jpricht, redet fie mit gedämpfter Stimme.) 
Biolante. Ich nahe nochmals, gnadenreicher König, 
Vom Drange meines Herzens angetrieben, 
Erweiſt die Huld mir, zu vernehmen. mich! 
Konradin (su ihr Hintretend). Habt Ihr bejondern Grund dazu, 
fo ſei's! 
Violante. Seht wohl Euch vor, in Anjous Hand zu Fallen! 
Cr hat Euch, wie ich weiß, den Tod gejchworen, 
Wo immer Euch) jein Arm erreichen kann, 
Und nicht bloß im Gewühl der offnen Schlacht. 
Drum jollte ſich das Kriegsglück von Euch wenden, 
So richtet Euren Weg Hin nach Aitura, 
Wo hr geborgen feid in unjrem Schloß 
Mit allen, die Euch im Gefolge find. 
Konradin. Doch Euer Vater hält zu meinem Feinde! 
Biolante. Don jeiner Seite droht Euch dort fein Leid. 
So lange no) der Krieg ihn draußen feſſelt, 
Bin ih zu Haufe die Gebieterin. 
Konradin. Ihr Hofftet aber doch, ihn umzuſtimmen? 
Violante. Im bittern Unmut, daß ich ihn verraten, 
Berihloß er mir fein Herz; mein Hoffen jchwand. 
Konradin (Friedrich Herzumintend). An ihrer Offenheit fann ich nicht 
zweifeln — 
Doch wie ift Euer Name? 
Biolante, Violante. 
Konradin. Nun, ſchöne Violante, denket mein, 
Wie ich auch Eurer mich erinnern werde. 


Lebt wohl! 
(Er reicht ihr die Hand.) 


256 Konradin. 


Violante. Der Herr verleih' Euch feinen Schuß 
Und lafje fiegreih aus dem Feld Euch kehren! 
(Sie wendet fich zögernd zum Abgehen.) 
Konradin (su den andern. ch habe eine Freundin ung erworben, 
Die uns im Fal der Not fann hülfreich fein. 
Friedrich. Kein Wort von Not, o Freund, wir werden fiegen! 
Konradin. Das Hoff’ ich wie Du ſelbſt. Auf Wechjelfälle 
Gefaßt zu jein, ift uns im Krieg Gebot: 
Des Glüdes Sonne fann nicht immer jcheinen, 
Doh wenn fie auch in Wolfen fich verhüllt, 
So währt nicht allzulange ihr Verihwinden, 
Und um jo herrlicher tritt fie hervor. 
Sp Hoff’ ich, wird e8 ung im Gtreit ergehn 
Und uns aus ſchwerem Kampf der Sieg eritehn! 
Die deutjchen Ritter und Ghibellinen. Zum Kampf, zum Sieg 
für König Konradin! 
Violante (Hervoreitend). O Herr, ich kann es über mich nicht 
bringen, 
Als Schuldnerin zu trennen mich von Euch. 
(Sie löft von ihrem Hals eine Goldmünze.) 
Ihr gabt mir dieſe Rofe, nehmt dafür 
Zum Angedenfen diejes Amulet! 
Auch meine Mutter hat es jchon getragen, 
Und, wie e8 fich ihr jtets hat wohl bewährt, 
So wird e& heimlich jeine Kraft erweijen 
Auch ficherlich an Euch. — 
(Sie reiht ihm das Amulet.) 
Bewahrt es wohl 
Und bleibt gedenk im Geift auch meiner Bitte. 
Kommt nach Aſtura, wenn Ihr mein bedürft! 
Ob Ihr im Glüd, im Unglüd, kehrt dort ein, 
Als teurer Gaft jollt Ihr willfommen jein! 
Konradin. Lebt wohl! Sch bleibe Euer eingedenk! 


(Indem fie fih langjam entfernt und ihr alle erjtaunt nachblicken, füllt der Vorhang. 


Ende des dritten Aktes. 


Vierter Nkt. 


Grfte Heene, 


(Auf dem Shladtfeld von Tagliacozzo im Lager Karls bei Alba, vor dent 
fönigliden Zelt, dem zur Seite fi eine Anhöhe befindet. Bor Karl von Anjou, 
der in gewöhnlicher Rittertradt, jteht Frangipani, und im Halbkreis um jenen 
reihen fi Heinrih von Eoujence, Wilhelm !’Etendart, Johann von 
Clary und andere Führer. Im Hintergrunde Wahen und Trompeter.) 


Karl von Anjou (su Frangipani), Fahrt fort, in Kürze, da durch 
Eure Boten 
Wir ihon genugſam unterrichtet find, 
So daß die Stellung, die wir eingenommen 
Bei Alba Hier, von fern herbeigeeilt, 
Auf Eure Rechnung kommt, die Hochgeitiegen 
Durch diefen wie durch manchen frühern Dienit. 
Doch davon reden wir bejonders noch! 
Frangipani. Nachdem ich Euch enthüllt des Feindes Stärke, 
Bleibt mir der Weg noch zu bejchreiben übrig, 
Den er nach Eurem Reich Hin eingejchlagen. 
Karl von Anjou. hr macht jo feine Kühnheit glaublicher! 
Frangipani. Wie vorbejtimmt, bewegte fich der Zug 
An Tivoli vorbei zum Aniojtrom 
Und, diefem folgend, drang er nach der Grenze, 
Die er bei Vicovaro überjchritt. 
Drauf ſchlug er tiefer fich in die Abruzzen, 
Um, angefommen auf des Pafjes Höhe, 
Hinabzufteigen in dag Thal des Salto, 
Und hier, bei Alba zu dem Fluß gelangt, 
Greifs Werke. II. 17 


258 Konradin, 


Die Straße nah Sulmona zu erreichen. 
Dort aber jtand er Eu im Rüden ſchon 
Und bot, durch nicht? gehemmt, die Hand zum Bunde 
Den Sarazenen in Luceria. 
Karl von Anjou. Der Plan ijt flüger, ala Der ihn befolgt! 
Frangipani. Verzeiht, doch Konradin entwarf ihn jelbit. 
Da ich in Rom des Kriegsrats Zeuge war, 
-Sp gründet mein Bericht ſich auf Gewißheit. 
(Lärm wird aus dem Lager gehört.) 
Karl von Anjou. Es wird fich zeigen — doch was lärmt das 
Lager? 
(Soufence und Clary eilen ab. Frangipani befteigt die Anhöhe.) 
Vom tagelangen Ritte abgetrieben 
Sind unsre Pferde, jatteln ließ ich ſonſt 
Und jtrenge Mufterung dem Heer gebieten! 
Frangipani. Wa3 ich vorher gejagt, ijt eingetroffen. 
Dort, von des Paſſes Höh'n herabgeitiegen, 
Wälzt ſturmſchnell fich der Feind dem Thale zu, 
Der Brüde fi) des Salto zu bemeijtern. 

Karl von Anjou. Traun! hurtig hat fi Euer Wort erfüllt! 
(Ein Trompetenruf. Coujence und Clary fommen zurüd, gefolgt von einem Herold 
Konrading; aud Krieger Anjous zeigen fih im Hintergrund.) 
Heinrich von Couſence. Wir jtießen auf den Herold, der hier 

naht. 
Der Herold. Mein Wort ergeht von König Konradin, 
Der jeinen Fuß Hat in jein Reich gejebt, 
An Herzog Karl von Anjou und von Maine, 
Don dem er jeine Krone fommt zu fordern. 
Karl von Anjou. Halt’, Schurke, ein, wenn Dir er 
lieb! 
Doch nein, vollende Deinen Unglimpf nur, 
Der feiner ritterlichen Antwort wert. 
Sag’ her, was Dir der Knabe eingelernt 
Sm Übermut! 
Der Herd. Nur kurz iſt meine Meldung. 
Der König läßt gebieten Dir duch mich, 
Sein Land zu räumen ohne Zögerung, 
Das Du im Frevelmut an Dich gerifjen. 
Im Tal der Weig’rung aber läd't er Dich 
Zur Schlacht ein auf dem Felde, wo Du lagerft, 


Vierter Alt. Erfte Scene. 259 


Dir zu befunden durch fein gutes Schwert, 
Daß er gewillt, fein Recht zurüdzufordern 
Und zu entfräften den, der es ihm jtahl. 
Karl von Anjou, Halt Du entledigt Deines Spruches Dich 
Und bleibt Dir nichts zu drohen übrig mehr, 
So fehre um, doch eil’ger, als Du famit, 
Sonjt wirft Du's inne noch durch meinen Arm, 
Daß eines Prahlers Bote nichts mir gilt! 
(Der Herold ab; zu den Umftehenden.) 
Mag Gott barmderz’ger jein, als ich es bin, 
Ergreif’ ich ihn, die Waffen in der Hand! 
Heinrich von Couſence. Dies würde Euch die Achtung aller 
koſten, 
Die Eurem Zug gefolgt ſind in dies Land, 
Das ich, Euch dienend, miterobern half! 
Drum, wie ich ſtets bedacht auf Euren Ruhm, 
So rat' ich Euch, gebührlich zu behandeln 
Den Gegner, der herangezogen kommt, 
Zurückzufordern ſein verlornes Erbe, 
Das er durch ſeine Schuld nicht eingebüßt. 
Karl von Anjou. Wollt ihr mir eine Tugendpredigt halten? 
Bekümmert Euch um Eure eigne Pflicht, 
Die ich Euch andrenfalls einprägen werde. 
(Er beſteigt die Anhöhe mit den anderen,) 
Heinrich von Couſence (atein. Er ijt des Zwingheren blut’ge 
Bahn gewohnt, 
Und jein Gewiſſen jchläft, taub jeder Mahnung. 
Sp wünſch' ich ihm, obgleich an ihn gefettet 
Durch jahrelangen Dienft, die Niederlage 
Und feinem reinen Gegner vollen Sieg, 
Mir aber einen raſchen Tod in Ehren. 
In diefer Hoffnung zieh’ ich in den Kampf. 
(Er folgt auf die Anhöhe.) 
Karl von Anjou (auf der Anhöhe). Sind wir die Mindern wirk— 
lich nach der Zahl? 
Wilhelm l'Etendart. Ein flücht’ger Blick läßt feinen Zweifel 
zu; 
Auch jcheinen wohlberitten unfre Gegner, 
Und von Ermüdung ijt nichts wahrzunehmen, 
Im Gegenteil, fie zeigen ftolzen Mut. 
17” 


260 Konradin. 


Karl von Anjou. Der Stolz joll bald vergehn den Echwaben- 
rittern 

Wie ihren Hengjten, die voll Kampfbegier 
Die feindlich überzogne Erde ftampfen ! 
Wo aber ijt ihr Königlein zu blicen ? 

Srangipani. Der ift e8, der ummwallt vom blauen Mantel, 
Dort unſre Stellung aus der Ferne muftert. 

Karl von Anjou. So jchau’ ich endlich meinen Nebenbuhler! 
Doch wer ijt ihm zunächſt der junge Ritter ? 

Frangipani. Sein unzertrennlicher Gefährte Friedrich. 

Karl von Anjou, Ich fenn’ ihn ſchon dur König Ottofar. 
Er Hungert nach Beſitztum wie der andre. 
Ich will auch ihm den Mund mit Erde jtopfen, 
Damit fie noch im Tode unzertrennlich. 
Wer aber lenkt jo fühn die Vorhut dort? 

Yrangipani. Es iſt Enrico! 

Karl von Anjon. Er auch Toll es büßen, 
Daß er an meinen Ehren fich vergriff! 

(Trompetengejhmetter erfhallt im Lager Konradins; zu l’Etendart.) 

Auf! laßt die Hörner ihren Ruf erwidern 
Mit jchmetterndem Getön! Blaft Krieg und Tod! 

(Auf ein Zeichen von [’Etendart jchmettern die Trompeten. Indem Karl von Anjou 
die Anhöhe mit den übrigen verläßt, tritt Allard von Valery, in orientalifchem 
Kriegsgewande, von einigen Rittern geleitet, auf.) 

Karl von Anjou. Wer naht fich uns zu ungelegner Zeit? 
Allard. Schein’ ih auch fremd Dir, Herr, jo blieb mein 
Name 
Doh Dir vielleicht nicht gänzlich unbekannt: 
Allard von Balery. 
Karl von Anjou. Lebt ihr annoch? 
Ich dachte längſt Euch in das Grab geſunken. 
Allard. Vor zwanzig Jahren zog ich mit dem König 
Nach Paläjtina aus und ehegejtern 
Set’ ih den Fuß an das Geſtad' Neapelg, 
Des Patriarchen Gruß Euch zu bejtellen. 
Karl von Anjou (sur Seite, Juſt wie von Gott gejandt er- 


Icheint er mir! 
(Zaut.) 


Daß ihr ein tapfrer Ritter, wußt’ ich längſt, 
Und da ihr viel erfahren in den Kriegen 


Vierter At. Erjte Scene. 961 


Mit Mahomeds unzähligen Befennern, 
So wünſch' ich, Eures Rats mich zu bedienen. 
Alard. Wie hoch ich auch anjchlage Dein Bertraun, 
So läßt mein Alter, das mich fühlbar mahnt, 
Den Dienjt nicht zu; darum entjchuld’ge mich. 
Karl von Anjou. Man jpricht von Greifen, die noch Lorbeer 
pflücten. 
Allard. Herr, meine Lebenszeit verfloß im Krieg; 
Ungläub’ge aber ſchlug mein Schwert allein, 
So möcht ih nicht am Ende meiner Tage 
Anfangen, Chrijtenblut noch zu vergießen. 
Karl von Anjou. Auch dies Bedenken fann ich weg Euch 
heben. 
Gebannt ift Konradin mit all den Seinen 
Und zu beftreiten ihn, Euch jo verdienjtlich, 
Als fämpftet Ihr mit eines Sultans Macht. 
Alard. Nach jolhem Aufichluß ſäum' ich nicht mehr länger, 
Dir in der Not zu dienen. Willſt Du fiegen, 
Mußt Du mehr Lijt anwenden, als Gewalt. 
Darum erlieg Dir eine Schar von Kriegern 
Und leg’ damit Dich in den Hinterhalt, 
Den ich Dir zeigen werde. 
Karl von Anjon. So geſcheh's! 
Allard. Auch wähle einen aus von Deinen Rittern, 
Der an Geſtalt Dir ähnlich wie an Haltung, 
Und diejem leihe Deinen Waffenſchmuck 
Und heiß’ dazu Dein Schladtroß ihn bejteigen! 
Karl von Anjou. So für ih Euch dazu, Heinrich Cou— 
fence. — 
Begebt Euch in mein Zelt und wappnet Euch! 
Ich laſſ' indes Euch meinen Berber zäumen. 
Heinrih von Couſence. Herr, ich gehorche meiner Ritter— 
pflicht 
Und trachte, ihr vollkommen zu genügen. 
Beitattet mich in Frankreich, wenn ich falle! 
(Er begiebt jih in das Zelt des Königs, das vor ihm. geöffnet wird.) 
Karl von Anjou (su Allard). Nun laßt ung auch noch für den 
Rückhalt jorgen! 
(Zu den Rittern.) 
Mas uns bei Benevent zu jtatten fam, 


262 Konradin. 


Das thut auch Heute! Stoßt die Pferde nieder! 
Auf in die Schlacht und dort auf Wiederjehn! 
Bewährt euch ala die rechten Streiter Gottes 
Und zählt auf reichen Lohn: „Montsjoie, ihr Ritter!” 
(Sndem er unter Trompetenfhal, von den übrigen mit Allard fi trennend', enteilt, 
fält der Vorhang.) 


(Berwandlung.) 


(Das Schlachtfeld in der Nähe von Alba. Geitwärts eine von Bäumen be— 
dedte Schlucht. Ein mit Gebüſch bewachſener Rand der durchziehenden Straße erhebt 
fih im Vordergrund. Aus der Ferne werden Trompetenrufe, jowie das Schlachtgeſchrei 
der KRämpfenden: „Schwaben, ihr Ritter!” und „Montsjoie, ihr Ritter!” gehört. Kon— 
radin und Friedrich treten auf mit entblößten Schwertern.) 

Konradin. War’s wirklich unbezähmte Streitbegier 

Sm Rachedurjt allein, die Don Enrico 

So blindlings vorwärts riß in das Getümmel, 

Entgegen meiner Weifung, jeine Scharen 

In Fühlung mit den unjrigen zu halten 

Und nicht zu fämpfen blind auf eigne Hand? 
Friedrich. Auch mich bejtürzte faſt jein Ungeſtüm 

Und, angejprengt, hielt ich ihm heftig vor 

Den eigenmächt’gen Troß, doch blieb er taub. 

(Der Marſchalk Kroffvon Flüglingen tritt auf.) 
Da kommt der Marjhalf freudenvollen Blicks! 


Kroff von Flüglingen. Die Provenzalen haben kehrt gemacht 
Und fliehen mit dem König an der Spitze, 
Verfolgt vom fühnen Wagehals Enrico. 
Nun iſt's an ung, das blut’ge Werk zu frönen! 
Konradin. Fortuna ift voll Launen und fie jchenkt 
Den Sieg oft dem, der ihr den Kranz entreißt. 
Auf! Halten wir fie an den Loden feſt! 
(Hermann von Hürnheim tritt auf mit dem Sarazenen Jujjuf.) 
Hermann von Hürnheim. Herr, weile einen furzen Augen— 
blick 
Und höre dieſes Sarazenen Botſchaft! 
Juſfſuf (auf die Kniee ſich niederlaſſendd. Ich komme don Luceria, 
ſtaubbedeckt, 
Das ſeine Reiter Dir entgegenſchickt, 
Die, ſchon erprobt in Deiner Väter Schlachten, 
Auch Dir bewähren wollen ihre Treue. x 


Vierter Akt. Erfte Scene. 263 


Drum achte, Herr, auf unſres Emirs Bitte 
Und berge Dih in Tagliacozzos Mauern, 
Bis er herbeigeeilt zu Deiner Hülfe! 

Konradin. Entbiete Deinen Brüdern unjern Gruß! 
Wir hatten die Vereinigung mit ihnen 
Beitimmt erhofft, doch fam der Yeind zuvor; 

So müfjen wir allein ihn hier bejtehn. 
Doch Heiß’ ich, wo fie zu ung jtoßen werden, 
Die Treuen ſtets und überall willfommen. 

Juſſuf. Daß Du den Aufichub nicht bewill’gen fonnteit, 
Wird mit beforgtem Schmerz mein Volk vernehmen. 
Lebwohl! Berleihe Allah Dir den Sieg! 

(Er entfernt jih, das Kampfgetümmel wädhit.) 

Konradin. Den Schaden that ung Frangipani an. 

Friedrich. So hat er Dir vergolten Deine Großmut! 

Hermann von Hürnheim. Gott gnad’ ihm, wenn er heute mir 

begegnet! 

Konradin. Die Schlacht ift Heiß entbrannt. Voran zum 

Sieg! 

(Sie ftürmen hinweg. Pauſe, während der das Getimmel näher fommt; Fechtende 
dringen über die Bühne, zulegt Lancia und jeine beiden Enfel, die im Kampf be— 
griffen find.) 

Lancia. Der Arm des Siebzigers verjagt den Dienit, 

Doch jtreiten um jo rüjtiger die Enfel! 
(Er eilt ihnen nad. Novello und Donoratico treten auf.) 

Donoratico. Hier jchöpfen wir ein wenig Luft und Atem! 
Es ringen um den Preis der Siegesehre 
Geliebte Bundgenofjen unter fich: 

Sit Piſa größer heute, iſt's Florenz ? 

Novelle. ch ſchwanke, wen ich joll die Palme reichen. 
Wir teilen fie am beiten unter ung. 

Donoratico. Es jtrömt der Mut von den beherzten Helden, 
Die beide glorreih unſer Treffen führen, 

In jedes Krieger Bruft und macht fie ſchwellen! 

Novelle. Sieht Kaijer Friedrich) von des Himmels Höhen 
Auf jeinen Enfel nieder, wie er ficht 
An jeines brüderlichen Freundes Seite 
Und mit dem Blick zugleich die Reihen Ienkt, 


264 Konradin. 


Sp wird er ftolz in ihm fein Blut erfennen. 
Doch fort, denn fojtbar jind die Stunden heute! 
(Sie jtürmen weiter. Karl von Anjou und Allard von Balery treten auf.) 
Allard. Dort liegt die Thalſchlucht, die den Rückhalt birgt; 
Begeben wir ung ing Verſteck nun jelbjt! 
Karl von Anjou. Du jtelljt auf eine jtarfe Probe mich. 
Sch ſoll die Meinen thatlos fallen jehn 
Und ihnen in der Not nicht Hülfe bringen ? 
Faſt Schon bereu’ ich's, daß ich Dir vertraut! 
Allard. So jchlage Ins, fannjt Du Dich nicht bezwingen, 
Und jchaue zu, wie Du die Deinen vettejt! 
Karl von Anjou. Wenn alle für mich jterben ringsumher, 
Soll ich allein nur zögern noch und ſchwanken? 
Alard. Du wirft dem Tod Dich nur entgegenftürzen 
Und in den Untergang fie alle ziehn. 
Drum harre Deiner Stunde, denn fie fommt! 
Bald werden fie, berauſcht vom rajchen Siege, 
Hingeben jich der Ruhe und dem Plündern; 
Dann brechen wir hervor mit friiher Kraft 
Und bringen dag Gefecht in neuen Gang. 
Karl von Anjou. Berjtänd’ger Eifer zwingt er 
lück. 


So will ich noch einmal Dir voll vertraun — 

Verfolgen wir mit ſpähem Blick die Schlacht! 
(Sie begeben ſich nach der Schlucht, wo ſie über den Rand der Höhe hervorlugen. 
Neues Waffengetöſe und Trompetengeſchmetter. Heinrich von ECoufence in könig— 
liher Rüftung tritt auf, verfolgt von Enrico von Kaftilien, der ihn zu. jtellen 

ſucht.) 

Enrico. Steh', Ritter! Ich erkannte Deinen Berber, 

Eh' ich Dich kämpfend aus dem Bügel hob, 

Zu betten Dich im Staub. Du biſt der König! 

Wir kennen uns von alten Tagen her 

Und haben auszufechten einen Strauß, 

Den Du erhobſt ſo feig, als hinterliſtig. 

Steh' meinem Schwert! Enrico iſt mein Name! 

(Sie fechten.) 
Mit dieſem Streich ſchick' ich Dich in die Hölle! 
(Er verwundet ihn.) 
Die Wunde ſchützt Dich nicht vor ſchärferm Prall! 


(Er dringt von neuem auf ihn ein.) 


Vierter Alt. Erfte Scene. 965 


Du oder ih! Wer fällt, begräbt den andern! 
Sch kämpfe nicht für Konradin, den Thoren, 
Sch jelbjt bin hier Bewerber um die Krone, 
Die auf dem Haupt zum legtenmal Dir jtand. 
(Er erjticht ihn.) 
Zu Ende ijt’3 mit Deiner Herrlichkeit, 
Neapels jtolzer Thron ift wieder ledig, 
Und diegmal werd’ ich ftcher ihn bejteigen ! 
(Umblidend.) 
Noch raſt die Schladt. So laſſ' ich fort fie raſen 
Und beide Heere, voll entflammter Wut, 
In wechjeljeit'gem Mord fich grimm vertilgen, 
Indes ich jelbjt mein braufendes Gejchwader, 
Doch nur zum Schein, den Flücht'gen folgen laſſe. 
Bald ehr’ ich auf der gleichen Bahn zurüd 
Und dann entreiß’ ich Konradin fein Glüd. 
Gejtüßt auf meine unverjehrte Kraft, 
Bring’ ih den Sieger in Gefangenschaft! 
(Er entftürmt. Nachdem die Bühne einen Augenblid leer geblieben, erſcheinen neuer- 
dings Kämpfende auf ihr.) 


Ein deutjcher Krieger. Hier liegt der Anjou tot! 


Ein anderer. Fürwahr, er 
ift’g! 
Mehrere. Des Königs Leiche! 
Andere. Unjer ijt der Sieg! 
Der erite Krieger. Laßt fie entfliehn, gewonnen iſt die 
chlacht; 


(Die Krieger Anjous fliehen.) 
Der uns bejtritten, iſt zu Fall gebracht! 
(Die deutihen Krieger breden in ein donnerndes Siegsgeſchrei aus.) 


Alle. Es Lebe Konradin, Neapels König! 


(Während der Jubel noch anhält, jtrömen von allen Seiten Krieger heran.) 
Der zweite Krieger. Laßt uns den Leichnam in das Lager 
ſchaffen, 
Das uns gehört mit allem, was es birgt! 
Alle. Auf in das Lager und zur Plünderung! 
(Der Leichnam des Couſence wird erhoben.) 


Der erſte Krieger. Er iſt kaum wert der Ehre eines Grabes. 
Viele. Laßt ihn im Staube liegen, den Tyrannen! 


266 Konradin. 


Der zweite Krieger, Doch fiel er ritterlich, dies woll’t be- 
denken! 
(Der Leihnam wird auf eine herbeigetragene Bahre, die aus Zweigen geflochten, gelegt.) 
Mehrere Krieger. Den Panzer weg und Kränze um den 
Im! 
(Sie breden Zweige vom nahen Geſträuch.) 9° 
Andere. Auf, in das Lager und zum Malvajier! 

(Die Bahre mit dem Leihnam wird mweggetragen, alle folgen in ausgelafjener Freude. 
Nach einer Pauſe treten Karl von Anjou und Allard aus dem Berfted hervor. 
Ein Trompeter folgt ihnen.) 

Karl von Anjou. Vortrefflich Hat ſich Euer Rat bewährt; 
Doch duld’ ich, daß fie mir das Lager plündern ? 

Allard. Bezähme, Herr, Dich nur noch furze Zeit! 
Des Siege: Palme jtreift jchon Deine Hand. 

Karl von Anjou. Wie fie frohlockt bei meines Todes Bild! 
Doch will die Luft ich ihnen heimbezahlen. 

Allard. Couſence jtarb, auf daß Du ficher Lebeit. 

Karl von Anjou. Er hat gejühnt durch jeine legte Stunde 
Den lauen Eifer, den er mir gezeigt 
Seit manchem Tag: jo flag’ ich nicht um ihn. 

(Frangipani tritt auf.) 

Was bringt Ihr aus dem Lager una für Kunde? 

‚ Frangipani, Das Heer der Deutjchen und der Ghibellinen 
Hat fih im Siegestaumel aufgelöjt 
Und labt fich jchwelgerifch in Deinen Zelten 
Sm Freudentaumel des erträumten Siegs. 

Karl von Anjou Gu Allard). Sie halten jo ihr eignes Toten- 

mahl! 


Srangipani. Vom Wein beraujcht, Hat der fich Hingejtrecdt 
Ins Gras, der andre nimmt ein Bad im Galto, ° 
Der dritte läd't fich Beute auf fein Maultier, 
Doch feiner denkt an feine Waffen mehr. 
Alard, Nun ift e8 Zeit, laßt ung zum Angriff blafen! 
(Auf einen Wink Anjous bläft der Trompeter. Die Krieger breden mit vem Banner 
Anjous aus dem Hinterhalt hervor und umgeben Anjou.) 
Karl von Anjou. Die Stunde unfrer Rache brach herein. 
Gelobt ihr mir, das Eurige zu thun? 
Die Krieger Anjous. Wir ſchwören Dir's, o Herr; ne oder 
od! 


Vierter Alt. Erfte Scene. 267 


Karl von Anjou. Verſpart auf einen andern Tag das Mit- 


leid! 

Die Krieger Anjous. Entkommen ſoll uns feiner der Ge- 
bannten! 

Karl von Anjou. Nun fällt die Lanzen und mir nach im 
Sturm! 


(Er ergreift da3 Banner und ftürmt allen voran dem Lager zu, von wo noch immer 
Jubelgeſchrei erſchallt. Frangipani bleibt allein zurücd.) 
Frangipani. Bis hierher hat das Glück mich ſtets begünftigt, 

Doch würde auf den Gipfel mich es heben, 
Wenn mir's gelänge, Konradin zu fahn. 
Und ift der Fall nicht mehr als denkbar nur, 
Daß der Befiegte, folgſam meiner Tochter, 
Abſeits die Schritte nach Aſtura lenkt? 
So fönnt’ es fommen, daß ich ihn ergriffe 
Und für das dargebotne Pfand der Herrichaft 
Mir ausbedingen dürfte ſelbſt den Preis, 
Der fein geringer jein joll und mein Kind 
Begehrenswert wird machen Fürjten jelbit. 
(E3 beginnt zu dunfeln. Konrad von Antiodhien fommt einhergerannt.) 
Konrad von Antiochien. Gott Hat mich in die Hände Euch 
geführt. 
O ſeid barmherziger, als dieje Franken, 
Die niederjtoßen jelbit, was wehrlos ijt 
Und Wunden trägt! 
Frangipani (im Ton des Spottes). Zu lebtern zählit Du faum. 
Konrad von Antiochien. Doch fließt nicht Kaifer Friedrichs 
Blut in mir? 
Srangipani. Dies wäre mehr ein Grund noch, Dih zu 
töten ! 
Konrad von Antiochien. Ihr waret doch Anhänger au von 
ihm, 
Der Euch dafür erhöht durch jeine Gnade. 
Es fann nicht fein, daß Ihr im Ernſt mir droht! 
Frangipani. Daß e8 mir Ernſt, ſollſt Du wohl bald er- 
fahren. 
Folg' mir zur Schludt dorthin! 
(Er zieht den Dold).) 
Fort! wenn Du zögerft, 
So jtoß’ ih Dir den Stahl ins matte Herz. 


⸗ 


368 Konradin, 
Konrad von Antiohien. Laßt Euch bewegen durch, mein Miß- 


geſchick! 
Im Staube hier umfaſſ' ich Eure Kniee. 
Frangipani. Staub kehrt zu Staub. Spart Eure kind'ſchen 
Bitten. 
Dorthin zur Schlucht! 
(Er bricht einen Zweig ab, den er als Gerte gebraucht.) 
So zähmt man Euresgleichen! 
(Beide entſchwinden in der Schlucht. Pauſe, während der man neuen Kampflärm vom 
Zager her vernimmt. Es beginnt zu nachten, dabei ijt der Himmel mit Wolfen bebedt. 
Kroff von Flüglingen tritt ſchwer verwundet auf, von Hermann von Hürn— 
beim geführt.) 
Hermann von Hürnheim. Hier will ich trachten, Euch das 
Blut zu jtillen, 
Kroff von Flüglingen. Laß es Hinfließen nur! Der Tod er- 
part mir, 
Daß ich das Ende Konradins erlebe. 
MWie bat ich ihn, nicht feine ganze Macht 
Im tollen Ungejtüm aufs Spiel zu jegen 
Und für den Rüdhalt auch bejorgt zu jein! 
Doc blieb er taub mir, wie voreinſt der Mutter, 
Die ihn jo jehr bejtürmt, nicht auszuziehn 
In dies To ſchöne, doch unjel’ge Land. — 
(Er bricht jeufzend in jih zufammen.) 
Hermann von Hürnheim Auch daß er fi in Rom nicht 
warnen ließ, 
Hat ihm gar eine bittre Frucht getragen. — 
Hört Ihr mich no? — Er fchweigt, die Seele floh 
Und weilt bereits in einer beſſern Welt. 
(Indem er noch bewegt den Toten betragtet, tritt Konradin, das Banner in der 
Hand und von fliehenden Kriegern umgeben, auf. Ihm folgt in einem furzen 
Bmwijhenraum Friedrich und diefem Lancia mit feinen beiden Enfeln und Do— 
noratico.) 
Konradin (su den Fliehenden. Steht! Steht! Laßt euch beim 
höchſten Gott beſchwören! 
Könnt ihr als Männer ſo kleinmütig ſein, 
Und, Lämmern gleich, euch vor dem Wolfe flüchten? 
Was hat euch die Beſinnung ſo geraubt? 
Friedrich erblickend.) 
Hilf, Friedrich, mir, neu ihren Mut entflammen! 


v 


Vierter Aft. Erfte Scene. 369 


Friedrich. Wie glüdte mir, was Dir nicht mehr gelingt? 
Das Schickſal hat ſich wider uns verfchworen ! 
Donoratico. Es iſt zu ſpät, Ihr fünnt eg nimmer wenden, 
Bewahrt Euch für die Zukunft und entflieht! 
Konradin. Entfliehen? Nennt das Wort mir nimmermehr! 
Donoratico. Den Helden, und als jolcher jtrittet Ihr, 
Erniedrigt nicht, was nur den "eigen jchändet ! 
Uns jeid Ihr's ſchuldig, Euch zu retten, uns, 
Da unsre Hoffnung nur auf Euch berudt. 
Lancia, Sucht zu gewinnen irgendwo die Küſte 
Und zu entfommen auf ein fichree Schiff, 
Das Euch hinüber nach Sieilien bringt, 
Wo Piſas Flotte großen Sieg gewann 
Und Euch Gapece jubelnd wird empfangen! 
Donoratico. Ihr werdet dort ala Fürft das Land betreten, 
Und jeden Tag wird wachlen Eure Macht! 
Konradin 6u Friedrich. Was hältit Du von dem Plane? 
Friedrich. Keinen giebt’3, 
Der tröftlicher in unſrer Not erklänge! 
Konradin. So jchlagen wir den Weg zur Küfte ein! — 
Sit fund hier einem, wo Ajtura liegt ? 
Lancia, Herr, wohl befannt iſt mir die nahe Gegend, 
Doch Frangipani hat fie im Beſitz. 
Konradin, Er ward erblidt am heut’gen Tage hier 
Und fann ung darum dort nicht gleichfalls ſchaden. 
Auch iſt es feine edelmüt’ge Tochter, 
Zu der ich eile, wie ich’S ihr veriprad). 
Hermann von Hürnheim. Herr, fünnte diefeg Treuen Mund 
noch reden, 
Er würde warnen Dich, wenn auch umſonſt! 
Konradin (ven Leichnam des Marfgalts erblidend). Cr auch gefallen! — 
Doc wer wollte hier 
Solch einem Schläfer feinen Schlaf mißgönnen? — 
Novello auch gewann den Heldentod. 
Donoratieo. ch hätte größres Anrecht noch darauf! 
Friedrich. ALS ich hierher, Dich aufzujuchen, drang, 
Sah ich Enricos herrenlojes Pferd 
Im abendlichen Schein durchs Blachfeld jagen! 


270 Konradin. 


Konradin. So fiel auch er, und jeine Ränke ruhn! — 
Doh Nacht beginnt die Erde zu bededen, 
Und noch ein weiter Raum trennt uns vom Meer 
Und von Aſturas Binnen. 
Hermann von Hürnheim. Bleibt Ihr, Herr, 
Auch meiner Warnung taub, jo laßt doch zu, 
Daß ich, voraus Euch eilend an den Strand, 
Ein tüchtig Boot für Euch beitelle. 
Konradin. Thut jo, 
(Er zieht feinen Ring ab.) 
Und mit dem Ring bezahlt den Schifferlohn — 
Es iſt der legte Schatz, der mir verblieben. 
Sagt ihr, e& hätte niemals Konradin, 
Mas Biolante ihm gelobt, vergeflen, 
Und da er ohne Rüdhalt ihr vertraue, 
So leg’ er fein Geſchick in ihre Hand. 


(Indem fih Hermann von Hürnheim entfernt, fällt der Zwifchenvorhang.) 


Zweite Grene, 


(An der Küfte von Aftura mit dem Ausblick auf das ragende Cap der Eirce, Born 

das getürmte Schloß mit angebauter Kapelle, zu dem eine Zugbrüde hinüberfilhrt. Im 

Mittelgrund eine Fijcherhütte und der Port, den eine in das Meer auslaufende Düne 

begrenzt. Auf derjelben liegen ein paar Boote, ein fleines bei ver Landſpitze, ein ge— 

räumiges vorn an dem Landungspla&; dieſes ijt mit einer Kette an das Ufer ange- 

ihlofien. Zwei Schiffer find am Strand mit dem Ausſpannen von Neken be— 
ihäftigt. Biolante wandelt im Vordergrund unter Bäumen.) 


Violante. Die Ruhe Ihwand, ich fühl’ es, mir für immer 
Seit jener Stunde, die mi Konradin 
Erbliden ließ; im Wachen und im Träumen 
Beihäftigt mich allein jein Hohes Bild, 
Und wo ich ruhen oder wandeln mag, 
Erzählt mein ſtürmiſch Herz mir nur von ihm. 
In jeder Welle, die ans Ufer dringt, 
In jedem Windhauch, der den Turm durchftreicht, 
Vermein' ich eine Stimme zu vernehmen, 
Die von ihm fpricht, ja oftmals fommt mir's vor, 
Ich Hör’ ihn jelbit. — Dann pocht das Herz mir laut, 
Doch ach! ſchon in dem andern Augenblid 
Erkenn' ich meinen Irrtum und verwünfche 
Mein einfam 203, das ihm entfernt mich Hält. 


Vierter Akt. Zweite Scene. 971 


Was kann, jo überleg’ ich dann, ihm bringen 
Die nächſte Zukunft ala gewiſſes Los? 
Entweder Glüd im Felde und die Ehren 
Des Sieges, oder Untergang und Tod, 
Wenn Flucht ihn nicht errettet. — Flucht zu mir! 
Welch Glück im Unglück würde das bedeuten! 
Ihm dürft’ ich die bereite Hülfe bieten, 
Sich zu entziehn dem grimmigen Berfolger, 
Und mir dafür verichaffen einen Thron 
In feinem Herzen, den ich vor der Welt 
Ein Recht jogar gewänne zu bejteigen. 
So würde mir, was ich erjehnt, zu teil. 
D Hilf, Madonna, ſchenk' mir Dein Erbarmen, 
Laß Hülfe finden ihn in meinen Armen! 
(Sie tritt in die Kapelle.) 
Der alte Schiffer. Was ſie mit dem geräum’gen Boot nur 
will? 
Der junge Schiffer, In aller Frühe heut’, als jich die Sonne 
Dort aus den Wellen eben erjt erhob, 
Hat ſie's big auf die Segel durchgemujtert, 
Als hätt’ fie eine Fahrt darauf im Sinne 
Bis nad Sicilien und wer weiß wohin. 
Der alte Schiffer. Bei ihrem Vater hätt' ich’3 mehr be— 
griffen ; 
Der hat nicht Ruhe lang’ an einem Ort, 
Doch jetzt läßt ihn der Anjou nicht mehr los. 
Der junge Schiffer. Es war, bei Gott, vom jungen Kon— 
radin 
Ein fühnlich Unternehmen! 
Der alte Schiffer. Und ich fürchte, 
Er wird e3 teuer auch genug bezahlen! 


Der junge Schiffer. Da kommt ein deutſcher Kriegamann 
voller Eile! 


(Hermann von Hürnheim tritt auf.) 
Hermann von Hürnheim, Sit dieg Aſturas Port? 
Der alte Schiffer. Zu dienen, Herr, 
Und der dag Schloß bewohnt, heißt Frangipani. 
Hermann von Hürnheim. Derjelbe weilt wohl gegenwärtig 
hier? 


373 Konrapdin. 


Der alte Schiffer. Das fommt allein in ruh’gen Zeiten vor, 
Doch ſolche Hatten wir ſchon lang’ nicht mehr, 
Indes vom Haufe weilt die Tochter da. 

Hermann von Hürnheim (beifeite. Gott laſſe ihrer Schlinge 


ung entfommen ! 
(Taut.) 


Es mangelt mir an Zeit, ihr aufzumarten, 
Doch könntet Ihr Euch guten Lohn verdienen, 
Wenn Ihr in tücht'gem Boot, das zu bemannen 
Ihr hättet und mit Vorrat zu verjehn, 
Berirrte Ritter aufnähmt — 
Der alte Schiffer. Und wohin 
Wohl hätten wir zu fteuern mit dem Boote? 
Hermann von Hürnheim. Das jollt Ihr erjt auf offnem Meer 
erfahren. 
Der alte Schiffer (mas dem Heinen Boot hinausweiſendd. Menn Ihr 
mit jenem Schiff Euch könnt begnügen, 
Wir ſind bereit — 
Hermann von Hürnheim. Doch liegt ein größres da. 
Der alte Schiffer. Das dient der Herrin, die es angefettet! 
Hermann von Hürnheim. So bleibt’3 beim andern. Nehmt 
voraus den Lohn! 
(Er reiht ihm Konradins Ring.) 
Der alte Schiffer (wen King betrachtend. Herr, daB ih Wucher 
treibe, jteht mir fern, 
Wie Ihr wohl glaubt — 
Hermann von Hürnheim. Er dient an Geldes Statt 
Und wird die Mühe reichlich Euch vergüten. 
Der alte Schiffer (ven King betragtend). Nun, wenn Ihr ſonſt 
nicht3 Bares bei Euch Habt — 
(Zum jungen Sdiffer.) 
Schau’, daß Du Münze drauf im Schloß befommit. 
Hermann von Hürnheim, Für jolches Pfand fünnt Ihr doch 
leicht uns borgen! 
Der alte Schiffer. Die Koſt will auch beichafft jein. — Lauf’ 
nur zu! 
Der junge Schiffer (damit enteilend). Der ihn getragen, kennt wohl 
feine Not! 


Vierter Alt. Zweite Scene. 273 


Hermann von Hürnheim (ür ſich. Wenn nur der Ring nicht 


feinen Herrn verrät! 
(LZaut.) 


Mir treffen dort uns bei der Düne wieder. 
Der alte Schiffer. Wie's Euch beliebt, die Schiffer find zur Hand. 
(Hermann von Hürnheim begiebt fih nad dem angefetteten Boote.) 
Daß ih das Kleinod mußte von mir geben! 
Wer fann jo leicht es ſchätzen, was es wert? 


(Er entfernt fih in der Richtung nad) der Fifherhütte. Der junge Schiffer ſtößt auf 
Violanten, die eben aus der Kapelle tritt.) 


Violante. Wohin jo atemlos ? 
Der junge Schiffer. Zum Kaſtellan, 

Ob auf ein Pfandſtück er nicht borgen will. 
Violante. Gieb, lab es jehn! 

(Er giebt ihr den Ring.) 
Bei allen Heil’gen, ſprich, 
Wie famjt Du in Befit von diefem Ringe? — 
(Für fid.) 

Welch eine Ahnung jteigt mir plöglich auf! 
Der junge Schiffer. Durch einen Rittergmann, der ung gemietet. 
Biolante (Hermann von Hürnheim beim ferneren Boot erblidend). Iſt es der 

Alte dort? 


Der junge Schiffer, Ja, mit Berlaub. 
Biolante. Und frug er nicht nach mir? 
Der junge Schiffer. Daß ich's nicht hörte! 


Biolante (ur ſich. Wie joll ich’S deuten? — Hol’ ihn mir herbei! 
(Der junge Schiffer eilt zu Hermann von Hürnheim.) 
Der ftolge Traum ſoll in Erfüllung gehn! 
Ich ahn' es, troß des widerwill’gen Boten, 
Als Fliehender eilt Konradin zu mir, 
Und jeine Freiheit will er mir verdanken. 
Er ſoll es nicht bereu’n, beim Heil der Liebe! 
Doch nicht zu offen darf ich mich erklären, 
Erforſchen muß ich erſt, wie er gefinnt! 
(Indem fie Hermann von Hürnheim, der mit dem jungen Schiffer herangefommen, be= 
trachtet.) 


Ich Hatte ſchon in Rom ihn auch erblickt. 


(Zu Hermann von Hürnheim.) 
Der Zufall hat Euch wohl dahergeführt? 
Greifs Werte. IH. 18 


274 Konradin. 


Hermann von Hürnheim (in varſchem Ton). Ihr glaubt das jelber 
nicht, was Ihr da redet! 
Biolante. Wohl hätte mich der Ning belehren fünnen, 
Von dem fein Eigner nur aus Not fich trennte. 
Sucht Ihr ein Schiff für ihn, jo taugt nur dieſes. 
(Sie führt ihn rüdmwärts zu dem größeren Boot. Konradin und Friedrid treten 
auf, gefolgt von Lancia und deſſen Enfeln, fowie von Donoratico. Der alte 
Schiffer naht wieder mit andern Schiffsleuten, die fich indes verfammelt. Der 
junge Schiffer begiebt fi) zu ihnen.) 
Konradin (och Hinter der Bühne). Die jumpferfüllte Wildnis hat 
ein Ende; 
Hier liegt Ajtura und das Meer vor uns. 
Friedrich (Hervorgetreten). Wie nahe dort das Kap der Girce winkt! 
Konradin. Der Himmel fügt es günftig. Siehe hier! 
(Sich Violanten nahend.) 
Empfangt jo freundlichen, als ernjten Gruß. 
Der teilnahmspollen Mahnung eingedenf, 
Die Ihr bemüht an mich zu richten waret 
Damals in Rom, jeht Ihr mich hier erjchienen 
Mit wen’gen zwar, doch mut’gen Kampfgefährten, 
Um, der Gewalt entfommen unfres Gegners, 
Das offne Meer beizeiten zu gewinnen 
Und damit auch die Bahn zu bejjrem Glüd. 
(Sie reichen ſich die Hände.) 
Biolante. Bejtürzt vernehm’ ich die jo bittre Kunde, 
Und um jo mehr verjeßt fie mich in Schred, 
As ih aus Eurem Mund zuerjt fie Höre, 
(Mit einem Blick auf Hermann von Hürnheim.) 
Denn Euer Bote mied es, mir zu nahn! 


Hermann von Hürnheim (ur Seit). Er hatte wahrlich guten 
Grund dazu. 
Konradin. Erblidt darin fein vorbedachtes Thun! 
Biolante. Doch jett den Fall, es hätte diefer Ring, 
Den ich durch Zufall nur in Händen halte, 
Euch nicht verraten auf befondre Weiſe, 
Wie hätt’ ich Eure Ankunft fonjt erfahren ? 
Konradin (verwundert). Wie anders, als durch mich, den Ihr 
geladen ? 
Violante (eifeit). Es zog ihn her zu mir, ich täufch’ mich nicht! 
Friedrich. Der König trug Erinnrung Euch im Herzen. 


Bierter Alt. Zweite Scene. 275 


Lancia. Sa, mehr als dies, das ficherjte Vertraun. — 
Donvratico. Daher auch fein Entſchluß gleich feſtgeſtanden. — 
Violante. Wofür Euch, Herr, mein Dank für ftets gebührt. 
Doch zum Beweis, daß ich auch Eurer dachte, 
Seht hier dies Boot bereit, Euch aufzunehmen. 


(Auf Konradins Wink begeben fich jeine Begleiter und die Schiffer zu dem Boot, das 
Hermann von Hürnheim mit dem jungen Schiffer bejteigt.) 


63 fehlt an Speife nit und Trank darinnen, 

Noch auch an einem weichen Ruhelager, 

Auf dem Ihr raten könnt nach jolcher Mühjal. 
Konradin. Ihr dachtet treulich meiner in der Verne! 
Violante. Auch weiterhin noch jorgt’ ich für Gewandung 

Nah Schifferart, die Euren Stand verbirgt, 

Wie den auch Eurer flüchtigen Genofjen. 
Konradin. Das alles jtelltet in der kurzen Zeit Ihr her? 
Bivlante. Kaum heimgefehrt, begann ich mit der Arbeit, 

Und gejtern exit gönnt’ ich vom Werk mir Ruhe. 
Konradin, Es Ienkte, traun, Euch ein prophet'ſcher Blid, 

Für meine Sicherheit bedacht zu ſein! 

(Er reicht ihr die Rechte.) 
Biolante, Leicht wird die Mühe, treibt das Herz ung an! 
Konradin. Dies jchmälert nicht dem Opfer das Berdienit. 

Wie würde meine Mutter erjt Euch danken! 

Violante (den King wieder hervorziehend). Doch frag’ ich ſtaunend: 
wo fein Lohn von nöten, 

Was joll der Ring als Pfand? Nehmt ihn zurüd — 
Konradin (ven King zurückweiſend). Behaltet ihn zum ew'gen Ans 

gedenken 

An den Geretteten, an Konradin, 

Der Euch die Treue anders nicht kann lohnen! 
Biolante. Sch trachte nicht nach einem andren Dante, 

Als den mir Euer Herz bewill’gen mag. 

Konradin. Dies Wort ehrt Euch jo Hoch, als Eure That! 

Und mich verdrießt es drum, daß mir die Eile 

Es nicht gejtattet, Euer Gaſt zu fein, 

Doch hoff' ich dieſes Glücks noch zu genießen, 

Wenn ich das Waffenglüd erſt hergeitellt. 

Denn ob befiegt ich mich zur Flucht auch wandte, 

Sp dent’ ich doch inmitten aller Not 

Des treuen Reichs, das jich für mich erhoben 

18 


276 Konradin. 


Und meiner Hilfe doppelt jet bedarf: 
Ich nahın mir dor, Sicilien zu erreichen. 
Biolante. Und jtört es Euch, wenn ich dahin Euch folge? 
(Nach einer Paufe.) 
Was wären all die Kleinen Opfer wert, 
Wenn ich das höchjte nicht auch bringen wollte, 
Euch zu begleiten, wo auch hin Ihr flieht ? 
Konradin. Was aber wolltet Ihr jo ferne thun ? 
Biolante, An Eurer Seite Euer Schiefal teilen, — 
Euch pflegen und beraten, wenn es not. 
Konradin. Doch hätte dies Gefahren im Gefolge! 
Biolante. Was fragt das Herz viel nach Gefahr und Mühſal, 
Wenn e3 nur jein Verlangen weiß erfannt! 
Konradin. Doch jo fein Wunjch nicht alles ihm bedeuten: 
Nur, was wir jelbjt verjagen ung, iſt Opfer. 
Violante (nah kurzem Nachdenken). „Nur, was wir jelbjt verſagen 
ung, iſt Opfer!” — 
Ihr kamet alfo, Euch von mir zu jcheiden, 
Und Eure Huld bleibt Gnade, doch nichts weiter? 
Konradin. ch kam, den Geift gerichtet auf das Werk, 
Das einzig die Gedanken mir erfüllt 
Und feinem andren Wunjche Raum mehr läßt. 
Violante. Was niemand mehr, ala ich, Euch nachempfinde, 
Und darum bitt’ ich, laſſet teil mich nehmen 
An diefem Werk, das nicht nur Eurem Volke, 
Kein, auch Stalien, ung zu jtatten fommt! 
Konradin. So wollt Ihr Euren Vater jelbjt befriegen, 
Der und erbittert, wie Ihr wißt, befämpft ? 
Violante. Da ich für uns das Heil von Euch erwarte, 
Co denk' ich an den Vater nimmermehr; 
Doch wenn Ihr Zweifel hegt an meiner Treue 
Und ſelbſt Verrat vielleicht von mir befürchtet — 
Konradin (einfauend). Wo denkt Ihr Hin? — Wenn Argwohn 
in mir wohnte, 
Sch hätte nicht Aſtura aufgejucht. 
63 lag der Weg nach Rom mir gleichfalls offen, 
Wo ich nah Scharen meinen Anhang zähle. 
Biolante (mit erhöhter Stimme). So lang’ im Glück Ihr waret, 
jeßt nicht mehr. 
hr jtaunt und finnt, ob ich auch Wahrheit rede, 


Vierter Alt. Zweite Scene. 977 


So hört, wie alles fam, und dann entjcheidet, 
Ob ich Vertraun verdiene oder nicht. 


(Sie zieht ihn noch mehr in den Vordergrund, die iibrigen beobadten dag Weitere 
mehr zurüdjtehend.) 
So jehr, ala ih Euch nun ergeben bin, 
So ohne Grenzen Haft’ ich Euch zuvor; 
Selbſt Euch zu töten galt mir für erlaubt, 
Sa, mehr noch, für das rühmlichite Beginnen. 
Doch bald genug vergaß ich dies Gefühl 
Und ich verwünschte, tiefbeſchämt durch Euch, 
Die ganze Härte meiner jchuld’gen Bruft. 
Ich drängte mich gewaltjam durch die Menge 
Und rief in fie das jchredliche Geheimnig. 
Das Weitre wißt Ihr jelbjt, wißt, wie zum Dante 
Für Eure Großmut ich, zurüdgefehrt, 
Euch daS Verſprechen auf die Seele band, 
Das, faum erfüllt, Ihr zu bereuen jcheint, 
Obgleich ich treulich Euch mein Wort gehalten, 
Wie Ihr gejtehen müßt, wenn Ihr mich liebt — 

Konradin. Stets hegt’ ich Achtung vor Euch, und ich jchäßte 
Drum auch die Neigung, die Ihr mir bekundet, 
Doch daß Ihr wagen würdet, mehr zu fordern, 
Dies wähnt’ ich nicht. 

Biolante, Ihr könntet mir zerjtören 
Die einz’ge Hoffnung, die mein Herz befeelt, 

Und die Ihr ſelbſt zuerjt in mir erwecktet, 
Der Unbekannten? Nein, Ihr könnt es nicht! 
Ihr jeid zu edelmütig, jo zu handeln. 

Konradin. Sch bin Euch dankbar, Hold und zugethan 
Und werd’ e8 Euch bis an mein Ende bleiben, 
Das nah’ vielleicht, mehr fordert nicht von mir! 

Violante. Nicht mehr? Nur diefen Trojt, der feiner ijt? 
O ſetzt mein Herz nicht grauſam auf die Probe! 
Es fann nicht jein, daß ernjtlich der Berzicht, 

Den hr in fühlem Worte fund gegeben 
Der Stürmifchen, die Euch unendlich Liebt! 
Sprecht Wahrheit mir und endet jo mein Bangen 


Konradin. Sch wiederhole, laßt es Euch genügen! 
Es iſt nicht Stolz auf Würde und Geburt, 


278 Konradin. 


Noch jonjt ein Vorurteil, das mich verhärtet: 
Es iſt die Stimme der Gerechtigkeit, 
Die mich berät und mein Empfinden leitet. 
Was Ihr an mir gethan, mich zu erretten, 
Das hab’ ich Euch vergolten ganz und gar, 
Indem ich Euch dafür den Vater losgab, 
Sp wenig er die Gnade auch verdiente, 
Wie er durch fortgejegten Haß bewies. 
Bon ihm verraten, irre’ ich arm umher, 
Drum räumt am wenigjten mein Mißgejchie 
Ein Recht Euch ein, al3 Lohn von mir zu heifchen, 
Was ich aus Neigung nicht gewähren fann. 
Biolante. Ihr jprecht von Lohn, wo Liebe nur gebietet, 
Die ih um Euch verdient durch mein Erdulden! 
Geihah es doch um Euretiwillen auch, 
Daß ich zerfallen bin mit meinem Bater, 
Mit deſſen Thun ich nichts gemein mehr habe, 
Was hr vielleicht bisher noch nicht vernommen. 
Drum laßt mich länger nicht in Ungewißheit! 
Sprecht aus das Wort, das jeden Zweifel endet, 
Und das Ihr nimmermehr bereuen jollt, 
Das rückhaltloſe Wort: ich liebe Dich! 
(Ihn umfangend.) 
Hab’ Mitleid mit der Reu’gen, die Dir treu 
Und mehr als alle, die fich dejjen rühmen! 
Blick' Hin auf das geräum’ge Schiff vor dir, 
Das ich Dir zugerüjtet und bemannt, 
Damit es ficher Died dem Strand entführe 
Und Du mit mir dem Sieg entgegeneilejt! 
Konradin (ich ihren Armen entwindend). Laßt ab von mir! hr 
fordert allzuviel! 
Laßt es bewenden bei der Freundin Namen! 
Sch bin ein Deutfcher, eine Deutjche nur 
Soll die Erforne meines Herzens ſein! 
(Es beginnt zu nadten. Der Mond fteigt über dem Meer empor und beleuchtet die 
Scene.) 
Violante (zurücktaumelnd). Weh' mir, wie dringt dies Wort mir 
in das Herz 
Und Löjcht darin mir jede Hoffnung aus! 
Weh' mir, mein Traum entjchwand! Dein faljcher Sinn, 


Vierter Akt, Zweite Scene. 979 


Gefejjelt war er ſchon. Nun fühl’ ich exit, 

Wie thöricht mein jo blind Bertrauen war, 

Das meinen Widerwillen gegen alle, 

Die Deines Stammes find, in Neigung fehrte. 

Sch habe fie in mir um Dich erjtidt, 

Des angeborenen Gefühles Stimme, 

Und habe Dir zu Liebe preisgegeben 

Den Bater und mein Volk, das Baterland, 

Ja deſſen Fluch auf mich herabgezogen 

Um Dich argwöhnifch-unbeftänd’gen Mann! 

(Konradin wendet ſich von ihr.) 

Nun jeh’ ich wieder Dich, wie ich Dich jah, 

Da nicht geblendet war mein Blid durch Dich 

Und nicht bethört durch Schmeichelei mein Herz, 

Die Du gefühllos dort an mich verjchivendet! 

Doch Deinen Wanfelmut wirft Du bereu’n, 

Wann es zu jpät zur Umkehr und Dein Ruf 

Nach mir hierher in leerer Luft verhallt! 

Berlafjen wirft erliegen Du dem Yeinde 

Al Opfer Deines ungerechten Stolzes, 

Zur Sühne des Verrat? an meinem Herzen, 

Und fallen wirjt Du, eh’ der Mond fich füllt! 
(Ein langer Hornruf wird aus der Ferne vernommen. Konradin und jeine Begleiter 
geraten in Bewegung. Dieje, Hermann von Hürnheim voran, ftürzen nad) dem Boote, 


das fie loszuketten juhen. Die Sciffersleute eilen, die Flucht unmöglich zu machen, 
nad dem anderen Boote, aus dem fie die Ruder nehmen.) 


Schnell ijt der Rache Flug! Mein Bater naht, 

Doch nicht allein, der König fommt mit ihm: 

Ich hör’ es am Gejaide diejer Jagd, 

Daß Du das Wild bijt, dem fie auf der Fährte! 

Du dachteſt ins Gericht mit uns zu gehn, 

Doch über Dich bricht es nun jelbjt herein! 

Nicht goldne Feſſeln werden Dich umklirren, 

Wie Enziv dort fie in Bologna trägt, 

In Ketten wirjt Du liegen trojtberaubt 

Und nach der Freiheit Luft vergeblih ſchmachten! 
Hermann von Hürnheim. Raſch in dag Boot! Herr, eilt, e8 

zu bejteigen! 

Sriedrih. Auf, Konradin, und zög're länger nicht! 

Wir fünnen auch allein das Ruder Führen. 


280 Ronradit. 


Konradin, So wollen wir's verfuchen denn mit Gott! 
(Indem er nad dem Boot jid) wendet, tritt ihm Violante entgegen.) 
Violante. Glaubjt Du, es Tällt jo leicht, mir zu entrinnen ? 
Gefejjelt liegt das Boot durch meine Hand 
(Den Schlüffel erhebend.) 
Und ohne mich wirt Du es los nicht fetten. 
Noch einmal frag’ ih Dich, vernimm mich wohl! 
Willſt Du mit mir entfliehn ins offne Mteer 
Und Dein Gejchid dem meinigen verbinden 
Für immerdar und ohne Vorbehalt? 
Wenn nicht, jo jag’ ich Dir Dein Los voraus: 
Du opferjt mit der Freiheit auch Dein Leben! 
Konradin. Laß ab! Sch that Dir meinen Willen fund 
Und feine Drohung wird ihn je erjchüttern! 

Friedrich. O Gott, wir find in einer Girce Händen! 
Hermann von Hürnheim. Auf und bewält’gen wir die Teufelin ! 
(Er dringt auf fie ein.) 

Violante (ihnen ausweichend). Verſucht es nur! Sch jpotte der 
Gewalt! 


(Zu Konradin.) 
In Rache kehrt verſchmähte Liebe ſich; 
Nun ſollſt Du mich als Feindin kennen lernen! 
Den Schlüſſel ſchleudr' ich in das Meer hinaus — 
(Sie ſchleudert den Schlüſſel in das Meer.) 
Jetzt Hol’ ihn Dir und fliehe, wenn Du fannjt! 
Friedrich. Wir find verloren, dorther nahn ſie ſchon! 
Biolante. Herbei! Hier jteht der Flüchtling, den Ihr ſucht. 
(Bemwaffnete dringen auf die Bühne, denen Karl von Anjou und Frangipani 
folgen. Biolante fteht unbeweglich da.) 


Frangipani. Ich hatte, Herr, die richt’ge Ahnung doch! 
Karl von Anjou. Fürwahr, er iſt's, und wenig nugte ihm 
Der Borjprung, den er auf der Flucht gewann! 
Nun find wir doppelt Sieger dur dag Schickſal. 
Der junge Adler wollte ſich erheben, 
Bevor ihm flügge jeine Schwingen noch, 
Und jtürzte um jo jäher in die Tiefe. 
Ergreift und legt in Banden den Verräter! 
Hier endet feines Wahnſinns Herrjchertraum. 
Konradin (ih zur Wehr jegend). Du drohſt zu früh, noch find wir 
nicht entwaffnet! 


Vierter Alt. Zweite Scene. 981 


Friedrich (ebenfaus ziehend). Verteidigen wir unjer Leben, Bruder, 
So lange noch ein Tropfen Bluts in ung! 
(Auch die Gefährten Konradins züden ihre Schwerter. ES dringen immer neue Bes 
waffnete auf die Bühne.) 


Karl von Anjon. Als Du die Ubermacht gehabt, erlagjt Du; 
Nun möchteſt Du der Übermacht gebieten, 
Doch jeß’ ich Deinem Prahlen jet ein Ende; 
Und noch einmal, ergreift den Hochverräter! 
Konradin (u den Seinen. Sie find ein Heer, und wir ein Häuf- 
lein nur, 
Der Widerjtand ijt nußlos, Gott bezeugt's! 
(Zu Karl von Anjou.) 
Mit vielen Hunden hetzeſt Du das Wild, 
Blutdürjt'ger Jäger, ins arglijt’ge Ne! 
Karl von Anjon. Der Jäger jchuldet Schonung nicht dem 
Milde, 
Doch, da dag Recht des Stärfern Du erkannt, 
So leijte auf den Knien mir Unterwerfung! 
Konradin. Dies zu erzwingen bijt Du nicht imjtande! 
Die Huldigung als Herr verweigr’ ich Dir. 
Du haſt geraubt, was ich befiten jollte, 
Und, da Du es durch Frevel nur gewannft, 
Sp willjt Du e& durch neuen Frevel jchügen: 
Zum Diebsgewerbe fügjt Du das des Mörders! 
Karl von Anjou. Ich Jorge, daß Dein Läftermund verjtummt 
Für allezeit! 
Friedrich und jeine Gefährten. Fluch Anjou, Fluch dem Wütrich! 
(Die Bewaffneten umringen die Flüchtlinge.) 
Konradin (zu Violante, die zu ihrem Bater getreten). Und nun ein Wort 
zum Abjchied noch an Euch! 
Getäufcht habt Ihr mein allzugroß Bertrauen 
Al würd’ge Tochter Eures niedern Vaters. — 
Dafür, daß ich an beider Wort geglaubt, 
Ward ich von beiden unerhört betrogen. 
(Er löft das Amulet vom Hals und wirft es mit einem fchmerzlich vorwurfspollen Blicke 
ihr vor die Füße.) 
Das hätt’ ein deutſches Mädchen nicht gethan! 
(Biolante zudt zufammen. Indem die Bewaffneten von neuem auf Konradin eindringen, 
fällt der Vorhang.) 


Ende des vierten Aktes. 


Süllter uk: 


Erſte Scene. 


(Ein Kerker zu Neapel. Konradin und Friedrich ſitzen an einem Tiſch, mit 
Schachſpiel beſchaͤftigt.) 
Friedrich. Siehſt Du den Turm denn nicht, der Dir be— 
droht 
Schon wiederum den Springer? 
Konradin. Wo? — Doch ja — 
Friedrich. Ich fand noch nie Dich ſo zerſtreut, wie heute, 
Und darum ohne alles Glück im Spiel. 
Auch hier der Turm bringt in Gefahr ihn wieder. 
Konradin. So ſetz' ich ihn hierher. 
Friedrich. Dann ſchlag' ich ihn 
Mit meiner Königin. 
(Er nimmt die Figur.) 
Konradin. Wohl Recht geichieht mir; 
Nun aber will ich mich zujanmmennehmen. 
(Er thut einen weiteren Zug.) 
Sriedrih. So jag’ ih Schad an Deiner Königin! 
Konradin. Hierher verbring’ ich fie in Sicherheit. 
Friedrich. Bleibt e8 dabei? So nehm’ ich jie von da. — 
Wo bift Du in Gedanken, Konradin ? 
Konradin. Ich weiß nicht, wie jo jeltfam mir zu Mute. 
Was ich auch thun mag, e& verfolgt mich jtets 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 283 


Das Schredensbild von König Manfreds Ende. 

Bon unbekannter Hand im Kampf erichlagen, 

Blieb lang’ jein Schickſal dunkel, da verbrachte, 

Gebunden auf dem Rüden feines Maultiers, 

Ein Mann vom Troß den Leichnam vor den Sieger 

Und alle, die im Leben nah’ ihm jtanden, 

Bejahten auch, daß er es wirklich ei, 

Doh ohne eine Regung zu verraten. 

Freund Lancia nur, befragt zulegt darum, 

Berbarg fein Angeficht und rief voll Schmerz: 

Mein teurer Herr, was ijt aus uns geworden ? 

Die Ritter Anjous jtanden da gerührt; 

Doch er blieb jtarı und ließ ihn unbejtattet, 

Borgeblich weil er nicht vom Bann erlöft, 

Und als fich dort ein Hügel ihm erhob, 

Bon Feindes Hand aus Steinen aufgetürmt, 

Riß er den Toten aus der Erde wieder 

Und jtreute in die Winde jein Gebein: 

63 war der Neid, der ihm das Grab mißgönnte! 
Sriedrih. Auf ihn, den Schänder fällt die Schmach zurücd! 

Doch braucht Dich jein Geſchick nicht zu bedrüden, 

Denn er war feines Spruchs, wie Du, gewärtig. 
Konradin. Bedenke, was der Herold ung bejtellte, 

Und welchen Martertod mein armer Better, 

Konrad von Antiochien, jterben mußte: 

Geblendet ward er an den Pfahl geknüpft, 

Um endlos langen Qualen zu erliegen. 
Friedrich. Er fiel als Memme in des Feindes Hand! 

Da Du, von allem andern abgejehn, 

Dich Deiner Hohen Abkunft wert eriwiejeit, 

Sp wird, ob ungern auch, Di Anjou jchonen, 

Auf daß ihn nicht die ganze Welt verdamme! 
Konradin. Bon Schonung haben wir noch nichts erfahren! 

Mein Oheim Enzio, in Bologna Haft 

Schon manches lange Jahr, verdiente Neid: 

Ihm hat fich dort, da Liebe ihn beglüdt, 

Und da Gejang und Saitenjpiel ihn tröjten, 

Dez Kerkers Raum zu einer Melt erweitert, 

Die reicher iſt, als feine Zwingherrn ahnen. 


284 Konradin. 


Friedrich. Doch möcht' ich Dir ſein Daſein nimmer wünſchen! 
Die Jugendzeit währt ja nicht allzulange, 
Und haben wir ſie einſam zugebracht, 
Was dann bedeutet noch das andre Leben? 
Viel lieber raſchen Tod, als langen Harm. — 
Doch wir vergaßen ganz ja unſer Spiel. 
Konradin. Ich habe meine Königin zu decken. 
(Ex zieht.) 
Friedrih. Schach Deinem König und auch Matt dazu! 

(Die Schlüffel gehen in der Kerferthür. Beide jhauen vom Spiel auf. Es treten ein 
der Kanzler Robert von Bari und einige Edelleute, die vom Kerfermeijter 
eingelafjen werden.) 

Nobert von Bari (su Konradin). Ich komme auf des Königs 

Karl Geheiß, 
Den Wahrjpruch des Gerichts Euch zu verkünden. 
Seid Ihr darauf gefaßt? 
Konradin. Verleſt ihn denn! 
Mobert von Bari (achdem er eine Rolle entfaltet). „Es ließ jich bei- 
gehn Konradin von Schwaben, 
Des Bannes jpottend, in dies Reich zu ziehn, 
63 mit Gewalt der Waffen einzunehmen 
Und einzuernten fremde Saaten jo 
Zu feines Volkes Vorteil und Gewinft. 
Begünftigt anfangs durch des Zufalls Laune, 
War er daran, den Frevel zu vollenden 
Und zu erreichen fein vermeſſ'nes Ziel, 
Als durch des Königs hohe Krieggerfahrung 
Bei Tagliacozzo, im Gefild der Schlacht, 
Der jcehnelle Sieger jeinen Preis verlor. 
Der fich an fein Geſetz gebunden hielt, 
Ward dem Gericht des Herrſchers vorgeführt, 
Das ihn jamt feinen jchlimm beratnen Helfern 
Zum unverzögerlichen Tod verdammt.” — 
Habt Jhr vielleicht noch eine Bitte übrig? 
Friedrich (mit geballter Fauft auf ihn eindringen). Du Schalksknecht, 
wie kannſt Du erkühnen Dich, 
Solch einen edlen Fürſten zu verdammen? 
Konradin (ihn zurüchhaltend). Beruh'ge Dich, wir ſtehn in Gottes 
d! 


Han 
(Zu Robert von Bari.) 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 985 


Bor Gott fommt mir der Tod als Sünder zu, 
Hier aber werd’ ich ungerecht verurteilt. 
So frag’ ich alle, die dies Reich bewohnen, 
Und die in meiner Bäter Schirm gelebt, 
Sowie auch alle Häupter diejer Erde, 
Ob der des Todes jhuldig heißen fann, 
Der fein und jeiner Völker Recht verteidigt ? 
Doch wenn ich auch mich jelbjt vergangen hätte, 
Wie darf man die Gefährten mit mir jtrafen, 
Die, feinem andern pflichtig außer mir, 
Mit rühmenswertem Eifer an mir hingen, 
Wie hier mein liebjter Freund — 

(Auf eine Thür zeigend.) 

Und dort im Kerker 

Hermann don Hürnheim, mein getreufter Ritter ? 
MWenn ich verdammt joll jein, warum auch dieje? 


Robert von Bari. Den Gründen, die Ihr jchon vernommen 
habt, 
Erjpar’ ich mir, noch weitre beizufügen, 
Und jo verlafj’ ich Euch, um aljobald 
Euch den vergönnten Beichtiger zu jchiden. 


Konradin. Er joll willfommen fein, naht er aus Liebe! 
Doch find wir beide ja dem Bann verfallen. 


Robert von Bari. Der König hat Euch diejen Troſt er- 
wirkt. 


Konradin. Ich will vergejfen, daß von ihm er jtammt. 
Doch dies bejtelle Deinem blut’gen Herren, 
Daß ich, obwohl von aller Welt verlafjen, 
Durch Einen doch in meiner legten Stunde 
Erhört mich weiß: Gott wird mein Rächer fein! 
(Robert von Bari verläßt mit dem Gefolge den Kerfer, der fich Hinter ihm jchließt.) 
63 ijt gefommen, wie ich es geahnt 
Und meine Mutter es vorausgejehn: 
Wir müfjen jterben. — 
(Friedrich an fich ziehend.) 
Dein Vertraun auf mich, 
Wie wird es Dir jo bitterlich belohnt! 


286 Konradin. 


Friedrich. Wo denkſt Du Hin? Erlafje Dir die Dual 
So jchmerzlicher Gedanken ohne Grund! 
Konradin. Dürft’ ich allein den Weg zum Tod bejchreiten, 
Sch legte ohne Klage ihn zurüd; 
Denn, wo die Hoffnung fehlt, ift Sterben Troſt! 
Friedrich. Und glaube mir, ich fterbe leichter noch, 
Da ih an Deiner Seite bleiben darf 
Und auf dem letzten Gange Dich begleiten. 
SH zog mit Dir, weil es mein Wunjch jo war; 
Und daß ich die Gefahr mit Dir geteilt, 
Wird bis zulegt mein höchſter Stolz noch bleiben. 
Auch ſchwuren wir ung Treue bis ins Grab, 
Und wenn ich mein Gelübde nun erfülle, 
Was thu’ ich andres nur, ala meine Pflicht, 
Der zu genügen mir das Herz gebietet ? 
Konradin (igm die Hand reichend). Go leicht fügſt Du Dich in das 
Schwere, Bruder, 
Daß ich mich inniglich an Dir erbaue. 
Komm, laß uns trogen allem ſchnöden Haß 
Und uns als jtarf bewähren bis zuleßt! 
Bollenden wir das angefangne Spiel! 
Friedrich (fi ſezend. Schon war der König Dir ja matt gejekt. 
Konradin. Wohl, ich vergaß, jo laß uns neu beginnen! 
(Er jtellt das Spiel her.) 
Vielleicht, daß ich jet auch bedachter bin. 
Friedrich (in Gevanten). Gin neues Spiel in einem neuen Leben ; 
In dieſem haben, ach! wir ausgejpielt! 
Konradin. Ich that jchon einen Zug — 
Friedrich. Du zogſt? Wohin? 
Konradin. Du bift nun der Zerjtreute, der ich war, 
Wir taufchten unjre Rollen. — 
(Er jpringt auf.) 
O mein Friedrich! 
Dies jpare mir dag Schickſal einzig nur, 
Daß ich vor meinem Bli Dich jterben jehe! 
Friedrich. O Gram, wir hegten einerlei Gedanken! 
Konradin. Sch wollte lieber dreimal jterben jelbit, 
Als fallen jehen Dein geliebtes Haupt. 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 287 


Friedrich. Und erſt Dein Haupt, das heil’ge, Konradin! 
Konradin. Wer hätte das gedacht in jener Stunde, 
Als beide wir von Arbon Abjchied nahmen 
Und von den beiden lieben Mädchen dort? 
Friedrich. Wohl Haft Du recht, es jollte anders kommen! 
Konradin. Wenn Barbara und Hildegard es wüßten, 
Daß unſer Leben jet ſchon enden joll, 
Sie hätten eine Thräne auch für uns, 
Wann fie ſich ausgeweint um ihren Bater, 
Dem ich das lebte Lebewohl nun jage. 
(Er tritt zu einer Seitenthür.) 
Konradin (ufend). Hermann von Hürnheim! 
Hermann von Hürnheim (urh die Band). Mag befehlt Ihr mir? 
Konradin. DBergelte Gott Euch in der Ewigfeit, 
Was hr an mir gethan! 
Hermann von Hürnheim. Gr mad’ Euch jelig 
Und gebe uns ein himmliſch Wiederjehn! 
(Er ftredt jeine Rechte durch das über der Thür befindliche Gitter heraus.) 
Konradin. Mit meinem Herzen drüf ich Eure Hand, 
Da mir verjagt, Euch nochmals zu umarmen. 
Grüßt alle andern auch! Lebt wohl! 
Hermann von Hürnheim. Lebt wohl! 
(Indem ſich Konradin wieder zu Friedrid wendet, wird von neuem die Kterferthür er— 
ichlofjen, an der neben dem Kerfermeifter ein Geiftliher im Habit erjdeint.) 
Friedrich. Da werden wir zur Beichte jchon geholt. 
(Kontadin niet in des Kerfers Mitte nieder, zu ihm geſellt ſich Friedrid).) 
Konradin mit gefaltenen Händen). Leih' uns, o Vater in der Höhe, 
Kraft, 
Die lebte Stunde mutig zu bejtehn, 
Und laſſe, allbarmberzig, wie Du bift, 
Trotz unjrer Sündenſchuld, die Dir befannt, 
Uns eingehn in Dein ewig Reih! Amen! 
(Mit aufgehobnen Armen.) 
D Mutter, welchen Schmerz bereit’ ich Dir! 
(Indem ihm Frievrih die Rechte zum gemeinihaftlihen Weggange reicht, fällt der 
Zwiſchenvorhang.) 


288 Konradin. 


Zweite Greene. 


(Eine unbelebte Gajje in Neapel mit daranftoßendem Klofter, dem gegenüber 
ein Marienbild. Man hat einen Blid auf das Meer. VBiolante tritt auf.) 


Biolante. Hier muß der Hehre, ach! vorüberfommen 
Auf jeinem legten Gang zum Hochgericht, 
Das aufgerichtet dort zum Himmel ragt, 
In den wird eingehn feine reine Seele, 
Die ſchuldlos, wie die meine jchuldbededt. 
O welch unfeliges Geſchöpf bin ich: 
Sch lieferte den edeljten der Helden 
Mie einen ſünd'gen Miffethäter aus 
An den, der in verworf’nem Trevelmut 
Zum mitleidlojen Richter ward an ihm, 
Der aller hier Gebornen Herr und König, 
Und der in feiner Großmut mich begnadet, 
Obgleich er mich mit Recht verdammen konnte. 
(Schritte und Waffengeräufh werben gehört.) 
Ihr Heil’gen, jteht mir bei! Er naht — 
(Konradin und Friedrich erjheinen im Zug, den Kerfermeijter vor fi, von 
Bemwaffneten mit hohen Speeren umgeben.) 


Der Anführer der Bewaffneten. Hinweg das Weib! Unfinnig 
fcheint fie mir. 
Doch Sieh’, es ift die Tochter Frangipanis! 
Violante. Zu Deinen Füßen lieg’ ich reuevoll. 
Bergib mir, Herr, die That, die ich begangen 
Sm blinden Zorn, dem die Bemeift’rung fehlte! 
Konradin. Beſchloſſen war mein Schiefal durch die Allmacht, 
Bevor Du noch Verrat an mir geübt. 
Erhebe Dich und gehe Deines Wegs! 
Ich habe Dir verziehn nach Deiner Bitte. 
(Violante entfernt fih wankend.) 
Der Anführer der Bewaffneten. Boran! Es drängt die Zeit! 
Der König harıt! 
Konradin. Komm, Friedrich, laß uns ihrer Rachbegier 
Der Faflung Hohen Mut entgegenjegen, 
Daß die Gefährten mannhaft uns erjchaun, 
Und unjer Beifpiel ihnen Stärfung gebe! 


(Der Zug fest fih in Bewegung und entihmwindet. Paufe. Elijabeth tritt, von 
zwei Hellebardern geführt und in tiefe Trauer gehüllt, auf.) 


Fünfter At. Zweite Scene. 389 


Einer der Hellebarder. Hier ijt der Kerker, wo er lag gefangen. 
Bis hierher ift zu dringen Euch erlaubt. 
(Beide Bewaffnete treten zurück.) 
Eliſabeth. Maria dort, ich flüchte mich zu Dir 
Und ſuche Troft in Deiner ew’gen Liebe. 
O Mutter, Hör’ dev Mutter tiefjtes Leid 
Und was fie Dir an Klagen zu vertrauen! 
Ich kam, um auszuldjen meinen Sohn 
Mit allem, was ich noch an Kojtbarkeiten 
Als vordem königliche Frau beſitze; 
Doch wurde mir von diefem blut’gen Zwingheren 
Die Bitte in das Angeficht verworfen 
Und jelbjt der Zutritt mir zum Sohn verwehrt. 
So jtirbt er, ohne daß ich ihn gejehn 
Und noch einmal in meinen Arm gejchloffen ! 
D jo bewirfe Du, daß ich dem Teuren, 
Wie Du einst jelbjt den Sohn in Linnen bargelt, 
Sp auch den Leßten Dienjt erweijen darf! 
(Ein Käfthen hervorziehend.) 
Mit diefem Schab, den ich dazu Dir weihe, 
Will ich ihm titten ſeine Ruhejtatt 
Daheim und, wenn es jein muß, in der Fremde. 


(Man hört tobende Stimmen in der Ferne, die immer lauter werden; eine Glocke beginnt 
zu läuten. Der Lärm verftummt. Die beiden Bewaffneten entfernen fich.) 


O Mutter, die Du die Gebeugten jtärfejt, 

Hilf ihm die Todesjtunde überjtehen, 

Um Deines allbarmbderz’gen Sohnes willen! 

Beruf’ ihn Hin zu Dir ins Himmelreich, 

Nachdem er diefer Erde Weh erfahren 

Sn frühem Alter ſchon in vollitem Map 

Und wahrlich mehr, ala er im Eifer Tehlte! 
(Die Glode verftummt; jie verfinkt in ftilles Gebet. Die Stimmen arten in Gejchrei aus.) 
Biolante (zurückehrend). Wohin verberg’ ich mich in meiner Schmach ? 

Mit Fingern weit das ganze Volk auf mic 

Und flucht mir, daß ich ihn verderben half! 

Die Erde thut ſich auf, mich zu verichlingen, 

Und Flammen jehiet die Hölle nach mir auf! — 

Wer ift fie, die jo voller Inbrunſt betet, 

Daß fie das Toben nicht der Menge jtört? 

Ich muß zu ihr, wer fie auch möge fein! 

Greifs Werke. „IN. 19 


290 Konradin. 


Glijabeth. Wer biſt Du, und was blickſt Du jo mich an 
Mit Deinem leidensvollen Angejicht ? 


Biolante. Ich bin ein Hoffnungsleeres Weib, wie Du, 
Das namenlojeg Weh zu Boden drüdt. 


Eliſabeth. Wie könnte Dein Gejchik dem meinen gleichen ? 
Denn ieh’, ich bin die Mutter Konrading — 


Biolante (ich verhülend). Vor Scham verfinfen möcht’ ich in die 
Erde! 
Elifabeth (asnungsvom. Unjelige! Wie? alfo wär’ es wahr, 
Was weit umher im Volk ſich hat verbreitet, 
Daß ihn ein Weib dem Feind hat ausgeliefert? 
Und dieſes wäreſt Du gar jelbjt gewejen ! 


Biolante. Ja! Ich bin diejes jchuldbeladne Weib! 
(Sie ftürzt fich ihr zu Füßen; Clifabeth wendet fi von ihr ab.) 
Verwegen hab’ ich ihn an mich gelodt, 
Weil ich für Liebe feine Freundfchaft hielt, 
Und ihn, enttäuscht, den Feinden preisgegeben. 
Doch, als das Schredliche gejchehen war 
Und das Gefühl der Rache mir vergangen, 
Da jtand ich da, wie zum Bewußtſein wieder 
Aug tiefem Traum erwacht — voll Schredensqual 
Zerrifjen Gram und Neue mir den Bufen. 
Im Flug erhob ich nach Viterbo mich, 
Sch drang bis in des Papſtes Sterbgemad), 
Sein Fürwort auf den Knieen zu erbitten, 
Doch jeine Lippen waren jtarr bereits. 
Nun eilt’ ich meinem Vater nach hierher 
Und jtürmte in dag Schloß durch alle Wachen, 
Doch, eh’ ich vor den König noch gelangt, 
Ward ich auf fein Geheiß hinausgeſtoßen. 
Sp fonnt’ ich nicht abwenden mehr die Unthat. 
Bon Flüchen rings verfolgt, irrt’ ich umher, 
O laſſe milden Troſt bei Dir mich finden! 
Eliſabeth. Von mir verlangit Du Troſt, den ich doch ſelbſt 
Nur hier bei der Gebenedeiten juche! 
(Sid abmwendend.) 
O wärſt Du in der Mutter Schoß verblichen, 
Es bliebe diejes Ende ihm erjpart! 


Fünfter At. Zweite Scene. 291 


Bivlante. Und mir jolch jchwere Schuld nicht minder auch! 


Eliſabeth. Kann ich fie von Dir nehmen, diejfe Schuld ? 
Und willſt Du, daß ich fein Gedächtnis kränke, 
Indem ih Dir nachjehe gar die Argliſt, 

Die in den Tod den einzigen mir trieb, 
Des Herzens Liebling, meinen Konradin? 


Biolante (mit erhobenen Händen). Verzeihe, wie er mir auch hat 
verziehn! 
D folge jeinem hehren Beijpiel nach! 


Elijabeth. Du wagtejt, Dich vor jeinen Bli zu drängen ? 


Biolante. ch that's um meiner Seele Heil allein! 
Bergieb mir, folge Deinem Sohne nach! 
Halt Du erfüllt mir diejen legten Wunjch, 
Dann will ich hier in diefen jtillen Mauern 
Abbüßen lebenslang, was ich verbrad). 


Elijabeth. Erhebe Dih! Um meines Sohnes willen, 
Der ſteht vor Gottes Thron, verzeih’ ich Dir. 


Biolante Ghr den Kleidſaum küſſend). O habe Danf für dies groß- 
müt’ge Wort! 
Nun will ich mich verbergen vor der Welt 
Und reuig meine Zeit zu Ende bringen! 
Hier diejfen Ring trug Deines Sohnes Hand. 
Dem Schiffer gab er ihn in höchſter Not 
Und jchenkte mir nachher ihn zum Gedächtnis, 
Doch bin ich nicht mehr wert, ihn zu befiten. 
Elijabeth (den King küſſend). Ich nehm’ ihn als ein lehtes An— 
gedenken, 
Das mir von ihm erhalten blieb. Leb wohl! 


Violante. Der Himmel flöße Trojt Dir in das Herz! 
Eliſabeth. Und laſſe Dich erjehnte Ruhe finden! 
(Allard von Balery, jhwarz gekleidet, tritt auf; Violante hemmt ihre Schritte.) 
Allard (Hinter der Bühne). Brich aus, Veſuv, und laſſe über ung 

Den Feuerſtrom der dunklen Lava rollen! 

Den Tag verfluch’ ich, da ich diefem Wüt'rich 

Zum Sieg verhalf, den er jo ſchnöd' gejchändet! 

19= 


293 Konradin. 


(Elifabeth erblidend.) 
Ihr jeid es, hohe Frau, die das Gerücht 
Als Hier anwejend meldet — 
Glijabeth. Wohl, ich bin’s. 
O fündet mir, wenngleich mein Herz wird bluten, 
Das Schredensende meines armen Sohnes! 


Allard. Er jtarb als Held, wie er als Held gejtritten. 
Mag Euch genügen dieſes kurze Wort! 


Eliſabeth. Mein Herz verlangt nah mehr. O jagt mir 
alles ! 


Allard, Auf offnem Markt, dicht an des Meeres Bufen, 
Erhebt fich das Gerüft, das Konradin 
Mit feſtem Schritt beitieg an Friedrich Seite. 
Kaum, daß er den Gefährten fich entrifjen, 
Vernahm er oben noch einmal den Sprud, 
Den der nur, der ihn las, gebilligt Hatte; 
Doch war noch nicht der feile Knecht zu Ende, 
Als ihm ein Ritter ſchon den Leib durchrannte 
Bor Anjous Blicken, der, vor Zorn erbebend, 
Allein auf feines Schloſſes Söller ftand. 
Nun ſank der Freund dem Freunde in die Arme 
Zu langem Scheidefuß. Dann, vorgetreten, 
Warf Konradin den Handſchuh in die Tiefe, 
Wobei er Aragon, von Manfreds Geite 
Ihm nah’ verwandt, die eignen Rechte zuſprach. 
Ein Ritter, den zuvor fein Menſch gejehn, 
Hob auf das Pfand und war damit verichwunden. 
Doch Konradin, nach abgelegten Kleide, 
Zag auf den Knien und ſprach fein lebt Gebet 
Inbrünſtig noch, worauf, zum Blod gewandt, 
Er niederbog jein fronenwürdig Haupt 
Und ohne Laut den Todesitreich empfing. 
(Elifabeth taumelt zurüd und finft auf einen Stein, der vor dem Muttergottesbilde 
liegt, niever. Violante, die der Erzählung mit innerer Erjehütterung gefolgt, beugt ſich 
zerfniriht zujammen.) 


Allard (Elifabeth zu Hülfe eilend.. ch hatt' es Euch vorher ge- 
jagt — 


Glijabeth (ich wieder erheben). Bollendet! 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 298 


Allard. Das Bolf ſchrie auf und murrte weit umher, 
Doch Friedrihd Wehruf übertönte alles 
Und machte ſelbſt die rauh'ſten Krieger weinen. 
Nur Anjou, dem der Hingeopferte, 
Solang’ er lebte, auch im tiefjten Kerker, 
Beitändig hätte feinen Schlaf gejtört, 
War noch in feinem Hafje nicht verjföhnt, 
Und ohne Aufſchub fiel auch Friedrich Haupt. 
Ihm folgten nach der Reihe die Gefährten, 
Als letzter Lancia mit beiden Enkeln, 
Die jeufzerlos in jeinem welfen Arm 
Ihr kaum erblühtes Leben ausgehaucht: 
Es fiel das Beil, bis alle hingemordet. 
Da plößlich kehrten alle Blide ſich, 
Don einem Wunderzeichen aufgeregt, 
Aufs neue dem entjeelten König zu. 
Ein Adler ſchoß hernieder aus den Lüften 
Und tauchte in das fönigliche Blut 
Den rechten, Flügel dort, darauf er wieder 
In gleich beeiltem Fluge jich erhob 
Und in des Himmels Höhen fern entjchtwand, 
Bor Gottes Thron das Zeugnis hinzutragen 
Der, jeit es Menjchen giebt, ſchuldvollſten That. 
(Trompetenihall. Karlvon Anjou, Frangipani zur Seite, tritt mit Gefolge 
auf.) 
Karl von Anjon (su Auard. Hier find’ ich Euch! So mögt 
Ihr gleich erfahren, 
Daß ih Amalfi und Sorrent Euch biete, 
Wenn hr in meinem Reich verbleiben wollt. 
(Nah einer Paufe.) 
Auch Frangipani Hab’ ich ſchon bedacht 
Und Belargoja ihm für feine Tochter 
Verliehn zur einjt’gen Mitgift. 
Frangipani (ver jeine Tochter bemerkt Hat, auf fie zugehend). Hörſt Du wohl? 
Beneidenswert wird fein fortan Dein Los. 
(Biolante ablehnend, betrachtet ihren Vater einen Augenblid lang und thut einen heftigen 
Zug an der Klofterglode, an der eine ältere Nonne erjcheint.) 
Biolante. Beneiden wird wohl niemand mich hienieden. 
(Zum König.) Behaltet Euren jündenvollen Lohn! 


294 Konradin. 


(Bu ihrem Bater.) Ich habe abgejchloffen mit der Welt 
Und hege Einen Wunſch nur noch im Herzen: 
Daß mein Gebet Vergebung mir gewinne! 


(Sie tritt nad) einem dankbaren Blid auf Elifabeth, von der Pförtnerin gefolgt, in das 
Klofter, das ſich Hinter ihr ſchließt.) 


Brangipani. Hör’ mich! — fie geht! — Nun fteh’ ich Finder- 
los, 
Was hat mein heillos Trachten mir genützt? 
(Er entfernt ſich.) 


Karl von Anjou (u Allard). Scheint Euch der Preis zu klein, 
den ich Euch bot? 
Alard. ch nehme nicht? aus Euren blut’gen Händen 
Und wende meinen Rüden Eurem Reiche. 


(Er entfernt ſich; Elifabeth nimmt das Käftchen und wendet fich zu Karl.) 


Karl von Anjou (su Gliſabeth). Was ſoll der dargebotne Schrein 
bedeuten ? 
Eliſabeth. Noch einmal wiederhol’ ich meine Bitte: 
Gebt um den Schag mir meines Sohnes Leichnam! 


Karl von Anjou. Vergebliches Bemühn, e8 lockt mid 
nicht. — 
Eliſabeth. Hat Dich nicht einer Mutter Schoß getragen, 
Daß Du mit Füßen trittft der Mutter Schmerz ? 


Karl von Anjon. Der Anblid feiner Gruft im deutjchen 
Lande, 
Er würde immerdar als Stachel dienen 
Und Rächer ohne Zahl mir dort erziehn: 
So könnt’ ich im Befite meines Reichs 
Nicht ficher fein, noch Tpäter meine Erben. 
Eliſabeth. Hoffit Du den Himmel zu betrügen wohl 
Durch Menjchenwiß, blutgieriger Tyrann ? 
Sch Jorge vor, daß Dir der Plan mißlingt: 
Ich jchleudre Dir in Deine ſchwarze Seele 
Den Fluch der Mutter! Ruh'los ſollſt Du fein 
Auf Erden ſchon, wie ruh'los nach dem Tode! 
Sn ſteter Sorge um den friihen Raub, 
Den Du doch Deinem Stamm nicht wirjt erhalten. 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 295 


Noch in der Todesſtunde jolljt Du zittern 

Und gern bereit zu taujchen jein mit ihm, 

Des königliches Blut Du haſt vergofjen, 

Weil er fein Erbe zu behaupten fam, 

Da: Du mit Geierklauen ihm entrifjen. 

Fluch über Dich und Dein gefamt Gejchlecht! 

(Die Leihname Konradins und Friedrichs werben auf einer verhüllten Bahre 

dahergetragen, vom trauernden Volt begleitet.) 


Da, weide Dih am Anblid Deiner Opfer! 
Willft Du fie noch entreißen meiner Hand, 
So töt’ auch mich und lege mich zu ihnen! 
(Sid) vor der Bahre niederwerfend.) 
Durchbohr' mein Herz, wenn Du noch Mut bejiteft 
Und Du nicht feiger noch als grauſam bijt! 
Karl von Anjou. Fort! länger leih’ ich nicht mein Ohr dem 
Ziſchen 
Der Schlange, deren Brut zum Glück mir tot. 
Schafft weg das Weib, ſonſt wiegelt ſie mir noch 
Mein zahmes Volk an dieſen Leichen auf! 
(Er entfernt ſich mit dem Gefolge.) 


Eliſabeth (su den Trägern der Bahre). Hinweg, ihr Schergen Eures 
blut’gen Heren, 
Berühre feiner mich 
(Auf die Bahre deutend,) 
noch dieje Opfer! 
(Die Träger entfernen ſich zögernd, das übrige Volk bleibt teilnahmsvoll im Hinter- 
grunde ftehen.) 
Mein Sohn, mein Sohn, mein unglückſel'ger Sohn! 
(Sie ſinkt an der Leiche Konradins nieder. Allard fehrt zurüd.) 


Alard. Wer wird nicht Mitleid Eurem Schmerze weihen ? 
Ja wahrlich, Euer Sohn war groß und edel! 
Ich Elag’ um ihn und daß ich ihn befämpft. 
O hätt’ er nimmer dieſes Land betreten, 
Das feinem Deutjchen noch hat Heil gebracht! 
Doch während laſten wird auf Anjous Namen 
Der Fluch der Nachwelt, wird bewundert jtrahlen, 
Und mehr noch jedem fommenden Gefchlecht, 
Des legten Hohenjtaufen Ruhmesſtern! 


296 Konradin. 


Eliſabeth (vie ſich Hals aufgerihtet Hat). Dank Euch für Euren Troſt, 
ih nehm’ ihn an, 
Als mir von Gott gejandt. — Lebt wohl! Lebt wohl! 


(Nahdem Allard abgegangen, wendet fie fi zur Bahre und ſpricht mit einem Blid zum 
Himmel.) 


Hilf, Mutter, dort, daß ich das Leid ertrage, 
Und lajje mich im Schmerz die Thränen finden, 
Um zu beweinen meinen Konradin! 

(Indem fie jich über die Bahre beugt, fällt der Vorhang.) 


Ende des fünften Aktes. 


Ende. 


Luvivign ver Bayer 


oder 


Der 5treit von Mühldorf. 


Vaterländiſches Schauſpiel in fünf Akten. 





Derfonen. 


Kaifer Ludwig der Bayer. 

Friedrich der Schöne, — 

Leopold, Herzöge in Oſterreich. 
Heinrich, 

Friedrich von Zollern, Burggraf von Nürnberg. 
Heinrich, Herzog in Niederbayern. 

Johann, König von Böhmen. 

Margareta, Ludwigs Gemahlin. 

Sfabella, Friedrich des Schönen Gemahlin. 
Seyfried Schweppermann, Feldhauptmann, Ritt 
Georg von Schlüfjelberg, ne 


Konrad von Bayerbrunn, auf 
Albrecht Rindsmaul, — 


Wigand von der Trausnitz, 
Walther, deſſen Sohn. 
Walburga, deſſen Tochter. 
Ditrich von Pillichsdorf, | 
Uri von Walje, 
Heinrih von Bilfingen, | 
Kurt von Ebersdorf, 
Plichta von Zirotin, ein böhmijcher Ritter. 
Hartlieb Puechberger, Hofmeifter Kaifer Ludwigs. 
Gottfried, Karthäuferprior von Mauerbad). 
Prinzen, Ritter und Knappen, zwei Herolde, bewaffnete Bürger, Banner- 
träger, Edelleute und deren Frauen, Bürger und Bürgerinnen, Rats- 
herren, Handwerfer, darunter die Bäder und Schuhmwerfer Mündens, 
Mönde und Klofterbrüder, Landleute, fahrende Schüler, Spielleute. 


Ritter auf Friedrichs Seite. 


Zeit der Handlung: die Jahre 1322—1326. 


Prolog, 
geſprochen bei den Bolf3-Aufführungen zu Kraiburg a. Inn. 


Ein alter Kraiburger Bürger tritt auf und ſpricht: 


Wenn fih zwei Heere gegenüber lagern 

Zum Kampf bereit, im lichten Schein der Waffen, 
Boll Zuverficht und auf den Sieg vertrauend, — 
Ihr glaubt es wohl, daß jolcher Augenblic 

Ein jo denfwürdig Schaufpiel uns gewährt, 
Daß, wer es jah, eg nimmermehr vergißt. 

Und vollends gar, wenn fich die beiden Gegner, 
Stirn wider Stirn, ala Nebenbuhler trogen 
Und einer Krone Macht den Kampfpreis bildet! 
Der Treuen ganzes Aufgebot um fich, 

Sind fie genaht, den langen Zwijt zu Löjen, 
Der nicht verderblih nur für fie allein, 

Kein, der ein ganzes Reich in fich gejpalten. 
Entladen muß fich der Gewitterjturm, 

Auf daß, nach unvermeidlich legtem Ringen, 
Der Ausgang zeige, wen der HERR erhöht. 
Und jo geſchah's auch einft auf den Gefilden, 
Die nah’ ich dehnen zwiſchen Jun und Sen, 
Al dort am Abend vor Sankt Michael 

Die beiden Gegenfönige gerajtet, 

Um mit dem erjten Strahl der nächjiten Sonne 


300 


Prolog bei den Auffilhrungen zu Kraiburg. 


Sich zu erheben zum gewalt’gen Strauß: 

Mit Ludwig feine Bayern, Hoch und nieder, 
Der mindre Teil nicht aus der Städte Schoß, 

Ein ſchlicht Gefolge zwar, doch durchaus mannlich; 
Mit Friedrich Hſtreichs ftolze Ritterjchaft, 

So Hochgemut, wie ex, und fampfbegierig, 

Allein mich dünkt, nur allzufühn im Herzen. 
Wohl waren da der Helden viel vereint, 

Indes ich meid’ es, fie Euch aufzuzählen, 

Da ihr in Ungeduld auf Thaten Harrt. 

Sie euren Blicken fihtbar vorzuführen 

Und zu erheben jedes biedre Herz 

Am würd'gen Beiſpiel unjrer jtarfen Väter, 

Hat Kraiburgs Bürger eifervoll bejeelt 

Zu diefem Spiel, das euer Beifall lohne! 

So folgt ung denn, jobald ihr Tag erwacht, 

Zum mächt’gen Schwanfen der Entjcheidungsjchlacht, 
Doch ſollt ihr exit, was fich zuvor begeben, 

Sn folgenreihen Hergang mit erleben. 





Erſter Akt. 


Grfte Greene, 


(Sm alten Hof zu Münden. Ein jaalartiges Gemacd mit einer Haupt= und einer 
Seitenthür. Ludwig der Bayer figt vor einem Tiſch, an deſſen Fuß fein Schwert 
lehnt, in Gedanfen verjunfen da.) 


Ludwig der Bayer. Was ruht auf eines Königs Haupt für 

Sorge! 

Neun lange Jahre währt ſchon diejer Krieg, 

Der zwiſchen mir und Friedrich fich entzündet, 

Als Frucht und Folge unjrer Doppelwahl, 

Und noch ijt nicht jein Ende abzujehn. 

Verwüſtet und verheert find weite Streden 

Des Landes, dag mir don den Vätern jtammt, 

Wie der Gefilde, die zum Neich gehören: 

Mas ich beichirmen jollte, jeufzt in Not. 

Das greift ans Herz und Ichafft ihm bittre Stunden. 

D daß ich nie in meine Wahl gewilligt! 

(Er verſinkt in Gebanfen; fein Hofmeifter, Hartlieb Puechberger, tritt durch die 
Hauptthüre ein und naht fich feinem Herrn mit teilnehmender Gebärde.) 
Puechberger (tür is). Soll ich es wagen denn? Doch ja, ich 

muß. 
(Zaut.) 
D Herr, als ich den Kriegsſchatz eben prüfte, 
Fand ich auf elf Pfund Heller ihn gejchmolzen, 
So bleib’ ich mit dem Sold im Rückſtand wieder. 
Ludwig der Bayer, Auch dieſes noch! Wie denft Ihr ihn 
zu füllen? 


302 Zubmwig der Bayer. 


Puechberger. Wie jchon einmal, müßt Ihr jo arm wie reich 
Für jedes Pferd und Rind, für jedes Schaf, 
Das in dem Gtalle Hält und auf der Weide, 
Auflegen eine ausnahmsloſe Steuer. 


Ludwig der Bayer. Für jede Klaue ein Vermögen faft! 
Dies überfteigt die Kräfte meiner Kinder — 
Ich will nicht meines Volks Bedrücder heißen. 
Puechberger. Fragt’ ich mein Herz, mir ging es ebenjo. 
Iſt's Härte, laſſe Gott fie mich entgelten! 
(Die Kaiferin Margareta tritt durch die Seitenthür ein. Er geht zu ihr und redet 
leife mit derjelben.) 


Ludwig der Bayer Mür ſich. Ich will nicht, daß der niedre 
Mann e3 büße, 
Was, die mir Treue jchulden, an mir fehlen. 
Drum geb’ ich lieber meine Krone Hin, 
As daß ich fie um folchen Preis bewahre. 
(Er verfintt von neuem in Gedanken.) 
Puechberger (zu Margareta, bevor er durd die Seitenthür abgeht). Gott geb’ 
ein Wort Euch ein, ihn aufzurichten! 
Margareta (zu dem Abgehenden) Der Botjehaft trau’ ich's zu, die 
ich ihm bringe. 
(Sie nähert ſich ihrem Gemahl und legt ihm die Hand auf die Schulter.) 
Was hat Dich wieder für ein Gram befallen ? 
Ludwig der Bayer, Ich finne nach dem Lauf der argen Welt. 
Margareta. Haft Du nicht Freunde doch genug in ihr, 
Die wohl verdienen, daß Du auf fie bauejt ? 
Ich führe Ginen nur mit Namen an, 
Es iſt von Nürnberg dort der Burggraf Friedrich, 
Dein alter Freund und heimlich trauter Rat, 
Den Du auch jet zu Dir heran bejchieden. 
Ludwig der Bayer. Wohl, daß er bald erfcheine, ak ich 
ehr. 
Margareta. Er kann Div näher jein, als Du vermutelt. 
Doh andre auch bewährten ſich ala treu. 
Erzählteſt Du nicht oft, wie Deine Ritter 
Mit Rüben aus dem Feld den Hunger ftillten, 
As Du vor Deinem treuen Speyer lagjt ? 
Sie waren jtolz darauf, mit Dir zu darben, 
Und wollt’ ich Dir aufführen alle Städte 
In Franken wie in Schwaben und am Rhein, 


Erfter Alt. Erjte Scene. 303 


Die jtandhaft in der Not zu Dir gehalten, 
Ih könnte faum damit zu Ende fommten. 
Gedenkt Dir noch, wie Dich don Friedberg her 
Die Bürger Augsburgs ängjtlich eingeholt 
Und Dich mit Fadellicht ins Thor geleitet? 
Auch Regensburg war ſtets des Jubels voll, 
So oft Du nahteſt diefer werten Stadt; 
Sch jelbjt bin Zeuge Deines Danks gewejen. 
Traun, Ludwig, nicht verlaffen jtehjt Du da! 
Ludwig der Bayer. Was aber frommt mir jolch erprobte 
Treue, 
Da ich verlaffen bin von meinen Wählern, 
Die Sorge tragen nur fürs eigne Wohl 
Und um des Neiches Not fich nicht befüimmern. 
Margareta. So ijt e8 um jo mehr wohl Deine Pflicht! 
Sprich, führſt Du nicht al3 Sinnbild Deiner Herrichait, 
Das ih ala Tochter Hollands ſtolz begrüßte, 
Ein Ihwimmend Schiff, das mit gejpannten Segeln 
Zum Troß den Stürmen, die es angefallen, 
Durch Klippen jteuernd jeinen Lauf vollendet ? 
Ludwig der Bayer. Stell! mich dem Nebenbuhler gegenüber, 
Doch mit geübten Kriegern, wie fie mir 
Bei Speyer, Straßburg, Ehlingen gefehlt, 
Der Streit joll diefen Mond nicht überdauern ! 
Margareta. Al Du bei Gammelsdorf aufs Haupt fie 
4 ſchlugeſt, 
Stand nicht die Übermacht auch dort bei ihnen? 
Ludwig der Bayer. Den Sieg verdankt' ich Gott, dem Hort 
der Waiſen, 
Der mich mit ſolcher Stärke ausgerüſtet, 
Zu ſchützen die Unmünd'gen, die ihr Vater 
In Niederbayern ſterbend mir empfohlen, 
Wie Straubing mir und Landshut kund gethan, 
In deren Obhut er zunächſt ſie ſtellte. 
Margareta. Und kann der Herr ſein Wunder nicht erneuern? 
Vermochteſt Du mit einem Reiterhaufen, 
Den ein'ger Städte Banner nur verſtärkt, 
Hervorgebrochen aus den Morgennebeln, 
Ein ganzes Heer von Rittern hinzuſtrecken, 
Was macht Dich da Dein jetz'ger Stand bekümmert? 


304 Ludwig der Bayer. 


Ludwig der Bayer. Berrat, der mich umgiebt von allen 
Seiten, 
Und der, verlegen nicht um Ort und Stunde, 
Mir tückiſch nachjtellt bei der Andacht jelbit. 
Margareta. Doc ließ er Dich auch Gottes Schuß erkennen. 
Ludwig der Bayer. Wie traulich jtand ich zu dem Öttingen! 
Doch er auch ging zuleßt zum Feinde über 
Mit beiden Söhnen, die ich vorzog vielen. 
Margareta. Wer weiß, ob fie zurüd nicht gerne fehrten, 
Seit fie gewahrt die Stirn’ des neuen Herrn. 
Ludwig der Bayer. Als ich die Krone annahm, war's ein 
Opfer, 
Das ich dem Vaterland nur dargebracht, 
Doch ihm, wie mir, erwuch® daraus fein Heil. 
Margareta. Wohin die Rede jteuert, merk’ ich wohl, 
Drum foll ein andrer mir erwidern helfen! 
(Sie eilt nad der Nebenthür und öffnet fie.) 
Herr Burggraf, ich bedarf in Nöten Euer. 
(Friedrid von Zollern tritt ein.) 
Hier iſt er, dem fein Truß fich wird ergeben. 
Ludwig der Bayer (ihm entgegeneilend). Sein Antlit freilich ijt 
mir ſchon ein Troft. 
(Den Burggrafen an fi) ziehend.) 
So ſehnt' ich mich nach Dir, wie auf den Duell, 
Der ihm Erquickung ſchafft, der Pilger horcht. 
Friedrich von Zollern. Nicht minder hat es mich zu Dir ge- 
zogen, 
Und Deinen Ruf vernahm ich freudenvoll. 
(Sie nehmen] Plag.) 
Ludwig der Bayer. Ich Habe Dih zum Mittelsmann erforen, 
Der diefen langen Streit mir enden helfe. 
Sch hoffe, die Grinnrung an die Zeit, 
Da ih und Friedrich, die wir Enkel beide 
Vom großen Rudolf, brüderlich ung Tiebten, 
Wird auch in ihm nicht ganz erlofchen jein. 
Friedrich von Zollern, So iſt e8 Deine Mbficht, Rs das 
Reich, 
Das er ſo lange ſtreitig Dir gemacht, 
Durch friedlichen Verzicht zu überliefern? 
Ludwig der Bayer. Verzicht? 


Erfter Alt. Erfte Scene. 305 


Margareta. So hatt’ auch ich e8 nur gedeutet. 
Ludwig der Bayer. Glaubt ihr, ich werde weichen dem, der 
einjt 


Auf einer Tonne ward zu Bonn gekrönt? 
Sriedrih von Zollern. Wer aber joll jtatt feiner es ge 


winnen ? 

Ludwig der Bayer. Das kann fich nur aus neuer Wahl er- 
geben ! 

Sriedrih von Zollern. Aus neuer Wahl, jo lang ihr beide 
lebt ? 


Ludwig der Bayer. Sch denke, Friedrich iſt des Kampfes jatt 
So gut als ich, und mein bereites Beijpiel 
Macht ihm eS Leicht, auch ſelbſt zurüdzutreten. 
Friedrich von Zollern. Zurüczutreten ? iſt dies, Herr, Dein 
Ernſt? 
O, rufe Dir zurück in Dein Gedächtnis 
Des Reiches Stand, als Du zur Krone kamſt. 
Die Wähler waren uneins unter ſich, 
Ob ſie dem Sohn des jüngſt verſtorbnen Kaiſers, 
Dem König Böheims ſie zuwenden ſollten, 
Ob Friedrich als dem Sohn und Enkel jener, 
Die vor dem Luxemburger ſie getragen. 
Da fielen, wie von Gott gelenkt, die Blicke 
Derjenigen, die in der Mehrheit ſtanden, 
Auf Dich, der kurz zuvor erfochten hatte 
Den wundergleichen Sieg bei Gammelsdorf 
Und deſſen Name war in aller Munde. 
Du zögerteſt, da Du Dich hieltſt gebunden 
Durch ein Verſprechen, das Du bei der Sühne 
Zu Salzburg ahnungslos dem Freund gegeben, 
Doch das für Dich nicht bindend ward erkannt. 
Zwar hatteſt Du empfehlen ihn gedurft, 
Und dieſes haſt Du redlich auch gethan. 
Doch ſtand es nicht bei Dir, auch zu verhindern, 
Daß Du berufen würdeſt ſelbſt zur Krone, 
Die Du denn auch, erzürnt durch Friedrichs Haſt, 
Der ſich an Ort wie Zeit der Wahl nicht kehrte, 
Entſchloſſſen Sinnes mutig angenommen — 
Ludwig der Bayer. VBornehmlich überredet durch Dein Wort! 
Greifs Werke. II. 20 


306 Ludwig der Bayer. 


Friedrich von Zollern. Das ich, wie damals, heute noch ver- 
trete 
Und kurz, Du gingit aus gilt’ger Wahl hervor, : 
Die Dir Berblendung nur fann jtreitig machen. 


* 


Margareta. Kannſt Du nach ſolcher klaren Widerrede 
Noch wünſchen, Deine Würde abzulegen? 
Du kannſt es nicht; ich blicke in Dein Herz: 
Ein Held wie Du hält feſt an ſeinem Rechte. 
Ludwig der Bayer. Bevor er zum Bedrücker wird den Seinen, 
Entſagt er ſelbſt, und das iſt meine Lage. 
Friedrich von Zollern. Die ich voraus bedacht in ſchuld'ger 
Pflicht — 
Drum nicht mit leeren Händen naht’ ich Dir; 
Und iſt's auch wenig nur, e& reicht doch Hin, 
Dih in den Stand zu jegen, Deinem Volke 
Die Plage jolcher Steuer zu erjparen. 
Ludwig der Bayer (ihn umarmend). Wie ſoll ich Dir für dieſe 
Treue danken! 
Margareta. Auch mich laßt Euch befennen meinen Dank! 
(Sie reiht ihm beide Hände dar.) 
Friedrich von Zollern. Ich that nur meine Schuldigkeit als 
Fürſt. 
Vertraut' ich nicht ſo ſehr auf Deinen Stern, 
Ich hätte nicht zur Krone Dich beredet. 
Ludwig der Bayer. O glichen alle Fürſten Dir im Reiche! 
Friedrich von Zollern. Auch andre noch ſind ihrer Pfuht ge⸗— 
denk. 
So hatt' ich jüngſt, um ſicher uns zu ſtellen, 
Zu Eger eine Zwieſprach' mit dem Böhmen, 
Und da geſtand er mir zwar ohne Hehl, 
Daß er den Blick auf Brandenburg geworfen, 
Doch andrerſeits gewann ich auch Gewißheit, 
Daß er, durch keine Lockung noch verführt, 
Mit ganzer Kriegsmacht wird im Feld erſcheinen, 
Ja, daß er völlig ſchon bereit dazu. 
Ludwig der Bayer. Er ſtreitet für die eigne Krone mit. 
Friedrich von Zollern. Durch ihn erhielt ich auch die ſichre 
Kunde, 
Daß Herzog Leopold am Bodenſee 


Erfter Akt. Erjte Scene, 307 


Ein Heer zufammenzieht in aller Eile, 
Gleich jeinem Bruder, der in Oſtreich rüjtet. 


(E3 wird ein Stimmengemwirr in der Ferne vernehmbar. Hartlieb Puechberger 
tritt eilend aus der Hauptthür auf.) 


Margareta (su Pucsderger. Was jchrieb Euch das Entjegen auf 
die Miene ? 
Puechberger. D Herr, das dacht’ ich nimmer zu erleben ! 
Ludwig der Bayer. Welch neue Hiobspojt hat fich verbreitet? 
Puechberger. Es ritt auf ſchaumbedecktem Roß joeben 
Der Niederbayer ein durch unſer Thor, 
Von ſeinem Schloß in Kraiburg aufgebrochen. 
Ludwig der Bayer. Mein Neffe Heinrich! — 
(Zur Kaiſerin.) 
Seien wir gefaßt! 
(Heinrid von Niederbayern tritt, wie er vom Pferde abgeftiegen, auf.) 
Margareta. Da ijt er ſchon, den Zorn im Angeficht! 
Heinrich von Niederbayern. Was ich zu fünden, Ohm, ijt bald 
gejagt — 
Die Feinde brachen ein in unſer Land 
(Ludwig der Bayer führt empor.) 
Don Mühldorf Her, wo fie mit ihrer Spike 
Den Inn ſchon überfchritten; ihre Macht 
Sit groß und furchtbar, zu den eignen Streitern 
Hat fich ein unermeßlich Heer gejellt, 
Der Ungarn und Kumanen Reiterſcharen, 
Des Krieges Geißel über ung zu jchwingen, 
Und alle Fluren, die fie wild durchjtürmt, 
Als Wüſteneien Hinter fich zu laſſen. 
Ludwig der Bayer. Reicht mir mein Schwert! Mein Schwert, 
wo ijt mein Schwert! 
(Das Schwert umfafjend, das ihm Margareta darreicht.) 
Getroft! ihr Anjchlag joll zu Schanden werden, 
Und zögen fie auch ſelbſt jo dicht heran, 
Daß fie bejchatteten ringsum die Erde. 
Margareta (sum Burggrafen). Der Held ijt wieder auferwacht in 
ibm! 
(Die Volksrufe fommen näher.) er 
Ludwig der Bayer (sum Burggrafen). Kann ich jo rajch auf Deine 
Hilfe bauen? 
20 * 


308 Zudwig der Bayer. 


Friedrich von Zollern. O Herr, in welcher Not blieb — Dir 
fern? 
Ludwig der Bayer (eine Hand erfaſſendd). Wie herrlich leuchtet 
Deine Treue, Zoller! 
Heinrich von Niederbayern. Nun laß auch unfre Hilfe Dir ge- 
loben, 
Die wir Dir jehulden, nicht bloß als dem Herrn, 
Nein, auch ala unjerm väterlichen Schirmer. 
Sp wirft Du alle, die Du Dir verpflichtet, 
Geſchart erbliden um das alte Banner, 
Den Adel und die Kraft von Niederbayern, 
Bereit, für Dich zu bluten und zu fterben! 
(Das Volk dringt in den Saal.) 
Ludwig der Bayer (ihm die Hand reigend.) Nimm meinen Dank, 
der allen Biedern gilt! 
Ich grüße fie; auch unſre Bürgerzünfte 
Wird gleich der Ritterfchaft mein Ruf verfammeln, 
Doch meine Münchner bring’ ich ſelbſt mit mir. 
Puechberger (ver die Eindringenden vergebens zurüdgehalten. Kerr, ohne— 
dem Halt’ ich fie nimmer auf! 
Das Boll. Hoch lebe Kaijer Ludwig, unfer Herr! 
Eine Stimme, Wir jtehen einig wie ein Mann zu Zir! 
Ludwig der Bayer. Ich nehme das Gelöbnis freudig an. 
(Zu Margareta gewandt.) 
63 jtand bei mir einjt, Friedrich aufzuheben, 
Doc unterließ ich's, weil er wehrlos war; 
Gelingt mir’3 drum, daß jein ich habhaft werde, 
Nachdem er mich nun aljfo überfallen, 
Sp werd’ ich jeiner mich gar wohl verjichern. 
Margareta. Daß Dir's gelinge, joll mein Flehen ein! 
Ludwig der Bayer (sum Burggrafen. Nun eine Bitte noch an 
Dich, Getreuer! 
Du haft bei Nürnberg einen Ritter wohnen, 
Den ſchaff' mir her, Du weißt es, wen ich meine; 
Es ijt der alte Seyfried Schweppermann, 
Daß er mit feiner Weisheit uns berate. 
Sriedrih von Zollern. Daß ich ihn bringe, drauf verlafje 
Dich! 


Erſter Alt. Zweite Ecene. 309 


Ludwig der Bayer (ihm die Sand veihend.) Im Feld bei Mühldorf 
jehen wir ung wieder! 
Das Bolt (adzieyend). Den lebten Tropfen Bluts für unfern 
Herin! 
(Ale gehen ab.) 


(Berwandlung.) 


Zweite Greene, 


(Bei Mühldorf im Zelte Friedrich des Schönen, wo eben der Kriegsrat ver- 

fammelt ift. Derjelbe bejteht aus Friedrich vem Schönen, dem Marihalf Die- 

trih von Pillihsdorf, Ulrid von Walje und anderen Führern bes öfter- 

reihiihen Heeres. Herzogin Jjabella im Gejpräd mit dem Prior Gottfried von 
Mauerbach. Herolde und Bewaffnete.) 


Sriedrih der Schone. Wie Hoch jchlagt ihr die Macht des 
Feindes an, 
Der jich gelagert fampfbereit vor uns 
Bon Dorndberg Her und über Ampfing Hin, 
Sr Blachgefilde zwiſchen Inn und Ser? 
Dietrich von Pillichsdorf. Wohl reichlich auf die Hälfte unfrer 
Streiter, 
Doch ſtündlich mehren ihn noch weitre Scharen. 
Ulrich von Walſe. Am ſtärkſten iſt der Zuzug aus den 
Städten, 
Wie man an ihren Bannern leicht erkennt. 
Friedrich der Schöne. Mein Vetter hat ſich immer gern be— 
rühmt 
Der Treue ihrer waffenſtolzen Bürger, 
Doch müßten ſie den Tod mehr als verachten, 
Wenn ſie angehen wollten unverzagt 
Die höchſt geprief’nen Ritter unſrer Zeit. 
Uri von Walje. Dies eine aber gilt mir für gewiß, 
Mir überjchritten allzu früh den Inn. 
Briedrih der Schöne. So hätten wir im Angeficht des 
* Feindes 
Den Übergang uns wohl erkämpfen ſollen? 
Dietrich von Pillichßddorf. Es war geraten, durch den Strom 
gedeckt, 
Die Ankunft Eures Bruders zu erwarten. 


310 Ludwig der Bayer. 


Friedrich der Schöne. Verſprochnermaßen jandt’ ich Boten 


ihm 
Und Hoffe ficherlich auf jein Erjcheinen. 
Ich will, daß endlich die Entjcheidung falle: 
Neun Sahre ſchon im Kriege machten wir 
Der Waijen und der Witwen alljoviel, 
Daß ich der Ehrijtenheit es jchuldig bin, 
Ein Ende diefem Kriege zu bereiten, 
Es möge mir ergehen, wie e3 will. 
Iſabella (vie ſich ihm nähert). O laſſe Dich beichwören auch — 
mich! 
Nimm Abſtand von der Schlacht, Du wirſt erliegen, 
Wie groß auch Dein Vertrauen auf den Sieg. 
Friedrich der Schöne. Wie? Du, die ich mit Ungeduld zu 
Wien 
Oft nach der Zahl der Streiter fragen hörte, 
Du bijt des Krieges jatt mit Einem Mal 
Und jagjt ihm ab, bevor er noch begonnen ? 
Iſabella. O allzu blutig nur begann er jchon, 
Und glaube, mein Gemahl, hätt’ ich geahnt 
Die Schreden, die er im Gefolge führt, 
Sch Hätte Dich beſchworen, abzujtehn 
Bon diefem Zug, den Du fo fjorglos führteſt, 
Als dächteſt Du nicht wieder heimzufehren. 
(Zum Prior.) 
Helft mir, ehrwürd’ger Bater, ihn zu rühren ! 
Prior Gottfried. Den Jammer, den ich jah, verjchweig’ ich 


lieber 
Und jage nur, daß Sträfliches geſchah. 
Friedrich der Schone. Kann überall mein Bliet zugegen jein? 
Kann ich den Schritt jo vieler Krieger lenken ? 
Was einzelne verübt, iſt's meine Schuld ? 
Prior Gottfried. Ja doch und nochmals ja, Ihr Fehltet 
ſchwer, 
Daß Ihr mit ſolchen Völkern Euch verbandet, 
Die heidniſch und als völlige Barbaren 
Kein Mitleid fühlen mit des Nächſten Schmerz, 
An dem ſie ſich in ihrer Mordluſt weiden, 
Kein Alter ſchonend wie auch fein Geſchlecht. 
(Friedrich der Schöne jteht erſchüttert da.) 


Erfter Alt. Zweite Scene, 311 


Iſabella (ih an Friedrich ſchmiegend). O laſſe Dich bewegen! Weißt 
Du nod, 
Was vom Sterndeuter Dir verkündet ward, 
Den Du zu Mantua im Turm befrugejt ? 
Er jah Dich jtet3 im Schweif des Löwen nur, 
Was ihm für ein verderblich Zeichen galt. 
Und jteht es Dir nicht in Gedanken noch, 
Mas Dir in Adinont, wo Du Heerihau hielteſt, 
Der Abt im weißen Silberbart vertraute, 
Wie Deinem Bruder Heinrich ebenfalls ? 
Es werde Euch ein Unheil ficher treffen 
Dafür, daß ihr die wilden Heidenvölfer 
Hereingezogen in dag eigne Land, 
Das jo ihr der Berwüjtung preisgegeben. 
Friedrich der Schöne. Es ijt zu jpät, da alles ſchon gejchehn. 
(Sie an fich ziehend.) 
Ein Frauenherz iſt nicht im Feld zu brauchen — 
Du würdejt wohler Dich daheim befinden. 
(Heinrid von Öfterreih und Heinrid von Bijjingen treten mit einigen 
Rittern auf. Das Zelt bleibt bis zum Schlufje der Scene geöffnet.) 
Mein Bruder Heinrich, der uns Kundjchaft bringt! 
(Zu Heinrid von öſterreich.) 
Du kommt, mir unfern Bruder anzumelden? 
Heinrich von Öfterreich, Noch nichts verriet uns leider jeine 
Nähe, 
Sp weit wir auch ins Land die Blide jandten. 
Dagegen jahen wir des Böhmen Heer 
Bollzählig angereiht dem Bundsgenoſſen, 
Den er an Stärfe fajt noch übertrifft. 
(Bewegung.) 
Prior Gottfried. Herr des Gerichts, ſchnell Fliegen Deine 
Boten! 
Siabella. O Gott, der Fluch fängt an, fich zu erfüllen! 
(Sie wendet fich verzweifelt zum Prior.) 
Sriedrich der Schone. Er jpart es ung, ihn jelbjt dort auf- 
zufuchen ! 
Dietrich von Pillichsdorf. Ich ſäh' es, traun, uns Lieber nicht 
erſpart! 


312 Ludwig der Bayer. 


Sriedrih der Schöne, Es werden morgen fünfzig Jahre fein, 
Daß Kaifer Rudolf ward vom Reich erfürt, 
Der feinem Haus auch Böhmen zugebracht, 
Und deſſen eingedenf, ſchreit' ich zum Angriff. 
(Er winft den Herold heran. Iſabella tritt Herzu.) 
Iſabella. Ch’ Du die Forderung dem Feinde jchidjt, 
Laß mich den Ring bejchaun an Deinem Finger; 
Nach jeinem Glanz iſt Habsburgs Glüd bejchaffen, 
Co wollen wir auch heute ihn befragen. 
Friedrih der Schöne. Laſſ' fein, Du thöricht ne 
ind! 


Iſabella (vie Friedrichs Hand erfaßth. O Gott, wo iſt jein Schimmer 
hin entflohn? 
Sieh nur den Demant, blaß und bleich wie Erde, 
Der wie ein Stern gejtrahlt am heitern Himmel, 
Wenn ich ihn jonjt beſchaut. O, achte drauf 
Und gieb Gehör der Stimme Deines Bruders! 
Friedrich der Schöne. Entmut’ge nicht die Meinen, Iſabella! 
63 ijt vergeblich, was Du auch verjudit. 
(Zu den Herolden.) 
DVermeldet meinem Better, Herzog Ludwig, 
Zugleich mit meinem friegerifchen Gruß, 
Daß ich vor Tag ihn morgen dort erwarte 
Auf jenem Plan, den ihr vor Augen Habt. 


(Die Herolde entfernen fich mit etlichen Bewaffneten. Die Sonne ift im Untergang 
begriffen.) 
Vriedrih der Schöne (su Jſabella). Es war nicht meine Abficht, 
Dich zu Fränfen. 
Dies halt’ Dir vor und fafje friſchen Mut! 
(Sie an fi ziehend.) 
Du wirft mir's danken, daß ich widerjtand, 
Bevor, wie jebt, die Sonne niederfintt. 
(Heinrih von Biffingen heranwintend.) 
Ihr halfet einjt mit andern meiner Ritter 
Dies mir jo teure Weib für mich zu werben, 
Und jo vertrau’ ich fie denn Eurer Hut. 
Heinrich von Biſſingen. Ihr könnt auf meine Treue Euch ver- 


laſſen. 
(Zur Seite.) 


Doch werd’ ich meinen Borteil nicht verpajfen. 


Erfter Akt. Dritte Scene. 913 


Friedrich der Schöne (su den übrigen gewendet). Sch bin verjichert 
dejlen, daß fich morgen 
Ein jeder unter euch als echter Mann 
Bewähren wird mit allen, die ihm folgen, 
Wie ihr euch auch verlajfen dürft auf ung, 
(Seinen Bruder bei der Hand fafjend.) 
Die wir des Heeres Führung übernommen 
Nach unfrer Väter Beijpiel, deren Macht 
Sich in der Krone darjtellt, die ich trage, 
Und die ich auch gedenfe zu behaupten. 
Ale. Wir werden unſre Pfliht thun, baut darauf! 
(Alle verlafjen das Zelt.) 
(Berwandlung.) 


Dritte Greene, 


(Feld bei Ampfing an der Sjer, vor dem Zelte Kaijer Ludwigs. Ein Baum er- 
hebt fih in dejjen Nähe. Anweſend find Ludwig der Bayer, Johann von 
Böhmen, Heinrih von Niederbayern, Georg von Schlüfjelberg und 
Plichta von Zirotin, ſowie andere bayerijhhe und böhmiſche Führer. Das 
Zelt ift von neun jungen Rittern bewadt, denen fich jpäter eine SharMündner 
Bäderfnehte von der Seite nähert und mit ihnen um die Ehre der Bewadhung 
fi ftreitet. Puechberger, der nad einer Weile hinzukommt, ſucht zu beſchwichtigen. 
Es iſt Abend und die Sonne noch im Untergehen.) 


Sohann von Böhmen (nieend, wobei über ihn das böhmiſche Banner gehalten wird). 
Empfange meine Huldigung, o Herr, 
Die Du mir nachgefehn bis diejen Tag, 
Doch die ich nun darbringe auf den Knien. 
Ludwig der Bayer. Wir ftehn Hier ab von allen Formlich—⸗ 
keiten 
Und nehmen Euch in Pflicht durch dieſen Handſchlag. 
Johann von Böhmen ic erhebend.. Vom Anmarſch Eures 
Gegners unterrichtet, 
Bin ich aus meinem Lande hergeeilt, 
Euch meine beiten Streiter zuzuführen. 
Drum laßt mich Eurem Bli empfohlen jein 
Für die verwailte Kur von Brandenburg! 
Ludwig der Bayer. Auf Böhmen hab’ ich Euch das Recht be- 
jtätigt, 
Doch Weitres bleibt der Zukunft vorbehalten. 


314 Ludwig der Bayer, 


Sohann von Böhmen (seiteit). Meinſt Du, ich jei gebunden 
nur an Dich? 
Sm Herzen bin ich frei als wie zuvor. 
(Laut.) 
Man jagt, nichts fünne in der Welt gejchehn, 
Es jei der Böhmenfönig denn dabei; 
Doch wie mir auch das Herz vor Eifer brennt, 
Vermeſſen wär’ es, riet’ ich hier zum Angriff, 
Zumal es Euch jo gut befannt als mir, 
Daß fih dem Yeinde jichre Hilfe naht. 
Ludwig der Bayer. Ihr ſtutzt wohl gar? Wir gehen friich 
drauf los, 
Und auch der Schuß des Herrn wird mit uns jein. 
Sohann von Böhmen, Ihr ließet viel £ojtbare Zeit ver- 
jtreichen. 
Ludwig der Bayer. Wir mußten auf der Gtädte Zuzug 
harten, 
Wie auch gewärtig des Heermeiſters fein. 
Sohann von Böhmen. Wen aber habt Ihr dazu auserjehn ? 
Ludwig der Bayer. Denjelben, der bei Gammel3dorf uns 
lenkte — 
Sch meine unjern tapfern Schweppermann. 
Johann von Böhmen. Bon diejer Wahl verjprech’ ich mir fein 


Heil. 

Ludwig der Bayer. Was habt Ihr an dem Wadern guast- 
ſetzen? 

Johann von Böhmen. Er ſcheint zu alt mir für den Krieg 
zu ſein. 

Georg von Schlüſſelberg. Wie Ihr zu jung, erlaubt mir den 
Vergleich. 


Ludwig der Bayer (su Johann von Böhmen). Mo ſaht Ihr ihn, um 
jolches zu erkennen? 
Johann von Bohmen (auf Zirotin deutend). Das mag Euch Der 


erzählen. 
Ludwig der Bayer. Redet denn! 
Plichta von Zirotin. Wenn Böhm’ betrügt, jo ijt er jchlechter 
Mann, 


Wie Deutjcher auch, wenn, was er denkt, nicht jagt. 
Wil ih an Moldau nicht mehr reiten heim, 
Wenn Unglimpf biet’ ich Ritter, was it recht. 


Erfter Alt. Dritte Scene. 315 


Der Feind jein jtark, was fragt der Böhm’ danach ? 
Der Wenzel hat im Himmel viel Gewalt. 
Hilf, Herr, was ijt das für ein Feldhauptmann, 
Der vor Gefahr fich forcht, weil Feind ihn jchredt ? 
Heinrich; von Niederbayern (auffaprend). Nehmt Eure Zung’ in 
acht, ich rat’ es Euch! 
Ludwig der Bayer. Kaltblütig, Sohn, laß ihn zu Ende 
fommen! 
Plichta von Zirotin. Gelt’ was er mag, was fenn’ ich 
Schweppermann ? 
Hab’ ich gejehn mit Augen meinigen, 
Hat ihm vor Furcht gezittert ganzer Leib 
Und Knie’ gejchlottert, Gott erbarm' fich fein — 
Bin ich jo nah’ gehalten wie vor Euch — 
Daß ihm die Sporen in die Bügel klungen. 
Heinrih von Niederbayern tin die Zähne knirſchend). Verſtumm', 
ſonſt würg’ ich Dir die Lüg' im Munde! 
Georg von Schlüfjelberg. Herr, dag verdient nicht unjer alter 


Held! 

Ludwig der Bayer. Geduld! Ich bin nur auf den Schluß 
gejpannt. 

Plihta von Zirotin. Hat manches Junkerlein da laut ge- 
lacht. 


Was jol Der Mut ung machen in der Schlacht, 

Dem Kraft und Seel’ ſchon jet find ausgefacht? 

An einen Löwen hatten wir gedacht 

Und einen Hirſchen Haben fie gebracht. 

(Murren bei den bayerijchen, Beifall bei den böhmischen Nittern.) 
Johann von Böhmen, So geht die Rede, Herr, in Deinem 
Heer. 

Sit fie vielleicht Dir auch verheimlicht worden. 
Ludwig der Bayer. ch glaube fie getreulicher zu kennen 

Und irre mich wohl faum. Doch nun zu Euch! 

Wär’ mein Entichluß nicht feſtgeſtanden ſchon, 

Zum Feldherrn unjern Helden zu erkiejen, 

Den uns hat Gott erweckt zu unſerm Seile, 

So hätte dies der Hohn auf ihn bewirkt, 

Der Borficht jtetS vereint mit Tapferkeit, 

Und den der Anblid drum der Mbermacht 


316 Ludwig der Bayer, 


Mit Recht erjchüttert Hat im treuen Herzen. — 
Da fommt er jelbft, den Bannerheren zur Seite. 
(Seyfried Shmweppermann tritt mit dem Burggrafen Friebrid von 
Zollern auf, gefolgt von Albreht Rindsmaul und Konrad von Bayer— 
brunn, Wigand von ber Trausniß und anderen Rittern. Auch folgen ihnen 
zwei Klojterbrüder in der Kutte.) 
Ludwig der Bayer. Was hat die Kundichaft Euch erkennen 
laſſen? 
Schweppermann. So ſteht's, daß ich den Rat erteile, Herr, 
Den Feind am frühen Morgen anzugreifen, 
(Freudige Bewegung unter den Bayern.) 
Dieweil er vorderhand nicht Hoffen darf, 
Sih mit des Bruder Streitmacht zu vereinen. 
(Erjtauntes Murmeln.) 
Ludwig der Bayer. Wiejo ? 
Friedrich von Zollern. Du wirjt erjtaunt die Kunde hören! 


Schweppermann (auf die beiden Klofterbrüder weifend). Sie ſchickte Euer 
Abt von Fürjtenfeld 
Mit diefem Brief zugleich. 
(Er händigt Ludwig die Rolle ein.) 
Ludwig der Bayer (su Schweppermann). Verleſt ihn ung! 


Schweppermann. Herr, da verlangt Yhr allzuviel von mir. 
Ludwig der Bayer. So muß der Schreiber hier dem Kriegs— 
mann helfen. 
(Puechberger wird gerufen.) 
Was giebt es dort für Zank vor meinem Zelt? 
Puechberger. Die Bäderfnechte jtreiten mit den Rittern 
Sich um die Ehre, Euer Zelt zu hüten. 
Ludwig der Bayer. Ein luſt'ger Zank! Doch hören wir den 
Brief! 
Puechberger (Lei). „Die Gnade unjer® Herrn, fie jei mit 
Euch! 


Mit Gottes Hilfe iſt es uns gelungen, 

Die Boten Friedrichs wie auch Leopolds, 

Die ſich vom Inn und Lech her hier getroffen, 
Wo unſre Knechte trunken ſie gemacht, 

Die Pferde loszulaſſen unbemerkt, 

Und überdies die Briefe zu vertauſchen, 

Die fie bei fich geführt und deren Wortlaut 
Wir diejen beiden Fratres eingeprägt. 


Erjter Alt. Dritte Scene. 317 


Doch jene trotten, während Ihr dies Lejet, 
Erwacht vom Räuſchlein, ihren Säulen nad 
Und ahnen nichts von ihrem Mißgeſchick. 
Nur um jo größer wird ihr Staunen fein.” 


Ludwig der Bayer. Das glaub’ ich wohl, daß es ein Staunen 
jet. 


(Zu den Klojterbrüdern.) 
Ihr Habt ung einen großen Dienjt geleijtet, 
Wir werden unjerm Stift die That gedenken. 
(Zu Puedberger.) 
Das treue Schreiben legt mir in das Zelt. 
Burggraf Friedrich. Nimm meinen Glückwunſch zu dem 
Meijterjtreich ! 
Ludwig der Bayer (su Plihta von Zirotin. Und nun, was meint 
Ihr, darf ich es wohl wagen? 
Plichta von Zirotin. Was fragen lang, wo Böhm doch helfen 
2 
(Gelädhter.) j 
Johann von Böhmen. Wir feiern morgen unjern Schuß- 
patron, 
So wollen wir Sankt Wenzel denn vertraun. 
Ludwig der Bayer. Sch freue mich der Wandlung Eures 
Sinnes. 
Johann von Böhmen (ur Seite. Wie groß die Wandlung, 
ſollſt Du noch erfahren. 
Ludwig der Bayer (su Schweppermann). Und nun trefft Eure An— 
jtalt für die Schlacht! 
Schweppermann. Dazu bedarf ich erſt der Vollmacht, Herr. 
Ludwig der Bayer. So ford’r ih Euch zur höchſten Führung 
auf, 
Der ich mich ſelbſt auch unterjtellen werde. 
Schweppermann. Gut, demnach will die Ordnung ich be— 
ftimmen, 
In der wir morgen rüden an den Feind. 
(Zu Sohann von Böhmen.) 
Die Böhmen fommen in das Vordertreffen. 
Plihta von Zirotin. Iſt Wenzel nicht zum erjtenmal ge- 


ehn. 
Schweppermann (su ſSeinrich von Niederbayern). Ihr folgt dicht bei 
mit Eurem Bolfe nad). 


318 Ludwig ber Bayer. 


Heinrich von Niederbayern. Verſteh' Euch wohl und werd’ es 
recht bejorgen. 
Schweppermann. Nachlafjen darf der Stoß nit mehr an 
Kraft, 
Bis in Verwirrung fie zurücdgeworfen. 
(Zu Konrad von Bayerbrunn und Albredt Nindsmaul.) 
Indes bedrängen wir den andern Teil, 
Die Ritter vorn, das Fußvolk hinterdrein, 
Damit der Feind nicht fann die Lücke jchließen, 
(Zum Burggrafen.) 
Sn die Ihr Euch auf mein gegebnes Zeichen 
Aus dem Verſteck, das ich Euch ausgejucht, 
Als Hinterhut mit Euren Rittern werfet, 
Und jo den Ausschlag gebt mit Gottes Hilfe. 
Friedrich von Zollern. Sch werde trachten, daß es mir ge- 
lingt. 
Ludwig der Bayer (in verwundertem Tone). Doch welch Gejchäft ijt 
mir wohl zugedacht ? 
Schweppermann. Ihr werdet bei des Reiches Banner halten, 
(Zu Georg von Schlüfjelberg.) 
Das wieder ſich in Eurer Hand befindet. 
(Zu Ludwig dem Bayer.) 
Doch müßt Ihr Euren Anzug baß verändern, 
Auf daß Ihr jedem Blid unfenntlich bleibt. 
Ludwig der Bayer. Ihr fcherzt wohl gar? Dem Kampf joll 
fern ich bleiben! 
Schweppermann. Sa, Herr, weil allzeit Ihr zu hitzig jeid. 
(Zu Puechberger.) 
Ruft mir die Ritter dort vom Zelt herbei. 
(Es geſchieht. Die Bäderfnechte treten gleichfalls Herzu.) 
Sie jollen gleich gekleidet Euch umgeben, 
Ich fann die VBorfiht Euch erlaffen nimmer; 
Man würde Euch nachitellen, bis Ihr fielet, 
Und unfer Fechten wäre dann umfonit. 
Ludwig der Bayer. Dem Kampfe fern! — 
Da legt Ihr mir zu großes Opfer auf! 
Schweppermann. Ihr habt Euch zu gehorchen mir verpflichtet. 
(Zu Konrad von Bayerbrunn und Albredt Rindsmaul.) 
Ihr werdet achten auf den freud’gen König 
Und gut mir jtehn für ſeine Sicherheit. 


Erjter Akt. Dritte Scene. 319 


Albrecht Rindsmaul und Konrad von Bayerbrunn, Es joll 
geichehn, wir bürgen Euch dafür. 
Schweppermann (su den jungen Rittern). Das Gleiche leg’ ich diefen 
an das Herz, 
Die dor dem Zelt die Wache zu bejtellen. 
(Zu den Bäderfnedten.) 
Die Bäder mögen lieber Brot uns baden, 
Damit wir in den Kampf nicht hungrig ziehn. 
Einer der Bäder. Auch morgen jollt Ihr uns 2. feiern 
ehn! 
Schweppermann. Das Hoff’ ich wohl, als davon überzeugt. 
(Zu allen.) 
Gewinnen wir, jo wird fein Sold mehr mangeln, 
Erliegen wir, jo bleibt ein Reiterdienjt 
Die einz’ge Einbuß’, und die tragen wir. 
Doch jetzt begeben wir zur Ruh’ uns alle, 
Auf daß wir ausgerajtet uns erheben. 
Ludwig der Bayer. Laßt uns gehorchen, wie es Kriegern 
. ziemt! 
Da wir beflifinen Überfall verichmähn, 
So mag der Herold nach dem Brauch verfahren. 

(Der bereitftehende Herold tritt heran. Die beiden Grafen von Öttingen nahen 
fih in dunkler Tradt mit entblößten Schwertern, die fie geſenkt halten, langſamen 
Schrittes von der feindlichen Seite her.) 

Briedrih der Bayer. Wer naht fih uns in büßendem Ge- 

wande? 
Friedrich von Zollern. Es find die Söhne, Herr, des 
Dttingen, 
Die ihres Hauſes Abfall tief bereun 
Und zeitig noch zu ihrem König fehren. 
Ludwig der Bayer (u den vor ihm Inieenden beiden Grafen). Wir wollen 
ihre Umfehr nicht verſchmähen. 
Ein braver Mann läßt nicht den Sohn es büßen, 
Was dejjen Vater an ihm Ubles that. 


(Ein Trompetenftoß. Pauje, während der die beiden Grafen fich wieder erheben und 
auf Schweppermanns leijen Befehl fih den neun jungen Nittern zugefellen. Der 
Herold Friedrich des Schönen tritt mit einigen Bewaffneten aus beiden Lagern auf.) 


Der Herold. Wo find’ ich Den, Der hier gebietet? 
Schweppermann (auf Ludwig zeigend). Hier. 


320 Ludwig ber Bayer. 


Der Herold. Bernehmet unſers Herrn gemejjnen Auftrag. 
Er hieß es uns bejtellen Herzog Ludwig 
Zugleich mit jeinem kriegeriſchen Gruße, 
Daß er bereit dazu, ihm auf dem Plan, 
Der die Vehwieſe heißt, im offnen Kampfe 
Nach Tagesanbruch morgen zu begegnen. 
Ludwig der Bayer. Wir werden dort fein und gewärtig 
feiner. 
Dies laſſ' ich ihm mit gleichem Gruß vermelden. 
(Der Herold entfernt fih mit dem Gefolge wieder.) 
Was zu erled’gen war, ijt abgethan, 
Der eignen Botſchaft find wir überhoben. 
(Zum Herold de3 eigenen Lagers.) 
So jchreite durch die Reihn der Zelte denn, 
Die aus der Erde dor uns aufgejtiegen, 
Wo gejtern noch in leere Luft wir Jahn, 
Und mahne zum Gebet die Herzen aller! 
(Zu allen.) 
Erheben ſoll jich Hier dem Herrn dereinjt 
Ein Kirchlein, wenn wir fiegen. 
Alle. Menn wir fiegen. 

(Die Bäder fprechen e3 im Dialekt: „Wie ma fieg’n”, wodurch das Wort „Wimpaſing“ 
al3 der Name der heutigen Ortſchaft diefes Namens heraustommt.) 
Zudwig der Bayer, Nun laßt die Hilfe uns des Herrn er- 

flehen. 
(Er kniet nieder, alle folgen feinem Beijpiel.) 
O Herr, wir riefen Dir in unſrer Not, 
Und fieh, Du jandteft Streiter und in Menge. 
Dein Name fei gelobt in Ewigkeit! 
(Während alle das Gebet laut wiederholen und dabei auf ven Knieen bleiben, entfernt 
fi der Herold und wiederholt das Gebet in weiterer Ferne.) 


(Der Borhang fällt.) 


Ende des erften Aktes. 


Zweiter Akt. 


Erſte Scene. 


(Auf freiem Felde bei Ampfing. Ludwig der Bayer hält, neben ſich Georg 
von Schlüſſelberg, in einem mit blau und weißen Rauten gezierten Wappenrock 
ohne Abzeichen ſeiner königlichen Würde, im einfachen Harniſch mit elf gleich ihm ge— 
kleideten Rittern, darunter die beiden Grafen von Ottingen und Walther, 
Wigandts von der Trausnitz Sohn; alle dieſe ſtehen jedoch mehr im Hintergrund.) 
Ludwig der Bayer. Es tobt der Kampf, doch wir find ihm 
entrückt, 

Als Hätte uns der Zufall hergeführt 

Und nicht das Schickſal, das die Not will enden, 

An der jo lange nun das Reich ſchon krankt, 

Und ich fein Haupt zumal vor allen Gliedern. 

Was joll drum diejes Abfeitzjtehn mir frommen, 

Das ich bezahlen muß mit meiner Ehre 

Als König wie ala Krieger, doppelt alfo ? 

Was Hilft das Leben mir, wenn ich nicht Jiege, 

Und wenn ich fiege, leb’ ich ohnedies. 
Georg von Schlüfjelberg. Auch mich verdrießt es, thatlos da- 

zujtehn. 

Und iſt's auch wahr, wie Ihr befennen müßt, 

Daß ung der Sieg nichts nüßte, wenn Ihr fielet, 

Was macht mein Leben foftbar vor dem Atem 

Sp vieler andrer Ritter, die den Zoll 

Der Treue Heut’ mit ihrem Blut bezahlen 

Und durch ihr Beiſpiel wirken jegt und immer? 
Ludwig der Bayer. Das ift e3, defjen ich auch muß entraten. 

Mein Recht bleibt aufrecht ftehn, wenn ich auch Ir 

Greifs Werte. III. 


322 Zudwig ber Bayer. 


Und fihert Dem, Der mir im Reiche folgt, 
Die Liebe und den Beiſtand aller Treuen. 
Dies trat mir diefe Nacht recht in den Sinn 
In meinem Zelt, und ich bereute jchon, 
Daß ich dem alten Kämpen mich gefügt. 
Georg von Schlüffelberg. Doch Habt Ihr Söhne, die es wohl 
verlohnen, 
Daß Ihr zu unferm Heile fie erziehet, 
Damit aus Eurem Stamm die Hoffnung prieße, 
Sa, mehr als dies, das Glüd der fünft’gen Zeit. 
Ludwig der Bayer. Mit gleichem Grund, daher mit De 
Recht, 
Weil jedes Große ſtets das Kleine ſpiegelt, 
Dürft' jeder Mann im Reich, dem Kinder blühn, 
Statt ſich zu ſtellen, ſeinen Knecht mir ſchicken; 
Und hielten wir Umfrage, wen'ge nur 
Erfänden wir, die nicht auch Väter find. 
Georg von Schlüſſelberg. Doh Einen fändet Ihr gewiß 
darunter, 
Und Der bin ih. Drum, als ich ward erwählt, 
Des Reiches Banner vor Euch herzutragen, 
Da wünſcht' ich, daß e8 mir bejchieden wäre, 
Im Anblick Eures Sieg: dahinzujcheiden 
Als Letter des Geſchlechts der Schlüflelberge, 
Die ich zum Gipfel hob und Jah erlöjchen. 
Ludwig der Bayer (oefien Rechte ergreifend). Doch daß Ihr Eurem 
Kaiſer unerjeglich, 
Dies, alter Freund, bedachtet Ihr nicht auch). 
Gott weigre drum Erfüllung Eurem Wunfche! 


(Albredt Rinvsmaul und Konrad von Bayerbrunn erjheinen in Eile von 
der gleichen Seite.) 


Albrecht Rindsmaul (noch Hinter der Scene). Hier finden wir den 
Kaifer und fein Banner! 
Ludwig der Bayer (fie erdlitend. Da kommt uns endlich Kunde 
aus der Schlacht! 
Wie halten fich die Unfern? Nedet, Freunde! 
Konrad von Bayerbrunn, So mannhaft, Herr, daß es un- 
billig wäre, 
Nur einzelne zu rühmen dor den andern, 
Wo ſolch vereintes Heldenwerk gejchieht! 


Hweiter Akt. Erſte Scene. 323 


Wir hatten dicht gereiht dor ung die Böhmen, 
Mo wir vor Tag die Ser überjeßt, 
Doh von den Pfeilen allgemach erjchüttert, 
Die auch im jchnellften Lauf der Ungar jchnellt, 
Gerieten fie ins Wanken, und ihr König 
War nicht der Lette, der den Sattel räumte, 
Ward ihm auch eilig wieder aufgeholfen 
Bon einem unbefannten DOfterreicher 
Und er entrifjen jo dem fichern Tode. 
Ludwig der Bayer. Er jtreitet weiter mit, indes ich rajte! 
Albrecht Rindsmaul. So ſchwankt der Kampf, doch unfer 
Schweppermann, 
Der fein Verzagen fennt, ift jeßt daran, 
Die Scharen Eures Volks heranzuführen, 
(Zu Georg von Schlüfjelberg.) 
Und dazu müßt Ihr mit dem Banner vor. 
Ludwig der Bayer. Was ſoll das Banner dort, wo ich nicht 
bin? 
Albrecht Rindemanl. Das laßt die Sorge unjres — 
ein! 
Ludwig der Bayer. Wo alle ſtreiten, ſoll ich müßig liegen? 
Georg von Schlüſſelberg. Ihr macht in Eurem Herzen mit 
den Kampf 
Und mehr als irgend einer, wie ich weiß. 
Konrad von Bayerbrunn, Wir haben uns verbürgt für Euer 
Leben. 
Zudwig der Bayer. Hab’ ich bei Gammelsdorf nicht auch ge- 
jtritten 
Und hat es folcher Vorkehr dort bedurft? 
Albrecht Rindsmaul. Schwertichläge auszuteilen ziemt fich 
nicht 
Für einen König, der Ihr heute jeid. 
Ludwig der Bayer. Ich könnte mehr als Einen König nennen, 
Der jolche Heldenarbeit hat verrichtet. 
Albrecht Rindsmaul. Doch jelten nur fam einer heil davon. 
Denkt an des Adolf mordverwandten Tod 
Und andrer 203! 
Ludwig der Bayer. Sch denke nur an Einen, 
An Friedrich, der fich heute Ruhm erwirbt, 
Indes ich opfre meinen Kriegernamen! 
ES 


324 Ludwig der Bayer. 


Albrecht Rindsmaul. Er hat der Brüder vier, und follt’ er 
fallen, 
So jteht ein andrer gleich an feiner Stelle. 


Ludwig der Bayer. DO, wär’ ein ſolcher Troft auch mir ge— 


blieben! 
(Zu Georg von Sclüfjelberg.) 


Zieht denn mit Gott dahin und fehrt mir wieder! 
(Er reicht ihm die Rechte.) 
Georg von Schlüfjelberg. Soll es nicht fein, Ihr wißt, ich 
jterbe gern. 


(Zu den Begleitern Ludwigs.) 
Behütet unſern Herrn! — Nochmals, lebt wohl! 

(Er mit Albredt Rindsmaul und Konrad von Bayerbrunn enteilen in bie 
Schlacht; die elf Sünglinge begleiten fie einige Schritte und jehen ihnen, Walther 
allen voraus, fampfbegierig nad.) 

Ludwig der Bayer. Er eilt dahin, das Banner zu entfalten, 

Doch ich, ob dejfen Haupt es jollte ſchweben 
Gleich eines Adler föniglihem Flug, 
Sch muß, unfenntlich durch dies Kleid gemacht, 
Das dieje elf zugleich mit mir auch tragen, 
Entfernt mid halten vom entflammten GStreite 
Und jo erniedern meines Helms Zimier 
Mit meines Haufes unbefledten Farben, 
Die ich mit Stolz dem Reichspanier verivob, 
Als Wittelsbacher auf dem deutſchen Throne. 
Walther (der, von einem Pfeil getroffen, umfintt. Weh' mir, mich traf 
ein Pfeil, ich ſterbe — 
Herr, rettet Euch, ſonſt müfjet Ihr auch fallen! — 
Laßt jchnell die Knnechte Euch den Renner bringen 
Und jo Euch jchaffen aus der Schlacht. Lebt wohl! — 
(Sid nochmals halb erhebend.) 
Verleih’ Euch Gott den Sieg und feine Gnade! 
(Er jtirbt.) 
Ludwig der Bayer (ver, Herbeigeeilt, ſich über den Leichnam beugt. Wer 
iſt es, der an mir jo herzlich hing 
Als Muſterbild in fich verborgner Treue? 
Sieh’, Walther ijt’s, des wadren Wigands Sohn, 
Der oft daheim beim Weidwerf mir geholfen, 
Als Knäblein Schon zuvor von mir liebkoft. 
Er warnte feinen Herrn im Sterben nod) 


Zweiter At. Erfte Scene. 395 


Und mit dem letzten Wort, das ihm entflohn, 
Rief er mir zu jein Herzlich Lebewohl. 
Welch reich Gedächtnis hat die Liebe doch! — 
Das Licht iſt ausgelöfcht in jeinem Blide, 
Doch, wie ein Strahl aus jener Welt des Friedens, 
Liegt Klarheit über fein Geficht verbreitet. 
O bete dort für ung am Thron des Schöpfers, 
Daß er vergeben wolle ung die Schuld, 
Wie täglich wir ihn bitten und dabei 
Sie unbußfertig immerdar vermehren, 
Unwert der Gnade, die wir angefleht! 
Ihm den Pfeil aus der Wunde ziehend, zu den den Leichnam umftehenden jungen 
Kittern.) 
Der Pfeil, der ihm das junge Leben nahm, 
Soll aufbewahrt in jenem Kirchlein werden, 
Das ich, im Fall wir jiegen, Gott gelobt, 
Zum Angedenken an jein legtes Wort. 
(Er reiht einem der Begleiter den Pfeil, der ihn zu fi ftedt. Wigand von der 
Trausmnigß tritt in Eile auf.) 


Wigand. Herr, weicht zurüd, der Kampf zieht fich heran! 


Ludwig der Bayer. Stet3 weichen nur! O Tag der Schmach 
für mich! 
Doch Helft beklagen mir erjt diefen Armen, 
Den ich mit Euch betrauern werde ſtets. 


MWigand (einen Sohn ertennend). Du bijt’3, mein Walther, Du, 
mein einz’ger Sohn, 
Den mir von fünfen Gott gelafjen hatte 
Als Trojt und Stüße meiner alten Tage? 
Nun ſinkſt au) Du mir Hin ins frühe Grab! 
Die Pflicht läßt feine Thräne Dir mich weihn, 
Doch find’ ich hier Dich nach vertobtem Kampfe, 
Dafern ich Dir nicht werde nachgejendet, 
So ſollſt Du Deine Ruhejtatt erhalten, 
Die Du verdient an andrer Helden Seite. 
(Sid aufrichtend.) 
Nun aber, Herr, iſt's Zeit, daß Ihr Euch fichert. 
Ludwig der Bayer. Laßt mich vernehmen erjt den Stand der 
Schlacht, 
Die Heiß entbrannt, nach dem, was ich erfahren. 


3236 Ludwig der Bayer. 


Wigand. Gar viele Opfer hat jie ſchon gefoftet — 
Ludwig der Bayer. Ihr ſtockt und laßt erkennen He da⸗ 
durch, 
Daß ein Verluſt uns traf beſondrer Art. 
Wigand. Georg von Schlüſſelberg — 
Ludwig der Bayer (cerſchüttert). Erriet ich's doch. 
(Nachdem er ſeinen Schmerz bemeiſtert.) 
Ich Habe viel an dieſem Mann verloren — 
Doch teilt mir auch fein ruhmvoll Ende mit! 
Wigand. Noch eh’ er mit dem Banner angelangt, 
War Schweppermann des Anjturms Herr geworden. 
Schon aber rief vom Inn ihm neu Gejchmetter, 
Wo Herzog Heinrich in den Streit gejtürzt, 
Und mit dem Pfande, dad Du ihm geliehen, 
309 hin der Heerfürjt Deiner Niederbayern, 
Entgegen Friedrich, der erjchienen ſelbſt 
Zu Hilfe jeinem dicht umringten Bruder. 
Ludwig der Bayer, Mein Gegner aljo ficht gleich allen mit! 
Wigand. Dem Bliß gleich, der dem Donner geht voran, 
Drang er, vom Pferd gejprungen wie die andern, 
Um Brujt an Bruft dem Feinde zu begegnen, 
Von fern erkennbar an der Rüftung jchon, 
Die er im höchſten Staat der Waffen trägt, 
Mit niederiwerfender Gewalt heran, 
Die Reihen lichtend mit dem breiten Schwerte 
Und niederjtredend mehr als einen nur, 
Bis er zu Deinem Banner her gelangt. 
Ludwig der Bayer. Und dort? Mir 
Wigand. Zum Träger des Paniers ge- 
fommen 
Auf blut’ger Bahn, die er fich ſelbſten brach, 
Entwand er Eurem treuen Schlüfjelberg 
Aus der geballten Fauſt das teure Zeichen 
Und riß voll Wut e8 mitten durch entziwet. 
Ludwig der Bayer. Halt ein! Es ijt der Schmach genug für 
mich! 


Ich werde diefe Unbill jelber rächen. 
(Er zieht das Schwert.) 
MWigand. Bezähm Euch Herr! Ihr ſeid's den Euren 
Ichuldig. 


weiter Aft. Zweite Scene. 397 


— 


Ludwig der Bayer (su feinen Begleitern, die gleich ihm die Schwerter zücken). 
Mir nah! Die Krone gilt e8 und das Reich! 

(Indem er mit den Elfen nad der Schladt ftürmt, folgt Wigand mit verlegener Miene. 
Herbeigefommene Kriegsinechte tragen den Leihnam Walthers hinweg.) 


(Berwandlung.) 


Zweite Scene. 
(Sm Zelte Friedrichs des Schönen. Iſabella und Heinrich von Bijjingen.) 


Iſabella. Daß ihn des Rings Erblaſſen nicht erſchreckt, 
Scheint mir unfaßbar, und ich fürchte wahrlich, 
Der Fürjt der Hölle treibt fein Spiel mit uns, 
Um ihn mit Lift zu ziehn in fein DBerderben. 
Heinrich; von Biſſingen. Dies hatt’ ich jchon beſorgt für 
meinen Herrn, 
Als er zu Baſel fich gekrönt Euch zeigte. 
Das Schaugerüfte, das dort plößlich brach 
Und viele aus dem Volke mit begrub, 
War's nicht auch VBorbedeutung feines Falles ? 
Iſabella. Anklagen muß ich jelbjt mich der Verführung. 
O, hätt’ icy ihm doch nie den Traum erzählt, 
Darin ich mich als Königin erblidte 
Zur Seite ihm, bevor hr jeid erjchienen 
Zu Vragon, an feiner Statt zu werben. 
Heinrich von Bilfingen. Vom Rufe Eurer Schönheit an— 
gelockt, 
Die jih im ganzen Abendland verbreitet. 
Iſabella. Und wirklich auch erkannt’ ich ihn jogleich, 
Als er, im Kärnthnerland mich zu begrüßen, 
Mir ohne jed’ Gefolg’ entgegenritt — 
Doch hört Ihr nicht den Schlag von nahen Hufen ? 
Heinrih von Biſſingen. Es wird mein Bote fein, den ich er- 


warte. 
(Er verläßt das Zelt.) 


Siabella. Maria, Hilf, daß er bewahrt mir bleibe! 
Du breitejt ja den Mantel Deiner Liebe 
Um die Bedrängten, die Du bergen willit, 
Und leicht erjegeft Du des Ringes Stärke, 
Die ihn verloren ging, durch Deinen Schub. 


(Heinrich von Bilfingen, von Kurt von Ebersdorf gefolgt, betritt wieder das Zelt.) 


338 Ludwig der Bayer. 


Heinrich von Biſſingen. Mein Zeltgenojje, Kurt von Ebers— 
dorf — 
Er bringt verläſſ'ge Kunde aus der Schlacht. 
Iſabella. Willkommen mir! Wie ſteht's um meinen Herrn? 
Kurt von Ebersdorf. Ich würde jagen wohl, hätt’ ich ver- 
laſſen 
Den Plan der Schlacht, bevor ich ſeinen Mut 
Sah ausgeartet in tollkühne Hitze, 
Die einem Fürſten, deſſen Leben teuer 
Dem Unterthan ſo ſehr als ſeinem Stamme, 
Als Frevel faſt muß angerechnet werden. 
Iſabella. Erlaßt den Vorwurf ihm und klärt mich auf! 
Heinrich von Biſſingen. Die Fürſtin iſt gefaßt, verhehlt ihr 
nichts! 


Kurt von Ebersdorf. Den Bitten derer taub, die ihn be— 
ſchworen, 
Drang Friedrich ſeinen Scharen kühn voraus 
In den geſchloſſnen Feind, mit eigner Hand 
So manchen Tapfren im Gewühl erlegend, 
Zu Hilfe ſeinem hartbedrängten Bruder. 
Jetzt waren ſie vereint, und beide ſtritten, 
Vor Adlern hurtig, tapfrer noch als Löwen, 
Daß ſich der Neid ſelbſt nicht berühmen kann, 
Er habe größres Heldenwerk geſehen. 
So wogte auf und nieder lang der Kampf, 
Bis er zur Mittagszeit ins Stehen kam, 
Und bald auch ſchien der Sieg uns zu gehören. 
Doch unſer Herr, von fern ſchon jedem Blick 
Erkennbar an der königlichen Rüſtung, 
Verlor, von blindem Eifer fortgeriſſen, e 
Stets mehr des Feldherrn ſichere Beſinnung, 
Der auf der Bahn bewußt zum Siege zieht, 
Und wie ein Schnitter, der in voller Mahd 
Sich in des Nachbarn Ackerfeld verirrt, 
Jetzt, da er es gewahrt, verdroſſen zaudert, 
Des Schweißes Perlen auf der heißen Stirn, 
So er auch, als er knirſchend nach ihm frug, 
Den er nicht fand und dennoch immer ſuchte — 
Doch endlich fand er ihn — 
Iſabella (angſtvolh. Nun kommt das Ende. 


Zweiter Akt. Zweite Scene. 329 


Kurt von Eberödorf. Im weißgeitiekten blauen Wappenrock 
Und ohne jed’ Abzeichen jeiner Würde 
Kam Ludwig angeflogen, hinter jich 
Bon Rittern eine Schar, wie er gekleidet, 
Um abzuwenden die Gefahr von ih, 
Was einem beinah’ auch gelungen wäre, 
Der weit voraus den andern Kämpen flog, 
Doch hielt er das Verhängnis nimmer auf. 
Siabella. O Mißgeſchick, das Heil in Unheil wandelt! 
Kurt von Ebersdorf. Mit jenem, der ihm jtürmifch zugeeilt, 
Lag Ludwig, hingejtredt von Friedrich, tot! 
Iſabella (mas einer Paufe). Tot! — — — 
Erſchüttert hör’ ich's, doch jo endete 
Dann auch ihr langer, unglüdjel’ger Streit. 
Kurt von Ebersdorf. Er währte weiter, und er währt noch fort, 
Dbgleich entjchieden Jchon durch Ludwigs Ende. 
Iſabella. Doch was verzögerte den Waffenjtilljtand ? 
Heinrich von Biſſingen. Das wilde Ungeftüm, die Wut der 
Kämpfer. 
Iſabella. Und ſicher jeid Ihr alſo, daß er fiel? 
Kurt von Eberödorf. Der Jubel, der nach diejes Ritters 
Fall 


Das Feld, ſo weit wir es bedeckt, erfüllte, 

Vom Wind geweht zum blauen Himmelszelt, 

Gab uns Gewähr dafür, daß er es war, 

Der um die Krone focht mit unſerm Herrn. 
Iſabella. So hatte mein Gemahl doch obgeſiegt? 
Heinrich von Bilfingen. Ihr werdet hören, wie es anders fan. 
Kurt von Ebersdorf. Kaum war's gejchehn, daß jo der Held 

gefallen, 

Als jich ein fränk'ſcher Ritter, fremden Namens, 

Doch deſſen Schild ein offnes Rindsmaul trägt, 

So dicht an unjern Herrn herangemacht, 

Daß diefer, fich des Angriffs zu erwehren, 

Zur Seite wich und alfo unverſehens, 

Den treuen Fahnenträger an der Seite, 

Fortfechtend im Gewühl der Schlacht verichwand — 
Iſabella. Verſchwunden! Fort! DO ich errate alles! 

Bekennt es offen nur und ohne Hehl, 

Er iſt gefallen, haltet nichts zurück! 


330 ALudwig der Bayer. 


Kann wachen doch der Jammer mir nicht mehr. 
Wo fandet Ihr hernach des Teuren Leib, 
Beraubt des Atems, der mein Leben war, 
Das, ihm entfliehend, mich auch hat verlaffen ? 
(Sie bricht in ftrömende Thränen aus. Heinrich von Bijfingen und Kurt von Ebers- 
dorf reden heimlich zufammen.) 


Heinrich von Bilfingen Calblaut). Sobald der Sturm fich Hat 
in ihr gelegt, 
Werd’ ich zur Flucht fie nach dem Dornberg drängen, 
Wo fie zur Beute König Johanns wird, 
ei Ihr zu Nacht mit ihm es abgeredet. 
x jchlöffe gern mit Öftreich feinen Frieden 
— braucht die Königin als Pfand dazu. 
Kurt von Ebersdorf (ebenſo). Ihr ſollt Gewißheit und auch 
ſchnell erlangen; — 
Doch eines noch, dem Böhmen half ich auf, 
Als er des Roſſes ledig ward im Weichen, 
Und er verſprach mir lächelnd hohen Lohn. 
Heinrich von Biſſingen (ebenſo). Laßt uns gemeinſam feine 
Gunſt behaupten! 
(Kurt von Ebersdorf verläßt das Zelt. Heinrich von Biſſingen tritt wieder zu Iſabella.) 
Heinrich von Bilfingen. Sucht Faſſung zu gewinnen, wehrt 
dem Schmerz; 
Beherzigt, daß fein allzu ſtolzes Trachten 
So jehr ihn in den Traum des Siegs geiwiegt, 
Daß ihm das Unglüd einer Niederlage 
Als Bild erſchien weit düſtrer als der Tod, 
Und darin Liegt, jo dent’ ich, auch ein Troft. 
Iſabella. O fprecht dies Wort nicht aus, das matt beherzte, 
Das fich wie Spott anhört in ſolchem Sammer, 
Den Ihr nicht faßt und drum jo leicht auch nehmet, 
Indes er mir das Herz zu Boden drüdt. 
Drum nicht? davon, wollt Ihr begehen nicht 
An Eurem Heren die allerichwerjte Sünde, 
Die Eurem Dienjt andeftet einen Makel 
Und zweifelhaft läßt werden Eure Treue. 
Fahr’ hin denn, Trojt und was verwandt ihm lächelt! 
Schmerz, fiege Du! Hervor, du Sturm des Wehes, 
Den jchon die Flut der Thränen angefündet 
Im jchmerzerfüllten Blide, die dir fehlen, 


weiter At. Dritte Scene. 391 


Wie mitten im Orkan fein Regen fällt. 
Er ijt der Klage wert, der mir entriffen! 
Geſchick und Unheil, die ihr euch verbandet, 
Ihn, dem der Sieg Jo gern gehorjamt Hätte, 
Wie feinem Herrn ein zahmer Leopard, 
Zu Tal zu bringen aus des Ruhmes Höhe, 
Laßt es bei jeinem Hingang nicht bewenden! 
Laßt mich ihm folgen in die enge Gruft, 
Die für ung beide längjt gemauert jteht! 
Nehmt mich dahin auch und vollbringt das Wert, 
Das ihr begonnen; doch verweigert ihr's, 
Um euch an meiner tiefjten Not zu weiden, 
So brech' ich jelbft in dieſen Tempel ein, 
Der ihm geweiht nur war und feinem Glüde, 
Und reiße ihm hinweg die goldnen Zierden, 
Und von dem Haupt aus jelbjt zerſtör' ich ihn. 
(Sie fällt ſich ſelbſt an.) 
Heinrich von Bilfingen ddr in die Hand fallend). Ihr thut ein Leid 
Euch au, was zu verhindern 
Der Dienft, den ich Euch jchulde, mir gebietet, 
Wie daß ich Euch in Sicherheit verbringe. 
Iſabella. Zurüd! — — 
Ihr Ichuldet Eurem Herrn im Tod noch Treue, 
Drum wenn $hr fie ihm zu erweifen ſäumt, 
So habt Ihr nie fie in der Bruft getragen; 
Und nichts habt Ihr zu ſchaffen mehr mit mir. 
(Sie ftürmt aus dem Zelte weg. Heinrich von Biffingen folgt ihr nad.) 
(Berwandlung.) 


Dritte Greene, 


(Ebenes Gefilde. Bei einem Baume das Zelt Ludwigs. Kämpfende ziehen iiber 
die Bühne. Nachdem fich dieje wieder geleert hat, tritt Friedrid der Schöne mit 
gezücktem Schwert und den Schild in den Händen auf; ihm folgen Dietrih von 
Pillichsdorf mit dem Reichspanier in ven habsburgifchen Farben, jowie zwei Horn— 
bläjer.) 
Friedrich der Schöne. Hier pflanzt des Reiches wahrhaft 
Ä Banner auf 

Bor des gefallnen Nebenbuhlers Zelt, 

Und laßt es wehn zum Zeichen unſres Sieges! 

Ihr aber blaft, daß unjern Ruf vernehme, 


332 Ludwig der Bayer. 


Wer im Gewühl mich aus dem Blick verlor, 
Und macht e& fund, wo ich, der König bin! 
(Die beiden Hornbläfer blafen eine Yanfare.) 
Nun gilt eg, hier zu forjchen nach dem Ringe, 
Der mir abhanden fam im Zelt am Morgen, 
Und den Berrat in Ludwigs Hand wohl fpielte. 
Berjüngt im Schimmer Hoff’ ich ihn zu finden 
Und Habsburgs Glück aufs neue zu begründen. 
| (Indem er gegen das Zelt ichreitet, tritt Heinrih von Öfterreich auf.) 
Heinrich von Oſterreich. Kurz ijt die Botjchaft, die ich jubelnd 
bringe. 
Den wir erwartet lange, doch vergeblich, 
Der Bruder naht fich, unjer Leopold. 
Er brauft mit einer Reiterſchar heran 
Als Bortrab feines Heerd, dem es gelungen, 
Zu Nacht des Feindes Flanke zu umgehn. 
Friedrich der Schöne. Heil ihm und ung! Führ' ihm Dein 
Volk entgegen. 
Er findet jchon die Böhmen aufgelöft, 
Zu deren König ich Dich auserjehen; 
Hier fünd’ ich Johann die Entjegung an, 
Wenn er ſich Gnade auf den Knien erfleht. 
(Heinrid von Öfterreih eilt in die Schlacht zurüd, die wieder in der Ferne heftiger 
entbrennt. Friedrich der Schöne ſchreitet auf das Zelt zu.) 
Friedrich der Schöne (der plöglig inne hälh. O Ludwig, wie er- 
jcheint Dein Bild mir plößlich! 
Doch nicht wie ich Dich eben erſt gejchaut, 
Das zorn’ge Antli vom Bifier bedeckt, 
Kein, wie ich Dir ins offne Aug’ geblict 
In ferner Jugendzeit, die wir verbrachten 
Als ungzertrennliche Gefährten einjt 
An meines Vater föniglichem Hofe. 
So jeh’ ich Dich beflagenswert genug! 
Und traun, auch feiner trauert jo um Dich, 
Als der Di hinwarf und im Kampf entjeelte. 
Doch hat des Himmels Schluß e& jo entjchieden, 
Und was gejchehn, das rechne mir nicht zu, 
Das Schickſal hat es anders nicht gewollt. 


(Er lehnt Schwert und Schild an den Baum und tritt in das offenftehende Zelt.) 


Zweiter Akt. Dritte Scene. 333 


Dietrich von Pillichsdorf wor dem aufgepflanzten Banner). Als 
Friedrich ung abfigen hieß vom Gtreitroß, 
Mir reichend das Panier, dag jeinem Träger, 
Dem tapfern Geroldseck, entjunfen war, 
Erriet ich gleich, wohin den Schritt er lenke, 
Doch was ich auch verjucht, ihn abzuhalten, 
Da mir der Sieg noch nicht gefichert jchien, 
Unzähmbar trieb ihn die Begier Herzu. 
Menn er nur nicht bereuen muß die Eile! 
(Friedrih der Schöne tritt wieder aus dem Zelt, eine Pergamentrolle in der Hand.) 
Friedrich der Schöne. Im Zahlen Zelt das unbenußte Lager 
Und vor dem Betjtuhl das verehrte Kreuz. 
Bon Schmud und Kojtbarfeiten nichts zu ſchaun, 
Gejhweige von dem Ring. Ein Wahn betrog mic). 
Was halt’ ich hier? 
(Er öffnet die Rolle.) 
Es jcheint jein Tejtament, 
Das er vor Gott demütig abgefaßt, — 
Doch was enthält noch dies bejondre Blatt ? 
(Nachdem er die Schrift überflogen.) 
Gott in der Höhe, eines Abtes Meldung ! 
Die Boten, die wir Brüder uns gejendet, 
Gerieten in der Feinde lift’ge Hand. 
Doch kann's nicht jein, die Meldung jteht dagegen, 
Die eben ih vom Bruder hier empfing. 
(Ein Trompetenftoß Hinter der Scene. Ulrid von Walje tritt eilig auf.) 


Uri von Wale. Wo ijt der König aufzufinden ? 


Dietrih von Pillichsdorf. Hier! 
Uri von Walſe. O Herr, wir find in jchredlicher Be— 
drängnis 


Und feine Hoffnung mehr beiteht für ung, 
Wenn nicht der Himmel ſelbſt uns Hilfe jchidt! 
Wir waren jchon dabei, den Feind zu werfen, 
Da half nochmals ihr Eluger Schweppermann. 
Er ließ bedacht, jo daß wir faum es merften, 
Die Seinen eine Schwenfung vajch vollziehn 
Und brachte fie in eine ſolche Stellung, 

Daß aller Staub uns wurde zugetrieben, 

Und überdies der Wiederglanz der Sonne, 

Bon ihren Harniſchen zurüdgejtrahlt, 


334 Ludwig der Bayer. 


Uns blendete, als ob der Himmel brenne. 
So wurden wir verwirrt und Schritt für Schritt 
Bon dem gewalt’gen Stoß zurüdgejchoben, 
Der ung dem Innſtrom zu verderblich drängt. 
Friedrich der Schöne. Doch wurdet ihr der Hilfe nicht gewahr, 
Die mir auch ſchon der Bruder angemeldet? 
Uri von Walſe. Die Hoffnung jhwand uns nur zu jchnell 
dahin — 
(Friedrih der Schöne wankt einen Schritt zurüd, wobei die Rolle * entfällt.) 
Noch jtritten wir, ala plöglich uns im Rüden 
Auftauchte eine dichte Reiterjchar, 
Die wir für den erjehnten Beiftand hielten, 
Und Heller Jubel ſcholl durch unſre Reihn, 
Doh um jo bittrer wurden wir enttäufcht — 
Der Burggraf Friedrich war’ don Nürenberg, 
Der, auf den Fähnlein unfre Farben führend, 
Mit jchlauer Lit hervorgebrochen war 
Bon dort, wo er im Hinterhalt gelegen, 
Um auf das Zeichen, das er längjt erhartt, 
Im wilden Anjturm alles niederreißend, 
Sn die entblößte Seite uns zu fallen, 
Wo auch die Böhmen, ihrem Wort entgegen, 
Das zu Gefangnen fie uns ſchon gemacht, 
Don neuem uns anfielen, ihm vereint. 
Briedrich der Schöne (Schwert und Schild erfaſſend. Entgegen ihm! 
Wir werfen ihn zurüd, 
Und wären dreimal fie jo jtark wie wir, 
Sa, ftritten jelbjt die Toten wider uns. 


(Er enteilt, von Dietrich von Pillihsdorf, der ihm das Banner vorträgt, ſowie Ulrich 

von Walje und den Hornbläjern gefolgt. Pauſe. Kampfgeſchrei und Waffengetünmel. 

Ludwig der Bayer mit den wenigen, nod) übriggebliebenen aus den Elfen erjieint, 

von dÖfterreihifhen Kriegern umringt und mit diejen gleich feinem Gefolge 

fümpfend, auf der Bühne. Im nächſten Augenblid breden die Mündener Bäder- 

knechte und Schuhwerker hervor und befreien den umrungenen König. Die Feinde 
entfliehen nach furzem Widerftand.) 


Ludwig der Bayer. Landsleute, Dank, von Herzen Dank 
dafür! 

Die Bäder und Schuhwerfer. Zt gern geſchehn und fein Ver— 
geltsgott wert. 

Ludwig der Bayer. Ihr habt gejtritten wahren Rittern gleich. 


Zweiter Alt. Dritte Scene. 335 


Einer der Bäckerknechte. Ihr hättet ch’ nit jo viel Not be- 
jtanden, 
Wenn Ihr Euch ung jtatt denen anvertraut. 


Ludwig der Bayer. Laßt's gut fein, Leute; fie auch jtritten wacker, 
Ihr Häuflein ſchmolz zufammen im Gefecht. 
(Zu den Bädern.) 
Fortan ſollt ihr des Reiches Adler Führen, 
Des fein Gewerke fi noch rühmen fann, 
Die Münchener Schuhwerfer ausgenommen, 
Die, wie ich jehe, ſich mit euch dverbündet. 
(Zu den Schuhmwerfern.) 

Euch werd’ ich einen Gnadenbrief erteilen, 
Den eure Kindeskinder noch bejchaun ! 

(Zu dem ritterlichen Gefolge.) 


Euch Lohn’ ich es durch Güter und durch Leh’n. 


Die Bäder und Schuhwerfer. Hoch lebe Ludwig, unfer Herr 
und Schüßer! 
Die Schuhwerker. Wir haben gut gefohlt und recht geflict! 
Die Bäder. Und wir fie brav gewalgert und gewürgt. 
(Seyfried Shweppermann triit mit einigen Rittern auf, zu denen ſich hernach 
aud Wigand von der Trausnit und Konrad von Bayerbrunn und als 
legter Albredt Rindsmaul gefellen.) 
Schweppermann. Gi, Herr, jo darf ich Euch wohl billig fragen, 
Sit das die Folgſamkeit, die Ihr gelobt, 
Als Ihr mir die Befehlichaft übertragen? 
Was hättet Ihr anrichten können uns! 
Denn ohne Euch, was fann der Sieg uns frommen, 
Den unjer Herrgott uns gewinnen ließ ? 


Ludwig der Bayer. So iſt es jchon an dem, daß wir gejiegt? 
Koch eben jtand ich mitten im Getümmel. 
Wenn ich, daß Ihr Euch täufcht, für möglich Hielte, 
So jagt’ ich, Schweppermann, Ihr irrt Euch wohl. 
(Subelrufe, die immer näher fommen.) 
Doch ja, es jubeln meine Bayern laut, 
Drum will ich gern auch an das Wunder glauben. 
(Er umarmt Schweppermann.) 
Schweppermann. Dankt Ihm, der e8 an ung verrichtet hat, 
Er wohnt dort oben, nicht hier unten, Herr, 


336 Ludwig der Bayer. 


Ludwig der Bayer (vie Rechte gegen den Himmel firedend). Sa er in 
jeiner Gnade that das Wunder. 
(Nach dem Baunte deutend.) 

Hier ſoll das Kirchlein ftehn, dag ich gelobt. 
Schweppermann. Erlebt' ich’3 noch, daß ich erbaut es jähe! 
(Auf die Bäder weijend.) 

Doch denen da leiſt' ich Abbitte jebt, 
Daß ich fie zum Badofen hab’ gejchict, 
Anjtatt die Wache ihnen hier zu gunnen. 
Mehrere Bäder. Ein andrer hätt uns das nit bieten 
dürfen! 
Schweppermann. Reckt eure Hauben nit zu hoch hinauf! 
Andere Bäder. Es iſt auch wahr, wir fein feit alters wehr- 
haft. 
Schweppermann. Doch alle können wir nicht Bäder fein. 
(Heiterkeit, namentlich unter den Bädern.) 
Ein Bäcker. Sind Euch die Schmiedleut’ Lieber wohl als wir, 
Weil Ihr im Wappen ein Hufeifen führt? 
Schweppermann. Die Backſtub', merkt euch, ift fein Königs— 
zelt 
Doch ihr gehört davor troß Mehl und Kleie. ; 
(Erneute Heiterkeit.) 
Ein Bäder. Das ift ein Wort, dag wir ung merken wöllen! 
Die Bäcker. Hoc Lebe unjer Seyfried Schweppermann ! 
Schweppermann. Doch unjer tapfrer König geht voraus! 
Derjelbe Bader. Er lebe und die Königin dazu! 
Alle Bäder und Schuhwerfer. Der König lebe jamt der 
Königin! 
Ludwig der Bayer. Ga, Margareta Hat e8 wohl verdient. — 
(Zu Schweppermann.) 
Nun aber eine Frage noch voll Ernjt — 
Was iſt's mit Friedrich, meinem tapf’ren Gegner, 
Der fühner jtritt, als je ein Held zuvor, 
Wie wir des Zeugen ſelbſt im Kampf geweſen, 
Als er die beiden Grafen niederrannte, 
Die ihren Abfall durch den Tod gejühnt. 
Bon Herzen wünſch' ich, daß er unverjehrt 


Zweiter Akt. Dritte Scene. 337 


Und ungefränft in meine Macht gelange, 
Des Friedens To begehrend wie ich jelbit. 
(Srompetenftoß. Burggraf Friedrich, Friedrich des Schönen Schwert in Händen, 
tritt auf mit einigen Nittern und Knappen; in weiter Entfernung und daher exit 
zulest gejehen, folgt ihm Friedrich der Schöne und Dietrihvon Pillichsdorf. 
Die Bühne füllt fih mehr und mehr, namentlih durch die Bürgerzünfte der 
Städte Münden, Landshut, Jngolftadt, Straubing und Regensburg, 
welche an ihren Fahnen erfennbar find.) 
Ludwig der Bayer. Da fommt, der und das Dunkel kann er— 
hellen, 
Er hatte zu entjcheiden ja die Schlacht. 
(Er eilt dem Burggrafen entgegen und jhließt ihn in die Arne.) 
Zum andernmal gewannjt Du mir die Krone. 
Nimm meinen Dank dafür, getreuer Zoller! 
Burggraf Friedrih. ch war das Werkzeug nur der höhern 
Macht — 
Hier naht ich Herzog Friedrich, Dein Gefangner, 
Der mir jein Schwert vertrauend übergab, 
Daß ich's darreiche Dir für den Beftegten, 
Dem ich mich für fein Leben auch verbürgt. 
Ludwig der Bayer. Führt mir den Better vor, daß ich ihn 
rüße! 
Friedrich von Zollern (der zu Friedrich dem Schönen — Der 
König bittet Euch, heranzutreten. 
Friedrich der Schöne (Ludwig erblidend). Ihr Heil'gen, mie ge— 
ſchieht mir? Traun, er lebt, 
Den ich erlegt geglaubt durch meine Hand! 
Ludwig der Bayer Ghm einen Schritt entgegengehend). Ihr waret mir 
willkommner niemals, Vetter. 
Friedrich der Schöne. Doch ich gewahrte Euch jo ungern nie! 
Ludwig der Bayer. Ja, ungern ſiehſt Du mich, das glaub’ 
ich wohl, 
Doch wen trifft alle Schuld ala Dich allein, 
Den ich langmütig oft zur Pflicht vermahnt, 
So wenig Du auch acht darauf gegeben. 
Der Mann, dem ich von Jugend auf befreundet, 
Zog neunmal feindlich gegen mich heran, 
Die Länder, die ich jchüße, zu verheeren, 
Doch gern bin ich bereit ihm zur VBerfühnung, 
Wenn er von jeinem Troß nur lafjen will. — 
Greifs Werke. II. 22 


338 Ludwig der Bayer. 


D Friedrich, komm, ſchlag' ein in dieſe Rechte, 

Und alles joll damit vergefjen fein, 

Sofern Du mi als König anerfennit. 

Sriedrich der Schöne. Dies hoffe nicht von mir, jo lang‘ ich 
atme! 

(Er wendet fih von Ludwig ab, der Konrad von Bayerbrunn den Wink erteilt, ihn mit 
dem Marjchalf in fein Zelt zu führen. Puehberger mit einigen Zandleuten naht 
von der Geite Ampfings her.) 

Ludwig der Bayer. ch dachte ihn ergebner in jein Los — 

Wer lieferte ihn aus in Deine Hände ? 

Friedrich von Zollern. Gin Edelfnecht aus Franken, der mir 
dient, 

Rief mich, von ihm nach feinem Herrn befragt, 

Herzu, doch wer der Ritter jelbjt gemwejen, 

Der ihn bewältigt hat, blieb unbekannt. 

Ludwig der Bayer. ch wiederhole noch einmal vor jeder- 
mann: 

Wer ihn gefangen nahm, der melde fich! 

(E3 bleibt fo ftil wie vorher. Ludwig erblidt das Tejtament am Boden.) 

Was liegt hier an der Erde? 

(Es wird erhoben.) 
Ei jeht, dies hier. 

Sie waren ſchon daran, mein Zelt zu plündern. 

(Lächelnd.) 

Wohl, wie es geht, in ſolcher blinden Haſt, 

Das Beſte ließen ſie als wertlos liegen. 

Doch nun laßt unſerm Volke Zehrung ſchaffen! 

(Zu Puechberger.) 

Sorgt, daß uns Speiſe wird und Trank gebracht! 
Puechberger. Herr, damit ſchaut es wenig tröſtlich aus. 
Ludwig der Bayer (su den Landleuten). ch werd’ es Euch ver— 

güten, wie ich fann, 

Heut aber müßt ihr teilen noch mit uns, 

Wir haben Bejperzeit, und alle Hungent. 

(Puechberger entfernt fih mit den Landleuten. König Johann von Böhmen tritt 
mit Heinrid von Nieberbayern auf, gefolgt von einigen Nitiern, welde Hein— 
rih von Ofterreid und Ulrih von Walfe gefangen aufführen.) 
König Johann, Der Feind ijt glücklich aus dem Feld gefchlagen, 

Ihr könnt getrojt Hier Euer Kirchlein baun, 

Doch muß Sankt Wenzel Schugpatron ihm werden. 


Zweiter Alt. Dritte Scene. 339 


Ludwig der Bayer, Ihr hattet aber jchon das Feld geräumt! 


Johann von Böhmen. Ein Böhme floh noch niemals aus der 
Schlacht! 

Plihta von Zirotin. Böhm’ hat gefiegt, was ihm nur Neid 
nit glaubt. 

Einer der Schuhwerfer. So eine Zug’ bringt nur ein Böhm’ 
zuſammen! 

Einer der Bäcker. Dafür verdient er gleich geſchupft zu werden! 


Ludwig der Bayer. So war's ein Böhme ohne Zweifel auch, 
Dem ſich der Herzog Friedrich hat ergeben? 

König Johann. Daß ihn ein Böhme fing, behaupt' ich dreiſt 
Und ſpreche an das Recht, ihn zu verwahren. 

Ludwig der Bayer, Das Ahr erweijen jollt an ihm wie den, 
Den wir in Eurer Haft vor uns erbliden 
Und leider nicht dem Bruder auch gejellt. 

König Johann. Er ward von ung bewältigt wie der andre, 
Und ich beharre drum auf meinem Anjpruc. 

Ludwig der Bayer. Führt Friedrich vor, daß wir ihn jelbjt 

vernehmen ! 
(Auf Ludwigs Wink wird Friedrich der Schöne von Konrad von Bayerbrunn aus dem 


Zelt hervorgeholt. Heinrih von Äſterreich ſtürzt ihm entgegen und finft ihm an den 
Hals, während ihn Friedrid ſtumm umfangen hält.) 


Heinrich von Öfterreih. So müffen, Bruder, wir ung wieder- 
finden ! 


(Konrad von Bayerbrunn, der indes mit Ludwig dem Bayer leije geſprochen, tritt zu 

Friedrich dem Schönen und madt ihm den Auftrag des Königs befannt, worauf Fried— 

ri die Reihe der Krieger, die ſich vor ihm gebildet, durchſchreitet, wobet ihm jeder 

einzelne feinen Schild vorftredt. Bor Albreht Rindsmaul bleibt er jtehen und klopft 
auf deſſen Schild, der einen Büffelkopf mit einem Ring durch die Naje trägt.) 

Friedrich der Schöne. Des Rindsmaul konnt' ich heut’ mich 

nicht erwehren 

Mit Hau'n und Stechen, dem ergab ich mich. 

(Indem Friedrich der Schöne wieder im Begriff jteht, nad) dem Zelt, gefolgt von jeinem 


Bruder, fi zu begeben, jtürzt ihm Ludwig der Bayer in fihtbarer Ergriffenheit einen 
Schritt entgegen.) 


Ludwig der Bayer. D Friedrich, kannſt Du wirklich widerjtehn 
Dem Rufe Deines gutgewillten Betters ? 
(Friedrich ſchreitet nad einer abweijenden Handbewegung, den Bruder hinter fih, in 
das Zelt zurüd. Pauſe, während der Ludwig jeine innere Erregung befümpft. In— 
zwiſchen iſt auch Puechberger mit den Zandleuten zurüdgefehrt, die Körbe voll Eier 
berbeibringen.) 
22* 


340 Zudwig ber Bayer. 


Ludwig der Bayer. Führt ihn nach Dornberg zur Bewachung ab! 
Wir folgen, wenn wir hier uns erjt gelabt. 

Puechberger. Dies, Herr, ijt alles, was wir aufgetrieben. 

Ludwig der Bayer. Teilt rings fie aus; für jedermann ein Ei, 
Dem braven Schweppermann dagegen zwei! 


(Er reicht, während die übrigen Eier einzeln umher verteilt werden, mit eigener Hand 
Schweppermann die beiden für ihn beftimmten Eier.) 


Schweppermann. Dies joll dereinjt auf meinem Grabjtein jtehn! 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des zweiten Aktes. 


Dritter Akt. 


Erfte Scene. 


(Zu Alling bei Minden. Vor einem der Bauernhäufer fitt Herzog Leopold von 
Öfterreich auf der jteineren Ruhebant, von Rittern umgeben, unter denen ſich fein 
Marihalt Zelking befindet.) 


Leopold von Oſterreich. Mein Bruder läßt mich lang auf 
Kunde warten! 
Der Marſchalk. Herr, ein Gerücht, das hier im Umlauf, meldet, 
Daß Herzog Ludwig über jeinen Gegner 
Erfochten habe einen großen Sieg. 
Leopold von Oſterreich. Wer Hat verbreitet dieſe Schredens- 
märe? 
Der Marihall. Dies zu erforjchen, fehlte mir die Zeit. 
Leopold von Ofterreih. Entjendet Kundjchaft gegen München 
in! 
Der Marihall. Was hr gebietet, ift bereits gejchehn. 
Leopold von Oſterreich. Wir kürzen, wie am a —— hier 
die Raſt. 
Laßt ſatteln, wenn die Pferde abgefüttert, 
Die hier zu Alling heute eingeſtellt! 
(Der Marſchalk entfernt ſich mit den Rittern.) 
O, welche Pein erleid’ ich um den Bruder! 
Gr hatte mir's jo ficher zugeſagt, 
Als wir den Kriegsplan miteinander —— — 
Wie kann er außer acht ſein Wort ſo laſſen! 
(Der Marſchalt kehrt zurück.) 
Lief Kunde ein? 


342 Ludwig der Bayer. 


Der Marſchall. Sie ſteht noch aus. Ein Brief — 

Leopold von Oſterreich. Wer brachte ihn? 

Der Marſchalk. Der Führer unſrer 
Nachhut, 


Der ihn dem Boten abnahm vor dem Dorfe. 


Leopold von Oſterreich. Gebt her! Ihr wißt, ich ſchmachte 
nach Gewißheit. 


(Den Brief an ſich nehmend.) 
Der Ritt hat ihre Roſſe wohl ermüdet? 
Der Marſchalk. Der Roſſe wurden ſie vielmehr beraubt 
Im nahgelegnen Kloſter Fürſtenfeld, 
Wo ſie durch Zufall Eure Boten trafen. 
Leopold von ſterreich. Ein Schickſal und kein Zufall! 
(Er eröffnet den Brief.) 
Gott, ijt’3 möglich ? 
Mich trifft der Donner! Meines Bruders Boten 
Beitellen mir mein Schreiben an den Bruder. 
Der Marſchalk. Mich dünkt, daß Lift auch diefen Streich 


£ verübte. 
Leopold von Oſterreich. So iſt's, man fügt den Schaden noch 
zum Spott, 


Doch werd’ ich rächen uns an diejen Schälfen. 
(3 wei Ritter treten eilig vom Feld ber auf.) 
Leopold von Oſterreich. Der Ernjt auf ihren Mienen jagt 
genug! 
Einer der Ritter. Wir jprengten auf der Straße gegen München, 
Doch eh’ wir feiner Türme noch gewahr, 
Kam eine Schar Landleute ung entgegen, 
Die uns beteuerten mit frohem Mund, 
Sie hätten durch Herolde auf den Gajjen 
Ausrufen hören einen großen Sieg. 
Leopold von Oſterreich. Nun ſchwand die Hoffnung ganz. 
Laßt mich allein! 
(Der Marſchalk entfernt ſich mit den beiden Rittern.) 
O Friedrich, hätteſt Du auf mich vertraut! 
Schwer mußteſt Du Dein unklug Eilen büßen! 
(Er verſinkt in brütendes Nachdenken. Iſabella tritt, geſtützt auf den Prior Gott— 
fried, in großer Erſchöpfung auf, gefolgt von Heinrich von Bijfingen.) 


Prior Gottfried. Iſt es gejtattet Flüchtigen, zu nahn ? 


Dritter. Akt. Erfte Scene. 343 


Leopold von Ofterreich. Woher des Wegs ? 


Siabella, Gerade Her vom 
4 San. 

Leopold von Oſterreich. Wo ſich mein Bruder jchlug ? 

Iſabella. Kennt Ihr mich nicht? 


Verkleidet konnt’ ich nur dem Feind entrinnen. 
Leopold von Oſterreich. Wie, Iſabella, meines Friedrichs 


Gattin! 
(Er umarmt fie.) 


Sn welchem Leide jehen wir ung wieder! 
Iſabella (masdem fie ſprachlos eine Weile an jeinem Halje gehangen). Wohl 
iſt's ein bitter Leid, das mich befallen! 
D Leopold, wie joll ich's überjtehn? 
Den Leichnam defjen, der mein alles war — — 
Leopold von Oſterreich. Mein Friedrich tot! Nun faſſ' ich 
Deinen Jammer. 
Siabella. Ihn bar des bergenden Gewands zu willen, 
Nackt auf der blutgetränkten Erde liegend, 
Umkreiſt von Bögeln voll gefräß’ger Gier! 
Doch laſſe mich ausmalen nicht das Bild 
Und reiche mir den Zrojt, der mir noch übrig. 
Erlöje meinen Herrn, den Du im Leben 
Stets teuer, hieltejt, aus der Feinde Hand! 
Leopold von Oſterreich. Vermöcht' ich nur an Troſt Dir mehr 
zu bieten, 
Doch ſelbſt gebeugt, beteur’ ih Dir vor Gott, 
Der das Gejchehne fennt, das uns verborgen, 
Mich anzunehmen Deiner frommen Bitte, 
(An fein Schwert jhlagend.) 
Der Nachdruck zu verleihn dies Schwert verflag! 
Iſabella. Sch danke Dir für dies erjehnte Wort! 
Und nun gejtatte mir zu ruhn ein wenig, 
Ermüdung fällt mich an, der ich erliege. 
(Nachdem fie der Prior zur Bank geleitet, im Halbjhlummer.) 
D Friedrich, Teurer, jeh’ ich erſt Dich wieder, 
Mie werd’ ich glüdlich jein! — 
5 (Sie jläft ein.) 
Leopold von Oſterreich. Wie lange hat ihr Ritt gewährt? 
Prior Gottfried. Drei Tage; 
Bon der Bigil Sankt Michaels bis heute. 


344 Ludwig der Bayer. 


Heinrich von Bilfingen. Ich wollte fie nach Wien zurüd ver 
bringen, 
Doch war fie zu bewegen nicht dazu. 
Prior Gottfried, Sie wußte, daß vom Lech her Ihr im Anzug, 
Und daß bei Euch fie ficher wiirde jein. 
Leopold von Oſterreich (su Heinrih von Biffingen). Sucht eine Unter- 
funft für Eure Herrin, 
Die, tief erſchöpft, vollfommner Ruh’ bedarf. 
(Heinri von Biffingen entfernt fih nad dem Dorfe.) 
Leopold von Oſterreich (Gum Prior Gottfried). Fahrt fort, ihr Euren 
heil’gen Troſt zu jpenden, 
Daß fie dem Herzensjammer nicht erliegt. 
Prior Gottfried. Gott gebe, daß die Prüfung bald ihr ende! 
Leopold von Ofterreid. Wenn er, für den ich einzig jtritt, 
dahin, 
So hört die Sonne auf für mich zu jeheinen! 
(Der Marjchalf tritt mit einigen Rittern auf.) 
Wir bleiben hier und rüjten ung zum Kampfe, 
Den ung der Sieger nicht erjparen wird. 
Der Marſchalk. Dev Bayer ſchickt Euch einen Abgejandten. 
Leopold von Oſterreich. Ich Heike ihn um jo willkommner nur, 
Se näher deſſen Schritt er felber folgt. 
(Der Burggraf Friedrid und Dietrid von Pillichsdorf treten mit Fleinem 
8 reiſigen Gefolge auf.) 
Leopold von Ofterreih. Was bringt Ihr mir ala Botſchaft 
Eures Königs? 
Friedrich von Zollern. Befehl zu unbedingter Unterwerfung, 
Nachdem ſich Euer Bruder jchon ergeben, 
Dem aufgerieben ward jein ganzes Heer. 
Leopold von Oſterreich (in freudiger Erregung). Go lebt er, den wir 
hatten tot geglaubt? 
(Siabella ſchlägt die Augen auf.) 
Friedrich von Zollern. Er Lebt, was diefer Ritter kann be- 
zeugen, 
Den Euch der Kaifer aus der Haft gejendet. 
Dietrich von Pillichsdorf. Dem Schu des Höchſten dankt er 
feine Rettung. 
Iſabella (ih emporrichtend. Mein Friedrich lebt, o Gott, wie 
dank’ ich Dir! 


Dritter Akt. Erfte Scene, 345 


Dietrich von Pillichsdorf. Trügt nicht mein Blie, jo ſteh' ich 
dor der Herrin, 


An die mit Thränen in der Haft er denkt. 
(Er füßt Inieend ihre Hand.) 


Iſabella. Gefangen! Lichtes und der Luft beraubt! 
O wie verdunfelt ſich der Himmel wieder, 
Der fich jo herrlich eben aufgehellt! 
Gefangen, und in Ketten gar gelegt, 
Die ihm der mitleidloje Feind gejchmiedet, 
Auf ewig ihn der Freiheit zu berauben. 
Gefangen, ach! nun frag’ ich mich umſonſt, 
Ob nicht ihm mindres Leid der Tod gewejen. 
Leopold von Oſterreich (fie Hei der Hand fafiend). Beruh'ge Dich, ich 
ende jeine Haft! 
Iſabella. So eile und errette Deinen Bruder, 
Der Dir ja treu gefinnt auch immer war, 
Und ficher, wenn jtatt Deiner Du gefangen, 
Erlöfung Div um jeden Preis gewönne! 
Leopold von Öfterreih. Kein Opfer ſoll auch mir zu Hoch er- 


jcheinen ! 
(Zum Burggrafen.) 
Seid Ihr betraut, den Frieden zu vermitteln ? 
Friedrich von Zollern. Die Unterhandlung führt der König 
jelbit, 
Do fann ich Euch den Weg dahin eröffnen, 
Sofern Ihr Euch dazu verjtehen wollt, 
Des Reiche Kleinodien an mich auszuliefern, 
Die, wie befannt, Ihr in Verwahrung habt. 
Diez ijt die eine der Bedingungen, 
Die andre jollt Ihr nachher noch vernehmen. 
Iſabella. O gieb fie Hin, die blutbefledte Krone, 
Die jo verhaßt mir nun in ihrem Schimmer, 
Als fie zuvor verlodend mir erichten. 
Leopold von Oſterreich. Der Vater hat fie jterbend ung ver- 
traut, 
Und fie zu wahren mir, wie ihm, empfohlen. 

Iſabella. So wollteft Du den Bruder nicht erretten ? 
Du läſſeſt ihn in Banden fchmachten Lieber, i 
Als ihn durch dieſes Opfer zu befrein! 

Doch, der als Bater ihn wie Dich geliebt, 


346 Ludwig der Bayer. 


Gebeut e8 Dir dort aus den Wolfen her 
Und fehrt ficd ab von Dir, wenn Du Dich weigerft. 
Leopold von Dfterreih. So ſei e8 denn, ich füge mich darein, 
Doch welche andre Fordrung fteht noch aus? 
Friedrich don Zollern. Daß Ihr die Güter, die des — 
ind, 
Ihm ohne Zögerung zurückerſtattet. 
Leopold von Öfterreih. In feine als des Königs Hand, wohl 
ar! 
Auf diefen Anjpruch geh’ ich nimmer ein. ö 
(An das Schwert jchlagend.) 
Noch bin ich unbeſiegt und noch einmal, 
Sch ſchlage rundweg dies Verlangen ab. 
Friedrich von Zollern. Dann Hab’ ich weiter Euch nicht? mit- 


zuteilen. 
(Zu Dietrih von Pillichsdorf.) 


Wir jegen unfern Ritt zur Donau fort. 
Leopold von Öfterreih. So nahm zur Seite Ludwig feinen 
Meg, 
Statt gegen mich mit ganzer Macht zu ziehn ? 
Sein Sieg jcheint minder groß, ala Ihr ihn rühmtet. 
Sriedrih von Zollern. Wiegt Euch in feine eitle Hoffnung 
ein! 
Gejtürzt iſt Eure angemaßte Herrſchaft, 
Dies werdet Ihr erfahren auch an Euch. 


Leopold von Öfterreih. Bis dahin währt mein Widerſtand. 


Friedrich von Zollern (u Pillichsdorf). Auf denn! 
Dietrich von Pillichsdorf. Im Herzen ſchwerer ſcheid' ich, als 
ich kam. 


Gott ſchütz' Euch, gnadenreiche Frau! Lebt wohl! 
(Der Burggraf entfernt ſich mit Dietrich von Pillichsdorf und ſeinem Gefolge. ES be— 
ginnt zu dunfeln.) 
Iſabella. O rufe fie zurüd, eh’ es zu jpät! 
Willft Du mit frevlem Troß den Krieg erneun, 
Der durd) das Schwert doch gänzlich ſchon entjchieden ? 
(Leopolds Hand erfafjend.) 
O jtehe ab davon um jeinetwillen, 
Der unjerm Haufe vorzujtehn bejtimmt. 
Du ſchweigſt! Iſt Div jo wenig wert der Bruder ? 


Dritter Alt. Erfte Scene. 347 


Doch nein, Du hältſt ihm Treue ficher auch 
Und läſſeſt Dich nicht durch fein Volk bejchämen, 
Das gern ihm bringen würde jedes Opfer. 


Prior Gottfried. Erwägt bei ruh'gem Blut die Bitte, Herr, 
Ihr fünnt’ ‚fie nicht al3 grundlos ganz erachten ! 


Leopold von Öfterreih. Sie fordert mehr, als ich erfüllen 


kann! 
(Zu Iſabella.) 


Ergieb Dich mit Geduld in Dein Geſchick 

Und ſei gewiß, ich finde einen Weg, 

Ihn Dir wie uns auch wieder zu gewinnen. 
Iſabella. Ich weiß den nächſten, der zu ihm mich führt: 

Dem Sieger ſtell' ich als Gefangne mich, 

Damit er mich den Kerker teilen laſſe 

Mit meinem Gatten, bis ihn Gott erlöſt, 

Und wenn es ſein muß, bis zu ſeinem Tode. 

Kommt, Prior, daß, bevor ſie uns entſchwinden, 

Wir durch die Nacht die Spur des Teuren finden. 

Ich fühle neue Kraft in mir erſtehn, 

Wo es auch ſei, ich werd' ihn wiederſehn! 

(Sie entſtürmt der Bühne in der Richtung, welche der Burggraf und Pillichsdorf ein— 
geſchlagen. Heinrich von Biſſingen nähert ſich beobachtend von der andern Seite.) 
Prior Gottfried (im Abgehen). Ihr Habt fie meiner Obhut an— 

vertraut, 
Und jo geitattet, daß ich fie begleite. 
Leopold von Öfterreich. Thut das und Ienft mit Weisheit 
ihren Schritt! 
(Zum Marjhalt und den Nittern.) 
Geleitet fie ein Stüd des Wegs durchs Dunkel! 
(Die Angerufenen entfernen fich.) 
Ein jolches Weib wiegt jede Krone auf — 
Mein Bruder ijt noch immer zu beneiden ! 
Geinrich von Biffingen gewahrend.) 
Gut, daß Ihr kommt! Ihr Gatte iſt errettet, 
Und fie jtürzt ſich nun ſelbſt in die Gefahr. 
Heinrich von Bijfingen. Herr, eh’ ich auf mich N ihr zu 
folgen, 
Gejtattet mir, das Mittel anzugeben, 
Wie Ihr allein den Bruder fünnt befrein. 


348 Qudwig der Bayer. 


Leopold von Ofterreich Gefremdet). So fanntet Ihr ſein Schick— 
ſal ſchon bereits? 
Heinrich von Biſſingen. Mit nichten, Herr, doch ſtellt' ich in 
Gedanken, 
Was eingetroffen, mir als möglich vor, 
Und danach hab’ ich meinen Plan entworfen. 
Leopold von Oſterreich. Gebt ihn mir denn befannt, daß ich 
ihn prüfe! 
Heinrich von Biſſingen. Ich weiß im Aargau einen Meifter 
wohnen, 
Erfahren in Magie und Zauberei, 
Und weithin auch berühmt durch dieje Kunſt. 
Leopold von Ofterreih. Sch kenn' ihn wohl. Als ich den 
Zug bereitet, 
Der bei Morgarten auf die Bündner jtieß 
Und mir ein Heer von NRittern hat gekojtet, 
Sucht’ ich ihn auf — ſie alle lebten noch, 
Nenn ich, wovor er mich gewarnt, vermieden! 
Heinrih von Biljingen. An dieſen jendet mich mit Eurer 
Vollmacht! 
Leopold von ſterreich. So ſei's, ich will ihn her zu mir be 
Icheiden, 
Und wenn das Alter ihm die Fahrt verwehrt, 
So eil’ ich jelbjt zu ihm, gilt’3 doch dem Bruder. 
Wie aber wird uns fund der Ort der Haft? 
Heinrich von Bilfingen. Das trug ich einem klugen FrnAber 
auf, 
Bevor wir in den Strom der Flucht gerieten. 
Er folgt, des bin ich ficher, Friedrich Fährte 
Und führte fie in menjchenleere Wildnis. 
Leopold von Oſterreich. Wer aber Hilft uns bergen den Be- 
freiten ? 
Heinrich von Biſſingen. Herr, dazu ilt der Böhme wohl be- 
reit, 
Der widerwillig nur dem Bayer folgt, 
Wie fein Benehmen in ber Schlacht bewiejen. 
Leopold von Oſterreich. Er joll zufrieden mit dem Tauſche 
fein, 
Zieht er uns vor; dies mögt Ihr ihm vertraun. 


Dritter Alt. Zweite Scene. 349 


Nichts ſeh' ih an, kann Friedrich ich befrein, 
Dem alle Kräfte ich gewohnt zu weihn. 
Hingeben will ich mich drum diejem Werke, 
Wie ich ihn liebe, mit der gleichen Stärke. 
Nach meinem Heile nimmer will ich fragen 
Und alles für das Heil des Bruders wagen. 


(Berwandlung.) 


Zweite Hrene. 


(Im Saal eines Patrizierhaufes zu Regensburg mit mehreren Eingängen, darunter 
einer nad) der Treppenftiege zu offen ftehend. Unter Pojaunenihall wird Ludwig 
der Bayer, neben dem dejjen Gemahlin Margareta thront und defjen beide ältejte 
Söhne Ludwig und Stephan ftehen, mit Heildrufen begrüßt. Das kaiſerliche Paar 
umgeben Johann von Böhmen, jowie Seyfried Shweppermann, der einen 
Stuhl einnimmt, Herzog Heinrih von Niederbayern, Albredt Rinds— 
maul, Konrad von Bayerbrunn und andere Ritter. Räte des hohen Rats, 
darunter aud der Wirt des Kaiſers, Gumbrecht der Reiche, warten auf. Bürger 
und deren Frauen, Töhter und Kinder bilden in feitlihen Gewändern einen 
weiteren Krei3.) 


Ludwig der Bayer. Dem Herin der Schlachten hat e8 wohl 
gefallen, 

Den Obſieg über Unjern Nebenbuhler 
Uns glorreich zu verleifn und jolchermaßen 
Auch fichtbar zu bejtät’gen Unfer Recht. 
So denn gereicht e8 Uns zu jtolzer Freude, 
Mit der Gefährtin Unfrer ird'ſchen Tage 
Und Unfern beiden gegenwärt’gen Söhnen 
Sm Schoße Unſres treuen Regensburg 
Uns auszuruhn von dieſes Streites Mühe 
Und das erprobte Schwert von Uns zu legen. 
Doch joll dies nicht gejchehn, bevor Wir alle, 
Die männlich mitgefochten Uns zur ©eite, 
Sm Angeficht der werten Stadt geehrt, 
Als deren Gaft Wir diefeg Bürgers Dach, 

(Er verneigt fih gegen Gumbrecht den Reichen.) 
Der ojt mit jeinem Gut Uns half, betreten. 

(Zu den vorgenannten Anführern.) 

Bor allem find des Mannes Wir gedent, 
Der jhon vom Anfang Unfrer Herrjchaft an, 
Sa, eh’ wir fie geahnt noch, nah Uns jtand, 


350 Ludwig der Bayer. 


Und der durch jeinen fühnen Wagemut 
Im rechten Augenblik die Schlacht entjchieden, 
Daher Wir ihn, ob er auch jelbit Uns fern, 
Als Retter Unſres Baterlands erheben. 
Die Bürger und Nitter (unter Poſaunenſchal). Der Zoller, Nürn- 
bergs Burggraf, lebe Hoch! 
Ludwig der Bayer. Doch nun zu Euch, mein teurer Schwepper- 


mann! 
(Schweppermann erhebt fi.) 


Der Himmel mag belohnen Euch die That, 
Sch bin fie zu vergelten nicht imjtande. 
Doch Jollt Ihr eine Gnade Euch erbitten, 
Die zu gewähren meine Macht genügt. 
Schweppermann. Herr, wollt Ihr mir erfüllen einen Wunjch, 
So laßt die Friſt, die mir noch übrig bleibt, 
In meinem jtillen Deinſchwang mich verbringen! 
Ich fühl's, mein Tagwerk neigt zu feinem Ende, 
Wie meinen alten Kriegerfnochen auch 
Die Laft des Harniſchs allzuſchwer geworden. 
Ludwig der Bayer. Da Ruhe Euer Herzenswunjch, jo ſei's! 
Ihr Habt vollbracht, was wen’gen nur gelungen, 
Und da Ihr Eurem Leben durch die lette 
Die Krone Eurer Thaten aufgejeßt, 
©o jcheidet Ihr aus Eurer Siegerbahn 
Im vollen Ruhmesglanze. Xebt denn wohl 
(Er reiht ihm die Rechte.) 
Und grüßt mir Eure Wirtin! 
Margareta. Auch von mir! 
Lebt lange noch glücjelig miteinander! 
(Sie reiht ihm gleihfall3 die Hand.) 
Ludwig der Bayer. Wir bleiben dankbar Euer ſtets gedenf. 
(Er umarmt ihn.) 
Schweppermann. O Herr, wir werden faum ung wiederjehn 
Sn diefem Leben mehr; in meinen Jahren 
Heißt es gefaßt jein auf des Glöckleins Läuten. 
Ludwig der Bayer. Getröjtet Euch, ich werd’ Euch bald bejuchen, 
Und Heute jchon erſeh' ich dieſen Tag. 
Der ſei's, an dem die Glode, deren Guß 
Ich einjt gelobte für den Fall des Sieges, 
Im Klojter Kaftel, dem hr eingepfarrt, 


Dritter Alt. Zweile Scene. 351 


Und wo ein Mägdlein mir begraben Liegt, 
Zum erjtenmal das Stift zur Meſſe ruft, 
Und Unjern Dank Ihm in den Höhn verfündet — 
Sp jcheiden wir auf glüdlich Wiederjehn ! 
(Er reiht ihm nochmals die Hand.) 
Laßt die Pojaunen tönen, deren Ruf 
Nicht ſoll verftummen, bis der Held entſchwand, 
Den noch die jpäteften Gejchlechter rühmen 
Als unjern tapferın Seyfried Schweppermann, 
(Unter dem Geleite der Stadt, ſowie Albredt3 von Rindsmaul und Konrads von 
Bayerbrunn, ingleihen aller übrigen Ritter und allen Volks verläßt Schweppermann 
unter Poſaunenſchall und ſtets erneuten Hodrufen den Saal. Der Kaijer und die 
Kaijerin, ſowie die beiden jungen Prinzen und Heinrich von Niederbayern winfen ihm 
nad.) 
Ludwig der Bayer (ihm gerührt nachblickend). Er trägt den Lohn in 
fich für jeine Thaten! 
(Zu König Johann.) 
Ihr faltet Eure Stirn’ und blickt unmutig; 
Sch Hätte wohl weit jtärfern Grund dazu, 
Denn, daß ich Herzog Leopold nur einlud, 
Anjtatt zu zwingen ihn, vor mich zu treten, 
Dies rührt allein von Eurer Weigrung ber, 
Dem Zug auch gegen ihn Euch anzujchließen. 
König Johann. Als Graf von Luxemburg jchuld ich Euch 
Hilfe, 
Als König Böhmens aber keineswegs, 
Und diejen hattet Ihr doch aufgerufen. 
Heinrich von Niederbayern. Habt Ihr für Böhmen nicht ge- 
huldigt auch ? 
Ludwig der Bayer. Wenn ich bei Mühldorf unterlegen wäre, 
So jtände Friedrich heut’ in Eurem Land! 
Johann von Böhmen. Weshalb dann Liefert Ihr ihn mir 
nicht aus, 
Damit ich den mir Schädlichen verwahre? 
Ludwig der Bayer, Damit Ihr Euren Frieden mit ihm 
Tchließet 
Und er uns noch einmal dag Reich verwirre! 
Johann von Böhmen. Ihr machtet mir auch feinen Bruder 
ftreitig. 


352 Ludwig ber Bayer. 


Ludwig der Bayer. Wohl ließ ich ihn Euch nur mit ſchwerem 
Herzen. 


Johann von Böhmen. Und glaubt Ihr mich durch ihn jchon 
abgefunden? 

Ludwig der Bayer. Nochmals: der Sieg fommt Euch wie mir 
zu jtatten. 

Johann von Böhmen. Denkt an den Preis, den ich mir aus— 
bedungen ! 


Ludwig der Bayer. Sch jagte wegen Brandenburg nicht zu. 
Heinrich von Niederbayern. Wie fünnt Ihr's wagen, jolches 
anzufprechen, 
Der Ihr Euch in der Schlacht To falſch betrugt 
Und dadurch jchon jedweden Lohn verjcherztet ? 
Margareta. Erregt Euch um Gejchehnes nicht zu jehr! 
Ludwig der Bayer. Nach Eures Vater wohl erlaubtem Bei- 
ipiel, 
Der Euch belehnt hat mit der Krone Böhmens, 
Gedenk' auch ich dem ältern meiner Söhne 
(Heinrih von Niederbayern führt den Prinzen Ludwig herbei.) 
Die Mark, die dort erledigt, zu verleihn. 
Sohann von Böhmen. Iſt das der Dank für jahrelangen 
Beiltand? — 
Nun, wenn hr feinen Lohn mir zuerfennt, 
So werdet Ihr mir doch Erſatz nicht weigern, 
Wenn anders hr auf mich wollt ferner zählen. 
Ludwig der Bayer (auf ihn zufgreitend). Ich kam zu Euch, als 
Ihr in größrer Not, 
Und Half Euch den empörten Adel dämpfen. 
Mit meinem Anſpruch dee’ ich Euren zu, 
Und stelle fürderhin mich unabhängig 
Bon Freunden, die es nur dem Namen nad). 
Sohann von Böhmen. So weiß ich, daß Ihr mich au dieſen 
zählt, 
Und denke künftig mich danach zu richten. 
(Beijeite im Abgehen.) 
Die Hand, die Herzog Leopold mir bot, 
Erfaff’ ich, wie mir Frankreich längjt geraten. 
Wer dient, entbehrt den Lohn für feine Thaten. 


(Sohann von Böhmen verläßt ohne Gruß den Saal.) 


Dritter Akt. Zweite Ecene. 353 


Margareta. Die bittre Wahrheit trieb ihn zornig weg! 
Ludwig der Bayer. So lange reger Geift noch in mir wohnt, 
Wird dies Begehren unerfüllt ihm bleiben! 
(Der Burggraf Friedrich tritt mit Dietrihvon Pillichsdorf auf, die Kaiferin 
eilt ihm entgegen.) 
Margareta, Willkommen, Ihr erſcheint erwünjcht, wie immer! 
Der Böhme hat gedroht mit jeinem Abfall. 
Ludwig der Bayer (indem er ihn gleichfalls begrüßt. Weil ich fein 
maßlos Wünjchen nicht erfüllte. 
Doch wie gelang es bei dem Herzog Dir? 
Briedrih von Zollern. Der leichten Fordrung unterwarf er 
ſich, 
Beſtimmt durch Iſabellas inn'ge Bitte, 
Doch nicht der andern auch. 
Ludwig der Bayer. Wie wir befürchtet. 
Margareta. Die arme Dulderin, weilt fie bei ihm? 
Friedrich von Zollern. Bereitet Euch auf ihren Anblik vor, 
Der Euch ans Herz wird gehn — 
(Siabella tritt in tiefer Trauer auf, gefolgt vom Prior Gottfried; der König be= 
steigt jeinen Thron.) 
Margareta. Da naht fie Schon, gehüllt ins Kleid der Trauer. 
(Ihr entgegeneilend.) 
Wir find zwar arm an Troſt, doch reich an Liebe. 

(Siabella geht, von Margareta an der Hand geleitet, auf den König zu, entreißt ſich 
aber dort diejer und wirft fih ihm zu Füßen. Die Kaiferin tritt zu dem Burggrafen, 
zu dem auch Dietrich von Pillihsdorf und der Prior herangetreten.) 

Iſabella. O Herr, wirf einen Gnadenblick auf mich! 
Gebeugt vom Schickſal und durch eigne Schuld, 
Erſchein' ich Hier vor Deinem Angeficht, 

Um Deine allerwärt3 gepriesne Großmut 

Für meinen Gatten fnieend anzurufen. 

Ludwig der Bayer (naydem er fie aufgehoben). Steht auf, erlauchte 

Herzogin und Schweiter! 

Ich trachte zu erfüllen jeden Wunſch, 

Den ich Euch irgendwie gewähren kann; 

Wie könnt' ich mich auch ſolchem Mund verjchließen ! 

Doch wißt Ihr, wie im übrigen es jteht. 

Sein Schiejal ruht in jeiner eignen Hand — 

Es Hat der Himmel meine Wahl beitätigt. 

Erkennt er dies und unterwirft er fich, 

Greif3 ®Werfe. II. 23 


354 Ludwig der Bayer. 


So joll er jeiner Haft erledigt fein 
Zu jeder Stunde, ohne weitres Opfer. 
Siabella. Ihr wißt e8, Herr, daß er nicht freien Willeng, 
Er hängt vom Rate feiner Brüder ab, 
Zunächſt von Leopold, der noch in Waffen. 
So kann nur Eure Huld die Not ihm fürzen. 
Ludwig der Bayer. Gh bin es mir und meinem Bolfe 
ſchuldig, 
Den Streit zu enden, den der Herzog anfing. 
So bin ich zu verwahren ihn gezwungen. 
Iſabella. O Herr, ich widerjpreche Euch in nichts, 
Doch könnt Ihr fichre Bürgschaft leicht erlangen. 
Ludwig der Bayer. Auf welchem Wege wohl? Gebt ihn mir 
fund! 
Iſabella. Sch biete, Herr, mich für den Gatten an, 
Damit ih Euch als Pfand jtatt jeiner diene. 
Ludwig der Bayer, Wir führten Krieg mit Männern, nicht 
mit Frau’n, 
Und darum muß auch er, bis Wir beendigt 
Ihn völlig jehn, in Unfrer Hand verbleiben. 
Doch ſeid getroſt, fein Leid gejchieht ihm ja! 
Sch trug es einem meiner Treuen auf, 
Den Herzog, meinen Better, zu behüten 
In einer Burg, die ich dazu erwählte. 
Auch ſoll er ehrlich dort gehalten fein 
Und feine Feſſel joll ihn drüden je, 
Wofern er mich nicht ſelbſt zur Strenge zwingt. 
Siabella. Das glaubt nicht, Herr! Doch ſeine Pein zu 
lindern, 
Die ihn dort, wo er einfam weilt, befällt, 
Kenn’ ich ein Mittel wohl. 
Ludwig der Bayer (fi zu ihr neigen). Vertraut e8 ung! 
Iſabella. Laßt mich mit ihm dort das Gefängnis teilen 
Und feine Trübjal ihm vericheuchen Jo! 
Ludwig der Bayer. Das geb’ ich nimmer zu, denn es ver- 


jtieße 
Zu offenbarlich gegen Brauch und Herkunft. 
Iſabella (mit aufgepobenen Händen, auf ven Anieen). O Herr, jchlagt mir 
nicht auch die Bitte ab, 
Die ih allein noch wagen fann für ihn! 


Dritter Alt. Zweite Scene. 355 


Ihr werdet fie ala billig wohl erkennen, 
Wenn Ihr des Glüdes Wechſel vecht bedentt, 
Den beide wir jo jäh und hart erfahren. 
Ludwig der Bayer, Und den wir alle hier auch mit em— 
pfinden. 
Doch Heißt uns Pflicht dem Herzenszug gebieten, 
Denn ijt auch! Milde eine Herrfchertugend, 
So jteht weit höher noch Gerechtigkeit. 
(Er erhebt fih und tritt zu Margareta.) 
Mein Troſtwort fruchtet nichts, verfuch’ es Du, 
Die Tiefgebeugte wieder aufzurichten ! 
(Er fpricht leife mit der Kaijerin.) 
Prior Gottfried. Sch jehe wohl, die Stunde iſt noch fern, 
Die Frieden zwijchen den Entzweiten jtiftet. 
Siabella. Er ging hinweg, und alle Hoffnung jchwand! 
Prior Gottfried. Sie ſchwand Euch nicht, vertraut dem 
Höchſten dort! 
Ihr wißt, wie wunderbar oft jeine Wege, 
Die zu erforfchen unſerm Blick verjagt. 
Nie fehlt es, daß fich feine Hilfe naht, 
Wenn ſich erihöpft Hat Menſchenliſt und Nat. 
Dann giebt er e3 dem Auserjeh’nen ein, 
Denn was er will, dag muß auch möglich fein. 
Und diejer thut, was wir mit Staunen nennen, 
Dran jeiner Allmacht Stärke wir erkennen. 
Auch ihm erjcheint die Stunde, glaubt es mir, 
Da Gott in feiner Allmacht tritt herfür, 
Und da Ihr ihn, dem Eure Thränen fließen, 
Glüdfelig werdet in die Arme jchließen, 
Auf daß Euch fernerhin im Glüd und Leide 
Kein mißliches Geſchick mehr von ihm jcheide. 
Ludwig der Bayer (sum Burggrafen im Abgehen). Es Hat erjchüttert 
mich im tiefjten Herzen. 
Das ijt die herbe Frucht, die aus dem Glüd, 
Es beinah’ zu vergällen, ung erwächit, 
So es auf eines andern Fall ſich gründet. 
Die Krone drüdt auch auf dem Haupt des Siegers. 
(Er entfernt fih, den Burggrafen an der Seite und gefolgt von den übrigen, außer 
den beiden Frauen, dem Prior und Dietrid von Pillihsdorf, durch einen Seiteneingang 
aus dem Saale.) 


23* 


356 Zudwig ber Bayer. 


Margareta (Siabellens Hand erfafiend). Der Kaifer läßt Euch bitten, 
heimzufehren 
Und zu gedulden mit Ergebung Euch, 
Bis Euch die Stunde naht des Wiederjehng. 
Und glaubt, wenn ich auch jelbjt der Macht ermangle, 
Ich lafje mir es angelegen fein, 
Sie zu bejchleunigen, jo wie ich fann. 
(Auf den Prior zeigend.) 
Auch mögt Ihr diefen treuen Mittelsmann, 
Der beide einjt wie Brüder auferzog, 
Entjenden an den Kaiſer aller Zeit, 
Bon Eurem Gatten Kunde einzuholen 
Und ihn durch Eure Botſchaft zu erfreun. 
So jeid Ihr ihm, ob auch getrennt, doch nahe, 
Und des Verzagens Qual bleibt Euch eripart. 
Wollt Ihr vertraun jo wohlgemeintem Rate 
Und im Gedanken, daß er ohne Falſch, 
Den Mut nicht ſinken Lafjen, liebe Schweiter? 
Iſabella. Nehmt meinen Dank für Euren milden Troſt, 
Der mich die Thränen wieder finden läßt. 
Margareta (auf Dietrih von Pillichsdorf zeigen). Zieht Hin mit diejem 
Ritter an der Seite, 
Den Euch der Kaiſer freigab zum Geleite. 
Iſabella. So kehr' ich heim, doch willens auch dabei, 
Nicht abzulegen mehr dies Witwenkleid 
Und zu entjagen allem Schmud der Welt, 
Wie jedem Vorrecht, das der Fürſtin ziemt, 
Bis er, der Teure, mir zurüdgegeben, 
Und ich in ihm gewinne neues Leben. 
(Berwandlung.) 


Dritte Scene. 


(Zu Trausnig im Thal. In einem Turmgemach der Burg fit Friedrid der 

Schöne auf einer Bank, mit dem Schniten von Pfeilen befhäftigt. An dem Kamin 

fladert Feuer. Im Hintergrund ein mit Gefimsfigen verjehenes und vergittertes Feniter. 

An der einen Seitenwand tft ein Hausaltar angebradt, an der andern ijt das Lager 
Friedrichs des Schönen, der allein anwefend, zu jehen.) 


Friedrich der Schöne. Der Tag neigt wieder fich dem Ende zu — 
Die Arbeit ijt für heute abgethan. 
Das hätt’ ich mir auch einſt nicht träumen laſſen 


Dritter Alt. Dritte Scene. 357 


An meines Vaters vielbefuchtem Hofe, 

Daß ich einmal Gefangner würde jein, 

Dem Pfeile jchnigen all jein Zeitvertreib. 

Ein ſtolz Geſchäft für eines Kaifers Sohn! 

Doch wenn gejpigt darunter einer wäre 

Für ihn auch, der mich eingeferfert hier! 

Darf ich es Hoffen oder wünjchen gar? 

Kein, nimmermehr; fern jei mir der Gedanke! 
Allmächt'ger, Dir nur jteht Vergeltung zu, 

Nicht greif’ ich Deinem weijen Willen vor. 

D Ludwig, was ijt aus dem Bund geworden, 

Den wir ung jchwuren in der Jugendzeit? 

Wie hingen damals aneinander wir! 

Gemeinfam hatten wir Gemach und Lager, 

Gerät’ und Waffen, ja den Becher jelbit. 

Und jeßt, wie hat fich alles jo geändert! 

Begier zu herrſchen jchied ung mehr und mehr 
Seit jenem Tag, da er dort an der ar, 

Wo wir verjucht, uns friedlich zu vergleichen, 

Mit dem gezüdten Flamberg auf mich losging, 
Und kaum die Seinen noch den Arm ihm hemmten. 
Nur Nebenbuhler jahn wir noch in uns. 

Aus Freundjichaft wurde Fehde, Krieg aus Eintracht: 
Zodfeinde wurden wir um eine Krone. 

Ich unterlag und fiel in jeine Hand 

Und liege nun im Turm als jein Gefangner. 

O könnt' ich es vergejfen, wer ich war, 

Und was jein großer Sieg mir hat entrijjen ! 
(Er jteht auf und geht an das Fenfter, durd) welches das Abendrot hereinleuchtet.) 
Wie mächtig jcheidet dort der Sonne Ball, 

Wie ernjt getaucht in blutigroten Schein, 

Der an das Blut mich mahnt, das ich vergofjen 
In diefem langen, unglüdjel’gen Streit. 

Herr, rechne mir nicht dieſe Greuel zu, 

Die ih, Du weißt e3, nicht verhindern fonnte, 
Doch in der Brujt verabjcheut’ um jo mehr. 

(Er geht auf und nieder, worauf er wieder an das Fenfter tritt. 

D Siabella, Heißgeliebte Gattin, 

Was hajt Du meinetwillen nicht gelitten, 

Du jchuldlos ſchwergeprüfte Dulderin! 


358 Ludwig der Bayer. 


Wo magit Du weilen wohl in diefer Stunde? 
Doch, wo auch immer, mein gedenkſt Du ficher, 
Sowie de8 Tages, der uns einjt verband, 
Al Ludwig am Altar Dich zu mir führte, 
Um Zeuge unſres Ehebundg zu fein. 
Seht hat er Dir den Gatten eingeferfert 
Und unſren Kindern weggeführt den Bater. 
(Sr verläßt das Fenfter, jest fih an den Tiſch und ftügt nachdenklich den Kopf in die 
Hand.) 
Laß mich es nicht ausdenfen, güt’ger Gott! 
Löſch' in mir aus das jchmerzliche Gedächtnis, 
Hilf mannhaft mir, mein Unglück zu ertragen! 
(Er verliert fih in Sinnen. Walburga tritt ein mit einem Blumenftrauß in der 
Hand und fieht ihn mitleidig an; nad) einer Paufe.) 
Walburga. Schon wieder ſeid Ihr traurig, lieber Herr? 
Wie oft habt Ihr es doch mir jchon. verjprochen, 
Zu bannen dieſe grübelnden Gedanken. 
Erſchließt mir Euer Herz! Sch hörte immer, 
Vertrautes Leid jei leichter zu ertragen. 
Könnt ich Euch tröften, glücklich würd’ ich jein! 
Friedrich der Schone. Es thut mir wohl, Walburga, innig 
wohl, 
Daß Du Die jo um mein Gejchiet befümmerft, 
Doch lafje mir mein Leid für mich allein! 
Du würdeſt traurig nur, wenn Du's erführeit, 
Da Du doch außer jtand biſt, mir zu helfen. 
Walburga. Das weiß ih wohl. Gott ſchick' Euch drum Ge- 
duld! 
Seht, alles ändert ſich in dieſer Welt, 
Ihr werdet auch an Euch dies noch erfahren. 
tehmt dieſes Sträußlein, das im Wald ich band — 
Ihr kennt fie ja, e8 find die Frühlingsboten: 
Schneeglödchen jind es, Primeln, Anemonen. 
Nehmt fie als gute Vorbedeutung an! 
ie fie erwacht zu neuem Leben wieder, 
Sp wird e8 Euch, glaubt mir, auch bald ergehn, 
Und Euch der Friede nach dem Kampf erjtehn. 
Friedrich der Schöne (fie Hei der Hand fafiend). Wie dank ich Dir 
für Deine holde Gabe, 
Sie joll die Botjchaft beſſrer Tage jein! 


Dritter Akt. Dritte Scene. 359 


Walburga. So recht, jeßt lächelt Ihr doch wieder, Herr. 
Ih will fie Euch in diejes Krüglein jtellen. 
Bleibt des gedenf, was fie Euch eingegeben ! 
Sriedrih der Schune. Durch Deinen Mund. Wo haft Du 
Deine Laute? 
Walburga. Dort, Herr, wo fie mir immer iſt zur Hand. 
Friedrich der Schöne. Laß mich das Lied von gejtern nochmals 
hören ! 
Walburga. Ich ſänge, Herr, ein andre lieber Euch, 
Das luſt'ger Elingt, als dieſe trübe Weiſe. 
Berjprecht es mir, ihr nachzuhängen nicht 
Und nicht in neues Sinnen zu verjinken ! 
Friedrich der Schöne. Sei unbejorgt, Du holdes, liebes Kind, 
Du heller Stern in meines Lebens Dunkel! 
Stimm’ an das Lied, ich jehne mich danach). 
(Walburga nimmt die Laute und eilt an das Fenfter.) 
Friedrich der Schöne. Wo willjt Du Hin? 
Walburga. Dort ing Gelaß am 
Fenſter, 
Wo ich Euch in Gedanken oftmals traf. 
(Sie ſtellt ſich mit der Laute an das Fenfter.) 
Walburga (finst). 
Der Lenz ift angebrochen 
Mit feinem Blumenjchein, 
SH Hatte Dir verjprochen 
Das erite Röfelein, 
Das erjte Röjelein. 
Doch kann's nicht fein, doch kann's nicht fein 
Von wegen mancher Dinge. 
Friedrich der Schöne (masträuernd). 
Doch kann's nicht ſein, doch kann's nicht fein 
Von wegen mancher Dinge. 
Walburga (fingt weiter). 
Wie ſollt' ih Dir auch pflücden 
Ein duftig Röjelein, 
Da Mauern mich bedrüden, 
Wo fehlt der Sonnenschein, 
Wo fehlt der Sonnenschein. 
So kann's nicht fein, jo kann's nicht jein 
Bon wegen mancher Dinge. 


360 Ludwig der Bayer. 


Friedrich der Schöne (ic eine Träne abwiſchend). 
So fann’s nicht fein, jo kann's nicht ſein 
Von wegen mancher Dinge. 
(Er verſinkt in Sinnen.) 
Walburga (für ſich, nachdem fie die Laute beiſeite gelegt Hat. Es iſt ihm 
wieder jo ang Herz gegangen. 

Welch ein Gedanfe mag ihn quälen wohl? 

O könnt’ ih, wer der Armſte iſt, erfahren! 
Friedrich der Schone. Ein rührend Lied! Bon wen haft Du 

die Weije? 
Walburge. Bon einem Spielmann Hörte fie mein Bruder, 
(Traurig.) 

Den uns der Streit von Mühldorf hat geraubt. 

Noch kaum erwachlen, zog er in das Feld. 

Die Mutter hätt’ es nimmer zugegeben, 

Doch die ijt lang jchon tot, jo ließ der Vater 

Bon jeiner Bitte leicht bewegen fich, 

Da ihm der König über alles geht. 

Jetzt drücdt der Kummer um jo mehr ihn nieder, 

Denn jollt’ er jterben, ſtänd' allein ich da. 
Sriedrich der Schöne. Das denke nicht, Dein Vater ift noch 


rüſtig. 
Auch würde ſich Dir bald ein Schützer finden, — 
So holde Blumen blühn nicht unbegehrt. 
Walburga (ibn anſehend). Das glaub’ ich nimmer — 
Friedrich der Schöne. Wie hieß Dein Bruder? 
Walburga. Walther war 
fein Name. 
Friedrich der Schöne. Und weißt Du Näh’res über Es 
Tod? 


Waldurga. Er fiel, durch einen Pfeil ins Herz getroffen, 
Dicht zu des Königs Füßen, jagten jte. 

Der Vater ſpricht nicht gern von jenem GStrauße, 
Al hätt’ er ein Geheimnis zu bewahren. 
(Wigand tritt ein.) 

Wigand. Grlaubt, daß ich den Abendtrunk Euch bring’ 
So zeitig ſchon, doch ſpür' im Kreuz ich’3 wieder, 
Und da ijt beffer nichts, ala Ruh’ im Weit. 

Auch Haben Schüler, die das Land durchfahren, 
Juſt um Herberge für die Nacht gebeten. 


Dritter Att. Dritte Scene. 361 


Ich hätte fie abweifen jollen wohl, 
Doch wo dann hätten Obdac fie gefunden, 
Da weit und breit fein Haus im Wald zu jehn 
Und ein Gewitter jchwer am Himmel droht. 
(gu Walburga.) 
Sie werden zu den Knechten eingelegt. 
Geh’, ſchau, ob auch der Imbiß reicht für alle, 
Derweil wart’ ich hier mit dem Nachttrunf auf. 
Walburga (su Frievris). Schlaft wohl, o lieber Herr, und feid 
getrojt ! 
(Er reicht ihr die Hand.) 
Mög’ Euch der Traum nur heitre Bilder bringen. 
(Sie verläßt den Kerfer.) 
Wigand. Sie wird zur Lajt Euch fallen manchmal wohl 
Durch ihr Geplauder, Herr? 
Friedrich der Schöne. Im Gegenteil, 
Es redet jich jo gut mit Eurem Kinde, 
Daß allemal ich ihrer Näh' mich freue. 
Wigand. Much ihr iſt nirgend trauter jonjt zu Mut, 
Zumal fie nimmer Eure Abkunft ahnt. 
Friedrich der Schone. Der Menjchen gleiches Schickſal lernt’ 
ich fennen. 
Wollt Ihr Euch nicht ausruhen Hier ein wenig ? 
Wigand (nagdem er fih geiest). Menn Ihr dies lehrt, jo muß es 
jeder glauben — 
Doh Ihr vergaßet, Herr, ja ganz den Trunf. 
Friedrich der Schöne (nachdem er einen Schlud genommen). Habt Ihr 
nicht Euren einz'gen Sohn verloren? 
Wigand. Er ſtarb für ſeinen Herrn, dies iſt mein Troſt. 
Friedrich der Schöne. Doch der hat für ſein Blut auch einzuſtehn, 
Dies iſt der Vorzug derer, die gebieten! 
Wigand. Zum andernmal ließ' ich ihn kaum mehr fort! 
(Sid) erhebend.) 
Doch wird es Zeit, daß ich den Umgang halte. 
(Er tritt an das Fenſter und prüft die Gitterſtäbe, ſowie er auch den Rauchfang im 
Kamin beſchaut.) 


Nachlegen darf ich ein paar Scheiter wohl, 
Die Wärme fährt hier oben leicht heraus. — 
Das Strecken thut mir weh' in allen Gliedern. 


3623 Ludwig der Bayer. 


Friedrich der Schöne. Ihr jeid der Ruh’ bedürftig, legt Euch 
nieder! 
Wigand. So wünſch' ich Euch geruhjfam gute Nacht. 
Friedrich der Schöne (ihm die Hand reigend). Und ich Euch ebenjo. 
Wacht munter auf! 
(Wigand entfernt fih; man Hört die Thüre ihn Hinter fi verſchließen.) 
Des Lebens Freude jcheint au) ihm dahin, 
Und doch befigt er noch ein ZTöchterlein, 
Dagegen Gattin mir und Kinder fehlen, 
Wie auch mein Volk, das traulich an mir hing. 
Wohl ift mein Leid dabei fein unverdientes. 
Als ich vor Mühldorf jtand, zur Schlacht gerüjtet, 
Da dacht’ ich anders noch, ala num ich denke, 
Seit ih an mir es ſelbſt, was Pein, erfuhr. 
Sch büße für das Weh’, das ich gejchaffen ! 
Darf ich jo auch nicht Elagen, wahr doch bleibt’s, 
Daß dieje Haft, jo mild fie jcheinen mag, 
So hart ijt in der That als ungerecht, 
Da es ja nicht in meine Hand gegeben, 
Das zu gewähren, was der Sieger Heijcht. 
Was aljo joll fie diefem irgend Trommen, 
Auch wenn er mich, was ich ſchon Längft bejorge, 
Mein Leben lang in ihr begraben Hält, 
Wie ich geitorben jet jchon für ihn gelte? 
Nichts kann er, traun, erreichen jonjt damit, 
Als feine Rache nur an mir zu fühlen! 
(Man hört Lärm in der Burg, dabei donnert es aud) in der Ferne.) 
Was giebt es in der Burg mit einem Male? 
Nie Hört’ ich jolches. Streit iſt ausgebrochen, 
Ja mehr als dies, die Waffen find gezüdt! 
Sie jechten!, Das Getümmel wächſt und naht! 
Es ijt ein Überfall! Wer wird erliegen ? 
Horch, war das nicht Walburgas Hilferuf? 
O eilte fie zu mir, in meinen Schuß! 
Traun, ja, fie ſtürzt herauf und in den Turm! 
Seht iſt fie bei der Thür, ich bin gejaßt, 
Sie zu verteidigen auf Tod und Leben! 
(Der Schlüffel wird raſch umgedreht, und Walburga ftürzt herein in höchſter Aufregung.) 
Walburga. Herr, rettet Euh! Wir wurden überfallen, 
Gefnebelt iſt der Vater ſamt den Knechten. 


Dritter Alt. Dritte Scene. 363 


Entkommen bin ich faum noch mit dem Schlüſſel — 

Berjperren wir die Thür damit in Eile! 
(Bei ihren legten Worten dringt Kurt von Ebersdorf mit jeh3 anderen Ge— 
fährten in der Tradt fahrender Schüler mit gezüdten Schwertern und Dolden herein; 
Kurt bat einen ſchwarzen Mantel um fih hängen und hält ein offenes Schreiben in 

der Hand. Es donnert jtarf am Himmel.) 
Friedrich der Schöne (zu Walburga, die, die Hände ringend, ängſtlich nach ihm 
blicth. Sei ohne Furcht und halte Dich zur Seite, 
Bis daß ich fie um ihren Zweck befragt! 
(Zu Kurt.) 
Was wollt ihr hier? Wer ſeid Ihr überhaupt ? 


Kurt von Ebersdorf. Ihr künnt Euch meiner, jcheint es, nicht 
erinnern, 
Doch thut dies auch nicht not zu meinem Auftrag. 
(Die entfaltete Vollmadht ihm vorhaltend. Das Gewitter nimmt zu.) 
Hier diefe Schrift erfennt Ihr um jo mehr! 
Ich bin vom Herzog Leopold gejandt, 
Wie fie bezeugt, die Freiheit Euch zu Ichaffen. 


Hriedrich der Schöne. Und diefer hieß Euch alfo zu mir 
dringen ? 
Kurt von Ebersdorf. Durch Zauber, der die jtärkjten Wunder 
ſchafft, 
Bin ich verſehen mit der ſichern Kraft, 
Euch durch die Lüfte mit mir hinzutragen, 
Habt Ihr Euch in den Mantel eingeſchlagen, 
Der unſichtbar zudem uns beide macht, 
Selbſt rabenſchwarz wie die Gewitternacht, 
Und uns gleich einem Fittich wird entführen, 
Wohin Ihr mögt die nächſte Sehnſucht ſpüren. 


Friedrich der Schöne. Ihr ſeid ein Lügengeiſt, ich trau' Euch 
nicht! 
(Kurt von Ebersdorf und ſeine Genoſſen ſuchen auf Friedrich den Schönen einzudringen.) 
Walburga (ih dazwiigen werfend). Zurück, ihr Frevler, fort aus 
diejer Zelle! 
Nichts Hat der Arme als jein Leben nur, 
Das meinem DBater heilig anvertraut. 
Sinnt ihr auf Raub, jo jchleppt mich mit euch fort, 
Wohin ihr wollt, bis an den fernjten Ort. 


364 Ludwig der Bayer. 


Dort haltet mich, jo lang es euch gefällt, 
Und bis, was ihr verlangt, euch zugeitellt. 
Kurt von Ebersdorf (fie bei ver Hand faſſend und zurückdrängend). Nicht 
Deines Opfers find begierig wir: 
Wir jtehn zu vauben nicht und jchaßen hier, 
Die Freiheit iſt's, die Friedrich joll erlangen, 
Hilf uns dazu und lajje Div nicht bangen! 
Walburga (Hard beifeit). Ihr Heil’gen, Friedrich iſt's von 
Diterreih — 
Zerſtört ift mir der allzujchöne Wahn. 
O Bater, nein, Du haft nicht wohlgethan! 


Sriedrih der Schöne. Enthebt euch augenblids von dieſer 
Stelle! 
Ich gab als deutjcher Mann und Fürjt mein Wort, 
Nicht zu entrinnen aus jothaner Haft, 
Und werd’ es halten gegen jedermann. 
Dies meldet meinem Bruder! 
Doch ihren Vater, den ihr ſchlugt in Bande, 
Gebiet’ ich euch aufs ſchnellſte zu befrein. 
Ihr fennt nun meinen Willen, thut danad) ! 


Kurt von Ebersdorf. Statt der gebotnen Freiheit Euch zu 


freun, 
Sträubt Ihr Euch noh? Nun wohl, Ihr ſollt's bereun! 
(Zu feinen Gejellen.) 
Herbei! werft ihm die Schlinge übers Haupt! 


Friedrich der Schone. Wie, mit Gewalt wagt Ihr mir gar 
zu drohn. 
Enthüflend Euch in Eurem Frevelmut! 
Zurüd! 
(Das Mefjer, womit er Pfeile gejchnigt, erhebend.) 


er fi mir naht, der ift des Todes! 


Kurt von Ebersdorf (nad) einem Augenblick des Schwantens zu feinen Geſellen). 
Was ſollen wir uns ſeinem Wahnwitz opfern? 
Da er ſein Glück verſcherzt, ſo laßt ihn ſtehn 
Und hier im Kerker ſchmachtend untergehn! 

(Er entfernt ſich, unter dieſen Worten rückwärts ſchreitend, mit den Genoſſen aus dem 


Schlafgemach. Walburga ſieht den Abgehenden nach, eilt bis zur Thür, dann wendet 
ſie ſich und will, von Freude überwältigt, Friedrich mit den Armen umfangen.) 


Dritter At. Dritte Scene. 365 


Walburga. Vorbei ift die Gefahr, es jauchzt die Bruft, 
O teurer Friedrich — 
(Sie befinnt ſich plöglid, indem fie ven Namen ausſpricht, erſchrickt und füllt Friedrich 
zu Füßen.) 
Zu fürchten Habt Ihr nichts mehr, hoher Herr, 
Dem Himmel Dank dafür! 
Friedrich der Schöne (veiöt ihr, überwältigt vom Gefühle, dankbar die Hand). 
Erhebe Did, Du edle, treue Seele! 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des dritten Altes. 


WDierter Akt. 


Erſte Greene. 


(Sm Benediktinerflofter zu Kaftel. Konventfaal neben der Kirche, zu welcher 

ein mit Stufen verjehener Portaleingang hinabführt. Kerzen erhellen, da es um die 

Zeit der feierlichen Chriftmette ift, ven Raum. Puechberger fteht, umgeben von dem 

Abt und den Brüdern, in der Mitte desfelben. Außerdem find noch anmwejend 

Seyfried Shweppermann, jowie Albreht Rindsmaul und Konrad von 
Bayerbrunn.) 


Puechberger. Die Glode it dem Stift nun übergeben, 
Wie e3 vom Kaifer war vorausbeftimmt, 
Den Tag vor der Geburt des Herrn und Heilands 
Im Fahre dreizehnhundert vierundzwanzig. 
Doch bleibt bedungen dies, ehrwürd’ge Bäter: 
Es joll ſich ihr Geläute nicht erheben 
(Und ftrichen Monde auch darüber Hin), 
Bis daß der Kaijer ihren Klang vernommen 
Und jeines Herzens Dank mit ihr vereint, 
Woran ihn jet der Zeiten Ungunft hindert. 
(Die Mönde begeben fih nad dankender Verbeugung zur Kirde, aus der Orgelklang 
berauftönt.) 
Schweppermann (in Unruhe zu Rindsmaul und Bayerbrunn). Was iſt's 
mit unferm Herrn? Führt mich Hinzu! 
(Sr ſchleppt fih am Stod heran.) 
Puechberger. Er hat vor Burgan harte Not bejtanden — 
Vernahm er mich ? 


Albrecht Rindsmaul. Ihr müfjet lauter reden! 
Puechberger. Er lag vor Burgau mit dem ſchwäb'ſchen Banne. 


Vierter Alt. Erſte Scene. 367 


Schweppermann. Sch kenn’ ihn wohl, der auf der dort 
it, 
Es ijt der Ellerbach mit feinen Söhnen. 
Doch wie verliefen dort für uns die Dinge? 
Puechberger. Dies Hört Ihr nun. Die Stadt umgiebt das 
Schloß, 
Und darum ijt ihm auch nicht beizufommen, 
Bevor fie nicht zuvor in Schutt gelegt, 
Das aber wollte unfer Herr nicht dulden — 
Schweppermann. Die Großmut war da übel angebracht, 
Ich kann mir denken ſchon, wohin das führte! 
Puechberger. Dies jpürte auf dem Schloß der Degen bald, 
Und unverjehens flog fein Bote aus, 
Um Herzog Leopold Herbeizuholen. 
(Bewegung.) 
Zum Glüd jedoch erfuhr es unfer Herr 
Rechtzeitig noch, erhob ſich raſch und wandte 
Auf Halber Flucht zur Donau fih — 
Schweppermann, Sa; ie; 
Er 309 den fürzern, wie einjt dort vor Speyer, 
Da Hatten wir auch nichts als Spott davon. 
Konrad von Bayerbrunn. Auch daß er, die zu Gammelsdorf 
wir fingen, 
Nachher entlafjen ohne Löjegeld, 
Hat üble Früchte ihm nur eingetragen. 
Albrecht Rindemaul. Doch um jo fichrer nur verwahrt er 
nun 
Die uns bei Ampfing in die Hände fielen, 

Währt doch ſchon Friedrich Haft mehr denn drei Jahre. 
(Brior Gottfried betritt, von dem Bruder Pförtner geleitet, ven Saal.) 
Konrad von Bayerbrunn. Wer ijt der Mönch im fremden 

Ordenskleide? 
Puechberger. Es iſt der Prior, Götz von Mauerbach, 
Der bei dem König offnen Zutritt hat. 
Prior Gottfried. Gelobt ſei Jeſus Chriſt! 
Die anderen. In Ewigkeit. 
Puechberger. Der, den Ihr ſucht, weilt nicht an dieſem Ort. 
Prior Gottfried. Dann läßt er nicht mehr lange auf ſich 
warten, 


368 Ludwig der Bayer. 


Da ich von ihm beichieden ward hierher. 
Doch nun erlaubt, daß ich den Abt begrüße! 
(Er johreitet dur den Saal, von dem Klofterbruder geleitet, zur Kirche; diefer kehrt 
zur Pforte zurüd.) 
Puechberger. Wär’ auch der König hier, jo zweifl ich Doch, 
Daß er ihn ließe vor fein Angeficht, 
So hat jein Mißglück ihn ſeitdem verdüjtert. 
Schweppermann. Das jollt er fich anfechten lafjen nicht! 
Dem Feinde, der im Vorteil, zu entgehn, 
Sit ein Gebot, dem jeder Kriegsmann folgt, 
Der nicht verwegen oder blind thut handeln. 
Als mich einmal mein Roß dem Feind enttrug 
Und ich auf meiner Flucht ein Dorf erreichte, 
Ließ ich verkehrt anfchlagen ihm die Hufe, 
Und die befam ich nachher in mein Schild, 
Das ich jo manches Jahr als Nitter führte. 
Der König aber ift ein Ritter gleichfalls, 
Und was ein ſolcher darf, jteht ihm auch an! 

(Ludwig der Bayer tritt, winterli in einen Mantel gehüllt, von dem Pförtner ge— 
führt und von ein paar fadeltragenden Reifigen begleitet, auf. Der Pförtner verläßt 
den Saal wieder.) 

Puechberger (den Kaiſer gewahrend). Go irrte doch fich der Kart— 

häuſer nicht! 
Ludwig der Bayer. Die treuen Kriegsgefährten find ver— 
ſammelt, 
Und nur der Burggraf läßt noch auf ſich warten, 
Doch daran trag' Ich freilich ſelbſt die Schuld. 
(Er begrüßt Schweppermann durch einen Händedruck.) 
Wie geht es meinem alten Waffenbruder? 
Schweppermann. O Herr, wie ſoll ich Euch genugſam danken 
Für dieſe Gnade, die Ihr uns erweiſet! 
Ludwig der Bayer. Ich ſagt's Euch ja voraus zu Regens— 
burg, 
Daß wir alldier ung würden wiederjehn! 
Schweppermann (die Hand des Kaiſers an jeine Lippen ziehend). Nun jterb’ 
ich gern, da alfo e8 gefommen. 
Albrecht Rindsmaul. ch Herr, bei Burgau fehlten —— 
beide! 
Konrad von Bayerbrunn. Das mwurmt uns jehr. Ihr wart 
dort im Gedränge. 


Vierter Akt. Erſte Scene. 369 


Ludwig der Bayer (su Puechbergey. So habt Ihr ſchon, was 
jüngit mich traf, vermeldet ? 
Puechberger. Warum nicht, Herr? Es bringt Euch feinen 
Eintrag! 
Wann Euer Schweppermann e3 jagt, jo glaubt's, 
Gr hat Euch nie die Wahrheit noch verhohlen. 
Schweppermann. hr hättet jtürmen jollen jtatt belagern, 
Eriparen Euch die Feinde doch auch nichts! 
Ludwig der Bayer. Ihr habt wohl recht, und anders joll es 
werden! 
Werd’ ich auch Friedrich nimmer fränfen je, 
So fann ich es rechtfert'gen doch vor Gott, 
Zur Sicherung des Reichs und feiner Krone, 
Die Freiheit ihm für immer abzufprechen. 
Schweppermann. An Herzog Friedrich hatt’ ich nicht gedacht! 
Ludwig der Bayer. Doch ich nur um jo mehr, verfich’r ich 
Fu 


Schweppermann. Der in der Haft liegt, darf es nimmer 
büßen, 
Was andre fern in feinem Namen thun. 
Ludwig der Bayer. Glaubt hr, es ahne Friedrich nichts 
davon, 
Daß Leopold nach Bar gezogen fan, 
Dom König Böheims dazu überredet, 
Mit Frankreich dort ein Bündnis einzugehn, 
Das ſoll zu Avignon befiegelt werden, 
Um unſer Reich den Fremden auszuliefern ? 
Schweppermann. Das werdet Jhr ihm jchtwerlich je bemwetien. . 
Denkt an das Wort, das jeinem Mund entfahren, 
Als er anfichtig ward der finjtren Feſte 
Und er vernommen, daß fie Trausnitz heiße: 
„Ich hätte billig ihm nit trauen jollen, 
So hätt’ ih auch zu ſchaffen nichts mit ihr.” 
Was er befürchtet, Toll es fich erfüllen? 
Ludwig der Bayer. Ich finne nicht auf Rache, nur auf Vor— 
(Er reiht Schweppermann die Hand.) — 
Doch dank' ich Euch für Euern biedern Rat. 
(Der Burggraf Fried rich tritt, in einen Mantel gehüllt und vom Pförtner ge— 
leitet, auf.) . 
Greifs Werfe. II. 24 


370 Ludwig der Bayer. 


Seht, nicht vergeblih mahnt’ ich ihn zur Eile! 
(Er tritt dem Burggrafen entgegen.) 
Gegrüßt fei mir an diefem Ort des Friedens, 
(Sie reihen ſich die Hände.) 


Den ih mit Sorgen in der Bruft betreten, 
Doh Deine Miene zeigt Dich froh gejtimmt. 


Sriedrih von Zollern. Das bin ich auch und recht von 

Herzensgrund. 

Ich traf zu Renſe ein zur Fürjtenjprache 

Suft in der Stunde, da fich Frankreich Boten 

Dort eingeftellt, die Wähler zu berüden, 

Mit denen fie, um unbelaujcht zu jein, 

Ein Stüd weit in den Rhein Hinausgejahren. 

Doch eh’ ich noch das Wort ergriffen jelbit, 

Ward unſre Schmac von einem abgewendet 

(Berthold von Buche ift des Wadren Name), 

Und, was ihm um jo höher anzujchlagen, 

Er zählt nicht einmal zu den Unfern jelbit, 

Denn was er jprach, gewann ihm alle Herzen — 

Mit Frankreichs jtolzem Traum iſt's aus für immer! 


Ludwig der Bayer. Wie aber lauteten des Biedern Worte ? 


Friedrih von Zollern. Es Habe wohl befunden 2 das 
Reich, 

So lang ihm deutjche Fürſten vorgejtanden, 

Die gleihe Sprache mit uns allen reden. 

Drum jollteft Du auch um die Krone fommen, 

So habe unjer Volk doch feinen Mangel 

An eingebornen Fürſten, wert der Krone. 

Das waren, Herr, die Worte, die er jprad). 


Ludwig der Bayer. Und denen ich beipflichten muß auch 
ſelbſt 


’ 
Sa, alfo ift’8 und aljo joll es währen! 
Sch ſtürbe lieber, denn daß ich dies Reich, 
Das ich durch vieles teure Blut erworben, 
Sn eines Fremden Hand geraten ließe 
Und ſolcher Art verraten untergehn. 


(Während der letzten Worte Ludwigs hat fich der Prior vom Portal der Kirche her dem 
Kaiſer genaht.) 


Vierter Akt. Erfte Scene, 371 


Prior Gottfried. Ruhmvolliter Fürſt, erhabner Herr und 
Kaiſer, 
Der Du zugleich demüt'ger Diener Gottes, 
Was ſäumſt Du, den Beſiegten loszugeben, 
Der wehrlos ſich in Deiner Hand befindet? 
Erwäge doch den Zuſtand dieſes Reiches, 
Das arg zerrüttet ward durch euren Streit, 
Der ſolcher Art nie kann zu Ende kommen. 
Und leuchtet Dir denn nicht der Vorteil ein, 
Der Dir wie Deinem Volk daraus erwüchſe, 
Wenn ſie, mit denen Du noch immer ringſt, 
Dir hilfbereit fortan zur Seite ſtänden? 
Hingegen was erreicht ihr beide andres, 
Wenn ihr den Zorn auslaſſet an den Ländern 
Und an den Menſchen, die euch unterthan, 
Als daß ihr nicht nur euer zeitlich Wohl, 
Nein, euer ewig Heil auch ſelbſt gefährdet ? 
Ludwig der Bayer, Gleich Nägeln find und Stacheln Heil’ger 
Morte, 
Spricht Salomo, und Ihr beſtätigt dies. 
Prior Gottfried (auf jein Andachtsbuch deutend). Blick' Hin zum Kreuze 
des Erlöſers Lieber 
Und jchau’ die Nägel, die fein Fleisch durchdringen: 
Er lehrt Di mehr als ſelbſt ein Salomo, 
Ludwig der Bayer. it Friedrich aber jolchen Willens auch, 
Als Du, mich ftrafend, ihn haft vorgeſtellt? 
Prior Gottfried. Er ift’3, ich fomme juft aus ſeinem Kerker, 
Nachdem Du Einlaß mir bei ihm gewährt. 
Ludwig der Bayer. Wie lauten dann die Worte, die er 
ſprach? 
Prior Gottfried. „Ich will nicht, daß durch dieſen Kronen— 
ſtreit 
Das deutſche Reich gefährdet oder gar 
Von Frankreich in Beſitz genommen werde!“ 
Ludwig der Bayer. Iſt er bereit, dies ſelbſt auch zu be— 
ſchwören? 
Prior Gottfried. Er iſt's und wird es ſein zu jeder Stunde. 
Ludwig der Bayer Gum Burggrafen. So wollen wir noch diefe 
Nacht zu ihm — 
Wenn Gott eg will, jo ſtiften wir den Frieden. 
24* 


372 Ludwig der Bayer. 


Prior Goitfried. Bei ſolchem Sinne dürfen wir's erhoffen, 
Und darum wollen wir zum Thron des Höchiten 
Sin diefer Stunde flehn, auf daß der Herr 
Die Herzen beider Streitenden erleuchte 
Und in fie gieße feines Friedens Geift. 
(Die Tiktoriaglode beginnt zu läuten. Alle fnieen nieder, Drgelflang erſchallt aus der 
Kirche.) 
Geſang (der bei der Chriſtmette Verſammelten). 
„Ehre ſei Gott in der Höhe 
Und Frieden den Menſchen auf Erden, 
Die eines guten Willens ſind.“ 
(Verwandlung.) 


Zweite Scene. 


(Im Turmkerker zu Trausnitz im Thal. Friedrich der Schöne liegt 

ſchlafend auf ſeinem Lager an der Erde. Walburga ſchmückt den vorhandenen Altar 

zum Stephanusfeſt. Eine allmählich erlöſchende Ampel erhellt den Raum. Draußen 
beginnt es zu tagen.) 


Walburga. Gottlob, jein Schlaf ward nicht durch mich ges 
jtört. 

Mög’ ihm der Schmud, jo arm er iſt, gefallen! 
Sa, wären exit die Blumen wieder da, 
Die er jo liebt, doch nimmt mit einem Strauche 
Sein Blick vorlieb, fällt er das ganze Jahr 
Doch ach! allein auf diefe nadten Mauern. 
Kein Wunder, wenn ihm da ein Seufzer fommt 
Und, wenn er feines frühern Glücks gedenf, 
Auch manchmal eine Thräne. Was er fühlt, 
Errat' ich, Ipricht er eg auch niemals aus, 
Wenn er im Schlaf nicht ihren Namen nennt, 
Den ich nur jo erfahren. — Iſabella! 
Wie hold und tugendfam mußt Du wohl jein, 
Um jeine Liebe Dir verdient zu haben! 
Dft mal’ ich mir Dein unbekanntes Bild 
Mit Zügen, die den Engeln ich entnehme 
Und ſelbſt ſogar der Schmerzensmutter hier, 
Die wie zum Segen auf ihn niederblidt. 
Bet ich für ihn, jo jchließ ich ſtets dabei 
Auch jene ein, auf daß der Tag ihr fehre, 


Vierter Alt. Zweite Scene. 373 


Der ihr den Gatten endlich wieder bringt. 
Und doch, erſchiene diefer Tag einmal, 
Und ſäh' ich ihn von ung für immer jcheiden, 
Nicht weiß ich, ob ich's könnte überjtehn, 
Da ohne ihn vom Leben mir nichts bliebe, 
Und wie ich mir geheim auch wohl befenne, 
Sein Bild mir ſchon zu tief im Herzen wohnt. 
Doch wär’ es Sünde, macht’ ich's fund auch ihm, 
Drum gieb mir Kraft zum Kampf, Du Reine dort! 
Wigand (tritt eilig ein). Beeile Dih! Es iſt Beſuch gekommen, 
Den wir bewirten müfjen nach Gebühr. 
Walburga. Wer find die Fremden? Kanntet Ihr fie wohl, 
Als Ihr fie eingelaffen? Denkt daran, 
Daß jhon einmal wir wurden überfallen! 
Wigand. Die Sorge darum überlaſſe mir. 
(Walburga entfernt ji.) 
Er ſchläft und ahnt nicht, wer Hier angefommen. 
(Die Hände faltend.) 
D Herr im Himmel, laß des Kaiſers Herz - 
Auftauen und Erbarmen ihn durchdringen, 
Auf daß er, an den alten Freund gemahnt, 
Nicht länger ihm nachtrage jeinen Groll 
Und willige in die gebotne Sühne! 
(Ludwig der Bayer tritt herein, gefolgt vom Burggrafen Friedrich, Dietrich 
von Pillihsdorf und dem Prior Gottfried.) 


Ludwig der Bayer. Er ijt’3, doch wie verändert auch zu— 


gleich ! 
Fürwahr, erblickt’ ich ihn an anderm Ort, 
Ich hielt’ ihn nicht für den, den ich Hier juche. 
Sein Antliß, ach! wie bleich und jchmal dazu, 
Iſt das der Mann, der einjt der Schöne hieß ? 
Er litt doch niemals Not ? 


(Er tritt mit dem Gefolge in den Vordergrund; das weitere Gejpräd wird mit ge= 
dämpfter Stimme geführt.) 


Wigand. Herr, wo denkt Ihr hin? 
Ludwig der Bayer. Ihr wohnt auf abgeſchiedner Burg. 
Wigand. Thut nichts — 


Doch kam es oft, daß er die Koſt verſchmähte, 
Da ihn das Stilleliegen ſehr beſchwert. 


374 Ludwig der Bayer. 


Friedrich von Zolern. Mit was vertrieb er fich die — 
weile? 
Wigand. Durch Pfeileſchnitzen oder auch damit, 
Daß er dem Flug der Vögel draußen folgte. 
Friedrich von Zollern. Die er beneidete um ihre Freiheit! 
Ludwig der Bayer. Daß er einſt die Verſuchung von ſich 
wies, 
Die Freiheit eigenmächtig zu gewinnen, 
Gereicht ihm drum zum doppelt hohen Preiſe. 
Friedrich der Schöne (im Schlaf). Sieg! Sieg! und Ludwig tot! 
Sch traf ihn jelbit — 
Sriedrih von Zollern. Es ſchwebt die Schlacht ihm dor in 
hellem Bild! 
Friedrich der Schone. Was will der mit dem Rindsmaul? — 
Ich erliege — — 
Hier fteht jein Zelt, da, und Er jelbit davor — 

Wie grimm fein Blick! — Er lebt, und ich muß fterben ! 
(Er erwadt und jegt fih auf, ven Schweiß fi trodnend, ohne die Anweſenden zu bes 
merfen.) 

Friedrih der Schöne. Was war das für ein fchaudervoller 

Traum! 

Erſt nahm das Leben ich im Zweikampf ihm, 

Doch unverjeheng ſchlug das Glüf una um, 

Und troß der Gegenwehr ward ich gefangen. 

Da ſtand er, ſtarr den Bli auf mich gerichtet, 

Und mir verging der Atem in der Bruſt — 

(Ludwig den Bayer erblidend.) 

Da iſt er wieder, ha, wie er mir drohte! 

Bilt Du ein Spuk der Nacht, jo Ichtwinde Hin 

Bor diefem Kreuz, das in die Luft ich jchlage, 

Und fehre, Dämon, in Dein Reich zurück! 
Ludwig der Bayer. Kein folcher bin ich, leibhaft jteh’ ich da. 
Friedrich der Schöne. In welcher Abficht aber Hr Du 


ber! 
Ludwig der Bayer. Verfiehit Du eines EC chlimmen Dich von 

mir? 
Friedrich der Schöne. Wie könnt’ ich aller Sorgen ledig 

jein? 


Ludwig der Bayer, Du irrſt Dich, wenn Du Haß in mir 
vermuteſt. 


Vierter Alt. Zweite Scene. 375 


Friedrich der Schöne. Was aber hätte jonjt Dich hergeführt? 
Ludwig der Bayer. Aufrichtiges Verlangen nach Verſöhnung. 
Friedrich der Schöne (nasdem er jein Gefühl betampft). Verlangen 
nach Berföhnung! Glaube mir — 
Auch mir erfüllte jolches längit die Brujt! 
Ludwig der Bayer. Wenn Du ihn willjt, To jchaffen wir den 
Trieden, 
Denn ihn zu itiften bin ich hergeeilt. 
(Er reiht Friedrich die Rechte dar, der fie freudig erfaßt.) 
Friedrich der Schöne. Dein Glaube joll Dich Aimmermeye ge- 
reu'n! 
Dietrich von Pillichsdorf. Nun mag mein Stündlein kommen, 
wann es mag! 
Prior Gottfried Galblaut zu Wigand). Ich bitt' Euch, laßt die 
Kerzen dort entzünden 
Und bringt voll lautren Trunkes einen Becher. 
(Wigand entfernt ſich.) 
Friedrich der Schöne (sum Brio). Ihr ſchuft das Heil. Wer 
gab den Schritt Euch ein? 
Prior Gottfried. Mit ihm hat Eure Gattin mich betraut. 
Friedrich der Schöne. O Iſabella! 
(Wigand tritt mit Walburga wieder auf. Er trägt Friedrichs Schwert und goldene 
Halskette, fie einen Becher mit Wein auf einem Teller.) 


Ludwig der Bayer. Das ijt wohl Euer Kind? 


Wigand, Sa, Herr, fie 
ijt’2. 

Ludwig der Bayer. Wie nennt Ihr Euch? 

Walburga. Walburga ijt mein 


Name. 
Ludwig der Bayer (idr die Hand reigend). Ihr habt Barmherzigkeit 
geübt, Walburga, 
Und deren Werke lohnt der Himmel jelbit. 
Walburga. Berjäumt’ ich vieles, mag er mir verzeihn 
Und nehmen meinen Willen für die That. 
Ludwig der Bayer (su Frievrih dem Schönen. Sch brachte Dir au) 
andre Freunde mit. 
Friedrich der Schöne (sum Burggrafen). Aus alter Zeit find wir 
una jchon befannt. 


376 Ludwig der Bayer. 


Vriedrich von Zollern. Laßt uns denn auch die alte Zeit er- 


neuern ! 
(Sie reihen fi die Hände.) 


Friedrich der Schöne (um Marſchalt Pillichsdorf wehmütig). Mein treuer 
Marjchalt, weiß das Haar wie Schnee! 

Dietrich) von Pillichſsdorf. Auch Euer Bart weist ſchon mand) 
Flöckchen auf. 

Friedrich der Schöne. Sie werden mich daheim wohl kaum 


erfennen. 
Sriedrih von Zollern, Nur um jo größer wird die Freude 
fein. 
Ludwig der Bayer. Drum wollen wir die Heimkehr flugs be- 
treiben. 
Prior Gottfrid. Wenn ihr bereit, jo ſchreiten wir zur 
Sühne. 
Friedrich der Bayer. Sch bin es wohl. 
Friedrich der Schone. Wie ich nicht minder 
auch). 


(Prior Gottfried tritt auf die Stufen des Altars. Ludwig und Friedrich fnieen davor 
nieder, die anderen gruppieren fich.) 


Prior Gottfried. Erſt laßt uns ftille ein Gebet verrichten ! 


(Nah dem Gebet ftehen Ludwig und Friedrich auf und treten einige Schritte vor, der 
Burggraf ftellt fi zwijchen beide. Der Prior bleibt auf ven Altarjtufen ſtehen.) 
Friedrich von Zollern. Nun follt ihr die Bedingnifje ver- 

nehmen, 

Sie find für beide Teile gleich verbindlich. 

(Zu Friedrih dem Echönen.) 
Sp hört! Ihr jprecht vor allem aus, daß Ihr 
Verzicht thut auf die röm’sche Königskrone 
Und hier den Herın, den wahren, anerkennt. 
Sodann, daß Ihr die Brüder wollt bewegen, 
Zu Huld’gen ihm und alles auszuliefern, 
Was ſie dem Reich noch immer vorenthalten. 
Auch jollen fie verpflichtet jein mit Euch, 
Heerfolge gegen jedermann zu leijten 
Und zu befriegen alle, die jich weigern, 
Verehrung Ludwigs Würde zu bezeugen. 

(Zu Ludwig dem Bayern.) 
Dagegen jollet Ihr auf Eurer Seite 
Zur Stelle ihm mit allen feinen Mannen, 


Vierter Alt. Zweite Scene. 379 


Die nicht erledigt ſchon, die volle Freiheit 
Und ohne Löfegeld zurüderjtatten, 
Wie ihn jamt feinen herzoglichen Brüdern 
Berbürgen als Bejit, was ihnen eignet 
Und was zu Lehen jie vom Reiche tragen. 
(Zu beiden.) 
Dies bietet wechjeljeitig ihr einander. 
(Zu Friedrih dem Echönen.) 
Wenn Jhr jedoch, gehemmt durch Eure Brüder, 
Imſtand nicht wäret, völlig zu erfüllen 
Auch Einen Teil nur der gelobten Pflicht, 
So jollt Ihr in die Haft freiwillig fehren, 
Aus der Ihr ohne Bürgichaft heute tretet, 
Zur Sonnenwende um Yohannitag. 
Das iſt das Bündnis, das ich Euch empfehle. 
Seid Ihr bereit, dasjelbe einzugehn 
Und zu befräftigen durch Euer Treumwort ? 
Friedrich der Schone. Ich bin’s! 
Ludwig der Bayer. Und ich zu meinen Teil nicht 
minder! 
Friedrich von Zollern (su Frievris). Bedenkt Euch wohl, bevor 
Ihr noch Euch bindet, 
Ob Ihr auch halten fönnt, was hr gelobt, 
Da es geihehn nur fann, wenn Eure Brüder 
Und Leopold zunächjt fich einbeziehn. 
Friedrich der Schöne. Daran zu zweifeln käme Undank gleich; 
Die Liebe, die juſt diefer mir bewies, 
Indem er, mir die Freiheit zu erfämpfen, 
Ein ruheloſes Kriegerleben führte, 
Läßt mich auf feinen vollen Beijtand hoffen, 
(Zum Prior und Dietrih von Pillihsdorf.) 
Zumal wenn ihr ihm beide dringt ans Herz, 
Und in Erwartung deijen jchlag’ ich ein. 

Ludwig der Bayer. Und ebenjo thu’ ich's auch unummwunden. 
(Nachdem die beiden in des Burggrafen Hand eingejchlagen, tritt diefer zurüd.) 
Prior Gottfried. So laßt ung denn den Friedensbund er- 

richten 
Bor des Allmächt'gen heil’gem Angeficht. 
In diefem Willen tretet neu herzu! 
(Zudmwig und Friedrich fnieen nieder.) 


378 Ludwig der Bayer. 


Erhebt zum Schwur die Rechte und gelobet, 
Daß ihr euch gegenjeit’ge Treue haltet 
Durchs ganze Leben und bis in den Zod! 


Beide (chwörend). Durchs ganze Leben und bis in den Tod! 


Prior Gottfried. Nehmt Hin nach Väter Brauch den Trunk 
der Minne, 
Der euch vergeſſen lajje euren Hader 
Und euch erfülle mit der Eintradt Sinn! 
(Er reiht Ludwig und diejer Friedrich den Becher.) 
Erhebt euch wieder als verjühnte Freunde, 
Das Herz erfüllt mit frohem Dank zu Gott, 
Der euch vom Haß zurüdgeführt zur Liebe, 
Und reicht in Eintracht euch den Bruderfuß ! 
Ludwig der Bayer. Komm her, mein Bruder! — Sei mein 
Friedrich wieder! 
Friedrich der Schöne. Und Du mein Ludwig; ja, jo joll es 
in! 
(Sie umarmen ſich und treten wieder vor.) —— 
Ludwig der Bayer (achdem er Wigand ein Zeichen gegeben. Hier iſt 
Dein Schwert und Deine Fürjtenfette! 


Sriedrich der Schöne (mahdem er beides angelegt). Laß mich nun 
danfen auch den beiden hier, 
Die alles thaten, mir dur ihr Bemühn 
Den Aufenthalt im Kerker zu erleichtern. 
(Zu Wigand.) 
Ich drüd’ Euch, meinem treuen Wirt, die Hand, 
Mög’ Euch der Himmel Eure Liebe lohnen! 
Führt mich in Eure Nähe je mein Weg, 
So zählt auf meinen traulichen Bejud). 
Wigand. Zieht hin mit Gott und denkt Ihr fern an ung, 
So laßt es nicht entgelten hier die Trausnitz! 


Briedrih der Schöne (ächelndd.. Daß ich ihr traute, hat mich 
nicht betrogen. 
(Zu Walburga, deren Hand erfafjend.) 
Walburga, jei getrojt, wir jehn ung wieder, 
Doch, wie der Himmel auch es mit mir fügt, 
Dein Bild wird mir im Snnern nie erblafjen 
Bis zu dem legten Atemzug — Leb' wohl! 


Vierter Akt. Zweite Scene. 


Walburga. Zieht hin und findet wieder dort dag Glück, 
Das Ihr jo lang Hier habt entbehren müſſen! 
(Für fi, nahdem fih die anderen entfernt.) 
Mir bricht das Herz — 
(Auf den Knieen.) 
Hilf, heil’ge Mutter, mir den Schmerz ertragen. 
(Der Vorhang fällt.) 


Ende des vierfen Aktes. 


Sünfter Akt. 


Erfte Scene, 


(Sm Garten des Schloſſes zu Gutenftein im Wienerwald, dejjen Berge auf 

allen Seiten fihtbar find. Zur Linfen zeigt jih das Schloß, der Hintergrund verliert 

fih in die Tiefe des Parkfes. Im Vordergrund fteht unter ven Bäumen zwiſchen Buſch— 

werk eine Ruhebank. Heinrih von Bijjingen tritt mit Kurt von Ebersdorf 
auf.) 


Kurt von Ebersdorf. Ihr Habt nah mir geſchickt in jolcher 
Eile, 
Als gält’ es einen Ritt ins Böhmerland. 


Heinrich) von Biſſingen. Was jolch gelernter Zaubrer nicht 
errät! 
Doch ift zur Botichaft erjt der Grund zu legen. 
Wißt denn, der Böhme fam darauf zurüd, 
Die Herzogin an jeinen Hof zu loden, 
Nachden er fie dem Gatten erjt entfremdet, 
Und dazu fann ihm Euer Zeugnis dienen. 
Kurt von Ebersdorf. Dies joll wohl Hier zu Gutenjtein ge- 
Ichehn ? 
Heinrih von Bilfingen. Gelegner wüßt' ich feinen Ort dazu. 
Kurt von Ebersdorf. So will ih e8 nach Eurem Wunſch ver- 
ſuchen. 
Doch ſtill, da naht ſie ſich an Heinrichs Seite. 


(Beide begeben ſich hinter ein Gebüſch. Heinrich von Öfterreih und Sjabella 
treten mit einem kleinen Gefolge auf, dieje von jenem geführt.) 


Fünfter Alt. Erfte Ecene. 381 


Heinrih von Oſterreich. Hier jucht die Franke Bruft fich 
Linderung, 
Wo Balſam ihr der nahe Wald entjendet. 
(Er läßt ſich auf die Ruhebanf nieder.) 
Siabella. Ob wir zur Stelle find, erfenn’ ich nicht, 
Da nur ein matter Schein das Auge leitet. 
(Sie nimmt neben ihm Bla$.) 
Doch jei getrojt, Du wirſt Dich bald erholen 
Und diejen Forſt noch manches Jahr durchitreifen. 
Heinrich von Ofterreih. Eh' wirt Du jehend wieder, als ich 
ig! 
(Nah einer Pauſe.) * 
Was ſchweigſt Du, ſorgenvoll in Dich verloren? 
Iſabella. Ach, konnte Dich der Kerker ſo entkräften, 
Der Dich doch wen'ge Monde nur umſchloß, 
Wie mag mein Friedrich erſt gebeugt ſich fühlen, 
Der in das, vierte Jahr ſchon in ihm ſeufzt! 
Heinrich von Oſterreich. Gieb Dich nicht quälenden rl 
hin! 
In Scharen kehren die Berreiten Heim 
Aus unſrer Ritterjchaft, nicht lang’ mehr währt's, 
Daß ſich des Kerkers Thür auch ihm erjchließt. 
Iſabella. O füme doch der Prior bald zurüd, 
Der mit dem Marſchalk jich Hat aufgemacht, 
Damit fein Schidjal endlich ſich erhelle! 
Heinrih von Bilfingen (su Kurt im Verſtech. Der Augenblick ijt 
günjtig. Wagen wir's! 
(Beide treten vor.) 
Sit mir's gewährt, die Herrin zu begrüßen ? 
Iſabella. Bringt Ihr vom Herzog Leopold mir Kunde, 
So weiß ich jchon, daß hoffnungslos ſie klingt. 
Heinrih von Bilfingen. Nur wenig fehlte und in hättet 
ibm 
Den unverdienten Vorwurf abzubitten. 
Siabella. Wie jo? 
Heinrich von Bilfingen. Er that weit mehr für feinen 
Bruder, 
Als Ihr ihm zugetraut. 
Iſabella. Ihr macht mich ſtaunen! 


382 Ludwig der Bayer. 


Heinrich von Bilfingen. Daß aber gleichwohl ihm das Werk 
mißlang, 
Daran trägt er auch nicht die kleinſte Schuld. 
Siabella. Bon welchem Werk ift hier die Rede doch ? 
Heinrich) von Bilfingen. Ihr werdet die genaue Kunde hören 
Durch diejen Ritter, der Euch ja befannt. 
Iſabella. Bon meinem Gatten? Kann es jein? Berichtet! 
Kurt von Ebersdorf. Ich Sprach im Nargau einen Meifter jüngjt, 
Den Herzog Leopold gewonnen hatte, 
Den Bruder ihm durch Zauber zu befrein. 
Iſabella. Bon diefem Schritte hatt’ ich feine Ahnung, 
Ich Hätte ihn auch niemals bill’gen fünnen. 
Kurt von Eberödorf. Er jchien dem Herzog dur die Not 
geboten, 
Und furz, der Alte ſchwur mir Hoch und teuer, 
Was ihn allein an dem Gelingen hemmte, 
Sei eines Mädchens Gegenwart geweſen, 
Die jene Nacht bei Eurem Gatten weilte, 
Und die, umfangend ihn mit ihren Armen, 
Mit Friedrichs Willen jeine Macht gelähmt. 

Iſabella Gornig). Und jolches wagt hr weiter zu verbreiten ? 
Heinrich von Oſterreich. Ja, ihr ing Antlitz ſelbſt zu offenbaren ? 
(Iſabellas Hand erfafjend.) 

Bewahre Faflung, Dich trifft feine Schuld! 

Iſabella. Doch ihn vielleiht? Dies glaub’ ich nimmermehr. 
63 war Vermeſſenheit von jeinem Bruder, 
Daß er des Böſen Hilfe angerufen, 
Der allen Zaubers Urjprung und Gebieter! 

Heinrich von Ofterreih. Dort naht ein Ritter fich u langem 

arte, 

Dem auch wohl die Gefangenschaft geendet. 

Iſabella (eufzend). Sie alle kehren, er allein nur nicht! 


(Friedrid der Schöne tritt im Neijegewand auf und bleibt plötzlich, Iſabellen er— 
blidend, betroffen ſtehen.) 


Friedrich der Schöne. Du bift es, Yiabella ? 
Iſabella. Seine Stimme! 
Mein Friedrich, ja, er iſt's, mein treuer Gatte! 
(Sie liegen ſich in den Armen.) 
Friedrich der Schöne. O Iſabella, mein geliebtes Weib! 
So drück' ich endlich an die Bruſt Dich wieder 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 383 


Und Halte Dich in meinen Armen feit. 
Wie lange Hab’ ich mich nach Dir geſehnt! 
Iſabella. Und ich, o Teuerjter, nach Dir nicht minder. 
Dereint mit Dir, o welche Seligfeit! 
Das jahrelange Leid mit allen Sorgen 
Tilgt mir ſchon diefer einz’ge Augenblid. 
Friedrich der Schöne. Lab mich in Deinen lieben Augen 
leſen 
Der Freuden volle, unnennbare Luſt! 
Iſabella (ich abwendend und das Haupt ſenkend). O wehe mir! 
Heinrich von Oſterreich. Vernimm 
es, armer Gatte, 
Vom Thränenſtrom, den ſie um Dich vergoſſen, 
Bis er nach ruheloſem Drang verſiegt, 
Schwand ihnen das getrübte Augenlicht. 
(Friedrich ſieht ſie entſetzt an und ſinkt mit einem Aufſchrei ihr zu Füßen.) 
Friedrich der Schöne. Blind! Blind um mich! O welches 
Schickſal! 
Gerechter, ſchwer liegt Deine Hand auf mir, 
Denn daß es ſo, iſt meine Schuld allein. 
(Er ſteht auf, umfaßt ſie und ſchaut ihr ins Geſicht.) 
Das Licht erloſch in dieſen lieben Augen, 
Und nicht beglücken kann mich mehr ihr Blick, 
Für immer hüllt ja ſtrenge Nacht ihn ein! 
(Er weint.) 
Iſabella. Gieb Dich nicht allzu trüber Klage hin! 
Ein ſchwacher Schimmer blieb ihm noch erhalten, 
So geb' ich alle Hoffnung auch nicht auf. 
Und iſt der ſüße Troſt mir nicht geworden, 
Daß Du von Deinen Banden biſt erlöſt? 
Mir nahe, dringt mir Deiner Stimme Ton 
Erhellend in die Tiefe meiner Seele 
Und ſchafft mir dort Dein Bild ſo wie Du warſt, 
Da ich zum erſtenmal beglückt Dich ſchaute 
In Deiner blütenvollen Jugend einſt 
Und nicht gealtert durch des Kerkers Qual. 
Ja, Friedrich, mein biſt Du, für immer mein, 
Und nicht umſonſt vergoß ich meine Thränen. 
Laß ung in Demut, was mich traf, ertragen, 
Und wenn es auch ung beugt, doch nicht verzagen! 


384 Ludwig der Bayer. 


Friedrich der Schone. Wie eine Heil’ge jtehjit Du vor mir 
da 
In Deiner Tugend makelloſem Glanze — 
Wie Tor ich jolche Liebe Dir belohnen ? 
Siabella. Sie ijt belohnt, jeit ich Dich wieder habe. 
Wie aber famjt Du her jo unerwartet? 
Durch welche Fügung gingit Du frei hervor? 
Friedrich der Schöne. Der Sieger Jelbit Ichloß mir den Kerfer 
auf, 
Und längjt auch läg’ ich jchon in Deinen Armen, 
Wenn ich zu Ebersberg erkrankt nicht wäre, 
Von feinen eignen Händen dort gepflegt. 
Siabella. Das war die Folge der beitandnen Bein! 
Friedrich der Schöne. Doch raſch erholt’ ich mich, Dank jeiner 
Hilfe. 
Siabella. So haſt Du ihn als König anerfannt? 
Friedrih der Schone. Sch that’3, die Krone unfrem Volk 
zu wahren, 
Nach der die Hand jchon ausgeſtreckt der Fremde. 
Iſabella. Bon Gott erleuchtet haft Du jo gehandelt. 
Doch welches Heil will fich verfünden mir? 
Die Thräne quillt dem Auge wie zuvor, 
Und in der Helle, die dem Blick gekehrt, 
Erkenn' ich ſchon den Boten naher Heilung. 
Heinrich von Ofterreih. Erfüllte fih, was Du vertrauend 
ahnit! 
Siabella. Der Gnadenquell, der in der Steiermark 
Zu Mariaſchutz aus ſchatt'gen Felſen jprudelt, 
Wird unſre Pilgerfahrt dahin belohnen. 
Friedrich der Schöne. Der Glaube trägt in fich ſchon die Er- 
füllung. 
(Des Bruders Eins erfafjend.) 
Auch Du getröfte Dich! 
Heinrich von Oſterreich. Sprich nicht? don mir! 
Sch ließ zurück Gejundheit, Glüf und Jugend 
Im Turm, darin mich Johann hielt gefangen. 
Friedrich der Schöne. In welches Schelmen Hand warjt Du 
gefallen! 


Fünfter Alt. Erfte Scene. 385 


Heinrich von Öfterreih. Als er mich durch den Hof dahin 
gejchleppt, 
Wo weder Sonne mid noch Mond beichien, 
Fiel unjer Wappen, das aus alter Zeit 
Vom Thor herab noch jah, zeritüdt zu Boden; 
Sch nahm es auf als böje VBorbedeutung. 
(Friedrichs Hand erfafjend.) 
Gottlob, daß eitel meine Furcht gemwejen! 
Friedrich der Schöne. Doch wiſſe, daß ih noch —— 
bin 
Und nur vorläufig aus der Haft entlaſſen. 
Iſabella. Ihr, Heil'gen, aller Mut entſinkt mir wieder! 
Heinrich von Öiterreich. Wie iſt es möglich, daß Du jo Dich 


bandeit ? 

Friedrich der Schöne. Die Sühne jchließt auch meine Brüder 
J ein. 

Heinrich von Oſterreich. An unſerm Beitritt zweifle nimmer— 
mehr. 


Friedrich der Schöne. Doch währt die Friſt nur bis Johanni— 
tag — 
Hier jede Blume mahnt mich an ihr Schwinden. 
Iſabella. Kann ſie Dir Ludwigs Macht nicht leicht ver— 
längern 
Und den Vertrag Dir mildern ſelbſt ſogar? 
Friedrich der Schöne. Ich bin daran gebunden durch mein 
Wort 
Und ſchulde meiner Ehre, daß ich's halte. 
(Er erblickt Kurt von Ebersdorf.) 
Wie kommt doch dieſer Fahrende daher? 
(Zu Iſabella.) 
Es iſt derſelbe, der befrei'n mich wollte 
Im Auftrag meines Bruders Leopold. 
Iſabella. So wart Ihr ſelbſt der Meiſter, den Ihr nanntet? 
Friedrich der Schöne. Er machte aus dem Mittel der Be— 
ſchwörung, 
Ihn täuſchend, ein verkapptes Gaukelſpiel 
(Zu Heinrich von Biſſingen.) 
und, wie mir ſcheint, mit Eurem Einverſtändnis. 
Heinrich von Biſſingen. Wir unterlagen liſtiger Verführung. 
Friedrich der Schöne. Wer aber hat ſich ſolcher unterfangen? 
25 


Greifs Werke. III. 


386 Ludwig der Bayer. 


Heinrich von Biſſingen. Der Böhme, der den Anjchlag felbft 
geleitet 
Und damals fich in nächjter Nähe hielt 
Mit Reifigen, Euch heimlich aufzuheben. 
Ihr wißt nun alles. Reue wirft mich nieder. 
(Er und Kurt finfen in die Aniee.) 
Vriedrich der Schöne. Ich hatte Eurer Hut fie übergeben, 
Und jo habt Ihr erwidert mein Vertraun, 
Treulojer Mann, der Ritterpflicht vergejien! 
Siabella. Laß Gnade, mein Gemahl, vor Recht ergehn! 
Sriedrih der Schöne. Wir wollen diejen TFreudentag nicht 
trüben. 
Enthebt euch beide von der Stelle hier 
Und laßt euch nirgend mehr vor mir erbliden! 
(Beide entfernen fi.) 
Der Wicht ſprach Dir wohl von Walburga auch? 
Siabella. Doc eben juft in dieſer Stunde nur. 
Vriedri der Schone. In welchem Sinn, den? Ms leicht 
inzu. 
Iſabella. Auch jchenkt’ ich ihm, das weißt Du, feinen Glauben ! 
Friedrich der Schöne, Des bin ich überzeugt, rn 
Meib! 
Was ih Walburgen jchulde, hörſt Du noch. 
Iſabella. Sch ahne wohl, daß fie Dein Engel war, 
Der Dich im Kerker tröften half und ftärfen. 
Briedrih der Schöne. Und auch mir läutern ir 
erz. 
Iſabella. Dies war nur reine Unſchuld ſo imſtande. 
Heinrich von Oſterreich. Von außen nicht, von innen kam 
die Wandlung — 
Der Demant ſchleift ſich nur am eignen Staub. 
Friedrich (ich erhebend. Nun auf nach Wien, von wo wir Bot— 
ſchaft ſenden 
Nach unſern Brüdern und das Land verſammeln, 
Damit wir Ratſchlag pflegen unverweilt. 
Heinrich von Oſterreich. Der Prior und ein andrer Ritter 
nahn. 
Briedrih der Schöne. Sie find es, die ih an — 
andte. 


Fünfter Alt. Erfte Scene. 387 


Iſabella. Gott gebe, daß fie es mit Glüd vollbracht! 
(Brior Gottfried und Dietrih von Pillih3dorf treten auf.) 
Briedrih der Schöne. Getreue, jeid bewilllommt im der 
Heimat! 
Iſabella. Auch meinen Gruß empfangt mit meinem Dante! 
Sriedrih der Schone. Doch nun berichtet mir des Bruders 
Antwort! 
Dietrich von Pillichsdorf. Sie lautet leider Euch en allzu 
froh. 
Prior Gottfried. Was ich beſorgte, Herr, iſt eingetroffen. 
Dein Bruder Leopold verwirft dies Bündnis 
Als Deiner wie auch Deine Haufes unmert. 
(Bemwegung.) 
Friedrich der Schone. Wo traft ihr meinen Bruder an? 
Dietri von Pillichsdorf. Zu Bafel, 
Gleich unzugänglich allen Ritterfpielen, 
Wie auch dem Reigen minniglicher Fraun, 
Die es verjucht, ihn liebreich aufzuheitern, 
Kurzum die Stirn ummwölft und gramverſchloſſen. 
Prior Gottfried. Da ich es weiß, wie jehr er an Euch hängt, 
So jtellt! ih ihm in öftrer Zwieſprach vor, 
Wie Jhr gebunden jeid durch Euer Wort, 
Und wie e8 Eure Pflicht, das einzulöjen. 
Da wachte der Gedanfe in ihm auf, 
Die Frage dort zur Prüfung vorzulegen, 
Wo fih dag Haupt der Ehrijtenheit befindet. 
Hier der Bejcheid, der an Euch jelbjt gerichtet. 
(Er überreicht ihm ein verftegeltes Schreiben, das Friedrich mit Begier öffnet.) 
Friedrich der Schöne (ieſh. „An Friedrich, den zuvor erwählten 
König!” 
(Spridt.) 
Das war ich wohl vielleicht, doch bin ich's nimmer. 
(Er lieſt weiter.) 
„Wie glaubhaft Wir vernommen, ließ der Bayer 
Did aus dem Kerker treten. That er dies, 
So daß er Dir darob nichts auferlegte, 
So ward ein langer Wunſch auch Uns erfüllt. 
Jedoch verlautet, daß ein Eid Dich bindet 
Zu Dingen, die verboten und gefährlich, 
Und daher wünfchen Wir Dir beizufpringen, 
25* 


388 Ludwig ber Bayer. 


Weil Starfmut jelbjt der Furcht erliegen fann. 
Erhellt doch daraus, daß Wir gegen ihn, 
Auf Böhmens Antrag Hin und Frankreichs Drängen, 
Gerichtlich find verfahren und den Anſpruch 
Ihm aberfannten auf das röm'ſche Reich, 
Daß aller Vollmacht er verlujtig ward, 
Und jo erklären Wir auch eure Sühne 
- Für nicht geichehn und Deines Worts Dich ledig, 
Berbietend Dir zugleich, in das Gefängnis 
Zurüdzufehren oder ihm auch jonit 
In irgend einem Stüde zu willjahren.“ 
(Freudige Bemegung.) 
Iſabella. Ein Retter ift erjtanden in der Not! 


Heinrich von Ofterreih. Nun kann die Zukunft unbejorgt Dich 
lafjen. 
Iſabella. O, ſende ihm Abſage allſogleich! 
Heinrich von ſterreich. Begründet durch den Schiedsſpruch, 
der ergangen 
In jolhem klaren Wort. 
Friedrich der Schöne. Nichts mehr davon! 
Sch brauche fein Verbot und fein Geheiß 
Bon Avignon, um meine Pflicht zu fennen — 
Betäuben laß ich mein Gewiſſen nicht. 
Ich gab mein Wort, und niemand in der Welt 
Kann mich davon entbinden als nur er, 
Dem ich es gab und dem ich's Halten werde 
Als deutjcher Fürft, dem Treu’ und Glauben heilig. 
Iſabella (ih an ihn ihmiegend). So mollteft Du verlafjen mich 
ſchon wieder, 
Nachdem Du mir erjt faum zurüdgefehrt! 
riedrih der Schöne. Hart tritt Verfuhung wohl an mich 
heran, 
Doch ſprich, wie wollt’ ich Deiner würdig bleiben, 
Wenn Ehre über Liebe mir nicht ginge? 
Entichlofien bin ich, in die Haft zu fehren 
Und mich zu ſtellen an des Kaifers Hof 
Zur Sonnenwende am Fohannitag. 
Iſabella. So thue denn, was Ehre von Dir fordert, 
Und mein Gebet begleitet Dich dahin 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 339 


Mit meinen Wünjchen für Dein teures Leben. 
Mir aber liegt auch eine Pflicht noch ob — 
Gott wird mir Kraft verleihn, fie zu erfüllen! 


(Berwandlung.) 


Zweite Grene, 


(Saalim alten Hof zu Münden, mit einem großen Fenjter zur Seite. Eine 

Baluftrade mit einigen Stufen im Hintergrunde. Ein dunfler Vorhang trennt den 

Saal, der durch Kerzen erhellt ift, vom Burgplat. Auf einem Tifche liegt ein Pergamen. 

Sn der Nähe fit Ludwig der Bayer auf einem Armftuhl, in Gedanken verjunfen. 

Margareta, umgeben vom Burggrafen Friedrih und Wigand von der 

Trausnig, betrachtet fich das Treiben im Bolfe unten. Mufif ertönt ab und zu 
herauf.) 


Margareta. Der Reigen hat begonnen. Seht nur Hin! 
Die Paare jhwingen jich mit froher Luft 
Ums angezündete Sohannisfeuer. 
(Zum Kaifer.) 
Willſt Du Dir nicht betrachten auch das Spiel? — 
Er Hört mich nicht, verſunken in fich jelbft. 
(Zum Burggrafen.) 
Ich kann mir denken wohl, was ihn bejchäftigt — 
Wer ijt der Ritter dort im grauen Mantel? 
Kennt Ihr ihn nicht ? 
Friedrich von Zollern. Jetzt jeh’ ich ihn auch jelbit. 
Nach der Geſtalt iſt's Herzog Leopold, 
Doch täuſch' ich mich. Wie könnt' er auch es wagen, 
Die Hauptitadt unjres Kaiſers zu betreten ? 
Margareta (su Wigand). Was meint wohl Ihr? 


Wigand. Auch mir kam 
es ſo vor. 

Margareta. Ich ſchick' hinab, ſo decken wir es auf. 
Doch eben da verſchwand er plötzlich wieder. 
Wer will noch in der Menge ihn erkunden? 

(Sie tritt zu dem Kaiſer und legt ihm die Hand auf die Schulter.) 

Mein Kaifer und Gemahl, was drüdt Dein Herz? 
Wo irren die Gedanken heut’ Dir hin? 

Ludwig der Bayer. Das überlajje mir! 

Margareta. Ih kann's erraten — 
Auch mich beſchlich ein Bangen jehon darüber. 


390 Ludwig ber Bayer. 


Ludwig der Bayer (ich erhebend). Mich ängjtigt, dat die Frift 
zur Neige geht 

Und daß die Sühne noch nicht Kraft gewonnen. 
Margareta. Wenn ihm ein Unfall wo begegnet wäre! 
Ludwig der Bayer, Das it es, was auch ich zumeiſt be- 

(Zum Burggrafen.) jotge: 

Doch wohin neigt fich unfres Freundes Meinung ? 

Friedrich von Zollern. Ich zweifle jajt daran, daß Friedrich 
fehrt. 
Ludwig der Bayer. Wiefo? Hat er doch überall im Reiche 

Bekannt gegeben feine Unterwerfung 

Und, die fich ihm genaht, an mich verwiejen. 

Friedrich von Zollern. Dies eben trug auch das Gerücht 
hinaus 

Bis Frankreich und von da nach Avignon, 

Wo fich der Böhme wieder eingeniitet. 2 
Ludwig der Bayer. Da nanntejt Du die Duelle aller Übel! 
Friedrich von Zollern. Es geht im Reich ſchon dag Gerücht 

umher, 

Daß Friedrich feines Worts entbunden ward, 

Als abgendtigt ihm und jonjt auch Fraftlog, 

Weil Deiner Wahl die Anerkennung fehle 

Durch jenen, der dazu befugt jich hält. 

Ludwig der Bayer (nachdem er ſich wieder niedergefegt). Die deutjchen 
Stämme füren ihren König, 
Seitdem es jolche giebt, nach freier Wahl, 
Und der Gefürte heißt fortan auch Kaijer, 
Die Krönung fteht dem Papſte zu allein. 
Daß ih zur Sühne aber Friedrich zwang, 
Dem widerjpricht der trauliche Verkehr, 
Den wir noch tagelang nachher gepflogen, 
Das Mahl wie einitmalg teilend und das Lager. 
Margareta (ihren Arm um ihn legend). Was härmſt Du Dich, da 
doch Dein Recht erwiejen ? 

Friedrich von Zollern. Auch ich jteh’ nach wie vor auf Deiner 
©eite. 

Ludwig der Bayer (des Burggrafen Hand erfaſſend). Daß Du nicht 
wanfen würdeſt, jtand mir feſt; 

Dein Leben ift ein Preislied auf die Treue. 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 3901 


Wie einit Dein Bater Friedrichs Ahnherrn diente, 
Dem Kaiſer Rudolph, alfo dienjt Du mir, 

Ein Held im Schlachtgewühl, im Rat ein Weiler, 
Ein Fels im Sturm, ein Baum auf fahler Heide. 
O Zoller, Deinen Wert vergaß ich nie! 


Sriedrih von Zollern (in die Kniee ſich ſenkend. Du rühmſt mich 
mehr, ala ich, o Herr, verdiene. 

In allem, was ich that, wieg mich die Pflicht, 

Und meinen Borteil eint’ ich ſtets dem Deinen! 

Die Treue ijt des Deutſchen höchſter Schaf! 
(Während des Burggraien Rebe iſt Friedrih der Schöne unbemerft eingetreten und 
bat fi dem Kaijer genaht, vor dem angefommen er neben dem Burggrafen ſich nieder— 

fniet. Die KRaijerin und Wigand ziehen fi) darauf etwas zurüd.) 
Friedrich der Schöne. Hier bin ich, Herr, wie ih Dir ans 
gelobt. 

Es ift der Abend des Fohannitags, 

Die Sonne jteht jegt eben in der Wende. 


Ludwig der Bayer. Mein Freund, Du bift’s! Die Treue 
hat gefiegt! 


(Ex hebt Friedvrih den Schönen mit den Armen empor. Der Burggraf richtet fi 
gleihfalla auf.) 


Vergieb mir eines Augenblides Zweifel! 


Friedrich; der Schöne. Mein Bruder Leopold verwarj die 
Sühne, 
Und daß er fi auf fremden Einſpruch ſtützt, 
Mich zu entledigen gelobter Pflicht, 
War ohne Sinn für mich und ohne Geltung. 
Ludwig der Bayer (vem Burggrafen andlidend). So ijt e& aljo wahr 
gewejen doch ! 
Friedrich der Schöne. In diejer Lage blieb mir jonit nichts 
übrig, 
Als unerledigt in die Haft zu fehren, 
Getreu dem Wort, durch das ich mich verpflichtet. 
(Das Schwert ablegend.) 
Hier iſt mein Schwert, das Du zurüd mir gabit, 
Als Du des Kerkers Thüre mir erichlofjen. 
Ich leg’ e8 Dir von neuem in die Hand, 
Und ich erfenne mich von jet ab wieder 
Als Dein Gefangner, thu’ nad) Deinem Willen! 


392 Ludwig der Bayer. 


Ludwig der Bayer, Wie rührt mich, Friedrich, doch Dein 
Edelfinn! 


(Er giebt ihm das Schwert zurüd.) 
Behalte Deine Wehr als freier Mann 
Und laffe mich Dir bieten einen Frieden, 
Der Dir im Reich einräumt die höchften Rechte 
Und den Dein Bruder ſelbſt wird anerkennen. 
(Er nimmt das Pergamen vom Tiſch.) 
So höre denn, was ich durch ihn beſtimmt! 
(Er lieft.) 
„sm höchſten Namen der Dreifaltigkeit! 
Mir haben aufgerichtet einen Bund, 
Gemäß dem wir gemeinfam miteinander 
Des Reiches Herrichaft künftig führen wollen, 
Mie wir auch beide uns für Brüder halten, 
Die Glüf und Unglüd als ein Mann beitehn. 
Berfügt nad) Welfchland einer fi) von uns, 
So übt der andre aus die Macht daheim, 
Nur wird des Kaiſers Würde Einer führen, 
Wie e8 auch To jchon einjt beſtanden hat.“ 
Diez iſt der Inhalt unfrer Einigung, 
Der Du nur anzuhängen haft Dein Giegel. 


Friedrich der Schöne. Ich danfe Dir für Deine Huld, mein 
Kaiſer, 


(Knieend.) 
Und lege meine Hand, o Herr, in Deine, 
Dir freudigen Gehorſam angelobend. 
Ludwig der Bayer Griedrichs Ring hervorziehend). Nimm Hin den 
Ring, den Du feit Ampfing miſſeſt. 
Ein Pflüger fand ihn jüngſt beim Adern auf 
Und hat ihn meinen Händen anvertraut. 
Friedrich der Schöne (ven Ring erfafiend). Sein Glanz ift ihm mit 
Habsburgs Glüd gekehrt —! 
Ludwig der Bayer. Ya, tretet vor! Wir find vereint für 
immer. 
Margareta (auf Ludwig zueilend). Wie dieſes Wort mit Jubel 
mich erfüllt ! 
Ludwig der Bayer (ihr Friedrih den Schönen zuführen). Da iſt er 
felbit, von dem wir oft geredet. 


Fünfter Alt. Zweite Ecene. 393 


Margareta Griedrich die Hand reigend). Seid mir willlommen als 
erjehnter Gajt! 
Mit Freuden jeh’ ich hergeitellt Euch jelbit, 
Doch laßt mich auch von Eurer Gattin hören! 
Friedrich der Schone. Sch traf fte fait erblindet — 


Viargareta. k O die Arme ! 
Friedrich der Schöne. Doc hat das Übel Lindrung fchnell 
gefunden. 


Margareta. D, wäre fie auch hier des Glüdes Zeuge! 
(Buehberger tritt auf und fpricht allein mit dem Kaifer. Die Kaiſerin tritt hinzu.) 
Friedrich der Schöne (Gum Burggrafen. Zu allem Heil auch dies, 
Euch hier zu finden, — 
(Ste ſchütteln fih die Hände.) 
Laßt Euren weiſen Rat auch mich vernehmen! 
Friedrich von Zollern. Zu aller Zeit bin ich bereit dazu. 
Friedrich der Schöne (su Wigand eilend). Und Hier mein alter 
Tröfter und Wardein. 
(Er begrüßt ihn.) 
Nun geht es nicht mehr in den Kerfer wieder. 
Wie aber jteht’8 mit Eurer lieben Tochter? 
Wigand. Sie lebt nur der Erinnerung an Euch, 
Und fie bejtellte Euch viel taufend Grüße. 
(Er ehrt ſich gerührt ab.) 
Friedrich der Schone. Die ich Euch ihr auch zu ertvidern bitte, 
Ich trag’ ihr Bild in mir, jolang’ ich Lebe. 
(Ein Kreuz mit Diamanten bervorziehend.) 
Bringt ihr dieg Kreuz als Angedenken mit, 
Das Iſabella für fie fert'gen ließ. 
(Er übergiebt ihm das Geſchenk.) 
Margareta (Hinzutretend). ch muß die traute Unterredung ftören, 
(Zu Friedrich dem Schönen.) 
Ein paar Getreue harren Eures Winfe. 
Friedrih der Schöne. Wer mögen wohl die fo — 
ein? 
Ludwig der Bayer (su Puechberger) Holt fie herauf, daß fie den 
Herrn begrüßen. 
Bucchberger. Noch eine Meldung liegt zuvor mir ob. 
Wigand (u Friedrig dem Shönen. Go führ ich fie indefjen Euch 
herzu. 
(Er verläßt den Saal.) 


394 Ludwig der Bayer. 


Puechberger. Soeben iſt erſchollen Hier die Kunde, 
Daß unjer frommer Seyfried Schweppermann 
Sn jeine® Sohnes Armen fanft verjchieden. 
Ludwig der Bayer, Gott hab’ ihn jelig und belohn’ es ihm, 
Was er für mid und für mein Volk gethan ! 
Alle. Amen. 
Friedrich von Zollern. Ein jolcher Mann ericheint fo F nicht 
wieder. 
Friedrich der Schöne. Was auch der Feind von ehmals an— 
erkennt. 

(Der Marihalt Dietrih von Pillihsdorf und der Prior Gottfried freten, 
von Wigand geleitet, ein. Puechberger verläßt wieder den Saal.) 
Ludwig der Bayer. Hier nahen fie, die uns gefehlt zu Zeugen! 
Dietrich) von Pilichsdorf. Doch nicht nur wir betraten, Herr, 

Dein München. 
Prior Gottfried (su Friedrich dem Schönen. Auf halbem Weg zum 
Rheine ſtießen wir 
Auf Euren Bruder, der auf unſre Kunde 
Sich raſch entichloß, die Bürgihaft anzunehmen, 
Die ich ihm bot, im Fall er uns begleite. 
Margareta (um Burggrafen). So hatte Euer Bi ſich — ge⸗ 


Ludwig der Bayer. Verkündet ihm, daß ihm ſein Sure ge- 
währt 


(Der Marſchalk und der Prior entfernen fi.) 
Geftatte mir, bis er vor uns erfcheint, 
Dir eine Bitte an das Herz zu legen. 
Friedrich der Schone. Sie kann von mir ein jedes Opfer fordern. 
Ludwig der Bayer. Mein Sohn in Brandenburg ijt hart be- 
drängt 
Durch jeine Nachbarn bis Litauen Hin. 
Schon mehrmals jprad er mi um Hilfe an, 
Wie ih Dir auch ſchon früher anvertraute, 
Und gern wohl führt’ ich fie dahin ihm zu — 
(Zum Burggrafen.) 
Auch Di und Deine Mannen im Gefolge, 
Doh wer bejchüßt indefjen hier die Meinen ? 
Friedrich der Schöne. Dies trage mir auf! Pfleger will ich 
ein 


Und fie wie auch Dein Land Dir wohl erhalten. 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 305 


Ludwig der Bayer. So ſei's! 
(Sie ſchlagen ein.) 
(Herzog Leopold, vom Prior und Marſchalk geführt, tritt auf.) 
Leopold von Ofterreih. Ihr Habt mir Einlaß gnädig bier 
gegönnt, 
Doc mein Bejuch galt einzig nur dem Bruder. 
(Leopold und Friedrich begrüßen fih durch Handſchlag.) 
Ludwig der Bayer. Vernehmt zuvor auch noch) ein Wort von 
mir! 
Als ich vor Burgau lag, erjchienen dort 
Die Abgeſandten vieler welſchen Städte, 
Um mid zum Zug zu laden nach Stalien, 
Und ich verſprach's. Wärt Ihr bereit dazu, 
Als mein Begleiter mir dorthin zu folgen, 
Und ſpäter dort an meiner Statt zu walten? 
Leopold von Öfterreih. In Staunen jegt mich dieſe Frage, 
Herr! 
Ludwig der Bayer (ihm das Pergamen reichend). Leſt hier, was wir 
vereinbart miteinander! 
Leopold (nachdem er die Urkunde überflogen). Iſt's möglich, daß ung 
ſolches Heil erwuchs ? 
Ludwig der Bayer. Es iſt in Wirklichkeit und Wahrheit fo. 
Sriedrih der Schone. O Bruder, warum zögerft Du noch 
immer 
Und ftehft noch an, zu Huldigen dem Kaiſer? 
Leopold (das Anie beugend). Ich Huld’ge ihm. 
Friedrich von Zollern. Und Du befräftigit jo, 
Daß nichts auf Erden höher jteht als Treue. 
Ludwig der Bayer (su Friedrih dem Schönen. Sie möge fih in 
unjerm Volk erhalten 
Und fräftigen an diefem Beispiel jtets, 
(Zum Burggrafen.) 
Daß fih ala wahr erweile Euer Wort: 
Die Treue ift des Deutſchen höchſter Schab. 
(Siabella tritt, von Puechberger geleitet, auf; fie ift völlig in ſchwarzen Flor 
gehüllt, entjchleiert ſich aber aljobald.) 
Margareta. Der Freude Füllhorn ift noch nicht geleert — 
Blikt um, wer uns jo jpät noch überrajcht, 
Wir haben da noch einen Gaſt befommen. 


396 Ludwig der Bayer. 


Friedrich der Schöne (auf Jſabella zueitend). O Yfabella, meine 
treue Gattin! 
(Er ſchließt fie jtürmifh in die Arme.) 
Iſabella. Du nicht allein, ich Halte auch mein Wort. 
Ludwig der Bayer (su Margareta). Sie feiern heute nochmals die 
Bermählung! 
Margareta, Bon Herzen wünjch’ ich ihnen Glüd dazu. 
(Zum Prior.) 
D, hebt die Hand zum Segen ihnen auf! 
Prior Gottfried. Er jtrömte jchon in Fülle auf fie nieder. 
Ludwig der Bayer (su Iſabellaa). Was ich Euch jenesmal ver- 
mweigern mußte, 
Den Gatten an das treue Herz zu ziehn, 
Das kann ich jet Euch voll und ganz gewähren: 
Nehmt ihn zurüd, er hat die Freiheit wieder. 
Iſabella. Mein Friedrich! 
Friedrich der Schöne. Wahrlich aljo ijt eg, Teure! 
Ludwig der Bayer. Ja, mehr als dies, er teilt mit mir die 
Krone: 
Ich Hob ihn auf zu mir. Ihr könnt's daheim, 
Wie ich allhier, vor allem Volk verfünden. 
(Auf ein Zeihen des Kaifers öffnet fih der Vorhang und der mit der Bürgerjchaft 
Mündens erfüllte Burgplag mit den lodernden Sohannisfeuern wird fihtbar. Lud— 


wi g der Bayer tritt auf die Baluftrade und jpricht, auf Friedrid und Sjabella 
binweifend, zum Bolfe.) 


Seht an dies Bild! — Die Treue hat gefiegt. 
Der Streit von Mühldorf — jo Hat er geendet! 
Das Boll. Hoch Kaijer Ludwig, hoch fein edler Freund! 


(Fanfare. Die Frauen winken mit den Tüchern, die Bürger ſchwingen ihre Schwerter.) 
(Der Borbang fällt.) 


Ende des fünften Aktes. 


Ende. 


Hanes Bernauer, 
ver Engel von Buasburna,. 


Baterländijches Traueripiel. 


Verfonen: 


Ernft, Herzog in Bayern-München. 

Wilhelm, gleichfalls Herzog, jein Bruder. 

Albrecht, Herzog Ernfts Sohn. 

Beatrix, Herzog Ernſts Tochter. 

Georg von Gundelfingen, Hofmeifter. 

Friedrich Aichjtätter, Rat Herzog Wilhelms. 

Heinrich Nothafft, Vicedom von Straubing. 

Hand don Degenberg, 

Emmeran Nusperger, | Räte des Vicedoms. 

Paul Areſinger, 

Johann Prunner, Dechant des Kloſters zu Indersdorf— 

Kaſpar Bernauer, Bader in Augsburg. 

Agnes, deſſen Tochter. 

Jörg, deſſen Pflegeſohn. 

Afra, Gevatterin der Agnes. 

Ein Nachbar Bernauer2. 

a ' Patrizierföhne in Augsburg. 

Mutter Lintrud, eine Wahrjagerin. 

Hans Zenger, Pfleger von VBohburg. 

Parzival, deſſen Sohn. 

Wolfram Sandizel, Ritter, gleichfalls im Gefolge Albrechts. 

Ein Herold. 

Ein Kerfermeifter. 
Edelherren und Edelfrauen, Ratsherren, Beifiter des Gerichts, Ritter, 
Edelfnechte und Knappen, Turniervögte, Trabanten, Armbruftihüßen, ein 

Karmelitermönd, Fiicherleute, Spielleute, Schergen und Büttel, 
unterjchiedliches Volk. 





Zeit der Handlung: das Jahr 1435. 
Drt der Handlung: teils Straubing, Augsburg, München, Vohburg, 
Regensburg, Straubing und Umgebung. 


Prolag. 


Es lebt in unſerm Volt, gleich einer Sage, 
Die von Gejchlecht fich zu Geſchlecht verpflangt, 
Und immer neu, jo alt fie ward, geblieben, 
Die ung getreu beglaubigte Gejchichte 

Der armen, aber jchönen Baderstochter 

Aus Augsburg vielgeprief'nem Bürgerfiß, 
Der fich ein Prinz verband aus hohem Haufe, 
Das heute noch, wie ehedem, regiert 

Und ihn mitzählt zu feinen frommen Ahnen. 
Ihr aber, die aus tugendhafter Scham, 

So voll fie jeine Neigung auch erwidert, 

Bei fich beichlofjen, Lieber zu entjagen, 

Als zu gewähren unerlaubte Gunit, 

Schlug diefer Bund zu frühen Unheil aus. 
Nach furzem, wie ein Traum verflog'nem Glück, 
An des Erwählten Seite ihr erblüht 

In Vohburgs Längjt dahingefunfnen Mauern, 
Erlitt den Tod fie in der Donau Wellen, 

Wo fie an Straubing dort vorüberzieht 

In Bayerns fruchtgejegneten Gefilden —, 

Ein Ende, härter, ala e3 je einmal 

Zu teil geworden Hingegeb’ner Liebe! 

Wohl hatte jich zum Leid auch Schach gejeilt, 
Doch jolche nur, die aus Berfolgung feimte 
Für eine Schuld, die ihr Gejchi geboren, 
Und die drum auch mit ihrem Ende ſchwand. 
Sa, was befang'ner Bli nicht abgejeh'n: 

63 wuchs der Anteil, den an ihrem Lofe 

Die wen’gen nahmen, mit den Jahren ſtets, 
Und immer jtrahlender ward im Gedächtnis 
Der Nachgebor’nen ihr Holdjelig Bild, 


400 


Prolog. 


Das, wie ihm feines gleicht in jeinem Zauber, 
Auch unverlöſchbar ſich erhalten wird, 

So lang’ e& Herzen giebt, die liebend ſchlagen. 
Und an die Euren wenden wir uns jekt, 

Erfüllt vom Drange, was in alten Schriften 
Don diefer Dulderin ung ward bewahrt, 

Wie auch, was jonft von Mund zu Mund gelangte, 
Befeelt von heimatlihem Mitgefühl, 

Euch in bewegter Handlung vorzuführen 

Und Euren Sinn durch ernites Spiel zu rühren. 
Ihr aber: Gebt mit ungeteiltem Sinn 

Euch der Betrachtung ſolchen Schickſals hin 
Und faßt in feinem unverhüllten Lauf 

Des Lebens Ernjt nur um jo tiefer auf. 


Erſter Nkt. 


Erſte Scene. 


(Eine Galerie im Schloſſe zu Straubing.) 
(DerVBicedom, Georg von Gundelfingen und Friedrih Aichſtätter find 
im Geſpräch miteinander begriffen.) 


Georg von Gundelfingen. Ihr wißt es nun, was uns nad 
Straubing führte: 
Mein Herr hat jeinen Sohn hier eingefekt, 
Ihn ſelbſt und feinen Bruder zu vertreten. 
Der Vicedom. Was gilt jedoch, jo darf ich billig fragen, 
Der Bicedom im Lande ferner noch, 
Wenn ihm ein launenhafter Prinz gebietet, 
Der fih im voraus übel hat empfohlen, 
Als im Huffitenkrieg er bei uns lag? 
Friedrich Aichſtätter. Worin doch hat er Euch fo jehr mißfallen? 
Der Vicedom. Er drohte, alle, die Selbithülfe brauchen, 
Wenn an die Macht er käme, Hinzulegen. 
Georg von Gundelfingen. Und jprach er etwa jo dem Re 
Hohn: 
Mich dünkt, er hat e8 dadurch nur bekräftigt. 
Der Vicedom. Wo bleibt die Grenze, wenn der Herr fich zeigt ? 
Wir find an ſolchen Eingriff nicht gewöhnt. 
Georg von Gundelfingen. Weil Ihr des Zügels allzu lang 
entbehrtet 
Und in die Wildheit ſeid zurüdgeraten. 
Wer jeine Obrigfeit oftmalen wechjelt, 
Wie wir's erlebt in unjerm Bayernlande 
Seit Kaiſer Ludwigs Tod, verlernt die Treue. 
Doch nun entjchuldigt! Mancherlei zu ordnen 
Bleibt mir noch übrig, hier zumal im Schloß, 
Wo Albrecht Hof joll halten mit der Tochter 


Greifs Werfe. III. 26 


402 Agnes Bernauer, 


Des Grafen Eberhard von Württemberg, 
Die er demnächſt wird an den Altar führen. 
(Er entfernt ſich.) 
Der PViredom (auf Aichſtätter raſch zugehend). Nicht dieſe Drohung 
aus des Prinzen Mund 
Iſt im Gedächtnis mir allein geblieben; 
Was mich betrifft, ſteht andres noch darin. 
Friedrich Aichſtätter. Ihr dürft Euch ohne Rückhalt mir er- 
ichließen. 
Obſchon ich ihn mir wohl gewogen weiß, 
Bin ich geheim fein Gegner doch am Hofe. 
Der Vicedom. Doch welcher Grund iſt's, der Euch dazu führt? 
Friedrich Aichſtätter. Sein Herr iſt meiner nicht, und herrſchten 
beide 
In ungetrübter Eintracht auch zufammen 
So manches Jahr bereit, wer bürgt dafür, 
Daß auch die Söhne ihren Vätern gleichen ? 
Drum käm' ich mir ala Mietling vor des meinen 
Und nicht al3 fein im Amt ergrauter Rat, 
Wollt’ ich nicht feines Erben Stand bedenken 
Und fördern gar den einjt’gen Nebenbuhler. 
Der Vicedom. Nach ſolchem Wort dee’ ich Euch alles auf. 
Als jih der Bärtige in Ingolſtadt 
Zur Fehde gegen Eure Herr'n erhob, 
Schloß auch mein Sohn fich feinem Banner an 
Und folgte ihm bis Alling Hin, vor München. 
Dort aber, beim Zufammenftoß der Gegner, 
Geſchah es, daß er im Gewühl des Kampfes 
Auf Albrecht jtieß, den jein verwegner Mut 
Zu weit in dag Getümmtel fortgerifien, 
Und der, umringt von allen Seiten jchon, 
Verzweifelt focht, biß ihn mein Sohn bemältigt. 
Da drang mit einem Mal der alte Herzog, 
Ihn loszumachen, in den dichten Haufen, 
Und mit dem Ruf, der weit vernommen ward, 
„Du wagſt es, einen Fürftenfohn zu fah'n?“ 
Schlug er den Meinen mit der Keule nieder. 
So jträubt fih Herz und Eingemweid’ dagegen, 
Daß ich als meinem Herin Dem folgen Toll, 
Der meinem einz’gen Sohn das Leben raubte, 


Eriter Alt. Erſte Scene. 403 


Doch minder noch vermöcht' ich Dem zu dienen, 

Um dejjenwillen ich nun kinderlos. 

Ich möcht’ ihm raten, ihn mir fern zu halten ; 

Er joll fich feines Heils von mir verjeh'n! 
Friedrich Aichſtätter. Wer weiß, ob e3 dazu auch wirklich fommt! 
Der Vicedom. Wie, iſt der Tag nicht angejegt bereitz ? 
Friedrih Aichſtätter. Bevor er anbricht, kann ſich viel er- 

eignen. 

Der Bicedom. Sprecht deutlicher, ich bitt' Euch fehr darum! 
Friedrich Aichitätter. Nun, Albrecht lebt nach jeinem Sinne ganz, 

Seitdem er jeinen eig’'nen Willen hat, 

Und manches Jahr verfloß, jeit er ſchon mündig. 

Wohl blieb er jtet3 bedacht auf feinen Ruf, 

Bot erniter Kampf fih dar, wie auf Turnieren; 

Im übrigen war er fich jelbjt der Nächite. 

Des Stammes Zukunft ließ ihn unbejorgt, 

Wie er ſich auch mit Arbeit nie bejchwerte, 

Dem Weidwerf, wie der Sangezfunjt ergeben, 

Und meijt dem Hofe fern, in jeinem VBohburg, 

Das ihm die Mutter zum Bejig vermachte. 

Was aber mehr als alles ihn beherrjcht, 

Fit jeine Neigung zu Holdjel’gen Frauen, 

Die ihn von Blume Hin zu Blume trieb, 

Und der auf einmal nun er joll entjagen. 
Der Vicedom. Was Ihr Euch denkt, vermein’ ich zu erraten. 
Friedrich Aichſtätter. Es kommt dazu, daß ihn nicht Liebe fejjelt 

An jene, die al3 Braut ihm zugedacht. 
Der Bicedom. So ijt er nicht der eignen Wahl gefolgt ? 
Friedrich Aichſtätter. Sie war der Schweiter in die Hand gelegt, 

Die, als ſie jüngjt in Heidelberg vermweilte, 

Bei ihrem Schwäher, der Prinzeffin Bormund, 

Die Perle fand, nach der fie für ihn ſuchte. 
Der Vicedom. Und er Hat blindlings jo darein gewilligt ? 
Friedrich Aichftätter. Ja, gegen jeines Oheims Nat fogar, 

Auf den er mehr jonjt giebt, als auf den Vater. 
Der Vicdom. Was aber machte ihn jo lenkſam plößlich ? 
Friedrich Aichſtätter. Des Herzogs jtreng hervorgetret'ner Wille, 

Der jeit dem Tode jeiner milden Gattin, 

Die jtet3 den Sohn beihügt, ihn jtraffer zügelt 


Und, alternd, für dag Erbe Vorkehr trifft, gut 


404 Agnes Bernauer. 


Bon je gewohnt, in allem durchzugreifen. 
Kurzum, der Prinz verjprach nicht nur die Ehe, 
Nein, auch ein NReugeld ließ er fich gefallen, 
Das, wenn rückgängig die Verlobung würde, 
Der jchuld’ge Teil dem andern muß erlegen. 
Der Vicedom. Ein eig’ner Weg, die Treue fich zu fichern! 
Friedrich Aichitätter. Zumal bei jo entzündlichem Gemüth. 
©o fann es fommen, daß ihn unverjehens 
Inzwiſchen noch ein Weiberherz berückt, 
Und juft in Augsburg, wo er eben weilet. 
Der Vicedom (für jih). Leicht glückte mir's, dort Kundichaft 
einzuzieh'n. 
(laut.) 
Die Rem und Arbon find mir alt vertraut, 
Geschlechter, welche zu den erſten zählen. 
Friedrich Aichſtätter. Mit diejen ſetzt Euch heimlich in Verkehr! 
Der Vicedom achdenkend). Statthalter bleibt er als Vermähl- 
i ter nur, 
Die ebenbürt’ge Wahl vorausgejeßt — 
Dies iſt die Klippe, d’ran er jcheitern könnte! 
Wohlan, ich ſorge, Anjtalt gleich zu treffen! 
(Indem fie fih nad) verfchiedenen Seiten entfernen, fällt der Zwiſchenvorhang.) 
Berwandlung. 


Zweite Srene. 


(Der Perlachplatz in Augsburg mit dem angrenzenden Rathauje. Gegenüber 
demjelben ift am Perlachturm ein Glüdshafen errichtet, von einem Ratsſchreiber 
beaufjichtigt und don Ratsknechten bewacht, der von Gewinnfüchtigen und Neu— 
gierigen umlagert ift. Uberall Bolfsgedränge. Nad) einer Weile tritt Agnes 
mit Afra auf, bei deren Erjcheinen, wie auch nachher, die Rufe: „Agnes, die 
Bernauerin!” und „Der Engel Augsburgs!” vernommen werden. Beide begeben 
fih zum Glüdshafen, den fie, doc nur flüchtig, muftern. Einzelne und namentlich 
die Armeren im Volke, nahen ſich ihr, voll Zutrauen ihre Hand berührend. Barzival 
Zenger und Wolfram Sandizell treten etivas jpäter vorne auf.) 


Parzival Zenger (zu einem älteren Bürger). Iſt's Euch nicht fund, 
wie dort die Schöne heißt? 
Der Bürger. Gewiß. iſcht Agnes, die Bernauerin, 
Der Engel Augsburgs, wie fie alle nennen. 
Parzival Zenger. Sieh nur ihr goldgelb Haar, das ungebunden 
Und fraus fich ringelnd um die lichte Stirne, 
Sn langen Loden auf die Schultern Fällt! 


Erjter Akt. Zweite Scene. 405 


Wolfram Sandizell. Und diejer Mund, bezaubernd wie die Züge, 
Die ſich entzückender Gejtalt verbinden, 
Holdjelig, wie ich fein Geſchöpf noch jah! 
Parzival Zenger. Sie kann's nur jein, die neulich beim Turnier 
Des Herzogs Auge jo hat Hingerifien, 
Daß er jeitdem fie ohne Ruhe jucht. 
Wolfram Sandizell. Kein Wunder, daß er fich in fie vergaffte! 
Der Bürger. Und was für eine zarte Haut fie hat, 
's iſcht kaum zu glaube. Jüngſcht am Ulrichstag 
Biet’ ich e Gläsle ihr und ſieh' den Wein 
Ihr durch den Hals hinab die Gurgel laufe. 
Parzival Zenger. Ihr kennt ſie alſo von den Eltern her? 
Der Bürger. Das mein' ich, Herr! Mit ihrer Mutter ſelig 
Han ich als Kind geſunge und geſprunge. 
Er iſcht aus Bibrach, wo ich auch gelernt, 
Und Nachbarn ſind wir alleweil gebliebe. 
Parzival Zenger. Doch ſagt, welch ein Gewerbe treibt der Alte? 
Der Bürger. Ein Bader iſcht er ſeines Zeichens, Herr, 
Doch ſeine Kundſchaft kann ſich ſehe laſſe. 
(Die Junker Wenzel Rem und Peter Arbon treten auf.) 
Die beide Hier gehöre auch dazu. 
(Halblaut.) 
Der jo gejpreizt jtolziert, ala wie auf Stelze, 
Dös iſcht der Junker Rem, ein Taugenichts, 
Um’3 mit Rejpeft gleich voll herauszufage, 
Der andre aber, der jo bieder dreingudt, 
Macht alle Ehr' dem Ratsgejchlecht der Arbon 
Und ijcht beliebt bei jedermann im Volk. 
Barzival Zenger. Habt Dank dafür! 
Der Bürger. Da giebt’3 ja nix zu danke. 
(Er begiebt fih unter das Volk.) 
Wolfram Sandizel. Die niedre Abkunft merkt ihr niemand an, 
Und wenn ihr Kleid nicht ihren Stand verriete, 
Sp würd’ ich fie aus edlem Hauje jchäßen. 
Parzival Zenger. Wie jie die Augen züchtig niederichlägt! 
Bertraulich wagt ihr feiner zu begegnen, 
Wennſchon die Blicke aller nach ihr geh'n. 
Wolfram Samdizel. Komm, laß uns Albrecht davon Kunde 
bringen! 
(Sie entfernen ſich nad) der Stadt.) 


406 Agnes Bernauer. 


Nem. Sonſt ift Euch nichts aus Straubing zugegangen ? 
Arbon. Wohl etwas, doch bedankt’ ich mich dafür, 
Dem Vicedom auf Spähe hier zu liegen. 
Was geht mich eines andern Kurzweil an? 
Nem. E83 fragte fih, wo er im Feld thut grajen! 
(Agnes erblidend.) 
Da ilt fie. Aus dem Kobel flog die Taube 
Und pickt die hingejtreuten Körnlein auf. 
Arbon. Das Loden fonntet Ihr Euch da eriparen! 
Ihr Pflegebruder Jörg beteiligt fich 
Am Bogelichießen auf dem Lug ins Land, 
Und Dem zu Ehren ift fie hergefommen. 
Rem. Doch, daß er teilnimmt, danft er mir allein. 
Arbon. Sagt lieber feiner Fertigkeit als Schüße! 
Nem. Die Bader find fein ehrliches Gewerb’. 
Arbon. Bei Dem drüdt jeder gern ein Auge zu. 

(Mutter Lintrud, alt und höderig, tritt auf und nähert ich.) 

Rem. Zumal wenn man don einem Rem empfohlen. 
Allein, Ihr jeht, ich bin erwartet hier. 
Ihr kennt fie wohl? 

Arbon. Die Here Lintrud iſt's, 
Mit Diejer will ich nichts zu jchaffen haben. 

(Gr begiebt fih unter das Volk, ohme ſich indes zu entfernen.) 
Lintrud (Hüftelnd). Der Herre Junker hat nach mir gejchiekt ? 
Nem. Macht Euch dort an das Baderfind heran 

Und jchwagt ihr Süßes in das Ohr vom Glüd, 

Das fie durch ihre Schönheit machen fünne, 

Falls Einer fm’; und den erbietet Euch, 

Daheim im Zauberjpiegel ihr zu zeigen. 
Lintrud. Und der ſeid Ihr wohl jelbit, geitrenger Herr? 
Nem. Ya wohl, der bin ich. 
Lintrud. Wollt fie heuren auch? 
Rem. Was glaubt Ihr? KLiebichaft, aber feine Heirat! 
Lintrud. Schad’, Herr, 's iſt gar ein jo bildſchönes Kind! 
Rem. Wozu find Blumen da, als fie zu pflüden ? 
Lintrud. Weiß wohl, geitrenger Herr, ich meinte nur — 
Rem (feinen Beutel ziehend). Gelingt e8 Euch mit ihr, jollt den 

Ihr haben. 

Lintrud. Will Euer Gnaden, daß ich’3 gleich verjuche ? 


Erſter Akt. Zweite Scene. 407 


Rem. Zupor raun’ jelbit ich ihr ein Wörtlein zu. 
Lintrud. Wie’ der Geftrenge angiebt, jo gejchieht'?. 
(Rem nähert fi) Agnes, die mit Afra eben mehr vortritt, Muſik in der Ferne. 
Es dunfelt.) 
Lintrud. Der Tagdieb taugte jür den Galgen beffer, 
Als in die Kammer einer ſolchen Magd, 
Der fih ein Herzog nicht zu ſchämen hätte; 
Doch, narıt er andre, narr' ich ihn auch jelbit. 
(Sie Humpelt weiter und verjchwindet hinter dem Perlachturm, wobei einzelne ihr 
nachblicken und mit den Fingern nad) ihr deuten.) 


Rem. Auch auf dem Perlach, ſchöne Jungfer Agnes ? 
Agned. Dem Bruder ift’3 zu lieb allein gejcheh’n. 
Rem. Doch wollt Ihr mit mir nicht ein Los Euch zieh'n? 

Ich glaube, daß es Glück Euch müßte bringen. 

Agnes. Dank für die Gunſt! 

Rem. . Kommt nur! Wer wagt, gewinnt. 
Agned. Nicht alle Haben übrig zu verlieren. 

Rem. Was Ihr Euch wünjcht, ift Euer. Immer zu! 

Ein Rem wird wohl nicht nach den Hellern fragen. 
Agnes. Entichuldigt, doch ich muß es Euch verweigern! 
Rem. Berweigern? Mir? Das meint Jhr nimmer ernft! 

(Er will fie am Arme fajjen, die Mufit kommt näher.) 
Agnes. Ihr jeht mein Widerftreben. Achtet drauf! 
(Zu Afra.) 

Wie jehn’ ich dort den Bruder mir herbei! 

Ara. Gieb Dem den Abjchied, wie er ihn verdient. 
Rem. ch Hoffte wahrlich, mehr bei Euch zu gelten! 
Agnes. Nie ließ ich jolche Hoffnung Euch gewinnen. 

So bitt' ih Euch, zu nöt’gen mich nicht weiter. 
Afra. Wir brauchen nichts aus Eurer Hand gefchenft. 

Ob niedrig auch, jo find wir ehrbar doch. 

Rem. Es wären manche ſtolz um mein Bemüh’n. 
Agnes. Wie Euch ſchon fund, gehör’ ich nicht dazu. 
Rem. Ich merk', Ihr könnt auch übler Laune jein. 
Doch jeht Euch vor, daß fie Euch nicht gereut! 
(Er entfernt fi) von ihr.) 
Afra. Gottlob, daß wir den Unverichämten los! 
Agned. Dort zieht der Bruder. Sieh nur, wie er winkt! 


(Der Zug der Armbruſtſchützen eriheint. Voran ber fittihgrün gefleidete 
Pritſchenmeiſter, unter die fröhliche Menge hineinſchlagend, jodann einige 
Räte der Stadt, hierauf der Zieler, in den Stadtfarben, ala Zielvogel einen 


408 Agnes Bernauer. 


grünen Papagei auf einer Stange tragend, nun die Ztnfeniften der Stadt, auf 
ihren Zinfen und Pofaunen eine luſtige Weije jpielend, endlih die Schützen ſelbſt, 
die Armbruft auf der Schulter tragend, unter ihnen Jürg, der jeinen Gewinſt, 
eine filberne Scheuer (Trinfgefäß) trägt, zulegt die Gewinftfahnen in den Farben 
der Stadt und mit deren Wappen, der Zirbelnuß, von ſchmuck gekleideten Knaben 
getragen. Sobald die Schützen Agnes erbliden, brechen fie in Hochrufe auf den 
„Engel Augsburgs“ aus; Jörg hält ihr den Gewinft entgegen. Sie dankt ehrbar 
verlegen. Der Zug beivegt ſich nach dem Rathaus, in welchem er verſchwindet; das 
Volk drängt nach und verliert ſich darauf in die Gaſſen. Auch der Glückshafen 
wird geſchloſſen und von den Wächtern verlafjen.) 


Arbon (zu Rem Herantretend). Nun, wie iſt's Euch ergangen mit 
der Taube? 
Mir jcheint, fie girrte nicht jehr wohlgefällig. 
Rem. Die wird jchon zahm, wenn ich den Liebling ihr 
Erſt zum Erempel ordentlich gerupft, 
Und daran mach’ ich mich jegt alljogleich. 
(Er eilt dem Zuge nad) in dag Rathaus.) 
Arbon (ihm nachrufend). Nehmt Euch in acht, jonjt rupft man 
Euch die Schwingen! 
(Herzog Albrecht tritt auf in einfacher ritterlicher Tracht, don Parzival 


Zenger und Wolfram Sandizell gefolgt. Zwei Tadel tragende Knappen 
leuchten ihm boran.) 


Albrecht (tillehaltend, für fit). Holdſelige, Du biſt's, die ohne Raſt 
Ich ſuche, ſeit ich Dich zuerjt erblict 
Und alles andre um mich her vergefien! — 
Du biſt's — 
(er eilt auf Agnes zu.) 


Agnes (für fih). Er iſt's, wie ſoll ich mein Gefuhl ihm bergen? 
Albrecht. Ich grüß' Euch, holdes Kind! 
Agnes. Dank, hoher Prinz! 
Albrecht. Ihr kennt mich, doch woher? 
(Agnes ſchlägt die Augen nieder.) 
Geſteht es mir! 
Agnes. Herr, beim Turnier geſchah's. 
Albrecht (für fich). * Sie ſah auch mich! 
aut. 
Und was verriet an mir den Prinzen Euch ? 
Agnes. hr trugt die Farben Eures nahen Landes, 
Die lichten, die an's Himmelszelt gemahnen, 
Und waret fennbar fo für jedermann. 
Albrecht. Doch merktet Ihr auch, daß ich Euch gewahrte? 
Agnes (abermals die Augen niederfchlagend). Wohl ſchien mir's, daß 
mich Euer Blick getroffen, 
War ich auch eines ſolchen, Herr, nicht würdig. 


Erſter Alt. Zweite Scene. 409 


Albrecht. Nicht würdig! Kehrt es um, jo Elingt eg wahrer! 
Agnes. Ihr feid ein Fürit, ich bin ein armes Mädchen. 
Albrecht Agnes auf die Stirne küffend). Kind, laß Dir jagen, wer Du 
wirklich biſt: 

Die Schönjte, die auf Erden je gewandelt; 

Auch ohne Krone biſt Du Königin! 
Agnes. Daß Ihr Euch jo herablaßt, macht mich zittern! 
Albrecht. Du prangit in hoher Zier gebor'ner Reize 

Und brauchſt Kleinode nicht, um Dich zu fchmüden. 
Agnes. Was joll ich, Herr, auf ſolches Lob erwidern ? 
Albrecht. Wenn Ihr nur fühlt, daß es von Herzen kommt. 
Agnes. Dran zweifl’ ich nicht, doch täufcht Ihr Euch gewiß. 
Albrecht. Sp dürft’ ich nimmer meinen Bliden trauen! 
Agnes. Ihr werdet anders denfen bald genug, 

Wenn Ihr erſt länger weilt in unfern Mauern. 
Albrecht. Ihr Itieget nur, wenn dies noch möglich wäre, 

Da durch Vergleich nur Euer Wert gewinnt. 
Agnes. Ihr leiht mir Gaben, die ich nicht befite! 

Fragt dieje hier, die meine Mängel kennt. 
Afra. O, Herr, geichieht's, daß ich fie manchmal tadle, 

So find’ ich nachher, daß ſie recht gethan. 
Albrecht. Ihr hört es jelbit, daß fie mein Lob bejtätigt! 
Agnes zu Ara). Nun ftille, jonjt muß ich mich gar noch jchämen. 
Albrecht (zu Afra). Wie Eleidet ſchön fie dies bejtürzt’ Erröten, 

Bon dem mehr Rühmen ausgeht laut’ren Wandels, 

Als Tugend ahnt, die fich zufrieden jpiegelt. 
Agnes. Und nochmals, Eurer Huld bin ich nicht wert. 


(Zärm dom Rathaufe her. Jörg ftürzt ohne Armbruft aus demfelben und Hinter ihın 
erſcheint hohnlachend Rem. Die andern Shüßen folgen. Arbon trittgleichfalls herzu.) 


Albrecht. Was joll der Lärm? 

Afra (zu Agnes). Sieh an den Bruder dort! 

Agnes. Die Armbruft ward ihm jchimpflich abgenommen, 
Die er freiwillig nimmer abgelegt. 

Albrecht. Doch wer entwand fie ihm? 


Die Schügen. Der Junker Rem. 
Albreht. Wo find’ ich wohl den Störfried ? 
Die Schützen. Der da iſt's. 


Albrecht (vor Rem Hintretend). Was Hat der junge Schüße hier 
verbrochen? 
Rem. Unehre ſchließt ihn von den Waffen aus. 


410 Agnes Bernauer. 


Agnes (ihr Geficht bededend). DO, welche Schmah und Schande 
bringt uns dies! 
Afra (zu Agnes). Du ſahſt, wie alle ihm den Preis gegönnt!‘ 
Albrecht. Seid Ihr der Richter, ſolches zu entjcheiden ? 
Rem. Er ijt nun einmal nicht befugt dazu. 
Afra. Und erit hat er zum Mitthun ihn beredet! 
Albrecht (zu Rem). Sch merke wohl, hr treibt ein jalihes Spiel. 
(Zu Jörg.) 
Sohn, Dein Gewerb'? 
Jörg. Ein Bader bin ich, Herr. 
Albrecht. Herrſcht in der Reichsſtadt ſolche Kluft der Stände? 
Arbon. Zu ihrer Ehre, Herr, darf ich's verneinen. 
Der Buchſtab' gilt im Zunftrecht längſt nicht mehr: 
Wer waffentüchtig, darf die Waffe tragen; 
Was hier geſchah, iſt wider allen Brauch. 
Albrecht. Daß Ihr ſein Anwalt, ehrt ihn ſchon allein! 
(Zu den Schützen.) 
Bor allem jchafft die Armbruft ihm herbei! 
Arbon. ch jorge jelbit dafür — 
(zu Rem) 
wenn Shr gejtattet! 


(Sr eilt mit mehreren der Schüßen in das Rathaus, Rem entfernt jih unter dem 
Gelächter der Umijtehenden.) 


Rem (im Abgehen, zu Agnes gewendet). Ihr jollt den Junker Rem 
noch fennen lernen! 

Albrecht (zu Jörgy. Sch möchte einen Weidmann aus Dir machen, 

Der mir zur Seite durch die Wälder pürjcht; 

Du fommit mir vor, wie jujt dazu gejchaffen. 
Jörg. Könnt Ihr mich brauchen, Herr, ich bin dabei, 

(zu Agnes) 

Sofern e8 Dir und auch dem Meijter recht. 
Albredt. So hab’ ich wohl Geſchwiſter gar vor mir? 
Agnes. Er ijt in meines Vaters Haus eriwachjen 

Als elternlos und gilt mir jo als Bruder. 


(Arbon und die Schüßen fehren mit der Armbruft zurüd, ſowie mit dem von Jörg 
gewonnenen Breije.) 


Albrecht. Ei fieh! Das Kleinod, das ich aufgeworfen! 
Arbon. Und das er für den beiten Schuß gewann. 
Albrecht. Sch geb’ e8 Dir zurüd jamt Deiner Wehr. 


(Gr reicht ihm die Armbruft, die fi) Jörg wieder umhängt, und darauf den Becher, 
in den er eine goldene Denkmünze wirft.) 


Eriter Akt. Zweite Scene. 411 


Jörg (zu Agnes). Du fiehit, ich trag’ fie wieder, wie zuvor. 
(Zu Albrecht.) 
Sie foll Euch ſtets in meiner Hand gehören! 
Agnes. Zu feinem Dank nehmt auch den meinen Hin! 
Arbon (zu den Schügen). Auf! laffen wir den Herzog Albrecht 
leben! 

(Jörg und die übrigen Schügen brechen in dreimaligen Hochruf auf Herzog Albrecht 
aus, unter bem Einfallen der Mufif vom Rathaufe, in das fi) alle, au) Jörg mit 


Arbon, zurüdbegeben. Zenger und Sandizell ziehen fi mit den beiden Knappen 
ebenfalls zurüd. Nur Afra bleibt bei Agnes ftehen.) 


Albredt. Wollt Ihr mir eine teure Gunst erweiſen? 
Agnes. Wie könnt' ich eine folche Euch verweigern ? 
Albrecht. O, Agnes, feine Worte jagen Dir, 
Wie wert Du mir, ſeit ih Dich jah, geworden, 
Wie meinem Herzen, meiner Seele teuer! 
Und fo gewähre mir die Bitte denn: 
Sei mein, wie Dein ich bin und Dein ich bleibe! 
Agnes. Derübelt, Herr, mir mein Verwundern nicht! 
Ihr tragt, jo merk’ ich, einen Ring am Finger, 
Der offenbar Euch für dag Leben bindet, 
Und fünnt mir Euer Herz nicht mehr verjchenfen. 
Albrecht. Es iſt das Los des für den Thron Gebornen, 
Daß er nicht achten darf des Herzens Stimme, 
Wenn Klugheit ihr Gebot vernehmen läßt; 
Und foldhes Opfer ward von mir gefordert. 
Agnes. Wohl Ichmerzlich muß es fein, es darzubringen; 
Doc ſeid Ihr Treue der Verlobten jchuldig, 
Die Ihr auch ficherlich ihr halten werdet. 
Albrecht. So ift mir alle Hoffnung denn gejchwunden ? 
Agnes. Wie dürft’ ich fie Euch nähren fernerhin ? 
Albrecht. Wenn Du nur mwollteit, es geläng’ uns leicht, 
Das ſchützende Geheimnis zu bewahren. 
(Jörg tritt wieder aus dem Rathaufe mit Arbon hervor und begiebt ſich heran.) 
Agnes (in beftimmtem Tone). Nie anders wird’ ich je die Eure 
werden, 
Denn ala vor Gott Euch angetraute Gattin. 
Albrecht. Sch wollt’, Du könnteſt bliden in mein Herz, 
Dann wüßteſt Du, was der Verzicht mich koſtet, 
Den Du von mir verlangft; — doch nein, ich weiß, 
Du läſſeſt ohne Troft mich nimmer jcheiden. 
Agnes. Ihr meint e& gut mit mir und wollt mein Heil. 


412 Agnes Bernauer. 


So bitt’ ih Euch, mir nachzujeh'n mein Zagen 

Und auch nicht weiter mehr in mich zu dringen. 
Albrecht. Nun zweifl’ ich dran, joll ich mich glücdlich preifen, 

Daß mich der Himmel Dich erbliden ließ, 

Soll ich's beflagen. — Agnes, fieh mich an, 

Wie ich betroffen jteh’ und ratlos jchwanfe! 

Doch Dein Geſchick jteht höher mir als meines: 

Ich fühle, daß ich Dir gehorchen muß, 

Und nur ein rajcher Abichied bleibt mir übrig. 

Leb’, Agnes, wohl! 
Agnes (mit zitternder Stimme). Auch Ihr, lebt ewig wohl! 


(Sie reihen fih die Hände in ftummer Rührung. Junker Rem, im Hintergrund 
wieder erjchienen, beobachtet den Vorgang, worauf er wieder entſchwindet.) 


Albrecht (ein Bild Hervorziehend). Dies Bildnis möge Dich an mich 
erinnern! 
Bewahr’ es auf und blick' es freundlich an, 
Wenn es Dein Herz an dieje Stunde mahnt. 
(Er enteilt, von Parzival Zenger und Wolfram Sandizell, jowie den beiden Knappen 


gefolgt. Lintrud taucht plößlich hart neben Agnes auf, die in Gedanken verſunken 
dafteht. Es ijt dunfle Nacht.) 


Lintrud (ine ins Ohr raunend). Warum jo in Gedanken, jchönes 
Kind? 
Wenn Du mit Sicherheit erfunden willit, 
Was Dir befchieden, aladann fomm’ zu mir! 
Sch berge einen Spiegel von Kryſtall, 
Den ich aus ferner Heimat mitgenommen, 
Und der mir alles vor dem Blide zeigt, 
Was irgendwo gejchieht zu einer Stunde, 
Auch wenn fie noch nicht ihren Lauf begonnen. 
Bejuche mich, wenn Dich die Zukunft ängjtigt 
Und Du im Zweifel über Dein Gejchid, 
Ob's glüclich oder leidvoll enden werde. 
(Sie entihwindet in Eile.) 
Agnes. Ob's glücklich oder leidvoll enden werde! 
(Inden fie fi) zu Afra wendet, fällt der Vorhang.) 


Ende des erſten Aktes. 


Bweiter Akt. 


Erſte Hrene, 


(Der Anger mit Bäumen hinter dem betürmten Schlojjie zu Vohburg mit dem 
Ausblick auf die unten borüberfließende Donau. Albrecht fit auf einer Bank 
unter der Linde, eine Laute neben fi. Es iſt früher Morgen.) 


Albrecht. Schon geht es in den zweiten Mond hinüber, 
Seit ih aus ihrem Bli in Augsburg jchied; 
Doch, wie ich auch verjucht, fie zu vergeſſen, 
Es war umjonft. Ch’ ich nach Vohburg fehrte, 
Durchitrich ich längs der Donau alfe Auen, 
Und hier fam ich nicht aus den Wäldern mehr, 
Bon Yörg oft aufgefucht im tiefiten Dieicht. 
Dann, als er fort, vom Vater heimberufen, 
Warf mich ein Fieber alſo heftig nieder, 
Daß ich mein Ende jchon gefommen dachte. 
Doch auch genejen bin ich elend noch 
Und harre, wie verichmachtend, neuer Kunde. 
(PBarzival Zenger und Wolfram Sandizell treten auf.) 
Albrecht (innen entgegeneitend). Saht Ihr die Holde, und was fonntet 
Ihr 
Von ihrem Thun Verläſſiges erfahren? 
Sandizell. Nur wenig, Herr! 
Albrecht. Doch Ihr erblicktet ſie? 
Parzival Zenger. Im Dom, wo ſie, inmitten alles Volks, 
Allein, dem Hochamt geſtern angewohnt, 
Als ſie, andächt'gen Schrittes ſich entfernend, 
Den Weihbrunn' nahm und zum Portal ſich wandte, 
Die Blicke, die ihr nachgeſandt, nicht ahnend, 
Doch dankend jedem Gruß, den ſie empfing. 
Albrecht. Wär' ich dabei geweſen! — Fahret fort! 


414 Agnes Bernauer. 


Parzival Zenger. Es war faſt Nacht ſchon, als wir unverjehens 
Dort in der Vorſtadt vor ein Haus gerieten, 
Das Halb verſteckt im tiefen Schatten lag — 
Albrecht (unterbreend). Sie aber war bereits zur Ruh’ gegangen ? 
Parzival Zenger. Das Licht in ihrer Kammer brannte noch, 
Schien fih auch ſonſt nicht3 mehr darin zu regen — 
Da, — eben jtieg der Mond am Giebel auf, 
Begann mit halb gedämpfter Stimme oben 
Sie vor dem Schlafengeh’'n ein Lied zu fingen, 
Dem Schweigen folgte, und nicht lange drauf 
Mar auch des Lämpleins letzter Schein erlojchen. 
Wolfram Sandizell. Das ijt es, was wir von ihr jah'n und 
hörten. 
Albrecht (mad kurzem Sinnen). Ein Lied! Habt Ihr Euch nicht 
gemerft die Weife? 
Als Heim ihr Bruder zog, gab ich ein jolches 
Ihm mit für fie, das mir am Hof der Muhme 
In Böhmen einjt entjtand. Ich ftimm’ es an. 
(Er fingt zur Laute.) 
„Ih grüße Dich, Maria Did, Du Magd des Herrn, 
O Mutter voller Gnaden! 
Du gleihjt im Tau dem Mtorgenjtern, 
Wann Thränen mich beladen. 
Ich grüße Dich herzinniglich, 
Maria dort, ich grüße Di!“ — 
Parzival Zenger. Das gleiche, Wort für Wort! 
Wolfram Sandizell. Und Ton für Ton! 
Albrecht. Weit über meine Hoffnung it's geglüdt. 
Sie hat mich in der Ferne nicht vergeſſen! — 
Habt Dank, Getreue, für den Herzenstroſt! 
Parzival Zenger (in die Ferne Hinauzzeigend). Dort naht von Inders— 
dorf der Gottesmann, 
Don meinem Vater Euch herangeführt. 


(Hans Zenger, der Pfleger von Vohburg, und der Dechant Johann don 
Indersdorf treten, von Albrecht beiwillfommt, auf.) 


Johann von Indersdorf. Die Gnade unſres Herrn ſei mit 
uns allen! 
Nach Eurem Wunſch hab’ ich mich aufgemacht 
Aus meinem Klojter an jo werter Geite, 
Befliffen, Euch zu dienen jet und immer. 


Zweiter Alt. Erjte Scene. 415 


Albrecht. Sch fühle mich bedürftig Eures Rates. 
Ihr wißt, ich bin verlobt jeit furzer Zeit 
Mit einer Tochter aus erlauchtem Haufe; 
Die Wahl jedoch entiprang nicht meinem Herzen 
Und Liebe hat nicht teil daran. 
Johann von Indersdorf. Verſteh' — 
Ihr möchtet ledig ſein der läſt'gen Feſſel — 
Albrecht. Um einer liebenswerten Jungfrau willen. 
Johann von Indersdorf. Doch ſolches geht nicht an. Ihr 
bandet Euch 
Und könnt Euch ohne Treubruch nicht entwinden. 
Hans Zenger. Da hört Ihr, Herr, was ich Euch oft verſichert. 
Albrecht (mit ſpöttiſchem Anflug). In Euren Jahren ſieht dag Herz 
fih vor — 
Hans Zenger. Und flieht die Leidenschaft, die ſchwer zu meijtern. 
Johann von Indersdorf. Ihr jeid und bleibt an Euer Wort 
gebunden. 
(Herzog Wilhelm tritt auf im Reifemantel. In weiterer Entfernung folgt ein 


Knappe mit einem Korb am Arme. Parzival Zenger und Wolfram Sandizell 
entfernen fich mit einer tiefen Verbeugung gegen Wilhelm.) 


Albrecht. Der Ohm! Was bringt jo unverhofft ihn her? 
Wilhelm. Laß, Albrecht, Dich in meine Arme jchließen! 
Albrecht. Du kommſt jo überrafchend, als erwünjcht! 
Wilhelm. Ein Umweg führt mich her, da über Augsburg 
Nach Bajel zum Konzil ich mich begebe. 
Albrecht. So hat Dich ein bejondrer Grund geleitet? 
Wilhelm. Nur leider fein erfreulicher dabei. 
Doh laß mich exit die Freunde hier begrüßen! 
(Es geſchieht.) 
Und nun vernimm, was mich daher gebracht. 
Die Dir verlobt war, iſt aus Urach jüngſt 
Mit einem Grafen Werdenberg entfloh'n. 
Albrecht. Entfloh'n und alſo ſelbſt zurückgetreten! 
Wilhelm. So iſt's! Doch wirſt Du's, hoff' ich, bald verſchmerzen, 
Da kein Bewußtſein eig'ner Schuld Dich drückt. 
Albrecht. Sie war mir fremd und iſt's bis heut' geblieben. 
Wilhelm. Doch ward das Reuegeld ſchon angeſprochen. 
Albrecht. Käm's an auf mich, ich ließ es völlig fahren! 
Wilhelm. Mir ſcheint, Du fühlſt Dich ſelbſt nicht ohne Schuld. 
So magſt Du auch den Vater ſelber hören. 


Er händigt Albrecht einen verfiegelten Brief ein und winkt dem Knappen heran, 
welcher den Korb öffnet, aus dem Pomeranzen hervorſchimmern.) 


416 Agnes Bernauer. 


Albrecht «ier). „Erhalten hab’ ich Deinen Brief und jehe, 
Daß Du anı falten Fieber wieder leideſt, 
Was nötig macht, daß Du den Arzt befrägit. 
Doch jend’ ich Dir, da Dich darnach gelüjtet, 
Margran- und Pomeranzenäpfel zu, 
Dafern fie jelb’ger nicht Dir wird verbieten, 
Auch magſt Du Dich vor jchönen Frauen hüten!” — 
Dies Wort floß ihm von jelbjt nicht in die Feder; 
Doch ich verfich’re Dich, was wahr daran, 
Hat ein Gerücht, entjtellt, zu ihm getragen. 
Wilhelm So ift fein Argwohn demnach doch begründet? 
Albrecht. In Augsburg, wo Du Einkehr halten wirft, 
Wohnt eine Jungfrau, engelrein und züchtig, 
Bon einer Schönheit, die ans Wunder grenzt, 
Und dieſer jchlägt mein Herz, jo lang’ ich lebe. 
Wilhelm. Doch welches Band foll euch hinfort vereinen? 
Albrecht. Bei ihrer Tugend ift nur Eines denkbar! 
Wilhelm. Und wahr ijt’s, daß fie nied’rem Stand entiprofjen, 
Sa, Tochter eines Bader? 
Albrecht. Alſo iſt's! 
Wilhelm. Es ſteht mir fern, ſie drum gering zu ſchätzen. 
Von Gott ſind alle Stände eingeſetzt 
Und keiner kann beſtehn nach ſeinem Willen, 
Als mit des andern Hülfe. 
Johann von Indersdorf. So verhält ſich's; 
Geburt trennt nur hienieden uns, nicht drüben, 
Und daß der Herr in niedriger Geſtalt 
Zur Erde kam, mag Fürſten Demut lehren. 
Wilhelm. Doch, iſt's dem Herrſcher ernſt mit ſeiner Pflicht, 
So wird er auch nach ſeinem Stande wählen. 
Johann von Indersdorf. Dies halt' ich über jeden Zweifel wahr. 
Wilhelm Nur meinem Neffen ſcheint's nicht einzuleuchten, 
Obgleich er jeinem Water folgt als Erbe. 
Johann von Indersdorf. [ES jteht gejchrieben, daß der Erjtgeborne 
An Heil’gen Tagen vor den Jüngern ſtets 
Das Opfer gab und zu des Vaters Rechten, 
Die Nachgebornen alle jegnend, ſaß, 
Da mit des Erbes Herrihaft ihm verheißen 
Den Tau des Himmels und des Erdreich Feiſte, 
Der ſprach: Du ſollſt ein Herr fein Deiner Brüder.] 


Zweiter Alt. Erfte Scene. 417 


Albrecht. Kann ich nicht auch die Fürftenpflicht erfüllen, 
Wenn fie vermählt mir an der Seite lebt, 
Doch ohne an der Herrichaft teil zu haben, 
Für deren Fortgang Gott durch Dich gejorgt ? 
Drum miß uns, teurer Ohm, im voraus nicht 
Mit jtrengem Herrjcherblid, und erſt am Tage, 
Da Tu erfährit, daß fie zur Herzogin 
Bon mir erhoben jei, verdamm’ uns beide! 
Wilhelm. Bedachteit Du jedoch auch die Gefahr, 
Der arglos diejes Kind entgegengeht ? 
Albreht. Wird ihr Dein Schuß zu teil, jo fürcht' ich feine. 
Wilhelm (zum Dechanten). Sch jehe wohl, da bleibt Ein Weg 
nur übrig. 
(Er tritt mit demſelben bei Seite.) 


(Der jüngere Zenger und Sandizell dringen heimlich heran, Jörg folgt in weiter 
Entfernung.) 


Albrecht. Sorgt, dab es nicht an frischen Pferden fehle! 

Han? Zenger. Die feinen jend’ ich ausgeruht ihm nad). 

(Er begiebt fih nad) dem Schloß; der Knappe folgt ihm mit dem Korb auf jeinen 
Wink dahin.) 


Parzival Zenger. Ein Wort Euch, Herr, ind Ohr: gejandt 
von Agnes, 
So ſcheint es faſt, fand fich ihr Bruder ein. 
Wolfram Sandizel. Wir hielten drum zunächſt ihn auch verborgen. 
Albrecht. Führt ihn herbei, doch erjt auf meinen Wink! 
(Beide ziehen fi zurüd.) 
Wilhelm. Bernimm, was wir bejchlojien! Da der Weg 
Mich ohnehin nach ihrer Heimat führt, 
So will ich dort ins Aug’ die Jungfrau faſſen, 
Und ohne Aufſchub brech’ ich auf dahin. 
(Er reiht Albrecht die Hand, ber fie auch dem Dechanten darbietet.) 
Albrecht. Mein Dank begleitet Dich auf lan Wege. 
(Zum Dedanten.) 
Wie Euch nicht minder. Kehrt mir bald zurüd! 
(Beide entfernen fich raſch.) 
(Auf Albrechts Wink bringen beide junge Ritter Jörg heran.) 
Albrecht (ihm die Rechte entgegenſtreckend). Willkommen Jörg! Was 
bringſt Du mir ſo eilig? 
Jörg. In aller Heimlichkeit nah' ich mich, Herr, 
Getrieben von der Sorge um die Schweſter, 
Die durchaus ſich ins Kloſter will begeben. 
Greifs Werke. II. 


418 Agnes Bernauer. 


Albrecht. Ins Kloſter! Wie befiel fie der Gedanke? 
Jörg. Der Bater drängt zur Ehe fie beharrlich, 
Im Glauben, daß den Rechten er gefunden, 
Und da fie nirgend eine Hülfe jieht, 
Gilt ihr als einz’ge Zuflucht noch die Zelle. 
Albrecht. Vollführt fie dies in ihres Herzens Not, 
Gott weiß, ihr Glück und meines wär’ vernichtet! 
(Förg die Rechte darreihend.) Ich danke Dir für Deine treue Botjchaft, 
Nicht ſoll vergeblich fie geweſen jein! 
Kommt! Freunde! Kommt! Die Teure gilt’3 zu retten 
Und ihr Gejchiet dem meinen zu verketten. 


(Er enteilt mit den beiden nad) dem Schloß.) 
(Bermwandlung.) 


Zweite Grene. 

(Zu Augsburg, das Innere der Stadtmauer nächſt dem dormaligen Nepdthörlein 
mit dem vorjpringenden Häuschen der Mutter Lintrud, gegenüber ein Stadt- 
turm. Lichter Tag. Agnes und Afra treten auf.) 

Afra. Bedenk' Dich noch einmal! Dort fteht ihr Haus. 
Agnes. Du weißt es, wie der Vater mich bedrängt; 
Im Klojter aber wär’ er tot für mich, 
Den ich nur lieben fann. Um dejto mehr 
Berlangt es mich, mein Schiejal zu erfahren. 
(Sie tritt, von Afra in jheuer Entfernung gefolgt, nad) der Thür, wo fie fih an— 
ſchickt zu pochen.) 
Afra (eitig ihr nachſtürzend). Du forderjt Gott in jeiner Wacht heraus, 
Wagſt Du’s, an eine Here Dich zu hängen. 
Kehr um! Noch iſt es Zeit. Laß ab und fliehe! 
Agnes c(tlopft). Schon iſt's geſcheh'n — 


Lintrud (von innen). Wer klopft an meiner 
Thür? 
Agnes (mit bebender Stimme). ch bin eg, wenn Jhr meiner Euch 
. erinnert. 


Lintrud (von innen). Ihr müßt Euch nennen, wenn ich öffnen fol. 

Agnes. Mein Nam’ ift Agnes, die Bernauerin. 

Sintrud (von innen). Schön, ihön! Das freut mich! Gleich fteh’ 
ih zu Dienft. 

(Sie öffnet die Thür und tritt hervor. Agnes weicht einen Schritt zurüd und finkt 

halb in Afras Arme.) 
Lintrud. Ci, Holde Jungfrau, welch’ bejondre Ehre! 
Sch hatt’ Schon alle Hoffnung aufgegeben, 


Zweiter Alt. Dritte Scene. 419 


Doch ich errate Dein Verlangen wohl 
Und will Dir's jtillen. Tritt getvoft herein! 
Warum den Blid geſenkt voll Schamerröten ? 
Es wohnt drin feine Seele außer mir. 


Dritte Scene. 


(Die zweite und dritte Scene kann auf geteilter Bühne verſchmolzen Werden. 
Das Innere des Häusleins; eine armjelig eingerichtete und dunkle Stube mit 
einem Halb verhangnen Fenſter. Auf einem Eleinen Tiſch ruht eine verdeckte Kıyjtall: 
fugel, don einem Gejtell getragen, davor ein Stuhl, ein anderer nächſt Der an— 
ftoßenden Kummer. Gine Thür führt rüdwärts ins Freie. Mit Lintrud find Agnes 
und Afra eingetreten.) 
Sintrud. Nimm Plab, mein Kind! 
(Afra führt Agnes zum Stuhl in der Ede.) 
Sch mein’ e3 gut mit Dir, 
Du darfjt Dich mir ganz offen anvertrau'n. 
Agnes. Berzeiht! Doch mich verwirren die Gedanken. 
Lintrud. Nicht Dir allein iſt's jo bei mir ergangen, 
Drum Mut gefaßt und fort mit allen Skrupeln! 
Sie tritt vor den Tiſch.) 
Dir liegt daran, Dein Schidjal zu erfahren; 
So tritt herzu und acht’ auf diefe Kugel, 
Die ich vor Deinem Blif nunmehr entblöße. 
(Sie nimmt die Umhüllung don der Kryſtallkugel weg, indem fie undberftändliche 
Worte in fremder Sprade dazu raunt. Die Kugel von blauer Farbe wirft einen 
magiſchen Schein nad) außen, der ji) nad) und nad im ganzen Gemach verbreitet 
und insbejondere die Geftalten von Lintrud und Agnes erhellt.) 
(Mit erhobener Stimme.) 
Nun reich” mir Deine Hand! Biſt Du bereit, 
Ein jed’ Geheimnis, das noc Nacht bedeckt, 
Enthüllt durch meinen Blie zu ſchauen? 
Agnes (mit bebender Stimme). Sa! 
Lintrud. So meld’ ich Dir, was mir darin erfcheitt, 
Es möge Gutes oder Schlimmes fünden. 
(Sie blidt, Agnes an der Hand haltend, über die Kugel gebeugt, im dieſelbe 
mehrere Augenblide lang in bewegungsloſer Ruhe.) 
Lintrud (pPlötzlich mit erregter Stimme). Mas ieh’ ih! Was beivegt 
ih da heran? 
Ein junges Weib mit langem, goldnem Haar, 
Im Staat der Fürftin, den Gemahl zur Geite, 
Bon vielem Volk umringt und froh umjubelt — 


Nach längerem Schauen wendet fie fih zu Agnes, deren Hand fie losgelaſſen, und 
derneigt fich tief dor ihr, fortfahrend.) 


Das bift Du jelbft! 27* 


420 Agnes Bernauer. 


Agnes (fi an der Stuhllehne haltend). Wie jteigt mir's bang herauf! 
(Zu Afra, die ihr beifteht.) 
Führ' mich hinweg! Es jchwindelt mir im Kopf! 
Lintrud. Wie fann fie jolch glüdjelig Bild erjchreden ? 
Afra (indem fie Agnes Hilft fi niederzufegen). Ihr jeht, wie fie erbebt; 
jtellt ein den Zauber! 
Agnes (ich plötzlich faſſend). ES thut nicht not! Sch bin bei Kräften 
wieder! 
Lintrud. Wenn e8 der Jungfrau Wille, geh’ ich dran — 
Agnes. Ga. 
(Sie erhebt fih und nimmt die vorige Stellung ein, wobei fie Mutter Lintrud wieder 
die Rechte reicht. Diefe blickt von neuem, über die Kugel gebüdt, in diejelbe Hinein, 
deren Helle fi) aber alsbald mit einem hervorbrechenden Schatten vermiſcht, der 
nad und nad) die ganze Stube verfinitert.) 
Lintrud (in die Kugel ftarrend). Was will die Flut? Des Stromes 
Wellen fliehn, 
Als wollten fie im Zug mich mit fih nehmen. 
Doch nein, ihr jchauerlicher Drang und Schwall 
Hat nichts mit mir zu jchaffen. 
Agnes. Wehe mir! 
(Nach einer Pauſe.) 
Seht Ihr noch immer fort die gleichen Wellen ? 
Lintrud (nad verlegener Paufe). Sie find verraufcht, und alles ift 
vorüber! 
Agnes (in Gedanken verfunten). Und alles ijt vorüber — — — 
Lintrud (zu ihr gekehrt mit bedauerndem Zone). Nach furzer Friſt wird 
Euer Glück zu Wafler. 
Agned. Was aber wird mit mir gejcheh’n ? 
Lintrud (abwehrend). — Laßt das! — 
Agnes. Wird durch Untreue mir mein Glüd zerrinnen? 
Lintrud. Durch Treue. 
Agnes (mit erheiterter Miene). Wie, Ihr jagt durch Treue gar? 
Sintrud. Weswegen lächelt Ihr mit einem Mal? 
Agnes. ch Härte frommer Frauen Mund beteuern, 
Es gäbe ohne Treue auch fein Glüd, 
Und john dent ich mir auch, daß das Glüd 
Durch Treue nicht zu Waller fünne werden. 
Lintrud. Es möge Dich Dein Glaube niemals täujchen! 
(Während fie beide zur Thür geleitet, wird von außen ftarf ans Fenſter geflopft.) 


Zweiter Alt. Vierte Scene. 4231 


Sintrud (zum Fenjter eilend). Mer Elopft ? 
Junker Rem (von außen). Der Junker Rem wünjcht 
guten Morgen! 
Lintrud. Schert Euch zum Henker, wo Ihr Hingehört! 
(Rem verſchwindet unter gellendem Gelächter ) 
Agnes. Maria Hilf! Wir find von ihm belaufcht! 
Afra. Das fehlte noch! Ich zitt’re jelbit vor Furcht. 
Agnes (eine Silbermünze Hervorziehend). Wir müſſen fort! Verſchmäht 
das wen’ge nicht. 
Lintrud. Behaltet und beſucht mid, warn Ihr wollt. 
(Auf die rückwärtige Thür deutend.) 
Sch laſſ' Euch da hinaus. Befahret nichts! 
(Agnes und Afra verlaſſen auf dem gewiejenen Weg in Eile das Haus.) 
Lintrud (Agnes nahblidend.) Das arme Kind, es dauert mich von 
Herzen, 
Sch taufchte nicht mit ihrem goldnen Haar. (Ab in die Kammer.) 
(Berwandlung.) 


Bierte Greene. 


(Im Haufe des alten Bernauer in der Jafobervorftadt zu Augsburg. Ein fauber 
und wohnlich eingerichtetes Gemach zu ebener Erde mit anftoßender Badjtube; Die 
Thüre führt hinaus auf die Straße. Kafpar Bernauer ijt mit dem Barbieren 
des aus dem dorigen Alt bekannten Bürgers beihäftigt.) 
Der Bürger (unter dem Barbieren.. So geht e8 mit den Kindern 
allemal. 
Erſt zieht man fie mit taufend Plage groß, 
Und wenn fie uns die Sorge (ohne könnte, 
Da fliege fie wie flügge Finke aus. 
Auch mit den Meine ifcht mer’3 jo gegange — 
Doh Deine Agnes, Hört man, geht ins Kloiter. 
Kajpar Bernauer. Trägt man auch das fchon in der Stadt 
herum ? 
Der Bürger. Nun fromm und züchtig wär’ fie wohl genug, 
Doch thät das Mädle mich mein Lebtag reu’n. 
Die friaget einen Ritter jede Stund'. 
Kajpar Bernauer. Was Ritter oder Prinz, mir gilt das gleich! 
Heiraten muß fie mir, den ich ihr gebe. 
Der Bürger. Das iſcht am End’ auch das Gejcheit’re, Kafıhpar. 
Die Lieb’ wählt oft verkehrt. Nu gang ich aber. 
(Er verläßt die Baderjtube.) 


422 Agnes Bernauer. 


Kaſpar Bernauer. Wo Agnes nur jo lang’ fich heut’ vermweilt ? 
Die Magd hat ein bejtelltee Bad zu richten, 
So muß ich ſelber an die Hand ihr geh’n. 


(&r begiebt fi) in die Badftube nebenan. Kurze Pauſe. Agnes und Afra 
treten bon außen ein.) > 


Afra. Sei guten Mut’ und ängſt'ge Dich nicht mehr! 
Agnes. Der Junker Rem, wie Der hereingejchaut ! 
Bor Angit erbeb’ ich, ſtell' ich mir es vor. 
Afra. Er Hatte uns bereit? am Dom erblidt 
Und war uns nachgeichlichen aus der Ferne. 
Agnes. Wie wünjcht’ ich, daß ich Deinen Rat befolgt! 
Doch ließ es mir im Herzen nimmer Ruhe. 
Verzeih' mir Gott, wenn Unrecht ich gethan! 
Afra. Ich nehm's auf mich allein. 


Agnes. Wo denkſt Du hin? 
Das ließ' ich nimmer zu. 
Afra. Auch ſcheut er ſich, 


Den eig'nen Gang zur Hexe zu verraten; 
Drum jaffe Mut und ſchlag' Dir's aus dem Sinn! 
(Ihre Hand erfafjend.) 
Verſprich e& mir! Ich Fehr’ zur Beiperzeit. 
(Afra entfernt fi aus der Stube.) 
Agnes (nachdem fie erſt herumhantiert, fi) auf den Polſterſtuhl werfend). 
Erſt Herzogin und dann ins tiefe Waſſer! 
Doch nein, es iſt ein Blendwerk nur geweſen, 
Dem Blick von böſen Geiſtern vorgegaukelt. 

(Sie ſtützt den Kopf in ihre Hände, erſt im ſtille Gedanken verſunken.) 
Was war's doch, das fie jprach auf mein Berragen ? 
„Durh Treue wird Dein Glück zu Wafjer werden.“ 
Verfänglich Wort! Erſt legt’ ich's tröftlich aus — 

(Sieh auf fih befinnend.) 

Schon wieder find mir die Gedanken dort. 
O heil’ge Jungfrau, ſteh mir Armen bei! 

(Junker Rem tritt von außen ein, Afra folgt hinter ihm.) 

Rem. Der Jungſer biet’ ih nochmals guten Morgen. — 

Ihr jeid erjchroden, weil ich Euch ertappte, 
Doch junges Blut wird manchmal übermütig, 
Das dar man nicht zu ſtrenge mit ihm nehmen. 
Auch ſteht's bei Euch, es gut zu machen wieder: 
Schentt Eure Gunjt mir und Ihr habet Ruhe! 
Ich bin verſchwiegen, niemand Hört davon. 


Zweiter Akt. Vierte Scene. 4923 


Afra (Hervertzetend). Ihr wagt es, ſolchen Antrag ihr zu machen! 
Seht Ihr nicht, wie fie bebt am ganzen Leibe? 

Rem. Bon Jhr begehr’ ich nichts. — 

Agnes, Verſchont mich endlich! 
Ihr wißt, ich habe nichts mit Euch gemein. 

Rem. Kehrt Eud; nur ab! Da Ihr auf mein Erbieten 
Nicht hören wollt, jo treff' Euch meine Rache! 
(Rajpar Bernauer tritt aus der Babeitube hervor und ſtellt fi tor Nem.) 

Rem. Kann ich ein Bad wohl haben? 


Kajpar Bernauer. Überall, 
Nur nicht in meinem Haus. 
Rem. Und weshalb nicht? 


Kaſpar Bernauer. Weil Ihr erſt dieſer da habt nachgeſtellt, 
Und, als es Euch mißglückt, die Ehr' geſtohlen. 

Rem (zu Agnes). Kann das die Jungfer wohl von mir beweiſen? 

Kajpar Bernauer. Ihr habt mit mir zu fprechen, nicht mit ihr! 

Rem. Sch gelt’ ihr wohl zu wenig ala Gejchlechter, 
Seitdem fie einen Prinzen hat am Seile? 

Are. Was kümmern wir Euch, die nicht ehrlich Heiken ? 

Kaſpar Bernauer (mit gebalter Fauft). Auch dafür bin ich noch 

den Lohn Euch ſchuldia! 
Rem. Den Zauber treib’ ich dort der Here aus! 


(Agnes fährt zufammen.) 

Kajpar Bernauer. Ihr wagt's, mein Kind gar Frevels zur be- 
zicht'gen 

Rem. Ich thu's, weil ich es ſelbſt bezeugen kann. 

Kaſpar Bernauer. Das lügt Ihr, meine Tochter zu verderben! 

Agnes. O Vater, reizt ihn nicht noch mehr im Zorn! 

Rem. Ihr thätet klüger dran, ſtatt mir zu droh'n, 

Mit mir jo ſacht als möglich zu verfahren. 

Kajpar Bernauer. Hinaus mit Euch! Ich lehr' Euch Tugend 
achten! 

Agnes (dazwiſchen tretend). Laßt ab! Sch bitt’ Euch, Bater, Ihr 
bereut's! — 

Afra (fie aufhaltend). Verſchont, wird er nur noch verweg'ner werden. 

Rem. Zurüd! Ich ziehe ſonſt — 

Kajpar Bernauer. Verſucht es nur, 


Wenn's Euch gelüſtet, meine Fauſt zu ſpüren. 
(Er wirft den Junker vor die Thür.) 
(In die Stube zurüdgefehrt.) 


Bor Dem, jo Hoff’ ich, haft Du Fünftig Ruhe! 


424 Agnes Bernauer. 


Agnes. Das glaubet nimmer! Er umfchlich mich heute 
Und jo fann er, was er gedroht, erfüllen. 
Kaſpar Bernauer. Was fprihft Du da? Beritand ich 
wohl Dich recht, 
Du wäreſt gar — 
Agnes (mit bebender Stimme.) ch ließ meisjagen mir 
Don Mutter Yintrud, die des Zauber fundig. 
Kafpar Bernauer. Bei einer Here ſuchteſt Du Dir Rat? 
Afra. Berzeiht, fie that es in der Not des Herzeng! 
Kafpar Bernauer. Gleichviel, fie handelte dabei vermeffen. 
Nem (zur Thür Hereineufend.) Der Vitztum Hält in Straubing 
jtreng’ Gericht 
Und jelten jol ſein Galgen leer dort jteh'n. 
Agnes. Hilf, Gott, und ſchütze mich vor diefem Mann! 
Kajpar Bernauer. Das thatejt Du zu Liebe Deinem Prinzen, 
Den Du Dir aus dem Sinn nicht jchlagen willit, 
Tro Deiner Eile nad) den Klojtermauern. 
Doch fahr’ ih nun mit vollem Ernſt darein! 
Du weißt, es wirbt um Dich ein Waffenjchmied, 
Den ich al3 brav und tüchtig lang’ jchon fenne, 
Und Höher wirft Du doch hinauf nicht blicken ? 
Agnes. Kann ich dafür, daß ihn mein Herz muß lieben? 
(Sie begiebt fi) meinend in bie Badftube.) 
Afra (ide folgend.) Ihr macht fie noch ganz toll mit Eurem Eifern. 
Kaſpar Bernauer. Allgüt’ger dort, ſieh' ihr den Fehltritt nach! 
Sie ift das einz’ge Kind, das Du mir ließeit. 
(Herzog Wilhelm und der Dedant Johann von Indersdorf treten ein.) 
Wilhelm. Ihr ſeid Bartjcherer? 
Kajpar Bernauer, Iſt's gefällig, Herr? — 
(Er rüdt einen Stuhl zurecht.) 
Wilhelm. Erſt möcht! ich eine Frage an Euch richten. 
Ich Hörte, eingefehrt in Eure Stadt, 
Die mir noch wohlbefannt aus früh'ren Tagen, 
Daß Ihr der Vater einer Tochter feid, 
Um ihrer Schönheit willen viel bewundert. 
Dies iſt doch jo? 
Kaſpar Bernauer. Was ſoll ich, Herr, es leugnen? 
(Beifeite.) 
Wie deut’ ich dieſen plößlichen Befuch ? 
Wilhelm. Hört weiter denn! Vermutlich iſt's Euch fund, 
Daß Eurer Tochter ſich ein Prinz genaht 
Und ihre mit ausgefuchter Huld begegnet. 


Zweiter Alt. Vierte Scene. 425 


Kajpar Bernauer. Dies hat * leider alſo zugetragen. 
(Beijeite.) 
Mir jcheint, daß fie von ihm find abgejandt. 
Wilhelm. Und was mißfiel Euch denn an feinem Werben ? 
Kaſpar Bernauer. E3 kann ein Glüd nicht für ein Mädchen fein, 
Bon einem großen Herrn begehrt zu werden, 
Der fie im beiten Tal zur Kebje nähm’, 
Und dazu ijt mein Kind mir doch zu gut. 
Wilhelm. Ihr jeid ein Mann, der was auf Ehre hält, 
Und drum verjteh’ ih Euren Unmut wohl. 
Kaſpar Bernauer. Es Heißt, Herr: gleich und gleich gejellt 
ſich gern, 
Und darnach ſoll fich auch die Meine richten! 
Wilhelm. Nach allem ſcheint's, Habt Ihr den Künft’gen ihr 
Selbjt auserjeh'n. 
Kajpar Bernauer. Herr, alſo ijt es auch. 
Johann von Indersdorf. Und Eure Tochter, hat ſie zugeſtimmt? 
Kaſpar Bernauer. Es muß ihr recht ſein, will mein Kind ſie 
bleiben. 
Soll ich ſie in ein Kloſter laſſen zieh'n? 
Johann von Indersdorf. Geprüften Herzen nur, die nimmer 
hangen 
An dieſer Welt und ihrer eitlen Luſt, 
Nur ihnen thut des Kloſters Stille wohl 
Und läßt ſie die erſehnte Ruhe finden. 
Wilhelm. Nicht jedem Sinne kann Entſagung frommen. 
(Beide reden zuſammen auf der Seite.) 
Kajpar Bernauer (für ih). So weile Worte hört’ ich jelten noch. 
Wenn ich nur wüßte, wer fie beide find, 
Der fremde Ordensmann und der im Mantel! 
Wilhelm (zu Kaſpar Bernauer Hintretend),. Crlaubt die Frage mir: 
Wo weilt die Jungfrau ? 
Kajpar Bernauer. Liegt Euch daran, jo geh’ ich, fie zu holen. 
(Er entfernt fi in die Badftube.) 
Wilhelm. Ich bin fürwahr gejpannt auf ihr Erjcheinen! 
Johann von Indersdorf. Und welchen Sinnes ihr Gemüt ich 
eigt! 
(Agnes tritt, von Kafpar Bernauer begleitet, hervor.) * 
Wilhelm alblaut). Kommt ſie nicht hergewandelt, wie ein Engel? 
Johann von Indersdorf (edenio). Auf ihrer Stirn lef’ ich die reine 
Unſchuld. 


426 Agnes Bernauer. 


Wilhelm (ebenſo). Der Anjtand, der ihr eigen, macht fie wert, 
Mit einem Kaifer deifen Thron zu teilen. 
(Zu Agnes.) 
Ihr jeid die Tochter dieſes waren Bürgers. 
Auf welchen Namen wurdet Ihr getauft? 
Agnes. Auf den der heil’gen Agnes. 
Sohann von Indersdorf. Welch ein Vorbild! 
Doch jedes dient dem Herrn, wie e8 vermag. 
Wilhelm. Und hr als gute Hausfrau, wie ich hoffe — 
(Agnes ſchlägt die Augen nieder.) 
Nur gilt’, auch eine rechte Wahl zu treffen, 
Und dieje ijt vielleicht Euch ſchon geglüdt? 
Agnes. Herr, in Gedanken jtand mir jolches nimmer! 
Wilhelm. Doch mwäret Ihr wohl eines Freier wert. 
Agnes. Auch jchon der fernſte Wunjch iſt mir verboten. 
Wilhelm. Berboten? Blidtet Ihr zu Hoch Hinauf? 
Agnes. ch that es nicht, von jelbit iſt's jo gefommen. 
Wilheln. Was unerreichbar ift, muß man vergefjen. 
Agnes. Dies, Herr, jteht wieder nicht in meiner Macht. 
Wilhelm. Der Menſch vermag gar viel, doch ich begreife. — 
Ihr wollt, jo Hört’ ich, in ein Kloſter geh'n. 
Agnes. Da ich ihn nicht bejigen kann und darf, 
So bleibt mir diefe Wahl allein nur übrig. 
(Die Thür öffnet fih und Albrecht tritt mit Jörg herein, Afra folgt ihnen nad).) 
Wilhelm. Wer kommt daher? 


Albrecht. Sch, den es nimmer hielt, 
Seit ich erfahren, was ihr Los joll werden. 
(Zum Ohm.) 


Du jahjt fie Schon, die fich mein Herz erwählt! 
Wilhelm. Im grauen Haar jteh’ ich bezaubert da, 

Wie mag ihr Bild ein junges Herz erſt rühren! 
Albrecht. Nein, nimmer darfſt Du diefer Welt entjagen! 
Agnes. O, Sturm der Freude und des Wehs zugleich! 

(Sie ſinkt Afra an die Bruſt und blidt dabei Jörg dankbar an.) 

Nira. Jörg hat den Vorſatz insgeheim gefaßt — 
Albrecht. Und mich dazu gedrängt, daß ich ihm folgte. 

Gntichloffen völlig, wie Du mich erblidit, 

Um Deine Hand zu werben, eingedenf 

Der Liebe, die Du mir bewahrt im Stillen, 

Was mir auf fichrem Weg auch wurde fund. 

(Rah einer Pauſe.) 
Wie, Teure, bleibt Dein Mund mir völlig jtumm ? 


Bweiter Hl. Bierte Scene. 427 


Agnes. Ihr wißt, Die Pflicht legt mir dies Schweigen auf. 
Albrecht. So kennſt Du noch die frohe Wendung nicht, 
Die mein Geihid genommen? Los der Feſſeln 
Bin ich für immerdar, die mic) umſchnürten; 
Die mir verlobt war, brach fie jelbit entzwei! 
Agnes. Der Sturm verflog und blau erftrahlt der Himmel! 
Albrecht. In meine Arme, Agnes, mein bift Du! 
Agnes. Erſt wende Did) zu meinem Water hin! 
Albrecht. Mein Ohm, gejtattet mir, daß ich es thue! 
(Herzog Wilhelm und Johann bon Indersdorf ziehen ſich mehr zurüd.) 
Albrecht. So hört! Mehr als ein Mond ift ſchon verjtrichen, 
Seit ih von Eurer Tochter ſchmerzvoll jchied, 
Und nimmermehr vergaß jeitdem ich ihrer. 
Drum, da mein Schidjal jo ſich hat gewendet, 
Wie Ihr vernommen, flog ich her zu ihr, 
Entjchlofjen, ihr zu bieten meine Hand 
Und fie an meiner Seite heimzuführen, 
(ihre Hand erfajlend.) 
Mit ihr zu teilen treulich jed Gejchid, 
Das über und das Schickſal mag verhängen. 
Agnes (miedertnieend). DO, Vater, hört, und lafjet Euch bewegen! 
Kajpar Bernauer (fie an ſich ziehend). Als Du noch wahr und 
findlic an mir hingit, 
Verſprachſt Du mix, zu pflegen mich im Alter 
Und mir im Tod die Augen zugudrüden. 
Und jet willſt Du ins fremde Land mir zieh'n 
Und mich verlafen für dag ganze Leben! 
(Er berhüllt fic) die Augen.) 
Agnes Gihn umſchlingend). Grämt Euch nicht jo! Ich bin auch 
dort Euch Kind, 
Und will e8 Gott, jo ſeh'n wir bald und wieder. 
(Zu Afra und Jörg.) 
Auch ihr bleibt nah’ mir in der Ferne jtets. 
Ara. Du wirt Dein Leben ruhig dort verbringen, 
Das hier von nun an jtets bedroht Dir wäre. 
org. Und jeder Tag wird Dir Dein Glück vermehren. 
Kajpar Bernauer. Bon Herzen wünjch’ ich, daß Ihr Recht behaltet. 
(Zu Albrecht.) 
Euch aber, Herr, zuf ih als DBater zu: 
Schüßt mir das einz'ge Kind! Schütt meine Agnes! 
(Er bricht in Schluchzen aus.) 


428 Agnes Bernauer. 


Albrecht cism die Rechte darbietend). Ihr follt zufrieden fein mit 
Eurem Sohn! 
(Zu Wilhelm.) 


Und nun erbitten wir auch Deinen Beijtand. — 
Wilhelm «ägeindyy. Bon dem bisher noch wenig war die Rede. 
Albrecht. Schon Deine Gegenwart war ung Gewähr. 
Agnes (auf den Knieen). Sch wag’ es, hoher Herr, Euch anzufleh'n — 
Wilhelm (fie erhebend). Ihr könnt auf mich in Leid und Freude 
zählen, 
So lang’ der Herr das Leben mir erhält! 
(Zu Albredt.) 
Do juhe Deines Vaters Lob vor allem 
Dir zu verdienen, wie Du immer fannjt! 
Daneben jtelle öfters auch Dich ein, 
Und nicht zu flücht'gem Weilen nur, am Hofe. 
Berufen aber, wage nie zu fehlen: 
So wird des Baters Herz Dir feiner jtehlen. 
Albrecht. ch halte eingeprägt mir Deinen Kat. 
(Zu Johann don Indersdorf.) 
Und nun noch eine Bitte auh an Euch! 
Ich nahm mir vor, auf meinem Schloß zu VBohburg 
Sie zu verwahren in verborg'ner Stille, 
Bi daß der Tag ericheint, da ich fie offen 
Der Welt fann zeigen ala mein ehlih Weib; 
Doch dies ift nur durch Euren Beijtand möglich. 
Zohann von Indersdorf. Er joll erlaubter Liebe nimmer fehlen! 
Die Ehe aber wird vollgültig jein 
Bor Gott und vor der Kirche, wenn fie gleich 
Geheim geſchloſſen nur vor wenig Zeugen. 
Albrecht (zu Kaſpar Bernauer). Ihr Hört, fie wird am Altar dort 
die Meine. 
Kajpar Bernauer cihr die Hand auflegend). So teil’ auch ich ihr 
meinen Gegen zu. 
Mag e3 der Himmel mit Dir gnädig fügen 
Und Dir erjparen jedes ſchwere Leid! 
(Sie ans Herz ziehend.) 
Mein Kind, mein einzig mir geblieben Kind! 
Gott ſchütze Dich und laſſ' Dir's wohl ergeh’n! 
(Indem alle gerührt daftehen und Jörg mit Afra einen wehmütigen Blid taufcht, 
fällt der Vorhang.) 


Ende des zweiten Aktes. 


Drifter Nkt. 


Erfte Scene. 
Gochgewölbter Vorjaal im Schloß zu Vohburg mit anftogender Kapelle. Der 
Hintergrund führt zu einem Bogengang, der in eine Freitreppe ausmünbdet und 
weite Ausficht auf die Donau gewährt; doch ijt derjelbe anfänglich durch einen ge— 
ftidten Wandteppich verhängt. Am Vordergrunde zieht ſich eine Ruhebanf um die 
mittlere Säule. €3 ift heller Tag. Jörg tritt mit wankendem Schritt aus ber 
Kapelle hervor. Orgelflang wird daraus vernommen.) 
Jörg. Sie ijt vermählt und all mein Glüd dahin! 
(Er begiebt fi nad) der Ruhebanf.) 

Mir Elternlojen war fie Mutter einit, 

Und, als ich jie mit Inbrunſt Schweiter nannte, 

Ward mir bewußt, daß fie mir mehr noch jet — — 
(Die Orgel verjtummt. Albrecht und Agnes treten als getrautes Paar, fie in 


dem einfachen Kleid einer Edelfrau, aus der Kapelle, gefolgt von Hans Zenger, 
dejien Sohn Parzival und Wolfram Sandizell.) 


Albrecht. Nun, Agnes, nenn’ ich Died mit Stolz die Meine, 
Fehlt auch der Hochzeitliche Staat der eier, 
In heil'ger Weihe jtrahlt fie um jo mehr! 
Agnes. Wie joll ich danken jemals Dir genug! 
Albrecht. Was Du mir bijt, wiegt alles andre auf, 
Wie vor dem Himmlischen das Ird'ſche ſchwindet, 
So fühl’ ich mich ala ungleich mehr bejchenft. 
(Auf die Begleiter zeigenbd.) 
Doch nimm den Glückwunſch nun auch liebreich auf, 
Mit dem Dir nah'n die Zeugen unſrer Trauung. 
Hans Zenger (die Rechte darbietend. Ein langes Leben und einit 


Subelpaar! 

Parzival Zenger (Ebenſo). Der Hochzeitstag ein wiederfehrend 
Feſt! 

Wolfram Sandizell (ebenſo). Und jedesmal in gleichem Glück 
gefeiert! 


Albrecht. Aus treuen Herzen kommt, was Du vernommen. 


430 Agnes Bernauer, 


Agnes (zu Albrecht), Sie haben teil an meines Dantes Schuld, 
Der immerdar gedenf ich werde bleibeit. 
Albrecht (auf enger deutend). Es ift mein alter Hüter und Warbein, 
Der mich ala Knaben Hier ſchon unterwies 
Und ihn zu Fuß und Pferd zu Fechten Lehrte. 
Wie er die Waffen aber weiß zu führen, 
Das wurden wir gewahr zu Hilkersreuth, 
Als wir die eingefallnen Hufen jchlugen, 
Und er im Sturm voran das Banner fchwentte. 
Agnes. Geborgen weiß ich mich im folcher Hut. 
Wo aber bleibt mein Bruder ? 


Albrecht. Sieh dort hin! 

Agnes (auf Zörg zueilend). Was iſt Dir, Jörg? 

org. Ich kehre wieder 
heim. 


Agnes. So wär' es doch Dein Wille? 
(Zu Albrecht.) 
Hörtejt Du? 

Er will verlajjen ung. 
Albrecht. Er ſcherzt wohl nur? 
Agnes. Wir Hofften, daß Du ganz bei ung verbliebeit. 
Albrecht. Der fih're Schüße lernt dag Weidwerk bald. 
Jörg. Sch bleibe, was ich bin, ein Baderknecht. 

Schon morgen jteh’ ich bei der Arbeit wieder. 

(Zu Agnes, ihr die Hand veihend,) 
Leb' wohl! 


Agnes. Von Herzen ſchwer laäff' ih Dich zieh'n. 
Grüß’ mir den Vater; künd' ihm, was Du ſahſt, 
Sa all mein Glüd, dag nur Dein Scheiben trübte. 
An Afra auch bejtelle meinen Gruß! 
Jörg. Leb' wohl! 
(Er entfernt fich nad) dem Schloßeingang, kehrt aber plötzlich nochmals um.) 
Bedarfit Du meiner je, fo laß mich's wiſſen! 
Ab) 
Agnes (ihm nachblickend). Ich weiß es wohl, was ih an ihm 
verliere. 
Albrecht (ihre Hand erfaſſend. Beruh’ge Di, er kehrt ung bald 


zurüd. 
(Johann bon Indersdorf verläßt die Kapelle, alle treten ihm entgegen.) 
Johann von Indersdorf. Gelobt jei unfer Herr! 
Die anderen. In Ewigkeit! 


Dritter At. Erſte Scene. 431 


Sohann von Indersdorf. Auch meinen Glückwunſch bring’ 
nunmehr ich dar. — 
(Beide taufhen einen Händedruf mit ihm.) 
Und einen andern muß ich noch beitellen 
(Ein elfenbeinernes Kreuz herborziehend.) 
Bon Herzog Wilhelm, Eurem güt’gen Ohm, 
Der mich betraut, dies Kreuz Euch darzureichen 
As fein Gefchent. Es möge lehren Euch, 
Geduldig jede Schiekung zu befteh’n, 
Im Glüd gelaffen, herzhaft in der Not, 
Getreu dem Herrn im Leben und im Tod. 
Agnes (das Kreuz an fih nehmend). Es bleibt in Freud’ und Leid 
mir vor dem Blid. 
Albrecht. Wo aber weilt zur Zeit mein teurer Ohm? 
Johann von Judersdorf. Bon jeinem Übel wiederum befallen, 
Hat er ein Heilbad aufgejucht bei Bajel. 
Albrecht. Mög’ er nur bald und völlig fich erholen! 
(Zu Agnes.) 
Es ijt fein Leben fojtbar auch für ung. 
Agnes, Lohnt Gott ihm feine Huld, fo lebt er lang! 
Dies wollen wir tagtäglich ihm erfleh'n. 
Johann von Indersdorf. Much ich werd’ jeiner im Gebet ge- 
denken. 
Agnes. Ihr wollt uns doch nicht gleichfalls ſchon verlaſſen? 
Sohann von Indersdorf. Mir fehlt mein Klojter, das aud) 
mein begehrt. 
Albreht. Den Armen wend’ ich zu, was Euch gebührte, 
Ihr mögt den lautern Dank nur mit Euch nehmeıt. 
Agnes. Doch Euren Segen laßt Ihr ung zurücd! 


(Sie fnieen nieder, während der Dechant feinen Segen erteilt, worauf er ſich ent— 
fernt, von Hans Zenger gefolgt.) 
Agnes. Du haft der Armen liebreich ſchon gedacht, 
Gern würd’ ich ihnen hülfreich ſein auch hier. 
Albrecht. Ihn ahnend jchon, fam ich dem Wunſch zuvor. 
Huf jeinen Wink teilt fi unter den neu beginnenden Orgelklängen der Vorhang, 
und im Hintergrund werden auf der Freitreppe Gruppen von Siechen und 
Altersſchwachen beiderlei Gejchlechts fihtbar. Agnes tritt unter fie und teilt 
Speije und Tranf mit demütigen Gebärden aus; Albrecht fhaut erbaut zu. 
Blöglich ertönt ein Hornruf von der Zinne herab, der aber Agnes nicht in ihren 
Werke ftört. Auf Albrechts Wink fchließt, von ihr unbemerkt, ſich der Vorhang 
raſch wieder, auch die Orgel verſtummt im gleichen Nugenblid.) 


Albrecht. Es hat der Wächter droben fich gerührt! 


432 Agnes Bernauer. 


Parzival Zenger und Sandizell. Betroffen hörten wir's. 
Albrecht. Wer 
mag es fein? 
(Hans Zenger ftürzt in den Saal.) 
Hans Zenger. Bon Straubing fam der Vicedom gejprengt 
Mit wichtigem Befehl. 
Albrecht. Führt ihn herbei, 
Doch darf von allem hier er nichts erjpäh'n. 
Hans Zenger. Laßt meinen Sohn und Sandizell nur jorgen. 
(Gr verläßt mit beiden den Saal.) 
Albrecht. Iſt's Zufall oder Abficht? Doch, wie immer, 
Die unbefang’ne Miene muß ich wahren, 
Nicht zu gefährden unfer junges Glüd. 


(Hans Zenger führt den VBicedom von Straubing ein und entfernt fid. 
wieder.) 


Albrecht. Was führt den Vicedom in meine Nähe, 
Die jeither, wie beflifjen, er vermied ? 
Der Vicedom. Von Eurem Vater, unjerm gnäd’gen Herrn, 
Ging mir ein Auftrag zu. 
Albrecht. Und welcher wohl? 
Der Vicedom. Er hat die Abficht, Herr, Euch zu vermählen 
Mit einer Tochter aus dem Haufe Braunjchweig. 
Albrecht. Sch Habe feine Luft, mich neu zu binden; 
Die Würtembergerin hat mir’3 verleidet. 
Der Vicedom. Doch der Prinzeifin Mitgift ift beträchtlich, 
Auch wird ihr große Schönheit nachgerühmt. 
Albrecht. Hört! diefe Eile ift mir jehr verdächtig. 
Der Vicedom. Es gilt, durch jo beneidenswerte Wahl 
Den Wert und Ruf der frühern zu verdunfeln. 
Albrecht. Bermutlich hat es auch noch andern Grund. 
Der Vicedom. Wenn Jhr dies felbft erkennt, was joll ich's 
leugnen ? 
Es ijt die Kunde an den Hof gedrungen, 
Daß Ihr nicht mehr allein in Vohburg wohnet. 
Wollt Ihr Dem widerfprechen, mögt Ihr's thun. | 
Albrecht dich faſſend. Die rechte Antwort hätt’ ich wohl bereit, 
Doch halt’ ich fie zurüd. Gehabt Euch wohl! 
Der Vicedom (zögernd). So ſoll ich Eure Weig’rung Elar be— 
richten ? 
Albreht. So Klar, als Ihr nur könnt! 


Dritter Alt. Zweite Scene. 433 


Der Vicedom. Es wird befolgt. 
(Zur Seite.) 


Du ſollſt vom Vicedom bald mehr erfahren ! 

(Er entfernt fi nach einer förmlichen Verbeugung raſch aus dem Saal.) 
Albrecht. Wenn Agnes ahnte, was fich hat begeben 

An unjerm Hochzeitstag! Kein Zweifel mehr, 

Der Sturm zieht auf und jendet feine Boten, 

Durch die er fich aus ſchwüler Luft verfündet ; 

Doch will ich ihr verbergen noch die Wolfe, 

©o lang’ e3 geht. Nun aber hin zu ihr! 
(Indem er dem Vorhang zufchreitet, teilt fich diefer wiederum, und Agnes, die nuns 


mehr allein, zeigt fi am mittleren Bogenfenfter in die Fernſicht Donau abwärts 
vertieft. Er nähert fi ihr und fehlingt den Arm um fie.) 


Albrecht. Wo jchweift gedanfenvoll der Bli Dir hin? 
Agnes. Ich fam mir halb als wie im Traume vor, 
Albrecht (fie wieder nad) vorn führend). Vertraue mir's, was Dich 

fo trüb’ gejtimmt! 
Agnes. Die Stelle ſucht' ich auf, wo Straubing liegt. 

Mir ahnt, daß ich dort viel erleben werde. 
(Der Zwiſchenvorhang fällt.) 
(Berwandlung.) 


Zweite Greene, 
(Gemad im alten Hof zu Münden. Bei Herzog Ernft, der am Arbeitstijche fißt, 
befindet fich feine Tochter, die Pfalzgräfin Beatrix.) 
Ernſt. Das Reuegeld Hat Würtemberg erlegt 
Und damit ijt beendet diejer Vorfall 
So ehrenvoll für uns, als immer möglich. 
Beatriv. Zumal wenn jchleunig ſein Berlöbnis Folgt 
Mit diefer viel ummorbenen Prinzeſſin, 
Die ich jo glücklich war, ihm zu erfiejen. 
(Georg von Gundelfingen und Friedrid Aichſtätter treten ein.) 
Hat fi mein Sohn aus Vohburg angemeldet ? 
Georg von Gundelfingen. Bi dieje Stunde, Herr, geſchah es nicht. 
Ernſt. Das nimmt mich bei jo wicht’ger Sache wunder! 
Georg von Gundelfingen. Deut’ ich es recht, jo iſt's Ver— 
legenheit, 
Die ihn zurückhält, Herr, ſich hier zu zeigen. 
Ernſt. Ihr denkt an das leichtfert'ge Abenteuer, 
In das er ſich zu Augsburg eingelaſſen? 
Beatrix. Als Bräutigam, der vor der Hochzeit ſtund, 


Und überdies mit einer ſo Verruf'nen! 28 
Greifs Werke. III. 


434 Agnes Bernauer. 


Ernit. Ich hätt! es ftrenger ihm verweijen jollen, 
Als ich's gethan, mit Rückſicht auf jein Übel, 
Bon dem er mir aus Vohburg Kenntnis gab. 
Auch war mir allerhand verborgen noch, 
Wie, daß er fich verkleidet und dag Schwert, 
Um unbefannt zu bleiben, abgelegt. 
Beatrix. Nun aber Hoff’ ich, ift das Spiel zu Ende; 
Denn würde die Erlef'ne davon hören, 
So wär’ ihm ihre Huld dahin für immer. 
Ernſt. Ich gebe drob mich feiner Sorge Hin, 
Da er auch früher foldhen Banden fi 
So leicht entrang, ala er in ſie geraten, 
Und dazu jtellt die Pflicht ihm ihr Gebot, 
Ceit jih der Zuftand Wilhelms hat verjchlimmtert. 
Beatrix. Der armen Muhme, jeinem Eh'gemahl, 
Ward zum Entichluß der Wunfch, zu ihm zu eilen. 
Friedrich Aichitätter. Die Ruhe, hofft der Arzt, die er genießt, 
Wird bald’ge Rückkehr feiner Kräfte bringen. 
Ernft. Gott gebe, daß fich dies und bald erfüllt! 
(Ein Bage tritt auf und ſpricht mit dem Hofmeifter.) 
Georg von Gundelfingen. Der Vicedom von Straubing harıt 
Befehls. 
Ernit. Er möge allfogleih vor ung erjcheinen. 
(Der Page geht wieder ab.) 
Was führt jo unverhofft ihn her nach München ? 
(Der VBicedom tritt auf.) 
Ernſt. Ich Hatte meinen Sohn jtatt Euch erwartet, 
Dem e3 jedoch in Bohburg nicht jehr eilt. 
Der Vicedom. Noch mehr als dies, er weigert fich zu kommen. 
Ernſt. Wie fam der Troß ihn an? 
Der Vicedom. Er ſchlug e& ab, 
Nach Eurer Gnaden Plan ein neu’ Gelöbnis 
Mit einer Ebenbürt’gen einzugeh'n. 
Ernſt (auf den Tiſch ſchlagend). Um fort zu buhlen mit der Baders— 
tochter! 
Der Vicedom. Die ihn gefangen hält nicht nur durch Reize, 
Nein, mehr noch durch das Mittel böjen Zauber?. 
Ernft. Durch böjen Zauber! Ja, das kann es fein. — 
Wißt Ihr auch ficher, daß fie bei ihm weilt ? 
Der Vicedom. Mit eignen Augen ſah ich ihren Einzug, 
Den mir von Augsburg her ein Winf verraten; 


Dritter Alt. Zweite Scene. 435 


Doch Hielt auch dort ihr Zauber Schon ihn feft, 
Und Straubing, das ihm doch zum Sit gewiefen, 
Sah ihn bisher noch nicht in feinen Mauern. 
Beatrir. Der Thor, der fi um jolcher Kurzweil willen 
Zerwirft mit feinem gnadenvollen Vater! 
Er weit nicht, was er feinem Stande jchuldet. 
Traun, wenn ich unſre Muhme vor mir ſehe 
Im vollen Glück der jungen Mutter jtrahlend, 
Gerat’ ich allemal in Zorn auf ihn, 
Dem feine Königstochter fich geweigert. 
Ernſt. Und eine Dirne nahm er dafür auf! 
Der Bicedom. Doch die ala echte Fürjtin möchte gelten! 
Ernſt. Wie jo? 
Der Bicedom. Mit einem Hof umgiebt er fie, 
Wie er auch einer Herzogin genügte. 
Ernſt. Da fehlt nur noch der Ehering am Finger! 
Beatriv. Den fie im Traum fich wohl ſchon angejtedt. 
Ernſt. Was wahr zu machen ich ihr nimmer riete! 
(Zu Gundelfingen.) 
Ihr habt gehört, wie ſich's mit ihr verhält; 
Was meint Ihr wohl, daß da gejchehen müſſe? 
Georg von Gundelfingen. Auch wenn nicht? übertrieben an 
der Kunde, 
Der Hoffnung leb’ ich doch, daß Euer Sohn 
Bon ſelbſt entfagen wird verbot'ner Liebe. 
Wenn ſich das erjte Feuer hat gelegt, 
So währt's nicht lang, bis daß es ganz erlofchen. 
Ernft. Ihr ratet aljo, vorerjt zuzumarten. 
(Zu Friedrich; Aichitätter.) 
Und Ihr? 
Friedrich Aichſtätter. Ich jeh’ es als ein Fieber an, 
Das, abgejchnitten durch ein jähes Mittel, 
Von neuem ausbricht mit erhöhter Stärke. 
Ernft. Und Euer Schluß? P 
Friedrich Aichitätter. Kein Überftürzen, Herr! 
Beatrix. Doc, fürcht' ich, allzurafch nur wird die Kunde 
Zu Anna an den Hof von Braunfchweig dringen. 
Ernft. Dem ftimm’ ich, Liebe Tochter, völlig bei. 
(Zum Bicedom.) 
Wie aber ihn von diefem Weib befrei’n ? 


436 Agnes Bernauer, 


Der PVicedom. Mit eil’ger Hand und nachſichtsloſer Strenge. 
Ernſt. Wenn jonjt nichts Fruchtet, ja! jedoch nicht früher. 
Der Bicedom. Dann bleibt vorerjt der Weg der Lijt nur übrig. 
Ernſt. Nur dürfte fich fein Trug damit verbinden. 
Der Vicedom. Es gilt, in eine Lage ihn zu bringen, 
Wo er vor den Entichluß gejtellt fich fieht, 
Zu wählen zwiſchen Ehre oder Schande, 
Denn, daß er jener folgt, des bin ich ficher. 
Ernſt. Wie ich auch jelbit. 
Der Vicedom. Berichied’ne Wege gäb's, 
Und einen wüßt’ ich gleich, der ganz verläfiig. 
Ihr ichreibt ein Preisturnier in Eile aus, 
Doch nur für Ritter, die aus unſerm Land, 
Und jagt Euch an dazu mit Eurem Sohne. 
Sobald nun diefer vor den Schranfen hält, 
Gebietet Ihr, ihm dieje zu verjchließen, 
Und laßt ihn wiſſen, man bejchuld’ge ihn, 
Zu Vohburg auf dem Lafterpfühl zu liegen, 
Was er zugeben oder leugnen möge. 
Ernſt. Dies würde freilich ſchwer genug ihm fallen. 
Der Vicedom. Zumal e3 dabei feine Ausflucht gäbe! 
So blieb’ ihm denn nichts übrig in der Not, 
Als das Gelöbnig, fich von ihr zu trennen. 
Ernit (naydem er ſich befonnen). Nicht übel ausgedacht, muß ich 
befennen. 
(Zu Georg von Gundelfingen.) 
Was haltet Ihr davon? 
(Aichſtätter und der Wicedom reden zufammen.) 
Georg von Gundelfingen. Ich fürchte, Herr, 
Daß eine Wunde ihm zurücd wird bleiben, 
Die nimmermehr verharjcht. 
Ernit. Es braucht den Schnitt; 
Nur offenbare Beſſ'rung tilgt den Makel. 
Beatrir. Jedoch läßt fich das Ziel auch wohl erreichen, 
Wenn Du zuvor ibn dort zu Dir beruft 
Und ihm die Schmach entdedjt, die unvermeidlich. 
Ernſt. Ich will bedacht auf Deinen Wunfch verbleiben 
(Zum Bicedom.) 


Und denke zu vollführen Euren Plan! 


Dritter Alt. Dritte Scene. 437 


(Zum Hofmeifter.) 
Mir halten das Turnier in Regensburg. 


Sorgt, da die Kunde jchleunig fich verbreite. 
(Ale brechen auf.) 


(Berwandlung.) 


Dritte Scene. 


(Zurnierplaß auf dem alten Kornmarkt zu Regenzburg mit dem Herzogshof 
und Römerturm im Hintergrund, rings von Volk umlagert, mit in der Mitte ge- 
öffneten Schranken, zu deren Seiten am Gebälf die Wappen der turnierenden 
Ritter angebradit find. Zur Linten iſt die herzogliche Tribüne mit gededtem Gin- 
gang erbaut. Zurnierdögte halten unter der Menge Ordnung. Der Herold 
fteht bei den Schranken; der Bicedom, ferner die Straubinger Ritter Hans 
don Degenberg und Emmeran Nusperger, fowie Junker Rem find ver- 
fammelt, dieje alle in nicht turniermäßigem Anzug. Tuſch. Herzog Ernit, jeine 
Tochter Beatrir an ber Seite, tritt mit Gefolge auf.) 


Ernſt. Mit Huld erwidern wir den treuen Gruß! 
(Zum Bicedom.) 
Weiſt meinen Sohn, wie ich zuvor befohlen, 
Sobald er angelangt, zu mir empor! 
Ich Ichenkte gern ihm die jo bittre Probe. 
Beatrix (zum Bicedom). Laßt ihn nicht zweifeln dran, daß es 
fein Bater 
Don ganzem Herzen wünjcht, und ſetzt Hinzu, 
Wie ich, als jeine Schweiter, ihn auch bitte! 
Der Bicedom. Ich halte Wort und werde ihn vermahnen. 
Ernft. So laſſ' ich alsbald dag Turnier beginnen — 


(Indem er weiter fchreiten will, Rem erblidend.) 


Mer ift der fremde Ritter? 
Der Vicedom. unter Rem, 
Der fich zum Zeugnis wider fie erboten. 
Ernft. Das aber eidlich er befräft'gen muß! 
Der Vicedom (eine Schriftrolfe übergebend). Dies iſt bereits gejcheh'n, 
wie hier beglaubigt. 
Ernſt. Ihr thatet wohl daran, dies vorzujeh'n! 
Beatrix (für fi). Der Bli gefällt mir nicht an diefem Mann. 


Ernſt bejteigt mit feiner Tochter und dem Gefolge die Tribüneund giebt da3 Zeichen 

zum Beginn des Turniers. Trompetenftöße, die aus der Tiefe des Turnierplaßes 

erwibert werden. Die Turnierbögte treten mit ihren Stäben zum Herold an die 
Schranken. Das Volt nimmt dur Blid und Gebärden teil am Turniere.) 


Gmmeran Rusperger. Wenn ſich nun Albrecht aber doch bedächte? 


438 Agnes Bernauer. 


Hand von Degenberg. Dann hätten wir umſonſt den Weg ge- 
macht. 
Der Vicedom. Das fürchtet nicht! Der langvermißte Schall 
Der jchmetternden Drommete wird ihn loden, 
Daß er für jede andre Regung taub. 
Hans von Degenberg. Auf gut Gelingen denn! So giebt 
er's auf, 
Ung, wie er damals drohte, lahm zu legen! 
(Sie begeben fi mit dem Vicedom zur Tribüne. Rem pojtiert fi) unter dem ge— 
dedten Eingang derjelben. Albrecht tritt ſtürmiſchen Schritt? heran in Helm 
und Rüftung, die Lanze in der Hand, gefolgt von Parzival Zenger und Sandi— 
zell, fowie anderen bayerijhen Rittern und Knappen. Mädtige Trom— 
petenftöße werden vom Turnierplatz her vernommen, troßdem wendet das Volk ihm 
jeine Blicke zu.) 
Stimmen im Boll. Seht an, wie fühn und ſtark! — Ein 
hoher Ritter! 
Albrecht. Sorgt, daß der Renner mir wird nachgeführt! 
(Ein paar Knappen eilen zurüd.) 
Bor Eifer brennt mir's Herz, mit vollem Stoß 
Den Widerpart zu heben aus dem Gattel 
Und zu verftechen manchen guten Speer. 
Der Vicedom (Hervortretend). Herr, wollt Ihr nicht zuvor den 
Vater grüßen ? 
Albrecht. Ihr Hört, wie dringend die Drommete lädt! 
Sch denke, dort mir aus der Schweiter Hand 
Den Preis des Gieges nach dem Kampf zu holen, 
Und dann werd’ ih auch ihm willkommner fein. 
So ſchreit' ich in die Bahn, herbei den Berber! 
Parzival Zenger. Herr, Euer Wappen jehlt! 
Sandizell. Das Wappen 
fehlt! 
Er hört nichts mehr vor lauter Kampfbegier. 
(Indem Albrecht in die Bahn ſchreiten will, treten ihm die Turniervögte mit ben 
borgehaltenen Stäben entgegen.) 
Albrecht. Was kommt euch an? 
(Ihnen den Schild entgegenhaltend.) 
Kennt hr nicht dieſen 
Schild, 
Den goldnen Leu im weiß und blauen Feld, 
Den Kaiſer Ludwig im Panier geführt, 
Und der als nachbarlich euch wohl vertraut? 


Dritter Alt. Dritte Scene. 439 


Ihr ſchweigt und hattet doc) ihn hier vor Augen, 
Wo fich mein Wappen auch vorfinden muß. 


(Indem er umherbliet, ziehen fich = — eilig hinter die Schranken 


Die Ritter Albrechts. Herr, — Wappen fehlt! —— 
t's 
Albrecht. Mein Wappen fehlt, das nach dem Brauch ich ſandte, 
Ob es der Prüfung auch nicht mehr bedurft? 
(gum Herold.) 
Wie fam dies wohl? Doch was noch frag’ ich lange? 
Ihr Hört, wie dringend die Drommete lädt! 
Gebt Raum und laßt mich ein! 
(Die Schranke ſchließt fih don innen.) 
Was geht hier vor? Wer wagt es, diefen Schimpf 
Mir, einem Wittelsbacher, anzuthun, 
Als wär’ ich ein um Raub verfemter Ritter 
Und nicht ein Fürst, der Kriegeslorber pflüdte 
Und Bayerns Namen in die Feinde trug! 
(Er öffnet das Bifier,) 
Kennt Ihr mich wohl? 
Der Herold. Ihr jeid der Herzog Albrecht. 
Das Boll. Der Herzog Albrecht iſt's von Bayern. Hoch! 
Albrecht. Und dennoch jchloffen fih die Schranfen mir? 
Der Herold Glbrechts Wappen ihm entgegenhaltend). So iſt es, Herr, 
Ihr ſeid nicht zugelaſſen! 
Albrecht. Nicht zugelaſſen, und aus welchem Grunde? 
Die Ritter Albrechts. Her mit dem Wappen unſres gnäd'gen 
Herrn! — 
Wir laſſen ihm ſo argen Schimpf nicht bieten! 
Stimmen im Volke. Er darf nicht mitturnieren! — Hörtet 
ihr's? 
Ein ſolcher Ritter! 
Der Vicedom (gu Bolt und Ritter). Ruhe allenthalben! 
Der Herold. Nach altem, Löblichem Turniergeſetz 
Darf Einer, der von unbefledtem Adel, 
Sa, ob er ſelbſt von fürjtlidem Geblüt, 
Sich nimmer wagen fürder in die Schranfen, 
Dafern er ſchimpflich in Unehe Lebt. 
Albrecht. Wo treff ich Den, der dies von mir behauptet ? 
Ernit (aufjtehend von oben). Hier! 
(Zautloje Stille. Junker Rem tritt auf den Wink des Vicedoms hervor.) 


440 Agnes Bernauer. 


Albrecht. Mein Bater! 
Ernſt won oben. Du wohnit zu Vohburg auf befagte Weife 
Mit Einer, die tief unter Dir geboren, 
Mit Agnes, der Bernauerin von Augsburg; 
Wer aber dieſe, 
(auf Junker Rem deutend) 
wirft Du dort vernehmen! 
Stimmen des Volks. Seht den rothaar'gen Fuchſen an! Den 
Schelmen! 
Albrecht. Ihr wagt es, vor dag Antlitz mir zu treten ? 
Rem. Was jollt' ich mich vor Euren Blicken fcheuen ? 
Albrecht (ihm mit der Lanze drohend). ntweicht, ſonſt fommt Ihr 
in den Staub zu liegen! 
(Zu Ernft.) 
Auf eines Solchen Zeugnis acht!’ ich nicht! 
Ernjt (won oben. So werd’ ich) Dich darauf zu gſhtan lehren! 
(zu Junker Rem.) 
Befennt, was Ihr von der Beicholt'nen wiſſet. 
Junker Rem. Ich jah fie oft in ihres Vaters Haug, 
So lang ihr Wandel noch ein zücht'ger war, 
Doch bald genug ließ fie die Blicke ſchweifen 
Biel freier, als ſich einer Jungfrau ziemt. 
Ernit. Hörſt Du! 


Albrecht. Er lügt und läſtert, die ihn floh! 
Ernſt. Fahrt fort! 
Rem. Sie hing ſich Kupplerinnen an 


Und warf, von einer Hexe unterrichtet, 
Sich aufs Bezaubern, um durch Liebestränke, 
Die ſie gelockt, in ihre Macht zu bringen, 
Und ſo geriet auch Er in ihren Bann. 
Albrecht. Du lügſt! Die Du zu Fall zu bringen dachteſt, 
Doch deren Tugend Dir im Wege ſtand, 
Sie willſt Du Deiner niedern Rache opfern: 
So jtoß’ ich, nach Gebühr, Dich in den Staub! 
(Er wirft ihn durch einen Lanzenſtoß in den Staub; alles gerät in Bewegung. Der 
Herzog mit feiner Tochter, dem VBicedom und dem Hof verläßt die Tribüne, das 


Volk durchbricht die Schranken und drängt don allen Seiten heran, auch ſtürzt 
ein Teil der turnierenden Ritter herbei.) 


Stimmen des Boll. Cr hat jein Teil! — Nur Recht ift ihm 
geſcheh'n! 

Der Vicedom (zu den Turniervögten). Schafft den Verwundeten in 
Sicherheit. 


Dritter Akt. Dritte Scene. 441 


(Rem wird hinmweggetragen.) 
Albrecht (wirft den Handihun Hin. Wer ihre Unjchuld Teugnet, 
heb' ihn auf! 
(Der Handſchuh bleibt Liegen.) 
Ernft (wor feinen Sonn Hingetreten). Ich könnt' es thun, wär'ſt Du 
der Ehre würdig, 
Doch werd’ ich zücht'gen Dich auf andre Art! 
Entwürdigt haft Du Di und Deinen Stamm, 
Indem Du diejer Dirne Dich ergabit — 
Und dafür — | 
Beatrix Gihm in die Hand fallend). Halt ein! Du weißt nicht, was 
im Zorn Du thuſt! 
Parzival enger (zu den mit Albrecht gefommenen Rittern). Schart 
Euch um unſern Herrn! 
Sandizell. Ihm droht ein Schimpf! 

Die Ritter. Die Schwerter los! Wir laſſen es nicht zu. 
Stimmen des Volks. Sie ſchützen ihn als ſeine treuen Mannen. 
(Die Ritter rotten fih um Albrecht.) 

Albrecht. Hört alle mich, die Ihr mich jeht mikachtet! 
Es ijt Verleumdung ohnegleichen, alles, 
Was Ihr vernommen aus des Schelmen Mund! 
Und jo erflär’ ich denn vor jedermann, 
Daß, die zu Vohburg mir zur Seite Lebt, 
Mein ehlich mir vor Gott getrautes Weib. 
Ernft (urücktaumelnd). Mein Sohn, vermählt mit einer Baders- 
tochter! 
Beatrir. O Bruder, biſt Du denn von Sinnen gänzlich! 
Albrecht. Weil ich nicht nochmals Deiner Wahl gefolgt? 
Beatrir. Die Du bereut nicht Hätteft, darfit Du glauben. 
Komm, Vater, nimm Dir's nicht jo zu Gemüt! 
(Sie faßt den Vater am Arm.) 
Der Vicedom (u Ernſt). Ihr ſeht nun jelbit, daß ihn das 
Weib bezaubert. 
Albrecht. Um offenbar zu machen vor der Welt, 
Was nad) der Wahrheit eben ich verkündet, 
Berbring’ ich die Vermählte Hin nad) Straubing, 
Wo fie mit mir das Schloß bewohnen wird, 
Der gleichen Ehren teilhaft, wie ich jelbit. 


Agnes Bernauer. 


442 


Das Volk und ein Teil der Ritter. Hoch Lebe Albrecht und 


fein Eh'gemahl! 
(Herzog Albrecht enteilt, von Parzival eh Sandizell und feinen anderen Rittern 
gefolgt. 
Ernſt (nachdem er fi gefaßt). Weh' ihr, wenn fie e& wagt, an 
feiner Seite 
Als Herzogin in Straubing einzuzieh'n! 
(Der Vorhang fällt.) 


Ende des dritten Aktes. 


Wierter Nkt. 


Erſte Scene, 


(Bor dem Schlofſe zu Straubing mit dem Ausblid auf die damals noch nicht 
durch Bauten verdedte Donau. Kurze Dekoration. Es dunkelt. Jörg und Afra 
treten auf. In der Ferne Hört man Hochrufe und Mufik.) 


Jörg. Da wollen wir am Wege fie erwarten, 
Wenn e& Dir recht. 

Afra. Du glaubt nicht, wie ich froh, 
Daß wir entronnen dem Gedräng’ am Marfte. 

Jörg. Ich hatte gleich ſchon nach dem Schloß getrachtet ; 
Uns ihr zu nähern find wir einmal da, 
So müſſen wir das Herz dazu auch fafjen. 


(Sie ftellen fi) Hinter dem Schloßbrunnen auf. Hans Zenger tritt mit 
feinem Sohne Barzival und mit Sandizell auf. Die Mufif und das Gedränge 
fommen näher.) 


Hans Zenger. Was iſt dies für ein trauriger Empfang 
Bei allem Jubel, der die Luft erfchüttert 
Und warm Gefühl dem falten Pomp vermengt, 
Durch den die ird’sche Hoheit jich verfündet, 
Als gäb’ es ohne Hofjtaat und Gefinde 
Auch feine Herzogin. Doch diefe wahrlich 
Bedarf Gepränges nicht; ihr bloß’ Erjcheinen 
Beglaubigt fie genug für jeden Blid, 
Hat ihr gemangelt auch die jtolge Wiege! 

Wolfram Sandizel. Doch aller Zulauf jchafft ihr nicht den 

Schuß, 

Den fie in Bohburg hatte. 

Barzival Zenger, Wie es jcheint, 
Sit etwas gegen fie bereits im Werke. 
Der Vicedom iſt nicht zurüdgefehrt, 
Und niemand weiß, wohin er fich begeben. 


444 Agnes Bernauer. 


Hans Zenger. Ich warnte unjern Herrn, wie ich nur konnte; 

Stet3 aber fam er auf den Schimpf zurüd, 

Der ihr in Regensburg bereitet ward, 

Sp unverdient als ausgefucht an Härte; 

Doch iſt dies längjt Euch fund. Da nah'n fie endlich. 
(Der Zug erſcheint, von Bewaffneten und mufizierenden Spielleuten eröffnet 
und von jubelndem Volk begleitet. Albrecht führt Agnes, der Gdeldamen 
die Schleppe tragen; diejen jchließt fi) das Gefolge an, aus Rittern und Mit- 
gliedern der ftändijhen Landihaft, darunter Hans don Degenberg, 


Emmeran Nusperger und Paul Arefinger, fowie den erften Bürgern 
der Stadt beitehend. — Bewaffnete beſchließen den Zug.) 


Das Boll. Hoch lebe Herzog Albrecht, unſer Herzog! 
Hoch lebe Agnes, unfre Herzogin! 
(Albrecht Hält, die Muſik veritummt.) 
Albrecht. Dies iſt das Schloß, das fünftig wir bewohnen, 
Und wo Du Hof wirjt Halten mir zur Seite. 
Agnes. SD, Albrecht, Du bedachtejt mich zu reich! 
Du weißt, ich jtrebte nicht nach diefen Ehren. 
Albrecht. Zum Wittum Hab’ ich Vohburg Dir beftimmt — 
Doch jeh’ ich wohl, der Tag hat Dich ermüdet. 
(Zum Gefolge.) 
Wir wollen länger euch nicht mehr bemüh'n, 
Die Herzogin will ſich zur Ruh’ begeben. 
Hand von Degenberg (su Nusperger halblaut). Ihr habt gehört, 
wie er fie offen nannte! 
Agnes (mit einer Verbeugung zum Gefolge). So freundlicher Empfang 
bleibt mir gedenk. 

(Das Gefolge entfernt fich nach einer tiefen Verbeugung vor dem Paare. Der Zug 
löſt fich auf, nur die Bewaffneten bleiben zurück; auch das Volk verläuft jih. Aus 
dem Schlofſſe treten Kerzen tragende Bagen hervor, um voranzuleuchten.) 
Agnes (zu Hans Zenger). Auch Ihr nun folltet Ruhe Euch ver- 

gönnen! 
Hans Zenger. Als alter Kriegsmann fenn’ ich fein Ermüden, 
Und die da jollen jich nur wader tummeln. 
Agnes (zu Albrecht). Um meinetwillen nur fein Ungemach! . 
Wolfram Sandizell. Biel fehlt dazu, daß jolches wir ver- 
ſpürten. 
Parzival Zenger. Wir würden Größres gern um Euch erleiden. 
Hand Zenger. Nun wollen wir die Runde nochmals machen. 
(Alle drei entfernen fich mit einem Teil der Bewaffneten.) 


Albrecht gu Agnes). Die Stadt bedarf der Hut und Wachſamkeit. 


Bierter Akt. Erſte Scene. 445 


Agnes. Steht dort nicht Afra neben Jörg? Sie find’! 
(Sie eilt auf beide zu, Albrecht folgt ihr.) 
O, welch ein unerwarteter Bejuch! 
Kein größer Glüd, fürwahr, konnt’ ich erträumen. 
(Sie will Afra umarmen.) 
Was zagit Du fo? 
Afra. Du biſt ja Herzogin. 
Agnes (fie umarmend). Für Dich bin ich geblieben, die ich war. 
(Zu Albredt.) 
Sieh Her, aus Augsburg find es liebe Gäjte! 
Aldredt. Sie follen ung willfommen jein in Straubing. 
(Er begrüßt beide.) 
Agned. Du Haft mit Jörg doch recht behalten, Albrecht. 
Und Hatte nicht der Vater felbjt auch Luſt? 
Jörg. Es fteht nicht gut mit ihm. 
Agnes (erſchrocken). Was jtieß ihm zu? 
Jörg. Seit ihm befannt geworden durch den Nachbarn, 
Was vom Turnier zu Regensburg erjchollen, 
Sit feine Ruh’ dahin und all fein Frohmut. 
Agnes. O, daß es bis zu ihm auch mußte dringen! 
Afra. So blieb uns nichts mehr übrig, als zur Kundichaft 
Uns auf den Weg zu machen. 
Agnes, Armer Vater! 
Könnt’ ih ein Stündlein manchmal ihn erheitern! 
Jörg. In aller Frühe fehr’ ich heim zu ihm. 
Afra. Doc Holit Du bald mich ab zu jeiner Pflege — 
Agnes kin ſchmerzlichem Tone). Die ich ihm jchuldig wäre als fein 
Kind. 


(Ein Trompetenitoß.) 
Albrecht. Wer naht fich ung noch in jo jpäter Stunde? 


(Hans Zenger und jeine beiden Begleiter treten auf mit einem Edelmann 
in Reijetracht, gefolgt von ein paar Bewaffneten.) 
Hans Zenger. Aus Landshut, Herr, ein Bote Herzog Heinriche. 
Albrecht (den Ritter Heranwintend). ch fenn’ ihn wohl, Aheimer 
it jein Name. — 
Gebt her den Brief! Wir taujchten ſolche Pfänder 
Seit langem nicht. — 


(Er öffnet den Brief, wobei ihm die Pagen leuchten. Die Begleiter Zengerz ziehen 
den Ritter ins Geſpräch.) 


Schon Eine Kerze thut’2. 


446 Agnes Bernauer. 


Agnes (für fi). Gott gebe, daß er nicht von hinnen mul’ — 
(Zu Hanz Zenger.) 
Ihr ſeht, wir Haben hier Bejuch erhalten! 
Hans Zenger. Wohl die Gevatterin? Und Jörg dazu. 
(Er begrüßt beide.) 


Agnes. Vom Vater fam mir leider jchlimme Kunde! — 
Doh mein Gemahl jcheint wie bejtürzt zu fein. 
Albrecht. Der Herzog läd zur Jagd mich ein nad) Landshut, 
Um insgeheim Eröffnung mir zu machen 
Von einem Schreiben, das mein Ohm ihm ſandte, 
Der äußerſt ungehalten über mich. 
Agnes. Und er war ſo gewogen Dir ſeither! 
Albrecht. Warum er zürnt, iſt mir nur zu bekannt. 
Doch hoff' ich, bald ihn wieder zu verſöhnen, 
Zumal als Mittler Heinrich ſich erbot. 
Hans Zenger. Bedenkt Euch aber, Herr, bevor Ihr zuſagt 
Und Euch von hier ſo bald hinweg begebet! 
Albrecht. Der kurze Weg erſpart mir einen weiter'n! 
(Zu Agnes.) 
Doch nur, wenn Du auch einverſtanden biſt. 
Agnes. Du weißt, wie ich dem Ohm bin zugethan. 
Hans Zenger. Herr, laßt gewarnt Euch ſein! 
Albrecht. Beruhigt Euch, 
Ich werde jede kluge Vorkehr treffen. 
(Zu dem Edelmann.) 
Ihr könnt dem Vetter melden, daß ich komme! 
Hans Zenger. Ich weiß von Einem, der's verhüten wird! 
(Indem alle nach dem Schloß aufbrechen, fällt der Zwiſchenvorhang.) 
(Berwandlung.) 


Zweite Greene, 


(Der Kreuzgang bei den Karmelitern in Straubing mit der Kirchen- und 
Klofterpforte, die fi) gegenüber liegen. Kurze Dekoration. Es ift früher Morgen. 
Rah kurzer Weile wird dreimaliges Klingeln, als Zeichen der erhobenen Hoftie, 
aus der Kirche vernommen. Durch deren Thür tritt im Morgentot ein geflügelter Engel 
herbor, der eine Lilie in Händen hält und dieſe, vorüberwallend, an einer nahen 
Stelle des Kreuzgangs, an der ſich noch fein Grab befindet, niederlegt, worauf er fid 
leiſe dureh diejen weiter bewegt und entihwindet. Aus der offen gebliebenen Pforte 
tritt nach einer Paufe Johann don Indersdorf mit einem unbefhuhten Kar— 
meliter hervor, um Albrecht und Agnes zu erwarten, denen außerdem noch 
Afra, die beiden Zenger und Sandizell folgen.) 


Vierter Alt. Zweite Scene. 447 


Sohann von Indersdorf (mit zum Segen erhobener Hand). Der Herr 
bewahre Euch bis an das Ende 
Im jel’gen Glaubenzjtand als jeine Kinder! 
Er hebe und er leite Euren Blid 
Bom Duft empor zum Ziel, das Euch verheißen! 
Er jende jeinen Engel vor Euch her, 
Dem fund die Wohnungen des Friedens, 
Zu führen Euch zu ihren Pforten! Amen. 


(Der Karmeliter tritt mehr zurüd.) 
Albrecht. Wir danken für Beſuch und Gnadenjpende. 
Agnes. Ihr ahntet dort, wie jehr Ihr ung erwünjcht. 
Sohann von Indersdorf (mit einem Blick auf Hans Zenger). Und doch 
erſchien ich Hier nicht ungerufen. 
Albrecht (auf Hans Zenger deutend). Da haſt Du den Beſteller gleich 
vor Dir. 
Hans Zenger. Ich rief ihn her, daß er den Herrn beſchwöre, 
Uns jetzt in Straubing nicht allein zu laſſen. 
Albrecht (zu Agnes). Der Ohm, von dem der würdige Dechant 
Soeben fommt, verlangt jedoch nach mir. 
Ich wollte Dir zu Nacht den Schlaf nicht rauben. 
Ein ſchwerer Schlag jteht uns bevor. 
Agnes. D Himmel! 
Wo traf't Ihr ihn am Wege? 
Sohann von Indersdorf (bewegt). Hart vor München, 
Die treubejorgte Gattin an der Seite, 
In deren Arm das bleiche Söhnlein jchlief. — 
Dort jah ich ihn zum legtenmale wohl. — 
Agnes. Welch harter Schlag für fie, die Schwergeprüfte! 
Albrecht. Bon hier weg eil’ ich zu dem Teuren Hin! 
Er war die Säule, drauf das Glück uns ruhte. 
(Zu Johann von Indersdorf.) 
Ihr dachtet, bis nach Landshut mir zu folgen? 
Johann von Indersdorf. So iſt mir's aufgetragen durch den 
Frommen, 
Der nicht mit eigner Hand mehr ſchreiben konnte, 
Was dorthin unter ſeinem Siegel ging. 
Albrecht. Ich werd' ihm unſern ew'gen Dank beteuern! 


448 Agnes Bernauer. 


(Agnes bei der Hand erfafjend.) 

Inzwiſchen aber bleib’ mir wohl behalten! 

Ich übergab Dich meinem alten Wächter 

Und weiß Dich alfo hier in fich’rer Hut. 
Hans Zenger. Herr, was in meinen Kräften jteht, gefchieht. 
Albrecht (Agnes in die Arme fäliegend). Sei unbejorgt! Wir jehen 

bald ung wieder! 

Agnes. O, Albrecht, mich erfüllt unjel’ge Ahnung, 

Doch will ich Dich nicht im Entſchluß erſchüttern. 

Zieh’ hin, wie Dir es Deine Pflicht gebietet! 
Albrecht (ihr das Haar ſtreichelnd). Sei ohne Sorge, alles wird 

noch gut! 

Agned. Wenn Gott uns jchenkt, daß ich Dich wiederjehe, 

So will ich ihn Lobpreifen jtets dafür! 

Leb’ wohl, und grüß’ den armen Ohm. Leb' wohl! 
(Nach dem Abſchiedskuß enteilt Albrecht einige Schritte weit, kehrt aber nochmals 
in ihre Arme zurüd zu langem, ſtummem Abſchiede. Nachdem er fich losgeriſſen, 
entfernt er fi rajch mit Johann don Indersdorf, der Agnes im Abgehen jegnet, 
Parzival Zenger und Sandizell durch die äußere Pforte, von dem ihn geleitenden 

KRarmeliter verabſchiedet.) 
Agnes cinm nachblickend). Er ift dahin und ach! dem Blid ent- 
ſchwunden! 

Afra. Laß Dir das Herz nicht allzu trübe werden! 

Ich bin bei Dir, bis Du ihn wieder haſt, 

Und um ſo trauter dann kehrt Dir das Glück. 
Agnes. Du magſt mich ſchelten, hörſt Du mein Geſtändnis: 

Vollkommen glücklich bin ich nie geweſen. 

Dies niederdrückende Gefühl der Angſt 

Schreib' ich des Unheils ſteter Nähe zu, 

Daher es mich auch niemals ganz verließ, 

Selbſt nicht im Augenblick der höchſten Wonne: 

So blieb die Pforte mir des Glücks verſchloſſen. 
Afra. Und ward er ſelbſt nicht Deiner Schwermut inne? 
Agnes. Wohl nahm er ſie zu Zeiten auch gewahr, 

Gab ich mir Mühe gleich, ſie zu verbergen. 

Mußt' ich ihm doch entlocken manch' Geheimnis, 

Das er aus Schonung mir verſchweigen wollte. 

So kam es ſchon am Tage unſ'rer Hochzeit, 

Daß ich ihn traurig ſah. Auf meine Bitte 

Geſtand er mir die Werbung endlich ein, 

Die ihm aus Braunſchweig eben zugegangen, 


Dierter Alt. Zweite Scene. 449 


Und damals flofjen mir die eriten Thränen. 
So war am ſchönſten Tage meines Lebens 
Mir ſchon der Liebe Rojenzeit verblüht. 
Afra. Doch war er nicht beitrebt, mit neuer Hoffnung 
Dich zu beleben ? 
Agnes. Treulich that er dies, 
Wie er an mir noch hängt mit gleicher Liebe, 
Als in der Stunde, da er mich gewonnen; 
Doch was er, vom Turnier zurückgekehrt, 
Mir anvertraut, warf alle Hoffnung nieder. 
Afra. Sie gaben Dich für ſeine Buhle aus 
Und ſchloſſen ſchimpflich ihm darob die Schranken. 
Der Vater weinte, als er es vernahm. 
Agnes. Dies glaub' ich wohl und ahnt' es gleich im ſtillen. 
Doch höre weiter! Dieſe Schmach bewirkte, 
Daß Albrecht mich zur Herzogin erhob, 
So ſehr ich ihn auch bat, es aufzugeben. 
Afra qachelnd). Du weißt, daß ich mich kaum heran Dir traute. 
Agnes. Wie reizte grimmig er dadurch den Vater, 
An deflen Zorn ich nur mit Schaudern denfe! 
So fällt mir ein oft Mutter Lintruds Wort, 
Und, wie ich fürchte, wird ſich's noch erfüllen. 
Afra. Gemwiß veritand fie unter Waſſer Thränen! 
Agned. Der Tod bleibt uns verborgen, bis er naht; 
Doch wunderfamen Troſt gewährt es mir, 
Wann bei den Karmelitern ich verweile, 
Hier unter diefen Gräbern dran zu denken, 
Wo ich die Stätte mir auch jchon erwählt. 
Was Ichimmert hier? 
(Sie geht mit Afra der Stelle zu.) 
Sieh, eine Lilie iſt's! 
(Sie erhebt die Blume.) 
Wie frifchgefall’ner Schnee jo rein und weiß. 
Seltjam! Dort liegt fie, wo zu ruh'n ich wünjche. 
(Indem fie, die Hände gefaltet, dafteht, tauchen Herzog Ernjt und der Bicedom, 
beide in ſchwarzer Tradt, aus der Kloſterpforte auf.) 


Ernit (der fi beiden unbemerkt genähert, halblaut). Da jteht fie leibhait, 
einem Engel gleich, 
Die Sünderin. 
Der Vicedom (ebenjo). Herr, jehet wohl Euch vor, 
Daß fie Euch nicht berüdt glei) Eurem Sohne! 99 
Greifs Werke. II. 


450 Agnes Bernauer. 


Ernit (ebenſo). Hat fie wohl Farrenkraut zur fich geftedt, - 
Das jchön macht, die es heimlich bei fich tragen, 
Und fich benegt mit Frühlingstau das Antlitz, 
Das davon leuchtend ward, gleich frühen Blumen ? 
Wer über Rojen jchläft, wird aljo jchön. 
Wenn fich in Flachs halbwüchſ'ge Mädchen wälzen, 
Gewinnen fie ein Haar von ſolchem Golde. 
Wär mir von ihr nichts weiter ſonſt bekannt, 
Ich hielte fie für eine feufche Jungfrau, 
Der einer Biene Stachel nicht kann jhaden. 
Der Vicedom (ebenjo). Herr, Fhr erliegt, jo fürcht' ich, ſelbſt 
dem Zauber! 
Ernft (Ebenſo). So hat fie, jtatt an ihrer Mutter Brüften, 
An denen einer Edelfrau gelegen! 
Seht an, wie fie, verfunten ins Gebet, 
Dem Himmel angehört mehr, ala der Erde! 
Der Vicedom (ebenfo). Und doch ließ fie als Herzogin Sich 
huld’gen 
In ihrem Stolz! 
Ernft (ebenio). Ich ſtell' fie auf die Probe! 
(Er tritt zu Agnes, gefolgt vom Vicedom.) 
Sch ſtör' Euch, doch ich bin hieher gewiefen. 
Agnes. Nach wen verlangtet Ihr? 
(Für fic.) 
Wer mag e3 fein ? 
Ernft. Seid Ihr's, die Herzog Albrecht Gattin Heißt? 
Agnes. Nicht heißt nur, jondern ijt, und dieje bin ich. 
Doch darf ich wiſſen auch, wer ſich mir nahte? 
Der Vicedom. Wir find aus Braunſchweig heimgefehrte Ritter. 
Ernſt. Ihr wißt, daß dort ihm Herzog Erich Tochter 
Zu ebenbürt’gem Bund ward auserjeh'n, 
Und daß den Bund jein Vater ſehnlichſt wünfchte ? 
Agnes. Dies Hört’ ich wohl durch meines Gatten Mund, 
Doch erſt, als uns der Priefter jchon verbunden. 
Ernſt (heimlich zum Vicedom). So find fie aljo wahrhaft doch vermählt ! 
(Zaut.) 
Und dennoch wagtet Ihr's, ihn zu bejigen ? 
Agnes. Ich habe nicht nach Albrechts Hand gejtrebt, 
Doch, ala er fie mir bot aus freien Stüden, 
Reicht” ich vor meinem Vater ihm die meine 
Und am Altar ward ich fein eh’lich Weib. 


Bierter Akt. Zweite Scene. 451 


Ernſt. Doh wenn nun Finder Euch) der Himmel fchentt, 
Was würde ihnen für ein Los zu teil? 
Agnes. Nach Rechten wird fie mein Gemahl bedenten. 
Ernft. Sie aber würden an das Erbe wollen, 
Wie andernfallz, wenn kinderlos hr bliebet, 
Sich Ingolſtadt und Landshut darum jtritten: 
Ein Krieg wär’ demnach unjerm Lande jtcher. 
Agnes. Mein Gatte ſprach von Herzog Wilhelm! Sohn — 
Ernſt. So fanntet Ihr das Siechtum ſchon des Fürften ? 
Agnes. Wir tragen beide um ihn bange Gorge. 
Ernft. Der Herzog Wilhelm ftarb vorvor'ge Nacht. — 
Agnes. Der Güt’ge tot! — 
(Zu Afra.) z 
Und eh’ ihn Albrecht ſah! 
Ernſt. Kommt Euch fein Ende gar jo unverhofft ? 
Agnes. Wir waren allzufurz nur vorbereitet. 
Ernft. Ihr Harrtet auf fein Sterben, geht die Rede! 
Der Vicedom (leife zu Ernit). Das traf fie in das Herz! — 
Agnes. Wer faßt den Sinn? 
Wir Hatten nicht? von feinem Tod zu hoffen, 
Doch viel verlieren wir mit feinem Schuß — 
Ernft. Für den er aber jchlimmen Dank geerntet! 
Are. Komm, laß ihn ftehn! Du Hörft, er läſtert Dich! 
Agnes. Erſchein' ich Euch glaubwürdig nicht genug, 
So mögt Ihr an den Herzog ſelbſt Euch wenden, 
Sobald er wiederfehrt! 
(Zu Afra.) 
Mir bangt vor ihnen! 
Enteilen wir! 
(Zu Ernft.) 
Es zieht mich da hinein, 
Zu beten für des Abgejchiednen Ruhe. 
Ernſt. Gebt Antwort mir vorher auf eine Frage! 
Als Herzog Wilhelm auf der Fahrt nach Bajel 
Zu Augsburg Eures Vaters Haus betreten, 
Da hattet eben Ihr den Dom beſucht, 
Und außerdem noch einen andren Ort; 
Den laßt mich wiſſen! . 
Agnes, Hort! Man jtellt mir nad! 
(Sie will mit Afra zur Kirche.) 
Der Bicedom. Ihr jündiges Gewiſſen treibt fie sun 
9* 


452 Agnes Bernauer. 


Ernſt (dazwiſchentretend.. Nicht von der Stelle! ch befehl’ es Euch! 

Agnes. Wen mir! Es iſt fein Bater! 

Granit. Sa, der bin ich. 

(Auf einen Wink des Vicedoms erſcheinen von der Klofterpforte Her Hans don 
Degenberg, Emmeran NRusperger und Paul Arefinger.) 


Ernst (au diefen.. Mein Sohn ift einer Zauberin verfallen! 
Es iſt die höchſte Zeit, ihn zu befrei'n. 
Agnes (vor Ernjt niederfintend). O, Herr, glaubt, was ih Euch 
vor Gott beteure! 
Ich bin unſchuldig! Alles iſt erfunden. 
Ernſt. Ihr Habt Euch jchwer an meinem Sohn verjündigt! 
Agnes. Die dies behaupten, kennen mich nicht, Herr. 
So bitt’ ich, daß Ihr ihn befragen wollet. 
Ihr urteilt anders, wenn Ihr ihn gehört! 
Ernſt. Auf feine Stimme fann ich nimmer achten, 
Da er behert! 
Agnes. Weh' mir! 
Ernſt (ich abwendend). Ich kehre heim, 


Dem Bruder das Begräbnis zu bereiten. 
(Zum Vicedom und den ſoeben Erſchienenen.) 


Ihr mögt ſie ſtreng, doch ohne Abgunſt richten! 
(Er enteilt, Hans Zenger wird von vier Häſchern herangeführt, weitere 
Schergen folgen.) 
Agnes. So bin ich nun den Feinden ausgeliefert! 
Afra. Sie haben den Gemahl Dir weggelockt! 
Agnes (Hans Zenger erblickend). Was ſeh' ich! Weh! Und Albrecht 
iſt geſchieden. 
Hans Zenger. Noch auf der Brücke ſtrauchelte ſein Pferd, 
Doch, faum gehoben, trug es ihn don dannen. 
Agnes. Sch werd’ ihn nimmer jchau’n, im Leben nimmer! 
Sein Vater übergab mich ihren Händen. 
Hans Zenger. Mich faßten fie, als ich ihm nahen wollte. 
Agnes. Wodurch verdient’ ich folchen argen Haß? 
Afra. Wenn Albrecht wüßte, was mit ihr gejcheh'n! 
Hans Zenger. Die Meutrer würden ſich vor ihm verfriechen. 
Der Vicedom (zu den Häſchern). Führt ihn hinweg, ich duld’ jie 
nicht beiſammen! 
Hans Zenger. Bon meiner Herrin lafj’ ich mich nicht trennen. 
Der Bicedom (auf ihn eindringend). So jcheid’ ich Euch von ihr. — 
(Er durchſticht ihn.) 
Hana Zenger (zu Agnes). Gott mög’ Euch ſchützen! 
(Ex ſtirbt.) 


Vierter Alt. Dritte Scene. 453 


Agnes. O Miffethat! 
Afra. Gemordet ijt der Treue! 
Der Vicedom. Er büßte, daß er das Gericht wollt’ hemmen! 
(Zu den Schergen.) 
Legt Hand an Agnes, die Bernauerin! 
(Indem die Schergen fie ergreifen, fällt der Zwiſchenvorhang.) 
(Berwandlung.) 


Dritte Scene. 
(Der Gerichtsjaal im Schloſſe von Straubing,mit ſchwarzem Tuch derhangen. 
Hinter den Schranfen ein erhöhter Tiſch in Hufeifenform, darauf inmitten zweier 
brennender Kerzen ein Kruzifir jteht. Cine Ampel hängt don der Dede herab. Der 
Eingang für die Richter ift durch eine Tapetenthür im Hintergrund, für die übrigen 
born durch eine offene Thür gebildet, die in einen dunfeln Gang führt, Rem und 
Arbon treten auf.) 
Rem. hr wollt ala Zeuge hier vernommen fein? 
Arbon. Ich kam, von Agnes’ Bruder angerufen, 
Um Zeugnis abzulegen für die Unjchuld, 
Und Hoffe, daß es mir damit gelingt. 
Rem. Ihr Hättet Euch den Weg erjparen fönnen. 
Die Rede fürz’ ich Euch), verlaßt Euch drauf! 
Arbon. So dringt das wen’ge doch ins Mark den Richtern, 
Um fie, wenn fie nicht fühllos, zu erichüttern, 
Und Euch in Eurer Tüde zu entlarven! 
Rem Giehend). Die Wunde hat mich nicht jo jehr entkräftet, 
Daß ich zum Schweigen Euch nicht bringen fann! 
(Er dringt auf Arbon ein, der gleichfalls zieht. Der Vicedom, don den Richtern 
Hand von Degenberg, Emmeran Nuspergerund Baul Arefinger, ſowie 


neun Beijigern gefolgt, tritt in den Saal, Der Fronbote eriheint gleich- 
zeitig born an der Thür.) 


Der Vicedom. Wer wagt’3, die Ruhe diejes Orts zu türen, 
Zum Troß der jchweren Buße, die ihm droht ? 
Die Klingen auseinander! ch gebiet’ eg! 
(Beide dveriorgen die Wehr.) 
Rem. Dem Lauf des Rechtes will er Einhalt thun! 
Der Vicedom. Ihr wagt Euch defjen Hier zu unterfangen ? 
Arbon. Iſt Euch die Wahrheit Lieb, jo hört mich an! 
Ein Arbon bin ich, deren Haus Ihr kennt, 
Und fam bieher, zu zeugen für die Unschuld, 
Die roh bedrängt von diejem Gottvergeſſ'nen, 
Der, wie die Belt, bei uns daheim gefürchtet. 
Der Bicedom. Laßt Euer Schelten! Was fie frevelte, 
Sit wohl beglaubigt durch vollgült’gen Eid. 
Mit Eurem Zeugnis jeid Ihr abgemiefen. 


454 Agnes Bernauer. 


Arbon. Gott in der Höhe droben ijt es fund, 
Daß ich die lautre Wahrheit nur geredet! 
(Er entfernt fi) aus dem Saal. Rem tritt zurüd. Der Vicedom unb bie den 
Gerichtshof Bildenden nehmen ihre Pläße ein.) 
Der Vicedom. Führt zum Berhör die Angeklagte vor! 
(Der Fronbote entfernt fi und führt Agnes, gebunden und von Shergen um— 
geben, jowie vom Kerfermeifter und dem Henker gefolgt, in den Saal. Pauſe, 
während welcher allgemeines Stillſchweigen herrſcht. Paul Arefinger und etliche 
Beifiter zeigen fi) von ihrem Anblid bewegt.) 
Der Bicedom (zu Emmeran Nusperger). Euch als dem “Pfleger 
Straubings fommt es zu, 
Zu richten Agnes, die Bernau rin. 
Thut Eures Amts! 
(Er übergiebt ihm den vom Fronboten herbeigebrachten Richterſtab.) 
Emmeran Nusperger. So frag' ich, Agnes, Euch: 
Wollt Ihr freiwillig Eure Schuld bekennen? 
Agnes. Als Gattin Herzog Albrechts weiß ich ihn 
Allein zum Richter über mich geſetzt. 
Der Vicedom. Wo aber ſind die Zeugen Eurer Trauung? 
Agnes. Den Einen, mir zum Schutz zurückgelaſſen, 
Stacht Ihr um ſeiner Treue willen nieder, 
Die beiden andern folgten meinem Herrn. 
Der Vicedom (zu Emmeran Rusperger). Fahrt fort! 
Emmeran Nusperger. Ihr habt dem 
obgenannten Fürſten 
Durch einen Liebestrank den Sinn bezaubert, 
Und haltet ihn ſeitdem in ſchnöden Banden. 
Könnt Ihr dies leugnen gar? 
Agnes. Ich nenn’ es Lüge! 
Der Vicedom. Bejtätigt wird die Wahrheit durch ihn jelbft, 
Der Monde lang nicht mehr am Hof erichienen, 
Und fich entzogen Hier auch feiner Pflicht, 
Bis er zu offnem Troße fich verjtiegen! 
Agnes. Verletzt in jeiner und in meiner Ehre; 
Sein Mißtrau’n aber war nur zu begründet. 
Wär hier mein Herr, ich Itände nicht vor Euch! 
Emmeran Nusperger (der inzwiſchen mit dem Vicedom geſprochen). MWeil 
Ihr von Lüge Iprecht, da jteht der Zeuge, 
(auf jeinen Wink begiebt ſich Rem vor die Schranken.) 
Der alles, was er ausgejagt, beichtvoren. 


Bierter Alt. Dritte Scene. 455 


Agnes dihn ruhig anblickend). Was that ich Euch, daß Ihr mit 
Eurem Haſſe 
Mich mitleidslos bis in den Tod verfolgt? 

(Rem fteht mit niedergejchlagenen Augen da, während die Richter ſchweigen.) 
Der Bicedom. Es thut nicht not, ihn nochmals zu vernehmen. 
(Rem verläßt den Saal.) 

Ihr Habt Euch jelbit verraten durch die Flucht 
Bor Herzog Ernit, der Euer Herr, wie unſrer, 
Als er um ein Geheimnis Euch befrug, 
In dem das Dikicht Eurer Sünden wurzelt. 
Agnes. Wahrjagen ließ ich mir mein Schickſal damals, 
Was Gott mir mag verzeih'n, doch alles andre, 
Des ich bezichtigt werde, iſt Verleumdung. 
Emmeran Nusperger. Nicht nur dem Sohne wurdet Ihr ver- 
derblich, 
Auch auf den Vater habt Ihr's abgejeh'n, 
Wie Ihr den Ohm mit böfem Zauber jchluget, 
Und deilen Erbe käme nun daran. 
Agnes. Weh mir! Was Gott verhing, hätt’ ich verjchuldet? 
Der Vicedom. Ya, $hr allein! Ein Anichlag folgt dem andern, 
Bis Ihr das ganze Haus zu Grund’ gerichtet. 
Agnes. O Bitternis! Kann Haß jo weit verblenden ? 
Der Vicedom. Um fich und jein Gejchlecht vor Euch zu wahren, 
Beſchloß der Herzog, Euch von jeinem Sohn 
Für immerdar zu trennen, ſei's in Güte, 
Indem hr Euch zurüdzieht in ein Klojter, 
Sei's, wenn Ihr Strenge vorzieht, durch Gewalt. 
Agnes. Sch habe Treue meinem Herrn gelobt 
Am Traualtar und werde fie ihm halten ! 
Der Vicedom. Dies Euer lektes Wort ? 


Agnes. Ihr habt’s vernommen. 
Der Vicedom (zu den Richtern). Zum Schluffe denn! 
Emmeran Nusperger. Der Thai⸗ 


beſtand ſteht feſt 
Durch gült'ge Zeugenſchaft, und überdies 
Liegt das Geſtändnis vor der Überführten. 
Agnes. Dem widerred' ich, nichts ijt mir bewußt, 
So wahr mir Gott die GSeligfeit verheißen! 
Der Biredom. Laßt dies Beteuern! Euer jtandhaft Leugnen 
Bergrößert nur die Schwere Eurer Schuld. 


456 Agnes Bernauer. 


Agnes. Und noch einmal, ihr jeid mir feine Richter! 
Kehrt mein verrat'ner Eh'gemahl zurüd, 
Weh' Euch und allen, die dazu geholfen! 
Der Bicedom. Bor feiner. Rache ſchützt und Herzog Ernſt. 
Emmeran Nusperger. Ihr Habt den Prinzen nur in ihm geliebt. 
Agnes (in Thränen ausbrechend). Ich Folgte Albrecht rein um jeinet- 
willen ; 
Denn, daß ich nicht dem Glück entgegenführe, 
Das fagte mir die Stimme in der Bruft; 
Doch glaubt, hätt’ ich es noch einmal zu thun, 
Ich würde gleihwohl feinen andern wählen. 
(Ein Teil der Richter ift bewegt und giebt mit Paul Arefinger feine Zuſtimmung 
zu erfennen.) 
Der Vicedom, Was hülfe da ein Klofter! Kommt zum Spruch! 
Emmeran Nusperger. Ich jammle ein die Stimmen nad- 


einander. 
(Vom Fronboten wird der Lostopf herbeigebracht und auf den Tiſch geftellt. Jeder 
der Richter entnimmt ihm je eine weiße und ſchwarze Kugel, die er vor fich nieder- 
legt und mit einer Hand bebedt; mit der anderen läßt er den Lostopf, nachdem er 
Eine der Kugeln Hineingewworfen, weitergehen, bis derjelbe zu Emmeran Nusperger 
zurückkehrt, der ihn vor ſich entleert.) 


Emmeran Nusperger (betroffen). ch zähle jechs in ſchwarz und 
ſechs in weiß: 
Die Kugeln find vollzählig gleich verteilt. 
Der Vicedom (fi erhebend). So leg’ ich noch die meinige Hinzu. 
(Er nimmt einem der Beifißer die ſchwarze Kugel weg und jtellt fie zu den andern Hirn.) 
Emmeran Nusperger. Den jehwarzen ijt noch eine zugewachlen. 
Berdammt ift fie demnach mit Stimmenmehrheit. 
Paul Arefinger sum Vicedom). Ihr Ichafft Euch einen Gtrid 
noch in dag Wappen! 


(Alle am Gericht Teilnehmenden treten zu den Schranken dor, der Vicedom bleibt 
zurüd.) 


Emmeran Nusperger (ein ſchwarzes Stäblein Herborziehend). Ich ſpreche 
Agnes, die Bernauerin, 

Ob ihrer Miſſethat des Todes ſchuldig 

Und übergebe hiemit ſie dem Henker, 

Den Spruch an ihr nach Rechten zu vollzieh'n. 

(Er wirft ihr das zerbrochene Stäblein vor die Füße.) 

Gott möge Eurer Seele gnädig ſein! 
(Hart an ſie Herantretend.) 

Ihr werdet morgen in der früh'ſten Stunde, 


Vierter Akt. Dritte Scene. 457 


Wo diefem Schloß die Donau fließt vorbei, 
Gebunden ihren Wellen übergeben, 
Auf daß fie jtrömend über Euch fich jchließen, 
Und Ihr der Menjchen Angeficht entichwindet! 
Habt Ihr noch einen Wunſch? 
Agnes. Nach einem Prieſter 
Trag' ich Verlangen. 
Emmeran Nusperger. Wohl, es wird erfüllt. 
Und weiter habt Ihr nichts mehr zu erbitten? 
Agnes (ſchweigt, darauf vortretend zum Vicedom). Euch dort, den un— 
gerechten Vicedom, 
Lad' ich vor Gottes Richterſtuhl auf morgen! 
(Der Vicedom fitzt betroffen da.) 
Agnes (mit erhob’nen Händen). Herr in der Höhe, gieb mir Deine 
Stärke! — 
O, Albrecht, ahntejt Du, was mich betroffen! 
(Indem fie abgeführt wird, fällt der Vorhang.) 


Ende des vierten Aktes. 


Sünfter Akt. 
Grfte Scene. 


(Ein Kerfergemad im Straubinger Schloß, dom einer Ampel erhellt, Kurze 
Dekoration. Born auf dem Boden das Strohlager und feitwärts davon ein eichener 
Ti, an dem Agnes, mit Schreiben beichäftigt, fißt. Gegenüber der mit Eiſen 
beſchlagenen Thür ein Kruzifix und darüber ein Marienbild mit rotem Lämplein 
davor. Es iſt noch tiefe Nacht.) 
Agnes (ſchreibend, doch dabei öfters von Thränen unterbrochen). „Eh' ich die 
Welt und Dich darin verlaſſe, 

Geliebter, teurer Gatte, ſend' ich Dir 

Noch meinen letzten, thränenvollen Gruß, 

Doch ſei verſichert, daß mir der Gedanke, 

Für Dich zu ſterben, Faſſung giebt und Mut, 

Was mir bevorſteht, ſtandhaft zu ertragen. 

Als eine Schickung nehm' ich's an von oben, 

Hat ſie uns gleich mit ſtrenger Wucht getroffen, 

Und dankbar denk' ich dabei an das Glück, 

Das ſie mir zugeteilt durch Deine Liebe. 

Hielt ich im Elend feſt an meinem Recht, 

So zeigt' ich damit nur, daß Dein mein Wille. 

An Deinem treuen Herzen, Heißgeliebter, 

Wär' mir auch unterm Strohdach wohl geweſen; 

Doch hätt’ ich nie der Heimat Dich entfremdet, 

Zu der auch mir das Land ward Deiner Väter, 

In deſſen Schoß zu ruh'n ich jehnlich wünjche. 

Drum, wenn Dir Rachedurft dag Herz durchglüht, 

Beherriche Dich und thue nicht im Zorn, 

Was Du Dein Leben lang bereuen müßtejt, 

Indem Du denen, die Du jchirmen follteit, 

Zum Unheil bringenden Bedränger wirft. 

So leg’ ih Dir denn an das Herz die Bitte: 

Laß Deinen Vater nimmermehr entgelten, 

Was er mir angethan, verführt durch andre; 

Reich’ ihm vielmehr aus voll verfühntem Herzen 

Den Friedenskuß, jobald er fih Dir naht, 

Und zeige dadurch, daß, der Selbjtjucht ledig, 

Fortan Dein Herz nur Deinem Volk gehört! 


Yünfter Alt. Erjte Scene. 459 


So handelt Du allein in meinem Sinne, 
Denn wiſſe, daß ich ihm verzieh’n im Herzen, 
Bevor ich noch die legte Pein erlitt, 
Gedenk der Vorſchrift deſſen, der am Kreuze 
In größ’rer Not als ich, vergab den Feinden. 
Gemwähre, Albrecht, dies ala legte Gunſt 
Ihr, die in Thränen von Dir Abſchied nimmt, 
Bis wir dereinjtmals dort uns wiederjeh'n 
In einer befjern Welt, dahin fie Dir 
Voran nun eilt als Deine treue Agnes.” 

(Nachdem fie ihre Thränen getrodnet und den Brief gejchlojjen.) 
An Herzog Albrecht, Graf von Vohburg, Liebden. — 
Es ijt gethan, was mir zu thun verblieb; 
Ins Kommende muß ich mich hülflos jchiden. 

(Nah einigem Nadhfinnen.) 
Wie furz hat doch nur diejer Traum gewährt! 
Der Tag, da ich ihn Jah zum eritenmal, 
Scheint faum durch eine Nacht getrennt von heute, 
Und doch, wie viel erlebt’ ich nicht inzwiſchen! — 
Wie es nur möglich war, daß mich fein Blid 
In Augsburg damals beim Turnier erreichte, 
Wo weit zurüd ich im Gedränge jtund, 
Bon Jörg verleitet gegen meinen Willen, 
Und wie er mich im Sinn behalten fonnte! — 
Am dritten Tag, da jah ich ihn vom Feniter. 
(Albrechts am Band Herborgezogenes Bild betrachtend.) 

Er Hatte mich gejucht auf allen Gafjen. 
Umfonft! Ich fam ja felten nur hinaus; 
Der Bater wollt’ e& nicht und hatte recht. 
Ich wollt’, ich wäre nie — nein, Albrecht, nein! — 
Du bift ja ſchuldlos. O verzeihe mir! 
Doch jenesmal entwich ich feinem Gruße. 
Da war es wieder Jörg, der mich verlodt’, 
Den Zug mitanzujeh'n, jo traf mich Albrecht. 
Wie ſprach er gleich? „Ich grüß' Euch, Holde Jungfrau!” 
„Dank, Hoher Prinz!” und lang jo ging es weiter, 
Bis ich den Ring an feinem Finger merkte, — 
Jetzt fam die Zeit, die ſchwere, da der Vater 
Zur Hochzeit trieb und ich ins Klojter wollte, 
Bis Er zulegt erſchien, Jörg an der Seite! 


460 Agnes Bernauer. 


Doch vorher,ach! Hatt’ ich dort vorgefprochen, 

Wo mich der böje Junker hat entdedt. 

O Gott! wohin hat mich der Mann gebradt! 

Nichts mehr davon! Auch ihm Hab’ ich verzieh'n. 

Wie aber fam ich zu dem frommen Liede, 

Das Albrecht jchuf zum Preis der Gottesmutter ? 

Er jandte mir es durch den Bruder zu. 

O MWonne, als ich’3 fang auf meiner Kammer 

Und mir die Seele jo vom Harm befreite! 

Wie drängt es mich, e3 noch einmal zu fingen! — 

(Sie eilt vor das Marienbild und fällt in die Kniee, worauf fie mit zitternder, doch 

vernehmlicher Stimme fingt.) 


„Ich grüße Dich, Maria, Did, Du Magd des Herrn, 
D Mutter voller Gnaden! 

Du gleichit im Tau dem Morgenſtern, 

Mann Thränen mich beladen. 

Ich grüße Dich herzinniglich, 

Maria dort, ich grüße Dich! 


SH grüße Dich, Maria, Dich, zu jeder Zeit, 
Du jeligite der Frauen! 

Du ſcheucheſt allen Kummer weit, 

Drum will ih Dir vertrauen. 

Ich grüße Dich herzinniglich, 

Maria dort, ih grüße Dich! 


Ich grüße Did, Maria, Dich, wo ich auch bin, 
Du Königin der Milde! 
Sch weiß, mein Ruf dringt zu Dir Hin, 
Knie ich vor Deinem Bilde. 
Ich grüße Dich herzinniglich, 
Maria dort, ich grüße Dich!“ 
(Während Agnes noch fingt, gehen die Schlüffel in der Kerkerthür und, vom Kerfer- 


meijter eingelafjen, tritt Johann don Indersdorf ein, den Agnes, nachdem 
fie fig erhoben, plöglich erblidt. Die Thür wird hinter ihm nicht geſchloſſen.) 


Johann von Indersdorf. Wen Gott fich vorgenommen heim- 
zubolen 
Sin jeinem unerforichlich weilen Ratichluß, 
Dem ſchickt er gern noch Leid in vollem Maß, 
Das, wie ein läuternd Teuer, ihm die Seele 
Bon Schlafen reinigt und ins Reich der Freude, 
Sie, ledig aller Sünde, läßt gelangen. 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 461 


Agned. DO köftlich Labjal, das mein Schmachten ftiltt! 
(Ihn begrüßend.) 


Wie fommt Yhr doch gerad’ zur rechten Stunde! 
(Auf das Marienbild deutend.) 


Ihr, die ich angerufen, dank' ich's nur! 
Sohann von Indersdorf. Wär’ mir’s beichieden, Hülfe Euch 
zu bringen! 
Doch kehrt' ich ohne Euren Gatten wieder. 
Agnes. Auf Hülfe hatt’ ich nimmermehr gehofft. 
In diefem Brief, den ich Euch übergebe, 
(Sie holt vom Tiſche den Brief, den fie mit den Lippen berührt.) 
Nahm Abſchied ich von meinem lieben Herrn. 
Sohann von Indersdorf. Ich werde Euren Auftrag wohl erfüllen. 
Agnes. Sagt ihm, daß ich ihm treu gewejen bin 
Bis in den Tod, zugleich ihn aber bitte, 
Großmütig meinen Feinden zu verzeih'n, 
Wie ich zuvor jchon ihnen auch vergeben. 
Bor allem legt jedoch ihm an das Herz, 
Sid) völlig mit dem Vater zu verjöhnen! 
Johann von Indersdorf. Getreulich werd’ ich alles ihm be» 


itellen. 
(Dad ihr don Herzog Wilhelm geſchenkte Kreuz hervorziehend und ihr darreichend.) 


Seht hier dies Kreuz, vor dem hr oft gebetet. 
Agnes (das Kreuz küſſend). In ihm nur leb’ ich und in ihm nur 
jterb’ ich, 
Der Herr iſt meine einz’ge Zuverficht. 
Sohann von Indersdorf. Wer ganz fich feinem Schuße Hin- 
gegeben, 
Der fürchtet nicht fih vor den Menſchen mehr. 
Drum wollt Ihr nicht verfuchen, auf dem Lager 
Durch Ruhe Euch) zu ſtärken, mittlerweilen 
Ich Euch der Hand des Höchjten anempfehle? 
Agnes. Ihr jeid wohl mehr als ich des Schlafs bedürftig, 
Doch will ich Euren frommen Rat befolgen. 


(Sie ſucht das Strohlager auf, das Kruzifir in Händen. Johann von Indersdorf 
nimmt neben ihr auf dem Stuhle Pla und jchlägt fein Gebetbuch auf.) 


Johann von Indersdorf (eiend). „O Vater des Erbarmeng und 
der Liebe, 
Der Du uns Deinen Eingebornen jchenkteit, 
Daß, wer an ihn glaubt, nicht verloren gehe — 
Agnes. Daß, wer an ihn glaubt, nicht verloren gehe — 


ud 


462 Agnes Bernauer. 


Johann von Indersdorf. „Dir opfr' ich auf für Dein chriſt— 
gläubig Kind —“ 
Agnes. Chrijtgläubig Kind — | 
Johann von Indersdorf. „Was Er Dir dargebradt 
An Demut, Milde, Liebe und Geduld — 
Agnes (im Halbſchlaf). Geduld — | 
Johann von Indersdorf. „Auf Erden in den Tagen feines 
Fleiſches 
Und darbringt nun in ſeiner ew'gen Glorie —“ 
Agnes. In ſeiner Glorie — 
Johann von Indersdorf. „Nimm gnädig auf, was er für mich 
geduldet, 
Solang er hier in Knechtgeitalt gewandelt 
Bis zu dem legten Hauch am Kreuze. Amen.“ 
(Er tritt dor die Schlafende.) 
Sie Ichläft, als ſei fie ſchon dem Leid enthoben, 
Im Angeficht den vollen Himmelsfrieden: . 
Der Herr der Welt hat mein Gebet erhört. 
(Indem er fie in tiefer Bewegung noch betrachtet, tritt Paul Arefinger ein, 


dem Jörg und Afra folgen. Die Reden am Lager erden mit gedämpfter 
Stimme gefproden. Afra und Jörg nahen fi doll Schmerz der Schlafenden.) 


Afra. Sie ſchlummert, wie wenn nichts gejchehen wäre! 
(Sie bricht in Thränen aus.) 
Jörg. Als läge fie daheim in ihrer Kammer. 
Paul Arefinger. Habt Ihr ung jchon der Herrin angemeldet? 
Johann von Indersdorf. Ihr jeht fie ruh'n, vom Drang 
der Bein erlöſt 
Bedenkt darum, ob e3 geraten wäre, 
Ihr neue Furcht und Hoffnung zu erweden, 
Wo doch der Ausgang mehr als ungewiß. 
Jörg. Das Volk jteht hinter uns; es wird gelingen... 
Sohann von Indersdorf. Wie fam es in der Eile zu den 
Waffen ? 
Paul Arefinger. Den Junker Rem erjchlugen fie mit Knütteln. 


(Ein ferner Donner wird bei dem Namen Rem gehört, der fih in Paujen iwieder- 
Holt. Agnes wird unruhig im Schlafe.) 


Jörg. Auch meine Armbruft wird ihr Ziel erreichen! 
Johann von Indersdorf. Sp lafjen wir es ſelbſt fie denn 


enticheiden. 
(Er beugt fich über Agnes nieder.) 


63 Haben fih Getreue ung genaht: 


Fünfter Alt. Erjte Scene, 463 


Leiht einen Augenblik mir nur Gehör! 
Die Bürger Straubing wollen Euch befrei'n ! 
Agnes (im Halbſchlummer). Bon wem find die Getreuen aufgeboten ? 
Johann von Indersdorf. Sie thun's aus ſich — 
Agnes (ebenio). Kein Blut 
Toll um mich fließen — 
Jörg. Du mußt Dich uns vertrau'n und ohne Zögern. 
Agnes. Wer jpricht zu mir? Es ift die Stimme Jörgs. 
(Sie richtet fid) etwas, doch immer nur traummwachend, auf.) 
Jörg. Er jteht mit Afra da vor Deinem Blid. 
Wach auf! Es iſt fein Traum. Wir find e3 wirklich. 
Afra (an das Lager hinſinkend und Agnes mit Küſſen bedeckend). O Agnes, 
Teure, folg' uns, laß Dich retten! 
Agnes (Afras Hand, ohne zu erwachen, erfaſſendd. Es iſt mir ſonderbar, 
Euch hier zu finden! 
Afra. Der Junker Arbon bot mir ſeinen Schutz, 
Der ſich mit Jörg in Straubing eingefunden 
Und für die Wahrheit Zeugnis abgelegt. 
Agnes (mit halber Befinnung). Gott lohn' es ihm! Iſt auch der 
Bater da? 
Afra. Um ihn darfjt Du nicht mehr befümmert jein! 
Jörg. Sch kam gerad’ noch recht, ihn zu begraben. 
Agnes (nad einer Paufe). Gelobt jei Gott! Er hat es überjtanden. 
Johann von Indersdorf. Der Herr hat große Gnade ihm er- 
wieſen, 
Daß er ihm ſo den letzten Schmerz erſparte. 
Afra (die mit Jörg indes lebhaft einige Worte gewechſelt). Belinne Dich nicht 
mehr! Die Zeit entflieht! 
Agnes. Ich bin — der Zeit voraus — in ihrem Laufe 
Und habe — mit dem Leben abgeichlojlen. 
Ara. Das jolljt Du nicht, jo lang noch Hoffnung bleibt. 
Agnes. Bekümmert Euch nicht mehr um mein Geſchick — 
Sn jeine Baterhand bin ich empfohlen. 
(Sie finft auf? Lager zurüd und verfällt in tiefen Schlummer.) 
(Die Nacht weicht der fahlen Dämmerung des Tages.) 
Johann von Indersdorf. Ihr jahet, daß fie zu erweden nicht 
Aus ihrem Schlaf, in den des Himmels Engel 
Auf das Geheiß des Heren fie eingewiegt, 
Des Abſchieds Wehe jo ihr zu eriparen. 
Afra au Jörgh. Es ift umſonſt, fie läßt fich nicht bewegen. 


464 Agnes Bernauer. 


Jörg. So werd’ ich jelbjt mich rühren um jo mehr, 
Ich wär’ nicht wert, einjtmals ein Mann zu heiten, 
Ließ' ich's geicheh'n, dab fie die Reine morden! 


Zu Paul Xrefinger.) 
Ich eile Hin, wo mi das Volk erwartet — 
Mein Leben je’ ich Bea ‚ie ‚zu befrei'n. 


Was ſollt' es ohne fie dt vi bedeuten ? 
(Jörg und —— verlaſſen den Kerker, der ſich hinter ihnen ſchließt. Die Luft 
verfinſtert fich vor dem nahen Gewitter, deifen tollender Donner in Pauſen gehört 
wird; Agnes jchläft in gleicher Ruhe weiter.) 


Afra (die Leife zu Agnes getreten. Cie jchläft, mich dünft, noch 
tiefer als zuvor. 
Johann von Indersdorf. O fähe fie der Vicedom fo ſchlummern, 
63 müßte ihn troß jeines Grimms erjchüttern, 
Und Gottes Stimme dort müßt’ ihn zermalmen! 
(Die Kerkerthür wird wieder aufgeſchloſſen und, von dem Kerfermeifter herein⸗ 
gelaſſen, erſcheint Em. a De * Henker und ein paar Schergen 
olgen. 
Em. Nusperger. Hat die Verdammte ſich mit Gott verſöhnt? 
Johann von Indersdorf. Ich wußte ſie bereits im Stand der 
Gnade. 

Em. Nusperger. Und ſie erſchien Euch in der Beichte ſchuldlos? 

Johann von Indersdorf. Ein Engel kann nicht reiner ſich er— 
weiſen! 

Em. Nusperger. Wir geh'n der Vollmacht nach von berzog 
Ernſt. 


Johann von Indersdorf. Die Ihr Ai Trug entlodt habt 
dem Getäufchten ! 

Em. Nusperger. Schweigt jtil, wollt Ihr nicht jelbit Ge- 
walt erfahren! 

Sohann von Indersdorf. Macht nieder mich, wenn's Euch 
darnach gelüftet, 

Und Ihr den Zeugen Eurer Unthat jcheut! 

Em. Nusperger. Hinweg! — (zu den Schergen). Greift Agnes, 
die Bernauerin! 

Der eine der Schergen. Mach’ Du den Anfang, Dir gelingt 
es leichter. 

Der andere Scherge. Sch bring's nicht über mich. Sie ſchläft 
fo Hold. 

Em. Nusperger. Muß ich Euch beide an die Pflicht gemahnen ? 

Der Kerkermeifter. Herr, habt Ihr fein Erbarmen? 
Em. Nusperger. Weckt fie auf! 


(Indem ihr die Schergen nahen, erwacht Agnes und erhebt fi dom Lager.) 


Fünfter Alt. Erſte Scene. 465 


Agnes. Die jchwerfte Stunde brad mir an. Da bin ih — 
(Sie bietet die Arme zum Binden bar.) 
Em, Nusperger (zu den zaubernden Schergen). Was zaubert ihr, in 
Feſſeln fie zu jchlagen ? 
Agnes (zu den Schergen). Ihr Handelt, wie ihr müßt, und thut 
fein Unrecht! 


(Die Shergen bezwingen fi) und binden fie an den Händen, nachdem Agnes das 
Kruzifiz, das fie noch einmal geküßt, dem Dechanten übergeben.) 


Bor Gott, dem Herrn, beteur’ ich meine Unſchuld! 
(Ein Donnerſchlag mit grellem Blitz.) 
Em. Nusperger. Ein Wetter ift im Anzug. Port mit ihr! 
Johann von Indersdorf. Stellt Euch das bitt’re Leiden vor 
des Herrn! 
Agnes. ch weiß mich durch jein Heilig Blut gerettet! 
Afra (Agnes umfangend). D Agnes, dab Dir dies bejchieden war! 
Agned. Durch Treue wird mein Glüdf zu Waſſer werden. 
(Zu Afra.) 
Du warſt, wie Yörg auch, ſtets mir Hülfreich gut. 
(Zum Dechanten.) 


Grüßt meinen Gatten und verfichert ihm, 
Daß ich getroft um ihn den Tod erlitten! 


(Agnes wird abgeführt, den ihr vorbetenden Dechanten zur Seite, Afra bleibt, ihr 
ſchmerzvoll nachblickend und Ieife betend, zurüd mit bem NKerfermeifter. Kampfe 
artiges Getümmel wird in ber Ferne dernommen.) 


Sohann von Indersdorf (außen mit ſtets mehr verhallender Stimme). 
„Herr, laſſe ſcheiden nimmer mich von Dir!“ 


Agnes (ebenſo). Herr, laſſe ſcheiden nimmer mid) von Dir! 
Johann von Indersdorf. „In meiner Todesſtunde rufe mich!” 
Agnes. In meiner Todesitunde rufe mich! 


Sohann von Indersdorf. „Herr, laß’ zu Dir mich in Dein 
Reich gelangen!“ 


Agnes. Dein Reich gelangen — 
Afra. Erhöre, Vater, dort ihr gläubig Fleh'n! 
(Das Sterbeglödlein beginnt und läutet auch, nachdem ber Zwilchenvorhang gefallen, 
no in der Stille Weiter.) 
(Berwandlung.) 
Greif3 Werte. IN. 30 


466 Agnes Berrauer, 


Zweite Scene. 


(Bor einer Fifherhätte am Donauufer bei Straubing. Nach einer Seite wird 

die Stadt mit dem Schloß erblickt, nad) der andern die Kirche von St. Peter mit dem 

angrenzenden Friedhof. Bor der Hütte erhebt fich ein hölzernes Kreuz, darunter 

das Bild der jehmerzhaften Mutter. Ausgeſpannte Nee und ein paar Boote find 

am bebuſchten Ufer fichtbar. Früher Herbitabend, fpäter Mondlicht. Albrecht 

mit Barzival Zenger und Sandizell treten auf. Grabmufit wird im ber 
Ferne bernommen.) 


Albrecht. Die Klänge kommen von den Friedhof her, 
Der dort die Kirche von St. Peter Hütet. 
Men mögen fie zur ew’gen Ruhe betten ? 
Parzival Zenger. ch will es eilig zu erfragen fuchen ! 
(Er entfernt fich raſch.) 
Albrecht. Wir waren naht? in München aufgebrochen 
Und unsre Pierde griffen wader aus, 
Bis fich der Stadtturm Straubings, der fünfſpitz'ge, 
Bor uns erhob und nah’ das Schloß jhon winfte. 
Da 309 das traurige Geläut’ mich an, 
Das mir das Herz erfüllt mit bangem Ahnen. 
Wolfram Sandizell. Ihr jeid dom Abjchied, Herr, noch weich 
gejtimmt, 
Den Ihr vom Ohm genommen an der Bahre. 
Albrecht. Die Sorge bring’ ich nicht um Agnes los; 
Sch ließ' fie nicht allein zum andernmale. 
Wolfram Sandizell (Hinausstidend). Herr, Liegt nicht einer drin 
in jenem Boote, 
Das auf der Donau ohne Ruder treibt ? 
Albrecht. Dem Ausſeh'n nach gehört es einem Fiſcher; — 
Seht dort den Pflod! Was jehimmert drauf jo helle? 
Wolfram Sandizell Gingeeilt). Es ijt ein Goldſtück und ein 


Zettel drunter! 
Albrecht. Leit! 
Wolfram Sandizell (ef). „Dies für das Schiff. Leb, Afra, 
wohl! Dein Jörg.“ 
Albrecht. Sein Name iſt's! Es kann fein andrer jein, 
Der fih den Wellen dort hat überliefert, 
In deren Strudeln er wohl bald verfinft! 


Hier hat fich mehr ereignet, ala wir ahnen. 
(Barzival Zenger kehrt zurüd mit den Gebärben des Schmerzes und ber Berürgung 
Die Grabmuſik verjtummt.) 


Auf welche Botjchaft läßt die Miene ſchließen! 
Mich faßt Entſetzen! Wen begrub man dort? 


Fünfter Alt. Zweite Scene, 467 


Parzival Zenger. O Herr, ich bring’ es nicht aus mir hervor — 
Albredt. Ich muß es willen. Redet! Was geſchah? 
(Er faßt ihn an.) 
Barzival Zenger (ftammelnd). Der Vicedom ließ Eure Herzogin — 
Ertränfen in der Donau! 
Albrecht. Agnes tot! 


(Er finkt ohnmächtig unter dem Kreuzſtamm zujammen.) 
Wolfram Sandizell. Jäh, wie vom Blitz getroffen, ſank er hin! 
Gottlob, der Atem ijt ihm nicht vergangen. 
Parzival Zenger. Sch jelbjt bin außer mir. Mein armer Vater 
Hit gleichfalls tot! Vom Vicedom erjtochen ! 
Wohl Hat der Mörder jeinen Lohn empfangen 
Durh Jörg — 
Wolfram Sandizell. So giebt es doch Vergeltung jchon hienieden ! 
Er aber, der ihn rächte, wie die Herrin, 
Beichließt dort auf der Flut fein junges Leben. 
Dies hinterließ er als jein letztes Wort. 

(Er händigt Parzival Zenger Jörgs Meldung jamt dem Goldſtück ein und ehrt 
zu Albrecht zurüd, ben er mit dem Mantel jorgjam bebedt.) 
Parzival Zenger (achdem er gelein. Gr hatte fie entſagungsvoll 

geliebt, 
Bon Kindheit an big an jein frühes Ende. — 

(Afra tritt mit Paul Areſinger und ben Fiſchersleuten der umliegenden 
Hütten, darunter auf Kinder, von ber Seite bes Tsriedhofes auf. Die Angelommenen 
zerftreuen fi) bis auf das hier wohnende Fiſcherpaar.) 

83 kann ihr Schmerz, gleich meinem, nimmer wachen ! 

(Gr reicht ihr den Zettel.) 

Afra (nadem fie gelefen. Auch er! — 
Ich ahnte gleich, daß er's nicht überwinde! — 
Wolfram Samdizell (wieder Hinzugetreten.. Wir ſah'n fein Schiff 
dort jchwinden auf den Wellen. 
(Zum Fiſcher.) 
Glaubt Ihr, daß es noch einzuholen wäre? 
(Der Fiſcher jchüttelt den Kopf.) 
Afra (dem Fiſcher das Goldftüt reichend). Das ſoll Erfah für den 
Berlujt Euch bieten. 
Sein Lebewohl bewahr' ich in der Seele. — — 
(Die Abendglode zu St. Peter beginnt zu läuten.) 
Der Abendglode Ruf dringt mahnend her — 
Laßt ihn der Gnade unjres Herren empfehlen ! 
(Sie verrichten jamt dem Fiſcherpaare knieend ein kurzes Gebet, worauf fie fi 
wieder erheben.) 


30* 


468 Agnes Bernaner. 


Wolfram Sandizell. Nun aber zeig’ ich euch noch einen Dulbder. 
(Er führt fie vor Albrecht Hin und ftreift von ihm den Mantel ab.) 

Afra und die Fiſchersleute. Der Herzog Albrecht iſt's! — 
Afra. O armer Gatte! 
Wolfram Sandizell. So hat die Schreckenskunde ihn bewältigt. 
Afra. Doch iſt ihm Hülfe nicht von nöten? 
Parzival Zenger. Bleibt! 

Er wird noch früh' genug ſein Schickſal inne. 
Afra. Juſt an der gleichen Stelle unterm Kreuz 

Hat ſie auch, die gelandet hier, gelegen, 

Bis wir zu Grab fie trugen, dort hinüber. 
Wolfram Sandizell. Laßt ung vernehmen, wie ihr Ende war, 

Bevor er noch erwacht zu neuem Jammer! 
Paul Arefingerr. Im Zuge jehritt ich mit, ihr nah’ zu fein, 

Und alſo famen wir zur Donaubrüde, 

Der Vicedom voraus, der, Hoch zu Roß, 

Umgeben von dem dichten Kauf der Knechte, 

Im Harniſchſchmuck am meisten fichtbar blieb, 

Und Hinter ihm, von Schergen eng umringt, 

Den Prieſter, den lautbetenden, zur Seite, 

Ging fie dem Richter nach, aufrechten Hauptes. 

Auf halber Brüde wurde Halt gemacht, 

Und während fie die Knechte feſt ſchon hielten, 

Band ihr der Henker Fuß und Fuß zujammen, 

Was ohne Sträuben fie gejchehen ließ, 

Zur heil’gen Jungfrau im Gebet gewendet. 

Erſt als der Henker fie bereits erfaßt, 

Sprach fie, zu ihrem Tröſter Hingefehrt, 

Mit ruh’ger Miene noch ein Abſchiedswort, 

Wobei der Name Albrecht hörbar wurde. 

Er war verflungen faum, als fie ſchon jählings, 

Emporgejchnellt bis zu der Brüde Rand, 

KRopfüber fliegend, in die Donau ftürzte 

(Afra jtößt einen Schrei au.) 

Und über ihr die Flut zufammenjchlug. 

Doch jchien es, daß die Wellen Mitleid fühlten - 

Mit ihrem Opfer, denn, als von den Feſſeln 

Der eine Fuß ihr [los ward, trugen jie 

Die Aufgetauchte ſchnell ans nahe Ufer, 

Wobei ihr Hilferuf vernommen ward. 


Fünfter Akt. Zweite Scene, 469 


Der Henker aber, ſchnell ihr nachgeeilt, 
ding mit der Stange fie am langen Haar 
Und jtieß fie gnadlos in die Ylut hinunter, 
Bis ihr entflohen war die fromme Seele. 
Afra (fi verhüllend). O meine Agnes, was erlitteft Du! 
Wolfram Sandizel. Wie eine Heilige iſt fie gejtorben! 
Parzival Zenger. Mich wundert, daß ihr feine Hilfe kant 
Vom Bolf, das fie jo innig doch betrauert. 
Paul Arefinger. Das Bolt brach los, doch mangelten ihm 
Waffen; 
Jörg an der Spitze, drängte ſich der Hauf 
Mit Knütteln in der Faujt zur Brüde Hin. 
Da, als zu brechen den verjuchten Stoß, 
Der Vicedom im Zorn herbeigejprengt, 
Traf ihn der Pfeil, den Zörg auf ihn gejchnellt, 
Und taumelnd flog er, unter wilden Schrei, 
Sich mehrmals überichlagend, in die Donau, 
Wo des emporgeichofi'nen Blutes Nöte 
Die Stelle deutlich wies, die ihn begraben. 
Afra. Er Hatte fie gerächt an ihrem Mörder! 
(Albrecht ſchlägt die Augen auf, die anderen ziehen fid) etwas zurüd.) 
Albrecht. Wo bin ich? Agnes! Haft Du ausgeruht? 
Antworte! Mich verlangt nad) Deiner Stimme! 
Wo bift Du? Laß mich Hören nur ein Wort! 
Afra (u ihm tretend). O Herr, Ihr feid nicht da, wo Ihr ver⸗ 
meint! 
Albrecht. Wo aber bin ich? Sind mir wach die Sinne? 
Jetzt taucht mir's auf! Es war am Strand der Donau, 
Wo ich zuletzt geweilt. Dort rauſcht ſie wieder. 
Weh mir! So war es alſo doch kein Traum. 
Afra. Mit tiefem Schmerz muß ich es, Herr, verneinen. 
Albrecht. Entſetzliches Erwachen, wie im Grab! 
Die Sonne iſt erloſchen! Agnes tot! 
Ertränkt vom mörderiſchen Vicedom! 
Afra. Wir alle ſtanden dort an ihrem Grabe. 
Albrecht. An ihrem Grab! Weh! In der Erde jchon! 
Schon in der Erde, ohne Abjchied drunten! 
(Er Brit in Thränen aus und wirft fi) auf die Erbe.) 
Gemeuchelt und mir aus dem Blick gejchafft! 
Wo ſteckt der Molch, der fich jo feig verfroch ? 


470 Agnes Bernauer. 
Parzival Zenger. Ihn jucht nicht mehr! Er fuhr bereits zur 


Hölle! 
Jörg that auf ihn den legten Meifterfchuß ! 
Albrecht. Jörg! Wie beneid’ ich ihn um dieſe That! 
Die Rache hat er mir hinweggenommen! 
Doch nein, ich laſſ' es nicht darauf beruh'n! 
(Si aufrichtenb.) 
Mein Bater! Habt Jhr nichts von ihm gehört ? 
Ara. Kaum wart Ihr fort, ala er auch jchon erſchien, 
Den ſchmählichen Verführer an der Seite. 
Albrecht. Ex jelbit! ' 
(Zu Parzival Zenger.) 


Wo aber blieb der Schüßer ihr? 
Parzival Zenger. Er ließ fein Leben, ihres zu verteid’gen. 
Albreht. So ruchlos trieben ſie's! ch weiß genug — 
Der Bater iſt's, an den ich mich zu Halten — 
So ſchwör' ich's, bei dem Leben meiner ©eele, 
Kein Schlaf ſoll über meine Augen fommen, 
Und feine Ruh’ gegönnt fein meinem Haupte, 
Bevor ich nicht ihm Heimgezahlt den Frevel! 
Den Tag von Alling, der zu meinem Retter 
Ihn werden ließ, ich ftreich” ihn aus für iminer, 
Denn meine Dankes ijt er nicht mehr wert. 
Sch juch’ den Better auf zu Ingolſtadt 
Und leiſt' ihm jeden Preis für jeine Hülfe. 
(Zu Wolfram Sandizell und Zenger.) 
Beſchloſſen iſt's! 
(&r umfaßt ſein Schwert.) 


Ich leg’ das Schwert nicht ab, 
Bis meiner Agnes Schatten Sühnung fand. 
(Er jest fich erihöpft nieder und reiht Parz. Zenger die Hand.) 
Auch Euren Vater wollen bald wir rächen! 
Afra (Ginausweiſend). Da fommt der rechte Arzt für folche 


Wunden. 
(Sohann von Inbersdorf tritt auf. Es dunkelt ftärfer.) 
Johann von Indersdorf. O Herr, wie jehen wir im Leid ung 
wieder! 
(Sie reichen fi) die Hände.) 
Albrecht. Ich war zu arglos und ich büße drum! 
Zohann von Indersdorf. Was uns bejchieden, müffen wir er- 
dulden ! 


Fünfter At. Zweite Scene. 471 


Albrecht. Ich weiß, wie hoch Ihr fie habt ſtets gehalten. 
Johann von Indersdorf. Wer hätte jolch’ Geſchöpf nicht Lieben 
müſſen! 

Doch ich verhehlt' es Euch von Anfang nicht, 

Daß dieſer Bund in ſich Gefahren berge, 

Nicht nur für ſie, nein, für das ganze Land, 

Dem er ſogar verderblich konnte werden. 

Drum, war es auch ein himmelſchreiend Unrecht, 

Das ſie erlitt, ſo ward durch ihren Tod 

Des Krieges Geißel unſerm Volk erſpart, 

Für deſſen Heil als Opfer ſie geſtorben. 

Albrecht. Soll ich geduldig dieſen Raub ertragen 

Und ohne daß ich durch das Schwert mich räche? 

Johann von Indersdorf. Den Vater alſo wolltet Ihr bekriegen 

Und Euch erheben wider den Erzeuger? 

Wem aber würdet Ihr in Eurem Zorn 

Entzündet haben Eurer Rache Tadeln 

Und wen vernichten gnadlos alle Habe, 

Berfolgt vom Fluch der Witwen und der Waifen ? 

Wem ſonſt, als Eurem Bolt, das gänzlich ſchuldlos? 
Albrecht. Ihr ließet ungefühnt ein ſolch' Verbrechen ? 
Johann von Indersdorf. Die beiten Fürjten werden irre geleitet, 

Wenn fie Gehör Gewiſſenloſen Leih'n. 

Ihr aber wißt Euch eines Waters Sohn, 

Der zweimal Euch das Leben hat gejchentt, 

Daher Ihr doppelt ihm auch Liebe jchuldet. 

Albrecht. Was thu’ ich mit dem Leben ohne fie? 

Ich werf' es fort, nein, Stüd für Stüd 

Will ich es meiner grimmen Rache opfern, 

Aufs Blut zu peinigen die Miffethäter, 

Bis fie aus ihrem Grab „Halt ein” mir zuxuft! 

Johann von Indersdorf. Sie ruft Euch aljo zu durch meinen 
Mund. 
Ich bin ihr Bote, der den Frieden bringt. 
Ihr blickt mich jtaunend an? 
Albrecht. Ihr hättet fie 
Im Kerker noch getröjtet ? 


Johann von Indersdorf. Gott beichied’e. 
(Den Brief hervorziehend.) 


472 Agnes Bernauer. 


In diefem Brief, den fie durch mich Euch chic, 
Nahm Abſchied fie von Euch — 
Albrecht (den Brief an die Lippen drüdend). Er joll mir als ihr lebt 
Vermächtnis gelten — 
Johann von Indersdorf. Dann ift es wohl beitellt, Herr, mit 
uns allen. 
Albredt. ES drängt mich, auf der Stelle ihn zu leſen! 
(Er eilt gegen die Fiſcherhütte Hin, don dem Tiicherpaare gefolgt. Der Vollmond 
geht auf und beleuchtet die dorüberftrömende Donau und die Kirche von Et. Peter.) 
Johann von Indersdorf. Der jchwerjte Schritt fteht erſt mir 
noch bevor. 
Als ich von ihrem Grab hinweggegangen, 
Trat mir entgegen ſeines Vaters Bote, 
Ihn anzufagen ſamt des Prinzen Schwelter. 
Afra. Wie aber fommt er Ihon To ſchnell zurück? 
Johann von Indersdorf. Im Kloſter Mallerzdorf, wo Raſt 
er hielt, 
Traf er die Tochter, die ihm nachgeeilt, 
Um ihn vor UÜberjtürzung zu bewahren. 
Und dieje ward von dem, was er berichtet, 
So tief erjcehüttert und jo bang bewegt, 
Daß er, von ihr beftürmt und angetrieben, 
Bertagung des Gerichts ergehen Lie 
Und den Befehl dazu nad) Straubing jandte. 
Doch eh’ er ankam, lag fie ſchon im Grabe. 
Die ſchuldbewußten Richter freilich jagten, 
Don Schreck erfaßt, zum nächſten Thor hinaug. 
Afra. Wo aber weilt nunmehr der alte Herzog ? 
Johann von Indersdorf. In nächjter Nähe feines Sohnes hier, 
Zu dem fein Herz Hinjtrebt, erfüllt von Reue. 
Nun aber drängt die Stunde, ihn zu holen. 
(Er entfernt fi) jeitwärts, der Stadt zu.) 
Wolfram Sandizel. Wir jpähn indes nach ihrem Hügel Hin, 
Ob er im aufgegangnen Mond uns fichtbar. 
Afra. Dies glaub’ ich wohl, da fich von feinem Rande 
Die Donau zeigt und alles Land umher. 
Wolfram Sandizell. So ruht fie recht in ihres Volkes Mitte! 
Ara (u Parzival Zenger). Kommt mit, auch Euch wird e8 den 
Sammer lindern. 


(Sie entfernen fi nad der Seite der Kirche don St. Peter. Albrecht kehrt, den 
Brief, den er gelejen, in der Hand, zu dem erhellten Kreuz zurück.) 


Fünfter Alt. Zweite Scene. 473. 


Albrecht. Welch koſtbar Gut Hab’ ich in ihr verloren, 
Die traut zu meinem Herzen Iprechen konnte, 
Wie niemand auf der Welt! O, meine Agnes! 
Was haſt Du ohne Schuld um mich erlitten! 
Und dennoch trittſt Du bei mir ein für ihn, 
Der Dich geopfert jeinem Herrichergrimme, 
Für meinen irrgeführten, blinden Bater. 
Sa, unjerm Volk zu lieb gebeutjt Du mir, 
Ihm zu verzeih’'n, wie Du es ſelbſt gethan, 
Geleitet durch das Vorbild unf’res Herrn. 
So konnteſt Du nur fühlen und vergefien 
In Deinem Edelmut und lautren Wejen! 
Wie werd’ ih ohne Dich im Finjtern wandeln 
Und jtraucheln oft und wohl auch ſchmählich fallen, 
Menn Du nicht dorther auf mich niederblicit 
Und aus der Höhe mich nicht Fortbehüteft, 
Worum ich Dich Hier auf den Knieen bitte. 
(Er niet nieder und betet mit gefalteten Händen. Himmliſche Klänge Yafjen ſich 
hören. Agnes erjcheint in feliger Geftalt und Glorie, von lichtem Gewölk umgeben, 
einen Palmzweig in der Hand, mit dem fie Albrecht lächelnd zuwinkt, worauf fie 
langjam wieder entjchtwindet, während er in Verzüdung ihr nachblidt.) 
Albrecht. Sie winft mir mit der Palme in der Hand 
Und weijt empor, wo ihren Lohn fie fand! 
Stets höher auf, entichwindet fie dem Blick; 
Zur Glorie ward ihr ivdiih Mißgeſchick, 
Und, wie vom Licht die Wolfen aufgezehrt, 
Fühlt ſich das Herz der Rache abgefehrt. 
Wohlan, ich will befolgen ihr Geheiß, 
Und zeigen, daß ich zu vergeben weiß. 
(Indem ev noch dafniet, tritt Johann don Indersdorf auf.) 
Zohann von Indersdorf (mit gedämpfter Stimme). Herr, Euer Vater 
naht jich tief gebeugt. 
Albrecht (ih erhebend). Sch bin bereitet und gefaßt darauf. 
Johann von Indersdorf (Für fh). Gin Wunder hat fich, ſcheint 
mir, bier begeben! 
(Johann don Indersdorf entfernt fich wieder und fehrt gleich darauf mit Herzog 
Gruft und ber Pfalzgräfin Beatrir, jeiner Tochter, zurüd, denen Arbon, ſowie 
in weiterer Entfernung Parzival Zenger, Wolfram Sandizell und Afra folgen. 
Ebenjo findet fich neben dem Fiſcherpaar auch dag Fiſchervolk aus den nahe: 
liegenden Hätten wieder ein. Ernſt geht am Stab, gebroden und von jeiner Tochter 
geführt, die, wie er, in tiefe Trauer gekleidet. Albrecht geht feinem Vater zum 
Verſöhnungskuß entgegen.) 


474 Agnes Bernauer. 


Albrecht. Ihr Habt mir, Vater, Herbes angethan, 
Jedoch nach meiner Vielgeliebten Wunjch 
Und Iegter Bitte, weiß ich zu vergeben. 
Ernſt. Mein Sohn, eripar’ e8 mir, Dir auszujprechen, 
Was mir das Herz zerriß mit Yolterqualen 
Und mich in meiner rüjt’gen Kraft gebrochen! 
Verblendet und bethört durch faljchen Rat 
Hab’ ich gehandelt. Gott verzeih’ es mir! 
Mach einer Pauſe.) 
Zu ihrer gläub'gen Seele Heil und Hülfe 
Laſſ' ich erbauen über ihrem Grab 
Tür ew'ge Zeiten eine Sühnfapelle, 
Die mir mein ewig Heil verbürgen ſoll. 
Beatrix. Ihr marmorn’ Bild joll ihr Gedächtnis ehren. 
Johann von Indersdorf (der mit Afra einen Blick getauft). 
Herr, wollt Ihr e8 nach ihrem Wunjch bejorgen, 
So laßt fie jchlafen bei den Karmelitern, 
Wo fie fich jelbjt die Ruh'ſtatt ausgejucht, 
Ernſt. Wenn in der Herrichaft er mir nachgefolgt, 
Was, wie ich fühle, nahe jteht bevor, 
So mag er fie erheben laſſen wieder 
Und dahin bringen. 
Albrecht. Alſo wird’3 geſcheh'n. 
Johann von Indersdorf. Auch dort ruht ſie in unſres Landes 
Erde. 
[DoH nunmehr laßt, geſunken in das Knie, 
Anftimmen uns ihr left! Ave Marie! 
(Alle Inieen bei dem Kreuze nieder und ftimmen Albrecht Marienlied an, während- 
befien der Vorhang fällt.)] 


Ende des fünften Aktes. 


Ende. 


— nd  — 


Bans Bade. 


Baterländiihes Schaujpiel in fünf Aufzügen. 





—— — i— 


Perfonen des Stückes, 





Kaifer Marimilian. 

Hans Sachs. 

Jörg, deſſen Vater. 

Chriſtine, deſſen Mutter. 

Leonh. Nunnenbeck, Lehrer des Hans Sachs. 

Kunigunde. 

Albrecht Dürer. 

Peter Viſcher. 

Willibald Pirkheimer, 

Chriſtoph Scheurl, Nürnberger Patrizier. 

Georg Tucher, 

Cornelius Stabius, ein gelehrter Poet. 

Hans Folz, 

Conrad Nachtigall, + Meifterfinger. 

Veit Feljelmann, 

Peter Gulden, Goldfchmied. 

Röschen, deſſen Tochter. 

Urſula, deren Zofe. 

Märten Pogner, ein Goldjchmiedgeielle. 

Junker Krebsblut v. Wirbelrad. 

Firmian, kaiſ. Thürſteher. 

Ein Page. 

Ein Geſelle Nunnenbecks. 

Ein altes Weib. 

Die Mufe. 
Handwerker und Gefellen, Meifterfinger, Bürger, Patrizier, Ratsherren, 
Frauen und Töchter folder, ein Ritter, Kämmerlinge und Faiferliches 

Gefolge, Mädchen, Kinder und Bolf. 





Drt der Handlung: Nürnberg und deſſen nächſte Umgebung. 
Zeit: die Jahre 1514 und 1519. 


Widmung an den Zefer. 


Es war in einer andern Zeit, 

Doch die ich nur ein Gejtern nenne, 
Da ich fie, troß Vergeſſenheit, 

Wie ein verlor'neg Eden fenne, 

Es war in lichten Jugendtagen, 

Noch eh’ ich kannte Schmerz und Gram, 
Als ih, vom Glück mir zugetragen, 
Dies Märlein von Hana Sachs vernahm. 
Berwundert Hört’ ich's und erregt, 

So leicht ich mir es außgelegt, 

Das jeitdem, wie jo manche Lieder, 
Entſchwunden mir nicht fehrte wieder. 
Doc, der jo traut mich angezogen, 
Sein Zauber war mir nicht verflogen, 
Still, mit unmerflichem Berluft 

Hielt ihn bewahrt des Mannes Brujt, 
Für den gereift in jeinem Bann 

Er immer tiefer'n Sinn gewann, 

Bis, was durch Tüchtigkeit gedieh'n, 

Sin feinem Bild umſchloſſen jchien. 


Wohl miſcht fich, da es Heut erjtanden, 
Bon ſelbſt die jpäte Deutung ein, 

Und wo nur leicht Gewölk vorhanden, 
Da flammt der volle Wetterjchein. 

Wer zeigt auch, wenn er viel gejtritten, 
Berdient und unverdient gelitten, 

Nicht einen herben Zug an fich, 

Selbſt wenn verjühnt er innerlich ? 

So gieng, der mir geworden trüber, 
Der Blick auch auf den Helden über, 


478 


Widmung an ben Lejer. 


Und, wie die Wolfe aufs Gefild’, 

Dringt auch ein Schatten auf jein Bild. 
Doch, wem vertraut der Menjchheit Grenzen, 
Dem wird e8 um jo reiner glänzen. 


Mas drüct den kräft'gen Genius, 
Der hebt die ungeprüften Schwingen 
Und dichtet, weil er dichten muß, 
Im erjten ahnungsvollen Ringen ? 
Sie find’3, die Warner treu befliffen, 
Die ihn der Täujhung nahe wiljen 
Und drum, was er zum Ziel erfor, 
Ihm halten ala vermefjen vor. 
Befangen no vom holden Wahn, 
Tritt früh ihn fo die Sorge an, 
Und Hoffnung, die ihm Rofen jtreut, 
Gntweicht, eh’ er noch hat bereut. 
Scheint ja das ungefüge Leben 
Der Eltern Stimme Recht zu geben. 


Doch wie der engen Felſenqual 

Der Strom fih ungeftüm entwindet 
Und, lang gehemmt, mit Einem Wal 
Geräum’ge Fluren vor fich findet, 
Sp aud, wenn ihm Gewalt gejchieht, 
Der Sänger feiner Haft entflieht. 
Entſchloſſen auf fich ſelbſt geitellt, 
Erſcheint er in der fremden Welt, 
Und, überlafjen jeinem Glüd, 

Trägt er in Händen fein Gejchid. 
Jetzt wird ihm nuß, was er gelernt, 
Er plagt fih, auch dem Zwang entfernt, 
Und, wie er fich jein Brot erwirbt, 
Der Unmut in der Brujt erftirht: 
Des eignen Dafeins froh gewiß, 
Geneft er aus der Kümmerni2. 


Er aber ſchafft und bildet fort 
Trotz knapper Notdurft unverdroffen, 
Bis fih im urlebend’gen Wort 
Sein unverfälſcht' Gefühl ergoſſen 


Widmung an den. Lefer. 


Und, was ihm vonder Lippe fließt, 
In fatter Rede jich ergießt. 

Kein leer’ Getön, fein müß’ger Schwall, 
Beziehung waltend überall, 

Da nun des erniten Lebens Frucht 
Ihm wird zum Gleichnis ungejucht. 
Kein Schein ihn gaufelnd mehr betrügt, 
Nur Wahrheit ijt’s, die ihm genügt, 
Und Heilfam aus dem fichern Schaf 
Gewinnt er für den Traum Erſatz, 

Bleibt doch jein Geijt, ji zum Gewinn, 
Gerichtet auf das Ew'ge hin. 

So Scheint er der Vollendung nah’ 

Und dennoch jteht er ratlos da. 


Dem Weijen nie der Thor verzeiht, 
Der vor der Menge gern jich brüftet, 
Daß er ihm nicht zum Lob bereit, 
Darnach e8 ihn voll Gier gelüjtet. 
Argwöhniſch macht ihn deilen Nähe, 
Als ob er feinen Feind erjpähe. 

Kein Wunder, daß ihm ungelegen 
Der Würd’ge tritt bewußt entgegen, 
Gar, wenn er auf der off'nen Bahn 
Sich rühmlich längſt hervorgethan. 
Was gelten ihm des Helden Kräfte? 
Er jucht, daß er an Kreuz ihn hefte. 
Geftachelt vom verhohl'nen Neid, 

Fügt er ihm zu jed’ möglich Leid 
Und, daß die Unbill Groll gebiert, 
Bewirkt ſchon, daß er triumphiert, 
Wird doch der Sieg ihm jo verbleiben, 
Die Schuld dem Läjt’gen zuzujchreiben. 


Im Plan der VBorficht wirkt verborgen, 
Das jeden Fehl enthüllt, das Licht, 
Bis e8 am Auferjtehungsmorgen 

Selbjt aus der Nacht der Gräber bricht. 
Doch öfters ftellt ſich auch hienieden 
Heil und Verdamnnis dar gefchieden, 
Und was dem Richter nur enthüllt, 
Scheint in der Endlichkeit erfüllt. 


479 


480 Widmung an ben Xejer. 


Ein jolcher Lauf, ſonſt Wunſch allein, 
Hier traf er jujt vollfommen ein. 
Der jchon der Heimat ftand beraubt, 
An die er allzu feſt geglaubt, 

Im unbeſcholt'nen Ruf getroffen, 

Er jah beſchirmt fich wider Hoffen, 
Und, was er hinnahm mit Geduld, 
Vergolten fich durch reiche Huld. 
Geleitet von der Muſen Chor, 

Stieg aus den Nebeln er empor, 
Entfaltet und geflärt in fich, 
Geſchenkt der Welt auf ewiglich, 
Wie er, von feinem Volk erwählt, 
Noch jegt zu deſſen Leuchten zählt. 


Mag aber war’, dag in der Not, 
Durch die er ward zum Mann gejchmiedet, 
Ihm mehr als bloße Hülfe bot, 

Das ihn mit feinem Schu umfriedet ? 
Der Troſt, ihm gnadenvoll erlejen, 

Es war der Liebe Wunderfraft, 

Die, ſanft durchdringend unjer Wejen, 
Die Wunden heilt, die fie erichafft. 
Sie hat den Kummer ihm gelöit, 

Den ihm Berfennung eingeflößt, 

Sie, die ergriffen feine Hand, 

Als er fich jäh' gemieden fand. 

So jah er fich nach heißen Proben 
Durch fie zum Meiſter erft erhoben: 
Ein Menſch, dem im gewiegten Sinne 
Das Zeugnis wohnt der Tugend inne, 
Kein jchiefer Hang, fein rauher Bruch 
Sett ihn mit fich in Widerſpruch — 
Es kann fein Guß jo glodenrein 

Auf Einen Ton geftimmter fein: 

Des Höhften Lob, des Nächſten Heil, 
Sie haben einig an ihm teil. 


Prolog. 


Der Ehrenhold (tritt auf und ſpricht). 
Nach alter Sitte jteh’ ich hier 
Und ſchein' mir doch ein Fremdling ſchier, 
So ſchaut mich alles anders an, 
Als da ich ſonſt mein Amt gethan. 
Verwundert ſchweift mein Blif umher: 
Iſt's noch die Welt, ift ſie's nicht mehr? 
Und, kehrt’ ich auf der alten Spur, 
Bin ih ein andrer worden nur? 
Doch, wie ſich's nun verhalten mag, 
Ihr legt Erwartung an den Tag, 
Und daraus folgr’ ich auch mit Grund, 
Daß nah dem Sinn mein Wort euch fund, 
Und, da die Sprache ung gemein, 
So werd’ ich auch verjtanden Jein. 


Die Sprache, ja, fie hat's bewirkt, 

Die treulich mir mein Recht umzirkt, 

Der ich ala Ehrenhold erjchien, 

Wie einjt, und doch nicht allzu fühn. 

Auf ihr beruht die Wunderfraft, 

Die Hingeſchwund'nes neu erichafft, 

Und halten wir an ihr nur feſt, 

Nichts völlig fremd uns werden läßt, 
Greif3 ®erfe. TI. 


482 Prolog. 


Denn fie, in Unvergänglichkett, 

Gebietet auch der flücht’gen Zeit, 

Und von Gejchlecht hin zu Gejchlecht 
DBererbt fie Glauben, Sitte, Recht. 
Mag auch das Auß’re untergeh'n, 

Sie macht das Inn're fortbeſteh'n. 
Drum ſagen wir von ihr uns los, 
Verleugnen wir den Mutterſchoß. 

Doch da ſie ſo ein heilig' Band, 

Das uns verknüpft dem Vaterland, 
Wer ſorgt dafür zu jeder Friſt, 

Daß es auch wohl behütet iſt? 

Der Dichter iſt's, der ſinnend lebt, 
Und, was er fühlt, zu äußern ſtrebt, 
Wie nichts ihm vor dem Blick erſcheint, 
Das er nicht wahrnimmt und vereint, 
Er, der im Seherwort ſogar 

Uns ſtellt den Plan der Schöpfung dar. 
So klein die Hand, fo groß die Macht, 
Bleibt er auf feinen Zweck bedacht, 

Und ſchweift er nicht verderblich aus 
Ein fremder Gaſt im eig’'nen Haug. 
Doch mit fich ſelbſt in Einigkeit 
Gedeiht er zur Bejonderheit, 

Und jo mit aller Edlen Gunft 

Erichafft er die „holdſel'ge“ Kunft. 


Vierhundert Jahre find es juft, 

Da fam zur Welt, ihr unbewußt, 

Ein Dichter, euch ja wohl befannt, 
Hana Sad, feitdem mit Ruhm genannt, 
Der Abkunft nach gar vielen gleich, 
Jedoch an felt'nen Gaben reich, 

Die er, durchflammt von heil’ger Glut, 
Auch zu entfalten nie geruht. 

Und Alle fanden fich erquickt, 

Wann er zum Troft fie angeblict, 
Wie fie, jo derb er fie genedt, 

Sein fröhlich Lachen angeſteckt, 

Und auch, wenn er fie tüchtig jchalt, 
Sein Wort nicht minder ihnen galt. 


Prolog. 


©o Hat er feines Bolfes Art 

Sin feinem Schaffen offenbart, 

Daß alle, die jein Deutſch verjteh’n, 
Sich Har darin im Spiegel jeh'n. 
Wer fennt die tollen Schwänfe nicht, 
Aus denen er jo drollig jpricht, 
Bis er zulegt uns eingejteht, 

Daß es fich um uns felber dreht, 
Da im verkehrten Lauf der Welt 

Er ung die wahre vorgejtellt ? 

Mer murrt jo leicht, daß ihm mißftel 
Sein ausgelaſſen Fajtnachtsipiel, 
Das unverhüllt, und immer wahr 
Uns legt die Bein der Lüfte dar, 
Und daß, wer auf Gewinn bedacht, 
Sich oft in Schaden hat gebracht? 
Wen hat die Schalfheit nicht ergößt, 
Und wen die Offenheit verleßt, 

Es jet denn, daß er jelbjt ala Thor 
Sich jah geführt den andern vor? 
Und, bleibt auch vieles ungenannt, 
Wem find die Sprühe nicht befannt, 
In denen er, noch fruchtbar Heut’, 
Der Weisheit goldne Körner jtreut, 
Wie fie jo dicht des Pflüger Hand 
Nicht auswirft auf ein Aderland ? 
Doch geht Belehrung auch voran, 
Nicht troden wird fie abgethan, 
Stet3 dringt er zum Gefühl uns Hin, 
Denn Liebe lenkt ihm feinen Sinn, 
Ob er der Tugend Macht beweift, 
Ob er das Laſter fliehen heißt. 

Und der mit jeinem Volk vertraut, 
Es viele Alter hat erbaut, 

Er jtand, ala ihn mein Auge fah, 
Beicheiden in der Menge da, 

Wie, jpürend feines Geijtes Weh'n, 
Ihr oft im Bild ihn Habt gejehn: 
Das mwürd’ge Antli faltenreich, 
Boll Ernjt und Munterfeit zugleich, 


483 


484 Prolog. 


Das Haar To jchneeig wie der Bart, 

Sm Blid das Licht geoffenbart, 

So wie er jtritt in jeiner Zeit 

Tür Sitte, Recht und Menjchlichkeit, 

Der, wenn er längjt auch ſchon entſchwand, 
Zu altem Ruhm vom Grab erjtand. 


Erfter Nufzug. 


Erſter Vorgang. 


(Kiete Nacht. Hans Sachs in einer niederen Dachſtube bei ber Lampe ſitzend ab 
finnend; nad) einer Weile.) 


Hans Sachs. Nichts weiß ih Schön’res auf der Welt, 
Als bei der trauten Lampe Schein 
Zu reimen in dem Kämmerlein, 
Wie e3 dem Herzen grad’ gefällt. 
Menn draußen wild die Winde pfeifen, 
Fühlſt du den Frühling drinnen reifen. 
Den hat der liebe Gott bedacht, 
Den er zu jeinem Sänger madt; 
Er thut’3 dem reichſten Mann zuvor, 
Der ſorglos durch den Garten jchreitet 
Und fih an jeinem Blumenflor 
Ein mühelos Gejchäft bereitet. 
Die Wärme flieht, der Sommer geht, 
Und aller Glanz ift ihm verweht. 
Doch jenem bleibt jein Prangen treu 
Und wechſelt dabei dennoch neu, 
Sn andern Blättern, andern Blüten 
Der Welt fein Sprofjen darzubieten 
Und fie mit immer reichern Gaben 
In ewig reger Luft zu laben. 


486 Hans Sad. 


Ob dort die Sonne auch fich wende, 

Sein Sommer findet hier fein Ende, 

Wie auch die Monde, wie die Jahre fliehn, 

In feinem Herzen bleibt es immer grün. 

(Der Nachtwächter wird aus der Ferne vernommen.) 

Horch! wiederum des Wächter: Horn, 

Der durch die Gafjen macht die Runde 

Und ausruft die geſchlag'ne Stunde, 

Schon tutet er am Markte vorn. 

Set naht er unjerm Haufe wieder, 

Ein Schreck fährt mir durch alle Glieder, 

Denk' ich an meines Vaters Zorn, 

Müßt' ich darob ihm Rede ſteh'n, 

Wird unten jet mein Licht gejeh'n. 

Doch eh’ ich's noch verlöfche hier, 

Wil ich die Reime überfliegen, 

Die ich geiworfen aufs Papier, 

Wie fie mir achtlos aufgejtiegen: 

Die Dichter wie die Mütter find, 

Sie herzen am liebſten das jüngjte Kind. 
(Er lieft und verfinkt dabei in neues Sinnen. Der Nachtwächter läßt fi) während- 


deſſen unten vernehmen; gleich darauf fährt die Thür auf, und jein Vater, Jörg 
Sachs, ftürmt in die Kammer.) 


Jörg Sad. Schau’ einer da den Träumer an! 
Wenn andre jchlafen, fängt er an zu denken. 
Am Tag vollführt er feinen Schlendrian, 
Um ſich bei Nacht in Pofjen zu verjenfen. 
Du wirſt Dir nie die Hand verrenfen, 
Sp wenig als der Abt von Emeran. 
Wer weiß, wie lang’ fchon hinter meinem Rüden 
Dir die Verſchwendung mochte felich glüden, 
Als könnte Ol man aus der Pegnit Holen, 
Als hätte Sachs ſein teures Holz gejtohlen. 
Hans Sache. Kein Scheitlein noch verbrannt’ ich je dabei. 
Jörg Sachs. Du Thor! Ms ob ein Span was andreg fei. 
Wer als Gefell fih in der Werkſtatt rührt, 
Auch Müpdigfeit zur rechten Stund’ verfpürt. 
Drum faum, daß er den Löffel weggelegt, 
In jeiner Bettjtatt er fi) nimmer regt. 
Doch Du, anjtatt ala Mujter ihnen 
Und mir als rechte Hand zu dienen, 


Erfter Aufzug. Erfter Vorgang. 487 


Denkſt mehr an Tinte und an Teder, 
Als an Dein Pech und an Dein Leder: 
Die nächtlich leiern, Verſe jchreiben, 
Am Tag fich blöd’ die Augen reiben. 
Hans Sachs. Wen bringt es Schaden, wenn ich hier zur 
Nacht 
Ein Stündlein oder zwei allein verwacht, 
Dem Liebiten, was ich fenne, hingegeben, 
Um auszubauen jo mein inn’res Leben? 
Jörg Sachs. Sit lauter leerer Firlefanz; — 
Nicht jeder Tag jpielt auf zum Tanz. 
Es kann's nicht jeder auf der Welt 
So haben, wie’3 grad’ ihm gefällt. 
Dem Ritter, dem Fräulein, dem Handwerksmann, 
Einem jeden jteht was andres an. 
Hans Sad. Doch jeder treibt, was ihm gelingt 
Und andern feinen Schaden bringt. 
Jörg Sache. Kein Vogel wird dom Singen jett! 
Hans Sachs. Und dennoch fingt er um die Wett”. 
Jörg Sachs. Ich glaube gar, Du willſt mich lehren, 
Wonach ich unſereins ſoll kehren. 
Der Milchbart dünkt ſich weiſe gar 
Und ſpottet übers graue Haar! 
Das kommt von dieſem ew'gen Reimen. 
Sie glauben, weil ſich Klang zum Klang geſellt, 
Es ging' gerade ſo auch in der Welt, 
Und alles ſei, genau ſo wie ſie's träumen. 
Hans Sachs. Doch lieber Durſt und Hunger leiden, 
Als je die Koſt der Seele meiden! 
Jörg Sachs. Dem Nunnenbeck, dem Liedernarren, 
Verdankſt Du Deinen eig'nen Sparren. 
Hans Sachs. Er iſt mein Hort, wie ich bekenne, 
Von dem ich nimmer los mich trenne! 
Jörg Sachs. Wer ſich in meiner Hut befindet, 
Sich eig'ner Hand ihr nicht entwindet. 
Hans Sachs. Da jagt mich lieber gleich von dannen! 
Schon viele jern ihr Brot gewannen. 
Jörg Sachs. Meinthalben fannit Du’s auch probieren 
Und wann Du mwillit, das Bündel jchnüren. 


488 Hans Sad. 


Hans Sache. Ich weiß den Weg zum Thor hinaus. 
Jörg Sachs. So jolljt Du auch auf ihm entwandern! 

Du machſt Dich fort aus meinem Haus 

Und jtedjt mir nicht noch an die andern. 

(Hans Sachſens Mutter, Chriftine, tritt auf.) 

Mutter. Was giebt es mitten in der Nacht? 

Die Nachbarn werden fich beſchweren, 

Man muß die Ruh’ der andern ehren. 
Jörg Sachs. ch will dem Burfchen Ordnung lehren! 
Mutter. Sei doch nicht gleich jo aufgebracht! 

Jörg Sachs. Hilf ihm auch noch! Der merkt e3 fich genau. 
Hans Sachs. Beſchloſſen iſt's, ich mach’ mich in die Fremde. 
(Er nimmt fein Ränzel von der Wand.) 

Jörg Sache. Sie Liegt vor Dir, ſoweit der Himmel blau. 
Hans Sachs. Man fühlt am wohljten fi im eig’nen Hembde! 
Mutter. DO, Hans, gieb nah! Hans, ohne Segen 
Derdorrt das Gras auf Deinen Wegen. 
Jörg Sach. Den will ich für wen Befj’ren jparen, 
Der Deine mag vor Schaden ihn bewahren! 
(Raſch ab.) 
Mutter. Hilf Gott! es bringt mich in das Grab! 
Sohn, bitt’ es Deinem Vater ab! 
Du braucht nicht jeinen Zorn zu ſcheu'n, 
Bald wird jein gähes Wort ihn reu’n. 
Hans Sachs. Dünkt Dir nicht befjer, daß ich ſcheide, 
Als daß ich Arg’res noch erleide ? 
Kein Jahr wär’ ohnedem verflogen, 
Bis dat von Hinnen ich gezogen. 
Du ſorgteſt jelbjt für Linnen und Gewand 
Und padteft ſorglich mir’3 mit eig’ner Hand. 
Drum ſei getroft! Ich reife in die Welt 
Und laß mich führen, wie e8 Gott gefällt. 
(Ihre Hand erfafjend.) 
Leb’, Mutter, wohl und bleib’ mir gut, 
Daß Deine Liebe mid) auch in die Weite 
Auf allen meinen Wegen jortgeleite, 
Hab’ ich doch immer ſanft in ihr gerußt. 
Mutter (ihn mit den Armen umfangend). Beſinne Dich, eh' Du ent- 
ſchwindeſt! 
Wer weiß, ob Du mich wiederfindeſt. 


Erjter Aufzug. Zweiter Vorgang. 489 


Hans Sache. Das laſſen wir den Herrn bejorgen, 

Dem offenbar, was uns verborgen. 
(Sie umarmenb.) 

Wil Dir den Abjchied nicht erſchweren, 
Durh Thränen nicht Dein Leid noch mehren, 
Nur einen Blick voll Dank Dir weih'n. 
Betrübt’ ich Dich, ſchenk' mir Berzeih'n! 
Boll Liebe warjt Du jtet3 mit mir, 
Gott Lafje fie mich lohnen Dir! 

(Er enteilt.) 

Mutter. Er ift dahin! Ich werd’ ihn nimmer ſchau'n. 
Verjagt, wird er fich nicht mehr heimgetrau’'n, 
Wenn fich jein Bater nicht noch ſchnell befinnt 
Und ihn durch meinen Ruf zurüdgewinnt. 

Sein Vorſprung kann jo groß nicht fein, 
Ich Hol’ ihn vor dem Thor noch ein. 
(Ebenfalls raſch ab.) 
Verwandlung. 


Zmeiter Vorgang. 


(®or ber Lorenzer Kirche. Das Haus des Goldſchmieds Peter Gulden und bed 
Leinewebers Leonhard Nunnenbed Liegen einander gegenüber. Es beginnt 
zu tagen. Märten Bogner tritt auf.) 


Märten Pogner. Der Goldjchmied dort, der Meifter mein, 
Befigt ein ſchönes Töchterlein. 
Er ijt ein reicher, ſtolzer Mann 
Und fieht fich jeden Werber an. 
Drum wagt’ ich's, ſchickt' mit barſchem Wort 
Er ſtracks mich aus der Werkſtatt fort. 
Zwar jchade wär's um ihn nicht jehr: 
Mit feiner Kunſt ijt’3 weit nicht her; 
Doch hebt ihn hoch fein Geld und Gut, 
Um das ihn jeder neiden thut. 
So jteht fie heimlich mir im Sinn; 
Nach ihrem Fenſter blick' ich Hin, 
Bor Tag oft ſchon dahergetrieben, 
Ihr ungejehen nah’ zu jein. 
Nur eines flößt mir Hoffnung ein: 
Sie ſoll die fünjtlichen Lieder Lieben. 


490 Hans Sachs. 


Ein jolches ſchuf ih ihr zum Preis 
Und Sparte nicht mit meinem Fleiß, 
Bis ich's in Reimen glattgejchrieben. 
Doch wie gelangt’3 ihr zu Geficht? 
Ei, wohnt der Nunnenbed dort nicht, 
Der manden Schüler 309 heran 
Und ihm den Singerpreis gewann. 
Drum, kann ich auch zu ihr nicht dringen, 
So wird mir’3 doch bei ihm gelingen, 
Führt ihn beim frühen Glodenflang 
Zur Kirche jein gewohnter Gang. 
(63 läutet zur Frühmeije.) 
Erſchwungen Hat fich, horch, ihr Ton, 
Und fieh’, da naht er ſich auch jchon! 
(Nunnenbed verläßt jein Haus.) 
Sn froher Hoffnung drauf und dran! 
Der Sieg mir nimmer fehlen fann. 
Leonhard Nunnended. Was treibt, Gejelle, Dich daher? 
Auf, künde frifch, was Dein Begehr! 
Märten Pogner. Verzeiht, daß ich mich. thu’ erdreijten, 
Doch könnt Ihr leicht mir Hülfe leiſten. 
Leonhard Nunnenbed. Lab hören denn, was Dir gebricht! 
Marten Pogner. Das offenbart Euch dies Gedicht. 
Leonhard Nunnendbed. Was joll dag Blatt in meiner Hand, 
Der ich nur Weber nach dem Stand? 
Märten Pogner. Doch jeid Ihr Meijterfinger aud). 
Leonhard Nunnenbeck. Als Handwerksmann, wie’3 hier derBraud). 
Märten Bogner. Nach Gleichem jteht auch mein Berlangen. 
Leonhard Nunnenbeck. Wer die bejcheidentlich begehrt, 
Der hat als Schüler anzufangen, 
Und, wenn er auß dem Grund belehrt, 
Des Singer Namen zu empfangen, 
Dem, falls die Zunft ihn würdig ſprach, 
Grit folgt des Dichters Name nad; 
Doh Du in Deinem Überheben, 
Willſt Dich ſchon jetzt als Meiſter geben. 
Ich tauge nicht für ſolche Geiſter, 
Such' Du Dir einen andern Meiſter! 


(Sr giebt ihm das Blatt zurück, worauf Pogner fi) beſchämt entfernt, doch in 
einiger Entfernung beobadjtend ftill hält.) 


Eriter Aufzug. Zweiter Vorgang. 491 


Nunnenbed (attein). Ein ſchöner Morgen für die Jahreszeit. 
Das Herz wird einem wieder weit 
Und fühlt, jo wild es auch gejtürmt, 
Der in der Höh’ hat uns gejchirmt. 
(Hans Sachs tritt auf.) 
Ei, fommt da nicht Hana Sachs heran, 
Den Wanderfittel umgethan, 
Sa mit dem Ränzlein jchon behangen — 
Was ift mit ihm wohl vorgegangen ? 
(Ihm entgegentretend.) 
Wohin des Weg’s in aller Früh’? 
Hans Sachs. Abſchied zu nehmen jteh’ ich Hie. 
Der Bater wies mich aus dem Haus, 
Sp wandr’ ich in die Welt hinaus. 
Nunnenbed. Doch, Jörg iſt ein bedachter Mann: 
Wie fommt’3, daß er jo zürnen fann? 
Han? Sachs. Er fam Herzu in tiefer Nacht, 
Als ich beim Lämplein noch gewacht, 
Und über mich, gar jcharf und bitter, 
Brad los fein volles Ungemitter. 
Den Wanderjtab mußt’ ich erfaſſen, 
Wollt' auch die Mutter mich nicht Lafjen. 
Nunnendbed. Doch weißt Du, daß am Elternfegen 
Mehr als an anderm Schuß gelegen. 
Dies würd’ge wohl mit ernitem Sinn, 
Bevor Du ziehjt zur Fremde hin, 
Daß, vom Gewiſſen unbedrüdt, 
Dein Geift zurüd zur Heimat blidt 
Und einjtmals in Dein kindlich Trauern 
Sich mijcht fein reuevoll Bedauern! 
Hana Sad. Wie ftraft mich liebreih Euer Wort, 
Und dennoch treibt die Not mich fort. 
Nunnenbed. Mein Sohn, an diejer trag’ ich mit die Schuld, 
Weil ich Dein Sinnen nahm in meine Huld. 
Und drum will mir's ala Pflicht erjcheinen, 
Dich wieder dem Vater zu vereinen, 
Wir wollen dazu uns fronım bereiten. 
Es giebt im Leben feine Lage, 
In der nicht unjer Heil in Trage, 
Und Prüfung drängt von allen Seiten. 


492 Hans Sachs. 


(Sie begeben fi) nad) der Kirche, aus welcher Orgelllang erſchallt. Auch andere 
Beſucher nahen. Märten Bogner fommt wieder heran.) 
Märten Bogner. Wer mag der glatte Burfche fein, 
Der ihn genafeführt jo fein, 
Daß fih der Bär mit feinem Gebrumm 
Gewandelt in ein Immlein um? 
(Er eilt beiden in die Kirche nad. Hans Sachſens Mutter tritt auf und wendet 
fich zu ein paar Bürgern.) 
Mutter. O Lieber Mann, jagt an mir doch, 
Ging niemand dort zum Thor hinaus ? 
Der eine Bürger. Wie wollt’ das einer wiſſen noch, 
Wo's geht bejtändig ein und aus? 
Mutter zum andern Bürger). Sah't Ihr auch feinen Burfchen 
eh'n? 
Der andere Bürger. Wie hätte der wohl ausgeſeh'n? 
Mutter. Das Auge blau, das Haar wie Flachs, 
Er nennt ſich Hans und ſchreibt ſich Sachs. 
Der zweite Bürger. So könnt' — der nächſte beſte heißen, 
Da muß Euch ſchon ein andrer weiſen. 
(Beide Bürger entfernen ſich.) 
Mutter (aein). Es iſt geſcheh'n! Mein frommer Hans entwich 
Und bettelt auf der Straße weiter ſich. 
Doch raſt' ich nicht, bis ich ihn finde — 
Herr, führe mich zu meinem Kinde! 
(Sie enteilt und ſtößt auf Kunigunde, die des Wegs daher kommt.) 
Mutter. Hört, Jungfer, eine rechte Bitt' 
Gewahrtet meinen Sohn Ihr nit? 
Kunigunde. Kann Euch nicht dienen, liebe Frau, 
SH merkte niemand mir genau. 
Mutter. Er lief aus feines Vater Haus 
Geradenwega zum Thor hinaus. 
Kunigunde Dann freilich eilt’3, ihn einzuholen! 
Wüßt' ich, wo mit dem Korb da ein, 
Der einem leicht wird weggejtohlen, 
Er ſollte bald gefunden jein. 
Da geht der Bäderladen auf, 
Man tennt mich drin und merkt mir drauf. 
(Sie läuft in den Laden.) 
Mutter. Daß Gott Ihr Seinen Lohn erteile — 
Wüßt' ich, ob er im Münijter weile! 


Erſter Aufzug. Zweiter Vorgang. 493 


Gejang tin der Kirche). Vater, Ichirm’ ung allerwegen 
Auf des Lebens rauher Fahrt, 
Kur allein durch Deinen Segen 
Wird uns jede Not erjpart. 
(Die Mutter faltet die Hände.) 
Lenfe gnädig unf're Schritte, 
Ohne Dich ja find wir blind 
Und erbarm’ Dich unf’rer Bitte, 
Da wir Deine Kinder find. 


(Kunigunde kehrt zurüd. Der Orgelklang verſtummt. Märten Pogner verläßt die 
Kirche.) 


Kunigunde. So, jet bin ich der Bürde frei. 
Mutter. Ob er der Kirche jchlich vorbei? 
Märten Pogner. Was jchaut Ihr jo verdußt mich an? 
Kunigunde. Der Armen ift ihr Sohn verihwunden. 
Mutter, Wie flink ich mich auch umgethan, 

Ich konnt’ ihn nimmermehr erfunden! 

(Sie Brit in Weinen aus.) 

Märten Rogner. Bejchreibt ihn mir, es ſtimmt vielleicht — 
Mutter. Schon auf den erjten Blick bejeh’n, 

Er einem Wanderburjchen gleicht. 
Märten Pogner. So einen jah ich drinnen jteh'n. 
Kunigunde (einfallend, zur Mutter). Wenn e8 Euch recht, jo eil’ 

ich hinein! 

Er wird gewiß zu finden jein. (Us in die Kirche.) 
Märten Pogner. Mir jcehien’S nach Mienen und Gebärden, 

Daß ihm der Abjichied ſchwer will werden. 

Doch weiß ich, wie die Fremde frommt, 

Seid froh, wenn er nicht wiederfommt! 
Mutter. Was denkt Ihr? Hätten wir ihn wieder, 

Wir legten gern jed’ Opfer nieder! 
Märten Pogner. Was aber hat ihn dann vertrieben ? 
Mutter. Die Schreibfunjt thut er mächtig lieben, 

Und, da ihm tags die Stunden jehlen, 

Sucht er der Nacht fie abzujtehlen. 
Märten Pogner. Mir Scheint, eg thut ihn Narrheit quälen. 
Mutter. Da kam in vor'ger Nacht ſein Licht 

Dem brummigen Wächter zu Geficht. 

Und der Hat drüber Lärm gejchlagen ; 

Das reizte den Vater, ihn mwegzujagen. 


494 Hans Sachs. 


Märten Pogner. Das hat ſein Vater wohl gethan! 
Was hängt er dem Nunnenbeck ſich an, 
Der thut, wie wenn er als Dichter 
Entdeckt' den Nürenberger Trichter. 
(Ab nad) Guldens Haus.) 
Mutter. Er fieht bedrängt ihn und im Leid 
Und freut ſich drob aus falfchem Neid! 
(Hans Sachs tritt mit Nunnenbed und von Kunigunden gefolgt aus der Kirche) 


Nunnenbed. Da bring’ ich Euch zurüd den Sohn, 
Er machte fich zu ſchnell davon. 
Mutier (Hans Sachſens Hand ergreifend). Der Bater war zu hart; 
er fieht es ein, 
Und wird ein andermal nachficht’ger jein. 
Hans Sachs. O Mutter, mir indes auch ward es inne, 
Daß ohne Segen ich fein Glüd gewinne. 
Mutter. Du wirft doch wieder bei uns bleiben? 
(Hans Sachs ſchweigt.) 
Nunnenbeck. Ich rate, nichts ihm vorzuſchreiben 
Und, habt ihr's erſt in ſeine Hand gelegt, 
Lenk' ihn der Stern, den er im Herzen trägt! 
(Alle wenden fich zu Kunigunde.) 


Hans Sachs (Kunigunden die Rechte darbietend). Habt Dank! 
Kunigunde. 63 mag Euch wohl ergeh'n, 
Auch wenn wir ung niemalen wiederjeh'n! 
Mutter (fie umfangend). Das läßt der Himmel, Tochter, nicht 
geſcheh'n! 
Nunnenbeck (ebenfalls ihre Hand erfaſſend). Wenn ich Euch dienen 
oder helfen kann, 
Ihr findet meine Thür Euch aufgethan. 
(Alle außer Kunigunde entfernen ſich nach der Stadt.) 
Kunigunde (allein). Er iſt mir fremd und unbekannt, 
Und doch fühl' ich mich ihm verwandt, 
Als wenn er mir von Gott empfohlen wär'. 
Ich weiß, ich werd' vergeſſen ihn nicht mehr. 
(Indem fie ihm nachblickt, fällt der Zwiſchenvorhang.) 


Griter Aufzug. Dritter Vorgang. 495 


Dritter Borgang. 
(In Sachſens Haufe, Jörg Sachs im Lehnftuhl; die Kinder um ihn ber.) 


Jörg Sachs. So lang’ fie jo um Einen find, 
Läßt man fie gern des Weges laufen, 
Do ift nur Eines weg dom Haufen, 
So merft man erit, was uns das Eine Kind. 
Sie wird ihn doch noch recht erwijchen, 
Ich weiß, wie's ſchmeckt an fremden Tijchen. 
(Die Mutter tritt auf.) 
Da bift Du endlich wiederum! 
Das Wort im Munde, bleibſt Du ſtumm! 
So rede doch, wo bleibt Dein Engel, 
Wollt’ jagen Dein verwöhnter Bengel? 
Mutter. So willft Du ihn wohl gar empfangen? 
Jörg Sache. Schweig’ jtill und laß ihn hergelangen! 
(NRunnenbed und Hans Sachs treten auf.) 
Mutter. Gedulde Dich, da fommt er ſchon. 
Nunnenbed, Hier habt Ihr wieder Euren Sohn! 
Er Hat ſich jo hinweggeſtohlen 
Und muß fich exit den Segen holen. 
Jörg Sachs. Mit dieſem geht's nicht jo geſchwind, 
Wir haben andres noch zu reden! 
Mutter. Dein Kritteln macht verdroſſen jeden 
Und Dir abſpenſtig noch Dein Kind. 
Jörg Sachs. Fängſt wieder ihn zu hätſcheln an? 
Abbitt' hat er noch nicht gethan! 
Nunnenbeck. Die leiſt' ich ſelbſt in ſeinem Namen, 
Hab' ich doch auch, wie Ihr bemerkt, 
In ſeinem Trachten ihn ſtets beſtärkt. 
Gott legte in ihn des Geiſtes Samen 
Und, daß er ſprießend mag gedeih'n, 
Wird er ihm auch die Kraft verleih'n. 
Er ließ den Drang in ihm erwachen, 
Sich in die Weite aufzumachen, 
Damit fich ihm die Welt erjchließe 
Und fih ihr Wirken in ihn ergieße. 
Mer nur in einer Stadt gelebt, 
An dem jo mancher Mangel Elebt. 


496 Hans Sachs. 


Auch find die Zeiten nun borüber, 

Wo alles fteif und abgejchlofjen, 

Da man die Welt in feiner Stadt genofjen, 
Und alles wurde mit der Ferne trüber. 
Jetzt waltet eine andre Meinung, 

Man fährt zum Grunde der Erjcheinung 
Und, was Gebirg’ und Meere trennen, 
Die Menjchen lernen es erfennen. 

Sa, jhaut nur Behaims Globus an! 
Er folgt getreu der Erde Bahn 

Und jelbjt in ferner Meere Graug, 

Da fühlt er noch das Land heraus. 
Wie lang’ iſt's her, ward eins entdedt, 
Das mitten in dem Weltmeer ſteckt! 
Ihr wißt, man nennt’3 Amerika, 
Columbus heißt, der e& erjah. 

Drum, wer e3 will mit Vorteil treiben, 
Der darf nicht hinterm Ofen bleiben: 
Die Erde wählt, die Stadt wird enger, 
Wo jeder, der zurücgefehrt, 

Sein Können fühlt in fich gemehrt 

Und auch die Heimat richtet jtrenger — 
Erſt Hang, mit jeinen hellen Sinnen! 
Er wird mehr, als Ihr ahnt, gewinnen. 
Wer hätt’ vom Dürer gleich gedacht, 
Daß er ein Maler von folcher Macht? 
Und derlei giebt es mehr Exempel. 
Nicht auf der Stirne fit der Stempel, 
Der ruht oft tief im Herzensgrund 
Und wird nicht jedem Blicke fund. 

Sa, mehr aus Zügen, als aus Thaten 
Iſt er im Anfang zu erraten. 

Ein Stern, der heute völlig klar, 

Er jtand wohl lange unfichtbar, 

Doch, hat er einmal fich entzündet, 
Ihn jeder leicht am Himmel findet, 
Und fein geheimnisvpolle® Glänzen 
Wirkt über Zeit- und Raumesgrenzen. 
Wenn längjt wir alle vergangen find, 
Grblict ihn noch Dein Enkelfind. 


Eriter Aufzug. Dritter Vorgang. 497 
(Hans Sachs die Hände auflegenb.) 
Zieh’ denn getrojt ins weite, deutjche Land, 
Die Ströme auf, die Ströme nieder! 
Wohin Du fommit, ernährt Dich Deine Haud 
Und grüßen Di Dir wohlbefannte Lieder, 
Da zahlreich, wie ein neuer Orden, 
Die Schule des Gejangs geworden. 
So mangeln nie auch Freunde Dir, 
Und dort lebſt Du jo gut als Hier. 
Nur bau’ zu jehr auf andre nicht, 
Und thu’ vor allem Deine Pflicht! 
&3 jcheint oft dunfel um uns zu werden, 
Wie Naht und Helle mwechjeln auf Erden. 
Doch ſchwindet bald Dir jedes Grau’n, 
Beritehjt Du's nur, auf Gott zu bau’n, 
Der Di mit inn’rer Freudigfeit 
Erfüllt auch in betrübter Zeit. 
CEachelnd.) 
Haft Du am Tage nicht geträumt, 
Was thut’3, wenn Du den Schlaf verfäumt? 
Daheim in Deinem Kämmerlein 
Darfit Du Dir auch der Nächite fein. 
Dann mag Dein’ Seel’ fich frei erſchwingen 
Und was Du fühlit, in Worte bringen. 
Damit, was Dir erhebt die Bruft, 
Auch andre labt mit gleicher Luft, 
Denen, wenn verlodert Dein Lebenzfeuer, 
Du auch im Grab wirft bleiben teuer. 
Drum auf, Hana Sache, ins volle Leben, 
Du mußt aus eig’'ner Kraft Dich heben! 
Jörg Sache. Ihr ſprecht fürwahr jo ug und kräftig, 
Daß jeder Euch veritehen fann. 
Die Mutter. Er ijt halt immer gleich jo heftig — 
Ihr jeid ein wohlbedachter Mann. 
Hanz Sachs. O Vater, laßt mich in die Welt hinaus! 
Hier drüden mich die dumpfen Gaffen, 
Und troß dem Lieben Vaterhaus 
Treibt's mich, die Heimat zu verlafjen. 
Nunnendbed. Empfehlt ihn Gottes Heil’gem Schuß 
Und laßt mit ihm getrojt ihn reifen! 
(Jörg Sachs giebt Nunnenbe die Hand.) 29 
Greifs Wert: III. 8 


498 Hans Sachs. 


Er lehrt ihn, was ihm not und nutz', 
Und wird ihm ſeine Wege weiſen. 

Mutter. Auch findeſt Du, wenn's mangeln thät, 
Was in Dein Ränzlein eingenäht. 

Ihr Taſchentuch ziehend.) 
Es iſt ſo hart, wenn Kinder geh'n: 
Wer weiß, ob wir ſie wiederſeh'n. 

Jörg Sachs (inre Hand erfafiend). Der Nunnenbeck wiegt mir genug, 
Er Hat’3 mir aus dem Mund genommen; 
Bin auch in fremdes Land gefommen, 

Und fo erlebt’ ich's Zug um Zug. 
Hat mir mein Lebtag wohlgethan, 
Ein jeder fieht e3 einem an. 

Seht Kinder und Gejellen bei, 
Damit der Abſchied ee fei! 


Die Mutter ab.) 
Sa, Nunnenbed, Ihr habt’s getroffen! 
Die Welt jteht allen Menjchen offen. 


(Gejellen fommen, die Kinder drängen herzu; die Mutter ehrt weinend zurüd.) 
Jörg Sachs. Hier alle her in einen Kreis! 
Bei mir im Haus da wird nicht leis, 
Wird alles frank und frei verhandelt, 
Weil alles off'ne Wege wandelt. 
Präg’ ein Dir, Hans, was ich dir fage, 
Und gut ergeh’3 Dir alle Tage. 
Den?, daß von oben alles kommt, 
Und thue nur, was allen frommt! 
Der Herrgott hat jo manchen Tag, 
Wo er uns grad’ nicht herzen mag, 
Drum denke, jtellt Gewölk fich ein, 
Dem Regen folgt der Sonnenjchein. 
Bor allem werd’ ein Handwerfsmann, 
Der jich mit jedem meſſen fann. 
Drum ſchau' Dich üb’rall friſch herum, 
Doch bleibe mir im Herzen frumm, 
Und ſchau' die Menjchen offen an! 
Biel ift mit einem Blick gethan. 
Nur friſch Hinweg von Deiner Lunge, 
Was eben Dir im Herzen liegt; 
Sit Dein Gemüt und Geift gewiegt, 
Sp iſt gewiegt auch Deine Zunge. 


Erjter Aufzug. Dritter Vorgang. 499 


(Ihn an fi} ziehenbd.) 
Ich hätte Dich fo gern behalten, 
Doch lafjen wir Den droben walten. 
Er füg’ zu meinem Seinen Segen 
Und leite Dich auf allen Wegen! 
Hans Sachs. Ihm ſei geweiht fortan mein ganzes Leben, 
Er mag mir Freude, mag mir Trübſal geben! 
Mutter. Wie wird ums Herz mir bang fo jehr — 
Ich jehe meinen Hans nicht mehr! 
Jörg Sachs. Sei ruhig, Mutter, weine nit! 
Der Herr bewacht ſchon feine Schritt”. 
Da, nimm ihn nochmals in den Arm, 
Drüd’ ihn an Dich und Half’ ihn warm! 
Wir wollen's Herz ihm nicht erjchweren 
Und lieber drum die Blide kehren. 
Geſellen, Habt es jetzt gejeh'n, 
Könnt wieder an die Arbeit geh'n. 
(Indem ſich Hans Sachs von ſeiner Mutter losreißt, fällt ber Vorhang.) 


Ende des erſten Aufzugs. 


weiter Nufzuag. 


Erfter Borgang. 
(In der Werkftatt Dürer. Albrecht Dürer tritt dem eben erfchienenen Willis 
bald Pirkheimer zum Gruß entgegen.) 
Albrecht Dürer. Gegrüßt mit Gott! Wie ift es Euch ergangen ? 
Willibald Pirfheimer. Die Reife ift nah Wunjch verrichtet. 
Ich ward mit Ehren überall empfangen 
Und alle Streitigkeiten find gejchlichtet. 
Auch Euch läßt Köln vor allem Gruß entbieten, 
Antwerpen, Mecheln, Gent nicht minder; 
Wie einem Vater feine Kinder 
Sie fih Euch zu empfehlen rieten. 
Weithin, jo ward es fern mir fund, 
Lebt Euer Nam’ in aller Mund. 
Ein neidenswertes Schickſal, Dürer, 
Der Leitjtern einer Welt zu fein, 
Erweckter Geijter großer Führer — 
Und alles nur durch fich allein! 
Albrecht Dürer. So lang’ wir noch im Dunfeln jtreben, 
Gemwährt der Ruhm ung große Luft, 
Doch ſpäter fann ung nur erheben 
Die Ruh’ in der zufried’nen Bruft. 
Das Bild, das wir im Innern tragen, 
Erreichen wir im Bilde nie; 
Was Weife auch und Thoren jagen, 
Nichts zur Vollendung je gedieh. 
Willibald Pirkheimer. Wenn Ihr Euch nicht das Lob wollt 
gönnen, 
Wen joll die Anerkennung freu’n ? 


Zweiter Aufzug. Erjter Vorgang. 501 


Albrecht Dürer. Die alles wiſſen, alles können, 
Die nichts beweinen, nichts bereu’n. 

Willibald Pirkheimer. So fommt es jtets: der wird verdrofien, 
Dem fich die Tiefe hat erichlofjen. 

Ihr Meifter jeid dem Himmel zu vergleichen, 

Der fih mit Wolfen grau verhängt, 
Wenn, Licht verbreitend ohnegleichen, 
Sid Strahl um Strahl zur Erde drängt: 
Sich ſelbſt verhüllt und abgewendet 
In alle Fernen Glanz er jendet. 

Albrecht Dürer. Doch wie im Sonnenbrand die Blüte 
Welkt ihm die Hoffnung im Gemüte. 

Willibald Pirfheimer. Nur Der vermag Euch zu veriteh'n, 
Dem Gluten durch die Seele weh'n! 

Albrecht Dürer. So werden wir es mid’, zu greifen 
Nach Früchten, die doch nimmer reifen, 
Denn, was an ihrer Statt wir bieten, 
Sind ſturmverwehte Frühlingsblüten. 

Willibald Pirfheimer. Ein Dichter ward in Euch geboren 
Und mit dem Maler ging er nicht verloren! 

Albrecht Dürer. Die Reimkunſt wird von mir bewundert, 
Doch reim’ ich jelbjt, wie viele Hundert’. 

Willibald Pirkheimer. In allem fann man fich nicht groß 

erzeigen, 

Und Größe iit’3, vor Großem ſich zu neigen. 

Albrecht Dürer. Längſt wünſcht' ich einen Dichter unſ'rer Stadt, 
Die viel des Trefflichen geboren hat. 

Willibald Pirkheimer. Ihr kennt Hans Sachs? Wenn der 


ſich hebt, 
In aller Zeit ſein Name lebt. 
Albrecht Dürer. Ich ſah ihn nur in ſeinem Keim; 
Wie dieſer wuchs, blieb mir geheim. 
Willibald Pirkheimer. Gereift indes, wie ſeine Lieder, 
Fand ich zu Köln den Sänger wieder. 
Er ſaß dort auf dem Meiſterſtuhle 
Und leitete die Singerſchule. 
Schon wandelt ruh'los ſein Geſang 
In Melodie zugleich und Worten, 
Das ganze deutſche Volk entlang, 
Und heimiſch iſt er allerorten. 


502 Hans Sachs. 


Albrecht Dürer. So tönt der Lerche Lied verborgen, 
Die unfichtbar begrüßt den Morgen. 
Willibald Pirfheimer. Und was die Menge fromm gejungen, 
Iſt wohl auch fchon zu Euch gedrungen. 
(Er zieht ein Blatt hervor.) 
Albrecht Dürer, Laßt hören, indes ich weiter male! 
(Gr tritt dor die Staffelei, worauf er Palette und Pinjel ergreift.) 
Willibald Pirfheimer (Herantretend). Ei, welche Züge, zart und fein! 
Ich ſeh' fie nicht zum erftenmale, 
Das fann nur Röschen Gulden ein, 
Des reichen Goldſchmieds Töchterlein, 
Der fich durch andrer Müh' und Kunit 
Gejegt hat in des Kaijers Gunit. 
Albrecht Dürer. Man muß fih Wünfchen anbequemen, 
Doch laßt mich nun das Lied vernehmen! 
Willibald Pirkheimer (nachdem er ſich niedergeſetzt, Lieit). 
„Warum betrübſt Du Dich, mein Herz, 
Bekümmerſt Dich und trageſt Schmerz 
Nur um Dein zeitlich Gut? 
Vertrau' Du Deines Gottes Rat, 
Der alle Ding' erſchaffen hat.“ 
„Er kann und will Dich laſſen nicht, 
Er weiß gar wohl, was Dir gebricht, 
Himmel und Erd' iſt ſein, — 
Mein Vater und mein Herre Gott, 
Der mir beiſteht in aller Not.“ 
„Weil Du mein Gott und Vater biſt, 
Dein Kind Du nimmermehr vergißt, 
Du väterliches Herz! 
Ich bin ein armer Erdenkloß, 
Auf Erden aller Hülfe bloß.“ 
(Röshen Gulden tritt mit ihrer Geſellſchafterin Urſula unbemerkt ein.) 
„Der Reiche bauet auf jein Gut; 
Sch will vertrau’n auf Gottes Hut, 
Ob auch die Welt veradht't, 
So glaub’ ich doch mit Zuverficht: 
Wer Gott vertraut, dem mangelt's nicht.” 
„Ach Gott, Du bift jo reich noch Heut’, 
Als je Du warit in Ewigkeit. 
Mein Treuen fteht zu Dir; 


Zweiter Aufzug. Erfter Vorgang. 503 


Sei Du nur meiner Seele Hort, 

So hab’ ich G’nüge hier und dort.“ 
„Zeitlicher Ehr' ich gern entbehr, 
Des Ewigen mid) nur gewähr”, 
Das Du erworben hait 
Durch Deinen herben, bittern Tod, 
Das bitt’ ich Dich, mein Herr und Gott!“ 

„Alles, was iſt auf diejfer Welt, 

Es jei Gold, Silber oder Geld, 

Reichtum und zeitlich Gut, 

Das währt nur eine furze Zeit 

Und Hilft doch nichts zur Seligkeit.“ 
„sch danfe Dir, Herr Jeſu Ehrift, 
Daß mir das fund geworden it, 
Durch Dein wahrhaftig Wort. 
Verleih mir auch Beitändigfeit 
Zu meiner Seele Seligfeit.“ 

„Lob, Ehr’ und Preis ſei Dir gebracht, 

Tür alles, wie Du mich bedacht, 

In Demut bitt’ ih Dich: 

Laß mi von Deinem Angeficht 

Ewig veritoßen werden nicht!” 

Röschen (nad einer Pauſe). O, welch ein Lied! Glückſelig, der es 

fang! 

Ihr fühlt Euch jelbit dahingerifjen. 

As Freund des Vaters laßt mich’3 wiſſen, 

Wenn zu Euch Her fein Name drang! 

Willibald Pirkheimer. Wie jollt’ ich nicht ihn jelbft auch fennen, 
Den wir mit Stolz als unfern nennen, i 
Hana Sachs — 

Röschen. Den Namen hört' ich nie! 

Der Sänger, weilt er wohl noch hie? 

Willibald Pirkheimer. Er zog, fünf Jahre ſind's — von hinnen, 
Sein Brot ſich auswärts zu gewinnen. 

Röschen. So iſt er alſo ſelbſt noch jung? 

Albrecht Dürer. Er machte fort ſich früh genung, 

Jüngſt traf mein Freund am Rhein ihn wieder. 

Röschen. Kennt man von ihm noch andre Lieder? 

Willibald Pirfheimer. Er liebt es nicht, damit zu prangen, 
Mit Müh’ nur konnt' ich dies erlangen. 


504 Hans Sad. 
Nöschen (das Bapier erfaffend). Geſtattet mir, es abzujchreiben, 
63 wird mir immer nahe bleiben. 
Albrecht Dürer. ch ſeh' Euch Feitlich angethan, 
Als ging’s zum Tanz auf grünem Plan. 
NRöschen. Zur Linde wir unter die Vejte gehn. 
Urſula. Das Wetter ift gar jo herrlich ſchön. 
Das Fräulein hat fich ungern entjchlofjen, 
Doch hätt’ es den Vater arg verdrofien 
(Mit bedeutfamen Zone.) 
Und manden Jungherrn überdies. 
Roschen. Sie war's, die nimmer Ruh’ mir ließ! 
So hat es aud) jetzt mir keine Eile 
Und gern ich noch beim Meiſter weile. 
Albrecht Dürer alette und Pinſel wieder ergreifend). Das wollen wir 
denn im Flug benügen! 
Noschen. Den Augenblick bin ich bereit. 
(Sie will fih den Kranz abnehmen.) 
Albreht Dürer. Das Kränzlein laßt nur droben fißen! 
Wir ftehen jet in der Nojenzeit — 

(Sie nimmt dor der Staffelet Plag, Albrecht Dürer beginnt zu malen.) 
Albrecht Dürer (nad einer Weite) Warum die Miene heut’ jo trüb? 
Roschen. Muß denfen mehr, als jelbjt mir Lieb. 

Albrecht Dürer. Die Röschen müffen lachend fein, 
Drum, bis Ihr munter, Halt’ ich ein. 
Röschen. Des Sängers muß ich immer denfen. 
(Zu Pirkgeimer.) Könnt Ihr jein Konterfei mir ſchenken? 
Willibald Pirfgeimer. Ob e3 Euch aber auch gefiele? 
Röschen. Es gleichen ihm wohl nicht zu viele! 
Albrecht Dürer. Nun aber geh'n wir recht daran — 
(Nachdem er ein Weilchen weiter gearbeitet.) 
Was wandelt Euch ſchon wieder an? 

Röschen (aufſpringend). Im Herzen geht's mir auf und per 
Herr Meiiter, morgen fomm’ ich wieder. | 
(Sie enteilt.) 

Urſula. Was iſt ihr in den Sinn gefahren ? 
Konnt’ jolches nie an ihr gewahren. 
(Sie eilt ihr nad.) 
Albrecht Dürer. Sie ſchuf fich fein Bild im jehnenden Siam 
Und giebt im Wachen fich Träumen hin. 


Zweiter Aufzug. Zweiter Vorgang. 505 


Willibald Pirfheimer. So daß, wenn er ihr jäh’ erfchtene, 
Er ſtumm ihr blieb’ in jeder Miene. 
Albrecht Dürer. Wie jedem fich nach feiner Art 
Sein jchauend Fühlen offenbart. — 
Komm, laß ung bei der Linde Raufchen 
Dem Reigenchor zur Fiedel laufchen ! 


QBerwandlung.) 


Zweiter Vorgang. 


(Auf der inneren Freiung der Veſte mit dem Blick durch das Thor und in den Vorhof 

der Burg und auf die drinnen befindliche Linde, um welche der Reigen begonnen 

bat und welche von Neugierigen umjtanden ift. Peter Viſcher und Cornelius 
Stabiu3 nahen ſich, im Geſpräch begriffen, bon der Stadt her.) 


Stabius. Nun Hab’ ich mein letztes Wort gejprochen : 
Der Teuerdant ift ein ledern Lied, 
Thut gleich der Pfinzing darauf pochen 
Als eingebildeter Verſeſchmied. 
Peter Viſcher. Laßt ihm die Meinung, die Euch nicht ſchadet! 
Stabius. Nicht Ichadet? Ward er vom Kaifer zu Wien 
Nicht mit demjelben Titul begnadet, 
Den mir mein hoher Gönner verlieh'n, 
Als meine Porta im Drud erfchien ? 
Und läßt er nicht jet die Poſaun' ertönen, 
E3 werde ihn hier in der Vaterſtadt 
Marimilian mit dem Lorbeer frönen, 
Den eh’ ſchon der Hutten gejchändet hat? 
Ich aber ſag' Euch frank und frei: 
Sein Dichten ift eitel Stümperei! 


(Albrecht Dürer und Willibald Pirkheimer nahen von ber Stadt her. Die 
Zangmufif bei der Linde verſtummt, die Paare umwandern fie und ruhen aus.) 


Peter Viſcher. Das müſſen die Beiden da befjer willen, 
Da fie der Reimkunſt beiher beflijfen. 
Rotgießer bin ich nur allein, 
So lafien wir fie auch Richter fein! 
(Zu Beiden.) 
Grüß’ Gott! Wie dünkt Euch des Pfinzing Ruf, 
Ceit er den Teuerdanf uns ſchuf? 
Willibald Pirfheimer, Sein Name Elingt wieder in aller Welt, 
Wo deutjch man fpricht, da ift er zu hören. 


506 Hans Sadj2., 


Stabius. Mit Eurem Urteil iſt's ſchwach beſtellt, 
Laßt Ihr von Laffen Euch bethören. 
Albrecht Dürer. Auch mich beſticht's, und mag's Euch empören! 
Das Buch iſt jedem Deutſchen lieb, 
Dieweil es der Kaiſer ſelbſt doch jchrieb. 
Stabius. Das iſt nicht wahr! Iſt dreiſt erlogen! 
Albrecht Dürer. Nun, ich vernahm's aus Seinem Mund', 
Als Rats Er hier mit mir gepflogen 
Der Bilder wegen manche Stund'! 
Stabius. So heiß' ich den Pfinzing einen Dieb, 
Weil er ſich zu die Ehre ſchrieb. 
Willibald Pirkheimer. Der aber für ſich den Weizen geſtohlen; 
Den Häckerling läßt er Andere holen. 
Geiterkeit.) 
Stabius (zu Albrecht Dürer). Verzeiht, wenn ich zu ſtreng gerichtet 
Wut’ nicht, daß der Kaiſer gleichfalls dichtet. 
Peter Viſcher. Legt Lieber ab den Hung’rigen Neid 
Und macht Euch nicht häßlicher, ala Ihr feid! 
(Stabius tritt zur Seite.) 
Fürwahr, die Brüder von der Dichterfippe 
Vertragen fich wie Mähren an der Krippe! 
Da gönnen wir, pflichtig dem Künjtlertum, 
Einander jchon mehr Erfolg und Ruhm. 
Wir hafjen das jchnöde Verwerfen und Fälichen 
Und laſſen den giftigen Neid den Wälſchen. 
Albrecht Dürer. Doch Dir gebührt noch bejonderer Preis! 
Als Du das Sebaldusgrab gejtaltet 
Und Mam Kraft jein Saframentsgehäus 
Zugleich im Lorenzer Dom entfaltet, 
Da geihah ein Streiten Hin und ber, 
Welch’ Meiſterwerk das größere wär. 
Du aber ließeſt den Zweifel nicht gelten 
Und räumteft dem Freund den Vorzug ein, 
Was der ſich verbat mit lautem Schelten: 
Es wollte feiner der Sieger Jein. 

(Die Ratsherren Chriftoph Scheurlund Georg Tuer treten von ber Stabt her 
auf, Stabius nähert fich ihnen unter tiefer VBerbeugung. Der Tanz beginnt wieder 
unter der Linde.) 

Beier Viſcher. Da kommen, die einjtmalg hier auch gejprungen, 

Die Alten gejellen fich gern den Jungen. 


Zweiter Aufzug. Zweiter Vorgang. 507 


Willibald Pirkheimer. Doch jcheint es Freude bejonderer Art, 
Die fih in den Mienen offenbart. 

Chriſtoph Scheurl. Beim Rat lief die Botjchaft ein joeben, 
Der Kaiſer fehre zurück demnähjt — 
Herberge dem teuren Haupt zu geben, 
Die Ehre mir wieder neu erwächit. 

Georg Tucher. Doch hat er fich jeden Empfang verbeten, 
Ganz jtill nur will er die Stadt betreten. 

Willibald Pirkheimer. Was mag e3 fein, dag ihn zurüd ung führt ? 

Peter Viſcher (mit einem Blick auf Stabius). Wielleicht der Lorbeer, 

der dem Pfinzing gebührt. 
Heiterkeit.) 


Stabius (mit tiefer Verbeugung gegen Chriſtoph Scheur). Wem durch des 
Kaiſers Huld der Lorbeer grünt, 
Der hat ihn ficherlich auch wohl verdient. 
Peter Viſcher. Mir jcheint, Ihr wurdet im Urteil want 
Und plößlich gefällt Euch der Teuerdanf? 


(Heiterkeit der anderen.) 


Willibald Pirkheimer. Es begeben ſich Wunder noch immerdar. 
Peter Viſcher. Wer Elug jpricht, redet nur jelten wahr! 
Chriſtoph Scheurl. Nun aber Hin zum fröhlichen Reigen 

Der wieder erwachten Maienluft, 

Und lajjen wir im Bild entjteigen 

Erinnerung der alten Brut! 
(Indem fie fi) vereint nach der Linde in den Vorhof der Veſte begeben, nähern fi) 
von dort Konrad Nahtigall und Märten Bogner in Heimlidem Gejpräd.) 
Konrad Nachtigall. Geduld, mein Sohn, ung Rojen bringt. 

Als Schüler von mir aufgenommen, 

Bit endlich Du jo weit gefommen, 

Daß glatt zu fingen Dir gelingt, 

Wie im Gemerk ich jüngft vernommen. 

Fünf Jahre, — Du beitätigft dag, — 

Hab’ ich, gleichwie an einem Glas, 

An Dir mit ſau'rer Müh’ geichliffen, 

Bis Du die Tabulatur begriffen. 

Doch nun, nach diefer Dual der Schule, 

Kannſt Du mit jedem aus der Zunit 

Dich meſſen auf dem Meifterjtuhle 

An unſ'res Jahrtags Wiederfunft. 


508 Hans Sad. 


Märten Pogner. Daß ich Euch Dank im Herzen trage 
Für Euren gründlichen Unterricht, 
Shr glaubt e8 mir. In jolcher Lage 
Seht’ Eure Kunſt ich gern ins Licht, 
Daher ich, Eurem Namen zum Preije, 
Den Ton, den ich gefunden, heiße 
Des Pogners Nachtigallenweije. 
Konrad Nachtigall. Doch dachtet Ihr auf jeden Fall 
Dabei an eine Nachtigall ? 
Märten Pogner. Bei Leibe nicht, an Euch allein! 
Konrad Nachtigall. Dann fchreibt auch den vollen Namen ein! 
Märten Pogner. So wird e& jedenfalls deutlicher fein. 
Doch nun gewährt mir auch einen Rat! 
Sch glaub’ es meinem Meifter zu fchulden, 
Daß ich ihn zum Bejuche lad’ 
Nebſt jeiner Tochter, Röschen Gulden. 
Wie fang’ ich aber dies wohl an? 
Konrad Nachtigall. Ei, bringt e3 gleich an dieje jelber! 
Sch weiß, Ihr heat jchon lang’ den Plan: 
Das reife Korn wird nicht mehr gelber. 
(Röschen Gulden naht fi) don der Linde her und begiebt fi) nad) einer in der 


Ringmauer eingelafjenen Ruhebank, auf der fie ſich nachdenkend niederläßt und das 
ihr geſchenkte Lied herborzieht.) > 


Märten Pogner. So mach’ ich mich an fie heran. - 
(Er nähert ſich Röschen, während der andere fi) nach der Linde zurüdbegiebt.) 
Märten Pogner. Entſchuldigt mein gar groß Erfühnen! 
Röschen. Bitt’ Schön! Womit kann ich Euch dienen ? 
Märten Pogner. Es würde hoch mich ehren und freu’n 
Und Euch vielleicht auch nicht gereu’n, 
Wenn Ihr uns wolltet die Gunst erweijen, 
Uns Euer Erjcheinen zu verheißen 
Beim Singen, das ſtatt zu Pfingjten findet, 
Wie ſchon die Tafel am Markt verkündet. 
Roschen. Gern werd’ ich mit meines Vater? Willen 
Euch diefen Kleinen Wunſch erfüllen. 


(Ste entläßt ihn mit einer Handbewegung und Yieft weiter im Blatte. Junker 
Krebsblut naht fi) mit Urfula.) 


Märten Pogner (für fich. Zwar furz, doch freundlich Klang 
ihr Wort, 
Und Hofft’ ich ſchon eh’, jo Hoff’ ich fort. 


(&r begiebt fih zu Konrad Nachtigall nad der Linde hin, don dort das Weitere 
beobachtend.) 


Zweiter Aufzug. Zweiter Vorgang. 509 


Urſula. Seht doch, wie fie gedanfenvoll 
Nicht weiß, wie fie fich fallen Toll, 
Das Mädel wird noch verjetoll! 
Junker Krebsblut. Da fann ihr Leicht geholfen werden: 
Das Keimen macht mir feine Bejchwerden. 
Doch merktet Ihr jenen Burjchen nicht, 
Das Haar jo rot wie Fadellicht ? 
Mir jcheint, er iſt der Schönen hold 
Von wegen ihres Vaters Gold. 
Urſula. Er fennt fie, doch nur aus jcheuer Ferne, 
Hätt’ längjt er ſich ihr genaht auch gerne. 
Junker Krebsblut. Wär’ ich der Gulden, ich ſteh' Euch dafiir, 
Ich ſchmiß' ihn noch Heute vor die Thür’! 
Urſula. Das glaub’ ich wohl, Ihr jeid halt ein Ritter, 
Der manche Lanze jchon jchlug in Splitter. 
Junker Krebsblut. Das that ich auch. Pot Element! 
Der flüchtet fich, der den Krebsblut fennt! 
Urſula. Mich ſelbſt überfommt ein halber Schred, 
Sp oft Ihr gewandelt fommt ums Ed 
Und unter der mächtig weiten Schaube 
Eu'r Schwert ich blinken zu fehen glaube. 
Sunfer Kreböblut. Dies Schwert hat Bluts auch genug ges 
trunfen, 
Und wenn ich es züde, jo giebt e& Funken! 
Urſula. Um Gottes willen laßt das fein! 
Doch fällt mir eben das Rechte ein. 
Ihr wüßtet vielleicht, was ſoll ich jagen, 
Ein jchmachtend Lied ihr vorzutragen ? 
Junker Krebsblut. Verſteh' Euch wohl, dag jäufelnd Lind 
Und doch dabei nicht ohne Wind. 
Urjula. Das ijt es eben, was ich meine, 
Das jelbit erbarmen müßt’ die Steine! 
Junker Krebsblut. Gin jolches hätt’ ich wohl parat, 
(Er ftreiht feinen Schnurrbart.) 
So recht geihaffen zum Kofen und Minnen! 
Urjula. Da jolltet Ihr Euch nicht lang’ befinnen. 
(Beide treten zu Röschen hin, die in Gedanken bajikt.) 
Schaut doch nur Her, wer fih Euch naht! 
Sunfer Krebsblut (fi vorftelend). Edler, Krebsblut von Wirbelrad. 
(Deklamiert ) 


510 Hans Sad3. 


„Im Füchteich um ein Röglein 

Schwimmt ein gar prächtiger Schwan 

Singt gar fo jüß und leije 

Und ſchaut das Röslein an. 

Singt gar fo ſüß und leife 

Und möchte vor Sehnjucht vergeh’n 

O Röslein, liebes Röslein, 

Kannſt Du dies Lied verſteh'n?“ 

(Rösſschen ſchüttelt den Kopf. Die Beiden ſtehen betroffen ba.) 

Urſula. Ihr ſchüttelt den Kopf? Ei, ſchämt Euch doch! 

Ihr redet von Poeſei mir noch! 

Wie kann man ſo gefühllos ſein? 

Das Lied erweichte einen Stein! 
Röschen. Schweig' ſtill und laſſe mich allein! 
Junker Krebsblut. Verſchmäht Ihr alſo meinen Leich? 
Röschen. Stürzt Euch dem Schwan nach in den Teich! 

(Sie wendet fi} ab.) 

Urſula. Grblidt Ihr in jolchem Reim nur Schnafen, 

So laßt Euch was vom Frofche quafen! 

(Sie entfernt fi) mit dem Junker nad) der Linde zu.) 

Sunfer Kreböblut. Das iſt für Sie. 

\ (Er händigt ihr ein Geſchenk ein.) 
Urjula ce an fi nehmen). Sc mach’ es wieder 


gleich, 
Die Hand darauf, die wird noch buttermweich. 
Röschen (allein). Und das will auch ein Dichter fein! 
Wie anders bild’ ich Hans Sachs mir ein, 
Das Haupt von ringelnden Loden umwallt, 
Mit Ichlantem Wuchs und zarter Gejtalt, 
Bon fiegendem Lächeln umjpielt den Mund — 
Er wär’ auf den eriten Blie mir fund! 


(Sie lieft weiter. Hans Sachs tritt von der ins Feld führenden Seite her, das Kinn 

don einem Vollbart umgeben, in Eleidjamer Wandertracht auf. Er wirft einen Blid 

in den Burghof nad) der Linde und fehrt fid) jodann von der inneren Freiung aus 
nach der unten liegenden Stadt.) 


Hanz Sad. Mein Nürnberg, teurer Ort, jei mir gegrüßt! 
Iſt's wahr, daß wieder mich Dein Wall umjchliekt ? 
Bekannt und traulich liegjt Du vor mir da, 

Wie ich im Mutterarm als Kind Dich jah, 
Wie ih als Knabe jpielend Dich durchlief, 
Wie ich, ſchon dem gereiften Alter nah’, 


Zweiter Aufzug. Zweiter Vorgang. 511 


Sn Dir mich thätig regte, in Dir jchlief. 
Untrüglich und im halben Dämmer doch 
Erblick ich Dich, nur majeſtät'ſcher noch, 
Als, da in morgendlicher Pracht, verjchiwiegen, 
Dein Sit aus blauer Yerne aufgejtiegen 
Mit Deiner Burg, auf deren Fels ich jtehe, 
Mit Deiner Kirchen, Deiner Bauten Höhe, 
Mit Deinen unerjtiegenen Baſtei'n, 
Mit Deiner Wehren, Deiner Türme Reih’n, 
Umfränzend diejen heil’gen Plap. 
Bon Herzen grüß’ ich Dich, viellieber Schatz! 
Aus Deinen fteilen Gafjen tief herauf 
Dringt Hammerjchlag der Schmieden und der Eſſen, 
Des Blasbalgs Schnauben und der Teilen Lauf, 
Des Webſtuhls Schnurren und Gejtampf der Preſſen, 
Steigt Dein der Raſt entwöhntes Leben auf, 
Wo Deine Bürger fich gejchäftig regen, 
Gemwerb’ und Handel, wie vor Alters, pflegen, 
Dazu der Künſte mannigfalt'ge Hier, 
Die, wie auf Erden nirgend, blühen hier, 
Indes die Früchte Deiner fleiß’gen Hand 
Durch Deine Thore zieh’n ins fernſte Land. 
(Das Fiedeln unter der Linde hebt don neuem an.) 
Wie ih Dich ließ, jo find’ ich ganz Dich wieder, 
Nun kehrt in Dir mir jedes vor'ge Glüd, 
Es fehrt der Kindheit Friede mir zurüd — 
Und horch! e& kehren auch die alten Lieder. 
Gejang (der reigenden Paare unter ber Linde). 

„Der Maien, der Maien, 
Der bringt uns der Blümlein viel. 
SH trag’ ein freieg Gemüte, 
Gott weiß wohl, wem ich’3 will.“ (bis.) 

„Sch will's einem freien Gejellen, 
Derjelbe wirbt um mich, 
Er hat ein jeiden Hemdlein an 
Und fpreizt vor Freuden fich.“ (bis.) 

„Er meint, es jäng’ eine Nachtigall, 
Da war's eine Jungfrau fein, 
Und fann fie ihm nit werden, 
Trauert das Herze fein.“ (bis.) 


512 Hans Sad. 


Hans Sachs (Röschen erblidend, für fi). Ei, fiehe da, wie jchmud 
und lieb! 
Den Gruß ich, traun, ihr ſchuldig blieb. 
(Er geht auf fie zu.) 
Gefällt's Euch nicht, am Tanze teilzunehmen ? 
Noschen (emporbtidend. Es ſteht bei mir, ob ich mich mag ber 
quemen, 
Ihr fragt das, Fremdling, wahrlich jehr bejtimmt! 
Hand Sachs. Bin fremd und bin eg nicht, nachdem man's 
nimmt. 
Noschen. So wollt einmal mir Eu’ren Namen nennen. 
(Ein paar Handiwerkögefellen nahen fi) von der Linde her.) 
Hans Sache. Den Namen Sache, wie jolltet Ihr ihn kennen ? 
Röschen. O freilich wohl, doch Der, von dem ich träume, 
Steht Euch jo fern, ala fremd Euch dieje Reime. 


Schön Dank! 
(Sie kehrt fih ab uno Yieft weiter.) 
Der eine Geſelle. Vernahmſt Du, was fie frug? 
Der Name Sachs ana Ohr mir jchlug. 
Der andere Geſelle. ES wird doch nicht Hans Sachs gar jein? 
Der erſte Geſelle. Er ſchaute Hell genug darein! 
Der zweite Gejelle. Ihr jeid wohl eben zugereift? 
Der erſte Gejelle (einfaltend). Braucht Einen, der Euch zur Herberg 
weiſt? 
Hans Sachs. Der Weg bleibt, hoff' ich, mir erſpart. 
Der erſte Geſelle. So wohnt Ihr hier auf andre Art. 
Wollt Ihr nicht kund den Namen geben? 
Hans Sachs. Ich heiß' Hans Sachs! 
Beide Geſellen. Hans Sachs? 
(Röschen horcht auf.) 
Hans Sachs. Ich ſagt' 
es eben. 
(Er tritt wieder zur Freiung hin; beide Geſellen winken ein paar andre heran.) 
Röschen (die fih erhoben). Sie haben, wenn ich fie recht verſtand, 
Gerade feinen Namen genannt. 
Der zweite Gejelle (zu den herangefommenen Befannten). Erratet, wer 
uns hier beehrt! 
Erſter Geſelle (einfallend.. Zur Stunde juſt zurückgekehrt — 


Zweiter Aufzug. Zweiter Vorgang. 513 


Der dritte Geſelle. Wie jollt’ ich's wiſſen? 


Die beiden eriten Gejellen. Ei, Hana Sachs! 
(Röschen jteht ſtaunend da.) 
Der dritte und vierte Gejelle, Der dort? 


Eriter Gejelle. Der mit dem Kraudbart, auf mein Wort! 
Der dritte Geſelle. Das muß ich gleich dem Meiſter jagen. 
Der vierte Gejelle. Dem meinen auch wird’3 zugetragen. 
Der dritte und vierte Gefelle. Sie werden die Hände zuſammen— 
Ichlagen. 
(Beibe Gefellen entlaufen zur Stadt hinab; die beiden anderen verweilen, do 
ziehen fie fich in einige Entfernung zurüd.) 


Röschen (für is). Beſchämt jchlag’ ich die Augen nieder, 
Ein Glüd, daß er nicht ging davon! 
(Sie tritt auf Hanz Sachs zu, der jie betroffen anſchaut.) 
Bergebt, doch jchiedet jo jchnell Ihr wieder, 
Sonſt Hätt’ ich Euch mehr beachtet ſchon. 
Hans Sache. hr hattet mir ganz recht gethan: 
Ihr lajet, und doch ſprach ich Euch an, 
In jolchen Freudentaumel verloren, 
Dort wieder zu fein, wo ich geboren. 
Röschen. Noch eh’ Ihr famt, bin ich bei Euch geweſen — 
Kennt Ihr dies Lied, das eben ich gelejfen ? 
(Sie reiht ihm das Blatt.) 
Hans Sachs. Sch ſollt's nicht kennen, da es doch von mir? 
Glaubte mich fremder in der Heimat hier. 
Röschen. Sch war jo ganz darin vertieft 
Und hatte d'rum Euch nicht mehr geprüft. 
Hans Sachs. Doch das erfanntet Ihr wohl gleich, 
Daß ich eh’r alles jei, als reich. 
(Urjula und Junker Krebsblut, die den Vorgang beobachtet, nahen fich voll 


Heimlichkeit; in größerer Entfernung beobachten Konrad Nachtigall und Märten 
Pogner ebenfalls den Vorgang.) 


Röschen. Der geht bei mir dem Reichſten vor, 
Den Gott zu feinem Sänger erfor. 
Hans Sachs Glickt verwundert in das Blatt). 
Junker Krebsblut (üfternd). Wie fie jo traulich beifammen fteh’n! 
Urjula (ebenſo). Das jollte daheim ihr Vater jeh’n! 
Da könnt’ es tüchtige Würfe geben. 
Sunfer Krebsblut (wie vorhin. Das Kind kennt eben noch nicht 
das Leben. 


Greif3 Werfe. IH. 33 


514 Hans Sachs. 


Roschen (die, Hans Sachs betrachtend, dageftanden Hat), Mollt Ihr mir 
einen Wunſch erfüllen? 
Hans Sachs. Von Herzen gern, mit ganzem Willen. 
(Er giebt ihr da3 Blatt zurüf.) 
Röschen. So jchreibt mir das Lied mit Eu’rer Hand, 
Das mir den Weg zur Seele fand! 
Hans Sachs. Ach werd’ e3 nach) Eurem Wunjch bejorgen. 
Röschen. Doch Lieber heute noch als morgen! 
Hanz Sachs. Verlaßt Euch d’rauf, ich bring’ es Euch. 
Krebsblut (eiſe zur Urſula). Er folgt’ ihr wohl am liebjten gleich. 
Urſula dm mit dem Finger drohend). Nicht alle find jo Liftenreich! 
Röschen (achdem fie ihm das Blatt wieder gereiät). Ich merde großen 
Dank Euch ſchulden, 
Doch merkt, ich Heike Röschen Gulden. 


(Indem fie Hans Sachs zunidt, fällt ber Zwiſchenvorhang.) 


Dritter Vorgang. 
(Bor Sachſens Haus, es dunfelt.) 


Han? Sachs. Da ijt das Haus. Mir ift jo bang, 
War in der Fremde gar jo lang — 
E3 rührt von innen ich fein Ton, 
Sollten fie alle jchlafen jchon ? 
(Er rührt den Thürklopfer.) 
Ein Weib (von oben). Was will man jo jpät noch vor der Thür? 
Was hat man da zu jchaffen 
So gegen Ordnung und Gebühr? — 
Schert Euch mit Eurem Gaffen! 
Sachs. Da wohnte Sachs doch immerdar! — 
Weib. Das ift ſchon lange nicht mehr wahr. 
Wollt Ihr der Beiden Wohnjtatt jeh'n, 
So müßt Ihr auf den Kirchhof geh'n! 
(Schmeißt das Fenſter zu.) 
Hana Sachs (auf den Thürſtein niederſinkend). O Gott, was ließeſt 
Du geſcheh'n! 
(Der Borhang fällt.) 


Ende des zweiten Aufzugs. 





Dritter Aufzug. 


Erfter Vorgang. 


(In Nunnenbeds Wohnjtube. Diejer jibt frank im Seffel, Hans Sachs tft 
bei ihm.) 


Nunnenbeck. Sei jtarf und laß mir den Mut nicht ſinken! 
Die Thräne darf nur furz im Auge blinken. 

Es ijt jo einmal der Lauf der Welt, 

Der Sarg ijt jedem voraus beitellt 

Und wird ihm, ohne fein Befragen, 
Auch auf die Stunde hereingetragen. 
Mir bleibt er nicht mehr lange aus, 
Dann tragen jie mich zum Thor hinaus. 

Hans Sachs. Ihr täufcht Euch, Vater Nunnenbed, 
Man fommt auch langjam noch vom Tled.. 

Ihr Habt Euch Euer Lebtag lang 
Um And’re Plage aufgeladen, 

Das mußte der Gejundheit jchaden, 
Woraus dies UÜbel Euch entiprang. 
Doch wie e3 fam, jo wird es vergeh'n, 
Wir werden bald gelund Euch jeh'n! 
Nun aber teilt mir Schritt für Schritt 
Der lieben Eltern Ende mit! 

Nunnenbeck. Bier Jahre noch lebten fie in Frieden, 
Seitdem du mit ihrem Segen gejchieden. 
Sie dachten Dein zu jeder Stunde 
Und freuten fich jeder guten Kunde. 


516 Hans Sachs. 


Da hießen an einem Frühlingsabend 
Mich Nachbarn zu Deinem Vater kommen, 
Und, wie die Sonne mild und lubend, 
Sit auch fein Lebenslicht verglommen. 

Die Kinder, die ihn weinend umjtanden, 
An mir den nahen Vormund fanden. 

Sie werden gut und brav erzogen, 

Und alles ijt ihnen wohl gewogen. 


Hans Sachs. Doh ah! Die Mutter — 
Nunnenbed. Faſt ohne Sorgen 
Nach zweien Monden jchon jchlief am Morgen 
Sie ruhig ein; ich möchte nicht jagen, 
Daß fie bejonderen Schmerz ertragen, 
Wie Blumen fommen und gehen im Lenze, 
Sp merften wir nicht des Schlafes Grenze. 
Hans Sachs. Was gleicht dem Schmerz, den wir erleiden, 
Wenn ung die Eltern fern verjcheiden! 
Nunnenbed. Die größ're Liebe muß gewinnen, 
Der droben 309 fie fort von hinnen. 
Hans Sachs. So jteh’ ich allein nun in der Welt. 
Nunnendbed. Du Haft auf Gott Dein Leben gejtellt, 
Drum beuge Dich Ihm auch demutsvoll 
Und fürze nicht Deines Dankes Zoll! 
Denn Selten in einem Herzen flammt 
Der Lichtjtrahl, der von Oben jtammt, 
Wir andern müffen uns zum Genügen 
Mit einem bloßen Funken begnügen. 
Doch ſchuldeſt Du auch für jolche Kraft 
Ihm ganz befondere Rechenjchaft. 
Hans Sachs. Des will ich gedenken alle Tage 
Und jeden Hauch meinem Schöpfer weih'n, 
Bon dem ich mein Lied zu Lehen trage — 
Er möge mir jeine Hülfe leih'n! 
Nunnenbed. So wirft Du, was Du follit, vollbringen, 
Gott laſſe Dir Dein Werk gelingen! 
Doch auch die Welt, die Dich rauf umgiebt, 
Bei Seite dich jtößt und vorwärts jchiebt, 
Mußt Du in ihrem Willen ergründen 
Und arglos dabei ſie überwinden. 


Dritter Aufzug. Erfter Vorgang. 517 


Hans Sad. Wo mich die Schritte hingetragen, 
That ich nach der Menſchen Sitte fragen, 
Nach ihrem Treiben und ihrem Behagen, 
Nach Handel und Wandel aller Ständ’, 
Nah Nahrung, Zucht und Regiment, 
Nach Gewalt und Schuß der Starken und Schwachen, 
Nach allen geijt- und weltlichen Sachen. 
Nunnenbeck. So thateft Du Hierin auch Deine Pflicht, 
Und fehlen wird an der Frucht es nicht. 
Nur Halte Dih allem Eifern fern 
Und fchone die Schale um den Kern, 
Nicht auf den Sündigen fahre los, 
Er ift, wie Du, ein Erdenkloß; 
Und falle nicht die Verblendeten an, 
Du ziehjt Dir nur Verfolger heran. 
Tritt nicht mit Heiligem dor die Nott’ 
Und zügle vor allem Deinen Spott! 
Ich möchte gern’ Dir Alles eriparen, 
Was ih an Täuſchung und Schmerz erfahren. 
Hans Sachs. Ihr warnt mich vor dem Schalt im Naden, 
Auf daß er nicht ſelbſt mich möge paden. 
Nunnenbed. . Drum tritt mit unverbittertem Sinn 
Auch Hier vor die Genofjen Hin, 
Und fuche, wenn fie Dir gleich entgegen, 
Sie durch Dein Beilpiel zu bewegen. 
Doch laß es nicht mangeln an Geduld; 
Denn ſanken fie gleich durch eig'ne Schuld, 
Bon Haß und Neid in fich geipalten, 
Was fie auch ließ im Sang erkalten, 
So lohnt e3 fich doch zu neuen Leben 
Die Kunſt, die Holdjelige, zu erheben. 
Hans Sachs. Dies joll mit Euch in trautem Verein 
Hinfort mein ſtetes Trachten jein! 
Nunnenbed. Doch, Hat fich auf Deiner Wanderſchaft 
Nicht auch bisweilen Dein Herz geregt 
Und Dich fein Wunſch mit jehnlicher Kraft 
Im heimlichen Gemüt bewegt? 
Hans Sachs. Wohl fühlt’ ich ihn der Bruft entjteigen, 
Was jollt’ ich Euch dies auch verichiweigen ? 


518 Hans Sad. 


Doch die ich Liebte, wahrhaft und warm, 
Ruht jebt in eines Anderen Arm, 
Und troßdem hab’ ich ihr nachgeweint. 
(Kunigunde tritt ein, den Spinnroden in ber Hand.) 
Nunnenbeck. Kennſt Du fie noch, die hier ericheint? 
Hans Sachs (fi erheben) Ich wüßte nicht mich zu erinnern, 
Gar viel verblaßte mir im Innern. 
Nunnenbed. Sie aber gedachte Deiner noch. 
(Zu Kunigunde.) 
Gelt, Kunigunde? So rede doch! 
Kunigunde (verlegen an der Schürze zupfend). Wohl manchmal ſchon — 
Nunnenbeck. Kein Tag verging, 
Da ſie von Hanſen an nicht fing 
Und ob er nicht bald uns wiederkehre, 
Und wo er jetzund draußen wäre — 
Hans Sachs (fi ihr nähernd). Wo hatten wir ung vordem geſeh'n? 
Kunigunde. Denkt’ Euch nicht mehr, warın das gejcheh'n ? 
Ich thät Euch aus der Kirche Holen, 
Wie Eure Mutter mir anempfohlen. 
Hans Sachs. est fällt mir alles wieder ein. 
(Ihr die Hand reichend.) 
Verzeiht, es follt’ mir geblieben fein! 
Nunnenbeck. Der Abſchied jtund Dir hart bevor, 
Daher ihr Bild fi) Dir verlor. 
(Zu Kunigunde.) 
Doch ſieh', ob Du für unjeren Gaſt 
Nicht einen Trunk im Keller hait. 
(Kunigunde entfernt ſich.) 
Das Mädchen war mir von dort an lieb, 
Weil fie Erbarmen Dir nahe trieb, 
Und, da fie als Waiſe ſtand allein, 
Die dur den Bormund obendrein 
Um’s Erbe frevelhaft gefommen, 
So hab’ ich fie bald zu mir genommen, 
Und wie ich fie fand in allen Stücken, 
So würde fie jeden Braven beglüden; 
Drum träfe ſie's jchlecht, jo würde mich’3 reu’n. 
Hand Sachs. Die Mutter müßt’ es droben freu'n! 
Nunnendbed. Wie aber gedenkſt Du’s hier zu treiben? 
Hans Sachs. Dem Handwerk will getreu ich bleiben, 


Dritter Aufzug. Zweiter Vorgang. 519 


Und nähren mich durch meinen Fleiß 
Nach Gottes Vorſchrift und Geheik. 
Runnenbed. So iſt es recht! Das lob' ich mir! 
Hab’ auch nichts And’res erwartet von Dir. 
Hans Sachs. Sch trete am Markt beim Meijter Klein 
Noch Heut’ als erjter Gejelle ein. 
(Runigunde erjcheint wieder mit einem Bierfruge.) 
Und, wenn mich jonit begünjtigt das Glüd, 
So mad’ ich nachher mein Meijterjtüd. 
(Hans Sachs, ben ihm gebotenen Krug erfafjend, zu Kunigunde.) 
Ihr freut Euch alfo, daß ich zurüd? 
Nunnenbed (zu Kunigunde). Was will die Ihrän’ in Deinem Blick! 
Kunigunde Mehr, als ich's Euch geitehen fann. 
Hans Sach (ine zunidend). Die gleiche Freude auch ich gewann. 
Nunnenbed. Dat Dir das Meiſterſtück gelinge, 
Den Beſcheid ih Dir entgegenbringe 
(Der Krug wird ihm gereicht.) 
Und jchließe ein im jtillen Sinn 
Zugleich die künftige Meifterin. 
(Er trinkt und reiht Kunigunde den Krug.) 
Tür Dich iſt auch ein Schluck darin. 
(Kunigunde trinkt ſchweigend Hans Sachs zu.) 


Zweiter Vorgang. 


(Auf dem großen Markt in der Gegend bes ſchönen Brunnend, an welchem die mit 
dem Harfe jpielenden König David bemalte Tafel angebradit ift. Konrad Nach— 
tigall und Beit Fejjelmann begegnen fich.) 


Beit Fellelmann. Da ift das Zeichen jchon ausgeſteckt! 
Konrad Nachtigall. Mit Freuden hab’ ich eg auch entdedt. 
Beit Feſſelmann. Will jehen, wer beim morgigen Singen 
Das Davidskleinod jich wird erringen. 
Konrad Nachtigall. Sch Hoffe, der Pogner trägt’s davon, 
Den ich zum Singen herangezogen. 
Du bijt ihm als Merfer auch gewogen 
Und leidlich gelang ihm der Meijterton. 
Beit Feſſelmann. Ein Glüd, daß, von der Gicht befallen, 
Der Nunnenbeck im Gemerfe fehlt; 
Ich traute feinem minder von allen — 
Er Hat feinen Grimm ihm nie verhehlt. 


520 Hans Sachs. 


Konrad Nachtigall. Du weißt, Hans Sachs iſt zurückgekehrt, 
Auf den er wie aufs Orakel ſchwört. 
Beit Feſſelmann. Paß auf, der nimmt am Singen teil 
Und nicht zu Deines Pogners Heil! 
D’rum jollten wir, ftatt ihn anzugaffen, 
Ihn lieber gleich vom Hals ung jchaffen. 
Konrad Nachtigall. Das haft Du mir aus dem Mund ges 
nommen, 
Wie aber wär’ ihm beizufommen ? 
Beit Feſſelmann. Dadurch, daß wir ihn beim Hohen Nat 
Anſchwärzten ob einer Übelthat. 
Konrad Nachtigall. Was meint Du damit, laß hören mehr! 
Beit Feſſelmann (ein gedrucktes fliegendes Blatt hervorziehend). In ſeinem 
Spruch vom wütenden Heer 
Führt er die kleinen Diebe daher, 
Die, wie fie am Hochgericht gehangen, 
Sich mühen, die großen einzufangen, 
Doch bis an den jüngjten Tag umſunſt, 
Dieweilen die von Fortunens Gunſt 
In Reichtum, Pracht und Ehren fißen, 
Anjtatt die Armen vor Not zu Jchüßen. 
Konrad Nachtigall. Und nennt er dabei auch unf're Stadt? 
Beit Feſſelmann. Wohlweislich er fie verſchwiegen hat. 
Doh mer auf den Schluß, den ich Dir Lefe, 
Dann ſuchſt nicht mehr nach weiterer Blöße. 
(Er Lieft.) 
„Ich aber, jamt der armen Rott’, 
Wünſch' von Herzen und bitte zu Gott, 
Daß Gerechtigkeit mit ihrem Schwert 
Viel böje Städte ftraf auf Erd — — —“ 
Hat er nicht alle verdammen wollen, 
So hätt’ er die guten nennen follen. 
Konrad Nachtigall. Ich geb’ es zu, da er jolches nicht that, 
Beweiſt, daß er einſchloß auch unjer'n Rat. 
Veit Feſſelmann. Wir heiten das Blatt, mit dem Bild davor, 
In kommender Naht ans Rathausthor. 
Konrad Nachtigall. Mein Seel’, den Ratſchlag find’ ich fein! 
Beit Feſſelmann. Den Bogel führt’3 in den Käfig hinein! 
(Beide verlafien den Marktplag. Junker Krebsblut tritt Hinter ihnen auf.) 


Dritter Aufzug. Zweiter Borgang. 521 


Junker Krebsblut. Daß ich mit allergrößtem Fleiß 
Das Brüderlein nicht zu erfunden weiß, 
Dieweilen fich jonjten in der Stadt 
Nichts meinem Blick entzogen hat. 

Nach allem iſt er nur ein Bachant, 

Wie fie in Haufen durchziehen dag Land 

Und überall mit täppifchen Lügen 

Die Bauern belijten und betrügen. 

Mer weiß, auf welcher Ofenbanf 

Er aufgelejen den frommen Schwanf, 

Den er als funfelnagelneu 

Auzbietet nun mit viel Gejchrei. 

Sie jtand vor ihm voll Neubegier, 

ALS fei er aus India ein Wundertier, 

Und wenig nur fehlte zum Argernis, 

Daß fie ih an den Hals ihm ſchmiß. 
(Er betrachtet fich in jeinem Handjpiegel.) 


Mas jeh’ ih da? Bon meinem Schuh’ 

Sit die Schleife weg! Wie ging das zur? 

Beim Gulden, der verjteht fein Spaßen, 

Darf ich nicht Jo mich blicken laſſen. 

Doch Halt! In meinem Geijte dämmert's, 

Denn drüben in dem Haufe hämmert's — 

Da wohnt ein Schuiter. 

(Er tritt an den Laden und Elopft ans Feniter.) 

He, Gejelle! 

Zu mir heraus gleich auf der Stelle! 

(Hans Sachs tritt im Schurzfell aus der Werkſtatt.) 


Hans Sachs. Beliebt Euh was? Wie fann ich dienen? 

Sunfer Krebsblut. Seh’ ich wohl recht? Ihn treff' ich hier? 
So hab’ ich einen Schuſter vor mir! 

Hans Sachs. Was joll der Spott in Wort und Mienen ? 
Das iſt mein Gewerbe allerdings. 

Junker Krebsblut (in Laden ausbregend). Das Pech verrät’ an 

den Händen rings. 
(Da3 Barett höhniſch ziehend.) 


Ich wünſche Glüf zu dem faub’ren Stande, 
Doch daß er der Braut nicht werd’ zur Schande. 


522 Hans Sachs. 


Hans Sachs ur Seite). Bei dem iſt's nimmer richtig im Sinn! 
(Zaut.) 


Noch einmal, was jteht Euch zu Verlangen? 

Ssunfer Kreböblut. Das Schleifchen am Schuh ift abgegangen, 
Sp heftet mir ein anderes hin! 

Hans Sachs. Sobald ich da mit dem Werkzeug bin. 


(Er tritt in die Werkſtatt zurück.) 


Sunfer Kreböblut. Er fam mir gerade recht in den Lauf, 
Dem zünd’ ich jet ein Lichtlein auf! 
Hans Sachs (mit einem Schemel zurückkehrend). Da ſtellet Euren Fuß 
darauf. 
Junker Krebsblut (wägrend die Arbeit gefjieht). Ihr gebt Euch auch 
mit Dichten ab, 
Wie ich erftaunt vernommen hab’. 
Der Hand, die Piriemen und Ahle jchwingt, 
Die Feder zu führen faum gelingt. 
Hans Sachs. Das laßt nur meine Sache fein! 
Ich red’ Euch auch nicht in eure drein. 
Ssunfer Krebsblut. Zum Dichter gehört Ingenium, 
Und wer's nicht hat, bleibt beſſer jtumm. 
Hand Sachs (ih aufritend). Es ift gejchehn. 
Junker Krebsblut (ein Geldſtück auf den Schemel werfend.) Hier Euer Lohn! 
Hans Sachs. Nun aber macht Euch gleich davon! 
Sunfer Kreböblut. Fürwahr, Ihr jeid ein rechtes Muſter 
Bon einem überjpannten Schuiter! 
Doch nehmt Euch wohl davor in acht, 
Daß Ihr Euch nicht zu maufig macht, 
Und laßt Euch nirgend von mir ertappen! 
(Auf feinen Sarras ſchlagend.) 


Wir führen Blut in Unſ'rem Wappen. 
(Bill ab.) 


Hang Sachs (dazwiſchen tretend). Das Lältern bin ih endlich fatt, 
Und alfo wend’ ih nun das Blatt. 
Ihr wagt's, den Handwerfsmann zu jcehänden, 
Der fich jein Brot verdient mit Händen 
Und dabei den Sinn fih offen hält 
Auch für das Höhere in der Welt, 


Dritter Aufzug. Dritter Vorgang. 523 


Ihr, der den Tag dem Herrgott jtiehlt, 
Und fündig toll die Nacht durchipielt, 
Ein Schandenbeijpiel unſ'rer Stadt, 
Die jonjt nur fleißige Bürger hat, 
So als ein unnüß Glied zu jchau’n, 
Das bejjer wäre abzuhau’n! 

(Der Junker dudt fi) dor der Handbeiwegung.) 

Junker Krebsblut (mahdem er einige Schritte enteilt). Für dieſes pöbel— 
bafte Schmäh'n 
Sollt vor dem Rat Ihr mir Rede fteh'n! 
(Hans Sachs kehrt mit dem Schemel in die Werkitatt zurüd.) 

Der wird Euch auch das Dichten vertreiben 
Und lehren bei dem Leiſten zu bleiben. 

(Indem er abgeht, verwandelt fich der Schauplaß.) 


Dritter Vorgang. 


(Zimmer im Haufe Guldens. Gulden, Röschen und Urjula.) 


Gulden. ch bleibe bei dem, was ich dir jage: 
Daß feiner um Dich zu freien wage, 
Der nicht von unverfälichtem Adelsblut — 
Um diefen Prei3 nur ift mir feil mein Gut! 
Röschen. Scheint Der Euch des Vorzugs nicht eher wert, 
Der uns ein herrliches Lied bejchert? 
Gulden. Wer diefe Gabe, die fich wohl findet, 
Mit ebenjo reiner Abkunft verbindet, 
Mag jeine Werbung vor mich bringen. 
Urſula. Da müßte der Junker den Sieg erringen! 
Röschen. Die Nachtigall fingt, es Frächzt der Rabe, 
So jteht e8 auch mit der Sängergabe. 
Gulden. Lak Du den Raben nur, immer frächzen, 
Sch ſchenke der Nachtigall ihr Achzen. 
Drum iſt mein Plan auch jchon gefaßt, 
Und, wenn er Dir heute noch verhaßt, 
Sp wirft Du doch morgen Jhon ihn billigen 
Und in die Wahl des Vaters willigen. 
Röschen. Das hoffet nicht, ich jage Nein! 
Und büßt’ ih Eure Huld auch ein. 
Urſula. Pfui, Fräulein, das ift ein heillos Wort: 
Die Blum’ braucht Regen oder verdortt. 


524 Hans Sachs. 


Gulden. Heraus mit feinem Namen jet! 
Röschen. Hans Sad. 
Urſula. Das wäre mir der allerletzt'! 
Gulden. So können noch heißen fünf und zehn, 
Die alle auch im Pfarrbuch ſteh'n. 
Röschen. Und könnt' Ihr auch heut’ ihm nicht erfragen, 
Bald wird er vor allen Bürgern ragen, 
Und die auf ihn herabgejchaut, 
Sie werden zumeijt ihn rühmen laut! 
(Sie geht ab in das Nebengemad).) 
Gulden. Was ift doch in mein Kind gefahren? 
Ihr fonntet fie wohl davor bewahren. 
Urſula. So hättet Ihr fie doch jelbjt geſchützt! 
Mir hat fein Zwinfen und Winfen genütt. 
Gulden. Iſt jeine Art denn wirklich jo fein, 
Daß er vermöchte mein Eidam zu fein? 
Urſula. Wo denkt Ihr hin? Ein ſolcher Lump! 
Der wär’ mir zum Ofenheizer zu plump, _ 
Und daß ich dem Junker ihn gar vergleiche, 
Bewahre mich, Herr, in Deinem Reiche! 
Gulden. Doch der ift, fürcht’ ich, für fie zu alt. 
Urjula. Das fommt von jeiner beleibten Geitalt. 
Ich wollte, daß mir fein Werben galt! 
sein Junger thut ihm nach die Sprünge, 
Und jeder Kriegsmann fürchtet feine Klinge. 
Dabei verjteht er gar würdiglich 
Bor aller Welt zu betragen jich. 
Gulden. Es heißt, er führe ein (oder Leben. 
Urſula. Wo kann's einen zahmer'n Zeifig geben? 
Gulden. Sein Gut auch hab’ er ſchon durchgebracht — 
Urſula. Das ſagt ihm nur! Der Edle lacht 
Und kann's auch wohl. Was ſchert ihn der Tadel? 
Man wird fein Schluder bei ſolchem Adel! 
Junker Kreb3blut «tritt ein. Iſt mir vergönnt ein traulic Wort, 
Juſt jo wie ich ging von Hauje fort? 
Gulden. Wie hr betretet auch mein Haus, 
Es wächſt ihm Ehre nur daraus. 
Urſula. Wir Hatten eben von Euch geſprochen. 
Junker Krebsblut. Sch unterließ es anzupochen, 
Um desto jchneller am Ziel zu fein. 
Wo uber ſteckt das Tüchterlein ? 


Dritter Aufzug. Dritter Borgang. 525 


Gulden. Sie jhmollt ein wenig. 
(Zu Urfula.) 
Holt fie herbei. 
(Halblaut.) 
Erflärt, daß mein Befehl es ei! 
(Arjula geht ins Nebengemad).) 
Sunfer Krebsblut. Zu reden hab’ ich im Ernſt mit ihr! 
Gulden. Doc dazu fcheint e8 zu frühe mir, 
Das Mädel hat einen harten Kopf! 
Junker Kreböblut. So nehmt fie tüchtig einmal beim Schopf! 
Sie hat es verdient für ihr toll’ Benehmen, 
Ihr hättet Grund, Euch für fie zu jchämen. 
Gulden. Gh? und warum? Ich kann nicht verſteh'n — 
(Urſula kehrt zurüd.) 
Nun, läßt ſich bald die Närrin ſeh'n? 
Urjula. Sie wollte durchaus nicht mit mir geh'n. 
Gulden. Wart Du! Gh Hol’ fie jelbit heran — 
(Will ab.) 
Junker Krebsblut. Zuvor hört eine Frage noch an! 
Witt Ihr, auf wen der Bli ihr fiel? 
Gulden. Ich achte das für ein kindiſch' Spiel! 
Sunfer Krebsblut. Und wen fie (ud ins Haus Euch ein? 
Gulden. Hans Sachs joll er geheißen jein. 
Junker Krebsblut. Ganz wohl, doch kennt Ihr auch jeinen Stand ? 
Gulden. Der blieb mir bis dato unbekannt. 
Junker Krebsblut. Ein Schuiter iſt's! 
Gulden. Sch bin eritarıt! 
(Urfula ftößt einen Schrei aus. Röschen tritt aus der Nebenthür ein.) 
Urjula. In einen Schufter das Fräulein vernarrt! 
Junker Kreböblut. Am Marktplatz traf ich den Burjchen frech, 
Gejicht und Hände voller Pech. 
Doc, als ich ihn mit dem Blick gemeijen, 
Entwich er, noch eh’ der Hieb geſeſſen. 
Röschen. Ihr jeid ein ränfefroher Wicht! (Sie wit at.) 
Gulden (fie fafiendy. Du gehft mir von der Stelle nicht! — 
Bon daher aljo weht der Wind! 
Ein Schufter macht fih an mein Kind. 
Was kann in allen Menjchenreichen 
Eich diejer Frechheit noch vergleichen ? 


526 Hans Sadj3. 


Doc treib’ ich ihm die Luft jchon aug! 
Naht er fich jemals meinem Haus, 
(Mit donnernder Stimme.) 
So lehr’ ich ihın mit dem Farrenſchwanz — 
Junker Krebsblut. Da thut FHr recht! 
Gulden. Den Hochzeitstanz ! 
Das ijt mein Ernjt! Verſtehſt Du mich? 
Noschen. Und nährt er auch mit den Händen fich, 
Ein Sänger bleibt er emwiglich! 
(Ein Hausdiener tritt ein.) 


Ein Hausdiener. Ein Schufter auf der Stiege hält. 
(Krebsblut führt zufammen.) 

Gulden. Du jagſt ihn! 
Roschen. Kein! 
Gulden. Ich glaube wohl gar, 

Du treibjt mit mir Spott, der Züchten bar! 
Röschen. Er fommt, mir zu erfüllen eine Bitte, 

Und thut es ehrbar, in aller Sitte. 
Gulden. So darf ich wohl wiſſen, was es betrifft? 
Roschen. Ich wünſchte ein Lied don feiner Schrift — 
Gulden (zu Urſula). Kein Wörtlein hatt’ ich davon vernommen. 
Urſula. Ich glaubt’, er traue fich nicht zu kommen. 
Junker Kreböblut. Da kennt hr diefen Vogel jchlecht. 

Zu droh'n mir hat er fich erfrecht, 

Und drum verklag’ ich ihn bei den Schöffen. 

(Zu Gulden.) 
Ihr mögt mit dem Farrenichwanz ihn treffen! 
(Er will ab.) 
Gulden. Wo aus? Da müßt Ihr an ihm vorüber! 
Junker Krebsblut. Sein Pech berühren! Da wart’ ich Lieber. 
Gulden. So bleibt nichts übrig, ala ihn vorzulafjen. 
(Der Diener ab. Gulden auf Urjula zeigend.) 

Die Jungfer da pflegt nicht zu jpaßen! 
Urſula. So hätte das Pech ich anzufafjen ? 
Röschen. Wär’ euch der Wert des Edlen fund, 

Der Spott veritummte in eurem Wtund. 

Denn wo er immer eingefehrt, 

Dem Haus ift jeltnes Glück beichert. 


Dritter Aufzug. Dritter Vorgang. 5237 


(Hans Sachs tritt ein.) 

Junker Krebsblut. O Semine, da fommt er ſchon 

Mit feinem Leder! Ich lauf’ davon — 

(Er Läuft zur Sceitentlür, Gulden und Urfula entfliehen Hinter ihm mit.) 
Hans Sachs fein beſchriebenes Blatt ihr übergebend). Da bring’ ich Euch, 

was ich verſprach, 

Doch ſeht der Schrift die Eile nach! 

Ich konnte zum Glück gleich Arbeit finden 

Und wollte doch an die Zeit mich binden. 


Röschen. Sch fiel Euch alſo zur Beſchwer 
Und jchulde Dank Euch um jo mehr. 
(Nachdem fie ein Weilchen gelejen.) 
Fürwahr, Ihr macht e3 meijterlich fund, 
Was allen ung wohnt im Herzensgrund, 
Die fremden Worte ganz verjchwinden, 
Wir glauben, die eig’nen nur zu finden. 


Hans Sachs. Nachfichtig urteilt Ihr fürwahr! 
Röschen. Ich glaub’ Euch zu fennen ganz und gar. 


Hans Sachs. Wenn folch ein tiefer Blick Euch eigen, 
So darf ich jelbjt wohl von mir jchweigen. 
Röschen. Und fchweigt Ihr auch, jo weiß ich doch, 
Die Euch gefällt, fie fehlt Euch noch. 
Hans Sad. Ihr würdet am End’ Euch gar nicht ſchämen, 
Auch einen niedrigen Mann zu nehmen ? 
Röschen. Labt darauf ohne jed’ Zergliedern 
Mit einer Frage mich erwidern ! 
Ihr Habt jo einen tiefen Sinn, 
MWeswegen zieht Ihr nicht d'raus Gewinn? 
Hans Sad. Doch wie? 
Roschen. Aufs Handwerk folltet Ihr verzichten 
Und nur Euch verlegen noch aufs Dichten. 
So würdet Ihr in Eile berühmt 
Und Euch gehuldigt, wie jich’S geziemt. 
Hier könntet Ihr bald im Rate jiten, 
Dem hr vermöchtet wie feiner zu nüßen, 
Und auf der Ehre Staffeln jteigen, 
So hoch, daß fich alle vor Euch neigen, 


528 Hans Sachs. 


Vorab, wenn Ihr durch Eure Kunſt 

Euch erjt erobert des Kaiſers Gunit, 

Der Euch, beflifien, dag Edle zu ſchätzen, 

Den Kranz aufs Haupt ſelbſt würde jeten. 

Und tragt Ihr einmal des Hofes Kleid, 

Wer weiß, wie bald Ihr Kanzler feid. 
Hans Sachs. Ihr zeigt mir da ein ſchimmerndes Bild, 

Es fehlte nur noch das Wappen im Schild, 

Doch werd’ ich vor dem Taufch mich hüten, 

Den mir fein Traum fönnt’ lockender bieten. 

Zur Arbeit weiß ich mich auf Erden 

Und trachte drum nur Eins zu werden, 

Ein Bürger, der durch der Hände Fleiß 

Sein täglich Brot zu verdienen weiß, 

Und der dazu nach feiner Kraft, 

Was er vollbringen fann, erichafft. 
Röschen. ch jehe, Ihr habt mich mißverjtanden. 

Ich wünsche befreit Euch aus den Banden, 

Um Euch zu fichern im Beruf, 

Zu dem Euch Gott vorab erjchuf, 

Und der, in Muße nur geübt, 

Euch erit ein voll Genügen giebt. 
Hans Sachs. Das Handwerk bleibt der feſte Grund, 

Auf dem ich ſtehe zu jeder Stund’. 

Was frag’ ich nach der Größe Schoß? 

Bejcheiden, doch nicht ſchimpflich ift mein Los. 
Röschen. Noch einmal, ich wollt Euch nicht betrüben, 

Noch minder Spott an Euch verüben, 

Ich wollte nur meinen Rat Euch leih'n, 

So mögt Ihr den Borhalt mir verzeih'n. 

Nun aber eine Frage noch: 

Ihr nehmet teil am Singen doch, 

Das mit der Pfingſten Wiederfunft 

Hier feiert die Meijterfingerzunft ? 
Hans Sache. ch denke wohl, jo wird's gejcheh’n. 
Röschen. Dann werden wir morgen ung wiederjeh’n. 
Hans Sachs. Bleibt Ihr gedenk auch ferner mein, 

So joll mir's lieb im Herzen fein. (Entfernt fi.) 
Röschen. Noch laſſ' ich nicht die Hoffnung ſchwinden, 

Zum Opfer ihn bereit zu finden. 


Dritter Aufzug. Dritter Vorgang. 


(Mit erhobenen Händen.) 


D Traum, entfliehe nicht zu fchnelle 
Und ſpott' nicht trügend dein und mein! 
War wert ich deiner Himmelshelle, 

Laß wert mich deiner Dauer jein! 


Der Borhang fällt. 


Ende des dritten Aufzuges. 


Greif3 Werfe. III. 


529 


Vierter Aufzug. 


Erſter Vorgang. 


(In der Katharinenkirche zu Nürnberg. Bor den Kirchenſtühlen find etliche 
Bänke aufgeftellt in der Höhe der Kanzel, der benachbart der viel niedrigere Singſtuhl 
fteht. Dit am Chor, vor welden nad Schluß des Kirhengefangz ein Vorhang 
gezogen wird, erhebt fi} das ſchwarz verhangene Gemerf. Die Kirche ift von Per— 
fonen beiderlei Geſchlechts beſucht, darunter fi die Meifterfinger Hans Folz, 
Veit Fejjelmann, Konrad Nahtigall u. A. ſowie Röshen und Urjula 
befinden. Hans Sad fteht allein und am weiteſten zurüd. Märten Bogner 
geht mit dem Sädel umher. Die Homilie ift zu Ende, und die Anweſenden fingen 
nur noch eben zur Orgel die Schlußftrophen des Liedes: „Warum beträbft Du Die, 
mein Herz?) 
Das Boll (ingt). 
„zeitlicher Ehr’ ich gern entbehr”, 
Des Ewigen mich nur gewähr', 
Das Du erworben hajt 
Durch Deinen herben, bittern Tod, 
Das bitt' ich Dich, mein Herr und Gott.“ 
„sch danke Dir, Herr Jeſu Chrift, 
Daß mir das fund geworden iſt 
Durch Dein wahrhaftig Wort. 
Berleih’ mir auch Bejtändigfeit 
Zu meiner Seele Geligfeit.“ 
„Lob, Ehr' und Preis fei Dir gebracht 
Tür alles, was Du mich bedacht. 
Sn Demut bitt’ ich Dich, 
Laß mich vor Deinem Angeficht 
Ewig veritoßen werden nicht.“ 


(Die Orgel verftummt, einzelne der Anweſenden verlaffen dte Kirche, dagegen bie 
anderen, Yorab die Mteifterfinger, fi nad) born auf die Bänke begeben.) 


Dierter Aufzug. Erfter Vorgang. 531 


Röschen. Wie jtimmt die wunderjame Weife 
Zu ſolch' erhab’nem Himmelspreije ! 
Urſula. Gar fräftig hat's fürwahr geflungen! 
Sch Hätte gern auch mitgejungen. 
Röschen. So Hat e8 Dich doch auch durchdrungen | 


(Zu einer nebenftehenden Frau.) 


Seit wann ijt hier dies Lied im Brauch? 

Die Fran. Ein Jahr gewiß und länger aud, 

Mit Einem Mal ijt’3 aufgefommen. 

Nöschen. Ich hatt’ e8 vorher nicht vernommen. 
Urſula. Dem es der Geijt gegeben ein, 

Ein Meifter muß er im Tröjten fein! 
Röschen. Dort hält er, ſiehſt Du, an der Thür, 

Doch jeine Näh’ merkt niemand Hier, 

Wie er nicht meiner ward gewahr 

Inmitten aller Beterjchar. 

Urſula. Ich glaub’ wohl gar, Ihr jeid verrückt, 

Dem Groben wär’ ſolch Lied geglüdt ? 
Röschen. Dem Seher jteigt es auf im Traum, 

Was uns bejällt im Wachen faum. 

Märten Pogner (der fich ihr genaht). Sch neige mich * großent 
Dank — 

Dort ſchuf ich Platz Euch auf der Bank. 

Nachdem der Gottesdienſt vorbei, 

Hemmt nichts uns mehr, wir ſchalten frei. 
Röschen «zerftreut). Ihr kommt im Singen wohl bald daran? 
Märten Pogner. Dies ordnen erft die Merker an 

Sm heimlichen Ratſchlag unter jich, 

Und dann erjt wird es fundbarlid. 

(Röshen und Urſula begeben fi) nad) vorn, wo fie Hinter den Meijterfingern Platz 
nehmen. Beit Fejlelmaun und Konrad Nahtigall ftellen fich bei Geite.) 
Beit Feſſelmann. Es geht die Rede, daß ſich der Rat 

Sn Heimlichkeit zufammenthat. 

Konrad Nachtigall. ALS ich aus der Backſtub' Hingefommen, 

War jchon das Blatt hinweggenommen. 

Beit Fejlelmann (ebenſo). Du wirjt es ſeh'n, Hang Sachs bleibt 
bangen, 

Und jeine Strafe wird ihm langen. 

(Sie wollen auzeinandergehen,) 


593 Hans Sachs. 


Konrad Nachtigall. Dort wahrlich jteht er in Perſon. 
Sch hatt’ es gleich gedacht mir jchon, 
Er würde teil am Singen nehmen, 
Um meinen Schüler zu bejchämen. 
(Sie begeben fich zu den übrigen Meifterfingern Hin. Hans Sachs naht fich ebenfalls.) 


Hans Folz (ich umjhauend). Das iſt Hana Sachs. Hab’ jchon 
gehört, 
Daß Ihr vom Wandern heimgefehrt. 
Willkommen denn in unf’rer Mitte! 
(Die Meifterfinger neigen ihre Köpfe.) 


Nur ftilles Neigen erlaubt die Sitte. 
Wir werden das frohe Wiederjeh'n 
Beim Umtrunf auf der Stube begeh'n. 
Hans Sachs (fi neigend). Ich grüß’ Euch alle insgemein 
Und laſſ' mich der Zunft empfohlen jein. 
Hans Folz. Es mög’ Euch unter ung behagen! 
Nehmt Pla, da Ihr auch Meifter jeid. 
Konrad Nachtigall. Wo wurdet Ihr's, jo muß ich fragen, 
Thut mir auch ſelbſt der Zweifel leid. 
Hans Sachs. Zu Frankfurt, ohne d’rauf zu pochen, 
Ward ich gekrönt und frei gejprochen. 
Beit Feflelnann. Auf Frankfurt geb’ ich gar nicht viel. 
Konrad Nachtigall. Hier iſt's ein Ernjt und dort ein Spiel. 
Hans Sachs. Dort blüht die Kunjt, kann ich beteuern! 
Hans Folz. Auf jedem Waſſer lernt man jteuern. 
Nun aber hätt’ ich wohl gedacht, 
Dem Streite ſei ein End’ gemacht: 
Dat Sachs ein Meijterfinger tjt, 
War ung befannt jhon mande Friit. 
D’rum, wer fich dünkt von beſſerem Schlag, 
Der jchere fich, wohin er mag. 
(3 legt fi) die Unruhe.) 
Hans Sachs (für ih). Sch jehe wohl, da fehlt es weit 
Zur alten, trauten Einigtfeit. 
(63 ſchlägt im Turm die dritte Nacdhmittagsftunde.) 
Hans Fol. Die Stunde jchlägt. Auf denn zum Werke! 
Ihr Kiefer tretet ing Gemerfe. 


Beit Feſſelmann, Konrad Nachtigall und noch ein dritter Meifterfinger 
erheben fich.) 


Vierter Aufzug. Erjter Vorgang. 538 


Konrad Nachtigall zu Hans Sache). Wollt Ihr das Singen mit 
beiteh’n ? 
Hans Sachs. Weswegen ſollt' es nicht gejcheh'n ? 

Konrad Nachtigall. Doch Hier ijt’S Leicht, fich zu verfingen. 
Hans Sachs (munter fpottend). Ich denke mich ſchon durchzubringen. 
(Er jest ſich nieder.) 

Hana Folz. So geb’ ich Euch denn gleich bekannt, 
Was unſer nächſter Gegenjtand. 
Den Urſprung er der Kunjt betrifft, 
Wie er bezeugt durch Wort und Schrift. 
(Die drei Merker begeben fi nad) dem Verſchlag, in dem fe verſchwinden.) 


Röschen (zu dem vor ihr ſitzenden Pogner). Hätt' ich geahnt ſolch 


Argerniß, 
Ich hätt' Euch abgeſagt gewiß. 
Märten Pogner. Die Meiſter ſind ſonſt jedem hold, 
Der nicht ein Schelm oder Laſterbold. 
Röschen. Ihr werdet dafür doch ihn nicht Halten ? 
Da muß ein übler Wille walten! 
(Es Hopft im Gemerfe.) 
Hans Folz. Das Singen beginnt und jedes ſchweigt! 
Beit Feſſelmann (im Gemerte). Der Bogner iſt d’ran! 
Hans Fol. Den Sing- 
iat! 
— ſtuhl beſteigt 
Veit Feſſelmann (im Gemerke). Fangt an! 
Märten Pogner (nach einer ehrerbietigen Verbeugung). Sn Pogners 
Konrad Nachtigall-Ton: 
(Er intoniert.) 
Soviel ich hab' Bericht davon 
Durch das Leſen bekommen, 
Hat — die Kunſt ſchon 
In Mainz — der Stadt, ſein Anfang g'nommen, 
Durch ein Thumbherrn prächtig 
So faſt ſchöne Lieder gedicht't — 
Desgleich wohnt d'rin ein Hufſchmied auch, 
So Regenbogen geheißen: 
Den rechten Brauch 
In dem Meiſterg'ſang that er weiſen 
Durch ſein Gedicht wohlbedächtig, 
Ganz artig nach der Kunſt gericht” — 


534 Hans Sachs. 


Herr Marner war der Dritt’ genannt, 
Ein Ritter in Schwaben befannt. 
Herr Mögling des Vierten Name was, 
Ein Doktor Hochgelehrt, 
Der ohn’ Unterlaß 
In Böhmen ward jehr Hoch geehrt. 
Bon diefen Meijtern mächtig 
Nahm die Kunst ihre erjte Pflicht. 
Veit Feſſelmann dm Gemerd. Gelungen! 
(Schhallender Beifall. Märten Bogner verläßt nad einer Verbeugung den Stuhl 
und tritt zurüd, von den Geſellſchaftern beglüdwünfcht.) 
Ein Meifterfinger (halblaut). Den Bar vernahm’ ich eh’ ſchon Hier, 
So jcheint er gar gejtohlen mir. 
Ein zweiter Meifterfinger (ebenſo). An beiden Stollen viel gebrach, 
Ich zählte an den Fingern nad). 
Ein dritter Meifterfinger. Ein falſcher Reim und eine Milbe. 
Doch ſonſt auch fehlte manche Silbe. 
Röschen. Das Eingelernte abzuleiern, 
Sol’ einen Sieg fann jeder feiern! 
Urſula. Als Goldſchmied nähm’ ich ihn Togleich, 
As Singer nicht ums Himmelreich! 
Märten Pogner (zu Röschen getreten. Iſt mir’ gewährt, hier 
Platz zu nehmen ? 
Röschen. Faſt muß ich mich der Bitte jchämen, 
Da Ihr, mit Meijterrecht begabt, 
Hier nun auch zu gebieten Habt. 
Märten Pogner. Das ändert aber nichts darin, 
Daß Eures Vaters Geſell' ich bin. 
Röschen. So ſetzt Euch denn beruhigt Hin! 
(Er nimmt neben Röschen Platz.) 


Hans Folz au Hans Sachs). Macht Euch bereit, zu intonieren. 
Hans Sachs (für fig). Faſt möcht” ich da die Luſt verlieren. 
Beit Fellelmann (im Gemert). Hans Sachs iſt dran! 
(Hans Sachs begiebt fich nad) dem Singftuhl.) ' 
Rösſchen. Nun freu’ Dich, Meijterfingerei! 
Der Dich erweckt, er fam herbei! 
Beit Fejlelmann (im Gemerke). Fangt an! 


Vierter Aufzug. Erjter Vorgang. 535 


Hans Sachs (nad der üblichen Verbeugung), In Hans Sachſens 
kurzem Ton. 
(Er intoniert.) 
„sch Fam vor einen Garten, wohlgeziert 
Bon edlen Reben und fruchtbaren Bäumen, 
Bon guter Würze, Blüt’ und Kraut, 
Bon Beiel, Klee, Lilien, Rojenblumen, 
Als das Paradies lieblich zu gewahren.“ 
„Darin manniger Vogel jhön quintiert. 
Zwölf Mann mochten den edlen Garten pflanzen, 
Bon ihnen ward er reich durchbaut, 
Sie mochten jein zu allen Zeiten warten, 
Über’ Jahr ſchon die Früchte zeitig waren.“ 
„So jtund der Garten Hoch im Preis 
Und war behütet wohl vor allen Schanden, 
Ein jedermann jand drinnen feine Speiſ', 
Bon wo er fam, aus allen deutjchen Landen, 
Sein’ Frücht' auch holte man zugleich 
In jedes Reich 
Biel Zimmetröhr', Granad’ und Pomeranzen. 
Die zwölf pflanzten beeifert jehr, 
Je länger, je mehr, 
Und thäten ſich in Arbeit nie verfäumen: — —“ 
Beit Feſſelmann (nad) langer Pauſe im Gemerf). Fahrt fort! 
Hans Sachs äntoniert weiter. „Indem ſah ich kommen ein wildes 
Tier, 
Und ſah's verwüſten den erwählten Garten; 
Allda floh jeder ſein Revier, 
Dadurch verlor der edle ſehr an Ruhm, 
Darnach wuchs in ihm nur Diſtel und Dornen —“ 
Veit Feſſelmann (einfallend im Gemerke). Verſungen! 
(Bewegung.) 
Röschen (alblaut). Unterlegen Er? 
Urſula (ebenſo). Nun ſchert Ihr Euch um ihn nicht mehr! 
Röschen (wie vorher). Sie ließen ihn zu End’ nicht fommen, 
MWeil fie jonit ihre Schande vernommen. 


(Hans Sachs verbleibt auf dem Stuhle.) 


Beit Feſſelmann (no im Gemerte). Verſungen, jagt’ ich, herab 
vom Stuhle! 


536 Hanz Sache. 


Konrad Nachtigall (esendort). Kein Troß wird geduldet in der 
Säule! 
(Die drei Merfer treten hervor.) 
Hans Sachs. Verſungen? Was bewirkte dies? 
Was war's, das außer acht ich Ließ ? 
Die Regel, die ich übertrat, 
Zeigt mir fie an! Sch brauche Rat. 
Beit Feſſelmann. Ihr habt's vernommen. Hebt Euch fort! 
Zu läftern tjt hier nicht der Drt! 
Hans Sach (auf fie zuigreitend). Ich Läfterte? Mit welchem Wort? 
Konrad Nachtigall (die mitgebragte Tabulatur auffchlagend). Ihr fehltet 
gegen die Tabulatur, 
Nach der wir alle ung richten nur, 
Und da Ihr zu leugnen Euch getraut, 
So hört den Artikel, Laut für Laut! 
(Er lieſt.) 
„Wer fich verfehlt gen feine Brüder, 
Dur Reizer, Strafer, Rügelieder, 
Der hat verjungen ganz und gar“ — 
Und dies geſchah hier offenbar. 
Hans Sachs (pottend). ch leugne, daß ich das gethan; 
Denn hätt’ ich's auch gehegt im Plan, 
Ihr ließet mich nicht dazu gelangen, 
So hört denn, was Euch noch entgangen! 
(Er ehrt auf den Singerftuhl zurüd. Große Bewegung unter den Meifterfingern.) 
Einzelne Meifterfinger. Seht Hin! Er wagt’3 zu drohen gar! 
Andere. Das hat noch feiner gethan fürwahr! 
Veit Feſſelmann. Herab! befehl' ich noch einmal! 

Konrad Nachtigall. Gehorcht! Ihr Habt jonjt feine Wahl. 
(Röschen, vergebens don Urjula aufgehalten, eilt zu ihm Hin.) 
Röschen (zu Hans Sachs). Begütigt fie, fällt's Euch auch ſchwer, 

Statt fie zu reizen nur noch mehr! 
(Kehrt auf ihren Pla zurüd.) 
Urjula. Den Rüden fehrt er gar Euch Her! 
Röschen (fih beſchämt jegend). Zu ſolchem Manne taug’ ich nicht, 
Dem e8 an Mäßigung gebricht, 
Und der die Feinde, jtatt fie zu dämpfen, 
Anftachelt jelbjt, ihn zu befänpfen. 
Hans Sachs (iprigtden Shlußver). „Darum, ihr Sänger, darauffchaut, 
Daß Neid und Haß nicht fomm’ auf Eure Schule 
Und ftürz’, was man bat lang’ gebaut, 


Dierter Aufzug. Erjter Borgang. 537 


Bewahrt das Anſeh'n unjerm Singerftuhle: 
Mer nicht dichtet, fing’ lieber ſunſt 
Aus Fremder Kunſt 
Ohn' allen Neid, niemand ihn auch verachte — 
Melcher dann von Gott die Gnad 
Zu dichten hat, 
Der bleib’ demütig und fern don jedem Gtolze, 
Zeil’ jeine Kunjt aus und rühme fich nit fehr, 
Die Kunſt wird ſelbſt ſchon ihren Metiter loben. 
Wo man aus Liebe allen Neid begraben, 
Da giebt Gott mildiglich des Geijtes Gaben.” 
(Die Merfer haben inzwiſchen aus dem Gemerf das Davidäkleinod geholt, das fie 
Märten Bogner umbängen.) 
Beit Feſſelmann. Der fich den Davidspreis erfungen, 
Hat auch den Meifterfi errungen. 
{Zu Hans Sad.) 
Die Ordnung, die Euch nicht behagt, 
Habt Ihr zu jtören dreift gewagt, 
Drum wird dies Thun Euch Hart vermwiefen. 
Konrad Nachtigall. Führt's nicht dazu, Euch auszuschließen ! 
Hans Sachs. Dies würde mich nur wenig verdrießen, 
Nachdem ich Tehe, in welcher Art 
Sih Brüderlichfeit Hier offenbart, 
Und daß, wer das Verderbliche jchilt, 
Für einen Feind des Guten gilt. 
Hans Folz (ber mit mehreren Meifterfingern herangetreten). Es hat der 
Sang bier feinen verlett. 
Doh wer ihn Hat auf jich bezogen, 
Für den hat er auch nicht gelogen. 
Beit Feſſelmann. So wird dem Rat er vorgefekt, 
Der ſich darüber wird entjcheiden, 
Ob folcher Friedensbruch zu leiden. 
Hans Sachs. Wohlan, jo bringt mich in den Kerker, 
Ihr, die nur Kläffer, feine Merker! 
Beit Feſſelmann. Es wird Euch werden, was Guch gebührt. 
Konrad Nachtigall. Und was hr jelbit herbeigeführt. 
Hang Sachs. Ich bin mir feiner Schuld bewußt. 
Beit Feſſelmann. Es wohnt Euch Schalkheit in der Bruft! 
(Ein Ratsdiener, den Stab in Händen, erſcheint und unmittelbar darauf au 
Junker Kreböblut.) 


538 Hans Sachs. 


Urjula (u Rösgen). Seht Hin, da fommt der Büttel jchon 
Und bringt ihm den verdienien Lohn! 
Doch ſeht auch, wer Euch naht zum Glück! 
Weiſ't Ihr noch immer den Edlen zurüd? 
Röschen. Er trete mir nicht vor den Blick! 
Sch bitt' Euch, führt mich fort von Hier! — 
Zu jhämen fang’ ich an mich jchier. 
Märten Pogner (mit einer Verbeugung). Von Herzen gern. 
(Bei Seite.) 
So wünſcht' ich's mir! 
(Indem er Konrad Nachtigall das Kleinod zur Bewahrung übergiebt.) 
Bewahrt dag Kleinod mir indeſſen — 
(Er entfernt fih mit Röschen.) 
Konrad Nachtigall ihm nachblickend). Der jcheint mir bereit dom 
Dünkel bejefjen. 
Junker Krebsblut (su urſula). Ich glaube gar, fie macht fich fort 
Mit diejem geriebenen Fuchlen dort. 
Urjula. Der Alte wird ihm die Schliche vertreiben, 
Und Euch muß dann der Sieg verbleiben. 
Junker Kreböblut. Das wollen wir Hoffen, Auf Wiederjeh'n! 
(Urfula ab.) 
Nun kann es an den Schuſter geh'n! 
Der Natödiener (zu Hans Folz). Dom ehrbaren Rat bin ich ge- 
fandt — 
Sein Sigull ift Euch wohl befannt. 
Hans Folz (nachdem er das Schreiben geöffnet, lieſt). „Es iſt zur Kennt— 
nis Uns gekommen, 
Was ſich Hans Sachs herausgenommen 
Durch üblen Spott in off'ner Schrift, 
Der auch hier Eingeſeſſ'ne trifft, 
Drum wir andurch ihm auferlegen, 
Nur ſeines Handwerks mehr zu pflegen 
Und nichts im Druck ausgeh'n zu laſſen, 
Noch ſich mit Reimen zu befaſſen.“ 
Habt Ihr gehört, was Euch befohlen? 
Hans Sachs. Betäubt, muß ich mich erſt erholen, 
Denn wie ein Blitz traf mich die Kunde; 
Doch daß hier Ränke mit im Bunde, 


Vierter Aufzug. Zweiter Vorgang. 539 


Das läßt ſich wohl daraus erraten, 
(Mit einem Blick auf die Merfer.) 
Wie daß mich wer gern bringt in Schaden. 
Beit Fellelmann. Schiebt uns nicht zu die eig’ne Sünde, 
Als ob fie nicht zu lejen ftünde! 
Hans Sachs. Nicht weiß ich, wie Hier der Wandel geht, 
Und wer unmwürdig in Ehren jteht, 
Da mir dom ganzen großen Getrieb’ 
Nur wenig in Erinnerung blieb. 
Junker Krebsblut. Und doch jeid Ihr ein Ehrendieb! 
Hand Sachs (ohne feiner geachtet zu Haben). Indes, ich trage, was 
mich getroffen, 
Die Welt jteht überall mir offen; 
Drum, eh’ daß ich dem Trieb entjage, 
Den ih zum Lied im Herzen trage, 
Geb’ ich die Heimat lieber auf, 
Und heute noch änd’r ich den Lebenslauf! 
Beit Feſſelmann und Konrad Nachtigall. Gern jagen Amen 
wir darauf. 
Beit Feſſelmann. Entwandert, wir haben nichts dagegen! 
Konrad Nachtigall. Wir fünnen allein die Schule pflegen. 
Hans Sachs (zu beiden). Ihr möget meines Leid’3 Euch freu’n, 
Gott wird mir jeinen Schuß verleih'n! 
(Indem alle aufbrechen, fällt der Zwiſchenvorhang.) 


Zweiter Vorgang. 
(In Nunnenbeds Haufe Kunigunde fit bei dem Kranken und fpinnt.)- 


Kunigunde. Ihr habt heut’ einen ſchweren Tag, 
Wie es jo manchmal wechjeln mag, 
Berjucht, daß Ihr ein wenig ruht! 
Der Schlummer befommt Euch ficher gut. 
Nunnenbed. Sch ſpar' ihn lieber für die Nacht, 
Die jonjt wird abermals durchwacht. 
(Ihre Hand erfajjend.) 
Mein Kind, mir liegt’3 jo ſchwer auf der Bruft, 
Ob mir auch nur wie dumpf bewußt, 
Als wär ein Unglück eben geicheh’n: 
Ich wollte, daß Hans fich ließe jeh'n. 


540 Hans Sad. 


Kunigunde. Ihr bildet Euch den Schreck nur ein, 
Was jollt’ ihm auch widerfahren fein ? 
Mir ahnt gerade das Gegenteil: 
Ihm nahe fich ein großes Heil, 
Das fih um feiner Tugend willen 
Ihm wie ein Wunder wird erfüllen. 
Nunnenbeck. In Deiner Unſchuld denkt Dur fo, 
Ahnſt nicht, dag And’re jchadenfroh, 
Wohl gäb’ es minder Herzeleid, 
Beſtände nicht der böje Neid. 
Kunigunde (die fi wieder an den Roden gejett). So lang’ er auf der 
Reife war 
Und ausgejegt jo mancher Gefahr, 
Fühlt' ich um ihn, wie oft! ein Bangen, 
Wenn ich allein jo für mich jpann, 
Als jei was mit ihm vorgegangen, 
Don dem ich Kunde nie gewann: 
Doch jeit er wieder fam zurid, 
Träum' ich nur noch von lauter Glüd. 
Nunnenbeck. So glaubjt Du wohl, daß er Dich liebt? 
Kunigunde. Sein Anblid mir ſchon Ruhe giebt, 
Doh würd’ ich nimmermehr e3 wagen, 
Um feine Gedanken ihn zu fragen. 
Nunnenbeck. Und jo iſt's recht. Was werden will, 
Entfaltet ſich unfichtbar ſtill; 
Denn ſprießt e& nicht von jelber auf, 
Sp warten wir umſonſt darauf. 
Drum thäte nicht Hans fich ohne Ruh’ 
Mit feinem Meiſterſtück befafjen, 
Auch nächtlicher Weile immerzu, 
Ich hätte das Fragen unterlafjen. 
Doch zeigt ein Gejelle Eile darin, 
So gilt’3 der fünftigen Meijterin ! 
Kunigunde. Ihr jcherzt wohl gar und macht mich vot, 
Mer weiß, wofür ihm die Eile not? 


(Hans Sachs tritt ein.) 


Da fommt er, aber wie erregt — 
Nunnenbed. Ein Mißgeſchick ihn tief bewegt! 
Wie ilt e8 Dir ergangen dort ? 


Vierter Aufzug. Zweiter Vorgang. 541 


Hans Sachs. Erſpart mir, Vater, jedes Wort! 
Als Läſt'rer ward ich angejeh'n, 
Ich mußte beinah’ am Pranger jteh'n. 


(Kunigunde weint.) 


Nunnenbed. Das geht noch weiter, ala mir's gejchwant, 
Hatt’ ih auch Schlimmes Thon geahnt! 
Hana Sachs. Sie flagten vor dem Nat mich an. 


(Kunigunde fährt zufammen.) 


Nunnenbed. Das haben fie Dir angethan ? 
Hans Sache. ch wolle den Frieden untergraben, 
Durh Spott mich an den Herrichenden laben. 
Nunnenbed. Was aber gejchah herab von oben ? 
Hans Sachs. Sie drangen durch mit ihrem Toben. 
Berjtummen ward mir auferlegt, 
Und den ich nach Eu’rer Lehre gepflegt, 
Berlajjen jollt’ ich den Mujengarten 
Nur meines Handwerks allein noch warten. 
Nunnenbed. Doh Du haft Dich nicht d’rein ergeben ? 
Hans Sachs. Wie könnt’ ich's, und gält' e& auch mein Leben ? 
Kein Drohen bringt es je zu jtand, 
Daß ich mich beuge roher Hand! 
Nunnenbed. So jpräch’ ich an Deiner Stelle auch! 
Hans Sache. Ihr Reden ift Wind, ihr Schmähen Rauch! 
Es gilt, ich weiß es, mein höchites Gut, 
Auf dem mein ganzes Heil beruht, 
Und darum greif ich zum Wanderjtab, 
Und, wie ich gefommen, jo zieh’ ich ab. 
Kunigunde. Sein Scheiden bringt mich in das Grab! 
Nunnenbed (zu Hans Sachs). Doc handle mir nicht übereilt — 
Ein Sturmgewölk fich oft verteilt, 
Und, eh’ wir's denken nur einmal, 
Dringt wieder durch der Sonnenjtrahl. 
Hans Sachs. Ihr mühtet das Wetter jelbjt beitellen, 
Wenn es fich jollte hier erhellen! 
Auch Hab’ ich ihnen verkündet dort, 
Daß ich mich Heut’ noch hebe fort! 
Kunigunde. O könnt’ ich mit ihm von Ort zu Ort. 


542 Hans Sachs. 


Hans Sachs (fe umfafiend). Gieb Dich nicht Hin To jehr dem 
Schmerz! 
Dir ja, Kunigunde, gehört mein Herz, 
Und, wo ich weile, wo ich bin, 
Kommſt Du mir niemal3 aus dem Sinn! 
Nun, da ich aljo gedenfe Dein, 
Willſt Du gedenk auch meiner ſein? 
Kunigunde Ja, Hans, an Dich denf' ih allein! 
Hans Sachs. Gelingt es mir, mein Glüd zu finden 
Und eine Heimftatt una zu gründen, 
So werd’ ich Dich heranbeicheiden, 
Und dann gehört die Welt ung Beiden! 
Nunnenbed. Bis dahin aber längjt jie haben 
Den alten Nunnenbed begraben. 


(Der Vorhang fällt.) 


Ende des vierfen Aufzuges. 


Sünfter Aufzug. 


Erſter Vorgang. 


(Im Reichswald vor Nürnberg. Hans Sachs tritt auf in Wandertracht. Es iſt 
jpäter Abend.) 


Hans Sachs. Dom Hügel dort den legten Blick 
Sandt’ meinem Nürnberg ich zurüd. 
Dort in das Abendrot getaucht, 

Lag's um die Veſte, wie hingehaucht, 
ALS ſei es erjchienen mir im Traum, 
Das ich doch eben verlaſſen faum. 

Noh einmal Hab’ ich ihm zugewunken, 
Dann war e3 in der Tiefe verjunfen, 
Verſchwunden mir für immmerdar, 

Der Ort, der meine Heimat war, 

Und der nunmehr mir doppelt wert, 
Weil er die Liebjte mir bejchert! 

Wohl Hab’ ich die Thräne unterdrüdt, 
Als ih im Scheiden fie angeblidt, 
Wie, da ich die Gejchwijter fand, 

Und ihnen mit Mühe mich entwand. 
Erſt draußen auf der Eltern Grab 
Wehrt' ich dem Strom nicht länger ab, 
Und, da ich mich von dannen wandte, 
Da war's, ala ob der Schmerz mich bannte. 
Nun aber gilt’3 bei diefen Fichten, 
Zur Fremde Hin den Schritt zu richten 


544 Hanz Sachs. 


Und, eh’ die Nacht noch bricht herein, 
Auf eine Ruhitatt bedacht zu fein; 

Denn jchon beginnt's im Wald zu dunfeln 
Und oben die erjten Sterne funfeln. 
Vorbei ijt’3 mit dem Wandern heute, 
Wo nirgend ein Haus in aller Weite. 
D’rum, ftatt im Finftern weiter zu zieh’n, 
Will ich dem Srrfal lieber entflieh'n. 

So jei es denn, ich nächt’ge hier, 

Raum beut mir genug dies wilde Revier, 
Wo ladend fich breitet der Erdenſchoß 
Mit jeinen Kräutern und feinem Moos. 


(&r legt fi} nieder.) 


Es ijt ja nicht das erjte Mal, 
Daß ich mich jo dem Herrn empfahl. 
(Si) dorneigenb.) 


Allmächtiger, der erjchaffen mich, 

Um Deinen Schuß anfleh’ ich Dich! 

Bertraut ift dir die Stimme nur 

Der unbejorgten Kreatur. 

Die Hindin führft Du an den Duell 

And wäſcheſt des Vögleins Auge heil. 

O gieb’ auch mir, was not mir thut, 

Und nimm mein Denken in Deine Hut, 

Auf daß fein fchwacher Geift daran 

Ein Argernis mehr nehmen fann. 

Befreie mich don des Tadels Gier, 

Un der ich leide blindlings jchier, 

Und bringe den Sturm in mir zur Ruh’! 

Dir kommt allein zu richten zu. 
(Er legt fi zurüd und jehläft ein. Muſik wird in den Lüften vernommen. Eine 
der Mufen, Klio, in feidenem, golddurchwirktem Gewand, das Haupt mit Lorbeer 

befrängt, naht aus dem Hintergrund.) 

Klio. Was forgit Du und befümmerjt Dich? 

Bi, Jüngling, auf, erkenne mich! 

Als Muje bin ich von den Weiſen 

Klio nach meinem Amt geheißen ; 

Denn mit den Schweitern im Verein 

Geb’ ich das Wort dem Dichter ein, 


Fünfter Aufzug. Erjter Vorgang. 545 


Durch das er alle Herzen lenkt, 

Des Guten Keime in fie ſenkt. 

Don ihnen bin ich ausgejandt, 

Zu ſuchen Dich im deutichen Land, 

Um Di zum Diener zu beitellen, 

Den Pfad für viele zu erhellen, 

Die unbelehrt im Dunkeln wandeln, 

Bernunftlos ohne Führer handeln. 

So trachte denn Dein Leben lang, 

Zu üben holdjeligen Meijterjang, 

Auch magſt Du in Deinen Feierjtunden 

Was Dir befannt, im Wort befunden, 

Gefleidet ins Gewand der Fabel 

Zum lehrreichen Bild und als Parabel, 

Der Tugend hohen Wert zu zeigen, 

Wie jedes Schandmal, dem Lajter eigen. 

Diez rüge, ſchände, verfolg’ und verjag', 

Und führe die Wahrheit an den Tag! 

Sa, was Dein Gemüt auch je erdichtet, 

Sei all’ Dein Sinn darauf gerichtet, 

Es jeien ans Licht gezogene Ränke, 

Oder nicht minder furzweilige Schwänfe, 

Dazwiſchen Tragddien, ernjt genug, 

Dazu Komödien, froh im Flug, 

MWie auch jeltfame Spiel’ und Poſſen, 

Samt Iuftigen Sprüchen, ernjt beſchloſſen, 

Doch alles zu Gottes Lob und Preis 

Und feiner Allmacht klarem Beweis, 

Auf daß fein Wort werd’ außgebreit’t 

Bei der Gemeine fern und meit, 

Gejangsweis, in gereimten Worten 

Sm deutſchen Volk, an allen Orten, 

Beim Alter und auch bei der Jugend 

Zum Lob aller Sitten und Tugend, 

Wie Dir das auch nach Deinem Leben 

Wird all’ Dein Schaffen Zeugnis geben. 

(Sie legt ihm zwei Finger aufs Haupt, worauf fie Yangfam unter fortbauerndem 
Harfenfpiel wieder verſchwindet.) 
Hans Sachs (erwachend). Ich danke Dir im Herzen tiefit, 
Daß Du zu jolchem mich beriefit, 


Greif3 Werte. II. a 


546 - Hans Sad. 


Wil jparen weder Kraft noh Müh' 

Und fragen nad) dem Lohne nie. 

Reich macht mich ſchon die Gottesgab’, 

Mir mildiglih gejandt herab 

Als einem ungelehrten Mann, 

Der weder Latein noch Griechiſch kann. 

Daß mein Gedicht grün’, blüh’ und wach] 

Und Früchte bring’, das wünjcht — Hana Sachs — 


(Die Mufit verftummt. Paufe. Hörnerruf, dem aus der Ferne mehrfach) geant- 
wortet wird. Hans Sachs erwacht.) 


Was iſt's? Wem gelten dieſe Klänge 
Bon da und dort und überall, 
Die, mit dem täujchenden Wiederhall, 
Das Echo bringen ing Gedränge ? 
So leben, wirfend vom Anbeginn, 
Sm Bolfe fort urfrifche Gefänge, 
Wenn ihre Meijter längjt dahin! 
(Er erhebt fi) und blickt aus.) 
Ein Jäger iſt's, der fich verirrt 
Und rings gejuht im Walde wird. 
Da fommt er — — 
(Ein Ritter im Jagdgewand mit ber Armbruſt tritt auf.) 


Der Nitter. Freund, was jhafft man hier? 
Hans Sachs. Ich Juchte nur ein Nachtquartier, 
Da ich mid) in der Zeit betrogen. 
Der Nitter. Ihr kommt von Nürnberg Hergezogen ? 
Hans Sachs. Dort war's, wo ich in Arbeit jtund. 
Der Nitter. So ift der Weg dahin Euch fund ? 
Hanz Sachs. Den könnt' ich allerdings Euch weiſen, 
Doh muß dor Tag ich weiterreijen. 
Der Nitter. Was legt Euch auf jo große Eile? 
Hans Sachs. Als Wand’rer flieh’ ich jede Weile. 
Der Nitter. Doc Hoff ich ohne Nötigung, 
Da Ihr ja nimmer all zu jung. 
(Für fid.) 
Ich mer’, ihn drüdt geheime Pein — 
(Laut.) 
Ihr jcheint verwundet mir zu fein, 
Doch nicht von irdiſchem Geſchoß. 


Fünfter Aufzug. Erjter Vorgang. 547 


Hana Sachs. Nicht Amor Köcher ihn umſchloß, 
So hart der oft, mir war er Netter! 
Der Nitter (für fi). Der Simple fennt die Griechengötter! 
(Zaut.) 
Welch’ eine Kunſt übt Eure Hand? 
Hanz Sachs. Schuhmacher bin ich nad) dem Stand. 
Der Ritter. Wie nennt Ihr Euch? 
Hans Sad. Hans Sad. 
Der Kitter. Hans Sachs? 
Sagt lieber gleich der Kaiſer Mar! 
Sp wäret Ihr ein berühmter Mann, 
Wie ich es wohl bezeugen fann. 
(Das Gefolge des Ritters trifft don mehreren Seiten zugleich ein.) 
Ihr jeht mich Heil und unverjehrt. 
(Mit einem Blid auf Hans Sachs) 
Das Weitere, wenn wir eingefehrt! 
(Das Gefolge zieht ſich zurüd.) 
Ich bin verwundert und will nicht hoffen, 
Daß hülflos Euch ein Leid getroffen. 
Hans Sachs. Gewohnt, auf mich allein zu jteh’n, 
Vermied ich's, nach Gönnern mich umzufeh'n. 
Der Nitter. Das ijt ganz recht, doch in der Not 
Wird uns Erhaltung zum Gebot. 
Anjtatt jo Bitt’res zu ertragen, 
Warum einem Stärfer’n e& nicht Elagen, 
Ja Eurem Kaijer ſelbſt jogar, 
Wenn er grad’ in der Nähe war? 
Er Hätte jein Ohr verjchloffen nicht! 
Zu ſchirmen ijt ja jeine Pflicht, 
Und, Stolz auf ſolchen Unterthan, 
Nähm' er bereit fi Euer an. 
Hanz Sachs. Das Schickſal, das mir widerfahren, 
Er jeldjt nicht konnte mir's erjparen. 
Der Nitter. Es wäre mir von hohem Wert, 
Zu hören, was Hans Sachs bejchwert. 
Hans Sachs. Die Reimkunft, die ich draußen gepflegt, 
Hat Anjtoß in meiner Stadt erregt. 
Sie ferner zu üben, ift mir verboten; 
Ward lebend geworfen zu den Toten! 


548 Hans Sad. 


Der Nitter. Was Hatte fie aber jo aufgebracht? 
Hans Sachs. Ich nahm nicht ihrer Gebrechen acht. 
Der Ritter. Kein Schüße trifft, wenn er nicht zielt, 
Da haben Ränfe mitgejpielt. 
Hans Sad. Und diefen konnt’ ich nicht entflieh’n. 
Der Nitter. Doc an das Licht die Wahrheit zieh'n. 
Kennt Ihr nicht Dürer, Pirkheimer nicht 
Und andere Männer von Gewicht ? 
Sie hätten es gern auf fich genommen, 
Und alles wäre ander gefommen! 
Weil Euer Blick nur Feinde ſah, 
So jtandet Ihr ohne Freunde da. 
Hans Sachs. Dem fann ich widerreden faum, 
Mir iſt's, als erwacht’ ich aus einem Traum! 
Der Ritter. So ijt’3 mit Euch Poeten beſtellt! 
Ihr wißt zu ergründen die ganze Welt, 
Doch, gilt e& das eig’ne Leben zu führen, 
So laßt Ihr Euch von Thoren regieren. 
Nehmt aber für ungut nicht die Lehre, 
Die nicht kann kränken Eure Ehre! 
Hans Sad. Daß fie verdient, erfenn’ ich Har. 
Der Nitter Gihm die Rechte barbietend). Ich biet’ Euch ſtolz die 
Rechte dar! 
Kein Händedrud ihr lieber war. 
(Zu dem auf feinen Winf ivieder herbortretenden Gefolge.) 
Zu Nürnberg werden vor Tag wir ruh'n. 
(Zu Han? Sachs.) 
Was aber gedenft wohl Ihr zu thun? 
Hans Sachs. Nach Kräften mich meines Rechts zu wehren, — 
Entſchloſſen bin ih umzufehren. 


(Berwandlung.) 


Zweiter LVorgang. 
(In Nunnenbed? Hauje. Kunigundens Kammer.) 


Kunigunde. Will meine Blumen noch raſch begießen, 
Doch ohne beian die Thür zu jchliegen. 
Gottlob, der Schlaf hat ihn gejtärkt, 
Wie jchon am Atmen ich gemerft, 


Fünfter Aufzug. Zweiter Vorgang. 549 


Und, fühlt er fi im Geh'n auch jchwach, 
Die Kräfte fteigen ihm allgemach. 
Giebt Eſſensluſt fich weiter fund, 
So iſt's gewonnen, er wird gejund. 
Wie aber mag es Hanjen geh'n? 
Könnt’ ich ihm nad) in die Ferne ſeh'n! 
Wo hat er wohl die erjte Nacht 
Bor Nürnberg draußen zugebracht ? 
Wo wandert er jet am Weg allein? 
Wie wird dabei zu Mut’ ihm jein? 
MWenn er nur Arbeit bald erhält, 
Wo es ihm taugt und wohlgefällt, 
Dann fommt der Tag auch bald heran, 
Den er mir treulich meldet an. 
Doch wenn Hinaus es trüg’ ein Wind, 
Wie fie ihm Hier begegnet find, 
Sa, was fie wider ihn angezettelt! 
Ein fremder Gejelle wird leicht bejpöttelt, 
Und die um fein Gefchi ihn neiden, 
Sie juchen fein Bleiben ihm zu verleiden. 
So zieht er wieder von neuem fort 
Und findet Ruh’ an feinem Ort. 
In Kampf und Widerwärtigfeit 
Bergeh’n die Jahre, vergeht die Zeit, 
Ich aber Hoffe und harre zu 
Und finde niemals feine Ruh’. 
Die Sonne fcheint, wie gejtern fie ſchien, 
Doch nimmermehr erblid’ ich ihn. 

(Mit gefalteten Händen.) 


„Weil Du mein Gott und Bater bift, 
Dein Kind wirft Du verlaffen nicht, 
Du väterliches Herz. 

O nimm mich auf in Deinen Schoß! 
Auf Erden Hab’ ich feinen Troft.” 


(Runnenbeck ift, an einem Stode gehend, eingetreten.) 


Nunnenbeck. Kunigunde, ich höre Deine Stimm’, 
Nicht allzu ſchwer die Trennung nimm! 

Kunigunde. Ihr fahet ſchwarz, da weiß ich jah, 
Nun ſteh' ich ohne Hoffnung da. 


550 Hans Sachs. 


Nunnenbeck Gihre Hand erfafiend). Sei mutig und vertrau’ auf Gott, 
Er fehrt der Feinde Sieg in Spott. 
(Ein Gejelle Nunnenbecks tritt eilig ein.) 
Wo fommft Du her jo toll gelaufen ? 
Der Gejelle. Ach Meiiter, laßt mich erjt verfchnaufen! 
Hans Sachs ift heim! 
Kunigunde (in freudigem Schred). Heim! Wer's fafjen mag! 
Nunnenbeck (zum Gejellen. ch glaube, Du träumjt am Hell- 
lichten Tag! 
Der Gejelle. Mit eig’'nen Augen jah ich ihn 
Die Burg herunter die Straße zieh'n, 
Wohl mit ihm waren ihrer genug. 
Den Borderiten ein Schimmel trug, 
Bon dem er zu Sachs fich neigte nieder, 
Als thät’ er ihn fragen hin und wieder. 
Der hielt am Pferd fi) mit der Hand, 
Ich weiß nicht, was fie hatten mitnand’. 
Nunnenbeck. Was fonnteft Du ſonſt an ihm erſpäh'n? 
Der Gejelle. Er hat ganz luſtig ausgeſeh'n. 
Nunnenbed, Sag’ lieber, wie er angethan. 
Der Gejelle. Er hatte das gleiche Gewand noch an. 
Nunnenbeck. ch meine den Herrn, der neben ihm ritt. 
Der Gejelle. Sa, diejen kannt’ ich ſelber nit. 
Nunnenbed. So forſch' ihn in der Herberg’ aus! 
Der Gefelle. Die weiß ich ſchon! Im Scheurlhaus. 
Dort, in fich jelber eingezwängt, 
Die Menge vor dem Thor fich drängt. 
Doch Hatt’ ich zu fragen feine Zeit 
Bor lauter Halt und Hurtigfeit. 
Nunnenbed. Faſt möcht’ ich raten, wer es war. 
(Zu Kunigunde.) 
Kun ſtehſt Du da und weineft gar! 
(Hans Sachs eriheint an der Thür.) 
Da iſt er! 
Hans Sachs. Kunigunde! 
Kunigunde, Hana! 
(Sie fliegen fih entgegen.) 
Hans Said. Da bin ich wieder, der Deine ganz! 
Kunigunde (nad einer Weile). Hielt’ ich Dich nicht ans Herz gedrüdt, 
Sch meinte, ein Spuf hätt” mich berüdt! 


Fünfter Aufzug. Dritter Vorgang. 551 


Hana Sachs. Auch ich bin noch des Staunens voll 


Und weiß nicht, wie es enden joll. 
(Zu NRunnenbed.) 


Zur Heimat wandt’ ich mich zurüd, 

Um ſelbſt zu wenden mein Geichid. 
Nunnenbeck (eine Hand ſchüttelnd). Willlommen BE zum andern 

Mat! 

Wer aber lenkte Deine Wahl? 
Hanz Sachs. Ich nahm vielleicht ihn zu gering, 

Doch jcheint er des Kaiſers Kämmerling. 

Er hat mich auf Elfe zu fich beichieden — 

(Zu Nunnenbed.) 
Euch läßt er jeinen Gruß entbieten. 
(Kunigunde Hinwegführend.) 
Du wirjt vernehmen bald von mir: 
Denn was auch fommt, ich bleibe hier. ab.) 


(VBerwandlung.) 


Dritter Vorgang. 


(Halle im Scheurlhaus. Zur Rechten Eingang in die kaiſerlichen Gemächer, durch 

da3 Reihswappen bezeichnet. Firmian, der faiferliche Thürjteher, hält davor. 

Albrecht Dürer und Willibald Pirfheimer, beide mit Ehrenketten ge— 
ſchmückt, find eben eingetreten.) 


Willibald Pirkheimer. Der Kaijer ließ ung vereint berufen — 
Was mag er wollen, da faum er hier? 

Albrecht Dürer. Ihm ratend wir fchon viel erjchufen, 
Und gern dem Teuren dienen wir. 

Willibald Pirkheimer. Zu feines Hohen Ihrones Stufen 
Drängt alles Thätige mit Begter. 

(Sie treten, vom Thürfteher jalutiert, in die Pforte. Georg Tuer kommt mit 

einem Ratsherrn von außen.) 


Georg Tucher. So iſt's, Er jandte mich Euch entgegen 
Mit dem Begehren, unverfürzt 
Das Spottgedicht ihm vorzulegen, 
Durch das Hans Sachs ſich in Not gejtürzt. 
Nicht früher wird er den Rat empfangen, 
Als bis der Spruch duch Ihn ergangen. 
Sch Hatte, Ihr wißt's, dagegen gejtimmt, 
Und freue mich, daß er jo ernft es nimmt. 


(Sie treten ebenfalls, vom Thürjteher falutiert, in die Pforte. Peter Gulden 
tritt mit einem Edelfnaben ebenfalls don außen auf.) 


552 Hans Sachs. 


Der Edelknabe. Raſch da hinein, font trifft mi Schuld! 
Ihr ſeid erwartet mit Ungeduld. 
Gulden (ögernd und halblaut). Ich fühle heimlich halben Schreden, 
Als könnt’ ein Streich dahinter fteden. 
Der Thürfteher. Nur Mut, der Kaijer iſt fein Bär, 
Sch ſelbſt jonft nicht fein Wachter wär. 
(Gulden tritt, vom Edelfnaben geführt, in die Pforte.) 
Der Thürfteher. Was einem da vorübergeht, 
Wenn man jahraugs, jahrein 
An jolher Gnadenthüre jteht, 
Wo Burger und Grafen gehen ein! 
Sagt’ oft, fie jollten nit furchtfam fein, 
Der Kaiſer jei wie ein and’rer Mann, 
Mit dem man gradaus reden fann. 
Und niemand weiß das bejjer ala wir, 
Die mit ihm, ſtets im gleichen Quartier, 
Die halde Welt durchzogen ſchier, 
Im Eljaß heut’ und in Burgund 
Und morgen gegen den Türkenhund, 


Bon da nad) Spanien zu den Granden — 
(Der Edelfnabe fommt zurüd.) 


Und rückwärts nach den Niederlanden, 

Dazwiſchen auch durch röm’sche Reid — 
Der Edelknabe (fi vor ihm aufpflanzend). Doch Hoff’ ich, da ge— 

fällt es Euch. 

Der Thürſteher. Die Leute ſind ſich üb'rall gleich, 

Das merkt' ich wohl auf allen Reiſen, 

In Brüſſel und in Padua! 

Wollt' oft ſchon vor die Thür ſie ſchmeißen, 

Doch immer hieß es: Laſſ' ſie da! 

Denn unverſchämt iſt der populus, 

Wie ich mit dem Kanzler ſagen muß, 

Macht uns den ganzen Tag Verdruß. 

Auch hier hat man ſein Kreuz damit, 

Wer wird mit den Pfefferſäcken quitt? 

Drum bin ich auf Hans Sachs geſpannt, 

Der ihnen Eines hat aufgebrannt. 

Reſpekt vor einem jolchen Mann, 

Der nit nur dichten, auch johlen kann! 


(Chriſtoph Scheurl erfcheint mit zwei Kämmerern an der Pforte, von benen 
einer den Edelfnaben heranwinkt und ihm einen Zettel übergiebt.) 


Fünfter Aufzug. Dritter Vorgang. 553 


Chriſtoph Scheurl (u dem andern Kämmerer). Was immer mein 


hoher Gajt begehrt, 
Ich fühle mich dadurch Hochgeehrt. 
Hin denn zu ihr, wie uns befohlen, 
Die Stunde drängt, fie einzuholen! 


(Er entfernt fi) mit ben beiden Kämmerern nad auß 
Der Edelfnabe (den Zettel überfliegend). „Des Soldichmiehs Gulden 
Töchterlein 
Soll ſich zur Stelle finden ein, 
Dazu der Altgeſelle ſein, 
Und Junker Krebsblut obendrein.“ 


Da fehlt nur noch Frau Entenbein! 
(Er hüpft gegen die äußere Thür. Cornelius Stabius tritt ihm entgegen.) 


Stabius. Ein poeta bittet um Permiß. 
Der Edelfnabe. Ihr wünjchtet aufzumarten gewiß ? 
Stabius. In unterthäniger Devotion. 
Der Edelknabe. Wir jah'n in Wien ung, glaub’ ich, ſchon. 
Stabius. Daß Ihr das jo behalten habt, 
Ihr jeid wie ſelten ein Menſch begabt! 
Der Edelfnabe. Gelahrte wie Ihr vergibt man nicht. 
Stabius. Ich bringe eg — 
„Wenn Phöbus, nie an Strahlen karg, 
Sein Angeſicht uns lange barg, 
Bedeckt vom neid'ſchen Wolkenſchleier, 
Schläft in des Sängers Hand die Leier.“ 


Der Edelknabe. So hole ſie im Schlaf der Geier! 
(Der Thürſteher bricht in Lachen aus.) 


Stabius. „Doch faum, daß aus Aurorens Thor 
Der Herricher wieder wallt hervor, 
Das ganze Weltall zu bezwingen, 
Auch ihre Saiten wiederflingen.“ 
Edelfnabe. Bis fie vor lauter Schall zeripringen — 
Sagt mal, wa3 reimt fich gleich auf Lilie? 
Stabius (ich auf das Hirn Hopfend). Laßt erſt mich denken! 


Der Edelknabe. Peterfilie. 
(Er Läuft, die Finger fhabend, ab.) 


Der Thürfteher (naydem er laut aufgelacht). Weiß Gott, es giebt 
der Dichter die Menge, 
Nimmt man's damit nicht allzu jtrenge! 
Doch ift Euch einer etwa befannt 
Aug Nüremberg, Hana Sachs genannt? 


554 Hans Sad. 


(Hans Sachs tritt ein.) 
Stabind. Wohl hab’ ich von dem Frechling gehört, 
Wie alle von jeinem Thun empört. 
Der Thürfteher. Da kommt er jelbit, jeid Ihr fein Wicht, 
So jagt Ihr ihm das ins Angeficht! 
Stabius. Mit Schujtergejellen verkehr’ ich nicht. 
Ne sutor supra crepidam. 
Der Thürfteher. Behaltet Euren gelehrten Kram! 
Stabiud. Ein Ingenium ſelbſt brächt' eg nicht weit, 
So ihin mangelte die Gelehrjankeit. 
Der Thürfteher. Der hat es weit genug gebracht, 
Drum ſchweigt, ſonſt werdet Ihr ausgelacht! 
(Stabius zieht ſich zurüd.) 
Hans Sachs (Herangetreten). Ich bin bejchieden ins Scheurlhaus. 
Der Thürfteher. Und wer Ihr feid, entnehm’ ich d'raus. 
(Ihm die Rechte in den Stulphandſchuhen bietend.) 
Es freut mich, Euch, Meifter, hier zu jeh'n! 
Hans Sachs. Den Meiſter muß ich erjt noch beſteh'n. 
Der Thürfteher. Seid nur getroft und wohlgemut! 
Ihr ſteht in feines Geringen Hut. 
(Gulden erſcheint wieder in der Pforte und tritt mit ausgejtredter Rechten auf 
Hans Sachs zu.) 


Gulden. Hans Sache, e3 fei, wenn es Euch gefällt, 
Der Friede zwiſchen uns hergeftellt. 
Hans Sachs. Ich weiß mich nicht mit Euch im Streit 
Und Hoffe, wir bleiben in Einigfeit. 
(Er reicht ihm die Rechte.) 


Gulden. Ihr jeid mir auch als Schuiter wert. 
Hans Sachs. Es freut mich, wenn Ihr Euch befehrt. 
Gulden. Auch meine Tochter wird ſich gewöhnen 
Und fich mit Eurem Stand verjöhnen. 
Hans Sachs. ch trau’ ihr zu jo edlen Sinn, 
Doch wißt, daß ich jchon gebunden bin. 
(Röschen tritt mit Urjula und von Märten Pogner geführt auf.) 
Gulden. Mein Kind, der Dich berufen ließ, 
Dein Glück zu ſtiften mir verhieß, 
Doch da Hans Sachs nicht mehr zu Haben, 
So mußt Du diefe Hoffnung begraben. 
Nöschen. Dem Sänger galt, was ich gefühlt, 
Eh’ noch mein Eifer abgekühlt, 


Fünfter Aufzug. Dritter Vorgang. 555 


Und ala der Zweifel war geboren, 
War auch der Glaube mir verloren. 
Gulden. Doch jähe der Kaifer Dich gern ala Braut — 
(Märten Rogner tritt hervor.) 
Märten Pogner. Den Werber Euer Blik erjchaut. 
Hat, das ich gejtern mir errungen, 
Dag Kleinod Euren Stolz bezwungen ? 
Gulden. Es wäre vielleicht nach Maxens Siun, 
Der mir aufs höchſte widerraten, 
Den Junker Krebsblut mir aufzuladen — 
(Krebsblut tritt auf, geführt von dem Edelknaben.) 
(Zu Märten Bogner.) 
Sp nehmt denn meine Tochter hin! 
(Er vereint ihre Hände.) 
Märten Bogner. Es joll Euch feinen Schaden bringen, 
Ich denke, fleißig den Hammer zu ſchwingen, 
Des Dichten ich nun ledig bin: 
Gold wägen bringt ſchon mehr Gewinn! 
Junker Kreböblut (zu Guben. Juſt eben Hab’ ich den Wink 
empfangen — 
Ich lief, daß mir der Atem vergangen. 
(Er erblidt Hans Sachs und Märten Bogner.) 
Wie fommt’3, daß Hier wir nicht allein ? 
Guben. Dies wird Euch bald verjtändlich fein! 
Urſula (Krebsötut zuflüfternd). Der Wind bläjt anders, ala Ihr 
denkt, 
Sie haben fich beide ihr Herz geſchenkt! 
Krebsblut (halblaut). Und jolches zu jchau’n berief man mich? 
Urjula (ebenio). Noch and'res birgt dahinter fidh. 
Ich merf es an ihrem jcheuen Geflüjter: 
Es wird Euch verlefen das Regiſter! 
Krebsblut (ebenſo). Wie, hier? daß ich zu Tod mich ſchäme! 
Urfula (ebenjo). Sch wüßte, wie e8 anders füme. 
Krebsblut (evenio). So laßt es mich hören, aber geſchwind! 
Urjula (mit einem Mnir. Indem Ihr mwählet ein anderes Kind. 
Krebsblut Für ich. Das riſſe mich aus der Verlegenheit. 
(Halblaut). 
Wohlan, ich bin dazu bereit! 


556 Hans Sachs. 


(Zu Gulden gewendet.) 


Ich hatt’ e8 bisher Euch nur verhehlt, 
Die ift e3, die ich mir auserwählt. 
(Heiterkeit unter den Anwefenden.) 


Urſula. Wie Ihr auch möget alle Lachen, 
Ich werde den Junker glüdlich machen. 


(Beide umarmen fidh.) 


Der Thürfteher cauf Stabius weiſend). Da hinten jteht noch einer 
allein — 
Stabins (abwinkend). Es können nicht alle glüdlich fein. 


(Runigunde erfheint von Georg Scheurl geführt zwifchen den beiden Kämmerern 
im Brautkleid, von Pojaunenjtößen angekündigt.) 


(Albrecht Dürer und Willibald Pirfheimer nahen fi don der inneren 
Pforte her und treten zu Hana Sachs.) 
Albrecht Dürer. Getroft, Hans Sad, die Hülfe naht! 
Wir pflogen um Euretwillen Rat. 
Mir unbekannt und doch vertraut 
Habt Ihr mich oft im Lied erbaut, 
So reich’ ich jtolz dem Landsmann die Hand — 
Umſchling' ung bald dag Freundichaftzband! 
Willibald Pirfheimer. Mein Herz den gleichen Gruß Euch beut, 
Ihr dürfet ohne Bangigfeit 
Bor Eurem edlen Gönner jteh'n; 
Er jorgt, daß Euch wird Recht gefcheh'n. 

(Zrompetenfhal. Kaijer Mar in feinem Herrſcherſtaat tritt, zwiſchen dem anfangs 
erſchienenen Ratsherrn und Georg Tuder, aus der weitgeöffneten Pforte mit 
dem Gefolge und ſchreitet auf Hans Sachs zu, der betroffen dajteht.) 

KRaifer Mar. Wir trafen uns gejtern im Walde jpät. 

Hans Sache. Nicht ferne ahnt’ ich's, Majejtät — 
Kaifer Mar. Was Eonnte das der Zwieſprach' jchaden ? 
Hans Sachs. Zu viel der faiferlichen Gnaden! 
Kaifer Mar. Dort, wie Ihr wit, befanntet Ihr 

Auch Eu’re Herzens Geheimnis mir, 

Ich aber, neugierig auf die Wahl, 

Der Holden Erjcheinen anbefahl. 

(Er begiebt fih mit Hanz Sachs zu Kunigunde.) 
Ihr jeid Kunigunde Kreuzerin ? 
(Runigunde neigt ſich ſprachlos.) 
Ich grüße die fünftige Meijterin. 


Fünfter Aufzug. Dritter Vorgang. 557 


(3u den Umftehenden.) 
Hans Sachs, mir lange jchon befannt 
Und mweitgerühmt im deutjchen Land, 
Er hat in jeinem QTugendeifer 
Gegen fich erregt der Feinde Geifer, 
Wodurch fein unſchuldvoll Gemüt 
Ins GSorgenlabyrinth geriet, 
Darin ih Mut ihm eingeflößt, 
Und daraus ihn mein Spruch erlöft. 

(Ratsherren und andere Patrizier, denen Volk nahdrängt, ftürmen herein.) 
Doch mög’ er, ohne zu erfalten, 
Die Liebe zur Wahrheit fich erhalten 
Und fie, zu feines Volkes Ehre, 
Berbreiten durch beharrliche Lehre, 
Wie er, jeitdem er dichtet, gethan 
Und jo ſich würdig gejchwungen hinan! 
Wohl Hätten VBerdammung fie verdient, 
Die fich zum Ränkeſpiel erfühnt, 
Doch ſei ihr Frevel und MWiderjtreben 
Auf feinen Füripruch ihnen vergeben! 
(Zu Peter Gulden.) 
Und nun zu Euch und Eurem Kind, 
Dem ich verbleibe Hold gejinnt, 
Da fie durch jchmerzlich Irren nur 
Die Wandlung im Gemüt erfuhr: 
Die Minne, die den Geijt nur liebt, 
Kein dauerndes Genüge giebt, 
Und da zu wenig jtark ihr Band, 
Hält fie nicht erniter Probe Stand. 
So fiel zulegt auch ihre Wahl 
Auf ihn, den nur fein Fleiß empfahl, 
Und der bei jeinem ganzen Werben 
sm Sinn nur trug, Euch zu beerben. 
(Zu Hans Sachs fi) wieder wendend.) 

Er aber, als ehrenfejter Mann, 
Fand, die ihn allein beglüden fann, 
D’rum, jtatt, wonach jo viele ringen, 
Den Lorbeer ihm ums Haupt zu fchlingen 
Als vielbegehrten Ruhmesglanz, 


(Weißgekleidete Jungfrauen bringen von innen einen Myrtenkranz.) 


558 Hans Sachs. 


Erfaß' ich Lieber den Myrtenkranz 
Und drüd’ ihn der Erwählten ing Haar — 
Es lebe lang’ das glückliche Paar! 
(Dreimaliger Hochruf, Tuſch umd Hochrufe auf den Kaifer von der Straße herauf. 
Gelänte aller Gloden und Kanonendonner von den Bajteien.) 
Hans Sachs. Ein Schwindel erfaßt mich! Licht und Nacht 
Umdämmern mir den Bli! 
(Er ſinkt ins Knie.) 
Herr, Eure Hohe Herrjchermacht 
Bringt allen Menjchen Glüd. 
Die Wunde jchließt geheilt ſich zu, 
Nach langem Wandern find’ ich Ruh. 
Kaiſer Mar (achdem er das Paar vereint), Mit meinem Heilswunſch 
ziehet Hin! 
Kunigunde. O Herr, unwert der Huld ich bin. 
Kaijer Mar. Nun ift gewichen auch ihr der Schred — 
Grüßt mir den alten Nunnenbed. 
Willibald Pirkheimer. Der alles Würdige hebt hinan, 
Es lebe Kaijer Marimilian! 
(Während der Hochrufe, die ſich unter anhaltendem Freudengeläute Big auf die 
Straße fortpflanzen, fällt der Vorhang.) 


Ende des fünften Aufjuges. 


Ende, 


Druckfehler-Verzeichnis. 


Sı Band J iſt auf Seite 78 ſtatt: zieh'n empfinden, ziehn am blauen 
zu leſen, und auf Seite 383 ſtatt: auf die Bahn hin, auf die 
Bahre hin. 

Sn Band II ift auf Seite 26 nach: Er verfällt in Sinnen, Kjeld tritt 
ein Hinzuzufegen; auf Seite 215 bezieht fich die Bemerkung: „Im 
Abgehen“ auf Luigia; auf Seite 380 fpriht Bonaventura die 
drei letzten Verſe und nicht Maria. 

Sn Band III ſpricht auf Seite 229 Kroff von Flüglingen feinen 
zweiten Bers zu Hermann von Hürnheim gewendet, und auf Seite 538 
Röschen ihren zweiten Vers zu Märten Bogner. 
































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