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THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY
REFERENCB DEPARTMENT
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Pädagogisches Magazin.
AbhudliuiKeB tob Qtbiet« der Päd^t^ uod ihrer HibirineaKiaAeiL
Henosgefreben Ton
Friedrich Mann.
311. Heft.
_
Heilerziehungshäuser
(Kinderirrenanstalten)
als Ergänzung
der
Rettungshäuser und Irrenanstalten.
Von
Dr. medjlermann,
Assistenzarzt der Pro v.- Irrenanstalt Oalkhausen bei L,ang:enfeld.
IS
Langensalza
Ilormanu Beyer ^' Söhiii«
(Beyer vt Miinii)
Horaogl. SUchs. H..n.inl.h!indlor
1U07
Preia i5 Pf.
Veriag von HennanD Beyer ft Söhne (Beyer & Mann) In Langensalza.
Päbagogtfd?er Klafftfer.
(Eine Sammlung btc bebeutcn^ften päba^o^i^dfen Schriften
älterer un6 neuerer ^cil-
fiRaBiftgtbm Doi.
^rie&ric^ mann.
4eflalojji'0 Jlnsnitoälilft S)>rÜt. mit Stnleitutigtn, Jlninicttingtit unt
ptftdojji's Sio^rafitiit itttausqt^tbtn oon jritbrid; Hlann. s ^luft.
4 Sänb;. pnis u HI. so Pf., elegant gebunden t^ IIT. so p^.
9lf|IciCTma4et'9 Pä6. Sterin»- l^'t einer Darficiluns feines febrns
herausgeg. r.C-pliiQ. 5.aufl. | 8&, preisslU.iopf., cieg.geb.äm.fiofii.
3* 3> dIonffean'A iSinil. Qberfegt, mit <£iH(eitundeii unb Knmerriin^tn
Derfetien oon Dr. £. n. Sallmüi!, c9cog')"l°d'- Sabifitem 0ber>
fd^ulrat, mit Honffeau's Bio^rafhie cott Dr. l£l;ei>bor Pogt, Profeffoi
an lier roienet Unioerfität. 5. Ilnfl. 2 Sänbe. preis « Hl., eleg. geb. s m.
©etfc«rf « Päfiafl. Sdjriftin. 111*1 f^erbarfs Siogtaphie ron Dr. ^riebri*
Battttolomäi. t. üufl., neu bearbeitet u. mit erlSiit. Jlnmerfungen
nerfehen o. T)t. «. oon SaHmürf. 2 Bbe. Preis 6 in., eleg. geb. 8 M.
3o^ll flmo« g^^Dmctttuif' iSm^r Untirrit^lsltgrE. llberfet;t, mit 31ii-
mntungen unb bes Comcnius' Sicgraphie Derfeiicn coii prof. I>r
(Cf;. Sioii. 5. Auflage, i Unnb. preis 3 111., eleg. gebunden -i 111.
3. tt. Somcuiufl' Schola Ludue b. i. Sit f^itiuli als Sfiiti Z«^ Deutfdie
QberlTd^cn roii lUilt^elm Jtötlidier, (!>berlebter am 'Hralgymnariutn
unb Symnafiuni in liagen i. 10. [ Sanb. preis 3 3Ti. eleg. geb. * Vfl.
3.«.«omciiip»'INFORMATORIUM, Pn iHuIUrPi^ul. fierausge^eben
BonptofefforDr.C.Ilt. £iPn. 1 Banb. preist,op!.,elea.9eb, i Itl.sopt.
nnflvft ^crmatin Standes ftäfianoRifi^t £<)fivifltn nebft einte Danld^
lang feines Ccbtns unb feiner Stiftungen, t( erausgegeben oon tßrbeimciil
profeffor Dr. (S. Kramet, elieni. Diteltor ber .f ranrfc"f*f n flifiungcn.
2, aufläge. \ Banb. preis * 10., eleg. gebunbcn 5 lU.
Slii^cl tie !£Wiinti)ifltic. Buslnnril ))ä6a[tonif''>>r f^liitüe aus UTonUtgurs
t£ffays, überfegi con lErnft f (l;inib. 2. 3Iuflage. i yönb*eii. preis
50 Pf., eleg. gebiinben [ 111. m Pf.
Smuianucl Sani. 115er fiäfianoriti). lliit Kants Bio^ra)iliie neu brrausgeg.
o, prof-Dr. Ih.liogt. T,.iix>i i l'b. preis i 111.. eleg. geb. i Hl. :.i pf.
Zu li'Kiolidi iliiirli jcilc ItLichliiiiicIliinj:,
Heilerziehungshäuser
(Kinderirrenanstalten)
als Ergänzung
der
RettnngsMnser und Irrenanstalten.
Von
Dr. med. Hermann,
AfsistenzaRt der Prov.-Irrenanttatt Oalkhausen bei Langenfeld.
Fädagogisohes Magazin, Heft Sil.
Langensalza
Hermann Beyer k Söhne
(Beyer k Mann)
Heixogl. Sttchs. Hofbuchhandler
1907
SOjr.y;',
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat aich auf dem
Boden der modernen Entwicklung der Irrenkunde und
Einderforschung zugleich hier und da bescheiden eine
Forderung vernehmen lassen, die man als die modernste
ansehen muß: Die Irrenanstalt für Kinder.
Pastor Strüter (XL Konferenz £ Erziehung u. Bildungs-
wesen Geistesschwacher, Sept. 1904 in Stettin) hat, wie
neuerdings Tiele andere, die Gründung von besonderen An*
stalten für Schwachbegabte Fürsorge-Zöglinge in dem Sinn
befürwortet, daB er ihre Angliederung an eine Irrenanstalt
deijenigen an ein Bettungshaus vorzieht Sie sollen unter
pädagogischer Leitung mit dauernder psychiatrischer Be-
ratung stehen. Der Psychiater MönkemöUer (Geistes-
störungen und Verbrechen im Kindesalter. Sammlung von
pädagogischen Abhandlungen Ziegler- Ziehen^ VI, Heft 6.
Berlin 1903) kommt zu dem Ausruf: »Wohin mit diesen
Kindern ?c
Und wenn ein kleiner Verbrecher der Irrenanstalt
überliefert wird, pflegen gerade die erzieherischen Momente
sowie die zeitraubende Beobachtung der kleinen Ab-
weichungen des Charakters, die Aufspürung geringer
Krankhritszeichen und Defekte, die für uns von aus-
schlaggebender Bedeutung sind, dem Arzt, der oft viele
hundert Patienten täglich zu behandeln hat, wenig Beiz
abzugewinnen, zumal er den kleinen Kerl unter der
Menge erwachsener Geisteskranker nicht gerne sieht
In dieser Frage ergreife ich das Wort in der Über-
zeugung, daß man sich bereits jetzt darüber aussprechen
darf, was man eigentlich will und wie man sich die neue
Einrichtang ungefähr denkt. Wer soll sich ihrer über-
haupt annehmen, da die Seelenkrankbeiten des Kindes
ein Grenzgebiet darstellen, dessen Erforschung zwar Pflicht
der Psychiatrie ist, an dem aber die Pädagogen das
größte praktische Interesse haben?
FUr den Arzt sind hier die Schwierigkeiten der Diagnose
noch viel größere als beim Erwachsenen, zumal sie sich in
dem am wenigsten ausgebauten Oebiete der degenerativen
Zustände, der Grenzzustände zwischen geistiger Gesund-
heit und Imbecillität, der psychopathischen Minderwertig-
keiten, der Neurasthenie, der epileptischen Seelenstörungen,
der hysterischen Cbarakterveränderuug und beginoender
Geistesstörung bewegen. Uan könnte nun sagen: Eine
detaillierte Diagnose ist von höchst problematischem, von
gar keinem therapeutischen Wert Es handelt sich doch
bei allen um die Bekämpfung ihrer antisozialen Neigungen,
und besser als das in dem streng geordneten Getriebe
unserer Rettungsanstalten geschieht, wird man das auch
mit allen Diagnosen nicht machen. Für Privatanstalteo
genügt die »ärztliche Beratung« völlig.
Diesem Einwand kann ich nur insofern zustimmen,
als die Leistungen unserer guten Etettungshäuser und
Privaterziehungsanstalten (von Trüper bei Jena, Dr. Oon
in Heidelberg und viele andere) unbedingte Bewunderung
verdienen. Das Beich, das sie in aufopfernder verständnis-
reicher Tätigkeit geschaffen haben, soll ihnen um jeden
Preis erbalten bleiben. Nur ihnen zuliebe wünsche ich
die Irrenstation, in der nur der Arzt spricht. Denn
einerseits gibt es eine Unzabi Kinder, die nach mehr-
monatlicher ärztlicher Beobachtung als aussichtsreiche und
willkommene Rettungshauszöglinge jeder weiteren ärzt-
lichen Beobachtung entraten können, andrerseits hat der
Hausvater oder die Umgebung des Kranken oft große
Last mit den gefährlichen antisozialen Neigungen (Brand-
stiftung, Körperverletzung, Unbotmäßigkeit), rabbiaten Elr-
reguQgszuständeo (Schwachsinnige, degenerierte, epilep-
— 5 —
tische, hysterische) und dem zu YerführuDg und Auf-
wiegelung der Kameraden neigenden Charakter einiger
Zöglinge. Wohin mit diesen? Behalten, züchtigen, nichts
unversucht lassen, und dann schweren Herzens unter
die % Rückfallige, Ungebesserte schreiben, ist einst-
weilen oft die einzige Möglichkeit. Und wenn sie sich
auch in der Anstalt halten, werden sie doch nach
der Entlassung sofort kriminell. Ihre frühzeitige Ab-
schiebung in die Kinderirrenanstalt läge sicher im all-
seitigsten Interesse. Hier ist man darauf eingerichtet, auf
alles gefaßt.
Was nun den Wert einer Diagnose für die Behand-
lung anlangt, kann ich die in der allgemeinen Psychiatrie
eher berechtigte Geringschätzung für das Kindesalter nicht
teilen. Auf einer psychologischen Analyse des Indivi-
duums baut ja unsere moderne Pädagogik auf.
Es gibt eine Anzahl Kinder mit ererbten antisozialen
Neigungen oder mit ungehemmt gewucherten egoistischen
Trieben, mit so eingefleischten Yorurteilen und Interessen,
daß sie jahrelange Kämpfe und Qualen (in ihrem Sinn
gesprochen; in unserm Sinn: Schulzwang, Zwangserziehung)
nicht scheuen. Die auch beim besten Willen etwas zwangs-
mäßige und uniformierende Zucht der Besserungsanstalt
prallt an ihrem oft starken Widerstreben ab, da sie ihnen
plötzlich schroff, als etwas Fremdes, als der Inbegriff dessen,
was sie seither hassen gelernt haben, entgegentritt. Sie
kommen als intelligente bezw. raffinierte Burschen nach
einiger Zeit dazu, ihr wahres inneres Wesen zu ver-
stecken, aber nicht es zu verlieren. Daher die vielen Rück-
fiUle, auch bei nicht Geisteskranken. Ich muß bei dieser
Gelegenheit scharf betonen, daß ich im folgenden unter
Erziehungserfolg immer nur die Entwicklung selbständiger
ethischer Vorstellungen verstehe, nicht die vorläufige Ein-
ordnung in das Anstaltsgetriebe. Zum Glück ist aber
der größere Prozentsatz der Verwahrlosten nach Aufhören
des häuslichen Einflusses rasch im Banne des edlen Haus-
vaters, wiederum ein Zeichen, daß man kein Ejnd von
— 6 —
vornherein für »schlecht« halten soll. Für die andern,
nicht recht warm gewordenen Naturen wäre die Irren-
anstalt zunächst der gegebene Aufenthalt, wie Sie später
sehen werden, obwohl sie nicht direkt geisteskrank ge-
nannt werden dörfen. Sie sollen eine Heilerziehung, aber
keine Zwangserziehung erhalten. Daß sie auf diese
Weise zu sozialen Elementen gemacht werden könnten,
während sie seither im besten Falle sich etwas an Ord-
nung und Gehorsam gewöhnten, unterliegt für mich
keinem Zweifel. Während harte Zucht ihnen meist nur
insofern sehadet, als ihie antisozialen Neigungen dadurch
vermehrt werden, gibt es viele Imbecille, Psychopathen,
femer sämtliche Degeneranten, hysterischen, epileptischen,
neurasthenischen oder irgendwie manifest Oeisteskranken
(Manie, Melancholie, Paranoia, Dementia paecox), deren
Nervensystem durch eine strenge Erziehung nur geschädigt
wird. Sie können sich meist von guten und von schlechten
Seiten zeigen; haben sie aber ihre »bösen Tage« oder
»Schurkenstreiche im Kopf«, dann ist das Rettungshaus
nicht der Ort, sie zu schonen, die stürmische Unruhe, die
in ihnen tobt und sich entladen muß, zu besänfdgeni
sondern der Auffassung als moralische Vergehen (Bosheit,
XTnbotmäßigkeit) entsprechend wird der Sturm durch den
Reiz von Zuchtmitteln irgend welcher Art entfesselt oder
in eine höchst verderbliche innere Pein verwandelt, die
Haß und neue antisoziale Keime nährt Im Eindesalter
haben leider die allermeisten Äußerungen geistiger Stö-
rungen den Charakter von Ungezogenheit und Unbot-
mäßigkeit, sowie sie beim Erwachsenen oft den Eindruck
eines Verbrechens machen. Ebenso, wie das keine Ver-
brechen sind, sind es hier auch keine Ungezogenheiten.
Die freie Willensbestimmung ist vielfach gänzlich aus-
geschlossen, aber für Eindererzieher gibt es noch keinen
§ 51 des Strafgesetzbuchs. Das wäre ja nicht schlimm,
wenn die seither befolgte Anschauung richtig ist, daß man
durch Erziehungsstrenge auch die krankhaft bedingten
Äußerungen von Ungezogenheit für die Zukunft verhüten
— 7 —
könne. Oewifi wird man ihre Wiederkehr durch eine
Tracht Prügel öfter vermeiden können, aber was ist da^
mit gewonnen?
So ist der Arzt, der den Kopfschmerz mit einem kalten
Tuch behandelt, aber die Ursache, das zehrende Fieber,
nicht sieht Ich behaupte, daß man mit einer besonderen,
spater zu schildernden Erziehungskunst auch diesen
Oeisteskranken einen eigenen inneren Halt geben
kann, wobei sie jedoch erstarken, und nicht sich inner-
lich verzehren. Von der Normalerziehung weichen wir
dabei zunächst sehr ab, um erst auf Umwegen auf
ihre Methoden zu gelangen, Umwege, die sich aus der
rein irrenärztlichen Beurteilung der Zöglinge ergeben.
Was beim geistesgesunden "Kinde Arznei ist, kann beim
Psychopathen Oift sein. Um mich noch einmal deutlicher
auszudrücken: Ich glaube es nie und nimmer, daß die
oben angezahlten Kategorien von Kranken einen ernst-
lich in Frage kommenden Nutzen von strenger oder gar
harter Erziehung, die selbst zum Prögel greift, haben
können. Das sprechen einzelne Leiter von Bettungs-
anstalten ebenfalls klar aus, von Psychiatern Mönke-
möller. Es mag auch hierbei Fälle geben, wo der Prügel
für kürzere oder längere Zeit gewisse psychische Hem-
mungen erwecken oder in Funktion erhalten kann, aber
das sind Ausnahmen und zweischneidige, in jedem Fall
inhumane Experimente; zu denen ohnehin eine starke
Neigung bei vielen Erziehern und Irrenärzten besteht, so
daß man sie praktisch schon aus diesem Orunde keines-
falls befEbrworten sollte. Während alle Idiotenerzieher
beim gutartigen Idioten die Unzweckmäßigkeit der körper-
lichen Züchtigung betonen, gibt es sicher gewisse Imbecille
mit antisozialen Neigungen, die sich mit der üblichen
Erziehungsmethode genau wie normale Ender oder wie
die geistesgesunden Bettungshausinsassen erziehen und
bessern lassen. Diese sollten aber jedenfalls vom Arzte
dafür freigegeben werden.
Somit haben wir schon einiges festgestellt, was den
Nutzen der Diagnose für die Behandlnag in ein günstigeres
Licht rückt Auch Mihikemöller hebt ihn ausdrücklich
hervor.
Von höchster Bedeutung ist die oft sehr spezialistische
Erfahrang erfordernde Erkennung der epileptischen oder
bysterlBcben Basis seelischer Entgleisungen oder Cha-
takterfehler (z. B. Schulschwänzen, Durchbrennen, Lügen,
Stehlsucht, Verleumdungsaucht, ärgerliche Verstimmungen,
Jähzorn, lauoenhafter Stimmungswechsel, Wutzustände,
Zerstörungswut u. s. f.).
Nirgends zeigt sich so wie hier, wie verderblich und
Teischlimmemd unsere sonst so segensreiche erzieherische
Praxis auf die Geisteskranken wirken kann. Hier ist die
Srztliche Heilerziehuug wie nirgends sonst am Platz. Man
glaube jedoch nicht, daß ein jeder Psychiater, geschweige
denn jeder Arzt (Schularzt!) die erforderliche Erfahrung
hat. Daß ein ärztlicher Anstaltsdirektor mehr darin leisten
und arbeiten kann, als ein >berateuder Arzt«, mnJit im
Interesse der wissenschaftlichen Forschung betont werden.
Für unsere heutigen Erziehungsanstalten mag die letztere
Einrichtung vollständig genügen. Es ist aber die Begut-
achtung der Fälle nicht die einzige Aufgabe des von mir
gedachten Anstaltsdirektors, sondern er hat deren mehrere.
Und da ich mir den ganzen Betrieb dieser kombinierten
Beobachtungs-, Erziehungs-, Heil- und PQegeanstalt ledig-
lich auf die ärztliche Seite der Heilerziehungsfrage zu-
geschnitten denke, so fordere ich für sie einen ärztlichen
Direktor, während die wie seither mit ärztlicher Beratung
arbeitenden Erziehungsinetitute selbstverständlich, ihrem
Daseinszweck entsprechend, unter pädagogischer Lei-
tung stehen sollen. Die letzteren suchen sich ja auch
jetzt schon ihr Material nach praktischen Qesichtspunkten
aus; das wird ihnen in hohem Maße erleichtert werden,
wenn sie mit der von mir vorgeschlagenen Anstalt, die
ganz andere Zwecke verfolgt und im allgemeinen nur
eine Art Durchgangsstation vorstellen soll, Hand in Hand
arbeiten. Indem sich aber der Arzt mit der Heilerziehung
— 9 —
der ausgesprochen geisteskranken Individuen planmäßig
befaßt, die sonst für die menschliche Gesellschaft nutz-
loses oder verderbliches Material darstellen, kann die
Einderirrenanstalt eine wichtige soziale Bedeutung er-
langen.
Die Einderirrenanstalt würde ein starker Bückhalt im
Eampf gegen das wachsende Verbrechertum werden, indem
sie gerade die Elemente an sich hält, die im gewöhnlichen
Betrieb einer Erziehungsanstalt nur schädliche Einflüsse
ausüben und empfangen, und ob diese Elemente zum
Teil einer günstigen Beeinflussung doch zugänglich sind,
läßt sich immerhin erwägen. Ist auch der fertige Ver-
brecher fertig mit seinem Ideen kreise, bewegt sich sein
Sinnen und Trachten in zum Teil endgültig eingefahrenen
Bahnen und unausrottbaren Vorurteilen gegen jede
soziale Beeinflussung, so ist beim Einde doch von ein-
gefahrenen Bahnen noch keine Rede. Mit antisozialen
Neigungen werden wir alle geboren und je mehr Hem-
mungen uns die Erziehung schafft, um so sozialer werden
wir. Ist das Gehirn auch vulnerabel, die Macht der anti-
sozialen Triebe abnorm stark, so ist doch eine Erholung
nnd Ejräftigung der schwachen Stellen des Nervensystems
durchaus möglich, und eine Verkümmerung einzelner Triebe,
maximale Ausbildung entgegengesetzter und hemmender
Vorstellungen gleichfalls durch sachkundigste Methoden
erreichbar, es sei denn, daß organische Defekte im Sinne
des Fehlens oder Schwindens der Hirnzellen vorliegen.
Daß es unter Anwendung falscher Methoden seither nicht
gelungen ist, sollte man nicht als Beweis für die Un-
möglichkeit betrachten. Man sagte früher auch von man-
chen verblödenden Geisteskranken, die in der Isolierzelle
tobten, daß sie verloren seien; heute erhält man vielen
ihre Menschenwürde bis an ihr Ende, indem man ihnen
dauernd für eine nützliche Beschäftigung sorgt. Es lag
für mich immer etwas Rührendes in den schönen Worten
des edlen Salxmann: »Die Seele des Kindes ist wie
weiches Wachs, das sich willig in jede Form schmiegt,
— 10 —
in die du es drückst; es ist die wahre Jungfernerde, in
der jedes Samenkorn schnell Wurzel schlägt.« Damals
sprach man noch nicht von den Abnormen, aber ich wäre
geneigt, die Salzmannsche Fassung auch für die Abnormen
solange beizubehalten, bis man aus sicheren Gründen die
Möglichkeit wenn auch bescheidener ethischer Entwick-
lung einer defekten Eindesseele preisgeben muß. Wenn
man bedenkt, wie nett solche Kranke als Erwachsene in
der milden Luft der Anstalt sein können, deren Oang
draußen Furcht und Entsetzen bedeutete, wie sie zugäng-
lich sind für jeden Zuspruch, kleine Belohnungen u. s. f.,
so möchte man meinen, in früheren und frühsten Jahren,
ehe die Schädlichkeiten des Lebens und unverständige
Umgebung ihr empfindsames Gehirn verdarben, hätte man
ihren Anschauungen eine große, hohe Richtung aufprägen
können, ihren Verstand, der oft direkt Genie verrät, ihr
Fühlen und Wollen in edle Bahnen lenken müssen. Beim
Einde würde es sich darum handeln, ihm starke Hern-
mungsvorstellungen gegen seine Triebe und Neigungen
zu schaffen, ohne dabei seine empfindliche Seele zu er-
regen, was aber bei allen zwangsmäßigen Methoden
stets der Fall ist
Die vorgeschlagene Heilerziehung ist nun keineswegs
ein pädagogisches Unding oder etwas prinzipiell Neues.
Sie sollte im wesentlichen die ideale Durchführung des
Salzmannschen Symbol um : »Beispiel des Erziehers, wirke!«
sein. Mit andern Worten: Der Schwerpunkt wird darin
liegen, daß in der Anstalt ein sich selbst treu bleibendes
Milieu geschaffen wird, das an sich bereits veredelnd
wirkt durch die Betätigung wirksamer Nächstenliebe, die
liebevolle, vorurteilslose Aufnahme der seelisch leidenden,
draußen vielfach gequälten Kinder, durch gute Führung,
mildes, altruistisches, vornehmes Walten ohne häßliche
Affekte, ohne Gewaltmaßnahmen. In dieser Umgebung
sollten häßliche Neigungen ungerügt, von selbst ver-
kümmern, edle Begungen unmerklich sich einschleichen,
Stürme und Erregungen ein stiUes Plätzchen, eine sanfte
— 11 —
Hand finden, Frohsinn, Spiel und Liebe ihren Zauber anf
das Kind üben. In dieser psychiatrisch denkenden Um-
gebung lernt das Kind, wie man unangenehmen Äuße-
rungen der Mitkranken gegenüber nicht nur ruhig bleibt,
sondern sogar einen milden überlegenen Standpunkt ver-
tritt, was ich in einer Abteilung epileptischer Kinder be-
obachten konnte. Da die Patienten über ihr Tun und
Lassen als Kranke frei entscheiden können, ist Eigensinn,
Neigung zu bösen Streichen, Zorn und ähnliches fast
unterbunden, wodurch ebenso wie in den Irrenkliniken
Kollisionen mit der Umgebung, die in der Familie ein
wahrer Schrecken sind, sehr in den Hintergrund treten.
Dabei hat der Erzieher reichlich Zeit, im Einverständnis
mit dem Patienten unaufFallig alles zu inszenieren, was
dessen nervöse Konstitution verbessern kann (Ernährung,
Bettruhe, frische Luft, Spiele, Beschäftigung, Wasser-
behandlung, Medikamente usw.), unbehelligt von ewigen
Erregungen, die eine Hausordnung und jeglicher Zwang
mit sich bringen müssen. Es lebt sich ein jeder ein, wie
das unsere moderne Irrenpflege tausendfältig beweist, und
der Umgebung zuliebe fügen sich unbezwingbare Geister
in vieles, was man nie mit Oewalt erreicht hätte. So
werden — mit der Zeit, unter geduldigem Zuwarten des
Arztes — einige der kleinen Patienten dazu kommen,
daß man — nun erst! — an eine — mit aller Vorsicht
von sachverständiger Seite versuchte — planmäßige Aus-
bildung des Willens ohne Oefahr herantreten kann. Die
Oelegenheit dazu bieten: kleine Aufträge, Unterricht,
Arbeit, Spiel, Unterweisung. Hier ist der schwierigste
Posten für den Erzieher; denn die Angst, daß das »Bei-
spiel des Erziehers« es doch am Ende nicht allein tun
möchte, ist uns allen zu sehr angeboren und anerzogen.
Man meint so leicht, hier etwas tadeln zu müssen, dort
etwas nicht durchgehen lassen zu dürfen, ja einmal
energisch veto rufen, gar strafen zu sollen.
Wir müssen den Eigensinn viel weniger fürchten, als
den Oroll und das Mißtrauen gegen den Arzt; wir wollen
— 12 —
auch dem EigeDsinn ruhig ins Auge blicken, und diea
wird um so leichter werden, wenn wir im Lauf der Jahre
bei unsern Kranken das Wachsen der Selbstzucht und
Willensstärke beobachten. Auf diesem vorbereiteten Boden
dürfte es sogar möglich werden, mit der Zeit Gehorsam
und Ordnungssinn bei Individuen zu schaffen, wo man
ihn für unmöglich gehalten hätte. An diesen Eigen-
schaften hätte das Eind stufenweise mitgearbeitet, ihr
ethischer Wert wäre aus diesem Grunde ein unschätz-
barer. Bedenkt man endlich, daß es schon beim gesunden
Einde sozusagen eine Sisyphusarbeit ist, einmal bestehen-
den Eigensinn ausrotten zu wollen, daß andrerseits unsern
kranken Kindern die Möglichkeit zur Entfaltung des
Eigensinns (mit höflichem Entgegenkommen, Gründung
der Autorität auf Liebe und Vertrauen) planmäßig be-
nommen wird, so kann man sich völlig darüber beruhigen,
daß dem kranken Eande »aller Wille getan wird« und
es »im Leben sich nie wird fügen können«.
Ich breche hier mit den wenigen Andeutungen über
die Heilerziehung ab, indem ich hoffe, daß ihre, im
übrigen bekannten Grundzüge daraus erkenntlich waren.
Die Ausübung derselben ist fest mit der ganzen
Persönlichkeit des Erziehers verbunden, und erfordert
ein Einleben in irrenärztliche Denkweise, ein Frei-
machen von einigen anderweitigen erzieherischen Ge-
bräuchen.
Ich möchte nun die Einrichtung und den Betrieb der
Heilerziehungsstätte selbst etwas beschreiben. Es kommt
mehr auf die darin waltenden Personen an als auf das
Gebäude. Die Anstalt soll das ganze Gepräge einer
modernsten Irrenanstalt tragen. In ihrem Wesen unter-
scheidet sie sich aber sehr durch den überall erkenn-
baren Endzweck, in den Patienten sittliche Anschauungen
zu wecken und zu festigen, ihnen Hemmungen für ihr
krankhaftes Triebleben und eine Richtschnur für ihre
Lebensführung zu schaffen, damit sie sich später im
Daseinskampf womöglich selbständig halten können. Zum
— 13 —
Zwecke der Diagnose und Behandlung entlehnt sie ihre
Kenntnisse der Einderpsychologie und Pädagogik und
arbeitet zugleich mit allen Hilfsmitteln der modernen
Psychiatrie.
Mit Bücksicht auf die erzieherischen Zwecke und die
detaillierte psychologische Beobachtung und Behandlung
sind nur geschulte und womöglich gebildete Pfleger mög-
lich. Es eignen sich intelligente Idioten- und Irrenpfleger,
sowie Gebildete, die zum praktischen Studium der Heil-
pädagogik einen Übungskursus in der Anstalt durch-
machen. Mehrere Lehrer müssen jedenfalls fest angestellt
sein, darunter ein spezialistisch vorgebildeter, erfahrener
Lehrer (Hilfsschullehrer), der die ünterrichtsleitung selb-
ständig übernimmt.
Soviel vom Personal. Der äuBere Betrieb entspricht
einer geschlossenen Irrenanstalt, d. h. Fenster und Türen
werden geschlossen gehalten, die Gärten sind umzäunt
Auf der Abteilung gellen die üblichen Vorsichtsmaßregeln
betreffs gefahrlicher Werkzeuge (Messer, Streichhölzer,
Stöcke usw.).
Der Schilderung des inneren Betriebes darf ich wohl
im wesentlichen die Erfahrungen zu Grunde legen, die
ich gemeinschaftlich mit Herrn Lehrer Kramer bei der
Einrichtung der Einderabteilung an der rheinischen Epi-
ieptikeranstalt Johannisthai machte.
Diese sehr reizbaren Kinder, voller krankhafter Affekte,
Impulse und Willensäußerungen, in den verschiedensten
Graden schwachsinnig und degeneriert, boten der Be-
obachtung und Erziehung ein reiches Feld. Es wurde
in Übereinstimmung mit den Lehrern in Schule und Ab-
teilung aufs strengste ein rein seelenärztlicher Ton be-
wahrt. Jede Art Strafe war ausgeschlossen, gemütliche
Erregungen wurden den Kindern nach Möglichkeit er-
spart, dagegen wurde ein großer Wert auf die Ausbildung
des Pflegepersonals und das Gemeinschaftsleben der Kinder
untereinander gelegt Von diesen beiden Angriffspunkten
gelang rasch die Beschaffung eines erzieherischen Milieus,
— 14 —
in dem sich Worte, Ermahnungen, Tadel, Entziehung
kleiner Freuden oder ärztliche Anordnungen nicht oft
nötig erwiesen. Zwei weitere Hilfsmittel der Erziehung
erwiesen sich von ausgezeichnetem Erfolg. Zunächst
wurden die Auswüchse reiner Ungezogenheit von den
zahlreichen Äußerungen der Seelenstörung vom Arzt nach
Möglichkeit in jedem einzelnen Fall unterschieden und
mit Lehrern und Pflegern besprochen. Dem Ergebnis
entsprach die Behandlung, die bis ins einzelste indivi-
dualisiert wurde. Sie appellierte, wo es angängig war,
lediglich an das Ehrgefühl, was meist völlig genügte und
oft die bittersten Beuetränen hervorrief, oder beschränkte
sich auf einfache Belehrung. Waren eingehendere Ände-
rungen nötig, so wurden Ungezogenheiten mit derselben
ärztlichen Milde wie entsprechende Erankheitsäußerungen
behandelt. Zu den getroffenen Maßnahmen gehörten in
erster Linie Versetzungen in eine »geeignetec Umgebung,
die sich das Kind durch seine £[andlungs weise »selbst
gewählt«.
Durch ein Trennungsprinzip, das die einander mora-
lisch Nahestehenden, ohne jede Alters- oder Krankheits-
rücksicht, in 6 Stufen aneinander schloß, gelang es, eine
unsichtbare Disziplin zu üben. Die unterste Stufe ent-
hielt die Idioten, Verblödeten, ganz Unsozialen und Un-
disziplinierbaren, die oberste Stufe enthielt die fleißigen
Schulkinder, von denen ein normales, wohlgesittetes Ver-
halten verlangt wurde, die aber auch die Vergünstigungen
der größeren Freiheit besaßen. Auch die zu schildernde
Erziehungsanstalt würde aus mindestens vier solchen Ab-
teilungen zu bestehen haben.
IV. Aufnahme- und Wachsaal.
III. Beobachtungsstation.
II. Station für Gebesserte.
I. Erziehungsstation.
Über äußere Einrichtungen, wie Schulsäle, Turnplatz,
Schulgarten usw. brauche ich hier nicht zu reden. Ich
schildere zunächst kurz den Betrieb im Aufnahme- und
— 16 —
WachsaaL Die meisten der Kinder liegen hier auch
tagsüber zu Bett Einige haben die Erlaubnis, auf-
zustehen und sind in einem Nebenzimmer am Spielen.
Es sind ständig 1 — 3 Pfleger anwesend, nachts u. U. eine
Wache. Die Kinder, die hier liegen, sind teils Neu-
aufgenommene, die einer genauen Beobachtung und Unter-
suchung unterzogen werden sollen, teils ausgesprochen
Geisteskranke, die aus ärztlichen Gründen im Bett liegen
müssen, teils undisziplinierbare, gewalttätige oder sehr
erregbare Kinder, die sich für freiere Abteilungen noch
nicht oder yorübergehend nicht eignen, teils körperlich
Kranke.
Selbstverständlich werden genaue Krankengeschichten
geführt Die Elinder, die auf sind, können u. ü. zum
Unterricht, zum Spiel geführt werden. Die Bettkrauken
erhalten u. ü. Beschäftigung, Spielsachen und dürfen und
sollen froh und munter sein. Sie werden in besonderem
Maße als Kranke behandelt Ein gesunder Junge, der
durch eine Ungezogenheit hierhin geraten ist, quält täg-
lich den Arzt, um wieder zu seinen Kameraden zurück-
zukommen.
Das Zusammensein mit uurerant wortlichen, bett-
lägerigen Kranken ist ihm demütigend. Langeweile und
Scham und nicht zum wenigsten Reue erfaßt bald auch
den härteren Sünder, er wird geneigt, zu paktieren, hört
verständig Ermahnungen an und hat Stimmung und
Muße, sie zu bedenken. Er sehnt sich zurück nach
Schule und Spiel, wie ich das — natürlich nur unter
den oben geschilderten zwangfreien Schul- und Abteilungs-
verhältnissen — als die Regel gesehen habe.
Bei heftigeren Erregungszuständen muß gelegentlich,
wenn die psychischen Mittel, wie Zuspruch, Ignorierung,
Abstellung der err^nden Ursache, versagen, oder bei
Zerstörungssucht zu einem warmen Bade, einer feucht-
warmen EinwicUung oder auch nachts zu einem Schlaf-
mittel gegriffen werden, insbesondere beim epileptischen
Verwirrtheitszustand. Es kann wohl vorkommen, daß
— 16 —
man eine schwere Ungezogenheit, z. B. Zerstörungswut
aus Jähzorn, Rache, ähnlich behandeln muß, aber nach
meiner Erfahrung sind das seltene Ausnahmefalle, die
ihre besonderen Gründe haben.
Station UI nimmt geeignete Knaben aus der Auf-
nahmestation (lY) auf. Die Kinder sind tagsüber auf.
Die meisten werden wohl zur Schule geführt werden
können. Je ein Pfleger oder besser ein Erzieher führt
die Aufsicht über eine nicht zu große Zahl dieser Kinder
und widmet sich ihnen. Hier, wie auf allen andern
St^onen, muß das Personal beständig darauf bedacht
sein, dem Tätigkeitstrieb der Knaben reichlich Anregung
und Nahrung zu geben. Zum Zweck vorübergehender
Beaufeichtigung können jederzeit Knaben, die sonst allein
wären, z. B. wenn die andern zum Unterricht gingen,
der Abteilung IV zugeführt werden.
Station IL Für Gebesserte.
Ist ebenso organisiert wie III, vereinigt aber die
ruhigen, moralisch höher stehenden Elemente. Auch etwaige
Feinde kann man in II und III getrennt einquartieren.
Beide Stationen unterstehen dem ärztlichen Direktor, der
morgens und abends bei der Visite, Konferenz u. ähnl.
die Berichte der Erzieher entgegennimmt und mit ihnen
über Anordnungen, Änderungen, Rück- und Vorver-
setzungen, besondere Belohnungen, Teilnahme am Unter-
richt, Verkehr mit den Angehörigen usw. schlüssig wird.
Der Erzieherposten soll nur nach 2 — 3 monatlicher
theoretischer und praktischer Ausbildung in der Anstalt
selbst verliehen werden. Es kommt besonders auf eine
gleichbleibende, durch nichts außer Fassung zu bringende
Ruhe und Freundlichkeit im Verkehr mit den Kranken
an. Dann würde ich dem Erzieher aber auch — aus-
genommen die Befolgung ärztlicher Ratschläge und An-
ordnungen — völlige Vollmacht geben und ihm über-
lassen, wann er das Urteil des Arztes einholen will. Dann
könnte er eine große eigene Erfahrung sammeln und sich
seiner hohen Verantwortlichkeit freudig bewußt werden.
— 17 —
Er hält fern vom Unterricht oder läßt zu, wen er will,
er führt seine Knaben ins Freie oder ins Schulzimmer,
wie er will, er nimmt im Unterricht durch, was er ge-
rade für gegeben und nützlich hält. Und die so auf
verschiedene Weise arbeitenden selbständigen Kräfte wer-
den durch den Direktor beobachtet, beraten, so daß
sie doch einem einheitlichen Ziel auf im Grund ge-
nommen gleichartige Weise zustreben ; der Ton des Hauses
muß dann freilich Gewähr leisten, daß der Erzieher sein
eignes Urteil in ärztlichen Fragen nur stufenweise lang-
sam erweitert Das Verständnis dafür soll durch Kon-
ferenzen, Diskussionsabende, Vorträge, planmäßige Unfer-
richtung der Erzieher geschaffen werden.
Die »Erziehung der Erzieher« soll einen großen Teil
des Tagewerkes der Erzieher und des Arztes ausmachen,
und kein Tag soll ohne dieselbe vorübergehen. Ohne sie
ist die ganze Anstalt nichts als eine Bewahr- oder Fflege-
anstalt In der Führung genauer Krankengeschichten
wird auch die psychologische Beobachtung ein Übungs-
gebiet finden. Mit der Zeit wird der Erzieher dazu
kommen, daß er so wie der Arzt merkt, wo er als
Wundarzt lindern muß und wo er andrerseits das scharfe
Messer führen muß, um diesen oder jenen Auswuchs zu
beschneiden.
Ein feinfühliger, mit reichlich spezialistischer Erfahrung
ausgerüsteter Erzieher wird Vorgesetzter der Abteilung I.
Station I. Erziehungshaus.
Stunden- und Arbeitsplan ist geregelt, doch sind Ab-
weichungen jederzeit erlaubt. Beurlaubungen, Rückver-
setzungen können jederzeit stattfinden. Dazu brauchen
wir eben den in unserem Fach erfahrensten Lehrer, daß
er sich der Natur seiner Zöglinge jederzeit bewußt bleibt
und an ihre zarte Konstitution keine schädliche Anforderung
stellt, mindestens frühzeitig die Anzeichen drohender
Gefahr bemerkt Jeder Ausbruch von Zorn, Widerstand,
Lüge usw. ist ein Schade für ein solches Kind. Man
denke stets, daß sie aus den unteren Stationen sich
Fld. Mag. 311. Hermano, Hdleiziehiiiigsblater usw. 2
— 18 —
allmählich hierhingearbeitet haben, um auf dem Wege
des Unterrichts und einer planmäßigen Erziehung an
Ordnung und Gehorsam gewöhnt zu werden und eine
Kräftigung des Willens und der ethischen Begriffe zu
erfahren. Der deutsche Unterricht, der Geschichtsunter-
richt, die Länderkunde geben Stoff, leuchtende Gharakter-
Yorbilder zu schildern. Geeigneten, intelligenten Schülern
wird Moral Unterricht erteilt, im Anschluß an kleine Er-
zählungen, Bilder aus dem Leben des Kindes, der Familie
U.S. f. Dann geht man in geeigneter Weise über zu einer
einfachen Belehrung über Gebiete aus dem sozialen
Leben, über Gewerbe, Bürgerpflichten, Verfassung, über
die wichtigsten Gesetze und Strafen. So entwickelt sich
nach und nach zuerst zweckmäßiges Verhalten aus rein
egoistischen Gründen, dann altruistische Empfindungen,
unmerklich durch das Zusammenleben mit den Erziehern
Yorbereitet, und schließlich läßt sich ein tiefes religiöses
Empfinden da hervorrufen, wo es ohne diesen umständ-
lichen Werdegang nur ein hinfälliger Popanz gewesen
wäie. Die Beligionsstunde für unsere Zöglinge ist die
letzte Stufe und gibt ihnen die Lehre und das Leben
Jesu. Ich habe damit nicht gesagt, daß in Bettungs-
häusern die primäre Bekehrung unzweckmäßig sei.
Ich spreche nur von den Insassen der Kinderirren-
anstalt, die alle geistig abnorm oder krank sind,
während das in der Bettungsanstalt nur ein bestimmter
Prozentsatz ist.
Wenn Zöglinge aus der Hut der Anstalt ins Leben
hinausgelassen werden, gibt es einen großen Irrtum, an
dem ich viele habe straucheln sehn. Es ist als ob diese
Knaben nun die Gerechtigkeit mit Eßlöffeln gegessen
hätten, und jede kleine Ungerechtigkeit, jede noch so
geringe Zurücksetzung, werde sie ihnen oder andern zu
teil, bringt sie in eine maßlose Verzweiflung oder ver-
anlaßt sie zu törichten Schritten ; das Gleiche findet man
bei vielen gesunden Menschen. Ich lege einen großen
Wert darauf, den Zögling darin zu üben, daß er seinen
— 19 —
Mitmenschen Wahrung berechtigter Interessen, kleine
ärgerliche Handlungen, die ja später oft bitter bereut
werden, nicht nur hingehen läßt, sondern auch konoediert
Manches Schimpfwort oder dem Tierreich entlehnte An-
rede entfahrt dem in bester Absicht sich erregenden Meister
oder Unteroffizier. Wer die Menschen weniger von seinem.»
als von ihrem Standpunkt verstehen lernt, der kommt
auch gut mit ihnen aus, vermeidet unnötige Reibereien^
Bänke, Katastrophen.
Wem unrecht geschieht, dem stehen Bat und Ab-
hilfe genügend zur Seite, auch dem entlassenen Fürsorge-
zögUng; aber die Kunst, mit Menschen zusammenzuleben,
lernt man nie durch Selbsterhebung und peinliches Be>
stehen auf seinen kleinsten Bechten, sondern durch einen
ruhigen, vermittelnden Standpunkt
Auf weitere Einzelheiten kann ich nicht eingehen.
Die neuere Literatur weist beständige Fortschritte in der
Besprechung unserer angeregten Frage auf. Die Behand*
lung psychisch abnormer Fürsorgezöglinge bildete auf
jeder großen Psychiaterversammlung der letzten 2 Jahre
ein anregendes Vortrags- und Diskussionsthema.
Am besten orientiert zur Zeit die Schrift von Dr. med.
O. Kluge (Sammlung von Abhandlungen pädag. Psych,
und Phys. Ziegler -Ziehen, Bd. VIII, Heft 4), sowie die
mehrfach erwähnte von Mönkemöller (Sammlung Ziegler-
Ziehen, Bd. VI, Heft 6). Dr. Selig empfiehlt, besondere
Abteilungen an die Fürsorgeerziehungsanstalten anzu-
gliedern, »in denen es möglich ist, minderwertige Indivi-
duen zu beobachten, zeitweise zu behandeln und über
kritische Zeiten durch Anwendung lediglich medizinischer
Gesichtspunkte hin wegzubringen, c
Prof. Moeli schlug den Betrieb einer »leichteren« Ab-
teilung, eventuell für mehrere Anstalten gemeinsam, vor.
Auf alle Fälle empfehlen Dr. Selig und Dr. Bratx bei
allen epilepsie- ähnlichen, u. 0. auch hysterischen und
anderen Krampfzuständen die dauernde Überführung in
eine £pileptikeranstalt mit Arbeitsbetrieb. Gegen die Über-
2*
— 20 —
fahruDg in eine gewöhnliche Irrenanstalt sprechen sich
viele Psychiater aus. Die Gründe werden dem Leser der
vorstehenden Ausführungen klar sein. Ein krankes Kind
aus der Zwangserziehung herausnehmen heißt nicht, es
in einer Umgebung verblödeter Irren sich selbst über-
lassen, sondern es gilt, eine sachverständige Heilerziehung
an Stelle der Zwangserziehung zu setzen. Es fehlte auch
nicht an psychiatrischen Stimmen, die betonen, daß Für-
sorgezöglinge die humane Luft der Irrenanstalten schlecht,
die straffe Zucht des Bettun gshauses gut vertiagen.
Auch diese Beobachtung hat ihr Bichtiges, ich brauche
sie aber dem Leser obiger Zeilen nicht zu erläutern.
Ernster sind die Angriffe und Verwarnungen, die von
erfahrenen Anstaltsdirektoren ausgehen, wie neuerdings
von Beg.-Bat Müller (Zeitschrift für Kinderforschung,
XII, 7, S. 216). Der Laie, der ärztliche Schriften liest,
tut gut) auf diese Warnung zu hören, sonst könnte er
den Prozentsatz der Kranken unter den Fürsorgezöglingen
überschätzen. Daß der moderne skeptisch beobachtende
Irrenarzt demselben Fehler verfallt, braucht der Laie
Jedoch nicht so sehr zu befürchten, wie er es zu tun
pflegt Müller behauptet dementsprechend, daß zur Be-
obachtung abnormer Fürsorgezöglinge keine »medizini-
schenc, sondern nur »psychologische« Beobachtungen
nötig seien, daß die für »wirkliche Psychopathen« ge-
eignete Erziehung gemeinsam mit Gesunden nach wesent-
lich denselben Grundsätzen erfolgen soll und daß weder
eine Erziehungsanstalt des Heilpädagogen, noch ein
Psychiater den Psychopathen so behandeln kann, daß er
einer Freiheitsprobe standhält
Andere Anstaltsdirektoren wären einverstanden, wenn
ihnen die abnormen Zöglinge abgenommen würden, viele
fordern geradezu eine Spezialerziehung für dieselben in
besonderen, an Irrenanstalten, Hilfsschulen oder Bettungs-
häuser angegliederten Abteilungen. Der Gedanke einer
ärztlich geleiteten Anstalt zum Zwecke der Heilerziehung
psychisch abnormer Fürsorgezöglinge und geisteskranker
— 21 —
Kinder überhaupt ist noch ganz femliegeDd und fremd-
trtig, die äußeren Schwierigkeiten einstweilen unüber-
windlich. Darum überlassen wir die weitere Entwicklung
der Frage der Zukunft Ich habe mich darauf beschränkt,
Ihnen eine praktische Seite des Einflusses, den die moderne
Irrenknnde auf die Pädagogik ausgeübt hat, zu zeigen.
Ein großer Teil der Berechtigung der geschilderten
Anstalt ruht in der geheimen Hoffnung, den »geborenen
Verbrecherc , der nichts anderes als ein Geisteskranker
ist, zu einer Zeit zu beeinflussen, wo er zwar die Anlagen,
aber noch nicht die Fesseln des Verbrechens fühlt, wo
»seine Seele ist wie weiches Wachs«.
CMB^
Dnok Too Hcmaim 897« *.S9hne (Beyer * Mann) in Langeonlza.
Verlag von Hermann Beyer 8c Söhne (Beyer 8c Mann) in Langensalza«
Pädagogisches Magazin.
Aiiudliugei ron Otbiete Icr FUienEik M llrer Eil&flsKucliIteL
Heraiugeg«b«n tob
Friedrich Mann.
Heft
1. Eeferitein, Dr. H., Betracbtan^n über Lehrerbildung. 2. Aufl. 75 Pf«
2. Maennel, Dr. B., Über pädagogische DiskuBsionen and die Bedingongeo
nnter denen de nfitzen können. 2. Aufl. 45 Pf.
3. Wohlrabe, Dr. W., Fr. Mykonins, der Beformator Thüringens. 25 Pt
4. Tews, Joh., Moderne Mädchenerziehong. Ein Vortrag. 2. Aufl. 30 PL
5. Ufer, Christian, Das Wesen des Schwachsinns. 2. Aufl. 25 Pf.
6. Wohlrabe, Dr. W., Otto Friok. Gedächtnisrede, gehalten im Halla-
schen Lehrer- Vereine. 40 Pf.
7. Holt seh, H., Comenins, der Apostel des Friedens. 30 Pf.
8. Sallwfirk, Dr. £. Ton, Baomgarten gegen Diesterweg. 25 Pf.
9. Tews, Joh., Sozialdemokratische Pädagogik. 3. Aufl. 50 Pf.
10. Flügel, 0., Über die Phantasie. Ein Vortrag. 2. Aafl. 30 Pf.
11. Janke, 0., Die Beleuchtung der Schulzimmer. 25 Pf.
12. Schullerus, Dr. Adolf, Die Deutsche Mythologie in der Eniehmigs-
schule. 20 Pf.
13. Eef er stein, Dr. Horst, Eine Herderstudie mit besonderer Beiiehmag
auf Herder als Pädagog. 40 Pf.
14. Wittstock, Dr. Alb., l3ie Überfüllung der gelehrten Berufszweige. 50 PL
15. Hunziker, Prof. 0., Comenius und Pestalozzi. Festrede. 2. Aufl. 40 Pf.
16. Sallwürk, Dr. E. tou. Das Recht der Volksschulaufsicht Nach dao
Verhandlungen der Württemberg. Kammer im Mai 1891. 25 Pf.
17. Bossbach, Dr. F., Historische Richtigkeit und Volkstümlichkeit im
Geschichtsunterrichte. 40 Pf.
18. Wohlrabe, Rc^ctor Dr., Lehrplan der sechsstufigen Volksschule so
Halle a. S. f&r den Unterricht in Geschichte, Geographie, Naturlehia«
Raumlehre, Deutsch. ^ Pf.
19. Rot her, H., Die Bedeutung des UnbewuÜBten im menschL Seslan-
leben. 2. Aufl. 30 Pf.
20. Gehmlich, Dr. Ernst, Beiträge zur Geschichte des Unterrichts und
der Zucht in den städtischen Lateinschulen des 16. Jahrhunderts. 50 Pf«
21. Ho 11 kämm, F., Emehender Unterricht und Massenunterricht. 60 Ffl
22. Janke, Otto, Körperhaltung und Schriftrichtung. 40 Pf.
23. Lange, Dr. Karl, Die zweckmälsige Gestaltung der öffentlichen Schnl-
prüfungen. 30 Pf.
24. Gleichmann, Prof. A., Über den blob darstellenden Unterricht H»-
barts. 2. Auflage. 60 Pf.
25. Lomberg, A., Grolse oder kleine Schulsysteme? 45 Pf.
26. Bergemann, Dr. P., Wie wird die Heimatskunde ihrer 80z.-ethiscliBn
Aufgabe gerecht? 2. Aufl. 80 Pf.
27. Eirchberg, Th., Die Etymologie und ihre Bedeutung für Schule imd
Lehrer. 40 Pf.
28. Honke, Julius, Zur Pflege Tolkstüml. Bildun? und Gesittung. 50 Pf.
29. Reukauf, Dr. A., Abnorme Kindec und ihre Pfl^ge. 2. Aufl. 35 FL
Vtdäg von Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann) in Langensalza.
mäa " ""
30. Foltz, 0., Emige Bemerkungen fiber Ästhetik nnd ihr Verhältnis nur
Pädagogik. 80 Pf.
31. TewB, J., Elternabende. (Pädag. Abende, Schulabende.) 2. Aafl. 25 Pf.
32. Sude, Adolf, Die bedeutendsten Evangelischen Schulordnungen de«
16. Jahrhunderts nach ihrem pädagogischen Gehalte. 75 Pf.
33. Tews, J.y Die Mutter im Arbeiterhause. Eine sozial -pädagogische
Skizze. 2. Aufl. 30 Pf.
34. Schmidt, M., Zur Abrechnung zwischen Erziehung u. Regierung. 40 Pt
35. Richter, Albert, Geschieh tsunterr. im 17. Jahrhundert 35 Pf.
36. P^rez, Bemard, Die Anfimge des kindl. Seelenlebens. 2. Aufl. 60 Pt.
37. Bergemann, Dr. P., Zur Schulbibelirage. 50 Pf.
38. SchuUerus, Dr. Adolf, Bemerkungen zur Schweizer FamilienbibeL
Ein Beitrag zur Schulbibelfrage. 20 PL
39. Staude, Das Antworten d. Schüler L Lichte d. PsychoL 2« Aufl. 25 Pt
40. Tews, VolksbibUotheken. 20 Pf.
41. Keferstein, Dr. Horst, E. Moritz Arndt als Fädagog. 75 Pf.
42. Gehmlich, Dr. £., Erziehung und Unterricht im 18. Jahrhundert nadb
Salzmanns Roman Karl y. Elarlsberg. 50 Pf.
43. Fack, M., Die Behandlung stotternder Schüler. 2. Aufl. 30 Pf.
44. Ufer, Chr., Wie unterscheiden sich gesunde und krankhafte Greistet-
znstände beim Kinde? 2. Aufl. 35 Pf.
45. Beyer, 0. W., Ein Jahrbuch des franz. Volksschulwesens. 20 Pf,
46» Lehmhaus, Fritz, Die Vorschule. 40 Pf.
47. Wen dt, Otto, Der neusprachliche ünterr. im Lichte der neuen Lahi-
Eläne und Lehrau^^ben für die höheren Schulen. 30 Pf.
I ange, Dr. K., Rückblicke auf die Stuttgarter Lehrerversammlung. 30 Ff.
49. Busse, H., Beiträge zur Pflege des ästhetischen Gefühls. 40 Pf.
50. Keferstein, Dr. H., Gemeinsame Lebensaufgaben , Interessen und
wissenschaftliche Grundlagen Ton Kirche und Schule. 40 Pf.
51. Flügel, 0., Die Religionsphilosophie in der Schule Herbarts. 50 Ff.
52. Schnitze, 0., Zur Behandlung deutscher Gedichte. 35 Pf.
53. Tews, J., Soziale Streiflichter. 30 Pf.
54. Göring, Dr. Hugo, Bühnentalente unter den Kindern. 20 Pf.
55. Keferstein, Dr. EL, Aufgaben der Schule in Beziehung auf das sozial-
golitische Lsben. 2. Aufl. 50 Pf.
teinmetz, Th., Die Herzogin Dorothea Maria von Weimar und ihre
Beziehungen za Ratke und zu seiner Lehrart. 50 Pf.
57. Janke, 0., Die Gresundheitslehre im Lesebuch. 60 Pf.
58. Sallwürk, Dr. E. y.. Die formalen Aufgaben des deutschen üntei^
richte. 1 M.
59. Zange, F., Das Leben Jesu im Unterr. d. höh. Schulen. 50 Ff.
60. Bär, A., HiUsmittel für den Staats- u. gesellschaftskundl. Unterricht.
I. Heeresverfusungen. 1 M 20 Pf.
61. Mittenzwey,L., Pflege d. Individualität i.d. Schule. 2. Aufl. 75 Pf.
62. Ufer, Chr., Über Sinnestypen und verwandte Erscheinungen. 40 Pf.
63. Wilk, Die Synthese im naturkundlichen Unterricht. 60 Ff.
64. Schlegel, Die Ermittelung der Unterrichtsergebnisse. 45 PI.
65. Schleichert, Exper. u. l^obacht. im botan. Unterricht. 20 Pf.
66. Sallwürk, Dr. £. ▼., Arbeitskunde im naturw. Unterricht 80 Pt
67. Flügel, 0., Über das Selbstgefühl Ein Vortrag. 30 Pf.
68. Beyer, Dr. 0. W., Die erziehliche Bedeutung d. Schulgartens. 30 Pt
69. Hitschmann, Fr., Über die Prinzipien der Blindenpädagogik. 20 Ft
Verlag von Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann) in Langensalza.
Heft
70. Linz, F., Zur Tradition n. Eeform des franzÖB. Unterrichts. 1 M 20 PI
71. Trüper, J., Zur Pädagogischen Pathologie und Therapie. 60 PL
72. Kirst, A., Das LehensbUd Jesa anf der Oberstufe. ^ Pf.
73. Tews, J., Kinderarbeit 20 Pf.
74. Mann, Fr., Die soziale Grundlage Ton Pestalozzis Pfidagogik. 25 PL
75. Kipping, Wort und Wortinhalt. 30 Pf.
76. Andre ae, Üher die Faulheit 2. Aufl. 60 Pf.
77. FritzBche, Die Gestalt d. Systemstufen im Greschichtsunterr. 50 PL
78. Bliedner, Schiller. 80 Pf.
79. Keferstein, Rieh. Rothe als Pädagog und Sozialpolitiker. 1 M.
80. Thieme, Über Volksetymologie in der Volksschule. 25 PL
81. Hiemesch, Die Willensbildung. 60 Pf.
82. Fl Q gel, Der Rationalismus in Herbarts Pädagogik. 50 PL
83. Sachse, Die Lüge und die sittlichen Ideen. 20 PL
84. Reu kauf, Dr. A., Leseabende im Dienste der Erziehung. 60 Pf.
85. Beyer, 0. W., Zur Geschichte des Zillerschen Seminars. 2 M.
86. Ufer, Chr., Durch welche Mittel steuert der Lehrer aufserhalb der
Schulzeit den sittlichen Gefahren d. heran wachs. Jugend? 5. Aufl. 40 PL
87. Tews, J , Das Volksschulwesen in d. gr. Städten Deutschlands. 30 PL
88. Janke, O., Schäden der gewerblichen und landwirtschaftlichen Einder-
arbeit 60 PL
89. Foltz, 0., Die Phantasie in ihrem Verhältnis zu den höheren Geiatea-
tätigkeiten. 40 Pf.
90. Fick, Über den Schlaf. 70 PL
9L Eef er stein, Dr. H., Zur Erinnerung an Philipp Melanchthon ala
Praeceptor Germaniae. 70 Pf.
92« Stauae, P., Über Belehrungen im Anschl. an d. deutsch. Aufsatz. 40 PL
93. Keferstein, Dr. H., Zur Frage des Egoismus. 50 PL
94. Fritzsche, Präp. zur Geschidite des grolsen Kurftlrsten. 60 Pf.
95. Schlegel, Quellen der Bernfsfreudigkeit 20 PL
96. Schleichert, Die volkswirtschaftL Elementarkenntnisse im Rahmen
der jetzigen Lehrpläne der Volksschule. 70 Pf.
97* Schullerus, Zur Methodik d. deutsch. Grammatikunterrichts. (ü. d. Pr.)
98. Staude, Lehrbeispiele für den Deutschunterr. nach der Fihel von
Heinemann und Schröder. 60 PL 2. Heft s. Heft 192.
99. Hollkamm, Die Streitfragen des Schreiblese-Ünterrichts. 40 Pf.
100. Muthesius, K., Schillers Briefe über die ästhetische fbrziehang dea
Menschen. 1 M.
101. Bär, A., Hilfsmittel L d. Staats- und gesellschaftskundl. Unterricht
n. Kapital 1 M.
102. Gille, Bildung und Bedeutung des sittlichen Urteils. 30 Pf.
103. Schulze, 0., Beruf und Berufswahl. 30 Pf.
104« Wittmann, H., Das Sprechen in der Schule. 2. Aufl. 20 PL
105. Moses, J., Vom Seelenbinnenleben der Kinder. 20 Pf.
106. Lobsien, Das Censieren. 25 Pf.
107. Bauer, Wohlanständigkeitslehre. 20 PL
108. Fritzsche, R., Die Verwertung der Büigerkunde. 50 PL
109. S i e I e i>, Dr., A. Die Pädagogik als angewandte Ethik u. Psychologie. 60 Pf»
110. Honke, Julius Friedrich Eduard Beneke. 30 Pf.
111. Lobsien, M., Die mech. Leseschwierigkeit der Schriftzeichen. 80 PL
112. Bliedner, Dr A., Zur Erinnerung an Karl Volkmar Stoy. 25 Pf.
113. K. M., Gedanken beim SchulanfiEmg. 20 Pf.
Verlag von Hennaim Beyer ft Söhne (Beyer ft Mann) in Langensalza.
HjKt
114. Schulze, Otto, A. H. Fraockes P&dagogik. Em Gedenkblatt zur
200 jähr. Jabelfeier der Franckeschen Stiftangen, 1698/1898. 80 Pf.
115. Niehns, F., Über einige Mingel in der Rechenfertigkeit bei der aua
der Schalpflicht entlassenen Jagend. 40 Pf.
116. Kirst, A., Präparationen za zwanzig H^'schen Fabeln. 6. Aafl. 1 M.
117. Grosse, H, Chr. Fr. D. Schabart als Scbalmann. 1 M 30 Pf.
118. Seilmann, A., Caspar Domaa. 80 Pf.
119. Grofskopf, A., Sagenbildang im Geschichtsanterricht. 30 Pf.
120. Gehmlich, Dr. Ernst, Der GefQhlsinhalt der Sprache. 1 M.
121. Eeferstein, Dr. Horst, Volksbildang and Volksbildner. 60 Pf.
122. Armstroff, W., Schale and Haas in ihrem Verhältnis za einander
beim Werke der Jngenderziehang. 4. Aufl. 50 Pf.
123. Jung, W., Haushaltungsunterric^t in der Mädchen- Volksschule. 50 Pf.
124. Sallwürk, Dr. E. von, Wissenschaft, Kunst und Praxis des Er-
ziehers. 50 Pf.
125. Flfigel, 0., Über die persönliche Unsterblichkeit. 3. Aufl. 40 Pf.
126. Zange, Prof. Dr. F., Das Kreuz im Erlösungsplane Jesu. 60 Pf.
127. Lobsien, M., Unterricht und Ermüdung. 1 M.
128. Sehn eyer, F., Persönl. Erinnerungen an Heinrich Schaumberger. 30 Pf.
129. Schab, R., Herbarts Ethik und das moderne Drama. 25 Pf.
130. Grosse, H., Thomas Platter als Schalmann. 40 Pf.
131. Kohlstock, K., Eine Sch&lerreise. 60 Pf.
132. Dost, cand. phil. M., Die p^chologische und praktische Bedeutung des
Comenius und Basedow in Didactica magna und Elementarwerk. 50 Pt
133. Boden stein, K., Das Ehrgef&hl der Kinder. 65 Pf.
134. Gille, Bektor, Die didaktischen Imperative A. Diesterwegs im Lichte
der Herbartschen Psychologie. 50 Ff.
135. H 0 n ke, J., Geschichte und Ethik in ihrem Verhältnis zueinander. 60 Pf«
136. Sta ude, P., Die einheiÜ. Gestaltung des kindl. Gredankenkreises. 75 PL
137. Muthesius, K., Die Spiele der Menschen. 50 Pf.
138. Schoen, lic. theol. H., Traditionelle Lieder und Spiele der Knaben
und Mädchen zu Nazareth. 50 Pf.
139. Schmidt, M., Sfinden unseres Zeichenunterrichts. 30 Pf.
140. Tews, J., Sozialpädagogische Beformen. 30 Pf«
141. Sieler, Dr. A., Persönlichkeit und Methode in ihrer Bedeutung fOr
den Gesamterfolg des Unterrichts. 60 Pf.
142. Linde, F., Die Onomatik, ein notwendiger Zweig des deutschen
Sprachunterrichts. 65 Pf.
143. Lehmann, 0., Verlassene Wohnstätten. 40 Pf.
144. Winzer H., Die Bedeutung der Heunat 20 Pf.
145. Bliedner, Dr. A., Das Jus und die Schule. 30 Pf.
146. Kirst, A., Böckerts nationale und pädagogische Bedeutung. 50 Pt
147. Sallwfirk, Dr. E. yon, Interesse und Handeln bei Herbart 20 Pf.
148. Honke, J., Über die Pflege monarch. Gesinnung im Unterricht 40 Pf.
149. Groth, H. H., Dentungen naturwissensch. Beformbestrebungen. 40 Pf*
150. Bude, A., Der Hjpnotismus und seine Bedeutung, namentlich die
^agogische. 2. Aufl. 90 Pf.
151. Sallwfirk, Dr. E. von, Dirinität u. Moralität in d. Erziehung. 50 Pf.
152. Staude, P., Über die pädagog. Bedeutung der alttestamentlichen
Qnellenschriften. 30 Pl.
153. Berndt, Job., Zur Beform des eyangelischen Beligionsunterrichts
Tom Standponkte der neueren Theologie. 40 Pf.
Verlag von Hermann Beyer ft Söhne (Beyer ft Mann) in Langensalza.
Hell
154. Ei rat, A., Gewinnung d. Eapfers u. Silbers im Mansfeldsclien« 60 Pf.
155. Sachse» E., EinfluÜB des Geoankenkreises anf den Charakter. 45 Pf.
156. Stahl, Verteilung des mathematisch - geogr. Stoffes auf eine acht-
klassige Schale. 25 Pf.
157. Thieme, P., Enltordenkmäler in der Mattersprache für den unter«
ridit in den mittleren Schaljahren. 1 M 20 Pi.
158. Böringer, Fr., Frage and Antwort. Eine psycho!. Betrachtang. 35 Pfp
159. 0 k an 0 witsch, Dr. Steph. M., Interesse a. Selbsttätigkeit 20 Pf.
160. Mann, Dr. Albert, Staat and Bildangswesen in ihrem VerhfiltniB m
einander im Lichte derStaatswissenschaft seit Wilhelm y. Humboldt. 1 IL
161. Begener, Fr., Aristoteles als Psychologe. 80 Pf.
162. Göring, Hugo, Kuno Fischer als Literarhistoriker. L 45 Pf.
163. Foltz, 0., Über den Wert des Schönen. 25 Pf.
164. Sallwürk, Dr. £. von, Helene Keller. 20 Pf.
165. Schöne, Dr., Der Stundenplan a. s. Bedeutung f. Schale und Haus. 50 Pf.
166. Zeissig, £., Der Dreibund Ton Formenkunde, Zeichnen und Hand-
fertigkeitsunterricht in der Volksschule. Mit einem Vorwort yon Prof.
Dr. 0. Willmann-Prag. 65 Pf.
167. FlQgel, 0., Ober das Absolute in den ästhetischen Urteilen. 40 Pf.
168. Grosskopf, Alfred, Der letzte Sturm und Drang der deatschea
Literatur, insbesondere die moderne Lyrik. 40 Pf.
169. Fritzsche, R., Die neuen B^üinen des erdkundlichen ünterrichti.
Streitfragen aus alter und neuer Zeit 1 M 50 Pf.
170. Schleinitz, Dr. phil. Otto, Darstellung der Herbartschen Inter-
essenlehre. 45 Pf. [Volksschulerziehung. 65 PL
171. Lembke, Fr., Die Lüge unter besonderer Berücksichtigang der
172. Förster, Fr., Der Unterricht in der deutschen Bechtschreibung
vom Standpunkte der Horbartschen Psychologie aus betrachtet 50 Pt
173. Tews, J., Konfession, Schulbildung und Erwerbstätigkeit 25 Pf.
174. Peper, Wilhelm, Über ästhetisches Sehen. 70 Pf.
175. Pflugk, Gustav, Die Übertreibung im sprachlichen Ausdruck. 30 Pf«
176. Eismann, 0., Der israelitische Prophetismus in der Volksschule. 30 Pf«
177. Schreiber, Heinr., Unnatur im heut (resangunterricht 30 Pf.
178. Schmieder, A., Anregungen zur psycho]. Betrachtung d. Sprache. 50 FL
179. Hörn, Kleine Schulgemeinden und kleine Schulen« 20 rf.
180. Bötte, Dr. W., Wert und Schranken der Anwendung der Formal-
stufen. 35 Pf.
181. Noth, Erweiterung — Beschränkung, Ausdehnung — Vertiefung de«
Lehrstoffes. Ein l^itrag zu einer noch nicht gelösten Frage. 1 M.
182. Das nreuls. Fürsorge-Erziehungsgesetz unter besonderer Berücksichtig,
der den Lehrerstand interessierenden Ge8ichts])unkte. Vortrag. 20 Ft.
183. Siebert, Dr. A., Anthropologie und Religion in ihrem Yerhältnia
zu einander. 20 Pf.
184. Dressier, Gedanken Über das Gleichnis vom reichen Manne und
armen Lazarus. 30 Pf.
185. Keferstein, Dr. Horst, Ziele und Aufgaben eines nationalen Kinder-
und Jiigendschutz -Vereins. 40 Pf.
186. Bötte, Dr. W., Die Gerechtigkeit des Lehrers gegen s. Schüler. 35 Ff.
187. Schubert, Rektor C, Die Schülerbibliothek im Lehrplan. 25 Pf.
188. Winter, Dr. jur. Paul, Die Schadensersatzpflicht, insbesondere die
Haftpflicht der Lehrer nach dem neuen bürgerlichen Recht 40 Pf.
189. Mutnesius, K., Sdiulaufsicht und Lehrerbildang. 70 Pf.
Verlag von Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann) in Langensalza.
Heft
190. Lobsien, M., Über den relativen Wert versch. Sinnestypen. 30 Pf.
IdL Schramm, F., Suggestion und Hypnose nach ihrer firscheinang.
Ursache und Wirkung. 80 Pf.
192. Staude, F., Lehrbeispiele für den Deutschunterricht nach der Fibel
TOQ Heinemann und Schröder. (2. Heft) 25 Pf. 1. Heft s. Heft d&
193. Picker, W., Über Konzentration. £ine Lehrplanfrage. 40 Pf.
194. Borne mann, Dr. L., Dörpfeld und Albert Lange. Zur Einf&hrong
in ihre Ansichten üb. soziale Frage. Schule, Staat u. Kirche. 45 Pl
195. Lesser, Dr., Die Schule und die Fremdwörterfrage. 25 Pf.
196. Weise, R., Die Fürsorge d. Volksschule für ihre nicht schwachsinnigen
Nachzügler. 45 Pf.
197. Staude, F., Zur Deutung d. Gleichnisreden Jesu in neuerer Zeit 25 TL
19S. Schaefer, K., Die Bedeutung der Schülerbibliotheken. 90 Pf.
199. Sallwürk, Dr. K v., Streif züge zur Jugendgeschichte Herbarts. 60 Pf.
200. S i e b e r t , Dr. 0. , Entwickelungsgeschichte d. Menschengeschlechts. 25Pf.
201. Schleichert, F., Zur FfLege d. ästhet Interesses i. d. Schule. 25 Pf.
202. Mollberg, Dr. A., Ein Stück Schulleben. 40 Pf.
2QS, Siebter , 0., Die nationale Bewegung und das Problem der nationalen
Erziehung in der deutschen G^enwart 1 M 30 Pf.
204. Gille, Gerb., Die absolute (jowilsheit and Allgemeingiltigkeit der
sittL StanmiurteUe. 30 Pf.
206. Schmitz, A., Zweck und Einrichtung der Hilfsschulen. 30 Pf.
206. Grosse, H., Ziele u. Wege weibL Bildung in Deutschland. 1 M 40 Pf •
207. Bauer, G., Klagen über die nach der Schulzeit hervortretenden M&ngel
der Schalunterrichtserfolge. 30 Pf.
20a Basse, Wer ist mein Führer? 20 Pf.
209. Friemel, Rudolf, Schreiben und Schreibunterricht 40 Pf.
210. Kef er stein, Dr. H., Die Bildungsbedürfnisse der Jugendlichen. 45 Pf.
211. D a n n m e i e r , H., Die Aufgaben d. Schule i. Kampf g. d. Alkoholismus. 35Pf.
212. Thieme, F., Gesellschaf tswissenscbaft und Erziehung. 35 Pf.
213. Sallwürk, Prof. Dr. Edmund von, Das Gedicht als Kunstwerk. 25 Fl
214. Lomberg, Aug., Sollen in der Volksschule auch klass. Dramen imd
Epen gelesen werden? 20 Pf.
215. Hörn, Bektor, Über zwei Grundgebrechen d. heutigen Volksschule. 60 Pf.
216. Zeifsig, Emil, Über das Wort Konzentration, seine Bedeutung und
Verdeutschung. Ein Vortrag. 25 Pf.
217. Niehas. F., Neuerungen in der Methodik des elementaren Geometrie»
nnterrichts. (Psychologisch-kritische Studie.) 25 Ff.
218. Winzer, H., Die Volksschule und die Kunst 25 Pf.
219. Lobsien, Marx, Die Gleicbschreibung als Grundlage des dentsehen
Bechtschreibunterrichts. Ein Versuch. 50 Ff.
220. B liedner, Dr. A., Biologie und Poesie in der Volksschule. 75 Pf.
221. Linde, Fr., Etwas üb. I^ntveränderung in d. deutsch. Sprache. 30 Pf.
222. Grosse, Hugo, Ein Mädchenschul -Lehrplan aus dem 16. Jahr-
hundert: Andr. Musknlus* »Jungfraw Schule« vom Jahre 1574. 40 Pf.
223. Banmann, Prof. Dr., Die Lehrpläne von 1901 beleuchtet aus ihnen
selbst und aas dem Lexisschen Sammelwerk. 1 M 20 Pf.
224. Mutbesius, Karl, Der zweite Kunsterziehungstag in Weimar. 35 Pf.
225. Dorn heim, 0., Volksschäden und Volksschule. 60 Ff.
226. Benson» Arthur Christopher, Der Schulmeister. Studie sor
SLenntnis des englischen Bildungswesens und ein Beitrag zur Lehre von
der Zuoht. Aus dem Englischen übersetzt von K. Rein. 1 M 20 Pf.
Verlag von Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann) in Langensalza.
Befi
227. Müller, Heinrich, Konzentration in konzentrischen Kreisen. 1 M.
228. Sali war k, Prof. Dr. von, Das Gedicht als Kunstwerk. II. 25 Pf.
229. Bitter, Dr. B., £ine Schulfeier am Denkmale Friedrich B&ckerts.
Zugleich ein Beitrag zur Pflege eines gesunden Schullebens. 20 Pf.
230. Gründler, Seminardirektor £., Über nationale Erziehung. 20 Pf.
231. Beischke, B., Spiel und Sport in der Schule. 25 Pf.
232. Weber, Ernst, Zum Kampf um die allgemeine Volksschule. 50 Pt.
233. Linde, Fr., Über Phonetik u. ihre Bedeutung f. d. Volksschule. 1 M.
234. Pottag, Alfred, Schule und Lebensauffassung. 20 Pf.
235. Flügel, 0., Herbart und Strümpell. 65 Pf.
236. Flügel, Om Falsche und wahre Apologetik. 75 Pf.
237. Bein, Prof. Dr. W., Stimmen z. Beform d. Beligions-Unterr. I. 75 Pf.
238. Benrubi, Dr. phil. J., J. J. Bousseaus ethisches Ideal. 1 M 80 Pt
239. Siebert, Dr. Otto, Der Mensch in seiner Beziehung auf ein gött^
liches Prinzip. 25 Pf.
240. Heine, Dr. Gerhard, Unterricht in der Bildersprache. 25 Pf.
241. Schmidt, M., Das Prinzip des organischen Zusammenhanges and die
allgemeine Fortbildungsschule. 40 Ff.
242. Koehler, J., Die Veranschaulich ung im Kirchenliednnterricht 20 Pf.
243. Sach B e, K., Apperzeption u. Phantasie in i. gegenseit Verhältnisse. 30 Pf.
244. Fritzsche, B., Der Stoffwechsel und seine Werkzeuge. Präparationeo
zur Menschenkunde und Gesundbeitslehre. 75 Pf.
245. Bedlich, Julius, Ein Einblick in das Gebiet der höheren Geodäsie.
80 Pf.
246. Baentsch, Prof. D., Chamberlains Vorstellungen fiber die BeligioD
der Semiten. 1 M.
247. Muthesius, K., Altes und Neues aus Herders Kinderstube. 45 Pd
248. Sallwürk, Prof. Dr. Edmund von, Die zeitgemäße Gestaltung des
deutschen Unterrichts. 30 Pf.
249. Thurmann, E, Die Zahlvorstellung u. d. Zahlanschauungsmittel. 45 Pf.
250. Scheller, £., Naturgeschichtliche Lehrausflüge (Exkursionen.) 75 Pf.
251. Lehm haus, F., Mod. Zeichenunterricht 30 Pf.
252. Cornelius, C, Die Universitäten der Ver. Staaten v. Amerika. 60 Pf.
253. Bonberg Madsen, Grundvig und die dän. Volkshochschulen. 1,60 M.
254. Löbsien, Kind und Kunst. 1 M 20 Pf.
255. Bubinstein, Dr. Susanna, Schillers Begriffsinventar. 20 Pf.
256. Scholz, E., Darstell, u. Beurteil, d. Mannheimer Schalsystems. IM 20 PL
257. Staude, P., Zum Jahrestage des Einderschutzgesetzes. 30 Pf.
258. K ö n i g, E., Prof. Dr. phil. u. theol., D. Geschichtsquellen wert d. A.T. IM 20Pf.
259. Fritzsche, Dr. W., Die päd.-didakt. Theorien Charles Bonnets. 1,50 M.
260. Sallwürk, Dr. E. v., Ein Lesestück. 30 Pf.
261. Schramm, Experimentelle Didaktik. 60 Pf.
262. Sief fort, Konsistorialrat Prof. Dr. F., Offenbarung u. heil. Schrift 1,50 M.
263. Bauch, Dr. Bruno, Schiller und seine Kunst in ihrer erzieherischen
Bedeutung für unsere Zeit. 20 Pf.
264. Lesser, Dr. E., Die Vielseitigkeit des deutschen Unterrichts. 20 Pf.
265. Pf an u stiel, G., Leitsätze für den biologischen Unterricht. 50 Pf.
266. Kohlhase, Fr., Die methodische Gestaltung des erdkundl. Unterrichts
mit bes. Berücksichtigung der Kultur- bezw. Wirtschaftsgeographie. 60 Pf.
267. Keferstein, Dr. Horst, Zur Frage der Berufsethik in Familie, Gemeinde!
Kirche und Staat. 60 Pf
268. Junge, Otto, Friedrich Junge. Ein Lebensbild. 20 Pf.
Verlag von Hennann Beyer & Sohne (Beyer ft Mann) in Langensalza.
269. Bein, Dr. W., Stimmen z. Beform d. Religions-Ünterrichts. II. 80 Pf.
270. Beiscbke, B.. Herbartianismas und Tomunterricht 30 Pf.
271. Friedrich, Gottl.»DieErzählimg imDienste derhäoslichenfirziehong.
25 Pf.
272. Ba bin stein, Dr. Susan na, Die Energie als Wilhelm t. Humboldts
sitüicbes Grundprinzip. 20 Pf.
273. Koehler, Job., Das biologische Prinzip im Sachunterricht 50 Pf.
274. Heine, Heinrich, Über thüringisch-sächsische Ortsnamen. Ein Bei-
trag zur Heimatkunde. 25 Pf.
275. Bubinstein, Dr. Susanna, Schillers Stelluni? zur Beligion. 20 Pf.
276. Haustein, Dr. A., Der geogr. ünterricbt im 18. Jahrhundert. 80 Pf.
277. Scheller, A., Die Schrankenlosigkeit der formalen Stufen. 30 Pf.
278. Zeißig, Emil, Vorbereitung auf den Unterricht 1 M 50 Pf.
279. Schneider, Dr. Gustav, Emil Adolf Boßm&ßler als Pädagog. 90 Pf.
280. Arnold, Dr. Otto, Schopenhauers pädagogische Ansichten im Zu-
sammenhange mit seiner Philosophie. 1 M 60 Pf.
281. Troll, M., Die Beform des Lehrplans. 80 Pf.
282. Er u sehe, G., Das Atmen beim Sprechen, Lesen und Singen. 60 Pf.
283. Köhler, E. 0., Die praktische Verwertung heimatkundl. Stoffe. 1 M.
284. Halten hoff, Dr. phil. Julius, Die Wissenschaft vom alten Orient in
ihrem Verhältnis zu Bibeiwissenschaft und Offenbarungsglauben. 1 M.
285. König, Eduard, Dr. phil. u. theol., ordentl. Prof. a. d. UniT. Bonn,
Moderne Anschauungen Ober den Ursprung der Israelit Beligion. 80 Pf.
286. Bichter, A., Beligionsunterricht oder nicht? 1 M.
287. Forster, Fr., Die psychol. Beihen und ihre pädag. Bedeutung. 65 Pf.
288. Grosse, H., Eduard Mörike als Lehrer. 60 Pf.
289. Noatzsch, B., Die musikalische Form unserer Choräle. 35 Pf.
S90. B e d 1 i c h , J., Ein Blick i. d. allgemeinste Begriffsnetz d. Astrometrie. 30 Pf.
291. Schubert, C, Die Eigenart des Kunstunterrichts. 30 Pf.
292. Sallwürk, Dr. E. von, Kunsterziehung in neuer und alter Zeit. 20 Pf.
293. Dobenecker, B., Ober den pädagogischen Grundsatz : »Heimatkunde
nicht bloß Disziplin, sondern Prinzip.« 40 Pf.
294. Perkmann, Prof. Dr. J., Die wissenschaftl. Grundlag. d. Pädag. 70 Pf.
29.^. Hüttner, Dr. Alfred, Die Pädagogik Schleiermachers in der Periode
seiner Jugendphilosophie. 1 M 20 Pf.
296. Clemenz, Bruno, Kolonialidee und Schule. 50 Pf.
297. Flügel, 0., Herbart über Fichte im Jahre 1806. 25 Pf.
298. Lobsien, Marx, Ober Schreiben und Schreibbewegungen. 90 PI
299. Dams, W., Zur Erinnerung an Bektor Dietrich Hom. 40 Pf.
300. Vogel, Dr. P., Fichte und Pestalozzi, (ü. d. Pr.)
301. Winzer, Schulreife und Charakterbildung. 20 Pf.
302. Po t tag. Zur Mimik der Kinder. 25 Pf.
303. Wilhelm, Uhre vom Gefühl, (ü. d. Pr.)
304. Schmidt, Der sittliche Geschmack als Kristallisationspunkt der sitt-
lichen Erziehung. 20 Pf.
305. Leidolph, Über Mode und Technik des Geschichtsunterrichts in der
Volksschule. 40 Pf.
306. Köhler, Schule und Kolonialinteresse. 40 Pf.
307. Clemenz, Die Beobachtung und Berücksichtigung der Eigenart der
Schüler. 60 Pf.
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Verlag von Hermann Beyer & Sohne (Beyer & Mann) in Langensalza.
Deutsche BlStter
für erziehenden Unterricht.
Herausgegeben
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Jährlich erscheinen 52 Nummern« Preis des Quartals 1 M 60 Ff .
Inhalt Jeder eiuielnen Nammer: 1. Pftdagogieche Abhandlangen. 9. Loee Blätter,
t. Zeltseiohlohtliohe Mitteilnn^n. 4. Offene LehreriteUen. 6, Anseilen. Jeden
Monat ein Beiblatt : Vom BOohertieoh.
Zeitschrift
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Philosophie und Pädagogik.
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O. Flflgel, K. Juat und W. Rein.
Jährlich 12 Hefte von je 3 Bogen. Preis des Quartals 1 M 50.
Ift h a 1 1 einee Jeden Heftee : A. Abhandlungen. — B. Mitteflongen. — 0, Beepreehongen.
I. PhUoeophieehee. II, Padagogieehee. — D. Aue der Faohpreeee: I. Ane dev
phüoeophieohen Faohpreeee. n. Ane der p&dagogiiohen Faohpreeee.
Zeitschrift fQr Einderforschmng
mit besonderer Berücksichtigung
der pädagogisohen Pathologie.
(Die ElnderfeUer).
Im Verein mit
Medizinalrat Dr. J. L. A. Kooh und Prof. Dr. R Martinak
herausgegeben
Ton
Institutsdirektor J. Triiper und Rektor Chr. Ufer.
Jährlich 12 Hefte von je 2 Bogen. Preis des Quartals 1 M.
Inhalt ehiee Jeden Heftee: A. Abhandinngen. — B. lUttellungen. — 0. Zur Liter»-
tnrlrande.
Blätter fQr Haus- und Kirchenmusik.
Herausgegeben
Ton
Prof. Ernst Rabich.
Jährlich 12 Hefte von je 2 Bogen Text und 8 Seiten Notenbeilagen.
Preis des Quartals 1 M 50 Pf.
Inhalt elnee Jeden Heftee: Abhandinngen. — Loee Blätter. — Monatliche Bund-
eohan. — Beepreohnngen. — Notenbeilagen.
Zu beziehen durch jede Buchhandlung.
Die
Zeugnisfähigkeit der Kinder
vor Gericht.
Ein Beitrag zur Aussagepsycliologie
TOO
O. H. Michel
in Mendflo.
F&dagogiBohee Mngnain^ Heft 812.
LuffmAln
Hermann Beyer k Söhne
(Beyer k Mann)
Slohf. Hofbochhtodier
1907
AUe Recht» TorbehiüteB.
Vorwort.
Seit einigen Jahren hat innerhalb der pädagogischen
Presse wohl selten ein Problem ein solch reges Interesse
gefanden, wie das der Aussagepsychologie. Auch die
juristischen FachbJätter beteiligen sich lebhaft an dem
Für und Wider dieses jüngsten Forschungsgebietes, und
immer weiteren Boden gewinnen die Folgerungen, die
Stern und seine Mitarbeiter aus ihren Studien, Experi-
menten und Vergleichen und deren Ergebnissen ziehen,
bei Pädagogen, Psychologen und Juristen.
Die Klärung der Frage über die Aussagefähigkeit der
Kinder ist besonders für den Lehrer yon eminenter
Wichtigkeit; sie wird ihn lehren, nicht jedes Abweichen
des Kindes von den Orenzpföhlen der objektiven Wahr-
heit als »Lügec anzusehen; sie wird ihm andrerseits
Schutz gewähren gegen die ihn oft schwer belastenden
Aussagen der Kinder an Oerichtsstelle, denen er in einem
Maße wie kein anderer ausgesetzt ist. Ich erinnere nur
an die yielen Anklagen wegen Überschreitung des Züchti-
gungsrechts und auch an die wegen Verbrechen wider
die Sittlichkeit Daß die heutige Art und Weise der
Zeugenvernehmung Jugendlicher unbedingt einer durch-
/>
— IV —
greifenden Beform bedarf, ist schon lange klare Erkenntnis
jedes Einsichtsvollen.
Die Yorliegende Arbeit kann und will nicht den An-
spruch tiefgründiger Wissenschaftlichkeit und erschöpfen-
der Bearbeitung dieses bis jetzt noch wenig erschlossenen
Gebietes erheben. Sollte sie im stände sein mitzuhelfen,
das Interesse weiterer Kreise für die Phänomene der
Wahmehmungs-, Erinnerungs- und Aussagefalschung
wachzurufen, so wäre ihr Zweck erfüllt
Allen, die mir bei meiner Arbeit, sei es durch Mit-
teilung Yon Beispielen, sei es in anderer Weise, behilf-
lich gewesen sind, sage ich meinen besonderen Dank.
Menden, Bez. Arnsberg, im September 1906.
O. H. MicheU Dohrer.
Inhalt.
S«it0
Vorwort III
EinleiteDdes 1
Pfts BeobaohtuDgs- uod AoffassnngsvermögeD 8
Die Affekte 13
Die ErinneraDgafähigkeit 15
Der laoge Zeitranm zwisoheo Wahrnehmen uod Verhör ... 16
Das persönliche Moment der Za- nnd Abneigung 22
Der Einfluß der Presse and Lektüre 23
Die Bewertung des Zeitmaßes und der fianmyerhftltnisse . . 25
Das laoge Warten vor der Vernehmung 28
Das Vorverhör duroh die niedern Polizeiorgane 30
Die Suggestion 38
Die AutosuggestioD 51
Die Phantasie 60
Schloßbemerkungen 64
literatur 68
Jeder Jurist, ja jeder Laie weiß, wie unzuyerläsBig
sehr oft die ZeagenaussageD sind, gänzlich abgesehen von
den absichtlichen Lögen. Dr. WüL Siem^ der Begründer
der Anssagepsychologie, Geh. -Rat v, Lifst und andere
haben diese Tatsachen durch Experimente nachzuweisen
versucht Aber auch die praktische Erfahrung liefert uns
angezählte Belege für die Wahrheit dessen, was die
Wissenschaft auf experimentellem Wege gefunden hat
Ich erinnere nur an den großen, seiner Zeit ungeheures
Aufsehen erregenden Winterschen Mordprozeß in Konitz-
Westpreußen, Aufsehen erregend einmal durdi das grausige
Verbrechen, das ihm zu Orunde lag, andrerseits aber
— und nicht in minderem Maße — durch die Art und
Weise seines Verlaufes. Das Oewirr der verschieden-
artigen, ja sich häufig direkt widerspredienden Aussagen
war so groß, daß es dem die Untersuchung führenden
Richter unmöglich war, aus diesem Labyrinthe den rechten
Weg herauszufinden. Und doch konnte er von nur wenigen
Zeugen sagen, sie hätten einen bewußten oder nur fahr-
lässigen Falscheid geleistet, da eben ihre Aussagen nach
bestem Wissen und Gewissen gemacht waren. Wohl hatten
sie objektiv die Unwahrheit ausgesagt, jedoch subjektiv
zeugten sie wahrh^tsgemäß. Die Hauptursachen dieser
objektiv falschen Aussagen werden wohl in der Betätigung
der meoschlicfaen Phantasie zu suchen sein, der durch
die geheimnisvolle, grauenhafte Begebenheit ein nahrhafter
Fld.lfev.81fl. Mieh«l, Z««Biiflaüelteitd. Kindor. 1
— a —
Boden gegeben war. Rassenhaß und Unmut über die
Ohnmacht des Gerichts, sowie der Wunsch, an seinem
Teile soviel wie möglich zur Entdeckung des Mörders
beizutragen, haben gewiß auch das ihrige getan, ganz
abgesehen von den suggestiven Wirkungen der Presse
und anderer äußerer Einflüsse.
Gegen die Aussagen der Erwachsenen aber nehmen
die der Kinder eine untergeordnete Rolle ein. Denn es
ist doch zweifellos, daß ein Kind, als ein in physischer
sowie in psychischer Hinsicht erst etwas Werdendes,
nichts in sich Vollendetes, leichter den Einflüssen seiner
oft schrankenlosen Phantasie, der Suggestion, den äußeren
Einwirkungen unterworfen ist, als ein erwachsener Mensch.
Ihm fehlt noch die moralische sowie die logische Reife,
die nötige Einsicht in die Folgen seiner Aussage, »das
zur Erkenntnis des Wahren notwendige Abwägen von
Gründen und Gegengründen. c Ihm mangelt in noch
höherem Maße als vielen Erwachsenen die richtige Be-
wertung des Zeitmaßes und der Raum Verhältnisse; zu
seiner völlig ungeschulten Beobachtung treten als Folgen in
vielen Fällen Wahrnehmungs- und Erinnerungsfalschungen ;
aus falscher Scham, Angst, Bestürzung oder Parteilichkeit
erfolgt oft eine Trübung des Urteils. Desgleichen sind
die Autosuggestionen beim Kinde weit häufigere Er-
scheinungen als bei älteren Individuen. Alles dies sind
normale Erscheinungen auf dem Gebiete der Kindeslüge,
die im Leben der Schule und des Elternhauses zu den
Alltäglichkeiten gehören. Ziehen wir noch die Lüge aus
pathologischer Ursache in den Bereich unserer Betrach-
tungen, so können wir wohl, ohne den Vorwurf der Über-
treibung befürchten zu müssen, mit einer kleinen Variation
die erste Stenische These in seinen »Ijoitsätzen über die
Bedeutung der Aussagepsychologie für das gerichtliche
Verfahrene zu der unsrigen machen und sagen: Die erste
Wirkung des psychologischen Aussagestudiums Jugend-
licher ist: Erschütterung der Vertrauensseligkeit, die den
Zeugenbeweisen der Kinder bisher entgegengebracht wurde.
— 3 —
Nichtsdeetoweniger ist und wird ihnen oft ein un-
Terbältnismäßig hoher Wert beigelegt, sie geben bei ge-
richtlichen Verfahren in sehr vielen Fällen sogar den
Ausschlag. Wenn nun auch nicht bestritten werden kann
und soll, daß Aussagen von Kindern unter Umständen
sehr wohl geeignet sind, einen Sachverhalt objektiv klar
und richtig darzustellen, so ist meines Erachtens doch in
allen Fällen, bei denen sich von berufener Seite auch
nur der allerleiseste Zweifel gegen ihre Glaubwürdigkeit
erbebt, von einer Verurteilung abzusehen, falls nicht noch
anderes authentisches Beweismaterial vorliegt. Denn es
gilt nicht nur, »das Kind vor den Begriffen der Er-
wachsenen zu schützen, sondern auch umgekehrt den Er-
wachsenen vor den Begriffen und Aussagen der Kinder, c
Ist man aber einerseits auf Orund eingehenden Stu-
diums der Aussagepsychologie, soweit es bei dem heutigen
Stande der Wissenschaft möglich ist, sowie durch die Er-
fahrung zu der Ansicht gelangt, daß die Aussagen der
Kinder, besonders vor Gericht, mit großer Reserve auf-
zunehmen seien, so muß man sich doch andrerseits hüten,
den Gegnern jeglicher Kindervemehmung zuzustimmen.
Man kann wohl der heutigen Art und Weise der Zeugen-
vernehmung seine Zustimmung versagen, ohne gleich der
extremen Forderung des Psychologen Lippmann oder
des Juristen Schneickert beizustimmen, von denen der
erstere verlangt: »Auf alleinige Bekundung von Kindern
darf eine Verurteilung nicht stattfinden.« Schneickert
geht noch radikaler vor: »Kinder unter sieben Jahren
sind überhaupt nicht als zeugnisfähig zu betrachten.«^)
Ich meine doch, wenn man bei geheimnisvollen Mord-
fiUlen jeden gefundenen Lappen, jede Blutspur, an einer
Mütze festgeklebte Haare benutzt, um dem Übeltäter auf
die Spur zu kommen, so soll man auch wohl ein nor-
males Kind unter sieben Jahren fragen dürfen. Ja, es
^) TT. SUntj Leitsätze über die Bedeataog der Anssagepsycho-
logie far das forensisohe Verfahren (8 a und 8 b).
1*
— 4 —
i6t für mich ganz unKweifelhaft, dafi Kinder ah Zeugen
vemommen werden müssen, und zwar ans dem eingeben
Omnde, weil sie oft die einzigen Zeugen sind, die Auf-
schluß geben können, vermittelst derer ein Yergehen oder
Terbrechen seine wohlverdiente Sühne nur erhalten kann.
Oder sollte derjenige, der z. B. an einem Kinde eine
straffällige Handlung begebt, einfach frei ausgehen dürfen,
nur weil keine andern Zeugen vorhanden sind, als Kinder
oder gar Kinder unter sieben Jahren?
Einem Lehrer, der in roher, barbarischer Weise das
Hafi einer väterlichen körperiichen Züchtigung über-
schreitet — und wer wollte leugnen, daß es leider Oottee
immer wieder Dippolde gibt? — , und der deswegen
zur Rechenschaft gezogen wird, kann und muß seine Tat
in den meisten Fällen nur durch die Zeugenaussagen von
Kindern nachgewiesen werden. Oder sollte ein bekanntes
Wort etwa umgewandelt werden in: Wo kein erwachsener
Zeuge ist, da ist auch kein Richter? Ein Yerbrechw,
4er sich im verschlossenen Zimmer oder am abgelegenen,
jedem andern Menschenauge verborgenen Orte des Waldee
an einem unschuldigen Kinde eines Sittlichkeitsverbrechens
schuldig gemacht und dadurch gar häufig den Keim
moralischeri sittlicher Tersumpfung in dassdbe gelegt
hat, kann oft nur durch das betreffende Kind seiner
scheußlichen Tat überführt und der gerechten Strafe über-
imtwortet werden. Es kann auch andere kriminalistisctie
FDle geben, jeder Riditer wird solche zu Dutzenden m
nennen vermögen, bei denen Kinder, auch unter sechs
oder sieben Jahre stehende, wenn nicht die alleinigen, so
doch die Hauptbe* oder Entlastungszeugen sind oder ge-
wesen sind. Wird durch sie die Sdiuld oder Unschuld
des Angeklagten auft unzweideutigste festgestellt, so muß
auch Verurteilung oder Freispruch erfolgen. Ein Anders-
bandeln wäre ein Verbrechen am Kinde, wäre ein Ver-
brechen an der ganzen Menschheit
Energisch muß aber dagegen Einspruch eriiobeb wer-
den, daß den Kinderaussagen von den untersudiendeii
— 6 —
Behörden vielfach za grofie Yertraueoaseligkeit entgegen«^
gebrmcht wird. Es ist Dicht genug, daß die notorischen
Lügner aasgesondert werden, sondern auch bei den ge*
wohnlich als wahrheitsliebend bekannten Kindern ist bei
ihren Bekundungen eher das größte Itjlißtrauen als ein
zu offenherziges Glauben dessen, was sie aussagen, am
Platza Denn ein Kind sagt nicht schlankweg die Wahr*
heit oder eine bewußte Lüge. Schon Jean Paui Fried*
rieh Richter j dieser große Herzenskenner, hat einmal ge-
sagt: »In den ersten fünf Jahren sagen die Ejnder kein
wahres und kein lügendes Wort, sie reden nur.c Dieses
Wort »bedarf insofern einer Erweiterung, als sich auch
über diese Altersstufe hinaus, ja durch das ganze Schul*
leben Fälle zeigen, wo man mit Erstaunen, in das sich
oft Schrecken mischt, sieht, wie ein Eind, über dessen
Wahrheitsliebe bis dabin nicht der geringste Zweifel ob-
waltete, unbewußt zum Lügner wirdc
Die Tatsache dieser unbewußten Ausaagefälschung wird
durch unsere Richter in sehr vielen, ich kann wohl sagen,
in den meisten Fällen, noch zu wenig in Betracht ger
«Igen, und 9war aus dem Gründe, weil den allermeisten
das nötige psycholgische Verständnis fehlt
Gar manchen Personen — und nicht zum wenigsten
Lehrern — samt deren Familien ist dadurch viel Kummer
und Sorge verursacht worden. Ist doch gerade der Lehrer
am alleröftesten Anklagen ausgesetzt, bei denen Kinder
die Zeugen sind. Neben den Anklagen wegen Über-
schreitung des Züchtigungsrechts spielen die wegen Sitt-
lichkeitsverbrechens eine große Bolle. Leichtfertige An-^
klagen gegen den Lehrer und auch gegen Ärzte und
FCurrer, überhaupt gegen Personen, deren Beruf häufigen
Verkehr mit Kindern mit sich bringt, gehören nicht zu
den Seltenheiten. Davon geben uns die Tagesblätter zur
Genüge Kenntnis. Und eg gibt Fälle, in denen der Weg
des gerichtlichen Verfahrens den unschuldig Inhaftierten
hart an den Abgrund des Verderbens führte, einzig und
allein auf die Aussagen von Eondern, welche sich schließ-
— 6 —
lieh als den yerschiedensten Ursachen entsprungene Un-
wahrheiten entpuppten. Nicht immer aber lüftet Jung-
frau Justitia ihre Augenbinde, um sich auf ihren Irr-
gängen zurechtzufinden. Wie oft wandelt sie nicht stolzen
Schrittes einher, unter ihren Füßen den Unschuldigen mit
dem Schuldigen zermalmend, nicht achtend des Weh-
klagens und Jammers umher. Es sei mir fern, die Schuld
hieran einzig und allein dem urteilsprechenden Bichter
zuzuschieben; die ganze Institution, der ganze Werdegang
des Juristen, das übliche gerichtliche Verfahren tragen
den größten Teil der Schuld.
Wenn ich mir nun die Aussagen Jugendlicher zum
Gegenstände dieser Abhandlung gemacht habe, so soll
dies auch nicht den Zweck haben , den Stab »Wehe«
über die Häupter der Kinder zu brechen. Lügen, be-
sonders Kinderlügen, hat es zu allen Zeiten und bei allen
Völkern gegeben, mit der Kinderlüge müssen alle Familien,
Schulen und anderweitigen Anstalten rechnen, Kinder-
lügen wird es geben bis in alle Ewigkeit, so lange der
Mensch eben unvollkommen ist^) Es gilt für uns viel-
mehr, den Ursachen dieser betrübenden, aber natürlichen
Krankheitserscheinung der kindlichen Psyche nachzuspüren,
um ihr die Wurzel abzuschneiden oder ihr doch wenig-
stens mit den geeigneten Mitteln entgegenzutreten. Man
hat in früheren Zeiten, und es geschieht auch heute noch,
außer Betracht gelassen, daß die Kinder wie in physischer,
so auch in psychischer Hinsicht nicht mit dem Maßstabe
gemessen werden dürfen, den man an Erwachsene anzu-
legen gewöhnt ist Jahrhunderte, ja Jahrtausende ist dies
unbeachtet gelassen. »Man unterwarf sie den gleichen
Maßstäben rigoristischer Sittlichkeit, man setzte als selbst-
verständlich voraus, daß ihnen die gleichen Arten und
Stärken des Wertens, die ähnliche Kompliziertheit über-
legter Wahlhandlungen zu eigen sein müßten, wie den
^) Ferdinand Kemsies in seiner »EiDführung« za den >Bei-
trftgen zur Psychologie und Pädagogik der Kinderlägen und Kinder-
anssagenc.
— 7 —
Erwachsenen, . . . erwies sich diese Voraussetzung als
falsch, so sah man darin leicht ein böses Manko, das
Ahndung und Änderung erheische. Man betrachtete sie
« . . nicht als Selbstwerte von besonderer Art und mit
berechtigter Sonderbeschaffenheit der inneren Willens-
tendenzen. Das wird jetzt anders, so sehr anders, dafi
man das neue Jahrhundert geradezu als das Jahrhundert
des Kindes bezeichnete i) Die Einderpsychologie schlägt
immer größere Wellen, und in immer weitere Kreise
dringt die Erkenntnis, daß man wohl unterscheiden müsse
zwischen Lügen im strengsten Sinne des Wortes und
ungewollten Aussagefälschungen, die ihren Ursprung in
verschiedenen das kindliche Seelenleben beeinflussenden
innem und äußern Ursachen haben, daß diese letztem
bei Aussagen, ganz besonders bei gerichtlichen Zeugen-
vernehmungen, aber auch die weitgehendste Beachtung
verdienen und verlangen, daß sie darum verstanden werden
müssen. Wenn es auch bei dem heutigen Stande der
Aussagepsychologie als Wissenschaft als ausgeschlossen
zu betrachten ist, nach feststehenden Normen für alle
Zeiten gültige Forderungen zu erheben, so haben die Be-
strebungen doch soviel bedeutsames und nicht wegzuleug-
nendes Material zu Tage gefördert, daß es wohl, wenn
man die Wichtigkeit der Sache gerade für uns Lehrer
hinzurechnet, an der Zeit ist, an der Hand kasuistischen
Materials und mit Zuhilfenahme des psychologischen Ex-
periments den Ursachen dieser Erscheinung nachzuspüren
und Vorschläge zu deren Abhilfe bezugsweise zum Schutze
gegen sie zusammenzustellen.
Um einer mißverständlichen Beurteilung der vorliegen-
den Abhandlung von vornherein zu begegnen, will ich
gleich vorweg bemerken, daß ich Fälle von Lügen aus ,,
pathologischer Ursache sowie die bewußt -absichtliche aus
dem Bereiche meiner Arbeit ausgeschieden habe.
«) L. William Stern, Beiträge Eur Psychologie der Aussage,
1. Heft, a 25.
— 8 —
Jeder Lehrer weiß aas dem Unterrichte an den Eldnen^
daß man bei Kindern nichts yoraussetzen darf. So paradox
es klingt, es ist doch eine allbekannte Tatsache, daß die
Kinder nicht za sehen, besser gesagt, nicht anzuschauen
vermögen. Ihr Auge zwar gleitet über die in ihrem
Gesichtskreis befindlichen und ihnen gezeigten Gegen-
stände hin, aber ihr Anschauungs vermögen ist dermaßen
gering, daß fast nichts oder doch nur sehr wenig als
Yorstellung in ihrem Geiste haften bleibt, wenn sie nicht
besoaders darauf aufmerksam gemacht werd^i. Als zu
Anfang des vorigen Jahrhunderts der Ruf nach An-
schauungspädagogik in der Schule laut wurde, begegnete
diese Forderung einer lächelnden Abweisung. Erst all-
mählich erkannte man die Notwendigkeit des Anschauungs-
unterrichts als besondere Unterrichtsdisziplin an. Heute
würde die Streichung dieses Zweiges des Lehrplans einer
Schule allgemeine Entrüstung hervorrufen, und das mit
Recht Von der Beobachtung und Auffassung gilt das-
selbe. Wie ungeschult das Beobachtungsvermögen
der Kinder ist, zeigen die Versuche Sterns mit etwa
40 Yolksschulkindern^ denen er einzeln ein in grellen
Farben gehaltenes Bild einer Bauernstube zeigte mit dem
Hinweise, daß sie es nachher beschreiben müßten. Der
zusammenhängende Bericht der Kinder zeitigte ein ziem-
lich günstiges Resultat. Es waren nur etwa 6% der
Angaben falsch. Allerdings schilderten die Kinder auch
nur das, was sie wollten, also das, was sie behidten
hatten, und das war sehr gering. Wmt ungünstiger ge-
staltete sich das »Verhör«. 33 % ^^^ Angaben der
Kinder war falsch; besonders viel unrichtige Antworten
erfolgten auf Fragen nach den Farben. Das Gesamt-
ergebnis der Fehlerprozentsätze stellt folgendes von Dr. Stern
aufgestellte Schema dar:
üoteretufe Mittelstufe Oberstufe
Knaben . . . 49%, 28 7oi 19%.
Mädchen ... 61 %, 49 7o, 18 %.
— 9 —
Ich bemerke hierbei, daß diese Yersache Sterns m. E.
insofern kein genaues Bild für die Beurteilung der foren-
sischen Aussagefähigkeit der Kinder geben können, als
de, abgesehen von dem Ruhenden, Konstanten der Bilder
als solche, besonders darauf aufmerksam gemacht wurden,
daß sie es nachher beschreiben müßten. Ihre Aufmerk-
samkeit war einzig und allein und mit alier möglichen
Schärfe auf den zu beschreibenden Gegenstand gerichtet,
während doch im gewöhnlichen Leben einmal meistens
eine Aufeinanderfolge von Begebenheiten den (Gegenstand
der Aussagebekundungen bilden und die Kinder zum
andern nie besonders darauf hingewiesen werden. In
Wirklichkeit wird sich also das Resultat entschieden un-
günstiger stellen, um aber die Beobachtungs- und Yor-
stellungsfähigkeit überhaupt zu prüfen, sind sie sehr wohl
geeignet, da man mit ziemlicher Bestimmtheit von den
Ergebnissen dieser günstigen Versuche auf die Resultate
einer Probe, die man an einen Vorgang des praktischen
Lebens knüpfen würde, schließen kann.
Wie wenig die Kinder wirklich sehen, geht femer
aus einem Versuche hervor, den ich selber in der Schule
mit 7Vs bis 9jährigen Kindern angestellt habe. Es
bandelte sich bei meinen Fragen um Gegenstände, die sie
während V« bis 1 7« Jahren und länger täglich vor Augen
gehabt haben, nämlich um G^enstände in ihrer Klasse,
um die Farbe des Sobrankes, des Pultes, der Wände, die
Zahl der Fenster, der Scheiben in denselben, ja sogar
um die Farbe von Sachen, die sie ständig im Gebrauch
haben. Es waren auch einige Suggestivfragen ein^^estreut
Die Zahl der zur Untersuchung herangezogenen Kinder
betrug 37. Sie wurden einzeln vernommen und kamen
mit den noch nicht gefragten Schülern nicht in Berührung,
BD daß ako eine Verständigung ausgeschlossen war. Auch
wußten sie vorher nicht, um was es sich handelte. Der
ElnÜMUieit wegen stdle ich die Fragen und die in Zahlen
ausgedrückten Antwoiten hier gegenüber:
— 10 —
riohtig falaoh nnbesL
1. Wieviel Fenster hat eure Klasse? .25 11 1
2. Wieviel Scheiben hat jedes Fenster? 6 25 6
3. Welche Farbe haben die Wände? 19 14 4
4. Welche Farbe hat das Lehrerpalt? 22 11 4
5. Hat der Deckel des Pultes auch
eine graue Farbe? 20 15 2
6. Wieviel Bilder hängen a.d. Wänden? 9 18 10
7. Welche Farbe hat euer Schulschrank? 26 8 3
S. Welche Farbe hat dein Federkasten ? 1 2 16 2 ^)
9. Ist das Papier, mit dem dein Schön-
schreibeheft bezogen ist, grau, gelb,
blau oder hat es eine andere Farbe? 20 17 —
10. Hat dein Schönschreibehefte. Schild? 20 17 —
1 1. Welche Farbe haben die Linien auf
der Schultafel? 32 3 2
12. Ist der Griff der Klingel aus Holz
oder Eisen? 21 13 3
13. Hat der Oriff der Schulklingel nicht
eine braune Farbe? 22 13 2
14. Ist der Fußboden im Hausflur auch
aus Brettern? 24 10 3
Dieser Versuch ergab ferner folgendes Resultat:
richtig falsch uobestimmt
Knaben . . . 50% 40V4V0) ^i^Vo-
Mädchen . . . 5IV2V0, 41V4%, ^ViVo-
Interessant ist der hohe Prozentsatz der falschen und
unbestimmten Antworten der Knaben bei den Fragen
12 und 13, nämlich 43 7* wnd AQ^It^U, da jeder Knabe
während der Zeit des Besuchs dieser Klasse die Klingel
wohl Dutzende Male in Händen gehabt hat. Es ist eine
kleine Handklingel mit tiefschwarzem Holzgriff. Des-
gleichen ist es bezeichnend, daß viele Kinder nicht die
Farbe des Umschlags ihres Schönschreibeheftes anzugeben
^) 7 hatten keinen Federkasten.
— 11 —
wußten, trotzdem auch ihre Aufisatz-, Diktat- und Zeichen-
hefte, ja selbst die Kladden mit einem blauen Bezug ver-
sehen sind, wie es ebenso bemerkenswert ist, daß circa
46% aller Kinder irrtümlich behaupteten, ihr Schreibe-
heft habe ein Schild, da doch kein Heft mit einem Schilde
Torsehen ist Ohne Zweifel ist dieses ungünstige Er*
gebnis der Suggestivform der Frage zuzuschreiben, des-
gleichen bei Frage 13.
Noch unzuTcrlässiger sind die Aussagen der Kinder,
wenn es daraaf ankommt, kurze Gespräche oder auch
nur von einer Person gesprochene Worte wiederzugeben.
Als Beispiel hierzu vergleiche die Fragen 15 bis 18 meines
Versuchs auf S. 21: 48^8% ^^^ Antworten war richtig,
36 VsVo falsch, lö^o unbestimmt. Bei einem 9 Tage nach
dem Vorgange vorgenommenen Versuch stellte sich bei
denselben Fragen das Ergebnis wie folgt: richtig — 16 7o«
falsch -> 34 7o) unbestimmt — 50 Vo-
Gar keine Glaubwürdigkeit verdienen Kinder bei Be-
schreibung einer Person oder eines Ortes. Wie Kinder
darüber streiten, ob der Mann eine graue oder schwarze
Jacke angehabt habe, ob der Hut hell oder dunkel, weich
oder steif, oder ob es nicht gar eine Mütze gewesen sei
usw. — das muß man übrigens gehört haben — , zeigt
ein Fall aus meiner eigenen Schulzeit. Es galt, die Per-
sonalien eines Diebes festzustellen, der an uns Kindern
vorbeigegangen war. Gesehen hatten ihn die meisten von
uns. Große Meinungsverschiedenheit aber trat ein, als
wir geftagt wurden, wie lange es her sei. Als es nun
noch gar galt, ihn zu beschreiben, wäre es entschieden
zu einer regelrechten Schlacht unter uns Jungen ge-
kommen, wenn nicht der Lehrer als Oberstkommandierender
>Da8 Ganze halt« geboten hätte; jeder war nämlich be-
reit, dem andern handgreiflich die Richtigkeit der eigenen
Aussage zu beweisen. Und als der weitreichende Arm
der Polizei den Übeltäter etwa eine Stunde später wieder
an unserer Schule vorüberführte, stimmte wohl keine Bo-
Schreibung.
— 12 —
Es m5ge die zahleninäßige Daretellang eines JBxpeii-^
mentes folgen. An Kinder des 3. und 4. Schu^ahres, also-
im Alter von 8 und 9 Jahren, habe ich nachstehende
Fragen über das Äußere eines Herrn gestellt, der bis Tor
1 Monat ihr Klassenlehrer gewesen war und auch nach
dieser Zeit noch wöchentlich 2 Unterrichtsstunden in ihrer
Klasse erteilte. Außerdem war der Kollege, gerade als
ich das Experiment beginnen wollte, in einer die Schule
betreffenden Angelegenheit in der Klasse, so daß er von
allen Kindern gesehen werden konnte. Über die in meinen
Fragen vorkommenden, den Kindern nicht geläufigen Be-
griffe waren sie in einer der vorhergehenden Standen
unauffällig aufgeklärt worden. Die Fragen und Antworten-
möge folgende Aufstellung veranschaulichen:
richtig falsch nnbest^
1. Wer war soeben in der Klasse? .23 — —
2. Welche Farbe hatten seine Bein-
kleider (Hosen)? 11
3. Was für eine Jacke hatte Herr K. an ?
4. Welche Farbe hatte sein Hut? . .
5. War es ein steifer Hut? ....
6. Hat Herr K. auch einen Bart?
7. Was für einen, Voll-, Backen- oder
nur Schnurrbart? 11
8. Welche Farbe hat sein Bart? . .
9. Ist der Schnurrbart lang oder kurz?
10. Was für Haare hat Herr K.? . .
11. Welche Farbe hat sein Überzieher?
12. Was trug Herr K. in der Hand,
als er hier war? 8 6 9
Ziehen wir das Oesamtergebnis, so sind etwa 43%
aller Angaben richtig, 40% direkt falsch und 17% un-
bestimmt. In die Augen fallend ist die hohe Zahl der
bischen Antworten bei den Fragen nach den Farben, also
^) Zwei Boheideo bei diesen Fragen aas, weil sie ftlaehlieli aa-
gaben, Herr K. habe keinen Bart
11
7
fr
8
8
7
a
30
1
14
S
4
31
3
11
7
3»)
3
13
6»)
10
10
1>)
a
19
3
7
13
4
— 11 —
1m1 3| t, 4, 8, 10 und 11. Hierdurch wurde ich yei^
jsriaBl, die FarbeukenutDis Oberhaupt zu prfifen. Dabei
^gab eich, daB die Kinder nur in wenig Farbenkomplexeo
bewandert waren. Daeselbe hat Landgerichtaarzt Dr. Weixel
bei eeinen Untersuchungen an Erwachsenen bestätigt ge-
funden.^) Außerdem zeigten sieb die meisten Kinder
▼dlKg untthig in ier Bestimmung der Farben nüancen, ja,
^n tieferes Braun wurde ron der größten Mehrzahl au6
•entednedenste als sciiwarz bezeichnet
Das rind die Resultate über die ZeugnisfiUiigkeit der
Kinder in Bezug auf Personidbeschreibungen , wenn die
Wahrnehmung sowohl wie die Aussage im Stadium der
geistigen Rahe, des seelischen Oleichgewichts erfcrfgt ist;
wie nun aber^ wenn Affekte, Zustände der Angst, des
Schrecknis, des Entsetzens mitsprechen? Wie sehr die
Wahrnehmung durch sie getrübt werden kann, ersehen
wir an dem »Fall Noelle«, der im rorletzten Sommer
em ungeheures Aufeeben errate. Für diejenigen Leser,
4ie mit ihm nicht oder nicht mehr vertraut sind, mi^
eine kurze Schilderung folgen.
Frau Oeheimrat iVb^Ue- Berlin mit ihren 3 Kindern
— 2 I[naben und 1 Mädchen — sowie der Oesellscbafterin
besteigt abends 11^^ den Bäderzug nach Norderney.
Alle machen es Adb bequem und geben sich dem
Schlummer hin mit Ausnahme des 13 V« jährigen Otto,
wacher nach seiner Behaoptung gewacht haben wilL
Nach etwa IVs ständiger Fahrt, hinter Rathenow, öffnet
pUtziich mne Termnmmte männliche Gestalt schnell und
gewandt die CkmpeetOre Ton außen und steht, ehe Otto
N. seine neben ihm sitzende Mutter zu wecken vermag,
unter den aus dem Schlafe Aufgeschreckten, denen er
mit en^egengehaltenem Revolver das Oeld abverlangt
Bbemo gesohickt, wie er gekommen, entweicht er. Was
fftp une Mlu von Interesse ist, sind die Berichte über
4iBB AoBMheB des Räubers. Jeder will andere Wahr^
^ Br. r. jRmmMfe, Bfe f&ydhologit des Geriohtssaales.
— 14 —
nehmungen gemacht haben, die sich in einzelnen Fällen
sogar diametral gegenüberstehen. Der telegraphische Be-
richt des »Oen.-Anz. für Dortmund und Umgegendc sagt:
»Die Familienangehörigen sind sich nicht klar darüber,,
ob er einen sogenannten Automobilmantel hatte oder ob
er nur ein über den ganzen Körper geworfenes Tuch
trug. Auch weiß man nicht genau, ob diese Umhüllung
dunkelbraun oder schwarz war. Die Kinder behaupten^
daß der Räuber sich viereckige Löcher für die Augen
hineingeschnitten habe, während die Gouvernante glaubt,
daß die Offnungen rund waren. Nur eins wollen alle
Beteiligten ganz genau wissen, daß der Räuber sich die
Augenbrauen und die Ränder unterhalb der Augen schwarz
gefärbt habe. . . . Über die Art des Oriffes (des Revolvers)
konnte nichts festgestellt werden, weil er ihn ständig in
der rechten, wie Heinz und Otto dagegen behaupten, in
der linken Hand trug. Unaufgeklärt ist, ob der Fremde
das erbeutete Oeld in die Tasche der Umhüllung oder in
die Hosen- oder Rocktasche gesteckt habe. Wie schwer
es war, unter den obwaltenden Umständen den Täter zu
identifizieren, beweist der Vorgang, der sich wenige Mi-
nuten später auf dem Bahnhofsterrain in Stendal abspielte.
Frau Oeh.-Rat N. wollte dort einen Mann als den Täter
wiedererkannt haben, und zwar an den Augen. Es stellte
sich bald heraus, daß dieser Mann mit dem Überfalle
nichts zu tun gehabt und überhaupt nicht den Norder-
neyer Zug benutzt hatte. . . . Die übrigen Familienmitglieder
konnten übrigens keine Ähnlichkeit feststellen.« Soweit
der Bericht Wenn man auch die geringe Helle und den
vorhergegangenen Schlaf in Betracht zieht, so wird da-
durch doch noch nicht die große Verschiedenheit in
den Bekundungen erklärt, wenn man nicht den starken
Affekt, dessen Einfluß alle Familienangehörigen unter-
standen, in Betracht zieht. Affekte trüben unbedingt
die Wahrnehmungen und verfälschen die Aus-
sagen.
Ein abschließendes Urteil, ich meine, ein genaues Re-
— 16 —
sultat, können diese und alle andern bisher angestellten
Versuche und die hier angeführten Beispiele nicht er-
geben, dazu ist das Material ein zu geringes. Es müßten
zu diesem Zwecke nach einheitlichen Gesichtspunkten
eingerichtete Massen versuche angestellt werden, obwohl
ich kaum glaube, daß in den Ergebnissen nennenswerte
Verschiebungen eintreten würden. Doch aber ist es zum
Zwecke der Aufstellung eines authentischen Beweismaterials
notwendig. Die Bestrebungen des Vereins für Einder-
psychologie zu Berlin, ein großes Material von Einder-
lögen und Eanderaussagen zusammenzubringen, um es
für wissenschaftliche und praktische Zwecke psychologisch
zu bearbeiten und bereit zu stellen, sowie alle ver-
wandten Bestrebungen, sind darum mit großer Freude
zu begrüßen. Soviel aber geht aus den hier mitgeteilten
Experimenten und Beispielen hervor, daß Beschreibungen
eines Ortes oder einer Persönlichkeit — denn was von
dem einen gilt, gilt auch von dem andern — , speziell
die Angabe eines Signalements durch Kinder überhaupt
keine Glaubwürdigkeit beizumessen ist.
Die Eonfrontation möchte ich eine Personalbeschrei-
bung der Tat nennen. Für sie gelten dieselben Vor-
bedingungen bezüglich der Beobachtung und Wahr-
nehmung wie bei der mündlichen Kennzeichnung einer
Person; es treten mithin bei ihr dieselben Folgen der
Verfälschung ein, ja sie sind bei der so beliebten Einzel-
konfrontation infolge der durch diese bedingten starken
suggestiven Beeinflussung weit größer und gefährlicher.
Doch soll in einem späteren Abschnitte noch ausführ-
licher darauf eing^angen werden. Hier nur soviel, daß
die Einzelkonfrontation unter allen Umständen unter-
bleiben müßte; durch die Wahlkonfrontation allein wäre
dem jugendlichen Zeugen Gelegenheit gegeben, entweder
seine Behauptung, er erkenne den Schuldigen wieder,
zweifellos zu beweisen oder die Unmöglichkeit dessen
einzugestehen.
Mit womöglich noch größerer Vorsicht muß man den
— 16 —
Zeugenbekondungen der Kinder entgegentreten, wenn man
bedenkt, daß zudem ihre Erinnerungsfähigkeit über
Gehörtes and Gesehenes eine minderwertige ist Welcher
Lehrer hätte nicht immer wieder über die Yergeßlichkeit
seiner Schüler zu klagen?! »Ich wußte es nichtc und
»ich habe das vergessene sind nur zu häufig auftretende
Antworten auf Fragen von selten der Lehrer und Eltern.
Das ist nicht immer bloße Nachlässigkeit, wie so oft von
den mit dem innersten Seelenleben der Kleinen un-
bekannten Erziehern angenommen wird; das ist keine
Erscheinung, die durch schärfere Behandlung oder gar
durch Strafe ausgerottet werden könnte. Wie alles, muß
auch das Erinnern anerzogen werden, wozu uns Lehrern
die verschiedensten Unterrichtsdisziplinen und die ganze
Handhabung der äußeren und inneren Schulzucht vor-
zügliche Mittel in die Hand geben, die aber leider in der
angedeuteten Bichtung nicht vollwertig ausgenutzt werden,
infolge der Oberfüllung des Stoffes und der immer mehr
und mehr um sich greifenden Veräußerlichung unserer
Schularbeit auch nicht zur Genüge ausgenutzt werden
können. Der Einführung eines besonderen Erinnerungs-
unterrichts möchte ich aus pädagogischen Gründen aller-
dings aufs lebhafteste widersprechen.
Der Bichter nun nehme mit äußerster Vorsicht auf
die Tatsache der geringen Erinnerungsfähigkeit des Ejndee
Bücksicht und verleite es nicht etwa zu Fälschungen
durch Einwürfe wie: »Wenn du es gehört haste oder:
»Wenn du dabei gewesen bist, mußt du es doch wissen.«
Das ist eine Suggestion im stärksten Maße. Vor Über-
schätzung des kindlichen Gedächtnisses ist überhaupt nioht
genug zu warnen.
Unterstützt werden die ErinnerungsfiUschungen noch
durch den langen Zeitraum zwischen der Wahr*
nehmung und dem Verhör. Dr. Stern will gefunden
haben, daß der Fehlerprozentsatz bei seinen Experimenten
von Tag zu Tag durchschnittlich um etwa Vst ^^^ zwar
mit merkwürdiger Gesetzmäßigkeit, zunimmt Die Zeit
— 17 —
wirkt somit schwächend auf unsere Erinnerung ein.
Das ist eine so allgemein bekannte Tatsache, deren
Wahrheit jeder an sich und andern, auch an Kindern,
leicht beobachten kann, so daß sich ein experimenteller
Nachweis dafür erübrigt. (Doch vergleiche S. 20/21.)
Weit wichtiger jedoch ist das Ergebnis der experi-
mentellen Psychologie, daß die Zeit auch gleichzeitig
fälschend einwirkt Während bei einem etwa 1 Stunde
nach dem Hergange von mir vorgenommenen Versuch
der Prozentsatz der richtigen Antworten 47 betrug, ver-
minderte er sich schon bei einem zweiten unter gleichen Be-
dingungen und in derselben Weise erfolgten Experiment,
bei welchem zwischen Vorgang und Verhör ein Zwischen-
raum von 9 Tagen lag, auf 34,5.
Dr. Äug. Diehl, Nervenarzt in Lübeck, und Dr. jur.
S. Jaffa kommen allerdings zu andern Ergebnissen, der
eine auf Omnd seiner eigenen Untersuchungen, der andere
in seiner kritischen Beleuchtung des von Oeh.-Rat v. Lifst
im kriminalistischen Seminar der Universität Berlin an-
gestellten psychologischen Experimentes. Allerdings, und
das muß ich vorausschicken, beide nehmen auf Kinder
nicht Bezug, sondern urteilen von den zum Versuche
verwendeten erwachsenen Personen, die alle den ge-
bildeten Ständen angehörten. Wenn nun Dr. Jaffa im
Verlaufe seiner kritischen Ausführungen zu dem Ergebnis
kommt: »Das einmal aufgenommene Bild verblaßt, das
Nacheinander tritt allmählich immer mehr in der Er-
innerung hervor,€ und wenn Diehl zu der »überraschen*
den Erfahrung kommt, daß nicht unter allen Umständen
die Verlängerung der Zeit das Erinnerungsvermögen
schädigt, wenn eine bestimmte Aufgabe dem Gedächtnis
gestellt war,« so schlieJßen sie eben, vorausgesetzt, daß
ihre Ergebnisse überhaupt zutreffend sind, nur von den
gebildeten Versuchspersonen, die außerdem, bei Diehl
wenigstens, wußten, worum es sich handelte, nicht aber
von Kindern, die zudem über den Zweck des Experi-
FBd. Mag. 812. Hichel, Zeugniafähigkoit d. Kinder. 2
— 18 —
meDtes vollständig im Unklaren sind, ja nicht einmal
wissen, daß es sich überhaupt um einen Versuch handelt,
deren Anspannung der geistigen Kräfte also nicht eine
über das gewöhnliche Maß hinausgehende ist Geschähe
das aber auch, so bin ich doch davon überzeugt, das Er-
gebnis wäre dahingehend, daß das Nacheinander ebenso
verblaßt wie das einmal aufgenommene Bild, und daß
unter allen Umständen und nach jeder Richtung
die Zeit das Erinnerungsvermögen schädigt. Ich möchte
selbst nicht die Forderung Diehls zu der meinigen
machen: »Bei absichtlicher Erinnerung scheinen Kinder
ganz besonders zu langem, treuem Einprägen befähigt zu
sein.« Unsere Schulergebnisse zeitigen ganz andere Re-
sultate. ^)
Wie sehr die Zeit wirklich das Erinnerungsvermögen
zu beeinträchtigen im stände ist, werden folgende von
mir mit Genehmigung und Hilfe meiner Vorgesetzten
vorgenommenen Versuche zeigen. Auch in anderer Hin-
sicht sind sie gewiß lehrreich.
Der Zweck des ersten Experimentes war in der Haupt-
sache, die minderwertige Beobachtungs- und Auffassungs-
gabe der Kinder zahlenmäßig festzustellen; der zweite
Versuch verfolgte neben diesem Zwecke noch den, die
Trübung und Verfälschung der Erinnerung durch die
längere Zeitdauer zwischen Wahrnehmung und Aussage
— gleichfalls zahlenmäßig — nachzuweisen. Beide Ver-
suche fanden, wenn auch in verschiedenen Schulen, so
doch unter möglichst gleichen Bedingungen statt.
Wie ich schon hervorgehoben habe, sind zwar die
Versuche Stenis mit Bildern sehr wohl geeignet, die Aus-
sagefahigkeit der Kinder im allgemeinen festzustellen; je-
doch geben sie kein lebenswahres Bild. Ein solches
können wir nur gewinnen, wenn wir unsere Versuche an
Vorgänge anschließen, da eben Vorgänge, Handlungen in
*) Beiträge zur Psychologie der Aussage, 1. Hefl, 8. 112 n. s. f.
und S. 79 Q. 8. f.
— 19 —
den allenneisten Fällen die Ursachen eines Oerichts-
beechiosses bilden.^) Da außerdem wir Lehrer gerade
Tiel wegen »Überschreitung des Züchtigungsrechts« mit
dem Staatsanwalt in Konflikt geraten, habe ich meine
Versuche an einen Vorgang der Züchtigung geknüpft
Um in der Festlegung des Tatbestandes ganz sicher zu
g^en, hatte ich mir schon vor Vollzug der Strafe folgen-
des Schema gemacht: Der Knabe (R. B.), (9) Jahre alt,
erhielt w^n (wiederholter Trägheit) von mir (3) leichte
Stockschläge (auf das Oesäß). Zu dem Zwecke war er
von seinem Platze in die Nähe des Lehrertisches ge-
kommen und (hatte sich bücken müssen. Mit meiner
linken Hand hob ich den unteren Teil seiner Jacke in
die Höhe, während ich mit der rechten Hand die Strafe
vollzog). Der Knabe ist sonst weder geschüttelt noch
überhaupt von mir berührt worden. Nach erfolgter Be-
strafung sagte ich: »So, und wenn du (das nächste Mal
wieder so faul bist), kommt's etwas besserte worauf sich
der Knabe auf seinen Platz setzte. (Die in Klammem ()
stehenden Worte habe ich direkt vor Vollzug der Strafe
hineingeschrieben.)
Nach etwa einer Stunde erschien der Lokalschul-
inspektor, mit dem ich mich vorher ins Einvernehmen
gesetzt hatte, und schritt zum Verhör der Kinder. Ein
Kollege hatte das Protokollieren übernommen. Die Kinder
befanden sich in dem Glauben, das Verhör sei ein amt-
liches, weil die Strafe zu derb gewesen sei. Sie wurden
einzeln in ein leerstehendes E[lassenzimmer gerufen und
ihnen dort in meiner Abwesenheit die von mir vorher
^) Nach FertigstelliiDg vorliegen der Arbeit bekam ich den Vor-
trag >Die ForschaogoD zur Psyohologie der Anssage« zur Hand.
Dort heiSt es auf S. 57: »Bei Fftllen der strafrechtlicheD Praxis
handelt es sich meiateDS um SitaatioDen oder Ereignisse, welche
wahrgenommen wurden oder reproduziert werden sollen. Es wäre
demnach anscheinend am besten, einen wirklichen Vorgang vorzu-
fahren und die FShigkeit dei Erinnerung daran zu prüfen.« (Prof.
B, Scmimer-GieAen.)
2*
üM^mMM
— 20 —
genau formulierten und zu Papier gebrachten Fragen
vorgelegt. In der Protokolliste waren für jedes Eind so-
viel Rubriken freigelassen, wie Fragen vorbanden waren,
also 18 (beim zweiten Versuch 19). In das betreffende
Fach wurde von dem Kollegen nach der Antwort deR
Kindes entweder ein r (richtig), ein f (falsch) oder ein ?
(ich weiß es nicht) eingetragen. Die verhörten Kinder
kamen mit den noch nicht gefragten nicht zusammen,
eine Verständigung war also ausgeschlossen. Es handelte
sich um Kinder des 3. und 4. Schuljahres.
Ich meine gerade durch das »amtliche« Verhör, wie
es ähnlich doch auch an Oerichtsstelle gehandhabt wird,
den Versuch möglichst lebenswahr gemacht zu haben. ^)
Ein Irrtum von selten der Experimenteure ist infolge der
sorgfältigen Vorbereitung vollständig ausgeschlossen.
Fragen : Antworten :
richtig falsch unbest
1. Wer ist gestraft worden (wer ist
vor einiger Zeit gestraft usw.)? 10 4 1
2. Wofür hat er die Strafe erhalten? 4 9 2
3. Womit hat der Herr Lehrer ihn
gezüchtigt? 9 5
4. Wieviel Schläge hat der Knabe
bekommen? 3 10
5. Mit was für einem Stocke hat
der Herr L. ihn gezüchtigt? .
6. Wie lang war der Stock? . .
7. Wie dick war der Stock? . .
8. Suche ihn von diesen heraus?
9. Strafte der Herr L den Knaben
nicht in der Bank? .... 8
7
6
2
6
8
1
4
10
1
7
6
2
Gp
5*
00
o
3
pr
G
3
OD
INS
^) Ein Verhör an Gerichtsstelle kann m. E. höchstens uogäostiger
ausfallen, da die Umgebung sowohl wie die Personen dem Kinde
fremd sind und dadurch Befangenheit in ihm erzeugen. Befangen-
heit aber wirkt gleichfalls fälschend auf die Erinnerung und leistet
der Suggestion Vorspanndienste.
"1
o
sr.
0«
OD
o
f
0:
5
5
ü
— 21 —
riohtig falsch unbest.
10. Hat der Herr L. den Knaben
nicht über die Bank herüber-
gezogen? 9 5 1
11. Hat der Herr L. dem Knaben
auch eine Ohrfeige gegeben? .951
12. Waren es nicht mehrere Ohr-
feigen? 9 5 1
13. Zupfte der Herr L. den £[naben
nicht aach am Haare oder am
Ohre? 8 6 1
14. Hat der Herr L. zu dem Knaben
etwas gesagt und was? ... 7 6 2
15. Hat der Herr L. zu dem Knaben
Schimpfworte gebraucht? . . 7 5 3
16. Welche? 7 5 3
17. Hat der Herr L. nicht gesagt:
»Ich werde dich ein andermal
so verhauen, daß du nicht sitzen
kannst?« 8 6 1
18. Wie weit hast du von dem ge-
straften Kinde entfernt gesessen? 5 8 2
(19. Wie lange ist es her, daß der
Knabe gestraft worden ist? 18,2 7o^ 27,3 7o» B^)57o-)
Das zweite Experiment fand, wie gesagt, unter mög-
lichst gleichen Bedingungen statt, auch hier war alles,
wie beim ersten vorbereitet. Nur habe ich es an einer
andern Schule ausgeführt, jedoch mit Kindern derselben
Jahrgänge, da ich meine, daß bei einem zweiten Yer-
Bucfae in meiner eigenen Klasse die Sander durch die
Erinnerung an den ersten in dieser oder jener Richtung
beeinflußt worden w&ren. Außerdem war ihnen nach
vollzogenem Verhör gesagt, es habe sich nur darum ge-
handrit, festzustdlw, ob sie auch »genau die Wahrheit
mgteo€. Der Tatbestand war bei diesem zweiten Ver-
suche von dem Klassenlehrer auf meine Veranlassung in
derselben Weise festgesetzt, wie ich es vorher angegeben
P
— 22 -
habe. Als ProtokoUftihrer fungierte ich, während das
Verhör der Kreisschuiinspektor freundlichst übernommen
hatte. Es wurden den Kindern dieselben Fragen vor-
gelegt mit Hinzufügung der letzten (Wie lange ist es her,
daß der Knabe gestraft ist?). Die Antworten dieser Frage
habe ich in Prozenten dahinter gesetzt. Im ganzen ge-
staltete sich das Resultat wie folgt: riohtig «» 34,6 7oi
falsch sa 21,4 7o9 unbestimmt »> 44,1 7o* Hiemach ist
die Zahl der richtigen Antworten von 47 auf 34,6%
heruntergegangen.
Die Fehlerzahl der Antworten ist bei meinen Versuchen
eine bedeutend höhere als die durch Stern festgestellte.
Das ist aber sehr erklärlich, wenn man bedenkt, daß es
sich hier nicht wie dort um etwas Feststehendes, wie es
eben ein Bild ist, handelt, sondern der Versuch an einen
dem täglichen Leben entnommenen Vorgang angeschlossen
ist. Abgesehen von den schon erwähnten Ursachen scheint
mir aber der Schwerpunkt dieser Erscheinung darin zu
liegen, daß den iS'/ßrn sehen Versuchspersonen jegliches
persönliche Motiv der Zu- und Abneigung, der
Liebe und des Hasses fehlt, ja, sie können kaum ein
ernstliches Interesse, außer dem rein wissenschaftlichen,
an dem Ausfalle des Versuchs gehabt haben. Bei den
von mir veranstalteten Experimenten spielte die Partei-
lichkeit entschieden eine bedeutende Bolle. War es doch
der Freund oder Bruder, den der Lehrer gezüchtigt hatte;
saß doch noch von einer an dem bezeugenden Ejnde
durch denselben Lehrer vorgenommenen früheren körper-
lichen Strafe ein gewisser Oroll gegen ihn im Herzen;
fürchteten doch andere hingegen, ihrem geliebten und
verehrten Lehrer könne eine Unannehmlichkeit erwachsen.
Dies und ähnliches sind unbewußte Erwägungen im Innern
des zur Aussage herangezogenen Ejndes und bewirken
naturgemäß unbewußte Fälschungen. Nathan Oppenheim
führt hierzu in seinem Buche »Die Entwicklung des
Kindes« ^) folgendes beachtenswerte Beispiel an. Es ist
') Seite 105.
— 23 —
dies ein darch die Zeitungen verbreiteter Fall, »in welchem
zwei kleine Schwestern in einem Ehescheidungsprozeß
gerade entgegengesetzte Darstellungen über die häuslichen
Beziehungen ihrer Eltern gaben, obgleich die einzige
wirkliche Ursache für diese äußerste Verschiedenheit der
Aussagen in einem Unterschied in den Sympathien be-
stand. Der Anhänger des Vaters sah der Mutter Hand-
lungen in einem ungünstigen liebt, während der Bericht
des andern Kindes die Beziehungen von Lob und Tadel
gänzlich umkehrte.c »Übrigens, c so fahrt Oppenheim
fort, »braucht deshalb der ehrliche Wunsch der Kleinen,
die Wahrheit zu sagen, keineswegs bezweifelt zu werden.
Die Verwirrung lag nicht in ihrer Absicht, sondern viel-
mehr an ihrer Art zu urteilen.«
Niemand zu Liebe und niemand zu Leide! Dieses
Wort unparteiischer Zeugenaussage können die Kinder in
den seltensten Fällen befolgen. Selbstverständlich kommen
für uns diejenigen ganz außer Betracht, welche ihre Be-
kundungen wissentlich zu Gunsten oder Ungunsten der
einen oder der andern Partei fälschen. Aber auch die-
jenigen, welche mit bestem Willen bestrebt sind, objektiv
wahr zu sein, verfallen gar zu leicht dem Einflüsse ihres
Gefühls. Das Kind braucht noch gar nicht in den Strudel
der kämpfenden Menschheit hineingerissen zu sein; aber
ihm unbewußt fließt in seine Worte doch etwas hinein
von dem, was ihm die Seele bewegt Sehr häufig wird
diese Aussagefälschung größer durch die Fragen des
Richters.
Was aber gerade bei diesem Kapitel noch besonders
hervorgehoben zu werden verdient, ist die, ob beabsich-
tigte oder unbeabsichtigte, Beeinflussung des Kindes
durch andere Personen oder, wenn es schon größer
ist und, wie es bei frühreifen Kindern der Jetztzeit nicht
selten vorkommt, die Zeitung genau so eifrig liest, wie
Papa und Mama es tun, besonders die Sensationsartikel,
durch die Presse. Der gerade in dieser Beziehung
sehr lehrreiche Berchtold-Prozeß zeigt uns, daß erwachsenen
— 24 —
»vernünftigen« Personen dareh die in der Zeitung ver-
ö£fentlichte Photographie Berchtolds die Ansicht suggeriert
wurde, sie hätten diese selbe Person gleichfaUs da oder
dort gesehen. »Unter 210 geladenen Zeugen befanden
sich 18, deren Aussagen sich auf eine Beeinflussung durch
Zeitungsnotizen zurückführen ließen. Einer unter diesen
behauptete z. B., er habe an einem Freitag Vormittag den
Angeklagten zu einer bestimmten Zeit dreimal in der
Nähe des Tatortes (eines Hauses in der Karlstraße) er-
blickt und nach Veröffentlichung der Photographie sofort
wiedererkannt. Mit dieser unter Eid abgegebenen Zeugen-
aussage stand aber die Tatsache in Widerspruch, daß be-
sagter Zeuge den gleichen Freitag Vormittag zu derselben
Stunde bei einer Gerichtsverhandlung anwesend war. Da
er nicht an zwei Orten zugleich sein konnte, so mag man
den Wert seiner Aussage hiemach bemessen. Sechs weitere
Zeuginnen — sämtlich Wohnungsinhaberinnen in Mün-
chen — behaupteten unter ihrem Eid ganz gleichmäßig,
daß sie den Besuch eines verdächtig aussehenden Mannes
erhalten hätten, der unter dem Verwände von E[losett-
arbeiten sich bei ihnen Eingang verschaffen wollte. In
dem Verdächtigen erkannten sie erst den Angeklagten B.,
als dessen Photographie veröffentlicht wurde. Ja mehr
noch, eine der Zeitungen stellte den B. in einer Kleidung
dar, die er niemals getragen hatte. Und eben diese nur
in der Phantasie des Zeichners vorhandene, nicht aber in
Wirklichkeit im Besitz des B. befindliche Kleidung will
eine der Zeuginnen an jenem Verdächtigen bemerkt
haben, ci) Wenn das schon bei Erwachsenen geschieht,
wieviel mehr bei Kindern?
Über die Beeinfiußbarkeit des Kindes durch andere
Personen während der langen Zeitdauer zwischen Wahr-
nehmung und Verhör äußert sich Rechtsanwalt Dr. t\Pann-
tvitx^ der bekannte Verteidiger im Berchtold-Prozeß, also:
*) Dr. Frhr. v, Sckrenck - Notxing^ Kriminalpsyohologische und
psychopathologisohe Studieo, S. 116.
— 25 —
>WenD ein Kind ein paar Wochen nach dem zu be*
kundenden Yoifali vor Gericht erscheint, so können wir
nahezu immer mit Sicherheit annehmen, daß das Kind
unter dem bewußten oder unbewußten Einfluß dritter
Personen steht, die mit ihm gesprochen haben. Hierüber
herrscht volle Einigkeit unter den Gelehrten; aber die
Praxis glaubt den Kindern doch! Hier steht offenbar
in vielen Fällen der Bichter selbst unter der
Suggestion des treuherzigen Eindrucks des
Kindergesichts.c ^)
Weiteres hierüber siehe bei dem Kapitel »Suggestionc.
Femer mangelt dem Kinde die richtige Bewertung
des Zeitmaßes und der Baumverhältnisse, und zwar
das letztere dem Kinde der Großstadt infolge der be-
schränkten Bewegungsfreiheit mehr als dem Landkinde.
Die Zeit aber »spielt im Gerichtssaale eine große Bolle,
z. B. bei der Prüfung der Frage, ob ein Alibibeweis ganz
oder nur zum Teil als gelungen zu gelten hat usw.c.^
Haben aber selbst erwachsene Menschen keine Ahnung,
was beispielsweise 5 Minuten bedeuten, um wieviel weniger
die Kinder. »Ist es schon an und für sich ein großer
Unterschied, ob wir 5 Minuten in banger Spannung im
Yorzimmer des Zahnarztes oder in einer unterhaltenden
Theatervorstellung zubringen, so wird die Dauer kürzerer
Zeitspannen von ungebildeten Leuten (und Kindern. D.V.)
in der Begel überschätzt.« Dr. v. Panwwitx gibt in seinem
Vortrage »Die Psychologie des Gerichtssaales« ein ein-
iichee Mittel an, die Zuverlässigkeit derartiger Zeitangaben
an Gerichtsstelle bei Erwachsenen prüfen zu können, das
sich ebenso leicht bei Kindern anwenden läßt. Er sagt:
»Betritt ein Zeuge, von dem man annimmt, daß er die
Zeit nicht zu schätzen versteht, den Gerichtssaal, so möge
man eine anwesende Person , beispielsweise einen Gen-
darmen, . . . veranlassen, auf die Uhr zu sehen und sich
>) Dr. V, Pannwttx, Die Psychologie des Geriohtssaals.
*) I^eoda.
— 26 —
den Zeitpunkt der Vernehmung zu merken. Fragt man
sodann nach beendetem Verhör den Zeugen: Wie lange
sind Sie vernommen worden? und antwortet der Zeuge,
wie es häufig vorkommt: 15^20 Minuten, während seine
Vernehmung in Wirklichkeit nur 6 Minuten gedauert hat,
so ist . . . unzweideutig erwiesen, daß der Zeuge keine
Ahnung von Zeitbestimmungen hat Die Bückschlüsse
auf den jeweiligen Fall sind selbstverständlich. c Und an
einer andern Stelle sagt dieser selbe juristische Praktiker:
»Die Kinder insbesondere haben keine Ahnung von Zeit-
bestimmungen, c Darum hat es nicht nur keinen Zweck,
es ist sogar unstatthaft und im höchsten Orade zu ver-
werfen, wenn Kinder als Zeugen vernommen werden,
um eine gewisse Zeitdauer festzustellen, oder wenn
man die Aussagen der Kinder über Zeitwerten als
Belag oder Oegenbelag für einen versuchten Alibibeweis
benutzt
Kinder jüngerer Jahrgänge nach der Zeitdauer eines
Vorganges oder den räumlichen Verbältnissen zu fragen,
widerspricht sogar den einfachsten pädagogischen Grund-
sätzen, da eben ein solches Kind kaum eine Vorstellung
von der Zahl als Zeit- oder Baumgröße hat Auch das
so häufig beliebte Abschätzungsverfahren ist durchaus
nicht am Platze. Man frage z. B. an den Kindern un-
bekannten Orten bei Entfernungen über 10 m, wie weit
es wäre, und man wird in den allermeisten Fällen eine
falsche Antwort erhalten. Die vergleichsweise EntfemungB-
schätzung ergibt gleichfalls die Unfähigkeit des Kindes,
hierin Angaben zu machen, welche für die Beweiserhebung
auch nur von geringstem Nutzen sein könnten.
Gänzlich unstatthaft ist es, wenn gar der die Unter-
suchung führende Bichter seine Frage etwa in folgender
Weise formulieren würde: »Wie weit warst du von den
Männern, die sich schlugen, entfernt, vielleicht wie von
hier bis zu jenem Hause, jenem Baume?c Ich wette, in
den meisten Fällen wird das Kind mit »Ja« antworten.
Das »Nein« bringen nur sehr wenige heraus, nur geistig
— 27 —
hochbegabte; das normale Dorchschnittskind setzt sich
ungern zu dem Fragenden, besonders wenn dieser ihm
gegenüber eine Autorität bedeutet, in einen gewissen
O^ensatz. Tritt von Seiten des Richters gar noch Un-
mut hinzu, der sich in Worten, mit heftigem Tone ge-
sprochen, ja auch nur im Blicke äußert, so könnte er
alles, auch das Unmöglichste, aus dem Kinde heraus-
locken. Ein kurzes Beispiel möge dies bestätigen.
Auf meine Bitte in den Zeitungen um Mitteilungen
über Einderaussagen schreibt mir eine Dame, Frau Haupt-
lehrer R, ein Erlebnis aus ihrer eigenen Kindheit. Es
handelte sich um ein geringes Vergehen eines Mannes,
eines Schafers, neben dem die erwähnte Dame, damals
ein Kind yon 9 bis 10 Jahren, während des Augenblicks
der Tat gestanden hatte. Ich lasse die Stelle des Briefes
folg^i: »Nach einiger Zeit wurde ich vor Gericht ge-
laden. . . . Mir kam im Anfang die ganze Sache sehr
lächerlich yor, namentlich als mein ,Onkel^, der Amts-
richter, mich firagle, ob ich mit dem Angeklagten ver-
wandt sei So was dummes, das wußte doch der Onkel
ganz genau: ich, das Pfarrerstöchterlein, verwandt oder
verschwägert mit dem Schäfer!? Ich lache deshalb hell
heraus. Darauf werde ich vom Herrn Amtsrichter streng
auf den Ernst der Sache aufmerksam gemacht, und von
da an war es mit meiner Unbefangonheit vorbei. Er
hätte mir jede Antwort in den Mund legen können. Daß
ich den Angeklagten gesehen und gesprochen, bejahte ich
wahrheitsgetreu; über Zeit und Stunde hatte ich keine
Ahnung, sagte nur ja^, weil mir eben gesagt wurde, es
wäre wohl so gewesen. ,Wie weit warst du von dem
Angeklagten entfernt, als die Schafe das Kraut ab-
fraßen? Wohl ungefähr so weit wie von hier nach B.s
Haus?^ (Das waren wohl 50 m.) ,Ja,^ sage ich, obwohl
ich dicht daneben gestanden hatte. Es war die Antwort
wohl von keinem großen Belang; . . . doch ich hatte die
Unwahrheit gesagt, nicht mit Bewußtsein, hatte auch nicht
den geringsten Zweck dabei, aber der Onkel Amtsrichter
— 28 —
fragte: Nicht wahr, ungefähr so weit war es? und da
sagte ich einfach ja.«
Gelegentlich einer Spielstunde habe ich die Schüler
meiner Klasse, Knaben und Mädchen von 8 V, bis 10 Jahren,
die Länge des Schulhofes abschätzen lassen. Es erübrigt
sich, die Resultate der einzelnen Abschätzungsleistungen,
etwa 50 an der Zahl, hier wiederzugeben; denn nicht
ein einziges Kind war im stände, die Entfernung,
I7V2 1^) Auc^ ^u^ einigermaßen richtig anzugeben. 12 m
war das Höchste, das sie brachten; sie unterschätzten
alle. Und dabei war gel^entlich der Heimatkunde in
der Stunde oder 2 Stunden vorher absichtlich mit dem
Meter- Lineal tüchtig gemessen worden, die Schultische,
das Schulzimmer, das Schulhaus u. a. m., mit Ausnahme
natürlich des Hofes.
Auch das lange Warten der als Zeugen ror-
geladenen Kinder darf bei unsern Ausführungen nicht
außer acht gelassen werden. Oft erleben wir, daß Zeugen
für den frühen Vormittag vorgeladen werden und erst
nach Stunden zur Vernehmung gelangen. Das trifft Er-
wachsene und Kinder in gleichem Maße. Unsere Land-
kinder wohnen oft sehr weit von der Stadt, woselbst sie
vernommen werden sollen. Da heißt es frühe aufstehen,
um zu der in der Vorladung angegebenen Zeit an Ort
und Stelle zu sein. Die Aufregung hat sie kaum einen
Bissen genießen lassen; denn die Scheu vor dem Gerichte,
die Abneigung, mit ihm in irgend einer Weise zu tun
zu haben, ist bei ihnen, besonders den Kindern der Land-
bevölkerung, groß. In Eile wird der oft stundenlange
Weg zurückgelegt, um ja keine Minute zu spät zu er*
scheinen. Müde und abgemattet ist es endlich da und
sieht sich mit einem Male inmitten vieler anderer es neu-
gierig musternder Menschen entweder auf einem zugigen,
dskalten Korridor oder in einem kahlen, überheizten
Zimmer stehen. Selten weisen unsere Oerichtshäuser ein
ordentliches Zeugenzimmer aui Und doch müßte gerade
hier der Grundsatz gelten, durch gemütlich ausgestattete
— 29 —
Umgebung das Kind zutraulich zu machen. Aber statt
d^sen — ? Der Abgeordnete Brömel wird nicht so un-
recht haben, als er in der Sitzung des Abgeordnetenhauses
vom 17. Februar 1906 den Ausspruch tat: »Der Zustand
der Bäume, in denen man den Zeugen zumutet, oft
stundenlang zu warten, schreit zum Himmel« Hi^
nun bleibt das Eind, bis es an die Beihe kommt Nach-
dem es seine anfangliche Scheu einigermaßen überwunden,
wagt es schüchtern Blicke um sich zu werfen. Das erste
sind die Menschen; verstohlen beschaut es sich einen
nach dem andern. Dann folgen die Gegenstände im
Zimmer; bald ist es auch damit fertig. Doch ist aber
mittlerweile eine geraume Zeit verstrichen und die Zahl
der mit ihm Wartenden zusammengeschmolzen. Schon
während seiner Beobachtungsbeschäftigung hat es die
Furcht, seinen Namen zu überhören, in die Nähe der
Türe getrieben. Stunde auf Stunde verrinnt, und noch
immer wartet es. Die Aufregung steigert sich in dem
Grade, als die Zeit vorschreitet und der Baum leerer
wird. Hunger und Durst und Müdigkeit tun das ihrige
und jedesmal, wenn ein neuer Name genannt wird, schrickt
66 zusammen. Die Nerven sind aufs höchste gespannt,
und die Erregung bricht sich schließlich in einem Guß
von Tränen Bahn. Endlich ertönt sein Name. Nur mit
Mühe vermag es die momentane Lähmung der Angst von
den Gliedern zu schütteln und überschreitet nun pochen-
den Herzens, mit wirrem Eopf und fieberhaft jagendem
Puls die Schwelle des G^richtssaales, um in diesem Sta-
dium der übermäßigen Erregung seine Zeugenaussage
abzugeben, von der manchmal Leben und Tod eines
Menschen — wohlgemerkt eines Menschen! — abhängt,
die aber doch zum mindesten mit entscheidend wirken
soll für das »Schuldige oder »Nichtschuldig« der Bichter,
die entscheiden soll über die höchsten Güter des Menschen,
über Ehre und Freiheit Was wäre wohl widernatürlicher!?
Gewiß, unvorhergesehene verlängernde Momente können
bei Verhandlungen eintreten. Doch aber erscheint mir
— 30 —
die Forderung einer besseren Taxierung der Terminstunden
nicht gar so ungeheuerlich, wenn man bedenkt, daß man
oft um 10 Uhr zur Yemehmung bestellt ist, vor 12 oder
121/2 Uhr kaum vorgerufen wird. Wenn es wirklich ein-
mal vorkommen sollte, daß Richter und Beisitzer einige
Minuten warten müßten, bis die nächste Partei erscheint,
so ist das als kein zu großes Unglück zu betrachten.
Das Oericht und der Bichterstand sind doch schließlich
für die Gesamtheit des Volkes geschaffen und haben so-
mit auf dieses Bücksicht zu nehmen und nicht umgekehrt
Jedenfalls aber muß auf diesem Oebiet in der angedeuteten
Weise Änderung geschaffen werden, so ist der Verfälschung
geradezu Tor und Tür geöffnet.
Anschließend an dieses Kapitel soll gleich einer andern
juristischen Einrichtung, des leidigen Vorverhörs durch
die niederen Polizeiorgane, eingehende Erwähnung
und Würdigung zu teil werden. Die Zeugenvernehmung
der Kinder verlangt bei ihrer individuellen Eigenart
psychologisches Verständnis derselben. Sucht man aber
schon bei den Richtern selber sehr oft vergebens dar-
nach, so wäre es geradezu lächerlich, bei Oendarmen^
Polizisten, Schutzleuten usw. von der Kenntnis solcher
Dinge etwas vorauszusetzen; denn daß der Kasemenhof
und der Umgang mit Bekruten eine geeignete Vorbildung
dazu gewähren sollte, erlaube ich mir in gelinden Zweifd
zu ziehen. Der bekannte Unteroffizierton ist nicht um-
sonst sprichwörtlich geworden. Diesen aber, was wohl
bei den Verhören durch die genannten Beamtenkategorien
in der Mehrzahl geschieht, den Kindern gegenüber an-
schlagen, heißt nichts anderes, als ihnen Antworten
oktroyieren. Oft genügt schon ein scharfer Blick, ein
mißbilligendes Wort, um den Kindern die Ansicht des
Fragers zu suggerieren. Und doch erscheint in manchen
Gegenden unseres lieben Vaterlandes, z. B. in Züchtigungs-
sachen wider den Lehrer, im Auftrage der K^l. Staats-
anwaltschaft der Herr » Wachtmeister c in der Schule, um
die Kinder zu Protokoll zu vernehmen. Wo dieses Oe-
— 31 —
Schaft wirklich dem Ereisschulinspektor übertragen ist,
ist 66 eine Ausnahme, zu deren HerbeiführuDg, wie dem
Yerfasser vor etwa 2 Jahren ein ihm bekannter Slreis-
scholinspektor versicherte, es vielfach erst einer besonderen
Bitte bedarf. Im Interesse des Lehrers and dem der
Sdnder in diesem einen angedeuteten Falle und im
Interesse der ganzen Menschheit im allgemeinen müßten
die Yorvernehmungen Jugendlicher nicht nur ausnahms-
weise, sondern ausnahmslos aus den Händen der niederen
Polizeibeamten in die psychologisch geschulter Männer
— worunter nun nicht gerade immer der Ereisschul-
inspektor verstanden werden muß — gelegt werden. Die
Schädlichkeit und ünhaltbarkeit dieser Institution hat
IL a. auch der verstorbene Abg. Lenxmann klar erkannt.
Er forderte kurz vor seinem Tode, daß die polizeilichen
Yemehmungen ausgemerzt und das ganze Yorverfahren
in die Hand von richterlich geschulten Beamten gelegt
werden solle. Nur hätte er noch einen Schritt weiter
gehen und verlangen sollen, daß mit der Yoruntersuchung
Jagendlicher nur ein psychologisch geschulter Jurist
betraut würde, der mit dem Kinde nicht umgeht wie mit
einem Erwachsenen und tief unter ihm Stehenden, sondern
der sich dem jugendlichen Zeugen — und das Gleiche
gilt von dem jugendlichen Angeklagten — gibt wie der
sorgende, liebevolle Yater, der das Kind in seiner Eigenart
begreift und dementsprechend sein Benehmen ihm gegen-
über einrichtet; denn das Kind will verstanden sein.
Daß aber hierin bei unsem Richtern viel zu wünschen
übrig bleibt, wird auch so mancher Erwachsene erfahren
haben, der gezwungen gewesen ist, in irgend einer Form
mit dem Gerichte zu tun zu haben.
Ich kann es mir nicht versagen, eine diesbezügliche
Stelle aus einem »Justiz und Yolkc betitelten höchst be-
achtenswerten Artikel der »Köln. Ztg.« hier anzuführen.
Sie lautet: »Zweifellos ist, daß in die Strafkammern, die
über die höchsten Güter des Menschen, Freiheit und
Ehre, zu richten haben, die besten und erfahrensten
— 32 —
Richter hiDgehören, Leute, die nicht nur über gründliche^
juristische Kenntnisse verfügen, sondern einen klaren
Blick für die Verhältnisse des praktischen Lebens, psycho-
logisches Feingefühl und ein warmes Herz haben, das sie
befähigt, Menschliches, Allzumenschliches nicht nur in
juristischen Formen zu fassen, sondern auch menschlich
natürlich zu verstehen und zu richten. . . . Der zweite
Punkt ... betrifft den Verkehr des Richters mit dem
Publikum, insbesondere mit den Angeklagten und den
Zeugen. Namentlich über die Behandlung der letztem
wurde im Reichstage geklagt, und, wie jeder, der die
Verhältnisse kennt, zugeben wird, mit Recht. Mag man
es auch mit dem Staatssekretär dem Richter zugute halten,
wenn er im Verkehr mit unbequemen und schwerfälligen
Leuten hier und da einmal die Geduld verliert and mehr
deutlich als liebenswürdig wird, so steht doch fest, dafi
sich an manchen Oerichten und bei manchen Richtern
ein Ton herausgebildet hat, der als durchaus unangemessen
bezeichnet werden muß. Da gibt es cholerische oder nervöse
Naturen, die, nachdem sie sich aus den Akten oder der
Verhandlung ein bestimmtes Bild der Sache gemacht
haben, unwillkürlich gereizt werden, wenn ihnen ein
Zeuge entgegentritt, dessen Aussage nicht in ihre Auf-
fassung hineinpaßt, die eine solche Aussage wie einen
ihnen angetanen Tort empfinden und den Zeugen wie
eine Art persönlichen Feind behandeln. Dann gibt es
andere, namentlich jüngere Richter, die es überhaupt der
Würde der Justiz schuldig zu sein glauben, daß sie, wie
eine alte Prozeßordnung dem Richter vorschreibt, dasitzen
,wie ein griesgriraraender Löwe*, selbst unnahbar und un-
wirsch, andrerseits aber bereit, jede Ungeschicklichkeit,
jedes aufgeregte Wort mit Ordnungsstrafen zu ahnden.
Und während so die Zeugen wie Rekruten oder Schul-
buben behandelt werden, wird mit den Angeklagten zu-
weilen verfahren wie mit überführten Verbrechern, und
zwar Verbrechern schlimmster Art — sollte es sich auch
nur um einen harmlosen Preßprozeß handeln. . . .
I
— 33 —
Es gibt eben eine ganze Anzahl Richter, die von den
alten preußischen, in gewissen Beamten kategorien geradezu
zum Dogma gewordenen Traditionen nicht lassen können,
daß der Beamte eine Art Elitemensch, daß der königliche
Dienst eine über alles Irdische erhabene Beschäftigung sei
ond daß der Beamte in und vielleicht auch außer dem
Dienste dieser seiner Erhabenheit über iH&profanum vulgus
anter allen Umständen Ausdruck verleihen müsse, und zwar
am besten und deutlichsten durch — Grobheit Eine
solche Auffassung ist aber nicht geeignet, der Justiz be-
sondere Sympathien zu erwerben, zumal bei den zahl-
reichen Leuten aller Stände, die ohnehin nur mit einem
gewissen Zagen mit dem Gericht in Beziehung treten, weil
sie unwillkürlich mit diesem Worte stets den Begriff von
etwas ünheildrohendem verbinden. Wer einmal so be-
handelt worden ist, der nimmt den Eindruck mit, daß
das Gericht eine Stätte ist, wo man ohne Grund schlecht
behandelt und mit seinem Anliegen nicht ordentiich an-
gehört wird, wo der Richter allmächtig und das Publikum
hilflos ist und sein Recht nicht wahren kaifn, kurz, eine
Einrichtung, die kein Vertrauen erweckt und der man
sich, nicht nur als Angeklagter, sondern auch als Zeuge
möglichst fern halten soll. Dieser Eindruck ist häufig
der einzige und bleibende, und so erzieht mancher Richter
durch sein bloßes äußeres Verhalten das Publikum, nament-
lich das der geringeren Stände, dazu, in ihm statt eines
Freundes und Schützers einen lästigen Schikaneur und
Feind zu sehen — und verwundert sich obendrein noch,
daß das Zutrauen zur Justiz schwindet, c
Ich habe diesen Worten weiter nichts hinzuzufügen
als das, daß der Einfluß eines solchen »unnahbaren und
unwirschen« Wesens auf ein Eindesgemüt noch viel
intensiver wirkt, als auf die Erwachsenen, selbst die »der
geringeren Stände«, und wahrlich nicht zum Nutzen der
objektiven Wahrheit Es gibt aber immer noch Richter
in beträchtlicher Anzahl, die da meinen, durch Ein-
Pld. Hä«. 312. Hichel, Zeognisflhigkeit d. Kinder. 3
— 34 —
achüchteruDg am ehesten zum Ziele za gelangen, von den
Polizeibeamten gar nicht zu reden.
Es ist bei uns, nicht bloß allein von frauenrechtlerischer
Seite, sondern auch von namhaften Pädagogen und Psycho-
logen, so vor etwa 40 Jahren von Dörpfeld und in
neuester Zeit von Trüper^ die Forderung zur Einführung
von »Jugendgerichtshöfen« gestellt worden, die sich in
Amerika recht gut bewährt haben. Es wäre zu wünschen,
daß der Verwirklichung dieser Idee von maßgebender
Seite nahegetreten würde; dann würden Fälle, wie die
nachfolgenden, die so großes Aufsehen und berechtigten
Unwillen erregt haben, einfach zu den Unmöglichkeiten
gehören.
»Arolsen, 8. Oki (1906). Was für einen Wert ,Qe-
ständnisse^ von beschuldigten Eindem oft haben, zeigt
folgender drastischer Fall. In Weimar sollte ein 12 jähriger
Enabe ein Paket, das er für einen Major a. D. zur Post
tragen sollte, und das beim Adressaten nicht angekommen
war, unterschlagen haben. Der Knabe hatte anfänglich
jede Schuld ifi Abrede gestellt, dann aber, von dem ihn
vernehmenden Kriminalbeamten hart und drohend an-
gelassen, (man habe ihm gesagt, wenn er noch weiter
lüge, werde er Schläge bekommen, daß er die Wände
hinauflaufe — so fügte der ,Gen.-Anz. f. Dortmund und
Umgegend^ in Nr. 273 seines Unterhaltungsblattes hinzu)
ausgesagt, er habe das Paket geöffnet, sich 20 M daraus
angeeignet und diese zum Teil vernascht, zum Teil im
Schießhaushölzcben vergraben, das Paket selbst aber in
die Um geworfen. Daraufhin wurde vom Staatsanwalt
Anklage erhoben. Nicht lange darnach stellte sich heraus,
daß das Paket richtig auf der Post eingeliefert, der
Adressat aber am Bestellungsorte lange nicht gefunden
worden war, so daß er die Sendung erst verspätet erhielt.
Auf dem Postamte hatte man, als die Polizei nachforschte,
in einer falschen Liste gesucht und daher die Aufgabe
nicht verzeichnet gefunden.«
Der »Frankf. Ztg.« wird geschrieben: »Es ist in einer
- 86 —
Kreisstadt Westfalens. Vom Wall aus gelangt man durch
einen hübschen Garten ins Offizier-Kasino. Zwischen den
Pfosten der Oartentfir haben eines Tages böse Buben in
geringer Höhe vom Boden einen Draht ausgespannt, über
den ein Offizier gestolpert oder nach andern Aussagen
sogar gefallen ist . . . Als der Offizier fällt, erheben einige
umherstehende Buben ein wahres Freudengeheul, bis sie
der des Weges kommende Polizeiwachtmeister beim Kragen
hfit und zum Yerhör ins Bathaus bringt. Es wird ein
Protokoll aufgenommen und vom Bürgermeister unter-
schrieben, ein Protokoll, worin die beiden 7— 8jährigen
Schüler sich als Täter hinstellen und die Einzelheiten der
Tat auch angeben. Als Zeuge fungiert der Wachtmeister,
und den Schluß bildet das übliche: ▼. g. u., und dann
folgt die eigenhändige Unterschrift der beiden Schüler.
Diese besuchen verschiedene Schulen. Das Protokoll wird
mit einigen begleitenden Worten den betreffenden Rek-
toren zugestellt, damit sie die Sünder ,im Wege der
Schnlzuchf bestrafen. Nach ,Kenntni8nahme und weiteren
Yeranlassung' in der einen Schule (der Schüler hatte
auch hier seine Tat gleich zugegeben) nahte das Unglück
dem letzten Frevler. Am Samstag wird mir als Klassen-
lehrer das Schriftstück überreicht Ich hatte noch nichts
von der ganzen Sache gehört, kannte den Schüler ein
ganzes Jahr und konnte mir nicht denken, daß der Knirps
es wirklich gewesen sein sollte. So verschwand also das
Schriftstück in einer der weiten Schulmeistertaschen, um
erst am Montag wieder zu erscheinen. Als ich an diesem
Tage zur Schule ging, erwartete mich schon die Mutter
des Schülers und sagte, daß ihr Karl es wirklich nicht
gewesen sei, er habe nur aus Angst alles zugegeben»
wüßte auch selbst nicht, was. Ich versprach ihr, mich
auch jetzt nicht aus der Buhe bringen zu lassen. ... In
der Schule sagte mir Karl, indem er meine Hände um-
bßte:
,Herr Lehrer, ich bin es wirklich nicht gewesen.'
,Du hast aber doch unterschrieben.'
— 36 —
Jch meinte, das müßte ich/
,Wer ist es denn gewesen? Da warst doch immer
dabei und hast alles gesehen/
Er nannte nun zwei 12 — 13jährige Schüler. Den einen
konnte ich gleich holen lassen, und er betrat mit den
Worten:
,Ich bin's aber nicht gewesen!^ die Klasse. Ich fragte
ihn dann, wer von ihnen den Draht gerade und glatt
gemacht habe. (Um neuen zu kaufen, hatten beide kein
Oeld.) Ich hatte einen guten Griff getan. Erstaunt über
meine Kenntnisse, bekannte er sich hierzu, alles weitere
aber habe der andere fast ganz aUein gemacht Den
beiden kleinen Buben hatten sie unter den schwersten
Bedrohungen befohlen, da stehen zu bleiben und so die
Schuld auf sich zu nehmen. Er gestand denn auch bald
alles. Ich war froh und habe Schüler und Protokoll ,zur
Kenntnisnahme und weiteren Veranlassung' zurück*
gegeben.«
Soweit die Zeitungsberichte. Handelt es sich in diesen
Beispielen auch nicht gerade um reine Zeugenverneh-
mungen, so ändert das doch nichts an der Tatsache der
Aussagefälschung, hervorgerufen durch die verkehrte Be-
handlung von selten der Polizei. Der Beweis aber ist
damit wohl erbracht, daß diese kriminalistisch und psycho-
logisch ungeschulten Beamten nicht die geeigneten Organe
sind, um die Untersuchung und Zeugenvernehmung Jugend-
licher im Vorverfahren zu führen.
Die Aussage des Kindes ist nichts Einfaches, durch
keine Logarithmenreihe oder den »gesunden Menschen-
yerstand« berechen- oder abschätzbare Sache. Sie ist viel-
mehr das verwickelte, gleichsam einen gordischen Knoten
bildende Resultat vielfacher in- und aufeinander wirken-
der, in physischen und psychischen Ursachen begründeter
Faktoren, zu dessen Lösung es anderer Mittel bedarf^ als
des Draufgängertums jenes Makedoniers Alexander und
seiner in Mars verwandten Vettern von heute. Um die
verschlungenen Fäden dieser psychischen Komplikationen
— 37 —
io geordneter Weise zu entwirren, ist einzig und allein
der Fachmann, d. h. der Psychologe oder Psychiater am
Platze, so lange nicht der Forderung gerecht geworden
ist: Psychologische Yorbildung unserer Juristen. Polizisten
und Gendarmen mögen achtenswerte Leute, in ihrem Beruf
tüchtige Beamte sein; aber von dem kindlichen Seelen-
leben können sie aus den Paragraphen ihrer Dienst-
instruktion nichts gelernt haben.
Bechtsanwalt Dr. Chraff nennt in einer Elberfelder
Stadtverordnetenversammlung im Februar 1906 diese Ein-
richtung, daß man den untergeordneten Beamten die Auf-
nahme wichtiger Protokolle anvertraut, und daß die Oe-
richte diesen Schriftsätzen der Eriminalsergeanten außer-
ordentliches Gewicht beilegen, etwas deutlich zwar, aber
gewiß nicht unrichtig, geradezu gemeingefährlich. Dieses
Verfahren sei unter keinen Umständen zu billigen.
Darum fort mit dieser mittelalterlichen Institution, fort
mit derselben im Interesse der Kinder, im Interesse der
Lehrer, im Interesse der Menschheit. Wende mir nie-
mand ein, es seien nur zwei Fälle bekannt gegeben. Wer
mit offenen Augen die Vorkommnisse des täglichen Lebens
betrachtet, wird Fälle aus seiner eigenen Erfahrung hinzu-
fugen können, die dasselbe beweisen.
Hierbei will ich noch einer andern von üppi^tem
Bureaukratismus zeugenden Einrichtung unserer hl. Justitia,
die geeignet ist, ein empfangliches Eindesgemüt aufs heftigste
zu erregen und der Beeinflussung den günstigsten Boden
zu bereiten, gedenken: der üblichen, durch Schema f vor-
geschriebenen formellen Vorladung^ als Zeuge zu er-
scheinen, auch an Kinder. Ein Beispiel ist wohl auch
hier am ehesten geeignet, uns dies zu veranschaulichen.
Ans einer Stadt an der Ruhr wird der »Frankf. Ztg.« ge-
sdirieben: »Komme ich dieser Tage zu einer befreundeten
Familie und finde alles in größter Aufregung. Die Mutter
läuft mit vom Weinen geröteten Gesicht umher und
deutet auf meine wiederholte Frage, was denn passiert
sei, stunmi auf ein amtliches Schriftstück. Ich sehe
— 88 —
mir die Urkunde aD, eine polizeiliche Yorladung:
»An den Schüler X. Y. (Es ist der jüngste Sprößling
der Familie, ein hoffnungsvoller Quartaner, 12 Jahre alt) ..
Sie werden beschuldigt usw., Sachbeschädigung und Un-
fug verübt zu haben, und sollen dieserhalb dann und
dann vernommen werden, c So ähnlich lautete die Vor-
ladung, unterzeichnet von dem zuständigen Kriminal-
kommissar und mit dem Amtssi^l der Stadt versehen. . .
»Ja, und denken Sie nur,« sagt schluchzend die Frau
des Hauses, »eine ganze Anzahl der Kinder aus der
Straße ist als Zeuge vorgeladen.«
Und richtig zeigt sie mir auch eine solche Zeugen-
vorladung, in der höchst förmlich zu lesen stand, daß
»Sie (es war ein lOjähriger Junge) in der Sache X. Y.
wegen Sachbeschädigung und Dnfug als Zeuge vemommeo
werden sollen«.
Es wäre interessant, den weiteren Verlauf dieser Sache,
insbesondere die Art und Weise der Vernehmung vor
dem Polizeibureau, zu kennen.
Als schwerwiegendste Folge der Vorvemehmung der
Kinder durch dazu ungeeignete Personen ist die starke
suggestive Beeinflussung der Erinnerung und Dar-
stellung durch die jugendlichen Zeugen anzusehen. Selbst-
verständlich sind die Ursachen der Suggestion weit mannig-
faltigere; sie sollen im nachfolgenden des näheren dar-
gelegt werden. Daß die Wahrnehmung ebenso, wie
die Erinnerung und Aussage, der Macht der suggestiven
Beeinflussung unterworfen ist, bedarf wohl kaum der be-
sonderen Betonung. Ehe ich aber näher hierauf eingehe,
sei mir gestattet, den Begriff »Suggestion« näher zu präzi-
sieren. Ein Beispiel wird mir dies erleichtem. Dr. Frhr.
f. Schrenck'Notxing erzählt in seiner Abhandlung »Über
Suggestion und Erinnerungsfälschung im Berchtold-Prozeß«:
»Ich konnte mehrere gesunde Arbeiter, die ich zum ersten
Male in meinem Leben sah, durch starke Affirmation da-
hin bringen, daß sie schließlich bezeugten, einer fingierten
Körperverletzungsscene beigewohnt zu haben. Ich be-
— 39 —
zweifle nicht, daß diese Personen ihre Angaben be-
schworen hätten. € Wider Wissen und Willen waren sie
za ihrer jetzigen subjektiven (irrigen) Überzeugung ge^
langt Etwaige (}egen- oder Hemmungsvorstellungen waren
vollständig unterdrückt und konnten nicht mehr klärend
und berichtigend zur Geltung kommen. »So lange wir
für diesen psychischen Vorgang kein prägnanteres Wort
kennen, sind wir vollkommen berechtigt, denselben als
Suggestion zu bezeichnen.« »Suggestion heißt Beein-
flossung, ist die Zwangsjacke des Denkens, ein seelisches
Element, welches die freie Denkungsweise des Menschen
stört und zum Teil zerstört, und diesem Moment kann
sich kein Mensch entziehen» weder der Oebildete noch
der ungebildete, der eine ist in höherem Maße demselben
zugänglich, der andere minder.« {v. Panmvitz,) Ich füge
hinzu: Diesem kann sich vor allem ein Kind nicht ent-
ziehen. Denn bei ihm sind die vorerwähnten als Hem-
mungsvorstellungen bezeichneten seelischen Bedingungen,
die > Gegensuggestionen €, in entsprechend geringerem
Qmde vertreten^ da ihm noch die logische Reife, das
»geistige Kriterium« des Erwachsenen abgeht
Die Ursache der Suggestion kann eine sehr ver-
schiedene sein. Am häufigsten tritt wohl die Yerbal-
suggestion auf. Elternhaus und Schule sind Pflanzstätten
der Erziehung des Kindes, sind aber auch der Boden,
auf dem so manche pädagogischen Fehler wachsen und
gedeihen, die das Kind gerade für das gesprochene Wort
einer ihm autoritativen Persönlichkeit nur zu empfänglich
macht Die wenigsten Eltern erziehen ihren Liebling in
der Weise, daß er schon in früher Jugend auf eigenen
Füßen zu stehen vermag, sich selbst in für ein Kind
schwierigeren Lagen zu helfen fähig ist Die Folge ist,
wenn nicht noch zur rechten Zeit eine Änderung in der
Erziehung eintritt, eine ünbeholfenheit des zum Jüngling
und Manne herangereiften Knaben selböt den natürlichsten
Torkommnissen des täglichen Lebens gegenüber. Und
ist die Bevormundung in intellektueller Beziehung etwa
— 40 —
geringer? Ich bedaure stets aas tiefstem Herzen das
Bürschchen, dem Vater, Mutter oder Geschwister oft Wort
für Wort seine schriftlichen Aufgaben diktieren und seine
Bechenexempel für ihn lösen, damit er ja nicht seinen
Oeist übermäßig anzustrengen brauche. Er ist ja noch so
klein!
Leider ist auch die Schule infolge Überfüllung und
Überbürdung nicht immer in der Lage, das Eind schon
von frühe auf in gewünschtem Maße zum selbständigen
Gebrauch seiner Yerstandeskräfte anzuhalten und es daran
zu gewöhnen, nachzuprüfen, was es gesehen, gehört oder
gelesen hat. Es ist ja sehr schön und bis zu einem ge-
wissen Orade erstrebenswert, daß die Kinder in Fällen,
in denen von andern Personen die Wahrheit einer Sache
angezweifelt wird, mit dem Gegenargument kommen: Der
Herr Lehrer hat es gesas;t, also ist es richtig. In zweifel-
haften Fällen oder solchen, die für den kindlichen Geist
noch zu hoch sind, mag es gelten, sonst aber kann mit
der Gewöhnung zur Selbständigkeit, mit der Ausbildung
seiner kritischen Vernunft nicht frühe genug begonnen
werden. Keine Unmündigen und »geistigen Mumienc,
sondern klar schauende und scharf denkende, selbst
prüfende Menschen! Das sei das Ziel unserer Erziehung
und unseres Unterrichts.
Entsprechend dem denkschwachen und denkträgen
Kinde ist das schüchterne der suggestiven Wirkung einer
autoritativen Beeinflussung mehr ausgesetzt als der Kecke
und Lebhafte, ganz besonders dann, wenn etwa noch eine
Einschüchterung durch den Fragenden erfolgt. Affekt-
zustände aber, Angst, Schreck, Furcht, Entsetzen, Partei-
lichkeit spielen bei der Verfälschung der Wahrnehmung
sowohl als auch der Erinnerung und Aussage eine schwer-
wiegende Rolle. Denn das Kind läßt sich noch zu sehr
von seinen Gefühlen leiten; es gewährt der Stimme
der Vernunft, der streng sachlichen Gerechtigkeit noch
keinen oder doch nur geringen Einfluß auf seine Aus-
sagen oder Urteile; es vermag noch nicht das Senk-
— 41 —
blei der Logik gleich dem gebildeten Erwachsenen an
seine Beden und Handlangen anzulegen; ihm fehlt noch
die Fähigkeit der »kritischen Besinnung«. iSein Oeist
hat noch kein Verhältnis von Orund und Folge, die des-
halb ebenso gut richtig wie verkehrt aufgefaßt werden
können.« (Dr. Wilh. Ämeni)
Zur Illustration dieser Ausführungen weise ich auf
das schon mitgeteilte Beispiel der Suggestion durch Partei-
lichkeit (S.22) und auf den »Fall NoeUe« (S.lSu.f.) hin.
Es ist mit Genugtuung zu begrüßen, daß in gericht-
lichen Erkenntnissen — hin und wieder wenigstens —
auf die hochgradige Suggestibilität gebührende Rücksicht
genommen wird. Ich will es nicht unterlassen, die mir
bekannten Fälle dieser Art hierselbst anzuführen. Leider
sind mir, außer dem wohl allgemein bekannten Falle des
katholischen Oeistlichen Mahi^ keine Erkenntnisse über
Verurteilungen, gestützt allein auf Kinderaussagen, zu-
ganglich gewesen. Beispiele dieser Art mußten also,
trotzdem ihrer überwiegend mehr sind, zu meinem Leid-
wesen unterbleiben.
Das Landgericht Stettin (10. 8. 03) begründet den
Treispruch eines wegen Überschreitung des Züchtigungs-
rechts angeklagten Kollegen folgendermaßen: »Bei dem
finst gleichen Wortlaut der Aussagen dieser vier Mädchen
aber mußte sich der Verdacht aufdrängen, daß sie in
irgend einer Weise beeinflußt worden sind, oder daß
sie sich untereinander besprochen oder verabredet haben,
auch verwickelten sie sich beim Befragen über die Zeit
in Widersprüche insofern, als die einen behaupteten, es
sei im Sommer gewesen, während es nach der Aussage
der andern im Herbst gewesen sein sollte, so daß ihr
Zeugnis schon deshalb höchst zweifelhaft erschien. Noch
hinfalliger aber wird es durch das völlig einwandfreie
Zeugnis der Lehrer Y. und Z. Y. hat gleich, nachdem
bekannt geworden war, daß die X. infolge einer Miß-
handlung des Angeklagten erkrankt sein sollte, in der
Klasse nachgefragt, wer etwas von der Mißhandlung wüßte.
— 4ä —
Darauf hat sich nur die Schwester der Verstorbenen nnd
eine andere Schülerin N. gemeldet; die heutigen Zeuginnen
A., B.^ G. haben sich nicht gemeldet. Auch der Lehrer Z.
hat in der Klasse herumgefragt, wer etwas von der Sache
wüßte, worauf sich wiederum nur die Schwester und die
N. meldeten. Letztere hat aber beim Befragen nichts zu
erzählen gewußt Es bleibt also nur das Zeugnis der
Schwester der Verstorbenen übrig, das aber allein nicht
von großer Erheblichkeit sein konnte. . . . Nahe liegt in-
dessen die Annahme, daß die Mutter darüber ge-
sprochen hat, und daß das Kind das Gehörte
dann, wie bei Kindern ja so leicht geschieht, aU
eigenes Erlebnis dargestellt hat.<^)
Andrerseits soll hierbei aber gleichzeitig erwähnt
werden, daß viele Oerichtshöfe unter gänzlicher Außer-
achtlassung dieses Motivs schlankweg auf Grund von
Kinderaussagen zur Verurteilung gelangen. Ein Kollege
wurde von dem Landgerichte Plauen, 2. Strafkammer, zu
30 M Strafe und 15 M Buße für vier Schläge aufs OeeäB
verurteilt, weil, wie aus den »zurückgebliebenen Spurenc
und »aus den Angaben des (gezüchtigten. D. Verf.)
Knaben« (!) hervorgehe, sie »sehr stark und schmerz-
haft gewesen« seien. 2) Wenn hier also sogar die Aus-
sage des gestraften, durch Parteilichkeit doch entschieden
suggestiv beeinflußten Knaben als ein vollgültiges Zeugnis
angesehen wird, wie sollte man da erwarten, daß die
wissenschaftlichen Ergebnisse der Aussagepsychologie gar
noch bei den Bekundungen an dem Straffalle physisch
unbeteiligter Kinder Berücksichtigung fanden. Die ge-
straften Kinder selber und deren Eltern sind stets durch
Parteilichkeit beeinflußt; sie dürften darum überhaupt
nicht als Zeugen zugelassen werden.
Eine ganz besondere Beachtung und genaue Prüfung
verdienen die Zeugenaussagen der Kinder, wenn es sich
0 F. Ä. Müller, Lehrer und Strafgesetz, S. 100.
') Ebenda S. 106.
— 43 —
am die gefihriichste aller Anklagen, die wegen SittUch-
keitsTerbiechen, handelt Am schlimmsten sind in dieser
BesidiaDg infolge der vielfachen gerade gegen sie ge-
richteten Anzeigen die Lehrer gestellt, deren angebliche
Taten in den meisten Fällen nar von Kindern bezeugt
werden können. Trotzdem bei Prozessen, die in der
Strafkammer oder vor dem Schwurgericht spielen, die
Zengenaussagen niemals protokolliert werden, so »habe
ich doch in zahlreichen Prozessen wegen Verbrechen
wider die Sittlichkeit, einmal auch in einem Prozesse
wegen Brandstiftung, die Überzeugung gewonnen«, schreibt
mir der bekannte und schon mehrfach erwähnte Münchener
Rechtsanwalt Dr. v. Pannivitz^ »daß die Aussagen von
Kindern unter 7 — 8 Jahren (nur diese? D. Verf.) fast
immer unzuverlässig und beeinflußt sind. Bisweilen ge-
läJig es durch das Zeugnis von Lehrern, Geistlichen oder
simstigen Personen, die Kinder direkt der unglaubwürdig-
keit, Lügenhaftigkeit und Beeinflußbarkeit zu überführen,
80 daß Freispruch erfolgte, bisweilen versagten derartige
Gegenbeweise vollständig.« Es ist natürlich in den Fällen,
in denen das Gericht zu einer Verurteilung gelangte, den
Zeuginnen Glauben geschenkt, »auch wenn es nur eine
war.« ^) Wie oft mag da einem unschuldigen zeitlebens
der Stempel des Verbrechers auf die Stirn gedrückt, wie*
viel Jammer und herzbrechendes Elend über seine An-
gehörigen gebracht sein!
In dem folgenden Beispiele bedurfte es erst eines
Gutachtens des Psychologen und Psychiaters Dr. Frhr.
r. Schrenck'Notxing^ damit das gegen einen bekannten
Assistenzarzt eines größeren Krankenhauses in München
eingeleitete Verfahren wegen Sittlichkeitsverbrechen von
der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Dr. K. hatte
am 27. Juli 1898 »in seinem Zimmer ohne Zeugen die
13jährige Magdalena S. zu Heilzwecken hypnotisiert und
die Unvorsichtigkeit begangen, während der Dauer des
>) F. Ä. Müller, Lehrer und Strafgesetz, S. 200.
— 44 —
Schlafeastandes in Gegenwart der Hypnotisierten seinen
Urin zu entleeren. Kurz nach diesem Yorfall wurde von
Seiten der Königlichen Staatsanwaltschaft die Anklage
gegen ihn erhoben, er habe dem hypnotisierten Einde
sein Olied in den Mund gesteckt und ihm in den Mund
uriniert. Diese Anklage stützte sich auf die Aussage des
13jährigen Kindes. Aufgefordert, mich gutachtiich über
diesen Fall zu äußern, erkannte ich bald nach genauer
Prüfung des Tatbestandes, nach Untersuchung des Kindes^
daß es sich nur um eine traumhafte, illusionierende Ver-
arbeitung von Wahrnehmungen im hypnotischen Zustande
handle und zwar im Anschluß an den Vorgang des Urin-
lassens. Die retroativen Pseudo-Beminiszenzen im wachen
Zustande waren durch Phantasietätigkeit und Besprechung
mit den Angehörigen übertrieben worden. Und so wurde
das einfache Produkt falscher, autosuggestiver Deutung
von Wahrnehmungen in der Hypnose und von rück-
vnrkender Erinnerungsfälschung zur Unterlage einer so
schweren Anklage, welche die ganze Zukunft des Kollegen
zu vernichten drohte. Infolge des Gutachtens wurde, wie
erwähnt, das Verfahren eingestellt«^)
Als weitere Beispiele, nach denen der Lehrer aus
Oründen der Unglaubwürdigkeit der Kinder- Zeugen von
dem Verdachte eines Verbrechens gegen § 176 des R.-
Str.-G.-B. freigesprochen wurde, mögen folgende dienen.
Freispruch des Landgerichts Greifswald (IL 7. 02).
»Die Aussagen der sechs Zeuginnen sind in sich un-
glaubwürdig, wenn auch an dem guten Glauben derselben
nicht gezweifelt werden soll. Es ist psychologisch kaum
denkbar, daß keines der Mädchen, die doch auch über
die von ihnen bekundeten Handlungen auüs tiefste empört
sein mußten — es sind alles Töchter wohlsituierter und
ehrenwerter Bauern — sich dieselben jahrelang gefallen
lassen sollten, ohne ihren Eltern davon Mitteilung zu
^) Dr. Frhr. v. Schrenck-Notxing^ ErimiDalpsyohoiogisohe und
psyohopathoiogisobe Studien, S. 135 a. s. f.
— 46 —
madien Ebenso ist es kaum denkbar, daß sie nicht
untereinander über die Handlungen des Lehrers gesprochen
haben. Aach das ist fast unmöglich, daß sie nicht gegen-
seitig beieinander wahrgenommen haben, daß der An-
geklagte an ihnen die fraglichen Handlungen vornahm,
zumal sie sich sämtlich gesträubt haben wollen Es
will aber nur die X. bei der Y. und Z. solche Hand-
langen wahrgenommen haben. Die N. differiert insofern
mit den andern Zeuginnen, als sie behauptet, die andern
Schalkinder hätten die Handlungen des Angeklagten bei
ihr gesehen und darüber gelacht, während diese es be-
streiten. Hierzu kommt noch, daß die zehn andern Schul-
kinder, die noch vernommen sind, überhaupt niemals
etwas von unzüchtigen Handlungen des Angeklagten ge-
sehen oder auch nur gesprächsweise gehört haben Es
ist auch ein Erklärungsgrund vorhanden, wie die Aus-
sagen der sechs Mädchen, falls sie der Wahrheit nicht
entsprechen, entstanden sein können. Einige Zeit vorher
waren in dem in der Nähe gelegenen Dorfe A. die beiden
Schullebrer wegen Sittlichkeitsverbrechen bestraft und ab-
gesetzt Diese Tatsache hatte in weitem Umkreise ge-
waltiges Aufsehen erregt und war lange Gegenstand des
allgemeinen Gesprächs. Es faßte nun der Gemeinde-
vorsteher B., der nach Aussage des Amtsvor&tehers ein
recht unzuverlässiger und schwatzhafter Mann ist, einen
starken Haß gegen den Angeklagten, ... so daß er schließ-
lich eine Partei bildete, die darauf ausging, den Angeklagten
auf jeden Fall aus C. zu entfernen und diese ihre Ab-
sicht auch häufig unter mannigfachen Schmähungen und
Yerdächtigungen des Angeklagten aussprach Der An-
geklagte war den Zeuginnen so im Herbste 1901 als ein
abgrandschlechter Mensch dargestellt, da mag ihre erregte
Phantasie mit suggestiver Kraft dem Angeklagten die
Taten als an ihnen verübt, zuerteilt haben, die sie von
den Lehrern in A. gehört hatten. Schließlich kommt
hinzu, daß dem Angeklagten von allen unbefangenen
Seiten . . . das allerbeste Leumundszeugnis erteilt wird.
— 46 —
Aus allen den Gründen ist den belastenden Aussagen der
sechs Zeuginnen kein Olaube geschenkt worden Er
mag den Mädchen die Hand lediglich beim Schreiben ge-
führt und sie tadelnd oder belobigend an Arm und
Schulter gefaßt haben, woraus die Mädchen, wie der An-
geklagte meint, unter dem Banne des gegen ihn Tor-
banden gewesenen Komplotts in ungeheuerlicher Über-
treibung die von ihnen bekundeten Tatsachen konstruiert
haben, oder es mag sonst irgend etwas den tatsächlichen
Urgrund ihrer Aussagen abgeben. Was es ist, läßt sich
jedenfalls nicht feststellen.« ^)
Freispruch des Landgerichts Berlin II (2. 12. 04).
»Das Gericht hat aber dem Mädchen (der einzigen
Zeugini) den Glauben versagt, und zwar auf Grund
folgender Erwägungen: Es erscheint zunächst im hohen
Grade auffallend, daß sie ihren Schulkameradinnen, mit
denen sie täglich den Schulweg zwischen A. und B. zurück-
legt, nicht sofort von dem Mitteilung gemacht hat, was
ihr angeblich soeben erst in der Kirche zugestoßen war.
Sie war auch nicht verstört, niedergeschlagen und ein-
silbig, sondern war im Gegenteil lustig, lachte und sprang
umher. Erst einige Tage später erzählte sie ihnen auf
dem Schulwege von dem Attentate, welches der An-
geklagte in der Kirche (wo sie etwas herabgefallenen Kalk
wegfegen mußte) gegen sie verübt haben sollte Am
schwersten fällt aber ins Gewicht, daß sie von geschlecht-
lichen Dingen eine sehr große Kenntnis besitzt, was sich
aus einer Postkarte ergibt, die sie an einen Mitschüler
geschrieben hat . . . Der sehr obscöne Inhalt dieser Karte
zeigt, daß die Schülerin trotz ihres jugendlichen Alters in
sittlicher Hinsicht schon ziemlich verdorben ist und über
eine recht lebhafte Phantasie zu verfügen scheint. Auch
ihr Auftreten in der Hauptverhandlung ließ erkennen, daß
sie sehr lebendig und leicht erregbar ist. Es ist daher
sehr wohl möglich, daß sie bei ihrer regen Phantasie
>) F. A, Müller, Lehrer und Strafgesets, S. 194 f.
— 47 —
und ihrer YOigeschrittenen Kenntnis von geschlechtlichen
Dingen sich einbildet, Sachen erlebt za haben^
die nicht geschehen siod.«^)
Freisprach dee Landgerichts Neu-Ruppin (31. 7. Ol).
»Das Gericht ist der Ansicht, daß die augenscheinlich
schon ziemlich verdorbenen Mädchen irgend welche Be-
wegungen und Nachlässigkeiten im Anzüge des An-
geklagten mißdeutet und aufgebauscht weitererzählt haben.
Das Oerücht davon ist dann von den Gegnern des An-
geklagten (der Erhöhung der Alterszulagen und Umbau
des Scbulhauses forderte) als bequemes Mittel, den ver-
haßten Lehrer zu beseitigen, aufgegriffen und weiter ver-
folgt worden. Hierbei mag in dem Bestreben, recht viel
herauszubekommen, manches erst in die Mädchen hinein-
ge fragt worden sein.« *)
Beachtenswert ist die Begründung eines Freispruchs
durch das Landgericht Altena, I.Strafkammer, vom 30.4.00.
Es heißt da kurz und bündig, darum aber nicht weniger
zutreffend: »Obgleich die X. nach übereinstimmender
Aussage der als Zeugen vernommenen Erzieherinnen,
ihrer Eltern und des Eindermädchens ein wahrheits-
liebendes Kind ist, das keinerlei Anlagen zu geschlecht-
lichen Unarten zeigt, hielt das Gericht dennoch in der
Erwägung, daß die Aussagen von Kindern stets mit
großer Vorsicht aufzunehmen sind, ihr gänzlich
alleinstehendes, durch keinerlei weitere Zeugenaussagen
oder andere Umstände unterstütztes, noch dazu mit ge-
ringer Bestimmtheit abgelegtes Zeugnis allein gegenüber
dem bestimmten Bestreiten des gänzlich unbescholtenen
Angeklagten für ausreichend, um daraufhin die Yer-
urteilang des Angeklagten folgen zu lassen.«^)
Nun ist aus den angeführten Beispielen nicht die Art
und Weise des Verhörs zu ersehen, und gerade das ist
von ungeheurer Wichtigkeit. Hat sich in einem Falle
1) F, A. Müller, Lehrer UDd Strafgesetz, S. 196.
*) Ebenda S. 199.
*) Ebenda a 196.
— 48 —
ein Mädchen verleiten lassen, eine ihrer Meinung nach
dem Richter angenehme Angabe zu machen, um gleich-
falls »Geld oder eine Tafel Schokolade« zu erhalten (aus
einem Erkenntnis des Landgerichts Beuthen O.-S., IIL Straf-
kammer, 6. 6. 01),^) so vermag andrerseits Strenge und
Schroffheit den jugendlichen Zeugen dermaßen einzu-
schüchtern, daß der Untersuchungsrichter alles aus ihm
herausfragen kann, was er nur will.
»Besinne dich einmal,« so fragte einst ein Kreisschul-
inspektor ein vom Lehrer derb aber gerecht gestraftes
Kind, »wieviel Schläge hast du vom Herrn Lehrer er-
halten? Waren es nicht dreißig?«
»N - - ein.«
»Aber zwanzig waren es doch gewiß?«
»Ja, zwanzig waren es.«
Li Wirklichkeit waren es vier oder fünf Hiebe ge-
wesen.
Herr Seminardirektor .Boo^ - Elsterwerda hat mir in
liebenswürdiger Weise ein Beispiel aus seiner eigenen
Erzieherpraxis mitgeteilt, das gerade diesen Punkt der
Verfälschung hell beleuchtet Er schreibt:
»Fälle von Unzulänglichkeit der Einderaussagen sind
mir oft vorgekommen; der schlimmste ist folgender:
Ich war im Jahre 1870 Lehrer an der Unterklasse
einer vierklassigen Volksschule einer kleinen branden-
burgischen Stadt Beim Leseunterricht benutzte ich ein
mir gehörendes Handexemplar der Fibel, das meist auf
dem Lehrertische lag und allen Kindern bekannt war.
Eines Nachmittags fehlte die Fibel; ich wußte genau, daß
sie am Vormittag auf ihrem Platze gelegen hatte, als ich
das Zimmer verließ; nach mir hatte ein Kollege Gesang-
unterricht gegeben. Keins der Kinder wußte etwas über
den Verbleib. Am andern Morgen meldeten sich mehrere
Kinder: N. habe meine Fibel; sie hätten gesehen, daß er zu
Hause am Fenster sitzend darin geblättert habe. Sie be-
') F. A. Miäler, Lehiei und Strafgesetz, S. 198.
- 49 —
fichriebeD die Sache so deutlich, daß ich den Yersiche-
roDgen des N., er habe die Fibel nicht, keinen Glauben
schenkte, sondern ihm sagte, er solle sie am nächsten
Tage mitbringen; er brachte sie aber nicht, sondern sagte,
sein Yater gebe sie nicht heraus. Dabei schilderte er
ganz genau, wo er sie weggenommen habe und wo sein
Vater sie verschlossen hielte. Ich schickte ihn jetzt nach
Hause mit dem Auftrag, die Fibel oder seinen Vater mit-
zubringen. Der Vater kam und bestritt, von der Fibel
etwas zu wissen. Auch jetzt noch blieben die ersten An-
geber bei ihrer Aussage. Ich ließ die Sache auf sich
beruhen — und tat gut daran; denn nach einiger Zeit
stellte sich heraus, daß mein Kollege an jenem Tage die
Fibel versehentlich mit in seine Wohnung genommen hatte.«
Desgleichen weise ich auf den auf S. 27 mitgeteilten
Brief der Frau Hauptlehrer R- Fulda hin.
Femer ist auf die Form der Frage ein großes Gewicht
zu legen. Wenn der Lehrer in der Schule so fragen
wollte, wie der Richter beim Verhör, wahrlich, ihm wäre
die Schularbeit sehr leicht gemacht Nun verfolgen die
Fragen des untersuchenden Richters ja allerdings keinen
pädagogischen, erziehlichen Zweck; mit diesem Maßstabe
darf man sie nicht messen. Doch aber wird mir jeder
beipflichten, wenn ich fordere, daß die Psychologie der
Frage auch beim richterlichen Verhör gebührende Be-
rücksichtigung finde. Man kann nämlich, wie gesagt
nicht nur vieles aus dem Kinde heraus-, sondern minde-
stens ebensoviel in es hineinfragen, je nach dem Willen
oder Ungeschick des Fragenden. Vor allem sind jegliche
Suggestivfragen zu vermeiden.
»Der Lehrer hat dir wohl unrecht getan, mein armes
Kind?«
Und neun von zehn antworten freudig: >Ja, Mama.«
»Wie, du glaubst doch nicht, daß der Lehrer dir un-
recht tut, Junge?«
»Nein, Vater.«
Pld. Xig. 812. Michel, ZtwgniirfMhigkert d. Kinder. ^
— 50 —
»Man ahnt oft gar nioht,€ so f&hrt J, Loewenberg in
seinen »Oeheiraen Miterziehern c, dem ich diese und die
folgenden Zeilen entnommen habe, fort, »was man auf
diese Weise alles aus dem Kinde herausholen kann. Daß
Oänse vier Füße haben, Äpfel auf Birnbäumen wachsen^
Regen auch trocken sein kann, sind noch Kleinigkeiten.
Bei einem Vortrage, den ich vor Jahren hielt, war
ein kleiner Quintaner zugegen. Am nächsten Tage fragte
ich ihn scherzweise: »Junge, warum hast du mir gestern
Abend nicht geholfen, als ich stecken blieb ?c
Zu meinem Erstaunen antwortet er:
»Ich wußte es ja selber nicht.«
Nun frage ich weiter: »Wievielmal bin ich stecken
geblieben ?€
»Man zweimal.«
»und was habe ich da getan?«
»Da haben Sie Wasser getrunken.«
»Und dann.«
»Das Buch rausgekriegt und abgelesen.«
Von alledem war kein Wort wahr, nicht einmal Wasser
hatte ich getrunken; aber durch meine Fragen veranlaßt^
glaubte der Junge, es sei geschehen, wonach ich gefragt
habe.«
Mindestens ebenso suggestiv beeinflussend wirkt ein»
Konfrontation des Angeschuldigten mit dem Zeugen.
Kinder sagen, wenn ihnen nach einem mehr oder minder
längeren Verhör mit den vielen Kreuz- und Querfragen
durch den Vorsitzenden, den Staatsanwalt, die Verteidiger^
schließlich auch noch durch die Beisitzer oder Oe-
schworenen der Angeklagte gezeigt wird, »ja, das ist er.«
Ghenau so, wie in der Verhandlung vor dem Schwur-
gericht des Landgerichts Berlin II im Oktober 1905 wegen
Mordanfalls die Überfallene, frühere Fahrkarten- Verkäuferin
Frl. Effenberg, nach der langen nervenzerstörenden Ver-
nehmung bei der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten
plötzlich mit krampfhaftem Aufschrei in den Ruf aus-
brach: »Ja, Sie sind's!« und er es schließlich doch nioht war.
— 61 —
Erwihnt soll bei dieser Oelegeoheit nur noch werden,
daB die Presse durch sensationelle Berichte und durch
die Yeröffentlichung der Photographie (s. S. 24), daß
Bucher, besonders solche mit sogenannten Indianer-
geschichten und anderer Schundlektüre, den Kindern nicht
selten von den Dienstboten heimlich zugesteckt, u. y. a.
gleichfalls in höchstem Grade beeinflussend wirken, ebenso
wie die Kenntnis anderer Aussagen und die Ge-
spräche zu Hause, mit Verwandten und Bekannten. Wie
sehr zum Beispiel die Kenntnis dessen, was die Yor*
zeugen ausgesagt haben, auf die eigene Zeugenaussage
einzuwirken im stände ist, wie sich hieraus bei Monstre-
prozessen sogar eine »psychische Epidemie« entwickeln
kann, ersehen wir aus dem Verlaufe des schon erwähnten
Berchtold-Prozesses.
Dem französischen Psychologen Bin^t gebührt das Ver-
dienst, durch Versuche mit Kindern nachgewiesen zu
haben, wie leicht diese der Gefahr der psychischen An-
steckung unterli^en. Zu einem Verhör nahm er mehrere
Knaben gleichzeitig vor; sie mußten so schnell auf seine
Fragen antworten, als sie vermochten. Das lebhafteste,
geweckteste Kind unter ihnen übernahm sofort die Füh-
rung, und die andern plapperten schließlich papageien-
mäßig nach, was sie von dem ersten hörten.
Eine besondere Gruppe der Beeinflussung bildet die
Autosuggestion. Wie sehr sie auf des Kindes Wahr-
nehmung, Erinnerung und Aussage verfälschend einwirkt,
sei mir an Beispielen aus meiner eigenen Erzieherpraxis
nachzuweisen gestattet.
1. Beispiel: Nach dem Schulanfang hebe ich ein am
Tage vorher in das Pult eingeschlossenes Schönschreibe-
heft mit blauem Bezug hoch und frage:
»Wem g^ört dieses Heft?«
Sofort springt der 8jährige Schüler G. A. Seh., Sohn
eines Fabrikbesitzers, hoch, und ich schreibe seinen Namen
auf den äußeren Umschlag. Indem ich es in den Schrank
trügeo will, sehe ich noch den Knaben K. D. stehen. Auf
4*
— 52 —
meine Frage, was er wünsche, antwortet er, das Heft ge-
höre ihm. Ganz entrüstet aber entgegnet darauf der
erstere, das sei nicht wahr, das sei sein Heft.
»Heute morgen, gerade als es klingelte, habe ich es
noch auf den Usch gelegt«
Und der zweite Ejnabe: Er habe das Heft aber schon
gestern gebracht, und der Herr Lehrer habe es im Pult
verschlossen, da er keine Zeit mehr gehabt habe, den
Namen aufzuschreiben. Außerdem müsse das Löschblatt
Tintenspuren aufweisen, da es schon einmal zum Trocknen
der Schrift benutzt sei.
Beides stimmte: Ich hatte das Heft im verschlosse-
nen Pult, nicht auf ihm gefunden, und das Löschblatt
war schon benutzt. Trotzdem blieb 0. A. Seh. dabei, es
gehöre ihm, er wisse ganz genau, daß er es, gerade als
draußen geschellt wurde, auf das Pult gelegt habe.
Die objektive Unrichtigkeit seiner Angaben war außer
allem Zweifel, gleichzeitig war ich aber auch von der
subjektiven Aufrichtigkeit seiner Aussage vollkommen
überzeugt; eine vorsätzliche Lüge war eben vollständig
ausgeschlossen. Es entspann sich nun folgendes Gespräch,
das ich sofort unauffällig nachstenographierte:
»War es auch ein Schönschreibeheft?«
»Ja.«
»Sah es ebenso aus wie dieses?«
»Ja.«
»Hast du es von Frau B. (der Inhaberin eines Papier-
geschäfts) gekauft?«
»Nein, das Fräulein (Einderfräulein im elterlichen
Hause) hat es mir heute morgen gegeben.«
»Du hast es vielleicht zu Hause veigessen?«
»Nein, ich habe es mit meinen andern Büchern in
die Tasche hineingepackt. So habe ich es gemacht«
Sprach's, wollte mir's in seiner lebhaften Weise vor-
machen — und behielt plötzlich vor Erstaunen beinahe
den Mund auf; denn das Heft, übrigens eine sogenannte
— 53 —
Kladde mit blaoschwarzeD Deckeln, lag wohlverborgen
bei seinen andern Sachen in der Büchertasche.
Wie nun kam er zu der Behauptung, das Heft auf
das Pult gelegt zu haben?
Ihm hatte eine Eladde gefehlt Seiner Oewohnheit
gemäß forderte er es im letzten Augenblick vom Einder-
fr&ulein und steckte es achtlos in die Büchertasche, mit
seinen Gedanken schon beim Spiele mit den andern
Knaben auf dem Schulhofe weilend. In der Schule an->
gekommen, werden die Bücher schnell unter den Tisch
gelegt — und nun hinaus auf den Hof. Das Heft ist ver-
gessen. Erst die Frage des Lehrers bringt die Vorstellung
davon wieder ins Bewußtsein zurück. Ein Heft?
Ja, richtig, er hatte ja auch eins von Hause mitgenommen.
Der Lehrer zeigt eins — — gewiß, das ist das seinige.
und nun kommt die Schilderung, wie er das Heft auf
das Pult gelegt hat, »gerade als es klingeltet, genau so,
wie er es auch gewiß gemacht hätte, hätte er es eben
nicht vergessen. Unerklärlich ist mir nur, wie er be-
haupten konnte, auch das von ihm mitgebrachte Heft sei
ein Schönschreibeheft gewesen. Oder sollte dies ein Be-
weis der suggestiven Gewalt der Frage an und für sich
sein, daß er auf meine Frage: War es auch ein Schön-
schreibeheft? in dem Zustande der Erregung, in den er
durch das »Verhör« entschieden geraten war, einfach
schlankweg überzeugt mit »ja« antwortete?
Daß femer die Lust zum Spiele und die Versunken-
heit in ihm tatsächlich so groß sein kann, ein Kind alles
andere vergessen zu machen und nur seiner Phantasie-
welt zu leben, habe ich in meinen Kinderjahren an mir
selber erfahren; ich muß aber schon ein Junge von 10
bis 12 Jahren gewesen sein.
Eines Tages erhalte ich einen Auftrag, mit dem ich
in das nächste Dorf mußte. Um meinen Füßen die Flügel
Merkurs zu verleihen, höre ich noch den liebevollen
»Nachruf«: »Aber schlafe unterwegs nicht ein«; denn ich
war bekannt als ein Träumer und Phantast Also wandere
— 54 -
idi fttrbaß. Die Sonne soheint aber aach gar za warm,
and die Einsamkeit einee ländlichen Soontag-VormittagB
ttbt auch einen gar zu lockenden Reiz zum Träumen ann.
Heine Gedanken schweifen ab von dem verzwickten Auf-
trag, räckwärts wandern sie bis zum vorherigen Abend
and zu einem >gro6artigenc Spiel mit andern Knaben
des Dorfes. Immer tiefer versinke ich in Irfiamerei, bis
ich vollständig weltentrückt zwar noch einberwaodle, aber
keine Empfindung mehr davon habe. Und als sich end-
lich mein Geist der elenden Wirklichkeit wieder bewuSt
wird, sehe ich mich spielend am Waldesrande. Aber
wohin sich mein erstaunter Blick auch wendet, all die
lieben Gespielen, die doch soeben noch bei mir gewesen
waren, schienen förmlich in die Erde versunken zn sein,
wie weggeblasen waren sie. Es hat gewiß eine geraume
Zeit gedauert, bis ich mich in die nüchterne Welt hinein-
zufinden vermochte. Wie lange ich da gespielt? — —
ich kann'e nicht sagen; doch der wenig liebevolle Emp&ng
mt Hause und der abgeräumte Uittagstisch gaben mir
einen angefahren Begriff von der >ver8pielten< Zeit and
erinnerteu mich an den vergessenen Auftrag.
3. Beispiel: Der Schiller Q. R war wegen Krankheit
EU Hause geblieben. Als nach der großen 16 Uinuten-
Paose die Rinder eine schriftliche Arbeit machen, stelle
ich so beiläufig die Frage an die Klasse:
«Weshalb fehlt denn der Q. B.?c
Das Mädchen £. Ff., 9 Jahre alt, schwach begabt,
langsamen Geistes und nicht gerade mit großer Phantasie
ausgerüstet, etwa 4 m von dem Platze des fehlenden
Knaben entfernt sitzend, erhebt sich sofort und sagt:
>Ich habe ihn eben noch gesehen.« (>Eben< bedeutet
im Volksmnnde hierselbst so viel wie vor einer Weile,
nach einer Weile.)
Diese Worte kamen so überzeugt heraus, daß ich so-
fort an dem Tone erkannte, das Uädohen- sei überzeugt,
den Knaben gesehen zu haben. loh nahm nun Ter-
•nlasBung zu der weitaren Frage, war ihn noch geeeben
— 66 —
habe. Sofort standen 3 und etwas langsamer auch noch
6 Knaben auf, von denen besonders der 8jährige, in dem
Torigen Beispiel schon erwähnte Schüler G. A. Seh., ein
intellektuell hochbegabter E[nabe mit lebhafter Phantasie,
unter heftigem Kopfnicken und erregten Gebärden arnfs
bestimmteste behauptete, er habe ihn auch auf dem Schul-
liofe gesehen.
»Als W. R und ich uns kriegten (das ist Haschen
spielten), bin ich mehrmals an ihm vorbeigelaufen.«
>Wo ist er denn nun geblieben?«
»Gewiß nach Hause gegangen ; er hatte Zahnschmerzen.«
Tatsächlich hatte der fehlende Knabe G. K. am Tage
vorher in der Schule über Zahnschmerzen geklagt Ich
sage:
»Aber ihr irrt euch; er ist ja gar nicht in der Schule
gewesen.c
Der elf Jahre alte, geistig minderwertige M. Seh. sagte
darauf:
»Ich habe ihn aber heute noch gesehen, als er ge-
lesen faatc
Einzelne dieser neun Kinder ließen sich nur schwer
überzeugen, daß der Knabe gar nicht in der Schule ge-
wesen war.
Bei dem Mädchen und dem Knaben G. A. Seh. liegt
meines Erachtens tatsächlich Autosuggestion vor; denn
meine Frage lautete ausdrücklich: Warum fehlte usw.;
ich fragte also lediglich nach dem Grunde und setzte die
Tatsache seines Fehlens bei den Kindern als bekannt
voraus. Bei den andern Kindern will ich es dahingestellt
sein lassen, ob nicht erst durch die bestimmte Aussage
^r beiden ersten sie zu ihrer Aussage gekommen sind,
— imd dieser Ansicht werden wohl die meisten zu-
neigen, — also einfache Suggestion anzunehmen wäre.
Bezeichnend aber ist es, daß das Mädchen nur wissen
wollte, G. & wäre überhaupt dagewesen, G. A. Soh. aber
ihn auf dem Spielplatze gesehen und gar M. Seh. ihn in
der Schale gesehen und lesen gehört zu haben behaupteten.
— 56 —
3. Beispiel: Die Kinder des ersten Jahrgangs lesen
das Wort »Eüho«. Ein Bild von der Kuh ist ihnen ge-
zeigt, desgleichen sind ihnen einige Mitteüangen gegeben
bezw. haben sie solche gebracht.
Frage: »Wer hat schon eine Kuh gesehen ?€
Mehrere Schüler melden sich. (Die Hehrzahl der
Schüler rekrutiert sich aus einer kleinen, aber lebhaften
Fabrikstadt, deren Umgebung nur wenig Landwirtschaft
aufweist.)
Frage: »A. Ff., wo hast du eine Euh gesehen ?€
»Wir haben eine Euh; so groß ist sie.« (Sie zeigt
mit der Hand etwa die Höhe einer Ziege an.)
»Das ist gewiß keine Euh; auch habt ihr zu Hause
wohl gar keine Euh, sondern eine Ziege?«
»Nein, eine Euh.« —
Mir kam die Sache unwahrscheinlich vor, und ich er-
kundigte mich sofort bei ihrer älteren Schwester; sie haben
zu Hause weder Euh, noch Ziege, noch sonst ein leben-
des Wesen aus dem Geschlecht der nützlichen Haustiere.
Das fragliche Mädchen ist 672 Jahre alt, schwächlich
von Eörper und recht langsamen Geistes. Es verfällt
selbst während des Unterrichts häufig in Träumerei und
weiß dann gar nicht, wovon so lange die Bede gewesen
ist. Eine besonders lebhafte, ausschweifende Phantasie
ist bei ihm gerade nicht wahrzunehmen. Auch am Spiel
beteiligt es sich nur dann, wenn es von den andern
Eindern extra dazu aufgefordert und mit herangezogen
wird, sonst steht es während der Freizeit fast stets für
sich allein.
Lügenhaftigkeit habe ich an ihm bisher nicht bemerkt,
und auch dieses Mal ist meines Erachtens eine vorsätz-
liche Lüge, selbst aus Wichtigtuerei, vollständig aus-
geschlossen. Eine Erklärung aber war mir so lange un-
möglich, bis ich bei einem Besuch im elterlichen Hause
ganz in dessen Nähe einen Euhstall bemerkte, in welchem
ein Nachbar zwei oder drei Eühe hält. Auf meine Er-
kundigungen erfuhr ich sodann auch, daß die Milch zum
— 57 —
hänsUchen Bedarf aas diesem Stalle gedeckt wird. Zum
Holen wird meistens eine ältere Schwester dieses frag-
lichen Mädchens verwendet; häufig aber darf es mitgehen.
Nichts anderes als eine Verwechselung von mein und
dein ist darum die Ursache gewesen, dem Kinde die
Fata Morgana einer eigenen Kuh im eigenen Stalle vor-
snspiegeln und es zur Antwort zu veranlassen: Wir haben
eine Kuh; so groß ist sie. Daß sie statt der zwei oder
drei^ die im Stalle standen, nur eine angibt, daß sie die
Größe so gering bewertet, macht nichts aus. Denn schon
eine einzige Kuh im Stalle zu haben, ist der Inbegriff
alles Erreichbaren, alles Herrlichen und Schönen. Zudem
hatte ich ausdrücklich gefragt: Wer hat schon eine Kuh
(nicht Kühe) gesehen? Da muß das Kind dieses Alters
geistig sehr r^;sam sein, wenn es antworten sollte, daß
es schon »vielec gesehen oder daß die Eltern »viele« im
Stalle stehen hätten. Ein intellektuell so schwaches Kind
wie das Mädchen A. Pf., das dazu auch noch sprachlich
sehr ungeschickt ist, schließt sich aber in seinen Ant-
worten strenge an die Frage des Lehrers an, eine jedem
Lehrer gewiß aus seiner Unterrichtspraxis heraus be-
kannte Tatsache. Und die geringe Größenangabe ist nur
ein Beweis dafür, daß ein Kind dieser Altersstufe gar
nicht fähig ist, auch nur einigermaßen zuverlässige Aus-
sagen über Größen-, überhaupt über Raumverhältnisse zu
machen.
Um es nun noch einmal kurz zu rekapitulieren: Im
ersten und letzten Beispiel sowohl wie bei den beiden
zoerst genannten Kindern im zweiten Beispiel liegt ent-
schieden, wenn man von der suggestiven Gewalt einer
jeden Frage an und für sich absieht, Autosuggestion vor,
während es bei den andern Ejiaben zweifelhaft erscheinen
dürfte. Wahrscheinlicher ist es, daß diese letztem, wenig-
stens die fünf letzten Knaben, durch das bestimmte Auf-
treten und Aussagen der Yorzeugen beeinflußt worden
sind, daß hier eine »psychische Ansteckung« statt-
gefunden hat
— b8 —
Zur Ergänzung der beiden Beispiele 1 und 2 möchte
ich noch je ein anderes mitteilen, die ich der Liebens-
würdigkeit eines Kollegen, Herrn A. Hauser aus Canth
(Neumark), verdanke. Dieser schreibt mir:
»Nach der ersten Stunde des Vormittagsunterrichts
folgt eine sogenannte Frei Viertelstunde ^ während welcher
sämtliche Schüler in den Schulhof gehen. Nach diesrar
beginnt die Rechenstunda Alle Schüler legen die Schiefer-
tafel auf die Bank, nur eine Schülerin sucht die ihre
vergeblich. Auf meine Frage, wo sie sei, behauptet sie,
die Tafel in die Schule mitgebracht zu haben; eine
Schülerin müsse sie ihr genommen haben. Die Mädchen
neben sowie auch hinter ihr sagen bestimmt aus, die
Tafel bei der F. gesehen zu haben, ja, behaupten so über-
zeugend, daß sie sogar von der verlornen Tafel ihre
Bechenexempel abgeschrieben haben wollen. Die besagten
Zeugen blieben auch auf mein Hin- und Herfragen fest
bei der Aussago: die P. hat die Tafel bestimmt vor dem
Unterrichte gehabt Mir blieb infolgedessen nichts anderes
übrig, als alle Sander, sowohl Knaben wie Mädchen, ans
den Bänken heraustreten zu lassen. Ich beginne nun
eine Revision der Schulsachen und durchsuche alle
Winkel der Schulstube; aber alles vei^eblich, die frag^
liehe Tafel war nirgends zu finden. Trotzdem blieben
die Zeugen weiter bei ihrer Aussage.
Jetzt sage ich dem Mädchen recht väterlich, damit es
keine Furcht vor Strafe bekäme: ,Meine Tochter, gehe
einmal nach Hause, vielleicht hast du doch vergessen,
die Tafel mitzubringen.^ Nach 10 Minuten erscheint es
freudestrahlend mit der Tafel, worauf auch ihre erforder-
lichen Schularbeiten, desgleichen die Rechenexempel,
standen. €
»Ein zweiter Fall! Ein Knabe war nicht im Nach-
mittagsunterricht Nach der Freiviertelstunde fragte ich
sämtliche Schüler, wo eigentlich der A. sei. (Ich hatte
nämlich ganz übersehen, daß er auch schon in der ersten
Stunde gefehlt hatte. Dies kam mir allerdings am andern
— 6» -
Tage zur Kenntois durch einen Entschuldigangszettel,
worin mir die Matter des A. mitteilte, daß sie ihren
Sohn am Tage vorher nicht schicken konnte, weil sie
mit ihm verreist war.) Auf meine Frage, wo der A. ge-
blieben wäre, behaupteten von 60 Schülern 40, ihn wäh-
rend der ersten Stunde in der Klasse und während der
Freiviertelstunde gesehen zu haben. Die Schüler, welche
in der Bank neben ihm sitzen, sagen bestimmt aus, er
ist die erste Stunde in der Klasse gewesen, und sie sind
mit ihm in den Schulhof gegangen, ja sie wußten sogar,
was sie mit ihm gesprochen haben wollten. Andere
sagten aus, daß sie mit A. am Schulgartenzaun gestanden
und einer Dreschmaschine zugesehen hätten; sie wußten
noch die Bemerkungen, die A. gemacht über die Leute,
welche bei der Dreschmaschine beschäftigt waren. Dies
alles wurde mir von den Schülern so glaubhaft gemacht,
daß ich mich zu der Ansicht der Zeugen hinneigen
mußte, A. ist während der Frei Viertelstunde ausgerückt
Trotzdem war der tatsächliche Vorgang wie eben der
EntBchuldigungszettel besagte. Die Mutter des A. ist
eine brave Lehrerwitwe und eine Schwindelei ganz aus-
geschlossen. Übrigens habe ich mich noch nachträglich
persönlich mit der Mutter in Verbindung gesetzt«
Die forensische Bedeutung der Suggestion und Auto-
suggestion leuchtet sofort ein, wenn man z. B. an Stelle
des fehlenden Heftes (der Tafel) oder des verschwundenen
Knaben ein Sittiichkeitsverbrechen einsetzt Es wird
ohne weiteres klar, wie schwerwi^end die Folgen dieser
AossagefalschuDgen sein können und wie wichtig die ge*
oaue Kenntnis der Aussagepsychologie darum für den
Siebter ist
Ich möchte es nicht unterlassen, ein ganz besonders
hervorstechendes Beispiel reiner Autosuggestion hier mit-
sateilen, das im 1. Heft der »Beiträge zur Psycho-
logie d^ Aussage« (herausgegeben von L. Wiü, Sierrir
Biealaa), Seite 133, bekannt gegeben wird. Es heißt dort-
Mlbit:
— 60 —
»Herr Professor 0. Roseribach (Berlin) sendet folgende
Notiz:
Ein wohl gearteter und gut befähigter, anscheinend
durchaus nicht mit besonders lebhafter Phantasie begabter
Schüler einer Gymnasial -Yorschulklasse kam eines Tages
sehr aufgeregt aus der Schule nach Hause und erzählte
den Angehörigen, daß er gesehen habe, wie sich der
Schüler einer höheren Klasse derselben Schule durch
einen Sturz aus dem Fenster getötet habe. Er beschrieb
den Vorgang und seine eigenen Empfindungen mit allen
Einzelheiten so lebhaft, wie es eben nur ein Augenzeuge
zu tun vormag. Als später die Zeitungen mit genauer
Zeitangabe von dem Unglücksfall berichteten, stellte sich
heraus, daß der Knabe unmöglich Zeuge des Ereignisse«
gewesen sein konnte. Er blieb aber auf Vorhalten bei
seiner Angabe, daß er dem Vorfall beigewohnt habe, und
beharrte bei seiner Aussage auch, nachdem durch genaue
Nachforschungen seine Abwesenheit vom Tatort über allen
Zweifel hinaus sicher gestellt war und der über die Lüge
und Verstocktheit seines Sohnes aufgebrachte Vater es an
harten Strafen nicht fehlen ließ.
Es gelang mir nicht leicht, den Vater zu überzeugen,
daß der mir wohlbekannte Knabe einer bewußten Un-
wahrheit gar nicht fähig sei, und daß ihn nur die Lebhaftig-
keit seiner Vorstellungen dazu geführt haben könne, ein
ihm erzähltes, seine Phantasie außerordentlich erregendes
Ereignis in allen Details zu einem selbsterlebten zu
machen. Ich weiß nicht, ob der Knabe die Belehrungen,
die ihm über den Unterschied zwischen Selbsterlebtem
und Gehörtem gegeben wurden, verstanden hat; jeden-
falls hat er im spätem Leben durchaus nicht Gelegenheit
gegeben, ihn der Unwahrheit zu beschuldigen.«
Eines der Hauptmomente, welche die Aussagen der
Kinder ungünstig beeinflussen, ist die lebhafte, vielfach
krankhafte Phantasie. Vom ersten bewußten Erwachen
des jungen Erdenbürgers bis zu seinem späten Lebens-
ende ist sie sein steter Begleiter und übt desto größere
— 61 —
Gewalt über ihn ans, je tiefer er noch in den Kinder-
schuhen steckt Ein mit besonders starker Phantasie aus-
gestattetes Kind vermag aas allem alles zu machen. Auf
der wogenden Welle der Phantasie schwebt es dahin aus
der Welt des Seins in sein eigenes innerstes Reich, wo
es mit schöpferischer Kraft sein »Werdet spricht, wo es
Leben schafft und Leben nimmt, wo es Menschen, Tiere
uod alles, was es auf Erden gibt, nach ureigenstem Out-
dünken wie Schachfiguren durcheinander wirft Hat doch
der ernste erwachsene Mensch genug zu tun, um den
Flug seiner Phantasie unter die zwingende Gewalt seiner
Logik zu bringen, wie sollte man es da von einem Kinde
verlangen!? Oebt ihm einen Stock oder Stiefelknecht, —
sie werden zum lebendigen Pferde, auf dem es im wilde-
sten Galopp durch Felder und Wälder dahinjagt oder es
an die fattergeffiUte Krippe führt; ein Scheit Holz wird
zor Pappe, die in den Schlaf gesungen werden maß;
mehrere hintereinander gestellte Stühle bilden eine Eisen-
bahn mit Lokomotive und Wagen, es selbst ist Schaffner,
Zogfulirer, Stationsvorsteher, Fahrgast, alles in einer Person,
der Wechsel macht ihm keine Schwierigkeiten. Und das
alles vollzieht es mit der wichtigsten Miene der Welt,
mit der würdevollen Haltung, die es den Erwachsenen
ibgegackt Li dem Augenblicke des Spiels reitet es auf
keinem Steckenpferde, sondern zügelt mit kräftiger Faust
ein schnaubendes, märchenhaft reich geschirrtes Roß, wenn-
gleich in merkwürdiger Inkonsequenz oft sofort hinterher
eine Flinte oder ein Säbel daraus wird. Das Stück Holz,
mit dem primitivsten Lappen auf das herrlichste ge-
sdimückt, ist ihm genau solch ein hilfsbedürftiges Lebe-
wesen, wie das kleine Baby im Kinderwagen und wird
mit derselben Sorgfalt gepflegt, gefüttert, gebadet u. s. f.
Nichts aber steht dem im Wege, daß es im nächsten
Augenblicke in den Herd wandert.
Alles, was ißa Kind spielt, erlebt es, ist ihm wirk-
lichste Wirklichkeit. Man hüte sich ja sehr, ihm dieses
beglückende Traumleben auch nur absichtslos zu stören,
— 6« —
und der maß schon ein Barbar oder verknöcherter Pedant
sein, der dem Kinde schon frühzeitig den Olanben an
seine Traamwelt darch »Belehrang« nehmen wollte.
Es ist selbstverständlich, daß ein lebhaftes Kind in
solchen Jahren erwachender Selbsttätigkeit und besonders
auch bei wachsender Sprachfertigkeit, wo es schon aus
bloßer Freude am eigeuen Sprechen alles mögliche hin-
plappert, nichts erzählen kann, ohne zu vergrößern, aus-
zuschmücken und zu übertreiben. >Wir wissen, wie
Ooethe in seiner Jugend ,8chwindelte\ was er für Zauber-
und Mordgeschichten erfand, die er schließlich selbst
glaubte. Die klage Frau Rat . . . hörte aufaierksam zu
und ließ den Jungen ruhig erzählen, ihn höchstens ein-
mal unterbrechend, wenn er ,unwahrscheinlich schwin-
delteS Ooethe hat es seiner Mutter zeitlebens gedankt,
daß sie ihm die ,Lust am Fabulieren^ geschenkt« In der
Zeitschrift »Unser Kind« berichtet eine Dame aus Wien
über ihren 6^/4 jährigen Sohn Otto, den sie als »ein hoch-
entwickeltes Kind« bezeichnet, folgendes: Otto »berichtet
ungefragt von Tatsachen als unmittelbar vorheigeschehen,
die schon längere Zeit vorher stattgefunden oder sioh
überhaupt nicht ereignet haben. Er erzählt mit der
größten Überzeugung, daß er seinen Papa eben bei der
Türe hinausgehen gesehen habe, während derselbe in
seinem Zimmer sitzt, und ähnliches, und hat uns dadurch
schon manche kleine Unannehmlichkeit bereitet, so daß
wir zu dem vorerwähnten Entschlüsse kamen, uns auf
seine Aussagen gar nicht zu verlassen. Suggestive Fragen,
denen er unbedingt unterliegt, will ich gar nicht er-
wähnen.«
Selbst Träume werden zu etwas Tatsächlichem. Der
Philosoph und Arzt Joh, Benj, Ehrhard berichtet von
sich, »^aß er bis in sein viertes Jahr sehr häufig die Er-
innerung seiner Träume als Erinnerungen wirklicher Be-
gebenheiten vorgebracht habe. Es sei darüber zuweilen
zwischen ihm und seinen Eltern zu einem lebhaften
Streite gekommen, indem er behauptet habe, daß gewisse
— 63 —
Ptosonen sie besadit oder gewisse Dioge yorge&llen seien
woTon er doch nur geträumt hatte.«
»Wie rege die Phantasie der Kinder arbeitet, ergibt
mcb z. B. auch aus folgendem Vorfall: Bei der am Orün-
donnerstag Abend stattfindenden Ereuztragung passierte
es einem der Kreuzträger, daß er über einen Stein oder
eine Baumwurzel am Bergabhange stolperte und zu Boden
fiel Hierdurch erschreckt, ergriff die Kinder furchtbare
Angst, welches sich in lautem Schreien kundgab; ihre
err^e Phantasie ließ sie Überwältiger sehen, die es nur
auf den Baub des Kreuzes abgesehen hätten. Bei ihrer
wilden Flucht kamen einige am stark abfallenden Wege
war Stadt zu Fall, so daß sie übereinander zu liegen
kamen, wobei verschiedene deutlich am Halse gewürgt
aein wollen. Und das alles pure Einbildung der er-
schreckten Kinder.« (Westf. Telegraph -Menden, Nr. 45,
Jahrgang 1906.)
Dr. Loewenberg berichtet: »Vor einiger Zeit bringe
ich einer Lehrerin ein Schreiben von der Oberschulbehörde
in die Klasse, die Kinder sehen das große Kuvert, das
Siegel, vielleicht auch das erregte Gesicht der Lehrerin.
Einige Tage darauf verreist die Lehrerin, um ein Examen
SQ machen, und — die (beschichte ist fertig: ,Das Schreiben
war von der Polizei, die Lehrerin hat was Polizeiwidriges
getan, wahrscheinlich wird sie verurteilt werden.^ Wäre
die Lehrerin zufallig krank geworden und längere Zeit
fortgeblieben, sie wäre gewiß noch ins Gefängnis ge-
wandert.« ^)
Unverstand und moralischer Zelotismus sind in solchen
FUlen gleich bei der Hand, dieser Verlogenheit und
Verstocktheit mit ihrem ersten und einzigen pädagogi-
schen Arzneimittel, dem Stocke, zu Leibe zu gehen, um
das Kind vor der drohenden sittlichen Verderbnis zu
retten. »0 ihr — ihr — ihr Lieben, wißt ihr nicht einen
parlamentarischen Ausdruck für euch?«
') J. TJSwenbergf Geheime Miteriieher, 8. 89.
— 64 —
Der mit der kindlichen Psyche vertraute Erzieher
wird in der richtigen Erkenntnis der Ursachen dieser
Äußerung des Schaffensdranges seine Aufgabe darin suchen,
das Kind vor zu großen Seitensprüngen seiner Phantasie
zu bewahren und sie in die richtigen Bahnen zu leiten.
Allerdings, genaueste Kenntnis des Seelenlebens des Kindes,
nicht bloß oberflächliche Bekanntschaft mit ihm, ist dazu
erforderlich. Ihre Erwerbung darf aber nicht dem Zufalle
oder der Zeit überlassen werden, man darf auch nicht
von der praktischen Erfahrung des täglichen Lebens allein
alles Heil erhoffen. Es gehören dazu tiefe und umfange»
reiche Studien ernstester Art für den Lehrer, den Richter,
den Arzt, für alle, die sich mit der »Seelec des Kindes
zu befassen haben ^ die in der »Seelenkunst« praktisch
tätig sind. Für sie gilt, analog dem Ausspruche Vischers:
»Der Künstler soll nicht Anatomie studieren, sondern
studiert haben,« das Wort, sie sollen »nicht Psychologie
studieren, sondern studiert haben«.
Der Richter aber, dem die kriminal psychologische
Bildung« — speziell mit Bezug auf das Kind — mangelt,
ist nicht fähig, den Differenzierungen und Komplika-
tionen der kindlichen Psyche zu folgen, ist nicht fähig,
die sich oft widersprechenden Aussagen der Kinder auf
ihren wahren Oehalt zu prüfen und sie nach ihrem wahren
Werte zu verwenden. Das vermag nur der Sachverständige.
Darum: Hinzuziehung psychologischer Sachver-
ständiger bei der Vernehmung Jugendlicher in
besonders schwierigen Fällen, so lange die Aus-
bildung des Richters selber noch nicht den in
dieser Beziehung an ihn zu stellenden Forde-
rungen genügt
Zwei Gründe sind mir bekannt geworden, welche die
Gegner des Sachverständigeosystems ins Feld führen: Eine
Zeugenprüfung darf nicht im Gerichtssaale vorgenommen
werden, da der Würde der Gerichtsverhandlung
dadurch Eintrag geschehen würde. Demgegenüber ist
hervorzuheben, daß eine in entsprechender Weise durch-
— 65 —
geführte Zeugenprüfung wohl würdig verlaufen kann und
niemals in eine Komödie ausarten wird. Ohne weiteres
könnte z. B. die Zeit- und Raumschätzungsfahigkeit, die
Beeinflußbarkeit durch autoritative Persönlichkeiten und
durch Suggestivfragen, die Unglaubwürdigkeit der Kinder
bei Personal- und Ortsbeschreibungen, ja der allgemein-
geistige Standpunkt des Zeugen durch die einfachsten
Experimente oder Fragen des Sachverständigen oder des
Bichters festgestellt werden. Hans Orofs und A. O^Klaufs-
mann verlangen das ausdrücklich. Die Vertreter der For-
derung sachverständiger Zeugenprüfung befinden sich also
in einer durchaus achtenswerten Oesellschaft.
Im nachfolgenden ein dem »Wiener Neuen Tageblatt«
entnommenes Beispiel hierzu, das ich damit aber absolut
nicht als vorbildlich hingestellt haben will.
Einem achtjährigen Mädchen wurde durch einen jungen
Burschen eine Handtasche mit Butter und Käse gestohlen.
Bei einer zufalligen Begegnung auf der Straße erkannte
es ihn wieder und bezeichnete ihn seiner Mutter. Diese
veranlaßte seine Verhaftung. Vor dem Währinger Straf-
gericht fand die Verhandlung gegen den Lehrling statt.
Der Richter vernahm zunächst die Josefine Peßler (so
hieß das bestohlene Mädchen) als Zeugin und rief sie zu
sich aufe Podium, da er sich über ihre geistige Ent-
wicklung orientieren wollte.
Richter: »Weißt du, wo du geboren bist?«
Zeugin: »0 ja, in Wien.«
Richter: »Was bist du also?«
Zeugin: »Eine Wienerin.«
Richter: »Ganz richtig! Was ist dein Vater?«
Zeugin: »Tapezierer.«
Richter: »Was bist du demnach?«
Zeugin: »Tapeziererin.«
Richter: »Das nicht, eine Tapeziererstochter.«
Zeugin: »Richtig — ich habe mich geirrt.«
Richter: »In welcher Klasse warst du?«
Zeugin: »In der dritten.«
Pia. lUs. 812. Michel, ZengnisOhigkeit d. Kinder. 5
— 66 —
Bicbter: »Was für eine Note hattest du in der Religion?«
Zeagin: »Eiura Einser.«
Bicbter: >Das ist sehr brav! Da wirst da wissen, daS
man nicht lägen darf?«
Zeugin: >Da8 weiß ich.c
Siebter: >Und wenn man IUgt?<
Zeugin: >l8t's eine Todsünde.«
Richter: >Ganz richtig! Vor Gericht eu lügen ist aber
auch strafbar; hier darf man nur die Wahrheit sagen
und das, was man bestimmt weiß.«
Zeagin: iDas hat mein Vater auch gesagt«
Richter: «Was für eine Note hast da im ReohDen?<
Zeagin: >Nur einen Dreier.«
Richter: >Das ist nicht besonders günstig! Nun will
ich dir eine Rechnung aufgeben: Deine Matter schickt
dich Eier einkaufen and gibt dir eine Krone mit; drei
Eier kosten 20 Heller, wieviel Eier mußt du für die
Krone bringen?«
Zeagin (rasch): >Da muß ich 16 Euer bringen.«
Richter: >Sehr brav! Bei mir fafittest du im Beobnen
eine bessere Note bekommen. (Die Kleine macht zom
Danke einen artigen Knix.) Nun sag, was da damals
eingekauft hast«
Zeugin: >Dm 30 Heller Butter, um SO Heller Käs . . .
da hab ich 50 Heller zurückbekommen . . . dann noch am
20 Heller Brot«
Richter: »Wieviel bleibt dir?«
Zeugin : >Nuch 30 Heller . . . aber (auf den Angeklagten
zeigend) der da hat die Tasche genommen und ist davon-
gelaufen.«
Richter: >Oib acht, Kleine! Er sagt, er ist's nicht
Weißt du ganz sicher, daß er die Tasche genommen bat?«
Zeagin: »Ganz bestimmt. 0, ich hab ihn angeschaut,
wie er unser Essen davon getragen hat« usw. Der -Aju-
geklagte gesteht schließlich seine Schuld ein.
Zum andern ist mir der vollständig ernst gemeinte
Einwurf zu Geeicht gekommen, die Hinzaziehang der
^ 67 —
Sachverständigen bedeute eine Herabwürdigung
der richterlichen Stellung. Es bat schon öfters Pro-
zesse g^ieben, in deren Verlauf die Zuziehung von Psycho-
logen, Psychiaters und Nervenärzten sich als notwendig
erwies, und niemandem ist es wohl bis jetzt im ent-
ferntesten eingefallen, den Stand der Juristen desw^en
minder hoch einzuschätzen. Die Befürchtung ist wohl
nichts weiter als der Ausfluß allzuhoher Standesempfind-
lichkeit und Selbsteinschätzung einerseits und einer ent-
schieden sehr zu tadelnden Nichtachtung der Psychologie
als exakte Wissenschaft andrerseits. »Gewiß wird der
Richter, der eine jahrelange Erfahrung im Zeugen-
vemehmen hat, sich schließlich eine Reihe von sicher
wirkenden Regeln und Kunstgriffen angeeignet haben;
aber jene Fälle, die er auf Orund seiner früheren Un-
fertigkeit im Verhören falschlich beurteilt und abgeurteilt
hat, werden dadurch nicht rückgängig gemachte Kennte
die größte Mehrzahl unserer Richter die Kindesseele ge-
nauer, manches Urteil würde anders ausfallen. Aber von
jeher ist in gewissen Kreisen die Pädagogik und ihre
Hilfswissenschaft als Aschenbrödel betrachtet worden und
wird es auch wohl noch geraume Zeit bleiben.
Und doch — auf die Dauer wird sich die praktische
Rechtspflege einer Reorganisation der Zeugenvernehmung
der Kinder ebensowenig verschließen können als der des
Strafrechts Jugendlicher. Es muß und wird die Zeit
kommen, in welcher die juristische Praxis neues Leben
trinkt aus dem Jungbrunnen der psychologischen Wissen-
schaft, in welcher der »Psychologie und ihrer Schwester-
wissenschaften ... ein Ehrenplatz errichtet wird neben dem
TribunaL Nur dann wird auch ein anderes Schwestern-
paar dauernd in jenen Hallen wohnen: Die Gerechtigkeit
und die Humanität, c
— 68 —
Literatar.
Anienty Dr. Wilhelm : Entwickelaog von Sprechen und Denken beim
Kinde. Leipzig, Ernst Wanderliob, 1899. 2,80 M.
Loetcefiberg^ Dr. J.: Geheime Miterzieher. Hamburg, Oatenberg-
Verlag Dr. Ernst Sohultze, 1906. 4. Anfl. 2,50 M.
Müller^ Lehrer, F. A. : Lehrer und Strafgesetz. Berlin W. 30, A.
Anton & Co. (Paul Weise), 1906. 1,50 M.
Oppenheim^ Nailian: Die Entwickelung des Kindes. Aus dem eng-
lischen Original übersetzt von Berta Oassner, Leipzig, Ernst
Wunderlich, 1905. 3,80 M.
PanntPttx, Dr. v,: Die Psychologie im Gerichtssaale. Vortrag (in
den Nrn. 16, 17 und 18 der Beilage der Münohener »Allgemeinen
Zeitung«, Jahrg. 1903).
Schrenck-Notving^ Dr. Frhr. r.: Über Suggestion und Erinnerungs-
fälschung im Berchtoid-Prozeß. Leipzig, Joh. Ambrosius Barth,
1897.
, Kriminalpsychologie und psychopathologisohe Studien. Ebenda
1902. 4,80 M.
Sommert Prof.: Die Forschungen zur Psychologie der Aussage.
Halle a. S., Carl Marhold, 1905. 1,20 M.
Stem^ Dr. L. TTt//., Beiträge zur Psychologie der Aussage, Heft 1.
Leipzig, Joh. Ambrosius Barth, 1903. 4,40 M.
»Zeitschrift für Kinderforschung«, (Die Kinderfehler). Im Verein n^t
Dr. J. L, A, Koch und Dr. E, Martinak herausgegeben von J, IHiper
und Chr. Ufer. Langensalza, Hermann Beyer k Söhne (Beyer
& Mann). Jähri. 12 Hefte. 4 M.
»unser Kind«, Zeitschrift für Kinderpflege und Erziehung. Wien I,
Mölkerbastei 10. Jährl. 24 Hefte. 8 M.
»Preußische Lehrerzeitung.« Spandau. Jährl. 12 M.
»Neue Westdeutsche Lehrerzeitung.« Elberfeld. Jährl. 6 M.
Andere Tagesblätter.
Orack von Hennaan Beyer * SOhae (Beyer * Maon} in Lkogeoaüflu
Zwölf Kinderlieder
Eine analytische Studie
von
Adolf Prümers.
Pädagogisches Magasin, Heft 318.
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Hvxogl. Sftchs. HofbachhKndler
1907
s^
Inhalt.
Seite
Einleihuig 1
Über die Form der Kioderlieder 3
Die harmonisohe Basis der Kioderlieder 8
Der melodische Charakter der Kioderlieder 10
Über das Nebeomotiv 11
Thematisohe Verwaodtsobaft 12
Die Verkoppelnog der Teilmotive 14
Schlußwort 18
Einleitung.
Die BescbäftiguDg mit dem Embryo in der Kunst übt
einen unwiderstehlichen Beiz auf den Forscher aus, dessen
Aufgabe es nun einmal ist, den Dingen auf den Orund
zu sehen und das Entstehen und Keimen der Lebens-
kräfte zu belauschen. Wie der Botaniker mit Hilfe des
Mikroskops die Zellen der Pflanzen beobachtet, wie der
Mediziner mit der Sonde Wunden und Körperhöhlen unter-
sucht, so analysiert der Musikforscher die unscheinbaren
Kunstgebilde, wie sie in den künstlerisch unreifen Ver-
suchen unkultivierter Völker oder in den ersten historisch
nachweisbaren Anfangen der antiken Musik auf die Nach-
welt übernommen wurden.
Parallel der rein historischen Entwicklung läuft un-
unterbrochen die Produktion aus dem Volke, die wegen
ihres primitiven Charakters auch auf das Embryo in der
Kunst hinweist. Das Primitive bei dieser Produktion ist
einfach, ohne roh zu sein, ursprünglich, ohne unvoll-
kommen zu sein. Dasjenige, was sich für unser Zeitalter
lebensfähig und in täglichem Gebrauch erhalten hat, ist
das Kinderlied, das in der Zeitrechnung nicht viel weiter
als zwei Jahrhunderte zurückliegt Einer Forschung, die
sich mit dem neuzeitlichen Kinderlied befaßt, eröfiTnet sich
ein ungeahntes Feld weitgehendster Betätigung, selbst
wenn — wie es bei dieser analytischen Studie der Fall
päd. Mag. 313. Prümers, Zwölf Kinderlieder. 1
— 2 —
ist — vom Historischen, vom Textlichen u. a. abgesehen
wird und lediglich das rein Musikalische in Betracht
kommen soll.
Jene zwölf Lieder, die der Verfasser seiner Studie zu
Grunde legt, sind die bekanntesten und besten, nicht aber
die einzigsten. Jeder Yolksstamm hat seine spezifischen
Einderlieder, die jedoch meist nur im Wandel, nicht aber
im Handel populär sind. In der Kinderstube werden
noch andere Lieder angestimmt, so das »Maria saß auf
einem Stein«, »Hopp, hopp, hopp. Pferdchen lauf Oalopp«,
das sich in melodischer Beziehung dem »Schlaf, Kind-
chen, schlaf« nähert. Speziell Wiegenlieder sind unter
berühmten Namen: Mozart^ Weber und Brahms^ populär
geworden. Von Mozart lieh das Ȇb' immer Treu und
Redlichkeit« und »Komm' lieber Mai und mache die
Bäume wieder grün« unsterbliche Melodien, wie bei
Schillers »Mit dem Pfeil, dem Bogen« Weber Pathe ge-
standen hat. Es läßt sich zwischen Volks- und Kinder-
liedern keine bestimmte Grenze ziehen. Beide sind stamm-
verwandt und es ist ein erfreuliches Zeichen in unserm
Volks- und Familienleben, daß Groß und Klein gleicher-
maßen gern Kinderlieder und Volkslieder singt Zu diesem
doppelten Genre zählen vor allem die Weihnachtslieder.
Der Verfasser benutzte hauptsächlich solche Lieder
zu Studienzwecken, welche ihm zu Vergleichen und als
Beweismittel dienlich erschienen. Da genügte für jede
Beweisführung ein Exempel, zur Erhärtung von Be-
hauptungen ein zweites und ein drittes Exempel. Mit
Hilfe dieser Exempel analysiert der Verfasser die charak-
teristische Form und die harmonische Basis der Kinder-
lieder. Er spricht von dem melodischen Charakter und
vom Nebenmotiv, ferner weist er thematische Verwandt-
schaften nach und verbreitet sich endlich über Teil-
motive und deren Verkoppelung, die direkt in das Laby-
rinth der Töne führt, wo das menschliche Staunen über
die Unerschöpflichkeit und Unergründlichkeit der Natur
anhebt
— s —
über die Form der Kinderlleder.
Ein kleiner Gedanke erschöpft sich in einer ent-
sprechend kleinen Form, sofern er darauf verzichtet, in)
Prokrustesbett thematischer Verarbeitung mühselig zu
Tode gemartert zu werden. Zu dieser Oewaltmaßregel
liegt bei Kinderliedem absolut kein Orund vor; denn da
gilt als erstes Gesetz Kürze und Würze. Das Kinderlied
unterscheidet zwei Hauptformen: die zwölftaktige und die
sechszehntaktige Form. Beide Arten sind dreiteilige
Perioden, deren dritte eine Bepetition der ersten Periode
ist Diese Bepetition yerleiht dem Ganzen die erforder-
liche Abrundung des musikalischen Gedankens. Die Form
der Kinderlieder ist eine Kreisform, sie trägt gewisser-
maBen den Keim der Rondoform in sich.
Von den zwei Arten der Form ist die zwölftaktige
die bessere; sie ist logischer, konsequenter als die sechs-
zehntaktige. Beispiel 1 und 2 (»Kuckuck ruft aus dem
Wald« und »Alles neu macht der Hai<). Das erstere
Beispiel 1: Kuckuck ruft aus dem Wald.
m
fU jJU t II
f=p^
Beispiel 2: Alles neu.
Wilrf\fji\:J^\Ur\(jr\
Ij.' rjJlJ-JCJlf <l--nJJflir I
ly frrifjrifpi.rJiJM * i
— 4 —
Lied enthält in Takt 1 bis 4 das Hauptmotiv, das in Takt
9 bis 12 wiederkehrt; Takt 5 bis 8 bildet das Neben-
motiY. Das andere Lied entbehrt der Ebenmäßigkeit, weil
sich die erste Periode nicht nur in Takt 13 bis 16, son-
dern schon vorher in Takt 5 bis 8 repetiert Dadurch
verschiebt sich das melodische Oleichgewicht zu stark zu
Gunsten des Hauptmotivs und das Nebenmotiv wird gar
zu stiefmütterlich behandelt. Eine logische Abrundung
wäre die ganze Repetition der Takte 1 bis 8 nach Takt 12,
wodurch eine zwanzigtaktige Form entstünde; dabei käme
das Nebenmotiv noch bedeutend schlechter weg wie bis-
her und so ist erwiesen, daß die zwölftaktige Form ent-
schieden den Vorzug verdient.
Weitere Beispiele (3 und 4) für die Form I sind: im
Dreivierteltakt »0 Tannenbaum«, im Viervierteltakt »Alle
Beispiel 3: O Tannenbaum.
l^^ijgj^J'
^^
i
Beispiel 4: Alle Vögeh
m
Vögel sind schon da«. Beispiele (5 bis 8) für Form II
sind: im Zweivierteltakt »Ein Männlein steht im Walde«,
— 6 —
Beispi«! 5: Ein Minnleln.
jU^-J^ir c/ir JiJi'inir-frJi
rrr^ifr Ji;jJ^ir crir Jij^ii
Beispiel 6: Weißt du.
i^i n\r f fjicf r f^ic/f Lg
ij,» fj'Jij-Jcjif ti-nj3fiif I
l^)Vf^rrl^rrrflJJJNMI
Beispiel 7: Outer Mond.
lyiiLriff.rün^g
^
a
frlf^iCJl
^
fir fir fiJ j J^^
Beispiel 8: Brflderlein fein.
fe 8 fii*r«i'l '^ 1^1* »TP
1^,* ■» ij J' r B I jgj^^i-^
— 6 —
im Dreivierteltakt »W«ßt da, wieviel Stemlein stehen«,
im Viervierteltakt »Outer Mond«, im Sechsachteltakt
»Brüderlein fein«. Die sechszebntaktige Form kennt keine
Abarten, sie ist beständiger, konservativer als die zwölf-
taktige Form. Letztere läßt Abweichungen und Ver-
schiebungen zu, wodurch die an sich wertvollere Form
zerstört wird und Mißbildungen entstehen. »Winter ade«
ist eine dieser Abarten (Beispiel 9). Die Mißbildung be-
steht darin, daß die Bepetition der ersten Periode in
Beispiel 9: Winter ade.
yii J^iJ.wHft;if^i^fi
Takt 9 bis 12 nicht wortgetreu erfolgt; das Nebenmotiv,
das in der zweiten Periode endgültig abgetan sein sollte,
wird in Takt 9 und 10 weiter verarbeitet, wodurch die
Bepetition der ersten Periode eine Verstümmelung er-
leidet Weit mehr noch artet »Ich hab' mich ergeben«
aus (Beispiel 10). Die Bepetition für Takt 9 bis 12 ist
Beispiel 10: Ich hab mich ergeben.
1 1,* 11 aj j I •- ii^ J'^
nicht dem Hauptmotiv, sondern dem Nebenmotiv über-
lassen, wodurch das Hauptmotiv seinen Bang als solches
völlig dnbüfit Ein Gleiches geschieht in »Fuchs, du
— 7 —
käst die Oans gestohlen« (Beispiel 11), und in anderen
Kinder-, Volks- und speziell Stndentenliedem. Offenbar
Kegt hier die Schuld an dem irregeführten Empfinden
des Volkes, weniger am Komponisten, der sich mit einer
dnagen Periode von acht Takten begnügte, ohne zu be-
rücksichtigen, daß der Instinkt des Volkes nach der Kreis-
fonn yeriangt) selbst auf die Gefahr hin^ nicht das Richtige
BeiBpiel 11: Fuchs, du haat die Gans gestohlen.
|j,^!i JJJJI^' IJ^^
ZU treffen. Diese Art Selbsthilfe wird häufig angewandt
and es läßt sich schwerlich nachweisen, wer verstümmelt
oder hinzugefügt bat Aber dort, wo die Repetition des
Nebenmotivs noch bei alledem eine motivische Steigerung
erfahrt, wie bei »Ich hab' mich ergeben« — das g in
Takt 9 — , dort ist die Verfehlung lediglich auf das Konto
des Komponisten zu setzen.
Eine zweiteilige Periode in zwölftaktiger Form bat
das Kinderlied »Wenn ich ein Vöglein war'« aufzuweisen
(Beispiel 12). Die textliche Unterlage verlangt die Zwei-
teiligkeit des Periodenbaues; Haupt- und Nebenmotiv be-
steht aus je zwei Takten (1 bis 2 und 7 bis 8), die sich
Beispiel 12: Wenn ich ein Vöglein war*.
^ij^j^j'
j|j jiüi
yj;3ijJrir ^^rffic/f iijij
in Takt 3 bis 4 und 9 bis 10 bei Transponierung um je
eine Terz repetieren und entsprechenden Abschluß in
Dominante und Tonika finden. Hier wie bei der sechs-
— 8 —
zehntaktigen Form entscheidet der Text über die Art des
Periodenbaues und nur in Fällen, wo es sich lediglich
um Repetierung des Textlichen handelt, kann man mit
dem Komponisten über die Zerbrechung oder ungerecht-
fertigte Erweiterung der Form mittelst eines Nebenmotivs
rechten.
Die Form des Einderliedes kann glücklicher nicht ge-
wählt werden; sie erleichtert ungemein das Erfassen des
musikalischen Gedankens, ja sie festigt ihn im Gedächtnis
durch seine Repetierung in Ereisform. Eine treffliche
Handhabe, um ein Motiv harmlos weiter zu spinnen, ist
dem Eomponisten in der Transponierung des Motivs und
in der getreuen Wiederholung der durch Transponierung
erzielten Erweiterung gegeben. Da unterscheidet man
zwei Arten von Liedern; die erste Art bildet das Haupt-
motiv in freier Entwicklung und macht erst beim Neben-
motiv von getreuer Wiederholung oder von der Trans-
ponierung Gebrauch. Ein Beispiel hierfür liefert »Alle
Vögel sind schon da«. Die zweite Art dehnt die frag-
liche Erweiterung auch auf das Hauptmotiv aus, wie in
»Alles neu« und »Euckuck ruft aus dem Wald«. Da-
durch wird ein schnelleres Erfassen der Melodie erzielt,
allerdings auf Kosten der thematischen Selbständigkeit
des Hauptmotivs. Wie dem auch sei, soviel steht fest,
daß in den oben zergliederten Formen tatsächlich eine
Idealform gefunden ist, welche dem melodischen Gedanken
am besten Geltung verschafft.
Die liarmoniselie Basis der Klnderlleder.
Der Charakter des Volkstümlichen bedingt von vorn-
herein größte Einfachheit der harmonischen Basis. Es
findet sich unter den zwölf zwanglos ausgewählten Liedern
nicht ein einziges, das eine Modulation in die Ober- oder
Unterdominante unternähme, geschweige denn mit Vor-
— 9 —
halten und anderem aufwarte. Das Fundament ist überall
dasselbe, es besteht aus der simplen Kadenz I — Y — I, in
Worten: Tonika — Dominante — Tonika. Selten tritt die
Unterdominante auf; nur ganz vorübergebend wie in
lAlle Vögel« Takt 2, in »Ein Männlein« Takt 2, in »Ich
faab mich ergebene Takt 5 und 9, und in »Fuchs, du
hast die Gans gestohlene Takt 3. Die übrigen acht der
hier in Frage kommenden Lieder begnügen sich mit der
Kadenz I — V — I. Diese Zurückhaltung im Harmonischen
kommt dem Melodischen zu Gute, indem das Harmonische
ZQ Gunsten des Melodischen den Gesang in Terzen- und
Sextengängen unterstützt. Die Harmonisierung ist in
diesem Falle keine bloße Verstandesarbeit^ die in tech-
nischer Korrektheit jedem Ton der Melodie einen andern
Kothurn unterschiebt. Vielmehr ist hier die Harmonie
eine ergebene Dienerin der Melodie, frei wie sie selbst
dahin strömend, ein zwangloser, kindlicher Kontrapunkt,
der sich in Prime, Quinte, Oktave, Terz und Sexte er-
schöpft Manche der Kinderlieder sind so gesetzt, daß
man ohne Gefahr in Terzen sekundieren kann. Im drei-
stimmigen Satze geht die ünterstimme im Abstand einer
Decime mit der Melodie, während die Mittelstimme auf
dem Ton der Dominante unbehindert ausharrt. Als Bei-
spiel sei »Alles neu«, »Guter Mond« und »Weißt du, wie-
viel Sternlein stehen c genannt. Die harmonische Basis
stellt eben infolge der Einfachheit der zu Grunde liegenden
Kadenz einen ungefesselten, freien Kontrapunkt dar, wie
er nur aus der Natur des Ganzen entwickelt werden kann.
Hier feiert das Einfach -Wahre seinen schönsten Triumph,
indem Melodie und Harmonie sich innerlich verwandt
und solidarisch fühlen. Hier vermißt man mit Freuden
jede Art von Mache, die sich in den modernen, mit dem
Volkstümlichen liebäugelnden Liedern so roh und unver-
schämt arrogant breit macht Dort wird mühsam Akkord
an Akkord gereiht und das Resultat ist nur eine un-
beholfene, quälend wirkende Kombination von Harmonien,
Fad. Mag. 318. Frümers, Zwölf Kindorlieder. 2
— 10 —
die in der Oberstimme eine Folge Yon Tönen präsentiert
nnd den stolzen Namen »Helodiec für sich beansprucht.
Der melodische Charakter der Kinderlleder.
Eine Hauptforderung für das rein Gesangliche bei
Einderliedern ist, daß der Oesamtumfang der Melodie
nach Möglichkeit auf das Mindestmaß der Quinte be-
schränkt bleibt. Das gebietet schon die Hygiene des
Schulgesanges. Yon den vorliegenden Einderliedem haben
Tier den Umfang einer Quinte, drei den einer Sexte, je
zwei den einer Oktave und None, eins den einer ün-
decime. Mag als höchstes Maß die Oktave gelten, so ist
dieser umfang groß genug, um das in Töne zu bannen,
was ein Einderherz bewegt. Meist ist ein übermäßig
großer Umfang nur auf die tiefe Lage des Anfangstones
im Auftakt zurückzuführen, wodurch ein lied, das sich
weiterhin im Sextenintervall bewegt, des Nonenumfangea
verdächtigt wird. Als Beispiele gelten »0 Tannenbaume
und »Ein Männlein steht im Waldec. Anders li^ der
Fall bei »Ich hab' mich ergebene Hier steht der tiefe
Anfangston nicht nur im Auftakt, sondern er ist untrenn-
bar mit der Melodie verwachsen. Eine Tran^onierung
des Anfangstones um eine Oktave höher, wie es bei den
vorigen Liedern möglich wäre, ist hier ausgeschlossen,
weil die Wiederholung dieses Experimentes zu tief in den
Eern der Melodie einschnitte und völlige Verunstaltung
Platz griffe.
Charakteristisch bei Einderliedem ist die häufige Ver-
wendung des Terzenintervalls und der diatonisch auf- und
abwärts schreitenden Quinte. Dem gegenüber steht daa
Signalmotiv in »Alle Vögel« (Takt 1) und das triolen-
artige Motiv in »Brüderlein fein« (Takt 1) vereinzelt da.
Letzteres Motiv findet sich auch in Oanztönen vor: hahg.
Der Volkssinn wird auf solche Spitzfindigkeit nicht leicht
reagieren, ihm fallt das Motiv: h ais h g bedeutend leichter;
— 11 —
miD sollte aber konsequent sein und bei der Notierung^
dieees liedeB nur eine der beiden Schreibweisen ver-
wesden, um den Oesamtcharakter des Liedes z« wahren.
Melodien, welche tr&uroerisch und hingebend in der Terz-
lage der Tonika schließen, begegnen uns in »Wdßt da,
wieviel Stemlein stehen ?€ and in »Ich hab' mich er-
gebene; auch das hier nicht dtierte >0 wie ist es kalt
geworden« schließt in der Terzlage.
In all diesen Tonfolgen and Intervallen paart sich
Einfalt mit Lebensfreude und Naturschwärmerei, wie sie
durch das kindliche Gemüt eines Haydn und Mozart in
die literatur der Erwachsenen übernommen wurden.
Woin dem Volke der ganze Schatz an Kinderliedem ver-
loroi ginge, so brauchte es nur bei jenen Meistern in
die Schule zu g^en und die Melodie der Kinderzeit würde
SU nenem Leben erweckt, die geschwundene Erinnerung
an die traute Sprache der Kinderstube wieder wachgerufen
werden.
Über das Nebenmotlr.
Es verlohnt, das Nebenmotiv in seiner Eigenschaft
als Bindeglied zwischen Periode I und III einer kurzen
Analyse zu unterziehen. In den Liedern »Fuchs, du hast
die Oans gestohlene und »Ich hab' mich ergeben« ist das
Nebenmotiv, das im fünften Takt anhebt, mehr ein untei-
geordnetes Glied des Hauptmotivs; in allen übrigen hier
citierten Liedern dagegen hat das Nebenmotiv selbständigen
Charakter als Vermittler zwischen Anfang und Ende. Zwei
Artoi Ton Nebenmotiven lassen sich unterscheiden; die
erste Art ist zweitaktig und repetiert sich auf derselben
Tonstufe, die zweite Art ist ebenfalls zweitaktig, repetiert
sich aber eine Terz oder eine Sekunde höher oder tiefer.
Zur eisten Art zählt »Brüderlein fein«, »Alle Vögel«,
»Bin M&nnlein steht im Walde« und »Weißt du, wieviel
Stemlein stehen«; zur zweiten Art gehören »Alles neu«»
— 12 —
»Kuckuck ruft aus dem Wald«, »Winter ade«, »Wenn ich
ein Yöglein war'« und »0 Tannenbaum«. Eine Sonder-
stellung nimmt »Outer Mond« ein; dort repetiert sich
das Nebenmotiv eine Sekunde höher, dann aber entwickelt
es sich ungebunden weiter (Takt 7 und 8). Es liegt in
der Natur der Sache begründet, daß das Nebenmotiv auf
der Dominante basiert Dieser Fall trifft zu bei »Alle
Vögel« und »Ein Männlein steht im Walde«. Kon-
zessionen an die Tonika machen die übrigen acht in
Frage kommenden Lieder. Die hierbei zu Grunde liegen-
den Kadenzen lauten:
a) 2 Takte V, 2 Takte I. Beispiel 1 und 2.
b) V— I— V— I pro Takt Beispiel 6, 8 und 12.
c) I— V— V— I pro Takt Beispiel 3 und 9.
»Outer Mond« basiert in den beiden ersten Takten auf
Kadenz b und schließt bei freier Weiterentwicklung in
der Dominante. Dieser Abschluß ist der logischere; er
Tersetzt das Lded in die Kategorie von »Alle Vögel« und
»Ein Männlein steht im Walde«. Die Nebenmotive be-
schränken sich alle auf vier Takte Ausdehnung, auch in
melodischer Beziehung sind sie sich sehr ähnlich.
Thematische Verwandtschaft.
Die Gefahr, unbewußt fremdes Eigentum zu berühren,
liegt besonders nahe, weil das Gebiet des Volkstümlichen
keine markanten Grenzsteine besitzt Thematische Ver-
wandtschaft tritt nicht nur auf Nachbargebiet, sondern
sogar auf eigenem Boden zu Tage. Dafür ist »Alles neu«
ein trefTlicbes Beispiel. Das Nebenmotiv ist dort eine
erweiterte ümkehrung des Hauptmotivs (Beispiel 13).
Motivische Verwandtschaft auf nachbarlichem Gebiete
findet sich in Takt 3 und 4 des »Alles neu«. Der dia-
tonisch aufwärts schreitende Quintengang deutet auf »Fuchs,
du hast die Gans gestohlen«. Wie sehr »Alles neu« und
— 13 —
iKuckack« melodische Doppelgänger sind, beweist Bei-
^)iel 14. Ein anderes Doppelgängerpaar entpuppt sich in
»Winter ade« und »Wenn ich ein Vöglein war'«. (Bei-
spiel 15).
Beispiel 13:
Umkehruog
erweitert
oder
m
^
f;f||/njJrl.i?l^^l
Kuckuck.
Beispiel 14:
i*f rll^ ^rlr ^ir rri^rH
Alles neu.
Winter ade.
Vöglein.
yj j j
Beispiel 15:
Als innerlich thematisch verwandt ist »Weißt du, wie-
viel Stemlein stehen« zu bezeichnen. Dieses Lied arbeitet
mit nur drei Motivteilchen. Das erste bildet den Auftakt
und in der ümkehrung um eine Terz höher transponiert
den Abschluß der ersten und dritten Periode (Beispiel 16 a).
Das zweite ist in dem Terzenschritt c— a verkörpert, der
sich später auf den Tönen d und e wie auf h in der
— 14 —
•)
Beispi«! 16:
k)
y ;3 1 r li cj I r II rj. ii^^TBI
0)
\l* fM^tf^LffW Jj J II fr ra
ümkebrung repetiert (Beispiel 16 b). Da» dritte Moüt*
teilchen besteht aus dem SekuDdenscbritt mit nacbfolgen-
der Prime: e— d — d, der sich auf den T6nen d, h und o
¥^iederholt (Beispiel 16 c). Aus einfacheren Mitteln läBt
sich kaum eine Melodie wie diese konstruieren und doch
liefert »Brüderlein feine den Beweis, daß zwei Motivteile
genügen, um eine Melodie zu schaffen, die sich größter
Popularität erfreut.
Die Yerkoppelang der TeilmotlTe.
Näher betrachtet, erweist sich »Brüderlein feine in
seinem melodischen Aufbau als ein ganz prosaisches
Rechenexempel, dessen Verarbeitung die Eontrapunkt-
hand werker des 16. Jahrhunderts ungemein hätte reizen
müssen. Es entspricht dem allgemeinen Gefühl und der
normalen Basis jeder Kunst, daß ein Volkslied alles andere
ist, als die fein ausgeklügelte, nüchterne Berechnung eines
Arithmetikers. Der zu Herzen gehende Volkston mit
seiner Einfachheit und ungeschminkten Innigkeit läßt die
Vermutung gar nicht aufkommen, daß diese Perlen auf
dem ünterboden des Einmaleins wachsen könnten. Daa
Prinzip des Volkstümlichen, mit kleinen Mitteln große
Wirkungen zu erzielen, hat weitgehendste Verwirklichung
in besagtem »Brüderlein feine gefunden, das in der Art
der Melodiebildung in der Literatur des Volksliedes einzig
dastehen dürfte. Es beweist auch mit bestem Erfolg, daß
kühle Berechnung kein Hindernis ist, schwungvolle
Melodieführung zu erzielen. Kein unbefangener wird
— 15 —
lonter der wie^nden, Büß eiDSchmeichelndeD Melodie des
»Brüderlein feine eine arithmetische Formel versteckt
^nben und doch stützt sich der melodische Bau auf eine
nackte Bechenform^ Selten arbeitet man auch mit zwei
XoliTeii so erfolgr^ch, daß daraus eine sechszehntaktige
Melodie erwächst, die Anspruch auf größte Popularität
bat Das eiste Motiv ist in Takt 1 enthalten; es wieder-
holt sieb in Takt 3, 4, 6, 6, 10, 12, 13 und 14 Das
aweite Motiv liefert Takt 3; es repetiert sich in Takt 7,
9, 11 und 16. Die Schlußtakte 8 und 16 der zwei
Pmoden zählen nur als notwendiger Abschluß in der
Tonika. So ergibt sich also, daß »Brüderlein feine aus
zwei Motiven von der Länge je eines Taktes besteht,
deren kunstgerechte Yerschachtelung und Verflechtung
die brannte Yolksmelodie geboren hat.
Entsprechend seiner Stellung als Motiv I hat dieses
öftere Verwendung gefunden als das Motiv II, das als
Nebenmotiv fungiert Dies scheint bewußte Absicht des
Komponisten gewesen zu sein oder richtiger gesagt, es
wird ihm sein musikalisches Feingefühl diese Art der
Motivbenutzung vorgeschrieben haben. Schwerer erreich-
bar wäre ihm wohl das Ziel geworden, wenn er statt des
tonalen Instinktes die kalte Berechnung hätte walten
lassen. Er vertraute seinem guten Tonsinn und ahnte
vielleicht nicht einmal, in welches Labyrinth er geraten
mußte, wenn er Motive und ihre Bestandteile nach arith-
metischen Gesetzen aneinander koppelte. So hätte er für
seine Volksweise folgende zweiteilige Formel gefunden:
a) Motiv I repetiert und koppelt sich an Motiv II,
weldies den Kreis mit Motiv I beschließt; das
ganze repetiert und schließt in der Tonika.
b) Motiv II repetiert in der Verkoppelung uut Motiv I,
bildet die Bondoform mit dem Oanzen aus Ab-
satz a und schließt in der Tonika.
Wir finden in diesem Volkslied das eigentliche Embryo
des Bondeau, in Form und Inhalt. Es gibt nicht sehr
Tiel» Motive^ die den Charakter des Bondogenres so treff-
— 16 —
lieb und überzeugend erscböpfen, wie jene wiegende,
unter Tränen läcbelDde SIelodie des »Brüderlein fein«.
Das Geheimnis liegt in der repetierenden Verwendung
des ersten Motivs einerseits und in dem sparsamen Qo-
braucb des zweiten Hotivs andrerseits. Die geschickte
Art der Motivbenutzuag schafft eine Volksweise, wie sie
einfacher kaum gedacht werden kann. Sie ist so recht
das ABO der Volkskunst Eine wertvolle Nachahmung
dieser zwerghaften, bodenstammigen Form wäre schon
deshalb anzustreben, weil die intensive Beschäftigung mit
der Miniaturkunet am deutlichsten zeigt, welch' geheime
Tiefen im Unbewußten der künstlerischen Produktion
liegen. Betreten wir einmal das Labyrinth der Motiv-
koppelungen; überzeugen wir uns von dem vielgestaltigeD
Wesen zweier in Proportion zueinander gestellten Motiv-
teile und benutzen wir dazu die oben citierte Volksweise.
Motiv I ist in seiner ersten Hälfte maßgebend, Motiv II
in der zweiten Hälfte. Stellen wir nun diese wichtigen
Motivteile in Proportion zueinander, so eröffnet sich uns
sofort ein weiter Ausblick auf die Eombinadonsarten.
Zar Erläntemng diene folgende Tabelle:
f g_b
1
1
1
1
2
1
■>
2
2
1
2
H
1
2
1
1
1
2
1
2
1
2
2
3
1
1
2
«
1
1
2
I
1
2
S
1
a
1
2
1
2
t
2
2
1
1
1
'
2
2
j
2
1
2
1
1
2
Die Ziffern 1 und S bedeuten die Teilmotive, während
die Buchstaben a bis o die vierzehn Resultate kenn-
zeichnen und unterscheiden. In Noten übertragen, er-
geben die Proportionen die Kombinationen in Beispiel 17.
Aus all diesen Motivmischungen erhellt zunächst, wie
reich auch die Natur der Töne beschaffen ist und wie
vielgestaltig abwechselnd bis ins Tausendste hinein die
tonalen Atomgruppen sind. Jede dieser vierzehn Gruppen
— 17 —
tragt den Keim der Weiterbildung in sieb, jede zeugt aus
dem Alten ein Neues und beides zeugt wieder ein drittes
Ganze. Angesichts dieser Offenbarung kann von melo-
•)
Beispiel 17:
i^i'nc/iff.ftjJi:^
w) r c
«Oa
C)
C03
^
Ol lal
-=^ — = =^, — =-
«03
coa
ll^g rr/rHvJ^|v}Whf^
coa
m)
<^
s
le
e
I ^ ^' Et; J
coa
«Oa
^a
<^
discher Armut keine Rede mehr sein und man bemit-
leidet die Neulandsegler, die uns eine Eunst in Yiertel-
tönen bescheren wollen.
— 18 —
Von den rierzehn MotivmischoDgen ist:
EombinatioD d die Umkehrang von a,
w
C
»
n
w
b.
w
h
?i
i>
i>
e,
n
g
«
11
11
f,
«
k
n
??
w
•
1,
Die Eombinationen 1 und m sind ohne Gegenstacke,
das heißt: Das Positiv fällt mit dem Negativ zusammen,
ihre Gebilde sind symmetrisch.
Sehlusswort.
Was lehrt diese analytische Studie? Sie lehrt erstens,
daß die Beschäftigung mit dem Kleinen, Unscheinbaren
in der Kunst ebenso nutzbringend und dankbar ist wie
die Erforschung größerer Probleme. Sie lehrt zweitens,
daß in der Kunst nichts so klein ist, daß es gering ge-
achtet werden dürfe. Sie lehrt ferner, daß auch im winzig-
sten Atom der Kunstmittel der Keim des Lebens steckt,
und daß ee nur der Energie des Tonschöpfers bedarf, um
aus dem Atom ein blühendes Kunstgebilde zu zaubern.
Das hat der Mensch vor dem Tier voraus, daß er wie
Gott selber aus dem Nichts schaffen kann. Ihm fliegen
Gedanken zu, einige haften, andeie berühren nur im Fluge
die Saite der Seele. Ein Tropfen, ein Atom genügt, um
den Keim zu legen, der Großes wirkt Die Studie zeigt
fernerhin, wie sehr bewußt uns doch im Grunde das un-
bewußte ist, wie sehr selbst das unbewußte zur Gewohn-
heit werden kann. Der musikalische Instinkt betätigt sich
unausgesetzt, selbst im Tändeln und Scherzen der Sander-
stube; auch über den Kinderliedem wacht der Schats-
engel der Inspiration.
oSß^
Dmok Ton Honnaim Beyer k S(Uuie (Beyer k Mtian) in
Dr. Horst Keferstein
Gedenkblatt
seines Lebens und Wirkens.
Von
Edmund Oppermann,
Schnldirektor in Brannschweig.
Pädagogisches Mngarin, Heft 314.
0" ^^>'V^
m
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Henogl. SKchi. Hofbnchhlndler
1907
AU« BKlite ToibahaMN.
Mir gilt die Jageod und die Kindheit als ein grofies
Ganzes, dessen Pflege ioh mit ganzer warmer Teilnahme
nach allen Richtungen verfolge und beobachte.
Horst Keferstem,
Eeferstein gehört in seiner Menschenkenntnis, seinem
Wissen, in der liebe sar Natur, in der Freude am
Gedeihen des Vaterlandes und in seinem gekl&rten,
religiösen Gemüt zu den geistigen Führern des Volks,
die nicht vergessen werden und denen viele in Liebe
und Dankbarkeit verbunden bleiben.
Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik.
Eeferstein war ein Geist, in dem sich die verschieden-
sten Probleme eigenartig spiegelten, der zu allen Fragen
selbständig Stellung nahm, eine Persönlichkeit, die in
ihrer Aufgabe voll und ganz aufging, ein Mann, der
mit allen Fasern seines reichen Herzens an der Er-
ziehungsarbeit hing. Allg. Deutsche Lehrerztg.
I.
Selbstbiographien bedeutender Männer sind für
Kenntnis ihrer Entwicklung, ihres Wertes, ihres Wirkens
QDd Schaffens, nicht zum wenigsten auch der kulturellen
Verhältnisse ihrer Zeit von größter Wichtigkeit Was
fehlte uns, wenn Ooeihe sein »Wahrheit und Dichtungc
nicht geschrieben hätte oder Bismarck nicht seine »Ge-
danken und Erinnerungen«! Welche Fälle von Belehrungen
und Anregungen verdanken wir Schulmänner Polacks
Brosamen, Kellners Ijobensblättern , Wieses Lebens-
erfahrungen, Schneiders und Bosses Lebenserinnerungen!
Oerade Autobiographien von Schulmännern, recht ver-
faßt, sind für uns von hohem Werte: sie bieten uns Ein-
blick in ihre Werkstätte, in ihr Kämpfen und Bingen,
sie machen uns mit ihren Idealen bekannt, sie übermitteln
FId. Kag. S14. Oj>j>ermaiifl, "Dr. Hont Zetesteia. 1
ans freimütige Urteile über Syeteme und aUrermSgende
Männer. Sie fördern uns in anserem Benifestreben, trösten
ans über schwere Zeiten hinweg, Stählen den Mut im
Kiogen nach dem Höchsten nnd beleben und befrachteo
unsern Idealismus. >)
Wir sind so glücklich, auch ron Keferslein eine
Selbstbiographie zu besitzen in dem zweiten Teile
seines noch nicht genügend bekanntea und noch nicht ge-
bührend gewürdigten Buches i Betrachtende Wande-
rungen durch die Unterrichts- und Erziehungs-
lehrec^ >ErinDerangen aus dem Leben des Ver-
fassers« nennt er diese 163 Seiten zutreffend, dann nicht
gleichmäßig sind alle Lebensepochen dargestellt worden;
Tielmebr ist die besonders bedeutsame ITiährige Wirk-
samkeit Kefersteins als Seminar -Oberlehrer in Hamburg
— otTenbar aus zarter Rücksichtnahme auf die noch
Lebenden — -nur aphoristisch behandelt worden, und Ton
dem auch sehr regsam verlaufenen Lebensabend erfahren
wir nichts, da das Buch 1894 erschienen ist Aber auch
das Vorliegende ist so inhaltsreich, so wertvoll, so an-
regend und erquickend, daß wir dem Entscblafeneu fQr
diese Qabe besonders dankbar zu sein, alle Ursache haben.
■) iSiDi] ■Qtobtographiscbe ADfzeicbnuDgea völlig wabrbeits-
getrea, ao werdeo Bie >1b böchat wertvoller Beitrag inr Qesobiobta
aod damit inr Eeontnia noBerea OeaohlecblB sn bBtrachteo aein, da
ja im Oebiete sonstigen Qaelleomateriala so TJeles nnr mit größter
ToiBicht tu QebruQcbendeB eatbftlteQ ist. Deo Eindruck eitler Selbst-
überhebnog wird die Selbstbiographie anch des sofaliehtestsD Erden-
wallerB wenigsteos bei dem aiaht hervorrnfee, der da begreift, daft
nnter UmBl&odeD das Leben nnd Wirken einer noch so verborgen
gebliebenen Person inweilen tiefer aaf deren Umgebungen eiotn-
wirken vermag, als das eieer allbekianten BerübmtheiL Diee kann
beeoDders dane eintreten, wenn Bicb die betreffende Person mehr
daroh setbaUodige, lom Teil oene Oedanken and treffende Urteile
über bestehende EinriobtuDgee und deren VerTollkommniuig, al»
durch anmittelbares prsktischeB Eingreifen in das Oelriebe des öffent-
lichen Lebens oder duicb niaBeDschaAIiche, könstlerigohe, teohaisohe
Xieistnngeo hervortat.' {H. Eefer»ttm.)
*) Jena, Fr. Maokea Verlag (A. Sohenk), 1B94. 478 8.
— 8 — ,
Wir werden denn auch im folgenden diese »Erinnerongenc
als wichtigste Quelle einer Biographie oft zitieren.
Kefersieins Heimat, sein Geburtsort, die Stätte mehr-
jihrigen amilichen Wirkens, das Heim fiir einen fried-
lichen Lebensabend und die letzte Ruhestätte, ist die lieb-
lich gelegene thüringische Museostadt Jena. Ihr blieb
er sein Lebtags zugetan, sie hat er wieder und wieder in
beredten Worten yerherrlicht In dem einstmaligen dortigen
Biakonat wurde er geboren. Das glückverheiBende Datum,
welches man damals schrieb, heißt: 12. August 1828.
Schon in früher Kindheit erwachte in ihm die Liebe
zur Natur, die sein langes Erdenleben verschönt hat.
Jener Eichplatz beim Diakonat war ja so sonnig und,
weil nicht gepflastert, zu harmlosen Bewegungsspielen
wie geschafTen und darum ein Lieblingsort spielfroher
Kinder. »Auf ihm gab es auch den Knaben mächtig an-
ziehende Schauspiele studentischen Treibens, wie Fecht-
übungen, Kommerse mit all den begleitenden Dingen, wie
Gesingen, Ansprachen, Schwerterblinken, farbigen Mützen,
Bindern usw.« An ihn knüpften sich die frühesten und
Büßesten Kindheitserinnerungen. Und wie die Lage des
Elternhauses, so begünstigte auch die landschaftliche Um-
gebung des Wohnortes die Freude am Naturgenuß. In
den Garten yor der Stadt gingen die Eitern bei günstigem
Wetter schon vormittags, die Kinder direkt von der Schule.
In diesem anheimelnden Idyll wurde ein einfaches Mittags-
mahl bereitet, wurden Schul- und Gartenarbeiten gemacht,
wurde gespielt, wurden vertraute Gäste bewirtet Endlich
die Umgebung Jenas! Kefersiein begeisterten die zahl-
reichen lauschigen, zu erquickenden Wanderungen ein-
ladenden Seitentäler und Schluchten, die sich von dem
Haupttale abzweigen. »Sanft ansteigende, mit Obstbäumen
oder Beben, teilweise auch mit Matten und Getreidefluren
oder mit einigem Waldbestande bedeckte Anhöhen um-
kränzen zum Verweilen einladende Dörfer. Längs der
Saaleufer ziehen nach S. und N. stundenweit mit Nutz-
biumen bestandene blumenreiche Wiesen . . .c
1*
Aach die FriTttBobale des Dr. Zenker, die Kefer^
stein zur YorbereituDg für das OjrmDanom besnchts, legte
auf Erhol an gBSpiele in dea Schulgärten and lof freien
Plätzen g;roßes Gewicht, ebenso wie aaf halb- und guu-
tägige WanderoDgeD. Zeitlebens hat dann unser Kefer-
stein gern den Wanderstab in den Ferien cn größeren
Ausflügen ergrifEto and dadurch seinen Horizont ertrmtert,
sein Wissen geklärt und vermehrt und eeioem starkm
Triebe nach Unabhängigkeit and Selbständigkeit Becb-
nuDg getragen.
Beicbe Anregung bot dem Knaben dra Verkehr vieler
hochgebildeter Gelehrten and Künstler im elterlichen
Bause. Der Yater war ein Freund der Wissenschaften and
zugleich namhafter Uusiktheoretiker. Im Jahre des Herder^
Jubiläums hatte er den Abschnitt über >Herder nach der muei-
kaliadien Seite« für das >Herder-Albam< verfaßt, and die
beiden eisten Mueiktheoretiker Prof. Marx und Prof. Lobe
waren ihm ebenso zugetan wie Robert Sckumann, Slam
Wieck, die nachmalige Frau Sehumanti, und der Balladen-
Löwe, der ein Studiengenoase des Vaters gewesen war.
Von befreundeten Gelehrten seien nur genannt die Philo-
sophen tVies und Reinhold (der Sohn des ersten Kantianers),
die Historiker Luden und Dahlmann. Fries' Bild stand
vor der Seele des Knaben als das eines stets naild und
-ernst vor sich hinblickenden Mannes, Daklmannt aber
als eines meist finster Dreinschauenden.
Tor allem zog das studentische Treiben den
Knaben an, z. B. die bei dem Frorektoratswechsel regel-
mäßig auftretenden Exzesse der Studierenden, wie nament-
lich das Einwerfen der Fenster in des neuen Prorekton
Wohnung, femer die während der bessern Jahreszeit &Bt
täglich stattfindenden Gelage auf Markt und Straßen der
Stadt, das Fäßchentrinken , Singen und Fechten in aller
Öffentlichkeit, das Laterneneinschlagen , das Ausbringeo
von Pereats oder die Katzenständchen vor den Fenatem
mißliebiger Professoren, endlich das Gepränge, mit dem
man die Belegierten als die Opfer des Strs^eeetees n
— B —
den Tom der Stedt hinansgeleiteta Noch sei einer
anderen Beminiazenz gedacht, deren sich Kef er stein aas
der Jugendzeit erinnerte. Noch damals wurden Personen,
die sich dea Diebatahls schuldig gemacht hatten, an das
am Bathana befestigte Halseisen gelegt und dem Hohne
wie dem Bewerfen mit Kot, faulen Eiern usw. preis-
gegeben.
Inzwischen wurde der Vater, der in Jena als Garnison-
prediger angestellt war, nach dem 3 Stunden weit ent-
fernten Dorfe Wickerstedt versetzt. Während die vier
Schweatem mit dorthin zogen, besuchte Horst die
Zmkerache Schule weiter und erhielt täglich abwechselnd
bei Freunden freien Mittagstisch. Diese Einrichtung
brmelite ihm aber viel Unbehagen und Unannehmlich-
keiten. In um so schöneren Lichte und um so beseligen-
der erschien ihm der Aufenthalt im elterlichen Hause,
das er möglichst oft besuchte, wobei ihn dann die Mutter
mit aller Zärtlichkeit empfiog. Dem Heimweh war Kefer^
9iein stark ausgesetzt, wie er denn zu den Naturen ge-
hörte, in denen das Gefühlsleben stark ausgeprägt ist und
die das unangenehm sie Berührende allzu schwer nehmen.
»Wie oft beneidete ich Männer um ihren ungetrübten
Gleichmut, wenn man ihnen noch so übel zusetzte und
sie es über sich gewannen, nachdem sie zu der einen
Tör hinausgewiesen waren, zur andern wieder herein-
sutretenlc, ruft Kefersiein a. a. 0. aus. Sein Gesundheits-
zustand flößte aber oft Besorgnis ein. In den Halbjahrs-
zeugnissen stand wiederholt die Mahnung: »Mag seine
Brust schonen If, und der Arzt verordnete gleichfalls große
Schonung.
Über dem Schulleben schwebte ein gewisser Un-
stern. Des Vaters sehnlicher Wunsch war, den Sohn in
Schulpforta zu sehen. Für die Blüte dieser Schule
bricht u. a. der Umstand, daß Horst hier in Untertertia
angenommen wurde, während man ihn in Weimar be-
reits für Sekunda reif erklärt hatte. Aber die damaligen
Einrichtungen und namentlich der ihm vorgesetzte »Ober*
— 6 —
geselle« erBCbieneo ihm als zu Bchwere Bürde, daher vei^
ließ er bald gegen den Willen des Taters Scbnlpforta
wieder, um nach Weimar zu gehen. Dieser Entschlofi
bereitete ihm dann später viele Stunden der Reue, dena
bald erkannte er, daß die vorzüglicheien Lehrer doch in
Schnlpforta waren. £r sollte nun die Erfahrung machen,
daß man nicht ungestraft in der Jugend seine eigenen
W^ geht, and daß gewohnte geistige Nahrung vielleicbt
viel schwerer Termißt wird, als irgend ein äußeres Qot
Später sandte er denn auch zwei seiner Söhne gern and
mit bestem Erfolg nach Pforta.
Ais segensreichste Uitgift aus Schulpforta betrachtete
er es, daß er dort geistiges Arbeiten liebgewonnen hatte.
So lebendig war das Yerlangen nach geistiger Anregung
in ihm erwacht, daß er sich nie und niigends wohl and
befriedigt fühlte, so oft und wo auch immer nur leere
EormalitSten, z. B. bei Kneipereien, in den Tordei^gmod
traten. Auch die wesentlich durch Kefersiäna Einfluß
entstandene Terbindung »Arminia«, die in Tiefurt ihre
Stammkneipe hatte, nahm nie den Charakter bloßra*
Kneipereien an, wenngleich bei den Zusammenkünften
am Sonnabend Nachmittag &ohe Ejieder beim Glase Bier
gesangen wurden. In diesem Kränzchen nahm man eine
klassische Schrift aus der deutschen Literatur vor, auch
beurteilte man, oft recht scharf, die eing^angenen Auf-
sätze. »Tomehmiich übten wir uns im freien Sprechen,
Disputieren, Deklamieren, lernten uns unbefangen vor
anderen aussprechen, nötigten uns zn regelmäßigen Privat-
arbeiten, gewöhnten uns an eine edle Beschäftigang in
den Mußestunden, genossen außerdem die Freuden freund-
schaftlichen, geselligen Verkehrs und bewahrten uns un-
bewußt vor so manchen unserer Jugend und Unerfahren-
heit drohenden Gefahren.«
Die Schwingen wuchsen, und bereits im 20. Lebens-
jahre redete Keferstein wiederholt in Yolksveraamulungen.
Man schrieb ja 1648, als er im Stadthaassaale die Tribüne
betrat, am die sofortige Einrichtung eines Turnvereins
— 7 —
sa beantragen, und es war auf einer Wiese bei Apolda,
wo er gegen die Stimmfüiirer, aber unter Beifall vieler
Landleute die Yerkündigung einer deutschen Bepublik
mit dem Einwände bekämpfte, daß zahlreiche Bepubliken
im klassischen Altertum an großen Gebrechen gelitten
bitten und einem frühen Untergange geweiht gewesen
wiren. Ob dieser frühzeitigen politischen Tätigkeit ver-
wanite ihn dann sein Direktor. Aber wo alles petitio-
nierte, konnten die Gymnasiasten doch nicht schweigen:
nnter Kefersieins Vorsitz beschlossen sie eine Eingabe
um Unterricht in freien Bedeübungen, sowie in neuerer
and neuester Geschichte.
Schon als Gymnasiast unternahm er ohne Begleitung
weite Fußreisen, selbst bis zur Insel Bügen. Dadurch
erweiterte er beträchtlich seinen Gesichtskreis und lernte
die Wdt und das Leben besser verstehen. Auf den Fort-
gang seiner Studien wirkten diese Geist und Körper
stählenden ünterbrechangen der Schularbeit nur vorteil-
haft, und mit der Gesamtzensur 1 bestand er 1849 das
Abiturienten ezamen.
Nun sehen wir ihn als Student in Halle, Jena
und Tübingen. Schon im ersten Semester wurden die
Studien jäh unterbrochen darch eine Cboleraepidemie.
Die Schulen wurden geschlossen, und Keferstein konnte
wieder in die Welt wandern, zum erstenmal in die Alpen-
welt der Schweiz, zwar mit überaus bescheidenen Mitteln,
daher vorwiegend auf Schusters Bappen, aber mit großem
Ertrag an Begeisterung, Belehrung und mancherlei An-
regungen.
In Halle fand er frühere Mitschüler aus Schuipforta,
die der Burschenschaft » Fürstental c angehörten; auch
Keferstein schloß sich ihr um so lieber an, als er bereits
als Gymnasiast seine Sympathie den Burschenschaften
zugewandt hatte.
Von dem erwählten Derufsfache, der Theologie, wurde
er zunächst durch einen Stubennachbar und einen Do-
zenten abgelenkt, die ihn für philosophische Probleme
— 8 —
und namentlich für den damals unbeschränkt geltendeD
Hegel zu begeistern wußten. In Tübingen, wo er vom
Herbst 1850 auf ein Jahr weilte, zog ihn besonders stark
Chr, van Baur an, der Beigenführer unter den berühmten
Vertretern der sogenannten Tübinger Schule. »Aus seinem
Vortrag erkannte man das Lehren aus tiefster und wärm-
ster Überzeugung Er wirkte alles durch die Wucht
seiner freien unabhängigen Persönlichkeit^ durch die geist-
volle Art, historische Probleme zu lösen, durch die Meister-
schaft, die schwierigsten fach wissenschaftlichen Aufgaben
zu bewältigen.« Auch den berühmten Ästhetiker Vischer
verehrte er als einen führenden und mit scharfer Geistes-
wafTe streitenden Gegner alles Ungesunden und Un-
schönen, wie in den bildenden, so in den redenden
Künsten und nicht am wenigsten auch in der Mode der
weiblichen wie männlichen Kleidung. Für ühland^ deo
er oft sah, begeisterte er sich sehr, und wieder und
wieder wanderte er hinaus zu den in Uhkmds Balladen
spielenden, von Sage und Geschichte umwobenen Orten,
Burgen, Bergen und Tälern. Übrigens ging^s in Tübingen
noch recht ländlich -sittlich zu: man schlachtete auf der
Straße, große Düngerhaufen zierten dieselbe, und die
Häuserfront war ganz gewöhnlich mit Wäsche, die ge-
trocknet wurde, bedeckt.
Nachdem Kefersiein wieder nach Jena zurückgekehrt
war, brach er mit der Theologie völlig, um sich der
Pädagogik zu widmen. Er trat in OöUlings philologisches
und in Droysens historisches Seminar ein, besonders aber
fesselte ihn Stoi/y der freilich hohe Anforderungen an die
Arbeitskraft stellte. Kefersiein besuchte Siays Vorlesungen,
nahm an den vielen Konferenzen teil, hielt Lektionen in
der Übungsschule, hospitierte fleißig, begründete eingehend
seine Kritiken der gehörten Lektionen. Daneben studierte
er emsig Geschichte und die alten Klassiker.
So vielseitig und gründlich vorbereitet, begann Kefer-
stein 1852 seine Lehrtätigkeit — ohne Ablegung dee
Oberlehrerexamens, da ein solches damals in Weimar
— 9 —
aooli nicht eingerichtet war. Außerordentlich vielseitig
war seine 43jährige Tätigkeit als Lehrer und Erzieher.
In dieser von gewöhnlicher Oberlehrerlaufbahn so stark
abweichenden Mannigfaltigkeit des pädagogischen Wirkens
haben wir aber auch die Erklärung für Kefersteins
soaveräne Beherrschung des Oesamtgebiets der
Pädagogik, f&r seine klare Erfassung der SchulCragen
nnd ffir seine fruchtbare und achtunggebietende Tätigkeit
als pädagogischer Schriftsteller.
Zunächst wirkte er fast 16 Jahre in Dresden. Hier-
her war er 1852 gekommen ohne feste Aussicht auf ein
Lehramt So ergriff er das erste beste, das sich bot. Und
das war nichts Gutes: ein völlig ungebildeter Besitzer
einer Pension für junge Engländer gewann ihn als Lehrer.
Gern vertauschte er bald dieses Sklavenleben mit der
Beügionsiehrerstelle an einer Töchterschule und dann
diese mit der vollen Lehrerstelle an der berühmten Privat-
Lehr- und Erziehungsanstalt des Dr. Krause.
Darauf wurde er an Dr. Odermanns öffentliche Handels-
lebranatalt der Dresdener Kaufmannschaft berufen, und
zwar für Deutsch, Geschichte und Geographie, für Fächer,
in die er sich bei der ihm eigenen Gründlichkeit erst
schwer hineinarbeitete, die er aber dann mit Virtuosität
beherrschte und deren Methodik er dann in mannigfacher
Weiae befruchtete. So verfaßte er eine reichhaltige Samm-
lang geographischer Fragen und einen Leitfaden
ffir den geographischen Unterricht; ferner bearbeitete er
eine Sammlung von Charakteristiken aus Rankes
Werken und ein größeres Kompendium für den Ge-
schichtsunterricht bezw. für Geschichtsrepeti-
tionen, sowie »2600 Fragen aus der Geschichte
and Geographie«. Bei meinem Unterrichte in der Erd-
kunde konnte Kefersiein freilich immer aus dem Tollen
schöpfen, denn seine Augen hatten vielleicht die meisten
geographischen Objekte, die im Unterricht vorkommen,
gesehen. Nächst den Alpenländem, besonders der Schweiz,
die er schon wegen persönlicher Beziehungen oft besuchte,
— 10 —
lernte er England, Schottland, Niederlande, Belgien, Däne-
mark, Schweden, Frankreich und Italien durch seine
Reisen kennen. Groß ist die Zahl der bedeutsamen Per-
sönlichkeiten, denen er daheim und in der Fremde pei^
sönlich näher trat Wir nennen Berthold Auerbach,
E. Gutzkow, Otto Roquette, H. Hettner, J. Grosse, R
Waldmüller, Schnorr, Rietschel, Zeichen -Flinzer, Diester-
weg, Berthelt. Als Gegensätze erschienen ihm Auerbach
und Gutzkow. »Auerbach, der behäbige, runde, ans
seinen großen, etwas hervorstehenden Augen freundlich
lächelnde Erzähler der Dorfgeschichten, dessen Mundart
einen anheimelten, und wiederum der lange, hagere, bleidi
und meist finster dreinschauende Gutzkow, der seine
pessimistische Weltanschauung, seine nach allen Seiten
scharfen satirischen Ausfalle keinen Augenblick im Äußeren
verleugnen konnte. In Auerbachs Nähe empfand man ein
gewisses Behagen, Gutzkow flößte einen beengenden Ein-
fluß auf den ihm Nahenden aus.€
Durch den Dichter W, Wolfsohn veranlaßt, wurde
Keferstein von dem russischen Kultusministerium zur
Begutachtung von Entwürfen zu ünterrichtsreformen in
Rußland ersucht Ihm wurde dann als Anerkennung
seiner Arbeit der Stanislausorden verliehen. Wolfisohn
wurde auch äußerer Anlaß zur Bekanntschaft Eefersteins
mit Diesterweg. Jener hatte in seiner Revue Kefersteins
Abhandlung über die Eonfession in der Schule veröffent-
licht. Diese gefiel Dtestotveg so gut, daß er sich die
Erlaubnis zum Nachdruck für sein »Pädagogisches Jahr-
buch c erbat, — eine seltene Auszeichnung. Er begrüßte
Keferstein als einen unbefangenen Beurteiler und Ge-
sinnungsgenossen. Dieser urteilt über ihn zutreffend:
»Diesterweg war frei von jeder starren Prinzipienreiterei,
frei von speichelleckerischem Liberalismus, wenn es galt,
nicht nur von Rechten, sondern auch von Pflichten und
Aufgaben des Lehrers zu reden. Er war zwar ein Gegner
konfessionellen Religionsunterrichts und der Konfessions-
schule, aber ein durchaus warm fühlender Mensch der
— 11 —
IL a. die Predigten Schleiermachers mit innigster Teil-
nibme hörte, c
Stark zog es Kefersiein hin zu den Yolksschul-
lehrern: der liebe zu der Volksschule und ihren Lehrern
ist er trea geblieben bis zum Tode. Als Mitglied des
Dresdener Pädagogischen Vereins entfaltete er eine r^e
ntigkeit U. a. hielt er den Festvortrag »Herder als
Pidagogec und ehrte er den Altmeister Diesterweg durch
einen warm empfundenen Nekrolog. Durch Schuldirektor
Beriheli wurde er mit der von ihm geleiteten »Allgem.
Deutschen Lehrerzeitungc bekannt und für den Besuch
der Allgemeinen Deutschen Lehrerversammlungen ge-
wonnen. Es war in Hildesheim, wo Kefersiein (1867)
die Adiaphora im Unterricht als Thema behandelte.
In der Sächsischen Lehrerversammlung in Dresden er-
örterte er die Frage der Lehrerbildung, gleichfalls in der
Seminarlehrerversammlung in Nürnberg. Es war die Leb-
haftigkeit des Interesses an den auf der Tagesordnung
stehenden Gegenständen und seines Empfindens, teilweise
auch eine aus reichen Erfahrungen geschöpfte Betrachtungs-
weise, die ihn zu einer regelmäßig regen Mitarbeit bei
Lehrerversammlungen durch Vorträge oder durch Beteili-
gung an der Besprechung führte, z. B. auf Realschul-
männerversammlungen, Weimariscben- und Thüringer-
Lehrerversammlungen und in Versammlungen von Ver-
tretern des weiblichen Unterrichts.
1856 schloß er den Ebebund mit der Tochter einer
in Dresden lebenden Pastorenwitwe. Ihrem Ruhme hat
er in seiner Selbstbiographie ein gar lieblich zu lesendes
Kapitel gewidmet, das in dem Satze gipfelt: »Wenn sich
meine Zukunft im großen ganzen weit über mein Ver-
dienst glücklich gestaltet hat, so danke ich dies nicht am
wenigsten der lieben Lebensgefährtin.« Auch darin zeigte
sie ihre anspruchslose Liebe und echte Weisheit, daß sie
ihrem Gatten in reichem Maße alle Anregungen und
geistigen Auffrischungen, wie z. B. größere Reisen oder
die zur Ausführung literarischer Arbeiten unentbehrliche
- 13 —
Muße des Stadierzimmers yeigönnte, während sie sich der
Pflege der Eioder — drei Söhne und vier Töchter — und
der Pensionäre wie den Anforderungen des Haushalte»
mit Yoller Treue widmete.
Eine reiche schriftstellerische Tätigkeit entfaltete
Keferstein bereits in diesem ersten Abschnitt seiner päda-
gogischen Wirksamkeit Für das Dresdener »Communalr
blatte verfaßte er viele Artikel über das Schulwesen, für
die »Constitutionelle Zeitung« viele Leitartikel, ferner
Beiseskizzen aus England und Schottland, sowie Artikel
populär - philosophischen Inhalts. Nicht so schnell ver-
wehen seine inhaltsreichen, formvollendeten Artikel für
eine Anzahl Enoyklopädien über alle Hauptfragen des
Erziehungs- und Unterrichtswesens: für Bentxsch* Volks-
wirtschaftliche Enoyklopädie, für Schmids Encyklopädie
des gesamten Unterrichts- und Erziehungs wesens, für
Petxolds Encyklopädie der Pädagogik, besonders aber für
Rei?is Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik. Hier
finden wir aus seiner Feder die gediegenen Arbeiten über:
Ästhetische Bildung, Beneke, Denzel, Oraser, Palmer,
Familienerziehung, Internat, Eonsequenz in der Erziehung,
Privatschulwesen, Internationale Erziehung, Fortbildungs-
und Fachschule. (Doch fallen diese Arbeiten zum Teil in
eine spätere Zeit.)
Die Geschichte der Pädagogik hs^i Keferstein durch
viele größere und kleinere Studien bereichert Mit kon-
genialem Verständnis wußte er die Ideen der pädagogi-
schen Klassiker zu erfassen, mit liebevoller Vertiefung
zeichnete er ihren Lebensgang und ihre Bedeutung, mit
großer Sachkunde und kritischem Verständnis wies er
ihren Platz in der Geschichte der Erziehung an. Sehr
bedauern wir, daß er die Muße nicht gefunden hat zu
einer zusammenfassenden Geschichte der Pädagogik, für
die er so wertvolle Bausteine beigetragen hat —
1867 verließ Keferstein Dresden, um die von Schul-
rat iS/oy in Jena käuflich erworbene Enabenerziehungs-
anstalt zu übernehmen. »Also wollen Sie das heiße
— 18 —
Bisen aoCuBenPc fragte Wichard Lange warnend mit
Hhiweis anf die Sorgenlast, die Keferatein unter Preis-
gäbe seiner lohigen und beglückenden Verhältnisse auf
sich nehmen wollte. Da der bisherige Institutsyerwalter
simtliche Zöglinge mitgenommen hatte, so fand Kef er stein
stmidist ein von Pensionären YÖllig entblößtes Haus vor.
Dodi bald blühte die Anstalt unter seiner Leitung wieder
aal Die unter Sioy eingeführten, meist monatlich statt-
findenden Bepetitionsexamina behielt er bei. An den sog.
Stadientagen wurden einige Klassen mit Klausurarbeiten
beschäftigt, mit anderen wurden in Gegenwart der durch
die Aofirichtführung nicht behinderten Lehrer Wieder-
iiolongen abgehalten. Daran knüpften sich Konferenzen,
in denen zunächst der betreffende Kollege seine Lektion
selbst einer Beurteilung unterwarf und ein Rezensent und
das Kollegium ihr urteil abgaben. »Es war dabei nicht
immer ganz leicht, persönlichen Bemerkungen zu wehren;
aber so manche meiner Kollegen, denen diese Übungen
and kritischen Konferenzen zunächst als eine unerquick-
liche Mitgabe bei ihrer Amtsführung erschienen, haben
mir später ihren Dank für diese » Quälereien < entgegen-
gebracht Ebenso dafür, daß ich eine ziemlich peinliche
Kontrolle über die Korrekturen und die Haltung der
Schülerhefte und Lehrmittel, über pünktlichen Anfang des
Unterrichts, die regelmäßige Säuberung und Lüftung der
Klassenräume usw. übte.«
Keferstein richtete femer Elternabende ein und hielt
Sonntags abends in seinem Hause literaturgeschichtliche
Vorträge für seine Hausgemeiode wie für die Stadtschüler
und deren Angehörige. Er gründete einen Volksbildungs-
Torein, in welchem auch akademisch gebildete Lehrer
Vorträge hielten. Der Handfertigkeitsunterricht fand, wie
anter Stoy^ sorgfältige Beachtung, und für Körperpflege
wurde außerdem durch Exerzieren, Tanzen, Schwimmen,
Baden, Schlittschuhlaufen und Wanderungen ausgiebig ge-
sorgt Nicht minder wurden die schönen Künste gepflegt, Qe-
sang, Instrumentalmusik, Deklamationen und Aufführungen.
— 14 —
Im Einverständnis mit den Yertretem der Kaufmannschaft
richtete Keferstein Kurse für Lehrlinge ein, in denen die
üblichen Fächer an Handelsschulen vertreten waren. End-
lich leitete er auch eine höhere Privattöchterschule. Wahr-
lich eine arbeitsreiche, vielseitige Tätigkeit!
Durch lange Erfahrung hatte Keferstein sich ein zu-
treffendes Urteil über das Privatschulwesen gebildet
Ihre innere Berechtigung begründet er zunächst mit
dem Hinweis auf die im Interesse unserer höchsten
Kulturaufgaben zu gewährende freie Entfaltung hervor-
ragender Talente und idealer Bestrebungen in der Jugend-
bildung. Wollte der Staat jede selbständige eigenartige
pädagogische Unternehmung intellektuell wie moralisch
bewährter Persönlichkeiten unmöglich machen, so wäre
dies als schwere Einbuße für die freie Fortentwicklung
der theoretischen wie praktischen Pädagogik zu bezeichnen.
Doppelt berechtigt, ja notwendig ist die Privatschule,
wenn sie zugleich als völlig organisierte Erziehungsanstalt
auftritt und Aufgaben übernimmt, mit deren Lösung die
wenigsten öffentlichen Schulen sich befassen mögen. Wo
sollte gegenüber dem massenhaften Mangel an pädagogisch
entsprechenden häuslichen Verhältnissen auch eine Abhilfe
gewonnen werden, wenn nicht in wohlgeleiteten Privat-
erziehungsanstalten? Als eventuelle Vorzüge der Privat-
schule hezeichüet Keferstein^): 1. Diese gründen sich auf
allgemein anerkannte Unterrichts- und Erziehungsideen
und wollen nicht bloß Fach- und Berufezwecke verfolgen.
2. Ihre Vorsteher wollen in erster Linie warme, hin-
gebende Vertreter pädagogischer Ideen und Grundsätze
sein. 3. Sie werden sich schon deshalb mit größter
Pflichttreue ihrem Berufe widmen, weil ihr persönlicher
Vorteil dabei im Spiele ist, so daß sich jede grobe Ver-
nachlässigung des freigewählten Amtes doppelt rächen
müßte. 4. Sie können kleine Klassenkörper unterhalten,
unbrauchbare Lehrkräfte leicht entfernen, sittlich anrüchige
^) Beins Eocyklopädisches Haodbuoh der Pädagogik.
— 16 —
1
Schfiler los werden, als wertvoll erkannte Neuerungen
im ünterrichtsbetrieb schnell zur Geltung bringen, den
Individualitäten der Schüler möglichst gerecht werden,
einen lebhaften Verkehr mit den Eltern unterhalten, die
gesamte persönliche Entwicklung des Zöglings angemessen
beeinflassen. 6. Sie können Heilstätte und Rettungsanstalt
sein f&r Schüler, die von überfüllten öffentlichen Schulen
w^gen ungenügender Leistungen abgehen mußten, und
Tielleicht ungerecht Aufg^ebene und völlig mutlos Ge-
wordraie durch geduldiges Eingehen auf ihre individuellen
Hingel, besonders durch geschickte methodische Behand-
lang schwieriger Lehrfacher zu ungeahnter Leistungsfähig-
keit führen.
Trotz treuester Arbeit blieb die Jenaer Zeit doch
sorgenvoll. Kein Wunder, daß Keferstein freudig eine
Stelle als Oberlehrer am Hamburger Lehrer- und
Lehrerinnenseminar annahm. Er war 1876 in Ham-
burg zum Besuch, als er erfuhr, daß man einen Seminar-
Oberlehrer suche. Gern nahm man seine Bewerbung ent-
gegen, da er, wie viele Schriften und Vorträge bekundeten,
über Lehrerbildung eingehend nachgedacht und die Lösung
dieser Frage nicht wenig gefördert hatte.
Die siebenzehn Jahre reich gesegneter Tätigkeit am
Hambui^r Lehrer- und Lebrerinnenseminar sind im all-
gemeinen glücklich zu nennen. Das gilt besonders von
dem Sonnenschein seines Familienlebens. Die amtliche
Tätigkeit befriedigte ihn allerdings nicht in allen Stücken.
Ohne auf Einzelheiten einzugeben, sei nur an den Um-
stand erinnert, daß das Hamburger Volksschulwesen,
welches jetzt in hoher Blüte steht, sich erst sehr spät
oitwickelt hat — ähnlich dem Berliner, und daß man
dort erst sehr spät das Lehrerseminar geschaffen und
organisiert hat.
Auch in Hamburg widmete Keferstein über die Schul-
stunden hinaus einen Teil seiner Zeit seinen Zöglingen.
Allwöchentlich unternahm er mit ihnen Spaziergänge, und
oft lud er sie zu einem geselligen Beisammensein in
— 16 —
einem Gartenlokal oder in seiner Wohnung ein. Mit
Unterstützung des damaligen Seminardirektors Mahraun
richtete er ein Kränzchen zur Pflege froher Gtoselligkeit
ein, in welchem es weder an Gaben der Kunst noch an
traulich geselliger Unterhaltung fehlte. »Wir Menschen
könnten uns das Leben weit anmutender gestalten, wenn
wir erfinderischer wären in einem glücklichen Ausbau
desselben und die in uns schlummernden Anlagen und
Talente besser in unsern Dienst zu ziehen yerständeo.
Vieles im Leben ist nur darum wenig befriedigend, ja
widerwärtig öde und langweilig, weil wir es an der
rechten Ausbeutung der uns verliehenen Pfunde fehlen
lassen.«
Wieder wie in Dresden und Jena hielt Kefersiein
Vorträge über Psychologie den Hamburger Volksschal-
lehrern, sowie zahlreiche Vorträge über verschiedene
Themen im Schul wissenschaftlichen Verein, im Arbeiter»
bildungs-, Gewerbe-, Erziehungs- und MädchenschuUehreiv
Verein. Seine hohe Begeisterung für die Ideale, sein
umfassendes Wissen, seine reiche Erfahrung und seine
Gabe klarer und anmutiger Darstellung sicherten ihm
auch hier die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Hörer.
Keferstein verleugnete auch in Hamburg nicht seine
Natur, auf Besserung und Vervollkommnung des Be>
stehenden bedacht zu sein. Während seiner 17jährigen
Wirksamkeit als Seminaroberlehrer wandte sich seine
Beform tätigkeit vorwiegend folgenden Fragen zu: 1. die
den Seminaren, den männlichen wie weiblichen, zu Ge-
bote stehenden Räumlichkeiten; 2. das Privatleben der
Seminaristen; 3. das Verhältnis zwischen Präparandeum
und Seminar und die im Präparandeum unterrichtenden
Lehrer; 4. die praktischen Übungen der Seminaristen;
5. die Handhabung gewisser Unterrichtsfacher, wie im
Seminar, so in dessen Übungsschule; 6. das Zensuren-
wesen; 7. die äußere Ordnung in den Unterrichtssälen;
8. die Handhabung der Unterrichtsmittel, der Hefte^
Bücher, Karten, Subsellien; 9. Versäumnisse und Die-
— 17 —
flplmaiillle; 10. das Stra&ecbt des SeminarkoUegiams;
11. die Zosammensetzung des Seminarvorstandes; 12. Ab-
{aDgqprQfangen, Art des Prüfens; 13. das persöoliche
Yerhätnis zwischen den Seminaristen und den Lehrern;
14. das Lehrprogramm des Seminars, z. B. in Musik,
Yolkswirtschaftslehre, Handfertigkeit
Der Lehrerbildung steckte Keferstein hohe Ziele, wie
fcfaon ans folgendem, in seinen »Beiträgen zur Frage der
Lahrerbildong« aufstellten Lehrplan für ein sechs-
klasaiges Seminar hervorgeht
Die unteren 4 Seminarklassen haben je 2 Stunden
Beligion, 3 Std. Deutsch, 6 Std. Latein, bezw. 4, 4, 4,
3 Std. Französisch, bezw. 4, 4, 4, 3 Std. Englisch, je
4 Std. Mathematik, 2 und 2 Std. Rechnen, je 5 Std.
Naturwissenschaften, je 1 Std. Geschichte, je 1 Std. Geo-
graphie, je 2 Std. Zeichnen, je 2 Std. Turnen, je 3 Std.
Die oberen 2 Klassen haben je 2 Std. Religion mit
katechetischen Übungen, je 2 Std. Deutsch, 2 Std. Turnen,
4 Std. Anthropologie, 2 und 6 Std. Pädagogik, je 4 Std.
Geschichte der Pädagogik, je 12 Std. praktische Übungen,
je 4 Std. Musik, je 2 Std. Turnen.
Daß Latein aufgenommen wurde, begründete er mit
dem Wunsche, dem Lehrer ein Wissensfeld zu eröfinen,
das an und für sich eine formal bildende Kraft besitzt
and eine fast unentbehrliche Handhabe bei allen mög-
lichen Studien sein und bleiben wird. Da es sich hier
um geistig bereits reifere Schüler handelt, so werden bei
wöchentlich 6 Lektionen 4 Jahre Lernzeit genügen, um
es bis zur Lektüre des Caesar, Cicero, Ovid und YirgU
zu bringen. Darauf werde dann der weiter bauen können,
der sich etwa eingehender dem Sprachstudium widmen wilL
Für Keferstein war es eine hohe Freude, auch den
pädagogischen Unterricht am Lehrerinnenseminar mit zu
erhalten. So glücklich arbeitete er inmitten seiner Schul-
gemeinde, daß sich ihm jede Lektion und jede persönliche
B^egnung zu einem frohen Genuß gestaltete. Um so
PU.Kag. 814. Oppermann, Dr. Horst Keferstein. 2
— 18 —
schmerzlicher war es für ihn, daß ein Halsleiden sieb
trotz einer Winterknr nicht besserte und ihn nach
42 jähriger Lehrtätigkeit im Alter von 65 Jahren zwang,
seine Pensionierung zu nehmen.
Nun zog er nach seiner geliebten Vaterstadt Jena, um
dort den Lebensabend zuzubringen. Noch 14 friedliche
Jahre wurden dem unermtidlichen Vorkämpfer für Ge-
sundung der Pädagogik geschenkt. Er kaufte sie treu-
lich aus durch Veröfientlichung manches trefflichen Buches
und Artikels, und als er wegen Erlahmung der rechten
Hand sie nicht mehr schreiben konnte, diktierte er seine
Gedanken lieben Angehörigen. Am 25. April 1907 setzte
der Tod seinem Schaffen ein Ziel.
»und hinter ihm im wesenlosen Scheine lag, was
uns alle bändigt, das Gemeine.< Dieses Gedächtniswort
Qoethes für Schiller kann auch auf Keferstein angewendet
werden. Er war eine hervorragend ethisch yeranlagte
Persönlichkeit Der ethische Gesichtspunkt beherrschte
nicht nur sein Empfinden, Wollen und Handeln, sondern
auch sein gesamtes Denken, er war die Grundidee seines
Seins und Wirkens. Ihre Entfaltung und nähere Be-
stimmung aber erhielt diese Idee bei ihm nicht in einem
starren System von Dogmen und Lehrsätzen, sondern in
dem lebendigen Glauben an das Gute und in der un-
erschütterlichen Überzeugung, daß es schließlich seine
sieghafte Kraft gegenüber allen Hindernissen bewähren
müsse. Die praktische Gestaltung der sittlichen Idee war
ihm weit wichtiger als ihre theoretische Ableitung aus
irgend welchen Prinzipien.
Was ihm als richtig vorschwebte, das suchte er mit
aller Energie auch zur Geltung zu bringen. Naturgemäß
bot ihm hier der eigene große Familienkreis das dank-
barste und zugänglichste Feld. In seinen »Gaben für den
häuslichen Herd« hat er die Gesichtspunkte, von denen
er sich bei der Gestaltung seines Familienlebens leiten
— 19 —
lieS, niedergelegt Er war kein bequemer HansYater, die
Ender mochten das Hansregiment bisweilen als drückend
«ipfinden; er selbst bereute später oft die allzugroße Härte
■od Strenge früherer Jahre; aber feste Gewöhnung an
Zocfat und Ordnung, die Eähigkeit zu entsagen, Pflicht-
tieae und Arbeitsfreudigkeit mußten sich jedem unverlier-
bar einprägen, der in diesem Kreise dauernd lebte. Auch
ab Pttisionsvater in Dresden und als Institutsdirektor
in Jena nutzte Kefersiein seine unabhängige Stellung zur
Einführung seiner Ideen ins Leben in weitestem Maße
ao8 und setzte sich dadurch bei seinen zahlreichen Schülern
ein Denkmal »dauernder als Erze Passiver und aktiver
Widerstand blieben ihm freilich niigends erspart und
nötigten ihn namentlich in den ersten Jahren seiner Ham-
burger Amtstätigkeit oft zu unerquicklichen und auf-
reibenden Kämpfen, denen er sich durchaus nicht schwäch-
licfa entzog.
Bei aller Strenge in seinen sittlichen Anschauungen
Uelt sich Kefersiein doch frei von jeder Askese. Er
schätzte die Freuden edler Oeselligkeit im Hause außer-
ordentlich hoch, nur das Kneipenleben war ihm gründ-
lich verhaßt Seinen Zöglingen suchte er die reichlich
bemessenen Erholungsstunden möglichst nutzbringend und
doch zugleich freundlich zu gestalten. Das Bewegungs-
q>iel wurde in jeder Weise begünstigt; von einem Bretter-
Imu auf dem Jenaer Institutshof sausten im Winter die
Schlitten der Jungen herab, oder es ging auf die Eis-
bahn oder zur lustigen Schneeballschlacht auf den Wiesen
der Saale; im Sommer gab es weite Wanderungen, Schul-
reisen und fröhliche Ballspiele. An den Abenden wurde
musiziert, bei Theateraufführungen entfalteten sich die
mimischen Talente der Schüler, anregende Vorträge er-
weiterten ihren Gesichtskreis. Die Schulfeste des Kefer-
steinschen Institutes vereinigten die Schulgemeinde mit
den Eltern im heitersten Genießen.
Kefersiein war in gewissem Sinne einseitig; die Natur-
wissenschaften mit der Mathematik lagen ihm völlig fern,
— 20 —
und für die bildenden Künste hatte er wenig Interesaa
Die geliebte Pädagogik aber faßte und umfaßte er in
seltener Vielseitigkeit Mit ihr verflocht sich ihm nicht
nur Ethik und Psychologie , sondern auch National-
ökonomie, Soziologie, Politik. Auf allen diesen Oebietan
verfolgte er neue Erscheinungen mit regem Eifer; mit
der Feder in der Hand studierte er jede einigermaßen
bedeutende Veröffentlichung, in scharfer Kritik sonderte
er die Spreu vom Weizen, die Autorität war ihm gleich-
gültig:, die Wahrheit galt ihm alles. — Durch seine lite-
rarischen Besprechungen trat er mit vielen bedeutendeo
Männern in persönliche Beziehungen, und es war ihm
höchster Genuß, mit ihnen in angeregtem Gespräche
gebend und empfangend über die vielen Themata, die
ihm am Herzen lagen, sich zur vollen Klarheit durdi-
zuarbeiten.
Die Kunst der freien Bede beherrschte er mit Meister-
schaft; gern handhabte er sie im geselligen Kreise bei
Tische wie in Vorträgen. Oft lenkte er in Versammlungen
die aus dem Geleise geratende Debatte wieder in ge-
ordnete Bahnen. Wenn er trotzdem kaum jemals zum
Vorsitzenden eines Vereins gewählt wurde, so lag das
sicher wesentlich mit daran, daß er nie sich als Partei-
gänger einfangen ließ, nie Schlag werte gebrauchte, zum
Teil allerdings auch an seiner Abneigung gegen jede Ajrt
von Bureauarbeit und rein geschäftliche Erörterungen
und vielleicht nicht am wenigsten gegen ausgedehnte
JBiertischsitzungen.
Sein Unterricht war im höchsten Maße anregend,
Frische und Lebendigkeit in der Darbietung, vollendete
Beherrschung und gründliche methodische Durcharbeitung
des Stoffes machten jede seiner Stunden zu einer Muster-
lektion. Dabei verstand er es ausgezeichnet, zur Selbst-
tätigkeit anzustacheln, schlummernde Kiäfte zu wecken
und ihrem Besitzer zum Bewußtsein zu bringen.
Er selbst war unermüdlich tätig, und durch eine
streng geregelte Tageseinteilung, die als unantastbar galt,
— 31 —
. aMkte er fint jede Minute raigeeeheneii Zwecken dienst-
hr. Dabei ve^aB er anch die Oesundbeitspflege nicht.
Ali junger Mann focht, ritt nnd schwamm er, später
femdiaflRe er sich die nötige lieibesbewegang durch
weite Spasieigänge.
Kefentein wurde ron Angehörigen und Freunden
oll als Idealist bezeichnet Selbstverständlich mufi ein
Menectienbiidner seine Zöglinge einem ihm vorschweben-
den Ideale des Menschen anzunähern suchen, also ein
•oldieB Ideal besitzen. Der Menge pflegt nur die weite
Duft swischen Ideal und Wirklichkeit aufzufallen, und
im K&mpfer für jenes erscheint ihr leicht als unpraktischer
Sehwänner. Aber mit Recht betonte Keferstein immer
wieder, daß ein Fortschritt in der sittlichen Entwicklung
im Menschheit nie durch einfaches Anerkennen des Be-
stehenden, sondern nur durch das Aufstellen neuer höherer
fiele angebahnt werden kann. Das Ideal galt ihm als
das Leuchtfeuer, das dem auf weitem Meere im Un-
gewissen treibenden Seefahrer den rechten Weg zum
Hsunatshafen zeigen soll. Sein persönliches wie sein
schriftstellerisches Schaffen waren von solchem Feuer
durchglüht Die Keime des Guten, die er in tausend
junge Herzen gel^ hat, die Anregungen, die ihm die
Welt der Erwachsenen verdankt, werden weiter wachsen
mid sich ausbreiten. Mag sein Name auch aus dem 6e-
dichtnis der Menschen schwinden, sein Wirken wird
lebendig bleiben.
Versuchen wir es nun, einen Überblick über Kefer-
gfoins Schriften uns zu verschaffen! Erschwert wird
dieses durch den umstand, daß er kein einheitliches
größeres Werk geschaffen hat, daß vielmehr seine Geistes-
arbeit in zahlreichen Büchern, Abhandlungen, Zeitungs-
artikeln und Vorträgen zerstreut liegt. Zudem hat Kefer-
stein alle Gebiete der Pädagogik behandelt, meistens zu
wiederholten Malen und von verschiedenen Seiten and
— 22 ~
zu yerschiedenen Zeiten erörtert, so daß es anmöglich
ist, in beschränktem Rahmen alles zu berücksichtigen. So
bescheiden wir uns, im folgenden nur die Ebuptsachen
zusammenzustellen und zwar möglichst mit des Verfassers
eigenen Worten, wenn auch durchweg abgerundet
Nach Kef er stein ist Erziehung der Inbegriff aller
der zur Entfaltung der im Menschen angelegten Ent-
wickelungskeime beitragenden Einwirkungen — und zwar
dies im Einklang mit dem Streben nach stetiger Vervoll-
kommnung des Einzelnen wie der G^ellschaft Zu einem
planmäßigen, vollbewußten Hinarbeiten auf die harmo-
nische Entfaltung der einer solchen harrenden Keime
bringt es doch nur eine auf Erfahrung und ernstes
Studium des Menschen sich gründende, durch Menschen
ausgeübte Erziehung. Das namentlich seit Herbart stark
betonte Prinzip des erziehlichen Unterrichts muß in
seiner Berechtigung in dem Maße anerkannt werden, als
wir den Zusammenhang zwischen den verschiedenen
Elementen des Seelenlebens uns gegenwärtig halten und
z. B. die Wechselwirkung zwischen intellektueller und
Gemüts-, spezieller moralischer Bildung ins Auge fassen.
Keferstein glaubte an keine Allmacht in der Er-
ziehung der Schule. Vielmehr warnt er^) vor dem
Wahn, daß durch Gebote, Ermahnungen, Strafen und
äußere Belohnung die sittliche Erziehung in erster Linie
zu erringen sei, oder daß man durch recht viele Religion»-
stunden die Jugend fromm machen könne. Die ent-
scheidende Einwirkung liege vielmehr in den der Jugend
täglich nahe tretenden, unvermerkt aber sicher auf sie
einwirkenden Beispielen, sowie in den sich von selbst
damit verbindenden Übungen und Gewöhnungen. Leider
besteht ein Gegensatz zwischen der Lehre der Schule im
Beligions- und Moralunterricht und dem Denken und Tun
der großen Menge. »Dafür zeugen die massenhaften
^) »Schule und Lebeoc io Nr. 255 u. 256 der Jenaisoheo Zeitiuig,
1896.
— 23 —
Übertretungen wobi aller Gebote, dafür die allgemeinhin
herrscbende Gewinn-, Herrsch- und Genußsucht, dafür die
sanktionierte Prostitution . . ., dafür der Masseuabfall von
jeder Pietät gegen göttliche und menschliche Autorität,
dafür der leidenschaftliche, den nationalen Körper durch-
wühlende Parteigeist und Elassenhaß. Was die Schul«
Jugend täglich im Hause und auf dem Markte des Lebens
zu sehen und zu hören bekommt, die ihr hier nahetreten-
den Meinungen, Gesinnungen, Urteile, Bestrebungen und
Handlungen stehen so vielfach im Widerspruch zu den
Belehrungen der Schule, daß diese nur in verhältnismäßig
wenigen Fällen eine tiefer gehende, nachhaltige Wirkung
haben können. Daher der Appell an die Mündigen so
eindringlich zu richten ist, daß sich jeder verpflichtet
halten muß, die Lehre der Schule in seinem gesamten
Wandel zu betätigen, c
Der Schule als Vorbildnerin auf das Leben
stellt Keferstein folgende Aufgaben : Sie soll 1. ihre Zög-
linge zu sittlich reifen und zuverlässigen Charakteren,
2. zu pietätvollen frommen Menschen heranbilden, bei
denen sich richtige sittliche Urteile mit Charakterstärke
der Sittlichkeit in dem Verhalten zu den verschiedenen
Gemeinschaften in Familie, Gemeinde, Staat und Volk
ausgeprägt zeigen und die Frömmigkeit in Gesinnung
und Wandel offenbar wird. Sie soll 3. ein sowohl auf
das praktische Leben mit seinen mannigfachen Aufgaben
entsprechend vorbildendes als den inneren Menschen ver-
edelndes und befreiendes Wissen bereiten sowie zu selb-
ständigem Denken und Urteilen führen. Sie soll 4. zum
Verständnis für das Schöne, zur Freude an demselben,
zur Hervorbringung und Pflege desselben anleiten, damit
die sinnliche Natur veredelt und der ideale Sinn erregt
werde. Sie soll 5. die leibliche Gesundheit und Leistungs-
fähigkeit in jeder Weise fördern und dadurch das phy-
sische Leben zu einem völlig dienstfertigen Werkzeug
des psychischen machen. Es gilt demnach, den harmo-
nisch gebildeten, an Leib und Seele gesunden und tüch-
— 24 —
tigen, den sittlich -religiösen, den kenntnisreichen wie
urteilsfähigen, den ästhetisch fühlenden wie mit tech-
nischen Fertigkeiten aasgestatteten Menschen durch den
Schulunterricht dem Leben zuzuführen. Aber keinesw^s
hat die Schule nur die Aufgabe, dem stattis qua^
des Lebens, also dem jeweiligen Zustand einer Yolks-
kultur zu dienen; sie soll vielmehr die Vervollkomm-
nung des Bestehenden, Gewordenen, Gegenwärtigen wie
in der öffentlichen Sitte und den sozialen Verhält-
nissen, so im politischen wie religiösen, im praktischen
wie wissenschaftlichen Leben zur unabweisbaren Aufgabe
machen. Da aber Unterricht und die wesentlich auch an
ihn gebundene Erziehung von einem höchsten Mensch-
heitsideal ausgehen muß, in dem nun etwa auch das Ziel
der Erziehung zum Ausdruck gelangt, so darf die Schule
sich nicht als bloße Dienerin und Vertreterin etwa herr-
schender Anschauungen, Meinungen und Zustände be-
trachten — als ob sie der Gegenwart nur Handlanger-
dienste zu leisten hätte — , muß vielmehr die ihr an-
vertraute Jugend zur Trägerin einer sich nach ver-
schiedenen Seiten hin stetig vervollkommnenden Generation
heranbilden. (Beins Encyklop. Handbuch der Pädagogik.)
Unter Herzensbildung versteht Keferstein ungefähr
dasselbe, was wir auch als Gemüts-, als Charakter- oder
schlechthin als sittliche Bildung zu bezeichnen pflegen.
Somit hat es die Herzensbildung mit der Bildung der
Seelenelemente zu tun, die für die Entstehung sittlicher
Werturteile und Maßstäbe, wie für das sittliche Wollen
besonders entscheidend sind. Keferstein sucht die haupt-
sächlichsten Mittel der Herzensbildung: 1. in den persön-
lichen, der Kindheit und Jugend vorzuführenden Muster-
bildern der Sittlichkeit, die zuerst in der Familie und
unter Freunden, sodann im gesamten öffentlichen Gemein-
schaftsleben vorhanden sein müssen; 2. in dem ideellen
Umgang mit vorbildlichen Personen der Vergangenheit
und räumlichen Ferne; 3. in der Gewöhnung an Aas*
Übung der dem Einde zufallenden Pflichten, somit in
— 26 —
»sittlichen Übungen« auf Grund der dazu naturgemäß
gebotenen Oelegenheiten; 4. in steter wachsamer Führung
der unmündigen, die indessen nie in pedantische Auf-
seherei ausarten darf; 5. in weiser, psychologisch moti-
Tierter Anwendung von Ermahnung, Warnung, Strafe
und Anerkennung; 6. in der vielseitigen geistigen mit
Freude an ernster Lernarbeit erfüllenden Anregung seitens
des Unterrichts; 7. in der Entbindung geistiger Selb-
Btftndigkeit und Urteilsfähigkeit; 8. in der Darbietung
und Einpflanzung fruchtbarer, dem kindlichen Geiste nahe-
liegender Kenntnisse; 9. in der Erregung vielseitiger
positiver Interessen; 10. in der Anleitung zu vielartiger
technischer und künstlerischer Betätigung, um dadurch
teils körperliche Gewandtheit und Geschicklichkeit zu
fördern, teils vor Müßiggang und Langeweile zu bewahren,
teils die nötige Abwechselang in die Beschäftigungen
dee Kindes zu bringen und in ihm Lust an nützlicher
Betätigung zu wecken; 11. in der Pflege des Kunst- und
Natursinnes; 12. in hinreichender Darbietung von Ge-
legenheiten zur Kräftigung des Körpers zu frohen Jugend-
spielen und harmlosem Verkehr mit den Altersgenossen.
{Reins Encyklop. Handbuch der Pädagogik.)
Wesentlich hat Keferstein zur Klärung der Frage der
ästhetischen Bildung beigetragen. Er war es, der auf
die Einseitigkeit hinwies, die ästhetische Bildung nur in
der Kenntnis und dem Verständnis von Kunstwerken,
besonders der bildenden Künste, zu suchen und aufgehen
BU lassen. In Wahrheit müsse der ästhetisch Gebildete
sich auf die mannigfachste Weise als solcher ausweisen«
Sein Schönheitssinn offenbare sich nicht minder in seiner
Oewandung, in deren Sauberkeit wie geselligen Form, in
der Ausstattung und Haltung seiner Wohnung, in der
Art seiner Rede, seiner Bewegungen und Manieren, als
in der Freude an dem Schönen in der Natur, in Dich-
tnogen und Kompositionen oder auch in der Art der
Vei^ügungen, wie in den Sitten und Gebräuchen seiner
Umgebungen. So wenig die Religion nur als seltenes
— 26 —
Sonntagskleid den Menschen zieren darf, so sicher sie
vielmehr sein gesamtes Denken» Streben und Leben dorcb*
dringen soll, so gewiß maß sich der ästhetische Sinn als
ein unser ganzes Inneres Charakterisierendes erweisen.
Auch eine Reihe äußerer Mittel stehen der Schule
für ästhetische Bildung zur Verfügung. (JeschmackYoll
angelegte Schulgebäude und ünterrichtsräume mit ent-
sprechender Einrichtung, strenges Halten auf deren Scho-
nung, mancherlei Bilderschmuck an den Wänden der
Korridore und des Treppenhauses, eine das gegenseitige
Wohlverhalten der sämtlichen Glieder der Schulgemeinde
sichernde Disziplin, unerbittliche Forderung sauberer Hefte,
Bücher, Karten und sonstiger Lehrmittel, stetes Hinarbeiten
auf wohllautendes, deutliches, unmaniriertes Sprechen, auf
gefallige Schrift, unbeugsame Strenge gegen alles Gemeine,
Ungeschlachte, Flegelhafte im G^amtverhalten des Goetus,
dazu reiche Lektüre des Besten und fleißige Pflege der
Künste des Gesanges, des Vortrags, des Zeichnens, Turnens,
auch wohl technischer Fertigkeiten, dazu endlich die
Führung der Schüler zum Schönen in Kunst- und Natur-
schöpfungen, das Verstehen und Genießen desselben, das
alles in der Hand ästhetisch gebildeter, wohlredender,
würdevoll auftretender Lehrer: da haben wir wohl das
Wesentliche von den Mitteln der Schule, um den Grund
zu ästhetischer Volksbildung zu legen. (»Volksbildung
und Volksbildner. c)
Ein noch gar wenig bebautes Gebiet, die Berufs-
ethik, förderte Dr. Keferstein durch seine in den letzten
Ijebensjahren verfaßte Studie: »Zur Frage der Berufs-
ethik in Familie, Gemeinde, Kirche und Staate (47 S.
267. Heft des »Pädagog. Magazins« von Friedrich Mann.
Langensalza, Hermann Beyer & Söhne [Beyer & Mann].
Preis 60 Pf.) Aus dieser an Anregungen reichen Schrift
heben wir nur einen Gedanken hervor: »Bei allem
Prüfungswesen werde nicht in erster Linie oder gar aus-
schließlich Gewicht auf eine bestimmte Summe von
Wissen, sondern in hohem Grade auch auf die gesamte
— 27 —
gdstig^ttliche Durchbildung des zu Prüfenden gelegt
Was daher ein Staatsbeamtentum Vortreffliches zu leisten
▼ermag, ist sicher einerseits von einer vertieften, wir
möchten sagen philosophischen Durchbildung des Geistes,
«of der andern von einem tadellos streng -sittlichen Cha-
rakter zu erwarten.c
Wesentlich durch Nietzsche-Lektüre beeinflußt ist seine
Abhandlung »Zur Frage des Egoismus«. (37 S. Heft 93.
Ebenda.) Wie Nietzsche räumt Dr. Keferstein hier dem
Genius einen stärker ausgeprägten Egoismus ein; aber die
äelbstsucht stellt er als eine unerlaubte Steigerung der
Selbstliebe und des Selbsterhaltungstriebes dar.
Ernste Disziplin. Es hat den Anschein, als ob das
Recht der Schule, eine strenge Disziplin zu üben, mehr
und mehr angefochten werden sollte. Familie und Staat
erschweren dem Lehrer in hohem Grade die Ausübung
selbst der unentbehrlichsten Strafgerechtigkeit Man hat
den Eindruck, daß das Züchtigungsrecht gleichsam nur
zum Hohne des Lehrers gestattet sei. ... Ob nun wohl
die ubter schlaffem Begimente Aufwachsenden im späteren
Leben als Staatsbürger oder Untergebene in ihrem Berufe
sich in feste Ordnungen fügen und unterordnen werden;
ob aus solcher Zuchtlosigkeit der zuverlässige gediegene
Staatsbürger wird herauswachsen können?! So behaupten
wir denn, daß, wo immer die Schulzucht weithin empfind-
lich gelockert ist, wo man verlernt hat, die Dinge beim
rechten Namen zu nennen, wo die Schüler mehr zu Ge-
richt sitzen dürfen über den Lehrer als umgekehrt, wo
die Strafgerechtigkeit des einzelnen Lehrers auf den Null-
punkt herabgesetzt erscheint, wo man sich selten oder
nie zu unbeugsamer Strenge in gewissen Disziplinarfallen
ermannen kann — eine Hauptbedingung zur rechten Vor-
bereitung auf ein geordnetes Staats- und Gesellschaftsleben
rerloren ging. . . So haben wir gegen die stetig zunehmende
Laxheit in der Jugendführung Verwahrung einzulegen.
(Aufgaben der Schule. Pädagog. Magazin, Heft 55.)
Die Schule nur ein Faktor. Mit gutem Rechte
— 38 —
dürfen wir reden von einer Pädagogik des Hauses, der
gesellschaftlichen Sitten and Gebräuche, der Kirche, de&
Staates, des gesamten öffentlichen Lebens, der Kunst und
insbesondere der redenden Künste, nicht zum wenigsten
der Bühne — und nur in besonders hohem Orade auch
von einer Pädagogik der Schule. . . . Nur unter der Be^
dingung energischer Mitwirkung ihrer pädagogischen Kon-
kurrenten wird die Schule einen segensreichen Einfluß
auf die Gestaltung des sozial -politischen Lebens ausüben
können. (Aufgaben der Schule. Pädagog. Magazin, Heft 65.)
Schulregiment Gerade im Schulwesen ist das
Prinzip des fachmäßigen Regiments noch recht wenig
zur Geltung gekommen; namentlich hier haben Persön-
lichkeiten außerordentliche Machtbefugnisse, die sich be-
ruflich nie mit den Aufgaben des Unterrichts, sei es
theoretisch oder praktisch, befaßt haben. Von ihnen
werden Lehrprogramme für die verschiedenen Schul-
gattungen aufgestellt, Schulrevisionen gehalten, Prüfung^i
abgenommen, Lehrmittel vorgeschrieben, Lehrer angestellt
oder entlassen, Disziplinarfälle sowohl im Bereiche des
Lehrer- als des Schülerlebens entschieden. Die solchen
im Grunde doch recht fremdartigen Schulregiments- Apparat
wahrnehmende reifere Jugend kann leicht den Eindruck
erhalten, daß dem Lehrstande doch eigentlich recht wenig
zuzutrauen, recht geringer Einfluß beizumessen sei, wenn
statt aus seiner eigenen Mitte vielfach aus fremden Kreisen
seine Angelegenheiten und die der Schule geordnet werden
dürfen. (Aufgaben der Schule. Pädagog. Magazin, Heft 65.)
Ein liberales, demokratisch angehauchtes, wohlwollen-
des und dabei einheitliches Schulregiment ist einer wohl-
tätig erwärmenden Sonne zu vergleichen, die alles von ihr
Beschienene zu gesundem Gedeihen gelangen läßt (»Auf-
gaben der Schule. c)
Schulinspektion. Wer die Schule inspizieren, den
Stand der Leistungen in den einzelnen Fächern revi-
dieren, einen tieferen Einblick in die Erziehungsarbeit, in
die Disziplin einer Anstalt gewinnen will, muß ein durch-
— 89 —
getnldetw Lehrer, ein denkender Pädagog, ein warmer
aoMcfatiger Freund des Unterrichtswesens sein.
Sohalaufsicht Wir sind nicht zufrieden mit Direktoren,
wir haben weiter Schulinspektoren, Schuiräte, Oberschal-
beb&rden, Enltusministerien : so baut sich eine förmliche
Pyramide von Schulaufsichtsbeamten auf. Und doch wird
all dieser Au&ichtsapparat wenig verfangen, wenn wir
nicht auf treue, zuverlässige, praktisch wie theoretisch
töchtig vorbereitete Lehrer zählen können und zugleich
über genügend viele Lehrkräfte zu verfügen haben, um
nicht noljgedrungen auch unbrauchbare Elemente dulden
xa müssen. Die beste Aufsicht des Lehrers läßt sich
durch dessen Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit über-
lüflBig madien, wird ohne diese doch nur ein Notbehelf
bleiben. (Betrachtende Wanderungen. CLXIIL)
Anforderungen an den Schulinspektor. Wer soll
die Schulau&icht führen, und was soll sie zu ihrer haoptr
flftchlichsten Aufgabe machen? Die einzig richtige Ant-
wort auf die erste Frage muß lauten: Wer selbst im
Schulfieu^he tätig gewesen und sich darin als vorzüglich
tüchtig gezeigt hat. Damit fällt von selbst eine Lokal-
echolanfiaicht weg, die durch »wenngleich nicht päda-
gogisch gebildetec Geistliche oder Laien aus der bürger-
lichen Gemeinde vertreten wird. Das Laienelement sogar
in Prüfungskommissionen bei Lehrerprüfungen zu ver-
wenden, erscheint uns als eine Abnormität ersten Banges;
in welchem andern Fachexamen hätten Nichtfachmänner
über den Ausfall der Prüfungen mit zu entscheiden?...
Die Hauptaufgabe des Schulinspektors darf nimmer-
mehr in Erledigung vorwiegend bureaukratischer Geschäfte
bestehen, sondern muß in der Wacherhaltung, Belebung
und Pflege des pädagogischen Gewissens, der pädagogi-
schen Tüchtigkeit der Lehrer bestehen. Daher erwarten
wir von ihm nicht allein jene didaktische Boutine, die
nicht selten bei Yolksschullehrern anzutrefien ist, auch
nicht bloß eine längere Erfahrung im Schuldienste, sondern
vornehmlich die volle Beherrschung aller wesentlichen
~ 30 —
pädagogischen Themata, die Orientierung in der päda-
gogischen Literatur und jene geistige Überlegenheit, die*
sich leicht in aufgeworfene Fragen hineinfindet und den
gesuchten durchschlagend richtigen Standpunkt rasch zu
treffen vermag. Der Schulinspektor sei ein Schulmann^
der die Didaktik theoretisch wie praktisch vollkommen
beherrscht und einen sicheren Blick hat in alles das,
worauf es beim Unterricht in den verschiedensten Fächern
und Elassenabteilungen ankommt, und durch eigenes Yor-
machen auf kürzestem Wege und in anschaulichster Weise
ii^end ein zu empfehlendes Verfahren darzulegen versteht
Indessen bei aller Betonung der geistigen, wissenschaft-
lichen und praktisch pädagogischen Tüchtigkeit des Schul-
inspektors werden wir ihm die Befähigung zur Beachtung
und Beurteilung auch der verschiedenen äußeren An-
forderungen an ein wohl eingerichtetes Schulwesen nicht
erlassen. (Betrachtende Wanderungen. GLXIIL)
Eonsequenz in der Erziehung. Sicherlich wird
es als Regel und Ideal gelten müssen, daß der Zögling
im Erzieher einen Mann von festem klaren Willen er-
kennt, der da weiß, was er will, auf dessen Wort er sich
verfassen darf, der nicht mit sich spielen und lange ont^-
handeln läßt Es erregt die Wahrnehmung solcher Eon-
sequenz unser Wohlgefallen: schon vom rein logischen
Gesichtspunkte aus, der einen inneren Eausalnexus in
Zuständen und Entwickelungen voraussetzt und fordert
Der wahrgenommene Mangel an Eonsequenz im urteilen,
Wollen und Handeln macht uns an den Betreffenden irre;
wir wissen uns nicht in sie zu finden, verlieren das Ver-
trauen zu ihnen. Qleichwohl ist es nicht ausgeschlossen,
daß auf Grund mächtiger, noch dazu plötzlich eintretender
Einwirkungen, überraschender Eri^ahrungen, Eriebnisse und
Erkenntnisse bisher geltende Meinungen, Bestrebungen
und Handlungsweisen einen Stoß erhalten und völlig ge-
ändert werden. Wir haben hier die als Revolution be-
zeichnete Umwandlung des Innern eines Menschen vor
uns. Darf man dann noch von Inkonsequenz reden, wenn
— 31 —
sich naturgemäß, d. h. psychologisch begründete Um-
bildungen im Intellekt und Willen vollziehen!? Der
menschliche (Jeist ist so sehr dem Entwickelungsprozeß
unterworfen, daß die Anklage der Inkonsequenz oft nur
aus dem Mangel an psychologischem Verständnis entspringt
Die Eonsequenz kann — wie das bei politischen Partei-
fBhrem und deren Genossen so häufig hervortritt — in
starren abstrakten Parteistandpunkt ausarten. (Heins Ency-
Uopäd. Handbuch der Pädagogik.)
Kirche und Schule. Die gemeinsamen Lebens-
«Q^aben, Interessen und wissenschaftlichen Grundlagen
der Kirche und der Schule untersucht Keferstein im
60. Heft von Manns »Pädagogischem Magazin«. Beide
verfolgen spezifisch pädagogische Ziele und haben spezi-
fisch pädagogische Aufgaben zu lösen: religiös -sittliche
Yolksbildung und Erhaltung und Pflege idealer Lebens-
güter. Nun hat es die Kirche nicht nur mit den Mün-
digen und die Schule nicht niir mit den unmündigen zu
tun. l)ie Kirche arbeitet der Schule in die Hände, so-
fern sie die häusliche Erziehung, überhaupt rechtes ge-
sundes Familienleben fördert; die Schule vermag gleich-
falls durch ernste gewissenhafte erziehliche Tätigkeit der
Kirche zu dienen. Auch der Geistliche muß eine ent-
sprechende pädagogische Yorbildung haben. Das Verhältnis
zwischen dem Geistlichen und dem Lehrer ist innerhalb
der Schule durchaus das der Beiordnung. Die unmittel-
bare Mitarbeit der Geistlichen in der Schule ist möglich,
da die Berufsarbeit des Geistlichen die nötige Muße dazu
gewährt; sie ist für die Schule erwünscht, weil wenig-
stens auf dem Lande so die oft fast übermäßige Arbeits-
last des Lehrers einigermaßen gemindert und die Gefahr
einer völlig isolierten Tätigkeit in etwas abgewendet
wird; sie kann segensreich werden für die Kirche, sofern
deren Diener dadurch erhöhten Einfluß auf die Gemeinde
gewinnen und Gelegenheit erhalten, der Schule zu dienen.
Oftmals wandte Keferstein der Fortbildungsschule
sein Interesse zu, und durch seine klare Begründung der
i
— 82 —
Notwendigkeit dieser Anstalt und durch zweckmäßige und
vor allem durchführbare Richtlinien für den Ausbau hat
er der Fortbildungsschulfrage nicht wenig genützt
Was zur Förderung der Fortbildungsschule mdir
oder weniger bewußt führte, war die im ganzen unvoll-
kommene Leistung der Yolks-Elementarschule, war zweitens
das gewerblich-kommerzielle und volkswirtschaftliche Be-
dürfnis des Staates, drittens die nötig gewordene Vcht-
bildung auf die Ausübung und Erfüllung staatsbürger-
licher Rechte und Pflichten, endlich die erkannte Not-
wendigkeit erziehlicher Einwirkung auf die reifere Jugend.
Baraus folgert Keferstein als Hauptziele der Fort-
bildungsschulen : sie sollen erstlich das in der Yolkaschule
Gelernte ergänzen und weiterführen; sie sollen zweitens
als Yorbereitungsanstalten für den zu ergreifenden prak-
tischen Beruf diesem entsprechende Kenntnisse und bezw.
auch Fertigkeiten bieten und haben dann zugleich d^i
Charakter von Berufsschulen; sie haben drittens auf die
staatsbürgerliche Stellung vorzubereiten und auf ein dem
entsprechendes Wissen hinzuarbeiten, und viertens haben
sie sittlich tüchtige, also auch gern dem Staat und Yatei^
land sich widmende und dienende Persönlichkeiten heran-
bilden zu helfen.
Ernstlich warnt Keferstein vor einer zweifachen Auf-
fassung von den Zielen dieser Schule, wenn die einen
den praktischen Beruf, die anderen die sozialpolitischen
und die von diesen kaum zu trennenden ethischen Auf-
gaben der Fortbildungsschule zugewiesen sehen möchten;
vielmehr müsse m«Qj)eides als mit- oder nebeneinander zu-
gleich zu Berücksichtigendes ansehen und als gleich Be-
rechtigtes zur Geltung kommen lassen. Yon einem Ent-
weder-Oder dürfe keine Bede sein; höchstens könne noch
über das Maß dessen, was im Unterricht der Fortbildung»-
schule einerseits den human-ethischen und andrerseits den
politisch- beruflichen Fächern zufallen solle, gestritten wei^
den. Zur Lückenbüßerei der Yolksschule mit dem Zweck,
das nachzuholen, was jene etwa versäumt habe, dürfe die
— 33 —
Fortbildungsschule aber nicht werden. (Jenaische Zeitg.
1896, Nr. 282 und 283.)
Auch bei Erörterung der Frage des Fach- oder
Elassenlehrersystems erkennen wir bei Keferstein
ein feines pädagogisches Verständnis. Die Notwendigkeit
des Fachlehrers räumt er nur ein für die obersten Klassen
der höheren Lehranstalten in den Hauptfachern, der Mathe-
matik, den Naturwissenschaften, den neueren und alten
Sprachen, sowie bei Gymnastik, Zeichnen und Musik.
Dag^en erscheint ihm die Verbindung des Fach- und
Klassenlehrersystems als das Wünschenswerteste für die
mittleren und niederen Klassen der höheren Schulen, so-
wie für die Volksschule, deren Lehrer ja im großen
ganzen für das Klassenlehrersystem vorgebildet werden.
>Wo immer größere Volksschulen vorhanden sind, müßte
«ine Hauptaufgabe der Schulleitung sein, die Untenichts-
aufgaben soviel als möglich nach den verfügbaren persön-
lichen Gaben und Talenten zu verteilen. Freilich bedarf
es dann eines gesetzlich durchzuführenden Prinzips, wo-
nach die Altersstufe bei Vergebung der Lektionen hinter
die vorzüglichere Begabung für das eine oder andere
Fach zurückzutreten hat.«^)
Kefersteins Ansicht gipfelt in dem Satze: »So gewiß
das Klassenordinariat als eine unentbehrliche Einrichtung
der Erziehungsschule gelten darf, so unleugbar ist die
strenge Durchführung des Klassenlehrersystems nur relativ
zu empfehlen«.
Von dem Lehrer fordert Keferstein hohe persön-
liche Eigenschaften. Am zutreffendsten sind sie in
seinen »Betrachtungen über Lehrerbildung«^)
formuliert: 1. Auf fortgesetzter Selbstprüfung beruhende
Selbstzucht. Der Lehrer soll alles das in sich, seiner
Person, seiner Lebensführung darstellen, sein und vorleben,
was er von seinen Schülern fordert und fordern zu dürfen
^) Beins Eooyklop. Handbuch der Pädagogik.
') Friedrich Manns Pädagogisches Magazin. 1. Heft. 2. Auflage.
PSd. 3ljig. 814. Oppermann, Dr. Horst Keferstein. 3
— 34 —
meint. 2. Aufrichtige, warme Liebe zu dem gewählten
Berufe, so daß diese Wahl als eine aus eigenstem Innern
hervorgegangene erscheint. Diese Liebe zum Berufe offen-
bart sich in dem lebhaften Drang, belehrend, mitteilend^
helfend, erziehend, bessernd, veredelnd auf das heran-
wachsende Geschlecht einzuwirken ; . . . sie läßt sich nicht
ermüden noch erbittern; wie oft auch auf harte Proben
gestellt, bleibt sie langmütig und geduldig, vergilt trotzige
Ablehnung, ja selbst Verhöhnung mit unermüdlichen neuen
Anläufen, den widerspenstigen Geist, das schwer zu ge-
winnende Gemüt dennoch zu besiegen . . . Der mit Berufs-
liebe arbeitende Lehrer steht mit seinem feurigen Streben,
den Kreis vorgeschriebener Pflichten zu erweitern, mit seinen
bescheidenen Ansprüchen auf Lohn oder Schonung seiner
Kraft im geraden Gegensatz zu dem fürs Lehramt eigent-
lich verdorbenen Mietling. Mit der Berufs -Liebe und
Freudigkeit sind all die unerläßlichen Eigenschaften des
Lehrers verbunden, wie Gerechtigkeit, Geduld, Vertrauen
weckender Verkehr mit dem Schüler auch außerhalb des
Schulzimmers, sowie das unstillbare Verlangen nach Selbst-
vervollkommnung im Bereiche des Wissens, Könnens und
namentlich auch des pädagogischen Schaffens. 3. Die mit
der Berufsliebe eng verbundene Freudigkeit und Frische
des Lehrgeschäfts, ja die gesamte Heiterkeit des Ge-
müts, jene Fröhlichkeit des Wesens, die kindlich-jugend-
lichen (wenigstens unverdorbenen) Herzen so sympathisch
ist. 4. Die Harmlosigkeit des Sinnes, bei dem der
Lehrer vertrauensvoll gern das Gute in den Seelen seiner
Zöglinge voraussetzt und nicht leicht die Hoffnung auf
Besserung aufgibt. 5. AlsTemperamentseigentümlich-
keit würde dem Lehrer wohl am übelsten die melancho-
lische und cholerische stehen, am besten eine Mischung der
sanguinischen mit der phlegmatischen. 6. Reinheit von
allen niederen Leidenschaften und rohen Sitten.
Als mehr äußere Eigenschaften setzt man beim Lehrer
voraus: 1. ein frisches, auf körperlicher Gesundheit be*
ruhendes, munteres, gewandtes, sicheres Auftreten, Rüstig-
— 35 —
keit und Aufgelegtsein zu körperlichen Anstrengungen;
3. würdiges, von jeder Manieriertheit, sowie von üblen
Oewohnheiten freies Benehmen.
Lehrer auf dem Lande. Oerade die Dorfschule
bedarf der tüchtigsten pädagogischen Kräfte. Dies darum,
weil sie erstlich vorwiegend eine einklassige Volksschule
xa sein pflegt, weil auf den Schultern eines Mannes
die Unterweisung von vielleicht nahe an hundert Kindern
nnd zwar von Kindern aller schulpflichtigen Altersstufen
liegt, weil dieser eine Lehrer Tag für Tag gleichzeitig in
mehreren Abteilungen etwa sechs Stunden unterrichten soll.
und nun kommt hinzu, daß dieser selbe Lehrer durch sein
meist geringes Einkommen auf Privatverdienst angewiesen
ist, daß er Hefte korrigieren, sich auf den Unterricht
Torbereiten, die Orgel im Gottesdienste spielen, den Vor-
sänger machen, den abwesenden Geistlichen mit Predigtvor-
lesung vertreten, die Fortbildungsschüier unterrichten, den
Ortsgesangverein leiten, bei allen kirchlichen Kasualien
mit tätig zu sein, an den offiziellen Konferenzen seines
Wohnortes, seiner Diözese und seines Bezirkes teilnehmen
(zugleich auch, setzen wir hinzu, an eigener Fortbildung
arbeiten) und doch auch seiner Familie, seinem Garten
nnd Felde sich widmen soll. Ja, das sind Ansprüche an
Leistungsfähigkeit, vor denen der den Achtstundenarbeits-
tag fordernde Sozialdemokrat beschämt stehen bleiben
müßte. Das sind Ansprüche, denen nur ein körperlich völlig
rüstiger, an Charakter zuverlässiger, an Wissen reicher,
mit pädagogischen Talenten und besonders methodischer
Schulung auf das Beste ausgestalteter, im übrigen äußerst
anspruchsloser Mann auf die Dauer gewachsen sein wird.
Und einen solchen hätte man schwerlich frischweg von
seinem Seminar zu holen, wohl aber aus bereits bewährter
Amtstätigkeit, ihn um so reichlicher zu besolden, je
größere Anforderungen an ihn nach den verschiedensten
Seiten gestellt werden. (Betrachtende Wanderungen CLIX.)
Schulen auf dem Lande. Es erscheint als ein
empfindlicher Mangel in der gesamten Organisation des
— 36 —
öffentlichen Schulwesens, daß die Dorfschule im Vergleich
zu den städtischen Schulen so kümmerlich bestellt ist
Was könnte dafür zur Rechtfertigung angeführt werden,
daß die Kinder des Landmanns eine geringere Schul-
bildung erhalten, als z. B. die des Handwerkers und Tage-
löhners in Städten! Bedarf der Landmann weniger jener
Summen von Kenntnissen und Fertigkeiten, die man all-
gemein in der Volksschule erstrebt; darf ihm ohne
Nachteil für seine beruflichen Arbeiten, sodann aber für
die Ausbildung der auch ihm zufallenden Pflichten eines
Familienvaters, Staats- und Gemeindemitgliedes jene all-
gemeine elementare Bildung in geringerem Maße gewährt
werden, als irgend einem anderen Manne der bürgerlichen
Gesellschaft ? Trägt der Landmann verhältnismäßig weniger
zum Wohle des Staates und Vaterlandes bei, als der
Städter, weniger an Abgaben oder Wehrfähigkeit, oder an.
Wert seiner Arbeitsprodukte, oder an sittlicher Tüchtig-
keit?! Es liegt offenbar eine schwere Verschuldung gegen-
über der bäuerlichen Bevölkerung und dem viel gepriesenen
Bauernstande in den durchschnittlich mangelhaften Ver-
anstaltungen zu Gunsten ihrer Geistesbildung vor. Wenn
man uns da nun kurzweg entgegnen wollte, das lasse
sich nicht ändern, weil man zu Besserem keine Mittel
habe, so heißt das mit andern Worten: »Wir haben keine
Mittel, um kostbare, soziale Güter zu schaffen und zu be-
haupten.« (Betrachtende Wanderungen . . .)
Geschichtslehrer. Wie wir vom ßeligionslehrer vor-
nehmlich jene innere warme Teilnahme an seinem Gegen-
stande erwarten, ohne welche er keinen tieferen Eindruck
mit seiner Lehre machen wird, so müssen wir vom
Geschichtslehrer fordern, daß er seinen Stoff mit
Kopf und Herz zugleich behandelt. Man will bei aller
Objektivität der geschichtlichen Darstellung dennoch ein
unmittelbares Interesse des Darstellers an dem Erzählten
wahrnehmen. Dies ist besonders im Schulunterricht ge-
boten, wo der Lehrton soviel zu dem Erfolg des Lehrers
beiträgt (Betrachtende Wanderungen CXVL)
- 37 -
OeschichtsuDterricht. Wir müssen wünschen, daß
in den ausgewählten historischen Stücken der jugendliche
Geist eine Reihe idealer Gestalten kennen und lieben lernt,
um eine i^hnung von den höchsten Aufgaben des Lebens
KU gewinnen und die Keime edlen Strebens in sich zu
empfangen. Wir nehmen diese Vorbilder, wo wir sie
finden. Und da die trefflichsten Gaben von Geist und Ge-
müt, von Weisheit und Willensstärke an sehr verschiedene
Terteilt sind, so suchen wir unsere geschichtlichen Stoße
an verschiedenen Stellen, in verschiedenen Zeitaltem
und bei verschiedenen Völkern. . .
Selbst das vaterländische Gebiet kann im Geschichts-
anterricht leicht überspannt werden, so daß vielleicht das
TorzüglichereDraußenliegende hinter das minderwertige
Heimatliche zurücktreten muß, während wir doch vom
rein menschlichen Standpunkte aus das menschlich Größte
und Herrlichste unserer Jugend nahe bringen sollten. Nicht,
daß wir das Vaterländische, Heimatliche überhaupt ver-
nachlässigen wollen — der Sinn dafür ist sogar in hohem
Grade zu wecken — aber wir haben uns vor gänzlicher
Nichtachtung des Guten und Vorbildlichen in der Fremde
ebenso zu bewahren, wie vor übergroßer Wertschätzung
desselben. Eine solche liegt hinsichtlich der Bevor-
zugung biblischer, d. h. also jüdischer Geschichten als
eines Kanons sittlich- religiöser Belehrung unleugbar vor.
(Betrachtende Wanderungen . . . .)
In einer Arbeit über das Prüfungswesen (»Deutsche
Zeit- und Streitfragen c) beklagte Keferstein die geringen
Garantien seitens der zahllosen Leiter (und Mitarbeiter) der
Presse, namentlich derTagespresse, und wies hin auf den
Widerspruch zwischen den strengen Prüfungsprogrammen
z. B. für Lehrer und dem Recht, eine täglich in vielen
Tausenden von Exemplaren erscheinende Zeitung zu leiten.
»Als ob der Lehrer von etwa geringen Kenntnissen und
wenig Lehrgeschick mehr Unheil anrichten könnte, als der
Herausgeber und Mitarbeiter einer Zeitschrift, die Tausende
erwachsener wie jugendlicher Leser geistig verwirren, in
— 38 —
beillose Irrtümer, in gemeinschädliche Lebensanschauungen
verstricken and sittlich vergiften kann.c Daraus folgert
er, daß Garantien für eine angemessene Vertretung der
Journalistik und Tagespresse geschaffen werden.
Zu der gerade jetzt wieder in fast allen deutschen
Lehrervereinen behandelten Frage des Lehrermangels
nahm Kef er stein das Wort in der »AUgem. Deutschen
Lehrerzeitung € zu einem Artikel über die Bedeutung
des Lehrermangels für das gesamte Kulturleben
des Volkes. Als Hauptursachen des Lehrermangels
bezeichnet er:
1. Den Mangel an idealem Sinn, an Lust und Liebe
zum Lehrberufe, an Verständnis für die hohe Bedeutung
des Schulwesens für das gesamte Kulturleben des Volkes.
2. Den Mangel an natürlicher Begabung für den Lehrer-
beruf nach physisch-psychischer, insbesondere auch nach
sprachlicher Seite. 3. Die Schwierigkeit des Lehrerberufes
im Vergleich zu vielen anderen besonders gesuchten Be-
rufsarten, die im Zusammenhang mit der modernen hoch
gesteigerten Industrie mächtig zugenommen haben. Die
hohen Anforderungen an die Kenntnisse und Fertigkeiten,
überhaupt aber an die Leistungsfähigkeit des Lehrers.
Das Erfordernis einer langen Vorbereitungszeit, des Ab-
legens von mehrfachen Prüfungen, wie in allerlei Fertig-
keiten, so in vielseitigen Kenntnissen. Besondere Ansprüche
an den Lehrer auch nach moralischer Seite erscheinen als
unerläßlich. 4. Die Schwierigkeiten innerhalb der Ver-
waltung des Lehramtes. Hohe Zahl der Pfiichtstunden
neben den erforderlichen Vorbereitungen auf den Unter-
richt und den Korrekturen. 5. Die Abhängigkeit von
einer größeren Zahl von Vorgesetzten: Oberste Kultus-
behörde, Schulrat, Bezirks- und Lokalschulinspektor, geist-
liche Behörde, Schuldirektor, Patronatsherr, Schularzt.
Infolgedessen beschränkte Strafgewalt, sowie geringe Selb-
ständigkeit in der gesamten Führung des Amtes. Damit
in Verbindung auch Erschwerung der Disziplin. 6. Ge-
ringe Aussicht auf Avancement 7. Abschreckende Dienst-
— 39 —
Terhältnisse in abgelegenen Ortschaften. In Verbindung
damit Mangel an bildendem anregendem Verkehr, an Ge-
legenheit zur Fortbildung. 8. Vielfach minderwertige
Schollokalitäten, besonders auf dem Lande. 9. Über-
tragung übervoller Klassen bei verhältnismäßig hohen
Anforderungen durch die vorgeschriebenen Programme.
10. Minderwertige soziale Stellung des Lehrers infolge
der Vorurteile hinsichtlich seiner Bildungs- und Ver-
mögensverhältnisse. 11. Geringe Befriedigung der Lehrer
mit der gesamten Art ihrer Vorbildung. Einseitige Be-
tonung der theologischen Vorbildung im Vergleiche mit
der naturwissenschaftlich-mathematischen und fremdsprach-
lichen. 12. Die durchschnittlich geringe Besoldung der
Volksschullehrer im Vergleiche zu derjenigen vieler
Subaltembeamten.
Non mulia — . Zu den gröbsten pädagogischen Irr-
tümern gehört es, daß man mit den Lehrplänen der
Volksschule, die doch in der Hauptsache Elementarschule
6ein will, im großen ganzen zu hoch greift, zu reich be-
setzte Programme aufstellt, in verschiedenen Fächern,
z. B. in Geschichte und Geographie, eine fast erschöpfende,
abschließende Behandlung anstrebt und dabei der zahl-
Teichen Hindernisse, die sich dem Unterricht so häufig
geistig vernachlässigter Schüler noch dazu in übervollen
Klassen entgegenstellen, zu wenig eingedenk ist. Weniges
zu voller Sicherheit des Wissens und Verständnisses sowie
der Anwendung bringen und zwar mit Heranziehung
auch der mindest begabten Schüler, dagegen gern auf
den zweifelhaften Ruhm möglichst hoch gesteigerter und
ein buntes Allerlei von Gegenständen umfassender Lehr-
programme verzichten, das wird nicht nur der Volks-, nein
auch der Fortbildungsschule zum Segen dienen. (Ziele
und Aufgaben eines nationalen Kinder- und Jugendschutz-
Vereins.)
Wohlreden heit. Wir können uns keinen guten
Lehrer denken ohne die volle Herrschaft über seine Mutter-
sprache. Die deutsche Sprache ist selbst ein Hauptziel
— 40 —
alles Unterrichts in deutschen Schulen: wie wollte ein
Stümper im Gebrauch seiner Muttersprache solches Ziel
mit erreichen helfen? Fließend, korrekt, ohne jede Mini-
riertheit, eindrucksvoll, lebendig, innig und gewählt soll
der Lehrer sprechen können . . . An seiner Redev^eise
müssen die Schüler ein Vorbild für die ihrige haben.
Er muß sich frei halten von jedem verletzenden, groben
Provinzialismus der Volkssprache und — worin und wor-
über er auch belehrend auftreten mag: überall hat er
sich einer klaren, deutlichen Sprache sowohl selbst zu
bedienen, als auch streng darauf zu sehen, daß seine
Schüler es ihm darin gleich tun. (Beiträge zur Frage
der Lehrerbildung.)
Durch viele wertvolle Werke und Abhandlungen hat
Keferstein die Geschichte der Pädagogik ausbauen
helfen. Für Manns »Bibliothek pädagogischer Klassiker c
verfaßte er zunächst »Dr. Martin Luthers Pädagogische
Schriften und Äußerungen. Aus seinen Werken ge-
sammelt und in einer Einleitung zusammenfassend cha-
rakterisiert und dargestellt.« (XCII und 293 S.) Nach-
dem wir im 1. Teil mit Luthers Verhältnis zu Ehe und häus-
lichem Leben, mit seinen Ideen über Staat, Volk und
soziales Leben, mit seiner Stellung zu Kunst und Wissen-
schaft, mit seinem religiös -sittlichen Standpunkt, seiner
spezielleren pädagogischen Bedeutung und seinem päda
gogischen Standpunkt bekannt gemacht worden, finden wir
im 3. Teil Luthers Pädagogik in zahlreichen Stellen aus
seinen sämtlichen Werken zusammengestellt.
Herrn Friedrich Mann^ »dem unermüdlichen Förderer
pädagogischer Wissenschaft und Kunst«, widmete Kefer-
siein sein Buch »J. G. Herders Pädagogische Schriften
und Äußerungen. Mit Einleitung und Anmerkungen
herausgegeben.« (XLVIII-und 171 S.) Diese schöne Studie
berichtet über Herders Lebensgang und charakterisiert ihn
besonders nach der pädagogischen Seite. Das pädagogisch
— 41 —
Wertvolle aus seinen Schriften ist übersichtlich zusammen-
f!;estellt.
Demselben G^enstand hatte Kefersiein früher »Eine
Herder- Studie mit besonderer Beziehung auf ^erder
als Pädagog'« gewidmet. Sie ist in Manns »Pädagogischem
Magazine (Heft 13) erschienen, wie folgende vortreffliche
Schriften: >E. Moritz Arndt als Pädagog« (Heft 41),
»Bich. Bothe als Pädagog und Sozialpolitiker« (Heft 79),
»Zur Erinnerung Philipp Melanchthons als Präzeptors
Ctermaniaec (Heft 91). In Fr. Maukes Verlag erschien:
»Schleiermacher als Pädagog. 2. Aufl.« (XXIV und
340 S.); in dem Verlage von Paul Schettlers Erben (Köthen)
seine »Pädagogischen Studien«. Auch veröffentlichte er
»Gedenkblätter aus Diesterwegs Schriften«, »Lichtstrahlen
ans Herders Werken« und »Fichtes pädagogische Schriften
und Äußerungen«.
■<K@g)@>«
VttiMg von Heniuuin Beyer & Söhne (Beyer ft Mann) in Langensalza.
Pädagogisches Magazin.
tMutliiKiH TOI SOleli Itr PiiKOElk nil am lUlliliKiiitilla.
Bantuf *>*b«n tob
Friedrich Mann.
1. Keferstefu, Di. H., BetracbtongeDfibeTLehrerbildiuiK. S. Anfl. 75 Pf.
2. Maennel, Dr. B., Über p&djigiigiwhe Di»kugwODen uod dieBedingnngeE,
nnter denen ne nstzen iSmien. 2. Aufl. 45 Pf.
3. Wohlrabe, Dr.W., Ft. H;koDiQS, der BefonnatoT TbQringeDS. 25 Pf.
4. Teva, Joh., HodeineH&dcbeneniehnD?. Ein Vortrag. 2. Anfl. 30 PL
5. Ufer, Christiui, Dm Wesen des Schwachsiims. 2. Anfl. 25 Pf.
6. WoblTsbe, Dr. W., Otto Fnck. Gedichtniande, gehalten im Hall*-
achen Lehrei- Vereine. 40 Pf.
?. HoltBch, H., ComenioB, der Apoatel dsa Friedens. 30 Pf.
8. SsIlwQrk, Dr. E. tod, Banmgarten gegen Diestorweg. 25 Pf.
6. Teira, Joh., Sozialdemokratieche Fidag^k. 3. Anfl. 50 Pf.
10. Flügel, 0., Über die Phantas[e. Ein Vortrag. 2. Anfl. 30 Pf.
11. Janke, 0., Die Beleachtnng der Bchnlzimmer. 25 Pf.
12. Bchnlleras, Dr. Adolf, Die Dentsche Mythologie in der Ernehnnga-
Bchnle. 20 Pt.
13. Keferstein, Dr. Horst, Eine Herderatudie mit baaondeier Bedehung
anf Herder aU Pftdagog- 40 Pf.
14. Wittatock, Dr. Alb.,DieÜberrfllliuiedeTgelehTtenBenifezneige. 50 Pf.
15. Hnniiker.Prof. 0., Comenias Qod Peatalozii. Peatrede. 2.Aofl. 40 Pf.
10. Sallvark, Dr. E. von. Du Becht dar Volkaechulaufaicht Nach den
Terhandlnngen der Württemberg. Kammer im Hai 1891. 25 Pf.
17. Boaabach, Dr. F., Eiatoriat^e Bichtigkeit und Volkatümliohkeit im
Oeeducbtannterrichte. 40 Pf.
18. Wohlrabe, Sektor Dr., Lehrplan der ieohwtofigen VoUsachnle u
Halle a, 8. fQt den ünt«moht m Oeachiohte, Gec^raphie, Natnrlahre,
Banmiehre, Deutsch. 40 Pf.
IS. Botlier, H., Die Bedentnng dea ünbewnleten im raenachl. Seelen-
leben. 2. Ann. 30 Pf.
20. Oebmlich, Dr. Ernst, Beitrage inr Geacbicbte dea üntemchts und
der Zncbt in den sttdtiBcheii I^teinseholen des 16. Jahrhnnderta. 50 Pf.
21. Hallkamm, F., Erziehender Unterricht und Massennnterricht. 60 Pf.
22. Janke, Otto, Körperhaltung nnd Schrift richtnng. 40 Pf.
23. Lange, Dr. Karl, Die tweckmSfaige Gestaltung der SSentlicheD Schul-
prafongen. 30 Pf.
24. Gleichmaon, Prof. A., Über den blob darstellenden Unterricht Her-
barta. 2. Anflage. 60 Ff.
25. Lombeig, A., Grolse oder kleine Schnlaysteme 7 45 Ff.
20. Bergemann, Dr. P., Wie wird die Heimatakunde ihrer soi.-ettii8cheD
Aofgabe gerecht? 2. Anfl. 80 Pf.
27. Kirchberg, Th., Die Etymologie nnd ihre Bedentnng fOi Schnle nnd
Lehrer. 40 Pf.
28. Honke, Jutioe, Zni Pflege Tolkstfiml. Bildnng nnd Gesittung. 50 Pt.
29. Benkanf, Di. A., Abnorm« Kinder nnd ihn Pflege. 2. Anfl. 35 PL
Sexuelle Aufklärungen
und
die Schule.
Von
Paul Schramm,
Koktor in Erfart.
' ^' *• »■ *'■»*— ^ - '*.*■• ->-*
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PädagogisclieB Magazin, Heft 816.
•v. *, -'^-■•Vr^^ . ,. - ,-^^ ^\^
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Herzog], Sachs. HofbnchhAndler
1907
Alle Bacht« TOcbetiAlton.
Motto: Dq glaubst an Hindeniisse?
Hindernisse findet nur der, der an sie glaubt
Otto Ludwig.
Xis ist eine bekaiinte Erscheinung, daß die Ansprüche
an die Schule und besonders die Volksschule in dem
Maße wachsen, in dem der erziehliche Einfluß des Eltern-
hauses und der Öffentlichkeit schwindet. Daß aber dieser
erziehliche Einfluß der Eltern bei einem großen Teil
unserer Volksgenossen im Schwinden begriffen ist, wird
niemand leugnen wollen und können. Auch die Gründe
dafür liegen klar vor Augen. Der allmähliche Übergang
Deutschlands vom Agrarstaat zum Industriestaat hat es
mit sich gebracht, daß in weiten Volkskreisen der Vater
den größten Teil des Tages von den Seinen ferngehalten
wird, da seine Arbeit nicht mehr im Haus, sondern in
der Fabrik verrichtet werden muß. Dieses, dazu noch
Frauen- und Einderarbeit, sowie andere Einflüsse, die
durch die wirtschaftliche Entwickelung unserer Zeit be-
dingt sind, haben den ältesten, natüilichsten und darum
wichtigsten Erziehungsfaktor ohnmächtig gemacht, ja, in
weiten Volkskreisen geradezu ausgeschaltet
Ein Gebiet, welches der Schule jetzt von verschiedenen
Seiten zugewiesen wird, ist das der geschlechtlichen Be-
lehrung der Kinder.
Ärzte und Pädagogen, Juristen und Theologen be-
schäftigen sich ebenso wie Frauen, Denker und Dichter
mit dieser Frage der sexuellen Aufklärung als einer der
— 4 —
brenDendsten der Gegenwart Betrachten wir zunächst
die Grunde dieser Erscheinung.
Lesen wir in der vom preußischen Staate im Jahre
1900 aogestellten Erbebung, daß sieb am 30. April 1900
41000 Geschlechtskranke in ärztlicher Behandlung be-
fanden, eine Zahl, die man aber nach dem Urteil Ein-
geweihter ruhig auf 100000 erhöhen kann, so ist zu ver-
stehen, daß jeden Volksfreuod der Wunsch beseelen muß,
Mittel und Wege zu finden, diesem Sumpf das Wasser
abzugraben. Ein in Bezug auf diesen Punkt von mir
befragter Spezialarzt bestätigte mir obige Tatsache und
fügte hinzu, daß man in Bezug auf Yerbreitung von Ge-
scblecbtskrankbeiten nicht schwarz genug zeicbneii könne.
Noch mehr können wir jedoch den Wunsch nach
Besserung auf diesem Gebiete verstehen, wenn wir der
schrecklichen Folgen gedenken, welche solche Krankheiten
fär den Träger derselben sowie für seine Familie haben
können. »Ich werde nie,*: schreibt Dr. Dohrti, »den tiefen
Eindruck vergessen, den ich empfing, als ich als Assistenz-
arzt in eine Irrenklinik eintrat und. dort die schrecklicben
Verwüstungen, die Alkohol und Geechlecbtsk rankheiten
bei unserm Volke anrichten, zum ersten Uale im ganzen
Umfange zu Gesicht bekam. Ist ee doch z. B. erwiesen,
daß weit über die Hälfte aller an Gehirnerweichung zu
tiruude gehender Exanken an Siphilis gelitten hatc Wie
manches Eheglück wurde diesem Moloch geopfert, und
wie viele unschuldige Kinder müssen, mit dem Kains-
zeichen der Sünden der Väter behaftet, ihre Lebensreise
antreten.
Denken wir noch der staatlich sanktionierten Institution
der Prostitution, dieser Schmach der Menschheit, und des
übereinstimmenden Urteils von Lehrern und Xrzten auf
dem internationalen Kongreß für Schulhygiene in Nürn-
berg, nach welchem 90 Prozent aller Schüler der höheren
Lehranstalten geschlechtlichen Verirrungen ergeben sind
(die Schüler der Volks- und Mittelschulen machen nach
der Erfahrnng der Lehrer darin leider keine Ausnahme),
— 5 —
so sind dies Gründe genug, den Wunsch nach einer
höheren Sittlichkeit durch Aufklärung der Jugend als
berechtigt erscheinen zu lassen. Denn Tatsache ist es,
daß an all' diesem Jammer und Unglück in Tausenden
von Fällen nur Unkenntnis und eine Yerkennung der
Gefahren die Schuld trägt, daß Tausende sich und anderen
Schande und Elend erspart hätten, nicht blindlings ins
Verderben gerannt wären, sich nicht zu Erzeugern einer
degenerierten Nachkommenschaft gemacht hätten, wären
sie zu rechter Zeit aufgeklärt worden.
Hegar sagt in Bezug auf diesen Punkt: »Man sollte
bei den heutzutage so genau festgestellten Gefahren, welche
die wilde Liebe mit sich bringt, es kaum für möglich
halten, daß sich jemand ihnen aussetze. Eine Erklärung
liegt nur darin, daß die große Menge über diese Punkte
noch im Unklaren ist, wenigstens undeutliche Vorstellungen
über die mit außerehelichem Umgang verbundenen Nach-
teile hat Sonst könnte sich nur eine sträfliche Dumm-
heit oder ein bodenloser Leichtsinn über die Bedenken
hinwegsetzen. Ein französischer Edelmann gab seinem
das Vaterhaus verlassenden Sohn das Losungswort mit
auf den Weg: >Si vous ne craignex Dieu^ craignex Ja
v&role.*
Eine andere Begründung dieser neuen Forderung sehe
ich in dem stärkeren sozialen Empfinden der Gegenwart,
dem sich auch die Schule und die einseitigsten Individual-
Pädagogen nicht entziehen können. »Was bedeutet das
Einzelindividuum, das du heranziehst, für das Volksganze?
Ist es fähig, dieses Ganze geistig und wirtschaftlich zu
fördern ?€ das sind Fragen, die sich einem modernen
Pädagogen, und sei er noch so sehr von der Bedeutung
des Individuums und seiner Erziehung zur charaktervollen
Persönlichkeit durchdrungen, immer und immer mehr
aufdrängen. Dadurch sind wir zu Einrichtungen, wie
Fürsorgeerziehung, Fortbildungsschule, Schulbad, Schul-
arzt, Kochunterricht, Kampf der Schule gegen den Alko-
holismns usw. gekommen. »Nicht nur die Entwickelung
— 6 —
des EiozeÜDdividaums, sondern auch die des Tolksgaozen
ist deine Aufgabe,« so ruft die Sosialpädagogik dem Er-
zieher zu, und TOD diesem Standpunkt aus muß man
geschlechtliche Belehrung der Jugend als eine herror-
ragende Pflicht der modemeo Schule ansehen.
Ein dritter Faktor, der diesem Oedankeu der Sexual-
pädagogik, wie man diese Forderung auch wohl kurz
nennt, zu weiterer Verbreitung verhilft, ist wohl auch in
der Betonung des biologischen Prinzips in den Natur-
wissenschaften zu suchen. Naturforscher und Ärzte sind
sich einig darüber, daß der biologisehea Wissenschaft ein
breiter Raum im Lehrplan der Schulen einzuräumen ist
Prof. Pauken sagt: >Das Leben ist das Problem, das im
Mittelpunkte aller wissenschaftlichen Forschung und alles
philosophischen Nachdenkens steht; es ist das Problem
aller Probleme.« Zu den allgemeiusten, kennzeichnend-
sten Äußerungen des Lebens gehören aber Ernährung,
Wachstum und Tennehrung. Es ist deshalb zu verstehen,
daß man bei der Sexual •Physiologie der Pflanzen und
Tiere nicht stehen bleibt, sondern zeigt, daß auch der
Hensch, physiologisch genau wie die Pflanze, aus der
befruchteten Eizelle sich entwickelt
Ein vierter Faktor, der zur Verbreitung dieses Ge-
dankens beigetragen, ist die Frauenbewegung. »Ans
Schweden und Norwegen, ans England und Amerika
kam der Qedanke zu uns heräber und wurde etwa um
das Jahr 1894 zum erstenmal in Deutschland öffentlich
ausgesprochen und zwar von Frau Biber-Böhme in Berlin,
Seit der Zeit ist er eine feststehende Forderung in der
Sittlichkeitsbewegung der deutschen Frauen. Die Frau
ist aufs tiefste daran interessiert,« sagt Maria Lischnewska
weiter, >daß das Geschlechtslehen, welches immer einen
großen Teil ihres Daseins ausmachen wird, der ganzen
Menschheit als etwas Ehrwürdiges erscheint und daß
solcher Gesinnung auch die Taten folgen. Darum können
wir sagen : wo immer es auf unserm Erdball eine Frauen-
bewegung gibt, da wird für den Gedanken der geschlecht-
— 7 —
liehen Belehrung gekämpft werden, bis der Sieg er-
fochten ist«
II.
Der Gedanke, durch geschlechtliche Belehrung der
Jugend eine höhere Sittlichkeit, die nicht nur in der so-
genannten Unschuld, im Nichtkennen des geschlechtlichen
Vorgangs besteht, zu erzielen, ist durchaus nicht neu.
Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einen kurzen
geschichtlichen Bückblick einzuschalten.
Zur Zeit der alten Germanen, die Tacitus den ent-
arteten Eömern als Vorbilder in Bezug auf Tugendhaftig-
keit und ungezwungenen Verkehr beider Geschlechter hin-
stellt, und auch noch in der Blütezeit des deutschen
Mittelalters beunruhigte dieses Problem die Gemüter noch
nicht Man sprach über natürliche Dinge eben noch ganz
natürlich.
Die finstere Askese jedoch, die als eine Verirrung der
Lehre Christi in der mittelalterlichen Kirche Einzug hielt,
trug allmählich bei der großen Menge zu der Auffassung
bei, den Geist als das allein Wertvolle, den Körper,
Körperliches und damit das Geschlechtsleben als etwas
Sündhaftes und Abzutötendes anzusehen, den an und für
«ich natürlichen, heiligen, hohen Vorgang, ohne den die
Menschheit dem Untergange geweiht wäre, als einen
niedrigen, tierischen Vorgang zu betrachten, dessen man
sich schämen müsse. Die Schar der Nonnen und Mönche
und der Cölibat der Priester waren die notwendigen
Folgen. Gegen diese kirchlich-asketische, weltvemeinende
Richtung machten jedoch erleuchtete Geister im Reforma-
tionszeitalter Front. Das kräftige Anwachsen der Natur-
wissenschaften und der Ruf »Rückkehr zur Natur« wurde
von seinem Urheber Rousseau sowie von seinen Epigonen,
den Philanthropen, für die Pädagogik und speziell die in
Bede stehende Frage nutzbar gemacht Im 4. Buch seines
»Emil« sagt Rousseau hierzu: »Es ist von Wichtigkeit,
nichts dem Zufalle zu überlassen; und wenn ihr nicht
sicher seid, den Zögling bis in aein 16. Jahr über die
GescblechtsTerBcbiedoDbelt in Unwissenheit erhalten zu
können, so soi;gt dafür, daß er sie vor dem zehnten er-
fahre.«
Vor 130 Jahren beschädigten sich die Fhilanthiopen
mit dem Problem, durch sexuelle Aufklärung das sittliche
Leben der Schüler zu beeinflussen, zu veredeln. Damals
schon Bcbrieb Salxmann in seinem Büchlein »Über die
heimlichen Sünden der Jugend* : »0, du armes, verkauftes
und verratenes Menschengeschlecht beiderlei Geschlechts,
will sich denn niemand deiner erbarmen, dich niemand
der verderblichsten Unwissenheit entreißen ?« In Kap. VIII
derselben Schrift macht er positive Yorschläge für sexuelle
Aufklärung der Jugend, wenn et schreibt: «Daß die
Kinder früh erfahren müssen, wie es mit der Entstehung
des Menschen zugehe, glaube ich gewiß. Wäre ein zu-
verlässiges Mittel da, die Kinder, in Ansehung dieses
Punktes, in einer gänzlichen Unwissenheit zu erhalten, es
zu verhüten, daß sie die Begattung der Tiere nie sähen,
nie darüber nachdächten, nie durch Gespielen, Mägde,
Bediente und lüderlichee Gesindel davon unterrichtet
würden: so würde ich mich weit behutsamer ausgedrückt
und geraten haben, die Aufklärung über diese Sache bis
zu den Jahren der Mannbarkeit zu versparen, wo sie
notwendig ist, wenn der junge Mensch nicht in Gefahr
geraten soll, Ehre und Glück, wegen Unwissenheit der
Verbindung zwischen Ursache und Wirkung, zu verlieren.
Da ich aber dieses Mittel nicht kenne, da es vielmehr gar
nicht vermieden werden kann, daß Kinder nicht unver-
mutet hierüber eine, der Unschuld ihres Herzens sehr
nachteilige Aufklärung bekommen, so kann man nicht
anders, als sie ihnen selbst auf so eine Art geben, daß
dadurch ihre Unschuld gesichert werde. Es ist also bei
mir entschieden, daß den Kindern bald über die Er-
zeugung des Menschen Aufklärung gegeben werden müsse,
und ich zweifle nicht, daß die mehrsten meiner Leser
mir darin beistimmen werden. Wie soll man aber die
- 9 —
Aufklärung mitteilen, ohne dadurch gefährliche Begierden
in der Kinder Herzen zu erregen? Das ist die schwere
Frage, die hier zu beantworten ist. Ich tue folgenden
Vorschlag:
Man gehe in dieser Aufklärung mit der größten Be-
hutsamkeit zu Werke, stufenweise, und rede erst von der
Erzeugung der Pflanzen, ehe man von der Erzeugung des
Menschen spricht; zeige ihnen die männlichen und weib-
lichen Blumen der Pflanzen, z. Ex. der Kürbisse, Gurken u.
dergl., gewöhne sie an die Ausdrücke Staubfäden, Staub-
beutel, Narbe, Fruchtknoten u. dergl., zeige ihnen, wie der
Staub der männlichen Blüte auf die weibliche fallen müsse,
wenn diese Frucht tragen solle! Auf diese Art bekommt
man eine Fertigkeit von männlichen und weiblichen Teilen,
Samen, Zeugung u. dergl. mit Kindern, ohne Ängstlich-
keit zu sprechen, und diese gewöhnen sich, ohne Anstoß
zu nehmen, eine solche Erzählung zu hören.«
Während Salxmann sich zu gelegener Zeit an das
einzelne Kind wendet, also individualisiert, wendet sich
Basedow mit seinen sexuellen Belehrungen an die Gesamt-
heit der Schüler. In epischer Breite werden auf Geburt,
geschlechtliche Dinge und Fortpflanzung bezügliche Sachen
erörtert, wie es ja aus der berühmten Maiprüfung vom
Jahre 1776, in welcher Wolke eine Unterrichtslektion über
die Geburt hielt, bekannt ist. Einige Abschnitte aus
Basedows Elementarwerk mögen seine Art und Weise,
sexuelle Belehrungen zu erteilen, noch näher kennzeichnen.
Im 4. Buche, Abschnitt 4c, lehrt er: »Ein jeder Mensch
ist aus dem Leibe seiner Mutter geboren, woselbst sein
Leib 9 Monate nach und nach angewachsen ist Solange
der Embryo im Leibe der Mutter ist, wird er ohne andere
Nahrung durchs Blut der Mutter ernährt, welches ver-
mittelst der Nabelschnur in den Leib des Embryo kommt —
Es wird kein Weibsen schwanger, ohne von einem Manne
mit solcher Vertraulichkeit berührt zu werden, welche sonst
beiden Geschlechtern höchst schändlich ist, aber bei Ehe-
freund und Ehefreundin erlaubt und lobenswert wird
— 10 —
Der Vater eioes Kindes ist derjenige MaoD, der mit seiner
Hutter dasselbe erzeugt tiat, d. i. durch dessen vertr&u-
Uchsten Umgang sie in den Zustand deijenigen Schwanger-
schaft kam, welche sich mit der Geburt dieses Kindes
endigte.«
Dies einzige Beispiel möge statt vieler genügen. Daß
derartige Belebrungeii nicht geeignet waren, zu erhöhter
Keuschheit zu erziehen, ist leicht einzusehen.
Der Dichter Jean Paul sagt in § 129 der iLewana«:
>Die Fragen der Kinder ßber Schwangerschaft und über
das Woher eines neuen Kindes tut bloß die unbescholtene
Wiß- und Frageeucht, aber kein Instinkt oder Trieb ; denn
dieser gibt Antworten, aber keine Fragen. Im Kinde ist
die Frage Über die Niederkunft der Uutter so weit vom
Oescblechtstriebe entlegen, als etwa die, warum die Sonne,
die doch im Westen niedergehe, am Morgen wieder im
Osten stehe. . . . Womit ist aber dem fragenden Kinde zu
antworten? Mit soviel Wahrheit als es begehrt; ,wie das
KiU'er- Würmchen in der Nuß, so wächst das Menscb-
Würmchen in der Mutter Leib von ihrem Blut und
Fleisch; daher wird sie krank usw.' Da Kinder uns
zehnmal weniger verstehen, als wir glauben, und, gleioh
den Erwachsenen, tausendmal weniger nach der letzten
Ursache, sobald sie die vorletzte wissen, umfragen, als
einige bei beiden voraussetzen: so wird das Kind viel-
leicht erst nach Jahren wieder Vorfragen: woher aber das
kleine Menschlein? Antwort: ,Vom lieben Gott, wenn die
Menschen einander geheiratet haben und nebeneinander
schlafen.'« Wir sehen, auch Jean Paul verlangt eine
ziemlich weitgehende Einweihung der Kinder in geschlecht-
liche Verhältnisse.
Diese Worte einzelner erleuchteter führender Geister
des 18. Jahrhunderts verhallten jedoch resultatlos. Für
100 Jahre etwa fand diese Idee keine Verfechter, bis sie
im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts von neuem
erwachte. In Amerika auftauchend, fand dieses Problem
auchinEuropabald wiederum Eingang und eifrige Anhänger.
— 11 —
Herbert Spencer spricht sich für eine bessere Vor-
bereitung für das Ebeleben durch die Erziehung aus.
Wenn ein Altertumsfreund der Zukunft, so sagt er un-
gefähr, unsere klassischen pädagogischen Schriften und
die Niederschriften und Arbeiten der Schule studierte, um
ein Bild der Kultur unserer Zeit zu bekommen, in welche
Verwunderung würde er geraten, keinen einzigen Hin-
weis darauf zu finden, daß die Lernenden auch einst
Kinder großziehen müssen und Eltern werden. »Gut,
würde er sagen, dies muß ein Studiengang für Ehelos
bleibende sein. Das ist augenscheinlich der Lehrgang
eines ihrer Elosterorden.«
Ellen Key sagt diesbezüglich in ihrem Werke »Jahr-
hundert des Kindes«: »Nur dadurch, daß jeder von frühe-
ster Kindheit an auf jede seiner Fragen über diesen
Gegenstand ehrliche, dem betreSenden Stadium sein»
Entwickelung angepaßte Antworten erhält und so volle
Klarheit über seine eigene Art als Oeschlechtswesen emp-
fangt, sowie ein tiefes Verantwortlichkeitsgefühl in Be-
ziehung auf seine zukünftige Aufgabe als solches, eine
Gewöhnung an ernstes Denken und ernstes Sprechen über
diesen Gegenstand, nur dadurch kann ein vornehmeres
Geschlecht mit höherer Sittlichkeit hervortreten. c
Bjömsan tritt in seinem Roman »Thomas Rendalenc
der Frage der Erziehung der Jugend zur Reinheit durch
Einsicht näher. Die Umgestaltung der ererbten Anlagen
in Bezug auf das Verhalten der Menschen zur Sittlichkeit
und dadurch die Schaffung einer gesunden und glück-
lichen neuen Generation, bei der die Leiden der jetzigen
geschlechtlichen Disharmonie aufgehört haben werden, das
ist das große Ziel des Bjömson'schen Romans. Für dieses
wollte er, daß auch die Schule wirke, durch die Mitteilung
der Kenntnis des Menschen als Geschlechtswesen, und wie
er als solches sich selbst und dann auch seine Nach-
kommenschaft behüten müsse.
Auch Rosegger kämpft gegen die bisher beliebte Sitte,
über Geschlechtliches so wenig wie möglich und in Gegen-
wart TOD Kindern überhaupt nicht zu reden mit den
Worten: »Nicht das Wissen und der naturgemäße Frei-
mut bringt zum Falle, sondern die G-ebeimnistuerei , die
damit aufgeweckte Neugierde und Begierde. Unter dem
Feigenblatte gedeiht die Keuschheit nicht, nur die Prüderie
ond die Lüsternbeit. Die Prüderie verdeckt, und die
VerdeckuDg macht lüstern. Legt der mediceiscben VenuB
ein Hemd au: das schöne Weib ist fort, und das inter-
essante Frauenzimmer ist da.c
Tolstoj, der sich in der Auffassung über geBchlecbt-
licbe Gemeinschaft wieder deijenigeD des Mittelalters nähert,
hat sieb au verschiedenen Orten, vor allem im Nachwort
zur Kreuzersonate, über die sexuelle Frage geäußert. In
Beinen Briefen über die Ehe sagt er: *Das Ideal eines
Christen ist die Liebe zu Gott und seinem Nächsten, ist
die Entäußerung seiner selbst im Dienste Gottes oder
des Nächsten. Die fleischliche Liebe aber, oder die Ehe
ist nur ein Sichselberdienea und ist daher jedenfalls
ein Hindernis, Gott und den Menschen zu dienen und
▼om christlichen Standpunkt aus ein sittlicher Fall, eine
SOnde.«
Außer diesen Denkern und Dichtem sind es vor allem
Yertreterinnen des weiblichen Geschlechts, ich denke an
Bennette Fürth in Frankfurt, an Maria Lischnewsha,
Adelheid von Bennigseii, die für diesen Gedanken ein-
getreten sind. Haben diese einen Bund für Mutterschutz
gebildet, so lassen sich die Ärzte, die den Verein zur
Bekämpfung der Geecblecbtskrankheiten gegründet haben,
die Aufklärung der Jünglinge durch Wort und Schrift
recht angelegen sein. Auf seinem die^ährigen Kongreß
bat dieser Verein die Frage sexueller Aufklärung als
einzigen Vertiandlangsgegenstand auf die Tagesordnung
gestellt
Prof. Forel sagt in seinem bedeutsamen Werke >Die
sexuelle Frage«: >Eine frühzeitige vertrauliche Aufklärung
der Kinder über die sexuellen Verhältnisse ist ein Gebot
der Hygiene, der Klugheit und der Ethik.«
— 13 —
Erfreulicherweise nehmen zu dieser rein pädagogischen
Frage auch die pädagogischen Kreise Stellung. Der inter-
nationale Kongreß für Schulhygiene, der 1904 in Nürn-
berg abgehalten wurde, brachte eine ganze Reihe dies-
bezüglicher Vorträge von Pädagogen und Ärzten. In be-
jahendem Sinne wurde von frauenrechtlicher, theologischer,
philologischer und medizinischer Seite die Frage: »Sollen
wir unsere Kinder über geschlechtliche Dinge aufklären?«
in Berlin im Verein für Schulgesundheitspflege beant-
wortet, während sich Lehrer Lorentx auf dem Kongreß
für Kinderforschung und Jugendfürsorge in Berlin gegen
die Behandlung sexueller Fragen in den Schulen aus-
sprach.
IIL
Der Gedanke der geschlechtlichen Belehrung hat also,
wie wir gesehen haben, kräftig Wurzel geschlagen und
wird jedenfalls in unserm Jahrhundert der Naturwissen-
schaften sobald nicht wieder untertauchen.
Stellen wir nun zunächst einmal die Frage: »Ist eine
geschlechtliche Belehrung der Jugend zu wünschen oder
gar notwendig?
Während man auf der einen Seite diesen Oedanken
energisch zurückweist, es beim Alten lassen will, da von
«iner Dekadenz auf sexuellem Oebiete nicht die Bede
sein könne, kann von anderer Seite, wie ich eingangs
schon zeigte, diese Dekadenz nicht scharf genug gebrand-
markt werden. So schreibt Prof. Dr. ifo/fa-Berlin: »Das
Material, das die Schulärzte bis jetzt gesammelt haben,
hat mit erschreckender Deutlichkeit die körperliche Minder-
wertigkeit unserer Schuljugend klargelegt. In Chemnitz
z. B. erwiesen sich nur 7,9^0 sämtlicher Volksschüler
als vollgesund und voUkräftig, in Charlottenburg nur
11,5 7o usw.« Unter den vielerlei Umständen, die mit-
helfen, diese erschreckend große Zahl körperlich minder-
wertiger Schüler zu erzeugen, führt er auch geschlecht-
liche Erkrankung der Eltern mit • auf. »Es heißt nicht
— 14 -
EQ Tiel behaupten, daß Trunksucht und Uuzucht als die
weitaus verbreitetsteu Krankheitserscheinungen hauptsäch-
lich unsere Jugend schon zerrütten.«
Was lehrt uns denn nun unsere eigene tägliche £r-
tahmng hierüber? Sa die Jugend bisher nicht über
sexuelle Dinge aufgeklärt wird, weder in der Schule noch
TOD den Eltern, so bleiben die Kinder, so könnten wir
BchlieBen, jedenfalls auch unwissend auf diesem Gebiete.
Wenn es so wäre, brauchte man sich nicht mit diesem
Problem zu befassen. Leider wird jedoch durch die bis-
herige Fraiis des Schweigens mit verschwindend wenig
Ausnahmen das Gegenteil davon erreicht Wir können
darch unser Schweigen nicht verbiadem, daß andere
reden, so daß unsere Kinder spätestens g^en Ende der
Schalzeit, von Freunden, Dienstboten in das Geheimnis
eingeweiht, sich auch über dieses Gebiet ihre Vorstellungen
machen. Trotzdem wir alle ganz genau wissen, daß wir-
unsere Kinder nicht völlig abschließen können gegen un-
saubere Elemente, so bat doch heutzutage unter Tausenden
vielleicht kaum ein Vater, eine Mutter den Mut, mit den
Kindern natürlich über natürliche Dinge zu reden.
Ich kann mir wohl als uns allen zu bekannt ver-
sagen, näher auszuführen, wie man dann in versteckten
Winkeln mit geröteten Wangen geheime Zwiesprache
h<, um sich von älteren Klaseengenossen belehren zu
lassen. Gefährlich wird dieses Ausmalen des Geschlechts-
lebens in der Phantasie aber in dem Alter, wo sich der
Geschlechtstrieb zu regen beginnt.
>8ebr oft wird auch durch die bisher übliche Be-
handlung der sexuellen Fragen eine Neigung zu uu-
geheurer Überschätzung der hinter dem Geheimnis stecken-
den Tatsachen erzeugt Daraus laßt sich vielleicht auch
ein Teil der herrschenden perversen Neigungen zwanglos
erklären. Was ist natürlicher, als daß alle jene, die
staunend im natürlichen Gescblechtsveikehr bei weitem
das nicht fanden, was sie zu finden erwartet hatten, daß
alle diese nun weiter lachen nach stärkeren Beizen und
— 15 —
sich dabei aaf jene Abwege verirren, denen die meisten
Menschen verständnislos gegenüberstehen. So gewiß ein
Teil der Homosexuellen unter einer verkehrten Natur-
anlage leidet und mithin Mitleid, nicht Strafe verdient^
80 gewiß muß in vielen Fällen bei normal Veranlagten
die Gesellschaft mit ihrer verkehrten Behandlung der
sexuellen Frage einen Teil der Schuld auf sich nehmen«
(UUmeht) .
Das sind die verhängnisvollen Folgen des Ver-
scbleierungssystems, welches Ellen Key treffend geißelt
mit den Worten: »Man will noch immer im Namen der
Sittlichkeit vor der Jugend die Nacktheit der Natur ver-
schleiern und verabsäumt es, ihr Andachtsgefühle vor
ihrem eigenen Wesen als dem Heiligtum einzuflößen,
in dem das Mysterium des Lebens sich nicht erfüllen
wird.«
Dazu kommen noch ganz besonders erschwerende um-
stände für die Kinder unserer armen und ärmsten Volks-
genossen, bei denen sich alle Lebensvorgänge in einem
Raum abspielen. Bei größerer Einderzahl schlafen Knaben
und Mädchen, Eltern und Kinder, ja oft wohl gar noch
Schlafburschen zusammen in demselben Räume. Malen
wir uns nun noch aus, was die Kinder in solchen Woh-
nungen hören und sehen — so stimmen Sie mir wohl
bei, daß in einem solchen Milieu von Unwissenheit der
Kinder auf sexuellem Gebiete, nach landläufigem Sinne
also auch von Reinheit nicht die Rede sein kann.
Sehr treffend sagte deshalb auch unser Staatssekretär
Graf Posadowsky anläßlich einer Hauseinweihung in
Pankow: »Bei unserer schnell wachsenden Bevölkerung,
dem immer verwickelter sich gestaltenden Erwerbsleben
entstehen sittliche und körperliche Gefahren für unsere
Bevölkerung, die immer höhere Ansprüche an die Tätig-
keit aller derer stellen, die berufen sind, diese Gefahren
zu bekämpfen.«
Die Abweisung sexueller Belehrung mit der Be-
gründung, man mache durch dieselbe die Jugend erst
— 16 ~
auf das Geschlechtsleben aufmerksam, es sei doch besser,
die Eiader lange »unschuldig und reim zu erhalten, ist
nach Vorhergesagtem und nach atigemeiner Erfahrung
also doch recht unklug und unpädagogisch. Wäre es
nicht besser, Belehrungen und Aufklärungen über ge-
schlechtliche Verhältnisse und Fortpflanzung des Menschen
dazu berufenen erwachsenen Personen zu übertragen, die
mit sittlichem Ernste über das größte aller göttlichen
Oebeimnisse, über die Entstehung des Lebens, zu reden
im Stande sind ! Und wie steht es mit der Reinheit,
Keuschheit? Ist dieser Begriff wirklich gleichbedeutend
mit Unwissenheit auf geschlechtlicbem Gebiete? Nun,
dann sind wir Erwachsenen samt und sondere unkeuscb.
>Eeuschheit ist nicht Unwissenheit auf sexuellem Gebiete,
nicht Verachtung des Geschlechtslebens ! Wahre Keusch-
heit ist die auf Grund des Wissens erworbene Auffassung
des Geschlechtsverkehrs und seiner Folgen als eines reinen
Geschehens c (Ulbricht).
Derselben Meinung ist Bjömson, wenn er den In-
BtitutsTorsteher Thomas Rendaten in seiner programma-
tischen Rede vor einer Versammlung von Vätern und
Müttern sagen läßt: •Vermutlich glauben manche, wenn
das Kind nur zu Hause nichts Anstößiges sehe und keine
schlüpfrigen Reden höre, so sei alles getan, was getan
werden könna Ich aber sage: so lange nicht mehr ge-
tan wird, ist die Jugend allem möglichen ausgesetzt
Hier schwärmt man für die Unschuld der Unwissenheit
Ich begnüge mich jetzt damit zu sagen: die Unschuld,
weiche weiß, welche Gefahren ihr drohen, und die von
Jugend auf dawider gekämpft hat, ist allein stark, allein
widerstandsfähig. •
Wir würden, wenn wir endlich von dem Storch-
märcben und von dem Vertuschungssystem abließen, eicher
Zustände erreichen, wie sie uns NeUie in der Broschüre
»Mutter und Kind« von den Japanern in folgendem mit-
teilt. »Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern
sind bei den Japanern ganz natürlich , frei und un-
— 17 —
beschränkt Die natürlichen Wahrheiten des Lebens
\¥erden den Kindern erklärt, sobald sie groß genug sind,
um danach zu fragen. Man hält ihnen nichts verborgen,
was sie sonst doch von außen erfahren würden. Die
Folge dieser vollständigen Aufrichtigkeit ist keineswegs
eine unnatürliche Frühreife bei den Kindern; im Gegen-
teil, sie behalten dadurch ihre unbewußte Anmut, diese
Zierde der Jugend, viel länger als Kinder, welche dieses
verborgene Wissen auf schlimmem Wege erfahren, c
Ich stehe also nicht an, mit vielen Gleichdenkenden,
die nicht auf dem Standpunkt des laüser- aller ^ laisser-
faire stehen, auszusprechen, daß ich eine Aufklärung und
Belehrung der Jugend über sexuelle Verhältnisse für not-
wendig halte, um zur Sittlichkeit, d. h. zur reinen Auf-
fassung des Geschlechtslebens und der Fortpflanzung des
Menschen zu erziehen.
17.
Wann soll nun die Jugend über sexuelle Vorgänge
aufgeklärt werden? Darauf eine für alle Fälle passende
allgemeingültige Vorschrift geben zu wollen, halte ich für
unmöglich. Wer die Kindesnaturen nur einigermaßen
beobachtet hat, weiß, daß ein Kind schon im 10. Lebens-
jahre Aufklärungen bedarf, deren ein anderes 16-, ja
16jähriges Kind noch nicht benötigt. Aus einer solchen
Mischung teils auf sexuellem Gebiete Unwissender, teils
Frühreifer bestehen wohl die Klassen aller der Schulen,
welche die Kinder nur bis zum 14. Lebensjahre behalten.
Für solche Schulen uniforme Belehrungen über geschlecht-
liche Dinge zu verlangen, halte ich für verkehrt, un-
psychologisch, ja gefahrlich. Nicht alle Kinder heischen
eben dieselbe Vertraulichkeit, dieselbe Behandlung. Weil
also Berücksichtigung der Individualität auf diesem Ge-
biete notwendiger ist als bei jeder anderen Belehrung, so
muß ich mich entschieden gegen alle schon unter-
nommenen oder noch zu machenden Versuche wenden,
FId. Mag. 815. Schramm, Soxuello AnfklärnngBo. 2
— 18 —
derartige Belehrungen in methodischem Aufbau, im Lehr-
plan dem naturgeschichtlichen Sto£f eingegliedert, zu bieten,
57ie es Maria Lischnewska^) und Barbara Polowxow^)
in Petersburg belieben.
Ist irgendwo gelegentliche Belehrung unter Berück-
sichtigung der Individualität am Platze, dann auf ge-
schlechtlichem Gebiete. Die Konsequenz dieser Erkenntnis
muß aber die Ablehnung jeglichen Klassen Unterrichtes in
Bezug auf sexuelle Belehrungen sein.
Solch gelegentliche Belehrungen können nicht früh
genug einsetzen. Vor allem sollte man von allem An-
fange an Kinder, und seien sie noch so klein, mit dem
Storch- und Engelsmärchen verschonen. Kinder werden
sich mit der Antwort: »Dein Schwesterchen ist geboren
worden« ebenso bescheiden wie mit der Storchgeschichte.
Es braucht uns nicht zu bangen, in den Belehrungen
schon etwas weiter zu gehen, so lange der Geschlechts-
trieb noch ruht; denn in diesem Falle steht das Kind
dem Stoff noch unbefangen gegenüber, es fehlt der an-
geschlagenen Saite noch die Resonanz.
Prof. Forel sagt: »In der Erziehung seiner Kinder
pflegt der Mensch immer wieder den gleichen Fehler zu
machen, nämlich seine Gefühle in das Kind hinein un-
bewußt zu verlegen. Dasjenige, was einen Erwachsenen
sexuell reizt, läßt ein sexuell unreifes Kind vollständig
indifferent. Man kann daher in einer gewissen Weise
sehr gut mit ihm darüber sprechen, und es ihm bekannt
geben, ohne es sexuell zu reizen. Im Gegenteil, dadurch,
daß das Kind sich daran gewöhnt, in harmloser Weise
sexuelle Verhältnisse und Dinge als etwas Natürliches
zu betrachten, werden seine Neugierde und sein Erotisraus
später viel weniger dadurch erweckt, weil sie den Reiz
der Neuheit verloren haben.«
^) M, Lischnewska^ Die geschlechtliche Belehrung der Kinder.
Frankfurt a. M., 1906.
') B. Poloirxow, Die sexuelle Frage in der Erziehung des Kindes.
Leipzig, 1905.
— 19 —
Man wird dem Kinde sexuelle Belehrungen nicht
aufdrängen, wohl aber soll man derartigen Fragen nicht
ausweichen, oder noch viel weniger ein ahnungsloses
Kind wegen der Schamlosigkeit solcher Fragen anfahren
und abweisen. Wir brauchen uns dann nicht zu wundern,
wenn sich das Kind anderswo Rat holt. Man beginne
also lieber etwas zu früh, als zu spät, ehe etwa »ein
anderer eine Karikatur mit hartem Stift einkratzt, die
vollständig zu entfernen dir und deinem Kinde schwer
fallen dürfte«.
Eins aber ist sicher; der Pubertät und der so gefähr-
lichen Übergangszeit dazu müssen Aufklärungen vorauf-
gegangen sein. Weiß denn sonst das Kind, was kommt
und warum es kommt, welche Versuchungen ihm nahen?
Weiß es sonst, daß von dieser Zeit sein späteres Leben,
ja das Wohl und Wehe seiner Nachkommen abhängt?
Hier das Kind ohne belehrende Aufklärung lassen, heißt,
es in gebrechlichem Fahrzeug ohne Steuermann dem
Ozean anvertrauen.
Bjömson ist derselben Anschauung, wenn er schreibt:
»Erfahre ich schon in früher Jugend, aus welchen Ele-
menten mein Körper besteht und wie er arbeitet; weiß
ich, wie ich ihm schaden oder nützen kann — ja, nicht
bloß mir selbst, sondern auch denen, welchen ich der-
einst das Leben gebe und die von mir abhängig werden — ,
80 ist dieses mein Wissen nicht bloß mein zuverlässiger
Wächter, es verleiht mir in der Regel auch den Willen,
ihm Folge zu leisten. Nichts weckt stärker das Gefühl
der Verantwortlichkeit, als die Einsicht in die Natur der
Dinge. Aber das Wissen darf nicht zu spät kommen.«
Nicht unterlassen werden darf es nach meiner Meinung
auch, die Jünglinge, bevor sie ins Leben treten, noch-
mals auf die großen Gefahren des Geschlechtslebens hin-
zuweisen. Vorbildlich schwebt mir da vor, was man in
Frankfurt a. M. und Dresden bereits praktisch erprobt
hat Die Abiturienten der höheren Schulen werden unter
Zugegensein der Väter, der Lehrerkollegien von Ärzten
2*
— 20 —
und Pädagogen auf die ihnen auf sexuellem Gebiete
drohenden Gefahren, besonders über die Geschlechtskrank-
heiten unterrichtet und in liebevoll väterlicher Weise ei^
mahnt. Sollte sich ähnliches nicht auch mit den Jüng-
lingen der unteren Volksklassen, vielleicht mit den ab-
gehenden Fortbildungsschülern, den angehenden Gesellen
und Handlungsgehilfen, ermöglichen lassen? Wenn auch
nur bei einem Zehntel aller Belehrten die Aufklärung auf
fruchtbaren Boden fiele, es wäre doch unendlich viel ge-
wonnen.
V.
Ich komme nun zu der sehr wichtigen Frage: »Wer
BoU diese Belehrungen geben?« Ich antworte darauf zu-
nächst mit Björnson: »Derjenige, der des Kindes Ver-
trauen hat.« Es heißt diesbezüglich in Thomas Reiidalen:
»Alle Erziehung, welche in dieser Hinsicht etwas leisten
will, setzt als unumgänglich notwendige Bedingung den
Grundsatz auf: volles Vertrauen zwischen Kind und Eltern.
Jedenfalls zwischen Kind und Mutter, oder, um meinen
ganzen Gedanken auszudrücken: zwischen dem Kinde und
dem, der sich sein größtes Vertrauen erworben hat. Und
yermag das weder Mutter noch Vater, was ja leicht der
Fall sein kann, so schafft jemand, der des Kindes Ver-
trauen gewinnt! Das ist unbedingt notwendig.«
In der Kinderzeit haben entschieden in erster Linie
Vater und Mutter die Pflicht, in sexueller Beziehung dem
Kinde auf entsprechende Fragen Aufklärung zu geben,
oder, wenn sexuelle Verirrungen vorliegen, in liebevoU
väterlicher oder mütterlicher Weise zu warnen und den
Ursachen der Verfehlung nachzugehen. All dies ist in
erster Linie Elternpflicht; denn sie kennen ihr Kind am
genauesten, zu ihnen hat das Kind das größte Vertrauen.
Freilich gebe ich gern zu, daß ein großer Teil der
Eltern dazu nicht im stände ist, da ihnen der dazu nötige
Takt, oft vielleicht auch die sittliche Reife fehlt. In solchen
Fällen haben andere, die auch des Kindes Vertrauen be-
~ 21 —
sitzen, die Pflicht zu reden. Pflicht des Lehrers, der
Lehrerin, des Schularztes ist es, dann einzugreifen und
solche gefährdeten Kinder nicht zu strafen, nein, in liebe-
voll väterlicher Weise zu belehren, aufzuklären.
In Bezug auf solch sexuelle Perversitäten gilt es auch
für die Pädagogik immer mehr, sich einen modernen
Grundsatz der Medizin zu eigen zu machen, nämlich
prophylaktisch zu wirken, ein Punkt, auf den ich im
letzten Teil der Arbeit noch zu sprechen komme.
Bei aller Aufklärung kommt es aber vor allem darauf
an, dem Einde durch den Ton der Rede, durch das ganze
Benehmen zu zeigen, daß es sich um etwas ganz Natür-
liches handelt. Gegen lehrplanmäßige Behandlung auch
der intimsten geschlechtlichen Angelegenheiten, der Ge-
schlechtsteile usw. im Anschluß an den naturkundlichen
Unterricht ä In Li^clmewslca habe ich mich schon aus-
gesprochen; möchten wir vor einer derartigen Bereiche-
rung unseres naturgeschichtlichen Stoffes verschont bleiben.
Sollten die Eltern in falscher Scham es nicht über sich
bringen^ natürlich und ofien über Natürliches mit denen,
welche sie gern vor dem kleinsten Übel behüten möchten,
zu sprechen, nun, so bitte man den Hausarzt darum, er
kann kraft seines Amtes, ohne befürchten zu müssen, das
Schamgefühl zu verletzen, dem Kinde sagen, was ihm zu
wissen frommt. Leider geschieht dies heutzutage noch
bedauerlich wenig. Mehrere ältere, erfahrene Ärzte er-
klärten mir, daß noch nie derartige Aufforderungen von
Eltern an sie herangetreten seien. Ich sehe hierin auch
ein Gebiet, auf dem sich der Schularzt betätigen kann.
Den Eltern kann es in Elternabenden und durch Vor-
träge in aller Art Vereinen nicht oft und ernstlich genug
gesagt werden, daß sie die Pflicht haben, besonders in
der Übergangszeit, ihren Kindern helfend und beratend
zur Seite zu stehen.
Björnson läßt Thomas Rendalen sagen : »Meine Mutter,
die ich wohl eine erfahrene Erzieherin nennen darf, wird
bezeugen, daß im Übergangsalter die meisten auf Abwege
— 22 —
geraten, weil sie ihre Offenheit und zum Teil auch ihren
Fleiß, ihren Ordnungssinn einbüßen. Es schleicht sich
etwas Fremdes in das kindliche Oemüt Und diese Wand-
lung ist nicht eine Ausnahme, ist die Regel.«
Daß neben Ärzten vor allem die Pädagogen berufen
sind, solche Vorträge zu übernehmen, brauche ich wohl
nicht besonders zu begründen.
Werden auch die angehenden Gesellen, Handlungs-
gehülfen, die abgehenden Schüler höherer Lehranstalten
so belehrt, wie man es in Frankfurt a. M., Dresden schon
getan, eine praktische Betätigung, die sich die Sittlich-
keitsvereine vor allem zur Pflicht machen sollten, wird
man auch noch einen Weg gefunden haben, mit der-
artigen sexuellen Aufklärungen an die heranwachsenden
Mädchen heranzukommen, dann ist zu hoffen, daß die
nächste und übernächste Generation jene falsche Scheu,
die Kinder offen und natürlich über Natürliches auf-
zuklären, nicht mehr kennt. Aber es gilt einen Kampf
mit tief eingewurzelten Vorurteilen.
VI.
Über das Maß der zu bietenden Aufklärung gehen
die Meinungen noch weit auseinander. Ich habe mich
schon als Gegner jeder schematischen Belehrung auf
diesem Gebiete zu erkennen gegeben. Ich will jedoch
nicht unterlassen, einen solchen veröffentlichten Lehrgang
hier kurz zu skizzieren, um meinen ablehnenden Stand-
punkt zu begründen.
Maria lAschnewsha beginnt bei dem 8jährigen Kinde
damit, die Fortpflanzungsorgane eines Herings — Eier
und Milch — zu zeigen und von der Befruchtung des
Fisches zu sprechen. So soll also schon hier über Außen-
befruchtung unterrichtet werden. Da die Kinder, am
Küchentisch stehend, beim Ausnehmen der Gans deren
Eierstock gesehen, steht sie nicht an^ hier zu erklären,
daß die Befruchtung des Eies im Leibe der Henne ge-
— 23 —
ficheben müsse, da ja die Eier, Dacbdem sie gelegt sind,
harte Schalen haben, und der Same dann nicht mehr ein-
dringen könne. Dies erklärt sie mit den Worten: »Das
Männchen, der Hahn, hat wieder die schöne weiße Milch
im Leibe, die man den Samen nennt, gerade wie der
Hering. Der Hahn hat aber auch eine Warze am Hinter-
leibe, die drückt er fest an den Leib der Henne und
spritzt den Samen hinein. Der Same fließt auf den Eier-
stock, und die Befruchtung ist geschehen.«
Dies ist nach der Verfasserin Ansicht zwar »noch
nicht wissenschaftlich völlig erschöpfend , aber genügend,
um den biologischen Vorgang in großen Zügen zu er-
kennen«.
Auf die wichtige Frage: »Wo kommen die kleinen
Kinder her?« soll auf dieser Stufe etwa in folgender
Weise geantwortet werden: »Das Kind liegt im Leibe
der Mutter. Wenn sie atmet, dann atmet es auch; wenn
sie ißt und trinkt, bekommt es auch seine Speise. Es
liegt da warm und sicher. Allmählich wird es größer
und bewegt sich. Es muß sich auch ein bißchen krumm
legen, weil es da drinnen so eng ist. Endlich ist es
ausgewachsen. Der Leib der Mutter öffnet sich, und das
Kind kommt ans Licht.« Zum Schluß wird ein Bild,
welches bei zurückgeschlagener Bauchdecke das Kind im
Mutterleibe zeigt, vorgeführt.
Das vierte Schuljahr soll die weitere Anwendung der
bisher gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf die Fort-
pflanzung der Pflanzen, Fische und Vögel übernehmen.
Im 5. und 6. Schuljahre soll anschließend an die Be-
sprechung des Rindes der Begattungsvorgang bei den
Säugetieren sowie die Darstellung der embryonalen Ent-
wickelung des Säugetieres zum Verständnis gebracht
werden. Das Glied des männlichen Tieres, die Scheide
des weiblichen werden genannt und in Zeichnungen ver-
anschaulicht. An einem Durchschnitt des Leibes der
Kuh werden Gebärmutter, Eierstock gezeigt und Zweck
und Bedeutung dieser weiblichen Geschlechtsorgane sowie
— 24 —
der Oani^, den der Same des Männchens nimmt, erklärt
Anschließend daran wird von der schmerzhaften Geburt
gesprochen, und der Übergang zum Menschen geschieht
mit den Worten: »So wie das Kalb in der Kuh, ent-
wickelt sich das Kind im Mutterleibe.« Es folgen Dar-
stellungen des Embryos und im Anschluß an dieselben
eine Geschichte seiner Entwickelung.
Da im 13. und 14. Lebensjahre die Zeit der körper-
lichen Reife naht resp. eintritt, soll das Kind jetzt im 7.
und 8. Schuljahr zur Klarheit über seinen eigenen Leib
gelangen. Es soll die Funktionen und Bedeutung seiner
Geschlechtsorgane jetzt kennen lernen. Verfasserin ist
der festen Überzeugung, daß die Kinder durch alles
Vorhergegangene zu einer »unbefangenen, naturwissen-
schaftlichen, von Ehrfurcht getragenen Anschauung der
geschlechtlichen Funktionen erzogen sind«. So soll denn
hier auch die naturwissenschaftliche Belehrung mit aller
Offenheit und Wahrheit einsetzen. Zeichnungen ver-
anschaulichen die männlichen und weiblichen Geschlechts-
organe, also die Gebärmutter mit dem Eierstocke, den
Innern Bau des männlichen Gliedes und die Hodensäcke.
In epischer Breite will sie dann auch noch vom Miß-
brauch der Geschlechtsorgane gesprochen wissen und das
alles, ich betone dies besonders, im Klassenunterricht.
Nach einem ähnlichen Lehrgang hat Barbara Polowxcnv
in einer der führenden Schulen in St. Petersburg, in der
auch zum 1. Male der Versuch der Koedukation angestellt
worden war, Knaben und Mädchen gemeinsam über
sexuelle Vorgänge aufgeklärt und berichtet darüber und
über gute Erfolge, die sie erzielt, in der naturwissen-
schaftlichen Monatsschrift: »Natur und Schule«.
Diese Proben der Rufer im Streit, der Stürmer, mögen
genügen. Ich bezweifele nicht einen Augenblick die wohl-
gemeinte Absicht der Verfasserinnen, durch diese Vor-
schläge und praktischen Arbeiten den Gedanken sexueller
Aufklärung fördern zu helfen. Man wird mir aber bei-
stimmen, wenn ich behaupte: Weniger wäre hier auch
— 25 —
mehr gewesen. Der an sich gute Gedanke wird durch
derartig tiberspannte Forderungen nicht gefördert, höch-
stens geschädigt und in Mißkredit gebracht.
Es geht eben diesem Gedanken auch wie allen neuen
Ideen: sie werden übertrieben; man fällt aus einem
Extrem ins andere. Was sollen denn all' die breiten
Erörterungen über äußere und innere Geschlechtsteile, die
höchstens den mächtig erwachenden Geschlechtstrieb 13-
j&hriger Knaben und Mädchen noch mehr anreizen. Da-
durch wird nicht ein einziges Kind von sexuellen Ver-
irrungen zurückgehalten. Wer hätte bei obigen Aus-
führungen nicht an das Wort des Heilandes gedacht:
»Ich habe euch noch viel zu sagen, ihr könnt es aber
jetzt noch nicht tragen.«
Sehr richtig sagt in dieser Beziehung der Kinder- und
Schularzt Dr. R. Flachs in Dresden: »Zuerst möchte ich
betonen, daß es grundfalsch wäre, dem Kinde eine Art
von Abhandlung über die Geschlechtsorgane und deren
Bedeutung zu geben. Nichts wäre verkehrter, als von
Sachen sprechen, die das kindliche Verständnis nicht
fassen kann. Nichts ist erfolgloser, ja schädlicher, als
Winke zu geben, welche, so gut sie auch gemeint sind,
ihren Zweck nicht erreichen können, da die Voraus-
setzungen vollständig fehlen, die zu einer richtigen Auf-
fassung notwendig sind.c
vn.
Was soll nun in besagter Angelegenheit seitens der
Schule geschehen? Ich komme damit zu dem letzten
und wichtigsten Teile.
Wenn ich mich auf den Standpunkt gestellt habe, daß
geschlechtliche Belehrung im schulpflichtigen Alter in
erster Linie eine Pflicht der Eltern sei, so habe ich da-
mit nicht sagen wollen, daß die Schule bei Erziehung
zu höherer geschlechtlicher Sittlichkeit überhaupt nichts
zu tun habe, und daß Aufklärung das einzige Mittel sei,
am dazu zu erziehen.
— 26 —
Der Geschlechtstrieb ist wohl nach dem ErnähruDgs-
trieb der mächtigste im Menschen und ihn unterdrücken
und bekämpfen, wie es die finstere Askese des Mittel-
alters beliebte^ hieße gegen die Natur ankämpfen, so daß
schon Luther in seiner Opposition gegen Klöster und
geistliche Orden sehr richtig sagt: »Wer dem Naturtrieb
wehren will, was tut er anders, denn er will wehren,
daß Natur nicht Natur sei, daß Feuer nicht brenne,
Wasser nicht netze, der Mensch nicht esse, noch trinke,
noch schlafe.«
Wenn also allgemein bekannt, daß die Stärke des
Sexualtriebes ganz außerordentlich ist, so daß ihn Schopert-
hauer »die vollkommenste Äußerung des Wollens zum
Leben, mithin Konzentration alles Wollens nennt«, so ist
gar nicht zu verstehen und streng genug zu verurteilen,
wenn Bebet in seinem Buche von der Frau predigt, »daß
es ein Gebot des Menschen gegen sich selbst sei, kein
Glied seines Körpers in der Übung zu vernachlässigen,
keinem natürlichen Triebe seine Befriedigung zu versagen«.
Solche Sprache kann doch nur nachteilige Folgen zeitigen.
So gewiß wir den Sexualtrieb nicht ertöten wollen, so
wenig kann ein Einsichtiger wünschen, daß die so wie
so schon oft ungezügelten geschlechtlichen Leidenschaften
noch mehr entfesselt werden.
Die Entwickelung des Geschlechtstriebes läuft der
körperlichen Pubertätsent Wickelung parallel. Von allen
Organen ist das Geschlechtsorgan dasjenige, das sich am
spätesten entwickelt. Vor der Entwickelung des Organs
fehlt auch nahezu jede Äußerung des Geschlechtstriebes,
und somit sind bis dahin auch dem Kinde alle mit dem
Triebe sich einstellenden sinnlichen Gefühle fremd; denn
die physische Entwickelung ist ja die Ursache des Ge-
fühls. Nach Fvot Ziehen beginnt die Pubertätsentwickelung
in Deutschland meist im 14. oder 15. Lebensjahr bei den
Mädchen, im 15. oder 16. Lebensjahr bei den Knaben.
Zuweilen beginnt sie auch im 13., 12. und ganz aus-
nahmsweise schon im 11. Lebensjahre, ohne daß man
— 27 —
dabei stets von krankhafter VeranlaguDg sprechen könnte.
Oft ist jedoch auch ein verfrühtes Auftreten des Geschlechts-
triebes zu beobachten und zwar auf Grund vorzeitiger
Beschäftigung der Phantasie mit sexuellen Yorgäogen
oder infolge körperlicher Reize.
Wie erklären wir uns nun die Entfesselung dieses
Triebes? Hören wir hierüber Dr. Hegar in seiner sozial-
wissenschftlichen Studie über den Geschlechtstrieb. Er
sagt dort: »Der Begattungstrieb wird in erster Linie durch
die Tätigkeit der Geschlechtsorgane, vor allem der Keim-
drüsen, hervorgerufen, indem der von ihnen ausgehende
Beiz, zum Gehirn geleitet, die Begierde auslöst. Allein
der ursprüngliche Reiz kann auch von anderen Körper-
teilen ausgehen. Eindrücke verschiedener Art, welche die
äußere Haut, die Schleimhäute, das Ohr, die Geschmacks-
werkzeuge, besonders aber das Geruchsorgan oder das
Auge treffen, können gerade so wirken, wie die vom
Sexualapparat entspringenden Erregungen. Nur werden
die Beize zunächst zum Gehirn geführt und gehen von
da zu den Geschlechtsorganen, welche dann nachträglich
in erhöhte Funktion gesetzt werden. Vorstellungen und
Gedanken durch Lektüre oder Gespräch hervorgerufen
oder scheinbar ohne Anlaß im Gehirn auftauchende Er-
innerungsbilder geben nicht selten den ersten Anstoß, c
Ziehen wir nun aus diesen physiologisch - psycho-
logischen Darlegungen die Konsequenzen.
Wir haben gesehen, daß das Centralnervensystem in
hohem Grade bei dem Entstehen und dem Ablauf unseres
Geschlechtstriebes beteiligt ist. Glücklicherweise ist sein
Einfluß nicht nur fördernd, sondern auch hemmend.
Während wir also auf der einen Seite verhindern müssen,
daß gewisse Beize entstehen und weitergeleitet werden,
daß bestimmte Vorstellungen und Gedanken in dem Ge-
hirn der uns anvertrauten Kinder entstehen, so darf es
andrerseits nicht versäumt werden, dem Kinde einen
festen Willen anzuerziehen, um unmittelbar erotische Er-
regungen niederkämpfen zu können.
— 28 —
Mittelbar können wir also auch in der Schule auf den
Geschlechtstrieb einwirken, indem wir sinnliche Begierden
hervorrufende Reize vermeiden und durch andere Tätig-
keiten das zu frühe Erwachen des Oeschlechtstriebes ver-
hindern.
Hierbei muß ich zunächst des schweren Vorwurfe ge-
denken, den man der Schule damit macht, daß sie mit
ihren zu hoch geschraubten Ansprüchen an die Nerven-
kraft der Kinder die Hauptschuld trägt an dem Leiden
der Selbstbefleckung, an dem nach Aussage unserer Ärzte
die Mehrzahl der deutschen Kinder krankt. Dies spricht
Luduig Ourliti mit gewohnter Offenheit in seinem neue-
sten Buche »Erziehung zur Mannhaftigkeit« aus und be-
gründet es mit dem langen Sitzen auf harten Bänken,
mit der geistigen Erschöpfung und Überreizung infolge
zu langer geistiger Arbeit. Man muß Ourlitt entschieden
recht geben; denn durch langes, andauerndes Sitzen wird
der Blutandrang nach dem Unterleibe und nach den
Sexualorganen gesteigert. Die Gefahr der Reizung der-
selben ist aber groß, da sie, sehr oft mit Wollustgefühlen
verbunden, nicht selten zur Selbstbefleckung führt.
Hier heißt es einhaken, wenn wir das zu frühe Er-
wachen des Oeschlechtstriebes verhindern wollen. Die
zwei (resp. drei) Stunden Turnen sind kein genügendes
Gegengewicht gegen das stundenlange Sitzen. Zu täg-
lichem Turnen müssen an den von wissenschaftlichen
Unterricht frei zu haltenden Nachmittagen reichlich Spiel,
Sport, Schwimmen und Bäder treten. Ich stimme Gurlitt
zu, wenn er diesbezüglich eine starke Wirkung erwartet
von Waldschulen, Landerziehungsheimen, großen öffent-
lichen Spielplätzen, häufiger Verlegung des Unterrichts ins
Freie, eingeschränkter Stundenzahl, körperlicher Arbeit im
Freien, allerlei maßvoll betriebenem Sport, zumal kalten
Bädern, Schwimmen, Rudern, regelmäßig wiederkehrenden
Kinderfesten mit Wettspielen, Wettturnen, Massengesang —
mit einem Worte: von Steigerung des Schaffenstriebes und
damit Steigerung der Lebensfreude und des Selbstbewußt-
— 29 —
Beins. Was wäre es dagegen für ein kleiner Schade, wenn
vielleicht dies oder jenes Unterrichtsziel etwas herab-
gedrückt würde. Es kann doch nicht genug betont wer-
den: y>Qiii proßcü in Uttcris, sed deficit in moribus^
plus deficit quam proficit<i: »Wer im Wissen voran-
kommt, in den Sitten aber zurück, hat mehr Schaden als
Vorteil.« Derartig prophylaktisch wirkende Mittel haben
meiner Meinung nach unendlich mehr Wert als die besten
Lektionen über die Geschlechtsteile und deren Mißbrauch.
Wir können ferner unmittelbar einer zu frühen Er-
regung des Geschlechtstriebes entgegenwirken, indem wir
die Lektüre unserer Kinder und Schüler beaufsichtigen.
Wie oft wird nicht schon jahrelang vor Eintritt der
Pubertät durch schmutzige Literatur das geschlechtliche
Empfinden viel zu früh geweckt Die Lektüre eines
solchen Buches, das Betrachten eines einzigen Bildes ge-
nügt oft, um ein Kind zu vergiften. Ein rechter Erzieher
muß sich deshalb in den Reihen derer befinden, welche
die Schmutzliteratur bekämpfen. Nicht unerwähnt lassen
kann ich bei dieser Gelegenheit, daß gewisse Stellen der
Bibel, vor allem solche des alten Testamentes, auch Ver-
anlassung zur Erregung des sexuellen Empfindens geben,
also eine Gefahr bieten, die um so größer ist, da die
heilige Schrift, von vielen Schulmännern leider noch immer
als Schulbuch verlangt, so weit verbreitet ist. Wano
werden wir endlich allgemein eine Schulbibel resp. ein
biblisches Lesebuch bekommen!
Verwahren will ich mich jedoch entschieden dagegen,
als wollte ich mit den letzten Ausführungen der Prüderie
das Wort reden. Nichts liegt mir ferner als dies. Im
Gegenteil ist vom ersten Schuljahr an Sorge dafür zu
tragen, daß die Kinder lernen, natürlich über natürliche
Dinge zu denken. Den mittelalterlichen Standpunkt, dafi
sexuelles Empfinden, der Geschlechtstrieb tierisch, satanisch
und deshalb sündhaft sei, daß man Ausdrücke wie ge-
bären, Geburt, Liebe usw. am besten in Gegenwart der
Kinder vermeide, diesen Standpunkt, meine ich, müßte
— 30 —
die Schule endgültig verlassen. Es gilt, die Prüderie, die
jetzt in manchen, besonders Mädchenschulen, geradezu ge-
züchtet wird, zu bekämpfen^ um Knaben und Mädchen
immun zu machen, daß man die Geschichte von Nikodemus
und der Wiedergeburt, sowie das Lied: »Nun danket alle
Gottc mit der Stelle »der uns von Mutterleib und Eindes-
beinen an usw.« und ähnliches mit seinen Schülern und
Schülerinnen behandeln kann, ohne befürchten zu müssen^
den Erotismus derselben zu erregen.
Also weg mit allen verballhorn isierten Volksliedern,
die verwässert wurden, damit ja nicht das Wort Liebe
oder Liebchen von den Schülern gesprochen oder gesungen
würde. Sprechen wir in der Pflanzen- und Tierkunde in
Zukunft ruhig und ernst — das ist die Hauptsache —
von dem Problem des Lebens; lassen wir Zeugung und
Fortpflanzung nicht absichtlich weg, sondern betonen wir
geradezu dieses biologische Moment, so haben wir in der
Schule nach meiner Meinung das unsere getan. Wir
haben grundlegende Vorstellungen gegeben, an welche
wir anknüpfen können, wenn wir diesem oder jenem
Schüler sexueller Verirrungen halber in liebevoll väter-
licher Weise ermahnen und warnen müssen.
Ein anderer wichtiger Faktor zur Lösung der uns be-
schäftigenden Frage, zur Anerziehung eines reineren Emp-
findens auf sexuellem Gebiete, ist ein zu wünschender
freierer Verkehr zwischen beiden Geschlechtern in den
Jugendjahren. Wodurch wäre der aber besser und leichter
zu erreichen als durch die Koedukation, die gemeinsame
Erziehung der Geschlechter in der Schule. Farel sagt
diesbezüglich: »Nach meiner Ansicht ist der gemeinsame
Unterricht beider Geschlechter ein Hauptpostulat dieser
Reform. Auf allen Seiten fängt man jetzt auch an^ zu
begreifen, daß die gemeinscbaftliche Erziehung beider
Geschlechter in den Schulen nicht nur nichts schadet,
sondern umgekehrt, sexuell wie ethisch von Vorteil ist.
Man fürchtet sexuelle Reizung. Das ist aber ein Irrtum,
denn gerade die Gewöhnung, in tägliche Berührung mit-
— 31 —
einander zu kommen, nebeneinander zu sitzen usw., stumpft
dieselbe ab. Die verbotene Frucht verliert ihien Reiz,
wenn sie nicht mehr verboten zu sein scheint und häufig
aus der Nähe gesehen wird.«
Auch Fretissen tritt ja bekanntlich in seinem Roman
»Hilligenlei« für diesen Gedanken ein. Kassen Wedder-
kop erzählt in fröhlicher Tafelrunde, wie sein Bruder sich
verlobt und die Braut bald darauf 8 Tage im Elternhaus
geweilt habe. Er sagt davon: »Diese 8 Tage sind die
merkwürdigsten und schönstens meines Lebens gewesen.
Wir beiden guten dummen Jungen lernten in den Tagen
etwas kennen, etwas, wovon wir nichts gewußt hatten,
daß es existierte, daß es so etwas wunderbar Merk-
würdiges auf der Welt gäbe. Was war das? Wir lernten
ein schönes, junges Mädchen kennen, gesund an Leib und
Seele, so schlicht und natürlich, als wäre es erst gestern
von Gott geschaffen. Wir kannten von der Schule her,
wie viele verschiedene Sorten von Nashörnern in Afrika
lebten; und wir hatten gelernt, was eine Oper ist und
eine überseeische Handlung, und wie man eine Auster
aufmacht. Aber dies Wesen war uns noch nicht vor-
gekommen. Wir kannten es weder auswendig noch in-
wendig. Wir lernten es ganz plötzlich kennen.« An
anderer Stelle sagt derselbe Kassen Wedderkop zu der
unglücklichen Anna Boje: »Sieh', wenn wir in natür-
lichen Zuständen lebten, dann würdest du immer von den
Tagen deiner Kindheit an, von jungen Leuten des anderen
Geschlechts umgeben gewesen sein.«
Ähnlich preist auch Wolfgang Kirchbach in seinem
Aufsatze * Geschlechtererziehung« die gemeinsame Er-
ziehung der Geschlechter als »die zarteste Schule des
sittlichen und sinnlichen Lebens«.
Ich stimme dem allen aus eigener Erfahrung zu.
Nicht nur, daß die geistige Arbeit vom Sinnlichen ab-
zieht, das tägliche Zusammenleben in der Schule wirkt
abstumpfend auf geschlechtliche Reize, wie wir dies bei
Bruder und Schwester auch beobachten können.
— 32 —
Das wichtigste jedoch, um Äußerungen des natürlichen
Trieblebens und somit auch des Geschlechtstriebes un-
mittelbar zu unterdrücken, scheint mir die Anerziehung
eines festen Willens. Fangen wir deshalb im 1. Schul-
jahre schon an, die Fähigkeit der Kinder, sich zu be-
meistern, zu vervollkommnen. Spiele, Exkursionen und
Schulreisen mit ihrem Hunger und Durst, ihrer Hitze
und Kälte, ihrem Leid und Mißgeschick bieten reichlich
Gelegenheit dazu. Der Schüler sieht hier, wie er wirk-
lich seiner Triebe Herr sein kann; denn es gibt dabei
oft Gelegenheit, den Willen anzuregen, Begierden und
Triebe zu überwinden, Herr über sich selbst zu werden.
Da wehrt die Bahnfahrt, die gemeinsame Wanderung, der
noch zu erreichende Rast- und Herbergsplatz, ein un-
vorhergesehener Aufenthalt, eine Störung des Marsches,
Hunger und Durst zu stillen, der Müdigkeit nachzugeben.
Die Strecke muß zurückgelegt werden, das Reisegepäck
muß getragen, die Höhe muß erstiegen werden. Da es
aber auch ein Gedächtnis des Willens gibt, wird sich der
Schüler in ähnlichen Lagen der Überlegenheit seines
WoUens, den Trieben und Leidenschaften gegenüber, er-
innern und ebenso handeln. Er gelangt allmählich zum
Glauben an sich selbst, an die Kraft seines WoUens, zu
der Erkenntnis: j^Where is a ivill, there is a way: Wo
ein Wille ist, da ist auch ein Weg.«
Versäumen wir nebenbei aber nicht, im Unterrichte
kraftvolle, willensstarke und damit vorbildliche Persön-
lichkeiten zu zeigen und vor allem selbst als Erzieher
eine vorbildliche, charaktervolle Lehrerindividualität zu
sein. Bildet im Religionsunterricht das Lebensbild Jesu
Kern und Stern, so daß Christi Denken, Fühlen und
Wollen in das Bewußtsein der Schüler gepflanzt wird,
hüten wir uns vor allem vor der psychologisch irrigen
Meinung, man könne durch frühzeitiges Auswendiglernen
der »zehn Gebote« oder anderer Moralpredigten den Grund
zu sittlicher Bildung legen, so hat die Schule damit für
das schulpflichtige Alter das Beste getan, um einer vor-
— 33 —
zeitigen Erregung des Sexualtriebes entgegenzuarbeiten,
um geschlechtliche Reize und Erregungen niederzukämpfen.
Ich fasse meine Ausführungen noch einmal in folgende
Sätze zusammen:
1. Die Gründe für die Forderung sexueller Belehrung
sind in der zunehmenden Zahl der durch Unkenntnis der
Folgen verschuldeten unsittlichen Vergehen bei Erwachsenen
und Kindern, in dem stärkeren sozialen Empfinden der
Gegenwart, der stärkeren Betonung des biologischen Prin-
zips in den Naturwissenschaften sowie in der modernen
Frauenbewegung zu suchen.
2. Der Gedanke, durch geschlechtliche Belehrung der
Jugend eine höhere Sittlichkeit anzuerziehen, ist nicht
neu. Während im Beformationszeitalter erleuchtete Geister
Front gegen die weltvemeinende Askese machten, traten
nach dem Rufe »Rückkehr zur Natur« Rousseau und
seine Epigonen, die Philanthropen, energisch für diesen
Gedanken ein, den heute Ärzte und Pädagogen, Juristen
und Theologen, Denker, Dichter und Frauen gleicherweise
vertreten.
3. Es ist unklug und unpädagogisch, geschlechtliche
Belehrung der Jugend durch dazu berufene Personen ab-
zulehnen, da wir es nicht verhindern können, daß die
Jugend, aus unreinen Quellen schöpfend, trotzdem über
sexuelle Dinge aufgeklärt wird, da Keuschheit nicht Un-
wissenheit auf sexuellem Gebiet, sondern die auf Grund
des Wissens erworbene Auffassung des Geschlechtsverkehr»
und seiner Folgen als eines reinen Geschehens ist.
4. Wenn irgendwo, so ist auf diesem Gebiete Berück-
sichtigung der Individualität und gelegentliche Einzel-
belehrung am Platze und jede Forderung, sexuelle Auf-
klärung in methodischem Aufbau nach Vorschrift des
Lehrplans zu bieten, abzulehnen. Man beginne so früh
als möglich mit diesbezüglichen Aufklärungen und ver-
säume vor allem nicht, die in das Leben eintretenden
Jünglinge und Jungfrauen auf die großen Gefahren dea
FId. Mag. 315. Schramm, Sexuelle Anfkl&niDgea. 3
— 34 —
Geschlechtslebens hinzuweisen, wie es vorbildlich in Frank-
furt a. M. und Dresden bereits geschehen.
6. Wer soll diese sexuellen Belehrungen geben? Der-
jenige, der des Kindes Vertrauen hat, in erster Linie also
entschieden Vater und Mutter. In Ausnahmefällen, vor
allem wenn sexuelle Perversitäten vorliegen, kann auch
der Arzt und Lehrer in liebevoll väterlicher Weise auf-
klären. Bei Elternabenden, durch Vorträge, veranstaltet
vor allem von den Sittlichkeitsvereinen, müssen die Eltern
immer mehr angeleitet werden, ohne falsche Scheu natür-
lich über Natürliches mit ihren Kindern zu reden.
6. Die Forderung, durch Wort und Bild im Klassen-
unterricht nicht nur von der Fortpflanzung des Menschen,
sondern auch von den geschlechtlichen Organen (äußeren
und inneren), deren Funktion sowie Krankheiten zu reden,
ist als übertrieben und unpädagogisch abzulehnen.
7. Sexuelle Aufklärung ist nicht das einzige und All-
heilmittel für die Schule, um zu reinerer geschlechtlicher
Auffassung zu erziehen.
a) Die Schule kann dem' zu frühen Erwachen des Oe-
Bchlechtstriebes und geschlechtlicher Selbstbefleckung ent-
gegenarbeiten durch
a) reichliche, tägliche, körperliche Bewegung (Spiel,
Turnen, Sport, Schulwanderungen, Unterricht im
Freien, Schwimmen, Baden, Rudern, Kinderfeste
mit Wetttumen usw.), durch Herabsetzung der
Lehrziele und Verminderung der Hausaufgaben ;
ß) Beaufsichtigung der Lektüre. Die Schmutzliteratur
ist zu bekämpfen. Es ist dringend die Einführung
eines biblisdien Lesebuches zu fordern.
b) Es gilt die Prüderie zu bekämpfen und vom ersten
Schuljahr an natürlich über Natürliches mit den Kindern
zu reden. Über das Problem der Zeugung und Fort-
pflanzung bei Pflanzen und Tieren muß im naturgeschicht-
lichen Unterricht ruhig und ernst gesprochen werden.
c) Im Interesse eines reineren Empfindens auf sexuellem
Gebiete ist in den Jugendjahren ein freierer Verkehr der
— 35 —
beiden Geschlechter und damit die gemeinsame Erziehung
der Geschlechter in der Schule zu wünschen.
d) Nicht das Wissen sittlicher Vorschriften und Rezepte
macht sittlich; ein fester Wille, der die Äußerungen der
Triebe und somit auch die des Geschlechtstriebes nieder-
kämpfen kann, ist das Wichtigste und deshalb Erstrebens-
werte. Man übe deshalb während der ganzen Schulzeit
(besonders beim Spiel, in der Turnstunde, während der
Schulspaziergänge usw.), die Kinder, Triebe zu beherrschen,
sich zu bemeistern, um sie damit sittlich zu vervoll-
kommnen.
Ich bin am Schluß.
Wir haben uns mit einer schweren, vielleicht der
schwersten Erziehungsfragen einer, beschäftigt. Möchten
meine Ausführungen, die ich nur als einen bescheidenen
Beitrag zu dieser Frage betrachtet sehen möchte, anr^end
gewirkt haben, damit wir immer mehr dem Ziele nahe
kommen, die Jugend auch in geschlechtlicher Beziehung
natürlich und wahr zu erziehen. Möchten die am Marke
unseres Volkslebens nagenden Feinde Trunksucht und
ünsittlichkeit immer energischer bekämpft werden, damit
unser deutsches Volk nicht nur an Millionen, sondern vor
allem auch an sittlicher Kraft und Stärke zunehme.
Verzeichnis der benutzten Schriften:
Prof. Ä. Forel^ Die sexuelle Frage. Münoheo 1906.
Dr. Ä, Eegar, Der Oesohleohtstrieb. Eine sozial- medisinisohe Stodie.
Stuttgart 1894.
EUen Key^ Das Jahrhundert des Kindes.
3L Lischnewakay Die geschleohtliche Belehrung der Kinder. Frank-
furt a. M. 1906.
Dr. R, Flachs^ Die geschleohtliche Aufklärung bei der ErsiehuDg
unserer Jugend. Dresden und Leipzig 1906.
Dr. Z. Dohm, Über die gesohleohtiiche Aufklärung der Jugend.
Halle 1905.
A. V, Brnnigsm^ Sexuelle Pädagogik in Haus und Schule. Berlin.
3»
— 36 —
\V. Ulbricht, Die sexuelle Frage und die Volksschule, in »Die
deutsche Schale« von Rissmann, IX. Jahrg. 1905.
L, Köster^ Das GesohlechÜlohe im Unterricht und in der Jagend-
lektüre. Leipzig 1907.
Prof. Ziehen^ Oesohlechtstrieb aas Reins Encyklopädie, n.Bd. Langen-
salza, Hermann Beyer & Söhne (Beyer ft Mann).
L. N, Tolsiqj^ Über die sezaelle Frage. Leipzig 1901.
O, Frenssen^ Hilligen lei. Berlin 1905.
B. ^'ömsony Thomas Bendalen.
O. Salxmann^ Über die heimlichen Sünden der Jagend.
Basedow^ Elementarwerk.
Jean Paul, Lewana.
Herbert Spencer^ Eckieation, intellectual^ moral and physieal.
Prof. Hoffa^ Über Muskelübang and Bewegungsspiele osw. Jagend-
fürsorge, VII. Jahrg., Heft HI.
Nellie, Matter uod Kind.
Prof. Paulsen, Die Biologie im Unterrichte der höheren Schalen.
B. Pohwxaw^ Die sexuelle Frage in der Erziehung des Kindes.
Natur und Schale. 4. Band. Leipzig 1905.
Ä. Bebel, Das Buch von der Frau.
L. Ourlüt^ Erziehung zur Mannhaftigkeit.
1
Dnck Ton Honnaim Beyer 9l Söhne (B^jm 9t JüuuO In LengeoMüa.
Jeremia
in
Malerei und Dichtkunst
Von
Paul Staude,
Rektor der Tohannis- und Neustadtschulen in Altenburg.
•\^' . * « <r-.^>
Fädagogisohes MagMrin, Heft 816.
^\.' * • S^ '
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Hefzogl. S&chs. Hofbochhlndlor
1907
r c
• Bi<bU TotMi>l(cn.
hs ist gewiß nicht ohne Interesse, einmal zu unter-
suchen, inwieweit ein solch bedeutsamer Sto£f, wie das
Leben und Wirken des Propheten Jeremia, Vorwurf für
den Künstler geworden ist Auch für den Unterricht ist
diese Untersuchung insofern von Bedeutung, als dieses
wichtige Stück BeUgionsgeschichte Eingang in die Schule
der Gegenwart zu finden strebt. »Perioden, die kein
Meister beschrieb, deren Geist kein Dichter atmet, sind
der Erziehung wenig wert.€ Dies schöne Wort Herbaris
ist zwar nicht eine durchschlagende Regel, ein Gesetz,
nach dem wir die Auswahl des Unterrichtsstoffes treffen
— die Auswahl wird sich noch nach andern Gesichts-
punkten richten — , immerhin unterstützt es uns beim
Suchen und Beurteilen von Gebieten, die eine notwendige
Ergänzung des vorhandenen Bestandes sein wollen oder
sein sollen.
Wenn ich nun nachzuweisen versuche, inwieweit
»Jeremia« ein Vorwurf für den Dichter und Maler ge-
wesen ist, so bin ich mir bewußt, nur ein Fragment
geben zu können. Die übrigen Künste sind gar nicht
berücksichtigt und auch in Bezug auf Dichtung und
Malerei maße ich mir nicht an, erschöpfend und um-
fassend den Gegenstand behandelt zu haben. —
Zunächst möchte ich nachweisen, inwieweit dieser
Gegenstand Ausdruck in der Malerei gefunden hat Nach
den vorliegenden Katalogen zu urteilen (s. besonders den
764 8. starken i^Cniahgue Q6ti4ralf des reproduciiona
— 4 —
inalUrables au charbon d'aprds ks originaux, peintures^
fresques ei dessins des mus^es d'Europe^ des galeries
et collectians particulieres les plus remarquables et des
Oeuvres contemporaines^ aus dem Jahre 1896 von Braun
& Co., Dornachy Paris, New-Tork) haben sich nur wenige
Meister des Pinsels, aber dafür einige der größten, von
diesem Stoffe so begeistern lassen, daß ihre Hand Meister*
werke schuf.
Da ist zuerst Albreckt Dürer. Als er ein Triptichon
in Besannen malte, verwandte er das rechte Flügelbild
zur Darstellung des jüdischen Schmerzensmannes. Was
dies Bild darstellen soU, sagt der auf einem verschlungenen
Bande über Jeremia eingezeichnete Spruch: Et ecce per-
venu gladius usque ad aniinam. Jer. 4, 10 (Fortsetzung
des Spruches: Es wird Friede bei euch sein — so doch
das Schwert bis an die Seele reicht). Jeremia, eine ernste
Dürersche Prophetengestalt, herb, deutsch, verkündet
nahendes Unheil. Seine Linke ist drohend erhoben. Seine
Bechte hält einen schweren Band seiner Verkündigungen.
Ein buntes gewirktes Untergewand, das von einem faltigen
Obergewand zum Teil überdeckt wird und besonders den
rechten kräftigen Arm ein großes Stück enthüllt, umgibt
den hageren Körper. Der Prophet ist in eine Nische ge-
dacht und scheint — die Füße sind bloß — auf uns zu-
zuschreiten, als wollte er dem Beschauei seine Drohung
recht eindringlich machen. Es ist eine lebensvolle markige
Gestalt, deren Herbigkeit uns erst nach und nach, aber
dann immer intensiver ergreift. — Von beachtenswerter
Seite freilich wird bezweifelt, ob dies Bild wirklich ein
Dürer ist. Das zu beurteilen vermag ich nicht, nach dem
genannten Katalog ist es der Fall. —
Dann hat Michel Angela den Propheten in der six-
tinischen Kapelle verherrlicht. Eine grandiose Gestalt
Bei Spanuth findet sich folgende ansprechende Be-
schreibung: Neben der ersten der berühmten Schöpfungs-
Bzenen, inmitten eines Kranzes der Seher und Seherinnen,
den in seltsamer Vermählung von heidnischer und Offen-
— 5 —
baruDgsreligion Typen der Sybillen and altteBtamentlichen
Propheten um die Hauptdarstellung des Mittelfeldes
schließen, ruht auf steinernem Sitze, seltsam kontrastierend
zu den weltentrückten begeisterten Mienen der übrigen
Schauer, ein Fremdling fast in ihrer Schar, in sich selbst
zusammengesunken: die gewaltige Gestalt des Jeremia.
Der starke Körper ist vornüber geneigt, das Haupt auf
die nervige Rechte gestützt, die Linke hängt schlaff auf
den Schoß herab; tiefe Schatten verdunkeln das sorgen-
volle, grübelnde Antlitz, die Augen sind zur Erde ge-
senkt, ihre Lider scheinen wie geschlossen, die ganze Ge-
stalt atmet regungslose Ruhe und finsteres Schweigen, und
ihr Empfinden spiegelt sich wieder in den Gebärden der
Engelknaben, welche hinter seinem Rücken stehen. Yor
dem Beschauer steht das Bild eines Mannes, auf dessen
edler Seele eine zentnerschwere Bürde lastet, dessen
Körper matt und müde, ausruhen möchte von saurer
Arbeit — fast die verkörperte Passivität, wenn nicht die
trotz allem heroische Gestalt eine noch ungebrochene
Kraft verriete und das gedankenschwere Angesicht die
Spuren eines unergründlichen Lineniebens zur Schau
trüge. Wir sehen einen Menschen, »dessen schweres
Geschick unserm Herzen Mitleid und Teilnahme entlockt,
aber wir ahnen in ihm den Heros, dessen Anblick uns
mit Bewunderung und ehrfurchtsvollem Schauer erfüllt —
Held und Dulder in der höheren Einheit der Person ver-
bunden, c —
Neben diesen Großen kommt dann noch Bendemann mit
seinem aus dem Jahre 1834—36 stammenden großen Ge-
mälde, seinem zweiten Hauptwerk: »Jeremia auf den Trüm-
mern Jerusalems« in Betracht. »Die tiefe aber schlichte
Empfindung, die edle Komposition, besonders auch die hier
waltende Größe der Charakteristik« stempeln diese Schöpfung
des Berliner Bankierssohns zu einem tiefergreifenden Werke,
dessen Original im Königlichen Schlosse zu Hannover zu
finden ist. Li der Mitte des Gesichtsfeldes lagert der
Prophet, er ist die Verkörperung des Schmerzes, der sein
— 6 -
Volk erfofit hat, wenn es nun die Trümmer der heiligen
Stätte jammernd anstarrt Rechts und links neben ihn
sind in symmetrischer Anordnung, wodorch ja die Faßlich-
keit (eine der Haaptbedingnngen des Schönen) des Bende-
mannschen Bildes so vorzüglich erreicht wird, die Re-
präsentanten der verschiedenen Lebensalter gestellt und
zwar tiefer als Jeremia, in ihnen spiegelt sich in ver-
schiedenen Abstafongen und Schattierungen der Schmerz
jener Hauptperson ab.
Dies die Darstellungen Jeremias in der Malerei, soweit
meine Kenntnis reicht.
Und in der Dichtung?
Schon der geniale Herder hat die Urgewalt der Jeremia-
geschichte erfaßt und eine seiner schönsten Paramythien
(»Das heilige Feuer«) stellt Jeremia in den Mittelpunkt:
»Als Jeremias die Verwüstung des Tempels betrauerte,
waren alle dienstbaren Engel des Heiligtums um ihn und
halfen ihm trauern. Auch Davids und Salomos Seelen
stärkten ihn und gaben ihm die süßen Gesänge, mit
welchen er die Verwüstung ihres Werkes und ihres Volkes
beweinte. »Die Herrlichkeit Gottes,« rief er, »ist von
hinnen gegangen; der Herr ist hingewichen an seinen Ort«
»Willst du nicht,« sprach der Engel des Feuers, »die
Flamme des Heiligtums bewahren? Vielleicht, daß sich
Jehovah erbarme und kehre wieder zurück zum Thron
seines Hauses.«
und Jeremias nahm sieben Priester zu sich und ver-
barg das heilige Feuer in eine tiefe Grube, darinnen kein
Wasser war.
Nach wenigen Tagen kam er hinzu und suchte das-
selbe; er fand aber kein Feuer, sondern ein dickes Wasser,
und trauerte sehr. Und der Engel des himmlischen Lichtes
stand vor ihm und sprach: »Warum trauerst du, Müh-
seliger? Nie wird das Feuer des Herrn wiederkehren an
diesen Ort Aber aus dem Schlamm dieses Wassers
werden lebendige Ströme entspringen, die die ganze Erde
befruchten. Es kommt die Zeit, da man nicht mehr wird
- 7 ~
zum Berge des Herren gehen, noch za dem Ort seiner
irdischen Wohnung, denn sein ist die Welt Aller Himmel
Himmel mögen ihn nicht verbergen, und die Erde ist
seines Faßtritts Schemel. Aber ein Licht wird ansehen
vom Herren, und alle Völker werden im Olanz desselben
wandeln, daß niemand seinen Bruder frage, wer Gott sei?
sondern sie sollen ihn alle erkennen, klein und groß, und
alle schöpfen aus dem Strome des Lebens.«
Der Engel verschwand, und Jeremias starb in der
Verbannung. Als nach Jahrhunderten der zweite Tempel
gebaut ward, da war kein heiliges Feuer mehr in dem-
selben und keine Lade des Bundes, auch keine Stimme,
den Herrn zu fragen : das Allerheiligste stand leer. Aber
aus der finstern Leere des Heiligtums entsprang ein Licht,
und aus der trüben Quelle dieses Tempels flössen Ströme
der Erquickung für alle Völker der Erde.«
Dann aber ist es auffällig, daß die Gegenwart zwei
Dramen mit dem Titel »Jeremia« hervorgebracht hat,
gewiß ein Ausfluß der mächtigen Strömung, die den Pro-
phetismus in unserer Zeit an die Oberfläche des religiösen
Interesse getrieben hat. Ob die Zukunft auch ein Epos
»Jeremia« hervorbringen wird — wer will es verneinen?
Die nahe Beziehung des Propheten zu dem Heilande
könnte in unserer religiös immer mehr bew^ten Zeit
gar wohl einen dahingehenden Einfluß auf die dichterische
Schöpferkraft ausüben. Das eine der beiden Dramen
stammt von einem gew. Johannes Arthur. Akt 1 — 4
spielen in Jerusalem, Akt 6 in einer ägyptischen Land-
schaft Wir werden dabei in die Jahre 688 — 86 geführt
Vielleicht ist es nicht wertlos, uns den Inhalt der einzelnen
Akte vorführen zu lassen. 1. Akt: Die Chaldäer stehen
vor Jerusalems Toren. Zedekia hat mit seinen Bäten
eine nächtliche Sitzung abgehalten. Dabei hat es sich
um die Freilassung der Sklaven gehandelt, die nun als
willkommene Verteidiger der Stadt ihre starken Arme
leihen sollen. Es wird jedoch bereits bekannt, daß auch
Ägypten Hilfe bringen will Unter den Sklavinnen be-
— 8 —
findet sich die liebliche Sulamith, die Jeiemias Schüler
und Sklave Baruch liebt und nach erlangter Freiheit als
Gattin heimfuhren wilL Beide freuen sich zukünftigen
Glückes in der goldenen Freiheit Jeremia selbst hat
ihnen solches verkündet Um zugleich ein Bild der
schönen Sprache des dramatischen Gedichtes zu gebeui
setzen wir die betreffende Stelle aus dem 1. Akt hierher:
Baruoh.
Nun eodiioh gebt ihr Bamnl Ihr stelltet, Alte,
aaf harte Probe dieses volle Herz.
Bed&cht'ge Weisheit laß am Tag ich gelten ;
dooh dieser Zeit regiert der Jagend Glück. —
0 Salamith, wie wirst da Jahwe preisen I
Was wir in seltnen, flüoht'gen Wonnestanden
getrftamt, es wird ans daaemd Wirklichkeit
Die Freiheit winkt, die seligste Vereinang!
Wie künd ich ihr des größten Qlüoks Erscheinoog?!
(Er pocht leise an das HoUgitter ihres Fensters.)
Steh aaf, meine Freundin, and komm hervor!
Der Winter der Knechtschaft ist endlich vergangen;
Der Regen des Leidens, sag, wo er blieb?
Wie diese Blumen am Oitter prangen,
sproßt aas der Trübsal ein blühender Trieb.
Steh aaf, meine Freandin, und komm hervor!
Merk, was die Stimme der Torte! ans kündet!
Es färben am Baame die Feigen sich schon:
Der Sommer ist da, die Sorge schwindet!
Eaom dampf ich im Basen laut jabeinden Ton.
Salamith.
(Ihr Kopf wird dem Zaschaaer hinter dem Oitter am Fenster
sichtbar.)
Horch! mein Geliebter! ihn sachte mein Sehnen;
zam Fenster schickt er den forschenden Blick.
Fort aas den Aagen, ihr bitteren Tränen!
Horch I mein Geliebter redet vom Glück.
Barach.
Ein versiegelter Born ist meine Braat,
ein verschlossener Garten mit blühendem Kraat,
mit Narde, Granaten, voll Fracht and Daft —
Erhebe dich, Westwind; komm, südliche Laft,
- 9 —
Qod wehet aos dem Blüteomeer
deo würzigen Odem zu mir herl
Sulamith.
(Sie ist leise ans der Tür getreten nnd wirft sich ihm in die Arme.)
Da hast den Garten da,
die Pförtnerin dazu!
Nun koste die Früchte, nan trinke den WeinI
0 Barach, wann wirst da der Hüter sein?! —
Baraoh.
So kam die Taube aus des Felsens Spalte,
ans dem Versteck des Nestes flog sie her? —
Dies liebe Engelsangesicht zu schauen,
der Stimme süßem, trautem Klang zu lauschen,
wie sehnt ich mich! Und doppelt eben heute!
Ein Zauberer, werd in deinen Augensternen
mit kurzem Wort ein Freudenlicht ich zünden,
das mit der Sonne um die Wette leuchtet,
und diesen Mund zu lautem Jubel reizen,
der mit dem Seraph Jahwes Güte preist
Vernimm denn, was im Rat man hat beschlossen,
des alten Rechtes endlich fromm gedenkend:
der Sklav, die Sklavin, die im siebten Jahre
gedient, . . .
Sulamith.
Sie werden frei?
Baruoh.
Und morgen schon!
Sulamith.
0 Jahwe, grenzenlos ist deine Güte!
Denn du erhörest mein inbrünstig Flehen
und schenkest mit der Freiheit mir den Gatten,
nach dem die Seele lange sich gebangt —
Zu Baruoh:
Doch sprich, wer brachte dir die Jubelkunde?
War's der Prophet? Und bist du selbst schon frei?
Baruoh.
Aus seinem Mund vernahm ich den Besohluß;
er hiefi mich segnend ziehn, wie oft zuvor;
Die Träne stand in dem geliebten Auge
— 10 -
Wie köoot ich mich von Jeremia treooeo?!
Bedenk Bein Alter, seine Einsamkeit I
Nicht Sklave war ich ihm; den Sohn, die Gattin,
die er entbehrt, dem Dienst des Herrn geweiht,
dürft ich mit meiner Liebe ihm ersetzen.
Und nnn den hilfsbedürftigen Jahren er,
an meine Pflege so gewöhnt, sich naht,
verließ ich meinen Vater?! — Nimmermehr!
In seinem Hans ist Platz fär dich and mich;
sein Wohl sei ferner Inhalt nnserm Bande!
So zahlen wir vereint ein Teil des Dankes,
den seinem größten Mann das Volk versagt. —
Er selber stimmt dem Plane za, ich weiß es.
Ein Schatten aber legt sich auf ihre lichte Zukunfts-
hoffnung. Wird der Feind die beiden nicht, wenn nun
doch die Stadt fallen sollte, mit rauher Hand trennen
und fortschleppen in neue Knechtschaft? Da kommt
die frohe Kunde, das babylonische Heer zieht ab. Doch
Jeiemias Herz macht diese Nachricht nicht froh. Er
verkündet die Bückkehr des feindlichen Heeres und den
FaU der Stadt.
Im 3. Akte werden wir in den Tempelhof geführt. Ein
Chor von Frauen naht sich langsamen rhythmischen Tritts,
Tamburins in den Händen, und preist den Herrn für die
Bettung.
Vorsängerin.
Stimmt an mit Paaken, Jahwe za Ehren,
erhebt seinen Namen, laßt Cymbeln hören;
Denn groß ist der Herr!
Den Kriegen setzt er mächtig ein Ende,
daß taamelnd der Feind sich zom Füehen wende.
Ja, groß ist der Herr!
Chor.
Groß ist der Herr!
Vorsängerin.
Es kam von Ost mit Macht der Ghaldäer;
er sandte auf schnaubendem Roß die Späher.
Doch Zion bot Trutz.
Er wollte im Sturm die Mauern erklettern,
den Säugling dem Weib an der Brust zerschmettern.
Doch Jahwe gab Schutz!
- 11 —
Chor.
D«r Herr gab uns Schatz.
VoraftogeriD.
Weh dem Volk, das mit Frevel sich hebet
wider des Herren geweihte Stadt!
Hört, wie es henlt; seht, wie es bebet,
wenn nun der Tag des Gerichtes sich naht —
Gnade aber gibt Jahwe den Frommen,
Friede den Seinen, die ihm getren.
Die ihr des Herrn harrt, seid willkommen;
schließet den Bund nnsrer Väter anfs nen!
Aber ein Baalspriester spottet darüber. Da tritt Jeremia
aaf QDd mit mächtigem Wort wendet er sich gegen den
vorhandenen Abfall von Oott. Zugleich wird bekannt,
daß der Beschluß über die Sklavenfreigabe au%ehoben
worden ist. Auch gegen diesen unerhörten Wortbrach
wendet sich der strafende Oottesmann.
Jeremia.
Hör, Israel, was Jahwe dir verkündet!
Zertrümmern, gleich den Scherben dort am Boden,
wird dich sein starker Arm and deine Brntl
Seid ihr, spricht Oott, das Volk, das ich erwählte?!
Die M&nner spenden Baal; die Weiber kneten
die Opferknchon für Astartes Dienst.
Und euer Wandel?! Heiden leben reiner!
Ihr stehlt und mordet, schwöret falsche Eide;
den Tempel selbst macht ihr zur Räuberhöhle,
treibt Ehebmch am gottgeweihten Ort!
(Spärlicher Beifall; Mnrren der Priester und Propheten.)
Aas ihrer Mitte:
Erste Stimme.
So stopft dem Narren doch das Maul!
Zweite Stimme.
Der Schwätzer!
Was fehlt in diesem Tempel Jahwes Dienst?
Steigt pünktlich nicht des Opfers Rauch empor?!
Jeremia.
Ach, daß ihr selber euch zum Opfer brächtet!
Was gilt dem Herrn das Fett von Stier und Widder,
wenn ^^ech ihr sündigt wider sein Gebot?!
— 12 —
Die ihr, dem gottgesaodten Rat entgegen,
der Sklaven Joch so freventlich erneaert,
(Großer Tuoault; die Sklaven scharen sich am Jeremia, jabeln ihm
zu und halten seine Gegner, die auf ihn eindringen wollen,
von ihm ab.)
vernehmet denn Jahwes Spruch: Dieweil ihr zögert,
den Brüdern ihre Freiheit zu verkünden,
so ruf ich Freiheit aus fcLr Schwert and Brand,
daß sie each tilgen an entweihter Stätte I
(Gemaija and andere Obere erscheinen in Begleitung einer
bewaffneten Schar, vor der die Sklaven zarückweichen.)
Ihr trotzt auf Zions ewigen Bestand?
So geht gen Silo; zitternd denkt daran,
was aus dem alten Tempel dort geworden!
Jeremia wird als gefahrlicher Schwärmer gefesselt hin-
weggeführt. Am herbsten von dem Eidbruch wird Sula-
miths Olück getroffen:
0 Jahwe, großer Gott, wenn Dich's gelüstet,
den Menschen gleich dem Wurme zu zertreten,
warum erhobst du ihn erst aus dem Staube
und pflanzest ihm das Sehnen in die Brust?!
Was fahrst du ihn zuvor auf selige Höhen,
weist ihm wie Mose lachende Gefilde? —
Nur um so weher tut der jähe Sturz!
Ach, wozu ward ich denn ans Licht geboren?
Warum verschied ich nicht? So hätt ich Ruhe?
Wo stumm die Fürsten unter Bettlern weilen,
im Schattenreich, ist frei vom Herrn der Sklave! — —
Ich trotze dir; zerschmettre mich dein Strahl:
doch klag ich, Jahwe, laut dein Walten an!
Denn deinen Frommen häufst du Leid zu Leiden,
indes die Frevler grüne Weide finden.
Die ihren Gott in frechen Fäusten führen
und dein Gesetz im Übermut verspotten,
die schont dein wilder Zorn am ünglüokstage:
Ihr Haus steht fest, der Kinder Schar gedeiht,
und ungezählt sind ihres Lebens Moodo.
Doch die Gerechten gibst du schutzlos preis.
Man raubt die Waise von der Mutterbrast:
du schweigst. Man treibt der Witwe Rind hinweg,
verrückt die Grenze ihres schlechten Ackers:
wer schließt des Richters Auge? Da, der Herr!
— 13 —
Im Eleod mühet sich, wor deiner harrt,
trägt hnogernd Garben in des Frevlers Schouor,
tritt seine Kelter and vergeht vor Durst. —
Und in dem allen welch verborgner Sinn?
Laß mich ihn finden I Wie? Ergötzt es dich,
wenn da die Unschald drückst? Verkennest da,
wie blöder Menschen Blick, was schlecht and recht?
Was schrie der Fromme dann za dir?! —
Um sie zu trösten, weist sie die Schwester auf die
großen Frauengestalten der Heldenzeit hin. Dieser Hin-
weis wirkt freilich anders als die Schwester ahnt: Sulamith
faßt den Vorsatz, zu den zu Hilfe kommenden Ägyptern
zu eilen und sie mit List zur Umkehr zu bewegen.
Dann, so folgert sie, würden die Babylonier wieder-
kommen — und dann würde den Sklaven, deren starken
Arme man nun bedarf, die ersehnte Freiheit werden.
Welches ist die List, durch die Sulamith die Ägypter zur
Umkehr zu bewegen hofft? »Ins Lager der Ägypter will
ich eilen, sie warnen, Zions Mauern sich zu nahen, da
Pest im Volke wüte!« So eilt sie dahin.
Der 3. Akt bietet ein liebliches Bild des Friedens
— Tizian hat wohl hier Pate gestanden — , eine Hoch-
zeitgesellschaft bei frohem Gelage. Hierher kommt Baruch
und erfährt von Sulamitbs Schwester, was geschehen.
Baruch will seiner Braut ins Lager der Ägypter nach-
eilen, um die Getäuschten aufzuklären. Vorher will er
noch Abschied von Jeremia nehmen, der im Gefängnis
sitzt, da er im Bunde mit Babel stehen soll. Da kommt
die Schreckenskunde, daß die Ägypter bereits umgekehrt
sind und daß Babels Macht sich wieder gen Jerusalem
wälzt. Man schiebt die Schuld daran auf Jeremias Wirk-
samkeit, der nun in eine Zisterne geworfen werden soll.
Doch Baruch offenbart, wer die Schuld an Ägyptens
Heimkehr trägt.
4. Akt. Hier ist der Feind im Begriff, in die Stadt
einzubrechen. Mitten in der höchsten Not verkündet
Jeremia eine gottgesegnete Zukunft.
. 14 —
Jeremift.
(Der Fenersohein beleaohtet Beine Qeetalt.)
ErföUeo muß sich dieser Stadt Qesohiok:
Was ZioDS Stolz war, sinkt in Schutt und Trümmer. —
Dem jungen kräftigen Stier vergleich ich Juda,
der, von der Bremsen gift'gem Stich gepeinigt,
sich mit des Schweifes Waffe wild gewehrt
Doch zahllos ist des Feindes Übermacht
So jagt, vom Schmerz gefoltert, er dahin;
dann sinkt er matt, dumpf brüllend, in die Eniee.
£rkenne doch, mein Volk, den Arm des Herrn 1
Der Hammer nur in seiner Hand ist Babel,
damit der Kön'ge Reiche er und Völker
zermalmt nach seinem Schluß. Ein bittrer Becher
ist Babels Macht; wem Jahwe ihn gereicht,
der muß ihn trinken, muß dran untergehn.
Doch hat er ausgedient, der Todeskelch,
zertrümmern wird auch ihn des Herren Kraft;
und wie es viele fällte, fällt einst Babel.
Aus dieser Asche wird dann neu erstehen
ein andres Zion, Gottes hohe Burg.
Aus allen Landen, da sie nun zerstreut
wird er die Treuen sammeln, seinen Bund
mit einem heiligernsten Volk erneuen.
Damit kehrt das Leben in die Städte wieder;
auf fetten Auen weiden starke Herden,
und frohe Winzer geben Jahwe Preis!
Frohlocket, freuet euch!
Da wird der geblendete Zedekia vorübergeführt Jeremia
hat sich mit verhülltem Antlitz auf einen Stein nieder-
gelassen und klagt um den Fall der Stadt in den »Klage-
liedern c verwandten innigen Klängen.
Der fünfte Akt spielt drei Jahre später in Ägypten.
Hierher sind jüdische Flüchtlinge gezogen, von ihnen ist
auch Jeremia hierher geschleppt worden^ nachdem Oedalja
ermordet und als Folge dieser Freveltat von neuem
Furcht vor Babels Zorn und Rache in die Herzen der
Judäer eingezogen ist Auch hier verkündet Jeremia
Unheil. Nur unwillig hört man ihn an. Da naht sich
Solamith, ihren Baruch suchend und Yerzeihung von den
Ihren erhoffend. Man erkennt sie als Verräterin. Weil
— 16 -
sie Jeremia in Schutz nimmt, gilt sie als sein Werkzeug,
und ihn triiBft der Verdacht, der eigentliche Verräter zu
sein. Man erhebt Steine gegen ihn. Sulamith deckt den
Oreis mit ihrem Leibe. So hauchen beide ihre Seele aus.
Jeremia:
So nahst da endlich, langersehnter Tod?
Schon hör ich sanft die schweren Schwingen rauschen!
Komm, komm! Du schreckst mich nicht! — Wie wird mir non?
Ein neues Zion seh im Oeist ich prangen.
Wie glänzet Davids Stadt im Sonnenlicht!
Dooh ohne Mauern, ohne Tor und Zinnen,
schließt keinen mehr sie aus. Nur Friede, Friede!
Seht dort die bunte Schar der frommen Heiden;
sie nahn dem Tempel. — Schaut: Der Altar fehlt!
Die Opfer, wie sie Gott will, brennen nicht;
Des Herzens Einfalt, das ist Wohlgeruch I
(Von neuem bricht die Wut des Volkes los. Wiederum
getroffen, stirbt Jeremia mit den Worten:)
Vorbei, vorbei, Gesetz und BruderhaB!
Es hebet an das sePge Reich der Liebe!
Erhebend und erschütternd zugleich ist auch Philippis
tJeremia«, ein dramatisches Gedicht, welches in seinen
zahlreichen Volksszenen oft an Shakespeare erinnert. Ist
in Arthtirs Drama das Geschick des Propheten verknüpft
mit der Liebe Baruchs und Sulamiths, so gibt hier der
Konflikt zwischen dem Propheten und dem Vater, der als
Hoherpriester mit der ganzen starren Schärfe des Juden-
tums auftritt, dem Werke einen mächtigen dramatischen
Gehalt. Und welche Reihe anderer Konflikte ergeben sich
aus der Stellung Jeremias zur Mutter und Schwester, zu
den Landsleuten usw. Welchen Kampf muß der Vater
durchringen, bis er endlich unter den Trümmern des
Tempels des Sohnes Größe anerkennen muß!
Lassen wir auch hier den Hauptinhalt der fünf Akte
an uns vorüberziehen. 1. Akt: Jeremias große Tempel-
rede ist vorbei. Jeremias Vater, der Hohepriester Hilkia,
will Jeremias Prophetenamt nicht anerkennen. Besonders
die Verkündigung des Tempeluntergangs hat seine ganze
• — 16 —
Wut entfacht Mit entsetzlichem Fluche stößt der Vater
den Sohn von sich, obgleich Mutter- und Schwesterliebe
für ihn eintreten. So schildert dieser erste Akt, wie sich
Jeremia infolge seines Prophetenberufs von seiner Familie
lossagt Der zweite Akt führt uns auf die Königsburg.
Es handelt sich für Zedekia um den Abfall von Babel, vor
dem Zedekias Qemahlin, eine stille Anhängerin Jeremias,
der Frau des Pilatus ähnlich, warnt ^ und um den Bund
mit Ägypten. Die Großen des Reiches sind versammelt,
der Bund mit Ägypten und der Krieg gegen Babel werden
beschlossen. Die tributfordernde Oesandtschaft Babels
wird mit Schimpf abgewiesen. Im 3. Akte ist die Be-
lagerung Jerusalems bereits im Werke, eine Folge der
Treulosigkeit Zedekias. In der Not wird aller Götzen-
dienst abgeschafft. Jeremia tritt gegen das Opferwesen auf
und fordert, ein Joch tragend, durch Sinnbild und Wort
die Unterwerfung unter Babel. Da kommt die frohe Kunde
von dem unverhofften Abzug der Babylonier. Jeremia
steht verlassen und verachtet da, ein Lügner und Betrüger,
sein Joch wird ihm zerschmettert. Das Gefängnis nimmt
ihn auf. Im 4. Akte ist die erneute endgültige Belagerung
Jerusalems eingetreten. Pest und Hunger wüten in der
Stadt Wirkungsvolle Bilder der Not der Stadt bieten die
ersten Szenen dieses Aktes. Es wird auch bekannt, daß
Jeremia in der Königsburg weilt Doch im Kerker. In
den folgenden Szenen sehen wir ihn daselbst im Seelen-
kampf. Abgefallen von Gott, ringt er sich im Gebet zu
neuer Zuversicht hindurch.
Jeremia verzückt:
Da bist's? ... Da bist es ganz gewiß?
Da trittst za mir aas deiner Himmel Himmel?
... Du bist's I Ich atme deine Nähe I
Da haachst den Staab der £rde an,
and er steht aaf, aaf Händen hingetragen.
(Wieder tönt das Saasen, leise wie Blätterraaschen.
Die Maaeriäcke wird heller.)
Wie, Herr! Verstand ich recht?
Noch kam der Werktag nicht beim Feierabend an?
- 17 -
loh 8oli? ... Willst du den letzten Tropfen Blut?
loh weiB nichts von den Meinen.
Dooh fürchterlich malt sich's mein Aage.
Der Krieg wirft brüllend sich an ansre Mauern;
and innen knirscht der Hanger, schleicht die Pest.
Ist's nicht genag?
Wenn da noch größ*ren Schrecken übrig hast,
mit ongebraachtem Marter werkzeag laaernd,
Herr, ich hab keine Kraft mehr übrig, ihn za künden.
LaB mich's nicht sehn und hören.
Laß mich nur sterben!
Sieh Herr, dein Volk, es ist ';
von Schlägen stampf als wie ein Hund.
Es ist dein Volk, ist Abrams Same.
Sie bauten eine Hütte auf für dich . . .
Verdamme mich! Du darfst sie nicht vernichten!
(Es ist alles still. Die Mauerlücke dunkel.
Jeremia wirft sich auf sein Angesicht)
Nein! Nein! Wer bin ich, Mensch,
Daß ich mit dir, du ünerforschlicher, sollt rechten?
Nun, Herr, es ist ein Rest,
ein heilig kleiner Rest ist dein geblieben . . .
Herr, bleibe! bleibe! Laß mich nicht allein!
(Jeremia bleibt liegen auf seinem Angesicht)
Im 5. Akte erfolgt die Zerstörung Jerusalems. Noch
einmal tritt die ganze, unveränderte Oesetzesstarrheit des
Hohenpriesters hervor, und der gewaltige unausgeglichene
Gegensatz zwischen ihm und dem Propheten klaSt auf.
Wiewohl Jeremia immer zahlreichere Anhänger findet, —
der Yater wendet sich immer weiter von ihm ab und
vertraut auf des Tempels Bestand bis zum letzten Augen-
blicke. Dann aber aus dem Flammenmeere des unter-
gehenden Tempels streckt er vergebens ELand und Herz
nach dem verkannten Sohne. Mit dem Rufe: Jeremia!
Jeremia! Du bist wahrhaftig der Prophet des lebendigen
Gottes! verschwindet er im Getümmel des babylonischen
Heeres. Erschütternd ist die letzte Szene: der gefangene
geblendete Zedekia, der die Totenklage um sein armes
Yolk halten will, und der Gottesmann, der eine bessere
Zukunft kündet, stehen sich zum letzten Male gegenüber:
Pld. Mag. 816. Stande, Jeremia in Malerei n. Diebtknntt 2
— 18 —
Jeremia.
Denoooh! Dennoch I So spricht der Bett:
»loh bin'sl Eilends bin ich gekommeo
und h$Me deine rechte Hand.«
So spricht der Herr: »Tröstet! Tröstet mein Volk!
Sprecht freundlich mit Jerusalem!
sägt, seine Missetat ist ihm vergeben.
Sie gehen in ein fernes, fremdes Land
and säen edlen Samen ans mit Weinen.
Sie kommen einst mit Freuden wieder
and bringen ihre Qarben.
Wenn ich dann die Qefangenen Zions eriöse,
werden sie sein gleichwie die Träamenden,
ihr Mund voll Lachens and in Sprüngen hoch
wird ihr Frohlocken gehn:
Barmherzig, ein Erbarmer ist der Herr,
der ans gesohlagen.c —
(Jeremia löst die Fesseln der Geftmgenen.)
So lös ich Israel von seinen Banden.
Der Menschheit neaer Tag spannt himmelweit die Flügel.
Geh an die Arbeit! Do, kein Volk!
Bestatte deine Toten!
Da Heimatlos, du keine Stadt!
Nan hast du nichts als deinen Gott.
Aaf blat'ger Opferstatt, wiedergefunden,
stehst du and Er. Gott steht bei dir.
Er weist auf deine Toten hin und weist
mit seinem Finger hell dann in die Ferne:
Des Menschenjammers willen hab ich dich Eerschlagen.
Dem Menschen Jammer schaff ich dich zum Heiland.
(Er segnet sie.)
Geh an die Arbeit! Gottes Volk!
Indirekt schließen sich diesem Sto£Fe eine Anzahl
andere Bilder und Gedichte an.
Bilder: Bendemanns erstes Aufsehen erregendes Haupt-
werk (1832): »Zion und Babel«, das ich leider nicht kenne,
ebensowenig wie Lagardes Bild »An den Flüssen Babylons«.
Erwähnen will ich aus Rupprechts Yolksbibel die hierher
gehörigen Bildchen: »Israels Erläge an den Wassern zu
Babel«, eine trauernde »heilige Familie«, »An den Wassern
zu Babel« von Hacker^ »Belsazars Oastmahl«, dessen
— 19 —
Original mir eben&lls unbekannt ist: ein gestaltenreich^
Bild, linkB an der Wand die Feuerscbrift, rechts die Qmppe
des ersohrockenen Königs und seiner Höflinge, in ier
Mitte die Gestalt Daniels. Auch Schfwrr von Carolsfeld mit
einer »Zerstörung Jerusalems c verdient hier Erw&hnung.
Dichtungen. Hierher gehören selbstverständlich in
erster Linie »Die Klagelieder Jeremiasc und die Psalmen
wie Ps. 137, 43—43, die auch in modemer Ühersetzun|;
ihren tiefen Gehalt bewahren. Dann sind zu erwähnen:
H. lAngg: »Erheb o Israel, dein Haupte, Frankl: »Kanaan,
du Land der Väter«, ZeUer: »Wenn der Herr einst dip
Gefangenen ihrer Bande ledig macht«, Sturm: »Wie hast
du, Herr, mit deinem Zorn die Tochter Zion überschüttet!«,
Kurz: »0 weint ums Yolk an Babels Strand«, Borries
V. Mimchha/usen mit »Triumphgesang der Juden«, » Jesaias
spricht«. Nicht vergessen will ich auch Hmies bekanntes
Gedicht »Belsazar« und sein Gegenstück von Johann
Meyer. ^)
Welche pädagogisch vielleicht nicht wertlosen
Hinweise ergeben sich nun aus der erörterten
Antwort auf unsere Ausgangsfrage?
1. Zunächst ist es klar, daß der Stofif »zu den Perloden
gehört, die ein Meister beschrieb« und »deren Geist ein
Dichter atmet«. Somit wäre die Geschichte Jeremias in
die Reihe der Unterrichtsstoffe zu stellen. Jeremia selbst
ist der Meister, der uns in seinem herrlichen Buche diese
Periode beschrieb. Daneben treten dann die genaiinten
Maler und Dichter, wenn die letzteren auch niobt ^Ue
ohne weiteres zu den Meistern schlechthin zu rechniap
sein werden.
2. Sämtliche Maler und die Dichter der Dramen sti^Uim
in den Mittelpunkt die Belagerung und den Fall der
Heiligen Stadt Diese Tatsache nimmt das meiste Jnteresse
^) Die erwähnten Dichtungen sind zusammengestellt in des Yer-
fassers »Präparationenc, 7. Heft: »Jeremia«. Langensaiaa, Haniuuui
Beyer k Söhne (Beyer & Mann), 1906. Dazu ist ein lextheft sa
10 Pf. das Stück erschienen.
2*
— 20 —
in Ansprach und entwickelt die größte dramatische Kraft
Daraas ziehen wir den Schloß: bei der anterrichtlichen
Behandlang Jeremias gehen wir von der Belagerang and
dem Falle der Davidsstadt aas. Leicht and angesacht
läßt sich dann ein entsprechendes Lebensbild des Pro-
pheten, Interesse erregend, erhaltend und bewahrend aaf-
baaen im Anschlasse an den erschütternden Fall der
Tochter Zion (siehe die Bearbeitang in dem angeführten
Bache des Verfassers).
3. Die dichterischen Erzeagnisse selbst aber könnten
mit Aaswahl als Zugaben geboten werden, denn noch
immer gilt Herbaris Wort: »Während des ganzen Laufes
dieses Unterrichts (Geschichte) gebührt ihm eine Begleitung
durch Proben von Poesie, die, wenn nicht unmittelbar
den verschiedenen Zeitaltem entnommen, sich doch auf
sie beziehen. € Aus der Lektüre der genannten Dramen
z. B. gewinnt aber der Lehrer auch ein neues Moment des
Einlesens in den Stofif, ein inneres Verhältnis, das der
Behandlung im unterrichte zu gute kommen muß. Dies
ist ja auch der Fall, wenn der Lehrer im Jeremiabuche die
Bekenntnisse und Beden liest und sich in sie vertieft, auch
wenn sie im Unterrichte selbst nicht geboten werden können.
4. Eins oder das andere der Bilder könnte selbst-
verständlich auch als Wandschmuck dienen. Besonders
eignen sich hierzu Bendenianns »Jeremia auf den Trüm-
mern Jerusalems« und Michel Angelos grandiose Schöpfung.
5. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß
Mendelssohn in seinem »Elias« jenes herrliche Lied im
Anschluß an die bekannte Jeremiastelle: So ihr mich
von ganzem Herzen suchet, so will ich mich finden
lassen (29, 12. 14), mit der ganzen Innigkeit, die ihm
eigen sein konnte, ausgestattet hat. Sollte dieses schöne
Sehnsuchtslied nach dem Herrn nicht in einer oberen
Klasse besonders auch einer höheren Schule bei gegebener
Gelegenheit gesungen werden können?
Dniok von Hennann Beyer & SObne (Boyer & Mann) in Langensalza.
Von
Enno Fischers Geistesart.
Ein ITachmf des Dankes.
Von
Dr. Hugo Göring.
Pädafirogisohea Magrasin, Heft 817.
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Herzogl. Sachs. HofbQohhXndler
1907
All« Rechte Torbeliftiten.
Der tiefe Eindrack, den Kuno Fischer auf die aka-
demische Jugend gemacht hat, der starke Einfluß, den er
überhaupt auf die sittliche Erziehung und speziell auf
die philosophische Bildung der deutschen Studenten und
Lehrer ausgeübt hat, hängt nicht nur mit den großen
intellektuellen Fähigkeiten dieses Mannes zusammen, son-
dern ging in erster Linie von der ungeheuren Selbstzucht
aus, mit der er an seinen Beruf trat Er wußte, daß er
eine Kulturmission zu erfüllen hatte. Er war sich klar
bewußt, daß die Philosophie, die er lehrte, nicht nur im
Denken über Welt und Leben besteht, nicht nur Welt-
wissen, sondern auch Weltweisheit ist, nicht nur auf eine
Znsammenfassung aller Erkenntnis zu einer Orientierung
über Welt und Leben sich beschränken darf, sondern
unmittelbar persönlich auch Lebensgestaltung und Lebens-
führung werden muß.
Diese klare Überzeugung, daß der Philosoph die Weis-
heit der Besten nicht nur lehren, sondern auch durch
sein Leben betätigen muß, gab ihm die imponierend vor-
bildliche Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue in der Er-
füllung seines Berufes. Er wurde eine Art Ideal für
strebsame, auf geistige Ziele gerichtete Studenten. Er
war kein Durchschnittsdozent, sondern eine Eünstler-
individualität von schärfster Prägung auf dem Katheder
der Universität. Wenn jedes Menschenalter einen solchen
Lehrer der Philosophie schafft, so ist es viel!
In Kuno Fischer ist ein Klassiker und Künstler der
Philosophie dahingegangen. — Er war der »geborenec
— 4 —
Professor der Philosophie, wie ihn der geistvolle Kirchen-
historiker Karl Hase in Jena genannt hat
Wer von Herzen sein Schüler war, den mußte die
Nachricht von seinem Tode am 6. Juli 1907 tief er-
greifen. Wenn man auch wußte, daß er schwer krank
war, so hatte man doch immer die Möglichkeit seiner
Oenesung vor sich. An seinen Tod konnte man trotz
seiner 83 Jahre nicht glauben. Denn ihm haftete zeitlebens
etwas von Jugend an. Diese frische Elastizität, diese ge-
bietende Hoheit, diese souver&ne Kraft: sie geben ihm den
Charakter des Jugendlichen.
E[at er doch bis in sein 81. Jahr unausgesetzt seine
Kollegia gehalten: und was hieß das! Jeder Vortrag be-
handelte das abstrakte Denkgebiet, die feinsten Geistes-
prozesse, die nur eine scharfe Hirnkraft bewältigt Ohne
Notizen, ohne das kleinste Papierstreifchen, ohne einen
Bleistiftstrich auf der Manschette, wozu mancher berühmte
Kedner seine letzte Zuflucht nehmen soll, hielt er seine
Kollegia.
Als Oreis von 81 Jahren noch vollkommen frei über
die schwierigsten Probleme der Philosophie zu sprechen,
das setzt schon eine fast unauslöschlich jugendfrische
Geisteskraft voraus.
Wie kaum einer, man möchte sagen wie Ooeihe^ war
Xuno Fischer vom äußeren Glück begünstigt, um in der
starken Geisteskonzentration zu bleiben, von der allein
der Erfolg einer Vertiefung in das abstrakte Gebiet der
Philosophie abhing. Unter allen, die ihm hierin das
Leben ebneten, steht seine Jugendgattin obenan. Die
sammelnde Stille des Pfarrhauses in Sandewalde in
Schlesien, wo er am 23. Juli 1824 geboren war und
seine Kindheit und Jugend verlebte, legte den Grund zu
dem intellektuell bestimmt gerichteten Innenleben, in
dem nur der eine Trieb vorwärts drängte: Wissen und
Kunst in den Dienst des Vortrags zu stellen.
Das Gymnasium in Posen weckte die intellektuelle
Kraft, entfaltete die Bedneranlage und legte zu der ein-
— B —
seitigen Konzentration des Geisteslebens den festen Orund.
Das Universitätsstadium der Theologie und Philosophie
Ton 1844 an in Leipzig und Halle steigerte das Innen-
leben in seiner einseitigen Kraft. Intelligenz und Wille
blieben unbewußt auf das eine Ziel gerichtet: Verbreitung
des Interesses für Philosophie an der Universität
In den Studienjahren Kuno Fischers war dies ein
hohes Ideal. Die Philosophie hatte als weltkonstruierende
Qeistesmacht eine in der germanischen Kultur gebietende
Stellung gewonnen. Echt deutsch war diese Bewegung,
die unter Slaven, Romanen und Juden ganz unmöglich
gewesen wäre und von diesen Rassen nie verstanden,
sondern nur als eine Yerirrung aufgefaßt wurde, über
die sie ihren Spott und Hohn schütteten und unbewußt
ein Stück deutscher Geistesarbeit zerstörten. Schleier-
macher war der erste Geistesführer zur Yerinnerlichung
des religiösen Lebens und zur Emporhebung des schöpfe-
rischen Gottgemütes aus dem StofTleben der Verstandes-
kälte und von dem Schwergewichte des Wortfetischismus.
Schelling wies als schauender Dichter auf die schöpferische
Natur, in der er Gott und Geist vereinigt sah: eine Tat
des deutschen Geistes, die eine zusammenraffende Selbst-
besinnung des durch Fälschung und Fremdgift ge-
schwächten und zur Untreue gegen sich irregeleiteten
Bassenbewußtseins bedeutete und unbewußt an den suchen-
den Pantheismus, das Gottnaturvertrauen in der Religion
der Gott- und Heldenlieder vor, in und nach der Edda
angeknüpft hatte. Die straffste Selbstaufraffung deutschen
Innenlebens vollzog das energische Otenie Hegels^ welches
die Konstruktion der Welt aus dem Geiste ableitete und
die Idee als die Urschöpferin alles Vorhandenen nach-
wies. Daß »alles was existiert, vernünftig ist«, dem Ge-
setz der Idee gehorcht, selbst widerstrebend und als
kämpfend widerwillig von der »List der Ideec geleitet
wird, um endlich ein verkörperter Gottgedanke zu sein,
das war ein Gedanke aus urdeutscher Geisteskraft — gleich
der Faustidee, dem Merlincharakter, dem Demiuigoewerke
— 6 —
in der geläuterten deutschen Dichtung. Man prftfe nur
das Lebenswerk dieser großen Denker, deren Gedanken
bestätigend oder bekämpfend, Schopenhauer und Eduard
von Hartmann und unter den jüngeren Lebenden Arthur
Drews^ der in Hamburg geborene zukunftsreiche Philo-
soph in Kuno Fischers Nähe — in Karlsruhe — fort-
geführt haben: und man wird ganz ursprungsechten ger-
manischen Rassengeist darin, selbst psycho-anthropologisch,
erkennen. Man betrachte nur mit anthropologischem Ter-
ständnis die feinen dolichozephalen Qermanenköpfe Schleier'^
machersy Schellings und Hegels,
Wie kleinkrämerig ist die Kinderei einer Kritik jener
großen Religions- und Geistesreformatoren, wenn man mit
einer Detailnörgelei seine Wichtigtuerei auftischt, während
es sich doch um große, weithin eine Strecke des Zu-
kunftsweges der Menschheit erleuchtende Ideen im größten
Riesenstile geistiger Licht werfer handelt! Was liegt daran,
daß Hegel die Möglichkeit jener Asteroiden wegkonstruierte,
die dann in größerer Anzahl mit dem Teleskop gefunden
wurden. Die geniale Idee wird von dem Detail der
Spezial Wissenschaft nicht berührt!
In jene große Oeisteswelt, in den starken Aufschwung
der Philosophie durch Hegel trat Kuno Mscher.
Als ich den Entwicklungsquellen meines größten
Meisters der Philosophie nachging, dessen Leben und
Schaffen mir immer Jugend bedeutete, kam ich auch
dazu, den Nestor der Hegeischen Philosophie, Joh, Ed.
Erdmann in Halle, 1872 zu besuchen und zu hören.
Unvergeßlich blieb mir der Eindruck von diesem Manne,
der mich nur als Lehrer Kuno t\schers interessierte.
Feierlich trat der greise Meister ein, dessen weit über-
ragender Schüler als der größere Meister nur wenige
Stunden von Halle an der Saale, in dem romantischen
Tale am gleichen thüiinger Flüßcben, in Jena lebte. Es
war März 1872, kurz vor Schluß des Wintersemesters,
ein halbes Jahr vor der Berufung Ku7io Fischers nach
Heidelberg. Erdmanns Hörsaal war wie der seines be-
— 7 —
deutenden Schülers der größte der Universität. Bis auf
den letzten Platz war der Saal von Studenten, Lehrern
und Pastoren gefüllt Mit der Würde eines Predigers
stand er auf dem Katheder, fast unbewegt während seines
ganzen Vortrags; einen Schlüssel bewegte er in der rechten
Hand und bisweilen demonstrierte er damit Charakte-
ristisch war es, daß er während seines ganzen Kollegs
die Augen geschlossen hielt Von Äußerlichkeiten
hatte sein großer Schüler nur das Spiel mit dem Schlüssel.
Um so mehr Ähnlichkeit hatte die Vortragsart Erdmann
trug die Philosophie des Descartes vor und behandelte
das Problem des Bewußtseins nach dem Gedanken »Cogito^
ergo svm<^ jenem Verhängnis vollen Irrtum des franzö-
sischen Denkers. Erdmann ließ diesen Gedanken aus
dem System des Descartes hervorgehen, nicht entwicklungs-
geschichtlich, sondern deduktiv. Der Gedanke war die
Verkörperung des Descartes, er mußte mit Descartes da
sein. Der Gedanke war absolute Logik, absolute Vernunft,
absolute Wahrheit, die Vorstufe der Idee »Das Ich setzt
das Nicht- Ich. c Erdmanji gab den Gedanken des Descartes
als reine Mathematik, als unantastbares Axiom, welches
des Beweises nicht bedarf. Es war etwas von steinerner
Logik in dem Ge&chichtsaufbau von Erdmann, Er faszi-
nierte durch diese geschlossene Beweisführung, die ein
glänzendes System ohne Untergrund in der Luft aufführte.
Während der strafTen Linienführung ließ man sich in den
Phantasiebau mit Wonne emporheben. Erst als Erdmann
die Augen wieder öfTnete und wachend den Hörsaal ver-
ließ, wurde man als schön getäuschter Zuhörer von der
linienreinen und farbenreichen Fata Morgana wieder frei.
Erdmanns Vortrag war ein Genuß.
Alle ästhetischen Vorzüge des Erdmannschen Vortrages
behielt Kuno Fischer: die würdevolle Haltung wurde bei
ihm zu einer souveränen, gebietenden, vornehmen. Erd-
manns schöne gewählte Sprache wurde bei Kuno Fischer
eine durch Klarheit und Tiefe klassisch künstlerische.
Was Erdmann konstruierte und logisch aus der Idee auf-
— 8 —
baute, wie es der echte Hegelianer tun muß, entwickelte
Kuno Fischer als einen Prozeß des Werdens vom Keime
bis zur Frucht Er war der Aristokrat unter den Uni-
versitätslehrern, der Künstler und der Naturforscher der
philosophischen Systeme in seinen Werken und akade-
mischen Vorträgen.
Zweifellos hat er in Erdmann sein bestes akademisches
Vorbild gehabt
Schon durch Erdmanns persönlich faszinierendes und
zwingend hypnotisierendes Vorbild mußte sich Kuno
Fischers Innenleben einseitig auf Philosophie konzentrieren
und den Orund zu der Kraft legen, die er in der Wieder-
gabe der philosophischen Gedanken erlangt hat.
Durch die Beschränkung auf die vorhandenen Systeme
wurde er Meister in der Darstellung.
Eine kurze Hauslehrerzeit lenkte sein Innenleben nicht
auf andere Bahnen.
Da sich bald daran seine Habilitation an der Uni-
versität Heidelberg schloß, als er kaum das 26. Lebens-
jahr vollendet hatte (1860), blieb er in dem abgeschlos-
senen Vorstellungskreise und Arbeitsgebiet. Soweit man
sein Leben übersehen kann, trat er den Naturwissen-
schaften nicht näher. Auch Mathematik zog ihn nicht
an, wenn auch die Begabung dafür in ihm lag, da seine
jüngere Tochter schon in zarten Mädchenjahren mit
solchem Erfolg, gleich einer Sophie Oermain^ in diese
einzige exakte Wissenschaft eindrang, daß sie die Diffe-
rential- und Integralrechnung mit Sicherheit in den Jahren
beherrschte, in denen ein normaler Student zu den An-
fangsgründen der Analysis gelangt
Wieweit Kuno Fischer die Künste auf sich wirken
ließ, kann man nach seinen Werken nicht bestimmen.
Die Musik schien ihm ein fremdes Gebiet zu bleiben.
So erklärt es sich, daß er sich für das Lebenswerk
Richard Wagners als Kulturmacht des deutschen Stammes
nicht erwärmen konnta
Selbst die Grenzgebiete der Philosophie, die ihren
— 9 —
Inhalt und ihre Begründung zum Teil aus den Natur-
wissenschaften und der Mathematik nehmen müssen, Psycho-
logie, Erkenntnistheorie, Logik, Metaphysik, Ästhetik, Ethik
und Pädagogik, zogen sein Interesse wenig an. Pädagogik
blieb ihm zeitlebens ein Bereich der ün Wissenschaft, der
Praxis, höchstens der Kunst, aber nie der Wissenschaft.
Man muß die scharf abgeschlossene Einseitigkeit der
Forsohungsinteressep Kuno Fischers erkennen, um zu
begreifen, daß gerade diese Abwehr alles nicht zur Ge-
schichte der Philosophie gehörenden ihn zum Künstler
an seinem Stoffe machte. Alles, was nicht Geschichte der
Philosophie war, galt ihm als Gegenstand der Zer-
splitterung.
So blieb ihm eine große, weite, erhabene, schöne Welt
des gegenwärtigen Ringens um Wissenschaft und Kultur
fem. Er lebte in vergangenen Denksystemen. Auch die
politische Welt blieb ihm etwas fernliegendes.
Selbst das praktische Leben der nächsten und weiteren
Umgebung drang nicht tief in sein Bewußtsein. Er wäre
ein hilfloses Kind gewesen, wenn ihm nicht eine selten
edle Frau als Gattin bis in sein 59. Lebensjahr mit der
helfenden Geduld sanfter Herzensgüte und feinster In-
telligenz, ja höchster Lebensweisheit, unmerkbar führend,
«ur Seite gestanden hätte. Auch über äußere Verlegen-
heiten half sie ihm mit vornehmem Takte. Man kann an
Kufw Fischers Lebenserfolge nicht denken, ohne dieser
hervorragenden lYau ein Wort des Dankes zu widmen,
die ihm liebevoll alle Hindernisse des äußeren Lebens
aas dem Wege räumte, von denen sein in Weltfernen
des Geistes webendes Innenleben nichts ahnte, die aber
sein Bewußtsein in verhängnisvollen Zwiespalt gebracht
haben würden, vielleicht ein unerfreuliches Charakterbild
erzwungen und die Geisteskonzentration vereitelt hätten.
Aus dem einseitigen Innenleben Ku7io Fischers er-
klären sich alle die Absonderlichkeiten und Schroffheiten,
die einen Mythenkranz und eine Anekdotensammlung um
Kuno Fischer geschaffen haben. Aber diese Anekdoten
— 10 —
bedeuten weiter nichts als eine kleinliche AafTassnng eines
innerlich großen Lebens, welches nur die Brücke zur
Außenwelt nicht gefunden hatte und in tausend Formen
stammelte, deren technische Routine ihm fremd war.
Warum mußte der Künstler der Oedankengeschichte nun
gerade jedes Studenten hochwichtige Eigenart richtig ver-
stehen und behandeln? Und von verletzter Studenten-
eitelkeit ging der höhnische, neidische, mißgünstige Klatsch
über Kuno Fischer aus. Auch Kollegen schonten ihn nicht
Aber die größten waren seine treuen, persönlichen Freunde,
die nie etwas von dem bierträgen dummen Studenten-
klatsch und noch weniger von den Rachelügen durch-
gefallener Doktoranden oder dem Weibergewäsch minder-
wertiger Dozenten wußten.
Aber stillschweigend über die Einseitigkeit im Geistes-
leben Kiino Fischers hinwegzugehen, wäre eine psycho-
graphische Ungerechtigkeit gegen den größten Künstler
der Geschichte der Philosophie. Die Gerechtigkeit, ja die
liebende Pietät gegen ihn erfordert es, daß man ihn als
Typus einer vom Glück geschonten und begünstigten
Steigerung der Intelligenz und historischen Phantasie bis
zum Widerstreit mit dem Tagesleben der Gewohnheits-
menschen erkennt und kennzeichnet. Dieses Glück war
verkörpert in seiner hochherzigen Gattin, die auf das, was
die Alltagsmasse der Frauen »Glücke nennt, selbstlos
verzichtete und die ethische Arbeitsteilung in Person dar-
stellte. Sie nahm dem denkenden und künstlerisch ge-
staltenden Geiste das ab, was die individuell gegebene
Persönlichkeit dem vielseitigen äußeren Leben in der
Familie und Gesellschaft schuldig gewesen wäre, wenn
der ihr innewohnende Geist auf weniger große Aufgaben
gerichtet gewesen wäre. Kuno Fischers Gattin, die liebe-
volle Mutter seiner drei Kinder, von denen die hoch-
begabte jüngere Tochter jäh aus dem Leben geschieden
ist^ hat darin Ähnlichkeit mit zwei herzensgenialen Frauen
ihrer Zeit: mit der edlen Gemahlin Carlyles und mit der
schöpferisch großen Gattin Richard Wag^iers^ Cosima
— 11 —
Wagn^, deren Liebeswalten das höchste Reifen beider
großen Eulturförderer ermöglicht hat
Schon das Pfarrhaus ist oft eine Stätte absondernder
Einseitigkeit, um wieviel mehr die aus dem Pfarrhaus
gebildete Oelehrtenkiause!
Kuno Fischer hatte keine Klause. »Ich brauche einen
weiten Baum, ein großes Zimmer zum Arbeiten!« »Ich
brauche absolute Stille im Haus, wenn ich arbeite!« —
80 sprach er seine Forderungen aus. Er setzte sie durch.
In diesem großen Baum war er von allem störenden
Lärm der Außenwelt abgeschlossen. Seine hochherzige
Gattin nahm ihm alle Arbeit und jede Verpflichtung ab,
die ihm außer der Berufsgeistesarbeit die Wirklichkeit
auferlegen konnte.
Darum schreibe ich dieser stillen edlen Frau einen so
großen Anteil an dem Lebenswerk Kuno Fischers za.
Sie schützte ihn vor kraftläbmender Zersplitterung. Sie
schuf ihm die Bedingungen höchster Sammlung.
Die volle Freiheit von äußerem Druck und Kampf
um Frieden zu innerer Konzentration brachte freilich auch
die Schattenseite dieses Lebens mit sich, die sich in dem
oft unnötigen Kampf mit kleinen oder gleichen Gegnern
— Schenkel^ Trendelenburg^ Krause u. a. — äußerte. Sym-
pathisch steht man dem Abfertigungsduell mit Schenkel
gegenüber, dessen Denunziation bei dem badischen Mini-
sterium die Entziehung der Dozentur Kuno Fischers zur
Folge gehabt hatte. Es ist bekannt, daß Kuno Fischers
Jugendfreund David Friedrich Straufs in seiner Schrift
»Die Halben und die Gaozen« mit Schenkel vernichtend
ins Gericht gegangen ist und die Plumpheit seines An-
griffes gegen Kuno Fischer unheilbar bloßgestellt hat
An seinem großen Lebenswerk, der »Geschichte
der neueren Philosophiec, arbeitete Kuno Tischer
schon seit 1850, seit seinem 26. Jahre in Heidelberg. Er
erzählte gelegentlich, daß er das erste Kolleg — über
Descartes — in sorgfältig ausgearbeiteten Einzel vortragen
seinen Zuhörern vorgelesen habe. »Bald merkte ich,« so
— 12 —
fahr er fort, »daß das gelesene Wort keinen Eindmck
anf die Studenten machte. Ich nahm mir deshalb vom
zweiten Semester an vor, frei zu sprechen. Ich bereitete
mich seitdem sehr sorgfältig für jeden Vortrag vor.« Wer
einmal Zeuge dieser Oewissenbaftigkeit gewesen ist, mit
der Kuno Fischer sich vorbereitete, der mußte ihn schon
deshalb als sittliche Persönlichkeit verehren. Auch hier
konzentrierte er die höchste Kraft auf einen Punkt und
erreichte das Größte. Es war ihm höchste Pflicht, das
Vertrauen des Staates auf ihn zu rechtfertigen. Er sah
sich auf diesen Posten gestellt und wollte ihn mit Auf-
gebot alles Könnens ausfällen. Er wollte den Sinn für
Philosophie zu einer Kraft wecken, und dazu mußte er
eine Kraft geben, die Begeisterung wecken konnte. Das
war nur möglich durch eine lichtvolle Methode, durch
die Anknüpfung an den Vorstellungskreis der Studenten
und durch Anwendung der höchsten Kunst, eine an-
ziehende^ schöne Form auszuprägen. Die Bedingungen
erfüllte Kuno Fischer wie keiner vor und nach ihm.
Dadurch siegte er über die Abneigung der Studenten
gegen das schwierige Oebiet des abstrakten Gedankens.
Kuno Fischers Kunst deckte die Schwierigkeiten auf und
überwand sie, indem er auf den Ursprungskeim des
Systems zurückging und es nachschuf. An dieser Arbeit
im schönsten Kunstgebilde ließ er die Zuhörer teilnehmen.
So kennen wir ihn alle, die ihn in Jena gehört haben.
Dort hat er 16 Jahre in aufsteigender Manneskraft ge-
wirkt Dort hat er den Ruhm gewonnen, eine oft mehr
der Kneipe als der Universität geneigte Studentenschaft
für die Philosophie begeistert zu haben. Jena ist der
Höhepunkt seines Lebens geblieben. Jena hatte überdies
das Verdienst der Initiative, ihn aus der Unsicherheit des
äußeren Liebens, gerade als er nach der unverantwort-
lichen Vertreibung vom Heidelberger Katheder sich an
der Universität Berlin wieder als Privatdozent habilitieren
wollte, zu einer Professur zu berufen. Er war 32 Jahre
alt, als er Jena betrat, und verließ es im 48. Lebensjahre
— 13 —
(1866 — 1872). In Heidelberg ist er bis an seinen To^
36 Jahre lang, geblieben. In seinem 58. Jahre erhielt er
den Ruf nach Berlin. Er war aber schon zu fest mit
Heidelberg verwachsen. ^pxuiQog ist ein mächtiger Qottc,
schrieb er damals, wenn man ihn drängte, dem Rufe zu
der fruchtbarsten Tätigkeit zu folgen. In Berlin wäre
der richtige Platz für ihn gewesen. Dort besaß kein
Philosoph den Einfluß, den Ku?io Fischer ausgeübt hätte.
Und Berlin bedurfte einer so begeisternden Kraft. Der
richtige Zeitpunkt — xaiQog — war nicht verpaßt! Aber
der weltfremde Künstler sah sich an den Termin der
Übersiedlung aus dem schönen Heidelberg gebunden: das
beängstigte ihn. »Die Hausmakler kaufen mir mein Haus
über dem Kopf weg,« schrieb er. — Dazu kam der auf-
regende Zank mit einem Kantphilologen. Kurz: Hem-
mungen, die für einen freien Blick keine waren, aber für
ein überempfindliches Innenleben zu stählernen Ketten
wurden. Wenn man bald nach der Ablehnung der Ber-
liner Professur Kuno Fischer stark geneigt sieht, das
soeben verschmähte Olück wieder zu erringen, so li^
dieses Schwanken in der unrichtigen Abschätzung der
Werte der Außenwelt, die ihm bei aller scheinbar prak-
tischen Sicherheit in der Gewinnung materieller Lebens-
vorteile fremd blieben. Mit beschränktem und un-
gerechtem Urteil spricht man dann von »unberechen-
baren Launen«. Aber für ein innerlich so abgeschlossenes
Leben war die Vorstellung völlig veränderter äußerer Ver-
hältnisse ein direkter seelischer Schmerz, der eine Willens-
entscheidung erschwerte oder unmöglich machte. Wenn
andrerseits Kuno Fischer sich durch Honorar und Oehalt
zu sichern wußte, so war die materielle Existenz in ihrer
harten Abhängigkeit vom Oelde ihm seit seinen Jugend,
eindrücken in den schlichten Verbältnissen des Pfarr-
hauses etwas erlebt Bekanntes. Überdies floß ihm beides
ohne sein Drängen zu. Die Lebenssicherheit auf diesem
Gebiete setzt nicht die Orientierung auf anderen Ebenen
des praktischen Lebens voraus. Man kann sich deshalb
— 14 —
nicht einmal wundeni, daß der eigenartige Forscher später
ohne jeden äußeren Zwang and Anlaß sein Haus ver-
kaufte, aber es als fremdes wieder mietete, weil die lang
bewohnten und liebgewonnenen Bäume ihm als ein Stück
Leben unentbehrlich geworden waren. Im Alltagsleben
kennt jeder das Heimweh, welches zu sonderbaren Ent-
schließungen und Handlungen führt, auch da, wo ein
weniger feines Innenleben den Menschen beherrscht
In Heidelberg ist Kuno Fischer nie so verstanden
worden wie in Jena, weil in der schönen Fremdenstadt
am Neckar das zerstreuende, zersplitternde und oberfläch-
liche Oenußleben der Studenten die stille Ehrfurcht nicht
aufkommen ließ. Das nicht sachliche Bepräsentieren
förderte zu viel die Eitelkeit im Leben der akademischen
Jugend und verdarb den Sinn für die Universitätskultur.
Nur so ist es zu erklären^ daß Heidelberger Studenten
über Kuno Fischer oft nichts weiter als Klatsch zu be-
richten wußten, oder sich dunkel erinnerten, daß diese
Größe in Heidelberg lebte.
Oanz anders in Jena. Dort war Kuno IHscher iden-
tisch mit Jena, er war der Mittelpunkt des Universitäts-
lebens, der Studentenintoressen, er war der Stolz der
Jenaer Bürgerschaft;. Mit Ehrfurcht wies man jedem neu
ankommenden Studenten Kuno Fischers Haus am Löbder-
graben. Mit Ehrerbietung grüßte ihn jeder Student, dem
nicht der abstumpfende Bierfrohn das Bespektsgefühl
herabsetzte. In angemessener Entfernung hielt man sich
von ihm, wenn er zwanzig Minuten vor Beginn seines
Vortrages am Fürstengraben auf und ab wandelte, von
der Universität bis zum Schloß am alten Fromannschen
Hause vorbei, welches später das Zenkersche Institut
wurde. Wie immer war er auch im Einhalten seiner
Vorlesungen sehr pünktlich, was auf das unpünktliche
Leben der Jenenser Studenten kräftig erziehend wirkte.
Im Sommersemester las er früh 7 — 8 Uhr Logik und
Metaphysik, ein Kolleg, welches ihm so unsympathisch
war, daß er es später gar nicht mehr aufnahm, wie er
— 15 —
auch sein Werk »Logik und Metaphysik oder Wissen-
schaftslehrec trotz des starken Yerlangens des Verlegers
nicht zu einer zweiten Auflage bearbeitet hat Es war
1869 das erste EoUeg, welches ich von Kuno Fischer
hörte. Die klare Oedankenentwicklung drang so in mich
ein — als verkörperte Logik in so fesselnd schöner Form
mit so künstlerisch plastischen Anschauungsbildern, daß
ich jeden Abend den am Morgen gehörten Vortrag wort-
getreu niederschreiben konnte, als wäre er langsam dik-
tiert Als ich 1881 dem Meister in Heidelberg den statt-
lichen Band vorlegte, bestätigte er die Richtigkeit jedes
Satzes: Das war weniger das mechanische Werk eines
treuen Gedächtnisses, als vielmehr die Wirkung der
zwingenden Logik Kuno Fischers^ die das Denken des
Hörers zur Folgerichtigkeit erzog. Im Gespräch mit
anderen Studenten äußerte sich der Eindruck dieser Vor-
tragsmethode. Bei jeder Gelegenheit hörte man ganze
Sätze aus diesem Eolleg, dessen künstlerische Vollendung
die sorgfaltigste Geistesarbeit des Redners zur Voraus-
setzung hatte. Resümiere ich alle Eindrücke meiner
Jugendzeit in Jena, so war ihr Inbegriff: Kufw Fischer.
Dabei steht das Bild seiner Morgenvorträge obenan, weil
es den Denkweg für das Leben durch gesicherte und be-
wiesene Erkenntnis ebnete.
Nicht ein einzigesmal habe ich es in Jena erlebt, daß
von Kuno Fischer irgend ein Klatsch erzählt wurde, wie
es in Kleinstädten Brauch ist. Um so geschwollener
wucherte der Klatsch über den von keinem erreichten
akademischen Lehrer, als ich dreißig Jahre später wieder
dort war. Da war nichts von dem alten Idyll wieder zu
erkennen, in dem der deutsche Student ein stilles, heiliges
Innenleben pflegen konnte. Man sah nicht mehr das
schlichte Leben und Wesen der Studenten, sondern
schneidige, geschniegelte Spaziergänger, die mit greisen-
haft nörgelnder Kritik ihre üniversitätsprofessoren herab-
setzten und sich über die lächerliche Außenseite mancher
Größe wie altkluge Schuljungen mockierten. Stolze Häuser
— le-
in burgfestem Steinbau prahlten als Sitz von Verbindungen,
deren nichtiger Kleinkram über das Kulturziel der IToi-
Tersität emporgeschraubt wurde. Ein solcher Geist, der die
bedeutendsten Charakterköpfe der Universität überlegen be-
spöttelt, wäre in dem pietätvollen Jena von 1869 — 1873
von seinen gesunden Elementen als affiges Zerrbild des
Studentenlebens abgewehrt worden. Freilich sahen damals
die Professoren ihren Stolz in der soliden Einfachheit»
nicht in renommistischer Überbietung im Repräsentieren
mit glänzenden Diners, die man den Finanzkreisen und
dem Oenußleben der Hofgesellschaft in Großstädten oder
prunkenden Schlössern als Dekadenzmanier nachahmt
Jedenfalls wird das reine Geistesleben einer zu innerer
Sammlung erziehenden Universität durch Millionärs- und
Adelsspielerei ins Lächerliche karikiert
Zu Kuno Fischers Zeit galt es als Stolz der Studenten,
zu arbeiten, nicht den von den Eltern unterstützten
Bummler zu spielen. Der neuen Generation muß es ja
heute wie ein Stück Mythenbildung vorkommen^ wenn
man die Tatsache erwähnt, daß im Sommer 1868 und
früher, bei dem Eintritt übergroßer Wärme schon in den
frühen Morgenstunden Kuno Fischer mit seinen Hunderten
von Zuhörern den Vertrag schloß, das Kolleg über Logik
von 7 — 8 auf die noch frühere Morgenstunde von 6 — 7
zu verlegen und daß es dem ebenso energischen, wie be-
liebten Dozenten gelang, die Schar seiner Treuen bis
zum Ende des Semesters in dieser für Studentenphiiister
» unmöglichen € und »unmenschlichen« Tageszeit festzu-
halten.
Li den Nachmittagsstunden von 4 — 5 Uhr trug Kuno
Fischer an den Wochentagen, außer Mittwoch und Sonn-
abend, Geschichte der Philosophie vor, am Dienstag und
Freitag 5 — 6 Literaturgeschichte. Auch hier individuali-
sierte er und verteilte den Stoff auf vier Semester: 1. Philo-
sophie der Griechen, 2. Philosophie von den Scholastikern
bis John Locke, 3. Kant, 4. Fichte, Schelling, Hegel; dazu
kam in Heidelberg noch Schopenhauer. Den Literatur-
— 17 —
6to£f gruppierte er so: 1. Lessing^ 2. Schiller, 3. Goethe,
4. Goethes «Faust«.
Man stelle sich die Fülle dieses Materials in der
wundervollen Ordnung und der kunstvollen Darstellung
des Meisters vor! Hatte man Kuno Fischer gehört, so
war man gar nicht im stände, ein Kompendium der Ge-
schichte der Philosophie oder Literatur einsemesterig vom
Katheder herunter zu hören! Kuno Fischer gab Leben,
reichen Inhalt, edle Linien und lichte Farben. Er ließ
z. B. die Faustidee in Goethes Verstand und Gemüt, in
dem Bewußtsein des Deutschen bis vor der Reformation,
in der germanischen Rasse und in der Kultur der ger-
manenverwandten Griechen entstehen, endlich in uns
selbst, seinen Zuhörern. So wurde uns »Faust« ein inneres
Erlebnis, kein außenstehendes Literaturobjekt; wir erlebten
^Fauste als deutsches Fühlen, als Sehnen, Denken, Collen
und Handeln der germanischen Menschen. Wie vertiefte
man sich unter Kuno Fischers Leitung in Lessing! Mit
dramatischer Lebendigkeit wußte er dieses in einer Tragödie
endende, äußerlich zerrissene und zerklüftete Ringen eines
ehrlichen Geistes um neuen deutschen Geist aus dem
Wüste einer fremdbleibenden Welt darzustellen. Wie
wußte er unser Interesse für die scheinbar gleichgültig-
sten Studien Lessings zu gewinnen. Ganz heimisch wurde
man in der Dramaturgie, im »Laokoon«, selbst in den
vergessenen Jugenddramen bis »Miß Sarah«. Auch die
Fabeln, die er aus den griechischen Quellen Lessings
herauswachsen ließ, um uns zu zeigen, was der Dichter
hinzugefügt habe, ebenso die Gedichte Lessings ließ er so
interessant vor uns entstehen, daß wir uns an dem Dichter,
als Künstler der Antithese freuen konnten. Natürlich
stellte er uns die Höhepunkte »Minna«, »Eniiiia«, »Nathan«
— als führende Geistesbilcler von dauerndem Werte, mit
verpflichtender Kraft für das eigene Leben hin.
Als noch niemand daran dachte, Schiller als Philo-
sophen einen hohen Rang anzuweisen, führte uns Kuru)
Fischer in die mächtige Gedankenwelt dieses gewaltigen
P«d. Mag. 317. Göring, Von Ktrno Fschers Geistosart. 2
— 18 —
Geistes ein. Kuno Fischer war der Vorläufer aller, die
io den letzton Jabren Schiller als deo Schöpfer eioer
germanisch reformatorischen Weltanschauung zu würdigen
wußten.
Noch schwieriger und um so eindringlicher war Kuno
Fiscliers Eunst, uns mit den Systemen der Philosophie
vertraut zu machen. Ihm waren sie nicht die >Romane
der großen Denker*, wie Sophie Oermain sie nennt,
sondern die große, ernste Arbeit der besten Menschen
und klarsten Köpfe höchster Eulturrasse an der Gestaltung
eines Bildes der Wahrheit Wir sahen, daß in jedem der
großen Denker ein Problem ansetzte, dessen bloße Fassung
schon die konzentrierte Kultur und die gesteigerte Denk-
kraft der Epoche bedeutete. Dos, was die eng bemessene
Kraft eines Lebens nicht vollenden konnte, setzte der
nächste große Denker fort, der an die von seinem Tor-
läufer gestellte Frage anknüpfte. Welch großartiges
Drängen und Schaffen der Idee sich da vor dem er-
staunten Blicke kundgab, das erlebte man als Zuhörer
als eine fortgesetzte Offenbarung des Gedankens. Man
wohnte dem unaufhaltsam fortschreitenden Werdeprozeß
der Welterkeontnis und Lebensauffassung bei. Kuno
Fisdiers Darstellung der historischen Systeme der Philo-
sophie war eine Biologie des Gedankens, das imponierendste
Kunstwerk der Naturwissenschaft In der Präzision der
einzelnen Vorträge und des ganzen Semesterkursus trat
das abgeschlossene Kunstwerk noch übersichtlicher hervor
als in seinem klassischen Werke: »Geschichte der neueren
Philosophie*.
Denn jeder Vortrag Kuito Fischeis war ein in sieb
abgeschlossenes Kunstwerk, welches weit zurücbgriff und
einen weiten Ausblick bot, Anfang und Ende inmitten
eines wundervollen Baues, den man wie Kristalle empor-
wachsen sab, der immer höher emporstrebte und sich zu
einem geräumigen, schönen Bau erweiterte, bis das ganze
Weik wie ein gotbischer Dom aus schöpferischer Phantasie
und wissenschaftlicher Schulung des Meisters fertig dastand.
— 19 —
Andacht gehörte zur Aufnahme dieses Kunstwerkes.
Kuno Fischer wußte sie zu geben. Er trat erst in den
Hörsaal, wenn alle Studenten versammelt waren. Elastisch,
in gemessenen Schritten, nie träumerisch, nie salopp, ging
er durch den freien Raum zwischen den Bänken. Er er-
schien stets in sorgfaltig gewähltem Anzüge, an dem
nicht die geringste Unordnung oder Nachlässigkeit ab-
lenkend auf die Aufmerksamkeit wirken konnte. Basch
betrat er das Katheder. Die große kräftige Gestalt wirkte
imponierend. Mit prüfendem Blicke übersah er seine
Zuhörer. Spätlinge bändigte er durch scharfes Fixieren
und zwang sie, rasch und geräuschlos den nächsten Platz
einzunehmen, um schnell ihre störende Erscheinung un-
sichtbar zu machen. Schon in seinen ersten Sätzen sprach
er individuell und intim zu seinen Zuhörern. Er faßte
einen Studenten ins Auge, der ihm selbst ins Auge sah
und den unmittelbar persönlichen Eindruck des lebendigen
Vortrags nicht durch Nachschreiben störte. An diesen
war die ganze Vorlesung gerichtet. In der ersten Viertel-
stunde rekapitulierte er nun den Hauptinhalt des letzten
Vortrages und der grundlegenden Gedanken der früheren
Vorträge. Darauf baute er das neue auf. Mochte es nun
das Lebensbild, die Charakterzeichnung oder das System
des Denkens sein, immer war es der Weg der genetischen
Entwicklung, den er dem Zuhörer zeigte. Soweit es die
Quellen gestatteten, zeigte er das Werden des Menschen
oder des Gedankens lückenlos. Dieses Anschauen des
unaufhörlichen Wachsens der Idee »machte den Zuhörer
zum Teilnehmer an dem Denkprozeß. Kmw Fischer gab
alle Prämissen, alle Vorbedingungen so folgerichtig, daß
man bald aus dem bloß aufnehmenden Zuhören zu tätigem
Mitdenken überging. Zwanglos wurde man gefragt, frei-
willig dachte man mit, freudig antwortete man auf die
von dem vortragenden Künstler gestellten Fragen. Man
legte mit Kuno Fischer auch die Irrwege des Philosophen
zurück. Man sah, wie leicht es war, in diesem Laby-
rinth einen Fehltritt zu tun, wenn die Vorbedingungen
2*
— 20 —
flügemeiner ForschuDg noch nicht so weit gediehen waren,
nm das System zum Abschluß kommen zu lassen. Die
Lücke im System konnte erst der Nachfolger ergänzen.
Aus einem Irrtum sah man ein ganzes System entstehen,
welches wieder ein ganzes Leben ausfüllte, bis einer der
nächsten Denker an dem richtigen Punkte in dem älteren
System anknüpfte und dieses richtig zum Abschluß bringen
konnte.
So wurden die Hylozoisten, die Eleaten, Plato, Plotin,
Descartes, Spinoza, Locke wirkliche Erlebnisse. Vor allem
wurde uns Kant ein tief wirkendes Ereignis der Menschheit
Man freute sich auf jede Stunde dieses schaffenden
Geistes Verkehrs mit Ktino Fischer. Man wußte, daß man
bereichert ging. Aber auch äußerlich wurde man har-
monisch Yon seinem Vortrag berührt. Die wohlklingende
Stimme war jeder Modulation fähig — von der schnei-
denden Schärfe logischer Yerstandeskälte bis zum ge-
winnenden Tone gemütvoller Wärme. Ernst, Witz, Humor,
begeisternde Lebendigkeit, mahnende Strenge — alles
wußte seine Stimme, das Erbe mancher Generationen im
Geistesberufe, zu veranschaulichen. Wer Kuno Fischer
jahrelang gehört hat, kann seine Stimme in ihrer Viel-
seitigkeit neu beleben, wenn er seine Werke liest
Auch die rassenechte Germanenerscheinung wirkte an-
genehm. Der stark dolichozephale Kopf mit blonden
Haaren und dem blonden kräftigen Schnurrbart, den er
leider dem Bildhauer zu Gefallen in Heidelberg dauernd
beseitigen ließ, ebenso die stets rosige Frische des hell-
häutigen Gesichtes, die mächtig ausgedehnte, hochgewölbte
Stirn und die großen, echt blauen, ausdrucksvollen Augen
ließen ihn als Aristokraten aus altem rein erhaltenem
Geschlecht erscheinen. Die an der Wurzel eingesenkte
Nase mit der durchspaltenen Spitze, von der ein kleiner
Teil des linken Flügels durch das Rapier abgeschlagen
war, gab dem Gesichte das Gepräge einer Kraft, die zwar
nicht die Schönheit der Linie an dieser Stelle suchte, aber
geistige Energie anstrebte.
— 21 —
Bezeichneod waren in seinen Vorträgen die knapp
gemeeaenen Bewegungen, die er mit der rechten Hand
machte: aristokratisch taktvoll zurückhaltende, nie auf*
dringliche Bewegungen. Nach 38 Jahren sieht man da&
alles noch, als käme man gestern aus seinem Eolleg: er
dejvonstrierte nicht wie Schulmeister mit dem empor-
gehaltenen oder vorgestreckten Zeigefing^, sondern er
legte leise die Spitzen des Daumens und dritten Fingers
aufeinander und bewegte das Handgelenk, selten den
gABzen Unterarm, deutend, auf und ab. Oder er nahm
einen kleinen Schlüssel in die rechte Hand und ließ ihn
diurch die Finger gleiten. Das war alles.
Wenn man damit die übertriebenen Theaterposen und
exzentrischen Schauspielerbewegungen gedankenarmer und
religiunsleerer Pfarrer in Stadt und Land vergleicht, die
ihre memorierten Sprüchlein herleiern, so wirkte Kuno
lisehers fein abgewogenes Maß erziehend auf künftige
Prediger. Aber wenn man sich die grotesken, an Irrsinns-
Ibnnen grenzenden Bewegungen eines Berliner Philosophie-
professors der siebziger Jahre vergegenwärtigt, der jeden
noch dazu abgelesenen Satz durch sechs oder sieben
lange Pausen auseinanderriß, nach jedem »und« und »ist«
Grimassen schnitt, die Hand wie ein Beil abplattete,
8 — 9 mal damit in lachenerregender Schnelligkeit die Luft
durchhieb und dazu den Rest des Satzes mit allen Neben-
sätzen in jagender Hast monoton herunterschnurrte, um
dann längere Zeit den Mund aufzusperren, bis er — im
vergilbten Manuskript den Faden wiedergefunden und
sich die vier nächsten Worte eingeprägt hatte, so standen
sich hier Karikatur und würdevolles Vorbild schroff
gegenüber.
Können wir bei Kuno Fischers Handbewegungen den
guten Einfluß Erdmanns wahrnehmen, so dürfen wir bei
seiner Art, einen aufmerksamen Studenten ins Auge z«
fassen und gewissermaßen zu diesem ganz individuell zu
sprechen, an Kant denken. Dieser fixierte auch etwas an
seinen Zuhörern, aber nicht das Auge, sondern den Knopf
— 22 —
an dessen Rock; ja er yerlor den ZusammenhaDg des
Denkens, als jener Knopf abgerissen war. So anekdoten-
haft dies klingen mag, so ist doch bei einem so elementar
abgeschlossenen Denker wie Eant dieser Vorgang nach
dem vielgestaltigen Wirken der Ideenassoziation voll-
kommen natürlich. Freilich muß hervorgehoben werden,
daß Kant Gedanken und Wort im Moment schuf, also
improvisierte, während Kmio Fischer stets auf das sorg-
faltigste vorbereitet war. Mindestens einen Tag brauchte
er zur Vorbereitung, die so vielseitig war, daß sie nicht
nur das strengste Gedankengefüge fertig hinstellte, sondern
auch in der Hauptsache den Wortlaut festlegte. Mit
eisernem Fleiße brachte er seine angeborenen Anlagen
zu höchster Vollendung. Er wollte nicht nur Wissen
vermitteln, sondern auch philosophische Gesinnung bilden.
Mit diesem bewußten Wollen wirkte er suggerierend
auf die Studentenschaft und besonders auf die, denen sein
Scharfblick ein tieferes Interesse ansah.
Kuno Fischer stellte Ideale der Menschheit in den
Gedanken der großen Philosophen hin. Dadurch wurde
er ein erfolgreicher Erzieher der akademischen
Jugend, wie durch seine Werke der Erzieher der ge-
bildeten oder nach Bildung strebenden Welt. Er war
durch seine Klarheit, seine Ordnung, seine Pünktlichkeit,
seine Gewissenhaftigkeit in der Ausübung seines Berufes
der beste Pädagoge, der Künstler auf dem Gebiete, welches
er als Pädagogik verachtete, wie auch der schaffende
Künstler die Ästhetik verwirft, wenn sie ihre Gesetze
nicht vom schaffenden Künstler lernt, sondern als kon-
struktive Pedanterie ihre Regeln gibt und dadurch die
produktive Kunst einschnürt.
Indem Kuno Fischer Ideale zeigte, wirkte er an den
ewigen Aufgaben der Menschheit Er schaute sie in
ihrer Reinheit und übte die höchste Treue, sie dem Ver-
ständnis der akademischen Jugend und der Kulturwelt
zugänglich zu machen. Auch sein Leben war treu diesen
wachsenden Idealen.
— 23 —
Aber es war ein einseitig gesteigertes Leben, in dem
6r vielen Problemen der Erfahrung gegenüber eine kind-
liche Weltfremdheit behielt Eines Menschen Kraft reicht
nicht aus, den Anforderungen des vielgestaltigen Lebens
gerecht zu werden.
Dazu ist wohl auch die Tatsache zu rechnen, daß er
sich seit vielen Jahren von vielen seiner Kollegen zurück-
zog and von seinen intimsten Freunden von öffentlichen
Kämpfen mit ihnen zurückgehalten werden mußte. Er
übertrug seine Innenwelt in die Außenwelt und stieß bis-
weilen heftig mit ihr an. Er fühlte dann oft die bitter-
schmerzende Reaktion der Außenwelt.
Seit 1880 drückte ihn die Last der Prüfungen und
die Verpflichtung, Psychologie zu lesen, um beides mit
einer Professur mir zu übertragen, verhandelte er seit
1881 mit mir. Damals verkehrte ich zum erstenmal per-
sönlich mit ihm. Ich hatte nicht geahnt, welches Über*
maßes von Liebenswürdigkeit und geradezu väterlich
liebevoller Fürsorge er fähig war, mit der er mich als seinen
Gast wochenlang in seinem Hause behandelte. Die genial
kindliche Offenheit, mit der er seine Herzenswünsche aus-
sprach, hatte etwas geradezu Rührendes und gewann ihm
meine liebe. Über die Lehrtätigkeit in Heidelberg konnten
wir uns nicht einigen, da ich auf Pädagogik, mein Haupt-
gebiet, nicht verzichten wollte, welches er zeitlebens ver-
abscheut hat. Doch hat er meinen Schulbestrebungen
seit 1886 eine glänzende Prognose gestellt, weil er ihre
»gesund realistische Grundlage mit der Richtung auf den
Idealismus € anerkannte.
Mit Kuno Fischer ist mir ein teures Stück Leben
dahingesunken, wie wohl Hunderten anderer, die in ihm
ihre Jugend lebendig sahen.
Ich hoffe in größerem Umfange sein Wirken dar-
stellen zu können und auch nach seinem Tode ihm
Freunde zu gewinnen, die sich an seinen Geistes-
bildem der Menschheit erheben. Er hat Bleibendes ge-
schaffen, weil er die Philosophie als führende Macht er-
— 84 —
kannt und zeitlebens das Banner des Idealismus hoch-
gehalten hat.
Das Große, was er der Nachwelt hinterlassen hat, ist
die Yorbildlich in seiner »Geschichte der Philosophie«
niedergelegte Geistesarbeit Die Jubiläumsausgabe dieses
Lebenswerkes Ton Kuno Fischer erschien vor einigen
Jahren, wie seit 30 Jahren fast alle seine Bücher, in der
üniversitätsbuchhandlung von Carl Winter in Heidelberg
in 12 Bänden. Das beste hat ausnahmsweise Erfolg ge-
habt Vier Auflagen eines Werkes, dessen Preis über
100 M beträgt, sind ja in Deutschland innerhalb des
Gebietes der historischen Philosophie beispiellos. Auch
Äuno Fischers Werke über Shakespeare, Schiller und
Goethe, unter denen die Monographie über »Faust« ein
ausgereiftes Kunstwerk der Literaturgeschichte ist, haben
ihren Weg durch Deutschland gefunden.
Die Beleuchtung des Wertes dieser auch bei Carl
Winter in Heidelberg erschienenen Werke ist der Gegen-
stand eines späteren Berichtes.
Das Charakterbild Kuno Fischers, welches vielfach ab-
weichend dargestellt wird, kann nicht schwanken, wenn
man nur den Gesichtspunkt festhält, daß nicht nur seine
intellektuelle Kraft, sondern auch sein ganzes Wollen in
der Berufsarbeit für die Philosophie aufging und daß er
den übrigen Aufgaben des Lebens oft wie ein Kind
gegenüberstand. Was man in Terkennung des ganzen
Menschen »Laune« und »Herrschsucht« an ihm nannte,
war teils ein schmerzlicher Gegensatz seines zu stark ab-
geschlossenen Innenlebens zu der ihm fremden Außenwelt.
Anekdoten und Klatsch, wie sie sich um seine Person
gebildet haben, verkennen durchweg seine Weltfremdheit.
Was einen im Leben stehenden Menschen kaum berührt,
das verletzte ihn als Angriff auf seine wissenschaftliche
Autorität und Ehre. Wenn jetzt nach seinem Tode, der
ein reiches Geistesleben abgeschlossen hat, die »Berliner
Illustrierte Zeitungc nichts weiter von dem alle aka-
demischen Zaunkönige überragenden Mann aufzutischen
— 26 —
yennag als 3 — 4 dumme Studenten witze, die so sichtbar
aos dem Schulbubentrieb der Renommisterei und des Zum-
bestenhaltens hervorgegangen sind, ja noch eine bio-
graphische Albernheit enthalten, so beweist dies nur die
ännlichste Unwissenheit des anonymen Textschreibers
über Kuno Fischer. Dieser Denker nahm alles, was seine
Lebensarbeit betraf, sehr ernst und ging selbst an den
winzigsten Nichtskönnern nicht gleichgültig vorbei, wenn
sie ein oberflächlich schiefes Urteil über ihn aussprachen,
wozu sie jeder Befugnis entbehrten. Er erlebte es tag-
lieb, wie
Leicht beieinaDder wohnen die Qedaokeo,
Doch hart im Raame stoßen sich die Sachen.
Kuno Fischers TiQrM{%ixQxxQ und Pflichterfüllung
kennzeichnen mehr als einige kleine Phantasieentgleisungen
seinen Charakter. Man halte den Orundzug seines Wesens
fest, wenn man ein Endurteil über ihn haben will.
Hab ich des Menschen Kern erst nntersncht,
8o weiß ich aach sein Wollen und sein Handeln.
Hit Treue hat er deutschen Idealismus ge-
pflegt
nraek TOD HffPMAo Bey« 4t Söhne (B«y«r 4t Mmui) in LangooMü».
Vertag von Hemunn Beyer fr Söhne (Beyer ft Mann) in
Pädagogisches Magazin.
itiluilliiuiia Ton Beuete der Fidunelk M Um flllliftuatcbfleL
Friedrich Mann.
Haft
1. Eereritetn, Dr. H.,Betrftchtimgen aber Lehrerbildung. 2. Aufl. 75 PL
2. Haeunel, Dr. B., Übar pädsgogiai^he DiekusBionen and die BedingongM,
noter deoea sie nützen können. 2. Aufl. 45 Pf.
3. Wohlrabe, Dr. W., Fr. MykonioB, der Eefonnator Tharingons. 25 H.
4. TewB, Job., Hodeme Mädcbenerziehnng. Ein Vortrag. 2. Aafl. 30 Pf.
5. Ufer, Cbrietian, Das Wesen des SchiracbBinnB. 2. Aufl. 25 Ff.
6. Wohlrabe, Or. W., Otto Frick. GedäcbtniBrede, geb»lten im Hatlft-
Bcben Lehrer- Vereine. 40 Pf.
7. Holtsch, H., ComeniaB, der Apostel des Friedens. 30 Pf.
8. Sallvürk, Dt. £. von, Bsumgarten gegen Diestenr^. 2S Pf.
9. Tevs, Job., SozialdemokratiHche Pädagogik. 3. Aufl. 50 Ff.
10. FlQgel, O., Über die Phantasie. Ein Tortrag. 2. AaS. 30 PL
11. Janke, 0., Die Beleur.btnng der Schulzimmer. 25 Pf.
12. Schullerns, Dr. Adolf, Die Deutsche Mythologie in der Eniehang^
■ehale. 20 Pt.
13. Keferstein, Dr. Horst, Eine Herderstndie mit besonderer Bedehong
auf Herder als P&dagw. 40 PF.
14. Wittstock, Dr. Alb., Die Überriillung der gelehrten BemfHzweige. 50 Pf.
15. Hanziker, Prof. 0., Comeniua und Pestalozzi. Festrede. 2.Anfl. 40 Pt
16. SallwOrk, Dr. E. von, Das Becht der VolkBecbaUofBicht Nach im
Verhandtuigen der wßrttenibei^. Kanuner im Mai 1891. 25 Pf.
17. Boasbach, Dr. F., Historische Eicbtigkeit and Volkstfimliclikeit in
Gescbichtsonterrichte. 40 Pf.
16. Wohlrabe, Bektor Dr., Lebrplan der HBchsstufigen VolksBchole n
Halle a. S. für den Unterricht u Geechiobte, Geographie, Natnrlehni
Raumlehre, Deutsch, 40 Pf.
19. Bother, H., Die Bedentang das Uabewobtea im menachl. SealaB*
leben. 2. Ana 30 PL
ÜO. Gehmlich, Dr. Einst, Beiträge txa Geschichte des ÜntArrichta nad
der Zucht in den atSdtiachen LateiaBchnlen des 16. Jalirbundertt. 50 FL
21. Hollkamm, F., Erziehender üot«rriaht nnd MMsennntenioht 60 PL
22. Janke, Otto, ESrperhaltung und Schrift richtong. 40 Pf.
23. Lange, Dr. Karl, Die cweckmfJaige Gestaltung der SSentliohon Bchnl-
OTQfoiigen. 30 Pf.
24. Gleiehmann, ProL A., Über den blob darstellenden Cntarridit Hct>
barts. 2. Auflage. 60 Pf.
26. Lomberg, A., GroCse oder kleine Scbulajsteme ? 45 Pt.
26. Bergemann, Dr. P., Wie wird die Heimatskunde ihrer aoa.-ethiachcn
Aufgabe gerecht? 2. Ana. 80 Pf.
27. Eirchberg, Th., Die E^mologie und ihre Bedeutung ftli Schule and
Lehrer. 40 Pf.
28. Honke, Jnlius, Zur PSeg« volkstOml. Bildone and Gesittung. 50 PL
29. Bsakanf, Dr. A., Abnorme Kinder and ihre Pflege. 2. Aofl. 36 Pt
YoncblJUe zur Refonn
der
Allgemeinen Bestlmmnngen
vom 15. Oktoki 1872.
Voa
W. Vogelsang,
RoktcMT in Barmen.
^' ^^ ,^*^- f #-.'-*•.■**--■#■•- .^ -■-<'■' •^^ ••
Pftdagogiflohes Xagasin, Heft 818.
* ^^^% "•^^-'N^'*^* .y"' 'Nyv^ * *v^* «^ .'*». ••,•., .".''
*
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
HflCBOgl. Sftcha. Hofbachhlndl«
1907
Vorwort.
Nachfolgende Arbeit war schon geschrieben, bevor der
liberal-freikonservatire Antrag eingebracht wurde,
»in eine allgemeine Prüfung der Frage einzutreten, in-
wieweit der Yolksschulunterricht den Anforderungen des
Lebens genügt, auf welche Gründe die etwa festzustellen-
den Mängel zurückzuführen sind und welche Haßregeln
zur Beseitigung dieser Mängel erforderlich erscheinen,
und die Ergebnisse dieser Prüfung dem Abgeordneten-
hause in einer Denkschrift mitzuteilen.« — Wie der Ab-
geordnete Schiffer bei der Begründung dieses Antrages
bemerkte und auch der Abgeordnete Freiherr vmi Zedlitx
betont hat, wird die Erörterung dieser wichtigen An-
gelegenheit »in das Innere der Schule« eingreifen, man
wird »den Lehrplan und die Lehrmittel genau prtLfen
müssen«. Für diese Prüfung, der man, wie es scheint,
im Kultusministerium bereits näher getreten ist, — die
Informationsreise des Provinzial-Schulrats UUma7in deutet
darauf hin — bieten sich folgende Vorschläge als Material
zur Erwägung an.
Jmw "iV
VoD aufrichtiger Dankbarbeit getrieben, hat die preu-
ßische Lehrerschaft dem Erneuerer der preußischen Volks-
schule, ihrem unvergeßlichen Kultusminister Dr. Falk in
Hamm ein Denkmal gesetzt. Die »Allgemeinen Bestim-
mungen«, die er am 15. Oktober 1872 erließ, sind ohne
Zweifel ein wichtiger Merkstein in der Geschichte der
preußischen Volksschule; denn sie bedeuten einen ge-
waltigen Fortschritt in ihrer Entwicklung. Sie führten
außer dem Zeichnen die Realien als selbständige Fächer
in den Lehrplan ein, und machten ihn so qualitativ
vollständig. Sie hoben das Präparanden- und Seminar-
wesen und verschafften unserer allgemeinen, wie auch
unserer beruflichen Bildung ein breiteres und besseres
Fundament. Sie führten die Mittelschul- und die Rektor-
Prülung ein und regten dadurch die Lehrerschaft zu
eifrigen Fach- und beruflichen Studien an. Sie verrieten
damit eine hohe Auffassung vom Lehrer- und Erzieher-
beruf und machten einen Anfang mit der Einführung
der Fachaufsicht.
Inzwischen ist 'mehr als ein Menschenalter vergangen.
In dieser Zeit hat man die »AUgem. Best.« in der Praxis
erproben und ihre theoretischen Grundlagen prüfen können.
Die Resultate dieser Prüfung dürfen beanspruchen, bei
einer Reform der »Allgem. Best.«, bezw. beim Erlaß einer
neuen Lehrordnung, die über kurz oder lang zu erwarten
Pftd. Mag. 318. Yogolsang, YorschlKgo z. Bef. d. AUg. Best 1
— 2 —
ist, berücksichtigt zu werden. Was das Präparanden- und
Seminarwesen betrifft, so haben ja die FalkschQu Be-
stimmungen bereits anderen, dem Bedürfnis unserer Zeit
mehr entsprechenden Vorschriften weichen müssen. Auch
andere Gebiete des Yolksschulwesens, z. B. die Lehrer-
besoldung, die Schulunterhaltungspflicht u. a. sind durch
besondere Gesetze neu geordnet worden. Nur betreffs der
auf den Unterricht sich beziehenden Vorschriften ist, vom
Zeichenunterricht abgesehen, im wesentlichen alles beim
alten geblieben. liegt das etwa daran, daß für die Schule
in dieser Beziehung nichts mehr zu wünschen ist? Das
wird niemand behaupten. In der pädagogischen Fach-
presse sind vielmehr seit langem und oft Verbesserungs-
vorschläge allerlei Art laut geworden.
Im folgenden sollen ebenfalls einige Wünsche zur
Sprache gebracht werden, die vielleicht bei einer Beform
der »Allgem. Best« Berücksichtigung finden könnten.
Der Hauptsache nach sind sie schon vor Jahrzehnten von
Dörpfeld^ der bekanntlich an der Konferenz teilnahm, die
der Ausarbeitung der Lehrordnung von 1872 vorausging
und der sie deshalb durch und durch kannte, in seinen
»Grundlinien«, im »Didaktischen Materialismus«, und den
»Zwei dringlichen Beformen« erörtert worden, allerdings
so, daß man erst bei schärferem Zusehen erkennen konnte,
daß der Verfasser indirekt eine Beform, bezw. Fortbildung
der »Allgem. Best.« im Auge hatte. Diese mit Absicht
gewählte vorsichtige^) Form der Kritik sowohl, wie seine
offene 2) in den »Zwei dringlichen Beformen« sich findende
kritische Besprechung der »Allgem. Best.« hat aber bis-
her nicht das wünschenswerte Echo gefunden.
^) »Eioe direkte Kritik der ,Allgem. Best^, unter Aufdeckung
aller spesiellen Mängel, hätte von andern Händen leicht zu Zwecken
benutzt werden können, denen ich gerade entgegenarbeiten wollte.«
(Dörpfdd, Ges. Sehr. V, S. 89.)
') »Den ,AÜgem. Best.^ fehlt die Erkenntnis, daß die Lehrfächer
ein organisches Oeglieder bilden müssen, kurz, die Theorie des Lehr-
plans, und zwar so sehr, daß von ihren Hauptgrandsätzen auch
nicht ein einziger dort zu finden ist.« {Dörpfeld^ Oes. Sehr. V, 8.46.)
— 3 —
Dörpfeld beklagt sich geradezu darüber, daß die ein-
same Stimme eines einfachen Schulblattschreibers bei den
Unterrichtsgesetzgebem keine ernstliche Beachtung ge-
funden habe und daß seine im Laufe der 70 er Jahre er-
schienenen Schriften, obwohl sie gerade zum Schutze der
durch die »Allgem. Beste gewonnenen Fortschritte ge-
schrieben waren, nichts anderes als die »Stimme eines
Predigers in der Wüste« gewesen seien. (Ges. Sehr. V,
&91.)
Woher stammen und wo stecken denn nach Dörpfelds
Meinung die Mängel und Lücken der »AUgem. Best«?
Sie sind im Grunde genommen ein »Erbteil aus alter
Zeit, das unbesehens aus den Regulativen in die neue
Lehrordnung herübergenommen wurde« und werden auf-
gedeckt, wenn die »Allgem. Best« vom Standpunkt der
Theorie des Lehrplans beleuchtet werden, deren tiefere
Er&ssung »die Schulbehörden bisher konsequent ignoriert
und vom offiziellen Scbulboden ferngehalten haben«.
Die Theorie des Lehrplans hat bekanntlich
L die Auswahl,
n. die Verteilung oder Anordnung und
ni. die Verknüpfung der Stoffe
ins Auge zu fassen.
L Was zunächst die Auswahl des Stoffes betrifft, so
ist die erfreuliche und bedeutsame Tatsache anzuerkennen,
daß der Lehrplan der »Allgem. Best« qualitativ voll-
ständig ist, d. h. daß sämtliche für die allgemeine Bildung
wesentlichen Sto&e vertreten sind. Nur in der Kunde
vom Menschenleben, und zwar im Geschichtsunterricht,
ist eine kleine Lücke. Hier fehlt der Stoff, den schon
Comeniiis^) in der 9. These seines Lehrplans für Volks-
schulen im 29. Kapitel seiner »Didactica magnat fordert
und den wir heute »Volkswirtschaftslehre und Gesetzes-
kunde« nennen. Seitdem Dörpfeld eingehend nachgewiesen,
^) Vgl. meinen Aufsatz in der »Päd. Ztg.« vom 6. August 1903
>Wie ist der Lehrplan des (Jornentua zu beurteilen?«
daß dieser für die soziale Seite der Schulaufgabe wichtige
Stoff, von ihm >GeseUschaftskuDde< genanDt, zur Er-
gänzimg des GeschichtsuntemchtB unbedingt notwendig
sei, hat man seiner Forderung allgemein zngestimmt, auch
auf Orund Beines »Repetitoriums zur Geselischaftekunde«
oder anderer Hilfebücher von C. Biche, MUtenxioey n. a.
bereits praktische Tersuche nach dieser Bichtang bin ge-
macht Somit bann die Unterrichtsrerwaltnng sicher sein,
einem dorchaua berechtigten und wobl ausführbar«!
Wunsch entgegenzukommen, wenn sie den Lehrplan der
Yolkaschnle durch Aufnahme der Gesellschaftskunde vei^
ToUständigt Sie handelt damit zugleich im wohlver^
standenen Interesse der Staatsverwaltung, der etwas
daran gelegen sein muß, daß der znr Teilnahme am
gesellscbafDioben und staatlichen Leben bestimmte Nach-
wuchs Interesse und Yerständnis dafür bekommt
Natürlich hat die Volksschale nur die Elemente') der
OeseUschaftskunde zu lehren; weitergehende Belehrungen
müssen der Fortbildangaschole überlassen bleiben.
So gerechtfertigt es nun auch ist, den Lebrplan zu
vervollständigen, sobald der Nachweis erbracht wird, daß
dieser oder jener bisher fehlende Stoff für alle Kinder
praktische Wichtigkeit und zugleich einen spezifischen
Bildungswert hat, ho entschieden ist es abzulehnen, mit
einer ganzen Reihe anderer Stoffe, — nach einer Zu-
sammenstellung der >Päd. Ztg.* mögen es 60 sein —
deren Aufiiabme von diesem oder jenem Beru^ oder
Interessentenkreise gefordert wird, den Lehrplan zu Über-
laden. Wohl hat die Volksschule die Pflicht, die Ört-
lichen Verhältnisse einer Gegend, ihre Gäa, Flor« und
Fauna usw., soweit es eben möglich ist, uowie die Eigen-
art des wirtscha^chen und religiösen Lebens der be-
treffenden Gemeinde an passenden Stellen zu berück-
') iDörpfeld bat in Beiaem Bepetitoriam einen AbBchnitt über
doD socialen OrgatiiamnB der Arbeit, der m. E. Torsiiglich gelungea
ist. Er bietet du E^emeatarate , aber freiliob aaob dringend Not-
weodige.« Sobalrat Kanmgießer-'SMaaiA.
- 5 —
sichtigen y nämlich darum, weil es vorteilhaft ist, an die
im Kinde lebenden und ihm aus seinem Lebenskreise
immer neu erwachsenden Vorstellungen und Interessen
anzuknüpfen und sie zu pflegen. Aber das ist Sache des
speziellen Lehrplans, den jede Schule für sich aufstellt,
oder den die Schulen einer Stadt oder eines Bezirks für
sich entwerfen. Nur dürfen aus diesen Stoffen nicht be-
sondere ünterrichtsgegenstände gemacht werden. Denn
es kann nicht genug betont werden^ daß die Volksschule
kein Mädchen für alles ist. Sie kann nicht den ver-
schiedensten Berufskreisen, deren Wünsche nicht selten
einander widersprechen, zugleich dienen und Aufgaben
lösen, die den landwirtschaftlichen u. a. Fachschulen oder
der Fortbildungsschule zuzuweisen sind. Die Volksschule
ist vielmehr eine allgemeine Bildungsanstalt, die nur
solche Stoffe aus den 3 Gebieten des menschlichen Wissens
— Natur, Mensch und Gott — aufnehmen kann, die
jedem, wes Standes und Berufes er auch sei, zu wissen
und zu können unentbehrlich sind. Da dieser Gesichts-
punkt vielfach außer acht gelassen und verkannt wird,
so dürfte es sich empfehlen (um die Volksschule vor un-
verständigen Zumutungen zu schützen), an die Spitze
eines neuen Unterrichtsregulativs den Satz zu stellen:
»Die Volksschule ist eine allgemeine Bildungsanstalt,
die auf dem Boden und in den Grenzen der Muttersprache
die allen Volksschichten nötige (allgemeine) Bildung ver-
mitteln soll.f
Dieser Satz würde auch dem Streit um die Aufnahme
des Handfertigkeitsunterrichts für Knaben ein Ende machen.
Der Vater der »Allgem. Best.«, Geh. Rat Dr. Schneider, hat
vollkommen recht, wenn er sagt: »Ich erkenne gern den
Nutzen an, den ein ernst betriebener Handfertigkeits-
unterricht in Knabenintematen haben kann; ich gestehe
auch gern zu, daß er für die Muße der Kinder, nament-
lich da, wo ihnen die Gelegenheit zu Bewegung in frischer
Luft nur spärlich geboten ist, wohltätig sein mag. Ich
möchte aber doch die Volksschule mit der Einführung
— 6 —
des Handfertigkeitsunterrichts als eines obligatorischen
Lebrgegenstandes verschont sehen.c Ebenso würde der
obige Satz verbieten, Haushaltungs- uod Eochunterricht
schon für noch nicht 14jährige Mädchen einzurichten.
Dieser Unterricht gehört in die Fortbildungsschule für
Mädchen. Für den Handfertigkeitsunterricht dürfte es
genügen, an einem schulfreien Nachmittage, eveni für
mehrere Schulen einer Stadt gemeinsam, einen Kursus
einzurichten, an dem die Knaben sich auf Wunsch ihrer
Eltern beteiligen können.
Bei der Auswahl kommt aber nicht nur die Qualität,
sondern auch — und fast noch mehr — die Quantität
in Betracht Wohl noch nie hat man darüber klagen
hören, daß Lehrpläne und Lehrbücher zu wenig Stoff
böten, das Gegenteil trifft vielmehr zu; und zwar gerade
seit dem Erlaß der »Allgem. Best« in besonderem Maße.
Sie sind zwar unschuldig an der Verbreitung der irrigen
und ungemein schädlichen Ansicht, daß der eingelernte
Stoff ohne weiteres auch geistige Kraft bedeute und daß
die Menge des durchgenommenen Stoffes der Maßstab der
intellektuellen und sittlichen Bildung sei. Ihr Verfasser,
in pädagogischen Fragen wohl bewandert und erfahren,
hat auch die schädlichen Wirkungen der Stoffüberbürdung
und des Einpaukens sehr gut gekannt, betont er doch
beim Religionsunterricht: »Geistloses Einlernen ist zu
vermeiden«, und bei der Geographie : »Das Maß des dar-
zubietenden Stoffes wird durch die Art der Schule be-
dingt«; es ist indeß bei Aufstellung des Lehrplans vor-
zuziehen, nötigenfalls den Umfang des Lehrstoffes zu be-
schränken, statt auf dessen Veranschaulichung zu ver-
zichten und den Unterricht in Mitteilung bloßer Nomen-
klatur ausarten zu lassen.«
Trotzdem wird aber in allen Schulen bis zum heutigen
Tage im allgemeinen viel zu wenig bedacht, daß die
formale Durcharbeitung der Lehrstoffe eingeengt und ver-
kürzt, also das Lernen oberflächlich und unsicher wird
und somit alle anderen didaktischen Maßnahmen mehr
— 7 —
oder weniger um ihre Frucht betrogen werden, wenn
man dem didaktischen Materialismus huldigt Denn die
Mast mit überliefertem Buchwissen gibt keine Bildung,
nicht einmal Geistes-, geschweige Charakterbildung. »Das
kleinste Stück in spontaner Arbeit erworbener Einsicht,
68 mag sein, auf welchem Gebiet es will, bedeutet für
die Bildung des inneren Menschen, für die Entwicklung
der geistigen Kräfte mehr, als eine ganze Last positiven
Wissens, das einem widerwillig durch alle Wissenschaften
Gehetzten aufgeladen wird.« (F. Paulsen.)
Darum müßten die :»Allgem. Best.« der Zukunft noch
schärfer gegen diesen schlimmen Feind des Lehrens und
Lernens, besonders im Beligionsunterricht, auftreten und
darauf hinweisen bezw. unnachsichtlich verlangen, daß
nur soviel Stoff in den Lehrplan aufzunehmen ist, als
Bchulgerecht durchgearbeitet werden kann, und daß auch
von der geistigen Ernährung das Wort gilt: Der Mensch
lebt nicht von dem, was er ißt, sondern von dem, was
er verdaut. Freilich müßten zugleich die Schulbehörden
unerbittlich allen Lehrbüchern und Lehrplänen die Ge-
nehmigung versagen, die, wie z. B. der Berliner, sich
nicht auf ein bescheidenes Stoffmaß beschränken, und
bei Revisionen dürfte nicht vorzugsweise nach dem Maß
der im Gedächtnis aufgespeicherten Kenntnisse^) gefragt
und geurteilt werden. Wenn die Schule es als ihre Haupt-
aufgabe ansieht, den Lerntrieb der Schüler zu wecken,
d. h. sie zum selbständigen Weiterlernen anzuregen und
zu befähigen, wenn sie stets auf die denkende Verarbeitung
der Unterrichtsstoffe Wert legt, imd das rechtzeitige Ein-
prägen*) und Wiederholen nicht versäumt, so wird es
auch an den nötigen Kenntnissen nicht fehlen.
^) »Die Schule hat das Hauptgewicht nicht auf die AoeigouDg
des Lehrstoffes, sondern auf die Bildung des Charakters und die
Bedürfnisse des praktischen Lebens zu legen.« Wilhelm II.
*) »Wenn die Repetition nötig wird, kommt sie meistens sohon
SU spät.« Mager.
— 8 —
Was nun
II. die Verteilnng und Anordnung des Stoffes
betrifft, so decken sich meine Wünsche betreffe des Reli-
gionsunterrichts im großen und ganzen mit den Vor-
schlägen, die Rektor Leite im »Ev. SchulbLc 1903, S. 193
u. ff. ausführlich begründet hat. Er wünscht (in Über-
einstimmung mit Redeker-PiitXf Thrändorf, Meltxer und
Retikauf u. a.):
1. daß dem eigentlichen Religionsunterricht ein vor-
bereitender Kursus Yoraufgehe, worin ^Te^sche Fabeln,
auch Märchen u. a. wertvolle, der kindlichen Fassungs-
kraft angemessene Stoffe — etwa V2 J^r hindurch —
besprochen werden;
2. daß StoSe aus beiden Testamenten bis zur Ober-
stute in jedem Schuljahr behandelt werden, jedoch so,
daß unter Preisgabe der konzentrischen Kreise auf der
Unter- und der Mittelstufe das Alte, auf der Oberstufe
dagegen das Neue Testament bevorzugt werde;
3. daß der eigentliche Katechismusunterricht ausschließ-
lich von der Kirche erteilt werde.
Wie im Religions-, so sollte man auch im Geschichts-
unterricht mit dem streng durchgeführten Prinzip der
konzentrischen Kreise brechen und den Stoff so verteilen,
daß er im 5. und 6., sowie im 7. und 8. Schuljahr je
einmal durchlaufen wird. Dem 4. Schuljahr wäre der
vorbereitende Geschichtsunterricht (Sagen und Geschichten
der Heimat) zu überweisen.
Endlich sollte man nach dem Vorbilde von München
die neu eintretenden Schüler nicht gleich von vom herein
mit Lautieren, Lesen und Schreiben behelligen , sondern
bis zu den großen Ferien oder auch V2 ^^^^ '^^S ^^^^
damit begnügen, den Yorstellungskreis der Kleinen zu
klären, zu berichtigen und zu erweitern, ihre Sprachkraft
durch Betrachtung und Besprechung geeigneter Gegen-
stände und Bilder, sowie durch Erzählen und Wieder-
erzählen von Märchen, Kinderreimen, Liedern usw. zu
— 9 -
fördern, mit don Kleinen zu spielen und Ausgänge in die
nfiohste Umgebung zu machen, sie malen zu lassen usw.^)
So würde sich der Übergang von der Freiheit des Hauses
zur Gebundenheit der Schule leichter und ohne Schaden
für die Eindesnatur vollziehen ; zudem würde es auf diese
Weise eher möglich zu machen sein, daß der Sprach-
unterricht seine Stoffe ganz dem Sachunterricht (im
Dörpfeldschen Sinne) entnähme, wie eine psychologisch
richtige Didaktik es fordert. (Daß der Sprachunterricht
in den drei ersten Schuljahren seine Ergänzung durch
einen gesonderten Anschauungsunterricht findet, wie der
Berliner Lehrplan sagt, ist m. E. falsch.) Aller Voraus-
sicht nach, — und die Erfahrung bestätigt dies — , werden
die Kinder im 2. Halbjahr um so leichter und rascher
lesen lernen.
, Was endlich die Hauptsache,
ni. die Verknüpfung der Lehrstoffe betrifft, so
wird allgemein anerkannt und von der Herbartschen
Schule besonders betont, daß, abgesehen von dem schätzens-
werten Schutz gegen das Stoffüberraaß, den die Verein-
heitlichung 2) der Stoffe im Gefolge hat, eine gegenseitige
planmäßige Unterstützung der Unterrichtsstoffe nicht nur'
wegen der besseren Behaltbarkeit, sondern vor allem zur
Erzielung eines einheitlichen Gedankenkreises und de»
darauf beruhenden einheitlichen Wollens, also der Cha-
rakterbildung, notwendig sei. »Ist der ethische Zweck
des Unterrichts die Erzielung einer durchgebildeten Ge*
sinnung und eines Charakters aus einem Gusse, dann
heißt die erste und notwendigste Bedingung: planmäßige
und vielseitige Verknüpfung der Lehrstoffe.« (Dörpfeld,)
^) Wie sich daoD der IJDterricht im 1. Schuljahr gestalten
könnte, ersieht man ans dem trefflichen Buche von Max Troll: Das
erste Schuljahr. Theorie und Praxis der Elementarklasse im Sinne
der ReformbestrebuDgen der Gegenwart. Preis 2,75 M. Langensalza,
Hermann Beyor & Söhne (Beyer & Mann).
') »Nur die Einheit gewährt die Möglichkeit der Vertiefung, and
nur die Vertiefung schafft wirkliche Bildung.« Kerschenateiner,
— 10 —
Dies Ineinandergreifen der Lehrstoffe hat aber, soweit es
nicht Sache des Lehrverfahrens ist, zur Voraussetzung,
daß man die Lehrfacher nicht als einen nach Zufall und
Outdünken aufgeschichteten Haufen, sondern als einen
Organismus betrachtet, an dem kein Olied fehlen darf
und jedes an der richtigen Stelle steht Yon diesem
Oesichtspunkt aus betrachtet, kann man den »Allgem.
Best.« den Vorwurf nicht ersparen, daß sie die Unter-
richtsfächer in bunter Reihenfolge, ohne Bücksicht auf
ihre innere Verwandtschaft aufzählen. Sie nennen sie
nämlich in der Reihenfolge, wie sie im Laufe der ge-
schichtlichen Entwicklung in die Volksschule eingeführt
worden sind. »Herkommen und allgemeiner Brauch be-
stimmen bis zum heutigen Tage Namen und Zahl der
Lehrgegenstände und die Auswahl des Lehrstoffes, und
gesetzliche oder ministerielle Bestimmungen geben der
Tradition ihre feierliche Bestätigung.« {Dörpfeld.) Diese
Rangordnung der Lehrfächer, die man als Maßstab ihrer
Wichtigkeit für das praktische Leben wohl gelten lassen
kann, betreffs ihrer didaktischen Bedeutung und Zusammen-
gehörigkeit aber als verkehrt bezeichnen muß, verhüllt
eine ganze Reihe pädagogischer Wahrheiten, die der
Kenner schon in der richtigen Rangordnung angedeutet
findet. Welches ist denn diese richtige Rangordnung?
Ich gebe unter den von Ziller, Bein, Dörpfeld^ Willmann
stammenden Aufzählungen, die mehr als eine bloße Reihen-
folge sind, der Dörpfeld&chen den Vorzug, welche die
für die sittliche und intellektuelle Bildung unentbehr-
lichen Fächer wie folgt ordnet:
L Sach Unterricht. Dazu gehören:
A. 1. Die ethischen Stoffe (bibl. Oeschichte und
Kulturgeschichte),
2. die Außendinge: Erd- und Volkskunde,
Naturkunde.
II. Formunterricht. Dazu gehören:
B. 3. Der Sprach- und Literaturunterricht.
C. 4. Rechnen. — Singen. — Zeichnen.
— 11 —
und welches sind die pädagogischen Wahrheiten, die
in dieser Übersicht eines richtig, nämlich organisch ge-
gliederten Lehrplans verborgen sind?
1. Zunächst kommt darin der Fundamentalsatz der
Lehrplantheorie zum Ausdruck, daß der Lehrplan quali-
tativ vollständig sein muß; denn im Sachunterricht
fehlt keins der drei großen Wissensgebiete: Gottes-,
Menschen- und Naturkunde.
2. Da die Unterrichtsfächer nicht im einzelnen auf-
gezählt — bibL Geschichte, Kirchenlied; Perikopen —
Naturgeschichte, Naturlehre — , sondern mit einem Ge-
samtnamen bezeichnet sind, so enthält dieses Schema auch
einen Hinweis darauf, daß in jedem der drei sach-
nnterrichtlichen Gebiete die Zweigdisziplinen,
soweit als möglich, zu einer einheitlichen Schul-
wissenschaft zusammengefaßt werden sollen.
3. Nicht Lesen, Schreiben und Rechnen stehen an der
Spitze des Lehrplans, so wichtig gerade diese Fächer auch
für das praktische Leben sind, sondern der Sachunterricht,
d. h. Religion, Menschenkunde und Naturkunde. Das will
sagen: NLcht der Sprachunterricht, sondern die
drei sachunterrichtlichen Fächer müssen die
didaktische Basis des gesamten Unterrichts
bilden.
4. Der Sprachunterricht folgt unmittelbar dem Sach-
onterricht. Damit soll angedeutet werden, daß der Sprach-
unterricht in engster Verbindung mit dem Sachunterricht
zu erteilen ist, weil die Sprachbildung ihrem Kern
nach in und mit dem Sachunterricht erworben
werden soll.
5. Rechnen, Singen und Zeichnen stehen zuletzt, nicht
deshalb, weil ihr Bildungswert unbedeutend wäre, sondern
weil sie ihre Bildungskraft nur dann entfalten und selbst
recht gedeihen können, wenn sie — und das ist die
5. Wahrheit — ihre eigentümlichen Beziehungen
zum Sachunterricht, der auch ihre Basis bilden
muß, sorgfältig beachten.
- 12 —
6. Die beiden Gruppen der Wissensfächer sind in
einem Ausdruck: Sachunterricht zusammengefaßt Das
will sagen, daß sie zusammengehören, daß sie sich gegen-
seitig unterstützen, daß sie unterrichtlich so viel wie
möglich verknüpft werden sollen, und zwar muß sich
diese Verknüpfung auf die ethischen Fächer unter sich
und andrerseits auf diese und d i e Fächer, die als Außen-
dinge bezeichnet worden sind, erstrecken.
7. Innerhalb des Sachunterrichts stehen die ethischen
Fächer an der Spitze. Das bedeutet, daß den religiös-
sittlichen Wahrheiten die Vorherrschaft im Oe-
dankenkreis gebührt Denn je mehr der sittlich-
religiöse Gedankenkreis mit dem sonstigen Vorstellungs-
leben verflochten ist, desto leichter wird er das gesamte
Vorstellungs- und Gefühlsleben beeinflussen und leiten.
Wie man sieht, steckt in dem Dörpfeldsohen Schema
nicht nur Logik, sondern auch ein beträchtliches Stück
Didaktik. Die »Allgem. Best.« der Zukunft dürften des-
halb gut tun, diese Anordnung der Lehrfächer offiziell
einzuführen.
Das schließt nicht aus, daß zugleich die sittliche Er-
ziehung, sowie die Fertigkeiten dos Lesens, Schreibens
und Rechnens als fürs praktische Leben besonders wichtig
hingestellt werden.
Nun erhebt sich die Frage: Inwieweit kommt diese
pädagogische Theorie in den »Allgem. Best.« zu ihrem
Recht?
1. Satz: Der Lehrplan muß qualitativ voll-
ständig sein.
Der Lehrplan der »Allgem. Best« genügt allerdings
dieser Forderung. Aber der Real- und der Zeichenunter-
richt sind nicht aus Erwägungen, die die Theorie des
Lehrplans über die Notwendigkeit ihrer Einfügung an-
stellt, aufgenommen worden, sondern, um dem Bedürfnis
der Zeit zu entsprechen, die in der 2. Hälfte des 19. Jahr-
hunderts auf Naturkunde und Zeichnen nicht verzichten
konnte. Hätte man die Theorie des Iiohrplans zu Rate
— 13 —
gezogen, so würde man ein Auseinanderreißen der Wissens-
föcher nicht gestattet und die Notwendigkeit des Real-
unterrichts mit besseren Gründen zu verteidigen gewußt
haben.
2. Satz: Jedes Lehrfach muß ein einheitliches
Oanzes bilden; hat ein Fach verschiedene Zweige,
60 müssen sie in einen einheitlichen Lehrgang
gebracht werden.
Diese Wahrheit hat in den »Allgem. Best.« noch keine
Geltung. Im Religionsunterricht z. B. unterscheiden sie
neben dem Unterricht in der bibl. Geschichte einen be-
sonderen Eatechismusunterricht und eine besondere Stunde
für Perikopen; nur vom Bibellesen wird ausdrücklich
verlangt, daß es sich in den bibl. Geschichtsunterricht
einfüge. Die pädagogische Theorie fordert aber, daß der
religiöse Yorstellungs- und Gedankenkreis einheitlich sei.
Darum muß der Unterrichtsgegenstand Religionsunterricht
heißen und sein Lehrplan auf allen Stufen so eingerichtet
sein, daß die Begleitstofife: Spruch, Lied, Katechismus und
Bibellesen samt Perikopen, falls man letztere nicht ent-
behren zu können glaubt, sich an das Zentralfach, die
biblische Geschichte, die den Lehrgang bestimmt, an-
schließen, i) Diese bildet gleichsam »die Melodie eines
Musikstückes. Treten nun die übrigen Stoffe als richtig
begleitende Stimmen hinzu, so gibt es ein hübsches, har-
^) »Die elDzeloeo Zweige des ReiigionsaDterrichts dürfen nicht
nebeneinander herlaufen, sondern sind nach dem Grundsatz der
Konzentration in lebendige, Wechsel volle Beziehung zu setzen. Da-
bei kommt dem geschichtlichen Stoffe die herrschende Stellung zu.«
Eeümann,
»Von einheitlicher Gestaltung des religiösen Lehrstoffs kann nur
dann die Rede sein, wenn die einzelnen Zweige des Religionsunter-
richts so verbunden werden, daß die biblische Geschichte in den
Mittelpunkt gestellt wird und den leitenden Faden bildet und alle
übrigen religiösen Unterrichtsstoffe an geeigneten , aber genau zu
bezeichnenden Stellen organisch eingeführt werden.« Armstroff,
Vergl. das in zahlreichen Auflagen erschienene Evang. Religionsbuch
von Armstroff. Langensalza, Hermann Beyer k Söhne (Beyer &
Mann). 1 M.
— 14 —
monisches Ganzes. Wollen dagegen die Töne der Begleit-
stimmen ihren eigenen Weg geben, um aparte Melodien
darzustellen, so muß eine Musik herauskommen, die
Mensch und Tier rasend machen kann. Solche päda-
gogische Musik hat aber die traditionelle Methodik durch
ihre isolierten Lehrgänge bisher empfohlen, und alle Schul-
autoritäten haben sie für schön erklärt« (Dörp/eW V, S.54.)
Diese Forderung, die verschiedenen Zweige des Religions-
unterrichts in einen Lehrgang zu bringen, läßt sich auch
heute schon in die Praxis umsetzen.
Von dem 2. Wissensgebiet, der Kunde vom Menschen-
leben, läßt sich das nicht behaupten, ^war macht die
Vereinigung der sogenannten Oesellschaftskunde mit der
vaterländischen Geschichte, die das tonangebende Haupt-
fach ist, keine Schwierigkeiten. Aber die weitere Forde-
rung, auch die geographischen Lektionen dem Gang der
Geschichte anzupassen — so berechtigt und vorteilhaft sie
dem konsequenten Lehrplantheoretiker erscheinen mag — ,
dürfte vorläufig noch unausführbar sein. Sie findet auch
prinzipiellen Widerstand bei denen, die den Vorteil, daß
das durch die Geschichtslektionen geweckte Interesse sich
auf die betreffende geographische Lektion überträgt, nicht
durch die Nachteile erkaufen wollen, die der Geographie-
unterricht dadurch erleidet, daß er seine Selbständigkeit
verliert. Es dürfte daher am besten sein, jedes Fach seinen
eigenen Weg gehen zu lassen, aber jede sich bietende
Gelegenheit zu benutzen, um verbindende Fäden zwischen
beiden zu ziehen, die Schüler recht häufig aus einer
Scienz in die andere sehen zu lassen.
Was nun das 3. Wissensgebiet, die Naturkunde an-
betriflft, so haben neuere Methodiker, z. B. Junge, ^) ParU
heil und Probst, Quehl u. a. zwar schon Versuche gemacht,
einen einheitlichen Lehrgang^) aufzustellen. Doch ist das
0 Vgl. Junge^ Beiträge zar Methodik des oatarknodliobeo üoter-
riohts. 4. Aufl. Laogensalza, HermaDo Beyer & Söhne (Beyer &MaoD).
*) »Der EinheitsgedaDke mnß jedem Lehrer der Naturwisseo-
Bohaft vorsohwebeo. Freilich kaoD die Schule ihn nicht, kaum ein-
— 15 —
Problem, die sämtlichen Zweigfächer: Mineralogie, Geo-
logie, Botanik, Zoologie, Gesundheitslehre, Physik und
Chemie zu einer Schulwissenschaft unter dem Namen
Naturkunde zu vereinen, noch nicht befriedigend gelöst.
Jedenfalls müßte aber in den »Allgem. Best« der Zukunft
darauf hingewiesen werden, daß diese Fächer, ebenso wie
Geschichte und politische Geographie, soviel wie möglich
zu verbinden sind und darum in einer Hand liegen müssen.
3. Satz: Die drei sachunterrichtlichen Fächer,
aber nicht der Sprachunterricht, müssen die di-
daktische Basis des gesamten Unterrichts bilden.
Dieser Satz verlangt für den Unterricht einen würdigen
Inhalt und will die Volksschule vor der beim großen
Publikum noch vielfach verbreiteten Meinung schützen,
wonach sie keine eigentliche Bildungsanstalt, sondern nur
eine Lese-, Schreib- und Beeben schule ist, in der neben
dem Religionsunterricht die Fertigkeiten die eigentliche
Lehraufgabe ausmachen. Zugleich will er sie der Gefahr
entreißen, den Sprachunterricht zu einem Turnierplatz
der formalen Bildung zu machen und da, wo schlichtes
Üben das gescheiteste ist, z. B. bei der Rechtschreibung,
etwas geistbildende Einsicht anzubringen, kurz, er will
die Schule vor Formalismus bewahren. Wohl wünscht er
formale Bildung, aber an einem wissenswerten Material;
weiß er doch, daß dadurch den Fertigkeiten nicht nur
nichts abgebrochen wird, sondern im Gegenteil diese um
so besser zu erlangen sind, weil das an den Sachen
haftende Interesse auf sie übertragen wird.
4. Satz: Der Kern der Sprachbildung muß in
und mit dem Sachunterricht erworben werden.
Dieser Satz ist nur eine Folgerung — freilich eine
sehr bedeutsame — aus dem vorigen. In den »Allgem.
Best.« kommt er nicht zu seinem Recht. Im Gegenteil!
mal die Wissenschaft ihn schon zur klaren Erkenntnis erheben. Er
ist ein Ideal, dem man in seinen Stadien, in seinem Unterricht
nachstrebt und welches zu erreichen die Naturforscher hoffen.«
SehmeiL
" 16 —
Der Blick wird sogar von der Wahrheit, daß bei der
Sprachbildung auch der Sachunterricht etwas zu tun
habe, abgelenkt, wenn gefordert wird: dem gesamten
Sprachunterricht liegt das (belletristische) Lesebuch zu
Grunde; die Übungen im mündlichen Ausdruck nehmen
ihren Stoff (auf der Oberstufe) von den Sprachstücken
des Lesebuches; die Schüler sind dahin zu führen, daß
sie schwierigere Sprachstücke leicht und mit Ausdruck
vom Blatt lesen; die Schüler sollen ... größere Sprach-
st ücke richtig wiedergeben können. Oberall wird also
der Blick von dem vollen Literaturprinzip, wonach auch
die sachunterrichtlichen Lesebücher (bibl. Geschichte und
Reallesebücher) Grundlage des Sprachunterrichts sind, ab-
gelenkt
Die enge Verbindung von Sprach- und Sachunterricht
läßt sich freilich nur durchführen, wenn für beide Fächer
auch die richtigen Lehr- und Lembücher vorhanden sind.
Die Leitfäden, die die »Allgem. Best« den mehrklassigen
Schulen gestatten, sind aber mit Rücksicht auf die Sprach-
bildung ebenso wenig geeignet, wie die meisten realisti-
schen Stücke der gebräuchlichen (belletristischen) Lese-
bücher, worauf die ein- und zweiklassigen Schulen ver-
wiesen werden. Diese Lesestücke genügen auch dem
sachlichen Lernen nicht Beiden Zwecken entsprechen
nur die anschaulich-ausführlichen Reallesebücher, wie sie,
nachdem Dörpfeld ihre Notwendigkeit und Zweckmäßig-
keit eingehend und unwiderleglich begründet, von ver-
schiedenen Schulmännern mit größerem oder geringerem
Geschick bearbeitet worden sind.
Die »Allgem. Best« der Zukunft müßten also an-
ordnen oder wenigstens gestatten, daß für den Unterricht
in Geschichte, Erd- und Naturkunde den Schülern an-
schaulich-ausführliche Reallesebücher in die Hand ge-
geben werden dürften, die, wie die »Biblische Geschichte«
für den Religionsunterricht, den Stoff in lesbarer Form,
und zwar in der einfachen, klaren und knappen Sprache
der betreffenden Fachliteratur enthalten, damit einerseits
— 17 —
der Kenntniserwerb gesicherter und andrerseits — und
das ist der Hanptvorteil solcher Hilfsbücher — die Spracb-
bildung gesunder wird. Die Einführung von Reallese-
büchem würde weiter zur Folge haben
1. daß die iiterarische Basis des Sprachunterrichts
— statt der bisherigen halben — eine ganze würde,
weil sie außer dem belletristischen Lesebuche auch die
gämtlichen sachunterrichtlichen Lesebücher umfaßte,
2. daß der Begriff des Lesebuches endlich seine volle
Klärung fände,
3. daß die Klagen über mangelhafte Lesefertigkeit und
schlechte Betonung, über Unbeholfenheit im mündlichen
Ausdruck und mangelhafte Rechtschreibung bald nach-
lassen würden,
4. daß auch die zahlreichen einklassigen Schulen, die
mit einem »verkümmerten und obendrein unbefriedigen-
den und lästigen Bealunterricht gestraft« sind, ein ge-
eignetes Beallesebuch bekämen,
6. daß auch auf der Unter- und der Mittelstufe der
vielklassigen Schulen ein regelrechter Realunterricht er-
teilt werden könnte. Hier sowohl wie in den einklassigen
Schulen sind weder die Leitfaden, noch das belletristische
Lesebuch als Lernhilfsmittel geeignet.
Selbstverständlich müßte vorausgesetzt werden — und
dafür hätten schon die Seminare zu sorgen — , daß das
Reallesebuch richtig benutzt würde. Den Verbalismus
soll es nicht fordern. Das Buch darf erst benutzt wer-
den — zum Überfluß sei's noch einmal betont — , nach-
dem die Naturkörper in 7iaiura oder im Bilde vorgezeigt
und nach allen Regeln über die Vermittlung der An-
schauung bei sinnlich vorführbaren Objekten durch-
genommen worden sind, so wie geschichtliche Dar-
stellungen erst dann gelesen werden dürfen, wenn, wie
beim Religionsunterricht, den methodischen Vorschriften,
die sich auf die Vermittlung von nicht sinnlich vorführ-
baren Stoffen beziehen, voll und ganz genügt worden ist.
PI4. Mag. 318. Vo g e 1 s a n g , Vorschlilge z. Bef . d. Allg. Beat. 2
— 18 —
Kerner wäre zu wünBchen, daß die »Allgem. Beet«
der Znlcnoft den grammatischeD Stoff auf das praktisch
Notweadige beschränkteo und auf den Nutzen eines ono-
matischen Wörterlieftes liin wiesen. Grammatische Be-
lehrungen eiod auch io der Volksschule unerläßlich, aber
der grammatische Stoff darf nicht dadurch gewonnen
werden, daß man aus wissenschaftlichen Ejebrbüchera das
Leichteste herausnimmt, sondern durch eifrige Erforschung
der in den jeweiligen Spracbgewohnheiten begründeten
Fehler, die durch stete Übung des Richtigen zu bekämpfen
sind. FQr onouatische Belehrungen haben sich ja die
pädagogischen Fachschriften, seitdem außer Dörpfeld auch
Rud. HUdebrand sie warm empfohlen und Ldnde^) u. a.
praktische Fingerzeige nach dieser Bichtung hin gegeben
haben, allgemein ausgesprochen.
5. Satz: Auch die Fertigkeiten müssen ihre
eigentümlichen Beziehungen zum Sachunterricbt
sorgfältig beachten.
Diese Wahrheit noch zu begründen, ist wohl kaum
nötig, sind doch verständige Lehrer schon seit Jahrzehnten
bemüht, sie auszuführen. In guten Rechenbüchern ündet
man besondere Abschnitte mit Aufgaben aus dem Sach-
unterricbt, und im Sachuntenicht läßt man sich an ge-
eigneten Stellen die Gelegenheit nicht entgehen, durch
einscblägige Aufgaben und Berechnungen die sachlicheD
Verhältnisse noch mehr zu klären und übersichtlicher zu
machen. Was das Singen angebt, so bat man schon von
jeher die Chorale zum Religioneanterricht, die Naturlieder
za den Jahreszeiten und zum naturkundlichen Unterricht,
und die Volts- und Vaterlandslieder zum Geschichts-
unterricht in Beziehung gesetzt. Und seitdem der Zeichen-
unterricht neue Bahnen eingeschlagen hat, kann auch
dieses Fach die zeichnerische Fertigkeit mehr als bisher
in den Dienst des Sachunterrichts stellen und andrerseits
'] Vgl, Linde, Die ODonatik, sio notwendiger Zweig des deat-
aoheu Spraobnotemohta. LaogeDMlia, HermaQu Be^er k SÖhoe
(Beyer & Huin). 0,66 H.
— 19 —
seinen Stoff mehr dem Sachunterricht entnehmen. —
Immerhin kann es nicht schaden, wenn die »Allgem. Best«
der Zukunft auch auf diese 5. Wahrheit ausdrücklich den
Finger legen.
6. Satz: Die Fächer des Sachunterrichts müssen
unterrichtlich verknüpft werden.
Die Verbindung zwischen den beiden Zweigen des
Gesinnungsunterrichts ^) geschieht so, daß der Religions-
unterricht dem Geschichtsunterricht psychologisches und
ethisches Licht gibt, d. h. daß er die Kinder befähigt,
psychische Vorgänge und Zustände richtig aufzufassen
und Gesinnungen, Charaktere und Handlungen ethisch
zu beurteilen, während die Geschichte dem Religions-
unterricht zur Vergleichung und Anwendung ethischen
Stoff gibt.
Die Verbindung zwischen dem Gesinnungsunterricht
und der Erd- und Naturkunde gestaltet sich folgender-
maßen. Im Gesinnungsunterricht werden die Dinge und
Vorgänge aus der Natur, die den realen Boden der
biblischen oder der profanen Geschichte bilden und ver-
gleichsweise gebraucht werden, erklärt. In der Natur-
kunde erinnert der Lehrer, der zwar wohl weiß, daß die
Natur an und für sich weder ethische noch religiöse
Ideen in sich trägt, bei passender Gelegenheit an die
Allmacht, Weisheit und Güte des Schöpfers, die man an
seinen Werken, ihrer Großartigkeit und Mannigfaltigkeit,
ihrer Harmonie und Schönheit und ihrer Abzweckung
auf das Menschenleben erkennt, und ferner sucht er, so
viel als möglich, die Einwirkung der Natur auf das ver-
gangene und gegenwärtige Menschenleben verständlich zu
machen.
Die Forderungen, die dieser 6. Satz an die Schul-
praxis stellt, sind schon seit Jahrzehnten Gemeingut der
Pädagogik; sie werden in den Seminaren gelehrt, und
^) »Die übrigen Uoterriohtsfäcber, besooders die etbischeo, siod
mit dem Religionsanterricbt za verkoüpfen.« Heilmann.
- 30 —
man kann deshalb wohl annehmen, daß auch in der
PraxJB überall danach verfahren wird.
7. Satz: Der Beligioneanterricht muß im
Dienste der Charakterbildung das Zentrum des
Unterrichts bilden.
Was dieser Satz sagen will, läßt sich am besten durch
ein Gleichnis klar machen. »Wie die Nerven, vom Ge-
hirn und Rückenmark ausgehend, den ganzen Edrper so
durchziehen, daß sie ihn beherrschen können, so müssen
die religi&e-eittlichen Wahrheiten den gesamten Gedanken-
kreis des Zöglinge durchziehen.« Deshalb müssen die
außerhalb des Gesinnungsunterrichts auftretenden religiös-
sittlichen Wahrheiten mit den in diesem Unterricht vor-
kommenden verknüpft werden;') auch muß dafür gesorgt
werden, daß solche Stücke des belletristischen Lesebudis,
die mit religionsunterriohtlichen Lektionen inhaltlich ver-
wandt sind, möglichst zur selben Zeit behandelt werden.
>Die Stoffe des übrigen Unterrichts müssen mit denen
des Religionsunterrichts in engste Beziehung gebracht
werden, so daß auch dadurch der Religionsuntetricht zur
Krone und zum Kern des ganzen Unterrichts wird. Nur
durch diese Konzentration der einzelnen Zweige des
Religionsunterrichts unter sich und des Religionsunter-
richts mit dem übrigen Unterricht entsteht ein einheit-
licher Gedankenkreis.« Überhaupt muß «die ganze Arbeit,
das ganze Leben der Schule im Dienst der sittlich reli-
giösen Bildung stehen.« Beilmann.
Eine volle Durchführung dieses Grundsatzes ist frei-
') Nut daoD, weno die dem Qebiet des Beligiäseo ond Sittliohsn
angehörendeo VoTstellDDg«D, OedsoheD, Oefähle ond BsstrebaDgeii
im HittelpDohte des geBttuteo Seeleoinhalts ateheii, mit allen übrigen
Gebilden der Seele mögliohat eng verbncdeo and mit einem hohen
Orade von Sarheit, EraTt und BewuBtBein aasgoBtattet sind, werden
sie ein gewisees Übergewicht im Geiste der Kioder gewinnen. Die
Folge davon aber vird sein, daB sie aar das gesamte Denken, Fahlen
DQd Wollen der Kinder danernd einen befmoblenden nnd bestimmen-
den EjqQqS aosübec. Ärmstroff, Verteilung des relig. Lehrstoffes.
Langenaatia, Hermaan Beyer ft Söhne (Beyer & Haan). 0,50 H.
~ 21 —
lieh nur in der Eonfessions- nicht aber in der Simultan-
schule möglich. In den »Allgem. Best.« der Zukunft darf
er aber, falls die Pädagogik den Ausschlag geben soll,
nicht fehlen.
Wenn man nun die > Allgem. Best.« den erörterten
Beformvorschlägen anpassen und zugleich einige andere
Wünsche, die sich auf die ersten 12 Paragraphen beziehen,
berücksichtigen will, so könnte man ihnen folgende
Fassung^) geben.
Allgemeine YerfBgiing Ober Einrichtung, Aufgabe
and Ziel der preusslschen Volksschule.*)
DU Volksschule ist eine allgefneine Bildungsanstalt^
die auf dem Dodeii und in den Orenxen der Mutter-
spTfiche die allen Volksschi'Chteyi nötige {allgemeine) Bil-
dung vermitteln solL
1. Die normalen Volksschul-Einrichtungen.
Normale Volksschul-Einrichtungeyi sind solche Schulen^
die tvenigste7is so viel Lehrkräfte haben^ als Klassen vor-
handen sind,
2. Die einklassige Volksschule.
In der einklassigen Volksschule werden Kinder jedes
schulpflichtigen Alters in ein und demselben Baume durch
einen gemeinsamen Lehrer gleichzeitig unterrichtet. Die
Zähl der Kinder soll nieht über sechxig steigen. Die
Eander der Unterstufe erhalten in der Be^el wöchentlich
20, die der Mittel- und der Oberstufe 30 Lehrstunden,
einschließlich des Turnens für die Knaben und der weib-
lichen Handarbeiten für die Mädchen.
*) Die hier vorgeschlageoe Fassung erhebt oatürlioh nioht den
Anepmoh, überall das Richtige getroffen zu haben . Sie ist ein Ver-
snob, den sachverständige Kenner der Lehrplanfrage kritisieren nnd
verbessern mögen.
*) Veränderungen und Zusätze sind durch Enrsivdmok kennt-
lich gemacht worden.
— aa ~
3. Die HaibtagsBchuIe.
Wo die Zahl der Kinder über 60 steigt, oder das
Schulzinimer auch für eine geriDgere Zahl Dicht ausreicht,
sowie da, wo andere Umstände dies notwendig eracheinea
lassen, kann mit Genehmigung der Regierung zunächst
die Halbtagsschnle eingerichtet werden, für deren Klassen
zosammen wöchentlich 33 Stunden angesetzt werden.
4. Die Schule mit 3 Lehrern.
Sind 3 Lehrer an einer Schule angestellt, bo ist der
Unterricht in S gesonderten Klassen zu erteilen. Steigt
in einer solchen Schule die Zahl der Kinder über 130,
so ist eine dreiklassige Schule einzurichten. In dieser
kommen während der t)b^gangsxeit, d. h. so lange der
3. Klassetiratim und der 3. Lehrer noch fehlen, auf die
3. Klasse wöchentlich 12, auf die 3. Klasse wöchentlich
34 und auf die erste Klasse wöchentlich 38 Lehrstunden.
5. Die mehrklassige Volksschule.
In Schulen von 3 und mehr Klassen, soweit dieselben
nicht unter 4. fallen, erbalten die Kinder der Unterstufe
wöchentlich 30, die der mittleren 36 bezw. 28, die der
oberen 30 bezw. 32 Stunden.
Systeme mit mehr als 8 Klassen dürfen nur unter
besonderen Umständen mit Genehmigung der Regierung
eingerichtet werden.
Mit Rücksicht auf die in manchen großen Städten
schon bestehenden tdelklassigen Schulsysteme wird be-
sHmmt, dafs diese in keinem Falle mehr als 16 Klassen
hohen dürfen.
6. Die Trennung der ßeschlechter.
Die gemeinsame ErxiehuTtg beider Oeschlechter ist
der getrennten vorxuxiehen.
7. Die Einrichtung und Ausstattung des
Schulzimmers.
Das Schulzimmer muß mindestens so groß sein, dafs
auf jedes Schulkind em Flächenraum von 0^8 qm kommt;
— 23 —
auch ist dafür zu sorgen, daß es hell und luftig sei, sich
gut lüften lasse, Schutz gegen die Witterung gewähre und
ausreichend mit Fenstervorhängen versehen sei. Schul-
tische und Bänke müssen in ausreichender Zahl vorhanden
und so eingerichtet und aufgestellt sein, daß alle Kinder
ohne Schaden für ihre Gesundheit sitzen und arbeiten
können. Die Tische sind mit Tintenfässern zu versehen.
Zur ferneren Ausstattung der Schule gehört nament-
lich eine hinreichende Anzahl von Riegeln für die Mützen,
Tücher, Mäntel u. dgl, die tvomöglich im Flur a?ixu-
bringen si?id^ femer eine Schultafel mit Gestell, eine Wand-
tafel, ein Katheder oder ein Lehrertisch mit Verschluß,
ein Schrank für die Aufbewahrung von Büchern und
Heften, Kreide, Schwamm.
Auf geschmackvolle Ausschmückung der Rlassenräume
ist Wert xu legen.
8. Die unentbehrlichen Lehrmittel.
Für den vollen Unterrichtsbetrieb sind erforderlich:
1. je ein Exemplar von jedem in der Schule eingeführten
Lehr- und Lern buche,
2. ein Globus,
3. eine Wandkarte der Heimatsprovinz,
4. Wandkarten von Deutschland, Europa, den beiden
Halbkugeln und von Palästina,
6. Ausgestopfte Tiere^ Modelle und Abbildu?ige7i für den
Unterricht iii Oeschichie, Erdkunde^ Nalurkwide wnd
Zeichnen.
6. Alphabete weithin erkennbarer, auf Holz- oder Papp-
täfelchen geklebter Buchstaben zum Gebrauch beim
ersten Leseunterricht oder eine Lesemaschine.
7. eine Geige,
8. Lineal, Zirkel und Transporteur,
9. eine Rechenmaschine;
in evangelischen Schulen kommen noch hinzu:
10. eine Bibel und ein Exemplar des in der Gemeinde
eingeführten Gesangbuches.
Ftir die mehrklassigen Schulen sind diese Lehrmittel
angemesseD zu ergänzen.
9. Tabellen und Listen.
Der Lehrer bat eine Schulchronik, ein Schülerverzeichnis,
einen Lehrbericht (Naohweisung der erledigten Unterrichts-
stofFe) und eine VersäumnieliBte regelmäßig zu führen.
Außerdem muß er den Lehrplan, den Stundenplan und
die Pensenverteilung f(ir das laufende Halbjahr stets im
Sohulzimmer haben.
10. Schulbücher und Hefte.
Lehrmittel für die Schüler der Tolksschule mit einem
oder 3 Lehrern sind folgende:
a) Bücher:
1. die für den Religionsunterricht besonders eingeführten
Bücher,
3. das Reatiesebuch,^)
3. die Lesefibel und das belletristische Lesebuch,
4. ein Schülerheft für den Rechen unterrieht,
5. ein Liederheft;
b) eine Schiefertafel nebet Griffel, Schwamm, Lineal
und Zirkel;
c) Hefte, mindestens
1. ein Tagebuch,
3. ein Schönschreibeheft,
3. je ein Heft zu Rechtschreibe- und Aufsatzübungen,
4. eiu Zeichenheft bezw. ein Zeichenblock.
Den Schülern der mehrklassigen Tolksschule darf die
AuBcbaffung besonderer Lehrbücher für den Unterricht in
den Rfialien, sowie diejenige eines stufenweise fortschreiten-
den mehrbändigen Lesebuches und eines Handatlas zu-
gemutet werden. Ebenso haben diese für die einzelnen
Lehrgegenstände beeoudere Hefte zu führen.
■) Bealleeebaoh und beUetriBtiMbes Lesebnoh kÖDD«D anoh in
einem Band« Tareinlgt werd«i.
— 2b —
11. Die Gliederung der Volksschule.
Die Volksschule, auch die einklassige, gliedert sich in
3 Abteilungen, die den verschiedenen Alters- und Bildungs-
stufen der Kinder entsprechen. Die Unterstufe tnnfafst
den 1, und den 2. Jahrgang; xur Mittelstufe gehören 5.,
4, und 5. Jahrgang^ xur Oberstufe gehören 6.^ 7. und
8. Jahrgang,
12. Die Lehrgegenstände der Volksschule.
Die Lehrgegenstände der Volksschule sind
i. Religion, 2. Geschichte nebst Geselhchaftsktitide, 3, Erd-
kwide^ 4. NaturkundCy 5. Deutsche Sprache (Sprechen,
Lesen^ Schreiben)^ 6. Rechnen^ 7, Ratimlehre^ 8. Zeich-
nen^ 9, Singen^ 10. Turnen, 11. Handarbeit.
Die 4 erstgenannten Fächer bilden den Sachunterricht^
die unter 6 — .9 genannten den Forniunterricht.
Im Interesse der besseren Behnltbarkeit^ der Stoff -
Verminderung und der Charakterbildung , die einen ein-
heitlichefi Qedankenkreis voraussetxt^ müssen die Ztveig-
fäeher eines Faches in cinoi einheitlichen Lehrgang ge-
bracht und die Lehrstoffe möglichst verknüpft werden.
Diese Verknüpfung fmdet statt
a) xuischen dem Sach- und dem Sprachunterricht,
b) zwischen dem Sach- und dem For munterrieht .^
c) xuischen den sachunterrichtl. Fächern tmtereinander.
In der einklassigen Volksschule verteilen sich die
Stunden auf die einzelnen Gegenstände wie folgt:
üoterstafe Mittelstufe Oberstufe
Religion 3 4 4
Realistischer Sachunterricht .2 6 6
Deutsch 9 11 9
Bechnen
I
Raumlehre
Zeichnen 1 1 2
Singen 1 2 2
Turnen und Spiele .... — 2 2
(Handarbeit) .... ... — 2 2
20 30 30
In der mehrklassigen Schule:
Dnterstofe Mittelatafe Oberstufe
BeligioD 3 4 4
Realistischer Soökunterrickt . 2 4bezw.6 7bezw,8
Deatsch 8 8 8
Bechnen 4 4 4
Raumlehre — — 1-2
Zeichnen 1 2 3
Singen 1 2 2
Turnen und Spiele (Handarbeit) 1 2 2
äÖ 26—28 30—33
In nicht TUrrmalen Schulen treten die nötigen Ver-
änderungen nach Maßgabe des Bedürfnisses ein.
13. Allgemeines über die Aufgabe der Volks-
schule, Auswahl und Behandlung des Stoffes.
Die Volksschule hat die Aufgabe, den Qrund xur
Bilduny eines sittlich-religiösen Charakters %u legen, die
Schüler an die unmittelbaren und die mittelbaren Tugenden
XU gewöhnen, sie xur Vaterlandsliebe zu erzielten und
ihnen die für das spätere Leben nötigen Kenntnisse und
Fertigkeiten in bildender Weise %u vermitteln.
Das Maß des darzubietenden Stoffes bestimmt sich
nach der Art der Schule und dem Maß der Zeit, die auf
den Gegenstand verwendet werden kann. Es ist deshalb
bei Aufstellung des Lehrplans zu beachten, daß es besser
ist, den Umfang des Lehrstoffes zu beschränken,») statt
auf seine Veranschaulichung zu verzichten und in Mit-
teilung bloßen Wortwissens ausarten zu lassen.
Dem didaktischen Materialismus ist überall entgegen-
xutreten. Bei der Stoffaitswahl ist auf die örtlichen, Ver-
hältnisse, soweit es der Citarakter der Volksschule als
einer allgemei7ten Bildungsanstalt xuläsat, Rücksidit xu
nehmen.
In allen Fächern kommt es vornehmlich darauf an,
den Lemtrieb zu tvecken, d. k. die Kinder xu selb-
') Diose BeeohrftiiknDB darf aber oiobt einseitig geBohehen.
— 27 —
ständigem Weiterlerneri anxuregen und zu befähigeii
und die Unterrichtsstoffe denkend xu verarbeiten. Zu-
gleich ist auf die Aneignung eines^ wenn auch rnäfsigen,
so doch sicheren Wisse?is Bedacht zu 7iehmen. Dies ge-
schieht durch rechtzeitiges Einprägcfiy wobei das judixiöse
Memorieren dem mechanischen vorzuziehen ist und durch
öftere aber nieht gleichförmige Wiederholung des durch-
gearbeiteten Stoffes.
14. Der evangelische Religionsunterricht.^)
Der Religiwisunterrichi hat die Aufgabe^ das in Jesu
tmd dcfi hervorragenden Glauben^männern beider Testa-
mente und der Kirchengeschichte hervor trete?ide sittliche
und religiöse Lehen atucfiauen und auf das Oeivissen der
Kinder eimvirken zu lassen^ um dadurch eine sittlich-
religiöse Oesinnung ifi ihnen zu pflanzen und xu pflegen.
Mit dieser Aufgabe ist die Einführung der Kinder
in di£ hl. Schrift und die Grundwahrheiten des Gemeinde'
bekenntnisses xu verbinden. Dabei ist zu erstreben^ dafs
die Kiyuier mit EJir furcht gegen die Bibel erfüllt^ zum
selbständigen Lesen derselben angeregt, und angeleitet
werden, an dem Leben und dem Gottesdienst der Ge-
meinde lebendigen Anteil zu nehmen.
Da: Hauptfach des Religionsunterrichts ist die bibl,
Geschichte, Mit ihr siiul an passenden Stellen die xu
leriienden Bibelsprüche und Bibelabschnitte, Kirchenlieder,
Katechismusstücke und Gebete zu verbi'ndeii,'^)
Die biblische Geschichte ist auf allen Stufen^ besonderes
auf der unteren^ ansclmulich- ausführlich xu erxählen
und nach ihrem religiösen und sittlichen Gehalt in einer
Geist und Gemüt bildenden Weise fruchtbar zu machen.
Geistloses Einlernen ist zu vermeiden.
Den Kindern der Unterstufe werden nach eiriem etwa
halbjährigen Vorhirsus^ in welchem Erzählstoffe sittlich-
^) Betr. des Uoterricbts in der katbol. Religion werden gewiß
katbol. Sohulmänner Vorschläge machen.
*) Vgl. meinen Aufsatz im Juli -Heft des >Ev. Sohulbl.« 1899:
»Dörpfelds Verdienste um den Religions- Unterricht.«
— 38 —
reUgiösen Inhalts xu behandeln sind-, wenige Geechicäten
vOTgefUhrt; aus dem A. T. euiige leiehie Gesehichten von
Abraham, Joseph und David, aus dem N. T. werden einige
dem kindlichen Verständnis naheliegends Erzählungeü aus
dem Leben Jesu gewählt. Im weiteren Fortgang des
Unterrichts erhalten die Schiller eine planmäßig geordnete
Reihe der wichtigsten Erzählungen aus allen Perioden
der hl. Schrift, des Ä. und des N. Testameats, und xwar
so, dafa auf der Mittelstufe das Alte und auf der Ober-
stufe das N. T. übermiegt. Beswuiers eingehend sind die
Schüler mit dem Leben und der Person Jesu verlraut
zumachen. Daran schließt sich die Geschichte der Pflanzung
und der ersten Ausbreitung der Kirche, der Begründung
des Christentums in Deutschland und der deutschen Re-
formation. Den Schluß bilden Ifachrichten über das Leben
der evang. Kirche in unserer Zeit.
Wo es ohne Stoffuberbürdung geschehen kann, mag
das Pensum durch näheres Eitigehen auf die bedeutend-
sten Prophetelt des A. T. und die Kirchengesehichte er-
weitert icerden.
Zur gedächtnismäfsigen Aneignung si?id 80 — 100 Bibel-
Sprüche auszuwählen; die Sprüche dogtnatisckeu Inhalts
bleiben vorzugsweise dem kirchlichen Beligionsunterricht
In den bibl. Öescbicbtsunterricht der Oberstufe fügt
sieb die Erklärung zusammenhängender Schriftabscbnitte
aas den prophetischen und den poetischen Büchern des
A. T., besonders der Psalmen und aus den Schriften des
Neuen Testaments. IHe Abschnitte werden gelesen, wenn
es die bibl. Oeschichte xu ihrer eigenen Vertiefung oder
^Weiterung wünschenswert macht. Aufserdem sind die
Kinder der Oberstufe mit dem hohen Wert der Bibel
bekannt xu machen und xu einem verständigen QebraucJt
der hl. Schrift anxic^iten. Eine besondere Peiibopen-
stunde ist nicht anzusetzen.
Auf allen Stufen des Religionsunterrichts ist ferner
Beziehung auf das Kirchenlied zu nehmen. Auf der Unter-
i
.s////(' u'crdeH viHwbu U altlvcr.stäitdUcht' iSlrop/^r//^ auf
den beiden oberen neben solchen auch einige ganze Lieder
I erklärt und auswendig gelernt.
I Oedächinismäfsig mixueignen sind eUva 120 Liedei'-
stroph€7i (die ganx xii lernenden Lieder eingeschlossepi)
und 3—4 Psalmeyt^ die yiack Inhalt und Form dem Ver-
ständnis der Kinder angeinessen sind. Dem Auswendig-
lernen muß die Erklärung des Liedes und die Übung im
sinngemäßen Vortrag vorangehen. Mit wertvollen Kirchen-
liedern der neuern ii?id nettesten Zeit und den in der
fbetreffeiiden Gemeinde mit Vorliebe gesungenen Liedern
sind die Schüler durch kursorisches Lesen bekannt xu
machen. Die Texte und die Melodien der Lieder sind
dem in der betreffenden Gemeinde benutzten Oesangbuche
zu entnehmen.
Pur den Katechismu^untenneht sind keine besonderen
Stunden anxusetxen, Wo nicht besondere Verhältnisse
eine Änderung nötig machen, fallen nur die 3 ersten
Hauptstücke in das Pensum der Volksschule und zwar
in der Art, daß auf der Mittelstufe der einfache Wort-
laut der 10 Gebote und des Vaterunsers^ auf der Ober-
stufe aufser der Erklärung der Gebote die 3 Artikel
samt der Erklärung mit passenden biblischen Geschichten
y in Verbindung gebracht und ausivendig gelernt werden.
Alles andere bleibt dem Konfirmandenunterricht überlassefi.
Bereits auf der Unterstufe lernen die Kinder einige
kurze und leichte Morgen-, Mittags- und Abendgebete;
auf den oberen Stufen ist ihnen die Einrichtung des
öffentlichen Gottesdienstes und des Kirchenjahres zu er-
klären. Gedächtnismäßige Aneignung des allgemeinen
Kirchengebetes sowie anderer Teile des liturgischen Gottes-
dienstes findet nicht statt.
I
15. Vaterländische Geschichte nebst Gesell-
schaftskundc,
^Das Ziel dieses Unterriehts ist: Kenntnis und Ver-
ständnis des vielgestaltigeji Menschenlebens y damit die
}
Schüler im gegenwärtigen Menschenlehen sich so weit
xurechtfinden , um dereinst als Erwaclisene nach Beruf
und sozialer Stellung xum gemeinen Besten mittdtig sein
XU können und au wollen.* {Dörpfeld.)
Die Heimat, ihre Sagen, ihre Denhnäler, ihre Be-
■xiehungen zur Geschichte des deutschen Vaterlandes und
die Kulturgeschichte desselben verdienen besondere Be-
riieksiehtigimg. Aus der älteren Geachicbte des deutschen
Vaterlandes und aus der älteren brandenburgischen Qe-
scbichte sind einzelne Lebensbilder zu geben; von den
Zeiten des SOjäbrigen Krieges und der Regierung des
Großen Earftirsten an ist die Reibe der Lebensbilder un-
unterbrochen fortzuführen.
Namentlich auf der Oberstufe mufs die elementare
Oesellschaflskunde xu ihrem Recht kommen, damit die
Schüler für ihre späteren laichten und Reckte ah
Staatsbürger Verständnis bekommen und in ihnen eine
gesunde, wurxelkräftige hiebe xu Vaterland und Herrscher-
haus, Dankbarkeit gegen die verdienten Männer der Vor-
xeit und Pietät gegenüber den vaterländischen Institu-
tionen erwächst.
Der Geschichtsunterricht mufs die Beziehungen zur
Erdkmide, xum Religionsunterricht, dem er ethischen
Stoff gibt, nährend er von ihm ethisches Licht erhält,
und xu?n belletristisclie» Lesebuch sorgfältig beachten.
16. Erdkunde.
Die Erdkumle hat die Aufgabe, die Schüler vor allen
Dingen mit der Heimat und dem Vaterlande vertraut xu
machen und xu verständigem Kartenlesen anxvleiten. So
viel als möglich ist den Schülern die Wechselioirkung
zwischen der natürlic/ien Beschaffenheit einer Gegend
und ihrer Kultur {zwiscJtcn iMud und Leuten) verständ-
lich xu machen.
Der erdkundliche Unterricht beginnt mit dem Schut-
gebäude, dem Schulbexirk und der Heimat; sein weiteres
Pensum, bei dessen DurcAnahme die Karte und der Globus
— 31 —
fteifsig xu gebrauchest s^ind, bilden das deutsche Vater-
land und seine Kolonien^ das Hauptsächlichste aus der
allgemeinen Weltkunde, Gestalt und Bewegung der Erde,
Entstehung der Tages- und Jahreszeiten, die Zonen, die
5 Weltmeere und die 5 Erdteile, die bedeutendsten Staaten
und Städte der Erde, die größten Gebirge und Ströme.
Vor ihrer Entlassung si?id die Schüler eingehender,
als es auf der Mittelstufe geschehen ko7i?ite, mit der
engeren und der iv eiteren Heimat^ ihren Verkehrswegen
tmd ihren Bexiehungen xum Auslände besonders vertraut
XU machen.
Die Beuehungen der Erdkunde zu den änderst Unter-
richtsfächern sind stets im Auge xu behalten.
17. Naturkunde.
Das Ziel des naturkundlichen Untenichts ist Eettiit-
nis und Verständnis des Naturlebens und richtige Würdi-
gung der Stellung des Menschett innerhalb desselben^ Ge-
wöhnung der Schüler zu aufmerksamer Beobachtung und
ihre Erziehung zu sinniger Betrachtung der Natur.
Solange noch kein in der Praxis brauchbarer einheit-
licher Lehrplan der Naturkuride vorliegt^ gliedert sich der
Urtterricht in Naturgeschichte und Naturlehre Beide
Zmeige des naturkundlichen Unterrichts inüssen in einer
Hand liegen und sind möglichst xu verknüpfen. Auch
müssen die Bexiehungert der Naturkunde xu dett andern
Unterrichtsfächern stete Berücksichtigung fiitden,
a) Der naturgeschichtliche Unterricht^ der von
den Gegertständen selbst^ von Modellen u?td guten Ab-
hildungen ausgeht und die Ergebnisse unterrichtUcher
Spaxiergänge und regelmäfsiger Beobachtungen {auch im
Schulgarteny an Aqicarien und Terramen) verivertet^ hat
den Blick der Kinder auf die Form {morphologische^
ästhetische Betrachtung und Klassifikatimt)^ den Zu-
sammenhang {innerhalb des Einxelorganismus und
mit dem Nattirgan^en) und auf die Benutxung der
Naturkörper xu richteit. An passenden Stellen darf er
- 38 —
auch die religiöse Naturbetrachtung nicht aufser acht
lassen.
Q^nstand des Unterricbts bilden außer dem Bau und
dem Leben dee menacblicbeD Körpers ( Oesundheitslehrei :
die im ÄTiscfiauungakreise liegenden Qesteine, Pflanzen
uod Tiere; von den ausländischen die großen Raubtiere;
das Wichtigsie von der Tier- und P/Uinxenivett unserer
KoUmi&i und diejenigen Kulturpflanzen, deren Produkte
bei uns in täglichem Gebrauche sind (z. B. Baumwollen-
stande, Teestrauch, Eaffeebaum und Tabakpflanze). Von den
einheimischen Naturkörpero treten diejenigen in denVorder-
grund, die durch den Dienst, den sie dem Menschen leisten
(z. B. Haustiere, Vögel, Seidenraupe, Getreide» und Gespinst-
pflanzen, Obstbäume, das Salz, die Kohle, das Eisen) oder
dnrch den Schaden, den sie anrichten (Giftpflanzen) oder
etwa durch die Eigentümlichkeit ihres Lebens und ihrer
Lebensweise (z. B. Schmetterling, Trichine, Bandwurm,
Biene, Ameise) besonderes Interesse eiregen.
b) Natnrlehre. '] In ein- und zweiklassigen Schulen
sind die ScbUler zu einem annähernden Verständnis der-
jenigen Erscheinungen zu führen, die sie täglich um-
geben.
In den mehrklassigen Schulen ist der Unterricht so zu
erweitern, daß das Wicbtigete aus der Lehre vom Gleich-
gewicht und der Bewegung der Körper, vom Schall, vom
Lichte und von der Wärme, vom ÜagnetiBmus und der
Elektrizität vorkommt, so daß die Kinder im stände sind,
die gewöhnlicheren Naturerscheinungen, die gebräuchlich-
sten Maschinen und Apparate {Rolle, Schiebkarre^ Fem-
rohr, Thermometer, Barometer, elek. Schelle, Telegraph,
Telephim usw.) zu erklären U7id xu zeichnen.
Beobachtungen und Expei-imente sind die Ausgangs-
punkte des Unterrichts.
*) Vgl. Eoüenberg, Natnrtehre ffii Volksaohnleo. LaageoBKlu.
HermaoD Beyet 1 Söhne (Beyer & Ubdd). 1,20 H.
— 33 —
18. Reallesebuch.
Wie beim Religionsunterricht das Historienbuch, so
ist bei dem übrigen Sachtmterrickt {Oeschichte, Erdkunde,
Naturkunde) auf allen Stufen xum Einprägen tind Wieder-
holen des Stoffes, namentlich aber zur Förderung der
Sprachbildung, statt der Leitfäden der Oebrauch eines
guten Reallesebuches xu empfehlen,. Das Buch darf erst
benutzt werden, nachdem der Lehret' den Lehrstoff nach
sorgfältiger Vorbereitung anschaulich und frei dargestellt
hat Auch die einklassigen Schulen dürfen ein Reallese-
Imch benutxen. Die realistischen Stücke des belletristischen
Lesebucfies dienen zur Belebung und Ergänzung des
Unterrichts.
Diktate sind nicht zu gestatten, ebenso ist das rein
mechanische Einlernen von Geschichtszahlen, Regenten-
reihen usw., Länder- und Städtenamen, Einwohnerzahlen,
von Namen, Merkmalen der Pflanzen, Maß- und Verhältnis-
zahlen in der Naturlehre verboten.
19. Der Unterricht im Deutschen.
Der U7iterricht im Deutschest soll die Schüler zum
mündlichen und schriftlichen Oebrauch und zum Ver-
ständnis ihrer Muttersprache befähigest.
Er umfaßt die Übungen im Sprechen, Lesen u. Schreiben.
Diese drei Stücke müssen auf allen Stufen in organi-
schem Zusammenhange miteinander bleiben und vor allen
Dingest ihrett Zusammenhaiig mit dem Sachunterricht
festhaltest, weil der Kern des- Sprachbildung in und mit
dem Sachunterrieht erivorben werdest mufs. Die Ubungest
der Sprachfertigkeit sind besonders zu betorten.
20. Die Übungen im mündlichen Ausdruck.
Die Übungen im mündlichen Ausdrucke erfordern
keinen abgesonderten Unterricht. Sie nehmen ihren Stoflf
vorsuhmlieh aus dem Sachunterricht, der, wenn er metho-
disch richtig erteilt tvird, die mündliche und schriftliche
Päd. Mag. 318. Vo g 0 1 8 a n g , VorechlEgo z. Rof . d. AUg. Boet. 3
— 34 —
Sprachfertigkeit in besonderem Mafse schult mid ßrdert.
Auf der Unterstufe können sich diese Übungen an ein-
fache, den Kindern bekannte Gegenstände, an Bilder
X. ß. XU den Hey sehen Fabeln usw. anschliefsen. Auf
der Mittel' und der Oberstufe wanden auch geöffnete Stücke
des belletristischen Lesebuches daxu verwamdt.
Ihr formelleB Ziel ist, fortschreiteDd anf den Terscbied»-
nen Stofeii, die BefStiigang des Schülers zu richtiger und
deatlicher Aussprache jedes eiozeloen Wortes and zum
freien Aasdruck seiner Gedanken unter Überwindung
der gewöhnlichen Fehler {namentlich der Dialeklfekler)
im Gebrauche der Wortformeo und in der Satzbildung
und endlich die Befähigung zur &eien und richtigen Wieder-
gabe fremder Stoffe, wie zur Ordnung und klaren Dar-
stellung eigener Gedanken in einfacher Sprache. Die Auf-
sätze müssen ah reife Fi-ucht^) vom Baum des münd-
lichen Sprachunterrichts abfallen. Sie entnehmen ihren
Stoff dem Sprachunterricht, dem belletriatischen Lesebuch
und der Erfahrung der Kinder [sog. freie Aufsätze).
31. Der Unterricht im Schreiben und Lesen.
Es ist gestattet, den ersten Schrmb- und Leseunterricht
erst im 2. Halbjahre des ersten Schuljahres zu beginnen.
Ziel ist: t(lr die Unterstufe die BefUbigung der Kinder,
zusammenhängende Lesestücke richtig lesen und kurze
Sätze nicht nur ab-, sondern auch selbständig au&chreiben
zu können; für die Mittelstufe diejenige, g&nze Lesesiücke
in gebundener und ungebundener Bede, in deutscher und
lateinischer Schrift ohne Anstoß und sinnricbtig zu lesen,
ein einfaches Diktat richtig aufzuschreiben und ein nach
Form und Inhalt leichtes Sprachstück selbständig nieder-
zuschreiben. Auf der Oberstufe sind die Kinder dahin
zu führen, daß sie schwierigere Ijesesiücke, deren Inhalt
ihrem Lebenskreise nicht zu fern liegt, leicht und mit
*) Vgl. den AnfB&ti dea Oeb. ProT.-SoholTAts Klewe ia der Dez.-
No. von Sehrödela >PruiB der Volksschule« : Qegeo den Anbati-
DDlaniaht.
— 35 —
Ausdruck vom Blatt lesen, Diktate dieser Art fehlerfrei^)
niederschreiben and auch größere SprachsttLcke richtig
wiedergeben können. Für die Übungen im Schreiben
werden besondere Schreibstunden auf der Mittel- und der
Oberstufe der Schule mit einem oder 2 Lehrern, sowie
in den Mittelklassen der mehrklassigen Schule eingerichtet.
In den Oberklassen der letzteren kann die Übung außer-
dem zum Gegenstand häuslicher Aufgaben gemacht werden.
Ziel des Unterrichts ist^die Aneignung einer sauberen,
deutlichen und gewandten Schrift in allen, auch in schnell
gefertigten Schriftsätzen.
Als Inhalt der Vorschriften empfehlen sich volkstüm-
liche Sprichwörter, gute und zeitgemäße Muster von ge-
schäftlichen Formularen und AuMtzen.
Die Resultate eines guten Unterrichts müssen in allen
Heften der Schüler {auch in den Tagebüchern) zum Vor-
schein kommen.
22. Der Unterricht in der deutschen Sprachlehre.
Der Unterricht in der deutschen Sprachlehre ist nicht
Selbstxwecky sondern nur Mittel xu dem Zwecke die
Schüler xum richtigen mündlichen ufid schriftlichen Ge-
brauche der Sprache, woxu iiamentlich die Überwindung
der Dialektfehler gehört^ xu befähigen. Er ist mit dem
übrigen Sprachunterricht xu verbinden und darf wöcheni-
lieh nur eine Stunde beanspruchen. Die durch die Be-
schränkung des grammatischen Stoffes gewonnene Zeit
ist xur Pflege des mündlichen und des schriftlichen Aus-
drucks und der Onomatik xu verwenden,
23. Das belletristische Lesebuch.
Dem Deutschunterricht im engeren Sinne liegt das
belletristische (oder literarische) Lesebuch xu Orunde^ dessen
Stücke^ je nach ihrem Inhalt^ mit den übrigen Unter^
') Absolute Sicherheit wird die Volkssohole wohl kaum er-
reichen; auch die höheren Schalen erwarten von ihren 14jährigen
Schülern nicht durchaus fehlerfreie Arbeiten.
3*
- 36 —
richtsfächem in Beziehung zu setzen sind. Es dient^
wie die sachimterrichtUchen Lesebücher xur Förderung
der Lesefertigkeit, sowie xur Einfilhrung in das Ver-
ständnis der darin enthaltenen Lesestücke und Oedichte.
Die Auswahl diesen Stücke ist so zu treffen, dafs jährlich
wechselnd ungefähr 20 xur eingehenden Behandlung kom-
men. Die übrigen Stücke werden kursorisch gelesen. Gte-
eignete Sprachstücke in Poesie und Prosa ^ and zwar in
Schalen mit einem oder 3 Lehrern besonders Yolksliedertexte,
werden aaf allen 3 Stufen nach vorangegangener Besprechung
auswendig gelernt und mit guter Betonung vorgetragen.
Auf der Oberstufe mehrklassiger Schulen wird das
belletristische Lesebuch auch dazu benutzt, den Kindern
Proben von den Hauptwerken der vaterländischen, nament-
lich der volkstümlichen Dichtung und einige Nachrichten
über die bedeutendsten Dichter unseres Volkes zu geben;
doch beschränken sich diese Mitteilungen auf die Zeit
nach der Reformation.
Auch die neuere Literatur mufs genügend Berück-
sichtigung finden.^) Falls andere Aufgaben der Schule
nicht darunter leiden^ mag auch '^ Wilhelm TelU oder
»Hermann und Dorotheas mit den Schülern des 8. Jahr-
gangs gelesen und besprochen tcerden. Jede Schule mufs
im Besitxe einer Schülerbibliothek sein. Die Lektüre
dient inyrxugsweise xur Vertiefung und Erweiterung des
im Unterricht Oelemten.
24. Der Rechenunterricht.
Zweck des Rechenunterrichts ist die Befähigung der
Schüler zu selbständiger, sicherer und schneller Lösung
von Aufgaben, die das praktische Leben erfordert Das
Rechnen ist auf allen Stufen als Übung im klaren Denken
und richtigen Sprechen zu betreiben.')
^) 8. Dichtergaben von Rieh. Lange. Leipzig, Dürr. u. A. Lom-
berg, Auswahl neuerer Oedichte. Laogeosalza, Hermaon Beyer &
Söhne (Beyer & Mann). 0,20 M.
*) Andere Fassung: Ziel des Reehenunterrichta ist, ^^daß die
SehiÜer denkend rechnen und rechnend denken lernen und fieben
— 37 —
Die Bexiehmigen des Rechnens zum Sackufiiefricht
sind auf allen Stufen ins Auge xu fassen.
Auf der Unterstufe werden die Operationen mit be-
nannten und unbenannten Zahlen im Zahlenraume von
1 — 10, sowie die leiditereii Operationen im Zahlenkreis
von 1—100^ auf der mittleren die schwierigeren Opera-
tionen dieses Zahlenkreises und diejenigen im unbegrenzten
Zahlenraume gelernt und geübt; auf der letzteren auch
angewandte Aufgaben aus der Durchschnittsrechnung, Re-
solutionen und Reduktionen und einfache Regeldetri ge-
rechnet Pensum der Oberstufe sind die Bruchrechnung,
die bereits auf den unteren Stufen in geeigneter Weise
vorzubereiten und in vielklassigen. Schulen schon im
5. Jahrgang zu beginnen ist^ und deren Anwendung in
den bürgerlichen Rechnungsarten, sowie eingehende Be-
handlung der Dezimaibrüche. In der mehrklassigen Schule
ist das Pensum durch Aufnahme schwierigerer Fälle der
bürgerlichen Rechnungsarten (immentlich Proxeiit-^ Zins-
und Rabattrechnung) wnd von Aufgaben^ die VersicherungS"
gesetxe betreffend^ zu erweitern. Doch sind diese Auf-
gaben nicht auf Kosten der Sicherheit und Fertigkeit im
mü7idiichen und schriftlichen Rechnen mit den 4 Spezies
in ganzen und in Bruchzahlen xu betreiben.
Auf der Unterstufe wird in der Schule mit einem oder
2 Lehrern, soweit es sein kann, in der mehrklassigen
Schule vorzugsweise im Kopfe gerechnet Bei Einführung
einer neuen Rechnungsart geht das Kopfrechnen dem
Tafelrechnen voran. Bei der praktischen Anleitung ist
überall die Beziehung auf das bürgerliche Leben ins
Auge zu fassen; darum sind die Aufgaben mit großen
und vielstelligen Zahlen zu vermeiden und die angewandten
Aufgaben so zu stellen, daß sie den wirklichen Verhält-
nissen entsprechen. Dem Unterricht sind in allen Schulen
Rechenbücher zu Grunde zu legen.
der Einsieht auch duQenige Fertigkeit erlangen ^ welche das Leben
verlangt*^ Hentechel.
— 38 —
25. Der Unterricht in der Raumlehre.
Sein Ziel ist^ die Schüler mit den tvichtigsten Raum-
gröfsen wenigstens so weit bekannt zu machen^ dafs sie
sie unterscheiden^ zeichnen und berechnen können.
Das Pensum der Baumlehre bilden: die Linie und
ihre Arten, der Winkel und seine Arten, Dreiecke, Vier-
ecke, regelmäßige Figuren, der Kreis und seine Hilfs-
linien, die regelmäßigen Körper.
In den mehrklassigen Schulen ist derselbe Stoff ein-
gehender zu behandeln.
Der Unterricht in der Baumlehre ist unter steter Bezug-
nahme auf das praktische Leben sowohl mit dem Bechnen
wie mit dem Zeichnen in Verbindung zu setzen. Während
die Schüler durch das Zeichnen die Formen der Linien,
Flächen und Körper richtig anzuschauen und darzustellen
geübt werden, lernen sie durch das Bechnen mit deren
Maßzahlen sicher operieren, die Länge der Linien, die
Ausdehnung der Flächen und den Inhalt der Körper be-
rechnen.
26. Oesang.
Das Ziel des Oesangunterrichts ist, daß jeder Schüler
nicht nur im Chor, sondern auch einzeln richtig und
sicher singen könne und bei seinem Abgange eine ge-
nügende Zahl von Chorälen und Volksliedern, letztere mög-
lichst unter sicherer Einprägung der ganzen Texte, als
festes Eigentum inne habe.
Das Singen nach Ziffern und später nach Noten ist
der mechanischen Methode, die aus blofsem Vorspielen
und Nachsingen besteht^ vorzuziehen,
27. Zeichnen.
Für das Zeichnen gelten die neuen Bestimmunge?i
vom 12, Juni 1902,
28. Turnen.
Der Turnunterricht wird auf der Mittel- und der Ober-
stufe für die Knaben in je 2 Stunden wöchentlich erteilt.
ÄV4A die Mädchen dieser Stufen erhalten 1 — 2 Stunden
— 39 -
Urderricht im Turnen und Spielen. Für die Kinder der
ünUrstufe ist in vielklassigen ^) Schalen wöchentlich eine
Spielttunde anzusetzen. Wo es die Verhältnisse ermög-
lichen^ sollen Knaben und Mädchen der Oberstufen auch
schtaimme^i lernen.
^) la venigklassigeo Sohuleo, die auf dem Lande die Regel
bilden, komtien die Kleinen ohnehin genug ins Freie; auch fehlt
dem Lehrer die Zeit, den Kleinen eine besondere Tarn- und Spiel-
stande za gebeo.
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29. Beukauf, Dr. A., Abnorme Kinder und ihre Pflege. 2. Aufl. 35 Pf.
Visnelle Erinneningsbilder
beim
Rechnen.
Von
Lehrer in Magdeboig.
'N^^^-w"^^ .*-->-^-^ \.^
Pädagogiaohes Magazin, Heft 810.
>^*s^vy'^-^-
^^^--«K^N ^.d^y^*
V
LftllgeBBAlZft
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer k Mann)
Henog^. Sldii. Hofbadihiiidkr
1907
Q
Alle Rechte Torbeiuaten.
beit das didaktische Experiment Eingang in den Schalen
gefunden hat, glauben manche Lehrer: der Stein der
Weisen sei auf pädagogischem Gebiete gefunden; das
Morgenrot einer neuen Zeit breche für unsere Jugend
an; bald werde nicht mehr Meinung gegen Meinung
stehen; einmütig würden sich alle Erzieher um das
Schibboleth der neuen Methode zusammenscharen. Orau
und schrecklich malt sich die Nacht der vergehenden
Pädagogik in den Köpfen der Neuerer. Schnöder Drill,
geistloser Verbalismus und öder Memoriermaterialismus
walten in der Schule. Spitzfindige Dogmatik, müßige
Spekulation, unbefugte Oeneralisation, rechthaberische
Dialektik, blinde Methodengläubigkeit und roher Empirist
mus beherrschen die Lehrer. All^, was seit den Tagen
eines Pestalozzi, eines Herbart erarbeitet ist in der Päda*
gogik, gleiche dem sterilen Flugsande. Dagegen schaffe
das didaktische Experiment immer neue Erkenntnisse.
Die experimentelle Methode sei die einzig berechtigte.
BetreSlB der Lay sehen Rechtschrei bversuche, die nichts
Neues zu Tage förderten, schreibt ein Vertreter dieser
Richtung begeistert: »Überhaupt eröffnete er damit die
Aussicht, auf diese Weise neue Lehrverfahren und Lehr-
mittel erwerben zu können. Wer will die Tragweite
dieses Fortschrittes ausmessen ! Vielleicht wird man später
einmal von dem Augenblick an, wo etwas vom Hauch
exakter Forschung in der speziellen Didaktik zu spüren
Päd. Mag. 319. Barheine, ViBuelle Erinneningsbilder. 1
war, eine neue Ära in der EntwickluDg mancher unserer
Disziplinen datieren.« i)
Bei genauer Prüfung der sogenannten neuen Ent-
deckungen entpuppen sie eich nicbt selten als alte Be-
kannte, oder, was schlimmer ist, der neue Weg erweist
sich als Irrweg. Auch die Art und Weise der Durch-
führung der Experimente muß zuweilen Widerspruch
hervormfen. Das zeigt auch eine Abhandlang von K.
Eckhardt Über »Visuelle Erinnerungsbilder beim Rechnen.
Eis Beitrag zur Didaktik des Rechen Unterrichtes der
Unterstufe«.*) Wir legen diese Abhandlung unserer Arbeit
ea Omode.
Wollen wir unsere Aufgabe richtig lösen, so müssen
wir uns darUber Klarheit yersohaffen, 1. was visuelle Er-
innerungsbilder sind, a. welche Bedeutang sie beim Rechnen
haben. Wir haben die Resultate unserer fJnteiBuchung
mit Eckhardts Ansichten zu vergleichen.
»Visuelle Erinnerungsbilder« ist ein Artbegri£ Der
übergeordnete Begriff ist Erinnerangsbilder. Diese wieder
sind eine Art von Erinnerungen.
Was versteht man anter einer Erinnerung?
Wir machen es uns an einem Beispiele klar! Nehmen
wir an, ich stehe an der Elbe. Ich sehe die Wellen dahin-
eilen. Ich betrachte die Dfer, den Lauf des Flusses. Ich
beobachte das Leben auf der Elbe. Kähne und Dampfer
fahren stromauf, stromab. Mein Auge erblickt Brücken
und Fähren usw. Ich habe Empfindungen und Wahr-
nehmungen der Elbe. Später stehe ich an einem andern
Gewässer, vielleicht an einem heimatlichen Bache oder
an einem Kanäle. Durch den Anblick desselben werden
die Wahrnehmungen reproduziert, die ich an der Elbe
erbalten habe. Ich habe eine Vorstellung oder genauer
Vorstellungen. Was Ich früher und an einem ganz andern
*) Stchner. Lays Reohtsohreibe-Refonii. Jahrbuch des Vereins
(&t wisMDBobkftliohe E^lagogik, XXXII, B. 207.
■) Zeitsobrift für Experimentelle Pädagogik. Y. Band, fieft 1/2.
Ldpsig 1907.
— 3 —
Orte wahrgenommen habe, erscheint mir gegenwärtig.
Doch die Yorstellung kann noch mit einem Zusätze be-
wußt werden: das, was ich mir jetzt vorstelle, ist mit
dem, was ich damals an der Elbe wahrgenommen habe,
inhaltlich einerlei. Ich stelle mir die Elbe vor. Ich er-
innere mich der Elbe. »Die Erinnerungen sind Yor-
steUungen, welche früher Empfundenes, Wahrgenommenes,
überhaupt Erlebtes, Vergangenes und Abwesendes als ein
Gegenwärtiges erscheinen lassen, mit dem Bewußtsein, daß
in der gegenwärtigen Vorstellung etwas vorgestellt wird,
was mit dem Früheren, Vergangenen und Abwesenden
inhaltlich einerlei ist.« ^)
Es erhebt sich die Frage: Sind nicht alle Vorstellungen
Erinnerungen? Man kann um so mehr zu dieser Ansicht
neigen, als die Seele ihre Inhalte nicht aus sich selbst
schafft. Die Bewußtseinsinhalte schlummern nicht in
unserer Seele, um bei bestimmten Gelegenheiten zu er-
wachen. Die Seele besitzt keine Vermögen. Außenwelt
und Seele stehen in Wechselwirkung. Ohne Einwirkung
der Außenwelt kein Tun der Seele. Muß da nicht das
Bewußtsein der Identität der Vorstellung mit einer Wahr-
nehmung immer mit reproduziert werden? Wenn es so
ist, kann man dann den Ausdruck Vorstellung nicht besser
durch Erinnerung ersetzen, weil es sich bei jeder Vor-
stellung um eine Erinnerung handelt?
Es gibt eine große Anzahl von Vorstellungen, die Er-
innerungen sind. Aber bei einer großen Anzahl fehlt das
Bewußtsein der Identität mit Wahrnehmungen. Zwar
gibt es keine Vorstellungen ohne Empfindungen und Wahr-
nehmungen, aber die Vorstellungen sind nicht die treuen
Abbilder von Empfindungen und Wahrnehmungen. Das
zeigen recht deutlich die Phantasiebilder. Ihre Elemente
sind zwar auch Empfindungen und Wahrnehmungen ent-
lehnt. Die Verbindung der Elemente ist jedoch keiner
Erfahrung entnommen. Die Vorstellung einer mythischen
') Strümpell, Legik. Leipzig 1881. 8. 14.
— 4 —
Person (Zeus, Wodan) ist beispielsweise für den Menschen,
der sie bildet, keine Erinnerung; denn es gibt keine
Wahrnehmungen myliiischer Gestalten. Zur Vorstellung
wird jede Empfindung und Wahrnehmung nach Yeiv
schwinden des äußeren Reizes, nicht aber zur Erinnerung.
Diese ist ein recht zusammengesetzter Vorgang. Ich er-
innere mich eines Vorgangs, wenn ich genau unterscheide
zwischen der jetzigen Vorstellung und der früher ge-
machten Wahrnehmung. Dazu kommt auch noch das
Bewußtsein einer zwischen beiden liegenden abgelaufenen
Zeit.
Je niedriger man den Anteil der Seele beim Zustande-
kommen der psychischen Produkte bewertet, desto eher
wird man jener Ansicht Raum geben, Erinnerung und
Vorstellung seien identisch. Daher wenden einige Physio-
logen der Gegenwart Vorstellung und Erinnerung als
gleichbedeutend an, oder sie ersetzen Vorstellung durch
Erinnerung. Ihnen ist die Erinnerung das Wiederaufleben
der sensorischen und motorischen Elemente der ursprüng-
lichen Wahrnehmung. Die Erinnerungsbilder sind in irgend
einer Weise im Gehirn niedergelegt Eckhardt ist An-
hänger dieser Richtung. Er spricht von Vorstellung und
in derselben Bedeutung von Erinnerung. Er will von
visuellen Erinnerungsbildern schreiben, ersetzt aber den
Ausdruck auch durch »Vorstellungen visueller Art«, ohne
irgendwo anzudeuten, daß hier ein unterschied zu machen
sei. Beides ist ihm dasselbe.
Ein Erinnerungsbild ist eine Vorstellungs-
verknüpfung, die aus einem Wahmehmungsbilde, aus
einer Anschauung entstanden ist. Beim Erinnerungsbilde
erscheinen also wie bei der Anschauung die einzelnen
Teile geordnet.
Nun zu den Arten der Erinnerungsbilder!
Angenommen, ich habe die Vorstellungen eines Ge-
mäldes, einer Wiesenfläche oder eines Kreises. Die Vor-
stellungen sind entstanden aus Empfindungen und Wahr-
nehmungen des Gesichtes. Es sind visuelle Vorstellungen.
— 6 —
Ich stelle mir die Melodie eines Liedes vor. Die Yor-
Stellung ist aus Oehörsempfindungen und -Wahrnehmungen
entstanden. Wir haben es hier mit einer akustischen
Vorstellung zu tun. Mir schweben die Tätigkeiten des
Sohlittschuhlaufens, des Tanzens oder Elettems vor. Es
handelt sich um Vorstellungen, die vielleicht vorwiegend
aus Empfindungen stammen, die durch Bewegungen un-
seres Körpers gebildet sind. Diese Vorstellungen nennt
man motorische. Analog bezeichnet man die Erinnerungs-
bilder als visuelle, akustische und motorische. Meistens
ist jedoch eine Vorstellung und entsprechend das Er-
innerungsbild aus Empfindungen entstanden, die ver-
schiedenen Sinnesgebieten angehören. Die Komplexion
Schlittschuhlaufen enthält folgende Teile:
1. Gesichtsvorstellungen der Tätigkeit,
2. Oehörsvorstellungen, durch Reibung der Schlitt-
schuh auf der Eisfläche verursacht,
3. Bewegungs Vorstellungen, durch die Bewegungen
meines Körpers bedingt
Die Teile der Komplexion können noch vermehrt wer-
den, wenn ich gleichzeitig an das Wort »Schlittschuh-
laufen« denke. Es kommen hinzu:
4. Oesichtsvorstellungen des geschriebenen oder ge-
druckten Wortes,
5. Oehörsvorstellungen des gesprochenen Wortes,
6. Schreibbewegungsvorstellungen des geschriebenen
Wortes,
7. Sprechbewegungsvorstellungen des gesprochenen
Wortes.
Die einzelnen Teilvorstellungen brauchen jedoch nicht
den gleichen Anteil am Zustandekommen der Komplexion
zu haben. Vielmehr wird es wohl in der Regel so sein,
daß eine Vorstellung oder einzelne Vorstellungen vor-
herrschen. Wenn ich an mein Schlittschuhlaufen denke,
können die Bewegungsvorstellungen vorherrschen. Stelle
ich mir das Laufen anderer vor, gebührt den O^ichts-
vorstellungen der Vorrang. Auch die Oehörsvorstellungen
— 6 —
können den ersten Platz behaupten, wenn die Vorstellung
auf Wahrnehmungen zurückzuführen ist, bei welchen ich
die Schlittschuhläufer nicht sehen konnte. Bei den an-
geführten Beispielen liegt die Ursache für das Hervor-
treten einer Vorstellungsart in der Außenwelt.
Die Ursachen für das Überwiegen eines Sinnesgebietes
in Vorstellungen und Erinnerungen können auch in
physiologischen Verhältnissen liegen. Denken wir
uns, es solle das Wort »Rose« von Schülern des 1. Schul-
jahres geschrieben werden, so kann man bei der Nieder-
schrift ein verschiedenes Verhalten beobachten. Manche
schreiben zuerst: »roSe«. Sie betrachten das Wort einen
Augenblick. Dann schreiben sie: »RoSe«. Zuletzt: »Rose«.
Diese Schüler verlassen sich auf ihr Auge. Die Gesichts-
vorstellungen sind bei ihnen besonders lebhaft Oder ihr
Verhalten wird durch Schreibbewegungsvorstellungen be-
stimmt, vielleicht auch durch Gesichts- und Schreib-
bewegungsvorstellungen gemeinsam. Andere Kinder
sprechen sich das Wort langsam und leise vor. Sie
haben besonders klare und deutliche Gehörs- oder Sprech-
bewegungsvorstellungen .
Drobisch berichtet von einem vierzehnjährigen Men-
schen, der seines Sprachorgans nur sehr unvollkommen
mächtig war und nur stockend und stotternd vorlesen
konnte, aber sehr lebhafte Gesichtsvorstellungen hatte.
Er besaß »eine so ganz erstaunliche Fähigkeit, sich
die Folge der Buchstaben und Worte anzueignen, und
sie dann, wie in eine innere Anschauung versunken, an
sich vorüber gehen zu lassen, daß, wenn man ihm zwei
bis drei Minuten gönnte, um ein gedrucktes Oktavblatt
zu durchlaufen, er dann fähig war, aus dem bloßen Ge-
dächtnis die einzelnen Worte ebenso herauszubuchstabieren,
als ob das Buch aufgeschlagen vor ihm läge. Selbst wenn
man einige Zeilen übersprang, und ihm die Anfangsworte
der neuen Zeile vorsagte, las er dann, sich in seinem
innern Bilde bald zurechtfindend, ungestört fort, und
das alles ohne sichtbare Anstrengung unter kindischem
— 7 —
Lachen«.!) Von Beetkoren wird erzählt, daß er im Gehen
komponierte und keine Note schrieb, bevor er das Stück
in seinem Eopfe vollständig beendet hatte. Stricker sagt:
»Wenn ich ruhig sitze, die Augenlieder und die Lippen
schließe, dann irgend einen mir wohlbekannten Yers durch
meine Oedanken ziehen lasse, und dabei auf meine Sprach-
werkzeuge acht gebe, so kommt es mir vor, als wenn ich
gleichsam innerlich mitreden würde.« ^) Im ersten Bei-
spiel sind die Gesichts-, im zweiten die Oebörs- und im
dritten die Bewegungsvorstellungen herrschend.
Danach unterscheidet man den Gesichts-, Gehörs- und
Bewegungstypus, oder den visuellen, akustischen und
motorischen Typus. Sind mehrere Typen vereinigt, redet
man vom gemischten Typus. Je nachdem sich die Typen
auf Anschauungen, Yorstellungen, Erinnerungen oder auf
Keproduzierbarkeit der Vorstellungen beziehen, bezeichnet
man sie als Anschauungs-, Yorstellungs-, Erinnerungs-
oder Gedächtnistypen. Die Ursache für das Hervor-
treten von Typen liegt besonders in der feinen Aus-
bildung der betreffenden Sinnesgebiete. Diese ist entweder
eine angeborene oder durch Übung erworbene Eigen-
schaft, oder auch beide Faktoren wirken zusammen.
Man kann nun im Zweifel darüber sein, 1. ob bei
den meisten Menschen ein Typus vorherrscht, oder ob es
nur bei einzelnen der Fall ist, 2. ob der vorherrschende
Typus konstant ist, oder ob bei wechselnden Fällen die
Typen bei demselben Menschen wechseln. Jedenfalls wird
das letztere der Fall sein. Sichere Ergebnisse liegen
darüber nicht vor.
Man fordert möglichste Berücksichtigung der Typen
im Unterricht. Daher untersucht man gegenwärtig Schul-
klassen auf ihre Typen hin und erwägt, wie diesen in
den einzelnen Fächern Rechnung zu tragen sei. Wir
stehen der einseitigen Kultivierung der Typen skeptisch
^) Drohisch^ £mpiri8ohe Psychologie. Hamburg aod Leipzig
1898. S. 95.
*) Layy ExperimeDtelle Didaktik. Leipzig 1905. 8. 179.
— 8 —
g^Düber, meinen vielmehr, daß, wenn möglich, alle
Sinnesgebiete zu berücksichtigen seien. Auch im Rechnen
sind neben den visuellen die akustischen und motorischen
Vorstellungen nicht unbedeutend.
Aufgabe des Rechenunterrichtes ist es, dem
Schüler Einsicht zu verschaffen in unser Zahlensystem
und ihn auf Orund dieser Einsicht zu befähigen, Auf-
gaben, wie sie ihm später entgegentreten, zu lösen. Das
Zahlensystem stellt sich als ein Reihengewebe von unter-
und übergeordneten Zahlbegriffen dar. Die Zahlbegriffe
sind aus Zahlvorstellungen entstanden. Daraus ergeben
sich die Teilaufgaben des Rechenunterrichtes: 1. Bildung
von Zahl Vorstellungen, 2. Bildung von Zahlbegriffen, 3.
Bildung von Zahlreihen, 4. Anwendung der Zahlen in
Aufgaben.
Welchen Zweck haben nun dabei die visuellen
Erinnerungsbilder zu erfüllen?
Hören wir darüber Eckhardt: »Das Rechnen hat es
mit Zahlbegriffen zu tun. Begriffe sind nicht vorstellbar;
sie können nur dann sinnliche Existenz erhalten, wenn
eine Individualvorstellung als Repräsentanten über die
Schwelle des Bewußtseins tritt. So kommt es, daß die
rein logische Tätigkeit des Rechnens von verschiedenen
Yorstellangen begleitet ist.« Hiemach sollen die Er-
innerungsbilder die Vertreter des Zahlbegriffs sein. Im
Hinblick auf die visuellen Erinnerungsbilder soll nun zu
zeigen versucht werden, »welche Bedeutung sie für das
Zahlengedächtnis« haben, inwieweit sie eine Rolle bei
den Rechenoperationen spielen, und ob sie einer Beein-
flussung durch den Rechenunterricht zugänglich sind.« ^)
Die Untersuchung ergibt: »Die visuellen Erinnerungs-
bilder zeigen sich als wertvolle Hilfen des Zahlengedächt-
nisses. Auch die ersten Rechenoperationen können durch
die visuellen Erinnerungsbilder erleichtert werden.«*)
*) Eckhardt a. a. 0. 8. 1.
*) Eckhardt a. a. 0. 8. 2.
— 9 —
Die visuellen Erinnerangsbilder sollen Vertreter des
Zablbegriffs sein. Wenn also den Kindern des 1. Schul-
Jahres das Zahlwort »zehne genannt wird, so soll dieses
• •
Wort das Zablbild der Zehn • • reproduzieren. Dieses
Bild soll dann ReproduktioDsmittel der Zahl 10 sein. Oder
den Kindern des 2. Schuljahres wird das Wort »sechs-
unddreißig« gesagt. So soll durch das Wort die Ziffer
reproduziert werden, und diese soll die Zahl ins Bewußt-
sein zurückführen. Nach Eckhardt soll die Reproduktion
auch folgendermaßen verlaufen: Die Kinder stellen sich
eine lange Reihe vor, vielleicht bis 100. Aus der Reihe
tritt die Ziffer 36 mehr oder weniger deutlich hervor.^)
Hier verläuft die Reproduktion in nachstehender Folge:
1. Zahlwort, 2. Reihe von Ziffern, 3. Ziffer, 4. Zahl. In
allen diesen Beispielen handelt es sich also um Repro-
duktionen.
Weiterhin sollen die visuellen Erinnerungsbilder das
Zahlengedächtnis unterstützen. Das Gedächtnis ist
die Fähigkeit unserer Seele, »unbewußt gewordene Vor-
stellungen psychischer Phänomene wieder bewußt zu
machen c. 2) Nun wird das wieder bewußt, das mit einem
andern, das uns bewußt ist, oder leicht bewußt wird, ver-
bunden ist. Das bewußte oder leicht bewußtwerdende
psychische Phänomen ist dann Reproduktionsmittel der
bewußt zu machenden psychischen Erscheinung. Auch
in diesem Falle handelt es sich um die Reproduktion.
Wie vorhin soll das visuelle Erinnerungsbild die Zahl
reproduzieren.
Auch in der letzten Forderung kommt die Reproduktion
in Betracht. Hier sollen die visuellen Erinnerungsbilder
Operationen oder Teile derselben reproduzieren.
Doch in jedem von den angegebenen Fällen kommen
zu den dort genannten Reproduktionen noch andere. Es
0 Eckhardt a. a. 0. S. 9.
') Dr. Fe/5cA, HaaptpQokte der Psychologie. Göthenl904. S.214.
— 10 —
handelt sich ja um Erinnerungsbilder. Die Kinder müssen
also die Wahrnehmungen, aus denen sie entstanden sind,
reproduzieren. Sie müssen sie auch von der jetzigen
Vorstellung unterscheiden, und sie müssen das Bewußt-
sein haben^ daß zwischen Wahrnehmung und Vorstellung
Zeit verflossen ist. Dabei sollen sie auch noch rechnen,
wiederum Beproduktionen vornehmen. Hier erkennen wir
wieder, daß Eckhardt glaubt, Erinnerungen und Vor-
stellungen seien identisch, ja, daß er gar nicht weiß, daß
manche Physiologen etwas anderes unter Erinnerung ver-
stehen als die meisten Psychologen. Sonst hätte er jeden-
falls angegeben, was bei ihm Erinnerung und Erinnerungs-
bild bedeuten.
Die Bedeutung der sogenannten visuellen Erinnerungs-
bilder liegt also darin, daß sie Beproduktionsmittel
der Zahl sein sollen. Die hier in Betracht kommenden
sind: Zahlbild, Ziffer, Zifferreihe und Sachvorstellung. Wir
haben also zu untersuchen, ob sie gute Beproduktions-
mittel der Zahl sind.
Die Beproduktion ist die Zurückführung der Vor-
stellungen ins Bewußtsein. Was in das Bewußtsein zurück-
geführt werden soll, muß schon im Bewußtsein gestanden
haben. Zwar würde jede einzelne Vorstellung unverändert
in unserem Bewußtsein beharren, wenn sie nicht durch
andere Störungen erfahren müßte. Nun drängen sich
aber unserer Seele immer neue Bilder auf. Jeder einzelne
Vorstellungsakt schließt durch seinen Inhalt jeden andern
von sich aus. So müssen die alten Vorstellungen beim
Auftreten der neuen weichen. Sie werden unbewußt
Doch ist die Möglichkeit ihrer Bückkehr gewährleistet.
Nach dem Gesetze der Beharrung tritt eine verdrängte
Vorstellung, nachdem die zurückdrängende Kraft auf-
gehört hat zu wirken, von selbst in das Bewußtsein
zurück. Jede zurückkehrende Vorstellung kann auch
noch andere nach sich ziehen. Infolge der Einfachheit
der Seele werden zwischen den einzelnen Bestandteilen
des Bewußtseinsinhaltes unzählige Zusammenhänge ge-
— 11 -
scba£fen, die auch mit dem Qnbewaßtwerden nicht ver-
loren gehen. Kehrt nun eine Vorstellung in das Bewußt-
sein zurück, so führt sie alle diejenigen, die mit ihr zu-
sammenhängen, mit sich. Diesen Vorgang nennt man
Reproduktion.
Einige Beispiele! Ich sehe die Ziffer »8«. Sie re-
produziert in meinem Bewußtsein das gesprochene Wort
»achte. Es können auch noch bewußt werden: die
Sprechbewegungs- und die Schreibbewegungsvorstellungen
der Acht. Die Oesichtsvorstellung hat also die übrigen
reproduziert. Das ist nur möglich, wenn eine Verbindung
zwischen den Vorstellungen bestanden hat Wie ist sie
entstanden ? Ich habe vielleicht die Ziffer geschrieben und
gleichzeitig dabei »acht« gesprochen. Die vier Vorstellungen
haben gleichzeitig in meinem Bewußtsein gestanden. Das
ist möglich gewesen, weil sie als heterogene Vorstellungen
sich nicht gegenseitig stören. Da die Seele ein einfaches
Wesen ist, fallen die Vorstellungen in einen Akt zu-
sammen: Ziffer »8«. Ein Kind hat in der Schule die
Ziffer gelernt Es hat sie geschrieben und gesprochen.
Es sind also jene Vorstellungen gleichzeitig im Bewußt-
sein des Kindes gewesen. Es wird kurz darauf nach dem
Namen der Ziffer gefragt und kann keine Antwort geben.
Erst nachdem Ziffer und Wort längere Zeit geübt worden
sind, wird die Verbindung zwischen den einzelnen Vor-
stellungen fester. So ergeht es uns immer mit hetero-
genen Vorstellungen. Ihre Reproduktion wird erst
sicher nach tüchtiger Übung.
Weit besser gelingt die Reproduktion homogener
Vorstellungen. Homogene Vorstellungen enthalten
Oleiches und Ungleiches. A und B seien solche. Das
Gleiche bezeichnen wir mit x, das Ungleiche mit y. Beide
Vorstellungen sollen im Bewußtsein stehen. Enthielten
sie nur das Gleiche x, so würden sie zu einer Vorstellung
verschmelzen. Das Ungleiche y widerstrebt der Vereini-
gung, führt zur Hemmung. Ein Teil der Intensität der
Vorstellungen wird unwirksam gemacht Es bleibt nur
— 12 —
ein Rest übrig. Nun ist der Gegensatz gemildert. Die
beiden Vorstellungen verschmelzen. Sie werden zusammen-
gehalten durch das Gleiche. Je mehr Ungleiches sie ent-
halten und je unklarer sie sind, desto stärker ist die
Hemmung, desto kleiner sind die Intensitätsreste, desto
schwächer ist die Vereinigung. Tritt nun die Vorstellung
A durch irgend eine Ursache in das Bewußtsein, so führt
sie die mit ihr verschmolzene Vorstellung B mit Die
Beproduktion auf Grund der Verschmelzung gelingt leichter
als die auf Grund von Komplikationen. Hier bedarf es
nicht der mechanischen Übung.
Diese Art der Reproduktion kann im Rechen Unterricht
eine Quelle von Fehlern werden. Da hört man: 6+7=12.
Hier wird die Aufgabe 6 + 6 = 12 die Ursache der Re-
produktion. Weiter: 11 — 9 — 3. 16 + 7 — 13 usw. Oder:
die Kinder sollen 63 schreiben und schreiben 36. Solche
Fehler sind infolge der Verschmelzung fast unausrottbar.
Sie treten meistens da auf, wo der Lehrer Sklave des
StofiGes werden muß, wo Unterrichtsziele vorgeschrieben
werden, die mit dem besten Willen nicht zu erreichen
sind. Sie lassen sich vermeiden durch »Klarheit des
Einzelnen«.
Doch damit ist nicht genug geschehen. Die Repro-
duktion einzelner Vorstellungskomplexe ist im Rechnen,
wie überhaupt im Unterrichte, nicht die wichtigste. Wir
gebrauchen meistens mehrere, ganze Reihen von Vor-
stellungen, oder wir gelangen erst durch das Durch-
laufen einer Reihe zu der gewünschten Vorstellung. Wir
müssen unser Augenmerk darauf richten, daß richtige,
psychologische Reihen reproduziert werden.
Eine Vorstellungareihe ist eine Aufeinanderfolge von
solchen Vorstellungen, die inhaltlich zusammen gehören,
bei welcher jedes Glied eine bestimmte Stelle zwischen
zwei andern Gliedern einnimmt und die Glieder in ab-
gestuften Intensitätsgraden verschmolzen sind. Z. B.:
1 2 3 4 6 6 bis 10; 1 3 5 7 9; 2 . 4 6 8 10; 1 4 7 10;
36 8; 36 9; 10 9876 bis 1; 97631 usw.
— 13 —
1.1, 2.1, 3.1 usw., 1.2, 2.2, 3.2 usw.; 1 in 1, 1 in 2,
1 in 3 usw.; 2 in 2, 2 in 4, 2 in 6 usw., 1:1, 2:2, 3:3
usw., 2:1, 4:2, 6:3 usw.; ^, ^, ^his^; f, f, f usw.
Die Ordnung wird in diesen Reiben durch regelmäßige
Zu- und Abnahme herbeigeführt Die Reproduktion der'
Reihe kann vom Anfangsgliede, vom Endgliede oder von
einem Mittelgliede aus erfolgen. Wird eine Reihe vom
Anfangsgliede aus reproduziert, so erfolgt der Ablauf der
Glieder successiv in voller Klarheit. Bei der Reproduktion
vom Endgliede aus erscheint die Reihe simultan in ab-
gestufter Klarheit Wird ein Mittelglied als Ausgangs-
punkt angenommen, so erscheinen die vorhergehende
Glieder simultan in abgestufter Klarheit, die nachfolgenden
successiv in voller Klarheit Die Ursache dieser Repro-
duktionen liegt in der Verschmelzung in abgestuften
Intensitätsresten. Tritt nämlich zu der Vorstellung A die
Vorstellung B, so läßt die Klarheit von A nach. Es bleibt
nur ein Rest von A übrig »■ a. Mit diesem verschmilzt
B. Kommt C hinzu, so verschmilzt es mit dem Rest von
B SS b und mit einem Reste von A = a^ a^ ist kleiner
als a. Die weitere Verschmelzung ist aus folgendem
Schema ersichüich:
A
a
B
ai
b
C
a«
bi
c
D
a»
b*
ci
d
E.
Die Reproduktion vom Anfangsgliede geschieht folgender-
maßen: A hebt durch a B. G steigt durch a^ und b ins
Bewußtsein usw. Bei der Reproduktion vom Endgliede
aus hebt E alle mit ihm verschmolzenen Reste: a'^b^o^d.
Mit ihnen werden gleichzeitig die Vorstellungen A B G D
bewußt. Die Intensität richtet sich nach dem Grade der
Verschmelzung mit E. Die Größe der Reste nimmt von
d nach a^ ab, folglich auch die Intensität von E nach A.
Die Reproduktion vom Mittelgliede aus erklärt sich aus
dem Schema demnach leicht
— 14 --
Die Sicherheit der Beprodaktion ist von der
Größe der Intensitätsreste abhängig. Je länger die Reihe,
desto kleiner werden die Reste. Wird der Rest gleich
Null, so ist damit die Yerschmelzang aufgehoben. Die
Reihe löst sich auf. Daher dürfen nicht zu lange Reihen
gebildet werden. Lange Reihen sind zu gliedern in Haupt-
und Nebenreihen.
In Hinsicht auf die psychologische Reihe ist es un-
richtig, die Zahlenreihe von 1 — 100 aus Einheiten auf-
zubauen und den Kindern einzuprägen. Denken wir uns,
diese Reihe solle den Kindern dunkel vorschweben. Sie
müssen also das Endglied 100 ins Bewußtsein heben.
Dann erscheint die Reihe simultan in abgestufter Klar-
heit. Bei der Menge der gleichzeitigen Vorstellungen ent-
stehen aber nur Hemmungen. Sie müssen ins Maßlose
steigen, wenn ich mir in dieser Reihe nun eine bestimmte
Zahiy z. B. 36 vorstelle, die Reproduktion also mit dem
Mittelgliede beginne. Ob das Resultat bei Anwendung
der Ziffer sich günstiger gestaltet, wird sich weiter unten
zeigen.
Im Rechnen spielen auch die sich kreuzenden
Reihen eine große Rolle. Es sind solche, die ein oder
mehrere Glieder gemeinsam haben, sonst aber verschieden
sind, z. B.
a
b
a 6 c b e
d
e
Bei der Reproduktion der Reihe a b c d e kann nach c
leicht b e folgen , weil c mit b e verknüpft ist. Die Re-
produktion von a bis e kann von c ab nach e verlaufen.
Die meisten Zahlen stellen Kreuzungspunkte für ver-
schiedene Reihen dar. Daraus können sich mancherlei
Fehler ergeben. Z. B. 24:4 = 8. Die 24 liegt sowohl
in der Reihe 1.6, 2.6 usw., als auch in der Reihe 1 . 8,
2.8 usw., ferner in den daraus abgeleiteten: 6:1, 12:2
— 15 —
usw., und 8:1, 16:2 usw. Das Eind gerät aas der 6-
Reibe in die 8 -Reihe.
.Nachdem wir das Wesen der Reproduktion erörtert
haben, kehren wir zu unserer Aufgabe, der Reproduktion
der Zahl durch Zahlbild, Ziffer und Zifferreihe zurückt
Wir betrachten zunächst die Reproduktion der Zahl
durch Zahlbild. Beispielweise solle das gesprochene
Wort »fünf« das Zahlbild der Fünf reproduzieren und
dieses die Zahl selbst. Es müßte also ein Zusammenhang
bestehen zwischen Zahlwort, Zahlbild und Zahl. Zahlwort
und Zahlbild sind heterogene Vorstellungen. Sie können
sich assoziieren, wenn sie öfter gleichzeitig im Bewußt-
sein stehen. Für das Gelingen der Reproduktion ist es
jedoch von Bedeutung, daß das Zahlwort »fünfc nicht
noch mit andern Zahlbildern zusammentreffe und kom-
pliziert werde. Geschähe es doch, so würde das Zahlwort
die sämtlich mit ihm verbundenen Zahlbilder ins Bewußt-
sein heben. Diese würden sich gegenseitig hemmen, weil
sie homogene Vorstellungen sind. Eckhardt verwendet
die Dienstbach sehen Zahlbilder. Es kommen hier in Be-
tracht:
/I
Bei der Zehn ergeben sich zwei verschiedene Bilder der
Fünf. Von diesem Falle abgesehen, entsprechen sie obiger
Anforderung. Schlimmer ist es bei einigen quadratischen
Zablbildem :
Böhme
I
[/.
— 16 —
Sobelewsky
/\
• • • • •
/\ l\ I I
Hier erscheint
fast mit jedem neuen
-• • Bilde eine neae An-
/ Ordnung.
Am verwerflichsten ist ee, mehrere Arten von Zahlbildem
nebeneinander zu verwenden, wie es manche Rechenbuch-
verfasser der Gegenwart fordern. Zahlbilder, bei denen
immer dasselbe Bild für dieselbe Zahl beibehalten wird,
sind bis heute nicht erfunden worden.
Wir haben bis jetzt nur die Reproduktion von Zahl-
wort und Zahibild berücksichtigt Doch damit ist nicht
genug geschehen. Die Zahl wird ja mit dem Zahlbilde
nicht zugleich wahrgenommen, kann überhaupt nicht wahr-
genommen werden. Das Zahibild soll sie reproduzieren.
Befördert es diese Reproduktion, so ist es brauchbar.
Gibt es hingegen Anlaß zu großen Hemmungen, so hat
es keinen Wert.
Wollen wir in diesem Punkte zur Klarheit kommen,
80 müssen wir uns das Wesen der Zahl vergegen-
wärtigen. In den Zahlbildern wird die Zahl durch gleiche
Punkte in bestimmter räumlicher Ordnung versinnlicht.
Die Gleichheit der Dinge ist zur Bildung der Zahl nicht
unbedingt nötig. Können wir doch die verschiedensten
Dinge zahlenmäßig auffassen. Sehe ich eine Kirsche^ eine
Stachelbeere und eine Birne, so kann ich sie als 3 Früchte
bezeichnen. Ich spreche von 5 Fingern einer Hand. Die
einzelnen Finger sind aber recht verschieden. Stuhl, Baum
und Stein sind 3 Dinge. Die genannten Dinge liefern
gleichartige Vorstellungen. Sie enthalten Gleiches und
Ungleiches. Nun darf allerdings das Ungleichartige nicht
zu groß sein, sonst setzen die Vorstellungen der zahlen-
mäßigen Auffassung Schwierigkeiten entgegen. Ein Kind
wird wohl niemals durch »Stuhl, Baum, Stein« zur Zahl-
vorstellung 3 gelangen. Nur dem Erwachsenen ist es
möglich, von der Verschiedenheit der Dinge zu ab-
— 17 —
strahiereo. Aus diesem Grunde wählt man gleiche oder
mögliehst gleiche Dinge zur Zahlbildung. Sie liefern
homogene Vorstellungen.
Ldefem gleiche Dinge nicht gleiche Vorstellungen?
Gleiche Vorstellungen verschmelzen bei ihrem Zusammen-
treffen im Bewußtsein zu einer Vorstellung. Entsteht
nun nicht die Vorstellung »eins«? Das ist nicht anzu-
nehmen. Die gleichen Dinge erscheinen in der Außen-
welt räumlich getrennt. Wir haben die Vorstellung des
Auseinander, Zwischeneinander und Nebeneinander. Jeder
Gegenstand wird von dem andern unterschieden, so auch
die Vorstellung des Gegenstandes von der des andern.
Um die Entstehung dieser Merkmale des Bäumlichen zu
begünstigen, trennt man die Punkte, Kugeln und Würfel
der Veranschaulichungsmittel durch kleine Zwischenräume.
Bilden mehrere gleiche Dinge eine kontinuierliche Größe,
so ist die Unterscheidung erschwert. Aus diesem Grunde
sind die Tillich sehen Bechensäulen keine guten Veranschau-
lichungsmittel.
Wir sehen, zur Bildung der Zahl eignen sich gleich-
artige, voneinander getrennte Dinge. Ist aber eine be-
stimmte Ordnung der Dinge im Baume erforderlich?
Hier kann uns schon das Verfahren des Erwachsenen
belehren. Überall, wo er größere Mengen nach ihrer Zahl
auffassen will, bedient er sich bestimmter Ordnungen.
Der Kassierer ordnet beim Zählen des Geldes die gleichen
Münzen in Beihen an. In den Geldschränken der Banken
liegen die Münzen in Bollen zusammen. In der Post
sind Postkarten und Postanweisungen in Päckchen ge-
ordnet. Die Briefmarken bilden zusammenhängende Bogen.
Blicken wir in die Geschäftsräume des Kaufmannes, des
Handwerkers! Überall ist das Viele nicht eine regellose
Masse, sondern wohl übersehbar zusammengestellt Als
ordnendes Prinzip erscheint hier immer die Beihe. Für
den Unterricht der Kinder hat man künstliche Ordnungen
geschaffen: Quadrate, Dreiecke, Typen u. dgl. Die wunder-
Pftd. Mag. 319. B a r h 0 i n e , Visnolle Erümenuigsbilder. 2
— 18 —
liebsten ZusammeDstellungen bieten sieb dem Auge dar.
Man siebt, daß die Meinung weit verbreitet ist, solebe
Anordnungen seien gute Reproduktionsmittel der Zabl.
Ob diese Ansiebt ricbtig ist^ wird sieb zeigen, wenn wir
die Entstebung der Zahl verfolgen und damit zum
Wesen der Zabl gelangen.
Welcbes ist die erste Zabl, die von kleinen Kindern
gebildet wird? Meistens nimmt man stiUsebweigend an,
daß es die Eins sei. Man wird in dieser Ansiebt bestärkt
dureb die Meinung mancber Pbilosopben, die die Zabl als
Einbeiten (Robbes) oder die sueeessive Addition von einem
zu einem betraebten (Kant). Wilk^) glaubt, die Zwei
sei die erste Zabl. Doeb dieser Standpunkt ist wobl nicbt
baltbar. Als Beziebungsbegriff setzt die Zwei die Eins
voraus. Die Erfahrung bat gelehrt, daß vor der Vor-
stellung der Eins die des Vielen entsteht Dreyährige
Kinder besitzen diese Vorstellung häufig, ohne die Vor-
stellung des Einen zu haben. ^) Im Gegensatz zur Vor-
stellung der Vielheit erwäehst die der Einheit.
Häufig beobaehtet man bei kleinen Kindern, die wach
in ihrem Bettehen liegen, daß sie aufmerksam die Finger
einer Hand betraebten. Dabei halten sie die Finger nieht
still, sondern bewegen bald den einen, bald den andern
und riebten den Bliek auf den bewegten. Dadureh ent-
steht eine Vorstellung des bewegten Fingers. Die Be-
trachtung der Finger nacheinander bewirkt die Entstebung
einer Reihe. Es bildet sieb folgende Reibe: Daumen,
Zeigefinger, Mittelfinger, Ringfinger, kleiner Finger. (Selbst-
verständlich kennen die Kinder diese sprachlichen Bezeich-
nungen nicht. Sie sind hier nur zur Unterscheidung ge-
wählt.) Bald tritt der eine Finger, bald der andere mit
größerer Klarheit ins Bewußtsein, je nachdem, welcher
zuerst wahrgenommen wird. Dieser wird an den Anfang
der Reihe gesetzt. Dadureh erfährt die Reibe mannig-
*) Wük^ Das Werden der Zahlen und des Rechnens im Menschen
usw. Jahrb. d. Vereins f. wiss. Pädag. XXXV, 8. 238.
*) Dr. FeUch a. s. 0. 8. 250.
— 19 —
fache Abänderungen. Jetzt ist dieser, jetzt jener erstes
Glied. Jedes Glied verschmilzt auf gleiche Weise mit
jedem andern. Die Reproduktionen der Reihen kreuzen
sich. Das bestimmte Zwischen, die Vorstellung des Räum-
lichen, und das bestimmte Nacheinander, die Vorstellung
des Zeitlichen, verschwinden. Es bleibt nur die un-
bestimmte Vorstellung des Vielen. Gleichzeitig ent-
steht auch die Vorstellung des Gleichartigen. Alle Glieder
der Reihe sind Finger. Die Vorstellung des Vielen in
Verbindung mit der Vorstellung des Gleichartigen bildet
die Komplexion: viel Finger. Bei dem Beispiel »Stuhl,
Baum, Stein« ist wohl auch eine Reihen bildung möglich.
Die Ungleichheit der Dinge bewirkt jedoch eine allzugroße
Hemmung. Die Intensitätsreste werden zu klein und da-
her die Verschmelzung zu locker. Andere Glieder schieben
sich zwischen die Reihe. Die Reihe wird zerrissen, oder
es kommt wenigstens nicht zur Vorstellung des Gleich-
artigen und des Vielen.
Soll nun aus der Vorstellung des Vielen die des Einen
entstehen, so muß eine Sonderung des Vielen ein-
treten. Das Eine muß dem Vielen gegenübertreten. In
unserem Beispiel kann jeder Finger von dem andern unter-
schieden werden. Er nimmt zwar bei den vielen Ab-
änderungen der Reihe verschiedene Stellungen ein, aber
der betreffende Finger bleibt immer derselbe. Er kommt
unter allen Gliedern nur einmal vor. Er ist Eins von
dem Vielen. So entsteht die Vorstellung »ein Finger«.
Sie bedeutet den bestimmten Finger einmal vorgestellt.
Weiterhin können auch nun 2 Finger dem Vielen
gegenübertreten. Es wird erkannt, daß das Gleichartige
zweimal in dem Vielen enthalten ist. Das führt zu der
Zahlvorstellung ^2 Finger«. D. h. das Gleichartige »Finger«
zweimal vorgestellt So erscheinen die Zahlen 1, 2 als
Multiplikatoren eines Reihengliedes. Die Zahl ist also
ein Multiplikator, der die Vorstellung des Gleichartigen
zum Multiplikanden hat, nicht nur eine Synthese von
Einsen. »Noch mehr wäre zu sagen gegen die falsche
2*
— 20 -
Ansicht der Zahlen, als ob sie Summen von Einheiten
wären. Das sind sie ebensowenig, als Summen Produkte
sind. Zwei heißt nicht zwei Dinge, sondern Verdoppelung,
gleichviel ob das Verdoppelte Eins oder vieles Vieles ist
Der Begriff von einem Dutzend Stühle faßt nicht zwölf
Vorstellungen einzelner Stühle in sich, sondern er enthält
nur zwei Vorstellungen: den Allgemeinbegriff Stuhl und
die ungeteilte Verzwölffachung. t ^)
Wir sehen: Die Vorstellung des Vielen entsteht auf
Grund von Reihen. Der Fortschritt der Zahlen als Multi-
plikatoren erzeugt eine neue Beihe. Selbst wenn man die
Zahl als Summe des Gleichartigen auffaßt, entsteht durch
den successiven Fortschritt der Summanden auch eine
Beihe. Will man also die Zahlvorstellungen mit Hilfe künst-
licher Bechendinge bilden, so müssen diese Beihen zeigen.
Wie vollzieht sich nun die Beproduktion der Zahl
dnrch das Veranschaulichungsmittel? Vorausgesetzt werden
muß, daß das Eind die Zahl, die reproduziert werden
soll, gebildet haben muß. Wir betrachten folgendes Bei-
spiel: Das Eind sieht fünf Engeln der russischen Bechen-
maschine. Der Anblick der Engeln, genauer das schnelle
Durchlaufen der Beihe nach verschiedenen Bicbtungen,
erzeugt die Vorstellung des Vielen. Das erste Glied der
Beihe wird festgehalten und dem Vielen gegenübergestellt
Es wird fortgeschritten zum zweiten Gliede. Durch rück-
laufende Beproduktion erscheinen beide Glieder simultan.
Zwei Glieder werden dem reproduzierten Vielen gegen-
über gestellt Nun wird zum dritten Gliede weiter-
geschritten. Es wiederholen sich die Vorgänge wie beim
zweiten usw. Nach vielfacher Wiederholung erfolgen diese
psychischen Vorgänge in kürzester Zeit Ist die Zahl-
Vorstellung durch Addition der Einheiten entstanden, ver-
läuft die Beproduktion folgendermaßen: 1. Festhalten des
ersten Gliedes, 2. Fortschritt zum zweiten, 3. Bücklaufende
^) EerbarU Umriß päd. Vorlesungen. Harteneteinscho Ausgabe
X, 8. 302.
— 21 —
BeproduktioQ und simultane Auffassung von zwei Gliedern,
4. Fortschritt zum dritten Gliede, 5. simultane Auffassung
von drei Gliedern usw. Noch schwieriger gestaltet sich
die Reproduktion, wenn die Kugeln der Rechenmaschine
nicht wahrgenommen werden, sondern nur als Vorstel-
lungen gegenwärtig sind.
Kann sich nun diese Reproduktion beim Zahlbilde
vollziehen ? Sehen wir zu ! Das Kind soll die Vorstellung
»sieben Punkte« durch das Zahlbild: •J^ reproduzieren.
Schon beim zweiten Gliede ist die Reihe abgelaufen. Das
Kind gewinnt die Vorstellung A»zwei Punkte«. Die darunter-
stehenden Punkte stellen eine Reihe für sich dar. Es
gelangt also beim dritten Gliede nicht zur Vorstellung
»drei Punkte«, sondern die Reproduktion beginnt von
vom. Das Ergebnis der zweiten Reihe ist »zwei Punkte«.
Dasselbe Resultat hat die dritte Reihe. Die letzte Reihe
ergibt »einen Punkt«. Genau so ergeht es dem kleinen
Rechner, wenn die Zahl als Summe der Einheiten auf-
gefaßt wird. Zur Zahl Vorstellung »sieben Punkte« kann
es erst gelangen, wenn es gelernt hat 2 + 2 + 2 + 1 zu
addieren, also einen recht komplizierten Denkakt auszu-
führen. Diese Erschwerung der Reproduktion muß daher
eintreten, weil die Gruppierung zu Zahlbildem dem Zahl-
begriff vollständig fremd ist, ihm direkt widerspricht. Die
Folge davon ist, daß den Kindern das Fortschreiten von
der Zahlvorstellung zum Begriff ungemein erschwert wird
Dieser Vorwurf trifft alle Zahlbilder ohne Ausnahme.
Bei den meisten Zahlbildern kommt noch ein weiterer
Mangel hinzu, der die Reproduktion der Zahl unmöglich
macht. Vergleicht man zwei Glieder einer Zahlenreihe, so
ist das eine Glied mehr als das andere, oder dieses weniger
als jenes. Man spricht daher auch gewöhnlich von großen
und kleinen Zahlen. Das Mehr und Minder sind die
Merkmale des allgemeinsten Beziehungsbegriffes. Auch
das Mehr und Minder muß mit veranschaulicht werden.
Kommen diese beiden Merkmale an Raumgrößen zur Dar-
— 33 —
Stellung, so erscheint das Mehr als eio Großes, das Minder
als ein Kleioes. Daher müssen die Zahlbilder, die größere
Zahlen vergegenwärtigeQ, einen größeren Rantn einnehmen
als die, die kleinere Zahlen zur Anschauung bringen. Z. B.
muß das Zahlbild der Fünf einen größeren Kaum ein-
nehmen als das der Vier. Diese AuHassang ist die natür-
liche und dem Menscbea von jeher geläufig gewesen. Das
kommt auch in der Sprache zum Ausdruck. Uan redet
TOD einem großen Haufen, einer großen Menge, einem
großen Volke, einem großen Schwärm, einer großen Kette
und bringt darin das Mehr zum Ausdruck. Sieht man
sich den Inhalt dieser GesamtvorstellnogeD an, so findet
man viele gleichartige Vorstellungen, also Zahlvurstellungen
wie: viel Steine (Haufen), viel Menschen (Menge, Volk)
usw. Die Sprachbildung zeigt, daß die Vorstellung des
Hehr aus der Vorstellung des Großen entstanden ist. Die
Wörter »mehr« und >meist< werden noch im Mittelboch-
deutscben für >größer< und *am größten c gebraucht
{taebi=^mSr oder mSro [ahd.] = ma-iia [got]), ^) Auch
die Qeberdensprache deutet das Mehr als ein Großes. Bei
manchen Indianerstammen Amerikas wird »viel« durch
eine Bewegung der Hände, als wolle man etwas Großes
umfahren, und iwenig«, als wolle man einen recht kleinen
Gegenstand zwischen den Fingerspitzen halten, aasgedrückt. ^}
Viele Zftblbildererfinder stehen jenen rohen Naturmenschen
In dieser Hinsicht weit nach. Sie lassen von der Fünf
ab die Punkte immer mehr zusammeokriechen , damit
diese in gleichgroße Quadrate hineinpassen:
• • •• t«*J Doch dieser Vorwurf trifft die
• • • • * * I ^'^^ Eckhardt verwendeten nicht.
Als gute VeranschaulicbuDgsmittel, als wirkliche Bilder
der Zahlen müsseu die römischen Ziffern angesehen
werden. Auch die ältere griechische Zablschreibung zeigt
das Charakteristische der Zahl. Die Ziffern von 1 — i
') Wilk a. a. 0. a 198. - ■) Ebenda.
— 23 —
stimmeD bei beiden Völkern überein: I II III Uli. Hier
erscheint die Zahl als Multiplikator, was um so mehr zum
Bewußtsein kommt, wenn die Ziffern geschrieben werden.
Wenn ich IIII schreibe, setze ich denselben Strich viermal.
Daß gleichzeitig die Zahlvorstellung durch die Schreib-
bewegungsvorstellung eine schätzenswerte Stütze erhält,
sei nur nebenbei bemerkt Für die Fünf wählt der Römer
das Zeichen V, eine Nachbildung der Hand, für zehn das
Zeichen X, das zwei Hände bedeutet. Der Grieche be-
nutzt zur Darstellung der Fünf den Anfangsbuchstaben
des Zahlwortes F, ^) Durch diese neuen Zeichen wird die
Reihe als ein einheitliches Ganzes bezeichnet Die Fünf
wird Anfangsglied einer neuen Reihe. Bei den Griechen:
r ri rn nn rini Bei den Römern: V VI VH VEI
Vlin. Die römische Zehn X als zwei Fünfen dargestellt,
deutet an, daß die Reihe I — X als Verdoppelung der
Reihe I — V anzusehen ist Ebenso anschaulich sind die
folgenden römischen Ziffern: XX, XXX oder XXI, XXXT
usw. Die römischen Ziffern veranschaulichen nicht bloß
die Zahlvorstellung, sondern auch die Reihebbildung und
das Zahlensystem. Es wäre daher zu wünschen, daß sie
überall im ersten Rechenunterrichte Verwendung finden
möchten. Ziller sagt: »Die lateinischen Zahlzeichen adop-
tieren wir ... als die einfachen Symbole, die man jederzeit
erfinden müßte, wenn sie nicht schon gegeben wären.c >)
Beim schriftlichen Rechnen bedient man sich der
indisch-arabischen Ziffern. Kann sie nicht auch
beim Kopfrechnen Reproduktionsmittel der Zahl werden?
Die gesprochene Zahl erweckt Klangbilder. Doch leicht
rauscht die Zahl am Ohr vorüber. Unendliche Mühe macht
es dem kleinen Rechner, sie festzuhalten. Das Gesehene
gräbt sich tiefer dem Bewußtsein ein. Dieselben Ziffern
treten unendliche Male vor das Auge des Kindes. V7arum
sollte der Eindruck nicht so frisch, die Verknüpfung nicht
»j WiUc a. a. 0. 8. 234.
^ ZilleTt AllgemeiDe Pädagogik. 8. 89.
— 24 —
80 fest sein, daß aach beim gesprochenen Wort jene
Zeichen wieder erwachen? Doch bietet die Ziffer dem
Schüler eine Hilfe beim Kopfrechnen?
Unsere Ziffern 12 3 4 usw. enthalten nichts, was die
Zahlvorstellangen, die sie wecken sollen, auch nur einiger-
maßen andeutet. Man kann sich die erdenklichste Mühe
geben, man mag sich z. B. die »9« noch so aufmerksam
anschauen, sie noch so lebhaft vorstellen: Die Zahlvor-
stellung »neun« ist nicht in ihr enthalten. Den Ziffern
ergeht es in dieser Beziehung ähnlich wie den Zahlwörtern.
Aus dem Worte »sieben« kann man nicht erkennen,
warum sieben Dinge gerade diesen Namen tragen. Mit
den Zahlen über 10 ändert sich das Verhältnis um ein
Weniges. Sowohl Zahlwort als Ziffer erhalten jetzt doch
ein Körnchen Anschaulichkeit Doch bei den Zahlwörtern
sind 11 und 12 auch noch auszuscheiden. Denn daß 11
und 12 >einlif« und »zweilif«, wobei »lif« die Bedeutung
»übrigbleiben« hat, vorstelle; daß die beiden Wörter uns
sagen wollen, wenn man 11 oder 12 Dinge zähle und sei
bis 10 gekommen, so habe man 1 oder 2 übrig, 11 und
12 seien also 10 + 1? 10 + 2: diese Deutung der Wörter
11 und 12 ist gegenwärtig nicht mehr geläufig. Von 13
ab deuten die Zahlwörter wenigstens ein Merkmal des
Begriffes an, das ich mir denken soll. Es sind die Be-
ziehungen zu zehn: 10 + 3, 10 + 4, 10 + 5 usw. Das
Zahlwort »20« sagt mir, daß hier 2 Zig, 2 Zehnen vor-
liegen. So geht es fort bis 99. Dann kommt 100, wieder
eine leere Hülse, die nichts enthält vom Begriff 100. Das-
selbe gilt von »ein Tausend«, »eine Million«, »eine Milliarde«.
Die Ziffern sind noch sohlechter daran als die Zahlwörter.
Die Ziffern für die Zahl »achtzehn« sind 1 und 8, und
nun soll man 18, also 10 und 8, denken. Noch un-
günstiger wird das Verhältnis, wenn man bedenkt, daß
jede Ziffer je nach ihrer Stellung verschiedene Bedeutung
haben kann. Nur wer eine klare Einsicht hat in den
eigentümlichen Bau unseres Ziffemsystemn, alle Zahlen
durch 9 Zeichen auszudrücken und die einzelnen nach
— 25 -
ihrem Stellenwerte zu unterscheiden, kann sich der Ziffer
mit Sicherheit bedienen.
Gerade der Stellenwert kann eine Quelle von Irr-
tümern werden. Eine Ziffer kann nach ihrer Stellung zu
andern verschiedene Mengen bezeichnen. Jede mechanische
Versetzung der Ziffer ergibt also ein falsches Resultat.
Ist das schon möglich, wenn die Ziffer durch Lesen oder
Schreiben gezwungen ist, auf kurze Zeit in meinem Be-
wußtsein zu beharren, wieviel leichter, wenn ich sie als
leichteiiende Vorstellung bannen will! Wer hätte noch
niemals die Klage von Rechenlehrern gehört, daß die
Kinder den Stellenwert verwechseln , daß sie 39 «i 93
schreiben und für 0,07 «=-•0,7? Nun kann man einwenden^
für das zweite Schuljahr, das hier vorzugsweise in Be-
tracht kommt ^ sei die Schwierigkeit nicht groß. Hier
handle es sich um kleine zweistellige Ziffern, und es
könne nicht schwer sein, ihre Bedeutung zur Klarheit zu
bringen, und doch schon bei der ersten zweistelligen
Zahl erhebt sich die größte Schwierigkeit für das Kind.
Es denkt ein Zehnfaches und soll ein Zweifaches schreiben.
Ja, wenn die Zehn nur als zwei Fünfen dargestellt werden
könnte! In der zweiten Stelle steht eine Null. Begriff-
lich ist also nichts zu denken, und doch muß ein Etwas
hingeschrieben werden. Ob es wohl viel Kinder des
zweiten Schuljahres gibt, die das einsehen, wenn frisch
weg mit den neuen Zahlen immer gleich die Ziffern auf-
treten? Die indisch- arabischen Ziffern sollten im ersten
Rechenunterrichte keine Verwendung finden. Selbst bei
der Behandlung der Zahlenreihe von 1 — 100 sind sie ent-
behrlich. Auch hier bringt die Benutzung der römischen
Ziffern den größten Gewinn.
Die Überlegenheit der römischen Ziffern den
indisch-arabischen gegenüber ist nicht schwer zu erweisen.
Betrachten wir die Ziffern 32 und XXXII! In der ersten
Ziffer muß ich bei »3« dreißig, also 3 Zehner denken.
In der zweiten liegen sie vor meinen Augen ausgebreitet.
Die Zwei zeigt die römische Ziffer in der Vorstellung, die
— 26 —
iodisch-arabische als leeres Zeichen. Die römischen Ziffern
sind bei weitem nicht so abstrakt als die indisch-arabischen.
Spreche ich das Wort i zweiunddreißig«, so liegt in der
Silbe »zwei« eine Reproduktionshilfe für II, in der Silbe
1 dreißig« eine solche für XXX. Aus XXXII kann das
Eind niemals XXIQ machen, während bei 32 diese Yer-
tauschung nahe liegt. Falls dem Kinde beide Arten von
Ziffern geläufig sein würden, würde es den römischen
bei der Reproduktion den Vorzug geben.
Bei alleiniger Kenntnis der indisch- arabischen Ziffern
wird sich das Kind, falls es Einsicht in den Aufbau
unseres Zahlensystems gewonnen hat, niemals eine 3 und
eine 2 vorstellen. Die Sprache veranlaßt es schon, 30
und 2 zu denken. Da es sich hier nur um diese eine
Beziehung handelt, wird es die abstrakten Ziffern gänz-
lich ausschalten. Das Wort ist hier Vertreter des Begriffs.
Die naturgemäße Zahlbildung erfolgt in der Weise, daß
zuerst die Vorstellung entsteht. Darauf folgt die sprach-
liche Benennung und dann der Begriff. Das abstrakte
Zeichen ist hier, wie überhaupt in der Geistesbildung, das
letzte Produkt. Wer den Harz gesehen hat, wird jeden-
falls beim Hören des Wortes »Harz« nicht die Schraffen
und Farbenabtönungen der Landkarte, sondern wirkliche
Bilder aus dem Harze reproduzieren. Landkartenbilder
werden bei den geographischen Objekten in mein Bewußt-
sein zurückgeführt, die ich nicht gesehen habe. Ähnlich
ist es bei den Zahlen. Soweit die Kinder Zahlvorstellungen
haben, reproduziert das Zahlwort diese; solange das Zahl-
wort als Vertreter des Begriffs ausreicht, scheidet das
Zeichen aus. Erst wenn alle diese Mittel versagen, tritt
das Zeichen helfend ein. Im Rechen Unterricht kommt
dieser Zeitpunkt, wenn das Kind den Tausender über-
schreitet. Wenn ich mir »fünfmillionensechshundertvier-
undzwanzigtausenddreihundertneunundaohtig« vorstellen
will, lasse ich die Zifferreihe 6624389 durch mein Be-
wußtsein laufen.
Der einzelnen Z iffer mißt nun Eckhardt keinen allzu
— 27 —
großen Wert bei. Zwar sind ihm die ZilTervorstellungen
die Repräsentanten der Zahlbegriffe für den Visuellen, aber
»die isolierte Ziffer zeigt keine Spur mehr von dem ur-
sprünglichen Wesen der Zahl«. Weit größere Bedeutung
sollen Zifferreihen haben. Bei ihnen sei der Mangel
gehoben, denn sie bringen das Charakteristische der Zahl,
die Gliederung der Vielheit in Einheiten, zur Darstellung.
Ein weiterer Vorzug liege darin, daß sie das »Verhältnis
des Mehrs und Minders« erkennen lassen.^)
Ist die Zifferreihe eine psychologische Reihe?
Betrachten wir die Reihe 12 3 4 5 6 usw.! Es herrscht
eine bestimmte Ordnung. Die Ziffer 3 steht immer zwi-
schen 2 und 4, 6 zwischen 4 und 6. Doch woher diese
Ordnung? Warum darf ich 6 nicht vor 4 setzen? Weil
6 größer ist als 4. Doch nicht die Ziffer! Die Zahl 6
ist größer als die Zahl 4. Die Ordnung kommt also da-
her, weil die Zifferreihe in Verbindung steht mit der Zahl-
reihe. Schalte ich die Zahlen aus, hindert mich nichts,
die Ziffern ganz regellos aufeinander folgen zu lassen.
Ferner: Glieder einer psychologischen Reihe stellen etwas
Zusammengehöriges dar. Auch bei der Zifferreihe? 1 — 10;
10—100; 100—1000. Doch die Zusammengehörigkeit ist
wieder nicht in den Ziffern, sondern in den Zahlen be-
gründet Wir sehen: Die Zifferreihe wird zur psycho-
logischen Reihe erst in Verbindung mit den Zahlen. Sie
tritt in dieser Hinsicht der Buchstabenreihe an die Seite,
die erst in Verbindung mit einem Sachinhalte zur psycho-
logischen Reihe wird.
Wie die Bekanntschaft der Sache dem Erlernen des
Wortes vorangehen muß, so die Erlernung der Zahlreiben
der Zifferreihe. Ich kann nicht die Zifferreihe dazu ver-
wenden, den Kindern die eigentümlichen Beziehungen,
die in den aufeinanderfolgenden Zahlen liegen, zur An-
schauung zu bringen, sondern die Kinder verstehen die
Ziiferreihe erst, wenn sie Einsicht gewonnen haben in
») Eckhardt a. a. 0. S. 9.
— 28 —
unser Zahlsystem. Wer den umgekehrten Weg geht,
handelt ebenso verkehrt wie derjenige, der im Religions-
unterrichte erst ein Eatechismusstück lernen läßt, um es
nachher zu erklären, oder der im Deutschunterrichte
Wörter lesen und schreiben läßt, die später, vielleicht erst
nach ein paar Jahren, mit Inhalt gefüllt werden.
Daß der gekennzeichnete Weg der naturgemäße ist,
zeigt auch die Geschichte des Rechen Unterrichtes. Die
alten Kulturvölker hatten längst die größten Zahlen ge-
bildet An Rechenfertigkeit standen sie uns nichts nach.
Die Konstruktion des Zehnersystems war längst begrifBa-
mäßig von der Wissenschaft erkannt. 2000 Jahre vor
Christi Geburt waren die Potenzen den Ägyptern und
Assyrem keine unbekannten Größen mehr, und die phan-
tasiereichen Inder hatten besondere Namen für alle Zehner-
potenzen bis 10^^ geschaffen. Doch das Ziffersystem mit
Stellenwert war nicht erfunden, i) :» Diese Vielheit der
Werte desselben Zeichens widerspricht geradezu aller Natür-
lichkeit. Die Fositionsarithmetik ist kein Produkt volks^
mäßigen Denkens, sie ist ein Erzeugnis wissenschaftlicher
Spekulation, die Erfindung eines genialen Kopfes.« ^) Man
nimmt an, daß diese Erfindung erst in die ersten Jahr-
hunderte nach Christi Geburt zu verlegen sei.
Es erscheint fast unverständlich, wenn durch das Ziffer-
system die Gliederung der Vielheiten in Einheiten, das
»Verhältnis des Mehrs und Minders« vorgestellt werden
soll. Darin besteht ja gerade das Wesen der indisch-
arabischen Ziffern, daß sie die Anzahl der Einheiten aus-
gelöscht haben. Ein Zeichen soll mehrere Einheiten
bedeuten. Das Ziffersystem veranschaulicht den Aufbau
unseres Zahlsystems bis ins Ongemessene. Es ist erst bei
den Hundertern und Tausendern am Platze. Danach ist
auch das von Eckhardt gebrauchte Veranschaulich ungs-
*) Wük a. a. 0. S. 242.
*) Ebenda S. 240.
— 29 —
mittel zu bewerten. Er empfiehlt folgende Darstellung
der Ziffern an der Wandtafel:
• 123456789# 123466789*i)
Diese Reihe passe auf die verschiedensten Zehnerzahlen.
Sie ist ganz ungeeignet Das Neue, das in der Zahlen-
reihe bis 100 zu veranschaulichen ist, die Zehnerreihe
und die Beziehungen von Zehnern und Einem, zeigt sie
nicht. Für die Veranschaulichung der Einer, die sie dar-
stellt, sie ist unbrauchbar, wie aus unsem oben stehenden
Darlegungen über die Reproduktion der Zahl bei Zahl-
bildern hervorgeht
Die Benutzung dieses Veranschaulichungsmittels ist
Folge der weit verbreiteten falschen Ansicht, alle Zahlen
über Zehn müßten durch Hinzunahme von Einsen auf-
gebaut werden: 10 + 1, 11 + 1 bis 20; 20 + 1, 21 + 1
usw. Viel besser könnte man obige Reihe dazu verwenden,
die Zahlenreihe folgendermaßen aufzubauen: 10 + 1,10 + 2
bis 20; 20+1, 20 + 2 usw. Doch auch das wäre un-
psychologisch. Daß Eckhardt die erste Art des Aufbaues
benutzt, geht daraus hervor, daß er glaubt, die Gliederung
der Vielheit in Einheiten zu zeigen. Das verrät auch
seine Reproduktion der Reihe. Wer sich eine Reihe von
1 — 100, aus Einheiten aufgebaut, vorstellt, hat auch die
Reihe unpsychologisch gebildet.
Eine Behandlung, die den Reihengesetzen gerecht
werden will, kann nur so erfolgen, daß nach Erledigung
des ersten Zehners die reine Zehnerreihe bis 100 gebildet
wird. Danach werden innerhalb jedes Zehners die Einer
angefügt, indem der Zehner Anfangsglied einer neuen
Reihe wird: 10 + 1, 10 + 2, 10 + 3 usw. Dann entsteht
ein System von unter- und übergeordneten Reihen. Die
Reproduktion wird dann nicht durch Ziffern veranlaßt, die
plötzlich im Bewußtsein auftauchen, sondern sie erfolgt
auf Grund der Verknüpfung der Reihen. Ein so unter-
*) Eckhardt a. a. 0. S. 20.
— 30 —
ricbteter Schüler reproduziert beim Hören der Zahl 36
nicht die Ziffer 36 deutlich und die benachbarten dunkel,
sondern klar und deutlich die Beziehung: 30 4-6.
Doch nicht bloß Reihen bil düng ist zu fordern, sondern
die verschiedenen Reihen müssen auch miteinander
verknüpft werden. Das geschieht, wenn man den
Kindern eine klare Einsicht verschafft in die Beziehungen,
die zwischen den einzelnen Rechnungsarten obwalten. Die
Subtraktion muß als Umkehrung der Addition erscheinen,
die Multiplikation als besonderer Fall der Addition. Das
Enthaltensein muß als besondere Art der Subtraktion auf-
gefaßt werden, das Teilen sich als Umkehrung der Multi-
plikation darstellen usw. Auch innerhalb der einzelnen
Rechnungsarten müssen verwandtschaftliche Beziehungen
aufgezeigt werden. Das kann z. B. leicht bei den Multi-
plikationsreihen geschehen. Es ist zu zeigen, wie die
Reihe 1.4, 2.4 usw. aus der 1 . 2, 2 . 2 usw. aufgebaut
werden kann, die Reihe 1.6, 2.6 aus 1.3, 2.3 usw.
Auch in andern Rechnungsarten sind solche Verwandt-
schaften aufzusuchen : 2b ==^^ Hundert, 75 =» f Hundert
usw. Dadurch gewinnt der Rechenunterricht außerordent-
lich an Klarheit, und dadurch wird auch das Behalten
der Aufgaben wesentlich gefördert. Nun ist es ja nicht
angängig, immer Zahlen mit solchen Beziehungen zu ver-
wenden. Es müssen auch andere auftreten. Auch dann
bietet sich uns die Reihe als Gedächtnishilfe an, indem
vrir die Zahlen der Aufgabe so anordnen, daß eine psycho-
logische Reihe entsteht: 34+56, 98 — 76, 35 + 46,
97 — 53 usw. Die Berücksichtigung solcher Faktoren ist
viel wichtiger, als alles Bemühen, Reihen von Ziffern
»dem Gehirne einzuzeichnen.
Noch ein visuelles Moment muß kurz gestreift werden:
das Auftreten der Zahlen in Verbindung mit Sach Vor-
stellungen. Nach Eckhardt sind die Sachvorstellungen
schädlich: »Das von manchen Reformlem beliebte Dar-
bieten der ersten Lernobjekte durch Umkleidung in aller-
hand Phantasievorstellungen sachlicher Art, die die ein-
— 31 —
zuprägenden nackten Grundformen dieser Lernobjekte ver-
hüllen, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Ökonomie
und Technik des Lernens.«^) Es ist nicht ersichtlich, was
hier unter iPhantasievorsteliungen sachlicher Art« zu ver-
stehen ist Jedenfalls denkt der Verfasser an die Märchen-
gestalten und Personen der Bibel, die in der Zillerschen
Schule in Rechenaufgaben auftreten. Wir halten dieses
Verfahren im ersten Rechenunterrichte für unbedenklich.
Die Kinder rechnen hier wie mit wirklichen Dingen. Ge*
fahrlich wird die Phantasie dem Rechnen, wenn man un-
mögliche Einkleidungen schafft und wenn sie das Rechnen
zur Nebensache herabdrücken. (Einseitiges Sachrechnen.)
V7enn Eckhardt jedoch meinen sollte, durch Sachvorstel-
lungen würden die Kinder immer von der Zahl abgelenkt^
so befindet er sich im Irrtume. Die Zahlvorstellungen,
die zuerst gebildet werden, sind stets Zahlen in Verbindung
mit Sachvorstellungen. Die Sachen veranlassen ja das
Kind gerade im vorschulpflichtigen Alter, Zahlvorstellungen
zu bilden. Nur mit nackten Zahlen zu rechnen, geht auch
bei jüngeren Schülern nicht an. Die inhaltsarmen Zahlen
sind wenig geeignet, die kleinen Rechner auf längere Zeit
zu fesseln. Das Abstrakte wird leicht eine Quelle geistiger
Ermüdung. 2)
Unsere Untersuchung hat zu andern Resultaten ge-
führt als zu den von Eckhardt gefundenen. Nun kann
man uns entgegenhalten, daß seinen Forderungen größere
Gewißheit zukäme, weil er eine exaktere Methode benutzt
habe. Seine Methode ist das Experiment unter Zuhilfe-
nahme der Selbstbeobachtung seiner Kinder. Wir wollen
diese Methode nachprüfen!
*) Eckhardt a. a. 0. 8. 17.
^ Dem Verfasser kommt es im RecboeD hauptsäohlioh aaf
ÜbüDg des Gedächtoisses an. Er ist Anhänger der alten Seeleo-
vermögenstheorie, wie folgender Ausspruch zeigt: »Ebert und Men-
mann zeigen, daB eine Obung des Qedächtnissos in formaler Hin-
sicht eine Entwicklung des Gedächtnisses zur Folge hat.«^ S. 17.
— 32 —
Was versteht mao unter SelbstbeobacbtuDg?
Selbstbeobachtung und Experiment fallen unter den
Begriff der Beobachtung. Jedes Beobachten ist ein Wahr-
nehmen, jede Beobachtung eine Wahrnehmung. Aber
nicht, jedes Wahrnehmen ist ein Beobachten. Ich blicke
auf die Straße. Ich sehe die gegenüberliegende Häuser-
reihe. Menschen gehen auf dem Bürgersteige hin und
her. Auf dem Fahrdamm bewegen sich Lastwagen. Die
Straßenbahn saust an meinem Blicke vorüber. Ich höre
das Knarren der Wagen, das Klingeln der Straßenbahn.
Ich nehme wahr. Ich habe Wahrnehmungen. Ohne daß
ich aktiv dabei tätig bin, drängen sich alle diese Er-
scheinungen mir auf. Plötzlich höre ich anhaltendes Qe-
klingel. Kinder und Erwachsene rennen nach einer Rich-
tung der Straße. Ich öfihe das Fenster und blicke die
Straße hinab. Ich sehe die Feuerwehr dahinrasen. loh
blicke zum Himmel hinauf, ob ich irgendwo eine Bauch-
wolke entdecke. Wiederrm habe ich wahrgenommen. Und
doch unterscheidet sich der psychische Vorgang von dem
vorigen. Im ersten Falle drängen sich mir die Bilder
auf, ohne daß ich es will. Im zweiten Falle sind sie
Folge eines Willensaktes. Mein Wahrnehmen hat eine
bestimmte Absicht Ich will die Ursache des Geklingels, des
Laufens der Leute erforschen. Das erste Beispiel enthält
nur Wahrnehmungen, das zweite Beobachtungen. Dem-
nach ist also das Beobachten ein durch Willensakt be-
stimmtes Wahrnehmen und die Beobachtung eine durch
Willensakt bestimmte Wahrnehmung.
Auch die Selbstbeobachtung ist eine Wahrnehmung,
jedoch nicht eine solche, die sich auf Dinge und Er-
scheinungen außer uns bezieht, sondern auf uns selbst,
auf Dinge und Erscheinungen in uns. Sie ist eine innere
Wahrnehmung. Die größte Anzahl unserer Wahrnehmungen
erhalten wir durch das Auge. Daher spricht man bei der
innem Wahrnehmung auch von einem geistigen Auge.
Ein Beispiel!
— 33 ^
Ich träum' als Kind mich znrücke
üod schättle mein greises Haupt;
Wie sacht ihr mich heim, ihr Bilder,
Die lang ich vergesseo geglaubt?
usw.
Bilder uod Erlebnisse aus der Jugendzeit ziehen am
geistigen Auge des Dichters vorüber. Er bemerkt, wie ein
Bild durch das andere abgelöst wird. Gleichzeitig wird
er gewahr, wie Gefühle seine Seele durcbzittem: Heimat-
liebe, Sehnsucht, Trauer über die Zerstörung des väter-
lichen Schlosses. Die Liebe zur Heimat überträgt sich
auf den jetzigen Besitzer des heimatlichen Bodens, daher
wünscht er für ihn zwiefachen Segen. In dem Augen-
blicke, wo der Dichter alle diese Vorstellungen, Gefühle
und Begehrungen in sich schaut, nimmt er innerlich
wahr. »Die Vorstellungen ziehen hier entweder in ge-
dächtnismäßigem Lauf oder in der freiem Bewegung des
Phantasierens an uns, wie an einem ihnen gegenüber-
stehenden, Gedankenschau haltenden Zuschauer vorüber.« ^)
Doch Chamisso läßt es bei der Innern Wahrnehmung
nicht bewenden. Er sucht die Bilder festzuhalten. Die-
jenigen, die schon entflohen sind, ruft er wieder zurück
ins Bewußtsein. Er schreibt nieder, was er gesehen.
Hierbei ist wieder die Willenstätigkeit im Spiele. Diese
innere Wahrnehmung ist Selbstbeobachtung. So ist also
die Selbstbeobachtung eine durch Willensakt bestimmte
innere Wahrnehmung. Durch die Selbstbeobachtung er-
halten wir Kunde von unseren inneren Vorgängen, von
unserem Vorstellen, Fühlen, Begehren und Wollen. Sie
ist daher eine Hauptquelle der Psychologie.
Doch ist die Anwendung der Selbstbeobachtung
nicht unbeschränkt. Aus ihrem Wesen folgt die Begrenzung.
In der Selbstbeobachtung werden mir nicht bloß Vor-
stellungen, Gefühle und Begehrungen bewußt, sondern
diese psychischen Gebilde werden selbst wieder Objekte
') Drobüch a. a. 0. S. 140.
PSd. Mag. 819. Barheine, Yisaelle EriimaiiiigBbflder.
— 34 —
meines YorstelleDs. So ist mein Bewußtsein gespalten
in ein beobachtendes Subjekt und in ein beobachtetes
Objekt. Das, was zusammengehört, was eine Größe bildet,
muß dabei auseinandergehalten werden. Unser Bewußt-
sein widersetzt sich dieser Trennung. Wir empfinden
diesen Widerstreit der Kräfte als Anstrengung. Anhaltende
Selbstbeobachtung führt zu geistiger Ermüdung. Hart-
näckig fortgesetzt, kann sie zu einer wahren Selbstpeinigung
werden. 1) Noch mehr! Bei öfterer Wiederholung und
langer Dauer der Spaltung kann sie für wirklich bestehend
gehalten werden. Beispiele dafür sind die Fieberkranken,
die Irrsinnigen und Schwärmer. Daher ist sie nur mit
Vorsicht anzuwenden. »Wie man einem Unkundigen ein
Gift, das bei verständigem Gebrauch heilend wirkt, nicht
ohne Einschränkung in die Hand gibt, so sollte ein psycho-
logisch Unkundiger auch die Selbstbeobachtung nur mit
den allergrößten und bestimmtesten Beschränkungen an-
wenden.« ^)
Noch etwas anderes folgt aus der Trennung unseres
Selbst in Subjekt und Objekt. Unsere Bewußtseinszustände
sind nichts Beharrendes, sondern etwas Fließendes. Vor-
stellungen, Gefühle und Begehrungen kommen und gehen.
Es gibt keinen Stillstand. Das rastlose Wogen der be-
wegten See ist das Abbild unserer Seele. Daher ist die
Selbstbeobachtung »im Grunde ein fortgesetztos Mißlingen:
denn stets kommt die Beobachtung später als das Ge-
sehenec.s) Richtet sich nun das beobachtende Subjekt
auf eine Vorstellung, um sie genau ins Auge zu fassen,
80 entschlüpfen die übrigen schnell dem beobachtenden
Blick. Wollen wir aber gleichzeitig eine größere Zahl
festhalten, so wird die Beobachtung unklar und ungenau.
Versuchen wir eine komplizierte Rechenaufgabe zu lösen
und dabei gleichzeitig die psychischen Vorgänge zu be-
lauschen, so achten wir entweder auf das Geschehen in
0 Drobtsch a. a. 0. S. 141.
») Dr. Felseh a. a. 0. 8. 47.
^ Drobüch a. a. 0. S. 141.
- 35 —
uns und verrechnen uns, oder wir rechnen richtig und
vergessen das Beobachten. Höchstens ein dunkles Gefühl
der Anstrengung oder ein unklares, undeutliches Bewußt-
sein vom Kommen und Gehen von Vorstellungen schwebt
uns vor. Die Selbstbeobachtung gelingt daher dem Kinde
nicht Sie will gelernt und geübt sein.
Die Selbstbeobachtung hinkt den geistigen Vorgängen
oder Zuständen in uns immer nach. Diese sind uns nur
als Erinnerungsbilder gegenwärtig. Erinnerungsbilder von
Vorgängen' und Zuständen sind aber nicht kongruent den
Vorgängen und Zuständen. Das Bild, das sich der Jüng-
ling von seinen Kindheitstagen malt, ist ein anderes als
das, welches sich der Mann oder Greis zeichnet Also
sind die Resultate der Selbstbeobachtung ungenau.
Oft sind die Erinnerungsbilder lückenhaft. Wie werden
nun die Lücken vom Beobachter ausgefüllt? Nicht durch
die Wahrnehmungen, aus denen die Erinnerungsbilder
stammen, sondern durch Vorstellungen, die den Zweck
der Beobachtung als Reproduktionsmittel haben. Die Er-
innerungsbilder werden entstellt und gefälscht. Darf
man dann wohl die Selbstbeobachtungen der Kinder als
gewiß ansehen?
Bestimmen wir den Begriff »Experiment«!
Die Experimente haben ihr eigenstes Gebiet in der
Physik und Chemie. Nehmen wir an, es soll im Physik-
unterrichte untersucht werden, wie es kommt, daß beim
Pumpbrunnen das Wasser gehoben wird. Um das zu er-
kennen, werden verschiedene Versuche angestellt Es wird
z. B. durch Versuche festgestellt:
1. die Undurchdringlichkeit der Luft,
2. das Gewicht der Luft,
3. der Druck der Luft vermöge ihres Gewichtes,
4. die Spannkraft der Luft,
6. der Druck der Luft infolge ihrer Spannkraft,
6. die Notwendigkeit der Ventile.
Zuletzt folgt die Erklärung des Pumpens. So ist der
ganze Vorgang durch Versuche in Einzelvoigänge zerlegt,
— 36 —
die Dacbeinander beobachtet werden. Man läßt jedesmal
nur eine Ursacbe wirken und erklärt den Einzelvorgang.
Die Verbindung aller Erklärungen gibt dann die Erklärung
des ganzen Vorgangs.
Ähnlich ist es beim psychologischen Experiment Der
Experimenteur sucht in der Psyche der Versuchsperson
oder in den Psychen der Versuchspersonen mit Absicht
Erscheinungen herbeizuführen. Er sucht komplizierte zu
zerlegen, manche Ursachen auszuschalten. Mit andern
Worten: Er sucht Einfluß zu gewinnen auf Entstehung
und Verlauf einer psychischen Erscheinung. »Unter einem
Experiment versteht man eine Beobachtung, die sich mit
der willkürlichen Einwirkung des Beobachters auf die
Entstehung und den Verlauf der zu beobachtenden Er-
scheinung verbindet € ^) Machen wir uns das an einem
Beispiele klar!
Angenommen, es soll durch Versuch festgestellt wer-
den, wieviel Zahlvorstellungen eine Versuchsperson, sagen
wir ein Eind von 6 Jahren, besitzt 1. Es werden dem
Ejnde nacheinander eine Anzahl Kugeln der russischen
Rechenmaschine außer der Zahlreihe gezeigt Das Eind
wird aufgefordert, die Zahlen zu sprechen. 2. Dem Kinde
werden dann die Zahlen an den Fingern gezeigt Das-
selbe wiederholt sich mit andern Dingen. 3. Das Kind
muß die Augen schließen, und es werden ihm Gegenstände
zum Betasten dargeboten. 4. Der Versucbsleiter klopft
mehrere Male und läßt angeben, wie oft er geklopft habe.
6. Man kann auch die Sprache ausschalten, indem man
die Zahlen durch Tupfen zeichnen läßt In jedem einzelnen
Falle müssen die Fehler und die richtigen Ergebnisse
notiert und später miteinander verglichen werden.
Doch die Resultate eines solchen Experimentes
besitzen nicht unbedingte Richtigkeit In den Versuch
mischen sich Vorgänge ein, die für den Versuchsleiter
unkontrollierbar sind, und die er daher nicht ausschalten
0 Dr. Fdaeh a. a. 0. 8. 23.
— 37 —
kann. Es ist z. B. der Fall denkbar, daß ein Kind die
sprachlichen Bezeichnungen der Zahlen nicht kennt. Es
besitzt die Zahl Vorstellungen, kann sie aber nicht zum
Ausdruck bringen. Es kennt die Zahlwörter nicht. Daß
es Zahlvorstellungen ohne Zahlwörter gibt, beweisen manche
Tiere, die den Verlust eines ihrer Jungen bemerken. Sie
haben also Vorstellungen von der Zahl ihrer Jungen.
Einem andern Kinde fehlt vielleicht die zeichnerische
Fertigkeit, das Gesehene, Gehörte oder Getastete zu Papier
zu bringen. Oder die geforderten Fertigkeiten fehlen viel-
leicht in dem gewünschten Augenblick. Man denke z. B.
an die Stotterer. Weiterhin ist es möglich, daß ein Eind
infolge geistiger Ermüdung nicht fähig ist, genau zu be-
obachten. Es ist auch der Umstand zu denken, daß manche
die Zahlwörter sprechen, die Punkte zeichnen, ohne die
Zahlvorstellungen zu haben. Das zeigen manche Versuche
Lays, Lay zeigte 4~ 6jährigen Kindern eines Kinder-
gartens seine quadratischen Zahlbilder und ließ sie nach-
zeichnen. Er führte beispielsweise die 8 JJ JJ vor und
bedeckte sie mit der Hand. Nach wenigen mißlungenen
Versuchen konnten manche Kinder das Zahlbild zeichnen.
Ebenso verfuhr er mit andern seiner Zahlbilder. Dasselbe
Besultat zeigte sich. Die Kinder konnten weder zählen,
noch wußten sie die Zahlwörter. Lay behauptet nun,
wenn ein Kind das Zahlbild richtig zeichne, so besitze
es die betreffende Zahl Vorstellung; denn das Kind habe
»in der Gesamtheit die Einzeldinge vorgestellt« und die
»Einzeldinge in der Vorstellung zur Gesamtheit« zusammen-
gestellt ^) Nun beweist z. B. der obige Versuch nicht, daß
das Kind die Zahlvorstellung »acht« hat. Es besitzt vielleicht
nur die Zahlvorstellung »vier« und hat das Bild als zwei
Vieren aufgefaßt. Soll es zur Vorstellung »acht« kommen,
so muß es schon wissen, daß 4 + 4 = 8 ergibt Ja, es
braucht nicht einmal die Zahlvorstellung »vier« zu haben.
^) Lay^ Führer daroh den ersten Beohennnterrioht Karlsruhe
1898. 8.49.
— 38 —
Zur AufGassang ist nur die Yorstellung »zwei« nötig; denn
es kann jede Yier mechanisch nach ihrer räamlidien
Gestalt merken. So sieht man, daß bei psychologischen
Yersachen sich leicht Fehler einschleichen. Die dann
erzielten Resultate sind natürlich auch falsch, sind er-
schlichen.
Weil die Gefahr der Erschleich ung so groß ist, darf
nur der psychologisch Gebildete und deijenige, der
Psychologie anzuwenden versteht, experimentieren. »Wie
keinem Menschen naturwissenschaftliche und technische
Beobachtungen und Versuche oder naturwissenschaftliche
Erfahrungen, ohne eingehendes naturwissenschaftliches
Wissen und Können möglich sind, ebenso wenig kann
irgend eine Person psychologische, didaktische und metho-
dische Beobachtungen, Versuche, kurz Erfahrungen machen,
wenn er nicht über psychologisches Wissen und Können
verfügt Ohne psychologisches Wissen und Können bleibt
jeder Schulmann ein Quacksalber, ein Handwerker.«^)
Wir besprechen nun die Eckhardtschen Versuche!
Er hat drei Versuchsreihen aufgestellt Wir wollen sie
als Hauptversuche bezeichnen. Nebenher laufen Versuche,
die zur Feststellung der Vorstellungstypen und zur Prüfung
des Zahlengedächtnisses dienen. Wir bezeichnen sie als
Nebenversuche.
Über die Neben versuche schreibt Eckhardt folgendes:
»Die Feststellung der Vorstellungstypen erforderte die An-
wendung von Untersuchungsmethoden, die dem geistigen
Standpunkte der Kinder gerecht werden: Reproduktion
visueller und akustischer Wahrnehmungsinhalte mit und
ohne Unterbrechung der Sprechiunervationen, Ablenkung
während der Auffassung durch visuelle, akustische und
motorische Eindrücke, (!) ^) Ablenkung zwischen Wahr-
nehmung und Reproduktion durch visuelle, akustische
und motorische Eindrücke, (!) Rückwärtsbuchstabieren (!)
^) Lay, Führer, a. a. 0. a 43.
^ Die Aiuunilangszeiohen stammen von mir. B.
— 39 —
und dergleichen mehr.« ^) Über die Prüfung des Oedachfc-
nisses: »Recht instruktiv ist folgender Versuch: Die Schüler
merken sich durch Lesen oder Hören, motorische Hilfen
gestattet, einige Zahlen. Zwischen Einprägung der Zahlen
und Reproduktion schaltet man einen motorisch-akustischen
Eindruck ein, etwa Chorsprechen einer Oedichtsstrophe (!))
einer Einmaleinsreihe (!) usw.« 2)
Es ist nicht zu erkennen, inwiefern die Unterrichts-
methoden dem geistigen Standpunkte der Kinder gerecht
werden. Wir halten es für durchaus unpsychologisch
und unmoralisch, die Schüler während der Auffassung
abzulenken. Und gar Rückwärtsbuchstabieren zu ver-
langen! Das ist ungefähr dasselbe, als unverstandene
Vokabeln der Hottentotensprache auswendig lernen zu
lassen. Die Feststellung der Vorstellungstypen durch Ex-
periment hat für den Lehrer wenig Wert. Die psycho-
logische Wissenschaft hat diese Typen schon gekannt, als
man noch nicht an Experimente dachte. Sie sind nicht
eine Errungenschaft des Experiments. Wie die psycho-
logische Wissenschaft, so lernt auch der Lehrer seine
Schülerindividualitäten ohne Experiment kennen, freilich
nicht in der kurzen Zeit eines oder einiger VersucbOi
sondern nach längerem Verkehr durch Beobachtung, aber
dafür um so gründlicher. Lernt man einen Menschen
doch erst dann recht genau kennen, wenn man einen
Scheffel Salz mit ihm gegessen hat Sollen aber einmal
zu diesem Zwecke Versuche angestellt werden, so müssen
es wenigstens solche sein, die in den Rahmen des Unter-
richts hineinpassen, z. B. Rechtschreibeübungen mit sinn-
vollem Wortmaterial. Das Experiment ist »eine künst-
liche Form des Beobachtens, seine Aufgabe aber ist nicht
willkürliche und künstliche, sondern die tatsächlichen
Verhältnisse zu erkunden; tritt es aus diesem Rahmen
heraus, dann verfehlt es seine eigentliche Aufgaba« ^)
^) Edüiardt a. a. 0. S. 3.
») Eckhardt a. a. 0. S. 13.
^ £rlänteraDgeo zum Jahrbuch d. V. f. w. P. XXXTI. S. 35.
— 40 —
Willkürlich ist es aber, wenn man Zahlen merken läßt,
die nicht in einer Aufgabe verwendet werden, sondern
bei denen das Merken Selbstzweck ist. Künstliche Ver-
hältnisse schafft man, wenn man zwischen Einprägung
und Reproduktion einer Gedichtsstrophe, eine Einmaleins-
reihe aufisagen läßt. Der Lehrer, der im Unterrichte ex-
perimentieren will, muß sich immer vor Augen halten,
daß die Pädagogik nicht bloß von Psychologie, sondern
auch von der Ethik abhängig ist Diese bietet uns die
Ideale, denen wir im Unterrichte nachstreben sollen. Solche
Experimente vornehmen heißt aber die ethischen Ideale
aus dem Auge verlieren. Experimente, die dem Unter-
richtszwecke widersprechen, haben in der Schule nichts
zu suchen.
Was folgert nun Eckhardt aus diesen Experimenten?
Die Nichtvisuelleu seien in ihrem Zahlengedächtnis be-
nachteiligt Der Akustiker lasse sich leicht durch die
Trage des Lehrers durch das flüsternde Rechnen des
Nachbars aus dem Konzept bringen. Der Visuelle habe
ein besseres Zahlengedächtnis.^)
Dazwischenreden und Flüstern können Störungen für
jedes Kind bedeuten, auch für das visuelle. Ob sich ein
Kind aus dem Konzept bringen läßt? Da kommen Zu-
stände in Betracht, die beim Experiment gar nicht mit-
geprüft sind, auch nicht mitgeprüft werden können, z. B.
der Wille des Kindes, das Interesse. So kommt es, daß
man durch Experiment auch gerade das Gegenteil finden
kann. Marx Lobsien berichtet in demselben Hefte der
Experimentellen Pädagogik über Versuche Schuytens,
vorgenommen mit Schulkindern im städtischen pädagogi-
schen Laboratorium zu Antwerpen. Unter anderen teilt
er folgenden mit: >Er (Schuyten) stellte im Juni 1905
in zwei Oberklassen (Mädchen- und Knaben-) einen Ver-
such an, dessen Aufgabe war, zu erkunden, auf welchem
Wege, ob auf dem auditiven oder visuellen (der dann
^) Eokhardi a. a. 0. & 13,
— 41 —
noch durch den ersten verstärkt wird) eine Zahl- (Ziffern-)
reihe am leichtesten und sichersten ins Gedächtnis auf-
genommen werde. Er wählte die Zahlenreihe:
59 37 65 83 72 94 26 48
69 23 58 76 42 87 35 94
Die erste Reihe ward ausschließlich auditiv dargeboten,
jede Zahl ward vom Yersuchsleiter vor- und von den
y. F. nachgesprochen; alle 8 wurden auf ein gegebenes
Zeichen niedergeschrieben. Das geschah nacheinander
3 mal, wobei durch Umfalten des Papiers ein Nachschreiben
unmöglich gemacht wurde. Der ganze Versuch dauerte
etwa 5". Bei der zweiten Reihe wurde der Zahlrahmen
benutzt Jede Zahl wurde gezeigt, auf ein Zeichen aus-
gesprochen, und dann wurden alle 8 niedergeschrieben,
Zeit etwa 6^^... Ergebnis: Die Resultate der zweiten
Versuchsreihe, die man als die günstigeren doch
erwartete, blieben nicht unerheblich hinter den
andern zurück. Eine Wiederholung des Versuchs nach
einigen Wochen bestätigte das Ergebnis durchaus.« ^)
Wir kommen zur Besprechung der Hauptversuche.
1. Die erste Versuchsreihe besteht darin, daß den
Kindern des 2. Schuljahres eine Zahl genannt wird und
sie angeben müssen, ob sie eine Gesichtsvorstellung haben
und welcher Art diese sei. (Zahlbild, Ziffer, Zifferreihe,
Sachvorstellungen.)
2. Versuch : Welche visuellen Erinnerungsbilder werden
bei der Lösung der Aufgabe 24 + 16 reproduziert?
3. Versuch: Stellt euch die Reihe 3.6.9 bis 30 vor!
Welcher Art sind die Gesichtsvorstellungen?*)
Über die Versuche wird eine Reihe von Tabellen auf-
genommen, die uns hier nicht weiter interessiert —
Man muß sich fragen, ob es sich hier noch um streng
wissenschaftliche Versuche handelt. Gewiß sucht der
Lehrer hier Erscheinungen mit Absicht herbeizuführen:
') Zeitschrift für Exp. Pädagogik. Y. Band. Heft 1/2. a 65 f .
*) Eckhardt a. a. 0. 8. 14 und 15.
— 42 —
Die Kinder sollen ihr Augenmerk auf die psychischen
Erscheinungen lenken und sie festhalten. Hat er auch
auf den Verlauf des Vorganges einen Einfluß? Diese Frage
muß verneint werden. Mit dem Nennen der Zahl oder
Aufgabe ist sein Anteil am Zustandekommen der psychi-
schen Phänomene erschöpft. Auch von einer Zergliederung
komplizierter seelischer Gebilde kann nicht die Rede sein.
Die Eckhardtschen Versuche sind keine psycho-
logischen Experimente. Es handelt sich also nur um
Ergebnisse auf Grund der Selbstbeobachtung der Kinder.
Diese Ergebnisse besitzen keine Glaubwürdig-
keit Das geht schon aus unsem Ausführungen über
die Selbstbeobachtung hervor.
Eckhardt scheint allerdings ein Mittel gefunden zu
haben, die Richtigkeit seiner Resultate zu erhärten. Er
hat vorher die Anschauungstypen festgestellt. Nun be-
hauptet er: »Die Ergebnisse der Untersuchungsmethoden
stimmten mit den Schüleraussagen überein, so daß deren
Glaubwürdigkeit dadurch an Bedeutung gewinnt.« ^) Also,
wenn der Visuelle von visuellen Vorstellungen berichte,
so müsse er doch solche Vorstellungen haben. (!) Denn
fehlerhafte Aussagen, durch »suggestive Einwirkungen
u. dgL« bedingt, hätten ja auffallen müssen, weil sich
die Versuche im Laufe der Zeit wiederholten. — Ist denn
nicht gerade durch die Wiederholung eine Vermehrung
der fehlerhaften Aussagen möglich?
Dazu kommt, daß Einbildung und Selbsttäuschung bei
diesen Beobachtungen eine große Rolle spielen. Handelt
es sich doch um Kinder, die gar zu leicht dem Spiele
ihrer Phantasie folgen. Das zeigen auch einige Kinder-
aussagen, die Eckhardt mitteilt. Einige Beispiele! »Ich
sehe eine ganz lange Reihe von 1 bis 100; da ist die
36 herausgesprungen, und dann ist sie gleich wieder weg
gewesen.« Ein anderer Schüler gibt an: »Ich sehe eine
ganze Reihe. Da (zeigt mit dem Finger in die Luft) habe
^) Eckhardt a. a. 0. 8. a 3.
— 43 —
ich die 30 gesehen und da (weiter rechts) die 36. Die
habe ich besser gesehen als die anderen.«^) Oder Akustiker
geben an: »Ich fühle, wie es in mir spricht; ich möchte
alles mitsprechen.« ^)
Man sieht, die Angaben sind pure Phantasiegebilde,
die keinen Wert für die Pädagogik haben. »Überhaupt
ist es vom Übel, auf unkontrollierbare Versicherungen,
wie auf Tatsachen Schlüsse zu bauen. Die Wissenschaft
braucht feststehende Ausgangspunkte. Wenn ein Lehrer
in der Schule in Bezug auf eine der innem Erfahrung
angehörige Sache bei den Knaben Anfrage stellte, so ist
er nicht sicher, daß er immer die Wahrheit vernimmt
Ein Spottvogel kann ihn zum Besten halten und außer-
dem besteht die Gefahr, daß der Unterricht zu einer
Unterhaltung werde.« ^)
Diese Versuche können auch zu geistigen
Schädigungen für die Kinder führen. Nach Ech-
hardt sind die Versuche recht einfach. Ja, es macht den
Kindern recht viel Freude, sich selbst in dieser Weise zu
beobachten. Doch schon beim 2. Versuch (Lösung der
Aufgabe 24 -f- 15) wird diese Angabe eingeschränkt: »Die
Selbstbeobachtung ist hier etwas schwieriger. Die Kinder
sind geneigt, die visuellen Bilder nach erfolgter Lösung
zu beschreiben. Diese entsprechen meistens der Form
24 -(- 16 =3 39. Es handelt sich jedoch um die Beobachtung
dessen, was man innerlich sieht, während man denkt:
24 + 10 = 34+5 = 39, also ist 24 + 15 = 39.«*)
Hier ist die Selbstbeobachtung wohl nicht nur »etwas
schwieriger«, sondern recht kompliziert. Schon das Aus-
rechnen der Aufgabe erfordert die ganze Aufmerksamkeit
Jeder Rechenlehrer weiß, daß die Kinder am Schluß der
Stunde geistig matt sind. Wollten sie wirklich jene ge-
forderte Selbstbeobachtung vornehmen , so würde die
*) Eckliardt a. a. 0. S. 7.
^ Eckhardt a. a. 0. S. 3.
•) Jahrbuch des Vereins f. w. Päd. XXX Vm. S. 286.
*) Eckhardt a. a. 0. S. 14.
— 44 —
Bechenatunde für sie eine »wahre Selbstpeinigangc und
selbst bei den einfachsten Selbstbeobachtungen (Merken
der Zahl) sind Schädigungen nicht ausgeschlossen. Eck-
hardts Kinder bringen alle möglichen Dinge, die ihnen
ihre Phantasietätigkeit vorgaukelt, mit den Zahlen in Ver-
bindung. Die Phantasten leisten geradezu Erstaunliches in
der Umrahmung des nüchternen Zifferbildes: »Da kommen
Gestalten aus der Phantasiewelt, Könige und Prinzen, die
auf ihren Schildern die Zahl stehen haben « »Der eine
sieht die Ziffern auf der Bank, der andere an der Schul-
tafel, der dritte sah sie durch den Lehrer, der 4. durch
einen Schüler anschreiben.« ^) Man sieht: die Kinder
werden veranlaßt, zum Teil nicht wirkliche Dinge zu ver-
knüpfen. Die Schilder der Bitter waren doch nicht mit
Ziffern beschrieben. Durch häufige Beproduktion — die
Versuche wiederholen sich von Zeit zu Zeit — erhalten
jene Verknüpfungen Festigkeit. Welche Vorstellungen er-
halten da die Kinder von mittelalterlichen Rüstungen!
und wenn ein Kind sich die Schulbank mit Ziffern be-
schrieben vorstellt, braucht man sich da zu wundern, wenn
Narrenhände Tisch und Wände beschmieren. Daß solche
Phantastereien das Kind geistig schädigen, weiß auch
Eckhardt; daher fordert er auch, den »schon zu lebhaften
Phantasten nicht noch weiter in seiner Neigung zu unter-
stützen«. Mußte ihm nicht der Oedanke kommen, daß
durch seine Versuche die Phantasterei geradezu gepflegt
wird?
Wenn man Arbeiten, wie die Eckhardt ^ch^ liest, fragt
man sich: »Wie ist eine solche Überschätzung des
Experimentes, das doch nur eine von den psychischen
MeÜioden ist, möglich? Wie kommt es, daß man solche
SEweifelhaften Ergebnisse für glaubwürdig hält? Die Ant-
wort ist nicht schwer zu finden: Es scheint eine Miß-
achtung der spekulativen Psycholgie in weiten
Kreisen um sich zu greifen. Eckhardt selbst gibt uns
0 Eckhardt a. a. 0. a 3.
— 45 -
Belege dafür: »Die gesamte ältere Psychologie, die Her-
bartsche nicht aasgeschlosscD, schildert als ihr Objekt eine
nur begrifflich existierende, schematische Normalpsyche, c
»Bei dem Bestreben, möglichst zu einem System zu ge-
langen, wird man das Studium der Besonderheiten des
individuellen Seelenlebens vernachlässigen und durch aller-
hand Hypothesen und Spekulationen ins Innere zu dringen
suchen.« ^)
Soviel Behauptungen, soviel Unrichtigkeiten! Das
Studium des individuellen Seelenlebens ist die Voraus-
setzung auch der spekulativen Psychologie. Speziell die
Herbartsche ist mit gegründet auf Erfahrung. Nur bleibt
sie bei der Erfahrung nicht stehen, sondern sie sucht zu
erklären, die Widersprüche der Erfahrung zu überbrücken.
Dazu muß sie die Erfahrung überschreiten. Dadurch ge-
winnt sie erst wissenschaftlichen Charakter. Und wenn
sie ein System aufstellt, so ist damit noch lange nicht
gesagt, daß das Studium des individuellen Seelenlebens
vernachlässigt werden müsse. Von Herbart ist es bekannt,
welch feiner und scharfer Beobachter er war. Wer aber
behauptet, die Herbartsche Schule versäume das Studium
der Individualität, den kann man nur ersuchen, die Her-
bartische Literatur zu studieren, so wird er eines Besseren
belehrt werden. Dieses Studium war ihr nicht möglich,
trotz der sogenannten schematischen Normalpsyche, son-
dern auf Grund derselben. Wer keinen Begriff der
Psychologie besitzt, kann auch keine Psychologie an-
wenden, kann niemals systematisch beobachten.
Eckhardt meint, den Didaktiker interessiere nicht die
Frage nach dem Wesen der Aufmerksamkeit, sondern nach
den individuellen Äußerungen der Aufmerksamkeit; nicht
Erörterungen über das Wesen des Gedächtnisses seien
von didaktischem Interesse, sondern die Frage nach den
individuellen Formen des Lernens, Erinnems und Ver-
gessens seien für die Unterrichtslehre von Bedeutung.« >)
0 Eckhardt a. a. 0. 8. 1. - ") Ebenda.
— 46 —
Hier finden wir den Schlüssel zu all jenen falschen
Ansichten, die uns in der Arbeit entgegengetreten sind.
Wer das Wesen der psychischen Phänomene nicht kennt,
hat jeden Maßstab für die Beurteilung psychischer Er-
scheinungen verloren und erniedrigt das Experimentieren
zum Probieren. Wer das Wesen des Gedächtnisses nicht
kennt, sucht nach allen möglichen Krücken und Stützen
für die Reproduktion und läßt jene Hilfen, die sich aus
dem Wesen von selbst ergeben, unbenutzt am Wege liegen.
Die Eckhardtsche Arbeit beweist wie ähnliche, daß
die experimentelle Pädagogik bis heute nichts dazu bei-
getragen hat, den Wirrwarr der Meinungen auf didakti-
schem Gebiete zu beseitigen, sondern ihn nur vermehrt
Andrerseits steht uns die Überzeugung noch unerschüttert
fest, daß die Herbartsche Pädagogik noch immer geeignet
ist, Fragen des Unterrichts und der Erziehung zu lösen.
Wir glauben, daß es auch in der Zukunft noch so sein
wird. Diese Hoffnung teilen selbst Männer, die nicht
Anhänger der Herbartischen Philosophie sind. Hat doch
selbst Eucken behauptet, die Herbartsche Schule habe
noch eine große historische Mission zu erfüllen, keines-
wegs habe sie abgewirtschaftet; wie manche ihrer fana-
tischen Gegner glauben. ^)
^) M, SchmidUf EuckeDS Philosophie nod die ionere Scholreform.
Deutscher Sohalmaon 1907, Heft 6.
-<H<g®@X»
Dniok f«i HmBanii Bej« k WOha» (Btjm k Kann) in LangeoMüxa.
Die
kindlichen Spiele
in ihrer
pädagogischen Bedeutung
bei
Locke, Jean Paul und Herbart
von
Dr. phil. Weller.
Schnldirektor.
Fädagogisohes Magazin, Heft 820.
Langensalza
Hormann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Horzogl. Sachs. Hofbachhändlor
1908
Inhalt.
Seite
Kapitell. Vorwort: Zweck und Absicht der Yorliegen-
den Abhandlung. — Rechtfertigung des eingeschlagenen
Verfahrens . . - 1 — 4
Kapitel II. Einleitung: 4—27
1. Die hohe Bedeutung der Spiele im Leben der Kinder 4 — 18
2. Geschichte der Spiele 18— 25
3. Besonderer Wert einer Abhandlung über die An-
sichten Yon den Kinderspielen, namentlich fiber
die von Locke, Jean Paul und Herbart .... 25—27
Kapitel III: Vorbedingungen für die Ansichten Lockes,
Jean Pauls und Herbarts über Kinderspiele . . . 38 — 68
1. PhiloBophiscbe und psychologische Voraussetzungen 28 — 37
2. Pädagogische Voraussetzungen 37 — 55
3. Geschichtliche Einflüsse 55—57
4. Die empirische Grundlage und der Erfahrnn&rskreis 57 — 63
5. Vorbedingungen in den persönlichen Eigenschaften
Lockes« Jean Pauls und Herbarts ...... 63—65
6. Vorbedingungen in der Zeitlage Lockes, Jean Pauls
und Herbarts 65—68
Kapitel IV: Ansichten Lockes, Jean Pauls und Herbarts
über die Spiele der Kinder 68 — 153
1. Äußere Form und Quellen der Ansichten . . . 68 — 73
2. Ansichten über das Wesen der kindlichen Spiele 73—84
3. Ansichten über Arten und Einteilung der Spiele . 84 — 93
4. Ansichten über Nutzen und Bedeutung der kind-
lichen Spiele 94—111
5. Ansichten über das Verhalten des Erziehers gegen-
über den Spielen 111—122
6. Ansichten über Wesen, Art und Beschaffenheit der
Spielsachen 122—131
7. Ansichten über den Spielbetrieb 131 — 136
8. Ansichten über Wahl der Gespielen 136—138
0. Ansichten über die Art der Spielplätze .... 138 — 140
10. Ansichten über (jefahren und Fehler beim Spiele 140 — 143
11. Ansichten über die Dauer der Kinderspiele. . . 143 — 145
12. Ansichten über das Verhältnis ?on Spiel nnd Unter-
richt 145—153
— IT -
Xapitel T: Übereinstimmende nnd lich aotericheidende
Punkt« in den AuBicbten Lockei, Jeu Ptub and
Herbert« Sbei Kinderspiele: eine Tergleichende Za-
eunmeostollane
Kapitel VI: Stellang der Spiela in den Eniehungs-
ayetemeD Locke«, Jeui P&nl« nnd Herbarts . . .
Kapitel VII: EinklMg der Anncbten Locke«, Jean
Paals und Berbart« Qber Kindenpiele mit den pida-
go^ischea Theorien nod philoeophisoben Sjatemen
Kapitel VIII: Stellaug der Anaichten Locke», Jean Paule
und Herbarti Ober Kinderspiele in der Geschichte der
Spiele, ihre Wirkungen, ihr EinfluB und ihr Terdienet 167—
Kapitel IX: Bearteibng der Aoaichten Lockse, Jean
PidIb nnd Herbarte Ober Kindenpiele: kritiiche
StelloDgDahne 173—
Kapitel X: Gegenwärtiger Standpunkt des Bpielbenriebea
in DentsebUod mit SOckaicht auf die Fordernogen
Lockee, Jean Paula und Herbarts 183—
Kapitel XI: ScblaBwort: Aorgabea der Gegenwart 194-
ibkOrznugen:
Ednc. = Locke: Som ThooghU coccerniog Education 1693.
UoiriB pAd. Vorl. =' Herbart: Umriß pSdsgogiacher Vorlesangen.
Ler. = Jean Faul : Levana.
Allgem. Päd. — Herbart: Allgemeine PSdagogik.
rep. = Plato, rep. VII.
Campe = Allgemeine Bevision v
Kapitel I: Vorbemerkuug.
Ein Blick in die vorhandene pädagogische Literatai
lehrt wohl, daß allenthalben den Ansichten Jean Pauls
und zum Teil auch Herbarts und Lockes über die Spiele
der Kinder eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht
wird, begegnet aber nirgends einer zusammenfassenden,
oder wohl gar erschöpfenden Abhandlung über die An-
schauungen der betreffenden Pädagogen. An die Stelle
einer solchen treten vielmehr nur einzelne Hinweise oder
Zitate, weit entfernt davon, ein plastisches Bild derselben
bieten, oder das volle kongeniale Verständnis für dieselben
erwecken zu können. Die nachfolgenden Ausführungen
wollen daher einen Beitrag liefern zur Ausfüllung der
vorhandenen Lücke durch eine monographische und wo-
möglich erschöpfende Darstellung sämtlicher Ansichten der
drei genannten Erzieher über diesen Punkt. Zu dem
Zwecke ist auf alle ihre Äußerungen über Einderspiele,
soweit sie, bald mehr in zusammenhängender Form,
bald mehr ^aphoristisch zerstreut, in ihren sämtlichen
Werken zum Ausdruck gelangen, Bücksicht genommen
worden, so daß beispielsweise bei Jean Paul auch seine
Dichtungen, bei Locke und Herbart ihre psychologischen
und philosophischen Werke mit herangezogen wurden.
Nur so dürfte es möglich sein, ein nahezu vollständiges
Bild von den Vorstellungen und Meinungen der drei
Pädagogen zu erhalten. Die Vollständigkeit dieses Bildes
fordert aber auch, sich nicht nur zu begnügen mit einem
einfachen Darlegen ihrer Ansichten, sie verlangt, den Be-
dingungen nachzuforschen, aus denen heraus sie erwachsen
PHd. Mag. 320. Weller. 1
— 2 —
sind und sich erklären, sowie ihrem geschichtlichen Schicksale,
ihrem Einflüsse und ihrer Einwirkung bis auf die Gegenwart
nachzuspüren. Gorade eine Parallele zwischen den Forde-
rungen dieser Erzieher und den Verhältnissen der Gegenwart,
die dringender und lauter als jo das Bedürfnis nach einer
Reorganisation und Vermehrung der Einderspiele emp-
findet und ihre Stimme zu Gunsten derselben erhebt, er-
scheint nicht nur als zeitgemäß, sondern erweist sich den
Ansprüchen der letzteren gegenüber in mehr als einer
Hinsicht nützlich und lehrreich, indem sie manche be-
herzigenswerte Winke zu bieten vermag, und das mit um
so mehr Gewinn, als den Spielen der Kinder in unserer
Zeit bei den sozialen und kulturellen Zuständen, wie sie
durch das moderne Städteleben, die modernen Schul- und
Wirtschaftsverhältnisse bedingt sind, auch eine nicht zu
unterschätzende soziale Bedeutung zukommt Mit Erfolg
werden freilich die Anschauungen jener drei Pädagogen
heute nur verwertet werden können bei einer genauen
kritischen Stellungnahme ihnen gegenüber, bei einer sorg-
faltigen Sichtung des noch heute Brauchbaren und Nach-
ahmenswerten von dem bereits über Bord Geworfenen
oder nicht mehr Zeitgemäßen. Pflicht einer gerechten
Beurteilung ist es dabei, die einzelnen Ansichten nicht
nur in ihrer isolierten Stellung zu kennzeichnen, sondern
sie im Zusammenhang zu betrachten mit den philosophi-
schen und pädagogischen Systemen und Anschauungen
der betreffenden Erzieher überhaupt. Um jedoch hierbei
der Gefahr der Weitschweifigkeit zu entgehen, dürfen
selbstverständlich nicht alle Punkte, nicht einmal alle
wichtigen, ihrer Systeme herangezogen werden, sondern
nur insoweit, als dieselben mit ihren Anschauungen über
Einderspiele tatsächlich in Beziehung stehen. — An
keinem dieser Punkte aber darf eine auf Vollständigkeit
Anspruch erhebende Arbeit achtlos vorübergehen, viel-
mehr muß sie sämtliche unbedingt in ihren Gedanken-
gang aufnehmen. Im vorliegenden Falle sind dabei die
einzelnen Teile so ausgewählt und aneinandergereiht wor-
- 3 —
den, daß sie sachlich wie logisch im ZusammenhaDge
stehen und sich inhaltlich gegenseitig bedingen. Gleich-
zeitig sind dabei die einzelnen Ausführungen als eine
vergleichsweise Betrachtung gedacht, so daß die einander
entsprechenden Ansichten der drei Pädagogen über die
gleichen Punkte immer in Parallele zueinander gesetzt
sind. Wenn dadurch auch die Zahl der Schwierigkeiten,
welche der Abhandlung erwachsen, eine größere werden
mußte, als sie eine Darstellung ihrer Ansichten nach
den einzelnen Personen geordnet mit sich gebracht haben
würde, dürfte das eingeschlagene Verfahren im Interesse
der Übersichtlichkeit, einer schnelleren vergleichenden
Orientierung und leichter zu ermöglichenden gegenseitigen
Abschätzung doch den entschiedenen Vorzug vor jener
mehr äußeren Anordnung verdienen. Der vielleicht zu
erhebende Einwurf, daß auf diese Weise dem logischen
Zusammenhange der Einzelabhandlung des betreffenden
Pädagogen Abbruch geschähe, fallt von selbst hin bei
Berücksichtigung des Umstandes, daß sowohl Herbart^
als auch Locke ihre Ansichten doch nur zerstreut ge-
geben haben, so daß tatsächlich kein logischer Zusammen-
hang zwischen ihren Äußerungen besteht. Ein solcher
tritt bis zu einem gewissen Grade nur bei Jean Paul
hervor. Derselbe konnte indes dadurch gewahrt werden,
daß seine Ausführungen immer an erster Stelle, schon
ihrer eingehenden Ausführlichkeit wegen, berücksichtigt
wurden, während die Hcrharts und Loches als Ergänzung
hinzutreten; und selbst bei den einzelnen Unterteilen
empfahl es sich hierbei, die sehr äußerliche Anordnung
nach Personen zurücktreten zu lassen zu Gunsten einer
Gliederung nach sachlichen Gesichtspunkten, wie sie sich
aus dem Wesen und der Natur der Spiele selber ergeben,
und welche tatsächlich von den drei Pädagogen berührt
werden, die ganze Summe ihrer Anschauungen, wenn
auch von dem einen bald mehr oder weniger berück-
sichtigt, umfassen. Sachliche Gesichtspunkte sind schließ-
lich auch bestimmend gewesen, die einzelnen Ansichten
~ 4 -
nicht nach der Zeit ihrer Entstehung: Locke — Jean
Paul — Herbart^ wie es wohl zunächst auf der Hand
lag, aufeinanderfolgen zu lassen, sondern sie aneinander-
zureihen nach dem Orade ihrer inneren Verwandtschaft:
Jean Paul — Herbart — Locke, So dürfte eine gründ-
lichere Sachlichkeit den Vorteil der Ermöglichung einer
leichteren stilistischen Gestaltung reichlich aufwiegen!
Um aber dem Leser von vorneherein einen festen Maß-
stab der Beurteilung an die Hand zu geben, geht die
Einleitung aus von einer Skizzierung der kindlichen
Spiele und ihrer pädagogischen Bedeutung im Lichte mo-
derner Anschauungsweise, welche verglichen mit der Auf-
fassung Jean PauU^ Herbarts und Lockes zum Schlüsse
wie von selbst nicht nur die voneinander abweichenden
Funkte überhaupt hervortreten läßt, sondern besonders
auch jene deutlich markiert, welche noch heute der Er-
füllung harren und — wie es im Schlußkapitel geschieht —
auffordern zu Vorschlägen über die Art und Weise, ihnen
Geltung zu verschaffen im Interesse einer naturgemäßen
und liebevollen Erziehungsmethode.
Kapitel II: Einleitung.^)
1. Die hohe Bedeutung der Spiele im Leben der Kinder.
»Wer den Entwicklungsgang eines Kindes mit liebe-
voller Sorgfalt und Aufmerksamkeit verfolgt und das all-
mähliche Hervortreten der Leibes- und Geisteskräfte zu
beobachten versteht, wird über die große Wichtigkeit des
Spieles für diese Entwicklung nicht im Zweifel sein. Im
Spiel schafft sich das Kind seine eigene Welt! Bei seiner
lebhaften Einbildungskraft wandeln sich ihm auch ernste
Beschäftigungen, wenn es anders mit Herz und Seele
^) Mit gütiger Erlaubnis des Vorstandes des ZentralauHSchosses
zur Förderang der Jugend- und Volksspiele in Deutschland zwecks
späterer Vergleichang and Beoiteilong in der Hauptsache naoh
deeseo Jahrbüohero sosammeogeBieilt.
— 6 —
dabei, leicht in ein heiteres Spiel. Zwar hat der Miß-
brauch, den bisweilen das Ungeschick sich mit einer
unrichtigen Vermischung von Spiel und Unterricht hat
zu schulden kommen lassen, von manchen Seiten einen
entschiedenen Widerspruch gegen eine besondere Berück-
sichtigung des Spieles überhaupt wachgerufen, und es ist
richtig, daß ein sogenanntes spielendes Lernen über dem
Scherz leicht des nötigen Ernstes yergißt, nimmermehr
aber vermag eine falsch verstandene pädagogische Maß-
nahme den Wert an sich zu schmälern. Das Wort, daß
der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt, gilt
im vollsten Maße vom Kindesalter. Die Gelegenheit,
welche das Spiel bietet, sich voll und ganz auszuleben,
hat das Kind am nötigsten, damit in ihm die vielseitige
Anlage von Leib und Seele zur Entfaltung kommen
könne; denn die Freude beim Spiel bringt die ver-
schiedensten Kräfte in rege Tätigkeit Wird daher dem
Kinde diese Lebensbedingung nicht hinreichend geboten,
so liegt die Oefahr nahe, daß es körperlich und geistig
in der Entwicklung zurückbleibt und zu einer Mißgestalt,
zum Krüppel heranwächst wie die junge Pflanze, der es
an Licht und Luft fehlt.« Diese für die Gegenwart aus-
gesprochenen Worte Professor KocJis^) dürfen wohl in
jedem wahren Yater- und Erzieherherzen auf lebhafteste
Zustimmung rechnen. Nur ist hier streng zu scheiden
zwischen wirklichem Spiel und eitler Spielerei. Ist es
dieser nur darum zu tun, die Stunden mühelos, aber
auch nutzlos, auszufüllen, so will das echte Spiel nicht
minder mit Anspannung aller Kräfte betrieben werden
als die Arbeit, nur daß dabei die Freude gewahrt bleibt.
Es ist ja das untrügliche Kennzeichen eines guten Spieles,
daß dabei alle freiwillig ihr Bestes tun und keine An-
strengung scheuen. Spiel ist eben ernste Tätigkeit, ohne
indes mit dem Begriff der Arbeit zusammenzufallen. Will
^) Prof. Dr. Koch: »Der erziehl. Wert d. Jogendspiele«, Jahrb. d.
Zentralaassohusses für Jogeod- u. Volksspiele v. Jahre 1802, 8t. 5 if.
~ 6 —
die letztere ein aus ihr hervorgehendes Ergebnis, ein
Arbeitsprodukt, einen Ertrag der Arbeit erzielen; wird
sie beeinflußt durch das Bestreben, ihre Produkte, soweit
es nur irgendwie angänglich ist, schnell und gut, jedoch
mit möglichst geringem Verbrauch an Arbeitskraft hervor-
zubringen: so geschieht das Spiel lediglich um seiner
selbst willen und hat keinen andern Zweck als den der
Spieltätigkeit selber. An sich allein schon gewährt es
Befriedigung und Freude; denn es entwächst dem Boden
der Freiheit, die bereits das kleine Kind mit Argusaugen
eifersüchtig überwacht, und die infolgedessen den ein-
sichtsvollen Erzieher nötigt, sie sich für seine Zwecke
nutzbar zu machen, indem er ihre Dienste beanspruchen
wild, um dem Guten in der Jugend, dessen Pflege und
Förderung die nächste und namhafteste Hauptsorge jeder
rationellen Erziehungsmethode bleiben muß, Raum und
Goli'genheit zu verschafi'en, daß es hervortreten und sich
geltend machen kann; denn jeder Zwang ist nur den
schlechten Eigenschaften des Kindes gegenüber berechtigt
und an seinem Platze. Zwar hat nun auch das Spiel, wie
jede andere Tätigkeit, einen objektiven Inhalt Dieser ist
eben die Beobachtung der Ordnung, in welcher die Einzel-
tätigkeiten sich zu einem einheitlich abgeschlossenen
Ganzen verbinden, mit anderen Worten, er besteht im
Beachten und Einhalten der Spielregel, weshalb eigent-
lich auch kein Spiel ganz ohne eine solche sein kann
und meist auch nicht ist; denn bei und durch deren
Beobachtung wird vielfach erst die Heiterkeit und die
Befriedigung, welche das Spiel gewährt, hervorgebracht
und erhalten. So schaffet sich jenes in der Spielregel
zwar selbst eine Art Realität, aber diese hat ihren eigent-
lichen Boden doch nur in der Phantasie; und eben darum
liegt im Spiel ein gewisser Humor, eine freie, leichte
Heiterkeit, ist es frei von dem Ernste und dem Drucke
des realen Lebens. Ein Spielverderber ist daher, wer
aus ihm bittern Ernst macht. Zunächst ist dasselbe ja
wohl auch für das Kind vielfach eine Erholung, indem
- 7 -
es mit der Arbeit abwechselnd betrieben wird; aber es
ist durchaus keine Ruhe. Der Ermüdete, Erschöpfte spielt
nicht, ebensowenig wie der Faule und Träge. Die Er-
holung, welche das Spiel gewährt, bringt eine Erfrischung
der Kräfte nicht deshalb, weil es etwa solche nicht in
Anspruch nehme, sondern weil es andere als die Arbeit,
welche es unterbricht, und in anderer Weise als diese
übt. Infolge dieser Abwechslung können sich die durch
die Arbeit ermatteten Kräfte in der Spielzeit neu beleben
und zu neuer Tätigkeit stärken. Besonders nach langer
geistiger Anstrengung ist daher das Spiel eine Erquickung
für Leib und Seele und wirkt in Bezug auf körperliche,
wie auf geistige Kraft diätetisch und ökonomisch. Nach
anstrengenden Unterrichtsstunden läßt es den Körper, den
natürlichen Bewegungstrieb der Kinder zu seinem Rechte
kommen und bildet ein heilsames Gegengewicht gegen
Überanstrengung und Überbürdung. Infolge seiner eigen-
artigen Natur aber hebt sich dasselbe weit über den
Begriff einer der bloßen Erholung und dem Vergnügen
gewidmeten Ausfüllung der Mußestunden hinaus und wird
zu einem geradezu unersetzlichen Ausbildungs- und Er-
ziehungsmittel für Körper und Geist, zu einem der be-
deutsamsten bildenden Faktoren in physiologischer, sitt-
lich-sozialer und intellektueller Hinsicht.
Wollten doch Eltern und Erzieher die ihnen anver-
trauten Kinder, sobald sie gelernt haben, ihre Bewegungs-
organo zu beherrschen, richtig beobachten! Macht sich
bei ihnen nicht die Lust am Bewegungsspiele, am Laufen,
Rennen und Jagen mit der Macht eines Naturtriebes,
eines Daseinsbedürfnisses geltend? Der sich selbst im
Freien überlassene Knabe geht nicht, er läuft. Wohl-
erzogen einherzugehen, ist ihm ein Zwang, Rennen bis
zur flüchtigen Atemlosigkoit eine Lust und der selbst-
verständliche Inbegriff aller Spiele mit Altersgenossen.
Der Bewegungstrieb der Jugend verlangt so gut wie
Hunger und Durst seine Befriedigung, und schon darin
liegt der Hinweis, daß es hier eine wichtige Bedingung
— 8 —
zur YoUkräftigen Leibesentwicklung zu erfüllen gilt. Von
medizinischer Seite wird hierüber geschrieben: »In der
Tat wohnt häufiger und schneller Körperbewegung die
wertvollste Einwirkung auf die verschiedenste Organtätig-
keit inne. Vor allem ist die volle Entwicklung der Lunge
an solche Anregungen gebunden. Die bei der Muskel-
tätigkeit unmittelbar auftretenden schädlichen Zersetzungs-
stoffe, namentlich die massenhafte Kohlensäure, können
nur entfernt und unschädlich gemacht werden durch er-
höhte Ausscheidungstätigkeit der Lungen, durch unter
umständen auf das Vielfache gesteigerten Umfang der
Atemarbeii Mithin ist die zeitweilige Inanspruchnahme
aller Lungenteile, auch der für gewöhnlich gar nicht oder
nur wenig gebrauchten, notwendig, sollen auch letztere
atemtüchtig und widerstandskräftig werden und bleiben.
Das Mittel hierzu sind Schnelligkeitsbewegungen. Den
Kindern die Gelegenheit zu ungebundenem Laufen und
Tummeln verkümmern, heißt sich daher schwer an der
Gesundheit des heranwachsenden Geschlechtes versündigen.
Die Jugend muß sich nach Herzenslust austummeln
können, sollen wichtige Organe nicht schwächlich ent-
wickelt und wenig widerstandskräftig bleiben. Bei jedem
Bewegungsspiele wird fast die gesamte Muskulatur in
lebhafte Tätigkeit versetzt. Sie ist daher keine einseitig
ermüdende und somit körperlich verbildende, wie es
häufig bei handwerklichen Berufistätigkeiten der Fall ist
Vielmehr wirkt sie harmonisch anregend und entwickelnd
auf die ganze Körperbildung;« i) denn die Folge dieser
gesteigerten Muskeltätigkeit bildet zunächst eine kräftige
Belebung der Atmung. Mit dieser im Zusammenhang
steht aber eine Verbesserung der Blutbildung, eine An-
regung des Blutumlaufes, eine Erhöhung des Stoffwechsels
im ganzen Organismus. Wird aber der Stoffverbrauch
im Körper gesteigert, so wird auch Neubildung in allen
^) Dr. med. Schmidt: »Bewegungsspiele u. LuDgeoeDtwickluogc,
Jahib. d. Zentraiausschassos fär Jugend- a. Volksspiele 1892 St. 15 ff.
— 9 —
Geweben desselben angeregt nnd dadurch wieder die
Assimilation fremder, als Nahrung in den Körper ein-
geführter Stoffe vermehrt. Der Appetit steigert sich, es
hebt sich die gesamte Ernährung. Der verzärtelte Knabe,
welcher die wohltuenden körperlichen Wirkungen leb-
haften Spieles wiederholt empfunden hat, bekommt einen
gesunden Appetit und gewöhnt sich bei regelmäßig fort-
gesetzter Beteiligung am Spiel wohl ganz die Lecker-
haftigkeit ab. Er wird wieder zum Knaben im wahrsten
Sinne des Wortes, und wie bei ihm läßt der sich im
Spiele offenbarende freudige, lebensfrische Wettkampf, bei
dem sich Arbeit mit Jubel, Lust mit Ernst paaren, der
die Pulse höber schlagen macht, besonders auch den
Mädchen die vielfach durch Überlastung geraubte Freude
wiederfinden; und gerade bei ihnen sind, wie zahlreiche
ärztliche Gutachten übereinstimmend beglaubigen, die
physiologischen Wirkungen der Spiele von besonders
günstigem Einflüsse, dessen Bedeutung noch wachsen muß
in einem Zeitalter der Modeherrschaft wie dem gegen-
wärtigen. Die Laufübungen, sowie alle Übungen, bei
denen die Beine durch Hüpfen und Springen in Tätig-
keit gesetzt werden, haben einen ganz bedeutenden Ein-
fluß auf das Längenwachstum, auf die mächtigen Muskel-
lager um Schenkel und Lenden, auf die Beckenknochen,
auf wichtige Werkzeuge des Unterleibes, sowie auf die
ganze Organtätigkoit der Atmung und des Blutkreislaufes.
Solche Übungen aber sind es, die gleichzeitig den Blut-
störungen, der so häufig bei den Mädchen auftretenden
Bleichsucht, sowie den Verdauungsstörungen mit dem
besten Erfolge entgegenarbeiten. Sie dulden femer nicht
länger die Sklavenfesseln der Mode, unter deren tyranni-
schem Joche heute vielfach schon das zarte Mädchenalter
zu seufzen hat; und die langsame Heilung von dieser
am Lebensmarke des weiblichen Geschlechtes zehrenden
Seuche ist wahrlich nicht ihr geringster Nutzen; er er-
langt vielmehr durch Hebung der Gesundheit eines ganzen
Geschlechtes kulturelle und soziale Bedeutung; »denn
-- 10 ~
der Spielplatz macht dem ümhertrippeln in Stiefelchen
mit hohen Absätzen und den enganliegenden Bekleidungs-
stücken ein Ende. Das Korsett, diese Maschine, durch
welche Völker, die an der Spitze der Kultur stehen, will-
kürliche Veränderungen an den Körperteilen vornehmen,
kann seine Modeherrschaft nicht mehr geltend machen,
wo der weiblichen Jugend zum Bewegungsspiele Gelegen-
heit gegeben wird. Wer sich die Mühe nimmt, Mädchen
bei ihren Ballspielen einmal mit dem Auge des aufmerk-
samen Beobachters zu belauschen, wird staunen über die
Fülle von Bewegungsformen, sowie über die natürliche
Bewegungslust der Schülerinnen aller Stufen ohne Aus-
nahme, und vielleicht wird sich der Gedanke bei ihm
Bahn brechen, daß der unveränderte Körper der Venus
von Melos für ein höheres Ideal weiblicher Schönheit
gelte als die Wespengestalt einer korsettumpanzorten Mode-
dame.« ^) — Selbst wenn in dieser Hinsicht dem Schul-
turnen der nötige Platz eingeräumt ist, bleiben den Spielen
doch immer noch besondere Vorzüge. Bei ihrer Aus-
übung trägt jeder Schüler, wofern er nur mit Lust mit-
spielt, einen sicheren Maßstab des Zuträglichen in sich
selbst Fühlt der spielende Knabe, daß er nicht mehr
laufen kann, so hält er eben inne und läßt sich haschen.
Dann aber haben die Spiele vor den Übungen auf Befehl
noch den mächtigen Bewegungsanreiz voraus, welchen die
Spielfreude gewährt. Das strömende Lustgefühl, der
lebendige Spieleifer beschwingt den eilenden Fuß und
wehrt dem Gefühl der Ermattung. Ein so volles Maß
von brusterweiternder Bewegung hintereinander, ohne Ein-
buße an Frische, wie sie der eifrig spielende Knabe eben
spielend zurücklegt, läßt sich bei Übungen auf Befehl
niemals erzielen. Hier stellen sich viel früher Verdrossen-
heit und Abspannung als Hemmungsursache ein und be-
wirken vorzeitige Ermattung und Ermüdung. Der Ein-
*) Turniospektor A, Hermann: »Die Turospiele der Mädchen. c
BrauDSohweig 1892. 8t. 69.
— 11 -
fluß seelischer Stimmung auf die größere oder geringere
Leistungsfähigkeit des Bewegungsapparates ist eben eine
feststehende Tatsache, der jede Leibeserziehung Rechnung
tragen muß. Glaubt dieselbe, nur mit methodisch ge-
ordneten Bewegungsformen auf Befehl ihrer Aufgabe ge-
nügen zu können, so verkennt sie hochwichtige erziehe-
rische Mittel, bleibt eine ausgeklügelte hölzerne Kunst,
welche die Regungen der Eindesseele mißachtet Körper-
liche Tüchtigkeit erwirbt sich vielmehr jeder von frühester
Jugend auf am besten im freien Spiel. Zuerst übt das
Einzelspiel seine Kraft und Geschicklichkeit, dann reizt
beim Spiele mit Geschwistern oder den nächststehenden
Altersgenossen der Wetteifer zu stärkeren Leistungen;
endlich umfängt ihn die Gemeinschaft der Schule und
treibt ihn an, vor einem weiteren Kreis in den Schul-
spielen sein Bestes zu versuchen. Wenn aber so das
körperliche Leben durch die anregende Tätigkeit der
Spiele im ganzen verbessert wird, so müssen auch auf
diesem gesunden Boden ein gesundes Nervensystem, ein
normales Nervenleben und ein frisches, fröhliches Gemüt
erwachsen. Mit diesen letzteren Erfolgen ist aber auch
eine Vorbedingung für ein reges Geistesleben, ein frucht-
barer Boden für geistige Saat gegeben. Die eigenartige,
aufreibende Rastlosigkeit, welche heute alle Formen des
Gesellschaftslebens durchdringt und beherrscht, hat bereits
ihre natürlichen Folgen ausgeübt auf die Jugend. Heute
sind ja schon die Kinder nervös; einem nicht geringen
Teil derselben ist die anmutige Harmlosigkeit der Jugend
verloren gegangen. Manche von diesen Kindern sind
schon in den Kinderschuhen über den überwundenen
Standpunkt der kindlichen Spiele hinaus: sie wollen nicht
mehr spielen. Hier muß helfend und heilend eingegriffen
werden, und das kann nur geschehen, wenn die Jugend-
spiele zu einer Erziehungssache von allgemeiner Be-
deutung gemacht werden.
Außer diesen physiologischen Wirkungen der Spiele
bei jedem einzelnen Teilnehmer zeigen sich aber auch
— 12 --
bei eiDom Blick in die Spielgeraeinschaft tiberraschende
Erfolge hinsichtlich der verschiedenen Individualitäten der
Spielenden: Verweichlichte werden durch die gemeinsame
Anregung mit fortgerissen und härten sich ab, Furchtsame
verlieren ihre Scheu und werden allmählich unternehmend,
Faule werden regsam und aufgerüttelt und finden Ge-
schmack an der Anstrengung, gewinnen allmählich Inter-
esse, das dann auch dem Unterrichte zu gute kommt,
Ungeschickte lernen ihre Bewegungen beherrschen und
erlangen Haltung und Anmut, und in jeder Hinsicht be-
wahrheitet sich noch heute das treffende Wort des alten
Turnvaters Jahn vom Jahre 1816: »In jedem echten Turn-
spiel regt sich eine Welt. So machen Turnspiele den
Übergang zum größeren Volksleben und führen den Reigen
der Jugend. In ihnen lebt ein geselliger, freudiger, lebens-
frischer Wettkampf. Hier paart sich Arbeit mit Lust und
Ernst mit Jubel. Da lernt die Jugend von klein auf
gleiches Recht und Gesetz mit andern halten. Da hat
sie Brauch, Sitte, Zweck und Schick im lebendigen An-
schauen vor Augen.« ^)
Doch die Spiele sind viel mehr als bloß körperliche
Betätigungen. Es darf heute als eine von keiner Seite
mehr bestrittene Tatsache hingestellt werden, daß frisches,
fröhliches Tummeln im jugendlichen Spiel nicht nur den
Körper allseitig entwickelt und stählt, sondern ebensosehr
die Ausbildung der Kräfte des Geistes und des Gemütes
fördert, der kindlichen Seele die natürliche Unbefangen-
heit bewahrt und sie widerstandsfähiger macht gegen
das schleichende Gift der Versuchungen. Zwar sind die
nächsten Wirkungen der meisten Spiele zunächst körper-
licher Art, aber sie ziehen geistige und sittliche nach
sich, und nicht überall lassen sich die physiologischen
scharf von den intellektuellen und moralisch - sozialen
trennen; denn öfters gehen die ersteren in die letzteren
über. In sittlicher Beziehung sind die Spiele der Kinder
^) Jahn uDd Eiaekn^ Dentsobe TarnkoDSt. Berlin 1816. S. 169.
- — 1 o — *
eine Vorschule für das Leben. Sie gewähren einen leb-
haften, aber nicht zügellosen, sondern wohlgeregelten Wett-
streit der Kräfte. Indem der einzelne mit seinen Ge-
nossen in die Wette um den Sieg ringt, den mutigen
Gewinner gekrönt sieht, erwacht in ihm die Tatkraft, die
Lust zu wagen und seine Kräfte voll einzusetzen. Sie
erziehen zur Beobachtung des Gesetzes; denn alle Mit-
spielenden, auch der Lehrer, sind ausnahmslos dem Spiel-
gesetz unterworfen. In dem einzelnen wird durch die
Erkenntnis des gemeinsamen Zweckes das Gefühl für die
Zugehörigkeit zu einem großen Ganzen wachgerufen. Er
entschließt sich, unter Verzichtleistung auf eigene Aus-
zeichnung im Kreise seiner Genossen für das Gute und
Rechte kräftig einzustehen. Der bürgerliche Gemeinsinn
wird angebaut. Der Knabe fühlt, daß er ein organisches
Glied der Spielgemeinschaft sei. Er bemerkt auch, daß
ein einzelner als Glied durch ungehörige Tätigkeit den
ganzen Spielorganismus stören kann. Bei jeder andern
erziehlichen und unterrichtlichen Tätigkeit ist der Zögling
und Schüler dem Erzieher und Lehrer untergeordnet, ist
der Wille des letzteren sein Gesetz. Anders ist es beim
gemeinsamen Spiel, bei welchem über dem Lehrer noch
das Spielgesetz steht, dessen Hüter dieser sowohl, wie
jeder anderer Mitspieler sein soll. In den Spielgenossen-
schaften der Jugend erwächst kameradschaftliche Ge-
sinnung und Brüderlichkeit; es bilden sich Freundschaften,
die oft fürs Leben dauern. Ein Schimmer von Fichte-
schem Idealismus wird verwirklicht, wenn die Schulspiele
die Zöglinge zu einem Jugendgemeinwesen vereinigen;
denn näher noch als in der Schule bringt der gesellige
Verkehr auf dem Spielplatze die Knaben zusammen, lehrt
sie Verträglichkeit und Selbstbeherrschung im Umgang
mit andern üben, daneben aber auch sich in ihrer Mitte
geltend zu machen. Indem der einzelne im freien Spiel
selbst seine Rechte wahren, die der andern anzuerkennen
lernt, entfaltet sich in ihm der Rechtssinn. Das kräftige
Spiel im Freien mit seinen heilsamen Folgen bietet ihm
- 14 —
aber schließlich auch eine Schutzwehr gegen mancherlei
bedenkliche und verderbliche Genüsse, zu denen sich die
Jugend oft vor der Zeit ofiFen oder verstohlen herandrängt,
oder gar von törichten Eltern herangeführt wird; denn je
mehr er von früher Jugend auf für die reinen Freuden
der Spiele Empfänglichkeit gewonnen hat, um so weniger
wird er in Versuchung kommen, sich solche zweifelhafte
Genüsse zu verschaffen. Ja, bei richtigem Verhalten dem
spielerischen Leben und Treiben gegenüber wird die Jugend
nicht bloß Kraft, Ausdauer, Mut, Tapferkeit und Abhärtung
gewinnen, sondern auch angeleitet werden, Entbehrungen
zu ertragen und Entsagungen zu üben. Es wird das
herrlichste Ergebnis aller Leibesübungen überhaupt er-
reicht werden, daß der Geist nicht bloß über Sehnen und
Muskeln des Leibes vollkommen Herr werde, sondern
auch über dessen Begehrlichkeiten und Leidenschaften.
Die Jugend wird mit einem Worte Selbstzucht üben
lernen, die im späteren Leben dem Manne not tut. Von
diesem Gesichtspunkte aus wird das Spiel geradezu eine
soziale Notwendigkeit für die Kinder eines Großsladtinnem.
Unsere heutige Großstadt hat eigenartige Verhältnisse ge-
schaffen, die ungünstig für eine natürliche, gesunde und
auch sittliche Einwirkung sind. Der Jugend ist die
Selbsterziehung, die Gelegenheit zu fröhlichem Spiel, be-
schränkt zu ihrem Nachteil. Im Innern der Großstädte
wächst heute eine Jugend heran unter Bedingungen, die
völlig anders geartet sind, als sie selbst noch vor wenigen
Jahrzehnten waren. Aus der Schar dieser Kinder gebt
ein großer Bruchteil jener blasierten Jugend hervor, die
nachher engherzig, egoistisch und ohne Verständnis für
frische Natürlichkeit im Leben dasteht. Viele von den
gegenwärtigen Eltern sind schon unter solchen Verhält-
nissen aufgewachsen, und so fehlt manchem oft schon
das rechte Erkennen des ungeheuren Opfers, das der
kindlichen Natur hier auferlegt wird. Das Wort von der
Verrohung der heutigen Jugend, das leider kein seltenes
mehr ist^ hat vielfach seinen ganz natürlichen Grund.
- 15 -
Der Drang nach kraftvoller Betätigung steckt eben in
jedem gesunden Jungen. Eine Zurückdrängung dieses
Triebes führt den Knaben auf Irrwege und Entartung,
und zur Verderbnis einer kindlichen Seele bietet die
Großstadtstraße Stoff genug. Die gerade durch die Groß-
stadtverhältnisse bedingten Mängel im heutigen Jugend-
leben können bei der großen Bedeutung der außer Wirkung
gesetzton Faktoren nicht ohne nachteilige Folgen für den
Körper bleiben und werden manche Seiten des G^müts-
lebens verkümmern lassen, die zum Wohle der Mensch-
heit eifrige Förderung bedürften. Manche Entbehrung
zwar erträgt der elastische Jugendmut leicht und ohne
nachteilige Folgen, aber die dauernde Beschränkung in
der Betätigung bei jugendfrohen Spielen mit Altersgenossen
erzeugt Verarmung des Gemütslebens, beschneidet das
Wachstum der Individualität und ist in der Großstadt
darum von besonders nachhaltigen persönlichen, wie
sozialen Folgen begleitet. Doch auch noch in anderem
Sinne tritt die sittliche Bedeutung des Spieles deutlich
hervor. Indem es von dem Drucke der Berufsarbeit und
ihrer Eintönigkeit befreit, bringt es eine heitere, frohe
Stimmung des einzelnen und in der Gemeinschaft eine
freundliche Geselligkeit hervor. Freude und Frohsinn,
freier, offner Sinn und heiteres Wesen ziehen bei seiner
Pflege auch in das Schulleben ein. Indem es aber so
Geist und Gemüt von dem Drucke befreit, den andere
Verhältnisse ausüben, wirkt es geradezu erlösend und da-
mit auch bessernd; denn ein frohes, heiteres Gemüt ist
immer zum Guten geneigt. Zu diesen wertvollen sitt-
lichen Früchten, die im Spiele für die Erziehung reifen,
gesellen sich noch besondere intellektuelle. In der Spiel-
tätigkeit, die eine selbstgewählte ist, befriedigt der einzelne
Kräfte und Willen oft erst nach vielen mißlungenen Ver-
suchen; aber dabei stählt sich der Wille, dabei wachsen
Tatkraft und Ausdauer. Viele Spiele erfordern von jedem
einzelnen Teilnehmer eine aufmerksame Beobachtung der
Tätigkeiten und Bewegungen aller andern Mitspieler, und
— 16 —
hierbei muß der einzelne, um rechtzeitig und wirksam in
die gesamte Spieltätigkeit eingreifen zu können, schnell,
oft blitzschnell, seine Wahrnehmungen in Handlung um-
setzen. So schärfen sich die Sinne und die geistige Be-
obachtungsfähigkeit, so bildet sich Geistesgegenwart
Bei diesem Gewinne der Spiele für die Zöglinge geht
auch der Erzieher nicht leer aus. Das Seelenieben des
Kindes ist von jeher ein Problem gewesen, dem Pädagogen
mit liebevoller Betrachtung nachgingen. Trotz der Fort-
schritte der Psychologie darf es aber auch heute noch als
ein ungelöstes gelten. Wohl ist die Kinderforschung —
wir dürfen leider sagen — sehr in die Breite gegangen,
dafür aber weniger in die Tiefe gedrungen. Der Mensch
ist eben keine meßbare Größe, welche erforderlich wäre,
um im guten Glauben allgemeingültige Normen und Re-
sultate hier erhoffen zu dürfen. Auch in Zukunft wird
der Erzieher wohl immer auf besondere Einzelbeobach-
tungen angewiesen bleiben, wenn er sich nicht dem
Blendwerk schematisierender Systeme gefangen geben will.
um so dankbarer ist dann aber jede Gelegenheit zu be-
grüßen, die einen Einblick in die Kindesseele gestattet.
Wo aber sollte sich jene mit all ihren Geheimnissen deut-
licher den Blicken des Erziehers offenbaren als im kind-
lichen Spiele, dem der erste Lebensmorgen gewidmet ist?
Einer aufbrechenden Knospe gleich entfaltet sich hier vor
seinen Augen die zarte Kinderblume, frei von jedem
Zwange, sich selbst und seinen Neigungen so ganz über-
lassen und läßt, wenn überhaupt wo, dem aufmerksam
beobachtenden Erzieher die tiefsten und für seine päda-
gogischen Maßnahmen bedeutungsvollsten Blicke in ihr
Inneres tun. Wie manches Kinderherz erschließt sich
ihm nur hier! Welch treffliche Winke erhält er für die
rechte Beurteilung ihrer Individualität! Wie manchen
Zögling lernt er hier erst in seiner wahren Natur kennen !
Wie manche Täuschung kann er hier berichtigen ! Welch
köstliche Blicke in ihre kleinen Interessensphären sind
ihm gegönnt! Wie vermag er den leisesten Begungen
- 17 -
ihrer Seele Dachzuspüren, zu beobachten, wohin der stille
Zug ihrer Neigung und Anlage geht! und welch Reich-
tum an pädagogischen Beobachtungen bietet sich ihm noch
sonst dar? Herzerquickend ist oft der Bedestrom, den er
im Unterrichte schmerzlich vermißte, wohltuend die Frische
und Lebendigkeit, die wohl sonst oft einem trägen Stumpf-
sinn wich. Er wird vertraut mit den Wünschen, HofiT-
nungen, Befürchtungen der Kleinen — und das alles, um
dann im Dienste des Unterrichtes und der Erziehung eine
reiche Ausbeute halten, bei seinen erzieherischen und
unterrichtlichen Maßnahmen den rechten Hebelarm in
Bewegung setzen zu können; denn gar mancher An-
knüpfungspunkt bietet sich ihm hier für seine Zwecke
dar, dessen geschickte Verwendung auch bei dem Stumpf-
sinnigsten eine gewisse Anteilnahme zu erzielen vermag.
Damit gewinnen aber die Spiele noch eine weitere Be-
deutung überhaupt, besonders hinsichtlich der sogenannten
technischen Beschäftigungen, welche die erzieherische freie
Arbeitsbetätigung von selten des Kindes darstellen. In-
folge dieser ihrer Natur müssen sie aber auch auf den-
selben Antrieb gebaut werden, welcher aller menschlichen
selbstgewählten Arbeit ursprünglich zu Grunde liegt —
auf den Spielreiz, die innerliche Gefühlsaufforderung zum
handelnden Umgehen mit einem Gegenstande, welche aus
dem tiefen Eindruck, der innigen und lebhaften Emp-
findung für denselben entspringt, kurz gesagt: die Spiele
müssen das Fundament für ihren Aufbau abgeben. Dar
mit ist aber gleichzeitig eine kostbare Gelegenheit ge-
funden, dem kindlichen Leben die Brücke hinüber in den
eigentlichen Bildungsunterricht zu schlagen, wie umgekehrt,
diesen fortwirken zu machen auf das, was die Jugend aus
freien Stücken ergreift und vollbringt. Zu den im Leben
ganz hauptsächlich angesprochenen aneignenden Kräften
lassen sich nun auch durch das Medium der Spiele die
gestaltenden und bewegenden aufrufen und in Wirksam-
keit setzen, und durch alles dies läßt sich das Gleichmaß
Fld.lfag.320. Woller. 2
- 18 —
in der Erziehung anstreben. Werden aber so die Spiele
in ihrer ganzen pädagogischen Tragweite erfaßt, werden
sie als ein reichlich sprudelnder Quell pädagogischen und
erziehlichen Gehaltes allenthalben annähernd erschöpfend
auszubeuten gesucht, wird ihnen vor allem auch in den
Schulen der nötige Raum gegönnt, so entsteht nicht zu-
letzt bei den Kleinen auch Liebe zur Schule, bei vielen
schon ein großer Gewinn, Liebe zum Lehrer, der sich zu
ihrem Wesen herabläßt; Unterricht, Zucht und Gehorsam
ziehen ihren Nutzen daraus. So vertreten sie in jeder
Hinsicht ein hochwichtiges Erziehungsmittel in physischer,
moralisch-sozialer und intellektueller Beziehung und sind,
um mit Herbart zu reden, ein wertvolles Regierungs-,
Zucht- und indirekt auch Unterrichtsmittel, haben hervor-
ragenden Anteil an der harmonischen Ausgestaltung des
gesamten Menschen und nehmen zu einem gut Teil
fundamentale Bedeutung für dessen ganze fernere Zu-
kunft ein.
2. Geschichte der Spiele.
Nicht bloßer Zufall ist es daher, daß kein Pädagog
von Bedeutung völlig achtlos an ihnen vorübergegangen
ist. Seit Piatos Zeiten, der zum ersten Male der Er-
ziehung ein zusammenhängendes Kapitel widmete, stimmen
fast alle Erzieher überein in der Anerkennung und Wert-
schätzung ihrer Bedeutung für das Erforschen der kind-
lichen Individualität Freilich wird damit nur eine Seite
ihres pädagogischen Gehaltes berührt. Je höher der je-
weilige psychologische Standpunkt, je sinniger das poe-
tische Gemüt des Erziehers, je phantasiereicher seine
Seele gestimmt ist, um so mehr Seiten wird er gerade
diesem Kapitel der Erziehung abzugewinnen wissen, mit
um so liebevollerem Sinn gerade dieses poesievolle Alter
— denn wo wäre sonst im Leben das Ideal der Poesie
verwirklicht, wenn nicht im Kindheitsalter der Unschuld? —
erfassen und würdigen als die Zeit der Aussaat für nach-
folgende Ernten. Nach diesem verschiedenen Standpunkte,
-^19-
sowie nach den jeweiligen Zielen, welchen die Erziehung
einer Zeit zustrebte, zeigt die Geschichte der Pädagogik
in ihren Ansichten über Kinder- und Jugendspiele, in
ihrer Wertschätzung, Würdigung und ausgiebigen Ver-
wertung derselben ein abwechselndes Steigen und Fallen.
Dieselbe Erscheinung spiegelt sich aber auch wider in
der Stellung, welche ganze Völker und Zeiten den Spielen
gegenüber einnahmen, in der Wertschätzung, welche ganze
Nationen ihnen zu teil werden ließen je nach ihrem
Eulturzustande und den nationalen Zielen, denen jene
dienen sollten.^) An und für sich sind ja Spiele so alt
wie das Menschengeschlecht und der Anfang aller gym-
nastischen Übungen. Knaben, sich selbst überlassen,
laufen, springen, werfen, klettern, ringen und vollbringen
im kleinen Maßstabe alles, was den Sieger zu Olympia
zum Halbgotte erhob; und selbst viele heute noch von
unseren Kleinen bevorzugte Spielsachen blicken, wie die
Kulturgeschichte lehrt, auf ein hohes Alter zurück und
reichen in ihrer Entstehung weit in das frühe Mittelalter^
ja zum Teil in das graue Altertum zurück und geben
damit einen deutlichen Hinweis, daß sich in dieser Tat-
sache nicht nur die Macht einer altehrwürdigen Tradition
allein ausspricht, sondern daß es anderseits eine ebenso
bedeutsame pädagogische Wahrheit ist, daß die Bedürf-
nisse der Kindesseele eben zu allen Zeiten dieselben waren
und geblieben sind. Nicht ebenso feststehend wie sie
selber blieb aber das Verhalten dieser psychologischen
Tatsache gegenüber, und hierin tritt ein vielfacher Wandel
^) Lehrreich ist in dieser Hiosioht besonders England und be-
zeichnend das Wort eines englischen Schulmannes der Gegenwart:
»Eine englische Schale ist eher ohne Schulzimmer als ohne Spiel-
platz denkbar.« Die Jagendspiele haben für das dortige Schalleben
eine Bedeutang angenommen, von deren Größe wir ans nur schwer
eine VorstelluDg machen können ; aber nicht nur für das Schulleben
ist dies der Fall, sondern anch für das ganze Volksleben. Die Spiele
sind im heutigen England eine Macht geworden, welche auf das
Leben des Einzelnen, wie das der Nation größeren Einflafi ausübt
als in iigend einem andern Lande der Weit
2*
— 20 —
deutlich zu Tage. In ihrer Gresamtheit lehrt die Geschichte
aller Zeiten, daß ein jedes hervorragende Yolk, solange
es kräftig und männiglich, unverdorben und religiös war,
die Leibesübungen, die Gymnastik, oder nach heutigem
Ausdrucke das Turnen, als einen wichtigen Bestandteil
seiner nationalen Erziehung anerkannte, daß es diesen
seinen Charakter auch nicht verleugnete in seinen Volks-
spielen, die sich bis heute als ein Charakterbild des Volkes
entwickelt und zu einem freien poetischen Ausdrucke des-
selben gestaltet haben. Ebenso deutlich gibt dieselbe aber
auch Kunde von einer verschiedenen Äußerung und Ge-
staltung dieser Übungen nach Wesen und Zweck. Be-
stehen dieselben bei Völkern im Naturzustande in rohen
kriegerischen Äußerungen, dienen sie lediglich zur Stählung
des Leibes und zum Zwecke des Krieges und der Jagd,
so wandeln sie sich mit dem Beginn der Kultur um in
Palästrik und Orchestrik. Bei weiterfolgenden Kulturstufen
verlieren schließlich die nationalen Wett- und Kampf-
spiele ihre allgemeine Wichtigkeit und behalten nur noch
das Unterhaltende als Schauspiel bei. Fortschreitende
wissenschaftliche Bildung, wie falsch verstandene Frömmig-
keit verdrängen endlich die natürlichen körperlichen Kampf-
übungen fast ganz; Spiele des Witzes gewinnen die Ober-
hand. Immer vrieder aber drängen die natürlichen Triebe
des jugendlichen Körpers auch in der Leibesübung zurück
zur Natur, und so sagt schon Vieth 1794 sehr bezeich-
nend in seiner Encyklopädie der Leibesübungen: »Dies
scheint der Gang zu sein, den die gymnastischen Bildungen
genommen haben: Roher Anfang unter allen Völkern, wie
noch jetzt unter unkultivierten Nationen; glänzende Periode
unter Griechen und Römern; Abnahme, obgleich nicht
gänzlicher Verfall und Hoffnung zur Wiederherstellung
in neueren Zeiten.« Selbst im einzelnen zeigt die Ge-
schichte diesen Entwicklungsgang. Die erhebenden und
glänzenden Festspiele zu Olympia arteten später aus zur
Athletik, die auch der alsbald sich bahnbrechende Geist
des Christentums mit Recht verwarf. Freilich wieder zu
— 21 —
scbaffbD, was verloren gegangen war, gelang auch Herr-
schern wie Jastinian und Karl dem Großen nicht. Erst
durch das neu emporblühende Rittertum erlangten die
Leibesübungen der Germanen in den Turnieren, wie auch
in allerlei Bewegungsspielen eine höhere Blüte. Nach
dessen Verfall nahmen dann die Kreise der Bauern und
Bürger die Übungen im Fechten, Ringen, sowie die Ball-
spiele auf. Gegen Ende des Mittelalters trat indes mit
der Verkümmerung des ganzen Volkslebens und mit dem
Verklingen aller Poesie auch die Vernachlässigung der
Leibesübungen ein, und erst den Bestrebungen der Huma-
nisten gelang es wieder, auch der Jugenderziehung von
neuem körperliche Übungen zuzuführen. Vom Beginn
dieser Renaissance-Bewegung an traten Gelehrte und Er-
zieher für die Leibesübungen als Erziehungssache und für
Wiederbelebung der althergebrachten gymnastischen Spiele
im Volke auf. Vittorino da Feltre, der nachweislich den
Namen des ersten Turnlehrers der Christenheit verdient,
Mapheo Vegio verschafften im Verein mit andern Huma-
nisten von Italien aus einer Schulgymnastik Eingang. In
Deutschland nahmen sich hauptsächlich die Reformatoren
der Sache der Leibeserziehung durch Körperübungen an,
und Lehrer und Erzieher, wie Gamerarius, Trotzendorf und
Comenius, der Spielplätze bei allen Schulen verlangte,
traten für Bewegungsspiele im Freien ein; aber die Folgen
des unheilvollen Dreißigjährigen Krieges vernichteten auch
die ersten Blüten einer deutschen Gymnastik, und die
heillose Zeit Ludwigs XIV. nahm der deutschen Jugend
vollends das freie. Sichausleben im lustigen Spiele fort
Doch gerade diese Periode der Zöpfe und Schnabelschuhe
ließ endlich wieder den Ruf: »Umkehr zur Natur« auch
innerhalb der Wände der deutschen Schulen erklingen,
nachdem ihn schon vorher in England Locke, kraftvoller
und mit einseitigster Konsequenz Rousseau in Frankreich
gleichsam mit agitatorischer Wucht in eine hohle Zeit
hinausgeschleudert hatten. Männer wie Basedow, Salz-
mann, Bochow, Campe, Pestalozzi traten als Führer einer
— 23 —
pädagogischen Revolution gegen geistige und leibliche
Unnatur in der Erziehung auf. In ihrem (befolge er-
scheint ein Ghiis Muths, der dem Jugendspiel eine hohe
Bedeutung verschaffte und dessen Spielbuch: »Spiele zur
Übung und Erholung des Körpers und Geistes vom Jahre
1796« das ürbuch aller neueren Spielbücher wurde. Als
ein Nachfolger ihrer Bestrebungen trat auch Jahn auf,
der praktisch die Wahrheit seines Wortes bewies: »Ohne
Turnspiel kann das Turnwesen nicht gedeihen, ohne Spiel-
platz ist ein Turnplatz gar nicht zu denken«; und selbst
der Schöpfer des modernen Schulturnens, Spiefs^ stellte
den Satz auf: »Es sollten unsere Kinder täglich zum
Spiele geführt werden wie zur Arbeit«; und was diese
Männer praktisch erstrebten, suchten Pädagogen wie
Schwarz, Jean Paul und Herbart theoretisch und rein
pädagogisch zu erklären. Jedoch weder Guts Muths, noch
Jahns Bestrebungen fanden in Deutschland die erhoffte
Nachahmung und den gewünschten Anklang, und was
auf diesem Gebiete erblüht war, vernichtete die preußische
ministerielle Verfügung vom 23. März 1830 wie ein Reif
in Frühlingsnacht. Erst Lorinsers Schrift: »Zum Schutze
der Gesundheit in den Schulen vom Jahre 1836« und in
ihrem Gefolge der Kronbefehl Friedrich Wilhelm IV. vom
6. Juni 1842, sowie schließlich die politischen Ereignisse
von 1870 — 71 verschafften nach und nach wenigstens dem
Turnen ein endgültiges Heimatrecht in den weiteren
Kreisen der Schule. Das moderne Turnen aber nahm in
seinem Betriebe mehr und mehr den Charakter eines
Lehrfaches, einer Bewegungsschule an. Es hat sich zu
sehr zu einer Turnraethodik, zu einem Formelwesen heraus-
gebildet, das dem Entwicklungsgesetz und dem Entwick-
lungsbedürfnis der Kinder nicht gerecht wird, und so
ließen sich bald Stimmen vernehmen des Inhalts: »Das
Turnen der Jugend soll nicht nur Muskel- und Nerven-
gymnastik treiben, sondern die Ausbildung der gesamten
Leibesorgane, also besonders auch der Lungen, der Gefäße
und Verdauungs Werkzeuge, fördern, sowie Gemüt und
- 23 -
Willen bilden. Der Tarnkunst gegenüber muß auch die
andere Seite der Leibesübung, wodurch das deutsche
Turnen zu einer nationalen Sache, zur Yolkssitte werde
und auf Charakter und Oemüt einwirke, also den ganzen
Menschen erfassen kann, in volle Bücksicht genommen
werden. Diese andere Seite bietet das Spiel Spiele ohne
Turnen sind ebenso wie Turnen ohne Spiel nur eine ein-
seitige Art der körperlichen Erziehung.« ^) Ähnliche Rufe
ertönten überall in deutschen Gauen, und so stellte die
Gegenwart die dringende Forderung einer kräftigen und
energischen Wiederbelebung der Jugend- und Volksspiele
im deutschen Volke. Braunschweig ging 1872 durch die
Errichtung von Spielplätzen für die Schuljugend mit gutem
Beispiel voran. 1874 stellte die siebente deutsche Tum-
lehrerversammlung in Salzburg den Grundsatz auf: »Im
Anschluß an die seither als Minimum an den öfientlichen
Schulen eingerichteten zwei wöchentlichen Turnstunden
ist eine weitere Turnzeit zu ermitteln, damit dem Turn-
spiel und der Turnkür Baum geschafft werde.« 1876
nahm die achte deutsche Turnlehrerversammlung die For-
derung auf: :»üm die Leibesübungen zur Volkssitte zu
erheben^ müssen die Volks wettübungen und die Spiele als
Ergänzung des Turnens geübt und gepflegt werden.« 1878
erschien Professor Dr. Kochs bedeutsame Abhandlung:
»Der erziehliche Wert der Schulspiele.« Immer lebhafter
wurde nun auch anderwärts die Bewegung zu Gunsten
der Schülerspiele, unterstützt dadurch, daß Versammlungen
von Schulmännern, Ärzten und selbst staatlichen Kom-
missionen für vermehrte Rücksichtnahme auf die körper-
liche Erziehung und gegen geistige Überbürdung in den
Schulen ihre Stimme erhoben. Dringender als je wurde
die Forderung nach Anlage von Spielplätzen und der
Einführung der Jugendspiele laut. Besonders hochgehend
waren die Wogen der neuen Bewegung in den achtziger
Jahren. Auf ihrer neunten Versammlung 1881 in Berlin
') TomiDspektor Hermann in Braanschweig.
— 26 —
am alsdann wertvolle praktische Winke hieraus za ge-
winnen und abzuleiten, wobei sie ihnen bald mehr oder
weniger zusammenhängende Abhandlungen widmeten. Im
ganzen zeigt auch diese Geschichte der Ansichten über
Einderspiele bald einen höheren, bald einen tieferen Stand-
punkt je nach der Zeit, in welcher der betreffende Päda-
gog auftritt, und der allgemeinen Wertschätzung, welche
diese den Spielen überhaupt widerfahren läßt, sowie nach
der verschiedenen philosophischen und speziell psycho-
logischen Bildungsstufe, welche der Verfasser einnimmt,
als auch nach den in dessen Person und Wesen gegebenen
Vorbedingungen. Ein Blick in die Geschichte dieser
Theorien — wenn sie so bezeichnet werden dürfen — ist
in mehr als einer Hinsicht lehrreich: einmal schon infolge
der hohen pädagogischen Bedeutung der ersten Kinder-
spiele an sich. In keinem pädagogischen System von
Bedeutung sind dieselben daher völlig übergangen; Schul-
einrichtungen und Eindergärten nehmen auf sie Rück-
sicht, und eine ziemlich umfangreiche Literatur widmet
sich ihnen. 1) Zum andern liefern jene Ausführungen
wichtige Beiträge zu den philosophischen, insbesondere
psychologischen Anschauungen der betreffenden Pädagogen
hinsichtlich des frühesten Eindesalters und geben vor
allen Dingen Aufschluß über deren Stellung zu der Frage,
ob a priori oder secundari. Nicht minder klären sie auf
über deren Verhalten gegenüber der kindlichen Indivi-
dualität, über ihre Wertschätzung der Erziehung hinsicht-
lich ihrer Leistungsfähigkeit und über ihre erste Einder-
pädagogik überhaupt. Sie eröffnen aber auch eine Per-
spektive in die späteren pädagogischen Maßnahmen der
betreffenden Erzieher und lassen manche Punkte und
Grundanschauungen ihrer Systeme bereits aus diesen An-
sichten erschließen. Nicht zuletzt markieren sie aber
*) Eioo ZusammeastelloDg der Schriften über Jugend- and Volks-
spiele gibt Eckler ^ Oberlehrer an der KÖnigl. Tarnlehrerbildungs-
aostalt zu Berlin vom Jahre 1896.
- 27 —
auch die fortschreitende Yerfeinerung einer immermebr
sich yervollkommnenden Psychologie und legen somit
Zeugnis ab von den Fortschritten dieses Wissenszweiges
überhaupt Schließlich aber sind sie im stände, manche
beherzigenswerte Winke auch den Tagen der Gegenwart
zu erteilen. So an sich eine dankenswerte Aufgabe, würde
eine erschöpfende Darstellung der Geschichte aller zu Tage
getretenen Anschauungen doch weit über den Rahmen
der vorliegenden Arbeit hinausführen, und so seien drei
Hauptvertreter derselben: Locke, Jean Paul und Herbart
mit ihren Anschauungen hervorgehoben, und dies nicht
ohne Absicht; denn für die fehlende Vollständigkeit ver-
mögen sie insofern ein Äquivalent zu bieten, als ihre
Ansichten in der Tat eine fast völlig erschöpfende Zu-
sammenfassung und die Summe dessen bieten, was über-
haupt vom rein pädagogischen Standpunkte aus je über
dieses Kapitel gesagt worden ist. Dabei charakterisieren
sie gleichzeitig infolge der prinzipiellen Abweichung in
ihren Grundanschauungen drei verschiedene und am
meisten vertretene Standpunkte, welche überhaupt der
Frage gegenüber eingenommen worden sind. Die welt-
männische Richtung in der Pädagogik findet ihren Re-
präsentanten in Locke ^ die romantisch-gefühlsmäßige in
Jean Paul und die streng intellektualistische in Herbart,
So bezeichnen ihre Auffassungen in jeder Hinsicht drei
wertvolle Etappen in der Entwicklung dieses pädagogischen
Problems. Äußerst lehrreich und instruktiv werden die-
selben aber auch noch durch die verschiedenartigen Voraus-
setzungen und Bedingungen, aus denen heraus sie er-
wachsen sind und sich erklären; denn grundverschieden
ist der Boden, auf dem sie entstehen, verschieden ge-
artet das Rüstzeug, mit dem ihre Urheber an ihre Be-
arbeitung herantreten. Beides im Interesse eines kon-
genialen Verständnisses für die nachfolgend dargestellten
Anschauungen der drei Pädagogen zu berücksichtigen,
wird daher zur unerläßlichen Bedingung und Voraus-
setzung.
— 28 —
Kapitel III: Yorbedlns^angen für die Anslehten
Loekes, Jean Pauls und Herbarts Aber Kinderspiele.
1. Philosophische und psychologische Voraussetzungen.
Einen verschiedenen Nährboden bieten den Wurzeln
ihrer Anschauungen schon die philosophischen und psycho-
logischen Grundlagen, von denen die drei Pädagogen aus-
gehen. Auf der einen Seite steht Locke mit seiner sen-
sualistischen Psychologie und eropiristischen Philosophie,
seinem einseitig utilitaristischen Ethizismus auf moralischem
Gebiete; auf der anderen Jean Paul mit seiner durch
und durch gefühlsphilosophisehen Richtung, seinen stark
aprioristischen Anschauungen, seiner der Lehre von den
Seelenvermögen nahestehenden Psychologie, Erfahrungs-
und Entwicklungspsycholog zugleich, dabei die Liebe
ins Zentrum seiner Philosophie, seiner Ethik und Päda-
gogik rückend; und zu beiden gesellt sich Herbart mit
seinem ethischen Pluralismus, seinem positiven Realismus,
gleichweit entfernt von der gefühlsphilosophischen, wie von
der intellektualistischen Richtung der Philosophie seiner
Zeit, mit seiner den Seelenvermögen abholden, auf das
Vorstellungsleben nach mathematischer Methode auf-
gebauten Psychologie. Infolge dieses Unterschiedes in
ihrem philosophischen Gedankenbau nehmen sie von vome
herein eine voneinander abweichende Stellung gegenüber
der kindlichen Natur und dem ersten Seelenleben des
Menschen ein. Locke bildet den Empirismus Bacofis fort
Wie dieser geht er von der Erfahrung aus; sie ist die
Quelle aller Erkenntnis. Angeborene Vorstellungen sind
eine alte Metapher. Die Seele an sich ist von Natur eine
tabula rasa, ein leeres Blatt, und alles, was sie wird, ist
durch die Sinne, ihre Empfänglichkeit und die Einwirkung
auf die Sinne bestimmt und so gilt: nihil est in intellectv^
quod non ante fiurit in serisibns. Aus diesem Grunde
betont Locke die Ausbildung der Sinne, wobei er gleich-
zeitig den inneren Sinn auffaßt als ein Analogen des
äußeren. Nach ihm sind alle Menschen von Natur gleich,
— 29 —
und alle individuellen Verschiedenheiten kommen nur auf
Kosten der Erziehung zu stehen. Der Mensch ist von
Natur weder gut, noch böse, das eine oder das andere
entwickelt sich erst im Laufe des Lebens gemäß den Ein-
flüssen von Erfahrung und Umgang auf psychologischem
Wege.^) In dieses phylosophische System paßt freilich
nicht seine erzieherische Forderung: Ȇberall und immer
hat der Erzieher die eigentümliche Natur, die Individualität
des Kindes zu berücksichtigen.« Es ist ein unlösbarer
Widerspruch, wenn Loclce § 66 von den natürlichen An-
lagen des Kindes und seiner Beschaffenheit (the Childs
"natural Oenius and Coytstitutioii) spricht und fortfährt:
»Wir dürfen nicht hoffen, ihre ursprüngliche Anlage
{Original Tempers) gäuzlich umzuwandeln, das heitere
Kind nachdenklich und ernst, noch das melancholische
lustig zu machen, ohne sie zu verderben. Gott hat den
Seelen der Menschen ein eigentümliches Gepräge (certain
Characters) eingedrückt, welches, wie die Gestalt ihrer
Körper, vielleicht ein wenig verzerrt, aber schwerlich ge-
ändert und in das Gegenteil umgewandelt werden kann.
Wer also mit Kindern umgeht, sollte ihre Natur und
Fähigkeiten wohl studieren und durch tiefere Versuche
zu erfahren suchen, wohin sie sich am leichtesten neigen,
was ihnen am besten gelingt« Es ist eben der Wider-
streit der Erfahrung mit der theoretischen Konstruktion
seines philosophischen Systems, und in seiner Pädagogik
wird er den Tatsachen gerechter als in jenem und ge-
winnt so den natürlichen Anlagen der Kinder gegenüber
vielfach die rechte Position, indem er auch aprioristische
Elemente gelten läßt, so wenn er § 139 auch der Lehre
von der Erbsünde bis zu einem gewissen Grade gerecht
wird. ^) Freilich kommt er auch in seiner Pädagogik
>) Education § 45, 79, 80, 110, 114.
^) »Wenig AdamskiDder siod wohl bo glücklich, ohne alle fehler»
hafte Anlage auf diese Welt zu kommen; aher es ist das Geschäft
der Erziehung, diese entweder wegzuschaffen, oder doch ihnen ent-
gegenzuarbeiten.«
— 30 —
über diesen Widersprach nicht völlig hinaus, und er tritt
selbst noch im letzten Abschnitte seines Werkes^) deut-
lich hervor. Obgleich er denselben beginnt mit den
Worten: »Jedes Menschen Seele, sowie sein Geeicht, hat
ihre Besonderheiten, die ihn von allen andern Menschen
unterscheiden, und es gibt schwerlich zwei Kinder, die
genau nach derselben Methode behandelt werden können, c
fährt er nur wenige Zeilen darauf fort: » die ich
für den Sohn eines angesehenen Mannes bestimmt hatte,
den ich mir, da er noch so jung war, als ein unbeschriebenes
Papier oder als ein Stück Wachs vorstellte, das man nach
Gefallen bilden und formen kann.« Durchweg gerecht
wird Locke der kindlichen Natur nur, wenn er das Wesen
derselben schildert lediglich vom Standpunkte seiner
eigenen Erfahrung und Beobachtung aus, unbekümmert
um die Ansprüche seines Systems. Dann spricht aus
seinen Worten volles Verständnis für das Heitere, Naive,
flatterhaft Unschuldige derselben,^) und daher ist es eine
seiner Grundforderungen, »gegen ihrkindisches Wesen billige
Bücksicht zu nehmen, eben weil es der ganz natürliche
Zustand ihrer Altersstufe ist«; aber nicht allein diese
Psychologie Lockes, auch seine Ethik beeinflußt nicht
unwesentlich seine Ansichten über Kinderspiele. Obwohl
im wesentlichen mit den Prinzipien der wissenschaftlichen
Ethik übereinstimmend, hat der verständig nüchterne, auf
das Praktische gerichtete Sinn Lockes dieselbe lediglich
auf das Prinzip der Nützlichkeit, auf die Glückseligkeits-
lehre gestellt Die höchste Bestimmung des Menschen
ist ein glückliches Leben in dieser und ein seliges in
») Educ. § 216.
') »Die Kindesaeele will vermöge ihres Naturtriebes gern herum-
schweifen. Nur das Nene reizt diese kleinen Geschöpfe. Sobald
ihnen so etwas vorkommt, so ist gleich ihre Begierde da, es zu
kosten, und ebenso geschwind sind sie damit gesättigt. Sie werden
ein und dasselbe Ding bald müde, und so besteht fast all ihr Ver-
gnügen in Abwechslung und Veränderung. Es ist für sie etwas ihrer
kindischen Natur Widersprechendes, ihre flatternden Gedanken fest-
zohalten.« Educ. § 167,
— 31 —
jener Welt. Unter der Glückseligkeit versteht er aber
bald das Begehren nach materiellem Wohlbefinden, bald
das Verlangen nach geistiger, ethischer Wesenserhöhong,
bald die ewige Glückseligkeit im Jenseits. Die Nichtigkeit
und Leere eines solchen Ideals wohl selbst fühlend, preist
er daher auch vielfach die Tugend am höchsten und be-
tont energisch den Wert der öffentlichen Meinung. —
Gegenüber diesen kühlen, nüchternen Erwägungen sind
die philosophischen Anschauungen Jean Pauls durch und
durch gefühlsgetragene. Von der kritischen wie idea-
listischen Philosophie seiner Zeit sich gleich abwendend,
stellt er sich in bewußter Absicht neben Jdkohy^ dessen
Vernunftanschauung er huldigt, wird er zu einem Apostel
der Liebe, durch die er die Welt gleich einem Pestalozzi
verklären möchte. Ein echter Sohn der Zeit aber ist der
Psycholog Jean Paul] denn wie dieselbe fast durchweg
befangen ist in der Lehre von den Seelenvermögen, so
spielt diese Theorie wesentlich auch herüber in seine
psychologischen Anschauungen. Sprechen auch einzelne
Bemerkungen für den entgegengesetzten Standpunkt, steht
er doch in der Hauptsache auf dem Boden des psycho-
logischen Dualismus und hält zu einem gut Teil an der
Monadologie Leibnizens fest. Wesentlich anders als bei
Locke lautet auch sein Urteil über das Wesen der kind-
lichen Natur. Gegenüber dessen tabula rasa huldigt er
einem Apriorismus schroffster Art und gelangt zu einer
gewissen fatalistischen Theorie, die in konsequenter Durch-
führung bis zu einem bestimmten Grade eigentlich jede
Einwirkung unmöglich machen müßte. Die Ideen des
Wahren, Guten und Schönen, der Freiheit und Sittlichkeit,
des Absoluten und göttlichen Wesens, der Unendlichkeit,
Ewigkeit und Unsterblichkeit, Vernunft, Gewissen und
Liebe bringt der Mensch ebenso mit zur Welt als die
Fähigkeit, wahrzunehmen, zu fühlen und zu wollen.^)
') 9BedeDke doch der Erzieher, welcher überhaupt za sehr alles
Lernen den Lehrern zuschreibt, daß das Kind seine halbe Welt, näm-
lich die geistige (z. B. die sittlichen und metaphysischen Aoschaa-
- 3(3 -
Alle diese Anlagen aber sind nur solche zum Guten:
»Jede Naturkraft ist heilig.«^) 2) Nichts als heilige Un-
schuld überall, die den Dichter singen läßt: >0 war ich
nur ein wenig allmächtig und unendlich, ich wollte mir
ein besonderes Weltkügelchen schaffen und es unter die
mildeste Sonne hängen, ein Weltchen, worauf ich nichts
setzte als lauter liebe Eindelein, und die niedlichen Dinger
ließ ich gar nicht wachsen, sondern ewig spielen.«')
Allerdings faßt Jean Paul diese Anlagen nur als Keime
des Guten auf, die im Zöglinge schlummern. Die Kindes-
natur stellt sich ihm dar als eine »Winter wüste voll
Frühlingskeime, wohin ein Strahl trifft, da grünt es her-
vor«.*) Unaufgeklärt freilich läßt er das Wesen der-
selben. Sind es Seelen vermögen? Sind es Naturkräfte?
Er selbst hilft sich über die Klippe hinweg durch seine
Lehre von dem Idealmenschen, der bei ihm Voraus-
setzung und Ziel der Erziehung zugleich ist, zwei grund-
verschiedene Anschauungen, zwischen denen er hin und
her schwankt. Nicht im Zweifel aber läßt er über dessen
Auffassung als einer psychischen Realität zum Unter-
gegeostände) ja schon fertig und belehrt in sich trage, und daB eben
daher die nur mit körperlichen Ebenbildern gerüstete Sprache die
geistige nicht geben, bloß erleuchten könne.« Lev. § 269. »Keia
Mensch wird der bloße Widerschein seiner Verhältnisse, denn er ist
sein eignes Licht.« Die Umwelt ist wohl eine Mitarbeiterin an der
Ausgestaltung des Individuums, aber dasselberläßt sich^nicht restlos
aus den äußeren Verhältnissen erklären. Namentlich ist das Kind
reich an angeborenen religiösen und moralischen Anlagen. Eine
ganze religiöse Metaphysik schläft im Kinde. Die ganze Tugend-
haftigkeit ist Naturell, nicht Entschluß und Opfer.« Seiina. »Alle
Stärke liegt innen, nicht außen.« Lev. § 124.
») Lev. § 158.
') »Unschuldig tritt das Kind in dieses Leben ein; aus einer
reinen idealen Welt kommt es auf dieser Erde an. Nie kann es da-
her für zu gut und rein gehalten werden.« »Dem Kinde liegt das
Höchste näher als das Niedrige.« Lev. § 129. »In ihm leben noch
Leib und Seele in den Flitterwochen einträchtig beieinander, und der
freudigen Seele hüpft noch der lustige Körper nach.« Lev. § 158.
■) Flegeljahre. — *) Levana § 18.
— 33 —
-schiede von der bloß ethischen etwa eines Herbart, sowie
über dessen streng individuelles Gepräge. Das von ihm
intuitiv und gefühlsmäßig erfaßte Ich charakterisiert sich
überhaupt durch seine Konstanz. Es entwickelt sich
nicht, es ist plötzlich da, ist etwas Ursprüngliches. Im
völligen Gegensatz zu Hume, Fichte, Hegel richtet sich
seine Auffassung gegen alle, welche die Anschauung als
«ines sich entwickelnden Prozesses vom Ich vertreten.
Eine gewisse Ähnlichkeit verraten seine psychologischen
Ansichten mit der Lehre Flatos von den angeboren f-n
Ideen: In einem Anthropoliten kommt der Idealmensch
auf der Erde an. Der Erzieher hat ihm nur die Stein-
rinde wegzubrechen, hat nur den verhüllten Juwel bloß-
zulegen. Jedenfalls aber verdankt er seine Grundanschau-
ungen nicht dem Griechen, sondern dem Franzosen
Rousseau. Gleich diesem sieht er in dem Kinde den
reinen, unschuldigen, idealen Menschen ; alles Gute ist an-
geboren, und alles Angeborene ist gut Wie dieser läßt
er alles geistige Leben mit zwingender Notwendigkeit
aus gewissen Keimen sich entwickeln. Diese ganze psycho-
logische Voraussetzung hat aber zur notwendigen Folge
eine ideale Auffassung vom Werte und Zwecke der Kind-
heit überhaupt. Gleich Schleiermacher ist ihm jene durch-
weg Selbstzweck.^) Im Kinde ist die ganze Fülle des
künftigen Menschen angelegt, und so bildet die Kindheit
allenthalben die Zeit der Aussaat. ^) Mit dieser Auf-
^) »Ist denn die Kindheit nur der mühselige Rüsttag zum ge-
nießen den Sonntag des späteren Alters, oder ist sie vielmehr nicht
«elher eine Vigilie dazu, die ihre eignen Freuden bringt?« »Mit
•einer Kindheit voll Liebe kann man ein halbes Leben hindurch für
die kalte Welt haushalten.« Lev. § 117. »Das Schönste, was die
Menschen taten, fiel es auch in ihre kältere Jahreszeit, war nur spät
aufgehender Samen, den der Lebensbaum des kindlichen Paradieses
getragen hatte, gleichsam realisierte Jugeudträume. — Wahrlich ein
großer Teil unserer älteren Sittlichkeit ernährt sich von den Träumen
and Zwecken, welche die Jugend hatte und verfolgte.« Gesammelte
Werke, Bd. XLVIII, St. 1—3.
^ »Alles Erste bleibt ewig im Kinde; die erste Farbe, die erste
Musik, die erste Blume malen den Yorgrund seines Lebens aus, ja,
Päd. Mag. 320. W'ellor. 3
— 34 —
i
fassuDgsweise auf das engste verknüpft ist die heilige
Ehrfurcht welche Jean Paul allenthalben der kindlichen
ladividualität entgegenbringt. Wie an etwas Weihe-
volles tritt er mit heiliger Scheu an das Kind heran und
fordert: »Ein Kind sei euch heiliger als die Gegenwart;« ^>
denn »Alles ist leichter zu wagen und zu ersetzen als
eines Kindes Unschuld «.2) Darum bittet er: »Die Kind-
heit und noch mehr ihre Schrecken als ihre Entzückung
nehmen im Traume wieder Flügel und Schimmer an
und spielen wie Johanniswürmchen in der kleinen Nacht
der Seele. Zerdrückt uns diese Qatternden Funken nichtc ')
Hand in Hand mit dieser Ehrfurcbt aber geht das Be-
streben, dem Kindesalter und der kindlichen Individualität
überall gerecht zu werden; und eben weil er in jenem
das menschliche Paradies erblickt, das allen einerlei EdeD
verheißt,*) darf er von sich bekennen: »Die Jugend sehe
ich an nicht etwa tadelnd, geschweige neidend. c ^) Liebe-
voll vertieft er sich vielmehr in ihr Wesen und ihre
Eigentümlichkeiten und entdeckt schließlich im Kinde
einen unerschöpflichen Born: »Wie der Mensch un-
ergründlich, so das Kind noch weit mehr.« Diese zarte
und poetische Auffassung der kindlichen Natur bringt es
zum Teil mit sich, daß er unter allen seelischen Kräften
der Phantasie weitaus die herrschende Stellung einräumt
im< vollen Gegensatz zu Locke^ der ihr mit skeptischem
Argwohn gegen übertritt und dafür den klaren nüchternen
Verstand bevorzugt. — In gewisser Übereinstimmung mit
Locke und im Gegensatz zu Jeaii Paul befindet sich in
diesem Punkte auch Herbart Auch er nimmt unter den
iu der KiDderwelt steht die ganze Nachwelt vor uns.« Lev. § 1.
»Zwar leben die Kinder wie Götter in einer zeitlosen Ewigkeit; aber
eben dieses nicht zurückschauende Hingeben an die Gegenwart wird
in den späteren Jahren das tiefere Erinnern.« Herbstblumine II, Tl. 46»
St. 127. »Die Jugend mit ihren Leidenschaften ist die Zeit unserer
Erfahrung, das Alter die der Medidation «
*) Levana, Öt. 26. — *) Levana § 124. — ») Siebenkäs Tl. 11
bis 14, St. 231. — *) Flegeljahre Tl. 20, St. 94. — ») Seiina,
Bruchstück Tl. 60, St 87.
— 85 —
Geisteskräften eine RangordnuDg vor und bemißt sie nach
dem Werte für die sittliche und intellektuelle Ausbildung,
zeigt der Phantasie gegenüber eine gewisse Skepsis und er-
blickt im Anschauen und Bemerken die wichtigsten unter
den bildenden Beschäftigungen des Kindes.^) Während
nun aber Ijocke in der Beurteilung der kindlichen Natur
zu einer gewissen Nichtbeachtung angeborener Anlagen
gelangt, Jean Paul den angeborenen Kräften fast aus-
schließlich vertraut, vollzieht sich bei Herbart gewisser-
maßen eine Synthese beider Ansichten. Auch er rech-
net mit Naturanlagen, mit dem spezifisch Individuellen
des Zöglings, das keine Erziehung umbilden kann. ^)
Doch traut er demselben nicht zu viel zu, vielmehr räumt
er den Einflüssen von außen weitaus die größte Be-
deutung ein: »Man erwartet zu viel von innen; man
dachte überdies zu wenig an das Individuelle des Innern^
was keine Erziehung umbilden kann. Es ist übrigens
durchgehender Grundfehler moderner Zeitphilosophie, sich
das Ich als einen festen Mittelpunkt, als ein ^schlechthin
Selbständiges, abgeschlossenes Fertige, das nicht weiter
berichtigt werden könnte und müßte und sollte, zu denken.t^)
^) »Das Aoschaaen ist die wichtigste üDter den bildenden Be-
schäftigungen des Kindes und des Knaben. Je rahiger, verweilender,
je weniger spielend das Kind die Dinge betrachtet: desto solidere
Fandamente legt es seinem künftigen Wissen and Urteilen. Daa
Kind ist geteilt zwischen Begehren, Bemerken und Phantasieren.
Welchen von diesen dreien sollen wir das Übergewicht wünschen?
dem ersteren und dritten wohl nicht ; denn aus Begehren und Phan-
tasieren entsteht die Herrschaft der Laune und des Wahns, aber
aas dem Bemerken entsteht die Kenntnis der Natur der Dinge.«
Pestalozzis Idee eines ABC der Anschauung, St. 86, 87.
') »Sehr häufig drängt sich die Tatsache auf, daß Menschen^
welche durch viel Wechsel ihres Schicksals hindurchgehen, dennoch
ao den individuellen Zügen, die man schon in ihrer Jugend bemerkte,
wieder zu erkennen sind. Darin zeigt sich etwas Gleichförmiges der
ihnen eigentümlichen Art und Weise, wie sie unwillkürlich die ver-
schiedenen Eindrücke auffaßten und verarbeiteten. Dieses Gleich-
förmige soll der Erzieher so früh als möglich beobachten, um seine
Zöglinge richtig zu beurteilen.« Umriß päd. Vorl. § 296.
*) Rezension der Erziehungslehre von F. H. Ch. Schwarz, 8t. 371.
3»
— 36 —
Nicht wie bei Jean Paul ist bei ihm das Ich ein kon-
stantes, ursprüngliches, sondern lediglich Resultat, die
Durchkreuzungsstelle von Vorstellungsreihen, nur scheinbar
«in einheitliches und festes, in Wahrheit wechselnd und
ein Produkt der Abstraktion, ein Gebilde des Scheins. Seine
ganze Psychologie beruht durchweg auf anderen Vor-
aussetzungen. Der Lehre von den Seelenvermögen, den
Freiheitstheorien, sowie dem Fatalismus den Krieg er-
klärend, wird er zum entschiedenen Deterministen.^)
Das ganze Seelenleben wird bei ihm aufgelöst in Vor-
stellungen. Die Seele ist eines der vielen Realen, deren
einzige Aufgabe ist, sich in ihrem absoluten Sein gegen
mögliche Störungen zu erhalten, und die Art ihrer Selbst-
erhaltung ist eben die Vorstellung. Diese sind nicht,
aber sie werden zu Kräften, deren gegenseitiges Spiel in
Hemmung und Förderung oberhalb und unterhalb der
Schwelle des Bewußtseins ein rein mechanisches ist and
als solches als eine förmliche Mechanik und Statik der
Vorstellungen mathematisch berechnet werden kann. Eben-
so sind auch Gefühle und Begierden nicht Sache be-
sonderer Seelenvermögen, sondern nur bestimmte Zustände
gehemmter, oder sich emporarbeitender Vorstellungen.
Für all diese Vorgänge ist die Seele nur der Schauplatz,
und selbst die Apperzeption ist nur ein Akt des Vor-
stellens, die Aufnahme und Aneignung einer neuen Vor-
stellung durch die schon vorhandenen älteren; und wie
diese Psychologie nimmt auch seine Ethik eine andere
Oestalt an. Sie ist ihm nur ein Teil der Ästhetik und
als solche völlig unabhängig von der Metaphysik. Dieser
^) »Die Grundfrage betrifft die geistige Anlage, sowohl im all-
gemeinen, als im einzelnen. Die Meinung von gewissen Formen in
den Seelenvermögen würde den Erzieher irreführen, und er darf nicht
darauf warten, das Gute werde wohl von seihst kommen, er muß es
herbeiführen. Die Freiheitstheorien erleiden keine Erziehung. Der
Erzieher ist unvermeidlich Determinist, wie wohl er bescheiden genug
sein kann, nicht die ganze Determination in seiuer Gewalt zu
glauben.« Aphorismen 19, St. 389.
- 37 —
ästhetische Charakter zeigt sich in der Aufstellang von
fünf sittlichen Ideen als den Musterbildern für sittliche
Beorteilung, so daß er, da dieselben ihrem Werte nach
völlig koordiniert sind, zu einem ethischen Pluralismus
gelangt. In dem Bestreben, diesen Ideen zur unbedingten
Herrschaft zu verhelfen, besteht die sittliche Vervoll-
kommnung; denn die natürlichen Anlagen sind nichts
weniger als gut. Vielmehr entwickelt sich im Einde zu-
nächst ein wildes Ungestüm, das ein Prinzip der Un-
ordnung ist, die Einrichtungen der Erwachsenen zu ver-
letzen droht und die künftige Person des Kindes selbst
in Gefahr bringt^) Eben deshalb ist für Herbart »die
Erziehung zu einem gut Teil negativ, indem sie besteht
in der Entfernung des Schlechten«.') Darum vermag er
aber auch nicht wie Jean Paul das Eindheitsaiter als
einen idealen Zustand des Menschen anzusehen, sondern
als einen solchen, den es zu überwinden gilt, und daher
stellen sich ihm viele Erscheinungen, wie der jugendliche
Leichtsinn, die jener als ganz natürlichen Ausfluß kind-
lichen Wesens ansieht, dar als Fehler der individuellen
Anlage.^)
2. Pädagogische Voraussetzungen.
Im Einklänge mit dieser verschiedenen philosophisch-
psychologischen Auffassung der Kindesnatur zeigen sich
auch in den pädagogischen Systemen, den gesteckten Er-
ziehungszielen und entsprechend getroffenen pädagogischen
Maßnahmen der drei Erzieher dieselben Unterschiede.
Lockes Pädagogik ist eine solche des Realismus und
Utilitarismus, des Nützlichen und Brauchbaren, auf den
Leib des kalt erwägenden Engländers zugeschnitten; die
Jean Pauls eine solche der inneren Wiedergeburt und
^) »Die natürlichen Triebe des Menschen sind nicht Ton selbst
sittlich. Es ist nicht umsonst, nicht ohne tiefe Bedeutung, wenn
unsere Religion von Erbsünde redet« — Bericht an Herrn von
Steiger St. 31—32.
*) Aphorismen 20. — *) Vergleiche ümrifi päd. YoxL | 165!
— 33 —
der Liebe und die Herbarts eine solche der ethischen
Orientierung. Das Ziel der Erziehung ist nach Loche
die männliche Wirksamkeit im Dienste der Gesellschaft,
die praktische und nützliche Weltbildung, durch welche
der soziale Wert und die öfifentliche Wertschätzung des
Individuums bedingt sind. Daher macht er der Anti-
zipation der Berufsbildung durch die Schule wichtige Zu-
geständnisse, stellt die Fach- und Berufsbildung über die
allgemeine, einheitliche und zusammenhängende Geistes-
kultur und ist hierin der echte Engländer und Sohn seiner
Zeit Sein Ideal ist mit einem Worte der tugendhafte
Kavalier, sein Ziel ein durch und durch weltmännisches,
als dessen vier Hauptstücke er selbst hinstellt: Tugend,
Klugheit, Lebensart und Kenntnisse.^) Jean Pau/ erblickt
sein Ziel in der harmonischen Entfaltuug und Ausbildung
aller menschlichen Kräfte und Anlagen, in der inneren
Harmonie von Kraft und Schönheit, in einer geistigen
Wiedergeburt, in dem Herausschälen der im Menschen
liegenden Juwelen aus ihrer Kruste, in der Befreiung des
Idealmenseben von der ihn umgebenden Schlackenhülle.
Herbart hat im Auge die Herausbildung der sittlichen
Persönlichkeit. Der Zweck seiner Erziehungskunst ist
die Ausbildung eines festen Gedankenkreises, die Charakter-
stärke des sittlichen Willens. Diesen verschiedenen Zwecken
entsprechend bauen sich auch die einzelnen pädagogischen
Systeme auf. Die Pädagogik Loches ist mit dem Grund-
gedanken seines Erkenntnissystems aufs engste verknüpft.
Sein Sensualismus und Empirismus beherrscht auch seine
Auffassung von der menschlichen Bildung. Seine ganze
Erziehungstbeorie steht unter dem Einfluß der induktiven
Methode, der Empirie. Da alle Geistesbildung nur eine
Frucht der Erfahrung ist, so muß auch die Erziehung
zur Erfahrung werden. Der Erzieher hat nur die Auf-
gabe, den Zögling solche sammeln und ihn sich richtig
entwickeln zu lassen, hat zu leiten, nicht aber zu dressieren
') EdaoaüoB § 134.
— 39 —
vind abzurichten.^) Vielmehr ist der Zögling so früh als
möglich als Mann zu behandeln, da er um so früher
dann auch ein solcher sein wird. Weil nur durch Ef-
fahrung etwas in den Menschen hinein kommt, ist die
Erziehung zugleich eine Notwendigkeit. Mit Rousseau
glaubt Locke behaupten zu können, »daß ^lo ^^^ Men-
schen das, was sie sind, gut oder böse, brauchbar oder
unbrauchbar, durch die Erziehung werden«. Aus ihr er-
klärt sich ihm die Verschiedenheit der Individualität, und
daher kennt er nicht wie Jean Paul die zarte Rücksicht-
nahme auf dieselbe; vielmehr hat die Regierung schon iu
der zartesten Jugend zu beginnen.^) Darum erlaubt er
sich denn auch energische Eingriffe in die Freiheit des
Kindes und geht hier noch weiter als Herbart\^) doch
will er damit durchaus keine ernste und finstere Ein-
wirkung. Wie Jean Paul erkennt er in einer heiteren,
freien Seele die einzige Stimmung und Gemütslage, :^ia
welcher jene fähig ist, Belehrungen über neue Gegen-
stände anzunehmen und denjenigen Eindrücken offen zu
stehen, ohne welche, wenn sie nicht wirklich gemacht und
*) »Denn die Kinder beständig zupfen und zerren, bald hier-
hin, bald dahin, heißt nicht sie unterrichten, sondern sie unnützer-
weise martern und plagen. Weit besser wäre es, man ließe ihnen
ihre kindliche Sorglosigkeit und Einfalt bis zu reiferen Jahren, wo sie
sie von selbst ablegen, als daß man sie mit Verweisen überhäufe,
die gar nicht an ihrer Stelle stehen, und die ihnen niemals wohl-
anständige Haltungen und Bewegungen geben können.« Educ. § 67.
^) »Unsere Autorität muß schon mit dem frühesten Dämmern
irgend einer Vorstellung in de:u Knaben Platz greifen und ihn be-
einflussen, so daß sie wie ein natürliches Prinzip wirke, von welchem
er niemals den Anfang merkte und niemals wußte, daß es anders
war oder anders sein könnte.« Educ. § 44, 45, 100.
^) »Denn Freiheit und Nachsicht kann für Kinder keine Wohltat
werden. Ihr Mangel an Urteilskraft macht, daß sie des Zwanges und
der Zucht bedürfen ; ich denke, jedermann wird es für recht erkennen,
daß Kinder, solange sie klein sind, ihre Eltern als ihre Herren, als
ihre unumschränkten Oberhäupter ansehen. Ehrfurcht und Scheu
müssen euch die erste Gewalt über ihre Gemüter verschaffen and
Liebe und Freundschaft in reiferen Jahren sie euch erhalten.« £dao»
§ 40, 41 und 42.
— 40 •
in der Seele erhalten werden, alle eigne Arbeit des Einde9
sowohl, als die ihres Lehrers verloren ist.« ^) Seine päda-
gogischen Maßnahmen bilden eine im einzelnen von
Widersprüchen nicht freie Synthese von Freiheit und
Zwang, aber einem Zwang, der vom Zögling nicht als em
solcher empfunden wird. Es steht ihm fest: »Der, wel-
cher das Mittel gefunden, den Geist des Kindes frei^
tiitig und munter zu erbalten und zu gleicher Zeit ab-
zulenken von mancherlei Dingen, zu denen es Neigung^
fühlt, und wieder hinzuführen auf andere, die ihm nicht
zusagen, wer diesen scheinbaren Widerspruch zu ver-
einigen weiß, der hat das wahre Geheimnis der Erziehung^
erschlossen.« 2) Großes Gewicht legt Locke bei seiner
Auflassung des Erziehungszieles auf Gewohnheit und Bei-
spiele.^) Trotzdem verwirft er aber eine unentbehrliche
Stütze der charakterbildenden Zucht, den Umgang, und
entscheidet sich für Privaterziehung. Als wirksamstes
Mittel in sittlicher Hinsicht betont er vielmehr Beifall
und Lob, die Weckung des Ehrgefühls und den Wert der
öffentlichen Meinung. »Lehrt den Zögling seine Neigungen
beherrschen und seine Begierden der Vernunft zu unter-
werfen! Um einen jungen Mann dahin zubringen, weiß
ich kein wirksameres Mittel als die Liebe zu Beifall und
Lob, die man ihm deswegen durch alle ersinnlichen
Mittel einzuflößen suchen sollte.«^) Deutlich charakte-
risiert er damit schon einen Hauptmangel seiner ganzen
Pädagogik, der als ein Krebsschaden am Marke derselben
nagt: die sich vielfach zur völligen Verwerfung steigernde
J) Educ. § 167. — ») Edac. § 46, 51.
') »Die Gewohuheit ist eine Sache von großer Bedeutung ; Educ
§ 34. Kinder bilden sich meist nach Beispieleü, und wir sind alle
eine Art Cbamälions, die immer die Farbe der Dinge der nächsteo
Umgebung annehmen, und dies ist am wenigsten zu verwundern bei
den Kindern: die ja besser verstehen, was sie sehen, als wab sie
hören. Die Wirksamkeit der Beispiele beruht auf dem Nachahmungs-
triebe.« Educ. § 67.
*) Educ. § 51. — ') Geschichte der Pädagogik.
— 41 —
ünterschätzuDg des unmittelbaren Interesses, das seinen
Objekten an sich Wert beilegt, weiches das Lernen um
des Lernens willen, nicht augenblicklicher Vorteile und
praktischer Bedürfnisse wegen empfiehlt. Nicht nur^ daß
überhaupt ein zusammenhängender Unterricht vernach-
lässigt wird, auch sonst soll die Erziehung alles auf die
künftigen Geschäfte eines Mannes von Stand abzwecken.
»Der Zögling soll die größte Mühe auf das verwenden,
was am notwendigsten ist, und der Hauptgegenstand der
Sorgfalt soll das sein, was ihm den größten und häufig-
sten Nutzen in der Welt bringt.« Mit stolzer Verachtung
wendet sich der Landsmann Shakespeares von der ästhe-
tischen Seite der Masik und Poesie ab. Der enggeistige
Hagestolz Locke hat die läuternde Kraft des Schönen
nicht empfunden. Er weiß nichts davon, daß die Kunst
den Menschen in seinen Neigungen zu veredeln und aus
den niederen Sphären der Sinnlichkeit emporzuheben ver-
mag. In seiner Pädagogik macht sich vielmehr eine
Nüchternheit und Phantasielosigkeit geltend, welche die
ganze ästhetische Seite der Erziehung, alle Poesie und
Kunst ausschließt und das Oemütsleben fast völlig un-
berücksichtigt läßt. Obgleich er wohl auch auf der an-
deren Seite alles bloß Formelle und rein Gelehrte bei-
seite schiebt, wird doch, wie Ziegler richtig bemerkt, »ein
so gebildeter Zögling zwar ein brauchbarer und welt-
gewandter Mensch werden, aber er wird verstandesmäßig
kalt und philiströs- schwunglos bleiben, selbst noch unter
der Bedingung, daß es dieser Pädagogik doch nicht ganz
an einem idealistischen Momente fehlt; das ist der sitt-
liche Idealismus der Tugend und der Pflicht, wodurch
Locke sie vor einem allzu einseitigen oder gar banau-
sischen Realismus geschützt hat.« Dieser Engherzigkeit
gegenüber klingt um so wohltuender der Naturruf des-
selben, der zum Teil mit seiner Pädagogik versöhnt.
Schon an die Spitze seines Werkes tritt Juvenals »men^
sana in corpore sano«^. Das sei die vollständige Be-
schreibung eines glücklichen Zustandes in dieser Welt
— V2 —
Daher muß der Zögling nicht nur geistig, sondern tot
allem auch körperlich kräftig und tüchtig gemacht, mnS
abgehärtet und vor aller Verweichlichung und Verzärte-
lung bewahrt und von früh auf an volle Regelmäßigkeit
gewöhnt werden. Doch auch sonst erhebt sein wieder-
holter Ruf: »Gebt der Natur den nötigen Raum, um den
Körper zu formen, wie sie es für gut findet!« ^) energischen
Protest gegen eine im bedenklichen Grade der Unnatur
zugetanen Zeit, gegen die mechanische Dressur einer ver-
knöcherten Schulphilosophie. Energisch redet er den
Leibesübungen das Wort, freilich nur einseitig vom medi-
zinischen Standpunkte aus, ohne dabei auf die Entwick-
lung der Tugenden, welche in jeder sittlichen Gemein-
schaft, also auch später im staatlichen Leben, zur Geltung
kommen, ohne auf die weittragenden nationalen Gesichts-
punkte hinzuweisen, und auch hier empfiehlt er nur nütz-
liehe Beschäftigungen, Reiten, Fechten, Übungen, welche
dem späteren Eavalier zu gute kommen können. Das
Ubergwicht aber behält der Arzt Locke^ der hier zu Worte
kommt, die physische und psychische Erziehung als zwei
koordinierte Teile unterscheidet und so falschlich in die
Pädagogik Verordnungen über die Pflege der leiblichen
Gesundheit und Ausbildung aufnimmt, die diese willig
der medizinischen Wissenschaft überläßt. Mit vollem Ver-
ständnis des diätetischen Grundbegriffes aber erklärt er,
daß Erholung ebenso notwendig sei wie Arbeit und Nah-
rung, daß gerade die nach Geistesarbeiten eintretende Er-
mattung um so dringender zu gymnastischen Übungen
auffordert. 2) Abwechselnde Anstrengung und Erholung
*) Edac. § 11.
^) »Unsere winzige Lebenszeit verhindert uns, alles zu erriogen,
und unser Geist darf nicht immer angestrengt sein. Die Schwäche
unseres Körpers und Geistes gebietet uns, oft auszuspannen und
einen großen Teil unseres Lebens der Erholung zu widmen. Weni|^-
stens mfisse diese jungen Leuten nicht versagt werden, wenn ilur
nicht wollt, daß sie durch eure Eile vor der Zeit anfangen zu altem
und ihr den Gram habt, sie im Grabe liegen, oder sie zum zweiteo-
mal Kinder werden, ehe ihr es euch yerseht. Daher sollte die niekt
— 43 —
lautet seine Forderung, und hiermit erklärt er sich gegfQ
jede Überbürdung mit geistigen Arbeiten, wie er sich
allerdings andrerseits ebenso schroff gegen jede Trägheit
und Untätigkeit, gegen den Müßiggang, besonders der vor-
nehmen Welt, der häufig in Kollision mit den Forderungen
der Sittlichkeit gerät, verwahrt. ^) — Wie Locke legt auch
Jean Pavl großes Gewicht auf die physische Erziehung.*)
Wie bei jenem stehen auch bei ihm die Grundsätze seiner
durch und durch individualistischen Pädagogik mit dem
Erziehungsziele im Einklänge, nur daß sie bei ihm viel-
fach ein gegenteiliges Gesicht bekommen. Zunächst schon
schließt jenes jedes rauhe Eingreifen in die kindliche
Individualität, vor welcher sich der Erzieher ehrfurchts-
voll zu beugen hat, aus. Der Individualmensch entwickelt
eich von selbst, auch ohne fremdes Zutun, und es liegt dem
Erzieher nur ob, diese Entwicklung zu fördern, alle Hindcr-
2u ernster VeryollkommDung bestimmte Zeit und Kraft auf eine
methodische Pflege des Körpers verwendet werden, und vielleicht ist
keines der geringsten Geheimnisse der Erziehungsknnst, es dahin zu
bringen, daß die Übungen des Körpers sowohl, als die der Seele eine
der anderen zur Erholung dieuten. . . . Dann muß man aber nicht
vergessen, daß eine Sache nur dann zur Erholung werden kaiiD,
wenn sie mit Lust getan wird.« Educ. § 197.
M »Wenn nur die Menschen von Jagend auf von der Trägheit
and Untätigkeit entwöhnt würden, worin manche aus bloßer Gewohn-
heit einen ansehnlichen Teil ihres Lebens ohne Geschäfte oder Ver-
gnügungen ungenützt verstreichen lassen: so würden sie Zeit genug
finden, sich in hunderterlei Dingen Geschick zu erwerben, die, so
entfernt sie auch von ihren eigentlichen Berufsgeschäften sein mögen,
diesen doch nie in den Weg treten würden. Ich bin daher der
Meinung, daß man der Untätigkeit und Trägheit, die den ganien
Tag unnützerweise verträumt, am allerwenigsten nachsehen, oder sie
jungen Leuten gestatten muß. Das ist der eigentliche Zustand eines
siechen Menschen, der mit Kränklichkeiten zu kämpfen hat und kann
sonst bei keinem anderen entschuldigt werden, wes Alters und Standes
er auch sei.« Educ. § 208.
') »Der Körper ist der Panzer und Köraß der Seele. Darum
muß dieser vorerst zu Stahl gehärtet werden.« Lev. § 104. »Körper-
liche Abhärtung ist, da der Körper der Ankerplatz des Mutes ist^
schon geistig nötig.« Lev. St. 123 — 24.
— 44 —
Disse aus dem Wege zu räumen.^) Damit ist dem Er-
zieher sein Verhalten klar vorgezeicbnet: »Nicht Kopien
seiner eignen Individualität soll er zu bilden suchen, son-
dern nach der Harmonie aller individuellen Anlage des
Zöglings forschen; die Persönlichkeit desselben, sein Ich,
sei ihm heilig. Der oberste Grundsatz des Erziehers muB
die Herausbildung und Wahrung der Individualität sein.t»)
Möglichst frei und uneingeschränkt soll sich der Zögling
entwickeln können ; früh soll er lernen, frei zu handeln.
Die ganze Pädagogik Jean Pauls ist eine solche zur
Selbsttätigkeit. Die entfaltende Erziehung spielt weitaus
die größte Rolle. Ausschließlich kommt dieselbe aller-
dings nur in der ersten Zeit zur Geltung. Wie er aber
der Kindheit überhaupt eine hohe Bedeutung für das spätere
Lebensalter beilegt, in den Kindern die Ansatzpunkte und
Hebelarme für die ganze fernere Zukunft und nachfolgen-
den Generationen erblickt, so erkennt er insbesondere im
ersten Lebensmorgen die ertragsreichste und ergiebigste
^) »Der Bildungstrieb muß im Kinde selber wachsen.« Lev. § 39.
»Da jede £raft heilig ist, bleibt es unverbrüchliches Gesetz, keine
an sich zu schwächen, sondern nur ihr gegenüber die andere zu er-
wecken, durch welche sie sich harmonisch dem Ganzen zufögt.c
Ler. § 29. Vergl. dazu: »Nie ist eine Kraft zu schwächen, Bondeni
nur ihr Gegenmuskel ist zu stärken «
*) In wiederholten Wendungen bringt Jean Paul diesen Ge-
danken zum Ausdruck: »Heilige Kindheit, wa9 begehrt denn ein
Vater mehr als Zeit, die ihm nicht gewährt werden kann, um die
Jugend zu fetiereu! Womit kann denn ein Vater die rotwangige
Freudenhofstunde der Zeit belohnen und beantworten als damit, da^
er Jüngling sei dem Jüngling und Kind dem Kinde!« Mitteilungen
ans des Dichters nngedrucktero Nachlasse: Deutsche Blätter für er*
ziehenden Unterricht 1882, No. 1 und 2. »Der Erzieher sollte sich
fürchten, seine Individualität fortzupflanzen und sich prüfen, nicht
ob, sondern wonach er erziehe.« »Der Erzieher soll die Zöglinge sich
nicht selbst nachbilden wollen. — Die Eigentümlichkeit des Schülers
auszuforschen und hochzuachten, ist des Erzieherj erste Pflicht.
Leider sind drei Dinge schwer zu finden und zu geben: einen Cha-
rakter haben — einen zeichnen — einen erraten, und vor einem
gewöhnliehen Erzieher scheint eine Unart schon eine Unnatur.«
Lev. § 29.
— 45 —
Zeit der Aussaat^) Unter allen Umständen bleiben die
ersten zehn Jahre »das wichtigste einwohnende Jahr-
zehnt des Lebens, das Erstgeburtstor aller GefQhle.«')
Tritt in diesem Zeitraum die Bedeutung des Erziehers
mehr zurück, so kommt sie zur vollen Geltung im späteren
Eindesalter; denn von dieser idealen Seite des Zöglings
ist eine andere zu unterscheiden, die der Erzieher beugen
und zurechtlegen muß. Mit dieser hat es die sich später
anschließende heilende Erziehung zu tun durch Ge-
bieten, Verbieten und Strafe. Im völligen Gegensatz zu
seinen früheren Ansichten vergleicht dann Jean Paul den
Zögling wohl sogar mit einem Marmorblock. Die Tat-
sache der Erfahrung hat eben in ihm das Übergewicht
bekommen über die psychologische Theorie. Aus seiner
ganzen Levana klingt die Forderung der positiven Er-
ziehung unzweideutig hervor, denn trotz aller Liebe and
Sorgfalt für die Kleinen, trotz der Ehrfurcht vor ihrer
Individualität will er durchaus keine verweichlichte und
verzärtelte Erziehung: >Wagt man nichts an Kindern, so
wagt man sie selber, den Leib wahrscheinlich, den Geist
^) »Soll man im Meer einer menschlichen Seele Ahschnitte an-
geben, 80 muß man beim Kinde einen ersten Abschnitt der drei ersten
Jahre machen. In dieser Dämmerperiode lasse man das Licht nnr
selber wachsen, ohne eins anzuzünden. In den ersten drei oder ffiuf
Jahren können Erzieher dem Kinde entweder zn Hören, welche die
Himmelstör ihm aufschließen, oder zu Teufeln werden; denn zu
dieser Zeit entscheidet sich die ganze sittliche Entwicklung des Men-
schen. In dieser Knospenzeit wird gleichsam das akademische Trien-
nium, nach welchem sich erst das Seelentor, die Sprache, auftut, der
Gegenstand der Sorge nnd des Blicks. Hier ist noch die rechte Er-
ziehung möglich, die entfaltende, durch welche die lange zweite, die
heilende oder die Gegenerziehung, zu ersparen wäre. Fär das Kind
wird auf dieser Greozscbeidung des Menschen und Affen das Wich-
tigste entschieden. Die elterliche Hand kann den aufkeimenden Kern,
nicht aber den aufblühenden Baum bedecken und beschatten. Haben
wir unsere Kinder nur ungestört bis ins sechste Jahr herangezogen
und fest gegründet, so löschen ein paar böse Beispiele in ihnen nicht
mehr Gutes aus, als sie Tielleicht anfachen.« I^y. § 42.
•) Lev. St 20.
— 46 —
gewißic^)^ Der Geist soll an dieselbe spartanische
Zucht gewöhnt werden wie der Körper; ein stoisches
Wollen soll im Zögling reifen, nicht leidensohaftlichee fie*
gehren. Festigkeit muß sich paaren mit Freiheit')
Das eigentliche Lebenselement aber, unter dessen Panier
sich der gauze Erziehungsprozeß abzuwickeln hat, ist
Heiterkeit und Freudigkeit. Was Jean Paul erwecken
will, ist Liebe zu den Kindern, Achtung vor ihrer Kraft
und ihrer Zukunft; was er bannen will, ist die Gleich-
gültigkeit, die Härte und die Unvernunft in der Erziehung,
Heiterkeit ist der Himmel, unter dem alles gedeiht, Gift
ausgenommen! Ihr will er einen Altar bauen für groß
und klein; denn >in einer Seele voll Dnmut und Ver-
druß erstickt die dumpfe, schwere Luft alle geistigen Blüten
und den sittlichen Wuchs. Der süßen Wehmut, dem Mit-
schmerz öffne sich das Herz, aber nicht dem kalten Mißmut
und dem Niedergeschlagensein. Das Glück des Lebens
besteht wie der Tag nicht in einzelnen Blitzen, sondern
in einer steten milden Heiterkeit: Das Herz lebt in
diesem ruhigen, gleichen Liebte, und wäre es nur Mond-
licht oder Dämmern, seine schönere Zeit«*)^) Indem
Jeati Paul so der Heiterkeit den größten Einfluß auf die
0 Lev. St 115.
^) »In die Frühlingsplätze der Kindheit schauen ohnehin so oft
die Väter als leere, schneeweiße Berghäupter hinein und zeigen dem
Frühling den Winter. Lieber den Windbruch der Früblingsatürme,
als den Schneebruch des Alters.« Lev. § 135.
') »Die verbündete Pflege kindlicher Festigkeit und Freiheit su-
gleich gehört unter die schweren Aufgaben der Erziehung. Der elter-
liche Atem soll nur die Zweige xum Fruchtstäuben bewegen» aber
nicht krümmen und beugen.« Lev. St. 2G0.
^) Bruchstück aus der Kunst, stets heiter zu sein. Museum, Tl. 44.
St. 84 flf.
^) In zahlreichen Variationen kehrt dieser Gedanke in den Werken
Jean Patds wieder: «Die Völker wie der einzelne Mensch sind nur
am besten, wenn sie am fröhlichsten sind und verdienen den Himmel,
wenn sie ihn gebießen.« Kanipaner Tal, Tl. 39, St. 21. »Heiterkeit
— der Gegensatz des Verdrusses und Trübsinns — ist zugleich
Boden und Blume der Tugend und ihr Kranz.« Lev. § 44. »Der
— 47 —
innere Entwicklung und Entfaltung, auf die Gesundheit
zuschreibt, verlangt er: »Ihr Menschen, o macht nur wenig-
stens die Menschen glücklich, die es am leichtesten, am
unschuldigsten, am längsten werden, die Kinder . . . Das
frohe Eind ist überall das bessere, und die Not ist die
Mutter der Künste, aber auch die Großmutter der Laster.«^)
Deshalb fordert er vom Erzieher: »Meine größte Bitte ist,
daß sie der spaßhafteste Mann in meinem Hause sind.
Lustigkeit macht Kleinen alle wissenschaftlichen Felder
zu Zuckerfeldern.« *) Heiterkeit soll in erster Linie an
das Ohr des Erziehers schlagen und ihn mit der echten
Freudigkeit erfüllen. Ihre schönste Pflege aber findet
dieselbe in geseiligen Verhältnissen, und so legt Jeayi Paul
im Gegensatz zu Locke großen Wert auf den Umgang:
»Leben und Kinder erziehen besser zu Erziehern als alle
Erzieher.« ^) »Leben zündet sich nur an Leben an,€ und
erfreute Mensch gewinnt unser Auge und Herz, sowie beide der Ver-
drießliche abstößt« Lev. § 84. »Freude ist die warme Sonnenseite
des Geistes und Leibes.« Le?. § 104. »Und was ist Wärme für das
Menschenküchlein? — Freudigkeit.« Lev. § 42. »Einen traurigen
Mann erdulde ich, aber kein trauriges Kind; denn kleine Kinder
werden von einem schwarzen Gifttropfen der Gegenwart ganz um-
zogen und erstickt.« Lev. § 43. »Wer kann unter Menschen und
Tieren am unglücklichsten sein? — Die Kinder.« Lev. St. 364 — 65.
»Heiterkeit schließt wie ein Frühling alle Blüten des Innern auf.«
Gesammelte Werke XLIX, St. 114. »Jede innerliche Freude ist
mehr heilsam als Arzenei. Man berechnete noch nicht, was fort-
gehende Freude auf die Kindergesundheit wirkt.« üngedruckter
Nachlaß. — »Freudigkeit — dieses Gefühl des ganzen freigemachten
Wesens und Lebens, dieser Selbstgenuß der innern Welt, nicht eines
äußeren Weltteilchens — öffnet das Kmd dem eindringenden All und
läßt alle jungen Kräfte wie Morgenstrahlen aufgehen und der Welt
und sich entgegenspielen.« Lev. § 45. »I^achende Heiterkeit wirft
auf alle Lebensbahnen Tageslicht, der Mißmut weht seinen bösen
Nebel in jede Ferue.« Lev. § 104.
^) Pahngenesien, Tl. 42, St 57.
') Unsichtbare Loge, Tl. 1, St. 103. Vergleiche dazu: Lessing,
Minna tou Barnhelm IV, 0 : »Das Lachen erhält uns vernünftiger als
der Verdruß!« und Schwarz, Erziehungslehre I, St. 288: »Die Perle
der wahreu Erziehung ist Frohsinn und Offenheit des Kindes.«
*) Vorrede zur 2. Aufl. der Levana, St. 14.
— 48 —
zum unterschiede von jenem betont or nicht miDder ent-
schieden die ästhetische Seite der Erziehung, hierin der
echte Sohn seiner Zeit, dem auch das Kleine und Kleinste
nicht entgeht; und weil dies alles das Kind betrifft, in
welchem aus kleinen Anfängen Großes sich entfalten soll,
so ist ihm nichts klein und unbedeutend in den Aufgabe
und Pflichten der Erziehung. Mit weihevollem Ernste
spricht er von ihrem heilig erhabenen Werke: »Dieb
Trauten, Dich Arglosen, Dich Freundlichen, der Da Dich
mit Deinem ganzen Schicksal, mit Deiner ganzen Zukunft
in meine Arme wirfst — o es tut mir schon wehe, daß
soviel von mir abhängt.«^) So faßt sich die ganze Päda-
gogik Jeayi Pauls zusammen in eine nicht unerfreuliche
Synthese von heiligem Ernst mit unbesiegbarem Optimis-
mus, von kühner Phantasie mit herber Männlichkeit, von
hingebender Liebe mit väterlicher Strenge. — Wesentlich
anders als bei ihm gestaltet sich das Verhältnis der Er-
ziehung zum Zögling bei Herbart Alle Maßnahmen sind
auf sein Erziehungsziel, auf Verwirklichung des ethischen
Idealmenschen, zugeschnitten. Die sittlichen Ideen sollen
die Oberhand gewinnen, und ihre Herrschaft ist schon im
frühesten Kindesalter anzubahnen. Der Zögling hat mög-
lichst früh den Zweck und die wahre Beschaffenheit der
Dinge zu erfassen, nach Grundsätzen und Maximen han-
deln zu lernen. In diesen Dienst treten Regierung, Zucht
und Unterricht. Herbarts Zögling genießt daher lange nicht
die Freiheit, welche Jean Paul für den seinen be-
ansprucht. Zwar hat auch er Verständnis für die natür-
liche Munterkeit und Heiterkeit, für das sorglose,
phantasiereiche Wesen der Kleinen, für die Forderungen
ihrer zarten Natur; auch er redet den gymnastischen
Übungen und Erholungszeiten als wirksamem Schutz-
mittel gegen Überbürdung das Wort, 2) hat für die phy-
*) ÜDsichtbare Loge, TL 1, St. 101.
') Vergleiche hierza Umriß päd. Vorl. § 227. Das Knabenalter
wird . . . usw.! Doch selbst hier tritt Herbarts Gegensatz zu den
Ansichten Jean Pauls deutlich zu Tage. Selbst die Art und Weise
- 49 —
sische ErziehuDg weitgehendes YerständDis und will die
ForderoDgen des Unterrichts nicht weiter ausgedehnt
wissen, als sie mit der natürlichen Munterkeit, der gün-
stigsten Stimmung für Geistes- und Charakterbildung, be-
stehen können; auch er rechnet mit den natürlichen An-
lagen der Zöglinge und bringt der kindlichen Individualität
YoUes Verständnis und tunlichste Berücksichtigung ent-
gegen, auch er strebt eine harmonische Ausbildung und
Entfaltung aller Kräfte an und verlangt im Hinblick auf
das spätere Leben möglichst vielseitige Ausbildung und
Weckung aller Interessen : aber eben die natürlichen An-
lagen sind nicht von selbst sittlich; und darum zweckt
seine ganze Erziehungsweise unter Zugrundelegung eines
heute unhaltbaren philosophischen Systems auf eine Yer-
sittlichung, Vervollkommnung und weitere Ausbildung
derselben ab. Seine Pädagogik, ihres den wahren EerD
der Sache mehr verhüllenden, als klarlegenden tektonischen
und künstlich schematisierenden Aufbaues entkleidet, dann
aber im einzelnen eine Fülle pädagogischer Weisheit ent-
hüllend, trägt daher den Charakter des Wohlgeordneten,
methodisch Geregelten, Planvollen, auch im kleinsten
scharf Berechneten und sauber Durchgearbeiteten an sich.
Bei seinem Idealmenschen ist alles auf das Feindurch-
gebildete, harmonisch Ausgeglichene, auf das Leise und
Zarte — durchaus aber nicht Verweichlichende — ge-
stimmt Eine solche Pädagogik schließt nicht nur jede
Willkür aus, sondern trifft auch die oberste Entscheidung
über die Freiheit des Zöglings, die ihm nur dann ge-
währt wird, wenn der Erzieher seiner inneren Haltung
gewiß ist ^) Eine solche Erziehungsmethode kennt keinen
Zufall, nur Berechnung; ihr Zweck ist, die Kinder dem
Spiel des Zufalls zu entreißen. Ihren Wert gibt ihr die
Zuverlässigkeit ihres Planes. »Immer muß sie ihre £r^
der VerwertoDg der freien Zeit ist der Enteoheidong und fieethoimiil^
iler Eltern nnd Vormändernntefworfen : Regel nnd Ordnung ftbendl!
^) Vergleiche Umriß päd. Vorl. § 152 : »Allgemein seigt sieh . . ubw.«
PSd. Mag. 820. Weller. 4
— Be-
folge, wo Dicht mit Gewißheit, doch mit großer Wahr-
scheinlichkeit vorhersehen.«^) Eine solche AufiFassung
vom Wesen der Erziehung duldet nicht alle und jede
Schonung der kindlichen Individualität, sie sucht vielmehr
auf das ganze Yorstellungsleben — und nach HerbarU
scher Auffassung damit auch auf Denken, Fühlen und
Wollen, auf die Gesinnung — Einfluß zu gewinnen, der
dauernden Haltung des Zöglings sich zu versichern; und
darum begleitet sie leitend, abwehrend, verhütend, ein-
wirkend und gegenwirkend, anhaltend und abhaltend
dauernd die Schritte desselben vom frühesten Alter an,
ehe noch besondere Neigungen sich festsetzen, falsche
Urteile sich bilden können. ^) Positive Erziehung in jedem
Falle wird das Losungswort; das Geben spielt eine größere
Rolle als das sich von selbst Entwickelnde aus dem Innern.
Der Erzieher überwacht, ordnet und regelt das Verhältnis
zwischen Tätigkeit und Ruhe, zwischen dem, was drückt
und hebt, zwischen Beschränkung und Freiheit') Die
K^gierung schwingt überall ihr Zepter und selbst »wäh-
rend des Zeitverlaufes, in welchem dieselbe sich nicht regt,
soll dennoch der Zögling sich nicht in einer zügellosen
Ungebunden heit befinden. Es soll ihm, wenn auch noch so
leise, doch fühlbar bleiben, daß er gewisse Schranken
nicht überschreiten darf. Dies muß die haltende Zucht
bewirken,«^) .deren hauptsächlichste Aufgabe ist, »in der
frühen Zeit, zu welcher noch kein übler Wille da ist, den
0 2. Bericht an Herrn von Steij^er, St. 31—32.
') »Denn darauf beruht ja am Ende die ganze Erziehanj^, dafi der
biegsame Knabe, da£ das zarte Kind sich schon früh die geistigen und
körperlichen Bewegungen geläufig mache, die wir aus allen Versuchen
uod Bemühungen der Männer seit vielen Jahrhunderten als das Beste und
Zweckmäßigste herausgesucht haben! Eben darum ist es recht eigent-
lich ein Geben und Entziehen, was die Erziehung als ihr Amt ansehen
moB; eben weil menschliche Kraft bloß das ausarbeitet, was sie emp-
fing« kommt es so sehr darauf an, was man ihr gibt.« Über den
Standpunkt der Beurteilung der Pestalozzischen Untenichtsmetbode.
•) Vergl. dazu umriß päd. Vorl. § 157.
*) Umriß päd. Vori. § 162.
— 51 —
mangelnden Willen zu ersetzen c. Erst wenn der Zögling
schon Vertrauen sich erworben hat, sowohl für seine Oe-
einnungen, als für seine Grundsätze, muß die Zucht sich
zurückziehen. »Unnötiges Beurteilen und umständliches
Beobachten würden dann nur der Unbefangenheit schaden
und Nebenrücksichten veranlassen. Ist nämlich die Selbst-
erziehung übernommen, so will sie nicht gestört sein.c ^)
So gesteht Herbart erst nach Oberwindung des unreifen
Standpunktes der von Jean Paul für das ganze Eind-
heitsalter geforderten Freiheit ihre Berechtigung zu. »Die
Regierung dagegen muß schon in den frühesten Jahren
befestigt sein, um nicht späterhin auf höchst schädliche
Weise zur Härte gezwungen zu werden ;€') denn an ein
Nachlassen in ihren Maßnahmen darf sie sobald nicht
denken: »Die Keime des blinden Ungestüms, die rohen
Begehrungen bleiben im Einde. Ja, sie vermehren und
verstärken sich mit den Jahren. Damit sie nicht dem
Willen, der sich in ihrer Mitte erhebt, eine widergesellige
Richtung geben, ist es fortdauernd nötig, sie- unter einem
stets fühlbaren Druck zu erhalten.« ') Aus diesem Grunde
ist auch kein Teil der Erziehung, den Jahren nach gerech-
net, wichtiger als der andere: »Eine Pädagogik, die wie
der Kalender nach den Monaten, so nach den Alters-
stufen fortschreiten will, muß wenigstens gleichmäßig über
das gesamte Jugendleben sich verbreiten.«^) Näher kommt.
Herbart den Ansichten Jean Pauls allerdings in seinem
Umrisse pädagogischer Vorlesungen, wenn er von den
drei ersten Lebensjahren erklärt: »Wie gering aber auch
diese Zeit sein möge, sie ist äußerst wichtig wegen der
großen Empfänglichkeit und Reizbarkeit des frühesten
Alters.«^) Übt derselbe aber auch einen deutlich fühl-
baren Druck aus, so hieße es ihn doch mißverstehen,.
») Umriß päd. Vorl. § 195.
•) Umriß päd. Vorl. § 202.
>) Allgemeine P&dagogik.
*) fiezension der Erziehungslehre von F. U. Cb. Schwarz, 8t 371.
») Umriß päd. Vorl. § 196.
4*
— M -
diesen als einen finsteren, etwa im Sinne iet pietiMiflclieil
Pädagogik, aufzufassen; denn nicht der Erzieher, sondefli
die Verh&Itnisse dßr Dinge üben denselben aus: »IM«
Forderungen des Erziehers müssen nicht der daoeniie
Gedanke des Zöglings werden; denn nicht diese, soodeiil
die wirklichen Verhältnisse der Dinge sollen die Hotite
seiner Handlungen und die Prinzipien seiner Oesinnungeo
sein. Dies paßt schon auf die frühe Jagend. Sohoo
kleine Kinder können dahin kommen, Nebenrücksichton
auf die sie umgebenden Personen in alles einzumengeii
und deshalb nichts mehr rein zu empfinden.c ^) Mit
Toilem Verständnis für das kindliche Wesen fordert er
daher, allerdings auch hier wieder mit gewissen Ein-
schränkungen: »Soviel Freiheit, als die Umstände erlauben«
mufi dem Kinde schon deshalb gelassen werden, damit
es sich offen äußere und damit man seine IndiTiduolitü
studieren könne,« ^) deren Kenntnis notwendig ist zur Ter*
ständnisTollen Lösung der Hauptaufgabe der ersten Jugend-
erziehung, die auch er gleich Jean Paul in der harmo*
nischen Ausbildung aller Kräfte, nicht wie zum Teil Lock»
in der einseitigen Bevorzugung irgendwelcher Berufs-
bildung erblickt ^ Wie Jean Paul legt auch er Gewicht auf
') Umriß p&d. Vorl. § 94. Vergleiche dazu § 100, in welchem
Herbart gleichfalls Einsprach gegen eine fortwährende Aufsicht erbebt.
») Umriß päd. Vorl. § 206.
') »Die geistige Tätigkeit ist auch gesund, sowohl wie die Tätif^
keit der Gliedmaßen und der Innern Organe. Es wird alles zasaimnea
in Bewegung gesetzt, so daß es leiste, was es könne, ohne irgend
eine Kraft zu erschöpfen. Man gewöhne an Arbeitsamkeit aller Art.
Lasse man sich hier nicht darauf ein, die frühere Erziehung mit be-
sonderen Arten von Übungen und Abhärtungen für einen bestimmten
Stand zu beschweren.« Allgem. Päd. St. 140; und er läßt es selbst
nicht an Einzelanweisungen fttr das rechte Ausnutzen des ersten
Kindheitsalters fehlen: »Man nütze die Zeit, worin das Kind völlig
wacht, ohne zu leiden, allemal dazu, daß sich ihm irgend etwas zur
sinnlichen Auffassung darbiete Starke Eindrücke sind lu vermeiden,
schneller Wechsel ebenfalls; sehr geringe Abwechslungen sind oft
hinreichend, um das schon ermattete Aufmerken wieder anzuregen.«
Umriß päd. Vorl. § 197.
/
-^ B3 —
die fisthetische Seite der Eraiebung, ja schliefilich trägt
seine ganze Pädagogik einen ästhetischen Charakter an
sich. Sorgfältig will er, schon um des sittlichen Inter*
eeses willen, alles Unschöne von dem Zögling fern ge-
halten haben: »Unholde, abstoßende Eindrücke von Men-
schen, wer sie auch seien, müssen sorgfaltigst vermieden
werden;«^) und in gleicher Würdigung wie jener schätzt
er den erzieherischen Wert geselliger Verhältnisse, ihre
Bedeutung für Charakter- und Willensbildung, für die
Entfaltung der sittlichen und sozialen Tugenden, für das
Zustandekommen der sittlichen Ideen: »Praktische Er-
ziehung beruht darauf, daß man den Zögling in gesellige
Verhältnisse, die ihm wert sind, hineinführe, aber so, daß
sittliche Strenge ihre Grundbedingung sei. Die Verhält-
nisse müssen bei jeder Abweichung vom Rechte sogleich
fühlbar beleidigt sein. Der Zögling wird die Strenge an-?
fangs nicht begreifen, aber sie später verdanken. Das
geschieht allerdings am leichtesten zu Hause, nämlich in
guten Häusern. c^) Bestimmter noch formuliert er diese
Forderung für jüngere Kinder: »Zuvörderst wird voraus-
gesetzt, daß man jüngere Kinder nicht viel allein lasse,
sondern daß all ihre Lebensgewohnheiten gesellige seien,
und daß in dem geselligen Kreise eine strenge Ordnung
herrsche. . . Je mehr es nun gewöhnt ist, einem gemein-
samen Willen anzugehören, im Umkreise desselben sich
zu beschäftigen und froh zu sein, desto weniger erträgt
es, sich allein zu fühlen. Den Übelwollenden lasse man
allein, under ist gestraft.«^) Doch denkt Herbart hier-
bei nicht an das erste Lebensalter, sondern hat, wie aus
nachfolgenden Äußerungen hervorgeht, immer schon spätere
Verhältnisse im Auge: »Am unmittelbarsten lenksam ist
der Wille in geselligen Verhältnissen, wo er als gemein-
samer Wille erscheint In den frühesten Jahren, wo sich
*) Umriß päd. Vorl. § 109.
') AphorismeD, 88.
•) UmriB päd. VorL f 209.
— 54 —
das Eind der Mutter ganz hingibt, ist es durch sie lenk-
sam. Späterhin geht die Zucht am sichersten, wenn sie
auf gesellige Anschließung der Jugend hinwirkt und hier
die Keime des Outen sorgfaltig pflegt Die gesellschift-
lichen Ideen müssen allmählich, durch den Unterricht ge-
läutert, hinzutreten, c^) Auf diese Weise will er nicht nor die
Idee des Bechtes, sondern vor allem auch die des Wohl-
wollens und der Vollkommenheit schon im 4. bis 8. Jahre
gepflegt wissen. Ausdrücklich hebt er von diesem Alter
hervor: »Die Idee des Wohlwollens und wohlwollende Ge-
sinnungen zu erwecken, läßt sich im Eindesalter zwar
noch nicht lösen, aber man kann viel gewinnen ;€^ und
auch bezüglich der Idee der Yollkommenheif kann man
schon die ersten Anfänge machen: »Wie das Eind wächst
und gedeiht, so wachsen auch seine Eräfte und Fertig-
keiten, und es gefallt sich selbst in diesem Wachstum-c*)
Die Hauptarbeit bleibt aber auch hier immer dem Er-
zieher vorbehalten, der die Verhältnisse seinen Zwecken
entsprechend zu gestalten hat: Aus jedem Worte spricht
der strenge Determinist auf dem Gebiete der Erziehung.
Diese philosophischen und pädagogischen Voraos-
setzungen bei den drei Erziehern bieten den Hanpt-
schlüssel zum Verständnis ihrer Ansichten über die kind-
lichen Spiele, ohne sie jedoch restlos zu erklären, denn
wenn je in einem Eapitel ihrer Pädagogik sprechen ge-
rade in ihren Abhandlungen über Einderspiele persön-
liche Erfahrungen das Hauptwort. Bei Jean Paul darf
dies von vornherein behauptet werden , und nur bei
Locke^ mehr noch bei Berbart^ tritt zeitweise das kon-
struktive Element in den Vordergrund, doch auch hier
nirgends in dem Maße, daß dadurch ihre Ansichten der
Eigenart ermangelten, daß sie herabsänken zu bloßen
Schemen, zu einer bloß aprioristischen Eonstruktion irgend
eines Idealmenschen. Das Drbild des englischen Zög-
lings steht für Locke ganz in der Wirklichkeit Es ist
1) ümriA päd. Vorl. § 319. — *) Ebenda § 212. — «) Ebenda § 213.
i
— 66 —
der Sohn eines vornehmen Aristokratengeschlechtes. Für
Jean Paul lebt das Kind im phantasievollen, idealbean-
lagten Einde, ist das Urbild der Wirklichkeit er selbst,
seine eigene Kindheit. Bei Herbart tritt dieser Funkt
zwar weniger hervor. Es kommt mehr der Durchschnitts-
mensch in seiner Allgemeinheit zur Geltung, doch hat
auch er einen reichen Sehatz der Erfahrung eingeheimst.
Gelten diese Vorzüge für ihre Pädagogik überhaupt, so
besitzen doch insbesondere ihre Ausführungen über die
Spiele den Reiz des Erlebten, der eigenen Erfahrung und
zeigen — hierin übereinstimmend — etwas Ursprüng-
liches. Darin liegt zunächst ausgesprochen, daß bei ihren
diesbezüglichen Ansichten von fremden Einflüssen nur
in bedingtem Maße die Rede sein kann.
3. Geschichtliche Einflfisse.
Die von Locke vertretene Richtung des Realismus
hatte allerdings schon durch Rabelais, Vives^ Montaigne,
von dem er unter allen in der Tat die größte Abhängig-
keit in seinen Ansichten zeigt, Bacon und Gomenius be-
gonnen, aber erst durch seine Prinzipien gewann sie feste
Haltung im Unterricht. Einzelne Bemerkungen hinsicht-
lich der Spiele, wie überhaupt der gymnastischen Übungen
und physischen Erziehung, stehen daher auch fast gleich-
lautend bei Rabelais, Montaigne und Locke. Insbesondere
treten seine Ansichten über die Verwertung der Spiele für
den unterrichtlicben Betrieb schon früher auf bei Mon-
taigne,^) Vives und Fenelon, die aber sämtlich in keinem
Geringeren als in Plato') ihren Vorläufer besitzen. Doch
ihren Ausführungen gegenüber liegt der Wert der Locke-
sehen Darlegungen in der feinsinnigen, durch sorgsamste
Beobachtung gewonnenen Bemerkungen über die Eandes-
natur. Er ist der erste, der es sich zur Aufgabe gemacht
hat, das Problem der Spiele psychologisch zu lösen, und
0 Vergl. £88. I, 25.
«) VergL rep. VU, 537 A, 535 A B, 536 D E.
— 56 —
TOP dieRem Gesichtspunkte aus betracfatet ist das, was er
sagt, höchst verdienstlich und beachtenswert: »Wer Einiler
erziehen will, soll die eigene Vernunft befragen, niebt airf
altes Herkommen sich blindlings verlassen.c ^) — Fir
Jean Faul kommen hauptsächlich Rousseau und die Er*
ziehungslebre von Schwarz in Betracht Wie er in seinca
Ansichten über die Kindesnatur, die angeborene Unschuld
derselben, über die physische und weibliche Erziehung
überhaupt ein Nachfolger des großen Genfer ist, so finden
sich gleichlautende Bemerkungen bei beiden auch hii-
sichtlich der Spiele, insbesondere hinsichtlich des Wesecs
und Wertes der Mädchenspiele, sowie einzelner Anweisun-
gen für den Erzieher. Freilich sind auch diese volles
Eigentum Jean Pauls geworden ; hat er sie doch an
seinen eignen Kindern erprobt, und um wieviel inniger
faßt er überhaupt das Verhältnis zwischen Erzieher und
Zögling auf als der Franzose Rousseau! Auffallend ist
die Übereinstimmung mancher seiner Ausführungen mit
zahlreichen schon bei Schwarz — wenn auch mehr in
versteckter Form — angedeuteten Gedanken,^) so bezüg-
lich des Spielsprechens, der Spielsachen und Spielplätze,
der kindlichen Freiheit bei den Spielen und ihrer Heiter-
keit, die schon jener als das Kriterium einer guten Er-
ziehung ansieht, wenn dieselben auch bei Jean Paul das
Gepräge seiner Originalität an sich tragen. Ein sorg-
fältiger Vergleich beider Ansichten nötigt zu Her Über-
zeugung, daß die Beeinflussung des letzteren durch jenen
doch vielleicht eine weitreichendere ist, als die vorhandenen
Jean Paw^Ausgaben meist zugestehen. — Wenn auch
Herbart die Kenntnis einer reichen pädagogischen Lite-
ratur zur Verfügung stand, so hängen doch seine An-
sichten über Kinderspiele so innig mit seinem System
und Erziehungsziel zusammen und tragen infolgedessen
^) Educ. § 216.
*) Auf diesen ZoBammenhang wird bei den einzelnen AusführungeQ
durch entsprechende Zitate hingewiesen werden.
— 67 —
80 66hr das Gepräge seiner Eigenart an sich, daß sie
wenigstens in der vorliegenden Form als sein Eigentum
bezeichnet werden müssen, wenn auch nicht selten leise
Pestalozzische Gedanken anklingen und er sich viel-
fach in Übereinstimmung mit den Anschauungen seiner
Zeitgenossen und selbst Jean Pauls befindet In seiner
Stellungnahme gegen das Bestreben, das Zwangsmäßige
des Unterrichtes ganz zu beseitigen und dem spielenden
Verfahren weitgehende Eonzessionen einzuräumen, steht
ihm als Zeitgenosse zur Seite Schleier macher,^) geht ihm
als Vorläufer voraus Eant,^) von dem er ja auch sonst
trotz zahlreicher Gegensätze vielfach in seinen Anschau-
ungen beeinflußt ist.
4. Die empirische Grundlage und der Erffahrunsskreit.
Doch all diese fast bedeutungslosen Einflüsse ver-
schwinden gegegenüber der wahren Quelle ihrer Ansichten,
und diese bildet eben der Erfahrungskreis, aus dem sie
schöpfen, die empirische Grundlage, auf der sie fußen.
Je nach deren Beschaflenheit gewinnen auch ihre Aus-
führungen an Leben und Fülle, an konkreter Gestalt und
Wärme. Loches und Herbarts Ansichten entbehren des
Vorzugs der Beobachtungen an eignen Kindern, welcher
Jean Pauls Darstellung weit über die ihren erhebt. Die
Beobachtungen Loches sind — wie er in seinen Aus-
führungen über Spiele mehrfach hervorhebt — angestellt
an Kindern seiner Umgebung und seines Bekanntenkreises,
und viele mag er wohl gesammelt haben bei seiner prak-
tischen Tätigkeit im Hause seines Gönners und Freundes,
des Lord Ashley, dessen Sohn und Enkel er erzogen hat
Aus dieser Situation heraus — sowie teilweise allerdings
auch aus seiner Abhängigkeit von Montaigne — erklärt
es sich, daß es sich bei ihm nur um Beobachtungen
') Scbleiermacbers Pädagogische Schriften, St 223 ff. 486.
>) Die Pädagogik Kants, St 87 ff. und Kritik der ästhetischen
Urt^ilakraft S 43.
— 58 —
von Kindern aus den höheren Ständen der englischen
Aristokratie handelt. Seine Praxis ist wohl auch der
Orund, daß er nicht nur der in der 2. Hälfte des 17. Jahr-
hunderts auf sehr tiefer Bildungsstufe stehenden Er-
ziehung des weiblichen Geschlechtes überhaupt, sondern
auch einer liebevollen Betrachtung der Mädchenspiele voll-
ständig aus dem Wege geht. Dagegen hebt er ausdrück-
lich hervor, daß es sich bei ihm wesentlich nur um die
Erziehung eines jungen englischen Gentleman durch einen
Hofmeister, um Privaterziehung handle, daß seine Prin-
zipien nur für die Schoßkinder der fashionablen Welt,
für die Söhne der englischen Toryes Geltung haben sollen.^)
— Die meisten und umfassendsten Fragen an die Natur
des Kindes hat Herbart im Steigerschen Hause in Bern
gestellt, wo ihm reichliche Gelegenheit geboten war, seine
Zöglinge auch bei ihren Spielen und kindlichen Treibereien
zu belauschen. In den hier angestellten Beobachtungen
wurzeln viele seiner Bemerkungen über Kinderspiele;
aber auch als Professor in Königsberg suchte er sich
praktisch zu betätigen durch Errichtung eines päda-
gogischen Seminars, mit dem er ein Pädagogium im
kleinen, eine Experimentierschule verband, an welcher er
bei seiner Hingabe an die Sache manche Erfahrungen
sammeln konnte; und nicht zuletzt fand er zum Teil auch
in seiner eignen Kindheit manchen Anknüpfungspunkt
für seine Betrachtungen. Manche Eigentümlichkeit aus
seinem Kinderleben schillert durch seine Ausführungen
hindurch. Von jenem aber wird berichtet: Wie alle
fähigen Kinder trieb es auch ihn, seine Gedanken dar-
zustellen. Oft stellte er sich auf einen Tische um seinen
Kameraden, die sich um ihn herum aufstellten, vor-
znpredigen. Vor allem liebte er mathematische und geo-
graphische Spiele und versuchte sich in physikalischen
Experimenten, für welche ihn besonders der Konrektor Kruse
gewonnen hatte. Übrigens fehlte es auch seinem Schal-
>) 8. Vorrede und Educ § 6, 43, 94, 177, 183, 185, 198 u. 216!
f
— Be-
leben keineswegs an Frohsinn und erheiternden Szenen.
Spaziergänge, Spiele im Freien worden vorgenommen;
aber schon als Schüler, wohl infolge des Privatunterrichtes,
liebte er große Gesellschaft und Geselligkeit überhaupt
nicht; nur zwei Schülern schloß er sich inniger an; mit
den übrigen aber hatte er wenig Verkehr^ und vielleicht
fand er gerade hierin einen Hinweis, später um so
energischer den Wert munterer Gespielen und geselliger
Verhältnisse zu betonen. — Aus einem um wieviel
reicheren Born durfte Jean Paul schöpfen? Nicht um-
sonst bekennt er von seiner Levana:] »Bekannte Erzieh-
regeln gewinnen neue, wenn neuei Erfahrung sie wieder
bewährt; der Verfasser aber war im Fall, dreimal an
fremden Kindern jeden Alters und Talentes sie zu machen,
und jetzt genießt er von seinen eigenen das pädagogische
Jus trium liberorum (das Dreikinderrecht).« ^) Dreimal*)
ist er als praktischer Erzieher tätig gewesen in Topen,
Schwarzenbach und Hof; und wie er mit seinen Schülern
umging, läßt sich leicht aus einer Stelle des Quintas
Fixlein') entnehmen: »Die ganze Schule hatte dem lächeln-
den Fixlein nachgelächelt und ihn gern gehabt, weil er
nicht donnerte, sondern mit ihnen spielte.« Er, der die
Heiterkeit als erstes und letztes Mittel in der Erziehung
preist, konnte nicht mit erzwungenem Ernste in der
Mitte der frohen Kinder weilen, und von seiner Schwarzen-
bacher Tätigkeit wird ausdrücklich hervorgehoben: »Nach
den Unterrichtsstunden herrschte eine den Neigungen der
Kinder entsprechende Freiheit. Die Schulprüfungen wur-
den durch einen Tanz abgeschlossen, und der Exaniinator,
Jean Paul^ tanzte mit.«^) Die ergiebigste Fundgrube aber
^) Vorrede zur 1. Auflage der Levana.
') ErziebuDgafragen beachäftigten Jean Paul aber auch in Yieleo
seiner DichtungeD, so daß Hildebrandt, allerdings mit Übertreibung,
sagt: »In Wahrheit kommen wir in seinen 65 Banden kaum, oder
doch nur auf wenige Augenblicke, aus der Schuimeisterstube berant. «
») Teil 3, St. 121.
*) Spalier lU St 33.
— 60 —
fand er in seiDer eignen Kindiieit, sowie in aeinem übeiv
aus herzlichen Familienleben. Spasder hebt hervor: »Eine
charakteristische Erscheinung bei Jean Paul war die
große Klarheit, in welcher seine Kinder- und Knabenmt
beständig bis in das höchste Alter vor seiner Seele lag.
Seine Kindheit konnte er fast auswendig, sie war ihm be-
ständig gegenwärtig und wirkte auch auf ihn ein.« Er-
innerungen aus der Jugendzeit haben für seine geistige
Entwicklung eine ganz besondere Bedeutung gewonnen.
Mehr als anderen sind sie ihm eine Quelle reichen, inneren
Glücks und ein unversiegbarer Born geworden, aus dem
seine Phantasie am häufigsten und tiefisten schöpfte, ein
Spiegel, in dem er die Welt am liebsten schaute. Be-
sonderen Reiz hatten für den Knaben Jean Paul die
Abendstunden, in welchen auch der sonst vielbeschäftigte
Vater an den Spielen teilnahm, und mit unsäglicher
Wollust trieb jener seine Kinderspiele. Für seine Neigung
zu denselben spricht schon die Ausführlichkeit, mit wel*
eher er dieselben in seiner Lebensgeschichte aufzählt und
beschreibt. Selbst seine Schnitzarbeiten erwähnt er, seine
kindlichen Malversuche und den Zeitvertreib mit verschiede-
nen Alphabeten.^) Dabei ist er durch und duroh ein
Phantasie- und Stimmungskind gewesen. Er führte ein
sehr energisches Innenleben, ein Jugendleben, an das ihn
die stärksten und wärmsten Erinnerungen fesselten, so
daß Oervinus geradezu von ihm behauptet: »Er sei zeit-
lebens nicht aus dieser Jugendlichkeit seines Dichtens
herausgekommen.« Die Joditzer Jahre, die Erziehunga-
weise des Vaters, der gehemmte und eingeschränkte Dm-
gani;: mit der Außen weit mit Natur und Menschen: alles
hat in seinem Leben tiefe Spuren zurückgelassen. Je
mehr der Knabe von der äußeren Welt abgesperrt wurde,
desto mächtiger arbeitete seine lebhafte Phantasie. In
dem Knaben bildete sich die Eigenart aus, die Außenwelt
nicht unbefangen und frei zu betrachten, sondern mit dem
^) Wahrheit ans meinem Leben, St 325.
i
— 61 —
Auge seiner ihn beherrschenden Phanttsiegebilde, d$s die
Dinge und Zustände eben anders wahrnahm, als sie sonst
dem kindlichen Oemüte erscheinen. Besonders reiche Sr-
fahrungen aber sammelte er in seinem eigenen glftek-
lichen Familienleben. Zahlreiche Aufzeichnungen beseugeti,
daß aus dem innigen, liebreichen Verkehr mit den earten
Ednderseelen ein gut Teil seiner pädagogischen Theorie,
wie sie in seiner Levana sich wiederfindet, ihm erwachsen
ist|^) So durfte er sie selbst ein > Erfahrungswerkehen c*)
nennenr, durfte Spazier von ihm behaupten: »Die Grundsitse
seiner Methode sind aus seinem Leben abstrahiert.! Als
echter Pädagog und Psycholog hatte er frühzeitig angefangen,
die^ Entwicklung seiner Kinder zu beobachten und
ihre Bemerkungen, ihre Sprechübungen mit den neuen
Wortbildungen, ihre kindlichen Einfalle aufzuschreiben^
wie denn auch die Levana an einigen Stellen an diese
Aufzeichnungen erinnert') Es war Jean Faul Herzens-
bedürfnis, sich zu den Kleinen herabzulassen, ihre Natur,
ihren Entwicklungsgang zu belauschen, an ihren kleinen
Freuden und Leiden lebhaften Anteil zu nehmen. Nichts
erscheint uns anziehender an dem größten Kindemanren,
der im Berufe des Kindermädchens die lieblichste Be-
schäftigung findet, dem alles am Kinde^ selbst der Egois-
mus, heilig ist, als seine herzliche Teilnahme an den
Kindern, an ihrem Frohsinn und Glück, wie .an ihrem
Leide. Daher ergreift ihn unendliche Sehnsucht in der
Feme nach den lieben Kleinen: »Alle meine Kinder küßt
meine Seele; hätte ich von den sechs oder acht Augen
nur ein einziges hier. Die guten Kindlein seien gegrüßt,
') Es würde zu weit fQhren, ausführlich auf diesen überaus wobl-
tuenden Umgang einzugehen und sei hier nur verwiesen auf »Dentsofae
Blätter für erziehenden Unterricht 1882, No. 1 und 2,< sowie auf
»Wahrheiten aus Jean Pauls Leben VII, St 210 ff.«
>) Levana § 73.
^) Dieselbe ist überhaupt aus 11 solchen Stndienbeften hervor»
gegangen. Siehe darüber die Biographie von Dr. Lange. — Vergl.
hierzu Levana § 49 und 129.
— 62 —
die bald wieder um meine Kanapee stehen werdeii.€i)
Überall spricht der große Einderfreond zu uns: »LaS
mich ein Kind sein, sei es mit!« Sein Auge rahte auf
den lieben holden Eindergestalten mit einer wahren
Wollust Ihm mußten die zarten Seelen ein Oegenstand
dauernder Betrachtung und Reflexion werden. Dem-
entsprechend gestaltete sich auch der Verkehr mit seinen
eignen Eindem. Für sie hatte er stets Zeit: »Die Ein-
der und ich sollen die Morgenfreude der Morgenstunde
haben; ich kann ja später lesen.« Seine einzige Sorge
war, sie heiter und froh zu sehen: »Lieber zehn Einder-
trommeln als ein Eindergeschrei; denn die Freude be-
zeugt Bestimmtheit, der Jammer die Zukunft der LäDge.c
Herzerquickend wirkt die Schilderung seiner Tochter
Emma über dieses idyllische Verhältnis zwischen Vater
und Eindern: Die Eleinen krabbeln zu ihm ins Zimmer;
sie dürfen mit dem Eichhörnchen und anderen Tieren
spielen. Er zeigt ihnen die Ereuzspinne, ein paar Mäuse,
und manchen Scherz treibt er mit ihnen. Die Aufforde-
rung: »Vater, tanze einmal« wird sofort mit einigen
Sprüngen durch das Zimmer beantwortet. Er muß fran-
zösisch reden, schneidet dem ältesten Töchterchen Federn,
läßt es neben sich am Schreibtisch sitzen und freut sich
herzlich, wenn es ins Blaue tunkt und so dem Vater
nachschreibt, ausstreicht, malt. Auf dem Sofa liegend, er-
zählt er ihnen Märchen, oder er spricht von Oott, der
Welt, dem Großvater und vielen ähnlichen Dingen. Auch
aus der eignen Einderzeit bietet er ihnen liebe Erinne-
rungen, und wer wußte wärmer und inniger die Einder-
heimat zu schildern als er? Oern führt er ihnen seine
Eindesgestalt vor^ damit sein Beispiel sie aufmuntere
und leite. Mit der größten Oeduld erzählt er ihnen
^) Verf^leicbe dazu: 1. Brief seiner Tochter Emma über ihre
Kindheit und das Weihnachtsfest;« 2. in »Briefen und bevorstehender
Lebenslauf« die 5. poetische Epistel: »Meine Hausvaterschaft« und
»das Kinderkonzert«. Tl. 38, St 124 ff. und 3. Jnbelfeier Tl. 6,
8t 29.
— 63 —
immer wieder die alten GeschichteD, welche die Jugend
80 gern bort, und singt sie ihnen wohl auch vor. Er wird
nicht müde, ihnen, so oft sie wollen, Bilder zu erklären.
Er läßt auf dem Sofa seine Füße vor ihnen miteinander
spielen und toben. Wenn sie dann wieder bei der Mutter
sind, steht er von Zeit zu Zeit von seiner Arbeit auf
um nachzusehen, wie es ihnen geht. Bei seinem Fort-
gehen hängen sich die Kinder um ihn, schieben ihre Füße
in seine Pantoffel, um ihn so festzuhalten. Eins springt
vor ihm her, die beiden andern muß er an den Bock-
schößen fortziehen bis an die Zimmertüre, wo sie ihn erst
▼erlassen. Die Kinder dürfen alles sagen, sogar jeden
Spaß über ihn: »Ich lasse mir von meinen Kindern alles
gefallen, was bloß nicht schadet.« ^) Unvergeßlich blieb den-
selben, wie er ihnen die Tage der Weihnachten ver-
schönerte und poetisch verklärte. Er versorgte auf dem
Weihnachtsmarkt selbst die Einkäufe und kehrte mit
Schätzen bepackt nach Hause zurück. Sein Biograph darf
daher wohl mit Recht von ihm behaupten: »Ein solch
inniger Verkehr mit den Kleinen mußte ihm ihre Seelen
erschließen, mußte ihm manches psychologische Bätsei
zur Lösung anbieten , manch köstliche Perle der
Wahrheit finden lassen. So hat kein Pädagog außer
Pestalozzi mit so liebender Andacht sich in die Kindesseele
versenkt, um ihre kleinen Freuden und Leiden, die
verborgensten Seiten des Kindergemütes zu ergründen,
keiner hat die Kleinen lieber gehabt als er, so herzlich
und beredt sie gegen rauhe, tyrannische Behandlung in
Schutz genommen als er.«
5. Vorbedingungen in den persönlichen Eigenschaften
Lockes, Jean Pauls und Herbarts.
Je nach der verschiedenen Denkweise und Anlage, je
nach dem Auge, mit dem die sich darbietenden Verhältnisse
^) Aus J, Pauls Tagebuch über seine Kinder: Mitteilongen aus
des Dichters ungedrucktem Nachlasse, Deutsche Blätter ffir erziehen-
deo Unterricht 1882.
— 64 —
betrachtet worden, wird aach dae aus ihnen geasogM^
Fazit anders lauten und ein dementsprechendes QeädA
annehmen; und so klingen in den Anschauungen d«
drei Pädagogen auch ihre persönb'chen Eigenschaften,
bald leiser, bald vernehmlicher, an. Loches Ausführnngen
kennzeichnen den praktischen, weltmännisch gewandten,
nüchternen, kalterwägenden Engländer, dem aber persön-
lich eine ungetrübte Ruhe und herzliche Ldebenswürdig-
keit, seltene Selbstbeherrschung, die Fülle eines wahrhaft
goldenen Gemütes, dem auch die leiseste Regung von
Selbstsucht fernab lag, fleckenlose Reinheit des sittlichen
Wollens nachgerühmt werden darf. — Jean PatUs Dar-
legungen zeigen den enthusiastischen Stimmungs-, G^
fühls- und Phantasiekünstler, Herbarts zerstreute Bemerkun-
gen den logisch und mathematisch kühlen und scharfen
Denker, den sittlich ernsten und reinen Charakter. Ans
den Worten Loches und Herbaris spricht der objektiTe,
ruhig erwägende Denker, aus denen Jean PatUs der snb-
jektiv gestimmte Gefühlsmensch. Die Ausführungen der
beiden ersten Pädagogen tragen den Stempel ruhiger, be-
scheidener Beobachtung und ernster Forschung an sich,
die Jean Pauls lassen, poesieumwebt, ein lyrisch zart be-
saitetes Gemüt zu Worte kommen; im Lehrer spricht die
Eigenart des Dichters mit, in dessen Seele kühne Phan-
tasie, geistreiche Reflexion und tiefes, von herrlichem
Humor begleitetes Gefühl einen nicht unerfreulichen Bnnd
schlössen. In seinen Worten kündet sich überall die
Wärme und Begeisterung eines starken, tiefen Gefühls an,
aus ihnen weht außer dem sittlichen Idealismus ein warmer
Liebesodem, der überall die Liebe zur herrschenden Macht
erheben möchte. »Eine wahre Johannesseele spricht aus
diesen herzlichen Worten : ein Pädagog von Gottes Gnaden.«*)
Dabei waltet bei ihm die Phantasie uneingeschränkt und
ohne Gesetz. Ihr gegenüber ist er fast machtlos: »Keine
Gegenwart kann so viele Realterizionen, Ruprechte und
^) Dr. Lange.
f
— 66 —
Wauwaus gegen mich zusammenbringen als mein fataler
frire terribU^ die Phantasie, c Um seine Ausführungen
ToU zu verstehen, ist es notwendig, in seine Subjektivität
hinabzusteigen. In ihr wurzelt jenes lyrische Element,
jenes tiefe Gefühl, jene Zartheit, Kindheit, Unschuld und
Heiligkeit, welche seinen Produkten einen so eigenartigen
Reiz verleiht »In ihm lebte das Ich mit einer Stärke
wie nur noch in Fichte, aber nicht das reine, sondern das
empirische, nicht das objektive beurteilende, sondern das
cur empfindende, nur fühlende, rein subjektive, die Imagi-
nation, welche ihn hinderte, der Außenwelt gegenüber
vielfach die rechte Position zu finden, mit gewaltiger,
eigenartiger, lediglich auf der Phantasie begründeten
Energie. € ^) Dazu gesellt sich als weitere Eigenart von
ihm sein mikroskopischer Blick für die Feinheiten und
kleinsten Eigentümlichkeiten der kindlichen Seele. Nicht
nur Liebe, sondern Vorliebe hat er für das Kleine und
Enge; er behandelt es mit derselben Wichtigkeit wie das
Oroße, und gerade in seiner Abhandlung über die Spiele
ist dieses Aufsuchen des Kleinen, dieses Versenken in
dasselbe von größter Bedeutung geworden, wie ja über-
haupt in seiner Levana. Liebevoll geht er den ver-
wickelten und versteckten Verhältnissen, den im besten
Sinne des Wortes gemeinten dunklen Seiten auch in der
kindlichen Seele nach und zeigt sich auch hier überall
im kleinen groß! Diese Seiten sind es aber, welche die
Vorzüge seiner Abhandlung über Kinderspiele allen dies-
bezüglichen anderen gegenüber erklären.
•6. Vorbedingungen in der Zeitlage Lockes, Jean Pauls
und Herbarts.
Schließlich wirkt aber auch die Zeit, deren Kind der
Fädagog ist, mit den in ihr gegebenen Bedingungen auf
dessen Ansichten ein, sei es, daß er ihren Forderungen
^) Dr. LaDge.
Fttd. Mag. 320. Weiler.
— 66 —
entgegenkommt, oder den Kampf gegen sie aufnimmt
Die Zeit, in welche Locke hineintritt, ^) bildet für den
Pädagogen keine Augenweide. Das 17. Jahrhundert
gleicht in Bezug auf Kunst und Wissenschaft der Päda-
gogik einem zweischneidigen Schwerte : der Humanismus
war zum »kraft- und saftlosen Epigonentum c herab-
gesunken, in einer verknöcherten Schulphilologie erstarrt
zu inhaltsleeren Formen. Der Geist der Erziehung war
gebannt, die Objekte der Erziehungslehre wurden in grober
Yoi äußerlichung behandelt. Die Unnatur in der Erziehung
hatte den Gipfel erklommen und bedenkliche Formen an-
genommen. Ein Zug der Boheit ging durch das Schul-
wesen. In berechtigter Reaktion dagegen begann sich
anderseits der Naturalismus und Realismus langsam Bahik
zu brechen, ohne sich jedoch vor Locke zur dominierendeu
Stellung im Schulwesen aufschwingen zu können. In
England war die Entfremdung von der Natur wohl nie
so weit gegangen wie auf dem Festlande, wo Herrchen
und Dämchen ohne frische Luft, ohne Übungen des Kör-
pers und der Sinne, ohne passende geistige und leibliche
Nahrung, ohne Spiel im Freien aufwuchsen, der Tracht
und dem Wesen nach kaum Kinder zu nennen. Es^
wurde nur doziert und gedrillt; ohne Rücksicht auf die
praktische Verwendbarkeit wurden die Köpfe der Knaben
mit einem Wust unnützer Dinge vollgepfropft. Die Ver-
arbeitung und Aneignung des LehrstofTes vollzog sieb
nicht innerhalb der Schulstunden, sondern wurde der
Hausarbeit zugeschoben; und auf einem noch tieferen
Standpunkte befand sich die Erziehung des weiblichen
(Geschlechtes, der man meist ganz aus dem Wege ging.
Das Erziehungswesen dieser armen, dürren Zeit macht den
Eindruck eines widerwärtigen Treibens. »Man lehrte,«
wie Comenius bezeichnend sagt, »die Jugend nach Art
der Äsopischen Krähe sich mit fremden Federn schmücken <•
') Vergleiche über den BildungpstaDd iu England um 1685:
Macaulay history of England, Leipzig 1849.
— 67 -
Ein wesentlicher Wandel hatte sich vollzogen bis zum
Auftreten der beiden Zeitgenossen Herbart und Jean Paul-
Bousseaus Naturruf hatte gezündet; Pestalozzis Anschau-
ungsprinzip und Vaterherz hatten Nacheiferung erweckt;
der Humanismus hatte sich mit neuem Inhalte erfüllt,
früher nie gekannte Gesichtspunkte in der Wertschätzung
«ies klassischen Altertums als einer an sich wertvollen Ar-
beits- und Eulturleistung geltend gemacht; führende
Geister, wie Kant, Goethe, Schiller, hatten die Beschäfti-
gung mit pädagogischen Gedanken nicht abgelehnt; und
doch vermag auch dieses Schulwesen in seiner Gesamt-
heit trotz einzelner rühmlicher Ausnahmen heutigen Forde-
rungen nicht zu genügen. Besonders stark litt das Volks-
schulwesen unter dem Drucke einer althergebrachten
Tradition, unter dem Mangel einer genügenden Vorbildung
der £rzieher. Es fehlte an der Ausbildung sachgemäßer
Methoden; die Psychologie, beherrscht von der Annahme
der Seelen vermögen, stand noch auf ziemlich tiefer Stufe;
die Eindesnatur kam nicht zu ihrem Bechte; und die
Behandlung war dementsprechend noch vielfach eine recht
tyrannische, rauhe und unpädagogische. Das »Maul-
brauchen c Pestalozzis spielte in weiten E^reisen eine große
Bolle, mechanische Dressur war häufig an der Tages-
ordnung. Die geistige Überbürdung nahm dabei nicht
selten bedenkliche Formen an; die physische Seite der
Erziehung fand wenig Beachtung. Der Zeit fehlte zum
großen Teil noch ein Verständnis- und liebevolles Sich-
vertiefen in das Wesen der kindlichen Natur, die daher
noch manche Einengung und Einzwängung durch alther-
gebrachte, vielfach recht geistlose Formen sich gefallen
lassen mußte. Die durchaus berechtigten Forderungen
derselben nach einem freien, ungezwungenen Sichäußem
in heiterem Scherz und Spiel gingen meist leer aus
und fanden so gut wie kein Gehör. So wird das Streben
der nachfolgenden Zeit nach Ausbildung sach- und natur-
gemäßer Methoden, nach tieferer Vergeistigung des Unter-
richtsverfahrens, nach einer psychologischen Fundamentie-
5*
— 68 —
TUDg des ünterrichtsbetriebes, werden die dringender »di
erhebenden Forderungen zum Schutz der Oeeundheit in den
Schulen, wird die starke Betonung der physischen Seite
der Erziehung verständlich. Bei ihrer optimistischen Auf-
fassung der menschlichen Natur hatte die Anfklärangszeit
dem Intellekt zu viel zugemutet, bei ihrem Bestreben,
die Menschen glücklich zu machen, auch im Unterrichte
wesen das Nützlichkeitsprinzip zu sehr in den Vorder-
grund gerückt, den Maßstab des Nützlichen, Braachbaien
zu äußerlich angelegt. So suchte die Reaktion gegen sie
auch für die Pädagogik festere, idealere Ziele zu gewinnen,
sie nicht nur psychologisch, sondern auch ethisch auf eine
gesundere Grundlage zu stellen. Aus dem Vorhandenen
aber schöpfend, es positiv verwertend, oder negativ her
kämpfend, durch eigne Erfahrungen« die je nach den
individuellen Anlagen und Voraussetzungen verschiedene
Färbung annehmen, vertiefend und erweiternd, und das
so Gewonnene mit den philosophischen und psychologischen
Anschauungen in Einklang bringend, bauen Locke, Herbart
und Jean Paul nicht nur überhaupt ihre pädagogischen
Ansichten auf, sondern gelangen sie auch zu ihrer Auf-
fassung vom Wesen und der Bedeutung der kindlichmi
Spiele.
Kapitel IV: Ansichten Lockes, Jean Pauls und
Herbarts Ober die Spiele der Kinder.
1. AuBere Form und Quellen der Ansichten.
Weitaus am eingehendsten und gründlichsten behandelt
das Spiel der Kinder der seiner Natur und seinem ganzen
Wesen nach wohl auch Berufenste und Befahigste dazu:
Jean Paul Schon äußerlich tritt seine Wertschätzung
derselben dadurch hervor, daß er ihnen ein volles Kapitel
widmet, während Locke und mehr noch Herbart nur in
— 69 -
zerstreuten BemerkuDgen auf sie zu sprechen kommen. Im
Unterschiede zu seiner sonstigen Gewohnheit hält er ge-
rade auch in diesem Kapitel mehr als sonstwo in seiner
Leyana einen logisch wohlgeordneten Gedankengang ein,^)
der, in Kürze skizziert, folgendes Bild ergibt Bei der
hohen Wichtigkeit, welche er in seinem Erziebungsplane
der Heiterkeit beimißt als der dem Kindesalter einzig
adäquaten Stimmung, deren Bedeutung für den ersten
Lebensmorgen er verkündet als den SelbstgenuB der
inneren Welt, welcher das Kind dem eindringenden All
öffiiet und alle jungen Kräfte wie Morgenstrahlen aufgehen
und sich und der Welt entgegenstrahlen läßt, mußte er
notwendigerweise zu einer Untersuchung der Mittel ge-
langen, durch welche dieselbe erzeugt, bezüglich erhaltsn
werden kann. Seine scharfe und sichere Beobachtungs-
gabe sagt ihm, daß eine solche Oemütsstimmung nicht
durch sich selbst aufzehrende Genüsse, sondern einzig
und allein durch ernste Tätigkeit herbeigeführt werden
kann. Die ganze erste Tätigkeit der Kinder aber besteht
im Spielen, und so mußte er mit innerer Notwendigkeit
zu einer Untersuchung derselben geführt werden, so
schließt sich auch in seiner Levana an das zweite Kapitel
des dritten Bruchstückes, dem der Heiterkeit gewidmeten
Abschnitte, unmittelbar das die kindlichen Spiele be-
handelnde dritte Kapitel an. Ausgehend von dem Wesen
der Spiele und ihrer Einteilung, 2) schildert er zunächst
ihr inneres Wesen als ernste Tätigkeit, sodann ihre äußere
Form, bestehend in den leichtesten Flügelkleidern. Aus
dieser Natur der Spiele ergeben sich ihm mit zwingender
Notwendigkeit die Arten derselben, wobei er als Ein-
teilungsprinzip aufstellt das Verhalten der kindlichen
Natur bei dieser Tätigkeit, und so unterscheidet er Spiele
') Derselbe ist daher im wesentlichen der nachfolgenden Dar-
atelloDg der einzelnen Ansichten der drei Pädagogen sa Grande
gelegt
*) Levana § 46.
— 70 —
der empfangenden, auffassenden Kraft, oder die theoretische
Klasse,^) Spiele der handelnden und gestaltenden Kraft,
oder die praktische Klasse') und Spiele des sich freioD
Hingebens an die Umgebung, welche auch für das Kind
nur Spiele sind. 3) Aus dem Wesen und den Arten der
Spiele leitet er als notwendige Resultante den Nutzen dw-
selben und das Verhalten des Erziehers ihnen gegenüber
ab^) und findet ihren Nutzen in der harmonischen Oe-
Samtausbildung aller Kräfte.^) Dieser Zweck schließt zu-
nächst aus ein falsches Verhalten des Erziehers ge^nüber
den Spielen, welches besteht in der einseitigen Auswahl
gewisser Spiele und in der gesetzgeberischen Tätigkeit
desselben,^) und fordert das rechte Verhalten desselben
ihnen gegenüber, weiches einzig und allein besteht in dem
Feststellen und Beobachten der einzelnen Spielarten.^
Dieser Paragraph bildet in gewissem Sinne eine Ergänzung
und weitere Ausführung zu § 46, in dem er näher auf
die Unterschiede der kindlichen Spiele eingeht. Während
er aber dort als Einteilungsprinzip lediglich den jeweiligen
psychologischen Zustand des Kindes geltend machte,
nimmt er hier besondere Rücksicht auf die verschiedene
Altersstufe des Kindes, sowie auf die Objekte des Spieles
und beantwortet gleichsam die 2 Fragen: »Wie unter-
scheiden sich die Spiele hinsichtlich der Altersstufe des
Kindes, und welcher Unterschied ergibt sich hinsichtlich
der Objekte des Spieles?« Auf diese Weise gelangt er
zu den beiden Arten 1. Spiele mit Spielsachen und
2. Spiele mit und unter Spielmenschen. Nachdem er so
die einzelnen Spielarten festgestellt hat, geht er zur Be-
schreibung derselben über, und so schließt sich als näch-
ster Hauptteil an das Spiel mit Spielsachen, ^) bei dem
er folgende Punkte zur Sprache bringt: a) die Spielsachen
sind an und für sich gleichgültig, das eigentliche be-
*) § 46 Abschnitt 1. — ») § 46, Abschn. 2. — ») § 46 Ab-
schnitt 3. — *) § 47 und 48. — ») § 47. 1. Hälfte. — •) § 47,
2. H&lfte. — ») § 48. — ») § 49.
— 71 —
lebende Element ist die kindliche Phantasie;^) b) die
Folge dieser Phantasie bildet das Beleben der toten Natur
um sich her,*) und c) um dieser Phantasie freien Spiel-
raum zu gewähren, muß eine dementsprechende Auswahl
der Spielsachen getroffen werden. Dieser Gedankengang
Jeaji Pauls setzt sich notwendigerweise auch im weiteren
Verlauf des Kapitels fort, indem er zunächst verschiedene
Anweisungen für einzelne Spielsachen gibt 3) und einige
der wichtigsten Spielarten und Spielsachen hervorhebt,*)
um dann die zweite Gattung der Spiele, die mit Spiel-
raenschen, anzuschließen,^) wobei er sich verbreitet:
1. über die Stellung des Kindes dem mitspielenden Kinde
gegenüber, das für ihn nur eine Ergänzung der Phantasie
über ein Spielding darstellt,*^) 2. über die Bedeutung
dieser Spiele als rechte Expeditionsstube und geistige Er-
werbsschule für die menschliche Praxis und die gesellschaft-
lichen Tugenden '') und 3. über den Wert dieser Spiele
als Selbstzweck und ihren Einfluß auf die Zukunft.®)
Den Abschluß seiner Ausführungen bilden Vorschläge und
Wünsche verschiedenen Inhalts,^) die sich außer einigen
Wiederholungen schon früherer Gedanken beziehen 1. auf
die Wahl der Gespielen , ^^) 2. auf das Verhältnis von
Spiel und Unterricht, i^) 3. auf die Art der Spielplätze,^^)
4. auf die Lieblingsspiele der Kinder, ^^) 5. aut den Spiel-
betrieb, welcher fordert Abwechslung im Spiele,^*) Sparsam-
keit im Gewähren von Genüssen, ^^) viele Spiele, aber
wenig ähnliches und gemeinsames Spielzeug,^*) Berück-
sichtigung der hygienischen Ansprüche, ^'^) Freiheit in seinem
Verlauf 1*) und Zweckmäßigkeit in Bezug auf das spätere
') § 49, Abschnitt !. — •)§ 49, Abschn. 2. — ») § 50. —
*) § 51. — '^) § 52 u. 53. — «) § 52, 1. Teü. — 0 § 52, 2. Teil. —
8) § 53. — 9) § 54 __ 10) g 54^ Abschn. 1. — ^*) § 54, Abschn. 2,
1. Hälfte. — ") § 54, Abschn. 2, 2. Hälfte. — *•) § 54, Abschn. 3,
1. Teil. — ") § 54. Abschn. 2, 2. Hälfte. — ") § 54, Abschnitt 3
und 4. — »«) § 54. Abschn. 5. — ^^ § 54, Abschn. 8. 1. TeU. —
^^ § 54, Abschn. 8, Mitte.
— 78 —
Leben. ^) Zum Schluß kommt er noch zu sprechen 6. auf
den Zweck der Spiele nach der jeweiligen Entwicklungs-
stufe des Kindes') und 7. auf das schönste und reichste
Spiel, das Spielsprechen. <) Um jedoch die Ansiohtei»
Jean Pauls über Einderspiele in ihrer Vollständigkeit
kennen zu lernen, sind ergänzungsweise zu berücksichtigen
§91 der Levana: Unterschied der Knaben- und Mädchen-
spielsachen, § 112: Spielsprechen und § 115: Über das
Beleben der leblosen Natur durch Kinder, sowie die zahl-
reichen Einzelbemerkungen, weiche in seinen dichterischen
Werken, Tagebüchern über seine Kinder und in seiner
Selbstbiographie enthalten sind.
Als Quellen für die entsprechenden Ansichten Loches
kommen in Betracht seine Grundsätze der Erziehung,
für die Herbarts seine Allgemeine Pädagogik, sein Umrifi
pädagogischer Vorlesungen, die Berichte an Herrn von
Steiger, Pestalozzis Idee eines ABC der Anschauung, die
Renzension der Erziehungslehre von F. H. Ck. Schtoarx^
seine Aphorismen, sowie seine Abhandlung über den
Standpunkt der Beurteilung der Pestalozzischen Unter-
richtsmethode. Während aber die Ausführungen Jean
Pauls einem in sich festgefügten logischen Schema
untergeordnet sind, treten dieselben bei Locke und
Herbart nicht nur äußerlich in mehr aphoristischer
Form als gelegentliche Äußerungen auf, sondern auch
ohne jeden inneren Zusammenhang. Eine vergleichende
Zusammenstellung ihrer sämtlichen Bemerkungen läßt
aber im wesentlichen dieselben Gesichtspunkte hervor-
springen wie bei Jean Pauly so daß infolgedessen auch
ihre Ansichten in durchgängiger Parallele mit denen Jean
Pauls skizziert werden können, obgleich die des letzteren,
sphon um ihrer äußeren Vorzüge willen, immer den Aus-
gangs- und Kristallisationspunkt bilden mögen. Natürlich
darf bei der überaus reichen Vieldeutigkeit, welche die
*) § 54, Absohn. 8, Schloß. — •) § 54, Abschn. 6. — *) 8 54,
Abscbo. 7.
— 73 —
Spiele in pädagogischer Hinsicht zulassen, auch bei diesem
keine erschöpfende Monographie über dieselben erwartet
werden. Seiner Eigentümlichkeit, in mehr aphoristischer
Weise die Kernpunkte der Sache nur anzudeuten, auch
hier folgend, skizziert er aber im ganzen den Standpunkt,
welchen die moderne Pädagogik den Spielen allenthalben
anweist. Was er bietet, sind lediglich empirische Tatsachen,
das Produkt seiner eigenen Erfahrung als Kind im Eltern-
hause, als Erzieher fremder Blinder und als Vater seiner
eigenen, an deren Spielen er sich ja gerne selbst noch ein-
mal beteiligte. 1) Dieses reiche Erfahrungsgebiet bietet
aber gleichzeitig auch den Schlüssel zum Verständnis der
Vorzüge seiner Abhandlung nicht nur allen diesbezüglich
früheren, sondern auch denen Loches und Herbaris gegen-
über. Tritt bei diesen bald dieser, bald jener Einzelzweck
der Spiele mehr in den Vordergrund, ohne auch nur an-
nähernd ihre vielseitige Bedeutung erschöpfend zu er-
schließen, so unterscheidet sich die seinige, obgleich sie
in manchen Punkten mit denen seiner Vorgänger, bezüg-
lich Zeitgenossen übereinstimmt, doch von allen bis dahin
vorhandenen durch wesentliche, nur ihr spezifisch eigene
Charakteristika, die ein Vergleich seiner Ansichten mit
denen Loches und Herbarts, zwei berufenen Vertretern
der Geschichte der Pädagogik, besonders deutlich hervor-
treten lassen wird.
2. Ansichten über das Wesen der kindlichen Spiele.
Den Ausgangspunkt für alle ihre ferneren Betrach-
tangen bildet bei jedem der drei Pädagogen seine Ansicht,
welche er vom Wesen der kindlichen Spiele hat, und
welche wiederum in engster Verbindung steht mit seiner
psychologischen Auffassung und Beurteilung der kind-
lichen Natur und des kindlichen Wesens überhaupt In
umfassendster Anschauung besteht für Jean Paul das
eigentliche wahrste Wesen der kindlichen Spiele in durch-
') Siehe die empirische Grandlage seiner Ansichten 8t 54ff.I
— 74 —
aus ernster Tätigkeit, welche den ganzen ersten Lebens-
morgen des Kindes ausfüllt. »Was heiter und selig mackt
und erhält, ist bloß Tätigkeit, c Mit diesem Satze an der
Spitze seiner Abhandlung schlägt er die Brücke von seineo
Anschauungen über Heiterkeit, der er in seiner Erziehnng
einen Tempel errichten will, hinüber zu seiner AufTassnog
vom Wesen der kindlichen Spiele.^) Einzig und allein
wird jene für eine gedeihliche Entwicklung der jngend-
lichen Seele unentbehrliche heitere Stimmung nicht nur
erzeugt, sondern auch ununterbrochen erhalten durch fort-
gesetzte ernste Tätigkeit. Für das Kind aber besteht die-
selbe lediglich in seinen Spielen, und so faßt er auch
umgekehrt die ganze erste Tätigkeit der Kinder, sofern
sie sich selbst überlassen und nicht der Autorität der
Eitern und Erzieher unterworfen sind, als Spiel auf und
will sie als solches angesehen wissen.^) Eben dämm
vertreten sie bei jenen dieselbe Stelle wie bei den Er^
wachsenen die beruflichen Geschäfte. Hierin liegt auch
der gewaltige Unterschied begründet zwischen den Spielen
beider. Dienen sie hier lediglich zur Erholung und wer-
den auch als solche empfunden^ so sind sie dort nichts
anderes als Ausfluß ernster Tätigkeit, oder wie er an
anderer Stelle ^) sagt, der verarbeitete Überschuß geistiger
und körperlicher Kräfte zugleich und erscheinen eben
darum dem Kinde nicht wie dem Auge des Erwachsenen
als Spiel, sondern gleichsam als ernste Berufstätigkeil
^) In seiner Levana schließt Jean Paul mit diesem Satse an
den Inhalt des vorausgehenden Kapitels über Heiterkeit an und
greift zugleich mitten in den Inhalt des neuen Kapitels über Kinder-
spiele hinein, indem er auf die im vorigen Kapitel sich heraua-
gestellte Frage: »Wodurch wird nun jene Heiterkeit erzeugt?« die
Antwort erteilt.
*) Dieser weiteste Begriff vom Wesen des Spiels tritt besonders
klar hervor in seiner Äußerung: »Für reifere Kinder, welche die
Arbeit übt und zwingt, ist schon deren Ende, die Freiheit, ein Spiel
und dann die freie Luft.« Lev. § 54.
*) Levana § 47.
— 75 —
Sie sind nichts weniger als etwa tändelndes Verhalten,^)
sondern bilden die dem jugendlichen Alter einzig und
allein adäquate Beschäftigung. Ebensosehr wie von den
Spielen Erwachsener unterscheiden sie sich aber auch
von denen der Tiere. Spielt bei diesen nur der Körper,
80 bei jenen die Seele. ^) Die wichtigsten Kräfte derselben
sind aber auf dieser Altersstufe der Nachahmungstrieb und
die dramatisch gestaltende Phantasie, und eben darum
sind viele Spiele nichts anders als geistige Nachahmun-
gen, 3) Wirkungen der den kindlichen Geist beherrschen-
den Phantasie, die das eigentlich belebende Prinzip ihres
wahren Wesens bildet.*) — Diese Tätigkeit ist aber trotz-
dem grundverschieden von der Berufstätigkeit der Er-
wachsenen in der Form ihrer Äußerung. Weit entfernt
von allem geschäftlichen Ernste, fern von allem Zwang
offenbart sie sich vielmehr heiter und ungebunden in den
leichtesten Flügelkleidern. ^) — Mit dieser Auffassung vom
Wesen der Spiele steht Jean Paul zum Teil auf dem
Boden von Locke und Herbart^ ohne sich jedoch voll-
ständig mit ihren Ansichten zu decken, indem nicht
selten sogar Differenzen in ihren Orundanschauungen zu
Tage treten. Wie er erblickt auch Herbart in den kind-
lichen Spielen einen Ausfluß des Tätigkeitstriebes, der kind-
lichen Phantasie.^) Wie jener kennt auch er ihre spe-
^) Vergleiche dazu: »Ohne Arbeit und Ernst verdirbt das Beste
in der Welt, nicht einmal ein rechtes Spiel ist ooiögiich ohne rechten
Ernst.« Titan, 18. St. 600. — ') Levana § 49.
') »Viele Kinderspiele sind zwar Nachahmungen — aber geistige,
sowie die der Affen körperliche sind, nämlich nicht etwa aus be-
aonderer Teilnahme an der Sache, sondern bloß, weil dem geistigen
Lebenstriebe daa Nachahmen am bequemsten fällt.« Anmerkung su
§ 47. — *) Lev. § 49. — *) Lev. § 46.
^) »Es gilt von froh auf Übungen der Betriebsamkeit, wozu sich
das Kind von selbst durch umgebende Gegenstände aufgefordert aieht,
und man mag hier immerhin mit dem Kinde spielen, wenn man bot
den Ernst, der in dem Spiel der Kinder liegt und die freiwillige
Anstrengung, womit es in glücklichen Aogenblioken sich aafarbeitet,
zuvor verstanden hat«
— 76 —
zifische Verschiedenheit voa deDen Erwachsener an«^)
So in der Beurteilung der Quantität des Wesens der
Spiele mit Jean Paul übereinstimmend, unterscheidet er
sich in seiner Auffassung der Qualität derselben, indem
er der Phantasie, der Wurzel der Spiele, eine minder-
wertige Stellung anweist als jener. Mit zwingender Not-
wendigkeit ergibt sich seine Auffassung vom Wesen der
kindlichen Spiele aus seiner Ansicht über die psychischen
Funktionen des Kindes: »Bloße Phantasie, bloßes Durch-
einandermengen von Reminiszensen, das von den daraus
entspringenden Absurditäten keine Notiz nimmt, ist nichts
als die rohe Äußerung der geistigen Existenz, nichts als
rohes Leben. Es ist Stoff, dessen Quantität ganz er-
wünscht sein mag, dessen Güte und Wert aber von einer
Qualität abhängt, die er doch erst bekommen soll. Wenn
wir einem Menschen vorzugsweise Phantasie zuschreiben
und ihn darum rühmen, so ist das etwas Ähnliches,
wie wenn wir einen glücklich nennen, der reich ist«*)
So sind auch ihm die Spiele Äußerungen der Lebens-
kraft, aber durchaus nicht Selbstzweck, sondern nur
roher Stoff, welcher noch der Verarbeitung harrt, ein bloß
willkommenes Mittel für seine Zwecke. Immer und über-
all steht bei ihm im Hintergrunde die Frage: »Welchen
Wert haben diese Tätigkeiten für die Ausbildung eines
festen Gedankenkreises, der sittlichen Persönlichkeit des
Zöglings ?€ Daher erblickt er im Knabenalter überhaupt
nicht nur die Periode, wo der Knabe seine Naturkräfte
^) »Der Knabe spielt in der Wirklichkeit, spielend realisiert er
dch seine Phantasien. Wäre einer so unglücklich, daß er der Gott-
heit ihr unsinnlicbes Reich mißgönnte und darin f&r seine Fiktionen
leeren Baum verlangte: der müßte wenig äußeres Leben haben. Man
müßte seine Diät verbessern und seine gymnastischen Übungen ver-
mehren. Greift der Mensch später nur zu Spielereien, wenn die
Wirklichkeit nicht mehr befriedigt, so nimmt der Knabe auch die
Wirklichkeit als Spiel, und all seine Phantasien nehmen reale Gestalt
an. Die Wirklichkeit dieses Gegensatzes aber ist bei beiden eine
umgekehrte.« Über die ästhetische Darstellung der Welt, St 216.
*) Pestahxzis Idee eines ABC der Anschannng.
f
— Tr-
übt und stärkt, ohne viel darauf zu merkoD, ob er gut
oder böse handelt, wo er noch nicht Ansprach darauf
macht, konsequent zu sein und nach Grundsätzen zu han-
deln, sondern auch die, in welcher seine Äußerungen und
somit auch die Spiele, nur das Werk äußerer Umstände
sind, die meist nur Eörperkräfte stärken und leidenschaft-
liche Triebfedern ins Spiel setzen.^) Nicht innere Fak-
toren geben, wie hauptsächlich bei Jean Paul^ in dieser
Zeit das regulierende Prinzip für die Tätigkeit des Knaben
ab, diese ist vielmehr nur ein Produkt äußerer Umstände;
und läßt jener die ganze erste Tätigkeit des Kindes im
Spiele aufgehen, so nimmt Herbart eine strenge Unter-
scheidung zwischen Spiel und ernster Geistestätigkeit vor
und schließt im vollen Gegensatz zu ersterem das Spiel
von jener aus. Läßt Jean Paul die Phantasie unein-
geschränkt herrschen und walten, stellt er ihr gewisse
Grenzen und will sie geleitet wissen ; läßt jener das kind-
liche Geistesvermögen fast ohne Rest in derselben aufgehen,
unterscheidet er streng zwischen Begebren, Bemerken und
Phantasieren, legt das Hauptgewicht auf das ruhige, ver-
weilende Anschauen und Betrachten und erwartet von
ihm dasselbe, was jener dem Spiele zuweist: die Funda-
mentierung des späteren geistigen Besitzes. Infolge dieses
Umstandes kommt er auch weniger auf das eigentliche
Wesen der Spiele an sich zu sprechen, als vielmehr auf
die unterscheidenden Merkmale von den übrigen psychischen
Funktionen und Tätigkeiten des Geistes, deren Gehalt ihm
weit wertvoller erscheint; und sogar wie eine leise Ge-
ringschätzung der Spiele möchte es klingen, wenn er im
Hinblick auf die ersten Übungen im Auffassen des Maßes
ausspricht: »Aber auch die Übungen im Auffassen des
bloßen Maßes würden so einfach ausfallen, so wenig zu-
sammenhängende Beschäftigung darbieten, daß sie sich
eher zu jugendlichen Spielen, als zu irgend einer Lehre
empfehlen möchten.c *) Zwar stimmen diese Spiele mit
') 2. Bencht an Herrn von Steiger St 31—32.
*) Umriß pädag. Vorl. S208.
— 78 —
dem EffahruDgskreis des Kindes genau überein, aber eben
darum stehen sie im Widersprach mit der wahren Be-
schaffenheit der Din^e, bedürfen der Ergänzung durch
den analytischen Unterricht, welcher Ordnung in die Vor-
stellungen, das Abstrakte in die Gedanken bringt: »Um
die Bedeutung dieses Unterrichtes für das frühe Knaben-
alter zu verstehen, muß man überlegen, wie die Erfahrung
der Kinder beschaffen ist. Sie sind zwar gewöhnt, in
ihrer Umgebung sich umzusehen, aber die stärksten Ein-
drücke überwiegen, und das Bewegliche zieht sie weit
mehr an als das Kuhende. Sie zerreißen und zerstör«i,
ohne sich viel um den eigentlichen Zusammenhang der
Hauptteile eines Ganzen zu bekümmern. Ungeachtet aller
Fragen nach dem Warum und Wozu gebrauchen sie doch
jedes Gerät ohne Bücksicht auf seinen Zweck, sowie es
ihren augenblicklichen Einfällen gerade dienen mag. Sie
sehen scharf, aber, sie beobachten selten. Die wahre Be-
schaffenheit der Dinge bindert sie nicht, nach ihren Phan-
tasien mit allem zu spielen und dabei alles für alles gelten
zu lassen. Sie empfangen Gesamteindrücke von ähnlichen
Dingen, aber sie sondern die Begriffe nicht ab. Das Ab-
strakte kommt nicht von selbst in ihre Gedanken.c^)
Welch ein Unterschied von der Auffassung Jean Pauls f
und so kennt er auch nichts von jenem ernsten, gehalt-
vollen Inhalt der Spiele, den jener ihnen beimißt, findet
vielmehr das unterscheidende Merkmal des Knaben vom
Jüngling darin, »daß der Knabe noch keinen festen Zweck
habe, sondern spielt und sorglos in den Tag hineinlebt,
dabei sich eine Männlichkeit träumend, die in der Stärke
der Willkür bestehen würde.« 2) — Alles in allem sind
bei ihm dem Begriff des Spieles, dessen Wesen und Äuße-
rung er an und für sich mit Jean Paul übereinstimmend
auffaßt, bedeutend engere Grenzen gesteckt als bei jenem,
und an die Beurteilung seines Inhaltes wird ein anderer
Maßstab angelegt Nicht die Phantasie, welche das Spiel
') umriß pädag. Vorl. § 11. — •) Ebenda § 218.
f
— 79 —
als Selbstzweck erscheinen läßt, sondern die Denkfanktionen,
gegen weiche jene in den Hintergrund tritt, nehmen unter
den seelischen Kräften des Kindes die wichtigste Stellung
ein. —
Näher noch als Herbart rückt in seinen Grund-
anschauungen über das Wesen der kindlichen Spiele —
obgleich an Widerspruch nicht völlig frei — Locke an
Jean Paul heran. Er findet dieselben tief begründet im
Wesen der kindlichen Natur und erkennt deshalb in
ihnen eine Naturnotwendigkeit, den Ausdruck eines den
Kindern von der Natur mitgegebenen Hanges. In wieder-
holten Wendungen bringt er diese Auffassung zum Aus-
druck, i) Dabei versäumt Locke nicht, Aufschluß über
das Wesen dieses Naturtriebes zu geben. Ganz im Sinne
Jean Pauls faßt er die Spiele auf als eine Folge speziell
des kindlichen Tätigkeitstriebes, der mit der Macht einer
Naturkraft seine Befriedigung fordert, wobei ihm schließlich
die Art der Beschäftigung völlig einerlei ist: »Ich halte
es für eine unstreitige Wahrheit, daß die Kinder über-
haupt eine Abneigung gegen die Untätigkeit haben. Es
kommt also darauf an, ihren Trieb zur Geschäftigkeit mit
*) »Ich sage das nicht, als wenn ich wollte, daß man Kindern
niemals einen Wunsch befriedigte, oder als wenn ich erwartete, daß
sie in hängenden Ärmeln den Verstand nnd das Betragen eines
Staatsministers haben sollten, sondern ich betrachte sie als Kinder,
welche eine zarte Behandlang erfordern, welche Spiele und Spiel-
sachen haben müssen.« Ed. § 39. »Übrigens sollte man diesen
Hang zum Spielen, welchen ihnen die Natur so weislich, dem Be-
dürfnis ihres Alters gemäß gegeben hat, und der zur Vermehrung
und Stärkung ihrer Munterkeit, Gesundheit and Kraft dient, ge-
flissentlich in ihnen erhalten and nicht einschränken oder unterdrücken.
Das Hauptstüok besteht Tielmehr darin, alle ihre kleinen Geschäfte
gleichfalls in Scherz und Spiel zu verwandeln.« Ed. § 63. »Seine
kindischen Handlungen und seine Munterkeit sind dem Kinde ebenso
notwendig sls Schlaf und Speise.« Ed. § 99. Zwischen Spiel und
Schlaf ist die Zeit des Kindes geteilt: »Ließe man die Kinder in
Buhe, so würden sie sich im Dunkeln ebensowenig fürchten als bei
hellem Sonnenlicht; das eine würde ihnen ebenso willkommen zum
Schlaf sein als das andere zum Spiel.« Ed. § 138.
— 80 —
Bolchen Dingen zu erhalten, die irgend einen Nutzen fBr
sie haben.« ^) »Kinder finden in Dingen, die sie tun, so-
lange sie ihrem Alter angemessen sind, wenig Unterschied,
wofern sie nur irgend etwas tun. Den Torzag, den sie
dem einen Ding vor dem andern geben, borgen sie von
anderen. Was ihnen diejenigen, welche mit ihn^i uni>
gehen, zu einer Belohnung für sie machen, das ist
ihnen eine. Vermöge dieses Kunstgriffes hängt es bloB
von ihren Führern ab, ob das Springen über ein ge-
schnelltes Seil ihnen eine Belohnung für das Tanzen,
oder das Tanzen eine Belohnung für jenes Spring^i sein
soll, ob der Kreisel oder das Lesen, das Ballschiagen oder
das Studium der künstlichen Erdkugel ihnen willkommener
und angenehmer sein soll; denn sie wünschen nichts weiter
als geschäftig zu sein und zwar in Dingen, die sie selbst
zu wählen glauben und deren Oestattung sie als eine
Ounstbezeugung von ihren Eltern, oder Leuten, für welche
sie Achtung haben und deren Wohlwollen sie wünschen,
aufnehmen.«^) Paart sich in dieser Auffassung Richtiges
mit Falschem,^) so ist es eine durchweg richtige psycho-
logische Bemerkung Lockes, daß die Kinder in ihren
Spielen die denkbar größte Geschäftigkeit entfalten: »Dm
der Mensch im kindischen Alter weit tätiger und ge-
schäftiger ist als in irgend einer anderen Periode des
Lebens und es den Kindern gleichgültig ist, was sie ton,
wofern sie nur etwas tun, so würde das Tanzen und das
Springen durch ein Seil für sie einerlei sein, wenn das
Aufmunternde und Abschreckende bei beiden Dingen
gleich wäre;«^) denn im Spiele wirken ja Vorstellungen,
Gefühle, Begehrungen mit den körperlichen Ejräften und
Fertigkeiten harmonisch zusammen; die Spielregeln wer-
den nicht als fremde, von außen aufgenötigte Schranken
empfunden, sondern als äußere Betätigung der eigenen
Innenweit. Der Charakter des Spiels liegt eben in der
*) Edac. § 129. — •) Edac. § 129. — ») Siehe Beurteilung. —
*) Edue. § 76.
— 81 —
freien, uneingeschräDkien Betätigang der Phantasie; und
so streng Locke sonst den Wünschen derselben gegen-
über ist, gesteht er ihr doch volle Berechtigung zu für
das kindliche Spiel und trifft auch hier mit Jean Paul
zusammen in der Ansicht, daß jene vorzugsweise im
Phantasieleben des Kindes wurzeln und aus demselben
entspringen: »So streng man nun aber gegen alle Wünsche
der Phantasie sein muß, so gibt es doch einen Fall, wo
man nachgiebig gegen dieselbe sein und auf ihre Stimme
merken muß. Erholung nämlich ist für Kinder ebenso
notwendig als Arbeit oder Nahrung. Weil aber keine
Erholung ohne Vergnügen stattfindet — und als solches
sieht Locke das Spiel an — und dieses nicht immer von
der Vernunft, sondern weit öfter ?on der Phantasie ab-
hängig ist: so muß man Kindern nicht allein erlauben,
sich zu vergnügen, sondern auch, es nach ihrer eigenen
Weise zu tun, solange es mit Unschuld und ohne Nach-
teil ihrer Gesundheit geschieht. In diesem Falle also
muß man sie nicht abweisen, wenn sie eine besondere
Art von Erholung vorschlagen.« ^) Indirekt, freilich mit
Unterschätzung der Spiele, erkennt er in ihnen wohl auch
ein Mittel zur Befriedigung des kindlichen Erkenntnistriebes,
der kindlichen Wißbegierde: »Neugier bei Kindern ist
nichts anderes als Begierde nach Erkenntnis und muß
deswegen in ihnen genährt und unterhalten werden, nicht
nur als ein gutes Zeichen, sondern als das große Werk-
zeug, welches die Natur brauchte, um sie aus der Un-
wissenheit zu reißen, in welcher sie geboren sind, und
welche sie ohne diesen immer regen Forschungstrieb zu
blödsinnigen, unnützen Greschöpfen machen würde. Ich
weiß gewiß, eine Hauptursache, warum viele Kinder oft
sich ganz und gar den einfältigsten Spielen überlassen
und ihre Zeit auf eine abgeschmackte Weise mit Kleinig-
keiten verderben, ist bloß die, daß man ihre Wißbegier
äffte und ihr Fragen nicht achtete. Hätte man sie mit
') Educ. § 108.
päd. Hag. 320. Weiler. 6
— 82 —
mehr Wohlwollen und Achtung behandelt, auf ihre Fragen
gehörig geantwortet und ihnen Genüge getan, so zweifle
ich nicht, sie würden mehr Vergnügen daran gefunden
haben, zu lernen und ihre Kenntnisse zu erweitern; denn
das hätte ihnen weit mehr Veränderung und Mannig-
faltigkeit verschafft, und das ist gerade, was sie lieben,
als immer und ewig zu denselben Spielen und Spiel-
sachen zurückzukehren.« ^) Sein Naturbestreben sucht den
Spielen gegenüber überall die rechte Stellung zu gewinnen,
und vollkommen gerecht wir«! er ihnen in der Hervor-
kehrung ihrer charakteristischen Merkmale, bestehend in
der Freiheit, Mannigfaltigkeit und Veränderung derselben,
Eigenschaften, welche tief im Wesen der kindlichen Natur
begründet sind; denn »wir lieben von Natur die Freiheit
und das von der Wiege an und haben daher eine Ab-
neigung vor vielen Dingen aus keiner anderen Ursache,
als weil sie uns auferlegt werden.«*) »Was die
Eander am meisten von allen abschreckt, was wir ihnen
beibringen wollen, ist, daß wir sie erst dazu herbeirufen,
. . . wir schelten und zerren sie dazu hin, oder wenn sie
willig daran gehen, so werden sie solange dabeigehalten,
bis sie es herzlich überdrüssig sind. Das alles greift zu
sehr in ihre natürliche Freiheit ein, worauf sie ungemein
eifersüchtig sind. Diese Freiheit ist das Einzige, was
ihren gewöhnlichen Spielen den anziehenden Beiz gibt«^)
Diese Eigenschaft bildet gleichzeitig auch den einzigen
Unterschied ihrer Spiele von ihren Geschäften und ins-
besondere vom Lernen; »denn die Mühe, welche sie an-
wenden müssen, ist auf beiden Seiten gleich, sie ist auch
gar nicht das, was sie scheuen: denn sie mögen gern ge-
schäftig sein, und Veränderung und Abwechslung ist das,
was ihnen von Natur Vergnügen macht. Die Ungleich-
heit liegt darin, daß sie in demjenigen, was wir Spiel
nennen, mit Freiheit handeln und dabei einen frei-
willigen Aufwand von Mühe machen, die sie überhaupt,
') Edac. § 118. — ») E'luc. § 145. — «) Educ. § 76.
— 83 —
wie ihr leicht bemerken könnt, niemals spüren, und daß
man hingegen dasjenige, was sie lernen soUen, ihnen
zwangsweise auflegt, sie herbeiruft, herbeitreibt, herbei-
zieht. Das ist's, was sie gleich anfangs kalt und ver-
drossen macht, sie fühlen sich nicht mehr frei.« ^) Der
Kraftaufwand ist auf beiden Seiten gleich, verschieden ist
nur die äußere Form; dort herrscht Zwang, hier freie,
heitere, ungebundene Art der Äußerung, welche ganz dem
kindlichen Wesen entspricht; denn die natürliche Stim-
mung der Kinder läßt sie mit ihren Gedanken umher-
schweifen, das Neue allein zieht sie an. ^) Das Kind hängt
keinem ünlustgefüble nach; daß es in diesem Augen-
blicke weint, im folgenden lacht, ist ganz natürlich. Es
hat nur eine Laune, den Frohsinn, welcher ein schöner, be-
neidenswerter Zug im kindlichen Wesen ist Dieser leichte
Sinn, tder Jugend froher Gefährte«, ist ein Zeichen von
Lebenskraft und Gesundheit, äußerer und innerer Reg-
samkeit und nicht zu verwechseln mit dem Leichtsinn,
der auch zum Bösen und Schlechten verleitbar ist; denn
Unachtsamkeit, Sorglosigkeit, Fröhlichkeit sind diesem
Alter eigentümlich.^) Mit dieser Auffassung des Natur-
verehrers Locke, die ebensogut dem Munde eines Jean
Paul entstammen könnte, steht freilich im Widerspruch die
Auffassung des Utilitaristen Locke^ der den Maßstab des
Nützlichen vom Standpunkte des Erwachsenen aus an die
kindlichen Spiele legt und es dann fertig bringt, dieselben ge-
radezu als Fehler, »die zwar mehr ihrem Alter als ihnen
selbst zu schulden kommen ,« ^) zu bezeichnen. Hierin liegt
gleichzeitig ausgesprochen, daß er ihnen bei weitem nicht
den gehaltvollen Inhalt beizulegen vermag wie Jean Paul.
^) und «) Educ. § 167. - ») Educ. § 80.
^) Educ. § 63. Vergl. daza Campe: »Die keine Fehler sind, di&
falschlich dafür angesehen werden und als solcJie gerügt werden, die
notwendige und zugleich wünschenswerte Ausbrüche der jugendlichen
Fröhlichkeit und Tätigkeit sind. Ein Kind, welches diese sogenannten
Fehler nicht begeht, ist eotwedei krank, oder schon geschwächt
und verdorben.«
.6*
— 84 —
Oleich Herbart faßt eben aach er den Begriff des SpieleSi
dessen Wesen er an und für sich mit psychologiadiem
Feinblick scharf charakterisiert, bedeutend enger. Nicht
die ganze erste Tätigkeit des Kindes geht im Spiele anf^
vielmehr ist eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen dem-
selben und den kindlichen Oeschäften» insbesondere den
Lemübungen und auf das Praktisch-Nützliche abswecken-
den Tätigkeiten; und während letztere unter den Begriff
des Nützlichen fallen, ordnet Locke jene unter den der
Erholung und des Vergnügens, sieht sie in der Haup^
Sache an als eine Erholung von ihrer Lerntätigkeit, durdi-
aus aber nicht als ernstes, gehaltvolles Tun an sich.^)
Eben deshalb fordert er auch, »den Eindem jede zu
lernende Sache ebenso zu einer Erholung vom Spiel sa
machen, als gewöhnlich das Spiel ihre Erholung vom
Lernen ist«. 2) Der den Spielen beigemessene Inhalt ist
bei beiden ein grundverschiedener, und aus ihm fliefit
eine ebenso verschiedene Wertschätzung.
3. Ansichten Ober Arten und Einteilung der Spiele
Freilich ist auch für Jean Paul nicht jedes Spiel
solche ernste Tätigkeit. Auch für das Eind existieren
Spiele, die es nur als solche empfindet, »nur spielt, nicht
treibt^ noch fühlt: Scherzen, sinnloses Sprechen mit sich
«eiber, aus dem Fenster schauen, auf dem Orase liegen,
die Amme oder andere Einder hören«. Damit ergeben
sich ihm aber ans dem Wesen der Spiele nach dem je-
weiligen Verhalten der kindlichen Natur diesen gegen-
über, nach dem Orade der inneren Anteilnahme, welchen
die kindliohe Seele dieser Tätigkeit entgegenbringt, mit
psychologischer Notwendigkeit drei Arten derselben. >)
*) Vergl. hierau Edac. § 76, 79 und 108. — •) Edac. § 79.
') Eine Obersicht und Beschreibang der verBcbiedeneD Kinder-
spiele, auch aus der ftlteren Zeit, gibt Kevisionswerk Bd. 8, II. Hälfte,
meist allerdings »im Grebrauch der Körperausbildnng, damit er die
Befehle der Seele ausführen kann«.
— 85 —
Die erste Erlasse oennt Jean Paul die der empfaDgen-
den, auffassendeD, lernenden Kraft, oder die theoretische
Klasse, deren Spiele nichts anderes sind als eine kind-
liche Experimental-Physik- Optik -Mechanik. Sie umfaßt
gleichzeitig auch die meisten Spiele, als deren er aufzählt:
Drehen, Heben, Schlüssel in Löcher stecken, einem elter-
lichen Geschäfte zusehen und ähnliches. Geht bei ihnen
die Tätigkeit gleich den Sinnesnerven von außen nach
innen, so schlägt die der 2. Klasse den umgekehrten Weg
ein. Der Richtung der Bewegungsnerven folgend, geht
sie von innen nach außen. Diese Spiele -bezeichnet Jean
Paul als die praktische Erlasse, oder die der handelnden,
gestaltenden Kraft Beide Arten stimmen darin überein,
daß sie Äußerungen ernster Tätigkeit sind, unterscheiden
sich aber in dem Verhalten der kindlichen Seele gegen-
über dieser Tätigkeit. Während im ersten Falle sich das
Kind mehr rezeptiv oder passiv aufnehmend verhält, wes-
halb diese Klasse sachgemäßer als die der rezeptiv oder
passiv aufnehmenden Kraft bezeichnet werden kann, zeigt
es sich bei der zweiten aktiv handelnd und produktiv ge-
staltend, so daß sich diese Klasse als die der produktiv
gestaltenden Kraft bezeichnen ließe. Findet bei der ersten
Abteilung mehr eine Aufepeicherung geistiger Kräfte, mehr
ein Erfabrungsammeln auf empirischem Wege statt, so
bei der zweiten ein Entladen des geistigen Überschusses.
Spielt bei der ersten Art der Nachahmungstrieb, welcher
auf dieser Stufe dem geistigen Lebenstrieb am bequem-
sten fällt, eine Hauptrolle, so tritt bei der zweiten als
Charakteristikum die dramatisch gestaltende Phantasie,
die freiere körperliche Bewegung, überhaupt eine größere
Freiheit der Selbsttätigkeit hinzu. Freilich lassen sich die
Grenzen beider nicht mit logischer Konsequenz scharf
durchführen, und so gesteht Jean Paul selbst zu,^) wie
auch bei den Spielen der ersten Klasse die dramatisch
gestaltende Phantasie oftmals eingreifen wird. Beide
0 Lot. § 46.
— 86 —
Klassen aber sind Spiele ernster Selbsttätigkeit und eine
Folge der überschüssigen Kraft, die sich das eine Mal
durch Nachahmung und durch Aufnahme, das andere Hai
durch dramatisches Phantasieren und selbsttätiges Ge-
stalten äußert. — Diesen beiden Arten, ihrer Natur nadi
ernste Tätigkeit, stellt Jean Paul noch eine dritte gegen-
über, welche Selbsttätigkeit und innere Anteilnahme des
Kindes ausschließt. Vom kindlichen Standpunkte aus
beurteilt, tragen ihre Spiele lange nicht denselben Ernst
an sich, nehmen dieselben die seelischen Kräfte bei weitem
nicht in diesem Maße in Anspruch. Es ist vielmehr ein
Sicbgehenlassen, ein Sicbüberlassen der Umgebung und
ihren Einwirkungen. Sie umfaßt die Spiele, welche auch
das Kind nur spielt, bei denen es behaglich Gestalt und
Ton gibt und nimmt, und die sich daher kurz bezeichnen
läßt als die Klasse des sich freien Hingebens an die Um-
gebung, die zugleich aber auch am schärfsten zum Aus-
druck bringt, wie Jean Paul das ganze kindliche Tun
und Treiben als Spiel auffaßt. Mit Rücksicht auf diesen
Terschiedenen Charakter der Spiele, bedingt durch das
innere Verhältnis der kindlichen Natur zu der siich äußern-
den Tätigkeit, unterscheidet derselbe daher im Leben des
vergnügten Schulmeisterleins M. Wuz,^) die ersten beiden
Klassen zusammenfassend, zwei Arten von Spielen, ernst-
hafte und kindische. Doch nicht nur nach der inneren
Beteiligung der geistigen Kräfte des Kindes unterscheiden
sich die Spiele, so daß die verschiedenen Arten etwa
parallel nebeneinander hergehen könnten, ein Unterschied
im Wesen derselben zeigt sich auch hinsichtlich der Zeit und
jeweiligen Altersstufe des Kindes, auf welcher sie auftreten,
sowie hinsichtlich des Zweckes, den sie verfolgen, so daß
^) Es gibt zweierlei Kinderspiele, kindische und ernsthafte. Die
ernsthaften sind Nachahmungen der Erwachsenen, das KanfmanD-,
Soldaten-, Handwerkspielen; die kindischen sind Nachahmungen der
Tiere . . . Glaubt mir, ein Seraph findet auch in unseren Kollegien
und Hörsälen keine Geschäfte, sondern nur Spiele, und wenn er et
hochtreibt, jene zweierlei Spiele.« Tl. I, St 353.
— 87 —
auch diese Gesichtspunkte als Einteilungsprinzip aufgestellt
werden können^) und nach ihnen sich ein mehr emp-
findendes und ein mehr schaffendes Spielen unterscheiden
läßt. In der Natur und jeweiligen Individualität des Kin-
des liegt es begründet, daß die Spiele, welche den ersten
Lebensmorgen ausfüllen, mehr den Charakter des Emp-
findens, die des späteren Alters mehr den des selbsttätigen
Schaffens an sich tragen. Bei dem schnell wachsenden
Körper und unter der einstürmenden Sinnenwelt kann
sich die so überschüttete Seele in den ersten Monaten
des Lebens noch nicht zu einem selbsttätigen Spielen auf-
schwingen. Sie will nur blicken, horchen, greifen, tappen,
so beladen kann sie mit ihnen wenig machen und ge-
stalten. Die Seele steht gleichsam der Fülle der äußeren
Einflüsse gegenüber wehrlos da; die Menge der neuen
Eindrücke läßt sie nicht zur Selbsttätigkeit kommen,
nötigt sie zu einem lediglich rezeptiven Verhalten, zum
rein empfindenden Spiel, das infolgedessen auch noch
keinen Ausfluß überschüssiger Kraft vorstellt. Durch
diese Eindrücke aber vollzieht sich die geistige Ausbildung
des Kindes, erhält der kindliche Geist seine Nahrung, den
Stoff, auf Grund dessen er zur Selbsttätigkeit gelangt.')
Die seelischen Kräfte werden allmählich auf eine höhere
Stufe gehoben; das Kind baut sich seine eigene Vor-
stellungs- und Gedankenwelt auf. Ein Wort um das
andere, in denen dasselbe im Gegensatz zu dem oft nur
konventionellen Gebrauch derselben seitens Erwachsener,
wohl gar gegen die bessere Überzeugung, sein wahrstes
Innenleben zum Ausdruck bringt, verkündet, was es denkt,
tut und fühlt und spricht den Geist immer mehr frei.
Nachdem aber unter den äußeren Einflüssen sich der
kindliche Geist allmählich zu größerer Freiheit empor-
geschwungen hat, nachdem in den fünf Akten der fünf
^) Levaoa § 48. — *) Im Gegensatz zu Jean Patda aprioristi-
Bchen AnschauuDgen macht sich hier eine sensualistiBche Auffabsong
geltend.
— 88 —
Sinne die Erkenntnis der Welt 8ich Tollzogen bat, wird
die erste Klasse der Spiele durch die zweite yerdrängt
Es hebt die größere Freiheit des Selbstspieles an; die
Phantasie beginnt ihre Flügel zu schwingen, yerleibt der
kindlichen Sprache die rechten Worte, und es tritt nun
ein umgekehrtes Verhältnis ein. War früher die äußere
Welt das leitende, regulierende Prinzip, welches gestaltttid
auf die innere einwirkte, so wird jetzt umgekehrt die
innere Welt des Kindes das Leitmotiv, welches die äofiere
in Bewegung setzt und sich untertänig macht Das Kind
projiziert gleichsam sein Inneres in seine Umgebung^
welche deshalb eine modifizierte Gestalt für dasselbe an*
nimmt. Beide Arten sind demnach grundverschiedeu
hinsichtlich der Zeit, in welcher sie auftreten, sowie des
Zweckes, den sie verfolgen, unterscheiden sich aber auch
zum Teil durch die Objekte, mit denen sie es zu tun
haben ; denn in der Natur der Sache liegt es begründet,
daß bei der ersten Klasse das Kind hauptsächlich auf
seine Spielsachen angewiesen ist, während sich die Spiele
der zweiten Klasse vorzugsweise auf dem Spielplatze und
unter seinesgleichen vollziehen werden; und so gelangt
Jean Paul, diesen Gesichtspunkt als Einteilungsprinzip
aufstellend, zu einer dritten Einteilung der Spiele: zu
solchen mit Spielsachen und solchen mit und unter Spiel-
menschen. Beide Arten unterscheiden sich jedoch nicht
nur hinsichtlich der Zeit, sondern auch hinsichtlich ihrer
Natur und ihres Zweckes. Die Spiele der ersteren sind
lediglich solche des kindlichen Geistes mit sich selber
und stehen ganz unter dem Banne der ihn beherrschen-
den Phantasie! Bei den Spielen der zweiten tritt das Ich
allmählich aus seiner isolierten Stellung heraus, gelangt
in Wechselwirkung mit seinesgleichen. Zwar sieht in den
ersten Jahren das spielende Kind den mitspielenden Ge-
nossen nur als Spielsache an, nur als Ergänzung der
Phantasie über ein Spielding; aber in den späteren Jahren
wird das »erste Bändchen der Gesellschaft aus Blumen-
ketten gesponnen; spielende Kinder sind europäische kleine
— 89 —
Wilde im gesellschaftlichen Vertrag zu einem Spiel-
zweck,« ^) and insofern macht sich eine fortschreitende
Entwicklang selbst bei den Spielen der zweiten Art be-
merkbar, lassen sich »zwei Unterarten anterscheiden, von
denen die erste gleichsam einen Übergang von den Spielen
der ersten Klasse zu denen der zweiten bildet Diese
letzteren Spiele nehmen allmählich einen mehr gesell-
schaftlichen Charakter an, und ihre Bedeutung liegt, ent-
gegengesetzt den ersten, in der Ausbildung und Funda-
mentierung der sozialen und gesellschaftlichen Tugenden
»für die menschliche Praxis«. Fehlte den Spielen der
ersten Klasse gleichsam noch ein fester Zweck, eine feste
Idee, so treten bei denen der zweiten soziale und gesell-
schaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund. Wie Wilde
schließen die spielenden Kinder einen Vertrag, 'dessen Idee
der Spielzweck ist, der über ihnen steht und sie zusammen-
bindet, und damit tritt im spielenden Kinde selbst ein
Wandel in der Beurteilung seiner Spielgenossen ein : Die-
selben gelten nicht mehr als bloße Spielsachen, sondern
als gleichberechtigte Individuen. — Ein Unterschied in
den Spielen läßt sich schließlich aber auch feststellen mit
Rücksicht auf die Geschlechter: Knaben- und Mädchen-
spiele sind zweierlei. ^) Deutlich sprechen sich in ihnen die
verschiedenen Charaktere beider Geschlechter aus, lassen
sich die besonderen Charakterzüge des späteren Mannes, wie
der späteren Frau zum Teil schon im voraus aus ihnen ab-
lesen: »Die Männer lieben mehr Sachen, die Weiber mehr
Personen ; schon als Kind liebt die Frau einen Vexiermen-
schen, die Puppe, und arbeitet für diese; ^ der Knabe hält
sich ein Steckenpferd und eine Bleimiliz und arbeitet mit
dieser. Mädchen spielen länger mit ihren Spielpuppen
als jene mit ihren Spielsachen;« und dies ist eine ganz
*) Le?. § 52. - •) Ler. § 149.
*) Vergleiche dazu Roasseaa, Emil V, St 446 ff., wo RonsBeaa
meint, da£ durch das Spielen der Mädchen mit der Puppe der 6e-
■ohmaok and die Neigung ta den Terschiedensten weiblichen Hand-
arbeiten geweckt werde.
— 90 —
natürliche Folge ihres Wesens ; denn Spiele sind so gans
der adäquate Ausdruck der Mädcbennatur, und in ihiea
Spielen kommt daher der eigentliche Charakter des SjHelSi
seine Heiterkeit fördernde Wirkung, noch mehr zum Aus-
druck als in denen der Knaben. Mehr noch als den letztereED,
die als spätere Männer den Ernst des Lebens kennen
lernen werden, ist den Mädchen Heiterkeit nötig. Im
Wesen der Frau liegt es, Heiterkeit und Anmut um sidi
zu verbreiten, und darum wird Jean Paul in voller Über-
einstimmung mit Rousseau ihrem Charakter so ganz ge-
recht mit seiner Forderung: »Ihr Mütter, gönnt den lieben
leichten Wesen das Spielen um die Blumen, die Platter-
minute vor langen ernsten Jahren. Warum soll nicht bei
ihnen wie bei den Römern das Lustspiel früher da sein
als das Harmspiel? — Gibt es etwas so Schönes und
Poetisches im Leben als das Lachen und Scherzen einer
Jungfrau, welche, noch in der Harmonie aller Erätte, mit
und auf allen in üppiger Freiheit spielt?«^) — Als eine
besondere Art und zugleich als das schönste und reichste
Spiel hebt Jeaii Paul das Spielsprechen hervor, »nämlich
das des Kindes mit sich und noch mehr der Eltern mit
ihm«. In dem Tagebuche über seine Kinder äußert er
sich darüber: »Kinder sprechen für sich viele Redensarten
— ohne Zusammenhang — bloß um die Freude des
Sprechens sich zu machen; so fragen sie Sachen, die sie
wissen, um die Freude des Hörens zu haben. — Für das
*) Lev. § 97. Vergleiche dazu Kousseau, Emil V, St. 455:
»Ein junges Mädchen soll nicht leben wie seine Großmatter. Es soll
lebhaft, heiter, mutwillig sein, singen, tanzen, soviel ihm gefällt, und
alle unschuldigen Vergnügen seines Alters auskosten. Die Zeit konamt
nur zu bald, wo es gesetzt sein und eine ernste Haltung anDehmen
muß«, sowie
Emil V, St. 450: »Nehmt den Mädchen nicht die Heiterkeit,
das Lachen, den Lärm, die törichten Spiele, aber verhindert, daß sie
Gbersättigt von einem zum andern laufen. Duldet nicht einen ein-
zigen Augenblick in ihrem Leben, daß sie keine Zügel mehr kennen.
Gewöhnt sie daran, sich mitten im Spiel za unterbrechen nnd
ohne Murren an die Arbeit zu geben.«
— 91 —
Kind ist ja schon Plaudern ein Spiel. — Es ist in der
Sprache der Kinder schwer, die aufgenommenen Wen-
dungen der Eltern von ihren zu unterscheiden. Die Eltern
können sich in dem Spielgespräch der Kinder wider Er-
warten wiederholt sehen. Auch wenn ein Kind noch
nicht spricht, muß man mit ihm sprechen, als verstehe
es; denn Denken versteht es doch und noch mehr. —
Wie man den Dichter, den Volksredner im Feuer, also
im Meisterstück, unterbräche, wenn man ihm die kleinen
Redefloreskeln korrigierte, so die Kinder, denen man das
Kleine ewig besserte, jedes Anhängsel der Freiheit. Bessert
nur das Ganze, und die Neben versagen von selbst«
Besonders im Anfange läßt sie der Reiz der Neuheit sich
gern diesem Spiel zuwenden : »Sie spielen anfangs gern mit
der ihnen neuen Kunst der Bede, so sprechen sie oft Un-
sinn, um nur ihrer eigenen Sprachkunde zuzuhören.« In
diesen Worten liegt nicht nur ein neuer Beweis, daß
Jean Paul das ganze Tun der Kindes als Spiel auffaßt,
sondern auch der Hinweis, daß er gerade diesem Spiel
einen hohen Wert beimißt. Der Nachahmungstrieb der
Kleinen findet in ihm die beste Gelegenheit zu seiner
Befriedigung, der kindliche Wissenstrieb, die kindliche
Wißbegierde werden gesättigt, die Phantasie desselben
wird angeregt, seine Sprache, seine Ausdrucksfähigkeit er-
höht, seine Denktätigkeit gehoben und der Schatz seiner
Vorstellungen vermehrt. Solche Sprechübungen sind für
das Kind gleichsam Lehrstunden der freiesten und un-
genehmsten Art, und deshalb knüpft er an dieselben seine
Mahnung: tihr könnt im Spiele und zur Lust nicht za
viel mit Kindern sprechen, sowie bei Strafe und Lehre
nicht zu wenig!« 1) — So ergeben sich für Jean Paul
^) Lev. § 54. Ver^I. dazu: Schwarx^ Erztebangslehre 11, S. 255:
»Mau spreche zn den Kindern immer in einem liebreichen, nie in
einem unfreundlichen Ton; die Sympathie bat den mächtigsten Ein-
fluß, es zum Gleichartigen zu stimmen.« — Ebendaselbst St. 309:
»Redselige Mütter, welche munter und drollig! mit dem Kinde
sprechen, wissen selbst nicht, wie wohltätig sie ihm sind.«
— 93 —
oei seiner weiten Auffassung yom Wesen des kindlichen
Spiels die mannigfachsten Arten desselben. fVeilich sind
die Kinder nicht allen diesen mit gleicher liebe zagettn,
und so findet der Dichter Jean Paul die Lieblingssinele
derselben hauptsächlich in solchen, an die sich Hoff-
nungen und Befürchtungen knüpfen: »Die Kinder lieboi
keine Spiele so stark, als die, worin sie zu erwarten oder
gar zu befürchten haben ; so früh spielt schon der Dichter mit
seinem Knotenknüpfen und Lösen im Menschen!«^) denn
es sind ja diejenigen, in denen die Phantasie den fracht-
baisten Boden für ihre Betätigung findet — Eine solche
scharfe und psychologisch fein detaillierte Untersuchung
über die einzelnen Arten der Spiele und ihre Unterschiede
je nach dem Verhalten der kindlichen Natur, der Zeit
und Altersstufe, der Objekte und Oeschlechter, sowie hin-
sichtlich der Lieblingsspiele der Kinder kennen weder
Herbart^ noch Locke -^ wohl aber widmen beide dem Spiel-
sprechen Jean Fauls^ den häufigen Kinderfragen, einen be-
sonderen Abschnitt, ohne dasselbe jedoch als Spiel an-
zusehen. Wenn Jean Faul in diesem Spielsprechen dem
Nachahmungstriebe der Kinder eine große Bolle zuschreibt,
so findet Herbart das größere oder geringere Bedürfnis,
sich durch Sprechen zu äußern, tief in der Individualität
des Kindes begründet^) und erhebt damit die Sprache
eines jeden weit über bloße Nachahmung, weshalb
auch jede Verbesserung derselben immer von den Ge-
danken auszugehen habe, die sie bezeichnet. Die be-
kannten Kinderfragen, die nach ihm aber wenig Zweck
haben, meist nur von augenblicklicher Laune abhängen,
läßt er hervorgehen aus dem Wissenstriebe der Kinder,
aus dem Bestreben, sich das Neue anzueignen, sobald die
Erfahrung über die früheren Phantasien das nötige Über-
gewicht erlangt hat Wie Jean Paul aber will er die-
selben nicht etwa eingeengt wissen, sondern reichlich ge-
0 LeT. § 54.
*; UmriA pftd. VorL § 272.
— 93 —
nährt, da sich in ihnen ein ursprüngliches Interesse offen-
bart und in ihnen eine günstige Gelegenheit sich dar-
bietet, dem späteren Unterricht den Boden zu bereiten
durch Gewinnen von apperzipierenden Yorstellungen*
Selbstverständlich kann es sich aber auf dieser Stufe noch
nicht um gründliche und zusammenhängende Belehrungen
handeln, sondern lediglich um gelegentliche Erklärungen.^) —
Ähnlich wie Herbart stellt sich auch Locke zu den Kinder-
fragen, sieht sie an als ein Mittel zum Verscheuchen der Un-
lust, welche der Knabe infolge seines Nichtwissens emp-
findet, und empfiehlt dieselbe gewissenhafte Beachtung, wie
sie aus den Worten Jean Pauls und Herbarts widerklingt.^
^) »Wäbreud der Kreis, worin das Kind sich frei amherbewe^
sieb erweitert, während es darch eigne Versache sich immer mehr
Erfahrung schafft, und überdies noch das oft höchst nötige, absichtlich»
Umherfnbren von Seiten des Erziehers hinsnkommt, erlangt die Er-
fahrung ein Obergewicht über die früheren Phantasien, wenn auch
bei verschiedenen Individuen in sehr verschiedenem Verhältnis. Ans
dem Bestreben aber, das Nene sich anzueignen, entstehen nun die
häufigen Kinderfragen, welche den Erzieher als einen AUwissenden
voraussetzen, keinen Zweck haben, sondern von augenblicklicher Laune
abhängen und größtenteils, wenn sie nicht gleich beantwortet werden,
nie wiederkehren. Viele derselben betreffen bloß Worte und lassen
sich mit irgend einer passenden Benennung des fraglichen Gegen-
standes beseitigen. Andere gehen auf den Zusammenhang der Er-
eignisse, besonders auf die Zwecke menschlicher Handlungen, ohne
Unterschied, ob von fingierten, oder wirklichen Personen die Rede
ist. Wiewohl nun manche Fragen nicht können, andere nicht dürfen
beantwortet werden, so muß doch im ganzen die Neigung zum Fragen
fortwährende Ermunterung finden ; denn es liegt in ihnen ein Ursprung*
liebes Interesse, welches der Erzieher späterhin oft schmerzlich ver-
mißt und durch keine Kunst wieder erzeugen kann. Die Gelegenheit
ist hier dargeboten, sehr viel anzuknüpfen, was künftigen Unterricht
den Boden bereiten muß. Nur darf sich die Antwort nicht mit on-
zweideutiger Gründlichkeit in die Länge ziehen, sondern der Erzieher
muß schiffen auf den Wellen der kindlichen Laune, die gewöhnlieh
nicht mit sich experimentieren läßt, sondern oft ungelegene Sprünge
macht.« Umriß päd. Vorl. § 214.
*) »Obgleich diese Fragen nun oft nicht viel Bedeutung zu haben
scheinen^ so sollten sie doch ernsthaft and der Wahrheit gemäß be-
antwortet werden; denn Kinder sind Beisende, welche soeben in einem
— 94 —
4. Ansichten Aber Nutzen und Bedeutung der
kindlichen Spiele.
Überragt so Jean Paul in der psychologischen
i^ruppierung der Spiele sowohl Herbart wie Locke^ so
nicht minder in der Wertschätzung, welche er ihnen zu
teil werden läßt Dieselbe ist das notwendige Produkt
seiner Ansicht über deren Wesen und Arten ; denn wie
edch das erstere mit der fortschreitenden Zeit ändert, wird
auch der jedesmalige Zweck der Spiele ein anderer. Eine
Wandlung hinsichtlich ihres Wesens erfahren dieselben
aber zunächst insofern, als sie urspiünglich der ver-
arbeitete Überschuß der geistigen und körperlichen Kräfte
zugleich sind; sobald aber die Schule alle geistigen Kräfte,
wohl gar bis zur Ermattung, in Anspruch nimmt, leiten
nur noch die Glieder durch Laufen, Werfen, Tragen die
Lebensfülle ab. An anderer Stelle ^) sagt Jean Paul
hierüber: »Die früheren Spiele sollen der geistigen Ent-
wicklung nachhelfen, da die körperliche ohnehin riesen-
haft fortschreitet, die späteren aber sollen der geistigen,
die durch Schule und Jahre vorläuft, die körperliche nach-
ziehen. Das Kind tändle, singe, schaue, höre; aber der
Knabe, das Mädchen laufe, steige, werfe, baue, schwitze
und friere.« Geistige und physische Kräfte sollen sich
in ihrer gegenseitigen Entwicklung unterstützen und för-
dern. Harmonische Gesamtausbildung aller Kräfte ist
schon hier das Losungswort Jean Pauls^ und die Konse-
quenz zieht er ohne weiteres im nächsten Satz.e: »Folg-
lich bildet das Spiel alle Kräfte, ohne einer eine siegende
Bichtung anzuweisen.« ^) In der gleichmäßigen, harmoni-
ihnen bisher fremden Lande angekommen sind, Fremdlinge in Bezog
auf alles, was uns bekannt ist. Die natürlichen und ungelehrten
Vermutungen wißbegieriger Knaben bringen oft Dinge hervor, die
selbst dem Geiste eines denkenden Mannes zu tun geben.« Educ. § 120.
1) Lev. § 54.
') Vergl. Rousseau, Emil III, St. 229: »Das große Geheimnis
der Erziehung ist, daför zu sorgen, daß die Übungen des Köipers
aod die des Geistes sich gegenseitig als Erholung dienen.«
* w
— 96 —
sehen Aasbildung aller Kräfte erblickt er den Zweck der
Spiele und geht hier über die meisten Pädagogen hinaus^
welche bald diesem, bald jenem Einzelzwecke eine domi-
nierende Stellung anweisen. Jean Paul ist sich seines
Standpunktes auch bewußt, wenn er ausspricht: Ich
weiche ganz von dem einen oder anderen Schulhalter
und Eonduitenmeister ab, der behauptet, in der Einder-
stube werde nur gespielt und nichts gelernt tür die Zu-
kunft. Wahrlich, die Spielstunden sind nur freiere Lehr-
stunden, und die Eindcrspiele sind die Malerstudien und
Schulimitationen der ernstlichen Geschäfte der großen
Menschen ohne Einderschuhe außerhalb der Einder-
stube.« ^) Insofern sind die Spiele auch die erste Poesie
des Menschen, während das Streben nach Essen und
Trinken sein erstes solides Brotstudium und Oeschäftsleben
bildet. Wie in der Poesie alle Eräfte: Verstand, Phan-
tasie, Herz und Gemüt zur Entfaltung gelangen, so auch
in den Spielen. Poesie sind sie aber auch insofern, als
sie das goldene, glückliche Zeitalter des Eindes bilden»
als sie es über jede rauhe Wirklichkeit hinaus versetzen,
ihm alles im poetischen Zauber erscheinen lassen in un-
getrübter Glückseligkeit und Heiterkeit. Mit dieser Aut-
fassung des Zweckes der Spiele, bestehend in der Ent-
faltung und Ausbildung aller menschlichen Eräfte, macht
Jean Paul seiner Zeit gegenüber neue Gesichtspunkte
geltend und weist den Spielen eine fundamentale Be-
deutung zu für die Ausbildung und Ausgestaltung des
individuellen Idealmenschen überhaupt, für die Ausbildung
des Kindes sowohl für seine Gegenwart, wie tür seine
Zukunft. In intellektueller, moralischer und sozialer Hin-
sicht, sowie in Rücksicht auf die Entwicklung und Aus-
bildung des kindlichen Charakters geben sie den Grund-
bau ab; in ihnen wurzeln die Eeime aller späteren Fähig-
keiten und Tugenden, durch sie wird angebaut, was später
ausreift, sie sind die Hebel- und Ansatzpunkte für die
0 Jubelsenior, Tl. 6, St 3.
— 96 —
ganze spätere Ausbildang des Menschen. Da sich das
Leben nicht in eine Samme von Einzelzwecken zerlegt,
sondern in jedem Augenblick ein Ganzes and als solches
Selbstzweck ist, so gilt ein Gleiches auch von dem Leben
der Kinder; »denn ein Ganzes des Lebens ist entweder
nirgends oder überall.«^) Sieb so gegen alle eudämonisti*
sehen und utilitaristischen Erziehungsziele erklärend, g^en
die Glückseligkeit der Philanthropisten und die prak-
tische Tüchtigkeit Lockes, sowie gegen jede Pädagogik,
die das Erziehungsziel in die Ferne rückt, weist Jean
Paul auch den kindlichen Spielen einen ernsten Gehalt zu,
dürfen dieselben nicht angesehen werden, als sei das
ordentliche Leben des Kindes als Mensch noch gar nicht
recht angegangen ; vielmehr ist deren Spielen und Treiben
80 ernst und gehaltvoll an sich und in Beziehung auf ihre
Zukunft als unseres auf unsere. 2) Das frühe Spiel wird
später Ernst, und auf dem Spielplatze wächst der künftige
Lorbeer- und Erkenntnisbaum. Zwischen dem Wesen der
früheren und späteren Tätigkeit besteht kein prinzipieller
Unterschied, sondern nur ein solcher in der Form, in der
dieselbe auftritt Was früher im Spiel in seiner Jagend-
form erschien, reift später aus zu herber Männlichkeit,
»der Schaum des kindlichen Spieles sinkt zu wahrem
Wein zusammen, und ihre Feigenblätter verhüllen nicht
Blößen, sondern sü£e Früchte.« Manche philosophische
Lehre, manche tiefe Weisheit und Lebensklugheit liegen
im kindlichen Spiele verborgen, und ein gut Teil späteren
Tuns erscheint nur als ein Nachhall früheren Spieles.
Manchem Verfasser mögen seine Werke durch seine
früheren Kinderspiele heimlich eingegeben worden sein.
In ihnen wird der Same ausgestreut, der später Früchte
treibt und tiefe Wurzeln schlägt; in ihnen werden die
Fäden geknüpft, die später weiter fortgesponnen werden.
^) Jean Patd gleicht hier Sehleiermaehert der auch das Kind
als Selbstzweck behandelt wissen will.
*) Levana § 53.
— 97 —
Allenthalben werden dauernde und bleibende Fröchte
durch das Spiel gezeitigt unwillkürlich erinnern aber
all diese Ausführungen an das Schührsohe Wort: »Ein
tiefer Ernst liegt oft im kindischen Spiel.c Daher bilden
dieselben bei Jean Paul kein bloßes Neben-Anderem,
«ondern einen wichtigen Faktor in der Reihe seiner päda-
gogischen Maßnahmen, einen Hauptbestandteil seines
pädagogischen Systems, soweit von einem solchen geredet
werden kann, und zwar nicht nur als Mittel zur Er*
langung der Heiterkeit, jener unentbehrlichen Stimmung
und Oemütslage für jede gedeihliche Erziehung und Eni*
Wicklung, obgleich auch in dieser Hinsicht ihr Wert nicht
zu unterschätzen ist; »denn Spiele, das heißt Tätig-
keit, nicht Genüsse erhalten Kinder heiter«;^) und hier
kommt insbesondere auch die Bedeutung der Spielsachen
zu ihrem Rechte. Bieten dieselben zunächst durch ihr Er-
scheinen auch bloß Oenuß, so geben sie Heiterkeit doch
erst durch ihren Gebrauch. — Bei dieser universeUen
Wertschätzung versäumt Jean Paul keineswegs, einzelne
wertvolle Seiten der Spiele besonders hervorzuheben.^)
Hier springt in erster Linie die hohe Bedeutung der ge-
meinschaftlichen Spiele für das Entfalten der sozialen
Tugenden hervor. »Erst auf dem Spielplatze kommen die
Kleinen aus dem Vokabeln- und Hörsaal in die rechte
Expeditionsstube und fangen die menschliche Praxis an.c
Vokabeln- und Hörsaal legen ihnen Zwang auf. Den Eltern
und Erziehern gegenüber ist ihnen Gehorsam und Glaube
verdienstlich, freies Widerstreben verboten und verderblich.
Eine solche fortwährende gängelnde Erziehung aber
echmiedet nur Lebensknechte und Sklaven, die nur an
ein Klima gewöhnt, künftig der Allseitigkeit der Indi-
vidualtät g^enüber verloren sein werden. Seine wahre
Individualität, das rein Menschliche in sich, kann das
Kind nur entfalten auf dem Spielplatze unter seines-
gleichen; »denn wo kann denn nun das Kind seine
^) Levana S 45. •— *) Le?«na f 52.
FId. Ifag. 820. Weiler.
— 98 —
Herrscherkraft, Reinen Widerstand, sein Vergeben, sein
Geben, seine Milde, kurz jede Blüte und Wurzel der
Gesellschaft anders zeigen und zeitigen als im Ij'reistaate
unter seinesgleichen«? Hier kann es seinen eigensten
Regungen folgen, lernt Bücksicht nehmen auf andere, er-
lebt alle sozialen Verhältnisse und Konflikte, tritt in lebendige
Wechselbeziehung zu den verschiedensten Individualitäten,
wird durch vielseitigen Verkehr gewitzigt, lernt mit einem
Worte alle gesellschaftlichen Tugenden hier kennen ohne
Zwang. Leben zündet sich eben nur an Leben an, und
darum fordert Jean Paul: »Schulet Kinder durch Kinder!«
Es trägt einem Knaben mehr ein, Prügel selber auszuteilen,
als sie zu erhalten vom Hofmeister, desgleichen mehr,
sie von seinesgleichen als von oben herab aufzufangen.
Doch auch geistige Fertigkeiten werden in Hülle und
Fülle auf dem Spielplatz erworben, und wie eine leise
Unterschätzung eines methodisch betriebenen Unterrichtes
könnte es klingen, wenn er ausspricht : »Daher ist der
Eintritt in den Kinderspielplatz für die Kinder einer in
ihre große Welt, und ihre geistige Erwerbsschule ist im
kindlichen Spiel- und Gesellschaftszimmer.« Der Knabe
sammelt die verschiedensten Erfahrungen. Erfahrung und
Leben aber sind die zwei großen Quellen der Selbst-
erziehung. Freie Entfaltung der Kräfte, Ausbildung der
Individualität, Erziehung zur Selbständigkeit, Vielseitigkeit
der Ausbildung sind für das Kind nur möglich auf dem
Spielplatze; Ausschluß von demselben bedingt Einseitig-
keit — Außer dieser intellektuellen, sozialen und morali-
schen Bedeutung der Spiele, außer dieser Bedeutung für
die innere Ausgestaltung des Idealmenschen ist auch ihr
Gewinn für die physische Ausbildung desselben durchaus
nicht gering anzuschlagen. Wenn auch Jean Paul diesem
Punkte weniger Beachtung schenkt als den ersteren, ver-
säumt er doch nicht, wiederholt auf ihn hinzuweisen,
schon um deswegen, da ja der Körper der Panzer und
Küraß der Seele ist, welcher vorerst zu Stahl gehärtet,
geglüht und gekühlt werden muß. Die Spiele sind die
— 99 —
beste Schule zum Erwerb männlicher Eigenschaften, zum
Brtragenlemen von Schmerz, zum Erlangen von Mut
Manchen Schmerz lernt hier das Kind verbeißen, manche
vielleicht herbe Wunde nicht achten; »darum ist schon die
Gasse, worin der Knabe tobt, rennt, stürzt, klettert etwas;
denn Oassenwunden sind heilbarer und gesünder als Schul-
wunden und lernen schöner verschmerzen. c ^) Diese mehr
physischen Eigenschaften werfen ihre Schatten oder Licht-
strahlen aber auch auf das geistige Leben des Kindes zu-
rück: »Körperliche Entkräftigung macht geistige, aber
alles Geistige läßt festere, ja ewige Spuren nach. Ist die
Gesundheit die erste Stufe zum Mut, so ist die körper-
liche Übung ge^en Schmerzen die zweite. Man sollte
viel mehr Übungen im Ertragen des Schmerzes erfinden,
wie denn die Knaben selber schon ähnliche Spiele haben. c
Die Spiele sind eine Quelle männlichen Mutes, und er
mußte dem warm empfindenden Patrioten in der trau-
rigen, männerarmen Zeit als eine besonders wertvolle
Eigenschaft erscheinen. — Schließlich weiß derselbe dem
Spiele noch einen besonderen Nutzen für die Erwachsenen
abzugewinnen. Der Anblick der Kinderspiele erweckt die
Erinnerung an eigne glückliche Stunden und Zeiten, läßt
das eigne Morgenrot des Lebensfrühlings noch einmal
aufdämmern; »denn der Anblick einer fremden Ent-
zückung weckt den alten Eindruck der unsrigen aufc^
— So legt Jean Paul den Spielen allenthalben funda-
mentale erzieherische Bedeutung bei. Sie werden ihm
ein Hauptmittel zum Erzeugen der Heiterkeit, das grund-
legende Mittel für die harmonische Gestaltung des ganzen
Menschen in intellektueller, moralischer, sozialer und phy-
sischer Hinsicht und genießen von ihm im Hinblick auf
die Erziehung durchweg eine universelle Wertschätzung^
die er auch überall zum Ausdruck bringt. Nicht nur in
seiner Levana, auch in seinen Dichtungen setzt er ihnen
manch schönes Denkmal. Der Held der Idylle »Leben
1) Levana § 104. — ») Titan, Tl. 15, St. 16.
50J5:<J3 ''
— 100 —
des vergDügten ScbuImeisterleiDs Wuz« hatte unter der
Treppe alle seine Spielsachen aus der Kindheit aufbewahrt
lind bekannte noch im Alter, als er schon krank und
schwächlich war: »Wenn ich mich an meinen ernsthaften
Werken matt gelesen und korrigiert habe, so schaue ich
stundenlang die Schnurrpfeifereien an, und das wird hoflTent-
lich einem Bücherschreiber keine Schande sein«.^) Quin-
tus Fixlein wurde durch sein Spielzeug von einer Krank-
heit, in die er infolge eines Kummers verfallen war,
wieder geheilt, und der Dichter selbst zählt in »Wahr-
heit aus meinem Leben« alle seine Kinderspiele mit
wahrem Wohlbehagen auf; aber trotz dieser Hingabe an
und dieser Vorliebe für das Spiel warnt er doch vor
übertriebener Meinung von demselben, bemerkt er
doch von seinen eignen Spielen, daß er es in der Tat
außerordentlich lächerlich finde, wenn jemand aus diesen
Spielereien, aus den aufgelesenen Bruchstücken, wie sie in
jeder andern Kindheit umhergestreut sind, etwas Besonderes
zusammenlesen wollte. Wohl soll auf das Spiel des Kin-
des geachtet werden, aber nicht, um eine künftige Gröfie
dabei zu entdecken, sondern nur um die Spuren und
die Eigenart des künftigen Charakters zu erkennen, mit
«inem Worte, um die Individualität zu erforschen. —
Im Gegensatz zu dieser umfassenden Wertschätzung Jean
Pauls bleiben Herbat t und Locke mehr bei der Hervor-
kehrung von Einzelzwecken stehen. Bei ersterem nehmen
die Spiele hauptsächlich die Stelle eines Begierungs- nnd
Zuchtmittels ein, und so betont er vorzugsweise deren
ethische und soziale Bedeutung zur Entfaltung und Ver-
wirklichung der sittlichen Ideen und gesellschaftlichen
Tugenden, wie der Idee des Wohlwollens, des Gefühls
von Recht nnd Billigkeit, der gegenseitigen Rücksicht-
nahme und des Respektierens des Besitzes, sowie endlich
ihren Wert für die Bildung des Willens und die Charakter-
bildung überhaupt, ohne dabei aber auch ihre intellek-
0 Titon, Tl. 2, St 381.
— 101 —
tuelle und physische Wichtigkeit völlig za li bei gehen.
Gleich Jean Paul sind auch ihm die Spiele ein Mittel^
das kleine Kind zur Heiterkeit zu stimmen, freilich nur
unter der Voraussetzung einer gewissen Hut seitens der
Mütter, deren schöne Pflicht es eigentlich wäre, den Streit
solange als möglich entfernt zu halten, um den Frieden
der Kindheit lange zu wahren.^) Als Regierungsmittel
dient es ihm zur Beschäftigung, zur Ausfüllung der Zeit,
am dadurch dem Müßiggange, der zum Unfug und zur
Zügellosigkeit führt, einen Riegel vorzuschieben, wobei
er freilich nützlichen Beschäftigungen und solchen, bei
denen etwas für die Zukunft gelehrt und gelernt wird,
den Vorzug einräumt^) Als Zucbtmittel hat es die Auf-
gabe, die sittlichen Ideen und sozialen Gesinnungen an-
zubahnen, in den Dienst der Willens- und Charakter-
bildung zu tretend)
Damit aber der Charakter des Wohlwollens als Ge-
fühl, oder der Herzensgute nicht entbehre, ist den Kin-
dern in den Spielen Gelegenheit zu geben, daß sie viel
miteinander empfinden, daß sie Gefährten seien in Freud
and Leid>) In sozialer Hinsicht lernt der Zögling durch
den Verkehr mit seinen Mitgespieien verschiedene Ebren-
') Aphonsmen 200. — ') Dmrifi päd. Vorl. § 46 and 5ü.
') »Ich bin Oberzeugt«, lautet eine seiner ÄußeruDgen» »daß man
das eigentliche härtende Prinzip für den Menschen, der nicht bloß
Körper ist, nicht eher finden werde, als bis man eine Lebensart fftr
die Jugend einrichten lernt, wobei sie nach eigenem Bechtssinn eine
in ihren Augen ernste Wirksamkeit betreiben kann, Taten, durch
welche das innere Begehren als Wille sich entscheidet, ond je größer
die Tätigkeit und das Bewußtsein der Tatkraft, desto mehr Fähig-
keit zum entschlossenen Willen, und dieser bereitet dem Willen nach
Einsicht den Boden. — Für das Wohlwollen, auch fUr das Gefühl
▼on Recht und ßilb'gkeit werden wir nicht zusammenhängend lehren,
doch desto häufigere Übungen mit Geschwistern und Gespielen von
selbst entstehen lassen, wenn Besitz, Erwerb und dadurch herbei-
geftUurte Einrichtungen nur nicht ganz in diesem kleinen Kreise
fehlen, oder gar zu indiskret von der Zucht behandelt werden«.
AUgem« Päd. St. 147.
^) AUgem. Päd. St 144.
— 102 —
punkte kennen, ^) sowie einigermaßen auch seine natür-
liche Stellung, die er später unter Männern einzunehmen
hat; »denn was erfreut und verletzt, entspringt so viel-
fach aus geselligen Verhältnissen, daß der Zögling in sol-
chen heranwachsen muß; am unmittelbarsten entwickeln
sich die Gesinnungen desselben in seinem Umgang.*)
Direkt in den Dienst der Sittlichkeit und Charakterbildung,
wenn auch mehr nur im negativen Sinne und als Not-
behelf, treten die Spiele, wenn es sich darum handelt, den
vorzeitigen Abschluß des objektiven Teils eines noch un-
fertigen Charakters zu verhindern, eines Charakters, bei
dem die geistigen Interessen, die sittliche und religiöse
Bildung zurückgeblieben sind, die ästhetische Beurteilung
der Willensverhältnisse sich verspätet hat; denn hier darf
der junge Mensch nicht frei umhergehen; vielmehr ist ssu
begünstigen, daß jugendliche Zeitvertreibe, selbst knaben-
hafte Spiele sich ungewöhnlich verlängern und so eine
schützende Wirkung ausüben. ^) — Nach der intellektuellen
Seite hin macht das Eind im Phantasieren und Spielen
die ersten Anfänge zur Verarbeitung des aufgefaßten Stoffes
und gibt sich dadurch Gelegenheit, teils noch mehr zu be-
merken, teils an dem Bemerkten auch die Verhältnisse
und Verbindungen aufzufinden.^) Freilich bleibt es auch
bei diesen Anfängen stehen; »denn sofern die Phantasie
diesen Verhältnissen und Verbindungen nachgeht und
nachgibt, sofern sie von der Natur des Dinges irgend eine
Leitung annimmt, geht sie schon über ins Denken und
in ästhetische Wahrnehmung; sie findet das Wahre und
das Schöne.« ^) Mehr Gewinn zieht das Vorstellungsleben
an sich aus den Spielen; denn Spiel und Spielwaren er-
zeugen einen reichen Wechsel und eine reiche Verknüp-
fung von Vorstellungen, die nicht selten sogar den reifen
Mann als Zuschauer in Erstaunen versetzen. Dabei ver-
*) Umriß päd. Vorl. § 170. — *) Umriß päd. Vorl. § 169 and
§ 182. — ') Umriß päd. Vorl. § 172. — *) PesUlozzis Idee eines
ABO der AnschaaaQg. — ') Pestalozzis Idee eines ABC der An-
aobaaang.
— 103 —
bindet sich mit diesem lebhaften Vorstellungsleben ein
nicht zu unterschätzender Orad von Selbsttätigkeit, die
«chon sehr junge Kinder spielend und plaudernd verraten.
Insofern ist lebhaftes Spielen auch immer ein erwünschtes
Zeichen, vorzüglich aber dann, wenn es sich bei schwachen
Kindern noch spät, aber kräftig hervortut;^) denn aof
diese Weise gewinnen sie allmählich Teilnahme und
Interesse selbst für andere Dinge, werden sie mit der
Zeit zum selbsttätigen Handeln geführt und erlangen
«ine größere Beweglichkeit in ihrem ursprünglich schwer-
fälligen Yorstellungsleben. Hauptsächlich sind nun im
Spiele und Phantasieren die freisteigenden Vorstellungen,
wie überhaupt freies Tun und Handeln, vorherrschend,
während im Unterricht und beim Lernen nicht selten
<lie gehobenen den Vortritt führen und den Schüler
zu einem mehr passiven Verhalten nötigen. Indem
aber die Passivität nicht zu einer erdrückenden aus*
arten darf, werden die Spiele ein willkommenes Mittel
zum Herstellen der wünschenswerten Gleichgewichtslage
zwischen passivem und aktivem Verhalten des Zöglings,
führen sie zu einem Ausgleich zwischen gehobenen und
freisteigenden Vorstellungen, wirken sie nach auf den
Unterricht, der es mit freisteigenden Vorstellungen zu tun
hat und leisten dem Interesse, selbst dem vielseitigen
seinem Wesen nach ja selbst nichts anderes als Selbst-
tätigkeit, einen nicht unwillkommenen Dienst.') Nach
<lieser Seite bin werden sie besonders auch für träge
Naturen wertvoll, bei denen, da sie in ihrer Bequemlich-
keit gestört werden müssen, das Anhalten sonst nicht
immer leicht fällt Bei ihnen ist der Reiz munterer Ge-
spielen zu körperlicher Bewegung immer das erste, um
sie aus ihrer Bequemlichkeit aufzurütteln, ihrem Wesen
mehr Leben und Bewegung einzuflößen, um ihnen so
nach und nach Interesse und Teilnahme an selbsttätiger
Mitarbeit beizubringen. Überhaupt bedarf jeder kräftige
Geist auch eine kräftige Natur, auf die er sich stützen
1) Umriß päd. Vorl. 8 22. — ») Umriß päd. Vorl. § 71.
— 104 —
und gegen die er siöh stemmen kann,i) und schon hierin
liegt ein Vorzug des Knabenalters mit seinen Spielen,
das vorzugsweise Eörperkräfte übt und stärkt*) Die
schönste Gelegenheit bieten aber die Spiele zum Erforschea
der kindlichen Individualität, und hier gibt Herbari ge-
naue Anweisungen über die anzustellenden Beobach-
tungen, schon deswegen, da dieselben die Grundlage für
einen gedeihlichen Unterricht abgeben müssen und so-
wohl für dessen Materie, als Form bestimmende Geltung
erlangen; denn für eine zweckentsprechende Gestaltung
desselben ist Kenntnis der Bildsamkeit jedes einzelnen
anerläßliche Bedingung, welche wiederum nur durch Be-
obachtungen, am besten beim freien Spiele, erzielt wer-
den kann. Zu erstrecken haben sich dieselben hierbei
auf die vorhandenen Vorstellungsmassen, auf die leibliche
Disposition, auf die Temperamente, die Reizbarkeit für
Affekte, ob Furcht, Zorn die ersten natürlichen Regungen
sind, ob Lachen oder Weinen den Zögling leicht oder
schwer anwandelt, sogar auf pathologische Zustände, wie
die Wirkungen des Gefaßsystems auf sehr geringe Anlässe
hin und ähnliches. Es ist das Auge zu richten auf die
Liebhabereien der Kinder, darauf, ob die Zöglinge noch
ganz jeden sich darbietenden Gegenstand zum Spiel be-
nutzen, oder ob sie mit wechselnder Liebhaberei die Spiele
absichtlieh verändern, ob sich bestimmte Gegenstände
eines beharrlichen Strebens entdecken lassen, ob das Ge-
lernte im Spiel zwanglos nachklingt, ob die Äußerungen
oberflächlich sind, oder aus der Tiefe kommen; und so
wird der Erzieher bei Gelegenheit solcher Beobachtungen
nicht nur den Charakter seiner Zöglinge, sondern auch
teils den Rhythmus der geistigen Bewegungen, teils die
Beschaffenheit des Gedankenvorrates derselben erkennen^
um hiernach seine unterrichrlichen Maßnahmen treffen zu
können.') Besonderes Gewicht legt Herbart auf die Er-
^) umriß päd. Vorl. § 166. — *) 2. Bericht an Herrn toq
Steiger, St 31—32. -^ ^) ümrii) päd. Vorl. § 34.
— 106 —
fonchung der TemperameDte ^) durch das Spiel, um etwa
Torhandene Fehler der Zöglinge kennen lernen und die
Art ihrer Behandlung darnach einrichten zu können. Je
nach den verschiedenen Individualitäten und Temperamenten
äußern sich die Spiele verschieden, und so lassen um-
gekehrt ihre Äußerungen, wenn sie nur der Erzieher
richtig zu beurteilen versteht, einen Bückschluß auf die
Temperamente zu. Daher ist bei jedem Spiel zu fragen^
welcher Ernst hinter ihm sei, wieviel Tiefe unter der bewegten
Oberfläche sich verrate. »Hier greift das Temperament
ein. Das Spiel des Sanguinikus vergeht, aber wo Miß-
laune habituell ist, da droht Gefahr, wenn, wie zu ge-
schehen pflegt, aus Scherz Ernst wird. Auch das Selbst-
gefühl mischt sich ein, auf verschiedene Weise bei dem-
jenigen, der seiner Stärke traut (Leibes- oder Oeistes-
stärke) und anderen, die ihre Schwäche kennen — mit
oder ohne den Vorbehalt der künftigen List und Schlau-
heit, und so auch mehr oder weniger Anerkennung der
überlegnen Kraft und Autorität« Um dem Erzieher in
der Beurteilung dieser Äußerungen bestimmte Direktiven zu
geben, versäumt Herbart nicht, eine spezielle Beurteilung
derselben vorzunehmen. Er findet, obgleich hier ein Frage-
zeichen gesetzt werden darf, »daß großer Eiter im Spiel
im ganzen wenig Ernst zeige, wohl aber Empfindlichkeit
und Hang zur Dngebundenbeit«, »daß Klugheit im Spielen
ein Zeichen der Fähigkeit sei, sich auf den Standpunkt
des Gegners zu versetzen und dessen mögliche Pläne zu
durchschauen«. Infolge dieser mehr vorbereitenden Vor-
teile für die Maßnahmen des Unterrichtes und der Zucht
ist auch Herbart die Lust am Spielen weit willkommener
als Trägheit, schlaffe Neugier oder finsterer Ernst, und
zu den leichteren Fehlern rechnet er es, wenn zuweilen
über dem Spiel die Arbeit vergessen, die Zeit versäumt
werde; aber schon diese Worte deuten seine geringere
Wertschätzung der Spiele und ihrer Äußerungen an als
«) Umriß päd. Vorl. § 29 b.
— 106 —
bei Jean Paul So würdiget er wobi ibren eibischen and
sozialen Wert, ibre I Heiterkeit erregende Wirkung^, eiii-
zelne intellektuelle Vorteile, sowie ibre Bedeutung für das
Erforscben der einzelnen Individualitäten und Temperamente,
kennt aber nicbts von der allseitigen erzieberiscben Be-
deutung, die ibnen Jean Paul beimißt »Nicbt wie bei
jenem sind sie ihm ernste Tätigkeit, vielmebr nebmoa
ihre Äußerungen den erzieherischen Zwecken gegenüber
nur eine untergeordnete Stellung ein. Sie geben ihm
Fingerzeige und Hinweise, sind aber nicht Selbstzweck.
Es ist der Maßstab seines geregelten, wohlgeordneten er-
ziehenden Unterrichts mit seinen Zwecken, den er an sie
anlegt und der ihm eine andere Beurteilung ihres Wertes
diktiert, eine Beurteilung, die dessen Zweck gegenüber
nicht selten wie eine leise Unterschätzung derselben klingt^)
— Mehr noch als bei Herbart schrumpft die Bedeutung
der kindlichen Spiele bei Tjocke zusammen. Ihren haupt-
sächlichsten Nutzen gewähren sie ihm im Darbieten der
Gelegenheit, die Eigenart des Zöglings in ihrem wahren
Wesen kennen zu lernen. Dadurch ermöglichen sie dem
Erziehereine zweckentsprechende Auswahl der anzuwenden-
den Methode, eröffnen ihm eine Perspektive in die Zu-
kunft, indem sie ihm gestatten, die Richtung der Oe-
danken seines Zöglings schon rorber zu beurteilen. Mit
einer gewissen Vorliebe bebt Locke diese Seiten des
Spieles immer wieder hervor.^)
0 »Die Neigung, Regeln festzustellen, sieht raan schon in den
Spielen der Kinder. Jeden Augenblick wird befohlen, was sa tun
sei, nur werden die Imperative schlecht befolgt und häufig ge-
wechselt. £8 fehlt auch nicht an eignen kindischen Vorsätzen, aber
sie können nicht viel bedeuten, solange sie sich nicht gleich bleiben.
Ganz anders ist es, wenn Mittel und Zwecke sich zu Plänen ver-
knäpfen, wenn die Ausführung unter Hindernissen gewagt wird ; end-
lich wenn die Vorsätze durch allgemeine Begriffe gedacht werden
und hiermit Anspruch machen, auch für künftig mögliche Fälle su
gelten , wodurch sie sich in Maximen verwandeln.« Umriß päd.
Vorl. § 173.
') »Es gibt nicht mehr Verschiedenheit in den menschlichen (3e-
tichtem und in den äofleren Umrissen des Körpers als in den Richtnngeii,
— 107 —
Außer dieser aber lag es dem Naturfreunde Locke
Dahe, besonders auch die physische Bedeutung der Spiele
als Abbärtungsmittel hervorzukehren, und so betont er
ihren Einfluß auf das Ertragenlernen körperlichen Schmerzes
und der dadurch herbeigeführten männlichen Tugenden
wie Mut, Entschlossenheit, Herzhaftigkeit, zu welchen er
für das ganze spätere Leben den Orund in den kindlichen
Spielen gelegt wissen will. Diesem Abhärtungsprinzip
welche die Erftfte der Seele Dehmen. Nur darin lieji:t der ünter-
Bchied, daß die charakteristischen Züge des Gesichtes und die Um-
risse des Körpers mit der Zeit und den Jahren bestimmter und sicht-
barer werden, die Physiognomie der Seele aber bei den Kindern am
ähnlichsten ist, bevor Kunst und List sie lehren, ihre häßÜcbeo
Züge verstecken und ihre bösartigen Neigungen unter einer gleifien-
den Außenseite verbergen. Fangt also frühzeitig an, die Gemütsart
eures Sohnes auf das sorgfältigste zu beobachten und zwar dann, wenn
er am wenigsten anter dem Zwange ist, beim Spiel, und wenn er glaubt,
nicht mehr von euch gesehen oder bemerkt zu werden. Seht zu»
welches seine herrschenden Neigungen und Leidenschaften sind, ob er
wild oder sanft, kühn oder schüchtern, weichherzig oder unempfind-
lich, offen oder zurückhaltend ist: denn sowie diese Eigenscbafton
bei ihm verschieden sind, so müßt ihr auch ganz verschiedene
Methoden gebrauchen und auf ganz verschiedenem Wege euer Ad-
sehen bei ihm wirksam zu machen suchen ; und wenn ihr die charakte-
ristischen Züge seiner Seele jetzt, in den ersten Sätzen seines Lebens,
sorgfältig beobachtet, so werdet ihr nachher immer im stand«
sein, zu beurteilen, welche Richtung seine Gedanken nehmen und wo-
hin er zielt, selbst dann noch, wenn er heranwächst, seine Art sa
denken und zu handeln verwickelter wird und er sie unter mancherlei
täuschenden Anstalten verbirgt« Educ. § 101 und 102. »Aus dieser
Freiheit, die man ihnen in ihren Ergötzungen verstattet, wird ferner
auch der Vorteil erwachsen, daß ihre Gemütsarten sich äußern, ihre
Neigungen und Anlagen sichtbar werden; und einsichtsyoUe Eltern
werden diese Winke benutzen, teils um künftig bei der Wahl der
Lebensart und Geschäfte, zu welchen sie sie bestimmen, darauf Böek-
sicht zu nehmen, teils um zu sehen, welche verschiedenen Richtungen
der Charakter der Kinder am leichtesten nehmen möchte und in
Zeiten auf die besten Mittel dagegen zu denken.« Educ. § 106.
»Vielfach zeigt sich nun bei Kindern eine sorglose Trägheit ond
Achtlosigkeit. Um sich in der Beurteilung, ob dieser Hang zur Träg-
heit Natur, oder nur tändelndes Verhalten bei ihnen sei, keiner Tin-
schung hinzugeben, ist besonders genaue Beobachtung nötig; und
hier müßt ihr den Zögling beim Spiel beobaobten, wenn weder Zeit»
— 108 —
zuliebe empfiehlt er auch, die kleinen Unglücksfalle,
welche durch Spiele, Unachtsamkeit oder Unbesonnenheit
entstehen, welche von den Kindern aber meist gar nicht
als Unglück angesehen, oder sogar absichtlich von ihnen
veranstaltet werden, »ihnen nicht aufzumutzen, oder doch
nicht anders als mit Sanftmut zu verweisen, obgleich der
Schaden bisweilen beträchtlich sein mag«.^) — Schließ-
Doch Ort ihn zum Leroen Dötigeo, wenn er sich seinen NeigongeD
ongeetört (iberläßt und alsdaDo bemerken, ob er tätig und wirksam
ist, ob sein Augenmerk auf irgend einen Gegenstand gerichtet ist,
ob er diesem Gegenstande mit Betriebsamkeit und Eifer solaoge
nach}iebt, bis er am Ziel seiner Wünsche ist, oder ob er in träger
Saumseligkeit seine Zeit verträumt.« Educ. § 123. »Wenn aber
auch eure Augen immer auf ihn gerichtet sind, um zu beobachten,
was er mit der Zeit anfängt, deren Gebrauch ihr ihm überlafit, sa
maßt ihr ihm doch nicht merken lassen, daß ihr oder ein
anderer ihn beobachte; denn das möchte ihn leicht hindern, seiner
Neigung zu folgen. Um ganz deutlich zu reden, er muß bemerkt
werden, wenn ihr gar nicht bei der Hand seid and ihm auch nicht
die bloße Vermutung eines Beobachters einigen Zwang auflegt; in
solchen Stunden, wo er völlig frei zu sein glaubt, laßt jemand, auf
den ihr euch verlassen könnt, bemerken, wie er seine Zeit anwendet^
ob er sie auch alsdann untätig verschleudert, wenn er ohne irgend
eine Einschränkung ganz seinen Neigungen überlassen ist. So werdet
ihr aus der Anwendung seiner Erholungszeiten leicht beurteilen können^
ob seine Unachtsamkeit Fehler des Charakters bei ihm ist, oder ob
er bloß aus zufälliger Abneigung gegen sein Buch die zum Lernen
bestimmte Zeit vertändelt.« Educ. § 125.
*) »Das Kind«, äußert er, »muß Schmerz ertragen lernen. Wie-
viel die Erziehung dazu tun könne, zeigen ihre Spiele hinlänglich;
and wer schon soviel über sich vermocht hat, daß er körperlichen
Schmerz nicht mehr als das größte unter allen am meisten zu fürchten-
den t beln ansieht, der hat schon merkliche Schritte auf dem Wege
zur Tugend gemacht. Wir sehen ja alle Tage, daß Kinder der-
glei<-heii voneinander im Spiel ertragen. Je weicher euer Kind ist,
desto mehr müßt ihr schickliche (lelegenheit wahrnehmen, es auf
diese Weise abzuhalten. Die garze Kunst besteht nur darin, daß
ihr mit ganz kleinen Schmerzen anfangt und ihr unmerklich darauf
weiter gebt während der Zeit, da ihr mit ihm spielt und froher Laune
mit ihm seid und gut von ihm sprecht ... So wird der Grund zu
Mut und Entschlossenheit gelegt für das ganze künftige Leben ; denn
ILinder müssen zu Mut und Entschlossenheit erzogen werden und
— 109 —
lieh bietet ihm das Spiel Doch ein willkommenes Mittel
zum Befriedigen der kindlichen Wißbegierde and Yer»
stopfen der trägen Achtlosigkeit, selbst wenn dieselben iii
der körperlichen Konstitution ihren Sitz haben. Charaktere
dieser Art, denen die Seelenkräfte gelähmt sind, entbehreD
nach ihm zwei Haupttriebfedern der Tätigkeit: Yoraoe-
sehung und Wünsche, »denn wo keine Wünsche sind,
da ist keine Tätigkeit c .i) Diesem Mangel gegenüber hat
neben anderen Mitteln das Spiel die Aufgabe, ihn zu be-
seitigen, Leben und Tätigkeit in einem solchen Zögling
anzuregen, ihn zur Geschäftigkeit zu reizen, Wünsche
wachzurufen, ihn dahin zu bringen, daß er sich rühre,
»und hier ist selbst bei einer Steigerung des Appetites
bis zum Übermaß nichts zu fürchten.« Beobachten der
kindlichen Individualität, physische Abhärtung, Beleben
der Seelenkräfte bei untätigen und krankhaften Naturen
sind die einzigen Seiten, welche Locke dem Nutzen der
Spiele abgewinnen kann. Aus dieser Auffassung spricht
der praktische Weltmann, der beobachtende Arzt, nicht
der ideale Erzieher. Von der Poesie im kindlichen Spid
und dem geistigen Oehalte desselben hat er nichts emp>
funden. Die vielseitige erzieherische Bedeutung derselben
weiß er nicht zu würdigen. Trocken und nüchtern siebt
er sie an mit dem Auge des ütilitaristep, der sie ep>
niedrigt lediglich zum Erholungsmittel.*) Hoch erhaben
über sie stellt er die nützlichen Beschäftigungen, die aof
das Praktische gerichteten Geschäfte, die selbst noch als
Erholungsmittel einen weit höheren Rang einnehmen als
die ihm fast wertlos erscheinenden Spiele; »denn sich
das nur, daß man sie während der Kindheit ein soviel als möf^Iicb
freies, selbsttätiges Leben führen lasse, dann kommt der Mut ?od
selbst.« Edoc. § 116.
') Educ. § 126 und 127.
') Der Standpunkt Loekes bezüglich der Spiele ist im wesent-
lichen aach der der Pbilanthropisten, nar mit dem Unterschiede,
daß sie dieselben nicht auch wie Loche als Eniehnngsmittel, sondeni
lediglich als Ansfluß des kindUcheu Titigkeitstriebes aogeseben
wissen wollen.
— 110 —
erholen heißt nicht etwa müßig sein, sondern dem er-
matteten Teil durch Veränderung des Oeschäftes Er-
leichterung schaffen. Handarbeiten, die irgend einen
Nutzen haben, würden die beste Ergötzung und Erholung
sein.c^) »Die ernsthaften Geschäfte eines jungen Hannes
sind seine Studien. Erholungen und Ergötzungen müssen
körperliche Übungen sein, welche die Seele abspannen
lind die Gesundheit und Stärke aufrecht erhalten. Dies
vermögen aber am besten Gartenbau, Landwirtschaft und
allerlei Arbeit in Holz.« *) Die Spiele, womit Leute von
Stand und vornehmlich die Damen soviel Zeit ver-
schwenden, sind Locke ein ganz klarer Beweis dafür, daß
die Menschen nicht ganz müßig sein können und immer
etwas zu tun haben müssen, aber eben deshalb empfiehlt
er: »Man sollte die Zeiten der Erholung dergestalt zu
ordnen suchen, daß dadurch derjenige Teil erleichtert und
erfrischt würde, der vorher angestrengt und ermattet war,
und daß doch etwas dadurch hervorgebracht würde, das
außer dem gegenwärtigen Vergnügen und der Erleichte-
rung auch einen Nutzen hätte, dessen man sich hemach-
mals erfreuen könnte. c s) Bei allem Verständnis für den
Geschäftigkeitstrieb des Kindes verlangt er: »Man sollte
der Geschäftigkeit der Kinder allezeit eine Richtung auf
solcbe Gegenstände geben, die ihnen nützlich werden
können,«^) und deshalb schlägt er Handarbeiten vor,
welche nicht nur die Geschicklichkeit vermehren, sondern
auch der Gesundheit zuträglich sind, besonders solche in
freier Luft: »Bei diesen lassen sich die Vorteile für unsere
(Jesundheit und für die Ausbildung unserer Kräfte mit-
einander verbinden, und von solchen sollte man einige
schickliche auswählen, um sie zur Erholung derjenigen
zu machen, deren Hauptgeschäft der Bücherfleiß ist.«
Wie eine völlige Absage an das Spiel aber klingen die
Worte, die zugleich, jeder Poesie und jedes ästhetischen
^) Educ. § 206. — «) Edac. § 203. — ») Educ. § 207. —
*) Educ. § 202.
— 111 —
Gehaltes bar, das NützlichkeitspriDzip in der nacktesten
und grobsinnigsten Form zum Ausdruck bringen, seine
ganze Stellung den Spielen gegenüber auf das schönste
charakterisieren : »Man hat noch sehr selten gesehen, daß
einer Geld und Silberminen auf dem Parnaß entdeckt
hat Poeterei und Spiel, die gewöhnlich paarweise gehen,
gleichen sich auch darin, daß sie selten einigen Vorteil
bringen außer solchen Leuten, die so oft nichts haben,
wovon sie leben könnten. c^) Für die Macht des Schönen
and den Zauber der Poesie, der aus allen Worten Jean
Pauls spricht, hat der kalt erwägende Engländer weder
Sinn, noch Verständnis. Die Spiele sind gewissermaßen
nur eine inhaltsleere Ausfüllung der Zeit, die besser hätte
verwertet werden können, die durch sie nur auf eine
ungeschickte Weise verdorben wird.*) Grundverschieden
ist daher auch die Stellung, welche er dem Erzieher den
Spielen gegenüber anweist von der, welche Jean Patd
ihnen g^enüber einnimmt.
5. Ansichten Aber das Verhalten des Erziehers gegenflber
den Spielen.
Dem von diesem aufgestellten Zweck der Spiele wider«
spricht es, ja, muß es geradezu grausam erscheinen, wenn
der Erzieher auf eine einseitige Ausbildung der Kräfte, da
er danach auch eine dementsprechend einseitige Auswahl
der Spiele trefien müßte, das Hauptgewicht legen würde.
Ihm widerspricht es aber auch zweitens, da die Auswahl
und Aufeinanderfolge jener lediglich durch den Zufall
bedingt ist, wenn er auch nur mit leiser Hand allseitig
und allentwickelnd dieselbe herbeizulühren bestrebt wäre.^)
In warmempfundener und hochpoetischer Sprache warnt
Jean Paul daher vor dem rauhen Hineintappen in dieses
zarte Befruchtstäuben der Einderblumen, in dieses erste
zarte Knospen und Aufblühen der jugendlichen Seelen-
icräfte, warnt er vor dem Selbstbetrug, den äußeren Zufall
^) Educ. § 174. — ») Eduo. § 118. — ») Lev. § 47.
— 113 —
durch Mittel zu regeln, welche oft nur ein innerer, wenn
auch engbegrenzter, zusammengewürfelt hat Präziser
spricht er diese Forderung aus mit den Worten: »Bb
regele und ordne der Lehrer nach den Arbeiten nur
nicht auch wieder die Spiele! Überhaupt ist es besser,
gar keine Spielordnung zu kennen und zu machen, als
sie ängstlich zu halten. c i) Kein Spielkanon, freies Sich-
gewährenlassen der kindlichen Invidualität, freies Sich*
entfaltenlassen der kindlichen Seelenkräfte ohne fremdes
Eingreifen ist sein Losungswort, und so tritt auch hier,
wie Überali in seiner Levana, seine Ehrfurcht vor der
Heiligkeit der kindlichen Individualität dem Leser eni>
gegen, spricht sich seine individualistische Pädagogik,
sowie der Oedanke scharf aus, daß alle Erziehung nar
bestehen kann in dem Befreien des inneren Kristalls von
der umhüllenden Schlackenhülle, ofTenbart sich eine
Psychologie, die den angeborenen Kräften und Anlagen
eine große Bolle zuschreibt und jeden Zwang von sich
abweist Kann so der Erzieher nicht Gesetzgeber der
Spiele sein, so kann seine Aufgabe einzig und allein not
darin bestehen, die Spiele zu markieren und zu be-
obachten, ^j Denn nur bei diesem freien Siebgewähren-
lassen entfaltet sich vor seinen Augen die kindliche Natur
in ihrer wahren Gestalt, kann er ihre Interessen, Neigungen,
ihren Charakter, ihre ureigenste Individualität bis in ihre
tiefsten Tiefen verfolgen, um auf diese Beobachtungen
seine pädagogischen Maßnahmen zu gründen. — Es ist
nicht nur der Rousseausche Standpunkt^ den er hier ein«
nimmt, sondern er befindet sich zum Teil auch in völliger
Übereinstimmung mit Herbart^ der sich gleichfalls gegen
zu weitgehende Einschränkung und Hemmung der kind*
*) LeF. § 54.
') Lev. § 48. Vergleiche dazu: Sehwarx^ Erziehungslehre III,
1. Abt St 202: »Es macht Unlust, wenn die Eltern oder Lehrer
das machen wollen, was sie der Freiheit der Kinder fiberlaaaen
sollten; ja selbst die angenehmsten Spiele der Kinder yerlieren ihr
Angenehmes, wenn sich die Erwachsenen zu viel einmischen.«
— 113 —
liehen Spiele erklärt, die nnschuldigen Spiele der Jugend
nicht durch rauhes Eingreifen und voreilige Forderung
«ines gesetzten Betragens verleidet und das spielende
Treiben lange erhalten sehen will, indem man es nicht
verkünstelt. ^) Freilich ist diesem die jeweilig zu ge-
währende Freiheit immer nur eine bedingte. Nach ihm
ist eben nicht alle Selbsttätigkeit wünschenswert, »sondern
nur die rechte am rechten Platze.« ') Das Maß der zu
erlaubenden Freiheit ist daher immer abhängig von ge-
wissen mit seinem Erziehungsziele im Zusammenhang
stehenden Voraussetzungen, oder ist beschränkt durch
sich nötig machende Ergänzungen, welche in der Form
anderer pädagogischer Maßnahmen hinzutreten. Damit
ist aber seine Stellung den Spielen gegenüber durchaus
keine asketische, etwa im Sinne der pietistischen Päda-
gogik. Fem von aller pessimistischen Stimmung, teilt
er in diesem Punkte denselben Optimismus mit Jean Paul.
Im Einverständnis mit demselben fordert er, daß für gute
Laune, für heiteren Scherz die freie Äußerung unbedingt
gestattet werden müsse, daß die Knabenjahre dem Zöglinge
vergehen mögen unter beständigen Umtrieben augenblick-
licher Lust, wenn auch hier wieder mit der Einschränkung,
daß derselbe seiner Eörperkraft, seiner Gesundheit, seiner
Freiheit von Bedürfnissen und seiner inneren Haltung
gewiß sei.^) In Übereinstimmung hiermit hält er auch
die Gesellschaft des Lehrers beim Spiel nur unter schwer
zu erfüllenden Bedingungen für ersprießlich, bei deren
Nichtbeachtung sie mehr Schaden als Nutzen stiften würde:
»Die Gesellschaft des Lehrers kann zwar sehr nützlich
werden durch Erhaltung fortdauernder Tätigkeit, auch
beim Spielen und des beständigen Frohsinns ohne Un<-
gezwungenheit ! Aber hier muß der Lehrer sehr vor-
bereitet und sehr gewandt sein, um durch mannigfaltige
^) 2. Bericht aa Herrn yoq Steiger. — ') Umriß p&d. Vorl. § 71.
— *) ümriB p&d. Vorl. § 155. Über ästhetische Darstellung der
Welt 8t 211.
F8d. Mag. 320. Weller. 8
— 114 —
Unterhaltung alle Langweile zu verbannen. Dies würde
mehr Vorbereitung kosten als aller Unterricht, dabei den
Lehrer unendlich abspannen. Sonst schwächt der Umgang
des Lehrers unendlich. Viele Arten von Entwicklung^
Stärke, Kraft und Empfindung sind an sich nicht schäd-
lich, würden es aber werden, wenn es nicht schiene, al»
ob der Lehrer davon nichts wisse.« ^) So will auch er
bis zu einem gewissen Orade freie Entfaltung der In-
dividualität, und seine aufgestellten Bedingungen stehen
dem Verlangen Jean Pauls ^ welches jede Anteilnahme
des Lehrers aussehließt, nur um weniges nach. Führt
aber bei jenem die Phantasie eine fast uneingeschränkte
Herrschaft, so bedarf sie nach ihm der Leitung durch
methodisches Eingreifen. Sie ist ihm Reichtum; »ihn
wirft man nicht weg. So auch soll man der Phantasie
nicht herrisch den Flügel rupfen, nicht ihre Atmosphäre^
die natürliche, gesunde Heiterkeit durch unnützen Druck
und Zwang vergiften: aber die Phantasie bedarf der
Leitung, und die Begierden bedürfen eines Gegengewichtes.
Beides leistet ein geschärftes Aufmerken auf die Dinge,
wie sie sind, das heißt bei den Knaben zunächst: ein
geschärftes Schauen auf die Dinge, wie sie gesehen
werden.« *) Was jener durch freie Entwicklung zu er-
reichen hofi^t, erfordert hier methodisches Zurechtlegen^
anstrengende und ergänzende Arbeit, erheischt ein Ein-
greifen des Erziehers. Wie jener will auch er die Spiele
nicht gewaltsam und voreilig endigen, aber bei seinem
engeren Begriffe derselben sind die vorzugsweise durch
sie in Anspruch genommenen Oeistestätigkeiten dadurch
zu ergänzen, »daß der Erzieher zugleich die Denkkraft in
Tätigkeit setzt, ihr eine Lebhaftigkeit, Schnelle, Dauer
imd Mannigfaltigkeit der Vorstellungen verschafft, von
der er sich nachher ein entschiedenes Übergewicht ver-
sprechen kann.« ^) Weiter entfernt er sich jedoch von
*) 2. Bericht an Herrn von Steiger St 31—32. — ») Pestaloziie
Idee eines ABC der Anschauung St 88. — ^) 2. Bericht an Herrn
von Steiger.
— 116 —
dessen Ansichten, wenn er sieb, wenn anch nur unter
gewissen Bedingungen, Eingriffe in den Spielbetrieb selbttt
erlaubt »Selbstgewählte Beschäftigungen haben zwar,
wenn alle anderen Interessen sich gleich bleiben, immer
den Vorzug; allein selten weiß die Jugend sich hin-
reichend und anhaltend zu beschäftigen. Bestimmte Auf-
gaben, dies oder jenes zu tun, sichern daher die Ord-
nung besser als regellos spielen, welches in Langeweile
zu endigen pflegt Um dieser vorzubeugen, ist es daher
w&nschenswert, daß Erwachsene, welche Oeduld genug
besitzen, wenn nicht immer, doch häufig jugendlichen
Spielen nachhelfen, Bilder erklären, erzählen und sich
wieder erzählen lassen.«^) Ist Jean Paul zeitweiliges
Vorkommen von Langeweile im Interesse des späteren
Lebens, aus dem dieselbe nie völlig w^bleibt, sogar er-
wünscht, sucht ihr Herbart durch Eingreifen vorzubeugen.
Ähnlich hält er auch schon bei den ersten Spielen der
Blinder eine gewisse Hut seitens der Mütter für nötig,
um ihnen den Frieden und die Heiterkeit der Kindheit
lange zu bewahren, um allen Streit von ihnen fem zu
halten;*) und auch mit den »Gassen wunden« Jean Pauls
kann er sich nicht ohne weiteres einverstanden erklären.
Alle derartigen Treibereien erscheinen ihm mehr als ein
Ausfluß der nicht von selbst sittlichen Triebe des Men-
schen. Sein Zögling soll darum ein mehr gesittetes Ver-
halten annehmen, »denn wie könnte icli zum Beispiel die
Raufereien auf dem Kirchhof länger dulden, nachdem ich
einmal vor falschem Ehrgeiz, Zorn, Schadenfreude ge-
warnt, Liebe zu allen Menschen, edelmütiges Verzeihen,
Verachtung aller niedrigen Vergnügen gepredigt hatte?« *)
Infolge der Erbsünde, deren Einfluß für ihn eine fest-
stehende Tatsache ist, vermag er nicht, das ganze Tun
des Kindes mit dem nur Gutes erblickenden Auge Jean
Pat^b anzusehen. Sittliche Gegenwirkungen, intellektuelle
*) Umriß päd. Vorl. § 47. — ») Aphorismea 200. — ») 2. Be-
richt an Herrn ?oa Steiger.
8»
— 116 —
Ergänzungen sind vielfach notwendig, wenn er auch sonst
mit derselben Ehrfucht, mit demselben Ernste wie j^aer
an das Kind herantritt und fordert: »Niemand darf ein
Kind als sein Spielzeug behandeln.c ^ — Mit diesen letzteren
Maßnahmen bildet Herbart einen Übergang von dem Ver-
halten Jean Pauls den Spielen gegenüber zu dem Loches^
der durch dasselbe zur Inkonsequenz, ja sogar zum Wider-
spruch getrieben wird. Wie sich in seiner ganzen Päda-
gogik vielfach zwei Anschauungsweisen, die des Natur-
verehrers und ütilitaristen kreuzen, so liegen dieselben
auch hier miteinander im Kampfe und ringen um die
Vorherrschaft. Jene stellt sich zum Teil ganz auf den
Boden von Jea?i Paul und Herbart und verlangt mög-
lichste Freiheit und Uneingeschränktheit der kindlichen
Spiele, oder doch eine möglichst milde und rücksichts-
volle Beurteilung derselben: »Man muß ihnen -die kleinen
Possierlichkeiten und Kindereien ihres Alters zugute
halten und sie nicht zu bemerken scheinen.« ') »Man
muß ihnen nicht wehren, Kinder zu sein, oder zu spielen
und zu handeln nach kindischer Weise; aber man muB
ihnen wehren, unrecht zu handeln: jede andere Freiheit
muß ihnen verstattet sein.«^) Mancher falschen Behand-
lungsweise, mancher verkehrten Belohnung und Strafe wür-
den die Kinder enthoben sein bei Beherzigung der Mah-
nung; denn ihre Entwicklung führt sie von selbst ohne
jedes Zutun seitens der Erziehung über diesen Standpunkt
hinaus.^) Freilich die Umgebung, die gesellschaftliche
^) Umriß päd. Vorl. § 199. — ») Ednc. § 80. — ») Edac § 69.
*) »Wenn man nur die wahre Behandlungsart der Kinder an-
wenden wollte, so wird man nicht nötig haben, von den gewöhnlicben
Belohnungen und Strafen — wie sie eben seine Zeit in völliger Nicht-
beachtung der gerechten Forderungen der kindlichen Natur anwandte
— soviel Gebrauch zu machen, wie man sich falschlich einbildet und
wie fast allgemein eingeführt ist; denn alle ihre unschuldigeo
Possierlichkeiten, Spielereien und kindischen Handlungen müMen
ihnen durchaus frei und aneingeschränkt gelassen werden, soviel, als
mit der schuldigen Achtung gegen die gegenwärtig Erwachsenen be-
stehen kann and zwar im vollsten Maße. Wenn, wie geschehen sollte,
— 117 —
Konvenienz, das ßchicklicbe und wohlaDständige Betragen
spielen auch hier schon herein. Der Wille des Vaters,
<ler Mutter schwebt über den kindlichen Spielen und steckt,
vrenn auch nicht ihrem Wesen, so doch ihrem Betriebe
fi;ewi8se Schranken und Grenzen: »Wenn etwa das Ge-
räusch und der Lärm ihrer Spiele sich mit der Zeit, oder
mit dem Orte, oder der Gesellschaft, in der sie sind, nicht
verträgt, so wird ein Blick, oder ein Wort vom Vater
oder der Mutter, wofern sich diese das nötige Ansehen
zu verschaffen gewußt haben, hinreichen, sie entweder zu
entfernen, oder für diesmal zur Ruhe zu verweisen.« ^)
Schroffer in das Wesen der kindlichen Spiele greift aber
der ütilitarist Locke ein, der dann seinem Naturprinzipe
selbst untreu wird und sich mit seiner Auffassung in
völligen Gegensatz zu der Ansicht des Naturverehrers
stellt. Im Interesse des Lernens, wie überhaupt nützlicher
Beschäftigungen, um etwa vorhandene Trägheit zu über-
winden und um das schon verleidete Buch wieder an-
genehm zu machen, schreitet derselbe zu einer zwangs-
weisen Verwertung des Spieles, erniedrigt es zum Ge-
schäft, benutzt es als Kunstgriff und methodisches Hilfs-
mittel und wendet den härtesten Zwang beim indirekten
Verfahren, einem pädagogisch stets bedenklich erscheinen-
den Mittel, an. Bis zur Übersättigung, ja selbst his zum
Ekel am Lieblingsspiele soll das Kind getrieben werden;
Charakter und Wesen des Spieles, die Natur des Kindes
müssen sich die drückendste Tyrannei gefallen lassen.
Durch solche Vergewaltigung des Spiels hofft Locke^ dem
Kinde Lust und Liebe zum Lernen, zum Lesen und
Schreiben einzuflößen.') Gegen alle Neigungen der kind-
dieselben bloß der Zeit, ihrem Nacbahmongstriebe und den reiferen
Jahren zu heilen überlassen würden, so w&ren die Kinder vieler ver-
kehrter und unnützer Strafe überhoben.«
0 Educ. § 63.
*) »Ihr müßt veranstalten, daß das, was sie tun sollen, eine Er-
holung für sie werde und* nicht ein Geschfift.« Vergl. data die rich-
tige Bemerkung Campes: »Nicht gerade eine Erholongi tondeni auch
— 118 —
licheD Natur strebt er eine formliche Organisation dieeoB
Verfahrens an, will es zor Sitte, znr Regel im Haus esr-
hoben haben: »Und wenn unter einer kleinen Gesell-
schaft von Kindern erst das älteste so angeleitet und dies
zur Sitte des Hauses gemacht würde, so müßte es ebenso
unmöglich werden, sie von dem einen abzuhalten, als es
gemeiniglich wird, sie vor dem andern zu verwahren.«
ein Geschäft, aber ein interessantes, ein angenehmes (JeschAft.
Eigentliche Erholung yerlangen Sander höchst selten. Sie wollen
vielmehr unaufhörlich beschäftigt sein, aber auf ihre eigene» nicht
auf unsere Weise. Die Kunst ist, sie auf ihre Weise zweckm&Sig
und nützlich zu beschäftigen.« Bensionswerk Bd. IX, § 129. »Das
Mittel, dies zu tun, ohne daß sie gewahr werden, daß ihr die Hand
im Spiele habt, ist folgendes: Macht, daß sie dessen» was sie enrar
Absicht nach vermeiden sollen, überdrüssig werden dadurch, daß ihr
es ihnen auferlegt und unter dem einen oder andern Vorwand sie es
solange tun laßt, bis es ihnen zuwider geworden. Z. E. euer Sohn
spielt mit dem Kreisel und verfolgt dieses Spiel zu eifrig, heißt ihn
täglich einige Stunden damit spielen und seht darauf, daß er es
wirklich tue; so werdet ihr sehen, er wird es bald müde werden and
sehr geneigt sein, davon abzulassen. Wenn ihr auf diese Weise die
Erholung, welche ihr mißbilligt, ihm zum Geschäft macht, so wird er
von selbst zu denjenigen Dingen greifen, die ihr von ihm getan
wissen wollt, vornehmlich, wenn sie ihm als Belohnungen gestellt wer-
den dafür» daß er ein ihm aufgegebenes Spiel eine bestimmte Zeitlang
wirklich getrieben hat« Vergl. Campe: >ünd vorausgesetzt, daß man
ihm diese bloßen Geschäfte wirklich angenehm zu machen weiß; denn
laßt das Kind sich noch so sehr mit Biskuits überladen; es wird
des Biskuits freilich dadurch überdrüssig werden, aber den Bbabarber
deshalb um nichts lieber haben als vorher.« »Denn wenn ihr ihm aUe
Tage befehlt, seinen Kreisel zu peitschen, solange bis er dessen hin-
reichend satt geworden, meint ihr nicht, daß er von selbst eifrig naeh
seinem Buche greifen und daß er darnach verlangen werde, wenn ihr
es ihm als Belohnung versprecht dafür, daß er seinen Kreisel wieder
in der ganzen dazu ausgesetzten Zeit weidlich gepeitscht hat?« VergU
Campe und Eesewitx: »Das wohl nicht, aber er wird eifrig nach
einem andern Spiel greifen; es müßte denn sein, daß ihr ihm das
Buch ebenso angenehm als ein anderes Spiel zu machen wüßtet.«
»Kinder, die man so bebandelte und vor den schlimmen Beispielen
anderer verwahrte, würden» glaube ich, mit ebensoviel Ernst und LaMt
lesen und schreiben und, was man sonst will, lernen, als andere mit
ihren gewöhnlichen Spielen beschäftigt sind.« Educ. § 129.
— 119 ~
Wie hier das Spiel sich ganz nach den Absichten de»
Erziehers zu regeln hat, wie es auf Kommando betrieben
wird und seinen Charakter geradezu in sein G^enteil
verkehrt, wie dem Erzieher jedes Eingreifen gestattet ist,
so nicht minder, wenn es sich darum handelt, die Kinder
überhaupt dahin zu bringen, daß sie ihre Erholungszeiten
nur durch nützliche Beschäftigung ausfüllen.^) Als ein
notwendiges Übel besteht nur für die niederste Stufe
der Ausbildung Freiheit im Spiel; im Interesse nützlicher
Beschäftigungen aber sind dieselben bei fortgeschrittenem
^Standpunkte gewaltsam und zwangsweise einzuschränken.
Um seinem Utilitarismus zu frönen, kämpft Locke mit Ge-
walt gegen eine in der Natur des Kindes tiefbegründete
Erscheinung an, will sie gleichsam durch sich selbst ver-
nichten, durch -»Übersättigung, durch Ekel. Der gleiche
Gewaltakt vollzieht sich an der kindlichen Natur, die er
^) >Man moß dafür sorgen, daß sie das^ was ihnen vorteilhaft
ist, allemal mit Vergnögen tun, nnd ehe sie noch des einen mdde
werden, maB man schon ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes nüts-
liches Geschäft zu leiten suchen. Wenn sie aber noch nicht auf der
Stufe der Ausbildung stehen, daß ihnen eine ntttzliche Besebftftigiiiig
zur Erholung werden kann, so maß man sie den Spielereien und
ihren kindischen Phantasien fiberlassen. Man soUte sie dadurch vo»
denselben entwöhnen, daß man sie bis zum Ekel ihnen nachhäogen
ließ; aber Ton nützlichen Beschäftigungen, die man ihnen anweist«
eoUte man allemal sie abbrechen heißen, solange ihre Neigung dasa
noch fortdauert, wenigstens sollte man sie ja unterlassen, bevor sie
ihrer müde und gänzlich überdrüssig werden, damit sie ein anderes
Mal daran gehen, als ginge eb zu einer ihrer Vergnügungen ; denn ihr
müßt ja nicht eher glauben, sie auf den rechten Weg gebracht su
haben, bis sie in der Obung dessen, was gut und lobenswert ist,
Vergnügen finden, und bis die Abwechslung nützlicher Übungen fttr
<len Körper und für die Seele ihnen das Leben angenehm und su
einer Kette von Erholungen machen, wo der ermüdete Teil immer
abgelöst und durch einen andern ersetzt wird, und wenn man so
glücklich gewesen ist, soviel wahres Leben in sie zu bringen, so mag
man frei mit ihnen reden über das, was sie am meisten ergötzt ond
sie darauf leiten, oder sie ihrem Hange darnach fiberlassen.« Edue.
«108.
— 120 —
doch anderseits geschoDt wissen will, bei seiner zwanget-
weisen Verwertung des Spiels zum Überwinden der Träg-
heit. Anstatt die durch das Spiel entdeckten Neigongea
des Zöglings, sowie jenes selber als Anknüpfungspunkt
für den Unterricht zu benützen, greift er zu demselben
unpsychologischen und pädagogisch verfehlten Mittel, da»
Spiel zu tyrannisieren. Es ist eine gewöhnliche Er-
scheinung, daß viele Kinder ihr Spiel dem Buche vor-
ziehen. Hat nun hier der Erzieher durch den Eifer, wo-
mit ein solcher Zögling sein Spiel betreibt, die Über*
Zeugung gewonnen, daß jene Trägheit, wie sie Loche be-
zeichnet, kein Fehler der Gemütsart ist,^) muß er ver-
suchen, ihn davon zu heilen. Sobald aber alle Heilungs-
wie Aufklärungsversuche, alle Belehrungen über seine
Torheit und Zeitverschwendung, alle Vorstellungen dar-
über, daß ein solcher Mann wie der Erzieher auf diese
Weise nur seine Zeit mit ihm verderbe, nichts fruchten,
bleibt für Locke als Radikalmittel nur das eine: »Setzt
ihn wirklich hin an sein geliebtes Spiel und haltet ihn
ernstlich dazu an, daß er es spiele vom Morgen bis an
den Abend, bis er sich völlig damit überladen hat und
wünscht, um jeden Preis es nur auf einige Stunden gegen
sein Buch zu vertauschen. Aber wenn ihr wollt, daß er
auf diese Weise mit seinem Spiel beschäftigt sei, so müßt
ihrj selbst darauf sehen, oder wenigstens jemand bestellen,
der darauf sehe, daß er wirklich unablässig damit be-
schäftigt sei, und es muß ihm nicht erlaubt sein, auch
bei diesem Spiel müßig zu sitzen.« ^) Ist hier die Ab-
neigung des Schülers gegen sein Buch eine ursprüngliche,
80 kann ihm dasselbe aber auch durch Mißverstand und
*) Vergl. dazQ Campe und Öedike: »Trägheit bei Kindern rührt
entweder von körperlicher Schwäche, oder von Verwöhnung her. Im
ersten Falle muB man sie körperlich zu stärken suchen; in beiden
Fällen aber muß man ihnen viel Anlaß und Gelegenheit geben, sich
anf eine ihnen angenehme Weise zu beschäftigen, besonders, durch
lebhafte Spiele und Handarbeit in freier Luft.«
*) Educ § 124.
— 121 —
ungescbicktee Verfahren erst zuwider gemacht worden
9ein. Ist dies der Fall, so ist die Eur — und damit er-
fihrt das zwangsweise Eingreifen in das Wesen des Spiels
die letzte und höchste Steigerung — an einem anderen
Ende anzufangen: »Die Bemühungen, es ihm in ein Spiel
zu verwandeln, würden alsdann zu spät kommen. Ihr
müßt also einen ganz andern Weg einschlagen. Bemerkt
nämlich, welches Spiel er am meisten liebt, haltet ihn zu
diesem Spiel an und laßt ihn den Tag über soviel spielen
— nicht als wenn ihr es ihm zur Strafe auflegtet —
sondern als wenn das ein Geschäft wäre, das ihr ihm
auftrügt. Ich müßte mich sehr irren, oder dies wird ihm
in wenig Tagen sein liebstes Spiel so zuwider machen,
daß er lieber nach seinem Buche, oder nach jedem anderen
Dinge greift, und vornehmlich, wenn er sich dadurch zum
Teil von dem Spiele losmachen kann, das man ihm zum
Geschäft gemacht hat und er einen Teil der dazu be-
stimmt gewesenen Zeit auf sein Buch oder eine ander-
weitig wirklich nützliche Übung verwenden kann. Wenig-
stens halte ich dies für eine bessere Heilungsart, als daß
man von dem Verbot, welches gewöhnlich nur die Begierde
reizt, oder irgend einem andern Strafmittel Gebrauch mache,
um dem Übel abzuhelfen; denn wenn ihr einmal seinen
Appetit überfüllt habt, welches ihr in allen Dingen außer
dem Essen und Trinken tun könnt, und ihn mit dem Genuß
einer Sache, die er meiden soll, überladen^ so habt ihr
eine Abneigung dagegen in die Grundtriebe seiner Seele
gepflanzt, und ihr dürft nachher nicht sehr fürchten, daß
er nach derselben Sache noch einmal lüstern werde.€ ^)
>) Educ. § 128, Vergl. dazu Campe^ Resewitx^ Oedike: »Ich
boffe, daß der Verfaaser hier ganz juDge Kinder im Auge hat, denen
man, wenn sie nnn einmal dem Willen der Natnr zuwider auch schon
schulmäßig unterrichtet werden sollen, das ihnen unnatürliche Lernen
nicht leicht zu sehr versüßen kann. Für ältere Knaben hingegen
und Jünglinge soll das Lernen allerdings zum Geschäft und nicht
SU einem widrigen, sondern zu einem angenehmen Geschäft gemacht
weiden. — Diese Kur hilft immer nur für deo Aogenbliok und er-
— 122 —
Klarer als durch seine eignen Worte kann aber kaum der
Widerspruch Loches zum Ausdruck kommen: die nadi
seiner Ansicht in der Natur des Kindes tief begründeten
und als Naturnotwendigkeiten von ihm bezeichneten Spiele
will er, wenn es gilt, ausrotten durch Abneigung gegen
diesen Naturtrieb, welche er in andere Orundtriebe der-
selben Seele einpflanzt unbekümmert um diesen, die
kindliche Natur negierenden und auf falschen psycho-
logischen Voraussetzungen fußenden Widerspruch, hat
zu seinem Verfahren unbedingtes Vertrauen: »Man
ein Kind alle Tage zu einer bestimmten Zeit seinen Ejreiael
treiben, es mag dazu aufgelegt sein oder nicht, man
fordere von ihm als eine Pflicht, daß es täglich soviel
Vormittagsstunden und soviel Nachmittagsstunden dabei
zubringe und gebe acht, ob nicht das Kind auf diese
Weise bald eines jeden Spiels müde werden wird.« Diese
Beschäftigung trägt aber nur noch den Namen des Spiels,
ist ihrem Wesen nach nichts weniger als ein solches.
Es ist methodisch geordnete Arbeit, welche auch das Kind
als solche empfindet Loches ganze Stellung den Spielen
gegenüber steht wohl im Einklang mit seiner Wert-
schätzung derselben, bleibt aber ein unlösbarer Wider-
spruch zu seiner Auflassung vom Wesen derselben, welche
sowohl bei Jean Faul^ als auch bei Herbart dem Er-
zieher sein Verhalten vorzeichnet
6. Ansichten Ober Wesen, Art und Beschaffenheit
der Spielsachen.
Diese ihre Ansichten über das Wesen der Spiele, so-
wie ihre Wertschätzung derselben erklären zum guten Teil
zengt keine Neigung für das Lernen. Besser ist es, den Unterrteht
recht interessant za machen teils durch die Gegenstände, teils doich
die Art und Weise, durch die Methode. Überhaupt bin ich nicht
fär künstliche Spielereien, die natürlichen, die in den Dingen selbst
liegen, sind ohnstreitig die besten. Es gehört nur immer ein gotes
Auge dazu, um sie zu finden, und eine geschickte Hand, am
hervorzuziehen und wirksam zu machen.«
— 123 —
aber aach die Anforderungen, welche die drei Pädagogen
an das^Wesen, die Art und Beschaffenheit der zu ver-
wendenden Spielsachen stellen. — Bei der ungemein
hohen Wichtigkeit, welche Jean Paul der Phantasie zu-
schreibt, sind ihm die Spielsachen an und für sich voll-
ständig gleichgültig. Das eigentlich belebende Element
der Spiele bildet die kindliche Phantasie.^) Obgleich
äußerlich mit Spielsachen beschäftigt, ist das ganze erste
Spiel durchweg ein solches des kindlichen Oeistes mit
sich selber. Er bildet das Zentrum, von dem alles Leben
ausgeht, und von dem aus das Kind seine phantasievolle
Welt sich aufbaut. Sind selbst bei Erwachsenen^ sofern
bloßes Einbildglück entscheidet, die Sachen an und fOr
sich gleichgültig, so noch mehr bei Kindern, vor deren
wundertätigen Phantasie jeder Aaronsstecken Blüten treibt,
die jeden Busch als Wald erscheinen läßt und den kind-
lichen BUmmel hervorzaubert, in welchem die Wanzen
wohlriechend sind und Luther ein Lamm bildet Sie
überträgt die Wirklichkeit auf das Jenseits und baut den
kindlichen Himmel auf, in welchem der Vater Oott der
Vater und die Mutter die Mutter Gottes ist.') Mächtiger
noch als im Jünglings- wirkt die Phantasie im Eindes-
alter, welches Jean Paul daher in Parallele setzt zu der
Kindheit eines jeden Volkes, das sich in diesem Zustande
seine Oötter schafft und nur durch Dichtkunst redet Die
Phantasie hat nun aber zur Folge, daß sich das
frohe Wesen des Kindes belebend nur mit Leben um-
ringt Da bei ihm nicht wie beim Tiere der Körper,
sondern die Seele spielt, so sind ihm Tod und Totes un-
verständliche Begrifie; daher sind die Spielsachen für das-
selbe keine toten, sondern lebendige Wesen, und ist ihm
eine Puppe ebensosehr ein Mensch als einem Weibe eine
erwachsene. Mit anderen Worten drückt Jean Paul
diesen Gedanken aus. »Den Kindern eigentümlich ist
^) Vergl. daza Erdmann: Psychologische Briefe, 4 Auflage»
Leipzig 1868. St 236—237. — *) Levana § 49.
— 124 —
die Belebung alles Unbelebten,« oder: »Für Kinder sind
Pappen fast so groß und schön wie Kinder für tin8.c^>
Yen dieser belebenden Tätigkeit seiner ^ Phantasie legen
besonders auch die bildlichen Ausdrücke des Kindes be-
redtes Zeugnis ab. Alle seine ureigensten Empfindungen
and Oefühle verlegt es in die außersubjektiven Oegen*
stände seiner Umgebung und läßt sie dasselbe denken^
tun und fühlen wie sich selbst Daher ist ihm jedes
Wort heiliger Ernst, und daher auch die ernste Auffassung
der kindlichen Spiele bei Jean Paul. Da nun aber die
Phantasie das eigentlich belebende Element der kindlichen
Spiele bildet, drängt sich von selbst die Frage auf: »Wie
müssen die Spielsachen beschaffen sein, um ihr freien
Spielraum zu gewähren?« An reicher Wirklichkeit —
eines seiner goldenen Worte — verwelkt und verarmt
die Phantasie. Darum seien die Spielsachen einfach, der
Flachsrocken, das bloße Material, welches die kindliche
Phantasie zu bunten Oewändern verweben kann. Beicht
ihnen die Eier nicht bunt und mit Gestalten übermalt,
sondern weiß, so werden sie sich aus dem Inneren die
bunten Gefieder schon von selbst ausbrüten! Das Kind
gewinnt die Spielsachen, welche seiner Phantasie und
seinem Tätigkeitstriebe reichlich Nahrung bieten, lieber
als künstlerisch vollendete, bei denen ihm nichts zu tun
übrig bleibt. Es zieht den angeputzten Stiefelknecht des
Vaters und eine bis aufs Holz heruntergekommene Puppe
vielfach dem Urbild Bertuchscher Abbilder vor und hängt
einer unscheinbaren Adamsrippe leichter Menschenglieder
und Putzgewänder um, als beides einer Puppe, die nichts
zu bessern übrig läßt und bloß der Eitelkeit des Kindes,
wie der Eltern frönt. Lakonisch verzeichnet Jean Paul
daher auch im Tagebuch über seine Kinder: »Nach der
schönsten Puppe Stiefelknecht als Puppe.« ^) Doch auch
0 Palingenesien Tl. 42, St 103.
^) MitteiluDgen aus des Dichters uojifedracktem Nachlasse. Deotsch»
Blfttter flQr erziehenden Unterricht 1882, No. 1 und 2.
— 125 —
in der Menge der dargebotenen Spielsachen ist Sparsamkeit
am Platze. Bei den Kindern spielt ein Spielzeug oft alle
Rollen, so wie sie es gerade begehren. Darum umringt
eure Kinder nicht wie Fürstenkinder mit einer Kleinwelt
des Drechslers, deren Phantasie dadurch schon im Keime
erstickt wird, und denen auf diese Weise der edelste Ge-
nuß und der höchste Gewinn am Spiele geraubt werden!
So fordert Jean Paul Einfachheit der einzelnen Spiel-
sachen, Zweckmäßigkeit derselben in Bezug auf die Selbst-
tätigkeit und Mäßigkeit hinsichtlich der dargebotenen
Menge derselben, um die Kinder selbst zu Einfachheit,
Mäßigkeit und Selbsttätigkeit zu erziehen und sie zu be-
wahren vor einem anspruchsvollen, eitlen, zerfahrenen and
flatterhaften Wesen. Was Jean Paul gibt, sind trefflidie
und beherzigenswerte praktische Anweisungen, die der
scharf beobachtende Psycholog so ganz aus der Erfahrung
genommen hat Die Auswahl der Spielsachen hat sidi
der geistigen Individualität des Kindes anzupassen. Die-
selben müssen so beschaffen sein, daß sie deren Eigen-
art gerecht werden und dieselbe fördern, das ist das Grund-
motiv, welches ihn leitet auch bei seinen Anweisungen
über einzelne der Spielsachen. ^) Dieselbe Phantasie,
welche den Blättern die Farbe aufträgt, zieht sie ihnen
auch aus; dieselbe Putzjungfer kleidet an, aber auch aus,
und so gibt es für Eünder kein ewiges Spiel und Spiel-
zeug. Ästhetische Gesichtspunkte aber fordern, ein ent-
kleidetes Spielzeug nicht lange dem sinnlichen Auge des
Kindes darzubieten, sondern es einzusperren; dton nor
zu leicht stellt sich sonst demselben gegenüber eine ge-
wisse gleichgültige Geringschätzung und Teilnahmlosigkeit
ein, welche auch dem poetischen Beseelen die Flügel be-
schneidet. Nach längerer Zeit wird das abgeschiedene
Stück von selbst wieder gewürdigt werden. Dabei ist
nicht jedes Spielzeug für die Kinder an seinem Platze.
Die rechten Bilderbücher für dieselben bestehen nicht in
') Levana § 50.
— 126 —
dner Folge uDbekannter Tiere uDd PflaDzeo, denen nur
ein gelehrtes Auge die Unterschiede abzugewinnen ver-
mag, soudern in historischen Stücken, welche Handlungen
▼on Tieren oder Menschen aus dem Einderkreise vor-
f&hren. Später mag sich die Lebensgalerie zu gescbicht-
Uchen Gruppen erheben, zu einem Joseph unter seinen ihn
▼erkaufenden, oder ihn wiedererkennenden Brödem, zu
Hektors Abschied von Weib und Kind und ähnlichen.
Die kindliche Psychologie und Ästhetik machen andere
Gesichtspunkte geltend als bei Erwachsenen. Ihnen geht
noch ab das Vermögen der scharfen Unterscheidung der
feineren Farbentöne, wohl aber haben sie Sinn für den
historischen Zusammenhang. Das Nacheinander fallt dem
kindlichen Fassungsvermögen leichter als das kausallose
Nebeneinander, dem es nicht die genügenden apper-
zipierenden Vorstellungen entgegenbringt. Handlungen üben
einen weit höheren Reiz auf das kindliche Oemüt und
die kindliche Phantasie aus, entsprechen seinem starken
Individualisierungstriebe mehr als einzelne Sachen, mit
denen es nicht viel anzugeben weiß. Farben sind über-
haupt nur für ein- und zweijährige Kinder am Platze,
welche noch dieses Stachels bedürfen; für größere Kinder
sind nur Zeichnungen, nicht Oemälde vonnöten. Farben
gleichen den Reichtümern des Spielzeugs, beeinträchtigen
durch ihre Wirklichkeit die Schöpfungskraft und engen
die Phantasie ein. Jedes Spielzeug muß vielmehr —
und diese Grundforderung klingt aus allen Anweisungen
Jean Pauls hervor — der kindlichen Phantasie und
Selbsttätigkeit freien Spielraum lassen. Dieser Forderung
widerspricht es aber, wenn ein Spielzeug, wie etwa ein
Bergwerk, schon durch Anschauen vollendet dem Kinde
dargeboten wird; dasselbe tauge vielmehr nur zu einem
Arbeitszeug, das wie der Baukasten ein ewiges Um-
gestalten, eine reiche Veränderung und Abwechslung zu-
läßt; denn nur so können die geistigen Anlagen die
reichste Betätigung finden. Der kindlichen Eigentümlich-
keit zuliebe ist dabei auch E^leinheit der Bilder immer
— 127 —
besser als Größe; denn Kinder messen mit ihrer kurzen
Eile und messen überall so leicht Riesen heraus. Sollen
sie daher die Welt in ihrer wahren Gestalt erkennen^
muß ihnen dieselbe im verjüngten Maßstabe vorgeführt
werden. Die besten Spielzeuge für die ersten Jahre,
welche allen Anforderungen genügen und außerdem den
Vorzug des Wohlfeilen, Nachhaltenden und Angemessenen
an die Geschlechter besitzen, sind für Knaben Sand, für
Mädchen Wasser.^) Wie bei unkultivierten Naturvölkern
überwiegt auch beim Kinde ursprünglich der Stoff über
die Form, zu welcher es sich erst emporringen muß;
und so hat sich auch das erste Spielzeug dem Stoffbedürf-
nis anzupassen. Sand und Wasser aber bieten einen
Stoff, der die vielgestaltigste Verwendung und Hand-
habung zuläßt und damit auch dem kindlichen freien
Ideenspiel und Gedankenwechsel nicht nur entgegenkommt,
sondern beides auch zu beleben vermag.^) Eben darum
ist es Unsinn, den Kindern immer nur die kompliziertesten
und teuersten Spielsachen zu kaufen!
Ähnlich wie Jean Paul^ ohne jedoch liebevoll wie
dieser auf einzelne Anweisungen einzugehen und auch
dem Kleinsten und Unscheinbarsten nachzuhängen, fordert
Herbart Mäßigkeit und Sparsamkeit, Einfachheit und An-
spruchslosigkeit bei den Spielsachen.^) Dieselben sollen
0 Vergl. SehwarXy Erziehongslehre 11, St. 503: »Alle diejenigen
Spielsachen, welche das Kind schonen and erhalten soll, taugen zu
nichts, als daß sie das Kind, zn Beflexionen nötigen, es verdrießlich
machen, ihm Verweise zuziehen, oder daß sie ihm wohl gar Liebe
zum Besitz einflößen. Sie sind lästiger Quark, weg damit! Gebt den
Kindern dafür Freiheit in einer geräumigen Stube oder draußen und
laßt sie Hölzchen, Steinchen und dergleichen zusammentragen, allerlei
Sachen und den Knaben und Mädchen das finden, was jedem zu
seinem Oebrauch gefällt.«
') Vergleiche hierzu Schiller, 27. Brief aber ästhetische Er-
ziehung, mit dem Jean Paul in gewisser Hinsicht übereinstimmt.
^) »Das Verwöhnen durch häufige, unnötige Genösse stumpft die
Empfindlichkeit ab und erschöpft eine Menge kleiner Hilfsmittel der
Zucht, von denen bei nicht verwöhnten Kindern Gebrauch gemacht
werden kann; denn es bedarf nur wenig Kunst, auf mannigfaltige
— 128 —
auch bei ihm der Betätigung der freien Phantasie keinen
Abbruch tun, und deshalb fordert er hauptsächlich be-
wegliche Spielwaren, da gerade diese, und selbst die un-
bedeutendsten, einen überaus reichen Wechsel von Vor-
stellungen und Verknüpfungen derselben veranlassen und
damit der Selbsttätigkeit des Kindes die beste Nahrung
bieten. ^)
Einen Schritt weiter noch als Jean Paul und Herbart
geht in diesem Punkte Locke. Auch ihm sind die Spiel-
sachen an und für sich völlig gleichgültig: »Kinder finden
in Dingen, die sie tun, solange sie ihrem Alter an-
gemessen sind, wenig Unterschied, wenn sie nur irgend
etwas tun. Kinder wünschen nichts weiter, als beschäftigt
zu sein und zwar in Dingen, die sie selbst zu wählen
glauben, und deren Gestattung sie als eine Gunstbezeigung
von den Eltern und Erziehern aufnehmen.« Doch mific
er denselben, sowie hierbei zu beobachtenden Kleinig-
keiten die größte Wichtigkeit bei um der Folgen willen,
die sie für die Zukunft haben, des Einflusses wegen, den
sie auf die Kindesseele ausüben. Wie Jean latU räumt
auch er den Spielsachen einen Einfluß auf die Zukunft
des Zöglings ein, nur sind die Gründe hierfür nicht wie
bei jenem psychologisch- ethischer Natur, sondern von
ökonomischer, praktischer, haushälterischer Art Seine
Forderungen sind bedingt durch die Rücksichtnahme auf
die nützlichen Eigenschaften, welche für den späteren
Mann bei ihrer Beachtung daraus entstehen können. Trotz
dieser verschiedenen Begründung gelangt er aber zu den-
selben praktischen Winken und Vorschlägen wie jener;
denn auch sie sind, hier wie dort, ganz aus der Erfahrung
geschöpft : Kinder lieben Abwechslung, schon deshalb sind
Art za erfrenen, wenn große Mäßigkeit die tägliche Gewohnheit ist;
aber man maß auch eine Art von Spareamkeit beobachten, am mit
wenig viel auszarichten, denn je mehr freieres Phantasieren, desto
größerer Gewinn, desto weniger Beden klicbkeit.« Umriß pftd. VoiL
§ 156.
^) Umriß p&d. Vorl. § 22.
L
— 129 —
verschiedenerlei Spielsachen für sie notwendig; allein sie
dürfen über dieselben nicht frei schalten und walten
können. Eltern und Erzieher müssen sie in Verwahrung
4iaben, und dem Kinde darf nie mehr als ein Stück auf
einmal verabreicht werden, ja nicht einmal ein neues
darf ihm gestattet werden, solange das alte nicht zurück-
gegeben ist Auf diese Weise wird von früher Jugend
an Sorge getragen, daß die Kinder sorgsam und achtsam
werden, wird verhindert, daß sie zu Verlierern, Verderbern
und Verschwendern gemacht werden; denn jeder über-
flüssige Vorrat, noch dazu in eigner Verwahrung, macht
dieselben mutwillig und sorglos, wird ihnen eine frühe
Anleitung zur Verschwendung, lehrt ihnen nicht die
geringste Schonung ihrer Sachen. Obgleich aber ver--
schiedenerlei Spielsachen notwendig sind, dürfen doch den
Kindern keine e:ekauft werden. Dadurch wird einer zo
großen Mannigfaltigkeit, mit welcher sie nicht selten über-
laden werden, am besten vorgebeugt und wird gleich-
zeitig verhindert, mach Überfluß und immer neuer Ab-
wechslung zu verlangen, unruhig und mißmutig zu sein,
immer die Hand nach Mehreren auszustrecken, ohne
eigentlich zu wissen was und niemals mit dem zufrieden
2U sein, was sie besitzen.«^) Selbstgenügsamkeit, Zu-
friedenheit, Bewahrung vor Flattersinn und Begehrlich-
keit müssen schon durch die ersten Spiele angebahnt
werden. Von diesem Gesichtspunkte aus wendet sich
Locke gegen die Unsitte höherer Stände, Kinder mit kost-
barem Spielzeug zu beschenken, um dadurch den Eltern
den Hof zu machen ; denn dadurch erhalten jene nur eine
Anleitung zu Stolz, Eitelkeit und Habsucht, noch ehe sie
sprechen können, niemals die weit nützlichere zur Mäßigung
ihrer Begierden. Es wird nur der Grund gelegt zu einem
unzufriedenen und unglücklichen Mann für das spätere
Leben. »Spart darum euer (}eld in Spielsachen and
') Edac § 130.
Pid. Mag. 820. WelJer. 9
- 180 —
TäDdeleien, in Seide und Bändern, soviel ihr immer wollt
und könnt, ^j dringt aber darauf, daß eure Kinder sich
ihre Spielwaren selbst anfertigen, um das Vergnügen und
den großen Nutzen des Selbstfindens kennen zu lernen T
Solange ihre Selbsttätigkeit ihnen noch keine Hilfe
leisten kann, bedürfen Kinder keiner künstlichen Spiel-
sachen. Ein glatter Stein, ein Stückchen Papier, ein Band
Schlüssel, oder jedes andere Ding, womit sie sich keinen
Schaden tun können, macht den kleinen Kindern ebenso-
viel Vergnügen, als jene kostbaren und künstlerischen
Spielzeuge aus den Krämerbuden, die noch dazu so ge-
schwind verderben und entzwei gemacht sind.€ Die
Kinder empfinden auch gar nicht einen solchen Mangel,
wenn nicht Verwöhnung und eine falsche Geschäftigkeit der
Erwachsenen sie erst dazu gebracht haben. Anweisangen
und Nachhilfe bei ihren eigenen Versuchen können und
müssen ihnen zwar gegeben und gereicht werden, aber
durchaus nicht etwa, solange sie selber müßig dabei
sitzen und alles von den Händen anderer erwarten, ohne
selbst mit anzugreifen. Erziehung zur Selbsttätigkeit muß
überall das Losungswort sein. Wohl kann manchmal dem
Kinde auch ein Spielzeug, zu dessen Herstellung seine
Geschicklichkeit nicht hinreicht, gegeben werden, aber
nur, um seine Kunst und seine Kraft daran zu üben;
und selbst bei diesem muß ihm soviel wie möglich selbst
zu tun überlassen bleiben. Empfehlenswert ist es, hier-
bei solche auszuwählen, deren Gebrauch an und für sich
schon einige Anstrengung und Mühe verursacht, und sind
Kinder nur einmal daran gewöhnt, daß ihnen solche
Dinge, sobald sie darauf warten, niemals in den Schoß
gelegt werden, so werden sie von selbst ihre Zuflucht zu
ihren eignen Kräften nehmen. Auf diese Weise aber
werden Spiele und Spielsachen »zu Lehren der Mäßigung
ihrer Begierden, Geschäftigkeit und Fleiß, Sorgfalt und
Sparsamkeit, Erfindsamkeit, alles Eigenschaften, die nicht
') Esküc. § 90.
— 181 —
früh genug eingepflanzt werden und nicht tief genug
wurzeln können, da sie alle diese Eindrücke mit in das
Alter hinüber nehmen.€ ^)
7. Ansichten Aber den SpMbetrieb.
Diese Ansichten über die Spielsachen werden zum Teil
«ginzt und stehen in engster Verbindung mit einzelnen
Bemerkungen und Anschauungen der drei Pädagogen^
welche sich auf den Betrieb der Spiele überhaupt be-
ziehen. Feine praktische Winke sind es, die hier Jean
Paul Erziehern wie Eltern erteilt und ans Herz legt*)
Zu seiner Forderung der Einfachheit der Spielsachen fügt
er die des Unscheinbaren hinzu, um das Kind zur Ein-
fachheit, Genügsamkeit zu erziehen, um vor allem der
Phantasie den nötigen Spielraum für den kühnen Aufbau
ihrer Gebäude zu gewähren; denn der Genuß wird ver-
ringert, wenn das Spiel der Wirklichkeit zu treu nach-
gebildet ist und der schöpferischen Phantasie nichts zu
tun übrig läßt Nur zu leicht aber entsteht beim Kinde
der Wunsch nach dem Spielzeug seines Nachbars. Um
daher Prozesse zu verhüten, ist durch eine gewisse Ge-
meinsamkeit ein befriedigender Ausgleich herzustellen,
müssen die Spielsachen bis zu einem bestimmten Grade
Gemeingut aller Geschwister sein nach dem Grundsatz:
»Gleiches Becht ftLr allec; ist das Spielzeug jeden Abend
in einen Stall einzutreiben, ist dasselbe Stück für Zwil-
linge doppelt, für Drillinge dreifach auszuwählen. Um
indes die Kleinen der Freude des Tauschens, des Mit-
teilens und Annehmens nicht zu berauben, ist des öfteren
wohl auch das Verabreichen eines besonderen Spielzeuges
für jeden der Spieigenossen am Platze. Trotz dieser Be-
scheidenheit in den Spielsachen bleibt aber für das Kind
die Forderung möglichst vieler Spiele, möglichst vielen
Spielens bestehen, soll sich sein Inneres voll und ganz
*) £dac § 130. — *) Levaiia § 54.
9*
— 132 —
aasleben, sollen sich seine Kräfte barmonisch entfalten.
Diesem Bedürfnis kommt das Kind meist schon von selbsl
entgegen durch seinen Wunsch nach Wechsel, durch sein
Verlangen nach immer neuen Spielarten. Diese Ver-
änderlichkeit in seinem Verhalten ist eine gans natürliche
Erscheinung und daher dem Kinde nachzusehen und zu
yerzeihen; denn sie ist nicht die des Luxus, sondern bat
ihren tieferen Orund im kindlichen Wesen selber. In der
Hauptsache ist sie nämlich die notwendige Folge der
schnellen Einfaltreihen des Kindes, seiner rasch wechseln-
den Gedanken und Vorstellungen ^ seines ununterbrochen
sich verändernden Innern. Das eilig reifende Kind schreitet
schnell von Stufe zu Stufe fort und sucht in jedem neuen
Lande, auf jeder weiteren Stufe seiner Ausbildung neue
Früchte. Die alten munden nicht mehr, sind nicht mehr
der adäquate Ausdruck der jeweiligen Individualität Eine
Verstärkung erfahrt dieses Bedürfnis der kindlichen Seele
durch einen den Kleinen eigentümlichen Mangel an Ver-
gangenheit und Zukunft und durch das desto stärkere
Oetroffen- und Erschöpftwerden derselben durch die Gegen-
wart. Das kleine Kind ist noch ganz den augenblick-
lichen Einwirkungen hingegeben, Vergangenheit und Zu-
kunft haben noch keine Bedeutung für dasselbe. Je mehr
es aber von der Gegenwart gefangen gehalten wird, um
80 leichter nimmt auch alles eine gewisse Gleichförmig-
keit für dasselbe an, die von selbst, gleichsam wie zu
einem Ersatz für Vergangenheit und Zukunft, zu augen-
blicklichem Wechsel hintreibt Schließlich hat aber auch
die Eigentümlichkeit des kindlichen Maßstabes ihre Hand
im Spiele. Vor der Kleinheit des Kindes dehnt sich nicht
nur der Raum, sondern auch die Zeit aus. Spielstunden
wachsen dem engsichtigen Wesen aus zu Spieljahren; seine
einstündige Beständigkeit entspricht der einmonatlichen
seiner Eltern, und was diesen von ihrem Standpunkte
aus oft unverständlich erscheint, ist daher nichts anderee
als der notwendige i^usfluß eines anders gearteten psychi-
schen Zustandes. Diesea an sich völlig berechtigte Ver-
— 133 —
langen der kindlichen Natur verleitet aber leicht viele
Eltern za falschen Maßnahmen, za einem Obermaß im
Gewähren von Genüssen. Hier, und selbst im Ver-
abreichen unschuldig erscheinender Genüsse, ist jedoch
größte Vorsicht am Platze. Gleich den Erwachsenen
gteigert sich auch beim Kinde der Appetit mit dem Essen.
Das Sichhingeben an Genüsse erzeugt nur das Begehren
nach immer neuen, und endlich möchte der Wonnemonat
32 Tage, der Freudentag 25 Stunden besitzen, um nur
alle Wünsche zu befriedigen. Einen lauten Protest gegen
die Genußsucht seiner Zeit und die einzelner Stände^
gegen den von einem Vergnügen zum andern eilenden
Freuden- und Sinnen taumel erhebend, erklärt sich hier
Jean Paul gegen jedes Haschen nach Genüssen, gegen
jeden Anspruch, den die Genußsucht überhaupt geltend
macht, da sie den Bienenfiügeln der Psyche jeden Flug
▼erklebt Wie die Natur die Freudensteigerung unseres
immer etwas Stärkeres begehrenden Wesens durch die
Eurückspannende kühle Nacht selbst abbricht, ist auch
den Kindern die gesunde Nachtkühle im geistigen Sinne
notwendig, um sie künftig nicht dem Schmerze der Welt
und der Freudenmenschen preiszugeben.^) Wie der kindliche
Geist mitunter Buhe zu seiner Erfrischung und Erquickung
bedarf, verlangt auch das Spiel zeitweilige Unterbrechung,
erfordert Pausen. Bei Beachtung dieser Maßnahmen werden
die Kinder bewahrt vor der nicht selten zu Tage tretenden
Modekrankheit der Übersättigung, der Blasiertheit, der Be-
gehrlichkeit und Flatterhaftigkeit, der Genußsucht, welche
Wollüstlinge und Lebemenschen erzeugt, die zuletzt in
ihrer Übersättigung selbst für Unscheinbares dankbar
sind. Wenn so der ganze Spielbetrieb in erster Linie
darauf bedacht sein muß, geistigen und sittlichen Go-
*) Die ÜberschfittiiDg der Kinder mit GenüsseD, das Hineinstofien
derselbea in den Lqxub verarteilt Jtan Paul sehr streng in seiner
»Friedenspredigt,« Tl. 43, 8t 23 ff. Vergleiche dazn ancb »Quintoa
Fixlein,« Tl. 3, St 11 nnd »Qointas Fizlein,« TL 3, 8t lea
— 134 —
fahren vorzubeugen, darf er doch keineswegs auch die
anerläßlichen hygienischen Forderungen vollständig auBer
acht lassen. Bei seiner geistigen Erregbarkeit bedarf swar
das Kind außer dem Ausschlafen fast nichts weiter^ der
Erzieher und Eltern noch weniger; indes haben letztere
doch zu bedenken, daß vor dem Einschlafen ein Aii9>
brennen des Spielfeuers, ein wenig Langeweile höchst
dienlich ist, insbesondere für lebhafte, leicht erregbare
Kinder, solche von reichem Phantasieleben und solche,
die zur Nervosität neigen, um gerade diesen Naturen die
nervenstärkende Kraft eines gesunden Schlafes zu sichern.
In seiner Gesamtheit aber hat sich der kindliche Spiel-
betrieb uneingeschränkt, ohne alles Gängeln und Leiten,
zu vollziehen. Jede Spielordnung, jeder Kanon ist vom
Obel; denn jede feste Ordnung begeht einen Selbstbetrug;
sie sucht die natürliche Freude durch künstliche Hilfs-
mittel zu ersetzen und zu beleben, »die Zephiretten der
Freude durch künstliches Gebläse und durch Luftpumpen
den kleinen Blumen zuzuschicken. c Törichter Glaube
der Eltern und Erzieher ist es daher, zu meinen, etwa
entstehende Langeweile durch Eingreifen fernhalten za
müssen. Kinder und Wilde empfinden nie solche, und
sie würden auch von keiner augefallen, wenn man nicht
so sehr daran dächte, jede abzuwehren. Dieselbe ist
lediglich ein Produkt der Kultur,^) deren Gewitter- und
Alpdruck auch im späteren Leben nie wegbleiben wird.
Darum mag das Kind schon in seinen Spielen einige er-
leben, um künftig nicht daran zu sterben. Das Spiel
schon hat das Kind mit allen Lagen seines späteren
Lebens vertraut zu machen, hat ihm die ernstere Form
des späteren Daseins schon im voraus im leichtesten
Flügelkleide erleben zu lassen: »Das Kind probiere oder
versuche sich spielend sein künftiges Leben an,€ und so
^) Yergl. HespeniB, Tl. 7, St 108. »Nichts ist ein größerer Be-
weis der allgemein wachsenden Verfeinerang als die allgemaia
wachsende Langeweüe.
I »f
— 135 —
bat, wie das einzelDe Spiel, auch der Spielbetrieb im
^nzen mit Rücksicht auf dieses spätere Leben dem Prin-
^p der Selbsttätigkeit überall RechnuDg jbu tragen: iSelbst
versuche das Kind, selbst probiere es!« — Fast mit der-
selben Schärfe wie Jean Paul wendet sich auch Herbart
gegen das Überschütten der Kinder mit Genüssen; und
so fordert auch er wie von den Spielsachen, so von dem
Spielbetriebe überhaupt weise Sparsamkeit im Darbieten
von Genüssen, große Mäßigkeit als die tägliche Gewohn-
heit.^) Im Einklang mit dieser Forderung steht seine
zweite, die leise die wohltuende geistige Nachtruhe
Jean Patüs anklingen läßt: »Nicht schon den Knaben
durch seine Spiele allzusehr in den Strudel des geselligen
Lebens hineinzuziehen, damit er beizeiten lemCi seine
Zeit gehörig auszufüllen.« Als wirksamstes Gegenmittel
.gegen diese hier drohende Gefahr aber empfiehlt er Ab-
wechslung von Geselligkeit und Zurückgezogenheit: »Ge-
selligkeit muß mit Zurückgezogenheit wechseln. Der
Strom des geselligen Lebens soll nicht fortreißen und
nicht mächtiger werden als die Erziehung. Der Knabe
schon, vollends der Jüngling, soll auch lernen allein sein
und seine Zeit gehörig ausfüllen.«') — Die Summe der
Locke^ch&ck Ansichten über den Spielbetrieb klingt aus
in der einen Forderung, denselben allenthalben so za
gestalten, daß nützliche Eigenschaften daraus entstehen.
Alle Spiele und Zerstreuungen haben auf gute und nüts-
liche Gewohnheiten abzuzielen. Gleichsam als Quint-
essenz seiner Untersuchungen über die kindlichen Spiele
ergibt sich ihm am Schluß seiner Betrachtungen der
Satz: »Alle Spiele und Vergnügungen der Kinder sollten
so geleitet werden^ daß künftig gute und nützliche Fertig-
keiten daraus erwachsen; denn sonst entstehen schlimme
daraus. Alles, was sie tun, läßt Eindrücke auf ihr zartea
Alter zurück: und aus diesem nehmen sie Neigungen und
Anlage zum Guten oder Bösen in das spätere Alter mit
') Umrifi p&d. Vorl. t 106. — *) Umriß päd. YorL % 169.
— 186 —
hiDüber, und was einen solchen Einfloß bat, darf ja wohl
nicht vernachlässigt werden.« ^) Das Nützlichkeitsprinzip'
diktiert ihm auch hinsichtlich des Spielbetriebes seine
Gedanken und Meinungen.
8. Ansichten Aber Wahl der Gespielen.
Der Spielbetrieb vollzieht sich aber zum größten Teil
im Kreise der Gespielen. Von ihrer Wahl hängt es da»
her nicht in letzter Linie mit ab, ob die vom Spiel er-
hofften Zwecke sich leichter oder schwerer realisieren
lassen. Der Verschiedenheit dieser letzteren entsprechend,
gestalten sich daher auch die Ansprüche, welche jeder
der drei Pädagogen an die Auswahl der Mitspielenden
erhebt Spiellandsmannschaften verlangt Jean Paul^ eine
gewisse Gharakteriestigkeit der Spielkameraden Herbarty.
Ausschluß der Schulgenossen John Locke. In der ver-
jüngten Spiel weit der Kleinen erblickt Jean Paul da»
Spiegelbild der großen Welt. ') Der Zweck jener ist da-
her möglichst vielseitige Ausrüstung für diese. Um des-
halb dem Reichtum später ihm entgegentretender Ver-
hältnisse gewachsen zu sein, der Allseitigkeit der späteren
Interessen und der Vielseitigkeit der Berührungspunkte
mit den verschiedensten Individuen und Ständen gegen-
über gewachsen zu sein, mit einem Worte, um sich io
der Welt zurecht zu finden, muß das Kind schon früh-
zeitig einen reichen Erfahrungsschatz sammeln. Dazu
muß ihm aber sein Spiel- oder Wirkungskreis Gelegen»
heit bieten, indem er es in vielseitigste Berührung bringt
mit den verschiedenartigsten Spielgenossen, verschieden
nach Anlage, Stand und Alter. Verschiedene Individuali-
täten, verschiedene Standes- und Altersgenossen, als nur
irgendwie auftreibbar sind, i müssen sich vereinigen zu
Spiellandsmannschaften, um so das Kind im orbis picivs
einer veijüngten Spielwelt für die vergrößerte auszurüsten c,
and so klingen Jean Pauls Worte wie eine leise Anti-
0 Edoo. § 130. — S) Levana § 64.
— 137 —
zipatioQ der Spielgemeinschaften yon heute. — Eine
Schule für das spätere Leben, besonders nach der sozialen
Seite hin^ bildet der kindliche Spielplatz auch für Herhart.
Im Kreise der Oespielen sollen nicht nur die sozialen
Tugenden reifen, soll das Kind auch sonst seine gesell-
schaftlichen Erfahrungen sammeln und mit den sozialen
Verhältnissen des späteren Lebens vertraut werden. Ein
solcher Zweck setzt aber voraus einen Umgang, der im
Stande ist, über die wahren Verhältnisse des Lebens auf-
zuklären. Wenn daher auch im Interesse der Sittlichkeit
schlechtes Beispiel und Boheit zu verhüten sind, darf
doch auf der andern Seite der Umgang nicht so ängst-
lich gewählt sein, als ob dem Zögling das Gefühl des
Druckes sollte erspart werden, welcher in jeder Gesell-
schaft aus dem Streben und G^genstreben der Menschen
entsteht. Schon die Gespielen müssen eine gewisse Cha-
rakterfestigkeit zeigen, denn allzu große Nachgiebigkeit
derselben bringt Täuschungen über die wahren Lebens-
verhältnisse hervor, führt zu einer einseitigen Auffassung
des Lebens, die dem späteren Manne bittere Enttäuschungen
nicht ersparen würde, ^j — Während aber auch er großen
Wert auf die geselligen Verhältnisse schon des Kindes
legt, soll der Locke^he Zögling möglichst von solchen
fern gehalten werden, möglichst unter steter Aufsicht des
Hofmeisters oder der Eltern von der Berührung mit
anderen Spielgenossen ausgeschlossen bleiben, oder doch
nur mit seinesgleichen in Gemeinschaft treten; denn die
gute Lebensart und feine Sitte, das schickliche und wohl-
anständige Betragen, auf welche Punkte Lockes Päda-
gogik so großes Gewicht legt, lernt der aristokratische
Zögling, den er eben auch hier im Auge hat, nur unter
Gleichgesinnten bei sorgfaltiger Überwachung, abgeschlossen
von allen sozialen Klassen und Ständen, die vielleicht
tiefer unter ihm stehen. Unter den stärksten Ausdrücken,
die zwar bei Berücksichtigung der Schulverhältnisse seiner
') Umriß p&d. Vorl. § 169.
— 138 —
Zeit zum Teil verständlich werden und in milderem Lichte
erscheinen, erklärt sich Locke anter völliger Verkeonung
gerade der sozialen Bedeutung, die als ein schwerwiegen-
der Vorzug dem Schulleben beigemessen werden moB,
gegen jeden Verkehr seines Zöglings mit Schulgenoesen.^)
Der soziale Standesunterschied, die gesellschaftlichen Inter-
essen bedingen die Auswahl der Gespielen, eine Auswahl,
die wohl dem Hagestolz Locke entsprechen mochte, nicht
aber den Ansprüchen modemer Pädagogik, der es bei
den immer größer werdenden sozialen Klüften der O^^ea-
wart auf möglichste Ausgleichung derselben ankommen muA.
9. Ansichten Aber die Art der Spielplätze,
Mit seiner Ansicht aber, daß die Schule auf keinoi
Fall den geeignetsten Ort für kindliche Spiele abgeben
kann, leitet er von selbst über zu der Frage nach der
besten und zweckentsprechendsten Art der Spielplätze.
Auch diese Frage nach dem Wo der Spiele, dem Orte
ihrer Ausführung, findet von selten der drei Pädagogen
^) »Denn was die Dreistigkeit and den Hat betrifft, welchen
Knaben anter ihren Gespielen in der Schule lernen, so ist dabei
wöhnhch eine solche fieimischong von Roheit und Unverschinitheit|
daß diese unedle und unanständige Art, sich in der Welt fortzahelfeoy
wieder verlernt und die ganze Tinktur davon wieder weggewaaeben
werden muß, um besseren Grundsätzen nnd einem solchen Betrageo,
das den wirklich braven Menschen bezeichnet, Platz zu machen« —
Wie aber ein junger Mensch dadurch für gesitteten Umgang und für
das geschäftige Leben tauglich werde, daß man ihn unter eine ver*
mischte Herde wilder Knaben bringt, und er bei Spiel ohne Ord-
nung sich zanken oder betrügen lernt, sehe ich nicht ein, und was
für Eigenschaften er unter einem solchen Trupp von Spielgeaelleo»
80 wie sie die Schulen gewöhnlich von Eltern aus allen Klassen ver-
sammeln, bich erwerben können. — Das Laster reift heutzutage, wo-
fern wir der allgemeinen Klage Glauben beimessen dürfen, so schnell
und schießt bei jungen Leuten so früh in Samen auf, daß ea un-
möglich ist, einen Knaben vor der wütenden Seuche zu verwahren,
wenn ihr es wapen wollt, ihn von euch unter die Herde zu tun und
es dem Zufall oder seiner eigenen Neigung zu überlassen, seine Ge-
spielen in einer öffentlichen Schule zu wählen.« Educ. § 70.
— 139 —
eine Terschiedene BeantwortaDg. Jean Pauls Ideal der
Spielplätze ist bedingt durch die Ansprüche der Phan-
tasie. Zu reiche Wirklichkeit beschneidet ihr die Flügel,
lähmt ihr den Lebensnerv. Gleich den Einzelspielsachen
haben daher auch die Spielplätze der Forderung mög-
lichster Einfochheit, ja einer gewissen Leere, zu genügen,
um ihr nicht durch zu reiche Wirklichkeit die Nah-
rung zu entziehen. Darum schlägt er leere Spielzimmer
vor, leer wie die Zimmer, an deren Spalierwänden Baphaeb
ewige Blüten glühen. Die kindliche Phantasie verleibt
ihnen schon selbst ihre Ausstattung, bevölkert sie mit
den nötigen Bewohnern. Gleichzeitig wird Jean Paul
einer der ersten in Deutschland, der Kindei^ärten in
Vorschlag bringt, indem er Spielgärten und, nach dem
Vorbilde der Niederländer, Spielschulen empfiehlt und
letztere über eigentliche Lemschulen, denen sie voraoB-
gehen müssen, gestellt wissen will.^) Die Kindergärten
von heute, sofern sie nur Spiel- und nicht Lemschulen
sind, würden somit ganz seinem Wunsche entspreche,
der 1840 in Deutschland seine schönste Verwirklichung
fand, indem Fröbel in Blankenburg in Thüringen den
ersten Eindergarten eröffnete. — Herbart wiederholt die
Forderung von Gomenius, daß jede Schule auch einen
Spielplatz haben müßte: »Dringend notwendig ist jeder
Schule nicht bloß ein Lokal mit geräumigen Lehizimmem,
sondern auch ein freier Platz zur Erholung,« ') ohne jedoch
über dessen BescbafiFenheit näheren Aufschluß zu geben,
wiewohl er über den Zweck desselben nicht im unklaren
läßt: Gegen die Forderungen des Unterrichtes soll er ein
heilsames Gegengewicht bilden, dem Erhalten der natür-
lichen Munterkeit der Kinder gewidmet sein. Physische
und hygienische Forderungen bedingen seine Notwendig-
keit — Aus seinem Abhärtungsprinzip ergibt sich der
geeiirnetste Ort zum Spielen für Locke-. »Man soll den
Knaben in Wind und Schnee ohne Hut sein Spiel treiben
1) Levana § 54. — *) ümriB päd. Vorl. % 132.
— uo —
lassen, c^) Physisch wertvolle Eigenschaften und daran»
entspringende Tugenden des Charakters, wie Mut, Entr
schlossenheit, Herzbaftigkeit, bilden für ihn ja einen
Hauptgewinn der Spiele, und dementsprechend mufito-
auch die Wahl seines Spielplatzes getroffen werden. Die-
ihn bestimmenden Gründe faßt daher schon Campe-
richtig zusammen in die Worte: ^) *Locke sagt nicht ohne-
Ursache: »Man lasse ihn in Wind und Schnee sein Spiel
treiben; denn unter Spiel und Freude wird es dem Enabea
Dicht nur leichter, jede Beschwerlichkeit der Witterung^
8U ertragen, sondern dies ist auch die Zeit, da sem
Körper allen unangenehmen Eindrücken dieser Art am
besten widersteht, teils weil er nicht darauf achtet, und
also das Unangenehme nicht von ihm empfunden wird^
teils weil er dabei unablässig in Bewegung bleibt; teila
weil seine Liebensgeister zu einer solchen Zeit mehr ala
gewöhnlich rege, seine Muskeln angestrengt und seine
Nerven gespannt sind. Wenn man daher ein schwaches,
oder schon durch weichliche Lebensart yerwöhntes Kind
abhärten soll, so yeranstalte man ihm Spiel und Freude
in freier Luft bei jeglicher Witterung. c
10. Ansichten Ober Gefahren und Fehler beim Spiele.
Eine gewisse Vorsicht ist bei diesen Spielen aber
immer geboten, sollen für den Zögling keine Gefahren
daraus entstehen. Solche je nach der Beschaffenheit des
Spiel betriebes, der Wahl der Spielgenossen und der Art
der Spielplätze für das Kind im Spiel überhaupt erblicken
zu müssen, ist sowohl Herbarts ^ als auch Lockes feste
Überzeugung. Für Jean Paul freilich sind nach seiner
ganzen AufiTassung, welche er vom Wesen und Nutzen
der Spiele hat, irgend welche Nachteile derselben Yöllig
ausgeschlossen. Die Spiele sind der adäquate Ausdruck
der an sich reinen, unschuldsvollen Kindesnatur und als
solche gleichfalls unschuldsvoll und gut Infolge der
>) Edac. § 9. — *) BeWsionBwerk Bd. IX.
— 141 —
hohen Bedeutung, welche er ihnen beimißt, haben sie nvnr
Licht-, keine Schattenseiten, weshalb er sich eben auch
keinen Eingriff in sie erlaubt — Anders stellt sich
Herbart denselben gegenüber, der trotz seiner im ganzen
sonst hohen Meinung vom Spiel als solchem doch nicht
jedem einzelnen bedingungslos seine Anerkennung schenken
zu dürfen glaubt. Sittliche Bedenken stimmen ihn des
öfteren zur Vorsicht. Nach ihm ist es eine gegebene
Tatsache, daß viele Spiele von Affekten begleitet sind.
Wenn nun auch nichts zu befürchten ist, solange die-
selben nicht zu häufig auf den Leib einwirken, und wenn
sie schnell vorübergeben, so ist doch im gegenteiligen
Falle nicht selten Gefahr im Anzug; denn heftige und
oft wiederkehrende Affekte verdunkeln das Geistesleben
und trüben mit der Zeit auch die Gefühlswelt des Men*>
sehen. ^) Im Banne des Affektes ist der Mensch nicht
sein eigner Herr, sondern Sklave blinder Zufälle nnd
leidenschaftlicher Regungen. Die Disposition zu Leiden-
schaften ist überhaupt überall da gegeben, wo in ein
unter ganz bestimmten Regeln oft wiederholtes Spiel eine
besondere Geschicklichkeit hineingelegt wird, wie dies
nicht selten bei Karten- und Gewinstspielen, welche
deshalb gänzlich zu verbieten sind, der Fall ist') Solche
Spiele führen außerdem noch leicht zu Streit, der schon
an und für sich das kindliche Gefallen erregt, weil er
eine gewisse Kraft zeigt. Vielfach suchen ihn Kinder daher
sogar aus Übermut. Wenn nun auch der Wettstreit, der
selbst nicht Streit ist, in seiner harmlosen Natur bei Sehens
*) Umriß päd. Vorl. § 22.
') »Je luehr freies Phantasie reo, je mehr Abweehslong, desto
wenii^r Bedenklichkeit, wenn aber einerlei Spiel sich oft nach bleiben-
den Regeln wiederholt, wenn eine Art von Stadium, om eine bescsi-
dere Geschicklichkeit za erwerben, hineingelegt wird, so kann Leidett-
Schaft entstehen, wovon das Kartenspiel suweilen anch ohne Geld-
gewinn die Probe liefert. Gewinnspiele sind gänslich sn Terbieten.
Das Verbot maß aber, wenn man der Folgsamkeit nicht gans siobsr
ist, überwacht werden.c UmrÜ päd. TorL § 179.
— 142 —
und Spiel ein willkommeoer Ansporn ist, moB doch jenem
dagegen ein entschiedener Riegel YOi^cescboben werden;
denn dieser wird leicht ungerecht und läßt die sittlichen
Ideen nicht in ihrer Reinheit zur Ausbildung kommen.^)
Im Verkehr mit seinesgleichen wird der Knabe überhaupt
in seinem Urteile leicht irre geführt, indem er sich selbst
solche bildet, ohne daß sie eine sichere Unterlage besäfien.
Die nötigen Zurechtweisungen geschehen nicht immer so
schnell, daß sie deren Entstehen verhindern könnten, und
so treten dann als Folge hiervon Erscheinungen soJ^ wie
freiwilliges Sichanschließen, Haschen nach penOoliefaem An-
sehen, welches sich mitunter bis war Usurpation der Ge-
walt steigert^) Die empfindlichsten Nachteile aber ent-
stehen dann, wenn Verschwendung, Gewinnsucht, Ver-
heimlichung oder üble Gesellschaft sich in das Spiel ein-
■ieefaen. Hier droht dem sittlichen Charakter unmittel-
bar Gefahr, indem er schon von frühester Jugend an auf
Abwege geleitet wird. In solchen Fällen ist es daher
Pflicht des Erziehers, mit Entschiedenheit einzugreifen.
— Sind die Bedenken Herbarts meist sittlicher Natur,
hervorgegangen aus seinem ethischen Erziehungsziele, so
spricht aus denen Loches hauptsächlich der fürsorgende
Arzt, den in erster Linie die Nachteile für das physische
Wohlbefinden interessieren. Der Gesundheit unzuträglich
aber ist es, wenn beim Spiel im Freien sich der erhitzte
Knabe auf den kalten Erdboden setzt. Auch zu eifriges
Spiel schadet leicht dem Organismus und seinen Funk-
tionen, indem berechtigte Ansprüche desselben dabei nicht
selten übersehen werden.^) Gewisse Spiele aber, ins-
0 Umriß päd. Vorl. § 184.
«) Umriß päd. Vorl. § 222.
") »Beim Spiel im Freien ist, soviel ich weiß, nar eine Gefahr
za fürchten, nämlich daß der Knabe sich auf den kalten Boden
niedersetze oder niederlege, wenn er sich darch Laufen erhitzt hat.«
»Man bat Ursach(^ zu vermuten, daß die Kinder, die gewöhnlich
mit ihren Spielen stark beschäftigt sind und sich um alles Übrige
sehr wenig bekümmern, diese Bewegungen oft vorübergehen lassen
— 143 —
besondere jene unnützen und gefährlichen Zeitvertreibe,
welche die Mode eingeführt hat, wie Würfel- und Karten-
spiel, geraten indes auch leicht mit den Forderungen der
Sittlichkeit in Kollision. Gegen sie erklärt sich Locke
daher besonders scharf, wie er ihnen denn auch persön-
lich eine weitgehende Abneigung entgegenbrachte.
11. Ansichten Aber die Dauer der Kinderspiele.
Wie aber diese Ansichten der drei Pädagogen über
etwa drohende Gefahren beim Spiele nur ein Gegenstück
bilden zu ihrer Wertschätzung derselben, so erklärt diese
letztere schließlich auch das Maß der Zeit, welches jeder
Yon ihnen für die Ausdehnung der kindlichen Spiele be-
ansprucht Nach der größeren oder geringeren Bedeutung,
die jeder ihnen beilegt, sollen sich dieselben bald über
einen längeren, bald über einen kürzeren Zeitraum er-
strecken. Idem Jean Paul ihnen nur Lichtseiten ab-
zugewinnen vermag, nur reichen Gewinn von ihnen er-
wartet, ist es ganz erklärlich, daß er dieses poesieumwobene
Tun und Treiben, diese glücklichste Periode menschlichen
Daseins solange als nur möglich erhalten wissen will, um
der heranreifenden Menschenblume den oft bitteren Ernst
des Lebens nicht voreilig kosten zu lassen, um die Zeit^
in welcher derselbe ohne eignes Zutun von selbst seinen
Machtspruch erhebt, soviel als möglich abzukürzen und
einzuschränken, und selbst noch in diese Zeit hofit er
einen poetischen Schimmer aus der früheren mit hinüber
zu retten. Am liebsten würde er daher, wenn es in
seiner Macht stände, die niedlichen kleinen Dinger gar
nicht wachsen, sondern ewig spielen lassen; denn mit dem
Genuß des Glückes und der Freude paart sich gleich-
zeitig reicher geistiger Gewinn für die Ausgestaltung des
individuellen Idealmenschen, der mit der Länge der Zeit
und vornehmlich auf die sanfteren Neigungen der Natur nicht achten
und dadurch, daß sie die gehörige Zeit versäumen, sich stufenweise
zu Hartleibigkeit und Verstopfungen gewöhnen.« Educ § 10.
— 144 —
auch seinem Inhalte nach wächst: »Je länger der Morgmi»
tau in den Blüten und Blumen hängen bleibt, desto
schöner wird nach den Wetterregeln der Tag — und m
sauge kein frühzeitiger Strahl den Tauschimmer aus den
Menschenblumen.« Auf keinen Fall darf daher irgend-
welche Einschränkung der Spiele vorgenommen werden.
Voll und ganz müssen Kinder sich denselben hingeben
können, bis die natürliche Entwicklung des Menschen sie
von selbst über diesen Standpunkt hinausführt — Oanz der-
selben Anschauung huldigt auch Herbarty der findet, »daB
dieses spielende Treiben lange erhalten bleibt, wenn man
es nicht verkünstelt.« ^) Einen gewissen Abschluß desselben
erblickt er erst in der Grenzscheide zwischen Knaben- und
Jünglingsalter. Weil aber das Spiel in der kindlichen
Natur begründet ist und einen ganz natürlichen Zug der-
selben bildet, verlangt er, »die unschädlichen Spiele der
Jugend nicht voreilig durch Forderungen eines gesetzten
Betragens zu verleiden ; denn der Ehrgeiz treibt sie schon
so wie so nur zu früh, nicht mehr Kinder scheinen zu
wollen.« ') Die N^eigung derselben, schon frühe die Er-
wachsenen spielen zu wollen, führt nur zu naseweisen,
altklugen Wesen und darf deshalb auf keinen Fall seitens
der Erziehung einen Vorschub erhalten, denn auch in der
Pädagogik gilt für die Behandlung der Lebensalter das
suum cuique. Schon die Bedeutung der Spiele für Üben
und Stärken der Naturkräfte, ihr Beitrag zur Heranbildung
einer kräftigen Natur, die ein kräftiger Geist zu seiner
Unterlage bedarf, um sich auf sie stützen zu können,
ist Herbart Grund genug, »sie nicht voreilig und gewalt-
sam zu endigen«. B) Räumt er ihnen so dieselbe Zeitr
dauer ein wie Jean Paul^ indem er ihr Ende nicht durch
künstliche Eingriffe, sondern einzig und allein durch die
natürliche Entwicklung des Menschen ^bedingt sein läfit.
') ümriB p&d. Vorl. § 218.
*) Umriß plUL Vorl. § 156.
*) 2. Bericht an Herrn Ton Steiger.
— 145 —
so tritt Locke in einen gewissen Gegensatz zu beiden. —
Bei der geringen Wertschätzung der Spiele, die sein
utilitaristischer Standpunkt ihm eingibt, wünscht er auf
jeden Fall eine möglichst schnelle Heilung von diesen
Fehlern des kindlichen Alters herbei, spricht aus allen
seinen Worten das Verlangen, möglichst schnell über die-
selben hinweg zu kommen. Bei der Art und Weise der
Heilung aber geraten Naturverehrer und CJtilitarist aber-
mals in Konflikt. Im Interesse einer naturvollen Behand-
lung der Kinder weist der erstere den Heilungsprozeß
der Zeit, dem kindlichen Nachahmungstriebe und den
reiferen Jahren zu und vertritt damit ganz den von Jean
Paul und Herbart eingenommenen Standpunkt, der natür-
lichen Entwicklung nicht vorzugreifen. ^) In völligen
Widerspruch dazu tritt die einseitige Forderung des
Utilitaristen, den Sohn so frühe als möglich als Mann
zu behandeln. Von der falschen Prämisse ausgehend, daß
die Kinder das Rechte, sobald sie es nur erkannt haben,
notwendig auch tun müßten, gelangt sie zu einem ebenso
falschen Schluß: »Daß wir unbemerkt des Kindes Gemüt
erheDen über die gangbaren Jugendvergnügungen und
jene nichtigen Beschäftigungen, in denen die Jugend
gemeinhin vergeudet wird.« ^) Damit aber ergeben sich
für LocA*e zwei völlig unausgeglichene Anschauungsweisen:
dort freies Gewährenlassen der kindlichen Spiele, bis die
Jugend von selbst über sie hinausgeführt werde, hier im
Interesse nützlicher Beschäftigungen ein möglichst frühes
Ende derselben durch, wenn auch noch so leises, Ein-
greifen des Erziehers. Es ist der alte Widerspruch der
Lockeschen Pädagogik: »Hier Naturfreund, hier Utilitarist!«
nur in neuem Gewände.
12. Ansichten fiber das Verhältnis von Spiel und Unter-
richt
Dehnen sich so auch die kindlichen Spiele lange aus
und nehmen sie einen großen Teil des Knabenalters in
^) Educ. § 63. — 0 Eduü. § 95.
FSd.Mag.320. WelUr. 10
— 146 —
Anspruch, füllen sie doch nicht die ganze Zeit desselben
aus; denn auf der anderen Seite macht sich auch der
Unterricht mit seinen ernsten Forderungen geltend, and
so mußten Herbart, Locke und Jean Paul ganz von selbst
zu Betrachtungen über das Verhältnis von beiden geführt
werden, über ein Verhältnis, das in der Qeechichte der
Pädagogik bald in diesem, bald in jenem Sinn beantwortet
wurde, indem wie bei den Philanthropisten der ganze
Unterricht schließlich in Spielerei ausartete, oder wie bei
den Pietisten dem Spiel jede Eonzession verweigert wurde,
oder indem wie bei vielen Pädagogen ein harmonischer
Ausgleich herbeigeführt wurde, so daß trotz froher and
heiterer Laune einerseits der nötige Ernst auf der anderen
Seite nicht fehlte. Bei der Schwierigkeit gerade des ersten
Elementarunterrichtes, bei seiner grundlegenden Bedeutong^
für das spätere Lernen und dem verlockenden Zauber der
Spiele anderseits, mußte besonders dieses Verhältnis zxk
mancherlei Versuchen reizen, so daß eine rein geschicht-
liche Betrachtung desselben schon an und für sich von
nicht geringem psychologischen und methodischen Werte
ist. Zum Teil spiegeln sich die verschiedenen Stand-
punkte, welche demselben gegenüber in der Geschichte
der Pädagogik eingenommen worden sind, auch in den
Ansichten der drei vorstehenden Pädagogen wider. Jean
Paul äußert sich zwar wenig hierüber, bringt aber doch
seine Meinung scharf zum Ausdruck, wenn er Freuden-
und Spielmeister als Vor- und Flügelmänner der Schal-
meister fordert.^) Spiele haben dem eigentlichen Dnter-
richte vorauszugehen, Spiele haben denselben zu begleiten.
Harmonische Vereinigung beider und gegenseitiger Aus-
gleich zwischen Spiel und Unterricht lautet seine Forde-
rung. Beide Gebiete kennt er als gleichberechtigte Fak-
toren an, deren jeder seine eigene, nur ihm gehörende
Domäne besitzt, so daß auch beide nicht miteinander
vermengt und verquickt werden können. In diesem Sinne
0 Levaoa § 54.
— 147 —
erklärt er sich gegen die Spielerei und Tändelei der
Pbilaothropisten in der Schularbeit, welche den nötigen
Ernst des Unterrichtes unterschätzt, und trug durch seine
Pädagogik nicht unwesentlich zur Überwendung einer
falschen Methode bei. Seine ganze Pädagogik bestätigt
die Auffassung, daß er trotz der Vorliebe für die Spiele
doch auch dem Unterricht den nötigen Ernst gewahrt
wissen wollte, daß er bei aller Liebe und Wärme auf
der einen Seite des nötigen Ernstes auf der andern nicht
vergaß. — Im gleichen Sinn sucht Herbart den Forde,
rangen der kindlichen Natur, wie sie sich in den Spielen
äußern, sowie denen des Unterrichtes gerecht zu werden.
Beide, Spiel und Unterricht, sind wohlberechtigt, beide
betreffen verschiedene Gebiete mit verschiedenem Zweck,
beiden sind bestimmte Grenzen gesteckt, beide haben in
wohltuende Wechselwirkung miteinander zu treten, ohne
jedoch das eine in das andere zu übertragen. Die Spiele
bilden das Feld des natürlichen Frohsinns, der natürlichen
Munterkeit, der Unterricht das Gebiet ernster Denk- und
Lerntätigkeit Beide in ihrer gegenseitigen Ergänzung
ergeben erst ein wohlklingendes Ganze; nur betont Het'
bort den Ernst eines geordneten Unterrichtes mehr noch
als Jean Patdj da ja bei ihm der erziehende Unterricht
mit seinen Zwecken weitaus im Vordergründe steht. Auf
keinen Fall aber darf derselbe die Zeit der Erholung und
der Spiele beeinträchtigen, wie umgekehrt jene nicht den
Ernst und die Zeit des Unterrichtes. Erstere haben viel-
mehr als notwendiges Gegengewicht zu letzterem hinzu-
zutreten: »Bei vorrückendem Alter nimmt ein immer
größerer Teil der Beschäftigungen die Form des Unter-
richtes und der davon ausgehenden Übungen an, alsdann
darf das nötige Gegengewicht der Erholung nicht ver-
naclüässigt werden.« ^) Die Eörperbildung, der vor allem
auch die Spiele dienen, darf keineswegs hintangesetzt
werden: »Dem erziehenden Unterricht liegt alles an der
1) Umri£ p&d. Vorl. § 47.
10*
— 148 —
geistigen Tätigkeit, die er veranlaßt. Diese soll er ver-
mehren, nicht vermindern, veredeln, nicht verschlechtem.
Verminderung aber entsteht, wenn unter vielem LerDeD,
Sitzen, besonders unter dem oft unnützen Schreiben in
allerlei Schulbüchern die Eörperbildung in solcher Art
leidet, daß früher oder später Nachteile für die Gesund-
heit erfolgen. Daher neuerlich eine Begünstigung gym-
nastischer Übungen, bei denen aber die Heftigkeit der
Bewegungen kann übertrieben werden.«^) Sich gegen
jede überbürdung erklärend, macht Herbari mit Röck-
sicht auf die Gesundheit des Zöglings Forderungen geltend,
welche die Neuzeit durch das dringende Verlangen nacdi
Spielplätzen sich noch mehr zu Gemüte gezogen hat: »Der
Unterricht darf überhaupt nicht mehr Zeit verlangen, als
wieviel mit der Bedingung bestehen kann, daß der Jugend
ihre natürliche Munterkeit erhalten bleibe. . . . Dringend
notwendig ist jeder Schule nicht bloß ein Lokal mit ge-
räumigen Lehrzimmern, sondern auch ein freier Platz znr
Erholung, dringend notwendig, daß nach jeder Lehrstunde
eine Pause, nach den ersten zwei Erlaubnis zur Be-
wegung im Freien und nach der dritten, falls noch eine
vierte folgen soll, wiederum dieselbe Erlaubnis erteilt
werde. Noch dringender ist, daß der Schüler nicht durch
aufgegebene Hausarbeiten um die nötige Erholungszeit
gebracht werde.« ^) Begünstigt so Herbart den natür-
lichen Frohsinn der Kinder, so steckt er ihm anderseits
seine Grenzen durch die Beschäftigungen der Regierung
und des Unterrichtes: »Schickliches Betragen verlangt
die Zucht; natürlichen Frohsinn begünstigt sie; beides
inwiefern es sich mit den Beschäftigungen, die von der
Regierung und dem Unterrichte ausgehen, vereinigen
läßt. Immer soll der Zögling den Gegenstand, womit er
beschäftigt ist, im Auge behalten. Es wäre schlimm,
wenn ein Bestreben, sich zu produzieren, oder sich zu
belustigen, das Übergewicht bekäme und die Arbeit ver-
>) Umriß päd. Vorl. § 59. — ') Umriß päd. Vorl. § 132.
— 149 —
gessen machte.« ^) Der Unterricht soll durchaus ernste
Arbeit sein und als solche auch vom Zöglinge empfunden
werden. Deshalb wendet er sich gegen das Verfahren
älterer Methodiker, den Kindern alles spielend und tändelnd
beibringen zu wollen, erklärt er sich gegen das Versüßen
durch allerlei Unterhaltendes und Spielendes und sucht
demgegenüber auf bleibendes und wachsendes Interesse
zu dringen; »denn betrachtet man so den Zweck als ein
notwendiges Übel und das Versüßen als das Mittel, um
jenes erträglich zu machen, so sind alle Begriffe in Ver-
wirrung, und bei schlaffer Beschäftigung erfährt die Jugend
nicht, was sie vermag.c ^) Wenn so Spiel und Unter-
richt auch zwei völlig yerschiedene Dinge sind und das
spielende Verfahren aus dem Unterrichte auszuschließen
ist, kann es ihm doch in besonderen Fällen gewisse
Dienste leisten und zwar als Palliativmittel beim Unter-
richte junger Kinder und bei den ersten Anfangen, wie
dee Griechischlernens und der Buchstabenrechnung. Ja,
Herbart hält es hier, sowie in allen den Fällen, wo etwas
nicht schwer ist, aber schwer erscheint, geradezu für
nötig, um den Schüler durch ein gewandtes und heiteres,
fast spielendes Vorzeigen dessen, was er nachahmen soU,
in Gang zu bringen, während hier unnütze Umständlich-
keit und Schwerfälligkeit schon durch die Langeweile, die
sie erzeugt, auch das Leichteste mißraten machte.^ Her-
bort entscheidet sich von Fall zu Fall, und so schädliob
und tadelhaft ihm auch ein durchgehendes tändelndes
Benehmen erscheint, wenn es einen ernsten und gründ-
lichen Unterricht verdrängt, benutzt er das Spiel doch,
wo es gilt, den Zögling nicht zurückzuschrecken, wo
Gefahr bei demselben droht, die Lust zu verlieren, wo
es darauf ankommt, das Gefühl dessen, was er vermag, in
ihm zu wecken. Einen zweiten Dienst bietet dasselbe
dem Unterricht noch an als Ausgangs- und Anknüpfungs-
') Umriß päd. Vorl. § 137. — •) Umriß p&d. VorL § 99. —
*) Umriß päd. Vorl. § 99.
— 150 —
punkt für dessen Zweck; denn hier liegen reiche appep-
zipierende Vorstellungen bereit,^) an welche jener oidit
nur anschließen, sondern auf denen er ancfa weiter auf-
bauen kann. So können Einderspiele, welche anf Ardii-
tektonik hindeuten, den ersten Anlaß geben su Übungoo
im Messen von Linien, Winkeln, Kreissektoren und älm-
liches, kann die Zoologie anschließen an das kindliche
Bilderbuch, die Botanik an selbstgesammelte Pflansen.^
— Stehen auf diese Weise die Spiele bei Herbart immer
nur am Eingangstor des Unterrichts, ohne den eigent»
liehen Boden desselben selbst mit zu betreten — mid sei
es auch nur in der Form einer methodischen Fonktioo —
so greifen dieselben weit mehr in den ünterridit
bei Locke, Nicht nur, daß er die Kinder spieteweii
zum Lernen herbeilocken will, mit seiner GeringBchStzuog
eines geordneten Unterrichtes hftngt es zusammen, daS
bei ihm das Spiel selbst Unterrichtsmittel wird, indem
alles Lernen in Spiel verwandelt wird, und er verBäumt
hierbei nicht, an einzelnen praktischen Beispielen sein
allerdings geistloses und mechanisches Verfahren zu er-
läutern. Ausgehend Yon seiner an sich wahren
hauptung, daß aller Zwang dem Kinde yerhaßt sei,
langt er, demselben Lust und Neigung zu dem einzu-
flößen, was es tun solle, ihm dadurch unangenehme Be-
schäftigungen in angenehme zu verwandeln und ihm mit
spielender Leichtigkeit Kenntnisse beizubringen.*) Loehe
') ÜmriB päd. Vorl. § 254. -> *) umriß päd. YorL § 209.
') »Kinder lieben Verändernng und Freiheit. Aus diesem Omnde
sollte man ihnen ihr Buch, oder was de lernen sollen, sei eo, was
«s wolle, nie zum Geschäfte macheo. Eltern, Ersieher und Lehrer
▼ergeesen dies zu leicht Ihre Ungeduld, die Kinder bei demjenigeo,
was sie ihnen zu tun geben, recht eifrig beschäftigt zo sebeo, g»-
atatttet ihnen nicht, sie spielsweise dazu zu locken. Die Kiodar
anterscheiden an dem wiederholten Einschärfen sehr bald, ob Bsaa
ihnen etwas als Pflicht auflegt oder nicht.« Educ. § 128. — »Bin
Kind lernt dreimal soviel, wenn es zur Sache gestimmt ist, hingegen
braodit es doppelt soviel Zeit und Mflhe, wenn es Yerstimmt daran
geht, oder sich wider Willen dazu hinschleppen lassen moA. W4
— 161 —
^eht indes noch weiter; er glaubt, überhaupt jeden Unter-
schied zwischen Lernen und Spielen aufheben zu können,
glaubt, es dahin bringen zu können, daß Spiel und Lernen
eine ununterbrochene Kette Yon Erholung bilden: »Wenn
man nur gehörig mit ihnen verführe, so könnte man
ihnen ebensowohl jede zu lernende Sache zur Erholung
vom Spiel machen, als gewöhnlich das Spiel ihre Erholung
vom Lernen ist Statt sie zum Lernen zu rufen, bringt
sie dahin, daß sie den Erzieher selbst bitten, sie etwas
zu lehren, sowie sie oft ihresgleichen bitten, mit ihnen
zu spielen;« ^) und hierbei hat sich der ganze Unterricht»*
betrieb selbst in ein Spiel aufzulösen: »Ich habe mich
immer mit dem Gedanken getragen, daß man das Lernen
den Kindern mehr wohl zum Spiel und zur Erholung
machen und es dahin bringen könne, daß sie wünscbeiii
unterrichtet zu werden, wenn man es ihnen als eiM
Sache vorstelle, die ihnen Achtung, Wohlwollen, Yer»
gnügen, Erholung verschaffe, oder als eine Belohnung föt
sonst ein Geschäft und wenn sie für eine Nachlässigkeit
hierin niemals gescholten oder getadelt würden, c *) »Ist
man aber das gehörig bed&chte, so würde man deo Kindern erlanbeo,
sich satt ond müde sa spielen, and es würde ihnen noch Zeit genog
übrig bleiben, za lernen, was der jedesmaligen Fassungskraft thrst
Alters angemessen ist« Edac. § 74. Vgl. daza StuM^ Trapp^ Cam^
Besewitx: »Aach dies wiU cum grano salis verstanden werden; denn
1. werden die Kinder zwar wohl eines Spieles, aber nicht des Spieleos
«überhaupt matt und müde, wenn der Spielenden anders eine kiiH
längliche Anzahl ist und sie Gelegenheit haben, mit mehreren Spielen
abzuwechseln; 2. gehen sie daram nicht immer von selbst an die
Arbeit, wenn sie gleich des Spielens müde sind. Sollen sie es tnn,
so müssen sie dazu gerufen werden, oder sie müssen es schon g»>
wohnt sein, auf den Olockenschlae die Arbeit anzufangen.« — Bevi-
sionswerk Bd. IX, f 74.
0 Educ § 74. Vergleiche dam Shtve und Trapp: »Aach dies
ist gewissen Einschränkungen unterworfen. Nur selten werden alle
Umstände, z. B. die Talente, der Charakter und die bisherige Ge-
wöhnung des Kindes, die Einrichtungen des väterlichen Hauses und
dergleichen so günstig sein, daß man gar keinen Unterschied zwischen
JSpiel und Lernen zu maehen brauche.« — Bevisionswerk Bd. IX, § 74^
•) Educ. § 145.
— 152 —
einmal die Oemütsart des Kindes aasfindig gemacht, so
ist es wohl möglich, in der Seele desselben Oedanken-
entstehen zu lassen, die von selbst Liebe zum Lernen bei
ihm hervorbringen, die bewirken, daß es ebenso nach dem
Buche verlange als nach jedem anderen Spiel und Zeit-
vertreib.« ^) Nur eins hat der Erzieher hier zu bedenken^
ihm das Lernen niemals als Tagewerk, oder Bosch werde,
oder als ein Geschäft aufzuerlegen: >Man sollte Kindern
nichts auferlegen, das wie ein ernsthaftes Geschäft aus-
sieht, weder ihre Seele, noch ihr Körper kann das er-
tragen. Ihre Gesundheit leidet darunter, und ich bin
gewiß, die unglückliche Gewohnheit, die Kinder an ihre
Bücher zu fesseln in einem Alter, das allen Zwang haSt,
ist die Ursache gewesen, die ihnen vielen nachher auf
Lebenszeit einen unauslöschlichen Haß gegen alle Bücher
und alles Lernen gegeben hat.« ^) Aus diesem Grunde
empfiehlt Locke^ Spielsachen für das Lernen zu erfinden,
die wenigstens einen Zweck hätten, sowie sie gewöhnlich
zu keinem da sind;^) und er selbst macht diesbezügliche
Vorschläge, empfiehlt Würfel und anderes Spielzeug, mit
Buchstaben bezeichnet, um den Kindern spielend das
Alphabet zu lernen,^) um ihnen durch Täuschung die
Kenntnis der Buchstaben und das Lesen beizubringen,
ohne daß sie dasselbe für etwas anderes als einen Zeit-
vertreib ansehen und so spielend dahin kommen, wohin
andere gepeitscht werden müssen. ^) Doch beim Vorschlag
bleibt es nicht, für das Lesen baut er selbst eine eigene
Methode aus. Er konstruiert einen elfenbeinernen Würfel
von 32 oder 24 Seiten, bezeichnet jede mit einem Buch-
staben und läßt nun in Gegenwart des Kindes von Er-
wachsenen das Würfelspiel ausführen, an dem dasselbe
als besondere Gunstbezeigung dann und wann auch ein-
mal teilnehmen darf. So werden Buchstaben, so Silben
gelernt, so wird mit demselben Würfel eine Art Lotterie-
*) Educ. § 148. — ») Educ. § 149. — •) Edac. § 150.
*) Educ. § 128. — ») Educ. § 129.
— 153 —
spiel getrieben, werden Nüsse und Äpfel als Gewinste
aasgesetzt, und so glaubt er, daß jeder, der sich für diese
Methode interessiere, leicht noch zwanzig andere Spiele
zum Erlernen des Lesens erfinden werden könne. ^) Da-
bei ist er Yon der Güte seiner Methode derart überzeugt,
daß er alle Mißerfolge, wenn der Tätigkeitstrieb des Kindes
Dicht von selbst auf nützliche Sachen gelenkt werde, ledig-
lich der Schuld der Erwachsenen zuschreibt: »Ich habe
gesehen, daß kleine Mädchen ganze Stunden lang mit
vieler Mühe sich darauf übten, Fangstein zu spielen. Ich
dachte, indem ich das sähe, es brauchte nur einer guten
Erfindung, um sie dahin zu bringen, daß sie dieselbe
Geschäftigkeit auf etwas anderes verwendeten, das ihnen
nützlicher wäre, und mich dünkt, die Schuld liegt bloß
in der Nachlässigkeit der Erwachsenen, daß es nicht so
ist Die Kinder verstehen die Kunst, müßig zu sein, bei
weitem nicht so gut als die Erwachsenen, und auf diese
fällt der Tadel, wenn nicht wenigstens ein Teil jener Ge-
schäftigkeit auf nützliche Dinge gelenkt werde, welche
man den Kindern meistenteils ebenso angenehm machen
könnte als die, welche sie selbst wählen, wofern die Er-
wachsenen nur halb so geneigt wären, sie auf den Weg
zu bringen, als diese kleinen Affen sein würden, ihnen
zu folgen.«') Beim Unterricht ist jeder Zwang verpönt,
nur beim Spiel ist derselbe erlaubt Jener wird ver-
wandelt in ein Spiel, dieses erniedrigt zum Geschäft, so
daß eine tatsächliche Umkehr der natürlichen Verhältnisse
stattfindet
Kapitel Y: Übereinstimmende nnd sieh nnter-
seheidende Punkte In den Ansichten Loches, Jean
Pauls nnd Herbarts Aber Kinderspiele: eine rer-
glelchende Zusammenstellung.
Mit diesem Punkte sind aber zugleich die Ansichten
der drei Pädagogen über Einderspiele erschöpft, die in
>) Edac. g§ 150, 151, 153 ood 154. — *) Educ. § 152.
— 154 —
ihrer Gesamtheit betrachtet, manche Beröhranisspiuikto
zeigen, mehr aber noch voneinander abweichende Difl»*
renzen erkennen lassen. Ein zasammenfiwsender Über-
blick zeigt ein völliges Zusammengehen der in Enge
kommenden Autoren^ obgleich Herbart auch hier sich
wenig ausführlich äußert, nur in ihren Ansprüchen aa
die Spielsachen, nämlich in der Forderung der EinfMh-
heit, Zweckmäßigkeit und in Bezug aof die Selbsttätigkeit
und Sparsamkeit hinsichtlich der dargebotenen Menge; m
der AnerkennuDg der Bedeutung der Spiele für das Br»
forschen der kindlichen Individualität, in der Beurteüimg
des inneren Wesens derselben als einer Natumotwesdig^
keit, als des Ausflusses des sich regenden Tätigkeitstriebsei
der in der kindlichen Phantasie seinen eigentlichen Nihv-
boden findet; wiewohl dieser Punkt bei Jean PatU be*
sonders scharf betont wird, sowie in der Charakterisieraag
der äußeren Form der Spiele, welche besteht in leichtoelca
Flügelkleidern, und Freiheit, Zwanglosigkeit, Mannigfaltig*
keit und Veränderlichkeit zu ihren charakteristiscbeD Meifc*
malen zählt Doch schon hier treten abweichende unter»
schiede auf. Nicht nur, daß Jean Paul seine Forderangea
hinsichtlich der Spielsachen an einzelnen deraeibes
detailliert, psychologisch und ästhetisch begründet uad
dementsprechend praktische Anweisungen für die wicb»
tigsten von ihnen gibt, Herbart zu den gemeinsamoB
Forderungen im Interesse eines flüssigen Vorstdlnng»»
lebens die der Beweglichkeit der Spielsachen hinznfOg^
Locke dem Prinzip der Selbsttätigkeit zuliebe durch 4im
Forderung des fast ausschließlichen Selbstanfertigens einen
Schritt über beide hinausgeht, auch die Begründung ihrer
Postnlate ist eine verschiedene. Während Jean Paul
ethische, psychologische und ästhetische, Herbari ethiscbe
und psychologische Gesichtspunkte geltend machen, sind
dieselben bei Lfocke mehr ökonomischer und praktischer
Natur. Ebensowenig fallen ihre Anschauungen hinsicht-
lich des Wesens der Spiele restlos zusammen. Trotz der
Übereinstimmung in der Beurteilung desselben an sieb.
f V
— 166 —
ist doch der Begriff dee Spiels nach seinem UmCange,
sowie zum Teil auch nach seinem Inhalte bei ihnen ein
gnindrerschiedener. Faßt Jeofii Paul denselben im weite-
sten Sinne auf, indem er das ganze erste Tun und Treiben
des Kindes als Spiel ansieht, stecken ihm Herbart und
Locke bedeutend engere Grenzen durch eine scharis
Unterscheidung zwischen Spiel und ernster Tätigkeit, unter
welcher jener die eigentlichen Denk- und Lemübungen,
dieser überhaupt die aufs Nützliche gerichteten Bescbfifti>
gungen erblickt, wobei sie gleichzeitig beide Seiten der
kiDdlichen Tätigkeit streng voneinander ausschliefien. Da-
mit verrückt sich bei ihnen aber auch der Inhalt des
Begriffes, indem an dessen Gtehalt ein verschiedener MaB-
Stab der Wertbeurteilung angelegt wird. Bei seinem
weitesten Begriff der Spiele besteht für Jean Paul des
wahre innere Wesen derselben in durchaus nur ernster
Tätigkeit. Dieselben sind in der Hauptsache der ver-
arbeitete Überschuß geistiger, wie leiblicher Kräfte, anter
denen die Phantasie weitaus die erste Stelle einnimn^
Damit fidlen bei ihm die Spiele unter den Begriff des ge-
haltvollsten Tuns, im weitesten Sinne unter den der Kraft,
so daß sich für seine Auffassung das Schlagwort prägen
ließe: »Spiele sind Kraft«. lo einem gewissen GF^geoanls
hierzu ist bei Herbari die Phantasie nur roher Stoff, wel-
cher der Bearbeitung harrt, bloße Äußerung geistigen Da-
seins, zwar nicht zu verachtender Beichtum, weicher aber
gegen die eigentlichen Denkfunktionen weitaus in dea
Hintergrund tritt. Sein Begriff der Spiele ffillt i^eiobaam
unter den einer bloßen indifferenten Natnräußerua^
welche zwar an sich mit Freuden zu begrüßen ist, ihre
eigentliche Güte aber doch erst erhält durch den Oebrauob,
der von ihr gemacht wird. Spiele sind nicht wie bei
Jean Paul Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck,
und vollends zwecklos werden sie für Locke ^ der ihnen
gegenüber einen Januskopf annimmt. Indem er ihr
Wesen an sich und die äußere Form derselben TOia
Standpunkte des Naturverehr^rs aus beurteilt als Antfloft
— 156 —
des Tätigkeitstriebes, als Naturnotwendigkeit in der Qe-
stalt zwangloser, freier, mannigfaltigster und veränder-
lichster Äußerung, stimmt er mit Jean Paul und Herbart
überein; indem er ihren Begriff verengert zu Ounsten
anderer Tätigkeiten, trennt er sich von Jean Paul und
stellt sich mit Herbart auf gleiche Stufe; indem er aber
an den Inhalt derselben vom Standpunkte des ütilitaristen
und Erwachsenen aus den Maßstab des Praktisch-Nützlichen
anlegt, entfernt er sich von beiden, sieht die Spiele gleich-
sam als inhaltsleer an. Sie sind nicht ernste Tätigkeit,
auch kein an sich wertvolles, zwar nur rohes Material,
sondern sie sind Fehler des jugendlichen Alters. Nur
nützliche Beschäftigungen fallen unter den Begriff ernsten,
gehaltvollen Tuns, die Spiele lediglich unter den der Er-
holung, und da auch diese besser durch erstere ersetzt
würden, sogar unter den des Zwecklosen, der bloßen Zeit-
vergeudung. Das Produkt eines an sich berechtigen
Natur-, nämlich Tätigkeitstriebes, wird zum sinn- und
werüosen Wesen. Aus der verschiedenen Beurteilung
ihres Inhaltes resultiert eine ebenso verschiedene päda-
gogische Wertschätzung. Mißt ihnen Jean Paul eine
universelle Bedeutung bei für die Ausgestaltung des indi-
viduellen Idealmenschen, kennen Herbart und Locke nur
spezielle Zwecke. Für ersteren besteht der Hauptgewinn
derselben in dem geistigen Erwerbe, in der harmonischen
Ausbildung und Entfaltung der gesamten Geisteskräfte,
zu deren vollen Entwicklung er den Grund in den kind-
lichen Spielen gelegt wissen will. Wie er in den Kindern
die Hebelarme der Zukunft erblickt, so in den Spielen
die Hebelarme des späteren geistigen Besitzes. Herbart
würdigt ihren ethischen und sozialen Wert für die Aus-
bildung der sittlichen Ideen und gesellschafüichen Tugen-
den, ihre Heiterkeit erregende Wirkung, einzelne intel-
lektuelle Vorteile für den ersten Erwerb geistigen Besitzes
und für das Erlangen eines mannigfaltigen und reichen
Yorstellungswechsels, ihre Bedeutung für das Erforschen
der kindlichen Individualität und der verschiedenen Tempe-
— 157 —
ramente, sowie ihren Beitrag zur Gewinnung einer kräf-
tigen Natur. Indem er aber überall an sie den Maßstab
seines wohlgeordneten und geregelten erzieherischen Unter-
richtes anlegt^ ordnet er sie allenthalben den eigentlich er-
zieherischen Zwecken und Maßnahmen unter und gelangt
nicht selten zu einer leisen ünterschätzung derselben.
Noch mehr schrumpft ihre Bedeutung bei Locke zusammen.
Die günstige Gelegenheit, welche sie bieten, um die Eigen-
art des Zöglings studieren zu können, ihre physische Be-
deutung als Abhärtungsmittel und ihr Gewinn für die
daraus entspringenden männlichen Tugenden, ihr Beitrag
zum Befriedigen der kindlichen Wißbegierde und Ver-
stopfen der Achtlosigkeit, selbst bei EonstitutionsfehlerD,
sind die einzigen wertvollen Seiten, welche er ihnen ab-
zugewinnen vermag. Der praktisch gesinnte 'Weltmann
und engherzige ütilitarist hat von der Poesie des Spiels
und seinem geistigen Gehalte nichts empfunden, und da-
her ist ihm sein eigentlich erzieherischer Wert gleich Null.
Entsprechend dieser Wertschätzung ist auch die Stellung,
welche jeder der drei Pädagogen dem Erzieher den Spielen
gegenüber anweist, grundverschieden. Wird dieselbe bei
Jean Paul und Herbart bedingt durch ihre Ansichten
vom Wesen und Zweck der Spiele, so bei Locke aus-
schließlich durch seine Wertschätzung derselben. Zweck
und Wesen der Spiele schließen bei Jean Paul eine ein-
seitige Auswahl derselben, sowie eine gesetzgeberische
Tätigkeit des Erziehers aus und gestatten ihm nur ein
objektiv beobachtendes Verhalten. Mit skeptischem Auge
begegnet auch Herbart jeder Gesellschaft des Erziehers;
möglichste Freiheit ist auch sein Losungswort Bei seinem
Begriff der Spiele ist aber das zu gewährende Maß der-
selben immer nur ein bedingtes, abhängig von gewissen
Voraussetzungen und hinzutretenden Ergänzungen. Die
Phantasie bedarf der Leitung und eines Gegengewichtes
durch Weckung der Denkkrait, zu den Spielen haben
Denk- und Anschauungsübungen hinzuzutreten. Eingrififo
in der Form von Nachhilfe sind notwendig, um Regel-
— 168 —
lofiigkeit und Langeweile vonabeugen, eine gewisse Hut
seitens der Mütter und Erzieher ist geboten^ um Streit
zu verhüten und um den natürlichen Neigungen, die nicdit
von selbst sittlich sind, die rechte Richtung zu geben;
denn nicht jede Selbsttätigkeit ist wünschenswert, sondeni
nur die am rechten Platze. In der Forderung mögüch-
ster Freiheit und Oneingeschränkth^t stimmt mit den An*
sichten beider überein die Anschauungsweise des Nator-
verehrers Locke ^ nur daß sie dem Betriebe der Spide
gewisse Grenzen steckt durch Umgebung, geseUschaftUche
Eonvenienz, schickliches und wohlanständiges Betrageo»
In schroffen Widerspruch zu dieser Auffassung setzt sich
die des Utilitaristen Idocke^ die zu einer Emiedrigung des
Spiels zum Oeschäft und methodischen Kunstgriff führte
im Interesse nützlicher Beschäftigungen, des Lmiens und
Oberwindens von Trägheit den stärksten Zwang beim
indirekten Verfahren ausübt. In Übereinstimmung mit
seiner Ansicht vom Werte der Spiele, aber im Widersinnch
zu seiner Auffassung vom Wesen derselben, will er eine Ab-
neigung gegen einen Grundtrieb der Seele in einen
anderen Qrundtrieb derselben Seele einpflanzen. Ver-
langt daher Jea^i Paul auch hinsichtlich des Spielbetriebes
im ganzen völlige Freiheit und Uneingeschränktheit, er-
klärt er sich gegen jeden Kanon und jede Ordnung, nur
daß die unbedingt erforderlichen hygienischen Rücksichten
genommen werden; beansprucht Herbart zu Gunsten
ernster Pflichterfüllung nur eine gewisse Regelung durch
Abwechslung von Einsamkeit und Geselligkeit, unterwirft
Ijocke denselben durchgehender Ordnung und Leitung,
um der Quintessenz seiner Untersuchungen, dem Ent-
stehen nützlicher Eigenschaften, zum Siege zu verhelfen.
Schulter an Schulter aber kämpfen alle drei gßgen die
geistige und sittliche Gefahren in sich beigende, falsche
Art des Spielbetriebes, das Kind mit Genüssen zu über-
laden und zu überschütten und fordern einmütig im
Interesse der Ausbildung wertvoller Charaktereigenschaften
die rechte Sparsamkeit und Mäßigkeit Dem bald weiter,
— 169 —
bald enger gefaßten Zweck der Spiele entsprechend, er-
heben jene aber aach verschiedene Ansprüche an die
Aaswahl der Spielgenossen. Bedingt sind dieselben bei
Jean Paul und Herhcxri dnrch den Zweck der Spiele mit
Rücksicht auf das spätere Leben, nur daß bei letzterem
noch die besondere Rücksichtnahme auf die Charakter-
bildung hinzutritt. Soziale Standesunterschiede und ge-
sellschaftliche Interessen bestimmen dieselben bei Locke.
Legen daher die beiden ersten großes Gewicht auf die
geselligen Verhältnisse des Zöglings überhaupt und er-
blicken in ihnen eine Schule für das spätere Leben, fordert
deshalb Jean Paul eine möglichst bunte Mannigfaltigkeit
der Spielgenossen nach verschiedenen Individualitäten,
Ständen und Altersstufen, Herbart gleichfalls einen nicht
zu ängstlich gewählten Umgang, nur mit der Einschränkung
einer gewissen Charakterfestigkeit seitens der Mitspielen-
den, um über die wahren Verhältnisse des Lebens nicdit
hinweg zu täuschen, hält Locke seinen aristokratischen
Zögling von der Berührung mit gesellschaftlich tiefer-
stehenden Spielgenossen fem und gönnt ihm nur den
Verkehr unter den Gleichgesinnten seines Standes. Weiter
noch entfernen sich ihre Ansichten in den übrigen Punkten,
die sie in ihren Abhandlungen berühren. Während Jeath
Paul die Spiele einteilt nach ihrem innersten Wesen und
nach der jeweiligen psychischen Individualität des Kindes
in solche passiv aufnehmender Kraft, deren regulierendes
Prinzip die eindringende Außenwelt, deren Charakteristikum
der Nachahmungstrieb und deren Zeit der Vorherrschaft
der erste Ijobensmorgen bildet; in solche aktiv gestaltender
Kraft, deren regulierendes Prinzip die Innenwelt, deren
Charakteristikum die dramatisch gestaltende Phantasie
und freiere Selbsttätigkeit und deren Zeit ihrer Vorherr-
schaft das spätere Kindesalter bildet, und in solche des
sich zwanglosen und freien Selbsthingebens an die Ein-
drücke der Umgebung; nach der Zeit und jeweiligen
Altersstufe in nur empfindende und selbstgestaltende, nach
den Objekten in solche mit Spielsachen und Spielmensohen;
— 160 —
nach dem Geschlechte in Knaben- und MädcheDspielei
und als besondere Gruppe der Lieblingsspiele solche des
Ho£PeDs und Erwartens und die besondere Art dee Spiel-
sprechens hinstellt: kennen weder Herbart noch Locke
eine derartig psychologisch scharf und fein detaillierte
Einteilung und Gruppierung derselben und widmen nur
dem Sprechen der Kinder einen besonderen Abschnitt,
ohne dasselbe jedoch als Spiel anzusehen. Beide mit
jenem übereinstimmend in der Forderung der gewissen-
haften und sorgfältigen Beachtung und Pflege desselbra,
unterscheiden sie sich von ihm in der Beurteilung dee
Wesens desselben. Findet nämlich Jean Paul dasselbe
begründet im Nachahmungstriebe, Herbart tiei in der
Individualität des Kindes, sieht es Locke lediglich als ein
Mittel zum Verscheuchen der Unlust an, welche das Kind
infolge seines Nichtwissens empfindet Erblickt J&m
Paul an den Spielen nur Lichtseiten, wissen Herbart und
Locke nichts von einer solchen bedingungslosen An-
erkennung. Sittliche Bedenken, bestehend in den üblen
Folgen häufiger und langandauernder Affekte, in der Dia»
Position zu Leidenschaften und Streit, in der leichten Irre-
leitung des Urteils und dem schädlichen Einflüsse schlechter
Gesellschaft, lassen Herbart Gefahren für den zu bUdenden
Charakter wittern. Nachteile für das physische Wohl-
ergehen stimmen den fürsorgenden Arzt Locke bedenklich.
Ist bei Jean Paul die Beschaffenheit der Spielplätze, als
welche er leere Zimmer, Spielgärten und Spielschulen
verlangt, bedingt durch die Forderungen der Phantasie,
frei und uneingeschränkt walten zu können; bei Herbartj
der einen freien Platz zur Erholung bei jeder Schule
fordert, durch hygienische Maßnahmen, so bei Locke^ der
das Spiel im Freien bei jeder Witterung betrieben haben
will, durch sein Prinzip der Abhärtung. Ganz auf dem-
selben Boden, sich dabei aber von Locke trennend, stehen
Jean Paul und Herbart hinsichtlich der Dauer der Spiele
und des Verhältnisses zwischen Spiel und Unterricht
Lassen beide bezüglich des er8teL>PQi^I^tes der natürlichen
— 161 —
Entwicklung des Kindes ihren voUständig freien Lauf,
zeigt sich bei Locke abermals* der alte Widerspruch seiner
Pädagogik, der des Naturverehrers und ütiiitaristen. Ersterer
huldigt der gleichen Anschauung, letzterer sucht im Inter-
esse nützlicher Beschäftigungen durch rauhe Eingriffe ein
möglichst frühes Ende derselben herbeizuführen. Gelten
für Jean Paul und Herbart Spiel und Unterricht als
zwei gleichberechtigte Faktoren mit eigenen Domänen,
erklären sie sich gegen das spielende Tändeln im Unter-
richte und verlangen für ihn den nötigen Ernst, ohne da*
hei die Dienste des Spieles als Palliativmittel oder An-
knüpfungspunkt für dessen Zwecke ganz zu verschmähen,
findet bei Locke eine Umkehr der Verhältnisse statt; das
Spiel wird getrieben mit pedantischem Ernst, der Unter-
richt aufgelöst in ein heiteres Spiel. Spielend wird das
Kind zum Unterricht herbeigelockt, spielend wird derselbe
ihm erteilt — So zeigen sich mehr Berührungspunkte
zwischen Jean Paul und Herbart^ als zwischen jenem
und Locke; so nimmt Herbart^ aufier den allen drei Päda-
gogen gemeinsamen Punkten, hinsichtlich des Verhältnisses
von Spie^ und Unterricht, der Dauer der Spiele, der Wahl
der Gespielen, des Spielbetriebes, sowie vielfach hinsichtlioh
der Begründung seiner Ansichten mit Jean Paul über-
einstimmend und sich von Locke entfernend; in seiner
Auffassung vom Umfang des Begriffes der Spiele und in
seiner Annahme von der Möglichkeit drohender Gefahren
mit Locke übereinstimmend und sich von Jean Paul
trennend ; in seiner Beurteilung des Inhaltes des Begriffes
der Spiele, in seiner Wertschätzung derselben, in seiner
Meinung von der Stellungnahme des Erziehers diesen
gegenüber, sowie in der Anforderung an die Be-
schaffenheit der Spielplätze zwischen beiden die goldene
Mitte haltend; überhaupt eine Mittelstellung zwischen
Locke und Jean Paul ein, die sich, außer in ihrer
Übereinstimmung in den Anforderungen an die Spiel-
sachen, in der Beurteilung des Wesens der Spiele an
sich, mehr als Extreme gegenüberstehen. Bedeutend
Pldlfag. 330. Weller. 11
— 162 —
von den beiden anderen unterscheidet sich aber Jean Patd
in seinen Ansichten und gebt zum Teil weit über de
hinaus. Nicht nur, daß seine Abhandlung schon ftoßer-
lich ein logisch in sich zusammenhängendes Oanse bildet,
während die beiden anderen nur gelegentlich auf die
Spiele zurückkommen, auch ihrem Inhalte nach zeichnet
sich dieselbe vor den beiden anderen durch sieben wesent-
liche Charakteristica aus: 1. durch die scharfe Betonoiig der
wahren inneren Natur und der sich daraus ergebenden
Einteilung der kindlichen Spiele. Mehr als jedem anderen
sind ihm die Spiele Naturnotwendigkeiten, deren Ein-
teilung sich mit zwingender Notwendigkeit aus der je-
weiligen psychischen und physischen Beschaffenheit der
kindlichen Natur ergibt; 2. durch den weitesten Begriff
vom Wesen der kindlichen Spiele, der die ganze erste
Tätigkeit des Kindes im Spiel aufgehen läßt; 3. durch
das Streben, dem Ich, der Individualität voll und ganz
gerecht zu werden. Nirgends tritt sein mikroskopischer
Blick fQr die kleinsten Eigentümlichkeiten der kindlichen
Seele schärfer hervor als gerade hier; überall das liebe-
volle Herabsteigen und innige Versenken in die Geheim-
nisse der kindlichen Seele, überall die warmempfundene,
ja heilige Verehrung und Respektierung auch der un-
scheinbarsten Eigentümlichkeiten; 4. durch die eigenartige
Wertschätzung der Spiele für die harmonische Oesamt-
ausbildung aller Kräfte und die Würdigung ihrer Be-
deutung für den zukünftigen geistigen Besitz; 6. durch
die besondere Stellung, welche er dem Erzieher den
Spielen gegenüber anweist, die lediglich in einer objektiv
beobachtenden Tätigkeit bestehen kann; 6. durch die
eigenartige und uneingeschränkte Wertschätzung, welcher
er der kindlichen Phantasie zu teil werden läßt, und die
sowohl Auswahl der Spielplätze, wie der Spielsachen be-
dingt. Nicht die an und für sich gleichgültigen Spiel-
sachen, sondern die Phantasie bildet das belebende Ele-
ment der kindlichen Spiele und umringt das frohe Wesen
belebend nur mit Leben und 7. durch den unverwüst-
— 163 —
liehen Optimismus, der auch nicht eine Schattenseite am
kindlichen Spiele zu entdecken vermag und daher die nur
beobachtende Tätigkeit des Erziehers auf den ganzen
Spielbetrieb ausdehnt.
Kapitel TI: Stellmig: der Spiele in den Erzlehnngs-
systemen Loeiies, Jean Pauls nnd Herbarts.
Je nach dieser verschiedenen Auffassung weisen Jean
Paul^ Eerbart und Locke den Spielen auch ihre besondere
Stellung in ihren Erziehungssystemen an. Jean Paul
unterscheidet zwei Hauptseiten der Erziehung, die ent-
faltende und bessernde. Weitaus die wichtigste von
beiden ist die erste. Sie kommt für den ganzen ersten Lebens-
morgen ausschließlich in Betracht und hat für die Ent-
wicklung und Ausgestaltung des individuellen Ideal-
menschen fundamentale Bedeutung, indem sämtliche Keime
desselben hier nicht nur zur Entwicklung, zum ersten
Treiben gebracht werden, sondern auch die Richtung er-
halten, welche ihr späteres Wachstum vorzeichnet. Die
zweite tritt erst im späteren Alter hinzu, ist nicht von
innen heraus entwickelnd, sondern von außen ein^virkend,
von mehr negativ unterdrückender, hemmender Natur,
als von positiv schaffendem Charakter und daher nur von
geringerem Werte. Bei einem normalen Verlauf der
ersteren und dem vollständigen Zurgeltungkommen der-
selben würde sie von selbst überflüssig werden, wenn
nicht der Zeitgeist, die Umgebung, die ältere Generation
verderbliche Einflüsse ausübten. Die ganze erste Zeit der
Kindheit wird aber ausgefüllt durch die Spiele, welche
daher den eigentlichen Orund und Boden für die ent.
faltende Erziehung abgeben, die Atmosphäre, in welcher
sich dieselbe vollzieht Sie sind daher nicht nur ein Er-
ziehungsmittel neben anderen, sondern das wichtigste
pädagogische Mittel der entfaltenden Erziehung, das be-
deutungsvollste Feld der ersten erzieherischen Betätigung
— 164 —
überhaupt, ja, sie bilden fast ausschließlich das einzige
pädagogische Problem der ersten Jahre, das ganze ertrage-
reiche Feld der entfaltenden Erziehung.
Das Herbart Qche Erziehungssystem unterscheidet die
drei großen Gebiete der Regierung, der Zucht und dee
Unterrichtes. Alle drei stehen im Dienste der sittlichen
Charakterbildung, indirekt die Regierung durch fort-
laufende Beschäftigungen, welche dem M&ßiggaoge und
dem Entstehen unrechter Begehrungen Yorbeugen, sowie
durch ihr Erzeugen fester Oewohnheiten vom frühesten
Alter an, der mittelbaren Tugenden Zillers; direkt und aos-
schließlich die Zucht, welche durch Ausbildung der sitt-
lichen Ideen, der ethischen und sozialen Tugenden ge-
radewegs auf die Gewinnung eines sittlich festen Willens
lossteuert; unmittelbar der Unterricht durch Klärung,
Ordnung der Begriffe, durch Anbahnen eines festen Ge-
dankenkreises, bestimmter und fester Zwecka Da diee^
hauptsächlich die Denkfunktionen, welche nach Herbaris
Ansicht ergänzend zu der Phantasie der Spiele hinzutreten
müssen, in Anspruch nimmt, werden jene für ihn ein an-
nehmbares Regierungsmittel, »da selbstgewählte Beschäfti-
gungen zwar, wenn alles Übrige sich gleich ist, den Vor-
zug verdienen, allein bestimmte Aufgaben, dies oder jenes
zu tun, bis es fertig ist; die Ordnung besser sichern, ab
regellos spielen«, ^) sowie zu einem willkommenen Zucht-
mittel infolge ihres ethischen und sozialen Gehaltes.
Indirekt ist freilich das Spiel bei ihm — obgleich er es
zwar selber nicht so auffaßt — auch ein Unterrichts-
mittel, indem er es verwendet als Anknüpfung»- und
Ausgangspunkt für gewisse Unterrichtsfacher, sowie als
Palliativmittel bei den ersten Anfangen des Lernens.
Locke unterscheidet physische und psychische Erziehung
als zwei völlig koordinierte Teile; doch thront auch bei ihm
über beiden die ihm viel höherstehende sittliche. Da ihm
nun die Spiele als geistig und sittlich völlig inhaltsleer
*) Umriß päd. Vorl. § 47.
< r
— 165 —
erscheinoD, nehmen dieselben bei ihm nur die Stelle
eines physischen Erzieh- und methodischen Unterrichts-
mittels ein. Sie sind von der sittlichen Erziehung ganse
ausgeschlossen^ beanspruchen einen breiten Baum in der
intellektuellen Ausbildung, in dem von ihm unterschätzten
Unterricht, allerdings nur als Hilfsmittel; denn das Lernen
bleibt immer der Selbstzweck und erhalten eine selb-
ständige Stellung nur in der physischen Erziehung, in der
sie bis zu einem gewissen Grade als Selbstzweck gelten
können.
Kapitel TU: Einklang der Ansichten Loekes, Jean
Pauls und Herbarts über Kinderspiele mit den
ptdagogischen Theorien nnd philosophischen
Systemen derselben.
So stehen ihre Ansichten über Einderspiele nicht nur
im engsten Einklang mit ihren pädagogischen Systemen,
ein gut Teil ihrer Anschauungen über Erziehung, ein gut
Teil ihrer pädagogischen Theorien überhaupt ließe sich
ans jenen ablesen. Scharf spricht sich in Jean Paulß
Ansichten seine ganze Psychologie aus, welche den an-
geborenen Anlagen und Kräften, unter denen die Phantasie
die erste Stelle einnimmt, die größte Rolle zuweist, welche
aber andrerseits auch die Erfahrung zu ihrem Rechte
kommen läßt, sie kennzeichnen mit einem Worte den
Entwicklungs- und Erfahrungspsychologen, der auch den
dunkelsten und verstecktestan Seiten des seelischen Lebens
im Kinde liebevoll nachgeht. Dieselben spiegeln aber
auch Orundanschauungen seiner Ethik wider. Aus jedem
Worte spricht die sittliche Reinheit, die väterliche Milde,
die an Pestalozzi erinnernde hingebende Liebe zu den
Kleinen, die den Orundton für seine ganze Pädagogik, wie
überhaupt für seine ganze Ethik und Philosophie abgibt
Seine Ausführungen legen Zeugnis ab von seiner streng
individualistischen Pädagogik, welche mit heiliger Ehr-
forcht und Scheu an das Kind herantritt, allen Eigen-
— 166 —
tümlicbkeiten desselben die größte YerebruDg and HodH
acbtung entgegenbringt and das Kind nur ab Selbstzwedr
bebandelt wissen will. Deutlicb tritt das Ziel seiner Fädth
gogik zu Tage: Harmoniscbe Entwicklang and Aasbildnog
aller Kräfte. Sie verraten ein gat Teil seiner pädagogischem
Methodologie, welche der freien Entfaltung, der Bildung
zur Selbsttätigkeit den weitesten Spielraum l&Bt ffie
zeigen synthetisch vereinigt den Ideal- und Bealpädagogen,
der selbst das Kind idealisiert und doch andrerseits <fi6
kleinste und unscheinbarste Wirklichkeit berücksichtigt
Sie markieren endlich unzweideutig seine hohe Meinung
von dem Werte des ersten Eindheitsalters fär die Zu-
kunft und die nachfolgende Generation.
Herbarts Ausführungen, wie seine Forderung der be-
weglichen Spielsachen, seine Wertschätzung der Spiele
lür das Zustandekommen eines reichen Vorstell ungs wechsele
geben nicht mißzuverstehende Hinweise auf seine das
ganze Seelenleben in Vorstellungen auflösende Psycho-
logie. Seine Anforderungen an die Spielgenossen, seine
Wertschätzung der geselligen Verhältnisse, seine Aus-
sprüche über die drohenden Gefabren offenbaren deat-
lich sein ethisches Erziehungsziel: Bildung zum sittlicbea
Charakter, Ausbildung der sittlichen Ideen und verraten
bei ihrem Betonen der gesellschaftlichen Tugenden einen
gewissen sozialen Zug seiner Pädagogik, während die indivi-
dualistische Neigung derselben, die bestrebt ist, jederzeit
dem Ich gerecht zu werden, durch seine Bemerkangen
über die Dauer der Kinderspiele und über das Verhalten
des Erziehers jenen gegenüber klar bekundet wird. Seine
Darlegungen über den Nutzen der Spiele, über das Ver-
hältnis zwischen Spiel und Unterricht, über den Spiel-
betrieb legen beredtes Zeugnis ab von seiner Wertschätzung
des geregelten und methodisch geordneten erziehenden
Unterrichtes, dem es auf die Ausbildung eines festen Ge-
dankenkreises ankommt, sowie überhaupt von dem Ge-
ordneten, Geiegelten, Ausgeglichenen, überall fein Durch-
gearbeiteten seiner Pädagogik und lassen die Funktionen
— 1«7 —
der Regierung, der Zucht und des Unterrichtes überall
andeutungsweise hervortreten.
Nicht minder sprechen sich in Loches Abhandlung
Oharakterzüge ; seiner Pädagogik aus. Seinem auf das
Weltmännische gerichteten praktischen EradehungszielOi
seinem einseitigen und engherzigen ütiiitarismus, dessen
letztes Ziel die Glückseligkeit bildet, seiner Wertschätzung
der physischen Erziehung und dem damit zusammenhängen-
den, wohlbegründeten Naturrufe, seiner Unterschätzung
eines zusammenhängenden, geordneten Unterrichtes, seiner
Antipathie gegen die öffentliche Erziehung, dem aristokn^
tischen Zug seiner Pädagogik, seiner Vorliebe für den Wert
der öffentlichen Meinung, der Rücksichtnahme auf Um-
gebung und Oesellschaft, seiner Hochhaltung schicklicher und
guter Manieren, seiner Forderung der Selbsttätigkeit, wie
überhaupt dem Realismus seiner Pädagogik hat er hier über*
all ein nicht zu verkennendes Denkmal gesetzt. Wie bei Jecm
Pcad und Herbart findet auch bei ihm in seinen An*
sichten über Einderspiele gleichsam eine Eonzentration
der charakteristischen Züge und Grundanschauungen
seiner Pädagogik statt, und wie diese überhaupt, sind
daher auch jene nicht ohne Einwirkung auf die nach*
folgende Zeit völlig ungehört verklungen.
Kapitel Till: Stellung der Ansichten Lockes, Jean
Pauls und Herbarts Ober Kinderspiele in der be-
schichte der Spiele, Ihre Wirkungen, Ihr Elnflub
und Ihr Verdienst.
Freilich sind wohl gerade diese Kapitel ihrer Päda-
gogik bei allen drei Erziehern am längsten unberück-
sichtigt geblieben, und von einem unmittelbaren, direkten
Einfloß kann nur in ganz bedingtem Haße die Rede sein.
In der pädagogischen Praxis sind ihre berechtigten Forde-
rungen zunächst ohne jede Wirkung geblieben. Bis in
die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren die Spiele
— 168 —
ein UngekaDDtes im Schalleben, und sie blieb^i nocb
Jahrzehnte lang das Aschenbrödel desselben. Erst 1840
realisierte Fröbel in Blankenburg einen Teil der Ge-
danken Jean Pauls^ der für dessen praktische BeetrebuDgeo
als der theoretische Vorläufer angesehen werden darl
Doch auch dessen unternehmen traf zunächst der Bann-
strahl eines reaktionären Zeitalters; als demokratisch wurden
die Eindergärten verboten. Langsam und ganz sporadisch
wagten sie sioh in der folgenden Zeit hervor und fristeten
ein kümmerliches Dasein. Die deutsche Schuljageid
schien in diesen Jahrzehnten das Spiel vollends verlenien
zu sollen. Ein Umschwung vollzog sich, wie schon er-
wähnt,^) erst nach den Jahren 1870 und 71, nachdeiQ
allerdings schon seit 1868 die Gemeindeschulen in Berlin
als die ersten in Deutschland öffentliche Spielplätze et-
richtet hatten. Mit der Forderung nach größerer Be*
achtung der physischen Erziehung, nach vermehrtem
Schutz der Gesundheit in den Schulen hängt es zusammen,
daß auch für dieses Kapitel im Kinderleben das Interesse
wieder angefacht wurde. Dringender als je stellten erst die
letzten zwei Jahrzehnte, stellte erst die Gegenwart die Forde-
rung der Schulspiele, betonte sie wieder deren hervor-
ragend erzieherischen Wert. Damit kehrte sie aber gleich-
zeitig wieder zurück zu den Ansichten Jean Fauls^ die nicht
nur gleichsam wieder neu auflebten, sondern nunmehr
auch vielfach erst greifbare Gestalt im Schulleben an-
nahmen und an vielen Orten Deutschlands zum Teil in
die Wirklichkeit umgesetzt wurden. Es sind Jean PatUoche
Grundanscbauungen, die in den modernen Abhandlungen
über Kinderspiele wiederkehren. Seine Theorie über das
Wesen derselben als Kraft gewann immer mehr namhafte
Vertreter, wie Herbert Spenzer und Voigt^ und zählt
heute in pädagogischen und turnerischen Kreisen zahl-
reiche Bekenner zu ihren Anhängern, Seine Auffassung
vom Nutzen der Spiele, seine Forderungen an das Yer-
^} Siehe Einleitung.
— 169 —
halten des Erziehers dieseD gegenüber klingen in der
Spielliteratur der Neuzeit überall hindurch.^) Nicht nur
daß diese literarischen Produkte, wie die Jahrbücher des
Zentralausscbusses für deutsche Jugendspiele, zahlreiche
Aufsätze in Lehrer- und Turner Zeitungen, Aufrufe zur
Unterstützung der guten Sache, in der Levana eine er-
giebige Fundgrube für treffliche Zitate fanden, auch sonst
meint der eingeweihte Leser nicht selten deren Worte
zu hören. Beginnen sich somit die Gedanken Jean Patds
eigentlich erst in der jüngsten Vergangenheit und moder-
nen Gegenwart im Schulleben Bahn zu brechen und feiern
eine Wiederauferstehung, so sind sie doch auch unmittel-
bar nicht Yöllig wirkungslos geblieben. Zwar nicht in
der Schule, aber in der Familie, an die sich die Levana
zunächst wandte, und besonders in den Familien höherer
Stände, ist manches fruchtbare Samenkorn aufgegangen.
Hier ist Jean Paul gleich einem Goethe ein Erzieher
seines Volkes geworden und hat wesentlich dazu bei-
getragen, daß die Erziehung überhaupt wieder in natur-
vollere Bahnen gelenkt wurde, daß nach einer noch nicht
lange vorausgegangenen Zeit der Unnatur und Härte der
milde und verständnisvolle Geist der Erziehung auch in
den Tempel der Familie wieder seinen Einzug hielt, wobei
naturgemäß auch dem heiteren, freien und leichten Wesen
der Kleinen, ihren unschuldigen Spielen ein verständnis-
volleres Interesse und offneres Auge entgegengebracht wurde.
In der Natur der Sache liegt es, daß weder Herbarta
noch Lockes Anschauungen die gleiche Wirkung auszu-
üben vermochten. Schon Uerbarts Ausführungen sind
bf"! weitem nicht in dem umfange in die Allgemeinheit
übergegangen als die eines Jean Paul. Mit dem Aus-
breiten seiner Schule hängt es zusammen, daß seine An-
^) Vergleiche bierza: Professor Dr. Koch^ »Der erzieherische
Wert der Jugendspiele;« Direktor Dr. Lion^ >Der SpielkaDOD;« Pro-
fessor Dr. E, Angerstein ^ »Die sittliche ODd physiologische Be-
deutung der Bewegungsspiele;« Dr. med. Jl A, Schmidt ^ »Bewegung»
apiel und Lungenentwicklung. €
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— 171 —
gymnasiischer Übungen, welche dem späteren Edelmann
nützlich vrerden können, eingeschränkt wissen wollte.
Weniger durch seine Ansichten über dieselben, als yiei-
mehr durch seine Forderung der physischen Erziehung
hat er dem Wiederaufleben der Spiele genützt. Indem
er dazu beitrug, daß in die Erziehung wieder etwas toii
Juvenals mens sann in corpore sano einzog, hat er auch
den Spielen die Bahn für einen ungehinderten Eingang
frei gemacht.^) Außer diesem mehr indirekten Einflofi
*) Es ist aber zuviel behauptet und bleibt zum wenigsten miA-
▼erstän^lieh, wenn Dr. Oiisehmann in seinem Werkchen über Locke
ihn als einen der ersten bezeichnet, der in die Pädagogik jene Ge-
daoken warf, welche für die frühe Altersstufe in den Fröbelschmi
Kindergärten lebendig sind, wenn er behauptet, da£ die konsequente
Durchführung und detaillierte Belebung dieser fruchtbaren, aber erst
nach länger als einem Jahrhundert allseitig anerkannten Gedanken
erst dem pädagogischen Genius Friedrich FröbeU y orbehalten war,
übrigens eine Anschauung, der man nicht selten auch in Geschichten
der Pädagogik begegnet. Man fragt sich unwillkürlich, wie der Ver-
fasser zu solcher AuflTassung kommen konnte, wenn er sieh die Mühe
genommen hätte, die Ansichten Loches^ des Gegners der Spiele, in
ihrer Gesamtheit zusammenzustellen und zu prüfen. Er würde dann
nicht nur zahlreiche Widersprüche entdeckt, sondern auch gefunden
haben, daB der Frö^sche Kindergarten bis zu einem gewissen Grade
eigentlich einen Widerspruch gegen Loches Ansichten bildet. wen%*
stens würde ihn derselbe als nutzlos bezeichnen müssen. Man eelie
sich aber seine AusfOhruogen an : Er vermengt die phjsieolMil
Forderungen Lockes mit dessen Ansichten über die Spiele und £aftt
sie als eins auf; er schiebt Locke seine eignen Gedanken unter«
die in der Tat Gedanken Jean hauls, durchaus aber nicht solche
Lockes sind. Unmöglich kann Verfasser, wie schon erwähnt, die An-
sichten Lockes im Zusammenbang geprüft haben. Er stützt mdk
vielmehr auf einzelne Bemerkungen, die er durch Jean PaulBohe nnd
Her6ar^ sehe Ausführungen begründet Zeugnis hiervon legen aueh
die Zitate aus Jean Paul und Herbart ab, die, aus dem Zusammen-
hang herausgenommen, zwar ähnlich klingen, aber einen grundver-
schiedenen Inhalt aufweisen. Der ganze diesbezügliche Passus seinee
Buches trägt daher den Charakter des Schiefen und Irreleitenden an
sich, der noch gesteigert wird durch die Einzwäng ung in dne
Herhart nche Schema, indem die Spiele lediglich unter den Begriff
der Regierung gebracht werden. Direkt falsch ist daher gleich der
Anfang. »Eine andere BegierungsmaBregel, welche auch Loc^ emp-
und viflf:L,lie NarlKihninni
(ilirch Ri.LissfMusdu; Hi-me
Bind auch sonst vielfach in
BO insbesondere in die der P.
in die Pädagogik der Aufklär
▼or allem heilsam eingevirl
emehuDg höherer Kreise, g<
gehende Unnatur sie ank&mp
wieder vorbildlich geworden f
Frankreichs und Deutschland
Spielsachen tritt er als direkte
dessen Anschanangen sich hie
decken. Uit den guten Seite
wich die schlechten auf die
In ihrem tändelnden und
Unterrichtes sind die Philan
beeinflußt worden, die überhai
die Einderspiele mit geringe
Boden stehen. Trotz dieses
Anweisungen und Forderung
Geltung haben und beherzigeni
die meisten seiner diesbezüglit
— 173 •
Bord geworfen, und das mit Recht; denn die gerechte
Kritik darf auch die Schwächen nicht übersehen.
Kapitel IX: Beartellung der Ansichten Loekes^
Jean Pauls und Herbarts Ober Kinderspiele:
kritische Stellungnahme.
unstreitig wird dieselbe auch heute noch der Jean
Pau/ sehen Abhandlung den Vorzug den beiden anderen
gegenüber erteilen. Sie gehört zu dem Schönsten und
Originellsten, was je über Kinderspiele geschrieben wor-
den ist und bildet gleichzeitig auch den originellsten Teil
seiner Pädagogik. Nicht ein Pädagog hat so treffend,
klar und bedeutungsvoll über Spiele sich geäußert wie er.
In ihrer vollen Bedeutung und Wichtigkeit für die Er-
ziehung hat er dieselben behandelt. Wenn er auch hier
keine erschöpfende Monographie gibt, streift er doch fast
alle Seiten, welche bei diesem Kapitel überhaupt berührt
werden können. Die Stärke gerade dieser Abhandlung
li^ mehr noch als sonstwo in seiner Pädagogik in der
liebevollen Beachtung des Kleinen, in der aufmerksamen
Behandlung des Geringen, das sie dadurch zur Bedeutung
und Wichtigkeit erhebt. Feinfühlig und liebevoll, aber
auch durchaus besonnen und realistisch im Urteil, offen-
bart er mitunter in hochpoetischer Sprache hier die tief-
sten Geheimnisse der Kindesnatur. »Welche Schärfe des
Blicks in die Wirklichkeit, welches Falkenauge, welche
schneidende Sachlichkeit,€ wie Vischer ruft, besonders
hier, wo er mit festem Fuß auf dem Boden der Wirk-
lichkeit steht! denn es ist der unübertreffliche Vorzug
dieses Kapitels, aus ureigenster Erfahrung hervorgegangen
zu sein, und das wird ihm bleibenden Wert und dauernde
Oeltung verschaffen. Kaum wird etwas über Kinderspiele
geschrieben werden, ohne daß es zu Rate gezogen wird.
Köstliche Gedankenperlen hat er in dasselbe eingestreut
Was er über die Schonung der kindlichen Individualität
- 174 —
oemerkt, gehört zu dem Ergreifendsten, was je darfiber
aufgezeichnet wurde. Hier auf dem Betätigongogebiete
der kindlichen Phantasie mußte sich ja wohl auch der
Phantasiekünstler Jean Paul völlig heimisch fühlen; und
doch wird der! gegenwärtige Standpunkt der Päda-
gogik sich nicht mit allen seinen Meinungen eioTeiataiideD
erklären können. Insbesondere werden theoretische Be-
denken vielfach aufsteigen. Hier findet schon die Orond-
lage, auf welcher seine Ansichten aufgebaut sind, heute
unter Pädagogen wohl nur noch wenig Anhänger. Ge-
wiß darf die Individualität des Kindes als eine durch
Momente der Abstammung, Vererbung und Anpaaeiuif
an den gesellschaftlichen Organismus begründete Tatsache
schlechterdings nicht ignoriert werden, aber die Auffassung
Jean Pauls von der Eindesnatur ist ein Produkt der Auf*
klärungszeit , erklärt sich aus seinem Bildungsgange,
aus seiner Zeit heraus und aus seiner Abhängigkeit yod
Rousseau und mußte ihren Halt verlieren, sobald die
Psychologie auf einen höheren Standpunkt gerückt war.
Wie Rousseau läßt er alles geistige Leben mit fatalistischer
Notwendigkeit aus gewissen Keimen sich entwickeln. Wie
diesen trifft ihn aber auch der Vorwurf, daß er angeborene
und gute Eigenschaften, also ganz verschiedene Dinge,
miteinander verwechselt, daß er die Kindesnatur in dieser
Hinsicht mit dichterischer Freiheit behandelt, aber nicht,
wie Schiller sagt, »mit dem Organ, womit man sieht«;
und was versteht er unter den angeborenen Keimen?
Sieht er sie als Seelenvermögen an ? Diese sind aber wenig
mehr als allgemeine Klassen begriffe, mit denen wenig an-
zufangen ist. Sie haben methodologischen Wert als
Mittel zur Ordnung, nicht aber metaphysischen als Ur-
sachen psychischen Geschehens. Darf der Mensch auch
auf etwas Gesetzmäßiges in sich schließen, so doch wohl
nie als auf eine vollendete Wahrheit, sondern nur als auf
die bloße Möglichkeit zu dieser. Durch seine Lehre vom
Idealmenschen setzt sich Jean Paul an anderer Stelle
über diese Schwierigkeiten hinwQg, verwischt aber da*
— 176 —
dorch das Verhältnis der Begriffe nntereinaader, wie zu
dem der angeborenen Anlage. Diese Ansicht wirft nun
zwar ihre Schatten auch auf sein Kapitel über Einder-
spiele, aber doch nicht in dem Maße, dafi dadurch die
Bichtigkeit und Gültigkeit wesentlich beeinträchtigt wür-
den; denn hier kommt überall die Erfahrung zu ihrem
Rechte. Wohl aber zeigt sich auch hier, daß Jean Paul
das Kind stark idealisiert. Er rechnet nicht mit schwachen
und unnormalen Kindern, mit denen der Erzieher in Be-
rührung kommen muß. Seine eigne Kindheit überträgt
er auf die Gesamtheit und legt so an die Auffassungskraft
des Kindes den Maßstab des Erwachsenen. Zum Teil
hängt dies zusammen mit seiner Oberschätzung der Phan-
tasie. Wohl hat er recht, wenn er als Hintergrund der
eingebildeten Welt des Kindes die Wirklichkeit betrachtet,
wenn er aus der Phantasietätigkeit auch der Denktätigkeit
Gewinn ziehen läßt; denn alle Verstandestätigkeit hat die
Phantasietätigkeit zur Voraussetzung, sie ist, wie Goethe
sagt, eine Vorschule des Denkens, oder nach der Wundt-
schen Auffassung ein Denken in Bildern; aber sie geht
eben nicht über diese Wirklichkeit hinaus; auch sie
schöpft nur aus der, wenn auch veränderten, Reproduktion,
und ersetzt nimmermehr, wie der Dichter Jean Paul glaubt,
das, was der Wahrnehmung entzogen blieb. Sie reicht
nur soweit, als der Erfahrungskreis sich erstreckt, sie
wächst und vermehrt sich mit dem Vorstellungsschatz;
und die Stärke der Jugendeindrücke erklärt sich nicht
lediglich aus ihr, sondern zu einem guten Teil aus der
diesem Alter überhaupt eigentümlichen Frische, sowie aus
der Häufigkeit der Wiederholung jener Eindrücke. Diese
ganze ideale Auffassung vom Kinde läßt Jean Paul auch
in seinem Optimismus zu weit gehen, wenn er im Spiel
nicht die geringste Gefahr zu wittern vermag. Der Ehr-
geizige, der zum Herrschen Geneigte findet auf diesem
Gebiete doch nur zu leicht die gewünschte Nahrung für
seine sittlich bedenklich erscheinenden Triebe und wird
zum wenigsten den gewissenhaften Erzieher aufmerksam
— 176 —
und behutsam stimmen müssen, der es, wenn er im öflFent-
liehen Dienste steht, Tielleicht auch als einen Mangel der
Ausfährungen Jean Pauls empfinden wird, daS er die
Schule und ihre Verhältnisse und demzufolge auch die
entsprechend praktischen Anweisungen für dieselbe völlig
beiseite läßt. Er wird es aber erklärlich finden bei Be-
rücksichtigung des Zweckes der Levana, die sich yor-
zugsweise an das Haus wendet, Privat- und Faaiüira-
erziehung im Auge hat; und selbst hier denkt Jean
Paul^ wie mehrfache Äußerungen auch in seinem Kapitel
über Einderspiele beweisen: die Kinder in den Saal
heraufholen und ähnliche mehr, nur an die Kinder höherer
Stände, wenn auch seine Ausführungen für die aller
Schichten gleiche Gültigkeit haben. Trotz dieser m^r
rein theoretischen Bedenken, die zum großen Teil ihre
Erklärung in dem tiefen Standpunkte der damaligen Zeit
und Psychologie überhaupt finden, wird aber der Erzieher
auch heute noch seinen praktischen Ausführungen und
Anweisungen, die er hier als ein Prophet und Seher gibt,
insbesondere seiner pädagogischen Wertschätzung der
Spiele, seinen Anforderungen an die Spielsachen, seiner
Auffassung vom Wesen und Zweck derselben, seinem Ab-
scheu gegen die Genußsucht, seinem Dringen auf Einfach*
heit, Selbstgenügsamkeit und Selbsttätigkeit, seiner zarten
Rücksichtnahme auf die kindliche Individualität, seiner
Auffassung des Kindes als Selbstzweck,^) rückhaltslos zu-
stimmen können und nur bedauern, daß bei der alles
nivellierenden, schematisierenden und systematisierenden
Gestaltung') des modernen Schulwesens der praktischen
Durchführung seiner berechtigten Forderungen nicht selten
bestimmte Grenzen gesteckt sind.
Gegen diese lebensvolle Auffassung und Ausführung
Jean Pauls tritt die Herharts bedeutend in den Hinter-
') Siehe hierza SclUeierniacher ^ mit dem Jean Paul übereio-
stimmt.
*) Vergl. hierzu Hegel^ Anmerkung zur Enzjklopftdie, Vn, St B3L
— 177 —
grand. Das konstraktive Element seines Systems, die
psychologische Theorie, das ethische Ziel treten su sehr
in den Vordergrund und lassen die breite empirische
Grundlage vermissen, auf welcher Jean Paul aufbaute.
Daher finden sich nirgends wertvolle praktische Winke
und Hinweise, nirgends zeigt sich ein lebensvolles Hin-
eingreifen in den Reichtum der Wirklichkeit und ihrer
erläuternden Beispiele. Daher kennt er kein Kapitel über
die Spielsachen und Spielplätze, über die verschiedenen
Arten der Einderspiele. Die pädagogische Theorie, die
ethischen und psychologischen Voraussetzungen bedingen
vielfach seine Ansichten und Forderungen und tragen
infolgedessen den Charakter des mehr Abstrakten an sich.
Die rationelle Ausnutzung und Verwertung des Spiels in
der Praxis wird überall zu wenig betont. Ihrem Inhalte
nach suchen seine Ansichten immer den goldenen Mittel-
weg zu gehen, bewahren sich dabei einerseits wohl vor
Extremen, verlieren aber auch andrerseits von ihrem Ge-
präge der Originalität Trotz seiner Übereinstimmung in
vielen Punkten mit Jean Panl^ trotzdem die Mehrzahl der-
selben auch heute noch Zustimmung und Beifall finden
kann, wird er doch, einer heute unhaltbaren psycho-
logischen Theorie, sowie seinem ethischen Erziehungs*
ziele zuliebe, dem Spiel in seiner Gesamtheit nicht über-
all gerecht. Der Charakter des Geordneten und Geregelten
seiner Pädagogik greift mitunter zu drückend auch in
dieses Kapitel ein und nimmt dem Spiel etwas von dem
ihm eignen freien und heiteren Wesen. Zu Gunsten ge-
ordneter und geregelter Tätigkeit findet vielfach eine Ein-
schränkung derselben statt, die nicht selten wie eine leise
Geringschätzung derselben überhaupt aussieht Hütend,
vorbeugend und ergänzend hat doch der Erzieher trotz
des Bestrebens nach möglichster Schonung der Indivi-
dualität und der natürlichen Freiheit die Hand überall
im Spiele. Zum großen Teil hängt dies zusammen mit
«einer Wertschätzung der Phantasie, die den eigentlichen
Denkfunktionen gegenüber eine untergeordnete Stellung
Pad.Mag. 320. Weiler. 12
— 178 —
einnimmt, die er aber auch vielfach unteisch&tet DeiD
geistigen Gewinn der Spiele, so sehrer den ethischen, sozialen
und physischen Wert derselben anerkennt, wird er daher
nicht gerecht. Der durch das Spiel erworbene geistige Besitz
ist durchaus nicht nur rohes Materiel, nicht nur der erste-
Anfang zu Beobachtungen, über den das Kind durch
denkende Betrachtungen bald hinausgeführt wird. Auch auf
dem Spielplatze bilden sich wertToUe intellektuelle Eigen-
schaften aus, wie Geistesgegenwart, Geistesschärfe. Auch das
Spiel nötigt zum Denken und vielfach recht scharfen Be-
obachten, wenn es gilt, die Blöße des Gegners zu er*
spähen und die Mittel und Wege zu seiner Überwindong-
auszusinneo. Zu dem physischen, sozialen und ethischen
Nutzen muß auch der intellektuelle hinzutreten. Darin
liegt aber schon angedeutet, daß sich das Spiel auch nicht
einseitig und engherzig in das Schema der Regierung und
Zucht einzwängen läßt, am wenigsten aber eine strenge
Scheidung nach diesen Begriffen gestattet Es wird die
Zwecke beider immer gleichzeitig, niemals aber getrennt,.
verfolgen, wobei auch die rein intellektuellen Tätigkeiten
nie ganz leer ausgehen .werden. — Trotz dieser Mängel
tragen aber auch seine diesbezüglichen Ausführungen^
wie die seiner Pädagogik überhaupt, den Charakter ob-
jektiv kühler und besonnener Erwägung und Betrachtungs-
weise an sich, welche es verschmäht, subjektive Momente*
in ihre Bestimmungsgründe aufzunehmen.
Stimmen deshalb auch heute noch seine Anschauungen
im großen und ganzen mit den Forderungen modemer
Pädagogik überein, so kann dies von den Ltocke sehen
nicht in dieser Ausdehnung behauptet werden. Der
Grundfehler seiner Pädagogik, dem ütiiitätsprinzip wich-
tige Zugeständnisse eingeräumt zu haben, wirft seine
Schatten auch auf dieses Kapitel seiner Erziehungslehre.
Trocken und nüchtern, schwung- und poesielos schaltet
und waltet er mit den Spielen, wie es seinen Zwecken
dienlich erscheint, und vernichtet geradezu ihren Charakter
als Spiel, ohne die geringste Rücksicht auf die kindliche
— 179 —
Natur zu nehnien, die er andrerseits doch geschont wissen
will. Wie ein roter Faden zieht sich durch alle seine
Ausführungen ein innerer Widerspruch hindurch, der
(Gegensatz zwischen dem Naturverehrer und dem Utili-
taristen, der in den meisten Abhandlungen über Locke
bisher wohl deshalb übersehen wurde, weil seine Ansichten
über Kinderspiele niemals im Zusammenhange beleuchtet
wurden. Dieser Gegensatz bleibt unausgeglichen in allen
seinen Ausführungen und zeigt deutlich d.en Charakter
einer schnell hingeworfenen Pädagogik. Die Ansprüche
des ersteren an die Spielsachen, seine Auffassung des
Wesens der Spiele als Naturnotwendigkeit und Ausfluß
des Tätigkeitstriebes, seine Forderung möglichster Freiheit
und üneingeschränktbeit der Spiele, sowie die damit zu-
sammenhängende, die Bestimmung über das Ende des
spielenden Treibens der natürlichen Entwicklung zu über-
lassen, verdienen noch heute volle Beachtung; die sich
diametral dazustellenden und leider überwiegenden An-
sichten des ütilitaristen irren durchweg und erfordern
die schroffste Zurückweisung. Die Auffassungsweise des
letzteren ist einseitig und engherzig und führt zu einer
Verdrehung der natürlichen Verhältnisse. Dem Spiel
wird in völliger Verkennung seines Wesens der herbste
Zwang angetan und hört auf, Spiel zu sein. Im Interesse
nützlicher Beschäftigungen wird es zum Geschäft, wird
getrieben bis zum Ekel. Es ist ein unnatürlicher und
rauher Zwang, dem sich die kindliche Natur hier beugen
muß, und der die Bezeichnung von einer Vergewaltigung
und Knechtung derselben nicht zu herb erscheinen läßt;
und selbst hier noch gibt sich der ütilitarist leeren Täu-
schungen über die Wirkung seiner Mittel hin. Auch
wenn dem Kinde auf eine so unnatürliche Art ein Spiel
verleidet worden ist, wird es um nichts lieber zum Buche
greifen als früher, sondern zu einem neuen Spiel. Locke
müßte, um zum Ziele zu gelangen, die Geduld be-
sitzen, die Kur an sämtlichen dem Kinde zugänglichen
Spielen zu vollziehen; und selbst dann wäre es noch
12 ♦
11"!"; "'*™»™.™.., in^tici
I.rlalirung b„r. Kinseiti;..
H'ertsobutaiing jer Spielet V
und ergiebigen Verwertung
J«nn »eder im theorelisch
Ml ihm die Kede sein. D«
sie als Dehler dee ti„dlicl
walte.» za GunetM einer
mndung denelben gegen .i,
Unnatur, demKlben Zwange
und laBl ihren Wert i,,^,
Wungsmittel. In «i,,
Wesens ist es ilim niclit gq,
Kinde, vereetsen zu tä„n„
bolung „ohl nur selten, dal
Tätigkeit »erluigt „„j daber
»Ölung, s„„j„„ 1^ |_
■dentifiaert das Wesen des I
t>piel Erwachsener und legt a
«n, derinderTateingrundve,
er nicht» Ton ihrem ethischen,
öehalt und »ersteht nicht, ih,
utung xa wardigen. Ihm »
— 181 —
berrschenden sozialen Gegensätze gelegen sein mnß, aber
setzt er sich mit seiner sozial und standesnnterschiedlich
bedingten Auswahl der Spielgenossen. Nicht nur, daß
er hier einen der wichtigsten charakterbildenden Faktoren,
den Umgang, gänzlich unterschätzt, es fehlt dem Zögling
auch an Gelegenheit, Bekanntschaft zu machen mit der
Mannigfaltigkeit der Individuen, welche draußen im Leben
sich begegnen, welche ihm zur Belehrung dienen können,
wie er dereinst selbst im Verkehr mit fremden Personen
sich durchzukämpfen habe. Statt dessen werden die
sozialen Gegensätze nur verschärft Dieser Punkt weist
aber zugleich hin auf einen weiteren empfindlichen Mangel
seiner Ausführungen, wie seiner Pädagogik überhaupt.
Seine Anweisungen haben nur Gültigkeit für den durch
Stand ausgezeichneten Zögling aristokratischer Kreise, sie
geben keine Lehren und Winke für die Allgemeinheit,
lassen die Hebung und Fortentwicklung der Volksschule
gänzlich außer acht, so daß sie schon um deswegen
keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben dürfen.
Dabei geht Locke der weiblichen Erziehung ganz aus dem
We^e und hat daher auch nicht ein Vi^ort für die Spiele
der Mädchen und ihre charakteristischen Seiten. Ein Ver-
gleich seiner sämtlichen Ansichten aber, der des Natur-
Yerehrers und ütilitaristen zusammengenommen, ergibt
das merkwürdige Resultat, daß er in den Grundanschau-
nngen über das Wesen der Spiele vielfach das Rechte
trifft, in der methodischen und pädagogischen Verwendung
ond Durcharbeitung derselben aber seinem Erziehungs*
siele, der Glückseligkeit, zuliebe Irrwege geht, und einen
solchen betritt er auch mit seiner Forderung des spielen-
den Unterrichtsbetriebes. Während er dem Spiele an
seinem rechten Platze tyrannische und sklavische Fesseln
anschmiedet, räumt er ihm am unrechten Orte einen un-
gebührlich weiten Raum ein. Wohl soll sich der Über-
gang vom Spiel zum Unterricht allmählich und unvermerkt
Yollziehen, wohl muß das Gemüt des Kindes beim Be-
ginn des Unterrichts eine Stimmung erlangt haben, welche
Untorriclit ist eine Vers
^[«■lianisi'li und geistlos i
des Lesenlernens, übertriel
Werte, übertrieben die Fordi
sprechen gelernt habe, auch
selbst mit dem umstände g
ffihigkeit des Kindes im frt
am größten ist Summa st
seinen Ausfühningen behaa[
BruchstQcken tod verscbiedi
einignng als Ganzes von Wid
nicht frei, der allseitig barmt
breiten empirischeo Gnindlag«
gebenden Sichversenhens in d
berechtigten Forderungen ent
Zaubers nnd phantasievollen
eine heute über Bord geworfen
jiT^eleitet durch ein falsches
Ansichten, wohl einzelne Pei
in sich bergend, heute in <
WQndeoer Standpunkt; and c
Teil ihre Erklärung in der Z<
hebers, in dwo"" — "■
— 183 —
dünken schalten und walten zu können, hofft er, in einen
Orundtrieb derselben eine Abneigung gegen einen an-
deren pflanzen zu können ; und so sehr er irrt, liegt doch
gerade hierin ein Vorzug. Er ist nicht nur der erste,
weicher die Psychologie zum Regulator der Pädagogik
überhaupt machte, er ist gleichzeitig auch der erste,
weicher dem Problem der Einderspiele mit psychologischen
Hilfsmitteln zu Leibe rückte, so daß Jean Paul und
Herbart in diesem Sinne das von ihm begonnene Werk
gleichsam weiter fortsetzen, i)
Kapitel X: O^egenw artiger Standpunkt des Splel-
betrlebes In Deatschland mit Rflckslcht aaf die
Forderungen Leckes, Jean Pauls und Herbarts.
Wenn sie dabei auch einzelnen Täuschungen unter-
worfen waren, kann doch die Pädagogik von heute sich
mit vielen ihrer Forderungen aus voller Überzeugung ein-
verstanden erklären, und die Frage ist wohl am Platze:
»Inwieweit sind ihre berechtigten Ansprüche
und Ansichten Gemeingut der Gegenwart ge-
worden ?€ — Mit Genugtuung darf dieselbe wohl von
sich bekennen, daß sie die Bedeutung des Spiels für die
Jugenderziehung in ihrer ganzen Tragweite wieder erfaßt
hat. Einen weiten Kreis von Pädagogen, insbesondere aber
turnerische und medizinische Kreise, beseelen heute die-
selben Motive, die einst für einen Jean Paul maßgebend
gewesen sind. Fast einstimmig wird das Wesen der Spiele
erklärt als das Produkt eines Naturtriebes. Allenthalben
wird wieder betont der hohe erzieherische Wert derselben
für Ausbildung des Willens, des Geistes und Charakters,
ihre Bedeutung für das Erforschen der kindlichen Indi-
^) Einzelne der in der Kritik ausgeführten Punkte sind swar
schon bei Darlegung der Ansichten der einzelnen Pädagogen an-
gedeutet Wurden, mußten aber hier der Vollständigkeit halber im Zu-
sammenhang noch einmal bertüirt werden.
— 184 —
yidualität, für die harrooDische Ausbildung aller Krftfte des
Zöglings; ^) und doch unterliegt es keinem Zweifel, daft
sich die moderne Wertschätzung der Spiele gegenüber
der Jean Pauls zum Teil verrückt hat Trotz der An»
erkennung von dessen Ansichten macht sie doch vielfach
andere Gesichtspunkte geltend. In Obereinstimroung mit
Locke hebt sie mit Vorliebe den reichen Beitrag derselben
für die leibliche Ausbildung hervor. Dazu treten vor
allem, dem Geist der Zeit entsprechend, nationale und
soziale Gesichtspunkte hinzu. Die Spielfrage vnrd beute
nicht mehr allein als eine hochwichtige Erziehungs-, son-
dern vor allem auch als eine bedeutsame nationale Knltur-
frage angesehen. Ein Einblick in die zeitgenöeaiache
Tiiteratur läßt alle diese verschiedenen Zwecke, vrelche
dem Spiele zugeschrieben werden, mehr bald den einen,
mehr bald den andern, deutlich erkennen. Dr. med. F. A.
Schmidt in Bonn, ein eifriger Vorkämpfer der neuen Rich-
tung, schreibt: »Vielfach gilt das Spiel heute noch als
eine Form von Leibesbewegungen, welche neben dem
strengen methodischen Turnen für die eigentliche körper-
liche Erziehung doch eine mehr nebensächliche Stellung
einnehmen. Diese Anschauung ist uniichtig. Das Spiel
ist, richtig betrieben, ein wichtiger Zweig des Tamena
selber. Die Turnübungen sind nur nachgeahmte Be-
wegungen. Das Spiel erst gibt Gelegenheit zur seihst»
schöpferischen freien Betätigung des Willens in geschickten^
schnellen und kraftvollen Bewegungen und übt die selb-
ständige allseitige Körperbeberrschung, welches doch eines
der vornehmsten Ziele des Schulturnens ist. Das
Turnspiel ist also nicht bloß eine wünschenswerte Er-
gänzung des Turnens, sondern ein wesentlicher Bestand-
teil desselben, ja in mancher Hinsicht ein Gipfel turne-
rischer Betätigung. Turnen ist notwendig zur allseitigen
Ausbildung der Bewegungswerkzenge des Körpers, das
^) Ver^l. Profeesor Dr. Koehj »Der erziehliche Wert der Spiele;«
Dr. med. SchmicU, »Langenentwicklung and BewegungsspieL«
— 186 —
Spiel ifit die freie ADwendoog derselben und dient vor
aUem auch der Willensfibung: Methodisches Tomen und
Spiel zusammen erst machen ein Ganzes der Leibes-
erziehung aus.« Professor Dollinger fährt aus: »Das
Turnspiel ist in der Lehre der körperlichen Bewegungen
das, was für die Grammatik das Lesebuch. Das Kind
liest gern, wenn die Lektüre es interessiert, es spielt
gern, wenn der Oeist des Spieles sein Interesse wachruft
In der Ordnung, in den Begeln des Spieles liegt eine ge-
wisse Idee, die das Kind begeistert.« Dr. Oüßfeldt hebt
hervor: »Die Spiele dienen dazu, die Charaktere seiner
Schüler in einem unverfälschten Spiegelbiide kennen zu
lernen. Die planmäßig geleiteten Spiele haben den Zweck,
die Kräfte des Schülers zu entwickeln und gerade solche
Kräfte zu entwickeln, welche während des wissenschaft-
lichen Unterrichtes brach liegen mtissen.« An anderen
Stellen begegnen dem Leser Worte, wie: »Die Schule,
welche sich rühmt, eine Trägerin der wahren Bildung^
das ist der harmonischen Bildung von Gteist und Körper
nicht bloß zu heißen, sondern zu sein, soll jede (Gelegen-
heit ergreifen, die von ihr oft vernachlässigte körperliche
Erziehung ihrer Schüler zu vervollkommnen, und hat sie
darin durch die Fürsorge ihrer Lehrer und durch weise
Einrichtungen einen Vorzug vor anderen errungen, so
soll sie denselben hüten wie ein Kleinod in glänzendem
Rüstzeug.« — »Wir sehen den wesentlichen Wert des
Jugendspiels zumeist dann begründet, daß freie Zeit
durch freie Bewegung ohne den Zwang der Schule aus-
gefüllt und Gelegenheit gegeben werde, daß der Schüler
mit seinem Lehrer außerhalb der amtlichen Sphäre in
Berührung trete und diesem eine weitgehende Einwirkung
auf Herz und Gemüt des Knaben im nahen, freundschaft-
lichen Verkehr ermöglicht werde.« »Sowie das Schul-
spiel sich einmal allgemein, und im lechten frischen Sinn
betrieben, an unseren Schulen eingebürgert hat, ist auch
der rechte Untergrund für die erholenden Volksspiele ge-
schaffen; dann werden gute Volkssitten entstehen, das
— 186 —
Wirtshausleben und Skatspiel nehmen ab. Wer die
Jugendspiele hat, hat auch die Yolksspiele. Die Jugend-
spiele sind das richtige, fruchtbare Saatfeld fOr die Be-
lebung der Volksspiele. Wenn die Jugend aller Schalen
sich erst jahrelang in fröhlicher Lust und ernster Übung
auf dem Spielplatz getummelt hat, wenn sie bewußt und
unbewußt den Reichtum aller segensreichen Einwirkungeo
gut organisierten Spieles in Herz und (}emüt aufgeeogeo
und dieses Spiel als ein unentbehrliches Yergnfigen
empfinden gelernt hat, dann sind auch die Yolksspiele
da.€ Noch andere erblicken in den Jugendspieien ein
Mittel zur Bekämpfung der Frühreife der Jugend, |snr
Hebung der Gesittung des Volkslebens, zur Yerschonerung
der Jugendjahre, zur Heranbildung eines kräftigen, an Omei
und Leib tüchtigen sittlichen (Geschlechtes. Es wird betont
der Nutzen derselben für die Armee, für Weokunf? und
Pflege der Disziplin und Unterordnung, für Ertragenlemen
von Anstrengung, für Erlangen von Mut und Entschlossen-
heit. Es wird hervorgehoben die Gelegenheit zu kluger
Berechnung, Benutzung kleiner Vorteile und zu raschem
Entschluß, zur Betätigung der Energie, zum Einsetzen
aller Kräfte im Dienste eines Oesamtzweckes, im Dienste
der Partei, vor allem aber ihr Gewinn für die physische
Ausbildung, besonders auch des weiblichen GeschlecfateSi
für Lungen, und Herztätigkeit, für die Tätigkeit der Be-
wegungs- und Verdauungsorgane. ^) Sind so die Auf-
fassung vom Wesen des Spiels, sowie die Wertschätzung
desselben, obgleich hier noch neue Gesichtspunkte sich
geltend machen, zum Teil dieselben geblieben, als sie Jean
Paul und bis zu einem gewissen Grade auch Herbart
und Locke vertraten, so nähert sich die Gegenwart mehr
^) um ein getreoes Bild von dem gegenwärtigen Standpunkte
der Spielangelegenheit zu erbalten, sind diese Zasammenstellangvii
vurgenommen worden nach den verschiedensten, irgendwie erreidi-
baren zeitgenössiscben Abbandlungen über Spiele, wie sie in den
Jahrbüchern des Zentralausschasses für Jugendspiele, in Lehrer-,
Tnmerseitangen und pädagogischen Fachschriften niedergelegt sind»
— 187 —
noch Jean Pauls Ansicht hinsichtlich des Spielbetriebes.
Möglichste Gewähr von Freiheit wird überall angestrebt
und gefordert Dr. Ldon äußert sich hierzu: »Guts Muts
sagt: »Alter und Geschmack, Fähigkeiten und Kenntnisse,
häusliche Lage und Gesellschaft der Jugend^ der beson-
dere Geschmack der Eltern und Erzieher, Tages- und
Jahreszeiten, häusliche (Imstande machen eine große Zahl
von Spielen nötig.c Die einzelnen Spiele sind ebensoviele
eigentümliche Kundgebungen der nun einmal dem Men-
schen als eine glückliche Mitgabe für das Erdendasein
«ingepflanzten Spiellust, die hier und da gerade diesen
nnd keinen anderen Ausdruck sucht und gefunden hat
Ich nehme mit dieser Erklärung insbesondere Stellung
gegen die wohl zu Tage gebrachte Meinung, daß es ein
verdienstliches Werk sei, vorab der Jugend allenthalben
einen festen Kanon von Bewegungsspielen nach allgemein-
gültigen Gesetzen zuzurichten. Eine unbedingte Rang-
ordnung nach Klasse und Namen aber läßt sich nicht
wohl feststellen. Das einzige Kriterium, welches niemals
im Stiche läßt, finde ich darin, daß das einzelne Spiel
durch seine besondere Grundlage die Teilnahme der Spieler,
während es gespielt wird^ vollständig in Beschlag nehmen
muß, so daß sie zu ablenkenden Unterhaltungen keine
Zeit haben. Dann erfüllt es als Spiel seinen Zweck.
Spiele, welche von der Jugend des einen Ortes stets gern,
ja leidenschaftlich gespielt werden, finden an einem anderen
Orte wenig oder gar keinen Anklang. Einzelne Wahr-
nehmungen lassen mich befürchten, daß man gerade jetzt
zu wenig darauf Bücksicht nimmt, was orts- und landes-
üblich ist, indem man sich mehr bemüht, etwas, wovon
man irgend einen guten Eindruck empfangen hat, in die
Jugend hineinzutragen, anstatt es mit besonnenem Yorgeh^i
aus ihr herauszulocken«! Auf Umgebung und Vorbild,
Sitte und Tradition, auf die individuellen Eigenschaften
des Kindes wird Rücksicht zu nehmen gesucht Mit
Jean Paul wird gefordert: »Nicht vielerlei Spiel, sondern
viele Spiele in der festgesetzten Spielzeit geben einem
lies Lclions, w.i ni;ui er
lue mit AiisjiruL'li-ilii^if^liOJ
lernen soll." ') Mit Lw-h
im Interösee der Selbstii
du Selbatanfertigen tod S
Sind Bo die geBunden
gogen in der Theorie al
smu* die Praxis noch mi
steht nicht immer im Ein
anob hier ein weBentticbe
getreten. Raydt schildert
aebeo Städte und das Juge
letzten Jahrzehnt die Präs
mit folgenden Worten: «Mi
werden, daS fast alle BtädtiBC
spielen warme Teilnahme
große Bedeutung derselben f
and daß sie endlich auch %
rang derselben zu bringen.
Ca, die sich in ihren Antn
19. April 1890 prinzipiell
gegolUberstellten. Klagen
•lohlich iwViiF.i«-'.- " -
— 189 —
werden, während 98 die zwangsweise Beteiligang vor«
gezogen hatten. Die Spielzeit an den einzelnen Orten
schwankte zwischen 12 und Y3 Stunden in der Woche.
In Görlitz, Berlin, Bonn, Braunschweig und Hannoyer
sind besondere Ausbildungsstätten für Spielleiter er-
richtet worden. Wo keine Spielplätze vorhanden waren,
wurde ein Ausweg zu finden gesucht, indem die Schulr
höfe oder Turnstunden, wenigstens die letzten im Monat,
zum Spiel verwendet wurden.« Wie sich dabei der
Spielbetrieb im einzelnen gestaltete, wird besonders
klar aus den Berichten der einzelnen Städte. Dieselben
zeigen, daß sich überall das Bestreben geltend macht, der
freien Auswahl der Schüler soviel als möglich Spielraum
zu lassen, wenn irgend möglich, einen festen Spielkaaon
zu vermeiden, der fortschreitenden Entwicklung, dem
wechselnden Geschmacke und anderen Umständen Rech*
nung zu tragen, die Beteiligung freiem Entschluß zu über»
lassen. Der gesunden Seibstregierung der Schüler wir4
möglichst Vorschub geleistet; die Bildung von Spiel-
vereinen unter den Schülern wird begünstigt. Es wird
Gewicht daraufgelegt, daß, wo nur angängige die Klassen-
lehrer die Spiele leiten; und so wird vielfach überräi-
«timmend in den Spielberichten hervorgehoben: »Mit Rück-
sicht auf die erzieherischen Zwecke wird den Schülern
ein großes Maß von Freiheit und Selbständigkeit gelassen*
Man sucht alles, was an Schulzwang erinnert, zu va>
meiden, um eben den Knaben Gelegenheit zu geben, sich
im freien Spiel körperlich und geistig auszulebra. Man
ließ ihnen vielfach alle Freiheit bei der Auswahl der
Spiele und bei der Leitung derselben. Als eine Schol-
einrichtung daraus wurde, mußte freilich vielfach eine
bestimmteSpielordnung eingeführt werden, doch beschränkte
sich diese auf die notwendigsten Bestimmungen und sog
die Schüler selbst wieder mit zur Leitung und AuMdit
heran! Es ward dabei streng nach dem Grundsatz ver-
fahren, daß auf dem Spielplatze den Schülern möglichste
Selbstregierung gewahrt werden soll. Es bilden sich die
— 190 —
VereiDigungen nach freier Wahl; sie wählen die Sjnele
selber; jüngere Schüler stehen unter der Leitung der
älteren. Die Spielregel ist eben das Ordnende, c^) Tritt
demnach das Bestreben, der kindlichen Individualität ge-
recht zu werden, ihr für ihre Betätigung im Spiel mög-
lichste Freiheit und üneingeschränktheit zu gewähren«
deutlich zu Tage, so gestatten freilich andrerseits die so-
zialen und kulturellen Verhältnisse der Gegenwart nicht
immer die volle Yerwirklichung von Jean Pauls IdeaL
Die ganze Organisation des gegenwärtigen Schollebens^
der dadurch bedingte Massenbetrieb der Spiele machen
vielfach die Handhabung einer gewissen äußeren Ordnung^
eines gewissen methodischen Betriebes notwendig, fahren
zu SpielordnuDgen, Spielplänen, zum Aufstellen von Kanons,
erfordern Spielwarte und Spielleiter. Doch wird auch hier
möglichst das Drückende der Aufsicht zu vermeiden gesucht,
indem sich letztere selbst mit am Spiel beteiligen, indem
sie aufmuntern, ordnen und beleben. Nicht selten ist
wohl auch bereits die Frage erwogen worden, ob nicht
überhaupt die Spiele obligatorisch in den Stundenplan
aufgenommen werden müssen, ob nicht die ünterrichts-
verwaltungen dazu schreiten müssen, den Spielen in den
Erziehungsplänen der Lehranstalten eine besondere Stelle
anzuweisen, »da oft gerade diejenigen Schüler, welche die-
selben am meisten vonnöten haben, aus Mangel an Willens-
kraft, aus angeborener Trägheit und Oleichgültigkeit sich
fern halten und daher aus Unverstand sich der Vorteile
des Spielens selbst berauben, c Bei dieser Sachlage der
Verhältnisse berichten andere Städte wohl auch: »In der
ersten Zeit der Einführung wird der Lehrer den Mittel-
punkt der Spielbewegung bilden müssen. Er wird die
Regeln mitteilen, das Spiel überwachen. Streit schlichten,
Unregelmäßigkeiten ausgleichen, den Wechsel der Spiele
bestimmen. Ihm muß das Material so bekannt sein, dafi
Irrungen ausgeschlossen erscheinen. Er möge, soweit es
^) Braunacbweig.
— 191 —
seine Kräfte gestatten, auch mitspielen. Die Schüler freuen
sich, wenn er jugendliche Lust und heiteres Vergnügen mit
ihnen teilt; sie sehen in ihm dann nicht mehr den steifen
Gelehrten, den strafenden Richter, sondern sie verehren
ihn als väterlichen Freund und lieben ihn als Genossen
der Jugendlichkeit. Sein Beispiel wirkt segensreich über
die Schule hinaus. Haben die Spiele in einer Anstalt
festen Boden gewonnen, sind die Hauptspiele und die
Hauptregeln unverlierbares Eigentum der Schüler gewor-
den, so wird der Lehrer die letzteren freier wählen und
bestimmen lassen. Je sicherer sie das Spiel beherrschen,
desto erheblicher wird das Interesse am Spiel wachsen,
und desto voUständiger werden die Schüler das Spiel und
sich selbst beherrschen, c^) — So erfreulich nun auch ein
derartiger Fortschritt im Spielleben unserer Schulen
sein mag, über gewisse noch bestehende Mängel vermag
auch er nicht hinweg zu täuschen. Bei allem Bestreben,
möglichste Freiheit zu gewähren, macht sich immer noch
ein gewisser Zwang, eine Art Kommando, ein bestimmter
methodischer Betrieb geltend. Die modernen Schul- und
Kulturverhältnisse mit ihrem nivellierenden und schab-
ionisierenden Charakter gestatten nicht die Respektierung
der Individualität im Sinne eines Jean Pauls, Ein
Schimmer von Kunst legt sich über die ganze Art und
Weise dieses Betriebes, der individueUen Natur, die sich
doch dem Ganzen beugen muß, gewisse Fesseln anlegend,
und eine Gefahr bringt ein so organisierter Spielbetrieb
immer mit sich: auszuarten zum Sportbetriebe. Dazu
werden von den Führern der ganzen Bewegung, die be-
zeichnenderweise meist medizinischen und turnerischen
Ereisen angehören, die nationalen und physischen Ele-
mente zu einseitig in den Vordergrund gerückt, werden
die psychologischen und erzieherischen Gesichtspunkte im
^) Die Berichte sind so gewählt, daß sie die zwei großen Lager
charakterisieren, welche in der Tat hinsichtlich des Spielbetriebes
bestehen, so daß sie die Verhältnisse im ganzen za kennzeichnen
▼ermögen.
— 192 —
engeren Sinne zu wenig berücksichtigt, wird auf die
praktische Ausbeute der Spiele im Dienste der Geistes-
kultur, der sittlichen Bildung und Endehung im engersB
Sinne zu wenig Gewicht gelegt Zweck und Abaicbt siiid
edel und gut und stiften gewiß auch groGen S^en, aber
die Ziele sind zu einseitig, und leicht greift man, wie ja
bei allen Neuerungen, deshalb auch in der Wahl der
Mittel oft fehl. Nicht dem Leibe allein, oder doch fiul
ausschließlich, der Seele des Kindes, den natürlichem
Trieben und Regungen derselben muß mehr Rechnung
getragen werden, als dies allenthalben geschieht, mit einem
Worte, die rein pädagogische Ernte muß eine ergiebigefe
und ertragsreichere werden. Außerdem kommt der Seg^
dieser Einrichtung immer nur einem Teil der Ju^^d la
gute, wo eben Verwaltungen und Schulen derartige Vor*
kehrungen getroffen haben, an denen aber oft nicht ein-
mal alle Kinder des Ortes teilnehmen. Ein falsches BiM
würde sich ergeben, diesen Maßstab an das gesamte
Schulleben der deutschen Jugend anlegen zu wollen. Wie
viele Schulen, abgesehen von größeren Städten, erfreuen
sich solcher Einrichtungen; wie viele Lehrer unterziehen
sich dieser Aufgabe? Auf dem Lande fehlen jene fast
ganz, in den kleineren Städten nicht selten. Die Turn*
stunden sollen das Fehlende ersetzen. Abgesehen davon,
daß hier immer nur der betreffende Lehrer oder wohl
gar Fachlehrer im stände ist, die Kinder zu belauschen,
tragen diese Spiele nicht selten den Charakter des Ge-
regelten an sich, beschränken sich auf die im Lebrplan
vorgeschriebenen, welche noch dazu nach militärischem
Kommando eingeübt werden. So bleiben für die freien
Spiele der Kinder nur die kurzbemessenen Pausen, die
I^'rei Viertelstun den, und auch hier wird vielfach doch nnr
gespielt der Disziplin wegen. Die natürliche Fröhlichkeit
und Munterkeit der Kleinen kommen nicht zu ihrem
Rechte. Schulfeste und Schulspaziergänge, die dazu meist
noch anderen Zwecken dienen, bieten fast die einzige
Gelegenheit zum Spiel, und auch hier treten zur Be-
— 193 —
Ittstigung einer schaulustigen Menge nidit selten abge-
ricbtete Pappen anf. Bei der minutiösen Einteilung der
Zeit, bei der peinlichen Verteilung des Lehrstofifes selbst
bis auf die einzelnen Stunden nimmt das Schulleben nur
allzuoft einen gewissen fabrikmäßigen Betrieb an, der
wohl den bloßen Stundengeber befriedigt, ihm eigne Denk-
arbeit erspart, es aber dem emstgeeinnten Erzieher schwer
fallen läßt, oft auch nur ein Yiertelstündchen für be-
rechtigte Forderungen der Kleinen zu erübrigen. Zu Tolle
Klassen, zu bunt zusammengewürfeltes Schülermateriid
erschweren ihm seinen Zweck vollends, den zu erreichen,
er schon gezwungen ist, seine eigne freie Zeit zu opfern.
Hier aber scheitert seine Absicht nicht selten an dem
Widerstand der Eltern, besond^B der niederer Volks-
schichten. Der Sohn des Landmannes wird zur Feldarbeit
gebraucht; die Kinder ärmerer Stände müssen — und
mit wie vielen Beispielen, besonders aus größeren Städten,
ließe sich hier trotz mancher Vorkehrungen auch heute
noch dienen — oft schon vor dem unterrichte stunden*
lang ihren Geschäften nachgehen. Für sie sind aber
Spiele doppelt notwendig, für sie sind sie eine hygienische
Forderung und soziale Notwendigkeit, abgesehen davon,
daß sie gerade in den Kreisen dieser Kinder nicht wenig
dazu beitragen, ihre natürlidie ünbeholfenheit ihnen ab-
zugewöhnen. Um aber diesen Umstände gere^ zu
werden, ist d&t Lehrer gezwungen, d^i eigentlichen Schid-
stunden selber die dazu erforderliche Zeit abzugewinnen,
vielleicht gegen die Bestimmung der Vorschrift Es kann
heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß gerade nach
dieser Richtung hin sich im SchuUeben der Gegenwart
ein zu drückender Bureaukratismus geltend macht, daß
die Verhältnisse nur zu sehr vom grünen Tisch aus be-
stimmt werden, ohne mit den Forderungen der Wirklich*
keit zu rechnen. Noch lange nicht sind im heutigen Schulr
leben die Forderungen eines Jean Paul in Erfüllung ge-
gangen, und wie sieht es in den Familien aus?
Noch ganz derselbe Luxus, noch ganz dasselbe Über-
Pad. Mag. 320. Wellor. 13
wenn ^ichon diu Ju;
abResehniackt und tei
frühzeitig die Eindlici
Benehmen an Dichte
Eind nicht geradezu
am der Eitelkeit der
leicht dem guten Nach
Spieleachen aus? Mol
Spielwaren nicht jeden
denken einflößen ? Die
nnr eben keine Spielsoi
prodnkte von größter Zi
Arbeitszeug für die Zw
Schonung, aber geatatti
ihnen. Weder in Schule
Forderungen eines Jean
Herbart und Locke, in
Noch ein reiches Arbeit
zu bebauen.
— 195 —
sozialpolitischen und kulturellen Verhältnisse werden in
ihrer gegenwärtigen Gestalt zwar immer eine unüberscbreit-
bare Grenze stecken, so daß nur eine möglichste Milde-
rung der bestehenden Übelstände, mit denen nun einmal
gerechnet werden muß, angestrebt werden kann. Dieselbe
aber ist möglich, ja notwendig, wenn nicht wieder ver-
gessen werden soll, daß auch den Kleinen eine Seele mit
eigenen Bedürfnissen einwohnt. In den gegenwärtigen
Verhältnissen das Ideal einer Schule erblicken zu wollen,
dürfte mehr als einem Erzieher schwer fallen, schwerer
aber noch, in einer Zeit des Gährens, des Rütteins am
Alten, des Experimentierens mit Neuem das Richtige
herauszufinden. Wenn, wie begründete Zeichen andeuten,,
die gegenwärtige Zeit vielleicht in der Geschichte der
Pädagogik einst den Titel einer Übergangsperiode tragen
wird, ist es Pflicht dieser Zeit, berechtigte Wünsche zu
hören; und solche erhebt auch die Eindesnatur mit ihrem
Freiheitsdrange und Spielbedürfnis. Offen gestanden, ließe
sich bis zum 9. und 10. Lebensjahre wohl manches Viertel*
Stündchen, das in zu peinlicher Sorgfalt der Stundenplan
vorschreibt, missen und im Dienste wirklicher Erziehung
der Kleinen verwerten. Natur- und heimatskundliche
Unterrichtsfächer laden zu Ausflügen ins Freie ein, für
manche angesetzte Stunde läßt sich hier der dumpfe Schul-
raum mit der freien Natur selbst vertauschen; und hier
auf grünem Plan findet sich wohl auch Gelegenheit, so
manches halbe Stündchen freiem Spiel und heiterem Scherz
zu widmen. Aus eigner Erfahrung darf bestätigt wer-
den, daß die so hingegebene Zeit doppelt und dreifach
wieder eingeholt wurde. Träge und saumselige Naturen,
bei denen sogar pathologische Zustände den Erklärungs-
grund zu ihrem Verhalten abgaben, konnten so am besten
aufgerüttelt, für eine lebhaftere Teilnahme auch am unter-
richte gewonnen werden; und werden Turnstunden und
Pausen in ähnlichem Sinne verwertet, so kommt der
Unterricht noch recht wohl zu seinem Rechte, aber auch
andrerseits die kindliche Natur. Dabei müssen die Schüler
13*
— 196 —
soviel als möglich frei schalten and walten köonea. Humi
bleibe die Wahl der Spiele überlaseen; sam wenigsleB
aber muß der Schein dieser Freiheit ihnen gewahrt hleiben.
Jede Furcht vor Ausschreitungen ist onangebraoht Schoa
die biofie Gegenwart eines geliebten Lehrers geotlgt,
im Zaume zu halten und vor Aasschreitungen, die
Spiele nur selten und auch nur bei größeren einmal
kommen, zu bewahren. Um jeden Glauben an eine Übeir-
wachung zu unterdrücken, beteilige sich der Enielur
selbst mit am Spiel, werde gans einer der ihren. Mü
rechtem Takt und rechtem Sinn angefangen, läßt eich aaf
diese Weise unendlich viel gewinnen auch för die Zwecke
des Unterrichtes und das Gelingen des Erdehnngswerkee
überhaupt. Nur ein törichter Glaube kann den fiSrsiehflr
befürchten lassen, sich dadurch von seiner Autorität etww
zu vergeben. Vielmehr wird es für ihn, wenn er 4ßm
Gewinn und Genuß solcher Stunden empfanden bat, eise
köstliche Erinnerung bleiben, wie die Augen der EleDMB
aufblitzten, wie sie ihn umringten, wie ihre Freade hwI
Munterkeit gehoben wurden, wieviel liebe und AnbfiiigUob-
keit er erntete. Die Erfahrung wird ihm lefaren, daß
sich andrerseits sogar eine förmliche Enttäusohong eia*
stellte, wenn er es unteriieß, sich in ihren Kreis moacr
mischen; und muß es nicht so sein, wenn er der Freuidl
der Kleinen in dem Funkte wird, wo sie am beeten m
treffen sind? Ein solches Verhalten empfinden dteselbeB
durchaus nicht als Aufsicht, vielmehr erblicken sie in
Erzieher nur einen Spielfreund, einen ihrer SpielgenoeseB.
In solchen Augenblicken darf derselbe aber auch selbst
einmal bestimmen und anordnen, darf aus besondema
Gründen dieses und jenes Spiel vorschlagen. Ohne das
leiseste Empfinden eines Eingriffes in ihre Freiheit ordneo
sie sich ihm wie jedem andern älteren Spielkameraden
willig unter; denn sie wollen auch neue Spiele kennen
lernen und sehen auch den Lehrer unter die gemeinsam
verbindende Spielregel gestellt wie sich selber. — bi
diesem Sinne muß vor allem auch jenen Veranstaltange^i
— 197 —
welche der Belustigung und dem Yergnttgen der Schul-
jugend gewidmet sein sollen, den Schulfesten und Ausflügen,
den Schülerspaziergängen, ihr wahrer Charakter als Er-
holungs- und Belustigungsmittel wieder zurückgegeben
werden. Ihren Zweck erfüllen sie nur, wenn sie das Ge-
präge als Schaustellungen für Erwachsene, als Eitelkeits-
kitzel für Eltern und Erzieher ablegen, das zu erzielen,
oft ein monatelanger Drill vorher nötig ist. Wieviel kost-
bare Zeit wird verschwendet, die im besseren Sinne hätte
▼erwendet werden können, wieviel Gelegenheit unbenutzt
vorübergehen lassen, die kindliche Seele sich selbst aus-
leben zu lassen, anstatt ihr den drückendsten Zwang auf-
zuerlegen! Mögen es immerhin nur Kleinigkeiten sein,
ihre Beachtung wird doch dazu beitragen, daß ein freu-
diger Geist und heiterer Sinn, daß neues Leben auch
wieder in die Hallen unserer Schulen einziehen. Leider
sind sie ja heute schon oft ein getreues Abbild der
Modernen Hast und Überstürzung. Es wird doziert und
experimentiert, aber zu wenig praktiziert. Vorschläge
auf Vorschläge, Versuche auf Versuche überstürzen sich.
Diesem Getriebe g^enüber muß sich der Glaube sieg-
reich Bahn brechen, daß es doch noch möglich ist, den
ganzen Schulbetrieb sinnreicher und individueller zu ge-
stalten, als dies tatsächlich der Fall ist Hier aber er-
wächst der Schule noch eine zweite Aufgabe im Hinblick
auf die Familie. In weiten Schichten des Volkes, in
niederen wie höheren Ständen, fehlt es an der nötigen
Aufklärung. Dort mangelt es an der Zeit, hier an der
Lust, auch einmal ein gutes Buch über Erziehung in die
Hand zu nehmen. Die Zeit des Vaters nimmt der Ernst
des Geschäftes in Anspruch, Mutter und erwachsene
Töchter, deren schöne Pflicht es wäre, hier das Ihre zu
tun, finden in Romanen und seichter Lektüre einen viel
anziehenderen Stoff. Hier wird es Pflicht der Schule,
Aufklärung zu schaffen und solche zu verbreiten. In
derartigen Punkten muß sie den Zweck und die Auf-
gabe pädagogischer Familienabende erblicken, wie sie an
— 198 -
einigen Winkeln unseres Vaterlandes bereits eingeriditet
worden sind, nicht aber in EonzertvortrSgen und Deklama^
tionen. Frei und ungeschmückt müssen hier die An-
liegen vorgebracht werden können, frei und ungeschmückt
muß aber auch die Wahrheit bekannt werden, unbe>
kümmert darum, ob sie gehört sein will oder nicht: der
Yolkserzieher warte seines Amtes! Für den gesunden
und praktischen Sinn eines solchen aber dürfte es sich
empfehlen, ihm doch einen größeren Spielraum zu lassen,
als dies viele Seh ulver waltungen von heute für gut
befinden. Würden dieselben ihre Aufgabe nicht besser
erfüllen durch vermehrte Fürsorge für die Gewinnung
und Heranbildung solcher Erzieher, als durch das Be-.
streben, durch Verordnungen alles und jedes r^eln zu
wollen, die bei aller wohlgemeinten Absicht doch immer
nur ein Durchschnittsmaß bleiben und einengen nach
oben, wie nach unten? Für den tüchtigen Erzieher wer-
den sie leider nur allzuoft sogar zum Hemmschuh, zur
Zwangsjacke, tür den weniger Befähigten zum unverbrüch-
lichen Dogma, das sich fanatisch gegen jeden wahren Fort-
schritt erklärt, für den bloßen Stundengeber zum will-
kommenen Mittel, ihn auf billige Weise ernsten Selbst-
nachforschens und Weiterstrebens zu entheben. G^wifi
lassen sich dieselben unter heutigen Verhältnissen nicht
umgehen, ein Übermaß aber schadet dort wie hier! und
Arbeit, auch für die Förderung jugendfrohen Spieles, würde
noch genug übrig bleiben. In der Fürsorge für gute
Spielplätze, für die nötige Spielzeit, in der Überwachung
der häuslichen Schularbeiten zu Gunsten der erforder-
lichen Zeit, in der Gewinnung und Unterstützung sich
der Sache von ganzem Herzen annehmender Lehrer, in
der Fürsorge für deren Ausbildung auch nach dieser
Richtung hin, in Vorkehrungen und Veranstaltungen zur
Aufklärung des Volkes, in der BeschafTung der notwendigen
Spielgeräte fäode sich ein Feld von reicher Betätigung.
Hier käme auch die mithelfende Unterstützung von Ver-
einen und Wohltätern der Menschheit in Frage,
— 199 —
^ie tatkräftig die Hand mit ans Werk legten und ihr
Scherflein, das so oft unnützen Zwecken gewidmet ist,
dazu bestimmten, der Jugend die Schule, so oft den
einzigen Ort ihres Ernstes, gleichzeitig auch in ein
Paradies ihres Alters zu verwandeln. Jeder das Seine
hier am rechten Platze, dann wird auch im Schulleben
der Gegenwart das Ideal Jean Pauls zum Teil Verwirk-
lichung finden, und der Einfluß desselben wird wider-
hallen im Tempel unserer Familien: »Dem Kinde bleibt
seine podsievolle Welt erhalten, und keine rauhe Hand
vernichtet das zarte Befruchtstäuben!«
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16. Sallwürk, Dr. £. von, Das Becht der Volksschulanfincht. Nach de»
Verhandlungen der Württemberg. Kammer im Mai 1891. 25 Pf.
17. Boss b ach, Dr. F., Historische Bichtigkeit und Volkstümlichkeit im
Geschichtsunterrichte. 40 Pf
18. Wohlrabe, Rektor Dr., Lehrplan der sechsstofigen Volkaachnle is
Halle a. S. für den Unterricht in Geschichte, Geographiey NatorlebrBh
Baumlehre, Deutsch. 40 Pf.
19. Bot her, H., Die Bedeutung des ünbewulsten im meneohl. Seelsa*
leben. 2. Aufl. 30 Pf.
20. Geh ml ich, Dr. Ernst, Beiträge zur Geschichte des ünterricfata and
der Zucht in den städtischen Lateinschulen des 16. JahrhnndertB. 50 PL
21. Ho 11 kämm, F., Erziehender Unterricht und Massennnterridit. 60 PL
22. Janke, Otto, Körperhaltung und Schriftrichtung. 40 PL
23. Lange. Dr. Karl, Die zweckmäßige Gestaltung der öffsntliöheD Schal*
Prüfungen. 30 PL
24. Gleichmann, ProL A., Über den blob darstellenden Unterricht Hör-
barts. 2. Auflage. 60 PL
25. Lomberg, A., Grofse oder kleine Schulsysteme? 45 Pf.
26. Bergemann, Dr. P., Wie wird die Heimatskonde ihrer 80s.-ethiacfafla
Aufgabe gerecht? 2. Aufl. 80 PL
27. Kirchberg, Th., Die Etymologie und ihre Bedeutung fQi Schale and
Lehrer. 40 Pf.
28. Honke, Julius, Zur Pflege volkstüml. Bildung und Gesittung. 50 PL
29. Ben kauf, ]^. A., Abnorme Kinder und ihre Pflege. 2. Aiä. 35 Ft
Poesie im I.Schuljahr
Von
Hugo Kfihn,
Lehrer am Orossh. S. Sophienstift in Wehntr.
Päda^ogrisches Masrazin, Heft 821.
LftBMTtfffllgft
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer ft Mann)
HflEKgl. Sldii. HoflwiohhihMner
1908
i f i^
• RechU TditielMUa.
Die Poesie ist neben den vielen anderen Dingen, die
wir in der Elementarklasse betreihen, nicht weit über
die Stellung eines Aschenbrödels hinausgekommen. Unsere
Schulerziehung charakterisiert ein stark utilitaristischer
Zug. Man fordert und erwartet von der heutigen Schule,
daß sie ihre Zöglinge zu religiös-sittlichen Charakteren,
dann aber vor allem auch zu praktisch tauglichen Indi-
viduen heranbilde, die ihren Platz dermaleinst in der
menschlichen Gesellschaft selbständig auszufüllen imstande
sind und einen rüstigen Fortschritt modemer Kulturarbeit
gewährleisten. Die sich täglich steigernden Ansprüche,
die der Eampt um die Existenz an die Fähigkeit und
die Arbeitsenergie des Individuums stellt, bedingen natur-
gemäß auch eine stetige Steigerung der Ziele unserer
Yolksschule, der ja bekanntlich 96 % QDBeres Volkes ihre
grundlegende Ausbildung verdanken. Die Lehrpläne der
Volksschule lassen in ihrer fortwährenden um- und Neu-
gestaltung erkennen, wie man sich in heißem Bingen, in
zäher Arbeit abmüht, den wachsenden Forderungen des
Tages Rechnung zu tragen. Was sich nicht als un-
bedingt notwendiger Baustein für das durch die nächst-
liegenden Bedürfnisse des praktischen Lebens vor-
gezeichnete Lehrplansystem auszuweisen vermag, das
findet wenig, meist gar keine Gnade vor unseren Augen.
Bei dieser Auswahl verfahren wir so gewissenhaft, daß
wir bereits im I. Schuljahre den Schwerpunkt des Unter*
hchts auf die Unterrichtsgegenstände veri^n, die einen
Pld. Ibg. 821. Kfthn, FOeiie im L Sobnljalir. 1
— 2 —
unmittelbaren greifbaren Zweck fürs Leben haben oder zu
haben scheinen. Wie anders sollen wir's uns sonst er-
klären, daß noch immer Lesen und Schreiben im Ele-
mentarunterricht das Scepter führen, obgleich doch schon
längst hinreichend erwiesen ist, daß sie eine wahre Oeißel
für unsere Jugend bilden. Ja, ließe sich der frühzeitige
Beginn des Schreibleseunterrichts wenigstens noch durch
einen triftigen Grund rechtfertigen! Oder will man wirk-
lich ernstlich behaupten, daß die gründliche Erlernung
des Lesens und Schreibens einen möglichst zeitigen Be-
ginn dieser Disziplinen unbedingt erfordere? Oder glaubt
jemand beweisen zu können, daß Ijosen und Schreiben
dem kindlichen Interesse ganz besonders nahelägen?
Oder fordert ein vom Kinde gefühltes Bedür&iis gebie-
terisch die alsbaldige Inangriffnahme des Schreiblese-
unterrichts? Nichts von alledem! Und doch werden auch
Lesen und Schreiben genau so wie jede andere ünter-
richtsdisziplin ihre Berechtigung für den Lehrplan des
Elementarunterrichts in erster Linie aus dem Interesse
und Bedürfnis des Kindes heraus begründen müssen.
Beim Rechnen liegt die Sache anders. Der Wunsch des
Kindes, die Dinge seiner Umgebung zählen, messen, nach
Umfang und Gewicht vergleichen zu können, bedingt
und rechtfertigt den alsbaldigen Beginn des Bechenunter-
richts. Oft und energisch genug ist gegen den öden
Formalismus, den der Schreibleseunterricht in der Elementar-
klasse notwendigerweise mehr oder weniger verkörpern
muß, zu Felde gezogen worden. Aber immer wieder gilt
es ihn zu bekämpfen, zu bekämpfen so lange, bis er
endlich den Dingen Platz macht, denen das Kind aus
seinem innersten Wesen, aus seinen seelischen Bedürf-
nissen heraus zunächst entgegenstrebt. Wie langweilig
und öde muß es dem kleinen Neuling in der Schule vor-
kommen, wenn er seiner ganzen bisherigen Entwickelung ge-
mäß verlangend nach lebendigem Leben, nach wirklichen,
greif- und sichtbaren Dingen ausschauend, nun hier tag-
tfiglich stundenlang mit den klappernden Gerippen toter
Bachstabenbüllen traktiert und bis zur Erschöpfung er-'
müdet wird. Der »Beiz des Neuen« versagt hierbei gar
bald, und selbst die packendste Methode des geschicktesten
Elementarlehrers wird dem Kinde den Schreibleseunter-
richt auf die Dauer wirklich anziehend und fesselnd
nicht zu gestalten vermögen. Wie ein eisiger, tödlicher
Beif muß sich der Buchstabendrill auf des Kindes Seelen-
leben legen, das sich bis dahin in der schönen freien
Gottesnatur in lebendigem Verkehr mit den Dingen so
reich und glücklich entwickelt hatte und nun nur noch
des belebenden Sonnenkusses durch die Schule harrt, um
sich zu prächtiger Blüte zu entfalten. Aber wo ist sie,
die ersehnte Frühlingssonne in der Schule, um Lust und
Leben zu wecken allerenden, wo man jetzt mit künst-
lichen Mitteln und Mittelchen einer gewaltsamen Treib-
hauskultur des Kindes Geist und G^müt glaubt entwickeln
zu können?
Es ist nur eine Folgeerscheinung der eben gekenn-
zeichneten Verschiebung des Schwerpunktes unseres Ele-
mentarunterrichts nach der Seite der formalen Dis-
ziplinen hin, daß die Poesie noch nicht die ihr gebührende
Wertung und Stellung im L Schuljahre gefunden hat
Wo soll man aber auch hier bloß die Zeit hernehmen,
nun auch noch der Poesie eine besondere Stellung, einen
eigenen Platz einzuräumen? Gilt es doch, das Kind
innerhalb Jahresfrist fließend lesen und das Gdesene
schreiben zu lehren, es mit den elementaren Regeln der
Rechtschreibung vertraut zu machen und ihm die sichere
imd geläufige Operation mit den vier Hauptrechnungs-
arten im Zahlraum von 1—10, wenn irgend angängig,
von 1 — 20 zu ermöglichen. Dazu treten noch die bibli-
schen Geschichten, die das Kind dem Hauptinhalt nach
wiedergeben können soll, und die Sprüche und Lieder-
verse, die es wortgetreu reproduzieren muß. Wenn dann
bei der Visitation die im Lehrplan vorgeschriebenen Stoffe
tadellos »gehen« und die für den betr. Zeitraum ver-
zeichneten Pensen alle durchgearbeitet, ich will lieber
1*
— 4 —
sagen: durchgenommen worden dnd, dann ist der ge-
strenge Herr Yisitator befriedigt ^ und der Lehrer reibt
sich vergnügt die Hände, daß alles »geklappte hat. Das
ist ja das Leidwesen der meisten Visitationen, daß sie
vornehmlich prüfen wollen, was die Klasse kann und
weniger danach fragen, was die Klasse ist Liegt es da
für manchen Elementarlehrer nicht nahe genug, in seinem
Unterrichte mit allem Fleiß zunächst das Notwendige
zu treiben und das nur Wünschenswerte immer
wieder zurückzustellen? Das Wünschenswerte wird er
in unserem Fall in der Poesie erblicken. Dazu kommen
die unglaublichen Dinge, die sich manche Schale leistet,
um die Lehrziele des I. Schuljahres womöglich noch höher
hinaufzuschrauben. Maßloser Ehrgeiz kleinlicher Streber-
seelen und nicht zuletzt die Yerkennung der einzig rich-
tigen Maßstäbe für die Oüte des Elementarunterrichts
seitens vieler Eltern leisten solch verwerflicher Unnatur
nur zu gern Vorschub.
Gewiß wird im Elementarunterricht hie und da audi
einmal ein Verschen eingestreut, wenn es sich un-
gezwungen als belebendes Moment in den Gedankengang
der vorliegenden Unterrichtseinheit einfügt und einen
Einzelgedanken weiter ausmalt oder den Grundgedanken
bezw. die »Anwendung« dem Kinde in knapper, leicht zu
behaltender Form einprägt So finden wir im »L Schul-
jahre von Rein, Pickel und Scheller in dem Unterrichia-
beispiel zu dem Märchen »FundevogeU den Anwendungs»
imperativ:
Geschwister sollen sich vertragen
in dem beigefügten Merkvers ausgedrückt:
»Du liebes Schwosterlein,
Wir wollen immer reoht artig sein.
Haben dann Vater and Matter beide
An ans Kindern ihre Freade.«
Oder in demselben Werke wird dem Kinde im An-
sdiluß an das Märchen »Strohhalm, Kohle und Bohnec
— 6 —
der vorsichtige Umgang mit Feuer, Licht usw. in dem
Reim nahegelegt:
»Messer, Oabel, Schere, Lioht,
Sind für kleine Kinder nioht.«
Fechner glaubt des Kindes Interesse für das Normal-
wort »Ei« beim Leseunterricht durch folgende Verse
wecken zu können:
oder:
»Die Schale rein, der Dotter frisch,
Solch Ei kommt auch auf Königs Tisch.«
»Ein Ei, das schmeckt nns hart und weich,
Willkommen ist es arm und reich.«
Wir alle kennen den auch heute noch in vielen
Fibeln prangenden Yers, in dem man uns ehedem das
Gebot des Tierschutzes ans Herz legte:
»Qaäle nie ein Tier zum Scherz,
Denn es fählt wie da den Schmerz!«
Immer noch lernen die Kleinen im Anschluß an eine
heimatkundliche Besprechung des Kornfeldes das Gedicht
(wenn man in diesem Fall so sagen darf!):
»Der Baner bant mit Müh nnd Not
Das Korn fär nnser täglich Brot.
Znm Maller wird das Korn gebracht
Und feines Mehl daraas gemacht asw.
So ließen sich noch zahlreiche Proben von solch
eigenartiger :» Poesie« anführen, die den Kleinen an-
zubieten man sich durchaus nicht scheut. Sie beweisen
alle mehr oder weniger, wie man in der Elementarklasse
meist wähl- und skrupellos nach allen möglichen und
unmöglichen Gedichten und Reimen greift, sobald diese
nur sich voll dienstfertiger Bereitwilligkeit in
die jeweilige Unterrichtseinheit einbeziehen
lassen. Dabei reden wir neuerdings in allen Tonarten
von Kunsterziehung in der Schule. Ich bekenne mich
nicht zu jenen Kunsterziehungsschwärmem, die mit dem
viel mißbrauchten Schlagwort »Kunsterziehung in der
Schule« das Allheilmittel für die Gesundung aller Schäden
und Mängel in unserer Jugenderziehung gefunden zu
Kuii>t lüildliauore,
smIiui,;,'^' «ji- in 111
nucli so [iianches w
Tätigkeit vor uns b
Blütenlese von Pro!
Ich gebe ohne w
Ton VeiBeo der gei
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Aber das Vorkommet
rieht beweist eben d
Stellung der Poesie \
jabr noch wenig gekl
wortung dieser Frage
Sache. Die vorliegenc
weiter sein als ein g
dem Wege zur Lösung
Zun&chBt müssen w
in der Elemeutarklasse,
Bicbtigung des kindlic
künstlerisch vollwertige
Diese Forderung ersch
Kind dieser Stufe zu
ihm gebotenen P"--"-
— 7 —
and hartnäckig verteidigt, wenn etwa Vater oder Matter
daheim im Scherz oder Ernst eine andere Meinung geltend
machen! Natürlich nimmt das Eind auch die ihm in
der Schule gereichten Verse und Gedichte ohne weiteres
als etwas Wertvolles, Schönes auf. (»Schöne ist hier
nur im weitesten Sinn des Wortes, nicht etwa in der
spezifischen Bedeutung von ästhetisch schön gebraucht)
Es kommt weiter hinzu, daß das Eind von Haus aus
eine besondere Neigung für Yers und Beim bekundet
und solchen gern Gehör schenkt. Die Empfänglichkeit
des Kindes für poetische Gebilde sichert diesen von vorn-
herein eine besonders wirksame und nachhaltige Auf-
nahme, seien sie nun ästhetisch schön oder poetisch voU-
kommen wertlos. Schon das kleine Eind, das noch gar
nicht sprechen kann und seinen Vorstellungen und Emp-
findungen noch keine verständliche Ausdrucksform zu
geben vermag, empfindet sichtliche Freude an den Einder-
reimen und Einderliedem, die ihm die Mutter vorspricht
oder vorsingt. An diesen anspruchslosen Gestalten der
Einderpoesie, die inhaltlich wenig oder meist gar nichts
zum Ausdruck bringen wollen, fesseln die Eleinen wohl
vornehmlich die rhythmische Bewegung des Versbaus und
das launische neckische Spiel, das im Gleichklang der
Beime in Erscheinung tritt Also der sinnfällige Aus-
druck der Bewegung und des Spiels, der, rein äußerlich
betrachtet, die gebundene Sprache vor der Prosa aus-
zeichnet, wäre demnach der Hauptgrund für das Wohl-
gefallen des kleinen Eindes an Vers und Beim. Diese
Vermutung wird durch die Beobachtung bestätigt, daß
kleine Kinder den Bhythmus der ihnen vorgesprochenen
Einderreime durch körperlich rhythmische Bewegungen
begleitet haben. Bei zunehmender Sprachfertigkeit be-
reitet es dem Einde dann mehr und mehr großes Ver-
gnügen, Verschen und kleine Gedichte memorieren und
ansagen zu können, und es ist ganz erstaunlich, mit
welcher Leichtigkeit oft Lieder und Verschen schon bei
den ganz Eleinen haften. Es beweist dies wiederum die
""'»*««. Sehr'"'"
Beta. "„°^?'""'=i< z.
— 9 —
UDseren Zöglingen mit planyoller Absichflichkeit zu bilden
und zu fordern uns eifrig bemühen: die Empfänglich-
keit für den ästhetischen Gehalt der Poesie
unserer Muttersprache.
Man begegne dem nicht mit dem Einwand, daB von
irgend einer Wirkung des ästhetischen Moments der
Poesie auf das dem I. Schuljahre angehörende Lebens*
alter noch keine Bede sein könne. Damit wäre ohne
weiteres der Stab über unsere reiche, zum Teil köstliche
Einderpoesie gebrochen, um jedem Irrtum vorzubeugen,
sei noch einmal ganz ausdrücklich hervorgehoben, daß es
sich bei dem Schüler der Elementarklasse naturgemäß
noch nicht um ein bewußtes ästhetisches Werturteil über
die ihm gebotenen Yerse und dachte handeln kann imd
soll. Aber es läßt sich doch nicht leugnen, und das ist
das hier Maßgebende, daß das Kind mit edler Poesie un-
bewußt zugleich eine Fülle wertvollen ästhetischen An-
schauungsmaterials in sich aufninmit, das bestimmend auf
sein ästhetisches Empfinden einwirken kann und wird.
Ebenso unrichtig ist es, wenn man die Behandlung
poetischer Stücke in der Elementarklasse ohne weiteres
eine »unheilvolle Yerfrühung« nennt, weil die in der
Poesie zum Ausdruck kommende Betrachtungsweise der
Dinge und ihres Tuns dem Kinde vollständig femli^.
Einige psychologische Beobachtungen und Erfahrungen
innerhalb der uns vorliegenden Sjndheitsstufe mögen uns
im Gegenteil zeigen, da^ zwischen der kindlichen Denk-
und Empfindungsweise und der Eigenart dichterischen
Gestaltens mancherlei Wesensverwandtschaft besteht
Das Kind belebt imd personifiziert das ganze
Universum, ganz so, wie wir es besonders charakteristisch
bei Hebel^ einem unserer volkstümlichsten Dichter wieder-
finden. Der muntere Waldbach wird dem Knaben zum
frohen, kecken Spielgesellen, der gleich ihm in froher
Jugendlust dahintoUt Das Mädchen erwählt sich die
sinnigen Blumen im Wiesenhag zu seinen Gespielinnen,
die es in trautem Zwiegespräch innig herzt und küßt
(Irin:
liol-a
Ulm
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■"««■» Ged.„? ''°-
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""o«», oft .1 - f'"
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unend ejne, n^j^
'taiiei. ,1,° ; ""''
»nr io „„, r?'"teah
— 11 —
Pferdes setzten diese Zeichnungen voraus, die der Enabe
ohne jede Vorlage freihändig vor meinen Augen ausführte,
zeigten sie doch das Pferd in solch charakteristischen
Stellungen, wie sie wohl nur wenig Erwachsene genau
beobachtet haben! Es sind das beim Kinde natürlich
unbewußte Beobachtungen, die es yermöge einer be-
sonderen Anlage des Oehims zur gleich formulierten Auf-
nähme von Eindrücken ganz zufällig und zunächst un-
absichtlich gemacht hat.
Von diesen Eindrücken entlastet sich dann das Ge-
hirn mit Wohlgefühl durch die zeichnerische Wieder-
gabe. Diese ist ein Ausdrucksmittel für das, was des
Kindes Geist lebhaft beschäftigt. Neun Zehntel der
Kameraden des kleinen Künstlers mögen ähnlich kostbare
Schätze lebendigster Anschauungen und intimster Er-
fahrungen aus der sie umgebenden Natur in sich tragen;
nur sind sie nicht in der glücklichen Lage, nun auch all
das bis ins einzelnste und kleinste darstellen und aus-
drücken zu können, was ihr Yorstellungsleben bewegt
Die mangelnde Sprachfertigkeit des Kindes und die Un-
zulänglichkeit des gesprochenen Wortes, alles auszu-
drücken, machen dies unmöglich. Würden den Kindern
die nötigen Ausdrucksmittel für ihr Innenleben zu Gebote
stehen, dann könnten wir gewahren, wie sich auch in
ihrer Psyche gar manches Objekt ihrer Erfahrung, das
durchaus nicht zu dem Außergewöhnlichen, AufiSUigen
und Großen gehört, in plastischer Greifbarkeit abgebildet
hat und förmlich den Pulsschlag warmen Lebens ver-
spüren läßt
Natuigemäß ist und bleibt der Erfahrungskreis des
sechsjährigen Kindes ein immerhin beschränkter. Man
wird auch vom Sande gar nicht fordern woUen und
können, daß ihm alle Dinge vertraut oder auch nur an-
nähernd bekannt sind, zu deren Beobachtung es Gtelegan-
heit gehabt hätte. Fragen' wir Erwachsenen uns doch
einmal, wie weit unser Yorstellungskreis die Dinge be<
herrscht, die unsere nächste und alltägliche Um^-
'»'"« loloress«
— 13 —
nicht aller Welt preisgibt. Solche Geheimnisse müßte die
Schule dem Kinde vor allem zu entlocken versuchen.
Sie würden ihr zeigen, wie das Kind die Dinge seiner
Umwelt betrachtet und wie diese Art, die Welt zu be-
trachten, wiederum nichts anderes ist als Poesie. Diese
Erkenntnis sollte sich der Elementarunterricht recht sehr
zu eigen machen.
Leider versteht es die Schule in ihrer derzeitigen
Form und Art viel zu wenig, bis zum Herzen des Kindes
vorzudringen und dies zu vertrauensfreudigem Sichgeben
zu erschließen. Bitter genug beklagt sie sich hinterher,
daß es doch so sehr, sehr schwer sei, die E^einen zu
fröhlichem Plaudern und Erzählen zu veranlassen. Unsere
Kinder werden mit dem Schuleintritt in eine andere, ganz
neue Welt versetzt. Dieser Satz kUngt zunächst so ver-
heißungsvoll und scheint den dem bunten Wechsel so zu-
gänglichen Kinderherzen eine lange ununterbrochene
Reihe herrlicher Neuigkeiten und beglückender Aus-
sichten zu eröffnen. Und doch wird dieser von dem
sehnenden Kindesherzen zunächst so freudig begrüßte
Wechsel nur gar bald der Anfang zu einer langen Kette
bitterer Enttäuschungen, die des Kindes Herz und Mund
nur fester verschließen, statt sie übersprudeln zu lassen
von fröhlichem Erzähl- und Mitteilungseifer. Aus seinen
kleinen Erlebnissen und Erfahrungen hat sich das Kind
vordem seine eigene Welt erbaut, vollständig unbekümmert
und unbesorgt darum, ob dieser duftige, luftige Bau auch
in allen Stücken der realen Welt entspreche. Die be-
sonderen Neigungen und Wünsche, die kleinen Sorgen
und Bekümmernisse, das ganze Temperament des Kindes
haben den Bau geleitet. Unwillkürlich nahmen in den
Vorstellungen des Kindes alle Dinge die Farben seines
Gemütes an. Mit souveräner Machtvollkommenheit malte
es sich die Dinge so aus, wie es ihm gerade beliebte,
oder wie seine jeweiligen Bedürfhisse und seine augen-
blickliche Stimmung es erheischten. Das Große erschien
ihm klein; das Unbedeutendste konnte ihm zur großen
— 14 —
Begebenheit werden. So lebt und schwelgt es voll nn^
befangener Naivetät in einer Welt des sdidnen Scheins,
genau wie der Dichter, der ans dem Leben um sich
her neues Leben, eine Welt nach sein^i Gedanken,
Wünschen und Ideen erstehen läßt Mit dem Bau der
von ihm selbst geschaffenen Welt beginnt das Kind, wenn
es erst den allerkloinsten Teil von der wirklichen Welt
kennen gelernt hat. Es steht noch vollständig auf der
Stufe der naiven Weltanschauung, wie sie die Menschen
im Naturzustand auch eingenommen haben, und wie sie
in unseren alten Mythen und Märchen ihren dichterischen
Ausdmck gefunden hat. Diese Parallele zwischen der
Einzel- und der Menschheitsentwicklung hat wohl auch
in der Pädagogik mit zu der bekannten ZiUer-Reinschen
Eulturstufentheorie geführt Wie freilich die Menschheit
sich mehr und mehr zu einer natürlichen, wissenschaft-
lichen und religiös-ethischen Betrachtung der Welt empor-
gerungen und emporgearbeitet hat, so soll auch das Kind
nach und nach wenigstens sich in die elementarsten
Prinzipien solcher Weltbetrachtung einleben lernen, und
hierbei muß die Schule ihm wesentliche Keiferdienste
leisten. Ganz von selbst schon wird sich ihm die Welt
mit der Zeit in andrer Gestalt, in anderen Farben, in
anderen Zusammenhängen darstellen, als es sie bisher zu
sehen gewöhnt war. Immer nachdrücklicher lernt es
empfinden und erkennen, daß sich die wirkliche Welt
nicht mit dem raschen kühnen Flug der Phantasie durch-
messen, nach Wunsch und Vergnügen ausgestalten, um-
modeln, aufbauen, niederreißen und wieder aufbauen läßt,
daß sie dem Wollen und Streben des Menschen gar viel-
fach unerwünschte, lästige und hemmende Hindernisse
und Schranken entgegenstellt und daß doch der Mensch
in seinen physischen und psychischen Lebensbedingungen
durchaus an ihre Realität gebannt ist
Nun ist es aber gar nicht notwendig, ja obendrein
geradezu schädlich, daß wir das sechsjährige Kind bereits
in unserem Unterricht bei jeder Gelegenheit an diese
— 16 —
Tatsache heranführen. Das Kind verträgt diese jäh er-
schütternde Umwälzung nicht, durch die die »Individual-
Zellen« im Gehirn geschädigt und in ihrer Ausbildung
gehemmt oder verhindert werden. Auf der Ausgestaltung
des Individuellen aber beruht nicht nur das Glücksgefühl,
sondern auch der Wert der Lebensleistung. Weshalb
wollen wir also unseren lieben Kleinen nicht gönnen, daß
sie zunächst wenigstens noch auch in der Schule einen
Teil jener schönen Schein weit vorfinden, in der sie sich
bis dahin so sorglos und fröhlich herumgetummelt haben?
Hierin liegt meines Erachtens ein schwerwiegender Fehler
unserer Schule den Kleinen gegenüber, auf dessen Konto
wir nicht nur das Enttäuschtsein des Kindes, sondern
vor allem auch so manchen offen zugegebenen Mißerfolg
unseres Elementarunterrichts zn setzen haben. Die Schule
erbaut die neue Welt, in die sie das Kind einführen will,
viel zu wenig auf dem Grund der Welt, in der das Kind
bisher gelebt hat und glücklich war, glücklich deshalb,
weil es unerschüttert blieb nicht nur in der allgemeinen
Kindesart, sondern auch in seiner persönlichen Art
Dieser aber schlägt die Schule ein Brett vor den Kopf.
Mit dem nüchternen Verstand soll das Kind nun plötzlich
die Dinge betrachten, mit denen es bis jetzt durch
tausenderlei Fäden seines Gemütes sich aufs innigste ver-
bunden fühlte. All die Gegenstände, zu denen das Kind
vor der Schulzeit in persönliche Beziehungen getreten
war, die mithin für das Kind eine Beihe von Erleb-
nissen bedeuten, werden ihm in der Schule in ihrer
natürlichen Erscheinung gezeigt und damit all des
Zaubers entkleidet, der sie nicht nur zu guten Bekannten,
sondern zu lieben Freunden und innig Vertrauten der
kindlichen Psyche werden ließ. (Wir werden uns diesen
Gedanken weiter unten noch an einigen Beispielen klar
zu machen versuchen). Ist es aber nicht geradezu grau-
sam, dem Kinde zuzumuten, daß es alle persönlichen
Bande, die es mit der Umwelt verknüpfen, nun plötzlich
lösen und vergessen soll? Wir reden freilich so viel
-^ 16 —
davon, daß wir in unserem Unterrichte immer und überall
an den im Kinde vorhandenen Anschauungs- und Ge-
dankenkreis anknüpfen wollen. So werden wir z. B. in
der Elementarklasse kaum in eine Besprechung der Maus
eintreten, ohne vorher gefragt zu haben, wer schon die
Bekanntschaft einer Maus gemacht habe, wo sie sich auf-
halte, wie sie aussehe usw. Aber mit all diesen und
ähnlichen vorbereitenden Fragen werden wir wenig über
das rein empirische Interesse des Kindes an dem Gegen-
stände hinauskommen und an das sympathetische Interesse,
das das Kind am innigsten an die Umwelt fesselt, so gut
wie gar nicht anknüpfen. Wie öde mag es das Kind an-
muten, wenn etwa bei der Betrachtung des Hasen der
arme Kerl nach dem bekannten Schema in Kopf, Hals,
Rumpf und Beine zergliedert wird! Das also macht man
hier aus der Gestalt, die ihm bis jetzt als der liebe Oster-
hase so nahegestanden! Wie traurig enttäuscht wird es
dem Unterricht folgen (oder zu folgen versuchen!), wenn
er ihm, statt vom lichterfunkelnden Christbaum mit seinem
unsagbaren Weihnachtsglück und Weihnachtszauber zu
erzählen, voll trockener Gelahrtheit auseinandersetzt,
daß man besagten Baum eine Fichte heiße und ihn zur
Gattung der Nadelbäume zähle, weil er im Gegensatz zu
den Laubbäumen Nadeln trage usw. usw.
Bei Gelegenheit eines öffentlichen Osterexamens war
ich einmal Zeuge einer Besprechung des Hundes in einer
Elementarklasse. Mit einer Geschwindigkeit, die den Zu-
hörer gar nicht zur Besinnung kommen ließ, schnurrten
die kleinen Bekruten, lauter frische, fixe Jungen, etwa
folgende Sätze der Reihe nach herunter: »Der Hund bellt«,
»Der Hund wachte, »Der Hund springt«, »Der Hund jagt«
»Der Hund sieht weiß aus«, »Der Hund sieht schwarz
aus«, »Der Hund hat vier Beine«, »Der Hund hat einen
Schwanz« usw. Als der Cyklus dieser monotonen Sätze
abgeleiert, die vorgesehene Prüfungszeit aber noch nicht
abgelaufen war, begann der folgende Knabe die Reihe
von vorn, und als sich dies Schauspiel wiederholte, hatten
^ 17 —
die Eleioen und die Gäste dreimal das Vergnügen, diese
Art von Masterlektion über sich ergetien zu lassen. Wie
verfliegen da die Illusionen, mit denen sich das Kind die
Herrlichkeiten der Schule ausgemalt hat! Wohin ent-
schwinden all die schönen Hoffnungen, die sich das Kind
von dem Leben in der Schale gemacht hat, wenn es
hier 72 ^^^^ ^^^S ^^^^ ^^^^^ länger lernen muß, wieviel
Wände seine Schulstube, wieviel Fenster die linke Wand
zähle, wieviel Stockwerke die Schule habe, wie lang, wie
hoch und wie dick die verschiedenen Seiten der Um-
fassungsmauern des Schuihauses seien, und wer weiB, wa^
noch! Wie mag nur der Lehrer dem Kinde vorkommen,
der an solchen Dingen seine Freude und sein Gefallen
findet und sich immer wieder mit ihnen beschäftigt! Das
Kind sucht Leben und nichts als Leben, und wir
stellen es mit philosophischer Buhe vor graue Wände und
öde Mauern. Kalt und leblos starren sie das Kind an.
Was soll es mit ihnen anfangen, wo es das Bedürfiiis
hat, mit der schöpferischen Kraft seiner Phantasie selbst
das Leben noch zu »beleben«?
Es ist ungemein schwer und erfordert ebensosehr den
psychologisch geübten Scharfblick des praktischen Schal-
mannes wie das glühende Herz des wahren Kinderfreundes,
für die Kleinen das auszuwählen, was wirklich Herz und
Geist derselben berührt. So vernehmlich der Buf auch
klingt: »Der Erzieher sehe im Kinde in erster Linie das
Kind« ; die Schule läßt sich doch selbst bei der Erziehung
der Kleinen schon viel zu ängstlich von der Sorge um
die Zukunft des Kindes leiten. Mehr und mehr tritt in
der Elementarklasse das Moment zurück, das ihr vor allein
die Signatur aufprägen sollte: Das sorglos frohe Er-
leben und Genießen reiner heiterer Kindlichkeit
Das Vorwiegen des Genießens schafft auf dieser
Kindheitsstufe die Lebenslust, die die G^hirnkraft wachsen
läßt Langeweile und zu frühzeitiges Abstrahieren dagegen
erschlaffen das Gehirn und schädigen es direkt in seinem
Wachstum, in der Ausbildung der Gehirnwindungen.
FId. lia^. 821. K&hn, PoMteimLSoliiüjahr. 2
— 18 —
Der Verkehr mit den Eindem zeigt uns Erwachsenen
und besonders uns Lehrern immer wieder die schmerz-
liche Tatsache, daß es uns unendlich schwer wird, uns
in die Sinnen-, Gedanken- und Gefühlswelt des Kindes
einzuleben. Weit, weit liegt unsere eigene Kindheit zu-
rück, und nur dunkel, verschwommen und überaus sprung-
und lückenhaft ist die Erinnerung an unser Kindheits-
paradies. Der rasch dahinbrausende Zeitstrom mit seinem
wechseivolien Wellenspiel hat uns weit hinausgeführt in
das ernste Meer des Lebens. Stets galt hier unsere
nächste Sorge den Bedürfnissen des Augenblicks, und
selten genug war es, da wir wehmütig zurückschauend in
sinnender, verweilender Betrachtung der eigenen Jugend
gedenken konnten. — Auch besitzen wir vor der Hand
nur ganz vereinzelt fortlaufende authentische Aufzeich-
nungen über die eigenartige Beschaffenheit und Entwick-
lung des kindlichen Seelenlebens im vorschulpflichtigen
Alter, an deren Hand wir wenigstens mit einiger Sicher-
heit für die Kleinen auswählen könnten, was ihr Herz
sich wünscht, was ihr Sinn begehrt. Es gibt einzelne
glückliche, kindlich gebliebene Erwachsene, die bei
solcher Auswahl stets das Rechte zu treffen wissen.
Aber selbst wenn wir durchweg die geeigneten Stoffe
für das Kind gefunden hätten, so würde doch vielfach
die Art, in der wir dieselben dem Kinde nahezubringen
suchen, noch wenig des Kindes Herz zu öffnen und seinen
Oeist in die rechten lebhaften Schwingungen zu setzen
vermögen. Ich glaube, wir vergessen dabei viel zu viel
eine Tatsache, die Tatsache nämlich, daß sich die Er-
fahrungswelt des sechsjährigen Kindes vornehm-
lich aus Erlehnisinhalten aufbaut.
Die Vorstellungen, die das Kind auf rein empirischem
Wege unter vollständiger Ausschaltung aller
persönlichen Beziehungen zu dem Erfahrungs-
objekt sich angeeignet hat, sind jedenfalls zu zählen.
Man sollte deshalb z. B. auch bei der Aufstellung von
Analysen des kindlichen Gedankenkreises das Kind weniger
— 19 —
fragen: »Hast du schon einen Hasen, ein Beb, eine Lerche
gesehen?«, sondern es vielmehr veranlassen, sich über
seine Erlebnisse mit diesen Dingen zu äußern. Erst
dann würden wir ein genaueres und vollständigeres Bild
von dem kindlichen Gedankenkreis gewinnen. Kurz, der
Elementarunterricht wird die rechte Wirkung erst dann
ausüben, wenn er, auf dieser Tatsache fußend, sich dem
Kinde selbst als eine Reihe von Erlebnissen darstellt.
Ich fasse hier den Begriff »Erlebnis« weitergehend allerdings
auch in dem Sinn, daß eine tiefe, den Menschen packende
Oedaukenerregung bereits recht wohl ein Erlebnis bedeutet.
Nun ist es freilich leicht, den Elementarunterricht als
eine Gestaltung von Erlebnissen zu fordern und nicht
zugleich auch zu verraten, wie dies etwa zu denken sei-
Es ist das aber eine Frage, die eingehende und umfang-
reiche, weit über den Rahmen der uns gestellten Aufgabe
hinausgehende Erörterungen voraussetzt, sobald wir sie
nur einigermaßen erschöpfend behandeln wollen. Doch
es mag wenigstens durch ein Beispiel angedeutet werden,
worauf es dabei ankommt, und zwar soll hierbei kein
Geringerer als Ooethe unser Lehrmeister sein. In »Wahr-
heit und Dichtung« läßt Ooethe vor unseren Augen
auch das Bild seiner Vaterstadt erstehen. Durch seine
Darstellung fühlen wir uns mitten hineinversetzt in das
Markttagsgewühl, »das sich um die Bartholomäuskirche
herum versammelte« oder »in das Gedränge vor den
bürgermeisterlichen Audienzen« in dem altehrwürdigen
Römer oder in den Festestrubel, den die seltsame Feier-
lichkeit des Pfeifergerichtes verursachte. Wir sehen nicht
als fernstehende Zuschauer die alte Kaiserstadt Frankfurt
mit ihrem bunten Leben und Treiben an unserem Auge
vorüberziehen; sondern wir durchstöbern gewissermaßen
mit dem Knaben Ooethe alle Winkel und Gassen seiner
Vaterstadt. Oder denken wir daran, wie Ooethe uns den
Umbau seines väterlichen Hauses in jeder Phase genau
verfolgen läßt und uns dabei für die kleinsten Details in
einer Weise interessiert, daß wir an den einzelnen Vor-
2»
.- .-oL.migsiti anscnatilic
immer unvergessen bleiber
Buch schließlicb biete
Art der Darbietung der Stü
GaraotieD für eine erfolgrf
liehe Psyche. Die PersÖ
dingt hier wie kaum auf
so sehr den Erfolg oder Mi
Lehrer für den Elementai
Sorgfalt verfahren werden i
Dem Innenleben der Klein«
vor allem die Saiten ihres i
«rklingen zu laBsen, ist ein
liehene Gottesgabe. Man
^ementarkiasee in der R^
einem Lehrer onterrichtet v
schem Drill and aasgetüP
Kflnstelei za jenen bekannt«
dreBsiert, oder ob ein pädag
Gnaden unter ihnen weilt, d
glaheodeo Herzen für die
SchÖpfeAraft aus seinen St
«Raffende und froh genießen
Kltdnra schmieevn sirh an b
— 21 —
Jündlich unbefangenen, natürlichen Empfinden und Denken
verständnisvoll entgegenkomme und sich zu ihnen herab-
lasse. Das ist insbesondere die Hauptaufgabe und die
Hauptschwierigkeit für den Elementarlehrer. Die Kleinen
verlangen ihrer ganzen Natur nach einen Lehrer, der es
noch nicht verlernt hat, sich kindlich und herzlich mit
ihnen zu freuen über das lustige Spiel des Fischleins im
Waldbach, einen gleichfühlenden Gefährten, der mit ihnen
zittert und bebt für das Leben des kleinen nackenden
Vögleins, das aus dem Neste fiel und nun in kläglicher
Unbeholfenheit gar ängstlich um sich schaut, einen fröh-
lichen Kameraden, der aus Herzensgrund mit der jugend-
lichen Schar zu jubeln vermag beim Anblick der lustig
wirbelnden Schneeflocken, kurz, einen Lehrer, der in des
Wortes schönster Bedeutung so recht von Herzen ein Kind
mit Kindern sein kann. — In der Praxis ist es meist
leider so, daß die Kleinen von den Lehrern unterrichtet
werden, die ihrer Gedanken- und Gefühlswelt am fernsten
stehen, aus psychologischen Gründen am fernsten stehen
müssen! Altem Brauche gemäß werden bei uns in ge-
gliederten Schulen fast ganz allgemein mit der Führung
der Incipientenklassen die jüngsten Lehrer, bezw.Lehrerinnen
betraut, die diese Stelle in der Regel als Durcbgangsposten
nach oben betrachten. Oder hören wir etwa, daß der
Unterricht bei den ABC- Schützen als besonders schwierig
und psychologisch und pädagogisch künstlerisch veranlagte
und durchbildete Lehrerpersönlichkeiten voraussetzend, den
erfahrensten und anerkannt tüchtigsten Lehrkräften ge-
wissermaßen als Ausdruck besonderer Anerkennung über-
tragen würde? Ist es nicht vielmehr so, daß die aller-
meisten Lehrer mit längerer Praxis es geradezu als eine
herbe Zurücksetzung empfinden würden, wenn man ihnen
den Elementarunterricht zuweisen wollte? Der junge
Elementarlehrer steht erst seit kurzer Zeit im praktischen
Schuldienst. Jeder junge Lehrer wird mir aus seiner Er-
fahrung bestätigen, wie ungemein mühsam es ihm anfangs
wurde, in seinem Geiste zu den Kleinen herabzusteigen^
— 22 —
sich in ihre eigenartige Welt elDzuleben, sich ihnen ver-
ständlich zu machen, ihnen zu Herzen zu reden. Wie
bitter enttäuscht findet sich in den ersten Wochen und
Monden gar mancher Jugenderzieher, der doch voller B^
geisterung in seinen Beruf eintrat! Mit dem vorzüglich-
sten pädagogischen Rüstzeug ausgestattet, den Sinn voller
Hoffnungen und Erwartungen, voller Entwürfe und Ideale,
das Herz voll ehrlichen, treuen WoUens tritt er unter die
ihm anvertrauten, kleinen hilflosen Menschenkinder. Doch
nur zu bald sieht er sich durch seinen Verkehr mit ihnen
vor eine Menge von Fragen, Problemen und Rätseln ge-
stellt, deren Beantwortung und Lösung er bei allem
Scharfsinn nicht findet.
Wie kommt das? Der Elementarunterricht ist eine
Kunst, die nicht ohne weiteres erlernt werden kann,
sondern vor allem erlebt sein will. Nicht ganz unrecht
hat Dr. Ö. Stanley Hall^ wenn er sagt: »Die Lehrer sollten
weit mehr lernen, als nur das, was sie zum Lehren
brauchen, und anstatt des Kindes, wie es in den Büchern
steht, sollten sie das wirkliche Kind betrachten, kennen
lernen und lieben, c
Jahrelanges Wirken und Schaffen bei und mit den
Kleinen verleihen dem Lehrer erst den offenen, sicheren
Blick für die eigenartigen Bedürfnisse, Neigungen und
Strebungen der kindlichen Psyche. Damit soll nicht be-
stritten werden, daß es unter den jungen Lehrern und
Lehrerinnen einzelne glücklich veranlagte Naturen gibt,
die mit angeborenem Geschick und schönstem Erfolg die
kindliche Seele zu packen verstehen.
Es kommt ein weiterer Umstand hinzu, der es dem
jungen Lehrer schwer machen muß, sich in die Welt des
Kindes verständnisinnig zu versenken und seinen Unter-
richt der Eigenart des kindlichen Seelenlebens anzupassen.
Die meisten Menschen durchleben auf dieser Altersstufe
die Zeit innerer Oärung, die nach einer gereiften, ab-
geklärten Lebens- und Weltanschauung ringt. Irrtum und
Klarheit, Zweifel und Wahrheit, ideale Phantasterei und
— 23 —
nüchterne Realität kämpfen in der jugendlichen Brust mit-
einander und lassen den Menschen vielfach noch schwan-
kenden Fußes durch diese Weit der Widersprüche dahin-
taumeln. Geraume Zeit dauert es, bis er der Fülle der
auf ihn einstürmenden Erscheinungen und Meinungen
gegenüber Herr geworden ist und seinen eigenen un-
verrückbaren Standpunkt eingenommen hat. Vor der
Hand gleicht sein Innenleben dem aufgeregten, sturm-
gepeitschten Meere. Welle auf Welle bewegt es bis in
seine innersten Tiefen. Neue Wellen drängen heran, da
eben noch die Psyche mit den vorangegangenen sich ab-
zufinden bestrebt ist. Überall tauchen für den jugendlich
empfänglichen Oeist neue Probleme und Fragen auf, und
es reizt ihn, dem ursächlichen Zusammenhang der Dinge
so weit als möglich nachzuspüren. Von der bloßen An-
schauung und Beobachtung konkreter Einzeldinge sucht
er sich loszuringen, um möglichst zum Gedanken, zum
abstrakten Begrifi zu gelangen. In diesem Streben geht
er so ganz und gar auf, daß er im Verkehr mit den
Dingen der realen Welt oft, wie man zu sagen pflegt,
»den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht«. Er ist viel-
leicht am wenigsten geneigt, die Dinge mit jenem un-
befangenen, heiteren, natürlichen Blick zu betrachten, mit
denen sie das Kind anschaut. Damit entfernt er sich am
weitesten von dem Verständnis der kindlichen Psyche, die
über die frisch -sinnliche, naive Anschauung der Dinge
kaum hinausgeht und sich auf weitere Spekulationen kaum
einläßt. Der Nährboden, aus dem sie ihre kraftbildenden
Stoffe saugt, ist die greifbare Wirklichkeit der um-
gebenden Welt. Darum muß es dem jungen Lehrer,
in dessen Oeistestätigkeit das abstrahierende Moment
vorwaltet, schwer werden, dem Kinde nur Kindliches und
Naives, ganz Keusches und unberührtes aus der Hand
der Natur selber zu reichen. Erst im abgeklärten Alter
lernt der Mensch wieder mehr und mehr die Dinge
und Erscheinungen mit jener heiteren Klarheit und un-
befangenen Natürlichkeit schauen und empfinden, die auch
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— 96 —
Seele des Kindes za projiziereD, sondern beides vom Kinde
80 nachschauen, nachempfinden, nachfühlen za lassen, wie
der Lehrer es selbst geschaut, empfunden, gefühlt, mit
einem Wort, erlebt hat Damit aber der Unterrichts-
gegenstand dem Kinde wirklich zum Erlebnis werde, ist
es unbedingt nötig, daß der Lehrer so vorzuempfinden
vermag, wie das Kind empfindet.
Nach diesen grundsätzlichen und grundlegenden Er*
örterungen über die Eigenart des kindlichen Seelenlebens
im Yorschulpfiichtigen und eben schulpflichtigen Alter
durften uns unsere weiteren Untersuchungen über die
Stellung der Poesie im I. Schuljahre allzugroße Schwierig-
keiten nicht mehr bereiten.
JedeDichtung ist ein gestaltetesErlebnis desDichters.
Ooethe bezeugt uns das von seinen Gedichten, wenn
er sagt: »Alle meine Oedichte sind Qelegenheitsgedichte ;
sie sind durch die Wirklichkeit angeregt und haben darin
Orund und Boden. Von Gedichten, aus der Luft ge-
griffen, halte ich nichts.«
Im Erleben der Dinge und in der dichterischen
Art, die Umwelt zu betrachten und zu beseelen,
erkannten wir vornehmlich die Eigenart des kindlichen
Vorstellungs- und Empfindungslebens.
Es liegt somit gewissermaßen von Haus aus ein Stück
poetischen Empfindens im Kinde. Diese Anschauung
bestätigt Dilthey in seinem Werke »Das Erlebnis und die
Dichtung«, worin er an einer Stelle ausführt, daß die
Poesie so wenig als die Sprache im Kinde neu aufgehe,
sondern als eine Art, Zustände und Menschen zu be-
trachten und hinzustellen, überliefert werde.
Ähnlich führt Franz Magnus Böhme diesen Gedanken
in seiner Sammlung »Deutsches Kinderlied und Kinder-
spiel« folgendermaßen aus:
»Was jedes Volk auf seiner Kindheitsstufe durch seine
dichterische Begabung zuerst hervorbringt, ist Poesie,
viel später entwickelt sich die Prosa. Ebenso ist's in der
geistigen Entwickelung des Einzelmenschen. Das erste^
— 26 —
was er als Eiod geistig aufnimmt, was seine Phantasie
beschäftigt, ist Dichtung; gewissermaßen der erste Schritt
im Geistesleben führt über den Blamenpfad der Dichtung.
Der selige Morgen der Kindheit, welcher nichts weiß von
Sorgen des Lebens, von dem Jagen nach Gewinn, nach
Sinnenlust und Ehre, dieses goldene Traumleben ist an
sich ein Stück Dichtung; ihre einzige gesunde Nahrung
kann auch nur die Dichtung sein.c
Führt auch die in den letzten Worten ausgesprochene
Forderung etwas zu weit, so steht doch auf jeden Fall
fest, daß wir in der besonderen Art der kindlichen Psychoi
sich die Welt auszumalen und zu gestalten, nichts anderes
vor uns haben als ein Stück dichterischen Schafifens.
Es erscheint deshalb vom psychologischen Standpunkt aus
nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu geboten, der
Poesie im I.Schuljahr wegen ihrer vielfachen Berührungs-
punkte mit der Sonderart des kindlichen Geisteslebens
den gebührenden Raum zu gewähren. Dazu sind gerade
wir Deutschen in der besonders glücklichen Liage, unseren
lieben Kleinen eine Fülle kostbaren poetischen Gutes
bieten zu können. Es gilt nur, aus der reichen Wunder-
welt der Poesie mit Sorgfalt und glücklichem Geschick
das auszuwählen, was der Altersstufe des I. Schuljahres
nach Inhalt und Form am meisten eignet, was der
verlangenden Seele des Kindes am weitesten entgegen-
kommt.
Ein jeder gedenkt mit besonderer Freude jener seligen
fernen Zeiten, da ihm bei den Worten »Es war einmalc
der duftige blühende Zauberwald der deutschen Märchen
aufging. Seitdem vor allem die Gebrüder Orimm dem
deutschen Volke das Märchen in seiner ganzen Schöne
gezeigt haben, ist es der unbestrittene Liebling unserer
Jugend geworden. Von der Art seiner Behandlung in
der Schule ist so oft eingehend gehandelt worden, daß es
sich erübrigt, hier dahingehende Fragen zu erörtern.
Außer dem Märchen, das in seinem bunten, phan-
tastischen Gewand das Kind immer besonders anziehen
— 27 —
wird, begehren aber auch die vielen köstlichen, leicht-
geschürzten Kinder der Poesie Einlaß in des Kindes Seele,
die als Kinderlieder und Kinderreime dem unversieglichen
Bronnen der Dichtung entsteigen.
Ihnen hat man volles Heimatsrecht im Unterrichtsplan
der Elementarklasse noch nicht zuerkannt. Selbst das
Märchen verdankt seine bevorzugte Stellung im Elementar-
unterricht wesentlich dem Umstände mit, daß man in
ihm an Stelle der vielfach unkindlichen biblischen Er-
zählungen einen geeigneteren »Oesinnungsstoff« gefunden
zu haben glaubt. Also nicht in erster Linie um ihrer
selbst willen gibt man dem Kinde die Märchen; sondern
als »sittlich bildende« und »lehrreiche« Anschaunngsstoffe
sollen sie im Elementarunterricht auftreten. Das Kind
selbst nimmt die ihm gereichte Oabe nicht unter diesem
Gesichtspunkt. Es läßt das Märchen zunächst ohne den
von uns beabsichtigten Nebenzweck auf sich wirken.
Wenn es hierbei aus spontanem Impuls heraus sich voll
warmer Teilnahme in die Erlebnisse der Helden des
Märchens versenkt, »ihre Bangigkeit und ihre HofTnnng,
ihren Zweifel und ihre Gewißheit, ihr Leid und ihre
Freude, ihr Vertrauen und ihre Ergebung, ihre Ober-
legungen und Entschließungen, ihren Gehorsam und ihren
Herzensfrieden, ihr Beten, Loben und Danken durchlebt«
(»Der Unterricht in der Volksschule« von Professor J3.
Ranitxsch, Weimar, H. Böhlau), so wollen wir uns dieses
Gewinnes fürs Kind freuen, aber es nicht von vornherein
durch unseren Unterricht mit hervortretender Absicht-
lichkeit unter dem Gesichtswinkel der Belehrung und sitt-
lichen Veredelung an das Märchen heranführen.
Bei der Auswahl von Gedichten fürs I. Schuljahr
dürfen wir uns noch weniger durch unterrichtliche Neben-
zwecke, die außerhalb des Gedichtes liegen, leiten lassen.
Sobald wir den BegrifT »Kunst« auf die auszuwählenden
Gedichte anwenden, verbietet sich von selbst jeder ihnen
aufgedrängte Nebenzweck. Der deutlich ausgesprochene
oder in erkennbarer Weise vei folgte Zweck trübt dem
ethjsriira H'irkunKm der P,
jalirc noch nicht die Kedo sc
der (Jen Uli in den Vordcj
Kindern dieser Stnfe bereit
hierbei ist nicht gedacht ai
den das Gedicht als Knnsti
donm auslöst Die hierzu i
tische GenuBfahigkeit ist vii
geschweige denn, einem K
OenuS der Beinen an der Pi
«her die Freude am Inhalt
sinnliche Wohlgefallen an Bl
Oenngtuung, iu dem öedio
Selbaterleblea, an die eigeni
«n 8ndan, nnd allenfalls noc
Ahnen des Schönen nicht t
ich möchte sagen; naive G
Vorstufe m jener ästhetischei
•in tiefeies «sthetisch-ethischi
Knnsluerko spSter allein ermö
dem Kinde zu einer Quelle d
•iisheni wir uns damit den ui
vom Kinde gern und fr.„
— 9§ -
lidie Erzeugnis der deutschen Volkediditiing nichts weiter
sein als der frische, naive, natursinnige Ausdruck ym
Einderfrobsinn, heiterer Lebenslnst Das Kinderlied bat
von jeher einen Ehrenplatz besonders in der deutsehea
Dichtkunst eingenommen. »Schwerlich dtLrfte ein Ycdk
eine schönere, herzlichere Einderpoede besitzen als das
deutsche.« Die Kinderreime sind ein uraltes Eit)e unserer
ganzen Kinderwelt Zum Teil von Muttern und Ammen
nnd ander^i kinderfreundlicben Erwachsenen ersonnen,
zum Teü von Kindern selbst durch mancherlei Umbildungen
u* dgl* gestaltet, ist diese herzgewinnende Maturdicfatung
80 recht geeignet, dem Kinde die erste poetisdie Anregung
zu geben. Mit Recht haben darum auch in viden Leee>
büchem unserer Kleinen einige der schönsten Einderliedw
Aufnahme gefunden. Auch sind mehrfach Sammlungen
unserer Kinderlieder veranstaltet worden, um diesen kost^
baren Schatz deutscher Yolkspoesie dauernd zu erhalten.
Wir erwähnen die schon genannte bedeutendste und ufl>
fassendste dieser Art: »Deutsches Kinderlied und Kinder»
spiel« von Frcmx Magnus Böhme. Im ganzen aber wird
man das Kiuderlied dem vorschulpflichtigen Alter zuweisen
müssen, der Zeit, da das Kind in Reim und Lied nichts
weiter sucht und findet als ein gefalliges, wohlklingendes
Ausdrucksmittel seiner Lustgefühle. — Mehr und mehr
aber will das Kind durch die Dichtung auch stofflich an-
geregt sein, und es fragt bei jedem Gedicht nach einem
bestimmten Sinn und Inhalt. Wir müssen also für das
1. Schuljahr solche Gedichte auswählen, die hinsichtlich
ihres Inhaltes die Wirkung erhoffen lassen, die die Er-
wartungen der kindlichen Psyche erfüllt.
Namhafte Dichter und Jugendschriftsteller haben mit
mehr oder weniger Erfolg eine Fülle von Gedichten für
unsere Kleinen geschrieben. Es sind darunter eine ganze
Reihe, die voll herziger Naivität, voll köstlichen Humors,
voll ursprünglicher Natürlichkeit dem Kinde in durchaus
kindlidiem Tone zu sagen wissen, was ihm Vergnügen
bereitet, was e^ fesselt und suglcäch erhebt — Trotzdem
«'«"den ,.s ,,.,,„„
"nil tindlicli. Es J.
"" »«treiben; dazu i
Kuderhedern i,t „,,,
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W: •Mein G„i,., „j^
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'«en, die, n,ei,(.„. .,,
^ür das I. Scliulial,,
aelter der Bei„a„' be,
^»n™ diese.» Grunde
mit ihm zu 1
— 31 —
Ich behaupte^ daß wir uns mit dieser starken Bevor-
zugung der ^e^schen Fabeln einer Überschätzung der
Heyschen Poesie und einer ungerechtfertigten ünter-
schätzung anderen poetischen Gutes aus dem Gebiet der
deutschen Jugenddichtuug schuldig machen. Ich weiß,
daß mir diese Ansicht den Vorwurf kritteiiustiger
Neuerungssucht gegenüber Altbewährtem, Vorzüglichem
eintragen wird. Viele werden mich verweisen auf die
helle Freude der Kleinen an den vorzüglichen Illustrationen
zu den Heyschen Fabeln, auf ihre gespannten leuchtenden
Mienen bei der Darbietung des Fabelinhaltes, auf den
Lerneifer der Kinder bei der Einprägung des Wortlautes,
auf die lebendige, fröhliche Beteiligung aller beim Dekla-
mieren besonders in den Fällen, da dies mit verteilten
Rollen erfolgt Aber all diese Argumente vermögen mich
noch nicht zu einer anderen Meinung zu bekehren, und
auch der Hinweis auf die langjährige Verwendung der
Heyschen Fabeln im Unterricht bei den Kleinen ist für
mich noch kein unbedingter Beweis für ihre Güte. Auch
im Schulleben spielen die alte liebe Gewohnheit, das durch
vieljährige Tradition geheiligte Herkommen und der
manchem tief eingewurzelte Hang am Alten eine gar
große Rolle. —
Doch sehen wir uns die ^e^ sehen Fabeln auf meine
Behauptung hin einmal etwas genauer an. Wir alle
kennen die Fabel »Wandersmann und Lerche«. Die
Lerche erinnert den Wandersmann durch ihr
jubilierendes Morgenlied an seine Dankespflicht
gegen Gott, so etwa könnten wir den Grundgedanken
des Gedichtchens aussprechen. Ist dies nun aber wirklich
der erste Gedanke, der dem Kinde beim trillernden
Aufstieg der Lerche gen Himmel in den Sinn kommt?
Welche Gedanken es sind, die der Anblick der schmettern-
den Lerche im Kinde anregt, ob überhaupt dadurch die
kindliche Seele zu besonderen Betrachtungen veranlaßt
wird, wer mag es wissen? Viel näher scheint mir zu
liegen, daß der Anblick der jubilierenden Lerche und
lierrliclie yommerlandscli
nieinl.) Der Jubel und
ihre kleine Brust sprenge
mit; ihnen iu fröhlichem
es faierio der Lerche non
dem Kinde von Natur au
als die ernste Reflexion
Menschen gegen Gott I
solch f^ücUiche Jmst, du
Gottes erweckt, nicht sohl
den gütigen Schöpfer? Ob
las ich einoia] in der >H
TrefQicbkeit wegen hier i
neben dam gestirnten Hirn
scheo Gesete in uns noch
Dnd innerlicher 2U einer 0
als dies, daß wir uns fre
etwas OSltliches in uns.
Warum und Weil zu tat
Seele aulsteigt aus einem
perlend QberqniUt — und
kam — du weißt nur, ei
Gittern dir dorch Senl« »»
— 33 —
In Heys »WandersmaDii und Lerche« nimmt die
Handlung einen Abschluß, den das Ejnd sicher nicht er-
wartet hat Die Hinlenkung des Kindes auf religiöse
Gedanken ergibt sich aus der Fabel durchaus nicht mit
jener überzeugenden Natürlichkeit und Notwendigkeit, die
auch das Kind als das Gegebene, Selbstverständliche
empfindet. Das haben wohl auch Kehr und Kleinschmidt
gefühlt, die in ihrem »Anschauungsunterricht für Haus
und SchuJe auf Grundlage der Hey-Speckterschen Fabeln«
auch die vorliegende Fabel eingehend methodisch be-
arbeitet haben. In ziemlich umfänglicher Weise suchen
sie dem Kinde begreiflich zu machen, daß sich die
Lerche aus dem Bedürfnis heraus, dem lieben Gott ihren
schuldigen Dank darzubringen, in aller Morgenfrühe
singend und jauchzend zum Himmel erhebt und damit
zugleich den Wandersmann an seine Dankespflicht gegen
Gott erinnert. Auf weitem Umwege also sucht man den
religiösen Grundgedanken an das Kind heranzubringen,
der, wenn er sich dem Kinde als das Nächstliegende dar-
stellen sollte, von selbst aus der Fabel herauswachsen
müßte. So aber wird er vom Fabeldichter künstlich in
die durch die Fabel dargestellte Begebenheit hinein-^
getragen und dem Kinde damit förmlich aufgenötigt
Sollte die in »Wandersmann und Lerche« etwas gar zu
deutlich ausgesprochene religiöse Zweckabsicht des Dichters
nicht den Genuß seiner Kunst beim Kinde beeinträchtigen?
Noch weniger motiviert erscheint das religiöse Moment
in der Fabel vom Täubchen. Es wird doch wohl kaum
jemand im Ernst behaupten wollen, daß auf des Kindes
Frage:
»Täubcheo, du anf dem Dache dort,
Sage, was girrst da in einem fort.
Wendest das Köpfchen so her und bia?c
des Tänbchens Antwort:
»Weil ich gar za fröhlich bin,
Weil mich vom Himmel der Schöpfer mein
Wärmt mit dem lieben Sonnenscheine
Pld. Mag. 321. Küho, Poeeio im I. Schuljahr. 3
oL.in; gionrr Kunst Itofracl
ilir emiit;irii,'li.'li->s lh.T/. ?.
Religion d(;n niliif^cii l'latz
nehttieu, der iLr gebührt,
zu den ältesten gehört, woi
wecD er nicht vertraut i
altem, was das wechselnd
der Persönlichkeit zuräckiii
Aber wir tiberschätzen
rischen Vermögens narh d
ans, wenn wir im Anscbli
beliebigen Oegenstandt
Herzen der Kleinen glaubi
aber tat Hey offenbar, wen
beispielsweise gerade das
Lerche aus des Kindes Erfi
sie zu OottesverkUndern fürt
allezeit eins der schwierig
ziehUDgskuDst bleiben, aut v
am wirksamsten mit religiös
jenem Geist, der voll tießi
Bflchtig verlangend und int
Aboen aufwärts schaut zu
des Wm»"" '■"■- — ■
— 35 —
wollen, was das Menschenherz überhaupt bewegen kann!
Wenn Vater und Eand zu heimlich stiller Nachtzeit
sinnend das stemen besäte Firmament betrachten, der
Vater mit verhaltenem Atem andächtig versunken sich
ganz dem überwältigenden Anblick hingibt, und dann
seinem Liebling, der aus Sorge, die tiefe feierliche Stille
zu stören, kaum zu atmen wagt, zuflüstert: »Siehst du,
das hat Gott gemacht,« ja, dann wird dieser Klang des
Wortes »Gott« in des Kindes Herz Saiten berühren, die
wunderbar forttönend nie mehr ganz verklingen. Hier
empfindet und erlebt das Kind tatsächlich ein Stück
Religion, und in solch persönlichem Erleben der
Gottheit kann der Mensch ihr allein naherücken. Es
ist eine weit verbreitete, aber durchaus nicht begründete
Ansicht, daß man recht viel und möglichst bei jeder Ge-
legenheit mit den Kindern über Gott, seine Güte, Weis-
heit und Macht sprechen müsse. Das gefühlsinnige Ein-
dringen in die Tiefen der Religion werde sich später bei
zunehmendem Verständnis und größerer Reife schon von
selbst ergeben. Spricht es nicht allem religiösen Emp-
finden Hohn^ wenn man die Kinder im Unterricht und
besonders auch bei öffentlichen Schul prüfungen den Namen
»Gott« mit einer Oleicbgtiltigkeit und Selbstverständlich-
keit gebrauchen hört, die bei der Lösung rechnerischer
Aufgaben oder bei irgend einer anderen nüchternen ver-
standesmäßigen Betrachtung ganz am Platze wäre, sich
aber durchaus nicht ziemt, sobald wir das Heiligste be-
rühren, das es für uns Menschen gibt? Läßt man das
Kind immer wieder auch bei solchen Dingen von Gott
reden, die zunächst nicht des Kindes Herz in seinen
innersten Tiefen ergreifen und erregen, nötigt man ihm
also mehr oder weniger religiöse Betrachtungen auf, dann
liegt die Gefahr zu nahe, daß ihm die Religion wird, wa»
sie durchaus nicht sein soll, leider aber gerade in unseren
Tagen bei vielen ist: eine Sache des Kopfes und etwas
Alltägliches, statt eine Angelegenheit des Herzens und
Ulis er seinen -i-uiit
kt'inp andere Ueiitun
SU wichtig, daß rfeo
wirklichen Wert hat,
UDserer Gabe gesagt
Abel ist sie nun
fänger? Sollen sie b
DiDgen hören? — 0
macben. Die Hand au
Ventand unbegreiflich
f(lr den UDsrigen, eben
es glauben. So alle d
der ganze Zusammenfai
geistigen Welt, zwischei
zwischen der Welt and
baroDg von Anhog bis
mit each glauben, was
Lebens sein soll 0,
Bimmel . . . kennen un<
wenn unsere kleinen '.
eine L&oke ansrüllen-c
Durch die kleine St
dichtong habe ich zu 2
— 37 -
Fabeln nach dieser RichtuDg hin als besonders kindlich
nicht ansprechen können. —
Weitere CTntersuchungen mögen uns zeigen, daß sie
dies, auch von anderen Gesichtspunkten aus betrachtet,
bei weitem nicht in dem Maße sind, als ihnen vielfach
nachgerühmt wird. Das Kind will seiner ganzen Natur
und Eigenart nach selbsttätig schaffen, tun, handeln, er-
leben und so viel als möglich in eigener Person in das
Geschehen um sich her eingreifen. Die ganze Welt be-
trachtet es nur so weit mit Interesse, als seine eigene
Person durch sie berührt, es selbst gewissermaßen in den
Mittelpunkt alles Geschehens gerückt wird. Das Kind ist
eben hierin ein ausgesprochener kleiner Egoist und wird
es immer bleiben. Nun soll die Erziehung gewiß nicht
diesen Egoismus durch ein unbedingtes Eingehen auf
des Kindes Art als berechtigt anerkennen und ihm da-
durch einen unheilbringenden Einfluß auf des Kindes
Charakterbildung einräumen. Gleichwohl wird der ver-
ständige Erzieher nicht umhin können, mit dieser Eigen-
art des Kindes zu rechnen und an sie da und dort an-
zuknüpfen, soweit dadurch die Harmonie des religiös-
sittlichen Charakters nicht weiter gefährdet erscheint
Bei den meisten Fabeln Heys muß sich das Kind mit
der bescheidenen Rolle eines passiven Zuschauers be-
gnügen. Und wie gern würde es doch selbst mittuend
beteiligt sein an dem heiteren Spiel, an dem heißen Kampf,
an den schelmischen Streichen, davon die Fabeln erzählen.
Wie gewinnt der Fabelinhalt doch sofort Leben fürs Kind,
wenn es beim Deklamieren die Bolle des klugen Möps-
chensy des siegreichen Hahnes oder des wehrhaften Böck-
chens, womöglich mit den nötigen Pantomimen durch-
führen darf! Die Fabeln Heys hätten dem Kinde viel
mehr zu eigenen Erlebnissen werden sollen, und zwar
dadurch, daß das Kind in ihnen auch sich selbst und
sein eigenes Tun fand. Wenig verständlich und für die
Kleinen erst recht befremdlich ist es, wenn der Dichter
in seiner Fabel:
— 38 —
»Seht ihr den großen Vogel da?
Ihr kleineo, kommt ihm nnr nicht nah',
Daß er euch nicht etwa ertappt
Und zehen gleich hinuntersohnappt.«
»Ach geh mit deinem großen Tier,
Das ist ja gar nichts als Papiere
die Vögel eine dem Kinde ziemlich gleichgültige Unter-
haltuDg über den Papierdrachen miteinander führen
läßt, statt das Eind mitten hinein zu versetzen in sein
fröhliches Treiben beim Drachensteigen auf den herbst-
lichen Stoppeln. Das Eind muß geradezu die Gedanken,
die das Bild vom Drachen in ihm mächtig und zuerst
anregt, gewaltsam zurückdrängen, um dem ihm femliegen-
den Gedankengang des Dichters folgen zu können. —
Wo aber Hey das Eind tätig in die Handlung der Fabel
eingreifen läßt, da erscheint es vielfach entweder in ganz
ungewöhnlichen Situationen, oder es vertritt die wenig
begehrte Rolle eines bösen Eindes. Wie z. B. die Ente
in der Fabel »Enabe und Ente« auf den Gedanken kommt,
daß ihr der Enabe, der nach der Zahl ihrer Jungen fragt,
wohl gar eins wegstehlen wolle, dürfte einem unbe-
fangenen, natürlichen Einde von sechs Jahren doch
wohl kaum einleuchten. Die Ironie, mit der das Eind
in der Fabel »Eind und Ochse« den blöden Wiederkäuer
behandelt, ist sechsjährigen Eindem doch wohl auch
kaum eigen. Daß sich ein Eind mit dem mitleidslosen,
verrohten Enaben in der Fabel vom »Fischlein« identi-
fizieren möchte, dem es das größte Vergnügen bereitet,
tagelang den Fischlein mit seinem marternden Angelhaken
nachzustellen, kann man auch nicht annehmen. Eurz,
schon diese wenigen Andeutungen genügen wohl, um uns
wiederum zu zeigen, daß die Poesie Heys nicht so selbst-
verständlich als die »klassische Dichtung der Einderwelt«
zu bezeichnen ist. Es ließe sich dies noch an sehr vielen
Beispielen aus dem Inhalt der ^e^ sehen Fabeln beweisen«
Sie lassen vielfach den zarten, unberührten Duft kindlicher
Natürlichkeit und Einfalt vermissen, der uns an des Eindes
Denken und Fühlen so morgenfrisch anmutet Unnötig
— 39 —
oft führeD sie das sorglos dahmlebende, froh genießende
Kind in Sorge und Leid, in Angst und Weh ein. Die
Tiergestalten der Fabeln reden für das sechsjährige Kind
fast durchweg zu gescheit und welterfahren.
Am bedenklichsten aber erscheint mir an den Helden
der ^6^ sehen Fabeln, daß sie sich dem Kinde oft als
aufdringliche Lehrmeister yorstellen. Das Kind knüpft
den Verkehr mit den dichterischen Gestalten nicht an,
um von ihnen zu lernen, sondern um mit ihnen in
fröhlicher Gesellschaft zu spielen und zu scherzen, zu
singen und zu lachen, zu hüpfen und zu springen. Gerade
der vielfach lehrhafte, an einigen Stellen stark morali-
sierende Ton der Hey sehen Poesie zeigt, daß sie nicht
aus der Tiefe kindlich natürlicher Empfindungs- und An-
schauungsweise heraus geboren worden ist, sondern ihr
Entstehen vornehmlich der Absicht des Dichters verdankt,
durch sie »wahrhaft bildend auf Sinn und Gemüt« der
Kinder einzuwirken. Solche Poesie, mehr durch den be-
rechnenden Verstand eines wohlmeinenden Erwachsenen für
die Kinder zurechtgemacht, als vom Dichter aus der
Stimmung des Kindes heraus empfunden und erlebt, wider-
spricht dem poetischen Sinn des Kindes. »Im Ausdrucke
seiner Gefühle und Gedanken will das Kind nicht die
am Gängelbande des Verstandes herangezogene Spracbac
Müssen und sollen denn auch unsere Kleinen schon aus
allem »etwas lernen«? Selbst die Poesie, das Gebilde
künstlerischen Spiels, muß dazu dienen, dem Kinde
geistbildende Weisheiten und charakterentwickelnde mora-
lische Prinzipien mitzuteilen. Unsere ganze Unterricbts-
und Erziehungsmanier läuft viel zu sehr auf ein künst-
liches Zurechtstutzen des Kindes hinaus und läßt der
dem Kinde innewohnenden natürlichen Kraft und deren
Entfaltung in der Entwickelung des kindlichen Geistes
und Gemütes viel zu wenig Spielraum.
Treffend sagt Ltidtmg OurUtt darüber in seinem Buche
»Erziehung zur Mannhaftigkeit«: »Lassen wir doch auch
im Frühling des Lebens fröhlich alle Knospen springen,
>"'''« aas Ooel/u,
■"'"»»""<«. B.,
D„rj""' "»'■ '•■'
"■'«"IgIloHl.j.,
Für das natQrliol
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»•'«, solange ala „„,
P" Mndet J, ,' '
:t ■»**•,"/';
— 41 —
und deshalb unverstäadlicben Ausdruoksform bewegt Wo
es dagegen in der sprachlichen Form und eigenartigen
Ausdrucksweise der Oedichte wohlbekanntem, liebem Klang
begegnet, da fühlt es sich sofort auch angezogen und
öflPhet auch dem Inhalt der Oedichte gern und freudig
Herz und Ohr. Es geht ihm in diesem Fall ähnlich wie
den Bauern, die Luthers Deutsche Bibel mit den Worten
freudigster Oenugtuung begrüßten:
Deutsch steht es hier, deutsoh Satz für Satz,
So wie ich*8 selber red' nod sohwutzl«
Es ist das dieselbe Erscheinung, die sich in der For-
derung ausspricht, die Kinder der Elementarklasse zu-
nächst weiter im Dialekt reden zu lassen, wie sie es bis
zu ihrem Schuleintritt fast ausschließlich getan haben. Ist
es uns Erwachsenen schon nicht immer leicht und in
manchen Fällen nur der innigen Vertrautheit der Mutter
mit dem Kinde möglich, all das aus der kindlichen Bede
herauszuhören und herauszufühlen, was das Kind in sie
hineinlegt, so erfordert es erst recht intimstes Verständnis
und reiches Können, gemütvoll, verständlich und schön
in der Sprache des Kindes zum Kinde reden zu können,
unverkennbar spricht aus der Poesie Heys das heiße
Ringen und Mühen des Dichters, in seinen Fabeln den
rechten kindlichen Ton und die natürliche Ausdrucks-
weise der Kleinen zu treffen. Wie weit ihm dies ge-
lungen, wie weit es gute Absicht von ihm geblieben ist,
das mögen uns wiederum einige Beispiele aus seinen Fabeln
zeigen.
Auffallend ist die Zahl ganz unkindlicher Ausdrücke
und Redewendungen und ungewöhnlicher, das kindliche
Verständnis erschwerender Wortstellungen in der Hey-
sehen Sprache. Das treffendste urteil spricht in dieser
Hinsicht das Kind selbst. Mit vielen Ausdrücken und
Bedewendungen der Fabeln weiß es beim besten Willen
nichts anzufangen. In echt kindlicher Weise greift es
zur Selbsthilfe und sucht sich von dem durch das Nicht-
verstehen erzeugten psychischen Druck zu befreien, indem
-"^; '-'«■ :mi„
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«oder, deuten, ais- .
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— 43 —
Hast des dahinstürmeDdeD Hirsches recht lebhaft empfinden
zu lassen.
Mit berechtigter Zähigkeit sträuben sich die Kinder
beim Einprägen und Deklamieren der Fabel vom »Hünd-
chen und Böckchen« immer wieder gegen die ihnen wider-
strebende Wortstellung: »Sind mir zwei Hörner gewachsen
an.« Sie sagen dafür meist richtig: »Sind mir zwei
Hörner angewachsen« oder »Mir sind zwei Hörner an-
gewachsen.« Welch schwere Geduldsprobe das Einprägen
des Fabelwortlautes infolge seines vielfach verzwickten
und naturwidrigen Satzbaues für Lehrer und Schüler oft
bedeutet, wird jeder Eiementarlehrer aus seiner Erfahrung
bestätigen können. Man vergleiche hierzu folgende Bei-
spiele:
»Er breitete seine Flügel aus
Und flog dahin weit übers Hans;
Hoch ans der Lnft so frisch and munter:
,Hab Dankl hab Daokl^ rief er herunter.« (Rabe.)
oder:
>Läinmcben, was schreist da so kläglich dort?
Meine liebe Matter ist fort.
Fürchtest da dich, daß in der Zeit
Irgend jemand dir ta ein Leid?
Fürchten, ich wüßte nicht was; ach nein,
Möchte nar gern bei der Matter sein.«
Man vergegenwärtige sich bei dem letzten Beispiel nur
einmal, was für ein komplizierter Oeistesprozeß seitens
des sechsjährigen Kindes erforderlich ist, damit es den
Gedanken aus solch doppelt und dreifach umhüllender
Satzform herauszuschälen vermag! Wie aber soll sich die
Sache erst für noch jüngere Kinder gestalten ! Bekannt-
lich sagt ja Hey^ daß seine Fabeln zunächst für
Kinder von »vier (!) bis sieben Jahren« bestimmt seien.
Der Lehrer wird sich in vielen Fällen nicht nur stark
versucht, sondern geradezu verpflichtet fühlen, die Fabel
rein äußerlich dem Wortlaut nach zu zerpflücken und in
eine dem Kinde geläufige Form zu übertragen, damit dem
Kinde der Sinn nur einigermaßen klar werde. Wo bleibt
— 44 —
aber dann das Gedicht als solches? und wie verhält es
sich hierbei mit dem Wohlgefallen, das schon die ioßeie
Form des Gedichtes dem Kinde abnötigen soll?
Das Sprach vermögen und das Sprachverstftndois des
sechsjährigen Kindes reichen über die Formen ganz ein-
facher Satzbildung nicht hinaus. In dieser Sphäre aber
bewegt sich das Kind dann auch mit Hilfe seines schon
leidlich entwickelten Sprachgefühls ziemlich sicher. Diese
leidliche Zuverlässigkeit des kindlichen Sprachgefühls leistet
uns für den Elementarunterricht nicht hoch genug zu
veranschlagende Dienste. Es hilft uns im mündlichen
Verkehr mit dem Kinde über ganz bedeutende Schwierig-
keiten hinweg, mit denen wir sonst in unserer ohnehin
nicht leichten Lehrtätigkeit in der Elementarklasse gar
manchen harten, aufreibenden Strauß zu bestehen haben
würden. Peinlich sollte daher alles vermieden werden,
was die Sicherheit des kindlichen Sprachgefühls zu ge-
fährden im Stande ist. Eine solche Gefahr aber liegt
nahe, wenn sich das Kind Hey sehe Fabeln einprägen
muß, die sich oft aufiallend weit vom üblichen Sprach-
gebrauch entfernen. Wohl bleibt es der dichterischen
Freiheit unbenommen, sich über Segeln und Normen des
allgemeinen Sprachgebrauchs zu erheben. Von diesem
Vorrecht wird er besonders dann Gebrauch machen, wenn
es ihm auf die Erzielung besonderer dichterischer Wir-
kungen ankommt Zur Erfassung solch ästhetischer Fein-
heiten würde das Kind der Elementarklasse natürlich gar
nicht befähigt sein. Sie sind aber auch aus der IZi^ sehen
Poesie gar nicht herauszulesen. Hey hat sich zu seinen
Abweichungen von der Sprachnorm offenbar in den meisten
Fällen durch eine gewisse Verlegenheit um den metrischen
Aufbau seiner Fabeln nach der verstechnischen Seite so-
wohl als auch nach der reimtechnischen nötigen lassen. Ist
aber diese Meinung begründet — und sie drängt sich
jedem bei kritischer Lektüre der ^e^ sehen Poesie deut-
lich genug auf — dann sind viele der J7<^ sehen Fabeln
hinsichtlich ihrer äußeren Form nicht nur als unkind-
— 45 —
lieh, sondern auch als anpoetiseh abzulehnen. Sobald
wir überhaupt die ^e^ sehen Fabeln nach den Gesetzen der
Metrik genau untersuchen wollten, würden wir uns auf
Schritt und Tritt überzeugen können, daß sie als poetisch
im strengen Sinne des Wortes ganz und gar nicht gelten
können.
Doch auf solch weitergehende Erörterungen wollen
wir uns hier einmal gar nicht einlassen, sondern in einer
auch dem Laien einleuchtenden Weise dartun, daß die
Dichtungen Heys der Poesie vielfach entbehren, die man
billigerweise auch für das Eind, ja für dieses erst recht
von ihnen fordern müßte. Wollen wir die ästhetische
Geschmacksbildung des Kindes von allem Anfang an in
die rechten Bahnen leiten, dann müssen wir es von vorn-
herein durch die Darbietung von wirklich klassisch poeti-
schem Sprachgut an das ästhetisch Schöne in der Poesie
gewöhnen.
Ein besonderer Prüfstein für die Werke des Jugend-
dichters wird immer die Frage bilden, ob seine Sprache
in allen Stöcken kindlich und verständlich ist und dabei
doch nicht jenes eigenartigen duftigen Reizes entbehrt,
der die Poesie vor der Alltagssprache auszeichnet Ge-
rade die feiertägige Schönheit der poetischen Sprache ist
es ja im wesentlichen, die das Kind über die Alltäglich-
keit seiner Prosa erheben soll. Wie weit die JBisj^schen
Fabeln dieser Forderung entsprechen, vermögen wir am
besten aus der ästhetischen Wirkung zu erschließen, die
sie auf uns selbst ausüben. Echte Kinderpoesie läßt auch
den Erwachsenen den Zauber taufrischen Duftes und
Hauches empfinden^ der alle Poesie verklärt
Hey selbst wünscht und erhofft von seinen Fabeln,
daß »auch Größere, Kinder und Nichtkinder, sich daran
erfreuen wordene Ich greife willkürlich einige Fabeln
heraus und bitte den Leser, sich selbst einmal Rechen-
schaft darüber zu geben, wie weit er sich durch dieselben
ästhetisch angeregt fühlt
"ocli darf |„,
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- 47 —
dahin, daB die Heyschen Fabeln gerade das oft vermissen
lassen, was ihnen so viel nachgerühmt wird: Kindlich-
keit und Poesie.
Das ist auch die Überzeugung in weiten Kreisen der
deutsehen Lehrerschaft; mag man sich auf andrer Seite
noch so energisch gegen diese Ansicht verwahren. Womit
z. B. A, Schultx (»Der Unterricht im Deutschen«) seine
temperamentvoll aasgesprochene Meinung: »Uns gilt der
Schatz der Meisterlieder eines Hey^ Oüll^ Löwensteiriy
Hoffmann von Fallersleben als deutsches Heiligtum und
jeder Angriff auf ihn als pädagogische Ent-
gleisung« begründen will, soweit dieselbe Hey betrifft,
ist mir unerfindlich. Man wird vielleicht daran erinnern,
daß die Kleinen der Behandlung Hey^ch&t Fabeln mit
größerem Interesse folgen als anderen Unterrichtsgegen-
ständen unseres I. Schuljahres. Wie weit aber dies Wohl-
gefallen des Kindes durch die Fabeln an sich bedingt ist,
das bleibt denn doch wohl noch eine offene Frage. In
der Regel erfolgt die Besprechung Hey^ch&t Fabeln im
Anschluß an die Wandbilder von Wilh, Pfeiffer und Alb.
Kull^ und in den Lehrplan werden meist die Fabeln ein-
gestellt, zu denen Illustrationen von den genannten
Künstlern vorliegen. Die Vorliebe für Bilder ist eine
besonders charakteristische Eigenart des Sandes. Die Dar-
stellungen von Pfeiffer-Kull sind in ganz hervorragendem
Maße geeignet, des Kindes Beifall und Entzücken zu er-
regen. In lebendiger, oft mit köstlichem Humor durch-
würzter Weise (Pferd und Sperling) geben sie gewöhnlich
den Höhepunkt der in der Fabel dargestellten Handlung
wieder. Daß sie sich dem Kinde in buntem Kleide
präsentieren, vermag das Wohlgefallen des farbenfreudigen
Kindes erst recht zu steigern. Ich will nicht endgültig
entscheiden, wie weit das Interesse und die Freude des
Kindes auf die gelungenen Illustrationen der Fabeln, wie
weit sie auf die Fabeln selbst zurückzuführen sind. In
meiner Unterrichtstätigkeit habe ich immer wieder er-
fahren, daß des Kindes Interesse, das bei der Betrachtung
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-• 40 —
wohl auch vornehmlich gewesen, die den fleischen Fabeln
zu ihrer beispiellosen Verbreitung verhelfen hat, weniger
aber die Art und Weise, in der Hey sie dem Kinde
poetisch darzustellen versucht hat.
Nach all dem ist die Bevorzugung der Heischen
Fabeln vor anderen poetischen Stücken im I. Schuljahre
durch nichts gerechtfertigt, und zwar ist dies um so weniger
der Fall, als wir den Fabeln Heys Eindergedichte von
Hoffrnann von Fallersleben^ Friedrich Oüll, Christian
Dieffenbachj Rudolf Löwenstein^ Julius Sturm^ Robert
Reinick, Enslin und vielen anderen Jugenddichtem als
mindestens ebenbürtig zur Seite stellen können. Ich
brauche zunächst gewiß nur diese Namen zu nennen, und
jeder wird sich mit Freuden sofort jener sinnigen, kind-
lichen Poesie erinnern, deren traute Klänge ihm herüber-
klingen aus seiner eigenen Jugendzeit Dem Gedanken
aber, daß wir von diesen »anerkannten Meistern in aus-
reichendem Maße klassisches Lehrgut besitzen, das einer
Vermehrung kaum bedarf«, den Ritter in seinem Werke
>Der deutsche Unterricht in der höheren Mädchenschule«
äußert, brauchen wir denn doch wohl nicht ohne weiteres
beizupflichten. Warum sollen wir nicht unseren Kleinen
klassische, ausdrücklich für sie geschriebene Poesie er-
schließen und ihnen darbieten, von welcher Seite sie
auch komme?
Wollen wir etwa den Werken von hervorragenden
modernen Jugenddichtem den Eingang in die Schule
sperren, weil wir an dichterisch klassischem Gut für
unsere Jugend gewissermaßen an Überfluß litten? Oder
ist für diese Poeten kein Raum in unserer Schule, weil
sie unserer Zeit angehören? Und doch gebührt manchem
von ihnen im Lehrplan unseres L Schuljahres weit eher
eine Stelle als dem viel überschätzten Hey.
Es gibt unter den neueren Jugenddichtera einzelne,
die ganz besonders kindlich und herzig zu plaudern ver-
stehen, so recht natürlich und ursprünglich mit dem Kind
PKd. Mag. 321. Kühn, Poesie im I. Schuljahr. 4
— 50 —
empfindend, daß auch die Eltern und wir Lehrer noch
zu ihnen in die Schale gehen können, um von ihnen zu
lernen, »worüber ein Eind jubelt und wovor es zittert,
was ihm gleichgültig ist, und was sein Denken err^t«
Von ihnen möchte ich im folgenden einen hervor-
heben, dessen Kinderliedchen und Verse mir besonders
für unsere Kleinen geeignet erscheinen, ohne jedoch
damit sagen zu wollen, daß man sich nun auf
ihn allein beschränken und ihn vor allen anderen
bevorzugen müsse. Ich meine Wblrad Eigenbrodt und
seine Gedichtsammlung: »Aus der schönen weiten Welt,
Liedchen und Verse für unsere Kleinen.« R. Voigtländers
Verlag in Leipzig. Daß ich gerade seine Qedichte zum
Ausgangspunkt für meine weiteren Betrachtungen wähle,
hat mancherlei Gründe, nfcht zuletzt solche persönlicher
Natur. Durch längeren persönlichen Verkehr mit dem
verehrten Meister ist mir's immer wieder zum Bewußt-
sein gekommen, wie warm sein Herz gerade für unsere
Kleinen zu schlagen vermag. Dazu kommt, daß der
Dichter durch langjährige praktisch -pädagogische Tätig-
keit sich einen scharfen Blick für des Kindes Eigenart
und Bedtirfhisse angeeignet bat.
Die Gedichte Eigenbrodts in den Kreis meiner Be-
trachtung zu ziehen, mußte mir also besonders nabeliegend
und dankbar erscheinen. Eigenbrodt hat seine »Liedeben
und Verse für unsere Kleinen« ursprünglich nicht für
die breite Öffentlichkeit geschrieben. Für sein Töchter-
chen waren sie zu sinnig anregender Betrachtung der
9schönen weiten Welt« bestimmt, und dieser Absicht des
Dichters verdanken sie einzig und allein ihre Entstehung.
Dieser Umstand aber macht sie uns besonders wertvolL
Nicht nur, daß sie den lebendigen Herzschlag innigster
Liebe des Dichters zum Kinde förmlich verspüren lassen,
nein, sie sind auch im unmittelbarsten Verkehr des Dichters
mit dem Kinde entstanden. Was wir bei Eigenbrodt zu
liören bekommen, das ist nichts Gemachtes, für das
Kind Erdichtetes, sondern im natürlichsten Sinn des
— 61 --
Wortes wirklich Erlebtes. Gerade dies Moment, dessen
Nichtvorhandensein wir bei Hey als einen Hauptmangel
bezeichnen mußten, tritt bei den EJigenbrodt sehen Einder-
liedern sinnfällig in den Vordergrund. Wenn Eigenbrodt
vom Wind, von der Sonne, von den Täubchen, vom Vög-
lein u. a. spricht, so liegen all dem ganz bestimmte Er-
lebnisse des Dichters und seines Kindes zu Gründe, die
der Dichter, der konkreten Wirklichkeit entsprechend,
unseren Kleinen darstellt, doch so, daß diese unmittel-
baren Anteil an den Erlebnissen nehmen, sie nicht nur
nach-, sondern miterleben. So erfüllt Eigenbrodt das,
was Goethe vom Dichter fordert: »Der Dichter ist an-
gewiesen auf Darstellung. Das höchste derselben ist, wenn
sie mit der Wirklichkeit wetteifert, d. h. wenn ihre Schil-
derungen durch den Geist dergestalt lebendig sind, daß
sie als gegenwärtig für jedermann gelten können.« Man
stelle z. B. einmal der J7e^ sehen Fabel vom »Täubchen«
Eigenbrodts Gedicht »Täubchen« gegenüber. Ich lasse zu
dem Zwecke das Gedicht Eigenbrodts im Wortlaut folgen:
Täaboheo.
Die Täubleio soboo am frühen Tag
spazieren aus dem Taabensohlag
und wandern auf dem Dach herum
mit Ruckdiku und Rumdumdum.
Auf einmal hasch, husch, husch,
schwingen sie die Flügel.
Rasch aber Dach und Busch,
hoch über Turm und Hügel
flattern sie im Blauen.
Die Fiüglein blitzen heil im Licht;
ich kann sie nicht mehr schauen,
die Sonne sticht mir ins Gesicht.
Wo sind sie hin? — Das sollst du sehn.
Komm, Kind, wir wollen suchen geh*n.
Rasch wandern sie ins Feld hinaus.
Da bricht das Kind in Jubel aus:
»Ei siehl Ei sieh, da sind sie jal
Was tun sie nur im Acker da?
Sie laufen ohne Unterlaß
und suchen was und picken waslc
4»
— 52 —
»Ei^ Kind, dort hat der Sämann heut
viel tausend Erbsen hingeetreat
and denkt, die sollen waohseo bald
and Früchte tragen siebenfalt.
Das dumme Täubohen aber denkt,
die Erbsen seien ihm geschenkt.
So läuft es denn im Acker dort
und frißt die besten alle fort.
Es pickt und schluckt und dockt den Kopf
und voll und voller wird sein Kropf. €
Lang' schaut das Kind den Täubchen an.
Auf einmal sind in einem Nu
sie husch, husch, husch im Sonnensohein
hoch über Feld ins Dorf hinein.
Und wie das Kind nun kommt nach Haas,
da sitzen sie und rasten aus
auf ihrem Dach in guter Ruh
mit Ramdumdum und Ruckdika.
Bei Hey erhält das Eind auf die Spannung erweckende
Frage:
tTäubcheo, da auf dem Dache dort
Sage, was girrst du in einem fort.
Wendest das Köpfeben so her und hin?«
alsbald die ihm wenig sagende und sein Interesse nicht
befriedigende Antwort:
tWeil ich gar zu fröhlich bin,
Weil mich vom Himmel der Schöpfer mein
Wärmt mit dem lieben Sonnenschein.«
Damit ist die Handlung der Fabel vollständig erschöpft
Denn was dar Dichter dem Kinde noch weiter sagt, das
erschließt dem Kinde kaum neue Gesichtspunkte und hätte
daher ebensogut ungesagt bleiben können. Der tatsächliche,
unmittelbare Anteil des Kindes an der Handlung, wenn man
von einer solchen in der ffe^schen Fabel überhaupt reden
kann, beschränkt sich also im Grunde genommen auf die
sein Interesse erregende Frage im Anfang der Fabel.
Wie ganz anders und lebhaft dagegen weiß Eigenbrodi
des Kindes Interesse von Anfang bis zu Ende zu fesseln!
Bei ihm erlebt es so viel des Reizvollen, daß es sich
durch ihn stets in der spannendsten, anregendsten Weise
— 53 —
imterhalten findet. Mit gespannten Blicken beobachtet und
verfolgt es die auf dem Dache hin und her spazierenden
Täublein mit ihrem Buckdiku und Rumdumdum. Da, wa&
ist das? Da fliegen sie ja auf einmal hurtig und flink
iioch in die Luft So weit das Kind vermag, folgt e&
ihnen mit seinen Augen. Aber ach, die Sonne blendet
gar zu sehr, und nun sind sie seinem Gesichtskreis ganz
entschwunden. Wie schade! Wo mögen sie nur hin sein?
Durch diese Frage wird die Phantasie aufs lebhafteste
und willkommenste beschäftigt und seine Spannung zu-
gleich aufs höchste gesteigert.
Sie gilt es nun zu lösen, und der Dichter kann die
Handlung fortführen unter dem überaus günstigen Um-
stände, daß des Kindes Interesse und augenblickliche
Bewußtseinslage selbst auf die Weiterführung derselben
hindrängt. Oem wird es mit dem freundlichen Dichter
hinauswandem ins Feld, und sein Jubel beim Wieder-
antreffen der munteren Täubchen ist die natürliche und
das Kind erfreuende Lösung der vorher in ihm erregten
Spannung. Und das Tun und Treiben der »dummen«
Täubchen, das das Kind hier wahrnimmt, ist wiederum
ganz dazu angetan, des Kindes Sinn eingehend zu be-
schäftigen. Wie anschaulich stellt aber auch der Dichter
dem Kinde die Vorgänge dar, und wie geschickt und
treffend ahmt er auch äußerlich in der Sprache der Täub-
chen eifriges Picken und Suchen nach den köstlichen
Erbsen nach. »Es pickt und schluckt und duckt den
Kopf . . .« Ist's nicht, als sähen wir förmlich, wie die
Täubchen hastig und ruckweise die Erbsen aufpicken?
Und wenn dann das Kind lange genug dem Treiben der
munteren Tierchen zugeschaut hat und diese gesättigt und
befriedigt heimwärts fliegen, dann tritt es auch selbst mit
dem Dichter den Heimweg an und wird sich zum Schlüsse
voll froher Genugtuung und in dem erhebenden Gefühl
von ihm verabschieden, an seiner Hand so viel Schönes
erlebt und gesehen zu haben. Was ist in solcher Stim-
mung natürlicher, als der Wunsch des Kindes, recht bald
— 54 —
wieder zu dem ft^undlichen Dichter zarückzukehren?
Löst aber der Dichter durch seine Poteie, und zwar
einzig und allein durch sie selbst, derartige Wünsche
im Kinde aus, dann hat er den schlagendsten Beweis fir
die Kindlichkeit derselben erbracht.
Wie tief Eigenbrodi in des Kindes Herz geschaut hat
und wie genau er des Kindes Wünsche, seine kimuen
Sorgen und seine ganze Denkweise kennt, das sseigt das
Gedicht:
Sonne.
Sonoe, gehst da sohon wieder fort?
Was tast da hinter den Berf^en dort?
Bleib dooh ein Weilchen noch bei mirl
Es ist 80 schön im GArtchen hier.
Ich bin so wach and m anter doch,
ich möchte spielen and springen noch.
Wenn gehst, so kann ich nichts mehr sehn,
maß gleich ins dunkle Bettchen gehn.«
Die Sonne sprach: >M6in liebes Kind,
dort hinter den Bergen aach Kinder sind.
Die lagen im Bettchen die ganze Naoht,
sind nan sohon lange aafgewacht
and warten aaf den Sonnenschein,
möchten auch in den Garten hinein
and spielen aod laafen und springen wie da.
Ade, mein Kmdl Nao geh sar Ruhte
Das Kind sprach: »Sonne, geh nur schnell,
and mach das Gärtlein drüben hell!
Ich will nun gleich ins Bettchen gehn.c
Die Sonne rief: »Auf Wiedersehn !c
Welches Kind hätte nicht selbst schon erfahren und
empfunden, wie seinem unermüdlichen Spieleifer and
seiner Spielfreude am Abend durch die untergehende
Sonne Zeit und Ziel gesetzt wurde! Die in dem Gedichte
dargestellte Begebenheit wird darum nicht nur der ver-
ständnisinnigen Teilnahme des Kindes sicher sein, sondern
unmittelbar auch die Gefühle und Empfindungen aus-
lösen, die sich für das Kind an dieselbe knüpfen. 80
werden in diesem Gedichte des Kindes Sinn und Gef&bl,
— 55 —
Gedanke und Empfindung in glücklichster Weise gepaart.
In der Poesie bandelt es sich nicht bloß um rein ver-
standesmäßige Darstellung und intellektuelle Er-»
fassang derselben durch das betrachtende Individaam.
»Der Poet will,« wie Dilthey in seinem genialen Werk
»Das Erlebnis und die Dichtung« ausführt, »nicht bloß
verständlich werden: ihm ist es um die volle Anschau-
lichkeit und den starken Eindruck dessen zu tun, was
er darstellt.« Diese Anschaulichkeit wird besonders voll-
ständig und umfassend und der Eindruck besonders stark
sein, wenn das im Gedicht Dargestellte bereits im Indivi-
duum lebt. Der Genuß des Schönen ist auf andere
Weise überhaupt nicht möglich. Herbart weist darauf
hin, wenn er sagt: »Alles Schöne existiert im Zuschauer.
Es wird ihm zugemutet, daß er die einzelnen Yorstellungs-
reihen, seien es Stimmen oder Figuren oder Charaktere
samt ihrem Handeln, in sich selber ebenso genau und
reinlich gestalte, wie das Kunstwerk sie ihm darbietet.«
Das Kind muß an das Gedicht herantreten in dem Gefahl
etwa, mit dem wir ein künstlerisches Bild betrachten:
Baum und Strauch, Wald und Aue, Hof und Hütte, Dorf
und Straße, die auf dem Bilde dargestellt sind, haben wir
in Wirklichkeit schon gesehen; aber wie uns der Maler
diese Dinge schauen läßt, das eben bereitet uns den
Genuß, den das Kunstwerk uns geben will. Wie der
Künstler die dargestellten Dinge fühlt, wie sie sich in
seinem Empfinden spiegeln, das vermittelt uns die Kunst,
die »Sprache des Unaussprechlichen«. Durch das Kunst-
werk teilt sich des Künstlers Seele der unseren mit. und
in diesem Seelenaustausch beruhen auch der Zauber und
die Wirkung der Sprache, die der Dichter mit dem Kinde
redet Er will dem Kinde nicht Neues, ihm gänzlich
Unbekanntes, sondern im Gegenteil ganz Naheliegendes,
ihm Wohl vertrautes zeigen. Aber er lehrt das Kind die
Dinge sehen, wie sie sich in seinem Herzen und in den
geheimen Bewegungen seines Geistes abgebildet haben,
und daß das Kind durch die Gedichte hindurch in des
•Soniie,
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I»'«™». de, E„j^
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S»* nioht so
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'•" Ol.«. f„,
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MK dir's, .
W
— 67 —
Vom ZoDgleio träuft ihm klaro Fiat.
Nuo fäfigt es an zo fressen.
Oelt, armes Tier, das schmeckt dir gut?
Hast lange nichts gegessen.
So weide still in meiner Hut
von Oras und Klee und Kressen!
Wie web der böse Hnnger tut,
das sollst da beut vergessen.
0 liebes Tier! Es tritt heran
ganz zahm, ich könnt es streichen.«
Es blickt mich sanft aod dankbar an ;
mein Brot will ich ihm reichen —
0 weh, da kommt der Jägersmann I
Geschwind! Da mußt entweichen!
Ein Schwang — da fliegt es in den Tann
hoch über die jungen Eichen.
Viele Kinder kenneD und lieben das Reh. Bei ihren
sonntäglichen Aasflügen mit den Eltern ist ihnen das
leichtfüßige Tier hie und da einmal im Walde begegnet
Freilich nie haben sie es in der Nähe gesehen. Nur von
fern and ganz heimlich konnten sie es belaaschen. Beim
leisesten verdächtigen Geräusch verschwand es im schützen-
den Gebüsch. Als das Wesentliche in der Vorstellung
vom Reh drängt sich dem Kinde die Scheu, die Angst,
die Bangigkeit des Tieres auf. Diese Eigenschaften des
Rehs müssen durch gewichtige Gründe bedingt sein, und
das Kind erkennt jene Ursachen gar bald in den Nach-
stellungen, denen das Reh durch die Jäger ausgesetzt ist
An diese Gedankenreihen knüpft Eigenbrodt in seinem
Gedicht an und läßt das Kind eine Begegnung mit dem
Reh erleben, die in hohem Maße erzieherisch auf das
Ethos des Kindes einwirkt Das scheue, so viel gehetzte
Reh erregt sein Mitgefühl. Ihm die Versicherang zu
geben, daß es ihm nichts zu leide tun wird, ist dem
Kinde Herzensbedürfnis. Das Mitgefühl des Kindes setzt
sich sofort auch in hilfsbereites Tun um. Daß dem
Kinde zu solchem Tun im Gedichte Gelegenheit gegeben
wird (es erlebt ja innerlich den ganzen Vorgang mit) ist
wesentlich und für die Wirkung des Gedichtes nach der
— 58 —
ethischen Seite hin besonders bedentnDgsyoll. Mit kind-
liehem Eifer und lebhaftem Impuls ergreift es Partei far
das Reh. Dieses wird sein Schützling. Diesmal darf ihm
der Jäger nichts anhaben. Sorgsam wird das Kind Aus-
schau halten, damit es seinen Schützling rechtzeitig vor
dem bösem Jä^er warnen kann. Wie freut es sich, als
das Reh wirklich zu fressen beginnt Heute wenigstens
soll es sich einmal so ganz ungestört nach Herzenslust
am Oras, am Klee und an den Kressen laben und einmal
ganz vergessen, »wie weh der böse Hunger tute So
selten kann sich das arme Tier in voller Siciierheit und
Sorglosigkeit satt fressen. Mit herzlicher Genugtuung
schaut das Kind zu, wie es dem Reh vortrefflich schmeckt
Immer weiter tritt es auf die Wiese heraus und sucht
sich die süßesten Kleeblättchen aus. Wie lieb und herzig
ist doch das Tierchen, und wie gutmütig schaut es in die
Welt! Wohlgefällig betrachtet das Kind eingehend seinen
Liebling und schließt ihn immer inniger in sein Hers.
Wie köstlich schmeckt ihm nun der frische Trunk an
der labenden Quelle! Es bereitet dem Kinde sichtlich
Genugtuung, daß sich das Reh so ausnehmend wohlfühlt
— in seiner sicheren Hut Ach, es muß dem lieben
Tier noch etwas ganz Besonderes zu gute tun! Sein Brot
will es ihm reichen. Da durchfahrt das Kind ein jäher
Schreck — der Jäger naht. Zitternd bebt und bangt es
für das Leben des gefährdeten Tieres. Mit fli^;endein
Atem unterrichtet es das Reh von der Gefahr. Aufe
höchste steigert sich die bangende Erregung des Kindes;
könnte es doch den Lauf des fliehenden Tieres beflügeln!
Da — ein Schwung, da fliegt es in den Tann, und das
Reh ist gerettet Ein tiefer Seufzer der Erleichterung
entringt sich der kindlichen Brust, und in dem unsagbaren
Glücksgefühl des Kindes über die Rettung seines Lieblings
klingt das Gedicht aus, das des Kindes Herz und Gemüt
bis in die tiefsten Tiefen erregte. —
Auch der Humor blitzt gegen das Ende des Gedichtes
durch. Es vergnügt das Kind sicherlich, daß des Jfigen
r »
— 59 —
Anschlag diesmal mißlang, daß ihm durch des Kindes
Wachsamkeit ein Schnippchen geschlagen wurde. Das ist
ein weiterer großer Vorzug der Eigenbrodischen Gedichte,
daß bei ihnen das lach begierige Kind durchaus auf
seine Kosten kommt. Gilt schon allgemein, daß »die
Leben&h*eude die Luft ist, in der die Kunst am besten,
vielleicht allein gedeiht t, so hat dieser Satz für unsere
Kleinen im besonderen seine Geltung. Sonnige heitere
Freude und Humor, wie sie uns z. B. aus Ludtvig Rickters
Bildern entgegenlachen, sind die besten Schlüssel zum
Herzen des Kindes. Den Kleinen lacht noch die ganze
Welt in hellem Sonnenglanze. Dies glückliche Vorrecht
ungetrübter Lebensfreude und sorglosen Lebensgenusses
wollen wir ihnen möglichst ungekürzt und uneingeschränkt
lassen und für sie besonders solche Gedichte auswählen,
die ihrem Bedürfnis nach Frohsinn und Humor weit ent-
gegenkommen. Wie weit in diesem Zusammenhang Wilr
heim Busch geradezu als »Jugendkunsterzieherc genannt
werden kann, ist vielleicht doch nicht so leicht und
schnell entschieden, wie es auf dem »Zweiten Kunst-
erziehungstage in Weimarc ausgesprochen wurde.
Meines Erachtens gehört schon ein intimeres Verständ-
nis zur Erfassung des feinen Humors, wie er bei Wilhelm
BvLseh z. B. schon in der äußeren Sprachform liegt, als
es einem sechsjährigen Kinde gemeinhin eignet
Auch der Ansicht möchte ich nicht uneingeschränkt
beipflichten, daß für die Kleinen nur der Humor von
möglichst derber Drastik und Komik angebracht sei. Ich
habe das Empfinden, daß ein Gedicht wie »Das Reh« von
Eigenbrodt mit seinem lustigen Ausklang recht wohl des
Kindes Frohsinn und Humor lebhaft anzufachen vermag,
zumal sich hier der ins Schalkhafte hinüberspielende Aus-
gang der Handlung besonders wirksam von dem Ernst
abhebt, der unmittelbar vorher das Kindesgemüt erfüllte.
Ernst und Scherz, sorgende Bangigkeit und ausgelassene
Schalkheit in sinnigem Wechsel werden das Kind in
seinen innersten Tiefen erregen und es dann in den
— 60 —
sonnigen Gefilden befreiender, lachender Freude uro so
mehr beglücken. Der Kontrast zwischen Licht und Schatten
kann unter Umständen viel intensiver wirken als die rein
positive Farbe, selbst wenn diese in den stärksten Tönen
aufgetragen ist.
Über die Sprache und die äußere Form der Eigen-
hrodtschen Oedichte brauche ich mich gewiß nicht weiter
auszulassen. Ich meine, Eigenbrodts Liedchen und Verse
sprechen in dieser Hinsicht am besten für sich selber.
Andeuten möchte ich nur, in welch trefflicher, charakte-
ristischer Weise der Dichter die äußere Form der Ge-
dichte stets dem jeweiligen Gegenstand anzupassen ver-
stoht Man vergleiche hierzu einmal folgende Stelle aus
seinem Gedieht:
Amsel.
Die Amsel huscht in hurtigem Lauf
Zickzack!
und pickt vom Bodeo die Würmohen auf
ticktack !
Sie bohrt ihr gelbes Schoäbelein
io den Orund wie eio blitzendes Säbeiein
und packt
und backt
die zappeloden Würmcheo zu Stücken
und schluckt sie mit Entzücken.
Doch kommst du ihr nah' —
>Ha — hi hi hi — hall
Wer stört mich da?«
So kreischt sie und zetert und schilt
und flattert wild
und huscht von dannen
unter die Tannen.
Dies charakteristische Formgepräge im Rhythmus und
der Lautmalerei läßt auch das Kind schon ahnend emp-
finden, wie darin besondere Eigenheiten des hurtigen Tier-
chens nachgeahmt und zum Ausdruck gebracht werden
sollen. Ja, für solche hervortretenden Besonderheiten in
der äußeren Sprachform haben die Kinder in der Regel
ein feines Ohr. Diese Dinge entgehen ihnen selten, and
— 61 —
daran haftet ihre Aufmerksamkeit mit besonderer Vor-
liebe. Der sinnfällige Ausdruck solch gelungener Nach-
ahmung bereitet dem Kinde Vergnügen, schon deshalb,
weil diese Art der Darstellung an seinen eigenen, stark
entwickelten Nachahmungstrieb anknüpft. In meinem
Unterricht in der Elementarklasse habe ich neben Hey-
sehen Fabeln mehrfach Gedichte von Eigenbrodt geboten.
Dabei ist mir aufgefallen, daß die Kinder bei dem Vor-
trag der Eigenbrodt sehen Gedichte der Hauptsache nach
immer dem Sinn des Gedichtes gemäß betonten. Die be-
sonders charakteristischen Stellen wurden regelrecht von
den Kindern in entsprechender Weise hervorgehoben und
wiedergegeben. Dabei hebe ich ausdrücklich hervor, daß
ich ein Gegner jeder eingelernten Betonungsmanier
bin. Ich überlasse es im wesentlichen den Kindern, auch
den Kleinen, für das vorzutragende Gedicht selbst die
natürliche, sinngemäße Betonung zu finden. Ist das
Gedicht nach Inhalt und Form kindlich, dann wird es
vom Kind auch in sinnentsprechender Weise vorgetragen
werden. Das Gegenteil bemerkte ich häufig bei der De-
klamation ^e^ scher Fabeln.
Ich kann hiermit zunächst nur aus meiner Erfahrung
reden, und die will wenig genug besagen. Immerhin
regen meine Beobachtungen vielleicht zur Nachprüfung
an, durch die meine Darlegungen, so hoffe ich, in man-
chen Stücken bestätigt werden.
Es waren wenige, meist nur skizzenhafte Bemerkungen,
die ich über die Eigenbrodt sehe Poesie gemacht habe.
Doch die Hauptgedanken, auf die hinzuweisen es mir
besonders ankam, glaube ich wenigstens andeutungsweise
berührt zu haben. Fassen wir unser Urteil über Eigen-
brodts »Liedchen und Verse für unsere Kleinen c zusammen,
so finden wir, daß es im wesentlichen folgende Dinge
sind^ die die besondere Wirkung dieser Poesie auf das
Kind ausmachen:
1. Die Gedichte Eigenbrodts knüpfen in ihrem Inhalt
an die Interessen und Wünsche, an das Empfinden und
— 62 —
i
?i»
Sehnen des Kindes an nnd erzeugen durch diee Einget
auf des Kindes Empfangsbedürfnis die Empfangsfren
für die gebotene Poesie.
2. Die in den Gedichten dargestellten Oegenstän
treten ausnahmslos handelnd auf. Die Handlung h
das Kind bis zuletzt in Spannung und steigert sich
bis zu dramatischer Höhe. (Vgl. »Das Rehe.)
3. Dem Bedürfnis des Kindes zu reger Betätigu
trägt die Poesie Eigenbrodta in weitgehendem Mafie Rrn
nung. Vielfach versetzt der Dichter das Kind mitl
hinein in die Handlang und läßt es den dargestellt
Vorgang selbst erleben. Oder er regt im Kinde Frag
und Gedanken an über den Fortgang der Handlung, ül
Ursache und Folge von Erscheinungen und Tatsachen, i
seiner Erfahrungswelt wohlbekannt und vertraut sii
Weiter gibt der Dichter dem Kinde, und das ist ga
besonders wertvoll, oft Gelegenheit zu eigenen Ei
Schließungen, zu selbständigen Willensakten. Etgenbrt
bietet dem Kinde seine Gedichte nicht als etwas na
jeder Richtung hin Fertiges und Abgeschlossenes, zu de
es selbst nichts mehr hinzuzutun braucht; sondern
läßt die Darstellung unter schöpferischem Mit- und Nac
schaffen des Kindes vor der Seele desselben entsteh
und leiht dem Ganzen gewissermaßen nur seine schöm
beredten Worte.
Mit der Gegenüberstellung der ^i^schen und d
EigenbrodHohen Poesie wollte ich zunächst nur einn
die Frage anzuregen versuchen, ob wir mit der bish
üblichen Auswahl von Poesie für unser L Schuljahr imm
das Richtige getroffen haben. Vielleicht wird diese Pra
daraufbin noch von anderen Seiten aufgegriffen, weil
durchdacht und geklärt.
Habe ich durch meine Ausführungen hier und
zum Widerspruch herausgefordert, so ist mir dies um
lieber. Erst der Widerstreit der Meinungen schafft d
abgeklärten Niederschlag allgemein gültiger Wahrheit^
die uns dann zu brauchbaren Ergebnissen weiterfuhr
— 63 —
können. Ich habe mich mit Hey besonders ansführlicb
beschäftigt und mußte es, weil er, wie schon gesagt, bis
in unsere Tage hinein vielfach noch als der Dichter für
die Einderwelt srilt. Daß ich meine Anschauungen über
das Wesen trefflicher Einderpoesie an den Eigenbrodt-
sehen Gedichten nachzuweisen versuchte, soll natürlich
keineswegs den Eindruck erwecken, als ob ich nur ihn
oder ihn besonders für das I. Schuljahr gelten lassen
möchte. Es gibt zerstreut eine ganze Fülle köstlicher
Perlen klassischer Einderpoesie. Es gilt nur, diese kost-
baren Schätze zu heben, zu sichten, zu sammeln und für
den Unterricht bei den Eleinen nutzbar za machen. Da-
bei wird der eine diese, der andere jene poetischen Stücke
für besonders wertvoll halten. Das Wesentliche dabei
ist nur, daß wir uns über die Grundsätze klar sind, nach
denen wir unsere Auswahl zu treffen haben.
In den Thüringer Lesebüchern für Meiningen fand ich
beispielsweise für die Eleinen folgende Gedichte mit aus-
gewählt, die unseren Anforderungen entsprechen würden:
OnteD Morgeol
Nun reibet enoh die Äaglein wach!
Die Schwalben zwitschern sohon am Dach,
die Lerche singt schon in der Luft,
die Blume prangt in Tau und Duft. — Gaten Morgen l
Die Sonn* ist längst anf ihrer Bahn;
auf seinen Posten kräht der Hahn;
die Tauben flattern aus dem Schlag
und sonnen sich im ros'gen Tag. — Guten Morgen!
Schon tönen Lieder und Schal mei*n,
der Herde Olöcklein klingen drein,
und seinen Morgengruß entbeut
vom Turme weithin das Gel&ut: — Guten Morgen!
Was nur die Hftnde rähren kann,
das schickt sich jetzt zur Arbeit an.
Die Nachbarsleut in Stadt und Land,
sie drücken sich zum Gruß die Hand: — Guten Morgen f
Und alles regt sich nah und fem
und rüstet sich und preist den Herrn.
— 64 —
Ihr wollt doch nicht die letsteo sein?
Drum stehet auf und stimmt mit ein: — Onteo Morgen!
(LöwenstemJ
Ein schweres Rätsel.
Aaf UDsrer Wiese gehet was
watet durch die Sümpfe;
es hat ein weißes Jäckleio an,
trägt aach rote Strümpfe,
fängt die Frösche schnapp, wapp, wapp,
klappert lastig: — klapper die klapp —
wer kann das erraten?
Ihr denkt, es ist der Elapperstoroh,
watet durch die Sümpfe,
es hat ein weiBes Jäcklein an,
trägt auch rote Strümpfe,
fängt die Frösche schnapp, wapp, wapp,
klappert lästig: — klapper die klapp.
Nein, nein! *s ist eine Störchin!
(Hoffmann v, Fhüersleben.)
Herhst-Segen.
Der Herbst, der Herbst, der ist ein Mann,
den ich vor allen leiden kann;
er kommt doch nicht mit leerem Sack,
bringt einen großen Huckepack.
Was wird darin wohl alles sein?
Kartoffeln und Rüben, Äpfel und Pflaumen —
Birnen und Nüsse für Magen und Gaumen!
Er geht zum grünen Feld hinaus
und schüttet seinen Sack dort aus;
die Rüben fallen auf den Sand,
Kartoffeln regnefs auf das Land;
ei, ei, wie schad*, daß doch gerad
Apfel und Pflaumen hüben und drüben
in den Bäumen sind hängen geblieben.
0 guter Herbst, sei lieb und fein
und denk doch an uns Kinderlein;
die Apfel schütte in den Sand
und Birnen, Pflaumen auf das Land;
denn wir sind klein, wir Kinderlein!
Wären doch lieber Kartoffeln und Rüben
in den Bäumen dort hängen geblieben!
— 65 —
Da lacht der Herbst, der gute MaoD,
Qod faßt die Bäame kräftig an
uod sobüttelt sie mit starker Faast,
daA es darch alle Zweige saast. i
Hei, was ist das? Was fällt ins Oras? —
Äpfel Qod PflaameD — o welch ein Segen!
Birnen and Nüsse — o köstlicher Regen!
(O. Chr. Dieffenhach,)
Zum Schluß mögen noch einige Anmerkungen über
die Art der Behandlung der Gedichte hier Platz finden.
Nach meinen bisherigen Ausführungen wird man von
mir nicht erwarten, daß ich mit sogenannten Muster-
lektionen aufwarte, die sich kurzerhand kopieren lassen.
Ich habe über diese Unterrichtsbeispiele meine eigene
Meinung. Ein Lehrer, der ihrer nicht entraten könnte,
wäre in meinen Augen nichts als ein Handwerker und
noch dazu ein recht stümperhafter, der ohne alle mög-
lichen Werkzeuge und Hilfsmittel nicht das einfachste
Stück zu fertigen vermag. Der Lehrer soll aber auch in
dem Sinn Künstler sein, daß er sich über vorgezeichnete
Normen und Vorbilder zu erheben und seiner Unterrichts-
arbeit seine Individualität aufzudrücken vermag.
Jede formulierte und fixierte Musterlektion kann auf
den Leser doch nicht viel anders wirken als die blecherne
Reproduktion eines von Eünstlermund gesungenen Liedes
durch das Orammophon. Gerade das, was mich während
meines Unterrichts im Innersten erfüllt, was sich meinen
Schülern in Miene und Oeberde widerspiegelt, was un-
sichtbar aus meinem Inneren in die Seele meiner Schüler
hinüberflutet, diese unmittelbare Wirkung von Mensch
zu Mensch, die nicht den geringsten Teil des Erfolges
eines lebensvollen Unterrichts ausmacht, kann ich einem
Dritten gegenüber ja doch nicht zum Ausdruck bringen.
»Spricht die Seele, so spricht, ach, schon die Seele
nicht mehr.«
Der Lehrer versuche, sich in die Seele des Dichters
einzuleben, mit ihm zu fühlen und zu empfinden, und
Päd. Mag. 321. Kühn, Poesio im L Schaljahr. 5
— 66 —
bleibe nicht nur an den Worten des Gtodichtes äoßeriich
haften und starre sie nicht durch die Brille des Verstandes
an, dann wird er selbst inwendig warm werden und etwas
von dem Leben und Empfinden verspüren, das die Worte
des Gedichtes ausströmen. Dann überkommt ihn auch
jenes Gefühl, das ihm sagt, daß er der Dolmetsch sein
kann, sein muß für das, was das Gedicht den Kindern
sagen möchte.
Ich will mit einem Gedicht Goethes schließen, der
auch darin wieder so treffend ausdrückt, was mir mit
einem großen Aufwand von Worten doch nur mühsam
gelingen würde:
Oediohte.
Oediohte siod gemalte Feostereoheibeo I
Sieht man vom Markt in die Kirche hineio,
Da ist alles danke! und düster;
Und 80 sieht's aach der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und iebeoslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein,
Begrüßt die heilige Kapeilet
Da i8t*s aaf einmal farbig helle,
Geschieht* and Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeatend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaat euch and ergötst die Aogenl
oa^o-
Drack von Hermftim Beyer k Söhne (Beyer & Mann) in LengeoMUi
Rudolf Eucken
und
das Problem der Kultur
Von
Dr. Otto Siebert.
FädagogiBches Magarin, Heft 822.
• V^^^.'Xj»--^^ ^ '^".^"fc^S-'*^ s^
K^ «•X* V*^
^
Langensalza
Hermann Beyer & Söhne
(Beyer & Mann)
Henogl. Sllchs. Hofbochliliidlor
1907
l--"
f
.o
.1
Das MeDSchheitsleben unserer Tage ist voll ernster
Fragen. Geschichte, Gesellschaft, Moral, Kunst, Erziehung,
Religion usw. sind heute flüssige Probleme geworden, und
nirgends scheint sich ein fester Punkt zu finden, auf dem
man innerhalb der Zeitströmungen fußen, von dem aus
man einen sichern Überblick gewinnen kann. Wir hängen
an der Geschichte und leben von der Geschichte, zugleich
aber fühlen wir unser eigenes Leben durch sie aufis stärkste
bedrückt und möchten diese Last abschütteln, und sobald
wir's versuchen, vertallen wir der Leere des bloßen Augen-
blicks. Die Gesellschaft zieht den einzelnen in ihren
Bannkreis, die gesellschaftliche Lebensführung will das
ganze Dasein des Menschen umspannen und alle seine
Wünsche befriedigen, und daneben erhebt sich der einzelne
und kämpft eifrig gegen die ihm drohende Einengung und
Verkümmerung. Die Moral hat sich mit neuer Macht
erhoben, sie erscheint in der ungeheuren Erschütterung
aller heutigen Verhältnisse, in dem Wanken aller Über-
zeugungen von letzten Dingen als der Punkt, wo sich am
ehesten ein sicherer Halt zu bieten scheint, und zugleich
ist der Widerspruch gegen sie schärfer erwacht denn je
als gegen eine Bedrückung und Einengung des Menschen,
als eine Erniedrigung des Lebens. Die Kunst erstrebt
hier eine souveräne Stellung, sie will aus eigenen Mitteln
leben und zur Seele des ganzen Daseins werden, und
dort wird sie als Tünche bekämpft, und gegen eine ästhe-
tische Lebensanschauung wird aufs energischste Front ge-
— 4 —
macht. In der Erziehung kämpfen Sozialpädagogen fär
eine Erziehung im Sinne einer Oesellschaftskuitur, als
wäre der Mensch nur ein »politisches Tier«, und andere
sehen die Aufgabe derselben vor allem in der Pflege des
Geisteslebens und der Bildung zu sittlichgefestigten Cha-
rakteren; Anziehung und Abstoßung, Verwendung und
Verwerfung nach den Maßstäben des äußern Erfolges und
des Nutzens, bloß menschliche, bloß naturhafte Bewegungen,
ein Reich des Mechanismus, eine aufgeputzte Weiterführung
der Naturordnung, Herrschaft des Durchschnitts und der
Flachheit, das ist ihnen die vielgepriesene Sozialpädagogik.
Und nun gar das Oebiet der Religion! Auf der einen
Seite ein Kampf und Sturmlauf gegen sie, wie er nicht
schlimmer zu denken ist, ein Protest gegen alles, was man
nicht mit den zwei Augen sehen und mit den zehn
Fingern greifen kann, eine radikale Auflösung des Heilig-
sten, was die Menschheit bis heute besessen hat, und auf
der andern Seite ein Ringen und Arbeiten, ein Forschen
und Suchen, ein opferfreudiges Eintreten für ihre Wahr-
heit, wie es nach der Erschütterung der Religion durch
die moderne Weltanschauung eigentlich kaum zu ver-
stehen ist.
So sehen wir unsere Zeit heute voU innerer Wider-
sprüche und ernster Probleme. Wo liegt der Grund? Er
liegt y um es kurz zu sagen, in dem Aufkommen einer
neuen Kultur. Der Begriff der Kultur selbst ist aller-
dings ein sehr altes Problem. Schon das Altertum konnte
sich der Anerkennung eines großen Gegensatzes zwischen
den Völkern sowie der verschiedener intellektueller Stufen
innerhalb eines Volkes nicht entziehen. Eine volle Würdi-
gung fand aber das Kulturproblem erst in der Neuzeit
Seit ihrem Beginn steht die Kultur im Mittelpunkt der
geistigen Arbeit, und im Kampf um sie erscheinen alle
Gegensätze, welche die Neuzeit durchdringen. Sie hat
seitdem die Stelle eingenommen, welche vorher die Reli-
gion besessen hatte. Diese Wandlung hat sich naturgemäß
nicht auf einmal vollzogen. Im fünfzehnten und sech-
— 6 —
zebDten Jahrhundert erfolgte zanächst die Aasbildang eines
Kreises weltlicher Kultur neben der Religion; das sieb-
zehnte beginnt dann eine universale Idealkultur, welche
alle Spaltung von Welt und Überwelt überwinden wollte,
indem sie das Oöttliche gänzlich in unsere Welt aufnahm,
zugleich aber diese vergeistigte und verklärte; das neun-
zehnte endlich brachte die Herrschaft einer Bealkultur,
welche den Menschen durchaus der Natur und Oesellschafk
einfügte und ihn mit ihren Angaben vollauf beschäftigte,
so daß die Überwelt immer weiter zurückwich und das
sinnliche Dasein den Menschen immer fester als seine
ausschließliche Welt und Heimat umklammerte. Bei dieser
Lage der Sache und bei der Bedeutung, die das Kultur-
problem heute gefunden hat, dürfte es wohl angebracht
sein, einmal zu erörtern, worin der heute yielleicht tief^
sinnigste deutsche Denker Rudolf Eucken den Wert und
die Bedeutung der Kultur findet
Für Eucken steht zunächst das eine fest : so sehr auch
die Kultur das Sinnen und Streben des modernen Menschen
beherrscht, sie gehört nicht zu den Dingen, deren Wert
außer Zweifel steht; denn wo immer sie sich zu voller
Blüte entwickelte, da brachte sie arge Schäden mit sich,
und diese Schäden wurden leicht so stark und so emp-
findlich, daß darüber der Qlaube an die Kultur selbst ins
Wanken geriet Es sind aber vor allem drei Haupt-
erfahrungen und mit ihnen drei Arten der Erwägung,
welche die Freude an der Kultur verleiden. Vorgeworfen
wird ihr zuerst, daß sie den Menschen von der natür-
lichen Basis seines Lebens ablöse und mehr und mehr
in ein künstliches Dasein verstricke, damit aber ihn ab-
hängig, schwach und unglücklich mache. Bedürfnisse über
Bedürfiiisse werden ihm künstlich aogsil^ildet und machen
ihn zu ihrem Sklaven, tausendfache Abhängigkeitsverhält-
nisse rauben ihm alle Selbständigkeit und lassen ihn alles
Heil von draußen erwarten. Das Leben wird so immer
weniger eigenes Leben, es kann bei allem Prunk äußerer
Erfolge und haltloser Schwäche nicht glücklich sein. Dieser
— 6 —
Schwäche aber nahe verwandt ist die Unwahrfaaftigkeit
Wer sein Olück von der Meinung und Schätzung anderer
erwartet wie der bloße Kulturmensch, der wird vor allem
jene zu gewinnen suchen, dem steht der Schein obenan.
Bleibt solche Scheinhaftigkeit ohne Gegenwirkung, so wird
sie mehr und mehr das ganze Leben durchdringen, auch
Verhältnisse wie Liebe und Freundschaft yeigiften, selbst
bei Olück und Tüchtigkeit den Menschen weniger mit der
Sache als mit dem Spiegelbild in fremden Qedanken be-
schäftigen. Kein Wunder, wenn solche Kultur den Mensdien
und sein Leben hohl und unecht macht. Endlich sehen
viele in der mit dem Wachsen der Kultur zunehmen-
den Überspannung menschlichen Vermögens eine große
Schädigung von Religion und Moral, insofern diese eine
Anerkennung von Schranken und eine Unterordnung unter
allgemeine Normen und Gesetze verlangen, die Kultur
aber alle Einschränkung als ein Hemmnis erachtet, das
überwunden werden muß.
So entwickeln sich kulturfeindliche Stimmungen, die
gewöhnlich die Bewegung als ein bloßer Unterstrom be-
gleiten, von Zeit zu Zeit aber stürmisch hervorbrechen
und die Menschheit überwältigend fortreißen. Die Freunde
der Kultur lassen sich dadurch allerdings nicht beirren;
sie halten jene Schäden für bloße Begleiterscheinungen, die
ohne Bedeutung sind; wo Licht ist, da ist auch Schatten,
und nur der Mensch macht klein, was im eigenen Wesen
groß ist. Demgegenüber erklärt Eticken mit Becht, daß
die Sache denn doch nicht so einfach liegt, wie die
Kulturschwärmer meinen. Sie hätten recht, wenn sich
bei der Kultur geistiger Oehalt und menschliche Zutat
stets deutlich voneinander abhöben. Aber das eben ist
nicht der Fall; vielmehr bildet das die Hauptschwierig-
keit, daß hier Menschliches und Geistiges meist zusammen-
rinnen und die Arbeit entstellen, und zwar so heftig,
daß das Kleinmenschliche die Breite des Lebens über-
wuchert. Die Schäden der Kultur behalten also ihre
Geltung.
— 7 —
Vielleicht kommen wir einen Schritt weiter, wenn wir
das Verhältnis von Mensch and Kultur näher ins Auge fassen.
Beim Verhältnis des Menschen und der Kultur sind
Ettcken nur zwei Antworten denkbar: entweder ist die
Kultur für den Menschen, oder der Mensch ist für die
Kultur da. Wäre keins von beiden möglich, so wird die
Lage völlig ratlos. Nun aber ist Eucken keins von beiden
möglich. Wie beweist er das?
Die Kultur ist nicht ein bloßes Mittel für den Menschen;
denn dies könnte nur besagen, daß sie seinem Wohl zu
dienen, sein Olück zu erhöhen habe. Dagegen wendet
Eticken ein, daß die Kultur erstens nicht glücklicher
macht, und zweitens, daß ein Voranstellen der Olücks&age
die Kultur nur schädigen kann. Die Kultur ist, ernst
genommen, mehr eine Feindin als eine Freundin mensch-
lichen Olücks. Sie macht unsägliche Mühe und Arbeit,
sie verwickelt in Sorgen und Aufregungen, sie verlangt
Gehorsam und Opfer. Sollte das wirklich der richtigste
Weg zur Behaglichkeit und Zufriedenheit sein? Die be-
haglichen Zustände erscheinen in Wahrheit weit mehr bei
niederen als bei höheren Kulturständen, auch weit eher
bei Individuen geringerer als höherer Bildung. Aber ge-
setzt auch, daß die Kultur zum äußern Glücke führen
würde, so würde durch das Sichversteifen auf das Glück
des Subjekts das Leben selbst eng und weichlich, es
müßte im Grunde alle Opfer scheuen, es könnte selbst
den sachlichen Zwang der Arbeit nicht ertragen, »und
solche kleine, solche spießbürgerliche Art sollte die Mensch-
heit weiter bringen ?€
So geht es also nicht Fragen wir darum, ob die
Kultur zur Hauptsache werden und sich des Menschen
als eines Mittels und Werkzeugs bedienen kann.
Diese Fassung ist Evcken an sich gewiß weit be-
herzigenswerter als die vorige. Die Kultur gewinnt hier
ein selbständiges Wesen und wächst aus der Zerstreutheit
des ersten Eindrucks in ein Ganzes zusammen, auch trägt
sie die bewegende Kraft in der eigenen, inneren Not-
- 8 —
wendigkeit, in einem unaufhaltsamen Forttrieb des Lebens,
während der Mensch in diesen Strom des Wdtlebeos allen
Eigensinn versenken und in seinem Miterleben und Arbeiten
für künftige Geschlechter ein wahreres Sein und eine
echtere Größe finden kann. Aber eine tiefere Betrachtung
läßt doch auch hier Bedenken über Bedenken ao&teigen.
Bewegen kann uns doch schließlich nur, was irgendwie
unser Selbst angeht Eine feste Beziehung zu unserem
Selbst müßte also auch eine Kultur besitzen, die unser
ganzes Sinnen und Denken beherrschen soll; sie schwebt
in der Luft und verliert zugleich allen Sinn, wenn solche
Grundlage preisgegeben wird. Es ist doch ein wunder-
licher Widerspruch — so erklärt Eueken — , wenn irir
geheißen werden, mit aller Eraft für eine Sache zu arbeiten,
die niemandes eigene Sache ist, Zeiten zu dienen, die wir
nicht kennen, und die vielleicht all unser unternehmen
für töricht erklären, die selbst ebensowenig wissen, was
bei dem Ganzen herauskommt, die nicht anders wie wir
dem Moloch Kultur aufgeopfert werden. Die Abstraktion
eines von der Menschheit abgelösten Kulturprozesses ist
also eine Fata Morgana.
So sehen wir, daß keiner der beiden möglichen Wege
sich als gangbar erweist. Der Mensch zerstört die Kultur,
wo er sie zu einem bloßen Mittel macht, und gibt zu-
gleich seinem eigenen Sein einen höchst dürftigen Inhalt,
die Kultur aber entseelt den Menschen, indem sie ihn zu
einem bloßen Werkzeug herabdrückt, so daß sie ins
Schattenhafte und Leere verfallt Damit aber haben sich
die Zweifel gegen die Kulturidee nur noch gesteigert
Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir unsem Blick
auf den Inhalt der Kultur richten.
Kultur kommt von colere = bauen, pflegen. Wie wir
den Acker bestellen, so belassen wir auch das ganze Da-
sein nicht in der vorgefundenen Lage, sondern suchen es
durch Arbeit und Kampf weiterzubilden; in unsere Tätige
keit aber legen wir unsere Eigentümlichkeit hinein und
bestärken sie damit. So bezeichnet die Kultur die Gesamt*
ff
— 9 —
heit dessen, was der Mensch an Neuem besitzt and er-
zeugt, das Mehr seines Lebens and Seins gegen die bloße
Natar.
Aber, so fragen wir, was ist denn nun dieses Mehr
seines Lebens, and wo ist der Punkt, an dem die Tätig-
keit des Menschen einsetzen muß?
Diese Frage ist sehr verschieden beantwortet worden.
Namentlich sind es drei Lebenstypen, die hier hervor-
treten; wir nennen sie mit Eucken eine künstlerische,
eine ethische und eine dynamische Art Sie haben im
Oriechentum^ Christentum und modernen Leben eine ge-
schichtliche Verkörperung gefunden. Hören wir, wie
Eucken diese drei Typen des näheren charakterisiert!
Der Kern des Geistesleben bildet im Griechentum die
Verbindung der von der Natur entgegengebrachten Ele-
mente zu einem harmonisch gegliederten, von innerem
Leben erfüllten Ganzen. Diese Verbindung, Gliederung
und Belebung kann innerhalb des menschlichen Kreises
nur durch die eigene Tätigkeit des Menschen erfolgen, sie
entringt der Flucht sinnlicher Eindrücke ein beharrendes
und zusammenhängendes Weltbild, sie ordnet die ver-
einzelten Kräfte und Triebe der Seele zu einem Gesamt-
werk des Lebens, sie stellt die Individuen in das sichere
Gefüge einer Gemeinschaft, sie vollzieht an allen Stellen
eine Wendung vom Chaos zum Kosmos, wobei auch die
Natur veredelt und einer höheren Stufe zugeführt wird.
Völlig anders ist die ethische Gestaltung der Kultur, wie
sie das Christentum vorhält Hier erscheint ein Problem
im tiefsten Grunde des Lebens : das Handeln widerspricht
in seiner Hauptrichtung unabweisbaren Zielen, so daß zur
Hauptaufgabe wird, es auf den rechten Weg zu bringen;
das aber kann nicht ohne eine völlige Umwälzung ge-
schehen. Hier genügt es auch nicht, ein von der Natur
übernommenes Sein weiterzuführen und zu vollenden,
sondern es gilt, ein völlig neues Leben zu erringen, eine
neue Welt des sittlichen Cteistes gegenüber dem natür-
lichen Dasein aufzubauen. Demgegenüber wird der Neu-
— 10 -^
zeit zur Hauptaufgabe und Hauptsache die Stei^rung des
Lebens ins üoermeßliche. Das vor aliem erhebt hier deo
Menschen über die Natur, daß bei dieser das Leben in
gegebenen und bemessenen Bahnen verläuft, seine geistige
Kraft dagegen es unbegrenzt zu steigern, ihm neue An-
fänge zu setzen, neue Wege zu bahnen vermag. Der
Gedanke eines rastlosen Fortschritts fließt hier mit dem
der Kultur zusammen und läßt die Tätigkeit gewaltig an-
schwellen, woraus sich ein freudiges Yorwärtastreben er-
gibt
Diesen geschichtlichen Bildungen liegen offenbar ewige
Wahrheiten zu Grunde, welche, einmal für die Mensch-
heit belebt, ihr nicht so leicht entschwinden können. Jede
hat ihre Bedeutung, die ihr unmöglich zu rauben ist
Will aber eine einzelne das ganze Leben beherrschen, so
wird ein unheilvoller Kampf unvermeidlich. Die künst-
lerische Kultur wird die ethische für eng und düster, die
dynamische für form- und ruhelos erklären, der ethischen
wird die künstlerische als zu flach und nataigebunden,
die dynamische als trotzig und selbstisch gelten, die dyna-
mische wird in den andern Formen zu wenig Forttrieb
und Bewegung finden. Wo aber dies alles auf den Menschen
eindringt, muß er da nicht zwischen den pegensätzen
gleichsam wehrlos hin- und hergeworfen werden? An Ver-
suchen einer Verbindung der verschiedenen Kulturformen
hat es ja freilich nicht gefehlt, man hat die Gegensätze
auszugleichen und damit zu überwinden gesucht, leider
aber umsonst Bei der grundverschiedenen Richtung der
einzelnen Strömungen wurde dadurch ein Widersprach in
den Kern des Lebens gesetzt, der nicht überwunden
werden konnte; es wurde höchstens ein Kompromiß ge-
schlossen, durch den gerade das Wertvollste der Kultur-
stufen verloren ging.
So sehen wir: auch die Frage nach dem Inhalt der
Kultur steigert die Verwicklungen, die sie mildem sollte-
Charakteristische Züge haben sich herausgebildet und halten
uns fest, aber sie stoßen einander viel zu sehr ab, um
— 11 —
unmittelbar in ein Ganzes zasammengehen za können;
und eines Ganzen bedarf es doch notwendig zur Einheit
unseres Wesens, zur Wahrhaftigkeit unseres Lebens, zur
geistigen Selbsterhaitung gegenüber einer fremden oder
feindlichen Weit. Gerade heute empfinden wir solche
Notwendigkeit mit peinlicher Stärke. Eiicken hat sehr
recht, wenn er als Korrespondenz des Mangels einer be-
herrschenden Eulturidee den Mangel einer geschlossenen
Gedankenwelt, ja den kräftiger Ideale sieht
So finden wir nirgends ein sicheres Ziel. Unsicher
ist der Wert der Kultur, unsicher ihr Verhältnis zum
Menschen, unsicher auch ihr näherer Inhalt Nur eins
haben wir gewonnen, nämlich die Überzeugung, daß die
Kultur keine gegebene Größe ist, die wir uns mühelos
aneignen könnten, sondern sie erscheint nunmehr als ein
ungeheures Problem und als eine Sache härtesten Kampfes,
womit sich für ein wahrhaftiges Kulturleben ernste For-
derungen ergeben. Als solche stellt Eucken in den »Grund-
linien einer neuen Lebensanschauungc sowie in den
»Geistigen Strömungen der Gegenwart« entsprechend seiner
Grundanschauung, nach der die Geistigkeit in letzter Hin-
sicht in einer alles menschliche Dasein überragenden in-
telligiblen Welt begründet wird, die als jene überlegene
Macht erscheint, welche alle Wirklichkeit trägt, alle Mannig-
faltigkeit zusammenhält und die beständig tätige Wurzel
des menschlichen Lebens bildet, die Notwendigkeit einer
tieferen Begründung und einer inneren Weiterbildung der
Kultur auf.
Die Kultur kann sich den Widersprüchen unmöglich
entwinden, solange sie sich eine Selbstgenügsamkeit zutraut
und allein auf ihr eigenes Vermögen stellt; es gilt, ihr
einen tieferen Grund zu geben. Diesen aber kann für
Eiichen lediglich ein bei sich selbst befindliches Geistes-
leben gewähren, das nicht irgendwelchen Au^utz der
menschlichen Lage bringt, sondern eine neue Stufe der
Wirklichkeit einführt, die »Wendung des WelÜebens zu
seiner eigenen Innerlichkeitc bedeutet Es gilt also zu-
— la —
Bichst zu zeigen, daß ohne jene Begründang im Geistes-
leben die Eoltor allen Halt and allen Gehalt verliert
Ihre Wahrheit wie ihre Größe, ihre ürsprünglichkeit wie
ihre Kraft sind daran gebunden.
Offenbar erzeugt die Kultur eigentümliche Inhalte; in
jedem geistigen Inhalt aber stecken Behauptungen, die
sich aneinander schließen und zu einer Gesamtwelt zu-
sammenstreben, welche sich als den Kern der Wirklich-
keit gibt. Wie läßt sich nun ein derartiger Anspruch
durchsetzen, wenn die ganze KulturbewQgung bloß inner-
halb des Menschen verläuft? Sie muß vielmehr der
großen Wirklichkeit selbst angehören, sonst ist ihr Aa-
spruch auf Wahrheit unhaltbar; z. B. besagt die Herab-
setzung der Moral zu einer Privatangelegenheit des Menschen
eine innere Zerstörung. Soll also in der Kultur nicht bloß
der Mensch einer fremden Wirklichkeit irgendwelche selbst-
gesponnene Gedanken anhängen und mit seinem ganzen
Streben nach Wahrheit ins Leere fallen, so ist jene Be-
gründung der Kultur in einem selbständigen Geisteeleben
unentbehrlich. Nicht anders ist es bezüglich der Größe.
Wo der Mensch auf das Bloßmenschliche beschränkt bleibt,
bleibt er trotz aller Überhebung und Eitelkeit klein. Eine
wahrhafte Erhöhung des menschlichen Wesens ist nur mög-
lich, wenn im Menschen etwas Mehralsmenschliches durch-
bricht, dem er zugleich eine weite Überlegenheit zuerkennen
muß, und das er doch als irgendwie zu sich selbst ge-
hörig ansehen darf. Auch eine ürsprünglichkeit könnte
das Kulturleben nicht wahren, würde nicht in ihm eine
neue Stufe der Wirklichkeit gewonnen; denn ist Kultur
nicht mehr als ein menschlicher Zusatz zur Natar, so
würde sie das Leben nur immer gebundener machen; es
würde die Jugendfrische verlieren und die Lust zum Tor-
wärtsdringen, Arbeiten und Kämpfen würde verschwinden;
die Kultur würde also auch einer Triebkraft entbehren»
die das Leben des Lebens erst wert macht. Kräftig er-
r^n und zwingend bewegen kann uns immer nur die
Erfahrung und Empfindung eines Widerspruchs im Leben
— 13 —
UDd die Unmöglichkeit, sich bei ihm zu beruhigen; ein
wirkliches Schaffen kann nur geschehen, wenn die Kultur-
arbeit als die Erringung eines wahrhaftigen geistigen
Lebens gilt
So sehen wir: echt ist nur eine Kultur, die den Zn-
sammenhang mit dem begründenden Geistesleben wahrt
und seiner Entfaltung dient, unecht dagegen, die unter
die Zwecke des bloßen Menschen gerät und auch das
Geistesleben dahin hinabzieht Der Kampf beider Formen
— hie Geist, hie Mensch — durchdringt die ganze Ge-
schichte und läßt in ihr etwas ganz anderes sehen als
einen fortlaufenden Triumph des Geistes. Heute aber tut
es dringend not, daß die alte Wahrheit deutlicher erfaßt,
die notwendige Bedingung echter Kultur klarer heraus-
gestellt und die Scheidung der Geister hierher oder dort-
hin kräftiger vollzogen werde.
Wenn so die Kultur auf ein selbständiges Geistesleben
zu gründen ist, so hat sie natürlich von seiner Eigen-
tümlichkeit auch ihre nähere Gestaltung zu erwarten.
Nun sieht Eucken im Geistesleben eine Wendung der
Wirklichkeit zu ihrer eigenen Tiefe, die Herausarbeitung
einer Innerlichkeit, wodurch die Welt allererst einen In-
halt und einen Sinn bekommt, und diese Wirklichkeit
kann sich ihm nicht mit der Bolle einer Sonderwelt neben
andern Welten begnügen, sie hat bei sich selbst eine
Wahrheit nur, insofern sie die Wahrheit der gesamten
Wirklichkeit ist Daraus aber ergibt sich als wichtigste
Folgerung, daß die Kultur den Menschen nicht sowohl
zu neuen Leistungen aufzurufen, als ihn zu einer neuen
Art des Lebens, zu einem geistigen Beisichselbstsein zu
führen habe. Das aber kann nur geschehen in der Zu-
sammenfassung des Lebens zu einer Einheit jenseit der
einzelnen seelischen Betätigungen und in einer Verlegung
des Schwerpunkts in diese Einheit, so daß jene Betätigungen
zur Entfaltung eines substantiellen Lebens werden. Daß
sich daraus schwere Aufgaben für den an das unmittel-
bare Dasein gebundenen Menschen ergeben, ist natfirlich
- 14 -
selbstverständlich. Das Oetriebenwerden durch die innere
Notwendigkeit der Wahrheit, das alles geistige Leben und
Schaffen tragen und beseelen muß, stößt hart mit dem
Naturtriebe der Selbsterhaltung zusammen und steigert
ihn zu einem grenzenlosen Egoismus zerstörender Art
Eine völlige Umwälzung wird damit unerläßlich und er-
weist sich als die Grundbedingung alles echten Geistes-
lebens. Und das hebt außerordentlich die ethische Auf-
gabe. Aber zugleich behauptet auch die £unst eine selb-
ständige Bedeutung. Was im Menschen an Oeistigkeit
aufstrebt, das hat zunächst ein rohes und seelenloses Da-
sein neben sich und verbleibt daher selbst in einem
Stande der Halb Wirklichkeit; erst das künstlerisc-he Bilden,
das weit über die eigentliche Kunst hinausreicht, bringt
die verschiedenen Seiten und Stufen in Wechselwirkung,
gestaltet in der Berührung das Innere, belebt das Äußere
und führt damit das Leben in sich selbst zusammen.
Endlich aber behauptet auch die Aufgabe der Lebens-
steigerung eine selbständige Bedeutung. Zum Oeistes-
leben gehört volle Beherrschung der Wirklichkeit; der
Mensch des unmittelbaren Daseins aber steht unter zahl-
reichen Bedingungen und Einschränkungen, so daß es
einer Steigerung seiner Kraft und einer Erweiterung seines
Daseins notwendig bedarf.
Aus diesem Nebeneinander verschiedener Lebens-
richtungen müssen schroffe Spannungen und Zusammen-
stöße erwachsen; aber wenn dieser Kampf selbst auch
nicht zu vermeiden ist, so ist doch aufs Dringendste zu
verlangen, daß etwas dem Kampf überlegen bleibe und
den Kampf gegen den bloßen Kampf au&iehme. Und das
ist nur möglich bei der Zurückbeziehung auf ein bei sich
selbst befindliches, wesenhaftes Geistesleben und eine
geistige Wirklichkeit. Ohne die Gegenwart solcher wesen-
haften Geisteswelt droht die ethische Lebensbewegung
bloßes Gesetzes- und Formelwesen zu werden, zur Ein-
engung und Bedrückung zu wirken, auch in einen selbst-
gerechten Pharisäismus auszulaufen; die künstlerische G^
- 16 —
staltung führt y auf sich allein gestellt, das Leben unTer-
meidlich ins Genießende, Weichliche, Spielende, die dyna-
mische ins Selbstische, Wilde und Brutale. Es hängt die
Wahrheit der Teilkulturen durchaus daran, daß sie eine
Wesens- und Oesamtkultur hinter sich haben, daß jene
Zurück Verlegung der Kultur erfolge, die nur durch An-
knüpfung an ein selbständiges Geistesleben möglich wird.
Diese Euckensche Forderung einer Zurückverlegung
und festeren Begründung der Kultur wird durch die
jetzige Zeitlage aufs Dringendste unterstützt, zumal letztere
durch ein ZusammentrefTen zweier Tatsachen eine sehr
kritische geworden ist. Einmal sind die geschichtlich
überkommenen Grundlagen und Inhalte der Kultur, so-
weit sie wenigstens das Ganze und Innere des Menschen
betreifen, ins Unsichere geraten, so daß wir zweifelhaft
geworden sind, ob der Mensch das sinnlich-natürliche Da-
sein überhaupt irgendwie überschreiten kann, und ob
nicht alles, was er an Mehralsmenschlichem zu er-
fassen glaubte, nur ein Trugbild sei, und in eben diese
wankende und schwankende Zeit fallt zweitens das
stürmische Drängen des Menschen nach vollem Teil-
haben an Kultur und Glück samt dem Anspruch über
alles, was an der Kultur gehalt- und wertvoll sei, selbst
zu entscheiden, und zwar zu entscheiden nach dem
unmittelbaren Interesse und der unmittelbaren Fassungs-
kraft der von den weltlichen Bewegungen der Mensch-
heit kaum berührten Individuen, womit eine Bewegung
erstand, die alles mit sich fortzureißen, zu verengen und
zu verflachen droht. Über eine solche Krise kann
schlechterdings nichts anderes hinausführen als eine Ver-
tiefung des Geisteslebens in sich selbst. Yon draußen
kann uns das Heil nicht kommen, was an Stützen und
Hilfen draußen unwiderleglich verloren ging, das können
wir nur dadurch ersetzen, daß wir bei uns selbst zu einer
überlegenen Welt vordringen, uns darin befestigen, von
daher unserm Leben einen Inhalt geben und dann zum
Aufbau einer neuen Kultur streben. Gelingt solche Ver-
- lö -
tiefong und Befestigimg, so kaim die bedrohliche Krise
zu einer Erneuerung und Yeijüngung des Lebens
führen; besteht dagegen keine Hoflhung einer solchen
Vertiefung, ist im Menschenleben keine substantielle
Geisteswelt neu zu beleben, so müssen dem Wogen der
menschlichen Leidenschaft alle Vernunft und Kultur
schließlich erliegen.
■o<^@S@f>«
Oraok nm B
Btj« k SOhM (B9jm k Mamn) in
Das
Problem der Materie.
Q. Schilling und C. 8. Cornelias.
Bngeleitet von
O. Flügel.
FSdAffoeÜMhM Hagaaln, Haft SSS.
Langensalza
Hermknn Beyer k SQhne
(Beyer k Mann)
H««^ BUu. HoIbnoUdndlv
In der Aasgabe der Werke Herbarts von Eehbbach
Vn, S. 348 wird die im göttingschen gelehrten Anzeiger
1829 (von Bbandis) erschienene Besprechung der Meta-
physik Herbarts mitgeteilt. Hier wird das Unternehmen
Herbarts mit einer Beise nach dem Nordpol verglichen,
man bewandert, heüBt es da, den kühnen Mat jener
Männer, die nachdem schon Viele im Kampfe mit an-
übersteiglichen Hindernissen vergeblich bemüht gewesen
sind, zam Nordpol za gelangen, sich doch nicht abhalten
lassen, dasselbe Wagstück mit Anwendung größerer Tor-
sicht and besserer Hilfsmittel zu bestehen. Man kann
von einem solchen Mut nur mit Achtung sprechen, und
sind auch bisher alle versuchten Nordpolexpeditionen
insofern erfolglos gewesen, als sie den Nordpol noch
nicht erreicht haben, so haben sie doch ungemein viel
bisher unbekannte Dinge entdeckt So meint jene Be-
sprechung, wenn auch die Herbartsche Metaphysik nicht
alle Fragen dieser so viel bearbeiteten Wissenschaft ge-
löst hat, so hat sie uns doch der Lösung nSher geführt
und andern die Wege bereitet, weiter vorzudringen.
Herbart selbst S. 353 bezeugt seine Freude über
diese ehrenvolle Vergleichung.
Ganz ähnlich spricht er sich an einer andern Stelle
aus. ^) HsomoTH wollte alle Meti^hysik abgetan wissen
und sagte: »weg mit der Wissenschaft, die dem Ab-
soluten nachlftuft, wie der Knabe dem Regenbogen!«
>) H. Xm. 616. K. Xm. 195.
- 4 -
Herbart bemerkt dazu: Ich dagegen bin der Meinong,
daß, wenn niemals einer dem Regenbogen nachgelaufen
wäre, man sich auch nie deutlich überzeugt haben
würde, er schwebe zu hoch, um ergriffen zu werden.
Die vergeblichen Versuche sind am Ende immer be-
lehrend.
Diese vergeblichen Yersuche bezieht er dort auf das
Bemühen, die Materie, die uns überall zum Anschauen
dargeboten ist, auf alle Weise zu untersuchen. Und das
ist ja das Ziel aller Metaphysik, die Materie zu er-
kennen, zur Naturphilosophie zu gelangen. Nach diesem
Ziele wird heute noch ebenso lebhaft als sonst gestrebt,
ja lebhafter, als zu den Zeiten, die oft ganz damit be-
schäftigt waren, das empirische Wissen von der Natur
zu bereichem oder daselbst zu praktischen technischen
Zwecken zu verwenden.
Man kann sagen, das Problem der Materie, oder der
Außenwelt steht noch immer im Mittelpunkt der Speku-
lation.
Was Herbart hierin geleistet hat, haben andere be-
richtigend und erweiternd fortgeführt wie Drobisgh,
Hartenstein, Strümpell, Zimmermann, Schacht, Kpauai^ q. a.
Namentlich aber G. S. Gorneuus.
Wie man sich aus dem Nachstehenden überzeugen
wird, sind seine Fortbildungen der Herbartschen An-
sichten über die Materie durchaus nicht veraltet Viel-
mehr führen sie uns immer noch die Wege, auf denen
man hoffen darf, tiefer einzudringen und sich der Lösung
zu nähern.
Es kommt dabei namentlich in Betracht die Mole-
kularphysik, i)
^) C. S. Cornelius, Grandzüge einer Molekularphysik. HaDe,
bei Schmidt, jetzt bei Tanscher in Jena. Dasa: Zar Molekular-
phyBik. Ebenda. Ferner: Über das Problem der Materie anter
Bezugnahme auf die neuere betreffende Literatur. In der Zeitschrift
f. exakte Philos. Bd. Xu und Abhandlungen zur Natorwissenaohaft
u. Psychologie. Langensalza, Hermann Beyer k Söhne (Beyer k Mann).
Die Punkte, in welchen hier eine Abweichung, rich-
tiger eine Fortbildung der Herbartschen Theorie über
die Materie stattfindet, sind folgende.
Der eine besteht darin, daß bei Herbart diejenigen
Realen, welche als eigentliche Kernpunkte der Materie
anzusehen sind^ sich selbst bis zu einem gewissen Grade
unmittelbar durchdringen, indem sie die kleinsten Massen-
teilchen bilden, während nach dem Verfasser zwischen
jenen Realen, die miteinander zu einem Massenteilchen
verbunden sind, nur vermittels der Äthersphären eine
Gemeinschaft besteht Prinzipiell ist das eine sowohl als
das andere zulässig: ob aber in Wirklichkeit dieses oder
das andere statthat, hängt von der Art des Gegensatzes
zwischen den Grundrealen untereinander und dem
Gegensatze zwischen diesen und den Elementen des
Äthers ab. Denkt man sich z. B. zwei oder mehrere
Grundreale, von Äthersphären umschlossen, in gegen-
seitiger Annäherung begriffen, so ist nach den voran-
gegangenen Prinzipien ersichtlich, daß bei tieferm In-
einandergreifen der Äthersphären die Repulsion zwischen
den Ätherelementen auf der Innenseite sich fortwährend
steigern muß, in dem Maße als die Annäherung größer
wird. Ein Gleichgewicht der anziehenden und abstoßen-
den Kräfte muß sich hier schließlich herausstellen. Es
fragt sich nun: tritt dieses Gleichgewicht ein, schon bevor
die eigentlichen Grundelemente miteinander in unmittel-
bare Berührung, oder Durchdringung kommen, wie der
Verfasser will, oder erst nachdem diese selbst mit-
einander in Durchdringung begriffen sind, wie Hebbabt
lehrt? Es erhellt, daß bei einer gewissen Stärke und
Ungleichheit des Gegensatzes der Äther- und Grund-
elemente, infolge überwiegender Abstoßung der Äther-
elemente, das Gleichgewicht eintreten muß, noch bevor
die Grundatome selbst in ein unmittelbares Zusammen
eingehen.
Wollte man das wahre Sachverhältnis a priori fest-
stellen, so müßte uns der Grad der Stärke und der Un-
- 6 -
gleichheit (oder Oleichheit) der Oegensätze bekannt sein.
Da dies nicht der Fall ist, so hängt fOr uns die Ent-
scheidung der Frage davon ab, welche der beiden An-
sichten für die Erklärung der Tatsachen brauchbarer ist
Der Verfasser zieht die erstere Ansicht auf Grund der
Tatsachen der Porosität, der Diffusion und verschiedener
anderer Erscheinungen der zweiten vor. Da nach jener
Ansicht die als Grundatome bezeichneten realen Wesen
bei der Bildung kleinster Massenteilchen in bestimmten
Abständen voneinander verharren, so steht dieselbe in-
sofern der gewöhnlichen physikalischen Atomistik näher,
als die ursprünglich von Herbart gegebene Lehre.
Zweitens hinsichtlich der Erscheinungen, welche in
das Bereich der sogenannten Imponderabilien gehören,
finden sich noch verschiedene Abweichungen von den
Erklärungen, welche Herbart in dieser Beziehung ge-
geben hat. So huldigte u. a. Herbart, wie es bei dem
damaligen Stande der Naturwissenschaften natürlich war,
im wesentlichen noch der Emissionstheorie der Wärme
und nimmt zur Erklärung der Licht-, Wärme- und elek-
trischen Erscheinungen für jede einzelne Gruppe noch
eine besondere Ätherart an. Doch geschah dies nicht
willkürlich, sondern im Zusammenhange mit den Grund-
prinzipien seiner Metaphysik. Bekanntlich unterscheidet
Herbart in Hinsicht auf die mögliche Yersohiedenheit
des qualitativen Gegensatzes unter den realen Elementen:
1. starken und gleichen (oder doch nicht sehr ungleichen)
Gegensatz, 2. starken und ungleichen, 3. schwachen und
gleichen (oder doch nicht sehr ungleichen), 4. schwachen
und ungleichen Gegensatz.
Die Elemente, welche in einem starken und gleichen
(oder doch nicht sehr ungleichen) Gegensatze stehen, be-
trachtet der Verfasser mit Herbart als die eigentlichen
Grundatome (Kernpunkte) der Materie. Den zweiten Fall
deutet Herbart auf die Wärmeerscheinungen, indem er
dieselben aus der Wechselwirkung der Grundelemente
mit solchen Elementen ableitet, welche zu jenen in
- 7 -
einem starken, aber imgleioiien Gegensätze stehen. Diese
Art Yon Elementen faßt Herbart unter dem Namen
Calorioam eosammen. Die dritte Art des Gegensatsees
bezieht Herbart auf die elektrischen Ersoheinungen.
Diese sind nach ihm begründet in Elementen, die zn
den Grandelementen der Materie m einem schwachen
und gleichen (oder doch nidit sehr un^ddien) Gegen-
sätze stehen (Electricam). Elemente endisch, die za den
Grundatomen in einem 8<4iwachen und sehr ong^eidioai
Gegensatze stehen, bedingen nach Herbart die Ersebei-
nungen des Lichts und der Grantation.
Dagegen denkt der Verfasser bei Ableitung aller
jener Erscheinungen (der elektrisdien, der des Lichts
und der Wärme) an denselben Äther der jedoch nach
ihm, wie oben bemerkt, aus Mdekülen besteht, deren
jedes aus einem Zentralatome und gewissen andern,
unter sich qualitativ gleichen Atomen zusammengesetzt
ist, die j^ies, sowie auch jedes Gmndatom der Materie,
sphärenartig umschließen. Es ist denkbar, daß bei der
Bildung dieses Äthers die oben unter 2. und 3. befaSten
Elemente (Atome) zumal beteiligt sind, in der Art etwa,
daß jene Zentralatome des Äthers solche Elemente sind,
die zu den Grundatomen der Materie in einem i^elativ
schwachen und glichen (oder doch ni<^t sehr ungleichen)
Gegensatze stehen, während die Elemente, wdcbe die
eben bezeichneten Atome (als die Zentralelemente) Sphären-
artig einschließen, zu diesen beiden Arten in einem,
wenn auch im verschiedenen Maße, stariren aber un-
gleichen Gegensatze stehen mögen.
Es ist ersichtliidi , daß a priori nidit entschieden
werd^i kann, ob alle Ätherarten, welche im Betreff der
verschiedenen Stärke und Ungleichheit (oder Gleichheit)
des Gegensatzes unter den letzten realen Elementen
(Atomen) als möglich denkbar sind, in Wirklichkeit auch
in der Natur die verschiedenen Vorgänge bedmgen. Bs
kommt in dieser Beziehung auf immer mehr in das
Einzelne gehende Forschungen an, und es ist hier ein
— 8 —
nicht geringer Spielraum einer künftigen üntersachong
gegeben. Der Verfasser selbst hebt am Schlosse seiner
Betrachtungen über die Elektrizität hervor: »daß er
gegen einen Versuch, die elektrischen und wohl auch
magnetischen Erscheinungen lediglich auf eine oszilia-
torische Bewegung des Äthers oder der Äther- und Orand-
atome zurückzuführen, nichts einzuwenden hat, obschon
er es nicht gerade für walirscheinlich hält, daß diese
Erscheinungen lediglich in einer solchen Bew^ongsform
begründet sind. »Vergegenwärtigt man sich nun die
Hauptpunkte unserer Untersuchung, so wird die Be-
ziehung zwischen den verschiedenen, unter den Namen
der chemischen Affinität, Gohäsion, Adhäsion und Gravi-
tation bekannten Kräften klar zu Tage treten. Man wird
finden, daß ein zuweilen ausgesprochener und als wahr
geahnter Satz hier auf eine bestimmte Weise, d. h. unter
Zurückführung der Gravitation auf diejenige Tätigkeit
der Atome, welche im wesenüichen auch der chemischen
Aktion zu Grunde liegt, innerhalb gewisser Grenzen be-
gründet ist Dieser Satz lautet aber dahin, daß die Kraft,
welche den Lauf der Planeten regelt, indem sie diese
durch weite Bäume hindurch miteinander verknüpft, nicht
wesentiich verschieden sei von der Kraft, welche die
gleichartigen Teilchen der einzelnen Körper sowohl, wie
die ungleichartigen Teilchen irgend einer chemischen
Verbindung zusammenhält In dem qualitativen Gegen-
sätze und der dadurch bedingten Tätigkeit der Atome
liegt der reale Grund aller Anziehungen, c
Eine Weiterbildung der Herbartschen Gedanken über
die biologischen Erscheinungen findet sich bei C. 8.
GoBNELms namentlich am Ende seiner Schrift über die
Entstehung der Welt^)
Endlich kommt hier in Frage, wenn die letzten Ele-
mente der Natur nach Herbart streng einfach, also
völlig unräumlich oder punktuell zu denken sind, wie
^) Bei Tauscher in Jena.
— 9 —
ist es dann möglich, daß diese die räumlich ausgedehnte
Materie bilden. Die verschiedenen Versuche der Lösung
habe ich in den Problemen der Philosophie No. 53 — 56
auseinandergesetzt. Die Eigentümlichkeit von C. S. Cor-
nelius besteht nun eben darin, daß er den Charakter der
Einfachheit streng festhält und also Ausdehnung der
Realen nicht einmal in der Fiktion zuläßt, wie Herbart
tut, und also auch von einer partialen Durchdringung
absieht. Cornelius hat auch mehrfach die Herbartsche
Lösung mit Hilfe der Fiktion und der partialen Durch-
dringung versucht Man kann nicht sagen, seine Ansicht
sei schwankend, er kennt eben die Schwierigkeiten, jahr-
zehntelang haben wir miteinander alle die möglichen
Ansichten immer von neuem durchgesprochen. Ganz
genügt keine der versuchten Lösungen. Aber es wäre
doch zu bedauern, wenn der bedeutsame Versuch der
Bildung der Materie aus ihren einfachen Elementen in
Vergessenheit geriete. Er ist nämlich von Cornelius
angestellt in dem von ihm herausgegebenen physikalischen
Lexikon. Encyklopädie der Physik und ihrer Hilfs-
wissenschaften: der Technologie, Chemie, Meteorologie,
Geographie, Geologie, Astronomie, Physiologie usw. nach
dem Grade ihrer Verwandtschaft mit der Physik. 2. Aufl.
bei Otto Wigand in Leipzig 1856. 4. Bd.
I. Historisches.
Von G. Schilling.
So sicher und klar die materiellen AuJßendinge für
die sinnliche Anschauung erscheinen, so schwierig ist
es für das Denken, ihr Wesen oder die Natur des
Materiellen überhaupt zu bestimmen. Wenn man von
allen quantitativen und qualitativen Unterschieden der
Dinge absieht, so bleibt immer noch als gemeinschaftliche
Eigentümlichkeit derselben die Raumerfüllung übrig, und
man erklärt hiemach die Materie im allgemeinen als
das Reale, welches den Raum erfüllt und in ihm be-
- 10 -
weglich ist. Indessen hat man damit nur eine ^ameo-
erklärung aufstellt, die ans über die Natur dessen,
was den Raum einnimmt, und über die Art, wie dies ge-
schieht gänzlich im Dunkel läßt Die Fragen hierüber
und die Versuche, sie zu beantworten, sind, so wie der
Begriff der Materie selbst Produkte des Denkens, das
über die nackte Tatsache der sinnlichen Wahmehmuzigeii
mit Notwendigkeit hinausgetrieben ward. Den geschicht-
lichen Verlauf der betreffenden Bemühungen wenigstens
der Hauptsache nadi kennen zu lernen, ist kein entbehr-
licher Luxus. Man wird vielmehr dadurdi aufgeklart
worin das Rätsel der Materie besteht, und was die
Wissenschaft zu leisten hat ^^^^ ^^^ räumlich Existierende
zu begreifen und eine allseitig genügende, woblbegründete
Ansicht über das Wesen der Materie zu geben. Man
lernt die Wege kennen, die man bereits eingeschlagen
hat ]^^^ Rätsel zu lösen, und man wird in den Stand
gesetzt, besser zu beurteilen, wie weit man etwa noch
vom Ziele entfernt ist. Daher wird eine kurze ge-
schichtliche Darstellung der Hauptansichten über das
Wesen der Materie dem Zwecke dieser BetrachtungeD
entsprechend sein. Manche unter ihnen, die nur aus
einer sehr unvollständigen Auffassung des Gegebenen her-
vorgehen konnten, nehmen sich freilich wunderlich genug
neben dem Reichtum der heutigen Naturkenntnisse aus,
der durch fortgesetzte Beobachtungen und Versuche und
durch ein darauf sich stützendes Denken gewonnen ist
Dennoch können auch solche Ansichten ein gewisses
kulturhistorisches Interesse haben, während andere da-
durch bedeutungsvoll sind, daß sie entschieden auf die
eigentlichen Schwierigkeiten im Begriffe der Materie
hindeuten.
Auf dem Standpunkte der bloßen Anschauung macht
man unbewußt die Voraussetzung^ nicht nur daß die
Dinge um uns her sind, sondern daß sie auch so
sind, wie sie sich der sinnlichen Wahrnehmung dar-
bieten. Die erste Störung dieses kindlichen Glaubens wird
— 11 —
herbeigeführt, wenn man bemerkt daß sich die Sinnen-
dinge verändern, ja^ daß sie scheinbar ganz vergehen
und neu entstehen. Die Veränderung trifft aber nicht
alle Eigenschaften gleichmäßig, sondern einige sind be-
ständiger und erscheinen in dem Wechsel häufiger
wieder, als andere, so daß sie in den Reihen der Ver-
änderungen wie immer wiederkehrende Anfangspunkte
sich hervorheben. Durch dieses Schauspiel angeregt^
stellte sich Thaies die Frage: woraus sind alle Dinge
geworden und worin endigt alle Veränderung? Auf
Grund einiger wenigen, jedenfalls allznbeschränkten Be-
obachtungen gab er als den Anfang aller Dinge das
Wasser an, Anaximenes dagegen die Luft: aus ihnen
sollte durch Verdtinnung und Verdichtung aller Wechsel
der Dinge entstehen. So würde also das Wasser oder
die Luft als ein Etwas zu denken sein, das seinem
Wesen nach dasselbe bleibt, während nur seine Zustände
wechseln, und das durch den Wechsel in letzterer Be-
ziehung die Mannigfaltigkeit und die Veränderungen der
Dinge begründet Mit einem Worte, Thaies wie Anaxi-
menes dachten ihr Orundwesen als Element: sie haben
diesen Begriff zuerst erzeugt
Allein sowohl die von Thaies als auch von Anaxi-
menes angegebene Beschaffenheit des Elementes fällt
selbst in die Reihe der Veränderungen der Sinnendinge,
ihr Vorrecht vor jeder andern sinnlich wahrnehmbaren
Beschaffenheit ist nicht begründet; mit demselben Recht
dürfte auch jede andere als die wahre Qualität des
Elementes angesehen werden. Daraus folgt, daß das
den Veränderungen zu Grunde liegende Wesen keine
von allen sinnlich wahrnehmbaren Beschaffenheiten be-
sitzen darf, sondern gleichsam zwischen allen schweben
muß als ein qualitativ Unbestimmtes, das aber alle be-
stimmten, sinnlich wahrnehmbaren Beschaffenheiten an-
nehmen kann. Das ist der Sinn des unendlichen, oder
deutlicher übersetzt, des Unbestimmten bei Anaximander,
worunter er nicht mehr ein Element verstand, sondern
— 12 —
den reinen Stoff, der selber ohne jegliche bestimmte
Qualität ist, aus dem sich aber alles sinnlich Wahrnehm-
bare mit seinen mannigfaltigen bestimmten Beschaffen-
heiten durch Ausscheidung bilden soll. Diese Anfänge
des Theoretisierens sind ein sprechender Beleg dafür,
daß die Anschauung nur ganz allmählich mit Produkten
des Denkens versetzt wurde, und daß dieses Denken
anfänglich sich in kleinen, unsicher tastenden Schritten
bewegte. Man nahm an der Veränderung der Dinge
Anstoß, und suchte das, was als Bleibendes dem Begriffe
des Seienden besser entspricht und dem Yeränderlichen
als immer Beharrendes zu Grunde liegt Um aus einem
solchen doch auch die gegebenen Yeränderungen zu er-
klären, beschränkte man den Wechsel auf seine Zustände,
geriet aber damit unversehens erst recht tief in die Yor-
stellungsweise, die man vermeiden wollte, hinein. Man
fragte nämlich noch nicht darnach, was die Umwandlung
des Elementes oder Stoffes veranlasse, d. h. man hatte
den Begriff der verändernden, bewegenden Kraft noch
nicht erzeugt, sondern mußte annehmen, daß die Um-
wandlung zur Natur des Elementes oder Stoffes ge-
höre.
Dieser Gedanke wurde jedoch erst zum vollkonunen
klaren Bewußtsein erhoben und bestimmt ausgesprochen
durch Heraklit, da er alle Beharrung, alles Sein für
Sinnestäuschung ansah, dagegen die Yeränderung, das
Werden für die wahrhafte Natur des Realen, für etwas
Ursprüngliches erklärte. Die allgemeine Yeränderung
drückte er mit dem Bilde aus, daß alles fließt, und mit
dem widersprechenden Begriffe, daß alles zugleich ist
und nicht ist Demzufolge würden zu den Yeränderungen
der Dinge keine Ursachen oder sie bewirkende Kräfte zu
suchen sein, sondern das Sichverändem oder Werden
ist ohne Bedingung und Ursache, es ist absolut Um
diesen abstrakten Begriffen die Haltung der sinnlichen
Yorstellung zu geben, brauchte Heraklit das Feuer als
sinnlich wahrnehmbares Zeichen oder Symbol der ab-
— 13 —
soluten Veränderung und Bewegung, da es vor allem der
Natur eines ursprünglich und unaufhaltsam Beweglichen
am nächsten zu kommen scheint. Für den Zweck dieses
Artikels ist es genug, anzudeuten, daß aus dem Orund-
begriffe des absoluten Werdens eine einzige Anfangs-
und endlose Beihe von Veränderungen von gleicher
Richtung und Geschwindigkeit, ohne Absatz und ohne
Wiederholung folgt, daß aber die in der Erfahrung ge-
botenen Veränderungen nicht so beschaffen sind, und
daß deshalb Heraklit selbst genötigt war, seinem Ge-
danken die Eonsequenzen abzubrechen und anzunehmen,
die Natur entwickle sich anders als der Geist, und im
Werden liege ein ursprünglicher Gegenlauf der Be-
wegungen, wodurch gegenseitige Hemmung und ver-
mittelst derselben der Schein eines dauernden Bestehens
herbeigeführt würde.
Während sonach die genannten Ionischen Physio-
logen damit endigten, das wahrhaft Existierende lediglich
als ein Veränderliches oder Werdendes zu denken,
und die Ausdehnung oder Materialität der Dinge noch
gar nicht in Betracht zogen, stellten dagegen die Eleati-
schen Philosophen den Begriff des Seins mit Schärfe
und Entschiedenheit an die Spitze, und brachten auch
die Frage nach dem räumlich Existierenden in Anregung
und Verhandlung. Das Sein, lehrten sie, ist einfach, un-
teilbar, eines, unveränderlich, sich selbst gleich und nur
im Denken zu erfassen. Alles, was ein Anderswerden
zeigt, wie die ganze Welt der uns umgebenden Dinge^
ist Nichtseiendes, ist nur Schein und Trug. Nur das
Sein ist An diesem Begriffe hielten sie so konsequent
fest, daß sie seinetwegen die ganze Sinnenwelt als Trug
verwarfen und darauf verzichteten sie zu begreifen. Um
nun dieser mit der Erfahrung geradezu brechenden Lehre
von der Einheit und Einfachheit des Seins mehr Ein-
gang zu verschaffen und sie zu befestigen, zeigte Zeno
von Elea mit vielem Scharfsinn, daß die Annahme einer
Vielheit von veränderlichen , beweglichen und ausge-
— 14 —
dehnten Dingen zu Wideiq[«tioben führe. Diese Ais-
einandersetsungen kennen wir leider noi fragmentarisch:
giücklicherweiae aber diejenigen vollständig genng, die
die Ausdehnung der Dinge betreffen, und an dieaem
Orte Yorzüglich interessieren.
Wenn man die Dinge als ausgedehnte und teilbare
faßt, und ihre Bestandteile duroh Teilung suchen und
nachweisen will, so wird man durdi Zenoe Dialektik en^
weder auf das Nichts getrieben oder auf das ünendlidia
Das Ausgedehnte wird gedacht als ein VieleSi das aus
Teilen besteht, das also notwendigerweise auch letzte Be-
standteile haben muß. Wenn nun irgend ein Eöiper
geteilt wird, und man behauptet, man habe (wenn auch
nur in Gedanken oder dem Begriffe nach, nicht durch
wirklich ausgeführte Teilung) die letzten Bestandteile
erreicht, so muß jeder derselben einfach sein. Was aber
einfach ist, hat keine Größe: zu einem anderen hinzn-
gefügt, macht es dasselbe nicht größer, Ton ihm hinweg-
genommen, nicht kleiner; es ist deshalb das vorgebliche
Einfache, woraus das Viele bestehen soll, nichts. Will
man dagegen, um dieser Ungereimtheit zu entgehen,
jenem vermeintlichen Letzten noch ein^ Größe belassen,
so hätte es aach Teile, diese Teile hätten dann wiederum
eine Größe, folglich wieder Teile und so ins Unendliche.
Darnach müßte jeder kleinste Körper unendlich viele,
immer noch ausgedehnte Teile enthalten, also vielmehr
unendlich groß gedacht werden, was sich ebenfalla wider-
spricht Hiermit hat Zeno zuerst die Schwierigkeiten
entdeckt und bloßgelegt, die in der Tat im Begriffe der
Materie als eines räumlichen Realen eingeschlossen sind
Zu ihrer Überwindung oder Entfernung machte er seibat
keine Anstrengungen, sie sollten ihm ja bloß dazu dienen,
die eleatische Lehre von der Einheit und Unteilbarkeit
des lediglich denkbaren Seins indirekt zu rechtfertigen.
Allein er hatte damit neben die Veränderung einen
zweiten Ausgangspunkt gestellt und den Denkooi eine
zweite Aufgabe gegeben, nämlich die Körperlichkeit der
— 15 -
Dinge zu begreifen und ohne Widerqniiche za denken.
Denn zu der Resignation der Eleaten, die nur mit einem
einzigen einfachen Begriffe sich begnügte und die ganze
Erfahrung als Trug beiseite ließ, konnten ach selbst-
redend nur wenige verstehen.
Das Denken sdüug neue und weitere Wege ein^ um
die Rätsel zu lösen, die von der Erfakrung «nabUüssig
in derselben Weise angegeben werden. Man erkannte
zuvörderst, daS aus dem wahrhaft Einen nie ein Vieles
werden kann, und kam so wieder zu dem riditigen Satze^
daß Vieles ist. Dabei hielt man jedoch andrerseits fest«
was die Eleaten gelehrt hatten, daß (4n seine Qualität
änderndes Seiendes ein Widerq)ruch, eine ünmc^cdikeit
ist, und dies trieb zu dem Versuche, alle in der sinn-
lichen Erfahrung gegebenen Veränderung^i anf bloße
Ortsveranderung, auf Bewegimg zurückzuführen. Diea
waren die gemeinsehaftliehen Ansichten der sogenannten
jungem Ionischen Physiologen, an die sich dann bei
den einzelnen einige Verschiedenheiten der Lehre an-
schlössen. Empedokles nahm viererlei Seiendes an, näm-
hck die vier Elemente, die er zuerst lehrte, indem er
die Erde zu den übrigen schon vor ihm angenommenen
hinzufugte; jedes einzelne bezog er aber noch auf Paare
von Gegensätzen, das Feuer auf das Heiße und Trockne,
die Luft auf das Heiße und Nasse, das Wasser auf das
Kalte und Nasse und die Erde auf das Kalte und Trockne.
Im übrigen dachte er die Masse jedes Elementes als teil-
bar und diese Teile als beweglich, über die Ghrenze der
Teilbarkeit jedoch und die Form der kleinsten Teile be-
stimmte er nichts. Dagegen bezeichnete er die Art der
Bewegung als Znsammenmischung und Entmisdiung, die
Bewegung selbst faßte er aber nicht als etwas Ursprüng-
liches, sondern als die Wirkung von zwei verschiedenen
Ursachen, die er Haß und Freundschaft nannte. So war
Empedokles der erste, der dadurch, daß er den Begriff
der Kraft erzeugte, wodurch der qualitativ unveränder-
liche und an sich selbst regungslose Stoff der Elemente
— 16 -
in Bewegung gesetzt wird, den Grund zu der rein
mechanischen Natorbetrachtimg legte.
Im Gegensätze hierzu lehrte Anaxagoras, der göttliche
Verstand sei die einzige bewegende, ordnende, über den
StoEf erhabene Kraft: er ist somit der üriieber der teleo-
logischen Naturansicht, die zur Naturerklimng den
Begriff des Zweckes oder die Intelligenz als Ursache
heranzieht Auch ließ Anaxagoras die Empedokleischen
Elemente nicht als solche gelten, sondern nahm andere
und zwar unbestimmt viele Elemente an, deren gleich-
artige Teile er Homöomerien nannte ; diese Homöomerien
dachte er als unendlich klein und sinnlich nicht wahr-
nehmbar, obwohl von allen möglichen verschiedenen Ge-
stalten. Hiemach ließ es sich Empedokles wie Anaxa-
goras angelegen sein, vor allem den von den Eleaten
hervorgehobenen und geschärften Begriff des Seienden
festzuhalten und außerdem die Qualität desselben za
bestimmen. Auch berücksichtigten beide die Ausdehnung
des Realen, aber auf eine eigentliche Lösung der von
Zeno darin gefundenen Schwierigkeiten ließen sich aus-
drücklich erst die sogenannten Atomisten Leukipp und
Demokrit ein, von denen der erstere ein Schüler des
Zeno gewesen sein soll. Sie lehrten wie Anaxagoras,
daß unbestimmt Vieles sei, die Qualität dieser Wesen
sei aber keine sinnlich bekannte, überhaupt keine an-
gebbare, doch müsse sie als eine gleiche, als eine und
dieselbe für alle gedacht werden. Um aber den Zenoni-
scheu Widersprüchen zu entgehen, müsse man an-
nehmen, jedes Wesen habe eine bestimmte, aber ihrer
Kleinheit wegen unangebbare, unsichtbare Größe; in
Bezug auf diese sei und bleibe es aber stets ganz, un-
veränderlich, unteilbar, weshalb es mit dem Namen
Atom zu bezeichnen sei. Die Gestalt und Größe der
Atome soll verschieden sein; alle Atome sind aber gleich
voll und dicht, absolut hart und undurchdringlich, daher
sie verschiedene Schwere besitzen sollen. Im Gegensatz
gegen sie als die festen und vollen Seienden dachten
— 17 —
die Atomisten den Baam als das Leere, daram Niobt*
seiende, aber dennoch Vorhandene. In diesem Baauie
«ollen dann die Atome wegen ihrer Schwere ursprün^^
lieh sich bewegen, und durch ihr Zusammentreffen, ihr^
Yermengong und Trennung die Dinge und den Schein
ihres Entstehens und Vergehens, des Tuns und des Leideim
hervorbringen. Die Unterschiede der Atome rüoi^cbt*
lieh ihrer Gestalt, ihrer Anordnung, ihrer Lage und
Stellung im Baume sind die einzigen, die in Betracht
kommen können, und es ist soweit alles auf quantiter
tive Verhältnisse und auf mechanische Gründe zurück-»
zuführen. Dabei wurde angenommen, daS die zusammeiv*
gelagerten Atome stets noch durch leere Zwischenräume
voneinander getrennt, daß also alle gegebenen Körper
porös wären. Für das Feuer und die Seelen nahm man
kugelförmige Atome an, weil diese am leichtesten durch
alles hindurchdringen könnten. An diesen Orundlehren
der Atomistik änderte Rpikur fast nichts, außer daß er
die Atome behufs des Zusammentreffens zu unbestimroten
Zeiten und an unbestimmten Orten von der senkrechten
Richtung ihrer natürlichen Bewegung am ein unendlioh
Kleines abweichen ließ, und zu ihnen noch körperliche
Götter hinzufügte, die aber keine Einwirkung auf die
Dinge ausüben, also der Herrschaft der mechanischen
Notwendigkeit und des Zufalls keinen Abbrach tun sollten.
Dieser erste Versuch, die Materie zu begreifen, ging
also von der gegebenen Ausdehnung der Sinnendinge
aus, und faßte die letzten Bestandteile derselben, das
wahrhaft Reale durch den Hauptbegriff des Seins. T^
gegen kam das Philosophieren auch von seinem ersten
Ausgangspunkte, der Veränderung der Dinge, zu einem
Begriffe der Materie, aber so, daß dann anch die Ver*
änderung, das Werden das Hauptmerkmal blieb. Im
Altertum sind es Platp and Aristoteles, die im Anacdliloß
an Anazimander auf diesem letzteren Wege ilure Ansicht
von der Materie ausbildeten. Nichtadestoweniger. eeb Plat^
vollkommen deutlich eint ^^ ^^ qoalitaUve VaiAn^keicmig
Pld. Mag. 828. Fi«fjll.n«nobli*idflrM«tari0i : ,2 . :, :
— 18 —
etwas Widersprechendes ist, weil man in ihr Sein and
Nichtsein, Entgegengesetztes als Eins denken mufi. Eben
deshalb ließ er auch das sinnlich Wahrnehmbare nicht
als wahrhaft Seiendes gelten« sondern das letztere könne
als ein unveränderliches, Sichselbstgleichbleibendes nur
im Denken erkannt werden. Sieht man nun von dem
umstände ab, daß die Beschaffenheiten der Dinge sich
in den vielen einzelnen Dingen bald so bald anders dar-
stellen, d. i. dem Wechsel in näheren Bestimmungen
unterworfen sind, faßt man sie dagegen in unveränder-
lichen Begriffen auf als etwas Unsinnliches und un-
wandelbares, 80 sind diese wandellos gedachten über-
sinnlichen Qualitäten der Dinge, und in weiterer Aus-
dehnung auch die Arten und Gattungen der Dinge das
wahrhaft Seiende, welches Plato die Ideen nennt
Dieser Vielheit der Seienden stellt er jedoch zur Er-
klärung der gegebenen veränderlichen Sinnenwelt den
Anaximandrischen Stoff, den Aristoteles zuerst Hjle
nannte, als Sitz der Veränderungen gegenüber. Er ist
gleichsam das unbehauene Bauholz, das Rohmaterial^
aus dem Oott, der Oute, die Sinnendinge bildet Die
Ideen werden aber bei der Weltbildung nicht mit dem
Stoffe gemischt, nicht in ihn hineingebildet, sondern Oott
schaut nur wie ein Künstler die immer für sich bleiben-
den Ideen mit Oeistesaugen an und bildet nach ihnen
als Musterbildern die unvollkommen entsprechenden
Sinnendinge: die Ideen sind und bleiben außerhalb der
räumlichen Sinnenwelt Plato fing daher zuerst an, den
an sich qualitätslosen Urstoff der Sinnenweit dem Räume
gleichzusetzen, wodurch der Begriff des bloßen Stoffes
in den der Materie, die durch die Ausdehnung charakte-
risiert ist, übergeführt wurde.
Wie er sie sich aber hinsichtlich der Realität Tor.
stellen sollte, das brachte ihn in Verlegenheit Wäre
sie geradezu und gänzlich als ein Nichtseiendes su
denken, so könnte man unmöglich einen Begriff von ihr
haben, und keinerlei Beitrag zur Erklärung der yer-
— 19 —
anderliohen Sinnenwelt Ton ihr erwarten. Als seiend
konnte er sie aber aaoh nicht denken; sonst wSre sie
eine Idee und als solche unveränderlich und für die
Erklärung der Veränderungen abermals unbrauchbar.
Daher entschloß er sich zu dem üngedanken, sie als
ein Zwischending, als ein Mittleres zwischen Seiendem
und Nichtseiendem zu fassen, war aber ehrlich genug, zu
gestehen, daß er sich dabei eher wie ein Phantasierender
und Träumender vorkomme, denn wie ein wahrhaft er-
keDDeuder Philosoph. Mit einem Worte, es ist ihm
nicht gelungen, eine widerspruchsfreie Erklärung der
Veränderungen aufzufinden.
Aristoteles war in einem viel ausgedehnteren Maße
als Plato ein Mann der Tatsachen, und er hätte sehr
gern die uns umgebenden materiellen Dinge so, wie sie
uns erscheinen, geradezu für real erklärt, wenn ihn daran
nicht teils die Erbschaft der über diesen reflexionslosen
Standpunkt mehrfach hinausgeschrittenen philosophischen
Lehren, teils sein eigenes logisches Verfahren gehindert
hätte. Wenigstens suchte er den Sinnendingen einen
ungleich größeren Anteil an der Realität zu vindizieren,
als ihnen nach der Platonischen Lehre zukommt Die
Platonische Ansicht, als hätten die Ideen oder das Seiende
nur Existenz außer und über den Dingen, und als seien
diese letzteren nur Nachahmungen von jenen, verwarf
er gänzlich. Dos Ideelle oder Beale in höchster Instanz,
was er Eidos oder Form nannte» setzte er vielmehr in
die Dinge hinein, und mit der Materie geeinigt, so daß
die Dinge Produkte oder Ganze sind, zusammengesetzt
aus Hyle und Eidos oder Materie und Form.
Dabei nannte Aristoteles beide Faktoren seiende, aber
er nahm Sein nicht mehr in der metaphysischen Strenge
der Eleaten und Piatos, sondern in der schwankenderen
unbestimmten Bedeutung des gemeinen unphilosophisoheli
Sprachgebrauchs der Unselbständigkeit, und Veränderlich-
keit nicht vom Sein ausschließt Die Materie bezeichnete
er nämlich als das der Möglichkeit nach, potentiell Seiende,
— 20 —
die Formen als das der WirkKcbkeit fluob, «ktoall
Seiende. Die eine wie die andere warep ihm yraacbep
der sinnlichen Dinge, die Formen Ursachen der beBtimmtep
Existenz und Individualität der Dinge, die Materie Ui^
ache ihrer Verändserlichkeit, vermöge deien die Dingr
entstehen und vergehen, ihre GUgenschaften, ihre GröSe
und ihren Ort wechseln. Die Materie ist als daa Prinzip,
welches dem Werden und der YeranderoBg der Dinge
zu Grunde liegt (inoiuifiiyor)^ an sieh unbestimmbar and
unerkennbar: sie ist weder ein bestimmtes Ding nodi
eine Beschaffenheit, noch eine Oröfiei soudem nur das
zu dem Genannten und seinem Gegenteil dem Yermögep
jiach Befähigte; sie ist nur die mögliche Körperlichkeit
mit allen möglichen damit zusammenhängenden Prädi-
katen, ein Inbegriff von Vermögen, die erst noch anf
die Kräfte warten, durch welche sie in Wirklichkeitan
übergeführt werden. Dieses allem YeränderlicheiL au
Grunde liegende reale Mögliche, das nach dem Ab-
geführten nicht etwas sinnlich Wahrnehmbares ist, nannte
Aristoteles die erste Materie im Unterschied von dem
einem bestimmten Dinge zukommenden sinnlich wahr-
nehmbaren Stoffe, der wie das Metall und das Holz im
Verhältnis zur Statue und zum Stuhle eine abgeleitete,
sekundäre Materie ist Nach dem aufgestellten B^;ri£fe
liegt es nämlich in der Natur der ersten Materie, daS
sie als das Prinzip der Wandelbarkeit von selbst schojn,
auch noch ohne auf sie einwirkende formbildende Prin-
zipien, in die Reihen ihrer Möglichkeit übergeht und fort-
schreitet
Aristoteles sah nun als die allgemeinsten Gegensfitse
dieser Möglichkeiten das Heifie und das Kalte, das Nasse
und Trockne an» und indem er daraus die bei Empedokle^
angeführten Kombinationen bildete, sah er darin di^
Prinzipien und Ursachen der Enpipedokleischen Elemente,
die er demnach schon als Erzeugnisse des aUgemeiuei
noch formlosen Klementarprozesses der ersten Mateiis^
4I9 zweite Stufe der Materialität oder Körperlichkeit a^r
- 21 -
sehen raufite. Diesen Elementen schrieb er eigene ifatflr-
Kehe Bewegangen zn: dasFeaer bewegt sich tiach oben,
die Erde nach unten, die Luft gleichfalls nach oben,
aber weniger als das Veuer, nnd das Wasser gleichfalls
nach unten, aber weniger als die Erde. Nach Analogie
kam dann Aristotef^ nodi darauf, auch für die andere
fianptbewegnng, nämlich för die im Kreise, ein mate-»
rielles Substrat zu setzen. Er nannte dasselbe den Äther,
nnd ließ aus diesem fünften Elemente (quinta essentia)»
dem jede Veränderung aufler der stetigen Ereisbewegunj^
abgeht den Himmel und die Fixsterne, wie sie materiell
sind, bestehen.
So entsteht durch den Elementarprozefi alle stoffliche
Hasse, die aber immer noch unbestimmt und ohne geM
schlossene Gestaltung ist, niit edtiem Worte alles UiH
organische. Das Belebte, die Pflanzen und Tiere entstehen
erst durch Hinzutreten der Formen m der abgeieiteten
nnd vorbereiteten Materie: die Forlnen sind die g^
ätaltenden, belebenden, beseelenden Kiffte des MaM*
riellen. Über den Raum selbst und dessen Stetigkeit
hat Aristoteles zwar ünterstrchtmgen angestellt, die ale
die ersten in ihrer Art sehr bea^tenswert sind. Allein
er dachte den Raum nur als Üe Umgrenzung, ah» dfe
Hülle des Körpers, ron dem man sftgt, er sei im Raomei
nicht als den Zwischenraum zwischen seinen OrenzecL
tndem daher nach seiner Ansicht imnier nur das Ufl4-»
grenzende die Räumlichkeit des Umgrenzten beetittitol^
gewann auch bei Aristoteles der Begriff der Haieri^
noch nicht die charakteristische Ausbildung, wonach sie
als etwas durch den Raum sich Erstreckendes, als solide,
den Raum ausftUlende Hasse gedacht wird. Die ttft»->
üche Bestimmung ersdieint auch bei Aristotek» iioeft
als etwas Nebensädblicbes. Er liefi sidi nicht blefl tM
der Tatsache der Veränderung treiben, sondern er rer-^
wendet atfch ihren Begriff imr Arter euier leicbleik
Terhollung zur Bestimmaiig dee Kettlai, wom er dMi
Hyle unbedenklich mit rechnet, d* er «ü diteeH BegM^
— 22 —
von Plato her gewöhnt war. Allerdings nennt er, wie
schon bemerkt, die Materie und die Formen Seiende.
Ist aber die Materie nur das der Möglichkeit nach
Seiende, so ist sie, genau gedacht, insoweit eben kein
Seiendes, als sie noch ein Unfertiges ist Sie ist aber
durch und durch ein Unfertiges, ein blofi Mögliches; ihr
ganzes Wesen besteht in Werden und Umwandlang: und
das ist der Begriff, der sie charakterisiert Die Formen,
die Aristoteles als die höchste Stufe des Realen ansieht,
bezeichnet er selbst schon offener als das der Wirklich-
keit, (fer Energie nach Seiende, d. i als Wirkendes,
Tätiges, Veränderndes.
So hat Aristoteles durch Verbindung des Begrifb-
paares Möglichkeit und Wirklichkeit mit dem Sein, diesen
letzteren Begriff soweit abgestumpft und umgeändert,
daß er für ein schärferes Denken fast ganz im Werden
aufgeht Oleichwohl ist seine Fassung der angegebenen
Begriffe für lange Zeit die maßgebende, und teilweise bis
auf den heutigen Tag die Grundlage weiterer Um-
bildungen geblieben. Namentlich beherrschte seine Vor-
stell ungs weise das Mittelalter, und gab der Scholastik
Veranlassung zu den Streitigkeiten, ob die Entstehung
der Dinge als eine Bestimmung der Materie durch die
Form (contractio materiae per formam) oder als eine Ehit-
Wicklung der Form aus der Materie, in welcher sie der
Möglichkeit nach schon liege (eductio formae ex materia)
anzusehen sei, und überhaupt zu den Fragen und Mei-
nungen über das sogenannte Prinzip der Indiyiduation.
Die Lehre von den vier Elementen erhielt sich bis ins
16. Jahrhundert nach Chr., wo die ersten Versuche auf-
tauchen, die chemischen Elemente im Sinne der Neueren
zu bestimmen. Auf den Aristotelischen Begriff der Materie
und die Empedokleisch - Aristotelische Lehre, daß jedes
Element zwei Gegensätze in sich vereinige, konnte sich
sehr wohl die Meinung stützen, als könne ein Element
in das andere übergehen, und die Hoffnung, die Metalle
ineinander verwandeln zu können.
— 23 —
Als mit dem Verfall der Scholastik aach die Philosophie
restauriert wurde, wurde die Atomistik in England durch
Hobbes, in Frankreich durch Oassendi wieder reprodu-
ziert, von letzterem aber vielfach vermischt mit Aristote-
lischen Begriffen über die verschiedenen Arten der Ur-
sachen und spiritualistisch- christlichen Lehren über Gott
als Geist und Weltschöpfer und über immaterielle ver-
nünftige Seelen. Wohl mehr als durch diese Denker
wurde das neue Emporkommen der Atomistik gefördert
^urch die Lehre des Cartesius, obschon er sich prinzipiell
gegen die Existenz von Atomen erklärte. Außer Gott
dem ungewordenen Wesen nahm er zwei entgegen-
gesetzte Klassen von erschaffenen Wesen an, die aus-
gedehnte Substanz oder die Materie und die unausgedehnte
Substanz oder die Seelen, die Geister. Die Natur des
Materiellen besteht nach ihm nicht in der Härte, in der
Schwere, in der Farbe oder sonst in einer sinnlichen
Eigenschaft, sondern lediglich in der Ausdehnung nach
Länge, Breite und Tiefe, so daß der Baum von der
Materie nicht in der Tat, sondern nur für unsere Auf-
fassung verschieden sein soll. Daraus zog er dann die
Folgerung, daß es keinen leeren Baum gibt, sondern
daß die eine unendlich ausgedehnte Materie überall im
Universum eine und dieselbe gleichartige ist, daß es
aber auch keine Atome gibt, sondern jedes Ausgedehnte
immer noch weiter teilbar ist So behauptet er zwar
die unendliche Teilbarkeit der Materie, sagt aber, sie
sei für den endlichen menschlichen Verstand unbegreif-
lich, und spricht in seiner Kosmologie und Physik immer
nur von größeren oder kleineren Massenteilchen.
Außer der Teilbarbeit kommt der Materie noch Be-
weglichkeit in ihren Teilen zu. Aber die Bewegung
selbst ist keine Tätigkeit der Materie, sondern ein Modus,
der ebenso wie die Buhe der Materie von Gott an-
erschaffen ist und erhalten wird. Verschiedene Körper
können sich nicht einmal Bewegung mitteilen, d. h. es
bewegt kein Körper den anderen, und wirkt überhaupt
- 84 —
kein Körper auf den ftnderen, aondem aOe* bew4|S[Mde
Kraft ist Gottes, der bald hier, bald dort wirkt &k
dem nan Descartes ans teilbarer Materie, Bewegung imd
Knhe die Eörperwelt im Orofien und Kleinen xa er*
klären sachte, verwarf er die Elrklilnng ans Zweck-
nraachen gänzlich und hnldigte yoUsündig dem Meeiuu
nismus, der allein eine von Bewegmigsarsacben aUiingige
Zusammensetzung nnd Lage von mehr oder minder £0*
sammengesetzten Körperohen kennt
Leibniz wollte nun zwar in der Erforsobimg der
Körperwelt den Mechanismus nicht an^gebeii wissen,
aber einerseits konnte er der Gleichstelhmg von Materie
nnd bloßer Ausdehnung nicht zustimnlen, andrerseits
snchte er tiefere Gründe für den Mechanismiis imd die
Gesetze der Bewegung. Ausdehnung sei nar Wieder*
belang oder kontinuierliche YervielRItigmig and Ko*
existenz von Teilen. Sie setzt dm Begüff eines Etwas,
welches wiederholt oder ausgedehnt ist, voraus, also eine
Substanz oder vielmehr eine Vielheit von Sabstansen»
Denn jedes ausgedehnte Ding kann als ein zosamroen-
gesetztes nur gedacht werden, wenn man den OedankM'
des Einfachen voraussetzt. Auch besitzt jeder inirteriell^
Körper außer der Ausdehnung noch Widerstand, Ub-
durchdringlichkeit, d. h. er zeigt Tätigkeit nnd Leideov
Es müssen also Prinzipe der Tätigkeit angenommen werden^
wirkende Substanzen im Ausgedehnten. So kam Leibnis
auf seine Monaden, worunter absolut eis&ohe, nnaos*
gedehnte Wesen, reale Einheiten verstanden werden« die
einerseits Bedingungen des Zusammengesetzten oder
Materiellen sind, andrerseits Quellpunkte oder Träger
der mechanischen und physischen Tätigkeiten. Dabei
nahm er an, daß Sein und Wirken oder wenigstens das
Streben danach identisch sind; was nicht tätig, das ist
auch nicht Jede Monade ist der Herd nachhaltiger !nfig-
leiten.
Obgleich hiemach die Monaden keine matbematisdieil
Mer bloß formalen Punkte sind, sondern reale, so dsoiili^
— 25 —
Leibniz die materiellen Körper doob niobt als Eoni-
plexioDen, als ZuBammensetztingeii ans Monaden. Die
Körper bestehen nacb ibm nicbt aas Monaden als ibrmi
einfecben Elementen: sie flehen bloS in das Zusammen-*
gesetste ein, das Materielle ist in anmidlich viele Teile
^cht bloß teilbar, sondern wiri^liob geteilt. Auch setaett
4ie Monaden als tätige Kräfte ein leidendes Sabstrat
ihrer Tätigkeit voraas. Wie nun Leibniz seine Monaden-
lehre nur für eine Verbesserung nnd Emeuerung der
aristotelisch scholastisohen Lehre von der substantiellen
Form ausgab, so verband er damit noch die aristotelische
Lehre von der ersten Materie, als dem an sich untätigen
leidenden Substrat der monadischen Tätigkeit, die durob
die Materie beschränkt wird. So ist, abgesehen von
Gott, der duroh keine Materie beschränkte reine Tätig-
keit (actus purus) ist, keine Monade ohne Materie, und
die materiellen Dinge sind Resultate aus vielen Monaden
mit erster Materie, also zwar an sich nicht das wahrhafb
Reale, jedenfalls aber wofalb^Qndete nnd geordnete
Phänomene. Daß dies die wahre Lehre Leibiuaens ist^
dafür spricht auch noch dies, daß er ganz aristoteliseh
nur. dem Belebten nnd Beseelten eine herrschende und
einigende Zoütralmonade zuschreibt, alles Unbelebte ohne
eine solche nur als Aggregat denkt Die durch eine be-
herrschende Monade beeeelten Pflanzen und Tierleibw
sind Organismen, die ins uttendKohe wieder aus kleineres
Organismen bestehen; den Organismns als Ausgedehntee
aber stellte ich Leibniz immer wieder als einen feineren
und feineren Mechanismus vor.
Schließlich muß jedoch bemerkt werden, daß man
bis auf die neneete Zeit allgemein angenommen hat,
Leibniz kenne nur Monaden.^) Darum sachte man dens
bei Leibniz vergebens nach einer beetimmtm Antwort anf
die Frage, wie er aoe seinen ranmlosen Monaden dae
^) Vergl. dazä fmü), Über den Begritf der Mateirie bei LeilmÜ.
in Utactt. f. exakte Phfl. XTH. 34.
— 26 —
Täumlich Ausgedehnte konstruiert habe. Allerdings finden
sich darüber bei ihm manche yerschiedene Angaben, die
nur noch fragmentarischer und unTereinbarer ersebemeD,
wenn man die aristotelische Lehre Ton der Materie nidil
als im wesentlichen von Leibnis acoeptiert ToraneBetit
Indessen darf man auch so vermuten, daS Leibniz mit
seinem Nachdenken über die Materie nicht za einem ihm
selbst, geschweige denn anderen genügenden Absobluflsa
gekommen ist
Um so leichter mußte es Kant werden, von s^em
kritischen, halb idealistischen Standpunkte aus die Materie
nur als Erscheinung zu betrachten und lediglich die
Kräfte in Untersuchung zu ziehen, die als Bedingungen
dieser Erscheinung anzunehmen seien. Die Materie,
lehrt er, erfüllt den Raum nicht durch ihre bloSe
Existenz, sondern durch repulsive Krfifte aller ihrer Teile;
sie ist ins Unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren
jeder wiederum Materie ist Aber die Materie würde
durch ihre repulsive Kraft, welche den Orund der Uii-
durchdringlichkeit enthält, allein, und wenn ihr nicht
eine andere bewegende Kraft entgegen wirkte, sich ins
Unendliche zerstreuen. Es erfordert daher alle Materie wa
ihrer Existenz, zweitens eine zusammendrückende Kraft,
Attraktionskraft, die ebenso ursprünglich und eine n
ihrem Wesen gehörige Grundkraft ist, wie die repulsiva
Auch die anziehende Kraft, allein vorausgesetzt, würde
alle Teile der Materie in einen mathematischen Punkt
zusammenziehen, der Baum würde leer, mithin ohne alle
Materie sein.
So zeigte Kant, daß nur die zwei ursprünglicdien
bewegenden Kräfte der Abstofiung und Anziehang im
Konflikt miteinander einen bestimmten Grad der Er-
füllung des Baumes, mithin Materie möglich macheiL
Die aller Materie wesentliche Anziehung ist eine un-
mittelbare Wirkung derselben auf andere durch den
leeren Baum, und erstreckt sich von jedem Teile der-
selben auf jeden anderen unmittelbar ins Unendliche.
— 27 —
Die Wirkung von der allgemeinen Anziehung, die alle
Materie auf alle in allen Entfernungen unmittelbar aua-
übt, heißt die Gravitation; die Bestrebung in der Rioh-
tung der größeren Gravitation sich zu bewegen, ist die
Schwere. Die Wirkung von der durchgängigen repnl-
siven Kraft der Teile jeder gegebenen Materie heiAt
ihre ursprüngliche Elastizität Diese also und die
Schwere machen die einzigen a priori einzusehenden
allgemeinen Charaktere der Materie, jene innerlich, dieee
in äußeren Verhältnissen, aus; denn auf den Gründen
beider beruht die Möglichkeit der Materie an sich. Zu*
sammenhang, wenn er als die wechselseitige Anziehung
der Materie, die lediglich auf die Bedingung der Be-
rührung eingeschränkt ist, erklärt wird, gehört nicht zur
Möglichkeit der Materie überhaupt, und kann daher a priori
als damit verbunden nicht erklärt werden. Diese Eigen-
schaft würde also nicht metaphysisch, sondern physisch sein.
Diese Lehre, daß alles Reale der Gegenstände äußerer
Sinne als bewegende Kraft angesehen werden müssei
bezeichnet Kant als Dynamik, dynamische Natur-
philosophie, ohne jedoch unter diesen ursprünglichen
Kräften der Attraktion und Repulsion das Reale oder
Seiende im strengen Sinne verstehen zu wollen. Viel-
mehr ließ er dies, wie in seiner ganzen Lehre, so auch
in der von der Materie ganz im Dunkel liegen, weil
nach seiner philosophischen Ansicht überhaupt überall
nur Erscheinungen von uns zu erkennen sind, gemäß
und vermittelst der Begriffe, die unser Verstand ur-
sprünglich besitzt Nach den Verstandesbegriffen der
Kausalität und Wechselwirkung reduziert er nun die Er>
scheinungen des Materiellen zunächst auf die beiden
Kräfte der Attraktion und Repulsion als ihre nächsten
Ursachen, aber als etwas selbständig Bestehendes dürfen
diese Kräfte in Kants Sinne doch nicht angesehen
werden. Kant hat nur die wirklichen Träger der Kräfte,
die Leibnizschen Monaden, als etwas seiner Meinung
nach Unerklärbares beiseite gelaasen.
— 28 —
Der bedächtige Kant und sein halber IdeaHsniiiir
worden sehr rasoh überboten dnrcb den stGTinischeii
Eichte and den phantasiereiohen Scfadling. Fichte er-
klärte das Ich für das einzige Reale, weil er die not-
wendigen Hand längs weisen glaubte nachweisen zn könneiL
dnrch welche das Ich daen komme, sich selbst den
Sehein einer objektiven, materiellen Welt einzubilden.
Er faßte nämlich das Ich als unbeschränkte Tätigkeit,
als absolutes Tun auf, das eben darum sich selber setze^
aber um zum Bewußtsein seiner selbst zu kommen, sich
zugleich als Anstoß und als Schranke seiner T&tigkdt
das Nichtich, d. h. die Welt der Objekte, die Natur
gegenüberstellen müsse. Eine derartige idealistische An*
sieht, die, um auch nicht die geringste Erinnerung aa
das Seiende und Beharrende übrig zu lassen, das Idi
nicht als Träger der Tätigkeit, nicht als Tätiges, sondern
nur als abstraktes Tan zu denken erlaubt ut>d damit
den Begriff des absoluten Werdens obenan stellt, konnte
tffn so weniger der Naturforschung eine theoretiseiie
Unterlage bieten, als Fichte sich vorzugsweise im geistige
Gebiete bewegte, und über jenen abstraktesten Begriff
der Natnr und des Materiellen kaum hinauskanm.
Darum machte auch Schelling die Naturphilosophie
eine Zeit lang zu seiner Spezialität, ohne jedoch den
Idealismus aufzugeben. Er stellte nur allgemeiner eine
Identität des Subjektiven und Objektiven, des Idealen
«md Realen, des Denkens und Seins, des Geeistes und
der Natur an die Spitze der Philosophie, und setzte der
Ich- oder Oeistesphilosophie die Naturphilosophie ale die
andere notwendig gleichberechtigte Seite der ganzen Pbiio^
Sophie entgegen. Die materielle Natur wird nnr als
relative Identität des Realen ui^d Idealen angesehen, so,
daß das reale Prinzip darin vorherrscht, und die Natur«
Philosophie hat die Aufgabe, das ideale Prinzip in dem
realen überall aufzuzeigen und aus dem realen allmäh*»
Geh zu entwickeln, da jenem im Grunde doch eifie
höhere Dignität beigelegt wird.
— 29 -
Unter Anlebnong an Kant gab Stehelling aine Koi^
struktion der Materie^ die von der Einaioht ip Eaolp
Irrtum ausging. I^t man nftmlioh wie aufgegeben wini^
Attraktiv- und Repulsivkraft als konträr entgegengesetzt^
iiufeinander wirken, so sind sie der Quantität jiaoh
entweder gleich oder ungleich. Im erstrai Falle wini
das ganze Quantum der Bepulsivkraft durch die gleiaii
starke Attraktionskraft vollständig gehemmt, und es-cep
schiebt nichts. Im zweiten Falle, wenn die Bqpulsivknyit
die stärkere ist, wird das der Attraktivkraft entsprechende
Quantum derselben gehemmt, und der ÜbersoboB vßp-
liert sich im Ui^endlicben ; ist dagegen die Attraktivknifft
überwiegend, so ereignet sich das Umgekehrte; beideoMi)
geschieht wieder nichts. Das erkannte Sobelling; darum
nahm er die Schwerkraft als dritte synthetische JSxaft
hinzu, welche die unverträglichen zusammenhalten, un4
in der sich die beiden entgegengesetzten so durchdringt!
sollen, daß das ganze Produkt in jedem Punkte Attiaktii^
und Bepulsivkraft zugleich ist Dadurch soll die K(mr
struktion der Materie erst vollendet werden. In der Tut
aber wird nur noch mehr Widersprechendes hinsii-
gebraoht, das durch die weiteren Spezialisierangen und
die Analogien mit dem Kagnetismus, der Elektrizität ooi}
dem Chemismus nicht gelöst, sondern mit Pbantaaiep
überwuchert wird.
Hegel wollte nur methodisch den absolnlen IdeaUsmiü
durchführen: das Denken, der Begriff, die Idee oder vieir
mehr der Prozeß, das immanmte Werden des Begriffe
ist das allein Wirkliche und Wahre, das im ewigen Laofe
seiner Entwicklung sich aus sich entläßt als das andeii^
.seiner selbst, d. h. als Natur oder Materie, nur um sioli
aus diesem Anderssein wieder in sich selbst zurückWr
nehmen zum Geiste. Diese dialektische Denkbewegmig
ist keine andere als die des Fiehtesoben loh, welcbsp
sich, das Nichtich und die Identität ron Subjekt und
Objekt setzt Durch keines dieser idealistischen Sjsteme
ist das Problem der materiellen Existenz seiner IjSsuiii;
— 30 —
näher gebracht Da sie Einheit des Realen lehren, and
dieses als absolutes Werden oder Tan faasen, und in
keiner Weise durch den B^riff des Seins denken, sind
sie es auch nicht im stände.
Im Kampfe wider die idealistischen Systeme seiner
Zeit hat Herbart eine realistische Lehre anfgestellt, die
eine unbestimmte Vielheit des Realen behauptet, und
dieses durch den strengen Begriff des Seienden gedacht
wissen will. Jedes wahrhaft Seiende ist ein unanfhebliches^
unabänderliches, unausgedehntes, einfaches Wesen. Es
ist erlaubt, die Qualitäten der einfachen Wesen (Elemente)
als gleich, als rein yerschieden, als konträr entgegengesetzt
anzunehmen, wie es zur Erklärung der g^ebenen Er-
scheinungen, die aus ihnen resultieren, nötig ist Im
übrigen sind die einfachen Wesen ihrer Qualität nach
unerkennbar. Sind Wesen von teilweise entgegengesetzter
Qualität zusammen, so kann dieser wechselseitige Gegen-
satz nicht ohne Folgen sein, sondern jedes Wesen erhält
sich selbst in seiner eigentümlichen Qualität, d. h. es
wird in einen inneren Zustand des Widerstandes, der
Tätigkeit gesetzt, welche unter gewissen umständen ein
unvollkommenes Zusammen oder eine partiale Durch-
dringung der Elemente zur Folge hat Diesen Begriff
des unvollkommenen Zusammen benutzt Herbart, um von
da aus zur Bildung eines Moleküls fortzuschreiten und
überhaupt alle die Bedingungen zu entwickeln, aus
denen sich die Erscheinung des Materiellen fQr ein
wahrnehmendes und vorstellendes Subjekt als Folge ergibt
Tätigkeiten und Kräfte sind nach dieser Lehre das
Sekundäre, welches sich erst unter umständen in den
Wesen (durch das Zusammen derselben) erzeugt, sie
selbst aber in ihrer Qualität nicht verändert. Irren
wir nicht, so sind hier zur Anknüpfung für die Natur-
forschung brauchbare und haltbare Gedanken geboten.
In neuerer Zeit hat Fischner ^), der gleichfalls ein-
*) Über physikalische und philosophische Atomenlehre. Leipzig
1865. Yei^. W. Dbobxbgh in Zeitschrift für Phüosophie und phüos.
— 31 —
fache Wesen als Orundelemente der Materie anerkennt,
gegen die Lehre Herbarts verschiedene Einwendungen
erhoben, die jedoch teils auf MißTcrständnissen beruhen,
teils darin ihren Grund haben, daß Fbchneb seinen
eigentlichen atomisdschen Prinzipien nicht immer in
konsequenter Weise Rechnung trägt. Manche seiner Ein-
wendungen gelten sogar Ansichten, die der Lehre
Herbarts geradezu widersprechen oder doch zu ihr in
keiner notwendigen Beziehung stehen. Die einfachen
Wesen sind bei Herbart nicht, wie Fechnsr fälschlich
berichtet, etwas (sogenannte Schemens) hinter dem (be-
gebenen, sondern die letzten Elemente desselben, durch
deren Tätigkeiten alle Erscheinungen der Sinnenwelt be-
dingt sind, so dafi diese aufier den Elementen, abgetrennt
Ton denselben, nicht gedacht werden können.
IL Das Wesen der Materie von Standpunkte der Physik
Von C. 8. Cornelins.
Es ist Tatsache, daß wir die Eörperwelt zunächst auf
dem Wege sinnlicher Wahrnehmung kennen lernen.
Jeder Körper erscheint uns als eine Eomplexion sinn-
licher Merkmale, die aus gewissen Wirkungen desselben
auf unsere Sinnesorgane resultieren. Die Kenntnis dieser
Merkmale, welche mancherlei qualitative und quantitative
unterschiede verraten, erweitert sich durch vergleichende
Beobachtungen und Versuche, und in demselben Mafie
erweitert und verfeinert sich auch unsere Kenntnis der
verschiedenen Körper, von denen jeder durch eine be-
stimmte Gruppe von Merkmalen charakterisiert ist, die
ihn leicht von anderen unterscheiden läßt
Wenn aus einer solchen Gruppe einzelne Merkmale
verschwunden und statt deren andere in derselben auf-
Kritik von Fichte osw. Nene Folge Bd. XXYIU. Heft 1 (Halle
1856) S. 52 ff. Über die FaamnESohe Atomenlehre findet sich
eine aosführiiohe Bearteihuig von C. 8. Oobniuds in Ztschr. 1
exakte Pb. Y. 398.
- 32 —
getreten sind, so hat der betreffende Körper eiae Ter»
Änderung erfahren. Diese Yerindemng ist aan meist,
wie Beobachtungen and Y^rsucbe mit Bestimmtbait
lehren, eine Folge davon, dafi der Feräaderte Körper mit
einem oder mit mehreren anderen Körpern auf ^wisae
Weise zusammengetroffen ist Die Chemie beseagt duroh
unzählige Tatsachen, daü, wenn ein Körper oder Stoff
eines seiner Merkmale mit einem neuen ▼ertausc^t, diai
die Folge seines Zusammentreffens mit einem änderet
Stoffe ist, oder die Folge davon^ daß der Körper av
seiner bisherigen Qemeinschaft mit gewissen Btoffea
heraus- und in eine neue Gemeinschaft mit anderes
Stoffen eintritt So können zwei (oder auch mehren^
Stoffe, die entgegengesetzte Eigensdiaften zeigen, wis
z. 6. Sauer- und Wasserstoff, wenn sie anter gehöriges
Umständen zusammentreffen, einen neuen Körper bilden,
dessen Eigenschaften sehr merklich yerschieden Toa
denen der Bestandteile sind. Dies zeigt mit ETideni
jede chemische Verbindung, die überhaupt eine Ver-
einigung ungleichartiger Stoffe zu einem ^eichartigen
Ganzen ist
Die Veränderung, welche hier der eine Stoff eiflttirt,
hat ihre Ursache in dem Zusammensein mit dem anderen,
und so umgekehrt. In dem Augenblicke, wo diese Ver-
änderung stattfindet, oder eine bestimmte Gemeinschaft
der verschiedenartigen Stoffe sich herstellt, geht zwischen
den letzteren etwas vor, das sich durch gewisse, meist
vorübergehende Erscheinungen, wie Wärme and wohl
auch Licht, bemerkiich macht Es kann aber keinem
Zweifel unterliegen, daß zwischen den Bestandteilen
dieser Stoffe auch dann noch etwas vorgeht, nachdem
die Verbindung derselben zu einem neuen Ganzen bereits
geschehen ist Und dieser Vorgang, welcher dasselbe
sein wird mit dem, was man durch das Wort »Wechsel-
wirkung« bezeichnet, ist es, wodurch die Gemeinschaft
der Stoffe untereinander und die Existenz des ans ihnen
bestehenden Körpers so lange erhalten wird, bis mA
— 33 —
neue chemische Einwirkungen von außen in über-
wiegender Stärke geltend machen. Die Erfahrung lehrt
aber, daß die ungleichartigen Stoffe während ihrer Ge-
meinschaft miteinander ihre eigentümliche Qualität keines-
wegs einbüßen, sondern daß sie vielmehr mit allen ihren
früheren Eigenschaften wieder unversehrt daraus hervor-
gehen. Doch ist es allerdings möglich, daß ein Stoff
durch seine Verbindung mit anderen in gewisse innere
Zustände gerät und dadurch, ohne wesentliche Ver-
änderung seiner ursprünglichen Qualität, Eigenschaften
gewinnt, die ihm vorher nicht zukamen. Es gehören
hierher diejenigen Modifikationen der chemischen Grund-
stoffe, welche man unter dem Ausdrucke Allotropie
(von uXkog^ anders, und tqojii^^ Wendung) zusammenfaßt
Die chemischen Vorgänge oder Prozesse sind also,
wenn man sie lediglich von ihrer empirischen Seite
auffaßt, dadurch ausgezeichnet, daß die Gruppen sinn-
licher Merkmale, welche bestimmte Körper oder Stoffe
charakterisieren, einen Wechsel darbieten, der seine
Ursache in der Verbindung und Trennung dieser Stoffe
hat. Von denselben zu unterscheiden sind die mechani-
schen und zum großen Teil auch die physikalischen
Vorgänge, bei denen außer der Veränderung der Form,
die häufig eine nur vorübergehende ist, keine andere,
namentlich keine sogenannte qualitative Veränderung
vorkommt. Keines der sinnlichen Merkmale, durch welche
zusammengenommen wir den Körper erkennen, geht hier
verloren. Die Erscheinung, welche wir wahrnehmen,
resultiert aus gewissen Bewegungszuständen, in welche
entweder der ganze Körper oder auch nur die einzelnen
Teilchen desselben geraten, so daß in diesem letzteren
Ealle der Körper selbst keine merkliche Ortsveränderung
erfährt. So werden die Erscheinungen des Schalles durch
eine schwingende Bewegung bewirkt, welche die materiellen
Teilchen um ihre Gleichgewichtslage vollführen. Solche
Erscheinungen dauern so lange als die sie bedingendo
päd. Mag. 828. Flügel, Das Problem der Materie. 3
— 84 ~
Bewegung der Teilchen; sie beginnen und verscbwinden
mit derselben.
Von welcher Art aber auch die Yerändening sein
mag, welche ein Körper erfährt, immer erscheint er uns
als ein Ding, welches den Raum erfüllt and in ihm aus-
gedehnt ist. Das den Raum Füllende und insofern in
ihm Ausgedehnte nennt man überhaupt Materie; die
letztere aber als bloße träge Masse gedacht, die nur durch
etwas anderes, außer ihr Befindliche zu irgend einer
Tätigkeit erregt werden könne, wird Stoff genannt Die
Materie ist nun freilich mehr als bloßer träger Stoff.
Jedes materielle Teilchen, das man in einem und dem-
selben Körper unterscheiden kann, sucht die Baumatelief
die es im Verhältnis zu den übrigen Teilchen einnimmt^
zu behaupten. Wird es durch irgend eine Ursache aus
seiner Oewichtslage verrückt, so verhalten sich dabei die
übrigen Teilchen nicht gleichgültig, sondern es erfahren
auch diese eine mehr oder weniger beträchtliche Orts-
veränderung. Zwischen den verschiedenen Teilchen eines
und desselben Körpers besteht also ein gewisser Zu-
sammenhang, vermöge dessen sie ihre gegenseitigen räum-
lichen Stellungsverhältnisse aufrecht zu erhalten suchen.
Und dies ist dasjenige, was man die Kohäsion eines
Körpers nennt, womit man eben sagen will, daß die
gleichartigen Teilchen eines und desselben Körpers nicht
gleichgültig nebeneinander liegen, sondern daß sie einen
wechselseitigen Einfluß aufeinander ausüben. Diesen
Einfluß, welcher die Teilchen nötigt, in einer bestimmten
gegenseitigen Lage zu verharren, erfährt man deutlich
an dem Widerstände, den ein starrer Körper dann
leistet, wenn man ihn durch Ziehen zu zerreißen sucht
Der Körper erfährt dann in der Richtung des Zuges
eine Verlängerung, seine Teilchen rücken weiter aus-
einander, bis an irgend einer Stelle die wirkliche
Trennung erfolgt Überschreitet aber die ziehende Ge-
walt eine gewisse Grenze nicht, so kehren die Teilchen,
nach Wogfall dieser äußeren GewÄlt, wieder in ihre
— 35 —
frühere Oleicbgewiebtslage zarück. Wird dagegen ein
Körper einem äußeren Druck unterworfen, so rücken die
Teilchen in der Richtung des letzteren einander näher;
der Körper verkürzt sich. Aber auch dies geschieht nur
mit Überwindung eines bestimmten Widerstandes von
Seiten der Körperteilchen, welche sich wieder soweit
voneinander zu entfernen streben, als zur Rückkehr in
ihre normale Position nötig ist Die Teilchen der starren
Materie haben also sowohl bei der Ausdehnung als auch
bei der Zusammendrückung derselben das Bestreben, in
ihre gewöhnliche Oleichgewichtslage mit einer gewissen
Gewalt zurückzukehren; und hierin besteht das, was man
die Elastizität der Materie nennt, während man unter
Kohäsion nur im allgemeinen die Kraft versteht^ womit
die Teilchen eines und desselben Körpers zusammen-
hängen.
Wenn demnach die Materie ausgedehnt wird, so
worden ihre Teilchen, indem sie widerstreben, über die
gewöhnliche Oleichgewichtslage hinaus voneinander ent-
fernt; sie suchen sich der letzteren wieder zu nähern,
und dies scheint die Folge einer wechselseitigen An*
Ziehung zu sein. Bei der Kompression werden um-
gekehrt die Teilchen der Materie über ihre Oleiob^
gewichtslage hinaus einander genähert; sie streben wieder
auseinander, und dies scheint die Folge einer gegen-
seitigen Abstoßung zu sein. So können Anziehung und
Abstoßung leicht als Grundkräfte der Materie erscheinen,
welche bei der Konstitution der verschiedenen Körper
in ein gewisses Gleichgewichtsverhältnis treten, das aber
infolge äußerer Einwirkungen bald zu Gunsten der einen,
bald zu Gunsten der anderen Kraft abgeändert werden
kann, so daß z. B. bei dem gasförmigen Aggregatzustande
eines Körpers lediglich die abstoßende Kraft vorwaltet.
Der Begriff der Materie erscheint hiemach als zu-
sammengesetzt aus den Begriffen von Stoff und Kraft,
so jedoch, daß die letzteren nur in der Abstraktion von-
einander getrennt werden können. In dem erfahr ungs-
— 36 —
mäßig, auf Grund bestimmter Tatsachen, erzeugten Be-
griffe der Materie sind beide unzertrennlich miteinander
verbunden, so daß der eine ohne den anderen gar nicht
gedacht werden kann.
Unter dem Worte Trägheit versteht man in der
Mechanik die Tatsache, daß ein Körper nicht von selbst
aus dem Zustande der Buhe in den der Bewegung, und
nicht von selbst aus Bewegung zur Buhe übergehen
kann. Wenn aber ein Körper aus dem einen Zustande
in den anderen übergeht, so verhält er sich dabei keines-
wegs ganz passiv, sondern er übt dabei eine bestimmte
Wirksamkeit aus. Trifft z. B. ein ruhender Körper mit
einem bewegten zusammen, so überträgt sich die Ge-
schwindigkeit des letzteren auf den ersteren, welcher
eine Geschwindigkeit annimmt, die im umgekehrten Ver-
hältnis zu seiner Masse steht. Beide Körper machen
sich im Moment ihres Zusammentreffens den Baum
streitig, indem zunächst der bewegte in den Baum des
ruhenden einzudringen sucht; dieser wirkt aber mit
einer gewissen Kraft zurück, bis beide eine gemeinschaft-
liche Geschwindigkeit erlangt haben. Niemals verhält sich
ein Körper, der eine bestimmte Veränderung erfährt, sei
diese welche sie wolle, lediglich leidend. Der Unterschied
zwischen Aktivität und Passivität ist hier völlig illu-
sorischy und kann nur eine gewisse relative Bedeutung
haben. Man kann einen Körper, auf den man gerade
die Aufmerksamkeit richtet, als leidend betrachten, wenn
er durch das Zusammenkommen mit einem anderen
Körper eine Veränderung erfährt, und zwar um dessent-
willen als leidend, weil er sich diese Veränderung muß
gefallen lassen. Der andere Körper, dem man die Ur-
sache dieser Veränderung mit Becht zuschreibt, erscheint
dann als tätig, obwohl er ebenfalls der Einwirkung jenes
Körpers ausgesetzt und insofern leidend ist. Kurz, beide
Körper sind aktiv und passiv zugleich. Und dies gilt
allgemein, da man es bei allen mechanischen, physikali-
schen und namentlich auch bei allen chemischen Pro-
— 37 —
zessen deutlich genug wahrnehmen kann. So erleidet
z. B. der Wasserstoff eine bestimmte Veränderung, wenn
er auf gewisse Weise mit dem Sauerstoff zusammentrifft,
aber ebenso erscheint auch dieser durch jenen ver-
ändert; beide bilden in ihrem Zusammensein und der
dadurch begründeten Wechselwirkung einen neuen Körper,
das Wasser, dessen Eigenschaften, verschieden von denen
der beiden Bestandteile, sowohl durch die Tätigkeit des
Sauerstoffs als auch durch die des Wasserstoffs bedingt
sind.
Die Materie ist teilbar, und es fehlt nicht an Bei-
spielen, welche zeigen, daß die Teilbarkeit der Materie
weit über die Grenzen sinnlicher Wahrnehmung hinaus-
geht. Nimmt man nun an, wie dies von der sogenannten
dynamischen Ansicht geschieht, daß die Materie den
Raum kontinuierlich erfülle, so birgt jeder endliche
Körper eine unendliche Fülle von Teilen in sich. Die
Teilbarkeit hat dann keine Grenzen, bei dem physischen
Körper so wenig als bei dem geometrischen, der als ein
begrenzter Teil des kontinuierlichen Raumes gedacht
wird. Wiewohl nun der Augenschein leicht zu der
Meinung verleiten kann, daß die Materie den Raum
kontinuierlich erfülle, so lehrt doch die genauere Be-
obachtung und das Experiment, daß dies nicht streng
genommen werden dürfe, da jede Art von Materie in
ihrem Innern eine Menge von Zwischenräumen verrät
Überträgt man aber die geometrische Teilbarkeit, die
sich auf ein vollkommenes Kontinuum bezieht, im
strengen Sinne auf die Materie, auf das, was im Räume
ist und diesen füllt, so beginnen wir, indem wir Materie
denken, eine Teilung, die ins unendliche tortgesetzt
werden muß, weil jeder Teil noch als ein Ausgedehntes
soll gedacht werden. Unsere Vorstellung von der Materie
ist dann, wie Herbart bemerkt, jederzeit noch im Werden
begriffen und wird niemals fertig, weil alle unendlich
vielen Teile zusammengefaßt werden müssen, um das
Ganze zu erhalten. Das unabhängige Dasein aller mate-
— 38 ^
riellen Teilchen erreichen wir im Denket niemals, ae-
lange wir die Teilchen erst dardi eine Teüang aus dem
Ganzen (der Materie) hervorgehen lassen- Wir erreichen
demnach auch niemals das, was an der Materie wahr-
haft ist, denn wir kommen nie zu allen, nie zu den
letzten Teilchen, eben weil die Teilung ohne Ende
fortgesetzt oder die Unendlichkeit derselben übersprungen
werden müßte. Der Gedanke der unendlichen Teilbarkat
der Materie ist ungereimt. Denn eine Unendlichkeit toh
Teilen annehmen, heißt soviel als nichts annehmen. IXo
Unendlichkeit läßt sich nicht erschöpfen* Man denke
sich ein beliebiges Stück Materie und führe durch das-
selbe einen bestimmten Schnitt; so liegt die Möglichkeit
am Tage, daß man diesen nämlichen Schnitt auf un-
endlich vielfache Weise anders hindurchführen kann.
Hiermit ist wirklich die ganze unendliche Teilung aof
einmal vollzogen, und man hat die letzten Teilchen
wenigstens im Denken erreicht Aber was sind nun
diese Teile? Jeder Teil muß, wie bei einer geometrischen
Teilung, gleichartig sein dem als gleichartig gedachtm
Ganzen. Dieses letztere wurde aber nur insofern gleich-
artig gedacht, als dasselbe Materie darstellt, auf deren
besondere Qualität hier nichts ankommt Also ist jeder
Teil wieder Materie und kann, weil er ausgedehnt ist,
auch wieder geteilt werden. Hierdurch wird nun die
vorige Voraussetzung der schon fertigen, unendlichen
Teilung umgestoßen. Man beginnt auf dieselbe Weise
von neuem zu teilen, und gerät damit in einen Zirkel,
der keinen Ruhepunkt darbietet Diese Betrachtung
bietet hinreichende Veranlassung, jene falsche Anwendung
der Geometrie auf die Materie zurückzuweisen und dea
Schluß zu ziehen: daß die Materie zuletzt nicht wieder
aus Materie besteht, sondern daß ihre wahren Bestand-
teile schlechthin einfach sind.
Diesen Schluß würde man vielleicht schon längst in
weiteren Kreisen gezogen haben, wenn nicht die Schwierig-
keit, aus solchen unräumlichen Elementen die räum-
— 39 —
erfüllende Materie zu konstruieren, daran gehindert hätte.
Die Schwierigkeit wird aber nur scheinbar durch eine
willkürliche Fiktion gehoben, wenn man sich alle Körper
aus kleinsten materiellen Teilchen zusammengesetzt denkt,
die physisch unteilbar sein sollen, und deshalb Atome
genannt werden. Diese Atome, so klein sie auch an-
genommen werden mögen, haben doch immer Ausdehnung,
und wo Ausdehnung ist, da gibt es auch Teile, gleich-
viel ob sie sich gesondert darstellen lassen oder nicht
Man sieht, daß der obige Zirkel sich auch hier wieder
«instellt, und daß man nur dadurch aus demselben
herauskommt^ wenn man die letzten Elemente der Materie
einfach im strengsten Sinne annimmt Diese Elemente
wären dann die eigentlichen Atome, und es würde nun
allerdings eine Aufgabe der höheren Physik sein, nach-
zuweisen, wie aus solchen Elementen die mit Baum-
bestimmungen behaftete Materie sich habe bilden können.
Davon soll weiterhin noch die Bede sein.
Neben der mechanischen gibt es chemische Teilbarkeit
der Materie, welche dann zutage tritt wenn ein Körper,
der als ein gleichartiges Ganze erscheint^ in ungleich-
artige Bestandteile zerfällt. So kann man z. B. Zinnober
in Schwefel und Quecksilber, Wasser in Sauer- und
Wasserstoff, die Alkalien und Erden in Sauerstoff und
gewisse metallische Stoffe zerlegen. Die Chemie nennt
nun solche Stoffe, welche auf chemischem Wege nicht
weiter zerlegt werden können, Grundstoffe oder wohl
auch Elemente, behauptet jedoch keineswegs, daß diese
Stoffe nicht weiter zusammengesetzt seien; denn die
Möglichkeit einer Zusammengesetztheit derselben läßt
sich nicht in Abrede stellen. Es ist also möglich, daß
ein bestimmter Stoff, der Bestandteil eines zusammen^
gesetzten Körpers ist, abermals aus wenigstens zwei un^
gleichartigen Stoffen bestehe. Wollten wir aber so ohne
Ende fortfahren und immer von neuem annehmen, daß
ein jeder der Bestandteile, aus welchen ein Körper zu-
sammengesetzt ist, abermals aus zwei ungleichartigen
— 40 —
Stoffen bestehe, so würde die Ungereimtheit einer
solchen Vorstellungsweise sofort in die Augen springem
Die chemische Teilbarkeit muß, wie die mechanische,
wenn sie nicht zu Ungereimtheiten führen soll, irgendwo
ihre Grenze haben. Zu einer wirklichen Grenzvorstellong
gelangt man aber auch hier nur durch die Annähmet
daß die letzten, wahren Bestandteile der Materie schlecht-
hin einfach sind.
Indessen setzt die chemische Teilbarkeit der Materie
der mechanischen eine gewisse Grenze. Zwei ungleich-
artige Stoffe können sich, wie wir wissen, zu einem
gleichartigen Ganzen vereinigen, wie z. B. Schwefel und
Quecksilber zu Zinnober, Wasser- und Sauerstoff zu
Wasser, Salpetersäure und Kali zu Salpeter usw. Die
mechanische Teilbarkeit eines so zusammengesetzten
Körpers, welche bekanntlich immerfort Teilchen liefert,
die dem Ganzen gleichartig erscheinen, ist beendigt, so-
bald man den gegebenen Körper in seine ungleich-
artigen Bestandteile zerlegt hat. Und es bleibt nun
nichts anderes übrig als die unendliche mechanische
Teilbarkeit auf diese Bestandteile zu übertragen. So oft
aber die letzteren noch in einfachere Bestandteile zerlegt
werden können, ebenso oft findet die mechanische Teil-
barkeit des betreffenden Stoffes (in gleichartige Teilchen)
ihre Grenze.
Der Gedanke einer unendlich mechanischen Teil-
barkeit der Materie wird übrigens auch schon durch die
Tatsache zurückgewiesen, daß die chemische Verbindung
ungleichartiger Stoffe nach bestimmten quantitativen Ver-
hältnissen von statten geht. Dies ist nicht einzusehen,
wenn die Materie den Raum kontinuierlich erfüllt, so
daß sie demgemäß, nämlich infolge der unendlichen Teil-
barkeit, eine beliebige Verdichtung und Verdünnung zu-
läßt. Warum sollte dann nicht ein Stoff mit irgend
einem anderen in allen Quantitätsverhältnissen in Wechsel-
wirkung treten, und sich mit ihm zu einem neuen
Körper verbinden können?
— 41 —
Die dynamische Ansicht, insofern sie eine kontinuier-
liche Raumerfüllung der Materie annimmt, bringt es
nicht einmal bis zur evidenten Erklärung des Risses,
welcher entsteht, wenn ein Körper durch äußere Zugkräfte
zerrissen wird. Nach ihr kann man nichts anderes er-
warten, als daß sich der Körper immer länger dehnt.
Dabei nimmt zwar seine Dichtigkeit fortwährend ab,
aber seine Kontinuität wird und muß bleiben, wenn
nicht der Begriff der Materie, so wie ihn diese Ansicht
aufstellt, in sich selber zerfallen soll. Auch bei einem
unendlichen Wachstum der dehnenden Kraft sollte nach
ihr nur eine unendliche Abnahme der Dichtigkeit des
Körpers, aber kein Reißen desselben stattfinden, i) Ähn-
Uche Schwierigkeiten machen sich geltend, wenn man
nach dieser Ansicht die Zerteilung eines Körpers durch
einen äußeren Druck erklären will.
Die Annahme absolut einfacher Atome, die wir als
die letzten, realen Elemente der Materie betrachten, ist
an sich frei von jedem Widerspruche. Diese Elemente
sind zwar, da sie unserer Anschauung nicht vorliegen,
empirisch unerfaßlich, und insofern nur Gegenstand des
Begriffs; aber ihre Annahme stützt sich doch ganz auf
eine analytische Betrachtung des erfahrungsmäßig Ge-
gebenen und auf den Fortschritt eines gesetzmäßigen
Denkens. Obgleich dieselben, als ausdehnungslose Wesen,
keinen Raum einnehmen, so befinden sie sich doch im
Räume, der sie gewissermaßen in sich enthält. Wie
nun jedem mathematischen Punkte, den man in einem
gegebenen Räume unterscheiden kann, ungeachtet seiner
Ausdehnungslosigkeit, doch eine bestimmte Stelle in
diesem Räume zukommt, so haben auch die einfachen
Atome ihre Raumstellen (Orte), die sie unter Umständen
aber auch verlassen können, um zu anderen Stellen
überzugehen. Diese Atome unterscheiden sich von den
wesenlosen mathematischen Punkten, denen sie in Hin-
*) Vergl. Fechner, Über physik. u. philos. Atomenlehre. S. 54.
— 42 —
sieht auf ihre ränmlichen Verhältnisse vei^Ieicbbar sind,
durch ihre Qualität, durch welche sie positiv bestimmt
sind.
Im gewöhnlichen sinnlichen Yorstellen erscheint osb
alles in räumlicher Weise. Das am meistea Massenhafte
macht sich nicht selten am stärksten geltend, und daB
kleiner Werdende erscheint dem Bewußtsein als ein Yer-
schwindendes. So kann eine Scheu entstehen vor der
Annahme absolut einfacher Atome, die uns keine an.
schauliche Vorstellung gewähren, und dem im sinnlicbea
Vorstellen Befangenen leicht als ein Nichts erscheineo.
Wir können uns dieselben aber denken, so gut wie wir
uns mathematische Punkte im Räume denken; ja wir
müssen uns sogar dieselben denken, wenn wir aus ge-
wissen Ungereimtheiten, die dem gewöhnlichen B^[riS
der Materie anhaften, herauskommen wollen. Es wird
niemandem einfallen, die Realität eines Körpers nach
der Größe des Baumes zu schätzen, den er einnimmt
Niemand wird anstehen, einen Körper, der den zehn-
tausendmillionsten Teil eines EubikzoUs einnimmt, für
ebenso real zu halten, als einen anderen, welcher ein^
zehntausendraillionsten Mal größeren Baum füllt Der
Begriff der Realität, der Begriff dessen, was wahrhaft
ist, ist völlig unabhängig vom Begriff der Räumlichkeit,
so daß dieser zu jenem in gar keiner notw^idigen Be-
ziehung steht Lassen wir nun bei den letzten Bestand-
teilen der Materie die Räumlichkeit ganz fallen, so werden
sie darum nicht der Realität entbehren. Die einfacbea
Atome, die realen Elemente der Materie, können aber,
obgleich jedes Element an sich ganz unräumlich ist,
dennoch untereinander in gewisse räumliche Ver^
hältnisse treten, und dadurch auch dasjenige bilden«
was man Materie nennt Wie dies geschehen kann, soll
bald Gegenstand einer genaueren Betrachtung werden.
Die Ansicht von einfachen Wesen (Elementen), als
letzten Bestandteilen der Materie, findet sich, wie bereits
im historischen Teil dieses Artikels bemerkt ist^ bei
— 43 —
Herbart und in dessen Schule. Auoh fehlt es nicht an
berühmten Physikern, welche dieser Ansicht huldigeii.
So AifPiiRE, Caücht, Sequik, Moigno, Fechnjcr und gewisser-
maßen auch Faraday. Fbchneb^) führt noch W. Websb
an, welcher die Möglichkeit anerkenne, die Atome aos-
dehnungslos zu denken, und darauf eine geistige Auf-
fassung der Atomistik basieren.
Man sieht es als eine Wahrheit an, daß einfache
Punkte den kontinuierlichen Raum nicht zusammensetzen
können, obwohl man sich beliebig viele solcher Punkte
in demselben denken kann. Ebensowenig nun, wie ein-
fache Punkte den kontuierlichen Baum bilden, wird mau
sagen, werden einfache Atome einen Baum erfüllenden
Körper konstituieren. Und dies könnte man zugeben,
wenn die Materie den Baum wirklich kontinuierlich er-
füllte. Dieser Begriff der Materie ist aber bereits, als
-ein der Wirklichkeit nicht entsprechender, zurück-
gewiesen worden. Die Materie füllt zwar den Baum,
aber sie erfüllt ihn nicht als ein Kontinuum.
Man denke sich in einem leeren Baume von be-
stimmter Größe, etwa in einem Kubikzoll, eine beliebige
Anzahl einfacher Punkte, und in diesen ebenso viele
einfache Atome. Solange nun die letzteren in gewissw,
auch noch so kleinen Abständen gleichgültig neben-
einander verharren, werden sie zusammengenommen nichts
darbieten, was einem Körper verglichen werden könnte.
Wie aber die sichtbaren Teilchen eines Körpers einen
wechselseitigen Einfluß aufeinander ausüben, so muß
dies auch von den einfachen Atomen gelten. Dieselben
müssen in einem Kausalverhältnis oder in einem Yerhältnie
der Wechselwirkung zueinander stehen. Jedes Atom
wirke also auf das andere und sei rückwärts dessen
Wirkung ausgesetzt. Wirken die Atome anziehend und
abstoßend zugleich aufeinander, so werden sie sich, diesem
gegenseitigen Einflüsse gemäß, in bestimmten Abständen
^) Atomenlehre. S. 161.
— 44 —
voneinander zu erhalten suchen, und jeder Angriff, den
ein Atom irgendwie von außen her erfährt, wird auch
von Erfolg für die übrigen sein, so daß, wenn das an-
gegriffene Atom in Bewegung gerät, auch die übrigen
Atome in dieselbe mit hineingezogen werden. So bilden
die einfachen Atome, infolge ihrer "Wechselwirkung, ein
Ganzes, das bestimmte räumliche Verhältnisse darbietet
weil die einzelnen wirksamen Glieder desselben in ge-
wissen Abständen einander gegenüberstehen. Jedes Atom
strebt, gestützt durch den Einfluß der übrigen, in dem
Punkte zu verharren, worin es sieh befindet, und kann
aus demselben nur durch Überwindung eines bestimmtei^
Widerstandes verdrängt werden. Wenn demnach eino^
andere Gruppe von einfachen Atomen, die ebenfalls mit-
einander, vermöge ihrer gegenseitigen Einwirkung, zu
einem Ganzen verbunden sind, in jene Atomgruppe 'ein-
zudringen sucht, so werden beide Gruppen einander wider-
stehen und insofern ündurchdringlichkeit verraten. Sachea
wir aber selbst vermittelst unseres Tastor^ns in den
Raum einzudringen, worin einfache Atome in bestimmtefl
Punkten auf die angegebene Weise sich befinden so
werden wir die Einwirkung und demzufolge auch den
Widerstand dieser Atome überalJ, am ganzen ümfanee
des betreffenden Raumes erfahren. Daher wird uns das
Ganze, welches die einfachen Atome, kraft ihrer Wechsel-
wirkung, zusammengenommen darstellen als ein Etwas
erscheinen, das den Raum erfüllt
Wollten wir an die Stelle der einfachen Elemente
materielle Atome von unmeßbar kleinen Dimensionen
setzen, wie das gewöhnlich in der Physik geschieht so
würde dadurch unsere Einsicht in das Wesen der Materie
nur beschränkt werden. Denn es heißt nicht das Wesen
der Materie begreifen, wenn man sich die letzten Be-
standteile, welche die Materie konstituieren sollen
materiell denkt Auch können solche Atome die er-
fahrungsmäßig gegebene Materie so wenig konstituierea
wie die einfachen Atome, wenn sie nicht gleich diesen in
I
— 45 —
einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander stehen.
Kämen sie bis zur Berührung aneinander, so könnten sie
wohl Materie bilden, aber nicht diejenige Materie, welche
uns erfahrungsmäßig gegeben ist; denn diese läßt sich
zusammendrücken, was bei der vorausgesetzten Undurch-
dringlichkeit der materiellen Atome unmöglich wäre.
Die letzteren müssen also gleichfalls in bestimmten Ab-
ständen voneinander gedacht werden, was auch zu ge-
schehen pflegt Dann erscheint jedoch der unmeßbar
kleine Baum, den diese Atome erfüllen sollen, völlig
bedeutungslos. Ihre Wechselwirkung bleibt die Haupt-
sache. Die Kraftverhältnisse aber, welche dieser Wechsel-
wirkung zu Grunde liegen und die Konstitution der
Materie bedingen, können gewiß nicht ursprünglich durch
eine Ausdehnung der Atome bedingt sein.
Die einfachen Atome müssen also auf und gegenein-
ander wirken, wenn sie einen Körper konstituieren sollen.
Diese Wirkungen sind jedoch nicht zu betrachten als
Äußerungen selbstständiger Kräfte, welche gewissermaßen
hinter den Atomen stehen und diese, als passiv, im Baume
hin und herschieben. Bei einer solchen Annahme er-
scheinen die Atome selbst als eine überflüssige Zugabe;
jene Kräfte, sofern man dieselben nur diskret, als punk-
tuelle Intensitäten, denkt (wodurch sie freilich in gewisser
Beziehung mit den einfachen Wesen zusammenfallen
würden), reichen dann schon allein zur Konstruktion der
Materie aus. Die einfachen Atome, welche den wahren
Stoff der Materie bilden, sind vielmehr selbst, ihrem
ganzen Wesen nach, Kräfte, wenn sie einen bestimmten
Körper konstituieren, so daß dieser ein Aggregat von
Kraftpunkten ist. Die Kraftäußerungen der Materie sind
den sie konstituierenden Atomen wesentlich zugehörige
Tätigkeiten.
Nun findet aber jedes Atom, das mit anderen einen
Körper bildet, den Orund oder die Veranlassung za
seiner Tätigkeit nur in den anderen benachbarten Atomen.
Jedes Atom hält das andere in einer bestimmten Eni-
- 46 —
fernung fest und wird Ton diesem festgehalten. Kein
Atom weiß aber etwas von seinem Naohbaratome, xmi
es ist nicht einzusehen, wie ein Atom, das lediglich
sich selbst gleich ist, durch einen auch nooh so kleinen
leeren Raum auf ein anderes eine Wirkung ausüben und
von diesem eine Wirkung empfangen kann. Nehmen
wir an, daß jedes Atom auf das andere anziehend und
abstoßend zugleich wirke, so ist dies schon ein Wider-
spruch, wenn solche entgegengesetzte Tätigkeiten zugleich
und ursprünglich in einem und demselben einfachen
Wesen stattfinden sollen. Sieht man davon aber auch
ab, so können diese Tätigkeiten bekanntermafien doch
keinen Erfolg für ein anderes Atom haben, wenn sie
auf dasselbe in gleichem Maße ausgeübt werden; sie
müssen sich aufheben. Anziehung allein würde aber die
Atome bis zur Berührung nahe bringen; sie könnten dann
keinen Körper bilden, gleichviel, ob sie materiell oder
ausdehnungslos gedacht werden. Und eine alleinige
repulsive (abstoßende) Tätigkeit würde sie im Baume
zerstreuen, also ebenfalls die Bildung eines Körpers ver-
hindern. Es scheint also doch, als ob beide T&tig^eiten,
die attraktive und repulsive, zugleich in den Atomen vor-
handen sein müßten, nur so, daß die eine, die Repalsion,
bei der Annäherung zweier Atome schneller wachse als
die andere, die Attraktion. Die vollständige Berühning
wird dann zugleich mit der völligen Zerstreuung dar
Atome vermieden sein. Wie es aber zugehe, daß ein
Atom durch den leeren Raum hin auf ein anderes wirke,
ist freilich schlechthin unbegreiflich. Ja es ist^ solange
man sich die Atome außereinander denkt, gar nicht zu
begreifen, wie überhaupt nur eine Wechselwirkung von
dem einen zu dem andern hin stattfinden könne. Wie
kann auf diesem Wege ein Atom durch andere zu einer
Tätigkeit veranlaßt werden, die sie innerhalb gewisser
Raumgrenzen dauernd zu einem Ganzen vereinigt? Und
doch müssen sie tätig sein, müssen eine Wechselwirkung
ausüben, falls sie einen Körper konstituieren sollen. Was
— 47 —
nun den Atomen unmöglich ist, so lange sie außer-
einander sind, das vermögen sie vielleicht, wenn sie zu-
sammen, d. h. ineinander sind. Es ist möglich, daß in
einem solchen Zusammen der Atome sich zwischen ihnen
Kraft Verhältnisse bilden, durch welche sie wieder aus-
einander getrieben werden, jedoch so, daß sie in be-
stimmter Weise beieinander bleiben müssen.
Yon der an sich unerkennbaren, einfachen Qualität
der Elemente läßt sich doch so viel einsehen, daß die-
selbe bei mehreren, falls sie wirklich miteinander ver-
glichen werden könnten, entweder gleich oder konträr
entgegengesetzt sein müsse. Im ersten Falle werden
die Elemente, wenn sie zusammen kommen, gleichgültig
ineinander verharren. Denn es ist nicht abzusehen, wie
gleichartige Elemente, als solche, im Falle des Zusammen-
treffens aufeinander einwirken können. Da jedes dem
anderen hiDsichtlich der Qualität völlig gleich ist, so kann
keinem etwas von dem anderen widerfahren. Es müssen
noch andere Bestimmungen hinzutreten, wenn ein Ein*
fluß gleichartiger Elemente aufeinander möglich sein soll.
Im zweiten Falle ist aber an den verglichenen Ele-
menten Gleiches und Entgegengesetztes zu unter-
scheiden. Das Gleiche und Entgegengesetzte sind jedoch
an den Elementen keine gesonderten oder trennbaren
Stücke, nur die Yergleichung stellt es heraus. Die
Qualität eines jeden Elements, verglichen mit der Qualität
eines anderen von der nämlichen Art oder Gattung, er-
laubt die Unterscheidung — nicht wirkliche Trennung
— dessen, was dem anderen gleich und entgegengesetzt
ist Zwischen den Qualitäten je zweier Elemente kann
das Gleiche oder das Entgegengesetzte vorherrschend
sein, imd die Gegensätze unter den Elementen können
sowohl nach Beschaffenheit als auch nach Größe ver-
schieden sein. Sollte nun nicht der Gegensatz zwischen
den Elementen, im Falle ihres Zusammentreffens einen
realen Erfolg haben? Wahrscheinlich ist dies im hohen
Grade. Schon die chemischen Prozesse deuten mit Be-
— 48 —
stimmtheit darauf hin, daß Ungleichartigkeit der Stoffe
oder ein gewisser Gegensatz zwischen denselben das
Prinzip der Anziehung oder die Bedingung ihrer Wechsel-
wirkung sei. Dieselben Prozesse zeigen aber auch, daß
die Teilchen ungleichartiger Stoffe miteinander in die
innigste Berührung kommen müssen, wenn eine Wirkung
zwischen ihnen stattfinden soll. In Bezug auf die ein-
fachen Elemente (Atome) bietet sich nun zunächst fol-
gendes dar.
Steht die Qualität eines Elements A mit der Qualität
eines anderen B im Gegensätze, so sollte, sobald diese
Elemente zusammen, treffen, das Entgegengesetzte ihrer
Qualitäten sich aufheben. Dies ist aber insofern un-
möglich, als das Entgegengesetzte kein abtrennbares Stück
ist, sondern nur in unauflöslicher Verbindung mit dem,
was nicht im Gegensatze steht, die eigentümliche Qualität
des Elements ausmacht Also muß jedes der Elemente,
so gewiß es unaufhebbar ist, sich nach seiner eigenen
Qualität gegen die Störung, die ihm von dem Entgegen-
gesetzten des anderen droht, behaupten als das, was es
ist. Man kann die Qualitäten zweier entgegengesetzter
Elemente A und B bildlich durch die Formeln a -|- b
und a -f- ( — b) darstellen, wo aber a und b keine wirk-
lichen Glieder in den Qualitäten der einfachen Elemente
darstellen, sondern in unauflöslicher Verbindung mit-
einander als ein vollkommen sich selbst gleiches,
substantielles Eins gedacht werden müssen. Ebenso be-
zeichnet das ( — b) in der Formel für die Qualität des B
etwas durchaus Positives, aber dem -f- b im A Entgegen-
gesetztes, was durch das Zeichen: -— angedeutet ist.
Kommen nun solche Elemente A und B zusammen, so
sollte sich ihr Entgegengesetztes (+ b und — b) tilgen
und nur ihr Gleichartiges a übrig bleiben. Da aber
letzteres mit dem ersteren ein unteilbares Eins bildet,
so bleibt nichts anderes übrig, als daß sich jedes Ele-
ment gegen das andere in seiner Qualität behauptet, als
das, was es ist Die Störung, welche erfolgen würde,
— 49 —
wenn das Entgegengesetzte der beiden Elemente sich
aufheben könnte, gleicht einem Drucke, das Bestehen
gegen die Störung einem Widerstände. Die Elemente
bestehen also in der Lage, worin sie sind, in und
widereinander. Man erkennt, daß es sich hier um eine
Abänderung der Qualität handelt, die jedes Element des
Gegensatzes wegen von dem anderen erfahren sollte,
wogegen es aber reagiert und sich selbst behauptet als
das, was es ist Eine Störung sollte erfolgen, die Re-
aktion hebt die Störung auf, dergestalt, daß sie gar nicht
eintritt, und diese Reaktion, welche unmittelbar dem
Gegensatze gilt, ist eigentlich dasjenige, was hier wirk-
lich geschieht.
Die Reaktion ist also nichts anderes als ein Bestehen
gegen eine Störung, welche in dem Verhältnisse der
Qualitäten je zweier Elemente liegt. Auch geschieht
stets zweierlei zugleich, nämlich das Element A be-
hauptet sich als A und B als B. Jede Reaktion, die
von einem Elemente ausgeht, wenn es sich gegen ein be-
stimmtes andere in seiner Qualität behauptet, hat dem-
nach ihren eigentümlichen Charakter. Ist der Gegensatz
zwischen den Elementen A und C ein anderer als der
zwischen A und B, so muß auch die Reaktion des A
gegen C verschieden sein von der Reaktion des näm-
lichen A gegen B.
Die Reaktionen erfolgen unausbleiblich aus dem
Gegensatze der Qualitäten, wenn die Elemente zusammen-
treffen. Sie fallen daher ganz weg bei vollkommen
gleichartigen Elementen, wenn nicht ein ihnen ungleich-
artiges Element dazutritt Wo kein Gegensatz ist, da
kann auch keine Störung und deshalb auch keine Re-
aktion erfolgen.
In den Reaktionen liegt der Grund der Anziehung
der Elemente, sowie überhaupt das, was man Kausalität
oder das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung nennt
Auch zeigt sich hier die Notwendigkeit eines Zusammen
(Ineinander) der Elemente, weil sonst die letzteren einander
Fld.JIag.82S. Flügel.BM Fh>bl«m d«r Mctori«. 4
— 50 —
tmzugänglich bleiben würden, und daher auch der Gegen-
satz ihrer Qaalitäten keinen Erfolg haben könnte.
In dem Gegensätze der Elemente liegt femer das, was
die Chemie die Verwandtschaft der Stoffe za nennen
pflegt Entgegengesetzte Elemente oder Stoffe sind in-
sofern verwandt, als sie eben wegen ihres Gegensatzes
ineinander greifen und gegeneinander reagieren, was bei
völlig gleichartigen Elementen, als solchen, nicht möglich
ist; diese verharren gleichgültig in oder nebeneinander.
Wenn also zwei entgegengesetzte Elemente zusammen
kommen, so verharren sie, vermöge ihrer gegenseitigen
Reaktionen, notwendig ineinander. Es komme nun ein
Element B zusammen mit zwei anderen A und A', die
unter sich von gleicher Qualität seien, während jedes von
ihnen, einzeln genommen, mit jenem ersten im Gegensatze
stehe. Dann müssen die beiden Elemente A, A', sobald
sie mit B zusammen sind, sich gegen dasselbe vollständig
in ihrer Qualität behaupten. Aber auch B mufi sich be-
haupten, und zwar gegen beide A zugleich, da es mit
einem jeden von ihnen in demselben Verhältnisse des
Gegensatzes steht Wenn nun die Reaktion eines Ele-
ments keiner Steigerung ins Unendliche fähig ist, sondern
ihr notwendiges Maß hat, das nicht überschritten werden
kann ; so wird in dem Falle, daß der Gegensatz zwischen
den Elementen A und B ein gleicher, d. h. ein solcher
ist, daß das eine Element ebenso sehr von dem anderen
als dieses von jenem gestört wird, schon ein einziges A
unter Voraussetzung eines vollständigen Zusammen mit B
dieses zu dem höchsten Grade der Reaktion veranlassen.
Ist aber B mit beiden A zusammen, so muß es gegen
dieselben eine zweifache vollständige Reaktion ausüben,
die doppelt so stark ist als diejenige eines einzelnen A.
Hierin liegt ein Prinzip der Repulsion, insofern B einer
Steigerung seiner Reaktion über das natürliche Maß
hinaus widerstrebt Da jedes A wegen des Gegensatzes
zu B gegen das letztere reagieren muß, so sollten beide
A in B verharren. Und dies kann man Anziehung
— 51 —
nennen. Da aber B der zwiefachen, vollständigen Durch-
dringung, die ihm, dem einzelnen, von den beiden A
zugemutet wird, nicht entsprechen kann, so scheint es
gegen sie eine zurückstehende Gewalt auszuüben, die
wir Repulsion nennen.
Hätten nun die Elemente eine gewisse, wenn auch
noch so geringe räumliche Ausdehnung, so könnte man
sagen: während B gegen beide A zugleich reagiert, ver-
mindert sich seine Durchdringung mit den letzteren so
weit, bis deren Reaktionen zusammengenommen gleich
sind der einen vollen (höchsten) Reaktion des B, welche
schon dann stattfindet, wenn dasselbe mit einem ein-
zelnen A vollständig ineinander ist In diesem Falle
einer partialen Durchdringung bestände ein Oleich-
gewicht zwischen der attraktiven und repulsiven Tätig-
keit der Elemente. Ist nämlich ein Element A mit B voll-
ständig zusammen, so kann man das Maximum der Re-
aktion, welches jedes Element gegen das andere ausübt,
= 1 setzen. Kommt nun noch ein zweites A hinzu, so
übt dasselbe gegen B ebenfalls eine Reaktion = 1 aus,
während B gegen dieses A in demselben Maße wie gegen
jenes reagieren muß, so daß es demgemäß seine Reaktion
über den schon gewonnenen Maximalwert hinaus erhöhen
sollte. Dieser Forderung leistet B aber kein Genüge oder
es leistet ihr nur insofern Genüge, als es widerstrebt.
Daher müssen die beiden A aus B herausweichen, und
in dem Grade, als dies geschieht, ihre Reaktion gegen B
vermindern. Das Gleichgewicht der Attraktion und Re-
pulsion von B gegen die beiden A ist erreicht, sobald die
Reaktionen der letzteren einzeln die Hälfte ihres Maximal-
wertes betragen. Dann sind die Reaktionen der beiden
A (V, + V, = 1) zusammengenommen gleich der einen
vollen Reaktion des B, indem die ersteren sich zu dem
Maximalwert der Reaktion ergänzen. Leicht läßt sich
dieses Resultat auf mehrere gleichartige Elemente A
übertragen, wenn sie mit einem ihnen entgegengesetzten
B zusammenkommen. Je größer die Anzahl jener Ele-
— 52 —
mente ist, desto geringer ihre Darohdringang mit dem
anderen B. Wären z. B. der gleichartigen Elemente
drei vorhanden, so würden dieselben nnr so tief in B
eindringen, bis ihre Reaktionen zusammen der vollen
Maximalreaktion von B gleichkämen. Die Reaktion jedes
einzelnen A würde dann Ys ^^^ Maximums betragen,
das die Reaktion in einem A überhaupt erreichen kann,
und die Reaktionen aller drei A würden dann insgesamt
(Vs + Vs + Vs = 1) d^ö ^öllö Reaktion ergeben, welche
mit der höchsten Reaktion des B in einem angemessenen
Gleichgewichte stände. In solcher Weise miteinander
verbunden, würden die Elemente kleinste materiale Massen-
teilchen bilden, die sich wieder untereinander zu einem
größeren materiellen Ganzen verbinden könnten, dem
nicht allein eine bestimmte Kohäsion nnd Dichte, son-
dern auch, wie sich leicht nachweisen ließe, eine be-
stimmte Gestaltung zukommen müßte.
Aber einfache Elemente, wird man sagen, haben
keine Ausdehnung und deshalb kann auch keine partiale
Durchdringung zwischen ihnen stattfinden. Wenn solche
Elemente zusammen sind oder anf irgend eine Weise
zusammen kommen, so mögen zwischen ihnen immerhin
die erörterten Eraftverhältnisse auftreten; sie werden
<iann, infolge derselben, wieder auseinander getrieben,
in diesem Außereinander aber, solange keine neuen Be-
stimmungen hinzukommen, nur ein loses Aggregat bilden,
-das nichts darbietet, was an die wirklich gegebene Materie
erinnern könnte. Dennoch hat Herbart, von welchem die
eben entwickelte Lehre in der Hauptsache herrührt, ge-
stützt auf die Fiktion einer Teilbarkeit des einfachen
Punktes oder, was dasselbe ist, gestützt auf den Begriff
^ines unvollkommenen Zusammen einfacher Punkte, eine
Konstruktion der Materie geliefert, welche auf einer par-
tialen (teilweisen) Durchdringung der einfachen Elemente
{)emht. Zwei Punkte, deren Entfernung = 0 ist, müssen
hiemach nicht, wie es die gewöhnliche Ansicht verlangt,
notwendig als ineinander gedacht werden, sondern sollen
— 53 —
aach aneinander gedacht werden können. Zwischen
dem Aneinander und vollständigen Ineinander liegt dann
das unvollkommene Zusammen dieser Funkte oder, auf
die einfachen Elemente übertragen, deren partiale Durch-
dringung. Wir können dies hier nicht weiter zum
Gegenstände unserer Betrachtung machen, sondern müssen
auf die betreffenden Stellen bei Herbart i) i^erweisen*
Mir selbst hat sich eine Ansicht von der Bildung der
Materie aus einfachen Elementen dargeboten, die ich in
ihren Hauptzügen nachstehend zur Darstellung bringen will.
Wenn zwei einfache Elemente A und B von ent-
gegengesetzter Qualität zusammen sind, so muß jedes
gegen das andere, auf Orund des Gegensatzes, eine Be-
akäon ausüben. Beide Elemente verharren dann nicht
gleichgültig ineinander, sondern jedes sucht sich in dem
anderen zu erhalten, indem das eine gegen das andere
reagiert Hierin liegt das Prinzip der Anziehung. Kommt
nun noch ein zweites dem A oder B gleichartiges Ele-
ment hinzu, so findet natürlicherweise auch zwischen
ihm und dem entgegengesetzten Element (es sei dies
beispielsweise B) eine gegenseitige Reaktion statt Damit
entsteht aber zugleich ein Konflikt zwischen den gleich-
artigen Elementen A; sie drängen gegeneinander, indem
sich jedes gegen das andere in B zu behaupten sucht,
und kraft dieses Konflikts müssen sie einander aus B
nach entgegengesetzten Richtungen verdrängen. Aber
dies geschieht nur, indem jedes A so viel als möglich
widerstrebt; denn jedes sucht in B zu verharren, und
ist also im Augenblick seines Hervordringens aus letzerem
zu zwei Bewegungen in entgegengesetzten Richtungen
angeregt. Darum ist auch die Bewegung der beiden A^
von B hinweg, schon im Anfange einer Beschränkung
oder Hemmung unterworfen; und da sofort mit dem
*) Allgemeine Metaphysik. Teil 11. S. 161 ff., S. 270 ff. ; nach
Hastenstein, Onmdlehren der allgemeinen Metaphysik. Leipzig 1836.
S. 358. — 0. Flügel, Probleme der Philosophie. No. 53-66.
— 64 —
Beginn des Anßereinander dieser Elemente ihr Konflikt
yerschwindet, während ihr Streben zur entgegengesetzten
Bewegung, nämlich nach B hin fortdauert, so moB jene
Bewegung rückgängig werden, oder die Elemente A
müssen wieder von entgegengesetzten Seiten her in B
eindringen. Hier entsteht derselbe Konflikt von neuem;
die Elemente A dringen wieder aus B hervor, kehren
aber auch aus demselben Grunde wieder zu ihm zu-
rück u. s. f. So vollziehen die beiden Elemente A, in-
folge der Kraftverhältnisse, welche aus ihrem ersten Zu-
sammen mit B hervorgehen, unaufhörlich osziilatorische
Bewegung, die ihr Zusammensein mit B ab-
wechselnd aufhebt und wieder herstellt Wird
aber eines der Elemente A, etwa A', durdi
irgend eine äußere Ursache in seiner Be-
wegung aufgehalten, so daß es etwas später als das
andere A auf B trifft, so wird dieses A mit B zusammen
bleiben; und weil es im Moment seines Zusammentreffens
mit B den Gegendruck von Seiten des A' nicht erfährt,
so kann es seine Bewegung, in die es B mit hineinzieht,
nach A' hin fortsetzen. Dadurch kommen aber bald alle
drei Elemente wieder zusammen; es entstehen unter
ihnen von neuem die beschriebenen Kraftverhältnisse,
und durch diese auch wieder die vorigen Bewegungs-
Verhältnisse. Die drei Elemente, so miteinander ver-
knüpft, bilden zwar noch kein materielles Molekül, zeigen
noch keine feste räumliche Gestaltung, aber der Anfang
zur Bildung der Materie aus einfachen Elementen ist
durch diese Bewegungsverhältnisse gegeben. Bevor wir
dies jedoch weiter entwickeln, wollen wir zunächst an
einiges Bekannte erinnern.
Nach der gewöhnlichen physikalischen Atomistik denkt
man sich die Körper aus unteilbaren Elementen oder
Atomen zusammengesetzt, die anziehend und abstoßend
aufeinander wirken, über deren Gestalt und Ausdehnung
aber keine bestimmte Ansicht vorliegt Solche Atome
gruppieren sich nach bestimmten quantitativen Verhält-
— 55 —
Hissen zu zusammengesetzten Atomen oder sogenannten
Molekülen, welche wieder zu einem größeren materiellen
Oanzen zusammentreten können. Der Abstand der ein-
zelnen Atome wird aber größer gedacht als ihre Au&*
dehnung, falls man ihnen eine solche zugesteht, und die
zusammengesetzten Atome oder Moleküle sollen in noch
größeren Distanzen, als die einzelnen Atome, vonein-
ander abstehen. Die Atomgruppe, welche man Molekül
oder kleinstes Massenteilchen oder wohl auch ein Atom
höherer Ordnung nennt, hat, je nach der Stellung der
einzelnen Atome in derselben, eine bestimmte Oestalt,
durch welche natürlicherweise auch die Gestaltung des
größeren Ganzen bedingt ist Wenn nun ungleichartige
Stoffe unter den gehörigen umständen zusammenkommen,
so entsteht aus ihnen ein neuer Körper, indem die
Atome dieser Stoffe sich auf bestimmte Weise zu zu-
sammengesetzten Atomen (Moleküle) verbinden, die dann
untereinander den neuen Körper zusammensetzen. So
bildet z. B. 1 Atom Wasserstoff mit 1 Atom Sauerstoff
1 Atom oder kleinstes Massenteilchen Wasser; und viele
solcher Massenteilchen bilden zusammen eine größere
Wassermenge. In ähnlicher Weise entsteht aus 1 Atom
Schwefel und 3 Atomen Sauerstoff 1 Atom (oder kleinstes
Massenteilchen) Schwefelsäure, und aus 1 Atom Sauer-
stoff mit 1 Atom eines metallischen Stoffes: Kalium
1 Atom (Massenteilchen) Kaliumoxyd oder Kali. Beide,
die Schwefelsäure und das Kali, können sich wieder zu
einem neuen Körper, zu einem Salze verbinden, das
man schwefelsaures Kali nennt, indem sich je l Atom
Schwefelsäure mit je 1 Atom Kali zu einem Massenteilchen
gruppiert, deren viele zusammen ein größeres Quantum
dieses Salzes bilden. Jede chemische Verbindung, die
einen bestimmten Körper darstellt, erscheint sonach als
eine Gruppe mehr oder weniger zusammengesetzter
Atome oder Massenteilchen, deren letzte Glieder jene
nicht weiter teilbaren Atome sind.
Die Teilbarkeit der Körper, welche nicht ins Uii'^
— 56 —
endliche gehen und daher auch keine kontinuierliche
Raumerfüllung durch die Materie zulassen kann, und
eine Menge von Erscheinungen, welche die Materie in
ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften dar-
bietet, fordern diese atomistische Vorstellungsweise. Schon
die Natur eines jeden Kristalles weist auf eine ato-
mistische Konstitution hin. Diese Atomenlehre gewährt
zwar noch keine tiefere Einsicht in das eigentliche Wesen
der Materie, aber sie ist einer beträchtlichen Erweiterung
und Verfeinerung fähig, und kann vielleicht zu einem
selbst die höheren naturwissenschaftlichen Bedürfnisse
befriedigenden Abschlüsse gelangen, wenn sie die Atome
als schlechthin einfache Elemente auffaßt. Ihre weitere
erfolgreiche Ausbildung hängt dann von der Beantwortung
der Frage ab, wie diese einfachen Atome, ohne daß sie
unmittelbar (durch den leeren Raum) aufeinander wirken,
doch unter sich Eraftverhältnisse entfalten, welche aus
ihnen ein räumliches Ganze mit solchen Eigenschaften
entstehen lassen, wie sie die erfahrungsmäßig gegebene
Materie darbietet
Die Erscheinungen des Lichts und der Wärme, obschon
dieselben sich weit über den Umfang der gegebenen
Körper hinaus in den umgebenden Raum erstrecken,
treten doch immer an der wägbaren Materie hervor, so
daß sie jedenfalls durch die Tätigkeit der letzteren, wenn
auch nicht ausschließlich, so doch wenigstens teilweise
bedingt sind. Ähnliches gilt von den Erscheinungen der
Elektrizität. Andrerseits deuten aber diese Erscheinungen
wieder auf etwas von der Materie Unabhängiges und
Selbständiges, als auf ihr Ursächliches hin. Wenn Licht
und Wärme von einem Körper ausgehen und auf einen
anderen treffen, so werden in diesem, allerdings je nach
dessen Natur, Erscheinungen bewirkt, die man nicht ohne
weiteres auf eine bloße, durch jenen Körper veranlaßte,
Selbsttätigkeit desselben zurückführen kann.
Wenn wir sehen, wie ein Körper durch die Wärme
ausgedehnt wird, wenn wir weiter beobachten, daß der
— 57 —
Körper seine bisherige Aggregatform verliert und eine
davon verschiedene erhält, so müssen wir wohl annehmen,
daß etwas von den Massenteilchen der Körper Verschie-
denes und Selbständiges in den Zusammenhang der-
selben eingreift und mit ihnen in Wechselwirkung tritt.
Die physikalische Atomistik hat nun auch schon längst
außer denjenigen Atomen, welche als Grundbestandteile
der wägbaren Materie betrachtet werden müssen, noch
andere Atome angenommen, die sie unter dem Namen
Äther zusammenfaßt Die Atome des Äthers sollen sich
gegenseitig abstoßen, während zwischen jedem Atome
der wägbaren Materie und Ätheratome Anziehung statt-
findet So ist um jedes Atom der Materie eine Äther-
sphäre gruppiert, deren Elemente mancherlei Einwirkungen
von Seiten der Körperatome empfangen können, wenn
diese durch irgend eine Ursache aus ihrer Gleich-
gewichtslage verrückt werden. Dadurch können die
Atome der Äthersphären und weiterhin auch die Äther-
atome im umgebenden Räume in gewisse Bewegungs-
zustände versetzt werden, die sich von Atom zu Atom
auf benachbarte Körper foripflanzen und in diesen ent-
sprechende Veränderungen hervorbringen. Die Fort-
pflanzung der strahlenden Wärme und deren Wirkung
bietet hierzu ein bekanntes Beispiel.
Gehen wir von hier aus zurück zu unserer oben
begonnenen Vergleichung der einfachen Elemente, so
führt diese fast von selbst zur möglichen Existenz von
solchen Elementen, die man in der physikalischen
Atomistik unter dem Namen des Äthers zusammenfaßt.
Die Qualitäten der einfachen Elemente können gleich
sein, aber auch in bestimmten Gegensätzen untereinander
stehen. Der Gegensatz kann nicht allein mehr oder
minder stark sein, sondern auch noch eine andere Art ^
des Unterschiedes darbieten, je nachdem entweder schon
Ein Element A hinreicht, um ein anderes B zu einer
vollständigen Reaktion, nämlich zu dem möglichen Maxi-
mum derselben, das sich aJs Einheit betrachten läßt, zu
— 58 -
veranlassen, oder erst mehrere El^nonte a denjenigea
Grad der Reaktion hervorzubringen vermögen, dessen B
überhaupt fähig ist, so daß der Grad der Beaktion, zu
welchem B durch ein a gebracht wird, als ein BruditeU
der Einheit anzusehen ist Diese Verschiedenheit lä£t
sich als Gleichheit und Ungleichheit des GegensatsiEeß
bezeichnen. Stehen also die Elemente A und B in einem
gleichen Gegensätze zueinander, so werden sich beide
Elemente, falls sie zusammen sind, zu dem höchsten Grad
der B.eaktion, dessen sie überhaupt fähig sind, veranlassen.
Kommt aber noch ein zweites Element A hinzu, so
wirkt B abstoßend, indem es der Erhöhung seiner Re-
aktion über das mögliche Maximum hinaus widerstrebt.
Ist aber der Gegensatz zwischen zwei Elementen B und
a ein ungleicher, so daß etwa zwei Elemente der Art a
nötig sind, um in B das Maximum der Reaktion hervor-
zubringen, so wird die Reaktion von B gegen ein ein-
zelnes a: »a Ys ^^^ ganzen Reaktion in B sein. Die
beiden a werden in diesem Falle mit B zusammen bleiben
können, solange bis ein drittes a hinzukommt, wo dann
das Element B, zufolge der geforderten Erhöhung seinw
Reaktion über das natürliche Maximum hinaus, wieder
abstoßend wirkt Doch wird auch hier zwischen den
Elementen a selbst schon früher, noch ehe das dritte
hinzukommt, Abstoßung einti*eten, insofern sie nämlich
miteinander in Konflikt geraten, indem jedes gegen das
andere in B zu verharren strebt. Sie verdrängen sich
aus dem letzteren nach entgegengesetzten Richtongea,
jedoch, da mit dem Außereinander ihr Konflikt wegMlt,
mit der Bedingung, bald darauf wieder (durch eine rück-
gängige Bewegung) in B einzudringen.
Wie bei dem gleichen, so können auch bei einem
ungleichen Gegensatze im Grunde nie mehr als zwei
qualitativ entgegengesetzte Elemente (B und a) zusammen
bleiben; sobald ein zweites a hinzukommt, entsteht not-
wendig Abstoßung, die im Verein mit der Anziehung
oder dem Bestreben der Elemente a, in B zu verharven^
— 69 —
zu jener oscillatorischen Bewegung der Elemente a in
Bezug auf das eine B führt Der Unterschied liegt nur
darin, daß bei einem ungleichen Gegensatze erst dann
eine abstoßende Tätigkeit von selten des einen Elements^
das wir hier B nennen, erwacht, wenn eine gewisse An-«
2ahl anderer Elemente, die mehr als zwei beträgt, über^
schritten wird; während dieselbe bei einem gleichen
Gegensätze zwischen den Elementen A und B sogleioh
hervortritt, falls ein zweites A oder auch ein zweites B
hinzukommt
Die Gleichheit und Ungleichheit des Gegensatzes hat
namentlich Bedeutung in Hinsicht auf das quantitative
Verhältnis, nach welchem sich die Elemente zusammen
gruppieren. Eine Ungleichheit des qualitativen Geg^i-«
Satzes unter den Elementen, über deren mögliche Anzahl
nichts entschieden werden kann und auch nichts en^
schieden zu werden braucht, ist aber a priori gewü
ebenso wahrscheinlich als die vollkommene Gleichhttt
desselben. Der Gegensatz zwischen einem Element B
und gewissen anderen c kann nun auch so ungleiob
sein, daß eine sehr große Anzahl dieser Elemente nötig
ist, um jenes erste zum Maximum der Reaktion zu vor*
anlassen, dergestalt also, daß sehr viele derselben mit B
zusammen sein können, ehe ihnen von selten des letzteiea
eine abstoßende Tätigkeit entgegentritt. Vermöge dea
Konflikts aber, der zwischen den Elementen c in B statt-
findet, weichen sie aus diesem nach allen Seiten (in der
Sichtung der Badien, die man sich von B aus gezog^i
denken kann) heraus, um bald darauf wieder in dasselbe
einzudringen. Und wenn sie bei dieser osciUatorischea
Bewegung auf andere Elemente c (außerhalb B) treffen^
so können sie diese mit in die Bewegung hineinziehen,
und gewissermaßen zu B hinführen. Sobald aber in B
der Elemente c sich so viele begegnen, daß jenes daa
Maximum seiner Beaktion überschreiten müßte, um sie
alle in sich zu erhalten, gesellt sich zu dem Konflikt^
welcher zwischen den einzelnen Elementen c besteh)^
— 60 —
noch die repulsive Tätigkeit von selten des B, wodurch
eine Vergrößerung der Schwingungsweite der oscillieren-
den Elemente c bewirkt wird. Die letzteren bilden zu-
sammen eine verdichtete Sphäre um das eine Element B,
das für ihre oscillatorische Bewegung das gemeinsame
Zentrum und zugleich der Ursprung ist Alle Elementer
welche sich auf einem und demselben Radius einer
solchen Sphäre befinden, beginnen zwar gleichzeitig ihre
Bewegung nach dem Zentrum hin, können aber dasselbe
nicht alle auch gleichzeitig erreichen, sondern während
die dem Zentrum zunächst gelegenen Elemente aus diesem
schon wieder herausweichen, sind vielleicht die weiter
zurückstehenden erst im Begriff, in dasselbe einzudringen.
Es werden also wahrscheinlicherweise nicht alle Elemente
einer vollständig ausgebildeten Sphäre mit dem Element B
wieder ganz zusammenkommen; aber alle Elemente
werden doch eine gemeinsame Bewegung abwechselnd
nach diesem Element hin und von demselben hinweg
haben. Die Sphäre wird sich demgemäß abwechselnd
verdichten und ausdehnen.
Diejenigen einfachen Elemente nun, welche unter-
einander in einem starken, aber gleichen oder doch nicht
sehr ungleichen Gegensatze stehen, betrachten wir als
die eigentlichen Giiindbestandteile der Materie. Die
anderen dagegen, welche mit diesen Grundelementen und
gewissermaßen Kernpunkten der Materie einen sehr un-
gleichen Gegensatz bUden, und sich demgemäß in sehr
großer Anzahl um jedes einzelne derselben dauernd
gruppieren können, machen zusammen den sogenannten
Äther aus, dessen mögliche Existenz sich aus einer ver-
gleichenden Betrachtung der Elemente (bezüglich ihrer
Qualität) ergeben hat. Auch die physikalische Atomistik
nimmt, wie bereits erwähnt ist, Ätheratome an, von
denen sie ohne weiteres voraussetzt, daß eine sehr große
Anzahl derselben sich um jedes Atom der wägbaren
Materie, vermöge wechselseitiger Anziehung, gruppieren
könne.
— 61
Kommen nun zwei ungleichartige Elemente A und B,
von denen jedes, auf die angegebene Weise, mit einer
Äthersphäre umgeben ist, einander hinreichend nahe, so
werden ihre Äthersphären ineinander greifen, und auf
derSeit^, wo dies stattfindet, Elemente der einen Sphäre
mit denen der anderen zusammentreffen. Diese zu-
sanmientreffenden Ätherelemente, obwohl an sich gleich-
artig, befinden sich doch, da [sie den ungleichartigen
Elementen A und B angehören, in entgegengesetzten
Beaktionszuständen, und können deshalb auch gegen-
einander eine Beaktion ausüben, die einer Anziehung
gleichgeltend ist Wie dem aber auch sein mag, jeden-
falls werden die Ätherelemente, welche beim Inein-
andergreifen der beiden Sphären zusammentreffen, sich
in ihrer Bewegung verzögern, so daß die auf der ent-
gegegengesetzten Seite befindlichen Elemente in dem
Moment, wo die Sphären sich zusammenziehen, den bis-
herigen Druck von der anderen Seiten her nicht mehr
I.
D
in dem Maße wie sonst erfahren werden. Die Sphären
müssen also infolge der Verzögerung, welche die Ele-
mente auf der Innenseite, in ihrer Bewegung nach den
Zentralelementen A und B hin, erleiden, (s. Eig. L) auf
die letzteren einen stärkeren Druck von der Außenseite
her ausüben. Und deshalb müssen die beiden Elemente
A und B sich einander nähern, bis wieder ein neues
Gleichgewichtsverhältnis zwischen den oscillierenden Äther-
elementen sich hergestellt hat Kommt nun zu B noch
ein zweites Element A* hinzu, so wird sich zwischen
beiden das vorige Ereignis wiederholen. Doch erfährt B
keine Ortsveränderung, insofern es auf beiden Seiten
derselben Einwirkung unterliegt; wohl aber müssen die
beiden A (s. Fig. 11.), weil der Druck ihrer Äthersphären
— 62 —
Aof der Außenseite das Übergewicht hat, in der Ricbtung:
iler Heile zu dem Element B hindrängen, bis ein ge-
wisses Gleichgewicht zwischen den Dmckrerhlütmssen
aller drei Athersphären eingetreten ist Dabei können
die letzteren dergestalt ineinander getrieben werden, dafi
jedes Zentratelement innerhalb der iSphäre des benach-
barten Elements zu liegen kommt Die drei Elemente
A, 6 und A' verharren nun in bestimmten Abständen
voneinander, und jede Verrückung des einen Elements
wird eine entsprechende Bewegung des anderen Kur
Folge haben.
Nehmen wir z. B. an, daß das eine Element A' dnrch
iigend eine Ursache etwas von dem mittleren enttent
werde, so ist das Gleichgewicht des Druckes von aeiten
der beiden Sphären tun A gegen B hin gestört Die
Sphäre des Elements A übt jetzt einen stärkeren Druck
aus als die um A'. so daß jene samt dem Element B
nach A hin fortrücken muß. Wird umgekehrt A' durch
irgend eine Ursache in B tiefer eingedruckt, so werden
natürlicherweise audi die beiden anderm Elemente mit
hren Sphtiren eine Verrückung in demselbea Sinne er-
fahren, falls ihnen in der Ricbtung des starkwea Druckes
freie Bewegung gestattet ist Auch werden die drei
Elemente stets eine lineare Anordnung zu behaupten
suchen. Wäre das zweite A' mit B nicht
gerade auf der entgegengesetzten Seite
zusammengetroffen, sondern irgend «o
anders , z, B. wie die Figur III. angibt;
so würde die Bewegung der Atberele-
niente zwischen B und jedeni A, da wo
die Sphären ineinander greifen, wie sonst
verzögert werden. ^In diesem Falle könnte aber das Ele-
ment B, während die beiden A tiefer in dasselbe einzu-
dringen streben, nicht in Ruhe bleiben, weil es nicht
wie oben nach^Jentgegengesetzten Richtungen hin dieselbe
Einwirkung erleidet, sondern es gibt jetzt für B zwei
Richtungen des schwächeren Druckes, die miteinander
— 63 —
eiDen Winkel einschließen. Nach diesen Richtungen, die
man erhält, wenn man sich das Zentrum der Sphäre
um B, also das letztere selbst mit den beiden anderen
Zentralelementen durch gerade Linien verbunden denkt,
strebt das Element B nach A und A' hin. Die wirk-
liche Bewegung des Elements B muß demnach in einer
mittleren Richtung erfolgen, imd daraus resultiert, indem
B zwischen A und A* tiefer eindringt, notwendig eine
lineare Anordnung dieser drei Elemente. — Drei Ele-
mente von der Art A werden um das eine Elemen B
ein gleichseitiges Dreieck, vier ein Quadrat und acht
einen Kubus um dasselbe formieren (s. Fig. I.). Da nun
die Ätherelemente, welche den nicht in*
einander greifenden Teilen der Sphären
angehören, gegen die betreffenden Zentral-
elemente A einen stärkeren Druck ausüben
als die auf der Innenseite befindlichen
Ätherelemente, so werden die Elemente A
nach dem mittleren Element B hingetrieben. Sobald aber
dem äußeren Drucke, nach Herstellung eines gewissen
Gleichgewichts, wieder ein innerer Druck von ange-
messener Stärke entgegenwirkt, müssen die Elemente A
in bestimmten Abständen vcn B verharren.
Die Atome oder Elemente A, so durch ihre Äther-
sphären mit dem Element B verbunden und um dasselbe
gruppiert, bilden Moleküle oder kleinste Massenteilchen
von bestimmter Gestaltung. Jene Elemente können nicht
in unbegrenzter Anzahl, sondern höchst wahrscheinlich
nur nach einem bestimmten quantitativen Verhältnis sich
um das eine Element B in angemessener Weise grup-
pieren, so daß, wenn ihrer sehr viele mit dem letzteren
zusammentreffen, Bewegungsverhältnisse entstehen, durch
welche ein Teil derselben entfernt und von der Ver-
bindung ausgeschlossen wird. Dagegen können solche
Elemente A mit einem neuen B ein zweites Massen-
teilchen dieser Art bilden , u. s. f. Die Gestalt dieser
Moleküle ist aber durch das eben erwähnte quantitative
64
Yerhältnis bedingt Wio nua zwei Elemente A, falls sie
auf ein Element B treffen, mit diesem eine lineare An-
ordnung bilden, so müssen auch mehrere A sich auf eine
bestimmte, regelmäßige Weise nm ein B gruppieren, wie
es das Gleichgewicht zwischen den Dmckverbältnissen
der verschiedenen Äthersphären um A gegen die Sphfire
um B verlangt
Bei anderen Massenteilchen bann, gemäß dem Gegen-
sätze der sie konstituierenden Orundelemente, das quanti-
tative Yerhältnis und die Gestaltung eine andere seia
Wenn z. B. ein Element C sechs andere Elemente von
der Art A dauernd um sich gruppieren kann, so werden
die letzteren zusammen ein Oktaeder um das erstrae
bilden.
Viele Massenteilchen von derselben Art können sich
nun zu einem größeren gleichartigen Ganzen gruppieren,
wenn sie miteinander in hinreichend nahe Beiührang
kommen. Treffen z. B. zwei wUrfelfönuige Hassenteitchen
zusammen, so wird zwischen den Athersph&rea A, A'
(Fig. n.) das bereits in Erwägung gezogene Ereignis statt-
finden; die Ätherelemente an der Berühningsaeite werden
in ihrer Bewegung, nach den Zentralelementen hin, ver-
zögert, so daß der Druck nach der entgegengeeetzten
Seite hin vermindert wird. Da also der äußere Druck in
der Richtung der Pfeile das Obergewicht hat, so werden
die beiden Massenteilchen tiefer ineinander gedrängt und
die Hauptzentralelemente derselben einander näher ge-
rückt; es ist so, als ob zwischen beiden eine gegenseitige
Anziehung stattfände Aber auch hier muß sich ein
— 65 —
bestimmtes Oleichgewicht zwischen dem inneren und
äußeren Druck herstellen; und wie schon jedem kleinsten
Massenteilchen eine bestimmte Gestalt und, gemäß dem
Abstände seiner Orundbestandteile, eine bestimmte Dichte
zukommt, so gilt dies auch von dem größeren Ganzen,
das aus einer gewissen Anzahl von Massenteilchen ge-
bildet ist. Die Grundelemente der letzteren können
durch äußere Einwirkungen (Zug und Druck) vonein-
ander entfernt und einander genähert werden, aber sie
streben mit Notwendigkeit stets wieder zurück in die
normale Lage, welche durch das Gleichgewicht der
Druckverhältnisse bedingt ist Daher ist die Materie
innerhalb gewisser Grenzen, die bei verschiedenen Arten
natürlich mehr oder weniger weit auseinander liegen,
vollkommen elastisch.
Aus solchen kleinsten Massenteilchen müssen wir uns
alle Körper zusammengesetzt denken, unter ihnen auch
die Metalle, sowie überhaupt die sogenannten chemischen
Grundstoffe. Die Elemente aber, welche diese Massen-
teilchen bilden, können durch ihre Kraftverhältnisse so
unauflöslich miteinander verknüpft sein, daß nur die
Verbindung der Massenteilchen untereinander einer
Trennung fähig ist Die Massenteilchen ungleichartiger
Körper vereinigen sich dagegen in bestimmten Verhält-
nissen, welche die Chemie lehrt, zu neuen Massenteilchen
höherer Ordnung, welche sich wieder zu einem größeren
Ganzen gruppieren können. Dies muß im allgemeinen
nach denselben Gesetzen geschehen, welche für die ur-
sprünglichen Elemente galten, als sie sich zu jenen
kleinsten Körperteilchen miteinander vereinigten. Was
aber die Gestalt der Teilchen (Moleküle) des neu ent-
standenen Körpers betrifft, so hängt dieselbe natürlich von
den Formen der kleinsten Massenteilchen (oder Moleküle)
ab, welche den ungleichartigen Stoffen, aus denen er
sich bildet, zugehören. Aus den Betrachtungen, die wir
darüber angestellt haben, folgt, daß die Gestalt derselben
meistens eine polyednsche sein wird.
Pld. Ifag. 828. Flügel , Das Problem der Materie. 5
— 66 —
Massenteilchen von bestimmter r^elmäfiiger Form
können sich so miteinander verbinden, dafi das aus ihnen
gebildete Ganze im Innern und Äußeren eine große
Regehnäßigkeit zeigt, so daß also der Abstand der Atome
und Massenteilchen nach allen Richtungen derselbe ist
Aber es lassen sich noch mehr Fälle denken, wo dies
nicht stattfindet, Fälle, wo der Abstand der einzelnen
Elemente oder Atome nach verschiedenen Richtungen
ein «ingleicher wird, wenn verschiedenartige Massen-
teilchen sich zu einem neuen zusammensetzen. Dann
wird natürlich auch der aus diesen neuen Massenteilchen
bestehende Körper nach verschiedenen Richtungen eine
ungleiche Dichte haben müssen, was ebenso für den
Äther gilt^ der um die einzelnen Atome gruppiert ist und
mit diesen die Materie bilden hilft
Alle Massenteilchen, deren Elemente in demselben
quantitativen Verhältnisse zueinander stehen, müssen die-
selbe Gestalt annehmen, faUs die sonstigen umstände
gleich sind. Besteht z. B. ein Massenteilchen aus Einem
Element von der Art b und acht Elementen von der
Art a, so wird seine Gestalt ein Würfel sein. Dieselbe
Gestalt wird aber auch ein Massenteilchen annehmen,
welches aus den Elementen ß und a in dem Verhältnisse
von 1 : 8 zusammengesetzt ist Denn in dem einen, vvie
in dem anderen Falle werden die acht gleichartigen Ele-
mente sich auf Grund derselben Eraftverhältnisse am das
entgegengesetzte möglichst gleichmäßig zu gruppieren
suchen. Die Gestalt wird daher dieselbe sein, mögen
auch die Elemente der Massenteilchen in beiden fälle
noch so verschieden sein. Ein gleiches Verhalten muß
nun auch bei verschiedenen chemisch zusammengesetzten
Körpern stattfinden, deren ungleichartige Massenteilchen
(Atomgruppen) in demselben quantitativen Verhältnisse
zusammentreten. Doch kann hier, wo die nächsten kon-
stituierenden Bestandteile nicht einfache Elemente, son-
dern Kombinationen aus denselben sind, bei verschiedenen
Körpern neben der gleichen äußeren Kristallgestalt, die
— 67 —
durch das gleiche quantitative Verhältnis jener Bestand-
teile bedingt ist, auch eine gewisse Verschiedenheit in
der inneren physikalischen Konstitution bestehen, welche
ihren Orund darin haben könnte, daß die einfachen Atome
in den Massenteilchen dieser Körper nicht eine vollkom-
mene gleiche Anordnung besitzen.
Die Atome derselben Massenteilchen, welche in be-
stimmten quantitativen Verhältnissen einen Körper bilden,
können unter verschiedenen umständen sich auf ver-
schiedene Weise gruppieren und dadurch Verbindungen
liefern, welche bei derselben prozentischen Zusammen-
setzung und demselben Atomgewichte eine sehr merk-
liche Verschiedenheit in ihrer chemischen Natur zeigen.
Derartige Verbindungen nennt man in der Chemie meta-
merische, während man unter poljmerischen Körpern
solche versteht, welche bei gleicher prozentischer Zn-
sammensetzung ein verschiedenes Atomgewicht besitzen,
so daß also hier die absolute Anzahl der verschieden-
artigen Atomgrappen, welche in die Verbindung eingehen,
nicht dieselbe ist. Die organische Chemie gibt zahl-
reiche hierher gehörige Beispiele. Zu dem letzteren
Falle gehören in der unorganischen Chemie die unter-
schwefelige Säure (S* 0*) und die Pentathionsäure (8*0*),
die beide aus Schwefel und Sauerstoff in demselben
relativen Verhältnis bestehen.
Wenn ungleichartige Massenteilchen sich zu einem
neuen Massenteilchen höherer Ordnung zusanmiensetzen^
so findet dabei, nach den bereits dargelegten Prinzipien,
ein tieferes Ineinandergreifen derselben, also eine Ver-
dichtung statt Die Elemente der Äthersphären geraten
in neue Oszillationszustände, die sich durch den Äther
im umgebenden Baume auf die Äthersphären anderer
Körper übertragen, deren Grundbestandteile dann gleich-
falls einer gewissen Einwirkung unterliegen müssen.
Man erkennt nun leicht, daß hieraus die Erscheinungen
des Lichts und der Wärme folgen können, welche mit
chemischen Verbindungen und !ßrennungen so häufig ver-
— 68 —
bunden sind. Diese Erscheinungen haben ihren Ursi»img
in der Materie, insofern als der Äther einen wesentlichen
Bestandteil derselben ausmacht; sie gehen von der Materie
aus, und können sich, weil jene Bewegung der Äther-
eleraente auf den benachbarten Äther übergeht, weiter
im ümgebungsraume fortpflanzen.
Wenn nun die Ätbersphären verschiedener Elemente
soweit ineinandergreifen, daß jedes Zentraleiement der
einen Sphäre von der anderen umschlossen ist (s. neben-
stehende Fig.), so wird dadurch ein festerer Zusammen-
halt zwischen diesen Elementen bewirkt, die dann nicht
nur in bestimmten Abständen (s. Fig. L), sondern auch
in einer bestimmten gegenseitigen Lage zu verharren
streben. Und dies entspricht dem
I n. Falle der starren Materie. Wenn
aber irgend eine Ursache eine
solche oszillatorische Bewegung
der Ätherelemente veranlaßt welche
dem Drucke der Äthersphären von Innen nach außen das
Übergewicht verschafft, so werden sich die Zentralele-
mente bis zur Herstellung eines neuen Gleichgewichts
voneinander entfernen müssen. Geht nun diese Ent-
fernung soweit, daß das eine Zentralelement aus der
Sphäre des benachbarten Elements herausgerückt (siehe
Fig. IL), dergestalt also, daß nur noch ein Ineinander-
greifen der Äthersphären stattfindet, so ist die Aggre-
gation der Elemente eine andere geworden. Die eine
Äthersphäre wird sich jetzt leicht an der anderen ver-
schieben lassen, wobei das betreffende Zentralelement
eine Drehung um das andere erfährt Diese Elemente
haben dann eine leichte, freie Beweglichkeit nach all^i
Richtungen gewonnen, und dies ist das charakteristische
Kennzeichen der tropfbaren Flüssigkeiten. Es versteht
sich aber von selbst, daß das eben Erörterte noch gerade
so gelten wird, wenn man anstatt der einfachen Atome
Atomgruppen oder Massenteilchen als Zentra der Äther-
sphären annimmt Wirkt nun die Ursache, wdohe in-
— 69 —
folge einer oszillatorischen Bewegung der Ätherelemente
den Druck der Sphären von innen nach außen verstärkt,
fort, so werden die Zentralmassenteilchen immer weiter
voneinander entfernt; ihre Sphären greifen nicht mehr
ineinander ein, hören aber darum nicht auf, mittelst der
zwischen ihnen gelegenen Ätherelemente gegeneinander
zu wirken. Und hierdurch ist im wesentlichen der
gasförmige Aggregatzustand der Materie charakterisiert.
Die Erscheinungen der Elektrizität haften, wie die
des Lichts und der Wärme, an der Materie; sie treten
an derselben durch die verschiedenartigsten Ursachen
hervor, können sich aber gleichfalls weiter in dem um-
gebenden Raum fortpflanzen und dadurch an und in
anderen Körpern auf bestimmte Weise wiederholen.
Auch diese Erscheinungen werden höchstwahrscheinlich
durch bestimmte Gleichgewichts- und Bewegungsverhält-
nisse der Ätherelemente bewirkt, wobei jedoch noch sehr
fraglich ist, ob alle Erscheinungen des Lichts, der
Wärme und Elektrizität durch eine und dieselbe Äther-
art bedingt sind. Was dagegen den Magnetismus an-
langt, so weiß man, daß derselbe sein Wesen hat in
einer Polarität, d. h. in einem gewissen Gegensatze,
dessen ungleichartige Glieder schon in jedem kleinsten
Massenteilchen der betreffenden Körper als vorhanden
angenommen werden müssen. Da nun nach unseren
Prinzipien die kleinsten Teilchen der Materie ans un-
gleichartigen Elementen konstituiert sind, so ist es uns
wahrscheinlich, daß der Magnetismus wesentlich in der
Konstitution der Materie begründet ist, so jedoch, daß
eine besondere Anordnung der Grundelemente erforder-
lich ist, wenn derselbe wirklich hervortreten soll. Mit
diesen Erörterungen müssen wir uns hier begnügen, in-
dem wir auf die in der Einleitung genannten Werke
verweisen.
Die Orundelemente, aus welchen die sichtbare Natur
konstituiert ist, werden also vermittelst ihrer Äther-
sphären in bestimmten Abständen voneinander gehalten,
— 70 —
ohne dafi das eine Element unmittelbar aaf das andere
wirkt. Ans der oben angestellten XJntersuchang läfit
sich aber erkennen, daß die Materie, vermöge der An-
ordnung oder Gruppierung der sie konstituierenden ein-
fachen Elemente, überall, sowohl in ihren näheren als
auch in ihren entfernteren Bestandteilen bis za den
kleinsten Massenteilchen herab, eine bestimmte Oliederung
besitzen muß, die wohl mannigfach modifiziert, aber
niemals ganz aufgehoben werden kann.
Eine unmittelbare Wirkung in die Feme (durch den
leeren Raum) findet nach unseren Prinzipien weder
zwischen den einfachen Elementen, noch zwischen den
aus diesen bestehenden Molekülen, noch endlich zwischen
größeren Massen statt, welche aus solchen Molekülen zu-
sammengesetzt sind. Auch deutet die Erfahrung nur in
einzelnen Fällen scheinbar auf eine derartige Wirkung
hin. Die chemischen Prozesse erfordern durchweg eine
innige Berührung der Eörperteilchen , und von den
meisten physikalischen und mechanischen Prozessen gilt
dasselbe. Ebenso ist es bei der Wechselwirkung zwischen
den Körpern und unseren verschiedenen Sinnesorganen,
durch welche wir die sinnlichen Eigenschaften der Körper-
weit kennen lernen. Das Tastorgan, welches uns die
Materie als etwas Raumerfüllendes zu erkennen gibt,
muß mit derselben in Berührung kommen, und auch
das Geschmacks- und Geruchsorgan reagieren nur gegen
Körperteilchen, mit denen sie in wirkliche Berührung
treten. Die Erscheinungen des Schalles haben aber be-
kanntlich ihre Ursache in einer schwingenden Bewegung
der Körperteil eben , welche auf die Teilchen der um-
gebenden Luft sich überträgt und hierdurch zu unserem
Gehörorgane gelangt, das gleichfalls mit der Luft in Be-
rührung steht. Sollten nun die Körper dem Auge un-
mittelbar ihre Gestalten aufdringen? Oder werden nicht
vielmehr die Empfindungen desselben ebenfalls durch
irgend etwas vermittelt, das zwischen dem Sehorgane
und dem sichtbaren Körper vorhanden ist?
— 71 —
Wir können diese Frage nur bejahen; denn alle Er-
scheinungen des Lichts lassen sich, wie man weiß, mit
Evidenz aus der schwingenden Bewegung gewisser Äther-
elemente erklären, durch eine Bewegung, die von der
Materie aus angeregt wird, so daß zwischen diesen Er-
scheinungen und denen des Schalles eine gewisse Ana-
logie besteht Auch von den Wirkungen der Elektrizität
und des Magnetismus können wir mit Grund behaupten,
daß dieselben durch eine gewisse Yermittelung von
einem Körper auf den anderen übergehen. So bleibt
nur noch ein Fall einer scheinbar unmittelbaren Wir-
kung in die Ferne übrig. Was sollen wir nämlich halten
von jenen Körpern im Himmelsraume, die, wie nicht
geleugnet werden kann, nach einem gewissen Gesetze in
weiten, aber bestimmten Abständen beieinander gehalten
werden, so daß sich jeder Körper in einer gesetzmäßigen
Bahn, die durch den Einfluß der übrigen (zu einem
größeren Ganzen gehörigen) Körper bedingt ist, bewegt?
So besteht unser Sonnensystem aus einer Menge von
selbständigen Körpern, die alle in demselben Sinne um
die Sonne kreisen, während gleichseitig einige wieder die
Zentralkörper von anderen kleineren sind. Dies alles
erklärt sich, wenn man annimmt, daß zwei Körper sich
wechselseitig im direkten Verhältnisse der Massen und
im umgekehrten des Quadrates ihrer Entfernung anziehen;
und eben daraus erklärt sich die freie, beschleunigte
Bewegung der Körper, wenn diese in einem gewissen
Abstände von der Erdoberfläche sich selbst überlassen
werden.
Während hier nur die Anziehung zwischen der Erde
und dem fallenden Körper wirkt, welche den letzteren
in Berührung mit der Erde bringt, findet bei den
Körpern im Himmelsraume noch eine tangentiale Wir-
kung statt, die im Yerein mit der Anziehung und der
hierdurch bewirkten Bewegung nach dem Zentralkörper
hin eine kreisende Bewegung in geschlossener Bahn
hervorbringt Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
— 72 -
die Himmelskörper nach einem bestimmten C^eseüse in
bestimmten Entfernungen beieinander gehalten werden,
während sie ihre Bahnen im Weltenranme vollführen,
aber die Erfahrung sagt uns gewiß nicht, daß dies die
Folge eines unmittelbaren wechselseitigen Einflusses der
betreffenden Körper sei, obschon man sich allerdings
denken kann, daß die Bewegungserscheinungen derselben
so vor sich gehen, als ob sie durch eine gegenseitige
Anziehung bewirkt würden, welche im direkten Verhält-
nisse der Massen und im umgekehrten des Quadrats der
Entfernung je zweier Eöiper oder Eörperteilchen steht
Indessen kann man diesem Gesetze einen mehr tatsäch-
lichen Charakter verleihen, wenn man sagt: Zwei Körper
(oder Körperteilchen) im Baume haben die Tendenz, sich
zueinander hinzubewegen, dergestalt, daß dieselbe, in der
eben ausgesprochenen Weise, von ihren Massen und
ihrer Entfernung abhängig ist Die Frage nach der Ur-
sache dieser Tendenz (oder auch der Gravitation) kann
man dann einstweilen dahingestellt sein lassen. Wollten
wir jedoch eine unmittelbare Anziehung zwischen diesen
Körpern (durch den leeren Raum) annehmen, so möchte
eine solche Hypothese wohl sehr wenig geeignet sein,
unsere Einsicht in den wahren Zusammenhang der be-
treffenden Erscheinungen zu fördern. Wie wenig aber
Newton selbst, der jenes Gravitationsgesetz auffand, einer
derartigen Annahme geneigt war, ergibt sich aus fol-
gender Stelle^), die in seinem dritten Briefe an Bkntley
vorkommt: »daß der Materie die Schwerkraft angeboren,
inhärierend und wesentiich sei, so daß ein Körper auf
einen anderen in der Feme durch ein Vakuum wirken
könnte, ohne Vermittelung von etwas, womit und wo-
durch die Wirkung und die Kraft von dem einen zum
anderen fortgeführt würde, ist für mich eine so große
Ungereimtheit, daß ich glaube, keiner, der in philosophi-
schen Dingen eine kompetente Fähigkeit des Denkens
^) Newtons Works, Hobsleys Edit. 4«, 1783. Vol. IV. p. 43a
— 73 —
besitzt, könne jemals in dieselbe verfallen. Gravitation
muß durch ein beständig nach gewissen Gesetzen wir-
kendes Agens erzeugt werden.« Ob aber dieses Agens
als materiell oder immateriell, und wie es als wirksam
zu denken sei, überläßt Newton einer ferneren Unter-
suchung.
Unsere Prinzipien führen nun, konsequent verfolgt, ge-
wissermaßen von selbst dahin, daß der Äther nicht
allein die einfachen Grundelemente der Materie xmd die
aus ihnen konstituierenden Massenteilchen zusammen-
halte, sondern auch zwischen den größeren aus solchen
Massenteilchen bestehenden Körpern eine gewisse Ge-
meinschaft unterhalten müsse. Wie der Äther sich um
jedes Grundelement und Massenteilchen der Materie grup-
piert, so wird derselbe auch um jeden größeren Körper
eine Sphäre bilden, die sich abwechselnd ausdehnt und
zusammenzieht, indem ihre Elemente abwechselnd zu dem
Körper hin- und von ihm hinweggehen. Die Ver-
breitung einer solchen Sphäre im Baume wird von der
Masse und Größe des Körpers, welchem sie zugehört^ ab-
hängen. Denken wir uns nun zwei Körper, etwa zwei
Kugeln, in einer gewissen Entfernung voneinander, so
daß ihre Sphären ineinander greifen können, so wird
zwischen beiden Körpern eine Verzögerung der os-
zillierenden Bewegung des Äthers stattfinden; dadurch
gewinnt der äußere Druck der Äthersphären das Über-
gewicht, zufolge dessen sich diese Körper zueinander hin
bewegen müssen, so, als ob sie sich gegenseitig anzögen.
Ist aber der eine Körper im Verhältnis zum andern
sehr klein und in die Äthersphäre des letzteren ein-
getaucht, so wird derselbe bei jeder Kontraktion dieser
Sphäre einen Antrieb zur Bewegung nach dem größeren
Körper hin erlangen. Jede einzelne Wirkung dieser
Art wird zwar nicht so energisch sein, als wenn zwei
ungleichartige Elemente oder Massenteilchen mit ihren
Sphären gegenseitig ineinandergreifen, aber es findet hier
eine Summation der Wirkungen statt, aus der eine be-
— 74 —
trächtliche Oesamtwirkong hervorgehen kanxL In dem
Moment also, wo die Sphäre des größeren Körpers sidi
zusammenzieht, wird auf den kleineren ein Druck aas-
geübt, der ihn nach jenem hintreibt, so als ob hier eine
Anziehung, die Gravation, ihren Sitz hätte. Diese Be-
wegung, welche sich fortsetzt, während die Sphäre sich
ausdehnt und verdünnt, wird durch jede folgende Kon-
traktion des Äthers verstärkt Alle Massenteilchen des
bewegten Körpers erfahren von selten des sich zusammen-
ziehenden Äthers denselben Druck, und wenn dieser
Körper im Verhältnis zum andern von sehr geringer
Ausdehnung ist, so werden alle seine Massenteilchen von
gleichen, parallelen Druckkräften getrieben. Hiervon
können wir nun sogleich eine Anwendung machen auf
die nähere Bestimmung der Wirkung, welche irgend ein
Weltkörper auf andere kleinere Körper ausübt, die sich
innerhalb seiner Äthersphäre befinden, z. B. auf die
Wirkung der Erde gegen irgend einen Körper, wenn der-
selbe in einer gewissen Entfernung von ihrer Oberfläche
sich selbst überlassen wird.
Jede Kontraktion des schwingenden Äthers, der um
die Erde in der Form einer Sphäre gruppiert ist, er-
teilt einem solchen Körper eine gewisse Oeschwindig-
keit, die durch jede folgende Kontraktion vermehrt wird.
Diese Einwirkung wiederhole sich allemal nach Verlauf
des mten Teiles einer Sekunde, die als Zeiteinheit an-
gesehen werde. Der Körper wird dann, während dieser
Zeiteinheit, eine Anzahl m jener Einwirkungen erfahren,
die zusammen ihm eine bestimmte Geschwindigkeit «i g
erteilen werden. Die Geschwindigkeit, welche durch eine
einzige Kontraktion des oszillierenden Äthers bewirkt
er
wird, ist demnach — ^- = p, und der Weg, welchen der
Körper mit derselben in dem Zeitteilchen =Tdurch-
m
ff
fällt, «a— ^^ = p T. Mit Bücksicht auf die nacheinander
— 75 —
folgenden Zeitteilohen, o, t, 2 t, 3t,.... n t hat man
nun für die von den Emwirkungen des Äthers herrühren-
den Geschwindigkeiten, am Anfange eines jeden solchen
Zeitteilchens, der Reihe nach p, 2 p, 3 p, . . . . n p, und für
die während dieser Zeitteilchen durchlaufenen Wege p t,
2 p T^ 3 p r, .... n p r. Die Summe aller dieser Wege
ists=pT(l + 2 + 3 + .... + n) = pr(l + n)^
oder, wenn man für p und t ihre obigen Werte setzt,
2 \m« ^ m»/'
Bezeichnet man nun die beliebige Anzahl von Zeit-
1 Tl
teilchen, deren jedes = — ist, nämlich — , mit t so hat
' m m
man
n = m t und daher auch s = -f- ( — z- + — r- 1
2 \m* m* /
gt« ^ gt
2 ^ 2m'
Das zweite Glied dieser Formel wird aber um so
kleiner, je größer m, d. h. je schneller die Eontraktionen
des schwingenden Äthers aufeinander folgen, oder in
je kürzerer Zeit die Ätherschwingungen vollendet werden.
Nimmt man nun an, daB die Schwingungszeit außer-
ordentlich klein ist, oder daß die Schwingungen ungemein
rasch aufeinander folgen, so kann man n = oo setzen,
zufolgedessen das zweite Glied jener Formel verschwindet
Daher s = V, g t*.
n IT
Setzt man aber in dem Ausdrucke n p = — ^ der
'^ m
durch n Ätherkontraktionen bewirkten Geschwindigkeit:
n = mt, so erscheint c = gt für die Geschwindigkeit,
welche der Körper während der Zeit t erlangt hat, wo g
immer, seinem obigen Begriffe gemäß, die in der Zeit-
einheit erzeagte Geschwindigkeit ist
Die Formeln c = gt und s = Vi g'* drücken nun
bekanntlich die Bewegungsgesetze der frei nach der Erde
— 76 —
hi& fallenden Körpw aus. Das Besiiltst jener Äther*
Schwingungen ist also dasselbe, als ob die Bewegung
dieser Körper von einer kontinuierlich wirkenden Kraft
herrührte. Man betrachtet die Schwere als eine solche
Kraft, nimmt jedoch häufige um die betreffenden Oesetze
abzuleiten, an, daß dieselbe stoßweise wirke. Dadurdi
zerlegt man die gleichförmig beschleunigte Bewegung,
der eben dargelegten Entwicklung gemäß, in eine Folge
von gleichförmigen Bewegungen, die zusammen sich jener
um so mehr nähern, je schneller die stoßweisen Wir-
kungen aufeinander folgen. Es kann aber keinem Zweifel
unterliegen, daß die Ätherkontraktionen eine gleichförmig
beschleunigte Bewegung der fallenden Körper bewirken
werden, sobald nur die Schwingungszeit des Äthers so
klein ist, daß das zweite Glied in der obigen Formel für s
in Bezug auf das erste vernachlässigt werden kann. Auch
kann man bei der Betrachtung des freien Falles der
Körper von verhältnismäßig geringen Höhen annehmen,
daß die aufeinanderfolgenden Kontraktionen des schwingen-
den Äthers gleich sind. Sonst muß aber die Wirkung
mit der Entfernung von der Erde abnehmen; denn je
weiter die Ätherschichten von der Oberfläche der Erde
entfernt liegen, desto geringer ist ihr Zusammenhang mit
der letzteren, und von diesem Umstände hängt die In-
tensität der Wirkung ab. Da nun die Oberflächen ver-
schiedener Kugelschichten sich verhalten wie die Quadrate
ihrer Halbmesser, so wird die Wirkung mit dem Qua-
drate der Entfernung abnehmen.
Wie die Körper über der Oberfläche der Erde sich
zu dieser, so werden sich die verschiedenen Planeten in
der Äthersphäre der Sonne, ihres Zentralkörpers, ver-
halten, soweit es ihr Bestreben betrifft, sich nach dem
letzteren hinzubewegen. Viele Weltkörper zusammen-
genommen können aber den Äther zu einem solchen
Systeme von Schwingungen veranlassen, als ob dasselbe
von ihrem gemeinschafüichen Schwerpunkte ausginge.
Die Kontraktion oder Biickwirkung des schwingenden
— 77 —
Äthers wird sie dann alle gegen ihren gemeinsehafüichen
Schwerpunkt hintreiben, so als ob in diesem die Gravi-
tation ihren Sitz hätte.
Der groBe Reichtum von Erscheinungen, welchen die
gegebene Natur darbietet, läßt sich durch eine ver-
gleichende Betrachtung in verschiedenartige Gruppen
sondern, deren jede, in Hinsicht auf ihr Ursächliches,
Gegenstand einer Spezialuntersuchung werden kann. Die
Körper aber, an welchen die mannigfachen Naturerschei-
nungen zutage treten, sind bis zu gewissen Grenzen
chemisch und mechanisch teilbar. Die chemische Teil-
barkeit führt jeden zusammengesetzten Körper zurück
auf eine Mannigfaltigkeit einfacherer Bestandteile, die in
einem gewissen Gegensatze zueinander stehen. Die
mechanische Teilbarkeit liefert dagegen Teilchen, die dem
Ganzen, aus dem sie hervorgehen, gleichartig erscheinen.
Von den kleineren Teilchen gelangt man im Denken,
gestützt auf die Analjsis des Gegebenen, zu kleinsten
Massenteilchen, die noch die Natur des größeren mate-
riellen Ganzen, das sie zusammen bilden, an sich haben.
Die kleinsten Massenteilchen eines jeden Körpers sind
endlich Kombinationen jener absolut einfachen Atome, aus
deren Kraftverhältnissen sie (die Massenteilchen) resul-
tieren. Es liegt nun im Begriff dieser Atome, daß sie
auf eine Mannigfaltigkeit noch einfacherer Bestandteile
nicht zurückgeführt werden können. Mit der Annahme
derselben sind wir zu einer notwendigen Grenzvorstellung
gelangt, die wir, solange man im Bereiche der uns ge-
gebenen Natur verweilt, nicht zu überschreiten brauchen.
Doch liegt die Möglichkeit vor, daß selbst die einfachen
Atome noch durch etwas anderes, von ihnen völlig ver-
schiedenes, bestehen, das aber für sie alle dasselbe sein
muß, und von dem sie alle auf gleiche Weise abhängen
werden. Die Art und Weise indes, wie die vielen ein-
fachen Wesen (Atome) von dem Einen abhängen, ver-
— 78 —
mögen wir hier, auf dem Standpunkte der Phyalk, nicbt
näher zu bestimmen. Wir stehen Tor der Pforte da
religiösen Glaubens und schließen, indem wir die Mög-
lichkeit dieser Abhängigkeit anerkennen , mit dem
Spruche des Apostel Paulus: »Es sind manchedei
Kräfte, aber es ist Ein Oott, der da wirket alles m
allen. <
Terlag von Hermann Beyer ft Söhne (Beyer ft Mann) in Langensalza.
Pädagogisches Magazin.
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nnter denen de nützen können. 2. Aufl. 45 Ff.
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5. Ufer, Christian, Das Wesen des Schwachsinns. 2. Aufl. 25 Ff.
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schen Lehrer-Yereine. 40 Ff.
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2. Schnllerus, Dr. Adolf, Die Deutsche Mythologie in der Eniehanga-
schnle. 20 Ff.
.3. Kef er stein, Dr. Horst, Eine Herderstadie mit besonderer Beziehung
auf Herder als F&dagc^. 40 Ff.
4. Wittstock, Dr. Alb,, Die ÜberffiUong der gelehrten BemJbzweige. 50 FL
5. Hnnziker, Frof. 0., Gomenios and Pestalozzi. Festrede. 2. Aofl. 40 FL
6. Sallwürk, Dr. £. Ton, Das Becht der YolksscholaofsiGht Nach den
Yerhandlmigen der württembeiK. Kammer im Mai 1891. 25 Ff.
7. Bossbach, Dr. F., Historisime Bichtigkeit and Volkstümlichkeit im
Geschichtsanterrichte. 40 Ff.
8. Wohlrabe, Bektor Dr., Lehrplan der sechastnfigen Volksschnle so
Halle a. S. für den Unterricht m (beschichte, Geographie, NatorlehrSb
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leben. 2. Aafl. 30 Ff.
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der Zacht in den städtischen Lateinschalen des 16. Jahrhanderts. 50 Fd
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barts. 2. Auflage. 60 Ff.
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6. Bergemann, Dr. F., ^e wird die Heimatskande ihrer soi.»ethisch<B
Aufgabe gerecht? 2. Aufl. 80 Ff.
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Lehrer. 40 Ff.
8. Honke, Julius, Zur Pflege Tolkstüml. Bildung und Gesittung. 50 Ft.
9. Beukauf, Dr. A«, Abnorme Kinder und ihre Pflege. 2. Aiä. 35 Fd
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79. Keferstein, Bich. Rothe als Pädagog und Sozialpolitiker. 1 M.
80. Thieme, Über Volksetymologie in der Volksschule. 25 Pf.
81. Hiemesch, Die Willensbildung. 60 Pf.
82. Flügel, Der Rationalismus in Herbarts Pädagogik. 50 Pf.
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88. Janke, 0., Schäden der gewerblichen und landwirtschaftlichen Einder-
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89. Foltz, 0., Die Phantasie in ihrem Verhältnis zu den höheren Geiste?-
tätigkeiten. 40 Pf.
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91. Keferstein, Dr. H., Zur Erinnerung an Philipp Melanchthon als
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92. Staude, P., Über Belehrungen im Anschl. an d. deutsch. Aufsatz. 40 Pf.
93. Keferstein, Dr. H., Zur Frage des Egoismus. 50 Pf.
94. Fritzsche, Präp. zur Geschidite des groüsen Kurfürsten. 60 Pf.
95. Schlegel, Quellen der Berafsfreudigkeit 20 Pf.
96. Schleichert, Die volkswirtschaftl. Elementarkenntnisse im Rahmen
der jetzigen Lehrpläne der Volksschule. 70 Pf.
97. Schullerus, Zur Methodik d. deutsch. Grammatikunterrichts. (ü.d.Pr.)
98. Staude, Lehrbeispiele für den Deutschunterr. nach der Fibel von
Heinemann und Schröder. 60 Pf. 2. Heft s. Heft 192.
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100. Muthesius, K., Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung daa
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102. Gille, Bildung und Bedeutung des sittlichen Urteils. 30 Pf.
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111. Lobsien, M., Die mech. Leseschwierigkeit der Schriftzeichen. 80 Pf.
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113. K. M«, Gedanken beim Schulanfemg. 20 Pf.
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mögen wir hier, aal dem Standpunkte der Physik, nid
näher za bestimmen. Wir stehen vor der Pforte d«
religiösen Glaubens und schlieBen, indem wir die Mo{
lichkeit dieser Abhängigkeit anerkennen , mit dei
Spruche des Apostel Paulus: »Es sind mancherli
Siräfte, aber es ist Ein Gtott, der da wirket alles i
allen.«
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Verlag von Herauum Beyer fr Söhne (Beyer fr Mann) in Langensaha.
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8. Sallwfirk, Dr. £. von, Baomgarten gegen Diesterweg. 25 PL
9. TewB, Joh., Sozialdemokratische Pidi^ragik. 3. Aofl. 50 PL
10. Flfigel, 0., Über die Phantasie. Ein Vortrag. 2. Aufl. 30 PL
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12. Schuller US, Dr. Adolf, Die Deutsche Mythologie in der Eniehnng»-
schule. 20 Pf.
13. Keferstein, Dr. Horst, Eine Herderstudie mit besonderer Bedehnng
auf Herder als Pftdagt«. 40 PL
14. Witt stock, Dr. Alb., Die ÜberfUlung der gelehrten Berufuweige. 50 PL
15. Hunziker, ProL 0., Comenius und Pestalozzi. Festrede. 2. Am 40 PL
16. Sallwark, Dr. £. von. Das Becht der Volksschulaufinoht Nach den
Verhandlungen der wfirttemberg. Kammer im Mai 1891. 25 PL
17. Bossbach, Dr. F., Historis^e Bichtigkeit und VolkstOmlidiksIt im
(JeschichtBunterrichte. 40 PL
18. Wohlrabe, Bektor Dr., Lehrplan der sechsstnfigen Volksschule n
Halle a. S. fflbr dm Unterricht m (beschichte, Geographie, Naturlehrsb
Baumlehre, Deutsch. 40 Pf.
19. Bother, H., Die Bedeutung des ünbewulsten im mensehl. Seelen-
leben. 2. Aufl. 30 Pf.
20. Gehmlich, Dr. Ernst, Beitrige zur Geschichte des Unterrichts und
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21. Ho 11 kämm. F., Erziehender Unterricht und Massenunterricht. 60 PL
22. Janke, Otto, Körperhaltung und Schrifirichtung. 40 PL
23. Lange, Dr. Karl, Die sweckmifirige Gestaltung der GifontUchen Sdnil-
prOfimgen. 30 PL
24. Gleichmann, ProL A., Über den blob darstellenden Unterricht Bat-
barts. 2. Auflage. 60 Pf.
25. Lomberg, A., Grobe oder kleine Schulsysteme? 45 Pf.
26. Bergemann, Dr. P., Wie wird die Heimatskunde ihrer sos.-ethiaclMn
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27. Kirchberg, Th.9 Die Etymologie und ihre Bedeutung fOi Schule md
Lehrer. 40 Ff.
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Skizze. 2. Aafl. 30 Pf.
34. Schmidt, M., Zur Abrechnung zwischen Endehong o. Begienmg. 40 FL
35. Richter, Albert, Geschichtsunterr. im 17. Jahrhundert. 35 PL
36. P^rez, Bemard, Die Anfänge des IdndL SeelenlebeoB. 2. Anfl. 60 11
37. Bergemann, Dr. P., Zur Scholbibelfirage. 50 Pt
38. SchnlleruB, Dr. Adolf, Bemerkungen sur Schweizer Famflieobibd
Ein Beitrag zur Schulbibelfrage. 20 PI
39. Staude, Das Antworten d. Schüler L lichte d. PaychoL 2. Anfl. 25 R
40. Tews, Volksbibliotheken. 20 Pf.
41. Keferstein, Dr. Horst, E. Morita Arndt als Pidagw. 75 PI
42. Gehmlich, Dr. £., Erziehung und Unterricht im 18. Jahilinndert naflk
Salzmanns Roman Karl y. Karlsberg. 50 FL
43. Fack, M., Die Behandlung stotternder Schüler. 2. Anfl. 30 Fl
44. Ufer, Chr., Wie unterscheiden sich gesunde und krankhafte CiirtM
zust&nde beim Kinde? 2. Aufl. 35 Pf.
45. Beyer, 0. W., Ein Jahrbuch des franz. Volksschulweaeiia. 20 PL
46. Lehmhaus, Fritz, Die Vorschule. 40 Pf.
47. Wen dt, Otto, Der neusprachliche ünterr. im Lichte der nenen Lbbt'
El&ne und Lehraufgaben für die höheren Schulen. 30 PL
lange, Dr. K., Rückblicke auf die Stuttgarter LehrerFereammlnng. 3011
49. Busse, H., Beiträge zur Pflege des ästhetischen Geffihls. 40 PI
50. Keferstein, Dr. H., Gemeinsame Lebensaufgaben, Tntnmmion vai
wissenschaftliche Grundlagen tou Kirche und Schule. 40 PL
51. Flügel, 0.« Die Religionsphilosophie in der Schule Herbaita. 50 Ff.
52. Schnitze, 0., Zur Behandlung aeutsdier Gedichte. 35 PL
53. Tews, J., Soziale Streiflichter. 30 Pf.
54. Göring, Dr. Hugo, Bühnentalente unter den Kindern. 20 PL
55. Keferstein, Dr. H., Aufgaben der Schule in Beziehonn^ anf dae ■odil'
politische Leben. 2. Aufl. 50 Pf.
56. Steinmetz, Th., Die Herzogin Dorothea Maria Jim Weimar nnd fhm
Beziehungen zu Ratke und zu seiner Lehrart. 50 PL
57. Janke, 0., Die Gesundheitslehre im Lesebuch. 60 Pf.
58. Sallwürk, Dr. E. v.. Die formalen Aui^ben des dentufaen VnUh
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64. Schlegel, Die Ermittelung der ünterrichtsergebnisae* 45 PL
65. Schleichert, Exper. u. ^obacht. im botan. üntenidit. 20 PL
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Menschen. 1 M.
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119. Grofskopf, A., Sagenbildung im Geechichtsunteiricht. 30 Ff.
120. Ge hm lieh, Dr. Ernst, Der GefQhlsinhalt der Sprache. 1 M.
121. Keferstein, Dr. Horst, Volksbildung und Yolksbildner. 60 Ff.
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134. Gille, Bektor, Die didaktischen Imperative A. Diesterwega im lidito
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148. Honke, J., Über die Pflege monarch. (Besinnung im Unterricht. 40 FL
149. Groth, H. H., Deutungen naturwissensch. Beformbestiebangen. 40 FL
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pädagogische. 2. Aufl. 90 Pf.
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154. Kirst, A., Grewinnnng d. Kupfers u. Silbers im Mansfeldschen. 60 Pf.
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157. Thieme, F., Kulturdenkmäler in der Muttersprache tOi den Unter-
richt in den mittleren Schuljahren. 1 M 20 Pf.
158. Böringer, Fr., Frage und Antwort Eine peychol. Betrachtung. 35 PL
159. Okanowitsch, Dr. Steph. M., Interesse u. Selbsttätigkeit 20 PI
160. Mann, Dr. Albert, Staat und Bildungswesen in ihrem Verhältnis ni
einander im lichte der Staatswissenschaft seit Wilhelm ▼. Humboldt 1 IL
161. Begener, Fr., Aristoteles als Psychologe. 80 Pf.
162. Göring, Hugo, Kuno Fischer als Literarhistoriker. L 45 Pf.
163. Foltz, 0., Über den Wert des Schönen. 25 Pf.
164. Sallwürk, Dr. E. von, Helene Keller. 20 Pf.
165. Schöne, Dr., Der Stundenplan n. s. Bedeutung f. Schule und Hans. 50 PL
166. Zeissig, K, Der Dreibund von Formenkunde, Zeichnen und Hand-
fertigkeitsunterricht in der Volksschule. Mit einem Vorwort iron Pro!
Dr. 0. Willmann-Prag. 65 Pf.
167. Flügel, 0., Ober das Absolute in den ästhetischen Urteilen. 40 PL
168. Grosskopf, Alfred, Der letzte Sturm und Drang der deutschen
Literatur, insbesondere die moderne Lyrik. 40 Pf.
169. Fritzsche, B., Die neuen Bahnen des erdkundlichen Unterrichts.
Streitfragen aus alter und neuer Zeit 1 M 50 Pf .
170. Schleinitz» Dr. phil. Otto, Darstellung der Herbartschen Inter-
essenlehre. 45 Pf. [Volksschnlerziehung. 65 PL
171. Lembke, Fr., Die Lüge unter besonderer Berücksichtigung dar
172. Förster, Fr., Der Unterricht in der deutschen Bechtschreibnng
vom Standpunkte der Herbartschen Psychologie aus betrachtet 50 PL
173. Tews, J., Konfession, Schulbildung und Erwerbstätigkeit 25 PL
174. Peper, Wilhelm, Über ästhetisches Sehen. 70 PL
175. Pflugk, Gustav, Die Übertreibung im sprachlichen Ausdruck. 30 Pf.
176. Eismann, 0., Der israelitische Prophetismus in der Volksschule. 30 PL
177. Schreiber, Heinr., Unnatur im heut Gesangunterrioht 30 Pf.
178. Schmieder, A., Anregungen zur psycho!. BetriKshtung d. Sprache. 50 Pf«
179. Hörn, SLleine Schulgemeinden und kleine Schulen. 20 Pf.
180. Bötte, Dr. W., Wert und Schranken der Anwendung der Formal-
stufen. 35 PL
181. Noth, Erweiterung — Beschränkung, Ausdehnung -^ Vertiefang des
Lehrstoffes. Ein ^trag zu einer noch nicht gelösten Frage. 1 M.
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183. Siebert, Dr. A.» Anthropologie und Beligion in ihrem Verhältnis
zu einander. 20 Pf.
184. Dressier, Gedanken über das Gleichnis vom reichen Manne und
armen Lazarus. 30 Pf.
185. Keferstein, Dr. Horst, Ziele und Aufgaben eines nationalen Kinder-
und Jugendschutz -Vereins. 40 PL
186. Bötte, Dr. W., Die Gerechtigkeit des Lehrers gegen s. Schüler. 35 Pf.
187. Schubert, Bektor a, Die Schülerbibliothek im Lehrplan. 25 Pf.
188. Winter, Dr. jur. Paul, Die Schadensersatzpflicht, insbesondere die
Haftpflicht der Lehrer nach dem neuen bürgerlichen Becht 40 Pf.
189. Muthesius, K., Schulaufsicht und Lehrerbildung. 70 PL
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190. Lobsien, M., Über den relativen Wert Tersch. Binnestypen. 90 PL
191. Schramm, F., Saggestion and Hypnoie nach ihrer Ersdieinaiii
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192. Staude, P., Lehrbeispiele für den Deutachonterricht nach dar FHmI
von Heinemann und Schröder. (2. Heft) 25 Pf. 1. Heft a. Heft 9&
193. Pick er, W., Über Konzentration. Eine Lehrplanfrage. 40 Pf.
194. Borne mann, Dr. L., Dörpfeld und Albert liange. Zur Einffihroig
in ihre Ansichten üb. soziale Frage. Schale, Staat o. Kirche. 45 ?L
195. Lesser, Dr., Die Schale und die Fremdwörterfrage. 25 Pf.
196. Weise, B., Die Fürsorge d. Volksschule ffir ihre nicht achwachainnign
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197. Staude, P., Zur Deutung d. Gleichnisreden Jesu in neuerer Zeit. 25 FL
198. Schaefer, K., Die Bedeutang der Schülerbibliotheken. 90 PL
199. Sallwürk, Dr. K y., Streif züge zur Jugendgeechichte Herbarta. 60 PL
200. S i e b e r t , Dr. 0. y Entwickelungsgeschichte d. Menschengeechlechta. 25FL
201. Schleichert, F., Zur Pflege d. &8thet Interesses i. d. Schale. 25 Ft
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204. Gille, Gerb., Die absolute Gewüsheit und Allgemeingiltigkeit 6m
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205. Schmitz, A., Zweck und Einrichtung der Hilfsschulen. 30 Pf.
206. Grosse, H., Ziele u. Wege weibl. Bildung in DeutschUnd. 1 M 40 Pf.
207. Bauer, G., Klagen über die nach der Schulzeit hervortretenden M&ngd
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209. Friemel, Rudolf, Schreiben and Schreibonterricht. 40 Pf.
210. Eeferstein, Dr. H., Die Bildungsbedürfnisse der Jugendlichen. 45 FL
211. Dannmeier, H., Die Aufgaben d. Schale i. Kampf g.d.Alkoholiamna. 35FL
212. Thieme, P., Gesellschaftswissenschaft and J^iehnng. 35 Pf.
213. Sallwürk, Prof. Dr. Edmund von, Das Gedicht als Kunstwerk. 25 PL
214. Lomberg, Aug., Sollen in der Volksschule auch klasa. Dramen uad
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216. Zeifsig, Emil, Über das Wort Konzentration, seine Bedeatong vad
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217. Niehas, P., Neuerungen in der Methodik des elementaren Geometrie
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218. Winzer, H, Die Volksschule und die Kunst 25 Pf.
219. Lobsien, Marx, Die Gleichschreibung als Grandlage dea dentadMi
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220. Bliedner, Dr. A., Biologie und Poesie in der Volksschule. 75 Pf.
221. Linde, Fr., Etwas üb. Lautveränderung in d. deutsch. Sprache. 30 FL
222. Grosse, Hugo, Ein Mädchenschal -Lehrplan aus dem 16. Jah^
hundert: Andr. Muskulus* »Jungfraw Schule« Tom Jahre 1574. 40 FL
223. Baumann, Prof. Dr., Die Lehrpl&ne von 1901 beleuchtet ans ihnai
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224. Muthesius, Karl, Der zweite Kunsterziehungstagin Weimar. 35 Ft
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275. Rubinstein, Dr. 8asanna, SäiiUers Btellnng snr Religion. ^PL
276. Haustein, Dr. A., Der geogr. Unterricht im 1§. Jahrhundcnrt 80 FL
277. Scheller, A., Die Schrankenlosigkeit der formalen Stofen. 30 Pt
278. Zeißig, Emil, Vorbereitung auf den Unterricht 1 M 50 PL
279. Schneider, Dr. Gustav, Emil Adolf Bofim&fller ala Pftdagog. 90Ft
280. Arnold, Dr. 0., Schopenhauers p&dagogiache Anaichten. 1 M ÖO FL
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282. Krusche, G., Das Atmen beim Sprechen, Lesen and Bingen. 60 FL
283. Köhler, E 0., Die praktische Verwertung bdimatknndL Stolb. 1 M.
284. Haltenhoff, Dr. phil. Julius, Die Wisseo^aft Tom alten Orisata
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Tc!itii1)c ^^Mätici, "il^nlaiK ,^m ü^avtciiKuibc, 1872, 9tr. 19: . . .,öii«
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Ciliiboilicii Mcu"! inib. .Sllan'iin mii i^ciii ^>UMiicrren an, bnfj bie ^^omen bcr .öcr:
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^
'.-''•,.
I.
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Friedrich Mano.
312. Heft.
Die
Zeugnisfähigkeit der Kinder
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Xeutfclie v^Iättcr, SScilage ,s«v Oiartenlaube, 1872, 92r. 19: ..„So«
toix uon einem lluterucOmcn bic|er 9(rt verlangen fönnen, 3oIibi«
tat bei- :i?lbfid)t unb ^lu^fülnunc;, ein flar begrenzter $Ian, eine mit 0(cfcf)ina(f
unb 8a(f)fcuntniÄ uerbunbenc Sorgfalt für ba« ÖJan.^e »le für baS C^ini^elne,
bart in in bev ^Unn'fdjcn 5ölbliotl}cf geleiftet."
,S"lcnr,'i)inb. 'JBIötterf. ficfjreibilbg. 1876, ^eft 6 : . . „©ir jetgen ba«
Cii^cliciucii ^ickn• päb. illnififcr mit bcm 5^cmcrfen an, baft bie 9iamen bcr $eT=
auöiicbcr für bie genaue Xertvcuiiiün bcr '^luSgaben bürgen. 4^on befonberem
SiH'ite finb bie bcn betr. ^JxVrfcn norau^gcfchtcften 53iogropöieen. 3)0 pnbct man
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K-
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.1 ■
B«rMUg«g«b«ii TOD
Friedrich Kann.
313. Heft.
/
V
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Dr. Horst Keferstein.
Gedenkblalt
seines Lebens und Wirkens.
Edmund Oppermann,
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Tciitidic ^^Miittcr, ^H'ilafle ^uv O)artcnloubc, 1872, 9?r. 19: . . ,.®a*
toxi upii CTiuMii llnteviiciinieii biefev 9(rt uerlaugen lonnen, ^olibi*
tat ber '?ltM*i(t)t m\\> 'Jlnömhiinu^, ein flar begrenjjter $lan, eine mit Q^efdjmad
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bno ift in ^cr ^IV a u n * icl)cn 'i^tbliothcf geleiftct."
.Vlcbi. iiab. ^^lätteif. Vclncibilbg. 1876, ^eftC: . . „®ir ^eiflen \>ii^
Ciiiclieiiicii Moior inlb. .^llaifitcv mit ^cIn ^^cmerfen an, bafe bie 92amen ber 4>eT=
Qu^iU'Ocr »iii bic (genaue Tortrcuinon bor '^luögabcn bürflcu, ^on befonberem
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""^I 31B. Heft. 11
Sexuelle Aufklärungen
ond
die Schule.
Paul Schramm,
^_
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.^icbr, ^äb. »lätterf. üel)rerbilbg. 1876, ^eft6: . . ^©ir jetgen baft
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■ 3
316. Heft.
Jeremia
m
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Tciitidie ^^lättcr, ^Beilage .^iiv (»artcnlaubc, 1872, 9?r. 19: . . ^f^a%
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Xlcbr,iMib. ^:iMättcrf. l»clircibilbg. 1876, ,t)eft6: . . „3Bir jcigen ba«
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^
/'
317. Heft.
Sy
Von
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Vou
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Friedrich Mann.
318. Heft.
YorscUäge zur Reform
der
Allgemeinen Bestimmungen
vom 15. Oktober 1872.
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Friedrich Mann.
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319 Heft.
II
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Yisnelle Erinnerungsbilder
beim
Rechnen
Von
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ii"! .^;'r i:r-. 'i: II iitc; nehmen diciov ^Hrt ucrlanncn fönuen. rolidi:
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iM!:^ (.-:.! !lvHi:"i'c ^clblUJ^u:c rounalt für da*> (^inn.^e tute für da*j vSiu^clne,
f^ •'.-.' ■. M 1:1 "•••' "i^V-.Miir'.r.'.n 'iMl'liotlicf i^cl eiltet."
>.- •; • •. t^ " '.'^ : .1 : : •; ; •' . V v b r i* i bi l D <i. 1 S7< ;, .v>ef t ü : . . „5i*ir jct jieu l>iii
Ifi' '. vu;.'.: •■■'•.: i"i-" >{'. i'''-\:\ :;::' ."^'»m '^^cmcrfeii an, dafj Me ^Wimen der .öcr--
auv-.:.'".r '": ^■:.' .\:v..,\\. 1 .i\\<i-'y'\"\ t\:\ \Mu*>ciiUH'n büijien. ^4>on beicnderen
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■'! 320. Heft, ij "■
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y v:;!i.i . \'^liiiia, "iin-ihhic \\n (^^aitcnlaiibe, 1S72, ^Vr. DJ: :!sü*
1:1 vii; i". lt. 1:1 U iiti-MiiMMMcMi ^iouM- \Mrt uevlanc^cn fönucn. 3oIi^i-
! :: :■ -.'iful-: 1:11: Viiio»iilniiitii, ein fiav bciucn^ter "^ian, eine mit (^dihmad
i.:;. -r.- : IvKiiiiüv iMl'uiibir.o ron]iali für bn^ Wan.^e wie für ba« iSinj^dne.
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^i .1. l-.i\ ^^^l.ittci !. Vclm'ibilbii. 1S70, ^eftö: . . „53ir ^eic^en ba«
oiv: .•::■. -.1 iv'v': ll;^. .NCuiiioi i:ii: Dem ^Ix'mcrfen an, bnf; bie ^\'amen bcr vcr:
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-^_ .1 321, Heft.
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Pädagogisches Magazin.
AbhudhiHf;«! TOB) GilMtt der PUigogik imd ihrer
Friedrich Kann.
V-1— ; 322. Heft.
Rudolf Eucken
das Problem der Kultur.
Dr. Otto Siebert.
^
Langensalza
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5^cutid}c ^^lätter, ^^eilafle jui Gartenlaube, 1872, 9Zr. 19: . . ,Sa»
tiui uon einem llntevncbmcn bicjer ?lrt verlangen fönnen, BoÜbi*
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ba«j ifr iu bev ilVann'fd)cn '^ibliotbef geleiftet."
,ncbr,lMib. <Blätterf. lücbrerbilbg. 1876, ©cft6: . . „©ir jeigen ba«
CSnriieineu bicjev pab. Älajfifer uiit bem 33emcrfcu an, ha^ bic 92amen ber ^er*
au-Jiie^^^'^' i"v bic genaue ^c;rtvemfion ber 'Jluögabcn bürgen, ^on befonberem
5i?citc finb bie bcn betr. '^^erfcu Dinaus^gefd)icftcn 33io9ra|)öiccn. 3)a finbet man
C.uclleuftubium, — uidit ^llltagefoftl C£ö ift eine JJrcubc, ju fcften, wie
jßuber l)icr bic alten Bd)ii{\t ber ^^öbagogif ju Xage gcförbert werben.* Xrtr.
Zu be/jehen durch jede BuchhaDdiung.
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^
Mlllf'i-I*
^1 "- ^
Pädagogisches Magazin.
m (MMi dr PU^l>gil tat h«
Friadrich Kkna.
77^ "-llj 323. Heft.
J
Das
Problem der Materie.
O. Schilling und c. S. ComelinB.
O. Flügel.
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3n Porbereitung beönffen find: fröliel, |. J. yolf, Satfi|, Uftn ^ a
Teutjdie ^J31ätter, Beilage ,^uv öartcnlaube, 1872, 9?r. 19: ..«"So«
wir uoii einem Unterucömcn biefer %rt verlangen fdnnen, 3olibi»
tut bcr "?lbfid)t unb ?iu^füt)rung, ein Kar begrenzter $Ian, eine mit (Bcfcbmod
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.Üoi)r,'ipäb.<PIättcrf. iiehrcibildg. 1876, 4>eft6: . . „«ir jeigen bo«
l£i]d)einen bicjer päb. Älaffifcr mit dem ©cmcrfen an, bog die 92anien der 6c^
auö(|cbcr für die genaue Teftrenifion der 9lu«gaben bürgen, «on befonbctot
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