Skip to main content

Full text of "Pathologie und therapie der perityphlitis (appendicitis)"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



EDUARD SONNENBURG 

PATH0L06IE UND THERAPIE 

DEB 

PERITYPHLITIS 

(APPENDICITIS). 

FÜNFTE AUFLAGE. 



PATHOLOGIE UND THERAPIE 



DER 



PERITYPHLITIS 

(APPENDICITI8) 



BEARBEITET 



VON 



DR. EDUARD SONNENBURG 

GEHEIMER >fBblCINALKATH 

PROFESSOR DER CHIRURGIE AN DER UNIVERSITÄT 

DIRECTOR DER CnntURG. AHTIIEILUNtJ DES ST-iDT. KRANKENHAUSES MOARll 

IN BERLIN 



Fünfte umgear1)eitete Auflage 



Mit 36 Abbildungen 





LEIPZIG 

VERLAG VON F. C.W.VOGEL 

1905 



K 



cx-^ 



• -•• 


• 


^« • 


••• • 


• • ! • 


• • 


• ^ 


• • • 


•• ••• 


• • 


••• 


•• * • 


• • • 


• • • 


• • 


•..: : 


• • « 


• • 


• • 



• • 












SEINEN "PREUNDEN 

ALBERT HOPFA UND ADOLF PASSOW. 



Vorwort zur fftnften Auflage, 

Die Monographie der Perityphlitis ist für die fünfte Auflage einer 
ganz neuen Bearbeitung unterworfen worden. Zweierlei Gründe haben 
mich bewogen, diese Umgestaltung vorzunehmen. Zunächst das Anwachsen 
meiner eigenen Beobachtungen, die jetzt beim Abschluss des Werkes an 2000 
Fälle, von denen Aufzeichnungen vorhanden sind, betrage^, sodann aber 
besonders der Umstand, dass die Literatur auf diesem Gebiete in den letzten 
Jahren über alles Erwarten stark angewachsen ist Es ist erklärlich, dass 
^urch das Anwachsen der Literatur auch die Kenntnisse des Arztes in 
Hinsicht auf die Blinddarmentzündungen ganz andere und gründlichere 
geworden sind als vor Jahren. Sollte nun dieses mein Buch den heutigen 
Ansprüchen des Arztes genügen^ so musste aus demselben manches 
wegfallen, was jetzt als Allgemeingut angesehen werden dai*f. Ebenso- 
wenig war es ferner angängig, die grosse Anzahl der Krankengeschichten, 
die in den früheren Auflagen einen bestimmten Zweck verfolgten und er- 
füllten, in gleicher Zahl und Ausdehnung beizubehalten. Denn jeder 
Arzt sieht heute so viele Fälle von Perityphlitis vor, während und 
nach der Operation, dass auch hier eine gewisse Summe von Kenntnissen 
vorausgesetzt werden kann. So interessant daher auch die Casuistik ist. 
so habe ich doch aus der grossen Anzahl der Beobachtungen nur einige 
charakteristische im Text mitgetheilt und glaube dadurch den Anforderungen, 
die man an ein derartiges Buch stellen kann, gereqht geworden zu sein. 
Ich habe geschwankt, ob ich in dieser neuen Auflage auf die Literatur 
über die Perityphlitis in ausgedehnterer Weise als bisher Bücksicht 
nehmen' sollte. Erwägungen aller Art haben mich dahin geführt, dass 
ich es doch für unausführbar hielt» allen Ansprüchen in der Beziehung 
gerecht zu werden. Ich fürchtete mit Recht, dass dadurch das Buch 
eineii Umfang erreichen würde, der es für den praktischen Arzt und 
den Studir^nden ungeeignet machen würde. Ausserdem sind die An- 
sichten und Erfahrungen der anderen Schriftsteller den meinigen so ver- 
wandt, dass ich mich der Hoffnung hingeben konnte, dieselben würden 



— VIII — 

sich auch in meiner mehr subjektiven Darstellung, wiederspiegeln. So ist 
es denn gekommen, dass die Monographie ein subjektives Gepräge bei- 
behalten hat, dabei au Umfang abgenommen, aber an Inhalt, denke ich^ 
zugenommen hat. 

Die gemeinsame Arbeit, die ich auf diesem Gebiete mit meinem 
Assistenten seit Jahren pflege, hat mich veranlasst, zwei von ihnen 
Kapitel des Buches bearbeiten zu lassen. Herr Dr. Hinz hat die Aetio- 
logie, Herr Dr. Fe der mann den pathologisch- anatomischen Theil, beide in 
fleissiger und geschickter Weise ausgearbeitet. In der ersten Auflage 

1894 war letzterer Teil von dem verstorbenen Dr. Finkelstein bear- 

• 

beitet worden. Seine fleissige Darstellung hatte schon in den späteren 
Auflagen durch mich manche Aenderungen und Ueberarbeitung erfahren. 
Dieses Mal ist das Capitel durch Herrn Dr. Federmann vollständig um- 
gearbeitet worden und erscheint in einem ganz neuen Gewände. Ausser den 
beiden genannten Herren haben aber auch die Herren Oberarzt Dr. Hermes^ 
Dr. Mühsam und Andere mir bei der Ausarbeitung beigestanden und es 
mir besonders ermöglicht, dem Theile der Differentialdiagnose wichtige Er- 
gänzungen zu geben. Ihnen allen sage ich für die treue Mitarbeit meinen 
besten Dank. Die besonderen Arbeiten meiner Assistenten auf dem Gebiete 
der Blinddarmentzündungen sind ausführlich in dieser Auflage berück- 
sichtigt worden und verweise ich in der Hinsicht auf den Text. 

Das Entgegenkommen der Verlagshandlung F. C.W. Vogel, die 
diese Auflage, ebenso wie die früheren, in zuvorkommenster Weise aus- 
gestattet hat, kann ich nur mit bestem Danke anerkennen. 



Berlin, im Februar 1905. 



Sonuenbur 



•g- 



Vorwort zur ersten Auflage. 



Der Wunsch, auch weitere ärztliche Kreise mit unseren Erfahrungen 
bei der Pathologie, Diagnose und Therapie der Appendicitis simplex 
und perforativa leichter bekannt zu machen, hat mich veranlasst, diese 
Arbeit als Monographie erscheinen zu lassen, da bekanntlich die Frage 
über die zweck massigste Behandlung der Perityphlitis in allen ärztlichen 
Kreisen noch immer lebhaft discutirt wird. Ich gebe mich der Hoffnung 
hin, dass mit der Zeit die Grundsätze, die uns bei der Behandlung enier 



— IX — 

80 eigenartigen und in ihrem Verlaufe unberechenbaren Erkrankung ge- 
leitet haben, sich immer mehr und mehr bei den Aerzten einbürgern 
werden, zumal die Resultate einer consequent durchgeführten operativen 
Behandlung als ganz vorzügliche bezeichnet werden müssen. 

Bei der Abfassung der Arbeit hat mich Herr Dr. Finkelstein, 
Assistent auf der chirurgischen Abtheilung, in dankenswerter Weise 
unterstützt, indem er in dem pathologisch -anatomischen Theile meine im 
Laufe der Jahre gemachten Beobachtungen verwerthete und durch eigene 
Untersuchungen vervollständigte. Auch hat Herr Dr. Sarfert, gleich- 
falls Assistent auf der Abtheilung, das Vorkommen und die Entzün- 
dungen des Wurmfortsatzes im Bruchsack auf meinen Wunsch in einem 
Nachtrage behandelt. Die Zeichnungen sind von Herrn Eyrich in be- 
kannter Güte angefertigt worden. 

Berlin, im März 1894. 



Verzeichnis der Abbildungen. 



Fig:. 1. Lage des Wurmfortsatzes zum Peritoneum. 



2. Appendieitis simplex chronica. 

3. desgl. 

4. Hydrops des proc. vermiformis. 

5. Empyem des Wurmfortsatzes. 

6. desgl, 

7. Appendicitis perforativa. 



„ S. desgl. 
„ 1). desgl. 
„ 10. desgl. 



n 



11, 12, 13. Appendicitis gangraenosa. 

14. Verwachsungen des Appendix mit Coecum. 

15, IG, 17. Leukocytencurven. 
IS. Appendicitis gangraenosa (Empyem). 
19. Empyem des Wurmfortsatzes. 

„ 20. Leukocytencurve (Douglasabscess). 

„21. Gangrenöser Wurmfortsatz. 

„ 22. Wurmfortsatz auf Wirbelkörper fixirt. 

„ 23. Leukocytencurve beim Durchbruch eines abgekapselten Abscesses in die 

Bauchhöhle. 

„ 24. Leukocytencurve (Appendicitis und Pyaemie). 

„ 25. Verwachsener Wurmfortsatz im Intervall entfernt. 

,, 26. Empyem des Wurmfortsatzes im Intervall entfernt. 

„ 27. Vollständig vom Coecum abgetrennter Wurmfortsatz. 

,, 2S. Invagination, Appendicitis vortäuschend. 

„ 29. Gleichzeitige Erkrankung des Appendix und der Adnexorgane. 

„ 30. Gangränöser Wurmfortsatz nach 24 Stunden entfernt. 

,, 31. Anatomische Tafel, Schnitt bei Perityphlitisoperation. 

„ 82, 33. Appendektomie. 

„34. Eigenthümlich verwachsener Wurmfortsatz im freien Intervall entfernt. 

„ 35. Wegen chron. Appendicitis resecirtes Darmstttck. 

„ ot). Bauch-Bandage. 



Inhaltsverzeichuiss. 



Seite 
Erster Theil 1—20 

Einleitung 3. - Geschichtliches 5. - Terminologie 8. — Typhlitis 

stercoralis 10. — Einteilung 13. — Behandlung 14. — Statistik 18. 

Zweiter Theil. Aetiologie und Pathogenese 21 — 43 

Anatomische Vorbemerkungen 22. — Anatomische Praedispositiouen 
zu Erkrankungen 25. — Kothsteine und Fremdkörper 30. — Deu- 
tung der Obliterationsvorgänge am Wurmfortsatz 33. — Umformung 
des Appendix in einen Blindsack 35. — Das adenoide Gewebe 35. 
Bedeutung der ßacterien 36. — Akute Infektionskrankheiten 38. 
Familiäre Disposition 39. — Unfall 40. — Appendicitis künstlich 
bei Thieren erzeugt 41. — Ursachen der Recidive 41. 

Dritter Theil. Fatho logische Anatomie 45 — 97 

Vei änderungen am Wurmfortsatz selbst 47. — Betheiligung des 
Peritoneums 60. — Perityphlitis mit serös-fibrinöser Exsudation 64. 

— Circumscripte eitrige Peritonitis, perityphlitischer Abscess 68. 

— Localisation der Abscesse 70. — Subphrenischer Abscess 75. — 
Verlauf und Ausgang der Abscesse 77. — Fortschreitende Perito- 
nitis 82. — Tuberkulose 89. — Appendicitis actinomycotica 91. — 
Wurmfortsatz und Coecum als Bruchinhalt 92. — Tumoren 96. 

Vierter Theil. Symptome, Diagnose, Prognose 99 — 200 

Die Vorboten des acuten Anfalls 100. — Die acute Appendicitis 
105. — Die Cardinalsymptome 106. — Der Schmerz 106. — Das 
Erbrechen 108. — Der Tumor 108. — Temperatur und Puls 113. 

— Die Leukocytose 115. — Veränderungen des Harns 120 — All- 
gemeine Symptome der acuten Appendicitis 120. — Weiterer Ver- 
lauf des acuten Anfalls 121. — Appendicitis bei Kindern 121. — 
Beispiele 123. — Complicationen im Verlauf der acuten Appendicitis 
142. — Peritonitis 143. — Ileus 148. — Thrombosen Embolien 146. 

— Pleuritis Lungenabscesse 151. — Pylephlebitis 153. — Sub- 
phreuische Abscesse 155. — Magenblutungen 158. — Spontaner Durch- 
bruch des Eiters 158. — Durchbruch des Eiters in die Harnblase 159. 

— Symptome der chronischen Appendicitis 161. — Differentialdiag- 
Eose 169. — Die Prognose 197. 



— XII — 

Seite 

Fünfter Theil. Die Therapie der Appendicitis 201—251 

Die Operation im akuten Anfall 202. — Die Operation in den ersten 
48 Stunden 202. — Die Operation der circumscripten Peritonitis 213. 

— Operation bei multiplen Abscessen 218. — Operation bei sub- 
pbrenischen Abscessen, Empyemen und Lungenaffectionen 219. — 
Die Operation im freien Intervall 220. — Darmresectionen bei Ope- 
rationen im freien Intervall 283. — Behandlung einiger Folge- 
zustände nach Operationen im acuten Anfall und freien Intervall 287. 
-- Blutungen 237. — Adhaesionsileus 238. — Thrombosen und Em- 
bolien 241. — Fisteln 242. — Typhlitis 245. — Bauchbrüche 246. 

— Behandlung der Tuberkulose 248. — Die expectative Behand- 
lung 249. 

Sachregister 252 



ERSTER THEIL. 



Sonnenburg, Perityphlitis, 5. Auflage. 



Einleitung. 



In dieser fünften Auflage meiner Monographie sind die Erfahrungen, 
die ich bei gegen 2000 von uns operierten Fällen in der Erkenntniss 
und Behandlung der Perityphlitis gesammelt habe, mitgetheilt worden. Es 
ist mein Bestreben gewesen, ein einheitliches Bild dieser Krankheit zu 
entwerfen, wie es sich mir an der Hand eines reichen Krankenmaterials 
im Verlaufe der Jahre gestaltet hat. Es enthält dieses Buch die Gesammt- 
erfahrungen, die auf einer grossen chirurgischen Abtheilung im Laufe von 
14 Jahren gemacht wurden, es enthält den Wandel unserer Anschauungen 
in diesem Zeiträume und die Verbesserungen der operativen Technik, es 
bringt die Sicherheit der Jndicationen für unser operatives Handeln. 

Die Erforschung der Krankheiten der Blinddarmgegend ist in allen 
Ländern, besonders bei uns in Deutschland, so oft Gegenstand eingehen- 
der Veröffentlichungen geworden, dass die Literatur zu einer der mäch- 
tigsten angewachsen ist. Den Anstoss gab die unter Volkroann in 
Halle entstandene Arbeit von Charles Krafft aus Lausanne 1889. 
Wenngleich mir die trefflichen Arbeiten anderer Collegen durch fleissiges 
Studium bekannt sind, so bin ich trotzdem dem Princip treu geblieben, 
in dieser Arbeit vorwiegend meine eigenen persönlichen Erfahrungen 
niederzulegen und die Schilderung der Krankheit speciell nach den Be- 
funden meines Krankenmaterials zu machen, befinde mich aber dabei in 
Hinsicht auf meine Schlüsse in bester Uebereinstimmung mit der Mehr- 
zahl meiner verehrten Collegen. 

In Folge der zahlreichen bei Operationen gemachten Befunde kennen 
wir heute die Perityphlitis als eine gewöhnlich langsam vor sich 
gehende, oft auf Jahre sich erstreckende, manchmal spontan heilende, in 
der grösseren Anzahl der Fälle aber fortschreitende Erkrankung des 
Wurmfortsatzes. Diese im Anfang auf das Organ beschränkte, später 
auf die Umgebung übergreifende Erkrankung ist oft charakterisirt durch 
acute Nachschübe, die schliesslich in einer Perforation oder Gangrän des 
Organs mit circumscripter oder fortschreitender Peritonitis bestehen, ver- 
bunden mit anderweitigen schweren Complicationen. Der erste Anfall 
deckt sich nicht mit dem Beginn der Erkrankung. Die Veränderungen 
im Appendix, die den Anfall auslösen, sind bereits das Resultat einer 
vorangegangenen chronischen Entzündung. Manchmal fehlen die acuten 



— 4 — 



Nachschübe, die chronische AppeDdicitis ist dann nur charakierisirt durch 
unbestimmte locale und allgemeine Symptome, Magenstörungen, Obsti- . 
pation, Nervosität, Abmagerung u. dgl. m. Diese Form, die ich früher 
latente Appendicitis nannte, nenne ich jetzt nach dem Vorschlage Ewald's 
Appendicitis larvata. — So lässt xlas kleine und unscheinbare Organ, 
wenn erkrankt, seinem Träger zeitlebens oft keine Ruhe und tückisch, 
nach scheinbarer Heilung bereitet es wieder von neuem Gefahren. Die 
acute Appendicitis kann jedes Alter befallen. Mein jüngster Patient war 
zwei Jahre alt, der älteste über 70 Jahre. Am gefährlichsten gilt die Er- 
krankung im Kindesalter, weil die Vorboten hier leicht übersehen werden. 

Es wird die Frage: sind nicht die Blinddarmentzündungen häufiger 
als früher, oft aufgeworfen, und bei der grossen Zunahme der allerorts statt- 
findenden Operationen wegen Appendicitis ist dieselbe wohl berechtigt 

Die Antwort auf diese Frage ist eine einfache: Es kommen nicht 
mehr Blinddarmentzündungen als früher vor, aber infolge der Fortschritte 
in der Diagnosen Stellung werden dieselben viel rechtzeitiger als ehedem 
erkannt. Das gilt ganz besonders auch von der beginnenden schleichend 
verlaufenden Appendicitis, die bei den unsichereren Symptomen bald als 
Zeichen eines Magenleidens oder Darm- oder Leberleidens angesehen 
wurde. Bei den acuten Anfällen glaubte man, es mit Bauchfellentzün- 
dungen aus unbekannter Ursache zu thun zu haben, während heute durch 
frühzeitige Operation einer rechtzeitig erkannten perforativen Appendicitis 
auch die Bauchfellentzündung mit Erfolg bekämpft wird. 

Villaret 1) beweist durch eine absolut verlässliche Statistik die 
Richtigkeit der Ansicht, dass in den letzten Jahrzehnten bei scheinbarer 
Zunahme der Blinddarmentzündung die Leberkrankheiten, Magenkrank- 
heiten und Bauchfellentzündungen abgenommen haben. Diese Statistik, 
an einem gleichartigen Material gewonnen, geben die amtlichen Berichte 
des Kriegsministerium über die Kranken bewegung in der Armee. Es er- 
krankten in der Armee: 



im 
Be- 
richts 
jähre 



bei einer 

Durch- 

schDitts- 

kopfstärke 

von 



an Blind- 
darment- 
zündung 



abso- 
lute 
Zahl 



/oo 
K2) 



an Leber- 
leiden 



abso- 
lute 
Zahl 



/oo 
K2) 



an Bauch- 
fellent- 
zündung 



abso 
lute 
Zahl 



1873/74 
1885/86 
1900/01 



298876 
383269 
528 489 



156 
319 
918 



0.52 
0.83 
1.73 



85 
63 
57 



0.28 
016 
010 



123 

136 

62 



o/oo 



an chronisch. 
Magenkatarrh, 
Magenkrampf, 
Magenblutung 

und Magen- 
geschwür 

abso- 



lute 
Zahl 



VooK«) 



an diesen 
vier Krank- 
heiten(bezw. 
Krankheits- 
gruppen) 
zusammen 

in %o 
K2) 



0.41 
0.35 
0.11 



1072 
802 
379 



3.58 

2.09 
0.72 



4.79 
3.43 
2.66 



1) Deutsche Med. Wochenschrift 1904, No. 1. 

2) K «9 der Durschschnittskopfstärke. 



Wir haben also aus den 27 Jahren, die die bis jetzt veröffentlicht« 
Armeestatiatik umfaBt; daa erste, das mittelste und das letzte Berichtsjahr 
genommen, also die Berichtsjahre 1873/74, 1885/86, 1900/1901. Hier- 
nach haben von 1873/74 bis 1900/01 die Fälle von 

BlinddarmentEÜndung . zugenommen um TOo/u, 

Leberleiden abgenommen „ 64,2 Wo, 

Bauchfei lentaündung , „ „ 70,2 "/o, 

chronischen Magenleiden „ „ 79,9 "In. 

Im Ganzen haben aber überhaupt diese vier Krankheiten oder Krank- 
heitsgruppen, die 1873/74 zusammen einen Zugang von 4,79 auf das 
Tausend der Durchschnittskopf stärke brachten, im Jahre 1900/1901 nur 
noch einen aolchen von zusammen 2,60 auf Tausend der Kopfstärke ge- 
habt, d, h, sie haben alle zusammen auch abgenommen und zwar um 
44,5 o/o. 

Hiemach ist bewiesen, dass die scheinbare Zunahme der Äppendieitis 
auf sichererer Diagnosen Stellung beruht, mit der besseren Erkenntniss 
haben andere Krankheitsformen entsprechend der Zunahme abgenommen. 



I 



trescliichtllclies. 

Die richtige Erkenntniss der Perityphlitis als eines besonderen Erank- 
heitsbildes ist eine Errungenschaft des vorigen Jalirhunderts. Allerdings waren 
Erkrankungen in der Gegend des Coecums schon den alten Äerzten be- 
kannt. 105 p. Chr. hat Äretaens bereits die erste Beschreibung eines 
hierhergehörenden Falles geliefert, und bei Celaus finden wir die Be- 
merkung, dass die Erkrankungen des Dickdarms sich meist an der von 
ihm Coecum genannten Stelle localisirten. Als im 18. Jahrhundert das 
Studium der Aetiologie der Erkrankungen begann, wurden von Morgagni 
und Boerhave Koth-Retention und -Verdickung als die Ursachen der 
Dickdarmentzllndungen angeschuldigt. Da aber die Sectionen selten geübt 
wurden, so war eine patho logisch- anatomiach begründete Auffassung nicht 
möglich. Im Jahre 1759 veröffentlichte Mestivier in dem Journal de 
mädecine et de Chirurgie die erste Beobachtung tiber eine Äppendieitis 
mit Perforation. Aber derartige Keohachtungen konnten gegen die allge- 
mein angenommene Lehre einer Typhlitis stercoralis, wie sie damals schon 
als feststehend angesehen wurde und bis in die neueste Zeit hinein Ver- 
theidiger gc fanden hat, nicht aufkommen. Bemerkenswerth ist, dass 1827 
Malier über sechs Beobachtungen von Perforationen des Wurmfort- 
satses berichtete und damals schrieb : „Man hat bis jetzt nicht genug 
Aufmerksamkeit dem Wurmfortsätze gewidmet und bei Sectionen nicht 
oft genug auf sein Verhalten geachtet. Wenn man eine sichere Dia- 
gnose zu stellen im Stande wäre, so würde man möglicher Weise die 
Kranken durch eine Operation von ihrem Uebel befreien können. Viel- 
leicht wird man eines Tages zu diesem Resultate gelangen." Auch 
Lonvier Villermay (1&24), IIoubsou u. A. hatten gleichfalls für viele 



Fälle in dem Processus vermiformis die Ursache der Erkrankung richtig 
erkannt. Deutsche Forscher betheiligten sich frühzeitig an der Entwick- 
lung der Lehre von d^r Perityphlitis. Puchelt^) in Heidelberg (1829) 
führte als Erster für den bestimmten Symptomencomplex den Namen 
Perityphlitis ein und gab dadurch Gelegenheit, die bisherigen Vorarbeiten 
über diese Krankheit unter der gemeinsamen Bezeichnung zu sammeln. 
Trotzdem sich Beobachtungen über Erkrankungen des Wurmfortsatzes 
mehrten, so waren es doch immer nur sporadische casuistische Mitthei- 
lungen. So kam es, dass die Lehre von Puchelt und von Dupuytren 
und dessen Schüler (1827) immer wieder die Stase der Fäcalmassen im 
Coecum als das primär entzündungserregende Moment nachzuweisen ver- 
suchten. Eine erneute (1835) Aufforderung von Louvier Villermay, 
doch neue Beobachtungen über Wurmfortsatzperforationen zu veröffent- 
lichen, gab den Anlass, dass man auch in Deutschland dem Appendix 
seine Aufmerksamkeit zuwandte. Merling (1836) beschreibt schon eine 
am Eingange des Processus befindliche klappenförmige Falte, welche dem 
im Processus secernirten Schleim den Austritt gestattet, nicht aber den 
Fäces den Eintritt verwehrt. Wir haben hier also schon eine Beschreibung 
der Ger lach 'sehen Klappe. Er glaubt die Entzündungen des Coecums 
von denen des Wurmfortsatzes trennen zu müssen. Er stellt diese als in 
ihrem Verlaufe schwerer hin und theilt sie ihrer Aetiologie nach ein in 
solche, die durch Fremdkörper hervorgerufen seien, und andere, die ohne 
Fremdkörper, „gerade so wie in anderen Organen", spontan entstehen 
könnten. 

Der erste Versuch einer auf pathologisch- anatomischer Basis beruhen- 
den Eintheilung der Krankheitsgruppe stammt von Albers in Bonn (1838). 
Er unterscheidet die Typhlitis stercoralis mit serös-blutigem Exsudat und 
die Perityphlitis mit meist eitrigem Exsudat. Als Aetiologie der Peri- 
typhlitis, die er primär entstehen lässt, nimmt er Diätfehler oder eine 
Erkältung an. Der Eiter bricht häufig in den Processus vermiformis durch 
oder entleert sich in den Darm. Diese Eintheilung und Erklärung fand 
in die Lehrbücher der damaligen Zeit kritiklos Eingang und beherrschte 
für die nächsten Jahre die pathologisch- anatomischen Vorstellungen. 

Von England her begann man, auf die Beobachtung Villermay 's 
weiter bauend, sich gegen die Lehren Dupuytren's und Puchelt's 
zu wenden. Burne'^) kam durch Sectionsbefunde zu der Ueberzeugung, 
dass sich oft sehr ausgedehnte ulceröse Entzündungen im Coecum finden, 
ohne dass sich ein pericoecaler Abscess bildet. Er meint ferner, dass in 
den meisten Fällen die Ursache der Perityphlitis in einer Entzündung 
des Wurmfortsatzes mit Ausgang in Ulceration und Perforation bestehe. 
Gleichfalls gegen die Schule Dupuytren's, hauptsächlich aber auch 
gegen die Lehre von Albers erhob 1839 Gri sollet) Widerspruch. Er 
giebt die Perforation des Processus vermiformis spontan oder durch Gan- 
grän, auch durch Fremdkörper und verhärtete Fäces verursacht an, Pro- 



1) Vgl. die geschichtliche Darstellung des Wesens und der Behandlung der 
Typhlitis und Perityphlitis von Berthold Groke, Dissertation. Greifswald 1895. 

2) Medical chirurg. transactions. London 1837. Bd. 20 und 1839 Bd. 22. 

3) Tumeurs phlegmoneuses des fosses iliaques. Arcb. de. m^d. 1839. 



— 7 — 

cesse, die theils in phlegmonösen, theils in gangränösen Abscessen endigen. 
Grisolle's Schriften sind ganz hervorragend wichtig, doch erst nach 
fünfzig Jahren sollten die wahren pathologischen Verhältnisse, die er 
schon kannte, Anerkennung erhalten. Rokitansky (1842) stützte durch 
pathologisch - anatomische Befunde diese Ansichten, ohne aber von der 
Typhlitis stercoralis zu lassen. Ganz hervorragend war die Arbeit des 
deutschen Arztes Volz (Karlsruhe 1846). Derselbe erörterte klar und 
deutlich die Ursache der Verschwärung und Perforation des Wurmfort- 
satzes, die durch Kothsteine bedingte Durchbohrung desselben sowie die 
dadurch entstehende häufig verkannte Ursache der Peritonitis, eine Ab- 
handlung, die noch jetzt lesenswerth ist. Er war auch der Vorkämpfer 
der Opiumbehandlung in Deutschland, die bis dahin noch gar nicht oder 
kaum gewürdigt worden war. Bamberger i) legt Anfang der 50er 
Jahre in seinen zahlreichen klinischen Schriften über Behandlung der 
Perityphlitis die Anschauungen Rokitansky 's zu Grunde, doch finden 
wir gerade bei ihm noch das Festhalten an einer eigentlichen Perityphlitis 
stercoralis, dem acuten und chronischen Schleimhautkatarrh, der sich ent- 
weder zertheilt oder zur ulcerösen Destruction der Mucosa mit folgender 
Perforation führt. Bossard '^) zeigt die Seltenheit einer Perityphlitis si- 
nistra an, die häufiger vorkommen müsste als die Perityphlitis dextra, da 
die Reizung durch Koprostase im absteigenden Colon weit häufiger auf- 
trete und um so intensiver sei, als die Fäces hier bereits hart zu werden 
beginnen. Nachdem With (Kopenhagen 1879) hervorgehoben, dass Ulce- 
rationen und Perforationen des Wurmfortsatzes in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle die Entzündungen in der rechten Fossa iliaca ver- 
ursachen, betont Matterstock (1880)^) die. Seltenheit der primären 
Erkrankungen des Coecum. v. Volkmann meint, dass das, was man 
Typhlitis und Perityphlitis nennt, sehr seltene Fälle von tuberkulösen 
und Typhusgeschwüren abgerechnet, stets vom Wurmfortsatze ausgehe. 
Renvers sah nur zweimal isolirte Coecumerkrankungen. „Sieht man'', 
sagt er, „von den ja öfter beobachteten carcinomatösen oder actinomy- 
cotischen Geschwulstbildungen ab, lässt man ausserdem die tuberkulösen 
oder typhösen Geschwüre ausser Acht, die sich ja mit Vorliebe im Blind- 
darm entwickeln, so kommen Geschwürsbildungen namentlich an der Hinter- 
fläche des Coecums zur Beobachtung, die mit Kothstauungen wohl in 
Verbindung gebracht werden können. Zweimal habe ich ein solches Druck- 
geschwür im Coecum selbst beobachtet, einmal durch einen taubeneigrossen 
Kropolithen verursacht, der an einer Tasche des Coecums festgehalten 
wurde, ein anderes Mal bedingt durch einen im untersten Theil des Blind- 
darms liegenden Kothstein, der um einen walnussgrossen Gallenstein sich 
gebildet hatte." Der Amerikaner Reginald Fitz gab 1886 der Krankheit 
den neuen Namen „Appendicitis" mit der Begründung, dass der perity- 
phlitische Abscess für gewöhnlich nichts anderes sei als eine abgekapselte 
Peritonitis appendiculären Ursprungs. 



1) Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie von Virchow. Bd. 6. 
1. Hälfte. 1855. 

2) üeber die Verschwärung und Durchbohrung des Wurmfortsatzes. Zürich 1869 

3) Gerhardts Lehrbuch der Kinderkrankheiten. IV. 2. 1880. 




Entsprechend der ousichereii Dia^ose ood der migeiifi^enden Br- 
henntntSB der Krankheit war aach die Therapie der Perityphlitis bis z 
Beginn der SOer Jahre ungenügend und meist rein pxgpectaliv. Volz 1893 
erwarb sich Verdienste fttr die Opinmtherapie. Abscesse in der lleocoecal- 
gegeud worden incidirt, meist dorch Mediane chnitt. Auch die Panction 
der Äböcesse wurde hier and da geübt. Ausgedehnte Laparotomie bä 
Peritonitis empfahlen Anton Schmidt (Moskau), Lawson Tait (lS8t). 
Bnrehard (New York 1884) empfahl vor Entwicklnng der Peritonitia 
den Proc, venniformis au entfernen. Erönlein suchte 18S4 den per- 
forirten Appendix anfand entfernte ihn.— Mahomed (London), Kit mm eil 
(Hamburg) entschlossen sich zur Entfernung des Appendix im freien 
Intervall, 

Nachdem die grossartige Umwälzung innerhalb der Chirurgie statt- 
gefunden hatte, die Beherrschung der Wundbehandlung Thatsache, die 
bisherige Scheu vor Verletzungen Ae$ Peritoneums beseitigt worden war, 
fingen die Chirurgen überall an, sich mit dem Studium der perityphliti- 
Bchen Processe zu befassen, und dank der zielbewussten Mitarbeit der 
Chirurgen wurde die Krankheit in ihren verschiedenen Stadien richtig 
erkannt und bekämpft. Die Autopsie in vivo trat nun in ihre Rechte. Die 
entzündlichen Processe der Ileocoecalgegend wurden in ihrer Entstehung, 
ihrem Verlauf und Ausgange durch die chirurgischen Eingriffe richtig er- 
kannt, und ea wurde der Weg gezeigt, wie durch eine rechtzeitige opera- 
tive Therapie die mannigfachen Gefahren der Erkrankung vermieden 
werden können. Diese Autopsie in vivo hat einen ganz anderen Werth 
als die postmortale Untersuchung, bei der häufig gerade die Vorgänge, 
welche ursprilnglich zu einer Entzündung um den Wurmfortsatz Veran- 
lassung gegeben haben, durch daa, was während der tödtlich verlaufenen 
Krankheit hinzugekommen ist, völlig verwischt wurden. Am Lebenden 
ist durch den Blutgehalt und die Turgeseenz der Gewebe das Bild der 
entzündlichen Veränderungen ein ganz anderes als au der Leiche, und 
diese konnten erst durch die bei solchen Operationen gewonnenen Präpa- 
rate Anfschluss erhalten. 



Terminologie. 

Wir haben die Bezeichnung „Appendicitis", bekanntlich von, 1 
den Amerikanern (s. o.) eingeführt, trotz des griechisch-lateinischen Ur- 1 
Sprungs als bequemen und bezeichnenden, ausserdem internationalen Aus- ' 
druck beibehalten. In Hinsicht auf die Bezeichnung Appendici 
erzählt Krafft (Revue mfidicale de la ßuisse romaude Nr. 12, December 
1893) Folgendes: „II y a oinq ans (Juillet 1888) je rßsumaiB un aoir 
au prof. V. Volkmann les grundes Itgnes de ma dissertation sur la 
Pi^riiypblite et je glisaals ce mot nouveau alors, d'appeudicite: Volk- 
mann ressauta sur son fautauil, Oh non, noo, pas ce mot läi appen- 
dix est du latin, la terminaisoti ito est grecque, i,'a ne vas pas, II faut 
chorcber nutre cboae. — II eMüilridu une petite Schelle et, descendit un 



— 9 — 

dictionnaire grec du plus haut rayon de sa biblioth^ue. Prophysite 
n'est pas bien job*, c'est vrai, alors dites „p4rityphlite äppendicu- 
laire" et j'ajoutai pour d^finir mieux encore Taffection nouvelle, ster- 
corale perforatrice." 

Das Wort Appendicitis widerstrebt allerdings jedem Sprachgefühl, 
und es ist erklärlich, dass eine Reihe von Vorschlägen betreffs Einfüh- 
rung einer besseren Bezeichnung gemacht worden sind. Nun heisst der 
Processus vermiformis in der neugriechischen Anatomie aTtöcpvGig. Apo- 
physitis kann man schwerlich sagen, da es mehrere Apophysen in der 
anatomischen Nomenclatur giebt. So wäre nur der von Nothnagel 
gemachte Vorschlag zu acceptbren, statt Appendicitis den Namen Sko- 
likoiditis einzuführen von ay.cokrjxosLÖirjg aTtöcpvGig, Diese Bezeich- 
nung deckt vollständig den Begriff: Entzündung des wurmähnlichen 
seil. Fortsatzes. Die Griechen benutzen heute noch die Bezeichnung 
Perityphlitis und Skolikoiditis. Jedenfalls halte ich diese Bezeichnung, 
da sie sich an das Neugriechische anlehnt, für besser als die Bezeichnung 
Epityphlitis, welche von Küster in Marburg vorgeschlagen wurde. 
Um dieses Wort zu bilden, construirte derselbe eine neue anatomische 
Bezeichnung für Wurmfortsatz, nämlich das Wort Epityphlon: etwas, 
das dem Blinddarm aufsitzt. Der Wurmfortsatz ist aber nie in der Weise 
benannt worden und findet sich am allerseltensten gerade auf dem 
Coecum. Ebenso berechtigt wäre es, den Appendix „Perityphlon" nennen 
zu wollen und unter Perityphlitis dasselbe zu verstehen, wie es unter 
Epityphlitis verstanden werden soll. Dr. Robert T. Morris stimmt 
auch völlig darin überein, dass das Wort Appendicitis greulich ist. Er 
hat seiner Zeit die Bezeichnung Ecphyaditis auf die Autorität Galen 's 
hin votgeschlagen, der das Wort Ecphyas gebrauchte, um den Processus 
vermiformis zu bezeichnen. Virchow schrieb mir auf eine dahingehende 
Anfrage im December 1900: „Appendicitis ist ein schlechtes Wort, da 
jeder geschulte Anatom dabei an eine Appendix epiploica und nicht an 
den Processus verrniformis denkt. Mir scheint die „Perityphlitis" allen 
billigen Ansprüchen zu genügen." 

Andererseits wenden sich speciell auch amerikanische Chirurgen, z. B. 
Beck, gegen alle Versuche, der Appendicitis ihren guten Namen streitig 
zu machen. Beck meint, dass derartige Verbindungen lateinischer Wörter 
mit griechischen Endsilben z. B. in der anatomischen Nomenclatur häufiger 
vorkämen. Die damit verbundene Bedeutung sei schon so sehr in Fleisch 
und Blut übergegangen, dass diese Ausdrücke nicht mehr gut beseitigt 
werden könnten. Er sagt: „Mögen sich die Herren Sprachreiniger noch 
80 sehr dagegen wehren, sie werden ihn doch schliesslich hinunterwürgen 
müssen. Es geht schliesslich wie beim Zwiebelschälen: man weint dabei 



— 10 — 

und isst sie doch. Die Bezeichnung Appendicitis stösst sozusagen die 
medicinischen' Novizen mit der Nase auf die Pathogenese, und dadurch 
ist zugleich der Ernst der Situation gekennzeichnet, so dass die Bezeich- 
nung allein von Wichtigkeit für ein Menschenlehen sein kann. Ver- 
wenden wir also die Müsse, welche uns die Berufspflicht übrig lässt, 
lieber zu Versuchen, den geheimnissvollen Schleier zu lüften, welcher 
immer noch um die Pathogenese und die Deutungsfähigkeit der Symptome 
im Initialstadium schwebt." 

Nun ist noch zu bemerken, dass der Wurmfortsatz ausserdem noch 
fälschlicher Weise als „der Appendix" bezeichnet wird. Auch wir werden 
diesen Fehler begehen und können uns nur damit trösten, dass die 
Meisten so wie wir verfahren. 

Typhlltls stercoralls« 

Die noch vor 20 Jahren herrschende Anschauung, dass die Blind- 
darmentzündung ihren Sitz im Coecum selbst habe und durch den Reiz 
Htagnirender KotmaHsen in demselben hervorgerufen werde, sogenannte 
TyphlitiH Htcrcoralis, wurde bei der grossen Anzahl von Befunden bei 
den AutopHi<ui in vivo als unrichtig erkannt. Wie wir schon betonten, 
handelt «m HJoh bei der Blinddarmentzündung mit wenigen Ausnahmen 
um eine Entzündung des Wurmfortsatzes. 

Hahli flH07) weist darauf hin, dass weder ein Anatom, noch ein 
Chirurg jemals den obturirenden Kotpfropf gesehen habe, dass der 
Dnrminhnlt des Coecums noch weich sei und die Eindickung erst in den 
tieferen Teilen des Colons beginne, und dass während der sogenannten 
Stercoraltyphlitis eine palpable Koprostase an den übrigen Partien dea 
Dickdarms, besonders an der Prädilectionsstelle, der Flexur, kaum jemals 
beobachtet worden ist. Warum sollten auch die Fälle von „Sigmoiditis" 
(Mayor) ein seltenes Vorkommniss bei Koprostase, so ungleich viel seltener 
als die angeblich so häufige Typhlitis stercoralis sein? 

Es dürfte sehr schwierig sein, anatomische Gründe für die Stercoral- 
typhlitis beizubringen, weil die Fälle meist gutartig verlaufen. Diejenigen 
Fälle, wo bei letal verlaufenden Perityphlitiden das Coecum und nicht 
der Wurmfortsatz perforirt gefunden wurde, sind nicht ohne Weiteres 
beweisend. Oft war aus den Sectionsbefunden zu ersehen, dass die Per- 
foration dea Coecums von aussen nach innen, durch die Perforation eines 
anderweitig entstandenen perityphlitischen Abscesses in den Darm hinein, 
hervorgerufen war. Die ganz seltenen Vorkommnisse von wirklich 
primärer Perforation des Coecums beziehen sich ganz ausschliesslich auf 
Fälle von Darmstenosen. Sahli betont weiter: „Falls die eigentliche 



— 11 — 

Typhlitis stercoralis überhaupt vorkommt (schliesslich kann ja Alles unter 
der Sonne ausnahmsweise einmal vorkommen), so spielt sie praktisch als 
ganz seltene Ausnahme nicht jene wichtige Rolle, wie sie ihr von manchen 
Autoren entgegen allen operativen Befunden noch zugeschrieben wird. 
Diese operativen Befunde ergeben mit solcher nahezu völligen Constanz 
immer wieder Appendicitiden als primäre Ursache der Perityphlitis, dass 
der Praktiker im Interesse seiner Patienten wirklich nichts Besseres thun 
kann, als den Namen Typhlitis stercoralis möglichst bald zu vergessen. 
Es werden dann die therapeutischen Fehler immer seltener werden." 

Talamon (1892) giebt eine Entzündung der Coecalwand und eine 
gewisse Kothstauung zu; beide aber sind secundär: die Entzündung ist 
vom Appendix auf das umgebende Peritoneum und das benachbarte 
Coecum fortgepflanzt, die Stagnation ist eine Folge der entzündlichen 
Parese der Darmwand. Curschmann hat auf dem XIII. Congress für 
innere Medicin in ganz ähnlicher Weise sich ausgesprochen. Strümpell 
(1899) steht ebenfalls auf dem Standpunkt, dass eine einfache Typhlitis 
anatomisch noch niemals nachgewiesen ist. Auch Nothnagel kommt zu 
dem Endresultat, dass die Möglichkeit einer einfachen Stercoraltyphlitis 
als Ursache der Perityphlitis nicht durchaus in Abrede gestellt werden 
soll, dass sie aber thatsächlich mindestens ausserordentlich selten ist. 
Die Annahme der primären ursächlichen Typhlitis stercoralis beruhe auf 
Speculationen, auf Schlüssen, die aus vieldeutigen klinischen Symptomen 
gezogen werden. Die primäre Appendicitis dagegen ist durch die That- 
sachen constatirt. 

Danach sind allerdings die in der Literatur vorhandenen Mitthei- 
lungen der Perforation des Coecums durch Geschwüre, Durchbohrungen 
von Fremdkörpern u. dgl. m. mit Vorsicht zu beurtheilen. Unter 100 
tödtlich verlaufenen Perityphlitisf allen aus dem Münchener Pathologischen 
Institut ^) hatten 91 Proc. ihren Ursprung im Wurmfortsatz, während die 
übrigen 9 Folge von primärer Perforation des Coecums waren. Lang- 
hals'-^) fand bei 112 Obductionen 83 Perforationen des Appendix, 
12 Perforationen des Coecums, Renvers bei 586 Autopsien 497 Per- 
forationen des Appendix, bei 218 Obductionen 13 Perforationen des 
Coecums. Bei all diesen Erkrankungen des Coecums spielen die Tuber- 
culose und die Syphilis die Hauptrolle. Sie haben also nichts mit den 
eigentlichen entzündlichen Processen zu thun. Die Fälle von Meusser^), 
Schlafke^), in denen ausgedehnte Adhäsionssträuge am Coecum bei 



1) Münch. med. Wschr. No. 7 u. 8. 

2) Diss. 1888. 

3) Grenzgeb. Bd. 2. 1894. 

4) M. M. W. 1895. 



Freisein des Appendix für eine primäre Erkrankung desselben angesehea 
wurden, sprechen ebenso wenig für eine primäre Typhlitis; denn Jeder, 
der oft Gelegenheit hat, Äppendicitjden zu operiren, wird wissen, dass 
gerade Verwachsungen des Coecums mit dem parietalen Blatte ungemein 
häufig infolge der Adhäsivperitonitis angetroffen werden, und dasa diese 
Verwachsungen fehlen können in der Umgebung des Appendix. Ent- 
fernt man aber in solchen Fällen den Appendix, so ergiebt die Unter- 
suchung desselben eine Erkrankung chronischer Art, Katarrh oder 
Empyem. In den beiden Fällen von Meusser und Schlafke ist der 
Appendix aber gar nicht entfernt worden, sonst wäre ebenso auch hier 
der Zusammenhang der am Coecum befindlichen Adhäsionen mit der Gr- 
krankung des Appendix klar gewesen. , 

Es ist daher ein stricter Beweis des Vorkommens einer einfachen 
acuten Typhlitis bisher selten erbracht worden, und wenn auch neuer- 
dings in den Fällen von Jordan') und Sick sichere Beobachtungen 
einer primären acuten Typhlitis durch eine genaue makroskopische und 
mikroskopische Untersuchung der Coecalwand erbracht sind, so sind diese 
Fälle natürlich nur als seltene Ausnahmen zu betrachten. Bei der voll- 
ständigen Identität der Krank hei tabilder ist auch in solchen Fällen die 
Differentialdiagnose der typhlitischen und appendicitischen Form der Peri- 
typhlitis nicht zu stellen, so daes die Kenutniss einer derartigen acuten 
Typhlitis vorwiegend theoretisches, wisse nschaftliuhes Interesse hat. 

Nun spricht für die Seltenheit der Typhlitis für mich der Umstand, 
dass ich bei fast 2000 Autopsien in vivo Verhältnisse, die sich als 
Typhlitis deuten lassen, nie angetroffen habe. Nur an einem einzigen 
Falle fand ich eine Entzündung der Darmwand des Coecums vor, und 
zwar nur eines Teiles derselben bei sonst freiem und gesundem Wurmfort»" 
satz. Aber auch hier hat die Deutung gewisse Schwierigkeiten. 

Fräuleiu P., 22 Jahre alt, Schneiderin. Aufgenommen 22. Febr. 1895 
(Krankenhaus Moabit). Geheilt entlassen 12. April 1895. 

Patientin will nicht plötzlich, sondern allmäjüich mit Schmerzen in 
der rechten Unterbauchgegend erkrankt sein. Sie ist mehrere Tage mit 
Schmerzen umhergegaDgen , seit zwei Tagen aber wegen zunehmender 
Heftigkeit der Schmerzen bettlägerig, Sie bat weder Erbrechen noch 
Fieber gehabt. Früher nie Blinddärmen tzlln dang. Ist auch nicht uuter- 
leibskrank gewesen. Die Menses regelmässig. In den letzten Tagt 
\'er8topfung. 

Status praesens: Gracil gebautes, massig gnt genährtes Jungen. 
Mädchen, kein Fieber, Puls kräftig, regelmässig. Lungen, Herz nichts 
Besonderes. Abdomen überall druckempfindlich, besonders stark in der 
Magengrube und der Ileocoecalgegend. An letzterer fühlt man eine dent- 



I 

iCli 

;eB^H 

ht8^ 



Arch. f. küii. Chir. I 



I liohe ditfuse Resistenz von unbestimmten Grenzen. Geringe Dämpfung 
daselbst, Abdomen nicbt aufgetrieben. 

Operation am 28. Februar. Aetbemarkose. Sc bnitt über der rechten 
Darmbein schau fei. Nach Dnrchtrennnng der Banchmnskeln zeigt sich das 
präperitonealp Fettgewebe sowie das Peritoneum snlzig durchtränkt und 
verfärbt. Stumpfes Abpräpariren des verdickten Peritoneums. Dasselbe 
reisst an der unteren Seite ein, und es zeigt sich der Dickdarm (Coecnm). 
Nach Einschneiden des Peritoneums findet man nun, dasa ein Theil der 
Darmwand ganz umgrenzt, vorgeattilpt , mit dem Peritoneum verwachsen 
ist. Im Uebrigen zeigt sich der Darm (das Coecum) normal, so daas man 
den Eindruck eines chronisch ent^tlndeten Darmwandbrucbs hat. Der 
Processus vermiformis wird anfgeHucht, frei beweglich, normal, knrz unter- 
halb des Coeciims vorgefunden. Der über fünfmarkstückgrosae, mit dem 
Peritoneum verwachsene Darmwandtheil ist nach Ablösung der Schwarten 
hoch geröthet, leicht blutend, setzt sich echarf ab vom gesunden Gewebe, 
Da Verdacht auf Tuberkulose oder Neabildnng bestand, wird ein keil- 
förmiges Stück ans der Darmwand bis in das Darminnere eicidirt. Dabei 
gelangt der Finger in ein ganz normal sich anfühlendes Darmlumen mit 
völlig gesunder Schleimhaut. Der Defect wird durch Nähte geschlossen. 
Tamponade, Verachlusa der Wunde, ßeactionsloser Verlauf. Patientin 
wird im April völlig beschwerdefrei geheilt entlassen. Auch später gesund 
nnd beach werdefrei geblieben. 

Die mikroskopische tJutersuchnng des escidirten Sttickes ergiebt : 
Gleichmäasige zellige Infiltration der .Serosa, Muaeularia, Mncosa. Keine 
für Oarcinom oder Lues oder Tuberkulose sprechenden Befunde. 

Die Deutung einer derartigen circumscripten Typhlitis ist schwierig. 
^^t Viel Wahrscheinlicbkeit hat unter anderen die Annabnie, dass es sich 
^H hier schlieaalich um einen chronisch eingeklemmten Darmwandbruch ge- 
^H handelt hat. Da der Recessus ileocoecalia wohl niemals derartig entwickelt 
^B ist, dass das Eindringen eines Darmtbeils in denselben mCglicb wäre, so 
^H sind als pericoecate Hernien nur die Hernia ileoappendiculRris und die 
^K^Hemia retrocoecalis in Betracht zu ziehen. 



Einteilung. 



. der Erkenntnis, daß die Veränderungen im Wurmfortsatz sich 
langsam und in Eta|.>pen vollziehea und dadurch charakteriairt sind, dass 
von Zeit zu Zeit durch frische Infeetion hervorgerufene acute Exacerba- 
tionen auftreten, die dann in Form von mehr oder minder schweren An- 
fällen ein charakteristisches Merkmal der Krankheit bilden, unterscbdden 
wir klinisch bei der Äppendicitia die chroniscbe Form und den acuten 
Anfall. 

Ea eracheint aus praktischen Gründen, vor allem aber aua theorstiach- 
wissenschaftlichen Erwägungen als zweckmässig, verschiedene Formen 
der acuten Appenciditia zu unteracheiden. Jede acute Appendicitis ist in 



— 14 — 

ihrer Wirkung das Resultat sowohl der besonderen Affection des Wurm- 
fortsatze.-, wie der verschiedenartigen Beteiligung des Peritoneums. Beides 
sind nur der wechselnde Ausdruck der verschiedenen Intensität der 
Infection. Da es mit unseren heutigen Hilfsmitteln nicht möglich ist, 
den Grad der Infectionsintensität mit einiger Genauigkeit zu bestimmen, 
so bleibt als einzig« Grundlage für eine rationelle Einteilung der ver 
schiedenen Formen das pathologisch-anatomische Verhalten des Appendix 
und des Peritoneums. Wir unterscheiden deshalb folgende drei Haupt- 
gruppen von acuten Entzündungen des Wurmfortsatzes und Peritoneums: 

1. Appendicitis simplex ohne Beteiligung des Peritoneums 
oder mit serös-fibrinöser Exsudation. Die Entzündung des 
Wurmfortsatzes ist eine catarrhalische, auf die Wand beschränkte, ohne 
zur Perforation oder Gangrän zu führen; 

2. Appendicitis perforativa meist mit circumscripter eitriger 
Peritonitis. Dis Perforation des Appendix führt zur Ausbildung 
eines Abscesses um den Wurmfortsatz. Es ist die am häufigsten be- 
obachtete classische Form der Perityphlitis. Eine Perforation des Appen- 
dix kann aber auch zu einer fortschreitenden Peritonitis führen. 

3. Appendicitis gangraenosa meist mit fortschreitender Peri- 
tonitis. Die teilweise oder vollständige acute Gangrän des Appendix 
führt zu einer rasch fortschreitenden diffus- jauchig-eitrigen oder sep- 
tischen Peritoniti-. Eine Appendicitis gangraenosa kann jedoch, wenn 
auch seltener, eine circumscripte Peritonitis im Gefolge haben. 

In diesen vorstehenden drei Gruppen stellen wir Typen der Affection 
des Wurmfortsatzes und der Beteiligung des Bauchfelles dar, wie sie 
combinirt am allerhäufigsten zur Beobachtung kommen. Wir legen dabei 
den Hauptwert auf die Beteiligung des Peritoneums, da erst diese in der 
Art ihrer Begrenzung der Erkrankung ihr eigentliches Gepräge giebt. 

Obige drei Gruppen dürfen als reine Typen gelten, die die mannig- 
fachsten Übergänge je nach der Intensität der in Betracht kommenden 
Infection darbieten können. In der Wirklichkeit beobachten wir diese 
reinen Typen selten, Übergänge sind das Gewöhnliche. 

Am Schlüsse haben wir noch zwei Formen nachzutragen, die stets 
von Anfang an chronisch verlaufen, die Appendicitis tuberculosa 
und actinomycotica. Beide haben ausschliesslich chronischen Verlauf, 
acute Nachschübe sind selten. 

Behandlung. 

Jeder Wurmfortsatz, der auch nur ein einziges Mal von einer echten 
Entzündung befallen worden ist, muss für seinen Träger als gefährlich 
bezeichnet werden. Die Chirurgen aller Länder sind überzeugt, dass ein 



— 15 — 

operativer Eingriff gerechtfertigt ist, sobald der Appendix erkrankt ist. 
Man ist ebenso darüber einig, dass die Entfernung des erkrankten Wurm- 
fortsatzes zwischen den Anfällen das zweckmässigste sei. Nur darin gehen 
die Ansichten auseinander, wie man sich bei den acuten Anfällen als 
Chirurg zu verhalten hat 

Es ist nicht allein die Beobachtung, dass eine grosse Anzahl acuter 
Anfälle ohne chirurgischen Eingriff ausheilen, welche viele Chirurgen ver- 
anlassen, sich auch abwartend im Anfall zu verhalten, sondern auch die 
geringere Gefahr des Eingriffes im freien Intervall als im Anfall selbst. 
An unserem Krankenhause haben wir im Laufe von beinahe 15 Jahren 
die Behandlung der Appendicitis manchen Aenderungen unterwerfen 
müssen, der Art des Krankenmaterials ^ welches uns zur Behandlung 
überwiesen war, entsprechend. 

Es wird sich zunächst darum handeln, ob man im Stande ist, gleich 
bei Beginn eines Anfalls in den ersten 24 Stunden sich über 
die Bedeutung der klinischen Symptome und über die vorliegenden patho- 
Iqgischen Veränderungen nicht allein des Appendix, sondern auch des 
Bauchfells klar zu sein. Das ist die wichtige Frage, über die heute noch 
die Diskussion sich erstreckt. Hier giebt es die Radikalen, welche jeden 
Fall acuter Appendicitis schon so früh als möglich in den ersten 24 Stunden 
womöglich, operativ behandeln wollen, und die Opportunisten, welche eine 
Operation während des Anfalls eingeschränkt wissen wollen. Die ersteren 
betonen, dass man nur selten beim Beginn entscheiden kann, ob der Fall 
schwer oder leicht verlaufen wird, dass man überall in der Chirurgie das 
Bestreben habe, emen beschränkten Infectionsherd so früh wie möglich 
zu beseitigen, ehe es zu einer allgemeinen Infection kommt. Das Ab- 
warten mit dem Messer in der Hand habe nur den Nachtheil, dass 
schliesslich der betreffende Fall unter ungünstigeren Bedingungen zur Ope- 
ration komme. Die andere Gruppe der Chirurgen bestreitet die Gefahr 
jeden Anfalls. Bei richtiger Beobachtung würde auch ein später aus- 
geführter Eingriff noch rechtzeitig genug sein. Es sei nicht richtig, die 
Todesfälle nach ganz frühen Operationen der bereits bestehenden Allge- 
meininfection zur Last zu legen, oft trage die Operation Schuld an dem 
unglücklichen Ausgang. Vor allem ergebe aber die Statistik günstige 
Ergebnisse für die exspectative Behandlung. 

Unter den Statistiken, die den Beweis dafür erbringen sollen, sind 
hervorzuheben die Berichte der Armee. 

Armeesanitätsbericht 1900/01. 

An Blinddarmentzündung im Ganzen behandelt 921 Fälle, 22 gest. 

Davon nicht operirt 866 „ 18 „ 
„ operirt 55 „ 6 „ 



a betreffen säintlich diffuse eitrige Peritonitis. Von säml 
liehen Fällen blieben 695 diensttauglich, 204 ging als dien atun tauglich ab. 

Diese Tabelle erbringt in der That den Beweis, dass, was auch jedem 
praktischen Ar£>: bekannt ist, eine ganze Reihe von Anfüllen anstandslos 
ohne Operation aueheilen. Wir wissen das ebenso als Chirurgen; denn 
bei denjenigen Kranken, bei denen wir den Appendix im freien Intervall 
wegnehmen, sind stets eine Beihe acuter Anfälle, die Überstanden wurden, 
vorangegangen. Ich habe früher vor allem bei Anfällen mit circumacripter 
Peritonitis sofort lum Messer gegriffen und in dem Festvortrage bei der 
25. Wiederkehr des Chirm^encongreases noch den Standpunkt vertreten, 
dass, sobald die klinischen Symptome einer Appendieitis purulenta circmn* 
scripta diagnoaticirt seien, auch die Indication zur Operation gegeben 
und zwar sollte man sich dabei nicht mit der einfachen Eröffnung di 
Abscesses begnügen, sondern auch zugleich den j^ppendix entfernen. 
Schon damals betonte ich, dass die Gefahr einer Infeetion bisher intakter 
Theile der Peritonealhöhle beim Aufsuchen des Abscesses und Processus 
vermiformis bei aachgemäsaer Preilegung der entzündeten T belle aus- 
geschlossen sei. Heutaulage operire ich diese Fälle nicht mehr ohnd 
Weiteres, sondern nur dann, wenn die Resorption des Exsudates niel 
nach Wunsch erfolgt, eine Vergrösserung des Abscesses eintritt, und di 
klinischen Symptome die Entleerung des Eiters gebieten. 

Hnn mnsate sich insofern in den letzten Jahren eine Wandlung voll« 
ziehen, als wir Chirurgen viel früher als einst, nämlich gleich nach dem 
Beginne die acute Appendieitis in Behandlung bekommen. Wenn ich 1896 
bei den sogenannten Frühoperation eu es vorwiegend mit derartägen circum^ 
Scripten Abscessen zu thun hatte, und wir damals uoch nicht Fälle in 
den ersten 24 oder 48 Stunden zu operiren bekamen, so bekommen 
alle jetzt den acuten Anfall, sobald er ausbricht, auch zur chirurgisf 
Behandlung. Die schweren Formen, bei denen die Perityphlitis nunächst 
diffus einsetzt, und die wir mit Recht wegen der klinischen Symptome 
als schwere bezeichnen, bei denen ferner entweder die Peritonitis fort- 
schreitend bleibt oder erst sehr spät zur Abkapselung, manchmal nttt 
zur ungenügenden Abkapselung kommt, sahen wir früher 
Stadium, wo wir eigentlich gar nicht mehr operiren konnten; sie waren' 
hoffnungslos, weil sie zu spät eingeliefert waren. Gerade diese Gruppe 
von Fällen aber hat der Chirurg gegenwärtig schon In den ersten Tagen 
zur operativen Behandlung, und hier feiert die von den Radicalen so 
gerühmt« Frühoperation ihre Triumphe, die Resultate sind ausgezeiclinet. 
Der praktische Arzt weiss heutzutage, dasa er, wenn klinische Erschei- 
nungen einer diffusen Entzündung sofort einsetzen und keine Abkapselung 
sich zeigt, am besten tbut, den Chirurgen sofort zu holen; 



's« 

?n.^ 

tar 
US 

niiH 

1 



attt ■ 
ren^l 



ieseS 



— 17 — 

Fälle können durch einen frühzeitigen Eingriff in den ersten Stunden 
gerettet werden. Es ist natürlich niemals ein Vorwurf zu machen, wenn 
bei einer Frühoperation in den ersten 48 Stunden noch eine auf den Wurm- 
fortsatz beschränkte Entzündung (App. simplex) oder ein Empyem des- 
selben, das noch nicht geplatzt ist, oder eine drohende Perforation eines 
Kothsteines mit geringem Exsudat in der Umgebung angetroffen wird. In 
der Regel aber findet man eine mehr oder weniger ausgesprochene Grangraen 
mit oder ohne Perforation, in der Umgebung eine eitrigjauchige fort- 
schreitende Peritonitis. Man kann sicherlich bei einiger Erfahrung schon 
vor dem Eingriff aus den klinischen Symptomen eine Diagnose des Zu- 
standes des Appendix und des Peritoneums machen, eine Behauptung, 
die ich schon vor Jahren aufstellte (vgl. Abschnitt V). Die Erfahrung des 
Einzelnen wird ja vielleicht auch in den diffus einsetzenden Fällen den 
einen oder anderen als zur conservativen Behandlung noch geeignet er- 
scheinen lassen. Das zu entscheiden ist eben Sache der Erfahrung. Wer 
diese noch nicht in hinreichendem Maasse besitzt, wird geneigt sein, ohne 
Unterschied jeden derartigen Fall zu operiren; denn es ist absolut sicher, 
dass eine grosse Anzahl dieser Fälle, wenn sie erst am dritten Tage oder 
noch später zur Operation kommen, eine viel schlechtere Prognose geben. 
Es giebt aber Fälle, welche so foudroyant verlaufen, dass sie selbst, wenn 
man wenige Stunden nach dem Beginne des acuten Anfalls den brandigen 
Wurmfortsatz entfernt und das Exsudat ablässt, tötlich enden. Das 
sind Fälle, wo eine acute Vergiftung in Folge Toxinwirkung^ so schnell 
erfolgt, dass die Hilfe immer zu spät kommt Man wird sich ferner bei 
der Frühoperation, wenn kurz nach dem Eingriff der Tod eintritt, die 
Frage vorlegen müssen, ob hier nicht die Schwere des operativen Eingriffs 
mitsammt der Narkose vielleicht den letalen Anfang noch beschleunigt 
hat Das sind ja Erfahrungen, die überall gemacht werden, und die 
von denen besonders angeführt werden, welche mehr zu einer conser- 
vativen Behandlung auch im Anfalle hinneigen. Aber wir können nicht 
leugnen, dass die Errungenschaft der letzten Jahre, die eigentliche Früh- 
operation, segensreiche Folgen gehabt hat Für solche Fälle erweist sich 
die Untersuchung des Blutes vor dem Eingriff als ein hervorragend 
wertvolles Mittel, den späteren Ausgang vorauszusagen. Eine niedrige 
oder fehlende Leukocytose ist als Ausdruck schwerster Allgemein- 
infektion ein prognostisch durchaus ungünstiges Zeichen. Davon später 
noch mehr. 

Mit der schnellen Bildung einer Resistenz, ist oft die grösste Ge- 
fahr für den Kranken vorüber. Denn die Resistenz giebt keineswegs 
die Indication zum Eingreifen, sondern bedeutet, dass die Peritonitis Tendenz 
zur Localisation hat. Macht sich also gleich zu Beginn des Anfalls 

Sonnenbnrg, Perityphlitis. 5. Anflage. 2 



/ 



— 18 — 

bei sorgfältiger und richtiger Untersuchung eine Resistenz bemerkbar, 
bei allmälichem Rückgang von Puls und Temperatur, so kann man sich 
vorläufig exspectativ verhalten, und greife erst zum Messer, wenn ein 
neuer Nachschub sich ankündigt. 

Wenn beim acuten Anfall sehr starke Schmerzen rechts bestehen 
ohne erhebliche Aenderung der Temperatur oder des Pulses und ohne 
ernste Symptome einer Infection des Organismus oder des Bauchfells, so 
stellen wir die Diagnose auf eine Appendicitis simplex ohne Peritonitis, 
und werden nur eingreifen, wenn innerhalb der ersten zwei Tage die 
Schmerzen rechts nicht aufhören und wenn sich hier eine leichte Schwellung 
zeigt. Dann vermuten wir ein^ Neigung zur Gangrän oder zur Perforation, 
und wir ziehen dann vor, eine sofortige Operation auszuführen, um den 
entzündeten Wurmfortsatz zu entfernen, der sich dann oft als ein dem 
Durchbruch nahes Empyem zeigt. 



Zur Statistik. 

Je mehr die operative Behandlung der Appendicitis Gemeingut der 
Aerzte wurde, desto früher wurde der Chirurg zu den Fällen hinzugezogen ^ 
und erfreulicher Weise geschieht es heutzutage ohne Weiteres, dass der 
Chirurg sofort zu dem acuten Anfall, und nicht der Innere allein zugezogen 
wird. Es kommt noch ferner hinzu, dass auch beim Publicum die 
Furcht vor der Blinddarmentzündung sich mit Recht immer mehr und 
mehr einbürgert, und es verlangt heutzutage der Patient ganz von selbst 
die Operation und die Entfernung des Ruhestörers im freien Intervall, 
um nicht wieder den Gefahren emes Anfalls ausgesetzt zu sein. So kam 
es, dass die Operation im freien Intervall mit jedem Jahre mehr und mehr 
in der Spital- und Privatpraxis zunahm, ein Verhältniss, das die unten 
angegebenen Tabellen erläutern. 

Krankenhaus Moabit-Berlin. 
Gesammtsumme der an Appendicitis Operirten ca. 1700. 









I 








Jahr 


Zahl 
der Operirten 


Mortalität 


Tm Anfall 
operirt 


Mortalität 


Im iDtervall 
operirt 


Mortalität 


1890—1897 

1897—1900 

1900—1904 

(bia Jiüi) 


208 
522 
931 


18,7% 

. 10,0% 

6,7% 


175 
301 
338 


22,3% 
16,0% 
16,5% 


33 
221 
573 


0,8% 
0,8% 



— 19 



Jahr 



Zahl 
der Operirten 



n 

Dayon im Anfall 
operirt 



Dayon im Interyall 
operirt 



1890—1897 
1897—1900 ' 
1900—1904 
(bis Jnli) 



208 
522 
931 



84% 
59% 
36% 



16% 
41% 
64% 



m 



Krankenhaus Moabit-Berlin. 
Anzahl der Appendicitisfälle 1890—1904 (Juli) ca. 1700.1) 





Operationen im Anfall 


Operationen 


1 

1 Gresammt- 1 


. Nidit operirte 


Jahr 


In den ersten 


Nachd. ersten 


im Interyall 


summe i 


FäUe 


24 Standen 


24 Standen 




1 
i 








Zahl 1 Tod 


Zahl Tod 


Zahl Tod 


Zahl| Tod. 


; Zahl 


Tod^ 


1890—1897 


1 




175 


39 


33 


^ , 


1 208 


39 






1897 


1 


— 


51 


11 


29 




81 


11 




— 


1898 


— 


— 


72 


7 


52 




124 


7 




— 


1899 


1 


— 


77 


15 


56 


1 


: 134 


16 




— 


1900 


2 




97 


14 


84 


1 


183 


15 


14 


3 


1901 


1 


— 


83 


13 


111 


— 


195 


14 


29 


4 


1902 


12 


1 


89 


13 


155 




256 


14 


31 


4 


1903 


13 


1 


88 


19 


183 


4 


t 284 


23 


35 


3 


1904 


14 


3 


38 6 


144 




: 196 


9 






(blB 1. JnH) 












1 


i 


1 




Summa 


44 


5 


770 


137 


847 


6 


1661 


148 


109 


14 



Aus der zweiten Tabelle ist ohne Weiteres ersichtlich, wie die Ver- 
hältnisse sich verschoben haben. Die Operationen im freien Intervall 
haben um 50 Proc. zugenommefi. 

Wenn man, wie wir, bereits seit langen Jahren bemüht gewesen ist, 
die Perityphlitis operativ zu bekämpfen, so ist es erklärlich, dass man 
bei einer so grossen Anzahl von Fällen, die bei unserem Material bald 
die Zahl von 2000 erreichen werden, in den einzelnen Jahren besondere 
Er&hrungen über diese Erkrankung gesammelt hat. Dass diese Er- 
fahrungen besonders in Hinsicht auf die Indicationsstellung zu ver- 
schiedenen Anschauungen geführt haben, erklärt sich allein schon aus 
dem Umstände, den ich schon erwähnte, dass die Art des Materials, aus 
dem die Erfahrungen geschöpft wurden, mit den Jahren sich geändert 
hat Ich glaube, Ihnen das durch die kurzen statistischen Angaben, die 
Sie auf der Tabelle III finden, erläutern zu können. 



1) In den Zahlen sind nur die Patienten aus dem Erankenhause und der 
Priyatpraxis aufgeführt, von denen Krankengeschichten sich vorfanden. 

1* 



J' 



— 20 — 

Aus der dritten Tabelle ist dreierlei bemerkenswerth : 

1. Zunahme der Operationen in den ersten 24 Stunden; 

2. Zunahme der Operationen im freien Intervall; 

3. Statistik der exspectativ behandelten Fälle. Die Todesfälle in 
dieser Bubrik betreiOTen ausschliesslich allgemeine Peritonitiden , die in 
hoffnungslosem Zustande eingeliefert wurden. In einem Falle brach ein 
gut abgekapselter Abscess ins Peritoneum durch, bevor es zur Operation 
gekommen war. In den übrigen Fällen (App. simplex et perforativa) 
wurde der operative EingrijQT nicht für nöthig erachtet. 

Ich verzichte darauf, hier andere Statistiken anzuführen, diese soll 
nur ein Beispiel abgeben, wie sich bei einem grossen Material die opera- 
tiven Resultate im Laufe der Jahre geändert resp. gebessert haben. 



ZWEITER THEIL. 



AETIOLOGIE UND PATHOGENESE 

BEARBEITET VON 

Dr. HINZ. 

Assistenzarzt an der cbhnr^scben Abteilung des Krankenbanses Moabit in Berlin. 



J 



Aetiologie und Pathogenese. 

Bearbeitet von Dr. Hinz. 

Es seien hier zunächst einige Bemerkungen über die Entwicklung 
des Blinddarmes und des Processus vermiformis, sowie über die Anatomie 
dieser Gebilde vorausgeschickt Der Intestinaltractus stellt im Anfang 
eine gerade Bohre dar, welche sich später krümmt. Der vordere Theil 
oberhalb der ersten Krümmung bildet den Pylorus des Magens, die spätere 
Partie weiter unterhalb die Krümmung des Coecum. Das Längenwachsthum 
des Darmes, verbunden mit einer gewissen Botation desselben, führt später 
die Organe zu ihrer definitiven Lage. Das Coecum steigt allmählich 
herab und befindet sich schon bei der Geburt in der Fossa iliaca. Inter- 
essant ist es, dass bei gewissen Säugethieren, z. B. bei vielen Nagern, bei 
manchen Afien und auch beim Menschen ein bei den übrigen Thieren oft 
sehr ausgedehnter Theil des Blinddarmes eine mehr oder weniger starke 
Verkümmerung zeigt, so dass er als dünner, wurstförmiger Appendix dem 
übrigen gut entwickelten Abschnitt anhängt. Diese Verkümmerung ist 
zurückzuführen auf veränderte Nahrungsbedingungen. Dass diese Ent- 
wicklungsphase für den Menschen nicht allzufern liegt, beweist der Um- 
stand, dass der gesammte Blinddarm des Foetus, auch des Neugeborenen 
eine relativ grössere Länge besitzt als der des Erwachsenen. 

Der Processus vermiformis, ein hohler functionell werthloser Anhang, 
hat die Form eines Regenwurms. In der Regel ist er sehr beweglich infolge 
einer dehnbaren, dreieckigen Bauchfellduplicatur, welche gegen das Dünn- 
darmende hin in zwei Falten sich erhebt, von denen sich die eine in die Plica 
ileocoecalis verliert, die andere in denjenigen Gekrösabschnitt übergeht, der 
in den vom Dünndarmende und Colon ascendens erzeugten stumpfen Winkel 
eingeschoben ist (Luschka). Das Mesenteriolum ist sehr verschieden lang 
und dick, doch ist uns kein Fall vorgekommen, in welchem es völlig 
gefehlt hätte, wohl aber Fälle, wo es sehr rudimentär entwickelt war. 
Manchmal reicht es nicht ganz zur Spitze, in einzelnen Fällen ist sogar 
ein Drittel des Organs ohne Grekröse. Das Mesenteriolum hat Einfiuss 
auf die Gestaltung des Appendix. Ist es sehr schmal oder fehlt es 
gänzlich, so kann der Wurmfortsatz ganz gerade gestreckt sein; ist es 
aber für seine Länge relativ zu schmal, so wird er gekrümmt. Die ana- 



— 24: — 

tomische Beschaffenheit des Appendix ist je nach dem Alter eine ver- 
schiedene. Nach der Geburt veengert sich die trichterförmige Mündung, 
so dass schon im zweiten Lebensjahre der Eingang in ' den Wurmfortsatz 
meist etwas enger ist als das Lumen desselben. Im allgemeinen gleicht 
zwar seine Structur derjenigen des Dickdarms, doch hat seine Schleimhaut, 
besonders in der ersten Lebenshälfte ausserordentlich zahlreiche Lymph- 
follikel. Dieselben halten sich in dieser gedrängten Anordnung etwa bis 
zum 30. Lebensjahre, dann atrophiren sie mehr oder weniger. Die ein- 
zelnen Schichten des Appendix sind : der peritoneale Ueberzug, die Muskel- 
lage, die Submucosa, eine relativ dicke Schicht von Bindegewebe mit 
Arterien und Lymphgefässen, endlich die Schleimhaut. 

Eine halbmondförmige Duplicatur findet sich ziemlich regelmässig an 
der Coecalpforte: die Q^rlach'sche Klappe. Warum diese speciell den 
Namen Ger lach führt, ist nicht recht ersichtlich, da sie sich berdts 
früher bei Merling (1836) beschrieben findet; dann hat sie auch Cru- 
veilhier genau angegeben. Sie nimmt nur die obere Hälfte des Ori- 
ficium ein, öfihet sich nach dem Coecum hin und stellt eine Duplicatur 
der Mucosa vom Coecum nach dem Appendix dar. Die Bolle dieser 
Einrichtung ist nicht ganz klar; während ihre Aufgabe vermuthlich darin 
besteht, den Darmingestis den Eintritt in den Coecalanhang zu verwehren, 
scheint sie de facto des Oefteren umgekehrt der Entleerung des Appendix 
hinderlich zu sein. — 

Die Blutzufuhr des Appendix kommt folgendermassen zu Stande: 
Es findet eine Anastomose statt zwischen den Aa. superior mesenterica, 
ileocolica, colica dextra und colica media, und zwar durch primäre und 
secundäre Bogenbildung. Von der letzteren geht wieder ein den Appendix 
versehender Zweig aus, der mit den die ileocoecale Gegend versorgenden 
Gefässzweigen in Verbindung steht. Der den Appendix ernährende Zweig 
verläuft am freien Rande des Mesenteriums entlang und giebt unterwegs 
Zweige ab. Das Mesenteriolum selbst ist von einem dichten Netzwerk 
sehr feiner Arterien, Venen und Lymphgefässe erfüllt, begleitet von sehr 
zahlreichen Nerven. Fehlt ein Mesenteriolum oder ist es sehr kurz, so 
zieht die Arterie unmittelbar im peritonealen Ueberzuge entlang. Aus- 
nahmsweise verläuft sie, ohne Aeste abzugeben, direkt bis zur Spitze des 
Organs und durchdringt erst von hier rückläufig seine Substanz. Die 
Lymphgefässe des Appendix ziehen zu den mesenterialen Lymphdrüsen. 
Im allgemeinen sammeln sich diejenigen aus der Spitze und dem Körper des 
Wurmfortsatzes stammenden in einer Drüse, welche im inneren Winkel 
der Basis des Mesenteriolum gelegen ist (Ganglion ileoappendiculare), 
während die in dem Winkel zwischen Coecum und Appendix einge- 
schalteten Drüsen ihren Zufluss aus der Wurzel des Appendix erhalten 



— 25 — 

(Poirier, Cuneo). In vereinzelten Fällen hat man auch Lymphgefässe 
gefunden, welche zum Mesocolon und Ligament, appendiculo-ovaricum hin- 
ziehen (Clado). 

Die Nerven des Appendix entspringen dem oberen mesenterialen 
Nervengeflecht des Sympathicus. Von dem die Arteria ileocolica beglei- 
tenden Nervenstrang gehen Zweige zum Wurmfortsatz ab. Es ist be- 
achtenswerth, dass der obere Plexus des Mesenteriums schliesslich in 
reichem Masse den Dünndarm innervirt (Fowler). Hieraus ist die Art 
der Ausbreitung der Schmerzen bei Appendicitis, nämlich weit in die 
Bauchhöhle bis zum Nabel und Magen hin erklärlich. 

Bei der Entstehung und dem Verlauf der Appendicitis und der in 
ihrem Gefolge so häufig auftretenden entzündlichen Aflectionen des Peri- 
toneum spielen zunächst die anatomischen Verhältnisse des 
Coecum eine Rolle. Die Lage des Blinddarmes und infolge dessen auch 
des Appendix kann sehr wechseln. Sie ist abhängig von der Länge des 
Mesocolon und von der Volumänderung des Coecum. Bei mittlerer 
Ausdehnung durch Darmgase reicht das Coecum bis zum inneren Rande 
des Ileopsoas und liegt dann unmittelbar an der vorderen Bauchwand 
in der Inguinalgegend. Der stark durch Gase aufgeblähte Blinddarm 
erreicht die Linea alba nahe der Symphyse; der durch breiigen Inhalt 
ausgedehnte Blinddarm hängt gewöhnlich in das kleine Becken hinein; 
das leere, stark contrahirte Coecum liegt von Dünndarmschlingen bedeckt 
in der Höhe des Darmbeinkammes. 

Von Wichtigkeit sind Fälle, wo das Gekröse des Colon ascendens 
nicht von der gewöhnlichen Anheftungsstelle ausgeht, sondern entsprechend 
einer Periode des embryonalen Zustandes an abnormen Stelleu der hinteren 
Bauchwand inserirt Man findet dann Coecum und Theile des aufsteigenden 
Dickdarmes frei flottirend in der Nabelgegend oder selbst nach links von 
demselben. Fast stets sind damit auch erhebliche anderweitige Lage und 
Formveränderungen der Därme, Anordnung der Peritonealfalten und Ver- 
theilung der Gefässe verknüpft. 

Durchaus nicht selten ist das Coecum nach oben umgeschlagen, so 
dass es mit seinem Fundus zwerchfellwärts gerichtet ein entsprechendes 
Stück des Colon ascendens verdeckt. Auch der Processus vermiformis 
ist damit selbstverständlich verlagert und erstreckt sich mit seiner Spitze 
nach oben und seitwärts bis zur Leber, ja bis hinter dieselbe. 

Von grösserer Wichtigkeit für das Auftreten von Erkrankungen an 
demselben sind die anatomischen Verhältnisse am Appendix 
selber. Seine normalerweise etwa 8 cm betragende Länge ist den grössten 
Schwankungen unterworfen. In äusserst seltenen Fällen kann er voll- 
ständig fehlen oder auch abnorm grosse Masse haben Zuckerkandl hat 16, 



— 26 — 

Ribber 1 20, Luschka und Lennander 23, isir selbst haben 18, 21 und 
25 cm beobachtet. 6ein Durchmesser beträgt etwa 0,5 cm, seine Lichtung 
ist sehr gering. Wie nun schon in jedem Blindsack die Bedingungen für 
die Stagnation des Inhalts gegeben ist, so steigert sich die Praedisposition 
zur Erkrankung und Entzündung durch dieses ausserordentliche Miss- 
verhältniss des Lumens zur Lange des Wurmfortsatzes. Dasselbe findet 
einen noch schärferen Ausdruck in der Grösse der secemirenden Fläche 
zur Kleinheit des Hohlraumes; durch katarrhalische Schwellung der 
Schleimhaut kann das enge Lumen völlig verlegt und der Abfluss ge- 
hemmt werden. Ein weiteres Moment für die Praedisposition zur Er- 
krankung liegt in der Beschaffenheit des Mesenteriolum. Ist 
dasselbe sehr kurz, so führt es häufig zu einer Knickung des Wurm- 
fortsatzes in seinem Verlauf. Dass dadurch der Inhalt noch grössere 
Schwierigkeiten haben muss, in den Darm zu gelangen, ist ohne Weiteres 
verständlich. Es wird daher in solchen mehr oder weniger gedrehten 
und abgeknickten Wurmfortsätzen eine Stauung leichter entstehen können 
und auch die Bildung von Kothsteinen besonders dicht an der Knickungs- 
stelle begünstigt werden. Anscheinend spielen gerade diese Verhältnisse 
bei der sog. familiären Disposition zur Erkrankung eine Rolle. 

Ausser der abnormen Länge und den Abknickungen geben in 
anderen Fällen die Lageveränderungen des leicht beweglichen Organs 
die Ursache für Retention des Inhalts und für Erkrankungen der Wand. 
Die grosse Reichhaltigkeit der Lageverhältnisse des gesunden Organs 
wird durch Krankheitsprocesse noch ausserordentlich gesteigert. Es tritt 
in allerhand abnorme Verbindungen mit Nachbarorganen, an deren Be- 
wegung es sich betheiligt und deren Füllungszustand auf seine Richtung 
von bestimmendem Einfluss ist. So streckt z. B. der schwangere Uterus 
den Appendix steil nach oben, und der entleerte zieht ihn wiederum ins 
kleine Becken hinab. Bei einer so sehr variirenden Topographie scheint 
der sogenannte Mac Burney'sche Punkt (ein schmerzhafter Punkt 6 cm 
nach innen von der Spina ant. sup. in einer von dieser nach dem Nabel 
gezogenen Linie) eine verlässliche anatomische Grundlage nicht zu be- 
Hitzen, wenn auch unzweifelhaft dieser Punkt bei der Untersuchung in 
vielen Fällen als schmerzhaftester erscheint. 

Lafforgue fand den Wurmfortsatz unter 200 Sectionen am häufigsten 
nach unten gerichtet, 41,5 Proc, seitlich nach aussen 26 Proc, seitlich 
nach innen 17 Proc, nach oben 13 Proc. Bryant traf ihn in 144 Sec- 
tionen nach innen gerichtet 34 mal, hinter dem Coecum 32 mal, nach 
unten innen 28 mal, in das kleine Becken 21 mal, in anderen ganz ver- 
schiedenen Richtungen 29mal. Nach Turner lag er in 105 Fällen frei 
in der Bauchhöhle 83 mal, hinter dem Anfangstheil des Dickdarms, 



l -^ 




3mal nach unten und UlmaJ in i]uerer RicLtuog verlief; IGSmal 
■lag er dabei tlieilweise oder ganz im klemen Becken. 

E3 kommt noch die Variation hiufig \or, wo der Appendix als directe 
S'oit^etzung des Coecums sich, ieigt embryonaler Typus. Bei der Rieh- 



tung nach unten 7.ieht der Appendix meiat ins Becken, v/a er beim Manoi 
zur Blaee und Mastdarm, beim Weibe auaaerdeni zum Uterus und rechten^ 
Ovarium in Beziehung treten kann. Bei der Richtung nach innen kommti 
er mit Dünndarm sohl in gen in Berührung, bei der Richtung nach aussen, 
schlingt er sich vorn oder hinten unten um das Coecum ; bei der Rich- 
tung nacli oben findet er sich an der Hinlerseite desselben. Dazu kommen 
noch gelegentliche Besonderheiten, bedingt durch Anomalien in der Lage 
des Coecum, des 8 romanum, ebenso auch in Bruchsäcken (vgl. den 
pathologiseb-auBtomt sehen Theil). Er kann dadurch jjis zur Niere 
Leber hinaufgelangen , ja bei besonderer L/änge sogar über die Median- 
linie in das linke Hypochondrium bis zur Milz hin sich erstrecken. 

Was seine Lage zum Peritoneum anlangt, so traf ihn v. Bydow 
unter 586 Iieichen 20mal ganz, 19mal theilweiae in dem Peritonealblatte 
eingebettet, das die Fossa iliaca bedeckt; 11 mal verlief er vollständig in 
dem hinter dem Coecum liegenden Zellgewebe, Fergusson constatirte 
unter 200 Sectionen die völlig oder theilweise retroperi tonen le Lage des 
Appendix 77 mal. Bei unsern Obductionen bemerkten wir öfter, dasa 
auch bei vollkommen b auch fei lumhül Item Blinddarm der Wurmfortsatz 
infolge ungewöhnlicher Lagerung in einzelnen Abschnitten oder auch faBt 
in ganzer Ausdehnung unter das Wandhlatt des Peritoneum treten kann 
(vgl. Fig, 1}. 

üeber die Rolle, welche die Art der Blutcirculntion des Appendix 
unter den praediapon Iren den Momenten der Erkrankung spielt, herrscht 
nach wie vor eine getheilte Ansicht. Nach van Gott, Fowler, Lanz 
ist die Blut Versorgung des Processus als eines rudimentären Organs eine 
mangelhafte, indem die ganze Ernährung durch einen Zweig der Art. 
mesenterica vermittelt wird und nur ein unbedeutender collateraler Kreis- 
lauf zu Stande kommen kann. Die Gefäase sind nun nach van Cotl 
häufig Sita pathologischer Veränderungen. Bei 13 untersuchten Wurm- 
fortsätzen fand er diese oder jene Form einer Obatruction des Blutkreis- 
laufes, sei es Para-, Peri- oder Endovaaculilis oder organisirle Thromben, 
ein Zustand, der natürlich der Rundzelleninfiltralion und der Bildung 
eitriger Herde in den Wandungen lange Zeit vorausgegangen sein muss. 
Daneben waren noch endo- und peri neuriti sehe Procesae mit oft ausge- 
dehnter Atrophie von Nervenfasern nachweisbar. Die bei der Beweglich- 
keit des Appendix und seines Mesenteriolum leicht eintretende Torsion 
dieser Gebilde und eine gleichfalls vielfach sich findende Hyperplasie der 
Appendixwandungen kann zu ähnlichen Gefäss- und Nerven alterationen 
führen. Letztere sind also als die eigentlichen aetlo logischen Factoren 
in der Entwicklung der Appendidtis anzusehen, Sie haben directe locale 
Necrosen, eventuell sogar trophieche Geschwüre zur Folge und schaffen 



"LH 

4 



— 29 — 

zunächst die loci minoris resistenliae für das Eindringen pathogener Bac- 
terien des Darminhalts und somit die Vorbedingungen der Entzündungen 
des Organs. 

Meisel betont die durch Verschluss der Wurzel venen des Appendix 
hervorgerufenen Stauungen. Für die Vermuthung, dass dieses mechanische 
Moment bei den entzündlichen Erkrankungen des Wurmfortsatzes eine 
grosse Rolle spielt^ fand er eine Bestätigung durch die Untersuchung von 
7 Wurmfortsätzen, die einige Tage nach dem Anfall entfernt waren. In 
allen Fällen konnte er Thrombose oder Obliteration von Wurzelvenen 
des Mesenteriolum nachweisen ; im Lumen des Appendix fand sich blutig- 
fibrinöses Exsudat, im Parenchym ausserdem Reste älterer Blutungen, die 
er ebenfalls als Stauungsblutungen deutet. Die infolge der Thrombose 
eintretenden Circulationsstorungen führen zu entzündlichen Wandverände- 
rungen und Gewebsnecrose am Appendix. Durch compensatorisches Ein- 
treten der subserösen Venen kann eventuell eine Perforation oder Gangrän 
des Wurmfortsatzes verhütet werden und durch Obliteration des Lumend 
eine Heilung erfolgen. 

Zu anderen Resultaten kamen Breuer und v. Brunn. Breuer, 
welcher auf Veranlassung Nothnagels eine Nachuntersuchung der 
Behauptungen van Cott's vornahm, hält die Blutversorgung des Appen- 
dix zweifellos für eine etwas mangelhafte, aber durchaus für keine 
terminale, ebenso wie Hansemann. Es bestehen immerhin nicht gerade 
spärliche Anastomosen mit dem coecalen Gefässgebiet, welche in allen 
Schichten des Appendix verlaufen und in ihrer Gesamtheit ein Blut- 
quantum liefern, das für die Ernährung des Organs nicht ohne Be- 
deutung sein dürfte. Gefässveränderungen waren in der von van Gott 
angegebenen Regelmässigkeit durchaus nicht aufzufinden. An den chro- 
nisch entzündeten Wurmfortsätzen waren die grösseren im Mesenterium 
verlaufenden Gefässstämme regelmässig intact, selbst wenn sie von 
schwielig verändertem, geschrumpftem Bindegewebe umgeben waren. 
Auch die in den verschiedensten Schichten der Wand selbst ge- 
legenen kleineren Grefässe wiesen nur selten und in geringem Grade 
pathologische Veränderungen auf. In Fällen von acuter eitriger Appen- 
dicitis waren Veränderungen der Gefässe zwar häufiger, doch beschränkten 
sie sich auf den acut entzündeten Bezirk und dessen nächste Umgebung 
und gingen nicht über das Maass dessen hinaus, was man auch sonst 
als Theilerscheinung und Folge acuter Entzündung beobachtet. Breuer 
konnte mithin nicht den Eindruck gewinnen, dass die Gefässverände- 
rungen den eitrigen Entzündungserscheinungen lange Zeit vorangegangen 
waren und die eigentliche Ursache der Entzündung darstellten. 

Auch V. Brunn kommt auf Grund genauester histologischer Unter- 



— 30 — 

suchung von 20 Wurmfortsätzen zu dem Ergebniss, dass Gefäss Verände- 
rungen besonders in acuten Fällen häufig vorhanden sind. Ein ätio- 
logischer Zusammenhang dieser Blutgefässveränderungen mit den frischen 
oder abgelaufenen Entzündungsprocessen der Wurmfortsatz wand in dem 
Sinne, dass die Gefässerkrankung als das Primäre den Anstoss zu den 
stärkeren Entzündungsvorgängen gegeben hätte, kann für einige Fälle 
als möglich zugegeben werden, die Noth wendigkeit eines solchen Zu- 
sammenhanges ist jedoch nirgends ersichtlich. In einer Anzahl von 
Fällen ist die secundäre Natur der Gefässveränderungen sicher, in der 
Mehrzahl der übrigen ist ihre secundäre Entstehung die weitaus natür- 
lichere Erklärung, wenn man die Ausdehnung, den Sitz und die Art der 
Gefässerkrankung mit den pathologischen Veränderungen der Wurmfort- 
satzwand vergleicht. 

Nach unseren eigenen Untersuchungen und Erfahrungen stellen wir 
uns wenigstens für einen Theil der Fälle mehr auf den Standpunkt van 
Gott 's. Wir halten die Gefässversorgung des Appendix in vielen Fällen 
für eine mangelhafte. Die vorhandenen Anastomosen sind oft ungenügende. 
Ungünstig muss die Ernährung auch aller derjenigen Wurmfortsätze sein, 
deren Gekröse kurz ist und nicht bis zur Spitze reicht, daher nur einen Theil 
mit directer Blutzufuhr versieht. Die anatomische Anordnung der Gefässe 
am Appendix, die bei uns seit Jahren einer sorgfältigen Untersuchung 
unterworfen wird, hat sich in Hinsicht auf die Blutversorgung ähnlich 
erwiesen, wie van Gott angiebt. Es ist uns daher nicht zweifelhaft, dass 
die häufigen Formen von Appendicitis gangraenosa, auf die wir noch zu 
sprechen kommen, gerade auf diese Art der Blutcirculation hauptsäch- 
lich zurückgeführt werden müssen und dass bei der mangelhaften Grefäss- 
versorgung ein embolischer Verschluss der Arteria appendicularis bei ihrem 
Eintritt in das Mesenterium Gangrän des ganzen Organs nach sich ziehen 
kann. Wir halten diese Zufälle für durchaus nicht selten, und sie spielen 
gewiss eine nicht unwesentliche Rolle in der Pathogenese der Appen- 
dicitis. 

Als eigentliche veranlassende Ursachen werden die Kothstciue und 
Fremdkörper angesehen. Die Ansicht, dass die festen Kothbröckel, die 
man im Wurmfortsatz findet, aus dem Coecum als fertige Kothsteine in 
ihn hineingepresst würden, ist wohl allgemein aufgegeben. Die Kothsteine 
bilden sich nach der überwiegenden Ansicht der Autoren im Appendix 
selbst. Dass Darminhalt durch die Gerlach'sche Klappe häufig in den 
Appendix eindringt, steht ausser Zweifel, besonders da dieselbe in mehr 
alsder Hälfte der Fälle fehlt (Trieben, Sudsucki), und wenn vorhanden 
kein Hinderniss für den Eintritt von Koth in den Wurmfortsatz oder 
für Rücktritt von demselben in den Darm bietet. Gelangt der Koth nicht 



— 31 — 

wieder aus dem Appendix hinaus, so trocknet er allmählich in Folge der 
starken Wasserresorption ein und wird hart. Dann aber vergrössern sich 
diese Kothbröckel, und zwar dadurch, dass der aus den Drüsenschläuchen 
stammende Schleim zusammen mit einer Unmenge von Bacterien sich an- 
lagert und die Dickenzunahme des Kothsteines befördert. Die absolute 
Häu%keit der Kothsteine und ihre Grösse erklärt sich aus der Gestaltung, 
der Enge des Lumens, den häufigen Knickungen des Wurmfortsatzes. 
Die in ihm wirkenden peristaltischen Kräfte sind zu schwach zur Aus- 
treibung des Inhalts, sie pressen aber die Schleimhaut gegen den ent- 
stehenden Stein an, wodurch atrophische Veränderungen und mechanische 
Läsionen eingeleitet und bedingt werden können. Der dadurch ver- 
ursachte umschriebene Katarrh um einen derartigen Kothstein ist als der 
Beginn einer Reihe nachfolgender schwerer Veränderungen aufzufassen. 

Die Kothsteine, eine wichtige Erscheinung bei der Erkrankung des 
Appendix, hat man bis vor kurzem, ebenso wie die Fremdkörper, als 
unmittelbare Ursache der Appendicitis angesehen, doch ist ihre patho- 
genetische Bedeutung fallen gelassen, ebenso wie die Annahme, dass die- 
selben fertig gebildet als Steine in den Wurmfortsatz eintreten (s. o.). Man 
stellte sich den Vorgang so vor, dass ein in das Appendixcavum verirrtes 
und aus irgend einem Anlass zurückgehaltenes Kothklümpchen durch 
sein Wachsthum an und für sich und durch die beständige Berührung 
auf die Wand reizend einwu*ke und sie in Entzündungszustand versetze. 
Man glaubte ferner, dass mit der Volumenzunahme auch die Spannung 
der gedrückten Wandtheile zunehme und sich allmählich ein alle Schichten 
durchsetzendes Druckgeschwür mit circumscripter Gangrän und Perforation 
ausbilden müsste. 

Diese primäre Bedeutung dürfte den Kothpartikeln nicht inne wohnen. 
Es kommen noch andere Momente hinzu, und zwar ist es der Katarrh, 
der die Schleimhaut schwellt und den Ausgang verlegt; weiter die ent- 
zündete Musculatur und die abnormen Verklebungen, welche die aus- 
treibenden Kräfte brachlegen. 

Wie soll man sich nun die Anlagerung dieser neuen Schichten an 
jenen Stellen denken, an denen die Wandung mit fester Spannung wie 
ein straff angezogener Gurt den Stein umfasst? Wir glauben, dass zur 
Bildung solcher Producte ein gewisser Raum erforderlich sein muss, der 
den Zutritt von Schleim und sonstigen Ingredientien des Kothsteines von 
allen Seiten frei gestattet. Auch das Zustandekommen der häufig runden 
Gestalt der Goncremente dürfte eine gewisse Beweglichkeit erheischen, die 
eine Abschleifung der Unebenheiten, ein gewisses Rollen und Zurecht- 
kneten der Kugel , vielleicht von Seiten der Darmwand, möglich macht. 
Die ausserordentlich grossen Kothsteine (Pflaumenkerngrösse, Sonnen- 



bürg), die mon tindei — Soreth berichtet über einen Stein voc 2,1 cm'! 
Länge und 1,6 cm Dicke — , deren Bilduug nacb dem ganzen Bau lange" 
Zeit beansprucht baben muäs, können unmijglieb auch nur einen grösseren 
Brucbtheil ihrer Enlwicklungsperiode hindurch der Wand angelegen und 
dieselbe in Spannung geballen haben. Es halte sich dann wohl Gangrän 
lies Organs eiDgeatellt, 

Es erwächst aus diesen Ausführungen der Schluss, dass die Bildung 
von Koprolithen zwar in engem Zusammenhang mit den Erkrankungen 
dea Wurmfortsatzes steht, daaa diese aber nicht die primäre Ursache des 
Leidens, die Materia peccana, sind, sondern eine Fojgeeracheinung der- 
aelben. Auf dem Boden einer vorhandenen Appendicitia entwickeln 
sie sich, aber alsbald treten sie in den Vordergrund der Erscheinung. 
Ihr Wachathum bringt sie in ve rh an gniss vollen Connex zur erkrankten 
Wandung, an deren achlieasJicher Zeratörung sie einen hervorragenden 
Antheil nehmen. Auch hier bildet, wie ao oft, das Spiel der Natur einen 
logischen Zirkel: die Erkrankung der Wand regt die Bildung dea Steines 
an , der wachsende Stein verschlimmert den Krank hei tsprocess ia der 
Wandung. Seeundär dagegen können die Steine einen grossen Einfluss 
auf den Verlaut des Processes gewinnen, und zwar sowohl durch die 
Dnickwirkung auf die ödematös infiltrirte Wandung, als auch durch dis | 
Verlegung des Lumeus. ■ 

Jedenfalls aber linden sich die Koprolithen ausserordentlich häufig. J 
bei der Perityphlitis, R e n v e r a giebt eine Zusammenstellung von 
459 Autopsien aus der Litteratur, in der 179 Kothstoine und 16 Fremd- 
körper notirt wurden. Hechnet er die Fälle hinzu, in denen daa Con- 
crement vermuthlich übersehen wurde, so sind Kothateine in ungefähr der 
Hälfte der obducirlen Fälle vorhanden. Unter den von mir operirten 
Fällen fand ich etwa in '/^ '^^r Fälle Kothsteine, 

Die Zahl der Fremdkörper steht dagegen bedeutend zurück. Ihre • 
relative Seltenheit wird von allen Autoren hervorgehoben. Man hat selbst- I 
verständlich die mannigfaltigsten Dinge gefunden: Fruchtkerne, Haara I 
vom Kopf, Bart und aus der Zahnbürste, Natlaln, Perlen, Gallensteine, ' 
Fischgräten, Rückenwirbel von Fischen, Ich selber habe 2mal Haare, 
einmal einen Heidelbeerkern als Grundlage in den Kothsteinen gefunden. 
Bei einem Cjährigen Knaben fand Bell bei einer eitrigen Appendiciiis 
eine Stecknadel in der Spitae derselben ao quer gelagert, dass der Kopf 
der Nadel durch Druck die Darmwand perforirt hatt«, während die Spitze 
der Nadel die gegenüberliegende Darmwand gleichfalla durchbohrt hatte, 
aber durch Verwachaungen mit dem Netz weniger bedrohlich war. In 
der Gerhardt'schen Klinik in Jena fand man bei einem 17 motiatlicheu 
Knaben im intncten Processus einen pfennigstückgrossen Bleiknopf. Bam- | 



I 



berger berichtet von einem Patienten, der Jabre lang übermässig Kreide 
gegeesea hatte. In eeliiem Appendix befand sich ein Kothetein, der zu 
80 Proc. aua Kreide bestand. Auch Spulwürmer hat man öfters im 
Appendix angetroffen; sie sind wohl entgegen der Ansicht mancher 
Autoren wie MetHchnikof f, Jadelol von geringer ursächlicher Be- 
deutung für die Perityphlitis und die Perforation. In dem einzigen Falle, 
in dem man sie ausserhalb des perforirten Appendix fand, lag auch ein 
kirschkern grosser Kothstein im Abäceas. Der Wurm war wohl erst seeundär 
durch die bereits vorhandene Perforation ausgewandert. Kraussold 
fand einmal ein Convolut von 10 Stück Trieb ocephalus dispar im intacten 
Processus vermiformis, Israel fand in einem exstirpirten Wurmfortsatz 
zwei lebendige Tänienglieder. Sonnenburg fand im Wurmfortaatsi 
den Osyuris vermicularis und einmal ebenfalls ein lebhaft sich bewegen- 
des Glied von Taenia mediocanellata. 

Ueber Bau und Zusammensetzung der Enterolithen ist seit langer 
Zeit Neues nicht mehr beigebracht worden. Die Analysen, die wir bei 
Voll, Bierhoff, Soreth, sowie in den Lehrbüchern der physio- 
logischen Chemie (Gorup-Besanea) antreffen, zählen die gewöhnlichen 
Componenlen der Fäces auf : erdige Salze (phosphorsauren Kalk und 
Ammoniakiaagnesia, kohlensauren und schwefelsauren Kalk), organische 
Bestaadtheiie, Fett, Holzfaser und Pflanzenreste. Die neuen Unter- 
suchungen R i b b er t ' s haben die bereits von vielen Seiten geäusserte 
Ansicht von neuem bestätigt, daas nur der Kern des Steins aus eigent- 
lichem Koth bestehe, die äusseren Lagen zum grüssten Theü aus einge- 
dicktem Schleim mit Eiterzellen und Bacterieumassen gebildet werden. 

Bibbert konnte bei Schnitten, die durch den im Wurmfortsatz ge- 
härteten Kothstein geführt wurden, mittelst der Weigert'schen Fibrin- 
färbung den continuirlichen Zusammenhang des Schleims der äusseren 
Kothstein schichten mit dem die Drüsen schlauche ausfüllenden nachweisen. 

Von grosser Wichtigkeit sind die Obliterations Vorgänge am Wurm- 
fortsatz, die besonders von Ribbert beschrieben sind und von ihm als 
Involutions Vorgänge an einem functionslos gewordenen Organ aufgefasst 
werden. Er fand unter 400 Fällen 99mal, also in 25 Proc, Zucker- 
kandl unter 232 Fällen 55mal, also iu 23,7 Proc. den Wurmfortsatz 
total oder häufiger partiell versehloaaen, Sudsuoki konnte ebenfalls 
vielfach, wenn auch nicht in solcher Häufigkeit, Schrumpfungsprocesse 
in der typischen Form nachweisen. Nach Ribbert machen eich die 
ersten Zeichen ihres Beginnes schon im 5. Lebensjahr bemerkbar, bis 
zum 20. Lebensjahr sind sie jedoch immerhin noch selten; Leute über 
60 Jahre weisen sie in mehr als 50 Proc. auf. Die Obliteration betrifil 
zuweilan die ganze Länge, in der Hälfte der Fälle etwa den vierten Theil 

Bonsenbarg. FBiityphlitiB. b. Aalla^. 3 



des Organs. Je kürzer daaselbe, desto mehr neigt ea zu atropbirenden 
Obliteratiooen. Die partielle Verödung betriöl bauptBächlich den distalen 
Abacbnitt, Der Vorgang spielt sich nach Ansicht der genannten Autoren 
in der Weise ab, dass unter gleichzeitigem oder vorhergegangenem Verlust 
der Drüsen eine Verwachsung des Bindegewebes der Mucosa eintritt. Dag 
adenoide Gewebe und der zurückgetretene Bindegewebs Überrest der Schleim- 
haut schrumpft sammt der Submucosa zu einem Gewebsstrang zusammen. 
Die Muscularia nimmt an dem Ob literations Vorgang keinen Antheil und 
bleibt, abgesehen von geringfügiger Fettanhäufung, unverändert. 

Dia Ansicht, dass dieser Obl Iteration sproceas als eine Involution 
aufzufassen ist, hat bei den Klinikern fast allgemeinen Widerspruch her- 
vorgerufen. Einmal giebt ea kein Analogon für einen derartigen Vorgang 
in der ganzen Oekonomie des menschlichen Körpers, und es ist aus diesem 
Grunde schon unwahrscheinlich, denselben als rein physiologischen auf- 
zufassen. Ferner haben ivir wie auch andere (Senn, Lanz, Socb, 
Meisel) die vielfältige Erfahrung gemacht, dass man bei den recidi- 
virenden Formen der Appendicitis an den durch OperalJon gewonnenen 
Wurmfortsätzen sehr bäuög Obliterationen, auch totale vorfindet. Trotz- 
dem haben oft wiederholte Anfälle bestanden. Es ist also aus der Obli- 
teration an sich noch kein Scbluss zu ziehen, dasa damit eine Verödung 
des Organs eingetreten und eine weitere Entzündung ausgeschlossen ist 
Im Gegentheil scheinen uns die peripher von der Obliteration auftretenden 
Ausweitungen zu Stauung des Secrets und damit zu Entzündungen in 
erhöhtem Masse Veranlassung geben zu können. Auch das Fehlen von 
Verwachsungen, die Sudsucki übrigens an den obliterirten Wurmfort- 
sätzen doppelt so häufig fand als an den nicht obliterirten, und anderen 
auf abgelaufene Entzündungsprocesse hindeutenden Veränderungen beweist 
nichts, da auch nach sicher stattgehabten Entzündungen in späteren 
Stadien die Rückbildung eines erkrankten Appendix eine so vollkommene 
sein kann, dass man bei der Operation ein normales Organ vor sich zu 
haben glaubt. So deuten also die klinischen Erfahrungen und die bä 
der Operation gewonnenen Präparate darauf hin, dass die Obliterationen 
als Endproduct« einer Endzündung wenigstens in den meisten Fällen 
anzusehen sind. Durch emboliache oder thrombotische Vorgänge in den 
Gefäesen des Mesenteriolum, durch den Druck eines Kothstetues, durch 
ungünstige Adhaesionen und circ um Scripte Entzündungen kommt es zu 
Geechwürsblldung oder Gangrän an der Schleimhaut, welche durch Ver- 
wachsung der ihres Epithels beraubten Appendiiwan düng einen VerscblusB 
des Lumens herbeiführen. Betrifft diese Nekrose die Schleimhaut in 
ihrer ganzen Ausdehnung, so Ist totale Obliteration die Folge. Histo- 
logisch findet man das Lumen ausgefüllt mit einem kernarmen Binde- 



I 
I 



I 



gewebsatnmg, an dem eine radiäre Streifung deutlich siu erkennen ist. Die 
Muscularia kann dabei wohl erhalten sein. Wir haben also genau dag- 
selbe von Ribbert als Folge einea physiologischen Vorganges gedeutete 
Bild nur mit dem Unterschiede, dass dasselbe hier durch entzündliche 
Froceaae herorgerufen ist. 

Die Anaicht Dieulafoy'e, daas für die Entstehung der Appen- 
diciljs die Umformung des Divertikels in einem Blindsack (cavitg closej 
nocbwendig sei, wie wir ea übrigens sebon selber betont haben, hat gewiss 
für viele Fälle ihre Berechtigung. Die zahlreichen Befunde bei den 
Operationen zeigen ja auch, dasa Knickungen, Drehungen, Schwellungen 
der Schleimhaut, Kothsteine, selbst Fremdkörper das Lumen des Wurm- 
fortsalzes entweder in seinem Abgange oder in seinem Verlaufe voll- 
ständig verschlieaaen können, so dass daa periphere Ende durch die 
Retentioo des Secretes aufgebläht und pathologisch verändert wird. Die 
dadurch mit abgeschlossenen infectiösen Keime verursachen die Ent- 
zündungen, und können auch durch die intacte Wandung hindurch in 
der Umgebung die Reizzualände hervorrufen. Aber es wäre zu weit ge- 
gangen, wollte man behaupten, dasa eine Äppendicitia nicht ohne einen 
derartigen Vorgang entatehen könnt«. So hahe auch ich bei Operationen 
den Appendix oft durchgängig gefunden, und zwar beaondera dann, wenn 
die Operation während des Anfalles ausgeführt wurde; denn hier hätte 
jedenfalls die Ofaliteration und Verstopfung nachgewiesen werden können. 
Ich will nicht leugnen, dasa derartige Verstopfungen wieder vorübergehen 
können, und auch Dieulafoy selber betont, dass, wenn man im freien 
Intervall operirt, man derartige Befunde von Abschlieaaungen des Wurni- 
fortealzes seltener haben dürfte. Dann musa man ja auch berücksichtigen, 
dasa, wenn durch die geschwollene Mucosa der Verschluss des Wurm- 
fortsatzes entsteht, die Bildung des Bliudaackes doch nicht die Ursache, 
Bondern die Folge der Appendicitis ist. Endlich vermag die Theorie 
Dieulafoy's nicht die Fälle zu erklären, wo man Veränderungen nicht 
allein unterhalb, sondern auch oberhalb der Verengerung findet. 

Bemerkenawerlh ist ferner der ausserordentliche Reichthum des Wurm- 
fortsatzes an adenoidem Gewebe. Diese Tbataache hat die Veranlassung 
gegeben, den Appendix mit den Tonsillen zu vergleichen. Beide Organe 
grenzen an die bacterienreichsten Höhlen des Körpers, und wie ferner 
die Tonsillen in Form der Krypten Blindsäcke enthalten, welche die In- 
fectionsgefahr erhöhen, so ist auch der Wurmfortsatz nichts anderes als 
ein solcher gefäbrhcher Blindaack. Sahli hat wegen dieser Uebereia- 
stimmung eine einfache Appendicitis dJrect als Angina des Wurmfort- 
satzes bezeichnet. Die FolHkel bilden nun in vielen Fällen eine Ein- 
trittspforte für die Bacterieu. Zudem macht die Bevorzugung der follikel- 



reichen Abschnitte auch des übrigen Darmes für Infectionen die infectioiia- 
begünatigende Wirkung der FoHibel wahrscheinlich. 

Die auffallende Aehnlichkeit zwischen Tonsillen und Appendicltis 
spricht in deutlichster Weise für das Ueberwiegen der Krankheit im 
jugendlichen Aller. Es stimmt dies auch mit der Anschauung überein, 
dass eben mit der Zunahme der Atrophie des Follikelapparates die Er- 
krankungen des Appendix seltener werden. Auffallend ist es nur, dass 
in den ersten Lebensjahren anscheinend die Perityphlitis seltener ist. Das 
dürfte sich aber einmal aus dem Umstände erklären, dasa, wie im An- 
fange dieses Abschnittes erwähnt, die ^EinDiündungsetelle in das Coecum 
in den ersten Ijehensjahren eine trichterförmige Erweiterung darstellt und 
daher den Infectionsproducten einen bequemen Abfluss nach dem Coecum 
gestattet. Dann aber verläuft die Äppendieitis gerade in den ersten 
Lebensjahren häufig ungemein foudroyaut und in unmittelbarem Änschluss 
an eine Gastroenteritis, so daaa die klinische Diagnose viel häufiger auf 
leUtere lautet als auf eine Entzündung des Appendix. In vielen Fällen 
wird auch wohl die allgemeine Entzündung des Darms ebenso wie die 
besondere des Appendix als Todesursache aufzufassen sein. Aber gerade 
durch den Umstand, dass sich so häufig die Äppendieitis mit GJangrän 
des Wurmfortsatzes an eine Gastroenteritis anschliesat, bleibt die Erkran- 
kung als solche unter der Diagnose Darmentzündung versteckt, wenn 
nicht zufällig durch die Section die eigentliche Ursache aufgedeckt wird. 

Der Nachweis der Gegenwart von Bacterien im Appendix zeugt 
an und für sich noch nicht für deren ausschliessliche BeziehuQg zur Ent- 
zündung desselben , doch haben sie natürlich dabei eine sehr wichtige 
Rolle. Unter ihnen ist der am häufigsten vorkommende das Baet. coli, 
doch ist dasselbe nur in den allerseltenslen Fällen der alleinige Infections- 
erreger. Sein gutes Fortkommen auf allen Nährböden, sein nisches Ueber- 
wuchern langsamer wachsender Arten haben ihm in der Aetiolo^e der 
Perityphlitis und der daraus sich entwickelnden Peritonitis eine Stelle ver- 
BchalFt, die ihm nicht gebührt. Die mikroskopische Controle des frischen 
Eiters, welcher früher von vielen Untersuchern nicht die genügende Be- 
achtung geschenkt worden war, zeigt nämlich, dass das Bacterium coli 
gegenüber anderen Bacterien arten numerisch in der Minderzahl ist und 
erst später aus dem verimpften Eiter zu massenhafter Entwicklung ge- 
langt. Ausser ihm findet sich gewöhnücb ein buntes Gfeiniach alier mög- 
lichen Formen von Bacterien , unter denen namentlich Diplo-Staphylo- 
uud Streptokokken und eine grosse Zahl kürzerer oder längerer feiner 
Stäbchen und Spirillen den conatantesten Befund darstellen. Von den 
in dieser Richtung angestellten Untersuchungen seien nur einige erwähnt. 
Tavel und Lanz fanden in 24 bacteriologisch genau untersuchten Fällen 



i Bacterium coli commune mobile und immobile, den Bacillus capsu- 
Istus, Bacillus (usiformia, foetidua liquefaoieua , pyocyaneua, ferner rotz-, 
Diphtherie- und heu bacülen ahn liebe Bacillen, den Diplococcus pneumoniae, 
intestinalis major und minor, Streptococcus, SWphylococcua pyogenes. 
isserdem fanden sich noch einige Bacillen und Kokken, welche sich in 
den gewöhnlichen aeroben Culturen nicht züchten lieaaen, ein actino- 
Diyces-, ein tetanus- ähnlicher Bacillua, ein Coccus conglomeratus und 
andere; unter dieser fanden sich wahrscheinlich mehrere anaerobe Formen. 
in wenigen Fällen konnte die Anwesenheit des Bacterium coli auch 
n angelegten Colonien mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Fast 
Btets ftmden sich von den aufgeführten Bacterienformen mehrere zusammen 
Tor, mit Ausnahme von drei Fällen, wo einmal der Streptococcus, einmal 
tia Staphylococcus und einmal das Bacterium coli als alleinige Infections- 
erreger mikroskopisch und eulturell nachgewiesen wurden. Wie vor- 
mchtig man mit der Beschuldigung einzelner Bacterien arten für die Äetio- 
logie der Apps^dieitia sein soll, zeigen unter anderen die Untersuchungen 
Barbacci bei 14 Fällen von Perforation speri ton itis. Li den Cul- 
:turen wucha fast stets nur Bacterium coli, einmal konnte noch der Diplo- 
coccua pneumoniae isolirt werden ; aber durch Impfung auf Mäuse gelang 
! Barbacci, in nicht weniger ata 8 weiteren Fällen die Anwesenheit 
der letzteren Bacterienart nachzuweisen. Noch mehr verschiebt sich das 
Verhältniss der einzelneu Bacterienformen, nachdem man auch den 
anaeroben Arten Aufmerksamkeit schenkt. Auf die grosse Bedeutung 
der Anaeroben wiesen zuerst Veillon und Zuber hin, denen es gelang, 
die Anwesenheit derselben in 22 Fällen 21 mal nachzuweisen. 2mal 
1 ausschlieaslich aiiaerobe Arten vorhanden. Krogius fand in 40 
untersuchten Fällen 35mal daa Bacterium coli, 21 mal einen Diplococcus, 
n Beinen morphologischen und biologischen Eigenschaften mit dem 
Pueumococcua übereinstimmte. Dreimal ergaben die Culturen und die 
mikroskopische Untersuchung übereinstimmend, dass eine MonoinfectJon 
mit resp, Streptococcus, Diplococcus pneumoniae und Diplococcus intesti- 
nalis vorlag. 

Auch unsere vielfachen Cultur- und Inipfversuche ergaben ein ähn- 
liches Resultat. In der Mehrzahl der Fälle fand sich neben dem nur 
selten vermissten Bacterium coli der Fraenkel'sche Diplococcus, nur einige 
wenige Mal war der Streptococcus nachzuweisen. In dem Eiter der sub- 
phrenischen Äbscesae fanden sich gewöhnlich auch mikroskopisch nur 
i Bacterien arten, Diplococcus und Bacterium coli. In dem einen Fall 
mit metastalischen Gehirnabscessen war in dem Eiter derselben durch 
das Mikroskop und die Cultur nur der Diplococcus Fraenkel ent- 
halten. 



Mit der VervoUkommnung der bacterioiogi sehen Technik hat sich 
also das VerhältniaB der einzelnen Bacterien arten gegen die früheren 
Üntersuchuugsergebnisse wesentlich verschohen. Die Gesammtheit der 
Befunde führt zu dem Ergebniss, dass es sich in den allernieigten Fällen 
um Mischinf ec tionen handelt, bei denen neben dem Bacterium coli 
hauptsächlich der Diplococcus pneumoniae eine Rolle spielt. Seltener 
finden sich anaerobe Arten, Staphylo- und Streptokokken. Wichtig ist es, 
dasa jede dieser erwähnten ßaeterienarten für sich allein eine solche 
Virulenz erlangen kann, um eine tödtliche Peritonitis hervorzurufen; es 
handelt sich dann um sogenannte Monoinfectionen. 

Der Weg, auf welchem die Bacterien in den Appendix gelangen, um 
dort ihre verderbliehe Wirkung zu entfalten, ist nun ein verschiedener. 
In erster Linie bildet natürlich daa Coecum den Ausgangspunkt. So 
stimmen alle Autoren darin überein, dass der Wurmfortsatz wenigstens 
etwa bis zum 30. Lobenajahre an allen Erkrankungen der Darmscbleim- 
haut seinen Antheii nimmt. Ausser den typischen von Finkelsteln 
beobachteten Veränderungen des Choleradarmes, ausser der markigen 
Schwellung der Drusenfollikel und den daraus hervorgehenden Geschwüren 
bei Typhus ausser der Tuberkulose usw. , spielen sich in gleicher Weise 
an seiner Schleimhaut auch die einfachen katarrhalischen Procease des 
Darmes ab. Es unterliegt keinem Zweifel, dass akute infektiöse Gastro- 
enteritis ein wichtiges antiologisches Moment für das Entstehen einer 
akuten Appendicitia ist und zwar nicht allein bei Kindern, 

Ist der Appendii von chronischen Veränderungen noch frei , 
Einmündungstelle in den Darm nicht verengt, so pflegen sich trotz ai 
gedehnter, auch bis an die Serosa reichender Entzüudungsvoi^nge 
selten Erscheinungen in der Umgebung anzuscbJieasen. Die Erkrankung 
des Wurmfortsatzes besteht daher oft schon jahrelang, ohne daes irgend 
welche klinische Erscheinungen sich bemerkbar gemacht haben, und wer 
bei den Sectionen auf die jedesmalige Beschaffenheit des meist unbeachtet 
bleibenden Appendix seine Aufmerksamkeit lenkt, wird oft ausgedehnte 
Ülcerationen, Stenoaenbildung, selbst Empyeme in demselben vorfinden, 
die niemals im Leben Gegenstand klinischer Erwägung gewesen. 

Sind nun derartige Veränderungen am Wurmforteatz eingetreten und 
iat derselbe Infolge katarrhalischer oder sonstiger Veränderungen zu 
weiterer Lifection disponirt, so ändert sich daa Bild. Denn da die patho- 
gene Kraft der Bacterien nicht allein durch ihre Virulenz, aondern auch 
durch die Widerstandskraft der Gewebe bedingt ial^ so finden sich gerade 
in solchem kranken Wurmfortsatz Verhältnisse vor, welche geeignet sind, 
diese pathogenen Eigenschaften der Bacterien zu begünstigen. Epithel- 
abschürfungen durch eindickende Kothmaesen, Retention des Inhalte infolj 



»»H 






ftroQ Anwesenheit tdd Koth steinen , Knickungen und Krümmungen des 
Organa geben einen ungemein günstigen Boden für die Entwicklung der 
Bacterien und die Steigerung ihrer Virulenz, 

Aus diesem Gesichtspunkte hat die von Golubow zuerst gemachte 
Mittheilung über die Appendicitis als einer Infectionskrankheit suigeneris, 
die geradezu epidemisch auftritt, entschieden grosses Interesse und ist 
auch anderweitig bestätigt worden fThibault, Cathelin, Nothnagel). 
Wir selbst haben im Herbst 1899 in Frankfurt a. O. eine auffällige 
Häufung von acuten Erkrankungen des Appendix und im Frühjahr des- 
selben und im Sommer dieses Jahres in einem Stadttheil von Berlin gleioh- 
fast epidemieartiges Auftreten von Appendicitis beobachtet. Auch 
|Üer handelt es sich um Fortleitung einer sich im Darmkanal abspielen- 
len acuten Entzündung stark infectiöser Natur. 

Es ist interessant, dass ea auf experimentellem Wege Beaussenat 
gelungen ist, durch FüHerung mit faulem Fleische bei Thieren neben der 
dadurch entstandenen Enterocolilis eine acule Appendicitis hervorzurufen. 

Ebenso steht es für uns fest, dass im Verlauf einer Influenza- 
epidemie sich Entzündungen des Appendix ungemein häufen. Auch das 
ist erklärlich aus dem Umstände, dass die Influeuzainfection in einer 
Reihe von Fällen vom Darm ausgeht und bei vorhandenen Dispositionen 
speciell der Wurmfortsatz wiederum einen günstigen Nährboden abgiebt 
und eine acute Entzündung in Folge euier Mischinfection sich hier an- 
Bchliesst. Man hat sogar den Influenzabaeillus selbst in dem appendici- 
chen Eiter mit Sicherheit nachweisen können (Adrian). Ebenso sieht 
Individuen, die an klinisch schwer verlaufenden Streptokokken- 
Anginen gelitten haben, Entzündungen des Wurmfortsatzes auftreten, wie 
wir in den letzten Jahren mehrfach beobachtet haben. So batSon nenburg 
einen 5 jährigen Knaben L. operirt, der als Eeconvaleacent nach schwerer 
infectjoser Angina noch als Bettlägeriger an einer acut, gar bald mit ali- 
gemeiner Peritonitis verlaufenden Appendicitis erkrankte. In derartigen 
Fällen bilden sicherlich die Racbentonsillen oder die jeweiligen Eiterungen 
an anderen Körperstellen, wie Furunkel, Phlegmonen den Ausgangspunkt 
der Entzündung. Die in das Blut übertretenden Bacterien finden in dem 
mit Lymphfollikeln ungemein reichlich ausgestatteten Wurmfortsatz eine, 
wie der Thierversueh bestätigt, bequeme und bevorzugte Stelle für ihre 
Ansiedelung. 

Sieher besteht für die Perityphlitis eine familiäre Disposition 
zu Recht. Worin sie besteht, darüber lassen sich nur Vermutungen auf- 
stellen. Vorwiegend acheinen antomische Verhältnisse (besondere Lange, 
Lage der Appendix, kurzes Mesenteriolum u. dgl. m.) die Disposition, 
^sofern als sie ererbt werden, zu bedingen. 




Wenn wir ftuch noch nicht des Cnfalles ala äliologischee Homeafc] 
der Appeadicilia erwähDt haben, ao glauben wir doch auf dieses V«- 
hältniss besonders aus dem Grunde hier näher eingehen zu müssen, weil 
man sehr häutig in die Lage kommt, ein Sachverstand igen urtheil darüber 
abzugeben, ob ein Fall von Perityphlitis mit einem vorangegangenen 
Trauma in Zusammenhang steht oder nicht und inwieweit der Unfall als 
aolcher an dem ungünstigen Ausgang Theil habe. 

Ea ist auffällig, wie selten ein Unfall bei der acuten Appendicitie 
eine Rolle spielt. Trotz der Genauigkeit, mit der daraufhin geforscht 
wird, verfügen wir nur über etwa 25 Fälle, bei denen der Anfall sieb 
im AnschluBs an ein Trauma entwickeile. Das Charakteriatische bei 
diesen Fällen ist der Umstand, dass das erlittene Trauma meistens in 
gar keinem Verhältniss al«ht zur Schwere der Erkrankung. Heben eines 
schweren Gegenstandes, plötzliches Bücken, ein Sloss g^en die rechte 
Seite des Ijcibes, Auarulschen dea Körpers, Fall auf den Rücken bei starker 
Anspannung der Bauch muskulatur, Frschütterung durch Springen und 
Reiten werden als auslösendes Moment dea akuten Anfalla angegeben. Unl«r 
unseren Fällen löste weiter des Ausziehen des rechten Stiefels mittelst eines 
Stiefelknechts, das Aufschlagen dea Bauches auf eine Nähmaschine den 
Anfall aus. Einmal war die zum Tode führende Erkrankung unmittelbar 
an die Züchtigung eines Knaben aufgetreten, die der Lehrer in der Weise 
vorgenommen hatte, daas er den Knaben aus der Schulbank binaua gegen 
die Tischkante gezogen und ihm mit einer Gerte Schläge auf das Gesäss 
gegeben hatte. let in derartigen Fällen festzustellen, dass dem Unfall 
früher bereits einmal, wenn auch vor längerer Zeit, ein appendiciüschw 
Anfall vorausgegangen, so kann man sich leicht vorstellen, daes auch 
durch einen nicht heftigen Stoss oder durch lebhafte Anwendung der Bauch- 
presse die allen Entzündungsprocesae, die noch nicht völlig ausgeheilt 
waren, wieder aufflackern. Ob es sich dabei um eine Zerrung einer Ad- 
häsion, eine Sprengung von Eitereindickungen oder dergleichen handel^ 
ist dabei einerlei. Aber auch in denjenigen Fällen, wo Anfälle nicht vorher*' 
gegangen waren, zeigten sich bei der vorgenommenen Operation oder Sectio» 
am Wurmfortsatz mehr oder weniger ausgedehnte Veränderungen älteren 
Datums. Verwachsungen, AbknJckungen des Organa, Stenosen und 
Kothsteine wt^en ein Beweis dafür, dass schon längere Zeit vorher eine 
larvirte oder chronische Erkrankung des Appendix vorlag. Es handelt 
sich also stets um einen bereits kranken Wurmfortsatz. Man 
wird in all diesen Fällen einen Zusammenhang zwischen Unfall und 
Entzündung ineofern gelten lasaen können, als nämlich der Unfall die 
bereits bestehende Entzündung neu nufHackern läsat. Er kommt als ätio- 
logisches Moment nur soweit in Betracht, ala durch denselben eine schon- 



t 

I 



41 



r durcli deoselben 
nn das Tra utna 



geschütztei 



I 



I 



I 



bestehende Erkrankung sich verachlinitnert , nicht abe 
eine zum Tode fuhiBode Krankheit entsteht. Belbst we 
heftiger Natur ist, wird es nicht im Stande 
dahin gesunden Wurmfortsatz bei seiner n 
vorhandenen ausgiebigen Beweglichkeit un 
Lage zur Entzündung, Perforation oder Gangrän zu 
bringen. Man wird daher in solchen Fällen nicht sagen können, 
dass der Tod des an Perforatiooperitonitis erkrankten Patienten die Folge 
des Unfalls ist. Der Unfall ist der Zufall und nicht als die nnmittelbare 
Ursache der Erkrankung anzusehen, sondern nur als die mittelbare. Ob 
in solchen Fällen eine Behörde oder eine Gasse regresspäicbtig ist, ist 
dne andere Frage, die sieb dahin beantworten lässt, dass auch ohne Trauma 
der alte Krankheitsprocess wieder in ein acutes Stadium bätte übertreten 
können , iider vielleicht nocb lange Zeit im Ruhezustand verweilt wäre. 

Kann also der Unfall eine acute Äppendicilja bei bereits vorher 
erkranktem Wurmfortsatz auslösen , so kann er auch Anlasa zur Ent- 
stehung einer chronischen Äppendicitls geben, als nach Quetschungen 
und Blutergüssen in der Ileocoecalgegend Verwachsungen zurückbleiben 
können, in denen der Wurmfortsatz mit eingebettet sein kann. Dadurch 
in seinen Funktionen gestört, disponiert er zu Erkrankungen. Wir 
machten mehrere derartige Beobachtungen. 

Die Frage, bei Thieren künstlich Äppendicitis zu erzeugen und auf 
diese Weise der eigentlichen Ursache der Erkrankung beim Menschen 
näher zu kommen, bat von jeher das lebhafteste Interesse erregt. Zu- 
nächst waren es französische Autoren, Roux, Roger und Josu6. 
Bossenat und Charrin, welche durch Injection von Colibaeterien und 
gleichzeitiger Läsion am Appendix der Versuch sthiere eine Erkrankung 
des Wurmfortsatzes erzielten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die 
Äppendicitis wohl immer eine Folge der Lifection ist, die auf dem Blut- 
und Lymphwege, gewöhnlich aber vom Darm her erfolgt. Damit die 
Bacterien pathogen werden können, muas die normale Lebensfähigkeit 
der Schleimhaut gestört oder die den Schutz bewirkende phagocytäre 
ThäCigkeit aufgebotien sein. Die prädisponirenden Momente schaffen die 
Eingangspforte oder begünstigen die Infection, indem sie die Widerstands- 
bedingungen herabsetzen. Das hauptsächlichste prädisponirende Moment 
ist die Enterocolitis. 

de Elecki konnte bei Kaninchen durch mehr oder weniger feste 
Abschnürung des Mesenteriolum und der Blutgefässe desselben alle Grade 
der Entzündung, von der venösen Hyperämie bis zur Gangrän am Wurm- 
fortsatz erzeugen. Die Virulenz der hierbei isolirten Bacterien war nur 
selten eine stärkere als die des gesunden Wurmfortsatzes, eine Steigerung 



derselben war aleo zuv Herbeiführung auch der eitrigen Entzündung . 
Dicht noth wendig. 

Ribbert fand 5','-2 Stunden nach Injection einer Äufschwi 
von StaphylokokkeQcultur in den Appendix und Abbinden 
dieselben Kokken in reichlicher Menge in dem prall gespannten Wurm- 
fortsatz. Die mikroskopische Unterauchung ergab in dem Epithel über \ 
den Follikeln und in diesen selbst mehr oder weniger starke Anhäufung | 
derselben Baclerienform. 

Adrian versuchte ebenfalls bei Kaninchen sowohl durch lokal- 
Eingriffe als durch eine Infection vom Blute aus Veränderungen am 
Wurmfortsatz zu. erzeugen. Es gelang ihm in sehr vielen Fällen ent- 
zündliche Vorgänge im Appendix bervorzunifen, die sich haupteächlich 1 
in den Follikeln abspielen und hervorgerufen sind durch Ablagerung dea I 
injicirten Virus in denselben mit konsekutiver Entzündung. 

Ein wesentlicher Unterschied der menschhchen Appendicitis und der 1 
esperiraentell beim Kaninchen hervorgerufenen liegt nun nach den Unter* J 
Buchungen meines Assistenten, Herrn Dr. Mühsam, in der Eigentüi 
lichkeit der Eiterung beim Kaninchen. Der Eiter des Kaninchens ist im I 
Gegensatz zu dem des Menschen ausserordentlich zäh und dick und ist I 
daher für die Ausbreitung im Peritoneum wenig geeignet. Erheblich» I 
Unterschiede bestehen auch in der Gefäsa Versorgung, Beim Menschea I 
ist der Wurmfortsatz ein rudimentärer, durch einen Endast der Art. ileo- ' 
coecalis versorgtes Oi^an; beini Kaninchen stellt er einen im Verhältni 
zur Grosse des Thieres recht bedeutenden Darmtheil dar, welcher in 
durch Blut versorgt wird. In diesen günstigen 
fingen vermuthet Mühsam die Ursache, dass bd J 
Kaninchen so selten spontane Entzündungen des Organs zur Beobachtung^^ 
kommen. 

Mühsam kommt auf Grund seiner Versuche, welche sich auf 36 
belaufen, zu dem Ergebniss, dass es gelingt, durch Unterbindung der 
zuführenden Gefäase einen Theil des Wurmfortsatzes oder das ganze 
Organ zur Gangrän zu bringen, weil die Ernährung aus den benach- 
barten Abschnitten nicht ausreicht. Es hat sich herausgestellt, dass die 
peripheren Theile ebenso wie beim Menschen gefährdeter sind als die 
centralen, es hat sich vor allem aber erwiesen, daas durch die Gangrän 
beim Kaninchen keine entzündlichen Frocesse in den benachbarten Theilen 
dea Wurmfortsatzes verursacht werden, dass die Processe vorwiegend 
lokaler Natur sind. 

Die Versuche Mühsam s, auch durch intraappendikuläre oder intra- 
venöse Injektion von Colicultur oder Cultur andrer Bactorien Entzün- 
dung an Wurmfortsätzen zu erzeugen, deren Ernährung durch Unter- 



— 43 — 

bindung eines Gefässes gestört, oder welchen ein Trauma durch Reiben 
zwischen den Fingern oder Quetschen mit einem P6an zugefügt war, 
blieben vollkommen resultatlos. Die Schleimhaut heilte bei Zerquetsch- 
ungen ohne irgend welche nachweisbaren entzündlichen Veränderungen in 
der Umgebung sehr rasch. 

Für das Verstandniss der Perityphlitis beim Menschen haben alle 
derartigen Thierversuche bis jetzt nur eine geringe Bedeutung. So viel 
ergiebt sich jedoch besonders aus den Infectionsversuchen vom Blute 
aus, dass der Appendix des Kaninchens eine Prädilektionsstelle für die 
Lokalisation aller von der Blutbahn her ausgelösten entzündlichen Pro- 
cesse zu sein scheint. Stellen dieselben auch nichts für die Wirkung 
der angewandten Bacterien Spezifisches dar, so treten sie am Appendix 
doch schon zu einer Zeit auf, wo an den übrigen Darmabschnitten weder 
makroskopisch noch mikroskopisch irgend welche Veränderungen nach- 
weisbar sind. 

Die Erklärung für die gerade bei den Erkrankungen des Wurm- 
fortsatzes so häufig eintretenden Recidive ist in den pathologischen Ver- 
änderungen, die nach den acuten Nachschüben fortbestehen, zu suchen 
(siehe pathol.-anat. Theil). 

Auch die Gegenwart der bei der Resorption des Eiterherdes in und 
am Appendix zurückbleibenden Mikroben genügt oft, um ein Recidiv zu 
veranlassen. Freilich wissen wir nicht viel über die Lebensfähigkeit 
derartiger, in Schwarten eingebetteter Bacterien und über die Umstände, 
unter denen sie wieder pathogen werden; aber vieles spricht dafür, dass 
wir in ihnen die Ursache mancher Neuerkrankungen zu suchen haben. 

Aus all diesen Gründen ist die ausgesprochene Neigung der Appen- 
dicitis zu Recidiven erklärlich. 



DRITTER THEIL. 

PATHOLOGISCHE ANATOMIE 

bearbeitet von 
Dr. federmann 

Assistenzarzt an der chirargiachen Abtheilangf des Krankenhauses Moabit in Berlin. 



Patholoi^lsche Anatomie. 

Bearbeitet von Dr. Federmann. 

Aus Gründen der Uebersichtlichkeit werde ich in den folgenden Aus- 
führungen erst die anatomischen Vorgänge und Veränderungen am Appen- 
dix selbst ohne Berücksichtigung des Peritoneums schildern, sodann die 
am Peritoneum und in den ferner gelegenen Organen sich abspielenden 
Processe. 

I. 

Veränderungen am Wurmfortsatz selbst. 

Wir unterscheiden pathologisch-anatomisch eine Appendicitis simplex, 
perforativa und gangraenosa. Dazu kommt noch anhangsweise die Appen- 
dicitis tuberculosa und actinomycotica. 

Unter Appendicitis simplex fassen wir alle diejenigen Formen der 
Wurmfortsatzentzündung zusammen, bei denen es zu mehr oder minder hoch- 
gradigen Veränderungen des Wurmfortsatzes selbst, sowie auch der.Umgebung 
in Folge Adhäsivperitonitis kommt, bei denen aber weder durch Geschwüre 
noch durch Druckgangrän in Folge eines, Kothsteines die Wandung 
perforirt oder durch direkten Austritt des Inhaltes in die Umgebung 
eine eitrige Peritonitis entstanden ist. An diese einfache katarrhalische 
Appendicitis können sich gangränöse Formen anschliessen. Kommt es 
m Folge von Geschwürsbildung, Kothsteinen oder Empyem des Wurm- 
fortsatzes zu Usurirung und Perforation der Wandung mit Austritt von 
infektiösem Material, so sprechen wir von einer Appendicitis per- 
forativa. Schliesslich giebt es eine Form der Appendicitis, bei der ein 
Theil oder der ganze Wurmfortsatz im acuten Anfall nekrotisch wird, 
das ist die Appendicitis gangraenosa. 

a) Appendicitis simplex. 

Wir unterscheiden eine acute und eine chronische Appendicitis simplex. 
Die letztere entsteht häufig aus der ersteren, kann aber auch von vorn- 
herein als solche verlaufen. In Folge zahlreicher, zum Teil sehr frühzeitig 



ausgeführter Operationen hatten wir Gelegenheit, das Verhalten des Wi 
forteatzes bei acuter Entzündung in den Eillereraten Anfangsstadi 
beobachten. Es zeigte sich hierbei, dass zunächst beim acuten Anfall 
Qur die Wand des Organa betheiligt ist, oft sogar ohne Betroffenseio der 
Serosa. Die graugelbliche Suhleiinhaut ist geschwollen, injicirt, mit kleinen 
Hämorrhflgien durchsetzt und zeigt stärkere Sekretion, Die Submucosa 
ist von Rundzellen infiltrirt. Auch der FoIIikelap parat weist eine mehr 
oder minder deutliche Schwellung auf (Äp])endiciti3 follicularis, granulosa). 
Ist die Serosa an der Entzündung betheiligt, wie das in der Mehrzahl 
der Fälle beobachtet wird , so stellt sie sich als von einem Netz hoch- 
gradig injicirter Gefässe überzogen dar. Das Lumen des Appendix ist 
ausgefüllt mit reichlich schleimigem, resp. schleim ig-eitngem Inbalt, bis- 
weilen vermischt mit Koth flüssigeren oder festeren Charakters. Durch 
das Vorhandensein von Baclerieu kann dieses Sekret eitrig werden. Ein 
Substanzdefekt der Schleimhaut braucht durchaus nicht vorhanden zu 
sein, andererseits kann ea jedoch unter dem Einfluss des Eiters zum 
herdweisen Absterben und zur Geschwürs bildung kommen. (Ei 
geachwüre.) In Folge der entzündlichen Hyperämie und Schwellung 
das ganze Organ verdickt und ateif. 

Dieser acute Katarrh des Wurmfortsatnes, wie er sich als leichteste 
Form der Appendicitis simples darstellt, kann völlig zur Ausheilung ge- 
langen, indem sich das verloren gegangene Epithel regenerirt und das 
vorhandene Exsudat durch Abschwellen der Mucosa reaorbirt oder in 
daa Coecum hinein entleert. Auch die etwa gleichzeitig im Appendix 
befindlichen Kothklümpcben werden dann mit dem Sekret in den Darm 
zurückbefordert. 

In der Mehrzahl der Fälle tritt jedoch keine völlige Rückbilduj 
ein, sondern es entwickelt sich aus dem acuten Katarrh ein chionischt 
Der vorher freie Appendix ist vielleicht durch Entzündung in der Um- 
gebung in ungünstiger Lage geknickt oder gedreht, in der Kachbarschaft 
fixirt, seine Muaculatur ist geschwächt, in anderen Fällen hypertrophisch, 
seine Peristaldk dadurch beeinträchtigt. Die verdickte Wand hat ihre 
Elastizität eiiigebüsst und der dilatirte Kaoal steht dem Eindringen neuer 
Schädlichkeiten oSen. Kleine Geschwüre restiren , andere schrumpff 
bei der Vertiarbung und strikturu^n das Lumen (siehe Fig. 2.). Daa siiif 
alles Frädiapositionen für neue Erkrankungen und erklären die Häufij 
keit acuter Nachschübe der Perityphlitis. 

Die geringste Veränderung als Zeichen eines einfachen Katarrhs ist 

das Zurückbleiben einer sehiefrig^rauen Schleimhaut. Man findet in der 

Mucosa reichliche Rundzellenanbäufung oder Bindegewebs Wucherung mit 

I Wulstuiigen, Buchten und polypösen Erhebungen (Appendicitis polyp« 









adM 

1 



' In anderen Fällen führt die Abnahme des Drüaengewebea zur Atrophie, 
wie es Fig. 3 deutlich illustrirt. Oder der Verlust eines groasen Theüa 
^ der Schleimhaut verursacht eine Obliteration des Lumens, die zwar meist 
, nur einen Theil des Organs betrifft, bisweilen aber auch den ganzen 
L Wurmfortsatz in ein derbes, solides, strangartiges Gebilde verwandelt. 



I 




,t«r Ap- 

peodii. Aufgeschnitten. Die proxi- 
male Hälfte der Schleimbaat völlig 
atrophiBOh, der Best leigt starke 
Wnhtang derMncosn. Verschiedene 
Anfalle t 



Apendicitis simplex thron i- 
oa. Im Inlervall entfernter Appen- 
dix. Aufgeschnitten. Im distalen 
Drittel eine etrioturireude NSirbe 
als Ueberrest einer früheren Uice- 
ratfon, Sehleimhant t. Th. stark 
strophisch , enthielt Eothbrüokel. 



Als Beispiel für eine solche nahezu totale Obliteration möchte ich 
einen Fall anführen, wo nach BCohB Attaken im lutervall ein Wnrmfort- 
salz von uns enlfemt worden ist, der 6 cm lang wsr, etwa streichholz- 
dönn und ein nahezn voUkommen obliterirtes Lumen hatte. Auf dem 
Querschnitt war nur eine etwa 3 mm lange Schleimhauletrecke nachweis- 
bar (Fall Pommer.). 

Stellt ein derartiger Obliterations Vorgang immerhin ein relativ seltenes 
Vorkommnis dar, so ist das gewöhnliche Bild, das der chronisch katorrha- 
lisoh entzündete Wurmfortsatz darbietet, ein anderes. Er ist mehr oder 
weniger verdickt, rigide, „in Erektion", wie Talamon sagt, oft abnorm 
^geheftet, mit der Umgebung fest verwachsen, hauflg genug aber auch 

Sonnenbnig, FerKjDfalltie 5. Antliuce. 4 




— 50 — 

völlig freu Das Lumen des starren Grebildes klafft und ist von emem 
schmierigen übelriechenden schleimig- bis blutig-eitrigen Inhalt erfüllt, in 
dem sich zuweilen ein Kothbröckel oder eine beginnende Steinbildung 
zeigt. Die Schleimhaut ist verdickt, massig gewulstet, injicirt und in 
einer Reihe von Fällen mit Geschwüren versehen. Auch die anderen 
Wandschichten haben ihren Antheil an der Volumenzunahme. Das 
Muskelstratum ist verbreitert zum Theil durch entzündliche Infiltrationen, 
zum Theil durch echte Arbeitshypertrophie. So glauben Kümmell und 
Iversen einen Theil der Zunahme dieser Schicht auf eine reelle Ver- 
mehrung der Muskelsubstanz selbst zurückführen zu müssen, auf eine 
Art Arbeitshypertrophie, die aus der Anstrengung, den Inhalt auszu- 
treiben, resultiren soll. Durch die häufig bestehende Adhäsivperitonitis 
wird allmählich die Umgebung in Mitleidenschaft gezogen, der Appendix 
verwächst mehr und mehr vollständig mit dem Coecum, den benachbarten 
Darmschlingen, dem parietalen Blatt des Bauchfells. Die Entleerung des 
Secretes aus dem Wurmfortsatz wird dadurch immer schwieriger, und so 
entstehen allmählich in den erweiterten Abschnitten des Organs die Koth- 
steine, oder es sammelt sich dort das übelriechende, mit Kothbestand- 
theilen vermischte Secret an. Zahlreiche bei Operationen gemachte Be- 
funde chronisch entzündeter Wurmfortsätze zeigen deutlich^, wie in 
dem einen Fall das Organ selbst, in dem andern die Umgebung, in 
vielen Fällen beide gleichmässig von den entzündlichen Verandeningen 
betroffen werden. 

Ijat durch Geschwürsbildung, Stenose, Knickung des Wurmfortsatzes 
oder durch Steinvorlagerung die Verengerung des Appendix an einer ge- 
wissen Stelle eingeleitet, so kam» es hier zu einer völligen Verlöthung 
des Lumens kommen. Fällt der Obturationsprocess in eine 2ieit, in der 
die Höhle des Fortsatzes ohne Inhalt ist, fehlen in jenem Augenblick 
virulente Mikroben in dem abgesperrten Theil des Kanals, so ist eine 
Ursache für die Zersetzung der Drüsensecrete nicht vorhanden. Dieselben 
werden eine Zeit lang weiter abgeschieden; sie stauen sich in der ver- 
schlossenen Höhle an , dehnen sie ganz allmählich aus und bringen 
schliesslich durch dauernden Druck auf die Wandung die speeifischen 
Elemente derselben zum langsamen Schwund. Es entsteht ein Hydrops 
proc. vermif. Der Drüsenapparat fällt einer allmählichen Rückbildung 
anheim, das Epithel stösst sich ab, die Schleimhaut verliert ihren eigent- 
lichen Charakter, sie hypertrophirt in ihren bindegewebigen Elementen, 
ebenso wie auch die Muskellage und die Serosa sich verdicken. 
Ausnahmsweise gelingt es wohl auch dem starken Innendruck, einzelne 
Partien der Schleimhaut durch die Muscularis hindurch herniös unter 
der Serosa her vorzuwölben. Kelynak (1. c.) beschreibt eine solche Rc- 



• • • • • • • 



der xwei wohl unterschiede De Divertikel, die mit der 

I Sanpthöhle durch, deutliche runde Lumina couimuiiicirten, gerade zwischen 

Idie Blätter des Äppendix-MeBenteriolutns vorgetrieben waren. Aehnliche 

multiple Ausbuchtungen an gleicher Stelle schildert aucb Ribbert (I.e.) 

Fig. 4- 




einem seiner Fälle. Diese Cysten können eine ausserordentliche Aus- 
!bnung annehmen. Virchow '), der sie ala colloidale Degenerntion 



62 



des WurmfortsatzeB beschreibt, giebt an, daaa sie Faustgröase erreichen 
können. Die Abbildung (F\g. 4) stellt ein Präparat unserer Sammlung 
dar, in dem dies Mass noch übertroffen ist. Es wurde von Guttmann '} 
im Verein für innere Medicin demonstrirt. Der prall gespannte Sack 
von der Gestalt einer enormen Birne misat in seiner Längsachse 14 cm, 
bei einem grösaten Umfange von 21 cm. Die Dilatation kann auch hier 
daa ganze Organ einnehmen oder sich hei tieferem Sitze der Striktur auf 
einen Teil beschränken. In diesen letzten Fällen gewinnt der Appendix 
die Gestalt einer geadelten Geschwulst. Bei der Form dee totalen Hy- 
drops sieht man anslalt der Einmündungsstelle ins Coecum nur eine 
narbige trichterförmige Einziehung der Schleimhaut. 

Finden sich zu der Zeit, wo es zur Verlöthung kommt, reichliche 
Bacterien im Appendix oder wird secundär ein Hydrops inficirt, ao ent- 
steht das Empyem des Proc. verm. Die Grösse dieser Eitercysten 
ist abhängig von der Höhe der Striktur, und man kann partielle und 
totale Empyeme unterscheiden. Der Verlauf des Empyems hängt in 
hohem Grade von der Virulenz und Menge der Bacterien ab. Es giebt 
Formen, die ausserordentlich rapide vorangehen, den Processus auftreiben, 
seine Wandungen in schwere acute Entzündung versetzen und sie 
achliesalich zum Bersten bringen. In der Regel kommt es zwar bald zu 
Verklebungeu mit den umliegenden Organen, besonders auch dem Netze, 
aber die aturmartige Entwicklung lässt häufig nicht die genügende Zeit 
zu einem allseitigen schützenden Ahschluss. So haben wir mehrfach 
Fälle operirt, bei denen ein noch nicht geplatztes, jedoch dem Beraten 
sehr nahes Empyem frei in der Bauchhöhle flottirte und gerade noch 
rechtzeitig vor der Katastrophe entfernt werden konnte. Andere Empyeme, 
in denen wenige virulente Keime enthalten sind, verlaufen chronischer. 
Zu diesen zählen z. B. die häufigen tuberkulösen Eiteransammlungen. Es 
findet sich unter unseren Sectionsberichten ein solcher Fall citirt, bei dem 
die Sehleimhaut mehrere grosse Geschwüre zeigte, von denen eines bis 
auf die Serosa gedrungen war. Die Spannung der Cyste war eine ge- 
ringe. Verwachsungen fehlten ganz. Auch sonst dürften bei diesen 
Formen die peritonealen Verklebungen nicht sehr ausgebreitet sein, was 
bei dem ausserordentlich chroniachen Process, der dem der kalten Eite- 
rung nahe steht, nicht Wunder nehmen kann. Die Figuren 5 und 6 
stellen Beispiele von Empyem des Wurmfortsatzes dar, in dem einen 
Fall durch einen eingekeilten Kothatein, in dem andern durch eine eteno- 
sirende Narbe verursacht 



I 



1) Deutssbe med. Wochenaohr. 1 



hl Appendlcitis perforatlra. 

Nachdem wir bisher die pathologischen Veränrfeningen bei der 
Appendicitie aimplex catarrhalis acuta und chronica kennen gelernt und 
die im Wurmfortsalz selber stattfindenden Procease beschrieben haben, 
Verden wir uns mit denjenigen Veränderungen befassen, als deren Folge 
eine Perforation des Appendix eintritt. 

Fig.5. 




Empyem des Wurmf orlealzea. Die proximule USltte 
des Organa ist wenig vecSndert; durch einen eingekeilten 
EoChalein wurde bId Einiiyem verursacht. — Im lutervaJl 



Die Ulcerationen im Appendix, mögen dieselben durch Katarrh oder 
als Decubitalgeachwüre durch Kothäteine verursacht sein, können zur 
Zerstörung der Wand und dadurch zu Perforationen führen. Die theü- 
weiae oder vollständige Gangrän des kleinen Organs hat dieselbe Wirkung, 
nur meist in grösserer Ausdehnung. Da die Nekrose der Wandung in 
der Regel eircumscript bleihf, so können Varietäten entstehen, indem nur 
ein Theil der Wandung zu Grunde geht und eine Brücke zwischen dem 
peripheren und centralen Abschnitt übrig bleibt, oder eine annulläre 
Gangrän, eine vollkommene Absetzung des freien Endes bewirkt. Ein 



— 64 — 

solcher Fall ist in Fig. 7 abgebildet, die einen im Anfall entfernten Wurm- 
fortsatz daretellt. Alle dieee Vorgänge am Appendix fallen unter die 
Gruppe der Appendicitie perforativa, die überhaupt die wicbdgste Form 
der Appendicitie darstellt. 

In den acuten Fällen von Perforation des Wurmfortsatzes zeigt sich 
der ganze Wurmfortsatz von aussen starb geröthet, meist mit Fibrin- 
belägen bedeckt. Häufig ist eine beschränkte Partie gelb oder schwarzgrün 
verfärbt infolge eingetretener Nekrose der Wandungen. Diese Stelle 
weist eine oder mehrere, in ihrer Grösse wechselnde Oeffnungen auf, die 




StenOBirende Narbe. 



Empyem des WurmJortBB tzes. Duroh 
NarbeosteuoBe herTorgcbrachtea Empyem. Er- 
füllt mit eitrigem Schleim, die Macoaa Tfillig 
alrophirt. — Der proximale Theil des OrgaiiB 
zeiRt starke Wulatung der Mucoa. ^ Im Inter- 
vall operirt. 



in das Lumen führen. Manchmal ist die Perforation haarfein, in andern 
Fällen klafft der ganze Appendix auseinander. Bisweilen liegt dicht 
hinter der Perforation söfiTnung ein Kothstein, häufiger liegt er weit 
entfernt von der Perforatiousöfi'nung, in vielen Fällen ist er bereits in 
die Bauchhöhle ausgetreten. Als gros^'c Rarität dürfte es anzusehen sein, 
dass der St^n in der Serosa stecken bleibt und dort völlig durch Ad- 
häsionen eingekapselt wird. Einen solchen Vorgang mussten wir in 



übrige Bchleimhaut sich, nur im Zustand cbrouischer Entzünilimg be- 
Oefters sieht man sie jedoch in viel weiterer Ausdehnung 
nekrotisch, überhaupt kommen die variabelsten Verhältnisse vor (a. Fig. 8). 
So z.B. das3 die Perforation in einem abgeschloasenen Empyem sich vorfindet, 
während der übrige Theil des Organs völlig frei von Veränderungen seiu 
Fig. e. 



Kothetein a. dahinter Perforation. 




Appendicitis perforativa. Der prorinal« Teil der 
Solileinihaiit normal. In der Mitte des Äppeßdii ein ein- 
geklemmter Kotlisleiii, der zur Perforation (ühct«. Dahinter 
die ScIileimhBiil neorotisch. Operirt nacli 48 Stunden. 
Heilung. 

kaun. In vielen Fällen ist der Appendix noch mit Eiter erfüllt, in an- 

i wieder hat der grössle Theit sich bereits in die Bauchhöhle entleert. 

In den Fig. 9 und 10 sind 2 Fälle von Apiiendicitia perforativa 

Es sind Präparate, die bei Operationen in den ersten 

48 Stunden gewonnen sind. 

Die Perforation kann in die völlig freie Bauchhöhle oder in durch 
Darmschlnigen mehr oder weniger verklebtes Gebiet erfolgen. Das Re- 
sultat ist entweder eine circumscripte oder eine fortschreitende Pe- 
ritonitJB. Die Intensität der Entzündung hängt in erster Linie von der 
Grösse der Perferationsöffnung, der Schnelligkeit der Perforation, vor 
Allem aber der Qualität und Quantität des austretenden inficirenden 



Gangränöse Parthi 




Ileitis perforativa. Freie furibcb reit ende Peri- 
im 4. Tag operirt — Heilung Circum Scripte Gbd- 
l linaeugtosser Perforation, aus der Eiler c|uillt; 
dahinter boh nen grosse r Eatlisie In. 




AppendiciÜB perforaliva. Pfennigsincligroase OeffiiuDg, da. 

hinter haaelnngEgiosger Kotbstein. Uebriger Inhalt Eiter. Nirgends 

Nekrose, reicbliohe FibrinbelUge auf der Serosa. Im Anfall 

operirt. Heilnog, 



— 58 — 

Materials ab. Wir werden weiter unten noch genauer erörtern, welche 
Umstände von besonderer Bedeutung für das Zustandekommen der einen 
oder anderen Art von Peritonitis sind. 

Ist der Appendix mit einem Organ verwachsen, so kann die Perfo- 
ration in dieses hinein erfolgen, am häufigsten in das Coecum selbst oder 
eine Ileumschlinge , jedoch sind auch Durchbrüche in die Gallenblase, 
Blase und andere Organe, selbst in den Ureter (Fall von Ledd er- 
bose), beobachtet. Es tritt dadurch eine Art Naturheilung ein. Wird 
dann später der Appendix entfernt, so ist es häufig unmöglich, die 
frühere Perforation an dem Präparat nachzuweisen, da Perforationen in 
der Wand des Appendix völlig ausheilen können. So fanden wir öfters 
in alten Schwartenherden Kothsteine, während an dem gleichzeitig ent- 
fernten Appendix nicht die Spur einer Perforationsöffnung mehr nach- 
gewiesen werden konnte. 

c) Appendicitis gangraenosa. 

Tritt in Folge phlegmonöser Entzündung und Circulationsstörung in 
den ernährenden Mesenterlalgefässen eine acute Nekrose des Organs in 
grösserer Ausdehnung ein, so sprechen wir von einer Appendicitis 
gangraenosa. Die wichtigste Bedingung zum Zustandekommen einer 
primären Gangrän des Appendix ist eine hochgradige Virulenz der 
Bacterien, in zweiter Linie spielen die eigenthümlichen Gefässverhältnisse 
des Organs eine disponirende Rolle. M ei sei hat neuerdings thrombo- 
phlebitische Veränderungen der Vene des Mesenteriolums als das Primäre 
bei der Gangrän des Appendix bezeichnet. Doch sind zahlreiche Autoren 
(Lanz, V. Brunn) geneigt, diese Vorgänge als secundäre aufzufassen. 
Ich verweise in dieser Frage auf die Ausführungen im zweiten Abschnitte 
dieses Buches. Dass auch Knickungen, Verwachsungen, totale oder 
partielle, starke Fettablagerungen im Mesenteriolum (eigene Beobachtungen), 
eine Nekrose begünstigen müssen, ist nur natürlich. Nach Abstossung 
der abgestorbenen Theile erholt sich gewöhnlich der Rest von Neuem. 
Fortschreitende, auf den Darm übergehende Gangrän gehört zwar zu den 
Seltenheiten, jedoch haben wir sie bisweilen beobachtet. Ein derartiger 
Fall wurde z. B. bei einem Patienten constatirt, bei dem ein handbreites 
Stück seines brandigen Blinddarms mit dem Wurmfortsatz entfernt werden 
musste. Die Veränderungen, die der Wurmfortsatz selbst in Fällen von 
Nekrose bietet, können sehr verschiedenartig sein, je nachdem es sich um 
partielle oder völlige Nekrose handelt. Zunächst zeigt sich die Gangrän 
auf der Schleimhaut, und Fälle, in denen sich die Schleimhaut völlig 
nekrotisch und putride erweist, die Muscularis und Serosa dagegen nur 
Zeichen einer hochgradigen Entzündung zeigen, gehören zu den häufigsten 




Meseuteriolui; 



AppGodicitia gangraenosa. Allgemeine iliffaeae Peri- 
tonitis, im 4. T^e operirt. Tod. — W. F. in loto gan- 
grBnOB, die Serosa grünlieh verfürbt. Im proximalen 
Drittel Bieht ein groEBer Kothstein vor, der dem Durcb- 
bruitk nahe ist. Der übrige Inhalt brauner Eiter. 

Fig. IS. 




Kothatein. 
Meaenieriolain. 



Acute Gangrän dea Appendii mit Perforation. 
Die Serosa graugrün verfirbti im mittleren Tlieil güborsteii, 
darooter sieht ein Kothstein vor, der nur theilweiae noch 
von der nekroliaehen Schleimbnut überdeckt ist. Freie fori. 
sohreileDde Peritonitis. Nach 36 Stunden operirt. Heilung. 



Befunden. Bereits nach 24 Stunden und noch frOber kann totale Gangrän 
eingetreten sein, Dass ein derartig verändertes Organ auch ohne gleich- 
zeitige Perforation für alle Schädlichkeiten durchlässig ist, vereteht sich 
von selbst. Die folgenden Fig^. 11 — 13 von acuter Gangrän der Appendix, 
die aus unserer Präparntensammlung stammen, mögen die eben gemachten 
Bemerkungen illustrlren. 

Es ist selbstverständlich, dass all die Erscheinungen, Folgezustände 
und Komplicationen, die wir bei Appendicitis perforativa beschrieben haben, 
meist in erhöhtem Maasse sich bei der Appendicitis gangraenosa ereignen , 

Fig. 13 




Appandicitis grangraeuoea. QangrllD iu der distalen 
Hälfte. Zwei feine Pertoratioagöffn nagen. Daliinter 3 Kotii- 
steine. Meaenteriolum gleichfall» theilweiee nekrotiscli Igelbi. 



müssen. Auch hier hängt es von denselben Umständen wie bei der I 

Appendicitis perforativa ab, welchen Charakter die sich anschliessenda ] 

Peritonitis darbietet. Auch hier kann sowohl eine circumscripte wie eine 1 

fortschreitende Peritonitis resultiren. Wir hnben häufig Gelegenheit g&- 1 

habt, in völlig abgekapselten Äbacessen den total gangränösen Wurra- i 

fortsatz anzutrefTen. Wir nehmen dann an, dass die Gangrän in den j 

meisten Fällen eine aecundäre, durch eitrige Zerstörung hervorgebraclite iet^ I 
und wohl von der acuten primären Gangrän unterschieden werden musa. 



— 61 — 



IL 

Betheiligung des Peritoneums. 

Haben wir bisher versucht, die Processe am Appendix für sich, ge- 
trennt von denen des Peritoneums zu schildern, so müssen wir uns be- 
wusst sein, dass wir dieser Trennung in der Praxis nur in vereinzelten 
Fällen begegnen werden. Eine Betheiligung des Peritoneums, sei es auch 
nur in Gestalt der Entzündung der Serosa des Wurmfortsatzes, fehlt 
selten, in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle ist das Peritoneum in 
der näheren und weiteren Umgebung afficirt. Und diese Betheiligung 
des Bauchfells giebt erst der Erkrankung ihr eigenthümliches und wesent- 
liches Gepräge. 

Das Peritoneum besitzt eine Reihe charakteristischer Eigenschaften, 
die es einerseits geeignet machen, selbst schwere Infectionen schadlos zu 
überwinden, andererseits aber auch im Stande sind, unter Umständen er- 
hebliche Schädlichkeiten zu verursachen. Diese Eigenschaften sind in 
erster Linie die grosse Flächenausdehnung, die das Peritoneum be- 
sitzt, und die nach Wegner nahezu der der gesammten Körperoberfläche 
gleichkommt, zweitens die enorme Besorptionskraft des Bauchfells, 
die 80 gross ist, dass Thiere in einer Stunde beinahe 8 Proc. ihres Körper- 
gewichts an Flüssigkeit von der Bauchhöhle aus aufzusaugen vermögen, 
drittens die ausserordentliche Tra nssudation s- (Exsudations-) Fähig- 
k e i t wodurch besonders bei dem grossen Gehalt an plastischer Substanz 
rasch ausgedehnte Verklebungen um einen infectiösen Herd zu Stande 
kommen können. 

Die Oberfläche des normalen Peritoneums ist glatt und glänzend 
und wird von einer einfachen Endothelschicht überkleidet, die im gesun- 
den Zustande nur spärliche Mengen seröser Flüssigkeit absondert, so dass 
die Därme leicht aneinander vorbeigleiten. Dort wo mehrere Endothelien 
zusammenstossen, finden sich Oeflhungen (Stomata), die direct zu den 
serösen und subserösen Lymphräumen führen und eine ausgiebige Ver- 
bindung zwischen Peritonealhöhle und subserösen Lymphgefässen dar- 
stellen. Am zahlreichsten und grössten sind diese Stomata im Centrum 
tendineum des Zwerchfells. Hierdurch wird eine fast directe Communi- 
cation zwischen dem Bauchraum und dem Blutgefässsystem hervorgerufen, 
wobei nicht nur gelöste Stoffe, sondern auch Zellen und Bacterien auf- 
gesaugt werden. 

Der Druck der Bauchmuskulatur und die regelmässigen Bewegungen 
des Diaphragma, das die Rolle einer Saug- und Druckpumpe übernimmt, 



und die peristalti sehen Bewegungen des Dnrmea begünstigen die Re- 
sorption. Herabgesetzt wird dieselbe durcb Verminderung der Peristaltik, 
starke AbküLliuig des Abdomens, weil durch die Kälte eine Hersl 
setaung der Erregbarkeit der nervösen und muskulären Elemente d< 
Darmwand entsteht. Die Austrocknung der Serosa, wie sie z. B. bei 
Laparotomien stattfindet, vermindert gleichfalls das Eesorptions vermögen. 
Eine bacterielle Peritonitis hat dieselbe Wirkung. Die Resorption stellt 
kernen rein physikalischen, den Gesetzen der Osmose und Filtration 
unterworfenen Vorgang dnr, sondern wir müssen annehmen, dass ein 
lebhafter und continuirl icher Saftstrom zwischen den Serosaflächen statt- 
findet, wobei sich Flüssigkeit dem Saftstrom beimengt und dadurch in 
die Lymph- und Blutbahn gelangt. Durch die grosse Resorption skraft 
des Bauchfells können in kurzer Zeit selbst grosse Mengen pathogenen 
Materials dem Blutstrom zugeführt werden. Von der Menge und Viru-' 
lenz desselben hängt es ab, ob der Organismus sie schadlos vernichte] 
kann oder der All gemein Vergiftung erliegt. 

Der Resorption geht eine reichliche Essudation parallel, die 
allem durch ihre plastische Fähigkeit, Adhäsionen um entzündliche H 
zu bilden und sie hierdurch gegen die übrige Bauchhöhle abzukapseln, 
eine grosse Bedeutung beanspruchen muss. Von nicht zu untersch ätzen- 
dem Werlhe dürfte auch die dem Peritonealexaudat innewohneodo bacte- 
ricide Kraft ein, deren Einzelheiten allerdings vorläufig noch strittig sind. 

Von besonderer Wichtigkeit ist das Verhalten des Peritoneums zu patho«.' 
genenBacterien, das seitWegner's grundlegenden Untersuchungen {1876)j 
zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und Forschungen gemachp 
worden ist, die jetzt ku einem gewissen Abschluss gelangt sind. Da 
die Versuche Wegner's nur mit Bacteriengemiachen angestellt waren, so 
museten sie nachgeprüft werden, und dies geschah in besonders eingehender 
Weise 1886 von Grawitz, dessen wichtige und interessante Resultate 
wir, da sie auch heute noch im grossen Ganzen Geltung habeo, in ihren 
Hauptzügen wiedergeben. Nach Grawitz ist das Hineingelangen von 
pathogenen Bacterien in die Bauchhöhle nothwendige Vorbedingung, aber 
nicht die einzige Ursache einer eitrigen Peritoniljs. Ist die Bacterien- 
menge nicht eine grössere, ala die Bauchhöhle innerhalb weniger Stunden 
zu resorbiren vermag, und besitzen die Bacterien keine zu grosse Viru- 
lenz, treffen sie ein intactes Peritoneum, so braucht ihr Eindringen nicht 
schädlich zu wirken. Dagegen kommt eine eitrige Peritonitis dann zu 
Stande, wenn die Bauchhöhle eine stagnirende Nährflüasigkeit enthält, 
beim Vorhandensein ausgedehnter chemischer und mechanischer Läsion 
im Infectionagebiet, vor allem aber wenn eine Wunde mit Substanzverluat 
die Ansiedelung der Infections träger vermittelt. Eine Peritonitis entsteht. 






nen 



— 63 — 

gleichfalls, wenn die Virulenz und Menge der eingeführten Keime die 
Widerstandskraft des Organismus übersteigt. 

Diese Untersuchungen von Grawitz sind seitdem in mancher Hinsicht 
erweitert worden, so dass man nun im Allgemeinen Folgendes sagen kann: 

Das normale Peritoneum hat die Fähigkeit, im Gegensatz zu anderen 
Geweben, eine verhältnissmässig grosse Menge von Bacterien sowie deren 
Gifte schadlos zu ertragen. Die Mittel, durch die der Organismus die 
Infection überwindet, sind im Wesentlichen eine starke Leukocytose und 
die ausserordentliche Resorptionsfähigkeit des Peritoneums. Die grösste 
Bedeutung im Kampf mit den Eitererregern scheinen nach unseren 
heutigen Anschauungen die Leukocyten zu beanspruchen. Ob ihre Ein- 
wirkung eine mechanische im Sinne Metschnikoff's ist, oder ob ihre 
Stoffwechselproducte (Alexine, Buchner) den werth vollsten Factor 
darstellen, ist vorläufig mit Sicherheit noch nicht zu entscheiden. Ebenso 
wenig können wir mit Sicherheit aussagen, ob es die Bacterien selbst 
sind, die anlockend wirken, oder erst die durch den Bacterien zerfall 
frei werdenden Bacterioendotoxine. Nach neueren Untersuchungen (Rad- 
ziewski) scheint das Letztere das Wahrscheinlichere zu sein. Eine vor- 
handene Leukocytose ist immer als ein Schutzmittel des Organismus 
g^enüber eingedrungenen Giften aufzufassen. Ihre Höhe varriirt je nach 
der Höhe der Infection. Die Bedeutung der Resorption für die Un- 
schädlichmachung von Giftstoffen liegt in mehrfacher Richtung. Ist die 
Menge und Virulenz der Keime eine geringe, so werden sie unter Um- 
ständen schon durch die bactericide Kraft des Peritonealexsudats ver- 
nichtet, der Rest wu"d rasch fortgeschafft und geht im Blute zu Grunde. 
Verderblich wird die grosse und rasche Resorptionsfähigkeit in solchen 
Fällen, wo ein so hoher Virulenzgrad vorliegt, dass die Bacterien von 
Leukocyten gar nicht mehr angegriffen werden, so dass sie in grosser 
Menge ins Blut übergehen, und der Körper an Allgemeinvergiftung zu 
Grunde gebt. In der Bauchhöhle selbst kommt es dann höchstens zu 
einer leichten Hyperämie und hämorrhagischen Exsudation, eine eitrige 
Peritonitis entsteht nicht. Wahrscheinlich ist in solchen Fällen die 
Vermehrung und Resorption der Bacterien eine so rapide, dass noch ehe 
die Leukocyten an den localen Herd gelangt sind, schon allzu grosse 
Mengen in die Blutbahn übergetreten waren. 

Grehen wir nach diesen allgemeinen Erörterungen zu einer Besprechung 
der verschiedenen Formen der Peritonitis über, die im Anschluss an eine 
Appendicitis auftreten können, so erhebt sich von vornherein die Schwie- 
rigkeit einer allgemeingiltigen Eintheilung. Wenn wir trotzdem aus 
praktischen Gründen einer Klassification das Wort reden, so dürfen wir 
nicht ausser Acht lassen, dass kein principieller Unterschied der ver- 



Hchiedenan Formen von Peritonitis besteht, eondern dass es Uolerschiedo 
lediglich gradueller Katur sind. 

Man kann die Peritonitiden nach pathologisch -an atomiscb en , nach 
ätiologischen und nach klinischen Gesichtspunkten einlheilen, Pathologisch- 
anatomiBcb kennen wir eine seröse, sero-fibrinöse, eitrige, jauchige Peritonitis, 
die zahlreiche Uebergänge ineinander aufweisen können ; eine ätiologisch in^ 
fectiöse und aseptische Peritonitis. Die erslere wird von den verechiedenstan 
Bacterien und Bacterien toxi neu hervorgebracht, und bildet weitaus das 
Gros aller Fälle von Peritonitis bei Perityphlitis. Die aseptische Perito- 
nitis wird durch chemische oder mechanische Ursachen bedingt und ist 
jedenfalls nur in Ausnahmefällen bei Appendicitis mit Sicherheit vor- 
banden. Nach klinischen Gesichtspunkten unterscheiden wir scbliesslicb 
eine circumscripte und eine fortschreitende Peritonitis. Da wir diese letzte 
Eintheilung als die für unsere Zwecke beste ansehen, so werden wir sie 
den folgenden Ausführungen zu Grunde legen. Die circumscripte Peri- 
tonitis hat nicht die Tendenz unaufhaltsamen Fortschritts und kann 
serofibrinöser oder eitriger Natur sein. So lange das Exsudat seröa- 
fibrinös ist, wird es leicht resorbirt , während , sobald es eitrig ge- 
worden ist, so bald wir also den typischen perityphlitischen Abscess 
haben, einer spontanen Resorption grössere Hindernisse entgegenstehen. 
Von fortschreitender Peritonitis unterscheiden wir drei verschiedene 
Formen; 1) die diffuse jauchig • eitrige , 2) die progredient fibrinös-eitrige 
Peritonitis und 3) die peritoneale Sepsis. In der Wirklichkeit beobachtet 
man selten reine Typen, Uebergänge sind das Gewöhnliche. 



I 



I. Circuuiäcrlpte Peritonitis. 



) Perityphlitis mit serös - flbrinÖBSr Exaudatien. 
Peritonitis adliaesiTa. 



Es giebt sicherlich Fälle, wo überhaupt jede Betbeiligung des 
Peritoneums vermisst wird. So, wenn der Catarrh lediglich auf die 
Schleimhaut des Wurmfortsatzes beschränkt bleibt, also eine reine 
Endoappendicitis vorliegt. Ferner beobachten wir das Fehlen irgend 
welcher peritonitischer Veränderungen, wenn wir so frühzeitig operiren, 
dass es noch nicht zur Ausbildung einer Bauchfellentzündung kommen 
konnte. Erst in letzter Zeit hatten wir zwei Fälle von schwerer Gan- 
grän des hochgradig empyematösen Wurmfortsatzes, die 8 resp, 16 Stunden 
nach dem Bestehen der ersten Symptome operirt wurden und wo trot& 
dieser hochgradigen Veränderungen keine nmkroskopische Betbeiligung dea 
Peritoneums nachgewiesen werden konnte. 



i 



I 

I 

I 



Diese Fälle bilden jedocli die Ausnahme. Nur auBserordentlich 
selten und wobl nur im Anfange bleiben die im Innern des Appendix 
sieb abspielenden Erkrankungen auf die Wand des Appendix be- 
schränkt. In der Regel ziehen sie die deckende Serosa schon frühzeitig 
in Mitleidenschaft, von welcher sich die Entzündung auf den Bauch- 
fellüberzug der benachbarten Theile fortpflanzt und zur Ausscheidung 
eines sero - fibrinösen Exsudates und au Verklebungen führt. Diese 
aerÖH -fibrinösen Exsudate sind als Reaction der gesunden Serosa auf 
einen Reiz aufzufassen, der sich in ihrer Nachbarschaft abspielt, wie das 
auch bei serösen Häuten anderer Organe -vorkommt, Sie werden mit 
Zurücklassung mehr oder weniger fester Adhäsionen wieder resorbirt. 
Das Vorkommen derartiger Exsudate ist angezweifelt worden, aber durch 
unsere Erfahrungen bei Operationen sicher erwiesen. 

Die häufige Betheiligung des Peritoneums findet ihre Begründung 
in dem anatomischen Bau der Darmwand ; die Serosa bildet ja 
selbst einen wichtigen Tb eil derselben. Sie steht mit den übrigen 
Schichten in einem untrennbaren Zusammenhang, und das dichte Netz 
der Blut- und Lymphbahoen vermittelt einen beständigeu intimen Ver- 
kehr. Nur die ganz leichte katarrhalische Appendicitis läast die Serosa 
unbetheiligt, und nur in den allerschwersten Fällen ganz acuter Per- 
foration oder Injection fehlt die Zeit für die Entwickelung entzünd- 
licher Vorgänge in der Nachbarschaft des Krankheitsherdes. Je chro- 
nischer der intraappendiculäre Process, je länger und intensiver der Reiz 
auf die Darmwand stattfindet, desto sicherer tritt die Uebertragung auf 
dag Peritoneum ein, und um so ausgebildeter sind die Producta der her- 
vorgerufenen Entzündung. Ganz ausnahmsweise sieht man auch bei 
schwereren geschwürigen liäsionen den Wurmfortsatz frei von jeder 
circumacripten Peritonitis. Doch ist es uns des Oefteren vorgekommen, 
dafis trotz geringfü^ger pathologischer Veränderungen am Wurmfortsatz 
und trotz Freibleibens desselben von Adhäsionen ausgedehnte Adhärenzen 
der Därme speciell des Coecums vorhanden waren. 

Das Endresultat nahezu jeder serös- fibrinösen Peritonitis ist daij 
Zurückbleiben von Adhäsionen und Sehwarten, die in verschiedener 
Hinsicht ehie grosse Bedeutung beanspruchen müssen. In der einen 
lUcbtung bringen sie weilere Nachtbeile, schaffen die Möglichkeit 
weiterer schwerer Folgezustände. Sie können Abknickungen , Con- 
atrictionen. Abschnürung, Incarceration von Darmschlingen veran- 
lassen, mit Erschwerung der Darmpassage und selbst Verschlingungs- 
symptomen; ferner bedingen sie gewisse Bilder von anscheinenden Peri- 
typhlitisrecidiven (Nothnagel). Andererseits sind sie m bestimmtem 
Sinne von Nutzen, insofern, als sie bei etwa erfolgender Perforation des 

Sonnenbnrg. PBritTphliÜB. 6. AnflngB. 5 



i bilden im Stande sind und den 
in die freie Bauchhöhle aufhalten 



Wunnfortsateea eine Art Bcbutzwall si 
directen XJebertritt des Äppendixinhalts 
können. 

Bei der ausserordentlich freien Bew^ltchkeit des Fortsatzes und bei 
der Mannigfaltigkeit seiner anatomischen Lage bringen ihn die Ver- 
wachsungen in Verbindung mit den verschiedensten Organen, sehr hSufig 
trifft man ihn am Coecum fixirt. Wir haben hier ganz bestimmt wieder- 
kehrende Typen gefunden. Zunächst kann der Wurmfortsatz zur Hälfte 
durch atraffe Adhäsionen mit dem Blinddarm verwachsen sein, das 
periphere Ende frei beweglich bleiben (vgl. Fig. 14). Gerade an der 
Stelle , wo die Verwachsungen mit dem Darm aufboren , entstehen 
Knickungen, örculationsstörungen, Geschwüre. Oder aber das fteie Stück 
wird in Folge acuter Entzündung und ungünstiger Circulations Verhältnis sc 
in toto gangränös und verursacht eine schwere Form von Äppendicitis 
gangraenosa. Eine weitere typische Art der Verwachsung des Appendix 
mit dem Coecum besteht darin, dass der Wurmfortsatz völlig in Ver- 
wachsungen eingebettet an der Wand des Coecums vorgefunden wird, 
dabei oft geknickt und zwar bis zum rechten Winkel. In der Knickun^- 
atelle bilden sich auch hier Geschwüre und Kotbsteine u. s. w. 

Am häutigsten sieht man den Wurmfortsatz auf der Foasa iliaca 
angeheftet. Noch kürzlich fanden wir ihn dort so fest verlöthet bei einer 
recidivirenden Form von Appendicitis aimplex, dass er heim Versuch, ihn 
zu lösen, abrisa und an dem Vorhandensein eines Lumens von den 
dicken in der Nähe befindlichen Schwarten erst differenzirt werden konnte. 
Oft reicht der Appendix bis zum Rectum und ist dort mit seiner Spitze 
verwachsen, bei Frauen ist er mit den rechten Adnexen verlöthet. Das 
grosse Netz ist häufig in die Verklebungen mit hineingezogen und be- 
deckt den Wurmfort.sfltz dnchartig. Ebenso häufig trafen wir Verwachsungen 
mit Dünndarm schlingen. Einmal beobachtete ich ihn an der Wirbelsäule 
fixirt. Vgl. die Figuren im IV. und V. Abschnitt. 

Alle diese Folgezüstande entstehen nicht aueschli^alich nach einer 
Peritonitis adhaesiva, sondern bleiben ebenso häufig als Residuen einert 
eitrigen Peritonitis zurück. 

Erwähnt sei noch die besondere Form der chronischen PentoDtti|(, 
welche im Verlauf von Blinddarmentzündungen, häufig beobachtet wird. 
Hier entwickeln sich die Adhäsionen von vorn herein ganz schleichend, 
chronisch. Diese chronische Entzündung kann difiiia sein, den gröasten 
Theil des Bauchfells betreflisn, oder es betheiligt sieh nur eine umachrie- 
bene, oft sogar nur minimale Partie, Die dicken, achwieligen Adhä- 
sionen können unlösbare Verbindungen einzelner Darmab schnitte mit 
dem Peritoneum herbeiführen. Es entstehen dadurch feste Gonvoiule 



i 



DaimecMingei), die bei OperatiooeD gar nicht zu üntwirreii eind. Daher 
hat Siebs diese Form aU Peritonitis difformana bezeichnet. 8on- 
Hsnburg hat öfter bei Operationen recidivirender Äppendicitie solche 
Knäuel in der Bauchhöhle vorgefunden. In einem Falle, den er in einer 
Btadt Südruaslands operirle, war ein unentwirrbares Koäuel von Darm- 
schlingen durch Coecum, Ileuni und Processus vermitormia gebildet. 
Dieses Knäuel lag verbal tnissmässig frei und gewiaaermassen abgekapselt 
nmitten des Bauchraumes und konnte nach verschiedenen Richtungen 




freigelegt werden In der Mitte deeselben tis.üi unendlich schwierigen Ab- 
lösungen, lag der perfonrte fest vernachaene Proceasua vermiformis. 
Die Serosa de'i Darmw besonders de« Ileum war derarhg bei den Ver- 
suchen der Entwirrung beschädigt worden das^ er geuothigt war, eh\ 
grösseres Stuck des Ileum noch keiltormg zu re«eciren Die Chancen 
derartiger Operationen sind nicht sehr gunstige und in diesem wie m 
einem zweiten derartigen Falle haben wir den Eindruck gewonnen, dass 
es weniger gefahrvoll für den Patienten ist eine Enteroanastomose an- 
lul^en oder zu versuchen dieses ganze Knäuel zu esstirpiren, als es 
zu entwirren und frei zu legen Tre\Q'i 'lagt Es g;iebt kaum eine 
denkbare Combination von verbundenen Stellen welche m der Geschichte 



dieser Verwachsungen nicht auch dagewesen wäre." Daneben kommen 
auch flächenartige Membranen von geringerer und grösserer Dicke und 
Derbheit vor, auch dünnere und dickere breite, bandartige Stränge. 



b) ClrcmaBcrlpte eitrige PeritODltts. 

(Perityphlitischer Äbscess.) 






Das Zustandekommen emer eitrigen Peritonitis ist an eine Infection 
des Peritoneums durch einen bacterien haltigen Appendix gebunden. Ob 
dabei die Bacterien oder ihre Toxine durch die perforirte oder nicht per- 
forirte Wand hindurchtreten, ist an sich von untergeordneter Bedeutung, Von 
Wichtigkeit für die Enlstebungs weise des perityphlitiachen Abeceaaes sind 
jedoch gewisse Einzelheiten des Infectionamodus , die aus den folgenden 
Erörterungen hervorgehen werden. Wir können im groaaen Ganzen zw«' 
verschiedene Entstehungs weisen des Absceseea unterscheiden. Bei deiä 
leichteren Formen nehmen wir folgenden Modus an. Ea kommt bereits, 
noch bevor die eigentliche Perforation oder Gangrän stattgefunden bat, 
in Folge durchtretender Bacterien oder Toxine zu einer Entzündung 
der nächsten Umgebung dea Wurmfortsatzes. Diese Entzündung, die 
vielleicht in manchen Fällen eine rein toxische ist, documentirt sich in 
einer ödematöaen Durchtränkung der Darmwände und dea Netzes 
in der Ausscheidung eines mehr oder minder reichlichen sero-fibrinöaen 
Exaudatea, wodurch eine lockere Verklebung dea anliegenden Gebietes 
Stande kommt. Erfolgt dann die wirkliche Perforation und zwar 
wohnlich nur mit Austritt einer apärlichen Menge inficirenden Materials, 
so wird aua dem bisher serösen Exsudat ein eitriges. Die gebildeten 
Verklebungen sind aber bereits im Stande, einen Schutzwall gegen die 
freie Bauchhöhle abzugehen und so eine Infection derselben zu ver- 
hindern. Eine Verstärkung erhält dieser Schulzwall in einer Reihe von 
Fällen noch durch die bereits vor der Entzündung vorhandenen durch 
die chronische Adhäsivperitonitia hervorgerufeneu und weiter oben näher 
geschilderten Adhäaionen und Verlöthungen. Finden wir doch oft genug 
bei Operationen im Intervall den eigentlichen Krankheitsherd von der freien 
Bauchhöhle völlig abgekapselt. Diese Arten der Entstehung eines peri- 
typhlitiachen Absceasea ist dann anzunehmen, wenn die Perforation all- 
mählich eintritt, d. h. wo der wirklichen Perforation schon einige Tage 
leichtere Beschwerden voran gegangen sind. 

Durch die grosse Zahl der ausgeführten zum Tbeil ausserordentlich 
frühzeitigen Operationen hat es sich jedoch herausgealellt, dass wenigstens 
in den Fällen, wo die Perforation eine acute ist, der Entstehungsmodua 



aeoH 




I 
I 
I 



I 



ma anderer als der eben geschilderte sein muse. Es trifft dies vor allem 
für schwerere Fälle, die bereita auf der Grenze der eircurascripteo gegen 
die fortschreitende Peritonitis stehen, zu. In diesen Fällen besieht von 
Anfang an eina diffuse Entzündung, die erst aecundär zu einer circum Scripten 
wird. Die Gangrän oder Perforation erfolgt so rasch, daaa keine Zeit zu einer 
Verklebung der umliegenden Darm schiin gen bleibt. Durch den ein grosses 
Peritonealgebiet betreffenden infectiöaen Reiz kommt es zur Ausscheidung 
eines mehr trüben Exsudats, das nur geringe plastische Eigenschaften besitzt 
und deshalb eine Verklebung der Därme nicht zu Stande bringt. Diese 
Exsudation, die häuüg, je nach der Schwere der Infection, ein grosses 
Peritonealgebiet betrifft, kennen vrir als peritoneale Reizung, die 
somit eine echte exsudative Peritonitis darstellt. Operiren wir derartige 
Fälle frühzeitig genug in den ersten 24 — 48 Stunden, so finden wir bei 
Eröffnung des Peritoneums zwischen den frei legenden oder kaum ver- 
klebten Darmachlingen Exsudat verschiedener Qualität, das um so reichlicher 
ist, je intensiver die Infection oder je älter der Procesa ist. Das Exsudat ist um 
soklarer, jeneiterentferntvomlnfectionsherd es eich befindet, undum so trüber 
bis eitrig, je näher an den Wurmfortsatz heran, Der weitere Verlauf 
derartiger Fälle ist der, dass eecundär, wenn die Infection sin tensität eine 
für den Organismus uberwindliche iat, nun eine Abkapselung in geringerer 
oder grösserer Ausdehnung um den Wurmfortsatz erfolgt, dadurch, dass 
reichlich Fibrin vom Peritoneum abgeschieden wird. 

Die Grösse dea entstehenden Abscesses hängt einerseita davon ab, 
wie viel infectiöaes Material von vornherein austritt und mit welcher 
Virulenz es begabt ist, anderseits, ob Nachschübe erfolgen. Im letzten 
Fall vei^össert sich der Abacess dadurch, dass an der Innenseite dea 
Abscesses die Membranen durch den Eiter eingeschmolzen werden, während 
an der Ausseoseite durch den entzündlichen Keiz weitere Verwachsungen 
entatehen. In den einfachen Fällen von Perityphlitia handelt es sich meist 
nur um einen einzelnen Absceaa, doch werden auch hier multiple, 
gleichzeitig entatandene Herde beobachtet, die durch Scheidewände von 
einander getrennt sind. 

Der Eiter der perityphlitischen Abacesae ist verschieden, je nach dem 
Alter des Abaoeaaea. Im Beginn handelt es sich in der Regel nur um 
trüb-eitriges Exsudat mit reichlichen Bacterien, Der Eifer wird um so 
dicker und zäher, je längere Zeit der Abscess beateht. Der Eiter alter 
perityphlitiacher Abaeease iat oft von einer ausserordentlich putriden 
Beschaffenheit, unangenehm aüsaüch riechend, ach leim ig - zäh und 
von gelber, molkiger Farbe bia zu einem eigenartig graulich gelb- 
braunen Colorit, daa seine Unterscheidung von diarrhoiachem Darm- 
üdialt oft sehr erachwert. In mehreren Fällen erlebten wir ein hämor- 



rbsgisch-eitrigee Exsudat von einer fast »cbwarzen Färbung, mit gelben 
Flocken untennischt. Die Blutung rührt in der Regel von einer Ge&ss- 
arroeion in dem mit Geschwüren versehenen Wurmfortsala her. Zuweilen 
zdgt eich Gasentwicklung in den Abacessen. Wenn schon die Möglich- 
keit nicht geleugnet werden kann , dasa die Gase direct aus dem Darm 
stammen oder sieb als Zeisetzungastofie der in hochgradiger Fäulniss be- 
grifienen Flüssigkeiten entwickelt haben, so liegt es doch nahe, hier an 
die Wirksamkeit der vielen gasproductrenden Dannbacterien zu denken, 
die secundär dann eingewandert sind. Femer findet man in Äbscesäen 
häufig Reste des gangränösen WurrofortsatEes oder auch den ganzen ehe- 
maligen Wurmfortsatz als röhrenförmigen Fetzen frei schwimmen; 
sieht man ihn auch theiiwrfse noch mit dem Coecum im Zusammenbang 
withrend nur ein Theil in die Höhle hineinragt. Sehr häufig findet c 
iii Abecessen einen oder mehrere Kothsteine. 



Localisation der Abscesse. 

Da der WurmfortealE nicht allseitig vom Peritoneum überkleidet 
wie wir ausführlich in Abschnitt II ausein and ergesetzt haben), so können sich 
von ihm ausgehende Eiterungen ititra- und retro-(eKtra-)peritoneal' 
entwickeln. Ein Unterschied zwischen estra- und intraperitonealen Eitemn- 
sammlungen ist jedoch insofern oft schwer zu machen, als auch letztere durch 
Ausbildung von Pseudomembranen von der Bauchhöhle abgetre 
eigentlichen Sinne ebenfalls als extra cavum peritonei gelegen betrachtet 
werden müssen. Freilich wenn man die Abscesse inmitten von Dünn- 
darmschlingen mit sammt dem perforirten Wurmfortsatz findet und zu 
ihnen sich den Weg durch nicht entzündete Abschnitte des freien Bauch- 
raumes bahnen muss, so wird man keinen Anstand nehmen, diese als 
intra peritoneal gel^ne Abscesse zu bezeichnen. Auch bei rein intra- 
peritonealer Lage des Wurmfortsatzes kann ein Phlegmone retrocoecalea 
entstehen in Folge der Eigen thü ml ichkeit des Mesenteriolums des Appen- 
dix, das eine Bauchfei Iduplicatur darstellt. • 

Die Localisation der intraperitonealen Abscesse variirt in 
hohem Grade deshalb, weil die Lage des Processus vermiformis schon 
normaler Weise eine sehr verschiedenartige ist, durch vorangegangene 
Verwachsungen noch mannigfaltiger werden kann und weil endlich der 
Abscess sich an verschiedenen Stellen des zuweilen recht langen Ver- 
laufes des Wurmfortsalzes etabliren kann. Wenn man als nngefähre 
Norm die Lage annimmt, in der der Appendix, von der hinteren Coecal- 
wand circa einen Querfinger unterhalb der Bauhin'schen Klappe ent- 
springend seinen Weg parallel dem Ileumende einwärts nimmt, um über 



1 




I 

i 
I 

I 



-Ti- 
den Psoasraad binffeg ins kleine Becken zu ragen , so ist ea klar, dass 

allein bei diesem einen Verlaufs modus der AbaceBs sowohl hinten, als 
auch median, oder endlich auch im kleinen Becken liegen kann, je nach- 
dem er von der Basis, dem Mitteltheil oder der Spitze des Fortsateea 
seinen Ursprung genommen hat. Aber neben diesem Normal verlauf 
trifll man den Fortsatz, ohne dass pathologische Verhältnisse vorliegen, 
bald an der hinteren Coeoalwand nach oben und aussen gerichtet, bald 
aui dem Peritoneum der Poaaa iliaca hinkriechend oder an der Aussen- 
seite des Colon in die Höhe steigend, bald um das Ileum herumge- 
schlagen, der vorderen Bauchwand genähert, zwischen den Dünndärmen 
der Nabelgegend Kustrebend. Zuweilen entspringt er weiter unten am 
Coecum an der tiefsten Steile des Blindaackes und wendet sieb dann 
häufig direct nach abwärts, eine Anordnung, die den fötalen Verhültnisen 
entspricht. Auch hier kann an jeder Stelle des Verlaufs eine . Abscess- 
höhle vorbanden sein. Da, wo pathologische Verbältniese vorliegen 
und in Folge der Adhäsivperitonitis im Verlaufe der chronischen Er- 
krankung der Appendix abnorm verlöthet, geknickt u. a. w. ist, kann 
selbstverständlich auch die Ijage der Abscesse wiederum sehr verschieden 



Wenn nun als Folge dieser Verhältnisse die Lage der Abscesse 
ausserordentlich vielfältig ist und dieselben in allen Kichtungen rings um 
ünen Mittelpunkt gruppirt gefunden werden, der etwa von der Ileocoecal- 
klappe dargestellt wird , so haben sich uns in der Praxis doch immer 
wieder gewisse Haupttypen ei^ben, zwischen denen natürlich alle Ueber- 
gangsstufen vorkommen können. Als solche sind zu bezeichnen: die 
Lage der Abscesse nach vorn aussen, nach hinten, nach 
innen und endlich im kleinen Becken. 

Bei den vorn aussen gelegenen Abscessen kommt es in der Kegel 
zuerst zu einer Verkiebung der Dünndarmsehlingen , die sich fast aus- 
nahmslos zwischen Coecum und der vorderen Bauchwand befinden. Erst 
mit zunehmender Grösse der Eiteraneammlung werden sie bei Seite ge- 
drängt, und der Eiter erreicht das Parietalblatt der Bauchdecke. Dieses 
bildet die vordere Wand, das Coecum die hintere und innere, und die 
FoesB iliaca die äussere Wand des Abscesses. Nach oben und innen zu 
können noch andere Darmtheile an der Begrenzung theilncbmen. Der 
Wurmfortaatz findet sieb in diesen Abscessen meist vorn in der Fossa 
iliaca oder an der Aussen- resp. Unterfläche des Blinddarms. 

Bei der Localieation nach hinten wird der Abscess begrenzt vorn 
von der dorsalen Coecalfiäche, hinten von der hinteren Bauchwand. Der 
Appendix lagert dann meist auf dem Coecum, an dem er nach oben 
steigt. Diese Gruppe von Abscedirungen liegt meist höher als die vorige. 



— 72 — 




der Bpinae ant. sup. hin aufreich ead. Sie breiten 
:r Niere aus, die sie als perirenaler AbsceBS 
lähern sich der Regie lumbaÜB, die sie her- 



über die VerbinduBgsli: 
sich oft bis in 
umspülen kÖnneD, oder 
vorwölben. 

Die nach innen gei^nen Eitersäcke werden lateral von der inneren 
Coecal- resp. Colonfläche begrenzt und nach hinten zu vom Mesocolon. 
Wenn auch in einer Reihe von Fällen der Äbacess von diesen beiden 
Gebilden voUkomraen umfangen werden kann, so findet man doch 
meistens eine Anzahl verwachsener Dünndarmschliogen an der medianen 
und unteren Wand, an der sich zuweilen auch die Harnblase betheüigL 
Zweimal fanden wir den Abscess im Bruchsack vor '), Zweimal con' 
statirten wir Senkungen in das Scrotum und das Vorhandensein einer 
Pyocele teatis. Wahrscheinlich war hier der Processus va^alis offen 
geblieben. 

Die letzte Gruppe hat ihren Ort im kleinen Becken, meist in 
der rechten Seite desselben; doch können sie auch in die andere Hälfte 
desselben vordringen. So trafen wir einen grossen Kothabsoess als Folge 
der Perforation des Processus in der Regio hypogastrica ainistra oberhalb 
der Symphyse, der tief ins kleine Becken au der linken Seite der Blase 
hinabstieg. Meist treten sie in der Excavatio rectovesicalis gegen das 
Rectum herab, oder sie stellen sich bei Frauen zwischen Mastdarm und 
Scheide ein (Douglasabscess). Der Appendix wird dann in der oberen 
oder äusseren Wand angetrofien oder adhärirt wohl auch hier und da 
mit einer Spitze am Rectum. — Selbstverständlich ist die Lage des 
Processus an einer der Abscess wände keine obligaterische. Manchmal 
sieht man ihn frei im Eiter flottiren, öfters im Äbscesse frei schwimmen. 

Diese Eintheilung scheint uns, wenn sie auch nicht gaoi 
ist, zweckmässig durch ihre Einfachheit, und wir haben 
auch in dieser neuen Auflage beibehalten. Uebergrosser Werth ist nach 
unserer Meinung auf eine topographische Eintheilung der Äbscesse nicht 



I 



Ausser den verschiedenen Lagen, die der Processus vermiformis ein- 
nehmen kann, kommen noch die Anomalien des Coecums, die wir 
schon in den anatomischen Vorbemerkungen erwähnten, für den Ort der 
Bildung der Äbscesse in Betracht. Besonders muss ich auch auf die 
subphrenischen Äbscesse (S, 75) verweisen. Werden Individuen mit Ve^ 
kümmerung, Umbiegung und Uraknickung des Coecums von Typhlitia ■ 
und Perityphlitis befallen, so können der Ort des Schmerzes ' 
und der Auftreibung, sowie Lage, Form und Ausbreitung ] 



1 beiden Fallen III, S. 05. 



I 



eines etwaigen Exsudates ganz ungewöhnliche werden. Das- 
selbe ist der Fall, wenn der aufsteigende Dickdarm congenital verkürzt 
ist oder geradezu fehlt. Hier kann sich der Wurmfortaatz dicht am 
Bande der Ijeber, ja hinter ihr gelagert finden. So hatten wir erst vor 
kurzem Gelegenheit, dnen Fall zu operiren, bei dem, in Folge wahr- 
schänlich congenitaler Verkürzung des Colon aseendens, der Wurmfort- 
satz an der hinteren Leberfläche dicht am Zwerchfell, fest fixirt war. Das 
Coecum und das ganz kurze Colon aseendens lagen direkt unter der 
unteren Leberfläcbe uod waren gleichfalls fest verwachsen. Ein Abscess 
war nicht vorbanden. Der Appendix wurde mit grosser Mühe entfernt, 
der Patient genas. 

Wie wir schon am Anfang dieses Abschnittes betont haben, giebt 
es nebenden intraperitonealen Eiterungen auch extraperitoneale. Diese 
letzteren stellen eine Entzündung des retroperitonealen Bindegewebes dar 
und werden Paratyphlitis genannt. Sie können entweder von vorn- 
herein als extraperitoneale Eiterungen sich entwickeln, wenn die Infection 
direct in das retrocoecale Gewebe erfolgt, oder es entsteht secundär eine 
retroperitoneale Eiterung, wenn die intraperitoneale Entzündung auf das 
retrocoecale Bindegewebe übergeht. Diese Eiterungen sind als richtige 
Phlegmonen aufzufassen und zeigen einen besonders bösartigen Charakter, 
weil sie nicht, wie die intraperitonealen Entzündungen, durch Adhäsions- 
bildung abgekapselt werden, sondern nach Art der Phlegmonen weiter- 
kriechen und dadurch rasch eine grosse Ausdehnung zu erreichen ver- 
mögen. Auch Zersetzungen mit Gasbildung haben wir im Verlauf dieser 
Phlegmonen beobachtet. 

Es g^ebt im Wesentlichen zwei grosse Strassen , auf denen retro- 
peritoneale Entzündungen fortschreiten. Die eine führt dem Colon ent- 
lang in die Lumbal gegeeud. So entstehen Abscesse um die Niere herum, 
aubphrenische Abscesse, eitrige Pleuritiden. Als Unicum dürfte der Fall 
von Aufrecht dastehen, in welchem der Eiter sich in der Milzgegend 
unter und hinter dem Magen einen Weg gebahnt hatte. Ein zweiter Weg 
führt nach abwärts an dem Iliacus hin zum Pouparfschen Band, von 
dem gewöhnlich an der lateralen Hälfte das Bauchfell abgedrängt wird, 
so daas der Abscess an der Innenseite des Oberschenkels zum Vorschein 
kommt. 

Diese gebahnten Wege werden jedoch von den paratyphÜtisohen 
Eiterungen nur gewissermaaasen als richtungsgebend befolgt. Sie unter- 
aoheiden sich darin wesentlich von den Senkungen eines kalten Eiters, 
dass sie aus den bequemen Bahnen in die Spalträume ausbrechen. An 
beliebiger Stelle fressen sie sich durch derbe Fascien, und die kräftigsten 
Muskeln setzen ihrem Wege kein Hinderniss entgegen. Graser be- 



74 



irslreekte. ^^| 



richtet üb«' einen grosBen extraperitonealen Äbscese, der n 
Foseit iliaca iiod gegen Hie Wirbelsäule hin sich in die Tiefe 
Die Eilening hatte den Muskel durcbseizt und zot Sequester bUdnng an» 
Dannbeine geführt Bryant theilt einen Fall mit, b dem der Eiter am 
Psoas b in un teilest i^en, ins Hüftgelenk eingebrochen var, in dem er 
schwere Zerstörungen verursacht hatte. Kraussold (1. c.) erlebte einen 
Fall, in dem der Abscess, die Fascia lumbodorsalis durchbohrend, über 
die DarmbeinEchaufel nach aussen getreten ivar und sich unter der Haut 
ähnlich einem Zellgewebsempbysem ausbreitend bis zur Mitte des Ober- 
schenkels herabreicbte. Auch wir haben einen ganz ähnlichen Fall operirt: 
im Eiter des Oberschenkels wurde das Eacterium coli gefunden , der 
schwappende Abscees befand sich an der Aussenseite des Oberschenkels; 
in der Gegend des Wurmfortsatzes war die Entzündung bereits abge- 
laufen. Volz (1. c.) fand bei einer Section die Bauch-, Bruat^ und 
Kückenmuskeln bis zum Schulterblatt hinauf in eine faulige Jauche ver- 
wandelt; ein grosser Eitersack in der rechten Lenden- und Darmbein- 
gegend hatte den Quadratua lumborum perforirt und dadurch die Phleg- 
mone hervorgerufen. Langheld (1. c.j erwähnt eine Phlegmone, bei 
der sich die Gangrän der Eaucbhaut nach oben bis zur Achselhöhle, 
nach unten bis zum Knie erstreckte. Auch wir selbst haben in letzter 
Zeit erneu derartigen verschleppten Fall beobachtet. Ein paratyphtiti- 
scher Abscess kann aber auch secundär ips Peritoneum durchbrechen, 
v. Mandach schildert ein solches Ereiguiss. Der Abscess war retro- 
peritoneal bis zur Leber emporgestiegen, unterhalb welcher er in die Bauch- 
höhle perforirt war. 



Hnben wir bisher nur der Abscease Erwähnung getban, die in der 

Umgebung des Appendix als locale Peritonitis entstehen, so müssen wir 
besondere betonen, dass an jeder beliebigen Stelle der Peritonealhöhle als 
Ueberbleibsel einer diffusen Peritonitis ein Abscess in die Erscheinung 
treten kann. Durch die hochgradige Kesorptions kraft des Peritoneums 
können zwar reichliche Mengen, selbst eitrigen Exsudates aufgesaugt werden 
ohne eine Spur zurückzulassen. Ist jedoch an bestimmten Stellen die In- 
foctionaintonsität eine zu hohe und anderseits die Eesorptionsfähigkcit des 
Bauchfells eine geringe, so wird dort das Essudat nicht resorbirt, es kapselt 
»ich ab und wird dmch Ablagemng von Leukocjten zu einem eitrigen 
— einem Abscess. Die Localiaation derartig entstandener Eiterungen 
ist die all er mannigfachste. Es giebt in der That keine Stelle in dar 
Bauchhöhle, wo nicht gelegentlich als Ueberrest einer diffusen Peritoniüs 
ein Abscess in die Erscheinung treten könnte. Die Genese dieser Abscessa 



I 



— 75 — 

aus einer überstandenen Appendicitis ist dann oft nur auf anamnestischeni 
Wege zu OTuiren. Besonders häufig sind derartig entstandene Abscesse 
im Douglas'schen Raum — die grösste Mehrzahl aller Douglasabscesse 
gebort dazu« Vor kurzer Zeit eröffneten wir in der linken Oberbauch- 
gegend einen Abscess, der gleichfalls als Ueberrest einer vom Appendix 
ausgegangenen P^tonitis aufzufassen war. In den allermeisten Fällen han- 
delt es sich hierbei jedoch nicht um einzelne, sondern um multiple Abscesse^ 
die durch Abkapselungen im Verlauf einer progredient fibrinös-eitrigen 
Peritonitis entstehen. Wir werden darauf nochmals bei Besprechung der 
fortschreitenden Peritonitis zurückkommen. 



Subphrenischer Abscess. 

Wegen der grossen Wichtigkeit in pathologisch-anatomischer wie in 
klinischer Hinsicht müssen wir die Localisation von Eiterungen in dem 
Raum zwischen Zwerchfell und Leberoberfläche, im sogenannten sub^ 
phrenischen Raum, besonders besprechen. Die Perityphlitis stellt die 
häufigste Ursache des subphrenischen Abscesses dar, und zwar ist 
nicht nur die eitrige Appendicitis, sondern auch die nicht eitrige im 
Stande, eine subphrenische Eiterung herbeizuführen. Das letztere ist 
allerdings bei weitem seltener. Unter unseren circa 15 Fällen zweimal. 
Diese statistische Angabe beweist jedoch an sich sehr wenig, da bei den 
zahlreichen Fällen, die erst auf dem Sectionstisch zur Kenntniss kommen, 
der Process im Appendix längst ausgeheilt sein kann, und somit bei der 
Unkenntniss des Infectionsweges der ursprüngliche Ausgangspunkt nicht 
mehr nachgewiesen würd. 

Wir unterscheiden einen rechtsseitigen und einen linksseitigen sub- 
phrenischen Raum, die durch das Ligamentum Suspensorium hepatis ge- 
trennt sind. Die von einer Entzündung des Wurmfortsatzes ihren Aus- 
gang nehmende subphrenische Eiterung localisirt sich nahezu stets im 
lechtffli subphrenischen Raum und geht nur in sehr seltenen Ausnahme- 
allen auf die linke Seite über. Wichtiger ist die Unterscheidung einer 
extra- und intraperitonealen subphrenischen Eiterung. Nach den Sta- 
tistiken aller Autoren, auch unserer eigenen, scheint es, dass die intra- 
und extraperitoneale Localisation ungefähr gleich häufig ist. Wir werden 
weiter unten noch besonders darauf zurückkommen, unter welchen Um- 
ständen die eine oder andere Art von Eiterung sich manifestirt. Gkmz 
gewöhnlich ist es, dass der benachbarte Pleuraraum in Form einer serös- 
fibrinösen bis eitrigen Pleuritis in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Li- 
fection erfolgt entweder durch die Lymphspalten des Zwerchfells hindurch 




allen, _ 

31 

itäte- 
unter 
]]iter- _ 

irbefl 
tion 



oder auf retropleuralem Wege. Durchbriiche in die Pleura hinein 
hören zu den Ausnahmen. Von unseren Fällen sind ungefähr zwei Dritte' 
mit rechtsseitigem Pyothorax comhinirt gewesen. Nur in einem Falle konnte 
die Entstehung desselben durch Zwerchfellperforation nachgewiesen 
werden, die übrigen sind als fortgeleit^l« aufzufassen. In vier Fällen, 
fand sich eine trockene fibrinöse Pleuritis der Lungenbasia und 
Zwerchfells. 

Fragen wir uns, wie eine eubphreniache Eiterung zu Stande kommt^ 
80 müssen wir drei Wege annehmen: 1) indem durch Conünuitäte- 
infeetion eine Eiterung vom primären Herd aus continuirlich bis unter 
das Zwerchfell weiter kriecht; 2) indem auf dem Ljmphwege die Eiter- 
erreger bis zum subphrenischen Raum fortgeschwemmt werdi 
rend der Zwischenweg frei bleibt. Diesen InfectJonsmodus halfen wir 
der Perityphlitis für den häufigsten; 3) als Localisation einer allgemeinen 
diffusen Peritonitis. Man hat bei Sectionen häufig Gelegenheit, im sub- 
phrenischen Raum abgekapselte Eiterherde anzutreffen. Zur Operati 
kommen Fälle dieser Eotstehungsart natürlith nur ausnahmsweise. 

Wir haben aus unserem Material den Eindruck gewonnen, dai 
die Entstehung eines subphrenischen Abscesses die Lage des Appeni 
eine besondere Bedeutung beanspruchen muss. Wir fanden den erkrankten 
Wurmfortsatz in ungefähr zwei Drittel der Fälle nach oben geschlagen 
und meist mit dem verlagerten Coecum in unmittelbarer Nähe der Leber, 
Hier hat sich auch der periappendiculäre Äbscess zunächst localisirt. Die 
Continuität zwischen subphrenischem und appendicitischem Abscess konnte 
in unseren Fällen , sei ea bei der Operation, sei es bei der Section stets 
nachgewiesen werden. Sowohl die abnorm hohe Lage des Appendix, wo- 
durch der InfeclJonsweg wesentlich abgekürzt whd, dann aber auch die 
Schwierigkeit einer genügenden Abkapselung einer Eiterung in der Nähe 
der Leber (vielleicht durch die respiratorische Verschiebung dieses Organa) 
erklären das häufigere Vorschreitfin dieser Eiterungen nach dem Zwerch- 
fell zu. 

Nach unseren Befunden ist man aber auch zu dem Schluss berech- 
tigt, dass die anatomische Localisation der subphrenischen Eiterung von der 
des appendicitischen Abscesses abhängt, d. h. es wird in der Kegel bei 
intraperitonealer Lage des letzteren auch die Entwicklung des subphre- 
nischen Abscesses intraperitoneal sein. Dagegen findet man die extra- 
peritoneale Entwickliuig, wenn der Processus vermiformis fest mit der 
hinteren Bauchwand verbunden ist, sei es, dass er von vornherein extra- 
peritoneal liegt, oder aber bei ursprünglich intraperitonenler Lage durch 
voraufgegangene Eutzündungsprocesse in Folge Adhäsionen mit der hin- 
teren Bauchwand verwachsen ist. Die extraperitoneal sich entwickeln( 



— 77 — 

Abscesse reichen viel weniger weit unter das Zwerchfell, als die intrape- 
peritonealen, sie stellen mehr hoch hinaufreichende retroperitoheale Eite- 
rungen dar als eigentliche subphfenische Abscesse. 

Verlauf und Ausgang der Abscesse. 

Der Verlauf perityphlitischer Abscesse kann ein verschiedenartiger 
sein. Der Abscess kann sich resorbiren, und dieser Vorgang ist für den 
Patienten der günstigste. Es ist zweifellos, dass das Peritoneum in Folge 
seiner enormen Resorptionsfähigkeit im Stande ist, selbst grosse Eiter- 
mengen in kurzer Zeit aufzusaugen. Der Eiter wird erst völlig abge- 
kapelt, dann steril, um in diesem Zustande . resorbirt zu werden. Wir 
selbst verfügen über zahlreiche Fälle, wo selbst faustgrosse Abscesse in 
wenigen Wochen . restlos verschwanden, und die Intervalloperation nur 
noch einen in Schwarten eingebetteten Appendix ergab. Häufig bleibt 
allerdings ein eitriger Kern noch lange Zeit bestehen. Wir sind der 
Meinung, dass die sogenannte Selbstdrainage der Abscesse (Sahli) bei 
Weitem seltener in Betracht kommt als diese Art der Resorption. 

Immerhin giebt es zahlreiche Abscesse, die auf diese Art der Selbst- 
drainage sich entleeren, d. h. sie perforiren in ein anderes Organ. Dies 
kommt dann zu Stande, wenn die begrenzende Wand dem Wachsthum des 
Eiters nicht mehr Stand hält. Die Elasticität der Adhäsionen wird erschöpft 
die benachbarten Hohlorgane lassen sich nur bis zu einem gewissen Grade com- 
primiren. Zwar beruht ein Theil derVergrösserung darauf, dass die neugebildeten 
Schwarten auf der Innenseite eingeschmolzen werden und auf der Aussen- 
seite sich weiter ausbreiten. Aber diese destructive Thätigkeit des Eiters 
macht sich auch auf die anderen Componenten der Wandung geltend. Es 
konmit zur Arrosion, schliesslich zur Zerstörung einer Partie der Abscess- 
wand, und der Eiter bahnt sich aus dem engen, unter hoher Spannung 
stehenden Sack einen Weg in die Umgebung: der Abscess als solcher 
perforirt. 

Wo dieser Riss in der Wandung stattfindet, wohin der Durchbruch 
erfolgt, ist wohl von Zufälligkeiten abhängig. 

Einfach ist der Vorgang, wenn der Abscess den Weg nach aussen 
nimmt. Es bildet sich dann unter der Haut eine derbe pastöse, fluctuirende 
Vorwölbung init allen Anzeichen einer diffusen Zellgewebsphlegmone. 
Schliesslich erfolgt auf der Höhe der Schwellung der Durchbruch und 
die Entleerung des übelriechenden, kothvermischten Eiters. Bei den ge- 
wundenen Eitergängen, die auf diese Art bei der Durchbohrung der 
einzelnen Muskellagen und Fascien sich ausbilden, ist die Eiterentleerung 
meist nur eine höchst unvollkommene, wenn nicht das Messer hier nachhilft. 



78 



Bei der Pofontioa io den Darm ist anbediagt das Coecnm vor 
aoäerea Absc^milteD beronngL In sweiter Linie Itabe ir^ Dnrelibmche 
iDfl Denin beobachtet. E> particäpirt ja mit sehenen AajwüimeD an der 
Kldong der Abscesewand. Bd den Btersäcken im kleinen Becken er- 
folgt der Dnrcbbmcb ins Bectom. Der Dönndann ist aellener ergrifien, 
doch sind aog&r Dnrchbrücfae ins Daodenam bekannt. Das anatomische 
BSd eolcher Perforationen ist sehr charakteri st isch : aaf der Serosa der 
grössere Defect, olcerirte ümgebong, lemagter Geschwürsrand ; auf der 
Mncosa eine kleinere Oeffnung mit intacter Nachbarschaft und relativ 
glatler Umrandung. — D^ Dmi^hbrach in den Darm kann an einer 
oder mehreren Stellen erfolgen. Sehr interessant ist ein Fall von 
Orawitz *), in dem der peritTphlitische Herd multiple OeÖnungen in 
mehrere der anliegenden Schlingen genagt halte, dann ins retrocoecale 
Gewebe durchbrach und vor der Niere, die er inSorte, schließlich in die 
Pars horizontalis duodeni anbrach. Ee schloss sich des Weiteren snb 
phreniscbe Abscedirung und Pleuraempyem an. 

Die Darmdurchbrüche stellen ein Hauptcontingent zu den Fällen 
von Sponlanheilung perilypbütischer Abecesee, die in der Tbat wohl 
hänJig eich auf diese Art ihres gesammten Inhaltes, auch eventueller 
Enterolithen entleeren können. Zuweilen bleibt aber der Stein in der 
Bchmmpfenden Höhle liegen, die sich um ihn zusammengeht und ihn 
rings durch derben Narbenwall abkapselt. Immerhin scheint eine solche 
„Heilung" eine absolut sichere Gewähr gegen das Wiederaufflacfcem des 
Proeesaus kaum zu bieten. In anderen Fällen ist die Entleerung de.s 
Herdes eine unvollständige. Bei nachlassendem Druck schliesst sich die 
fcleiae Oeffnung wieder, oder der die Darmwand schräg durchsetzende 
Gang verstopft sich. Dann bleiben Reste infectiöser Massen zurück. — 
Weit gefährlicher aber ist das Offenbleiben der Communicotion und der 
Ktntritt von Darminhalt in den starrwandigen Hohlraum, der zu acuter 
Verjauchung Veranlassung geben kann. Eine solche rückläufige Seoret- 
bewegung sahen wir bei einem Kinde, bei dem nach monatelanger chro- 
nischer Peritonitis noch sub finem vitae der Versuch gemacht wurde, mit 
der Entfernung des ursprünglichen Krankheitsherdes das Leben zu er- 
halten. 

Auch die weit selteneren Bla.ienperforntionen können eine 
Heilung aubabnen. Bei dem grossen Muskelreichthum ihrer Wandung 
und den permanent wechselnden FüUungszuatänden ist aber ein vor- 
zeitiger Verschluss der Oeffnung mit Hinderung der voUkommeneu Ent- 
leerung des AhaceBsea a priori sehr wahrscheinlich; auch dürft« die 



1) Berlmer kllnlbche Wocbeogchrirt. 




— 79 — ■ 

empfindliche Bcbleimhaut des Organe in der Kegel, wenn auch nicht 
gleich im Anfange, mit schwerer Cystitis reagiren. Für die Durchbrüche 
des Eitere in die Hiirnblase ist vor Allem wohl eine tiefe Lage des Coe- 
cum und mit ihm des Processus vermiformis nöthig. Die Perforation 
erfolgt am häufigsten hinten uoten an der Blase, seltener seitlich oder 
vorne. Oft bleibt nach atatfgehabter Perforation des Eiters in die Blaselängere 
Zeit eine Fistel bestehen, die den Blasenkatarrh unterhält, die Niere gefährdet 
undzu Steinbil düng Veranlassung giebt. Der Nachweis einer derartigen Fistel 
kann dadurch erfolgen, dass FfianEenzellen mikroskopisch in dem Urin 
nachgewiesen werden. Eiterreste allein genügen nicht, da diese auch bei 
Cyatitts ohne restirende Fistel vorkommen. Für die Communication mit 
dem Darm spricht auch das Auftreten von Gas (Luft) hei der Miction. 
Siehe auch Symptomatologie.) 

Die im Douglas herabkommenden Exsudate brechen sich zuweilen 
in die Scheide eine Bahn. Eine Fortleitung des Processus durch das 
Ligamentum appendiculare ovaricum auf die Ädnexorgane resp. auf die 
Parametrien haben wir wiederholt beobachtet. 

Ueber Perforation in die Gallenblase finde ich in der Literatur 
keine Notizen. Wir beobachteten ein solches Ereigniss bei einem Patienten, 
hei welchem mehrere an Perityphliüs steh anschliessende Abscesse entleert 
worden waren. Ein neuer Herd, der durch einen kaum bleistifldieken 
Ganal mit der ursprünglichen Höhle verbunden war, hatte sich zwischen 
den Darmschlingen nach oben an die untere Leberfläche geschoben 
und die Gallenblase eröffnet. Der Inhalt des Abscessea bestand aus 
dunkel galligem, zähem Eiter. Der Tod erfolgte an katarrhalischer 
Pneumonie, 

Ledderhose (Wien. klJn. Woch. 1900, Nr. 22) beobachtete den 
seltenen Durchbruch einer Appendicitis in den rechten Ureter, die miltel- 
bare Verbindung mit der Harnblase, und damit war der Weg nach- 
gewiesen, auf dem mehrere Würmer, sowie ein grosser Kothstein, 
schliesslich kotbige Beimengungen zum Urin in die Harnblase gelangt 
, waren. 

Während die besprochenen Perforationen unter günstigen Verhält- 
nissen, wenn auch selbstverständlich nur selten, eine Spontanheilung der 
Erkrankung herbeizuführen im Stande sind, so bleibt uns noch eine An- 
zahl von Durohbrüchen zu erwähnen, die eine schwere Complication des 
Leidens in sich schliessen und demselben in der Begel eine verhängniss- 
volle Wendung geben. Ee handelt sich hierbei um das Uebergreifen 
der Entzündung auf die Gefäeae einerseits und um den Durch- 
bruch in die freie Höhle des Peritoneums andererseits. Der 
Durchbruch in die Arterien gehört zu den gröasten Seltenheiten. In 



dnem von Bryant i) beobachteten Falle lag eine Eitereenkung 
dem rechten Hüftgelenk vor, das mit seiner ganzen Umgebung arg zer* 
stört war. An der hinteren Abaceaswand fand sich die Arteria circum- 
äexa ilei durch geschwürigen Zerfall vollkommen getheilt^ Im freien 
Ende derselben lag ein Pfropf. — Powell (bei Fitz citirt) berichtet 
über einen Fall, in dem der Appendix an der Ärteria iliaca interna 
adhärirte. Die Höhlen beider communicirten. In dem ausgedehnten 
Coecum und Colon fand sich Gaa und dunkles Biut. Bull erwähnt 
auch zwei Fälle von Durchbruch in die Arteria iliaca interna. 

Häufiger geht der Proeeas auf die Venenwandung über, uoid 
Fälle, in denen Pyophlebitis mit Lebereiterung u. a. w. sich an PerityphliÜB 
anschloss, sind keine Seltenheit. WiraelbererlebtendieaeaEreignisszu wieder- 
holtenMalen. Die langsam voranachreitende Eiterung versetzt zuerstdie Wand 
dea Gefäasea und aeine Umgebung in Entzündung. Die veränderte Intima 
ruft Gerinnung des Blutes und Thrombenbildung an der bedrohten Stelle 
hervor. Nunmehr erfolgt erat die Perforation, nicht mehr in einen eigent- 
lichen blutführenden Hohlraum, sondern in den Thrombus hinein, deseen 
rasche eitrige Umachmelzung sie Kur Folge hat. Die aeptiache Thromboae 
breitet sich nuu einmal durch Contiuuitätswachsthum auf oft grosse 
Venenbezirke aus; auf der anderen Seite verschafft aie durch Auaatreuung 
infectiöser Emboli dem Eiterprocoss immer ausgedehntere Wirkungskreise. 
Da die betroffenen Venen in der Regel dem Wurzelgebiete der Pfortader 
entstammen, so finden aich diese embolischen Abacesse meist multjpel im 
Pareochym der Leber, von wo aus aie zu weiterer pyäraischer Aus- 
breitung Veranlassung geben können. Die Thromben selbst können eine 
atattliche Ausdehnung gewinnen und bis zur Leherpforte vordringen. — 
Aufrecht^) beschreibt einen directen Durchbruch in den Ast der Vena 
mesenterica magna. Dieselbe ist von jauchiger Flüssigkeit gefüllt, ihre 
Wand mit festen käsigen Massen belegt. Die Veränderung setzt sich 
bis an die Vena portarum fort. Alle anderen Aeate sind frei. In einer 
unserer Beobachtungen erstreckte sich in Folge multipler ThromboBe 
das Oedem über den ganzen Rücken. Zu erwähnen sind noch die 
mehr gutartigen Venen -Thrombosen im rechten sowie auch im linken 
Oberachenkel, sogar doppelseitige Thrombose fanden wir in einem Palle. 
Kleine Lungenembolien mit Haomoptoe können aich an dieselben 
seh Hessen. 

Pathologische Anatomen wie Thierfelder und Schüppel halt 
den Ursprung aus der Perityphlitis für die häufigste unter 



bnt 
di^l 

liÜB^H 



— 81 — 

stebungsarten der Pylepblebitis und der emboliscben Leberabscesse. Die 
Tbatsacbe muss noch besonders bervorgeboben werden, dass sieb auch 
aus einem alten, fast vollständig ausgebeilten latenten perityphlitiscben 
Abscess, der kaum noch klinische Erscheinungen macht, eine Verschlep- 
pung phlebitischen Thrombenmaterials und Entwicklung von Leber- 
abscessen entwickeln kann. Auch Dieulafoy i) hat kürzlich an einem 
von ihm beobachteten und tödtlich geendeten Falle multipler Leberabs- 
cesse nach Appendicitis ausführlich das Krankheitsbild dieses Leidens 
beschrieben. Es konnte in diesem Falle der Weg der Infection bac- 
teriologisch und mikroskopisch nachgewiesen werden. Zahlreiche Venen- 
thrombosen deuteten auf die Infection auf dem Wege der Blutbahn hin, 
und thatsäcblich sind die Colibacillen in den Wänden der thrombosirten 
Gefässe gefunden worden. Auch er betont, dass der klinische Verlauf 
vor Allem durch häufige Schüttelfröste, hohes Fieber und colossale An- 
schwellung der Leber charakterisirt ist. Er legt Werth darauf, dass die 
Erkrankung nur bei acuten Fällen von Appendicitis auftritt, da bei ihnen 
der Eiter die höchste Virulenz besitzt. Wegen dieser Gefahr empfiehlt 
er, auf der Stelle bei sicherer Diagnose zu operiren. Um die nach 
Appendicitis auftretenden Leberabscesse von solchen anderen Ursprungs 
zu unterscheiden, schlägt er den Namen Foie appendiculaire vor. Der 
bei dieser Krankheit auftretende Icterus ist nicht mit dem toxischen zu 
verwechseln, welcher entsteht durch Resorption der im entzündeten Wurm- 
fortsatz enthaltenen toxischen Stoffe. Die Erkrankung ist tödtlich; ihre 
Therapie besteht in der Prophylaxe, das beisst in der frühzeitigen 
Operation. 

Zieht der Eiterprocess eine Wurzelvene der Cava inferior in Mit- 
leidenschaft, so findet die Verschleppung des infectiösen Materials direct 
nach dem kleinen Kreislauf zu statt, und die putriden Emboli keilen 
sich in der Lunge fest. Solche metastatischen Lungeninfarcte wurden 
auch von uns mehrfach beobachtet. Im Allgemeinen sind Lungenabscesse 
seltener als Leberabscesse. Wir finden erstere im Anschluss an die Pleuritis 
purulenta, dann als sogenannte pyämische Lungenabscesse, die letztere 
Form noch als die häufigere. Dagegen sind Lungenafiectionen häufig die 
Folge nicht infectiöser Embolien (siehe klinischen Theil). 

Es seien hier noch die im Verlauf der eitrigen Appendicitis auf- 
tretenden anderweitigen Metastasen aufgeführt: Endocarditis, Meningitis, 
Gehimabscesse; eitrige Parotitis, Milz- und Nierenabscesse. Bei all diesen 
Afiectionen kann der Colibacillus allein oder mit andern Bacterien zu- 
sammen vorkommen. 



1) Semaine m^dicale. 9. Nov. 1898. 
SonnenbnrR, Perityphlitis. 5. Auflage. 



— 82 — 

Für das bisher Gresagte mögen einige Beispiele aus nnsem Kranken- 
geschichten hier ang^eben woden: 

Yolkmer, gestorben 31. Mirz 1894. Longenabeeess. Wurmfort- 
satz fehlt (gangränös abgestossen). Die dem Coecun benachbarten Darm- 
schlingen sind mit dicken , schwartigen Anflagemngen und schmierigem 
Eiter bedeckt« Ebenso ist die Kapsel der rechten Niere an ihrer Hinter- 
fläche schwartig verdickt und eitrig belegt. Die Nieren selbst sind ge- 
lappty blutarm, trübe, kein Amyloid. Im ünterlappen der rechten Lunge 
eine hühnereigrosse, mit dicken, stinkenden Eiterklnmpen geMlte Abscess- 
höhle, welche durch eine markstflckgrosse, glattrandige Oeffiiung im Zwerch- 
fell in Zusammenhang steht mit den Eiterherden hinter der rechten Niere 
und den anliegenden Darmschlingen. Die linke Vena iliaca ist bis zur 
Vereinigungsstelie mit der Vena hypogastrica thrombosirt, der lange Throm- 
bus in der Mitte eitrig zerfallen. 

St., operirt im zweiten Anfalle, gestorben am 21. Juli 1894. 
Operationsherd ausgeheilt. Leber sehr gross, multiple Abscesse um die 
Pfortader und in der Lebersubstanz, meist älteren Datums, mit dicken 
Abscessmembranen. 

Brehmer, operirt 26. September 1903, gestorben 15. October 1903. 
Eitrige Lungenembolie. — Am 7. Krankheitstag wurde ein grosser peri- 
typhlitischer Abscess incidirt; der Appendix war gangränös, die Höhle 
gut abgekapselt. Der Heilungsverlauf glatt. Am 1 1. October plötzlicher 
Temperaturanstieg auf 40 o. Vier Tage später Exitus. Die Section er- 
gab einen grossen keilförmigen eitrigen Infarct des linken ünterlappens, 
der durch einen septischen Embolus verursacht war. Rechte Lunge, 
Herz, Niere und Peritoneum völlig intact. 

Walk, operirt 20. November 1902, am 16. Krankheitstag, ge- 
storben 2. Januar 1903. Multiple Abscesse in Gehirn, Niere, Leber, 
Lunge. Die Operation hatte einen Abscess vom Oberschenkel bis zum 
Zwerchfell ergeben. 

Aber neben dieser pyämischen Ausbreitung der Erkrankung kann 
es bei vollständig abgeschlossenem Abscess ohne Durchbruch des Eiters 
in ein Gefäss und ohne Generalisirung des Processes auf die übrige 
Bauchhöhle durch Resorption des Inhaltes zu schwerer tödtlicher Septi- 
cämie kommen. So häufig dieses Ereigniss bei verallgemeinerter Peritonitis 
ist, so dürfte es bei isolirten Herden wohl nur dann in die Erscheinung 
treten, wenn der vermuthlich stark virulente Eiter lange Zeit im Körper 
zurückgehalten wird, ohne richtig und frühzeitig genug erkannt und ent- 
leert zu werden. 

B, Fortschreitende Peritonitis. 

(Diffuse eitrige Peritonitis.) 

Wir unterscheiden 3 verschiedene Formen von fortschreitender eitriger 
Peritonitis. Diese sind, der Schwere nach, 



— 83 — 

1) die diffuse septische Peritonitis (peritoneale Sepsis), 

2) die freie fortschreitende Peritonitis (diffus jauchig-eitrige Peritonitis), 

3) die h^^renzt fortschreitende Peritonitis (die progredient fibrinös- 
eitrige Peritonitis). 

Wir halten die Zusammenfassung dieser 3 Formen unter eine Gruppe, 
die der „fortschreitenden** Peritonitis, deshalb für am zweckmässigsten, 
weil in diesem Ausdruck das Moment am deutlichsten hervortritt, das 
ihnen allen eigenthümlich und gemeinsam ist^). Wie wir auch schon 
früher betont haben, besteht ein principieller Unterschied der verschiedenen 
Formen nicht, sondern es sind lediglich solche gradueller Natur, die wir 
durch obige Eintheilung hervorheben. Wir müssen uns stets bewusst 
sein, dass die mannigfachen anatomischen Bilder, die die diffuse Perito- 
nitis darbietet, nur der wechselnde Ausdruck der verschiedenen Intensität 
des einzelnen Falles wie des früheren oder späteren Stadiums sind. 

Jede Peritonitis ist als das Product der Wechselwirkung zwischen der 
Schwere der Infection einerseits und der Reactionskraft des Organismus 
anderseits aufzufassen. Das Resultat dieser Wechselwirkung wird bei den 
peritonealen Entzündungen durch die Art der Begrenzung, die das 
Exsudat gegen die übrige Bauchhöhle erfährt, dargestellt. Deshalb ist 
man seit langem dahin gelangt, das Vorhandensein und die Aasdehnung 
der Begrenzung als den anatomischen Ausdruck der Schwere der Peri- 
tonitis anzusehen und sie einer Einteilung zu Grunde zu legen. 

Eine Classification der fortschreitenden Peritonitis wird stets ^ine 
lückenhafte sein, weil sich in der Wirklichkeit selten reine Typen, 
sondern fast stets üebergangsformen vorfinden. Dazu kommt, dass die 
Art der Peritonitis in den späteren Stadien des Bestehens sich völlig 
verändern kann, so dass es häufig unmöglich ist, auf dem Sectionstisch 
zu beurteilen, welche Form am Lebenden vorgelegen hat. Ebenso unmög- 
lich ist es in zahlreichen Fällen, in den ersten 48 Stunden mit Sicher- 
heit die Art der Peritonitis zu erkennen. 

Die Schwere der Peritonitis hängt von der Intensität der Infection 
ab. Die lufectionsintensität ist aufzufassen als die Summe einer Reihe 
von Momenten, die einzeln für sich ohne ausschlaggebende Bedeutung 
sind, in ihrer G^sammtheit die Dignität der Peritonitis ausmachen. 

Die diffuse Peritonitis kann sowohl von einer acuten Gangrän des 
Appendix wie von einer Perforation ihren Ausgang nehmen. Auch von 
dem unperforirten Wurmfortsatz kann eine letale Peritonitis ausgehen. 
Am häufigsten ist es die acute Gangrän des Organs, die zu den schweren 



1) Aach die Bezeichnung „diffus'* ist durchaus angebracht da diffus „nicht be- 
grenzt, undeutlich" bedeutet. 




84 — 

Formen der diöiieen Feritonitie führt. Dieselbe entwickelt sich maocb^) 
mal derartig blitzartig, dasa schon 16 Stiuiden nach Be^nn der ergten 
ErBcheinungen eine totale Gangrän mit ausgedehnter foFlschreitender Peri- 
tonitis vorhanden ist. Wir haben solches Vorkommnlsa mehrere Male 
beobachtet und bereits 24 Stunden nach Beginn eines Anfalles die diffuse 
Feritouitis in Folge von Gangrän des Wurmfortsatzes, partieller oder 
totaler gesehen. Es entwickelt sich offenbar uiaachmal die Gangrän uiit» 
ausserordentlich stürmischen Erscheinungen, indem in kürzester Frist, 
nach Stunden zu zähJeu, das ganze Organ ziun Abslerbeu gebracht und 
oft circulär anipntirt wird. Eine Zeit zu Verktebungen ist nicht g^eben. 
Man ßndei den abgerissenen Appendix als livid verfärbten grünlichen 
Fetzen, ähnlich aussehend wie eine schwer incnrcerirte abgestorbene 
Darmscbliuge, iu der Bauchhöhle liegen. Wir haben im Laufe der Jahre 
Gelegenheit gehabt, in denjenigen Fällen, wo wir wegen der schweren 
aeptischeu Erscheinungen und Störungen des ÄllgemeiubefindenB in den 
ersten 24 Stunden nach Beginn des Anfalles zu operiren Gelegenheit 
hatten, den Beginn und die Ausbreitung dieser acut einsetzenden Gangrän 
bis zur vollständigen Nekrose zu studiren. Dass in solchen Fällen in 
der That die Operation manchmal noch das Leben retten kann, haben 
uns die Fälle bewiesen, wo die Operaüon noch ku einer so glückJicheo 
Zeit hatte ausgeführt werden köimeu, dass die Allgemein Vergiftung nicht 
einen unüberwindlichen Grad erreicht hatte. 

Stellt eine Perforation des Appendix den Ausgangspunkt für die 
diffuse Peritonitis dar, so ist es selbstverständlich von grosser Bedeutung 
für die Intensität der folgenden Entzündung, wie gross die Perforations- 
offnuug und wie schucll der Eintritt derselben stattfindet. Daselbe gilt 
für die Lage des Wurmfortsatzes, ob mitten unier Da rni schlingen gelegen 
oder auf der Becken suh au fei an einem ruhigen Winkel. Das Vorhanden- 
sein oder Nichtvorhandensein von präforaiirteu Adhäsionen um den Wunu- 
fortanti ist gleichfalls von Einfluss für die Art der Peritonitis. Es ist zweifel- 
los, dass eine in durch Adhäsionen völlig abgeschlossenes Gebiet er- 
folgende Perforaliou viel seltener zu einer diffusen Peritonitis führen wird 
als eine solche mitten in die freie Bauchhöhle stattfindende. Ein völliger 
Abscbluss durch Adhäsionen, eo dass man in der Thal annehmen kann, 
sie stellten einen wirksamen Damm dar, dürfte aber nur in seltenen 
Fällen anzutreffen sein, in der Regel handelt es sich nur um einzelne 
Stränge, die vielleicht gewisse Theile des Appendix strhliessen können, 
für jede Perforation an anderer Stelle hingegen ohne Bedeutung sind. 

Von nusseh laggeben der Bedeutung fUr die Intensität der Peritonitis 
find jedoch die Virulenz und Menge des in ficirenden Mate- 
rials. Wir kÖDuen es uns versagen, an dieser Stelle nochmals darauf 



I 

I 
I 



— 85 — 

einzugehen« da es bereits in früheren Capiteln ausführlich besprochen wor- 
den ist. Sie stellen im Wesentlichen die Factoren dar, die die Dignität 
der Infection und damit der Peritonitis ausmachen. Auf die Art der In- 
fectionserreger kommt es dabei sicherlich viel weniger an — man trifft 
gelegentlich alle Arten von Mikroorganismen, ohne oder zusammen mit 
anaeroben Bacterien — als auf die Virulenz, mit der sie begabt sind. 

Ist durch Continuitätsverbreitung, durch Perforation oder durch 
Gangrän eine schwere Infection des Peritoneums erfolgt, so wird in der 
nächsten Umgebung des Herdes ein sero -fibrinöses Exsudat von der 
Oberfläche des Peritoneums abgeschieden. Je gutartiger die Infection ist, 
einen desto grösseren Fibringebalt und damit plastische Fähigkeit besitzt 
es, so dass zarte fibrinöse Verklebungen entstehen können. Dieses Ex- 
sudat trübt sich durch die Vermehrung und den Zerfall der Mikroben 
und das dadurch bewirkte Zusammenströmen von Leukocyten um so 
schneller und in um so grösserer Ausdehnung, je schwerer die Infection 
ist. In gleichem Masse büsst es auch an plastischer Kraft ein. Die Entzündung 
schreitet in der Weise fort, dass um den eitrigen Kern ein seröser Ring ent- 
steht, der dann seinerseits durch Ansammlung von Leukocyten sich trübt 
und vereitert. Auf diese Art und Weise erklären sich ungezwungen jene Be- 
obachtungen bei später operirten Peritonitiden, dass man nur um den Wurm- 
fortsatz einen dicken, oft jauchig-eitrigen Kern antrifft, um diesen herum ein 
trüb-eitriges Exsudat, das, je weiter in der Peripherie, um so klarer wird 
und an entfernten Stellen der Bauchhöhle häufig ein seröses sein kann.^) 

In den zwei Tagen der Erkrankung finden wir so um den Wurmfortsatz 
ein bis zwei Esslöffel trübeitriger bis jauchiger Flüssigkeit mit einigen ganz 
lockeren Verklebungen, in der weiteren Umgebung unter Umständen ein 
ganz leicht getrübtes Exsudat. Der grösste Theil der Bauchhöhle ist noch 
frei von Entzündung. Wird nun die Infectionsquelle nicht beseitigt, so 
kann in der eben angegebenen Weise der weitere Fortschritt erfolgen, da 
die Schutzkräfte des Organismus nicht im Stande sind, aus eigener Kraft 
den Process zum Stillstand zu bringen. Aus der Art dieses Fortschrittes 
hat man nun geglaubt verschiedene Formen von Peritonitis construiren 
zu können. Es ist natürlich nicht möglich, den Fortschritt selbst patho- 
logisch-anatomisch zu beobachten, wir sind vielmehr gezwungen, uns ein 
Bild des Verlaufs aus dem Befund zu construiren, wie wir ihn in den 
verschiedenen Stadien der Entwickelung antreffen. 



1) Es ist aus einem solchen Befunde also nicht der Schluss zu ziehen, dass die 
Peritonitis dem Platzen eines Abscesses um den Wurmfortsatz herum ihren Ursprung 
verdankt. Wir dürfen vielmehr eine derart entstandene sog. sekundäre Peritonitis 
nur dann annehmen, wenn wir bei der Operation einen deutlichen Abscess mit seiner 
Wandnng nachzuweisen im Stande sind. 



Ee iät deshalb da« vorhandme anatomische Bild durchaus abhängig 
von der Dauer und der Intensität dee Proces$«3. Je längere Zeit 
die Peritonitis besteht, desto grössere Partien der Baachhöhle sind er- 
griffen, und die gewöhnlich noch in den ersten Tagen beobachteten Ueber- 
gänge vom s«rÖ^n zum eitrigen Essuditt sind verwischt. Die Entstehung 
und Ausbreitung der Peritonitis ist höchstens noch an den losen fibri- 
nösen VerJclebungen kenntlich , die die ursprüngUchen Grenzwälle der 
fortschreitenden Infeclion darstellen. Was in dem dnen Fall die längere 
Dauer des Proeesses bewirkt, wird in dem anderen durch grössere In» 
leneität der Xnfection schon früher erreicht. Es lässt sich deshalb ein 
allgemein gültiges Schema nicht aufstellen. Wir können nur so viel 
sagen, dass, je leichter die lofection ist, um so mehr hat der Organismus 
die Möglichkeit, Verklebungen zu schaffen, um so melir resultirt also 
eine Form, die den begrenzten Peritonitiden nahe steht In den Spät- 
stadien, vor allein also auf dem Sectio nstische, ist es häu6g nicht mehr 
möglich, eine sichere Classification des einzelnen Falles vorzunehmen, 
da die einzelnen Formen ineinander übergehen. Wir können dann 
zwei Gruppen mit Sicherheit auseinander halten, die trockene und 
exsudative Form. 

Gehen wir nun zu einer Besprechung der einzelnen oben unterschiB« 
denen Formen der Peritonitis über, so beginnen wir mit der diSu.'! septt^ 
sehen Peritonitis, die stets von den beiden übrigen zu trennen is 

Die peritoneale Sepsis stellt die schwerste Form der Peritonitis 
und verläuft sehr stürmisch, so dass sie in 24 Stunden zum Tode fuhren 
kann. Sie stellt eine exquisit trockene Peritonitis dar. Bei der Section 
findet man die Därme stark gebläht, injicirt, trocken, kaum verklebt In 
der Bauchhöhle kaum Exsudat, höchstens in den abhängigen Partiea 
etwas seröse oder bludg-seröse Flüssigkeit Man muss annehmen, da» 
in diesen foudroyanten Fällen eine derartig rapide TJeberschwemmung de« 
ganzen Peritoneums mit Giftstoffen erfolgt, dass der Organismus der 
Allgemein Vergiftung erli^, ehe er die Zeit und die Kraft zur Bildung 
eines flüssigen Exsudats gefunden bat. Diese Form, die das Endglied 
in der Kette der Intensitätsgrade der diffusen Peritonitis darstellt, wind 
selten beobachtet. Mancher angeblich an Herzschwäche kurze Zeit nach 
Laparotomie erfolgte Tod ist als peritoneale Sepsis aufzufassen, wen» 
auch bei der Seclion peritonitische Anzeichen so gut wie ganz fehlen. 

Die diffus-jauchig-eitrige Form der Pento uitis verläuft gldch- 
fftlls am allerhäufigsten faudroyaiit und stellt die gewöhnlichste Form der 
diffusen Peritonitis dar, Operirt mau Fälle dieser Art in den ersten 
2 — 3 Tagen der Erkrankung, so trifft man um den Wurmfortsatz herum 
einen jauchig-eitrigen Herd, iler entweder ganz frei oder durch locker 



I 

I 



i— 87 — 

verklebte Darmschlingen theil weise begrenzt sich darstellt. In der 
weiteren Umgebung ist das Exsudat trübe bis serös. Im Beginn ist es 
durchaus nicht nöthig, dass die ganze Bauchhöhle von der Entzündung 
eigrifien ist. Im weiteren Verlauf kommt es jedoch oft genug vor, dass 
dieser Fall eintritt Sieht man Fälle von diffus-jauchig-eitriger Peritonitis 
in spateren Stadien auf dem Sectionstisch, so kann man verschiedene 
Bilder antreffen. Wenn ich hier von der Ausdehnung der Peritonitis 
absehe, so sind zwei bestimmte getrennte anatomische Typen zu unter- 
scheiden. Einmal sieht man die Darmschlingen frei in einem reichlichen 
eitrigen Exsudat schwimmen, Verklebungen fibrinöser Art zwischen den 
Därmen sind spärlich vorhanden. Die Darmschlingen sind meist meteo- 
ristisch gebläht, blass. Dies ist die reine Form der diffusen jauchigen 
Peritonitis^ die rasch letal verläuft und seltener beobachtet wird. Häu- 
figer bietet sich bei der Section das Bild dar, wie es der progre- 
dient-fibrinös-eitrigen Peritonitis entspricht. Es ist dies besonders dann 
der Fall, wenn der Verlauf ein mehr subacuter bis chronischer gewesen 
ist. In diesen Fällen geht die anfänglich freie Peritonitis allmählich in 
eine b^renzt fortschreitende über, trotzdem enden diese Fälle letal. Man 
findet bei der Section zwischen den Darmschlingen, die häufig durch 
ausserordentlich reichliche Fibrinauflagerungen vollkommen bedeckt sind, 
Eiterlachen, locker abgekapselt, besonders im Douglas und in den 
beiden Flenken. Mikulicz hat durch seine Untersuchungen festgestellt^ 
dass ganz bestimmte Prädilectionsorte bestehen für die Ansamndung der- 
artiger Eiterherde. Es kommt vor, dass zwischen den einzelnen Abs- 
cessen sich gesunde Partien vorfinden, oder dass die einzelnen Abscesse 
in reiner Continuität aufeinander folgen. 

Die progrediente fibrinös-eitrige Peritonitis verläuft meist 
gutartiger. Sie kann selbst einen chronischen Verlauf nehmen und bis 
zu einem gewissen Grade eine Spontanheilung erfahren. Abgeschwächte 
Virulenz des inficirenden Agens oder auch Eindringen nur geringer 
Mengen der Gifte in ein widerstandsfähiges Peritoneum dürfte als Be- 
dingung für ihr Zustandekommen gelten. Es handelt sich meist um eine 
Infection des Peritoneums per continuitatem durch Vermittelung bestimmter 
Leitbahnen, unter denen das Netz, das Colon und die Kuppel der 
Beckenorgane (Blase, Uterus und Adnexe) die Hauptrolle spielen. 

Wir unterscheiden zwei differente Typen: bei der einen Art ent- 
wickelten sich die Eiterherde im Bauchfell in directer Continuitätsfolge. 
Sie hängen fast alle unter einander zusammen, zum Theil durch sehr 
feine kaum nachweisbare Eitergänge, während der ganze übrige Theil 
des Bauchraumes frei von schwerer Entzündung ist und ein un verwachsen es 
Peritoneum präsentirt. Der Eiter scheint hier thatsäcblich die Adhäsionen 




und damit die Grenze des erkrankten gegen den gesunden Bezirk vor 
Bich heraus chiebeu. „Die Verklebuugen weichen," wie Schede sagt, „vor 
den andringenden infectiöaen Massen Schritt für Schritt zurück wie 
geschlagene Armee vor dem nachdrängenden Feinde." Der Eiter be- 
Bchreitet nun mit Vorliebe zwei auseinandergehende Strassen: einmal 
nimmt er den Weg quer durch das Becken nach dem linken Hypochon- 
drium hinüber, umspült den Scheit«! der Blase, füllt die Excavatio veai- 
corectalis, bei Frauen den Douglas und den vesicouterinen Baum aus, 
senkt sich nach dem Mastdarm zu und wölbt die linke Fossa iliaea her- 
vor. Der zweite Weg führt ihn zwischen den Darmschlingen am inneren 
Kand des aufsteigenden Colons empor, oft bis unter die concave Leber- 
oberfiäche. Beide Bahnen finden sich meist gleichzeitig beschritten. Die 
Abdominalhöhle ist dabei in ihrem rechten oberen Theile und fast auf 
der ganzen linken Seite frei von erheblicheren Veränderungen. Mikulica 
macht darauf aufmerksam, dasa diese Scheidung der Bauchhöhle in einen 
erkrankten und in einen relativ gesunden Abschnitt durch Verwachsungen 
des Netzes bedingt ist. 

In dem zweiten Typus der fibrinoa-eitrigen Peritonitis bietet sich ein 
wesentlich anderem Bild. Bei der Section erweisen sich die Eingeweide 
der ganzen Bauchhöhle durch feine, aber zum Theil recht feste binde- 
gewebige Membranen mit einander verlöthet, so dass es oft ausserordent- 
lich schwer hält, die Schlingen von einander zu lösen. Zwischen diesen 
eingelagert werden nach allen Seiten vollkommen abgegrenzte Eiterhöhlen 
gefunden, die in keinerlei Zusammenhang unter einander stehen und 
räumlich oft weit von einander getrennt sind. Man gewinnt den Ein- 
druck, als ob hier ein wenig virulenter Eutzünduugsstoff in die Bauch- 
höhle getragen und durch periataltiache Bewegungen sogleich nach ver- 
schiedenen Richtungen auseinandergesprengt worden sei, ohne die Kraft 
zu besitzen, den ganzen zurückgelegten Weg zu inficireu. Die diffuse 
fibrinöse Peritonitis hat dann die einzelnen Partikel schnell abgekapselt 
und für die übrigen Peritonealtheile unschädlich gemacht Am Orte ihrer 
Gefangenschaft verursachen sie dann die Bildung eines Abscesses. Der 
Process verläuft in der Regel sehr chronisch. Die Eiterherde haben die 
Tendenz, sieb einzudicken, und die Krankheit kann in einzelnen Fällen 
so zu spontaner Ausheilung kommen. Andere Fälle aber gehen langsam 
unter dem Bilde chronischer Pyämie zu Grunde. Neuinfection eines Eiter- 
sackes vom Dann aus läast zuweilen die Entzündung von frischem auf- 
flackern und führt zur Verjauchung des Herdes. Die ausgeilehnten Ver- 
^Ihungen erschweren die Circulation im Darnirohre, bedingen Abknickungea 
und Verl^ungen desselben und tödten schliesslich den Patienten unteS' 
den Erscheinungen des chronischen Ileus. 



I 



— 89 — 



Die Tuberkulose des Appendix und des Coeeums. 

Die isolirte Erkrankung des Wurmfortsatzes ist sehr selten, gewöhn- 
lieh ist Coecum und Wurmfortsatz gleichzeitig ergriffen. Wenn nach 
unseren heutigen Anschauungen die Darmtuherkulose überhaupt als eine 
Pütterungstuberkulose aufgefasst wird, so werden als Gründe für die 
locale Begrenzung derselben auf das Coecum im Wesentlichen geringe 
Virulenz und geringe Menge des Infectionsmaterials angenommen. 

Ueber den Zusammenhang der besonders im Coecum auftretenden 
Tuberkulose mit der Lungenuberkulose gehen die Ansichten dahin, dass 
die bei der Lungentuberkulose auftretende secundäre, fast ausnahmslos 
im Coecum beginnende Darmtuberkulose dann local und auf das Coecum 
beschrankt bleibt, wenn die Lungentuberkulose geringfügig und nicht 
rasch progredient ist. Bekanntlich ist ein Lieblingssitz der tuberkulösen 
Geschwüre der unterste Theil des Heum und das Coecum mit dem Ap- 
pendix, besonders die Umgebung der Valvula ileocoecalis und der Ger- 
lach'schen Klappe. In Folge von mechanischen und anatomischen Ver- 
hältnissen ist hier die Disposition zur Entzündung gegeben, auch sind 
gerade die Lymphdrüsen des Winkels zwischen Ileum und Colon ascen- 
dens in allen Affectionen, besonders bei Kindern, regelmässig geschwollen, 
vergrössert, geröthet, oft auch verkäst. 

Die Geschwulst bei Tuberkulose des Coeeums wird nach Conrath ') 
hauptsächlich durch Verdickung aller Wandschichten hervorgerufen. Die 
etwas länglichen allmählich in normalen Darm übergehenden Tumoren 
erreichen zuweilen die Grösse einer Mannesfaust. Die Oberfläche ist 
meist höckerig in Folge schwieliger Auflagerungen und Verwachsungen 
mit Fettklümpchen. Die Darmwand fühlt sich starr und derb an. Das 
Darmlumen ist mehr oder weniger stenosirt. Die Hauptstenose sitzt in 
der Gregend der Ileocoecalklappe. Dieselbe ist mehr oder weniger rigid 
und verkürzt, zuweilen in Folge dessen unkenntlich. Am Blindsack des 
Coeeums selber besteht meistens nur eine leichte Verdickung. Die 
Mucosa ist in manchen Fällen und bei noch nicht langer Dauer der 
tuberkulösen Affection noch weniger verändert, meist aber trägt in 
grössere oder kleinere hämorrhagisch gefärbte Knötchen und Geschwüre 
von dem bekannten Aussehen der tuberkulösen Darmgeschwüre. Da- 
zwischen trägt die Schleimhaut zahlreiche schmale, zottenförmige, in an- 



1) Ueber die lokale Coecumtuberkulose. Klinische Beiträge zur Chir. 21. Bd. l.H. 

2) Mäder. Dissertation, Leipzig. 1904. (Untersuchungen aus dem Moabiter 
Krankenhaus.) 



deren Fällen knotenförmige Exereszenzen bis zu HaselnuBSgrösee, die siohi 
oft in grösserer Ausdehnung auf der noch erhaltenen Schleimhaut hin- 
ziehen. Manchmal bilden sieh dadurch blumen kohl artig in das Darm- 
lumen sich vorwölbende Ge seh wulstm aasen. In diese Verdickung ist der 
Wurmfortsatz eingezogen und zeigt in !>einem Innern oft ein ähn- 
liches Bild, besonders an seiner Einmünduu gas teile in das Coecum, 
Wie die makroskopischen sind auch die mikroskopischen Bilder der 
chronischen Coecum tuberkulöse untereinander yariirend. Nach Mäder) 
lagern gewöhnlich zahlreiche Tuberkel und Riesenzellen in der Suhserosa 
und Subnmcosa, während die Muscularia in der Regel spärlichere Tuber- 
kuloeeeinlagerungen aufweist. Die nachweisbaren Bacillen sind nicht 
sehr häufig, selten sieht man Zeichen von Zerfall in den Knölchea 
Neben den Tuberkeln sind die Darmwände von kleinzelliger Infiltration 
durchsetzt. Ist nur die Serosa ohne Muscnlaris tuberkulös erkrankt, so 
deutet dies auf eine hämatogeaeltifection. Seilen beobachtet mau aber dann 
ein isolirtes Ergriffensein des Coecums. In weiter vorgeschrittenen Fällen 
findet man Verwachsungen mit dem Darm und den Nachburorganen, 
Perforationen, sehr häufig davon ausgehend Abscesse, fortßchreitende tu- 
berkulöse Peritonitis oder Uebergreifen der Schleimhauterkrankung auf 
den Dünndarm. 

Die Tuberkulose des Coecums und Wurmfortsatzes ist von cliroui- 
schem Verlauf. Die klinischen Erscheinungen sind im Allgemeinen 
wenig ausgeprägt. Leichte dyspeptische Beschwerden und vorübergehend» 
unbestimmte nach dem Nabel ziehende Schmerzen sind häufig die einzigen. 
Symptome. Unregelmässigkeiten in der Stuhlentleerung sind fast st«t8 
vorhanden, anfangs leichte DurchfälJe, später überwiegt die Verstopfung, 
Niemals bestehen die profusen Durchfälle wie bei allgemeiner Darm- 
phthise. Bei stärkerer Ausbildung der Stenose treten kolikartige Anfälle 
auf, seltener beobachtet man einen eigentlichen Ileus. 

Die Betastung des Abdomens, das zuweilen meteoristisch aufgetrieben 
ist, wird in der Ileocoecalgegend mit leichtem Schmerz empfunden. Da- 
selbst ist gewöhnlich ein Tumor nachzuweisen, der je nach der Stärke aein^ 
Verwachsungen mehr oder weniger verschieblich sein kann, im Gegensati 
zu den sonst fe«t aufsitzenden perityphlitischen Exsudaten. Bei grosser Ver>- 
schiebbarkeit deutet dies auf einen inmitten von Dnrmschlingen liegenden 
entzündlichen Herd, der zu inniger Verlöthung einer Reihe von Darm- 
scblingen geführt hat, ohne dass zu gleicher 2^it Adhäsionen mit dem 
parietalen Blatte des Peritoneums eingetreten sind. Solche verschiebliche 
lumornrlige Resistenzen findet man gerade häufig bei der Tuberkulose, 
die dann freilich bereits auf eine Reihe von Darmecblingen übergegriffen 
hat. Reine Fälle zeigen kaum Temperaturerhöhung. Das Fieber, das 



I 
I 

I 
I 



— 91 — 

nur bei gleichzeitiger Com plication mit Lungenphthise stets beobachtet 
wird, ist vom Typus der Febris hectica, das subjective Befinden ist, ab- 
gesehen von der Schmerzhaftigkeit des rechten Unterbauches, nicht erheb- 
lich be^trächtigt und meist erst, wenn fortschreitende tuberkulöse Peri- 
tonitis oder Darmverschluss durch narbige Gewebssch rümpf ung einge- 
treten ist. 

Jedes Alter kann von Coecumtuberkulose betroffen werden, am 
häufigsten das 2. und 3. Jahrzehnt, nach Conrath u. a. in circa 
65®/o. Die Entwicklung ist eine chronische und dauert meist mehrere 
Jahre. Die Ausgänge der Darmtuberkulose können entweder Ausheilung 
— allerdings sehr selten — mit oder ohne Stricturenbildung, Perforation 
oder Verallgemeinerung des Processes zunächst auf die benachbarten 
Theile (Dünndarm) und allmähliche Infection des Organismus sein (Miliar- 
tuberkulose). Dupan hat bereits die tuberkulöse Affection des Coecums, 
welche durch Perforation tödtlich endete, beschrieben. 

Appeudicitis actinomycotica. 

Sehr selten ist die Appendicitis actinomycotica. Immerhin 
sind schon zahlreiche Fällebeobachtet, und es steht zu erwarten, dass bei 
weiterer Einbürgerung des noch jungen Krankheitsbildes die Mitthei- 
lungen über den interessanten Process sich mehren werden, da nach 
den bisherigen Befunden gerade der Dickdarm bei Bauchaktinomykose 
dem Pilz am häufigsten als Eintrittsstelle diente, und nach Barth in 
diesem wiederum der Blinddarm und Mastdarm eine besondere Prädi- 
lection beanspruchen. Barth i) macht ebenso wie Partsch'-^) darauf 
aufmerksam, dass besonders in jenen Fällen, in denen eine Mischinfection 
mit Eiterkokken stattgehabt hat, das typische Bild der Aktinomykose 
verwischt wird. Sie präsentiren sich in der Erscheinungsform der ge- 
wöhnlichen perityphlitischen Eiterungen; die Aktinomykose tritt in den 
Hintergrund und zeigt sich vielleicht erst Monate später nach der ihr 
eigenthümlichen Wanderung an einer entfernten Stelle in ihrem eigent- 
lichen Wesen. Auf diese Weise dürfte mancher Fall übersehen werden. 
In anderen Fällen zeigt sich von vornherein ein charakteristisches Sym- 
ptomenbild: Erkrankung mit Schmerzen in der Ileocoecalgegend , zu- 
nehmende Verhärtung daselbst, diffuse Infiltration und Senkung ins kleine 
Becken hinunter, später multiple Fistelbildungen. Wir selbst verfügen 



1) üeber Banchactinomykose Verhandl. der freien Vereinigung der Chirurgen 
Berlins. 1890. Jahrg. III. 2. S. 29. 

2) Die Actinomykose des Menschen. Sammlung klin. Vorträge. 306 u. 307. 



— 92 — 

über keinerlei eigene Beobachtungen, deshalb füge ich einen Fall an, den 
Israel operirt und veröffentlicht hat. 

Die Krankengeschichte ist kurz folgende: 

Acnte Perityphlitis bei einem zwanzigjährigen Manne. Recidiv nach 
4 Wochen. Bei dem Schnitt durch die enorm verdickte^ schwartig- 
speckig degenerirte Baachwand wird eine flächenhaft sehr ausgedehnte, 
im Tiefendurchmessdr aber spaltartige retroperitoneale Höhle eröffnet mit 
knorpelharter Wandung und gefüllt mit schlotterigen Granulationen und 
Aktinomyceskömern. Patient an Embolien gestorben. — Die Section 
ergab den Wurmfortsatz zu Taubeneigrösse ausgedehnt mit Eothstein. 
Hinter seinem .Ursprung spaltförmige Perforation, von dort Gang in das 
schwartige Retroperitonealgewebe. Der Gang setzt sich in derartigem 
Gewebe bis zur Niere fort. Die Appendicitis perforativa hatte hier dem 
Pilz den Eingang in das retroperitoneale Gewebe gebahnt, ohne dass 
sich eine Aktinomykose der Darmwand entwickelt hätte. 

Ueber eine ungewöhnlichere Erscheinungsform der Blinddarmaktino- 
mykose berichtet Hofmeister (Naturforscherversammlung München, 
1899). Bei zwei Männern im Alter von 47 und 28 Jahren wurden 
grosse nicht verwachsene Deocoecaltumoren entfernt mit günstigem Erfolge. 
Die Geschwülste, hatten sich unter massigen subjectiven Beschwerden und 
ohne wesentliche Störungen entwickelt. 



Anhang. 
Der Wurmfortsatz und das Coecum als Bruehlnhalt. 

Es mögen hier anhangsweise noch einige weitere Bemerkungen über 
das Vorkommen von Wurmfortsatz und Coecum im Bruchsack am 
Platze sein. Zur Zeit, wo der Blinddarm noch in der Fortsetzung des 
Quergrimmdarms im rechten Epigastrium liegt (3. Fötalmonatj, ist der 
Appendix vom Blinddarm noch nicht als enger Canal unterschieden. 
Beim Herabsteigen beider gelangt er in die Gegend des sich entwickeln- 
den Hoden und kann mit diesem oder dem Bauchfell in der Nähe des 
Hodens verwachsen, zum Leistencanal herabtreten. 

Verwachsungen des Appendix mit dem Peritoneum in der Nähe des 
Leistenrings oder dem Mesenterium des Dünndarms, sowie Verwachsungen 
mit der hinteren Wand des Processus vaginalis sind öfters angetroffen 
worden. Auch durch den Schenkelring kann der Appendix hindurch- 
treten, wir haben sogar häufiger den Wurmfortsatz in Schenkelbrüchen 
angetroffen, wahrscheinlich weil die Schenkelbrüche der Ileocoecalgegend 
näher liegen. 



— 93 — 

Es ist durch mehrere Statistiken nun festgestellt, dass das Vorhan- 
densein des Wurmfortsatzes in Brüchen nicht so selten ist, als man 
früher angenommen hat. So giebt Jaia (Centralblatt für Chirurgie 1898, 
S. 1262) an, dass unter 1586 Brüchen, von Colci in Florenz operirt, 
27mal der Wurmfortsatz allein als Bruchinhalt gefunden wurde. Brieger 
hat 24 Fälle von isolirten Hernien des Wurmfortsatzes gesammelt, da- 
runter waren 6 irreponible und 18 eingeklemmte. 17 mal handelte es 
sich um Leistenbruch^ 9 mal um Schenkelbruch, Man trifft sowohl den 
Wurmfortsatz allein oder mit anderen Organen, vor allem ^em Coecum 
und Netz, im Bruchsack an. Gewöhnlich finden wir ihn in rechtsseitigen 
Brüchen, doch haben wir einen Fall voq linksseitiger Hernie beobachtet, 
wo sogar eine Appendicitis im Bruchsack vorhanden war. Ich theile den 
Fall hier mit: 

Ein 52 jähriger Händler ging unter den Zeichen einer chronischen 
Peritonitis im Erankenliause Moabit zu Grunde. Bei der Section fanden 
sich in der linken Scrotalhälfte mehrere Dünn darmscblingen; dem unteren 
Abschnitte des Ilenm angehörend, sowie das ganze Colon ascendens und 
das Coecum mit dem Processus vermiformis. Die Eingeweide unter sich 
ziemlich fest durch fibrinöse Beläge verwachsen. Der Processus vermi- 
formis gangränös, an einzelnen Stellen, nicht jedoch an der Spitze per- 
forirt. Ihm liegt in Grösse eines Fünfmarkstückes eine schmierige, kothig 
riechende Masse an. Keine Eosthsteine. Die übrigen in der Bauchhöhle 
liegenden Darmtheile sind, durch schmierig fibrinöse Beläge verklebt, 
aufgebläht. Im kleinen Becken dunkle, trübe Flüssigkeit. 

Aehnliche Fälle vom Vorkommen des Coecums mit dem Processus 

vermiformis in einer linksseitigen Leistenhernie sind übrigens mehrfach 

beschrieben, ohne dass eine völlige Inversion der Eingeweide vorlag. (Eine 

Appendicitis bei letzterer beobachtete Biedi, M^d. moderne Paris 1897.) 

Dass das Coecum mit dem Appendix auch im frühesten Alter als Inhalt 

von Hernien vorkommt, kann ich durch nachfolgende eigene Beobachtung 

bestätigen : 

Bei einem 2 jährigen Knaben machte sich bald nach der Geburt eine 
etwa haselnussgrosse Geschwulst nalie der rechten Inguinalfalte bemeik- 
lich, die sich allmählich vergrösserte. Seit zwei Tagen ist die Mutter 
nicht mehr im Stande, den gewöhnlich leicht zu reponirenden Bruch zu- 
rückzubringen. Es bestehen Einklemmungsersch einungen. Operation der 
Hernie, l^hnitt parallel dem Pouparfschen Bande, Bruchsack innig mit 
dem fächerförmig ihn umgebenden Samenstrang sowohl als dem Hoden ver- 
wachsen. Nach der Isolirung desselben bis zum Halse wird er geöfi'net, 
und es findet sich als Inhalt das Coecum mit dem Processus vermiformis 
und dem unteren Ileumende. Auf der dem Mesenterium gegenüberlie- 
genden Seite des Coecums und von ihm auf den Processus vermiformis 
übergehend zeigen sich zahlreiche, derbe, strangartige Adhäsionen, die 
zugleich auch zu einer bandartigen Verlöthung mit dem Bruchsack ge- 



führt haben , aaSBerdem sich in die Bauchhöhle hinein verfolgen lasa« 
Erat nachdem diese Adhäsionen gelöst, sowie der Leietencanal ii 
gasEen Länge gespalten ist, gelingt es, eine Reposition der Darmpartien 
vorzunehmen. Es wird nnn der Bruchsack abgetragen, der Stumpf in 
der Wunde vernäht, ein TampoD eingeführt; Schiusa der Hautwunde. 
Nach 3 Wochen Heilung. 

Zur Erklärung der Bildung dieser Adhäsionen stehen sich zwei An' 
eichten gegeuäber. Die eine sucht ihre Ui^ache in einer fötalen P( 
touitis, die von vielen Autoren zwar bestritten, von anderer Seile aber u. Ä, 
von Virchbw, B. Schmidt, Orth u. s. w, als durchaus wahrscheinlich 
angenommen wird. Da nun die Hoden ihre Lage ursprünglich in der 
Bauchhöhle zu beiden Seiten der Wirbelsäule haben und erst im achten 
Monat in den Leialencanal und im neunten in den Hodensack eintreten, 
80 ist ea sehr leicht verständlich, dass sie beim Auftreten einer Perito- 
nitis und Kntsteheii von Verwachsungen mit den umliegenden Organen 
Eingeweide mit sich in den Peritoi]ealfortsatz herabziehen können. Nach 
Ansicht Kehrer'a und anderer Autoren jedoch beruhen derartige fila- 
mentöse Gebilde nicht auf einer fötalen Peritonitis, sondern darauf, dass 
im Fötus normal vorhandene Daplicaturen des Bauchfells im Verhällniss 
zum übrigen Peritoneum kein gleiches Wachsthum innehalten und später- 
hin als scheinbar neu gebildete Stränge die Eingeweide an ihrer natOj;, 
liehen Lagerung verhindern. ^ 



Man kann nach Eose die Wumifort-satzendbruche, wobei sich nur 
das Ende des Appendix im Bruchsack befindet, unterscheiden von den 
WurmfortsatzBchlingenbrüchen, bei denen eine Schlinge des Organs in 
der Hernie liegt, während Anfangs- und Endtheü in der freien Bauchhöhle 
sich befinden. Auch der Wurnifortaalz kann sich, wie jedes andere Organ, 
einklemmen und gangränös werden. Es ist an dieser Thatsache nichi 
mehr zu zweifeln, nachdem von verschiedenen Autoren (Rose, Sendler 
Riese, Sprengeil und auch von uns selbst Fälle so frühzeitig Ope- 
rirt worden sind, dass man mit Sicherheit den pathologischen Hei^ang 
als den einer echten Einschnürung feststellen konute. 

Ich theile unsere beiden eigenen Beobachtungen im Folgenden mit; 

Fall P., 20 Jalire alt, operirt am 31. August ia02. Der rechte 
Schenkelbruch, der seit ^/j Jahren besteht, ist bisher niemals eingeklemmt 
gewesen. Seit Ü Stunden Rinklemmunggcrscheinungen. Hühnerei grosse 
Scbenkelhernie, Als Inhalt der Hernie ergab sich trübes Exsudat, Netz, 
eine dunkelblauruthe Dünndarmschlingu und das blauroth verfärbte 4 cm 
lange Ende des Wurmfortsatzes. Abtragung desselben, Naht. — Der 
Wurmforlaal» hat 2 cm vom Coecalansatz eine deutliche Scbnllrfurche; 
prosimat davnn ist er blass, dflnu, distal davon dunkel blauroth und dick, t 



— 95 — 

aofgetriebeiL Das Mesenteriolum and die Schleimhaat des Appendix sind 
stark blutig infarcirt Glatte Heilung. 

Fall Cr., 76 Jahre alt, operirt am 26. April 1903. Der Bruch 
besteht seit 20 Jahren. Seit 48 Stunden eingeklemmt. Es besteht ein 
hühnereigrosser rechter Schenkelbruch. — Die Operation ergab einen 
Esslöffel trflb-röthliche Flüssigkeit eine blauroth verfärbte Dflnndarm- 
schlinge und den blauroth verfärbten, fingerdicken Wurmfortsatz in 
einer Länge von 5 cm. Der Wurmfortsatz ist leicht adhärent. Beim 
Vorziehen stellt sich heraus, dass jenseits der deutlichen Schnürfurche 
noch 3 cm normalen blassen Wurmfortsatzes liegen. — Die Schleimhaut 
des eingeklemmten Stückes ist stark blutig imbibirt, jedoch nicht necro- 
tisch. Inhalt ist Eiter, kein Kothstein. Das Mesenteriolum ist jenseits 
von der Abklemmung gleichfalls stark infarcirt. Typische Abtragung des 
Wurmfortsatzes, Naht. Glatte Heilung. 

Es handelte sich also in beiden Fällen um Wurmfortsatzendbrüche, die 
nach 6 resp. 48 Stunden operirt wurden. Zu ;einer Gangrän des incarcerirten 
Stückes war es noch nicht gekommen, sondern lediglich zu einer Stauung. 
Eine Appendicitis kann in derartigen Fällen wohl ausgeschlossen werden. 

Sehr schwierig ist jedoch die Entscheidung, ob Incarceration oder 
Appendicitis im Bruchsack den primären Vorgang stellen, in solchen 
Fällen, wo es bereits zu vorgeschritteneren Veränderungen, zur Aus- 
bildung von eitriger Peritonitis im Brucksack gekommen ist. Wir sind 
der Ansicht, dass in der Mehrzahl dieser Fälle eine perforative Peritonitis 
angenommen werden muss; dafür spricht schon das häufige Vorhanden- 
sein von Kothsteinen im Abscess. 

Immerhin dürfte die Entscheidung nur von Fall zu Fall getroffen 
werden können. Ich theile im Folgenden 2 Fälle von Abscess im Bruch- 
sack in Folge Appendicitis mit: 

Ziebel, Ehefrau, 63 Jahre alt. Aufgenommen am 4. April, ent- 
lassen am 15. Juni 1891. Operirt am 8. Tage nach der Erkrankung 
im Krankenhause Moabit. — Anamnese: Bisher gesund, insbesondere 
kein Bruchschaden. Vor 8 Tagen beim Heben plötzlich Schmerz in der 
rechten Leiste. Diese schwoll an, röthete sich und wurde schmerzhaft. 
Seit 4 Tagen Stuhlverhaltung. Kein Erbrechen. — Befund: Sehr 
fettleibige Frau, rechte Leistengegend handbreit über der Schenkelbeuge 
fiach geschwollen, auf Druck schmerzhaft, hart infiltrirt und scharf ab- 
gegrenzt gegen die gesunde Umgebung. Temperatur 39,4'^. Puls 80, kräftig. 
— Operation am 5. Mai: Incision, wodurch schmieriger, kothigriechen- 
der Eiter entleert wird. Die Eiterhöhle setzt sich nach oben in einen 
langen Canal fort (Schenkelcanal). — Verlauf: In der Eiterhöhle liegt 
der gangränöse, lange Processus vermiformis. Kein Kothstein. Nach 
Entfernung des Appendix erfolgt rasch Heilung. — Spätere Nach- 
richten: Patientin starb später an Carcinom. Bei der Section fand sich 
der Rest des Processus vermiformis vor, in demselben noch ein kirsch- 
kemgrosser Kothstein. 




PeteiB, Wittwe, 74 Jahre alt. Aufgenommen am 18. Juni, ent- 1 
lusen am 27. Juli 1SÜ4. Operirt im Krankenhause Moabit, 
neee: Seit 2 Jahren hat Patientin, weiche viel an Husten leidet, rechts 
einen Brach bekommen, der erst haeeluuBsgroBS war und sich allmählich 
vergröaserte. Derselbe ging stets leicht zurück; Patientin trug kein 
Brachband. Jetzt ist seit 14 Tagen der Bruch aasgetreten und nicht 
mehr zurückgegangen; Patientin hatte heftige Schmerzen in beiden rnter- 
bauchgegenden und Erbrechen, welches erat vor 5 bis ß Tagen aufhörte. 
Stuhlgang war dabei in gewöhn lieh er Weise vorhanden. — Befund 
Verbal tnissmÄssig rflslige alte Frau. Kein Fieber; PüIb gut gespannt, Abdo- 
men massig meteoristisch aufgetrieben. Der Leib ist ohne besondere Scbmerz- 
hnftigkeit überalletwas einzudrücken ; tieferes Eindrüeken macht die meteori- 
stische Spannung unmöglich. In der rechten Leiste ein wurstförmiger, fast 
gänseeigrosser Tumor, vom Poup&rt'acben Band nicht abzugrenzen. Haut 
Aber demselben derb infiltrirt, leicht gerSthet; in der Mitte des Tumors 
deutliche Fluotuation, — Operation am IS. Juni 1894. Nach Durcb- 
trennung der Haut entleert sich am unteren, inneren Pol des Tnmora mit 
Gasblasen und feinen Eotli brock eichen untermischter, kothig riechender 
Eiter. Vorsichtige völlige Spaltung der Abscessböble. Es zeigt sich ein 
an der Kuppe breit eröffneter, schwartig verdickter nnd gangränös ver- 
fiirbter Bmchsack. Vorsichtige Freilegung seines Stiels, der nnterhalb 
des Ligamentum Poupartii zur Banebhöble zieht. Im schon eröffneten 
Bmchsack zeigt sich ein gut zweifingergliedlangea, bleistiftdickes, rund- 
liches Gebilde von schwarzbrauner Farbe (der Appendix). Dieser walzen- 
förmige Körper ist sehr morsch; beim Versuch, ihn zu isoliren, reisst er 
ein und zeigt ein Lumen, in welches eine Sonde frei einzufahren ist. 
Da der centrale Theil des Processus vermiformis fest mit dem Bnicli- 
sacke verwachsen ist, wird das freie, gangrflnöse periphere Ende durch 
2 Seidenfäden abgeschnürt. Tamponade. — Verlauf ohne Zwischenfall. 



Tumoren des Wurmfortsatzes. 1 

Zum Scbluss muss noch kurz der Tumoren des Wurmfortsatzes 
gedacht werden. Wenn bei Zerfall der Tumormassen Infection sich hin- 
zugesellt, dann kann eine richtige entaflndliche Appendicitis vorgetäuscht 
werden. Derariige Beobachtungen sind von Langheld, Symor 
Votiert gemacht worden. Durch Zerfall eines Medullarsarkoms der | 
Klappengegend und eines Theil a des Wurmfortsatzes hatte sich ein retro- [ 
peritonealer Absceaa gebildet. Beyer fBerl, klin. Woch. 1882, Nr. 1) I 
beschreibt einen Fall, in dem nach Inciaion einer Anschwellung der 
rechten Inguinalgegend und Entleerung Hea Eiters eine Fistel zurückbliab. 
Es bildete sich raach eine zerfallende Neubildung, die aich als Adeno-J 
cnrcinom herausstellte und damit die Diagnose ihrer Herkunft erleichterte,! 
Hastings Giiford (Lancet, Juli 1893) schildert einen Fall, wo sietj 
auf dem Boden einer chronischen Appendicilia, die 13 Jahre lai 



— 97 — 

bestand y ein Sarkom entwickelte. Ich habe einen ähnlichen Fall 
operirt. Bei einer 58 jährigen Patientin S., die seit circa 20 Jahren an 
Appendiciüs mit schweren acuten Nachschüben litt, entfernte ich den 
verdickten kranken Wurmfortsatz aus eigenthümlich festen und dicken 
Schwarten und musste ihn aus der verdickten Goecalwand ausschälen. 
Die letactere erschien verdächtig und wurden Stücke derselben mikroskopisch 
untersucht, ohne etwas Weiteres als Granulationsgewebe zu ergeben. 
Immerhin blieb eine Fistel zurück. Nach einem halben Jahre bildete 
sich ntsch eine Neubildung (Sarkom), die operativ zu entfernen unmöglich- 
war. Uebrigens werden die Tumoren des Wurmfortsatzes selten auf diesen 
localisirt bleiben, sondern meist das Coecum in Mitleidenschaft ziehen. 



Sonne nbnrg, Perityphlitis 5. Auflage. 



VIERTER THEIL. 



SYMPTOME, DIAGNOSE, PROGNOSE. 



7* 



Symptome, Diagnose, Prognose. 

Symptome der aknten Appendicitis. 

Unzweifelhaft gehen der acuten Appendicitis, bevor der Anfall selber 
einsetzt, Symptome voraus, die mit der Erkrankung des Wurmfortsatze» 
in Zusammenhang stehen. Diese Symptome können aber so unbestimmter 
Art sein, dass sie die Ursache der Erkrankung nicht ohne Weiteres ver- 
muthen lassen: leichte Darmkatarrhe, gefolgt von mehr oder weniger 
hartnäckiger Obstipation, manchmal überhaupt nur hartnäckige Obsti- 
pation, hier und da kolikartige Schmerzen, besonders in der Umgebung 
des Nabels In anderen Fällen liegt Klage über einen schlechten, trägen 
Magen vor, über träge Verdauung, über allgemeine Nervosität und Ab- 
magerung, und kaum jemals wird eine präcise Angabe gemacht, dass 
diese Beschwerden von irgend einem bestimmten Punkte in der ßauchhöhle 
ausgehen. Das ist speciell die Form, die von mir als latente Appendicitis 
oder nach Ewald als Appendicitis larvata bezeichnet wird. Im Ver- 
lauf dieser Art der Erkrankung vollziehen sich manchmal hochgradige Ver- 
änderungen des Organs. Man hat es ungemein häufig mit Patienten zu 
thun, bei denen lange Zeit chronische Beschwerden irgend welcher Art, 
z. B. Magen-, Leber- und Darmbeschwerden (Colica mucosa) bestanden 
haben. Die vorhandenen Symptome wurden falsch gedeutet, die Uebel- 
keiten, die Neigung zu Durchfällen und dergleichen auf andere Ursachen 
zurückgeführt. Ich habe Kranke gekannt, die Jahre lang wegen der- 
artiger Beschwerden nach Karlsbad oder in andere Bäder geschickt wurden, 
bis plötzlich ein acuter stürmischer Anfall durch Perforation des Appen- 
dix die Krankheit aufdeckte, und die Entfernung desselben die Krankheit 
heilte. In anderen Fällen werden derartige Patienten wegen der fort- 
währenden Klagen als nervös oder hysterisch angesehen, sie verbringen 
die grösste Zeit des Jahres im Süden oder in Anstalten, bis endlich 
durch locale Erscheinungen das Leiden richtig erkannt wird. 



— 101 — 

Wenn wir die Thatsache berücksichtigen, dass trotz hochgradiger 
pathologischer Veranderubgen die Erkrankung des Wurmfortsatzes erst 
fn einem spateren Stadium durch einen charakteristischen Anfall sich 
klinisch kund thun kann, so wird es in Zukunft unsere Pflicht sein, auf 
derartige Symptome genauer als bisher einzugehen, um so mehr, wenn 
für eine etwa vorhandene, den Magen, die Leber, den Darm, bei Frauen 
auch besonders die Adnexorgane betreffende Störung eine Erkrankung 
eines dieser Organe sich nicht nachweisen lässt. Auch Blasen besch werden 
können durch eine Appendicitis hervorgerufen werden und derartig das 
Ejrankheitsbild beherrschen, dass man zuerst an ein Blasenleiden denken 
muss. Es kann uns nicht wundern, dass Erkrankungen des Wurmfort- 
satzes Symptome hervorrufen, welche zunächst mehr auf den Magen, den 
Darm, eventuell auf die Leber hinweisen. Wegen der verschiedenen Lage- 
rung, eventuell Fixation des Wurmfortsatzes, wegen der zahlreichen Ver- 
zweigungen der Nerven des Blinddarmes mit dem übrigen Darm ist es 
erklärlich, dass Magenbeschwerden, die oft grosse Aehnlichkeit haben 
mit den Symptomen eines Magengeschwürs, im Verlauf einer chronischen 
Entzündung des Wurmfortsatzes auftreten können. Endlich giebt es 
auch Fälle, wo die ersten Symptome einer schleichenden Entzündung 
des Wurmfortsatzes sich in Störungen der Herzthätlgkeit und der Circu- 
lation zeigen. Als charakteristisches Beispiel einer chronischen Appen- 
dicitis simplex mit acuten Nachschüben diene folgende von dem Patienten 
selbst verfasste Krankengeschichte. 

Herr v. S. — Der Patient litt schon seit seiner Kindheit an habi- 
tueller Stahlverstopfang, die sich im 15. Lebensjahre durch die während 
langiähiiger continairlieher Einschiffungen bedingte mangelhafte Bewegung 
nach Eintritt in die Kriegsmarine noch bedeutend steigerten (1876 — 1888). 
Nach und nach traten häufige Verdauungsstörungen ein, welche durch 
den Aufenthalt in den heissesten Monaten während mehrerer Jahre in 
sumpfigen fiebrigen Häfen bei sehr mangelhafter Verpflegung bedeutend 
gesteigert wurden (1888—1895). 

Anfang Juli 1895 schiffte sich Patient nach einer längeren See- 
eampagne aus und begab sich nach Baden bei Wien auf Urlaub. Nach 
^nlgen Tagen Stahlverstopfung. Patient wachte eines Morgens mit 
Schmerzen in der rechten Ileocoecalgegend auf, die aber nicht weiter be- 
achtet worden. Beim Heben eines schweren Gegenstandes an demselben 
Tage wurden dieselben heftig. Nach einer an demselben Tage unter- 
nommenen Eisenbahnfahrt steigerten sie sich bis zur Unerträglichkeit, es 
trat häufig Erbrechen auf. Temperatur 38,3 ö. Nach 2 Tagen Bettruhe, 
Abfflhrmitteln and Umschlägeü besserte sich der Znstand allmählich, doch 
worden noch nach 2 Monaten bei heftigen Stösseu während des Reitens, 
Springens oder Wagenfabrens heftige Schmerzen empfunden. Von diesem 
Zeitpunkt an war Patient solchen überhaupt immer ausgesetzt und fühlte 
sieh nicht recht wohl. Leichte Ermattung, erhöhte Temperatur bei niclit 



geregeltem Stuhlgänge, VerdauungBstörungen , unerquiclteuiler Sclilaf 
Harndrang, Mangel an Appetit waren an der Tagesordnung. 

Am 18. Oclober 189B, nach einer aelir hitzigen Lawn-Tennis- Partie 
von mehreren Stunden, traten plötzlich stechende Schmerzen in der lleo- 
coecalgegend anf. Palient wurde bald bettlägerig. Nach einigen Tage» 
gesellte sich auch eine rechtsaeitige Rippenfellentzündung hinzu. Fieber- ■ 
bewegnngen bis 38, 4o. 3 Wochen zu Bett. Langsame ReconvaleacenaJ 
Rechts in der Tiefe gegen Druck constnnter Schmerz. In der Tlcococcal*fl 
gegend constant empfindlich. 1 

Im MBiz 1897 wurde eioe chronische Blin d dar mentzlln düng von de» 
Äerzten conatatirt. Im Summer darauf erholte sich Patient in guter 
Wald- und Gebirgsluft bei reichlicher Milchkoat. Die EmpiindlichkeiE 
in der Bhnddarmgegend bei heftigeren Bewegungen und körperlichen An- 
strengnngen stets mit gering erhöhter Temperatur noch immer sich fühl- 
bar machend. 

Am 3. October 1897 während einer Jagd dritter Anfall mit heftigen 
Schmerzen und Uehelkeiten. Trotzdem wurde die Jagd nicht unter- 
brochen. Nach Beendigung derselben 4 Tage Bettruhe. Eiabeulel, Üarm- 
entleerung, später Opinm tropfen und Massage; letstere schmerzhaft. Fieber- 
bewegnng 37, fi" bis 3S,80; am 4. üclobcr bis 39,2 o. Seit der Zeit 
anf natürlichem Wege kein Stuhlgang mehr. Constantes Unbehagen und 
Ahnahme des Körpergewichtes. 

Am 10. December, nachdem Patient längere Zeit bei grosser Kälte 
an einer officiellen Beerdigung Theil genommen hatte, traten, von der- 
selben zurückgekehrt, heftige Sehmerzen auf. Es war jetzt eine deut- 
hehe Eesiatenz in der Ileocoecalgegend zu fflhlen. Temperatur 38,2'* 
(vierter Anfall). Nach dieser vierten Attacke traten bei jeder stärkeren 
Bewegung (1898) gleich erhöhte Temperatur und stechende Schmerzen auf. 

Am 18. December alellten sich, als der Patient auf seiner Yacht bei 
der Rüste Dalmatiens sich befand, bei hohem Seegang wieder unerträg- 
liche Schmerzen in der Blinddarmgegend ein, verbunden mit heftigem Er- 
brechen, ao dasB ein Hafen aufgesucht werden mnaste. Temperatur 33,4 o. 

Bei der Operation am 10. Mai 1898 fand man das Peritoneum ver- 
dickt, hinter demselben eine diffuse Resistenz. Die Eröffnung des Peri- 
toneums durch zahlreiche ftcherförmige Adhäsionen erschwert. Diese 
ziehen sich vom parietalen Blatte zum Coeeum hin und fluiren dasselbe 
ganz hoch hinauf, so dass auch am Colon und unterhalb des Colon sich 
breite Adhäsionen vorfinden. (In dieser Gegend war auch das letzte 
Exsudat constatirt worden.) Endlich gelingt es dem Finger, zwischen 
diesen zahlreichen breiten Brücken hindurch zum Coeeum zu gelangen. 
Der tastende Finger entdeckt nun ancli den steifen, ÜEirten, unterhalb 
des Coecums gelegenen und völlig nach oben, d, h. in der Richtung zur 
Leber hin, verlanfenden Appendix mit kurzem Meaenteriolum. Diese, 
sowie auch die zahlreichen Adhäsionen werden nach beiden Richtungen 
hin abgebunden, der Wurmfortsatz unter grosser Mühe allmählich be&eit 
und gerade gestreckt. Er zeigt sich jetzt von Bleistiftdicke, circa 6 cm 
lang, mit rigider Wandung. Ein Kothstein beSndet sich nicht in dem- 
selben. Das Ende ist aber leicht kolbig verdickt und mit trUbcm Schleiul 



— 103 — 

geftQU. Circa V^ cm von seinem Ursprang wird er abgebunden, nach 
BUdung einer Serosamanschette stampf übernäht and am Coecam daraaf 
hin noch dorch mehrfache Nähte die Einstülpang vollendet. Glatte Hei- 
lang. Patient seitdem besehwerdefrei. 

Wann ein Processus vermiformis als pathologisch bereits angesehen 
werden mnss und welche Abweichungen von der Form als Folge einer 
Erkrankung oder vielleicht nur als eine Entwicklungsanomalie angenom- 
men werden sollen, diese Frage konnte erst entschieden werden durch 
die Erfahrung, ob nach Wegnahme eines auch scheinbar wenig veränderten 
Appendix die Beschwerden und Anfälle definitiv beseitigt wurden oder 
nicht. Die jahrelangen Beobachtungen derartiger Patienten hatten uns 
ZOT Grenüge bewiesen, dass scheinbar geringfügige 'Veränderungen des 
Appendix und seiner Umgebung schwere klinische Störungen hervorzu- 
rufen im Stande sind. Man konnte im Anfange in der That im Zweifel 
sein, ob in Fällen, bei denen nur katarrhalische Veränderungen des Wurm- 
fortsatzes im Wesentlichen vorgefunden wurden, diese die Symptome im Leben 
zu erklären vermöchten. Ich kann wohl bestätigen, dass ich noch niemals im 
Zweifel über die Bedeutung eines derartigen Befundes am Appendix gewesen 
bin, und noch nie Gelegenheit gehabt habe, von einer „Pseudoappendicitis'^ 
zu reden. Ich habe oft durch günstigen Zufall unmittelbar hintereinander bei 
Operationen Präparate erhalten, die mich lehrten, dass auch der scheinbar 
ganz normal aussehende Wurmfortsatz während eines perityphlitischen 
Anfalles ein ganz anderes Aussehen bekommt, was uns auch die Be- 
schwerden völlig erklären kann. In zwei durch Resection kurz hinter» 
einander gewonnenen Präparaten zeigte der eine Wurmfortsatz die Er- 
scheinungen einer acuten Entzündung. Er war hochroth und rigide, mit 
deutlicher Injection der Gefässe, aber weder verwachsen noch anders als 
katarrhalisch erkrankt, der andere, der in Hinsicht auf Lage, Länge und 
Beschaffenheit der Verwachsungen mit der Umgebung ein ganz ähnliches 
Verhalten zeigte, war bei der zweiten Patientin in der anfallsfreien Zeit 
entfernt worden. Er war blass, weich und zart, trotzdem über 30 zum 
Theil recht heftige Anfälle von Perityphlitis durch ihn in einer langen 
Reihe von Jahren hervorgerufen worden waren. Das Verständniss für 
das Verhalten derartiger Wurmfortsätze war vor und nach dem Anfall 
dadurch gegeben. Unzweifelhaft schwinden die entzündlichen Erscheinungen, 
manchmal sogar so vollständig und rasch und machen beinahe normalen 
Verhältnissen wieder Platz, so dass nur die Anzeichen eines Katarrhs im 
Innern noch zu constatiren sind. Erst der histologische Befund des 
Appendix giebt in solchen Fällen für die klinischen Erscheinungen die 
Erklärung, welche ihr Aeusseres nicht geboten hat. 

Ich bestreite daher vorläufig die Existenz einer „Pseudoappendicitis"- 



Man läuft damit Gefahr, dem Patienten und auch sich selbst, iL b. et 
Diagnose Unrecht zuzufügen (Lang). Sie müaate mir bei den vielen 
Fällen auch einmal vorgekommen eein. Die genaue locale Untersuchung 
vor der Operation^ die richtige Deutung Am Befundes an Ort und Stelle, 
aowie die richlige Würdigung der allgemeinen Symptome hat bei uns 
bisher in keinem Falle eine der Vorausaetzung entsprechende Verände- 
rung am Wurmfortsatz vermisaen lassen. Sollten wirklich Zweifel vor- 
handen sein, so werden dieselben wohl durch eine längere Beobachtungs- 
zeit der Patienten beseitigt werden. 

Bestimmter auf die Krankheit hinweisend als die etwas unbestimmten 
Symptome der Appendicitis larvata ist die Colica a)ipendlcnlaris. Die 
C'olica appendicularis tritt gann plötzlich auf, verläuft, nie ihr Name be- 
sagt, kolikartig und kann den erfahrenen Chirurgen bereits ohne Weiteres 
auf die Ursache hmleiten. Die Beschwerdea dieser Kolik werden näm- 
lich meist von dem Patienten richtig localisirt. Der Schmerz wird regel- 
mässig als plötzlich einsetzend geschildert und mit deutlicher Schmerz- 
haftigkeit als in der ganzen Ileocoecalgegend verlaufend bezeichnet. Die 
Schmerzen sind bohrend, ziehend, oft mit plötzlicher Stuhlentleeiung ver- 
bunden und können so heftig werden, dass es zu Uebelkeit und Er- 
brechen, sogar zu koüapsartigen Erscheinungen kommt. Die Patienten 
ziehen dabei zur Verminderung der Schmerzen unwillkürlich das recht« Bein 
an und neigen den Körper zur Seite. Dadurch, daas die Uebelkeit und das 
Erbrechen nach den Kolikschmerzen einsetzen, kann man diesen Umstand 
zur Differentialdiagnose einer gewöhnlichen Indigestion gegenüber ver- 
werten. Die Schmerzen sind von kurzer Dauer, und wenn überhaupt 
Erbrechen auftritt, so bleibt es bei dem einmaligen Erbrechen, Nach 
24 Stunden ist alles spontan oder nach einer Morph iuminjeotion ver- 
schwunden. Die Kolik entsteht unzweifelhaft durch Zusammenziehung 
des mit Sekret stark gefüllten Wuimfortsatzes, der nun diese gestauten 
Sekrete, auch Kothlheilchen wieder in den Darm zurückbefördert. So 
lange die Entleerung nach dem Darm leicht möglich ist, werden diese 
Koliken nur kurzen Bestand haben, im Gegensatz zu den kolikartigen 
Schmerzen, welche bei weiteren Veränderungen des Wurmfortsatzes, 
Stenosen und Empyembildungen aufzutreten pflegen. Es ist daher er- 
klärlich, dass die Colica appendicularis schon lange Jahre vor dem Auf- 
treten anderweitiger Störungen von Seifen des Appendix sich bemerkbar 
machen kann. So stellte ich bei einem 13 jährigen Knaben, welcher 
seit 8 Tagen an heftigen Koliken litt und bei dem man den Verdacht 
hatte, dass es sich um B lasen kräm pfe , Nierensteine oder ähnliche 
AfTectionen handeln müsst*^, die Diagnose auf eine Colica appendicularis. 
Nach 3 Jahren stellte sich der erste typische Anfall ein. 



— 105 — 

Was nun den acuten Anfall, die acute Appendleltis anbetriff), 

so setzt er in d^ gössten Anzahl der Fälle in bester Geesundheit ganz 
plötzlich ein, and zwar sofort heftig. Nur sehr selten geht ihm in den 
letzten 24 Stunden ein unbestimmtes unbehagliches Gefühl im Leibe 
voraus. Es tritt Erbrechen auf^ der Patient klagt über das Gefühl von 
Fieber, manchmal ist Frösteln oder gar ein Schüttelfrost vorhanden, über 
Schmerzen im Leibe, die in der Umgebung des Nabels ihren Sitz haben 
und sich manchmal schnell in der rechten Seite localisiren. Bei Be- 
rührung ist dieselbe schmerzhaft. Der Leib ist hier nicht so leicht wie 
auf der anderen Seite eindrück bar. Diese Symptome können 24 Stunden 
anhalten und dann wieder vollständig verschwinden. Dann handelt es 
sich nur um eine acute katarrhalische Entzündung im Appendix, die in 
kurzer Zeit wieder schwindet. Hiervon ein Beispiel. 

Lotte Seh., 10 Jahre, operirt am 3. März 1904, nach Ablauf des 
ersten Anfalls (West San.). Anamnese. Am 24. Februar 1904 plötz- 
lich erkrankt mit Schmerzen in der rechten Unterbaachgegend. 25. Fe- 
bruar T. 40, Schüttelfrost, Erbrechen* 26. Februar Nachmittags 6 Uhr. 
Sehr heftige Schmerzen in der Mitte zwischen Nabel und Spin. ant. sup., 
kleines Exusdat daselbst zu fahlen. 10 Uhr Abends 25 000 L. 38,5 o, 
1 00 P. Schmerzen nur an der obigen Stelle , kleines Exsudat , keine 
Dämpfung. Leib sonst weich. Letzter Stahl am 23. Februar. 27. Februar 
Schmerzhaftigkeit fast völlig verschwunden. 37,1 o, lOO P., 20 000 L. 
28. Februar 36,3 o, 72 P., 8000 L. Völlig schmerzfrei, Stuhlgang. Von 
nun an dauerndes Wohlsein, kein objectiver und subjectiver Erankheits- 
befund. Daher im Freien Intervall 

3. März Operation. Typ. Schnitt. Eröffnung des Peritoneums an 
der Umschlagsfalte. Vorliegt Netz, darunter das Coecum. Der Wurm- 
fortsatz liegt auf der Beckenschaufel. Im Mesenteriolum finden sich zwei 
derbe narbige Stränge, welche den Wurmfortsatz in gekrümmter Stellung 
fixiren. Spitze kolbig verdickt, mit flflssigem Inhalt, Resect., Naht. 
Wurmfortsatz 5 cm lang. Empyem in der Spitze. 

In anderen Fällen sind die Symptome ernster; das Fieber ist höher 
dauert einige Tage, dementsprechend steigt der Puls bis zu 100, die 
localen Symptome, die Druckempfindlichkeit, der Muskel widerstand auf 
der rechten Seite sind grösser, eine leichte Resistenz ist in der ganzen 
rechten Seite wahrzunehmen. Schwinden die Symptome nicht sehr schnell, 
so zeigt sich der Leib aufgetrieben, Erbrechen tritt wieder auf, der Leib 
ist auf der anderen Seite empfindlich, der Patient macht einen kranken 
Eindruck; Puls und Temperatur meist hoch, zeigen schwankende Ver- 
hältnisse. Hier handelt es sich dann schon meistens um eine circum- 
scripte, durch Perforation des Wurmfortsatzes entstandene 
eitrige Peritonitis. Ganz so, wie wir es im pathologischen Theil ge- 
zeigt halben, dass eine allmähliche stufenweise Entwicklung der acuten 
Appendicitis vom einfachen Katarrh bis zu der Perforation mit circuni- 




— 106 — 

scripter Peritonitis und weiter zur Gangrän mit fonschreiiender Peritonitie 1 
vorhanden ist, so zeigt es sich auch bei den Icliniscbt^n Symptomen. Auch 
hier steigern sich alle genannten Symptome, die Schmerzhafligkeil wird 
eine allgemeine, das Erbrechen continuirlich, der Puls klein, das Aussehen 
des Kranken ein schlechtes. Vor allen Dingen bleibt die Residenzaua. Freilieh 
sind wir niehtimSiandp, sofort bei Beginn des Anfalles immer auf die Ver- 
änderungen des Wurmfortsatzes und des Peritoneums einen Rüekachluss 
zu machen , aber die genaue Beobachtung aller Symptome in den ersten 
24 Stunden ermöglicht, uns doch, in einer grossen Anzahl von Fällen 
die vorliegenden pathologischen Veränderungen zu diagnoaticiren und da- 1 
nach unser chirurgisches Handeln einzurichten. 

Gehen wir nun auf die einzelnen Cardin aisyniptor 
begleiten, näher ein. 



, die den Anfall 



Der Schmerz. 

Der spontane Schmerz, dasjenige Symptom, das den Arzt auf den 
richtigen Weg führen soll, ist beim acuten Anfall ausnahmslos vorhanden. 
Im Anfange ist er im ganzen Leibe. Besonders wird er um den Nabel 
herum sehr heftig auftretend angegeben. Die Schmerzen haben entweder 
noch einen kolikartigen Charakter, häufig aber sind sie schon permanent 
und strahlen in die ganze Bauchhöhle aus. Erklärlich ist die Ausbreitung 
der Schmerzen durch den Zusammenhang der Nerven des Appendix mit 
dem oberen Geflecht des Sympathicus. Zugleich mit dem Schmerz tritt 
durch allgemeine Reizung des Bauchfells ein starker Meteorismua auf. 
Der Leib pflegt dann auch bei der Berührung überall schmerzhaft, dmck- 
empündiich zu sein. In Folge der Auftreibung der Därme ist zunächst 
irgend ein localer Befund nicht zu erheben. Dadurch kann bei mangel- 
hafter Erfahrung die Dreache der Erkrankung besonders bei Kindern 
vom Arzt nicht richtig erkannt, die Infection als eine Indigestion auge> 
sehen und durch Abführmittel noch verschlimmert «erden. Wir wissen 
ja, wie ungemein häufig gerade bei Kindern sieh zu einer Gaatroenteritift 
acute Anfälle von Blinddarmentzündung hinzugesellen, besonders wenn 
dieselbe endemisch in den heissen Sommermonaten auftritt. Der Schmers 
kann sehr verschieden sein. Er ist gleich heftig und intensiv bei der 
Perforation des Appendix durch Geschwür oder Kolhstein ; allmählich 
steigend und intens'iver werdend bei allen denjenigen Entzündungen, wo 
es zu einer Stauung im Appendix selber kommt; über den ganzen Leib 
sich ausbreitend, sobald eine fortschreitende Peritonitis im Anzüge ist. 
Im letzteren Falle ist nicht allein die rechte Seite und die linke druck- 
empfindlich und spontan schmerzhaft, sondern auch der Druck in 



I 



— 107 — 

Lumbaigegend rechts und links äusserst empfindlich. Je nach der Lage 
des Appendix kann auch der Hauptsitz des Schmerzes ein wechselnder 
sein und in der Nähe des Blase, der Leber, des Nabels am heftigsten 
auftreten. Selten strahlt er nach dem 'Rücken, seltener nach dem rechten 
Hoden aus, doch stehen mir eine Reihe von Beobachtungen zur Ver- 
fügung, in denen die Schmerzen bei einer subacuten Appendicitis als 
Lumbago „Hexen schuss" gedeutet worden waren. Manchmal ist der 
Schmerz am heftigsten in der Nähe des Hüftgelenks, erklärlich in den 
Fällen, wo der entzündete Appendix auf den Musculus ileopsoas zu 
liegen kommt und mit den Schmerzen bei Coxitis Aehnlichkeit haben 
kann. Je intensiver gleich von Anfang an der Schmerz ist, um so 
sicherer kann man auf eine Perforation des Appendix einen Rückschluss 
machen. Eine enorme Druckempfindlichkeit der Ileocoecalgegend, wobei 
schon die leise Berührung der Bauchdecken heftige Schmerzen verur- 
sacht, deutet meist auf weitgehende Entzündung des Wurmfortsatzes 
selber mit Neigung zu Gangrän oder auf ein Empyem, das nahe am 
Platzen ist, hin. 

Die Druckempfindlichkeit ist nicht identisch mit dem Schmerz. 
Sie unterscheidet sich sehr wohl von demselben. Die Druckempfindlichkeit 
ist oft vor dem Schmerz vorhanden, nämlich in seinem sehr frühen Sta- 
dium der Entzündung. Später, wenn dieselbe sehr hochgradig wird, 
fällt sie oft zusammen mit den Schmerzen und der Localisation derselben. 
Auch hier ist die Druckempfindlickheit meist an dem Mac Burneyschen 
Punkt am häufigsten, also in der Mitte der Linie, welche von der Spina 
anterior superior ossis ilei zum Nabel gezogen wird. Es entspricht dieser 
Punkt ungefähr dem Ansatz des Appendix an das Coecum. Dies Symp- 
tom ist in 60 % der Fälle vorhanden. Es fehlt da, wo es sich um einen 
ganz gangränösen Wurmfortsatz handelt, wo die locale Druckempfindlich- 
keit dann durch die Peritonitis verdrängt ist, oder in Fällen, wo die Spitze 
des sehr langen Appendix tief in das Becken oder nach einer anderen 
Richtung hin gelagert und allein erkrankt ist. Hier wird die höchste 
Druckempfindlichkeit, wie schon gesagt, an anderen Stellen sich zeigen, 
bei der Lage des Abscesses tief im Becken am besten vom Rectum oder 
von der Vagina aus nachzuweisen sein. Immerhin hat man diese locale 
Druckempfindlichkeit bei keiner anderen Entzündung als gerade bei der 
acuten Appendicitis. Zur Druckempfindlichkeit gehört auch die von uns 
schon erwähnte Hyperästhesie der Haut (Hyperalgesie) in vielen 
Fällen, welche in der Ileocöcalgegend einen ziemlich grossen Bezirk inne 
zu haben pflegt. Endlich ist noch als drittes Symptom der reflecto- 
rische Widerstand der Bauchmusculatur hinzuzufügen (De- 
fense musculnire). 



Das E 

)fiegen beinahe auani 



Das £rbrecbvn. 

. Eegiaii des Anfalls und die Uebelkeiten 
nso die leichten wie die schweren Anfälle 
Kehrt das Erbrechen häufig wieder und hört es nicht auf, 
nachdem der Magen seinen Inhalt entleert hat, se kann man daraus auf 
eine grössere Beteiligung des Peritoneums in der Umgebung des erkrankten 
Wurmfortsatzes schliessen. Das Erbrechen kann sich häufig bis zu Ileus- 
artigen Erscheinungen steigern, besonders in den Fällen, wo rasch Darm- 
lähoiung eintritt oder durch das Exsudat oder alt« Stränge in Folge 
Ueberfüllung bestimmter Darmabachnitte Unwegaamkeit durch Knickungen 
und Drehungen derselben entsteht. Die Zunge ist von yorn herein dick 
belegt und bleibt auch während der ganzen Zeit des Anfalls mit einer 
dicken schmierigen Borke bedeckt. Dies ist charakteristisch für die Peri- 
typhlitis. Dabei ist sie aber noch immer feucht. Rissig und trocken 
wird sie, wenn septische Processe sich bemerkbar machen. Durchfälle 
sind im ganzen seltener als Stuhl Verstopfung. Häufig entsteht noch mit 
dem Anfall und dem Auftreten der Scbmereen eine ausgiebige Stuhlent- 
leerung, später gebt weder Stuhl noch Winde ab. Nur in denjenigen 
Fällen, wo die Appendicitis siöh an eine Gastroenteritis anachliesst, pflegen 
auch während des Anfalles diarrhoische Stühle übelriechendster Art zu 
verbleiben. Besonders sieht man dies bei Kindern häufig, wo sogar nach 
operativen Eingriffen die Diarrhöen noch längere Zeit fortbestehen. Be- 
steht einige Tage hindurch in Folge von Darmlähmung Slubl Verstopfung, 
so kommt es auch zu Aufstossen fäculent riechender Gase. Schliesst sich 
daran Bingultus, eo lässt derselbe eine fortschreitende Entzündung in der 
Bauchhöhle vermuten. (Ileus durch Adhä-iivperitonitis siehe späteren Ab- 
schnitt, specielle Therapie.) 



Der Tumor. 

Unzweifelhaft werden Fälle beobachtet, wo allein durch den entzün- 
deten verdickten Wurmfortsatz eine deutliche Resistenz oder ein Tumor 
in der Ileocöcal gegen d wahrgenommen wird. Eine freie tympaniiische 
und eindrückbare Zone befindet sich zwischen ihm und dem Darmbein. 
Sehr selten mag der fühlbare Tumor durch einen Kothpfropf gebildet 
sein. Ich erinnere daran, dass die alten Aerzte die Resistenz In der IleO' 
cöcalgegend bei der PeriiypbJitis stets als einen Kothpfropf auffaf 
Wir sind längst von dieser .\nsicht zurückgekommen. Wenn der Wurm' 
fortsatu z. B. in Folge von .Adhäsiv peritonilis, die mit den Veränderungen 
im Innern des Organs Hand in Hand geht, ringförmig das Cöcum ein' 
schnürend umgiebt, so kann es wohl vorkommen, dass iji diesem durch 



I 
I 



— 109 — 

den starren entzündeten Appendix noch mehr eingeschnürien Darinab- 
schnitt es zu Stagnation des Inhalts kommt. Die Massen werden nicht 
weiter befördert, der Tumor, den man in solchen Fällen fühlt, ist Folge 
der Koprostase in dem umschnürten Darm. Eine reichliche Stuhlent- 
leerung lässt den Tumor verschwinden. In einem operativ behandelten 
Falle (Hermes) unserer Abtheilung bestand der Tumor aus einer durch 
den Wurmfortsatz eingeklemmten Darmschlinge. Der Wurm- 
fortsatz ging von der medialen und hinteren Seite des Coecum aus und 
war mit seiner erweiterten Kuppe an der Vorderseite des Coecum ver- 
wachsen, so einen in sich geschlossenen Ring vorstellend; in diesen Ring 
war nun eine Dünndarmschlinge eingetreten und hatte sich eingeklemmt. 
Die Einklemmung Hess sich nicht ohne Anwendung grösserer Gewalt 
lösen; erst nach Abtrennung des distalen Endes des Processus vermifor- 
mis von der Vorderseite des Coecum wurde die Darmschlinge, die einen 
deutlichen Scfanürring zeigte, frei. Abtragen des Wurmfortsatzes, Heilung. 
Der Tumor bei der Appendicitis kann ferner entstehen durch ent- 
zündliche seröse Durchtränkung der Umgebung des entzündeten Wurm- 
fortsatzes. Für gewöhnlich pflegt sich ja die sulzige properitoneale Durch- 
tränkung häufiger, wie wir gleich erwähnen werden, bei den eitrigen 
Perityphlitiden zu zeigen, doch haben wir auch derartige Beobachtungen 
gemacht, wo es sich nur um eine sogenannte Appendicitis simplex han- 
delte. Nach Eröffnung der Bauchhöhle konstatirten wir grade bei dieser 
Form freie seröse Ergüsse, die auf eine entzündliche Reizung der Nach- 
barschaft hindeuten: serös -fibrinöse Exsudate. Diese Exsudate 
können durch Vergrösserung des Dämpf ungsbezhrks auch vor der 
Operation sichergestellt werden. Der Tumor kann auch durch einen 
entzündeten Netzklumpen bedingt werden, wie überhaupt das Netz, 
wenn es mit dem Wurmfortsatz, wie häufig, verwachsen ist, an den 
Entzündungen und der Tumorbildung wesentlichen Antheil hat. Auch 
die seröse Infiltration der den Wurmfortsatz umgebenden Verwachsungen, 
besonders- bei grosser Länge des Appendix, kann sich als Tumor mar- 
kiren. Diese Art von -Resistenz und Tumor, wie sie bei der Appendicitis 
simplex sich zeigt, erfordert eine gewisse üebung in Hinsicht auf die 
Erkennung durch Perkussion und Palpation. Wenn man Uebung hat, 
•wird man auch die unterhalb der Därme befindlichen Exsudate durch 
sorgfältige Untersuchung konstatiren können. Die Hauptsache ist, dass 
man nicht zu tief mit den Fingern eindrückt und immer den Vergleich 
mit der anderen Seite anstellt. Man wird dann sofort merken, dass 
man auf der kranken Seite nicht so tief wie auf der gesunden 
eindrücken kann, ganz unabhängig davon, ob dadurch dem Patienten 
Schmerzen verursacht werden oder nicht. Hat man öfters Gelegenheit^ 



derarligo Fälle zu untereucheii, eo wird mau auch bei einem geringanl 
Widerstand ohne Weitares erkennen können, ob derselbe an der typischen ' 
Stelle öder weiler oben nach der Ijeber oder nach unten, nach der Blase 
zu, gelegen ist. Die Palpatiou ist in vielen Fällen sicherer zur Erkennung 
einer Resistenz als die Percussion, Auch die Percussion mues eine leise 
sein, will man geringe Dämpfungen diagnoaticiren. Da die Exsudate be- 
kanntlich sehr selten an der Oberfläche liegen , sondern unter den Dar. 
nien, so muss man bei der Art der Percussion die Luftansammlung 
oberhalb eines Exsudats berücksichtigen und dementsprechend etwa» J 
leiser oder lauter an der betreffenden Stelle percutiren. Wird die Per-B 
cussion und Falgiation in richtiger Weise ausgeführt, so wird man aucfaj 
bei geringfügigen Seh alldi Seren zen einen sicheren Befund haben und aucbfl 
ein geringfügiges Exsudat nicht übersehen. 

Wichtig ist es ferner, in allen Fällen von Exsudatbildung 
lale Untersuchung reap. die Untersuchung von der Vagina 
machet! ; denn selbst serös -fibrinöse Exsudate ohne fieberhafte oder sonstig« 
Erscheinungen sammeln sich geni, der Schwere folgend, im Douglas an-I 

Erwähnen müssen wir nun, dass die Empyeme des Wurmfortaatzeafl 
in Hinsicht auf den Tumor in sofern noch eine besondere Stellung ein-« 
nehmen, als wir es hier sehr häufig mit einem gleich anfange ziemlicln 
circumscripteD und äusserst schmerzhaften Tumor zu tban haben. 
Tumor ist nicht walzen-, sondern mehr kugelförmig. 

In denjenigen Fällen , wo eine Perforatjon des Wurmfortsatzes ein^ 
getreten ist, und eine circum Scripte eitrige Peritonitis um den^g 
selben herum sich ausgebildet hat, zeigt der Tumor eine durch Palpniii 
grenzbare Form. Dass derselbe n ur durch das eitrige Ex-^udat entstehen &60, 
ist schon dadurch unwahrscheinlich, als er so gut wie nie, selbst bei grosser 
Ausdehnung, Fluctuation zeigt. Selbstverständlich nimmt die Eiteransamm- 
iung theil an der Bildung des Tumors Ferner aber besteht derselbe 
theilweiae aus Fibrinmassen, welche in Form massig dicker Verklebungs- 
schichteii, oder aber in Form cenlimeterdicker Fibri n seh w arten , wie man 
sie bei alten Pleuritiden vorfindet, einen nicht ganz seltenen Operations- 
befund bilden. Wesentlichen Anteil an der Bildung des Tumors nimmt 
aber die Verdickung der Gewebe im Allgemeinen; der Darmwand, des 
visceralen und parietalen Blattes des Peritoneums, ja selbst der Faacia 
transversa und in einzelnen Fällen sogar der Bauchmuskeln durch pbleg'- 
monöse, das hcisst zellige und ödemutöse Intiltrationen. Gerade die 
letztere ist dn häufiger Befund bei länger bestehendem Abscess, und man 
sieht dann gerade bei verhältnissmässig klemen Eilermaasen Peritoneum | 
und Fascift transversa in einer Dicke von 5 — S mm manchmal venlickt J 
und sulzig durchtränkt. Die^e eigen thümliche sulzige Durchträukungfl 



— 111 — 

kann bei der Durchtrennung der Muskeln and der Fascia transversa die 
Nähe und den Sitz des Eliters erkennen lassen. Endlich tragt zur Bil- 
dung ^es fühlbaren Tumors häufig viel das schürzenfömiig von vom 
über die Blinddarmg^end sich ausbreitende grosse Netz bei, das oft in 
hohem Masse verdickt wird (knochenförmige Platte, Roux). 

Frau Baronin von F., operirt 8. Mai 1903, 24 Jahre alt 
Vor 16 Jahren heftige acute Appendicitis , vor einem Jahr öftere 
Wiederkehr von kolikartigen Anfallen. Seit Anfang Mai wieder typischer 
Anfall, der sich verschlimmerte mit Auftreten eines Schüttelfrostes. 
Fieber, unregelmässigen Typus, Resistenz zunehmend. Es wnrde hier 
ein in alten Schwarten vorhandener Abscess vermutet, bei der Operation 
fand es sich aber, dass der Tamor aus dem Colon und Ooecum bestand, 
deren Wandung bretthart, hochgerötet erschien (chronische Typhlitis). 
Der Wurmfortsatz in der Furche des Ileums und Coecnms eiDgebettet, in 
der Mittte vollständig zu Grunde gegangen, am Ende aber noch ein 
Empyem. Das centrale Ende beinahe obliterirt. Schwierige Ent- 
fernung. Reposition der infiltrirten starrwandigen Darmteile. Heilang. 

Ansannnlungen serös -fibrinöser Exsudate in der Umgebung der 
Abscesse sind durchaus nicht selten und können durch ihre Anwesenheit 
den Tumor wesentlich vergrössem. Sie sind als Reaction der Serosa auf 
einen in der Nachbarschaft sich abspielenden Reiz aufzufassen. Unzweifel- 
haft haben diese Ebcsudate in der Umgebung des perityphlitischen Ab- 
soesses grosse Neigung zu plötzlichem eitrigen Zerfall. Klinisch erkenn- 
bar ist der Vorgang dadurch, dass nach dem Auftreten der die circum- 
scripte Perforationsperitonitis begleitenden Symptome und Nachlassen 
derselben in den nächsten Tagen plötzlich wieder erneutes Fieber und 
heftige Störungen des Allgemeinbefindens mit deutlicher Verbreiterung 
der Dämpfung in der Ileocöcalgegend sich bemerkbar machen. Bei der 
Operation findet man dann einen ungemein grossen, weit ausgebreiteten 
Abscess, der beinahe der ganzen vorher konstatirten Dämpfung ent- 
spricht, der aber dann noch deutlich verschiedene Abtheilungen er- 
kennen lässt 

Der Tumor kann vollständig fehlen. Er fehlt bei den stark infec- 
tiösen schweren Formen, bei denen es überhaupt nicht zu Abkapselungen 
kommt (Appendicitis gangraenosa). Das klinische Bild dieser Erkran- 
kungen ist characterisirt durch die Erscheinungen der fortschreitenden 
Peritonitis in Folge schwerster Infektion. Die enorme Schmerzhaf- 
tigkeit in der Ileocöcalgegend bei vorhandenem starken Meteorismus 
halte ich für die perforativ-gangranöse Form der Appendicitis für patho- 
gnomonisch. Leichte Oedeme der Bauchdecken, die sich bis zur Lenden- 
gegend hinauferstrecken, sind gleichfalls ein nicht seltener Befund und 
können die Diagnose unterstützen. Grerade dadurch, dass eine sehr früh- 
zeitige allgemeine und fortschreitende Betheiligung des Bauchfells eintritt, 



werden die anderen kllniachen Symptome bis auf die SchmerzhafUgl 
in der Ileocöcalgegend verwiscbt. Bei dem Meteorismus giebt weder 
Palpation noch die Percusaion irgend ein Resnltal. 

Wichtig bei der Percusaion ist es, auf das Verschwinden 6aie\ 
Leherdämpfung zu achten. A. Oppenheim hat schon 1902 durcV 
Versuche an Leichen und Lebenden den Beweis erbracht, dass das Ver- 
schwinden der Leberdämpfung in der Regel nicht durch eine Ueber* 
lagerung von Därmen, wie Gerhard und andere meinten, zu Stande 
kommt: das hinten unten fixirte Organ dreht sich vielmehr um seine 
Frontalachae nach oben und hinten, wenn der meteoristisch aufgeblähte 
Darm sich gegen den vorderen Leberrand erbebt. Dieses Phänomen der 
verschwindenden Leberdämpfung hat praktische Bedeutung. Ea kann 
als das erste Stadium eines sonst durch nichts anderes markierten Met«o- 
risnius, mithin ein Frühsymptom der vom Wurmfortsalz ausgehenden und 
fortschreitenden Peritonitis gelten. Das Phänomen ist unabhängig von 
der manchmal gleichzeitig beobachteten ■ schmerzhaften Contraclion der 
Bauchmuskeln und die Annahme unrichtig, dass durch besagte krampf- 
hafte Contraclion der Bauchdecken (defense musculaire) die dadurch 
siimmengedrängten meteoris tischen Därme die Leber heben. Sie ist 
unabhängig von der durch den Schmerz bedingten Refleserscheinua] 
Wichtig ist es, daran zu erinnern, dass auch Opium- "und starke 
phiumdosen im Stande sind, einen Dickdarmmeteorismus hervorzurufea. 
Jedenfalls ist die Ueberwachung der Leberdämpfung wichtig bei jeder 
acuten Appendicitia und das Verschwinden derselben bedeutungsvoll. 
£g sei hier noch bemerkt, dass das Verschwinden der Leb< 
dämpfung auch zur Differentialdiagnoee zwischen Dick- 
darm- und Dünndarmilens verwertet werden kann und auch 
ioi Verlauf der Appendicilis bei aufiretendem Illeus berücksichtigt werden 
muss. Unter normalen Verhältnissen wird nämlich die Kantung der 
Leber durch die AufvlShung des Colons bewirkt, und wie Oppenheim 
betont, genügt bereits eine massige Ausdehnung desselben, während 
eämmtliche geblähte Dünndarmschlingen nicht im Stande sind, dSe 
Leberdämpfung zum Verschwinden zu bringen. 

Für gewöhnlich wird man bei der acuten Appendicilis perforaliva w( 
eher eine deutliche Dämpfung und Resistenz in der Ileocöcalgegend wahr- 
nehmen müssen, als bei der Appendicitis simplcx, und gerade die deutliche 
Dämpfung und Resistenz ist ein wesentliches Hilfsmittel der Diagnosen- 
Stellung der umschriebenen Peritonitis. Die Dämpfung wird durch die Pc 
cussion auch meistens in der Nähe der Darmbein schau fei an dem klassisoh« 
Ort vorgefunden werden, von derDarmbeiuachaufel selber durch eine tymj 
nitischeZonegetrenntundebensodeutlicbahgrenzbarvonderLeberdämpfi 



I der 
gatu^H 

ufoB.^^P 






— 113 — 

von der sie wiederum durch eine freie tympanitische Zone sich unter- 
scheidet. Aber wenn die Abscesse nicht in loco classico liegen, wenn 
sie mehr nach dem kleinen Becken oder mehr oben nach der Leber zu 
sich erstrecken, so geht in dem letzteren Falle die Dämpfung oft in die 
Leberdämpfung über, und nach dem kleinen Becken zu ist eine scheinbar 
ausgedehnte, unbestimmte Dämpfung, die sich nach der Blase erstreckt, 
wahrzunehmen. Vor jeder Operation bei Frauen soll auch durch die 
Vaginaluntersuchung erst sichergestellt werden, ob die Adnexorgane frei 
sind, und der Tumor nicht mit ihnen zusammenhängt. Zu den Symptomen 
des Abscesses im Becken gehört auch die Verdrängung sogar Stenosirung 
des Rectums sowie eine Proctitis acuta. — Nun wird man in vielen 
Fällen erstaunt sein, dass die durch die Percussion und Palpation fest- 
gestellte ausgedehnte Resistenz oder Dämpfung nach Spaltung der Bauch- 
decken und Freilegung des Peritoneums mit einem Male sehr viel kleiner 
erscheint. Das ist eine häufig zur Beobachtung kommende Thatsache, 
die ihre Erklärung darin findet, dass durch leichte vorhandene Ver- 
klebungen in der Umgebung des Abscesses der Dämpfungsbezirk in der 
Umgebung des umschriebenen Abscesses grösser erscheint, so lange der- 
selbe vor der Operation vor dem Operateur liegt. In anderen Fällen mag 
die rechtsseitige Contraction der Bauchmuskeln vor der Narkose die 
Grenzen der Dämpfung grösser erscheinen lassen. 

Verhältnisse der Temperatur und des Pulses. 

Je höher Puls und Temperatur bei Beginn des Anfalles sind, 
um so ernster muss die Erkrankung uns erscheinen und die Bildung 
eines Abscesses oder die Entstehung von Gangrän des Wurmfortsatzes 
erwartet werden. Aber die von uns schon erwähnte Unsicher- 
heit der Symptome in den ersten 24 Stunden über den 
weiteren Verlauf der Entzündung macht sich besonders in 
dem Verhalten der Temperatur und des Pulses bemerkbar. 
Trotz hoher Temperatur, die an 40 heranreicht, und einer entsprechenden 
Pulszahl von 100 — 125, bei Kindern noch mehr, kann ein rascher Ab- 
fall erfolgen und in wenigen Tagen ein Anfall vorüber sein. Bei den 
einfach katarrhalischen acuten Anfällen pflegt allerdings ein so stürmi- 
scher Beginn selten zu sein und nur ausnahmsweise vorzukommen. Hier 
bleibt trotz des Erbrechens und der heftigen Schmerzen die Temperatur 
in den Grenzen zwischen 37 und 38 Grad, und der Puls überschreitet 
auch bei Kindern selten die Zahl 100. Hier handelt es sich um eine 
geringere Infection. Im Allgemeinen kann man daher bei jedem stürmi- 
schen Beginn in den ersten 24 Stunden, besonder-s bei hoher Temperatur 

Sonnenbürg, Perityphlitis, 5. Auflage, § 



P» 

bis 
ler. 



und hoher Pulszahl, an eine Perforation oder beginneüde Gangrän denke« 
Allerdings würden hier auch die allgemeinen Symptome zur Beurtheilnng 
der Bchwere dea Falles herangezogen werden müssen. Bleibt die Tem- 
peratur in den nächsten Tagen hoch und die Pulszahl desgleichen, so 
sind diese Verhältnisse noch immer günstiger, als nenn die Pulszahl 
hoch bleibt, und die Temperatur zu sinken anfängt. Letztere VerhältnisBe 
deuten entweder auf eine schnell fortschreitende Entzündung des Bauch- 
fells bin oder aber auf Zunahme der Toxin Wirkungen, beides bedenkliche 
Erscheinungen. Ob in der That die hohen Temperaturen beim Beginn 
des Anfalle auf eine Infection durch Streptokokken, die niedrigeren auf 
eine solche durch den Colibacilius hindeuten, wdl ich nach unseren] 
Beobachtungen nicht ohne Weiteres entscheiden. Das Fieb 
gemeinen ein ganz atypisches. Wie gesagt, bleibt es manchmal e 
Tage bestehen, um dann wieder abzufallen und normalen Moi^entempe- 
raturen Platz zu machen. In anderen Fällen aber bleibt das Fieber bis 
zu 8 Tagen bestehen, mit Erhebungen bis 39 oder gar 40 und darüber. 
Wieder in anderen Fällen besteht eine Febris continua mit leichten, sogmj 
mit ausgesprochenen Morgen rem issionen. Dann geht das Fieber gewöhn^ 
lieh lytisch zu Ende. Tritt ein rapider Nachschul) ein, so fällt dieser oftn 
mit einer Perforation und Entleerung des Eiters in den Darm zusammen 
Unmittelbar nach der Entleerung des Eiters tritt aber ein bedeutender 
Temperaturabfall ein. Neues Aufflackern der Temperatur kündigt neue 
Nachschübe an. Aber der umgekehrte Schluss ist nicht zutreffend: eine 
Temperaturerniedrigung schliesst nicht schwere Complicatiooen aus. 
Letzteres ist zu vermuthen aus der mit der Temperatur in Gegensats 
tretenden hohen Pulsfrequenz. 

Unterschiede zwischen Rectal temperaturen und Achseltemperatura 
können oft constatirt und als Symptome einer besonders nach d«9 
Becken zu sich ausbreitenden Peritonitis aufgefassi werden. Die Unter- 
schiede betragen manchmal 1- — l'/iGrad. Ich will nicht behaupten, das» 
sie sehr häufig vorhanden sind, noch weniger mag ich betonen, dass aus 
diesem Unterschiede ohne Weiteres ein Rückschluss auf die Art dar 
Ausbreitung der EnizQndung gestattet ist. In einigen Fällen hat die 
DifTerenz der Temperaturen mit der Entstehung eines Do uglasa bscesse«. 
Bedeutuug für uns gehabt, in anderen Fällen haben sich die Unter- 
schiede wieder ausgeglicheii , ohne dass es zu irgendwelchen klinischen 
Erscheinungen kam. Ich kann mir bisher über die Deutung dieser Ver- 
hältnisse ein Urtbeil jiicht erlauben. 

Der Puls kann proportional der Temperatur sein. Fehlt dieselb«^. 
so kann man wie erwähnt ohne Weiteres an eine fortachreiteade Perito- 
nitis denken. Ich halte den Puls fast für wichtiger als die Temperatur 



— 115 — 

Auch die Beschaffenheit des Pulses ist von grosser Wichtigkeit: je kleiner 
und weniger gespannt der Puls erscheint, um so bedenklicher der Zustand 
des Patienten. Man wird viel eher in Hinsicht auf eine hohe Pulsfre- 
quenz zum Messer greifen als in Hinsicht auf hohe Temperatur und 
immer wieder den Grundsatz aufstellen, dass ein hoher Puls und eine 
niedrige Temperatur sofortiges Eingreifen erfordert. 

Lcukocytose^). 

Wenn man nicht kritiklos jede acute Erkrankung von Appendicitis 
sofort operiren will, ohne Rücksicht auf die übrigen Symptome und die 
Störungen des Allgemeinbefindens, so wird man auch auf das Verhalten 
der I-.eukocyten so gut wie auf Temperatur und Puls Rücksicht nehmen 
müssen. Ich kann wohl sagen , dass wir in dem hohen oder niedrigen 
Stand der Leukocyten für die Behandlung wichtige Anhaltspunkte haben. 
Wir verzeichnen seit langem die gefundenen Zahlen in Form einer Kurve 
auf den Temperaturtabellen, so dass Letztere uns über dreierlei Auskunft 
geben: über die Leukocyten, die Temperatur und den Puls. Im Laufe 
der Zeit ist uns das Verhalten der Leukocyten ein unentbehrliches 
Hilfsmittel zur Stellung der Prognose und Therapie geworden. Wir 
verfügen bisher über ein Untersuchungsmaterial von ca. 600 Fällen von 
Appendicitis, so dass man schon trotz der Schwierigkeit des Gegenstandes 
ein ürtheil über den Werth der Methode bei Perityphlitis abgeben kann. 
Die Zahl der Leukocyten im Blute beträgt bei Gesunden und Er- 
wachsenen 6 — 10 000 pro cmm. Bei Kindern ist sie etwas höher. Unter 
Leukocytose versteht man jede vorübergehende Vermehrung der weissen 
Blutzellen über 10000. Die Leukocytenvermehrung ist uns der Ausdruck 
der Reaktion des Organismus auf die Infection ; sie bildet daher ein Symp- 
tom der Erkrankung. Ob die Bacterien selbst oder ihre Zcrfallsproducte 
eine chemotactische Einwirkung auf die weissen Blutzellen ausüben, ob 
andererseits die Leukocyten auf mechanischem oder auf chemischem Wege 
eine Zerstörung der Mikroorganismen herbeiführen, ist noch nicht ent- 
schieden, für unsere Zwecke auch von geringerem Belang. Der ver- 
schiedene Ausfall der Leukocytose wird bedingt durch die verschiedene 
Infectionsintensität und die wechselnde Reactionskraft des Organismus. 
Als dritter wichtiger Factor sind die örtlichen Bedingungen anzusehen, 
unter denen die Infection zur Einwirkung gelangt* Das Peritoneum ist 
ein ausserordentlich sensibles Gewebe. Es erklärt sich dadurch die 
grosse Empfindlichkeit der Reaction bei dieser Krankheit. 



1) Zum Theil Auszug aus der Arbeit meines Assistenten Dr. Federmann, Grenz- 
gebiete der Medizin und Chirurgie, 12. Band, Heft 2 und 3, 1903, 13. Band 
Heft 2, 1904. Münch. med. Wochensahrift 1904. Verhdlg. d. Chirurgencongress 1904 

8* 



— 116 — 

Die Verwerthung des Leukocytenbefimdes für diagnostisch-prognos- 
tische Zwecke ist nur möglich unter sorgfältiger Berücksichtigung der 
übrigen klinischen Symptome, der Temperatur, des Pulses und des Zeit- 
punktes der Erkrankung. Da die Leukocytose eine Bedeutung vor allem 
während des Fortschrittes der Krankheit besitzt^ so gewinnen wir ein be- 
sonders klares Bild der sich abspielenden Vorgänge durch die Beobach- 
tung der Leukocytenkurve. Einen grossen Werth besitzt die Leukocyten- 
untersuchung dann, wenn die übrigen Untersuchungsergebnisse zweifel- 
hafter Natur sind. 

Jede Perityphlitis, von der einfach katarrhalischen Form bis zur 
schweren Gangrän mit fortschreitender Peritonitis verläuft unter einer ty- 
pischen Leukocytencurve, deren Höhe und Länge von der Intensität der 
Infection abhängt. 

In dem Frühstadium der Erkrankung deutet eine Leukocytose über 
20000 auf eine intensive Infection. Diese hohe Leukocytose ist der 
Ausdruck der schweren Infection und besagt nichts für das Vorhan- 
densein von Eiter. Die hohe Leukocytose ist meist schon am ersten, 
stets aber am zweiten Tage vorhanden, bleibt in den nächsten 2 — 3 Ta- 
gen bestehen und steigt unter Umständen sogar noch höher an. Kommt 
der Process zur Begrenzung oder erreicht die Allgemeinvergiftung einen zu 
hohen Grad, so beginnt der Abfall der Leukocyten. Welche von den 
beiden Ursachen itn gegebenen Fall vorliegt, erkennen wir an der Ver- 
gleichung mit den übrigen klinischen Symptomen. Im ersten Fall werden 
diese parallel mit den Leukocyten zurückgehen, im zweiten Falle findet 
eine Kreuzung der Symptome statt: die übrigen Symptome werden schwerer, 
nur die Leukocytose geht herunter. Deshalb ist auch die Vergleichung 
mit den übrigen Symptomen nötig, um die Indication zum operativen 
Eingriff zu stellen. So lange wir bei hoher Leukocytose operiren, ist 
die Prognose trotz schwerer Symptome günstig; schwere Symptome und 
niedrige oder gar fehlende Leukocytose geben eine durchaus schlechte 
Prognose. Mittelwerte, zwischen 12000 und 20000, zu Beginn der Er- 
krankung sind schwer zu beurtheilen und können füglich für die Ent- 
scheidung ausser Acht gelassen werden. 

Je weiter der infectiöse Process fortschreitet, desto leichter wird 
im Allgemeinen die Beurtheilung der Leukocytenzahl werden, weil wir 
nunmehr nicht gezwungen sind, uns auf eine einmalige Untersuchung 
hin zu entscheiden, sondern das Steigen und Fallen der Leukocytose, 
also die Leukocytencurve, berücksichtigen können. Es kommen eine 
ganze Reihe von Combinationen zur Beobachtung, die ein derartiges 
diagnostisches Hilfsmittel erwünscht erscheinen lassen. So sind z. B. die 
Zählungen im Spätstadium für den Nachweis eines neu entstandenen Abs- 



I 



eeasöH im Baucbraum Läufig von grossem Werte. Sehr oft macht sich hier 
das Zunehmen der Leukocyten eher bemerkbar als Aenderungeu in der Tem- 
peratur, Aenderungen des Pulses, ja selbst solcher localer Natur. Der An- 
stieg der I*ukocytenkurve erfolgt manchmal 2i Stunden , ja zuweilen 
Tage früher, ehe die übrigen Symptnme eine Veränderung aufweisen. 

Eine Leukocyten zahl in der Höhe von 18 — 20 000 und darüber am 
Ende der ersten Woche spricht für ein eitriges Exsudat. Für die 
tief im Becken und unter der Leber befindlichen Abecesse oder Eiterun- 
gen bei sehr fettleibigen Individuen, bei denen die Palpation grosse Schwie- 
rigkeiten hat, besitzen wir in einem aolchen positiven Leukocytenbefund ein 
wer! h volles di^nostisches Symptom, 

Zur Illustrirung des eben Gesagten seien einige Curven aus unserem 
Material wiedergegeben , die typischen Verl aufs weisen entsprechen, ') 

Neymög, 21. J., operirt am 6. Krankheitatage. Heilung. 

Der Anfall begann plötzlich unter heftigen Ereeheinungen, In den 
nächsten Tagen Röckgang aller Symptome, nahezu bia zur Norm. Am 
5. Tage besteht ein htlhnerei grosser, wenig empfindlicher Tamor rechts 
nnten und 10 000 Leukocyten. In den nächsten 3fi Stunden erfolgt ein 
rapider Anstieg aller Symptome, Lenkocytenzabl 35 0U0. Die Operation 
ergiebt einen bfllinerci grossen Abscess, der looker begrenzt ist und einen 
Durchbrach in das retrocoecalo Gewehe aufweist. Der Wurmfortaatz iat 
gangränös und perforirt. Freie Kothsteine. Eesection. Tampon ade. 
Nach der Operalion rnaeher Abfall der Leukoeytenzalil. 

IDer Fall ist in mehrfacher Hinsicht von grossem Interesse. Erstens 
yfttd unsere obige Behauptung illustrirt, dass das Absinken der Leukocy- 
tenzohl und aller übrigen Symptome am 5. Tage das Zeicheu der be- 
ginnenden Begrenzung ist; denn am 5, Tage, bei einer Leukocyten zahl 
Von 10000, ist ein deutlicher Tumor fühlbar. Trotz normaler Leuko- 



Lmk. Zahl 


J«V. I'^U ■ ] 


40000 




^H^K^^KKm^^^^m 


35000 


43' ti;i> 


^BH^^Sn 


30000 


41« UV 


35000 


40° 120 


^^^ 


SO 000 


39" 100 


laooo 


38'^ SO 


10000 


37« 60 


Krankh 


üitstag 


-- ■ = ' « 1 M ^ ~ 



') In den Cur 



■ Temp., 



— IIS — 



cyteuzflhi besteht »ho ein grosser Eiterheid. Die diäuse Entzündung 
hat äich localisirt. Dieser Herd wuchs nun rapide und zwar in diesem 
Fall retroperitoneal , ao dnas schon 36 Stunden später bei einer Leuk< 
cytose von 36 000 eine grosse retrocoecale Phlegmone vorhanden 
Die übrigen Symptome lassen die Vorgänge nicht so deutlich erkennen; 

Diesem Falle eines rapiden Anstieges möchte ich eine Beobachtung 
einer mehr alimählicheu Progression gegenüberstellen. 

Feiler. Operirt aro 12. Krankheitstage. Heilung. Die Erkrankung 
begann mit hohem Fieber, Schutte Ifrost und mittelschweren Allgemein- 
erscheiaungen. Am 2. Tage ist der Leib im Oauneu gespanut, nirgends 
hochgradig achmeizhart. Am 7. Krankheilstage ist das hohe Fieber und 
die hohe Leukocytosc zur Norm abgesunken, rechts unten sitzt eis 
deutlicher Tumor. Allgeraeinea Wohlbefinden, In den nächsten G Tagen 
tritt ein deutliches Wachsen des Tumors zu Tage, die Leukocylose steigt 
auf 23 000, hat leicht remittierenden Typus. Üie Operation ergiebt 
einen 2 Esslöffel übelriechenden Kiters enthaltenden, gut begrenzten 
Abseess. Die Uühlc reicht tief ins kleine Becken. VVurmfortsatz 
nicht zu fllhlen. Nach der Operation allmählicher Abfall der Leu- 
kocytose. 



em 

ko^l 



Leuk.ZnhT.Temp.\ iWa 



I 



400VO 


-- 

42" 
~4l" 


n 


3Ö00Ü 


m 


30000 


\uo 


35000 


40' 


130 


HO 000 


39 •> 


WO 


15000 


.18' 


80 


10 000 


37'^ 


6'« 


5000 


36" 


Ijo 




JLULll 



Beginn mit schweren Erscheinungen, diffuser Entzündung und hoher 
Leukocytoae. Am 7. Tage iät die Norm von 10000 erreicht, ein deut- 
licher Abseess ist zur Ausbildung gekommen. Am 12. Tage bei einer Leuko- 
cytenzahl von 23 000 Erüffnung eines grossen Abacesses, Weder die 
Temperatur noch die Betastung Hessen das Wachsen deutlich erkennen. 

Als 3. Beispiel möchto ich folgenden Fall miüheilen, der am 4. Tage 
in einem desolaten Zustand eingeliefert wurde. 

Borchert, Paul, II Jahre. Erkrankt am 25. December 1903, anf- 
genommen am 2'J. December 1903, operirt am 7. Januar 1904, deiQ 
13. Krankheitstage, gebeilt entlassen aro I. Februar Iü04. 



104, dem^^ 



119 — 






Anamneae: Fat. erkrankic am 25. December plötzlich mit Erbrechen 
und Schmerzen rechts unten, es trat Durchfall hinzu, die Schmerzen 
nahmen zn. Bei der Aufnahme am 4. Krankheit8lag;e (29. December) 
zeigt der Pat. folgenden schwerkranken Geaammteindruck. Temperatur 
37,7, Puls llö, Leukncyten 13000, der Leib sehr stark aufge- 
trieben; überall empfindlicb. Nirgends eine denlliche Kesistenz oder 
Dämpfung. Per rectum nihil. 

Verlauf: Daa Bemerkenswerthe in den uSebsten Tagen ist der starke 
Durchfall. Der GeBammieindruck bessert sich langsam, aber deutlich. 
In der rechten oberen Bauchgegeud bildet sich allmählich eine deutliche 
Resistenz heraus, die mehr als der übrige Leib empfioillich erscheint, 
die aber niemals Dämpfung anfweist. Das Erbrechen aistirt völiig. Die 
Empfindlichkeit dea llbrigen Leibes geht allmählich zurück. Per rec- 
tum dauernd nihil. Temperatur und Leukocyten bleiben gleichfalls 
dauernd niedrig. 

ä. Januar Pat. klagt llber stärkere Schmerzen und wird unruhig. 
Lenkoeytose und Temperatur steigt. In den nächsten Tagen steigen 
anter grösserer Unruhe Leukocyten, Pula und Temperatur mehr an. 
Rechts unten deutliche über li an dtcll er grosse ReaiBtenz ohne DSinptung. 

Operation: 7. Januar. Flankenschnitt rechts. Eitra peritoneale 
Eröffnung einea grossen Äbacesses mit 500 ccm gashaltigen Eilers, der 
unter hohem Druck steht. (Daher keine Dämpfung). Mit dem Finger 
kommt man in eine flache Höhle, die weit nach dem Nabel zu reicht 
nnd ganz locker abgekapselt erscheint. Nach oben zu fühlt mau den 
Leberrand, nach unten Darm. Darüber hinweg zieht das Netz. Drainage. 
Wurmfortsatz nicht zu fühlen. 

Verlauf: Sehr starke Secrelion, Absceas entleert sich gut. Voll- 
kommene Heilung'. Pat. wird nach 4 Wochen zur Appendectomie wieder 
bestellt. 

Fig. 17. 



%eulcZahl\Te>np 


P„h ' 




1 


40 OOO 






3ÖiltiO\ 42' 


i''0 ^^^B^^^^B^^^^Hm^KIBS^BHI 


30000 


41" 


110 ^ 


^H^H^H^BI 


I^IBSIwlVj^H^I^H^HI 


25000 


40'^ 


120 E 


^^B^H^H^HI 


I^IHJItlEiiKl^H^MI^l! 


30000 


39" 


100 B 


I^BHUMUI 


■^■■üinBivtec^^HEI 


IS 000 
10000 


38» 


' "m B 


^^^^ 


iBSSSaa^a 


3000 
. Krankhet 


xtag 4 


i i 6 1 ; » , « 


!» \ 11 ^ 12 \ il \l-i 1-' Ttii 17 



\ 



Der Fall kam in hoffnungslosem Zustande bei einer Leukocyten zahl 
von 13 000 mit allgemeiner Peritonitis ins Krankenhaus. Der Patient 
überstand die Infeclion, die allgemeine Entzündung ging in eine tocali- 
ezrte über, ein Abscess kam zur Ausbildung, der nun seinerseits wuchs 



I 



uud schliesslich am 13. Tage erofinet wurde, Halle mao den Patienten 
am 4. Tage bei einer Leukocytose von 13000 operirt, so wäre der Erfolg i 

ein negativer gewesen '). 

Veränderungen des Harns. 

Serumalb um in und Nucleoalbumin fehlen meist, können aber bei 
höherem Fieber erscheinen. Dasselbe gilt von Aceton. Auch Äceteesig- 
säure wird zuweilen geftindeu. Ausser dem Fieber ist noch das Verhallen 
der Darmthätigkeit für die Acetonurie bestimmend. Indican kann oft nach- J 
gewiesen werden. Für sein Auftreten ist nicht die Heftigkeit und die Art ] 
der localen Entzündung massgebend, sondern das wechselnde Verbalteii J 
der Darmthätigkeit und dann die Verallgemeinf^rung des periton iti sehen J 
Proeesses, 

Als ein weiteres Symptom der acuten Appendlcilis treten manchmal 
Blasen beschwerden auf und Schwierigkeiten beim Urinlasaen. Ich 
habe dieses Symptom vorwiegend in den Fällen constatiren können, wo 
ein langer in das Becken hineiareichender und in der Nähe der Blase 
befindlicher Wurmfortsatz vorhanden war, in einigen Fällen durch die | 
Nachbarschaft des Exsudats. Ich vermuthe, dasa es sich in solchen ' 
Fällen um eine Form von Pericystilis handelt. Auf die weiteren Com- 
plicationen wie Perforation des Eiters In die Blase werden wir später zu 
sprechen kommen. 

Allgemeine Symptome der acuten Appendicitis. 

Die allgemeinen Symptome müssen sich nach der Schwere der Infection 
und der ganzen Erkrankung richten. Sie werden abhäugig sein 
den am Appendix und Peritoneum vorgehenden Veränderungen. Schon | 
allein die Schmerzen verursachen eine Unruhe des Patienten, einen ängst- 
lichen Gesichtsausdruck mit Liefliegenden Augen. Oft ist die Facies 
hippocratica vorhanden und deutet auf eine fortschreitende Peritonitis, 
Bei starker Aufblähung der Därme ist- die Atmung behindert; es kommen 
die schon oben erwähnten Verhältnisse der Temperatur, des Pulses hinzu, . 
das Erbrechen und alle die Anzeichen, wie sie bei peritonitischen Er- 
krankungen eich zeigen. In ganz foudroyant verlaufenden Fällen sehen < 
die Kranken livide aus, die Haut ist mit klebrigem Schweiss bedeckt, die 
Extremitäten sind kalt, bläulich marmorirt, oder aber die Patienten tie- 
finden sich in einer Art Euphorie und sind vollständig schmerzfrei und 
ahnen die Gefahr nicht, in der sie schweben. In manchen Fällen tritt 
Icterus auf. 

tleii fibfn cillerlen irbeileii. 



— 121 — 

Weiterer Verlauf des acuten Anfalles. 

Wir haben bisher die Symptome des acuten Anfalles geschildert, wie 
dieselben sich in den ersten 24—48 Stunden abspielen. Am Ende 
dieser Frist kann man sich schon eher ein Urtheil über den weiteren 
Verlauf bilden. 

Im günstigsten Falle fällt die Temperatur, die Puls- und Leukocyten- 
curve gleichmässig ab und erreicht etwa am fünften oder sechsten Tage die 
Norm. Die allgemeinen localen Erscheinungen gehen damit gleichmässig 
zurück, die Zunge wird feuchter, das Aussehen des Patienten bessert sich, 
der Meteorismus weicht, die locale Schmerzhaftigkeit hört auf, Winde gehen 
ab, die Resistenz wird kleiner, deutlicher. Hiermit beginnt die Recon- 
valescenzperiode. In einer anderen Gruppe von Fällen sind die 
Remissionen der Temperatur geringer, der Puls bleibt vorläufig noch 
in den Grenzen um 100 herum, aber die localen Erscheinungen zeigen 
eine Besserung, die Tympanie, die Schmerzhaftigkeit und die Resistenz, 
letztere noch sehr deutlich, aber weniger empfindlich, gehen allmählich 
zurück. Auch hier kann ohne weitere Complicationen ein Rückgang der 
entzündlichen Erscheinungen auftreten , wenn auch der Abfall des Fiebers 
und die Höhe des Pulses noch bis zu Ende der ersten Woche anhält. Man 
kann demnach ungefähr den Satz aufstellen, dass, wenn bis zum fünften, 
sechsten Tage alle entzündlichen Erscheinungen und auch die allgemeinen 
Störungen anfangen, nachzulassen, Aussicht vorhanden ist, dass der Anfall 
nach 8 bis 14 Tagen vollständig abgeklungen sein wird. Tritt aber ein 
gleichmässiges Zurückgehen der entzündlichen Erscheinungen und Störungen 
nicht ein, so sind Complicationen des Verlaufes zu erwarten (siehe die 
späteren Abschnitte S. 144). 

Anhang. 
Appendicitis bei Kindern. 

Die acute Appendicitis befällt das Kindesalter ungemein häufig 
Nach 8 (Bit er ergiebt sich ein 7 mal häufigeres Vorkommen der Appendix- 
erkrankungen beim Kinde als beim Erwachsenen, und dieses Zahlen- 
verhaltniss entspricht auch ungefähr unseren eigenen Erfahrungen. Die 
Ursache wird von den meisten Beobachtern 1. in dem bekannten Reich- 
thum des Wurmfortsatzes an lymphoidem Gewebe gesucht, der bereits 
von Sahli betönt wurde, und wie alle an lymphoidem Gewebe reichen 
Organe im Kindesalter leichter erkranken, so geschieht es wohl auch mit 
dem Wnrmfortsatze. Bei den Erwachsenen hängt das Seltenerwerden der 
Entzündungen mit den zweifellosen regressiven Veränderungen zusammen, 
welche das lymphoide Gewebe mit zunehmendem Alter allenthalben im 




i^ — I?2 - 

menschlichen OrganUmtbJ erfährt. 2. Die Vorläufer der aeoten Aofäll^ 
tUh enten Slöraogen am Appendix, werden gerade bei Kindern »m 
leicbtealen überaebeo, da onzweifelbaft udUü den im Kindesalter bo häufig 
rasch vorübergehenden Darnutöruogen unter der ärttUchen Disgaoee „Yer- 
dauungsitoningen" Uafeo, während sie in Wirklichkeit oft genug 
echten Appendiciüden entsprechen. Dazu kommt, dajä ungemein häufig 
die Appendicitiä bei Kiadern an einen acuten Darmkatarrh dich an- 
M:hlie«at, Daher kommt e», daea ea sich bei Kindern, die w^en Peri- 
typhlitis der Kran kenhaue behandlung zugeführt werden, meist nur schein- 
bar um erste Anfälle handelt, die dann anächeinend heftig dnsetzeti 
während in Wirklicbkeit zweifellos mehrere Attacken vorausgegangen sein 
müsBen. Bei der nachträglichen histologischen Untersuchung des mehr 
oder weniger hochgradige chronische Veränderungen zagenden Appendix 
kann der Beweis erbracht werden. Ja sogar die Perforation dea Appendix 
kann im Kindesalter manchmal so verlaufen, daas mau erst durch dos 
Reeiduum einea kleinen Abacesses oder eiuea in den Geweben liegenden 
Koibateins bei der Operation aufmerksam gemacht wird. Es ist auch 
unzweifelhaft, dasa im Kindeealter wegen der anatomischen Dlaposition 
die schweren Formen der Wurm fortsatzentzün dun gen, die perforative und 
die gangraenöae, begleitet von der fortschreitenden Peritonitis, ungleich 
häufiger vorkommen als bei Erwachsenen. Ich kann aus meinem Kinder- 
roalerial wohl berechnen, dass in über der Hälfte der zur Operation 
kommenden Fälle von Perityphlitis des Kindesalters die fortschreitende 
Bntzündung angetroffen wird, während dieselbe sich beim Erwachsenen 
nur in etwa '/j aller Fälle vorfindet. Man sieht diese Fälle nicht allein 
in der Krankenhauabehandlung, sondern gewinnt diese Ueberzeugung 
ebenso aus den Beobachtungen in der Privatprasis. Es spielt bei Kin- 
dern vielleicht auch eine grössere Empfindlichkeit des Peritoneums eine 
Rolle. Selbstverständlich kommt auch hier ebenso wie bei den Er- 
wachsenen die höhere Virulenz der jeweiligen Infectionsträger hinzu. 
Wenn wir femer berücksichtigen, daaa die pathogene Kraft der Bacterieu 
nicht allein durch ihre absolute Virulenz, sondern auch, und vielleicht 
in erster Linie, durch die Widersinn dafähigkeit dea Organismus, der G>e- 
webe gegen sie bedingt wird, so haben wir auf Grund moderner 
Forschungsresullate allen Grund, anzunehmen, dass der kindliche Orga- 
nismus viel ärmer iat an SchutzstoSen gegen die Infectionserreger und 
ihre Producta als der des Erwachsenen, dass also seine W Id erstand afähig- 
keit im Allgemeinen geringer, demnach die relative Virulenz aller In- 
fectionserreger für das Kind eine viel grössere ist. Wir dürfen vielleicht 
auf diese grössere relative Virulenz der Infectionsträger da» Ueberwiegeu 
der nchweren Formen im. Kindeunlter zurückführen. 



I 



— 123 — 

Es ist daher erklärlich, dass die Chirurgen gerade bei Kindern 
jetzt allenthalben der Frühoperation, das heisst der Operation in den 
ersten 24 oder 48 Stunden das Wort reden. 



Beispiele. 

Acute Anfälle, deren Symptome eine Operation in den ersten 

24 bis 48 Stunden erforderten. 
L Crangrrän($ses Empyem« Keine Peritonitis. 

Krebs, Bertha, 54 Jahre alt, aufgenommen 22. ApriL 1903, ope- 
rirt am 8. Mai, etwa 8 Stunden nach Beginn der Erkran- 
kung, geheilt entlassen am 20. Juni 

Anamnese: Die Patientin befindet sich wegen eines Lungenspitzen- 
katarrhs auf der inneren Abtheilung. Früher niemals darmleidend ge- 
wesen. Sehr hysterisch. 

8. Mai 8 Uhr Morgens: Sehr heftige Schmerzen im ganzen 
Unterleib, besonders rechts unten. Temperatur 38, Puls 84. Guter All- 
gemeineindruck. — Leib weich. 

12 Uhr Mittags: Sehr starker Schüttelfrost, Temperatur 38, 
Puls 132, klein. Einmaliges Erbrechen, ausserordentliche Schmerzhaf- 
tigkeit in der lleoceocalgegend bei Berührung. 

SUhrMittags: Patientin verfällt sichtlich, Zunge völlig trocken. Puls 
156, Temperatur 38,2, Leukocyten 30 0. Mehrmaliges Erbrechen. 

Patientin wird nun zwecks Operation auf die chirurgische Abtheilnng 
verlegt: 

3V2 Uhr Operation: Typischer Flankenschnitt. Muskulatur und 
Peritoneum nicht ödematös. Einige Tropfen serösen Exsudats 
in der Bauchhöhle. Darmschlingen leicht injicirt. Nirgends Ver- 
klebungeo. Der Wurmfortsatz liegt völlig frei auf den lliacalgefassen. 
Abtragung in typischer Weise. Doppelte Uebernähung des Stumpfes. 
Schürzentamponade. Der Wurmfortsatz daumendick geschwollen, 7 cm 
lang, fiuctuirend, nirgends perforirt. In den distalen 5 cm schmutziggrün- 
schwarzblau verfärbt, zum Theil mit Fibrin bedeckt. Im Lumen befindet 
sich unter starker Spannung reichlich rothbraun-jaachiger Eiter, stark 
stinkend. 1 cm vom Ansatz eine Stenose, dahinter bis zur Kuppe ist die 
Schleimhaut total gangränös, zum Theil durchscheinend. Kein Eothstein. 
Das Mesenteriolum mit necrotischen Herden durchsetzt. 

Verl auf: Völlig glatt, mit guter Narbe am 6. Juni geheilt entlassen. 

n. Appendieitis gangraenosa. Fortsclureitende Peritonitis. Seeundärer Abseess 

im Donglas. Heilung. 

Dickhoff, Rudolf, 34 Jahre alt, aufgenommen am 29. August 
1902, operirt am selben Tage, 8 Stunden nach Beginn der Peri- 
tonitis. Geheilt entlassen am 25. October 1902. 

Anamnese: Früher stets gesund. Seit 2 Tagen Schmerzen im 
Leibe ohne Fieber, p^estern Mittag legte sich Patient zu Bett. Heuto 



£rQh 10 IThr plötzlich starkes Erbreche», Schattelfrosi imd hochgradigste 
Schmerzen r. u., die seitdem dauernd zuu&hmen. Letzter Stuhlgang 
heule &Dh. 

Status (mittags I Uhr): Schwerer Kranltheilseindruck, groaae 
Cnrnhe, leichter Icterus. Temperatur 37. Puls 100. Lenfeo- 
cyten 12000, Leib gespannt, rechts uiilen, dem Mc Burneyschen 
Punkte entsprechend, eine ftlnfmarkslück grosse, höchst empfindlicbe 
Stelle, der Übrige Leib wenig empüadlich. 

Bis zum Abend 7 Uhr steigt die Temperatur auf 38,6, die Sbrigen 
Erscheinungen nehmen an Intensität zu. Deshalb 

Operation (abends 7 Uhr): Typisclier Flankenschnitt rechts. 
Banchdecken stark aulzig durchtränkt. Nach Eröffnung des Peri- 
toneums entleeren sich ca. 3 Easlöffel trflb- eiteriger FlOasigkeit. Ab- 
kapselung nirgends sichtbar. Darmscblingen ohne fibrinösen Belag. Der 
Wurmfortsatz liegt nach oben und median zu. Typische Abtragnng und 
Uebemähnng. Schilrzentamponade. Der Wurmfortsatz 10 cm lang, 
total bis zum Coecum hin gangränös. Im Lumen Eiter und ein Koth- 
Btein. Keine deutliche Perforation. 

Verlauf: In den nächsten Tagen nach der Operation bedeutende 
Besserung, Temperatur fallt ab, der Icterus wird jedoch stSrker. Vom 
7. Tage an nach dem Eingriffe tritt unregel massiges Fieber anf bis zu- 
30». Die Lenkocytenzahl steigt von 10000 allmählich bis zu 26000 
am 20. Tage nach der Operation. Schmerzen in der linken Bancliseite 
treten auf. Aui 17. September wird durch einen linken FUnkenschnift 
ein grosser intraperitonealer abgekapaeller Abecess, der in den Donglas 
binabreicht, eröffnet, Entleerung reichlich stinkenden Eiters. 

Vorher: Temperatur 39". Leukucylen 20000. 

Nach dem Eingriff glatte Heilung. Patient wird am 24. Ociober mit 
guten Narben geheilt entlassen. 

UI. Empyeai: Gsn^rSn der Sebleinihnnt. Heilung. 

Lutomsky, Konstantin, 33 Jahre all, anfgenommen 19. III., | 
operirt am gleichen Tage, 12 Stunden nach Beginn des 2. Anfalles, ge- J 
bellt entlassen 12. 4. 1002. 

Anamnese: 1. Anfall vor 14 Tagen, einmal hettlge Schmerzen- J 
in der rechten Seite ohne weitere Begleiterscheinungen. 

2. Anfall. Die jetzige Erkrankung begann gestern Abend mm | 
','2 10 I'hr mit heftigen Leibschmerzen, die erst in der Mittellinie anf- 
tratcD, in der Nacht aber zunahmen und sich mehr und mehr anf die | 
Ileocoecalgegend coneentrirten. Patient ging heute früh noch zur Arbeit, 
mUBste aber wegen erneuter heftiger Schmerzen die Arbeit aufgeben und ] 
wurde ins Krankenhaus geschafft. Letzter Stuhlgang gestern Mittag. 1 
Keine Blasenbesch werden. In der Nacht einmaliges Erbrechen. 

Befund: Kräftiger Mann, Temperatur 37,ä. Puls iiS, Leukocy- 
tase 19000. Leib etwas aufgetrieben. In der Ileocoecalgegend fOnf- 
markstUck grosse Resistenz, die höchst druckempfindlich ist. Stark ver- 
mehrte Bauch decken Spannung. Die Schmerzhsftigleit zieht nach der 
Leber bin. Mit Rttckalcht auf die Heftigkeit der subjectiven Ersohei- 
noDgen sofortige 



I 



— 125 — 

Operation: unter Annahme eines Empyems des W. F. Typischer 
Schnitt. Moscnlator etwas oedematös. Eröffnung des Peritoneums an der 
Umschlagsfalte. Vor liegt Coecum. Es fliessen ein paar Tropfen seröser 
Flüssigkeit aus. Unter dem Coecum liegt nach oben zu geknickt und 
mit dem peripheren Ende umgeschlagen der Wurmfortsatz. Er ist gegen 
8 cm lang, in toto verdickt am peripheren Ende erweitert und mit Eiter 
erftlllt. Beginnende Gangrän der Schleimhaut. Die Serosa ist mit Fibrin 
bedeckt, das Mesenteriolum contrahirt, entzündet, verdickt. Leichte Ver- 
wachsungen am W. F. werden gelöst. Abbinden des Mesenteriolums, 
Abbinden des W. F. Doppelte üebemähung. Naht und Tampon. 

Verlauf: VölHg glatt. 

IT. Appendicitis gangraenosa ineipiens. Keine Peritonitis. Heilung. 

B. 6 Jahre, operirt Graudenz 2. III. 1903. 24 Stunden nach Beginn 
des Anfalls wegen Verdacht auf Gangrän T. 39, P. 140, locale enorme 
Schmerzhaftigkeit. Sonst Leib weich, eindrückbar; schwerkranker Ein- 
druck, starke Anzeichen heftiger Infection. W. F. hochroth. Schleim- 
haut total gangränös. Peritoneum frei. Geheilt. 

y. Gangränöses Empyem. Keine Peritonitis. Heilung. 

Brewke, Margarete, 24 Jahre alt, aufgenommen am 29. Mai 1903. 
operirt am 30. Mai, 2 4 Stunden nach Beginn des Anfalles, ge- 
heilt entlassen am 4. Juli. 

Anamnese: Früher angeblich gesund. Am 29. Mai früh 10 Uhr 
erkrankte die Patientin plötzlich mit heftigen Schmerzen rechts unten, 
die bis heute dauernd zunahmen. Um 2 Uhr Mittags Erbrechen, das sich 
his heute früh 5 — 6 Mal wiederholte. Kein Frost. 

Status 30. Mai früh: Kräftiges Mädchen. Schwerkranker Eindruck. 
Temperatur 37,6, Puls 88, gut, Leukocyten 20000. Unterleib ge- 
spannt, in der rechten Hälfte sehr empfindlich, besonders an einer fünf- 
markstückgrossen Stelle. Rechts Flankenschmerz, Linke Seite frei — 
Keine Resistenz nachzuweisen. 

Operation (30. Mai früh 10 Uhr): Typischer Flankenschnitt. 
Nach Eröffnung des Peritoneums quellen einige Tropfen einer serösen 
Flüssigkeit hervor. Darmschlingen völlig frei, nirgends Verklebungen 
irgend welcher Art. Der Wurmfortsatz liegt auf der Beckenschaufel 
nach aussen zu, wird leicht luxirt und abgetragen. Typische Ueber- 
nähung und Schürzentamponade. Der Wurmfortsatz, 10 cm lang, 
fingerdick geschwollen, prall gespannt, zum Theil fluctuirend. Zum 
grössten Theil mit Fibrin bedeckt, darunter schwärzlich-grün verfärbt. 
Die Serosa stark verdünnt. Keine Perforation. Im Lumen dicker Eiter. 

Verlauf glatt. Am 4. Juli geheilt entlassen. 

TL Appendicitis gangraenosa. Heilung. 

V. Z., 24 Stunden nach dem Anfall operirt in Zinnowiiz. 

Hier hatte sich die acute Appendicitis im Anschluss an eine acute 
Gastroenteritis angeschlossen. Dauer 48 Stunden. Befund vor der Opera- 
tion: Schwerkranker Eindruck. Temperatur bis zu 39o. Puls 120 — 140. 
Leib aufgetrieben. 



126 



Operation wegen vermutlilicher »cuter Gangrän. Kein ExsndsfJ 
in der Banchliöhlc. WurmfortaatE in das kleine Becken ragend, Eti Vtm 

Kangränöe, wird entfernt. Därme, auch Dünndarmsclilingen leicht injicirt..! 
Wunde wird ganz geschlossen. 

Verlanf gestört durch Wiederaiiftreteii der GastriienteritU. HeilungJ 
nach 4 Wochen vollatändig. 

Tn. Appendieltls ^augraeoosa mit fortschreitender Perltonltte. Uellung'. 

Anders, 35 Jahre, aufgenommen 9. Jnni, operirt nach 36 Stun- 
den am i0./6.. geheilt entlaaBen 29. .luli 1904. 

Anamnese: Früher atets gesund. Vor einigen Wochen Fractur des 
linken Unterschenkels. 

I. Anfall: In der Nacht vom 8. zum 9. VI. 1904 bekam Patient 
heftige Leibschmerzen rechts, Schllttelfroat, Fieber, kein Erbrechen. Am 
nächsten Tage Schmerzen llber den ganzen Leib, rechls am atärksteii, 

Status: Blass aussehender Mann, schwacher Icierue, Pulm. o. B. 
l'eber Mitralis und Pulmimalis Geräusch beim ersten Ton. HerKtöne 
sehr leise und in langen Intervallen. Puls 60, Leukocyten 30 000, Tem- 
peratur 39,6, Urin frei. Abdomen massig aufgetrieben, sehr schmerzhaft 
auf Druck, besondere in der Ileocoecal gegen d, Dämpfung undeutlich, 

10. VL Pula 45, Temperatur 36,0," Leukocyten 36000, Schmerzhaf- 
ligkeit hat nicht nachgelassen. 

Operation: Rechter Flankenschnitt. Nach Eröffnung des Peri- 
toneams liegen gelbe Membranen vor, hinter denen aofort freies mit Koth 
gemischtes Exsudat hervorquillt. Das Coceum liegt dahinter vor niid ist 
zum Theil mit gelben Pjhrinhänten belegt. Der W. F. liegt an der 
Unterseite des Coceuras fest verwaehaen. Die Lösung iat aehr sohwierig, 
dabei reisat der W. F. an der Abgangsatelle des Coecums, wo sich eine 
breite Perforation aÖffnung befindet, ab. Davor liegt ein kira eh kern gross er 
Kothstein. Tiefe feate Schllrzentamponade nacli der Abgangaafelle dea 
Wurmfortsatzes. 

W. F. 6 cm lang. Meaenteriolum stark verdickt. W. F. bleiBtift- 
dick, im oberen Theile noch 3 weiche Kolhsteine. Sehleimhant hlasa, 
zum Theil haemorrliagiach. An der Äbrisastelle eine Perforationaöffnung 
mit necrotiachem Rande. 

Verlauf: Thrombose der r. V. feraoralis. 



Schulze, Otto, 13 Jahre, aufgenommen 31. Aug., operin 31. Aug. 

Anamneae: Patient erkrankte .^m 30. früh mit Erbrechen, Leib- 
schmerzen. Am 31. frllh Erbrechen, Schüttelfrost, die Leibschmerzen 
nehmen zu. Letzter Stuhl Monlag. 

Status: Temperatur 39,6, Puls 120, Leukocyten SöOO. Trockene 
Zunge, fahles Aussclien. Der Unterleib kahnfürmig eingezogen, bretthart, 
nirgends Resiatenz oder Dämpfung, Rechts unten hochgradig schmerz- 
haft, links gleichfalls, beide Flanken emplindlich. Leberdämpfung normal, 

Operation, aofort 5 Uhr Nachmittags. Flankenschniit rechts. 
Starkes Oedem. Nach Eröltnung des Peritoneums strömt ausaerordentlicli 



I 



— 127 — 

reichliches, eitriges, stinkendes Exsudat zwischen den freischwimmenden 
Darmschlingen vor. Nirgends eine Spur Verkiebung oder Fibrin- 
belag. Der W. F. liegt frei auf der Beckenschaufel nach der Mitte zu; 
ist 5 om lang, über daumendick, im Innern total nekrotisch und ein 
pflanmengrosser Kothstefn. Die Serosa darüber perforirt und circum- 
script gangränös. Typische Abtragung des W. F. und sorgfältige üeber- 
nähong. Mesenteriolum gleichfalls necrotisch. Zur besseren Desinfection 
auch Flankenschnitt links. Zwischen den Darmschlingen dringt 
trüb-eitriges Exsudat vor. Darmschlingen nicht verklebt oder mit Fibrin 
belegt. Ausspülung der ganzen Bauchhöhle mit Kochsalzlösung, Ein- 
giessen von circa 50 — 60 ccm Pferdeserum in die freie Bauchhöhle. Es 
entleeren sich von beiden Seiten circa 200 — 400 ccm Eiter. Doppel- 
seitige Schürzentamponade 

Verlauf: Mehrfache (im Ganzen 200 ccm) subcutane Injection von 
sterilisirtem Pferdeserum in den nächsten Tagen. Glatte Heilung i). 

IX. Appendieitis gangraenosa mit fortschreitender Peritonitis. Niedrige 

Lenkocytosc. Tod. 

Bergemann,Earl, 36 Jahre alt, aufgenommen 15./6., operirt am selben 
Tage. 42 Stunden nach Beginn der Erkrankung, gestorben 19. Juni 1904. 

Anamnese: Gestern Morgen hatte Patient plötzlich ISchmerzen im 
ganzen Unterleibe, besonders rechts unten, heute früh Schüttelfrost und 
Erbrechen. Schmerzen heftiger und auch links. Heute Nachmittag Auf- 
nahme ins Krankenhaus. 

Status: Fahle Gesichtsfarbe, leichte Unruhe, Temperatur 4ü,2, Puls 
120, Leukocyten 10000. Leib etwas meteoristisch. Rechts unten ge- 
ringe Schallabschwächung, keine Resistenz. Bauchdecken stark gespannt^ 
Druckempfindlichkeit am stärksten dicht an der Beckenschaufel. 

Operation: sofort. Durchtrennung der Muskel schichten. Pro- 
peritoneales Gewebe stark serös durchtränkt. Nach Eröffnung des Perito- 
neums fühlt man den W. F. dicht an der Beckenschaufel liegend, er 
zieht von der Hinterseite des Coecums nach unten und dann bogenför- 
mig nach aussen. Reichliches eitriges Exsudat kommt besonders vom Dou- 
glas her. Nach oben zu fibrinöse Auflagerungen nach innen und unten 
alles frei. Von allen Seiten freier Eiter. W. F. in grösster Ausdehnung 
gangränös, nirgends Perforation. Schürzentamponade. 

19./6. Exitus an fortschreitender Peritonitis. 

X. Appendieitis gangraenosa mit fortsehreitender Peritonitis. Behandlung 

mit Pferdesernm. Heilung. 

Kiessler, Georg, 17 Jahre alt, aufgenommen 26./6., operirt 26./6., 
nach 36 Stunden, geheilt entlassen 28./7. 1904. 

Anamnese: Früher gesund. Patient erkrankte am 25./6. 1904 
mit Halsschmerzen. 24 Stunden später, in der Nacht vom 24 — 25./6. 
traten heftige Leibschmerzen auf, erst im ganzen Leibe, später in der 
rechten Seite* Erbrechen, Frost. 

Status: Massig krank aussehender Junge. Temperatur 39,1, Puls 



1) Einziger Fall, der trotz niedriger Leukocytenzahl und sehr schwerem Gesammtein- 
druek genesen ist. Wegen der Behandlung mit Pferdeserum vgl. V. Abschnitt: Therapie. 



— 128 — 

lOSy LenkocyteD 19 000. Leib missig aufgetrieben, jetloch nemlich 
fitark gespannt, besonders rechts nnten. Linke Banchseite gleichfalls 
empfindlich, kein Flankenschmerz. 

Operation: sofort Starkes Oedem des Peritoneoms. Von allen 
Seiten strömt seröses, dickes, trfibes Exsndat hervor. Dfinndarmsehlingen 
drängen sich gleichfalls vor. W. F. liegt sehr fest Terwachsen, doppelt 
geknickt auf der Beckensdiaofel nach dem kleinen Becken zu. Beim 
Eingang mit dem Finger nnd dem Versnch der Lösong quellen 2 bis 
3 Esslöffel jauchigen stinkenden Eiters aus der Tiefe. Eine Abkj^[>8elung 
nicht zu fühlen. Die Lösung des W. F. ist ausserordentlich schwierig. 
Scbflrzentamponade. W. F. ist 7 cmlang, im ersten Drittel Ist die Serosa 
stark geröthet, gegen das distale Ende zu liegen verschiedene Gangrän- 
steilen, von denen die eine linsengross perforirt ist. Die Schleimhaut ist nahe- 
zu in toto gangränös, theilweise stark hämorrhagisch, der Inhalt ist eitriger 
Schleim und 2 Eothsteine. Auch das Mesenteriolum ist theilweise neerotisch. 

Verlauf: 27/6. Morgens. Das Aussehen des Patienten ist stark 
verändert. Er sieht fahlgelb ans. Temperatur 37,0, Puls 100, Leukocy- 
ten 3000. Leib aufgetrieben, überall empfindlich, bretthart. Blähungen 
gehen ab. Kein Erbrechen, starkes DurstgeflElhl. Nachmittag 6 Uhr 
Temperatur 37,5, Puls 132, Lenkocyten 16000. Patient ist unruhig, hat 
angeblich keine Schmerzen (Euphorie), delirirt 20 ccm Pferdeserum 
Injectlon. Kein Erbrechen. Der Fall wird als verloren angesehen. 

28./6. In der Nacht sehr unruhig. Temperatur 36,6, Lenkocyten 
9 000, Puls SS. Allgemeinbefinden erbeblich besser. Leib etwas einge- 
fallen. Blähungen gehen ab. Kein Erbrechen. 

29./6. Allgemeinbefinden gut. Besserung schreitet fort Weiterer 
Verlauf glatt. 

2S./7. 1904. Geheilt entlassen. 

XL Appendieltin gaugraenosa nach Trauma mit fortschreitender septi- 
scher Peritonitis. Tod. 

Frau Engel, 25 Jahre alt, aufgenommen 23. Febr., operirt 24. Febr., 
^^estorben 2S. Febr. 1903. 

Anamnese: Bisher stets gesund. Einmal geboren. Am 2 1 ./2. er- 
krankte sie im Anscliluss an einen Fall vom Fenster auf eine Nähma- 
schine mit heftigen Schmerzen in der rechten Unterbauchgegend, die bis 
heute anhielten. Anhaltendes Erbrechen und hohes Fieber. 

Status: Gut genährte Frau mit sehr kleinem Puls, 12S Schläge, 
Temperatur 39,5, Lenkocyten 25 000. Leib leicht aufgetrieben, etwas 
gespannt. Die reclite Unterbauchgegend kaum gedämpft, sehr empfind- 
lich. Die Kmpfindliclikeit geht bis zur Mittellinie. Flau kenschmerz. 

24. Febr. Temperatur 38. Befinden unverändert. Wegen Annahme 
einer Gangrän des W. F. u. 15 000 L. 

Operation: Peritoneum wölbt sich als schmutzig graue Blase an 
der Umschlagsfalte vor. Es entleeren sich einige Esslöffel voll trüb- 
seröser übelriechender Flüssigkeit. Fibrinös belegter Darm liegt vor. 
Leichte Verklebungen. Der Wurmfortsatz verläuft nach unten und median 
zu. Er wird abgetragen, dor Stumpf ttbernüht. Schürzentamponado. 



— 129 — 

W. F. ist 8 cm lang, stark verdickt , mit TerschiedeneD gaDgrinösen 
Stellen bedeckt, die Gangrin greift auf das Mesenteriolnm über. 

25. Febr. Mdirfacbea Erbrechen im Lanfe des Tages. Pals besser. 
Das Erbrechen wird in den nächsten Tagen hiofiger nnd hält troti 
Magenspülung an, Wunde schmierig belegt , Blähungen gehen nicht ab. 
Trotz Q^endfirang Exitus. 

Bei der Section findet sich kaum Exsudat in der Bauchhöhle. Darm- 
Bchlingen trocken ohne Belag, doch injicirt. Allgemeine Sepsis. 

Acute AnlRlIe mit fortachreitender Peritonitis, später als nach 

48 Standen operirt. 

XII. Appendieitis perforaÜTa mit fortschreiteader Peritonitis am 4. Tage 

•perirt. Sekmndärer Doagiasabscess. Heilang. 

Schönfeldt, Hedwig^ 12 Jahre alt, aufgenommen am 15. April 
1903, operirt am selben Tage, 3V2 Tage nach Beginn der Er- 
kranknngy geheilt entlassen am 6. Juni 1903. 

Anamnese: Frflher stets gesund. Am 12. April Vormittags plötz- 
lich mit Erbrechen und heftigen Schmerzen rechts unten erkrankt. In 
den ersten beiden Tagen heftiges Erbrechen, dann hört es auf. Die 
Schmerzen nahmen bis heute dauernd zu, die Nächte stets schlaflos, seit 
4 Tagen weder Stuhl noch Winde. 

Status 15. April Abends: Schwerer Ejankheitseindruck. Tem- 
peratur 38,1, Puls 120, Leukocyten 28000. Zunge trocken, grosse 
Unruhe. Leib etwas aufgetrieben, ausserordentlich gespannt, überall em- 
])findlich, am meisten auf der rechten Seite, rechts Flankenscbmerz, nir- 
gends Resistenz oder Dämpfung. Per rectum keine Vorwölbung zu ftihlen, 
jedoch grosse Empfindlichkeit nach rechts hin. Auf Einlauf erfolgt kein 
Stuhlgang. 

Operation (15. April Abends): properitoneales Gewebe stark öde- 
matös. Nach Eröffiiung des Peritoneums dringt eine reichliche Menge trtlb- 
eiteriger Flflssigkeit hervor, zuammen mit stark geblähten und injicirten 
Darmschlingen. Nirgends Verklebungen. Der Wurmfortsatz liegt nach 
dem kleinen Becken zu, auf der Beckenschaufel etwas adhärent. Beim 
Lösen desselben ftlhlt man einige zarte Verklebungen. Bei der Luxa- 
tion des Wurmfortsatzes entleert sich aus der Tiefe reichlich jauchiger 
Eiter. Resection des Wurmfortsatzes mit Darmquetsche und Uebemähen 
des Stumpfes. Schflrzentamponade. Wurmfortsatz 6 cm laug, zeigt 
an der Kuppe eine markstflckgrosse Gangrän mit einer stecknadelkopf- 
grossen Perforation, aus der brauner Eiter hervorquillt; im Lumen 
fohlt man einen bohnengrossen Kothstein. 

Nach Eröffnung einer Eitersenkung im Becken glatte Heilung. 

XHL Appendicitls gangraenosa mit diffoser eitriger Peritonitis« 2 Fianken- 

schnitte. Hellung. Am 4 Tage operirt. 

Grüneberg, Carl, 16 Jahre alt, aufgenommen am 13. April 1903, 
operirt am selben Tage, 31/2 Tage nach dem Beginne der Er- 
krankung, geheilt entlassen am 18. Mai 1903. 

Sonnenbnrg, Porityphlitis. 5. Auflage. 9 



AnamneEe: A.ta ll). April Morgens erkrankte der Patient plötzlicli 
mit heftigen Leibschmerzen, Erbrechen und leichtem Frost. Schmerzen 
und Erbrechen nahmen seither dauernd zu. Seit 4 Tagen kein Stuhlgang, 
keine Winde. 

Status: Massig gut aussehender Jimge, Temperatur 37,6, 
Puls 108, Leukocyten 24000. Athmuug sehr beachlenuigt. Der 
Leib stark aufgetrieben, Überall hochgradig emplindlich. Beiderseits 
Flankenaehmerz. Nirgends Resistenz oder Dämpfung, Zunge grau bi- 
legt, trocken. 

Operation (13. April Abends); Reichlich eiterige F Kl ssigkeit flieast 
aus der Bauchhöhle. Nirgends Verklebungen. Die Darmschlingen mit 
Fibrin bedeckt, zum Theil schwimmen Fibrinflocken in der Flflssigkeit. 
Der Wurmfortsatz liegt auf der Beckenschanfel frei flottirend. Typische 
Besection und Üebernähuug, SchUrzentamponade. Flankenschnitt 
links. Dasselbe Bild wie rechts, gleichfalls Schürzentaraponade. Der 
Wurmfortsatz, 6 cm lang, grösaentheils gangränös, enthält Eiter und 
einen Kothstein. 

Verlauf völlig glatt, Leukocytenzaht sinkt am nächsten Tage auf 
10000 ab. Patient wird am 18. Mai mit guten Narben geheilt entlassen. 

a mit ailg-emeiner Peritonitis. Niedri«'e Lenko- 
n 4. Tag:e. i Flank ensclinitte. Tod. 

Glanz, Hermann, 16 .lalire alt, aufgenommen am S.April 1902, 
operiit am selben Tage, 3'/2 Tage nach Beginn der Erkran- 
kung, geBtorben am 12. Apil 1903, 

Anamnese: Angeblich leichter Anfall im März d. .1. Die jetzige 
Erkrankung begann plötzlich ohne Äussere Ursache vor 3'/'j Tagen (am 
5. April Vormittags) mit Schmerzen in der Magengegend. Am nächsten 
Tage Erbrechen, die Schmerzen zogen sich nach rechts unten zusammen. 
Dieselben wurden immer heftiger, bis schliesslich gestern früh ein Schüttel- 
frost auftrat. Täglich Erbrechen. Täglich Stuhlgang. 

Status am 8. April Abends 8 Uhr: Schwerkranker Eindruck, apa- 
thisches Aussehen, Temperatur 38,8, Puls 112, gut. Leukocyten 
10000. Zunge trocken, belegt, Unterleib stark gespannt, ganz wenig 
aufgetrieben, Überall massig empfindlich , beiderseitiger Flanken seh merz. 
Am schmerzhaftesten ist die linke Unterbauch gegen d. Nirgends eine 
Resistenz. 

Operation (S.April Abends 9 Uhr): Nach Eröffnung des Perito- 
neums Hiesst reichlich eiterige Flüssigkeit ab, der trüb seröse nachfolgt 
Der Darm geröthet, mit zarten Fibrinhäuleu bedeckt, nirgends Ver- 
klebungen. Der Wurmfortsatz liegt median zu, völlig frei, wird leicht 
Inxirt und abgetragen, dann Flankenschnitt links und beiderseits 
Lendenschnitte. Ueberall dasselbe Bild. Ausspülung mit Kochsalz- 
lösung und Darcliziehen von Drains. Der Wurmfortsatz, 5 em lang, 
am peripheren Ende gangränös, mit einer linsengrossen Perforationsöffnung. 
Im Lumen eiterige Flüssigkeit und ein Kothstein. 

Verlauf; Unter ansteigender Leukocytose, aber niedrig 
bleibender Temperatur tritt am 12. April der Esitas ein. Section tc^^ 
weigert. ^H 




Loire, H., 10 Jahre, operirt U. Mära 1901. Patientin erkrankie 
in der Xacht vom S. auf den 9. MSrz unter sehr heftigen Eraeheinungen, 
Erbrechen, Schmerlen. Die Temperatur stieg sofort auf 410- Am 
nächsten Tage Abfall. Am 10, besserte sich ihr Zustand aichl. Am 
II. wurde ich ngezogen, Puls 140, Temperatur 40,6. 




Diagnose: Äppendicitis gangraenosa. Enorme Schmerzhaftigkeit 
I rechts, leichte Anftreibnng des Leibes und BmpHodlichkeit überall. 
I Schwere allgemeine Symptome. Trotz des geringen Meteorismns war 
[ rechts weder Dämpfung noch Resistenz mit Deutlichkeit wahrzunehmen. 
Operation: am selben Tage. Vollständig gangränöser, unter dem 
I Setü liegender Wurmfortsatz. Geplatztes Empyem. Der Wurmfortsatz 
mit nach oben am Ansätze üxirter Spitze mit Eothatein und vollständig 
gangränöser Wandung. Forsch reit ende Peritonitis. Nach der Operation 
I Euphorie, während der Puls immer kleiner und frequenter wird. Kein 
! Erbrechen, kein Meteoriamus, keine Sehmerzen im Leibe. Tod. 




Äppendicitis simplex (auch Empyeme) im Anfall operirt. 
Zum Theil subacute Fälle. 

xn. 

Baron v. F., 65 Jahre alt. 

Operirt 19. Januar 1901 in Budapest. Bei dieBem Patienten ^ 
Iiatten eigentlich nie acute Attacken bestanden, wohl aber über 30 Jahre 
lang Beschwerden in der Magen- und Ilüocoecalgegend mit unregel- 
mäseigem Stuhl, eo dass manchmal dae Reiten zur Unmöglichkeit wurde. 
Viel Badekuren ohne Erfolg. Jetzt waren die Beschwerden in der Seite 
80 heftig geworden, dass Patient seit 10 Wochen das Bett nicht ver- 
laasen hatte. Bei der UnterBUchuug am 17. Jannar war Temperatur 
und Puls normal, der Leib überall empfindlich, leicht aufgetrieben, doch 
waren die Schmerzen und die Druckempfindlichkeit sowohl in der lleo- 
coecalgegend als in der Nähe der Leber und dee Magens bedeutender. 

Die Diagnose wurde auf eine subacute Appendicitis simplex ge- 
stellt. Bei der Operation wurde ein nach dem Magen uud der Leber 
sich erstreckender 15 cm langer Wurmfortsatz entfernt, dessen Euppe frei 
war und ein mit eitrigem Schleim gefülltes Empyem zeigte. 

Seitdem dauerndes Wohlbefinden (1904). 

XVII. J 

T., Georg, 27 Jahre alt, operirt am 4 Tage des 2 Anfalls. 1 

Anamnese: Seit 4 Monaten chronische Beschwerden in der Ueo- ^ 
coecalgegend. Am 1. Januar 1896 heftige Schmerzen, Erbrechen. 

Befund: Temperatur und Puls normal. Am 3, .tanuar Tempera- 
tur normal. Puls 76. Im rechten Hypogastrium hart neben dem 
Darmbeiukamm eine schon bei leiser BerUbrung oder Percossion sehr em- 
pfindliche Resistenz, welche nach oben fast zweifingerbreit die Spinallinie 
Überschreitet und nach innen vom äusseren Rectusrand sowie nach unten 
vom Lig. Poupartii fingerbreit entfernt bleibt. Ueber ihr ganz leichte 
Dämpfung. Rectalbefund negativ. 

Operation am 4. Januar 1896. Peritoneum zart; Spaltung des- 
selben in der Höbe der Umscblagsfalte : es entleeren sich im Ganzen etwa 
2 Easloft'el wasserheller, völlig geruchloser Flüssigkeit, die 
sich bei bacteriologiacher Untersuchung als steril erweist. 
Vorliegt eine geröthete Dünndarmschlinge und direct hinter ihr das Coe- 
cum mit dem entzündeten hakenförmig gekrümmten nach oben und innen 
geschlagenen Wurmfortsatz, dessen Spitze der Dünndarmschlinge adhäreut 
ist. Es gelingt leicht, denselben zu lösen und nach aussen zu luxiren; 
Länge &'l'i cm, zeigt an seinen beiden centralen Dritteln ein breites, sehr 
geftssreiches Mesenteriolum, während das peripherate Drittel ein solchea 
nur in Gestalt eines schmalen, derben Saumes aufweist, Centralwärts 
von der Kniekungsstclle ist ein Kothsteiu durclizufUblen und leicht bis in 
die Kuppe vorzuschieben. 

Verlauf glatt. Heilung. 

xTin. 

K., Waldemar, operirt am 1. März; I89S, am 6. Tage dea 
1 Anfalls. 



i 



— 133 — 

Anamnese: Patient ist stets gesund gewesen. Nie Verdanungs- 
beaehwerden oder Störnngen von Seiten des Darmes. Am 27. Febmar er- 
krankte Patient mit Sehmerz in der Deoeoecalgegend und leichter Stran* 
gurie. Kein Erbrechen. 

Befand vor der Operation: Temperatur normal, Leib weich, 
flach, nicht empfindlich. Nor in der Ileocoecalgegend werden bei Be- 
rtthmng ond spontan heftige Schmerzen dicht am JBeckenrand angegeben, 
hauptsächlich in der Höhe der Spina anterior superior. Raum nennens- 
werthe Störungen des Allgemeinbefindens. Resistenz wegen der starken 
Spannnng der Bauchdecken nicht zu ftlhlen. Keine Dämpfung. Nach 
3 Tagen Schmerzen und Status unverändert Stuhlgang spontan. 

Operation: Sulzig durchtränkte Musculatur. Fascien und Perito- 
neum leicht verdickt Wurmfortsatz zieht mit seiner Spitze nach der 
Blase, 18 cm lang. Etwa dicht am Coecum Obliteration. Im peripheren 
Theil Schleimhaut und Muscularis entzündet und mit übelriechendem 
Schleim angefüllt 

Glatte Heilung. 

XIX. 

Herr Propst, 20 Jahre alt Operirt am 11. Juni 1904 im Hansa- 
Sanatorium am 4. Tage des 3. Anfalls. 

Anamnese: 1. Anfall 8 Wochen dauernd mit Fieber und Erbrechen 
vor 12 Jahren. In der Zwischenzeit war ein leichter Anfall. Jetzt ist 
Patient seit dem 8. Juni krank. Fieber bis 38,6, Puls ungefähr 108. 
Im Anfang Uebelkeit. Kein Erbrechen. Spannung im Leib sehr bedeu- 
tend. Schmerzen rechts, auch nach links herüberziehend. Seit 2 Tagen 
Verschlimmerung. Zunahme des Meteorismus. Ansteigen des Pulses auf 
116, so dass die Operation wegen drohender Perforation noth wendig wird. 

Befund und Symptom: Blasser junger Mann. Zunge trocken. 
Leib sehr aufgetrieben. In der Ileocoecalgegend ganz leichte Schallab- 
schwächung. Enorme Schmerzhaftigkeit. Schmale Resistenz zu fahlen. 
Leukocytose 6000. 

Operation 11. Juni 1904: Typischer Schnitt Nach Freilegung 
des Peritoneum ist eine Resistenz nicht zu fühlen. An einer Stelle ist 
das Peritoneum sulzig durchtränkt^ es wird darum hier eröffnet. Es 
fliesst viel seröses, nicht abgekapseltes Exsudat aus. Vor liegt das stark 
geblähte Coecum. Der Wurmfortsatz liegt aussen davor. Er ist stark 
geknickt y seine Serosa injicirt. Resection in üblicher Weise. Vollstän- 
dige Naht. 

Der Wurmfortsatz ist 9 cm lang. Er enthält einen Kotbstein. Am 
Ende ist eine vollständige Obliteration vorhanden, welche sich auf etwa 
IV2 cm erstreckt. Die Schleimhaut des centralen Theils ist zur Hälfte 
hochroth geschwollen und turgescent. 

Verlauf glatt. 

XX. 

Herr G., 25 Jahre alt, operirt 17. Januar 1902 im Sanatorium am 
4. Tage des 1. Anfalls. 



Befnnd und Symptome 
fallenem Aussehen. Der Leib i 




Sehr kräftiger junger Mum von i 
: im Ganzen weich. Auf der rechteol 
Seite aber wird die Musoulatur 
ausserordentlich stark spuntau uiid 
bei Berührung angespannt. Ganz 
auffallend ist die exceesive Schmerz- 
hartigkeit etwa 2 cm neben der Spin. 
ant. aup. Daselbst ist leichte Dämp- 
fung nachzuweisen. Puls 123, 
Temperatur 3S,4. Zur Zeit kein 
Erbrechen. Ganz leichter Icterus. 
Operation 17. Januar. Nach 
Eioifnuug des Peritoneums liegt das 
verwachsene Coecnm vor. Zwischen 
Coecum und Faacia iHaoa wird eine 
fast daumendicke, wurstförmtge Re- 
sistenz vun tluctuireuder, elastiscLtir 
Consistenz gefühlt und als der auf 
der Fascia fest verwachseDe von 
unten nach oben heraufgeschlagene, 
prall gefüllte, etwa 10 cm lange 
Wurmfortsatz erkannt mit drohen- 
der Perforation. Es zeigt eich nun, 
daB9 der Wurmfortsatz zu gut 2 
Dritteln seiner Länge dieses enorme 
Volumen hat. Amputation, Ueber- 
nähung. h 

Verlauf glatt. J 



B., Fr 



, 22 Jahre alt, ope- 
8Ö9,am II. Tage 



rirt am 26. Mai 
des 5. Antalls. 

AnamneBe: Patient hat Im 
Laufe des letzten Jahres i Fülle von 
Dieselben traten plötzlich auf und verechwanden 
Kein Erbrechen. Gestern Mittag plötzlich 
rechten TJuterbauch er- 



„Leibkneifen" gehabt 

rasch (Colica appendicularis). 

unter Erbrechen Fieber, heftigen Schmerzen 

krankt. 

Befund vor der Operation: Kräftiger Mann. Tempera- 
tur 39,3", PuU 108. Zunge feucht, stark belegt. Aligemeinbeßnden 
wenig geatört. Leib im Ganzen weich und schmerzfrei, nur an der Ileo- 
coecalgegend anss erordentlich spontan und bei Druck empfindlich. Es be- 
steht dort eine diffuse, nicht genau abzugrenzende Resistenz. Eine Däm- 
pfung ist dagegen dort nicht nachzuweisen. Am nächsten Tage Tempe- 
ratur normal, 36,9'', Puls 74. Schmerzen geringer, Resistenz nndentlicber. 
Stuhlgang. 



1 



— 135 — 

Operation: Median vom vorliegenden Goecum fühlt man die auch 
durch die Bauchdecken wahrgenommene Resistenz, welche aus dem mit 
einem entzündlichen Netzklumpen verwachsenen, hochroth injicirten Wurm- 
fortsatz besteht 

Glatte Heilung. 

Abscesse (Ciroumscripte Peritonitis), deren Symptome und Lage 
Anlass zur Operation im Verlaufe der ersten Wochen gaben. 

XXn. Abseess vor der Blase grelegren« 

Jaroczewski, Emil, 14 Jahre alt, aufgenommen 12. Mai, ope- 
rirt 14. Mai, geheilt entlassen 14. Juni 1904. 

Anamnese: Am 3. Mai 1904 bekam der Junge nach dem Heben 
eines kleinen Wagens Leibschmerzen, 2 Tage später Erbrechen, 4 Tage 
später besteht eine Druckempfindlichkeit in der Ileocoecalgegend, jedoch 
nirgends eine Resistenz. Die Schmerzen werden jedoch intensiver^ es 
treten leichte Fieberbewegungen auf, dicht vor der Blase kommt eine 
Resistenz zur Ausbildung. Früher war er stets gesund. Bei der Auf- 
nahme, 8 Tage nach dem Unfall befindet sich in der Mittellinie eine 
massig schmerzhafte derbe handbreite Resistenz vor und etwats nach 
rechts von der Blase gelegen. Die eigentliche Ileocoecalgegend ist voll- 
kommen frei von Besonderheiten. Temperatur 37,2, Leukocy- 
tose 28000. Allgemeinbefinden durchaus gut. 

Operation: Durch einen rechtseitigen Flankenschnitt gelingt es re- 
troperitonal , dicht am Poupart sehen Band einen Abseess zu eröffnen, 
der weit über die Mittellinie und nach dem kleinen Becken zu reicht. Er 
enthält übelriechenden Eiter. Die Höhle ist vollkommen abgekapselt. 
Ein Gang geht nach der rechten Beckenschaufel in die Gegend des 
Wurmfortsatzes. Wurmfortsatz selbst wird nicht gesucht. 

Verlauf glatt, Heilung. 

XXm. Abseess unter der Leber gelegen. 

Lichel, Paul, 18 Jahre, erkrankt 2 1 . Juni, aufgenommen 2 7. Juni, 
operirt 4. JuU, geheilt entlassen 17. August 1903. 

Anamnese: Am 21. Juni Abends 6 Uhr bekam er plötzlich ohne 
vorangegangene Krankheitserscheinungen heftige Stiche auf der linken 
Unterbauchseite. In der Nacht verbreiteten sich die Schmerzen über den 
ganzen Leib, besonders in der Magengegend sehr heftig, in der Nacht 
5 Mal Erbrechen. 2 Tage später heftigere Schmerzen und zwar rechts 
unten. Kein Erbrechen mehr. Stuhlgang nach Ricinusoel. 

Status 27. Juni: Leib gespannt, nicht eindrückbar, eine etwaige 
Resistenz deshalb nicht ftlhlbar. Der Mc. Burney'sche Punkt sehr em- 
pfindlich. Temperatur 38,2, Leukocyten 16000, Zunge feucht, 
etwas belegt. Brustorg. o. B. 

30. Juni. Rechts vom Nabel ist eine undeutliche Resistenz fühlbar, 
die in die Leber übergeht. 

Operation 4. Juli 1903: Hoher Flankenschnitt rechts. Durch- 
trennung der Musculatur auf der Eropfsonde. Bei Eröffnung des Peri- 
toneums liegt angewachsenes Netz vor, freie Bauchhöhle durch Abstopf en 



136 — 

geschützt. Absceas liegt weit oben, bie unter der Leber. Etwa 50 i 
dicker, grüngelber, kothigriechender Eiter. ÄbsceBs geht weit i 
und hinten und ist mit dem Finger nicht abzutasten. AbBcess locker 
abgekapselt. Tiefgebende Jodoformtauiponade. 
Verlauf völlig glatt. Heilung. 



XSIV. Abscess uutei' und liluter der Lebi 
Lindner, Anna, 32 Jahre alt, aufgi 




ffelegeii 

14. August, operirt 
15. August 1904, am 9. Krankheitetag. Gebeilt entlassen. 

Anamnese: Frllher stets gesund. Patientin erkrankte am 6. August 
1904 mit Leibschmerzen, Erbrechen. Kein Fieber. Das Erbrechen hielt 
4 Tage an. Stuhlgang nur auf AbfHbrmitiel. Mensea regelmässig, 

Status: Temperatur 39, Leukocyten 39000, Puls 120. 
Leib etwas aufgetrieben. Rechts eine bis Kur Mittellinie reichende an 
die Leber berangehende Resistenz, die völlig gedämpft ist. Sie geht bis 
an die Becken schaufei. Vom rectum oder der Vagina nicht zu fühlen. 
Linke Bauchseite frei. 

Operation: 15. August. Typischer Planken schnitt. Eröffnung eines 
riesigen Abscesses an der ümachlagsfalte. Der Eiter ist stinkend, mit 
gangränösen Fetzen vermischt und dick. Die Menge beträgt circa 
1 — 2 Liter. Die Höhle ist gut begrenzt mid reicht bis an die Leber- 
uuterfläche heran, in der Mitte bis zur Mittellinie. Wurmfortsatz nicht 
zu fühlen. 

Verlauf: Im Anfang täglich Verbandswechsel und Spfllnng. Es 
entleeren sich reichlich necroliache Fetzen. 

3. September. Noch starke Secretion. — 

Wunde heilt glatt. 

XXV. MangelliafL begrenzter Abscess. Am +. Tage oiierii-t. Hee. 
Dnnglasabsc ess . 

Alex Müller, It Jahre alt. Erkrankt am 4. Juni, aufgenommen 
am 11. Juui 1903, operirt am 11, Juni dem 7. Krankheitslage, geheilt 
cutlaasen am 3. August 1903. 

AnamnL'sc: Frttber gesund. Der Anfall begann am 4. Juni Nacht 
mittags 4 Uhr mit Erbrechen und Schmerzen links unten. In der Nach- 
zogen sich die Schmerzen nach der rechten Seite uud blieben dort be- 
stehen. Die Schmerzhat^igkeit liess nach, und das Erbrechen sistirte. 
Seit 2 Tagen hochgradige Verschlimmerung, erneutes Erbrechen. 

Befund: Schwerkranker Eindruck, Temp eratur 39,7, Puls 140. 
Leukocyteu 35 000. Leib gespannt und aufgetrieben, Die linke Bauch- 
seite ist frei, rechts auf Druck hochgradig empfindlich. Bechts eine bis 
zur Mittellinie reichende Resistenz nnd undeutliche Dämpfung. Rechts 
Flankeneclimerz. Per rectum eine ziemlich starke empfindliche Vor- 
wölbung. In der Annahme einer furtschreitenden Peritonitis sofortige 
Operation. 

Operation II. .luni Nachmittags 6 Dhr. Typischer Flankensohnitt 
rechts. Nach Eröfluung des Peritoneums entleeren sieb unter mäsBigem 
Druck etwa 3 Esslöffel dflnnflüssigen Eiters. Beim Eindringen mit dem 
Finger kommt m.^n In eine nacli oben zu locker abgekapselte, nach unten 



I 



137 



I und median za voUkommeD freie Höhle, aus der sich noch ziemlich viel 
I dicker Eiter entleert. Der Wurmfortaate liegt nach median zu, ist an 
[ Terflchiedeoen Stellen gangränös nnd enthält zwei grusse Kothgteine. 
I Beeection. Tiefe Schürzentampon ade der Wnnde. 

Verlauf: In den nächsten Tagen reichliche Secretion, es entsteht 

i Kothfistel, ans der sich reichlich Faecea entleeren. 

Nachdem anfänglich Temperatur und Lenkocyten vollkommen zur 

\ Norm abgesunken sind, beginnt nach etwa S Tagen ein allmählicher Än- 

' »lieg von Puls, Temperatur und Leukocytose. Gleichzeitig tritt in der 

linken Unterbauch gegend eine deutliche ReBiaten/ in Erscheinung. 

26. Juni. SpOQtanperforation eines grossen Äbacesaes 

in den Mastdarm. Zurückgehen aller Erscheinungen. Patient erholt 

sich rasch, wird am 3. August mit einer 4 cm langen Fistel entlassen. 

Da trotz mehlmonatlicher Behandlung sich dieselbe nicht von seibat 

L sohliesat, wird sie Ende December mit vollständigem Erfolge operirt. 



Fig. 1 



.ei*k.Zahl 


Temp.\Ptih 


40000 


1 


35000 


43« 'ii;o 


30000 


41 ■> \Wi 


23000 


40" 


läij ^ 


30000 


39" 


100^ 


15000 

10 000 


38" 
3?» 


80 \ 
60' 



3000 \ HG " 



I 




L 



XXYI. Intrapcrituneal gelegener Abseess. 

Freiherr v. E., 62 Jahre alt, Operirt nach etwa S Tagen des 
2. Anfalls. 

Anamnese: Vor Jahren litt Patient während einer Reise in Afrika 
Aa Koliken, vor etwa 10 Jahren in Leipzig längere Zeit an Auftreibungen. 
Jetzt vor 8 Tagen in Florenz plötzliche Erkrankung mit Scliüttelfroat 
nnd Leibschmerzen. Patient sah sehr elend aas, der hinzugezogene Atzt 
nahm „gastrisches Fieber" an. Patient setzte die Heimreise fort; in Bozen 
Verschlimmerung, heftigere Schmerzen, Pntient gebrauchte Kieinusoel. 
Noch am Tage vor der Operation ging Patient aus. 

Befund und Symptome vor der Operation: Sehr kräftig ge- 
bauter Herr im besten Kräflezustand. Kein Fieber. Abdomen nicht 
aufgetrieben Im rechten Hypogastrium an der Kreuz ungsstelle der Spi- 
nnllinie mit dem äusseren ßectusrand eine knapp fflnfmarkstllckgrosBe, 
auffallend harte Resistenz von enormer Druckempfindlichkeit. Keine deut- 
liebe Dämpfung. 

Operation am 23. April ISdIi. Man fflhlt deutlich etwas unterhalb 




— 138 

der UmBchlagsfalte die Resistenz. Spaltung dee PeritoDeumB. Vor liegt 
ein fauBtgrosser, auB verklebten Darmechlingen gebildeter Tumor, welcher 
nirgends mit dem Peritoneum parietale verwachsen oder verklebt ist 
Die Oberfläche der zusammengeballten Darmachlingen ist, soweit sichtbar, 
scharlachroth ; den höchsten Punkt dieses Knäuels nimmt das dentlich er- 
kennbare Coeeum ein. Unterhalb desselben sieht man zwischen diesem 
und der Rappe der nächstliegenden Oarmschlioge einen gelben Punkt 
durch schimmern. Nach Abschlusa der ireien Bauchhöhle durch .lodoform- 
gazestreifen wird dorthin stumpf vorgegangen, und sofort entleert sich im 
Strom massenhaft kothig riechender Eiter, Vorsichtige stumpfe Erweiterung 
der Oeffnung; der Finger gelangt in eine grössere Höhle, die anscheinend 
nur von verlötheten Darmschlingen begrenzt wird; an einer Stelle fühlt 
man härtere Knollen (Netz?). In der die ÜÖhle nach vom begrenzenden 
DarmachliDgenscLicht fflhit man einen härteren Strang, dessen Aaslösung 
nur schwer gelingt und der sich als der Wurmfortsatz erweist fdentlichea 
Lumen, in das die Sonde weit frei vordringt). Auf die völlige Auslösung 
wird wegen der Gefahr einer nochmaligen Eröffnung der freien Bauchhöhle 
von der Abscesshöhle aus verziehtet, der Wurmfortsatz nahe dem Coecal- 
ansatz abgebunden und die folgenden freigelegten 4 cm abgetragen; der 
periphere Rest wird in den Schwarten belassen. Am entfernten Stllck des 
Wurmfortsatzes, von dem die Serosa mit der angrenzenden Muscularis- 
Schicht tiandschuhartig bei der Auslösung abgestreift ist, nichts Besonderes; 
auch im Eiter kein Kotlistein. Breite Schflrzentamponade, gesonderte Tam- 
ponade der freien Baucbbühle durch zwei von neuem eingefflhrte .lodoform- 
gazestreifen, Wnndverlauf ohne Störung. 

XXYn. Intraperitoneal gelegener Abscess. 

Gertrad S. aus Chicago, 12 Jahre alt. Operirt am 4. Krank- 
heitstage des zweiten Anfalls im Sanatorium. 

Anamnese: Früher eine leichte Attacke. Am Abend des 8, De- 
cember im Anschlnss an einen Diätfehler (Plumppudding) mit sttlrmischen 
Erscheinungen erkrankt: Erbrechen, andauernd hohes Fieber ober 39"; 
sehr frequenter Puls, »her 160. Abdomen rechts und links gleich druck- 
empfindlich, keine deutliche Resistenz oder Dämpfung. Zwei Geschwister 
der Patientin haben ebenfalls Perityphlitis gehabt (operirt von Professor 
Murphy in Chicago). 

Befund und Symptome vorder Operation 11. December 1895; 
Patient, gracil gebaut und gut entwickelt, sieht verfallen aus. Tempe- 
ratur 39,5"; Puls 140, kein. Zunge stark belegt, noch feucht. Gestern 
Abend dünnbreüger Stuhl, in der Nacht mehrmals Erbrechen galliger, 
fÄculent riechender Massen, häufiges Aufstossen. Abdomen besonders um 
den Nabel herum massig aafgetrieben. Oberhalb der Blaeengegend rechts 
wie links lebhafte Druckempündlichkeit, doch nirgends nachweisbare Re- 
sistenz oder Dämpfung. Palientio kann weder auf der rechten noch anf 
der linken Seite liegen. Auch in Narkose keine deullicbc Resistenz. 
Viira Rectum aus negativer Befund. 

Operation am 11. December 1895. Peritoneum dünn und 
zari, nirgends eine deutliche Resistenz. Eröffnung des 
Peritoneums in der Höhe der Um schlagsfalte. Vorliegen 



I 




freibeweglicber DUiiDda 



mschlingen mit normaler SeroBn. 
In der Tiefe eines von DünndarmB chüngen gebildeten 
Trichtera fühlt man die steife, erigirte, frei in die Bauch- 
höhle ragende Kuppe des Wnrmfortsatzee; deutliches echiuA- 
les, aber dickes Mesenteriolum. Die Euppe lässt sieb etwa 
11/2 cm weit verfolgen bis zu flächenhaften Verwachsangen des Fort- 
satzes mit dem Coecom; an dieser Stelle deaCliche Knickung. Ein 
Netzzipfel ist dicht an der Knick an gss teile mit dem Appendix verklebt. 
Nach Lösung des Setzzipfels sieht man in einem doppelt- 
linsengrosHen, gangränösen Bezirk eine klaffende Perfo- 
ration im Wurmfortsatz, Nachdem die benachbarten, andrängenden 
freien Darm schlingen durch grosse Tupfer zurückgedrängt und so die 
freie Bauchhöhle einigertnassen abgescbloaaen ist, wird der WurmfortsatE 
weiter zu lösen gesucht. Hierbei entleeren sich plötzlich gut 1 '/a Ess- 
löffel kothig riechenden Eiters; der Finger gelaugt in eine anscheinend 
flberall von verklebten Därmen begrenzte Absccsshöhle, die sich nach 
innen etwa bis zum äusseren Rectusrand erstreckt, zwischen der und den 
Bauclidecken jedoch überall eine Schicht Darmscblingen sich befindet. 
Abbinden und Abtragen von 3 '/i cm, sorgfiiltige Tampo- 
nade. Am Präparat zeigte sich eine leichte Verdickung Fig 21. 
der MuBCularis, streifige Gangrän der Schleimhaat der 
ganzen Knppe. Kein Eothstein. 
Verlauf ohne i 



I 



XXnn. Intmperitoneat ^legeuer Abscess. 

D-, Albert, 23 Jahre alt. Operirt 13. Februar 
1895, am 5. Tage des Anfalls. 

Erkanknng am 9. Februar sehr stürmisch mit Er- 
brechen und heftigen Schmerzen, das Erbrechen hält 
seit dem tO. Febiuar an. 

Am 12. März Puls 112, gut gespannt, Temperatur 
38,8». 

Befund und Symptome vor der Operation: 
Kräftig gebauter Mann, in mittlerem Ernährungszustand. 
Temperatur 3S,9", Puls 112, gut gespannt. Athmung 
fiequent (32—36) und oberflächlich, aber nicht 1 
coBtal. Zunge etwas trocken. Abdomen massig auf- ^eheiidw''AbHcesa 
getrieben, heller tynipanitischer Schall. Schon die Per Wurmfortsati aehr 
cussion und leisestes Abtasten des Abdomens ist überall lang, aa der Splize 
etwas empfindlich. Im rechten Hypogastrium eine zeige- "äieeioeFlttohegan- 
ftngerlange und -dicke Zone lebhafterer Druckempfind- ^"^Ein 'Küihstei""" ' 
lichkeit, welche durch einen querfingerbreiten, weniger 
drucks chmerzliaften Saum vom Beckenrand getrennt ist und sich von der 
Höhe der Spinaliinie bis zur Gegend der Mitte des rechten Poupart'achen 
Bandes erstreckt. Im Bereich dieser Zone fühlt man bei ganz leichter 
Palpation eine deutliche ReaiBfenz von der Gestalt eines fingerlangeu und 
-dicken Stranges; Über ihm leichte, aber dentitche Dämpfung dea tympaniti- 
Hchen Schalles. Rectalbefund negativ. 

Operation: Der Finger gelangt in eine weite Hülile, aus der sieb 



Weit nach 



im g;anzen ein WeinglaB voll Eiter entleert, zu einem nach oben i 
aossen hinter den Dünnen Terlaafenden Strang. Wurmfortsatz an seiner 1 
Spitze etwa I cm weit auf der einen Fläche brann, auf der anderen so- ' 
wie in allen seinen Itbrigen Theilen hochroth geftrbt ist. Am Präparat 
findet sich nahe der Spitze eine feine Perforation sowie ein Kothstein. ^ 



XXIX. Uroaser Becken abscess, am neunten Tage eililEnet. Ileilnn^. 

Herbricht, Klara, 25. Jahre alt, aufgenommen 22. Januar 1904, 
operirt 30. Januar, geheill entlasBen II. Februar 1904. 

Anamnese: Frllher sletB gesund, äeit 21. Januar Schmerzen in j 
der rechten Bancliaeite, Uebelsein, Brechneigung. 

Status: Gut genährtes, kräftig gebautes Mädchen. Cor. Pulm: 
Abdomen: weich, in der lleocoecalgegend sehr druckempfindlich, dort! 
leichte Resistenz zu fflhlen, Znnge belegt. Stuhl angehalten. 

24. Januar deutliche Drnckempfindlichkeit, Resistenz in Ileocoeoal- 
gegend, Erbrechen. 

29. Januar erhöhte Temperatur, Brechneigung. Heftige Schmerzes 1 
lind faustgroases, achmprzbaftes Exsudat in der Ileocoecalgegend. 

30. Januar, Exsudat nimmt zu. Sehr heftige anfallaweiae auftretende 1 
Schmerzen. 

Operation: Plankenschnitt, Starkes Oedem. Eröffnung des Peri- | 
toneuma tief unter der ömschlaggfalte. Ea entleert sich sehr reichlich j 
Eiter , fibelriechend , grauweias. Mit dem Finger gelangt man in eine ] 
besondeTB nach oben vOllig abgekapselte Hölile, die bis zur Mittellinie I 
reicht nud weit nach unten in den Douglas geht. Gangränöse Theile des | 
Wurmfortsatzes werden entfernt vom distalen Ende. Tamponade. 

Verlauf: Glatt. 



XXX. Mauselhan abg-ekajiselt^r Abseei^s, am IC. Tage oiieiirt, 

Flfigel, Charlotte, 9 Jahre alt, aufgenommen 7. Februar, operirt 1 
7. Februar, am 16. Tage geheilt entlasBeii 6. März 1903. 

Anamnese: Vor 16 Tagen erkrankte Patientin mit Erbrechen und 1 
Schmerzen im ganzen Leibe, die eine Zeit lang constant blieben. Vor \ 
2 Tagen trat eine acute Verschlimmerung ein. Erbrechen, hohes Fie- 
ber, Frost. 

Befund: Sehwächliches Kind, Temperatur 40«, Leukocyten 
31000, Puls 136, Brustorgane o. B. Der Leib massig aufgetrieben, 
massig gespannt. Die ganze rechte Bauchseite bis zur Mittellinie eai- 
pRodlich, nicht sehr hochgradig. Eine deutliche Resistenz oder Dämpfung 
nirgends von aussen nachweisbar. Dagegen fQhlt man rectal eine deut- 
liche empfindliche Vorwölbung, besonders nach rechte. Der Allgemein- i 
eindruck ist ein schwerer, deshalb sofortige ] 

Operation: Abends 8 Uhr. Typischer Flankenschnitt. Muskulatur 
oedematös. Peritoneum etwas verdickt. Eröffnung desselben an der 
Umschlagsfalte ganz tief im kleinen Becken. Von unten her quillt 
stinkender Eiter unter hohem Druck. Von oben her kommt freier Darm. 
Sorgfältige Abtupfung und Umstopfen der oberen Partien. Der Finger 
gelangt naoh unten zu in eine locker abgekapselte HOhle, die sich nach-^ 



— 141 — 

dem Douglms ausdehnt. Feste Scbtirzentamponade, ein zweiter Streifen 
nach oben bin. Wurmfortsatz wird nicht gesucht. 
Verlauf nach der Operation: Völlig glatt. 

XXXI. Mangelhaft abgekapselter Abseess, am 8. Tage operirt. DannlAhmung, 

Enterostomie, Heilung. 

Ambrosiy Margarete^ 5 Jahre, operirt 4. August 1904. 

Anamnese: Seit 8 Tagen Leibschmerzen, seit 2 Tagen Verschlim- 
merung der Schmerzen auch mit Fieber, Temperatur 3 So, Puls 116; 
Leukocvten 33000. Kleine Resistenz äusserst schmerzhaft. Keine 
Anzeichen fortschreitender Peritonitis. Behandlung abwartend. In den 
nächsten 6 Tagen gehen Temperatur und Leukocytose zurück. Am 7 — 8 
Tage steigen alle Symptome wieder an. Der Tumor vergrössert sich 
und reicht bis über Mittellinie. Daher 

Flg. 22. 




r. 




"^^- ■ .", >■" ^ 



v\- 



-.v- 



■.jj;-- 



Operation: Eröffnung eines mangelhaft abgekapselten Abscesses. 
Entleerung übelriechenden Eiters. Von der Seite dringeu rothinjicirte 
Dünndarmschlingen, von unten wölbt sich die rechte Tube vor. Der 
schwer vorzuziehende Wurmfortsatz an der Spitze gangränös und perforirt, 
wird entfernt, kann aber nicht übernäht werden. 

Verlauf: Temperatur und Puls bleiben hoch, Erbrechen steigert 
sich bis zum Ileus, dabei enormer Meteorismus. Daher wird eine von 
den in der Wunde sich vorwölbenden Darmschlingen mittelst Paquelin er- 
öffnet und Gas und flüssiger Koth entleert. Erbrechen sitirt, Meteoris- 
mus verschwindet. Doppelseitige Pneumonie wird glücklich überstanden 
Fistel und Wunde verkleinern sich schnell. Heilung auch dier Fistel. 




P, B., 10 .lallte, operlrt im Anfalle am 12. Tage Sanatorium 
11. Juni 1901. 

Angeblich vorber keine Magen- oder DarmBtÖrungi'n voran gegang'en 
Erkrankte am 2. Juni unter heftigen Schmerzen, Fieber, Erbreclien und 
Betheiligong des ganzen Bauchfells, Es soll am Anfang nirgend» eine 
Resistenz zu füblon gewesen sein. Nach einigen Tagen, während deren die 
Schmerzen etwas naohliessen, zeigte eich undeutliche aber druckempfind- 
liche Resistenz rechts vom Nabel. Ein hinzugezogener Chirurg verwei- 
gerte Operalion. Da aber Fieber anhielt nnd Allgemeinbefinden sich 
verschlechterte, sah ich den Patienten nnd eutachloss mich bei den vor- 
handenen Symptomen besonders auch der entschieden grösser geworden 
Resistenz zur Operation. 

Der Weg zur Resistenz führte durch normale DUnndarmbezirke, die I 
durch Gaze zurück gedrängt wnrden. Nach Eröffnung eines gut apfel- 
grossen Abscesses konnte der Wurmfortsatz deutlich verfolgt werden. Er 1 
las ™i* der deullich empyeraartig aufgetriebenen Kuppe direkt auf d 
Wirbelkörpern auf. Das Empyrm war zum Theil dnrch Perforation ent- 
ieert und hatte den Abscess gebildet. 



CompHcalioneti im Verlauf der acuten Appetidicitis. 

Die Complicationen sind oft als Folgen einer zu weit und zu lange 
fortgesetzten esapeetaüven Therapie anzusehen, und von vielen muss man 
die Ueberzeugung haben, dass alle jene schweren und vielgestaltigen 
Complicationen durch rechtzeitige operative Behandlung verbindert worden 
wären. Die Thalsache, dasa wir ia den letzten fünf Jahren bei unserem 
Material eine wesentliche Abnahme und Verminderung der Fälle von 
Appendicitis acuta mit Complicationen bemerkten, spricht dafür, dass in 
Zusammenhang mit der besseren Erkenntniss der Krankheit die Therapie 
eine rationellere zu werden anfängt, das heisst man operirt eher, häufiger 
und unter besseren Indicationen als früher. 

Leider stehen wir Chirurgen vielen der bei der Appeudioitis acuttt 
auftretenden Complicationen, wenn sie einmal da sind, machtlos gegen- 
über, und oft genug wird das Endresultat operativer Eingriffe hier nicht 
den gewünschten und erhofften Erfolg haben, wenn wir auch auf der 
anderen Seite manches glänzende Resultat erzielen. Der Kräflezustand 
dor durch die Infectioii geschwächten Patienten verbietet oft so ein- 
greifende Operationen, wie sie zur Erhaltung des X>ebens nothwendig sind. 
Oft ist z. B. der lange Verbleib septischen Eiters im Körper vernichtend 
für die Widerstandskraft der Patienten geworden. Ich habe es erlebt, 
dass Patienten mir septisch eingeliefert wurden, bei denen es sich 
einen grossen, um den [lerforirteii Wurmfortsatz gelegenen AbsoesB 



I 



— 143 — 

handelte, der aber bereits wochenlang und eben zu lange bestand, so dass 
die Eröffnung und Entleerung des Abscesses nicht mehr genügte, die 
Sepsis rückgangig zu machen. 



a) Peritonitis. 

Die häufigste Complication ist irgend eine Form der fortschrei- 
tenden Peritonitis. Darüber ist ausführlieh im pathologischanato- 
mischen Theil (Theil III) verhandelt worden. Wenn auch eine freie eitrige 
Peritonitis selten noch später auftritt (es sei denn , dass ein bis dahin 
abgekapselter Abscess in die freie Bauchhöhle durchbricht) ^ so handelt 
es sich doch häufiger um neue Abscesse, in Folge einer progredienten eitrig- 
fibrinösen Peritonitis. — Meist kommt zu multiplen Abscedirungen rechts 
oder links, die jedes Mal mit localen und allgemeinen Störungen einher- 
gehen. Es ist auch unzweifelhaft, dass die in der Nachbarschaft der 
Abscesse bestehenden serösen Exsudate inficirt und dadurch die Eitermengen 
im Bauche plötzlich bedeutend vermehrt werden können. Die weiteren 
Schicksale dieser Abscesse können sehr verschieden sein, entweder werden 
dieselben wieder resorbirt oder sie brechen spontan in den Darm oder in 
andere Nachbarorgane, sogar durch das Zwerchfell in die Lunge durch. 

In einem Falle entstand die Perforation eines gut abgekapselten 
Abscesses bei einer bereits ganz fieberfreien Patientin dadurch, dass eine 
etwas heftig vorgenommene Untersuchung der ziemlich grossen Resistenz 
plötzlich diese zum Bersten brachte, und ebenso erlebte ich in der Privat- 
praxis, dass ein sonst sehr erfahrener College durch seine Untersuchung 
ein tiefliegendes Exsudat zum Bersten brachte und eine foudroyante 
Peritonitis sich dem anschloss. Es handelt sich dabei meistens um 
grössere, unter starker Spannung befindliche Eitermengen, aber ich habe 
ähnliche Vorkommnisse auch bei kleineren und scheinbar nicht sehr ge- 
spannten Abscessen erlebt. 

Ich fahre noch folgendes Beispiel an. Es handelte sich um einen 
16jährigen Kanfmannslehrllng , S. K. am 23. April 1901. Es bildete 
sich unter Fieber, 38,7, schnell eine günstige Abkapselung in der rechten 
Ileococcalgegend. Der Puls war 100 und regelmässig. Die Dämpfung 
beginnt 2 Finger breit unterhalb des Rippenbogens, bei Druck massig 
empfindlich. Die Dämpfung ist handtellergross , vom Rectum aus nicht 
zu fühlen, Zunge belegt, aber feucht. Patient muss katheterisirt werden, 
da er spontan nicht Urin lassen konnte. Der übrige Leib ist eindrück- 
bar, wenig empfindlich. Man diagnosticirte eine Appendicitis perforativa 
mit gut abgekapseltem Abscess, geringe Betheiligung des Bauchfells in 
der Umgebung, und beim Zurückgehen aller allgemeinen und lokalen 
Erscheinungen war das Abwarten zunächst angezeigt, zumal Patient jeden 




— 144 ~ 

operativen EingrilT energisch ablehnte. Der nächste Tag zeigt« eiaa I 
BesserDDg des Znatandea, die Temperatur ging noch weiter herab, auf 
37,4, das subjektive Befinden war gut, der Appetit gebeseert. Es lag 
jetzt kein Grund zum Einschreiten vor. Doch am Abend desselben 
Tages, an dem das Befinden in jeder Weise ein bcftiedigendes war, 
Puls nnd Temperatur zur Norm zurückkehrten, die Beschwerden nach- 
liesBen, trat plötzlich eine Perforation des Abscesaes in die freie Bauch- 
höhle ein, die Peritonitis eben Erscheinungen nahmen während der Nacht 
unter schnellem Anstieg der Temperatur und der Pulsfrequenz (bis über 
140) unter grosser Unruhe des Patienten a» Heftigkeit derartig zu, dasa 
sogsr am nächsten Morgen man jede Hoffnung, durch eine Laparotomie 
das Leben zu retten, aufgeben mussle. Das Aussehen war ein ganz ver- 
fallenes, die Dämpfung ungemein verbreitert, der ganze Leib empfindlich, 
die Zunge trocken. So trat der Tod nach einer scheinbar geringen i 
Besserung noch am selben Tage ein. 

DasB übrigens in solchen Fällen die Laparotomie, selbst wenige I 
Stunden nach der Perforation ausgeführt, nicht immer das Leben retten f 
kann, beweist noch folgende Beobachtung. 

Berthold, Paul, 34 Jahre alt. Erkrankt 2!l. Juni, aufgenommen am j 
3. Juli, dem 4. Krankheitstage, sofort operirt. gestorben 6. Juli 1903. 

Anamnese: Vor 5 
Wochen Leibschmerzen und 
Erbrechen. Die jetzige Er 
krankuug begann am 29 
Juni plötzlich 5 Uhr früh 
mit Schmerzen im Leihe und 
Erbrechen. Die Schmerzen 
localiairten sich auf dierechte 
Bauchseite. Erbrechen hört 
auf. 

Befund: Patient macht 
einen kranken lundinck. 
Puls lÜO, Temperatur 
37,6, Leukocyten 23000. 
Leib stark gespannt, Rechts 
unten ftthlt man eine deut- 
liche Resistenz von Handtellergrösae, die auf Druck schmerzhaft er- 
scheint. Per Rectum keiue Vorwötbung, rechts schmerzhaft. 

3, Juli. Am Morgen ist die Temperatur 36, S, Leukooytenzahl 22 000, 
Pala >iS. Resiatenz deutlicher. Status idem. Am Nachmittag 2 Uhr 
plötzlich Kollaps, unter Absinken der Temperatur und 
Heruntergehen der Leukocytenzahl auf 6000. Grosan Dn< 
ruhe. Puls 104. 

Operation: Nachmittag 4 Uhr. Flankeuschnitt. Nach Eröffnung 
des dicken schwartigen Peritoneums entleert sich grflnflnasiger Eiter in 
ri'ichlicher Menge, Dick- und DQiiudarm drangen sieb in die Wunde 
vor. Der Wurmfortsatz liegt retroeoecal nach median zu geschla- 
gen. Er ist kleinfingerdick, prall mit Eiter gefüllt. Perforation oder 



Le,(k.Zahl 
40 000 


T.n.p 


Puh 






160 


BüBHH 


35000 


43° 


30000 


41" 


140 


25000 


40' 


W) 


hHI 


30 000 


39° 


100 


IS 000 


38° 


80 


10000 


37" 


60 


|MiiiJ;^i^w^w 


SOOO 


36° 


40 


■HQHS^üiJxd 


Krnnkhmtetiig 


j 1 s '; 7 1 s 



I 



— 145 — 

Gaogrän nicht zu entdecken. Er wird abgebunden und tibernäht. Lockere 
Verklebungen bestehen nur nach oben hin. 

Verlauf: Unter zunehmender Leukocytose und abfallender Tem- 
peratur tritt nach 4 Tagen infolge fortschreitender Peritonitis der Exi- 
tus ein. 

b) Ileus. 

Eine sehr wichtige und durchaus nicht so seltene Gomplication im 
Verlauf der acuten Appendicitis ist der Ileus. Derselbe kann in jeder 
Periode des acuten Anfalls auftreten und sehr verschiedene Ursachen 
haben. Zunächst kann er durch die Peritonitis bedingt sein. Vollstän- 
dige Lähmung des Darmes, starker Meteorismus, fortwährendes Erbrechen, 
das schliesslich in Kothbrechen ausartet. Hier ist der Ileus nur eine 
Begleiterscheinung der allgemeinen Bauchfellentzündung. In anderen 
Fällen aber kann sich durch Verwachsungen, durch Ansammlung von 
Exsudatmassen in und zwischen den Darmschlingen und dadurch ent- 
stehende Verlöthungen Abknickung von Darmschlingen bilden und ein 
Ileus durch Adhäsivperitonitis eintreten. Bevor es hier zum Erbrechen 
kommt, zeigt sich sehr häufig Singultus, der den eigentlichen Ileus- 
erscheinungen voranzugehen pflegt Wir haben eine ganze Anzahl der- 
artiger Fälle von Ileus, bedingt durch Adhäsivperitonitis, zu beobachten 
und zu operiren Gelegenheit gehabt, und ich verweise auf den fünften 
Abschnitt, Therapie, wo diese Fälle noch ausführlich beschrieben werden. 
Als Beispiel möge nur folgende Beobachtung dienen. 

F., operirt Ostern 1897 im I.Anfall. 

Anamnese: Bis dahin ganz gesund. Gestern Mittag plötzlich 
Leibschmerzen, Erbrechen. Kein Stuhl, keine Winde gehen ab. Abführ- 
mittel und Elysmata ohne Erfolg. Das Erbrechen steigert sich bis zum 
Ileus. 

Befund: Sehr schlechtes Allgemeinbefinden ^ kleiner, kaum zu 
zählender Puls, Meteorismus. Fortdauerndes Erbrechen, Verstopfung. 

Operation: Stark geblähte Schlingen, ein grosser Knäuel, ca 20 cm 
lang, Contrahirten Darmes liegt in der rechten Unterbauchgegend lateral 
vom Colon ascendens und ist hier durch eine breite Adhaesion, die vom 
Coecum, resp. Colon nach der Seitenhinterwand des Bauches geht, un- 
gefähr handbreit ist und eine Dicke von mehreren Millimetern hat, wie 
in einer Tasche eingeklemmt. Abbinden durch Trennen der Adhaesionen. 
Die Schlingen lassen sich leicht zurückziehen und füllen sich während 
der weiteren Operation sofort mit Gas. Processus vermiformis fingerdick, 
hochroth verfärbt und entzündet. Appendectomie. Glatte Heilung. Offen- 
bar handelte es sich um einen durch Adhaesivperitonitis bewirkten, in 
der Nähe des Entzündungsherdes entstandenen Strang, der die Einklem- 
mung verursachte. 

Herr G., Architekt, 50 Jahre alt, operirt am 26. März 1900, am 
dritten Erankheitstage. Temperatur 38,4. Starker Meteorismns. Däm- 

Sonnenbnrg, Perityphlitis, 5. Auflage. 10 



pfnng in der Ileocoecalgegend. Wegen Ileua ersehe in ungen vom Haus&ret 
zahlreiche Eingi essungen verordnet. 

Befnnd bei der Operation: Entzüodeter, in der Tiefe fisirtei 
Appendix. Vm diesen herum Latte eine Achaendrehung des Colon statt- 
gefunden. Entfernung dcB Appendix, Reposition der Därme, Heilung. 

Ich will hier bemerken , dass es sich in manchen Fällen auch i 
acute Coecumblähungen handelt, bei denen Ileuseracheinungen, wenn über- 
haupt, erst sehr spät auftreten können, die also mit den eben ange- 
führten durch Adhäsiv Peritonitis bedingten Veränderungen nichts gemein 
haben. Besonders da, wo eine Disposition zur Anhäufung von Gasen 
im Dickdarm, z. B. nach längerem Morphium- und Opiumgebrauch vor- 
handen ist, treten Blähungen dea Coecums, die zu hochgradigem Met«o- 
rismus führen, auf. Die Leberdämpfung ist ganz verschwunden 
Gegensatz zu dem Dünndarmileus. Solche Coecumblähungen sind von un^ 
auch nicht allein bei acuten AppendicJtiden beobachtet worden, soudi 



auch nach Operationen im freien Intervall, und ich 
Nähere wieder auf den Abschnitt Therapie. 

c) Thrombosen (Embolien). 

Die acut« Appendicitis ist eine Erkrankung, 
i n mitten gefässreicher Bezirke zu 
Jedes Exsudat, eitrig oder nicht, 
befindlichen Venen und Venengefle 
Perityphlitis acuta (wir können 
hafteten Patienten sind in dubi 



über 



durch ihren 8itxl 
Thrombosen bildung führen mussJ 
zieht die zahlreichen in der NäheJ 
chte in Mitleidenschaft. Die rnitl 
hinzusetzen : auch chronica) ho-M 
o immer Thromhenbesitzer. 
Ursache ist in der Krankheit selber zu suchen. Diese Thrombosen | 
werden sich zum Theü Sin Gebiete der Pfortader, zum Theil im GebieU 
der unteren Hohlvene, der Vena Cava inferior, ausbreiten. Es fehlt i 
leider an einer grösseren Zusammenstellung über das Vorkommen i 
Phlebitis und Thrombose in den Fällen von Perityphlitis, hei denen eioc 
Operation nicht vorgenommen wurde; es wird aber wohl keinen Arzt von] 
Erfahrung geben, dem diese Complication nicht bekannt wäre, und bej 
sonders auffallend ist das durchaus nicht seltene Vorkommen 
Thromben in den unteren Extremitäten, und zwar sowohl rechti 
links, in der linken Seite sogar beinahe noch häufiger als rechts. 
Grund, warum auf der linken Seite die Thrombosen beinahe häufiger als 
auf der rechten beobachtet werden, liegt in den eigenthümlichen anato- 
mischen Verhältnissen, indem die Vena iliaca ainistra ungünstiger als auf 
der anderen Seite in den Hauptstamm einmündet. Ist ein Anfall von 
Perityphlitis abgelaufen, so ist damit noch nicht gesagt, dass auch die 
Thrombosen sich vollständig zurückbilden, fest werden und sich „orga- 
nisiren". Es können unzweifelhaft, besonders in den zahlreichen Beckan-.J 



— 147 — 

venen, noch Reste zurückbleiben, die, wenn der Anfall sich wiederholt, 
von Neuem sich bemerkbar machen. So kommen Fälle vor, wo bei 
jedem Anfall wieder Anzeichen von Thrombosen auftreten. Sind aber 
derartige Thrombosen vorhanden, so ist es naheliegend, dass von diesen 
aus embolische Pfropfe in den Kreislauf gelangen und schliesslich in den 
Aesten der Lungenarterien sitzen bleiben. Diese losgerissenen Stücke 
können da, wo Eiterungen bestanden haben, InfecUonsmaterial mit sich 
schleppen und zu schweren Lungenentzündungen Veranlassung geben. Sind 
es nur Theile eines nicht inficirten Thrombus, so inficiren sie auch das Lungen- 
gewebe nicht weiter. Bei den Lungencomplicationen durch Embolie stammen 
letztere nicht aus dem Pfortadersystem und haben dasselbe auch nicht passirt; 
denn die Annahme von Communicationen zwischen dem Pfortadersystem 
und der Vena cava steht auf sehr schwachen Füssen, und ebenso spielt 
das etwas weitere Capillametz der Leber gegenüber dem der Lunge gar 
keine Rolle und hat keine Bedeutung. Nach der Ansicht Waldeyer's 
darf es wohl als sicher gelten, dass die in der Lunge vorkommenden 
Embolien in keiner Weise mit dem Pfortadersystem in Zusammenhang 
stehen. Wenn wir daher bei der Perityphlitis Lungenembolien entstehen 
sehen, so müssen dieselben Gefässbezirken entstammen, welche mit der 
Vena cavadirectcommuniciren. Dassinddie grossen Venengeflechte im kleinen 
Becken. Dazu gehören die Vena spermaticaund viele andere, die Venen an der 
Aussenseite des Peritoneums, dazu gehören die Venen der unteren Extre- 
mitäten. Dag^n entsenden alle diejenigen Venenbezirke, welche zum 
Pfortadersystem gehören, bei denen Phlebitis und Thrombose infectiöser 
oder marantischer Art sind, ihre Emboli zur Leber, welche wie ein grosser 
Schwamm sie aufsaugt, und sie machen dort entweder gar keine Symptome 
oder die Erscheinungen des einfachen Icterus bis zur Bildung von Leber- 
abscessen (s.S. 153). Wenn also im Verlauf der Perityphlitis Thromben und 
Embolien häufig vorkommen und auch in allen denjenigen Fällen, wo eine 
Operation nicht stattgefunden hat, zum Tode führen können, und wenn 
auch genügend Einzelbeobachtungen vorliegen, die dafür zeugen, dass 
auch nach denjenigen Anfällen, wo eine Eiterung mit Sicherheit aus- 
geschlossen werden konnte, töddiche Embolien aufgetreten sind, ist, wie 
ich schon bemerkte, eine Statistik über alle diese Punkte nicht vorhanden. 
Es ist sicher, dass die Thrombosen bei den acuten eitrigen Formen 
von Perityphlitis anders beurtheilt werden müssen als bei den chroni- 
schen und dass, wenn bei einem acuten Anfalle sich Theile eines Throm- 
bus loslösen, wir es in einer grösseren Anzahl von Fallen mit infectiösen 
Embolien zu thun haben. Ja selbst aus einem alten perityphlitischen 
Abscess, der fast ganz ausgeheilt ist, kann eine Verschleppung phlebi- 
tischen Thrombusmaterials sowohl in die Leber, als auch in die Lungen 

10* 



erfolgen. Trotz dieser naheliegenden Möglichkeit von Embolien Bind die- 
selben aber bei der acuten Appendicilis doch immerhin noch selten. Aber 
im Verlauf der acuteu Appendicilis kommen sicher auch maranliache Throm- 
ben vor, besonders in denjenigen Fällen, wo durch den langdauerndeu 
Anfall die Herzkraft herabgesetzt und die Circulation ungünstig beeiu- 
flusat ist^ Auch von diesen marantischen Thromben her können Em 
bolien entstehen. Die marantische Thrombose hat nach meinen Erfah- 
rungen ihren Sitz gleichfalle in den Beckenvenen. Selbst bei jüngeren In- 
dividuen wird dieselbe, allerdings vorwiegend nach Operationen im freien In- 
tervall, beobachtet. Es ist unzweifelhaft, dass für diese letzte Kategorie von 
Thromben, für die marantischen Thromben, der Beruf und die sociale 
Lage des Patienten eine wichtige Rolle spielt. Während der Kranke, 
der in das Krankenhaus eingeliefert wird, infolge seiner Beschäftigung 
und seines Berufes, auch wenn er mehrere Attacken von Appendicilis 
durchgemacht hat, sobald er sieb wieder wohl füblt, auf seine Krankheit 
keine Rücksicht mehr nimmt und in derselben Weise wie früher lebt 
und arbeitet, dadurch in verbal tnissmässig guter Verfassung ver- 
harrt, so pflegt der nach überstandenem Anfall an chronischer Appen- 
dicitis leidende Patient der besseren Stände sich einer unzweckmässigen 
Lebensweise hinzugeben. Aus steter Angst, wieder von einem Anfall» 
überrascht zu werden, hält er eine strenge Diät inne, wodurch eine Art 
Unterernährung eintritt. In steter Furcht vor Bewegung vermeidet er 
Muskelbewegung und jede Art Sport, geht im Sommer in die Bäder, um 
dort durch Trinkcuren seinen K rank hei ts zu stand jedenfalls nicht zui 
beaaern, und so kommt es, dass viel eher als bei dem Arbeiter sich bei, 
ihm Störungen in der Function des Herzens einstellen.- Kommt dann 
wieder eine acute Appendicilis, so sind die Bedingungen für Neu- 
entstehung von Thromben durch die schlechten CirculaHOna Verhältnisse, 
durch das geschwächte und vielleicht noch weiter durch das Kranken- 
lager alterirte Hera gegeben, und er wird leicht wieder der Gefahr der 
Embolien ausgesetzt sein. Fs ist jedenfalls auffallend, wie viele der- 
artige, an chronischer Appendicilis leidende Patienten Herzstörungei 
zeigen. (Vgl. die späteren Abschnitt«.) 

Wenn es sich um Embolien aus marantischen Thromben handelj 
die also kein infectiöses Material mit sieb bringen, so brauchen dleselbe&i' 
keine hochgradigen Störungen zu machen, und wenn solche vorband« 
sind, so können dieselben auch schnell wieder vorübergehen. Bleil 
nämlich eine derartige Embolie auf einen kleinen Lunge nabschnitt 
schränkt, ao schwindet nach 3~ S Tagen mit dem Aufhören der Bubjeo< 
tiven Beschwerden auch das blutige Sputum. Pbysicalische Veränderun- 
gen bleiben noch nachweisbar. Trotzdem ist die gunze Erscheinung 



I 



— 149 — 

Ende der 1. Woche beinahe ausgeglichen. Dass solche schnell vorüber- 
gehende Störungen auch leicht übersehen werden können/ wenn nicht 
eine sehr sorgsame Beobachtung und richtige Deutung der Symptome 
vorhanden ^st, ist selbstverständlich. Erst wenn der Embolus nahe an 
der Pleura sich befindet und Schmerzen macht, sich eventuell ein leich- 
tes Exsudat in der Pleurahöhle zeigt, wird diese Complication durch 
Fieber, Dyspnoe, Veränderungen des Auswurfes leicht erkannt werden. 
Aber hier sind auch gerade percutatorische und auscultatorische Verän- 
derungen nachweisbar. 

Man könnte bei diesen Embolien an die Möglichkeit denken, dass 
dieselben von einem rechtsseitigen Herzthrombus herrühren. Wir haben 
keinen Grund gehabt, eine derartige Annahme bisher anzuerkennen, und 
in den wenigen Fällen, wo Sectionen gemacht werden konnten, lag gleich- 
falls kein Anhaltspunkt für dieselben vor; in keinem einzigen Falle, 
wo Lungenerkrankungen embolischen Ursprungs sich bei unseren Patien- 
ten zeigten, lag eine Vermuthung für rechtsseitige Herzthromben vor, die 
man sonst doch aus der Schwäche und Unregelmässigkeit, der Beschleu- 
nigung der Herzthätigkeit, besonders aus der Verbreiterung des Herzens 
hätte annehmen müssen. 

Wenn wir derartige Lungenerkrankungen embolischen Ursprungs 
bei der acuten Appendicitis vorwiegend bei Männern angetroffen haben, 
so glaube ich doch, dass wir es mit einem zufälligen Vorwiegen des 
männlichen Geschlechts zu thun gehabt haben, wenn ich auch nicht 
leugnen will, dass die bei Männern durch den Alkoholgenuss bewirkte 
häufigere und frühzeitigere Arteriosclerose mit dazu beitragen mag, ferner 
der Umstand, dass bei jungen Leuten durch Ueberanstrengung des Her- 
zens in Folge übertriebenen Sports Herzschwäche häufiger als bei Frauen 
vorkommt. 

Die Symptome der Venenverstopfung werden am deutlichsten an den 
Extremitäten hervortreten. Die linke Extremität ist wegen des ungünsti- 
geren Verlaufs der Vena iliaca (Kreuzung mit der Wirbelsäule, ungünsti- 
gere Einmündung), wie ich oben schon erwähnte, stärker bedacht. 

Sind Thrombosen an den Extremitäten vorhanden, so lässt der Nach- 
weis schmerzhafter Stränge das Vorhandensein dieser Complicationen ohne 
weiteres diagnosticiren. Dazu kommen noch die Oedeme als weitere Be- 
gleiterscheinungen und die reissenden Schmerzen, welche der Schwellung 
vorangehen. Dagegen können die Thrombosen in den Beckenvenen und 
Beckengeflechten ganz symptomlos bleiben, wohl aus dem Grunde, weil 
in Folge der anatomischen Verhältnisse die Bedingungen zu einer raschen 
und ausreichenden Ausbildung von CoUateralbahnen günstiger sind. Es 
fehlen daher für gewöhnlich alle Anzeichen von Oedemen oder Strang- 



150 



bildung bei den Thromboeeii der Beckenvenen, Auch habe ich oichfej 
gefunden, dass dieselben vermuthet werden können durch die in den Bei- 
nen den Gefäesen entlang auftretenden Scbirerzeo. Eben so wenig haben 
unrere Beobachtungen dargethan, dass ein staffeiförmiges Ansteigen der 
Pulsfrequenz bei normal bleibender Temperatur diese Thrombosen auKeigt. 
Diese Pulsbeschleunigung, auf die Manche einen Werth gelegt haben 
(Mahler), soll eine directe mechanische Folge des in die Circulation ein- 
geschalteten Widerstandes sein. Gerade der Umstand, dasa viele Throm- 
bosen, welche xu Lungenembolien fuhren, sjmptonilos bleiben, macht daa 
Auftreten der Embohe zu einer Ueberraschung, und wenn man nicht 
Uebung in der Deutung dieser Verbältnisse hat, so kann es leicht ge- 
schehen, dass eine derarlige Embolie als plötzliche Herzschwäche oder 
als beginnende Pleuritis oder dergleichen gedeutet wird. 

Die Symptome, die der Embolus selber macht, sind folgende. Der 
Embolus wendet sich gewöhnlich seiner Schwere und dem stärkeren Strome 
folgend nach dem Unterlappen und rechte. Der blutige Auswurf kann 
bei nicht infectiösem Embolus sehr gering und von kurzer Dauer seia, 
fehlt aber nur in den allersellensten Fällen und tritt gewöhnlich schoa- 
nach 24 Stunden, selten später auf, oft täuschend ähnlich dem pnea- 
monischen Auswurf. In einigen Fällen hält er wochenlang an. Die 
grossen und mehrfachen Embolien verursachen den Tod unter Couvul- 
sionen. Je mehr von der Pulinonalbahn verschlossen wird, um so sicherer 
ist ein Anfall von Bewusstlosigkeit tm Beginn. Sonst handelt es sich 
meistens nur um Ohnmachtsan fälle. Die Kranken sehen blass, fahl, 
bleifarben , manchmal cyanotiech aus. Ist ein grösserer Lungeubezirk 
betroffen, so ist die Athemnot eine äusserst heftige. Zu gleicher Zeit 
ist Schweissausbrucb vorhanden, verbunden mit Frösteln. Oertlich hört 
man knatterndes Bassein, leichte Dämpfung, später die Anzeichen lo- 
bärer Hepatisation. Zu Infarkten in der Nähe der Pleura gesellt sich 
oft ein leichtes Exsudat in derselben. Sind mit dem Embolus infectiöse 
Keime verschleppt, so haben wir die Symptome der Lungenentzündung. 
Heftiges Stechen beim Athemholen von kürzerer oder längerer Dauer fehlt 
selten bei den Embolien, besonders bei denen in der Nähe der Pleura. 
Schwierig bleibt im Anfang die Unterscheidung einer genuinen Pneumonia 
und der stark fieberhaften Infarkt«. Wichljg sind die Fälle, in denen 
kleine Embolien in kurzen Zwischenräumen sich wiederholen. 

Der plötzliche Tod im Verlauf einer acuten Appendicitia ist meii 
durch Embolie verursacht. 

Dass auch wandständige Thromben in der Arteria iüaca intemi 
vorkommen, hervorgerufen durch das Fortschreiten des Proceasea in df 
Blinddarm auf die Arterie, ist sichergestellt' Von dieser Thrombose ausi 



I 

I 
I 



— 151 — 

¥nirde von Middeldorpf eine Embolie in die rechte Arteria femoralis mit 
Gangrän des Beines beobachtet. 

Als Beispiel führe ich an: 

Appendiculärer Abscess, am 7. Tage operirt, 16 Tage später Em- 
bolien. 

Brebmer, Karl, 52 Jahre alt, operirt 26. September 1903, ge- 
storben 15. October 1903, erkrankte plötzlich unter schweren Symptomen 
am 19. September 1903. In der Ileocoecalgegend besteht Druckempfind- 
lichkeit. Sichere Resistenz nicht fühlbar. Bei der Operation, am 7. Tage 
der Krankheit, wird ein grosser Abscess eröffnet, etwa 1 — 4 1 stinkenden 
Eiters und ein bohnengrosser Kothstein entleert. Der Appendix reisst 
beim Versuch, ihn zu lösen, ab, der übrige Stumpf lässt sich noch abbin- 
den und resciren. 

Verlauf: Nach 14 Tagen glatten Verlaufs plötzlich heftige Stiche in 
der linken Seite. Dämpfung über dem linken Unterlappen. Abgeschwächtes 
Athmen. Vereinzeltes Knistern. Probepunktion negativ. Patient sehr 
stark benommen. Unter zunehmender Athemnoth geht Patient zu Grunde. 

Section: Peritoneum intakt. Die linke Lunge zeigt im Unterlappen 
einen grossen, keilförmigen eitrigen Infarkt, der durch einen septischen 
Embolus hervorgerufen worden ist. Rechte Lunge und andere Organe 
intakt. 

Appendicitis perforativa. Im Anfall operirt. Lungenembolie. 

Patient B., 24 Jahre alt, operirt 20. Juni 

Drei Anfalle waren vorangegangen, alle nicht sehr heftig. Bei der 
Operation findet sich nach der Beckenschaufel zu ein Abscess, aus 
dem sich noch eine kleine Menge Eiter entleert. Der Wurmfortsatz liegt 
in den Abscessschwarten fest eingebettet und ist sehr schwer zu lösen. 
Der Appendix ist nach oben zu geknickt und zurückgeschlagen, stark 
verwachsen. 

Verlauf ein glatter. Nach 14 Tagen Stiche rechts, hinten unten, 
Rasseln, Bronchialathmen^ leichte Schallabschwächung, Embolie. Unter 
Morphium gehen die Erscheinungen bald zurück. Am 3. Tage deutliches 
Blutaputum. Am 23. Juli entlassen, noch geringe Athembeschwerden, 
aber keine Dämpfung mehr rechts. 

d) Pleuritis, Lungenabscesse. 

Unzweifelhaft kommen Pleuritiden im Verlaufe der acuten Appendi- 
citis zur Beobachtung. Sie können als von einem entzündlichen 
Herd in der Ileocoecalgegend fortgeleitet angesehen werden. Es ist aber 
für uns ausser Zweifel, dass viele dieser Pleuritiden nicht aus obiger 
Ursache entstehen, sondern sich öfters an Infarkte (Embolien) der 
Lunge, wenn dieselben in der Nähe der Pleura sich befinden, anschliessen. 
Auch Empyeme der Pleura haben wir beobachtet. Sie entstehen durch 
Infection des ursprünglich serösen Exsudats oder verdanken ihren Ur- 



L 



152 — 

Sprung dem Durchbruch aubphrenischer EiteranBammlungen. Ein Durch- 
bruch derartiger Absoesse in die Lunge resp. Bronchus kann Bich gleich- 
fftlla ereignen. J 

Herr L., 18 Jahr, Magdeburg, operirt am 18. März 1903, I 

Patient hatte 2 Anfalle von acuter Äppendicitis durchgemacht, davon 1 
den letzteren vom November bis Miirz 1903. Derselbe war complicirt 
durch eine schwere seröa-fibrinöse Pleuritis auf der rechten Seite. Pa- 
tient wurde dann nach Ablauf des 2. Anfalls im freien Intervall operirt. 
Der Befund zeigte einen nicht aebr verwachsenen Wurmfortsatz, bocL- 
gradigea Empyeni, strotzend gefüllt uud am centralen Ende durch Adhae- 
sionen geknickt. In der Eilerböhlc befanden sich 3 Steine. Gebeilt ent- 
lassen am 15. April. 

Enabe M., 3 Jahre all. Operirt am !(i. Hai IS'JÖ am 4. Tage des J 
1. Anfalle. 1 

Anamnese: Am 13. Mai plötzlich mit heftigen Lei bachni erzen, be- ' 
sondere in der rechten Seite, hohem Fieber und Erhreclieu erkrankt. 
Sofort Opiumtherapie, daher Mittags bereits Leib sufgefrieben. Tempe- 
ratur 39,0t'. Resistenz nicht nachweisbar. Am 14. und 15. Mai Tem- 
peraturabfall. Stultlgang. Anscheinende Besserung. Resistenz nicht 
besonders deutlich. Grosse Empfindlichkeit. 16. Mai Tem p erat u ran stieg 
auf 40,0". Ausserordentliche Versehlecbterung des Befindens. Sofortiger 
Eingritl'. 

Operation: Perifoneura zart, nirgends verwachsen. Keine Zeichen 
eines nahen .Abscesses, daher Eröffnung des Peritoneums. Vor liegt Coe- 
cum. Von ihm ab gebt der vollkommen normale Wurmfortsatz zur Leber 
hinaufgeachlagen. Derselbe wird durch die freie BaucbbÖhle hindurch 
verfolgt. An seinem peripheren Ende stoest man auf eine Resiatenz- 
Beim Eingehen auf dieselbe entleert sich ein grosser, unter der Leber 
gelegener, mit kothig riechendem Eiter erffUlter Abacess. Schutz der 
Banchhühle. Reaection des Wurmfortsatzes. Derselbe ist au der Spitze 
perforitt, dort Kothstein. Schürzentamponade. 18. Mai Besserung des 
Befindens. Leib nicht empfindlich. 23. Mai leichtes Frösteln nach Ver- 
bandwechsel. Unrahe , Schweissausbruch. Rechtsseitige Dämpfnog bis 
zur Scapula. Punction ergiebt Eiter- Exsudat. Ansserdem nach links In- 
filtration der Lunge, Eipectoration födder Massen. Lungen ab sc ees, Plen- 
raempyem. Keine Section. (Wahrach ein lieb Durchbruch eines aubphre- i 
nischen Abscesses in Pleura und Lunge). | 

Durchbrucb des aubphreniachen Abscesses in Lunge und Bronchas; I 
V., Anna, 25 .Tabre alt, operirt am 17. März 1894. Erkrankte mit 
Schmerzen in der rechten Seite in Folge von seit Wochen bestehenden 
furtinkolartigen Schwellungen in der Beocoecalgegend. Diese Schwellungen 
sind zu pleno iggro äsen Geschwüren mit aiebartig durchlöcherten RSudern 
zum Tlieil umgewandelt. Bei der Operation, Schnitt tlher die Fistel, 
entleert sich massenhaft stinkender, mit Kolb untermischter Eiter ans 
einer vielbuchtigen Abscessbölile. Man gelangt in der Tiefe auf dicke 
Schwarten. Nach stumpfer Durchtrennung derselben zeigt sieh der 



I 



— 153 — 

schmierig verfärbte Wurmfortsatz. Dieser ist vollständig von seinem An- 
satz am Coecum abgelöst. Die entsprechende Oeffnung am Coecum noch 
offen. Trotz Kollapses der Patientin konnte eine üebemähnng der 
Oeffnung noch gemacht werden. Die Patientin ging an allgemeiner 
Sepsis und unter Erscheinungen von Seiten der Lunge zu Grunde. In 
der rechten Lunge fand sich im Unterlappen eine htJhnereigrosse, mit 
dicken, stinkenden Eiterklumpen gefüllte Abscesshöhle, welche durch eine 
markstückgrosse , glattrandige Oeffnung im Zwerchfell im Zusammenhang 
steht und wiederum mit einem zweiten Eiterherde hinter der rechten 
Niere und den anliegenden Darmschlingen communicirt. Die linke Vena 
iliaca ist bis zur Vereinigungsstelle mit der Vena hypogastrica thrombo- 
sirt, der lange Thrombus in der Mitte eitrig zerfallen. 

c) Pylephlebitis und deren Folgen. 

Eine der gefährlichsten Complicationen ist die Pylephlebitis und die 
in ihrem Gefolge in den inneren Organen auftretenden subphrenischen 
und Leberabscesse. 

Multiple Leberabscesse, entstanden durch Pyophlebitis , sind dem 
Messer des Chirurgen unzugänglich. Nur einmal gelang es durch Oeff- 
nung eines Leberabscesses das Leben zu retten und die Gesundheit 
wieder herzustellen. (Vgl. Hermes, Casuistische Beiträge zur Chirurgie, 
der Leber- und Gallen wegc. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Band 51, 
Seite 458.) 

Die 44jährige Patientin hatte mehrere schwere Perityphlitisanfälle 
durchgemacht. Anfangs Januar 1S95 bildete sich eine Anschwellung 
unterhalb des rechten Rippenbogens unter massigen Schmerzen. Gelb- 
sucht war dabei nicht vorhanden, der Urin auffallend dunkel. Die Haut 
tiber der Anschwellung war bläulich verfärbt. Man palpiert hier eine 
ungemein schmerzhafte, derbe Resistenz, die sich scharf gegen das im 
übrigen leicht eindrückbare Abdomen etwa 4 Finger breit unterhalb des 
Rippenbogens abgrenzen lässt. Einschnitt entsprechend der Vorwölbung, 
Erweiterung der Oeffnung durch Resection entsprechender Stücke der 9. 
und 10. Rippe. Der eingeführte Finger gelangte in eine geräumige, 
buchtige, von derbem, schwartigem Gewebe eingekleideten Höhle, haupt- 
sächlich nach rechts- obcn-aussen, so dass der Abscess im rechten Leber- 
lappen entwickelt zu sein scheint. Heilung. In diesem Falle entwickelte 
sich in ganz characteristischer Weise der Abscess im Anschluss an einen 
wenige Monate vorher überstandenen Anfall von eitriger Perityphlitis. 
Der Anfall als solcher war nach einer durch eine intercurrirende rechts- 
seitige Pleuritis verzögerten Behandlungsdauer von 3 Monaten ausgeheilt. 
3 Monate später trat der Abscess im Leberlappen auf. 

Es mögen noch 2 weitere Beobachtungen die verschiedene Art der 
an die acute Appendicilis sich anschliessenden Pyaemie illustriren. 

Schleicher, Wilhelm, 30 Jahre alt. Aufgenommen am 27.0c- 
tober, gestorben am 14. November 1903. — Anamnese: Früher stets 




154 



gpaa^mr 4 W^b^n mit S^httUittÖBUo plötzUch erknnb. INe 8 
SiHfilllbdnbolteii sieb hieber tiglicb, Elrt>recliei) Int Itinzn. Vod AttOiag n 
Ute ^tient Leibtebmeixen mäwig«« Gndei ond bioptsadiUch «nf die 
Unke Bmcbseit^ IcN^IisirL — Befand: HitMlgroaeCT, Bchlecbt genttitei 
Haoo, TCT&UeDer Geeicbtsstudnick , Hsat bUss, Ineht icledsch. Zange 
trocken. Foetor ex ok. Bnulorguie ohne Befand. Banebdecken staik 
gespannt, kein snffilUger Heteoriamns. Leberdimpfang etwas nacb tinten 
über den Kippenbogeo rdehend. Palpation des Leberrandea nicht em- 
pfindlicb. Milz deatlich vei^rÖBBert In der Appendixgegend keinerl« 
DroekscbrnffTzen. Crin enthält etwas Albnmen. Der Leib ist Qbenll 
tympanitiach , nirgendB besonders empfindlich. — Terlaaf: Im weiteren 
Verlanfe tritt eine deollicbe Dämpfno^ in der onteren Hälfte des üoter- 



Fig. 94. ■■ 



Udi Zahl Temp-lPui»! 


^ — ^ — _ . ^ — , — ^_^_^ 


45IW0\ ;■ 






^I^^^^^^^H 




E 




VaA^BHI^I^I 


35000, 42" MO iH 


■ 




ixHIHHBH 




■ 




^flHI^I^l^HH 


25 000^ 40>'120m 


B 




^^^ 


Z000fJ[39' \100 fl 


1 




i'imo^sr- oö m 


■ 




■MM-^^a 




■ 




^I^^^^Bl 



leibs anf, die von links nach rechts herflb erreicht. Die Dämpfung ist 
nicht verschieblich. Patient bat nahezu täglich einen oder mehrere 
Schüttelfröste. Die Temperalnr hat denllich remittjrenden pyämischen Typne. 
Der PuIh schwankt zwischen SO und 100. Die Leukocytose bleibt zwischen 
10 und 20 000. Gegen das Ende wird Patient stark benommen, der Leib 
wird immer aufgetriebener, die Leberdämpfnng ist deutlich nach unten eii 
vcrgröflsert. Ath em b es ch werden treten auf. Rechts ist eine Dämpfung 
bis zur Mitte der Scapula. EnlleeruEfr von 1000 cbcm trüben serösen 
Exsudats ohoe Flocken. Unter zunehmender Kachexie Exitus. — 
äectionsbefand: In der rechten Pleurahöhle noch eine geringe Menge 
lerÖBcn Exsudats. Das Nelz stark geschwollen und eitrig infiltrirt. Die 
MeseDteriatdrUsen zum gröasten Theil vereitert. Der untere Theil des 
lleum ist schwarzblau verfärbt, die Schleimhaut stark cyanotisch, enthält 
einige necrotische Stellen. Die Venen des Netzes euthalten, soweit sie 
zum Emälirungsgebiet dieses Darmlheils gehören, eitrigen Inhalt. Die 
Vena portamm ist von ihrem Ursprung bis zum Eintritt in die Leber 
mit dickem Eiter angefüllt. Beim Durchschneiden der Leber entleert sich i 
■US ftllen Venen dicker Eiter, ausserdem noch etwa 8 haselnnssgrosss J 



— 155 — 

Abscesse. Der Wurmfortsatz enthält Reste einer alten Appendicitis und 
eine vernarbte Perforation, 

Pyophlebitis, pyaemische Abscesse in Leber^ Hirn, Lunge. Tod: 
Walk, Gottfried, 40 Jahre alt. Operirt am 20. November 1902, 
gestorben am 2. Januar 1903. — Patient, der bereits 3 Mal Attacken von 
Appendicitis durchgemacht hatte, erkrankte unter schweren Symptomen 
und deutlicher Resistenz. Man begütigte sich bei der Operation, den 
grossen Abscess zu eröffnen. Za den Symptomen von Entzündungsheerden 
in Lunge, Leber, die allmählich auftraten, zeigten sich plötzlich unter 
Anstieg der Temperatur und Eintreten von Benommenheit clonische Krämpfe 
beginnend beiderseits im Facialisgebiet und auf die Extremitäten über- 
gehend. Die Anfälle nahmen an Häufigkeit zu. Exitus. — Section: 
Multiple Abscesse in Gehirn, Nieren, Lungen^ Leber. 

f) Subphrenische Abscesse. 

Wir haben uns schon in dem pathologisch-anatomischen Theil (S. 72) 
über die anatomischen Verhältnisse der subphrenischen Abscesse an der 
Hand unserer eigenen Beobachtungen ausgesprochen, insbesondere über die 
Lage des Appendix und der mit demselben in Verbindung stehenden 
Abscesse. Hier wollen wir uns mit den Symptomen dieser subphrenischen 
Abscesse beschäftigen.^) Ein acutes Einsetzen der Symptome hat sich 
bd den von mir beobachteten Fällen nicht gezeigt. Die Kranken waren 
im Anfange wegen einer perforativen Form der Appenciditis operirt worden, 
sie fühlten sich nach der Operation in der Regel besser, doch dauerte 
diese Besserung nicht lange an. Nur in einem Falle waren eigentlich 
die Symptome schon gleich mit der Appenciditis, wenn auch nicht ganz 
deutlich, vorhanden. 

Es verflossen bis zum Auftreten charakteristischer Symptome 8 bis 
30 Tage nach der Operation der acuten Appendicitis. Auffallend latent 
war der Verlauf in einem Falle. Zwar hatte der Patient auch nach 
der völligen Ausheilung seiner Appendicitis und des rechtsseitigen Pleu- 
raempyems noch Schmerzen in der rechten Brustseite, aber erst nach einem 
halben Jahre zeigten sich die Symptome eines subphrenischen Abscesses. 
Während dieses halben Jahres hatte sich Patient, abgesehen von Schmer- 
zen in der rechten Brustseite, die nicht erklärt werden konnten, ganz 
wohl gefühlt und konnte selbst stärkere körperliche Anstrengungen (Jagd) 
gut vertragen. 

Im Verlaufe der Perityphlitis kommen auch ohne Operation selbst- 
verständlich gleichfalls subphrenische Abscesse zur Beobachtung. Ein 
österreichischer Officier hatte alle Symptome eines subphrenischen Abs- 
cesses. Die Ursache war dunkel, angeblich nie Anzeichen einer Appen- 

1) Vgl. Weber, Zur Casuistik der subphrenischen Abscesse nach Appendicitis. 
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Bd. 54. S. 423. Bd. 60, S. 127. Es sind seit 
dem nur noch zwei neue Fälle hinzuzukommen. 



dicitJB. Dennodi stellte ioli die Diagnose auf App. Iwata Operatioii de» 
subphreuiaclien ÄbaceMeB, von dem nur noch an Ort nnd Stelle Reste vor- 
gefunden wurden. Während der Reconvalescenz trat eiu acuter Anfall voa 
Appendlcitis auf. Nuumebr wurde nach Ablanf des Anfalles die Appen-' 
(lectomie gemacht. Völlige Heilung. 

Die abendlichen Steigerungen der Temperatur, der reniiltirende Cha- 
rakter des Fiebers, nachdem die Operatioi) des ursprünglichen Herdes 
zuerst vorübergehenden Rückgang der Temperatur bis zur Norm gebracht: 
hatte, «eisen /.uerst auf das Vorhandensein eines noch in der Tiefe sitzenden 
Abacesses in unseren Fällen hin. Die subjecliven Beschwerden waren 
Anfangs gering. Die Patienten klagten über Schmerzen in der rechten 
Brustseite und im rechten Hypochondriura. Die von Sachs 'j als cha- 
nkteristisch bezeichneten, nach dem recht'jn Schulterblatt ausstrahlenden,' 
Schmerzen waren nur in einem Falle vorhauden, Singultus haben wie 
nicht beobachtet, dagegen öfters hartnäckiges Erbrechen. 

In einem Falle, bei dem sich der Abscesa extraperitoneal entwickeltoi 
zeigte ein collaterales Oedem in der Lumhaigegend , das sich in enormer, 
Ausdehnung, und zwar vom unteren Schulterblattwinkel bis fast zur Crista 
ossis ilei rechts erstreckte, einen in der Tiefe verlaufenden entzündlichen 
Process an, analog dem Oedem, wie es sich über Phlegmonen bildet. 
Dieses Oedem, wenn vorhanden, hat eine wichtige diagnostische Bedeutung. 
Auffallend war in diesem Falle auch die ausaerordentücb starke sulzige 
Diirchtränkung des präperitouealen Gewebes, die sich bei der Freilegung 
des appendiciti sehen Abscessee zeigte. Sie wies damals schon auf eine 
extraperitoneale Lage deaaelben hin. 

Von grossem Werthe fürdie Diagnoae ist aelbstverständlich die Aspiration 
von Eiler durch Probepunetion, zumal die Percusaion vollständig im Stich 
laaaen kann, und auch das Herabdrängen der Leber in Folge von Eiter» 
nnaammlungen zwischen Leber und Kuppe in vielen Fällen nicht fest- 
stellbar ist, da unmittelbar an der Leberdämpfung die peritjphli tische 
Dämpfung beginnt. Besonders dann ist die Function wichtig, wenn Eiler 
erst in beträchtlicher Tiefe vorhanden ist. So z. B. war in dem oben 
erwähnten Falle mit starkem Oedem die Dämpfung rechts hinten bia zum 
unteren Scapulawinkel fortgeachrilten, sie hatte tympani tischen Beiklang, 
und die Zeichen eines gashaltigen Abscesses waren vorhanden. Trotzdent' 
ergab die Probepunetion erst im elften Intercostalraume Eiler, Die so hoch 
hinaufreichende Dämpfung war ebenfalls mit bedingt durch das erwähnte 
cotlat«rale Oedem. Auakultatoriech war über dieser Farthie nur leicht 
abgeschwächtes Athmen, keine pieuritiachen Reibegeräusche zu hören. 
Sehr wichtig ist die Untersuchung der Leukocyten in diesen Fällen. Ihr 

1) Langenbeck'B Ardiir. Bd. 90, Heft 1. 



I 



— 157 — 

Ansteigen ist manchmal das erste Symptom einer beginnenden Eiteran- 
sammlung unter dem Zwerchfell. 

Hinsichtlich der Difierentialdiagnose zwischen einfachem subphreni 
schem Abscess und Empyem der Brusthöhle sei hier noch auf das Fehlen 
anderweitiger Entzündungserscheinungen der Pleura im Anfangsstadium 
hingewiesen. Bei sehr ausgedehnten Eiteransammlungen kann man beim 
Umbetten und Umlegen des Kranken unter Umständen ein eigenthümlich 
plätscherndes Geräusch wahrnehmen. Das gilt natürlich nur von Fällen 
wo die Eiteransammlungen sehr gross sind. 

Ich führe einige Beispiele von subphrenischen Abscessen an. 

K. E., 53 Jahre alt, operirt am 12. October 1897. Oeffnang einer 
grossen Abacesshöhle, die bis unter die Leber reicht. In derselben befand 
sich der gangränöse Wurmfortsatz, Nach vorübergehender Besserung trat 
wieder stärkerer Meteorismus und hartnäckiges Erbrechen auf, die aber 
nicht von Dauer waren. Patient klagte über Schmerzen in der Brust 
rechts, doch trat sehr bald eine Dämpfung auf und abgeschwächtes Atbmen. 
Die Dämpfung reichte bis zum Scapularwinkel. Probepunktion negativ. 
Plötzlich trat nach einigen Tagen Nachts starke Athemnoth auf, Cyanose, 
starker Kollaps. Der Patient ging unter grosser Unruhe zu Grunde. 
Bei der Sectien zeigte sich eine geringe, in der Umgebung des alten 
Abscesses ausgebreitete Peritonitis. Zwischen Leber und vorderer Thoraxwand 
waren starke Verwachsungen. Beim Versach, dieselben zu lösen, gelangt 
man in einen mit grünlichgelbem Eiter und Fibrin gefüllten Abscess. 
Zwerchfell darüber thalergross perforirt. Der rechte Leberlappen ist an 
der Abscessstelle stark abgeplattet, die Oberfläche daselbst mit dicken 
Fibrinmassen bedeckt. Die rechte Pleurahöhle ist gefüllt mit trüber 
flockiger Flüssigkeit. Auf der Pleura visceralis und parietalis Fibrin- 
schwarten. Rechte Lunge besonders im hinteren Abschnitt bedeckt mit 
ziemlich dicken Fibrinmassen. Mittellappen weich, vollständig atelectatisch, 
Oberlappen splenisirt. 

B., Eugen, 17 Jahre alt, operirt am 5. Krankheitstage am 
18. Juni 1896. 

Grosser Abscess am Leberrande, enthaltend den zum Theil gangrä- 
nösen Wurmfortsatz. Im Verlauf trat rechts hinten Dämpfung auf (seröses 
Exsudat). Unter dem rechten Rippenbogen deutliche Vorwölbung. Schmerz- 
haft rundlich, über mannsfaustgross. Leberdämpfung dadurch erheblich 
vergrössert, jedoch ist der scharfe Rand der Leber nicht zu fühlen. 
Operation, Incision entsprechend der Vorwölbung. Ein grosser, einen 
halben Liter übelriechenden Eiters enthaltender Abscess wird eröfluet, 
dessen Inhalt sich unter grossem Druck entleert. Der Boden des Ab- 
scesses wird von der Leber gebildet. Nach hinten reicht die Leber bis 
in die hintere Axillarlinie. Tamponade. Nach einigen Tagen Gegen- 
öffnung in der vorderen Axillarlinie zwischen der 8. und 9. Rippe. 
Heilung. 

Bley, Max, 12 Jahre alt. Erkrankt am I.August, aufgenommen 
am 8. August, operirt am 9. August, gestorben am 11. August 1903. 



ADamuGBe: Am I. August begann er über Schmerzen im Leibe i 
klagen , in der Nacht zum 2. AngoBt zweimaUges Erbrechen. Seit dem \ 
5, Auguat haben die Schmerzen erheblich zugenommen. 

Befund: Sehr magerer und blasser Knabe. Temperatur 37,9, 
Puls 112, Lenkocyten 28000. Leib nicht aufgetrieben, eindrOckbar, auf 
Druck rechts Flankensch merzen. Ueber dem rechten Ponpart' sehen Baiiide 
eine Eiemlich grosse Resislenz mit Dämpfung. Die Dämpfung geht nach 
hinten den Bflcken hinauf in die Hübe bis znm Scapularwinkel. Ueber 
der ganzen rechton Lunge hinten völlig abgeschwächtes Athmen. Kein 
Äthemgerftusch. 

Operation: am 9. Aagnat. Zunächst rechtsseitiger Flanken schnitt. 
Eröffnung eines grossen Abscesses an der ümschlagssteile des Peri- 
toneums. Die Äbscesshöhle ist gut abgekapselt, geht nach unten ins 
kleine Becken. Der Wurmfortsatz, liegt in der Wand massig verwachsen, 
wird reaecirt und übernäht, Wurmfortsatz 5 cm lang, in der Mitte perforirt. 
2. Resection der rechten 9. Rippe, Eröffnung der Pleura. Im Pleuraraum 
dicker Eiter. Man gelangt mit der Kornzange retro peritoneal bis in die 
erste Flankenwnnde, Nach oben hin geht die Eiterung bis zur 5. Rippe. 
Resection der 5. Rippe und Durchziehen eines Drains von oben nach 
unten. 2 Tage später durch zunehmende Allgemeininfection Exitus. 

Section verweigert. 

g) Magen blntun gen. 

Sehr wichtig sind die (durch die Sepsis bedingten), im Verlaufe 
einer acuten Appendicitis auftretenden Mngenblutungen (Hamatemesis). 
Einen höchst charakteriatiachen Fall erlebte ich vor einigen Jahren. Ein 
bekannter französischer Schauspieler erkrankte in einem Berliner Hotel 
unter Fieber und heftigen Schmerzen im Leib, die ala solche vorläufig von dem 
hin zugerufenen Arzte behandelt wurden und durch Narcotica sich zu bessern' 
schienen. PlötKlicb trat eine abundante Magenblutung auf. Die binzu.- 
gezogenen Aerzte fassten dieselbe als Blutung aus einem Magengeschwür 
auf und brachten den stark fiebernden Patienten in meine Klinik. Der 
Patient mochte einen schwer septischen Eindruck, die Anzeichen einer 
fortschreitenden Peritonitis waren ohne Weiteres zu erkennen. Bei dem 
Zustande des Kranken war von einem operativen Eingriff nichts mehr 
zu erwarten. Die Section ergab eine septische Peritonitis in Folge Dureh- 
bruchs eines perityphlitischen Abscesses. Der Magen war vollständig 
gesund. Die Magenblutung war nur ein Symptom der allgemeinen Sepsis 
und Toxinämie gewesen. 

h) Spontaner Durchbruch des Eilers durch die Haut 
oder ii) den Darm. 



I 
I 



Im Verlauf der acuten Appendicitis kann ( 
in der Ileocöcalgegend kommen, wenn nämlich 



auch zur Fiatelbildung ^ 
ins eitrige Exsudat, diel 



— 159 — 

Fascien und Muskeln allmählich durchbrechend, sich auch den Weg durch 
die Haut bahnt. Wir unterscheiden da eitrige und Eothfisteln. Erstere 
können spontan ausheilen, letztere selten. Mit Durchbruch des Absesses 
pflegen die Erscheinungen schnell nachzulassen, in ähnlicher Weise, wie 
dieselben auch bei Durchbruch des Eiters in den Darm verschwinden 
können. 

Der Durchbruch des Eiters in den Darm findet offenbar viel häufiger 
statt, als gewöhnlich angenommen wird, und ein schneller Temperatur- 
abfall bei einem eitrigen Exsudat wird oft seinen Grund darin haben. 
Kleine Eitermengen sind schwer im Stuhl nachzuweisen, so dass auch 
hier kein Anhaltspunkt dafür vorliegt. Aber die klinische Erfahrung 
hat es beinahe zur Grewissheit gemacht, dass auch Durchbrüche kleiner 
Eitermengen in den Darm durchaus nichts Seltenes sind. 

Dass der Eiter auch nicht gerade in der Ileocöcalgegend, sondern an 
anderen Stellen, je nach der Lage des Abscesses und des Wurmfortsatzes, 
durch die Haut durchbrechen kann, ist ohne Weiteres ersichtlich. Nähert 
sich das eitrige Exsudat den Bauchdecken, so geht dem Durchbruch 
meistens eine phlegmonöse Entzündung, manchmal sehr ausgedehnter Art, 
voraus. Auch Gasphlegmonen werden beobachtet. Das eigenthümliche 
Knistern, das durch Ansammlung von Gas in den Geweben bedingt 
wird, macht sich auch bei tiefliegenden Phlegmonen dem Gefühl wahr- 
nehmbar. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, den Sitz tiefliegender Ab- 
scesse bei vorsichtiger Abtastung der Bauchdecken durch das Gasknistern 
zu erkennen. 



i) Durchbruch des Eiters in die Harnblase. 

Sehr wesentlich sind auch die Complicationen des acuten Anfalles 
mit Blasenerkrankungen. So gut wie der Eiter sich einen Weg in den 
Darm bahnen kann, so kommt es auch vor, dass derselbe in die Harn- 
blase durchbricht. Es giebt da zwei Möglichkeiten. Entweder entleert sich 
der Abscess vollständig in die Blase — der seltenere Fall — , oder der 
Abscess perforirt in die Blase; dann verschliesst sich beim Nachlass der 
Spannung des Eiters die Oeffnung wieder, um wieder aufzubrechen, wenn 
wieder grössere Eitermengen in der Abscesshöhle vorhanden sind. Es 
kann auch vorkommen, dass der Abscess nicht in die Blase durchbricht, 
sondern auch noch einen weiteren Durchbruch in eine Darmschlinge 
macht Jedenfalls sind derartige Durchbrüche in die Blase, wenn sie nicht 
spontan heilen, eine recht schwierig zu beseitigende Complication. Einen 
ungemein wichtigen derartigen Fall habe ich vor Jahren beobachtet. 



Herr H., 28 Jalire alt, operirt October 1898, bekam im Verlauf 
eineB dritten RecidivB einer acnlen Appendicitis änen Durchbrucb des 

Abacesaea in die Blaae mit Entleerung einer grossen Menge Eiters per 
Qiethram. Zuiiäcliat stellte eich, trotzdem lange Zeit Eiter entleert wurde, 
keine hocligradige Cyatitia ein; dieselbe blieb vielmehr bei ruhiger Bett- 
lage uud Regelung der Diüt in massigen Grenzen, nur störte daa Anf- 
treteu von Luft beim Uriniren und ein manchmal aich einstellender sehr 
übler Geruch des Urins. Operation ca. -l Wochen nach dem Dnrcli- 
brucb. Entfernnng des Appendix aus bis zur Blase reichenden Schwarten. 
AbacesB in den Schwarten resp, in der Umgegend der Blaae nicht mehr 
vorhanden. Nachdem die Operationswundeu geheilt waren, blieb aber die 
Cyatitia mit Remiseionen bestehen. Merkwürdiger Weise waren in dem Urin 
neben Eiterzellen noch lange Zeit Pflanzenzellen in ziemlich unverändertem 
Zustande nachzuweisen, sodass man eich derVorstelluug nicht entziehen konte, 
dasB noch eine Communication mit einer höheren Darmachlinge beatehen 
mnaäte, die, wenn auch nicht direct mit der Blase, ao doch vielleicht mit einer 
anderen allen Abscesahöhle in Verbindung stand. Nachdem nach 2 bis 
3 Monaten eine Beesening der Cyatitis nicht erreicht war, entschloas ich 
mich , noch einmal die Blase frei zu legen und die Fistel aufzusuchen, 
deren Sitz wir einigermasaen sicher in dem unteren Abschnitt der Blaae 
cystoacopisch erkannt hatten. Bei der Laparotomie zeigte sich die 
Oefinung in der Blase eo ungünstig unterhalb der Symphyse gelegen und 
daselbst mit Dünndarm schlingen verwachsen, daas von einer radicalen 
Preilegung und Zunähen der Oeffniing wegen unüberwindlicher Schwie- 
rigkeiten Abatand genommen werden mnsste. Ich entacbtosa mich daher, 
eine Communication der erwähnten verwachsenen Dünndarmachlinge mit 
der darüberliegenden Ileumachlinge mittelst Murphyknopfes zu machen, 
um so die Verödung der mit der Blase comraunicirenden Darmsehliuge 
anzubahnen. Einige Zeit nach der Operation schien noch kein Er- 
folg vorhanden zu sein, wohl desshalb, weil der Knopf sehr lange in 
loco blieb. Als derselbe aber endlich seine Stelle verlassen Latte nnd 
entleert wurde, trat in der That eine völlige Heilung ein, die Cyatitis 
versehwand, und der Patient ist jetzt seit vier Jahren als definitiv geheilt 



In einem anderen Falle entstand eine Blusenfistel in Folge Dmckusi 
der Blase durch einen abgekapselten Abaceas und heilte spontan. 

Die Schwangerschaft, compücirt mit acuter Appen die itis, ist eine 
schwere Coraplicalion, Trotzdem man annehmen muss, daas der allmäh- 
lich aich vergrössernde Uterus bei Kranken mit verwachsenem Appendix 
nothwendiger Weise Zerrungen an diesem Gebilde verursachen muss und. 
eine acute Appendicilis während der Schwangerschaft durchaus nicht seilen 
gerade durch diese ausgelöst werden muas, so sind mir doch im Ganzen 
nur wenige derartige Fälle zur Behandlung gekommen. In i " ' *" 
obacbtungen war der Anfall an und für sich nicht derart, dass eil 
operativer Eingriff gleich angezeigt war. Er ging wieder zurück 
nach Ablauf der Schwangerschaft ist der kranke Wurmfortsatz entfernl 



nii^^l 



— 161 — 

worden. Wenn ein acuter Anfall bei vorhandener Schwangerschaft auf- 
tritt, so wird es natürlich für den weiteren Verlauf von grosser Wichtig- 
keit sein, in welchem Monat der Schwangerschaft das geschieht. Je 
früher, um so besser für die Operation, je später, um so gefährlicher, 
nicht nur gefährlich deswegen, weil wegen des entwickelten Uterus der 
Zugang zum perityphlitischen Herde schwieriger ist; sondern auch, weil 
durch den operativen Eingriff meist die Schwangerschaft unterbrochen wird. 



Symptome der chronischen Appendicitis. 

Unzweifelhaft vollziehen sich hochgradige Veränderungen des Wurm- 
fortsatzes so allmählich, dass die Krankheit ganz latent bleibt und erst 
in einem sehr späten Stadium durch einen stürmischen charakteristischen 
Anfall sich klinisch offenbart. Es ist daher unsere Pflicht, auf Symptome 
einer vielleicht schon bestehenden chronischen Appendicitis genauer als 
bisher zu achten. Wie wir schon erwähnten, müssen unbestimmte 
Symptome von Magen- und Darmreizungen beim Fehlen einer nachweis- 
baren Erkrankung des Magens, des Darms, der Leber den Verdacht er- 
wecken, dass diese Schmerzen und Beschwerden reflectorisch vom Blind- 
darm ausgehen. Dass auch ein grosser Theil nervöser Erkrankungen 
als erstes Symptom einer schleichenden Entzündung des Wurmfortsatzes 
in der That angesehen werden müssen, darüber haben wir uns ja schon 
Seite 100 ff. ausgesprochen. Wiederholen sich Magen- oder Darmstörungen 
häufig, so muss genau daraufhin examinirt werden, ob nicht diese schein- 
bar geringfügigen Störungen mit einem Entzündungsherd in der Ileocöcal- 
gegend in irgend einem Zusammenhang stehen. 

Zur Illustration seien folgende Fälle erwähnt. 

Appendicitis larvata. 

Knabe G., 11 Jahre alt, operirt am 16. Februar 1902. 

Seit Frtthjahr 1901 bestanden Schmerzen im Leibe, ganz unabhängig 
von der Mahlzeit Die Schmerzen waren kolikartig und verbreiteten sich 
über den ganzen Leib. Der Hausarzt verordnete eine Karlsbader Kur, 
die nur vorübergehend Erfolg hatte. Da in der Gegend des Nabels die 
Hauptschmerzen angegeben wurden, so vermuthete der Arzt Verwachsungen 
in dieser Gegend und mit dem Magen. Ein anderer College stellte die 
Diagnose auf Dünndarmgeschwür. Der Knabe litt ausserdem an chronischer 
Obstipation. Hinzugezogen, stellte ich die Diagnose auf eine Appendicitis 
chronica adhaesiva mit Umschnürung des Darmes. Druckempfindlichkeit 
in der Ileocöcalgegend bestand nicht, dagegen Aufblähung verschiedener 
hier gelegener Schlingen, in denen offenbar Gas und Contenta des Darms 

Sonnenburg, Perityphlitis, 6. Auflage. 11 



zurflck^eh alten wurden. Bei der Operation wurde ein 14 cm langer, dai9 
Oöcum umschnfirender, nach dem Nabel reichender Wurmfortsatz gefunden^ 
und entfernt. Dauernde Heilnug. 

Frau B., 45 Jahre alt. Operirt am 7. October 1897. — Anam 
nese: Seit 2 Jahren leidet Patientin an chronischen Vordauuiigabe- 
achwerden, welche lange Zeit hindurch aU hysterisch aufgefaast wurden. 
Während dieser Zeit verlor Patientin die Hälfte ihres Körpergewichts und 
iLiagerte sehr ab. Bisweilen trat während der Erkrankung Fieber, bia- 
weilen auch Erbrechen auf, bisweilen stellten sich unbestimmte Schmerzen 
mehr in der rechten Seite ein. — Befund vor der Operatiou: 
ÄeuäserBt abgemagerte Frau mit sehr schlaffen, welken Bauchdecken. Der 
Verdacht auf Magenerkrankung besteht schon seit längerer Zeit. In der 
Narkose glaubt man auch eine kleine circumscripte Reaiatenz am Magen zil_ 
fflhleu, die als Tumor imponir^ lediglich aber nur eine GeiaaserweiteruDg igtj 
In der I leocöcal gegen d auch in der Narkose hxum etwaa Krankhaftes (Ver^ 
wachsungen?) nachweisbar. — Operation: Flankenschnitt. Hier zeigen" 
sich sofort Verwachaungen, die zu förmlichen Taschen geführt haben. Der 
Wormfortsatz findet sich, von der medialen Waud ausgehend, und in der 
Mitte etwas geknickt, nach oben geschlagen. Auch zwischen ihm nnd dem 
Coecnm finden sich flächenhafte Verwachsungen. Ganz besonders fällt 
ein bandartiger Streifen, welcher vom Coecum nach dem Procesans vermi- 
formis au der dem Mesenteriolum entgegengesetzten Seite vortiber zieht, auf. 
Der abgetragene Wurmfortsatz ist 5 em lang und hat im Anfangstheil 
normale Schleimhaut. Dann wird die Schleinihaut gewulstet und verdickt, 
und in diesem peripheren Theile befinden sich zwei längliche Kothsteine. 
Dabei flüssiger, übelriechender Inhalt. Die Patientin ist dauernd be- 
Bchwerdefrei geblieben. 

Frau F., ans Schweden, operirt am 15. Juni 1S94. — Anamnese: 
Schon im Jahre 1892 kam die betreffende Dame in Stockholm in ärzt- 
liche Behandlung, um von einer präsumirten Perityphlitis hergestellt zu 
werden. Der Arzt konnte damals keine Spur einer Perityphlitis mehr 
entdecken: aber n.ichdem sie längere Zeit in Behandlung war, traten 
etwa zwei Monate später plötzlich Nachts wieder Schmerzen auf, ver- 
bünden mit Diarrhoe und Erbrecheu. Es wurde damals, da auch die 
Leber anscheinend geschwollen war, die Diagnose auf Leberkrankheit 
gestellt. Die Beschwerden schwanden sehr bald. Aber auch im näch- 
sten Winter stellten sich keine so bestimmten Symptome ein, die 
auf eine vorhandene Perityphlitis gedeutet halten. Auch später in 
Nizza glaubte man keinen Grund zur Annahme einer Perityphlitis zu 
haben. Patientin hatte aber fortwährend Beschwerden in der rechten 
Ileocöcalgegend nach der Leber hin, die schliesslich als hysterisch 
bezeichnet und mit Morphium und Chloral bekämpft wurden. Sie er- 
holte sich nicht, und als ich CSelegenheil hatte, mit Herrn Geheimrath 
Ewald, an den die Patientin zunächst gewiesen war, diese zu unter- 
suchen, fand ich bei ihr eine undeutliche Resistenz in der 
Ileocöcalgegend, die aber beim Aufbl.lhcn dealJarms deut- 
licher wurde und, nach Gestalt und Lage zu urtheilen, als 
ein verdickter Appendix angesehen werden musste. — Ope- 
ration: Man fand nach Freilegimg des Bauchfells einen läugliehen SirangJ 



— 163 — 

Aaf den Strang wurde das Bauchfell eingeschnitten. Er zeigte sich aU 
der ungemein verdickte, steife, nicht perforirte Wurmfortsatz. Trotzdem 
er frei beweglich war, zeigte sich hier die Peritonealhöhle durch zahlreiche 
Adhäsionen vollständig geschlossen. Mit Ausnahme des Coecum und 
dem Ansatz des Appendix kam überhaupt Darm nicht zum Vorschein. Im 
Wurmfortsatz selber, der ungemein verdickte Musculatur, Mucosa und 
Schleimhaut sowie einen trüben, blutig-eitrigen Inhalt zeigte, fanden sich 
zwei seichte Geschwüre, kein Kothstein vor. Die Patientin heilte voll- 
ständig aus und befindet sich nach der Operation in ihrer Heimath im 
besten Wohlsein, frei von allen Beschwerden, laut Bericht vom Januar 
1895. Dauernd gesund (1903). 

Die Druckempfindlichkeit in der Ileocoecalgegend bleibt stets 
ein wertb volles Symptom für die Diagnose im freien Intervall. Wird eine 
Druckempfindlichkeit constatirt, dann erinnert sich der Patient meist, dass 
er oft an dieser Stelle auch spontane Schmerzen empfunden hat. — 
Da, wo bereits mehrere Anfälle vorangegangen sind, ist auch die Er- 
kennung der chronischen Appendieitis nicht schwierig, ob dabei nun noch 
chronische Beschwerden bestehen oder nicht. Man wird aber nur 
selten in der Lage sein, aus dem Mangel oder dem Be- 
stehen derartiger Beschwerden oder aus der Häufigkeit und 
dem Charakter der vorangegangenen Anfälle einen Rück- 
schluss auf die pathologischen Veränderungen des Appendix 
und seiner Umgebung zu machen. Trotz Fehlen aller localen 
Symptome können hochgradige Veränderungen des Wurmfortsatzes vor- 
handen sein und umgekehrt kann grosse Empfindlichkeit der Ileocoecal- 
gegend constatirt werden und bei der Operation werden nur geringfügige 
Veränderungen vorgefunden. Seltener findet man in der Ileocoecalgegend 
grössere, manchmal ganz bewegliche Tumoren. — Man kann übrigens etwa 
vorhandene Verwachsungen in der Ileocoecalgegend durch sorgfältige Palpa- 
tion und gleichzeitiges Reiben der Bauchdecken feststellen. Die betreffen- 
den Darmabschnitte sind dabei weniger verschieblich wie auf der anderen 
Seite, auch hört man beim Streichen der Bauchdecken viel Darmgeräusche. 
Bei der Operation selber deuten sehr feste Verwachsungen auf voran- 
gegangene Perforation. Auch ist dieselbe manchmal durch eine Narbe zu 
constatiren. In anderen Fällen ist keine Narbe nachzuweisen, trotzdem in 
der Nähe des Appendix der ausgetretene Kothstein noch vorgefunden wird. 

Iluth, Gustav, Hausdiener; 28 Jahre alt. Operirt am vierten 
Krankheitstage des dritten Anfalles. — Anamnese: Erster Anfall vor fünf 
Jahren. Am 14. April 1895, nachdem Patient in der Zwischenzeit ganzbe- 
schwerdefrei gewesen, der zweite Anfall. Sodann dritter Anfall mit Schmerzen 
von weitaus geringerer Stärke als die beiden ersteren. — Befund und 
Symptome vor der Operation: Leib etwas aufgetrieben; im rechten 
Hypogastrium eine handtellergrosse , ziemlich druckempfindliche Stelle. 
Unmittelbar neben dem Beckenrand freie Zone; die Bauchdecken lassen 

11* 




— 164 — 

sich dort ziemlicli tief eindrucken. Ueber dem dmckempfiod liehen Bezirk, 
leichte, aber deutliche Dämpfung, 29. November. Temperatnr 37, 4o. 
— Operation am 30. November 1896. Nach Spaltunff dea Peri- 
toneums starker NetzvorfaH. Viele flächenhafte Adhäsioneu im Gebiet 
dea Ileum und Colon aBccndeuB. Wurmfortsatz wird erat nach sehr langem 
Suchen und nach Auslösung und Eventratiou des Coecum entdeckt; hier- 
bei wird ein in der Bauchhöhle liegender erbsengroaeer Koihstein auf- 
gefunden. Wurmfortsatz, in massenhaften Verwachsungen liegend, wird 
dann ausgelöst, abgebundeii, am Coecum abgetragen; er ging ziemlich 
weit hinten vom Coecum ab und verlief beinahe quer nach hinten in der 
Richtung auf das Rectum. Tamponade. Das 4'/2 cm lange Präparat 
zeigte keine nachweisbare Perforation; Muscularis und Mucosa stark 
dickt. Deutliche Narben nicht vorhanden. — Verlauf glatt. 

In einem Falle, bei dem zu gleicher Zeit ein Durchbruch des Eiter»: 
in die Blase stattgefunden hatte, fanden wir in einer Schniele des 
wachsenen Netzes sogar ein Knochenatüekcheii, das offenbar 
dem perforirten Appendix stammte. 

Bei einer Anzahl von Fällen chronischer Appendicitis wurden tu 
entzündliche Producte oder Eiterreste voi^funden. Daneben zeigt«-' 
sich oft der Appendix fast völlig obliterirt, in Verwachsungen liegend. 

M., Hermann, 27 Jahre alt, operirt am 23. August 1899, nach dem 
zweiten Anfall. — Anamnese: Erster Anfall December 1898. Frost 
und Hitze, Erbrechen, Schmerzen im Leib vom Nabel abwärts. 3 Wochen 
krank. Seitdem chronische Beschwerden. Am 25. .funi 1899 zweiter An- 
fall ähnlich dem ersten sogar Schüttelfröste. Dauer sechs Wochen. 14 Tage 
später Operation: Wurmfortsatz hufeisenförmig gekrümmt, in seiner 
ganzen Ausdehnung mit Coecum verwachsen. Neben und in der Wand 
des Wurmfortsatzes eingedickte Eiterreate. Der Wurmfortsalz selber etwa 
6 cm lang. Sein Lumen ist in ganzer Ausdehnung vollkommen obliterirt. 

M., Wilhelm, 23 Jahre alt, operirt am 12. August IS99 im freien 
Intervall nach dem dritten Anfall, — Anamnese: Vor 3 Jahren eTsCer 
Anfall, hohes Fieber, Sehüttelfroat, Erbrechen, heftige Schmerzen rechts, 
Uiinb es ch werden. 14 Tage bettlägerig, Ö Wochen arbeitsunfähig. No-, 
vember I S99 zweiter Anfall. Dieselben stQrmiachen Erscheinungen, ab< ^ 
ohne Erbrechen, Drei Monate lang bettlägerig. Anfang März 1899 drittai" 
Anfall, nicht ganz ao heftig wie die frflheren. Bei der Aufnahme in der 
FoBga iliaca circumscripte Resistenz. — Operation: Viel Verwachsungen, 
Coecum tixiit durch den lateral ins Becken hinabziehenden regenwnrm- 
artigen Wurmfortsatz. Nahe der Spitze Knickung. Wurmfortsatz 7 cm 
lang, zeigt nur am coecalen Ende ein Lumen, sonst ist er vollkommen 
obliterirt. Neben der Basis des Wurmfortsatzes alter Gntnulations- 
herd. 

Fritzsche, Otto, 37 Jahre alt. Operirt am 14. October 1898 
nacli dem zweiten Anfall. Befund vor der Operation ergiebt einen 
fingerdicken Strang an der Darmbeinscliaufel, nicht schmerzhaft. Nach 
Eröffnung des Peritoneums liegt Netz vor, welches unterbunden and 
entfernt wird. In der Tiefe liegt daa Coecum und lateral von ihm el 



iter»:^^| 
ver-^^l 

•ocU^I 



ts, 

Ipr-^ 



[ 


- 165 - " 

ans entcllndetem Netz bestehender Klumpen. Beim Eingehen anf den- 
selben entleert sich aus aeinein Innern Eiter. Der Netzklurapen wird 
dicht am Coecum abgetragen, üebernähen des Coecuma. Das Präparat 

lern Abaeess nnd mit dem Nelzklumpen inni^ verwachsen liegt der 
Wurmrortantz, dessen eine Wand perforirt iat, ao dass seine Schleim- 
haut entzündet und mit Eiter bedeckt in den Absceas hineinragt. Glatte 
Heilung. 

Herr Geheimrath Seh., 45 Jahre alt. Operirt am 16. December 
nach zwei Anfällen. Erster Anfall vor 2H Jahren. Zweiter Anfall Früh- 

ahr 1898 (mit Perforation), seitdem dauernd Beschwerden, tn der Ileo- 


m 








k 


Fig. 95 («ehe Seite i66). 

ierbe, mndliche Resistenz von nicht scharfer Begrenzung. Operation: 
üröfFnang dea Peritoneums. Vorließ Coecnm verwaehaen. Median Re- 
Utenz, sie besteht aus Schwarten, entstanden durch Verklebungen von 
Jännen und Netz, in der Mitte alte mit schwammigen Granulationen er- 
füllte Abscesshöhle, die bis zum Peritoneum reicbt. Nach vieler Mfihe 
:e!ingt es, aus der Wandung den Procesaua vermiformis zu entwickeln, 
Jas Präparat iat 7 cm lang, zeigt nur wenig veränderte Schleimhaut. 
Alte Narbe in der Mitte. Heilung. 

Herr H. aus Russland, 33 Jahre alt, operirt am 22. Februar l'JOl 





im freien Intervall. Hier waren zahlreiche Anfalle, zum Theil GohwereF-| 

Natur, vorausgegangen. Bei dei Untersuchung flllilEe man Verwuchsungea 




Fig. 20 (siehe Scde 



in der 1 1 eocöcal gegen d. Das Coecum zeigte sich mit dem lleum ver- 
wachsen, nnd zwar ao, daes ein Stück des Ilenra mit der Coecalwand I 
dick beim Abgange des Appendix durch zahlreiche Adhäsionen verwachseB J 
war. Der Appendix war sehr lang. Durch besagte Verwachsungen hatte J 



— 167 — 

das Ileum eine ganz eigenthümliche Gestalt bekommen, wie aus der bei- 
liegenden Figur (Fig. 25) ersichtlich ist. 

Knabe Pollack, 11 Jahre alt, operirt am 2. Mai 1901 nach 
mehreren Anfällen und chronischen Beschwerden. — Anamnese: Befund 
und Symptome: Graciler Knabe. Leib weich. Enorme Schmerzhaftig- 
keit in der Ileocöcalgegend. Daselbst deutliche, über daumendicke, ausser- 
ordentlich empfindliche Resistenz zu fühlen. Dämpfung nicht nachweisbar. 
— Operation am 2. Mai 1901. Typischer Schnitt. Eröffnung des 
Peritoneums an der ümschlagsfalte. Vor liegt Netz, und von diesem ver- 
deckt das Coecam. Vom Coecum abwärts erstreckt sich ein fast doppelt- 
daumendicker, 8 — 10 cm langer, prall elastischer Tumor, welcher mit 
grösster Mühe, ohne zum Platzen zu kommen, herausluxirt wird (Wurm- 
fortsatz). Amputation. Das Empyem zeigte centralwärts fast vollständige 
Stenose (siehe Fig. 26). 

Findet man bei der Operation nur noch Reste eines Wurm- 
fortsatzes, so kann man sicher sein, dass hier eine Appendicitis gan- 
graenosa vorgelegen hat. 

Herr W., 20 Jahre alt, operirt am 31. October 1898, nach dem 
fünften Anfall. Aeusserst kräftiger junger Mann, dauernd Schmerzen in 
der Ileocöcalgegend. Objectiver Befund zur Zeit sehr gering. Bei der 
Operation ist nur ein kurzer peripherer und centraler Rest des Wurm- 
fortsatzes zu finden. Zwischen beiden befindet sich eine Narbenmasse, 
die direkt mit dem Rest des Wurmfortsatzes in Zusammenhang steht. 
Hier ist der Wurmfortsatz zu Grunde gegangen. Völlige Heilung. 

Holland Richard, 21 Jahre alt, operirt am 25. Januar 1899 im 
freien Intervall nach dem dritten Anfall. Der Wurmfortsatz ist auch hier 
fest vollkommen zu Grunde gegangen, und als Residuum ist nur noch 
zwischen einem kurzen peripheren und centralen Stücke ein dtinnnarbiger 
Strang übrig geblieben. 

Es gehören hierher, wie gesagt, noch diejenigen Fälle, in denen vom 
Wurmfortsatz bei der Operation überhaupt nichts mehr vorge- 
funden wurde, was wir etliche Male erlebten. 

Kosakowski, Otto, 21 Jahre alt, operirt am 18. Februar 1898; 
zwei Querfinger breite Resistenz, die aber schmerzhaft war. An der 
Beckenschaufel Peritoneum schwartig, sulzig durchtränkt. Es wird auf 
die Resistenz eingegangen. Vorliegt das Coecum. In der Nähe der Vulvula 
Bauhini die Coecalwand infiltrirt. Hierbei wird eine lateral vom Cöcum 
gelegene, mit schwammigen Granulationen erfüllte walnussgrosse Höhle 
eröffnet, aus welcher wenig kothig richender Eiter herausfliesst. Beim 
Freilegen dieser Höhle reisst die Coecalwand bei der Morschheit dieses 
Gewebes in einem fttnfmarkstückgrossen Bezirk ein. Das Loch wird durch 
eine doppelte Reihe von Catgutnähten geschlossen. Der Processus vermi- 
formis ist nicht vorhanden. Die Nähte halten. Heilung. Im Eiter mikro- 
skopisch und culturell Bacterium coli und Streptococcen. 

Höchst merkwürdig und interessant sind diejenigen Fälle, in denen 
der Wurmfortsatz vollständig abgetrennt vom Coecum frei mit- 



aatnmt seineni Mesent^riolum gut ernährt neben dem Coecum in der Bauch- | 
höhle vorgefunden wird. 

rränlein B. ans Samara, Ruaaland, operirt Anfang Juni 1902. Die 
Patientin war Bohon dreimal operirt worden, einmal wegen AbecesB, zwei- 
mal wegen Fiatelbildung. Der acute Anfall war vor zwei Jahren erfolgt, 
Die Heilnng der Fistel war bisher vergeblich vereucht. Nach kurzem 
Verachluss brach aie immer wieder auf. Wir vermutheten als Ursache 
der Fistel den noch vorhandenen WarmfortBatz. Bei der Operation findet 
sieh , durch zahlreiche Verlötungen verwachaen , der Appendix mit dem i 
peripheren Ende der Narbe adliärent, sein Secret dorthin entleerend^fl 




Der centrale Theil des Appendix war vollständig vom Coecum abgeschnürt« 
und bis auf die Fistel vernarbt, so dass der noch von einem breitend 
Mesenteriolnm gut ernShrte Appendix filr sich als isolirtes Darmstflck In 
der Bauchhöhle weiter lebte und durch die Fistel seinen Inhalt von Zeit 
zu Zeit ergOBS. Im Appendix fand sich noch ein Kothstein. Der Appen- 
dix wurde nach Unterbindung des breiten Mescnteriolums entfernt, die 
Narbe exeidirt. Vollständige Heilung (siehe Fig. 27). J 

Fräulein L. N., 14 Jahre alt, hatte drei Anfälle gehabt, jeder inteii'l 
siver. Druckempfindliche Resistenz in der lleocöcalgegend , operirt im^ 
freien Intervall, 22. October 1902, Der ungemein verdickte Wurmfortsatz 
lag zurßck geschlagen an der Hinterfläche des Coecums, mit Netz bedeckt. 
Dabei zeigte sich das centrale Ende ganz dünn, aber noch nicht völlig 
obliterirt. Es erinnerte dieser Fall an den eben erwähnten. Hier WB^_ 
die Loslösung noch nicht vollständig erfolgt. 



— 169 — 

Nicht unerwähnt wollen wir lassen, dass die Pausen zwischen den 
einzelnen Fällen ungemein wechselnd sind. Es giebt Patienten, die alle 
Wochen kleinere und grössere Anfälle durchmachen. Häufiger sind 
Pausen von mehreren Monaten bis einige Jahre. Es sind mir eine ganze 
Reihe von Fällen zur Beobachtung gekommen, von denen 5, 8, 10 selbst 
20 Jahre zwischen den einzelnen Anfällen lagen. An einem Tage sah 
ich zwei ältere Patienten, von denen der eine vor zehn, der andere vor 
elf Jahren einen schweren Anfall überstanden hatten. Beide hatten, als ich 
sie sah, bereits fortschreitende Peritonitis und waren nicht mehr zu retten. 
Angeblich sollten beide in der langen Pause nie Beschwerden in der Blind- 
darmgegend gespürt haben. Nach einer derartig langen Pause braucht 
aber der dann auftretende acute Anfall durcliaus nicht immer ein schwerer 
zu sein. 

Difterentialdiagnose. 

Es ist von grosser Wichtigkeit, die Differentialdiagnose von einer 
Reihe von Erkrankungen, welche mehr oder weniger Aehnlichkeit mit der 
Appendicitis haben, ausführlich zu besprechen. Bekannt ist das Wort 
Trousseaus, dass die Hälfte aller Gastralgien im Dickdarm ihren Sitz 
hat Daher empfiehlt es sich, in allen Fällen, wo Erkrankungen des 
Dickdarms vorzuliegen scheinen, die Ileocöcalgegend einer genauen Unter- 
suchung zu unterwerfen. 

Entzündungen und Erkrankungen der Gallenblase, der Leber, der 
Nieren, ja unter Umständen selbst Erkrankungen des Pancreas, vor allem 
aber Tumorenu nd Entzündungen, welche von den Adnexorganen bei Frauen 
ausgehen, können durch eine Reihe ähnlicher Symptome zur Annahme 
einer chronischen Appendicitis Veranlassung geben. 

In einer grossen Anzahl von Fällen ist wohl darauf zu achten, dass 
das perityphlitische Exsudat meist unverschieblich ist. Die Beweglichkeit 
eines fraglichen Tumors in der Ileocöcalgegend spricht gegen Exsudat, nicht 
gegen entzündliche Verwachsungen von Darmtheilen. Die Carcinome in 
der Ileocöcalgegend können sich vollständig wie alte, von dicken Schwarten 
umgebene Abscesse in der Umgebung des Appendix anfühlen. In solchen 
Fällen ist manchmal Lufteinblasen in den Darm, wenn ausführbar, zur 
Stellung der Diagnose von Nutzen, da alle an dem Darm befindlichen 
Exsudate sich dadurch leichter differenciren lassen, die Neubildung aber 
unverändert durch Lufteinblasen bleibt. 

Die Tuberkulose der Ileocöcalgegend vermag in Folge der durch 
die tuberkulöse Infiltration bedingten Resistenz ähnliche Verhältnisse wie 
ein perityphlitischer Herd vorzutäuschen ; aber die bedeutende Ausdehnung 



170 



der Resistenz bei Tuberkulose pflegt gar nicht im Verhältniss zu den 
klinischen Symptomen za stehen, so diiss schon sos der Grösse derselben 
der Verdacht auf Tnberknlose gerechtfertigt erscheint 

Für die Coecaltamoren lassen sich folgende gemein achaftl icke Punkte 
feelalellen im Gegensatz zu den perityphl [tischen Exsudaten. 

1. Der Tumor liegt in der weitaus grössten Zahl der Fälle in der 
Ileocöcalgegend und kann unter Umständen s(^r gesehen werden. 
2 Der Tumor ist meist hart und höckerig, mehr oder weniger be- | 
weglich, bei weichen Bauchdecken ist derselbe ningreifbar. 

3. Der Tumor bewegt sich beim Äthmen nicht. 

4. Beim directen Percutiren des Tumors hört man keinen leeren, 
sondern einen getlämpften tyrapani tischen Schall, ein Zeichen, dass ■ 
dieser Tumor dem Darm nngthört, 

5. Häufig zeigen die Tumoren auf Druck fQhl- und hörbare Go- , 
rausche. 

G. Die Coecaltumoron zeigen, wie nlle Dnrmtumoren, einen Gestalte- : 
und G rossen wech sei , bedingt durch Föcalstauung und Gasan- ' 
Sammlung oberhalb derselben und in denselben. 



fniviaanm rocri Tür itltes jieiil] phlitis4'hi-s Kxndut geliulteiL. 

Herr Rripke, Q5 Jahre alt, anfgenomtnen am 24. September, ope- | 
rirt am 27. September, geheilt entlnssen am 25. October 1902. 

Anamnese: Vor 10 Jahren starke Schmerzen rechts im Unterleib. 
Dauer 14 Tage. Vor 36 Jahren ein gleicher Anfall von achttägiger 
Dauer. Die jetzige Erkrankung begann im Frühjahr dieses Jahres mit 
erschwertem Stuhlgang und Leibschmerzen. Anfang August traten Schmer- 
zen in der Ileocöcalgegend auf, besonders bei Bewegungen. Stuhlgang 
nur durch kUnslliche Mittel. Patient hat in der letzten Zeil abgenommen. 
— Befund: Kräftiger Mann. Ueber den Lungen etwas ßasaelgeränsche, 
Herztöne rein, Puls gleiclimässig. Der Leih etwas vorgewölbt, rechts 
QEten, von der Leber deullifili abprenzbar, fühlt man einen dentlich ab- 
gegrenzten, faugtgrosBen, derben Tumor, der gedämpften Schall aufweist 
und auf Druck sehr empfindlich iat. Die Haut dardber ist frei verschieb- 
lich. Bei Anspannung des Unskels verschwindet der Tumor. Tempera- 
tur 38,0", Leukocyten t2l>0(l. — Operation: 27. September 1904. 
Typischer Flankenschnitt. Dio tieferen Schichten der Muskulatur sind 
schwartig und lassen sich sehr schwer durchschneiden. Nach Eröffnung 
des schwartig verdickten Peritoneums liegt ein Schwartentumor vor, der J 
eingeschnitten wird. Man gelangt nun in eine giLnseeigrosae Granulation»- 1 
höhle, die allseitig durch derbe Schwarten abgeschlossen ist. Es entleert 1 
sich grünlich gelber, nicht stinkender Eiter, etwa 2 — 3 R^slöffel. Tara- 
ponade. — Verlauf: 25. October, Wunde völlig geschlossen, doch be- 
steht der Tnmor beinahe in derselben Ausdehnung wie vor der Operation. 
StnhlverhHltnisae normal. Beacli werdefrei. Nach vier Monaten Tumor 
stark gewachsen. Nuch einem Jahr Exitus, — Adenoearcinoma coeci. 



— 171 — 

Die umgekehrte Beobachtung, in der ein Schwartentumor für 
ein Carcinom anfänglich gehalten werden musste, lasse ich hier folgen. 

Heinrich, Carl^ 57 Jahre alt, aufgenommen am 26. April, operirt 
am 29. April, geheilt entlassen am 16. Juni 1904. 

Anamnese: 14 Tage vor Ostern massige Bauchschmerzen. Ge- 
schwulst in der rechten Bauchseite bemerkbar. Angeblich schon vorher 
ein Appendicitisflnfall. 

Status: Abgemagerter, blasser Mann. Abdomen weich. In der 
Ileocöcalgegend apfelgrosser Tumor, gut verschieblich, darunter Dämpfung, 
etwas schmerzhaft. Temperatur normal. 

Operation: Flankenschnitt. Muskulatur infiltrirt Peritoneum mit 
dem Tnmor verwachsen. Eröffnung des Peritoneums. Ein apfelgrosser Tu- 
mor, dem perietalen Blatt des Peritoneums anliegend, liegt vor. Zwischen 
Coecum und Ileum kommt man in eine Abscesshöhle, aus der sich zwei 
Esslöffel dicken Eiters entleerten. Der Tumor, aus schwartigen Massen 
bestehend, wird zum Theil abgeschnitten, wobei das Coecum an einer 
pfennigstückgrossen Stelle eröffnet wird. Dabei zeigt sich das Lumen 
des Wurmfortsatzes. Verschluss der Oeffnung im Coecum. Vernähung 
des Bettes und Stumpfes des Wurmfortsatzes. Wurmfortsatz 6 cm lang, 
völlig in den dicken schwartigen Tumor eingebettet. Zwei Perforationen. 
Schleimiger Inhalt. Glatter Verlauf. 

Für Tuberkulose und gegen Carcinom sprechen die Jugend des 
Patienten, die lange Dauer von Krankheitssymptomen, welche durch den 
chronischen Verlauf der Tuberkulose und die allmähliche Entstehung der 
Stenose bedingt sind, die Magerkeit und Blässe, endlich die eigentlich 
schmerzhaften Erscheinungen (schmerzhafte Koliken). Letztere sind be- 
dingt und erklärt durch die relativ grosse Länge und Enge der Strictur, 
durch die Hypertrophie des oberhalb der tuberkulösen Strictur gelegenen 
Darmstückes und durch das schlaffe Darmrohr, physikalische Vorbedin- 
gungen, welche bei der carcinom atösen Strictur fehlen. 

Bei anderweitigen Tumoren der Ileocöcalgegend kann das 
Aufblähen des Darms durch Luft die Diagnose erleichtern, wie fol- 
gender, von mir beobachtete eigenthümliche Fall zeigt. 

Patientin X., 45 Jahre alt, erkrankte im September 1895 plötzlich 
unter heftigen Leibschmerzen, die aber nach einigen Tagen verschwanden. 
Dabei soll der Leib aufgetrieben gewesen sein. Im Januar 1896 traten 
diese Schmerzen abermals auf und hielten 6 Tage an. Sie localisirten 
sich unter Fieberbewegungen frühzeitig in der rechten Seite; ein Arzt 
wurde aber auch dieses Mal noch nicht zugezogen. Im Juli 1896 trat 
ein neuer derartiger Anfall auf. Der Arzt stellte die Diagnose auf Blind- 
darmentzündung. Nach etwa 4 Wochen konnte Patientin wieder aufstehen i 
es blieb eine harte ^ walnussgrosse Geschwulst in der Ileocöcalgegend 
fühlbar. In der Zwischenzeit aber war Patientin gesund und ohne Be- 
schwerden. Ende Juli 1896 und wiederum nach 14 Tagen trat ein vierter 
Anfall, diesmal mit Erbrechen und heftigen Schmerzen auf. Das Fieber 
war dabei aber nicht hoch. Bei der Untersuchung wurde eine deutliche 



172 



ise in der ^^M 
Interne ^^1 



BeaiBtenz, die aU eiae Neubildung imponirte, von Dber Faustgrösse 
lleocöcalgegend, an der Darmbein schaufei anliegend, coDstaiLrt. Interne 
UnterauchuDg ergiebt, daea sie mit den Genitalien nicht in Zusammenhang 
steht. Hektisches Fieber trat ein, völlige Appetitlosigkeit, starke Äbmage- 
ruDg. Jetzt schwankte die Diagnose zwischen einem alten perityphlitischen 
Abscess oder Darmcarcinom. Die Panktion, die behufs Vornahme einer 
Operation von Seiten der Aerzte gemacht wurde, fiel negativ aus, und es 
wurde von einer Operation damals Abstand genommen. Ich sah dann die 
Patientin Ende September in ihrer Heimatb, conatatirte einen sich vor- 
wölbenden Tumor iu der rechten Ileocöcalgegend und konnte durch 
Lufteinblasen constatiren , dass das Colon ascendens reap. das Coecum 
nach innen vom Tumor sich deutUch markirte. Auch ich neigte der 
Ansicht zu, dass es sich um einen alten, von müclitigeu Schwarten um- 
gebenen AbscesB handeln mllsste, der, vom Appendix ausgegangen, seit 
langer Zeit bestand, und schlug trotz des elenden Zuatandes der Patientin 
einen operativen Eiugrifl' vor. Die Patientin eutschloss sich zu dem- 
selben, nachdem noch ein heftiger AnTal], der wiederum ganz ähnlich 
den früheren perityphliti sehen Anfällen verlief, Ende September aufgetreten 
war, zur Operation und reiste zur Vornahme derselben nach Berlin. Bei 
der am 12, October 1897 vorgenommenen Operation zeigte sich ein in 
mächtige Schwarten eingebettetes Fibromyom, welches von Eiter um 
geben, gewiss er massen in Auswanderung begriffen war. Dasselbe lieas sich 
mit Zurdcklasaung einiger derber Schwarten aus der Nähe des Ooecum 
ablösen, doch war in keiner Weise festzustellen, von welchen Theüen 
es ausgegangen war. Die Appendix wurde nicht gesehen. Völlige Heilung. 
Völliges Wohlbefinden 15101. 

Bei der langwierigen Heilung zeigt« eich auch nirgends nach Ab- 
atoasung der Schwarten ein Darnitheil , der als Ausgangspunkt der Ge- 
schwulst hätte angesehen werden können. Bei der eigenthümlichen Lage 
des Tumors, bei dem foblenden Zusammenhang mit einem grössei-en 
Darm ab schnitt resp. mit dem Meeocolou konnte mau daran denken, dass 
dieser Tumor vom hypertrophischen Appendix ausgegangen aei, zumal 
die Patientin charokterialiache Anfälle von Peritiph litis, die auC eine 
clironiache Entzündung dos Appendix hinwiesen, im Laufe dw letztes 
Jahre gehabt hatte. 

Doch sind derartige, zumal so grosse Tumoren des Appendix nie 
beobachtet worden. Carcinome und Sarkome, noch häufiger Mischge- 
scbwüiste dea Appcndis kommen vor, aber nur als kleinere Geschwülste. 
Ich muaa noch bemerken, dass es uns nicht gelang, irgend eine Höhle 
in dem grossen Fibromyom oder einen Gang resp. den Rest doa Ganges 
zu entdecken, der als Theü des einstigen Wurmfortsatzes hätte angesehen 
werden können. Vielleicht hat es sich hier um ein Myom des UteruH 
gehandelt, das durch dissecirende Eiterung loegelöät und in der Aus- 
wanderung begriffen war. Doch wäre es kaum zu erklären, warum es 
oben hinausgewollt hätte. Sonst ist die Erfahrung schon eine alte. 



— 173 — 

die Myome öfters verkalken und dann durch dissecirende Eiterung aus- 
gestossen werden. Früher hat man bekanntlich von „Steinen" der Bauch- 
höhle gesprochen. Doch ist nie beobachtet^ dass verkalkte Uterusmjome 
auch ins Peritoneum gelangen. Virchow führt die freien Tumoren 
der Bauchhöhle auf feste, lipomatös, cystös und anders entartete Appen- 
dices epiploicae zurück, aber das ist in unserem Falle nicht anzunehmen. 
Ebensowenig ist das Mesocolon als Ursprungsstätte der Geschwulst wahr- 
scheinlich. 

Als grosse Seltenheit mag hier noch erwähnt werden, dass Der- 
moidcysten in der Ileocöcalg^end vorkommen und einen perityphli- 
tischen Tumor vortäuschen können. Noch merkwürdiger ist folgende Be- 
obachtung von uns, wo ein Mesenterialtumor eine Appendicitis vor- 
täuscht. 

Romanas Ritter^ 6 Jahre alt^ aufgenommeu am 11. Juni 1904. 

Anamnese: Vor 14 Tagen erhielt der Junge einen Stoss vor den 
Leib, der jedoch weitere Folgen nicht hatte. Gestern Mittag klagte er 
nun plötzlich tlber heftige Leibschmerzen, die sich erst in der Nacht 
auf die rechte Ileocoecalgegend hinzogen, gleichzeitig mehrmaliges Er- 
brechen; die Schmerzen r. u. und heftiger Dorchfall. Wird unter der 
Diagnose Appendicitis zur Operation ins Krankenhaus geschickt — 
Status: Kräftiger Junge, kein schwerkranker £indrnck. Temperatur 
40 Grad, Puls 120, Leukocyten 30 000. Leib aufgetrieben, tiberail em- 
pfindlich, r. u. ein etwa taubeneigrosser, beweglicher, der Beckenschaufel 
nicht anliegender Tumor, der hochgradig empfindlich ist, so dass dieser 
Befund erst in Narkose erhoben werden kann. In der Annahme einer 
akaten schweren Appendicitis sofortige Operation. 

Operation 11. Juni 1904, Abends 10 Uhr, nach 26 Standen. 
Flankenschnitt Nach Eröffnung des Peritoneums quält seröse Flflssigkeit 
hervor. Coecum liegt vor, injiziert und geröthet. Der Wurmfortsatz völlig 
normal, dagegen im Mesenteriolum ein Tumor von etwa Taubeneigrösse 
dicht am Uebergang vom lleum zom Coecnm gelegen, war dem Platzen 
nahe, die Wand verdünnt, blaurot Nach Incision derselben entleert sich 
etwa ein Theelöffel käsig eitrige Masse. (Tuberkulöser Abszess.) Die Höhle 
ist ausgekleidet mit Grannlationsge weben, das sorgfaltig ausgekratzt wird. 
Dann wird die Höhle sorgfaltig in zwei Schichten mit Catgutnähten ver- 
schlossen, im tlbrigen die Bauchhöhle vollkommen schichtweise zugenäht 

Verlauf: In den ersten 3 Tagen Fieber. Die Gegend der Wunde 
stark druckempfindlich. Sonstiges Befinden gut 18. 6. Nach Ent- 
fernung der Nähte quillt unter der Fascie und unter der Haut eine 
Menge dicken Eiters hervor. Der Stichkanal der Fasciennaht ist erweitert, 
im übrigen jedoch hält die Fascie. 25. Juni 1904. Wunde granuliert 
gut Diarrhoe hat völlig aufgehört Allgemeinbefinden gut 11. Juli 
1904. Geheilt entlassen. Die Wunde völlig geheilt Keine Beschwer- 
den mehr. 

In Hinsicht auf Tumoren der Ileocöcalgegend, die eine chronische 

Appendicitis und Exsudat eventuell vortauschen können, ist auch die 



- 174 



nchmal in ^^| 
ephrose iu ^^| 



WaDderniere zu erwähnen. Die Niere kann in der Tbat manchmal j 
der Ileocöcalgegend zu fühlen sein. Wenn periodische Hydronephro 
einer derartigen Wanderniere auftritt, so Itann die plöwUche Vergrosserung 
des Tumore, verbunden mit den Schmerzen im Abdomen, den Ueblich- 
keiten, maochmal seibat Fieber, eine Appendicitis vortäuschen. Immerhin 
wird die Beweglichkeit des Tumors, dann die zusammen mit der Ver 
kleinerung des Tumors entstehende gesteigerte Urinabsonderung auf die I 
richtige Diagnose führei]. Ich habe Fälle gesehen, wo die in der Ileocoeca!- 
gegend liegende rechte Niere einen appendicitiachen Abscess vortäuachle. 
Die genauere Unterüuchung aber schützt hier vor einem unnöthigen 
Eingriff. Man fühlte nämlich deutlich die Lücke in der Lumbaigegend, j 
und bei genauer Untersuchung konnte man auch aus der Form dea | 
Tumors ein altes perityphlitiaches Exsudat ausschliesifeu. 

Wichtig und interessant iät die Differentiuldiagnose zwischen 
Appendicitis und Ureteritis, letztere am häufigsten bedingt durch j 
Konkremente, welche aus der Niere nach der Blase zu wandern. Wenn ] 
die rechte Niere Sitz von Kristallen und Konkrementen ist l 
unter Umständen aus dem Ureter nach der Blase zu sich entleeren, 
entstehen heftige, entweder kolikartige Schmerzen, oder andauernde duuipfe I 
Schmerzen, wie von dem Gefühl dea Wundseins iu der ganzen Seite ! 
verursacht. Da durch die Reizung der Steinchen, welche den Ureter I 
pasairen, dieser selbst in einen Untzündungszustand geräth und durcb I 
seine Nachbarschaft zum Peritoneum auch dieses in Mitleidenschaft zieht^ l 
so entstehen bei der Ureteritis häuijg Erscheinungen seitens des Peritoneums, 1 
die sich vorwiegend in starker Darnilähmung kundthun. Die Spannung, j 
die der Meteorismus verursacht, erhöht auch die Beschwerden der Patienten, ■ 
uud wenn zufällig in der Mitte des Ureters oder weiter nach der Blase | 
zu die Konkremente noch eine Zeit lang stecken bleibeu und hier lokale I 
Schmerzen verursachen, so ist das Bild dem eiuei akuten Appendicitis 
in der That täuschend ähnlich. Es treten nämlich auch bei der Ur«- 
teritia Ueblichkeiten auf, wenn es auch zum Erbrechen nur verhältniss- 
mäasig selten kommt. Der Nachweis von Kristallen im Urin erfolgt i 
meist nicht unmittelbar bei dem Anfalle, so dass dieses Symptom für die 1 
Differentialdiagnose im Anfange nicht immer Verwertbung finden kanu. | 
Dagegen spricht bei einem derartigen Anfall gegen Appendicitis und für J 
eine Affeklion der Niere oder des Ureters die normale Temperatu 
welche die Regel zu sein pflegt und der verbal tnissmässig sehr ruhige 1 
ja oft veriaugeamte Puls. Eine Moiphiumdosia, der Schmerzen halber! 
gegeben, erleichtert die Diagnose, indem bei der dann eher möglichen Pal*]" 
pation die Ileocöcalgegend frei gefunden wird. Am zweiten oder dritten] 
Tilge ist eine Verwechselung mit acuter Appendicitis' a 



- 175 — 

schlössen, weil dann auch schon die Anzeichen der die Nierenkolik be- 
dingenden Konkremente im Urin sich zeigen. 

Dass auch Invaginationen des Darms Perityphlitis vortäuschen 
können, ist bekannt, wenn auch der Tenesmus, sowie das Erscheinen 
blutigen Schleims im Stuhl die Difierentialdiagnose erleichtern dürften. 

Als Beispiel führe ich folgende eigene Beobachtung an:') 

Heinrich K. 5 Jahre alt, aufgenommen am 25. Juli 1S97, ge- 
storben am selben Tage. 

Anamnese: Nach Angabe der Eltern hat der Knabe vor einem 
Jahr einen Anfall von heftigen Schmerzen im rechten Unterbaach gehab t^ 
mit Elrbrechen und Durchfall. Ob Fieber dabei vorhanden gewesen, ist 
nicht festzustellen. Nach 8 Standen sei Besserung eingetreten. Am 
26. Juni 1S97 erkrankte er ganz plötzlich mit heftigen, stechenden 
Schmerzen in der rechten Unterbauchgegend. Nach einer Gabe von 
Ricinus trat Durchfall ein. Der Stuhl soll dunkel, fast schwarz aus- 
gesehen haben. Der Durchfall hörte am 24. Juli auf. Seitdem ist kein 
Stuhlgang mehr dagewesen. Das Erbrechen, das nicht kothig gerochen 
haben soll, hielt bis heute an. Der Puls wurde immer schlechter. Patient 
kollabirte. Er warde unter der Diagnose Baachfellentztlndang nach 
Blinddarmentzündung ins Krankenhaas gebracht. 

Status: Wohlgenährter Knabe. Gesichtsausdrack matt, ängstlich. 
Papillen weit Foetor ex ore. Zur Zeit kein Erbrechen. Zange belegt, 
massig feucht. Temperatur 39.5^. Puls kaum fOhlbar, von nicht zu 
zählender Frequenz. Patient aasserordenüich unruhig. Leib flach, nicht 
sehr schmerzhaft, nur in der Ileocoecalgegend empfindlich. Dort ist eine 
fast mannsfaustgrosse, rundliche, dem Darmbein dicht anliegende Resistenz 
von derber Beschaffenheit za fühlen. lieber ihr besteht Dämpfung. 
Urinbeschwerden sollen nicht gewesen sein. Nach diesem Befunde lautete 
die Wahrscheinlichkeitsdiagnose : Appendicitis perforativa mit allgemeiner 
septischer Peritonitis. Exitus nach 3 Standen. Sectionsprotocoll 
(Prof. Langerhans): Magen etwas aufgebläht, enthält dünnflüssige 
Massen. Coecum und Colon ascendens aufgetrieben, bläulich durch- 
scheinend, Oberfläche glatt, feucht glänzend. Unterer Theil des Ileum 
etwa ^i'i m lang. Oberhalb der Valvula Bauhini cyanotisch, stark un- 
regelmässig gewulstet (s. Fig. 28). Der unterste Theil verschwindet 
ungefähr 6 cm unterhalb der Valvala Bauhini mit dem Mesenterium im 
ersten Abschnitt des Colon. Innerhalb der Invagination ist das Ileum 
dunkelroth, fleckig hämorrhagisch. Im Colon ascendens hämorrhagische 
Massen, in mehreren Windungen liegend, von ungefähr 2 Fingerdicke. 
Diese Masse hat ungefähr eine Länge von 35 cm. Im ganzen Dickdarm 
abwärts hämorrhagische Massen (Fig. 28 S. 176). 

Hier waren wir nur in der Lage gewesen, eine Peritonitis zu dia- 
gnosticiren, und nahmen, da uns die anamnetischen Hinwebe auf die 
dunkle Färbung des Stuhles bei der Aufnahme fehlten und uns erst 



1) Vgl. Mühsam, Beiträge zur Diffeieotialdiagnose der Appendicitis. Berlin, 
klin. Wochenschr. 1899. Nr. 31. 



- 176 — 

nachträglich gegeben wurden, eine Blinddarmentzündung an. Auf diese 
deuteten die Schmerzen, die Resistenz und die Dämpfung in der Ileocoecal- 
gegend hin. 

Auch Einklemmungen von Darmabschnitten in Bauch- 
felltaachen, welche in der Beocoecalgegend normal vorkommen oder in 




Oben rechts Itfum, ulien Mitte Radii, oiitu links Coloii ascendenB. — 
Rechts seitlich der Wurmfortiati, linka Q«ben ihm das Conrolut der in- 
vBKinirten Darmpartie. — Das Coecum uud angreniende Colon aBcendens 
sind HUfgeschnitteu, bis auf die schmale über ilus Danacanvolul ziehende 
Btelle am oberen ATwohoUt der InTügination. 



Folge der zahlreichen hier vorhandenen entzündlichen Prozesse allmählich 
entstanden sind, können im Anfange eine Appendicitis vermuthen lassen, 
doch dürfte auch hier der Verlauf in (ien nächsten Tagen die Diagnose 
sicheru. Besonders wenn die Einklemmung keine ganz vollständige war, kann 
die IMagnose Schwierigkeiten machen. Ist vollständiger Darmverschlues 

r bereil will igst von weil. Prof. Lange 



— 177 — 

vorhanden, so spricht das anhaltende Erbrechen ohne Abgang von Koth 
oder jWinden gegen eine Appendicitis ; denn es pflegen, wenn Ileuser- 
scheinungen im Laufe der Appendicitis auftreten, dieselben nicht gleich 
zu Anfang, sondern erst mit der Bildung eines grösseren Exsudats, 
welches auf die Darmtheile drückt, aufzutreten. Das Erbrechen oder Koth- 
brechen zu Beginn bei Appendicitis ist auf peritonitische Reizung und 
Darmlähmung zurückzuführen. 

Dass eine Appendicitis sogar mit Beschwerden von Seiten einer 
Hernie oder mit einer incarcerirten Hernie verwechselt werden 
kann, zeigen einige in der Literatur niedergelegte Beobachtungen. 
Ebenda finden sich auch Beobachtungen über Verwechslungen mit Ent- 
zündungen eines zurückgehaltenen Hodens. 

Wir geben zu, dass, wenn auch im Allgemeinen die Differential- 
diagnose zwischen Hernie und Appendicitis in Hinsicht auf die Symptome 
leicht sein muss, unter Umständen Schwierigkeiten entstehen können 
besonders wenn die Hernie in Folge von Entzündung leicht schmerzhaft ist. 

Wie ich schon oben erwähnte, haben viele Fälle das Gemeinsame, 
dass sie zunächst unter dem Bilde der Peritonitis, deren Ausgangs- 
punkt die rechte Seite des Leibes ist, auftreten. So wurde ein Patient 
ins Krankenhaus eingeliefert unter den Erscheinungen einer schweren 
Peritonitis. Der Leib war im Ganzen aufgetrieben und sowohl spontan 
wie bei Berührung sehr empfindlich. Die grösste Schmerzhaftigkeit wurde 
in der rechten Unterbauch- und Magengegend angegeben. Keine ausge- 
sprochene Dämpfung, dagegen rechts vom Nabel heller tympanitischer Schall' 
Vom Rectum aus war nichts zu fühlen. Urin konnte nicht spontan 
gelassen werden. Für die Annahme einer perforirenden Appendicitis 
sprach die Angabe des Kranken, dass er vor 11 Jahren einen Anfall 
von Blinddarmentzündung gehabt hätte. Es konnte keine bestimmte 
Diagnose gestellt werden. Die Section ergab Perforation eines Duodenal- 
geschwürs dicht am Pylorus. 

Bei einem 23jährigen Mädchen zeigten sich seit 8 Tagen Durch- 
fälle und in den letzten drei Tagen Erbrechen. Patientin kam mit 
schwerem CoUaps in's Krankenhaus. Hier wurde eine Peritonitis dia- 
gnosticirt, als deren Ausgangspunkt, da die Hauptschmerzen in der rechten 
Unterbauchgegend angegeben wurden und hier eine leichte Dämpfung und 
Resistenz vorhanden war, eine Appendicitis anzunehmen war. Diese Diagnose 
wurde jedoch wegen der Art der beobachteten Durchfälle aufgegeben, 
und es wurde nach dem Gesammteindruck der Kranken die Wahrschein- 
lichkeitsdiagnose eines Typhusgeschwüres gestellt. Die Obduction der drei 
Tage nach ihrer Einlief erung verstorbenen Patientin bestätigte diese Annahme 
(siehe auch weiter unten). 

Sonne nbnrg, Perityphlitis 5. Auflage. 12 



Während in dieBen Fällen wegen des Znetandes der Patienten aikl 
irgend eine Operation uicht mehr gedacht werden konnte, erwähne icli^ 
hier einige Fälle, bei denen eine Operation gemacht wurde. In zwei FäUen- 
handolte es eich um Peritonitis nach Perforation eines Magen geacbw Urs, 
welche zu einer Äbsceaabildung in der Ileocoeealgegend geführt hatte und 
die Diagnose Äppendicicis vor der Operation veranlasste. J 

Einen eigenartigen Fall will ich noch erwähnen, dessen Änamneaflfl 
durchaus auf recidivirende Appendicitis schlieaaen lieas und hei dem dOT 1 
objective Befund vor der Operation eine Appendicitis mit Adnexerkrankung 
diagnosticiren tiess. Eine aTjährige Frau hatte im letzten halben Jahre 
schon zwei als Blinddarmentzündung gedeutete Anfälle durchgemacht und 
kam etwa in der dritten Woche des dritten Anfalles ins Krankenhaus. 
Sie hatte remittirendes Fieber, eine faustgrosae, stark medianwärts gelegene, 
bis au den Uterus heranreichende scbmerKhafte Kesistenz im rechten 
Unterbfluch, darüber Dämpfung. Unier obiger Diagnose wimle in 
Beckeiihochlagernng die mediane Laparotomie ausgeführt und ein grosser 
mit kuthigem Eiter gefüllter Absceas entleert. In diesem wnrde eine 
Stecknadel gefunden, welche bei ihrer Wanderung durch den Darm ofilen- 
bar zu mehrfachen örtlichen Peritonitiden Änlasa gegeben hatte. Der 
Wundverlauf war in diesem Fall unter Jodoformgazetampon ade ein glatter. 

Sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, ist manchmat die Differen- 
tialdiagnose zwischen einer vom Wurmfortsatz ausgebenden I 
allgemeinen fortschreitenden Peritonitis und einer akute, 
tubereulösen Peritonitis. Hier kann die richtige Diagnose erst hei \ 
einer Operation oder bei der Autopsie gemacht werden. Folgende Beob- 
achtung diene zur Erläuterung dieser Verhältnisse. 

R. Rudolf, 23 alt. 

Anamnese: Vor I '/a Wochen bekam R. plötzlich heftige Leib-J 
schmerzen ohne Erbrechen, Fieber und Sohtittelfrost. Dieselben waren-f 
am nächsten Tage rechts am heftigsten, zogen sich an den folgenden I 
Tagen nach der Mitte zu und gingen dann besonders nach links. Stahl« i 
gaug immer spontan. 

Status: Magerer jonger Mann. Abdomen: aufgetrieben nnd ge- ' 
epannl. In der Ileocoecalgegend grosse Dämpfung, die sich bis weit 
über die Mittellinie erstreckt. Nach oben von der gedämpften Zone tym- 
panitischer Schall. In der linken Fossa ili aca ebenfalls leichte Dämpfung, 
Schmerzen beim Palpiren rechts besonders stark. Temperatur 38,1 <*, 
Puls 85, Leukocyten 25000. 2. Jnni. Leib mich ebenso aufgetrieben, J 
DJimpfung dieselbe. Schmerzen bedeutend abgenommen. Temperatur 37,2 ", ■ 
Puls ^0, Leukocyten 30000. 

Operation 2, .luni. Nach Eröffnung des Peritoneums an der Üm- 
schlagsfalte entleeren eich er. 1 '/'s bis 2 Liter klarer hellgelber Flüssig- 
keit unter hohem Druck. Nach breiter Rröffnung liegt ein Netsizipfel 
vor, der in Knollen verwandelt ist. Dieselben sind sohwarzblau, vfillig J 



— 179 — 

hart und mit kleineren Knötchen besetzt. Das Netz sieht wie gefranst 
aus. Das Coecum ist am Parietalperitonenm; stark cohaerent und stark 
injicirt und verdickt. Der W. F. dicht mit dem Coecum verwachsen. 
Geknickt. Resection und Uebernähung. Mit dem Finger fühlt man das 
ganze Netz stark knollig verändert an der vorderen Bauchwand fixirt. 
Naht der Bauchdecken. 

Exitus am nächsten Tnge. 

Section: Allgemeine Tuberculose des Peritoneums. 

Die Differentialdiagnose einer freien Peritonitis und 
eines mechanischen Ileus kann zu den schwierigsten Aufgaben ge- 
hören, die an unsere diagnostische Kunst gestellt werden. Ich will dabei 
bemerken, dass der incomplicirte Darmverschluss, wie ich schon einmal 
erwähnte, als rein mechanischer Vorgang keinen erkennbaren Einfluss 
auf die Leukocyten Vermehrung ausübt. Demnach ist er im ersten Be- 
ginn beinahe stets mit Sicherheit von einer beginnenden Peritonitis, die ja 
rasch zur Leukocytose führt, zu unterscheiden. Es kommen allerdings 
Fälle vor, bei denen schon nach 24 Stunden eine lokale Peritonitis vor- 
banden ist, besonders bei akuter Stranggangrän. Wir beobachteten das- 
selbe bei der Einklemmung eines Diverticulum Meckelii auf der rechten 
Seite, das eine Appendicitis vortäuschte. In solchen Fällen reagirt der 
Organismus mit einer heftigen Leukocytose, die jedoch bei rasch eintre- 
tender Allgemein Vergiftung bald wieder absinkt. Der folgende Fall von 
Strangulationsileus einer Dünndarmschlinge illustrirt deutlich diesen ra- 
piden Anstieg. 

F., Elsbeth, 8 Jahre alt, aufgenommen 19. November 1902. 

Die Patientin war plötzlich mit heftigen Schmerzen in der rechten 
Seite und Erbrechen erkrankt. 20 Stunden nach Beginn der Erkrankung 
kommt sie in das Krankenhaus. Blasses Mädchen mit apathischem 
Gesichtsausdruck. Athmung frequent, Temperatur 38,8 Puls 140, sehr 
klein, Leukocyten 38000. rnterleib stark aufgetrieben, bretthart gespannt, 
besonders rechts unten. Hier handtellergrosse Dämpfung, sonst überall 
Tympanie. Starke Druckempfindlichkeit rechts. Resistenz nicht deutlich 
zu fühlen. Bei der Operation fühlt man in der Narkose nach Er- 
schlaffung der Bauchdecken einen Tumor rechts unten, nach der Mittel- 
linie zu fühlbar. Es wird an eine Invagination des Darmes gedacht. 
Nach Eröffnung des Peritoneums quellen dunkelschwarzrothe flüssige Blut- 
massen hervor. Dahinter liegt, schwarzblau verfärbt, der Dünndarm, 
auf diesem der stark injicirte, bleistiftdicke, zeigefingerlange Wurmfort- 
satz. Nach Vorwälzen der Darmschlingen zeigt sich, dass ein ca. 20 cm 
langer Dünndarm vom Cöcalansatz nach proximal zu vollkommen gan- 
gränös geworden war. An den beiden Enden der Schlinge deutliche 
Schnürfurchen. Das Coecum mit granulationsähnlichen Auflagerungen 
bedeckt. Das zu der Schlinge gehörige Mesenteriolum zeigt sich narbig 
zusammengezogen, die ganze Schlinge ausserdem etwas torquirt. Die 
Narben im Mesenterium sind offenbar alter Natur. Wegen des collaps^ 

12* 




^^^ — 180 — 

artigen ZuBtandes der kleinen Patientin wird eine EnteroaDastomos« 
Ewischen Colon nnd der znfObreDden Schlinge gemacht, der ganze gan- 
gränöse Darm vorgelagert und nmstopft. Aus üer Banchhöhle flieeaen' 
noch reichliche braunrothe Exsudat massen. Exitus bald nach der 
Operation. 

Der Fall ist iusofern intereeeant, aU wir auf Grund einer bereite 
nach 2IJ Stunden vorhandenen Leukocytose von 38 000 eine Perilonitia 
annehmen mussten, die ja auch in der That beataciden hat. Dafür aber, 
dass ala Ausgangspunkt eine Strangulationsgangrän vorhanden 
die Leukocytenunterauchung keinen Anhaltspunkt. 

Die iutramuBculären oder Bauehdecke nabscesse unter-' 
scheiden sich von den ci reu m Scripten Peritonitiden meist durch Fehlen 
der Verstopfung, des Erbrechens und des Meteorisniua, ausserdem auch 
durch ihre Lage. Ich kann eine derartige interesannte Beobachtung hier 
kurz mittheilen. 

Patient W., 17 Jahre, wurde am 9. October im Kraukenbause Moabit 
aufgenommen, entlassen am 29, Sovember 1895. 

Anamnese: Patient bekam, nachdem er sich schon Tags zuvor nicht 
ganz wohl gefühlt, am 30. September Schmerzen im rechten l'nterbauch. 
Patient ging an den folgenden Tagen noch seinem Berufe nach. Sein 
Arzt verordnete eine Einreihung. Am 8. October, nachdem noch Stnhl 
erfolgt war, wurde er wegen starker Schmerzen bettlägerig und wurde 
mit der Diagnose „l'eritphylitis*' ins Krankenhaus geschickt. Patient, 
der bis 'äH,ä^ gefiebert hatte, war bei der Untersuchung am II. October 
fieberfrei, der Puls gut gespannt. Abdomen leicht aafgetrieben, läset sich 
überall etwas eindrücken, bis auf eine grosse, direct unter dem Rippen- 
bogen nnd oberhalb der Spinallinie belegene harte Resisienz von ziem- 
licher Druckempfindlichkeil. Dieselbe reicht nach innen bis zum Kectna- 
rand. Lieber ihre absolute Dämpfung, welche in der vorderen Axillar- 
linie unmittelbar in die Leberdämpfung übergeht. In der Mamillarlinie 
&eie Zone zwischen l.eberdämpfung und Resistenz. Leberdämpfung nicht 
verbreitert. Urin frei von abnormen Beimengungen. Bei der Opera- 
tiion wird eine zwischen Muse. obUquua externuB und transversus ge- 
legene, wohl htihnereigrosse AbBceashöble voll weissgelben, geruchlosen, 
bakteriologisch sterilen Eitere eröffnet. Derselbe ist mit Gewebsfetzen 
vermischt, die umgebende Muskulatur bretthart. Freilegung des Perito- 
neums, Dasselbe war zart, nirgends eine Resistenz fühlbar. Mikroskopishe 
Untersuchung des exstirpirten Muskelstttcks ergab eine Myositis tnterstitialiB 
chronica. Zwischen den Primitivbündeln hier und da zellige Wuoheruni 
Glatte Auaheilung. 

Abscesse, die vom Psoas ausgehen, und SenknngsabsceeeQ^ 
von der Wirbelsäule her liegen unter der Fascia iliaca und breiten 
bich daher als nicht stark prominent« Reaist^nzen, sondern mehr als flache 
nuf der Darmbein schau fei zum Aunulus cruralis verlaufende Erbebungeii 
BUS, gehen meist auch durch den Annulus hindurch nach abwärts. Dieefti 



i 
I 



— 181 - 

Abscesse sind ausserdem in der Regel schmerzlos und entwickeln sich 
sehr langsam. Bei der acuten Psoitis bestehen zwar auch heftige Schmer- 
zen, die aber mehr in die rechte Extremität und in die Genitalien aus- 
strahlen. Der rechte Oberschenkel ist flectirt und nach innen rotirt. Dann 
fehlen der Psoitis die peritonitischen Symptome. Ausserdem fehlen allen 
diesen Affectionen die stürmischen Initialsymptome. Manchmal treten zur 
Appendicitis die Symptome der Psoitis, indem der Wurmfortsatz mit dem 
Abscess direct auf dem Muskel liegt. Dass übrigens auch hier manchmal 
erst die Operation über die Art der Erkrankung Aufschluss giebt, lehrt 
folgender Fall: Eine 19jährige seit 2 Wochen kranke, fast taube Pa- 
tientin zeigte ausgedehnte Resistenz rechts, bis zur Spina ilei und sich 
tief in den Douglas senkend, den Uterus massig elevirend und ante- 
ponirend. Linke Adnexe normal, rechte nicht durchtastbar. Keine Go- 
norrhoe oder Uteruskatarrh. Wahrscheinlichkeitsdiagnose. Appendicitis. 
Operation ergab tuberculösen Senkungsabscess. 

Tumoren des Psoas und deslliacus internus dürften kaum 
zu Verwechslungen mit Appendicitis Anlass geben. Von Seiten der Appendi- 
citis könnten nur die Formen chronischer Blinddarmentzündung in Frage 
kommen, bei denen es sich um ausgedehnte Schwarten bildung handelt 
Von ihnen unterscheiden sich die Psoastumoren und Geschwülste des M 
iliacus internus durch ihren retroperitonealen Sitz, welches beim Auf- 
blasen des Darms erkannt wird. Die Symptome dieser Tumoren sind 
nur selten Druckgefühl im Leibe, meist verursachen diese Geschwülste 
ausstrahlende Schmerzen ins Bein oder in die Hüfte. 

Schwierig bleibt oft die Differentialdiagnose von Erkran- 
kungen der Gallenblase und der Leber, besonders wenn ein perity- 
phlitisches Exsudat sehr hoch sitzt, oberhalb der Darmbeinschaufel oder in 
der Nähe des Nabels. Hier können oft Schüttelfröste, Fieber, Schmerzhaftig- 
keit, Resistenz wie bei der Cholecystites vorhanden sein. Eine genaue Ana- 
mnese vermag zwar auch hier manchmal die Diagnose zu stützen, aber 
trotzdem bleiben noch genug Schwierigkeiten im einzelnen Falle übrig. 
Bei Gallensteinen und Leberkolik ist die Ausstrahlung des Schmerzes 
nach dem Schulterwinkel charakteristisch, während bei der Appendicitis 
der Schmerz mehr um den Nabel nach abwärts strahlt, der Schmerz auch 
bei dieser meist direkt in der Ileocoecalgegend sich befindet. Dort ist 
auch die grösste Empfindlichkeit, während bei Gallensteinen die Empfind- 
lichkeit unter dem Rippenbogen, entsprechend der Grallenblase, charak- 
teristisch ist. Bei der Appendicitis ist ferner das Erbrechen nicht so an- 
haltend wie bei Lebererkrankungen. Für Gallenblasenentzündung und 
Steine spricht der hohe Sitz des Exsudats eher, zweitens die verhältniss- 
mäesig geringen Störungen des Allgemeinbefindens dabei, drittens die 



182 



die Leber- -^^^ 
cessen eine ^H 



Auabreituiig der Dämpfung, beeondera deren Uebergang in die 
dämpfung, während bei ühnliob gelegenen perityphü tischen Absceasen eine 
tympani tische Zone (zwischen Abscesa und Leber] eich beündet. Beiden 
Fällen gemeinsam kanu der Icterus sein , funclioneller Icterus häufiger 
wohl durch Toxine bedingter Icterus. Die lange Dauer des Fiebers spricht 
in zweifelhaften Fällen mehr für ein perityphlitisches Exsudat. Auch 
sind die Fröste bei allen Gallenblasensteinen nicht auagesproebeneSchüttel- 
fröste, sondern oft sich wiederholendes Frösteln. Freilich können Empyeme 
der Gallenblase klinisch recht schwere Störungen machen. Liegt der Wurui- 
forlsatz mit seiner Kuppe nach oben am Leberrand, so ist in aolchen Fällen 
eine bestimmte Diagnose nicht zu stellen. Hydropa der Gallenblase bei 
gleichzeitigem Verschluss des Ductus cysticus durch einen Galienatein kana 
eine chronische Form der Appendicilja vortäuschen. 

Die Perforation der Gallenblase pflegt meist von weniger stürraiscbeB; 
Erscheinungen hegleitet zu sein wie die des Wurmfortsatzes. Die gröaserej 
Virulenz der iai Wurmfortsatz und Dann enthaltenen Keime bewirkt' 
meist eine stärkere und ausgedehntere Beteiligung des Peritoneum^, 
während bei Gallen blas enperf oratio n seltener von vornherein grosse Ab aeessM 
entstehen. Sehr schwierig kann unter Umständen die Differentialdiagnose 
zwischen einer vom Wurmfortsatz oder von der Gallenblase ausgegangeni 
allgemeinen Peritonitis sein. Wesentlicb kann sie im Sinne einer primäri 
G allen blasenerkrankung durch Feststellung von in die Schulter aus- 
strahlenden Schmerzen gefördert werden, während Sehmerzen 
Ileocoecalgegend oder um den Nabel für Wurmfortsatz Peritonitis Sprechern 

Daaa unter Umatändeu eine Differentialdiagnose zwischen Gallenblaaeu 
leiden und Wurmfortaataerkrankungen kaum möglich sein dürfte, wird 
den Fällen zugegeben werden müssen, in denen die Gallenblase sehr w< 
ausgedehnt nach abwärts reicht und bis in die Ileocoecalgegend 
erstreckt (Vgl. Fall S. 186). Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, eine deri< 
artige Beobachtung zu machen. 

Am <J. October 1Ü9U operirte ich eine Patientin, die zum ersten Male 
erkrankt war, unter Schmerzen in der Ileocoecalgegend, Erbrechen und 
mäBBigera Fieber. Die Untereuehuug der etwas fetlleibigen Patientin er- 
gab eine abtastbare, bcsündera nach oben zu sich erstreckende, aber nicht 
deutlich nach der Leber zu abgrenzbare Dänipfnug mit starker SchiDerE^ 
haftigkeit bei der Beatastung, so daea ein vom Appendix ausgegangene*^ 
Exsudat von slemlicher Ausdehnung nach den kliniachen Symptomen an-' 
genommen werden konnte. Bei der Operation zeigte sich nun, dass 
der grösflte Theil dieser vorher palpirten Resistenz der Galleoblaase 
angehSrte, welche ungemein ausgedehnt, bia an das Coecum heran- 
reichte. Die Function derselben ergab einen ganz hellen schleimigen In- 
halt. Der Appendix selber war gerCthet, geschwollen, etwa 12 em lanjf. 



I 



— 183 — 

und von Fingerdicke, in seiner Mitte greknickt, umschnürte er zwei Drittel 
des Coecums, welchem er fest adhärirte. Peripher von der Knickungs- 
stelle fühlte man deutlich mehrere Eothsteine in demselben. Er wurde 
vollständig abgelöst und abgetragen, der Strumpf in das Coecum eingebettet. 
Dann wurde die Gallenblase vorgezogen und durch Tamponade fixirt, um 
später eröffnet zu werden. Heilung. 

Hier hatte also die Gallenblase ein vom Appendix ausgegangenes 
Exsudat vorgetäuscht. Eine Appendicitis bestand zwar, aber in der Um- 
gebung war nur ein ganz geringfügiges seröses Exsudat, das sich der 
Palpation, wenn es allein vorhanden gewesen wäre, entzogen hätte. 
Ganz besondere Schwierigkeiten kann die Diagnose chronischer Fälle 
bereiten. Ich habe mehrere an chronischer Appendicitis leidende Kranke 
beobachtet, bei denen neben geringen circumscripten Schmerzen etwas ober- 
halb der Ileocoecalgegend ein leichter Icterus zeitweilig auftrat und die 
Leber- und Gallenblasengegend ebenfalls empfindlich war. 

So hatte ein 45 jähriger, sehr fettleibiger Herr im Laufe von 4 Mo- 
naten zwei Exacerbationen seiner chronischen Beschwerden in der Blind- 
darmgegend. Leichter Icterus, Schmerzen unter dem Rippenbogen, ge- 
ringe, wegen der Fettleibigkeit schwer nachweisbare Leberschwellung war 
vorhanden, massiges Fieber bestand während der ersten Tage dieser 
Attaken, bei welchen die Zählung des Leukocyten eine massige, einer 
nicht perforierenden Blinddarmentzündung entsprechende Vermehrung 
derselben ergab. Der rasche, fast kritische Rückgang der acuten Ent- 
zündungserscheinung und das Zurückbleiben einer geringen Druckempfind- 
lichkeit in der Ileocoecalgegend führte zu der Diagnose, dass in einem 
mit einer leichten Stenose versehenen Wurmfortsatz zeitweise der Inhalt 
sich staue und zu einem Empyem sich wandele, welches sich in den Darm 
entleerte. Die Verändernngen im Gallen System wurden als secundäre, 
durch Verwachsungen bedingte angesehen. Diese Anschauung wurde 
durch die Operation .bestätigt, die Kuppe des Wurmfortsatzes war nach 
oben geschlagen, hier verwachsen und hatte offenbar durch diese Ver- 
wachsungen zu den mehr oben lokalisirten Schmerzen geführt. 

Aehnlich war die Anamnese bei einem 25jährigen Herrn, welcher 
jahrelang an Anfällen von Magenkrämpfen litt. Diese gingen mit Fieber 
bis 39,5, Erbrechen und Icterus einher und hatten die früheren ünter- 
sucher zu der Annahme, dass es sich um Gallensteine handele, veran- 
lasst. Die genaue Beobachtung ergab hier, dass die Gallenblase bei dem 
mageren Patienten nicht vergrössert war und dass die Schmerzen in der 
Gallenblasengegend durch Druck auf die Ileocoecalgegend ausgelöst werden 
konnten, ein Symptom, welches in differentialdiagnostischer Hinsicht grosse 
Bedeutung beansprucht. Hierauf wurde die Diagnose auf chronische, 



recidtTirende Äppendicitis gestellt, die Operation ausgeführt uod der nach 
oben umgeschlagene, im Anfangstheil geknickt«, auf dem Psoas ver- 
wachsene Wurmfortsatz reaecirt. Die Gallenblase erwies sieh bei der 
Betastung frei von Verwachsungen und Steinen. War hier die Gallen- 
blase frei, so fanden wir aie in einem anderen Falle geschrumpft und , 
von pericholecystiti sehen Verwachsungen rings umgeben. Die Patientin.! 
war ebenfalls lange als gallen stein krank betrachtet worden, ihre Unter- J 
suchung ergab aber einen walzenförmigen nach unten ziehenden Stran^J 
auf der Uarmbeinachaufel, welcher ausgesprochen druckempfindlich wnr.f 
Mit Rücksicht auf die Anamnese, welche eine gleichzeitige GalleDblasen7J 
erkrankung vermuthea lieii», wurde in diesem Falle der Schnitt am äusseranfl 
Rectusrand gemacht. Von ihm aus konnte die geschrumpfte GallenblaasÄ 
abgetastet und aus ihren Verwachsungen gelöst und der auf der Darm-f 
beinschaufel fixirte Wurmfortsatz resecirt werden. Da sich weder i 
Gallenblase noch in den Gallengängen Steine nachweisen liesseu, so muasl 
man annehmen, dass der Process an der Ciallenblaso abgelaufen war! 
und dass hier das Zusammen treffen der Gallenblasen erkrankung n 
Äppendicitis ein reiu zufälliges gewesen ist. Dass mit der Entfernung I 
des Wurmfortsatzes die Beschwerden aufhörten, beweist, dass der Wui 
forisatz der eigentliche Ruhestörer war und dass die Gallenblase bei den 
Sehmerzanfällen, wenn überhaupt, so doch nur secundär beteiligt war. 

Übrigens haben sich die Beobachtungen über gleichzeitige Erkran- 
kung der Gallenblase und des Wurmfortsatzes in den letzten Jahren sehr J 
gehäuft, so dass ich oft beide Organe entfernen musste. M 

Kehri) sagt: Mit Äppendicitis kann die Colecystitis acute leicht I 
verwechselt werden, besonders dann, wenn der Wurmfortsatz nach oben 
umgeschlagen ist. In Wirklichkeit besteht zwischen den anatomisch- 
patholo^schen Processen, die sich bei der acuten Cholecystitis und der - 
acuten Äppendicitis abspielen, kein grosser Unterschied. Hier wie dorta 
haben wir ein mit Schleimhaut ausgekleidetes Hohlorgan, dessen Inhaltfl 
inficirt wird und dessen Ausführungsgänge eich verschliessen. Die Paijenlenl 
erbrechen, sie klagen über heftige Schmerzen, die ungefähr in derselbeoM 
Gegend sich locaüsiren. Wenn nun beide Erkrankungen den Menscheol 
befallen, so liegt es auf der Hand, dass nur dasjenige Leiden diagnosticirif 
wird, das die prägnantesten Erscheinungen macht, und das ist die Appeiv 
didtis. 

Einige Anhaltspunkte für die hauptsächlich in Betracht kommenden^ 
Fälle möge die folgende Zusammenstellung geben. 



tj Anleituiig sur Rrlernuiif( iler Oallea 



— 185 



Appendicitis 



Leberkolik 



Schmerz um den Nabel und 
Epigastrium ; nicht über 
diese Punkte ausstrahlend. 
Fester Schmerzpunkt in 
der rechten Fossa iliaca. 

Empfindlichkeit am grössten 
in der rechten Fossa iliaca 
Besonders empfindlich ist 
McBurney's Punkt. 



Schmerz im Epigastrium, 
strahlt aus nach Schulter 
u.Schulterblattwinkel hin. 
Ausgang von der Qallen- 
blase als festen Punkt. 

Sehr starke Empfindlichkeit 
unter dem Bippenbogen 
gegenüber derGallenblase. 



Erbrechen tritt ein, ist aber Erbrechen häufig und nicht 
gewöhnlich nicht anhal- ! zu unterdrücken, 
tend. I 



Blase und Hoden sind höchst 
selten symptomatisch em- 
pfindlich resp. schmerz- 
haft. 



Blase und Hoden ohne Sym- 
ptome. 



Nierenkolik 

Schmerz strahlt nach Leiste 
und Hoden hin, manchmal 
zum Bectum mit Stuhl- 
drang und Tenesmus 

Empfindlichkeit am grössten 
hinten über dem Nieren- 
becken; vorn ist der Ma- 
ximalpunkt etwaiger Em- 
pfindlichkeit über Liga- 
mentum Poupartii. 

Erbrechen kein häufiges oder 
hervorstechendes Sym- 
ptom. 

Blase reizbar; Dysurie und 
Tenesmus der Blase; ge- 
legentlich Haematurie ; 
Hoden nach oben zurück- 
gezogen. 



Der hier erwähnte Mc Burney'sche Punkt wird wie folgt bestimmt: 
Eine Linie vom Nabel nach der Spina anterior superior ossis ilei der rechten 
Seite schneidet eine zweite senkrechte Linie, die dem äusseren Rande des 
Rectus abdominis entspricht. Am Schnittpunkte dieser Linie liegt gewöhn- 
lich das Maximum der Empfindlichkeit. Hält es schwer, den äusseren 
rechten Rand genau zu bestimmen, so kann man die Daumenspitze auf 
den Darmbeinstachel setzen und die Spitze des Mittelfingers auf den 
Nabel. Nun wird der Zeigefinger in rechtwinkliger Eichtung ausgestreckt 
und berührt den Bauch am Mc Burney's Punkt. Entspricht auch die 
Basis des Appendix nicht immer genau diesem Punkte, so ist doch das 
Symptom der so localisirten engbegrenzten Empfindlichkeit in Verbindung 
mit anderen Merkmalen von diagnostischem Werth. 

Einen eigen thünilichen Fall von Gallensteinileus, der eine Appen- 
dicitis vortäuschte, muss ich hier noch erwähnen. 

Es handelte sich um eine mit starkem Panniculus versehene, etwa 
50jährige Patientin, die früher nachweislich mehrere perityphlitische An- 
fälle durchgemacht hatte. Auch jetzt war unter plötzlichen stürmischen 
Erscheinungen eine deutliche Resistenz in der Ileocoecalgegend entstanden, 
und schon in den nächsten Tagen war Ileus eingetreten. Fieber fehlte 
vollständig, und auch die Beschaffenheit des Pulses war nicht merklich 
alterirt. Man glaubte es mit einem alten Exsudat, welches durch einen 
Nachschub vergrössert, auf die Darmschlingen drückte, zu thun zu haben 
und durch die Entleerung des Exsudats auch die Ileuserscheinungen heben 
zu können. Es schien die Operation in diesem Falle um so gebotener, 
als Patientin durch das heftige Erbrechen stark kothig riechender Massen 
ungemein geschwächt und die Widerstandskräfte derselben in Abnahme 
begrifi'en waren. Nach Eröffnung des Bauchfells zeigte sich ein chronisch 



enlzüDdeter, aber keine Spuren einer neuen EnlzUndung zeigender, massig 
verwacliBener Wurmforlsalz, der offenbar die frülieren Anfalle veruraacht 
haben mochte, aber kaum als eine genügende t'rsacbe fflr die jetzige 
Erkrankung angesehen werden konnte. Die durch die Baiichdecken fühl- 
bare ßesisteuK war nicht mehr und besonders auch nicht in der Umgebung 
des Wurrafortaatzes zu fühlen. Bei Versuch, dieselbe aufzufinden, gelang 
ee plötzlich, einen liarten, in einer Oarmschlinge liegenden Körper darch- 
zufUhlen und hervorzuziehen. Er wurde sofort als ein mächtiger Galleu- 
stein, der sich iu eine Dünndarmachliiige eingeklemmt hatte erkannt and 
heran Bgeschnitten. Die Schleimhaut in der Umgebung dee eingekeilten 
Steins zeigte sich bereits gangränös und fetzig. Der Darm wurde darauf 
vernäht, die Wunde geschloseen und die Operation beendet. Trotzdem 
keine Erscheinungen von Perilonitis auftraten, ging die Patientin in den 
nächsten Tagen bei zunehmendem Collaps und Wiederauftreten des Ileus 
zu Grunde. Bei der Seetion fand man einen zweiten Stein von beinahe 
derselben Grösse weiter oben im Duodenum festgekeilt, einen Stein in 
einer Communication zwischen Gallenblase und Duodenum, die infolge der 
Verschwärung eingetreten war, endlich einen dritten Stein in der Gallen- 
blase selber. Dort, wo der Stein aus dem Darm herausgesehnitten war, 
war Gangrän der Schliuffe auf eine weite Strecke entstanden nun hatte 
den Tod verursaclit. 

Kijllicker (Cenlralblatt für Chirurgie 1897 Nr. 42) machte äne 
äbnliche Beobachtung, Die grössere Verschieblichkeit des vermeintlichen 
perityphlitischen Exsudats und das acute Einaetzeu des Heus ohne Fieber 
können manchmal auf die richtige Diagnose führen. 

Heute wird man auch zur Unterscheidung zwischen Galleusteinileus 
und Appeiidicitis die Leukocyten Untersuchung heranzuziehen haben. 
Niedrige Leukocytenznhlen sprechen für einen mechanischen Verschluss, 
einen wahren Ileus, Vermehrung der weissen Blutkörperchen deutet 
auf entzundhche, per i tonitische Frocesse hin. 

Eigentliünilich ist die folgende Beobachtung, wo ein klndskopfgrossea 
Empyem der (Gallenblase für einen nppendicid scheu Ab^ceas ge- 
hallen wurde (Vgl. Fall auf S. 182). 

Seh. Marie, 38 Jahre alt, operirt 3. April 1904. 

Patientin hat seit mehreren Jahren Magenkrämpfe. Störungen von 
Seiten der Unterleibsorgane liegen sonst nicht vor. Die jetaige Erkran- 
kung begann vor 5 Monaten. Schmerzen im Rücken und in der rechten 
Seite. Patientin hatte das Gefühl einer Geschwulst in der rechten Baucli- 
selte. Am 21). März unter Erbrechen und heftigen Schmerzen in der 
rechten Unterbanchgegend erkrankte Patientin. Seit mehreren Tagen 
Schüttelfröste. Patientin macht schwerkranken Eindruck, Temperatur 40, 
Puls 108, Lenkocytoae 26 OOU. Leib hochgradig aufgetrieben und überall 
empfindlich. In der lleocöcalgegend Resistenz, die von der Leber nach 
abwärts bis zam Poupartschen Bande reicht und die Mittellinie sogur 
llbersehreitet. Welchem Organ diese Geschwulst angehört, ist mit Sioher- 
heit ohne Narkose nicht zu unterscheiden. In der Annahme, daas es sich 



I 
I 



— 187 — 

nm eine lockere abgekapselte Eiterung im Unterleib handelt, die mit 
Wahrscheinlichkeit entweder von der Gallenblase oder vom Wurmfortsatz 
ausgeht, wird sofort operirt. In Narkose bei erschlafften Rauchdecken 
fühlt man kugeligen, mannskopfgrossen, länglichen Tumnr, der sich nicht 
von der Leber abgrenzen lässt. Es wird nun allerdings ein Empyem der 
Gallenblase mit Wahrscheinlichkeit angenommen. Nach Eröffnung des 
nicht verwachsenen Peritoneums quillt trtib seröse Flüssigkeit und freie 
Darmschlingen aus der Bauchhöhle. Der prall gefüllte Tumor stellt sich 
ein, der nach oben und nach den Seiten mit dem Netz und dem Peri- 
toneum verklebt ist. Der Sack wird incidirt und unter ausserordentlichem 
Druck entleert sich im Strahl 1 Liter dicken, trüben Eiters und damit 
zugleich ein wallnussgrosser kantiger Gallenstein. Die Grenzen der Höhle 
sind nicht anzutasten. Eine 20 cm lange Eornzange reicht gleichfalls 
nicht bis ans Ende. Einführen eines Drains und circuläre Annäherung 
der Gallenblasenwand an das Peritoneum. Verlauf glatt. Nach zwei 
Monaten ist die Wunde vollkommen ohne Fistel geheilt. 

Zu den Krankheiten, welche eine Appendicitis vortäuschten, ist auch 
der Typhus gekommen. Rendu, Maurange, Mühsam, Mea u. A. 
haben über Fälle berichtet, welche zu Irrthümern Anlass gaben. .Ein Theil 
der Fälle sind unter falscher Diagnose als Appendicitis operirt worden, 
ein Fall von Maurange und der von Mühsam wurden geheilt. Anlass 
zu Irrthümern geben meist die von Curschmann als Appendicitis typhosa 
bezeichneten Fälle, bei denen die Typhusgeschwüre hauptsächlich am 
Coecum oder in dessen nächster Nähe sitzen. 

Die Schwierigkeiten liegen darin, dass auch beim Typhus gelegentlich 
excessive Schmerzen in der Ileocoecalgegend vorkommen können, welche 
offenbar der Perforation eines Typhusgeschwürs vorangehen. Wenigstens 
zeigte sich in Mühsams Fall an der schmerzhaften Stelle ein vor der 
Perforation stehendes typhöses Greschwür des Coecums. Fehlen nun 
die gewöhnlichen diagnostischen Merkmale für Typhus, wie Roseolen, 
Diazoreaction, ist die Widarsche Probe negativ und der Nachweis von 
Typhusbacillen nicht zu erbringen, so sind auch in Zukunft derartige 
Irrtümer nicht ausgeschlossen, zumal wenn auch die Anamnese keine 
typische ist. Die von Reude beim Typhus beobachtete geringere Bauch- 
deckenspannung ist nicht in allen Fällen vorhanden, und häufig ist auch 
kein auffallendes Miss Verhältnis zwischen der Schwere des Gesamtkrank^ 
heitsbildes und den örtlichen Symptomen (geringe Schmerzhaftigkeit) 
zu constatieren. Eine entscheidende Bedeutung kommt der für Typhus 
charakteristischen niedrigen Leukocjrtenzahl zu. Jedenfalls muss man in 
zweifelhaften Fällen auf alle diese Punkte achten. 

Sehr wichtig sind die Beziehungen der Appendicitis zu den 
weiblichen Genitalerkrankungen. Eine wichtige Frage bei dem Zu" 
sammenhang zwischen Appendicitis und Adnexerkrankungen ist 



188 



die, ob die Appendicitis bei Frauen so häufig vorkommt wie bei Männern. 
Unterl600eigenenBeobachtungen betrafen 1000 Fälle Männer, 600 Frauen. 
Auch bei nnderen Zusammenstellungen überwiegen die Männer über die 
Frauen, und ebenso finden wir auch bei unserem eigene» Material häufiger 
Knaben als Mädchen befallen. Diese Ungleichheit in dem Befallen- 
werden der beiden Geschlechter ist schwer zu erklären. Es ist weder 
anatomisfih noch klinisch ersichtlich, warum bei Frauen die Appendiciüa 
weniger häufig vorkommen sollte als bei Männern. Treub ') hat ver- 
sucht, den Unterschied dadurch zu erklären, dasa die Wand des weib- 
lichen Processus vermiformis widerstandsfähiger als beim Manne sei 
insofern krankhafte entzündliche Prozesse beim Weibe durch die ungleich 
zahlreicheren und stärkeren Lymphgefässapparate gleichsam an unschäd- 
lichere Stellen abgelenkt werden. Die Basis des Mesenteriolum des 
Appendix sei derartig "^he an den oberen Teil des Ligamentum latum 
herangerückt, dass man von einem direkten Uebergang dieser beiden 
peritonealen Blätter sprechen kann. (Das ist aber nichts anderes als 
das von Clado unter dem Namen Ligamentum appendiculo- ovaricum 
beschriebene Peritonenlfältchen,) Für die Ableitung der entzündlichen 
Prozesse am Appendix st-eht also beim Weibe auch das mächtig aus- 
gebreitete Lympbgefässnetz der breiten Mutt«rbänder zur Verfügung, so- 
dass die gefährlichen Stoffe aufgesaugt und für den Appendix selbst 
unschädlich gemacht werden können, mithin eine Parametritis eher als 
eine Appendicitis entstehen kann. Diese Theorie von Treub steht wohl 
insofern auf schwachen Füssen, als diese Verbindung mit den Adnex- 
oi^nen in der Weise, wie Treub es annimmt, selten vorhanden ist. 
Clado selber konnte nur zweimal eine deutliche Communication der 
Lympbgefässe des breiten Bandes mit dem Appendix nachweisen. Andere 
Forscher haben gezeigt, dass die Lymphbahnen der Adnexorgane zum 
Appendix gar keine Beziehungen haben. Ist das Ligamentum appendi- 
culo-ovarium vorhanden, so ist es nur ein Teilstück des Ligamentum 
Suspensorium ovarii das sich in den Meaosalpinx verliert. Wenn also ein 
anatomisches Verhalten nicht gerade für die grössere Seltenheit der Er- 
krankungen an Appendicitis beim weiblichen Geschlecht verwertet werden 
kann, so können wir uns doch nicht der Thatsache verseht iessen, dass 
nach Hermes^) — und wir kommen auf diesen Punkt noch einmal 
zurück — in gj^näkologi sehen Fällen in über BO Prozent Veränderungen 
auch am Wurmfortsatz nachgewiesen werden können. Ich glaube, der 
Grund für die Ungleichheit im Befallensein der Geschlechter liegt in 



II Eavue de Gynäkologie, IS97, S. 263. 
21 Deulfichc Zeitscliritl Tür Chirurgie, G8, 



— 189 — 

dem Umstände, dass Frauen mit chronischer Appendicitiserkrankung 
doch noch ungemein häufig als adnexkrank auf andere Abtheilungen 
gelegt werden ; denn wir haben selber den Eindruck, dass in den letzten 
Jahren ein stärkerer Ausgleich als bisher zwischen den Geschlechtern 
stattgefunden hat. Der Beweis dafür kann aber erst durch grosse 
Zahlen erbracht werden. 

Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, bei denen primär gynäko- 
logische Leiden den Wurmfortsatz secundär ergreifen, und ebenso sicher 
gibt es umgekehrt Erkrankungen des Appendix, die secundär zu Er- 
krankungen der weiblichen Genitalien führen ; endlich gibt es krank- 
hafte Processe, wo zugleich der Blinddarm und die Adnexorgane er- 
kranken. Hier handelt es sich meist um specifische Erkrankungen 
(Tuberculose, Aktinomycose). 

Von den Genitalerkrankungen, die zu Verwechselungen mit Appen- 
dicitis Veranlassung geben, kommen hier hauptsächlich die Pelveo- 
peritonitis mit ihren Theilerscheinungen, der acuten Perimetritis, Perisal- 
pingitis und PerOophoritis in Betracht. 

In der Aetiologie der Parametritis spielt die Entzündung des Wurm- 
fortsatzes entschieden eine Rolle. Die typische in Resolution übergehende 
Form der Parametritis kann sich häufig infolge von Appendicitis ent- 
wickeln. Unzweifelhaft kommt nach unseren eigenen Erfahrungen gerade 
bei Frauen die Lage des Appendix im kleinen Becken in der Nähe des 
Uterus häufig vor, und so mag durch die Lage des Wurmfortsatzes der 
eben erwähnte Zusammenhang leichter sich erklären lassen. Bei einer 
Patientin, die eine undeutliche empfindliche Resistenz in der Ileocoecal- 
gegend hatte, vor allem aber eine breite Infiltration des rechten Para- 
metriums, ergab sich bei der Operation durch die Anwesenheit eines 
Kothsteins, dass diese Parametritis unzweifelhaft vom Wurmfortsatz 
hervorgerufen war. Die secundäre Parametritis ging anstandslos zurück, 
ohne dass sich Eiterung entwickelte. Diese Erfahrung haben wir seitdem 
öfters gemacht. Es ist daher nöthig, dass jede Patientin mit Erscheinungen 
einer Perityphlitis auch einer sorgfältigen gynäkologischen Untersuchung 
unterworfen wird. Besagte Parametritiden sind meistens ödematöse 
Schwellungen des Beckenbindegewebes, die einer spontanen Resorption 
fähig sind. 

Zu einer serösen Durchtränkung des Peritoneums kommt es dagegen 
sehr selten. In einer Reihe von mehreren hundert operierten Fällen von 
Perityphlitis ist dieses Vorkommniss nach Untersuchungen des Oberarztes 
meiner Abtheilung Herrn Dr. Hermes (Deutsche Zeitschrift für Chirur- 
gie, Bd. 59, S. 449) nur einige wenige Male beobachtet worden, im Gegen- 
satz zu der recht häufigen Durchtränkung des properitonealen Gewebes. 




- 190 — 

Kommt es bei der Perityphlitis dagegen zu eiuem aeröseu resp, eitrigeu 
ExBudat, 80 giebt es zwei Wege, auf deuen die Eiterang eich weiter ver- 
breiten kann, erstens die Äbacesae, die sich in der Kachbarachaft und 
im Zusammenhang mit dem uraprüngliches Herd, und zweitens die 
welche sich in der Entfernung ohne directen Zusammenhang entwickeln. 
Die letzteren spielen für die Localisation im Becken eine untergeordnete 
Rolle, wenn wir auch derartige Fälle beobachtet haben. Diejenigen i 
ceaae, die sich in dos kleine Becken und dann in den Douglaa'schen 
Raum senken, sind durch Percussion und besonders durch die bimanuelle 
Untersuchung zu erkennen. Man findet dabei, dasa der achon Susserlich 
palpable Tumor sieh tief in das kleine Becken hiniibgesenkt hat, und 
zwar dergestalt, dass er entweder breit von der Beckenwandung ausgeht, 
aJi die Seitenwand des Uterus hera.nreicht, diesen etwas an die Seite 
verdrangt, oder dass er den Douglas'sehen Raum auafüüt, meist prall 
hervorwölbt und den Uterus in die Höhe und nach vorn drängt. 
breit am Becken ausgebende Resistenz entspricht der intraperitones 
Entzündung, der Infiltration des Becken bindege wehes ; die hinter dem ' 
Uterus sitzende Vorwölbung läset einen intraperitonealen Beckenabscess I 
vermuthen. 

Die sogenannte klassische FarametritJa kann natui^mäsa denselben 
Befund darbieten wie die durch eine Appendicitie hervorgerufene. Be- 
kommt man dieselbe in ihrem ersten Änfangsatadium zur Unterauchung, 
so wird bei der vom Appendix hervorgerufenen ParametritJö die Haupt- 
infiltration auf der Becken schaufei, bei der vom Uterus ausgehenden diese 
neben dem Uterus sitzen. lu späteren Stadien, wenn 
Exsudat vorhanden ist, ist die Unterscheidung über den Uraprung desselbea i 
durch die Palpation allein nicht möglich. Hier muss die Anamnese die | 
Diagnose erni liglichen. 

Die intra peritonealen Becken ahscease, die vom Wurmfortsatze her- 
rühren, können für die DiflTerentialdiagnose grosse Schwierigkeiten bieten; 
denn der perime tri tische Ahscess, die Tubengravidilät, einhergehend mit j 
retrouteriner Hämatocele, der Pyosalpinx und Ovarialcysten können j 
genau dasselbe Bild ergeben wie eine Appendicitis mit grossem Absce^s 
im kleinen Becken, nur muss man immer berücksichtigen, dass alle die« 
von den Genitalorganeti ausgehenden Erkrankungen in ihrer Hauptaus 
dehnung mehr in der Tiefe des kleinen Beckens localiairt sind und erat 1 
bei bedeutender Ausdehnung in das grosse Becken emporaleigen ; umge- ,1 
kehrt begeben aich die vom Appendix ausgebenden Eiterungen vom 1 
grossen Becken in das kleine. Demnach wird der hohe Sitz des Exsu* 
dats nach der Spina ossis ilei immer für eine Appendicitis sprechen. Beim I 
Pyosalpinx von nicht allzu grosser Ausdehnung wird ex möglich i 



— 191 — 

den Abgang der dort normalen oder nur wenig verdickten Tube von der 
Uteruskante und den allmählichen Uebergang derselben in den Eitersack 
nachzuweisen, ein Zeichen für die Genese der Eiterung. Die von den 
Erkrankungen des Uterus und seiner Anhänge ausgehenden Eiterungen 
haben ihre bestimmte und charakteristische Vorgeschichte: ascendirende 
Gonorrhoe. Wichtig ist dabei zu betonen, dass Doppelseitigkeit der Af- 
fectionen stets für uterinen Ursprung der Eiterungen zu verwerthen ist. 
Im Allgemeinen dürften bei Entzündungen des Wurmfortsatzes die Ini- 
tialsymptome viel stürmischer, die Erscheinungen der peritonitischen 
Reizung viel ausgesprochener und umfangreicher als bei den periuterinen 
Erkrankungen sein. 

Wenn auch die chronisch verlaufende Appendicitis ein scharfes und 
leicht diagnosticirbares Krankheitsbild meist darbietet, ebenso wie die 
chronische Salpingitis, so wird doch die Differentialdiagnose unter Um- 
ständen Schwierigkeiten machen müssen. Es giebt manche Poysalpinx- 
kranke, die beständig einen Schmerz in der Fossa iliaca dextra fühlen 
und die ganz ähnliche Beschwerden haben wie die an chronischer Appen- 
dicitis erkrankten Patientinnen. Es ist auch klar, dass die Erscheinungen 
der Folgezustände der entzündlichen Processe in den Genitalien, welche 
die Organe selbst nicht mehr allein betreffen, sondern sich intraperitoneal 
als Schwarten oder Abscesse oder extraperitoneal abspielen, genau in den- 
selben klinischen Formen darthun wie die Processe bei der Appendicitis. 
Auch hier kann nur eine ganz genaue Anamnese Sicherheit geben. Ver- 
wächst im Laufe der Entzündungen der Appendix mit den Adnexorganen, 
so treten oft nach den Anfällen von Perityphlitis un regelmässige Blu- 
tungen auf, oder auch Schmerzen, die in der Tiefe des kleinen Beckens 
localisirt werden. Die Menstruation selber wird schmerzhafter und reich- 
licher. Die gynäkologische Untersuchung ergiebt objectiv keine Verän- 
derung der Genitalorgane, nur bei Druck eine stärkere Empfindlichkeit in 
der Gregend der rechten Adnexe. Entfernt man in solchen Fällen den 
Appendix, so schwinden die Menstruationsstörungen. Es ist erklär- 
lich, dass zur Zeit der Menstruation das an und für sich empfindlichere 
und geschwollenere Ovarium durch derartige Adhäsionen naturgemäss 
in einen Zustand stärkerer Reizung versetzt werden und Beschwerden 
machen muss. 

Wenn Duehrssen^) angiebt, dass der Gynäkologe bei seinen Eröff- 
nungen der Bauchhöhle etwa in 3 Procent der Fälle darauf gefasst sein 
muss, den Wurmfortsatz erkrankt zu finden und ihn exstirpiren zu 
müssen, so haben die Erfahrungen, die Hermes 2) kürzlich veröffentlicht 



1) Chirurgenkongress 1899. 2) Deutsche Zeitschrift far Chirurgie, Bd. 68. 



192 



hat, doch ein wesentlich anderes Resultat ergeben. Er hat bei seiner | 
aus verschieden Bten Indicationen auagefübrlen gynäkolog. Laparotomieo, 
bei denen jede>^mal das Verhahen des Wurmfortsatzes besouders festge* 
stellt wurde, gefunden, dass in ca. 50 Procent der Fälle Veränderungen 

des Wurmfortsatze» vorhanden sind. 

Diese Veränderungen können im Wesentlichen in 2 Gruppen > 
getheilt werden ; in der ersten handelt es sich um eine Erkrankung der ] 
Schleimhaut mit abnormen Inhalt ohne erhebliche Verwachsungen ; 
umfast ca. 14 Procent der gesammten Fälle, hier besteht eine Coexistenz 
zweier von einander unabhängiger Erkrankungen, übrigens ein neuer Be- 
weis dafür, wie eminent schleichend und sjmptomlos die chronische 
Appendicitis verlaufen kann. 

Bei der »weiten Gruppe ist es haupteacblich die Adhäsionabildung I 
die in den Vordergrund tritt, sie ist die bei Weitem häufigere und bä i 
ihr ist auch unzweifelhaft eine directe Beziehung, Fortschreiten von einem I 
Organ auf das andere anzuhmen. 

Nutui^mäss liegen im Weaentlicben 3 Möglichkeiten vor: 

1. das Primäre ist die Erkrankung der Oenitälorgane; die wieder- | 
holt auftretenden perimetriti sehen Entzündungen führen zu ausgedi 
Verwachsungen In deren Umgebung die auch den Wurmfortsatz in Mit^ 1 
leidenschaft führen können; es wird dies abhängig sein von der Lage | 
des Wurmfortsatzes, besonders wenn er in das kleine Becken hineinragt I 
und von der Intensität und Infektiosität der perimetritischen Attacken. 

2. das Primäre kann die Erkrankung des Wurmfortsatzes sein und 
die Entzündung von ihm fortgeleitet auf die Genitalorgane übergegrifFen 
haben. 

Im allgemeinen können wir daran festhalten, soweit sich dieeO'l 
schwierige Frage mit einiger Sicherheit entscheiden lässt, dass in dor| 
Regel die erstere Art der Verbreitung die weitaus häufigste ist. 

Eines besonders charakteristischen Falles, in dem aber umgekehrt di»>9 
Fortleitung vom Wurmfortsatz auf die AdueKorgane sich mit Sicherheit^ 
verfolgen liesa, sei hier Erwähnung gethan. Ea handelte sich um eiosl 
21jährige Patientin mit linksseitigem Hydrosalpinx und rechtsseitigem Ova*fl 
rialabecess; der Wurmfortsatz war mit letzterem verwachsen und zwal 
so, dass die Spitze, die eine feine Perforationsöffnung noch deutlich i 
kennen Itess, eben in diesen hineinragte. 

Jedenfalls haben uns diese Beobachtungen veranlasst, bei jedarl 
gynäkologischen Laparotomie den Wurmfortsatz regelmässig auf seinel 
Veränderungen hin zu untersuchen und in geeigneten Fällen zu enWl 
fernen; sie haben fernerhin dazu beigetragen, hei der Wahl des OperatJona- I 
weges dem abdominalen vor dem vaginalen den Vorzug zu geben 



— 193 — 

In Hinsicht auf die Tumoren der Adnexorgane werden manchmal 
irrtümh'cherweise Ovarialcysten für Appendicitisexsudate gehalten. Zwei 
mal sind uns in das Krankenhaus derartige Fälle mit irrthümlicher 
Diagnose geschickt worden. Es handelte sich in derartigen Fällen um 
Ovarialcysten, die infolge von Stieldrehung oder aus sonstigen Ursachen 
Zeichen einer lebhaften peritonitischen Reizung darboten. 

Dahin gehört auch folgende Beobachtung ') : 

4. Junge Dame von 19 Jahren hatte bereits 2 Anfälle von Appen- 
dicitis durchgemacht, als sie von neuem unter heftigen Erscheinungen er- 
krankte. Bei der Aufnahme in das Sanatorium Temperatur 3S.8^, Puls 
112. Häufiger Singultus, Leib aufgetrieben. Es bestand abwärts von 
der Nabelhorizontalen bis zur Symphyse eine ungemeine Druckempfindlich- 
keit, besonders auch links. Dageg:en bestand rechts eine deutliche freie, 
2 Querfinger breite Zone, welche absolut unempfindlich war. Innerhalb 
dieses ganzen Bezirks vollständige Dämpfung, tiberall leerer Schall. 
Berührung dort sehr empfindlich. In der Narkose konnte man erst fest- 
stellen dass das linke Hypogastrium im Vergleich zum rechten sichtlich 
stärker vorgewölbt war ; während man rechts eine etwas härtere Resistenz 
fQhlte, fühlte man nach links hin einen gewaltigen, deutlich fluctuirenden 
Tumor. 

Operation: Beim Schnitt zunächst von der rechten Seite aus 
zeigte sich Musculatur und properitoneales Gewebe ausserordentlich stark 
oedematös durchtränkt. Das Peritoneum war zart, darunter lag tiberall 
weicher Darm, nirgends eine Resistenz zu fühlen. Damach beschloss ich 
erst links auf den fluctuirenden Tumor einzugehen. Ich machte also 
auch links den Flankenschnitt, hier war aber keine oedematöse Durch- 
tränkung der Gewebe vorhanden. Auch das Peritoneum normal. Nach 
Spaltung des Bauchfells entleerten sich höchstens 150 ccm einer geruch- 
losen, wasserhellen, serösen Flüssigkeit. Wir fanden nun einen bläulich 
schimmernden, prall gespannten Tumor, welcher sich bequem in die Bauch - 
wunde hineindrticken, hingegen nicht eventriren Hess. Die Function wies nach, 
dass der Inhalt desselben eine wasserklare Flüssigkeit war, ebenfalls ganz ge- 
ruchlos. Es wurde deshalb der Tumor durch den Troikar unter stetigem An- 
ziehen zum grösstenTheil entleert und auf dieseWeise allmählich vor die Bauch- 
wunde entwickelt. Der Stiel desselben erwies sich als peitschenartig 
gedreht; nach Zurückdrehung desselben (2V2 mal um seine Achse) stellte 
sich heraus, dass er, nunmehr drei Querfinger breit, an die Hinterfläche 
des rechten Ligamentum latum, etwa fingerbreit unterhalb der rechten 
Tube ging; der Stiel war weder morsch, noch verfärbt, noch sonst 
irgendwie entzündlich verändert. Die Abbindung des also rechts- 
seitigen Parovarialtumors erfolgte von dem linksseitigen Flankenschnitt 
aus mit einiger Schwierigkeit. Nach Abtragung des wohl mannskopf- 
grossen Tumors und nach Versenkung des Stumpfes zeigte sich dann, 



1) Vergl. Verhandlungen der freien Vereinigimg der Chirurgen Berlins 1897. 
Seite 61. Schrader, Appendicitis combiniert mit Torsion einer Parovialcyste der 
selbe Seite. 

Sonnenbnrg Perityphlitis, 5. Auflage. Y^ 




— 194 — 

daaa die Darmachlingen, welche im Bereiche der Ileoeoecalgegend ge- 
legen waren, im ToUeten Gegeueatz zu allen anderen zu Gesiebt kommen- ' 
deu Darmechlingen leicht injicirt waren : es war eine deutliche, liellrothe 
Injection der Serosa, und der dort befindliche Rand dps Ifetzcp war verdickt 
und nacli oben anfgerollt. Ich ging nunmehr von dem rechtsseitigen Flanken- 
Bchnilt auB weiter vor, eröfFnete auch dort das Peritoneum und fand alsbald 
hinter dem Coecum gelegen den Appendix, welcher anffallig lang (im ganzen 
12 — ^13 cm) nach unten in das kleine Becken hinabreichte nnd dorthauptsäeb- 
lich in seiner peripheren Hälfte durch breite. Adhäsionen mit dem Peritonenm 
parietale und besonders mit einem harten Körper, den wir damals für 
das Corpus uteri zu halten geneigt waren, der aber wolil wahraehein- 
licher das rechte zurückgebliebene Ovarium gewesen ist, zusammenhing. 
Es gehörte einige Anstrengung dazu, denselben zu lösen und nach aussen 
zu luxiren; dann wurde in der gewöhnlichen Weise vernäht. Tamponade. 
Glatte Heilung. Patientin seit April 1 898 verheiratliet. Bestes Befinden 1 900, ( 

An der esstirpirleii CvpIp konnte ein Ovnriuni nicht mehr nachge- ' 
wiesen werden. Die Cyste selber war einkammerig, die Tube, welche ja | 
oberhalb des Stiels verlief, also nicht mit abgebunden war, fehlte an dem J 
Präparale. Der Appendix zeigte in seinem centralen Theile eine fast J 
normale Schleimhaut. Das periphere Ende zeigte eine hochgradige Ent- I 
Zündung, die Scblelmliaut hatf« eine deutliche quere Wulstung, war ^ 
saminetartig und wies eine im allgemeinen scbarlachrothe Färbung, ste 
weise eine üefblaue, fleckige Injection auf. 

Auch hei Myomen können gelegenilicli ili ttVrentialdingnos tische 1 
Schwierigkeiten entstehen, wenn peritonitische Erscheinungen auftreten 
und es zweifelhaft ist, ob dieselben durch eine Appendicitis oder durch 
«ine die Myome so oft begleitende Entzündung bedingt sind. Appen- 
dicitis bei Seh wa n gerseh II ft haben wir einige Male zur Beobachtung be- 
kommen. Einmal handelte es sich um eine Gravidität im vierten Monat 
(Dr. Hermes), Wegen chroniech-recidivirender Appendicitis wurde die 
Appendektomie ausgeführt, ohne dass Unterbrechung der Schwangerschaft J 
eintrat, und Heilung von allen Beschwerden erzielt. In einem anderen^ 
von mir beobachteten Falle achlug ich die Operation vor, die aber ve 
weigert wurde. Einmal habe ich eine acute Appendicitis gangraenosa h 
einer Schwangeren operirt. Der Verlauf war im Anfang glatt, fOhrt 
aber zu schweren Complicutionen, Thrombosen und schliesslich Abort; i 
Patientin wurde aber doch endlich geheilt, 

Kt'jrzlich nmsste Hermes bei einer Schwangeren im fünften Moni 
gleichfalls wegen acuter perforativer Peritonitis mit sehr schweren ] 
scheinungen operativ vorgehen. Audi diese Patientin abortirte und j 
dann unter den Erscheinungen der fortschreilfindon Peritonitis zu Grunde 

Besondere Schwierigkeit bietet auch die Diagnose der acuten, mit £ 
sudat einhergehenden A p pendle) tis im Wochenbett, weil gerade hier di« 



— 195 — 

Verwechselung mit Parametiitis so ausserordentlich nahe liegt. In einem 
Falle gelang es, die sichere Diagnose vorher zu stellen und durch Spal- 
tung doB Abscesses und Resection des durch Kothstein perforirten 
Wurmfortsatzes yöllige Heilung zu erzielen. Der Abscess reichte bis an 
die Kante des noch stark vergrösserten puerperalen Uterus (9. Tag 
des Wochenbettes). Von Wichtigkeit für die Diagnose war der acut 
stürmische Beginn bei vollkommen normalem Wund verlauf — Patientin 
war überhaupt nicht innerlich untersucht worden — , ferner der verhält- 
nissmässig hohe Sitz des Exsudats, sowie der Nachweis, dass die Basis 
der Parametrien vollkommen frei war. 

Im Anschluss will ich noch einen eigentümlichen Fall anführen, bei 
dem eine auffallend hohe Leukocytose sich zeigte. Ob wir in dieser 
ausserordentlichen Reaktion ein ünterscheidungsmittel der bösartigen freien 
Wurmfortsatzperitonitis g^enüber der gutartigen gynäkologischen besitzen 
mag ich nicht entscheiden. Es müssen natürlich noch weitere Beobach- 
ungen in dieser Hinsicht abgewartet werden. 

F. Hertha, 30 Jahre alt, aufgenommen am 20. April 1903, operirt am 
gleichen Tage, geheilt entlassen, 16. Mai 1903. 

Anamnese: Patientin war bisher gesund, nie nn t er leib s krank, hat 
regelmässig menstrairt In der Nacht von gestern auf heute ist sie plötz- 
lich mit Erbrechen und heftigen Schmerzen im ganzen Leibe erkrankt. 
Stuhlgang war durchfallartig. Am Abend vorher hatte sie aaf ärztliche 
Anordnung Opiumtropfen genommen. Nach .dem Darchfall liessen die 
Schmerzen im ganzen Leibe nach, sind aber auf der rechten Unterbauch- 
seite an einer kleinen Stelle, die sehr empfindlich ist, geblieben. 

Status: Leidlich gut genährt, ziemlich kräftig gebaut, macht den 
Eindruck schwerer Erkrankung. Conjunctiven des Auges ikterisch ver- 
färbt. Puls 100, Temperatur 37,7 o, Leukocyten 45 000. Leib 
stark aufgetrieben, ist eindrückbar, überall heller Schall. Der ganze Leib 
höchst empfindlich, besonders in der Iloecoecalgegend. Da das 
Bestehen freier Peritonitis anzunehmen ist, wird sofortige 

Operation vorgenommen. Typischer Flankenschnitt. Coecum mit 
Appendixansatz leicht zu finden. Am Appendix, der geschrumpft 
und nur 2 cm lang erscheint, kein Zeichen einer frischen Entzündung 
zu finden. Der Appendix wird resecirt. Beim Aufwärtsschieben des 
Dickdarms dringt aus der Tiefe des kleinen Beckens reichlich dünn- 
flüssiger gelber Eiter hervor. Nirgends Verklebungen. Da die Ursprungs- 
stelle des Eiters nicht zu finden ist, wird in der Mittellinie vom Nabel bis 
zur Symphyse die Bauchhöhle nochmals eröffnet. Die Därme werden aus 
der Bauchhöhle unter fortwährender Spülung mit Kochsalzlösung heraus- 
genommen, die wahrscheinliche Ursprungsstelle der Eiterung in der 
linken Tube gefunden, die entzündet und perforirt war. Die 
Perforationsstelle wird vernäht. Nach gründlicher Durchspülung der 
Bauchhöhle und Reposition der Därme werden die beiden Bauchwunden 
durch Etagenknopfnähte geschlossen. Nach der Operation Rochsalzinfusion 
900 g. Glatter Verlauf. 

13* 



Dass selbstversiäodlich gleichzeitige Erkrankuagen dea Appendix 
der Adnexorgaue vorkommen können, haben wir schon betont. Hiernocbif 
die Abbildung eines derartigen Befundes CFig. 2Mj. 

Ganz besondere Schwierigkeit«!! macht mancbraal die Different 
diagnose zwischen geplatzter Tubengravidität und acuter Äp-I 
pendicitie. Dass in der That manchmal Verwechslungen zwischenJ 
Exlrauterinsehwangerschaft und Appendicilis vorkommen, weiss ich f 




l>t^nrlii und der .liliit 



pendix i. 



r gBLi 



1 Lauge. 



einer mir von belbeiligter Seite gemachten Mitiheilung. TroU der sor^l 
fältigsten gynäkologischen Untersuchung wurde wegen der Höhe des Ek^I 
sudats eine Appendicilis angenommen, obgleich Fieber fehlte. Bei 
Operation fand sich zwar ein katorrhaliscb veränderter Appendix vor 
Wesentlichen aber ergab sich die Berstung einer Tubenschwangerschaft f 
mit hochsitzendem Hämatom. Deswegen sofortige Lüparutamie in dt 
Mittellinie nach erfolgter Appeiidekto!niG vom öeitenschnitt aus, Wenn I 
auch durch das Charakter' l' le Ka kleXb'ld bei Tubenruptur, duB ] 
hauptsächlich auch lu ch d e A am e n bed gt ist, ein dingnoa-J 
tischer Zweifel kaum ugl h so s de Ben heilung viel schwie- f 

riger, wenu die Kuptu h o s h oder u b hübe erfolgt, zumal sieb \ 
dabei meislens Fiehe seil H s Je p etile Reizung eint 



- 197 — 

erhebliche, dass die Palpaiion die grössten Schwierigkeiten hat und bei der 
Weichheit der vorhandenen Haematocele auch meist negativ ausfällt. 
Für Tubengravidität spricht oft der sehr schnelle Puls, der in keinem 
Verhältniss zur Temperatur steht. 

Um die Schwierigkeiten zu bestätigen führe ich noch folgenden 
Fall an. 

Frau B. 33 Jahr, oporirt 13. September 1904. 

Anamnese: Bisher stets gesund, acht mal geboren. Menses stets 
regelmässig, acht Tage dauernd, nicht schmerzhaft; letzte Menses waren 
vollkommen zur richtigen Zeit vor ca. 14 Tagen eingetreten, hatten aber 
bis vor wenigen Tagen nicht stark angehalten, heute Nacht wurde es 
der Patientin schlecht, es traten Schmerzen in der rechten Seite auf, 
heute Morgen leichte Ohnmacht und Frost. Die Schmerzen rechts unten 
nahmen am Tage erheblich an Heftigkeit zu, sodass der Arzt die Patien- 
tin in der Annahme einer schweren Appendicitis zur sofortigen Operation 
ins Krankenhaus schickte. 

Befund: Bei der Aufnahme machte die Patientin einen schwer- 
kranken Eindruck, Temperatur 38,6, Puls 120, Lcukocyten 26 000. Der 
Leib ziemlich stark meteoristisch aufgetrieben, nirgends eine deutliche 
Resistenz. Rechts unten eine leichte Schallabscliwächung. Die Blind- 
darmgegend ist exquisit druckempfindlich, die linke Bauchseite in erheb- 
lich geringerem Grade. Gynäkologisch zeigt sich der Uterus anteflectirt, 
nicht vergrössert, keine Vorwölbung des hinteren Scheidengewölbes^ keine 
Resistenz in den Adnexgegenden. Die Palpation ist sehr empfindlieh. 
Die Patientin sieht keineswegs anämisch aus. 

Wenn auch das Vorhandensein einer Tubargravität wohl erwogen 
wurde, so lag doch die Annahme einer schweren akuten Appendicitis bei 
dem ganzen Erankheitsbild näher. Die noch am selben Abend ausge- 
führte Operation ergab eine geplatzte Tubargravidität im zweiten 
Monat. Rechtsseitiger Flankenschnitt. Nach Eröffnung der Bauchhöhle 
stürzen in reichlicher Menge Blutgerinnsel und flüssiges Blut hervor. Die 
rechte Tube wird vorgezogen. In dem zu zwei Fingerdicke erweiterten 
Abdominalende befindet sich die über wallnussgrosse Blutmole. Die 
Rupturstelle befindet sich 3 cm vom Fimbrien entfernt. Die Tube wird 
exstirpirt, die Blutmassen nach Möglichkeit entfernt, die Wunde in Etagen 
geschlossen. Der Wurmfortsatz völlig intakt. — 

Verlauf völlig glatt. Geheilt entlassen. 



Die Prognose. 

Die Prognose der Appendicitis ist sowohl während des acuten An- 
falls als auch während des freien Intervalls eine unsichere und hängt 
natürlich im Wesentlichen von der eingeleiteten Behandlung ab. Die 
Prognose im Anfalle richtet sich danach, ob die Entzündung auf den 
Wurmfortsatz beschränkt bleibt oder auf das Peritoneum übergreift. 



Ferner hängt Jie Prognose hier von di^r luteositäl. dtr Infectioii und I 
von der Widerstandskraft dea Patienten weäeotlicb ab. Es ist kaum J 
mißlich, durch alatlatiaehe Angaben die Prognose der nicht operierten I 
Fälle irgendwie zu beleuchten. Die Anfälle sind zu verschiedenartig, 
und die Zahlen verhältiiissmässig zu klein, um einen Riickschluaä auf die 
Sterblichkeit im Anfalle za nmchen. Ich verweise in der Beziehung auf 
die Seite 15 jiiis dem Armeeeanitätabericht gegebenen Zahlen. Bei 
schweren Attacken ivird selbstverständlich die Prognose bei exspectativer ■ 
Behandlung um so ungünstiger sein müssen und ebenso auch htä 1 
chirurgischer Behandlung um so ungünstiger, je später diese einsetzt. 1 
Solange wir nicht über grosse Zahlen verfügen, uud zwar über eine I 
grosse Anzahl nicht operirter und operirter Fälle und die^e beiden ni 
einander vergleichen können, wird es schwer halten, über die Prognt 
der acuten Appendicitis im Allgemeinen sich zu äussern. Wir müssen I 
die Fälle in Hinsicht auf die Mortalität genau differenzieren, was für | 
Anfälle vorliegen und wie deren Ausgang bei exspectativer oder chirur- ' 
gischer Behandlung ist; wir müssen die Sterblichkeit bei chirurgischer 
und bei exspectativer Behandlung z. B. auch bei denjenigen Fällen 
geben, die mit fortschreitender Peritonitis verbunden sind, und ferner bei 
denen, wo es sich um localisirte Absccsse handelt, ferner genaue Angaben 
darüber auch machen, «rann operirt wurde, uu welchem Krankheitstage 
die Operation vor sich ging. Das sind aber vor der Hand Forderungen, 
die zu erfüllen beinahe unmöglich ist. leb kann mit Sahli nur über- I 
einstimmen, wenn er sagt, dass besondere Spilalstatisliken auch nichts 
von fern ein richtiges Bild weder von der Häufigkeit der in Frage J 
kommenden Erkrankung, noch von dem Grade ihrer Gefährlichkeit 
geben können, da die meisten und namentlich so gut wie alle leichteren 
Fälle von den Privatärzten behandelt werden. Dieser Umstand war für 
Sahli die Veranlassung, an die Aerzte in der Schweiz einen Fragebogen 
zu verschicken, vermittelst dessen er einige der wichtigsten, die Peri- 
typhlitis betretenden Fragen zu entscheiden suchte. Sahli erhielt 
im Ganzen von 4GG Aerzton Antwort. Das darin enthaltene Material 
bezog sich auf 7213 Fälle von Perityphlitis. Davon wurden operirt 
473, nicht operirt G740. Von den Operirten starben 101 = '21 Proc., 
während heilten 372 = 78,7 Proc. Von den nicht Operirten starben 
561 = 8,8 Proc., während heilten 6149 = 91,2 Proc. In 'J593 Fällen 
finden sich Angaben, ob die Spontanheilung mit oder ohne Recidiv vor 
?ich ging. Von diesen Fällen heilten ohne Kecidiv 7U Proc, mit Keci- 
diven 21 Proc. der Gesammtzahl (d. h. der 4593 Fälle). Die hohe Lo- 
lalilat der operirten Fälle ist, wie Sahli richtig hervorhebt, wesentlich 
darauf zurückzuführen, dass es sich bei den operirten um die schwersten ; 



— 199 — 

Fälle handelte und dass wohl häufig zu spät operirt wurde. Die hohe Leta- 
lität fällt also hier theilweise der exspectativen Therapie zur Last. Auch 
aus dieser Statistik kann man trotz der imponirenden Zahlen nur er- 
sehen, dass im Verlauf der Erkrankung des Wurmfortsatzes eine grosse 
Anzahl leichterer Anfälle vorkommen, die zunächst ohne weitere Folgen 
wieder ausklingen. Wieviel wirkliche Spontanheilungen dabei sind, lässt 
sich nicht im geringsten ersehen. — Durch die heutzutage häufig ausge- 
führten Operationen in den ersten 24 oder 48 Stunden ist die Prognose 
der operirten Fälle und zwar der schweren Fälle, eine sehr viel bessere 
geworden. 

Die Frage, ob nach einem acut abgelaufenem Anfall, ohne dass ein 
operativer Eingrifi* gemacht wurde, eine völlige Spontanheilung eingetreten 
ist, ist, wie wir schon andeuteten, schwer zu entscheiden. Es ^bt 
unzweifelhaft Patienten, bei denen ein einziger acuter Anfall stattfindet 
und die nie wieder im Leben Beschwerden von Seiten des Blinddarms 
haben. Das sind Erkrankungen, bei denen während des Anfalls der 
Wurmfortsatz necrotisch zu Grunde geht, und zwar in seiner ganzen 
Ausdehnung, der Eiter dann resorbirt wird oder in den Darm durch- 
bricht, ferner eine günstige Vernarbung am Coecum eintritt. Die Natur 
macht hier dasselbe wie der Chirurg: eine vollständige Appendectomie. 
Ob ausser diesen Fällen häufig Spontanheilungen durch vollständige Ver 
ödung des Wurmfortsatzes vorkommen, diese Frage ist schwer zu beant- 
worten, da wir wissen, dass ungemein lange Pausen zwischen den An- 
fällen vorkommen können — bis zu 20 Jahren und darüber — und 
dass die Patienten in der anfallsfreien Zeit während dieser langen 
Pause ganz beschwerdefrei bleiben können, mithin die noch vorhandene 
Erkrankung durchaus nicht Symptome zu machen braucht. Es ist 
daher die Entscheidung der Frage, ob nach dem Anfall eine dauernde 
Heilung eingetreten ist oder nicht, gerade wegen dieser langen Pausen 
schwierig zu treffen. Im Allgemeinen wissen wir von der chronischen 
Entzündung des Wurmfortsatzes, dass sie nur sehr selten spontan aus- 
heilt und zwar in Folge rein mechanischer Hindernisse. 

Die anatomischen Vorgänge, die die Spontanheilung einleiten, 
charakterisiren sich in der Hauptsache als eine narbige Schrumpfung 
der entzündlichen Neubildung, an der auch der Wurmfortsatz betheiligt 
ist. Die Serosa des Coecum findet man meistens narbig verdickt, das 
Coecum mit der Beckenwand verwachsen; der Wurmfortsatz, in festes 
Bindegewebe eingebettet, liegt der Blinddarm wandung an. Die Heilung 
ist aber nur dann eine vollständige, wenn das Lumen des Appendix 
dabei völlig verödet, seine Bedeutung als Darmanhang somit aufgehoben 
und nur ein derber functionsloser Strang übrig geblieben ist. 



— 200 — 

An dieser narbigen Schrumpfung nehmen auch Abscesse Theil. 
Eiterungen mögen sich einen Weg in die benachbarten Darm schlingen 
bahnen oder in andere Organe. Je kleiner ein derartigem Abscess ist, 
um so vollständiger wird wohl die Entleerung in den Darm statt 
finden können. Wenn ein derartiger Ausgang aber nicht stattfindet, 
so ist es unzweifelhaft, dass trotzdem die Resorption des Eiters voll- 
ständig erfolgen kann, wenn sie auch als eine grosse Seltenheit gilt. 
Auch die Bakterien gehen in den abgekapselten Eiterherden langsam zu 
Grunde, die Eitermassen dicken sich ein, verfetten und werden auf solche 
Weise resorbiert. Ob aber dabei der Wurmfortsatz zu gleicher Zeit aus- 
heilt, ist eine ganz andere Frage, die meistens negiert werden muss. 
Sahli legt einen grossen Werth auf die Selbstdrainirung des Abscesses. 
Er macht darauf aufmerksam, dass der perforirte Wurmfortsatz in der 
Abscesshöhle geradezu als natürliches Drain wirken kann. Die Bahnen, 
auf denen die Infection eingedrungen ist, sind oft die präformirten Bahnen, 
auf denen der gebildete Eiter sich später entleert. 

Die Prognose der chronisclien Appendicitis bleibt immerhin eine 
weif el hafte. 



FÜNFTER THEIL. 

DIE THERAPIE DER APPENDICITI8. 



Die Therapie der Appendicitis. 

Die Wichtigkeit und Berechtigung chirurgischer Eingriffe bei der 
Appendidtis dürfte ausser allem Zweifel sein. Die Erörterung der letzten 
Jahre beschäftigten sich im Wesentlichen mit der Abgrenzung des chi- 
rurgischen Einschreitens, besonders bei acuter Entzündung. Die inneren 
Colinen haben zugegeben, dass Operationen häufiger als früher vorge- 
nommen werden müssten, und haben erkannt, dass mit Zunahme der 
chirurgischen Eingriffe der Procentsatz der Heilungen grösser geworden 
ist als früher. Die chirurgische Behandlung ist daher schon lange nicht 
mehr als eine Nothoperation anzusehen, sondern die Indicationen zum Ope- 
riren sind viel zahlreicher und ganz andere geworden. 

Für die Therapie ist der wichtigste Satz der, dass der erste acute Anfall 
sich nicht mit dem B^nn der Krankheit deckt, sondern nur eine Etappe der 
Erkrankung oder das Aufflackern eines bereits bestehenden chronischen Pro- 
cesses bedeutet. Die Art der Anfälle, die Dignität derselben ist je nach den 
bereits bestehenden pathologischen Veränderungen und nach der Art der 
Infection eine sehr verschiedene, und es muss unsere Aufgabe sein, aus 
den klinischen Symptomen uns ein Bild der Art der Entzündung zu 
construiren, um danach früh oder später eingreifen zu können. 

Die Therapie wird sich scheiden müssen in eine Therapie der 
Anfälle und eine Therapie der Krankheit. Die Krankhdt 
wird erst definitiv gehoben durch die Entfernung des Wurmfortsatzes, 
entweder während des acuten Anfalles, oder im freien Intervall. 

r 

Die Operation im aenten Anfall. 

a> Die Frtthoperation in den ersten 48 Stunden« 

Die Operation in den ersten 48 Stunden des acuten Anfalles ist eine 
Errungenschaft der letzten Jahre. Wie ich schon in der Einleitung er- 
wähnte, hat sich das Material im Laufe der Jahre verändert. Der Chi- 
rurg hat jetzt öfter als früher Gelegenheit^ derartige Erkrankungen sofort 



— 204 — 

nach Beginn des Anfalles zu sehen, während er früher erst zugezogen 
wurde, wenn ein deutlicher Abscess nachweisbar war oder eine allgemeine 
Peritonitis das Leben des Patienten bedrohte. 

Immerhin ist noch keine definitive Einigung über diese eigentliche 
Friihoperation erzielt worden. Auch ich erkenne die Früh Operation nicht 
bedingungslos für alle Fälle als nöthig an. Solange unter den Chirur- 
gen über die Frühoperation noch Meinungsverschiedenheiten bestehen, 
kann man auch noch keine Verständigung gerade in dieser Frage zwischen 
Internen und Chirurgen erwarten. Dieulafoy, der Interne, verlangt be- 
dingungslos die sofortige Operation jeden Falles, und zwar mit den Wor- 
ten : „ Attendre pour op^rer que Tappendicite se refroidit, c'est exposer le 
malade k la mort." Mein sehr verehrter Freund Boux, der bekannte 
Chirurg in Lausanne, ist der Meinung, man müsste den letzten Anfall ge- 
hörig auslaufen lassen, man müsste die Energie haben, die Operation zu 
verweigern, bis man nichts Krankes mehr fühlen kann. 

In den letzten drei Jahren wurden im Krankenhause Moabit und in 
meiner Privatpraxis über 50 Fälle in den ersten 48 Stunden der Erkran- 
kung operirt. 

Innerhalb des ersten Krankheitstages operirte Fälle. 



No. d.j 
Falles I 



1 
2 

3 

4 



6 

7 



8 



9 
10 



11 



12 .' 



Xarae 



Zander 
Lutomsky 

Stiegler 

Diekhoff 

Steioke 

Müller 
Tietze 

Krebs 

Brewke 

Geppert 

Kühnert 
Salomon 



Temp. 



38,6 
37,6 



Puls 



Leuko- 

cyten- 

zahl 



OpcratioDsbefund 



Complica- 
tionen 



88 
68 



39,0 I 120 

37,0 100 

; 39,0 I 140 

38,8 92 

: 38,9 I 120 

38,2 j 132 

I 

37,0 ' 88 

38.0 ' 108 

38.1 124 
39,4 ; 112 



— Kein Exsudat. W. F. catarrhal. entzündet 
[ 19000 Empyem d. W. F. mit beginnender Gangr. 
d. Schleimhaut. Etwas serös Exsud. 
19000 3 Essl. freies trüb-eitrig Exsudat. Gangr 

Empyem d W. F. 
12000 3 Essl. trüb-eitrig, freies Exsudat. W. F.^ 
total gangr. i 

20000 iTrüb-seröse freie Flüssigkeit, grangränöses' 

|i Empyem 

24000 Etwas trüb-eitrig. Exsudat. W. F. gangr. 

20000 jV^ Liter dünnflüssiges trüb-eitrig. Exsud.i 

' Darmschlingen mit Fibrin belegt. 

Nirgends Verklebung. W. F. gangr. 

30000 |Kein Exsudat. W. F. total gangränös,' 

I ;: empyematös 

1 20000 Etwas seröses Exsudat. W.F. vollkommen 

gangränös, em])yematös. 

; 28000 1 2 EssJ. trüb-eitrig. Flüssigkeit, halb frei, 

wenige zarte Verklebungen. W. F. 

gangränös ' 

28000 2 Theelöffel stinkend. Eiter, reichl. freie 

trübe Flüssigk. W. F. gangr. u. per f. 

15000 2 Esslöffel freien Eiters. W. F. gangr u. 

perforirt 



Aus- 
gang 



Sec.Dougl. 
Abscess 



|Secundftr. 
! Dougl. 
Abscess 



Gravid. 6 
MoD.Fort- 
sohr.Perit 



geh. 



?» 

V 



u 



gest. 



205 — 



No. d. 
Falles 



Name 



Leuko- 
Temp. I PuJs joyteo- 
! zahl 



Operationsbefund 



Coraplica- 
tionen 



13 



14 



15 



Isecke 



Werner 



37,8 ; 110 30000 Wenig trüb seröses freies Exsudat. W. Fl' Fortschr. 

völlig gangränös ;Peritonit. 

38,5 I 116 — Freie allgemeine eitrige Peritonitis. WJ Fortschr. 

F. gangränös Peritonit. 

Am zweiten Krankheitstage operirte Fälle. 



Aus- 
gang 

g'st. 



Fränzel [ 38,5 ] 124 22000 



16 I Lehmann 38,3 112 

I 

17 I 



Anklam 

18 I ühse 

! 

19 Franz 

I 

i 

20 Chemnitz 

21 Neumeister 

22 Murzin 

23 i Bailleu 

24 Arlt 

25 Tracel 

26 Blewe 

27 Anders 

28 Bastanier 



29 Bodzielny 

30 Bock 

31 Würfel 

32 Pelikan 

33 Eiessler 

34 Fengler 

35 Steinfett 

36 Schmidt 

37 Bothmann 

38 Ealtenthaler 

39 Schw. Clara 

40 Forstreuther 

41 Laudahn 

42 Schulze 



38,1 

37,3 

38,0 

36,6 
38,0 



128 

84 

120 

92 
120 



39,4 
38,7 

37,5 

38,8 



120 
120 

120 

120 



36,9 45 

I 

38,2 ; 100 



37,9 I 120 
38,8 , 120 



39,2 
39,0 



120 
108 



39,2 
39,0 
37,1 

37,1 
39,0 

38,8 
38,6 
39,6 



1 120 
' 120 

I 92 

i 

1 88 

' 108 

I 

108 
, 120 
: 120 



28000 

20000 

32000 

20000 

20000 
20000 



38,6 ' 120 28000 



24000 
28000 

24000 

28000 

36000 

30000 



23000 
24000 



38,2 100 12000 



16000 
19000 



37,6 ; 88 19000 



17000 
19000 
15000 

13000 



13000 

17000 

9000 



2 Essl. duunflüssig-stink. Eiter. Jauchig. 

Eiter im kleinen Hecken, keine Ver- ' 

klebung, gangr. Empyem 
2 Essl. Eiter, trübes Exsudat. W. F. total Gr. Dougl. 

gangränös Abscess 

Reichlich freies trüb-eitriges Exsud. W. 

F. gangränös 
2 Essl. Eiter, reichlich trübe Flüssigkeit, 
I W. F. perforirt 
W. F. perfor. u. gangr. 3 Essl. übelriech. 

Eiter 
Trübes Exsudat. W. F. in toto gangr. 
W. F. perforirt u. gangr. Keichl. Eiter, i 

locker begrenzt 
1 Theel. serös-eitr. Flüssigk. Darmschi. 

leicht verklebt. W. F. perforirt 
Locker begrenzter Abscess. W. F. gangr. 
Reichlich trüb-eitr. u. rein eitrig, freiesj'sec. Dougl. 

Exsudat. W. F. gangr. u. perforirt. Abscess 

1 Theel. jauchiger Eiter um den W. F.j 

W. F. perforirt 
Reichl. trüb-eitr. freies Exsudat. W. F. seo. D -Ab. 

gangr. Empyem. u.Ven-Thr 

Freies kothig-eitr. Exsudat. Grosse Perf. 

um den W. F. 
Freies jauch.-eitr. Exsud. W. F. gangr. u. sec D.-Ab. 

perforirt Adhäs- 

Ileus. 
Freies eitr. Exsud., 2 Essl. W. F. perfor sec. D.-Ab. 
Reichl. trübes Exsudat ohne Yerklebg. 

W. F. perforirt 'i 

2 Esslöffel freies eitriges Exsudat. W. F.jjsec. D.-Ab. 

perforirt 
W. F. perfor. Reichl freier Eiter. 

3 Essl. jauchig eitr. Exsud. W. F. gangr. 

und perforirt 
1 Essl. trüb-eitr. Exsud. Zarte Verklebg. 
I W. F. total gangränös 
Reichl. freier Eiter. W. F. gangr. u. perf. 
Diffuse eitrige Peritonitis. W. F. gangr. 
Trüb seröses Exsud. W. F. catarrhalisch 

erkrankt 
App. entzündet. Etwas serös. Exsud 
App. entzündet. Empyem d. W. F. Etwas 

seröses Exsudat 
App. entzündet. Etwas seröses Exs. 
VV. F. stark entzündet. Trüb serö-es ExsuJ 
Allgemeine freie eitr. Peritonitis. W. F.I 

gangränös und perfor. 



geh. 



>» 
i> 

>> 
i> 

»> 



)i 

>» 

I» 
>> 

Ji 

»» 
II 

)} 

it 

ii 

I) 




, Bergenuuiu , 40,2 

' Gflsoh 38,0 

Jaoubaen 37,6 

Enkel 39,9 



ISOOO kUgemeine freie ei». Peritonitis. W. F. 

' S"'8''' "'"' peifoi, 
10D00;Beichl. treles eitr. Eisndal. V,\ F. total 

gangränös 
10000 2 Esal Btink. freier Eiter. W. F. totnl 



nocli 2 FallC; 



40000 Diffuse eitr. Peritonitis. W. F gangr. 
— Ailgemeine eitr. Peritonitis. W. F. gangr 
die ich Auswärts operirle und <lte geheilt v 



irden. 



, hiuidelt 



ich bei diesen Früh' 
1 schwere pathologische 



Wie aus der Tabelle ersichtlich i 
Operationen bis auf wenige Fälle 

Veränderungen des Appendix und seiner Umgobung, um Fälle, 
das Peritoneum jti grösserer Ausdehnung an der Entzündung Theil nahm | 
und meist den Charakter der fortschreitenden Entzündung zeigte. AVenn 
wir berücksichtigen, dass in besagten drei Jahren allein auf unserer chi- 
rurgischen Abtheilung im Ganaen lliO Palienten aufgenommen wurden, 
deren Erkrankung nicht älter war als 48 Stunden, und daas wir v 
5(1 operirfen in den ersten 24—48 Stunden, mit 8 Todesfällen, 70 im 1 
weiteren Verlauf des acuten Anfalls operirten mit 6 Todesfällen und 42 I 
expectativ behandelten, von denen keiner gestorben ist, so wird man wohl | 
zugeben müssen, dass die Indicat.lonen zur Frühoperatioi 
hältnissmäasig richtig gestellt worden sind. Wir haben vorwiegend Fälle, 
bei denen wir acute Gangrän oder Perforation mit fortschreitender Peri- 
tonitis diagnosticirten, zum sofortigen operativen Einschreiten als mit Recht 1 
geeignet gehalten haben. Es ergiebt sich daraus, dass es in der Tbat | 
doch möglich ist, bestimmte Diagnosen auch in den ersten 24 — 48 Stun- 
den zu stellen, und dass die Symptome dieser Fälle insgesammt so cha- J 
racterisUsch waren, dass wir aus ihnen einen Rückschluss auf t 
stand des Wurmfortsatzes und des Peritoneums machen konnten. Von \ 
den 70 im spateren Verlauf des acuten Anfalls operirten Fällen sind G 
gestorben, 2 an Embolien, 4 an einer nicht zmn Stillstand kommenden 
fortschreitenden eitrigen Peritonitis. Die Frage, ob diese 4 — und nur j 
um diese könnte es sich handeln — durch die Operatioi 
48 Stunden eine bessere Prognose gegeben hätten, läast sich weder bejahen 
noch verneinen. Jedenfalls waren die klinischen Symptome bei diesen 4 nicht 
so alarmirend, dass ein sofortiger Eingriff nach unseren Erfahrungen bei 
ihnen nothwendig erschien. Wir können daher wohl sagen , dass bei | 
diesen 70 Patienten die abwartende Therapie am Platze war. ' 
<lie 160 Fälle, die im ersten Radium eingeliefert wurden, sofort alle operirt | 
hätten, so hätten wir gewiss auch hiervon eine ganze Reihe durch gebracht. [ 



— 207 — 

Ob aber das Endresultat ein wesentlich anderes als bei dem von uns 
eingeschlagenen Verfahren gewesen, lässt sich bei so kleinen Zahlen na- 
türlich nicht entscheiden. 

Der Umstand, dass wir bei den 50 in den ersten Tagen operirten 
Patienten 8 Todesfälle hatten, ist ein Beweis dafür, dass es immer An- 
falle geben wird, welche durch eine hochgradige Infectiosität sich als 
prognostisch absolut schlecht erweisen werden, bei denen die Patienten 
mit oder ohne Operation durch die Toxinwirkung zu Grunde gehen. Diese 
Todesfälle werden in den Tabellen der Frühoperation stets figuriren 
müssen; es wird uns nie gelingen, alle Fälle durch sofortige Operation, 
mag sie noch so früh ausgeführt sein , zu retten. Es kommt hierbei auch 
noch die Gefahr der Narcose und die Dauer der Operation als solcher in 
Betracht. Es darf nicht Unmögliches von der Frühoperation verlangt werden. 

Das, was wir durch die Frühoperation erreichen wollen, ist, dass 
wir mit Hilfe derselben die Mortalität auch der gleich unter schweren 
Symptomen auftretenden Anfälle auf ein gewisses Minimum reduciren. 
Wir wollen die Prognose der fortschreitenden Peritonitis bessern, und 
das erreichen wir unzweifelhaft durch die Operation in den ersten 24 oder 
48 Stunden. Aber wir wollen nicht kritiklos jedem im Anfall 
befindlichen Kranken den Leib aufschneiden und den Pro- 
cessus vermiformis entfernen. Die leichten Anfälle klingen in 
wenigen Tagen aus, und so ungefährlich ist die Laparotomie als solche 
nicht anzusehen, dass sie auch in diesen gutartig verlaufenden Anfällen den 
Vorzug vor der expectativen Therapie verdient. 

Eine andere Frage ist die, ob wir, vorausgesetzt, dass der Eingriff, 
im Anfall stets eine günstige Prognose giebt, durch die Frühoperation in 
Hinsicht auf die schnellere Ausheilung des Kranken günstigere 
Verhältnisse schaffen als bei der expectativen Therapie. Wenn wir nochmals 
auf die immerhin noch kleinen Zahlen der Frühoperationen, über die wir ver- 
fügen, zurückkommen, so können wir wohl sagen, dass in den 70 im späteren 
Verlauf der Perityphlitis vorgenommenen Operationen die Patienten vielleicht 
ein längeres Krankenlager durchmachen mussten wegen der nothwendigen 
Nachbehandlungen, auch der Gefahr der Bauchbrüche eher ausgesetzt 
waren, als in Fällen, wo man sofort die Bauchhöhle wieder schliessen 
kann, und endlich, dass bei vielen von denselben noch Nach Operationen 
erforderlich wurden, besonders in den Fällen, wo wegen der Grösse der 
Abscesse der Wurmfortsatz nicht gleich mit entfernt werden konnte. 
Freilich verläuft auch nicht jede Frühoperadon immer glatt. Bei den 42 
leichten Fällen, welche anstandslos bei der expectativen Therapie aus- 
heilten, dürfte wohl durch eine sofortige Laparotomie ein Vortheil erreicht 
nicht worden sein. 



Wenn auch zugegeben werden muss, dase eine Verkürzung des ] 
Kraukeniagere und eine schnellere Aueheilung der Patienlen durch di« 
Frühoperati on erreicht werden kann, ao sind doch vorläufig für i 
diese Momente nicht so scliwerwi^end, dass sie uns veranlassen ^ 
il tout priz in jedem Anfall sofort die Appendeetomie vorzunehmen. Wir 
stellen doch uusere Indicalionen nach dem Krank hei ts bilde, welches ^ 



liegt, 



, auf den 



iubligen Wege i 






, wenigstens — 
noch in keinem 
'orwürfe machen müssen, eine Frühoperation 
;no auch der Verlauf nachher nicht doch ! 
3 man es bei B^inn der Erkrankung erliofTen 



md glauben dau 

las wiederhole 
Falle uns 
unterlassen zu haben, 
so einfach geslaltele, 
durfte. 

Die Symptome derjenigen schweren Fälle, die uns zu sofortiger 
Operation Veranlassung gaben, waren stets characterisirt durch die 
schweren allgemeinen Ölörungen, durch die Verhältnisse der Temperatur 
des Pulses, der Leukocyiose und besonders auch der localen Symptome. 
Keines dieser Symptome, die wir im vierten Abschnitt ausführlich be- 
sprochen haben, genügte an und für sich, um die Indication zur Früh- 
operation zu stellen. Nur eine Vetgleichung und Berücksichtigung aller 
allgemeinen und localen Symptome ergab für uns die Nothwendigkeil 
eines Eingriffes oder nicht. 

Als lleispiel führe ich noch folgenden Fall an. Ein junges Mädchen er- 
krankte auf der Fahrt von Stettin nach Berlin im Eisenbahnziige untei 
heftigen Leibschmerzen und Erbrechen. Noch Abends in das ErankenhauB 
geschafft, sah ich die Patientin am nächsten Morgen. Schwerkranker Ein- 
druck. Benommenheil. Temperator 39", Pula 1 4 0, Leib massig aufgetrieben. 
Ueberali etwas schmerzhaft, undeutliche Resistenz in der Ileocoecalgegeud, 
woselbst die heftigsten Schmerzen angegeben werden. Die Berfthrung 
der Bauch decken an dieser Stelle erregt schon SchmerzänBBerungen, 
Sofortige Laparotomie. Eindringen in den Bauchfeilsack an typisch 
Stelle. Unter dem Coecum und den anliegenden Därmen liegt der gan^ 
gränöse Wurmfortsatz mit Perforation. 

Ueberali lockere Adhäsionen in der Umgebung, mangelhafte Ab- 
kapselung. Beim Lösen derselben dringt aus der Tiefe des Beckens aus 
dem Douglasraume plötzlich ebe Unmenge hellgelben, sflsstich riechen- 
den Eiters (Senkung). Der Finger dringt zwischen Darmschlingen nach 
dem Douglas, ohne irgendwie Abkapselungen vorzufinden. Nach raög- 
lichBt Borgfilltiger Entleerung und Austupfcn des Eiters, während welcher 
Zeit die Darrascldingen durch Compreasen zurückgehalten werden, wird 
ein Jodoformdocht tief in ilas kleine Becken eingefnbrt, durch ausgiebige 
Schilrzentamponade der Rest der eröffneten Bauchhöhle ausgiebig tam- 
ponirt. 

Die peritonitischen und toxischen EracUeinungen gingen in den 
uächslen Tagen völlig zurück, es trat Heilung ein. 



I 



— 209 — 

Um über daa für uns so äuesergt wichiige Symptom der Leuco- 
cyteDTennehmng in den ersten 48 Stunden kurz noch einmal unser Ur- 
theil ausEuaprecben, hinsicbtlich deren Bedeutung bei Beginn der Erkran- 
kung, 80 ist eine über 20000 betragende Leucocytenzahl nur der Ana- 
druck einer schweren Infecüon und besagt nichts Ober das Vorhanden- 
sein Yon £Ster. '} Diese hohe ZahJ ist bereits am ersten Tage in den 
schweren Fällen zu conslatiren und steigt in der grossen Mehrzahl der 
Fälle bis zum dritten Tage weiter an. Tritt durch Allgemein Vergiftung 
ein Nachlassen der Kräfte ein, so sinkt im Gegensatz zur Schwere aller 
übrigen Symptome diese Zahl ab. Höbe Leucocytose über 20OOO in 
den exeten Tagen der Erkrankung neben sonstigen schweren Symp- 
tomen ergiebt die Indication zum sofortigen I^ngriff, da mit Sicher- 




heit eine schwere Infection vorliegt. Schwöre klinische Symptome und 
dabei niedrige oder gar fehlende Leucocytose sind das Zeichen beginnen- 
der oder fortgeschrittener Allgemein Vergiftung und indiciren gleichfalls 
sofonige Operaüon. Der Leucocytenbcfund vor der Operation ist das 
sicherste prognostische Merkmal, weil er am klarsten die noch vorhandene 
Wehrkraft des Organismus wiederspiegelt. Solange wir bei hober Leuco- 
cytose operiren, ist die Prognose eine bessere. Alle bei niedriger oder 
fehlender Leucocytose und schweren klinischen Symptomen Operirt«n 
geben eine sehr schlechte Prognose. Die praclische Verwertung aber 
einer Leucocytenzahl ist nur statthaft, wie wir schon erwähnten, unter 
Berücksichtigung und Veigleichung aller übrigen Symptome und des Zelt, 
punkta der Erkrankung. 

Jede Frühoperation muss den Oharacter einer ausgedehnten Laparotomie 
tragen. Hier thut man gut jede Scheu vor der Freilegung des Peritoneums 

1) Vgl. S. 115ff. 

2) G«hart zu dem Fall S. 20B. 

Sonnenbnrg, PMilrphUüB 5. Aofliure. 14 




fallen zu lassen. Hier handelt es sich darum, eine aus^^ebige Freilegung 
der entzündeten Theile, TrenDung der Adhäsionen, Entfernung des meist 
gangränös vorgefundenen Wurmfortsatzes, Reinigung der Bauchhölile mit 
nachfolgender ausgiebiger Tamponade vorzunehmen. Das kann man alles 
vom Flankensehnilt aus erreichen. Den Wurmfortsatz fühlt man oft, 
häufiger als man ihn sieht. Oft dient ein Netzstrang dazu, ihn zu finden 
Der Appendix wird ampulirt und der Rest des Processus vermiformis 
eingestülpt. Ist das Exsudat in der Umgebung des entzündeten Wurm- 
fortsatzes noch nicht sehr ausgedehnt, so genügt ein sorgfähiges Aus- 
tupfen der Höhle, um dasselbe völlig zu entleeren. Nur hei sehr aus- 
gedehnten eitrigen oder jauchigen Exsudaten spüle ich die Bituchhöhle mit 
Kochsalzlösung aus. Selten entschlieaae ich mich dazu, eine GegenöfFnung 
z. B. in der linken Seite zu machen, um die Ausspülung ergiebiger zu ge- 
stalten. Liegen die Exsudatmassen im kleineu Becken, so kann man mit 
Vortheil die Ausspülung in der Beckenhochlagerung vornehmen. Trotz 
alledem beobachtet man nicht selten das Entstehen secundärer Abscesse, 
die eine nachträgliche EröShnng erheischen. Ist die Entzündung nicht 
sehr ausgedehnt und der Wurmfortsatz nicht zu sehr verändert gewesen, so 
kanD man die Bauchöhle vollständig schlieBsen. Im allgemeinen wird 
aber bei der Frühoperation , je reichlicher bereits das Exsudat ist, die 
Tamponnde mit einer Schürze am Platze sein. Das schliesat nicht aue, 
daas selbstverständlich ein Tfaeü der Wunde geschlossen wird. 

Da es für uns Chirurgen unzweifelhaft isl, dass die fortschreitende Peri- 
tonitis im Anschluss an einen kranken Herd, den entzündeten Wurm- 
fortsatz, sich ausbreitet, so ist es selbstverständlich, dass man zunächst 
auf diesen Herd, und zwar am besten durch den Flankenschnitt, ein- 
geht und die Operation damit beginnt, diesen Herd zu entleeren und den 
kranken Wurmfortsatz zu entfernen. Ich habeimmer diesen Schnitt dem Schnitt 
in der Mittellinie vorgezogen. Denn da man sich schwer über die Ausbrei- 
tung der Veränderungen des Peritoneums, sowie des Exsudats vorher 
Rechenschaft geben kann, so kann der Schnitt in der Mittellinie, noch 
immer intaktere Theile der Bauchhöhle antreffen und dadurch leicht eine 
weitere Ausbreitung des Processes herbeiführen. Denn bei jeder fort- 
schreitenden Peritonitis, besonders zu Beginn, macht man oft genug die 
Erfahrung, dass in der Umgebung des ursprünglichen Herdes ein gans 
anderes Exsudat als weiter nach der Mittellinie zu sich befindet. 

Es giebt Fälle von ausgebreiteter Peritonitis, bei denen man nach 
meiner Meinung chirurgisch überhaupt nichts mehr erreichen kann. Zwar 
sind das nicht gerade die Fälle in den ersten 48 Stunden, sondern am 
dritten, vierten Tage o<ler noch später, Fälle von so schweren klinischen 
Erscheinungen, dass man den Eindruck erhält, dass durch die Operation 



I 
I 



— 211 — 

der letale Ausgang in keiner Weise beeinflusst werden kann. Ich wider- 
rate im späteren Stadium jeden Eingriff, wenn die Patienten sich in Eu- 
phorie befinden, die durch hochgradige Sepsis bedingt ist. Der Tod ist 
nach der Operation qualvoller für die armen Kranken, als wenn man sie 
unoperirt sterben lässt. Diese Beobachtungen machen wir namentlich bei 
Kindern. Vom Standpunkt der Menschlichkeit ist es daher geboten, hier 
dem Schicksal seinen Lauf zu lassen und eventuell nur durch Narcotica 
Linderung des Zustandes herbeizuführen. 

Kann man sich zu einer operativen Behandlung im einzelnen Falle 
nicht entschliessen, ist der Fall aber nicht so verzweifelt, dass man nicht 
noch einen Bückgang der Peritonitis erhoffen kann, so liegt der Schwer- 
punkt der Behandlung in der Innehaltung der Ruhe und in der An- 
wendung von Narcotica. Hier herrscht über den Werth des Opiums und 
seiner Präparate allgemeine Uebereinstimmung bei den Aerzten. Aber 
auch das Morphium ist in solchen Fällen ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. 
Ausspülungen des Darms, Entleerungen seiner Massen habe ich im Gegen- 
satz zu anderen Chirurgen in solchen Fällen nie gern in Anwendung ge- 
bracht, dagegen hat die Anlegung einer Dünndarmfistel bei den nicht sehr 
foudroyant verlaufenden Fällen von Peritonitis mir vielfach recht gute 
Dienste erwiesen. 

Ergänzend zu meinen obigen Aeusserungen über die Ausspülungen der 
Bauchhöhle bei allgemeiner Bauchfellentzündung will ich noch hervor- 
heben, dass die Bauchhöhle zu drainiren nach meiner Ansicht Illusion ist. 
Rehn*) versuchte durch consequentes Vorgehen und rücksichtsloses Er- 
öffnen jeder Eiteransammlung auch bei fortschreitender Peritonitis zum 
Ziele zu gelangen. Der Eiter wird nicht allein mittelst Ausspülungen 
durch warme Kochsalzlösungen entleert, sondern es schliesst sich auch 
eine allgemeine Peritonealdrainage daran. Für die Peritonealdrainage 
waren die von dem Anatomen Henke angegebenen Engen massgebend. 
Es sind diejenigen Stellen, an denen die vordere Bauchwand den an der 
Rückfläche der Bauchhöhle liegenden Theilen sehr nahe kommt: in der 
Höhe des Nabels und dann rechts und links entsprechend dem Verlauf 
des Musculus psoas, der jederseits coulissenartig in das Lumen der Bauch- 
höhle vorspringt. Dadurch bekommt man scharf getrennte Räume, einen 
oberen Raum in der Aushöhlung des Zwerchfells bis zur oberen Enge, 
zweitens je einen Seitenraum rechts und links von der oberen Enge, 
welcher sich nach abwärts bis in die Darmbeingruben und zum vorderen 
Psoasrand erstreckt, drittens einen unteren Raum in der Mitte zwischen 
den beiden Musculi psoas und herab durch den Beckeneingang bis in 



1) Grenzgebiete, Band 6, Seite 286. 

14 



212 



das kleine Becken. Rehn niachle einen Schnitt in der Miltellinie in Becken- I 
hocblsgerang. Die ge^amnilen Därme wurden unter fortwährender Be> I 
i'pülnng mit 45 — 55' C. measeniler Kochsalzlösung aufgepackt. Die gnnze i 
Bauchhöhle wird dann mit Kocbsahniengen, 30 — 40 1, systemniisch a 
geschwenkt, die Flüssigkeit durch Compre^aen entfernt, die Reposition I 
der Därme unter abermaliger Koch^alzspülung gemacht' Es wird dabei | 
eine obere dünne Dünndarm^chlinge in die Höhe gehoben und durch daa \ 
zugehörige Mesenteriolum nahe an der Radix ein Schulz für daa Drain- 
rohr angelegt. Dies legt sich bogenförmig zu beiden Seiten der Wirbel- 
körper und tritt durch eine neue seitliche Oeflnung der Bauchwand rechts 
und links unmittelbar über dem Colon aus. Von den beiden Seitenöff- 
nungen wird noch ein zweites und drittes von der Mitte aua nach den l 
liefsten Punkten des kleinen Beckens gelegt. Schluss der Bauchhöhle. \ 
Die in die Peritoneal höhle eingedrungene Luft treibt man durch erneute 
Kochsalzeingiessungen während des Lösens aus, so daas schliesslich in der 
Bauchhöhle eine nicht unbel rächt liehe Menge von Flüssigkeit zurück- 
bleibt. Der Patient wird dann mit erhöhtem Kopfieil im Bett gelagert, 
und es werden zwei- bis dreimal am Tage Kochsalzspülungen, 50 — 150 com, 
gemacht. Unter der Wirkung des Kochsalzes gehen Blähungen ab, und 
es treten auch Stuhlen Üeerun gen bis zu leichten Durchfällen auf. Sach 
3 — 4 Tagen schwinden die leichten Symptome. Das Spülrohr wirti | 
entfernt. 

Zu diesem Verfahren gehört viel Muth. Schlechte Erfahrungen I 
werden sicherlich auch nicht ausgeblieben sein. Man hat nicht viel wieil€f ^ 
davon gehört. 

Je Öfter man Peritoniliden zu sehen 'bekommt, um so erstaunter i 
niiin manchmal, noch Fälle anzutreffen, die man chirui^isch nicht mehr 
anzurühren wagte, Fälle, die doch allmählich sich bessern und bei denen 
die Patienten am Leben bleiben. 

DieNachbehandlungl>ei operativ behandelten fortschreitenden Perl- j 
toniliden soll hauptsächlich ihr Augenmerk darauf richten, die toxischen 
Stoffe möglichst scimell aus dem Körper zu entfernen Die Entleerung 
dus Magens und des Darmkanals spielt eine grosse Rolle. In den ersten 
Tagen bei!chränken »ir uns gewöhnlich auf die Einführung eines Dann- 
rohres und Ausspülungen des Mastdarms und des Magens. Später geben 
wir auch Abführmittel per os, sobald das Erbrechen authört. 

Sehr störend und auch gefährlich für den Patienten ist das Auf- ] 
treten von Darmatonie, Meteorismus, manchmal auch Ileus nach der 
Operation. Auch hier kann unter Umständen die Eröffnung einer Du nndami- 
pchlinge, die Enterostoniie, wie ich mich des Oefleren habe überzeugen 
können und schon erwähnte, sehr gute Wirkung haben Die künstlic 



I 



— 213 — 

angel^te Fistel heilt nach Beseitigung der Peritonitis gewöhnlich von 
selber zu. 

Abgesehen von der Entleerung des Magendarmkanals ist die Hebung 
der Herzthätigkeit und die Beförderung der Diurese von grosser Bedeu- 
tung. Hierin stimmen Chirurgen und innere Aerzte vollkommen übet ein. 
Ich brauche daher auf die einzelnen Mittel nicht einzugehen. 

Die Versuche, die Hyperleucocytose zur Resistenzerhöhung 
zu benutzen, haben bisher zu einem hervorragenden Resultate nicht ge- 
führt Ich selber habe in der Richtung mannigfache Versuche unternommen. 
Ambesten habe ich die£ in spritzungen sterilenPferdeblutserums 
gefunden, die gut vertragen werden und nie unangenehme Zufälle her- 
vorriefen. In einigen Fällen schien die Widerstandskraft der Patienten 
in hervorragender Weise durch die Einspritzungen gehoben zu werden. 
Selbstverständlich kann ich über den Werth der Methode mich noch nicht 
aussprechen, dazu gehören noch weitere und ausgedehnte Beobachtungen. 
Ob die directe Einspritzung des Pferdeserum in die entzündete Bauchhöhle 
selber irgend einen Erfolg hat, darüber kann ich vorläufig ein Urtheil 
nicht abgeben. 

b) Die opemtive Behandlung der eireumseripten Peritonitis, des perity- 

phlitisehen Abscesses. 

Es ist dies die Perityphlitis in loco classico mit Abscessbildung. ') 
Die circumscripte Peritonitis ist meist bedingt durch Perforation des 
W^urmfortsatzes durch Kothstein oder Geschwür, seltener durch Gangrän 

1) Ich kann d( r Function eine wesentliche Bedeutung bei der Stellung der Dia- 
gnose, speciell der Feststellung, ob Eiter vorhanden ist oder nicht, mit Ausnahme der 
snbphrenischen Abscesse, nicht znsprechen. Ebensowenig hat die Function für die 
l^ehandlung irgend welchen Werth. Ich wende die Function nie an. Ich schliesse 
mich Yöllig dem Ausspruche von Roux an, wenn er von der Function sagt: „Cctte 
ponction est quelquefois dangereuse, tr^s souvent sans r^sultat, toujours inutile.'' 
Freilich ist nichts mehr im Stande, sowohl den Arzt als die Angehörigen des Kran- 
ken von der Notwendigkeit eines operativen Eingriffs zu überzeugen, als eine Spritze 
voll Eiter. Demgegenüber ist aber festzustellen, dass bei der schwierigen Eenntniss 
des Sitzes des Abscesses, man durchschnittlich mehrere Male punctiren muss, ehe 
man hoffen kann, auf denselben zu stossen; dass ein negatives Resultat gar nichts 
beweist, and dass man selbst bei positivem Ergebniss nicht bestimmt sagen kann 
dass der Eiter nicht aus den Lumen des Wurmfortsatzes stammt. Was man auf dem 
Wege nach der Tiefe alles durchsticht, ist gar nicht vorauszusehen, und wenn wir 
auch die Durchbohrung eines Darmstückes mit einer dünnen Canüle nicht gerade zu 
fürchten brauchen, so liegt doch die Möglichkeit auf der Hand, dass man mit dep 
Nadel infectiöses Material verschleppt und eine bakterielle Infection der Exsudat- 
massen bewirkt oder Blutungen hervorruft, die weitere Zersetzungen zur Folge haben. 
Ich verwerfe daher die Function durch die Bauchdecken völlig, da man eine anato- 
mische Diagnose auch ohne sie stellen kann. 



211 



desselben. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass Gangrän I 
zusammen mit Perforation in den Absicessen vorgefundeu wird, so mu39 | 
erstere oft als eine secuudäre angesehen werden. 

Die Anhaltepunkte, die ein operatives Einachreiteu beim peritypbli- 
tischen Abscess, der sich meist bereits in den ersten 48 Stunden deut- 1 
lieh marltirt, ergehen, liegen in Störungen Hllgemeiner oder localer Natur. \ 
Klingen aämmtliche klinische Symptome zusammen ab, so ist die Hotf- 
uung vorhanden , dass der Abscess sich resorbirt. Treten in dem Ver- . 
halten der Temperatur, des Pulsea und der Leukocytoae Differenzen auf, | 
:iO spricht das für eine Vergrosaeruiig und Zunahme der Eiteransamm- 
luiig. Hier kommt vor allen Dingen die Leukocyten kurve zur 
Geltung. 

Wenn man bei der cirüumscripten Peritonitis operirt, so soll man auf 
den Herd direct eindringeu. Nachdem man, wie bei den Operationen im 
freien Intervall, die Muskeln und die Fascia transversa durchlrennt hatj 
(vgl. die Technik im Abschnitt „Operation im freien Intervall"), liegt 
Peritoneum vor, und man erkennt nun deutlich, selbst noch bei Bchwar> I 
tiger Verdickung, die UmschlagstelJe. Meist zeigt sich die Nähe des Abs- 
cesses schon in den Bauchdecken durch eine sulzige und seröse Durch- 
iränkung der Gewebe. Das Peritoneum selber sieht und fühlt sich ver^ | 
dickt an. Man geht dann stumpf mit dem Finger auf der Fascia iliacai 
entlang und hebt voraichlig das Peritoneum von derselben ab. Das kann -^ 
man in weiter Ausdehnung bis zu den Gefässen hin bequem machen. 
Auch nach oben hin kann man in gleicher Weise den Peritoneal sack 
freilegen. Man thut gut, sich daran zu erinnern, dass der Harnleiter 
nebst dem Ductus deferens und den Vasa spermatica mit dem Perito- 
neum eng verwachsen sind und dass alle diese Organe zugleich mit dem 
Bauchfell leicht vom Beckeuboden abgehoben werden können. Man hat 
jetzt ainen grösseren Thcil des Bauchfelles als Sack vor sich, und es ge- 
lingt leicht, durch die Palpation die Resistenz, die man vorher schon 
durch die Bauchdecken bat erkennen können, zu begrenzen. Meist er- 
scheint die Resistenz jetzt kleiner als vorher bei der Untersuchung bei! 
noch intakten Bauchdecken. Man sucht nun diejenige Stelle auf, wofl 
dieselbe dem parietalen Blatte det< Peritoneums am nächsten Hegt. Das ^ 
kann bald weiter nach vorn, bald weiter nach hinten, nach dem Becken 
oder nach vorn nach der Leber zu der Fall sein. Häufig ist das Peritoneum 
hier mit der sträng Form igen Resistenz darunter verwachsen. In anderen 
Fällen ist das Peritoneum noch verschiebbar auf der Geschumlst. Die 
Incision des Bauchfells Ist an der verwachsenen Stelle gegeben. Operirt j 
man in der ersten Woche noch , so sind die Verhältnisse meistens ] 
recht günstig und ül)ersiehtliob. Man kommt ruicb Durchtrennung ' 



— 215 — 

der Peritonealverdickungen direct in die Eiterhöhle, die noch nicht 
sehr umfangreich, mit dem Finger vollständig abtastbar ist. Vor allen 
Dingen wird man auch in derselben sofort den erkrankten Processus 
vermiformis entdecken, der noch nicht vollständig mit der Umgebung ver- 
lötet oder in der Wandung des Abscesses eingebettet vorgefunden wird. 
Ist dies der Fall, so kann er freigemacht, hervorgezogen, luxirt und auch 
mit Leichtigkeit entfernt werden. (Vergleiche die Technik bei den Ope- 
rationen im freien Intervall). Die Amputation wird nahe am Coecum ge- 
macht, das Vernähen dieses Stumpfes in ähnlicher Weise wie bei den 
Operationen im freien Intervall vorgenommen, nur muss man die Nähte 
etwas tief legen, da das Gewebe sich meist brüchig, krank und aufgelockert 
erweist. Gelingt es nicht, den Appendix in die entzündete Coecalwand ein- 
zubetten, so muss man sich mit dem Abbinden begnügen oder Netz resp. 
Fettklümpchen über demselben vernähen* Nachdem der Eiter völlig entleert, 
wird die Eiterhöhle mit einer Schürzentamponade versehen, desgleichen der 
Raum zwischen Fascia iliaca und dem Peritoneum mit einem weiteren 
Tampon ausgefüllt und endlich die klaffende Haut- und Muskelwunde, 
die man noch zweckmässig verkleinert, mit einem locker eingelegten dritten 
Tampon oder einem Schwamm bedeckt; die Haut über dem Schwamm 
wird, damit derselbe nicht her vor gedrängt wird, dann noch durch eine 
Naht fixirt. Die Schürzentamponade wird bei uns so ausgeführt, dasa 
eine Serviette steriler oder Cred^'scher Silbergaze über die durch grosse 
Wundhaken gut klaffend und zugänglich gemachte Höhle gebreitet wird, 
und in diese Schürze hinein werden die Streifen Jodoformgaze, bei sehr 
grosser Wundhöhle gelegentlich unterbrochen durch sterile Gazeschwämme, 
hineingeführt. Diese Art der Tamponade bietet auch den Vortheil, dass 
bei buchtenreichen Wundhöhlen in der Bauchhöhle keine der Ausbuch- 
tungen ausser Acht gelassen werden kann. 

Endlich gestattet die Schürze einen leichten und fast schmerzlosen 
Wechsel des Inhalts und erspart dem angegriffenen Patienten die bei der 
Tiefe der Wunden sonst noth wendigen Betäubungen beim Verbandwechsel. 
Die Schürze haben wir in Fällen mit 'geringer Secretion oft bis zu 10 
Tagen liegen gelassen und nur öfter ihren Inhalt gewechselt beziehungs- 
weise verkleinert, während sie bei starker Durchtränkung eher gewechselt 
und schon am 4. Tage entfernt werden muss. Im weiteren Verlaufe der 
Heilung genügt natürlich die Tamponade mit Gazestreifen (Jodoform- 
gazestreifen). Am 3. bis 5. Tage wird für Stuhlgang gesorgt (Ricinus). 
Einen directen Verschluss des Bauches machen wir nicht, selbst 
dann nicht, wenn nur geringe Eitermengen vorhanden waren und die- 
selben scheinbar vollständig entleert werden konnten. Man bekommt 
beim völligen Verschluss der Wunde manchmal wieder ein acutes Auf- 



flÄckern der Peritonitis. Andere Chirui^ii wagen öfters den völligea 1 
VerschliiBB, ich bin in den letzten Jahrett wieder vorsichtiger geworden. 

Sind die Verhältnisse bei der Operation der Appendicitis mit cir- 
cnmscripler Peritonitis nicht so einfacher Arl, wie bisher geschildert, ist 
der Abscess grösser, die Entzündung heftiger gewesen, so kann die Ope- ' 
ration sehr viel schwieriger sein. Der Abscess zeigt sich zunächst nicht 
mehr als eine gleichförmige glattwandige Höhle, sondern pflegt eine Reihe 
von versebieden artigen Ausbuchtungen, die entweder nach dem Nabel, 
häu&ger nach der I>eber oder dem kleinen Becken zu sich ausbreiten, zu 
haben, oder es zeigen sich bereits Senkungen nach verschiedenen Eich- 
tungen. In der weitaus grössten Anzahl der Fälle sind diese Absc 
bei der von uns geübten Schnittführung leicht zu finden , nur dass der } 
Schnitt dann viel grösser, bis zu lOcui oder 15 cm Länge, ausgeführt werden 1 
muas. Bei einem so grossen Schnitt muss man alle Gewebe bis auf daa i 
Peritoneum scharf durchtrennen. Die Loslösung von der Fascia iiiac 
muBB in grösserer Ausdehnung erfolgen. Meist zeigt sich das Peritoneum 1 
auch hier an einer Stelle gelblich verfärbt, oder die oedematöse Durch- 
tränkang des properitonealen Fettes zeigt die Nähe des Abscesses ati. | 
In der Minderheit der Fälle wird mau den umschriebenen Abscess nicht ^ 
mit dem parietalen Blatte der Peritoneums verwachsen antreffen. Hier | 
liegt der Abscess mfinchmal milten zwischen den Dünndarmschlingen. 
Auch in Fällen, wo der Abscess sich infolge der Schwere nach dem 
kleinen Becken gesenkt bat oder von Anfang an durch eine ungünstige , 
Lage und Länge des Appendix weitab im kleinen Becken in der Nähe 
des Rectums oder der Scheide sich entwickelt hat, wird man durch das freie \ 
Peritoneum zu demselben gelangen müssen , wenn nicht hier die Eröff- | 
nung vom Rectum oder der Scheide aus angezeigt ist. Nach Eröffnung 
des Peritoneums wird man uuverklebte Darmschlingen antrefl'en. Diese ■ 
werden dann durch Gnzestreifen resp -Tupfer zur Seil« gebracht, un 
dem Abscess zu gelangen. Man überzeuge sich, bevor man in den Ab- 
cess eindringt dass durch Compresscn nach beiden Richtungen hin diu freien 
Darmschlingen vollständig geschützt sind. Auch während der Entleerung des 
Abscesses sind die undiegenden fi-eien Darmschlingen durch Compressen | 
vor Berührung mit dem Eil«r zu schützen. Der Eiler im Abscess selbst 1 
musa in ausgiebiger Weise ausgetupft werden, der Wurmfortsatz hervor- I 
gesucht, damit auch hinter ihm befindliche Eitermengen entfernt werden I 
können. Je gründlicher mit der Aufräumung des Eilers verfahren wird, | 
um so beaaer. 

Bei derEröffuung desAbscesses vom Mastdarm oder 
Scheide aus, werden diese durch Specula erweitert, die Vorwölbung punktirt i] 
oder gleich incidirt, die Oeffnung mit der Korn zange erweitert, ein Drain 



— 217 — 

geführt. Bei der Eröffnung von der Scheide aus, wird der Uterus 
mitteest Zangen fixirt. 

Es wird die Frage über das Aufsuchen und Entfernen des 
Wurmfortsatzes je nach den localen Verhältnissen zu erörtern sein. 
Handelt es sich um eine kleinere Eiterhöhle, um einen bequem gelegenen 
Wurmfortsatz, um ein übersichtliches Operationsfeld, so muss und soll der- 
selbe gleich mit entfernt werden. Handelt es sich um sehr grosseAbscesse 
mit vielen Ausbuchtungen und liegt der Wurmfortsatz so, dass man ihn 
selbst nach mehrfachen Versuchen nicht recht zu Gesichte bekommt und 
nicht recht entwickeln kann, liegt er in der Wand der Abscesshöhle fest 
«ingebettet, so kann es rathsam sein, um nicht die Gefährlichkeit des Eingriffes 
2M erhöhen, sich mit der Entleerung des Eiters aus der grossen Höhle zu 
begnügen und dann später (nach Ablauf des Anfalles) den Wurmfortsatz 
zu entfernen. Allerdings ist gerade bei grossen Eitermengen stets zu 
vermuthen, dass auch hinter dem Wurmfortsatz noch grössere Abschnitte 
■des Peritoneums mit Eiter gefüllt vorgefunden werden können und dass 
■diese Eitermengen sich erst genügend entleeren, wenn der Wurmfortsatz 
losgelöst und entfernt ist. So führe ich hier folgendes Beispiel an für 
Eiteransammlungen hinter dem Processus vermiformis die 
■erst nach Entfernung desselben sich entleeren. 

Nest, 11 Jahre alt. Operirt am 5. September 1898, am zehnten 
Tage des ersten Anfalls. Der Wurmfortsatz, hochroth injicirt, verdickt, 
in seiner ganzen Ausdehnung verwachsen. Er geht von der lateralen 
'Ooecalwand ab nach rechts hin und biegt sich dann nach unten und me- 
dianwärts um, so dass seine Kuppe unter dem Coecum liegt. Es wird 
zunächst nahe dem Coecalansatz der Wurmfortsatz zwischen zwei Sei- 
^enligatnren abgetragen. Hiernach wird das Mesenterioleum unterbunden 
und durchschnitten und dann die Kuppe, in welcher ein Kothstein zu 
fühlen ist, gelöst Dabei wird ein mehrere Esslöffel kothig riechenden 
Eiters enthaltender zweiter Abscess eröffnet, dessen Abschluss nach oben 
der an der Spitze perforirte Wurmfortsatz bildet. Der Abscess reicht 
zwischen Rectum und Blase, am Uterus vorbei ins Becken. Er wird mit 
Jodoformgaze ausgestopft, dann wird der Rest des Wurmfortsatzes ins 
Ooecum eingestülpt und übernäht und auf die Nahtreihe eine Silbergaze- 
schürze eingeführt. Jodoformgazetamponade. Heilung. 

Es kommt alles darauf an, dass bei dem Aufsuchen des Wurm- 
fortsatzes die Technik der Operation beherrscht wird. So muss freier 
Darm nicht allein sofort durch eine daraufgelegte Compresse, am 
besten aus Jodoformgaze geschützt und vor dem Kontakt mit putriden 
Massen bewahrt werden, sondern auch während der weiteren Operation 
dürfen diese freigelegten Darmschlingen nicht wieder zu Gesichte 
kommen, sondern müssen dauernd unter den Kompressen durch einen 
Assistenten zurückgehalten werden. (Vergl. oben Seite 216). So kann 




— 218 

man wohl sagen, dasa die Weitare nlwickalung der Operation stech nik da* 
hin führen wird, den Wurmfortsntz auch bei ausgedehnten Eiterhöhlea]! 
immer aufzufinden und zu exstirpiren. Denn so lange nicht der Wurm-T 
fortsatz entfernt ist, kann man den Patienten nicht als völlig gesund i 
klären und kann derselbe wieder neue schwere Anfälle erleiden. 

Es ist auch wichtig, nach Kotbsteiiien in der Abaceasböhle zu 
suchen, die häufig in den Ausbuchtungen derselben liegen, dn sie erfahrungs- 
gemäss.wenn zurückgelassen, zu neuen Entzündungen mitAbscessbildungen 
oder zu Fistelbildungen, die erst nach der definitiven Ausstossung dei 
Kothateines ausheilen, führen können. 

Wenn die umschriebenen Abscesse sehr gross sind, so erfordern ! 
manchmal zum besseren Abflugs der Sekrete Gegenftf f nungen, ( 
man am häufigsten je nach der Ausbuchtung der Abscesse entweder iu 
der Lumbaigegend oder in der linken Bauchseite anzulegen hat. 



(■> Operation bei nuilti|)leii Abscessea. 

Die multiplen Abacease sind meist Folgen der progredienten fibrinös^ 
eitrigen Peritonitis. Man wird sie, wenn man sie entdecken kann, auch zai 
eröffnen haben. Dabei sollen womöglich die einzelnen Abscesse so auf-i 
gesucht und eingeschnitten werden, dass auch hierbei eine Infection dert 
bis daliin von der Entzündung unberührt gebliebenen Theile des Bauch-'j 
felis ausgeschlossen wird. Die technische Aueführung dieser Operation kam 
dabei sehr grosse Schwierigkeiten haben. Denn es gelingt manchmal 
nicht, von ii^nd einer Seile her einen vermulhelen und in der That 
auch vorhandenen Abscess wegen seiner ungünstigen Lage inmitten von. 
Darniechlingen ohne Weiteres zu erreichen. Hier kann unter Umstanden 
die zweizeitige Operation von Nutzen sein. Am häufigpten finden sich der- 
artige abgekapselte Herde auf der linken Seile, wo man durch einen ähn- 
lichen Schnitt wie rechts au der Darmbein scbaufel zu denselben gelangen 
und auch die Eileraii Sammlungen erreichen kann, die in der Umgebung 
der Blase sich befinden. Findet man nach Durchtrennung der Bauch- 
decken und Freilegung des Peritoneums nicht ohne Weiteres den vermutheteH J 
Abscess, so kann man die Wunde lamponireii, und es gelingt dann mancl 
mal in den nächsten Tagen bei der allmählichen Vergrösserung des Ab-1 
sceaaes und Senkung desselben, ihn von dem Schnitt au.'* zu eröSiien, 
ohne Verletzung eines freieren Theilea der Bauchhohle, Oft läuschen Vor- 
treibungen benachbarter Organe Abscesse vor. So wurde in einem Falls 
ein Tumor der Prävesicalgegend gefühlt, der aber nicht ^ 
sceas gebildet mir, sondern von der zusammengedrückten und leeren I 
blase, während der Abscess hinter der Harnblase lag. Manchmal ist i 
mir auch nach Freilegung einer alw Abscess imponirenden nicht .sehr deiU 




- 219 — 

liehen Resistenz unthunlich erschienen, sofort einzuschneiden, dann sah ich 
aber nach einigen Tagen oder später die Resistenz ganz schwinden. Dass 
grössere Eitermengen resorbirt werden, unterliegt für mich keinem Zweifel. 
Sehr wichtig zur Orientirung über die Lage der A bscesse ist die genaue 
Untersuchung per rectum resp. per vaginnm. 

d) Operation bei sabplirenischen Abscessen, Empyemen nnd Lungenaffectionen. 

Haben wir es mit einem Anfall von Appendicitis perforativa oder 
gangraenosa zu thun, bei dem Leberabscesse, subphrenische Abscesse oder 
LungenafFectionen auftreten, so wird man nach den auch sonst hier gel- 
tenden Grundsätzen operiren und die Abscesse zu entleeren suchen müssen. 
Hier kann man die Function als Hilfsmittel zur Diagnose kaum ent- 
behren. Dieselbe muss sogar bei tiefliegenden Abscessen oft wiederholt 
werden. Fällt eine Function positiv aus, so kann man versuchen, den 
Eiter durch Schnitt zu entleeren; gehen, wie wir es erlebt haben, die 
klinischen Symptome zurück, trotzdem Eiter durch Function nachgewiesen 
wurde, so hat es sich um kleinere Abscesse nur gehandelt. 

Als Art des chirurgischen Eingriffes kann für gewöhnlich die breite 
Incision oder die Rippenresection in Frage kommen. Hat man durch 
Function Eiter nachgewiesen, so kann man die Nadel liegen lassen und 
an dieser entlang einschneiden. 

Jeder Fall muss individuell behandelt werden. In einem Theile 
unserer Fälle fand sich der günstige Umstand, dass das Zwerchfell sich 
an den Thorax fest angelegt hatte, so dass eine Eröffnung des Fleura- 
raums bei der des subphrenischen Abscesses nicht stattfand; in einem 
anderen konnte die Incision des Abscesses so tief gemacht werden, dass 
die Eröffnung des Pleuraraumes gar nicht in Frage kam. Diesen operativ 
günstigen Fällen gegenüber musste manchmal der intacte Pleuraraum 
durchquert werden. 

Die Ansicht mancher Chirurgen, dass durch den intacten Pleuraraum 
ohne Bedenken auf den subphrenischen Abscess eingegangen werden 
dürfe, ist im Allgemeinen richtig. Das Annähen der Pleura ist dabei 
zweckmässig. Um einen artificiellen Pneumothorax zu vermeiden und der 
Möglichkeit einer Pleurainfection vorzubeugen, habe ich in einem Fall 
die Function des Abscesses mit nachfolgender Heberdrainage ange- 
wendet. Ich bin eigentlich mit dem Erfolg recht zufrieden gewesen; 
da in dem Falle noch eine allgemeine Peritonitis vorhanden war, an der 
der Patient zu Grund ging, so zeigte sich bei der Autopsie, dass die Ent- 
leerung des Abscesses in ganz guter Weise dabei stattgefunden hatte und 
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen war, dass dieser Fall durch die 
Heberdrainage allein zur Ausheilung gekommen wäre. 



— 220 - 

Die Nachbehandlung der subphrenischen Abscesse ist einfach. Wir 
unterlassen die Ausspülung der Abscesshöhle, tamponiren im An^nge und 
ersetzen später den Tampon durch einen Drain. Hierdurch wird ein ge- 
höriger Abfluss der Secrete ermöglicht. Die Abscesshöhle verkleinert sich 
dabei, und die Patienten erholen sich in relativ kurzer Zeit. 

Die Operation im freien Interrall. 

Es ist selbstverständlich, dass bei der Appendektomie im freien 
Intervall die Regeln der Asepsis und Antisepsis streng befolgt werden 
müssen. Die Patienten müssen gut vorbereitet werden; vor allen 
Dingen muss der Darm entleert sein. Die Vorbereitung muss wenigstens 
einen ganzen Tag vor der Operation in Anspruch nehmen und durch 
Ricinusöl und andere Abführmittel der Darm gehörig entlastet werden. 
Dabei soll die Ernährung während der Vorbereitungszeit nur flüssiger Art 
sein: Suppen, Milch und dergleichen mehr. Am Abend vor der Operation 
werden die Patienten gebadet, die Haare, besonders die Schamhaare, ab- 
rasirt. Bei der Operation wird noch die Bauchdecken haut sorgfältig ge- 
reinigt. ^) 

Die Operation als solche umfasst vier Acte. 

1. Schnitt durch die Bauchdecken, 

2. Eröffnung des Peritoneums, Aufsuchen des Appen- 
dix, Loslösung desselben aus seinen Verwachsungen, Ab- 
binden des Mesenteriolums. 

3. Amputation des Appendix, Versorgung des Stumpfes. 

4. Verschluss der Bauchdecken wunde. 

1. Bauchdeckenschnitt. 

Viele Operateure ziehen bei der Appendektomie im freien Intervall 
den Schnitt an der lateralen Seite des Rectus und zwar durch die vordere 
Rectusscheide mit Verschiebung des Muskels medianwärts vor. Ich gebe 
entschieden dem Schnitte am Rande des Darmbein kammes den Vorzug, ent- 
sprechend etwa dem Schnitte für die Ligatur der Iliaca, da nach meiner Er- 
fahrung man von diesem Schnitte aus den Processus vermiformis, so ver- 
schieden er auch gelagert sein mag, mit Sicherheit überall erreichen kann. 
Ich habe nie Grund gehabt, von dieser Scbnittführung abzuweichen, auch 
habe ich mich im Laufe der Jahre überzeugt, dass, wenn man den 
Schnitt nachher wieder vernäht, die Entstehung von Bauchbrüchen aus- 
geschlossen ist. 

1) Narkose (Aether oder Chloroform) ist Döthig, Localanästbesie zu verwerfen. 
Dagegen habe ich neuerdings mit ausgezeichnetem Erfolge die mittelst Stovain erzeugte 
^/^^ireuniarksflnaenthesie bei der Operation (auch der acuten Fälle) in Anwendung gebracht. 



— 221 — 

Es hat sich für die Vernarbung und für die Lage der Narbe ausser 
dem als zweckmässig und empfehlenswert gezeigt, die Haut vor der 
Durchschneidung von dem Assistenten median wärts, dem Nabel zu, ver- 
ziehen zu lassen, so dass die Hautwunde, beim Nachlassen des Zuges 
der Muskel wunde nicht entspricht, sondern weiter nach auswärts liegt. 
Die Hautnarbe befindet sich nach der Vernarbung mehr auf dem Knochen 
und rückt sogar im Laufe der Zeit nach dem Oberschenkel zu, liegt auch 
dadurch beim Tragen eines Gurtes, einer Säbelkoppel und dergleichen sehr 
günstig. 

Nachdem also die Haut in der Weise verschoben ist, wird dieselbe 
dann hart am Darmbeinrande in einer Länge von 5 — 7 cm durch- 
schnitten und die Fascia superficialis zu gleicher Zeit fast in derselben 
Ausdehnung. Die Enden des Schnittes reichen etwa bis zur Mitte des 
Ligamentum Poupartii, und zwar endet derselbe vor der Arteria epigastrica. 
Ebensowenig braucht der Annulus inguinalis zu Gesichte zu kommen. 
Ein Fettklümpchen (Fig. 30) neben der Arteria epigastrica zeigt gewöhn- 
lich die Gegend des Annulus an. Ich mache seit Jahren diese kleinen 
Schnitte und bequeme mich zu grösseren Durchtrennungen nur, wenn 
ich bei der Operation durch die Lage und die Art der Verwachsungen 
des Wurmfortsatzes dazu gezwungen werde. Wenn man viel Appendek- 
tomien macht, so weiss man, dass man mit den kleinen Schnitten in der 
grössten Anzahl der Fälle den Zweck erreichen kann. 

Die durchzuschneidenden Schichten sind: 1) Haut, 2) Fascia super- 
ficialis, 3) Musculus obliquus externus, 4) Musculus obliquus internus, 
5) Musculus transversus, 6) Fascia transversa und endlich 7) das Peritoneum. 

Von dem Musculus obliquus externus wird man Muskelmassen erst 
in der Höhe des Darmbein karames antrefien. Weiter abwärts besteht 
die Aponeurose aus schräg von oben und aussen nach unten und innen 
laufenden glänzenden Fasern. Die Muskelmassen des Musculus obliquus 
internus und transversus müssen bis zur Fascia transversa getrennt 
werden. Ein stärkerer Muskelzweig von der Cicumflexa ilei wird häufig 
dabei angetroffen, durchschnitten und muss unterbunden werden. Eine 
breite Vene oder richtiger oft zwei Venen in der Scbnittrichtun?, nach 
Durchtrennung der Muskeln aussen verlaufend, werden gleichfalls unter- 
bunden. Die Fasern des Musculus transversus laufen in derselben Rich- 
tung wie die des Musculus obliquus externus, nur etwas weniger schräg 
Die Fascia transversa ist häufig fest mit der Aponeurose des Musculus 
transversus verbunden. Man trifft meistens eine fettreiche Zelllage 
zwischen Fascia und Peritoneum an, besonders am Bande des Darmbein- 
kammes. 

Nach Durchtrennung der Haut und Fascie pflege ich die stumpfe 




A Aponeurunis ni. ol>]Li|Ui exterci 
1> Musu. obliqnaB iateruus nbitnminis, 
C Mqec. tmnäversus nbiiomiDts. 
E Faeeia tranaTcrsn. 
F Peritoneum. 

a, a, a, a EinschniK !□ die Äponeuroae des M. obliquDa internu». 

b, b Einachnitt in den Husc. obliquus intürnus. 
r, c EiDBChnitt in daa M. transTerana. 
e' Der aponcuvotUcbe Tbeil des SI. tranavecBna. 
b' Die VerBohmelzang dieser Aponeuroae mit der Fasuia transversn. 
d, d, d EiDi^chnill in die Fascia transTersa. 
f Ein Kettklümpehen, das gewShalich in der Gegeod des Amiulua inguinnliR 

der Art. epigastrica un der Huagereti Fläche dea Bauchfelles liegt. 
^ Der uponeuratisehe Theil des M, rectus, 

1, 1 Art. epigaatrica. 

2, 2 Tenne epigaatricse. 

(Nach Pirogod'a chirnrg. Analomie. Th(. 35.) 

II Obige Trifel iFlg. 431 stellt den „typiacheo Schnitt' bei der Pen typhi llisa 
ration vor. AbBichtlieh ist hier eine Tafel gewählt worden, anf der die Verbfilln 
der Art. epigastricu und des Samen atraagcs noch eraehen werden kflnnen. FBr ge- 
wöhnlich reicht aber der Schnitt haebatena bis lur Art. epigaatrica, die nicht dnrcb- 
■obnitten lu werden brauclit. Dagegen erfolgt die Spaltung der Knnchdecken bei dem.^ 
.typischen" Schnitt noch elwii» liöher binmif, nat'li der Spina oea. iW aup. i 



— 223 — 

Durchtrennung der Muskulatur und der Fascien bis auf das Peritoneum 
zu machen. Man kann diese stumpfe Durchtrennung entweder mit 
den beiden Zeigefingern vornehmen oder mit stumpfen Haken. Beim 
ersteren Verfahren hat man den Vorteil, sich besser orientiren und die 
Durchtrennung bis auf das Peritoneum leichter und glatter ausführen zu 
können, doch bei einiger Uebung gelingt dieselbe auch leicht mit Hülfe 
der nicht zu schmalen stumpfen Wundhaken. Die stumpfe Durch- 
trennung hat den Vortheil, dass die Trennungslinie der Muskeln beinahe 
rechtwinklig zum Schnitte durch Haut und Fascie zu liegen kommt, was 
später bei der Vernähung dieser sich kreuzenden Trennungslinien zur 
Vermeidung von Bauchbrüchen mit Bildung einer vorzüglichen Narbe 
viel beiträgt. Ausserdem ist die Blutung geringer. 

2. Eröffnung des Peritoneums, Aufsuchen des Appendix 
Loslösen desselben aus seinen Verwachsungen. 
Liegt das Peritoneum in der Tiefe der Muskelwunde frei vor, so 
wird ein zwei- resp. dreizinkiger stumpfer Haken von dem gegenüber- 
stehenden Assistenten so in die Wunde eingefügt, dass die durchtrennte 
Haut, Fascie, Muskel bis zur Fascia transversa durch die Zacken des 
Hakens medianwärts stark verzogen werden. Ein zweiter stumpfer Haken 
in den unteren Wundwinkel, eingesetzt in Haut und Musculus obliquus 
in seiner Trennungslinie, soll nach unten und aussen die durchtrennten 
Theile stark ziehen, so dass in der dadurch entstandenen grösseren Lücke 
das Bauchfell sich bequem vorwölben kann. Die fettreiche Zelllage, 
welche, wie wir bemerkten, das Bauchfell oft bedeckt, wird stumpf nach 
aussen abgedrängt. Ist dieselbe, wie es bei fettreichen Individuen der 
Fall zu sein pflegt, sehr mächtig, so kann sie auch entfernt werden. 
Jetzt liegt das sich vorwölbende, manchmal normale, manchmal etwas 
verdickte Pertitoneum vor, wird mit Hülfe zweier anatomischer Pincetten 
in einer Falte erhoben und eröffnet, die Oeffnung durch Einführen der 
federnden anatomischen Pincette nach oben und unten erweitert, der Band 
des Peritoneums durch Klammern (P6ans) gefasst, damit er vorgezogen 
werden kann und Einsicht in die Bauchverhältnisse gestattet. Drängen 
sich Netz oder Dünndarmschlingen aus dem geöffneten Peritoneum hervor, 
so werden dieselben durch Einführen zweifingerbreiter Jodoformstreifen 
zurückgebracht und durch Liegenlassen derselben zurückgehalten. Auf 
solche Weise gelingt es leicht das Coecum auch dann, wenn dasselbe in 
der Tiefe stark mit dem parietalen Blatte verwachsen ist, sichtbar zu 
machen und vorzuziehen. Das Coecum, kenntlich an den Tänien, wird 
aus etwa vorhandenen Adhäsionen gelöst und aus der Wunde vorge- 
zogen. Bei diesem Act wird häufig ein grosser Abschnitt nicht allein 
des Coecums, sondern auch des Colon ascendens zunächst vorgezogen, 




224 



wo der WurmfortsatE nach (icm Becken zu in der Tiefe j 
fixirt iat. Bei Frnuea haben wir häuäger nls bei Mäanern eine Ver- 
lagerung eines grossen Theils des Colons aacendens angetroffen. Man hüie \ 
!<icb, eine Eventration des Dickdarms peripher vom Coecum zu machen. 
Sobald man in die Nähe des Eintritla des Ileums in das Coecum gelangf^ 
muss man den vorgelagerten Dickdarm durch die Oeffnung des Peritoneums 
wieder zurückbringen und durch Jodoformgaze zurückhalten lassen. Nun 
orientirt man sich mit dem Finger über die Lage und die Beschaffen heit 
des Wurmfortsatzes. Dabei sind allerdings eine ganze Reihe von Mög- 
lichkeilen vorhanden. Entweder fühlt man in der Furche zwischen Coecum | 
und Ileum strangartig den fixirten verdickten Wurmfortsatz, oder aber n 
gelangt zunächst auf die wieder nach oben geschlagene Kuppe desselben 
und muss von dieser aus die weiteren Abschnitte des Appendix bis s 
Coecum hin verfolgen, oder man findet ihn verwachsen und eingebettet in | 
der Wand des Coecums zwischen diesem und der Darm beinschau fei direct \ 
nach unten oder nach oben, nach der Leber zu, verlaufend u. dgl, i 
Sind nur geringere Veränderungen am Wurmfortsatz vorhanden iiud auch ' 
nur zartere Adhäsionen zu bemerken, so gelingt es leicht, das Organ e 
den Adhäsionen zu lösen und mitsamt seinem Mesenteriolum aus i 
Wunde zu lusiren. Aber selbst in diesen operativ leichten Fällen, noch J 
mehr selbstverständlich da, wo zahlreiche Verwachsungen die Loa* | 
lösung des Appendix ungemein erschweren, ist es ebenso wichtig wie 
quem, zunächst den Wurmfortsatz unweit seines Cöoalabganges durch 1 
eine Seidenligatur anzuschlingen, die dann eine ausgezeichnete Handhabe 
für die weitere Entwickelung des Wurmfortsatzes darbietet und zugleich j 
verhindert, dass sein Inhalt sich nach dem Coecum zu entleert. Er bleibt | 
dadurch in vielen Fällen, besonders bei weitem und durchgängigem Lumen I 
prall gefüllt und für die Loalosung um so geeigneter. Da, wo er 
verlötet in Schwarten, Narben in der Coecalwand sich befindet, genügt für 
eeine Entfernung nicht eine Schlinge, sondern es müssen dann noch an 
seinem weiteren Verlauf mehrere derartige Schlingen Schritt für Schritt 
bei seiner Loslöaung aus den Adhäsionen angelegt werden. Jede der | 
neuen Schlingen bietet wiederum eine weitere Handhabe, um ihn vorzu- , 
ziehen und weiter zu entwickeln, sodass schliesslich au einem derartige! 
Wurmfortsätze viele Schlingen, manchmal 6, 7, je nach der Länge des 
selben, sich befinden. Diese umschnüren nur den Wurmfortsatz, nicht 1 
das Mesenterioluni. Ist auf solche Weise der Wurmfortsatz freigemacht, 1 
so muss das Mesenteriolum abgebunden werden. Dieses erfolgt am besten J 
mit Catgut, indem mit der Descha mp'scben Nndol die einzelnen Par- | 
tien mit dem Catgutfnden umgeben und abgeschnürt werden. Bei t 
dünnem Mesenteriolum ist es «her empfehlenswert, die erste Ligatur des I 



— 225 — 

Mesenteriolums mit der zweiten noch einmal zu fassen und so auch 
noch einmal abzubinden. Die Fäden werden dann sofort kurz abge. 
schnitten. 

Sind die Verwachsungen derart, dass man das eigentliche Mesente- 
riolum von denselben — und das gilt besonders von den Verwachsungen 
innerhalb der Cöcalwand — nicht differenzieren kann, so ist es xwr Ver- 
meidung der Blutung nöthig, die subseröse Ausschälung des Wurm- 
fortsatzes zu versuchen. Es bleibt dabei das Mesenteriolum mitsammt den 
Verwachsungen zurück und blutet so gut wie gar nicht. Man muss 
sehr darauf bedacht sein, bei der Entfernung eines stark verwachsenen 
und in Narbengewebe eingebetteten Wurmfortsatzes denselben völlig mit 
seiner Kuppe zu exstirpiren, weil das Zurückbleiben auch nur eines klei- 
nen Abschnittes derselben wegen der Schleimhaut, die noch in dem Reste 
vorhanden ist, die prima reunio gestört wird und Fistelbildungen leicht 
entstehen. Solche Beste können sogar schwere Infectionen bedingen. 

Werden sehr feste Verwachsungen mit den umli^enden Därmen bei 
der Operation vorgefunden, so muss man bei dem Versuche des Los- 
lösens sich hüten, die Serosa des Darmes abzustreifen, da dadurch leicht 
Ernährungsstörungen der Darm wand entstehen, die zu Necrosen und 
langwierigen Fisteln führen können. Sollte trotz aller Vorsicht derartige 
Abstreifung der Serosa entstehen, so müssen dieselben sofort durch feine 
Gatgutnähte übemäht werden. Bei der Ablösung des Wurmfortsatzes 
kann man manchmal directe Verwachsungen mit der Darmwand und zwar 
an Stellen, wo Perforationen in den Darm hinein stattgefunden haben^ 
antreffen. Man muss bei der Ablösung an dieser Stelle sich vorsehen, 
dass nicht Eröffnungen entweder des Appendix oder des Darmes erfol- 
gen. Jedenfalls müssen, wenn nach der Entfernung undichte Stellen in 
der Darmwand bemerkt werden, dieselben auch sofort mehrfach übernäht 
werden. Man kann über derartige Stellen auch in der Nähe befindliches 
Netz zur Deckung verwerthen. 

Alte Eiterreste trifft man, wenn im freien Intervall operirt wird, ver- 
hältnissmässig selten an, am häufigsten noch im kleinen Becken. Es 
quillt dann plötzlich beim Versuch der Loslösung des Wurmfortsatzes, 
besonders der peripheren Theile desselben, Eiter vor. Man muss dann 
auch hier die vorliegenden Darmschlingen durch Kompressen schützen 
und zurückdrängen, die Eiterhöhle sorgfältig austupfen und tamponiren, 
ehe man zur Abtragung des Wurmfortsatzes schreitet. Dieser Eiter ist 
meistens, wenn auch nicht steril, so doch nichtmehr sehr infectiös, und 
wenn seine Mengen nur gering sind und man die Granulationshöhle, 
ordentlich austupfen und übernähen kann, für die prima intentio nicht 
bedenklich. Man kann darüber die Wunde vereinigen. Trifft man auf 

Sonnenbnrg, Perityphlitis, 5. Auflai^e. 15 



grösssre Reste Übelriechendeil Eiters, so wird man gut tliun, die Tam- 
ponade zu machen und den WundvetBchluss nicht vollständig nus- 
zuführen. Oft ist der Wurmfortsatz mit dem Netz verlöthet und von 
Theilen eines hypertroph! scheu Netzes bedeckt, Hier ist es empfehlens- 
wertb, nicht die einfache Abtrennung dieses immerhin noch krauken 
und mit Thromben versehenen Netzes zu machen , sondern dasselbe in 
typischer Weise, soweit es verdickt und erkrankt erscheint, zu reaeciren. 

3. Amputation des Appeudis, Versorgung des Stumpfes, 
Ist dar Wurmfortsatz nach Unterbindung des Meaenterioleums von 
diesem getrennt und frei von Adhäsionen gut präparlrt in der Wunden 
so muss derselbe uun möglichst au seinem Abgange abgetragen (ampu- 
tirtj werden. Die Seidenligatur peripher von der Stelle, an der der Ap- 
pendix abgetragen werden soll, liegt bereits. Durch dieselbe wird der 
Inhalt des Wurmfortsatzes zurückgebalt«n. Nun führt man central von 
der Absehnürungaligatur durch die Basis dca Wurmfortsatzes eine Nadel 
mit Catgutfaden durch die Wandung durch und schnürt mittelst des 
Catgutfadens die Basis nach beiden Seiten ab. Mittelst Scherenschnittes 
durchtrennt man jetzt zwiachea beiden Ligaturen (Catgut- und Seiden- 
ligatur) den Apj)endix. Die zur Durchtrennuug benutzte Scheere leg« 
man sofort weg und reinige miltelst Gazetupfer die Durch trennungsfläche. 
Eine Excision der Schleimhaut des Stumpfes halte ich für unuölbig, 
ebenso die Berührung der Schnittfläche mit dem Gluheisen (Pacquelin). 
Nun legt man den Appendixstumpf in die Coecalwand, fuhrt durch eine 
Fall« der Wand und den Appendixstumpf die Nadel hindurch und wiederum 
durch die nächste gegenüberliegende Goecalfalte, knotet zunächst diesen Cat- 
gutfaden, wodurch der Stumpf in der Coecalwaod fixirt bleibt, übernäbt 
den so eingebetteten Rest des Appendix mittelst Etagennähte, welche 
jedes Mal Serosa und Muacularis der zu beiden Seiten befindlichen Darm- 
wand fassen, und zwar in mehreren Etagen. Das reichliche Material des 
Bliiidsackes gestattet eine äusserst bequeme mehrfache Uebernähung. Ich 
lege Werth darauf, duss eben mehrfache Etagenoähte gelegt werden, 
damit der Appeudixrest ganz in der Hefe zu liegen kommt. (Sieha 
Fig. 32 u. 33.) 

Dieses Verfahren, das aicb seit Jahren bewährt hat, ist ein durch- 
aus einfaches und praktisches. Ich habe nie irgend eine Störung nach 
einer derartig augelegten Naht gesehen uud kann es in jeder Beziehung 
empfehlen. Ich halte es auch für einfacher als das von mir früher ge- 
wählte Verfahren, die Bildung einer Serosam an seh ette. Zu dem Zwecke 
wurde iler A\'urmfortsatz peripher mit einem kreisförmigen Schnitt um- 
gehen, der nur die Serosa traf, und diese dann in Form einer Manschette 



I 




1 1 Dies«)) beiden Zeichnungen |Fig. 33 u. 33| dienten rIg Vorbild die Fig. 4 u. 
in Broca, l'Appendicite, PstIb, Bailli^re 1900, da das in dem selben angegebeoeVcrf ahn 
sich fast TolIstSndig mit dem Dnerigea deckt. 





centralwärts zurückpräparirt, dann an der Grenze des zuröckpräpHrirl 

Serosalappens die DurchtreDnung des Wumiforteaties mittelat Schere 
genommen. Die Manschelte wurde dano über den Stumpf gelegt und 
durch Nähte fixirt. Sollt« die Manschette nicht genügend groaa auege- 
fallen sein, SD kann man sie durch ein Stück Meaenteriolum zur Be- 
deckung des Stumplea ergänzen. Der Wurmfortsatz wird dann ebenso 
wie vorhin durch Etagennähte eingebettet. Eine derartige Manschetten- 
btldung wende Ich jetzt nur in solchen Fällen an, tu denen ein ungemein 
breiter uud weiter Ansatz des Wurnifortaatzes am Coecum vorhanden ist, 
besondere also in allen denjenigen Fällen, wo es eich um die mehr embryo- 
nale Form, die directe Fortsetzung des Coecum in den Wurmfortsatz, 
handelt. Bei einer so breiten Einmündung des Wurmfortsatzes empfiehlt 
es sich aber auch, ein Verfahren anzuwenden, das mein Oberarzt 
Dr. Hermes verbessert hat und das ich oft benutzt habe, wenn man 
nicht vorzieht, den ganzen Stumpf aus der Coecalwand herauszuschneiden 
und das Loch im Coecum kunstgerecht zu vernähen. Mittelst eines 
eigens zu dem Zwecke con^truirten Ecraseur nach dem bekannten Chas- 
saignac'sohen Princip wird zwischen der Catgutr und Seiden ligatur, die 
in dem Falle nicht zu nahe bei einander gelegt werden dürfen, der Wi 
forteatz durch gequetscht. Man bekommt dann statt des breiten, rund« 
liehen Stumpfes ein bandarligea Ende, das nun sehr bequem in 
Coecalwand eingebettet werden kann. 

Bei dem Uebernähen des Appendixstumpfes muss mau sich 
sehen, keine grösseren Gefäase mit der Nadel au verletzen. Besondei 
da, wo zahlreiche Verwachsungen des Wurmfortsatzes vorhanden wareO^ 
und derselbe mit grossen Schwierigkeiten aus seinem Bette frei präparirt 
wurde, finden sich zahlreiche Gefässe rings umher, die dann unterein- 
ander so verzweigt sind, dass man an der Co« cal wand kaum Stellen finden 
kann, wo dieselbe frei von solchen Gefäasen ist. Verlelzt man ein der- 
artiges Gefäsa, so bildet sich ein Hämatom, das sich ungemein schnell 
zwischen Serosa und Muscularis ausbreitet. Mau muss dann sclüeunigst 
durch tiefere Umatechung die Ausbreitung desselben verhindern. Bei 
dieser Umstechung können freilich wiederum Gefässe verletzt werden, 
und um schliesslich der immer neu auftretenden Blutung Herr zu werden, 
muaa man weiter enlf ernte Coecalwand heranziehen und durch 
Nähte über die blutende Fläche milsammt den darunterliegenden 
weben herüberziehen. Immerhin kann die Blutstillung Schwierigkeil 

Da man gut thut, auch das Bett, in welchem der Wurml 
gelagert war und aus dem er losgelöst wurde, zu übernähen, zumal 
sich auf Blutungen aus den Resten der Adhäsionen gefasst machen 



1 



— 229 — 

Auch hier kann man oft nur durch Heranziehen entfernterer Theile 
der Goecalwand die gewünschte Uebernähung vollenden, eine Art Goecal- 
plastik (siehe auch weiter unten die Beispiele). Die Uebernähung hat 
auch noch den Zweck, keine Wundflächen zu hinterlassen, damit das 
Coecum nicht wiederum durch Verkleben dieser Wundflächen mit dem 
Peritoneum, besonders dem parietalen Blatte desselben, in ungünstiger 
Weise nach der Operation fixirt bleibt. Kann man eine derartige Ueber- 
nähung mit Goecalwand nicht ausführen, so empfiehlt es sich, aus der 
Nachbarschaft Fettläppchen, die am Coecum hängen, oder auch Theile 
vom Netz zu nehmen, um etwa noch vorhandene Wundflächen damit zu 
überdecken. In geeigneten Fällen kann man auch solche Netztheile noch 
über die Nähte selbst legen. Sind sehr grosse Wundflächen vorhanden, 
ist das Coecum schwer vorzuziehen, desgleichen auch das Ileum nur mit 
grossen Schwierigkeiten zu eventriren, so kann man ausgedehntere Netz- 
plastiken machen, um Wiederverwachsungen zu verhüten. Einen derartigen 
Fall führe ich hier an. 

Patient S., Wilhelm, 57 Jahre alt, operirt 29. Februar 1904, ge- 
heilt entlassen 20. April 1904. Vor drei Jahren erste Bhndil armen tzün- 
dang. Zweiter Anfall am 11. Februar, mit heftigen Symptomen ein- 
setzend. Temperatur 37,8, Leukocytose 10 000. Starker Meteorismus. 
Abwartende Therapie. Nach Abführen ist ein Tumor in der Ileocoecal- 
gegend fühlbar. 

Operation: Nach Eröflfhung des Peritoneums kommt eine tumor- 
artige Masse zum Vorschein. Es zeigt sich, dass dieselbe aus schwartigen 
Verwachsungen zwischen Ileum und Coecum, in denen der Wurmfortsatz 
enthalten ist, besteht. Eine Dünndarmschllnge zieht sich über den Tumor 
weg. Schwierige Ablösung. Zahlreiche Serosaablösungen, die übernäbt 
werden. Mit grosser Mühe wird der Tumor allmählich entwirrt. Dabei 
scliält sich der Wurmfortsatz als ein 6 cm langer bleistiftdicker Strang aus 
der Furche zwischen Ileum und Coecum heraus. Bei der Lösung mehr- 
fache Serosaablösungen des Dünndarms und Coecums auch eine Eröffnung 
des Lumens. Das Lumen wird durch Einstülpung wieder verschlossen» 
und über die ganze grosse Wundfläche das grosse Netz herübergezogen 
und mit 10 Catgutnähten fixirt. Die Bauchwunde wird etagenweise ganz 
geschlossen. Nach 10 Tagen Ausstossung von Netztheilen, die nekrotisch 
waren. 

5 Wochen nach der Operation tritt bei beinahe ganz gesshlossener 
Wunde mitten im völligen Wohlbefinden zweimaliges blutiges Erbrechen 
(Stauungsblutung des Magens in Folge von Netzembolie ?) auf. Patient 
wird am 26. April mit guter Narbe geheilt und völlig beschwerdefrei 
entlassen. 

4. Der Schluss der Peritoneal- und Bauchdecken wunde. 
Nach der Amputation des Wurmfortsatzes und Versorgung des Stumpfes 
ist die Operation beendet. Die zum Zurückhalten der Därme eingeführten 



230 



Jodoform etreifen werden eotferat, ein neuer Streifen auf das jetzt repo- 
nirte Coecum gelegt, der solange, bis die Peritonealnabt beinahe vollendet 
ist, liegen bleibt. Das Peritoneum wird vollständig mittelst Catgutnähten 
geschlossen, der Streifen entfernt, dann werden die Muakeln, endlich die 
Fascien gleichfalls mit Catgutnähten vollständig vereinigt. Die Haut 
selber achüeaae ich jetzt ausschliesslich mit den bekannten Klammern von 
Michel. Ueber die Wunde kommt ein Stückchen Gaze und ein leichter, 
durch eine Spica cosüe fixirter Verband. Man kann auch die Wunde 
mit einem FSaater bedecken, doch pöegen die Patienten den Verband dem 
Pflaster, in den ersten Tagen vorzuEiehen. Nach der Operation be- 
kommen die Patienten 24 Stunden hindurch nichts zu trinken, spülen 
sich den Mund fleissig aus, ohne zu schlucken. Quält der Durst sehr 
und hat man es mit Kindern zu thun , so kann man gegen den Durst 
auch Kochsalzinfusionen machen. An den nächsten Tagen bleibt die Et. 
nährung eine flüssige. Am 4. oder 5. Tage wird bei sonst reaclionaloE 
Verlauf ein Abführmittel (Ricinuaöl) gegeben, nni Tage darauf werdet 
Elaounern entfernt und ein Pflaster aufgelegt. Am 12 — 14. Tage 
läaat der Patient mit guter Narbe das Bett, nimmt ein Bad, steht 
und am 16 — 17. Tage kann er entlassen werden. 

Selbst in den Fällen, wo mau nicht ganz sicher seia kann, ob nicl 
noch nachträglich aus den Adhäsionen kleine Nachblutungen stattfinden, 
kann man trotzdem die Wunde ohne jedes Bedenken vollständig schliessen. 
Stärkere Nachblutungen werden weiter unten erwähnt. Solche Nach- 
blutungen sind in den Fällen zu erwarten, wo der Wurmtortsatz unter 
dem Coecum verwachsen mit dem parietalen Blatte auf dem Psoas ctder 
nach der Leber zu in der Tiefe gelegen war. Hier ist es manchmal 
unmöglich, in der oben angegebenen Weise die blutenden Flächen voll- 
ständig zu übernähen , da das Coecum und ein Theil des Colon aecen- 
deus nicht weit genug aus der Wunde gezogen und so gelagert werden 
können, dass die untere Fläche der Naht zugänglich wird, Sollte hei 
solchen Vorkommnissen die Blutung gegen Schluss der Operation sich 
stärker zeigen, so wird man allerdings tamponiren müssen. Ich ziehe hier 
eine kleine Schürzeotauiponade der einfachen Tamponade mit einem Jodo- 
formgazestreifen vor, weil erstens die Entfernung leichter ist und zweitens, 
wenn nach der Wegnahme am 5, oder (i. Tage sich doch eine stärkere 
Becretion zeigt, bei der Schürze immer noch die Möglichkeit besteht, 
wieder von frischem einen Streifen in die Tiefe einzuführen, was bei 
der Entfernung eines isoürt eingeführten Jodoformstreifens bekanntlich 
viel schwieriger ist. Man kann dann das zweite Mal, wenn die Schürze 
mit dem Streifen entfernt ist, in die noch klafiende Oefl'nung bequem ein 
Drainrohr einführen, was den Schluss der Heilung entschieden fön 



1 



— 231 — 

Ich will noch einmal ausdrücklich hervorheben, dass bei dieser par- 
tiellen Tamponade der übrige Theil der Bauchhöhle bis an den Tampon 
heran durch Vernähen des Peritoneums, der Muskeln und der Fascien, 
sowie eines Theiles der Haut vollständig geschlossen werden kann. 

Einige Beispiele mögen die verschiedenen Arten und Schwierigkeiten 

der Operation im freien Intervall erläutern. 

Fräulein E., ca. 18 Jahre alt, operirt am 16. Juni 1899 nach 
3 Anfällen. — Operation: Vor liegt Coecum. Es fliesst etwas seröse 
Flüssigkeit aus. An der lateralen Wand des Coecums entspringt der 
ausserordentlich lange, unter zahlreichen Verwachsungen ins kleine Becken 
ziehende und hier mit dem Ovarium fest verklebte Wurmfortsatz. Die 
Verwachsungen sind so stark, und die Tiefe, zu der der Wurmfortsatz 
hinabreicht, ist so bedeutend, dass seine Lösung subserös vorge- 
nommen wird. Er wird (Muscularis und Mucosa) dann am Coecum 
abgetragen, sein Ansatz, sowie sein ganzes Bett wird vernäht und die 
Bauchhöhle geschlossen. Heilung. 

Herr Bl., 28 Jahre alt, operirt am 15. Februar 1898 nach dem 
dritten Anfall. Nach Eröffnung des Peritoneums zeigen sich zahlreiche 
bandartige Verwachsungen des Bauchfelles mit dem darunter liegenden 
Coecum einerseits, sowie des Coecum mit dem dasselbe theilweise bedecken- 
den Netz und mit der Fascia iliaca andererseits. Die Verwachsungen des 
Netzes bedingen eine ganze Beihe von Schlitzen in demselben, welche aus 
dickeren und dünneren Netzpartien gebildet werden. Die Stränge werden 
abgebunden und durchtrennt, um zunächst das Coecum zugänglich zu 
machen. Es ist auf der Unterlage fest verwachsen, so dass es vorläufig 
nicht gelingt, es hervorzuziehen. Von unten quellen freie Darmschlingen 
in das Operationsgebiet, welche zurückgehalten werden, während die Ad- 
häsionen in der Tiefe unter sehr bedeutenden Schwierigkeiten allmählich 
gelöst werden. Besonders die Lösung eines strangartigen Convoluts von 
Verwachsungen, welches bis auf die Vena iliaca hinunterreicht, erfordert 
ungemein viel Zeit. Nachdem endlich diese Verwachsung gelöst ist, zeigt 
es sich, dass unter dem nunmehr hervorgezogenen Coecum eine haselnuss- 
grosse, mit Granulationen ausgekleidete Höhle, die alte Abscesshöhle liegt. 
Abwärts von dieser Höhle erstreckt sich der zu einem massiven Strang um- 
gewandelte periphere Theil des Wurmfortsatzes, während dicht am Coecum 
der noch nicht obliterirte Theil des Appendix abgerissen ist. Das Loch 
wird unter Einstülpen des Restes vom Wurmfortsatz in das Coecum mit 
Coecalwand übemäht und verschlossen. Darauf Reposition des Netzes 
und des Coecum. Tamponade. Verkleinerung der Muskelwunde und Haut 
durch Nähte. Heilung. 

Herr K. aus Lippstadt, ca. 40 Jahre, operirt am 11. April 1899 
nach mehreren Anfällen. Ausserordentlich fett- und blutreiche starke 
Bauchdecken. Eröffnung des Peritoneums an der Umschlagsfalte. Vor 
liegt Netz. Dasselbe ist lateral auf der Fascia iliaca mit einem dort be- 
findlichen, sich ak Colon ascendens erweisenden Darmtheil flächenhafk 
in ganzer Ausdehnung verwachsen und durch die Verwachsungen, die 
am unteren Theile des Colon ascendens und am Coecum sich befinden und 



— 232 



diese Darmtheile bis tief anf die Beckenachanfel liin abgezogen und dort 
tixirt haben, gleichfalls in die Tiefe gezogen. Unter theüweiaer Durch 
trennnng naeh doppelter Abbindnng des Netzes gelingt es, an das Coecum 
heranEukominen und dieses bis in die Tiefe zn verfolgen. Hier ist anter 
dem CoecuDi die Knppe eines derben Körpers zn fühlen, dieser wird als 
Wurmfortsatz angesprochen. Es ist nnmögüch, an denselben heranzukommen. 
DieVersuche, deuselbeo freizumachen, gehören zu den technisch acbwierlgsten 
Aufgaben, vor welche der Operateur gestellt wird. Daher wird znnäolist 
das vorgezogene Netz in ziemlich erheblicher Ausdehnung reseeirt und ein 

Zugang zu den tie- 




feren Partien im 
cken geschaffen. Dann 
wird von der Nähe des 
unteren Wundwinkels 



aus 



bis 



die 



reichender Quer- 
schnitt hinzugefBgt, 
und nunmehr kommen 
zum ersten Male wäh- 
rend der Operation 
Diinndarmschlingen 
ins Operationsgebiet. 
Es zeigt sieh bei ge- 
nauem Abtasten deri 
Tiefe des Beckens,*] 
da SB der Wnrmfortaati 
auf der Vene festge-' 
wachsen ist. Zugleich' 
ist er in seiner gan-' 
zen Ausdehnung flt- 
chenhaft mit der Wand 
des Coecum verwach- 
sen und in seinem Ver- 
laufe zurllck gebogen, 
so dasB sein peripherer 
Tbeil parallel zum 
centralen vcrläufl, seine Kuppe wieder auf der Coecalwand fest verwachsen 
ist (siehe Fig. 3^). Unter colossalen Schwierigkeiten erfolgt die LSsmig 
des Wurmfortsatzes ans seinen Adhäsionen so weit, dass das Coecum und er 
hinreichend vorgezogen werden kann. Das Mesenteriolum ist stark verdickt. 
Es wird abgebunden und durchlrennt. Darauf erfolgte die doppelte Um- J 
sehnürnnK des Wurmfortsatzes, das Abtragen desselben und Versenken desi 
Stumpfes in das Coecum. Coecaloaht. Hierauf ausgedehnte feste Schllrzeii-1 
Tamponade. Da« Präparat ist in oben beschriebener Weise gekrümmt 
nnd zeigt eine, namentlich im peripheren Theile, ausserordentlich stark 
gewnlstete, hypertrophische Schleimhaut, Die Wandungen sind verdickt 
und an der Knickungsstelle narbig verändert (alte Perforation?). GlattO 
Heilung. Kein Bauchbruch (April 1902J. 



I 

M 



— 233 — 

N., Franz, 20 Jahre, operirt 13. August 1904. Bei diesem Patien- 
ten war ein grosser Abscess per Reetum eröffnet und reiehlich dieker 
Eiter bereits entleert worden. 6 Wochen später wurde die Radicalope- 
ration gemacht. Bei der Eröffnung des Peritoneums liegt auf der rechten Seite, 
wo sonst das Coecum vorgefunden wird, das Colon transversum. Da es 
unmöglich ist, das Coecum von oben herunterzuziehen oder mit dem Finger 
zu erreichen, wird in Beckenhochlagernng noch der Medianschnitt hinzu* 
gefflgt, der Fiankenschnitt geschlossen. Auch jetzt zeigen sich tiberall 
Dünndarmschlingen, untereinander verwachsen, jedoch noch lösbar. Das 
Coecum liegt hoch unter dem Rippenbogen und etwas medianwärts ge- 
lagert und ist hier an der Leber fixirt, das Quercolon ist nach unten 
gesunken. Der Wurmfortsatz, an der Unterseite des Coecum nach oben 
zu liegend, ist verhältnissmässig frei. Er wird entfernt, übernäht. 
Heilung glatt. 

Darmresectionen bei Operationen im freien Intervall. 

Wir wir schon angedeutet haben, können in Folge Jahre lang be- 
stehender, durch schwere Anfälle unterbrochener Entzündung des Wurm- 
fortsatzes und der Umgebung derartige Veränderungen bei der Operation 
am Darm vorgefunden werden, dass eine Loslösung des Appendix und 
eine Amputation desselben wie oben geschildert nicht mehr angängig sind 
und man sich genöthigt sieht, ausgedehnte Operationen, Goecalplastiken 
und Resectionen zu machen. Die Regeln für diese Operationen weichen 
in keiner Weise von den Methoden ab, welche auch bei Darmstenosen 
und Darmverwachsungen überhaupt geübt werden. Es mögen hier einige 
von den vielen derartigen Operationen angeführt werden, aus denen man 
die Schwierigkeiten ersehen mag. 

Pr., Marie, 28 Jahre alt, operirt am 23. Januar 1899, in der 
vierten Woche nach dem ersten Anfall. — Operation: Nach Frei- 
legung der ümschlagsfalte präsentirt sich ein ausserordentlich derbes, 
festes Schwartengewebe, auf welches von der Fascia iliaca stumpf einge- 
gangen wird. Plötzlich hat man ein Darmlumen vor sich und bei genauer 
Betrachtung zeigt es sich, dass das Coecum gerade an dem Ursprünge des 
Wurmfortsatzes eröffnet ist. Nun sieht man, dass die gesammte Coecal- 
wand in die Verwachsung mit hineingezogen ist, so dass eine Ablösung 
der Schwarten von der Darmwand unmöglich ist. Unter Ver- 
folgung des vorliegenden centralen Wurmfortsatzabschnittes nach unten 
wird das Organ, in mächtige Schwarten eingebettet, nach abwärts ins 
kleine Becken ziehend, gesehen und freigemacht. Hier treten zum 
ersten Male freie, unverwachsene Dünndarmschlingen ins Gesichtsfeld. 
Nunmehr wird der Versuch gemacht, das etwa einmarkstückgrosse Loch 
im Coecum zu vernähen. Der Versuch scheitert, da sich der Blinddarm 
nicht vorziehen lässt und die angelegten Nähte das Darmlumen zu sehr 
verengern. Daher Resection des Coecum und 3 cm Colon ascendens. 
Naht der Colonöffnung. Einpflanzung des Ileums mittelst Murphyknopfes 





— 234 

auf die laterale Seite des Colons. Catgut- 
suturen verachlieseen den Mesenteri alechlits. 
Heilnng;, 

W., Äck erahn echt ans Grannaee, 
JaLre alt. Operitt am IS. April 1898, 
der fönften Woche des ersten Anfalls. 
der Operation zeigte aich der Darm in 
der Umgebung der den perforirlen Appen- 
dix enthaltenden Abscesshölile so brüchig, 
dass achon beim vorsichtigeu Abtasten der 
Höhle die verlötheten Darmschlingen an 
mehreren Stellen einriBsen und Löcher be- 
kamen. Ich sah mich daher genöthigt, zu- 
nächst ein grosses Stück Dünndarm zn re- 
seciren und die Enden mittelst Murphy- 
knopfes zu vereinigen. Bei derEntleernng 
eines hinler dem Wurmfortsatz gelegenen, 
nach Entfernung desselben erst Biohtharen 
Heceaeits de» Abscesses entstand noch eine 
zweite Oeftnnng in einer hier am inneren 
Leistenring befindlichen und fest verwach- 
senen DUnndarmscLlinge. Eine Reaection 
war au dieser Stelle unmöglich. Ea musste 
vielmehrmittelstTaraponadeder Austritt von 
Kotli in die freie Bauchhöhle dauernd ver- 
hindert werden. Durch die Art und Aus- 
giebigkeit der SchUrzentamponade ist die 
Gefahr der Infection vermieden worden. 
Heilung glatt. Der Knopf ging bereis in i 
der ersten Witclie ab. 

Flau Gutsbesitzer 0., aS Jahre alt, 
leidet seit längerer Zeit an kolikartigen 
Sclimerzeu im Leibe, die von dem Arzte j 
wegen einer deutlichen Resistenz in der \ 
Gegend des Coecoms auf chronische Perity- 
phlitis bezogen wurden. Ausser dieser Re- 
sistenz hatte aber nach Aussage des Arztei I 
die Dame auch einen deutlichen Tomoi j 
etwas nach rechts unter dem Nabel. Typi- | 
sehe Anfälle waren nie aufgetreten. 

Bei der Untersuchung der Patientin 
zeigte sich in der ganzen rechten Ileocoecsl- 
geifcnd eine feste, mannsfaustgrosBe, bis 
zur Leber hinreichende Resistenz, die aber 
vom Leberr&nde, sowie auch von der Darm- 
beinschaufel durch eine leicht tympaniti- 
sche Zone abgegrenzt war. Daselbst grosse 
Empfindlichkeit. Urinbesch werden bestanden 
nicht Temporatur und Puls waren normal, I 




— 235 — 

Operation. Schon die ersten Schnitte gelangten in ein mächtiges 
Schwartengewebe, welches sich an der ganzen Darmbeinschaufel entlang 
zog und trotz mehrfacher Spaltung eine eigentliche Höhle nicht erkennen 
liess. Mit vieler Mühe gelang es, das Coecum, in den Schwarten einge- 
bettet, zunächst zu erkennen .und den verdickten, kranken, perforirten 
Processas vermiformis aus den Schwarten allmählich zu lösen. Bei dem 
Versuche, ihn bis zu seinem Ursprünge zu verfolgen, riss derselbe aber 
ab. Alle weiteren Versuche, vorzudringen, scheiterten an den festen 
Massen, die jede Uebersicht unmöglich machten. Es musste daher noch 
ein Querschnitt nach der Mittellinie zu gemacht und das Peritoneum von 
vorne eröffnet werden, so dass man nunmehr von zwei Seiten arbeiten 
konnte, um das Coecum, das Colon ascendens, sowie das Ileum frei zu 
legen. Nachdem es gelungen war, das Coecum im Operationsfelde zu 
haben, sab man von der Seite desselben einen kleinfingerdicken Strang 
abgehen, der zunächst ftlr den Ursprung des Processus vermiformis an-r 
gesehen werden musste, der aber schliesslich immer länger und länger 
aus den Schwarten ohne Spur von Mesenterium entwickelt wurde, so dass 
man die Ueberzeugung gewann, dass es nicht der Processus vermiformis, 
sondern das Ileum sein musste. Beim weiteren Verfolgen und Loslösen 
dieses Darmabschnittes zeigte sich derselbe nirgends dicker, als der 
kleine Finger und konnte auf vorsichtige Weise aus den festen Schwarten 
ausgeschält werden und zwar bis zu einem aufgeblähten und freien Ab- 
schnitt des Ileums, welcher unmittelbar an diese Stelle des Darmes an- 
grenzte. Es blieb nun schliesslich nichts weiter übrig, da die Ernährung 
dieses Theiles unmöglich erschien, als eine ausgedehnte Resection zu 
machen, und zwar wurde ein grosser Abschnitt des Coecums, der dünne, 
ohne Mesenterium ausgeschälte Theil des Ileums und der hypertrophi- 
sche, sackartige, daran schliessende Theil des Ileums resecirt und mittels 
eines Murphyknopfes der gesund und normal aussehende Theil des Ileums 
in das Colon transversum implantirt, nachdem durch sorgfältige Etagen- 
nähte die Resectionswunde des Coecums übernäht und geschlossen wor- 
den war. Nach sorgfältiger Reinigung und Reposition des Darmes wurde 
durch Schürzentampon ade die Wundhöhle offen gelassen. Die beigege- 
bene Zeichnung (Fig. 35) giebt ein Bild der exstirpirten Abschnitte: In 
der Mitte das ausgeschälte Ileum, unten das Coecum, oben das sackartig 
ausgedehnte Ileum. 

Der Verlauf dieser eingreifenden Operation war günstig. Die Wund- 
höhle verkleinerte sich und die Heilung ging bis zum 17. Mai glatt vor 
sich, wurde dann aber unterbrochen durch eine doppelseitige Parotitis, 
welche mit hohem Fieber einherging. Letztere brach in den äusseren Ge- 
hörgang beiderseits durch und heilte dann mittels einer kleinen seitlichen 
Incision aus. Die Patientin konnte mit passender Bauch- Bandage am 
25. Juli entlassen werden. 

Dass eine derartige, mit festen Verwachsungen einhergehende, vom 
Appendix ausgehende chronische Entzündung Beschwerden verursachen 
musste, versteht sich von selber. Immerhin ist es wunderbar, dass ein 
circa 30 cm langes Stück Ileum, das zu Kleinfingerdicke durch Schwarten 
zusammengepresst war, nicht noch mehr und hochgradigere klinische Er- 
scheinungen hervorgerufen hat, zumal wenn man bedenkt^ dass schon weit 



geringfügigere AdiiäsioDen dea Wnrmfortaalzes und der Dürme daa Leben I 
oft unerträglich maclien können. 

Fräulein B. aua Weimar. September 1901 operirt. 

Patientin kam mit einer DarmBstel in meine Behandlung, die nacltj 
einer üweimaligen Operation wegen acuter Äppendicitis entstanden war. 
Angeblich flotlte die CoecalfiBlel bei der zweiten Operation durch Verletzuni^ 
dea Coecuma entstanden sein. Es blieb mir nichts anderes Itbrig, um die 
Fiatel zu heilen, als das Coecum zu reseciren, nach Loslösung eines 
Convolnfs von Dllnndarmschliugen, das ungemein veiwacltaen und verlötbet 
mit dem Ileum und dem Coecum war. Das lleuro wurde seitUcb in das 
Colon transversiim implantirt, das Colon ascendens verscblossen. Die 
erste Woche verlief oljue Störung, dann trat Erbrechen auf, das sich bis 
zum Ileus steigerte. Die Patientin kollablrle sehr sclinell und starb. 
Todesursache erwiea sicli bei der Section die Incarceration einer der voi 
Coecum losgelösten Dünndarm schlingen im kleinen Becken. 

3., Paul, Iß Jahre alt, operirt 17. Juni 1902. Der gefUhltt 
Tumor stellt aicli bei der Operation als eine derbe, g an seei grosse, 
mit dem Coecum fest zusammenliängeude Masse heraus. Die Mesen- 
terialdrUsen bis zur Hadis hin llber das Vierfache yergrössert. Da es 
auBgesclilossen ist, den Tumor vom Darm abzulösen, rauss die Resection aus- 
geführt werden. In den Schwarten eingebettet liegt auch der Samenatrang, 
der zum Theil abgelöst werden muas. Zugleich mit dem Tumor wird 
ein dreitingcrbrt'ites verwachsenea Netzatflck resecirt. Der Tumor selbst 
wird dreißu gerb reit unterhalb des Coecalanfangs und etwa handbreit nacli 
dem Colon agcendena hin resecirt. Excision eines keilförmigen Sttickes 
des Meaenleriuras mit den geschwollenen Drilaen. Das Colonende wird 
vernäht. Implantation des Ileum in das Colon transveraum mit Murpby- 
knopf. Scliürzentamponade und Naht. Auf die Stelle der Darmnaht wird 
Netz gelagert. Das Präparat enthSlt 20 cm langen Dllnndarm mit öde- 
matöa geschwollener Sclileimhaut. Das Coecum ist in eine derb schwielige 
Maeae verwandelt, im Innern abaceasartig ausgeholt. Quer durch die 
Höhle zieht der gnterhaitene, fest eingebettete Wurmfortsatz, der leicht 
geschwollen erscheint, Fest mit dem Tumor ist Netz verwachsen. 
Heilung. 

H., Gustav, 53 Jahre alt, operirt 9. März 1904. 17. Jnni 1901' 
schlug sich Patient mit einer Eiaenkurbel in die rechte Unterbauchseite, 
war danach 8 Tage krank. Seit 21. Februar 1901 Schmerzen in der 
Ileocoecalgegend. Rein Erbrechen, kein Fieber, Schmerzen nehmen am 
niicliaten Tage zu. Patient bemerkt eine stärkere Schwellung, 

Operation: Peritoneum schwartig verdickt, mit dem Ouecam fest 
verwachaen, doch gelingt ea, daaaelbe frei zu machen. An dem Ueber- 
gang vom Ileum zum Coecum ist eine etwa markstüokgrosse uicerirt« 
Stelle sichtbar, offenbar der Real einer früheren Absceaaböhle. Der Wurm- 
fortsatz liegt Sil versteckt, daaa er zunächst gar nicht zu finden ist. End- 
lich ist er als dünner Strang, in Schwarten eingebettet, in einer narbigen 
Brücke zwiaehen Coecum und Ileum sichtbar- Er wird aubserös aus dem 
Narbengewebe herausgelöst und amputirt. Die Ueberdeckung der ntoerOsen 
Dickdarm stelle aowie der mannigfachen Seroaaablösungen erfolgt duTcb 



I 



237 — 



eine ausgedehnte Coecalplastik^ indem von der Spitze des Coecums ans bis 
zum Ilenm hinunter in doppelter Nahtlinie eine Ueberdeckung durch das 
Coecum und das schwartig verdickte Peritoneum parietale erfolgt. Nach 
der üebernähung erscheint die ganze Partie völlig tiberdeckt. Glatte 
Heilung. Später völlig beschwerdefrei. 



III. Behandlung einiger Folgezustände nach Operationen 
der Appendicitis im acuten Anfall und freien Intervall. 

a) Blutungen. 

Stärkere Blutungen können bei Operationen im acuten Anfall, aber 
auch im freien Intervall sich ereignen. Die Tamponade stillt dieselben 
ausnahmslos. Bei septischen Patienten können dieselben manchmal sehr 
hochgradig sein. 

Bei Operationen im freien Intervall, wenn auch nur selten, sind 
Nachblutungen beobachtet worden. In einem Falle, wo eine unge- 
mein grosse flächenartige Verwachsung des Coecums und der Därme am 
Peritoneum parietale sich zeigte, entstanden aus diesen und den Adhä- 
sionen nachträglich stärkere Blutungen, die zu einem festen, abgreifbaren 
Tumor in der Ileocoecalgegend allmählich führten. Ein anderes Mal ver- 
eiterte das Extravasat und musste durch Schnitt entleert werden. In 
den übrigen Fällen wurde das Blut allmählich wieder resorbirt. Bei Ver- 
dacht auf Nachbluttungen thut man von vornherein gut, die Wunde 
nicht ganz zu schliessen, sondern an denjenigen Stellen, wo man die- 
selbe erwartet, die Tamponade auszuführen. — Bemerkens werth ist fol- 
gende Beobachtung, bei der die Nachblutung aus einer gleichzeitig 
noch vorhandenen alten Abscesshöhle den Exitus neben Peritonitis mit 
bedingte. Es handelte sich um eine Operation im freien Intervall bei 
einem 36 Jahre alten Patienten, operirt 22. Februar 1902. 

Eröffnung des Peritoneums. Coecum liegt vor. Der Wurmfortsatz, 
fest in Schwarten eingebettet, liegt ganz auf der Beckenschaufel. Es 
gelingt nicht, ihn aus den Adhäsionen zu lösen. Deshalb Verlängerung 
des Schnittes und Anlegung eines 5 cm langen T-Schnittes. Jetzt ist 
der Zugang leichter, und es findet sich neben dem Wurmfortsatz ein 
derber abgekapselter Abscess von Taubeneigrösse mit etwa einem halben 
Theelöffel alten eingedickten Eiters. Der Eiter wird sorgfältig ausge- 
tupft, und mit grösster Mühe gelingt es, den Wurmfortsatz zu lösen und 
zu exstirpiren. Sorgfaltige Üebernähung des Bettes und Stumpfes. Theil- 
weise Naht der Wunde, im übrigen Jodoformschürzen-Tamponade. 

Die ersten 3 Tage nach der Operation war das Befinden völlig be- 
friedigend. Puls gut, um SO, Temp. 37, Leuk. 10 000. Dann Anzeichen 
einer schnell sich ausbreitenden Peritonitis, der Pationt erlag. 



Sectionabefand. Nach Eröffnung der BaucUiölile quellen stark 
geblähte DarmschlingeB hervor, die mit einer blatigen achicht überzogen 
aind. Netz zuBamiiieD gerollt und schiefrig verfärbt- DlInndarmBchlingen, 
eng contrahirt, liegen im kleinen Becken und sind verklebt durch 
schwarz und gelbrothe geronnene BlntmaaBen. Ausserdem rm kleinen 
Becken noch ca. 150 ccm dunkles, flilaaigea Blut. Die eontrahirten 
Dflnndarrasehlingen im kleinen Becken blauroth verfiirbt, betragen eine 
Strecke von ca. 1,5 m. Die aufgeblähten Dünndarm schlingen lebhaft 
injicirt. Das Peritonenm trocken, stellenweise mit Bpärliclien, dunkel- 
braunen Häutchen überzogen, auaserdem, besonders am Dickdarm, aalil- 
reiche Blutflecke ; Colon deseendena atark ausgedehnt, der llbrige Dick- 
darm contrahirt. Coecum und unterste Dilnndarmaclilinge mit der aeit- 
lichen Baucliwand verklebt. 

b. Adhibtionsiicus in Folge von PcHtyiih litis '). 

Die postoperative Atonie der Därme ist etwas Alltägliches uad pflegt 
sich gewöhnlich in 2 mal 24 Stunden au e zugleichen. Sie kann aber 
Buoii die Zustände vorbereiten, die zum Ileus führen. 

Der Adhäaionsileua in Folge einer acuten Perityphlitis ist im Ganzen 
ein seltenes Ereigniss, Unter circa 1000 Fällen von Appendicitia der 
letzten 3 Jahre haben wir 6 reine Fälle von Adhäsionaileua beobachtet. 
Seine frühzeitige Diagnose ist um so wichtiger, als nur durch ein zielte- 
wuaal«s chirurgisches Handeln ein letaler Ausgang verhütet werden kann. 

In unseren Fällen war dem Auftreten des Ileu.s stets vor verachieden 
langer Zeit eine eitrige Perityphlitia schwerer Natur vorausgegangen. Meist 
hatte es sich um difRise Eiterungen gehandelt. — In 5 Fällen war die 
Perityphlitia operativ behandelt worden, in einem Fall hatte sich der peri- 
typhliüsche Absceas spontan bei expeclativer Therapie nahezu völlig re- 
Borhirt. 

In der Regel handelt es sich um isolirte Abknickungen von Darm- 
fichlingen durch Stränge oder auch breite Verklebungen. Die Verwachs- 
ungen, die den Verschluss hervorbringen, können entweder im Becken 
localiairt sein oder auch die Oberhauch gegen den betrefTeii, 

Die Symptome des Adhäaionaileus bestehen in Erbrechen, Darm- 
koliken, häufig verbunden mit sichtbarer Darmsteifung. Wegen der vor- 
wiegenden Betheiligung des Dünndarmes ist ein diffuser Meteorismus nur 
selten beobachtet. Aua demselben Grunde ist auch die Leberdämpfung 
in den allermeisten Fällen vorhanden. Stuhlgang und Winde gehen nicht 
ab. Die Temperatur wnr in allen unseren Fällen dauernd bis zu den 
letzten Tagen eine normale. Der Puls, anfangs normal, steigt allmählich 

1) DuB Nähere hei Federmann: Deber Ileua nach Perltyiihlitia. FcBlaclirift für 
Ortb. Berlin, Hireehwald Jlt03. — Verhandlungen der Deiitselion GesellsobAft 
Chinirgie. TIi. I S. 315. Berlin 1004, 



M.^— 



— 239 — 

bis auf 140 Schläge, wird klein und unregelmässig. Die Leukocytenzahl 
ist bei reinen Fällen und im Beginn normal, nur bei weiterer Bethei- 
ligung des Peritoneums fängt sie an zu steigen. 

Die Behandlung des Adhäsionsileus kann nur eine chirurgische sein. 
Von den 6 Fällen sind 4 geheilt, 2 gestorben. Die Prognose der 
Operation ist keine schlechte, umso günstiger, je früher operirt wird. 
Man kann im Wesentlichen nach zwei verschiedenen Methoden operiren 
entweder einzeitig mit völligem Verschluss der Bauchhöhle oder zwei- 
zeitig mit Anlegung einer Dünndarmfistel. Die Operation der Wahl ist 
die einzeitige: Medianschnitt bis mindestens zum Nabel. Es empfiehlt 
sich durchaus, die Operation in Beckenhochlagerung auszuführen, da ja 
die Mehrzahl der Verwachsungen sich im Becken befindet. Man muss 
sich überzeugen, dass alle Verwachsungen gelöst sind. Dazu ist es nöthig, 
einen grösseren Theil der Darmschlingen auszupacken. Das Zurück- 
bringen derselben geschieht am schnellsten und schonendsten unter per- 
manenter Eochsalzspülung. Die zurückbleibende Flüssigkeit dient gleich- 
zeitig als Nährmittel und Stimulans. Die Adhäsionen werden stumpf 
oder auch nach vorhergehender Unterbindung mit der Scheere gelöst, die 
entstandenen Serosadefecte quer zur Darmachse vernäht Die Bauchhöhle 
wird mit durchgreifenden Nähten geschlossen. 4 — 6 Stunden nach der 
Operation erhält der Patient Ricinusöl. 

Wir operiren in allen den Fällen zweizeitig, in denen entweder wegen 
des schlechten Allgemeinbefindens oder wegen der ausgedehnten Ver- 
wachsungen es als ausgeschlossen erscheint, diese letzteren sämmtlich in 
günstiger Weise zu lösen. Das gleiche gilt für die Fälle, wo neben dem 
mechanischen Hinderniss noch eitrige Herde in der Bauchhöhle sich vor- 
finden. In allen diesen Fällen begnügen wir uns heute mit der An- 
legung einer Dünndarmfistel, nachdem wir uns von der vorläufigen Un- 
ausführbarkeit der Radicaloperation überzeugt haben. Nach 1 — 2 Monaten 
kann man dann eventuell die Radicaloperation ausführen. Vorher macht 
man den Versuch, die Kothfistel durch Naht zu schliessen, wenn dieselbe 
nicht sowieso spontan Neigung hat, auszuheilen. 

Aber nicht allein nach den eitrigen Perityphlitiden, sondern auch 
nach Operationen im freien Intervall kann es zum Ileus 
postoperativus kommen. In vielen derartigen Fällen handelt es sich 
gleichfalls um eine Form von Adhaesionsileus. Das sind meistens Fälle,* 
wo ausgedehnte Verwachsungen bei der Operation bereits vorgefunden 
wurden. Besonders scheinen die hoch am Dickdarm sich erstreckenden 
Adhäsionen, nach der Leber zu, leichter als andere Fälle zum Ileus nach 
der Operation zu führen. Der Ileus postoperativus geht häufig mit 
Coecumblähungen einher. Einen derartigen Fall beobachtete hie 



bei einem Patienten, dem ein kranker, Eothstein enthaltender Äppi 
dix entfeint wurde. Ausgedehnte Verwachsungen, besonders am Col<mi 
aacendens, zeichneten diesen Fall aua. Während der ersten Tage nach 
der Operation ging ea dem Patienten sehr gut. Dann trat Erbrechen auf, 
das aber keine grossen Beschwerden machte, Ss wurden immer nur 
kleine Mengen ausgebrochen. Ganz langsam entwickelte sich ein Mete- 
orismus. Der Puls wurde schneller, die Temperatur blieb normal. Keine 
Leukocyten Vermehrung. Ein Hinderniss vermuthend und den Zustand 
nicht als einfache Atonie deutend, machte ich nochmals die Laparotomie 
in der Mittellinie. Kaum hatte ich den Bauchschuitt vorgenommen, so 
drang aus der Leibeshöhle das zu einem grossen Ballon mit ganz dünner 
Wandung aufgeblähte Coeoum hervor, so aufgebläht, dasa es Wunder 
nahm, dass die Wandung nicht gleich platzte. Die anderen Darm- 
schlingen waren verliältuissraässig flach, nur das Colon aecendens noch 
einigermassen mit Gas gefüllt. Keine Anzeichen von Peritonitis. Durchs 
die Blähung war das Coecum so um seine Achse gedreht, dass die Drs>-: 
hung 180 Grad betrug. Die Naht am Appendix stumpf war deutlich sicht- 
bar und hatte noch gehalten. Ich war gar nicht in der Lage, trotz 
wiederholter Drehungen des Darines, das Gas aus dem Coecum weiter zu 
befördern, und so musste ich dasselbe eröffnen. Die Gase entleerten sieb, 
ohne dfläs Koth zu gleicher Zelt austrat. Das Coecum wurde eingenäht. 
Trotzdem blieb aber die völlige Atonie bestehen. Der Patient ging au 
Erschöpfung zu Grunde. 

Man wird nur selten in solchen Fällen von Dehnungen des CoecumAJ 
(Coecum blähung,!, die schliesalich zu Gangrän führen können, mit deU 
Coecostomie etwas erreichen können. Die einzige Methode, die die Ge- 
fahren vielleicht beseitigen dürfte, ist die Verbindung des Ileum mit dem 
Rectum, die Ileorectostomie. Die Gasanhäufungen im Coecum haben 
ihren Grund in dem Umstände, dass von dem ganzen Dickdarm du 
Coecum die schwächsten Wandungen hat. Ausserdem hat das Coecum 
auch den grössten Darminfaalt, dessen Zersetzung ganz besonders zu Gna- 
bitdungen Veranlassung giebt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass durch 
starke Anfülluug und durch plötzliche Peristaltik, die bei dem erwähnten 
Patienten nach der Operation, angeblich nach einem Schluck kalten 
Weines, verursacht worden war, in dem laugen Dickdarmrohr Kuickungeüi 
entstehen, und zwar an der Flesur, und dass diese dann zu d 
postoperativ US und der Coecumijläbung Veranlassung geben. 

Ich führe hier noch einen Fall an, in welchem der Ileus oäenbt 
nur durch eine Darmatonie verursacht worden war. 

Bin 22jä]iriges Mädchen war wegen Appendicitis gangraenosa operil 
worden. Es wurde bei der Operation ein apfelsinengroBser AbMH 



I 




I 



I 



241 ^^^^^M 

leert, der Wurmfortsatz reaecirt, die freie Bauchhöble auscheinend nicht 
eröffnet. Der Verlauf war aiif&ngB vortrefflicli , bia am üwölften Ta^e 
Dach der Operation unter hohem Fieber ein typiacliea Gesichtaerysipel 
zur Änsbildnog kam. Zugleich atelltea sich IleuseracheinuDgen eio. Daa 
Erysipel heilte allmählich ab, die IleiiserscheiDungen nahmen zu. Eingiess- 
üngen in den Maatdarui und Abführmittel per oa erzielten Iteinen Stuhl- 
gang. Winde gingen nicht ab. Starker Meteoriemua. Am achtzehnten 
Tage wurde zum Zwecke der Eröffnung des Darms mit dem Faquelin aui ein 
Inder Ileooocealwunde sich verwolb ende a, ala geblähte Darmachlinge imponi- 
rendes Gebilde eingegangen. Es kam aber mir NetK zum Voracheiu. Die 
Ileusera eh einungen nahmen einen aehr bedrohlichen Charakter an. Kleiner 
^eqnenter Pnla. Daher am zweiundzwanzigslcn Tage post operationem 
Narkose znr eventuellen Laparotomie, Bei den in Narkose von mir aua- 
gefuhiteu, abaichttich recht energischen Manipulationen, da ich mich dem 
Eindrucke einer einfachen Darmlähmung, welche Poritonitia vortäuachte^ 
nicht ganz entziehen konnte, erfolgte auf dem Operationstisch Abgang 
von Winden und Stuhl. Die Patientin wurde sofort wieder ins Bett ge- 
bracht. Oleich darauf reichliche Entleerung und auffallende BesaerUng 
(lea Befindens. Heilung. Ob durch die Untersuchung, die wohl als 
Massage gewirkt haben mag, Adhäsionen gelöst oder die gelähmte Peri- 
staltik der Därme angeregt worden ist, laaae ich dahingeBtellt. 

Im Anschlues daran möchte ich noch die Fälle acuter Magen- 
blähungen erwähnen, die, wenn auch selten, nach Appendicitiaope- 
rationen zu schweren Complicaüonen zu führen im Stande sind. Früh- 
zeitige Ausspülungen des Magens sowie Veraucbe, die Peristaltik in jeder 
Weise zu heben und zu fördern, werden in solchen Fällen mit Erfolg 
angewendet werden können. Doch giebt es leider auch Fälle, die jeder 
Thuapie trotzen. 

e. Tlu'uniboseu und Embolien. 

I Um Thrombeiibilduugen und im GJefolge derselben Embolien nach 

Operationen der Appendicitia, besonders auch im freien Intervall zu ver- 
hindern, müssen wir bei der Operation Gefäsa Verletzungen thunlichst ver- 
meiden und recht vorsichtig den Appendix aus seinen Verwachsungen 
ausschälen. Der lufarkt als solcher heilt spontan schnell aus, wemn 
nicht zufällig Schädlichkeiten, z. B. eine mit Infektionskeimen ge- 
schwängerte Lufi, wodurch die Lunge inficirt werden könnte, vorhanden 
sind. Auch das mit den Infarkten auftretende pleuriljsche Exsudat geht 
meistens schnell zurück. Bei schon bestehender Thrombose ist Digitalis- 
gebraucb gefährlich, weil die Beschleunigung des Elutstromes in den Venen 
I leicht zu Losareisungen von Thromben führt. 

I Sobald Verdacht auf Embolie vorhanden ist, muss der Patient so- 

I fort ohne Rücksicht auf die Bauchwunde, mit dem Oberkörper höher gelar 
I gert und aufgerichtet werden. Die Dyspnoe bekämpft man am besten 
i durch massige Dosen Morphium, Letzteres Mittel bekämpft auch vor- 

L SonnenbuTg, PerityphUtiB, ö, ADflage. V'' 



— 242 — 



£üglich die Pleura^chinerzen. Da raaclie und ergiebige MuskelanslTeii- 
gung für den Tbrombenbesitzer gefährlich sind, so muas der Patient ] 
möglichst ruhig gehalten werden, um nicht eine Wiederholung 
Embolien zu erleben, Troti aller Vorsieh tsniassregeln kann es aber 
doch dazu kommen, dass nach einigen Tagen wiederum die Symptome I 
einer frischen Embolie auftreten. Zur Ausheilung der Infarkte muaa der 
Patient einige Wochen hindurch das Bett hüten. Man kann in der 
Beziehung nicht vorgichtig genug sein. Fraglich ist es, ob die von 
einigen Seiten empfohlene Venesectio bei Embolien von Nutzen sein 
kann oder nicht. Man wird zwar nicht leugnen können, dasa Blut- 
stockungen in den Venen dadurch verhindert und somit das Fort- 
bewegen der Blutmaesen durch das verengte Lumen der Pulmonalgefässe 
erleichtert werden kann. Ich habe aber von den Blutentziehungen bisher . 
keinen Gebrauch gemacht. Die Behandlung von Thrombosen der Estre- ] 
mitäten ist durch Hochlagerung und Ein Wickelungen iii gewohnter Weise J 
zu machen. 

Schleppt der Embolus eitrige Massen mit sieb, so entstehen i 
Lunge aecundäre Absceaae und eitrige Rippenfellentzündungen, die nach 1 
bekannten Regeln zu behandeln sind, 

il| Fisteln liei Perityphlitis und deren Operation.') 
Fisteln können im Verlauf einer Appendicitis ohne operativen Ein- 
griff und nach einer Operation entstehen. Ohne operativen Eingriff ent- 
stehen Fisteln in Folge Durchbruch des Abacessea durch die Haut 
oder in den Darm, inabesondere in den Mastdarm, in die Scheide, in die 
Blase. Beim Durchhruch durch die Haut können auch mehrere Fisteln 
siehartig dieselbe durchlöchern. Häußger ist die Perforation des peri- 
(fphlitischen Abscesses in den Darm. Thatsächticb iet aber die Gefahr 
einer dauernden Communication einer Eiterhöhle mit dem Darm eine 
geringe. Ein Fall kam zur Beobachtung, wo bei einem 14jährigen Mäd- 
chen ein Abscess sich zur Scheide entleert hatte und eine Fistel zurück- 
geblieben war. Durch die Operation wurde als Ursache der Fistel fest- 
gestellt, dasa der Wurmfortsatz am Orte der Fistel mit der Scheidewand 
verlötet war und so die Fistel unterhalten hatte. Patientin wurde durch 
die Beaection des Wurmfortsatzes geheilt. Ebenso selten ist ein Durch- 
hruch nach der Blase und eine Fistelbildung daselbst. Wir haben bereits J 
einen derartigen Fall früher ausführlich erwähnt, der schliesslich durch] 
eine Enterostomle geheilt wurde. (S. 1 60.) 

Ungleich häufiger als die Spontanfistel bei der Appendicitia ist die 
Fistel, welche nach operativen Eingriffen entsteht, In der ersten dea] 

;i V«rgl. Mübum, Oremgelriete, Bd. 11, 1903. 



L 



Zeilrnum bis 1899 umfassenden Periode sind bei 441 Kranken 75 
Fisteln, darunter 3 Spontan fisteln beobachtet worden. In einer zweiten 
Periode, welche bis 1. Januur 1903 reicht, aind bei 815 Fällen nur 54 
mal nitcb im Krankenhause Moabit ausgeführten Operationen Fisteln ent- 
standen. Fast sämmtliche Kranke hatten eitrige Formen der Blinddarm- 
entzOndung gehabt. Dies bedeutet ein Verhäitniss von 6,6 Procent gegenüber 
16,13 Procent der früheren Zeit. Au8zu3chali«n bei den Fialalb ildungen 
sind von vornherein diejenigen Fälle, i>ei denen es aich um Fisteln in 
Folge Abatoaaung einer Ligatur oder um aolche nach Auftreten einer ober- 
flächlichen Stichcanal- oder Nahteiterung handelt. Da» sind Complicatio- 
nen, wie sie nach jeder Operation auftreten können. 

Die übrigen Fälle von Piatelbildungen können eingetheilt werden in 
gewöhnliche Fiatein, bei denen nur Eiter oder seröse Flüaaigkeit aieh ent- 
leert und Kothfisl«ln , durch welche Darminhalt nach aussen tritt. 
Zwischen beiden Formen stehen diejenigen Fist«ln , bei denen zwar kein 
Koth, aber Darmsehleim aus der Fistel kommt. Da die Unterscheidung 
nicht kothiger Abgänge nicht durchführbar ist, rechnet man diese Fiflteln 
am besten auch zu den gewöhnlichen. 

Bei der Operation einer eitrigen Äppendicitis können Fisteln dadurch 
entstehen, dasH der Wurmfortsatz zurückbleibt und mit eröffnetem Lumen 
in die Abeesshöhle hineinragt, sodass später eine Communication der 
Haut mit dem Darminnern durch die ursprüngliche Perforationsöffnung 
des Wurnifortaatzes entsteht. Diese Fisteln brechen abwechselnd auf 
und schliessen sich wieder, besonders in Fällen, wo centralwärta von 
der Perforalion der Wurmfortsatz obliterirt ist. Der Wurmfortaatzstumpf 
kann aber gleichfalls zur Fiatelbildung führen, wenn es nicht möglich 
ist, ihn durch die Naht genügend einzubetten. Das trifil beson- 
ders bei stark entzündeter und starrer Coecalwand zu. Bindet man den 
Wurmfortaatz mit einem Faden einfach ab, so kann sich entweder an 
dem Faden entlang eine Fistel bilden, welche mit Abslossen des Fadens 
heilt; oder es bildet sich an der Abschnürungastfllle kein völliger Verschluss 
des Darmlumens. Es bleibt ein Loch bestehen, welches um ao hartnä- 
ckiger ist, wenn Schleimhaut aus ihm hervorragt und mit der Umgebung 
des Darmes verwächat. Es geht daraus hervor, dasa es für die Vermei- 
dung von Fisteln von gröaater Wichtigkeit ist, dass der Wurmfortsatz 
vollständig entfernt wird. Dieae Fisteln heilen auch nur aus, wenn durch 
eine Secundäroperation der Wurmfortsatz deßnilJv eliminirt wird. 

Weit«r können Fisteln auch bei mangelhaftem Ausfliiss aus retro- 
peritonealen und aecundären Absceasen auftreten. Endlich entstehen 
Fisteln dadurch, dasa bei schwierigen Operationen {im Anfall oder nach 
demselben] die Serosa vom Darm leidet, die Darmwand necrotisch wird 




^^^^^^^^r — 244 — 

und nun die Oeffnung zur Fistel bildung führt. Ich hatte «neu 
Knaben in Behandlung, der auswärts (Russlaiid) operlrt worden war. 
und der in Folge von Seros an blösuu gen fünf Dünndarm fisteln in der 
rechten Bauchseite hat, deren Bepeitigung auf die allergrössten Schwierig- 
keiten »tiesa, Ueberall da, wo eine Communication mit dem Darminnern 
vorhanden ist, haben wir die eigentlichen Kothflstatn, während die übrigen 
nur Eiter absondern. Dann giebt es aber «ucb Fisteln, welche im An- 
fange Koth, später hingegen nur noch Eiter absondern. Die Spontan- 
heilung der Fisteln erfolgt bei den Eiter absondernden selbstverständlich 
sehr viel leichter als hei den übrigen. 

Eine besondere Gruppe bilden die Darmfisteln, welche durch primäre 
Schädigung der Darmwand, durch Tuberculose oder Actinomyoose ent- 
stehen. Actinomycotiache EntHtebung haben wir nicht beobachtet, da- 
gegen viele Fälle tuljerculöser. Der Verlauf derselben war bei fast allen 
ein schwerer. Bei einem Kranlcen bildete sich eine gewöhnliche Fistel 
aus, welche sich atlniählich achloss. Hier war wohl die Tuberculose 
auf den Wurmfortsatz (»eschränkt gewesen, im Gegensatz zu den übrigen 
Beobachtungen, bei denen sie nur eine Theileracheinung der mehr oder 
minder ausgebildeten Darm tuberculose darstellte. Sämmtliche Fälle ver- 
liefen letal. Bei diesen Formen von Tuberculose kann es erst Wochen 
nach der OperatJoo zu der KothfiBte! kommen , welche schliesslich das 
Schicksal des Kranken besiegelt. 

Die Zeit des Auftretens einer Fistel kann ebenso verschieden sein, 
wie die Menge des aus ihr austretenden Eothes wechselt. Eothüsteln 
melden sich meist schon frühzeitig und werden bald nach der Operation 
als solche diagnosticirt. Eines der ersten Zeichen der Entstehung einer 
derartigen Fistel war in einem Falle das Vorhandensein von Bandwurm- 
gliedern in dem Verbände. Die gewöhnlichen Fisteln dagegen werden 
erat im weiteren Verlauf der Reconvaleszenz und Wundheilung als solche 
erkannt. 

Von der sofortigen Naht einer Kothfistel raten wir auf Grund viel- 
facher Beobachtungen ab. Die Darmwand ist um die OeSnung herum 
meist morsch, die Naht versagt gewöhnlich. Andererseits hat die Erfahrung 
gelehrt, dass es bei ausgedehnten Kothfisteln zu Spontanheilungen kommen 
kann. Durch häufigen Verbandwechsel ist der Koth aus der Wunde zu 
entfernen. Durch Einreibung der Haut mit Faste ist dieselbe vor dem 
Wundwerden zu schützen. Die Grannlationsbildung wird gefördert dateh 
Aetzung mit dem Höllensteinstift, durch Verbände mit Kamphersalbe und 
durch feuchte Verbände. Ist die Secrclion so stark, dass es nicht gelingt) 
den Kranken auch nur für Stunden trocken zu halten, so ist das pro- 
irahirte oder permanente Bad angezeigt Diese Bäder wirken oft Wund«, 



I 

I 

I 



— 245 — 

und Kranke, welche sich in Folge der fortwährenden Beschmutzung ihrer 
Haut unglücklich gefühlt haben, gewinnen neuen Lebensmutb, wenn sie 
sehen, dass unter dem Einfluss des permanenten Bades die Wunde zu 
imm^ raschem' Verkleinerung schreitet, wenn immer weniger Koth aus 
derselben austritt und die Heilung angebahnt wird. Wir haben mit einer 
secundären Operation gewöhnlich lange gewartet^ wenn nicht der Kräfte- 
verfall uns frühzeitig zum Eingr^fen aufforderte. Wir haben die Kranken 
bisweilen erst für einige Zeit aus dem Krankenhause entlassen, damit sie 
sich recht erholen konnten. Die Art des fUngrifies hängt wesentlich da- 
von ab, ob d^ Wurmfortsatz entfernt ist oder nicht. In den Fällen, i n 
denen er nicht entfernt wurde, hat die Operation auf jeden Fall in der 
Appendektomie zu bestehen und wird hier Hdlung bringen. Ist der Wurm- 
fortsatz nicht mehr vorhanden, so besteht die Operation in dem Aufsu- 
chen und Vernähen des Darmloches. Die Fisteloperation nach Appendicitis 
kann zu den schwersten und eingreifendsten in der Bauchhöhle gehören, 
namentlich wenn viele Verwachsungen um den Wurmfortsatz resp. um 
die Fistel vorli^en. Gerade bei den Fisteloperationen hat man sich 
besonders vor neuen Serosaablösungen zu hüten. Bei grösseren Löchern 
in Coecum, besonders wenn die Kranken Grefahr laufen durch Erschö- 
pfung und Unterernährung zu Grunde zu gehen, sind auch grössere Ein- 
griffe gerechtfertigt. Blosse Uebernähung wird hier namentlich, wenn es 
sich um mehrfache Fisteln handelt, nicht hinreichen. Hier tritt die totale 
oder partielle Darmausscheidung, Darmresection und Enteroanastomose in 
ihre Rechte. (Vergl. S. 233.) 

Bei der Operation der Fisteln ist wie bei jeder Uebernähung von 
Darmlöchem auf möglichste Mobilisirung der zu vernähenden Theile 
Obacht zu geben. Man gehe immer oberhalb der Narbe und der Fistel ein. 

Je vollständiger und exacter der Wurmfortsatz bei den Operationen 
im Anfall entfernt und der Rumpf versorgt werden kann, um so eher 
wird das Entstehen von Fisteln vermieden. Bei in Folge von Ver- 
wachsungen schwierigen Appendectomien im freien Intervall hüte man 
sich vor Schädigung der Darm wand verwachsener Schlingen. 

e) Typhlitis. 
In Fällen, in denen umfangreiche und tiefe Verwachsungen des Cö- 
cums in Folge alter perityphlitischer Processe bei der Appendectomie vorge- 
funden werden, kann es trotz der von mir angegebenen Methode der 
Versorgung und Uebernähung der Wundflächen doch dazu kommen, 
dass in den ersten Zeiten nach der Operation die Beweglichkeit des Cö- 
cum und eines Theiles des Ileum noch mangelhaft bleibt und der Durchtritt 
besonders von Gasen an dieser Stelle sich noch bemerkbar macht. Dadurch 




- 246 

können Erscheinungen auftreten, welche mit einer neuen Entzündung | 
Aehnlichkeit haben. Hier handelt es sich ofienbar aber nur um eineent- 
zündliche Schnierzhaftigkeit des Göcum, um einft Art von Typhlitis, be- 
sonders da, wo die Druckern phudlichkeit eine weit nach oben ausgebreitete 
ist. Dr. Leopold Fi sc hl in Prag') hat bei fünf von mir operirten Patenten 
derartige Erscheinungen constatirt, die klinisch ohne Tempera turateigerun- 
gen verliefen, dagegen mit Schmerzen in der Ileocöcalgegend, Verstopfung, 
abwecfasehid mit Durchfall, Appetitlosigkeit einbergingen. Nach kürzerem 
oder längerem Verlauf verschwanden die Symptome bei schonender Diät 
und Gebrauch von Kiaamger Wässern wieder vollständig und kehrten 
nicht wieder. Ich bringe dieselben in Zusammenhang mit der mangel- 
haften Peristaltik infolge noch vorhandener Verwachsungen und nehme 
nicht an , daas sie durch nachträgliche Infection der Narben verursacht 
sind, denn in allen übrigen Fällen, in denen hochgradige Verwachsungen 
nicht vorhanden waren, traten derartige Erscheinungen nie auf. Ausser- i 
dem wurden solche Zustände zu einer Zeit beobachtet, wo bereits gana j 
feste Vernarbuugeu am Cöcum vorhanden sein i 



Buu(-librUi>h6 nach Oiierutloiu'ii. 

Das Entstehen von Bauehbrüchen in den Narben nach Äppendieitis- , 
Operationen ereignet sich eher, wenn im Anfall operirt und keine Naht | 
der Bauchdecken wunde erfolgt ist. Unzweifelhaft ist die dabei noth- 
wendige Tamponade der Wunde in solchen Fällen Schuld an dem Ent- 
stehen der Bauchbrücbe. Operirt man im freien Intervall und vernäht 
sorgfältig die Bauch decken wunde, so bildet sich eine widerstands- 
fähige glatte Narbe, welche Bauchbrüche nicht entstehen lässt. Zur Ver- 
meidung der Bauchbrüche hat sich auch die in der Technik der Inter- 
valloperationen angegebene Verschiebung der Haut äusserst gut bewährt. 

Nicht in jedem Fall ausgiebiger Taiiiponade der Bauchhöhle nach ^ 
Appendicitisoperationen entstehen Bauchbrüche. Es hängt dies davon t 
wie gross der primäre Scbnilt gemacht werden tnussie und ob nachher ei 
Verklemerung desselben durch Naht möglich war oder nicht, endlich wie j 
lange Zeit die Bauchhöhle durch die Tamponade offen gelassen werden i 
inusste. Die eigentlichen Bauchbrüche entstehen dadurch, dass das Perito- ] 
neuni während der Dauer der TamiKiuade allmählig mit den Muskeln I 
und mit der Fascie, schliesslich sogar mit der Haut verwächst, aodaa» J 
unmittelbar unter der Narbe der Inhalt der Bauchhöhle sich befindet \ 
und der directe Anprall der Eingeweide an dieser Seite den Bauchbruch ' 
erzeugt. 



I Finger MediciniBche W'ooliei 



29. Nr, 7, 1U04. 



Fig, 36.'! 



Eine Secundämiiht wird nur dflou w&hreud der Heilung Erfolg' 
haben können, wenn dieselbe noch angelegt werden kann, bevor das 
Peritoneum mit den Wundrän dem verwachsen ist. Igt es möglich, dieselbe an- 
zui^en, wenn mau Fnscien und Muskeln über dem Peritoneum vereinigen 
kann, so wird man Erfolg haben können. — In den Fällen, in deuen sieb 
im Laufe der Monate oder Jahre nach der Ope- 
ration der acuten Appendicitis ein Bauchbruch 
einstellt, ist die Operation desselben angezeigt- 
Es ist dies eine einfache meist lohnende Ope- 
ration und hat, wie vielfache Erfahrung 
mich gelehrt hat, dauernden Erfolg. Die 
Operation bestebt darin, ilass man den eich 
vorstülpenden Heruiensack öffnet und sich 
zunächst über die Verhältnisse dea Perito- 
neums und der Därme in dem Sack orien- 
tiert. Meistens wird man auch die Därme 
mehr oder weniger mit der Narbe oder dem 
Peritoneum verwachsen vorBnden, sodas? 
erst die Lösung derselben gemacht werden 
muss. Dann präparirt man, nachdem der Darm 
durch Compreesen zurückgehalten wird, den 
eigentlichen Bruchsack, das heisst den Feri- 
tonealsack, möglichst frei, entfernt darauf 
den Haittsack und sucht nun in der Haut- 
uiid Muskelwunde nach den Restiin der Fa- 
scie. Dann vernäht man, nachdem die Fa- 
scie frei präpariert igt, zunächst das frei ge- 
wordene Peritoneum und darüber die Mus- 
kelreste, wenn solche vorhanden endlich die 
Faacie und die Haut. Es heilen diese secun- 
där operirten Bauchbrüche per priniam und 
geben eine gute und widerstandsfähige Narbe, 
erklärlich aus dem Umstände, dass hier die 

Etagennaht Verhältnisse geschaffen hat, die den im freien Intervall ope- 
rirten und sofort vernähten Bauchdecken wunden gleich sind. 

Allerdings ist einers-eits für die Entstehimg der Bauchbrüche anderer- 
seits für die Erfolge der Bauch bruch Opera tion , die Beschaffenheit der 
Bauchd ecken ni US kein von grosser Bedeutung. Je schlaffer die Bauchdecken^ 




n Figur 
tloDS- UDil Vtrbejidsteuhnik, I 



enburg und Mübsani, Compcniiiuiii der Oiieni* 



— 348 -^ 



um ao leichter könuea auch nach den Operationen wieder leichte Vornöl- 
buagen auch oberhalb der Karbe sich einstellen, die bei jüngeren ludividuea 
wegbleiben. 

Zur Vermeidung der Bauchbrüche und ak Stütze des Bauches sowie 
zum Schutze der Narbe aoffohl nach Operationen im acuten Stadium als 
auch im freien Intervall kann man Bandagen tragen lassen. Die von 
uns bevorzugte Bandage (s. Figur 36) ist eine Art Sohwimmhose, welche, 
hinten durch einen Gurt zusammengehalten und aus elastischem Stoff 
fabricirt, nicht nur den Bauch stützt, sondern auch dadurch, daas dieselbe 
noch einen Theil des Oberschenkela umgreift, grade die unteren Bauch- 
partien wesentlich zu stützen im Stande ist. Diese Bandagen sind nicht 
lästig für die Patienten. Ich lasse sie nach Intarvalloperationen zwei 
Monate tragen. Bei Operationen wegen acuter Appendicitis können die- 
selben aber auch länger, bis zu einem Jahre, gute Dienste thun. Tritt ein 
Bauchbrucb später auf, so lasse ich denselben durch eine Aluminium- 
platte zurückhalten. 

Inwieweit eine neurotische Atrophie als Grund der späteren Hernien- 
bildung Berücksichtigung verdient und ob in der Hinsicht bei der 
Muskeldurchschneidung Rücksicht auf den Nerven verlauf genommen 
werden muss, das muss noch weiter auf Grund eingehender Untersuchung 
des für jede einzelne derartige Operation in Betracht kommenden Nerven- 
gebiets festgestellt werden. Bei der stumpfen Durchtrennung der Mus- 
kulatur, wie ich sie jetzt übe, ist die Gefahr der Nerven Verletzung selbst- 
verständlich eine geringere. 

IV. Behandlung der Tuberculose des Wurmforlsatzes. 

Da selten eine einfache tuberculose Appendicitis besteht, sondern bereita 
grössere Abschnitte des Coecum mit ergriffen sind, erfordert die Erkrankung 
auch eine ausgedehntere Operation. Die rationellste Behandlung besteht In 
allen Fällen, in denen nicht wegen zu grosser Schwäche des Patienten oder , 
ausgedehnter Erkrankung anderer Organe, besonders der Lungen, jede ein- 
greifende Behandlung überhaupt unstatthaft ist, in der primären ein seifigen 1 
Reaeclion des ganzen Tumors mit Implantation des Ileum in das Colon I 
transvei-sum. Ob man den Murphyknopf oder die Darmoaht anwenden will, | 
ist im Allgemeinen ohne prinzipielle Bedeutung. Wir hatten in beiden i 
Fällen gute Resultate. Auch kann man die Vorlagerung des tuberculoa 1 
erkrankten Darmab^chnitts machen und ihn nachträglich, wenn er festge- , 
wachsen ist, abtragen. Ist wegen hochgradiger Verwachsungen oder aus son- 
stigen Gründen eine totale Exsürpation nicht möglich, so istdie Enteroanasto- 1 
mose auszuführen. Auch von diesem Eingriff sieht man häufigeinen günstigen I 
Einfluas auf die Erkrankung. Dieser günstige Einfluss kann bis zu einem I 



I 



— 249 — 

Zustande kommen, der der Heilung gleich kommt Die komplete Dann- 
ausschaltung hat gegenüber der Enteroanastomose den Vortheil, dass bei 
ein^ späteren Exstirpation des ausgeschalteten Darmstückes eine neue 
Eröffnung des Darmes, in welchem der Koth circuliren soll, nicht mehr 
vorgenommen zu werden braucht. Ich habe übrigens in Fällen, wo ich 
mich zu keinem grössern operativen Eingriff entschliessen konnte, durch die 
einfache Laparotomie in ähnlicher Weise, wie bei der tuberculösen Perito- 
nitis Besserungen, die auch an Heilungen grenzten, eintreten sehen. 

V. Die exspectative und „innere" Behandlung 

der Appendicitis. 

Die Aufgabe des Arztes bei der Behandlung eines acut auftretenden 
perityphlitischen Anfalles soll dann, wenn eine Operation nicht sofort vorge- 
nommen wird, zunächst darin bestehen, möglichst den Entzündungsherd 
zu localisiren. Die erste Bedingung ist, den meist durch Schmerzen 
und durch Neigung zum Erbrechen gequälten Patienten zur Ruhe zu 
bri ngen. Eine Morphiuminjection von 1 — 2 cg leitet die Behandlung ein. 
Ist der Patient in bequemer, leicht erhöhter Rückenlage gebettet, so wird 
eine feuchte Compresse auf den schmerzhaften Leib gelegt und diese je 
nach der eintretenden peristaltischen Unruhe öfters erneuert. Im Anfang 
der Entzündung ist zuweilen eine nicht zu schwere Eisblase schmerzstil- 
lender als hydropathische Umschläge oder gar heisse Kataplasmen. Zwar 
beeinträchtigt starke Abkühlung die Resorption etwaiger Exsudate in Folge 
von Herabsetzung der Erregbarkeit der Darmwand. Sobald die Morphium, 
Wirkung schwindet und die Schmerzen sich wieder bemerkbar machen- 
ist die Anwendung kleiner Opiumdosen in Zäpfchenform oder als Injec- 
tion in den Darm, etwa dreistündlich 10 — 20 Tropfen Tinct. opii simpl., an- 
gebracht. In den ersten 24 Stunden ist die Enthaltung von jeder Nah- 
rung, um Erbrechen vorzubeugen, zweckmässig, was um so leichter aus- 
führbar ist, als der Appetit fehlt und ein Nahrungsbedürfniss auch nicht 
vorhanden ist. Um den Durst zu stillen, giebt man kleine Eispillen und 
theelöffel weise gekühltes kaltes Wasser oder kalten Thee, bei starker Brech- 
neigung lasse man den Mund öfters mit kalter Flüssigkeit spülen, 
was auch durststillend wirkt. Jede innere Medication vom Magen 
aus wird am besten unterlassen. Ist es auf diese Weise gelungen, den 
Patienten 24 Stunden zur Ruhe zu bringen , so empfiehlt es sich, den 
Opiumgebrauch ganz zu meiden, um Einblick in den Zustand der ent- 
zündlichen Vorgänge im Leibe zu erhalten. Die Nahrung soll, solange 
entzündliche Vorgänge spielen, eine flüssige sein, am besten nur aus Milch 
und Kraftsuppen bestehen und stets nur in zweistündlichen Zwischenräumen 



in der Quantität von höchstens 50 cbcm g^eben werden. Während der 
Nachtstunden boU nach Bedarf nur reines Wasser oder dünner Thee 
zum Trinken gereicht und Alcoholica vermieden werden. (Renvets.) 

Wir warnen vor grossen und fortgesetzten Opiumdosen, wie sie leidernoch 
vielfach bei Beginn oder im weitereu Verlauf in Anwendung kommen. 
Die Erkrankung, ihr Stillstand oder ihr Forlachritt entzieht sich jeder Be- 
urtheilung, sobald durch fortgesetzte Opiumdogen Darmlähmung (Meteoris- 
mus) entsteht und jede Druckenipfiudlichkeit auch spontane Schmerzen 
verschwinden , und ebenso wird es dann unmöglich, die Indikationen 
für eine richtige Behandlung zu stellen. Wenn xur Bekämpfung der 
Schmerzen, der Brechneigung und dergleichen mehr Naicotica nöthig sind, 
so ist das Morphium dem Opium in jeder Beziehung vorzuziehen und die 
Behandlung in der Weise einzuleiten, wie wir es weiter oben angegeben 
haben. Man kommt damit vollständig aus und hat die Möglichkeit, von 
Stunde zu Stunde den Fall richtig beurtheilen zu können und weitere 
Indicationen für die Behandlung aufzustellen. 

Ist der acute Process abgelaufen, sind die localen Veränderungen 
geschwunden, ist das Befinden des Patienten wiederum ein gutes, so wird 
man versuchen, durch Regelung der Diät, durch Anregung der Peristaltik 
der Neigung zu Rückfällen vorbeugen. Eine schonende diätetische 
Behandlung des Darmes, unter Zuhilfenahme der altbewährten Karls- 
bader, Marienbader, Kissiiiger oder Homburger Wässer ist jetzt an- 
gezeigt. Dabei soll man den Darm nicht zu sehr schonen verwöhnen 
und empfindlich machen g^ti doch uicht immer zu vermeidende 
Abweichungen der gewöhnlicheu Diät; denn ein verwöhnter Darm 
dispouirt leichter zu Katarrhen, die sich wiederum auf den kranken 
Wurmfortsatz fortsetzen. Das ängstliche Meiden jeder Leibesbewegung 
ist gleichfalls unangemessen; Erschütterungen des Körpers und Traumen 
können freilich die chronische EntzüJidung wieder aufflackern lassen, daher 
st Maasa und Vorsicht zu beachten. Spazierengehen ist allen anderen 
Bewegungsarten vorzuziehen. Massiges Radfahren dürfte wegen der 
geringereu Erschütterung noch geeigneter als leiten sein, doch hüte man 
sich, vorn übergebeugt zu fahren. Durch solche Vorschriften freilich 
werden die Patienten gezwungen, eine ganz besondere Lebensweise zu 
führen, die mitunter Nachtbeile für sie haben kann. Aus Furcht, Magen 
und Darm durch Speisen zu beschweren und dadurch die drohenden Re- 
oidive hervorzurufen, werden sie sich unzweekniSssig ernähren, oft unter- 
ernähren , und aus Furcht vor Bewegungen Störungen der Darm- und 
Herzthätigkeit erleiden. Solche Kranke werden nervöi^. Jugendliche 
Kranke pflegen dabei sich mangelhaft weiter zu entwickeln, und be- 
sonders auiTaüend sieht man dies bei Kindern. Die Kinder siechen hin, 



I 
I 

I 

I 



— 251 — 

nehmen an Körperkraft im Yerhältniss zu ihren Kameraden wenig za 
und bleiben schwächlich. Und doch wissen wir, dass alle Vorsichtsmaass- 
regeln oft nichts nützen, und dass trotz alledem acute Kachschübe auftreten. 
Denn die definitve Ausheilung des Leidens ist meist durch mechanische 
Hindernisse unmöglich. Diese kann nur eine Opoation beseitigen. Wenn 
man sieht , wie die Patienten, die man von dem kranken Wurmfortsatx 
befreit hat, wieder aufleben, sich entwickeln, frisch und gesund ?r^en 
und, wie sie selber äussern, sich wie ^nmigeboren" fühlen, so erscheint die 
Operation als die einzig richtige Behandlung. 



Sacliregister. 



A. 

Abscesse, multiple 218. 
AbscessuH, subphrenicus 155. 
Aotinomycose des Appendix 91. 
Acuter Anfall 13. 105. 
Adenoide Gewebe 35. 
AdhaesionBileuH 238. 
Adnexcrkrankungen 187. 
Aetiologie 21. 

Amputation deH Appendix 226. 
Anatomie 2;i. 
Anomalien detj Coecums 72. 
Appendicitis actinomycotica 14. 91. 

— acuta 105. 

— bei Kindern 121. 

— experimente 41. 

— gangraenosa 14. r>S. 

— larvata 4. 100. 

— jK'rforativa 14. 53 

— l)olyi)08a 48. 

— Simplex 14. 47. 

— tuberculosa 11. H\). 

— iyphosa 187. 

— (Terminologie) 7. 8. 
Appendix fisteln 242. 

A rmeesanitätsbericht 15. 
A rmo(>stat ist ik 4. 

H. 

Daotcrinm Coli 37. 

H a k t IM' i e n im Appondix 30. 

üniiohbrürho 210. 

]) a u ü h d (• k e n a b s o o s s 1 80. 

Bauchf eilt a sehen 170. 



Bauchnaht 229. 
Beckenabscess 72. 
Beb andlung 14. 
Betheiligung des Peritoneoms 61. 
Blasenbeschwerden 120. 
Blasenfistel 160. 
Blasenperforation 78. 
Blutungen 237. 

Blutung in perityphlitischen Abscess 70. 
Blutuntersuchung 17. 
Bruchinhalt, "Wurmfortsatz und Coe- 
cum alH — 92. 

C. 

Carcinom 169. 

Oavite close (Dieulafoy) 35. 

Chronische Appendicitis 101. 

— Form 13. 

Circumscripte eitrige Peritonitis 64. 

68. 
Coecaltuberkulos e 89. 
Coecüstomie 240. 
Coe cumlähmung 239. 
Colica appendicularis 104. 

— muüosa 100. 

Complicationen der acuten Appen- 
dicitis 142. 

Oystische Erweiterung des Wurmfort- 
satzes 51. 

D. 

Darmatonie 240. 
Darmdurchbruch 78. 
Parmresektion 233. 



— 253 — 



Decnbitalgeschwür des Wurmfort- 

sataes 53. 
Defense mBseulaire 107. 
Dermoidcyste 173. 
Diagnose 99. 

Differentialdiagnose 169. 
Diffuse eitrige Peritonitis 82. 
Di ffns -jauchig-eitrige Peritonitis 86. 
Diplococcen 37. 
Douglasabscess 72. 
Drnckempfindlichkeit 107. 163. 
Dünndarmfistel 211. 239. 
Dünndarmileus 146. 
Dnodenalgeschwür 177. 
Dnrchbruch in ein anderes Organ 58. 

£. 

Einkl e mm ung in Bauchfelltaschen 176. 
Einteilung der Appendicitis 13. 
Eiterdurchbrach, spontaner 158. 
Embolie 81. 146. 241. 
Embryonaler Typus des Wurmfort- 
satzes. 27. 
Empyem 219. 

— der Gallenblase 186. 

— des Wurmfortsatzes 52. 
Endooarditis 81. 
Enterolith 30. 

Entwickelung des Wurmfortsatzes 28. 
Epidemisches Auftreten von Appen- 
dicitis 39. 

Erbrechen 108. 

Experimentelle Appendicitis 41. 
Exspectative Behandlung 249. 
Extraperitonealer Abscess 73. 



Familiäre Disposition 39. 
Fisteln 242. 
Folgezustände 237. 
Fortschreitende Peritonitis 82. 211. 
Freier Intervall 220. 
Fremdkörper 30. 
Frühoperation 15. 17. 203. 209. 

G. 

Gallenblase 181. 
Gallensteinileus 185. 



Gasabscess 159. 
Gastroenteritis 38. 
Gefässver änderuägen am Wurm- 
fortsatz 28. 
Gehirnabscess 81. 
Gerlach'sche Klappe 6. 24. 
Geschichtliches 5. 
Gravidität 160. 

H. 

Haematemesis 158. 

Harn 120- 

Harnblase 159. 

Hernie 177. 

Hoden (zurückgehaltener) 177. 

Hydronephrose 174. 

Hydrops processus vermiformis 50. 

Hype ra est hesie der Haut (Hyperal 

gesie) 107. 
Hy perleukocytose, künstliche 213. 



Ileorectostomie 240. 
Ileus 145. 179. 238. 
Iliaeustumoren 181. 
Innere Behandlung 249. 
Intervalloperation 220. 
Intramuskulärer Abscess 180. 
Intraperitonealer Abscess 70. 
Invagination 175. 

K. 

Katarrh des Wurmfortsatzes 48. 
Kochsalzausspülung 210. 
Kothfisteln 243. 
Kothsteine 30. 

L. 

Lagerveränderungen des Appendix 

26. 
Latente Appendicitis 4. 100. 
Leber 181. 

Leberabscess 81. 153. 
Leberdämpfung 112. 146. 
Leukocytose 17. 115. 179. 209. 
Ligamentum appendiculo-ovaricum 1 88. 
Localisation der Abscesse 70. 
Lungenabscess 81. 151. 



— 254 



Lungenaffeotionen 219. 
Lungenembolie 80. 
Lungeninfarkte 81. 

M. 

Mac Burney 'scher Punkt 26. 
Magen blutung 158. 241. 
Magengeschwür 178. 
Meningitis 81. 
Mesenterialtumor 173. 
Mesenteriolum 26. 
Militärstatistik 4. 
Mischinfection 38. 
Milzabscess 81. 
Myom 194. 

Nierenabscess 81. 
Netzplastik 229. 

0. 

Obliteration des Wurmfortsatzes 33. 49. 
Operation im acuten Anfall 203. 
Opium 250. 
Ovarialcyste 190. 
Ovarialtorsion 193. 



P. 

Parametritis 189. 
Paratyphlitis 73. 
Parotitis, eitrige 81. 
Parovarialcyste 193. 
PathogeneHe 21. 
Pathologische Anatomie 45. 
Pausen zwischen den Anfällen 169. 
Perforation eines Abscesses 77. 

— in die Gallenblase 79. 

— in die Gefässe 79. 
Peritoneale Reizung 09. 

— Sepsis 83. 86. 
Peritonealnaht •229. 
PeritonitiH 62. 143. 

— sero-fibrinosa 64. 
Perityphlitischer Abscess 68. 
Pferdeserum 126. 213. 
Pleuritis 151. 

Progno.*<o 9l>. 197. 



Progrediente fibrinös-eitrige Peritoni- 
tis 87. 
Pseudoappendicitis 103. 
Psoastumoren 181. 
Puls 113. 
Punctio'n 213. 
Pyelöphlebitis 153. 
PyosalpLnx 190. . 



S. 

Scheinbare Zunahme der Appendi- 

citis 4. 
Schmerz 106. 
Schürzentamponade 215. 
Schwangerschaft 160. 194. 
Secundäre Gangrän 60. 
Sigmoiditis 10. 
Skolikoiditis 9. 
Spontaner Eiterdurchbruch 158. 
Spontanfisteln 242. 
St aphylococcen 37. 
Statistik 18. 
Stercoraltyphlitis 10. 
Strangulationsileus 179. 
Streptococcen 37. 
Stumpfversorgung 226. 
Subphrenischer Abscess 75. 155. 219. 
Symptome 99. 161. 

T. 

Taenie im Appendix 33. 
Temperatur 113. 
Terminologie 8. 
Therapie 203. 
Thrombose 146. 241. 
Toxinwirkung 17, 
Tubargravidität 190, 196. 
Tuberculose 169. 

— des Appendix und des Coecums 89. 
Tuberkulöse Peritonitis 178. 
Tuberkulose de.s Wurmfortsatzes 248. 
Tumor 108. 

Tumoren der Iledcoeoalgegend 170. 

— des Wurmfortsatzes 96. 
Typhlitis postoperativa 245. 

— Htercorali.s 10. 
Typhus 1H7. 



— 255 — 



Uebelkeit 108. 
Unfall 40. 
Ureteritis 174. 



r. 



Y. 



Vena caya inferior 81. 
Yenenthrombose 80. 
Veränderungen am Wurmfortsatz 47 



Verschluss der Wurzelvenen 29. 

W. 

Wanderniere 174. 
Wirbelsäule, Verwachsung des 
pendix mit derselben 141. 

Z. 



Ap. 



Zunahme (scheinbare) der Appendioitis 4. 
Zunge 108. 



Druck Ton J. B. Hirichfeld in Leipziff.