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Full text of "Persien : das Land und seine Bewohner : ethnograph. Schilderungen : 2 Teile in 1 Bd."

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Perſien. 


Das Land und ſeine Bewohuer. 


Ethnographiſche Schilderungen 


Dr. Jakob Eduard Polak, 


ehemaligem Leibarzt des Schah von Verſien und Lehrer an der mediciniſchen Schule 
zu Teheran. 


Erſter Theil. 





Leipzig: 
% 4. Brodhanus. 


1865. 





0/48 





0/4138 





VII 


ſcheiden, ob die guten oder die ſchlechten Eigenſchaften über⸗ 
wiegen, ob letztere in der Organiſation des iraniſchen Typus 
begründet, oder auf Rechnung des langen despotiſchen Druds, 
dem das Volk unterworfen, zu ftellen jeien. 

In meinem Buch babe ich mich bemüht, die Verhältnifle 
frei von aller Boreingenommenheit möglichit objectiv darzu- 
ſtellen. Ein neunjähriger Aufenthalt im Lande, die Kennt: 
niß der perfiihen Sprache und der einichlagenden Literatur, 
die ich mir dajelbit angeeignet, meine Stellung als Lehrer 
an der medicinifchen Schule zu Teheran und fpäter als 
Leibarzt des Schah, vielfache Reifen in die verjchiedenen 
Städte und Provinzen, jegten mich in die Lage, bie Haupt⸗ 
ſtadt jomol wie alle Gegenden des meitgeftredten Reichs, 
feine nad Abſtammung, Sprade und Religion vielgeftalteten 
Bewohner, die politifchen, ethifhen und Gulturzuftände, ſo⸗ 
weit es dem Fremden möglich iſt, kennen zu lernen. Es 
verſteht ſich außerdem von ſelbſt, daß über den weiblichen 
Theil der Bevölkerung, ſowie über das Familienleben im 
Orient überhaupt, nur der Arzt einen auf eigener Anſchauung 
fußenden Bericht zu geben im Stande iſt. 

Ich vermied bei der Abfaſſung, fremde Quellen zu be: 
nugen; ich wollte, daß das Buch mir gehöre, daß ich allein 
für feine Vorzüge und feine Fehler einzuitehen hätte: 


Beſſer fteht mein eigen Wams, geflidt, 
Als erborgtes, reich mit Gold geftidt. (Saabi.) 


Ich darf daher wegen mander Lüden um Nachſicht 
bitten; jeder, der die Verhältniſſe kennt, wird einräumen, 





VIII 


wie ſchwer es dem Europäer wird, ins orientaliſche Leben, 
beſonders in das der Familie einzudringen oder von den 
Landesbewohnern zuverläſſige Auskunft darüber zu erlangen. 

Was die Orthographie der perſiſchen Worte betrifft, ſo 
ſuchte ich fie der deutſchen Ausſprache möglihft anzupaſſen. 
Den eigenthümlichen Laut des langen a, welches ungefähr 
dem a im engliſchen Wort all entſpricht, bezeichnete ich durch 
a; das kurze a, dem deutſchen & fich nähernd, durch æ, fo 
in peder, der Bater; für das arabiſche Khaf bediente ich 
mi des k; den Unterfchied des Ain und Ghain aber glaubte 
ih um fo eher unberüdjichtigt Laffen zu dürfen, als e8 felbft 
dem Perſer felten gelingt, diefe den Arabern eigenthümlichen 
Laute richtig wiederzugeben. | 

Schlieplih fühle ich mich verpflichtet, meinem Gefährten 
und Freunde Dr. J. ©. Haͤntzſche, welcher Leid und Freud 
in Perſien mit mir getheilt, für einige von ihm erhaltene 
werthvolle Notizen an dieſer Stelle meinen Dank auszu⸗ 
ſprechen. 


Wien, im Februar 1865. 


Dr. J. E. Polak. 





| Inhalt des erſten Theils. 


L Voltszahl, Abſtammung und Stände. Schätzung ber Seelen⸗ 
zahl. Beſtandtheile der Bevöllerung. Perſer und Meder (Körper⸗ 
bildung, Charakter ber Fuzul, Freimaurerei, Gruß und Titel, 
Schimpfworte und Flüche, Betheuerungen). Turko⸗Tataren. 
Kurden. Armener. Juden (Charakter und Beſchäftigung, das 
Efberbentmal in Ecbatana, Echtheit des Buches Eſther). 
Gebern. Turlomanen. Afgbanen und Belubfchen. Zigeuner. 
Die Eolonie der Europäer. Prinzen. Prinzen früherer Dynaftien. 
Shane. Ehrentitel. Schreiber. Seiide. Lutis. Derwiſche. 
Soldaten (die Wehrkraft, Offiziere, Artillerie, Angriff, Scalpe, 
Schlußbemerlung). . > > >: 20m nen 


1. Wohnhänſer, Städte, Gärten, Sommerfige nnd Zeltinger. 
Ausdehnung ber. Wohnungen. Rafcher Berfall. Baumaterial. 
Sauleute. Innere Einrichtung. BVentilation. Heizung. Aboxte. 
Höfe. Frauengemächer. Die Stabt Teheran (Lage, Befeftigung, 
Stadtviertel, Gaſſen, Beleuchtung, Reinigung, Bazare und 
Karavanſerais, Bäder, Mofcheen und Madraffes, Amphitheater, 
Plätze, Miethswohnungen, Hunde, Fliegen, Müden, Zeden, 
Storpione unb Golpugen). Die Eitabelle von Teheran. Phy- 
fiognomie anderer Städte (Jopahau. Die beweglichen Minarets). 
Gärten. Sommerfite. Zeltlager...» 222 ne. 


II. Epeifen nud deren Zubereitung. Mahlzeiten. Nationalgerichte: 
Tihillam.. Bilew und Aſch. Brot. Fleiſch, Wild, Geflügel. 


| 


\ 





Muezzin. Walfahrten. Almofen und Bettler. Faſten. Feſte 
und Feiertage. Die Paffionsfpiele. Verbote. Hazarbipiel. 
Schachſpiel. Wucher. Aberglaube. Selten (bie Scheidi; bie 
A Allah; die Babiß) . . 2: 2 ren 


(Babediener). Das Färben der Haare. Babepr 

Die Frauenbäder. Vorzüge und Nachtheile des perſiſchen 
Babes. Tod und Beerdigung. Friedhöſe. Transport ber 
Leihen nah den heiligen Orten . . . 2-2 2 2 men 


XI. Bäder und Begräbnißftätten. Deffentliche Bäder. Der Dalgk 


XII. Der Naurnz (Das Nenjahrsfeit). Zeitrechnung. Vorberei- 


tungen zum Feſte. Inveflitur ber Gouverneure. Derwiſche. 
Salam für die Priefter und Würbenträger. Aelteſte Gebräuche. 
Neujahrscour beim Großvezier. Oratulationscour ber Ger 
ſandten. Oeffentliche Audienz. Das Volksfeſt. Der Frauen- 
ſalam. Beſuche. Pferderennen. Der Tette Feſttag..... 


Seite 


320 





I. 
Dolkszahl, Abſtammung und Stände, 


Schätzung der Seelenzahl. Beſtandtheile der Bevölkerung. Berfer und 
Meder (Körperbilbung, Charakter ber Zuzul, Sreimaurerei, Gruß und 
Titel, Schimpfworte und Flüche, Betheuerungen). Turko⸗Tataren. 
Kurden. Armener. Juden (Charakter und Beihäftigung, das Eſther⸗ 
denkmal in Echatana, Echtheit des Buches Eſther). Gebern. ZTurfo- 
manen. Afghanen und Beludfchen. Zigeuner. Die Colonie der Euro- 
päer. Prinzen. Bringen früherer Dynaſtien. Chane Ehrentitel. 
Schreiber. Seiide. Lutis. Derwiſche. Soldaten (die Wehrkraft, 
Offiziere, Artillerie, Angriff, Scalpe, Schlußbemerkung). 


A. Dolkszahl. 


Die Größe der Bevölkerung Verfiens läßt ſich äußerft 
ſchwer beftimmen, da feine Geburt3- und Sterbeliften ge⸗ 
führt werden, auch niemals eine Volkszählung vorgenommen 
wurde. Wollte man nah der Zahl der Familien und Häu- 
jer, melde fih allenfalls ausmitteln ließe, auf die der Be 
völkerung ſchließen, fo würde man, namentlich in den Städten, 
leiht auf bedeutende Irrthümer gerathen, weil eine Familie 
mit Dienerfhaft, Sklaven und Clienten, die entweder ge 
kauft oder fonft der Familie einverleibt wurden, oft auf 
80 —100 Perſonen anwächſt. Dieſes Verhältniß gilt jedoch 

Bolat, Berfien. 1. 1 








32 


erlaubt balten. Während ihrer innern Fehden ruft oft ein 
Stamm die Hülfe der Perjer. an, welche ihrerfeit3 die Ge- 
legenheit günftig glauben, um über ihre Feinde berzufallen. 
Doch Faum find fie erihienen, jo verbinden ſich die Strei- 
tenden wieder zu eimer Cpalition und fallen dann gemein- 
I&aftlih über die Helfer und Bebränger ber.) 


Afgbanen, 


von der reinften kaukaſiſchen Raffe, find an ihrer hohen Sta: 
tur und kräftigen Geftalt, an den geiftvollen Phyfiognomien, 
großen Glotzaugen (tscheschme chireh) und an ihrem ent= 
ſchloſſenen Auftreten zu erkennen. Sie leben nur in Heiner 
Zahl, als Flüchtlinge, von Stipendien des Schab, daher - 
man fie unter dem Bolfe fpottiweife musche-chazineh, d. i. 
die Mäufe des Staatsſchatzes, nennt. 


Belndichen 


find nur bier und da, als Sklaven, zu finden, fie nähern 
ih dem Hindutypus. Kreuzungen des Iran'ſchen und Bes 
ludſchenblutes aber trifft man fehr, häufig an, namentlic 
in Siltan. 


Zigeuner (kauli, karatschi) 


finden fih als mwandernde Stämme (ils) in vielen Theilen 
des Reichs. In Phyſiognomie, Sitten, Gebräuden, Yage- 
rung, Lebensweife, Annahme jedweder Religion und Hal: 
ten an feiner, gleihen jie volllommen ihren Stammes: 
genoffen in Europa. Sie find befannt als muntere Tänzer 


*), Die meiften ftatiftifhen Angaben iiber Turkomanen verbanfe 
ih meinem Freunde Dr. 3. C. Häutzſche, welcher acht Jahre in Reſcht 
am Kaspifhen See als Arzt gelebt bat. 





33 


und Mufifanten; fie prophezeien aus den Lineamenten ber 
Hand, aus dem Würfellnochen der Schafe, oder aus einem 
gedrudten Blatt.*) Sie treiben das Schmiedehandiwerf, 
machen ſchöne Ketten und Siebe, fliden Keſſel, verzinnen 
Serätbichaften und bilden eigene Ils unter einem Nomaden: 
hei. Sie gelten auch ald gute Läufer, daher alle Scatirg 
(Läufer) des Königs ihrem Stamm angehören. 


Die Heine Kolonie der Europäer 


umfaßt, mit Ausſchluß der Gejandtichaften und Conſulate 
der verſchiedenen Mächte, eine beſchränkte Anzahl von Kauf: 
leuten (Franzofen, Griechen, Deutihe, Schweizer und 
Aufien), einige im Dienfte des Königs ftehende Offiziere, 
Aerzte und mehrere zugewanderte Handwerker, im ganzen 
faum mehr als hundert Individuen. Sie leben in Tabris 
und Teheran, drei Familien in Reſcht, eine in Schiraz. 
Der Europäer findet ſich bier nicht heimiſch, ſondern iſolirt 
und von den Eingeborenen gemieden. Mancher ijt unfrei- 
willig im Lande geblieben und liegt in perſiſcher Erde 
begraben, aber bisjett fam fein Fall vor, daß ein Euro: 
päer Berfien als zweites Vaterland adoptirt hätte, wie 
dies in Aegypten und der Türkei häufig der Fall ift. 
Durh die Schwierigkeit der Communication mit Europa 
von der civilifirten Welt abgeſchnitten und ganz auf jich be: 
fhräntt, von der weiblichen Bevölkerung durch Geſetz und 
Sitte jo vollitändig getrennt, daß er faum in Jahren ein 


*) So erzählte mir Dr. Cloquet: „ALS ich im königlichen Lager 
zu Sultanieh war, kam eine Zigeunerin unb wollte mir aus einem 
großen Blatte mwahrfagen; ich erlannte eine Nummer des «Journal 
des Debats», bie ihr, wie ich fpäter erfuhr, General Ferrier für einen 
geleifteten Dienft geſchenkt hatte.“ 

Bolat, Verſien. 1. 3 





35 


C. Stände. 


Es gibt in Perfien durchaus Feine grellen Kaften« oder 
Ständeunterjchiede, einen eigentlihen alten Adel. Einen 
Stammbaum befigen nur einige Chef3 von Nomadenftämmen, 
welche ihr Geſchlecht aus den Leiten Dſchengi's, QTamer: 
lan’3 und felbit von den Saſſaniden ableiten. Man bört 
zwar oft das Wort nedschäbet (Adel) und nedschib (ade: 
ih); e8 wird jedoch darunter mehr die Stellung, melde 
dad Individuum in der Gefellihaft einnimmt, verftanden. 
Bei dem fabelhaft fchnellen Glückswechſel, wie man ihn nur 
in dieſem Lande fieht, fteigt eine Familie plötzlich, nimmt alle 
Civil: und Militärftellen ein und wird nedſchib, um ebenſo 
raſch zu finten und in Vergeſſenheit zu geratben. So gibt 
es im Lande wenige Familien, welche durch drei Genera- 
tionen (puscht dar puscht) in Glanz und Anſehen geblieben 
wären. Ä 

Der höchſte Adelstitel ift Schähzädeh, Prinz aus der 
regierenden Dynajtie; er ift durch Nachſetzen des Wörtchens 
Mirzä tenntlih, jo Abbas Mirzä (Prinz Abbas). Weil 
aber die Nachkommen Feth Ai Schahs feit etwa achtzig Jah— 
ren auf mehr als zweitaufend männliche Sproßen angewach⸗ 
fen find, traf man eine Unterſcheidung zwiſchen denjenigen, 
welche von jeinem Sohne Abbas Mirza, dem, Kronprinzen, 
und denjenigen, welche von andern Söhnen ftammen. Erftere 
gelten als nächite Verwandte des Königs; fie functioniren 
meift als Statthalter und befigen Würden und Vermögen. 
Die andern bingegen leben von geringen Benfionen; ſie 
jind arm, werden vom Schah wie vom Bolt misachtet, aus 
Furcht vor Anſprüchen auf den Thron zu feiner militäriichen 
Stelle zugelaflen, und können wegen ihrer hoben Geburt ebenfo 
wenig zu einer bürgerlichen Beichäftigung oder zu einem 

3* 


N 





Handwerk greifen; man dichtet ihnen mit Recht oder Unrecht 
allerhand Laſter an; fie find für das Land, welches fie er: 
näbren muß, eine Laſt; dur langen Müßiggang verloren 
fie alle militäriihe Tugend und Tapferkeit der Kadſcharen, 
es blieb ihnen nichts als deren Vorurtbeile Bei ihrer 
beifptellofen Vermehrung kann es gar nicht fehlen, daß zu: 
lebt der Schag für die Penfionen nicht ausreihen wird, und 
daß fie fchließlih den Prinzentitel ablegen müllen, um fid) 
mit dem Volke zu vermifchen: ein Weg, den bisjegt nur 
wenige von ihnen eingefchlagen haben. 

Außerdem leben noch viele Defcendenten aus den frü: 
bern Bynaftien der Säfis, von Kerim Chan und Nadir: 
Shah; man nennt fie zum Unterſchied Mirzädeh. Erftere 
waren vorzüglich ftark in Ispahan vertreten; in der neueften 
Zeit wurden fie aber wegen politiiher Umtriebe erilirt und 
in ferne Städte des Reichs internirt. In Ispahan traf 
ih im Bazar einen Baummollichläger (hallätsch), der ein 
Abkömmling des erlaudten Monarchen Kerim Chan mar. 
Die Abfümmlinge Nadir-Schahs haben fich häufig mit den 
Kadicharen verſchwägert. 

Der eigentlie Adelstitel, Durch dus dem Namen nad: 
geſetzte Wörtchen Chän bezeichnet, z. B. Iſſa Chan, mird 
entweder durch ein Diplom vom König verliehen, oder er 
iſt von den Aeltern angeerbt, oder man legt ihn ſich, wenn 
man zu Vermögen gekommen iſt, ſelbſt bei. Er hat aber 
ſo wenig Wichtigkeit, daß viele Staatsbeamte den Titel 
Mirza vorziehen. Wenn eine Familie verarmt, ſo geht der 
Titel ſtillſchweigend wieder verloren; nur manche führen ihn 
ſelbſt als Stallknechte u. ſ. w. noch fort. 

Leuten türkiſchen Stammes, beſonders den Militärs, 
wird der Titel Beg gegeben, dem jedoch nicht etwa die Be— 
deutung eines Beg oder Bei der Türkei zufommt. 

Mehr angeltrebt find die Ehrentitel (lækæb), welche 


‘ 





42 


bekleidet und auf guten Pferden beritten. Ich begleitete oft 
den König zur Revue. Die Mannſchaften ſahen gut und 
tüchtig aus; fait alle Flinten waren mit Silber beichlagen, 
die Pferde Fräftig und mwohlgenährt. Ihre Beitimmung ift 
ähnlich wie die der Koſacken; fie plündern, Schaffen Proviant, 
beunrubigen den Feind, machen nächtliche Ueberfälle, und 
leiten bejonder8 gegen die Angriffe der irregulären Cava— 
lerie der Turkomanen die vortrefflichiten Dienfte. Ueber: 
baupt murde jede tapfere Waffenthat während meiner neun: 
jährigen Anweſenheit nicht von der regulären, fondern von 
. der irregulären Truppe ausgeführt. Sie ftehen immer unter 
dem Commando ihres Tribuschef3 oder ſeines Sohnes. 

Die reguläre Truppe bejteht aus Fußvolk (piädeh 
nizam), Artillerie (tubchäneh) und aus etwa 300 Manu 
Gavalerie (sawäreh nizam). Vom Fußvolk gibt es an 
84 Bataillone (fautsch), jedes nominel zu 800 Mann, 
doch jind felten mehr als die Hälfte im Dienft. An der 
Spite des Bataillons fteht ein seertip (General); ihm unter: 
jtehen die andern Grade, als: serheng (Oberſt), javer 
(Major), sultan (Hauptmann), näjib (Lieutenant), wekil 
(Feldwebel) und dehbäschi (&orporal). Die Anzahl der 
im Dienst ftehenden und disponibeln Offiziere ift übermäßig 
groß und würde für wenigſtens den doppelten Armeeitand 
binreihen. Zehn Bataillone unterftehen dem Mirtuman, 
an der Spike der ganzen Armee ftehen der sepäh sälär 
(Feldinarfhall), der adschutän bäschi (Kriegsminiſter) und 
der leschke nswis bäschi (oberiter Kriegscommiſſar). Die 
Soldaten werden für die Dauer des ganzen Lebens geitellt, 
daber findet man auch unter ihnen viele gebrechliche Greiſe. 
Jedes Regiment fol der Regel nah ein Jahr dienen, im 
andern auf Urlaub fein; doch wird bei größern Erpeditionen 
biervon abgefehen, indem dann der Urlaub erft nach zwei 
bis drei Jahren eintritt. 





44 


großen Erpedition, 3. B. nad Herat, werden dem Soldaten 
1—2 Dulaten angewieſen, fonft ift für feine Verpflegung 
nicht gejorgt; der Proviant wird ihm um erftaunlich hohe 
Preiſe verkauft, und nicht felten zieht es der Offizier vor, die 
Nahrungsmittel an den Feind zu verlaufen, ſodaß die Bes 
lagerten beſſer als die Belagerer verpflegt find. Die Leute 
baben fein Recht, ſich zu beichweren; jede Klage wird als 
Snfubordination beftraft. Ich war einjt felbft Zeuge davon. 
Der Schah hielt Revue über mehrere Regimenter, welde 
nach Herat zogen; im Vorbeimarſchiren jammerte ein Soldat, 
daß er vor Hunger erliege, da ihm fein Sold nicht bezahlt 
werde. Der Schah fragte den Kriegäminifter, was er dazu 
fage. . Diefer erwiderte: „Der Mann ift närriih und ſtör⸗ 
rig“, und verfeßte dem Armen, da der Shah ihn zu ftrafen 
befahl, in persona einige Maulfchellen. Bei dem Mangel 
an Fuhrweſen Faufen ſich gewöhnlich je drei Soldaten einen 
Ejel zum Tragen ihrer Effecten. Die große Zahl vieler 
magern Thiere im Nachtrab erjchivert und verzögert ſehr 
den Marih, und wird der Nachtrab abgeichnitten, jo findet 
fih das ganze Heer der Mittel entblößt. Der Offizier bleibt, 
wenn es zum Angriff (hamleh, maarikeh) fommt, meit hin: 
ter der Front; er verftedt ſich in einer Grube, ja er läßt 
ih fogar von feinen Soldaten zu dem Zwed eine graben. 
Es ift daher höchſt jelten, daß ein Offizier verwundet oder 
getödtet wird. 

Unter diejen Umftänden darf e3 nicht befremden, dab 
die Disciplin ſehr gelodert ift, daß die Soldaten in den 
Garnijonen Kleinhandel treiben, Eier, Früchte u. |. w. ver: 
faufen, oder durch Plünderung und Diebftahl fi Unterhalt 
verichaffen, daß fie unmwillig ans Erercitium gehen und, mit 
Schreden an eine Erpedition denken, denn fie willen, daß 
jie verlauft und verratben find. Bei ihrer gewohnten Ge 
nügſamkeit ſuchen fie ich unterwegs verfchiedene Kräuter 





46 


das große Arjenal von Woolwich gezeigt. Als echter Perſer 
äußerte er nicht im mindeften Bewunderung oder Erftaunen. 
Beim Abſchied endlich gefragt, wie er die Anftalt gefunden 
babe, fagte er nur die wenigen Worte: „Ihr habt nicht 
dag große Arjenal von Teheran gejehen.” *) 

Der Schah hält feine Artillerie für die beite der Welt, 
Bei den Schiegübungen, die er jehr häufig veranftaltet, pflegt 
er jelbjt einigemak die Kanonen zu richten; trifft er ins 
Ziel, fo erhält er vom Premier zur Belohnung 50 Dulaten, 
welche er dann unter die Mannfchaft vertheilt. Im Meidan 
des königlichen Schloffes befinden lich zwei Kanonen von 
mädtigem Kaliber; fie wurden m Bender Abbas zu Zeiten 
der Säfi-Könige von den Bortugiefen erbeutet und jpäter nad 
Teheran geführt; man nennt fie tube murwärid (Perl⸗ 
fanonen). Meift werden fie von Menfchenhänden mit uns 
laglider Mühe, bisweilen auch mit Berluft von Menſchen⸗ 
leben, auf die Schießftätte gezogen. 

Einmal forderte auch mich der Schab auf eine Kanone 
zu richten. Ich unterzog mich nur mit Angft diefem Ge 
Ihäft, denn ich fürchtete, einen von den Wächtern der Schieß- 
jtätte zu treffen; doch lief alles glüdlih ab, und Tein 
Menjchenleben war der königlichen Laune zum Opfer ges 
fallen. 

Trog der disciplinirten Armee darf man ſich im Kriege 
auf feinen combinirten Angriff einlaffen. Die Offiziere blei- 


*) Diefer Huffein Chan gilt felbft in Teheran als Prototyp eines 
- Lilgners und Prahlers. Durch feine eleganten Manieren wußte er fih 
überall bemerkbar zu machen. Als bei feiner Durchreife durch Wien 
die Fürftin Metternich die Schärfe feines kameh (Dolch) beivunberte, 
antwortete er ihr mit dem in Perfien üblihen Compliment: „Er ver- 
wunbet nicht fo tief wie Ihre Augen.” Bor meinem Abfchieb von- 
Teheran bat er mich, der Fürſtin viele Grüße von ihm auszurichten. 
Ihr wohlgelungenes Miniaturbild bewahrt er mit vieler Pietät. 


ww 





47 


ben binter der Fronte zurüd, und der Soldat mag zufeben, 
wie er ſich, gut oder ſchlecht, aus der Affaire zieht. Ber: 
wundet, überläßt man ihn feinem Schidjal; zeichnet er fich 
ans, belohnt man ihn nicht, benimmt er fi feig, jo wird 
ihm verziehen, denn niemand bemerlt ed. Nach einem Sieg 
werden die Köpfe der gefallenen und verwundeten Feinde 
abgeſchnitten und die präparirten Skalpe ald Trophäe nad 
Teheran gebracht. Natürlich figurirt auch mancher perfifche 
Stalp darunter, es gejchieht ad majorem regis gloriam. 
Die Präparation beiteht darin, daß der Kopf einige Zeit 
unter die Erde vergraben, dann herausgenommen und ge- 
Hopft wird, wobei die harten und weichen Theile heraus: 
fallen und nur die Haut zurüdbleibt; diefe wird mit Stroh 
ansgefült und auf eine Pike geftedi. Ich ſah mehrere: 
folder Sfalp-Revuen, die größte nad) dem Siege über die 
Araber von Mäscat. Der Imam, welcher längere Zeit den 
Strih von Bender:Abbas in Pacht hatte, verweigerte nämlich 
den Pachtſchilling und machte Miene, feine Souveränetät 
geltend zu machen. Gegen ihn z0g Abdullah Chan, ver 
Sohn de3 Gouverneurs von Kirman. Er nahm eine tüch- 
tige Dofis Haſchiſch und vertheilte auch einiges an feine 
Soldaten ; der Angriff ward durch den europäiichen Arzt 
Fugergreen, einen Schweden, der in perſiſchen Dienften fteht 
und in Schiraz anfällig ift, gut geleitet; die Araber wurden 
gegen das Meer gejagt, viele wurden getödtet, andere er: 
tranten. Ich ſah den Zug der Skalpe, untermifcht mit den 
gefangenen Arabern und Beludjchen, melde zum Tode ver: 
urtheilt waren; das Todesurtheil wurde jedoch nicht voll: 
zogen, da der Imam den Pacht erneuerte und vicle Beutel 
Thereſienthaler an den Schah ſchickte. 

Im ganzen drängt ſich dem Beobachter die Bemerkung 
auf, daß von der regulären Truppe in ihrem gegenwärtigen 
Zuftand weder für den König noch für das Land etwas Tüch— 





48 


tiges zu erwarten fei, und daß fie im Kriege gegen eine euro: 
päiſche Macht faft gar keinen Widerftand zu leiſten vermöchte. 
Gegen innere Unruhen und die Scharmügel mit den Turko⸗ 
manen würde ein Drittbeil der Mannichaft ausreihen. Bei 
gehöriger Verpflegung und Bejoldung, und unter Führern, 
bie fich das Vertrauen der Leute zu erwerben wüßten, könnte 
das Land ein treffliches Heer beſitzen; denn die Soldaten 
ftammen aus demfelben Blut wie die, mit denen einft Nadir 
Shah nit nur fein Buterlgnd von zahlreihen Feinden, 
den Afghanen und Türken, befreite, jondern ganz Afien 
zittern machte und jelbit Rußland Achtung gebot. Leider 
aber wird das vortrefflihde Material ohne ‚Sinn und nuglos 
vergeubdet. 

Ueber die andern Stände, ald: Priefter, Kauf: und 
Gewerb3leute, Aderbauer und Nonaden, wird am 
geeigneten Orte Näheres mitgetheilt werden. 





11. 


Wohnhäufer, Städte, Gärten, Sommerfibe 
und Zeltlager. 





Ausdehnung der Wohnungen. Raſcher Berfal. Baumaterial. Bau⸗ 
leute. Innere Einrichtung. Bentilation. Heizung. Aborte. Höfe. 
Frauengemäder. Die Stabt Teheran (Lage, Befefligung, Stadtviertel, 
Gafſen, Beleuchtung, Reinigung, Bazare und Karavanferais, Bäder, 
Moſcheen und Madraffes, Amphitheater, Plätze, Mietbswohnungen, 
Hunde, Fliegen, Müden, Zeden, Storpione und Solpugen). Die 
Sitabelle von Teheran. Phyflognomie anderer Städte (Ispahan. Die 
beweglichen Minarets). Gärten. Sommerfige. Zeltlager. 


A. Wohnhänfer. 


Es iſt eine Eigenthümlichkeit des Perſers, daß er ſich, 
ſobald er zu Stellung, Einfluß und Reichthum gelangt, eine 
neue Wohnung aufführen läßt und ſie übermäßig, faſt ohne 
Zweck und Plan, vergrößert; er liebt zu bauen und zu er: 
weitern. Ring? um fein Haus fiedeln jich feine Stammes: 
genofien,. Glieder deſſelben Tribus (täife), ferner Diener 
und Glienten an, jodaß in Furzer Zeit der Compler einen 
ganzen Stadtbezirf einnimmt. Da nun beim Mangel an 
alten adelihen Familien ein fortwährendes Emporkommen 
und Sinken von Individuen ftattfindet, jo bevölfern ſich 

Polak, Berfien, 1. 4 





50 


einzelne Stadttheile in wenigen Jahren; fie gelten dann als 
die beliebten (marghub), um ebenfo rafch wieder einzugehen, 
denn jeder trachtet in der Nähe des aufgehenden Sterns jei- 
nen Sig zu nehmen und von dem untergehenden fi zu 
entfernen. Nachdem im Sabre 1851 Mirza Agha Chan 
Großvezier (sader aazam) geworden war, brachte feine Fa⸗ 
milie einen ganzen Stadttheil an fi und bebaute ihn mit 
neuen Baläften; aber ſchon fieben Jahre fpäter, beim Fall 
des Veziers, ftanden die Häufer leer, herrenlos, ihrem nahen 
Verfall entgegenfehend, denn die Beliger lebten im Eril oder 
juchten fih den Bliden der Regierung zu entziehen. Um 
dieſe Zeit ftieg der Glüdsftern der Familie des Feruch 
Chan Amin uddauleh auf; fie begann eine ähnliche Rolle zu 
ipielen, um, wie vorauszuſehen war, ebenfall® bald einer 
andern zu weichen. Aber damit nicht genug; auch in andern 
ferngelegenen Städten werden ganze Stadttheile, welche dem 
Tribus eines abgejegten Minifters gehören, nach feinem Fall 
auf Befehl der Kegierung nievergeriffen und geitampft*), 
wie dies mit dem Nur-Biertel in Schiraz nad der Exe—⸗ 
cution des Ibrahim Chan, Vezierd des Feth Ali Schab, und 
mit den Quartieren der Makuͤi nach Erilirung des Minifters 
Hadſchi Mirza Agaſſi geſchah. 

Der Plan dieſer ſchnell aufſproſſenden Häuſer iſt ge— 
wöhnlich ſo weitläufig angelegt und wird bei neu hinzukom⸗ 
menden Geldquellen ſo oft modificirt, daß das Gebäude nie 
zu Ende geführt wird, oder daß bei dem unſoliden Bau der 
eine Theil bereits zuſammenſtürzt, während der andere 
noch im Fortbau ſich befindet. Da wechſelt plötzlich die 
Stellung des Eigners, er verarmt, verliert ſeine Würde, 


*) Stampfen (kubiden) iſt ein Zeichen ber vollendeten Zerſtörung 
und bes Berbots ber Wiederaufrichtung, äbnlih wie das Salzftreuen 
im Mittelalter. 





58 


Gegenüber dem Haupteingang befindet fih der große 
Saal (tälär), wo der Herr des Haujes die Gäſte empfängt und 
die Tagesgeihäfte abmadt. Er iſt ſehr hoch und geräumig, 
mit vielem Luxus ausgeftattet, mit Wandmalereien gef hmüdt 
und mit den foftbarften Teppichen bededt. Yu beiden Sei⸗ 
ten des Saals führen Treppen auf eine kleine Eftrade, von 
wo der Eingang in den Talar ftattfindet. Der Saal (A) 
bildet ein Parallelogramm mit vorfpringendem Raum (B) 





gegen den Hof. Die vordere Wand (dd) beiteht aus einem 
großen Fenfter (urusi). Auf diefes Fenſter wird viel Kunft 
und Sorgfalt verwendet, e3 koſtet oft die Summe von 
2—300 Dukaten; die obere Hälfte defjelben wird nämlich 
durch feingefügtes, einer zierlichen Stiderei ähnliches Holz 
werk ausgefüllt, in verſchiedenen geometrischen Figuren Sterne, 
Poligone und Flechtwerk der originelliten Art bildend, und 
dem Künſtler liegt e3 ob, ſtets neue Mufter zu erfinden, 
damit nie ein Fenfter dem eines andern Haufes gleiche. In 
die Lücken des Flechtwerks werden verſchiedenartig gefärbte 
Gläſer eingejett, jodaß der Gelammtanblid den Figuren 
eines Kaleidoſkops entipricht. Die untere Hälfte der Feniter: 
mand wird durch fünf bis fieben ſenkrechte Ballenjäulen 
unterbrochen, in melden ſich ſchwere Eonlifjenfenfter bewe⸗ 
gen, die zwar einfacher, doch ebenfalls mit buntfarbigen 
Gläſern verſehen find. Diele Toftipieligen Fenſter bieten 





54 


zwar einen impofanten Zotaleindrud, doch laſſen fie fich 
wegen ihrer Höhe und delicaten Zufammenfetung fehr ſchwer 
rein balten und waſchen; auch habe ich nie bemerft, daß ein 
Perſer es nothwendig fand, eine ähnlihe Manipulation 
daran vorzunehmen. Daber füllen fih in kurzer Zeit alle 
Fugen mit Staub; die Meinen Glasftüde löſen fih ab, und 
der Wind pfeift dann ungehindert dur den Saal. Troß- 
dem wird nie ein Fenſter ausgebeflert, es wäre dies tiber 
den Grundſatz des Perſers. Im jchlimmiten Fall werden 
die Lüden im Winter mit Papier verklebt, daber die Be: 
bauptung, das Fenitermacdhen ſei ein dem Perſer angeborenes 
Handwerk. *)- 

Während des Tags werden die Feniter fait nie ge- 
ſchloſſen, und es fommt dem Europäer fonderbar vor, im 
Winter bei offenen Fenitern ein lebhaftes Kaminfeuer brennen 
zu jeben. Das Schließen wäre auch wegen der vielen Lüden 
nur eitle Mühe. Dem ſchlechten Verſchluß der Fenfter und 
Thüren iſt e8 zuzufchreiben, daß, obgleih die Erwärmung 
bei den ärmern Klaſſen mittels eines Kohlenbeckens gefchieht, 
doch Fälle von Asphyrie durch Kohlenoxyd faſt unerbört 
find. Dank diefer mangelhaften Einrichtung ift der Geruch 
in perfiiden Zimmern nie fo penetrant wie in Europa in 
den Wohnungen der Armuth, ſowie auch deshalb die Skro— 


*) Der Emir tubchane, Commandant ber Artillerie, wurde zum 
Borwand einer Gelberpreffung vom Grofßvezier aufgefordert, ſämmtliche 
Rechnungen aus den breifig Jahren feiner Verwaltung vorzulegen. Der 
arme Mann, der faum nothbürftig fehreiben konnte, war in großer 
Berlegenheit. Gebrängt wegen bes Ausweijes, fagte er endlich: „Da 
müßte ich ja alle Fenſter hertragen laſſen, denn an ihnen find die Rech⸗ 
nungen aufgeklebt.“ in Geſchenk von 5000 Dulaten an den Bezier 
überhob ihn der Mühe des Transports. Als ausgezeichnetes Klebe- 
mittel dient das Bulver ber Wurzel von Asphodalus (serisch), welche 
fih häufig in ben hoben Bergthälern findet. 





60 


fulofe jeltener und Erfältungsfrantheiten faſt gar nicht vor⸗ 
fommen. Zur Abhaltung der Kälte von 2—5 Grad R. dient 
ferner ein langer Rollvorhang, der die ganze fehlende Wand 
zu beveden vermag. 

Die Thüren (dier) beftehben aus zwei mit eleganten 
Arabesten, Vögeln und andern Thieren bemalten Flügeln. 
Sie haben eine mwenigftens einen Fuß hohe Schwelle und 
find fo niedrig, daß der Europäer, der an diefe Einrihtung 
nicht gewöhnt ift, entweder mit dem Scienbein oder mit 
dem Kopf anrennt.*) Sie drehen fih nicht in Angeln, 
fondern um Zapfen, und werden nicht mittels Schnallen, 
fondern durch ein Kettchen, oben an dem Querballen, ge- 
fchloffen. Uebrigens findet dag Schließen der Thür während 
des Tags nie ftatt, welches auch bei der bejchriebenen Con⸗ 
ftruction unnüß fein würde. Des Anſtands halber iſt an 
jeder Thüre ein Vorhang (perdeh) angebracht, bei den Are 
men aus leihtem Baummollitoff, bei den Reihen jedoch aus 
perfiihem oder indiſchem Shaml. 

Durch das gleichzeitige Deffnen aller Thüren und Feniter, 
ſodaß die Luft ungehindert von allen Richtungen eindringt, 


- wird der europäifche Ankömmling oft jehr beängftigt, denn - 


er fürchtet die Zugluft; allein dies ijt etwas, das der Perſer 
nicht begreifen Tann, er bat in feiner Sprade kein Wort 
für Zugluft; von Jugend auf daran gewöhnt, fühlt er vom 
Zug feinen nachtheiligen Einfluß. Dem Gaft wird in heißen 
Tagen derjenige Ort als Ehrenplag angewiefen, mo der 





*) Es famen mir bei Europäern Fälle ſchwerer Kontufionen und 
ſelbſt leichte Gehirnerſchütterungen infolge des Anftoßens gegen ben _ 
Thürbaffen vor; boch nie begegnet ein ähnlicher Unfall einem Berfer, 
weil er an die Eonftruction gewöhnt ift, eine hohe Müte trägt, beren 
Herabfallen ihn an die Pfofte mahnt, unb der allgemeinen Sitte gemäß 
beim Paffiren durch einen engen Raum den Kopf nicht vorwärts, fon- 
bern rückwärts neigt, um das Hinberniß ftet6 im Auge zu behalten. 





61 


Wind von allen Seiten durditreiht und die Luft abkühlt. 
Tritt der Berfer in ein geichloffenes Gemach, fo ruft er 
aus: „Chaffeh est!’ (Es ift erjtidend!) und läßt jogleich alle 
Zugänge öffnen.*) 

Die innern Wände diefer Säle find prächtig bergerich- 
tet; eine Reihe Nifchen (täktsche), mit reliefartigen Gewin⸗ 
den und Arabesfen verziert, zieht ih daran bin. Diefe 
Reliefs werden aus freier Hand mit Kohle gezeichnet und 
dann geſchickt in Stud abgeformt; ich ſah deren viele in 
Ispahan, welche an Leichtigkeit und Eleganz der Zeichnung 
wie an Feinbeit der Ausführung alle Borjtelungen über: 
boten. Um die Riſchen herum, wie an den Karniejen und 
Borfprüngen, überall befinden jih Malereien, Blumen: 
fträußhen, Blütenbüfchel, Vögel und Frauengeltalten in 
liebliden Verſchlingungen daritellend, die zwar der Ber: 
Ipective und des Schatten? ermangeln, aber durch die an: 
muthige Erfindung und die Friſche der Farben einen beſon⸗ 
dern Reiz gewähren. Den Glanzpunft der Malerei und 
der Stuccaturarbeiten bildet der Plafond, auf deſſen Aus: 
Ihmüdung die meifte Sorgfalt verwendet wird. Aus feinitem 
Spiegelglas gefügte künſtliche Figuren mechleln bier mit 
bunten Gemälden in goldenen Rahmen, mit Porträts von 
Monarchen, Generalen, Frauen und Knaben, jodaß das 
Ganze einem Quodlibet nicht unähnlich ſieht. Ein folder 
Plafond mit feinen Stuccaturen, Malereien und Bergol: 
dungen koſtet oft 500—800 Dukaten, und bedenft man 
dazu, daß die flahen Dächer felten einem anhaltenden Re— 
gen widerjteben, die durch Näſſe entitehenden Beichädigungen 
aber niemals reftaurirt werden, fo muß man über die kin— 


*) Ich kannte nur zwei Perfer, welche gegen Zugluft empfindlich 
waren; boch beite batten ala Geſandte lange Zeit in Europa gelebt, 
wo fie auf deren Schäbfichleit aufmerkſam gemacht murben. 





62 


diſche Verſchwendung ftaunen.. In der Neuzeit begann man 
allerdings den Saal mit einem fchrägen Dad (schirwäni) 
zu verfehen, allein das jchledhte Bauholz verleiht auch dieſem 
felten die nöthige Feitigfeit. 

Der Eftrih ift nicht gedielt, jondern nur mit einer 
glatten Gipglage überzogen; er wird mit den berühmten per- 
fifhen Teppihen und Filzen bededt. Einen. Teppich nad) 
europäischer Weile über das ganze Zimmer zu fpannen, ift 
nicht Sitte, weil die perfiihen Teppiche wegen ihrer Dide 
und Dichtigfeit zu ſchwer gehoben oder transportirt werden 
fönnten.*) Man belegt die Seiten mit zwei diden Yezder⸗ 
Filzen (kaenäre); zwifchen beide wird ein feiner, gemujterter 
Teppih aus Farahan (käli) gebreitet, und an die Thür 
fommt wieder ein fehmaler il; (serneschin). Der oben 
mit B bezeichnete Raum am Fenfter erhält den koſtbarſten 
Teppich, den schäh-neschin, d. i. Königs: oder Herrenliß. 
In einem der Seitenwinfel liegt noch ein dider, feiner 
Flanell (patu), meift carminroth, worauf der Eigenthümer 
oder Vorjigende Pla nimmt. 

Bei den minder Wohlhabenden erſetzt die Stelle der theuern 
und ſchweren Teppiche ein ſteifes, feites, buntfarbiges Ge⸗ 
webe, welches jehr dauerhaft, zum Niederligen auf perlifche 
Meile aber nicht weih genug if. Man nennt es gelim, 
und es gilt fprihwörtlid als Zeichen der Genügſamkeit und 


*) Auf meiner Durdreife durch Ispahan wurde ih im Schloffe 
Anguriftan einquartiert. Der Gouverneur befahl, mir einen Teppich 
unterzubreiten; elf Faraſche (Diener und Aufwärter) fchleppten ſich da⸗ 
mit, vermochten ihm aber nicht zu heben, fondern er mußte durch das 
Fenſter hereingezogen werben, Diefer Teppich, von Schah Abbas flam- 
mend, war mehr als zweihundert Jahre alt und noch fo gut erhalten, bie 
Farben fo frifh, die Zeichnung fo zart, wie ich in biefer Art nie etwas 
Aehnliches gefehen. 





64 


von welcher Richtung er auch kommen mag, verfängt fid 
darin; e3 entſteht zmijchen der obern und der Kellerluft eine 
Circulation, oft in dem Maße, daß ein poröfes, mit Wafler 
gefülltes Thongefäß, kurze Zeit dem Luftſtrom ausgejegt, 
frifh und Ealt wird. An der Stelle, mo ver Schlau in 
den Keller mündet, hat der Boden des Saals eine vergitterte 
Deffnung; dadurch entiteht auch dort ein ſtarker Luftzug, der 
in einiger Entfernung erfriihend wirft. 

Eine andere Einrihtung, um die Luft abzutühlen, ohne 
die unangenehme Nebenwirtung des Kelleraufentbalts ertra- 
gen zu müſſen, findet fih in Häufern der Reichen, wo 
fließendes Waſſer vorhanden ift; fie heißt serd-äb und be⸗ 
ftehbt aus einem ebenerdigen, etwas vertieften Zimmer 'oder 
vielmehr Durchgang, dem gegen die Gärten zu beide Wände 
fehlen. Durch die Mitte läuft eine Rinne nit fließendem 
Wafler. Der Durdzug der Luft, verbunden mit der Strö⸗ 
mung und Verdunſtung des Wallers, machen dieſes Gemach 
zu einem ſehr angenehmen, erquidliden Aufenthaltsort in 
beißen Sommertagen. ‘ 

Für die Heizung wird, wie in allen ſüdlichen Län; 
dern, jehr wenig Sorge getragen; nicht etwa daß es in Ber: 
fien nicht falt oder die Kälte nicht empfindlich wäre, aber 
fie dauert zu kurz, und fich wegen einer vorübergehenden Un⸗ 
gemädhlichkeit in Mühe und Unkoften zu verfegen, das wider: 
firebt der Natur des Perſers. Nur in Häufern der Reichen 
befinden jich einige Eleine, niedrige Winterzimmer, in welchen 
Kamine (buchäri) angebracht find. Diejelben beitehen aus 
einer Höhlung in der Mauer, von wo ein Schlauch gegen das 
Dach fteigt; die äußere Verkleidung ift mit Stuccaturen, Ver: 
goldungen, Arabesten und mit Verſen verziert. Man büllt fich, 
wenn es kalt ift, in Pelzwerk, fauert nahe am Kamin zuſam⸗ 
men und ziebt fo direct die Wärme ein, ohne viel von Rauch 





66 


manche Genitalleiden von dieſer Sitte herrühren, ift wol nicht 
zu bezmeifeln. 

Handiwerfer und Kaufleute, welche frei im Bazar han⸗ 
tieren, zünden ein kleines Kohlen- oder Holsfeuer an und 
erwärmen jich abmwechjelnd die eritarrten Finger. 

Der Berbrauh an Kohle ift in Perjien jehr bedeutend; 
fie ift zur Bereitung von Thee, Kaffee, Nargbile, Käbab 
(Braten) ſowie für verſchiedene Gewerbe unentbehrlich. Man 
bringt .jie aus den Wäldern Mafanderang nad Teheran, mo 
das Chalvar zwiſchen 1,8 bis 2,3 Dulaten koſtet. Auch 
Steinfohlen finden ji in bedeutenden Lagern und vortreff: 
lider Qualität. Wegen der mangelhaften Einrihtung der 
Defen, und da jie zum Anzünden des Narghile untauglich 
iind, weiß man fie jedoch nicht zu verwertben. 

Unrathskanäle bat man in den perſiſchen Städten 
nicht, Sondern tiefe Senkgruben, welde in einer gewiſſen 
Tiefe horizontal ausgebuchtet nnd erweitert find. In Ispa⸗ 
han und andern Agriculturbezirfen endet der Schlaud in 
ein minder tiefes, fellerartiges Gewölbe, von mo aus die 
Ercremente, mit Stroh und Abfällen gemijcht, von den Land: 
leuten als Dünger mweggeführt werden. Wenn diefe Trang- 
porte nur des Nachts gejhähen und die Räumung in kurzen 
Friſten jich wiederholte, jo wäre die Einrichtung in Städten 
von mittlerer Bevölkerung ſowol für die Agricultur als auch 
für den Gefundheitszujtand gewiß die zuträglichite. 

Der Abort bejteht in einem Tleinen Appartement über 
dem Schlau, tin deſſen Mitte auf dem Boden ein länglicher 
Ausschnitt fih befindet, zu beiden Seiten mit einem Ziegel 
zum Daraufitelen der Füße verjehen. Der Berfer verrichtet 
bie Excretio alvi et urinae in bodender Stellung, aus 
Furcht, feine Kleider zu beihmuzen, wodurch er geſetzlich 
unrein würde. Nichts -ift ihm am Europäer unausftehlicher, 
al® daß diefer die Excretio urinae fiehend verrichtet 





70 


Luft, und verfuht es im Zimmer, bödhiten3 bei offenen 
FSenftern, zu jchlafen; allein die Hite fowol wie die Müden 
beläftigen ihn bergeftalt, daß er fi) ganze Nächte fchlaflos 
berummwälzt und endlich erkrankt. Beſſer alfo, man ahmt 
die Landesfitte nach und verſucht nicht das Unmöglihe. Da 
die Luft faſt beitändig troden ift, jchadet das Schlafen auf 
dem Dache nicht, nur muß man fih gehörig zudeden, weil 
ohne diefe Vorfiht die plößlihe Abkühlung der Luft nad 
Mitternacht leicht Fieber erzeugt. 

Gegen Sonnenuntergang begeben fich alle Bewohner bes 
Hauſes einfchlieglih der Frauen auf das Dad. Aus diefem 
Grunde beitimmt das Geſetz, daß jedes Haus zur Abwehr 
neugieriger Blide mit überragenden Feuermauern verjeben 
jei, jowie e8 auch ftreng verboten ift, die Augen auf ein 
fremdes Dad hinüberſchweifen zu laſſen: ein Verbot, das 
Europäern nicht genug eingefchärft werden Tann, wollen fie 
nit muthwillig ſich großer Gefahr ausfegen.*) Desgleichen 
ift e8 verboten, ein Haus fo hoch anzulegen, daß man von 
beilen Dach das des Nachbars überfchaut. 

In den meitläufigen Häufern der Prinzen und hoben 
Beamten beiteht noch ein eigener Seitenhof mit bejonderm 
Eingang und mehrern feingemalten Zimmerchen (chalvet, ®e- 
heimgemach). Hierher zieht fich der Beliger zurüd, wenn er 
ungeftört ih mit jemand unterreden oder, Gejchäfte vor: 
Ihügend, dem dolce far niente ſich überlaffen will. 

Bon dem birun (Männergemad) oder manchmal ſchon 
von dem Hauptthor aus führt ein Gang zum harem 
(Frauengemach). Diefer Gang, häufig im Zickzack angelegt, 





*) Ich gab im Jahre 1854 einem Europäer Gaftfreunbfchaft. Ob⸗ 
wol ich ihn mit der Landesfitte befannt machte, fonnte er doch in mei- 
ner Abweſenheit der Neugierde nicht wiberfiehen. Es erfolgten Stein: 
wärfe und andere Unannehmlichkeiten, ſodaß ich große Mühe hatte, bie 
Aufregung beizulegen. 





12 


lich der Anblid von Monumenten, ausgedehnten Friedhöfen, 
hervorragenden Thürmen und Kuppeln, daß er fi gegen 
das Centrum des Landes bewege. Nichts von alledem darf 
man bei Teheran erwarten. In einer fchledht bewäflerten 
Ebene gelegen, nabe dem Rande der Wüfte, ohne alle 
Straßen und Verbindungswege außer denen, welche der Tritt 
der Saum: und Laſtthiere bezeichnet bat, bietet die Stadt 
fein Öffentliches hervorragendes Gebäude, Keine Thürme und 
Minarets, keine bochgemölbten Moſcheen; die Häufer aus 
grauem Thon und die flachen, fahlen Dächer geben ihr den 
Anblid einer Gruppe von unregelmäßigen Erdhügeln. 
Dörfer befinden fih zwar zahlreich in der Umgegend, aber 
fie find wie Dafen in der meiten Ebene zeritreut oder am 
Fuße des Elburz durch eine Hügelkette maslirt. Die Stadt 
bat abfolut feine Induſtrie, daher auch Tein Fahrifgebäude, 
der Handel bejchränft fih rein auf das locale Bedürfniß, 
daher Fein lebhaftes Zuftrömen von Waaren; kurz nichts er: 
innert an eine Großſtadt. Als ich bei meiner Ankunft im 
Sabre 1851 in unmittelbare Nähe der Stadt gelangt war, 
ja als ich bereits die Thore paffirt hatte, wegen Unkenntniß 
der Sprache aber Feine nähern Erfundigungen einziehen 
fonnte, ſchien es mir unglaublich, daß ich wirklich die Nefi- 
denzitadt vor mir hätte. 

Teheran, in der trodenen Hochebene am ſüdlichen Ab: 
bang der Elburzfette, 3308 Fuß über dem Meeresfpiegel ge⸗ 
legen, bildet ein unregelmäßiges Polygon, von neun geraden 
Linien begrenzt; feine größte Ausdehnung ift von Dft nad) 
Weit. Das heutige Teheran ift ftreng genommen nur eine 
Fortfegung oder Verrückung der alten mächtigen Stabt 
Rages oder Ray, welche vielfach) durch Kriege verheert, von 
den Mogulen unter Dichengis und Tamerlan zerftört, end- 
lich ganz unter Trümmer begraben wurde, und deren Wieder- 
aufbau Aberglaube und Borurtheil. verhinderten, indem die 





174 


Tabris, Ispahan, Kaſchan und Hamadan mit Manufacturen 
und Waaren verforgt. Das mangelnde Waſſer kann leicht 
durch Fünftliche Leitungen mittels unterirdiiher Kanäle, ſelbſt 
im großen durch Ableitung der Flüſſe Dihediherud und 
Keretih und des Sees Tar, oberhalb der Stadt Demamend, 
beichafft werden. Die zahlreihen Gebirgsdörfer am Fuße und 
in den Thälern des Elburz bieten die herrlichſten Pläge für 
Sommerquartiere und Lager; die fetten Triften von Laar 
geben hinreihendes Futter für die Eöniglihen Pferde; der 
Bedarf an Holz und Kohlen ift dur Anbahnung von Wegen 
aus den Urwäldern am Kaspiſchen Meere berbeizuichaffen; 
Schöne Glanzkohle findet fi) in mächtigen Lagern wenige Mei- 
fen öftlid von der Stadt am Fuße des Gebirgs, fie ftreicht 
zwar nur in ſchwacher Schicht vor Teheran vorbei, erjcheint 
jdoh an den füdlichen Abhängen in unermeßliden Lagern 
wieder; die grauen Marmorbügel bei Ray liefern einen vor⸗ 
treffliden Bau- und Kalkitein, weiterhin ziehen ſich mächtige 
Gipslager, der Thon ift plaftiih und eignet fih zum 
Erdbau. | 

Diefe letztern Umftände, obmwol fie bei der Wahl ver 
Hauptitadt gewiß am menigften berüdlichtigt wurden, hatten 
auch den Beltand der alten, volkreichen Stadt Rages ermög- 
liht, melde zwar unter günftigern Bodenverhältniflen ge 
legen und vor den Weſtwinden mehr geſchützt war, aber dod, . 
nur den erwähnten VBortheilen ihre Größe verdantte. 

Im Umfang von 4000 Klaftern ijt die Stadt Teheran 
durch einen Erdwall aus geftampftem Lehm, worauf hundert 
Thürme (burdsch) errichtet find, und von einem Graben 
(chandek) umgeben. Ein öftlihes, ein norböftliches, zwei 
ſüdliche und zwei nördliche Thore — das eine der leptern 
das Eitadellentbor — führen in das Innere; fie heißen Der- 
waze Dawleh, D. Schemiran, D. Dulab, D. Nau und 
D. Kaswin. 





78 


ein fernere3 Hinderniß für die Paſſage. Werben fie be: 
bedt, jo gejchieht es nur mittels einiger dünner Balken und 
baraufgeitreuter Erde; die ſchwache Dede ſinkt bald wieder 
ein, und nun bleibt die Grube lange Zeit offen. Dennod 
ereignet fich jelten ein Unglüdsfall, denn jeder jieht behutſam 
vor fih bin, und wer bineinfällt, hat das Unredt, die nö- 
thige Achtſamkeit verſäumt zu haben.*) 

Es gibt auch eigentliche Brunnen in Teheran, allein das 
Waſſer darin iſt ſalzig und bitter, und kann nur als Spül⸗ 
waſſer benutzt werden. Anders verhält es ſich mit den 
Brunnen von Ispahan, welche zu jeder Jahreszeit ein 
gutes und 14 Grad kaltes Waffer in binreihender Menge 
liefern. 

Beleuhtung. Bis 10 Uhr abends werden die Ballen 
durch Eleine, von Strede zu Strede aufgeftellte Dellämpchen 
jpärlich beleuchtet. Doch reicht ihr Licht nicht bin, und es 
ift Gebrauch — aud von der Sicherheitspolizei angeordnet —, 
daß man nachts auf der Straße mit einer Laterne (fanus) 
verjehen ſei. Die Eonjtruction diefer Laternen ift eigenthüm: 
li; fie beitehen aus einem Unterſatz und einer Dede von 
Kupfer, zwiſchen denen ein etwa 2, —3 Fuß mefjender be: 
ölter Bapiercylinder auf Dräbten ausgejpannt if. Gewöhn⸗ 
lid werden zwei Stüd von den Dienern vorgetragen. Bon 
Gaſtmählern werden die Gäfte mittels Windlichtern (ma- 
schale), aus mit Naphtha getränftem und auf hohe Stangen 


*) Bor einigen Jahren follte ich einen zweiunbfiebzigjährigen Greis 
am Staar operiren. Als ich früh mit meinem Gehülfen hinkam, erfuhr 
ih, daß er Tags vorher in eine Grube gefallen und einen Rippenbruch 
erlitten hatte. Ich glaubte an fein nahes Ende und überließ ihn feinem 
Schickſal. Ein Jahr fpäter ftellte fich derfelbe Greis wieder bei mir ein. 
Mit Affiftenz des Dr. Didjon vollzog ich nun bie Operation, worauf er, 
geheilt, eine Walfahrt nach Kerbelah unternahm, auf welcher ihn das 
Fatum ereilte. 





19 


beftedtem Werg beftehend, nad) Haufe begleitet. Erft in der 
neueſten Zeit ließ der König die dem Sclofle parallel Tau: 
fende Gaſſe durch zahlreiche Laternen auf eüropäiſche Weife, 
jedoh mit Talgterzen, beleuchten. 

Der Perſer liebt eg überhaupt nicht, fi nachts viel zu 
beihäftigen; die Arbeit wird während des Tags abgemadıt, 
denn das Gebot des Morgengebet3 zwingt ihn, auch im 
Sommer mit Sonnenaufgang aufzujtehben. Bei den ärmern 
Klaffen brennt abends eine mit Ricinuzöl gefüllte Lampe. *) 
Die mittlern Stände bedienen ſich der Talgkerzen, melche 
jedoch nicht wie in Europa dur Eintauchen, jondern durch 
Uebergießen des Dochts mit geſchmolzenem Talg gefertigt 
werden, daher jie fpindelförmig auslaufen. In die Häufer 
der Keichen - und Beamten fanden jedoch auch fchon die 
Stearinferzen Eingang; fie werden von Rußland aus impor: 
tirt und beißen schame käfuri, d. i. Kampberferzen. Zur 
Berhütung des -Abtropfens find hohe, in der Mitte aus: 
gebauchte Glascylinder (mardengi) im Gebraud, welche als 
ausländiide, meiſt öjterreihiihe Waare hoch im Preiſe 
fteben. Der König und der Hofituat lieben beſonders die 
Hängeleucdhter (tschehil-tscheräk), freilich ein jehr koſtbarer 
Zurusartifel. Der Gebraudh der Illumination (tscheragäni) 
zur Feier eines glüdlichen Ereignifjes, 3. ®. der Einnahme 
einer "Stadt, der Ernennung des Thronfolgers, der Hochzeit 
des Königs mit einer neuen rau u. |. w., wurde durch den 
jegigen König eingefühtt. Da jedoh die Häujer feine 
Fenſter nach der Straße haben, iſt eine Slumination im 
europäiichen Sinn nicht möglich; es werden einige Lämpchen 
vor den Thüren angezündet und dergleichen auf dem großen 


2*) Am Kaspifhen Meer wendet man zur Beleuchtung meift das 
Naphthabl an, welches von ben Turlomanen in ber Nähe von Aftrabab 
auf Heinen Ediffen verführt wird. 





84 


deren Mitte eine gemauerte, etwa 4 Fuß hohe Plateforme ſich 
befindet. In ihnen werden im Monat Muharrem die Baf- 
fionsipiele aufgeführt, zum Andenken an die unglüdliche 
Schlacht bei Kerbelah, wo die Aliden durch die Yeziden bei- 
nahe gänzlich ausgerottet. wurden. Sie mehren ſich durch 
Fundationen und fromme Legate noh von Tag zu Tag; als 
Baumerke verdienen fie kaum Erwähnung. 

Bon öffentlichen Plätzen hat Teheran nur einen ein: 
zigen aufzumweilen: das Säbfimeidan. Er ijt unter der Re: 
gierung de3 jegigen Königs geebnet und gepflaftert worden. 
Ringsum von hübſchen Läden mit Eftraden und Berandas 
umſchloſſen, macht er einen recht angenehmen Eindrud. Einige 
feine Pläge dienen zum PVerfauf von Pictualien oder als 
Friedhöfe. 

Es ift Sitte, daß, mit Ausnahme der ärmiten Klaffen, 
nur je eine Familie in einem Haufe wohnt, wenn dieſes 
auch noch jo groß ift. Jeder trachtet danach, ein eigenes 
Haus zu befigen; nur Fremde nehmen manchmal ein Haus 
in Miethbe. Der Miethzins ift in der Hauptſtadt nicht un⸗ 
beträchtlich, er beläuft fich unter Umftänden auf 200—365 Du: 
katen jährlih. Hat jedoch jemand ein Haus mehrere Jahre 
bewohnt, jo hält es jchwer, ihn daraus zu verdrängen, 
jelbjt wenn er die Miethe nicht bezahlt, denn er bat durch 
längeres Wohnen gleihfam ein Eigenthumsrecht erworben. 
Daher vermeidet e8 der Wirth, den Miethcontract auf meb: 
rere Jahre zu verlängern. Wenn um ein Haus Proceß ge: 
führt wird, fo ſucht jede der streitenden Parteien factiſch 
Beſitz zu ergreifen, und dies wird als gefchehen angenommen, 
jobald es ihr gelingt, ein Geräth hineinzuftellen. Es wird 
zu dieſem Zweck oft ein Möbelftüd über das Dach ind Hau? 
geworfen. Ich mohnte mehrere Jahre in einem ſolchen be: 
ftrittenen Haufe, und meine perfifhen Freunde belebrten 
mich, daß ich nicht allein Feine Miethe zu entrichten bätte, 





88 


diefer Thiere in der Halsgegend vermöge der ſtarken An- 
Ihmellung und der jchnellen Rejorption des Gifts tödlich 
verlaufen können; doc find die Fälle äußerſt felten. Ich 
ah viele von diefen Thieren Geftochene, und nur drei Indi⸗ 
piduen gingen daran zu Grunde In Kalkan fragte ich 
einen gelehrten perfiihen Arzt über den Befund, auch er 
berichtete mir, daß tödliche Fälle äußerſt felten vorkämen, 
daß jedoch oft bedeutende Anichwellung der gebillenen Glie⸗ 
der erfolge und leichte, allgemeine Bergiftungsiymptome fich 
zeigten; ein Fall fei ihm befannt, wo ein Knabe, der im 
Schlaf von einem Skorpion binter dem Ohre geftodhen wor⸗ 
den, innerhalb zwei Stunden erlag. Nach "meinen eigenen 
Erfahrungen in Perlien und Aegypten, und nad glaubwür⸗ 
digen Berichten von Nerzten in Berfien, Aegypten und Tunis 
it hiermit feftgeitellt, daß der Stich des Skorpions und der 
Solpuge äußerit felten tödlich verläuft, daß indeß einzelne 
Fälle mit lethalem Verlauf vorfommen, und zwar 1) wenn 
der Stidy am Hals oder Kopf ftattfand, 2) im zarten Kindes: 
alter. Uebrigens find gefährliche Folgen überhaupt nur in 
beißen Sommermonaten zu befürdten, in anderer Jahres: 
zeit ift der Verlauf durchgängig ein jehr milder. Die Be- 
handlung feitens der Eingeborenen beiteht in jöfortigem Ans: 
jaugen der Wunde, monad ein poröjer, Eiter auflaugender 
Stein angellebt wird; zum innerlihen Gebraud reiht man 
Erdpech, Mumiai und Teriak. Mir leiftete gewöhnlich die 
unmittelbare örtliche Anmendung von Salmiafgeift gute 
Dienite. Dem ängitlihen Reiſenden ift für alle Fälle zu 
empfehlen, daß er mit einem Fläſchchen diefer Subftanz ver- 
ſehen sei. 


C. Die Citadelle von Teheran. 


Bon dem Hauptplat der Stadt, Szebsi-meidan genannt, 
gelangt man vermittels einer Fleinen Brücde über den Graben 





89 


in die Gitadele. Innerhalb diefer ſteht die königliche Ne: 
fidenz mit allen ihren Gärten, Höfen, Kiosks und Harems; 
fie ift im Umfang von 6000 Klaftern mit einer hohen Lehm: 
mauer umſchloſſen. Außerdem enthält die Citadelle noch 
mehrere Paläfte, die des erften Minifters und des Kriegs: 
minifter3, das ruffiihe Gejandtichaftshotel, die Militär: 
alademie, ein mneueingerichtetes® Geſchützdepot, vom diter: 
reichiſchen Major Kıziz reorganilirt, und einige kleine Lehm: 
hütten, beftimmt zur Aufnahme der ala Geifel zurückgehal⸗ 
tenen Turfomanen.*) Sämmtlicher Grund und Boden der 
ausgedehnten Eitadelle gehört dem König; es fteht ihm das 
Recht zu, denfelden nah Willlür, ohne Entihädigung für 
die darauf errichteten Gebäude, in Belig zu nehmen, und 
obwol er nur jelten**) von feinem Vorrechte Gebrauch madht, 


*) Zu Zeiten Feth Ali Schahs wurden biefe Familien, vom Stamme 
ber Telle- Zurlomanen, durch ben Prinzen Seif u bauleh nach Teheran 
gefhidt; fie erhielten Quartiere und eine DBrotration. Doch erwice 
fi die Maßregel als zwedlos, denn die Nomabenflämme ließen fich 
dadurch nit von fernern Einfällen abhalten. Die Nadylönmlinge, den 
Romabenfitten treu, pflegen Pferde, bienen ale Curſchmiede und er- 
zeugen einige Gewebe ber Steppenbemwohner. Auch Tracht und Kopf: 
bekleidung behielten fie bei. Sie find Sunis und ſchon deshalb bei ben 
Perſern verachtet. Ihre Phyſiognomie bietet den reinmogolifhen Typus 
mit ſchiefen Augen, ſtarken Badentnocden, kargem Bartwuchs (rische 
kusse), ſtarkem Schnurrbart und Mangel an Badenbart. Die rauen, 
obwol von gelblicher Farbe, find in der Jugend ziemlich hübſch, werben 
aber in vorgerldterm Alter auffallend häßlich. 


”*) Es geſchah dies meines Wiſſens nur zweimal: nach gebämpfter 
Empörung bes Rebellen Salar murden ſämmtliche Häufer ber Familie 
und ber Angehörigen beffelben geftampft und ber Grund eingezogen; 
und während des letzten englifch- perfifchen Kriege wurde das Palais 
des englifhen Schütling®, bes Prinzen Seif-ebbauleh, zur Erweiterung 
der königlichen Refidenz verwendet. Auch nah dem Friebensichluß 
tonnten die Engländer keine Einſprache thun, meil das Eigenthbumsredht 
des Könige auf ben Boden feftfteht. 





% 


jo ift doch der Werth diefer Bejigungen eben wegen ber 
möglichen Confiscation fehr gering. 

Bleih über der Brüde führt eine Heine Gaſſe durch 
das Thor der Nagare Chane*) auf den großen Platz (mei- 
dan-e-Schah), der in der Länge 120, in der Breite 60 Klaf- 
ter mißt. Es ift der Erercirplag der Artillerie; ringss 
berum find Logen für die Artilleriemannſchaft angebradit; 
in der Witte erhebt fi eine Plateforme (seku), wo die drei 
unter Schab Abbas den Portugiefen abgenommenen großen 
Kanonen (tube murwärid) aufgeftellt find. Dielen Kanonen 
wird bejondere Verehrung eriviefen; fie gelten als Aſyl für 
Verbrecher und merden bei großen Schiegübungen auf Be: 
fehl des Königs vor die Stadt geführt. Auf diefem Platze 
finden aud die Revuen der irregulären Truppen (radif), 
die Feuerwerke und öffentlichen Spiele bei großen Feiten und 
Feierlichkeiten ftatt. Zu dem Zweck befindet ſich dafelbit eine 
hohe Tribüne, auf welcher der Schab, die Würdenträger und 
Geſandten als Zuſchauer beimohnen. Seitwärt3 in der Ede 
bemerft man auch ein Heine Thürmchen, von wo aus ber 
König oft unbemerkt mit dem Fernrohr die Vorbeiziehenden 
muftert und die Erercitien der Artillerie beobachtet. 

Durch ein ziveites gegemüberliegendes Thor (äali kapi, 
bobes Thor) gelangt man, einen winkelig gebrochenen Gang 
paflirend, in den eriten Hof (bäge salam, Salamgarten; jo 
genannt, weil dort der große Salam abgehalten wird). Er 
ift fehr geräumig, mit hohen, ftämmigen Platanen bepflanzt 
und wird durch den großen Salamfaal in zwei gleiche Hälfs 
ten getheilt. Bon bier kommt man wieder durd . einen 
großen Thorweg in den zweiten Hof, die eigentliche Reſidenz 
des Königs, genannt diwän-chäneh. Diejer Hof ift links 
angebaut, während ihn gegen die Mitte eine Häuferreihe in 


*) Siehe Kapitel „Neujahrsfeſt“. 





92 


der Schab von vorzüglidher Größe, aber etwas gelb, mie 
fie aus alter Zeit datiren. Die vielen goldenen mit Juwe⸗ 
len beſetzten Gefäße, die aus Gold prächtig emaillirten Trink: 
gefchirre, die ganz mit Edelfteinen incruftirten Gürtelplatten, 
dag Reichsſcepter und das Reichsſchild u. |. m. müſſen jeden 
Kenner zur Bewunderung binreißen. 

Der Empfangjaal, der größte im ganzen Schlofie, 
ftelt eigentlih eine offene Halle dar, denn die beiden 
Hauptmände fehlen und werden durch mächtige Säulen er: 
ſetzt. Zwei Gobelinteppiche von höchſter Meifterfchaft, ein 
Geſchenk des Königs Ludwig Philipp, und der berühmte 
Pfauenthron (tachte-täus), welchen Nadir Schah von der 
Plünderung Delhis nad Perfien brachte, fallen hier zumeift 
ing Auge. In diefem Saal werden Audienzen ertbeilt und 
Bejandtichaften empfangen. Die zwei feitlihen Thüren füh⸗ 
ren in die Bibliothef und in die Rüftlammer. In der Näbe 
befindet fih auch die fönigliche Bildergalerie, deren Beſchrei⸗ 
bung mir an einem andern Orte geben. 

Aus der Diman chaneh gelangt man durch eineh Bid: 
zadgang in das königliche Enderun. Es beſteht aus 
drei großen und einem Kleinen Hofe, die alle von Woh⸗ 
nungen für die fönigliden Frauen, ihre Sklavinnen und ihr. 
Gelinde umgeben find. Nad außen wird es durch ſehr hohe 
Lehmmauern abgegrenzt und durch aufgeitellte Poften ſorg⸗ 
tältig bewacht. Weder der Bau noch die Ausfhmüdung ver: 
rathen eine Spur von orientalifhem Lurus, wie man fidh ihn 
porzujtellen pflegt. Die Einrichtung der Zimmer ift einfacher 
als in andern Harems der Stadt. Erft in den lebten Jah⸗ 
ren ließ der König für feine Lieblingsfrau im erften Hofe 
ein nach perfiihem Geſchmack prädtiges Gebäude aufführen. 
Dafjelbe leidet jevohd an allen Mängeln der neuern inlän- 
diihen Baufunft; die Lehmmauern find mit Gips und Mar: 
mor überfleidet, die mit Stud übertündhten Säulen find 





93 


bünn und ſchmächtig, die Treppen jteil und eng, die vielen 
Fenſter, Thüren, Erker, Niihen, Balkone und Galerien 
mahnen an ein Kartenhaus, das beim leijeiten „Stoß zu: 
jammenzubreden droht. 


D. Phyſiognomie anderer perhfcher Städte. 


Richt viel verfchieden von der Teherang iſt die Phyſiognomie 
der andern großen Städte, wie Tabris, Kaswin, Hamadan, 
Kum, Kaſchan u. |. m. Ueberall diefelbe Bauart, diefelben 
Auinen, derjelbe Schmuz in den Gaflen, und dafjelbe Trei- 
ben und Leben in den Bazaren und Karavanſerais. Weberall 
Häuier im Verfall und andere in Aufbau. Eine Ausnahme 
bildet Ispahan, welches feine großartigen Ruinen, feine 
Moicheen, Bärten, Brüden, Karavanjerais, Bazare, Fabrik: 
anlagen, jein Acker- und Gartenbau, jeine Weingärten 
und Melonenfelder ſehenswerth machen. Es iſt der einzige 
Drt Berfiend, der auf den Namen einer Haupt= und Reſidenz⸗ 
ſtadt Anſpruch erheben kann, und jede vernünftige Ktegierung _ 
wird in Zukunft dort ihren Stüß- und Gentralpuntt fuchen. 

Ueber die Ruinen Ispahans ift in neuelter Zeit jo 
viel gefchrieben worden, daß ich es für überflüflig erachte, 
auf den Gegenftand näher einzugeben. Ich will hier nur 
von den beweglichen Minaret3 ſprechen, deren Beichreibung 
ih überall vermiffe, während doch ihre Conjtruction dem 
Iharffinnigften Beobachter unbegreiflich erjcheinen muß. Etwa 
eine Stunde von Ispahan, in dem Flecken Chaledan, ſteht 
eine Mofchee von mäßiger Größe; fie ift gewölbt und birgt 
in ihrem Innern das Grab eines Santon. Weber der Wöl: 
bung, welche an mehreren Stellen Riſſe zeigt, erheben jich zwei 
Thürmchen (Minarets) von etwa 15 Fuß Höhe, durch einen 
Zwiſchenraum von etwa 20 Fuß voneinander getrennt. lim: 
faßt man eins dieſer beiden Thürmchen und rüttelt daran, 
fo bewegt es jich merklich, und diefe Bewegung tbeilt fich 





94 


dem andern Thürmdhen, dem Gewölbe jammt allen daran 
befeftigten Gegenftänden und den Wänden des Tempels mit. 
Ich hatte, auf dem Gewölbe ftehend, während mein Diener 
an dem Thürmchen rüttelte, dag Gefühl, als wanke, durch 
ein Erdbeben erjchüttert, der Boden unter mir. Und troß 
der öÖftern Bewegung, troß der vielfächen Riſſe des Gewölbes 
behauptet jich der Bau ſchon durch mehrere Jahrhunderte. Ob 
die Beweglichkeit defjelben im urfprüngliden Blan des Bau- 
meiſters lag, oder ſich erft fpäter durch Zufall einftellte, weiß 
man nicht. Kein europäiſcher NReifender bat bisher das 
Räthſel der jich fehüttelnden Minaret3 (minäre dschunbän) 
zu löſen vermocht; die Berfer aber fchreiben fie der Wunder: 
kraft des Heiligen zu. 

Einigermaßen abweichend von den Städten des kahlen 
Hodlandes ift nur die Bauart in der von einer reichen 
Vegetation, von üppigen Baumgruppen umgebenen Städten 
am Kaspifhen Meere, indem bier die häufigen Regen zur 
Anlage ſchräger Ziegeldächer nöthigten. 


E. Gürten. 


Die Gärten der Stadt Teheran umfaſſen nach Meſſung 
des öſterreichiſchen Major Krziz ein Areal von 80000 Quadrat⸗ 
Klafter. Die größten und üppigften find im füdweftlichen und 
nordöftliden Stadttheil gelegen. - . 

Gewöhnt an die Kargheit der natürlichen Begetation, 
namentlih den Mangel an Bäumen in der Ebene, fegt den 
Perjer ein Bächlein mit fließendem Waller in Entzüden, an 
deffen Rand er unter einigen Weiden- oder Bappelbäumen 
Schatten findet, feine frugale Mahlzeit einnehmen und im 
Sommer fein Nachtquartier auffhlagen kann. Sieht er gar 
in einer Umzäunung eine Gruppe von Wuld- und Frucht⸗ 
bäumen und einige Rofenft:äuche, fo erklärt er den Garten 
für herrlich, für paradiefifch, zur Poeſie begrifternd. Doch 





100 


beide find aber ebenfalls behufs Gewinnung von Bauholz 
ftarf geplündert. Uebrigens muß der König dad Bauholz 
aus feinen eigenen Gärten theuer bezahlen. 

Der Garten bei Fin (Kajchan), berühmt als Schauplag 
der Ermordung des mächtigen Miniſters Mirza Taghi Chan, 
weilt einen kräftigen Baumwuchs auf und ift von Tlaren, 
friſchen Bächen durdzogen. Kein Reifender follte verfäumen, 
das Bad, wo der Emir ermordet wurde, und die ſchlanken 
Cypreſſen anzujeben. 

Die einit berühmten Gärten von Ispahan: Tſchehil⸗ 
ſutun, Tſchehar bag, Hezar Dſcherib, Anguriftan u. ſ. w., 
von frühern Reiſenden ſo ſehr geprieſen, ſind jetzt ganz in 
Verfall; ſie werden mit Getreide, Taback und Gemüſen 
bepflanzt. 

Einer beſſern Pflege erfreuen ſich die Gärten von 
Schiraz, weil ſie dem Strahlenglanz der geheiligten Majeſtät 
und den Blicken der raubſüchtigen Cohorten ferner gerückt 
ſind. Die reiche Vegetation der Orangen, Limonen, Man⸗ 
darinen, Cedras u. ſ. w., die weithin ihre Düfte verſtreuen⸗ 
den Blüten mahnen uns an Saadi und Hafis, deren Poeſie 
ſich an ihrer Schönheit begeiſterte. Die Grabmäler dieſer 
beiden Dichter, von gutbewäſſerten Parkanlagen umgeben, 
laden die Bewohner von Schiraz zu fleißigen Pilgerfahrten 
dahin ein. 


F. Sommerſitze und Zeltlager. 


Bei der gänzlichen Verabſäumung aller Sanitätsmaß⸗ 
regeln für Reinigung der Stadt werden im Sommer die 
Straßen ſo ſchmuzig und unflätig, die Luft ſo peſtilenziös, 
heiß und drückend, das Waſſer in den Baſſins ſo faul und 
ſtinkend, die Mücken und Fliegen ſo beläſtigend, daß es 
unumgänglich nöthig iſt, während der Sommermonate einen 





102 


momentane Bedarf an Laftthieren ift dann außerordentlich 
groß. Alle fremde Maulejel- und Kameltreiber, deren man 
babhaft werden kann, jelbit die Karavanenführer, werden 
meift unentgeltlich zu dem Zuge gepreßt; man überlaftet ihre 
Thiere und jorgt nicht einmal für hinreichende Futter. Da: 
ber ſuchen fie vorher aus der Stadt zu flüchten; fie ver- 
fteden ihre Thiere in Ruinen oder treiben fie in hohe Berge, 
bis die Gefahr vorüber ift. Den europätichen Geſandtſchaften 
wird es leichter, Lajttbiere zu befommen, weil man meiß, 
daß jie den Dienft nicht ohne Bezahlung verlangen. 

Es ift felbitverftändlih, daß fih um das Königliche 
Dorf Niaveran die meiften Beamten und andere Stabtbewoh- 
ner Scharen. Darum wird in Furzer Zeit auch bier Luft und 
Wafler jo verpeitet, daß der Aufenthalt feine Erfrifhung 
mehr gewährt. Alzdann bricht der Hof nah den fernen 
Bergen auf, nah dem Engthale Laar, in das waſſerreiche 
Keſſelthal Amameh, nach Lauroſcheriſtanek am füdlichen Ab⸗ 
bang des Elburz, in die Nähe der Stadt Demamend u. |. w.; 
und da e3 dort feine Behaufungen gibt, jo werden Zelte 
aufgefchlagen und ein Lager bezogen. Dem Perſer Flebt noch 
jo viel von Nomadenthum an, daß er jich in Zelten heimiſch 
und behaglich fühlt, auch weiß er fie bequem und mohnlid 
einzurichten, und nicht mit Unrecht jagt man, jein Zelt 
gleicht einen Haus, fein Haus einem Zelt. Der zum Lager - 
beitinmte Bla, an einem frifchen Bach oder an einer waſſer⸗ 
reihen Quelle gelegen, wird mit Leinwandwänden (seraperde) 
umſpannt, deren innere Seite mit allerhand Figuren bemalt 
it. Für die königlichen Zelte wird ein Ort gewählt, der 
leiht von den Wachen abgeiperrt und überjehben werden 
kann. Für die übrigen wird der Boden durch aufgeworfenes 
Erdreich erhoben und geebnet. Um die Sonnenftrablen ab: 
zubalten, bejtebt jedes Belt aus einem äußern und einem 
innern. Das äußere (puscht), aus rother Leinwand gefers 





105 


Lagerplatz fehr geeignet, um jo mehr als Wechjelfieber und 
Dysenterie dort nicht vorkommen und die Cholera ſich noch 
nie dort gezeigt bat. 

Eine große Menge von Argalig, Antilopen und Wild: 
fchweinen bietet Gelegenheit zu ergiebiger Jagd. Allein bei 
dem Abgang aller Ordnung und Aufliht über Reinigung 
des Lagerd wird felbft bier zuletzt die Luft verdorben, die 
Forellen wandern aus oder fterben ab, und jo ſieht ſich der 
König gezivungen, den Lagerplag entweder weiterhin zu ver- 
legen oder gänzlich zu verlaffen und mit einer andern Ge: 
gend zu vertaufchen. 

Segen Ende Auguft Tehrt der Hof ins Luftihloß am 
Fuße des Elburz zurüd, um im Monat October wieder die 
Stadt Teheran mit feiner Gegenwart zu beglüden. Der 
Rückzug geht nicht minder tumultuarifch vor ſich mie die 
Hinreife. Sind die aftrologiihen Zeichen für den Eintritt 
in die Stadt ungünftig, jo wartet der König einige Tage 
in einem nahegelegenen Garten, gewöhnlich in Negriftan oder 
Nizamieh, bis glüdlichere aftrologifhe Conftellationen ihm 
den Eintritt durch ein beftimmtes Thor erlauben. 





IM. 
Speifen und deren Bubereitung. Mahlzeiten. 


Nationalgerichte: Tſchillaw, Pillam und Aſch. Brot. Fleiſch, Wild, 
Geflügel. File. Speifegefepe. Milch, Käſe. Sauere Eonferben unb 
Scherbets. Süßigkeiten. Früchte. Gemüſe. Getränte. Eis und 
Eisgruben. Gewürze. Küche und Küchengeräthe. Tafelgeſchirr. Die 
Mahlzeit. Gaſtereien und Trinkgelage. Die königliche Tafel. Volle⸗ 
verpflegung. Billigkeit und Theuerung ber Lebensmittel. 


Der Perſer iſt ſehr einfach in ſeiner Lebensweiſe, und 
im allgemeinen mäßig in Speiſe und Trank. Cerealien, 
Reis, Vegetabilien, Obſt und Milchproducte bilden ſeine 
Hauptnahrung; Fleiſch genießt er wenig. In den Städten, 
namentlich unter den wohlhabenden Klaſſen, dient der Reis 
als das wichtigſte Nahrungsmittel; ebenſo in einigen Pro⸗ 
vinzen am Kaspiſchen Meer, wo Cerealien aus vorgefaßter 
Meinung, daß fie nicht gedeihen, gar nicht angebaut werden . 
und Brot daher vom Volke faum gekannt if. Aus Neig 
werden die drei Nationalgerichte: Tſchillaw, Pilam und Aſch 
bereitet; tie fjpielen im Haushalt des Perſers eine große 
Rolle, und ohne Ambroſia-Pillaw vermag er fich Fein Bara- 
dies zu denfen.*) Nachitebend eine ausführliche Beichreibung 
derfelben. 


*) Ich las einft mit meinem Mirza (Privatfchreiber) ein Kapitel 





107 


Unter Tſchillaw veriteht man in Waſſer abgefottenen, 
nur wenig fetten Reis; er wird entweder als befonderes Ge⸗ 
richt oder als Ingredienz an Ragouts, Fleifchforten und 
Milchproducten verzehrt und ift eine leichtverdauliche Speife, 
die ſelbſt Kranke und Reconvalefcenten gut vertragen. Man 
ißt fih ihn, wie dad Brot, nie zum Ueberdruß; es gibt 
Zeute, die ihr ganzes Leben lang jeden Tag zweimal Tſchillaw 
genießen, und denen er nebit etwas Fleiſch, Brot und fauerer 
Milch faft als ausfchließlihe Nahrung dient. Auch Euro: 
päer gewöhnen ſich daran, eſſen ihn ein- bis zweimal des 
Tags und befinden ſich wohl dabei. 

Die Art der Bereitung it folgende: Man nimmt Reis 
von guter Qualität, vorzüglich die nur wenig mucilaginöfe 
Sorte von Maſanderan (Amberbu) oder von Schiraz 
(Tichampe), läßt ihn 1—1"/, Stunden in kaltem Waffer 
fteben, um den Reit der mucilaginöfen Beftandtbeile zu ent: 
fernen, und feiht ihn dann durch. Hierauf füllt man einen 
großen Kupfertopf A zur Hälfte aq mit — 
geſalzenem Waſſer und ſtellt ihn, durch @ B 
einen gemölbten, genau Tchließenden 
Hut B bededt, an offenes, ſtarkes 
Feuer. Sobald das Waſſer ſiedet, 
wirft man jchnel den Reis binein, 
läßt ihn 8—10 Minuten lang kochen 
und macht dann die Probe; fängt er 
an etwas zu jchwellen, ſodaß er zwiſchen den Fingern zer: 
drüdt werden kann, fo giebt man das Waller ab und läßt 






aus Saadi, das liber Genügſamkeit handelt; ich verfland eine Stelle 

nit, da erffärte ber Mirza, um mir bie Sache beutlich zu machen, 

den Sinn folgendermaßen: „Du mußt nicht jeden Tag einen fetten 

Pillaw effen, fondern dich auch manchmal mit Brot und Käſe be- 
“u 


guügen. 





116 


unverlauft bleibe. Deshalb fühlt man auch nicht das Bedürf⸗ 
niß nah Eisfellern oder Fühlen Aufbewahrungsplägen für 
das Fleifch. | " 

Die Eingemeide, Herz, Leber, Lunge und Gedärme, 
werden entweder weggeworfen, wo jie dann den zahlreichen 
Hunden zur Speife dienen, oder faft umjonft an die ärmiten 
Klaſſen abgegeben. Die Milz jedoch wird immer den Hun: 
den überlaffen. 

1) Das Fleiſch wird in Waſſer abgekocht und mit Kücher: 
erbjen verjett, die Brühe beißt dann næchud ab oder äbe- 
guscht; jie wird mit einem Theil des Fleiſches ferpirt, der 
größte Theil defjelben wird jedoch vor dem vollen Barmer: 
‚den herausgenommen und dem Pillaw einverleibt. Wird die 
Brühe mit Reis und mit Früchten oder Gemüſen verjekt, 
fo nennt man jie Aſch (ſ. oben). 

2) Das Fleifh wird in dünne Scheiben gefchnitten, die 
mit Schichten Fettichmanz vom Tatarenichafe abmwechjeln, an 
den Spieß oder Laditod geitedt und über Kohlen gebredt, 
zumeilen auch mit Butter und Citronenfaft beftriden und 
mit etwas Pfeffer betreut, bis es gebraten ift. Hierauf 
wird es in einen dünnen laden Brot eingebüllt zu Tiſch 
gebracht. Diefe ift die beliebtejte und ſchnellſte Fleiſchberei⸗ 
tung der Perſer; ter Braten fehlt daher bei feiner guten 
Mahlzeit. Friſch genoffen ift er in der That äußerit ſchmack⸗ 
haft und leicht verdaulid; man nennt ihn sich-kebäb 
(Spießbraten). unge Hühner und große Stüde zarten Lamm⸗ 
fleifches werden unzerfchnitten auf diefe Weife zubereitet. 

3) Das Fleifh wird mit gleichen Theilen Zwiebeln zu 
einem feinen Brei gebadt, hierauf auf einem jchwertartigen. 
Spieß geformt, über Kohlen gebaden und mit dem Pulver 
von Rhus coriaria (sumäk) beftreut. Dieſes ift die Lieb: 
lingsſpeiſe der mittlern Klaffen; fie beißt schisch-kebäb, 





120 


Hierzu find auch die verfchiedenen Scherbets zu red: 
nen. Unter Scherbet verfteht man einen mit Zucker verſetz⸗ 
ten, zur Sirupceonfiftenz eingelochten fauern Saft, welder 
mit Eiswafler vermischt wird. Er bildet das Lieblings: 
getränk der Perfer. Man unterjcheidet je nah den mannid: 
faltigen Ingredienzien den Scherbet von Eſſig oder Oxymel, 
von Rheum riwas, von Citronen, Granaten, unreifen Traun: 
ben, Quitten, Weichjellirihen, unreifen Tamarinden, Ber: 
beris u. |. w. 

Neben den Säuren werden die Süßigkeiten (schirini) 
von groß und Klein mit Vorliebe genoffen; fie jind zu jeder 
Feftlichkeit unerlaßlih, jede Gabe, jedes Geſchenk wird von 
ihnen begleitet. Der Perjer bereitet fie mit bejonderer Ge⸗ 
Ichilichfeit, ja die perſiſchen Zuderbäder (ksennädi) halten 
ih in ihrem Zah für die eriten Künftler der Welt. Die 
beiten Sorten fommen aus Ispahan und Yezd. Als In— 
gredienzien veriwendet man den raffinirten oder yezder Buder, 
zu den mittlern Sorten auh Honig, Melaffe und ein: 
gedicten Traubenfaft. Der Zuder wird nit Reismehl, ran: 
zigen Fett, Stärke, Citronenfaft u. |. w. gemifcht und in 
verjhiedene Formen gegoflen. Dem Europäer munden bie 
Schirini nicht. Die überzuderten Früchte beißen nukl, bie 
Erzeugnifje in Beltchenform kurs. Als vorzüglidites Schi: 
rini gilt das Peſchmek; der Zuder wird mit Fett gefnetet, 
und die daraus entitandene elaftische Subftanz von zmei Eräf: 
tigen Perjonen mehrere Stunden lang wie Strähne aus: 
gezogen, bis fie der Flachsfaſer ähnlich ift, daher der Name 
peschmek (Wollfafer). Andere Süßigkeiten, als: das 
Baghlewa, Magcati u. |. w., jind ebenfalls beliebt und fehlen 
bei Teinem Felt. Selbit der Kandigzuder (næbat) erfreut fich 
einer befondern Gunft; es werden aus demſelben Schüffeln 
mit ftalaktitartigen Säulen anfryftallifirt und ala Angebinde 
überreicht. Ein Stüd Kandis fehlt felten in der Tafche des 





121 


Perſers.*) Als ſchmackhafteſte Süßigkeit gelten die Fladen 
aus der Gez-manna (Gezengebin), melde mit Mandeln, 
Piſtazien, Cardamomum verjegt, im Ofen gebaden, mit Mehl 
und Kätzchen von Salix sygostemum beftreut und im ganzen 
Lande verjchidt werden. Wenn Zuder, zur Sirupconfiften; 
gekocht, mit wohlriechenden Subſtanzen verjegt wird, jodaß 
eine zähe, fchmierige Maſſe entitebt, jo heißt er hælwa. 
Ran veriendet dazu die Blumenblätter von gelben und 
rothen Rojen, die Blüten von Aepfeln, Duitten, Jasmin 
u.j.w., wonach das Hälwa verjchiedene Nanıen empfängt. 

Unter rub verfteht man dideingefohte Pflanzenfäfte 
von Öranatäpfeln, Rheum riwas u. j. w. Der Honig (assal) 
iſt vom Volk fehr geliebt und wird häufig verwendet; es 
gelten eigene VBorfichtsmaßregeln für deſſen Genuß, da er bei 
ungeitigem Gebrauch durch feine erhigenden Eigenfchaften 
ſchwere Krankheiten erzeugen fol. Auch von giftigem Honig 
habe ih erzählen hören. 

Zu den Beitandtheilen eines guten Mahls gehören auch 
die verichiedenen in Zuder eingemachten Früchte, in deren 
Vereitung die Perſer Meilter find; fie beißen mursbba. 
Für die beften gelten die von Quitten, Nepfeln, Orangen, 
Cedratſchalen, Ingwer, Berberis von Choraſſan u. f. m. 

Eine wichtige Role unter den Nahrungsmitteln des - 
Volls fällt den Früchten (miweh) zu, die wegen ihrer 
Öiligkeit auch dem Nermften zugänglich find und oft, nebft 
etwas Brot und Käfe, feine einzige Nahrung ausmachen. 
In den Sommermonaten hält die arbeitende Klaffe mit Fei- 
gen (andschir), Maulbeeren (tut), gelben Pflaumen (älu- 
zerd), Melonen, Trauben ihren erften Imbiß und verzehrt 





* Der Zuder gilt für „warm“ (erhigend), der Kandis für 
„alt“ (Hühfend), daher bie Getränke für Fieberkranke mit letzterm 
Krfüßt werben, 

















124 


polizeilihen Zarif feitgeftelt. Zur Bereitung des Eifes 
beftehen in der Stadt und deren Umgebung Eisgruben 
(jech tschäl), parallelogrammurtige Vertiefungen von etwa 
2— 300 Quabdratllafter, deren drei Seiten mit einer hoben 
Lehmmauer eingefriedet find, während nur die vierte, nad 
Norden gelegene, offen bleibt, ſodaß die Sonnenftrahlen nicht 
eindringen können. Im Winter füllt man dieſe Gruben mit 
Water, und ſobald fih nachts eine dünne Eiskruſte bildet, 
wird fie immer durch aufgegoffenes Waſſer friich beriefelt, 
bis das Eis zur gehörigen Stärke anwädlt; es wird dann 
in Tafeln zerfchlagen und im Keller aufbewahrt. Infolge 
der trodenen LZufi erhält e3 fjich den ganzen Sommer .und 
Herbſt hindurch, in Ispahan fogar zwei Jahre lang. Ich 
ſah in legterer Stadt einen Eisfeller, deffen Gewölbe ein- 
geftürzt war, und in dem dennoch das Eis, nur mit einer 
Schichte Stroh und Reijig bededt, den ganzen Sommer bin: 
durch nicht aufthaute. Das in der Stadt Tünftlich bereitete 
Eis ift unrein, weil die Gruben im Sommer zur Ablagerung 
von Kehricht und Aas benußt werden; man reinigt fie zwar 
im SHerbit, doch hindert dies nicht, daß auf dem Grund 
eine dide Humuslage zurüdbleibt. Das Eis enthält daher 
organische Subjtanzen, welde um jo ſchädlicher wirken, da 
der Perſer feine Getränke nicht in Eis abfühlt, fondern 
Stüde deffelben bineinwirft. Viele Fälle von Dysenterie 
find gewiß dem Genuffe unreinen Eifes zuzuschreiben. Weit 
vorzüglicher ift das Eis, welches jede Nacht friih von den 
hoben Schneegedirgen geholt wird, an deren Fuß die meiften 
größern Städte liegen. Auch Teheran liegt in der Nähe 
eines ſolchen Gletſchers, daria jach (EiSmeer) genannt. Den 
Perjern iſt der beftändige Genuß des Eijes eine Nothwendig⸗ 
keit, und ich bemerkte bei ihnen nie, die Reinheit des Eijes 
vorausgejegt, eine jhädlide Wirkung davon. Anders bei 
den bier lebenden Europäern, welche ſich an dafjelbe nicht 





125 


gewöhnen können, meil e3 ihnen Gaſtralgie verurſacht. Für 
fie find in Eis gefühlte Getränfe vorzuziehen; wenigſtens 
dürfen ſie nur Sehr Meine Quantitäten Eis unter das Ge: 
traͤnk miſchen, jonft entiteht leicht, befonders wenn der Hör: 
per erbigt ift, eine Erampfbafte Zuſammenziehung der Speife: 
röhre. Um das Waller längere Zeit Fühl zu erhalten, jeßt 
man es auch in poröjen Thongefäßen aus Kum dem Luft: 
zug aus. 

®emwürze (adwijeh) iverden in der perjüüchen Küche 
nicht viel angewendet, bier und da etwas Pfeffer (fulful ), 
Zimmt (därtschini) und Cardamomum (hil), am meilten 
Safran (zaaferun), welcher dem Neis und jelbit dem Luru3: 
brot beigemifcht wird. Deito häufiger ift der Gebrauch der 
aromatiihen Kräuter, Wurzeln und Samen, wie Majoran 
(marsendschusch), Quendel (häschä), Kiimmel (zireh), 
Fenchel, Münze, Zwiebeln und Knoblauch. Der Confum 
von Knoblauch ift in den Marſchländern am Kaspiſchen 
Meer erftaunlih groß. Rohe Zwiebeln find auch bei den 
befiern Klaſſen beliebt. 

Mahlzeiten hält der Berfer nur ivenige. Früh mor: 
gend nimmt er als erften Imbiß (tschäscht) ein Täßchen 
bittern Kaffee oder eine Taſſe Thee, zumeilen mit einem 
Stückchen Zwiebad und etwas Käſe. Das Volk ißt mit nüchter- 
nem Magen Früchte in erftaunlien Malen. Man bält das 
Dbft in den Morgenitunden am zuträglichften, während man 
e8 nach der Mahlzeit genoffen für ſchädlich erflärt. Gegen 
11 Uhr wird das Frübftüd (nehär) eingenommen. Die 
Hauptmahlzeit bildet das Abendbrot (schäm), einige Stun: 
den nach Sonnenuntergang. „sn reichen Häufern pflegt man 
noch nachmittags als Zwiſchenmahlzeit Thee und Früchte zu 
genießen (asräneh); im allgemeinen aber bält der Perfer 
wur zwei Mahlzeiten, die andern koͤnnen wegen ihrer ge- 
ringen Qualität und Quantität kaum als ſolche gelten. In 








132 


Hunde nicht hungerig bleiben.” Die von Europäern liegen 
gelaffenen Refte werden nämlich von den Dienern verihmäht 
und den Hunden überlaffen. 

Die Lebensweiſe des Schah ift folgende: Früh 
gegen 8 Uhr verläßt er den Harem und nimmt eine Schale 
Thee mit etwas Zwieback, melde ihm vom Oberfaffeemeifter 
(kahwetschi bäschi) gereiht wird. Zwiſchen 9 und balb 
12 Uhr, je nah Appetit und Laune, ertönt fein Auf: 
„Nehär biär!” (Bringt das Frühftüd!), und hierauf die fie: 
reotype Antwort: „Beli kurban schawsem!’” (a, ih will dein 
Opfer fein!) Der Kämmerer, an den der Befehl gerichtet 
iſt, ertbeilt ihn dem Oberwaſſer-, diefer dem Oberteppich⸗ 
meifter, diefer endlich einem acht- bis neunjährigen Pagen; 
nicht felten vergißt das Kind die Commillion, bis der König 
ungeduldig den Befehl wiederholt und nun endlich bedient 
wird. Der Küche ftehen der Oberkoch (tsebbäch bachi) und 
der Oberhofmeiſter, „das Auge des Reichs“, vor. Etwa 
funfzehn Diener tragen auf dem Kopfe, unter Vortritt des 
„Auge des Reichs“, die großen filbernen, mit Shawltüchern 
ummundenen Plateaux herbei. Wären die Speilen nicht 
ſchon fett genug, diefe Shamls könnten ihnen von ihrem 
Fett etmas abgeben. Zugededt find die Schüſſeln von Kine 
ſiſchem Porzellan mit Tonifhen, aus Gold fein emaillirten 
und mit koſtbaren Edeljteinen bejegten Stürzen, die eine be 
fondere Eoftbare Bierde bilden. 

Auch der König bat Fein beftimmtes Speifesimmer, ſon⸗ 
dern läßt in dem anrichten, wo ihn gerade der Appetit 
überraſcht. Hier wird das mit Kattun überzogene Ledertuch 
entfaltet; die Plateaur werden nur bis zur Schwelle von 
den Hofdienern, von da durch Kämmerlinge aufgetragen. 
Statt der Serviette ſoll dem König jeden Tag ein neues, 
ungeſäumtes weißes Kattuntuch hingelegt werden; dies wird 
aber aus Fahrläſſigkeit faſt jeden zweiten Tag vergeſſen, ſo⸗ 





133 


daß der König felbit erft daran erinnern muß, und ift dann 
der Sclüffel zum Magazin nicht zu finden, fo zieht ein 
Rämmerling fein weißes Schnupftud aus der Tafche, es als 
Serviette überreichend. 

Mit der Maffe der Speilen, welche dem König täglich 
vorgeſetzt werden, könnten an hundert Perſonen jich jättigen; 
doch ſpeiſt er nach der jetzt beftebenden Sitte ganz allein. 
In einiger Entfernung ſtehen die Leibärztee Ein Höfling 
lieft Erzählungen aus der Chronik oder die Rechnungen über 
die Staatdeinnahmen und Ausgaben vor, die dann der 
König nah dem Frühſtück mit feinem sahihh est (vidi, eis 
gentlich: richtig) unterzeichnet. Er greift nad) der Landesſitte 
ebenfall3 mit den Fingern in den Tichillam und weiß, ohne 
binzufeben, durh das Gefühl, den guten vom jchledhten zu 
unterfcheiden; daher ich ihn oft jagen hörte, er begreife nicht, 
wie man mit Werkzeugen ejlen könne, da doc der Geſchmack 
bei den Fingern anfange. 

Hat der Shah auch gar feinen Appetit, jo hebt er doch, 
von Zeit zu Zeit ganz Kleine Biffen in den Mund jchiebend, 
die Tafel nicht vor einer halben Stunde auf, denn die per- 
ſiſche Etikette fordert, daß der Schah immer bei Appetit fei. 
Endlid langt er nach den füßen Conſerven, Früchten und 
Käfe, welde das Mahl bejchliegen. Einmal wurde ihm ein 
Roob von Granatäpfeln in einem Kryftallglafe jervirt. Er 
nahm ein Stüd davon, und als er die Finger abledte, blieb 
ihm ein Slasiplitter im Gaumen fteden. Böſe Abjicht ver: 
muthend, befahl er, jofort den Scherbetmeilter zu tödten; 
doch gelang e3 unferer gemeinfchaftlichen Fürſprache, den 
armen Zeufel zu retten, der mit einer Tracht Prügel auf 
die Fußſohlen davonkam. 

Der König trinkt nur Eiswaſſer oder in Eis gefühlte 
fauere Milh und Scherbets; letztere werden ihm auf chine: 
ſiſchen Schüſſeln, das Wafler wird in emaillirten Goldvafen 





134 


(tung) oder in Thonkrügen fervirt. Nach der Mahlzeit reicht 
ihm ein Kammerdiener ein goldene? Waſchbecken zum Rei⸗ 
nigen der Hand und Ausfpülen des Mundes, ein anderer 
präjentirt das Narghile und ein Täßchen Mokka. Nachmit- 
tags (asräne) werden ihm Früchte, Eid, Melonen, friſche 
Gurken, Lactuca u. |. w., was eben Neues auf den Markt 
fommt oder aus den Provinzen eingefhidt wird, vorgejfekt. 
Abends fpeift er in feinem Enderun. Daß ſtets eine fo 
große Maſſe von Speisen die Töniglihe Tafel bededen muß, 
bat mehrfache Gründe. Erſtens verlangt es jo der orienta- 
liche Bomp; fodann bildet das Mebrigbleibende die Mahlzeit 
für ſämmtliche Hofleute; drittens aber dient e8 zum Schug 
der perjönlichen Sicherheit des Schah, denn da er nach jeder 
der vielen Schüffeln greifen Tann, fo ift eine Vergiftung 
durch Thädliche Zuthaten kaum ausführbar, zumal auch hun⸗ 
dert andere von den aufgetragenen Speilen genießen. Trotz⸗ 
dem erhält der König täglih von feiner Mutter ein ver: 
ttegeltes, vom erften Eunuchen begleitetes Plateau mit Spei: 
jen und ‚Getränfen. Das Siegel wird vor dem Deffnen 
ſorgſam unterfucht und verificirt. 

Bisweilen wird der König von einem Minifter oder 
andern hohen Staatsbeamten zur Xafel geladen. Da ein 
ſolches Gaftmahl mit Hinzurehnung der unerlaßliden Ge 
ſchenke an Shawls und Geld menigftens 2000 Dukaten 
foftet, fo veranftaltet man es nur in der Abficht, entweder 
ih in Gunſt zu erhalten oder ein neues einträgliches Amt 
zu erfaufen, fi und feiner Familie eine reiche Geldquelle 
zu eröffnen. Die Anzahl der vollen Schüffeln, womit bei 
diefen Gelegenheiten der Boden eines großen Saals buch⸗ 
ttäblih von einem Ende zum andern bededt wird, ift enorm 
und zur Sättigung von .wenigftens fünfhundert Perſonen 
hinreichend. Der König genießt jedoch nur von Speilen, 
welche er ſich aus feiner eigenen Küche binbringen läßt; die 





135 


fremden berührt er nicht, fie fallen nah der Mahlzeit 
(der König fit an diefer reichbejegten Tafel allein) den 
KRammerberren und dem Troß der Dienerfhaft und Be: 
gleitung zu. 

Schon in frühbern Zeiten, unter der Mogulendynaftie, 
wurden Verordnungen über VBollsverpflegung in den 
Städten, über Beauffihtigung der Nahrungsmittel, Früchte, 
Gaftbäufer und Kneipen, der Bäder, Fleifchhauer u. ſ. mw. 
erlaffen und anfangs mit Strenge durchgeführt. Allein deren 
Haudhabung wurde immer bald wieder vernadhläffigt, ſodaß 
was von oben für die Volköverpflegung geſchieht, mehr zur 
Ausbeutung des Volks als zum Nuten und Frommen bes: 
jelben dient. 

Bei dem Mangel an Communicationswegen, welcher 
bewirkt, daß oft eine ganze Stadt nur von einem einzigen 
Bezirk aus verjorgt werden kann, tritt in minder gejegneten 
Jahren leicht Hungersnoth ein, wenn diefer Bezirk ſich in 
den Händen eines die Zufuhr bindernden Auffäufers (mur- 
takeb) befindet. Zwar wird alle‘ vierzehn Tage ein Tarif 
der Nahrungsmittelpreife (taasir-e-idschnas) ausgegeben; 
was bilft aber der Tarif, ſobald es an Vorrath fehlt, der 
Preis aljo ein imaginärer ift? In guten Jahren find da- 
gegen die Nahrungsmittel in ſolchem Weberfluß vorhanden, 
daß fie unmäßig verbraucht werden; dann verjchleudert man 
fie, ohne an die Zukunft zu denken. 

Deffentlide Gaſt-, Kaffee» und Weinhäufer gibt e3 in 
den perfiihen Städten nicht. Nebitvem aber, daß, wie jhon 
erwähnt, die Eingeweide des Schlachtviehs von der Wohl: 
habenden Klaffe der ärmern faft umfonft überlaffen werden, 
ift auch durch die Auskocher in den Bazaren für billige Be: 
töftigung des Volks gejorgt. Diefe verkaufen die beim Volk 
fo beliebten abgefochten Schafsfüße und Köpfe (kele pätsche), 
Leber, Lungen und Därme (beriäne) um einen fehr niedri- 





136 


gen Preis. Trogdem daß ihre Auslagen unendlich gering 
iind und ihnen Pferdemift als Brennmaterial dient, gewinnen 
fie an der Speifung von etwa 3—400 Perſonen dod nur 
fo viel, daß fie ſelbſt dabei ſich fättigen fünnen. Zum Frühe 
ftüct werden Linſen, in großen Keſſeln gekocht, und rothe 
und gelbe Rüben, in heißer Badeaſche gebaden, für jehr 
geringen Preis verlauft. | 

Eine andere jehr billige Kochweife ift befonders unter 
den Soldaten, aber auch bei manchen armen Familien in 
Gebrauch. Es werden nämlich Eleine Krüge mit Gemüſe, 
Erbfen, etwas Fleifh und Waſſer gefüllt, gut zugebedt, 
dann in Reihen aufgeftelt und mit Pferdemijt umgeben, 
den man anzündet. Durch das langſame und ftete Feuer 
kochen die Subjtanzen vollfommen gar. Man nennt dieſes 
Product Jächni; es bildet ſammt etmas Brot die Haupt: 
nahrung vieler Familien, beſonders von türkiſcher Abkunft. 
Diefe Kochweifen, der geringe Profit, womit die Auskocher 
ih begnügen, der Umftand, daß alles nad dem Gewicht 
und nit nah Augenmaß und Willfür verkauft wird, alles 
dag begünftigt fehr die Billigfeit der öffentlichen Belöftigung. 
In guten und ergiebigen Jahren ift daher niemand um ſei⸗ 
nen Unterhalt im mindeiten befümmert. Früchte und an- 
dere Lebensmittel find erſtaunlich billig, die Großen laſſen 
jo viel kochen, daß jeder ohne große Mühe Refte genug 
findet, um fi) zu fättigen; felbit den Hunden wird hinläng- 
licher Fraß in die Winkel geworfen. Doch in Jahren der 
Theuerung jtirbt viel Bolt an Hunger; die Auffäufer jchließen 
ihre Magazine oder verfaufen nur zu fehr hohen Breifen, 
jelbft der König benupt die Gelegenheit zum Gewinn. Da 
bricht endlih an mehrern Punkten Meuterei aus, hungernde 
Weiber werfen fih mit ihren abgemagerten Kindern vor das 
Pferd des Shah und ftoßen Verwünfchungen aus. Der 





137 


Shah beginnt für fih zu fürdten; es fallen einige 
Köpfe als Sühnopfer; man öffnet die Speicher. Allein 
Ihon im nächſten Jahre der Fülle ift wieder alles vergefjen, 
denn jeder lebt nur für den Tag und denkt nicht an das 
Morgen. 





IV. 
Kleidung, Schmuck und Waffen. 





Syſtem ber Belleidung in Bezug auf bie Gefunbheit. Die Kopf- 
bebedung. Das Hemd. Das Taſchentuch. Das Wams. Der Rod. 
Der Gürtel. Der Leibrod. Der Ueberwurf. Die Beinkleider. Yuß- 
beffeidung. Handſchuhe. Hoftracht ber Magiftratsperfonen. Haus- 
Meibung bes Schah. Allgemeine Regeln für bie Bekleidung. Pelze. 
Der Sharolftoff. Kleidung verfchiebener Stämme. Schmudjaden 
(Uhr, Rofenkranz, Betfchafte, Ringe, Ebelfteine und Perlen). Waffen. 
Kleidung und Schmuck ber Frauen. 


Der Perſer beobachtet das Entgegengefegte der in 
Europa geltenden Geſundheitsregel „Halte den Kopf kalt, 
die Füße warm, den Bauch mäßig erwärmt”; denn er hält 
den Kopf jehr warm, die Füße kalt, den Rüden warm, 
Btuſt und Bauch faſt fühl. So viele Argumente der Er: 
fahrung und der Theorie, namentlich den größern oder ge: 
ringern Blutzufluß zu den verjchiedenen Körpertbeilen, die 
Europäer auch für die Zmedmäßigfeit ihrer Regel haben 
mögen, jie wird doch dadurch widerlegt, daß ganze Völker⸗ 
Ihaften dem umgekehrten Syſtem huldigen und trotzdem 
einer guten Gejundheit und einer langen Lebensdauer fi) 
erfreuen. Es iſt Mar, daß wenn ein Körpertheil von früber 
Jugend an falt oder warm gehalten wird, er das Entgegen: 
gefeßte nicht ungeftraft verträgt. So 3. B. zieht ſich der 


' 





140 


Vernachläſſigung, wie fie in andern muſelmaniſchen Ländern 
beimiih il. Demgemäß dreht ih aud die Converlation 
der jungen Leute meijt um Kleidung und Pferde, für welde 
beide Artifel die bedeutenditen Summen verausgabt werden. 

Für den widtigiten Theil der Kleidung gilt die Kopf: 
bededung, indem ſich durch jie ganze Stämme, die Bewoh— 
ner verjchiedener Städte jomwie einzelner Stände voneinander 
unterfcheiden. In früherer Zeit war der Turban (amäameh, 
dilbend) die allgemeine Tracht; jeine Faltung, Größe, Form, 
Farbe, der überragende oder eingeichlagene Zipfel machte 
die Bewohner der verjchiedenen Länder und Bezirke Fennts 
lid. Sept tragen ihn nur noch einige Volksſtämme, die 
Kurden, Afghanen, Beludihen, und von gewiſſen Ständen, 
‚den Seiiden, Briejtern, Schullehrern, Aerzten, Droguiften 
u. ſ. w., ward er als Abzeichen beibehalten. Statt jeiner 
ift feit der Herrihaft der Kadfcharen die jpige, ſchwarze 
tatariihe Lammfellmüge (kulläh) üblid geworden. Sie be 
ſteht au3 einem etwa 15 Zell hohen, geſtutzten Hohlfegel, 
defien oberes Ende eingeitülpt wird; die eingeftülpte Seite 
wird nach vorn oder etwas feitli getragen. Bon innen 
wird fie durch eine Papierſchablone jteif erhalten und mit 
blumigem rothen Kattun gefüttert. Die Müßen der Reihen 
und Vornehmen jind aus feinfien Buchara⸗Lammfellen, und 
zwar aus den auserlejenen Streifen des Rückens, welche 
nur Fingerbreite haben, künſtlich zuſammengeſetzt, und koſten 
in erſter Qualität zwiſchen 10—14 Dukaten; für weniger 
Bemittelte fertigt man deren aus den ſchönen Fellen der ein- 
beimifchen Lämmer, befonders von Schiraz und Kum, zum 
Preiſer von 2—5 Dukaten. Unter der Kullah wird ein 
Schweißkäppchen (arzektschin) getragen, welches die Frauen, 
namentlih in Ispahan, jehr kunftreih mit verjchiebenen 
Muftern auszunähen verftehen. Man fann ih für ein 
Reitervolf, das doch die Perfer find, feine unbequemere 





142 


Stunden im Borzimmer warten ließ. Müde und gelangweilt 
Ichlief ih auf dem Teppich ein. Died wurde dem König 
binterbradht; er näherte fich leife und rief plögli mit lauter 
Stimme: ‚„Hekim berchiz!” (Stehe auf!) Halb fchlafend 
raffte ih mich auf, ftotterte einige Worte der Entihuldigung 
und nahm zum Gruße auf europäiſche Weije die Kullah ab. 
Allgemeines Gelächter des ganzen Hofes ftrafte mi für die 
fen groben Berftoß gegen die Sitte des Landes. 

Die Kullah muß jo getragen werden, daß fie den 
größten Theil der Ohrmuſchel verbirgt: ein Gebraud, 
welcher zur Zeit al3 das Ohrenabſchneiden jehr im Schwunge 
war, aufgeflommen fein mag. Man erinnere ih nur an 
die Geſchichte des Pſeudo-Smerdis und die Kunſtgriffe, die 
dazu gehörten, um den Abgang der Ohrmuſcheln zu conftas 
tiren. Dadurch daß die Mufcheln von frühelter Jugend auf 
an die Schläfe gedrüdt find, werden fie flach und anliegend, 
doch Fonnte ich nicht bemerken, daß dies den Gehörfinn im 
mindeften beeinträchtige. Für den’in Perſien bebienfteten 
Europäer ift es nicht ſtricte nothwendig — wie in der Tür: 
fei den Fes — die Kullah aufzujeßen, obwol der Schah 
es gern ſieht; im Gegentheil verfchafft eine europäiſche Kopf: 
bededung in den Augen des Boll mehr Anſehen; man 
wird als Frengi (Franzoſe) oder fogar als Inglis (Engläns 
der) reipectirt. Allerdings muß bei der Intenſivität der 
Sonnenftrahlen der Kopf dur eine dichte Bebedung gegen 
Sonnenſtich gefhügt fein, wozu eine gewöhnliche eng anlie- 
gende Tuhmüße oder ein dünner Filzhut nicht ausreicht; 
allein man kann diefen Schuß dur einen Filz: oder Strob- 
hut, welcher, wie e3 die bindoftanischen Engländer maden, 
mit mehrern Lagen Batift oder Muffelin überzogen it, am 
beften erreihen. Weberdies ſchützt die Kullah keineswegs die 
Augen gegen die Sonnenftrahlen; auf Reifen bindet man 
deswegen einen beweglihen Leberihirm (aftäbgerdun) um 





144 


wird, um den Hals Treisfürmig ausgeſchweift, am Schlitz 
und an der Ausichweifung mit ſchwarzen Bändchen ein- 
gefaßt, und reicht vom Schlüffelbein bis an den Nabel. Der 
mwohlhabendere Perſer beligt zwei jolcher Hemden, welche ab⸗ 
wechſelnd gewaſchen und erneuert werden; ber Reiche Läßt 
feine Hemden nicht wachen, ſondern vertheilt die einmal 
getragenen an die Diener und fchafft wieder neue an; der 
Proletarier bebilft fih mit einem Hemd, das er nad Um⸗ 
ftänden im nächſten Bache oder in der Waflerleitung wäſcht; 
bei belem Sonnenſchein trodnet es in einer Biertelitunde. 
Die Hemden der arbeitenden Klafien find von bemfelben 
Schnitt, aber indigoblau gefärbt und aus einem gröbern 
Baummollftoff, den man Kerbas nennt. Am Kaspiſchen 
Meer werden Hemden aus Robfeide getragen. In neueiter 
Beit wurde bei Hofe auch die Mode der gefalteten und ge- 
plätteten europäifhen Hemden (pirähen nizämi) eingeführt. 

Das zweite Stüd der Wälche, das Taſchentuch (desmäl), 
fpielt beim Perſer eine bedeutende Rolle. Er braucht es ſel⸗ 
ten als Schnupftuch, denn erftens ift die Secretion ber Nafe 
bei ihm auffallend gering*), und zmeitens leiftet dem ge 
meinen Perfer die Hand diefe Dienfte, ſondern hauptfächlich, 
um die verfchiedenften Gegenftände: Acten, Briefe, Fleiſch, 
Gemüſe, Grünzeug u. |. m. darin einzufchlagen, und ſodann 
zum Abtrodnen der Körpertheile nach der geſetzlichen Ablu⸗ 
tion. Den Europäer mag e3 oft efeln, wenn ihm gekochte 


*) Man fieht höchſt felten einen anftändigen Perfer ſich ſchnauben, 
niemals in Gegenwart eines Großen. Merkwürdig ift eine hierauf 
bezügliche Stelle in Xenophon Cyrop., VII, 8: „Es gab bei 
ihnen ein Geſetz, welches zu fpeien und fi zu fohnauben verbot. 
Offenbar beabfichtigte der Geſetzgeber damit nicht, daß bie Flüſſigkeit 
im Körper zurüdbleiben, ſondern daß fie ala Schweiß ber Arbeit ent- 
fernt werben follte. Die Nachlommen behielten die Gewohnheit, nicht 
zu fpeien und fich nicht zu fchnauben, bei; aber bie Liebe zur Arbeit 
ging ihnen verloren.“ 





152 


Der Perſer Eleivet fih warm und wechſelt bei jedem 
Temperaturmwechfel, der Tages- und Jahreszeit gemäß oft 
dreimal des Tags, die Kleidung. Er unternimmt Teinen 
Ausflug, felbit im Sommer, ohne mit Kleivungsitüden zum 
öftern Wechfeln verjehen zu fein. Bedenkt man den rajchen 
Umschlag der Temperatur, und daß der Unterjhied im Laufe 
des Tags oft an 15° R. beträgt, indem nad der Elevation 
auf einen beißen Tag gegen Abend plögliche Abkühlung und 
empfindlide Kälte zu folgen pflegt, jo wird man die Noth- 
wendigfeit und Zmedmäßigfeit dieſer Vorjicht begreifen. 
Europäer, melde den flimatilchen Berhältniffen des Landes 
bierin nicht Rechnung tragen, bezahlen ihren Mangel an 
Borficht nicht felten mit Gefundheit und Leben; ich Tann 
nicht genug darauf aufmerkſam mahen, dab Erfältung und 
Unterdrüdung der Hautthätigfeit dort nicht Rheumatismus 
und Katarrhe, fondern ſchwere Wechlelfieber und Dysenterien 
mit allen ihren böfen Folgen nach ſich ziehen. 

Wie jeder Orientale liebt auch der Perſer das Berbrä- 
men oder Füttern der Kleider mit Pelzwerk, ja es jcheint 
ihm ſowol zur Erwärmung al3 auch zum Entfalten eines 
gewilfen Pompes unentbehrlid. Sein Land felbit bietet 
zwar mandes gute und brauchbare Pelzwerk, wie Fuchs, 
Bär, Otter, Hyäne, Marder u. |. w., allein alle diefe Thiere 
gelten für unrein, ihre Felle werden daher nad) Rußland 
erportirt, während zum Gebrauch im Inlande die ſchwarzen 
Bucharafelle, das jogenannte Feh (seimur) und Nerze 
(chez) als erlaubt eingeführt werden. Nur die niebern und 
armen Klafjen tragen Pelzwerk von Schaffellen, unter denen 
die aus Kabul (pustine käbuli) wegen ihrer Schmiegjamleit 
und Reſiſtenz gegen die Näffe am gejuchteften jind und fidh 
der befondern Gunft der Mullas erfreuen. 

Die langen und weiten Gewänder verleihen dem Drien- 
talen, zufammen mit feiner ihm eigenthümlichen Ruhe und 





156 


ihöne Savonette:Uhr, einen Ring mit Türlifen und einen 
einfachern aus einem Fleinen Karneol mit amuletartig ein- 
gegrabenen Hieroglyphen. Außerdem führt er einen Rofen- 
franz, ein Petichaft, ein Tintenfaß und ein Federmeſſer 
bei ich. 

Eine gute Uhr (saat) wird von ihm fehr in Ehren ge 
halten; er verwahrt jie jorgfältig in einem Shawlbeutelchen, 
im Monat Ramazan ift fie fein einziger Troft, denn fie zeigt 
die Stunde und die Minute, die ihn von Hunger, Durft 
und der Enthaltung vom Narghile erlöft. Er zeigt feine Uhr 
gern dem Europäer und fragt ihn um deren Werth und 
Preis, in der Borausjegung, diefer müſſe ſich jo gut darauf 
verftehen, wie er jelbft auf fein Pferd und feinen Shaml. 
Einer Uhr engliihden Fabrikats gibt er den Vorzug, und 
zwar ausſchließlich der Savonette-Uhr (saate schikäri), weil 
ein zerbrochenes Glas im Lande fchwer zu erjegen ift. 

Der Roſenkranz (tesbih) dient ihm theil zum Spies 
len, indem er an müßigen Tagen oft ftundenlang die Körner 
durch jeine Finger gleiten läßt, theils ala Orakel in zweifel⸗ 
baften Sällen (istechäret). Die Körner werden aus wohl: 
riechendem Holz, aus Anthracit, aus der Erde vom heiligen 
Grab in Sterbelah u. f. m. geformt, und jind bei den höhern 
Ständen oft mit großen Zahlperlen untermildt. 

Das Petſchaft (muhr) iſt jedem Berfer unentbehrlich, 
weil nur die Beidrüdung des Siegels einem Briefe oder eis 
ner Urkunde Rechtskraft verleiht; das Siegel vertritt die 
Stelle der Namensunterjchrift. In einen Karneol wird der 
Name des Eigners oder ein Attribut der Gottheit Tunftfertig 
gravirt und mit feinen, flachen Arabesten und Gewinden 
umgeben, jodaß eine Nahahmung äußerft jchwierig if. Die 
Faſſung des ovalen oder vieredigen Steins befteht aus Sils 
ber oder Gold; nah oben wird ein Kleiner Edelftein eins 
gelaffen, damit man das Siegel nicht verkehrt aufprüde. 











161 


Fall der Trennung meift die einzige Habe find, welche diefe 
unglüdlichen Wejen mitnehmen dürfen, jo wird man nad: 
fihtiger über fie zu urtbeilen geneigt jein. An Zeiten der 
Noth wird ein Stüd nah dem andern verpfändet, big end- 
lich der Vorrath erſchöpft ift. Geht jedoch eine Frau auf 
der Straße, oder reitet fie in Begleitung der Diener aus, 
jo trägt fie eine weite indigoblaue Hülle (tschäder), welche 
den ganzen Körper von Kopf bis Fuß dominvartig ver: 
mummt. Bor dem Gefiht hängt ein langes, jchmales, 
weißes Tuch (rubend), das in der Gegend der Augen einen 
gitterförmigen, ovalen Ausſchnitt zum Sehen hat. Diefer 
dichte Schleier iſt bejonders im heißen Sommer ſehr be: 
läftigend, daher die Frauen ihn von Zeit zu Zeit ein wenig 
zu lüften gezwungen find. Der Anftand erheifcht, daß man 
bei Begegnung einer Frau die Augen abmwende. Ueber die 
Unterlleider wird beim Ausgehen noch eine grünliche oder 
bläulihde Seidenhoje angezogen, melde die Füße von den 
Zehen bis zur Hüfte befleidet, aljo einer Hofe mit angenäb: 
ten Strümpfen gleicht (tschaechtschur). Die Pantoffel jind 
eigentbümlich gebaut; fie find jo Klein, daß eigentlih nur 
die Fußſpitze darin Plaß findet und die Sohle Taum big zur 
balben Ferſe reiht. Die Frauen künnen daher nur mit der 
Fußipige auftreten, mas jie jedoch nicht merklich im Geben 
bindert. Im ganzen ift allo das Straßencoftüm der Per: 
ferinnen ebenſo ungraziös — denn e3 hüllt den Körper fad: 
artig ein und läßt feine Formen und feine Haltung er: 
fennen, Fein Alter unterfcheiden — mie läftig, denn es 
erichwert die Reſpiration; allein es leijtet zwei im Orient 
für jehr weſentlich erachtete Dienfte, inden es erftens das 
Antlig der Frau jedem profanen Blid entzieht, zweitens der 
Trägerin felbit die Möglichkeit verichafft, unerfannt geheinte 
Ausflüge zu unternehmen und Orte zu befuchen, welche ihr 
fonft nicht zu beiuchen geftattet wäre. So begegnet man 
Bolat, Berfien. I. 11 





162 


im Bazar Frauen in Ichledhter, abgenußter Hülle, die beim 
Spreden dDurd die Eleganz ihrer Ausdrucksweiſe verratben, 
daß lie den höhern Ständen angehören. Der europäiiche 
Arzt wird nicht felten in feinem Haufe von einer Frau, dem 
Anfcheine nach aus dem Volke, wegen einer geheimen Krankheit 
confultirt; er fühlt ihr den Puls und entdedt ein Eoftbares 
Armband. Häufig Tam es mir in den fpätern Jahren meis 
nes Aufenthalt vor, daß ih, zum eriten mal in ein Haus 
gerufen, von einer der Damen gefragt wurde, ob ich fie 
nicht kenne, jie habe mich ja ſchon beſucht und fih von mir 
behandeln laffen. 

Natürli Lieben die perliihen Frauen auch Schmuck— 
fachen aller Art, als Ohrringe, Spangen zur Befeitigung 
des Schleiers, Arm: und Sußbänder (päbend und destbend). 
Leptere, gemöhnlid von Perlen, verleihen ihnen, bei dem 
graziöfen Gang und der feinen Bildung der Ertremitäten, 
vorzüglid um das Fuß: und Handgelenk, befondern Reiz. 
Damen vornehmen Standes pflegen einen Diamantftrauß 
von hohem Werth zu tragen. Die Sitte, einen Ring durch 
den Nafenknorpel zu ziehen, ilt nur bei einigen tatarifchen 
und afghaniihen Stämmen üblich. 





V. 


Ruhe und Bewegung. Jagd. Gymnaſtik. 


— — ee t— 


Sitzen und Stehen. Schlafen und Wachen. Kneten. Öchlafftelle. 
Wo foll der Europäer ſchlafen? Geben und Laufen. Reiten. Reiſen. 
NReiteripiele. Jagd (bie Falkenjagd, königliche Jagden, Iagbabenteuer, 
Berſchenken des Wildes, Kamelkampf, die jagdbaren wilden Thiere). 
Gymnaſtik (Heilgymnaſtik, Turnanſtalten, die verſchiedenen Uebungen, 
Saadi's Erzählung, Schwimmen, Fechten, Schießen). Schluß— 
betrachtung. 


A. Ruhe und Bewegung. | 


Beim Berfer gilt das phyſikaliſche Geſetz der Trägbeit 
und Bewegung. Sich felbit überlaffen, buldigt er gern der 
erſtern; doch einmal durch Umftände in Bewegung gefekt, 
leiftet er Erftaunliches, ja er würde bis ins Unendliche fich 
fortbewegen, wenn ihn nicht Reibungen in den frühern 
Zuſtand der Ruhe und Trägheit zurückverſetzten. Dies gilt 
ſowol für die körperliche wie für die geiftige Thätigfeit und 
Ruhe, wie wir im Verlauf des Kapitels erjehen werben. 

Zum Sitzen (nischesten) bedient ſich der Orientale be: 
kanntlich nicht der Seffel. Der Berfer hat nicht einmal 
Divans, fondern figt auf diden Filzen und untergebreiteten 
Teppichen, und zwar nicht auf türkiſche Weiſe mit gekreuzten 
Veinen, ſondern er ahmt dem Kamel nach, er beugt die 

11* 





164 


Unterſchenkel im Knie, fchlägt ſie nach rückwärts, ftredt den 
Fuß im Sprunggelenf, ſodaß er mit dem Unterjchenkel faft 
einen Winkel von 180 Grad macht, und jebt ſich jo, daß 
die Sigfnorren auf die Ferfenbeine zu liegen Tommen und 
‚hiermit der Schwerpunft des Körpers faft ganz auf lep- 
tern rubt. Man nennt diefe Politur tschehär zanu ni- 
schesten, d. i. auf vier Knien (Gelenken) figen. In der 
Regel wird der Nüden nicht geftügt, er bleibt frei; nur 
wer ſich's zu Haufe bequem maden- will, lehnt ſich an ein 
cylinderförmiges Polſter (bälisch) ala Stützpunkt. Das Nieder: 
jegen erfordert eine gewiſſe Eleganz; man darf fi) dabei 
nicht mit den Händen ftügen und muß feine Kleider jo ord⸗ 
nen, daß fie die Knie und Füße vollkommen deden, be 
jonders aber von letztern nicht3 gejehen wird. Der Ankömm⸗ 
ling nimmt je nad) feinem Rang entweder unaufgefordert 
jofort neben den Herrn des Haufes Pla, oder ſetzt ſich 
abfichtlid in meiter Entfernung von demjelben, um feine 
Submijfion anzuzeigen, bi3 er erſt nach vielen Betheue- 
rungen und Aufforderungen näher rüdt. ine ähnliche 
Gtifette beobachtet auch der Hausherr felbft; er erhebt ſich, 
gemäß dem Range des Eintretenden, ganz oder nur zum 
Theil, oder er macht nur Miene e3 zu thun; dazwiſchen 
liegen jo viele Nuancen, daß man fie erft nad längerm 
Aufenthalt im Lande zu würdigen verfteht. Daſſelbe Gere 
moniel gilt auch beim Aufftehen. Der Berjer erhebt fid) 
nicht gern vor dem Europäer, obmwol er in diefem Punkte 
nicht die gleiche Strenge wie der Türfe beobadtet; doch meiß 
er durch allerhand Eleinlihe Vernachläſſigung des Ceremo: 
niellg feine Superiorität anzudeuten. Der mit der perſiſchen 
Gtifette unbefannte Europäer glaubt jich oft dur die Auf: 
nahme bejonders geehrt, während die kundigen Zeugen den 
Mangel des Herkömmlichen gleich bemerken und nit unter: 
laſſen, feine Leichtgläubigfeit zu belächeln. 





165 


Erft nachdem er fich niedergelafien, grüßt der Ankömm— 
ling dur Blide oder dur Beugung des Oberfürpers die 
verfammelte Geſellſchaft fowie jeden einzelnen in der Reihen: 
folge des Ranges, den er in feinen Augen einnimmt. Syn 
diefer hockenden Stellung verharrt man oft ftundenlang; ſich 
zu bewegen; verbietet der Anjtand, bejonders wenn man in 
Geſellſchaft von Leuten höhern Ranges fich befindet. Dem 
Europäer wird jie ſehr läftig, fchon wegen der engen 
Beinfleidver nach europäilhem Schnitt. Er bat bei längerer 
Dauer ein Gefühl wie von Ameijentriechen, und endlich tritt 
vollkommenes Einſchlafen der Ertremitäten ein, fo zwar daß 
. er beim Auffteben nur mit Mühe ji auf den Beinen er: 
halten Tann, oder gar wieder zujanımenjinft; doch gewöhnt 
er fih mit der Zeit auch an die Sitzweiſe der Perſer und 
ahmt fie vollkommen und ohne Beichwerde nach, wie es bei 
mir der Fall war. Wenn nicht öfters, wie man vermuthen 
joflte, Entzündungen des Kniegelenks oder des Schleinbeu: 
tel3 der Knieſcheibe entftehen, jo erklärt ſich dies dadurch, 
daß der Schwerpunkt des Körpers nicht wie bei gemöhn- 
lichem Knien auf der Kniefcheibe, fondern auf dem Ferſen— 
bein ruht. Beſuchenden Europäern merden nicht jelten 
Stühle angeboten, deren in guten Häufern zwei bis drei 
Stüd vorräthig zu fein pflegen. Der Perſer findet das 
Sigen auf Stühlen unbequem, er weiß nicht, was er mit 
ben Unterfhhenteln anfangen fol; nad einiger Zeit vergißt 
er ih und figt wieder nach perfiiher Weife, was ihm dann 
beim Erheben und Aufiteben vom Seſſel große Schwierig- 
Teiten bereitet. 

Nichts ift dem Berfer fo unbequem als Stehen (istäden), 
Daber er fih nur im Nothfall dazu bequemt. In Gegen: 
wart des Schah müſſen alle ohne Ausnahme ftehen; nur 
bier und da ladet er bei längern Geichäften, 3. B. be: 
hufs der Einlihtsnahme in ein Scriftitüd u. 1. m., zum 





166 


Siten ein. Auch mir wurde immer die Erlaubniß zum 
Sitzen gegeben, wenn ih dem Shah Unterricht ertbeilte 
oder ihm eine europäiſche Zeitung in perfifcher Sprade vor: 
las. Kinder, gleichviel welchen Alter3, müſſen in Gegen: 
wart ihrer Aeltern oder des Chefs des Haufes fteben, wenn 
ihnen nicht fpeciell zu jigen erlaubt wird, was jedoch nur 
jelten geſchieht. Dafjelbe gilt von den Dienern. Iſt der 
Perfer zum Stehen gezwungen, jo ſucht er die Hände ent 
weder in den Aermeln zu verbergen oder er kreuzt fie über 
der Bruft, ſodaß die Finger nicht jichtbar werden. Muß er 
an einem Ort, wo feine Teppiche ausgebreitet find, längere 
Zeit verweilen, fo wählt er die Stellung, melde bei ber 
Evacuatio alvi ftattfindet; bei geftügtem Rüden kann er 
darin, ohne zu ermüden, erftaunlich lange Zeit aushalten. 

Der Schah figt abwechſelnd auf perſiſche oder türkifche 
Weile. Auch find in feinen Sälen mehrere mit Türfifen 
oder Moſaik ausgelegte Seſſel, Divans und Ruhebetten auf: 
geitellt; doch bedient er fich ihrer fat nie zum Siken, megen 
der Unbehaglichkeit, welche ihm die Stellung der Unters 
Ichentel verurfachen würde. Zwingt er ſich dennoch dazu, fo 
bält er die Fußſpitzen nad einwärts gegeneinander gelehrt. 
Obgleich dies einen unfchönen Anblid gewährt, pflegen ihn 
perſiſche Maler in diejer Stellung abzubilden. 

Schlafen und Wachen (chäb u bidäri) hat der Ber: 
jer merkwürdig in feiner Gewalt. Wenn ihm Beſchäftigung 
mangelt, wenn er feines Amts verluftig geworden, kann er 
faft Tag und Nacht fchlafen, während er bei gegebener Ar: 
beit wieder durch Monate und Jahre die Schlafzeit auf 
wenige Stunden herabfegt. Im Ramazan wechjelt er plöß- 
ih einen ganzen Monat lang die Lebensweife; er fchläft 
dann den Tag über, während er nachts Nahrung zu fi 
nimmt und feinen Geſchäften obliegt. Nah Ablauf dieſes 
Monats Fehrt er wieder zur gewöhnlichen Tagesordnung 





168 


ebenfall3 oben mit einem Spiegel von Indienne, Seide oder 
Shawl veriehen; und aus dem cylinderförmigen, an beiden 
Seiten mit jtarfen Quaſten verzierten Polfter (balisch, auch 
mutakko). Der Gebraudh von Leintüchern jcheint dem Per: 
ier überflüjiig, weil er in ſeinem Xeibrod ſchläft, aljo die 
Raubigleit des Sammts nicht empfindet. Unmittelbar nad 
genommener Abendmahlzeit legt er jich fchlafen; er ift der 
Meinung, daß die von den genofenen Speifen erzeugten 
Dämpfe (buchäre-geezä) den Schlaf unterftügen. Die Ober: 
leider werden abgelegt und eine dide Nachtmütze (scheb- 
kulah) über die Ohren gezogen. So liegt er ausgeitredt 
auf der Matratze, welche nur bis zum Halfe reicht, ſodaß 
Hals und Kopf blog auf dem Kiffen ruhen. Die Füße 
ragen gewöhnlich über der kurzen Unterlage hervor, ſelbſt 
im Winter, während aud im Sommer und im Hochſommer 
bei der Siejta die Dede jorgfältig über den Kopf gezogen 
wird. Im Sommer jedod ift es in den Städten faft un- 
möglih in den Zimmern zu jchlafen, denn erſtens wird die 
Luft jo drüdend (chefleh), daß man kaum athmen kann, 
und zweitens lajjien im geſperrten Raum die beläftigenden 
Müden feinen Schlaf zu. 

Man unterjcheidet zweierlei Arten von Müden, die 
großen (peschsche) und die Kleinen, kaum fichtbaren, 
erdfarbigen (chaki). Der Stih der legtern iſt um jo 
empfindlicher, als der Schmerz nidt auf eine Urticaria= 
Quaddel beihränft bleibt, jondern jih über große, weite 
Körperſtellen verbreitet. Gegen die eritern kann man fi 
allenfalls durch ein dünnes Florgewebe (peschedän) fügen; 
legtere find aber jo Elein, daß fie durch das feinite Ges 
webe dringen, andererjeit3 vermögen fie nicht gegen die 
ſchwächſte Luftitrömung zu jteuern, daher jie wol im Zimmer, 
doch ſehr wenig im Freien beläjtigen. Aus diefen Gründen 
Ihläft der Verjer während des Sommers auf dem platten 





170 


Geficht und alle unbededt gemejenen Körpertbeile ganz mit 
Blutjuffufionen bededt fanden, ohne daß ich dadurch im Schlafe 
geftört worden mar. Darum balte ich die andere Erflärung 
für wahrſcheinlicher, daß nämlich im eriten Jahr eine Art 
Smpfung mit dem Inſektengift ftattfindet, welche nad bin- 
länglider Sättigung de3 Körpers eine Immunität gegen 
die Fortpflanzung der Urticaria erzeugt. Mit legterer Hy- 
potheje erkläre ich mir auch folgende Thatfahe. Als ich 
im Sommer 1359 von Schiraz zurüdtehrte, fam ih auf 
Einladung des Ilchani vem Stamme Kaſchkäi in eine Sta: 
tion weitlihd von Berfepolis, wo unfere Pferde von einer 
Bremfe dermaßen zugerichtet wurden, daß alle zarten Theile 
unter dem Bauche bluteten; ich mußte fchleunigft mit ihnen 
die Station verlajten, denn es war mir ſchon früher erzählt 
worden, daß nicht felten Thiere an dem verurfadhten Blut: 
verluft jterben. Und doch meiden zahlreidhe einbeimifche 
Heerden an diefer Stelle und verweilen wochenlang daſelbſt, 
ohne zu erfranten. — Da in Ermangelung von Bettitellen das 
Bettzeug, nur in eine weite Seidendede (tschäder -scheb) 
gehüllt, auch Tags über in einem Winfel des Zimmers lie- 
gen bleibt; da es nie gewechjelt, gelüftet oder gewaſchen 
wird, und da der Perſer in den Kleidern fchläft: darf es 
übrigens nicht befremden, daß jich viele Inſekten darin einniften, 
beſonders Kleiderläufe, welche faft in feinem Haufe fehlen. 
Es entſteht nun die wichtige, man fann jagen die Le: 
bensfrage für den im Drient reifenden oder domicilirenden 
Europäer, ob er der perliihen Sitte gemäß eritens im 
Freien, und zmweiten3 auf dem platten Boden jchlafen jo. 
Sehr erfahrene Reifende widerrathen eriteres entichieden, in- 
dem fie Erfranfung an Fiebern und Dysenterien al® un: 
ausbleibliche Folge davon angeben. So jagt Heinrich 
Barth in feinem großen Reiſewerke, IL, 583: „Leider 
ließ ich mich durch die frifhe Kühlung in meiner « Saure » 





172 


rubende Iuftige Hütten werden ficherlich für europäiiche Reis 
jende in diefen Gegenden von unendlich mwohlthätiger Wir⸗ 
fung ſein.“ Bedenkt man überdies, daß in den meiften 
Höfen Beden mit ftagnirendem Wafler und Gärten mit 
niederer Bufchvegetation fich befinden, welche vorzüglid die 
Mücken berbeiziehen und Fieber begünftigen, fo wird bie 
Zweckmäßigkeit des Schlafens auf den Dächern mit erhöhter 
Unterlage um jo mehr einleuchten. Mehrere Fuß Elevation 
iind ſchon ein bedeutendes Moment zur Hintanhaltung ber 
genannten Uebel. Als Beweis mag die allgemein conitatirte 
Erfahrung gelten, daß bei herrichenden Wechlelfieberepidemien 
Perſonen, welche in obern Gemädern (bälächäne) wohnen, 
jeltener erfranten als die Bewohner der Erdgeſchoſſe. Aus 
diefem Grunde werben etwa 3—5 Fuß über dad Hofniveau 
iich erhebende Erdgeſchoſſe mit darunter befindlihdem Keller 
vorgezogen. Auch greift die Sitte immer mehr um fi, in 
grogen Xagerplägen ein Feldbett als Schlafitelle mit jich zu 
führen. Ich kann nicht genug die Beobachtung diefer ſchein⸗ 
baren Kleinigleiten empfehlen, denn ſchon oft ift leider das 
Leben europäischer Reifender durch ihre Vernachläſſigung der: 
wirkt worden. 

Für Säuglinge bat man eine Art Wiege (gewäre), ei 
nen E£leinen Kaſten, der vermitteld Zapfen an den feitlichen 
Boftamenten gejchwungen wird. Häufiger jedoch ift eine 
fleine Matte in Gebraud, die, mit Striden an zwei Bäume 
oder Pfähle gebunden, einmal in Bewegung gefekt, Lange 
Zeit fortihmingt und unterdeß die Verrihtung häuslicher 
Geſchäfte geitattet. | 

Der Umstand, daß der Perfer faft zu jeder Tagesftunde 
ichlafen kann, wird oft al3 Vorwand benugt, um Befucher 
abzuweiſen. Der Diener antwortet dann auf die Frage nad 
jeinem Herrn: „Chäb-est!’ (Er fchläft!), gegen welchen Be 
ſcheid nichts übrigbleibt als unverrichteter Sache. abzuziehen, 





173 


oder dem Diener fein Anliegen vorzutragen und ihm, was 
namentlich der Arzt immer thun muß, zu befehlen, daß er 
den Schlaf des Herrn unterbrece. 

Zu Fuß gebt der Perſer nur, wenn er muß, bei 
befondern Peranlafjungen und wegen Mangel an einem 
Pferde. Einen Spaziergang der Bewegung halber zu unter: 
nehmen, iſt nicht gebräudlih. Nur Frauen und Leute der 
untern Klaſſen machen Promenaden in die nahegelegenen 
Gärten oder in die Bazars der Stadt, meilt aus Neugierde 
und um ein Spectafel (temäschä) zu ſehen. Der Gang des 
Perſers iſt graziös, feine Haltung ſchön und gerade. Es gibt 
Boten (piädeh käsed), weldye weite Wege mit der halben 
Schnelligkeit eines Boftkuriers durchlaufen; ebenſo find Knechte 
und andere Leute des Boll, wenn e3 jein muß, oft 
ganze Tage im rajchen Schritt auf den Beinen, ohne zu er: 
müden. Man merkt ihnen, wie es bei den Türfen wol 
der Sal it, durchaus nicht ihre Sikart an. Die Läufer 
des Königs (schätire-shäh), melde ihn auf feinen raſchen 
Kitten ſtationsweiſe begleiten, erregen mit ihrer Schnellig: 
feit Bewunderung und Mitleid. Sie werden durd den 
Bürtel und eine feite Bandage um die Unterjchenkel in ihrem 
Lauf unterftügt. 

Die gewöhnliche Locomotion wird zu Pferde, zu Ejel, 
Maulthier oder Kamel gemacht. Der Berjer ijt ein gebore- 
ner Reiter; zu Pferde fühlt er jich frei, kennt er feine Er: 
müdung. Ebenjo menig wie jein Pferd abgerichtet wird, 
ebenfo wenig lernt der Perjer das Reiten; es verftebt ſich 
bei ihm von ſelbſt, wie das Gehen; das Kind wird ſchon 
mit drei Jahren auf Reilen von der Mutter auf dem Sattel 
gehalten. Er tigt ſehr kurz im Bügel, jo zwar daß die 
Knie in mehr als rechtwinkeliger Beugung find. Fällt er, 
was nicht jelten gejchieht, vom Pferde, jo madt er nicht 
dad mindefte Aufheben davon, jondern befteigt, unter Fort: 





174 


jegung der angefangenen Gonverjation, gleihmüthig wieder 
jein Roß. Er reitet gewöhnlich einen guten Schritt (kadem) 
oder den Paßgang (jurge), jelten Galop; der Trab ift ihm 
faft unbelannt. Durchſchnittlich macht man auf Reiſen eine 
Station von 5— 5%, Meilen, im Nothfall auch 9—12 Meis 
len des Tags auf demfelben, 18 — 20 Meilen auf gewechſel⸗ 
ten Pferden. Frauen jiten auf diefelbe Weile zu Pferde mie 
die Männer, und ich ſah Frauen bei vorgefchrittener 
Schwangerſchaft reiten, ohne daß es einen nachtheiligen Ein 
fluß auf ihren Zuftand gehabt hätte. Es fcheint hiernach 
ein Vorurtbeil, daß die einfeitige Reitmethbode für Frauen 
nothwendig fei; fie ift auch nur für Kleinere Luxusritte an- 
wendbar, bei größern Neilen aber für Frau wie Pferd 
gleich unpraftifch, weil weder das nothwendige Gleichgewicht 
noch die richtige VBertheilung der Laft mit ihr erreicht werden 
kann. Dem Perfer gilt es als Regel, daß die zeitweilige 
Ueberbürdung eines Thieres diefem durchaus nicht fchade, 
wenn e8 nur auf beiden Seiten gleichmäßig beladen iſt, daß 
jedoch ſchon eine geringe Belaftung, wenn ungleich vertbeilt, 
e3 zu Grunde richte. 

Für eine weite Reife bereitet der Perſer jih und feine 
Thiere vor, indem er mehrere Tage vorher Kleinere Uebungs⸗ 
ritte mit ihnen unternimmt, um fi und feine Thiere, mit 
Beobachtung der nothiwendigen Uebergänge, aus dem Bu: 
ftand der Roheit — wie er ſich ausdrückt — herauszubringen. 
In derjelbden Abjicht legt er am erjten Reiſetag nur eine 
Heine Strede zurüd und beginnt ſtets den Weg, welche Eile 
er auch haben mag, im langjamen Schritt; erft allmählich, 
wenn NReiter und Roß warm geivorden, treibt er e3 zu 
vafcherm Laufe an. Es ift eigenthbümlih, daß die Pferde 
aus Gewohnheit und Inſtinet diejelben Regeln befolgen; aus 

Stall geführt, geht das edelite Araberroß den erften 

8 Weges ganz langſam, fodaß der Unkundige 


Sımun meinen, ar ar om vun Immamem werden: 
im Irre: fin IE:ır länaır: Je mom, Sa der Schweiß 
ölia zbesiecine ir Ach iR rn im mie togleid 
Zattel und Tedin, icadem at nr Vorlayt eniaer Stum: 
zn, weil icnit lat: AtSeeren un) Smurlerud oder 
(2elententzundungen enit:ın. Eben teg: er telbr nice 
szuber bie Hiitztleiter 2, als Bis er nd vellnändig ab 
sefüblt bit. Er reite ment nachts, cũ niemali mittags, 
um wäbrend de: Tags db und sein Thier vilegen zu 
fönnen und die übeln ‚scigen Der Scnnenbige zu meiden. 
In dieiem Punkt ſündigt jebr bäuñg ver Europäer, der 
ieine Nachtruhe nit epfern mag. Da Die Hige in freier 
Luft nidt to drückend erihein:, alä man nad Dem Tbermo- 
meteritande voraustegen icllte, fjchreibt er tie Borndt der 
Landesbewohner ihrer Indolenz zu und will zeigen, Daß er, 
obwol unter einem falten Himmelsitrib geboren, doch mehr 
als jene auszuhalten vermöge Fieber, Rubr und Sonnen: 
jtich find nicht jelten die ;solge jeines Tünfels. Ueberbaupt 
fann man häufig das Phänomen beobachten, daß nordiſche 
Antömmlinge in den eriten Jahren die Hitze meniger empfin- 
den als die Eingeborenen und ala jie jelbit in der Ipätern 
Beit ihres Aufenthalts, wo ihnen diefelbe unerträglich wird, 
bis ein vieljähriges Verweilen jie hierin mit den Eingeborenen 
gleichſtellt. Die Urſache Icheint in der mitgebrachten Energie 
und Reſiſtenz zu liegen, welche fich endlich erfehöpfen und 
größerer Abſpannung Plap machen. 

Bei dem Mangel an Herbergen und gebahnten Straßen 
wäre es zu bewundern, mit welcher Leichtigkeit der Perſer ſich 
nach den oft dreißig bis vierzig Tagreijen entfernten Provinzen 
und Wallfahrtsorten auf den Weg begibt, wüßte man nicht, 
daß er den Werth der Zeit zu wenig ſchätzt und daß er zu 
ſehr an das Nomadenleben gewöhnt ift, um vor ben 





177 


Beihwerden biefer Art des Fortkommens zurüdzufchreden. 
Die Zwecke feiner Reifen find Geichäfte am Hofe, Handels: 
angelegenheiten, Walfabrten u. ſ. w. Selbſt Derwifche rei: 
tim, um anftändiger ihren Bettel zu holen. *) 

Beſonders anftrengend für den nicht daran Gemöhnten 
had die Qurier ritte (tschäpäri), wobei mit unterlegten Pfer: 
den an 18— 24 deutſche Meilen des Tags gemacht werden. 
Da die PVoftpferde faft immer jchlecht jind, fo ift man-ge: 
zwungen, fie fortwährend durch Schenfelbewegung und Hicbe 
zit einer langen Peitſche anzutreiben. Den eriten Tag ift 
der ganze Leib wie gebrochen; läßt man ſich aber dadurd) 
verleiten, einen Tag zu raften, fo verläuft der dritte Tag 
deito ärger, und dann ift faum mehr an ein Fortlommen 
in denken. Man muß daher troß der Müdigkeit ſich weiter 
ttagen lafien, bis endlich der Körper fich an die Anftrengung 
gewöhnt. Der Berjer beobachtet auch hierbei die Regel, den 
etſten Tag nur einen mäßigen Ritt zu machen, und erft in 
den folgenden, Tagen die Reife zu befchleunigen. Ich felbit 
tt einmal in einem Zuge von Teheran nad) Kaswin, etiva 
22 Meilen; dort angefommen, mußte ich aber vom Pferde 
gehoben werden und, troß des guten Willens weiter zu rei: 
fen, einen Rafttag und - fpäter langjamere Nitte machen. 
Rothwendig ift bei ſolchen Parforcetouren, daß man vorher 
wenig und nur leichte Nahrung, mie Eier, Mil, Thee 
und Butter zu ſich nehme und dieje Diät mehrere Tage fort: 
jege. Der Kurierritt gebt jo raſch, daß man von dem nörd— 
liden Ende Perſiens, von Chui, bis Buſhir nur zehn bis 
elf Tage braucht. Allein wie ftrapaziö3 auch diefe Art zu 
reifen ift, theilt fie doch andererſeits nicht die Fährlichkeiten 
und Pladereien einer Karavanenreife, namentlich ijt man 


*) Auch in Stalien fand ich berittene Bettler, in Venedig fogar 
Bettler mit eigener Gondel. 


Bolat, Berfien. I. 12 





178 


weniger Krankheiten und Fiebern ausgefegt; fie kann baber 
dem Europäer, mwelder keine andern Zmede als die des 
möglichit ſchnellen Ankommens an feinem Reijeziele bat, ſehr 
empfohlen werden. 

Auch faft alle feine Wege in der Stadt macht der Ber: 
fer zu Pferde ab, und allerdings würde bei dem bodenlofen 
Koth im Winter und der drüdenden Hike im Sommer 
das Geben ſehr beichwerlih fein. Der Anftand verlangt, 
daß er äußerſt langſam und begleitet von einem zahlreichen 
zu Fuße folgenden Diemertroß durch die Straßen reite. So⸗ 
bald er aber die Stadt verläßt und etwa in ein nabes Dorf 
fih begibt, find auch die Diener beritten, und der Zug jegt 
fich in rafhere Bewegung. 

Kehrt der junge Perſer heiter aus einem luſtigen Kreife 
zurüd, fo liebt er es, wenn er einen muntern Gaul unter 
fih fühlt, das altparthifde Manöver auszuführen. Im ra- 
fenden Galop dahinfaufend, erhebt er ſich plöglich im Bügel, 
wendet fih rüdwärts, drüdt fein Gewehr gegen einen fingir- 
ten Feind ab, und jprengt im rafcheiten Laufe weiter; oder 
er macht Schnelle Spiraltouren, wirft während.derjelben feinen 
Stod vor fih hin und fängt ihn beim Zurüdiprallen von ber 
Erde wieder auf (dscherid); oder er fenkt ſich im raſchen Ritt 
gegen den Bauch des Pferdes; oder endlich er galopirt auf 
einen tiefen Graben oder Abgrund zu und hält, am Rande 
angefommen, mit jähem Ruck plögli das Pferd an, ſodaß 
es ftraff auf die Hinterfüße zurüdprallt. Dieje Fühnen Ve 
bungen, da fie oft von unberufenen Knechten mit ihrer Ob⸗ 
but anvertrauten Thieren ausgeführt werden, find bie Ber: 
anlaffung, daß faft alle Pferde an Erfchlaffung der Gelenke 
und am Spat leiden. 

Außer diefen Erercitien zu Pferde find vie wichtigſten 
körperlichen Uebungen die Jagd (schikär) und die Gym⸗ 
naſtik (werzesch). 





180 


beimifchen, vortrefflicden Ylinten mit damascener Läufen 
(tufenk-e-dschäheri), meil fie zu ſchwer und foftfpielig, 
außerdem auf Feueritein eingerichtet jind, fondern der euro: 
päilchen, die man engliihe (tufenk-e-inglis) nennt. 

Zur gewöhnlichen Jagd braudt man einige berittene 
Bediente, die das Wild zutreiben, und arabiide Hunde 
(täzi), welche e3 verfolgen. Letztere laufen jo vorzüglich, 
daß ihnen felten ein Hafe entmwilcht, e3 fei denn, was aller: 
dings in den Ebenen häufig geichieht, daß er fih in die 
Löcher der Wafferleitungen flüchtet. Sie find aud die ein- 
zige Hundevarietät, welche der Perjer pflegt und im Winter 
mit einer Dede zum Schuß gegen die Kälte verjieht, wäh: 
rend er alle andern als unrein zu berühren jcheut. 

Bei größern Jagden bedient man fih auch der Falken 
(bäz, gutsch), vorzüglich zum Sagen von Geflügel, feltener von 
Gazellen. Die Falkenjagd befteht, ähnlich wie bei uns im 
Mittelalter, noch in ziemlicher Ausdehnung; es gibt ganze 
Abhandlungen (bäz-nämeh) über Pflege und Drefjur der 
Falken. Ihre Zucht ift jedoch fehr Eoftipielig, denn der 
Falke verlangt ſorgſame Pflege, einen eigenen berittenen 
Diener, der ſtets feiner Richtung folgt und ihn vom Ber- 
zehren des gefangenen Wildes abhält, da man es nicht ver- 
jtebt, ihn fo abzurihten, daß er die Beute verſchont und 
dem Herrn überläßt; außerden verirrt er jich leicht, und es 
tojtet dann große Mühe, ihn wieder einzufangen, oder er 
wird von einem der großen Bergabler (karagusch) verjpeift. 
Es bietet ein eigenthümlihes Schaufpiel, wenn der Falle, 
deſſen Anblid das fanfte Rebhuhn dermaßen in Schreden 
jeßt, daß es fih wehrlos den Krallen des XTodfeindes über: 
liefert, nun felbit feinen Meijter findet; der kühne Aar 
Ihmebt majeſtätiſch in der Höhe und ſchießt plögli auf fein 
Opfer berab, dus, vor Angit Taun mehr die Flügel regend, 
jeine fichere Beute wird. Alles das, beſonders aber ber 





184 


Soldaten die dominirenden Hügel” beſetzt; fie treiben nun 
dem König das Wild zu, damit er es mit gefegneter Hand 
erlege. Rennt ein Argali oder eine wilde Ziege vorüber, fo 
wird von mehrern Schüten aus feiner Umgebung zugleich 
darauf geſchoſſen. Natürlih ift e8 immer die Kugel des 
Schah, welde das Wild erlegte. 

Ich war Zeuge einer Scene, die von den fonderbaren 
Schmeicheleien, womit man den Schah bei foldhen Gelegen: 
beiten überhäuft, einen Begriff geben mag. Im Jahre 1856 
befanden mwir und am däußeriten Ende des beichriebenen 
Jagdreviers. Auf einem ijolirten Hügel mar ein Meines, 
prächtig decorirtes Zelt aufgefchlagen, worin der König das 
Frühftüd einnahm; vor dem Hügel gähnte ein mehrere 
Klafter breiter Abgrund, auf defien Boden ein Bach dahin 
raufchte; jenfeit des Baches ftieg eine Felswand jäh und 
ſchroff empor. Plötzlich erfholl der Auf, ein Argali babe 
ih ins Lager verirrt. Das arme Thier mar von einem 
Wolf gehetzt morden, der bei Anficht des Lagers umkehrte, 
und flüchtete in feiner Angit auf den Punkt zu, mo es das 
mindefte Gedränge wahrnahm, auf den Hügel mit dem kö⸗ 
niglihen Zelte. Raſch ergriff der Schah eine Flinte, ich 
und einige Leibjäger folgten ihm. Er war faum zwanzig 
Schritt von dem Wild entfernt, dem nur die Wahl blieb, 
entweder in verzweifeltem Kampf ſich gegen feinen Angreifer 
zu menden oder 'in den Abgrund binabzuftürzen. Der Mo: 
ment war kritiſch, und der König in augenſcheinlicher Ges 
fahr. Allein in diefem entſcheidenden Augenblid zog das 
hier die Füße wie in einen Knäuel zuſammen und fprang 
mit mädtigem Sag auf einen bervorragenden Punkt des 
gegenüberliegenden Felſens zu. Noch ehe es fein Biel ers 
reihen fonnte, fielen mehrere Schüfle, das Thier rollte töd⸗ 
Üch getroffen in den Abgrund; es war ein prächtiger Widder 
mit fechzehn Jahresringen. In dem allgemeinen Jubel bes 





186 


Schah deshalb mismuthig, fo wird eine Jagd impropifirt. 
Man gibt vor, auf einem fteilen Hügel einen Leoparden ge 
eben zu baben. Bon allen Seiten werden Jäger aus: 
gefickt; der König- bewaffnet fih von Kopf: bis Fuß; er 
ftroßt von Dolchen und Revolvern. In feiner unmittelbaren 
Nähe halten Leibjäger mit Spitzkugeln geladene Slinten be 
reit; man fucht ganze Stunden, der Schah prüft jeden Fels; 
endlich heißt es, der Leopard ſei in einem entfernten Revier 
geſehen morden, und es fei ihm gelungen, durchzubrechen. 
Taufend Flüche, wie peder suchte pelenk (Leopard, defien 
Bater Giaur), folgen dem Phantafiethier nad. Doch der 
med ift erreiht: der König wurde in Emotion und Span- 
. nung verjekt. 

Oder es wird eine eingefangene oder zahme Gazelle auf 
den Jagdplatz getrieben und als vorgebliches Wild gejagt. 
Ich ſah einmal, mie ein foldhes zahmes mildes Thier, das 
ſich ſehr ungelegen .vol Anhänglichkeit an feinen Herrn 
ſchmiegte, nur durch heftige Streiche von demſelben getrennt 
werden Fonnte. 

Abends vertreibt fih der König die Zeit mit Schach 
oder Kartenipiel; die Prinzen und Granden werden dazu 
geladen und ihnen zugleih die Summen vorgejchrieben, 
welche fie mitzubringen haben. Natürlid begünftigt das 
Glück immer den König; den Gewinn vertheilt er unter die 
Dienerſchaft. 

Gegen Ende der Jagd, gewöhnlich am fünften Tage, 
pflegt man zwei brünſtige männliche Kamele zum Kampf 
vorzuführen. Dieſe ſonſt ſo ſanften Thiere werden wüthend 
(mæst) gemacht, der Schaum quillt ihnen aus dem Munde, 
die Fleinen Augen funfeln, und fie erjpäben, ein häßliches 
Gebrül ausftoßend, den Augenblid, wo fie fi mit dem 
langen Halſe umwinden fünnen. Dann fuchen fie ſich gegen- 





188 


eingefangen und von den Schirazern zur Bollsergögung im 
Lande berumgeführt. Endlich werden 

die Fifchotter (sekmähi) und der Biber (dschunde- 
bidester) bier und da erlegt und vermertbet. 


C. Gymnaſtik. 


In den perſiſchen Städten wird viel Gymnaſtik ge: 
trieben, jomwol des Vergnügens balber als zu Heilzweden, 
und es gibt eigene öffentlihe wie Privatanftalten dafür. 
Gritere beitehen in einer mäßig großen Arena, mworin ein 
octogoner, etwa 7 Fuß vertiefter Raum fich befindet, deſſen 
Boden elajtiich it, indem man ihn 2 Fuß hoch mit dürrem 
Reiſig bededt und einen Yilzteppich darüber fpannt. Rings 
um die Vertiefung find Bänke angebradt zum An- und 
Auskleiden, und eine fathederartige Erhöhung für den 
Trommeljchläger, der den Takt angibt. Der Eintritt ift für 
ein kleines Entgeld geitattet; den Unterricht ertheilt ein alter, 
erfahrener Ringer (pahlewän). Hier werden die Bahlewans 
(Vorturner, Turnlehrer) ausgebildet; fie erhalten nad) er= 
- langter Fertigkeit leicht eine Bedienftung in großen Häufern, 
wo jte jungen Männern, die eine gewiſſe Gejchmeidigkeit und 
Kraft der Glieder fih aneignen wollen, Privatunterricht er⸗ 
theilen. Am bäufigften werden fie jedoch von Perſonen bes 
juht, denen Leibesübungen (maschk) als Mittel gegen alls 
gemeine Schwäche nah erichöpfenden Krankheiten, gegen 
ihmwere Verdauung, Konftipation, und bejonder8 gegen 
Milzanfhoppungen infolge von Wedjelfieber und 
Hämorrhoidalleiden verordnet find. Und in der That 
ſah ich von diefen Uebungen oft die ſchönſten Erfolge, wie fie 
durch den Gebrauh von Medicamenten nicht erzielt werden 
tonnten. Auf ärztlihen Rath fteigen ernfte Leute von vor: 
gerücdtem Alter, oft meit über funfzig Jahre, mit Turban 
und grauem Bart — falls er nicht gefärbt iſt — in die 





1% 


in mirbelnden Bewegungen über dem Kopf; @eübtere wer: 
fen bald die eine bald die andere in die Höhe und fangen 
fie geſchickk wieder auf. Diefe Bewegung ſtärkt befonders 
die Arm: und Bruftmusfeln, welche daber bei den renoms 
mirten Pahlewans von bejonderer Mächtigkeit find. 

Bewegung mit Tafeln (seng). Man legt fih auf 
den Nüden, zieht die Schenkel etwas an, ergreift zwei 
ſchwere Holztafeln, jede von etwa 50—70 Pfund Gewidt, 
in deren Mitte ein Loch mit einem Querholz ſich befindet, 
und bemwegt diejelben über der Bruft nach innen und außen 
bin und ber. Dieſe fchwierige, anftrengende Uebung nimmt 
nebft den Bruſt- und Bauchmuskeln auch jene des Nüdens 
ſehr in Anſpruch. 

Schwimmbewegung (schina). Man legt ſich der⸗ 
geſtalt auf den Boden, daß man ihn nur mit den Zehen 
und Handtellern berührt, der übrige Körper aber frei⸗ 
ſchwebt; dann beginnt man eine Bewegung, wo abwechſelnd 
die Zehen oder die Hände den Stützpunkt abgeben und beim 
Vorwärtsſchieben (ſogenanntem Katzenbuckel) die Stirn immer 
ganz dicht über den Boden ſtreift. Ich ſah von Pahlewans 
dieſe anſtrengende Uebung an achthundertmal hintereinander 
machen. Es ſind die Rückenmuskeln und insbeſondere die 
in der Lendengegend, welche vorzüglich dabei in Thätigkeit 
kommen. 

Der Bogen (kebäde). Ein eiſerner, an 40 Pfund 
ſchwerer Bogen, deſſen Sehne eine eiferne Kette vertritt, wird 
abwechſelnd geipannt und gelöft. 

Das Ringen (kuschti), meift nur durch Ringer von 
Profeſſion ausgeführt. Es kommt hierbei nicht blos auf 
Kraftentfaltung an, fondern auch auf richtige Anwendung 
der Kunftgriffe, mittel3 melcher der Gegner, ohne daß er es 
fich verfieht, zu Boden gejchleudert wird. Nur durch ftete 
Uebung Tann man fich die erforderliche Gemandtheit aneignen 





192 


ſchnellt den Pfeil mit befonderer Fertigleit ab. In der 
Praris wurde jedoch der Bogen überall durch Feuergewehre 
verdrängt. Auffallend ift die große Anzahl alter Pfeilſpitzen, 
welche man bei den Ruinen aller großen Städte einfammeln 
kann; ſie deutet auf dort ftattgefundene anhaltende Kämpfe. 

Das Fechten Sieht der Perſer nicht als eine eigene 
Kunſt an. Er meint, daß e3 dazu nichts als einer gewiſſen 
Kraft und eines guten Säbels bebürfe, und da er beides zu 
befigen glaubt, fo hält er jich für den beiten Fechter (schem- 
schiri), höchſtens räumt er den Afghanen einen Vorzug bierin 
ein. Eine eigenthümlihe Art, die Güte eined Säbels zu 
prüfen, bejteht darin, daß man ein Schaf mit einem Hieb 
‚in die Lende in zwei Hälften zu fpalten ſucht. Es erfordert 
dies nicht blos außerordentliche Kraft des Arms, fondern 
auch große Gemwandtheit, da der Hieb ſich in den Weichthei- 
len des Bauchs abftumpft. Einft befand ich mich bei einer 
tleinen Jagd in der Begleitung des Schah. Er war bei 
guter Laune, und al3 man ihm einen neuen Säbel von 
Shiraz bradte, ließ er fünf Schafe holen, um den Probe: 
bieb zu thun. An dreien mislang der Verſuch. Da men- 
dete er fih zu mir und fagte: „Hackim, bezsen!” (Hekim, 
baue ein!), indem er mir den Schemſchir reichte. Sch ent: 
fchuldigte mich mit meiner zu geringen Kraft; der Schah be 
barrte; endlich gejtand ich offen, daß ich fein Blut vergieße, 
worauf er jcherzend antwortete: „Du vergießeft ja genug 
Blut (auf meine Operationen deutend) und tödteſt jogar 
Menichen.” ch entgegnete jedoch: „Dies thue ich ftet3 nur 
in Abficht der Hülfe und Lebensrettung‘‘, und fchlug hiermit 
fein Anfinnen rund ab. 

Schießübungen (tir seendäzi) werden häufig auf den 
Landſitzen oder Spaziergängen angeftellt. Zum Biel nimmt 
man gewöhnlich eine in gewiſſer Entfernung hingeſetzte Ta- 
tarenmüße, die mit der Kugel umgeworfen werden fol. Oder 





193 


es wird mit aufgelegter Flinte nah einem Ei geſchoſſen. 
Oder man wirft eine Münze in die Höhe und fucht fie im 
Fallen mit der Kugel zu treffen; in dieſem Manöver wird 
oft Sehenswerthes geleiftet. 

Alles vorftehend Erzählte beweift, daß beim Perſer die 
eigenthümlichften Verhältniſſe zwiſchen Ruhe und Bewegung 
obmwalten. Nachdem er fi durch Umftände zu mehrjähriger 
Ruhe verurtbeilt ſah, während welcher Zeit er, um nicht Ver: 
dacht zu erregen, kaum einmal jein Haus zu verlaffen wagte, 
an vierzehn Stunden des Tags jchlief, und die andere Zeit 
im Harem müßig zubradhte, treibt ihn der Wechjel der Ver: 
haͤltniſſe ind entgegengejegte Ertrem: er ſchläft nur fünf big 
ſechs Stunden, iſt raftlos thätig in feinem Geſchäft, unter: 
zieht ſich den anftrengendften Strapazen, ift mit einem Wort 
unermüdlich, bis er, durch abermaligen Wechſel genöthigt, 
wieder in den alten Zuftand zurüdfält. Aber mas auch 
fommen mag, er nimmt alles mit Gleichmuth auf, denn 
„Allah ift groß und feine Verfügungen find unergründlich.” 


Bolat, Berfien. 1. 13 





v1. 
Das Samilien- und Geſchlechtsleben. 


— —— — 


Ernährung und Pflege der Kinder. Beſchneidung. Vornamen. Unter⸗ 
richt im Anſtand. Frühes Heirathen. Ehen unter Verwandten. 
Die Menſtruation. Die Brüſte. Leichtigkeit des Heirathens. Die 
Aldi und die Sighe. Polygamie und Monogamie. Der Trauuugtact. 
Das Hochzeitsfeſt. Die Iungfraufchaft. Scheibungsgrünbe. Häufigkeit 
ber Empfängniß. Sterblichkeit ber Kinder. Abortus. Berbalten wäh⸗ 
rend ber Schwangerfchaft. Die Entbindung. Körperbefchaffenheit und 
Charakter der Berferinnen. Aberglaube. Der Harem (ber Arzt, Be: 
ſchäftigung und Behandlung der Frauen). Das patriarchalifche Syſtem. 


Der Harem bes Schah (Prinz Muzzafer ebbin und fein Bruber Kafem 


Chan. ZTrauriges Los ber königlichen Frauen). Aberrationen bes 
Geſchlechtslebens. 


Tacheschme chumar. “AAyrdova owBalnwv. 
Hafıs. Pistarch, 


Menn bei allen Völkern der Erde das Gejchlechtsleben 
eine mächtige Rolle ſpielt, fo ift dies um fo mehr bei den 
Mufelmanen der all, welche daſſelbe als Vorfpiel und als 
Duelle der bimmliihen, im fünftigen Dafein nie endenden 
Genüffe betrachten. | 

Begreiflichermeife hält es im Orient äußerft ſchwer, 
eine genaue Kenntniß und Einfiht in die hier einjchlagenden 
Verhältniffe zu erlangen, und nur der Arzt ift nah mehr: 
jährigem Aufenthalt und anhaltender Beobachtung einiges 





196 


wurden (heemshireh, Milchgenoſſen), find geſetzlich ver: 
boten. ' 

An Händen und Füßen ziemlich feft gemwidelt, wirb das 
Kind in eine Wiege (gewähreh), zumeift jedoch in eine 
Hängematte gelegt, meil die Schwingungen der leßtern an- 
baltender find und der Mutter längere Entfernung geitatten. 
Zur Beförderung des Schlaf wird ihm bäufig schaerbete 
chäsch chäsch (Syrupus diacodii) gereicht; im zweiten Jahr 
erhält es nebenbei Reiskoſt, in ärmern Familien auch ver: 
fchiedene Früchte. Geht die Mutter oder die Amme aus, fo 
trägt fie das Kind auf dem Arme; reitet fie aus, fo bält jie 
es vor fih auf dem Sattel. Die Kinder gedeihen bei dieſer 
Lebensweiſe vortrefflih: fie find fett, von guter Geſichts⸗ 
farbe und von auffallender Schönheit, denn fie befinden fich 
die meifte Zeit in freier Luft im Hofe oder auf dem Dache 
des Haufes; troßdem werden gegen Ende des zweiten Jahrs, 
beſonders zur Zeit des Entmöhnens, viele von der Cholera 
ablactatorum (hayze) ergriffen, welcher die Befallenen nad 
acutem, meift jedoch chroniſchem Verlauf rettungslos unter: 
liegen. Wenigitens ein Drittheil ſämmtlicher Kinder in den 
Städten wird, befonder8 während der Herbitmonate, von 
diefer Krankheit binmweggerafft; weder die zahlreihen Amu⸗ 
lete, welche man ihnen gegen den böfen Blid anhängt, noch 
die Schwarze Augenfchminte (surmeh), momit man zu dem: 
ſelben Zweck ihre Lidränder beftreicht, vermögen fie vor dem 
furchtbaren Uebel zu ſchützen. Andere fterben am Keuch⸗ 
buften oder an Steinleiden, wenn ein Steinden in der 
Harnröhre fteden bleibt, oder an acuten Ausfchlägen. Auf: 
falen muß es dabei, daß die Sterblichkeit der Knaben 
größer ift als die der Mädchen. Dieſe Erfcheinung ift fo 
offentundig, daß fie in der allgemeinen Klage der Mütter, 
es fei fo jchmer einen Knaben groß zu ziehen, ihren Aug: 
druck findet. 





197 


Die Zeit bis zum fiebenten Jahre bringt das Kind in 
Gefelihaft der Mutter, der Mägde und Sflavinnen im 
Harem zu, und zwar meilt mit Spielen unter freiem Himmel. 
Das Gemiſch der fih tummelnden Kinder, verihieden an 
Alter, Geſchlecht und Hautfarbe, und des zahlreichen Haus: 
geflügel macht auf den Beſucher den Eindrud einer fleinen 
Menagerie. Nicht jelten fällt ein Kind in das offene Baſſin, 
welches die Mitte des Hofraums einnimmt, und fommt aud 
wol, wenn nicht Hülfe bei der Hand ift, darin um. Kinder 
der ärmern Klaffen bewegen fih ohne alle Auffiht vor den 
Häufern oder auf den Mifthbaufen in den engen Straßen; 
jedoch ift troß der vielen Reiter ein Unglücksfall unerhört, 
denn das Pferd weicht jelbft im fchnelliten Lauf einem Kind, 
einem in der Mitte der Straße jchlafenden Hund und ‚einem 
Haufen Miftläfer aus.*) 

Die Kinder begleiten oft die Mutter in die Öffentlichen 
Bäder, dort werden den Mädchen von der zarteften Kindheit 
an die Haare mit Henna gefärbt, den Knaben werden fie 
in der Mitte des Haupts abralirt. 

Um das dritte oder vierte Lebensjahr findet die Be: 
ſchneidung (sunnet) ftatt; jie ift nicht wie bei den Juden 
an einen beitimmten Tag gebunden, jondern es genügt, 
daß fie bis zum dreizehnten Jahre vollzogen ſei. Obwol 
dieſe Seremonie ftreng genommen fein Dogma des Islam, 
fondern nur ein traditioneller Gebrauch (sunnet) ift, jo 
wird fie doch immer geübt, ja das Volk, welches überall 


— — 





*) Dieſe Miſtkäfer findet man auf Karavanenwegen in großer Menge, 
jedes Thier weidht ihnen mit Scheu aus, daher fic trog ber frequenten 
Paſſage ungeflört verweilen können. Ich machte mehrmals ben Verſuch, 
mein Pferd mit Gewalt barüber wegzuführen, doch es gelang mir nie. 
Der fchlafende Hund findet es ebenfalls überflüſſig, wegen eines ans 
rennenden Pferbes ben Ort zu wechleln, er Überläßt das Ausweichen 
bem Pferde. 





198 


gern an Formeln hängt, bält fie für den wichtigſten Act 
bei der Belehrung zum Slam. Die Operation wird durch 
Einzwängen de3 Präputiumd in ein gejpaltenes Rohr und 
Abtragen befielben mittel3 eines Rafirmeflers vom Barbier 
(dalak) vollzogen. Sie unterfcheidet fi von der der Juden 
dadurch, daß der zmeite Act, nämlich das Einreißen bes 
innern Blatt3, bei den Perſern megbleibt. Die Blutftillung 
wird mittel3 fiyptifher Bulver bewirkt; die Application von 
Waſſer ift ftreng verpönt. Unglüdsfälle kamen mir, mit 
Ausnahme zweier Verlegungen der glans, nicht zur Kennt: 
niß. Die Ceremonie ift zwar von einigen Feftlichfeiten bes 
gleitet, man vertheilt Spenden unter die Armen, es werden 
Gäfte geladen und mit Süßigkeiten bewirthet, der Operirte 
erhält ein neues Kleid; im ganzen jedoch entfaltet man Fein 
ſolches Gepränge dabei wie in andern mujelmanifhen Län- 
bern. Weber die Beſchneidung der Mädchen, wie fie nad 
Chardin's Berichten bei einigen Nomadenftämmen im Ge: 
braud fein ſoll, konnte ih trog aller Nachfragen nichts 
conjtatiren. 

Familiennamen fennen die Perſer nicht, fondern nur 
Vornamen; diefe find theils arabifhen, wie Ali, Huſſein, 
tbeils - perfiihen, wie Ferhad, Firuz, Schabas ( Dionisios 
Sabasios), theils türfifhen Urfprungs, wie Alair, Teimur 
u.|. m. Um Verwechſelungen vorzubeugen, wird der Name 
des Stammorts, wie Ali Ispahani, oder des Stammes, wie 
Mahmud Kara Kuslu, beigefügt; oder man braucht charal- 
teriftiihe Beinamen, wie ketschdamägh (Sciefnafe), kätir 
(Maulihier), benghi teriaki (Haſchiſch- oder Dpium- 
eſſer) u. }. m. 

Im jiebenten Jahre verläßt der Knabe den Harem, um 
NH von nun an im Birun (Männergemah) zu bewegen. 
In den vornehmern Ständen erhält er einen Ludimagifter 
(laleh), der ihn in den Regeln des Anftands (adab), im Leſen 





200 


nah erlauftem Dispens des Prieſters die Verheirathung 
ſchon im fiebenten Lebensjahre ftattfand; in guten Häufern 
jedoch werden die Töchter erft im Alter von zwölf oder 
dreizehn Jahren ausgeſtattet. Ein wohlgeſtaltetes Mädchen 
gilt ihren Xeltern ala lebendiges Kapital; denn der die Toch⸗ 
ter zur Frau begehrt, muß ihnen einen Kaufpreis (schir-e- 
buhä, d. i. Milchpreis) dafür zahlen, und außerden der 
Braut, je nad) ihrer Förperlihen Schönheit und Entwide- 
lung, ein bedeutendes Heirathsgut (mahrieh) verjchreiben. 
Der Ceſſionspreis erreicht bismeilen Die Summe von 500 Du⸗ 
taten. Daher verwenden die Xeltern auf Pflege, Nahrung 
und Kleidung der Mädchen alle mögliche Sorgfalt, follten 
auch die übrigen Hausgenoſſen darben müfjen; ift man doc 
der Heimzahlung aller ausgelegten Koſten ziemlich ficer. 
Bei einem förperlih jchöngebilveten Mädchen wird felten 
nah Familie und Abftammung gefragt, fie fann die Frau 
eines Stammhaupts, des angejehenften Staatsbeamten, ja 
des Königs ſelbſt werden, wie tägliche Beifpiele bemeifen. 
Häufig werden fhon Kinder in der Wiege füreinander 
beftimmt , befonders Coufin und Couſine; Yamilienheirathen 
bilden jogar die Regel. Wird dann jpäter aus irgendwelchen 
Rückſichten das Mädchen ihrem Better verjagt, jo gilt dies 
ala ſchwere Beleidigung und als Urſache zu Feindfchaft und 
Fehde. Ich habe übrigens durhaus nicht entdeden fünnen, 
dab die Ehen unter Verwandten nachtheilig auf die Progeni- 
tur einmwirkten; die gezeugten Kinder waren ſowol körperlich 
gefund und mohlgebildet als auch geiftig aufgemwedt. Weber: 
haupt kommen Misbildungen, Verfrümmungen und flrofus 
löſe Leiden unter den dortigen Kindern auffallend Selten vor. 
Auch die Beobachtung, die man in neueiter Zeit gemacht 
haben will, nämlich das häufige Vorkommen taubftummer Kin⸗ 
der infolge ehelicher Verbindung unter Verwandten, beftätigt 
ih meines Willens in Perfien nicht; ich fand in den befiern 





202 


ih eingeftelt hat. Sie beginnt im nördliden Perſien erft 
gegen das dreizehnte Jahr, im ſüdlichen jedoch ſchon gegen 
das neunte oder zehnte Jahr; in letzterm Alter auch bei 
Judenmädchen, welche troß ihrer fheinbaren Anämie, infolge 
der gebrüdten Lebensverhältniſſe, früher menftruirt werben. 
Ueberhaupt ſcheint das frühere oder fpätere Eintreten und 
Erlöſchen der Menftruation mehr von der Raſſe ald vom 
Klima abzuhängen, und obmwol fie durch ein kaltes, nörd⸗ 
lies Klima verzögert werden Tann, jo vermwilcht ſich doch 
in allen folgenden Generationen nicht der Einfluß der Rafle. 
Als Beleg hierfür dienen die Jüdinnen in Europa und die 
Negerinnen in Perfien und den amerifanijchen Golonien. 
In Shiraz ſah ich Frauen von zwölf Mondjahren, welde 
bereit3 Mütter waren, mährend in Teheran felten eine Frau 
vor dem vierzehnten Sabre gebiert. Oft find Weiber von 
30 Jahren Ihon Großmütter; Töchter und Mütter kommen 
zugleich nieder. Dagegen bört die Menftruation durchſchnitt⸗ 
lich ſchon gegen das zwei- bis fünfunddreißigfte Lebensjahr 
und damit auch die facultas generandi auf, zu welcher Beit 
die demnach Anvolutionsperiode beginnt. Ausnahmen finden 
freilich hier und da ftatt; jo jah ich eine Frau von 48 Jah⸗ 
ren gebären, doch erregte diefer Fall in Teheran allgemeines 
Staunen. Die Scherifes (meibliche Seiiden, d. i. Ablömm- 
linge des Propheten, alſo arabiihen Urfprungs) menftruiren 
und gebären länger als Vollblut-Perſerinnen, was jedoch dort 
nicht dem Rafjenunterfchied zugefchrieben, ſondern als Mi- 
rafel ausgelegt wird. Die Frauen im Orient controliren 
ihre Menftruen weit leichter als die Frauen in Europa, 
weil jene nach dem dort gebräuchlichen Kalender des Mond: 
monats zählen, jodaß fie genau den Mond-Tag ihrer 
Menftruation kennen. Daſſelbe gilt auch von der Berech⸗ 
nung bes Tag der Geburt, melde fih genau mit dem 
tage der zehnten Menftruationgepocde einftellt. Bei jungen 





204 


unter dieſer zurüd, mit Ausnahme der Weiber vom arme 
niſchen Stamm, deren Brüfte meit ausgebildeter find. Schon 
nad einigen Entbindungen werden fie ſchlapp, daher viele 
Frauen jie dur Suspenforien ſtützen. Sie jecerniren jedoch 
viel Mild. Bei gefunden Müttern ift der Fall, dab ihre 
Milch für den Säugling nicht binreicht, äußerſt felten; viel: 
mehr fieht man als etwas ſehr Gemöhnliches, bei Erkrankung 
oder beim Tod der Mutter, eine Nachbarin das Säugungs⸗ 
geihäft mit übernehmen und zwei Kinder genügend ernähren; 
‚außerdem wird ein Theil der Mil zu Heilzwecken verwen- 
det. Tritt bei einer zum erften mal Gebärenden die Warze 
(hulmeh) nicht gehörig hervor, fo werden, wie in der Türe 
fei, junge Hunde (tule-sek) angelegt, deren es in den Ba: 
zars ftet3 eine große Menge gibt. Daffelbe findet auch bei 
Milchitafen ftatt. Krankheiten der Bruft, mie Bruftentzün- 
dungen mit Eiterung, Schrunden der Warzen u. ſ. w. kom⸗ 
men in jehr beſchränktem Maße vor, was wol darin feinen 
Grund haben mag, daß die Bruft frei, ohne einengenden 
Schnürleib, nur leicht mit Flor bededt, getragen wird, und 
jo die Empfindlichkeit gegen Erfältung und andere Witterungs- 
einflüffe fi abitumpft. Zu auffallender Größe entwideln 
ich oft die Bruſtdrüſen bei Eunuchen; ih kannte den be 
rühmten grufiihen Eunuchen Cosruw-Chan, der im Alter 
von 75 Jahren noch enorm ausgebildete Brüfte hatte. 

Die nicht fpecifiihen Krankheiten der weiblichen Geni- 
talien kommen dem europäifhen Arzt wenig zu Geſicht. 
Hebammen erzählten mir indeß auf Befragen, daß Scheiden- 
vorfall nicht felten jei. Skirrhus des Muttermundes fand 
ih nur einmal, bei einer funfzigjährigen Armenerin, welche 
in frühern Jahren einen ausſchweifenden Lebenswandel ge 
führt; fie erlag ihrem Leiden. Da die Mädchen oft vor ers 
langter Pubertät verheirathbet werden, hatte ih Dammriſſe 
auch außer infolge der Entbindung zu beobadıten. 





206 


Wahl gelaffen wird, fondern die Aeltern allein über fie ver- 
fügen, jo werben die meiften Heirathen durch weibliche Ans 
verwandte oder Unterhändlerinnen (deläleh) zu Stande ges 
bracht. Eine ſolche begibt fich zu dem heirathsluſtigen Mann, 
rühmt die körperlichen Borzüge der ihm zugedachten Braut, 
gewöhnlich hervorhebend, daß fie weiß fei, große, offene 
Augen, ein rundes Gefiht (mähru, Mondgeſicht), gewölbte 
Augenbrauen und eine Cypreflengeftalt habe. Weil die Pers 
jerinnen faft nie jo blendendmweiß find wie die Occidenta⸗ 
innen, wird diefe Eigenichaft beſonders geſchätzt. Die De 
laleh kommt bierauf ins älterlihe Haus des Mädchens und 
bringt den Geldpunft in Richtigkeit. Hiermit find die Prä- 
liminarien gefchloffen, denn freie Wahl und Selbitbeitimmung 
jeitend des Mädchens findet nur äußerft felten ftatt. Männer 
nahe dem fiebzigiten Jahre heirathen ein zehnjähriges Kind, 
ohne daß dies irgend Aufſehen oder Gerede in der Stdbt 
veranlaßt. Seltener find die Fälle vom Gegentheil, nämlich 
daß ein junger Mann von 16 Jahren eine ältere Witwe 
beirathet, und dann geſchieht dies tet? nur aus Familien-, 
Standes oder Geldrüdfichten. 

Der Begriff der Liebe, wie er bei uns im Dccident aufe 
gefaßt wird, eriftirt kaum bei den Drientalen; die Liebe, 
welche die perfiihen Dichter in ihren Poefien befingen, Hat 
entiveder einen ſymboliſchen oder einen höchſt profanen Sinn; 
auf das Wort ischk (Liebe) folgt immer der Begriff was, 
d. i. die fleiſchliche Vermiſchung. 

Der Knabe reift ums vierzehnte Jahr. Iſt er von gu⸗ 
tem Hauſe, jo wird ihm gegen das ſechzehnte oder fiebzehnte 
Jahr, manchmal auch ſchon mit dem zehnten Jahre, eine 
Vertragsfrau (sigheh) von den Aeltern zugetheilt; erſt nach⸗ 
dem er eine Stellung und die volle Reife erlangt hat, geht 
der Mann die wirkliche Ehe (eekdi) mit einem Mädchen von 
angefehener Familie, mit feiner Coujine oder einer Prinzeſſin 





208 


ein gewiſſes Entgeld und gegen feftgefeßte Entſchädigung 
bei eintretender Schwangerſchaft geheirathet wird. Während 
diefer firirten Zeit genießt fie die vollen Rechte einer legalen 
Ehefrau. Nah Ablauf des Vertragsterming aber if fie, 
wenn derſelbe nicht verlängert oder erneuert wird, dem 
Manne gejeglich verpönt. Für die mit ihr erzeugten Kinder 
ift der Mann zu jorgen verpflichtet, weshalb ſich die Sighe 
nit eber als vier Monate nach der Trennung an einen 
andern verheiratben jol, doch wird dieſer Punkt häufig ums 
gangen. 

Es ift Sitte, dag der Perſer auf Reifen, Expeditionen 
oder Bedienftungen in der Provinz nie feine Frau mitnimmt, 
jondern faft an jeder Station, mo er länger verweilt, eine 
Sighe beirathet. In der Stadt Kirman pflegen die Mulas 
jedem Ankömmling, der nur einige Tage fi) dort aufhält, 
ein Weib zur Sighe anzubieten. Hierdurch entftehen oft 
jehr ernſte Vermwidelungen, indem junge Leute aus fernen 
Provinzen mit wahren oder gefäljchten Documenten zugereift 
fommen und Aniprüde auf Erbichaft erheben, womit fie 
auch, menn der Vater den Nachmeis des Alibi nicht zu 
führen vermag, bisweilen reuffiren. 

Die Kinder aller diefer drei Klaſſen find nad dem Ge 
jeg bei der Erbichaft gleichberechtigt; doch finden bierin auch 
wilfürlide Ausnahmen ftatt. So nimmt 3. B. eine verwit⸗ 
wete Prinzeſſin oft für fih und ihr Kind die ganze Erbfchaft 
in Befchlag, obgleich der theo⸗-demokratiſche Islam eigentlich 
feinen Unterſchied der Stände anerkennt. 

Dem Borftehenden gemäß könnte der Perfer Weiber in 
unbeihränfter Zuhl nehmen, was auch von einigen Großen 





weib gleichgeftellt. Ein folder mird gewöhnlid nur ba abgefchloffen, 
wo bereits vier legale Frauen vorhanden find; auf biefe Weife umgeht 
man das Geſetz, benn das fünfte Weib ift nun ben übrigen eben- 
bürtig. 





u 210 


Sind die Präliminarien zwiſchen dem Bewerber und 
den Xeltern des Mädchens vereinbart, jo wird’ zur Hochzeit 
geihritten. Der Trauungsact jelbft (akd-ennikah) ift nad 
mufelmanifdem Gefeg — ähnlich dem jüdifchen — fehr ein- 
fa; es genügt, daß der Mann dem zur Pubertät gelangten 
Mädchen den Antrag macht und diefe darauf zur Antwort 
gibt: „Ich übergebe mich dir.” Das Ausiprechen dieſer 
Formel reiht auch ohne die Anmejenbeit von Zeugen zur 
Schließung einer legalen Ehe bin. Aus Belorgniß jedoch, 
daß ſpäter Zweifel über die Gültigkeit der Ehe erhoben 
werden Tönnten, und weil nach dem Geſetz diefe Formel in 
gutem arabifhen Accent geiprocdhen werden muß, was ein 
Perſer felten im Stande ift, wird immer ein Mula zu dem 
Trauungdact zugezogen. 

In reihen Häufern wird die Hochzeit mit vielen Bomp 
gefeiert und dauert meilt fieben bis acht Tage. Während 
diefer ganzen Zeit werden ſowol im Haufe des Bräutigams 
als auch im älterliden Haufe der Braut Gaſtereien und 
andere Ergötlichleiten veranftaltet. Am eriten Tage findet 
die eigentliche Trauung ftatt. Der Bräutigam begibt ſich 
in Begleitung zmweier. Zeugen zu den Xeltern der Braut 
und bringt gewöhnlich die behandelte Ueberlaſſungsſumme, 
das Milhgeld, mit. Hierauf wird der Ehecontract (akd- 
ennikah) niedergejchrieben und darin der Abfindungsbetrag 
(mehrieh), melden die Frau im Sterbe: oder Scheidungss 
fall zu erhalten hat, genau verzeichnet. Es veritebt fich vor 
jelbft, daß dieſes Actenftüd, da es die Anſprüche der Fran 
feftftellt, in ihrer Verwahrung oder in der ihrer Aeltern 
verbleibt. Der Mula lieſt nun dag Gebet (chutbeh) und 
fügt au einige Worte der Ermahnung hinzu. Dann feßt 
ih der Vater der Braut oder im Ermangelungsfall deſſen 
Vertreter (vekil) dem Bräutigam gegenüber, fie reichen ſich 
bie rechte Hand und der Mula fpricht dabei die arabifche 





212 


Freunden begleitet, ind Bad. Unterdeſſen werden die Hab: 
feligteiten der Frau, beitehend in Teppidhen, Kleidern, 
Kupfergelhirr und anderm Hausrath, aus dem älterlichen 
Haufe in jenes des zufünftigen Gemahls gebradt. Mehrere 
Maulthiere, Eoftbar gezäumt, find je mit einem Baar Koffer 
(jachdän) beladen, über welde jih ein rother Tuchteppich 
breitet. An ihrer Seite ziehen die gejchenkten Sklaven, 
voran der fünftige Eunuche des Haufes. So burdhfchreitet 
der pomphafte Zug unter Trommelwirbel die Straßen. 
Diefe Mitgabe der Frau heißt dschehäz; fie bleibt immer 
und unter jeder Bedingung deren ausfchließliches Eigenthum. 
Man ftrebt danah, den Zug möglichſt groß erjcheinen zu 
lafien, um den Neihthum der Dame Tundzugeben, daher 
jehr häufig die Jachdans leer oder nur mit Ballaft gefüllt 
jind. Erit gegen Mitternadht wird die Braut zu Pferde, 
unter Trommeljchlag und Flintenſchüſſen und unter Vortrag 
von Windlichtern (maschal), durch ihre Genoſſinnen ins 
Haus des Mannes geleitet, der fie nun endlich zum eriten 
mal zu jeben befommt.*) Der Anftand verlangt, daß er 
jie mit Gewalt entjchleiere, und dab fie dabei Widerftand . 
leifte. In dem Momente, wo ji der Schleier Lüftet, ruft 
der Mann: „Bismillah errahman errahim!” (Im Namen 
Gottes, des Barmherzigen!) Nach einem berrihenden Bors 
urtbeil wird derjenige von den Gatten, weldem es gelingt, 
zuerſt auf den Fuß des andern zu treten, die Oberhand im 
Haufe haben, daher man ſich beiderjeit3 in eifrigem Wett⸗ 


*) Daß e8 hierbei an Enttäufhungen, welde dann das Etabt 
gefpräh bilden, nicht fehlt, ift erlärlih, um fo mehr als bie Aeltern 
eine häßliche Tochter vor jedem profanen Blick zu verbergen fuchen unb 
fih auch wol den unjcdhuldigen Betrug erlauben, beim Beſuche bes 
Bräutigam eine andere, wohlgebilbete Dame vor ihm paffiren zu lafjen, 
welche zufällig!) den Schleier Tüftet und dann mit größter Wahr- 
ſcheinlichkeit von ihm für feine künftige Gemahlin gehalten wird. 

L 





214 


Pflichten von feiten des Mannes. Außer dem zulektgenann- 
ten Grund kann der Mann zur Ertheilung des Scheidebriefs 
nicht gefeglih angehalten werden, doch wird er oft durch 
Machthaber mitteld Drohung und Preffion dazu gezwungen. 
Folgender Fall, der zugleich als Beitrag zur Sittengefchichte 
des Hofs dient, liefert hiervon einen eclatanten Beweis. 
Als Nafjerevdin Schah im Jahre 1848 auf den Thron Fam, 
zwang er feine Schweiter Melik-zadeh, den Premierminifter, 
den vielgenannten Emir, zu beirathen, um ibn durch Fami⸗ 
lienbande fefter an ſich zu fetten. Die Prinzefiin, ein zwölf: 
jährigeg Mädchen, mwiderjtrebte lange, weil der Emir, zwar 
ein ſchöner, kräftiger Mann, doch ſchon in ziemlid vor⸗ 
gerücktem Alter ftand und bereit3 aus eriter Ehe einen er: 
wachjenen Sohn hatte. Allein fie mußte endlich nachgeben; 
der Emir verabjchiedete feine erite Frau und beirathete bie 
Schweſter des Schab. Durch feine Energie und Geiftesfraft 
wußte er die Prinzeflin bald dermaßen zu felleln, daß fie 
ihm, als er drei Jahre fpäter in Ungnade fiel und ertlirt 
wurde, wider alles Erwarten ins Eril folgte, aus Yurdt, 
dag er vergiftet werden möchte, ihm ſelbſt die Speiſen be- 
reitete und ihn feinen Augenblid aus den Augen verlor. 
Dennoch gelang es, einen Moment der Trennung des Paare 
zu benußen, um dem Emir. im Bade die Adern zu Öffnen. 
Melek-zadeh Lehrte nach Teheran zurüd. Einige Monate 
jpäter zmang fie der Schah, den Sohn des neuen Premier: 
minifter3 zu heirathben. Die Verbindung war ihr aus meh- 
rern Gründen verhaßt; einmal trug die Familie Schuld an 
dem Tode ihres geliebten Mannes, ſodann war der ihr aufs 
gedrungene Bräutigam ein unerfahrener, geiftesarmer junger 
Menſch. Sie fügte fich den Befehl des Königs, jedoch mit 
den Worten: „Ich gebe dir die Erlaubniß, mich mit Kaſem 
Chan und mit allen folgenden Miniftern zu verheirathen.” 
Wie vorauszufehen, mar die Ehe Feine glüdlide. Ich 





216 


hält fie dann für ein böſes Omen und ſucht ſich ihrer zu 
entledigen. 

Eine verftoßene Frau Tann der Perfer nach beitimmter 
Friſt wieder ind Haus nehmen, nad) der zweiten Scheidung 
jedoh nur in dem Fall, wenn ſie indeſſen an einen andern 
verbeirathet war und von diefem den Scheibebrief erhielt. 
Um dem Geſetz bierin Genüge zu leiten, wird gewöhnlich 
irgendjemand gemonnen, der einige Tage ald Mann figurirt. 
Freilih fann niemand zur Grtheilung des Sceidebriefö ges 
feglih gezwungen merden, und ich erlebte wirklich einen Fall, 
mo die formelle Verbindung zu einer bleibenden wurde. Bei 
der Sighe kommt die Scheidung nicht in Frage, da der Ber- 
trag mit ihr von felbft nach beftunmter Zeit abläuft. 

Dem Mann ift ferner geitattet, eine Frau, die er als 
Afdi veritoßen, als Sighe wieder zu beirathben. Als ber 
jegige König, der bereit? vier legitime Frauen hatte, mit 
einer Sighe, der Mutter des Kronprinzen, jich legitim vers 
beiratben wollte, erhielt eine feiner Akdis den Scheidebrief 
und blieb dann unter dem Namen einer Sighe im Harem, 
womit dem Gejeb genügt worden ar. 


Frauen, melde für ihre Kinder Ammen halten, enıpfangen 
raſch nacheinander und gebären fait jedes Jahr, während 
in den ärmern Klafjen, wo das Kind bis zum dritten Jahr 
von der Mutter gejäugt wird, Empfängniß und Geburten ſich 
langſamer folgen; doch gefchieht e3 au, daß Frauen wähs 
rend und troß der Lactation im zmeiten Jahr wieder mens 
ſtruirt werden und, allerdings zum Nachtheil des Säuglings, 
empfangen. XLeidet eine rau während des Säugend? am 
Wechfelfieber, jo nimmt die Mil ab und ſchwindet endlich 
ganz, und das Kind erkrankt an der Ruhr. Durchſchnittlich 
gebären die Perſerinnen ſechs- bis achtmal; danach follte 
man auf eine raſche Zunahme der Bevölkerung jchließen, - 





218 


fie jeßen maſſenhaft Blutegel an, machen Aderläſſe an den 
Füßen, nehmen Brecdhmittel aus Sulfas Cupri, Draftica 
oder die Sprofien von Dattelfernen; und fruchten alle diefe 
Mittel nicht, fo laſſen fie fih den Unterleib walfen und tre 
ten. Viele geben an den Folgen diejer roben Behandlung 
zu Grunde. Sehr häufig ermwiderten mir ſolche Unglüdliche, 
wenn ich ihnen die Bitte um ein Abortivmittel unter Ber 
weifung auf meinen geleifteten Eid abihlug: „Euer Eib 
mag mol für Frengiltan gut fein, wir aber können nidt 
gebären, ſonſt werden wir fammt dem Finde getöbtet.” Wer 
möchte es ihnen unter folden Umftänden verargen, wenn fie 
ih an einen gefälligern Fachmann wandten? 
Hingegen berricht der Misbrauch, welcher in den höhern 
Ständen der Türkei allgemein ift, daß die Frau, nachdem 
fie zwei Kinder geboren hat, mit Wifjen ihre8 Mannes von 
nun an abortus hervorruft, theil8 um ihre Körperfchönbeit 
zu erhalten, theils um die Nachkommenſchaft zu verringern, 
nirgends in Berlien. Denn erſtens ift es außerordentlich fel- 
ten, daß eine Berjerin mehr ala zwei Kinder am Leben er- 
bält, fie ftrebt daher nach Erſatz; und zweitens ſetzt fie einen 
Stolz darein, eine zahlreihe Nachkommenſchaft zu befiten, 
die ihr in ihren alten Tagen zur Stütze dienen Tann. 
Wenn Unfruchtbarkeit von den Frauen aller Länder als ein 
Misgeſchick angejehen wird, jo it dieſelbe in Perſien wirklich 
das größte Unglüd; die Unfruchtbare wird faft immer vom. 
Manne veritoßen, von andern rauen des Harems verhöhnt, 
und fteht in ihren alten Tagen, wo die Mutter gewöhnlich 
das Obdach ihres Kindes in Anſpruch nimmt, ifolirt und 
bülflos da. Nur in den ärmſten Klaffen fommt es bismeilen 
por, daß eine Mutter ihr Kind heimlich an die Schwelle einer 
Moſchee ausſetzt; doch findet e8 dort immer einen Abnehmer, 
denn der Orientale, welder dem Hunde, obgleich er ihn für 
unrein bält, Brot zum Fraß binmwirft, .erbarmt ſich ſicher 





220 


nichts einftehen Fünne. Während dieſes Geburtsactes werden 
Gebete für die glüdliche Entbindung vom Dache des Haufes 
ausgerufen (izät). 

Nah der Entbindung wird die Wöchnerin ins Bett ges 
bracht; in den erften drei Tagen erhält fie nur vegetabilifche 
Nahrung, mit Zuder und Fett vermifcht, und wird forgfäl: 
tig vor Erfältung gebütet. Nach fieben bis zehn Tagen führt 
man fie, falls jomol die allgemeinen wie die örtlihen Symp⸗ 
tome fi) günftig zeigen, ins Bad und falbt dajelbft ben 
Körper mit friiher Butter und einem Zuſatz von verſchiede⸗ 
nen Gewürzen, bejonder® Zedoaria, bis jie gehörig in 
Schweiß kommt. Alsdann darf fie die Mofchee befucdhen, 
ihrem Manne ift fie jedoch erft nah Verlauf von vierzig 
Tagen wieder erlaubt. 

Die Hebamme badet das Kind, führt dabei ihre mit 
beiliger Erde beitrichenen Singer in deifen Mund und drüdt 
fie gegen den Gaumen, um diejem die gehörige Wölbung 
zu geben, aud die Gauntenbeine, fall3 diefelben getrennt 
wären, zufammenzufügen (!) Das Bolt fegt einen ſolchen 
Slauben in die Wirkung diefer Operation, daß ein Wolfe: 
rachen jtet3 der ungejchidten Manipulation ber Mama zu: 
geſchrieben mird. 

Ich nahm Schon früher Gelegenheit, der leichten Ent: 
bindung der periifhen Frauen, bejonder3 der Nomaden: 
weiber zu erwähnen. Krankhafte Zuſtände während der 
Schwangerſchaft gehören zu den Seltenheiten, ebenfo An- 
Ihwellungen und Krampfadern, mwenigitens wurde ich nie 
deshalb confultirt, und das Volk Tennt feinen Namen für 
biejes Leiden. Die wenigen Fälle von Kindbettfieber, welche 
mir in meiner dortigen Praxis vorgelommen, hatten meift 
einen gutartigen Verlauf. Obwol mir keine ftatiftifchen 
Angaben zur Hand find, fteht es doch nach genauen Er 
tundigungen feit, daß die Anzahl der Frauen, melde beim 





222 


Blüdsftern, böjen Blid ‚(sehr u dschädu, bsecht, bed 
nezer), bejonder8 in Sachen der Liebe, und wendet allerlei 
Mittel und Amulete von jonderbaritem Inhalt an, um fidh 
einen Mann zu verjchaffen, feine Liebe zu fefleln, den böfen 
Blick zu beſchwören, fruchtbar zu werden oder die Frudt- 
barkeit ihrer Genoflinnen zu bindern. Berühmt ift ein 
Minaret, genannt kune-birindschi (natibus aereis), in 
der Nähe von Ispahan, zu welchem Mädchen und Witwen, 
um einen Mann zu befommen, mallfahrten. Es führen 
zwölf Stufen hinan; auf jede derjelben wird eine Nuß ge 
legt, melde die Pilgerin podice fnaden und dabei folgende 
Strophe recitiren muß: 

Ai minär-e-kun-e-birindschi 

Heerfet mizenem nersendschi 


. Hüwenk-e-men deste miehuähed 
Merd-e kemer beste michuähed. 


Oh minaretum podicis aerei 
Tecum loquor non irascere 
Mortarium meum pilum vult 
Virum renibus einctis vult. 


In gleicher Abficht ſetzen ji) die Mädchen auf bie 
Deichjel einer von Pferden getriebenen Papiermühle und 
laflen jih darauf zweimal um die Säule ziehen. Wirb eine 
Frau, ohne ihr Wiffen, mit Schweinefett bejchmiert, fo 
glaubt man, fie werde unfruchtbar, und da Schweinefett 
ſchwer zu haben ift, wurde ich häufig von Nebenbuhlerinnen 
um eine Portion deffelben angegangen. 

Mufcheln, obſcöne Theile von der Hyäne, vom Hafen 
u. ſ. w., die Früchte von Anacardium werden als Amulete 
getragen. 

Bei der Geburt eines Knaben erjcheint nad) dortigen 
Borftellungen in der Nacht die Fee Aal, um das Kind zu 
tödten; man fpaltet deshalb mit einem Schwert die Luft 





224 


bebeutet sacrum, das Heiligtum, zu welchem jedem Fremden 
der Zutritt fireng verboten ift. Der Eindringling fanrı leicht 
fein Unternehmen mit dem Tode büßen. Sind mehrere 
Frauen im Haufe, jo bewohnt jede eine bejondere Abthei⸗ 
(ung, in den Häufern der Reichen mit eigenem Hof, eigener 
Bedienung und Küche, eigenen Sklaven und Eunuden. Stets 
eine bosbafte Abficht fürdhtend, berührt feine Frau, weder 
für ih no für ihr Kind, die Koft ihrer Nebenbublerin. 
Weil der Perſer dag Enderun als Heiligthum betrachtet, 
ſpricht er nie in Gelellihaft von feinen Frauen oder Kin- 
dern; er nennt nie den Namen einer Frau, jondern bezeich: 
net fie im Notbfall als die Mutter diejes oder jenes Kindes, 
als Tochter feines Oheims u. |. wm. Es wird ſelbſt als grober 
Verſtoß angejehen, wenn der europäilche Arzt beim Manne 
nad) dem Befinden von deſſen kranker Frau oder Tochter fi 
erkundigt. Als vor Ausbruch des engliſch-perſiſchen Kriegs 
auf Befehl des engliichen Botichafters Farafche zur Vornahme 
der Pfändung in einen Haren drangen, drohte ein Aufruhr 
in der Stadt. Die Faraſche mußten ſich flüchten, um ihr Leben 
zu retten. Hingegen ift e8 ungegründet, daß der Arzt, wie 
man gewöhnlid annimmt, nur den Buls einer Patientin zu 
fühlen befommt; er darf, wo er es für nothwendig erklärt, 
auch die weitere phufifaliiche Erploration vornehmen. Das 
allerlegte jedoch, was ihm die Kranke zeigt, ift ihr Ge 
jicht, fie glaubt fih dadurch zu proftituiren; allein auch dafür 
weiß die wahre Tochter Eva's ein Ausfunftsmittel; jie bat 
zuerit an den Zähnen etwas zu verbeflern, und bebt den 
Schleier big zur Naſe; dann findet ſich ein led auf der 
Stirn, und fie ſenkt die obere Hälfte des Schleiers, ſodaß 
der Arzt nur zu addiren braudt, um die Totaljumme zu 
erhalten. 

Der Titel, welder einer Frau von Rang zufommt, ift 
chänum; Frauen untergeorbneten Ranges werden begum 





226 


Schmerz, welcher der Frau widerfahren kann, ift eine neue 
Heirath ihres Mannes oder Vernadläfiigung von feiten 
deffelben, indem er einer andern mehr Liebe jpendet als ihr. 
Sie ift dann troftlos; viele Tamen in dieſer Noth zu mir, 
um ärztliden Rath zu holen, und auf die Frage, was ihnen 
fehle, gaben fie an: „Bäd-e-wräz därem!” (cd babe An- 
mwandlungen von Kummer!) Wird eine Frau gewahr, baf 
ihr Mann mit Heirathsideen umgeht, ſo verſucht fie durch 
Drohungen, Weinen und Bitten ihn davon abzubringen; 
gelingt ihr dies nicht, dann beginnt fie die Auserwählte zu 
verunglimpfen und zu verdächtigen; endlich aber ergibt fie 
ih in ihr Schidjal und ſchließt mit ihrer Nebenbubhlerin 
(häveh) Frieden. Es tritt eine Art Compromiß, jelbft 
Freundichaft zwiſchen ihnen ein, und beide rächen fi durch 
Untreue an dem Mann. Am Sommer 1853 ritt ich nad 
Hamadan,; unterwegs überholte mich eine Dame, melde 
mitteld Kurierritt3, eine von Frauen höochſt felten unter: 
nommene Anjtrengung, ebendahin reiſte. Sie gab Sich für 
eine Brinzeliin aus. Sn Hamadan angelommen, hörte ich, 
die Pſeudo-Prinzeſſin jei die Frau des königlichen Elefanten: 
treiberd, und auf die Kunde, daß ihr Dann fich dort ver: 
beiratben molle, auf fchnellitem Wege zu ihm geeilt. Sie 
batte 35 Meilen in zwei Tagen zurüdgelegt und war wirklich 
jo glüdlih, die Sache rüdgängig zu maden. 

In der Regel nimmt diejenige rau, welde aus ber 
Verwandtſchaft ift, den oberften Rang ein; fie führt das 
Hausweſen, vertheilt die täglichen Portionen Reis, Holz, 
Brot u. |. w., beftimmt jelbjt das jus noctis und übt oft 
eine ſolche Autorität über die andern Frauen aus, daß Diele 
in ihrer Gegenwart ‚ohne Erlaubniß nit niederiigen und 
nicht rauen dürfen. Hat jedod nur eine der Frauen Kin⸗ 
der geboren oder allein das Glück gehabt, fie nicht durd 
den Tod zu verlieren, fo pflegt fie ftatt der aus ber 





228 


müſſe fich glüdlich preifen, daß der Vater ihm noch ein Hans 
gelaffen, da er beide hätte nehmen können. 

Die Glieder einer Familie bilden unter fih ein Ganzes, 
und fließen fich als folches wieder an ein hervorragendes 
Stammbaupt an, welches ala Chef fämmtlidyer dazu gebd- 
riger Familien (ser-e-täife) verehrt wird. Gelangt der Chef 
zu einer beſonders einflußreichen Stellung, 3. B. zur Würde 
eines Großveziers, fo trachtet er zunächſt, mit Hint 
anſetzung aller Fremden, die ganze Schar feiner, ſelbſt ent⸗ 
fernteſten Verwandten aus der Dunkelheit hervorzuziehen 
und ſie mit den verſchiedenſten Aemtern in der Hauptſtadt 
wie in den Provinzen zu verſorgen. Freilich werden auch 
andererſeits alle wieder in feinen Sturz mit hineingeriſſen. 
Pan konnte dies in Perſien fehen, als raſch nadyeinander, 
das 208 der aus ihnen bervorgegangenen Minijter theilend, 
der Stanım von Maku, von Nur, von Farahun ans Ruder 
fumen und ebenfo jchnell wieder ſanken. 

Der Perſer Tann nicht begreifen, wie man lange Zeit 
fern von feiner Familie leben oder dieſelbe vernachläſſigen 
fünne. So fragte mich einmal der Großvezier, ob ich denn 
in Europa feine Anverwandten hätte, und bemerkte, nad 
dem ich die Frage bejaht, ſpöttiſch: „Meger chische-gaum-+ 
kadschari däri?” (Du häliſt es wol mit der kadſchariſchen 
Familie?)*) 

Stirbt ein Familienvater, ſo gilt es als ſelbſtverſtänd⸗ 
lich, daß die hinterbliebenen Witwen und Waiſen das Haus 
ſeines Bruders beziehen und dort Unterhalt und Pflege 
empfangen; eine Verweigerung in ſolchem Fall wäre uner—⸗ 
hört. Einem Fortreiſenden, der einen Bruder im Lande 


*) Die kadichariſche, d. i. Mnigliche Familie, ſteht nämfid in bem 
Ruf, Daß fie in ſich zerriſſen fei wad ihre Glieder fich gegenfeitig nicht 
unterfiüßen. 








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232 


Namen? Dſchayramb-Chanum verſchenkt, fpäter farughe 
sultaneh (die Fadel des Königthums) genannt, die Tochter 
eines armen Tifchler3 aus dem Dorfe Tedſcheriſch, nahe bei 
Teheran. Sie war Tänzerin der Königin: Mutter geweſen 
und weder Schön noch anmuthig; auf der linfen Wange hatte 
fie eine große Boutonnarbe. Dennoch gewann fie fo großen 
Einfluß auf den Schah — man fchrieb es einem Zauber zu —, 
daß fie alle die andern legitimen Frauen, welde nun in 
Trübfal und Zurüdgezogenheit leben mußten, aus feiner 
Gunſt verdrängte. Ihr Vater wurde Gouverneur einer Bro: 
vinz, ihr Bruder und Schwager, obgleich beide nicht fchrei- 
ben fonnten, wurden Kämmerlinge des Königs. Sie gebar 
zwei Söhne und eine Tochter, der ältere Sohn erhielt den 
Namen. Kajem Chan. Als nun im Jahre 1856 der zweite 
Kronprinz an der Cholera geftorben war, befchloß der Schah, 
mit Hintanſetzung des Prinzen Muzzäfer-eddin, ihren Sohn, 
Kaſem Chan zum Thronfolger zu ernennen. Da jedoch der 
Vertrag im Wege ſtand, wurde ich angegangen, ein Docus 
ment des Inhalts auszuftellen, daß Muzzäfer-eddin Törpers 
lich und geiftig ſchwach, daher zur Thronfolge unfähig fe. 
Ich mies natürlich dies Anfinnen, das mir von einem Agens 
ten des Großvezierd zufam, mit Entrüftung zurüd; aud 
glaube ih nicht, daß es vom König felbft ausging. Wie 
dem auch fei, Kaſem Chan wurde wirklich zum Thronfolger 
ernannt. Es herrſchte damals große Eiferfuht zwiſchen ber 
ruffiihen und engliihen Gejandtichaft wegen der Vermides 
lungen mit Herat; beide vermieden deshalb, die Wünſche des 
Königs zu durchkreuzen. Die ehemalige Tänzerin ftieg nun 
auf den höchſten Gipfel der Macht; ihr Einfluß machte ſich 
in allen Staatsangelegenheiten geltend; der König lebte nur 
für- fie und ihren Sohn Kafem Chan; ihren zweiten Sohn 
ernannte er in der Wiege zum Sommandanten der Artillerie 
(emir-e-tubchäneh), während er die Kinder feiner andern 


234 


rung) bei, hoffend, verfelbe werde fein Nachfolger auf dem 
Throne werden. 

Bor einiger Zeit lafen wir jedoch mit Befriedigung in 
den Zeitungen die Nachricht, daß endlidy dem Ältejten Prinzen 
fein gutes Recht geworden, indem ihn der Schah nach vielen 
MWandlungen zum Thronfolger und zum Gouverneur von Tabris 
ernannt, wohin er fih, in Begleitung feiner Mutter und 
eines ehrlichen kurdiſchen Generals, Aziz Chan, begeben habe. 

Im ganzen ift das %03 der föniglichen Frauen fein be- 
neidenswerthes. Nicht allein daß der König ſich gewöhnlich 
an Eine hält und die andern vernadläfiigt, jo leben fie in 
vollfommener Abiperrung, beinahe in Gefangenschaft, und 
dabei fließen ihnen felbjt die Subfiltenzmittel äußerft ſpärlich 
zu. Der durchichnittlihde Gehalt von etwa 50 Dukaten 
monatlich reicht kaum zur Beftreitung der nothwendigen Aus: 
gaben bin, da jede vermöge ihres Ranges und ihrer per: 
ſönlichen Sicherheit wegen eine eigene Küche führen und 
eigene Dienftboten zum Verkehr mit der Außenwelt unters 
balten muß. Außerdem werden jie von ihren Xeltern und 
Brüdern in Aniprudy genommen, welche gemöhnlidy ganz von 
ihrer Unterftügung leben wollen. Es gilt zwar nach Landes 
jitte nicht für unfhidlih, daß die Schmäger des Königs im 
Bazar ein Geſchäft oder Handwerk treiben und in ärmlichen 
Verhältniſſen leben; doc) juchen fie natürlich von dem hoben 
Rang der Schweſter möglichiten Nutzen zu ziehen. Die koſt⸗ 
baren Shamlfleider und die Juwelen, welche die Frauen bes 
Königs erhalten, bleiben Kroneigenthbum und können nicht 
veräußert werden, höchftens geht wol einmal durch Zufall 
ein Stein verloren. Wehe vor allen denjenigen unter ihnen, 
welche unfruchtbar find oder das Unglüd hatten, ihre Kin⸗ 
der durch den Tod zu verlieren; fie ermangeln des Troſtes, 
im Alter den Harem verlaffen und bei einem verheiratheten 
Sohn ihre Jahre beſchließen zu können. 





235 


Man geht daher in guten Häuſern der Ehre aus dem 
Wege, eine Tochter ind Enderun des Königs zu liefern, 
indem ſchöne Mädchen von den Xeltern forgfältig verborgen 
gehalten werden, damit fie nicht die Aufmerkfamfeit der kö— 
niglichen Familie auf. fich lenken, oder man jucht fie, falls dies 
dennoch geſchehen, jchnell zu verheirathen, um jo mehr als 
es ſich ſchon öfter ereignet hat, daß der Schah nad einigen 
Tagen die junge Frau mit einer Kleinen Geldentihädigung 
ins älterlihe Haus zurüdihicdte, in welchem Fall fie nur 
mit bejonderer Erlaubniß der Königin: Mutter fich wieder 
verbeirathben darf. So leben in Teheran zwei jolder vom 
König gejchievdenen Frauen, deren eine jpäter einen Buch: 
binder, Die andere einen Schüler aus dem königlichen Colle- 
gium gebeirathet bat. 

Die äußern Gemächer des königlichen Schloffes dürfen 
für gewöhnlich von den Frauen nicht betreten werden; nur 
manchmal entläßt der König feine gefammte männliche Um- 
gebung und erlaubt dann den Frauen, ih im Schloß zu 
ergeben; man nennt dieſes kuruk. Unternimmt der König 
eine Reife oder eine Expedition, jo läßt er fih nur von 
einer Frau begleiten; die andern müfjen unterdejjen einen 
feiner Landjige beziehen. Wenn eine königliche Dame aus: 
weitet, was nur auf Reifen oder bei Weberfievelungen ge- - 
ſchieht, da ihr fonft nicht geftattet ift, das Schloß zu ver: 
fen, jo müffen alle dem Zug Begegnenden auf den Ruf 
der Eunuchen fich verbergen oder weite Ummege nehmen. 
Gin Weigerungsfall jeitens eines europäiichen Diplomaten 
führte einft zu fehr complicirten Erörterungen und ernftem 
Rotenwechfel. 

Die jetige Königin- Mutter, Valideh, erfreut ſich eines 
großen Einfluffes, welchen fie befonders bei Belegung der 
Gonverneurftellen, bei einem Minifterwechjel und bei den 
Heirathen des Schahs geltend macht. Ihre Abenteuerfucht 





236° 


gibt reihen Stoff zu böfem Leumund; übrigens fol fie viel 
Wis und Geift befigen, aud im Dichten und Blumenmalen ° 
ih verſuchen. | | 

Die jungen Prinzen erhalten eine Amme und werben 
von der Mutter forgjam überwacht. Man läßt ihnen bie 
Wohlthat der Impfung angedeihen, doch fterben die meijten 
in zartem Alter wegen Mangel an*zuträglier Diät, weil 
die Mütter, in der Meinung, dadurdh ihr Wahzthum zum 
fördern, fie mit Nahrung zu überhäufen pflegen. Die meiften 
Kinder des jegtregierenden Schahb haben Anlage zu Hydro- 
cephalus. 

Mit dem fünften Jahre wird der Prinz einem Lubi- 
magifter (laleh) übergeben, welcher ihn in den erjten Ele 
menten des Wiſſens und in den Regeln des Anftands 
(adæb) unterrichtet. Sehr früh führt er einen eigenen, von 
dem der Mutter getrennten Haushalt. Sobald er aber eine 
jelbftändige Stellung einnimmt, folgt ihm die Mutter in fein 
Haus. Dadurch, daß der König einzelne feiner Söhne vor 
den übrigen bevorzugt, erwächſt Haß zwiſchen den Brüdern 
verjchiedener Mütter, der bei. Gelegenheit in Thätlichkeiten 
übergeht und nicht felten zu Brudermord führt. So wurden 
viele Söhne des Feth-Ali Shah auf Befehl ihrer Brüder 
geblendet, andere endigten im Kerker oder Eril. Auch der 
Bruder des jegigen Königs befindet fih im Eril zu Bagdad. 
Welches 208 die den Vater überlebenden Söhne des Schah 
erwartet, wird die Geſchichte Lehren. 

Wir hätten in diefem Abjchnitt noch über die Proftitus 
tion und die Aberrationen des Geſchlechtslebens überhaupt 
zu ſprechen; doch find diefes Gegenjtände, welde nur unter 
Fahmännern zur Sprade fommen follten. Diefe vermweifen 
wir auf unfern Aufjaß über ‚‚Proftitution in Berfien” 
(Wiener Mediciniihe Wochenſchrift, 1861, Nr. 32). 


ee — — — — 3—7* 





237 


Im allgemeinen ſei hier nur bemerkt, daß weder 
Eunuchen noch ſonſtige Ueberwachung die Tugend der Frauen 
zu ſchützen vermögep, daß widernatürliche Laſter leider in 
den Städten ſehr verbreitet find, und daß ſie nicht jo all- 
gemeine Entrüftung hervorrufen, wie e3 im Intereſſe der 
ganzen Menfchheit zu wünſchen wäre. Selbitverftändlich je- 
doch gibt es unter allen Klafjen auch jehr ehrbare Frauen, 
die ſelbſt durch DVerirrungen des Mannes ſich nicht beivogen 
fühlen, nur einen Schritt breit vom Pfade der Pflicht und 
ehelihen Treue abzumeichen. Beſonders zeichnen ſich die 
Frauen der Nomadenftämme in diefer Hinficht rühmlich aus. 





VII. 


Diener, Sklaven und Eunnchen. 


Große Zahl der Diener. Ihr Lohn und indirectes Einkommen. Patri⸗ 
archaliſches Berhältnig zum Herrn. Strafen. Unbrauchbarfeit euros 
päiiher Diener im Orient. “ Kategorien ber Dienerfchafl. Milde 
Behandlung. Schwarze und meiße Sflaven. Berwenbung unb 
ihonende Behandlung berfelben. Frübzeitiges Abfterben ver Schwarzen. 
Ihre Eprade und Bildungsfähigleit. Preife der Sklaven. Eunuchen 
(ſchwarze und weiße, Freie und Sklaven, künſtliche und natürliche). 
Körperbefhhaffenheit und Charakter der Eunuchen. Gefchichte bes 
Eunuchen- Chefs Baſchir Chan. Der Eunuch Cosruw Chan. Abnahme 
der Zahl und bes Einfluffes der Eunuchen. 


A. Diener. 


Zu dem orientaliihen Bomp, welchen der Perſer mit 
dem Worte teschächchüs bezeichnet, gehört nebit den Pfer: 
den, Zelten, Teppichen, Gewändern und Schmuckſachen aud 
eine Schar von Dienern (nauker) und Sklaven männlichen 
‚und weiblichen Geichleht3, von Bagen und Eunuchen. Ihre 
Zahl überfteigt in Häufern der Reihen alle Vorftellungen, 
welche wir in Europa von Dienerichaft haben. 

Die männlichen Diener werden jelten zu häuslichen Ar- 
beiten verwendet, ſondern faft nur zum Luxus gehalten. Gie 





240 


guter Dienft gilt nur ein folder, der viel per fas et nefas 
abwirft. Man nennt diefes indirecte Einfommen madächel, 
So viel Lohn auch ein Diener befommt, er fühlt fih uns 
bebaglih, wenn die Duelle des Mädadjel nicht reichlich fließt; 
mismuthig klagt er: „Madächel kem est!” (Der Gewinf - 
it gering!), und ift er ein Mann von Grundjäßen und 
Conſequenz, jo verläßt er bald wieder dag Haus. 

Biele Diener hoher Beamten beziehen gar feinen Lohn 
und beanjprudhen auch Teinen, denn fie leben aus fremdem 
Sädel und von gelegentlicher Beute. Sie werden mit verſchie⸗ 
denen Commijjionen betraut, oder tragen kleine Geſchenke von 
Obſt, Wild u. ſ. w. aus, wofür fie je nach der Stellung des 
Mannes, von dem fie gejendet werden, 1—5 Dulaten als 
Geſchenk (inaam) erhalten. Andere werden mit Briefen oder 
Aufträgen in die Provinzen geſchickt, fo namentlich die Die 
ner der Minifter, und gelangen auf diefe Weile zu einem 
Einfommen, welches das der höchſten Staatsbeamten in 
Europa übertrifft und fie in den Stand jest, ſelbſt einen 
großen Haushalt mit mehrern Frauen zu führen und ihrer 
ſeits mieder Diener zu unterhalten. Hiernach iſt es erklärs 
(ih, daß bei einem Chan oder Prinzen, dem plöglich eine 
neue Würde übertragen worden, ſchon am andern Tage eine 
Cohorte ‘ven mindeltend hundert Dienern fich einftclt, um 
den neuaufgehenden Stern zu begrüßen; daß fie gar nidt 
abwarten, bi3 er fie in feinen Dienft aufnimmt, fondern in 
der Hoffnung auf Protection oder des zu erwartenden Mä: 
dachels ihn begleiten. Auch Europäer jehen ſich unaufgefordert 
mehrere Tage lang von einem unbekannten Diener begleitet, 
der auf die Frage, was er eigentlich wolle, antwortet: 
„Naukeri mikunem!” (ch thue Dienfte!); wird er nicht 
ausprüdlih fortgefhicdt, fo rechnet er ih zur Zahl der Be 
dienfteten und verlangt die Gewährung der Emolumente. 

Die meilten Ehune nehmen jedody Bediente aus ihrem 





242 


Diener, daß fich der Herr mit feinen Angelegenheiten befaffe, 
ihn über feine Zuſtände ausfrage und ihn familiär behandle; 
wo dies nicht ftattfindet, fühlt er jich fremd im- vauſe und 
bleibt nur unwillig in einem ſolchen Dienſt. 

Den Begriff des patriarchaliſchen Communismus pflegt 
er jelbit auf die Kaffe jeines Herrn auszudehnen. Gibt man 
ihm 3. B. mehrere Dulaten zu Einfäufen, jo wirft er das 
Gold in ein Beutelhen, in dem bereit einige Eleine Münze 
fich befindet; kurz darauf zurüdigerufen und befragt, wie viel 
Geld er habe, fummirt er in feiner Antwort das Empfangene 
mit dem frübern Inhalt feiner Börje. Auf dem Narkte 
macht er dann alle Ausgaben, ſowol die für fich als die für 
den Herrn, aus der gemeinschaftlihen Kaffe. Um die Ned: 
nung ift er nie verlegen, denn der Sitte gemäß darf er für 
jeden Einkauf 10 Procent mehr anfegen als wirklich bezahlt 
worden, und megen des darüber noch fehlenden Betrags hat 
er ſtets Ausflüchte und Zügen bei der Hand. Ebenjo madt er 
fih fein Gemwifjen daraus, Mundvorräthe aus dem Haufe zu 
tragen; wird er dabei ertappt, jo trifft ihn Feine große 
Strafe, weil er gleichlam als zur Samilie gehörig angejehen 
wird. Hat er aber einen ſchweren Fehler begangen, fo will 
er nit, daß man ihn ſchimpfe, da die gebräuchlichen 
Schimpfworte den Vater im Grabe oder feine Frauen ent: 
ehren, jondern er wirft ſich platt auf den Rüden, hebt die 
Füße in die Höhe und ruft: „Gäh churdem!” (Ich aß 
Koth, d. i. Ich fehlte!), zum Zeichen, daß er die Baftonnabe 
zu empfangen bereit fei. In jedem Haufe mit zahlreicher 
Dienerfchaft befindet ji ein Baltonnadenpfahl (tschubeh- 
felek); nur durch den zeitweiligen Gebrauch oder wenigſtens 
durch den fteten Anblid defjelben ift es möglich, fie in Zudt 
zu erhalten. Die Baftonnade empfangen (tschub churden, 
d. i. den Stod efjen) gilt übrigens durdaus nicht für eine 
Schande. Nach überftandener Strafe erhält vielmehr ver 


— — 





243 


Gezüchtigte ein Ehrenkleid, womit er dann vollſtändig re— 
habilitirt iſt. 

Vorzugsweiſe träge zeigt ſich der perſiſche Diener in 
Verrichtung der Hausarbeiten, was darin mit ſeinen Grund 
haben mag, daß wegen der großen. Zahl der Diener der ein- 
zelne wenig zu thun bat und deshalb aud) dies Wenige zu 
thun verſäumt. So 3. 3. ift man mit zehn Dienern kaum 
im Stande, ein Zimmer ohne Möbel rein zu erhalten; fie 
begnügen ſich, einmal des Tags die Teppiche abzukehren, 
während in den etwas höher gelegenen Niſchen der Staub 
monatelang liegen bleibt und nur einmal im Jahre abgefegt 
wird. Ich Eonnte jo feſt auf diefe gewohnte Nadpläffigkeit 
rechnen, daß ich oft mehrere hundert Dufaten, die ih im 
Koffer nicht fiher glaubte, frei auf die erhöhte Nifche legte 
und auch jtets unberührt wieder vorfand. Sie geben ſich 
xiht einmal die Mühe, alle Tage das Kehricht zu entfernen, 
fondern verbergen e3 häufig unter dem Teppich, und fat 


.. sie bekommt man ein fauberes Gefäß oder eine reingemwafchene 


Kaffeeſchale. Auf Reifen und in Lagerpläßen bingegen ift 
der Diener unermüdlich und fortwährend in Thätigfeit; da 
beriteht er es, in der ödeſten Gegend feinem Herrn eine er: 
träglihe Eriitenz zu bereiten. Den ganzen Tag läuft er, 
kelbit bei dem ftärkften Sonnenbrand, vor deffen Pferd her, 
ohne über Ermüdung zu klagen. An der Station angelangt, 
liebt er e3 aber, ſchwatzend und rauchend auf dem Teppich 
ju liegen. Er wartet unverdrofien an einer Stelle ganze 
Loge und Nächte hindurch wie ein Hund auf feinen Herrn. 
Sol er vor demſelben ericheinen, fo zieht er fein beftes 
Kleid an und reibt beim Eintritt den Unterfchentel vom 
Anie bis zur Ferſe mit der Hand, als Beiden der Unter: 
thänigfeit; nie erlaubt er ſich eine unhöfliche Aeußerung 
gegen ibn, ſelbſt wenn er mit ungeredhten Vorwürfen über- 
bäuft wird. 
16* 





244 


‚ Dem in Perjien jih aufhaltenden Europäer werden dieſe 
Diener ſehr läftig. Ihr ftetes Herumſpioniren um feine 
Perſon, die Gütergemeinschaft, die Unmöglichkeit im Haufe 
nur einen Schritt zu gehen ohne von einen Diener ge 
folgt zu fein, jelbjt beim Gang zum geheimen Gemad) , oder 
auf der Straße fih zu bewegen ohne immer einige vor fi 
bergehen zu haben, jind Beläftigungen, an die man fich nur 
nach langer Zeit gewöhnt. Im Begriff auszugeben, muß 
man fo lange verweilen, bis ſich die Diener gejammelt und 
in die gehörige Poſitur gejegt haben. Kein Bejuch findet Ein- 
laß, ebe er fih von den Dienern die Erlaubnig verichafft 
oder durch Geld erfauft hat, jonjt fchläft der Herr oder er 
it inn Enderun. Anfangs wird man wol, wie auch id) es 
that, öfter mit den Leuten wecjeln; allein man überzeugt 
jih ‚bald, daß alle deſſelben Schlags jind und man dabei 
nicht gewinnen, höchſtens verlieren fann. Dazu fommt die 
Erbeblichkeit des Stojtenpunfts. Gin Diener erbält monatlich 
21, Dukaten Zohn, mit den Geſchenlen und Aneignungen 
aber beläuft fich die inonatlide Ausgabe auf + Dulaten; 
man verausgabt alfo, da vier Bediente der geringfte Ber: 
jonalbeftand find, jährlih eine Summe von 200 Dufaten, 
und erntet dafür nichts als Verdruß und Unannehm: 
lichkeiten. 

Nun meint man vielleiht, es jei am zmwedmäßigiten, 
einen Diener aus Europa mit ind Land zu bringen oder 
einen ſolchen dort in Dienft zu nehmen; allein unter allen 
Uebeln würde man damit das größte gewählt haben. Dem 
europäifhen Diener, der Landesſprache unkundig, iſt jeder 
Verkehr mit jeinesgleichen abgefchnitten, dazu ſelbſt der Anblid 
eines weiblihen Wejens verfagt, auch jein Herr fpricht nad 
europäilher Sitte wenig mit ibm; fo befindet er fi in voll 
kommener Sjolirung, faum anders wie im Zellengefängniß. 
uEr wird dadurch ftörrig und unleidlich, verfällt in Melancholie 











244) 


Behandlung und vieler Nachſicht. Ihrem Chef liegt nur die 
Ueberwachung und die lebte Vollendung der Speilen ob, 
während zahlreihe Küchenjungen (aschpss schägird) die 
gröbere Arbeit verrichten. 

5) Der Kahwedſchi jorgt für den Thee, Kaffee und 
Narghile. Auf Reiſen reitet er ein Maulthier; vor fich bat 
er einen Querſack mit dem Mundvorrath für den Herrn, 
während von einer Seite ein Beden mit glühenden Kohlen, 
von der andern Seite ein Waſſerſchlauch (käbul-mangal) 
berabhängt, jodaß er in jedem Moment die Pfeife in Be- 
reitihaft ſetzen kann. 

6) Der mirächur, d. i. Herr der Krippe, bat die 
Obhut über den Stall. Bei Ausritten bilft er dem Herrn 
in und aus dem Sattel und gebt, eine reihe, aus verfchieden 
gefärbtem Tuch moſaikartig zujammengefeßte sin-pusch 
(Satteldede) über der Schulter tragend, unmittelbar vor dem 
Pferde ber. Der Kauf oder Verlauf eines Pferdes Tann 
nur durch jeine DVermittelung gejheben; umgebt man ihn 
dabei, jo weiß er jtet3 den Handel zu vereiteln oder derart 
zu wenden, daß derjelbe zum Schaden des Herrn ausichlägt. 
Ihm unteriteben die Pferdeknechte (melıters), deren jedem 
die Sorge für zwei bis drei Pferde übertragen iſt. 

1) Die gulämbetscheh (Bagen) iind meift körperlich 
ihöngebildete Knaben, welde den Verkehr zwilchen dem 
Harem und dem Birun (Männerabtbeilung) vermitteln, 
übrigens häufig Anlaß zu böfem Yeumund geben. Auch jie 
erhalten Eojtbare Kleidung. 

S) Der käptschi (Portier) ift ſtets ein bochbejahrter 
Mann, mwelder die Zugänge zum Harem mit Argusaugen 
bewadt. 

9) Karaüls (Soldatenwadhen) werden häufig den 
Großen von den Regimentern zugetbeilt, um zur Vermeb: 








248 


um menfhlihe Weſen mit conjequenter Unbarmberzigkeit 
auszubeuten, fie mit den Thieren auf gleiche Stufe zu ſtellen. 
Kriegsgefangene blicben daher im Orient nie durch mehrere 
Generationen Sklaven; war der erjte Racheact nach der Be 
fiegung vollzogen, fo machte fi bald die angeborene mils 
dere Gefinnung geltend; die Beliegten oder ihre Kinder mur: 
den frei und traten in die Rechte der Eingeborenen. 

Noch heutzutage wiederholen ſich diefe Vorgänge in 
Buchara, Chima und Turkiſtan; es werden dort jährlich eine 
Anzahl Berfer, früher auch Rufen, geitohlen, als Sklaven 
verfauft und als Viehhüter oder Adersleute verwendet, doch 
nah Verlauf einiger Jahren gelangen fie wieber zur Freiheit 
und jiedeln fih im Lande an. 

Darun fam e3 aud) im Orient niemals zu jenen blu⸗ 
tigen Sklavenempörungen, movon die römilche und die Ger 
Ihichte der neuern Zeit jo entſetzliche Beifpiele Aufiweift, und 
fand man ſich infolge deſſen dort nicht zu jo graufamen Ne 
preſſivmaßregeln veranlaßt. 

Die meilten in Perſien lebenden Sflaven (zerchserid, 
für Gold gefauft, khulam der männlidhe, keniz der weib- 
lihe Sklave) find in Afrifa geboren und in ihrer Kindheit 
über Buſhir von Mascat, ein Feiner Theil auch über 
Bagdad von Arabien eingeführt. Man unterjcheidet zwei 
Raſſen: 1) die Habeſchi mit dünner, nicht eingebrücdkter 
Nafe, nur menig aufgeworfenen Lippen und Kraus- doch 
nicht Wollhaar; 2) die Zengi aus Zengebar mit dem vollen 
Negertypus. Eritere find wegen ihrer Körperfchönbeit and 
Intelligenz gefhäßter und theuerer als die letztern. 

Die Zahl der weißen Sklaven beſchränkt fi auf einige 
Individuen aus dem Stamme der Zurfomanen (Mogolen) 
und Beludſchen; denn die Kriege der Perſer mit diefen an- 
grenzenden Stämmen find meift paffiver Natur, und gelingt 
es auch bei den Streifzügen einige Gefangene zu maden, jo 





250 


abgeſprochen werden und .derjelbe gezwungen fein, ihn ent⸗ 
weder an einen andern zu verkaufen oder ganz freizulaſſen. 
2) Einen Sklaven an einen andern Herrn zu verkaufen, 
gilt nicht für anſtändig; man entſchließt ſich nur im Fall 
der. äußerſten Noth dazu, oder wenn er ſich fo halsſtarrig, 
widerſpenſtig und boshaft zeigt, daß ſein Bleiben im Hauſe 
unerträglich wird. Doch findet ſich dann ſelten ein Käufer, 
ſodaß man ein ſolches Subject nolens volens emancipiren 
oder einfach ohne Ertheilung eines Freibriefs wegjagen muß. 
Ferner verlangt es die Sitte, beim Eintritt eines glücklichen 
. Familienereigniſſes, bei Geburten, Hochzeiten u. |. w., ebenſo 
durch teftamentarifshe Verfügung, einem oder mehrern Skla⸗ 
ven die Freiheit zu ſchenken. 3) Die Sflavenarbeit würde 
zu theuer kommen; denn obwol die Einfaufspreije ſehr mäßig 
find, jo gewinnt doch die Kapitalanlage durch den traurigen 
Umftand an Bedeutung, daß die Schwarzen in Perſien nur 
furze Zeit am Leben bleiben. Das Klima des iraniſchen 
Plateaur jagt ihnen nicht zu. Viele erliegen den Blattern,— 
zu denen jie insbefondere bei ihrer Ankunft disponirt ſind;— 
nur wenige erreichen eine Lebensdauer von über 30 Jahren, 
die meilten fterben früher an Tuberkuloſe und Sfrofulofe.— 
Während die genannten Krankheiten bei der weißen iraniſchen 
Kaffe nur höchſt ausnahmsweiſe vorfommen, erkranken faft 
ale Schwarzen in den zwanziger Jahren daran und unter: 
liegen denjelben nah mehrjährigem Siechthum. Befonders 
werden Mütter bald nach der Entbindung davon befallen. 
Ihre Kinder läßt man zwar forgfältig durch Ammen ernähren, 
denn man ſieht gern einen im Haufe geborenen Schwarzen 
(chänezäd*) mit den eigenen Kindern aufwachſen; dennoch 


*) In der lutheriſchen Bibelüberfegung (Prediger, II, 7) wirb 
ra +33 mit Gefinde überſetzt; das Wort entfpridht jedoch ganz bem 
perfiichen chäneh zäd und bebeutet: im Haufe geborene Sprößlinge von 
Sklaven. 








252 


frühefter Kindheit perſiſch ſprechend, ja daß felbft die im Lande 
geborenen an der platten Ausſprache unfehlbar als Neger 
fenntlih find. Es führt dies zu der Annahme, daß die 
einer Sprache eigenthümlichen Laute und Accente wenigfteng 
ebenfo ſehr von der Raſſe des betreffenden Volks und der in 
ihr vorherrſchenden Bildung. des Kehlfopfs und der jenftigen 
Stimmorgane, ala von der Gewohnheit abhängen. Jüdiſche 
Knaben 3. B., mögen fie auch von frübefter Kindheit an 
unter Chriften gelebt und von ihnen deutsch, franzöjijch oder 
eine andere Sprache gelernt haben, werden doch von Juden 
an der Ausfprache leicht als Stammgenofjen erlannt; und 
nicht felten wird in jüdiihen Yamilien ein Kind geboren, 
das beim Spreden mit der Zunge anjtößt und dadurch uns 
willkürlich die Ziſch- und Kehllaute des femitiich-arabifchen 
Jargons bervorbringt, die es doch nie früher gehört hat. 
In ihrer Kleidung lieben die Sklaven noch mehr als 
die Perſer Schreiende Farben. Die Sflapinnen tragen auf 
der Gafle ebenfalld den Schleier und den Dominomantel, 
fodaß fie fih in der Tracht von den perfiihen Frauen nicht 
unterſcheiden. Die körperliche Ausdünjtung der Schwarzen 
ift, namentlih bei großer Hiße, dem Weißen höchſt wider: 
lid, ja faſt unerträglid. Sie find trogig und ftörrig wie 
die Maulthiere, und haben fie fih einmal in den Kopf ge 
legt, daß ein Geſchäft oder eine Arbeit nicht für fie paſſe, 
jo vermag feine Drohung oder Strafe fie dazu anzubalten. 
Eine Sklavin, melche einmal die Gunft ihres Herrn genoffen 
bat, wird eiferfüchtig und ift im Stande, den Gegenfland 
ihrer Eiferfucht, die legitime Frau, zu vergiften. Ich erlebte 
den all, daß eine Sflavin, um ſich an der legitimen Frau 
zu rächen, deren Säugling mit Opium vergiftete; es gelang 
mir, das Kind zu retten; die Sklavin erhielt die Baftonnade 
und wurde ohne Freibrief aus dem Haufe gejagt. Ohne 
Freibrief (äzäd-nämeh) entlaffene Sklaven oder Sklavinnen 





254 


Generationen fortgejetten Bildung Tann die höchſte intel- 
lectuelle Kraft erreicht werden. Man wende uns nicht ein, 
daß oft Kinder von Gelehrten ſchwachen Geiftes jind, wäh: 
rend Söhne von Arbeitsleuten zur böchften geiltigen Ent 
widelung fih emporſchwingen. Gelehrte befinden ſich zus 
mweilen in anormalem Zuftand, indem ihre geijtige Thätigfeit 
die zur Fortpflanzung nothwendige körperliche Kraft zurüd- 
drängt; und andererfeit3 gibt es auch unter Bauern tüchtige 
Denker, melde das intenlive Denkvermögen auf ihre Nach⸗ 
kommen forterben können. Sedenfall3 wäre erft die Brobe 
zu maden, ob nicht bei länger fortgefegter Cultur die An- 
lagen der Neger denen der Kaufajier ebenbürtig merden. 
Bei der numerifh geringen Einfuhr von Sklaven und 
der humanen Behandlung, die ihnen in Perſien zutbeil 
wird, darf es nicht wundernehmen, daß die engliihe Re 
gierung feinen Eifer zeigt, ihrem Aliirten, dem Imam von 
Mascat, in dem Handel damit binderlih zu fein. Den 
Gentralpuntt für den perſiſchen Sflavenhandel bildet die 
Stadt Schiraz; von dort aus werden die Neger mittels 
Karavanen in die andern Städte des Landes geführt. Der 
Preis eine Sflavenfnaben varürt zwiſchen 12—18 Dufaten. 
Den höchſten Preis, 70 Dulaten, ſah ich für eine fehöne 
Habejjinerin bieten. Der Gouverneur von Shiraz fauft von 
Zeit zu Zeit Sklaven und Sklavinnen auf, und fendet fie als 
Geſchenk an den fönigliden Hof und an die einzelnen 
Großen. Es iſt Sitte, einer hochgeftellten Dame bei ihrer 
Bermählung einige Sklaven als Heirathsgut mitzugeben. — 
Den Europäern ijt es nad) perſiſchem Geſetz eigentlich 
nicht geftattet, Sflaven zu halten; dod wird davon Umgang 
genommen: ſowol in Schiraz als aud in Teheran haben 
einige Europäer Sflaven im Haufe. Xebtere können aller- 
dings nad Belieben das Haus verlajjen; fie brauden nur 
zu erklären, daß fie als Mufelmanen nicht in einem chrift: 











255 


lichen Haufe dienen wollen, jo find fie entweder frei oder 
müſſen an andere Herren verkauft werden. Ebenjo dürfen 
diejenigen Perſer, welche engliſchen oder ruſſiſchen Schuß 
‚genießen und daher als Unterthanen diefer Mächte betrachtet 
werden, jtreng genommten feine Sklaven befigen, und kommt 
3 zu einer officiellen Klage deshalb, jo wird auch ihren 
SHaven die Freiheit zuerfannt, wie folgender Fall bemeilt. 
‚Ein zugereifter engliiher Conſul genoß die Gaftfreundichaft 
des engliihen Schützlings Hadſchi Abdul Kerim Herati in 
Teheran und wohnte in deifen Haufe. Da ftellten fih ibm 
eined Tags die ſämmtlichen Sklaven des Haujes vor und 
Derlangten, dem englijchen Gejeg gemäß, Löſung aus den 
Banden der Sklaverei. Der Conſul ſah fih in der Noth— 
iwendigfeit, die genofjene Gaftfreundfchaft mit dem bedeuten: 
‚den Scaben feines Gaftfreundes zu vergelten und die Skla— 
ven defjelben frei zu erklären. 

Aus allem vorftehend Gefagten erbellt, daß, mit Aus- 
nahme der allerdings höchſt traurigen Sanitätsverhältniffe, 
das Los der Sklaven in Perſien fein hartes ift, ja daß man 
überbaupt diefen Zuftand Faum mit dem Namen Sklaverei 
bezeichnen kann. 

C. Eunuchen. 

Als Hüter der Harems find nad orientaliicher An— 
Mauung die Eunuchen unentbebrlih. Größtentheils Sklaven, 
gibt es doch auch einige in Perfien, melde den Freibrief 
‚erhielten oder ursprünglich jchon Freie waren; dieſe dürfen 
natürlich nach Belieben ihren Aufenthalt wählen und ihre 
Dienfte für Entgelt anbieten. Bei weitem die Mehrzahl find 
‚Schwarze, die in ihrer Kindheit von Afrika eingeführt wur: 
den. Da die meilten Kinder an biefer Operation, bei 
welcher befanntlich die Gejchlechtstheile vollftändig abgetragen 
werden, zumal bei dem roben Verfahren, zu Grunde geben, 


m 





256 


fo ift der Breis für Eunuden wenigftens dreimal fo hoch 
als für andere Sklaven. In frübern Zeiten, als die Perſer 
häufig im Kaukaſus Kriegsgefangene machten oder ihnen 
Knaben von dort verkauft wurden, erijtirten auch viele weiße 
Eunuchen; der legte diefer Kategorie ftarb während meiner 
Anmwefenheit im Sabre 1856. Außerdem kam es fonft in 
den Bürgerfriegen vor, daß die Nachkömmlinge von Partei: 
chefs verjtümmelt wurden, um tie zur Thronfolge unfähig 
zu maden. Den Gründer der jet berrichenden Kadicharen: 
Dynaftie, Chadſche Mehmed Chan, traf z.B. diejes Los. Jetzt 
wird die Verjtünmelung nur noch als Strafe für ein un- 
natürliches Verbrechen, wenn Nothzucht dabei ftattgefunden, 
verhängt. In Teheran felbit ereignete jich zur Zeit meines 
dortigen Aufenthalts nur ein Fall diefer Art, aus der Pro: 
vinz jind mir aber mehrere zur Kenntniß gelangt. Selbit: 
verftändlich jind es ftet3 erwachſene Perſonen, melde diejer 
graujamen Strafe unterliegen, daher jelten einer mit dem 
Leben davonfommt. Wer aber die Operation überftebt, 
findet dann in einem Harem glänzende Unterkunft, da weiße 
Eunuchen als befonderer Lurusartifel ſehr geſucht jind. 

Eine dritte Kategorie bilden die natürliden Eunuchen. 
Die Zahl der mit misbildeten oder Taum angedeutefen Ges 
nitalien Geborenen ift nämlich auffallend groß; ich Fannte 
deren viele in Zeheran: ein Sohn des Premierminijters z. B., 
Alidſchan genannt, gehörte dazu, und in der Tleinen chrift: 
lihen Gemeinde zu Ispahan fand ich zwei dergleihen Sn: 
dividuen. In Sprade, Phyfiognomie, Kehlkopfbildung und 
Bartmangel gleichen jie ganz den Fünjtlihen Eunuden; fie 
jind ebenfall3 für die Harems jehr begehrt. Doc laufen 
auch viele Kryptordhiten mit unter, die dann, nachdem der 
Irrthum entdedt worden, wieder aus dem Eden verwiejen 
iverden. 

Die Körperbildung der Eunuchen nähert ji, wie 





260 


Diener, von dem er jedoch als Kind gepflegt und erzogen 
worden war, wol gereut haben. 

Zu Zeiten Feth-Ali's und Mehmed Schahs gelangten 
mehrere Eunuchen zu den höchſten Stellen und Würden des 
Reichs. Es waren dies Georgier, welche Agha Muhamed Chan, 
der erfte Kadicharenfürft, auf feinem Raubzug erbeutet hatte. 
Zwei von ihnen, Mutammed eddauleh und Cosrum :Chan 
Bali, ftehen heute noch bei den Perjern in großem Ruf; 
der erite, Gouverneur von Ispahan, ſtellte die Sicherheit 
der Wege und Straßen ber, zeritörte die einzelnen Raub⸗ 
fhlöffer und befeftigte das geloderte Anjeben des Schah in 
der rebellifhen Provinz Arabiltan; der andere, abwechlelnd 
Gouverneur in Yızd, Kurdiltan, Kaswin, zeichnete ſich durch 
feine befondere Körperftärfe, von der man im ganzen Land 
die abenteuerlichiten Anekdoten erzählt, aus. Ich lernte ihn 
als Greis von einigen Jiebzig Jahren in Teheran kennen, und 
ih habe allerdings nie einen Eräftigern Knochenbau gejeben. 
Er erzählte mir mit großer Geſchwätzigkeit von feinen frühern . 
Waffenthaten und führte mohlgefällig jeine Pferde vor, 
denen er alle mögliden Droguen verordnen ließ, während 
er ſelbſt niemal3 Medicamente nahm. Beſonders gern 
ſprach er über religiöfe Gegenftände. Bis zu jeinem jechzehn- 
ten Jahre Ehrift, dann zum Uebertritt zum Islam ges 
zwungen, neigte er jich jpäter dem Judaismus zu, in der 
Meinung, als Ablömmling einer georgiihen PBatricierfamilie 
jei er urfprünglid von jüdiihem Stamm.*) Eines Tags 
erzählte er mir, wie er felbft lange über feine Abitammung 
in Bmeifel gewejen und deshalb um ein Traumgefiht — 
das gewöhnliche orientaliihe Auskunftsmittel — zu Gott 
geflebt habe. In der nächſten Nacht fei ihm der König 


*) Der Reifende Iſhak Kaswini behauptet daſſelbe von ben geor- 
gifhen Fürſten. 





261 


Dawud (David) in vollem königlichen Schmud erjchienen, 
um ihn al3 directen Nachkommen von fih zu begrüßen. 
Geitdem mwäre er feiner Sache gewiß; er habe bebräifch ge: 
lernt und bereite jih alle Speijen ſelbſt nach jüdiſcher Bor: 
ſchrift. Seine Religion beftand aus einem Gemiſch von 
Judaismus, Chriftentbum und Islam, oder vielmehr er war 
einen Tag Jude, den andern Chriſt, den dritten Mohamme—⸗ 
Daner. Als er endlih, von Apoplerie getroffen, ſchwer er: 
Tranfte, fchenkte er Summen Geldes zu gleichen Theilen an 
den Rabbi, den Mula und den Keſchiſch (chriſtlichen Priefter), 
und verfäumte nicht, aud) dem Mabed (Gebernpriefter) feinen 
heil zukommen zu laſſen; denn, fagte er, vielleiht bejigt 
Diefer die rechte Fürſprache. Nah feinem Tode fiel fein 
reicher Belig an den Schab, da er bis zum Ende Sklave 
geblieben war, der Sklave aber rechtlich feinen Beſitz er: 
werben kann, fondern mit Leib und Vermögen dem Beliter 
gehört; er heißt immer BZerhärid (mit Gold erfauft), aud) 
wenn er, wie dies mit Cosrum Chan und mit mebrern 
feiner Genoffen der Yal war, als Kriegsgefangener in 
Sklaverei gerieth. 

Unter dem jetigen Schah ift der Einfluß und das An: 
feben der Eunuchen fehr gefunfen; die weißen wurden aus 
übertriebener Eiferfucht gänzlih aus den Harems verbannt. 
Der Chadſche baſchi hat zwar noch die Schlüffel der Fünig- 
lichen Chatoulle in Verwahrung und verfiegelt noch die für 
den Schah beitimmten Speifen, um fie vor gefährlicher Bei- 
miſchung zu fihern; fein Einkommen aber wurde ſehr be- 
ſchränkt, und er ift wieder ausfchließlih an den urſprüng⸗ 
lihen Beruf, die Bewahung der königlichen Frauen 
verwiefen. Auch merben bereit3 in reihen Häuſern die 
Eunucden, meil der Preis derſelben in ftetem Steigen be- 
griffen ift, durch alte Leute (risch-sefid) erjeßt. 


— — — 





vm. 


Bildung, Wienshaften und Künfe, 


Bildungserforderniffe. Sprade. Schrift. Dialekte. Ausſprache. Die 
Schreibſchrift. Kalligraphie. Schreibmaterial. Elementarfchufen und 
weiterer Unterricht. Einfluß der Nationaldichter. Die neuen Poeten. 
Poecta laureatus. Gaffenpoefie. Chronogramme. Erdkunde. Gefchichte 
und Geſchichtſchreibung. Buchdruck und Lithographie. Manuſeripte. 
Bibliotbeken. Officielle Zeitung. Macht der Preſſe. Stil und Form 
ber Briefe. Die Munſchi. Arithmetif. Alchemie. Aftrologie. Zeil« 
rechnung und Kalender. Philoſophie. Studien in den Madrafſes. 
Abnahme der Bildung. Schrift der Armener, Chaltäer und Juden. 
Malerei. Die Bildergalerie des Schab. Gefang, Muſik und Tanz. 


Von der Anfiht ausgehend, eritens alle Naturphänos 
mene lafjen ſich fpeculativ erklären, zweitens mit den Griechen 
und Arabern babe das menſchliche Willen feinen Abſchluß 
gefunden, widmet der Berfer den eracten Wiſſenſchaften ges 
ringe Pflege. Seine Anforderungen an eine gute Erziehung 
beſchränken ji auf oberflädhlide Kenntniß der arabifchen 
Sprade (arabiet), des Briefitild und der Nationaldichter. 
Wer überdies die Negeln des Anſtands (adeb) innehat und 
bier und da ein Gelegenheitsgedicht zu machen veriteht, der 
it zu allen Würden und Aemtern befähigt, zum General 
jewel wie zum Großvezier; und bat er dag Glüd, Chef 
eines Tribus zu fein, jo kann er unter günftigen Umftänden 





264 


nahzuahmen; er aboptirte daher die Worte, ohne jedoch 
jeine bisherige Ausſprache oder die Syntar weſentlich untzu- 
wandeln. Aus diefem Grunde ift es äußerft ſchwierig und 
nur nad langem Studium der arabijhen Grammatif möglich, 
das Verfiiche richtig zu fchreiben. Bezeichnendermeije gibt & 
auch zwar verfchiedene, im Lande gedrudte arabiſche Gramma⸗ 
tifen und Syntaren, aber feine einzige perſiſche Grammatik. 
Uebrigens Elingt die Sprade, wie fie von den Gebildeten 
geſprochen wird, Schön, und Träftig; fie eignet fih zum poe 
tiihen Ausdrud wie zu ſchönen Wendungen und Wortipielen. 
Auch die meilten Leute vom Volk, obmwol fie untereinander 
ihren Sargon Sprechen, verftehen doch die Sprache der Ge 
bildeten. Saft jede Stadt hat ihren eigenthümlihen Accent 
(laadscheh), moran die Einwohner erkannt werden; am 
Ihärfften betonen die Kaſchaner, am mohlflingenditen ſprechen 
die Schirazer. 

Da der Berler die Kenntniß feiner Sprade nicht durch 
grammatiihe Studien erwirbt, fjondern, außer dur Ume 
gang, durh das Lejen und Hören der guten Poeten, fo 
macht ſich in feiner Rede ftet3 ein gewiſſer poetiſcher Schwung 
bemerkbar; er beobachtet unmillfürlich die Gejege der Eupho- 
nie und Projodie; er ſucht den Sat abzurunden und fügt, 
wo es der Wohlklang zu erheiſchen ſcheint, tautologifche 
Wörtchen ein. Dictirte ich meinem Mirza einen Brief oder 
jelbit ein Kapitel aus der Anatomie, fo feßte er oft finn: 
entitellende Worte zu, und wenn ih ihm dann befahl, fie 
wieder zu ftreihen, las er meinen Sat laut vor und jagte, 
plöglich mit der Stimme ftodend: „Sahib, bier fehlt etwas!“ 
So opfert der Perſer häufig den Sinn einer Rede dem fchönen 
Klang der Worte auf. Als Zeichen feiner Bildung gilt 
es, viele arabiſche Epitheta anzuhäufen und Synonyma zu 
brauden, die fich miteinander reimen. Man nennt bie 





268 


angefeuchtet, zu welchem Zweck das Löffelhen dient. Bu 
der perſiſchen Schrift ift eine didflüffige, jubftantiöfe Tinte 
erforderlih ; die europäifche ift dazu nicht anwendbar. Das 
Papier (kägses) wird vor dem Gebraud forgfältig geglättet 
(mureh), weil fih nur auf foldem die perſiſchen Schrift 
züge mit Zeichtigfeit zeichnen laſſen; es ift meiſt europäiſches 
Fabrikat, dem man eine blaue oder gelblishe Färbung zu 
geben liebt. Chineſiſches Papier (chän bälek) findet fi 
jelten, ift aber wegen feiner Feftigfeit zu Urkunden fehr 
geſucht. 

Begibt ſich ein Mirza ans Schreiben, jo beobachtet er 
eine ceremoniöſe Umſtändlichkeit, welche die Größe ſeiner 
Aufgabe an den Tag legen ſoll: er ſetzt ſich nach perſiſcher 
Weiſe auf den Teppich nieder, ſchlägt ein wenig die Aermel 
zurück, ſtellt das Tintenfaß vor ſich auf den Boden, löſt 
aus der Rolle ein Stückchen Papier, glättet es noch einmal, 
und ſchneidet ſich das Kalam. Endlich beugt er den rechten 
Unterſchenkel, unterſtützt das Papier mit der linken Hand 
und ſchreibt ſo ohne feſte Unterlage, das Papier hin- und 
herſchiebend, um die Abrundung der Buchſtaben zu erreichen. 
Auf einem Tiſche oder einer andern Unterlage iſt es ihm 
unmöglich ſchön zu ſchreiben. 

Interpunktionen gibt es in der perſiſchen Schrift nicht, 
die einzelnen Worte werden nicht einmal durch Zwiſchen⸗ 
räume getrennt, ſondern ohne Unterbrechung aneinander: 
gehängt. Rechnet man noch hinzu, daß auch ſämmtliche 
Bocale ausgelaſſen werden, jo wird man es begreifli 
finden, daß genaue Kenntniß der Sprache und eine 
wenigitens beiläufige des Inhalts zum Leſen der Schrift 
unbedingt erforderlich ift. Freilich thut die Gemohnbeit fehr 
viel; denn der Perſer it umgelehrt 3. B. die in London mit 
Snterpunktionen und Zwiſchenräumen der Worte gedruckte 
Bibel nur fchwer zu lefen im Stande. 





270 


gegenüberliegenden Werkitätte jih zu unterhalten — alles 
Gewohnheitsſache.“ Bon Zeit zu Zeit läßt der Achun fen 
Stäbchen auf den Fußſohlen der Nachläſſigen und Säumiger 
tanzen, theild um fie auf die fommenden Dinge vorzuberei 
ten, theils um jeinen Eifer im Lehren zu documentiren. 
Denn nach der berrihenden Anficht muß der Unterricht, wenn 
er haften ſoll, mit Strenge beigebradht werden. Man berufi 
fi dabei auf eine finnige Erzählung Saadi's. „Ih 309“, 
fo erzählt derjelbe, ‚eines Tags an einer Dorfichule vor: 
bei und fand die Schüler, Kinder mit mahren Engel: 
gelichtchen, in Fleiß und Thätigfeit, aber jeufzend unter-bem 
Drud eines Pedanten, eines ftrengen Schultyrannen. E⸗ 
wurden deshalb Klagen gegen den Lehrer laut, und man 
fand fi bewogen, jtatt feiner einen Lehrer von mildem 
Charakter anzujtellen. Ein Jahr fpäter kam ich wieder durch 
daffelbe Dorf. Da fand ich die Rollen vertauscht: der Lehren 
wurde von den Kindern tyrannilirt, aber an Stelle des 
frühern Fleißes waren Faulheit und Nachläſſigkeit ein 
gerifjen.” 

Der Unterricht beginnt mit dem abdsched (A-b⸗c); 
jobald das Buchſtabiren eingeübt ift, begibt man fih au 
das Leſen des Korans, welcher vom Lehrer mit arabiſchem 
Accent und in näjfelndem Ton vorgelejen, von den Kindern 
ohne Weberjegung oder Verſtändniß des Inhalts nach 
geſprochen und auswendig gelernt wird. Gleichzeitig nimmt 
der für dag Leben wichtigſte und zugleich ſchwerſte, dei 
Schreibunterriht, feinen Anfang. Der Adhun jchreibt eine 
Zeile mit dazu paſſend fcheinenden Worten vor, und die 
Schüler haben die Aufgabe, die Schriftzüge auf einem Blatt 
Papier in gejchildeter Weile nachzubilden. 

St der Koran ein= bis zweimal durchgelefen, jo gibt 
man den Kindern Saadi’s „Guliſtan“ in die Hand. Sit 
leſen die vielen ſchlüpfrigen Erzählungen des Werks, ohne 





272 


Gebildeten wie der Ungebildeten. In Saadi, dem didactiſchen 
Dichter, welcher fait alle möglichen Lebensverhältniſſe be 
Ipriht und in Epigrammen (bayt) weile Berhaltungsmaß- 
regeln gibt, ſucht und findet der Perſer, jo oft er an einem 
Scheideweg fteht, analoge Fälle, an denen er ſich Ruth ers 
holen Fann. Die Bücher des Hafis offenbaren ihm fein 
203 (fal); er ftiht hinein, und der Sag, der ih zufällig 
bietet, dient ihm als Drafel, welchem er blindlings folgt. 
Der göttliche Ferdauſi begeitert ihn dermaßen, daß er deſſen 
Fabeln für hiſtoriſche Facta nimmt, an den durch mehrere 
Sahrhunderte fortgefegten Kampf Ruſtam's mit Turan 
glaubt und ernithaft die Frage aufmirft, ob Ruſtam's 
Thaten oder die des verehrten ‚Chalifen Ali größer ges 
wejen feien! 

Beim Necitiren von Verſen achtet der Perſer jorgfältig 
auf den Rhythmus, befonders die Reime betunend; ohne die 
Negeln der Proſodie zu kennen, markirt er ftet3 die Cäfur. 
Nicht Leicht entgeht ihm ein Fehler des Verſes; doch auf: 
gefordert denjelben anzugeben, antwortet er nur: „In 
schæer nist!“ (Das ift nicht Poeſie!) Ich batte einft, 
ich erinnere mich nicht mehr bei welcher Veranlaſſung, einige 
perfifhe Verſe gemacht, die wegen ihres ſatiriſchen Inhalts 
jehr gefielen; aber troß der correcten Reime mußte ich die 
beihämenden Worte hören: „In schæer nist!“ 

Freilich hat die Poeſie und die Beichäftigung mit ihr 
auch ihre Auswüchſe; ‘die Zahl der Verſifexe ift in Perſien 
Legion; ſie überbieten fih in bombaftifhen Epitheten und 
erzwungenen Wortipielen, und kommt ja einmal ein guter 
Gedanke zum Vorſchein, jo ift er fiher frühern Poeten ent: 
lehnt; fie betrachten die Poeſie als Erwerbszweig des Bettelg, 
um einen neuen Rod oder einen Schmaus zu erbeuten. 
Als ich einft dem König vorlas, wie Peter der Große bei 
feiner Anweſenheit in Paris von den Poeten fo fehr beläftigt 





213 


wurde, daß er eiligit die Stadt verließ, bemerkte der Schab: 
„Wahrlich, ich werde auch zulegt genöthigt fein, meine 
Hauptftadt der Poeten wegen zu verlaſſen.“ 

Selbit Könige machten Anſpruch, unter die Zahl der 
Poeten gerechnet zu werden. Einige Gedichte von Feth Ali 
Shah würden in der That, vorausgefegt, daß fie von ihm 
berrühren, den Anſpruch rechtfertigen. Auch der jeßige König 
ergebt fich bisweilen in poetifchen Berfuchen, und man Tann 
feinen Reimen wenigſtens Gorrectheit nicht abipredhen. Am 
Hofe befindet jich ſtets ein Poeta laureatus, welcher nach 
alter Sitte ein Epitheton als Namen wählt, unter dem er 

dann in der Literatur bekannt wird; der jetzige nennt ſich 
schaamsesch-schäerä (die Sonne der Sänger). Seine Auf: 
gabe ift es, glüdliche Ereigniffe und Feite des Hof3 zu be- 
fingen. Doch reihen zu gleicher Zeit auch andere, mehr oder 
weniger armfelige Poeten ihre Ghaſelen ein und erbetteln fich 
damit ein neues Gewand. 

Es fehlt auch nicht an einer von unbefannten Autoren 
ausgeübten Gaſſenpoeſie (hadschw und tesnifek), durch welche 
unliebiame Perſönlichkeiten oft recht bitter und witzig gegeifelt, 
ſtandalöſe Vorfälle ins Publikum gebracht oder Regierungs— 
waßregeln einer beißenden Kritik unterworfen werden. 

Ein großes Ereigniß, z. B. die Einnahme einer Stadt, 
den Tod des Monarchen u. ſ. w., beeifern ſich die Poeten des 

Landes durch ein treffendes Chronogramm zu fixiren, wozu 
die Sprache, da bekanntlich die arabiſchen Buchſtaben auch 
Zahlen bedeuten, ſich beſonders eignet. So wurde z. B. für 
das Todesjahr Nadir Schahs der Sa gefunden: „Nadir 
derek ræſt!“ (Nadir zog in die Hölle!), für den Tod des 
dom Volk verehrten Emirs Mirza Taghi Chan: „Ai wäi 
emir ræft!“ (D web, der Emir ſchied!) Für das ge: 
lungenfte Ehronogramm erhält der Dichter ein entjprechendes 
Geſchenk. 

Polar, Berfien. 1. 18 





274 


Im ganzen it von der heutigen poetiihen Production 
zu jagen: Obgleich bier und da gute Verſe gefchrieben wer- 
den, welche die Beitgenoffen hochpreifen und den Arbeiten 
der beiten frühern Meifter zur Seite ftellen, und obgleich faft 
jeder König eine Sammlung (diwän) von modernen Poeſien 
veranjtaltet — jo Feth Ali Schah den Diwan Alteſchkädeh, 
und der jebige König, der einen Diwan auf Staatätoften 
bruden ließ —: jo find doc diefe Erzeugniffe denen ber 
alten Meifter nicht im entfernteiten ähnlih, fondern nur 
ephemere Erjcheinungen, die alles innern Werths entbehren. 

Bon der Erdkunde (ilm-e dscheagraphiä) haben bie 
Berfer ſehr ſpärliche Kenntniffe, fie glauben noch an das 
Ptolemäifhe Syitem und halten die Erde für eine vom 
Deean (dariä muhit) umgebene Scheibe. Bon Europa 
fennen fie weiter nicht? als die Namen der ‚Nationen, mit 
denen fie in Berührung kommen oder die einjt Repräfentans 
ten an den Hof ſchickten, aljo die Namen: Inglis, Fraenseh, 
Nemse (Defterreih), Arus (Rußland), Lehistan (Bolen), 
Italia, Valendis oder Flamenk (Holland), Ispaniul (Spa⸗ 
nien), endlich Portugal wegen der Orangen, welche mit die 
jem Namen bezeichnet werden. Auch der Name Pruss ift 
ihnen befannt, und fie lieben ihn, weil er mit Arus reimt; 
doch können ſie nie begreifen, daß der padischäh austria 
und der kral-e-pruss*) beide Nemjeh fein follen. Wenn ich 
den Schah in der Geographie unterrichtete, war dies feine 


*) Dem Stolze orientalifcher Potentaten koſtet es viel Ueberwin⸗ 
dung, einem europäifhen Monarchen, mit dem fie nicht in naber Be 
ziehung fteben, ben Titel Padifhah zu geben; er Tonnte in früberer 
Zeit erft nah vielen biplomatifhen Verhandlungen fir den beutfchen 
Raifer erlangt werben; fie behelfen fi) mit bein flawiihen Wort kral. 
Für den König von Preußen braudt man erft feit kurzem, nachdem bie 
preußifche Regierung einen Repräjentanten an ben perſiſchen Hof ge» 
jandt, den Ausbrud padischah. 





276 


erft mit dem Islam; mas fich vorher begeben, concentrirt 
ih für ihn in jener Reihe von Sagen, die er im Helden⸗ 
lied Ferdaufi erzählt findet. Philipp (Filakus) und Alerans 
der (Iskander) von Macedonien Tennt er in mythiſcher 
Hülle, da die Züge des letztern ins Reich der Finfterniß 
(zalumät) das Lieblingsthema vieler epiihen Gefänge bilden. 
Bon den eigenen Kämpfen der Berfer mit den Griechen, 
von der Dynaftie der Seleuciden, von den Parthern (meluk 
el tewäif) und ihren glorreihen Kämpfen mit den Römern 
finden fi nur die dürftigften Spuren. Erft mit den Safla- 
niden dämmert das hiſtoriſche Licht, doch erft mit dem Islam 
beginnt die eigentlihe Geſchichte oder Chronik. So gründ: 
lih gelang es dem Islam, alle frübern Quellen, die Ers 
innerungen an glorreihe Perioden und Dynaftien, die Zeits 
rehnung, die Münze, die Schrift, die Jahrbücher des 
Volks zu vernichten und an ihre Stelle fih felbit zu ſetzen. 

Der gebildete Perſer Tieft fleißig die Gefchichte der nın= 
ſelmaniſchen Epodhe in dem berühmten Buche „Ruzet es 
sefä’, von Mirchand. Faſt in allen guten Häuſern findet 
ſich dieſes Buch; es erlebte mehrere Auflagen in Bombay 
und Teheran; der Schah läßt fih mährend des Frühſtücks 
oft ein Kapitel daraus vorlefen, und mweiß e3 daber faft aus: 
wendig. In der Geſchichte der Säfavieh-Dynaſtie fcheint 
die perſiſche Geſchichtsſchreibung viele Lücken zu haben, 
wenigſtens erfahren wir aus derſelben viel weniger, als von 
einigen europäiſchen, wahrheitsliebenden Reiſenden dieſer 
Epoche, von Chardin, Tavernier, Olearius u. |. w. berichtet 
wird. Die Gefchichte Nadir Schahs wurde vortrefflih vor 
feinem Secretär Mirza Meihdi niedergefchrieben, fie ift jedoch 
wegen der zu gewählten, viel mit Arabijch vermifchten Diction 
nur äußerſt wenigen zugänglich. 

Unter der Negierung des vorigen Königs wurde die Ge 
ſchichte Napoleon's nach dem Buche von Walter Scott, ſowie 





280 


gilt, das heilige Buch zu überſetzen. Trotzdem erſchien eine 
Ausgabe mit nterlinearüberfegung ; fie ift jedoch ſehr 
- jelten. 

Gedrudte Bücher liebt der vornehme Perſer überhaupt 
nicht, er trachtet nach dem Belig von Manufcripten, und 
wie der Kunftfenner am Gemälde den Maler oder die Schule, 
fo Eennt er an der Schrift die Meiſterhand des Schreibers. 
Früher befchäftigte ih in jeder Stadt eine Anzahl Schön- 
Ichreiber mit dem Copiren von Büchern, jest jcheint aber 
diefe Kunft nicht mehr jo lohnend. Ein Manufcript, dem 
der Kenner bleibenden Kunſtwerth beilegt, muß auf dhineii- 
ſchem Bapier gejchrieben jein, von Anfang bi3 Ende ein 
Buchftabe wie der andere, die gleihen Buchitaben fogar 
mathematiſch congruent, der Eingang und die Kapitelanfänge 
‘mit zarten Goldarabesfen in blauem Felde aufs geſchmack⸗ 
vollite verziert, der Einband (sehäfi) aus zwei auf dem 
Rüden gehefteten Bappdedeln beſtehend, mit Malereien von 
Shiraz oder Ispahan geihmüdt. Bei Tarationen fhäßt 
man oft den Werth eines einzelnen Buchs auf die Summe 
von 500 Dufaten. Machthaber willen durch Drohungen und 
andere Künfte jih manches Manufcript anzueignen, das fonft 
um feinen Preis feil gewejen märe. 

Die Hausbibliothef beſchränkt ſich gewöhnlich auf einen 
Koran, einige Diwans bekannter Poeten, ein Lerifon und 
ein größeres Geſchichtswerk. Umfafjende Bücherſammlungen 
find äußerft ſelten; außer denen einiger Imamzadehs befindet 
ih meines Wiffens nur im Schloffe des Königs eine 
Bibliothek. Doch auch bier umfaßt die perjiich -arabifche 
Sammlung (katäb-chäne) nit mehr als etwa 300 Ma: 
nufcripte und einige gedrudte europäiſche Bücher, melche in 
einem fleinen Zimmer in drei mäßigen Schränten Platz 
finden. Die Bücher liegen horizontal übereinander, mit dem 
Rüden gegen die Wand, mit dem Schnitt nad außen ge- 





284 


daß der mittlere Raum nicht hinreiht, jondern die Fort- 
jegung auf die beiden eingejchlagenen Ränder zu ſtehen 
fommt. Ferner verlangt die Eleganz, am Ende jeder Zeile 
einige Worte fchräg übereinander hinaufzufchreiben. Iſt der 
Brief fertig gejchrieben, jo wird er jorgfältig mit der Schere 
beichnitten, manchmal auch einer Ede abgeitugt, welche Ber: 
ftümmelung die Unvollkommenheit alles menſchlichen Thuns 
andeuten fol. Dann wird er gerollt, geplättet und mittels 
eines gummirten Papierftreifens, an defien Klebeitelle das 
Siegel mit Tinte aufgevrüdt wird, verfchloffen. Die 
Adrefje erfordert wieder diefelben Umftändlichteiten wie Die 
Anrede. 

Der König erläßt oft Handichreiben an die Würden: 
träger, man nennt ein ſolches deste-ch@t-mebärek (gejegnetes 
Handbillet); die zur Veröffentlichung beftimmten werden in 
der Hofzeitung abgedrudt. Berliert ein Würdenträger jeine 
Stellung, jo werden ihm die empfangenen königlichen Hand- 
billet8 wieder abgefordert, zu welchem Zweck ſich der Schab 
deren Abjendung in feinem Journal genau notirt. 

- Wegen der faft unüberwindliden Schwierigkeiten, welche, 
wie erwähnt, die perſiſche Orthographie ſowie die richtige 
innere und äußere Form der Briefe bietet, ift in jedem gu- 
ten Haufe eigens für die Correfpondenz .ein Mirza (scriba) 
angeitelt. Hohe Perſonen engagiren noch einen mit den 
Regeln der Rechtſchreibung beſonders vertrauten Secretär, 
munschi genannt; wenn ein Minifter oder Gouverneur einen 
Brief von Wichtigkeit fchreibt, jo richtet er von Zeit zu Zeit 
an den in einiger Entfernung figenden Munſchi Fragen, 
wie: wird diefes Wort mit he hæwæs oder hutti (mit aſpi⸗ 
rirtem oder gewöhnlichem h) gejchrieben? u. ſ. w. Die Zahl 
ber guten Munſchis ift übrigens ſehr gering, und ausgezeich⸗ 
nete Leiſtungen in diefem Fach bahnen oft den Weg zu den 
höchſten Staatsämtern. Der jebige Minifter des Aeußern 





285 


Mirza Seyd Ehan z. DB. verdankt feine Stellung nur feiner 
Gewandtheit in der Orthographie (imlä). 
Früuüher war der Stil (inschä) noch complicirter, der 
riſchwall und die Anhäufung von Synonymen fo groß, 
* der eigentlihe Sinn (metleb) faft ganz darunter ver 
ſchwand oder nur mit vieler Mühe erratben werden Eonnte. 
Die berühmte „Anweiſung zum Briefftil“ ſelbſt (das Inſcha 
bon Meihdi Chan) wird, weil das Buch jo furchtbar mit 
arabiſchen Ausdrüden überladen ift, nur von wenigen Per: 
fern verftanden. In neuerer ‚Zeit bat der jetzige Schab, 
welcher die bombajtiiche Redeweiſe nicht liebt, fie vielmehr 
bei Gelegenheit lächerlich macht, vortheilhaft auf die Verein: 
fabung des Stils eingewirkt. Hauptſächlich ift die befjere 
Geihmadsrihtung den befannt gewordenen Ueberſetzungen 
von Briefen europäiſcher Monarchen zuzuſchreiben, mas 
daraus hervorgeht, daß man in den Briefen und Manifelten 
bes Schah häufig Säten und Wendungen aus der Eorre 
fpondenz Napoleon’s, Nikolaus’ I., Peter’s des Großen und 
Karl's XII. begeanet. 

Ich bejige noch mehrere Briefe und Stilübungen aus 
der guten alten Zeit, unter andern ein vom Minifter des 
Leußern an mich gerichtetes Billet; im Eingang wird von 
Rachtigallen, Frühling, Roſen, Nareiſſen, Freundſchaft und 
Gewogenheit geſprochen; der Gegenſtand jedoch iſt der, daß 
der Freund (der Schreibende) einen cariöſen Zahn hat und 
im Namen der Freundſchaft und Einigkeit davon befreit zu 
fein wünſcht. Schluß: „Natürlih werden Sie die Zange 
nicht vergejjen.” 

Die berühmteften Mirzgas und Munſchi fommen aus 
dem Fleden Täfrifh in die Hauptftabt, daher die meiſten 
Staatöfecretäre, Muftafis u. ſ. w. von dort gebürtig find. 

Die höchſte Blüte der Kalligrapbie und des Inſcha wird 

im Eöniglihen firman (Batent, Ordre) entfaltet. Unter dem 








































288 


Die engliide Gejandtihaft war im Begriff die Stadt 
Shiraz zu verlaffen. Da erflärten die Aftrologen, nad) der. 
Gonjtellation der Sterne fei die Stunde, da3 Thor zu pal- 
jiren, nicht günftig. Allein die Gejandtjchaft beftand wegen 
dringender Geſchäfte auf fofortiger Abreiſe. Um nun feine 
Säfte nicht ins Unglüd zu ftürzen, ließ der Gouverneur die 
Stadtmauer durdhbreden, und die Engländer zogen obne 
Unfall durch die Lüde. 

Während der Belagerung Herat3 war ein Aftrolog fo 
glüdlih gewejen, den Tag der Uebergabe vorher zu be 
ftimmen, mofür ihm ein reiches Geſchenk zutheil wurde. Die 
Sade verhielt fich indeß fehr einfah. Durch die ſchweben⸗ 
den Unterhbandlungen war die Uebergabe jchon im Princip 
feftgeftelt; nun bejtimmten die Ajtrologen, nad untereins 
ander getroffener Berftändigung, verſchiedene Tage, von 
denen natürlich einer der rechte fein mußte. 

Die Sternfundigen bedienen ſich der Tafeln (sitsch) 
ded berühmten Ajtronomen Chadihe Näſſir aus Märageh, 
der fogenannten Tafeln des Ilchani, und der des italienifchen 
Aftronomen Caſſini zur Beitimmung des Jahrsanfangs 
(nauruz), de3 Eintritt der Jahrszeiten (fass’]), der Sonnen- 
und Mondfinfterniffe (kseschuf-e-äftab u mäh), desgleichen 
zur Abfafjung der Ephemeriden und des Almanachs (takwim), 
welcher jährlich” Tithographirt wird und nach alter Weile 
auch die Empfehlung derjenigen Tage enthält, an melden 
es gut it, zur Ader zu laffen, zu baden, zu beiratben u. |. w. 
Der Zeitpunkt, mo der Mond ſich dem Sternbild des Skor: 
pions nähert (kemer dar »greb), wird als ungünftig für 
irgendeine neue Unternehmung angejehen. Zu ihren Beob: 
achtungen benugen die Aftronomen das Aſtrolab und einen 
Quadranten. 

Für die Zeitrechnung (tärich), beſonders bei Beſtimmung 
der religiöfen Seite und ſelbſt im bürgerlichen Kleinverkehr, 





290 


(öffentlide Seminarien), in melden fie Wohnung, Bücher, 
Koft und aus dem Stiftungsvermögen eine kleine Penfion 
erhalten. Doch genießen die zahlreihen inländiishen Ma- 
draffes keines befondern Rufs, weshalb viele Perſer die 
Schule zu Kerbelah bei Bagdad befuchen, um fi für den 
böhern Briefterftand (itschtehad) vorzubereiten. Die Dis: 
ciplinen, welche jie ftudiren, find: Grammatik und Eyntar 
(nahw u særf), Rhetorit (el maanæwi wa-l-bayan), Pro: 
jodie (arus), Logik (maentik), Theologie (tauhid), Aus- 
legung des Korans (tefsir), die Traditionen (hadıs), Ju⸗ 
risprudenz (el-fikh), Arithmetif (el hesab) und Algebra. 

Gegen früher hat die Bildung im ganzen an Ertenfität 
zu:, an Intenfität aber abgenommen. Es gibt jet mehr 
Zeute, welche lefen und ſchreiben können, fehr wenige aber, 
bie ernftlih dem Streben nach wiſſenſchaftlichem Fortichritt 
buldigen; außer einigen ſophiſtiſchen Thejen über religiöje 
Dinge wird nicht3 Neues gejchrieben. Perjer ſelbſt geftanden 
mir, wenn bier und da ein Mula aus Buchara nad Tebe: 
ran komme, jeße er alle Schriftgelehrten Perſiens in Ber: 
legenheit, da er fie, obgleich ein Suni, in Kenntniß der " 
arabiihen Sprade und in den humanijtiihen Zweigen der 
Bildung weit übertreffe. 

Zu erwähnen wäre noch, daß fait alle im Lande leben: 
den Armenier ihre kleinen winkeligen, und ebenjo die Chal: 
däer ihre großen quadratiichen, den hebräifchen ähnlichen 
Lettern ſehr elegant zu jchreiben verjtehen. Die Kinder der 
eritern werden in den Schulen der Keſchiſchs (Geiſtliche) 
unterrichtet, die der legtern von den Mijlionaren der ameri- 
fanijhen Methodiiten in Selmas und der Fatholiichen Laza- 
riften in Urunieb. Die in Perſien lebenden Juden fchreiben 
das Perſiſche mit hebräiſchen Buchftaben. 

Die Perſer haben Talent zum Zeichnen und Malen; 
viele würden bei gutem Unterricht Erkleckliches darin leiſten. 





292 


Der Berjer Tiebt zwar über die maßen Gejang, Muſik 
und Tanz, hält es aber nicht für Shilih, als freier Mann 
diefe Künfte felbit zu üben, fondern will jie nur für Ent- 
gelt von andern ſehen und hören. Bei öffentlichen Feften, 
Wettrennen, Hochzeiten u. |. m. werden Künftler gemietbet, 
welche durch ihre Productionen das Publitum oder bie 
Säfte unterhalten müffen. Sie fingen meift einige Lieder 
von Hafis oder Strophen aus Ferdauſi, mit dem oft wieder: 
bolten Refrain: „Däd bi däd, amän amän amän.” Gute 
Sänger find fehr geihäst und merden hoch honorirt. Man 
rühmte mir bejonders einen Sänger mit den Worten: 
„Wenn er fingt, läßt fih ein Bulbul auf feine Schultern 
nieder.” An Inftrumenten dienen zur Begleitung eine Art 
Guitarre (tär) und eine Zither (kentär). Der beite Tar- 
jpieler in Teheran beißt Ali-ekber. Europäiſche Muſik ift 
dem Orientalen völlig unverftändlih, ja ein Greuel, und 
die Anekdote, dab ein Drientale das Stimmen des Orchefters 
für die Duverture bielt, ift gewiß buchſtäblich zu nehmen. 
Sah ich doch jelbft eine hochgeftellte Berfon, weil die Taften, 
welche fie anſchlug, tönten, in Entzüden darüber ausbredhen, 
daß ſie das Piano fpielen könne. Weder die Zeit noch ein 
längerer Aufenthalt in Europa fann hierin eine Nenderung 
bervorbringen. Wie bejtimmt er es auch in Abrede ftellen 
mag, jede Oper wird den Perſer langweilen; und doch 
rühren ihn heimiſche Weiſen bis zu Thränen. 

Tänze (raks) werden in den Harems von gemictheten 
Frauen und Sklavinnen ausgeführt; in öffentlichen Cirkeln 
der Männer find es unbärtige Jünglinge, weldye, al3 Frauen 
gefleidet, durch ihre objcönen Stellungen und wirbelnden 
Bewegungen das Publikum ergögen. Die Tänze mit Ca: 
jtagnetten gleichen der italieniſchen Tarantella. Sänger und 
Tänzer gelten für Leute, die es mit den Vorſchriften der 
Religion und Sittlichfeit nicht genau nehmen, namentlid 





293 


das Berbot von Wein und andern Spirituofen als nicht 
für fie vorhanden anſehen, in welchem Betracht man fie mit 
den Lutis in eine Kategorie zu ftelen pflegt. Die meiſten 
Tänzerinnen find vom Stamme der Susmani und kommen 
aud der Umgegend von Kirmanſchah in Kurdiltan. Die 
Honorare für dergleihen Productionen überjteigen oft alle 
Borftellung; außer mit bedeutenden Geldfummen belohnt man 
die Künftlerinnen auch noch mit foftbaren indiihen Shawls. 
Eine Sängerin in Kairo erntete bei jedesmaligem Auftreten 
100 Pfd. St. In Sachen der Liebe und in der Belohnung 
von Sang und Tanz kennt der Drientale Feine Sparjamfeit. 





IX. 


Verſuche zur Einführung der enropäifchen 
Civilifation. 


Inftructoren der Armee. Engländer und Franzofen. Reformbeftre- 
bungen des Emir Nizam. Berufung der Tefterreicher. Unſere Reife. 
Ankunft in Teheran und ungünſtige Aufpicien. Sturz und Tod bes 
Emir. Gründung der Militärfhule und der Lehranſtalt für Mebicin. 
Meine Lehrthätigkeit. Die Polyklinik. Deine Lehrbücher der Anatomie 
und der Chirurgie. Operationen. Mein Plan zu einem Spital. Die 
Ausführung. Meine Sanitätsinftruction für Offiziere. Perſiſche Stu- 
dirende der Medicin in Paris. Yeprofenhäufer. Der Geniehauptmann 
Zatti. Der Mineur Czarnotta. Baron Gumoens. Colonel Matrazzo. 
Der Artilleriehauptmann Krziz. Der Savalerieoffizier Nemird, Unſer 
Abſchied. Geſpräch mit dem Schah. Franzöſiſche Miffion unter 
Commandant Brognart. 


Wahrend des engliſch-perſiſchen Kriegs rief der Schaf 
einmal vol tiefen Unmuths aus: „O bätte doch nie ein 
Europäer feinen Fuß in mein Land gejett, dann mären ung 
alle die Duälereien erfpart worden; da die Fremdlinge aber 
nun leider eingedrungen find, will ich fie wenigitens jo viel 
und jo gut als möglich benugen!” In diejen Worten Liegt 
der Schlüffel aller Maßregeln, melde er zur Verbreitung 
europäilher Bildung ergriffen bat; er fühlt den Drud der 
Großmädte auf ſich Taften und ftrebt danach, fie mit ihren 





296 


höchſtens eine formelle Verwahrung ein, wo ihre Ideen mit 
jenen „des göttlichen Worts“ nicht übereinſtimmten. 

Der als Reformator berühmte Abbas Mirza, Sohn des 
Feth Ali Schah, nahm mit Bewilligung der engliſchen Regie— 
rung einige engliſche Offiziere als Inſtructoren der Armee 
in ſeinen Dienſt. Daß es meiſt tüchtige und ihrer Aufgabe 
vollkommen gewachſene Männer waren, dafür ſprechen die 
Namen eines Colonel Shiel und eines Rowlinſon, welche 
beide ſpäter als Botſchafter ihr Land am perſiſchen Hofe 
vertraten. In der That ift das wenige von Dizciplin, was 
fi noch in einigen perfifhen Negimentern beſonders in der 
Artillerie erhalten bat, auf ihre Bemühungen zurüdzuführen. 
Gleichzeitig wurden mehrere junge Perſer nach England ges 
hit, um dort ihre Studien zu machen. Einer derjelben, 
Mirza Baba, ward nah der Rückkehr Leibarzt Mehmed 
Schahs; ein anderer, Mirza Dichafer Chan, fchrieb ein 
gutes Lehrbuch der Arithmetif und Algebra und befleibete 
zweimal den perlifhen Gejandtichaftspoften in London. 
Allein ald unter der Regierung Mehıned Schahs und feines 
den Rufen ergebenen Veziers Hadſchi Mirza Agaſſi die Ver- 
wickelungen mit Herat eintraten, quittirten die englifchen 
Offiziere den Dienft. Statt ihrer berief man mehrere Fran- 
zojen in Land, worunter auch der Sartip (General) Terrier, 
der jich jpäter durch fein Buch über Afghaniftan befannt ge: 
macht bat. Bei der Blanlofigfeit der damaligen Regierung 
dienten die Europäer jedoch nur zur Schau, etwa wie Ele 
fanten und Giraffen; fie bezogen zwar anfehnliche Gehalte, 
ihre Dienfte aber wurden nie in Anſpruch genommen, und 
fo ift, einige Anekdoten abgerechnet, Fein Andenken an fie 
zurüdgeblieben. Eine Ausnahme madte nur Dr. Erneft 
Cloquet, der fih ftet3 durch Biederfeit des Charakter und 
befonders in den eriten Jahren dur ſein willenjchaftliches 
Streben auszeichnete. Als tüchtiger Operateur mard er vom 





298 


ein; er ließ eine Inſtruction aus dem Englifchen überſetzen, 
lithbograpbiren und vertheilen; er ſchickte Impfärzte mit guter 
Bezahlung in die verjchiedenen Provinzen. 

Seiner Abfiht nad follten die zu berufenden Lehrer 
. den politifchen Verhältniffen des Landes möglichft fernfteben, 
damit fie ſich mit ungetbeiltem Intereſſe ihrer Lehrthätigkeit 
widmeten. Deshalb nahm er von den Rufen und Englän- 
dern wie von den Franzojen Umgang, und jchidte einen ihm 
ganz ergebenen, ſehr achtbaren Mann, Mirza Däwud Chan, 
“einen Armenier, nah Wien, um dort die geeigneten Kräfte 
anzumwerben. Binnen Turzem "gewann derjelbe die öfterreis 
chiſchen Offiziere: Hauptmann Zatti für dag Genieweſen, 
Hauptmann Gumoens für die Infanterie, Oberlieutenant 
Krziz, jeßt penfionirter k. k. Major, für die Artillerie, Ober: 
lieutenant Nemiro für die Cavalerie. Für das Montanifti- 
cum wurde Hr. Carnotta engagirt, und dur gütige Ver: 
wendung der twiener Profeſſoren von Dumreicher und Dietl 
fiel auf mi die Wahl als Lehrer der Arzneiwiſſenſchaft. 
Da die Faiferlihe Militärbehörde bei dem Mangel einer 
directen diplomatiſchen Vertretung Defterreihg in Perſien 
unliebjame Bermwidelungen bejorgen modte, wurde den 
Herren Offizieren vor ihrer Abreije eröffnet, daß man ihre 
Unternehmung als reine Privatangelegenheit anjebe; es bleibe 
ihnen zwar vorbehalten, nad der Zurüdfunft in ihre re- 
Ipectiven Chargen wieder einzutreten, bis dahin jedoch hör⸗ 
ten fie auf, zur kaiſerlichen Armee zu zählen. 

Diejer Zwitterzuftand mar, wie jede halbe Maßregel, 
für die ganze Erpedition — der Name Miſſion würde nicht 
paffen, meil jeder auf eigene Hand zu wirken hatte — uns 
beilbringend, indem er die Offiziere des nöthigen Stützpunkts 
beraubte. Die öfterreihiihe Regierung brauchte fi nicht 
im geringiten meiter um fie zu Fümmern, und bat aud in 
der That nicht ein einziges mal weder direct noch indirect 





300 


viele in den medicinifhen Lehrbüdern angeführte Symp⸗ 
tome des Fiebers fehlten; ich hatte nur bier und da bald 
Hige, bald einen flüchtigen unregelmäßigen Schauer, doch 
feinen Schweiß, dagegen nahmen Mattigkeit und Mangel 
an Appetit in einem Grade zu, daß ich apathifch dem nahen 
Tod entgegenfah. In diefem Zuftand mußte ich gleichwol 
reitend Tag für Tag dem Zuge folgen, denn zurüdzubleiben 
war unmöglich. Endlich, vier Stationen vor Teheran, über: 
mannte nich die Schwäche vollftändig; ich ſank vom Pferde 
und ſchlief auf dem Felde ein. Der Führer bielt in einiger 
Entfernung mit den Thieren. Etwa nach einer Stunde er: 
wachte ih und ließ mich wieder auf das Pferd heben. 
Abends an der Station angefommen, ward ich erft gewahr, 
dag mir 40 Imperiales, die ich bei mir getragen, fehlten; 
fie mußten mir mäbhrend der Lethargie entiwendet worden 
fein. Meine Gefährten drangen in mich, ich möge ftrenge 
Durchſuchung anftellen; allein ih gab ihnen, wie ich mid 
erinnere, zur Antwort: „Ich ziwveifele, daß ich lebend in 
Teheran ankommen werde, brauche aljo fein Geld; follte 
aber meine Vermuthung ſich nicht beftätigen, fo merde ich 
dort verdienen, joviel ich bedarf.“ 

.Am 24. November 1851 langten wir in Teheran an. 
Der Empfang war kalt; niemand kam uns zur Begrüßung 
entgegen, und bald erfuhren wir, daß die Scene fih in- 
zwifchen fehr zu unſerm Nachtheil verändert hatte. Einige 
Tage vor unferer Ankunft war nämlich der Emir infolge 
von Balaftintriguen, befonders von feiten der Königin-Mutter, 
einer erbitterten Gegnerin jeines energiichen Strebens nad 
Fortſchritt, in Ungnade gefallen. Der unzeitige Schuß, den 
ihm eine europäifche Gefandtichaft aufdrang, gab jeinen Fein- 
den, obgleid) er ihn conjequent zurüdwies, weitere Waffen 
in die Hand, um ihn vollends ind Verderben zu ftürzen; er 
wurde im Schloffe Fin, nahe bei Kaſchan, gefangen gehalten 





302 


Hinrichtung legte er als Act der Nothwehr aus, indem das 
Anjehben des Emir fo hoch geftiegen mar, daß nur er vom 
Volk gefannt und gefürchtet wurde, die Autorität des Königs 
‚ aber ganz in den Schatten trat. Allerdings modte die Be 
ſorgniß nicht ungegründet fein, daß troß der Ergebenbeit und 
Uneigennüpigkeit de3 Emir derjelbe mit der Zeit durch die 
Berhältniffe dahin getrieben worden wäre, die Rolle eines 
Uſurpators zu fpielen. Dergleihen Beiſpiele finden ji in 
der perſiſchen Geſchichte ziemlich häufig, und gerade um die 
jelbe Zeit war der Vezier von Herat auf ähnliche Weije zum 
Chanat gelangt. *) 

Man beichloß daher, uns zu dulden. Wir wurden in 
einer öffentlihen Audienz vom König gnädigft empfangen, 
bejonders zeigte er großes Intereſſe an den mitgebrachten 
Snftrumenten und Apparaten, melde er jih durd einen 
Dolmeticher erklären ließ. Allein der Minifter wußte e8 zu 
verhindern, daß mir die üblichen Ehrenfleider (chalat) er- 
bielten; auch die Wohnung und Koft, welche uns als Gäften 
zufam, war unjferm Range nicht entiprechend. 

Auf Befehl des Schah trat eine Commiſſion zujammen, 
um über die Statuten der Schule zu berathen. Durch Dols- 
metjcher verftändigte man ung über den Gang der Berhand: 
lungen. Diejelben drehten jih um die wichtige Frage des 
Brüdenbaus, obwol das Land feinen einzigen namhaften 
Fluß befigt und die Schüler kaum über das Ginmaleing 


*) Als ih fpater viel un den König war, fonnte ich bemerten, 
daß er gefliffentlih jede Erwähnung des Emir vermied. Nur ein 
mal fragte er mih, ob ich denu nie von dem Emir babe fpreden 
hören. Ich antwortete ausweihend, worauf er nur die Worte fprad: 
„Adem-e-szecht bud!“ (Er war ein harter Dann!) und fogleih das 
Geſpräch auf einen andern Gegenftand lenkte. Seinem Sohn war er 
jedoch jehr gnädig; er hielt ihn zwar fern vom Hof, übertrug ihm aber 
Aemter und Würden. 





304 


% 


Bald Fam ich jedoch dahinter, daß er mid gar nit ver- 
ftand, fondern den Schülern die faljhen Lehren der per- 
ſiſchen Bücher beibradhte, die ich fpäter die größte Mühe 
batte, wieder auszurotten. Da warf ih mich denn, troß 
der Xcclimatifationsfranfbeiten, an denen ich in den erften 
zwei Jahren litt, der Wechjelfieber und Dysenterien, bie 
mich fat an den Rand des Grabes bradten, mit allem Eifer 
auf das Studium der perfifchen Sprade; ich fuchte die tech⸗ 
niſchen Ausdrüde in verſchiedenen Wörterbüchern auf, und 
indem ich fie durch Zwiſchenworte verband, gelangte ich nad 
ſechs Monaten dahin, mit Hülfe der Finger, Zeichen, eich: 
nungen und Präparate einen, wie ich- glaube, ziemlich ver- 
ſtändlichen Eurſus zu geben. Wenigftens jchließe ich dies 
aus den Aufzeihnungen meiner Zuhörer, welche ich in pä- 
tern Jahren berichtigte.e Ich hatte mir ein vollitändiges 
Stelet*) fowie mehrere getrodhnete, injicirte und andere in 
Weingeift aufbewahrte Präparate aus der Heimat mitgebracht, 
und meine Schüler überwanden das Vorurtheil, durch Ans 
fallen der Knochen merde man gejeglih unrein (naedschis), 
jo gründlid, daß jie felbft behuf3 des Studiums Schädel 
aus den Gräbern holten. Weberhaupt machten die meiften 
von ihnen, der Mangelbaftigfeit aller Einrichtungen und der 
ſprachlichen Hindernilfe ungeachtet, in der eriten Zeit über: 
raſchende Fortichritte; leider jedoch erfaltete ihr Eifer ebenfo 
raid. Das liegt eben im Charakter des Drientalen; er faßt 
und begreift leicht, wähnt jich aber fhon nah den erſten 
Schritten an der Grenze des Wiffens angelangt und läßt 
dann ſchlaff die Arme jinfen. Der anhaltende Fleiß, das 
nulla dies sine linea jind ihm unbefaunte Dinge. Rechnet 


*) Das ſchön zufammengefügte Stelet war lange ein Gegenſtand 
der Neugier. Der Schah und bie Großen verfäumten nie, wenn fie 
die Schule bejuchten, es fih von mir zeigen zu lafjen, und richteten 
babei flet8 eine Menge ragen an mich. 








306 . 


Einer meiner Zöglinge, Mirza Abdul-Ali, jegt in Täbris 
anfäflig, fteht im Rufe eines guten Operateurd; Steinfchnitt 
und fonjtige lebensgefährliche Operationen find ihm bereits 
mehrfach gelungen. 

2) Behufs gründlicher Erlernumg der perliihen Sprache 
las ih auch die vorhandenen medicinifhen Werke. Dies 
fette mich in den Stand, jelbit ein Lehrbuch der Anatomie 
und eins der Chirurgie in der Landesſprache niederzufchreiben. 
Das Lehrbuch der Anatomie enthielt nur die Anfangsgründe, 
meine Sprachltenntniß war, ala ich es fchrieb, noch zu uns 
genügend; überdies ſchien mir auch ein tieferes Eingehen aus 
dem Grunde nutzlos, weil das beitehende religiöje Vorurtheil 
mir nicht geftattete, Sectionen zu maden, jelbit nicht an Ber: 
brechern. Nur einmal, während der mafjenhaften Hinrich 
tungen der Babis, einer Communiftenjette, welche ſich eines 
Attentat3 auf den Schah fehuldig gemacht hatten, ftellte man 
das Anſuchen an mich, die Sadaver der Hingerichteten zu 
feciren, damit lie no nad) dem Tode gejchändet würden. 
Ich hatte jedoch Feine Luft, als Werkzeug der Rache zu die: 
nen und den Haß einer ganzen Sekte auf mich zu laden. 
So behalf ih mich beim anatomifchen Unterridt mit Sectio: 
nen an Thieren, mit Bildern und Präparaten. Weit gründ- 
liher und ausführlicher verfaßte ich jpäter das Lehrbud der 
Chirurgie in zwei Bänden mit einem Anhang über Augen: 
franfheiten. Hier jtand mir außerordentlich reiches, durch 
Erfahrung gemonnenes Material zu Gebote, denn ich habe 
allein bundertachtundfunfzigmal den Steinfchnitt gemacht, und 
es verging fein Tag, wo nicht eine oder mehrere, namentlich 
Augenoperationen vorfamen. Hauptſächlich der gefunden 
und frifhen Luft fchreibe ich e3 zu — denn ih unternahm 
alle Operationen unter freiem Himmel und ließ die Operirten 
nie im Zimmer, fondern unter Verandas und Bäumen las 
gern —, daß mir die meilten Curen glüdten und die Zahl 





308 


ging damit wie mit dem Entwurf zum Tempelbau im Buche 
Esra. Der Generalzen=Chef, ein Kurde und Anverwandter 
des Oberfeldarztes, jah das Unternehmen ‚mit ungünftigen 
Augen an. Sch fand daher, als ich nach einigen Monaten 
vom Landaufenthalt in den Bergen zurüdfehrte, meinen 
Plan gänzlih geändert; ftatt großer, Iuftiger Säle hatte 
man, um an den Koiten der Wölbung zu jparen, enge, 
fellerartige Zimmerdhen gebaut. Glüdlichermeile jebte ich es 
durch, daß alles niedergeriffen und nach meinem Grundriß 
wieder aufgeführt werden mußte. Die Bäume zur Anpflans 
zung, die ich aus eigenen Mitteln beichafft, wurden ohne 
Wurzeln eingejeßt oder geftohlen und als Brennholz ver- 
brannt. Im innern Hof lieg ih Klee anbauen, da auf 
andere Weife im beißen Sommer, jelbft bei jteter Berieje- 
lung, fein Raſen zu .erhalten ift; das lodte die Recons 
valefcenten, fie Fonnten der perliihen Vorliebe für robe 
Vegetabilien, Grünzeug und Klee nicht mwiderftehen ‚- ſondern 
mweideten mir buchſtäblich die Pflanzen ab.”) 

Die Hauptichwierigkeit fand ſich aber erit, als es fich 
um die Unterhaltungsfoften handelte: nicht etwa meil fie zu 
gering bemeſſen wurden, ſondern weil man von anderer Seite 
gerade die rechtlihe Verwendung der angewielenen Gelder 
fürdtete. Bisher hatten nämlich die jogenannten Militärs 
ärzte in den Kaſernen die Rechnungen über Verpflegung und 


*) Es ift erftaunlich, in welchen Maſſen die Perjer rohe Yactuca, 
Gurken, Lauch, Zwiebeln, Münze, Dracunculus, Ecorzonera und bie 
Blätter der Rettichpflange, deren Wurzeln fie verfhmähen, conjumiren. 
Auf den Märſchen erbält ſich Der perfiihe Soldat faft ganz von den 
Kräutern, die er am Wege findet. Bat er noch überdicß eine Hand 
voll Mehl, Reis oder Bohnen, fe fodt er ſich Damit feine beliebte 
Suppe (äsch). Der perſiſche Diinifter rühmte einft gegen einen euro« 
päilchen Diplomaten: „Euere Soldaten wollen verpflegt fein, die un. 
jern können von Gras (selaf) Teben und doch gut marſchiren!“ 





310 


Bon den Verpflegten erhielt ich wohlthuende Bemeife der Er- 
fenntlichfeit, und mährend anfangs ein widerwilliged Bor: 
urtheil gegen die Anftalt herrichte, baten die Erkrankenden 
zulegt ſelbſt um Aufnahme. 

Als Später meine Stellung als Leibarzt, weil bamit 
bäufige Reifen verbunden waren, nich binderte, das Spital 
jelbft zu leiten, wurde e3 gänzlich den perjiihen Helms 
übergeben. Da fahb ich denn freilich bei gelegentlihen Bes 
juchen Greuelfcenen, die mich mit Graujen vor meiner eige 
nen Schöpfung erfüllten. Typbus- und Dysenteriefranfe 
wälzten ih auf dem nadten Ziegelboven budftäblih in 
ihrem Koth; das Kleefeld war abgemeidet, jede Anpflanzung, 
jeder Baum verſchwunden! 

Auf ſolche Weile von der Unverbeijerlichfeit dieſer ge 
wiſſenloſen Hefims überzeugt, jcehrieb ih nun eine mehr für 
Offiziere berechnete Inſtruction bezüglich des Verfahrens bei 
Erfranfungen der Soldaten. Ich bebandelte darin ſpeciell 
Intermittens, Dosenterie, Typhus und Grfälfungsfrant: 
beiten: diejenigen Uebel, welche die meilten Todesfälle in 
Garniſonen wie anf Märfchen zur Folge baben, und um die 
Anweiſung verftändlih zu machen, richtete ich fie in cafuiiti- 
Ihe Paragraphen ein. Zu meiner großen Befriedigung ver: 
nahm ih von Offizieren, daß es ibnen mit Hülfe diejer Ins 
ftruction gelungen fei, felbit in fehr berüchtigten Gegenden, 
wie in Arabiſtan, um Disful und Schuſchter (Schuſchan) 
u. ſ. w., die Sterblichkeit ihrer Truppen auf ein früher nicht 
gefanntes Minimum zu veduciren. 

Nah vierjäbrigem Unterridt wurden drei von meinen 
Schülern, melde die Zeit auch zur Erlernung der franzö— 
ſiſchen Sprache benußt batten, und einige Jahre ſpäter nod 
vier andere, bebufs ihrer völligen Ausbildung nad Paris 
geſchickt. Die eritern erlangten in den Jahren 1860 und 
1861 an der parijer Facultät ihr Doctordiplom; einer von 





— 


311 


ihnen, Mirza Houſſein, ſchrieb dort eine mir gewidmete 
Theſe „Ueber Behandlung des Wechſelfiebers mit arſeniger 
Säure, nach Erfahrungen am Spital zu Teheran“, eine 
fleißige Arbeit, welche beachtenswerthe Aufſchlüſſe über dieſe 
Heilmethode gibt und um ſo intereſſanter iſt, da der Ver—⸗ 
faſſer an ſich ſelbſt deren Wirkungen beobachtet hat. Auch 
die beiden andern ſchrieben jeder eine gut compilirte ‘Thefe. *) 
Ueber Fleiß und Befähigung derſelben fprachen jich bei meiner 
legten Anweſenheit in Paris die Profefforen lobend aus. 
Und fo bleibt mir ſtets das frohe Bemußtfein, menigfteng 
einige Keime zur Fortbildung in der Medicin, Naturwiſſen⸗ 
haft und freien Forſchung bei den Perſern gelegt zu haben, 
welde Hoffentlich mit der Zeit gute Früchte tragen werden. 

Sn frühern Jahrhunderten muß es eine ganze Anzahl 
Spitäler (dar et schæfa **) und PVerforgungshäufer im 
Lande gegeben haben, wie aus den hezüglihen Statuten 
(tzgwuk) und zahlreichen Verordnungen des Teymur leng 
(Tamerlan.) hervorgeht. Däs "einzige von allem aber, das 
Ad) erhalten hat, iſt das reich fundirte Hospiz in Meſchhed 
zu Ehren des Imam Neza, „des Protectors der Fremden“. ***) 
Sonft finden fih nur in Azerbeivfhan, Chämſeh und Chal- 
Hal einige Ajyle für die Lepröjen (dschezami). Es jind 
elende, in weiter Entfernung von den Städten ftehende 


— — —— — 


*%) Do la Polyurie, par le Dr. Mirza Reza ben Mokim (Paris 
186); Du diagnostique et du traitement des hydropisies enkystees, 
par le Dr. Mirza Ali Naghi (1861). 

**) Dar ct schafa, d. i. Pforte ber Gefundbeit, ift der ſchöne 
Name für Spital; möchte doch die Wirklichleit dem Namen ent- 
fprechen ! 

***) Mit dem Hospiz ift eine Speifeanftalt verbunden, wo bie Xei- 
fenten im Namen tes Imams bewirtbet werben. Daher bört man 
oft erzählen: „Wir murden vom Propheten (hezret) mit Reis, Thee, 
Kaffee u. |. w. bewirthet.“ 


— — 





312 


Lehmbütten, die eher den Schlupfwinkeln der Raubtbiere, 
als menſchlichen Behanfungen gleihen. Die Unglüdlichen, 
denen fie zum Aufenthalt dienen, leben von milden Gaben 
der Umgegend oder der an ihrer Colonie vorbeiziehenden 
Fremden. Bismweilen fpendet ihnen zwar der Schah einige 
hundert Ladungen Getreide; allein gewöhnlich ißt, wie man 
mir fagte, der Gouverneur die ganze Sendung, und den Uns 
glüdlihen fommt fein Körnden davon zu. Betteln können 
fie nur von den vorüberziehenden Karavanen,; in Städten 
und Fleden werden fie nicht eingelaffen, denn fie gelten für 
unreip und ihre Krankheit für erblid. Man kann fih kaum 
einen Begriff von dem traurigen Zuſtand dieſer Elenden 
machen, für melde der Tod die größte Wohlthat ift. Ein- 
mal gelang e3 mir, einen meiner Schüler zu den Leprofen- 
bäufern abzujhiden; er jollte ſehen, mas fih thun ließe, 
und menigitend das Todte von Lebenden jcheiden. Nach 
ſechs Monaten fehrte er mit glänzenden Zeugniffen und Be: 
rihten von jeinen glüdliden Euren zurüd; doc. fürdhte ich 
jehr, daß alles erlogen war. Auch bier muß man aljo die 
Hoffnung auf Befferwerden in die Zukunft jeßen, nach dem 
bibliihen Sprud: „Es fällt fein Tropfen vom Himmel, 
der nicht, ehe er verdunitet, die Erde befruchtet.“ 

Im Jahre 1858 bewog ich einige angejehbene Chane in 
Teheran, zu einem Spital für Zugereijte zujammenzufteuern. 
Ich fand auch ein leerſtehendes, paljendes Local, der reichiten 
Prinzeflin des Landes, der Zieh jultaneh, gehörig. Sie 
willigte anfangs in die Ueberlafjung der Räume zu dem ge⸗ 
nannten Zweck, fragte mich aber dann, ob niemand in dem 
Spital fterben werde, und da ich dieje Verliherung nicht 
geben konnte, zog jte mit dem Ausruf: „Ihr könnt doc 
nicht verlangen, daß mein Haus zu einer Leichenfammer 
(murdeschur chäneh) gemacht merde!” ihr Wort zurüd. 
Der vielgenannte Emir batte in feinem letzten Willen der 





314 


in Chiffren geführt; die binterlafjene reihe Mineralienſamm⸗ 
lung wurde nah Wien geichidt, langte jedoch dafelbit nicht 
an. Sein Tod und fchon vorher feine verkehrte Geiftes- 
richtung waren für den willenschaftlihen Erfolg unjerer Er: 
pedition von unberechenbarem Nachtbeil, denn, von der Ne: 
gierung mit allen Mitteln reichlich ausgerüftet, hätte er für 
die Geognoſie Perſiens Großes leiten Tünnen. Durch den 
Berluft der Mineralien ging auch die lebte Spur von feinem 
Wirken unter. 

Baron Gumoens, ein geborener Schweizer, widmete 
ih dem Dienft der Infanterie. Als Offizier von geradem, 
offenem Charakter begann er den Kampf gegen die Unter: 
Ichleife, den Nepotismus in Beſetzung der Offizieritellen und 
die vielen andern beitehenden Misbräude. Allein die Ver: 
hältnifje waren ftärker als er, zumal er e3 verfäumte, das 
Terrain, auf dem er wirken follte, und die Leute, mit denen 
er e3 zu thun hatte, zu ftudiren. Hauptſächlich aber wurde 
jeine Wirkſamkeit durch den Umſtand gelähmt, daß-bald nad 
uns auf engliihe Verwendung ein Colonel Matrazzo mit 
noch fünf Offizieren in perfifhe Dienfte trat. Dieſer Ma- 
trazzo, gewandt und jchlau (smart), ein Jonier und als 
jolder ein halber DOrientale, wußte fi gleich in den erften 
Tagen zuredtzufinden und die Verhältniffe zu feinem Bor: 
theil auszubeuten. Er errichtete ebenfalld eine Schule für 
die Infanterie, kleidete feine Zöglinge in goldgeftidte Uni- 
formen und umgab ſich mit einer Leibgarde, die er Generals 
ftab nannte. Knaben, die e3 kaum bis zum Einmaleins 
bringen Tonnten, geritten ji dabei als Generale und 
empfingen ſogar entiprechenden Gehalt, während fähige und 
fleißige Schüler überjehen und zurüdgejegt wurden. Aud 
Manöver veranftaltete er, Schlacht von Marengo, Aufterlig 
u. ſ. w. getauft; und da er unfere Offiziere zivingen wollte, 
als Subalterne bei denfelben mitzuwirken, kam es zu 





316 


fie die beiten Reiter und Fechter der Welt feien und daber 
feines Reit und Fechtunterricht3 bedürften. Wie kann über- 
baupt "eine reguläre Gavalerie beitehben, wo der Sold fo un: 
regelmäßig gezahlt wird, daß der Soldat, um fein. Pferd zu 
ernähren, oft genötbigt ift, Waffen und Reitzeug als Pfand 
zu verfegen? Auch er wurde übrigeng mit den Särtiptitel 
und der entſprechenden Decoration beehrt. 

Machten unjere Offiziere dem Großvezier Borftelungen 
über das, was zu ihrer gedeihlihen Wirkſamkeit mangele, 
jo fragte er feinen Secretär, ob die Herren ihren Gehalt 
‚richtig erhalten hätten, und wurde dies bejaht, fo erwiderte 
er ihnen: „Säbib (Herr), ich begreife die Urſache Ihrer 
Klagen nicht, da Sie ja pünktlich bezahlt werden.” 

Wol blieben bei jo unüberwindlichen Hinderniffen unfer 
aller Leiſtungen im ganzen weit hinter unjern Abjichten zu- 
rüd; dennod können wir behaupten, daß die von ung aus: 
geftreute Saat nicht ganz auf unfrudhtbaren Boden gefallen 
ift, daß wir unjerm Mutterland, obgleich e8 uns beharrlich 
ignorirte, Ehre gemacht, daß während der ganzen Zeit von 
feinem Mitglied der Erpedition ein Schritt geihah, der ihm 
zur Schande gereicht hätte, und daß vor uns noch niemals 
Inftructoren in Perſien jo tüchtig ihre Aufgabe erfüllt 
haben. 

Die periiihe Regierung bielt die gegen ung übernom- 
menen Verbindlichkeiten dem Wortlaut nach ein, aber freilich 
war fie meit entfernt, den Pflihten, melde fie uns als 
Lehrern und als von einer befreundeten Regierung anver: 
trauten Gäſten jhuldig war, in jeder Hinlicht nachzukommen. 
Wir ſchieden gegenjeitig sine odio et amore. 

Zur Beltätigung des Geſagten mag das folgende Ge- 
ſpräch dienen, welches am 25. April 1860 zwifchen dem 
König und mir bei ©elegenheit meiner Abfchiedsaudienz 
ſtattfand. 





317 


Schah: „Du haft wol viel Geld gefammelt?” 

Ich: „Ich habe wenig Bedürfniffe, ich bin ein Derwiſch.“ 

„Haft du 20000 Dulaten?” 

„SG will dein Opfer fein; mache felbit die Rechnung. 
Sn den eriten vier Jahren bezog ic 900 Dukaten jährlich) 
ala Profeſſor, jpäter gegen 2000 Dukaten; die Geſchenke 
waren nicht bedeutend, die Einnahmen aus meiner Praris 
jehr mäßig.“ 

„Würdeſt du, im Fal dein Land Krieg führte, Militär- 
dienite nehmen?” 

„Allerdings.“ 

„Denn aber eine Kugel deine Kullah (Mütze) träfe?” 

„Um die Kullab wärs nicht fchade, aber ein Kopf 
findet fi nicht alle Tage wieder.” 

„Bas maht Karaczay?“ 

„Er genießt eine gute Penſion; ich glaube etwa 200 Du: 
faten.” 

„Das nenuft du gut? Warum verlangen dann die 
Hrengis joviel Geld von mir?” 

„Ich ſelbſt habe nie etwas verlangt. Die Europäer 
wollen in der Fremde Geld zurüdlegen, denn den Lebens: 
unterbalt verdienen fie auch zu Haufe; und da ihnen im 
perſiſchen Dienft feine Benfion in Ausficht fteht, fuchen fie 
im Gehalt Entihädigung.” 

„Denn dih dein Kaifer zum Minifter des Aeußern 
machte?” 

„Das würde ich nit annehmen.” 

„Barum nit?” 

„Ich fühle in mir einige Fähigkeit zum Heim, aber 
feine zum Vezier.“ 

„Und doch — 

„Große Btinifter des Aeußern, wie Pitt in England, 





318 


Talleyrand in Franktreih und — Mirza Seid Chan*) in 
PVerfien, ‚find rar.” 

„Was wirft du in Europa anfangen?” 

„Ih werde reifen, um die Spitäler zu befichtigen.” 

„Komme bald mit deiner Frau zurück.“ 

„Inſchallah.“ 

Um dieſelbe Zeit kam auch eine franzöfiihe Miſſion uns 
ter Leitung des Commandanten Hrn. Brognart ins Land. 
Mir Defterreiher waren ſchon nicht mehr neu, wir waren 
abgenugt; neue Formen und neue Phyſiognomien wurden 
gewünſcht. Die Franzoſen, meilt Offiziere der afritanifchen 
Armee, konnten fich jedoch viel weniger in die Verhältmniſſe 
Ihiden; von Disciplin und Subordination war bei ihnen 
feine Rede. In Bezug auf den Commandanten Brognart 
ward das Bonmot in Umlauf gefeßt: ‚Die öfterreichifche 
Million reuffirte nicht, weil ſie feinen, die franzöjifche, 
weil fie einen Commandanten an der Spige hatte.” Faft 
alle verließen fie nach kurzer Zeit wieder ihren Bolten, ohne 
irgend Nennenswerthes ausgerichtet zu haben, wie überhaupt 
der Franzoſe nur wo er en masse und in fteter Verbin⸗ 
dung mit feinem Vaterland, ſpeciell mit Paris auftritt, ſich 
nützlich machen Tann; iſolirt in einem uncivilifirten Lande, 
wird er fih nie, weder geiftig noch Törperlich, acclimatifiren. 

Von dem Erfolg der civilijatoriihen Betrebungen der 
Milfionäre zu Urumieh und Selmas fonnte ich nirgends 
etwas wahrnehmen; jie jcheinen ſich auf Verbreitung religiöfer 
Lehren und einiger Kenntniß der engliihen und franzöfiichen 
Sprache zu beichränten. 

Nachdem ih mi zur Genüge überzeugt, wie wenig 
unter den obwaltenden Umftänden von im Lande felbit ges 


*) Er wird von ben europäifchen Diplomaten flatt ministre aux 


'affaires etrangeres fpottweife ministre etranger aux aflaires genannt. 





X. 


Religion und Geſetz. 





. Sumniten und Sciiten. Die Priefterichaft. Die Mulas als Richter. 

Ihre Verderbniß. Die Scheriet und das Urf. Strafen. Xortur. 

Gebet. Der Muezzin. Walfahrten. Almojen und Bettler. often. 

Fefte und Feiertage. Die Paffionsfpiele. Verbote. Hazardſpiel. 

Schachſpiel. Wucher. Aberglaube. Selten (die Scheidi; die Alt 
Allah; die Babis). 


Der Perſer ift befanntlih Schiite. Als folder rühmt 
er fi: ‚„Musulman em!” (Sch bin Mohammedaner!), 
welchen Namen er den Sunniten nicht zugefteht. Man ver- 
gleicht oft den Schiismus des Islam, meil er die Sunna, 
die interpretation des Korans, nicht anerkennt, mit dem 
Proteftantigmug des Chriftenthbums. Der Vergleich paßt 
aber nicht; denn die Schieblehre ift im Gegentheil die’ com- 
plicirtere, fih mehr vom Monotheismus entfernende und 
von den miderlinnigften Sagen (haedis) entitellte, während die 
Sunna den uriprüngliden Islam nur infomweit umgeftaltet 
bat, al3 e3 nothwendig war, um das für Nomaden gegebene 
Gele den Verhältniſſen einer ſeßhaften Geſellſchaft anzu: 
paſſen. | 

Der Sunnite betet: „„Lä ilah il allah muhammed rasul 
allah!” (E3 gibt fein göttlicheg Weſen außer Allah, und 





321 


Mohammed ift fein Apoftel!) Er braucht nit an die Wun- 
der Mohammed’3 zu glauben, weil feine einfache und klare 
Lehre aller Wunder leicht entbehren Tann. Der Schiite aber 
jeßt zu obiger Sormel noch hinzu: „Ali wali allah!” Das 
Wort wali bat, wie viele andere arabiihe Worte, die ver- 
ſchiedenſten Bedeutungen: Sklave, Diener, Vertrauter, Stell- 

vertzeter u. |. w., und in den verichiedenen Bedeutungen diejes 
Worts liegen au die mannichfahen Nuancen der Scieh: 
lehre. Die meiften nehmen es in dem Sinn des locum 
tenens; andere aber betrachten Ali als Incarnation Gottes, 
fe jchreiben ihm zahlreihe Mixakel zu und ftelen ihn hoch 
über Mohammed. Der Berjer ruft daher nie den Namen 
„Mohammed an; fein gewöhnlicher Ruf, den er faſt bei jedem 
Schritt und jeder Bewegung wiederholt, ven man an alle 
Wände geichrieben, in die Rinde der Bäume eingefchnitten 
findet, it: „Ja Ali!” Nur felten vernimmt man daneben: 
„Ai chuda!” (D Gott!) Dem Ali zunächit genießt fein 
Sohn Huſſein die größte Verehrung, derfelbe, welcher in der 
Schlacht zu Kerbelah ums Leben fam. 

Das Dogma der Schiüten bejteht eigentlih nur in Ne- 
gationen. Sie leugnen da3 Succeſſionsrecht Omer's, die 
Zegitimität der drei erften Chalifen Abubekr, Osman und 
Dmer, indem dag Chalifat rechtmäßig dem Ali gehört babe, 
und die Ehrbarkeit Aniha’s, der Frau Mohammed’. In 
Betreff Dmer’s ftügen fie fih auf die Sage: „Ein gottes- 
fürdtiger Mann ſah einft im Traum einen verjtorbenen » 
Milfethäter hoch im Himmel ſitzen und erhielt auf die Frage, 
wie ſich das Ichide, zur Antwort, derjelbe babe noch in der 
Sterbeſtunde die Formel «Fluch dem Umer» ausgeſprochen.“ 
Deshalb unterlaffen jie nie, dem Namen Omer „Laanet 
ber!” (Fluch dem Omer!) beizufügen. Cie dichteten dieſem 
Helden von hiltoriicher Sittenreinbeit allerhand objcöne Ge: 
ſchichten an und behaupten, jein Mörder Abu Lulu jei 

Bolat, PBerfien. 1. 21 





322 


nach gelungener That mittels einer nächtlichen Himmelfahrt 
nah Kaſchan verſetzt morden. Dort wurde letterm ein 
Maujoleum erbaut, welches bis auf den heutigen Tag viele 
fromme Gläubigen anzieht; ala ich jelbit im uni 1859 
daran vorbeizog, zeigte mir mein Führer voll Andacht den 
geweihten Drt. Ein Mittwoch im Jahre wird ala Gedenk: 
tag der Ermordung Omer's im ganzen Land dur Freuden- 
feuer, Feuerwerk und Flintenſchüſſe gefeiert (aide omer- 
kuschi, $eit der Omertödtung); in manchen Gegenden wird 
eine Omer voritellende Buppe auf einem Ejel unter Muſik⸗ 
begleitung von Lutis dur die Straßen geführt und mis- 
handelt, was an Orten, wo ſich Sunniten befinden, häufig 
Anlap zu Zank, Streit und ernitlihen Thätlichfeiten gibt. 
Die Regierung verbot zwar zur Vermeidung diefes Unfugs 
mehrmals dergleiden Proceſſionen, allein nie mit dem notb- 
wendigen Ernft, weil fie nit wagte, gegen eine im reli- 
giöfen Dogma begründete Ceremonie mit Strenge einzu- 
ſchreiten. | 

Der Sunnite verrichtet nicht gern in einem Zimmer fein 
Gebet, wo unverzerrte Abbildungen von Menſchen oder 
Thieren Sich befinden; foweit geht feine Scheu vor dem 
Bilderdienit. Ich ſah häufig, daß Afghanen, melde mwäh- 
rend der Verwidelungen mit Herat in Teheran lebten, 3. 8. 
der feingebildete Mir Alem Chan, ein Neffe des Fürften 
von Kandehar Kohendil Chan, alle Bilder verdeden oder 
» aus dem Zimmer fchaffen ließen, ehe ſie ihr Gebet ſprachen. 
Anders die Schiiten: fie lieben die Bilder, und fait in jedem 
Haufe des Volks ift ein ſchlechter Holzichnitt, den Propheten 
Ali vorftelend, zu finden. Da man. jedoch jagt, fein Ge 
fiht fei von jo vollfommener Schönheit geweſen, daß Fein 
Maler fi daran wagen fünne, wird er immer verfchleiert 
dargeitellt. Der König glaubt ſich im Beſitz des wahrhaften 
Sonterfeis Ali’. Es fol ihm aus Indien zugelommen fein 





324 


an deſſen Stelle, die andern bilden ſich eigene individuelle 
Anfichten, oder adoptiren das philojephilche Syitem von Der: 
wifchen, die fie dann als ihre Leiter (murschid) verehren. 
Aus den legtern beftehen die zahlreichen Sekten der Sufis; 
doch gelten alle äußerlich für Schiiten. Nach dem Grundjag 
des Täffieh glaub: ſich jeder Perſer zur Scheinheiligfeit be- 
rechtigt; überdies gebietet ihm ſchon feine befannte Vorſicht, 
mit der wahren Wleinung zurüdzubalten, bevor er das 
Terrain genau jondirt bat, und felbit dann verclaufulirt er 
fi noh in einer Weile, daß man ihm nicht leicht bei- 
kommen fan. 

Sp darf behauptet werden, daß der Schiismus, obgleich 
die in Perſien berrichende und verbreitetite Religion, Die 
menigiten Anhänger aus Weberzeugung zähle. 

Man könnte demnah zu der Annahme verſucht ein, 
das Land müſſe einen günjtigen Boden zur Verbreitung des 
Chriſtenthums bieten, allein man würde ſich hierin täufchen. 
Saft noch nie bat ih ein Muſelman aufridtig zum Chriften- 
thum befebrt; das Dogma der Zrinität ift ihm unfaßlich, 
ebenfo der Begriff chrijtlicher Tugend und Entjagung. Man 
lefe die ebrlihen Berichte der Mifjionare, und man wird in 
die Wahrheit des Borjtebenden feinen Zweifel jeßen. Die 
mit jo bedeutenden Koſten gedrudten, cingebundenen und 
gratis vertbeilten Bibeln werden von den Enpfängern fofort 
aus” den Dedeln gerijjen und im Bazar als Vaculatur ver: 
braucht. Der einfache Bibelftil ijt dem Orientalen zuwider; 
er liebt pomphafte Worte, eine blumige, bilderreiche Sprache, 
der er gern Gedanken und Inhalt aufopfert. Zuweilen ließ 
ih der Schah zur Beluftigung einige Sapitel aus der Bibel 
vorlejen, und jedesmal Draden er und die Höflinge fehr 
bald in lärmendes Gelächter aus, ſodaß an ein Fortſetzen 
der Xettüre nicht zu denken war. Damit dem Koran nicht 
troß jeiner Heiligkeit ein ähnliches Schidjal zutheil werde, 





326 


notoriih das Gut der Witwen und Wailen von ihnen „ver: 
ſpeiſt“ (churde) wird. Während fie vor der Welt Armuth 
und Demuth heucheln, ſammeln fie für fih, ihre Familie 
und die Moſcheen Reichthümer an; denn auch die Erträg- 
niffe des Mofcheengut3 (mäkufat) fallen. ihnen zu. Sie 
ſuchen glänzende Verbindungen, ſelbſt mit Prinzeſſinnen ein- 
zugehen. Die ärgiten Rabuliften und mit allen Spihfindig- 
feiten des Gefeges vertraut, beugen fie dag Recht, zumal 
oft beide Parteien durch denfelben Priefter- Richter vertreten 
find, nad der Seite derjenigen Partei, welche ihnen am 
meiften zahlt. 

Da es in Perſien feine Grundbücder gibt und der 
Beſitz nirgends regiftrirt, jondern einfach in einem Contract 
(kaebäleh) von einzelnen Mulas beftätigt wird, kann ſich 
leicht jemand durch Beitehung eines Mula ein falſches Do: 
cument frühern Datums verjchaffen, auf Grund deſſelben 
den Beſitz eines längſt in andere Hände übergegangenen 
Grundftüds in Anſpruch (idea) nehmen und, falls es ihm 
nit gelingt, feine fingirten Anſprüche durchzuſetzen, doch 
eine hohe Abfindungsjumme erprefien. Denn das mufel- 
maniſche Gejeß kennt fein Verjährungsrecht; vor ſechs Jahren 
wurde zwar ein folches, auf 20 Jahre lautend, vom König 
gegeben und durch das officiele Organ promulgirt, e3 er: 
langte jedoch, wie viele andere Geſetze, feine Rechtskraft. 
Manche Häufer in der Stadt Teheran, ja ganze Dörfer fin: 
den deshalb feine Käufer und verfallen, weil man die, Gel: 
tendmadhung veralteter Aniprüche ſeitens irgendeines frühern 
Beſitzers fürdtet. Kaum verbreitet ih die Kunde, daß 
dieſer oder jener Chan der Gunſt des Hofs verluftig gegangen 
jei, al3 auch jhon von allen Seiten Rechte auf feine Befiß- 
thümer angemeldet werden. Mein Nachbar in Teheran 
faufte eine Ruine; er baute ſich an deren Stelle ein ſchönes 
Haus und hatte es bereits zehn Jahre lang inne, da kam 





328 


Richter- Priefter (mutschtehid) auf feiten Gehalt und vin 
dicirte der Krone das Recht der Inveſtitur. Mit dem Amt 
antritt ſeines Nachfolgers, des Sader Aazam, athmeten die 
Priefter wieder freier auf; von neuem wurden die Aſyle re 
ipectirt, und da3 Unjehen des IJmam=dichumeh von Ispahan 
ftieg zu bebrobliher Höhe. Dieſen günftigen Umſchwung 
ihrer Lage verdankten fie dem Umftand, daß von den Babis 
ein Attentat auf den König verübt worden war und er num 
zu jeiner Sicherheit ‚die Religion oder vielmehr das Anſehen 
der Briefter ſtärken zu müſſen glaubte, es entitand ein fürm- 
liher Mli-Fanatismus. Doc) bald erntete der Schah die bittern 
Früchte diefes Beginnend. Die Provinz Reicht wurde durch 
den Mutichtehid Hadſchi Mula Rafi zum Aufruhr gereizt, 
beffen Dämpfung viel Menfchenblut koſtete. Nun ftrebte 
man, die Prieftermadht wieder einzufchränfen. Da drobten 
die Mutjchtehidg das Land zu verlaſſen; viele waren bereitd 
nah Schah abdulazim ausgewandert, fie wurden aber unter 
Berjprehungen zurüdgerufen. Im Jahre 1856 war es end: 
lih beiden Theilen Klar, daß weder die Regierung ſich auf 
die Priefter ftügen künne, noch dieſe der Regierung vertrauen 
dürften. 

Neben der priefterlichen Rechtspflege (scheriet) wurde eine 
weltliche (urf) eingeführt, welche von dem König, den Go: 
verneuren und dem hoben Gericht3hof (diwän-chäneh) ge 
bandhabt wird. Man Fanıı das Urf nicht eigentlich Gefeg 
nennen, weil es fi) weder auf Antecedenzien noch fefte Nor: 
men gründet, jondern nur auf augenblidiihem Bedürfniß, 
Staatsrüdfihten und auf Willfür beruht. Welche Angelegen: 
beiten der Scheriet, welde dem Urf zufallen jollen, darüber 
gibt es Feine Regeln. Die Mulas erkennen natürlich die 
Sompetenz des Urf nicht an; fie erklären deſſen Decrete fin 
ungejeglich; allein der König übt die Geriht3barfeit de facto 
aus. a felbit al3 von drei Sektirern ein Attentat auf ben 





336 


fünnte, die andern heiligen Orte aber, als außer Landes 
gelegen, begreiflicherweiſe gar nicht in Betracht Tommen. 
Kum bat außerdem noch den Vorzug, daß mehrere Fürſten 
der Kadſcharendynaſtie daſelbſt beigejegt find. 

Meber das Almojengeben (zekut) enthält das Re 
ligionsgefeg beftimmte VBorfchriften, in denen auch dag PTi 
nimum normirt it. Obwol der gewöhnlide Mann an diee ſe 
Norm fih nicht hält, weil feine Mittel dazu faum ausreich ei 
würden, gibt er doch viel Almojen an Thiere wie Menihdezst; 
er folgt ohne Heuchelei dem Zuge feines Herzens und fer ht 
in diefem Punkt dem Europäer voran. Auch den Gelübe er 
(næzær besten), die er in fchwierigen Lebenslagen the, 
bleibt er die Erfüllung nicht ſchuldig. Soll das Alm en 
gottgefällig fein, jo muß es von rechtmäßig erworben U 
Geld gegeben werden, und da der Perſer diefe Eigenſch it 
feinem Geld nicht immer zutraut, fo verpfändet er haͤu FU 
ein fojtbares Geräth oder einen Shawl, verfchenkt das daf it 
erhaltene Geld und löſt jpäter fein Pfand wieder cin. V mM! 
dem Opferfeſt wurde ich häufig von Würdenträgern um & ® 
Darlehn von 5—20 Dufaten angegangen; ich glaubte & 2% 
fange, es gejchehe aus wirklichem Geldmangel, überzeug! 


mid) aber dann, daß es feinen andern Grund batte, ae % 
weil jie meinen Erwerb für ehrli und deshalb mein Ge 


zum Almoſen geeignet bielten. "Sch konnte bei Gelegenh 


die Bemerkung nicht unterprüden, daß man am Guropäessf! 


alles für unrein halte, nur nicht, wie es ſcheine, fein Ge 
Bei Krankheiten geliebter Angehörigen ſchlachtet man Scha 
und vertheilt das Fleiſch an die Armen. 


Infolge der Bereitwilligkeit zum Almoſengeben iſt auch c 
Zahl der Bettler ſehr groß. Die Blinden werden vorzugsweiſ ⸗ 
reichlich bedacht, ſodaß manche von dem Erlös ihres Bettel⸗ 


mehrere Weiber anftändig erhalten, andere nicht unbedeutend“ 
Summen vergraben haben follen. Es herrſcht unter den Blinder 


338 


zu enthalten habe; darauf wird das Morgengebet verrichtet 
und man legt ſich zu Bett. Nachmittags füllen ſich die 
Moſcheen mit Andächtigen; andere verweilen bis Sonnen- 
untergang auf dem großen Plaß, mo eine Art Markt oder 
Ausftellung europäiſcher Wuaren ftattfindet. 

Der Ramazan ift unbedingt für nit arabiſche Klimate 
eine höchſt widerſinnige Einrichtung. In einem Staat, deſſen 
meifte Bewohner vom Ertrag der Arbeit leben, wo aljo die 
Geſchäfte ihren regelmäßigen Gang haben müſſen, erfordert 
er die größten Opfer an Zeit und Arbeitsfräften. Er ruinirk 
jowol die Gefundheit ald das Hausweſen, denn die Erſpar— 
niß an Koft ift nur eine jeheinbare, die Conſumtion iſt im 
Gegentheil größer und Eoftipieliger al3 in der gewöhnlichen 
Zeit, und viele Familien fteden jih in Schulden, un dem 
Aufwand für Nahrung und Beleuchtung zu genügen. Neute, 
denen nothwendige ſchwere Geſchäfte cobliegen, Ddispenjirt 
zivar das Gele vom Falten; allein gerade dieſe verfchmähen 
in der Hegel den Dispen3, während Müßiggänger fich felbft 
dispenſiren oder durch vorgeſchützte Krankheit Mittel finden, 
von den gebotenen Entbehrungen Umgang zu nehmen. 

Außer dem Freitag jeder Woche gelten als große Feſte: 
der Neujahrztag (ayde nawruz), das Opferfeft (ayde kur- 
ban), da8 Ramazanfeft (ayde bairam); als Heine: der Ge 
burtstag Mohammed's (ayde maulude peig®mber) und bie 
pom jegigen König Deigefügten: der Geburtstag Ali's und 
das Felt des Imam der Wuferjtebung (imame ächere 
zemän), des Jmam Mehdi. Im Tterengen Sinn werden die 
Feſte jedoch nur von den zum Hofe Gehörigen, den Regie 
rungsbeamten, Offizieren u. |. w. gefeiert; das Volk kennt 
mit Ausnahme des Neujahrsfeftes keinen Feiertag. Am Frels 
tag find alle Bazare geöffnet, die Gewerb3- und Handels: 
leute geben ihren Gefchäften nach, der Laudmann bearbeitet 
jein Feld wie an den übrigen Wochentagen. Der König und 








339 


die Gouverneure aber ertheilen Freitags und an fonftigen 
Feſttagen feierlihe Audienz (salam), die Minifter und 
Bürdenträger laſſen jih Glückwünſche darbringen; die ge: 
bräuchlide Formel lautet: „ Ayde schumä mæbarek bäd.“ 
Allgemein, von hoch und niedrig, wird nur der Nauruz 
nebft den darauffolgenden Tagen fejtlich begangen. 

Das Opferfeft fällt auf den 10. des Mondmonats Bil: 
tabeh ‚und trifft daher nad) einem Cyklus von Jahren mit 
dem Verjühnungstag der Juden zuſammen. Beiden liegt 
dieſelbe Tradition, das Opfer Abraham's zu Grunde, nur 
daß die Moslims Ismael für Iſaak fubititwiren. Während 
bei den heutigen Juden dag fymbolifche Opfer ji auf das 
Schlachten einiger Hähnchen am Vorabend des Feſtes be- 
ſchränkt, wird es von den Muſelmanen im großartigen Maß: 
Rab ausgeführt. Ganze Heerden von Opferfchafen merden 
in die Städte getrieben; in manden Häufern ſchlachtet man 
deren zehn, und es gibt kaum eine Familie, welche nicht 
wenigſtens ein Schaf opfert. Fleiſch ift daher um dieſe Zeit 
fo häufig, daß, obgleich jeder Arme nad Belieben davon 
bolen Tann, doch noch vieles verdirbt und auf die Straße 
geworfen mwird. Hier bleibt es jammt den Reiten und Ein: 
geweiden mehrere Tage liegen, denn die Hunde und Scha— 
tale vermögen die großen Maffen nicht fo rajch zu conſumi— 
ren, und es entitehen infolge deſſen fat immer Dysenterien 
und andere Krankheiten. Wird das Opferfeft im Somnıer: 
lager des Schah gefeiert, fo muß der Plag am folgenden 
Tag geräumt werden, da die verpeitete Luft und das von 
bineingemworfenen Eingeweiden verunreinigte Waller längern 
Aufenthalt dafelbft unmöglid machen. In Jahren, mo die 
Eholera herrſcht, Tann man ftet3 nach dem Felt eine geitei- 
gerte Heftigfeit der Epidemie wahrnehmen. Gleich dem Faſt— 
nachtsochſen in Paris, wird in Teheran ein Kamel mit 


Mufit und unter großem Gepränge durh die Straßen 
22* 


342 


ſo lebhafter Theilnahme, daß fie die Perſon, melde den 
Jezid vorftellt, zerfleifchen möchten. In den uncivilifirten 
Gegenden von Luriftan fol es wirklich vorgefommen fein, 
daß ein Ncteur fein allzu täufchendes Spiel mit dem Leben 
büßte; der Böfewicht pflegt daher, um die Illuſion abzu- 
ſchwächen, bei den ergreifendften Scenen ſelbſt mitzumeinen. 

Nah der Tradition fol ein europäischer chriftliher Ge— 
jandter im Lager des Jezid erfchienen fein, um für die un- 
glüdlihen Opfer Fürſprache einzulegen, und da ſeine Bitten 
fein Gehör gefunden, er ji zum Islam befannt und eben- 
fal3 den Märtyrertod erlitten haben. Auf diefe Scenenreibe, 
welche am fiebenten Tage aufgeführt wird, verwenden die 
Dariteller allen Wi und alle Erfindungsgabe Der erfte 
europäijche Gejandte, der an den perliichen Hof fam, trug 
ein Fernrohr bei fih: darum hält man es für die Wahrheit 
der Darftellung erforderlih, daß der Gejandte ftet3 mit 
einem Fernrohr unter dem Arm auf der Bühne erfcheine. 
Zu Seiner Coftumirung werden Kleider von den Europäern 
entlehnt, wodurd nicht ſelten die lächerlichiten Garicaturen 
entjtehen. So ſah id, wie der Gejandte (iltschi), mit feiner 
Tochter, einem Knaben in Crinoline und Damenkleidern, in 
einem Sabriolet figend, vorfuhr; er ftieg aus, das unver: 
meidlihe Sernrohr unter dem Arm, fang mehrere Arien und 
Duette und ftarb endlich jammt Fräulein Tochter den Mär: 
tyrerfod. Einmal erfuchte auch mich der Krieggminifter, 
einige Kleidungsftüde aus meiner Garderobe für den Iltſchi 
zu leihen; ich gab Frad und Hofe, doch der Hut fehlte, da 
ih die perfifhe Müge trug. Man bebalf fih mit einem 
vorräthigen öfterreihifhen Dragonerhelm, und fo erſchien 
der Gefandte in Frad und Helm. 

Auch unter den Zufchauern fehlt es nicht an komiſchen 
Auftritten; die armen Frauen, welche viele Stunden lang 
eingepfercht auf den Teppichen Inien, gerathen bisweilen zur 


343 


Beluftigung des ganzen Publikums in Streit; fie fahren 
einander ins Geſicht, reißen ſich die Schleier herunter und 
laſſen nicht eher ab, bis fie durch königliche Diener getrennt 
werden. Dan jagt, der Schah unterhalte eigene agens 
provocateurs, welche 'die Frauen zum Streit reizen müffen. 
Am achten Tage wird die Taazieb de3 Emir Teimur 
(Tamerları) aufgeführt, vermischt mit Iuftigen Schmänfen und 
Farcen. Endlich am zehnten Tage findet auf einem großen 
Öffentlichen Plat die Apotheofe der Märtyrer ſtatt. An 
einem Seil fährt eine den Erzengel Gabriel vorftellende 
Buppe herab und empfängt die Seelen der Imams, um fie 
in die Gefilde des Paradiefes zu geleiten. Vorher laffen die 
Großen ihre reichgezäumten und mit köſtlichen Shawls ge: 
ſchmückten Galapferde auf dem Plage berumführen. Der 
« Europäer hat bier Gelegenheit, manches edle Thier zu be= 
wundern, das ihm ſonſt nie zu Geficht gefommen märe. 
Die Sitte der Taaziehipiele it fo allgemein, daß fich 
lein Großer ihr entziehen Tann, obgleich fie jehr bedeutenden 
Roftenaufwand verurfadhen; denn abgejehen von dem Entgelt 
für die Acteure, müffen die Gäfte während der Vorftellung 
‚mit Sorbets und nad) derjelben mit einem fplendiden Souper 
.bewirthet werden. Da außerdem mährend der langen Zeit 
- bon zwei Monaten alle Gejchäfte ftoden und die Arbeit zu— 
rückbleibt, jo iſt es Klar, daß auch diefe Seite viel zum Ruin 
des Hauſes und zur Verſchuldung der Familien beitragen. 
Bon Strenggläubigen werden übrigens die fcenifchen Dar: 
ſtellungen für unerlaubt, für eine Entheiligung der Imams 
and für Gößendienft erklärt; ſie befchränfen die eier der 
Paſſionstage auf die Vorträge (taazieh), welche darin be- 
fteben, daß ein Sänger vom Podium herab in Form von 
Recitativen die Paſſionsgeſchichte der Aliden abſingt. Die 
vortrefflihe Modulation der Stimme nah dem Alter und 
Geſchlecht der handelnden Berjonen beweift, daß der Perjer 





345 


mat, tobt, jondern von dem perſiſchen, welches, ähnlich dem 
deutſchen „matt“, abgeipannt, zerrütteten Geiftes bedeutet). 
Das Schachſpiel ift in den befjern Klaſſen ſehr beliebt, wird 
aber mit weniger Studium und Nachdenken gejpielt als in 
Europa, obwol die Regeln ganz diefelben find, unge 
Leute aus den niedern Klaſſen fieht man ziemlich häufig beim 
Morafpiel. Ein auf Kenntniß der Haffiihen Epigramme be 
rubendes Spiel bejteht darin, daß von dem einen ein kurzes 
Sinmgedicht eitirt wird, worauf der andere raſch ein foldhes 
berjagen muß, das mit demjelben Anfangsbuchſtaben beginnt, 
mit weldem das erite endigte. Jh wohnte einem derartigen 
Wettkampf bei, der über eine Stunde dauerte, bis endlich 
fein paffender Sat mehr aufgefunden wurde. 

Das Verbot, Wucher zinſen zu nehmen, läßt fi wol 
bei einem Nomaden, nicht aber bei einem Handelsvolk, welches 
bie PBerjer find, aufrecht erhalten. Es wird daher gänzlich 


umgangen. Der geiegliche Zinsfuß (teenzil) beträgt 12 Pros 


cent; bei den ungeregelten Ausgaben aber, durch Eoftipielige 
Heiratben, Feite, Falten, der Prunkſucht in den böhern 
Ständen und den alles Maß überfchreitenden Luxus der 
Frauen verurſacht, jowie bei dem augenblidlichen Bedarf 
großer Summen, um duch Beitechung eine Anklage nieder: 
zuſchlagen oder ein Amt zu erkaufen, darf es nicht befrem- 
den, daß Gelder zu weit höhern Zinſen, bis zu 80 Procent, 
und ziwar mit monatlihem Zuſchlag der Zinjen zum Kapital, 
aufgenommen werden, und dab es kaum jemand in Berfien 
gibt, der nicht entweder Schuldner (gharsdär) oder Gläu— 
biger (talabdar) wäre. Selbſt Priejter leihen durd Ber: 
mittelung von Agenten Gelder auf bobe Zinfen aus. Der 
glückliche Zuftand des Derwiſchthums, d. h. der Unabhängig: 
feit, wird mit den Worten bezeichnet: „Ne ghars därem 
ne talab!” (Ich bin weder Schuldner noch Gläubiger!) Die 
Zahl diejer Glüdlichen mag jedoch eine äußerſt geringe fein. 


b 








347 


- (ehusch und bied kadam) an drei Dingen ſich fundgeben: 
am der Frau, dem Pferde und dem Haufe. Begegnet dem 
er bei Erwerbung eines derjelben etwas Günftiges, fo 
entledigt er fich ihrer um feinen Preis; ftößt ihm bingegen 
eiivas Webles zu, jo ſucht er fie jo raſch als möglich wieder 
108 zu werden. Manche Frau des Shah mußte blos des- 
| balb den Harem verlaffen, weil fie „bed kadam“ war. 
Mappen und Pferde mit einem weißen Hinterfuß bringen 
Unglüd. Die Zahl 13 ift befonders jchlecht angejchrieben, 
der Kaufmann vermeidet jogar fie beim Zählen zu nennen, 
auf 12 läßt er ziädeh, d. i, plus, und fodann gleidy 14 fol- 
gen. Jeder Tribus bat feine eigenen glüdlichen und unglüd- 
AUchen Wochentage. Doch nirgends findet ſich der Glaube an 
Geipenfter, für welche auch die Sprache fein Wort befist. Oft 
bört man Märchen von menſchenfreſſenden, in Wüften haufen- 
den Ghuls, den Werwölfen in europäifchen Sagen entiprechend. 
- 7 Ein im ganzen Orient üblider Brauch ift es, an gewiſſen 
Moöoſcheen, Bäumen, Steinbaufen oder auf hoben Bergen Kleine 
eben der Kleidung als Vota anzubeften (vota suspendere).*) 
Sm Teheran fteht nahe dem Schemirantbor eine Kapelle, deren 
Gitter mit Taufenden von Lumpen bebangen ift, und auf 
dem Wege nad) Abegerm am Demamwend jah ich eine einzeln: 
ftebende mächtige Juniperus excelsa, an ver fein Worüber: 
giebender ein Stüd aus feiner Kleidung hängen zu laffen 
berjäumt. Der ihm zugeichriebenen Heiligkeit verdankt der 
Baum feine Erhaltung. In Ermangelung eines Baums 
trägt auch an gewiſſen Stellen jeder Neifende einen Stein 
berzu; mit der Zeit entiteht eine Byramide, und in ihrem 
Schub wächſt bald ein Rhamnus auf, an welchem danıt Die 
Bota befeftigt werden. 
Für bejonders vertraut mit den Dims und Dibins 














*) Bol. Kremer, Aegypten (Beipjig 1863), ©. 151. 





& En. Pr 





348 


gelten die Schlangenbefhwörer : Derwifche, melde allerlei 
giftige Schlangen, Storpione und Warnechſen auf öffentlichen 
Plätzen produciren. Sie reizen die Thiere, ſchlingen fie ih 
um den Hals, fteden die Hand in ihren Rachen, und thei⸗ 
len, unter Anrufen der Dſchins und Afrit (Kobold), auch 
andern Perſonen für ein Entgelt die Unverleglichfeit (afsun) 
vom Biß giftiger Thiere mit. Manche behaupten, das Affun 
nur in der rechten oder linken Hand zu beiten, ſodaß fie 
nur mit diejer giftige Thiere berühren und fangen könnten. 
All dergleihen Beihmörungen und Bauberkünfte find 
vom Gejeß verpönt; allein jie finden in der Praxis mehr 
Anerkennung als die Religion, melde fie verbietet. 

Allgemein refpectirt wird nur das Verbot, Schweine 
fleiih und das Fleiſch von erfticdtem Vieh zu genießen. Der 
Drientale, auch der im Orient lebende Ehrift, bat eine aus⸗ 
gejprochene Antipathie dagegen. Jedes Thier, von dem er ge: 
nießen foll, muß fo gefchlachtet fein, daß dem Blut gehöriger 
Abflug geitattet wurde. Er weicht hiervon nur im äußerften 
Nothfal ab, denn die Macht der Gewohnheit und der Efel, 
der ihm von Kindheit auf gegen dieſe Speifen eingeflößt 
wird, unterftügen das religiöje Verbot. 

Bon den Schiiten wenig unterjchieden iſt die Sekte der 
Scheidi. Sie hat ihren urjprüngliden Sit in Kirman⸗ 
ſchah, wo viele jchlagfertige Männer mit den Waffen für ihre 
Lehre einftehen; doc leben auch Anhänger derjelben in vers 
Ihiedenen Städten zeritreut, felbft in der Reſidenz. Trog 
der Anfeindungen von jeiten der Mulas mußten die Scheichi 
ihre Gleichberechtigung zu behaupten; jie befigen eine Mo: 
ihee in Teheran und Wriefter, welche Predigten halten. 
Eine vorgejchlagene Disputation mit den Schiehprieftern 
wurde von dielen nicht angenommen. Ihre Lehre befchäftigt 
ih vornehmlich mit fubtilen Unterfuhungen über die Form 
der Exiſtenz des Imam Meihdi, welcher am Tage der 





350 


in Rurdiftan, in Azerbeivichan, am Berfiihen Golf, in Ta: 
liſch und am Kaspilchen See. 

Biel Auffehben erregte in neuefter Zeit die Sekte der 
Babis. hr Stifter, ein gelehrter Seide (Propheten -Abr 
kömmling), nannte fih bab eddin (Pforte des Glaubens). 
Er fchrieb einen Kanon in arabiiher Sprache, leugnete den 
Koran, führte den Communismus der Güter und die volle 
Emancipation der Frauen ein, und lehrte, daß, mer für die 
Bertheidigung und die Ausbreitung des von ihm verfündes 
ten Glaubens falle, unfterblih jei und im Moment des 
Todes an einem andern Ort wieder auflebe. 

Diefe Lehre, eine Erneuerung und Fortjegung der in 
der Saffanidenzeit von Mäzdak aufgeltellten Dognıen, ges 
warn bald zahlreihe Anhänger in Schiraz, Maſanderan, 
Ardiftan, Sendihan und in andern Städten, vornehmlich 
unter den Seiden, den Gelehrten des Reichs. Auch viele 
durch Geift und Willen ausgezeichnete Frauen jchloffen fidh 
ihr an; unter ihnen ward bejonders die gelehrteite Frau 
Perſiens, Gurret el ayn (Augenweide), als eifrige Be: 
fennerin genannt. Die einen traten aus Ueberzeugung zu 
der Sekte über, andere ließen fih im Raufh, vom Genuß 
des Haſchiſch in einen Zuftand der Seligfeit verjegt, dazu 
werben. Demnach wurde diejes Narkotifum von den Babis 
zu gleihem Zweck wie von den Affafinen benusßt. 

Im Anfang der Regierung des Naflereddin Schub beging 
der Großvezier Emir nizam den Fehler, daß er den Bab⸗ 
eddin, weil er feine Lehren nicht widerrufen wollte, anitatt 
ihn als Schwärmer und Narren durch Einiperrung unſchäd— 
lich zu maden, zun Tode des Erſchießens verurtbeilte. 
Bei der Erecution, welde in Tabris ftattfand, wurde der 
Delinquent gegen eine Mauer gejtellt, und eine Eleine Ab: 
theilung Soldaten hatte auf Commando zu ſchießen. Da 
aber die Soldaten wahrſcheinlich jehr ungern dem Befehl 





351 


gebordten, drüdten fie ohne zu zielen ihre Gewehre ab. 
Babeddin benugte den entftandenen Pulverdampf, um durd 
das Loch einer MWafferleitung zu fchlüpfen. Bu feinem Un- 
glüd und zum Glüd des Landes wurde er jedoch auf der 
andern Seite der Mauer entdedt und nun wirklich erfchoffen. 
Wäre er nicht aufgefunden worden, jo hätte das Volk un- 
bedingt an feine Himmelfahrt geglaubt, und diefes Wunder 
bätte bingereicht, den größten Theil der Bevölkerung zu 
feiner deftructiven 2ehre zu befehren, da man ohnehin, von 
der herrihenden Religion unbefriedigt, lich nad) etwas Neuem 
ſehnt. 

Bald nach dem Tode Babeddin's erhoben ſeine An— 
hänger die Fahne der Empörung. Sie nahmen mehrere feſte 
Orte in Maſanderan und kämpften mit Löwenmuth, ſodaß 
ſie nur durch die ungeheuere Uebermacht und erſt nach 
langen Kämpfen erdrückt werden fonnten. Einzelne, obgleich 
ſchlecht befeitigte Orte, wie Sendſchan, bielten jie viele Mo: 
nate gegen die Kanonen der Töniglihen Truppen; allein jie 
wurden endlich völlig bejiegt, und damit fchien die Sefte 
erlojchen. 

As im Spätfommer 1852 der Schah in Begleitung 
von etwa 500 Dann Garde von feinem Luſtſchloß Niaveran 
aus einen Spazierritt unternahm, kamen drei Männer auf 
ihn zu, moven der eine à bout portant eine Biftole auf 
ihn abfeuerte. An das parthifche Reiterkunſtſtück gewöhnt, 
glitt der Schah im Nu unter den Bauch feines Pferdes; Die 
Garde, mie Ein Mann zurücdweihend, überlich ihn feinem 
Schidjal, denn alle waren der Meinung, er jei todt herab: 
gefunken und auf Anftiften eines Prätendenten ermordet 
worden; megen einer Leiche aber e3 mit den Lebenden zu 
verderben, bielt man für überflüfiig Nur ein fremder 
Diener bemerkte, daß der Schab ſich regte, er trat beberzt 
hinzu und ergriff einen der Mörder. Es entitand ein Kampf, 





352 


in welchem der Diener einen Dolchſtich in den Bauch erhielt; 
unterdeffen "traten aber andere hinzu, padten die Mörder —- 
und der König war gerettet. Wie ſich ergab, hatten ihm 
nur einige Kleine Schrotförner in der Gegend der Gejäß:, 
musfeln getroffen. In den Xttentätern erfannte man fana= 
tiſche Babis, meldhe den Tod ihres Propheten rächen woll- 
ten. Die PBiftolen und die Munition, deren fie ſich bedient, 
waren aber jo ſchlecht, daß ſie nur durch ein Wunder ihr 
Ziel hätten erreichen können. Der Schah zeigte ſich fogleih . 
dem Bolt, um allen böswilligen Gerüchten zuporzulommen. 
Einem Prinzen, der ihm Glüd wünſchte, daß Gott ihn ges. 
rettet babe, erwiderte er: ‚‚Allerdings hat Gott mich ge= 
rettet, denn ihr habt mich ſämmtlich im Stich gelaffen.” 
Nun begannen die Berfolgungen. Man beftärkte den 
Schah in dem Glauben an ein meitverzweigtes Complot der 
Babis; man binterbradhte ihm, unter den Negimentern, 
Staatsbeamten, Leibdienern, Prieftern, Lehrern, Garden, in. 
jedem Haufe befänden ſich Seftirer und er jei feinen Augen: 
blid mehr feines Lebens jiher. Sogar die Frau des Groß- 
veziers, die aus Maſanderan gebürtig mar, bejchuldigte 
man, zu der Sekte zu gehören; mit mehr Grund murde ‚der 
Oberſte der Läufer, Schatir baſchi, und jeine Familie der 
Kegerei angeflagt. Bon allen Seiten in Angit und Schreden 
gejeßt, verfiel der Schah auf ein macchiavelliſtiſches Mittel 
zur Ausrottung der Verſchwörer. In Teheran lebte der 
Oberite der föniglihen Faraſche (feerasch bäschi), Hadſchi 
Ali Chan, ein Mann ohne Herz und auf Commando zu 
jeder Grauſamkeit bereit; ihm gab er den Befehl, alle Babis 
auszuforihen und ins Gefängniß zu werfen. Dann ver: 
ordnete er, jedem Gorp3, jeder Branche des Civil- und 
Militärftandes ſolle wenigſtens ein Babi zur Hinrichtung 
übergeben werden, damit, fall3 in einem oder dem andern 
Corps „noch heimliche Anhänger der Sekte wären, fie fi 





353 


durch die Theilnahme an der Erecution für immer bei ihren 
Blanbensgenofjen compromittirten. Diejer Plan wurde auch 
ausgeführt. Hadſchi Ali, ein erfinderiicher Kopf, eriann die 
gräßlichiten, qualvollftien Zodesarten. Das Wegblaſen vor 
der Kanonenmündung wurde als zu gelind nur einmal an⸗ 
gewandt; man amputirte ſtückweiſe, räderte, brannte, trieb 
Hufeilen in die Sohlen und zwang den Gemarterten damit 
zu tanzen, bohrte Löcher in den Leib und ftedte brennende 
Kerzchen hinein u. |. w., und mit aller Strenge" wurde 
darauf gehalten, daß jeder einzelne im ganzen Corps ſich 
bei Berübung der Martern betbeiligte.e Die Märtyrer be- 
wiefen den Muth und die Standhaftigkeit des Fanatismus; 
feiner widerrief, feinem entjchlüpfte ein Schmerzensſchrei. 
Ich war Zeuge von der Hinrihtung der Kurret el ayn, die 
vom Kriegsminifter und feinen Adjutanten vollzogen wurde; 
die jchöne Frau erduldete den langfamen Tod mit über: 
menſchlicher Stärke. 

Viele andere wurden unter der Anklage des Babismus 
von Hadſchi Ali ihres Vermögens beraubt, und auch in den 
Brovinzen vollftredten die Gouverneure mafjenhafte Ere- 
eutionen. Dennoch dürfte die Gefahr für das Land wie für 
den König keineswegs befeitigt fein. Die Anhänger Bub: 
eddin's bejiten das von ihm verfaßte Geſetzbuch*), fie haben 
einen Propheten und viele Märtyrer, alſo den vollftändigen 
Apparat zu einer feitgegründeten Religion. Sie zogen id) 
in die entfernten Provinzen zurüd und verbergen nad) dem 
ſchiitiſchen Grundſatz (takkieh) ihren mahren Glauben; 
andere flüchteten nad) Kerbelah, wo fie vielleicht auf eine 
neue Schilderhebung finnen. 


— — — 





*, Ein Exemplar dieſes Kanons befindet ſich in ber königlichen 
Bibliothek zu Teheran; eine Abſchrift davon ſoll für die kaiſerliche 
Bibliothet in Petersburg genommen worden fein. 


Bolat, Berfien. I. 23 


354 


Bon den -andern Religionsgenoſſen: den Armeniern, 
Suden und Gebern, war jhon im Anfangsfapitel die Rede. 
Es wäre nur noch zu erwähnen, daß am Urumiejee die La- 
zariften und die Methodiſten ſich daS Seelenheil einiger 
armer fleißiger Chaldäer-Neftorianer ftreitig machen, und daß 
e3 ihnen bereit gelungen ift, unter diefer kleinen Heerde 
viel Zwietraht und Bruderlampf zu ftiften — ad majorem 
Dei gloriam! 


‚3m ,» 
3. )0 


mehr zum eigenen Gebrauch des Beſitzers, ſtehen aber 3V 
gewiſſen Stunden für Entgelt auch dem Publikum offen. 

Die Heizung geſchieht mit getrocknetem Pferdemiſt; er Fl 
mit Rohr gejchichteter Düngerhaufen läßt immer auf die Nähe 
eines Bades jchließen. Den Eingang des Gebäudes ſchmücken 
Abbildungen, gewöhnlich die Heldenkämpfe Ruſtan's mit 
den Diws darftellend, wobei die beliebtejte Yigur ein vom 
"Sieger mittendurd) gefpaltener Reiter zu fein ſcheint, deſſen 
eine Hälfte bereit vom Pferde jinft, während die andere 
ih no aufredht halt. Die Bäder felbit befinden fi in ge- ; 
wölbten Sonterrains, welche das Licht von oben durch zahl: 
reiche glälerne Halbfugeln empfangen. Das erfte Zimmer 
beißt das Kühlzimmer (ser-e-hamam). Um einen in defjen 
Mitte jprudelmden Springbrunnen zieht ſich rings an ben 
Münden eine mit Teppichen bededte Baluftrade bin. Hier 
entfleidet man ih und jchürzt ein Tuch (lung) um die 
Lenden. Dann tritt man in das zweite Zimmer. Es ent 
hält ein großes, mit Waſſer gefülltes Baſſin, unter deſſen 
aus einer mächtigen Bronzeplatte (tun) beftehendem Boden 
ein gelindes „euer brennt. Für die gejeplihe Reinigung 
(wuzu) genügt mehrmaliges Untertauchen in dieſem Baſſin. 
Das zu eimer beftimmten Quantität darin befindlide Waſſer 
wird nicht erneuert, ob aucd hundert Perſonen nadeinander 
baden, denn es fann der mohammedaniſchen Satzung gemäß, 
troß der Neberfüllung mit animaliſchen Subjtanzen, nie un 
rein werden. 

Gilt es jedoh, der Gejundheit oder Annehmlichkeit 
wegen ein Bad zu nehmen, jo begibt man ſich in das dritte 
Zimmer. Der Fußboden dejjelben bejteht aus Ziegel- oder 
Marmorfteinen, welche mittel3 unterirdiiher Nöhren durd) 
Waſſerdampf erbigt werden. Man wird fogleih von dem 
Dalaf (Bader und Kneter) in Empfang genommen und ver: 
bleibt ihm mwenigftens zwei volle Stunden zur unbeichräntten 





362 


anderer Familienchef den leergewordenen Play ausfüllen 
wird, daß feine Kinder von den Verwandten aufgenommen 
und verjforgt, daß feine Frauen durch Wiederverheiratbung 
ihren Lebensbedarf deden werden. Er macht zwar in Gegen: 
wart eines Mula fein Teſtament (wassiet), do betrifft 
daſſelbe mehr Legate zur Anlage von Brüden, Karavanferais, 
Moſcheen, Madrafjes u. |. w., als die PVertheilung feiner 
Güter unter die Erben, da das Erbrecht durch feite gejegliche 
Beftimmungen geregelt iſt. Wenige unterlafien es, eine 
Summe für den Transport ihrer Leihe an eine der heiligen 
Grabftätten feftzufeßen. In den legten Augenbliden ums 
geben die Koranlefer (käri) das Lager des Sterbenden, mit 
lauter Stimme die mohltönenden Verſe de3 heiligen Buchs 
vorleſend. 

Sowie der legte Lebenshauch (ræmæk) entflohen, be 
ginnt das officiele Geheul der Frauen, melde Wüthenden 
gleih umherfahren, fi die Haare ausraufen und die Fäuſte 
in? Geſicht ſchlagen oder dermaßen mit dem Kopf gegen die 
Wand rennen, daß nicht Selten die Bildung des Staars 
daraus erfolg. Bei den armen Klajjen wird fofort zur 
Beerdigung (deef’n) geichritten, zumal wenn der Todesfall 
am Donnerstag nachmittags eintrat, denn man bält es für 
unbeilbringend, am Freitag eine Leiche im Haufe zu haben; 
bei den Wohlhabenden wartet man mwenigjtens einige Stun: 
den, um den nötbigen Pomp berzurichten und die Freunde 
des BVerftorbenen zum Leichenzug einzuladen. Nur die Be 
erdigung eine3 Ermordeten juchen die Angehörigen jo lange 
zu verhindern, bis der Mörder ausgemittelt und der Blut: 
rache übergeben morden. 

Die Leiche wird auf einer Bahre, gewöhnlich mit einem 
Shawltuch bedeckt, unter Begleitung der Freunde und dem- 
ununterbrochenen eintönigen Klagegeſang: „La ihla il Allah!” 
auf den nächſten Jmamzadeh (Friedhof) getragen. Hier 





364 


um den Leihnam vor Ausgrabung dur Hyänen zu ſchützen. 
Die Grabfteine find meift unanfehnlih, gewöhnlich bezeichnet 
nur ein ſenkrechter Schieferftein das Borhandenfein eines 
Grabes. Nur über den Grabjtätten einiger weniger vor⸗ 
nehmer Perſonen erheben ſich maſſiv aus gemeißelten Steinen 
errichtete, mit Anfchriften verfehene Denkmäler (deechmeh).*) 
Dergleihen Dächmehs fteben 3. B. auf den Gräbern von 
Saadi und Hafis in der Nähe von Schiraz und auf dem 
Grabe Avicena's in Hamadan, welches die Inſchrift trägt: 
„Hekimel hukemä afsel el fazela scheich ib’n Ali Sina” . 
(Dem Doctor der Doctoren, dem Borzüglichften der Vorzüg⸗ 
lien, dem Avicena.) 

Bei der beichriebenen Lage und mangelhaften Einrichs 
tung der Friedhöfe darf es nicht wundernehmen, daß die 
benachbarten Stadtviertel beitändig von Dysenterien heim: 
gefucht find und durch Cholera- oder Typhus-Epidemien bes 
fonder8 hart mitgenommen werden. Es gibt zwar aud 
Friedhöfe außerhalb der Stadt — jehr ausgedehnt und berühmt 
ift der von Ispahan, auf welchem, wie es heißt, hundert: 
vierundzwanzig Propheten begraben liegen —, am meiften 
benußt aber werden die in der Stadt gelegenen, weil es 
für die Hinterlaffenen bequemer ift, dort die vorgeſchriebenen 
Gebete am Grabe zu verrichten. 

Die Ueberrefte wohlhabender und angejehener Perſonen 
werben entweder fogleih oder nad erfolgter Wiederaus- 
grabung zum Imamzadeh eines der geheiligten Orte Ker— 
belab, Meihhed, Kum oder Schah abdul aazim abgeführt. 
Auf diefen gemeihten Imamzadehs kommt eine Grabftätte jehr 
bo zu ftehen. Der Preis mwechjelt je nad) dem Grad der 
Heiligkeit de8 Orts und der größern oder geringern Ent: 


*) Ganz ähnliche Grabmonumente flieht man auf dem alten Frieb- 
bof in Prag. 





365 


fernung vom Heiligen Grabe (saneh) zwiſchen 5— 2000 Du- 
Taten. Da ferner auch der Stand des Verftorbenen auf die 
Beftimmung des Preifes von Einfluß ift, fo laffen manchmal 
die Angehörigen eines Würbenträgers, um einer zu hohen 
Forderung zu entgehen, die Leiche incognito nach Kerbelah ' 
bringen und dort beerdigen; es war die 3. B. mit den 
Meberreiten Suliman Chan's, eine Onkels des Königs, 
der Fall. 

Behufs des Transport3 werden die Leihen mit Filz 
ummidelt, an zwei feitliche Stangen befeitigt und quer über 
den Rüden eines Maulthiers gelegt. Gewöhnlich überläßt 
“man dem Maulefeltreiber allein den Conduct, zumweilen aber 
wird eine Schar Diener und Knechte zur Begleitung mit | 
gegeben. " 

Auf Reifen begegnet man oft einer Todtenfaravane; 
ihre Annäherung macht jih im Sommer jhon aus meiter 
Ferne dem Geruch bemerkbar. So offenfundig indeß die 
Nachtbeile ſolcher Leichentransporte für die Gejundheit der 
Lebenden jind, ſcheint e3 doch unmöglich, das tief eingewur- 
zelte Vorurtheil auszurotten. Als Dr. Cloquet und id 
während einer berrichenden Cholera-Epidemie e3 bei der Re— 
gierung durchgejegt hatten, daß nur nad .bejonderer von 
uns und dem Kalamter einzuholenden Erlaubniß Leichen 
ausgegraben und transportirt werden jollten, erhob jich ein 
folder Sturm des Unmillens in der Bevölkerung, daß wir 
bald inne wurden, etwas Unausführbares und unfere Ber: 
Jon aufs äußerſte Gefährdendes angeitrebt zu haben. Schon 
nah einigen Zagen blieb die füniglihe Verordnung un- 
beachtet. 

Wer die hrijtlichen Gottesader zu Tabris, Teheran, Ispa—⸗ 
ban und Schiraz bejucht, wird dort die Namen mancher verdien- 
ten europäifchen Reifenden lefen, welde in dem ungewohnten 





366 


Klima ein frühzeitige Grab fanden. Fern von den St 
gebettet, find doch ihre Namen nicht vergeffen, denn 
bar „haben die Annalen der Wiſſenſchaft verzeichnet, 
der einzelne zur Erweiterung menjchlicher Erfenntnif 
getragen. Friede ihrer Ace! 





368 


dung oder Verbeflerung des Pflugs zuichrieb, da allerdingg Am 
ein fortgejegter Landbau ohne regelmäßig wiederkehrende 1x 
Ssahresperioden nicht wohl möglich ift. Der Islam ſchaffte 
natürlich alle beidnifchen Felte ab, und man darf annehmen, 
daß der kluge Mohammed hauptſächlich deshalb ftatt deg Bie 
dahin geltenden Sonnenjahr3 das Mondjahr einführte, aM 
in die Daten der alten, zum Theil noch zäh im Voll h «r 
tenden Feſttage Verwirrung zu bringen; die agrariſchen > € 
hältniffe lagen ihm als Nomaden zu fern, als daß er mi 
diefelben hätte Rüdjicht nehmen follen. Nur die Feier >® 
Neujahrsfeftes (nauruz), die zu tief mit dem iraniſch? en 
Stamm verwachfen mar, wagten die fpätern Gejeßgeber wa 
Eroberer nicht anzutaften. Man fand eine plaufible Zoe" 
für deren Fortbeftand, indem man fie dem Andenten vo € 
Siege des vierten Chalifen, des in Perlien beſonders hoc*? 
verehrten Ali, weihte. Der Nauruz iſt daher nu der ie 
sige Feiertag, welchen die Schiiten mit den im Lande leber # 
‚den Gebern (Parſen) gemein haben. 

Erit unter der Regierung des Seldichufidenfürftese* 
Melik Schah Dſchelal-eddin ftellte der gelehrte Aſtrono 
Chadſche Näſſir genaue Beobachtungen an, melde ein 
Wiederannäherung an das alte Sonnenjahr zur Folge hatten. 
Doch kennt auch das perfiihe Sonnenjahr. keine Schalttage; 
e3 beginnt mit der Secunde, wo die Sonne in das Zeichen 
des Widder tritt; fein Anfang fällt aljo in die verjchiedenen 
Tag: und Nachtſtunden der Frühlingsäguinoctien. 

Das Neujahrsfeit ift epochemakhend im öffentlichen und 
Familienleben des Perſers und fann in mander Beziehung 
mit der in einigen Ländern Europas üblihen Weihnachts: 
feier verglihen werden. Schon zwei bis drei Monate vor 
ber beginnen die Vorbereitungen dazu. Fabelhafte Maffen 
von Süßigfeiten (schirini) werden in den Städten Ispahan 
und Yezd fabricirt und von dort mit Karavanen durchs 


370 


Kamelot: und Baummollitoffen, während er feinerjeitd das 
ganze Perſonal feines Harenıs jammt der zahllofen Diener 
ichaft zu befchenfen, fomie den Staatsbeamten und Gouver: 
neuren Ehrenkleider (chalat) zu überfchiden hat. Bis vor 
etwa zehn Jahren erhielten ſogar noch der uralten Sitte des 
Dihemihid gemäß faſt alle Diener und die Offiziere der Ar 
mee jeder einen Shaml im Preiſe von 8 — 100 Dukaten, Die 
hohen Würdenträger und Gouverneure aber fertige, bis 
40) Dukaten Eojtende Tunicas (dschubbe) aus Shawl, mit 
Perlenquaſten und Goldtreffen bejegt, von König verehrt. Die 
bierzu erforderlihen Ausgaben waren ebenjo belajtend für 
den Staatsſchatz als erträgnißlos für den Empfänger; denn 
ihon beim Einkauf wurden die angewiejenen Summen falt 
zur Hälfte unterfchlagen; alsdann ſchnitt ſich der Ueber: 
bringer ein Stüd von dem Shawl ab, um e3 zu verkaufen; 
endlih mußte der Beichenkte für die Ehre der königlichen 
Spende wenigſtens den vollen Werth des Erhaltenen in 
Geld entridten. Seit dem Jahre 1854 wurden deshalb die 
officielen Gaben auf die Minifter, die höchſten Würden- 
träger, die Gouverneure und die anweſenden europäifchen 
Gejandtihaften beihränft mit Ausnahme der engliichen, 
welche von jeher das Geſchenk ablehnte. 

Für die Gouverneure der Brovinzen hat übrigens das 
königliche Ehrenkleid die Bedeutung einer wirklichen Inveſti⸗ 
tur; das Ausbleiben deijelben gilt als Zeichen für die bevors 
ftehende Anıtsentjegung, denn am Nauruz muß der Gouper- 
neur entweder in jeiner Würde beitätigt oder ihm ein 
Nachfolger dejignirt werden. Bor lieben Jahren wurde eine 
Verordnung erlaſſen, wonach die jämmtlichen Gouverneure 
ih zum Nauruz in der Nefidenz einfinden jollten; natürlich 
war es dabei auf die von ihnen mitzubringenden Geſchenke 
für den König und die Minijter (haddieh) abgejeben. Allein 
der Befehl kam nie zur Ausführung, jondern es blieb wie 





312 


Teppiche, Eunuchen und andere Sklaven zum Geſchenk erhält, 
jo vermag die Sendung in eine gute Provinz den zerrütteten 
Vermögensverhältnilfen eines Mannes gründlich wieder auf 
zubelfen. Ä | 

Sowie der König im großen, muß jeder in feinem 
tleinern Kreis den Dienern und Clienten Geſchenke zulommen 
laſſen, die jedoch zumeift nur in Kleidern von Tuch und 
Ranking beftehen. 

Einige Tage vor dem Felte jchreitet man zum Scheuern 
der Wohnungen und zum Ausflopfen der Teppiche (farsch- 
tekun), und zwar geſchieht leßtered nur dies eine mal im 
Jahr, obgleih von den Dienern häufig der zufammengefehrte 
Staub unter die Teppiche verborgen wird. Um das Farſch⸗ 
tefun in der,fönigliden Wohnung vornehmen zu laffen, bes 
gibt fih der Schah nad einem jeiner Zuftichlöffer und ver: 
weilt dajelbit, bi3 das Geſchäft vorüber ijt. 

Zwei bis drei Wochen vor dem Nauruz ftrömen bie 
Derwiihe aus den verichiedenen Theilen des Landes in Die 
Städte. Sie ftellen jih ihrem Chef, den Derwiſch-Baſchi, 
vor und erhalten von ihm Anweiſung auf Unterkunft bei 
den mohlhabenden Einwohnern. Bor dem ihm zugewiefenen 
Hauje angefommen, jchlägt der Derwiſch jeinen mit eiferner 
Spige verjehenen Stod in die Erde und ruft mit gellender 
Stimme jein Xojungswort: „Ja hakk!” (Göttlide Wahr: 
baftigleit!) Hierauf lehnt er ein Halbzelt neben die Haus: 
thür, gräbt rings umber den Boden auf, fürt Gerfte und 
einige Frühlingsblumen, und richtet ſich völlig heimisch ein. 
Der Wirth hat die Pflicht, für feinen Unterhalt zu forgen 
und nad dem Felt ihm ein hübſches Sümmchen als Viaticum 
zu jchenten. Unterläßt er es, ſo ſetzt ſich der Derwiſch 
mehrere Monate an jeiner Hausthür feit, während welcher 
Zeit derjelbe verpflegt werden muß und überdies die Aus 
und Eingehenden mit jeinem unaufhörlicden Ruf: „Ja hakk!“ 





374 


ziere der Armee, in Reih und Glied poftirt, des entfcheiden 1° 
den Moments barren. . a 

Etwa zwanzig Minuten vor dem Jahreswechſel erſcheint W' 
der Schah. Er trägt ein fo ſchwer mit Berlen, Smaragden 1 
und Rubinen befeßtes Staatökleid, daß er nur mit Mit 
unter deſſen Wucht fich fortbewegen kann. Auf jeinem Hamm! 
figt die Schwarze Lammfellmütze, ebenfalls von Diamanz iM 
ftrogend und überragt von dem mächtigen NReiherbuid 
(dschiggeh), der oben in einen breiten Bart von bett 
farbigen, gejponnenen Glasfäden endet. Vor und hinter IM 
Ohren mwallt, der herrichenden Mode gemäß, eine Haarlde 
hervor. Um jeden Arm ſchlingt ſich eine goldene Span QDe⸗ 
die eine enthält den großen Krondiamanten daria enr®- 
(das Meer des Lichts), eine große, flache Tafel von reinf se" 
Waſſer, die andere den in Delhi erbeuteten größten Ru” in 
der Erde, auf deſſen Balis die Namen fämmtlider Mogole= sr 
herrſcher eingravirt jind, Der Gürtel von Goldtreffen, v0 
durch eine reich mit Eojtberen Steinen bejeßte Platte ge 
Ihloffen, Epauletten aus Demantſchnüren und ein Hind 
fäbel mit ebenfalls reich incruftirtem Griff ergänzen de # 
pompöjen Anzug. 

Beim Eintritt in den Saal iſt der König von eine * 
Eunuchen und einigen Känunerlingen begleitet. Cr ſchreite 
auf ſeinen Platz in der Fenſterniſche zu, ſetzt ſih mit unter⸗ 
ſchlagenen Beinen auf den ſeidenen Teppich und lehnt ſich 
gemächlich an das Polſterkiſſen. Unmittelbar nad ihm tre 
ten einige Mutjchtehiden: Seiden (Prieiter höhern Rangs) 
ein und nehmen, einer alten Prärogative zufolge, ohne 
deſſen Erlaubniß abzuwarten, neben dem König Platz. Die: 
fer richtet einige Worte an fie, gewöhnlih das Wachsthum 
der Macht und der Heiligbaltung des Islam betreffend, morauf 
fie ftet3 etwa Folgendes erwidern: „Unter dem Schatten 
Euerer Majeftät, dem Aſyl des Glaubens, ſchlägt die Religion 





376 


die übrigen im Saal befindlihen Perjonen einzeln vor, und 
jeder fängt in den zujammengehaltenen Hohlhänden die 
Spende auf, welche er zum Zeichen des Dankes an Herz 
und Stirn drüdt. Zuweilen richtet der Schah einige ver 
bindlihe Worte an den Empfänger. In derielben Keibe 
verlaffen die Beichenkten den Saal. Der Schah jedoch 
bleibt, von den Hofcharzen umgeben, auf feinem Plag und 
vertheilt nun in gleicher Weile auch an die Draußenftehen- 
den durch das offene Fenfter die königliche Gabe. Die Ce 
remonie (ayde-tahwil, das Felt der Austheilung) dauert 
an zwei Stunden. Nach Beendigung derjelben zieht jich der 
König ermüdet in die innern Gemächer zurüd. 

Die Gebräuche beim Eintritt des Nauruz, wie fie in 
den älteiten Zeiten ftattfanden, bejchreibt der gelehrte Richard» 
fon folgender Art: „Kurz vor dem Eintritt des Jahres 
wecjel3 wurde ein wohlgeftalteter Jüngling, allegoriich das 
neue Jahr darftellend, an die Thür des königlichen Schlaf 
gemachs poſtirt. Im Yugenblid, wo die Sonne über dem 
Horizont erihien, trat er unangemeldet ein. Der König 
fragte ihn: «Mer bift du? Woher fommit du? Wohin 
gehit du? Wie heißt du? Was bringit du?» Worauf der 
Süngling ermwiderte: „Ich bin beglüdt und gejegnet; ich 
bin von Gott zu dir geihidt; ich bringe das neue Jahr. » 
Ein anderer bradte eine Schüjlel vol Weizen, Bohnen, 
Linſen, Sejam und Reis, ferner einen Klumpen Juder und 
zwei neugeprägte Münzen. Dann überreihten die Minifter 
und Wiürdenträger des Reichs einen Laib Brot. Der Schah 
foftete davon und vertheilte dag übrige unter die Anweſen⸗ 
ben, twobei er die Worte ſprach: «Das it der nene Tag 
des neuen Jahres der neuen Zeit, wo alles Beſtehende jich 
erneuert.» BZulegt beichenfte er die Großen mit neuen Ge 
wändern und andern Gaben.” Man erliebt aus dieſer 
Schilderung, daß die Gebräude, wenn auch nicht ganz, doch 





381 


ridter mit Ruthen und Beilen. Königlihe Garden, mit 
Langen Stäben bewaffnet, halten die Ordnung aufredt; 
außerdem liegt in der Nähe ein Bündel Ruthen, damit auf 
eribeilten Wink augenblidlih die Strafe der Baftonnade voll- 
aogen werden fann. 

Ein Kanonenfchuß verfündigt das Ericheinen des Schab. 
Derſelbe befteigt den Sulimanthron und läßt fi) langſam 
serit unterjchlagenen Beinen darauf nieder. Sein Gewand 
aßR dermaßen mit Juwelen überladen, daß vom Nefler der 
Sonnenſtrahlen das Auge geblendet wird. Zur Seite bes 
DThrons ftellen fi) der Reichsichildträger (speherdär) und 
Der Scepterträger (täpuzdär) auf. Alsbald beginnt ein 
wahrhaft betäubendes und oft obrzerreißendes Getöje; es 

wird nämlich eine Salve von hunderteinundzmwanzig Kanonen- 
ächüſſen gegeben, und gleichzeitig ftimmt am Eingang bes 
großen Platzes (maydan) die fünigliche Hauskapelle (neghäre- 
chäneh), aus etwa vierzig Spielleuten beftehend, auf Hör- 
nem, Binten, Trompeten, Keſſelpauken, Schalmeien, eine 
barbariiche Mufif an. Die Näkare Chaneh ijt eine, wie es 
heißt, von Dſchemſchid eingeführte Prärogative des Königs. 
Sie producirt jich jeden Tag bei Sonnen: Aufgang und «Unter: 
gang, jpielt ferner zur Feier großer Feite und Siege, und be: 
gleitet den König überall auf feinen Reifen. Nur Brätendenten 
wagen es, ſich ebenfalls eine eigene Kapelle zu halten, und 
legen eben dadurd ihre Prätentionen an den Tag Man 
kann jih in der That von diefen Mistönen feinen Begriff 
machen; dennoch gewöhnen fih die Menſchen daran, nur 
Pferde, welche zufällig in die Nähe fommen, werden jcheu 
und gehen mit ihrem Reiter durd. Außerdem bemühen fich 
auch noch verfchiedene Militärmujitbanden, die einen euro- 
päiſche, die andern perſiſche Weiſen jpielend, -die Kanonen, 
die Näkare-Chaneh und das Plätſchern der Springbrunnen 
zu übertönen. 





383 


überragt mächtig die ganze 


— ‚xt zu Ende, jo zieht der 
— — ru, Die Sonne der Sänger) 
— — .ı Shawl-Ehrenkleid und lieſt 
Bu — tel zum Preiſe des mächtigen 
‚r Nönige, vor. Mit den Reizen 

— “an Luft und der nie fehlenden Gul 
Rachtigall) beginnend, fommt er mit 

ang auf die Körperichönheit, Stärfe 

unigs und auf deilen stämpfe mit Löwen 

‘ Wied, jelbit nicht das gebeimfte, bleibt 

‚ae verihont. Dann beiingt er die könig— 

ton und ermahnt den Welteroberer, da er 
‚sitantinopel) bereit3 fertig geworden, nod) 
rocken China nicht zu verihmähen. Belonders 
Endreime betont er nad perſiſcher Sitte mit 
Aule, die noch lange nachher in den Thren 


manchen Jahren wird noc ein Kurier vorgeführt, 
tanzug, ganz mit Staub bededt, als jei er Soeben 
Lierde geitiegen, der von neuen Siegen über die Turfo: 
nr Bericht eritattet. Oder zufällig anmwejende Deputirte 
= den tributpflichtigen Reichen Afghaniſtan, Siltan, Be: 
üdſchiſtan bringen ihre Huldigung dar; jo jah ich deren aus 
den Stamme der Hezare aus Afghaniftan. Zum Schluß 
vertheilt der Finanzminiſter an die Umitehenden neue Silber: 
münzen. Der Schab erhebt ſich und fehrt in gemefjenem 
Schritt in den Harem zurüd. Hiermit it der Salame aam 
beendigt. 
Eine halbe Stunde danach beginnen die öffentlichen 
Spiele auf dem großen Meydan (maydan-e-tubchäneh). 
Der König licht von einem Baltonfeniter dem Treiben zu; 


Die Länge der Rennbahn beträgt einen halben Phar— 
fd; fie bildet einen weiten, durch Meilenfteine in vier 
Stationen getheilten Kreis. Gegen Nordoſt fteht ein Fleines, 
unanfehnliches Häuschen (imärete-sesp-dewäni, der Rent: 
polaft), worin der König und die Würdenträger dem Schau- 
fiel beimohnen. Zu beiden Seiten defjelben find Zelte für 
die eüropäiſchen Bejandten aufgejchlagen. Auf einer Blatt: 
form gegenüber nehmen die königlichen Spielleute und Tän- 
fr Platz. Ein dröhnender Kanonenfhuß gibt das Zeichen, 
dah der Schah fein Schloß verlaffen habe. -« Er kommt in 
einem großen Galawagen angefahren. Voranſchreitet der 
große Elefant, mit rothem Tuch behangen und nach indiſcher 
Beife ein Zelthäuschen auf dem Rüden tragend. Eine zahl— 
tädhe Ramelartillerie, die decorirten Hofchargen und ber 
Dberſchatzmeiſter mit dem Kleinen Kronſchild verherrlichen den 
Ing Dichte Scharen von Stadtbewohnern, zu Fuß oder 
auf Pferden und Ejeln reitend, füllen den äußern Raum. 
Sobald der Schah ausgeftiegen, was durch eine Artillerie- 
ſalve verfündigt wird, und ſich auf den reichen Teppich 
riedergelaffen hat, merden die Pferde einzeln vorgeführt, 
Wobei der Geremonienmeifter die Kennzeichen, die Raſſe und 
den Befiger eines jeden ausruft. Die Rennen jind in drei 
Ahtbeilungen getheilt: in der erften muß der Umkreis der 
Bahn ſechsmal, in der zweiten viermal, in der dritten nur 
jweimal durchlaufen werden. Bei dem ſechsmaligen Umlauf 
ermatten die meiſten Pferde lange vor Erreihung des Fiels, 
endere werden dadurch zurüdgehalten, daß man ihnen auf 
Anftiften von Mitbewerbern Sand in die Augen ftreut. Naht 
fi das vorderfte dem Ziel, fo fpringt der Jockey des Eig: 
ners hinzu, faft es mit einem rafhen Griff am Zügel und 
langt gleichzeitig mit ihm an, um den ausgefeßten Preis in 
Empfang zu nehmen, welchen er in einem Beutel auf dem 
Kopf davonträgt. Natürlid mird ſtets dafür geforgt, 


daß nicht eine misliebige PBerfönlichfeit den Preis erlangt 
und daß vor allen die Pferde des Schah als Sieger her— 
porgebeit. 

Die Turkomanenroffe bewähren ſich zwar in ihren hei— 
matlihen Steppen und auf Raubzügen als die wildeſten 
Nenner, an Ausdauer und Sntelligenz aber fteben fie dem 
Pferden arabiiher Raſſe nah, melden Iegtern daher faſt 
immer der Preis zufällt. 

Während der Paufen verkürzen die Spielleute dur 
Muſik und die Tänzer durch ihre lasciven Sprünge und 
Pantomimen der barrenden Menge die Zeit. , 

Auch die Föniglihen Läufer haben eine Tour um die 
Rennbahn zu mahen. Diejer Wettlauf von einer balben 
Meile ſieht übrigens anftrengender aus, als er in der That tft, 
denn nachdem die eriten einen Theil der Bahn durdlaufen, 
werden fie, ohne daß e3 das Publikum merkt, von andern 
abgelöft, dieſe wieder von andern, bis die legten ſcheinbar 
athemlos da3 Ziel gewinnen. Den empfangenen Preis thei- 
len die Sieger laut vorberigem Webereinfommen mit .ibren 
Kameraden. Der Schab nimmt unterdeß ein Frübltüd ein 
und kehrt dann, fehr befriedigt von der Vortrefflichkeit der 
perſiſchen Pferde, in feine Nejidenz zurüd. 

Endlich erjcheint der dreizehnte, der letzte Tag des 
Feſtes. Nah einer alten Tradition jollen an diefem Tag 
die Häufer mit Einfturz bedroht fein. Es wandert deshalb 
alles vor die Thore der Stadt den Gärten zu, bejonders die 
weibliche Bevölkerung, welche neben der Furcht vor Gefahr 
wol auch noch andere Motive ind Yreie loden. Um Ddiefe 
weibliche Auswanderung einigermaßen zu beſchränken, wird 
auf Anordnung des Polizeimeifterd von jeder durch das 
Thor PBajjirenden eine Lleine Acciſe erhoben. 

Hiermit endet dag fröhlide Nauruzfeſt. Dem Bauer 
dient es zugleich als Beitabjchnitt, wonach er die Beftellung 





389 


bed Bodens, die Ausfaat und Ernte beftimmt; er weiß, daß 

diefer oder jener Same zwanzig Tage vor oder nach dem 
Feſt ausgeftreut, diefer oder jener Baum foviel Tage vorher 
oder nachher gepfropft werden müſſe. Im allgemeinen: ift 
der Nauruz unter dem ſchönen Frühlingshimmel Irans ein 
Felt der Wonne und des Ergößend; doch bleiben in vielen 
Haushaltungen wegen der übermäßigen Kojten, die er ver: 
urfacht, allerdings die Nachwehen nicht aus. 


Drud von F. A. Brodhaus in Leipzig. 








Perſien. 


Das Land und ſeine Bewohner, 


Zweiter Theil. 





Derfien. 
Das Land nnd feine Bewohner. 


Ethnographifhe Schilderungen 


Dr. Iakob Eduard Polak, 


ebemaligem Leibarzt des Schah von Perfien und Lehrer an der mediciniſchen Schule 
zu Zeheran 





Leipzig: * 
5 N. Brockhaus. 


1865. 





Der Berfaffer behält fich das Recht ber Ueberſetzung in frembe Sprachen vor. 





Inhalt des zweiten Theils. 


Seite 
I. Naſſereddin Shah, feine Regierung und fein Hof. Titel bee 
Schah. Sein Vater Mehmed Schah. Seine Jugend und Er- 
ziehung. Seine Thronbefteigung. Der Großvezier Emire Nizam. 
Deffen Nachfolger der Sader-azam. Die Erpebition nad) Merm. 
Blünberzug bes Ehan von Chiwa. Die Einnahme von Bender: 
Abbas. Anfichten Über den Befiß Herats. “Plane auf Kandahar. 
Die Expedition nach Herat. Tod bes Kronprinzen. Ermor- 
dung bes Prinzen Schahzadeh Juffuf. Ernennung Kaſem Chans 
zum Thronfolger. Ausbruch bes englifch -perfifchen Kriegs. Die 
Engländer befegen Buſchir. Das Treffen bei Burazoſchan. Das 
Bombarbement von Muhammereh. Der Frieden. Tod bes 
Krenprinzen Kajem Chan. Sturz des Sader-azam. Unglüd- 
fihe Expedition nach Seraechs. WPerfönlichfeit und Charakter bes 
Schah. Despotie und Geſetz. Batriarhalismus. Königliche 
Prärogative. Der Sonnenlöwenorden. Die Würbenträger. 
Souverneure und Souvernements. Hofbeamte und Hofbieners> 
haft. Die Diplomatie. Die europäifchen Gefandtichaften in 

Teheran. Betrachtungen über die Zukunft des Landes... . 1 


11. Das Neifen in und nad Perſien. Beichaffenheit ber Wege. 
Mangel an gebahnten Strafen. Brüden. Yolgen ber erfehwerten 
Communication. Karavanferais. Berfchiedene Arten bes Trane- 
porte. Kurierpofl. Die wichtigſten Karavanenwege. Reiſe⸗ 
routen von Deutfchlanb nach Perſien. Gefunbheitsregeln für 
Reifende. Sicherheit des Reiſens mit ber Karavane. Unſichere 
Gegenden. Maßregeln zum Schuß ber Reifenden. Zeitweilige 
Unficherheit. Raubfucht der Soldaten . . - - . 22-20. 49 





VI 


II. Deffentlide Sicherheit in den Städten. Aſyle. Waarennieder⸗ 
lagen. Reſpectirung des Siegels. Barate (Schuldfcheine). 
Hausdiebftähle und Mittel zur Wiebererlangung bes Geftohlenen. 
Die Sicherheitspolizei. Beftrafung ber Diebe. Afyle, beſchränkte 
und unverletliche. Afyle für Bittfteler. Das Aſylrecht ber 
europäifchen Sefandtfchaften -. . . - > >> 2: 2 2 nee. 


IV. Viehzucht und Bodencultur. Das Nomabenthbum. Urfachen 
beffelben. Sitten und Charafterzüge der Nomaden. Schafe. 
Ziegen. Rinder. Kamele. Eſel und Maulthiere. Nomaden⸗ 
lager. Weibepläte. Abgaben. Das Pferb (Hafen. Geftüte. 
Geſchlecht. Farbe. Preis. Dreffur. Yütterung. Stallung. 
Sattelzeug. Hufbefchlag. Wartung. Krankheiten und Seuden). 
Aderbau. Künſtliche Bewäflerung. Dörfer. Befſitzverhältniſſe. 
Srundfteuer. Methode des Feldbaus. Heufchreden und Wanzen. 
- Biehftand. Körnerfrüchte. Gemüfe Wein und Obſt. Seiben- 
vaupenzudt. Oelfrüchte. Farbepflanzen. Baummolle. ofen. 
Zuckerrohr. Wälder... 22: oo onen 


V. Gewidt, Maß und Münze. Gewichte. Juwelen⸗ und Me- 
dicinalgewicht. Längenmaße. Edle Metalle. Gold» und Silber- 
münzen. Sceidemünze. Abnahıne bes Geldes. Gepräge. Ber- 
ichlechterung und Fälſchung der Münzen. . . . . 2.22... 
VI. Induſtrie und Handel. Baumwolle Wolle. Shawlfabrifation. 
Teppiche. Filze. Patu und Abbi. Strümpfe. Einfuhr von 
Zuchen. Seibenftoffe. Färberei und Bleiche. Leber. Pelz- 
wert. Metalle und deren Verarbeitung. Kupfer. Eifen. Mef- 
fing. Blei. Zink. Kobalt. Mangan. Schwefel. Kochſalz. 
Salpeter. Steinlohlen. Edelſteine. Glae. Porzellan. Fayence. 
Thon. Seife. Metallmoſaik. Miniaturmalerei. Mislungene 
Berfuche zur Errichtung von Fabriken nach europäiſchem Mufter. 
Handwerker. Handel. Der perfiide Kaufmann. Fremde Kaufe 
leute. Handelsplätze. Handelswege. Zölle. Confulate . . 


VI. Aerzte und Heillunde. Mangelhafte Berufsbilbung ber per- 


fifchen Aerzte. Juden als Aerzte. Mebicinifhe Kenntniffe ber 
Laien. Die Praris, Confultationen. Die Dſcherah (Ehirur- 
gen). Die Dallal (Bader). Der Schilefte-bänd. Das Im- 
pfen. Geridtlihde Mebicin. Augenärzte. Hebammen. Eur- 
ſchmiede. Europäiſche Aerzte. Der Helim baſchi (Leibarzt bes 
Shah). Militärärzte. Ouadfalber. Arzneikrämer. Einkom⸗ 
men ber Aerzte. Bollsmebicin. Klyſtiere. Aufldfende Mittel 


Eeite 


77 


157 


. 165 





VII 


unb Purganzen. Frühjahrscuren. Mineralquellen. Mediei⸗ 
niſche Theorie. Krankheitsurſachen. Heilmittel. Wundercuren. 
Der Puls. Aderlaß. Blutegel. Schröpfen.- Fontanelle und 
Saarfeil - >. on 


VIII. Raristila, Gifte und Gegengifte. Halhiih. Opium. Ta— 
bad. Stechapfel. Bilſenkraut. Alraunwurzel. Taftwurzel. 
Brechnuß. Eiſenhut. Bittermandelöl. Thee. Kaffee. Wein. 
Brauntwein. Bier. Kumiß. Arſenik. Erden. Mumiai. Bezoar 


IX. Pflanzenerſndate. Fundorte. Gummi⸗Reſinapflanzen (Do- 
rema ammoniacum, Ferula galbanum, F. asa dulcis, F. 
asa foetida, F. sagapenum, F. kurdica, Terebinthaceen, Sar- 
totalla). Manna, (gez-engebin, ter-engebin, schir-chischt, 
bid-chischt, Tragantgummi). Berpflanzung ber perfifchen 
Umbelliferen nah Europa . . . 2. 2 2 Er nn 


X. Sranfpeiten und Epidemien. Epidemien. Allgemeiner Kranf- 
heitscharalter. Rötheln. Rothlauf. Blattern. Mafern. Schar- 
lach. Neffelfudht. Furunkel und Karbuntel. Pemphigus. Kräte. 
Acne. Aleppofnoten. Ausſatz. Syphilis. Diarrhöe. Kolik. 
Ruhr. Cholera ablactatorum. Hämorrhoiden. Cingemweibe- 
würmer. Leberleiden. Stein. Harnruhr. Blutharnen. Kind- 
bettfieber. Potenz. Keuchhuſten. Chronifcher Lungenkatarrh. 
Zungentuberkulofe. Herzklopfen. Krampfabern. Geiftestranfe. 
Strofel. Krebs. Wechielfieber. Typhus. Cholera. Augen- 
frankheiten. Schagugulus. Wunden . . . . 2. 22.22... 


XL Altlimatifation. Sterblichkeit der Europäer in Berfien. Alkli⸗ 
matifation ber Lanbesbewohner und ber Neger. Vorſichtsmaß⸗ 
regeln für Reiſende. Berhalten bei Krankheiten und Epibe- 
mien. SMleibung. Diät. Behandlung ber Diener. Berkehr 
mit ben Großen. Belämpfung bes Mismutbe . . . . .. . . 


XII. Gesgraphifdge. Romencatur . -. . . .. >. 22 


Seite 


277 











6 


Dem jungen Schab, aller Mittel zur Bejoldung der Truppen 
entblößt, bot fi nun die Schwierigkeit dar, nad) Teheran 
zu, gelangen; denn fchon waren mehrere Kronprätendenten 
aufgetreten. Einer von ihnen, der Prinz Seif eddauleh, er- 
Härte fih in Kaswin zum König, nahm dem ruſſiſchen Kurier, 
welcher mit einigen taufend Dukaten nach Teheran eilte, die 
Baarichaft ab und gab ihm dafür eine Anmweilung auf den 
Staatsihag. In Teheran vereinigten fi die Notablen zu 
einer Art republifanifchen Zunta (dschumhuriä), um wenig- 
ſtens der Plünderung Einhalt zu thun. 

Unter den Freunden und Leidensgenoſſen des Prinzen 
befand fih ein Mirza Namens Taghi, ein Mann von au: 
gezeichneten Fähigkeiten. Derfelbe, früher Conful in Erzerum, 
batte dafelbit viele Kaufleute kennen gelernt und fi große 
Gemandtheit in Geichäften erworben. Er fchaffte in ver 
Ihmierigen Lage Rath, indem er bedeutende Summen von 
den Kaufleuten und Conſulaten entlehnte und damit einige 
Regimenter befoldete. Unter ihrem Schuß Tonnte der neue 
König, welcher fogletch den Mirza Taghi, Sohn eines könig⸗ 
lihen Kochs, unter dem Namen Mirza Taghi Chan Emire 
nizam zu feinem Großvezier ernannte, den Zug nad) Teheran 
antreten. In Kaswin nahmen die Truppen den Prätendenten 
Seif evdauleh gefangen. Die Thore der Refidenz öffneten fi) 
dem König, und Nafjereddin befticg den Thron von Dſchem⸗— 
ſchid und Käus. 

Jetzt galt es, Schwierigkeiten anderer Art zu überwinden. 
Der achtzehnjährige Herrſcher verſtand nicht im geringſten, 
die königliche Würde zu repräſentiren; entweder blickte er 
ſcheu zur Erde, oder er ſchnitt Grimaſſen und brach mitten in 
wichtigen Geſprächen in lautes Lachen aus. Seine Umgebung 
hatte ſtets türkiſch mit ihm geredet, daher ſprach er das 
Perſiſche ſchlecht und vermochte bei den salams (Audienzen) 
nur ſchwer und fehlerhaft ſich auszudrücken. Im Schatz war 





10 


die Feindieligkeiten der Einwohner gegen die Eroberer; man 
tritt nicht mit offener Gewalt auf, ſondern conſpirirt im 
geheimen, indem man tie Zufuhr abichneidet, den Anbau 
hindert, far; den Feind auszubungern ſucht. In ähnlicher 
Weiſe ſah ih bald die periihe Beiagung in Merw bart 
bebrängt. Der Schah beitimmte zwar bedeutende Summen 
zum Ankauf und zur Hinjendung von Getreide; allein der 
größte Theil des Geldes wurde bereits in Meſchhed unter- 
Schlagen, und den für den Reit angelauften Proviant fingen 
die Turfomanen auf, ſodaß nichts in die Feitung gelangte. Pie 
Mannſchaft mar von Mangel aufs äußerfte getrieben; troßs 
bem fütterten die Offiziere noch mit der menigen übrigge- 
bliebenen Gerfte ihre Luruspferde. Da ftellte jih ein Corporal 
Namens Huflein, aus dem Stamme der Turſchis in Chorafjan, 
ein Mann von großer Energie, aus eigener Macdhtvolllommen- 
beit an die Spige. Die Offiziere mußten ihm gehorchen, die 
£uruspferde |murden vor die Kanonen gejpannt, die Köpfe 
der Leichen aufgeladen, damit fie nicht als Trophäen zurüd- 
blieben, und jo führte er unter beitändigen Kämpfen mit den 
Zurfomanen die Befagung glüdlih in das damals befreun- 
dete Herat und von da unangefochten bis an die perlifche 
Grenze nah Meſchhed. Dort angelommen, erfannte Huffein 
erit, welche Gefahr er durch feine verdienftlihe That über ſich 
beraufbeihworen; denn die degradirten Offiziere murrten 
wegen ber untergeordneten Stellung, die er fie einzunehmen 
gezwungen hatte. Er floh nah Turſchis zu feinem Stamm, 
mo er vor jeder Verfolgung fiher mar. Doch die Rachgier 
der Offiziere rubte nicht. Der Commandant von Meſchhed, 
Abbas Kuli Chan von Urumieh, genannt Kätir (das Maul: 
thier), welcher ſich unter ihnen befand, überſchickte Huffein 
ein königliches Patent der Straflofigkeit, in welchem ihm jogar 
eine glänzende Belohnung verfproden wurde. Huffein ging 
in die Falle und ftellte fich in Meſchhed; von dort wırrde er in 





34 


er jtieß den Kopf gegen die Mauer und nahm mehrere Tage 
faft gar feine Nahrung zu fih. Alle feine übrigen Kinder 
vernachläffigend und mit Abneigung betradhtend, hatte er zu 
dieſem Sohne eine jo leidenichaftlide Liebe gefaßt, daß er 
faum einen Augenblid deſſen Gegenwart entbehren mochte.’ 
Er war fogar mit dem Gedanken umgegangen, jobald Kaſem 
Chan das fiebzehnte Jahr erreicht haben würde, zu Gunften 
deffelben vom Throne zu fteigen. Wenigſtens fagte er oft 
zu mir: „Hekim, in einigen Jahren, wenn mein Balieht 
erwachlen fein wird, will ich in schallah! eine Reife nad 
Frankiltan (Europa) unternehmen. Du wirft mich begleiten.“ 
Einmal ging ich näher auf feine Neifeprojecte ein. Ich ſetzte 
ihm auseinander, daß der bequemjte Weg nad Europa der 
über Tiflis fei; da verfinfterte fih aber fofort feine Miene, 
wahrſcheinlich meil Tiflis einft zu Iran gehört batte, und . 
kurz abbrechend fpradh er: „Ich werde einen andern Weg 
wählen.” | 

Der damals noch mächtige Großvezier wurde, gewiß mit 
Unrecht, beichuldigt, den Tod des Prinzen veranlaßt zu ha⸗ 
ben; Palaſtintriguen beuteten dieſe Gerüchte aus, und im 
Herbite deſſelben Jahres erfolgte fein Sturz ſowie natürlid 
der feiner ganzen Familie. Der Schah hatte den Sader— 
azam, obgleich er ihn öffentlich feinen Wohlthäter, Vater und 
VBormund ‚nannte, im Herzen doch immer gehaßt; jener mußte 
ihn aber in der Meinung zu erhalten, daß fein anderer das 
Land regieren könne und daß feiner Abjegung allgemeine Re⸗ 
volution auf dem Fuße folgen werde. Voll ängftlicher Be: 
jorgniß begab fi daher der Schah, nachdem er den Befehl 
zur Verhaftung gegeben, unter ftarkfer Begleitung auf die 
Jagd. Erft als ihm die Nachricht von der vollzogenen Felt- 
nahme überbracht worden war, kehrte er in fein Luftfchloß 
Niaveran zurüd. Auch bier ſpähte er noch furchtſam durchs 
Zenfter, ob nicht die Volkshaufen ſich feiner untenstehenden 





35 


Pferde bemächtigen würden, und da nichts dergleichen geſchah, 
rief er endli freudig aus: „Ich hätte nie geglaubt, daß 
der Sturz meines Beziers jo ruhig ablaufen mwerbe, fonft 
hätte ich ihn ſchon vor mehrern Jahren vom Amte entfernt.” 

Aus den bisherigen Erfahrungen belehrt, wie gefährlich 
es jei, ale Macht in Einer Hand zu concentriren, faßte 
Naffereddin den Entichluß, das Amt eines Großvezierd von 
nun an gar nicht mehr zu bejegen. Er ernannte Fachminiſter 
für die einzelnen Zmeige der Verwaltung, für die äußern 
Angelegenbeiten, für das Innere, die Juftiz, den Handel, den 
Krieg, und außerdem in der Perjon des Mirza Dzafer Chan, 
der mehrmals Gefandtichaftspojten in Europa bekleidet hatte, 
einen Minifter ohne Portefeuille, fich felbft die Ueberwachung 
der verfchiedenen Dilafterien vorbehaltend. Eine Zeit lang 
conferirte er mit ven Secretären und andern untergeordneten 
Beamten; er bildete fih ein, auf diefe Weile nicht nur zu 
berrichen, fondern auch zu regieren. Wie ji) bald ergab, 
batte er jedoch abermals nur den Herrn gewecdjelt. Die 
Königin Mutter und einige Höflinge gewannen jegt um 
jo unbeſchränktern Einfluß auf ihn, je mehr er das Anjehen 
der Minijter untergrub und jie als nußlofe Diener behan- 
delte. Unter diefen Umftänden war e3 eine lächerliche Idee, 
ein Ober: und Unterhaus errichten zu wollen; der Unterjchied 
zwijchen den beiden Häufern jollte darin bejtehen, daß dem 
Oberhauſe einige Schüffeln Neis zum Frühſtück mehr geliefert 
würden. Was das Land von einer folchen Repräfentation 
zu hoffen hätte, kann man ſich denen. 

Sn der jüngften Zeit nahmen die Einfälle der Turko— 
manen wieder jehr überhand; ganze Gegenden wurden durch) 
jie entoölfert und die Bewohner als Sklaven nach Chiva und 
Buchara verkauft. Man rüftete endlich im Winter 1860 eine 
Erpedition gegen Serächs aus. Die perlifchen Truppen be: 


fegten ohne Widerftand die Stadt und machten fie zu einem 
3% 





36 


feften Waffenplag. Allein man ſchickte ihnen, wie gewöhnlich, 
feine Verftärkung nad, ſondern überließ fie ihrem Schidfal. 
Es mwährte nicht lange, fo gelang es den Turkomanen, dur 
Abſchneiden der Zufuhr die Befagung auszuhungern. Sie 
mußte fich ergeben und jämmtliche Soldaten wurden in bie 
Sklaverei verkauft. Der Erpedition war ein europäifcher 
Photograph zugetheilt, damit er die Siege der glorreidhen 
Armee photographiſch aufnehme. Statt deſſen ſah ſich nun der 
Unglüdlie gezwungen, viele Monate Sflavendienfte als 
Kamelhüter zu thun, bis man ihn durd ein hohes Löſegeld 
befreite. 

Sn Vorftehendem gab ich eine flüchtige Skizze der be 
merkenswertheſten Ereigniffe, welche jih, mit Einſchluß des im 
erften Theil erzählten Aitentat3 der Babis, big zu dem Zeit- 
punkt, wo ich das Land ‚verließ, unter der Negierung des 
Naſſereddin Schah zutrugen. Ich fchließe hieran eine Furze 
Schilderung feiner Perjönlichkeit. Der Schah ftand damals 
im 32. Lebenzjahre. Er ift von mittlerer Größe, eher mager 
ala beleibt. Das Geficht bildet ein gefälliges Oval mit dunfel- 
braunen Augen, ſtark gemölbten und über der Nafe zufammen- 
gewachſenen Brauen, etwas furzem Kinn und umrahmt von 
einem üppigen, nach türkifher Weiſe Furz geichoregen Bart, 
wogegen der Schnurrbart fehr lang über den Mund berab: 
hängt. Seine Hände find ſchön geformt, dagegen die Unter: 
ſchenkel nach einwärts gebogen, welcher Fehler, zwar durch 
meite Beinkleider werdedt, Tich Doch im Gange bemerkbar macht. 
Zu Pferde ift feine Haltung fühn und elegant. Abgerechnet 
eine ſchwache Verdauung und eine erbliche Anlage zu Hä— 
morrhoidalleiden, erfreut er fich guter Gefundheit. Er ſpricht 
ſehr rafch, abgebrochen und ſtoßweiſe — eine Eigenthimlichkeit 
des Kadicharenftanımes —, weiß aber im Geſpräch nach per: 
fiiher Manier jedem etwas BVerbindliches zu jagen. Bor 
jeiner Thronbefteigung wortkarg und unbebolfen, drückt er fich 





38 


Verehrung zollt er dem verftorbenen Czaren Nicolas, welcher 
ihn als Kind, bei einer Zuſammenkunft am Arares, auf den 
Schos genommen, und nicht geringere dem Namen Napoleon; 
es jchmeichelt ihn, wenn Louis Napoleon den Titel Schah 
mit „Kaifer” überjegen läßt und ihn in Briefen ‚Bruder‘ 
anredet. Nicht graufam von Natur, Ipart er doch Fein Blut, 
wenn ihm feine perfönliche Sicherheit oder das Staatswohl 
gefährdet fcheint, wie die Hinrichtung feines Lehrer? und 
Wohlthäters des Emir, die Ermordung des Prinzen Juſſuf 
pon Herat, die maflenhaften Erecutionen der Babis und zabl: 
reihe andere Fälle bemweifen. Seit dem Attentat der Babis 
ſchwebt er in beftändiger Furcht; Tein Unbekannter, die Euro: 
päer audgenommen, darf ſich ihm auf Schußweite nähern. 
Oft war ich auf unfern Reifen Zeuge, wie Landleute, welche 
fich, von Neugier getrieben, etwas zu nahe herangewagt, fofort 
auf königlichen Befehl mit Ruthenftreichen gezüchtigt wurden. 
Zieht der Schah durd) eine Stadt, fo werden die Dächer. aller 
Gebäude von feinen Dienern befegt, um jeden Unberufenen 
fern zu halten. 

Infolge der Untreue von Perfonen, die er durch Wohl: 
thaten jich verbunden zu haben glaubte, namentlich des Ver— 
rath3 feiteng feines ehemaligen Bufenfreundes Paſcha Chan, 
welcher dem Großvezier von der geheimen Correfpondenz 
Mittbeilung machte, hat er überhaupt das Vertrauen zu den 
Menſchen eingebüßt. Eigennutz gilt ihm für die alleinige 
Triebfeder menschlicher Handlungen. So äußerte er zu mir, 
al3 von den in Rußland entdedten Unterfchleifen während 
des Krimkrieges die Rede war: „Die Welt ift überall die- 
jelbe, man ftieblt und ißt das Geld in Europa ebenfo tie 
in ran.” Auch feinem feiner Diener und Beamten traut 
er Gutes zu. Wenn er ihnen fchmeichelt, fie befchentt und 
mit Lob überhäuft, jo gejchieht eg nur aus Bejorgniß, daß 
fie ihn fonft verrathen oder ihm ſchaden möchten. Darım 





42 


und Löwenordens (schire-churschid) zu. Es gibt verjehie- 
dene Grade und Kategorien: mit und ohne Band (hemäil), 
für AInländer und für Fremde (leßterer heißt sitarehdär). 
Die Verleihung ift ftet3 von einem Firman begleitet. Den 
höchſten Würdenträgern wird die Decoration gewöhnlich mit 
dem von Diamanten eingefaßten Bildniß des Königs (timsäl) 
verlieben. Die Farbe des Bandes fol zwar je nad dem 
Ordensgrade verſchieden fein; allein man nimmt eine Farbe, 
wie fie fich eben im Bazar vorfindet. Ein Löwe mit darüber 
aufgehender Sonne bildet au das Wappen des Landes; 
beitimmte Landesfarben fennt man nit. 

Die höchſte amtlihe Würde ift die des Großveziers; fie 
wird durch verſchiedene Titel bezeichnet: Emir eddauleh, 
Itemad eddauleh, Sader-azam, Emir, Kaimakam. Ihm 
find nah Umftänden beis oder untergeordnet: der Vezier der 
auswärtigen Angelegenheiten (vezir däwelet chäredscheh ); 
ber Vezier des Innern (mustäfi el memälek); der Vezier 
der Finanzen (muajir el memälek); der Vezier der Juſtiz 
(vezir adälet); der VBezier de3 Handels (vezir tedschäret); 
ber Dezier für die Verwaltung der Yundationen (vezir 
maukufät); der Minifter ohne Bortefeuille (muschir eddauleh); 
der Kriegsminifter (sepäh sälär); der Minifter der Wiflen- 
Ihaften (vezir älum); der Wolizeimeifter der Hauptitadt 
(kalanter). In gleihem Range ftehen noch die beiden Abd: 
mirale in partibus (dariäbeghi), welche am Kaspifhen Meer 
und am Berfifchen Meerbufen ftationirt find, obwol die Ne: 
gierung nicht eine einzige Schalupe beligt. 

In den Provinzen gehören zu den Würdenträgern (arkan 
u zjäneh daulet, die Pfeiler und Stüßen des Reichs): Die 
Gouverneure (häkem), melde wieder Veziere für bie ein- 
zelnen VBermaltungszmweige zur Seite haben. Der Gouver: 
neur wird vom Schab felbit auf ein Jahr ernannt, die Subgou: 
verneure können von dem Gouverneur ein= und abgejegt werden. 





45 


bereit und im Stande it Anbernjall muıb fie Beleivigungen 
fillibweigend hinnehmen oder ich am eine beirenndete Macht, 
+ 3. au England oder Rußland wenden, um Genugthunng 
zu erlangen: beides im höchſten Grabe erniedrigende Alter- 
nativen. Aus Dieien Gründen merten immer nur Gelandt- 
ihaften ven ben beiten großen Nachbarſtaaten Rurland und 
der Zürfei und nächſtdem die von England, ſolange es jein 
Uebergewidt zur See und deu Beiig von Indien behauptet, 
mit Rugen in Teheran reidiren fönnen. Schon die von 
Aranfreih beruht eigentlich blos auf Convention und Dul⸗ 
dung wegen der Adtung, die der Echab dem Namen Rapo- 
leon zollt. Eine unter Louis Philipp nah Periien gekom⸗ 
mene, von Grafen Sartiges geleitete iranzöñſche Geianntichaft 
ſah tfih bald wieder zur Rückkehr genöthigt. 

Werfen wir zum Schluß einen Blid auf die allgemeine 
Lage des Landes, ic finden wir eine Dynaſtie, welde bi3 
jegt nur ſchwache Wurzel gefaßt hat, einen König, dem zwar 
nicht guter Wille abgeſprochen werden kann, der aber weder 
Kraft noch Ausdauer beiigt, um feine Abiichten durchzuführen, 
und eine entartete Priefterfajte, von welcher ver Schah nicht 
als legitimer Herrſcher anerkannt wird, meil er nicht aus der 
Familie des Propheten ſtammt, die in ihren Augen allein 
zum Chalifat beredtigt ift. In den Provinzen, ven Bedrückun⸗ 
gen der Gouverneure preiögegeben, herrſcht Unzufriedenbeit: 
der Süden war jeher ſchwer zu regieren und jtet3 in halber 
Empörung; der Dften iſt von Turkomanen und Chimanern 
bedrängt und durch Wegführung der Bewohner entoölfert; 
die reihen und ergiebigen Provinzen am Kaspiſchen Meere 
wurden durd lange Misregierung dahin gebracht, daß fie 
nichts ſehnlicher als eine rufiiiche Occupation münfchen und 
in der That auch Schon zweimal darum anbielten; felbit vie 
der Dynaftie bisher treuejte Provinz Azerbeidichan haben die 
Gouverneure durch fyitematifches Ausjaugen zur Verzweiflung 





47 


getrieben; kurz nirgends findet fih eine Spur von Liebe und 
Anhänglichleit an König und Thron. Die Induftrie liegt 
danieder, weil fie mit den Fortjchritten der europäischen nicht 
concurriren Tann. Aus alledem möchte man fchließen, daß 
mit der Zeit das Land eine Beute der europäifhen Mächte 
werden, daß namentlich das Gebiet am Kaspiichen Meer un- 
vermeidlihd an Rußland fallen müffe Bei der allgemeinen 
Unzufriedenheit der Bevöllerung wäre allerdings ein Zug von 
10000 Mann, wie zu Zeiten Xenophon's, nichts Unmöglicheg, 
ja die Hälfte dürfte wielleicht genügen, um ganze Provinzen 
zu erobern. Anders ftellt jih die Frage, ob und wie das 
Eroberte auf die Länge zu erhalten fein würde. In einem 
alten Gulturlande kann man nit tabula rasa machen. 
Mag der Sieger die unterjodhte Nation mit Güte oder mit 
Strenge behandeln, fie wird die Erinnerung an ihre Selb: 
jtändigfeit nicht aufgeben und aus der Gefahr, ihre Natio: 
nalität zu verlieren, immer neue Kraft zum Widerftand 
ſchöpfen. 

Man ſagt, es ſei das Fatum von Großſtaaten, daß ſie, 
ohne es zu wollen, ihre Grenzen beſtändig erweitern müſſen. 
Sie können Beleidigungen von kleinen Nachbarſtaaten nicht 
ungerächt ertragen; es kommt zu Beſchwerden, zu Drohun— 
gen, endlich erfolgt die Beſitznahme. So werde auch Ruß—⸗ 
land über kurz oder lang Peter's des Großen dee, das 
Kaspiſche Meer zum ruſſiſchen Binnenfee zu machen, verwirk—⸗ 
lihen müffen. Sei dem wie ihm wolle, e8 wird Rußland nie 
gelingen, diefe Provinzen fih zu afjimiliren, auch nicht 
durch Errihtung einer Secundegenitur im Kaufafus, die 
übrigens dem Mutterlande keinesfalls großen Segen bringen 
tünnte | 

Betrachte ich die reihen Hülfzquellen, melde Perſien 
befitt, vor allem aber die fräftige und aufgemwedte 





48 


Kaffe feines Volks, jo Tann ib nit umhin, an die 
Wiedererhebung des Landes aus feiner gegenwärtigen 
Letbargie zu glauben. Ein Reich geht unter, wenn die 
Mate feiner Bewohner der Depravation verfiel. Dies ift 
in Perfien nicht der Fall, und darum jteht ihm noch eine 
Zufunft bevor. Dasjenige Volt jedoch, welchem wegen feiner 
Bildungsfähigleit, feines. kriegerifhen Muths, feines Selbft- 
vertrauens und Unabhängigfeitägefühls mit der Zeit die Herr- 
Ihaft über Sentralafien zufallen wird, dürften die Afghanen 
von rein iraniſcher Abſtammung fein. 





50 


Eine einzige furze Strecke, von der Station Imamzadeb 
Haſchem am Sefidrud durch den Gilaner Wald bis Reicht, 
wurde. vor einigen Jahren auf dringende Verwendung des 
ruſñiſchen Conſuls zu Reicht, des Herrn Tegoborsky, gebaut. 
Der Boden des alten Weges war nämlich ic aufgewühlt und 
ausgetreten, daß zur Regenzeit ruifiihe Waaren unmöglich 
von Enzeli nad Teheran transportirt werden konnten. Man 
lichtete an diefer Stelle den Wald, zog Abzugsgräben und 
madte eine Unterlage aus Holzlohlen, die dann mir Fluß⸗ 
fies bevedt wurden. Bon Reicht aus bis zum Kanal Bire 
bazar*) führt aber immer nody der Weg eine deutiche Meile 
weit durch Moraſt und Dididt. Der Kanal ſelbſt in ie 
fhmal und flah, daß zwei mäßig große Kähne nur jchwer 
einander ausweichen können, und wird außerdem durch Die 
vom Ufer hineinreihendzen Baumäfte verengt; denn es darf bei 
Strafe des Handabhauenz kein Ajt beruntergeichlagen werten. 

Shah Abbas der Große ließ einige Karavanenwege am 
Kaspiifhen Meer und den Uebergang über den Kaflankuh 
auf dem Wege nach Tabris mit großen Steinen pflaftern 
(chiaban). Da aber feit etwa 200 Jahren nichts für die 
Ausbeſſerung geſchah, find von jenen Arbeiten kaum noch dürf: 
tige Spuren zu finden. 

Unter den Urſachen der Verabſäumung von Straßen: 
bauten ſteht natürlih obenan die Jndolenz der Regierung, 
welde die reiche Productionsfähigkeit des Lundes nicht zu 
benugen mweiß und von dem Umfang der trog aller Hemm⸗ 
niſſe beitehenden Ausfuhr von. Roh: und Kunfterzeugnifien 
feinen Begriff hat. Der Schab äußerte einmal zu mir: 
„Perſien beutet den Schag feiner edeln Metalle nit aus, 
wir gewinnen unjer Gold und Silber durch Alchemie.” Die 


*) Diefer Kanal, etwa eine Meile lang, minpet in das Murb-ab 
(todtes Waſſer), welches durch Haffbildung vom Meere gefchieben if. 





52 


gang möglich iſt, hemmt die Schabhaftigkeit einer Brüde oft 
für lange Zeit die gefammte Communication. 

m Sommer 1854 Tehrte ih von Maſanderan längs 
des Fluſſes Häras nah Teheran zurüd. Da diefer Fluß 
zwiichen fteilen Yelswänden fi) durchwindet, wäre das Thal 
unzugänglid, wenn nicht Schah Abbas einige Stellen in den 
Kalkfelfen eingehauen und fo, bald das rechte bald das Linke 
Flußufer benugend, eine Art Straße gefhaffen hätte Allein 
‚viele der Brüden und Dämme find bereit3 verfallen, und der 
Weg ift nur noh im Sommer bei trodenem Wetter, und 
auch da nur unter großen Schwierigkeiten und Gefahren zu 
paffiren. Eine Stunde vor der Station Ask überfiel uns 
ein heftiger Regen, an das Fortjegen der Reife war nicht 
zu denken, die Karavane blieb in einem elenden Karavanjerai; 
wir aber mußten wegen Mangel an Platz in einer Höhle, 
dergleichen zu diefem Zweck an verſchiedenen Orten Fünftlich 
in den Lehmbügeln eingegraben find, Unterkunft ſuchen. In 
der Nacht wurde die vor uns liegende Brüde weggeſchwemmt, 
ſodaß nichts übrigblieb ald auf improvilirten Wegen an den 
Ihroffen Felswänden binzullimmen. Anfangs verfuchte ich, 
zu Fuß meiter zu fommen, doch ich bemerkte bald, daß mein 
Pferd mweit ficherer ging als ich ſelbſt, und überließ mich rei- 
tend meinem Schidfal; ja ich gab fogar, da ich fehon mehrere 
Nächte ſchlaflos zugebracht, zeitweife der unübermwindlichen 
Neigung zum Sclafe nad, erſt beim Erwachen gewahr mer: 
dend, über welch gefabrvolle Stellen das Thier mich glüdlich 
binmweggetragen hatte. Seit diefer beſchwerlichen Reife fand 
ich feinen Weg mehr ſchlecht und unprakticabel. Nach zehn: 
ftündigen Kreuz: und Querzügen gelangten wir endlih in 
das Städtchen Ast. Bon der Karavane, welche fehr zahlreich 
war, denn die Thalbewohner bezoger eben, von Amel in 
Mafanderan Fommend, ihr Yeylok (Sommerquartier) in den 
Bergen von Laridfehan am Demawend, verunglüdte aber eine 





7 
® 


54 


geboten, ein ganzer Bezirk zerftört und entwölfert, und 50 
Menſchen kamen dabei ums Leben. Selbitveritändlih muß 
das mit enormen Koften begründete Unternehmen ohne allen 
Ertrag und Nugen bleiben. ° 

Auch beim Transport von Kanonen und Munitions: 
wagen in die fernen Provinzen wird viel Kraft, Zeit und 
Menschenleben vergeudet. Steinfohlen, welche in unerjchöpfs 
lihen Maſſen ſechs Meilen von der Hauptitadt zu Tage liegen, 
werden auf dem Rüden von Eſeln transportirt. Daher ift 
der Preis der Kohle in Teheran etwas höher als in Wien; 
530 wiener Pfund werden durchſchnittlich mit 1 — 1%, boll. 
Dukaten bezahlt. 

Der König und einige Große des Reichs beſitzen Des 
Bompes halber Kutſchen (koliskä), fo ſchwerfällig diefelben 
auch fortzubewegen find. Die Diener müfjen den Wagen an 
abihüfligen Stellen zu beiden Seiten mit Striden halten und 
über Waflerriffe nach echt argonautiſcher Weife auf ihren 
- Schultern binübertragen. 

Selbſt von der Hauptftadbt bis in das nächſte Luſtſchloß 
des Shah, Niaveran am Fuße des Elburz-Gebirged nur 
1Y/, Meile in der Ebene entfernt, wird troß der bedeutenden 
Frequenz feine Straße unterhalten; Gerölle, Erdriffe und 
offene Wafferleitungen durchſchneiden an vielen Stellen 
ben Weg. 

Um die Felder zu bewäſſern, namentlich die Reisfelder 
am Kaspiihen Meer, leitet man nicht felten das Waffer von 
einem zum andern quer über den Weg und verwandelt da- 
durch lange Streden in einen grundlofen Sumpf. Die Kara- 
vanen mögen ſehen, wie fie fich weiter helfen. Paßt es dem 
Landmann, fo benugt er den Öffentlichen Weg zum Anbau oder 
zur Vereinigung zweier Grundftüde, und die Aufgabe der Rei⸗ 
jenden ift es dann, fih einen neuen Weg zu fuchen. 

Gafthäufer im europäischen Sinne des Wort find un- 





66 


Höhe von beiläufig 6000 Fuß verliert das Klima vollftändig 
feine verderblihe Wirfung. 

Weit überſchätzt werden gewöhnlich die Gefahren für die 
Sicherheit der Berfon und des Eigenthums, denen der Rei: 
ſende in Perſien ausgefegt if. ch habe das Land in den 
verfchiedenften Richtungen durchreiit, in Karavanen, blos in 
Begleitung meiner Diener, auf Boftpferden, oft nachts viele 
Meilen weit durch Steppen und Einöden, und nie ift mir 
etwas Erhebliches auf dem Wege zugeftoßen. Meines Wiſſens 
wurde in den legten zehn Jahren Fein Europäer gemaltiam 
des Lebens oder Vermögens beraubt. 

Die meifte Sicherheit bezüglih der Perfon ſowol wie 
des Gut3 gewährt der Anſchluß an eine Karavane. Nur 
höchſt felten Fommt. e8 vor, daß eine Karavane mit Gemalt 
angegriffen wird, und, wenige Fälle ausgenommen, merden 
dann die Räuber ſehr bald entvedt und zur Strafe gezogen. 
Denn da der gefammte Handel des In: und Auslandes durch) 
Karavanen vermittelt wird, muß die Regierung auf deren 
Schub bedacht fein und jede Beraubung derjelben aufs ftrengfte 
ahnden. In den meiten Ebenen kann ein Ueberfall nur zu 
Pferde, und megen der Stärke der Karavane nur durch eine 
Schar von 20— 30 Berittenen ausgeführt werden. Nun 
find aber faſt alle Dörfer mit hoben Mauern umgeben, aus 
welchen ein einziges des Nacht3 verfchloffen gehaltenes Thor 
ins Freie führt. Es ift aljo unmöglih, daß ein Haufen 
Berittener ohne Willen und Zuftimmung der ganzen Ein: 
wohnerſchaft aus: und einpaffire. Ebenſo wenig können von 
weiten berfommende Räuber unentbedt .bleiben, wenn der 
Gouverneur des Bezirks die erforderlihen Maßregeln ergreift. 
Aus diefem Grunde wird man die Einrichtung ganz praktiſch 
finden, daß menn eine Karavane geplündert worden, zunächſt 
ber Gouverneur den Schaden erfegen muß. Belonders können 
Europäer, weil die Regierung die Neclamationen der Geſandt⸗ 





BEE. 


. 


Arabeöien. Es gibt Steiichneider in Ferien, welche & in 
ihrem Jah zu großer Meinerichaſt gebracht baben. 

Der Engrrd-Berlaut ven Buuren geſchiedt mein gegen 
geñegelten Barat (Schuldichein) auf 6 Menat Ziel mit Zus 
ſchlag von 12 Procent Tiẽſcont. Im allgemeinen iſt der 
Kaufmannskand ſolid, umd die eingegangenen Berbindlic: 
feiten werden, wenn aud nicht immer zur feitgejegten Zeit, 
redlih erfüllt. Bankrotte Tommen äußerft jelten ver, ſodaß 
e3 bei Abwidelung kaufmãnniſcher Geichäfte fait nie der Inter⸗ 
vention des Handelsminiſters (gegenwärtig Mahmud Chun 
Karaghuslu, früher Botihafter am Hofe zu St. Petersburg) 
oder eines eurepäiſchen Conſuls bedarf. Richt je prompt 
pflegen die Ehane und die Beamten, welche oft Gelder gegen 
Barat mit enormen Zinjen aufnehmen, ihren Zuhlungsver: 
bindlichleiten nachzulommen. Sie machen zur Verfallgeit Ein: 
mwendungen, oder verreijen, oder jind inzwiſchen infolge von 
Erprefiungen feitens ihrer VBorgefegten verarmt. Von den 
Bläubigern werden dann langwierige Proceſſe geführt und 
die europäifchen Conſuln um Vermittelung angegangen, die 
ihnen aber, da es fich meift um wucheriſche Darlehne handelt, 
nicht gewährt werden kann. Daher jene häufige unbegründete 
Klagen, die Conſuln vernadläfjigten die Interelien ihrer - 
Nationalen und Schußbefohlenen. Früher waren es befone 
ders Armener, ruffiiche Unterthanen, welche dergleichen Wuchers 
geſchäfte betrieben und viele Familien dadurh zu Grunde 
richteten. Dank den anerlennenswerthen Bemühungen eines 
ruffiihen Diplomaten haben ſich jedoch in den legten Jahren 
dieje Verbältniffe wejentlich zum Vortheil verändert. 

Auch die Regierung ftellt bei ihren Ankäufen und Bu 
ftellungen von Tuch, Waffen und andern Armeebedürfniſſen 
einzelnen, gewöhnlich europäiihen Kaufleuten Barate aus, 
die auf den Steuerertrag einer beftimmten Provinz angewiefen 
und immer bonorirt werden. Ebenjo erhalten die in pers 





IV. 
Viehzucht und Bodencultur. 





Das Nomabenthum. Urfachen beffelden. Sitten unb Charakterzige ber 
Nomaden. Schafe. Ziegen. Rinder. Kamele. Ejel und Maulthiere. 
Nomadenlager. Weidepläge. Abgaben. Das Pferb (Raſſen. Geſtüte. 
Geſchlecht. Farbe. Preis. Drefjur. Fütterung. Stallung. Sattel. 
zeug. Hufbeſchlag. Wartung. Krankheiten und Seuchen). Aderban. 
Künftlihe Bewäfferung. Dörfer. Beſitzverhältniſſe. Grundſtener. Me- 
thode bes Feldbaus. Heufchreden und Wanzen. Biehftand. Körner- 
früchte. Gemüſe. Wein und Obſt. Seidenraupenzudt. Delfrüchte. 
Farbepflanzen. Baumwolle. Roſen. Zuckerrohr. Wälder. 


A. Die Nomadenwirthſchaft. 


Mehr als ein Drittheil der Bevölkerung Perſiens be 
fteht gegenwärtig aus Nomaden. Mancherlei Urfachen haben 
dazu mitgewirkt, daß in dem einft ganz von feßhaften, ader- 
bautreibenden Völkern bewohnten Lande das Nomadenthum 
ih ausbreiten Fonnte. Die bauptjählihfte darunter war 
das Eindringen der Religion Mohammed's, denn der Islam, 
von Wanderftämmen ausgegangen, entiprit vorzugsweise 
den Bedürfniſſen des Nomadenlebens. 

Die big dahin in Berfien herrſchende Lehre Zerdufcht’s 
(BZoroafter’3) leiftete mit weiſer Abficht der Bodencultur allen 





102 


noch ein Kleines Tuppelartiges Zelt (aletschek) aus gebogenen 
Holzreifen und mit didem Filz überzogen, welches ihm und 
feiner Familie bei raubem Wetter zum Aufenthalt dient. 
Ringsumber, oft weit über die Steppe zerjtreut, gruppiren 
fih die Zelte der einzelnen Yamilien de3 Stammes. Gie 
befteben aus ſchwarzem Ziegenhaar und enthalten den geringen 
Hausrath nebit einigem Geflügel. Ihre vordere offene Seite 
wird durch einen im Halbfreis aufgeichichteten Steinwall ab- 
gegrenzt. An Verſchluß feiner Habe denkt der Nomade nit; 
denn Diebitahl im eigenen Stamm iſt felbjt bei den raub- 
jüchtigften Horden unerhört. Die Männer hüten den Tag 
über zu Fuß oder zu Roß, von ihren Hunden begleitet, die 
Heerden, während die Frauen ſich mit der Milchwirthſchaft 
und dem Hausweſen beſchäftigen. 

Iſt ein Lagerplatz abgeweidet, oder nöthigt die raube 
Sahreszeit oder eine ausgebrochene Biehjeuche zum Verlaſſen 
dejlelben, jo paden fämmtlihe Familien ihre Zelte zufammen 
und paſſiren gruppenweis mit ihren Heerden vor dem Chef 
die Revue (sän), welche bei zablreihen Stämmen mebrere 
Tage dauert. Mit dem Zelt: und Hausgeräth find die Ka— 
mele beladen; die Weiber und Kinder Tauern auf Efeln, 
Pferden und Maulthieren; der Mann aber geht, mit einem 
diden Stabe bewaffnet und von jeinem Hunde begleitet, zu 
Fuß nebenher, denn es gibt ftet3 etwas zur Erhaltung bes 
Gleichgewicht? an den Laften zu ordnen, mitunter auch wol 
. einen feindlichen Angriff abzumehren. Zulegt bricht der Chef 

jelbjt auf, und die bis dahin fo belebte Gegend wird einfam 
und öde, fogar alle Vegetation fcheint von ihr verſchwunden; 
doch die zurüdgebliebenen animaliſchen Stoffe befruchten den 
Boden für die nädhltjährige Saifon zum wiederermachenden 
Leben. | 

Der meitausgedehnte Zug eines auf der Wanderung be 
griffenen Nomadenjtamms bietet einen böchft malerifchen An 





104 


den firirten Abgaben dem Schah ſowol wie. den Miniftern 
Geld, Shawls, Pferde u. ſ. mw. als unfreiwilliges Geſchenk 
zu überjenden. Wo die Stüdzahl des abgabepflichtigen Viehes 
vonder Regierung nicht ermittelt werden Tann, 3. B. bei 
dem großen Stamm der Kaſchgai, zahlt der Ilchani nad 
eigener Schäßung eine jährliche Abfindungsfumme Außer⸗ 
den hat jeder Tribus ein Regiment zu den regulären Truppen 
zu ftellen und eine Schtvadron irreguläre Cavalerie (säwäre- 
radif) auszurüften, welche zeitweilig den Dienft an den Landes: 
grenzen verliebt. Ich ſah mehrmals ſolche Reitertrupps auf 
dem Durchmarſch durch Teheran vor dem Schah die Revue 
pafjiren und bewunderte ihre prächtigen Pferde, ihre filber: 
verzierten Waffen und die lungen Flintenläufe aus Damas- 
ceneritahl. Viele SI, darunter die Legs und Bachtiaris in 
Arabiſtan, fuchen ſich jedoch der Oberhoheit des Schah zu 
entziehen und verweigern regelmäßig die Steuern, bis der 
Gouverneur einen Tſchapaul gegen fie unternimmt und alles 
Vieh nebit ſonſtigem Beſitzthum, deſſen er habhaft werden 
kann, mit ſich fortführt. 


B. Das Pferd. 


Das Pferd (asb, in zujammengelegten Namen asp, 
wie Lorasp, Histasp: Ritter von ..) bat zwar feine un: 
mittelbare praftifche Bedeutung für den perjifhen Haushalt, 
injofern Kamele, Ejel und Maulthiere zum Transport fowol 
bon Saden wie Menſchen dienen und der Pflug ausſchließlich 
von Rindern gezogen wird; dennoch greift das Pferd tief 
ins Nationalleben der Perſer ein, die fid) immer noch mit 
Stolz ein Neitervolf nennen. Pferd und Schwert (asb u 
schemischir) gelten ihnen für Zeichen des freien Mannes und 
find in den meilten ihrer Traditionen unzertrennlich mit 
einander vermebt. 





106 


deren rafhen NRaubzügen, wobei fie oft 100 geographilche 
Meilen in 6— 8 Tagen zurüdlegen müffen, erzogen. „Das 
Pferd muß Knochen und Sehne werden” fagt der Turko⸗ 
mane, und er gewöhnt es daran, daß es fich unterwegs mit 
etwas Gerfte und mit Fettihwanz zur Stillung des Durftes 
begnügt, daß e3 fih nie von dem Haufen trennt*) oder zurück⸗ 
bleibt, und daß es fih durch Beißen und Ausſchlagen mit 
den Hufen am Kampfe betbeiligt. Unter der Behandlung der 
Perſer hingegen degenerirt die Rafje; fie wird ftörrig, dumm, 
ift auf unebenem Terrain, bejonders bergab kaum zum Reiten 
zu brauchen, bedarf um die Hälfte mehr Futter ala das 
arabiſche Roß und leidet häufig an Katarrh und andern Krank⸗ 
beiten. Demungeacdtet find die Turkomanenpferde bei den 
perfiihen Großen zum pomphaften Ritt durch die Straßen 
der Stadt ſehr beliebt. Bei Feten und religiöjfen Spielen 
läßt man diefelben, reich angejchirrt, ala Handpferde (jedek) 
umberführen, und auf Neijen der- Gouverneure, Prinzen und 
Geſandten dem Zuge vorausgehen. Gute Reſultate ergibt 
ihre Kreuzung mit arabiihem Blute. 

3) Das kurdiſche Pferd gilt zwar nicht für edel, 


*) Dieje Gewohnheit behält e8 auch in Perfien bei. Ich ritt einft 
auf einem ſchönen Turkomanenroſſe, einen Geſchenk des Schab, durch 
die Witte nach Teheran. Noch etwa zwei Meilen von ber Stadt entfernt, 
löſte fih dur Zufall der Zügel und in rafender Eile fprengte das Thier 
mit mir davon. Ich Hammerte mich, fo gut es ging, mit ben Schen⸗ 
feln feft, jeden Augenblid fürdtend, in einen offenen Kanal geworfen 
zu werden. Zu meinen Erftaunen aber hielt e8 nach einem Laufe von 
dreiviertel Meilen plöglic an und ftellte fi ruhig zu einem Rubel dort gra- 
fender Pferde, die es aus fo weiter Ferne gewittert hatte. Aus Berbraß 
über den Vorfall verkaufte ih e8 Tags darauf für 65 Dulaten. Ginige 
Zeit nachher fragte mich einmal ber Schah, was ich mit meinem Pferbe 
gemadt babe, Ich erzäblte das Gefchebene, worauf er, nıich belehrend, 
äußerte: „Du thateft unrecht, das ſchöne Thier um einen fo billigen 
Preis wegzugeben. Es war bei weitem mehr werth und folgte in jenem 
Galle nur der ihm anerzogenen Gewohnheit.‘ 





116 


Wechſel der Herrihaft und befämpften einander in blutigen 
Schlachten; die aderbautreibende Klaſſe aber überlebte alle 
Stürme, immer wieder der Cultur des Bodens fich zuwen⸗ 
dend. Sofehen wir aud in den jegt nicht mehr zu ran gebö- 
renden Ländern, in Segiftan, Chima, Buchara, Afghaniftan 
u. ſ. w., die unterjochten Ureinwohner, unter Dem Namen der 
Tadſchik Aderbau, Gewerbe und Handel treiben. 

Seiten? der gegenwärtigen Regierung Perfiend erfreut 
fih der Landbau night der geringiten Förderung; dennod 
rafft er fich ftetS wieder auf, jobald nur einigermaßen Rube 
und Ordnung im Reiche herrihen. Die Landwirthbe maden 
feinen Anſpruch auf Unterftükung durch Rath und That; 
fie find zufrieden, wenn die Erpreffungen der Regierung nur 
nit einen Grad erreihen, der ihnen die Erijtenz unmöglich 
macht. 

Culturfähiger Boden iſt im Ueberfluß vorhanden, aber 
es gilt unter dem regenloſen Himmel Irans vor allen Dingen, 
ihm die nöthige Feuchtigkeit zuzuführen, ſoll er nicht zu un- 
fruchtbarem Staube verdorren. Das Bedürfniß macht erfin- 
deriſch, und jo haben die Perſer von jeher ihren Scharflinn 
angeftrengt, um auf mannichfahe Weile den Mangel an 
Wafjerniederijhlägen zu erjegen. Als die gebräudlichften 
Anftalten zur fünftliden Bemwäfferung der Felder 
nennen wir: 1. Unterirdihe Leitungen (ksenät), 2. ger: 
theilen und Ableiten der Flüſſe, 3. Dämme und Schleufen, 
4. Brunnen. 

Das Aufjuhen von Uuellen und die Anlage von Leis 
tungen und Kanälen bildet ein eigenes Gewerbe, das der 
Mulanni (Brunnengräber). Aus der Geftaltung des Ter- 
raind wie aus gewiſſen Merkmalen der Vegetation fchließt 
der Mufanni mit ziemlicher Sicherheit auf eine in der Tiefe 
ſprudelnde Duelle. Um jebod feine Wiffenfchaft mit einem 
myſtiſchen Schein zu umkleiden, gibt er gemöhnlich vor, ein 





120 


aus denen man im Frühling und Sommer durch geöffnete 
Schleufen die Felder tränkt. Ein ſchönes Werk diefer Art 
ift das, welches die Gebirgämäfler des Engpaſſes Kahrud 
auffängt und der Kaſchan-Ebene zuführt. Durch den Bau 
eines ähnlichen Baflins am Engpaß bei Paskaleh ließe fi 
die ganze Umgegend von Teheran fruchtbar maden; allein 
die jetige Regierung bat nicht den Willen, für gemeinnütige 
Zwecke Summen zu verausgaben, obgleich fie in der Zukunft 
hundertfältige Zinfen tragen würden. In frühern Jahrhun⸗ 
derten ftaute man auch durch Wehre die großen Ströme in 
der Ebene von Perjepolis und in den weltlichen Theilen des 
Reichs, wodurd weite Gebiete der Cultur gewonnen mwurben, 
die jegt vertrodnet und brach liegen. 

Außer den bisher genannten Bemäfferungsanftalten be- 
dient man fi no der Schöpfbrunnen, um' das für den. 
Feldbau nöthige Wafler zu erhalten. Der Eimer wird an 
einem langen Strid herabgelaſſen; ift er gefüllt, jo ziehen. 
ihn Ochſen, welche an die Welle geipannt find, indem fie 
einen vor dem Brunnen befindlichen Heinen Abhang hinab: 
getrieben werden, mit feiner Waflerlaft herauf. Dergleichen 
Brunnen fah ich in den Bärten und Feldern um Ispahan 
und Schiraz, bejonders viele in dem Flecken Sergän bei 
Perſepolis. 

Uebrigens gibt es auch Gegenden in Perſien, wo der 
im Frühling fallende Regen den Boden zur Aufnahme der 
Saat hinlänglich erweicht, ſodaß deimi (Naturbau, im Ge: 
genſatz zum äbi, dem Anbau mittels künſtlicher Bewäſſerung) 
getrieben werden kann. Das Getreide der Deimſaat iſt nas 
türlich ſchwerer und kerniger, denn feine künſtliche Bewäſſe⸗ 
rung vermag den Regen des Himmels vollkommen zu er⸗ 
ſetzen. So enthält 3. B. der Agyptiiche Weizen, ungeachtet 
ber Bewäſſerung des Bodens mit dem ſehr bumusreichen Nil- 
waſſer, viel weniger Kleber al3 der in Europa erzeugte. 





122 


förmig übereinander. Als ein Beiſpiel dieſer Bauart bat ſich 
ber. Sleden Yezdechaſt erhalten; Ruinen folder Gügelbörfer 
findet man noch häufig. Unmittelbar um die Ringmaner bes 
Doris liegen die Aecker und Gärten, an der äußern Peri⸗ 
pherie durch eine zmweite dünnere Lehmmwand eingebegt. Die 
Häufer find ebenfal3 von geitampftem Lehm unb enthalten 
einen nad vorn offenen Raum, der zugleich als Küche dient, 
und zu jeder Seite deflelben ein Gemach, dad Männers und 
das Frauengemach. Längs der Fronte läuft eine auf abge 
.Ichälten Pappelſtämmen rubende Beranda bin, unter deren 
Schutz in großen, mit Thon und Kuhmiſt verdichteten Weiden: 
törben das Getreide und anderer Mundvorrath lagert. Huf 
den flachen Dächern wird Heu und Winterfutter in Schobern 
aufgehäuft. Ställe und Scheunen umgeben zu beiden Seiten 
die anſehnlichern Gehöfte. 

Unter den Bauern herrſcht faſt durchgängig Monogamie. 
Die Weiber verrichten ſelten Feldarbeit, ſondern beſchäftigen 
ih mehr mit der Küche und Milchwirthſchaft, mit Inſtand⸗ 
baltung und Augbefjerung der Hütte, mit Anfertigung von 
Filzen, Teppichen oder allerhand groben Geweben aus Wolle 
und Samelot. Das Getreide zum Brodbaden mahlen fie in 
Handmühlen. Zum Buttern bedienen jie fich nicht eines Faſſes, 
jondern eines Schlau. Derfelbe wird, nachdem die Sahne 
bineingefchüttet, wie eine Matte zwiſchen zwei Bäumen aufs 
gebangen und jolange geſchwungen, bis die Butter ſich ab: 
gelondert bat. 

Hinfihtli der Beſitzverhältniſſe zerfällt das bebaute 
Land in folgende Kategorien: 1) Arbäbi; 2) Rayeti; 3) Walf; 
4) Chaleſſe; 5) Zujul; 6) Milkechãs. 

Arbäbi heißen die einem einzelnen Beſitzer (arbäb) 


ſcheinlich bienten fie zu religiöfen Zweden; auch als Signalftationen mögen 
fie benußt worben fein. 











123 


ungeheuere Summen die Gouverneure erprefien, mag man 
daraus abnehmen, daß zwei Onkel des Schab, Sa Chan 
und Amir Aslan Chan, mährend mehrjähriger Verwaltung 
ihrer Stellen troß de8 großen Aufwandes jeder beinahe eine 
Million Tuman auf die Seite gebracht haben jollen. Der 
Schah weiß das ſehr wohl, glaubt aber e& nicht ändern zu 
fönnen. Er gab in meiner Gegenwart dem Nachfolger Iſſa 
Chans bei feinem Abgange nach der Provinz Chamſe folgende 
Inſtruction: „Mein Onkel hat die Provinz ziemlich hart 
mitgenommen; fieh zu, daß die Leute leben können, denn fie 
find arm und geduldig (fakır ädem est).” Dennoch ward 
.turze Zeit darauf demfelben Iſſä Chan das Gouvernement 
einer andern Provinz anvertraut, und das in der officiellen 
Zeitung abgedrudte Diplom lautete: „In Betracht, daß 
fa Chan durch gute Behandlung der Rayets (rayet-peresti) 
und durch Pflege der Landescultur jich bejonders ausgezeichnet, 
ernennen wir ihn zum Gouverneur von Ispahan, damit er 
in gewohnter Weile das Wohl diejer Provinz fürdere ...“ 

Mitteld der unter dem jehigen Schah ind Leben getres 
tenen Einrihtung, wonach dem Gouverneur ein ad latus 
(Vezir) beigegeben wird, wollte man der Willfür der Gou⸗ 
verneure eine Schrante ſetzen. Leider ift aber das Uebel da- 
dur) nur verjchlimmert worden. In der Verwaltung madt 
ih feitdem ein hemmender Ziviefpalt der Negierungsorgane 
bemerkbar, während beide in den Beitreben, das Land fo: 
viel als möglich auszubeuten, volfommen miteinander eins 
verjtanden find. Man muß fi in der That wundern, daß 
die gequälten Bewohner nicht öfter gegen die furchtbare Mis: 
regierung der Gouperneure in offene Empörung ausbreden. 
Solange ih mid) in Lande aufbielt, geſchah dies nur zwei: 
mal in-Gilan und cinmal in Tabris (Azerbeivihan). In 
legterer Provinz bat der Gouverneur ſtets einen ſchweren 
Stand, weil bier vor länger als einem halben Jahrhundert 





130 


unterweg3 von den Spionen des Gouverneurs aufgegriffen 
und für feine Verwegenheit gezüchtigt zu werden. Falls er 
aber glüdlih die Hauptſtadt erreicht, wie fol er dem Schah 
feine Klage vorbringen, da fein Unbelannter demfelben auf 
Schußmeite ji) nahen darf und jeder, der etwa aus der Ferne 
durh Schwingen einer Bittichrift (arizeh) deſſen Aufmerk— 
ſamkeit auf ſich zu lenken jucht, von der höfifchen Umgebung 
als ein Wahnmigiger (diwäneh) bezeichnet und Jofort den 
Augen des Herrſchers entzogen wird! Die einzig mögliche 
Ausficht auf Erfolg bietet das Aſyl bei einer: einflußreichen 
Perſon. 

Außer der ungerechten Beſteuerung hat die ackerbautrei— 
bende Klaſſe noch eine Menge anderer Plackereien zu erdulden. 
Von den Schädigungen, welche ſich durchmarſchirende Truppen 
an Häuſern, Bäumen, Vieh und Feldern der Dorfbewohner 
ungeſcheut erlauben, iſt jchon die Rede gemejen. ch erwähne 
bier noch, al3 einer befonders drüdenden Lajt für dag Land, die 
Reifen des Schah und der Negierungsbeanten. In jedem 
Dorf, das der Schah auf feinem Wege berührt, müſſen ihm 
Geſchenke überreiht und Lebensmittel für fein ganzes Gefolg: 
ohne Entgelt geliefert werden. Wohlhabende Gemeinden jenden 
daher Geſchenke an die Kammerherren, damit diete durch aller: 
band PVorfpiegelungen den Schah zur Wahl einer andern 
Route beſtimmen. Es gelingt ihnen in der Regel, und der 
Zug geht dann gerade durch die ärmern Bezirke, welche dir 
Mittel zur Beltehung der Höflinge nicht aufbringen Tonnten. 
Wenn ein Negierungsbeamter reift, jo läßt er ſich eine Mari: 
und Verpflegungsfarte (taalike) ausitellen, auf deren Bor: 
zeigung die Dorfgemeinden gehalten find, ihn und feine Leute 
mit allen Reifebedürfniffen (sursät) zu verſehen. Oft begnügt 
er tich aber nicht mit den nöthigen LZebensmitteln und dem 
Futter für die Reit: und Laſtthiere, jondern verlangt aud 
obendrein Yuder, Thee, Stearinferzen, kurz Dinge, melde 





132 


bins und berzichen. In Niebuhr’3 Arabien”, ©. 158, 
Taf. XV. H., befindet fi eine Abbildung Diefes fehr prakt: 
tiichen Apparats. 

Im allgemeinen werden die Felder nicht mehr als einmal 
des „Jahres bebaut und bleiben, weil in den meiften Gegenden 
die zu befchaffende Waflermenge für das cultivirte Land nigt 
binreicht, das nächſte Jahr brach (bäjır) liegen. Nur in 
der Umgebung größerer Städte und in den Bezirfen Ispahan 
und Yezd ilt die Anwendung des Dünger (kut) zum Be 
fruchten der Gärten und Felder in Gebrauch. Dort zieht 
man nad) der eriten Ernte noch Melonen, Surfen und Rüben. 
Man unterjcheidet demgemäß Winterfrudt (schatui) um 
Sommerfrüdte (seifi). In der Stadt Ispahan bildet fo 
gar die Düngerfabrifation einen nicht unbedeutenden Induſtrie⸗ 
zweig; es werden nach verjchiedenen Necepten tbieriiche Ab 
fälle, faule Blätter, Sand, Gips, Kalt, Aſche u. ſ. w. man 
nichfach gemischt, geformt und nach erfahrungsmäßigen Grund: 
lägen diefe oder jene Aecker und Saaten damit gevüngt. Auch 
Thürme zur Aufhäufung von Taubenmiſt, deren Conftruction 
Chardin in jeinem Reiſewerk gefhildert hat, ſind dafelbit von 
der Gemeinde angelegt; der gewonnene Guano wird gleid: 
mäßig unter die Bürger verthbeilt, doch bleibt es dem em: 
zelnen unbenommen, für ſich allein ebenfalls einen Tauben 
tburm zu bauen. 

Der Schnitt und das Einheimjen der Frucht erheifcht 
in Persien nicht ſolche Eile wie in europäiſchen Ländern. 
Anbaltend trodenen Wetterd um die Erntezeit ficher, Tann 
der Landwirth diefem Geſchäft mit aller Muße nachgeben. 
Die Zeit der Ernte varüirt fowol zwischen weit voneinander 
entfernten Provinzen — in Nrabiltan bereits im März be 
ginnend, nimmt fie in Kaſchan erit im Juni, und in der 
Umgegend von Teheran im Juli ihren Anfang —, als aud 
ebenso ſehr zwiſchen nahen, aber auf verjchiedener Höhenſchicht 





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„Id — vn, Dr ur z m wur... = .72.7 wat rn nenn ee So. ⁊ 4 


Baba 22 SS STLTiNEn Zeituesir. Zurt Od 


werte vr: Z Ubreden sin mim Soac ans dom Bricht 
„er zizziz, ben "turdus purpsireus (murgsär) getedtet. 
Kehb zinem unter den Kerken sdgemein verbreiteten Aber: 
aleuien lodt Las Wanſer ven ciner Imamzade bei Meichbed 
11 Murqgiars herbei, tocgegen Lie Armener dem Wamſer vom 
Mlojter Udiſch miazin Die gleiche Kraft zuichreiven. (Niebuhr, 
„Arabien“, 2. 174). Faſt ebenſo gerürdtet wie die Heu: 
ſchreden it eine Wanze, Graphozona Iineata (sin), welde 
die urlinen Mörner verzehrt und mandes Jahr to majjenhaft 





156 


perennirt; jauere Gerfte (dschau-tursch), die zuerft purgi- 
rend wirft, dann aber das Vieh fett- macht, daher man von 
ihr fagt: „schikem wä mikuned“, d. h. fie öffnet den Leib 
und ftärkt die Verdauung, und zu deren Ausfaat man, wie 
nir berichtet wurde, Geritenlörner nimmt, die mit den Excre⸗ 
menten der Thiere abgingen. Gutes Winterfutter für Schafe 
geben auch die getrodneten Blätter und Sproſſen verjchiedener 
Umbelliiferen, befonders der Ferulaceen. F. gummi galba- 
num, vom Volke kuma genannt, bringt auf die Pferde, 
wenn friih genoſſen, eine aufregende Wirkung bervor. In 
der Gegend zwiſchen Ispahan und PMezdechalt freſſen die 
Schafe im Frühling Dorema gummi ammoniacum, zwiſchen 
Berjepolis und Parlagird ſogar Asa fetida, wovon Butter 
und Käſe einen böchft unangenehmen Geſchmack annehmen. 
Von Geflügel zieht man nur Hühner, namentlich viele 
fogenannte Kalkuttahühner. Da jie nie gefüttert werden, 
fondern ihre Nahrung im Straßenkoth ſuchen müffen, ijt das 
Fleiih wenig ſchmackhaft. Zruthühner (bukalamu), ſchon 
vor 200 Jahren von den Jeſuiten in Ispahan gepflegt, waren 
gänzlich verſchwunden und find erit in neuefter Zeit wieder 
eingeführt worden, daher noch jehr rar. Gänfe und Enten 
werden in großer Menge wild geichoffen, aber nicht aufge 
zogen, weil der Perſer ihr Fleiih verachtet. Tauben hält 
man fi in den Städten zun Vergnügen; es gibt paſſionirte 
Zaubenliebhaber (käfterbäz), die ganze Tage auf den Dächern 
zubringen und fi mit dem Anloden und Wegfangen fremder 
Zauben bejchäftigen. Daß wilde Tauben des Guano wegen 
berbeigelodt werden, habe ich oben erwähnt. 
Culturpflanzen producirt das Land in reicher Mannid: 
faltigkeit. Nachftehend feien die wichtigiten Arten aufgeführt. 
Die Körnerfrühte (galleh) gedeihen fait in allen 
heilen des Reichs; doch find vorzüglich die Provinzen Azer: 
beidſchän, Chamfe, Hamadan und Kirmanfchäh als Getreide 





138 


und zur Reife zu bringen, haben die gelungenen Verſuche, 
welche in jüngjter Zeit von einzelnen intelligenten Landwirthen 
mit dem Anbau gemacht wurden, genügenden Beweis gelie- 
fett. Bon den verichiedenen Sorten des Reiſes gilt die 
unter dem Namen tschampe befannte als die vorzüglichite. 
Sie wird um Shiraz gebaut, ftanımt aber aus Pifchawer, 
woher auch nad) einigen Jahren, jol die Pflanze nicht dege— 
neriren, der Same wieder frifch bezogen werden muß. Der 
Vorzug des Tſchampe-Reiſes bejteht hauptſächlich darin, daß 
er wenig fchleimt, folglich die Körner beim Kochen nicht an- 
einanderkleben. Ihm zunächſt an Güte fommt der amberbu 
von Mafanderan, der gleichfall8 nicht viel Schleim abfondert, 
aber während des Kochens einen eigenthümlidhen, mie von 
Mäufen berrührenden Geruch verbreitet. Aus den geringern, 
mehr Schleim enthaltenden Sorten kocht man die mucilagi- 
nöfen Suppen, das Lieblingsgericht der mittlern Volksklaſſen. 
Um die Reiskörner von den Hülfen zu befreien, werden ſie 
mit Salz vermiiht und dann mittel eines Fallbalkens ge 
pocht. Händler mischen aber auch betrüglicheriweife Salz unter 
den Reis, damit er ſchwerer ins Gewicht fallen fol. Ein 
Man (51, Pfd.) majanderaner Reis koſtet in Teheran zivi- 
hen 0,025 — 0,1 Dulaten. Nah Rußland über das Kas— 
piſche Meer erportiren die Perſer von dem in Lande gezo: 
genen Reis, doch ijt die Ausfuhr nicht von großer Bedeutung. 

Hülſenfrüchte (habubat) werden in allen in Europa 
befannten Arten gebaut und kommen gut fort, bis auf die 
Erbfen (chäller), welche klein bleiben, herb und holzig jchme: 
den. Küchererbſen, Bohnen (lubiä), namentlich viel Sau: 
bohnen (bakla), efjen die Perſer in ungedörrtem Zuftande; 
Widen, Ervum Ervilia (mäsch), geröftet zum Reis; Linſen 
(addas), behufs des fchnellern Garwerdens mit etwas Sal: 
jolapflanze gekocht, find das gewöhnliche Frühſtück der arbei- 
tenden Klaſſen. 





140 


von Citrus cedra ein lebhafter Ausfuhrhandel nah Ruß— 
land ftatt. . 

Obſt (miwedschat) wird im ganzen Lande und meiit 
mit gutem Erfolg gezogen. Es liefert nit nur den Ein: 
wohnern ein erfrifchendes, bei dem heißen Klima jo noth: 
wendiges Genußmittel, namentlich als Zufpeife zu trodenem 
Brot und Käfe, woraus die gewöhnliche Nahrung der är: 
. mern Klaffen beiteht, fondern bildet auch für manche Gegen: 
den al3 Erportartifel eine wichtige Duelle des Erwerbs. Ein 
perlifches Dorf unterfcheidet ih ſchon auf den erjten Blid 
durch feine Baumzucht, ift dielelbe auch oft nur auf Anpflan: 
zung einiger Weiden, Pappeln und Ulmen beihräntt, von 
den fahlen türkiſchen Dörfern. Freilich zieht man nur die: 
jenigen Objtjorten, welche gerade in diejer oder jener Gegend, 
durch die Ortslage begünitigt, ohne vieles Dazuthun am 
beiten gedeiben, bier nur Granatäpfel, dort nur Pfirjichen 
oder Piltazien u. ſ. w. Doch gibt es auch Ausnahmen: Drte, 
wo die Horticultur auf einer hohen Stufe ſteht. In der 
Stadt Ispahan 3. B. wenden die Obitzüchter alle Mittel der 
Kunſt und Erfahrung an, um die mannidhfachiten und edelſten 
Früchte zu erzeugen. 

Am allgemeinften verbreitet ift der Weinſtock (rez), 
der noch in Höhen von 4500 Fuß über der Meeresfläche fort: 
kommt. Die Neben werden entiweder an Spalieren aufge: 
rankt, oder durch Pfähle geftügt, oder um Pappeln und 
Eichen gewunden, deren Vegetation jie bald erſticken, oder 
endlih etwa 1’, Fuß über dem Boden abgefchnitten, wo: 
nach die Zweige ſich in horizontaler Richtung ausbreiten. 
Im Süden ſenkt man die Stöde reihenweile in 5—7 Fuß 
tiefe Gruben und füllt dann letztere bis zu drei Viertel wieder 
mit Erde aus: ein Verfahren, welches die Wurzeln der Ge 
walt der jengenden Sonnenftrahlen entzieht. Hingegen müffen 
in nördlidern Gegenden die Stöde vor Froft geſchützt und 








142 


wird, bis er ſämmtliche Zrauben abgelefen und herunter: 
gebracht hat. 

MWeintrauben dienen dem Perſer einen großen Theil des 
Jahres hindurch als jaftige Zufpeife zum Brot. Außerdem 
bereitet er daraus: Moſt (schire), ſauern Traubenjaft (ab- 
e-gurre, franz. vert jus), Nolinen und Korinthen (sebib, 
daher Zibeben; Rofinen von rez, Weinjiod), Wein, Brannt: 
wein und Ejlig. 

Der zur Honigconſiſtenz eingedidte Most kommt in Bod: 
felihläuden zum Markt und wird von den Unbemitteltern 
jtatt Sirup und Zuder zur Bereitung der beliebten Süßig- 
feiten gekauft. Der Ab-e-gurre, aus unteifen Trauben 
geprepte und abgegorene Säure, bildet das Hauptbeitandtbeil 
der Scherbet3, ſpielt aber überhaupt in der perliichen Koch— 
Eunft ſowie in der Medicin eine wichtige Rolle. Die Trau: 
benfrantheit, welde in den „Jahren 1855 — 58 einzelne 
Stöde befiel, erreichte feine größere Ausdehnung und er: 
. lofh fpontan. Die Ausfuhr von Roſinen und Korin: 
then nad Indien und Rußland ift jehr bedeutend und nod 
immer im Zunehmen begriffen; infolge deſſen ſtieg der Preis in 
den legten Jahren auf mehr als das Doppelte. Aus den jchlech: 
ten Qualitäten dejtillirt man ein ſtark Deraujchendes Getränk. 

Wein darf, weil das mohanmedaniihe Geſetz deſſen 
Genuß verbietet, nur von Juden und Armenern gefeltert 
werben, und auch dieje jind dabei vielen läſtigen Reftrictionen 
unterworfen. Nicht jelten werden ihnen die Gefäße zertrüm: 
mert und hohe Gelditrafen auferlegt. Die Bereitungsart it 
eine jehr unvollfonmene Man- zeritampft die Trauben in 
Heinen Baſſins mit den Füßen, füllt den berausfließenden 
Saft nebit einem Theil des Marks in irdene Krüge und ſtellt 
dieje offen au einen fühlen dunfeln Ort. Hat die Gärung 
begonnen, jo.dedt man die Krüge zu. Gegen Mitte April 
hält man den Wein für hinreichend geklärt und zieht ihn auf 





144 


Prinz Ali Kuli telegraphiih zum Minifter der Wiſſenſchaften 
(vezir-e-alum) ernannte! Genug, fein Perſer, vom König 
bi3 zum Bettler, Tann begreifen, wie man in einem Lande 
leben könne, mo es feine Melonen gibt, und noch weniger, 
wie e8 möglich fei, Melonen mit Zuder betreut zu genießen. 

Die Melonenfrudt zeigt eine erſtaunliche Menge von 
Varietäten; denn kaum irgendein anderes Gewächs modiftcirt 
ſo leiht Geftalt, Größe, Farbe und Zeichnung der Winde, 
Aroma, Geihmad und Dauerbarkeit je nah dem Boden oder 
Klima, der Düngung oder fonftigen Pflege. Zwei Nachbar: 
dörfer von anfcheinend ganz gleicher Lage erzeugen oft jchen 
völlig verfchiedenartige Broducte. Einige Sorten werden, ob: 
wol reif, erſt durch längeres Liegen genießbar, laſſen ſich 
aber, wenn fie gehörig vor Drud und Kälte geſchützt find, 
bis in den April hinein aufbewahren. Auf das Wachstbum 
der Melone hat der Samummwind (bäde-samunm, auch bäde- 
germ) fehr nachtbeiligen Einfluß. Er verſengt die Blätter 
und trodnet die Pflanze aus; felbft diejenigen Früchte, die 
ihm widerſtehen, verlieren durch feinen glühenden Hauch an 
Dauerbarfeit, fodaß fie troß forgfältigiter Aufbewahrung ſchnell 
verderben. 

Berühntt jind die Zudermelonen von Ispahan, wo man 
ihrer Bflege befondere Aufmerkſamkeit widmet. Der Boden 
wird fleißig bejtelt und mit Guano aus den Taubenhänfern, 
welcher erfahrungsgemäß der Melone am zuträglichiten ift, 
gedüngt; bei Anlage der Furchen und Kämme wird genau da: 
rauf geachtet, daß nur die Wurzeln vom Waller beipült werden. 
Um die feinften Früchte zu erzielen, läßt man nicht mehr als 
zmei bis drei Stüd an einer Staude reifen. Nachdem fie 
etwa zur Fauſtgröße erwachſen find, beitreut man jie zum 
Schub vor Inſekten und Sonnenbrand fowie vor verfrübter 
Beitigung mit loderm Sande und mendet fie immer nad) 
ein paar Tagen wieder um, bis fie, im September und 








156 


das bekannte Sakkes-Harz liefern, große Eihenwälder. Ferner 
wächſt bier die Prunus mahaleb, aus deren Holz; die im 
Drient jo allgemein beliebten Pfeifenrohre gefertigt werden. 
Wie in den übrigen Provinzen der Aderboden, jo barren 
auch dieſe Wälder nebit den in der Nähe befindlichen Stein- 
fohlenlagern no der Ausbeutung, wenn erit Eifenbahnen 
das Land durchſchneiden und durch entwidelte Schiffahrt auf 
dem Kaspiichen Meer die Broducte an fremde Küften gelangen 
werden. 

Nachträglich fei erwähnt, daß mit Baumwollſamen, 
den ih aus Perjien mitgebracht und dem k. f. Minifterium 
für Handel und Aderbau übergab, in Dalmatien und Süd: 
ungarn vier Jahre nadheinander Verſuche gemacht wurden. 
Das Reſultat ift ein fo günftiges, daß die Baummollcultur 
in jenen Gegenden gelichert fein dürfte, falls die nöthigen 
Kapitalien fich dauernd derielben zumenden. 








158 


Das früher übliche Medicinalgewicht bejtand aus diram 
(Drachme), aukieh und dung. 

Auch alle flüjligen Waaren, wie Milch, Wein u. f. w., 
verfaufen die Perſer nad) dem Gewicht, daher fie fein eigenes 
Flüffigfeitsmaß haben. 

Als Längenmaß gebraudt man das Zer oder Arkdin. 
Auch dieſes variirt in den verjchiedenen Städten. In Teheran 
mißt 1 Ser 104 Gentimeter, in Tabris ift e8 länger, 1 Ber 
— 4 Tſcherek, 1 Tiheref = 8 Girre. 

Für das MWegemaß bildet der farsäch oder farsenk (nad 
den früher üblichen Meilenjteinen jo benannt, türkiſch agatsch, 
Meilenbaum) die Einheit. Seine Länge ift jedoch ebenfalls nicht 
diefelbe in den verfchievenen Provinzen. Durchſchnittlich 
rechnet man auf 1 Farſach 5065 Meter, in manchen Ge 
genden jedoch 12000 Schritte, ungefähr 6110 Meter, und 
auf eine Zagreife (mzenzil) durchſchnittlich 5Y, — 6 Fleine 
Farſach. 

Der Flächenraum (musäfet) wird nad Duadrat-Zer ge 
meſſen, der Kubifinhalt nach Kubil-Zer (zer kaab). Größere 
Feldercomplere mißt man nad) dem dscherib, an den meiften 
Orten = 1066 Quadrat: ger. 

In alten Zeiten wurden im perliichen Reich viel edle 
Metalle gewonnen, ſelbſt ganz in unmittelbarer Nähe der 
Stadt Ray (Rages) ſchmolz man Silber aus den Bleierzen 
von Bibi Scherbann; gegenwärtig aber wird mit Ausnahıne 
von etwas Blei, Eilen und Kupfer fein Metallerz ausgebeutet. 
Eine geringe Menge Gold wird bei Hamadan am Fuße des 
Elend gewaſchen. "Das im Lande befindlide edle Metall 
ftammt entweder aus Umjchmelzung alter Münzen und Ge 
fhirre, oder von dem Erporthandel mit Rußland und der 
Türkei, oder aus der Plünderung von Delhi nach Einnahme 
der Stadt durch Nadir Schab. 

Das circulirende Geld beſteht aus Gold: Silber: und 





159 


Rupfermünzen. Papiergeld gibt es in Perfien nicht. Das Recht, 
Geld zu prägen, wird als die erfte und wichtigite Prärogative 
eines orientaliihen Herrſchers angejehen; es gilt als Zeichen 
der Beſitznahme des Reichs, ipeciell derjenigen Stadt, deren 
Rame auf der Münze genannt if. Darum werden bei der 
Thronbefteigung neu geprägte Münzen vertheilt, und Präten— 
denten beeilen jih, Geld mit ihrem Namen fchlagen zu laſſen. 
Nächft dem Ramen bes Herrihers bildet der volljtändige, 
unverkürzte Name der Prägeftadt den Hauptbeitandtbeil der 
Inſchrift. Der Eroberer einer Stadt prägt vor allen Dingen 
Münzen mit feinem und ihrem Namen; ja bereits während 
der Belagerung von Herat ließ der Schah Geld mit dem 
Ramen der Stadt Schlagen, um fofort nach der Uebergabe, 
an der man nicht zweifelte, Münzen zum Vertheilen bei der 
Hand zu haben. Im Namen des Königs Geld prägen be: 
deutet, wie die chutbeh (da3 öffentliche Gebet für die Er: 
haltung des Staatsoberhaupts), Anerkennung feiner Souve— 
ränetät. In diefem Sinne jchlugen vor einigen jahren Die 
Siftaner, als ihr Chan eine perjiihe Prinzeſſin beirathete, 
Münzen im Namen de3 Schah. 

Die allgemein gebräuchliche Münzeinheit ift der tuman. 
Die Tumane wechjelten häufig im Werthe, fie waren jchiwerer 
beinahe bis zum doppelten Gehalt des jebigen Tuman, der 
unter der Regierung Mehmed Schahs (F 1848) eingeführt 
wurde. Sein Gehalt fommt ziemlich genau dem holländischen 
Dulaten glei: 100 derjelben = 101 Tuman. Wegen feines 
unvolllommenen Gepräges und der auf das Land beichränften 
Gangbarkeit ſteht er aber immer etwas geringer im Werthe, 
fodag man bei Zahlungen ins Ausland 1%, — 3 Procent 
Aufgeld zulegen muß. 

Der Tuman wiegt, wenn er neu aus der Münze kommt, 
18 Nächud — %, Miskal = 491, Gran diterreihiichen Me- 
bicinalgewichts. Allein die Stüde werden, namentlich von 





162 





Silbergeld zu nehmen und man jet tbeim Einwechſeln von Gold 
gegen Silber, umgelehrt wie früher, 7%, Procent braufgahlen 
muß. Wenn trogdem die Maſſe des circulirenden Geldes, 
wie ich von Kaufleuten und Geldmällern täglich bören konnte, 
fortwährend abnimmt, fo erklärt fich dies Leicht durch folgende 
Umftände. Nur in guten Getreidejahren mag der Erport 
Perſiens dem Import gleih kommen, vielleiht ſogar den 
letztern etwas überfteigen. Finden aber mehrere Jahre hinter 
* einander Misernten itatt, infolge deren die Getreideausfuhr 
todt oder ganz aufhört, fo gebt viel Geld für Waaren ims 
Ausland, ohne wieder von dort zurüdzufließen. In jüngſter 
Zeit verfchlangen ferner die phantaftiichen Erpebitionen nad) 
Herat und Turkiſtan fowie der Anlauf von Waffen in Europa, 
veranlaßt durch den engliſch⸗perſiſchen Krieg, bedeutende Gelb» 
beträge. Zeitweiſe der Eirculation entzogen werden die oft fehr 
erhebliden Baarfummen, deren Zahlung die Willfür de 
Herrſchers unter allerlei Vorwänden in Ungnade gefallenen 
Großen als Strafe auferlegt und die auf der Stelle beichafft 
werden müflen, um dann lange unbeweglih im Schage zu 
ruben; ebenjo die kleinern und größern Gelbbeträge, melde 
von den Belitern wegen Mangel an Bertrauen und an Ge: 
legenbeit zu ficherer Kapitalanlage altorientalifcher Sitte gemäß 
unter der Erde vergraben werden. 

Die Inſchrift der Gold: und Silbermüngzen lautet auf 
dem Avers in arabiiher Sprade: Ber Sultan, Sohn des 
Sultans, Sohn des Sultans, Sohn des Sultans, Naſſereddin 
Schah Kadſchar; auf dem Never: Präge der Chalifenftadt *) 
Teheran (oder der Stadt der Wiſſenſchaft Schiraz, der Stadt 
der Anbetung Yezd, der Stadt der Sultane Tabris, der 


*) Die Könige aus ber herrſchenden Kabfcharendynaftie haben, ba 
fie nicht zur Familie ber Seide gehören, fein Recht auf den Chalifentitel, 
bebielten ihn aber ale Beiname der Refibenzftabt bei. 





154 


pernihe Handel nah Indien if überwiegend paſſwer 
Katur. 

Münztälihung wird mit Abbauen beider Hände be 
ſtraft. Ich hörte jevch nie, das ein Falichmünzer ergriffen 
und beitraft worden wäre. Da man übrigens bei Annahme 
von Zahlungen jedes Golvitüd zu wiegen pflegt, werden die 
falſchen bald an dem zu leichten ſpecifiſchen Gewicht erkannt. 

Ten Geldverkehr vermitteln die Geldwechsler oder Mäfler 
(seraf) und die großen Kaufleute (tädscher). Letztere 
übernehmen auch, nachdem mebrmals Geldtransporte aus den 
Provinzen unterwegs von Räubern angefallen worden, fe: 
daß man zulegt glücklich bi3 an die Thore Teherans gelangte 
Convois in feftlidem Zuge unter Baufenfhall in die Stadt 
geleitete, die Zumittelung der von den Gouverneuren abzu- 
liefernden Steuerbeträge und der aus den verjchiedenen Münz: 
ftätten kommenden Gelder an die Regierung zu Zeberan, 
teils durch Anweifungen (barat) auf zwei bis drei Monate, 
tbeil3 durch fofortige Baarzahlung gegen Abzug des Disconts. 
Bei dem hohen Zinsfuß von 18 — 30 Procent ziehen natürlich 
die Kaufleute aus dieſen Transactionen enormen Profit, 
wovon fie indeß einen großen Theil dem protegirenden Gou- 
verneur abgeben müſſen. 

In Anbetracht aller der berührten Umftände ift mit Sicher: 
heit vorauszuſehen, daß wenn dem Lande ſich nicht neue Geld: 
quellen eröffnen, oder wenn noch ferner jo unglüdliche mili- 
„tärifhe Erpebitionen unternommen werben, der Baarvorrath 
in fteigender Progreffion ſchwinden und über kurz oder lang 
gänzlich erfhöpft fein werde. Ein etwas befferes Verhältniß 
ſoll fich übrigens in der jüngiten Zeit durch den infolge des 
ameritanifchen Kriegs fehr geftiegenen Baummollenerport nad 
Rußland und England bergeitellt haben, der bedeutende Geld⸗ 
junmen ins Land 309. 





16% 


boben Zinsfuß und die geringe Ausbildung des Creditweſens: 
ic muß man ſich billig vermundern, wie doch noch mandıe 
inländiihe Jnduitrieerzeugnifie mit den ausländiſchen concur- 
riren können. 

Seit zwei Jahrhunderten, ſeit Chardin das Land bereilte, 
bat freilich die perttiche Induſtrie Feine Fortſchritte, vielmehr 
Rückſchritte gemacht. Gegenüber der immer näher gerüdten 
europäiihen Concurrenz lohnt die Anfertigung vieler Artikel 
nit mehr, und es ijt vortbeilbafter, die Robitoffe zu ver: 
faufen. Anderntheild wurden durch langjährige innere Kriege, 
die Centren der Induſtrie, Jspahan, Yezd, Kirman, befon- 
der3 ſchwer getroffen. Mit den Arbeitern ging auch ihr Ge 
werbe zu Grunde, denn nirgends ig wie in Berlien find ge: 
wiſſe Jndujtriezweige an einzelne Städte gebunden; man 
fchreibt dies hauptſächlich der abweichenden Beſchaffenheit des 
Waſſers an den verſchiedenen Orten zu. 

Die erzeugte Baummolle (panbeh) wurde bis vor fur: 
zem meift im Lande zu einem groben, feiten Zeug, kerbäs*) 
genannt, verarbeitet, welches, wie bei uns die grobe Leinwand, 
als Kleidungsitoff für die mittlern Klaſſen, größtentbeils aber 
als Zeltbezug Verwendung findet. Kum, Simnan und Abadeh 
bei Shiraz betreiben die Kerbasfabrifation gewerbsmäßig; 
außerdem aber webt faft jede Hausbaltung jo viel, ala fie 
zum eigenen Bedarf gebraudt. Das Stück (tub) hält 
6— 8 Meter. Beſſere, nanfingartige Stoffe (gedek) fahri- 
ciren Ispahan, Yezd und Kaſchan, in Heiner Quantität auch 
Buſchir; fie find dicht und egal gewebt und von vorzüglicher 
Haltbarkeit der Farbe, daber in Perſien wie im Kaukaſus 
zu Sommerkleidern der Stadtbewohner fehr beliebt. Früher 
wurde auch die natürlich gelbe Baumwolle dazu verwendet 
(gedek-e-chudreng); dieſelbe läßt fich jedoch wegen ihrer 


*) Das METZ der Bibel (Buch Efther, Rap. 1). 





16% 


e-kusse) im Preife von 5— 5 Dukaten. Rah dem ver: 
ihiedenen Muftern und Farben unterſcheidet man folgende 
Eortn: läakı, lädschewerdi, butei, schäche-gewez'n, 
zhrämi, tirmeh, zengäri. Ein mäßiger Erport von per 
jiihen Shawls findet nad Konitantinopel und Alerandrien 
ftatt. Im Smlande wird der Shawlſtoff in ſchmale Streifen 
(häschieh) zerſchnitten, auch viel zum Belegen und Einfafien 
der Kleider benugt. Die Shawlfabrikation Perfiens nahm 
vor einigen Jahren infolge der Bemühungen des Großveziers 
Emir einen bedeutenden Aufſchwung. Es wurden Shawls 
zu 50 — 60 Dukaten gewebt, welde den indiſchen wenig 
nachgaben. Mit feinem Tode ging. jebod dieſe Induſtrie 
wieder zurüd, ſodaß jetzt ein großer Theil der Kaſchmirwolle, 
deren Preis fehr geitiegen iſt, roh nach Indien verkauft wird. 

Die perjifhen Teppiche (fersch) zeichnen ich weniger 
durch Lebhaftigkeit der Farben al3 durch deren Dauer und 
die Dichtigleit des Gewebes aus. Die größern (kalı) find 
5 Meter lang und 3 Meter breit; der Preis eines folchen 
bewegt fich zwifchen 12 und 4O Dukaten. Auch dieje Induſtrie 
ift im Rückſchreiten begriffen. Teppiche, die vor zwei Jahrhun⸗ 
derten gewebt wurden, übertreffen die heutigen bei weitem 
an Pracht der Zeihnung und Friſche der Farben. Eine 
kleinere Art (kälitsche), vornehmli zur Unterlage beim 
Gebet dienend, koſtet 4 — 10 Dukaten. Die jchöniten Tep⸗ 
piche Liefert die Provinz Faraban bei Kirmanfhah. Zweite 
Qualitäten fertigen die Nomaden in Kurdiltan, Hamadan, 
Mianeh zu ziemlich niedrigem Breife; fie willen ihrem Er- 
zeugniß durch bellbraune Grundirung mit Kamelmwolle ein 
befonders gefälliges Anjehen zu geben. Bekommt der Teppich) 
eine Falte (gis), jo verliert er die Hälfte feines Werths, 
weil diefer Fehler unverbeflerlih ift und die Stelle fich bald 
abreibt und kahl wird. Sonſt iſt die Haltbarkeit der pers 
fiihen Teppiche in ber That eritaunlid. Im zweiten Jahre 





172 


fteigerung dieſes Artikels in Europa dorthin ausgeführt wurbe, 
Im allgemeinen find die perfiichen Seidenzeuge dauerhaft und 
von lebhafter Farbe; man verftehbt e8, durch Binden der 
Strähne beim Färben zart nüancirte geflammte Mufter zu 
erzeugen; an Glanz und Gleichheit des Fadens erreichen fie je 
doch nicht die europäischen Sorten. Taffete (täfteh, Kænavis) 
werben glatt in Mejchhed und Kaſchan, bunt carrirt zu Bette 
deden in Yezd und Ispahan, zu Thürvorbängen (perdeh) 
in Gilan am beften gefertigt. Moires (chäräh*) und däräh) 
ftehen in jeder Beziehung dem europäiſchen Manufact nad). 
Atlas (gätni) fabricirt nur Kaſchan, doch nie ganz aus Geide, 
fondern mit Einihlag von Baumwolle. Ebendaſelbſt fertigt 
man allein nod) Brocate (zerbäfi) mit eingemebten goldenen 
Blumen, freilihd den einft fo berühmten perfiihen Brocaten 
faum mehr zu vergleihen, und Sammte (machmal), die den _ 
franzöfifhen zwar nit an Feltigfeit, aber an Weiche und 
Farbenpracht nachſtehen; einige Farbennuancen, namentlid 
blauſchwarz, können die Perjer gar nicht erzeugen, am beiten 
gelingt ihnen noch orange und ponceau. Einen eigenthüm⸗ 
lihen Seidenftoff Liefert Dezd unter dem Namen schal abri- 
schum; er ift nad Art der indiſchen Shawls mit Balmen 
und Gemwinden durchwebt, von. zartgezeichneten Borduren ein- 
gefaßt, und der einzige, von dem einige Ausfuhr nah Ruß⸗ 
land und Konftantinopel ftattfindet. Dagegen bildet die Aus⸗ 
fuhr von Rohſeide, wie oben erwähnt, eine der wichtigſten 
Hülfsquellen des Landes, Eingeführt werden von Seidenftoffen 
nur lyoneſer Fabrikate, vorzüglid Damalt und Brocat, doc 
auch in nicht erheblidem Betrage. 

Flachs wird fehr wenig verarbeitet, nur zu Schnupftüchern 
und Leibbinden. Der Flahsbau beſchränkt fih auf einige 
Heine Streden im Bezirt Mafanderan. 


*) “ir der Bibel (Buch Eſther, Kap. 1). 





173. 


Die Farbeftoffe, deren man fich zur Fabrikation be 
dient, find theils Producte des Landes, wie Krapp, Saflor, 
Indigo, Granatäpfelrinde, Galläpfel, Eiſen- und Kupfer: 
vitriol, eſſigſaures Eifen u. ſ. w., theils werden fie von In— 
dien bezogen. Die Cochenille fommt über Europa, wird je- 
doch häufig dDurh die am Ararat vorfommende Porphyro- 
phora Hamelii erjegt. Durch Zuſatz einer indiſchen Ninde, 


Liter ( ze), erhöht man die Intenfivität der Cochenillefarbe. 


Mit der Farbenbereitung beihäftigen ji die Nomadenweiber 
nad althergebrachten Necepten; als Säuren verwenden fie 
dabei Eitronen= und duch Verbrennung von Schwefel mühſam 
gewonnene Schwefeljäure; ala Alkalien den Urin der. Kübe; 
Bei jo. verjchiedenartiger Eoncenftation der Stoffe iſt es na— 
türlich ſehr ſchwer, genau diejelbe Nuance bervorzubringen, 
und an Teppichen wie Shawls bemerkt man daher ‚nicht jelten, 
zumal die Anfertigung lange Seit, gewöhnlich ſechs Monate 
in Anſpruch nimmt, Eleine Farbenabweihungen an einzelnen 
Stellen. Dagegen find die Farben durchgehends echt und wider- 
ſtehen länger ald die in Europa gebräudlichen den verzeb: 
renden Strahlen der perfiichen Sonne, Alle größern Fabrik— 
ftädte baben eigene Färbereien (sabbagh), von denen die 
meilten nur in einer Farbe arbeiten. Ebenſo findet man 
überall große Bleiben, bei Ispahan z. B. ſah ich die Ufer 
des Bainderud weit und breit mit Garnen und Geweben 
bedeckt. 

Die Lederfabrikation wird am ſtärkſten in dem Städt: 
den Hamadan betrieben. Aus vortrefflih gegerbten Schaf: 
fellen bereitet man bier jchöne farbige Maroquins, tscherme 
hamadäni genannt, und aus dem Rüdenfell des wilden Eſels 
vorzüglides Chagrinlever (saghri), deſſen jhillernd grüne, 
mit Grünjpan erzeugte Farbe gleich wie die Heinen griezlichen 
Erbabenbeiten, welche mittels Amaranthusjanen hervorgebracht 





174 


werden, ſich bis zur völligen Abnutzung usneriehrt erhalten. 
Auf die Jabrifarion ven Sämiichleder aus deu Felen ber 
wilden Ziegen und Argaliä verucht man ah nur im der 
Stadt Kirman; in den übrigen Theilen des Reichs werken 
die Zelle von Hirichen, Reben, Guzellen, Argalis, wilden 
Biegen und Steinböden als nuglcs weggavorien Die Ge 
fuhr von Leder iſt ganz ohne Bedeutung, weil vom Ausland 
fommendes Leder dem Perſer tür geſetzlich unrein gilı. Auch 
die Benugung der Häute von getallenen Thieren verbietet das 
Religionsgeieg. Geringe Quantitäten ſchwarzbraun gefärbte 
Hirfchleder werden unter dem Ramen dschir an kanukaſijſche 
Stämme zu Rüſtungen verkauft. Etwas erbeblidyer iR die 
Ausfuhr von rohen Lamm⸗ und Ziegenfellen. 

Zu Pelzwerk werden von inländiichen Fellen nur die 
Lammfelle von Shiraz und Kum benupt. Bon Natur ſchon 
ſchwarz, erhalten lie noch durch Färben mit eſſigſanrem Eiſen 
und Granatäpfelrinde einen tiefihwarzen Glanz Die wohl⸗ 
babendern Klaſſen tragen indeß ſchwarze Fammfelle von Be 
chara (puste-buchära) oder aus Rußland eingeführte Feb 
und Nerze. Da aber andererfeits ein ziemlich” ausgedehnter 
Erport der für unrein geltenden elle von Löwen, QTigern, 
Xeoparden, Füchſen, Wölfen, Schafalen, Hyänen, Geparden, 
Dttern und Mardern ftattfindet, jo dürfte diefer den Import 
wenigſtens aufwiegen. Der Pelzhandel wird ausfchließlid 
von Armenern betrieben, da fein Mujelman die unreinen 
elle berühren darf. Es geht daher ein großer Theil der 
‚ Selle wie überhaupt der Beſtandtheile von gejeglich unreinen 
Thieren der Verwertbung und Benutung verloren. 

Im Reichthum an Metallen, namentlih an Kupfer, 
kann fih kaum ein anderes Land der Erde mit Perſien mefjen. 
Eine Kupfermine (maadene mis) hat fait jeder Diftrict, ja 
am nördlichen Abhang des Elburz bei Teheran zählt man 
deren 20, und ebenjo viele in der nächſten Umgegend vor 








177 


Induſtrie nachtheilig einwirkt. Zwar machte ber jegige Schah 
mehrmals Berfuche, unter Zuziehung von Europästn Eifen- 
erze. jchmelgen zu laffen, fie blieben jedoch, obgleich große 
Summen verjehlingend, ohne Reſultat, ſodaß er zulegt 05 
li daran verzweifelte, daß Eiſen in feinem 
werben Tünne. „Das erite Man (5! 
perliihem ‚Mineral gemonner nn b da ) 
„würde ich mit Go 3 al 7, 4 

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Dorfe Samlar. 









Arſenik lagert 

in großen Mafjen u 

win; der Export nad 

Manganerde (mu 

wird um Kirman gemo 
Bolat, Berfien. II. 





116 


(nischädur), der überdies unrein iſt, reicht nicht hin für den 
Berbraud. Borar (bureh) lietern die Seen Mediens. 

Wie die Kupfer, ſo bleiben auch die reihen Eifenminen 
des Yandes vernadläiigt. Was aus den Minen von Maſan⸗ 
deran und Charaſſan an Eijenerzen gefördert wird, jind kaum 
nennenäwerthe Quantitäten. Alles übrige Eifen (ähen) fommt 
vom Ural auf der Wolga und über das Kaspiihe Meer nad) 
Perñfien; nur die ſüdlichen und jüdöftliden Provinzen ver: 
forgen_jih auch zum Theil von Indien. Perſiſche Eiſen⸗ 
arbeiten waren einſt bochberübmt, und noch jetzt haben die 
Damascenerklingen von Shiraz und Meſchhed einen guten 
Auf, Doch können Jie ih den alten Klingen und Flintenläufen 
an Güte, namentlih an Schönheit der künſtlichen Gravi⸗ 
rungen auf Stahl mit eingelegten Goldplättden nicht an 
die Seite ftellen. In den Arfenalen von Ispahan, Sciraz 
und Teheran werden Schießwaffen, beſonders Flinten und 
Piſtolen nach europäifhem Mufter, jelbft mit genauer Nad- 
abmung der Fabrikzeichen gefertigt, die den Originalen in 
der That ziemlih nabe fommen. Weniger gelingt die Fa⸗ 
brifation der ebenfall3 den europäischen nachgeahmten Jchnei- 
denden Werkzeuge, 3. B. der von Ispahan aus in den Handel 
kommenden Federmeſſer. Der Perſer bält ſehr viel auf ein 
gutes Federmeſſer; er zeigt das einige dem Europäer und 
fragt ihn, ob e3 echt englifches Fabrikat fei. Häufig zog der 
Minijter, wenn ich bei ihm war, aus feinem Shamlbeutelchen 
ein Federmeſſer hervor, um fi über Werth und Güte des: 
jelben durch mich unterrichten zu laffen. In dem Roman 
„Madschi baba“ charakteriſirt daher ein Gejandter, vom König 
über die Eigenthümlichfeiten der werfchiedenenen europäiſchen 
Nationen befragt, die Engländer mit den Worten: ‚Das ift 
die Nation, melde die Federmeſſer verfertigt.” Bei dem 





„u rer 


thenern Preife des Eifens ift der Verbrauch zu Gerätbfchaften . 


und Werkzeugen natürlich fehr beichräntt, was auf die gefammte 





177 


Induſtrie nachtheilig einwirkt. Zwar machte ber jetzige Schah 
mehrmals Verſuche, unter Zuziehung von Europäern Eifen . 
erze jchmelzen au laſſen, fie blieben jedoch, obgleich aroße 


Summnu vart A.I2. 


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N ‘ "die: ' 
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178 


Schwefel (gugird) gibt es im Ueberfluß in den ver- 
ſchiedenen Theilen Perfiend, und fiher wird einft, von er- 
leichterten Sommunicationswegen begünftigt, eine fehr erheb⸗ 
lihe Ausfuhr diejes Artifeld nah Europa ftattfinden. Der 
ſchönſte hyacinthrothe Schwefel tritt nahe unter dem Gipfel 
des Demamwend zu QTage, wo ihn während der Sommer: 
monate die’ Bewohner des Städtchens Ask einfammeln. Er 
beißt im Handel gugird-e-ahmer oder demawendi zur 
Unterſcheidung von dem Stangenſchwefel, der gugird - e- farsi 
genannt wird. 

Kochſalz und Ehilifalpeter als kryſtalliniſche Aus- 
ſchwitzung kommt jo häufig vor, daß man faft nur die Trang- 
portkoften dafür bezahlt. Außerdem finden ſich zahlreiche 
Lager von Stein- und Kryſtallſalz (nemek-e-turki). Etwas 
Salpeter (schure) fol, wie ich hörte, nach Indien erportirt 
werden. Mit feinem Reichthum an Kochſalz und andern 
falpeterfauren und fchmwefelfauren Salzen wäre Berfien die 
ganze Welt zu verforgen im Stande. 

Steinkohlen, welde in mächtigen Flötzen zum Theil 
offen liegen, werden bizjegt wegen Mangel an Straßen und 
induftrielem Bedarf nicht gefhürft. Der Perſer fagt, Stein- 
kohlen könne er nicht zu feiner Waflerpfeife benügen. Das 
Kohlenflöß auf dem nördlichen Abhange der Elburzlette bei 
Teheran erjcheint jchon unterhalb Kaswin im Dorfe Sf, 
taucht dann im Laarthal, befonders in einem Seitenthal des: 
jelben, genannt Dimalia, wieder auf, und zeigt ſich endlich 
in der Nähe des Städtchens Ast am Fluffe Heras. Weber: 
baupt ift die Steinfohlenformation fehr reich vertreten. 

Bon Edelfteinen liefert Berfien nur Türkiſe (firuze), 
und da die frühern ergiebigen Minen wegen Anfüllung mit 
Waller unzugänglih find, befchräntt man fich jeßt auf die 
Durchſuchung der alten Stufen. Seitdem ift der Preis der 
Türkiſen fehr geftiegen, und e3 kommen nur kleinere Stüde 





180 


für die beften. Scheibenglas jedoch können die Perjer nur 
in Tafeln von fehr mäßiger Größe beritellen. Als Lauge 
zur Fabrikation dient das Varec (kaliab-kumi), welches aus 
den Solfolapflanzen (uschnun) der Wüfte Durch Verbrennen und 
Bufammenfintern gewonnen wird. Die Einfuhr von Spiegeln 
und Krpitallgläjern über Konftantinopel und aus Rußland iſt 
fehr beträchtlich; fie zieht alljährlih große Geldfummen aus 
dem Lande. | 

Porzellan wird wenig und von geringer Qualität er: 
zeugt, am braudbariten find noch die Gefdirre von Kum 
(käse kumi). Daher ift das echte hinefiihe Prozellan 
(tschini), über Hindoſtan fommend, fehr begehrt; auch eng: 
liche und ruſſiſche Waare, namentlih Thee- und Kaffee: 
geiehirre, findet gute Abnahme. Etwas befler veriteht man 
fih auf die Erzeugung von Fayence (käschi). Berühmt 
find die glafirten Ziegeln, aus denen allerhand Bilder, Jagd: 
ſcenen, Landſchaften u. |. mw. zufammengefeßt werden. Das 
darzuftellende Bild wird nämlich mit feuerfeiten Farben auf 
eine Tehmplatte gebracht, die man dann in Ziegeln zerfchneidet. 
Hierauf werden die Ziegeln gebrannt und in der Ordnung 
wie auf den: Bilde mittels Kitt und Mörtel zujammengefügt. 
Dergleihen Moſaiken dienen zum Belleiden der Wände und 
Kuppeln in Mofcheen, Madraffes, Bädern und andern öffent: 
lihen Gebäuden. Doch auch diefe Kunft ift in Verfall ge: 
rathen. So fchöne Farben, wie fie an ven Belleidungen äl- 
terer Gebäude in Ispahan noch zu ſehen find, vermag man 
beute nicht mehr bervorzubringen. Die beften farbigen Ziegel 
liefert jeßt Kajhan, daher ihre Benennung käschi. Aus 
Thon verfertigt man die poröfen Alkarazzas: Trinfgefchirre, 
in denen ſich das Wafler friſch erhält und die auch zum Fil: 
triren des Waflerd dienen. Man liebt es, fie mit Figuren 
und Arabesken zu verzieren, bejonders zeichnen ſich die in 
Kum gefertigten (kuze kumi) durch gefhmadvolle Formen 





182 


zeichneten Firnis (rugan-e-kemun) überzogen, erhalten 
ich die lebhaften Farben frifch und glänzend. Man bezahlt 
für dergleihen Malereien, je nah dem Rufe des Meifters, 
oft fabelhafte Breife, für ein bemaltes. Taſchenſpiegelchen 3. B. 
50 Dulaten, und zeigt einen folden Schaß gern dem Euros 
päer, mobei es jchidlih ift und erwartet wird, daß der Be- 
Ihauer in entbufiaftiiche Bewunderung des Kunſtwerls aus: 
breche. 

Um dem fortwährenden Geldabfluß zu fteuern, machte 
der jetzige Schah, mie ich bereit3 an verſchiedenen Stellen 
erwähnt, mehrfache Verſuche zur Erridtung von Fabriken 
europäifcher Conftruction. Beſonders zur Seit der engliſch⸗ 
perſiſchen Wirren ftrebte die Regierung eifrig danach, das 
Land von dem englifhen Markt zu emancipiren. Sie gab 
fih dabei den unfinnigften Hoffnungen hin. Mit einer kleinen 
Spinnfabrif glaubte man in Furzer Zeit alle engliſchen Spin: 
nereien entbehrlich machen zu können; als eine Papiermühle 
angelegt wurde, fragte der Schab den Vorſteher dieſes im 
Bau begriffenen Etabliſſements, ob es möglich fein werde, 
Papier darin zu erzeugen, worauf derjelbe raſch erwiderte: 
„Sa, ih will dein Dpfer fein, in wenigen Jahren iverden 
wir jo viel Papier an das Ausland liefern, daB in ganz 
Frengiſtan Fein Bogen mehr fabricirt werden faın.” Natür- 
lih entſprach das Reſultat diefer vereinzelten Anläufe, fo 
bedeutende Summen aud darauf verwendet wurden, nicht 
im geringiten den geträumten Erwartungen. Ich nahm mehr: 
mals Gelegenheit, meine Anfichten darüber dem Schah aus: 
einanderzufegen, erntete aber nur Undank und üble Nachrede 
davon, weil man mich als Europäer in Verdacht hatte, ih 
wolle dem Aufſchwung der inländischen Induſtrie binderlich 
fein, und jpäter, nachdem alles fo gelommen, wie ich es 
porausgejagt, war man zu ftolz, mir Gerechtigkeit widerfahren 
zu laſſen. 





184 


reitung ber Schiefelfäure wurde eine Bleifammer eingerichtet, 
die aber Feine ftärfere Säure producirte, als etwa eine 
milde Limonade befitt; die ungeſchickten Hände der Arbeiter 
verdarben den Mechanismus der Preſſen; und nah Ber: 
ausgabung von über 8000 Dulaten hatte man glüdlid 
einige Pfund Kerzen mit perſiſchem Stempel und dem koͤnig⸗ 
lihen Wappen zu Stande gebradt. Die böſe Welt wollte 
zwar wiſſen, das Stearin dazu fei aus Europa gelonmen; 
allein wie dem auch fei, der europäliche Director erhielt vom 
Shah ein Ehrenkleid. Hiermit war jedoch die ganze Unter⸗ 
nehmung zu Ende. 2) Eine Bapiermühle wurde dicht an 
der Stadtmauer von Teheran erbaut, wo feine genügende 
Waſſerkraft vorhanden it; für den Betrieb waren einige Ar: 
beiter aus Rußland verjchrieben worden. Die mislungenen 
Verſuche, aus Lumpen Papier zu machen, dauerten mehrere 
Sabre, bis endlih aus reiner Baummolle ein paar Bogen 
ungeglättetes graue Papier zum Vorſchein kamen. Inzwi⸗ 
ſchen jtarb ein Theil der fremden Arbeiter, der andere ver: 
fümmerte, und der Betrieb jchlief gänzlich wieder ein. Bon 
der Bapierfabrifation, welche im 13. und 14. Jahrhundert 
in Charaſſan geblüht haben fol, ift nichts übriggeblieben 
als einige Kleine mit Erzeugung von Pappen bejchäftigte 
Etabliffement3 zu Ispahan. 3) Für eine neue Glas: 
fabrit murden zwei vorzüglihe Arbeiter in Sraufreid 
angeworben, die aber ihre Kenntniffe bier um fo weniger 
nußbar machen konnten, da e3 nicht gelang, feuerfeften re 
fractorifhen Thon aufzufinden. Doch hatte ihre Kurze Wirk: 
ſamkeit wenigftens das Gute, daß die Perjer ihnen mande 
Bortheile abſahen und auf die heimische Probuctionsweife 
übertrugen. 4) Die größten Anftrengungen machte man zur 
Errihtung einer Spinnfabrik nah europäiſchem Muiter. 
Dampfmaſchinen und fonftige Apparate mußten aus Rußland 
mit unjaglider Mühe, nämlich meift durch Menfchenhände, 





186 


verfallen. Handwerker, die es über eine mittlere Wohlhabens 
beit gebracht, lernte ich nicht Fennen. Auf Meiſterſchaft können 
nur die Graveure (hekkak) Anfpruh machen und allen: 
fals die Gold», Silber: und Emailarbeiter von Schiraz. 
Der König befigt ſehr kunſtvoll emaillirte Goldgefhirre von 
neuerm Datum, bejonders Nargileb; auch der in jüngfter 
Beit renovirte Pfauenthron zeigt recht zierliche in Goldemaille 
ausgeführte Inſchriften und Arabesfen. 

Gewöhnlich nimmt ein einzelnes Gewerk einen Bazar _ 
für fih ein, der nad ihm den Namen trägt, jo der Bazar 
ber Schuhmacher, Polamentiere u. f. wm. Es herrſcht volle 
Gewerbefreibeit und Teinerlei Zunftzmang, doch wählen die 
Meifter eines Gewerks aus ihrer Mitte einen Chef, Baſchi 
genannt, zur Vertretung der gemeinjamen Intereſſen. 

Als die vorzüglichften Fabrik- (karchäneh) und Indu⸗ 
ftrieftädte (sanaet)) find zu nennen: Ispahan, Kaſchan, Yezd, 
Kirman, Schiraz, Hamadan (Leder) und Tabris. Reſcht 
am Kaspiſchen Meer verarbeitet etwas Seide, auch werben 
daſelbſt jehr jaubere und Fünftliche Stidereien auf Tuch ger 
fertigt. Die Refidenzitadt Teheran befitt gar feine Induſtrie 
im größern Maßitabe, die dortigen Handwerker vermögen faum 
dem Bedarf der Stadt ſelbſt zu genügen. 

Der Handel (tedscharet) befindet fi, mit wenigen Aus⸗ 
nahmen, in den Händen perlifher Kaufleute. Unter allen 
Ständen genießt der Kaufmannzitand die meifte Achtung; fein 
Eigentbum wird in den feltenften Fällen angetaftet, die Re 
gierung ſcheut fih, über ihn DVerationen zu verhängen, von 
denen andere Untertbanen ſchonungslos beimgejucht werden. 
Während meiner neunjährigen Anmejenheit fam es mir nicht 
zur Kenntniß, daß ein Kaufmann von einer Vermögenscon⸗ 
figcation betroffen worden wäre. Saadi fagt: „Drei Dinge 
können obne drei Dinge nicht beftehen: der Staat nicht ohne 

Gerechtigkeit, die Wiſſenſchaft nicht ohne Discuffion, das 





188 


Binfen von Darlehen zu nehmen, verbietet zwar das 
mufelmanifche Geſetz; felbftveritändli aber wird das Verbot 
vielfach umgangen. Der geſetzliche Zinsfuß iſt auf 12 Procent 
firirt, doch werden in geldfnappen Zeiten 18 — 30 Brocent 
bedungen. Solide Kaufleute zahlen jelten weniger, noch jeltener 
mehr ala 10 Procent Discont auf ihre Wechſel (barat); letztere 
werben über Kapital (ras el mäl) und Zinfen (tzenzil) ausgeſtellt 
und beim Verfall gegen eine Quittung (Kæbs) eingelöjt. Höchſt 
felten geihieht e8, daß ein Kaufmann feine Zahlungen ein: 
jtellt (werschikesten), in welchem al er immer in ein 
Aſyl flüchtet, bis feine Angelegenheiten geordnet find. In 
Betracht der Menge ſich darbietender Aſyle und der Möglich⸗ 
feit, dort unangefohten die etiwa mitgenommenen Summen 
zu verzehren, muß man ftaunen, daß jo wenig Bankrotte 
porfommen. " 

An der Spige der Kaufleute jeder Etadt jteht ein von 
innen gewählter Vorſtand (melek-e-tudschar), deſſen Auf: 
gabe e3 iſt, ſowol im allgemeinen die Intereſſen der Cors 
poration zu wahren, als aud Streitigkeiten zwiſchen deren 
Mitgliedern zu ſchlichten, ſäumige Schuldner zur Zahlung 
anzubalten und die Urſachen der Banfrotte zu ermitteln. 
Bor einigen Jahren hatte die Regierung einen Handelsminifter 
(vezir-e-tedscharet) in der Perjon des Mahmud Chan 
Karaguslu eingefegt und demjelben auch die Function der 
melek-e-tudschar übertragen; bald liefen aber feitens der 
Kaufleute jo zahlreihe Beſchwerden über Drud und willkür⸗ 
lihe Behandlung ein, daß man vorzog, den alten Stand der 
Dinge mwiederherzuitellen. 

Die fremden Kaufleute, welche in Berfien Handel treiben, 
iind Rufen, Franzoſen, Schweizer, Griechen, Türken, Ar: 
mener. Eine Rujlifch-perfiihe Compagnie, obwol von ber 
ruffiihen Regierung fubventionirt und Dampfſchiffe auf dem 
Kaspiihen Meere zur Verfügung habend, vermochte bisjept, 





191 


von einigen arabiichen Barken ausgeübt. Doch beſitzen mehrere 
Kaufleute in Buſchir Segelichiffe, welche den Handel zwifchen 
Indien und Perfien vermitteln. Der von den Armenern in 
frübern Beiten jo ſchwunghaft betriebene Handel nach Europa, 
befonders Benedig, hat in neuerer Zeit gänzlich aufgehört. 
Die armenijchen Kaufleute wanderten theils nah Rußland, 
theil3 nach Indien und Java aus und gründeten in diefen 
Ländern anſehnliche Handlungshäufer. 

Der periiihe Gejandte Ferruch Chan hatte während feiner 
Anweſenheit in Europa mit vielen Staaten Handelöverträge 
adgejchloffen. Als er über einen foldhen mit einem kleinen 
deutfhen Staat in Unterhandlung trat und deshalb nad) 
Teheran berichtete, jchrieb ihm der Großvezier Saderazam, 
der auf feine Erfolge eiferfüchtig war: „Teheran bat nicht 
Kaum für fo viele Gejandte und Conſuln, gleidhwie auf deiner 
Bruft nicht alle die verliehenen Orden Platz finden.” Zu 
dem König aber fagte der Sader im öffentliden Salam: 
„Denn jo große Dinge von einem deiner geringiten Diener 
ausgeführt werden, ift dies nicht das Verdienſt des Gejandten; 
es ist vielmehr der erhabene Ruf des Königs der Könige, mwel- 
chem alle Botentaten ihre Huldigung darzubringen fich beeifern.“ 





vi. 
Aerzte und Heilkunde, 


Mangelhafte Berufsbildung der perfiihen Aerzte. Juden als Xerzte. 
Mebicinifche Kenntniffe der Laien. Die Praris. Confultationen. Die 
Dicherah (Chirurgen), Die Dalak (Bader). Der Schikeſte⸗bänd. 
Das Impfen. Gerichtlihe Mebicin. Augenärzte. Hebammen. Cur⸗ 
ſchmiede. Europäifche Aerzte. Der Hekim bafchi (Leibarzt des Schab). 
Mititärärzte. Quackſalber. Arzneiträmer. Einlommen ber Aerzte. Bolls— 
mebicin. Klyſtiere. Auflöſende Mittel und Purganzen. Frühjahrscuren. 
Mineralquellen. Mediciniſche Theorie. Krankheitsurfachen. Heilmittel. 
Wundercuren. Der Puls. Aderlaß. Blutegel. Schröpfen. Fontanelle 
und Haarfeil. 


Die perſiſchen Aerzte (hekim-tz=bib) glauben ſich im 
Belit einer von der europäiſchen oder fränkiſchen ganz ver: 
ichiedenen, dem Klima von Iran und den Lebensbedürfnifſen 
jeiner Bewohner angepaßten ſpecifiſch perſiſchen Heilkunde; 
fie haben feine Ahnung davon, daß ihre geringe medicinifche 
Kenntniß nichts als ein Ausfluß, zum Theil eine Caricatur 
der Galeniſchen Humoralpathologie ift, von der jie die Form, 
aber nicht den Geijt entlehnten. Meine Schüler hielten es 
baber, als fie tn die Praxis traten, für angemefjen und vor: 
theilhaft, ſih als Doctores utriusque, der perliihen und 
europäiihen Medicin, anzufündigen. 





194 


mit einem breiten Shaml, in bem eine Rolle Papier und ein 
Tintenfaß ftedt, trägt einen hohen Stab und PBantoffeln von 
grünem Ehagrinleder, geht mit gemeflenen pathetifhen Schritten 
einher, ſpricht in ſalbungsvollem Zone, oder murmelt, wäh: 
rend er einen grobförnigen Rofenfranz durch die Finger gleiten 
läßt, arabiihe Gebetformeln — und der Arzt ift fertig. Be- 
figt er überdies einige Kenntniß der arabiſchen Sprache und 
des Korans, fo bringt er es bald zu Ruf und Anſehen und 
zu einem Einfommen, da3 ihn in den Stand Teßt, einige 
Weiber zu heirathen, Pferde, Diener und Eflaven zu halten, 
überhaupt ein Hausweſen (destgäh) auf großem Fuße zu 
führen. Durch die Straßen fieht man den Arzt gewöhnlid) 
auf einem Maulthier reiten, welches er zu diefem Zweck dem - 
Pferde vorzieht. 

Biele Aerzte find Juden oder jüdiiher Abkunft, nament: 
lich befindet fih in Kurdiftan und Turkiſtan die ärztliche 
Praris faft ausfchlieglih in den Händen von Juden, und es 
fcheint dies von jeher der Fall geweſen zu fein, wenigftens 
befagt eine Votiotafel am Grabe Eſther's in Hamadan, daß 
im 13. Jahrhundert das Grabmal dur drei Brüder, welche 
jämmtlid Aerzte maren, reftaurirt worden fei. Auch in 
Teheran gehören vier Brüder aus einer jüdischen Familie 
zu den beichäftigtften Nerzten der Stadt. Einer von ihnen, 
Namens Hal näzär, mar einige Zeit Leibarzt des vorigen 
Königs Mehmed Schah, und der Umftand, daß er, obgleich 
fowol diefer Fürft als auch der geliebtefte, zum Thronfolger 
beſtimmte Sohn des jeßt regierenden Schah unter feiner Behand⸗ 


am Scheitel und an jeder Seite zwei Loden, die eine vor, bie anbere 
binter bem Ohr. Nur Priefter, Gelehrte und Überhaupt Leute, welche 
ein befchauliche® Leben führen, rafiren ben Kopf ganz kahl. Derwiſche 
Dagegen, die ſtets barhäuptig geben, und einzelne Gefe und Sitte ver- 
achtende Lutis laſſen das Haar in wirren Loden ungehemmt um Kopf 
und Schläfe wallen. 





197 


zeugt, wie ich meinem Collegen in franzöfiiher Sprache be- 
merkte, daß ein Aderlaß den ſtarken Mann nicht tödten würde, 
glaubten mir doch bei unferm Botum verbarren zu müflen, 
und um ihm Geltung zu verihaffen, beſchuldigten mir die 
Gegenpartei, fie wolle „das gejegnete Haupt‘ unter die Erde 
bringen. Der Großvezier, dem fomit nur die Wahl geitellt 
war, mit oder ohne Abderlaß aus dem Leben zu fcheiden, ent- 
ließ vorläufig die ganze Verfammlung. Wir wurden in den 
Garten geführt und, nachdem wir uns dort auf einen diden 
Filzteppich gelagert, mit Thee, Kaffee und Nargileh geftärkt. 
Uebrigend nahm die Debatte ihren Fortgang. Mancher ſchleppte 
dide Folianten herbei und fuchte feine Anfiht ſchwärz auf 
weiß zu begründen. In der Hibe des Gefechts fielen auch 
mitunter Scharfe Worte, die man. jedoch dem Eifer für das 
Wohl der „Erften Perſon“*) zugute hielt. Unterdeffen hatte 
ber Kranke beichlofien, die Entfcheidung zwiſchen den zwei 
entgegenftehenden Anjichten dem Koran anbeimzugeben. Bald 
erichien der zu diefem Behuf in das Haus befchiedene mutsch- 
tehid (Prieſter höhern Ranges); vor ihm ber wurde ein fil- 
bernes Käftchen getragen. Er öffnete es unter allerlei Gere: 
monien und Gebeten, nahm das Buch (den Koran) heraus, 
befreite e3 von feiner dreifachen Hülle von Brocat, von 
Sammt und von Seide, und begab fih damit ganz allein 
ind immer de3 Großveziers. Diefer, der fchon öfter ders 
gleichen Anfälle von Kolik überftanden hatte, mochte ihm unter 
vier Augen zu veritehen gegeben haben, daß er die einfachere 
Behandlung vorziehe; denn der aufgefchlagene Spruch lautete 
dem bon ung ertbeilten Rathe günftig, während er unlere 


*) „Erſte Berfon‘‘ (schachse awal) ift ebenfo wie atabek, „Starfe 
Bruf, „Stüte des Reihe”, ein Zitel des Grofveziers. Sein Sohn 
erhielt den Titel „Disciplin bes Reichs“ und „Zweite Perſon“. DerSchah 
in feiner Würde fleht Aber allen Berfonen , tft unperſönlich. 





198 


Gegner mit den Prädicaten Hunde und Schweine belegte. 
Da der Priefter zum Befragen des Drafels ſich immer defjelben 
Koraneremplar bedient, fo wird e8 ihm natürlich nicht ſchwer, 
eine den Wünfchen des Fragenden entiprecdhende Stelle zu 
treffen. Dem Ausspruch des heiligen Buchs gemäß unterblieb 
alfo der Aderlaß, und Iran erfreute fich feiner von der Kolit 
befreiten „Leuchte“ noch mehrere Jahre, bis fie jodann ſpontan 
erloſch. Auf meine Bemerkung, der Koran habe ji) diesmal 
den Ungläubigen günftiger erwieſen als den Gläubigen, ward 
mir nur entgegnet: „Das Wort Gottes ift ſtets gerecht.” 

Um fi den Laien gegenüber ein gelehrtes Anſehen zu 
geben, werfen die Nerzte viel mit arabiihen Ylosfeln um 
fih, die aber meift ohne Sinn und Verſtändniß angewandt 
find. Ihre frengiihen Collegen juchen fie, in der Voraus: 
ſetzung, daß diejelben der Sprade nicht vollfommen mächtig 
jeien, duch einen Schwall leerer Worte in die Enge zu 
treiben; gelingt ihnen dies aber nicht, dann ftügen fie ihre 
Argumentationen auf eine Stelle aus dem Koran, auf welchem 
Gebiete fie nicht widerlegt werden können, denn der Koran 
lügt nit, und an feinen Ausfprücen zu zweifeln wäre 
Blasphemie! Anfangs mußte ich mich bei den Eonjultationen 
ebenfalls in dieſer Weiſe abfertigen laffen; ſpäter jedoch, ala 
ih mir größere Geläufigfeit im Sprechen des Perſiſchen er: 
worben, belämpfte ich die Herren mit ihren eigenen Waffen 
und ftellte gleich ihnen meine heiße und kalte, trodene und 
feuchte Diagnofe. 

Die Chirurgen (dscheräh) bilden eine befondere Klaffe 
des ärztlichen Standes. Sie werden nur bei äußern Uebeln 
zu Nath gezogen und find noch ungebildeter und unwiſſender 
als die Hekims. Ein witziger Perſer, den ich um den Unter: 
Ihied zwifchen Hekim und Dſcherah befragte, antwortete mir: 
‚Der Helim muß lefen und fchreiben Fünnen, der Dicherah 
darf es nit.” Der Chirurg fteht in der gelellfchaftlichen 





206 


auch falls es nöthig geweſen wäre, meine Hülfe in Anſpruch 
genommen hätte, will ich dahingeftellt fein laſſen. 

Die Thierheillunde (baytali) beſchränkt ſich auf die 
Behandlung einiger Krankheiten der Pferde und Maulthiere 
und wird von den Curſchmieden (beytal) und von Turko⸗ 
manen (Mogulen) ausgeübt. Nächſt dem Glübeifen (dägh) 
und dem Haarfeil (chuscheh) find am bäufigften Abführ- 
mittel im Gebrauch. Daß infolge des Mangels jeglidder me 
dicinalpoligeilihen Maßregeln durch Ausbreitung von Seuden 
der Viehſtand ſehr gelichtet. wird und ganze Nomadenftämme 
verarmen, wurde bereit bei einer frühern Gelegenheit er 
wähnt. 

Europäiſche Aerzte waren zur Zeit meines Aufent⸗ 
halts im Lande: in Teheran drei, in Tabris und Reſcht je 
einer, in Schiraz einer, der Schwede Fagergreen, der ſchon 
ſeit 15 Jahren daſelbſt prakticirte, und in Buſchir einer, dem 
engliſchen Conſulat attachirt. Im allgemeinen hat der Perſer 
geringes Vertrauen zur Kunſt eines europäiſchen Arztes, wenn 
es ſich um innere Krankheitszuſtände handelt, und dieſes mes 
nige wird noch durch die Verleumdungen der perſiſchen Col⸗ 
legen untergraben, welche die Europäer beſchuldigen, daß ſie 
mit Giften und Eſſenzen (dschäher) curiren. Der Kranke 
nimmt daher mit großer Beſorgniß ein Mittel aus der Hand 
des Frengi und täuſcht ihn in der Regel, indem er vorgibt, 
eine wunderſame Wirkung davon zu ſpüren, während er es 
doch weggeworfen hat und hinter dem Rücken des Arztes ſich 
äußert, er würde ſicher, wenn er es genommen hätte, ſchon 
längſt im Grabe liegen! Daß die Geſandtſchaftsärzte, beſon⸗ 
ders der engliſche, vielfach in die Häuſer der Großen gerufen 
werden, geſchieht aus dem Grunde, weil man durch ſie in⸗ 
direct mit der Geſandtſchaft in Verbindung kommen will; 
darum richtet ſich auch der Umfang ihrer Praxis nach dem 
jeweiligen Anſehen der Gejandtichaft, welcher fie angehören. 





208 


will dein Opfer fein.) Mit Nein darf man niemals ant- 
worten, und wenn er den Mond verlangte, mogegen man 
auch nicht gehalten ift, fein Wort einzulöfen. 

Während des Frühltüds, das in der Regel eine Stunde 
dauert, läßt ſich der Schah gern Geſchichten aus der ärztlichen 
Praris erzählen, oder er veranlaßt eine Disputation mit einem 
anmwejenden perfiihen Arzt über die Anwendung Falter und 
warmer Mittel, oder er ftellt allerlei ragen über euro: 
päiſche Verhältniſſe. Mir mar noch die bejondere Aufgabe 
zutbeil geworden, nachmittags den König in der franzöſiſchen 
Sprade, in Geſchichte und Geographie zu unterrichten. Mit 
einem guten Gedächtniß begabt, machte er nicht unbedeutende 
Fortſchritte. Er war auch fo ftolz auf diefelben, daß er mid 
eines Tags fragte: „Nicht wahr, ich Tpreche beſſer franzöſiſch 
als du?” worauf ih im perjiichen Hofftil erwiderte: „Aller: 
dings, jedes Wort des Königs iſt eine halbe Million werth, 
das meinige aber it eitel.” In Gegenwart des Schah muß 
fonjt jedermann ftehen, beim Unterricht war mir jedoch er: 
laubt, mich binzufnien: eine große Bergünftigung, da nicht 
einmal die Brinzen vom Haufe fich niederfegen dürfen. In 
diejer Stellung hatte ich auch die Ehre, vom Schah in ſchwarzer 
Kreide gezeichnet zu werden. 

Den Eönigliden Harem befucht der Hekim baſchi nur auf 
augdrüdlichen Befehl des Shah. Ein Eunude, der ihn ein- 
führt, ruft an der Thür das Wort „‚berul” („geht!“), worauf 
alle weiblichen Bewohner ſcheu wie die Rehe in ihre verſchie⸗ 
denen Zellen flüchten uyd nur verjtohlen durch die Fenfter: 
Iufen den VBorübergehenden betrachten. Geſenkten Blicks folgt 
der Arzt jeinem Führer. Begegnet ihnen auf dem Gange ein 
mweibliche3 Wejen, das ſich verjpätet oder den Warnungsruf 
überhört bat, fo breitet der Eunuche feinen weiten Mantel 
wie einen Vorhang vor das Gelicht des Arztes, big der ver: 
fängliche Gegenitand dem Anblid entrüdt iſt. Jede Frau bes 








212 


Stamme. Als die legte unglüdliche Erpedition nach Serädt 
ausgerüftet wurde, bewog ich einen meiner Schüler, als Ark 
mitzugehen; ich ftellte vor, daß man ihm einige chirurgifde 
Snftrumente verschaffen müſſe; die Anſchaffung wurde abe 
verweigert, wie e3 hieß „damit. er Fein Unheil anftifte”, im 
Grunde aber nur, mweil man die Eleine Ausgabe jcheute. Auf 
einer Reife nach Kaswin im März 1852 begegnete ich mehren 
Regimentern aus Teheran, welche wegen der dort berrichenden 


- Sholeraepidemie in die Heimat geihidt wurden; da ſah ih 


‘ 


Erkrankte, die nicht mehr weiter fonnten, in Maſſen am Wege 
liegen, mit dem Tode ringend und ohne Hülfe verſchmachtend 

Welche Klaſſe von Leuten ala Militärärzte angeftellt ſind, 
fann man fi nad dem Gefagten wol denten. Der Offizier 
ernennt gewöhnlich feinen Bedienten oder einen unwiſſenden 
Bader dazu, um defjen Dienjte für ji zu benußen, ode 
den Gehalt mit ihm zu theilen. Ich fette es durch, daf 
wenigftens den Garnifonen einiger größern Städte, fo Meſchhed, 
Schiraz, Tabris, Schüler von mir als Aerzte zugetbeilt wur 
den; doch iſt ohne einen völligen Syſtemwechſel Feine Belle 
rung der troftlofen Zuſtände zu erwarten. 

Neben den Aerzten treiben natürlihd auch eine Menge 
Quackſalber (baytar) in Perjien ihr Weſen. Sie beutn 
in Geftalt von Derwiſchen, Mulas, Seiden, Santons das 
leihtgläubige Volk aus, indem fie ihm die Electuaria 
aphrodsiaca, von Perlen, Rubinen, Korallen und Smaragden 
bereitet, echte Mithrivat-Latwerge, heilige Erde und Waſſer, 
Amulete (muhre) und Talismane für theueres Geld verkaufen. 
Paffirt e3 ihnen, daß durch ihre Experimente ein Batient 
vergiftet morden, jo verihminden fie fchleunigit, um in 
einer andern Stadt ihre Schwindeleien fortzufegen. Unter 
den Namen Tansure-chataäi (Ginfeng), wofür fabelbafte 
Preije bezahlt werden, liefern fie die Wurzel von Aconitum 
ferox (bisch), welcher Betrug während meiner Anweſenheit 





216 


Wenn ein Patient unter der Behandlung de Arztes 
ftirbt, fo verliert Teßterer nicht nur allen Anfprud auf Ho: 
norar, fondern man legt ihm auch direct die Schuld an ber 
eingetretenen Auflöfung zur Laſt; denn es herrſcht die Au⸗ 
ficht, daß ohne Zuthun des Arztes der Kranke nicht gejtorben 
wäre. Sobald daher ein Krankheitsfall tödlih zu enden 
drobt, pflegen die Aerzte fi) zurüdzuziehen, wodurd dem 
Kranken und jeiner Familie gewiſſermaßen officiell angelün- 
digt wird, daß das Ende nabe ſei. Macht unglüdlicherweije 
ber Arzt, mweil er nicht weiß, daß der Kranke bereit3 ver: 
Ihieden ift, noch einen Beſuch im Haufe, fo Tann er leicht 
in Gefahr fommen, von den Weibern und dem Gelinde thät- 
lich mishandelt zu werden. Aus diefem Grunde unterhält 
jeder perfiihe Arzt — und auch ih war dazu genöthigt — 
in der Umgebung feiner gefährlichen Patienten Spione, die ihn 
jofort von dem erfolgten unglüdliden Ausgang in Kenntniß 
jegen. Freilich begegnete es mir auch einmal, daß ein in 
meiner Cur befindlidher Kranter mir auf diefe Weife als todt 
gemeldet wurde, den ich ſechs Jahre Später zu meinem nicht 
geringen Erftaunen lebendig wiederſah. 

Sn frübern Zeiten mußte fih der Arzt, unter deſſen 
Behandlung ein Mitglied der königlichen Familie gejtorben 
war, eine Weile verbergen oder ins Aſyl flüchten*), jegt 
.baben fih die Anfhauungen in diefem Punkte etwas ge: 
mildert. Als Mehmed Schah ftarb, genügte es, daß fein Leib: 
arzt Dr. Cloquet in den nädhftfolgenden Tagen feine Wohnung 
nicht verließ. Bei dem Tode des zum Thronfolger defignirten 
gieblingsfohns des jetigen Königs wurden dem perfifchen 
Heim zwar die Stride feines Zeltes abgefchnitten, doch traf 
ihn zum ®lüd der Balken nicht und er hatte Zeit, ein Aſyl 


*) Diefe Sitte herrſchte noch zu Enbe bes 16. Sahrbunderts im 
moscowitiihen Reihe (Dlearius, ©. 163). 





222 


Burgiren den Körper ſchwächt, geht die befte Zeit zum Han⸗ 
bein verloren. Roma deliberante Saguntum perit! 

Wie in früherer Zeit in Europa, fo berrfcht in Verfien 
jegt noch die Sitte, im Frühling eine Depurationgcur des 
Körpers vorzunehmen, vorzüglich zu dem Zmed um die an⸗ 
gehäufte ſchwarze Galle (saudä) zu entleeren. Zweierlei 
Umftände tragen bier zur Aufrechthaltung dieſes Gebrauchs 
bei: erften3 der unerfchütterte Glaube an die alte Galenifche 
Lehre von den fi) anfammelnden humoribus peccantibus, 
welche von Zeit zu Zeit in Fluß gefegt und durch Evacuantia 
binausgejchafft werben müfjen; zweitens die irrige, aber dem 
Naturmenſchen nahe liegende Meinung, daß man Erfahrungen 
ex juvantibus et nocentibus bei Thieren ohne weiteres auf 
den menſchlichen Organismus übertragen dürfe. Da nun 
fein Thier dem Perſer näher jteht als das Pferd und e3 das 
einzige ift, deſſen Natur er ftudirt, deſſen Zucht und Ber: 
edelung er fi angelegen fein läßt, jo nimmt er gern die an 
diefem gemachten Beobadhtungen zur Richtſchnur für die Be 
bandlung des eigenen Körpers. Wie die Pferde im Frühjahr 
durch Fütterung mit grünem Getreide jtatt mit Stroh und 
Gerſte, worin das ganze übrige Jahr ihr Futter beiteht, und 
durch Fernhaltung von allen Strapazen einer Regenerationdcur 
unterzogen werden, ift im fünften Abjchnitt diejes Theils be⸗ 
richtet worden. Ganz analog hält der Perſer eine durch⸗ 
greifende Reinigungscur im Frühjahr an fich jelbit für noth: 
wendig. 

Man wählt dazu die Zeit zwiſchen Mitte April und Ende 
Mai. Nachdem man von feinem Hefim genaue Berhaltungs- 
regeln in Bezug auf Gebrauchsmweile (destur el amal) und 
Diät eingeholt bat, bereitet man ſich durch fünf bis acht: 
tägigen Gebrauch von Solventien vor, nimmt dann ein Ab: 
führmittel, ein zweites nach zwei Tagen, jelten ein drittes, 
und geht bierauf zur eigentlichen Cur über, welche 30 — 40 





224 


Gonorrhöe und ihre Folgen, jowie als ultima ratio in allen 
chroniſchen Krankheiten, wo andere Mittel nichts Frächteten, 
angewendet. Glaubt der Batient Nuten von der Eur zu 
verfpüren, jo wiederholt er fie mehrere Frühlinge biuterein- 
ander. Manche laſſen fi) die Eur während der Faſtenzeit 
vom Arzte verordnen, um dadurch von den vorgejchriebenen 
Entbehrungen dispenfirt zu fein. Es mag dahingeftellt blei- 
ben, welcher Antheil der veränderten Lebensweiſe oder dem 
Zufall daran beizumeffen ift, aber ich habe vom Gebrauch der 
Ehinamurzel jehr jchöne Erfolge gejehen und würde ihr wenig⸗ 
ſtens vor der Sarfaparille unbedingt den Vorzug geben. 

Die Sarfaparille (uschpeh) wird jelten allein genom- 
men, häufiger dem Decoct der China nodosa beigemilcht; da⸗ 
ber beveutet „Tschini-uschpeh churdem”: „Ich brauchte die 
Pflanzencur”. Turkomanen und Mogulen genießen die China 
nodosa als Leckerbiſſen. 

Gegen chroniſche Bruſtleiden aller Art gilt friſche Ejels- 
milch (schire auläg) für ein ſpecifiſches Heilmittel. Die 
Ejelin, von der die zur Eur beftimmte Mil fommt, muß 
ein ftarfes, gejundes Thier fein und erſt Fürzlich ein Junges 
geworfen haben. Sie erhält während der Zeit ausſchließlich 
Grünfutter, vorzüglich viel Lactuca. Dan beginnt die Cur 
mit 50 Miskal (7 Ungen), jteigt allmählich bis 200 Miskal, 
und von da in den legten zehn Tagen wieder abwärts mit 
der Quantität. Natürlich it während der Eur der Genuß 
bon Früchten und fauern Speijen unterfagt. Leidende an 
chroniſchem Lungenkatarrh, Emphyſem oder unvollflommen ges 
löfter Pneumonie erhalten fih durch Efelsmilh, wie ich 
mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte, noch mehrere Jahre 
am Leben; die Anfälle werden gemildert und die Winter Ieid- 
licher überftanden. Ueber die Wirkung in Tuberculofen ftehen 
mir Feine Erfahrungen zu Gebote, da biefe Krankheit zu ſelten 
im Lande vorkommt. 














242 





doch laſſen fich auch bier die zahlreichen guten Erfolge nicht 
wegleugnen. 

. Seltener bringt man bei Menſchen ftatt der Fontanelle 
das Haarfeil zur Anwendung. Es wird faſt immer im Naden 
getragen und leiftet bei ſchweren Augenübeln vortrefflice 
Dienfte. 3 babe mich in meiner Praris mit Vorliebe des- 
felben bedient, weil ich feine gute Wirkung, und zwar nidt 
blos in der Augenklinik, fondern auch bei verſchiedenen ans 
dern Leiden, 3. B. bei einfeitiger Lähmung, durchaus be 
jtätigt fand. 





VIII. 
Narkotika, Gifte und Gegengifte. 





Haſchiſch. Opium. Tabad. Stechapfel. Bilfenfraut. Alraunmurzel. 
Taftwurzel. Brechnuß. Eiſenhut. Bittermandeldil. Thee. Kaffee. 
Wein. Branntwein. Bier. Kumiß. Arſenik. Erden. Mumiai. Bezoar. 


„Raum und Zeit ſind es, in denen ſich der Menſch 
bewegt, in dieſen liegen ſeine Freuden und ſeine Leiden; er 
ſucht das Beſſere, er ahnt das Unendliche, er wird jedoch 
durch zeitliche und räumliche Verhältniſſe an die Wirklichkeit 
gemahnt, er ſtrebt daher nach Mitteln, welche ſie ihn ver⸗ 
geſſen machen, dieſe findet er in den Narkoticis. So begeht 
er einen momentanen Selbſtmord mit dem angenehmen Ge: 
fühle des Schlafens, Träumend und — Erwachens.“ — Mit 
diefen Worten erklärt Profeffor Unger in feinen „Botanischen 
Streifzügen” ſehr wahr und treffend den Hang fo vieler 
Menſchen, ja ganzer Völkerſchaften zum Genuß betäubender 
Stoffe. Namentlih die orientaliihen Völker haben von 
jeher diefem Hange gefröhnt, und emjig forſchten fie ſtets 
nah narkotiihen Kräften in den ihnen erreihbaren Naturs 
producten. Es erregte daher durchaus Fein Aufſehen bei den 
Perſern, als ic im Jahre 1852 zuerſt mit Aether und Chloro⸗ 
form dajelbft debutirte. 

16° 





244 


Nachſtehend theile ich die Erfahrungen und Beobachtungen 
mit, welche ich über die in Perſien gebräuchlichſten Narkotika 
gelammelt babe. 

Haſchiſch, 
d. h. das Kraut, iſt der allgemeine Name für die Blätter der 
Canabis indica (perſ. shähdänen, Königsforn, arab. canab). 
Speciell heißen die Blätter im Naturzuſtande beng, als Prä— 
parat, zu Pillen und Kugeln gefnetet, tschers. In Bezug 
auf feine Wirkungen gibt man dem Haſchiſch verſchiedene Bei- 
namen, als: Fröhlichkeitserreger, Geſchlechtserwecker, Troſt 
der Betrübten, Moyfterium u. |. m. 

Die Pflanze, unferm Hanf ehr ähnlih, nur Fräftiger 
entwidelt, wird aus Samen gezogen. Sie gedeiht faft in 
allen Gegenden Aliens, in Hindoſtan, Kafhmir, Bengalen, 
Fars, Irak, Damaskus, doch genießt das Haſchiſch von ein: 
zelnen Provinzen und Orten, 3. B. das von Afghaniltan 
und Kaſchmir, den Vorzug, meil die Bewohner mehr Sorg: 
falt auf den Anbau verwenden und fich beijer auf die Prä- 
paration des Tſchers veritehben. Un Teheran bauen Der: 
wifche einige Felder mit Canabis indica. Das befte Berg 
kommt von Herat; es wird nicht öffentlich feilgeboten, fon: 
dern durch Afghanen und Derwilche in großen blaßgrünen, 
etwa 2 — 3 Unzen ſchweren Kugeln unter der Hand verkauft, 
während das Tſchers, von ſchwarzbrauner Farbe und ge: 
wöhnlih in Päckchen zu 1, Drachme, in den Bazars zu 
baben if. Miſcht man geriebene Tſchersblätter unter friiche 
Milch und buttert diefe, fo erhält man das Bengöl (rugan- 
e-beng), ein jehr ftarfes Haſchiſchpräparat. Tſchers berauſcht 
am fchnelliten, wenn es, auf das Kohlenbeden des Nargileh 
gelegt, in Dampfform eingeathmet wird. Es Tann länger 
ald Beng aufbewahrt werden, ohne durch Verdünſtung feine 
Kraft einzubüßen. 

Die erften Verſuche im Genuß des Haſchiſch bringen, 





245 


wie die eriten Studien im Tabackrauchen, peinliche Körper: 
zuftände hervor, ſodaß Europäer, welche die Wirkung des 
Haſchiſch an fich jelber kennen lernen, gewöhnlich nicht eben 
angenehme Empfindungen davon verjpüren. Fortgefebte 
Uebung befähigt aber den Organismus zur Aufnahme des 
Giftes, ohne daß bei mäßigem Gebrauch Abnahme der Ber: 
ftandesfräfte und des Zeugungsvermögens oder directe Lebens— 
verfürzung nothwendige Folgen find. Im Gegentheil gilt 
es als ausgemacht, daß gewohnheitsmäßiges Tſchersrauchen, 
wenn die gehörigen Schranfen eingehalten werden, lebhafte 
Gefihtsfarbe, gejunden Appetit und vermehrte Potenz erzeuge, 
daß es die Phantaſie anrege, zu Heiterkeit und Frohſinn ftimme 
und dem Geilt eine gewilfe Schwungfraft verleihe. Faft alle 
Afghanen rauchen täglich Tichers, und fie find in der Mehr: 
zahl aufgemedte, muntere, tapfere und entichloffene Leute. 
Der befte lebende Dichter Perfiens, Hekim Kani, infpirirte 
ih jeden Tag durch Wein und Haſchiſch. 

Ebenſo gewiß aber wirft der übertriebene Genuß depri- 
mirend auf den Körper wie auf den Geift. Das Gefiht wird 
fahl, das Auge matt und ftier, das Blut verdirbt, Appetit 
und Potenz nehmen ab, „die Gehirnmafle trodnet aus” („fein 
Gebirn ijt feucht” heißt: er ift bei Laune, aufgelegt, beitern 
Sinnes; „fein Gehirn ift troden” will fagen: er ift dumpfen, 
blöden Geiſtes); Niedergefehlagenheit, Unluft, Zaghaftigkeit 
(dschebun), Mangel art Energie und Willenskraft kennzeich— 
nen den Bengefjer (benghi), er endet in Melandolie und 
Blödfinn. 

Das Marimum einer einmaligen Dofis, das der Körper, 
ohne unmittelbar vergiftet zu werden, ertragen Tann, dürfte 
mol fein: von Tſchers 8 Gran, von Beng "/, Dradme in 
einer Schale Milch, von Bengöl höchſtens 4 Gran. | 

Eine eigenthümliche Wirkung des Haſchiſch find die Vi— 
fionen und Sinnestäufhungen. Das Auge des Beraufchten 





246 


fieht, fein Obr Hört anders. Ein Kleiner Stein im Wege 
ericheint ihm als gewaltiger Felsblod, den er mit hocherho⸗ 
benem Bein zu überfchreiten jucht, ein ſchmales Rinnfal als 
breiter Strom, er begehrt ein Schiff, das ihn ans andere 
Ufer trage; die menſchliche Stimme jhalt ihm wie Donner: 
gerol ind Ohr. Er glaubt, Flügel zu haben und fich über 
bie Erde erheben zu können. Don joldem durch Bengraufd 
erzeugten Wahne befangen, ſtürzte ein Unglücklicher in den 
Stadtgraben; mir war es beſchieden, feinen Flügel, nämlid 
das gebrochene Bein wieder zufammenzubeilen. 

Zu allen Beiten haben religiöjfe und politiihe Seftirer 
im Drient diefen Zuftand einerfeitd der Ekſtaſe, andererjeitt 
der Täufhung und Willenlofigkeit benugt, jowol um ihre 
eigene Phantaſie bis zu Viſionen zu fteigern, al3 auch um 
neue Anhänger und Neophyten zu gewinnen, und man Tann 
behaupten, daß an den Revolutionen, welche die mujelma: 
niihe Welt von Hindoftan bis Marokko und Zimbultu er: 
ihütterten, das Haſchiſch einen weſentlichen Antbeil batte. 
Nachweisbar ift ein folder Einfluß bei der Sekte der Iſsmae⸗ 
liten, welche im Jahrhundert der Kreuzzüge unter Führung 
des Haſſan Sabah von Alamud, des ogenannten Alten vom 
Berge, ihr Weſen trieben, und bei der in neueiter Zeit auf: 
getretenen Communiftenfette der Babis. 

Ale Derwiſche ohne Ausnahme find dem Tichersrauchen 
ergeben, woraus jich vieles in ihrem abfonderlihden Gebaren 
erflärt, ihr Cynismus, ihre Graltationen, die blinde Folg- 
ſamkeit und Verehrung der Jünger (Murid) gegen ihre Obern 
(Murſchid), deren Speichel fie fogar als gebeiligte Reliquie 
bewahren. Sonft gilt häufiger Genuß des Haſchiſch in der 
Öffentlihen Meinung für ein Lafter, und nur wenige Män- 
ner, noch meniger Frauen wagen es, demjelben zu fröhnen, 
ftet3 aber im geheimen und in nächtlicher Verborgenheit. 
Leider bat durch die vielen Afghanen, melde infolge der Be 





248 


chinensis, mehrere Arumarten, Datura stramonium, Hy- 
oscyamus und Aconitum ferox.”) 


Opium (Teriaf). 

Die Dpiumpflanze (chäsch-chäsch oder cäcnär) ge 
deiht in PVerfien nicht füdlicher als bis Rages (Ray, 35°) 
und ebenfo wenig in den nördlichen Hocebenen. Man un 
terjcheidet nach den Orten des Anbaues folgende Sorten: - 
1) Terial-e-Arabiftani aus der Umgegend von Schufcter 
und von Disful (dem bibliichen Schuſchan), die ftärkite Sorte; 
2) T. Mähan, bei Kirman gebaut, jehr Träftig,; 3) T. Heft 
deft, um Ispahan; 4) T. Dezd; 5) T. Ispahan aus un 
mittelbarer Nähe der Stadt; 6) die Ihlehten Qualitäten aus 
Schahabdulazim, Kaſchan, Kum, welche in bellbraunen Stän- 
gelchen in den Bazaren verkauft werden und jehr mit Pflan⸗ 
zenreften und Amylum verfälicht iind; 7) eine jehr ſtarke 
Sorte von dunkelbrauner Farbe aus der Gegend von Sari 
und Balafrufh in Mafanderan am Kaspiſchen Deere. 

Der Gebrauch des Dpiums ift allgemein, er ift nicht 
verboten, nicht entehrend, wie der des Haſchiſch, ſondern öffent: 
lih gebilligt. Saft jeder Perſer, der die Ausgabe erſchwingen 
fann, nimmt mwenigftens einmal des Tags eine Opiumpille. 
Bejonders viel Opium wird in den Marjchländern des Kas—⸗ 
piihen Meeres conjumirt, weil man glaubt, daß feine aus: 
trodnende Eigenichaft dem ſchädlichen Einfluß der dort herr: 
Ihenden Feuchtigkeit entgegenwirfe. Schah Abbas II. wollte 
das Verbot des Weins ftreng aufrecht erhalten; infolge deffen 
griff aber der Genuß des Opiums (cäcnär und Syrupus 
diacodii) in der Armee dermaßen um fi, daß er fich ge 
nöthigt ſah (1621), das Verbot wieder zu mildern, wogegen 
er nun Verkäufer wie Käufer von Cacnar mit dem Tode beftra- 


*) Arbeiten der kaiſerlich⸗-ruſſiſchen Geſandtſchaft zu Peling (Berlin 
1858), II, 467. 





252 


zu ftatten, während der Europäer, weil er mit feinem leb- 
baftern, unrubigern Temperament ji nit Jahr aus Jahr 
ein an die feitgezogene nothwendige Schranke zu binden ver: 
mag, bald die Doſis vermehrt, bald gar zum Morphium greift, 
namentlich aber der Verfuhung nicht widerſteht, zu andern 
als den beitimmten Stunden des Tages oder der Nacht da3 
Narkotitum zu nehmen, durch fortgejegten Opiumgenuß Ge 
jundheit und Leben aufs Spiel ſetzt. Ebenſo verfallen die 
Derwiſche und Falire, welche ein umberichweifendes müßiges 
Leben führen, faft alle der Unmäßigfeit; fie werden Teriakhi, 
d. i. Opiumeſſer und Opiumrauder von Profeliion, und be 
finden ih in fortmährender, Körper und Geift zerftörenber 
Narkofe. In meiner Gegenmwart verfpeilte ein Derwiſch nicht 
weniger al3 6 Stangen, nahe an 7 Dradhmen Opium auf 
einmal. 

Die Entwöhnung von Opium nad jahrelangem Gebraud 
kann ebenfall3 ohne nachtheilige Folgen geicheben; nur muß 
der Uebergang ein jehr langjamer und allmählicher fein. 
Manchen allerdings ift der Genuß dermaßen zum Bedürfniß 
geivorden, daß der ganze Organismus franft, bis fie wieber 
zur alten Gewohnheit zurüdfehren. 

Perfonen, deren Körperconftitution das Opium ganz 
mwiderjtrebte, die beim mäßigſten Gebrauch deffelben abma- 
gerten und an hartnädiger Leibesverftopfung oder Schlaflofig: 
feit litten, fand ich jehr wenige. Dagegen gibt es Indivi—⸗ 
duen, die es ohne Beeinträchtigung ihrer Geſundheit auf 
20 — 30 Gran per Tag bringen und eine Reihe von Jahren 
dabei aushalten. So erzählt Sir John Malcolm, der gründ: 
lichite Kenner iraniſcher Zuftände, in feinen „Skizzen aus 
Berlien” folgenden al: „Ich Hatte an dieſem Tage das 
Vergnügen, mit meinem alten Freunde Mohamed Riza Ehan 
Byat zufammenzutreffen, der aus Schiraz zugereift am. Er 
galopirte Ted wie ein Jüngling auf mich zu und rief fchon 





254 


er beſaß noch Geifteskraft genug, um mir in einer lebhaften 
Discuffion die Vorzüge des Islam auseinanberzufeßen. 

Nah alledem könnte man mol vom Opium, das cons 
fequente Fefthalten an ber gewohnten mäßigen Doſis voraus: 
gefegt, ebenfo wie vom Kaffee fagen: wenn es ein Gift if, 
ſo muß e8 doch ein fehr langſam wirkendes fein. 

Unbedingt von ſchlimmen Folgen ift das Opiumrauchen, 
um fo mebr, da der Dampf nicht durch das Nargileh, - welches 
einen großen Theil der Alkaloide im Waller zurüdhält, jons 
dern durch die kurze türfiihe Pfeife eingefogen wird. && 
ift in Berfien bei weitem weniger verbreitet als in der Tür 
fei; durch die öffentliche Moral verdammt, wird es nur aus: 
nahmsweiſe und in tiefiter Verborgenheit geübt. Nach kurzer 
Zeit zeigen ih an dem Opiumraucher die befannten Symp⸗ 
tome der chroniſchen Narkofe: eingefallenes Geficht, ftierer 
Blid, jtrohgelbe Gefichtöfarbe, fchlotternder Gang, Schlaf: 
und Appetitlojigfeit, geiftige Erfchlaffung, confufes Denken, 
zulegt ‚wirklicher Irrſinn. 

ALS acutes Gift mird Opium namentlih von Selbit- 
mördern gebraudt. Wie bei allen an ein unabänderliches 
Fatum glaubenden Völkern ift bei den Perſern der Selbft 
mord zwar nicht eben häufig, aber er fommt doch dann und 
wann vor. Auffallend dazu geneigt find Neger und: Nege 
rinnen. Das Rettungsverfahren bei acuter Opiumvergiftung 
beitebt im Darreichen von Brechmitteln und ftarkem Schwarzen 
Kaffee unter beitändigem Rütteln des Körpers und Beiprigen 
defjelben mit faltem Waſſer. Damit die noch unverdaut im 
Magen liegenden Opiumftüde mit fortgehen, thut man gut, 
por dem Brechmittel etwas Wein zu geben. Ich behandelte 
das zehnmonatliche Kind des Füniglihen Secretärs Mirza 
Abbas Munſchi, dem eine Negerin aus Rache gegen bie 
Mutter 9 Opiumpillen in den Mund geitopft hatte. Als ih 
gerufen wurde, lag es bereits, blau und mit verengter Bus 





256 


gefhieht, und auch der Name deutet auf fremdländifche Ab- 
kunft bin. Sie ſcheint einen etwas falzigen Boden zu Lieben; 
wenigſtens jah ich in der Nähe von Tombalipflanzungen immer 
viele Salfolen wuchern. Nördlicher ald 349 gedeiht fie nit 
im Zafellande Iraks, ebenfo wenig fommt fie in den feuchten 
Marſchländern am Kaspiichen Meere fort. Der höchſte Punkt, 
wo ich fie fand, ift Afepas, auf einer Hochebene zwiſchen 
Shiraz und Ispahan gelegen. Es war am 26. Suli, al 
ih den Ort paſſirte; das Thermometer zeigte als Mari 
mum der Tagestemperatur 24°, Waller fochte bei 93%. Su: 
deß zweifle ich, dab die Pflanze dort zur Reife gelangt, denn 
die Blütenfnospen waren noch nicht einmal angedeutet. 

In der Provinz Laar, ſüdlich von Schiraz, wächſt bie 
befte Sorte, der Tambäkü Schirazi. Er bat viel Aroına und 
gewinnt durch das Alter an Güte; 1 Man (5Y, Pfund) 
foftet in Teheran %, Dulaten. Der größte Theil wird im 
Lande confumirt, das übrige geht nah Konftantinopel, au 
nad Petersburg und dem Kaufafus. ALS zweite Sorte gilt 
das Gewächs von Ispahan, das weniger aromatiſch ift, 
Kragen im Halſe verurfaht und fich nicht lange aufbewahren 
läßt. Andere Sorten, wie die von Kaſchan, Yezd u. ſ. w., 
werden nur von den ärmern Klaffen geraudt oder nad 
Bagdad und Konftantinopel verkauft. Die Ausfuhr ift be 
trächtlich und hat namentlich jeit dem Krimkriege zugenommen, 
weil ſeitdem der perſiſche Tabad auch in Europa beliebt wurde; 
fie erreicht einen jährliden Werth von 2 — 300000 holl. 
Dufaten. 

Anfangs Mai legt man zu Ispahan den Samen ziemlich 
dicht in die Erde. Nah Verlauf eines- Monats werben die 
etwa 3 Zoll hohen Pflänzchen ausgehoben und meitläufiger 
in Beete, ähnlich unfern Kartoffelbeeten, verjeßt, die zu beis 
den Seiten von tiefen Furchen zum Zweck der Bemäflerung 
eingefaßt find. Allzu viel Näſſe fcheint die Pflanze nicht zu 





262 


wurde mir von feinem Vater zugeführt, weil das Uebel ihn 
binderte, die arabiihen Gebete, zu denen der Perjer vom 
dreizehnten Jahre an verpflichtet ift, deutlih auszuſprechen. 
Durch innerliden Gebrauch friſch pulverifirten Daturaſamens, 
begleitet von Falten Umfchlägen auf den Kopf, gelang es mir, 
ihn binnen zwei Monaten zur Berrihtung der vorgejcrie- 
benen Gebete zu befähigen. 


Schwarzes Bilfenfraut (Hyoscyamus), 


perſiſch bezer ul bendsch oder benk, kommt in allen feinen 
verichiedenen Arten vor. Dr. Buhze (vergl. deſſen „Geſam— 
melte Pflanzen in Tranzfaufafien und Perſien“, 1860) be 
obachtete und bejchreibt ven H. niger, persicus, Camerari, 
Seneccionis, bipennatisectus, pusillus. Mit den Samen 
werden beraufchende Latwerge verjegt, vornehmlich das Opium: 
barſch. Das Kraut wirkt, äußerlich angewendet, Ihmerzitillend. 


Alraunmwurzel (Mandragora), 
perfiih merdum giäh (Mannskraut), mehr-e-giäh (Liebes: 
fraut), jabrudsch -es sannam, biche-lzfäh, sek - kun, 
findet jih nur im jüdlichen Theil des Landes, am häufigften 
um Shiraz. Man fchreibt der Wurzel, wie ehemals in 
Europa, übernatürlihe Kräfte zu und trägt jie als Amnlet 
zur Verhütung von Epilepfie, Unfruchtbarkeit, Abortus, Un- 
treue de3 Mannes oder der Frau, Ungnade des Königs, 
jowie zum Schuß gegen Bezauberung und dämoniſche Einflüſſe. 


Taftwurzel (Scopolia mutica), 
perliich bich-e-Taft, risch-e-Taft, schukerän, durs, wächſt 
im Bezirf Taft unweit Yezd und bildet einen Beſtandtheil 
der meilten narkotiſchen Latwerge. Auch miſcht man zumeilen 
feine Quantitäten dem Zuderbrot bei, um jih an den un: 
willkürlichen raftlofen und lasciven Bewegungen derer, bie 





276 


ein im Magen der Bergziege ſich bildender meiſt eiförmiger, 
an der Oberfläche abgeglätteter, im Innern zwiebelartig häu— 
tiger Stein, deſſen Kern ein Stengelchen, bei den Fugelför: 
migen die ruht vom Kraute Muchalefjeh bildet. (Mucha— 
leffeb ift, wie ich glaube, ein fabelhaftes Kraut; denn auf 
mein Befragen wurde mir immer wieder eine andere Pflanze, 
über ein Dußend ganz verfchiedene Gewächſe, als Muchalefjeh 
bezeichnet.) Mit Eſſig gerieben, nimmt der Stein eine röth: 
lihe Farbe an; in feinem Innern finden ſich oft mollige 
Faſern. Der Bezoar von Hinduftan ift ſchwärzlich und von 
ſchwächerer Wirkung als der von Schiraz. Der echte Bezoar: 
ftein ift ein Gegengift gegen jämmtliche Gifte, ftärft den 
Magen, zertheilt kalte Geihmwülfte und ſchützt vor der Bet. 
Aeußerlich bewährt er fich gegen Stiche von Inſekten, beion: 
ders der Bienen.’ " 








perlüd sarbmedsch, moron abaeieniet 





Zeit häufig auf dem Tradiptgebirge ziwifhen Aspaban und 
Mabiar. Dorthin kamen jährlih im Frühling die Auguzeh⸗ 
Ausbeuter aus Choraffan; fie umgaben die Pllange mit einem 
Wal von Steinen, fchnitten den Stod ab und fammelten 
dann das Harz. Da fie aber keine Stöde zum Samenaus— 
ftreuen übrigließen, finden ſich jeßt nur noch vereinzelte Erem- 
plare dort. Hingegen fol fie zwiichen Ababeh und Murgab 
noch bäufig fein, wo aud wie in Laar (füblihe Provinz) 
die Aa gejammelt wird. Um Ababeh nähren ſich im Früh: 
ling die Schafe von den Blättern der Pflanze; Milch und 
Butter ſoll davon, wie mid alaubivürbige Männer verſicher⸗ 
ten, jo ſtinkend jein, daß fie nur Eingeborene geniehen mögen. 
Aud aus Herat bradte mir ein engliſcher Arzt mebrere 
Sprofien, welche mit Harptbränen ganz bebedt waren, Aus 
dem Borfommen im beißen Zaor und ambern Gegeben Ifi 
erſichtlich, daß bie Planze ein märmeres Mlima und ein⸗ 
geringere Meeresböhr verlangt. 

Das meifte Hary ber F. as fortida wird nad Indien 
erperürt, mo 23 zu culinariſchen Zweden bient; eb bildet 


F ein häufiges Ingredienz ber Saucen zum Pillaw. Geine me 


diciniſche Anwendung in Verſien if jebr auegedehnt, beſon⸗ 
Ders gegen Krampfleiden, es gibl Leute, Die ſich fo bazalı 
en, DE ae, iwie den DOpinmeflern bas ” 





Ferula sagup 







X. 
Rrankheiten und Epidemien. 


Epidemien. Allgemeiner Krankheitscharafter. Rötheln. Rothlauf. Blat- 
tern. Maſern. Scharlach. Neſſelſucht. Furunkel und Karbunfel. 
Pemphigus. Krätze. Acne. Aleppoknoten. Ausſatz. Syphilis. Diarrhöe. 
Kolik. Ruhr. Cholera ablactatorum. Hämorrhoiden. Eingeweibe⸗ 
würmer. Leberleiden. Stein. Harnruhr. Blutharnen. Kinbdbettfieber. 
Potenz. Keuchhuſten. Chroniſcher Lungenkatarrh. Lungentuberkuloſe. 
Herzklopfen. Krampfadern. Geiſteskranke. Skrofel. Krebs. Wechſel⸗ 
fieber. Typhus. Cholera. Augenkrankheiten. Schagugulus. Wunden. 


Eine allgemeine Darſtellung der in Perſien herrſchenden 
Krankheiten durfte in dieſem Buche, das ein Geſammtbild 
des Landes und ſeiner Bewohner zu entwerfen beſtimmt iſt, 
nicht ganz übergangen werden. Wenn ich mich veranlaßt 
ſah, einige Krankheiten, wie Wechſelfieber und Ruhr, ſogar 
ausführlicher abzuhandeln, ſo geſchah es, weil darauf die 
Geſetze der Acclimatiſation beruhen, auf die ich ein beſon⸗ 
deres. Gewicht lege. Aerzte mögen die Oberflächlichkeit, Nicht: 
ärzte die Weitläufigfeit meiner Darftellung entichuldigen. 

Die.in Europa gemachte Beobachtung, daß Epidemien 
einen fehr unerheblichen Einfluß auf Verminderung der Popu⸗ 
lation ausüben, indem der etwaige Ausfall ſich raſch wieder 
erfegt, bat feine Gültigkeit für den Orient, wo durch Epi⸗ 





291 


demien die Sterblichkeit in einem Grade fteigt, daß z. B. 
Gegenden, in denen vor 33 Jahren die Peſt wüthete, ſich 
heutigen Tags von dem Menſchenverluſt noch nicht erholt 
haben, und Lüden, die Cholera=, Blattern-, Mafern: und 
Keuchhuften-Epidemien gerifjen, fi äußerſt langjam wieder 
ausfüllen. Nur infolge des mangelnden Verkehrs und Danf 
den bedeutenden Elevationen des Landes erlöfchen Epidemien 
und Viehſeuchen zulegt in fich jelbjt; der Menſch, vom Glau— 
ben an das Fatum beherrſcht, ergreift feine Maßregeln da— 
gegen, höchſtens verlaſſen einige Reiche den inficirten Drt, 
um in Selten zu wohnen, und der Nomade treibt fein Vieh 
in eine andere Gegend; die große Maffe der Unbemitteltern 
jedoch, die nicht im Stande find, den Ort zu wechſeln, fällt 
wehrlos der verheerenden Seuche zum Opfer. Daß aber ein 
verbältnigmäßiger Erſatz des Menihenverluftes nicht ftatt- 
finden fann, liegt in den gefammten Einrichtungen des ehe— 
lichen Lebens begründet, wie fie im fechsten Abſchnitt des 
erften Theils geichildert worden find, 

Das Negiiter der Krankheitsarten ift wenger reichhaltig 
als in Europa; dagegen treten die einzelnen bei weitem 
maſſenhafter auf: wie etwa die Vegetation mancher obwol 
üppig bewachſenen Gegend doch dem Botaniker geringe Aus: 
beute gewährt, Am ganzen gehören Entzündungen, beſonders 
der Bruftorgane, zu den Ausnahmen; vorberrihend aber find 
Krankheiten des Uitterleibes, der Leber, der Milz, der Ge 
bärme, vor allen Fieber und Ruhr. Fa am Kaspiſchen Meer 
verdrängen die legtern beiden faſt alle andern Krankheiten oder 
prägen ihnen wenigitens ihren Charakter auf. Mandye Krant: 
. beiten find Perfien eigenthümlich; die Knoten: und Glieder- 
lepra, der Aleppofnoten, der Medinawurm, die Vitiligo, die 
endemische Gangräne, ein typhoides Fieber. Andere fehlen 
oder find fo jelten, daß fie in der Aufzählung kaum mit ge 
nannt werden können, jo die Tuberkuloſe, die Strofulofe 

19* 





292 


und die Rhachitis unter der weißen Raſſe; ferner Krebs, 
Scharlach, Lupus, Krupp und Kondylosmen. 

Hautkrankheiten jind zwar, weil der Perſer große 
Sorofalt auf die Pflege der Haut verwendet, nicht ganz ie 
häufig wie in andern heißen Ländern, aber immerbin, k- 
ſonders in einigen Städten, zahlreih genug, und der It 
bat um fo mehr Gelegenheit Studien darüber zu machen, je 
ängftlicher der geringfte Hautausfchlag beachtet und Arztlider 
Rath dagegen eingeholt wird. Man fieht in jedem Haut 
leiden den Ausprud einer allgemeinen Krankheit, daher mar 
fih auch felten mit blos örtliden Mitteln begnügt. 














Hautausshläge und Hautentzündungen. 


Rötheln und Erythrema erjcheinen im Frühling nik 
jelten, find jedoch gewöhnli von kurzer Dauer und von ki 
ner bejondern Bedeutung. 

Rothlayf (bäde-surch oder bäde mebarek) Iomst 
bäufig jporadifh vor, wird aber auch zu Zeiten cpideid. 
Mehrere Epidemien diefer Art, die ich beobachtet Habe, wer: 
liefen gutartig, nur wenige Fälle endeten, wegen Entzündey 
der Hirnhaut, tödlih. infolge Übertriebener Anwenday 
von Blutegeln, Abführmitteln und Einreibungen mit arm 
ſchem Bolus feitens der einheimifhen Aerzte Titten vu 
Neconvalefcenten an langdauernder Blutleere. Auch ein— 
Fälle von wandernder Rofe (Eryſipel) ſah ih glüdlich w 
laufen. 

Die Blattern (äbeleh, dschudderi) tragen eine Ham 
ſchuld an der großen Sterblihleit der Kinder, mithin an 
Abnahme der Bevölkerung. Ferner werden neu 
mene Regimenter, ſowie die Neger: und Beludfchen 
hart davon mitgenommen. Wer je, wie ich einmal, 
war, daß von 20 während einer Blatternepidemie in Tepe 





297 


auf. In Rußland fand ih ihn nur vereinzelt in Trans— 
taufafien in der Stadt Gendſchè (Elifabetbpol), doch foll er 
auch in Baku vorkommen. 

Das Geſchwür firirt ih vornehmlid) um den Jochbogen, 
am äußern Augenwinfel, am untern Augenlid, an der Wange, 
an ber Bade, an der Naſenſpitze, feltener an der Nafen- 
wurzel, der Stirn, dem obern Augenlid, der Ohrmuſchel und 
den Lippen, niemals am Bart und dem behaarten Klopftheil. 
An den Ertremitäten erjcheint es bei Eingeborenen felten, 
häufig dagegen bei Fremden und Zugewanderten, und zwar, 
wie ich übereinjtimmend mit Brof. Riegler beobachtete, mehr 
an den untern als obern Ertremitäten. Die Schleimhäute 
werden nicht davon affieirt; ſo bleiben bei Bontons am 
Augenlid, im innern Augenwinfel und jelbit wo wegen An- 
ihwellung des Lides das Auge mehrere Wochen geſchloſſen 
war, die Thränendrüfen unverlegt. Ich ſah den Anoten 
zweimal am Halie, waanahuriineiie am Gange; einmal an 
der Kniejheibe, mehrmals auf dem Handrüden und Fuß- 
blatte, fein einziges mal aber im Handteller, auf der Fuß: 
johle, zwiſchen den Fingern oder Zehen, am Rüden und an 
den Genitalien. 

Zumeift werden Kinder vom erften bis zum fiebenten 
Lebensjahre davon ergriffen, einheimiſche Erwachſene jelten, 
weil dieſe entweder nicht dazu disponirt find oder die Krank: 
beit jhon in der Jugend durchgemacht haben. Da letzteres 
bei Fremden nicht der Fall ift, find fie in jedem Alter dem 
Uebel unterworfen, ebenjo in den verfchiebenften Friſten nad) 
wurde im zweiten Jahre feines Aufenthalts im Lande am 
Wadenbein, ich jelbft im fiebenten an ber innern Rniefläde, 
der Franzoſe Richard im funfzehnten, der Engländer Thomion 
im achtzehuten, von einer Reife nah Bagdad zurüdtehrend, 
ber Pole Sokolomfti erft im zwanzigften von ber Krankheit 














322 


fein, Sondern mir allein die Verantwortlichkeit für alle Fol: 
gen zufallen.” (Folgt das Siegel Abbas Ali's und das feiner 
Enkel und zweier Briefter.) — Was mir die Operation zuiveilen 
erichwerte, war der Mangel an Fundigen Aſſiſtenten; id 
batte oft nur Diener zur Seite, die beim Anblid von Blut 
in Ohnmacht fielen. Bei der Operation eines Knaben konnte 
ich feinen andern Affütenten finden ald einen Scharfrichter; 
doch auch er wurde im Verlauf der Operation obnmädhtig. 
Als ich ihm nachher feinen Kleinmuth vorwarf, erwiderte er: 
„IH Tann nur Blut jeben, wenn ich es jelbft vergieße, nicht 
aber wenn die That von andern vollbradyt wird.” Anderer: 
feit3 bat die mit einiger Geichidlichkeit ausgeführte Stein- 
operation in Perſien nicht viel mehr auf fih als in Europa 
die Deffnung eines Abjceffes, denn man kann faft mit mathe 
matiſcher Sicherheit die volljtändige Genefung auf den vierzehn: 
ten oder funfzehnten Tag vorausbeitimmen. Das Wunodfieber 
ift gering; bereit am zweiten oder dritten Tage ftellt ſich 
guter Appetit ein, und die Nachbehandlung reducirt fih auf 
Null. Oft Spielen die Kinder mit noch offener Wunde auf 
dem flahen Dache, ohne daß die Heilung dadurch meientlich 
beeinträchtigt oder verzögert würde. 

Harnruhr beochachtete ih nur dreimal, an zwei Män- 
nern und einer Frau; in dem einen Falle trat infolge reid)- 
lien Genuſſes von Granatäpfeljaft und jauerer Milch erft 
Stillitand, dann Beflerung ein. 

Blutharnen findet man, außer in Begleitung von 
Harnſteinen, bei vielen von Kerbelah bei Bagdad zurüd: 
tehrenden Wallfahrern. E3 dauert oft mit Unterbrechungen 
mehrere Monate, jelbit ein bis zwei Jahre, ohne jedoch große 
Beſchwerden zu verurfahen, und hört dann von felber auf: 
eine räthſelhafte Ericheinung, welche Larray auch bei franzö- 
ſiſchen Soldaten während der Erpedition nach Aegypten be- 
obachtet hat. 





326 


Lage des Landes und dem übermäßigen Genuß von Thee 
und Kaffee herrühren mag. Es raubt oft monatelang den 
Schlaf, erreicht einen ſolchen Grad, daß der Kranke mittels 
Fortpflanzung des Tons dur die Unterlage hindurch bie 
Schläge jeine® Herzens vernimmt, und verihiwindet dann 
wieder für längere Zeit ohne erkennbaren Grund. 

Krampfadern an den untern Ertremitäten, daher aud) 
chroniſche Fußgeſchwüre, finden fi in jehr geringem Maße; 
felbft während der Schwangerfchaft werden fie kaum ſchmerz⸗ 
baft oder im Geben binderlih. Sch hatte mich früher gerade 
mit diefer Krankheitsform viel beihäftigt und eine Abhand⸗ 
lung darüber gejchrieben; meine Erwartung, daß ſich mir in 
Perſien neues Material dazu bieten würde, blieb unerfüllt. 


Krankheiten des Rervenipftems fpielen Feine große 
Role im Berzeihniß der herrſchenden Törperlicden Leiden, 
denn der Perſer ift durchaus nicht nervöſer Eonftitution. 
Seine Erziehung, jein leidenſchaftsloſes QTemperament, Die 
Gleichgültigfeit, womit er der Zufunft entgegenlieht und nur 
der Gegenwart lebt, furz feine ganze Denk- und Anihauung?: 
weile bewahrten ihn vor Aufregungen, mie fie das Leben in 
unſern europäiſchen Verhältniffen mit fih bringt. Das rail: 
Iofe Streben des Europäers erfcheint ihm unbegreifli; er 
nennt ihn wegen feines lebhaften Temperament und Ge- 
berdenausdruds diwäneh oder sefih, was fi etwa mit: 
„et bat einen Sporn zu viel’ überjegen läßt. 

Kaum in irgendeinem andern Lande ift die Zahl der 

Geiſteskranken eine jo beſchränkte, in Teberan 3. B. be: 
trug fie nicht mehr ala 8 — 10. Es madt fih daher aud 
nicht das Bebürfniß von Srrenhäufern fühlbar. Blödfinn 
entfteht fait nur durch äußere Verlegungen, einen Stoß, 
Schlag, Fall auf den Kopf, bei Derwiſchen allerdings auch 
von ftarlem Haſchiſchgenuß. Manie und Tobfucht find ebenfo 





328 


ih in Verbindung mit langandauernden Wechielfiebern, be 
ſonders häufig fein. Daß Europäer in Perſien an Rheu⸗ 
matismus gelitten hätten, hörte ich nie, obgleich man infolge 
der mangelhaften Conjtruction von Fenftern und Thüren 
fortwährend der Zugluft ausgeſetzt ift. Gicht (naekres) fin- 
det fih mitunter bei Männern in den vermögenden Klaſſen. 
Eingemwurzelt ift fie in der regierenden Familie der Kadſcharen; 
der vorige König Mehmed Schah ift an der Gicht geftorben. 


Skrofel finden in Perlien, wo die Kinder. den größten 
Theil des Tages im Freien, auf dem Dache, im Hofe oder 
auf der Gaſſe ſich bewegen und auch die fenfterlofen Zimmer 
nicht von der äußern Luft abgeiperrt find, Teinen frucht⸗ 
baren Boden. In der That beſchränkt fih die Sfrofulofe 
(chänäsir) auf einzelne Halsdrüfen. Bei den eingeführten 
Negern dagegen trifft man fie unter den scheußlichiten For⸗ 
men; die wenigen, welche der Tuberkulofe entrinnen, geben 
an Skrofelſucht zu Grunde. 

Die engliihe Krankheit (Rhachitis) ift fo felten, daß 

die perliihe Sprache feinen Namen dafür hat. Nur eine 
Familie in Teheran war damit behaftet, und aus Un—⸗ 
fenntniß bielt man fie deshalb für ein geborene Zwergen⸗ 
geichlecht. 
Auh für den Kropf befikt die Sprade fein Wort; 
doch jah ich acht bis zehn Fälle von ſchwach ausgebildeten 
Cyſtenkröpfen. Von Eretinismus findet fi im ganzen Lande 
feine Spur, er jcheint ein Erbtheil der celtiihen Kaffe 
zu jein. | 

Der Sforbut ift in den höher gelegenen Theilen Ber: 
fiens unbekannt, wenigſtens begegnete mir fein einziger Fall 
ber eigentlichen Morbus maculosus Werlhofii, wie überhaupt 
deren Bewohner der Anlage zu Blutflüffen, mit Ausnahme 
der Hämorrhoiden, ermangeln. Am Kaspiihen Meer aber 





33) 


mann ans Add, der au ver äubern Flüde des rechten 
Zeigefingers ein Naurom ven der Größe eines Haufteru⸗ 
hatte und unfaglihe Schmerzen litt, heilte ich durch glũcllich 
vollrfährte Abnahme des ergriifenen Fingergliedes 


Das Wechſelfieber (febris intermittens, perĩ. tæbe lzrz', 
in vielen Gegenden nur endemixh, in andern zu geminen Zeiten 
auch epidemiſch auftreten, ift die in Berfien am bänfigitem vor: 
fommmende Krankheit und fowol für jich allein wie im jeimen 
zolgen und feinen Complicationen mit andern Uebeln Haupts 
factor der gefammten Sterblichkeit unter den Eingeborenen. 
Auch faft alle ins Land fommende Europäer erfranfen duram, 
gewöhnlich bald nad ihrer Ankunft, mandymal and erft nad) 
mebhrjährigem Aufenthalt. Im ihm Liegt die größte Schwie 
rigteit der Altlimatilation, und jeder, der Periien bereit, 
bat jih daher mit den Symptomen, dem Berlauf und der 
Behandlung diefer Krankheit vertraut zu machen, will er nicht 
muthwillig jein Leben in Gefahr geben. Sehr menige Ra- 
turen zeigen feine Dispotition dafür, doch auch von ihnen 
die Mehrzahl nur fcheinbar; fie erfranfen fpäter und dann 
um fo gefährlider. Meine nachſtehend mitgetheilten GErfab: 
rungen über die Krankheit habe ich zwar nur in Perfien ge: 
fammelt, ich glaube aber mit Grund annehmen zu dürfen, 
daß fie auch für andere Fieberländer maßgebend jind. 

Mit mie verfchiedenen Symptomen auch da3 Wedhiel: 
fieber fih äußern mag, der beitimmte Charakter der Krank: 
beit bleibt unter allen Verhältniſſen derjelbe; Beweis ift, daß 
die Formen in einander übergehen over fich folgen, und daß 
fie alle zur felben Jahreszeit auftreten und wieder verfchwin: 
den. Dan unterjcheivet jedoch drei Cardinalformen: 1). das 
einfache, 2) das continuirlidh remittirende, 3) das perniciöfe 
Fieber (Fibris maligna ). 





334 


geringe oder gar feine Milztumoren zurüdlaflen. Bei dem 
einen vergeben fie raſch, bei andern bleiben fie 10 — 20 
Sabre hindurch flationär. Manche damit Behaftete empfinden 
außer etwa ſchlechter Verdauung feine Beichiwerden; jede Er: 
fältung zieht aber jofort wieder einen Fieberanfall zu. Am 
Kaspiſchen Meer reagiren die Wechjelfieber mehr auf die Leber 
als auf die Milz, daber fie dort häufig Leberanſchwellungen 
zurüdlaffen. Gelbſucht, wenn fie im Beginn des Herbſt⸗ 
fiebers auftritt, weicht fchnell der Behandlung mit Chinin und 
ausleerenden Mitteln; ſehr bedenklich aber ift ihr Erjcheinen 
in einer vorgejchrittenen Krankheitsperiode, denn fie weit 
dann auf Degeneration der Leber hin. Dysenterie, Cholera 
während einer berrichenden Epidemie, am Kaspiſchen Meer 
Skorbut, verbinden jich gern mit den Mechlelfiebern. Unter 
die möglichen Folgen gehören ferner Schwähe des Seb> 
vermögens, Hemeralopie, Waſſerſucht, und bei jungen Leuten 
das Gelüft nach dem Berfchluden ſchädlicher, auffallende Blafe 
geräujhe im Herzen und den großen Gefäßen erzeugender 
Erden. Das Heimmeb äußert jih in Perſien gemöhnlich als 
continuirlich remittirendes Fieber. Gleichzeitig mit den Wechſel⸗ 
fieberepidemien im Herbit grafliren auch die Cholera ablacta- 
torum und die Keratitiven. Niemald aber berrichen gleich: 
zeitig mit dem Fieber Typhus oder andere entzündliche Krank: 
beiten; erjt wenn im Beginn des Winters der epibemifche 
Charakter des Wechtelfiebers aufhört, fangen Typhus und 
entzündlide Krankheiten überhaupt zu grafliren an, und 
ebenſo umgefebrt. 

Was die Urfachen der endemiſchen mie der epidemifchen 
Wechjelfieber betrifft, jo führen fie fih alle direct oder in- 
direct auf die klimatiſchen Verhältniffe des Landes zurüd. 
Häufiger Regen im Frühjahr begünftigt die Verbreitung ber 
meilt einfachen Frühlingsfieber, während im Gegentheil ein 
rechtzeitiger Regen im Herbſt mit einem Schlage die Epi- 





336 


Typhus Contin. remitt. Fieber 
graſſirt meiſt im Winter, graſſirt im Spätſommer und 


Herbſt, 
in den Städten und unter den in Sumpfgegenden und unter 
Ankömmlingen von der Hoch- von da in die Hochebene kom⸗ 


ebene, menden Perſonen, 
es zeigt ſich faſt immer eine fehlt, 
Roſeola, | 
Urin ohne Sediment, Urin mit ziegelrotbem Se 
diment, 
in den erften Tagen Fein partielle Schweiße, 
Schweiß, 
feine bemerkbare Remiſſion, auffallende Remiſſion, 
Chinin bleibt ohne weſentliche Chinin hemmt die Gewalt der 
Wirkung. Krankheit. 


Das perniciöſe Fieber zeigt keine typhöſen Symptome 
und unterjcheidet fich eigentlich nur durch gefteigerte Heftig⸗ 
teit und Gefährlichkeit von dem einfahen Fieber. Um es 
nit mit Schlafſucht, Schlagfluß, Scheintod oder Cholera zu 
verwechjeln, muß man erftens auf die Jahreszeit achten, da 
e3 ausfchließlih nur in der Zeit vom Monat Auguft bis 
Ende October vorkommt; zmeitend auf die Antecedentien: 
immer gehen ihm einige leichte Fieberanfälle vorher; drittens 
auf das plötzliche Schwinden aller beunrubigenden Symptome 
nach einem allgemeinen oder partielen Schweiß. Die richtige 
Diugnofe ift hier von entjcheidender Wichtigkeit, denn da der 
zweite Anfall bereit3 den Tod bringen kann, find dem Arzt 
nur wenige Stunden‘ für die Behandlung gegönnt. 

Sehr viel Analogie hat das Wechjelfieber mit dem fuppu- 
rativen und mit dem urämiſchen Fieber, und es ftebt zu er- 
warten, daß man mit der Zeit einen urſächlichen Zuſammen⸗ 
bang zwiſchen diefen Krankheiten oder irgendein gemeinfchaft: 














348 


Beit. Höchſt felten trat jecundäre Blutung oder der Brand 
ein, niemals Erysipelas. Und zwar findet diefer gutartige 
Berlauf nicht blos in der trodenen Luft der Hochebene, fon- 
dern auch in den feuchten Marſchländern am Kaspifchen 
Meere ftatt, ebenjo bei einer Tageshitze von 28° R. wie bei 
der Temperatur von 4° R. im Winter. Statt der Eharpie, 
die ich bort nicht haben Tonnte, verwandte ich ſtets rohe 
Baummolle, und ih fand, daß fie die Eharpie in jeber Be 
ziehung vollflommen erjeße, auch durchaus nicht, wie man bei 
ung allgemein annimmt, Erhigung der Wunden hervor: 
rufe oder befördere. Die Rarkotifirung mittel® Aether oder 
Chloroform wurde meilt gut vertragen und batte, fo oft ich 
fie angewandt, niemals üble Folgen. 





6) 


zweiter Reibe auf Rubr und Eholera; je einer eriolgie au 
Typhus, Schwindfucht und pernicidtem Yieber; Drei warden 
durch äußere Zutälle veraulaßt. Lieber acht Behutel Ttarben 
im Späfiommer und Frühherhii. Die meilien erlagen zu: 
weder ihren auf der Reiſe, oder Iurz nad) der Aufunit, ter 
im eriten unb zweiten Jahre ihres Aufenthalts, ſechs auf we 
kurzen Reife von Teheran nad) Tabris theil an remittiren- 
dem Fieber, theils an Cholera; mehrere holten cd) anf der 
Durchreiſe durch Biaueh (|. ThL I, E. 86 fg.) in dem 
dortigen den Fremden gefährlichen Klima ben Tob. 

Berhältnuikmäßig viel weniger erfranfen und erben von 
dem Geſandtichafts⸗ und Eontulatäperiomal, Das übrigens mebr 
als ein Drittheil fämmtlider Europäer in Perfien ausmacht 
Eie find meiſt ſchon an Reilefirapazen und häufigen Wechſel 
bes Aufenthalts gewöhnt; es fehlt ihnen nicht au ausreichen⸗ 
den Mitteln, um ſich unterwegs pafiende Unterkunft und guie 
Rahrung zu verſchaffen, umd bei ihrer Ankunft am Orte ber 
Beſtimmung finden fie ſogleich Landsleute vor, mit benen fie 
verfehren und ſich ausiprehen können. Der gewöhnliche 
Reilende hingegen, der Sprade und Landesfitie unkundig, 
bat mit allen Schwierigleiten und Entbehrungen der Reiſe 
zu kämpfen und trägt in der Regel ſchon bei der Ankunft 
den Keim des Fiebers in ſich. In der erften Zeit ganz itolirt, 
befällt ihn Schwermuth und Heimweh, das mit dem ſchlei⸗ 
chenden Fieber ſehr nahe verwandt ift und zu allen Kraul: 
beiten prädisponitt. 

Perſonen, welde aus dem Drient zugereift kamen, aus 
Konftantinopel, Smyrna u. f. w., ferner folde, die vorher 
längere Zeit in Algier zubradhten, find in geringerm Maße 
den Acclimatiſationskrankheiten unterworfen, weil faft alle 
ſchon dort die Dysenterie durchgemacht haben und jelbft für 
das Mechfelfieber, weil in jenen Gegenden bereit3 an die 
Malarialuft gewöhnt, weniger Empfänglicleit mitbringen. 

















‚358 


zu rüdhaltslofem Genuß fpirituöfer Getränke verleiten ; jo geben 
tüchtige Arbeitskräfte, wie ih nur zu oft zu beobachten Ge— 
legenbeit hatte, kurze Zeit nah der Ankunft in Periien zu 
Grunde. 

Bei Starker Hige bleibe man nah Landesſitte rubig im 
Schatten des Hauſes, unternehme namentlih feinen Ritt. 
Wird man unterwegs vom Durft genöthigt, aus einer Quelle 
zu trinfen, fo jege man rafh den Weg fort und juche fi 
im Schweiß zu erhalten. Dieſe Regel gilt für den Reiter 
wie für jein Pferd. An der Station angelangt, gehe man 
nicht jogleih zur Rube über, fondern made mit jeinem Pferde 
immer langjamer werdende Gänge, bis der Schweiß gehörig 
abgetrodnet ijt. Für eine längere Reife bereite man jich 
einige Tage durch Kleine Ausflüge vor, damit der Körper die 
Bewegung ertragen lerne, ohne fogleih in Schweiß auszu- 
brechen. Auch die Gefahren des Uebergangs aus einem Klima 
in ein weſentlich verſchiedenes ſchwäche man, wenn es irgend 
angeht, dur Verweilen an den Grenzorten ab. Reiſende, 
welche Dysenterie und Wechlelfieber früher einmal glüdlich 
überftanden haben, können jich in diefer Beziehung ſchon 
etwas mehr zutrauen. 

Alzu viel Neifegepäd beläftigt, doch nehme man aud 
nicht zu wenig mit, da unterwegs das Fehlende nicht ergänzt 
werden kann. Es ift gut, wenn der europäifhe Reiſende 
einige mediciniſche Kenntniſſe bejitt, ſodaß er jich felbit im 
Notbfall zu helfen und andern Hülfe zu leilten im Stande 
it. Jeder Europäer wird a priori für einen Arzt gehalten. 
Ebenjo find einige Begriffe von der Kochkunſt von großem 
Nutzen. 

In Anbetracht, daß der ungebildete Mann ſich viel 
ſchwerer acclimatiſirt, den nachtheiligen Einwirkungen der 
Fremde auf Temperament und Charakter nicht zu widerſtehen 
vermag und gewöhnlich bald dem Heimweh unterliegt, bringe 


360 


den Eingeborenen. Rur jo wirb man dad Heimweh über: 
alles Fremde mit Boreingenommenheit beiradhtet, wer fein 
Interefie an den Gegenitänden nimmt, wer nicht durch Stu⸗ 
dien den Geiſt zu beidhäftigen verfteht, der bleibe lieber zu 
Haufe oder Tehre bald in die Heimat zuräd, damit er in 
Frieden lange lebe! 








362 


türkifh=tatarifher und arabifcher Stämme manche Namen aus 
deren Sprachen entlehnt; jedoch verdrängten fie die iranilchen 
nirgends vollfommen, fondern combinirten fi bier und da 
mit iranischen Worten; fo ift in talchsu (Bitterwaffer) talch 
perſiſch, su tatariſch; oder iranische Namen erhielten eine tür- 
kiſche Endſilbe, 3. 8. in chudabendelu (Stamm der Gottes: 
bündler). In Azerbeidſchan jind türfiihe, in der Provinz 

Hrabiftan und am Perſiſchen Golf arabiihe Namen vormie: 

gend; armenifhe und chaldäiſche finden jich jelten, meijt zwi⸗ 

hen dem Urumieh- und Wanfee. | 

Eine Schwierigkeit, die Identität der Namen kleinerer 
Ortſchaften feitzuftellen, liegt in dem Umftande, daß häufig 
der neue Bejiger eines Dorfs ihm einen neuen Namen gibt, 
indem er dem Worte äbäad (Anfiedelung) feinen Berfonen: 
namen anhängt, und nun der früher verzeichnete Name mit 
der Zeit in Vergeſſenheit geräth. Außerdem jind ehemalige 

Anfiedelungen durch Berjiegen der Kanäle bis auf den Namen 

verſchwunden. 

Um die Namen richtig abzuleiten, muß man die gebräuch— 
lien Kürzungen berüdtichtigen, 3. B. sistan ftatt segistan 
(Stand der Sefen), Kandahar ftatt Iskandahar (Aleran- 
drien), pur ftatt puter, hauptjäcdhlich aber die Ummwandlungen, 
welche Conſonanten und Bocale nicht nur in der alten, ſon⸗ 
dern noch in der neueften Zeit erfuhren. Zu den bäufigiten 
Uebergängen der Conſonanten gehören: 

w in g und b; fo lauten 3. B. die deutſchen Worte: warm, 
Weide, Witwe, im Perſiſchen: germ, bid, biweh. Merwäb 
wurde in Murgäb ungemanbelt; 

g in dsche: Sengän in Sendschän, Burugird in Burud- 
schird; 

r in Il: Hirmend in Hilman, Dan in Irän; 

pin f: Pars in Fars, Ispahan in Isfahan, Dispul in 
Disful; 














366 


bum (Binnenland); 
sähil (Uferland); 
chiabän (Allee, Kunititraße). 
Nach der Begetation: 
serw (Cypreſſe): Sewistan; 
kunär (Aujuba): mehrere Orte im füdlichen Berfien; 
kahur (Accacia gummifera): Kahuristän; 
girdu (Nuß): Dehgirdu; 
bid: Dehbid; 
bagh (Garten): Bäghe Schäh; 
bagistan (Gartenland): abgekürzt Bustam; 
bischeh (Gebüfh): Pischawer (Buſchtragend); 
dschengel (Wald): Dschengel Masanderan; 
ney (Rohr): Neyschäpur. 
Nah der Temperatur: 
germesir, ketschläk türkiſch (Wärmeland); 
serhed, serdesir, jeylok türkiſch (Kaltland); 
germ (warm): Germerud, Abe germ; 
serd.(falt): Serderud (Kaltbady); 
tab (fieden): Tabris, Tiflis, Tabarieh = Teplice. 
Nach der Farbe: 
sefid, ak türfiih (weiß): Sefidkuh (Weißberg), Sefidrud, 
Sefidkaleh, Akkaleh; 
siäh (ſchwarz, jchaurig), kara türfifh: Siähderreh 
(Schwarzthal), Karadengis (dag Schwarze Meer): 
surch (roth), gizil türkiſch: Surchhissar, Gizil-uzun; 
zerd (gelb): Rudezerd; 
kabud (blau): Kabudkäleh; 
firuz (bimmelblau): Firuzabad, Firuzkuh. 
Nah dem Geihmad: 
schur (ſalzig): Schuräb; 
schureh (falpetrig); 
schirin (füß): Kas’r -schirin; 

















368 


(Goldfandfluß bei Hamdan), Altunsu bei Sulimanieh 
in Kurdiften, Zerafschän (goldftreuend) bei Ehod 
ſchend; | | 

sim, gumisch (Silber): Gumischchäneh; 

fuläd (Eifen, Stahl): Fulädkub; Ä 

gir (Erdpeh): Bendegir, Rud girgur (wo Alexander 
Naphthaquellen vorfand). 

» Nah Königen und Fürften: 

schäh: Unzählige Zufammenfegungen mit diefem Wort, 

‚welches oft schir lautet, Schährud, Kumischeh, Kir- 
- manschah, Nischapur, Schäpur, Schirwän, Nurman- 

schir, Schehmirän, Ardeschir; 

Däräb (Darius): Darabgird; 

kosru: Kosrowa (chaldäiſches Dorf). 

Nach der Richtung: 

bala (oben): Balarud; 

zir (unten): Zir tacht kanar; 

puscht (hinter): Puschtekuh (Hinterland); 

pas (nad): Passetir (Nebenfluß des Tigris), Paskaleh; 

miäneh (Mitte): Stadt gleiches Namens, Miäntschu; 

su (Richtung): Tschehär su (Bierweg); 

kenär (neben): Kenaragird. 

ach der Größe: 

buzurg (groß) und kutschik (klein): Läre buzurg, 
Läre kutschik (Groß: und Klein-Laar). Das Dimt 
nutiv wird auch häufig Dur Anhängung von ek aus: 
gedrüdt: Käschänek, Isfahanek, Ruschanek , Scheri- 
stanek (Klein-Kaſchan u. ſ. w.). 


B. Zuſammenſehungen mit Vor- und Hachfilben. 
abäd (Colonie, Anjiedelung, entfprechend dem deutichen Bo⸗ 

den, engliih abode, lateiniſch habitare): die meiften 

Dorfnamen, wie Jussufabad, Schädschehän - äbäd; 








Y tal: w "Ti 
J F—